Die Geschichte der Begrenzung von Vertragsstrafen: Eine Untersuchung zur Vorgeschichte und Wirkungsgeschichte der Regel des § 343 BGB [1 ed.] 9783428476848, 9783428076840

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Die Geschichte der Begrenzung von Vertragsstrafen: Eine Untersuchung zur Vorgeschichte und Wirkungsgeschichte der Regel des § 343 BGB [1 ed.]
 9783428476848, 9783428076840

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RALF-PETER SOSSNÄ

Die Geschichte der Begrenzung von Vertragsstrafen

Schriften zur Europäischen Rechts- und Verfassungsgeschichte Herausgegeben von Prof. Dr. Reiner Schulze, Trier, Prof. Dr. Elmar Wadle, Saarbrücken, Prof. Dr. Reinhard Zimmermann, Regensburg

Band 9

Die Geschichte der Begrenzung von Vertragsstrafen Eine Untersuchung zur Vorgeschichte und Wirkungsgeschichte der Regel des § 343 BGB

Von

Ralf-Peter Sossna

Duncker & Humblot * Berlin

Die Deutsche Bibliothek - CIP-Einheitsaufhahme

Sossna, Ralf-Peter: Die Geschichte der Begrenzung von Vertragsstrafen : eine Untersuchung zur Vorgeschichte und Wirkungsgeschichte der Regel des § 343 BGB / von Ralf-Peter Sossna. — Berlin : Duncker und Humblot, 1993 (Schriften zur europäischen Rechts- und Verfassungsgeschichte ; Bd. 9) Zugl.: Köln, Univ., Diss., 1991 ISBN 3-428-07684-2 NE: GT

Alle Rechte vorbehalten © 1993 Duncker & Humblot GmbH, Berlin 41 Fotoprint: Werner Hildebrand, Berlin 65 Printed in Germany ISSN 0937-3365 ISBN 3-428-07684-2

Meinen Eltern

Vorwort Diese Untersuchung entstand während meiner Tätigkeit als wissenschaftlicher Mitarbeiter am Institut für Neuere Privatrechtsgeschichte der Universität zu Köln und hat der Juristischen Fakultät im Jahre 1991 als Dissertation vorgelegen. Mein Dank gilt all denen, die das Zustandekommen der Arbeit gefördert haben. Besonders herzlich danke ich Herrn Prof. Dr. Klaus Luig für die Überlassung des Themas und seine umfassende persönliche Betreuung sämtlicher Arbeitsschritte. Weiterhin danke ich Herrn Tilman Repgen. Den Gesprächen mit ihm verdanke ich speziell in Übersetzungsfragen zahllose Ideen.

Köln, im Oktober 1992 Ralf-Peter Sossna

Inhaltsverzeichnis

Einleitung

1

Kapitel 1 Die Vertragsstrafe und ihre Begrenzung im antiken römischen Recht I. II.

Die Behandlung der Vertragsstrafe im Corpus iuris Justinians

6

Die Regeln des Corpus iuris hinsichtlich der Vertragsstrafe im Überblick

7

1. Funktion der Vertragsstrafe

7

a) Ersatzfunktion b) Erzwingungsfunktion 2. Arten der Vertragsstrafe a) Echte Vertragsstrafen b) Unechte Vertragsstrafe

III.

7 8 8 9 9

3. Verfallsvoraussetzungen

10

4. Passive Vererblichkeit und Nachforderungsrecht

10

5. Ermäßigungsrecht

10

6. Anwendungsbereich

11

Die Vorschriften des Corpus iuris hinsichtlich der zulässigen Höhe von Vertragsstrafen

11

1. 2. 3. 4.

11 12 14 15 16

Die Vertragsstrafe und das Vierfache Vertragsstrafe und Vertragsfreiheit Vertragsstrafe und Zinsmaß Beschränkungen der Vertragsstrafe in nachklassischer Zeit? a) Die allgemeine Bedeutung der Vorschrift

b) Anwendbarkeit auf Vertragsstrafen 5. Ergebnis 6. Die unmittelbare Folgezeit nach Erlaß des Corpus iuris im Jahre 533/534 n. Chr

18 20 21

a) Fortgeltung im oströmischen Reich

21

b) Fortgeltung in der westlichen Reichshälfte

21

VIII

Inhaltsverzeichnis

Kapitel 2 Das 12. Jahrhundert und die Glossatoren I. II.

HI.

Einführung in die Epoche

26

Die Begrenzung der Vertragsstrafe bei den Glossatoren

27

1. 2. 3. 4. 5.

27 28 32 34 36

Summa Trecensis Placentinus Azo (ca. 1150-1235) Odofredus des Denariis (gestorben 1265) Accursius (ca. 1183 bis 1263)

Zusammenfassung

37

1. Inhalt

37

2. Methode

39

3. Grundeinstellungen der Zeit

41

Kapitel 3 Das 13. bis 15. Jahrhundert und die Kommentatoren I. II.

Einführung in die Epoche

44

Die Begrenzung der Vertragsstrafe bei den Kommentatoren

44

1. Die reine Wiedergabe der Glosse a) Jacobus de Ravanis (Jacques de R6vigny) b) Baldus de Ubaldis c) Angelus de Ubaldis und Alexander Tartagnus de Imola 2. Die Vertreter der freien Strafhöhe a) Petrus de Bellapertica (Pierre de Belleperche)

45 45 46 47 49 49

b) Cinus da Pistoia 3. Neue Lösungsversuche

III.

50 51

a) Bartolus ä Saxoferrato und der Einfluß des kanonischen Rechts

51

b) IasondeMayno

57

Zusammenfassung

58

1. Inhalt

58

2. Methode

60

3. Grundeinstellungen der Zeit

62

Inhaltsverzeichnis

Kapitel 4 Das 16. Jahrhundert und die humanistische Reformbewegung in der Jurisprudenz I. II.

Einführung in die Epoche

64

Die Begrenzung der Vertragsstrafe im 16. Jahrhundert

65

1. Die Lehre von der freien Strafhöhe

65

a) Jacques Cujaz (Jacobus Cuacius)

65

b) Ioannis Schneidewin

68

c) Dionysos Gothofredus und Joachim Mynsinger von Frundeck 2. Die vermittelnden Lehren und Ulrich Zasius 3. Die neuen Begrenzungslehren a) Andreas Alciat und die strenge Bindung der Vertragsstrafe an den entstandenen Schaden aa) Exkurs ins kanonische Recht - Hostiensis, Leotardus, Molina und Ioan de Lugp bb) Alciats Stellung zum kanonischen Recht b) Hugo Donellus und die Bindung der Vertragsstrafen an den "potentiellen" Schaden

70 72 74 74 76 82 84

c) Charles Dumoulin und Franz Hotmann - die Begrenzung nach den Regeln von C.7.47.1 87

III.

aa) Dumoulin

87

bb) Hotmann

91

d) Andreas Fachinaeus, Petrus Rebuffus und das "freie" richterliche Ermäßigungsrecht

93

e) "Mischformen" - Menochius

95

f)

95

Ergebnis

Zusammenfassung

96

1. Inhalt 2. Methode 3. Grundvorstellungen der Zeit

96 97 99

Kapitel 5 Das 17. und 18. Jahrhundert Niederländische elegante Jurisprudenz und Usus modernus Pandektarum I.

Die holländische Schule der eleganten Jurisprudenz

101

Inhaltsverzeichnis

1. Die Lehre von der freien Strafhöhe

102

a) Arnoldus Vinnius

102

b) Gerard Noodt

103

2. Die Begrenzung durch dasfreie richterliche Ermessen a) Simon Groenewegen van der Made

104 104

b) Antonius Perez

104

c) Johannis Voet

106

3. Die strenge Begrenzung nach den Regeln von C.7.47.1 - Cornelius Bynkershoek

II.

107

4. Zusammenfassung

110

Deutschland und der Usus modernus Pandectarum

110

1. Begrenzungslehren

112

a) Johann Brunnemann

112

b) Lyncker

113

2. Die Lehre von der freien Strafhöhe

III.

IV.

114

a) Wolfgang Adam Lauterbach

114

b) Struve, Stryk, Hellfeld und Wernher

117

c) Christian Friedrich Glück

118

3. Zusammenfassung

120

Die französische Rechtsentwicklung

121

1. Gabriel Vallius

121

2. JeanDomat 3. Robert-Joseph Pothier

122 123

Zusammenfassung

126

1. Inhalt 2. Methode 3. Grundeinstellungen der Zeit

126 127 128

Kapitel 6 Die Naturrechtsschule des 17. und 18. Jahrhunderls

135

Kapitel 7 Die Naturrechtskodifikationen des 18. und 19. Jahrhunderts I.

Einführung in die Epoche

138

Inhaltsverzeichnis

II.

III.

Die Begrenzung der Vertragsstrafe in den Naturrechtskodifikationen

138

1. Codex Maximilianeus Bavaricus civilis

139

2. Das Preußische Allgemeine Landrecht (ALR) 3. Code civil

140 144

4. Das österreichische ABGB

147

Zusammenfassung

150

Kapitel 8 Das 19. Jahrhundert und und die Historische Rechtsschule I.

Einführung in die Epoche

152

Die Begrenzung von Vertragsstrafen in der deutschen Pandektistik

153

III.

Rechtsprechung

156

IV.

Die Rechtsprechung des Reichsgerichts

157

Einfluß auf die Gesetzgebung

158

Würdigung

159

II.

V. VI.

Kapitel 9 Das Bürgerliche Gesetzbuch und die Arbeit der Kommissionen I.

Erste Kommission

165

1. Vorentwurf

166

2. Erster Entwurf 3. Die Diskussion auf dem 20. Deutschen Juristentag

166 167

Zweite Kommission

170

III.

Der weitere Gang der Gesetzgebung

171

IV.

Zusammenfassung

173

II.

Inhaltsverzeichnis

II

Kapitel 10 Das Verständnis des § 343 BGB seit seinem Inkrafttreten im Jahre 1900 I. II. III.

Zeitpunkt

175

Das Verhältnis zum entstandenen Schaden

175

Vertragsstrafe und AGB

177

Schlußbetrachtung I.

II. III.

Inhalt

180

1. Zinsmaß

180

2. Die Begrenzung von Vertragsstrafen im allgemeinen

180

3. Entwicklungslinien

182

4. Das geltende Recht im europäischen Vergleich

185

Methode

187

Grundeinstellungen der Zeit

188

Quellen und Literatur

191

Einleitung § 343 BGB enthält hinsichtlich des zulässigen Umfangs von Vertragsstrafen folgende Bestimmung: (1) Ist eine verwirkte Strafe unverhältnismäßig hoch, so kann sie auf Antrag des Schuldners durch Urteil auf den angemessenen Betrag herabgesetzt werden. Bei der Beurteilung der Angemessenheit ist jedes berechtigte Interesse des Gläubigeis, nicht bloß das Vermögensinteresse, in Betracht zu ziehen. Nach der Entrichtung der Strafe ist die Herabsetzung ausgeschlossen. (2) Das gleiche gilt auch außer den Fällen der §§ 339, 342, wenn jemand eine Strafe für den Fall verspricht, daß er eine Handlung vornimmt oder unterläßt

Die Norm gestattet alsorichterliche Eingriffe in die von den Parteien getroffene Vereinbarung und stellt folglich eine Ausnahme vom Grundsatz der Vertragsfreiheit dar. Die Vertragsfreiheit tritt zurück, um die gestörte materielle Vertragsgerechtigkeit wieder herzustellen. Solche Durchbrechungen der Vertragsfreiheit im Dienste der ausgleichenden Gerechtigkeit sind im geltenden Recht vergleichsweise seltene Ausnahmefälle. Das Zivilrecht geht von dem Grundsatz aus, daß der Vertrag seiner Idee nach bereits die Selbstbestimmung beider Parteien verwirklicht. Beide Seiten müssen der Vereinbarung zustimmen und werden das in der Regel nur dann tun, wenn ihre Interessen hinreichend gewahrt sind. Daher liegt im Prinzip der Vertragsfreiheit der Gedanke des Interessenausgleichs begründet, nach dem jede Seite ihren Vorteil findet und niemand unverhältnismäßig benachteiligt wird. Häufig findet sich dafür die Bezeichnung "Richtigkeitsgewähr" 1 . Daß durch einen Vertrag ein einigermaßen gerechter Interessenausgleich herbeigeführt wird, kann allerdings nur erwartet werden, wenn keine Seite der anderen aufgrund wirtschaftlicher Übermacht oder infolge einer Notlage ihre Bedingungen diktieren kann. Das BGB trägt diesem Umstand Rechnung, indem es die Vertragsfreiheit durch zwingende Normen und durch die Generalklausel des § 138 BGB einschränkt2.

1 Lorenz, Schuldrecht I, § 61, S. 78; Flume, Rechtsgeschäft, S. 7 f.; Luig, Vertragsfreiheit und Äquivalenzprinzip im gemeinen Recht und im BGB, Festgabe für Coing (1982), S. 171. 2

Lorenz, Schuldrecht I, § 61, S. 78.

2

Einleitung

Auch wenn zwischen den Vertragspartnern kein meßbares Ungleichgewicht besteht, wird aber nicht immer ein als gerecht empfundener Ausgleich erzielt werden. Eine Partei kann stets ihr Interesse falsch einschätzen, die Situation verkennen oder auch einfach unaufmerksam sein. Dies nimmt das Zivilrecht um der Selbstbestimmung des mündigen Bürgers willen hin3. In der Regel wird eine vertragliche Vereinbarung daher keiner Äquivalenzprüfung unterzogen. §343 I 1 BGB durchbricht diese Regel. Es gibt allerdings auch andere Rechtsgebiete, in denen der Grundsatz der Vertragsfreiheit mehr oder weniger weitreichend eingeschränkt ist. Folgende Beispiele sollen verdeutlichen, in welchen Rahmen das richterliche Ermäßigungsrecht für Vertragsstrafen eingeordnet werden muß. Zu nennen ist insbesondere das Mietrecht. Im Bereich der Wohnraummiete stellt das Zivilrecht eine Reihe von Vorschriften zur Verfügung, die der Sicherung der ausgleichenden Vertragsgerechtigkeit dienen. Neben den Kündigungsschutzvorschriften der §§ 556 a, 564 b BGB sind insbesondere die §§ 1,2 MHG zu nennen, die eine Kündigung zum Zwecke der Mieterhöhung verbieten und die Mieterhöhung an den Rahmen der örtlichen Vergleichsmiete binden. Dadurch wird ein bestehendes Mietverhältnis vor ungewöhnlich großen Verschiebungen des Preis-Leistungsverhältnisses geschützt. Ein noch viel weitreichenderer Einfluß auf die inhaltliche Ausgestaltung des Mietvertrages ergibt sich aus dem sog. öffentlichen Wohnungsrecht. So ordnet § 1 in WoBindG eine echte Preisbindung für Wohnungen an, die mit öffentlichen Mitteln gefördert wurden. Vergleichbare Regelungenfinden sich in §§ 87 a, 88 a bis d des 2.WoBauG. Nicht zu vergessen ist schließlich § 5 WiStG, der die Forderung unangemessen hoher Entgelte für die Vermietung von Wohnräumen verbietet und über § 134 BGB zur Nichtigkeit der entsprechenden Verträge führt 4. Eine gewisse Form der Inhaltskontrolle findet auch im Versicherungsrecht statt. So kann nach § 41 a W G eine Prämie herabgesetzt werden, wenn die Umstände, die eine erhöhte Gefahr begründet haben, zwischen Antragsstellung und Annahme wegfallen. Auch hier geht es um eine Korrektur für nachträglich eingetretene Verschiebungen im Äquivalenzverhältnis. Daneben gibt es gerade im Versicherungsrecht eine Fülle staatlicher Einwirkungsmöglichkeiten im Rahmen der Erteilung von Geschäftserlaubnissen (§§ 5 ff. VAG) und der laufenden Aufsicht (§§ 81 ff. VAG). Häufig anzutreffen sind beispielsweise Konstellationen, 3

Lorenz, Schuldrecht I, § 61, S. 79.

4

U. Hübner, "Der geiechte Preis", Festschrift für Ernst Steindorff, S. 589/595.

Einleitung

in denen die Tarife der Versicherungsunternehmen staatlicher Genehmigung unterliegen (§ 8 PflVG) 5. Im Kaufrecht finden sich ebenfalls Schutzvorschriften zur Vermeidung schleichender Preiserhöhungen nach Vertragsschluß. § 11 I Nr. 1 AGBG verbietet Preiserhöhungsklauseln in AGB bei kurzfristig abzuwickelnden Verträgen. In Zusammenhang damit steht auch die Regelung des Art. 1 § 1 I und V der VO zur Regelung der Preisangaben6. Danach ist der Verkäufer dazu verpflichtet, seine Waren stets mit Endpreisen auszuzeichnen. Im Ergebnis bleibt der Schutz jedoch auf die Einhaltung einer gewissen Preistransparenz beschränkt, ohne in die materielle Vertragsgestaltung einzugreifen. Wesentlich intensiver ist die Kontrolle demgegenüber im Arbeitsrecht. Hier ist das Preis-Leistungsverhältnis in aller Regel bereits durch die Lohnregelungen der Tarifverträge bestimmt. Sollte ausnahmsweise einmal kein Tarifvertrag eingreifen, so gilt jedenfalls als Auffangnorm § 1 II des Gesetzes über die Festlegung von Mindestarbeitsbedingungen. Danach können Entgeltregelungen im Verordnungswege festgelegt werden. Bei einzelnen, durch ungerechte Lohnvereinbarungen besonders gefährdeten Gruppen von Arbeitnehmern findet eine direkte staatliche Überwachung des Arbeitslohnes statt. Eine solche Regelung findet sich beispielsweise in § 23 HeimarbeiterG. Nicht zuletzt wird das vertragliche Äquivalenzverhältnis durch zwingende Schutzvorschriften beeinflußt, etwa durch § 1 BUrlaubsG oder § 3 AZO. Auch hier ist also eine Überlagerung durch Schutzvorschriften des öffenlichen Rechts zu verzeichnen. Hinzuweisen ist ferner auf § 91 Nr. 3 GrdstVG, wonach die Genehmigung zu einer Grundstücksveräußerung verweigert werden kann, wenn ein grobes Mißverhältnis zwischen Leistung und Gegenleistung besteht. Eine gewisse Inhaltskontrolle besteht auch im Bereich des Güterkraftverkehrs. Nach §§ 20ff. GüKG sind die Tarife genehmigungsbedürftig. Wenn man die genannten Beispiele wertet, so gelangt man zu folgender Einsicht: Das Zivilrecht ist gegenüber direkten Eingriffen in das Äquivalenzverhältnis zurückhaltend. Eine gewisse Kontrolle ergibt sich meist nur aus § 138 BGB. In einigen wenigen Fällenfindet zumindest ein Schutz gegen nachträgliche Veränderungen zu Lasten einer Vertragspartei statt (§ 2 MHG). Ganz we5 Vgl. dazu im einzelnen: U. Hübner, "Der gerechte Preis", S. 589/603 ff. mit zahlreichen weiteren Beispielen. 6

BGBl. 19851, S. 580 ff.

Einleitung

4

sentlich ist die Überlagerung einiger Rechtsgebiete durch das öffentliche Recht. Das gilt insbesondere für das Miet- und Arbeitsrecht, also für Bereiche, in denen die Vorstellung der Verfasser des BGB von den gleichberechtigt einander gegenüberstehenden Vertragspartnern in der Realität kaum jemals zutrifft. Hier wird das Preis-Leistungsverhältnis teilweise geradezu vorgeschrieben (§ 1 III WoBindG). Obwohl das geltende Zivilrecht die prinzipielle Geltung der Vertragsfreiheit nicht in Frage stellt und die genannten Beispiele staatlicher Eingriffe dadurch den Charakter von Ausnahmen besitzen, stehen derartige Regulierungsmaßnahmen gleichwohl im Trend einer langfristigen Entwicklung. Wie Wieacker7 zutreffend dargelegt hat, hat sich insbesondere die Rechtsprechung in den letzten 50 Jahren zunehmend von der formalen Freiheitsethik des 19. Jahrhunderts entfernt und Elemente einer "materialen Ethik sozialer Verantwortung" betont, wobei die Frage nach der inhaltlichen Angemessenheit von Verträgen nur ein Bereich von mehreren darstellt, in dem sich diese Entwicklung besonders deutlich absehen läßt. Daß die staatliche Regulierung von Verträgen, insbesondere von Preisvereinbarungen, bei aller Zurückhaltung im Grundsätzlichen längst keine vereinzelte Ausnahme mehr darstellt, wird deutlich, wenn man bedenkt, daß inzwischen angeblich bereits etwa 40% aller Preise aus der Sicht der Endverbraucher staatlich beeinflußt sein sollen8. Sieht man § 343 11 BGB vor diesem Hintergrund, so fällt zweierlei auf. Zum einen bietet die Norm dem Richter sehr weitreichende Eingriffsmöglichkeiten. Er muß bei Vorliegen eines entsprechenden Antrags die ganze ursprüngliche Vereinbarung auf ihre Verhältnismäßigkeit untersuchen und ist nicht lediglich auf eine Veränderungskontrolle beschränkt. Zum anderen findet sich die Norm nicht in öffentlich rechtlichenoder zivilrechtlichen Ergänzungsvorschriften neueren Datums, sondern im BGB selbst. Sie gehört zu dem Grundbestand an Normen, der bereits im Jahre 1900 in Geltung gesetzt wurde. Damit stellt § 343 11 BGB ähnlich wie der inzwischen allerdings durch § 609a BGB ersetzte § 247 BGB neben § 138 BGB ein bemerkenswert seltenes Instrument zur Sicherung und Wiederherstellung der materiellen Vertragsgerechtigkeit im BGB dar. Aufgabe dieser Arbeit ist es, die historische Entwicklung aufzuzeigen, an deren Ende § 343 1 1 BGB steht. Ausgangspunkt der Überlegungen ist das römische Recht in der Form, die es im Corpus iuris Justinians gefunden hat. Ausgangsfrage ist, ob bereits das römische Recht eine Begrenzung der Vertragsstrafe kannte. Zu diesem Zweck sollen in Kapitel 1 alle Texte des justinianiWieacker,

Industriegesellschaft und Privatrechtsordnung, S. 23 bis 26.

Herbert Baum, Staatlich administrierte Preise als Mittel der Wirtschaftspolitik, S. 35.

Einleitung

sehen Gesetzeswerkes vorgestellt werden, die in den folgenden Jahrhunderten in unserer Frage für relevant erachtet wurden. Anschließend soll untersucht werden, wie diese Texte des Corpus iuris, die als "sedes materiae" betrachtet wurden, in der Zeit der Herrschaft des "ius commune" vom 12. bis zum 19. Jahrhundert interpretiert und verstanden wurden. Dabei soll der Frage nachgegangen werden, inwieweit ein Zusammenhang besteht zwischen einer eventuellen Begrenzung der Vertragsstrafe und der jeweils herrschenden Grundeinstellung der Zeit gegenüber wirtschaftlicher Liberalität einerseits und materieller Einzelfallgerechtigkeit andererseits. Ferner soll untersucht werden, auf welche Weise das jeweilige Ergebnis argumentativ erreicht wurde, und inwiefern sich darin die Charakteristika der Epochen der neueren Privatrechtsgeschichte zeigen.

2 Sossna

Kapitel 1

Die Vertragsstrafe und ihre Begrenzung im antiken römischen Recht I. Die Behandlung der Vertragsstrafe im Corpus iuris Justinians Das Corpus iuris des oströmischen Kaisers Justinian I. aus den Jahren 533/534 n. Chr. behandelt die Vertragsstrafe nicht als abgeschlossenes Rechtsinstitut im Rahmen einer einheitlichen Regelung. Statt dessen wird sie an verschiedenen Stellen der Gesetzessammlung genannt, so daß die einzelnen Aussagen zur Vertragsstrafe über das gesamte Corpus iuris verstreut sind1. Der Hauptteil der Einzelregeln befindet sich in den Digesten. Dort wiederum bildet das 45. Buch, in welchem die Stipulation behandelt wird, einen Schwerpunkt. In den Texten des Corpus iuris wird die Vertragsstrafe in der Regel einfach nur als "poena" bezeichnet2. Ob es sich bei dieser "poena" um eine vertraglich vereinbarte oder eine vom Richter verhängte Strafe handelt, kann nur aus dem Kontext geschlossen werden. Erst seit dem 12. Jahrhundert finden sich genauere Bezeichnungen, wie z.B. "stipulatio poenae" (Strafversprechen) oder "poena conventionalis" (Konventionalstrafe)3. Die im Corpus iuris zusammengestellten Fragmente juristischer Schriften, welche sich mit der Vertragsstrafe beschäftigen, entstammen verschiedenen Zeitstufen, größtenteils aber der klassischen Zeit der drei ersten nachchristlichen Jahrhunderte4. Der Umstand, daß die klassischen Autoren ihrerseits auf ältere Juristenschriften verweisen konnten, zeigt, daß sich zu Beginn der Kaiseizeit

1

Knütel, Stipulatio poenae, S. 34.

2

Knütel , Stipulatio poenae, S. 25.

3

So wird die Vertragsstrafe beispielsweise in der Glosse des Accursius bezeichnet: Glosse "proferuntur" zu C.7.47.1. 4

Vgl. zur Geschichte Knütel, Stipulatio poenae, S. 57 ff.

II. Die Regeln des Corpus iuris hinsichtlich der Vertragsstrafe im Überblick

7

schon die wichtigsten Grundsätze dieses Rechtsinstituts herauskristallisiert hatten5.

I I . Die Regeln des Corpus iuris hinsichtlich der Vertragsstrafe im Überblick Bevor man sich der Frage zuwenden kann, ob die Vertragsstrafe nach antikem römischem Recht einer Begrenzung unterlag, ist es erforderlich, sich zunächst einen groben Überblick über die Struktur und die Regeln zu verschaffen, welche das Corpus iuris hinsichtlich der Vertragsstrafe formuliert. 1. Funktion der Vertragsstrafe Aus den vielen Beispielsfällen, welche das Corpus iuris nennt, lassen sich im wesentlichen zwei Hauptfunktionen der Vertragsstrafe ableiten: a) Ersatzfunktion Die Parteien konnten eine Vertragsstrafe vereinbaren, um den Ersatz des materiellen oder immateriellen Schadens sicherzustellen, der durch eine Vertragsverletzung entstehen konnte. Das hatte insbesondere den Vorteil, daß dem Gläubiger der Beweis eines tatsächlich entstandenen Schadens, den er unter Umständen nur schwer führen konnte, erspart blieb. Wichtige Fragmente, aus denen sich die Ersatzfunktion folgern läßt, sind 1.3.15.7 (de verborum obligatione)6 und D.46.5.11 (de stipulationibus praetoriis). In der Institutionenstelle wird ausdrücklich darauf hingewiesen, daß die Vereinbarung einer Vertragsstrafe den Schadensbeweis überflüssig macht: et in huiusmodi stipulationibus optimum erit poenam subicere, ne quantitas stipulationis in incerto sit ac necesse sit actori probare, quid eius intersit

5

Visky, Spuren der Wirtschaftskrise der Kaiserzeit in den römischen Rechtsquellen, S. 72.

6 Die Fragmente des Corpus iuris Justinians werden bei ihrer ersten Vorstellung unter Angabe ihrer Anfangsworte zitiert. Dies soll dem Leser die Orientierung in der mittelalterlichen Literatur erleichtern, die ausschließlich diese Eingangsworte angab. Demgegenüber kann auf die Nennung des römischen Juristen, aus dessen Werk das Fragment stammt, verzichtet werden. Nicht die Herkunft des Fragments sondern seine Aufnahme in die Gesetzessammlung hat es zur "lex" gemacht.

Kapitel 1: Römisches Recht

8

Und bei solchen Stipulationen ist es das Beste, eine Vertragsstrafe hinzuzufügen, damit der Geldwert der Stipulation nicht im Ungewissen bleibt und der Kläger nicht gezwungen ist nachzuweisen, auf wieviel sich sein Interesse beläuft ^

Ferner eröffnete die Vertragsstrafe die Möglichkeit, Ersatz auch solcher, insbesondere immaterieller, Schäden zu verlangen, die nach allgemeinen zivilrechtlichen Grundsätzen nicht ersatzfähig waren8. b) Erzwingungsfunktion Die Vertragsstrafe konnte aber auch die Aufgabe haben, den Schuldner zur korrekten Vertragserfüllung anzuhalten und diente in diesem Fall als Druckmittel9. Hinweise auf eine derartige Verwendung finden sich in D.35.1.71.1 (de condicionibus et demonstrationibus) und D.45.1.134 pr. (de veiborum obligationibus). In beiden Texten wird die Vertragsstrafe einem Heiratsvertrag zwischen den Brauteltern angeschlossen und soll verhindern, daß die Eheschließung behindert wird. 2. Arten der Vertragsstrafe Vertragsstrafen wurden also gewöhnlich einer Hauptverbindlichkeit hinzugefügt (adicere), um deren Erfüllung zu erzwingen oder doch wenigstens die Höhe des Schadensersatzes festzulegen. In rechtstechnischer Hinsicht geschah dies in der Regel durch eine "stipulatio"10, also durch ein mündliches formgebundenes Leistungsversprechen11. Ausnahmsweise konnte eine Strafe bei einem Konsensualkontrakt auch durch eine Nebenabrede vereinbart werden (pactum adiectum)12. Im Hinblick auf das Verhältnis zwischen Strafversprechen und Hauptverbindlichkeit unterscheidet man "echte" und "unechte" Vertragsstrafen.

^ Text und Übersetzung aus: Corpus Iuris Civilis, Text und Übersetzung I, Institutionen. Gemeinschaftlich übersetzt von Okko Behrends, Rolf Knütel, Berthold Kupisch, Hans Hermann Seiler , S. 226. 8

Knütel, Stipulatio poenae, S. 17.

9

Knütel, } Stipulatio poenae, S. 17, 51: schichte, I I / l . S. 720 f.

n

Beugefunktion n; Kariowa , Römische Rechtsge-

1 0

KunkelfHonseü , § 94, S. 239; Knütel, Stipulatio poenae, S. 26; Fuhrmann, Paulys Realencyclopädie der classischen Altertumswissenschaft, I X , S. 851; Käser, Römisches Privatrecht I, § 120, S. 519. 1 1

Kunkel/Honseü,

1 2

Knütel , Stipulatio poenae, S. 26 unter Verweis auf Pap.D. 18.7.7.

§ 47, S. 106.

IL Die Regeln des Corpus iuris hinsichtlich der Vertragsstrafe im Übelblick

9

a) Echte Vertragsstrafen Bei der echten Vertragsstrafe wurde die Leistung, der das Hauptinteresse der Parteien galt, selbst rechtswirksam versprochen13. Vertragsstrafe und Hauptverpflichtung stellten dabei zwei eigenständige Versprechen dar, die aus diesem Grunde von Knütel als " Doppels tipulation" bezeichnet wurden14. Die Strafe trat ergänzend und bedingt neben die Primärpflicht. So ist es z.B. in dem von Papinian in D.45.1.115.2 (de verborum obligationibus) beschriebenen Fall, wo ein Sklave versprochen und gleichzeitig eine Vertragsstrafe vereinbart wird 15. Bei der Doppelstipulation stellte sich seit jeher die Frage nach dem Konkurrenzverhältnis zwischen Hauptverbindlichkeit und Strafe. Bei Verfall der Strafe bestanden zwar beide Verbindlichkeiten, doch erschien eine Anspruchshäufung im Regelfall als unbillig16. Daher hemmte seit Labeo der Prätor die Klage aus dem Strafversprechen mittels der "exceptio doli11, wenn die Hauptverbindlichkeit bereits eingeklagt war 17 . Ob der Gläubiger lieber die Hauptverbindlichkeit oder die Strafe einklagen wollte, überließ man - vorbehaltlich spezieller Abreden - zumeist seiner Wahl18. b) Unechte Vertragsstrafe Anders war die Lage bei der unechten Vertragsstrafe. Hier wurde die Hauptleistung selbst nicht rechtsverbindlich versprochen. Die Verpflichtung richtete sich vielmehr von Anfang an allein auf die Zahlung der Strafsumme 19. Diese Zahlung konnte der Schuldner in der Regel vermeiden, indem er die (nicht geschuldete) Hauptleistung erbrachte20. Wesentliche Bedeutung erlangte die unechte Vertragsstrafe dort, wo die eigentlich erstrebte Leistung selbst nicht zum Gegenstand eines Versprechens gemacht werden konnte. Ihr kam dann vornehmlich eine Erzwingungsfunktion zu 21 . Ein typisches Beispiel für diese Art

1 3

Kunkel/Honsell,

1 4

Knütel, Stipulatio poenae, S. 30.

1 5

Kunkel/Honsell,

§ 94, S. 239; Knütel, Stipulatio poenae, S.30. § 94, S. 239; Käser, Römisches Privatrecht I, § 120, S. 519.

1 6

Käser, Römisches Privatrecht, Studienbuch, §40, 4b, S. 188 unter Hinweis auf Ulp.D.44.4.4.7; Kreller, Römisches Recht, S. 334; Siber, Römisches Recht II, S. 261. 1 7

Kunkel/Honsell,

1 8

Knütel, Stipulatio poenae, S. 363.

1 9

Knütel, Stipulatio poenae. S. 27; Kariowa, Römische Rechtsgeschichte, I I / l , S. 719.

§ 94, S. 240.

2 0

Knütel, Stipulatio poenae, S. 27.

2 1

Kunkel/Honsell

§ 94. S. 239.

Kapitel 1: Römisches Recht

10

der Vertragsstrafe findet sich in D.45.1.38.17, wo das Strafversprechen einen an sich nicht klagbaren Vertrag zugunsten Dritter sichert22. 3. Verfallsvoraussetzungen Die Strafe verfiel und konnte gefordert werden, wenn die Hauptleistung nicht oder nicht vollständig erbracht wurde. Bestand die Hauptleistung in einer Unterlassung, so verfiel sie mit der ersten Zuwiderhandlung23. Im Laufe der Entwicklung setzte sich überwiegend die Auffassung durch, daß die Strafe nur dann gefordert werden konnte, wenn der Schuldner für die Nichtleistung verantwortlich war 24 . Doch blieb diese Frage in den Einzelheiten umstritten. 4. Passive Vererblichkeit und Nachforderungsrecht Der Anspruch aus einer Vertragsstrafe war passiv vererblich, wie man aus D.19.1.47 (de actionibus empti et venditi) ersehen kann. Insoweit stellte das römische Recht die Vertragsstrafe dem Schadensersatz gleich und entfernte sich von der Vorstellung einer persönlichen Buße25. Daß die Vertragsstrafe nach antikem römischem Recht den Ausgleich des entstandenen Schadens nicht unterlaufen durfte, ergibt sich aus D.17.2.42. Danach konnten Schäden, welche die Höhe der Vertragsstrafe überschritten, nachgefordert werden. Die Vertragsstrafe legte also lediglich einen Mindestbetrag fest. 5. Ermäßigungsrecht Im Fall teilweiser Erfüllung der Primärpflicht kam eine Ermäßigung der Strafsumme in Betracht. In D.2.11.9.1 schildert Ulpian folgenden Fall: Jemand verspricht eine Vertragsstrafe für den Fall, daß er nicht das Erscheinen mehrerer Sklaven vor Gericht veranlaßt (vadimonium). Später stellt er tatsächlich einen der Sklaven nicht und erfüllt dadurch die Bedingung des Strafversprechens, Es stellte sich nunmehr die Frage, ob die ganze Strafe gefordert werden kann. Hatte noch Labeo die Ansicht vertreten, daß die gesamte Strafe verfallen sei, weil die Bedingung erfüllt sei, so rät Ulpian, den Anteil des einen Sklaven an der Ge2 2

Dazu Käser, FG v. Lübtow (1970) 491 f.

2 3

Käser , Römisches Privatrecht, Studienbuch, § 40, 4b, S. 189 unter Verweis auf D. 19.2.54.1; Käser, Römisches Privatrecht I, § 120, S. 520; Siber, Römisches Recht II, S. 262 2 4 D.44.7.23 (de obligationibus et actionibus); D.4.8.23.2,3 (de receptis); D.4.8.52 (de receptis); Siber , Interpellatio und Mora, in: SZRom 29 (1908) 47/89. 2 5

Kunkel¡Honseü, § 94, S. 239.

III. Die Vorschriften des Corpus iuris hinsichtlich der zulässigen Höhe von Vertragsstrafen

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samtsumme anzubieten und sich ansonsten mit der Arglisteinrede zu verteidigen. Die Ermäßigung konnte also im Wege der Einrede vom Beklagten durchgesetzt werden. 6. Anwendungsbereich Aus den vielen Erwähnungen der Vertragsstrafe im Corpus iuris kann man schließen, daß sie im antiken römischen Recht ein weites Anwendungsgebiet hatte26. Insbesondere im Handelsverkehr und im Prozeß war sie wohl eine sehr alltägliche Erscheinung, so daß die Vertragsstrafe ihre Verbreitung nicht zuletzt der Entwicklung der römischen Wirtschaft und des Verkehrs verdankt, insbesondere dem Aufblühen des Seehandels mit den fernen Ländern27.

I I I . Die Vorschriften des Corpus iuris hinsichtlich der zulässigen Höhe von Vertragsstrafen Das Corpus iuris enthält eine Reihe von Textstellen, die sich in irgendeiner Form mit der Höhe von Vertragsstrafen befassen oder zumindest darauf bezogen werden können und in der mittelalterlichen Diskussion mit unserer Frage in Verbindung gebracht wurden. Allein deshalb sollen sie bereits an dieser Stelle im Zusammenhang vorgestellt werden. Die verschiedenen Fragmente lassen sich in folgende Gruppen zusammenfassen: 1. Die Vertragsstrafe und das Vierfache D.21.2.56 pr. (de evictionibus et duplae stipulatione) enthält folgendes PaulusFragment: Si dictum fuerit vendendo, ut simpia promittatur, vel tri {¿um aut quadruplum promitteretur, ex empto perpetua actione agi potent Wenn beim Kauf gesagt wurde, daß das Einfache versprochen werden solle oder das Drei- oder Vierfache, so wird man aus dem Kauf mit einer unbefristeten 90 Klage klagen können.' 60

Dieser Aussage liegt der Fall zugrunde, daß die Parteien bei Abschluß eines Kaufvertrages eine Vertragsstrafe in Höhe eines Vielfachen des Kaufpreises 2 6

Kunkel/Honsell,

2 7

Visky, Spuren der Wirtschaftskrise der Kaiserzeit in den römischen Rechtsquellen, S. 73 f.

2 8

Alle Übersetzungen ohne Herkunftsangabe sind solche des Verfassers.

§ 94, S. 239.

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Kapitel 1: Römisches Recht

vereinbaren und bestimmen, daß der Verkäufer diese Strafe zahlen soll, falls dem Käufer die Kaufsache von dritter, besserberechtigter Seite - insbesondere vom wahren Eigentümer - erfolgreich abgestritten wird. Das zitierte Fragment scheint derartige Strafen zumindest bis zum Vierfachen des Kaufpreises zu gestatten. Dafür, daß das Vierfache die äußerste Grenze des Erlaubten darstellt, könnte die allgemeine Regel sprechen, die Justinian in 1.4.6.21 (de actionibus) aufstellt: Omnes autem actiones vel in simplum conceptae sunt vel in duplum vel in triplum vel in quadruplum: ulterius autem nulla actio extenditur. Alle Klagen sind entweder auf das Einfache gerichtet oder auf das Doppelte oder auf das Drei- oder Vierfache; auf mehr jedoch erstreckt sich keine Klage .

Allerdings müßte man erwägen, ob nicht 1.4.6.21 - als Einleitung zu der darauf folgenden liste von Beispielsfällen - nur besagt, daß es keine gesetzliche oder ediktale Klage gibt, in der Multiplarstrafen über das Vierfache hinaus ausgedehnt werden und von Konventionalstrafen daher im Kontext keine Rede ist. 2. Vertragsstrafe und Vertragsfreiheit Ob die zuletzt genannte Institutionenstelle für Vertragsstrafen überhaupt gilt, ist nämlich im Hinblick auf einige weitere Fragmente sehr zweifelhaft, welche in eine ganz andere Richtung deuten. So findet sich beispielsweise in D.4.8.32 pr. (de receptis, qui arbitrium receperunt) folgende klare Aussage für den Fall, daß die Parteien sich vertraglich dem Urteil eines Schiedsmannes unterwerfen und für Zuwiderhandlungen eine Vertragsstrafe vereinbaren: Non distínguemus in compromissis, minor an maior sit poena quam res de qua agitur. Wir werden bei den Schiedsverträgen nicht unterscheiden, ob die [darin angedrohte] Strafe kleiner oder größer ist als die Sache, um die gestritten wird.

Freilich könnte dieses Paulus-Fragment auch ganz auf die speziellen Gegebenheiten des Schiedsvertrages zugeschnitten und daher nicht verallgemeine-

Text und Übersetzung aus: Corpus Iuris Civilis, Text und Übersetzung I, Institutionen. Gemeinschaftlich übersetzt von Okko Behrends, RolfKnütel, Berthold Kupisch, Hans Hermann Seiler , S. 226.

III. Die Vorschriften des Corpus iuris hinsichtlich der zulässigen Höhe von Vertragsstrafen

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rungsfähig sein. Doch versagt dieser Einwand bei der allgemein gehaltenen Formulierung in D.45.1.38.17 (de verborum obligationibus). Ulpian schreibt: Alteri stipulari nemo potest, praeterquam si servus domino, filius patri stipuletur: inventae sunt enim huiusmodi obligationes ad hoc, ut unusquisque sibi adquirat quod sua interest: ceterum ut alii detur, nihil interest mea. plane si velim hoc facere, poenam stipulari conveniet, ut, si ita factum non sit, ut comprehensum est, committetur stipulatio etiam ei, cuius nihil interest: poenam enim cum stipulatur quis, non illud inspicitur, quid intersit, sed quae sit quantitas quaeque condicio stipulationis. Niemand kann sich zugunsten eines anderen etwas versprechen lassen, außer wenn sich ein Sklave etwas für seinen Herrn oder ein Sohn für seinen Vater versprechen läßt Derartige Schuldverhältnisse wurden nämlich zu dem Zweck erfunden, daß ein jeder für sich erwerbe, woran er ein eigenes Interesse hat Und ich habe nun einmal kein Interesse daran, daß einem anderen etwas geleistet wird. Wenn ich dies allerdings doch machen will, so empfiehlt es sich, sich eine Strafe versprechen zu lassen, so daß das Versprechen auch demjenigen verfällt, der kein eigenes Interesse hat, wenn nicht so gehandelt wurde, wie vereinbart Wenn sich nämlich jemand eine Strafe versprechen läßt, so wird nicht darauf geschaut, was sein Interesse ist, sondern was der Betrag und welches die Bedingung des Versprechens sind

Dieser Text ist auch in 1.3.19.19 aufgenommen worden. Aus diesen Fragmenten ergibt sich, daß die Höhe einer Vertragsstrafe von der Höhe des Vermögensinteresses - d.h. des ersatzfähigen Schadens - unabhängig sein sollte. Wenn bei einer Vertragsstrafe allein auf den vereinbarten Betrag und auf die Verfallsvoraussetzungen geachtet werden sollte, dann impliziert diese Formulierung zugleich auch, daß die Parteien diese Bestimmungen nach eigenem Gutdünken treffen durften. Daher kann man mit guten Gründen behaupten, daß das klassische römische Recht grundsätzlich eine Begrenzung von Vertragsstrafen oder gar ein richterliches Ermäßigungsrecht nach Art des § 343 BGB nicht gekannt hat30, sieht man einmal vom Umgehungsverbot hinsichtlich der Vorschriften über die zulässige Zinshöhe ab, die im nächsten Abschnitt dargestellt werden sollen. Diese Erkenntnis entspricht den heute gängigen Vorstellungen von der prinzipiellen Bedeutung, welche das antike römische Recht der Vertragsfreiheit beimaß?1.

3 0

Knütel , Stipulatio poenae, S. 16,184; Zimmermann, The Law of Obligations, S. 107.

3 1

Scherrer, Vertragsfreiheit, S. 9 ff.; Schulz, Prinzipien des römischen Rechts, S. 99 ff.

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Kapitel 1: Römisches Recht

3. Vertragsstrafe und Zinsmaß Relativ eindeutig ist, daß eine Vertragsstrafe nicht im Rahmen einer Zahlungsverpflichtung vereinbart werden durfte, wenn dadurch die gesetzlichen Bestimmungen über das zulässige Zinsmaß umgangen wurden. So findet sich etwa in D.22.1.44 ein Fragment von Modestinus, welches dieses Verbot in folgende unmißverständliche Formel kleidet: Poenam pro tisuris stipulari nemo supra modum usurarum licitum potest Von Rechts wegen darf sich niemand eine Vertragsstrafe als Zins versprechen lassen, die über das erlaubte Zinsmaß hinausgeht

Der gleiche Gedanke kommt in C.4.32.15 zum Ausdruck. Dort antwortete der Kaiser Gordianus (238 bis 244 n. Chr.) auf eine entsprechende Anfrage folgendermaßen: Cum adleges uxorem tuam ea condicione mille aureorum numero quantitatem sumpsisse, ut, si intra diem certum debito satis non fecisset, cum poena quadruplum redderet quod accepit, iuris forma non patitur legem contractus istius ultra poenam legitimarum usurarum posse procedere. Da du anführst, deine Frau habe eine Summe von 1000 Geldstücken unter der Bedingung aufgenommen, daß sie das Erlangte mit der Strafe des Vierfachen zurückgebe, wenn sie die Schuld nicht bis zu einem bestimmten Tag getilgt habe, so erlaubt es das Recht nicht, daß dieser Vertrag über die Strafe der gesetzlichen Zinsen hinaus wirksam werden kann.

Die Vertragsstrafe war demnach nur bis zu der Höhe rechtlich wirksam, bis zu der die gesetzlich festgelegten Verzugszinsen reichten. Was darüber hinausging, war unwirksam und konnte nicht gefordert werden. Eine sehr ähnliche Formulierung hatte nach Ulpian auch schon Papinian in D.19.1.13.26 gebraucht. Ibidem Papinianus respondisse se refert, si convenerit, ut ad diem pretio non soluto venditori duplum praestaretur, in fraudem constitutionum videri adiectum, quod usuram legitimam excedit Man berichtet, derselbe Papinian habe geantwortet, wenn man dem Verkäufer das Doppelte zu zahlen vereinbart habe, falls der Kaufpreis nicht termingerecht erbracht werde, so müsse man das, was die gesetzlich zulässigen Zinsen überschreitet, als zur Umgehung der Konstitution vereinbart ansehen.

Das Verbot der Umgehung der gesetzlichen Zinsregeln besaß also eine lange Tradition, die sich bereits in klassischer Zeit nachweisen läßt. Allerdings ist diese Begrenzung nur bei solchen Vertragsstrafen einschlägig, die eine Geldforderung sichern.

III. Die Vorschriften des Corpus iuris hinsichtlich der zulässigen Höhe von Vertragsstrafen

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Es dürfte auf die geschilderte eindeutige Stellungnahme des Corpus iuris zu der Frage des Verhältnisses von Vertragsstrafe und Zinshöhe zurückzuführen sein, daß in den Jahrhunderten nach der Rezeption des römischen Rechts in Europa über diesen Punkt kein Streit aufkam. Es war zu allen Zeiten völlig anerkannt, daß eine zur Sicherung einer Geldschuld vereinbarte Vertragsstrafe zumindest nicht größer sein durfte, als der zulässige Höchstzins. Allein dessen Höhe, bzw. die Frage, ob es überhaupt zulässige Zinsen gibt, war umstritten. Die im folgenden zu behandelnden Juristenschriften aus dem Mittelalter und der frühen Neuzeit werden die Begrenzung auf das Zinsmaximum immer wieder am Rande anklingen lassen. Diese Hinweise sollen im einzelnen jedoch nur aufgegriffen werden, wenn sich aus ihnen für die hier zu untersuchende Frage nach einer generellen Begrenzung von Vertragsstrafen Schlüsse ziehen lassen. 4. Beschränkungen der Vertragsstrafe in nachklassischer Zeit? Zu prüfen bleibt allerdings, ob der soeben geschilderte Rechtszustand - d.h. die Freiheit zur Vereinbarung einer beliebig hohen Vertragsstrafe bei nichtgeldwerten Leistungen - durch eine Konstitution des oströmischen Kaisers Justinian I. (527 bis 565 n. Chr.) verändert wurde. Es handelt sich dabei um die Konstitution C.7.47.1 (de sententiis quae pro eo, quod interest proferuntur) aus dem Jahre 531 n. Chr. In ihr ordnet der Kaiser folgendes an: Cum pro eo, quod interest dubitationes antiquae in infinitum productae sunt, melius nobis visum est, huiusmodi prolixitatem prout possibile est in angustum coarctare. Sancimus itaque in omnibus casibus, qui certam habent quantitatem vel naturam, veluti in venditionibus et locationibus et omnibus contractibus, hoc quod interest dupli quantitatem minime excedere. in aliis autem casibus, qui incerti esse videntur, iudices, qui causas dirimendas suscipiunt, per suam subtilitatem requirere, ut, quod re vera inducitur damnum, hoc reddatur et non ex quibusdam machinationibus et immodicis perversionibus in circuitus inextricabiles redigatur, ne dum in infinitum computatio reducitur, pro sua impossibilitate cadat cum scimus esse naturae congruum eas tantummodo poenas exigi, quae cum competenti moderatione proferuntur vel a legibus certo fine conclusae statuuntur. Et hoc non solum in damno, sed etiam in lucro nostra amplectitur constitutio, quia et ex eo veteres quod interest statuerunt: et sit omnibus, secundum quod dictum est, finis antiquae prolixitatis huius constitutionis recitatio. Da in bezug auf den Schadensersatz seit langem unendliche Zweifelsfragen entstanden sind, schien es uns höchst angebracht, die ausufernde Auslegung dieses Begriffs so weit wie möglich einzuschränken. Wir ordnen daher an, daß bei allen Fallen, bei denen es um eine bestimmte Menge oder Sache geht, wie bei Kauf, Miete, Dienst- und Werkvertrag und allen Verträgen der Schadensersatz den doppelten Wert [des Vertragsgegenstandes] keinesfalls übersteigen darf. In allen anderen Fällen aber, wo es um ein unbestimmtes Objekt geht, sollen die Richter, die die Entscheidung der Fälle übernehmen, mit ihrer Genauigkeit erforschen, daß der wirklich entstandene Schaden ersetzt werde und nicht durch gewisse Kunstgriffe

Kapitel 1: Römisches Recht

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und unmäßige Verdrehungen in unentwirrbare Zweifel versetzt wird, damit nicht, indem die Berechnung ins Unendliche geführt wird, diese wegen ihrer eigenen Unmöglichkeit [zusammen-] fällt. Denn wir wissen, daß es der Natur entspricht, daß nur derartige Strafen eingeklagt werden, die mit angemessener Beschränkung vorgebracht werden oder von Gesetzen mit einer bestimmten Grenze umschlossen werden. Und dies umfaßt unsere Konstitution nicht nur beim Schaden, sondern auch beim Gewinn, weil aus diesem die Vorfahren das Interesse festgesetzt haben: Und in allen Fallen bedeutet die Verkündigung dieser Konstitution gemäß dem Gesagten das Ende der alten Unbestimmtheit

Das Verständnis dieses Textes bereitet aus verschiedenen Gründen große Schwierigkeiten. a) Die allgemeine Bedeutung der Vorschrift C.7.47.1 beschäftigt sich primär nicht mit der Vertragsstrafe, sondern mit dem Schadensersatz. Sie ist die einzige generelle Aussage im Corpus iuris bezüglich des "quod interest" überhaupt. Ihr Ziel ist vordergründig die Begrenzung des ersatzfähigen Schadens im Interesse des Schuldners32. Der Text der Vorschrift gilt im einzelnen als außerordentlich unklar33. Sowohl die Voraussetzungen ihrer Anwendung als auch die Rechtsfolgen sind nicht eindeutig umschrieben. So wird insbesondere nicht deutlich, ob zu den Fällen, Mqui certam habent quantitatem vel naturam" auch Deliksansprüche zählen. Auch die Anweisung, der Schadensersatz dürfe das Doppelte (duplum) nicht überschreiten, ist aus sich heraus wenig erleuchtend, da die Berechnungsgrundlage nicht eindeutig angegeben wird 34. Aus dem Text selbst sind diese Fragen kaum zu beantworten, da die Motivation des Gesetzgebers nicht ganz eindeutig ist. Justinian lobt einerseits die Beschränkung (moderatio) und verurteilt die alte Ausuferung (prolixitas). Damit scheint er den Schutz des Schuldners vor ruinösen Ersatzforderungen zu bezwecken. Er beklagt aber auch die bisherige Umständlichkeit und Dauer der Schadensberechnung, also Dinge, die in der Regel zu Lasten des Gläubigers gehen. Auch dessen Interessen scheinen also bedacht worden zu sein. Diese unterschiedlichen Zielsetzungen sind bei der Auslegung der Konsti-

3 2

Medicus, Id quod interest, S. 289; vgl. auch: Honseil, Quod interest im bonae-fidei-iudi-

cium. 3 3 Medicus, Id quod interest, S. 289; Lange, Schadensersatz und Privatstrafe, S. 56; Endemann, Studien in der romanisch-kanonischen Wirtschafts- und Rechtslehre bis gegen Ende des 17. Jahrhunderts, Bd. 2, S. 243; Dilcher, Theorie der Leistungsstörungen bei Glossatoren, Kommentatoren und Kanonisten, S. 130. 3 4

Medicus, Id quod interest, S. 289; Lange, Schadensersatz und Privatstrafe, S. 56.

III. Die Vorschriften des Corpus iuris hinsichtlich der zulässigen H h e von Vertragsstrafen

17

tution hinderlich35. Erschwert wird die Situation dadurch, daß die Konstitution im Corpus iuris isoliert dasteht. Die übrigen Teile ignorieren sie vollständig36. Insbesondere haben die Kompilatoren eine Reihe von Fragmenten aus klassischer Zeit unverändert gelassen, in denen der Schadensersatz das "duplum" notwendigerweise überschreitet. So bestimmt etwa D.19.1.13, daß der Verkäufer eines schadhaften Balkens beim Einsturz des Hauses dessen Wert zu ersetzen hat. Dieser Wert wird den doppelten Wert des Balkens sicherlich weit überschritten haben37. Bereits die Hauptaussage der Konstitution ist daher nicht frei von Widersprüchen in ihrem Verhältnis zu den übrigen Fragmenten der Digesten, die sich mit der Höhe des Schadensersatzes beschäftigen. Zwar feiert Justinian sich selbst in seiner Konstitution als Neuerer. Bei der Kompilation des Corpus iuris scheint dieser Neuansatz jedoch wieder untergegangen zu sein. Vor diesem Hintergrund kann hier nur geschildert werden, wie die Vorschrift heute zumeist verstanden wird. Danach begreift man unter einem Fall, "qui habet certam quantitatem11, eine Klage, die sich auf eine fest bezifferte Geldsumme richtet. Der Richter ist bei seiner Entscheidung an die Vorgaben des Klägers gebunden und kann die Klage nur ganz zusprechen oder abweisen38. Eine "formula incerta" ist demgegenüber eine Klageformel, bei der dem Richter aufgegeben ist, dem Kläger alles zuzusprechen, was der Beklagte zu leisten schuldig ist. Der genaue Gegenstand des Anspruchs wird dann vom Richter nach seinem Ermessen ermittelt39. Hinsichtlich der Berechnung des "duplum" gibt es zwei Ansichten. Sie stimmen aber darin überein, daß die Berechnungsgrundlage für das Doppelte der Wert der ursprünglich (vertraglich) geschuldeten Hauptleistung ist. Wenn also z.B. ein Verkäufer die verkaufte Sache mutwillig zerstört, so kann der Käufer als Schadensersatz maximal deren doppelten Wert fordern. Streitig ist allein, wie der Wert der Hauptleistung bestimmt werden soll. Überwiegend glaubt man heute, es müsse der "gemeine Sachwert" ermittelt werden40. Nach anderer Ansicht soll es auf den vereinbarten Wert der Leistung ankommen, da nur so die 3 5

Medicus, Id quod interest, S. 290.

3 6

Lange, Schadensersatz und Privatstrafe, S. 56; Wieling, Interesse, S. 89 f., bezeichnet diese Stelle sogar als Widerspruch zu anderen Stellen des Corpus iuris, nämlich zu D.19.1.6.4; 19.1.13 pr.; 13.4.2.8, in denen es nur um Schadensersatz geht 3 7

Medicus, Id quod interest, S. 291; Käser, Römisches Privatrecht II, § 257, S. 345.

3 8

Käser, Römisches Privatrecht, Studienbuch, § 34 II.1., S. 159; in diesem Sinne versteht auch Fr. Mommsen, Zur Lehre von dem Interesse, S. 237, die Bezeichnung "certa quantitas". 3 9

Käser, Römisches Privatrecht, Studienbuch, § 34 H.4.a, S. 160.

4 0

Käser, Römisches Privatrecht II, § 257, S. 345; KunJcel/HonseU

§ 92, S. 228.

Kapitel 1: Römisches Recht

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von Justinian bezweckte einfache Grenze zu ziehen sei41. Es ist nicht die Aufgabe dieser Arbeit, diese komplizierte Frage zu klären. Im folgenden soll "duplum" daher stets allgemein als doppelter Wert der Primärleistung verstanden werden ohne Rücksicht darauf, ob der gemeine oder der vereinbarte Wert gemeint ist. Diese Verständnisschwierigkeiten prägen die Einstellung der modernen Romanistik zu C.7.47.1. Justinians Grenzziehung gilt als grob 42 und mechanisch43, bei Mangelfolgeschäden, die den Sachwert der Leistung um ein Vielfaches überschreiten können, als sinnlos44. Teilweise wird sie schlichtweg als ungerecht bezeichnet45, zumindest aber als zweifelhaft und nachlässig abgefaßt46. Im Ergebnis geht daher die Tendenz der modernen Romanistik dahin, ihr einen möglichst engen Anwendungsbereich zuzusprechen47, zumal sie ohne klassisches Vorbild ist 48 . Man kann dieser vernichtenden Kritik im Grunde nichts entgegensetzen. b) Anwendbarkeit auf Vertragsstrafen Obwohl sich ganze Bibliotheken mit der Bedeutung von C.7.47.1 für das Recht des Schadensersatzes beschäftigen, wird die Frage, ob die Konstitution auch auf Vertragsstrafen anwendbar war, in der modernen romanistischen Literatur - soweit ersichtlich - nicht gestellt. Daß die Begrenzung auch für Vertragsstrafen gilt, ist jedoch keineswegs abwegig. Tatsächlich war die Frage der Geltung von C.7.47.1 für Vertragsstrafen in der Zeit zwischen der Summa Trecensis (Mitte des 12. Jahrhunderts) und den Vorarbeiten zum BGB eines der zentralen Themen des Rechts der Vertragsstrafe, wie noch zu zeigen sein wird. Diese Arbeit gilt weithin der Geschichte dieser Diskussion. Folgende Überlegungen sprechen dafür, daß Justinian eine Anwendung von C.7.47.1 auf Vertragsstrafen im Sinn hatte.

4 1

Wieling, Interesse, S. 89 f; so wohl auch Röbel, Römisches Privatrecht, § 93, S. 144.

4 2

Röbel, Recht des Warenkaufs I, S. 474.

4 3

Medicus, Id quod interest, S. 292; Röbel, Römisches Privatrecht, S. 144.

4 4

KunkelfHonseü,

4 5

Medicus, Id quod interest, S. 292; Wieling, Interesse, S. 94.

4 6

Mommsen, Zur Lehre von dem Interesse, S. 235.

4 7

Medicus, Id quod interest, S. 289.

4 8

§ 92, S. 228.

Medicus, Id quod interest, S. 292; Schindler, Justinians Haltung zur Klassik, S. 265, der die Konstitution als "Rückschritt" bezeichnet, Röbel, Recht des Warenkaufs I, S. 474.

III. Die Vorschriften des Corpus iuris hinsichtlich der zulässigen Höhe von Vertragsstrafen

19

Das wichtigste Argument ergibt sich aus der Gesetzesbegründung, in der Justinian die "poena" ausdrücklich anspricht. Als Grund für eine Begrenzung des ersatzfähigen Schadens nennt er nämlich den Umstand, daß auch Strafen bestimmten Schranken unterliegen. Durch diese argumentative Verknüpfung stellt Justinian selbst die Beziehung zwischen dem Schadensersatz und den Strafen her, "welche mit angemessener Begrenzung vorgetragen werden", so daß sich eine Gleichbehandlung im Rahmen von C.7.47.1 als natürliche Konsequenz anbietet. Weiterhin bestehen zwischen Schadensersatz und Vertragsstrafe nach antikem römischem Recht eine Reihe von Ähnlichkeiten. So kam der Vertragsstrafe, wie beschrieben, häufig die Funktion zu, den Ersatz materieller und immaterieller Schäden zu ermöglichen oder zu erleichtern. Auch die passive Vererblichkeit und das Nachforderungsrecht entfernen die Vertragsstrafe von dem Bild einer persönlichen Buße und nähern sie dem Schadensersatz an. Von einer strengen Unterscheidung zwischen Schadensersatz und Buße auszugehen49 dürfte daher eher auf einer modernen Systemvorstellung beruhen, die sich aus den Quellen in dieser Eindeutigkeit nicht herauslesen läßt. Diese Berührungspunkte zwischen Schadensersatz und Vertragsstrafe legen es nahe, C.7.47.1 auch auf letztere zu beziehen, zumal auch bei ihr die Gefahr einer ruinösen Inanspruchnahme stets gegeben ist. Eine gewisse Bestätigung könnte man schließlich auch in einer ca. 60 Jahre früher erlassenen Konstitution der Kaiser Leo und Anthemius aus dem Jahre 469 n. Chr. sehen (C.5.1.5 de sponsalibus). Sie ordnete an, daß eine Frau, die zur Bekräftigung ihres Verlöbnisses eine Brautgabe50 erhält, im Regelfall höchstens das Doppelte zurückzahlen muß, wenn die Verlobung gelöst wird. Darüber hinausgehende Vereinbarungen, welche als Vertragsstrafen zu qualifizieren wären, sind in der Regel unwirksam. Auch hier zeigt sich in nachklassischer Zeit der gesetzgeberische Wille, unangemessene Strafklauseln grundsätzlich zu verhindern. Während die innere Logik der nachklassischen Konstitution C.7.47.1 also für eine Anwendung auf Vertragsstrafen zu sprechen scheint, sprechen die bereits erläuterten Fragmente aus klassischer Zeit, deren Geltung Justinian nicht aufgehoben hat, vehement dagegen. Die Begrenzung von Vertragsstrafen auf das Doppelte bei fest bezifferter Hauptleistung (bzw. auf den entstandenen Schaden 4 9

KunkelfHonseU, dem Interesse, S. 18 f. 5 0

§ 92, S. 228; Knütel, Stipulatio poenae, S. 54; Mommsen, Zur Lehre von

Vgl. dazu: Käser, Privatrecht II, § 216, S. 160 f.; Kunkel/Honsell,

§ 123, S. 335.

Kapitel 1: Römisches Recht

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in allen übrigen Fällen) läßt sich weder mit D.21.2.56 pr. in Einklang bringen, noch mit D.4.8.32 pr. 51 . Besonders auffällig ist der Widerspruch zu D.45.1.38.17 bzw. zu 1.3.19.19, wo die Vertragsstrafe beim Vertrag zugunsten Dritter ausdrücklich vom Interesse abgekoppelt wird. Im Ergebnis scheint C.7.47.1 für sich betrachtet also die Vertragsstrafe begrenzen zu wollen, stellt aber insgesamt einen Fremdkörper im Corpus iuris dar, der sich aus einem Wandel in der Auffassung ergab. Wie Selb beobachtet hat, ist das römische Recht insgesamt gekennzeichnet durch eine Entwicklung, die von der Buße weg- und zum reinen Schadensausgleich hinführte 52. 5. Ergebnis Man kommt letztlich nicht umhin, einzugestehen, daß die justinianischen Quellen in ihrer Gesamtheit keine zwingende, einheitliche Aussage hinsichtlich der zulässigen Höhe von Vertragsstrafen enthalten, sondern eine Anzahl in sich zum Teil unklarer und widersprüchlicher Fragmente. Die fehlende Harmonie ist den Kompilatoren augenscheinlich nicht bewußt gewesen, was bei der Masse der verarbeiteten Schriften und der Kürze der Bearbeitungsdauer nicht verwunderlich ist. Auch bei anderen Rechtsfragen findet sich das Phänomen, daß die Kompilatoren nicht alle Fragmente an die endgültig gewollte Lösung angepaßt haben53. Welches diese endgültig gewollte Lösung in unserer Frage war, läßt sich letztlich nicht klären. Man kann jedenfalls nicht ohne weiteres folgern, Justinian habe ausweislich seiner Aussage in C.7.47.1 eine Begrenzung von Vertragsstrafen gewollt, aber nicht ordentlich durchgeführt, da eine Aufnahme in die Digesten unterblieben ist. Ebensogut könnte man nämlich argumentieren, die Aufnahme der klaren älteren Aussagen zugunsten der freien Strafhöhe entspräche seinem endgültigen gesetzgeberischen Willen und die vergessene Angleichung beträfe die ohnehin vage - eine eigenständige Rechtsfolge nicht bestimmende - Gesetzesbegründung in C.7.47.1. Im Ergebnis wird man aber zumindest feststellen müssen, daß die Fragmente, die für eine freie Strafhöhe sprechen, an Anzahl und Klarheit das Übergewicht besitzen.

5 1

Siehe oben 2 , S . 11 ff.

5 2

Hausmaninger/Selb,

5 3

Römisches Privatrecht, S. 344.

Vgl. dazu Honoré , Sale and the Transfer of Ownership: the Compilers1 Point of View, Studies in Justinian's Institutes in Memory of J.A.C. Thomas, ed. P.G. Stein and A.D.E. Lewis, London 1983, 56-72.

III. Die Vorschriften des Corpus iuris hinsichtlich der zulässigen Höhe von Vertragsstrafen

21

6. Die unmittelbare Folgezeit nach Erlaß des Corpus iuris im Jahre 533/534 n. Chr. Die eigentliche Aufgabe dieser Arbeit besteht darin, herauszufinden, welche Schlüsse die Rechtsgelehrten in Westeuropa seit dem Beginn einer wissenschaftlichen Auseinandersetzung mit dem römischen Recht an der Universität von Bologna aus den Aussagen des Corpus iuris hinsichtlich der Höhe von Vertragsstrafen gezogen haben. Auf die Jahrhunderte zwischen dem Erlaß des Corpus iuris und dem Beginn eines universitären Rechtsstudiums in Bologna im 11. Jahrhundert soll daher nur ein Ausblick gegeben werden. Die Diskussion über die Bedeutung von C.7.47.1 für das Recht des Schadensersatzes bleibt demgegenüber ausgeklammert. a) Fortgeltung im oströmischen Reich Für die ersten fünf bis sechs Jahrhunderte nach Erlaß der justinianischen Kodifikation scheint man diese Frage relativ leicht beantworten zu können. C.7.47.1 fand in der oströmischen Urkundenpraxis keine Beachtung54. Man ging also scheinbar den gleichen Weg, den die moderne Romanistik auch heute noch beschreitet, und löste das Dilemma widersprüchlicher Aussagen, indem man C.7.47.1 weitgehend ignorierte. Daraus kann man nur folgern, daß Vertragsstrafen auch in der Folgezeit zunächst einmal keiner Beschränkung unterlagen. b) Fortgeltung in der westlichen Reichshälfte Nach dem Urteil Levys und Käsers soll die justinianische Konstitution in gleicher Weise auch im weströmischen Vulgarrecht übergangen worden sein55. In der weströmischen Reichshälfte wird die Frage nach der Anwendbarkeit der Konstitution auf Vertragsstrafen durch das wechselhafte Schicksal überlagert, welches die einzelnen Bücher des Corpus iuris seit ihrer Publikation in den Jahren 533/534 hatten. Justinian konnte sein Gesetzeswerk auf weströmischem Reichsgebiet erst in Kraft setzen, nachdem es ihm zwischen 535 und 553 gelungen war, die in Italien regierenden Ostgoten vernichtend zu schlagen und das

5 4

Berger, Die Strafklauseln in den Papyrusurkunden, S. 134; Medicus, Id quod interest,

S. 291. 5 5 Levy, Weströmisches Vulgarrecht, Obligationenrecht, S. 129,220; Käser, Römisches Privatrecht II, S. 345 Fn 18.

3 Sossna

Kapitel 1: Römisches Recht

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Westreich auf diese Weise von den germanischen Eroberern zu befreien 56. Der Einfluß Ostroms auf Italien währte indes nicht lange. Zwischen 568 und 650 ging der größte Teil des Gebietes an den germanischen Stamm der Langobarden verloren57. 751 eroberten diese sogar das bis dahin byzantinische Exarchat Ravenna; wenig später geriet das Gebiet südlich von Rom unter fränkischen Einfluß. Süditalien und Sizilien waren seit dem 9. Jahrhundert dem Zugriff der Sarazenen ausgesetzt und wurden im 11. Jahrhundert von den Normannen erobert 58. Die einzelnen Teile des Corpus iuris haben diese Wirren unterschiedlich lange überdauert. Während die Institutionen in Italien offenbar weiterhin ungekürzt bekannt waren und benutzt wurden59, wurden die Digesten im Jahre 603 zum letztenmal erwähnt (durch Papst Gregor den Großen) und gerieten in der Folgezeit in Vergessenheit60. Nur wenige antike Handschriften blieben erhalten. Wiederum anders war das Schicksal des Codex. Der Codex ist während des ganzen Mittelalters in Italien bekannt gewesen, allerdings in stark verkürzter Form 61. Diese beruhte auf Streichungen, die neben den griechischen und zahlreichen lateinischen Konstitutionen insbesondere die letzten drei Bücher vollständig in Wegfall brachten62, wodurch er auf ca. 25 % seines ursprünglichen Umfangs schrumpfte 63. Die Konstitution C.7.47.1 gehörte dabei möglicherweise zu denjenigen Vorschriften, welche verloren gingen oder ignoriert wurden. Gleichwohl ist in dieser Frage Vorsicht geboten. In der Lex Visigothorum det sich nämlich eine bemerkenswerte Anordnung. Sie lautet:

fin-

FLAVIUS CHINDASVINDUS REX Ne sub unius nomine cause res alia vel persona callidis definitionibus obligetur. De pena etiam, que sit in placitis inserenda. ... Sed quotiens undelibet placitum conscribitur, non amplius in transgressoris pena, quam duplatio reddende rei vel triplatio nummorum satisfactione taxetur. Res tarnen omnis aut persona nullatenus

5 6 Weimar in: Coings Handbuch der Quellen und Literatur der neueren europäischen Privatrechtsgeschichte I, S. 155. 5 7

Leuschner, in: Studienbuch Geschichte, S. 200.

5 8

Weimar in: Coings Handbuch I, S. 155.

5 9

Weimar in: Coings Handbuch I, S. 162.

6 0 Weimar in: Coings Handbuch I, S. 158; Genzmer, Die iustinianische Kodifikation und die Glossatoren, S. 356. 6 1

Genzmer, Die iustinianische Kodifikation und die Glossatoren, S. 358.

6 2

Weimar in: Coings Handbuch I, S. 160.

6 3

Weimar in: Coings Handbuch I, S. 160.

III. Die Vorschriften des Corpus iuris hinsichtlich der zulässigen Höhe von Vertragsstrafen

23

obligetur, quia iniustum penitus adprohamus, ut unius causa debiti rerum fíat omnium perditio vel persone 64 . KÖNIG FLAVIUS CHINDASWIND Daß nicht um einer Schuld willen das (ganze) Vermögen und die Person eines anderen durch hinterlistige Abmachungen vereinbart werden s o l l 6 5 . Ferner über die Strafe, welche in Verträgen eingefügt wird. ... Aber wenn von irgend jemandem ein Vertrag unterschrieben wird, so wird dem Vertragsbrecher gegenüber die Strafe als Abfindung nicht höher festgesetzt, als die Verdoppelung der zu leistenden Sache oder die Verdreifachung der Geldstücke. Dennoch wird das ganze Vermögen oder die Person niemals geschuldet, weil wir es für gänzlich ungerecht erachten, daß durch einen einzigen Anspruch der Verlust des Vermögens oder der Person eintritt

Diese Vorschrift im Recht des germanischen Volksstammes der Westgoten weist eine deutliche Parallele zu der justinianischen Konstitution C.7.47.1 auf. Die Ähnlichkeit besteht dabei vor allem darin, daß beide Gesetze dem Anspruch des Gläubigers eine Grenze setzen und diese durch ein Vielfaches der Primärverpflichtung definieren, wobei der Begriff des Doppelten ausdrücklich genannt wird. Beide Vorschriften verfolgen darüber hinaus ersichtlich den Zweck, ausufernde Forderungen aus Gründen der Billigkeit einzudämmen. Daher stellt sich die Frage nach der Herkunft der westgotischen Regelung. Handelt es sich um einen Rechtssatz germanischen Ursprungs oder um eine Übernahme aus dem römischen Recht? Die Entstehungsgeschichte jener mehrfach überarbeiteten Sammlung westgotischer Königsgesetze, die man heute unter der Bezeichnung "Lex Visigothorum" zusammenfaßt, ist kompliziert und nicht in allen Schritten geklärt66. Ohne auf die Einzelheiten der verschiedenen Textstufen näher einzugehen, kann man jedenfalls folgendes feststellen: Eine der Vorauflagen der Lex Visigothorum stammt aus der Zeit des Königs Recceswind (653-672). Recceswind war der Sohn des im Text als Urheber der Vorschrift genannten Königs Chindaswind. Daher liegt es nahe, anzunehmen, daß die zitierte Stelle in der zweiten Hälfte des 7. Jahrhunderts Eingang in die Gesetzessammlung gefunden hat. Das Verhältnis von germanischem und römischem Recht in der Lex Visigothorum ist seit jeher umstritten. Fest steht, daß das Gesetz beiderlei Elemente enthält. Die Westgoten haben sich einzelne römische Rechtssätze, die sie in 6 4 Text aus: Zeumer, Leges Visigothorum (Monumenta Germaniae Histórica Legum Sectio I, Legum Nationum Germanicarum, Tomus I) S. 109. Es handelt sich um die Stelle Lex Visigothorum II, 5, 8. 6 5 Die Übersetzung der Überschrift erfolgte in Anlehnung an Wohlhaupter goten (Germanenrechte, Texte und Übersetzungen XI), S. 55. 6 6

Vgl. zu den Einzelheiten Nehlsen, Lex Visigothorum, HRG I I Sp. 1966.

y

Gesetze der West-

24

Kapitel 1: Römisches Recht

ihren südfranzösischen und spanischen Siedlungsgebieten kennengelernt haben, zueigen gemacht. Allein die Idee, das westgotische Recht schriftlich zu fixieren, folgt römischen Vorbildern. Gerade für die jüngeren Phasen der westgotischen Gesetzgebung ist eine Anlehnung an vereinfachtes (vulgarisiertes) römisches Recht beobachtet worden, besonders an die provinzialrömische Rechtspraxis67. Für einen römischen Ursprung der genannten Anordnung spricht, daß die Vertragsstrafe als ausgeformtes Rechtsinstitut dem germanischen Recht ursprünglich überhaupt unbekannt war und ihm zusammen mit dem gesamten Urkundenwesen vom römischen Recht überliefert wurde68. Nachweisbar sind Strafklauseln erst in langobardischen Urkunden, wo sie sich mit großer Regelmäßigkeit finden 69, sowie in fränkischen Urkunden70. Wenn die Vertragsstrafe also insgesamt eine römische Erfindung ist, dann dürfte das für alle ihre Regeln gelten. Hinzu kommt, daß das alte germanische Recht ursprünglich nicht streng zwischen Privat- und Legaldisposition unterschied. Das hatte zur Folge, daß alle gesetzlichen Rechtsfolgen, auch die härtesten Strafen an Leib, Leben und Vermögen, im Wege einer privaten Abrede versprochen werden durften 71. Daher spricht alles dafür, daß das Gesetz des Chindaswind nicht einen alten gotischen Rechtssatz formuliert, sondern einen römischen Gedanken im 7. Jahrhundert nachträglich in das westgotische Recht übernimmt. Demgemäß wurde in der älteren Literatur zum deutschen Recht immer schon zutreffenderweise die Ansicht vertreten, die Germanen hätten aus dem römischen Recht die Regelung kennengelernt, daß als Interesse nicht mehr als das Doppelte der obligatorischen Leistung gefordert werden darf, und dies ohne näheren Anhalt in den gemeinrechtlichen Quellen auf die Konventionalstrafe übertragen. So habe der Richter die Befugnis erhalten, eine überhöhte Strafe herabzusetzen72. Lediglich im Hinblick auf Geldschulden ist diese Ansicht zu relativieren: hier setzt die Lex Visigothorum die Grenze höher an, nämlich beim Dreifachen.

6 7

Nehlsen, Lex Visigothorum, HRG I I Sp. 1974 ff.

6 8

Sjörgren, Ueber die Römische Conventionalstrafe und die Strafklauseln der fränkischen Urkunden, S. 89; Löning, Der Vertragsbruch im deutschen Recht, S. 535; Dahn, Die Könige der Germanen, Bd. 7,3, S. 303; R. Hübner, Grundzüge des deutschen Privatrechts, § 76, S. 554. 6 9

Sjörgren, S. 89.

7 0

Sjörgren, S. 100 ff.

7 1

Sjörgren, S. 116 f; Brunner, Gesammelte Aufsätze 1894, S. 468.

. Die Vorschriften des Corpus iuris hinsichtlich der zulässigen Höhe von Vertragsstrafen

25

Aus der Anordnung des Königs Chindaswind lassen sich also drei Schlußfolgerungen ziehen: -

Das germanische Recht hat für die Frage der Begrenzimg von Vertragsstrafen keinen eigenständigen Ansatz entwickelt, da es die Vertragsstrafe als Rechtsinstitut vom römischen Recht übernommen hat.

-

Das westgotische Recht übernimmt die justinianische Vorschrift über die Begrenzung des Schadensersatzes (C.7.47.1) in leicht veränderter Fassung für die Vertragsstrafen. Daraus ergibt sich, daß diese Konstitution im weströmischen Vulgarrecht nicht so unbekannt gewesen sein kann, wie Levy und Käser meinen.

-

Das Recht der Westgoten ist die erste Rechtsordnung, in der Vertragsstrafen nachweislich ausdrücklich begrenzt waren, und zwar nach dem Vorbild der Regelung von C.7.47.1.

Stobbe , Handbuch des Deutschen Privatrechts III, S. 148; Simon , in: Verhandlungen des 20. Deutschen Juristentags n (1889), S. 35.

Kapitel 2

Das 12. Jahrhundert und die Glossatoren I. Einführung in die Epoche Die Zeit vom Anfang des 12. bis etwa zur Mitte des 13. Jahrhunderts wird üblicherweise als die Epoche der Glossatoren bezeichnet1. Sie unterscheidet sich von den vorangegangenen vier Jahrhunderten seit Erlaß des Corpus iuris dadurch, daß die vorübergehend in Vergessenheit geratenen Teile der Gesetzessammlung Stück für Stück wiederentdeckt wurden. Die verschollenen Digesten wurden um 1070 in Süditalien abgeschrieben und bearbeitet und später auch im Norden bekannt2. Seit dem 9. Jahrhundert wurde die stark verkürzte Fassung des Codex aus vollständigeren Handschriften allmählich aufgefüllt 3, so daß zu Beginn des 12. Jahrhunderts das Corpus iuris in seinem ursprünglichen Umfang in Oberitalien wieder bekannt war. Auf der Grundlage dieser Texte entwickelte sich an der seit 1088 bezeugten Universität von Bologna4 ein intensiver Rechtsunterricht. Bologna besaß die wirtschaftlichen Voraussetzungen für die Einrichtung und Unterhaltung des universitären Lehrbetriebs. Als Wirtschafts- und Fernhandelszentrum5 hatte es sich zu einer der reichsten und lebhaftesten der oberitalienischen Städte neben Venedig und Genua entwickelt6. Diese wirtschaftliche Blüte bedingte ihrerseits auch das Bedürfnis nach der Einrichtung eines solchen Bildungszentrums, da die Entstehung einer "modernen" Verkehrsgesellschaft erhöhte Ansprüche an die Aus-

1 Weimar in: Coings Handbuch I, S. 139; Wesenberg/Wesener geschichte, § 4 II, S. 25.

, Neuere deutsche Privatrechts-

2 Weimar in: Coings Handbuch I, S. 132; Schlosser , Grundzüge der Neueren Privatrechtsgeschichte, S. 30; Genzmer , Die justinianische Kodifikation und die Glossatoren, S. 368. 3 Weimar in: Coings Handbuch I, S. 160 f.; Genzmer , Die iustinianische Kodifikation und die Glossatoren, S. 371. 4

Wieacker , Privatrechtsgeschichte der Neuzeit, S. 48.

5

Wieacker , Privatrechtsgeschichte der Neuzeit, S. 47; Schlosser , Grundzüge der Neueren Privatrechtsgeschichte, S. 31. 6

Ganshof t Propyläen Weltgeschichte, Bd. 5, S. 407.

II. Die Begrenzung der Vertragsstrafe bei den

oatoren

27

bildung der mit rechtlichen Problemen befaßten Personen stellte7. Das Beispiel Bolognas machte bald Schule. Es kam zur Gründung weiterer Rechtsschulen in anderen oberitalienischen und südfranzösischen Städten, deren wirtschaftliche Entwicklung ähnlich verlaufen war.

I I . Die Begrenzung der Vertragsstrafe bei den Glossatoren Gegenstand der rechtswissenschaftlichen Betätigung der Glossatoren war das Corpus iuris Justinians. Es stellt sich die Frage, welche Schlüsse die Juristen des 12. Jahrhunderts aus den verschiedenen Fragmenten gezogen haben, die sich mit der Höhe von Vertragsstrafen beschäftigen. Aus praktischen Erwägungen richtet sich das Augenmerk primär auf solche Vertreter der Epoche, deren besondere Bedeutung für die wissenschaftliche Diskussion der Folgezeit sich darin äußert, daß ihre Handschriften in späteren Jahrhunderten in gedruckter Form verbreitet und stets zitiert wurden. Das trifft insbesondere auf Placentinus, Azo und Accursius zu. 1. Summa Trecensis Die älteste bekannte Codexsumme ist die "Summa Trecensis"8. Sie dürfte zwischen 1140 und 1159 entstanden sein9. Da sie anonym überliefert wurde10, gibt es über den Autor des Werkes keine gesicherten Erkenntnisse. Ihre Benennung erfolgte in Anlehnung an eine in Troyes gefundene Handschrift, nach der sie erstmalig beschrieben wurde11. In Buch VII Kapitel 31 Randnummer 9 widmet sich der unbekannte Autor unter der Überschrift "De Interesse" der Frage, ob die Grenze des Doppelten über den Bereich des Schadensersatzes hinaus auch für Vertragsstrafen gilt. Er formuliert folgendermaßen:

I

Wieacker,

Privatrechtsgeschichte der Neuzeit, S. 47.

8

Ediert wurde die Summa Trecensis von Hermann Fitting unter dem Titel "Summa Codicis des Irnerius", Berlin 1894, Nachdruck Frankfurt a.M. 1971. 9

Genzmer, Die iustinianische Kodifikation und die Glossatoren, S. 408; Otte, SZRom 83 (1966), S. 374/379. 1 0 Genzmer, Die iustinianische Kodifikation und die Glossatoren, S. 408; Weimar in: Coings Handbuch, S. 198 f. I I

Weimar, in: Coings Handbuch I, S. 198 f.

Kapitel :

28

oatoren

et si aliquid promissum est immoderate propter penam, et illud est coartandum, quia hee dem um pene exigende sunt que competenti moderatione promisse sunt und wenn etwas unmäßig versprochen worden ist als Strafe, so muß es beschränkt werden, weil nur solche Strafen eingeklagt werden können, die mit angemessener Beschränkung versprochen worden sind

Die Summa Tecensis ist also der erste mittelalterliche Rechtstext y der C.7.47.1 ausdrücklich auch auf Vertragsstrafen anwendet und anordnet, daß unangemessene Strafen zu beschränken sind. Damit bildet sie den Ausgangspunkt der mittelalterlichen Diskussion. Sie zitiert die Konstitution zwar nicht ausdrücklich, doch ergibt sich aus dem Zusammenhang der Darstellung (de interesse) und der Verwendung der Worte "competenti moderamine", daß die Summa Trecensis sich auf die justinianische Anordnung bezieht. Die in der Konstitution nicht geklärte Frage nach der genauen Rechtsfolge im Falle der Vereinbarung einer überhöhten Strafe wird von der Summa Trecensis beantwortet: Die Strafe soll auf das zulässige Maß herabgesetzt werden. Die Anwendbarkeit von C.7.47.1 auf Vertragsstrafen wird insgesamt nicht als Gegenstand eines Meinungsstreits dargestellt. Überhauptfindet eine eingehende Auseinandersetzung nicht statt. Die Fragmente des Corpus iuris, die die Höhe einer Vertragsstrafe der Parteivereinbarung zu überlassen scheinen, werden nicht erwähnt. So reicht der Summa Trecensis als Begründimg für die Begrenzung von Vertragsstrafen der bloße Hinweis auf die kaiserliche Konstitution. 2. Placentinus Ungefähr ein Menschenalter nach der Summa Trecensis läßt sich in der Einstellung zur zulässigen Höhe von Vertragsstrafen ein Wandel verzeichnen. Der Bologneser Jurist12 Placentinus (gestorben vermutlich 1192)13 ist - soweit ersichtlich - der erste, der die neue Auffassung nachdrücklich artikulierte, und zwar in seiner Summa Codicis14. Dieses Werk entstand in den 70er Jahren des 12. Jahrhunderts in Montpellier15. Dort hatte sich nach dem Vorbild Bolognas eine Rechtsschule etabliert, an der Placentinus im genannten Zeitraum zum ersten Mal lehrte16.

1 2

Weimar in: Coings Handbuch I, S. 138.

1 3

Wieacker , Privatrechtsgeschichte der Neuzeit, S. 63.

1 4

Placentinus , Summa Codicis, Mainz 1536, Nachdruck Torino 1962, fol. 350.

1 5

Weimar in: Coings Handbuch I, S. 201.

1 6

Weimar in: Coings Handbuch I, S. 137 f.

II. Die Begrenzung der Vertragsstrafe bei den

oatoren

29

Placentinus hat zunächst die Codexsumme seines Lehrers Rogerius vollendet, welche die Codextitel 4.58 bis 9.51 umfaßte. Später schrieb er die Summen zu den noch fehlenden Titeln 1.1 bis 4.57 17 . Seine Ausführungen zu C.7.47.1 gehören folglich zu dem älteren, noch von Rogerius begonnenen Teil. Placentinus schreibt: Sane ex conventione poena promitti potent, non admissa quorundam sententia, etiam ultra dupium usque ad quadruplum: forte etiam ultra si paciscentibus placuerit, ut C. de sponsal. 1. ultima, & ff. de evict. 1. si dictum. Nec obstat quod dicitur, in poenali stipulatione non inspicitur quid intersit, sed quae sit qualitas: non dicitur quanta, sed quae. Ergo quantitas promissa, quantacunque fuerit exigi potent Quippe haec nomina: quis, & quae, non quantitatis vel qualitatis, sed substantiae sunt designativa. Freilich wird man entgegen der Meinung einzelner Autoren eine Vertragsstrafe versprechen können, auch über das Doppelte hinaus bis zum Vierfachen. Vielleicht sogar darüber hinaus, wenn es den Vertragsparteien beliebt, wie C.5.1.5 und D.21.2.56. Und dem steht nicht entgegen, was hier [sc. in C.7.47.1] gesagt wird. Beim Strafversprechen wird nicht darauf geschaut, wie hoch das Interesse ist, sondern auf den Betrag der Vereinbarung: Es wird nicht gesagt, wieviel, sondern was [zu leisten ist]. Daher kann die versprochene Summe eingeklagt werden, wie hoch auch immer sie sein mag. Denn durch die Worte "wer* und "welche" wird nicht die Quantität oder die Qualität, sondern die Substanz bezeichnet.

Damit lehnt Placentinus es im Ergebnis ab, C.7.47.1 auch auf Vertragsstrafen anzuwenden und distanziert sich von der Ansicht früherer Autoren, deren Namen er nicht nennt. Besondere Beachtung verdient seine Argumentation. Placentinus beginnt seine Darstellung mit der Behauptung, Vertragsstrafen dürften das Doppelte (des Wertes der Primärleistung) überschreiten und bis zum Vierfachen reichen - wenn die Parteien es wollen, auch darüber hinaus. Als Beleg für diese Auffassung nennt er C.5.1.5 und D.21.2.56. Diese Stellen passen indes nur teilweise, da sie zwar vom Vierfachen reden, aber nicht erkennen lassen, ob dieses überschritten werden darf 18. Das eigentliche Hauptargument folgert Placentinus aus D.45.1.38.17 oder 1.3.19.19. Er zitiert zwar keines dieser Fragmente ausdrücklich, aber er gibt deren Kernaussage fast wörtlich wieder, wonach man bei einer Vertragsstrafe nicht auf den Schaden des Gläubigers schaut, sondern auf den vereinbarten Betrag ("quae sit qualitas") 19. Daraus folgert er, daß der Gläubiger stets den ganzen Betrag fordern kann, denn - so Placentinus - das Wort "quae" bezeichne nicht die Qualität oder die Quantität, sondern die Sub-

1 7

Weimar in: Coings Handbuch I, S. 201.

1 8

Siehe oben Kapitel 1, S. 11,19.

Kapitel :

30

oatoren

stanz. Dieser Begründung mit Hilfe der Unterscheidung von Qualität, Quantität und Substanz kommt besondere Bedeutung zu. Zum Verständnis dieser Begriffe muß auf die aristotelische Kategorienlehre, die bereits Augustinus gekannt hatte, zurückgegriffen werden. Die aristotelische Logik beherrschte in der Scholastik sämtliche Wissenschaften. Vornehmlich wurde sie im Fach "Logik" des Kanons der sieben freien Künste vermittelt. Seit der Mitte des 12. Jahrhunderts verbreiteten sich an allen Universitäten Aristoteles-Übersetzungen aus dem Arabischen und Griechischen20. Man kann deshalb davon ausgehen, daß Placentinus in den Kategorien aristotelischer Logik dachte. Bei den Begriffen "qualitas", "quantitas" und "substantia" handelt es sich nach der aristotelischen Kategorienlehre um drei der zehn Kategorien des Seienden21. Die Kategorien sind oberste Gattungen, d.h. Klassen, die keine anderen Klassen über sich haben und unter die alle übrigen Begriffe subsumiert werden können. Ziel der Kategorienlehre ist es, alle Begriffe aufgrund ihrer Inhalte zu klassifizieren22. Die Qualität beschreibt jede Beschaffenheit, ob sie nun zum Wesen gehört oder zu ihm hinzutritt. Als innere Bestimmung erweitert die Qualität den Seinsbestand, ohne dadurch eine Wesensänderung zu bewirken, und stellt daher ein Akzidens dar 23. Die Qualität ist also das Irgendwie-beschaffen-Sein. Die Quantität ist eine weitere wichtige Grundbestimmung des körperlichen Seins, deren wichtigste Folge die Ausdehnung ist 24 . Die Quantität stellt also das Wiemannigfach-Sein dar. Sie entspringt dem Wesen, ist jedoch nicht mit ihm identisch25. Demgegenüber stellt die Substanz als 1. Kategorie das Bleibende unter den Erscheinungen dar. Die Substanz ist das, was sein Sein in sich selbst hat.

Xu D.45.1.38.17 und in 1.3.19.19 lautet die Formulierung zwar "quae sit quantitas"; "qualitas" kann neben "Beschaffenheit" aber ebenfalls "Größe" oder "Höhe" bedeuten, insbesondere im Zusammenhang mit Strafen (vgl. Heumann/Seckel , Handlexikon s.v. "Qualitas", S. 482). Placentinus verwendet die beiden Begriffe an dieser Stelle also offenbar als Synonyme. 2 0

Steenberghen, F. van : Aristotelismus, in: Historisches Wörterbuch der Philosophie, hisg. von Joachim Ritter, Bd. 1, 508/513 ff.; zu den Übersetzungen: Hirschberger , Geschichte der Philosophie, B d 1,432 f. 2 1

Kälin, Lehrbuch der Philosophie I, S. 16.

2 2

Otte, Dialektik und Jurisprudenz, S. 59.

2 3

Brugger , Philosophisches Wörterbuch, hrsg. von Walter Brugger, s.v. Qualität; Kälin, Lehrbuch der Philosophie I, S. 123. 2 4 Junky Philosophisches Wörterbuch, hrsg. von Walter Brugger, s.v. Quantität; Kälin, Lehrbuch der Philosophie I, S. 122 2 5

Junk , Philosophisches Wörterbuch, hrsg. von Walter Brugger, s.v. Quantität

II. Die Begrenzung der Vertragsstrafe bei den

oatoren

31

Damit steht sie im Gegensatz zu den Akzidentien26. Nach seiner Wortbedeutung ist ein Akzidens etwas, was zu einem anderen hinzukommt. Das Akzidens steht in einer dreifachen Beziehung zur Substanz: Es existiert an der Substanz, es existiert nur in Abhängigkeit von der Substanz als deren Äußerung oder Zustand und es bestimmt und vervollkommnet akzidentell die Substanz27. Die Substanz ist also im Ergebnis das Was-Sein, d.h. das bleibende Wesen selbst28. Bei der Substanz kann es demnach auch kein "mehr" oder "weniger" geben29. Wenn Placentinus also argumentiert, bei der Vertragsstrafe werde durch die versprochene Summe nicht die Qualität oder die Quantität, sondern die Substanz bezeichnet, dann bedeutet das, daß die bei der Strafstipulation genannte Summe für ihn das Wesen der Verpflichtung selbst ausmacht. Wenn aber die Höhe der Summe nicht bloß ein Akzidens darstellt, sondern das Wesen der Absprache, dann kann sie nicht nachträglich verändert werden. Eine Begrenzung würde das Wesen der Parteivereinbarung verändern. Dann aber würde der Gläubiger nicht weniger, sondern etwas anderes erhalten, als die vertragliche Vereinbarung ihm zubilligt und der Beklagte würde gezwungen, eine andere Leistung zu erbringen, als die versprochene. Der Hinweis des Placentinus auf die Kategorienlehre wirkt mehr als Andeutung denn als Argumentation. Man muß aber bedenken, daß die aristotelische Logik zum Gegenstand dessen gehörte, was die Glossatoren im Rahmen ihrer höheren Schulbildung gelernt hatten30. Sie war also unter den Juristen des 12. Jahrhunderts gemeinsames Grundwissen. Trotz der Kürze der Darstellung ist der Hinweis auf die Kategorienlehre letztlich das eigentliche, tragende Argument dafür, den Widerstreit zwischen D.45.1.38.17 bzw. 1.3.19.19 und C.7.47.1 zugunsten der älteren Fragmente zu entscheiden und die Höhe von Vertragsstrafen der Parteivereinbarung zu überlassen. Indem Placentinus auf diese Weise den Pfad der alten Lehre (Summa Trecensis) verläßt, bestätigt sich erneut, daß er den Ruf juristischer Eigenständigkeit zu Recht besitzt31.

Santeler/Brugger, Philosophisches Wörterbuch, hrsg. von Walter Brugger, s.v. Substanz; Kälin, Lehrbuch der Philosophie I, S. 109. 2 7

Kälin, Lehrbuch der Philosophie I, S. 119.

2 8

Kälin, Lehrbuch der Philosophie I, S. 120; Otte, Dialektik und Jurisprudenz, S. 50.

2 9

Otte, Dialektik und Jurisprudenz, S. 66.

3 0

Weimar in: Coings Handbuch I, S. 129.

3 1

Wieacker,

Privatrechtsgeschichte der Neuzeit, S. 63.

Kapitel :

32

oatoren

3. Azo (ca. 1150-1235) Die neue Lehre fand in der Summa Cödicis32 des Bologneser Rechtslehrers Azo ihre Fortsetzung. Die zweite, endgültige Fassung seines Werkes dürfte in Bologna seit 1208 vorgelegen haben33 und geht auf eine Arbeit zurück, die Azo in Anlehnung an den Rechtsunterricht seines Lehrers Johannes Bassianus (gestorben um 1190)34 verfaßt hat35. Auch Azo behandelt die Problematik der Begrenzung von Vertragsstrafen im Rahmen seiner Darstellungen zu C.7.47.1 (Note 11). In seinen Ausführungen findet sich erstmalig eine genauere Beschreibung des bei Placentinus nur am Rande erwähnten Gelehrtenstreites. Azo schildert den Meinungsstand folgendermaßen: De poena, sicut & de interesse dubitatur et usquequo porrigatur. Et dicunt quidam usque ad duplum, arg. huius legis ibi, cum scimus, & c. His obviat quod dicitur s. de spon. 1. mulier. in fi. & ff. de evict. 1. si dictum. Harum duarum legum argumentis quidam dixerunt usque ad quadruplum posse extendi, argu. institu. de act §. omnes autem. Alii enim distinxerunt, utrum ille, qui promittit, sciat se non posse promittere ultra quadruplum, an non. Si sciat, valet ex consensu eius: quia suo iuri renuntiare potest, 1. si quis in conscribendo. C. de pact sed si ignorat, non valet ultra quadruplum, arg. ff. si quis cautio 1. sed & si quis. §. ultimo. Hinsichtlich der Strafe und des Interesses bestehen Zweifel, wie weit sie ausgedehnt werden darf. Und manche sagen bis zum Doppelten unter Berufung auf dieses Gesetz (sc. C.7.47.1 ), und dort [bei den Worten] "Weil wir wissen". Diesen steht entgegen, was gesagt wurde oben C.5.1.5 und D.21.2.56 pr. Mit dem Argument dieser beiden Stellen haben manche gesagt, sie könne bis zum Vierfachen ausgedehnt werden mit dem [weiteren] Argument von 1.4.6.21. Andere haben jedoch unterschieden, ob jener, der das Verprechen abgibt, weiß, daß er sich nicht über das Vierfache hinaus verpflichten kann oder nicht. Wenn er es weiß, so ist es kraft seines Einverständnisses gültig, weil er auf sein Recht verzichten kann, C.2.3.29 3 6 . Wenn er es aber nicht weiß, so ist es nicht über das Vierfache hinaus wirksam mit dem Argument aus D.2.11.4.5

3 2 Azonis Summa aurea recens pristinae suae fidei restituta, ac archetypo collata, Lugduni 1557, unveränderter Nachdruck Frankfurt a.M. 1968. 3 3

Weimar in: Coings Handbuch I, S. 202; die zweite Fassung ist auch die zitierte Ausgabe.

3 4

Weimar in: Coings Handbuch I, S. 137.

3 5 Weimar in: Coings Handbuch I, S. 148, 206; Genzmer , Die iustinianische Kodifikation und die Glossatoren, S. 409 f. 3 6

In dieser Konstitution beschäftigt sich Justinian mit der Frage, ob Soldaten und Staatsbedienstete auf ihre Gerichtsprivilegien durch Vertrag verzichten können. Justinian läßt einen solchen Verzicht zu und beruft sich darauf, es sei eine alte Regel, daß alle die Freiheit haben, dem, was zu ihren Gunsten eingeführt worden ist, zu entsagen. Die zitierte Stelle privilegiert den Irrenden in einem anderen Zusammenhang, nämlich bei der überflüssigen Stellung von Bürgen.

II. Die Begrenzung der Vertragsstrafe bei den

oatoren

33

Von den geschilderten drei Ansichten ist die erste die der Summa Trecensis. Wer die Vertreter der beiden anderen Auffassungen sind, bleibt demgegenüber unklar. Anschließend schildert Azo seine persönliche Ansicht zu der Streitfrage: Ego puto ad poenam conventionalem quantacunque sit, posse agi. Illud enim competens moderamen est, quod sie inter eos convenit, arg. Instit. de inuti. stipula. §. alten. Non enim dicit spectandum quanta sit pecunia: ut secundum hoc praestaretur tota, vel non praestaretur. Sed quae sit quantitas: ut ea tota spectetur, quippe haec nomina quis, & quae, non quantitatis, vel qualitatis, sed substantiae sunt, designativa. Nec obstat quod dicitur in insti. de actio. §. omnes. quia ibi loquitur de poena legali, non conventionali. Sed nec obstat quod dicitur ff. de sponsa. 1. mulier. quia ibi speciale est, sicut & dicitur alias: ne matrimonia adstringantur vinculo poenarum, ut ff. de veibo. obliga. Titia. j. respons. Sed quod dixi in conventionali poena, verum est, nisi opponatur in fraudem usurarum, ut s. de usurus. 1. cum allegas, & c. Ich meine, eine Vertragsstrafe kann eingeklagt werden, wie hoch auch immer sie ist Es ist nämlich dasjenige die angemessene Beschränkung, was [die Parteien] (so) untereinander vereinbart haben. Argument aus 1.3.19.19. Die Stelle sagt nämlich nicht, es müsse darauf geschaut werden, wieviel Geld es sei, so daß man demgemäß [entweder] alles geleistet haben würde oder [überhaupt] nicht (geleistet haben würde), sondern welches der Betrag sei, so daß dieser in voller Höhe beachtet werden soll, weil die verwendeten Worte n wer und welches" nicht die Qualität oder die Quantität, sondern die Substanz ausmachen. Und dem steht nicht entgegen, was gesagt wird in 1.4.6.21, weil dort über die gesetzliche Strafe und nicht über die Vertragsstrafe gesprochen wird. Und ferner steht nicht entgegen, was gesagt wird in C.5.1.5 3 8 weil es sich dort um eine Spezialregelung handelt und gleichsam etwas anderes gesagt wird: daß die Ehe nicht erzwungen werden darf

durch das Band einer Strafe, wie D.45.1.134 pr. Sondern was ich über die Konventionalstrafe gesagt habe, ist richtig, wenn sie nicht zur Umgehung des gesetzlichen Zinssatzes eingesetzt wird, wie C.4.32.15.

Azo folgt damit ohne Abstriche der von Placentinus vertretenen Lehre, wonach die Höhe der Vertragsstrafe der Vereinbarung der Parteien unterliegt, ohne sich allerdings ausdrücklich auf Placentinus zu berufen. Statt dessenfindet sich in einer Nachschrift seiner Vorlesung39 der Hinweis, daß diese Ansicht bereits von seinem Lehrer Johannes Bassianus vertreten wurde40. Azos Argumentation lehnt sich eng an die Formulierungen an, die sich bereits in der "Summa Codicis" des Placentinus fanden, ist aber ausführlicher. Kernsatz seiner Begründimg ist, daß die von Justinian in C.7.47.1 gelobte angemessene Mäßigung bei der 3 8 Bei dieser Allegation handelt es sich wohl um ein Fehlzitat, ff. de sponsalibus ist D.23.1. In diesem Titel beginnt jedoch kein Fragment mit dem Wort "mulier". Die Angabe erhält jedoch einen Sinn, wenn man sie statt auf die Digesten auf den Codextitel de sponsalibus (= C.5.1) bezieht Das »scheint auch deshalb einleuchtend, weil die Stelle C.5.1.5 bereits weiter oben im Text zitiert wurde. 3 9 Azonis Lectura super codicem. Hugolini apparatus in tres libros (Corpus glossatorum juris civilis III), Torino 1966, fol. 590.

Kapitel :

34

oatoren

Straffestsetzung bereits dadurch erreicht wird, daß die Parteien sich über die Höhe der Strafe vertraglich einigen. Was die Parteien vereinbaren, ist seiner Meinung nach stets angemessen. Dafür beruft er sich ausdrücklich auf 1.3.19.19, also auf einen Text, der eine besonders deutliche Aussage zugunsten der freien Vereinbarkeit der Strafhöhe enthält41. Anschließend wiederholt Azo das Argument des Placentinus, der Schuldner könne eine Strafe nur ganz oder gar nicht erbringen, nicht aber durch Zahlung eines gekürzten Betrages, da die genannte Summe die Substanz, d.h. das Wesen der Verbindlichkeit ausmache. Ander als Placentinus bemüht sich Azo, diejenigen Fragmente des Corpus iuris, die im Gegensatz zu seiner Ansicht stehen und eher für eine Begrenzung von Vertragsstrafen sprechen, mit seiner Lehre in Einklang zu bringen. Als Mittel der Harmonisierung dient die einschränkende Auslegung. So gilt 1.4.6.21, wonach keine Klage über das Vierfache hinaus gestattet wird, nach seinem Dafürhalten nur für gesetzliche Strafen. Der Konstitution C.5.1.5 will er nur eine speziell auf die Bedürfnisse der Verlöbnisdraufgabe zugeschnittene und daher nicht verallgemeinerungsfähige Aussage entnehmen. Im Ergebnis ist auch C.7.47.1 vor dem Hintergrund der klaren Aussage in 1.3.19.19 so auszulegen, daß Vertragsstrafen nicht erfaßt sind. Als Obergrenze bleibt dann nur noch der zulässige Höchstzinssatz. Mit dieser Darstellung, die fast alle wirklich wesentlichen Aussagen des Corpus iuris zur Höhe von Vertragsstrafen aufgreift und in ein geschlossenes, widerspruchsfreies Konzept einordnet, hat Azo gleichsam die Standardbegründung jener Lehre verfaßt, die die Strafhöhe der Vertragsfreiheit überlassen wollte. 4. Odofredus des Denariis (gestorben 1265)42 Es erstaunt nicht, daß der Bologneser Rechtslehrer Odofredus, ein Schüler des Azo 43 , die Linie seines Meisters fortsetzt. In den vermutlich zwischen 1236 und 1265 entstandenen umfangreichen Vorlesungsmitschriften 44 schildert er in

4 0

"Domino vero Ioan. visum fuit poenam conventionalem, quantamcunque sit exigi." (C.7.47.1, Note 9) 4 1

Siehe oben Kapitel 1, S. 13.

4 2

Wieacker , Privatrechtsgeschichte der Neuzeit, S. 63; Weimar in: Coings Handbuch I, S. 133.

4 3

Weimar in: Coings Handbuch I, S. 203.

4 4 Odofredus , Juris utriusque peritissimi dicaearchi in secundam Codicis partem, Praelectiones, Lugduni 1552, Photomechanischer Nachdruck, Bologna 1969, fol. 122.

II. Die Begrenzung der Vertragsstrafe bei den

oatoren

35

leicht verkürzter Form den bereits von Azo ausführlich geschilderten Meinungsstreit und fährt dann mit den Worten fort: Sed vos dicatis cum Jo. et Az. quod potest peti quantuncunque sit ut insti. de inuti. sti. §. alten et ff. de verbo. obl. 1. stipulatio ista. §. alten. Item quia ubi pena adiicitur donationi vel facto, potest peti quantuncunque sit. ut ff. de ar. 1. non distinguemus. in prin. secus si adiicitur quantitati: quia tunc videtur apposita in fraudem usurarum. ut s. de trans. 1. promissis. quia tunc petitur usque ad legitimum modum. ut ff. de usur. 1. pecunie. Non ob. §. ibidem, quia ibi pena fuit apposita in fraudem usurarum. Item non ob. s. de spon. 1. ulti. in fi. et ff. de evic. 1. si dictum, quia loquuntur in artis 4 ^ sponsalitiis: non in pena que non habet locum ibi favore matrimonii. ut ff. de veib. ob. 1. titia. in princ. Item non ob. §. omnes. institu. de act quia loquitur in pena legali: secus in conventionali. Ihr aber sollt mit Johannes und Azo sagen, daß sie [sc. die Vertragsstrafe] eingeklagt werden kann, wieviel auch immer sie beträgt, 1.3.19.19 und D.45.38.17. Denn wenn eine Strafe einer Schenkung hinzugefügt wird oder einem Faktum [sc. Versprechen, eine Handlung vorzunehmen], kann sie eingefordert werden, wieviel auch immer sie beträgt, D.4.8.32 pr. Anders [ist es], wenn sie einer Geldsumme hinzugefügt wird, weil sie dann als zur Umgehung des gesetzlichen Zinssatzes vereinbart angesehen wird, C.2.4.37, [und] weil sie dann nur bis zum gesetzlichen Maß gefordert werden kann, wie D.22.1.9 pr. Dem steht nicht entgegen D.19.1.13, weil dort die Strafe zur Umgehung des Zinssatzes beigefügt wurde. Ebenso steht nicht entgegen C.5.1.5 und D.21.2.56 pr., weil sie von der Draufgabe zum Verlöbnis sprechen, nicht von der Strafe, die dort keinen Platz hat, wo es um die Ehe geht, wie D.45.1.134 pr. Ebenso steht nicht entgegen 1.4.6.21, weil [die Stelle] von der gesetzlichen Strafe redet. Anders [ist es] bei der Vertragsstrafe.

Odofredus nennt als Quelle seiner Ansicht ausdrücklich den Azo und dessen Lehrer Johannes Bassianus, auf den schon Azo sich berief. Sehr sorgfältig zählt er alle Stellen des Corpus iuris auf, die für die Freiheit der Strafhöhe sprechen. Er nennt nicht nur die Parallelstellen 1.3.19.19 und D.45.1.38.17, wonach bei einer Vertragsstrafe auf die Summe und nicht auf den Schaden geschaut wird 46, sondern auch D.4.8.32 pr. Dortfindet sich die klare Feststellung, daß bei den Schiedsverträgen die Größe der vereinbarten Stafe keine Rolle spielt47. Abgesehen von der Nennung dieser Fragmente ist seine Begründung jedoch weniger einfallsreich als die des Azo. Auffallend ist beispielsweise, daß Odofredus auf die Argumentation mit Hilfe der aristotelischen Kategorienlehre verzichtet. Nahezu identisch mit der Begründimg des Azo ist allerdings die Art, in der er sich mit einer Reihe scheinbar widersprechender Fragmente des Corpus iuris auseinandersetzt. Auch er legt sie einschränkend aus und leugnet ihren Bezug zur Vertragsstrafe.

Gemeint ist wohl "arrhis". 4 6

Siehe oben Kapitel 1, S. 13.

4 7

Siehe oben Kapitel 1, S. 12.

36

Kapitel :

oatoren

Mit Odofredus ist die Reihe zentraler Vertreter der Epoche, die die Vertragsstrafe abgesehen vom Zinsmaximum der freien Parteivereinbarung überlassen wollen, somit auf drei angewachsen. 5. Accursius (ca. 1183 bis 1263)48 Ein leichtes Abrücken von diesem die Vertragsfreiheit betonenden Standpunkt läßt sich bei Accursius verzeichnen. Auch Accursius war Schüler des Azo 49 . Er gilt als Gegenspieler der Odofredus 50. Sein Lebenswerk, die später sogenannte "Glossa ordinaria"51, erlangte die überragende Bedeutung eines Standardkommentars und gab der Epoche ihren Namen52. Accursius behandelt die zulässige Höhe von Vertragsstrafen in seiner Glosse "proferuntur" zu C.7.47.1. Auch er schildert zunächst den bereits von Azo ausführlich beschriebenen Meinungsstreit. Allerdings fallt seine Darstellung so knapp und fragmentarisch aus, daß man sie eigentlich nur verstehen kann, wenn man die Ausführungen des Azo bereits kennt. Sie wirkt daher wie eine lustlos angefertigte Abschrift. Anschließend schildert Accursius seine eigene Ansicht: Quarta est sententia nostra, ut distinguamus legalem poenam (ut furti, quae quadruplum non excedit) a conventionali, quae si opponatur per haec verba quadruplum, & quintuplum, & tunc idem: ut Instit de act §. omnes. Alias si certa summa: valet in infinitum. ut Instit. de inut stipu. §. alten, in quib[us] dicitur inspici quae sit quantitas. Nam haec dictio, qua: non quantitatis, vel qualitatis: sed substantiae, est designativa: & sie est competens moderamen quantum placet contrahentibus. Die Vierte ist unsere Ansicht, daß wir die gesetzliche Strafe (wie [die] des Diebstahls, die das Vierfache nicht überschreitet) von der Konventionalstrafe unterscheiden, für welche, wenn sie durch die Worte "Vierfaches" oder "Fünffaches" bei Gericht vorgebracht wird, dann dasselbe [gilt], wie nach 1.4.6.21. Anders [ist die Rechtslage], wenn es sich um eine bestimmte Summe handelt: Sie gilt unbeschränkt, wie 1.3.19.19 und D.45.1.38.17, in welchen gesagt wird, daß zu beachten sei, was der Betrag ist Denn durch dieses Wort "was" wird nicht die Quantität oder die Qualität, sondern die Substanz bezeichnet und demnach ist die angemessene Bestimmung so groß, wie es den Parteien gefällt

^ S. 63.

Dilcher, Accursius, in: HRG I, Sp. 24 f.; Wieacker,

Privatrechtsgeschichte der Neuzeit,

4 9

Schlosser, Grundzüge der Neueren Privatrechtsgeschichte, S. 33.

5 0

Hugo, Civilistischer Cursus VI, S. 118.

5 1

Corpus iuris civilis Iustiniani cum commentariis Accursii, scholiis Contii... Studio et opera Ioannis Fehi, Pars IV, Lugduni 1627, Fotomechanischer Nachdruck Osnabrück 1965, col. 1931. 5 2

S. 173.

Weimar

in: Coings Handbuch I, S. 173; Wieacker,

Privatrechtsgeschichte der Neuzeit,

III. Zusammenfassung

37

Auf den ersten Blick wirkt auch dieser Teil seiner Ausführungen wie eine knappe Wiedergabe des Azo. Dieser Eindruck täuscht jedoch. Bei näherem Hinsehen zeigt sich, daß Accursius eine neue Unterscheidung in die Diskussion einführt, die sich danach richtet, auf welche Art die Vertragsstrafe vereinbart wurde. Nennen die Parteien als Strafe ein Vielfaches der Hauptleistung, also z.B. "das Vierfache" oder "das Fünffache", dann gilt - so Accursius -1.4.6.21, wonach keine Klage das Vierfache überschreitet. Nur dann, wenn eine bestimmte Strafsumme vereinbart wurde, gilt aus den von Placentinus, Azo und Odofredus genannten Gründen das Vereinbarte stets als angemessen und kann nicht herabgesetzt werden. Obwohl Accursius sich der Argumentation dieser Juristen einschließlich des Hinweises auf den Substanzcharakter des vereinbarten Betrages anschließt, weicht er von deren klarer und einheitlicher Lösung ab und vertritt eine vermittelnde Ansicht, die Restriktionen unter bestimmten Voraussetzungen zuläßt. Eine Begründung für seine Distinktion bietet er nicht. Sie ist daher auch schwer nachvollziehbar. Accursius weist nicht einmal darauf hin, daß er die Lehre seines Meisters Azo einschränkt. Allerdings dürfte die Konstellation, daß eine Vertragsstrafe durch Nennung eines Vielfachen vereinbart wird, keine große praktische Bedeutung besessen haben. Sinn einer Vertragsstrafe ist es nach 1.3.15.7 in aller Regel, eine klare Rechtslage zu schaffen und Rechtsstreitigkeiten über die Höhe von eventuellen Schäden zu vermeiden53. Dieses Ziel ist durch die Nennung eines Vielfachen jedoch nicht zu erreichen, da die Höhe der Berechnungsgrundlage - der Wert der Hauptleistung - ein Streitpunkt bleibt. Daher wird die genau bestimmte Strafsumme der Normalfall gewesen sein. Ungeachtet seiner diffizilen Distinktion überläßt daher auch Accursius im Regelfall die Strafhöhe der Parteiveieinbarung. I I I . Zusammenfassung Betrachtet man die untersuchten Texte im Zusammenhang, so fallen eine Reihe von Gemeinsamkeiten auf. 1. Inhalt

Alle untersuchten Autoren stellten sich im Rahmen ihrer Ausführungen zu C.7.47.1 die Frage, ob die allgemein gehaltenen Äußerungen Justinians hinsichtlich der angemessenen Beschränkung von Strafen auch für Vertragsstrafen 5 3

Siehe oben Kapitel 1, S. 7.

4 Sossna

Kapitel :

38

oatoren

gelten. Die Beantwortung dieser Frage zeigt folgende Entwicklung: Die älteste Quelle, die Summa Trecensis, hält C.7.47.1 noch für anwendbar. Der anschließende Meinungswandel schlägt sich in einer Reihe weitgehend inhaltsgleicher Stellungnahmen nieder, die das exakte Gegenteil für richtighalten. Endpunkt der Entwicklung ist die Glossa ordinaria, die den freiheitlichen Charakter der neuen Lehre in einem eher nebensächlichen Punkt wieder einschränkt. Für den praktisch wichtigeren Fall der Vereinbarung einer bestimmten Strafsumme besteht also abgesehen von der Summa Trecensis eine übereinstimmende Ansicht der untersuchten Autoren: Der Widerspruch zwischen den älteren Fragmenten des Corpus iuris, die die Strafhöhe freizugeben scheinen54, und C.7.47.1 wird wie bereits Wieling beobachtet hat55 - zugunsten der älteren Texte entschieden. Die Vertragsstrafe ist frei vereinbar und darf lediglich die Vorschriften über die zulässige Höhe von Zinsen nicht umgehen. Das einheitliche Bild dieses Meinungsstandes wird allerdings dadurch getrübt, daß die Frage der Begrenzung von Vertragsstrafen seit Azo als Gegenstand eines Gelehrtenstreits geschildert wird, in dem bis zu vier verschiedene Ansichten unterschieden werden, von denen hier nur zwei bestimmten Autoren oder Texten zugeordnet werden konnten. Wer die Vertreter der beiden anderen Theorien waren, ist nicht zu ermitteln. Man kann aber doch zumindest sagen, daß mit Placentinus, Azo, Accursius und Odofredus die vier bedeutendsten Repräsentanten der Epoche eine in wesentlichen Zügen einheitliche Linie vertreten haben. Ihnen kommt vor allem wegen der Verbreitung ihrer Schriften besondere Bedeutung für das weitere Schicksal des römischen Rechts in Europa zu. Die Konvergenz ihrer Stellungnahmen in Anbetracht ihrer Autorität rechtfertigt es daher, die Unbegrenztheit der Strafsumme als vorherrschende Lehre im 12. und beginnenden 13. Jahrhundert zu bezeichnen. Damit stellt sich die Frage nach den Ursachen dieser Übereinstimmungen. Die Einheitlichkeit in der Argumentation und im Ergebnis ist teilweise eine typische Erscheinung für die Literatur der Glossatoren. Der Rückgriff auf ältere Werke, insbesondere auf die der Lehrer, entsprach den Gepflogenheiten der Zeit. Mit zunehmender Entfaltung der Wissenschaft hat der Anteil fremden Gedankengutes an den neuentstandenen Werken zugenommen, während der Anteil der neuen Gedanken stetig zurückging. Insbesondere Azo und Accursius haben nach einhelliger Überzeugung hauptsächlich Vorgefundenes in eine neue Form ge-

5 4

Siehe oben Kapitel 1, S. 12.

5 5

Wieling, Interesse, S. 99 und Fn 42.

III. Zusammenfassung

39

bracht56. Das zeigt sich auch in unserer Frage und erklärt die bis in die Begründung reichende Parallelität der Stellungnahmen von Azo, Accursius und Odofredus, die in einem Lehrer-Schüler-Verhältnis standen. Es gab indes auch Schulfeindschaften 57. Insbesondere zwischen den in Bologna lehrenden und den südfranzösischen Juristen bestand nach dem Urteil Wieackers ein regelrechter Wettbewerb58. Wie schon Genzmer beobachtet hat, standen dabei den sogenannten orthodoxen Romanisten, zu denen unter anderen Azo und Accursius zählten, eine Reihe von "Außenseitern" gegenüber, zu welchen insbesondere Placentinus gehörte. Azo und Accursius sollen diese Außenseiter in der Regel nur zitiert haben, um ihre Ansicht zu bekämpfen59. Überhaupt entstand die Codexsumme des Azo in betontem Wettstreit mit der des Placentinus60. Wenn also Azo die Ansicht seines "Konkurrenten" Placentinus einschließlich der Begründung ohne Einschränkungen übernimmt und sich zu eigen macht, so ist das meines Erachtens ein sicheres Anzeichen dafür, daß die Überzeugungskraft dieser Lehre bereits nach kurzer Zeit einen begründeten Widerspruch nicht mehr zuließ.

2. Methode Fragt man nach der juristischen Methode, mit deren Hilfe diese Überzeugungskraft aufgebaut wurde, so lassen sich folgende Charakteristika verzeichnen: Sämtliche Autoren suchen die Antwort auf die Frage nach der zulässigen Höhe von Vertragsstrafen in erster Linie in den Texten des Corpus iuris. Abgesehen von der (frühen) Summa Trecensis nennen die Texte dabei regelmäßig eine ganze Reihe sich widersprechender Fragmente, zumeist mit dem Hinweis, sie dienten einander bekämpfenden Ansichten als Argument. Im Ergebnis wird dabei fast das ganze Spektrum der im Corpus iuris enthaltenen Einzelaussagen zur vorliegenden Thematik abgebildet. Das zeigt, daß das Corpus iuris in seiner Gesamtheit als autoritativer Text behandelt wurde, dessen Geltung als solcher

5 6 Weimar, Ius commune I I (1969), S. 43/67 f.; Genzmer, Die justinianische Kodifikation und die Glossatoren, S. 395; Wesenberg/Wesener, Neuere deutsche Privatrechtsgeschichte, S. 27; Koschaker, Europa und das römische Recht, S. 86; Otte, SZRom 83 (1966), S. 374/382. 5 7

Genzmer, Die iustinianische Kodifikation und die Glossatoren, S. 395.

5 8

Wieacker,

5 9

Genzmer, Die iustinianische Kodifikation und die Glossatoren, S. 395.

6 0

Genzmer, Die iustinianische Kodifikation und die Glossatoren, S. 410.

Privatrechtsgeschichte der Neuzeit, S. 64.

Kapitel :

40

oatoren

auch in unserer Frage den Glossatoren unantastbar erschien61. Sie haben also aus der Widersprüchlichkeit der einzelnen Fragmente keinesfalls den Schluß gezogen, die justinianische Kodifikation sei für die Beantwortung der untersuchten Frage unbrauchbar. Statt dessen setzten sie ihre Forschung zu dem Ziel ein, durch Auslegung eine Harmonisierung der Textstellen zu erreichen62 und sich so der Wahrheit des als "ratio scripta" verstandenen Textes zu vergewissern63. Diese Auslegung mußte notwendigerweise auf Argumente zurückgreifen, die sich aus anderen Quellen als denen des Corpus iuris ergeben. In unserer Frage war es die aristotelische Kategorienlehre, die den (scheinbaren) Widerspruch der Gesetze aufzulösen half. Damit zeigt sich am Beispiel der Vertragsstrafe erneut die überragende Bedeutung der aristotelischen Logik, insbesondere die der aristotelischen Lehre von den Begriffen (Kategorien), für die juristische Argumentationsweise der Glossatoren, auf die bereits Otte hingewiesen hat64. Deren Kenntnis hatten die mittelalterlichen Juristen auf der höheren Schule erworben, wo sie im Rahmen des Triviums (Grammatik, Rhetorik und Dialektik) vermittelt wurden65, doch gehen die Kenntnisse der Glossatoren über den Bereich des elementaren Grundwissens teilweise deutlich hinaus66. Es sind also rein formalbegriffliche Erwägungen, die als Auslegungskriterien genannt werden67. Damit repräsentiert sich die Rechtswissenschaft des 12. Jahrhunderts als Zweig der mittelalterlichen Scholastik68.

6 1 Wieacker , Privatrechtsgeschichte der Neuzeit, S. 49; Weimar in: Coings Handbuch I, S. 130; Gmür , Grundriß der deutschen Rechtsgeschichte, S. 37; Genzmer , Die iustinianische Kodifikation und die Glossatoren, S. 382. 6 2 Wieacker , Privatrechtsgeschichte der Neuzeit, S. 59; Genzmer , Die iustinianische Kodifikation und die Glossatoren, S. 382; Ltdg , Historische Formen der Anpassung veralteten Gesetzesrechts, in: JuS-Didaktik Heft 6 (1977) Bd. IV, S. 173/176; Gmür, Grundriß der deutschen Rechtsgeschichte, S. 38. 6 3

Wieacker,

6 4

Otte, Dialektik und Jurisprudenz, S. 9 und 17 ff.

Privatrechtsgeschichte der Neuzeit, S. 54 f.

6 5 Genzmer, Die iustinianische Kodifikation und die Glossatoren, S. 385; Weimar in: Coings Handbuch I, S. 129; Wieacker, Privatrechtsgeschichte der Neuzeit, S. 52. 6 6

Otte, Dialektik und Jurisprudenz, S. 21 ff.

6 7

Ltdg, Historische Formen der Anpassung veralteten Gesetzesrechts, in: JuS-Didaktik Heft 6 (1977) Bd. IV, S. 173/177. 6 8

Weimar in: Coings Handbuch I, S. 131; Schlosser, Grundzüge der Neueren Privatrechtsgeschichte, S. 20.

III. Zusammenfassung

41

3. Grundeinstellungen der Zeit Angesichts der Übereinstimmungen zwischen den vier bedeutendsten Vertretern der Epoche stellt sich die Frage, inwiefern die Lösung, welche die Strafhöhe im Regelfall der Vertragsfreiheit überläßt, die Grundeinstellungen der Zeit in wirtschaftlicher und gesellschaftlicher Hinsicht wiederspiegelt und gerade auch deshalb allgemein überzeugte. Wie erwähnt waren die oberitalienischen Städte ähnlich wie die südfranzösischen Zentren Marseille und Montpellier im 12. Jahrhundert zu Handelsmetropolen geworden. Sie verdankten ihre wirtschaftliche Bedeutung namentlich dem Tuchhandel mit Nordeuropa, und hier insbesondere mit Flandern69. Die beherrschende Stellung, die Handel und Verdienst im Lebensstil dieser Städte erlangte, läßt sich vielleicht erahnen, wenn man bedenkt, daß z.B. genuesische Vertragsurkunden des 12. Jahrhunderts neben dem Datum meist auch die Stunde des Vertragsschlusses verzeichneten, und daß diese Stunde oft mitten in der Nacht war 70. Die von Azo gebrauchte Formulierung, angemessen sei, was die Parteien unter einander vereinbart haben, und der darin zum Ausdruck kommende Glaube an die Richtigkeitsgewähr des frei vereinbarten Vertrages passen sehr gut in das Bild einer aufblühenden Stadtkultur, in der die freie wirtschaftliche Betätigimg eine zentrale Rolle spielt. Der Verzicht auf obrigkeitliche Kontrolle geschäftlicher Vereinbarungen entspricht auch den vielfach nachweisbaren politischen Autonomiebestrebungen, in deren Verlauf die (einflußreichen) Bürger vieler norditalienischer Städte im 12. Jahrhundert die Aufsicht ihrer bischöflichen Stadtherren zurückdrängten71. Ob diese Übereinstimmung von den Glossatoren bewußt herbeigeführt wurde, erscheint fraglich und hängt vor allem davon ab, welche praktische Bedeutung man der Rechtswissenschaft des 12. Jahrhunderts zutraut. In dieser Frage gehen die Ansichten auseinander. Nach traditioneller Auffassung waren die Glossatoren reine Theoretiker, die eine Nutzbarmachung ihrer Lehren für das praktische Leben nicht anstrebten72. Dem wird heute zu Recht überwiegend entgegengehalten, die Beherrschung der juristischen Argumentation sei keineswegs Selbstzweck geblieben. Sie sei bei der praktischen juristischen Tätigkeit angewendet

6 9

Bernard, in: Europäische Wirtschaftsgeschichte I, S. 184.

7 0

Lopez, in: Handbuch der europäischen Wirtschafts- und Sozialgeschichte II, S. 459.

7 1

Pitz, in: Studienbuch Geschichte, S. 296 f.

7 2

Wieacker, Privatrechtsgeschichte der Neuzeit, S. 54; Kantorowicz, senschaft, in: Die Tat 6 (1914), S. 345/349.

Epochen der Rechtswis-

Kapitel :

42

oatoren

worden, die für viele Glossatoren urkundlich bezeugt ist73. Das wohl deutlichste Indiz für die praktische Verwertbarkeit der von den Glossatoren vermittelten Kenntnisse ist die große Zahl von Rechtsstudenten, die sich um den Erwerb dieser Kenntnisse bemühten und die soziologisch bedeutsame Stellung der gelehrten Juristen74. Es wäre wirklichkeitsfremd, zu glauben, den Doctores seien diese Zusammenhänge nicht bewußt gewesen. Vor diesem Hintergrund sind auch die Einschätzungen zu sehen, daß die Glossatoren sich bemüht hätten, aus dem Corpus iuris Lösungen für die Fragen des zeitgenössischen Rechtslebens abzuleiten75 und das Gesetz so an die mittelalterlichen Lebensverhältnisse anzupassen76. Aus den hier untersuchten Textstellen zur Vertragsstrafe läßt sich eine derartige gezielte Ausrichtung an den praktischen Bedürfnissen der oberitalienischen Verkehrsgesellschaft indes nicht mit Sicherheit folgern, da die Argumentation den Rahmen des Begrifflichen nicht verläßt. Bei der Glossa ordinaria ergeben sich an einer solchen Motivation sogar Zweifel, da Accursius in bestimmten Fällen eine Begrenzung auf das Vierfache empfiehlt, ohne zu definieren, was bei einer Überschreitung zu geschehen hat. Man kann daher nach der Lektüre seiner Ausführungen nicht sicher sagen, ob die Vereinbarung einer unzulässig hohen Strafe insgesamt unwirksam ist, oder ob die Strafe lediglich auf einen angemessenen Betrag zurückgeführt werden soll - wie es die Summa Trecensis für die von ihr geforderte Begrenzung ausdrücklich festlegt. Seine Lehre ist mangels eindeutiger Rechtsfolgenanordnung nicht ohne weiteres praktisch umsetzbar und daher wohl kaum speziell auf die Belange der Praxis zugeschnitten. Daß die Glossatoren - wie Sbriccoli meint77 - durch Auslegung die Anwendbarkeit einer in der Praxis lästigen Norm (nämlich hier der Konstitution C.7.47.1) gezielt umgangen haben, um so das römische Recht den Erfordernissen einer liberalen, dem freien Wirtschaftsleben verpflichteten Verkehrsgesellschaft - und damit den Interessen einer davon profitierenden Oberschicht - anzupassen, läßt sich im Hinblick auf ihre streng formale Argumentation nicht beweisen. Die Annahme, daß die neutrale Argumentation nur eine Fassade darstellte, hinter der sich die 7 3 Weimar in: Coings Handbuch I, S. 136; Schlosser, Grundzüge der Neueren Privatrechtsgeschichte, S. 34; Koschaker, Europa und das römische Recht, S. 84; Genzmer, SZRom 61 (1941), S. 276/317; Wesenberg/Wesener, Neuere deutsche Privatrechtsgeschichte, S. 29. 7 4

Wesenberg/Wesener,

7 5

Gmür, Grundriß der deutschen Rechtsgeschichte, S. 38.

Neuere deutsche Privatrechtsgeschichte, S. 29.

7 6

Luig, Historische Formen der Anpassung veralteten Gesetzesrechts, in: JuS-Didaktik Heft 6 (1977) Bd. IV, S. 173/176. 7 7 Sbriccoli , Politique et interprétation juridique dans les villes italiennes du Moyen âge, in: Archives de Philosophie du Droit 17 (1972), S. 99/101 f./105-107.

III. Zusammenfassung

43

wirklichen - opportunistischen - Motive versteckten, unterstellt den Glossatoren eine bewußte Manipulation ihrer Leser und Schüler und muß den Beweis doch schuldig bleiben. Eine solche Argumentation basiert auf einem ideologisch verzerrten Vorverständnis und geht über den Wert einer provokativen Unterstellung nicht hinaus. Das zeigt gerade das Beispiel, an dem Sbriccoli seine These verdeutlicht: Daß die mittelalterlichen Juristen die Ausfuhrverbote für Getreide um so weiter auslegten, je stärker die angespannte Versorgungslage einen Verkauf innerhalb der Stadt wünschenswert machte, dürfte keineswegs nur der "Oberschicht" zugute gekommen sein. Versorgungsengpässe in der Stadt zu vermeiden nützt allen Bewohnern, die sich steigende Preise nicht leisten können. Das von Sbriccoli gewählte Beispiel zeigt im Grunde nur, daß Erwägungen der praktischen Nützlichkeit auch in der mittelalterlichen Jurisprudenz bisweilen eine Rolle spielten. Es scheint mir daher geboten, auf Spekulationen über die "eigentlichen" Motive der Glossatoren zu verzichten und sich einstweilen mit der Erkenntnis zu begnügen, daß ihnen der praktische Nutzen ihrer wissenschaftlichen Arbeit im Hinblick auf die wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Bedürfnisse ihrer Zeit nicht verborgen geblieben sein kann.

Kapitel 3

Das 13. bis 15. Jahrhundert und die Kommentatoren

I. Einführung in die Epoche Etwa von der Mitte des 13. bis zum Beginn des 16. Jahrhunderts erstreckt sich ein zweiter Entwicklungsabschnitt der legistischen Wissenschaft. Die gelehrten Juristen dieser Epoche werden heute in Anlehnung an ihre literarischen Erzeugnisse zumeist "Kommentatoren" oder "Konsiliatoren" genannt, zum Teil aber noch als "Postglossatoren" bezeichnet1 - ein Hinweis darauf, daß die accursische Glosse als Bindeglied zwischen Glossatoren und Kommentatoren fungierte. Dem Zeitalter der Kommentatoren kommt für die europäische Rechtsentwicklung eine besondere Bedeutung zu, weil es den zeitlichen Schwerpunkt für den Prozeß der Verbreitung und Aufnahme des gelehrten römischen Rechts in Europa bildet, den man heute als "Rezeption" bezeichnet. Am Ende der Epoche war das römische Recht in den meisten Ländern Europas - mit Ausnahme Englands - bestimmend2.

IL Die Begrenzung der Vertragsstrafe bei den Kommentatoren Die Frage nach der zulässigen Höhe von Vertragsstrafen wurde auch von den Kommentatoren nicht einheitlich beurteilt. Untersucht man diejenigen Repräsentanten der Epoche, deren Stellungnahmen ausweislich der Zitierungen den Gang der Diskussion maßgeblich beeinflußt haben, so kann man im wesentlichen drei Meinungsgruppen unterscheiden.

1 Horn in: Coings Handbuch I, S. 261; Schlosser , Gruncfcüge der Neueren Privatrechtsgeschichte, S. 34; Eisenhardt , Deutsche Rechtsgeschichte, Rn 74. 2

Horn in: Coings Handbuch I, S. 264 f.

II. Die Begrenzung der Vertragsstrafe bei den Kommentatoren

45

1. Die reine Wiedergabe der Glosse Eine ganze Reihe von Autoren folgte mehr oder weniger blind dem Urteil des Accursius und hielt dessen vermittelnde Lösung - Unbegrenztheit der Strafhöhe bei Nennung eines bestimmten Betrages, Begrenzung auf das Vierfache des Vertragswertes bei Vereinbarung eines Vielfachen - für die richtige. a) Jacobus de Ravanis (Jacques de Révigny) Ein typisches Beispiel für diese Art der Problembehandlung bieten die Ausfuhrungen des südfranzösischen Klerikers und Rechtslehrers Jacobus de Ravanis (gestorben 1296)3 in seiner Codex-Vorlesung4. Jacobus lehrte in Toulouse und Orléans und schloß seine kirchliche Laufbahn als Bischof von Verdun ab5. Im Rahmen seiner Kommentierung zu C.7.47.1 findet sich folgende Passage: Sed queritur ultimo. Dicit hic quod pene legales certis finibus sunt concluse. Sed nunquid pene conventionales dicit glo. aut pena promittitur pro nomine qualitatis. ut promitto tibi .x. et si non dedero .x. promitto mille nomine pene. mille est nomen qualitativ et tunc potest peti quantumcunque sit aut promittitur pena per nomina quottitatis. promitto tibi .x. et subiungo penam si non derero .x. promitto quadruplum pena que promittatur per nomina quotitatis. ut sunt ista duplum/triplum/quadruplum. non potest peti ultra quadruplum. et inducit .11. que hoc non dicunt ff. de evict. 1. si dictum, et s. spon. 1. ultima in fi. et insti. de act § ois. Aber als letztes wird folgendes gefragt. Diese Stelle sagt, daß die gesetzlichen Strafen mit festen Begrenzungen zu umschließen sind. Aber hinsichtlich der Konventionalstrafen sagt die Glosse, daß eine Strafe entweder versprochen wird unter Nennung eines Betrages, zum Beispiel wenn ich dir zehn verspreche und falls ich die zehn nicht gebe, verspreche ich eintausend als Strafe. Eintausend ist die Bezeichnung des Betrages. Und daher kann sie (sc. die Vertragsstrafe) gefordert werden, wieviel auch immer sie beträgt Oder aber die Strafe wird versprochen durch die Bezeichnung eines Vielfachen. Ich verspreche dir zehn und unterwerfe mich einer Strafe für den Fall, daß ich die zehn nicht gebe. Ich verspreche das Vierfache als Strafe, die so durch die Bezeichnung eines Vielfachen versprochen wird. Diese sind zum Beispiel das Doppelte/Dreifache/Vierfache. Sie (sc. die Strafe) kann nicht über das Vierfache hinaus gefordert werden. Und sie (sc. die 3

Horn in: Coings Handbuch I, S. 278.

4

Jacobus de Ravanis, Lectura super Prima parte Codicis, Paris 1519, fol. 359. - Die untersuchte Codex-Lectura nennt als Verfasser allerdings den französischen Juristen Petrus de Bellapertica. Petrus (gestorben 1308) war ein Schüler des Jacobus. Trotzdem wird der Text heute dem Jacobus zugeschrieben. Die Gründe für die falsche Zuweisung liegen im dunkeln. Überlieferungsmängel sind angesichts des hohen Alters der existierenden Druckausgaben nicht selten. Fehlzuweisungen tauchen insbesondere dann auf, wenn eine Handschrift gedruckt wurde, deren Autor nicht bekannt war. Teilweise wurde aber auch absichtlich die Autorität eines berühmteren Namens ausgenutzt (Kiefner, TRG 31 (1963), S. 5 ff.; Meijers, Etudes d'histoire du droit, Bd. III, S. 73 ff.; Horn in: Coings Handbuch I, S. 317 f.) 5

Savigny, Die Geschichte des Römischen Rechts im Mittelalter, Bd. V , p. 607.

Kapitel 3: Kommentatoren

46

Glosse) führt Gesetzesstellen an, die dieses "nicht" enthalten: D.21.2.56 pr. und C.5.1.5 und 1.4.6.21.

Diese Darstellung bedarf keiner besonderen Erläuterung. Jacobus geht zwar von der Aussage der Konstitution C.7.47.1 aus, wonach Strafen mit einer festen Umgrenzung zu umschließen sind. Hinsichtlich der Vertragsstrafe referiert er aber allein die accursische Glosse "proferuntur", auf deren Darstellung insoweit verwiesen werden kann6. Eine eigenständige Auseinandersetzung mit den widersprüchlichen Texten des Corpus iuris findet nicht statt. b) Baldus de Ubaldis Kaum ausführlicher ist auch die Darstellung des Baldus (1320/27 bis 1400). Der aus Perugia in Norditalien stammende Bartolus-Schüler lehrte insgesamt an sechs verschiedenen Universitäten in Oberitalien (Bologna, Perugia, Pisa, Florenz, Padua und Pavia)7 und erwarb sich besonderen Ruhm und Reichtum durch die Abfassung von Rechtsgutachten8. In seiner Kommentierung zu C.7.47.1 9 findet sich in Note 31 folgende eindeutige Festlegung: Sequitur glo. super verbo, proferuntur. Quaero an poena possit excedere quadruplum interesse communis, vel conventi? Respondeo, non, si est opposita per nomina quotae, secus, si per simplicia. Es wird der Glosse zum Wort "proferuntur" gefolgt Ich frage, ob eine Strafe das Vierfache des gemeinen oder vereinbarten Interesses überschreiten darf. Ich antworte: Nein, wenn sie (sc. die Strafe) durch die Bezeichnung eines Vielfachen aufgestellt worden ist, anders bei der Bezeichnung eines Einfachen (sc. einer bestimmten Summe).

In Note 42 greift Baldus diesen Gedanken noch einmal auf und erläutert ihn: Decimo oppo. dicitur hic, quod poena conventionalis est limitata. Contra inst de verbo. obli. §. alten. 1. stipulatio ista. §. alten, ff. eo. ubi dicitur quod petitur poena in quacunque quantitate, non inspecto an intersit. Sol. dicit glo. quod aut poena apponitur per nomina respectiva, & non potest excedere quadruplum, aut per nomina simplicia, ut centum vel mille, & tunc tota petitur. Ratio differentiae est, quia primo casu poena est commensurabilis simplo, sed secundo casu non est commensurabilis...

6

Siehe oben Kapitel 2, S. 36 f.

7

Savigny , Die Geschichte des Römischen Rechts im Mittelalter, Bd. V I , p. 213 ff.

8

H. Peter , Baldus de Ubaldis, in: H R G I , Sp. 285.

9

Baldus de Ubaldis , Commentaria in Cod. Hb., Lugduni 1585, fol. 68.

II. Die Begrenzung der Vertragsstrafe bei den Kommentatoren

47

Als Zehntes wende ich mich dagegen, daß man an dieser Stelle sagt, die Vertragsstrafe sei begrenzt Dagegen sprechen 1.3.19.19 ^ und D.45.1.38.17, wo gesagt wird, daß eine Strafe gefordert werde ohne Rücksicht auf die Summe, ohne daß darauf geachtet wird, ob ein ersatzfähiger Schaden besteht Allein die Glosse sagt [nämlich], daß eine Strafe entweder aufgestellt wird durch Bezeichnung eines Vielfachen und dann das Vierfache nicht überschreiten darf, oder durch die Nennung einer bestimmten Summe, wie z.B. einhundert oder eintausend und dann wird die ganze Summe gefordert. Der Sinn der Unterscheidung besteht darin, daß im ersten Fall die Strafe im Verhältnis zum einfachen [Wert] bemessen werden kann, im zweiten Fall jedoch nicht...

Auch Baldus stützt seine Aussage also im wesentlichen auf die Glossa ordinaria und die dort allegierten Fragmente D.45.1.38.17 und 1.3.19.19. Die im Vergleich zu Accursius einzig neue Überlegung ist seine knappe Begründung der accursischen Distinctio: Bei Nennung eines bestimmten Betrages könne - so Baldus - die Vertragsstrafe mit dem Wert der Hauptleistung verglichen werden (commensurabilis est), bei der Vereinbarung eines Vielfachen hingegen nicht. Daher müssen seiner Meinimg nach diese verschiedenen Vereinbarungsmodi auch unterschiedlich behandelt werden. Ob die Bestimmbarkeit des Verhältnisses zwischen Vertragsstrafe und Hauptleistung wirklich immer fehlt, wenn die Parteien z.B. eine Strafe des Fünffachen vereinbaren, wird man bezweifeln dürfen. Jedenfalls scheint hinter dieser Argumentation die Befürchtung zu stehen, der Schuldner könne eine Verbindlichkeit eingehen, über deren Höhe er sich keine genauen Vorstellungen machen konnte, und die seine wirkliche Leistungsfähigkeit übersteigt. Im Ergebnis will auch Baldus folglich die Höhe einer Vertragsstrafe im Regelfall dem freien Parteiwillen überlassen. Aus Gründen des Schuldnerschutzes befürwortet er aber im Anschluß an die Glossa ordinaria eine Beschränkung auf das Vierfache für den praktisch wohl nicht sehr bedeutsamen Fall, daß die Parteien ein nicht genau beziffertes Vielfaches der Hauptleistung vereinbaren. c) Angelus de Ubaldis und Alexander Tartagnus delmola Derartige Lösungsansätze, die der Lehre des Accursius nichts wesentlich Neues hinzufügen und sie außerdem nicht mehr hinterfragen, sind auch in der

Das genannte Fragment 1.3.15 enthält den zitierten Paragraphen "alten" nicht Es ist aber wahrscheinlich, daß Baldus die Parallelstelle zu D.45.1.38.17 in den Institutionen allegieren wollte. Das ist 1.3.19.19. Baldus ist berüchtigt für seine Fehlzitate (Wesenberg/Wesener, Neuere deutsche Privatrechtsgeschichte, S. 33).

Kapitel 3: Kommentatoren

48

Folgezeit anzutreffen. So schreibt beispielsweise der jüngere Bruder des Baldus, Angelus de Ubaldis (gestorben 1407), in einem seiner Rechtsgutachten11: Quarto praemitto, quod poena conventionalis potest excedere quadruplum, quando non imponitur per nomina multiplicativa, nec apponitur in fraudem usurarum:... Als viertes schicke ich voraus, daß die Vertragsstrafe das Vielfache überschreiten kann, wenn sie nicht durch die Bezeichnung eines Vielfachen auferlegt wird und nicht zur Umgehung des Zinsmaximums festgesetzt wird....

Die Gutachten der mittelalterlichen Rechtslehrer waren von großer praktischer Wichtigkeit. Durch sie erhielt die legistische Wissenschaft unmittelbaren Einfluß auf die Rechtsprechung12. Da es an gemeinsamen Obergerichten mangelte, kam den Gutachten tragende Bedeutung für die einheitliche Auslegung des Corpus iuris zu 13 . Sie wurden zumeist auf Bitten eines Gerichts, seltener auch im Auftrag einer Partei gegen Honorar dem Gericht gegenüber erstattet14. Das Gericht mußte das Gutachten berücksichtigen, war aber grundsätzlich nicht an die vorgeschlagene Lösung gebunden15. In einigen Städten wurde eine derartige Bindung allerdings im 14. und 15. Jahrhundert durch Statut angeordnet16. Wenn Angelus de Ubaldis sich also in seinem Consilium XC. mit einer fast mechanischen Wiedergabe der accursischen Distinctio begnügt und keinerlei Diskussion erwähnt, so läßt sich die beherrschende Bedeutung der Glossa ordinaria für die Rechtspraxis gerade auch in unserer Frage ahnen - auch wenn Angelus sie nicht ausdrücklich zitiert. Vergleichbare Ausführungen finden sich außerdem in der Kommentierung des norditalienischen Rechtslehrers Alexander Tartagruis de Imola (gestorben 1477) zu D.45.1.38.17 ^ Eine Reihe von Kommentatoren übernahm also die accursische Lösung ohne irgendwelche Einwände. Bei Alexander Tartagnus mag das vielleicht auf

1 1

Angelus de Ubaldis, Consilium XC, Note 3, in: Consilia, Francofurti 1575.

1 2

Horn in: Coings Handbuch I, S. 340; Wieacker,

1 3

Schlosser, Grundzüge der Neueren Privatrechtsgçschichte, S. 37.

1 4

Horn in: Coings Handbuch I, S. 336 f.

Privatrechtsgeschichte der Neuzeit, S. 85.

1 5

Koschaker, Europa und das römische Recht, S. 93.

1 6

Horn in: Coings Handbuch I, S. 337.

^ Alexander Tartagnus de Imola, Commentarii in primam et secundam Digesti novi partem, Tomus primus, Lugduni 1552, fol. 33.

II. Die Begrenzung der Vertragsstrafe bei den Kommentatoren

49

mangelndes Talent zurückzuführen sein18, doch kann dieser Vorwurf bei Baldus und Jacobus de Ravanis sicher nicht aufrechterhalten werden. Sie scheint die Lösung der Glosse einfach überzeugt zu haben. 2. Die Vertreter der freien Strafhöhe Nicht allen Kommentatoren leuchtete die accursische Lösung ein. Nach wie vor läßt sich auch für die Zeit nach 1250 die schon von Placentinus, Azo und Odofredus vertretene Lehre nachweisen, die die Höhe von Vertragsstrafen abgesehen von den Vorschriften über das Zinsmaximum ganz dem Belieben der Parteien überlassen will. a) Petrus de Bellapertica (Pierre de Belleperche) Aus den Reihen der Kommentatoren ist als Vertreter dieser Ansicht beispielsweise der südfranzösische Kleriker und Rechtslehrer Petrus de Bellapertica (gestorben 1308) zu nennen. Er war ein Schüler des Jacobus de Ravanis und beschloß seine Laufbahn als Bischof von Auxerre und Kanzler von Frankreich19. In Note 10 seiner Kommentierung zu D.45.1.38.17 kommt Petrus - anders als sein Lehrer Jacobus - unter Berufung auf ebendiese Digestenstelle zu dem Ergebnis, Vertragsstrafen dürften in jeder Höhe geltend gemacht werden20. Einige Stellen des Corpus iuris, die dieser Theorie zu widersprechen scheinen, schließt Petrus nach bewährtem Vorbild durch einschränkende Auslegung aus. Im einzelnen nennt er die vergleichsweise entlegenen Fragmente D.21.2.56 pr. und C.5.1.5 2 1 , nicht jedoch das wohl wichtigste Gegenargument C.7.47.1. Auffallend ist ferner, daß er weder die Glossa ordinaria noch seinen Lehrer Jacobus erwähnt, von deren Linie er abweicht. Damit zeigt er - wie bereits von Horn beobachtet22 - zwar ein gewisses Maß an Eigenständigkeit gegenüber der Glosse. Eine besondere Intensität wird man seiner Problembehandlung indes nicht zusprechen können, da er die Gegenstimmen einfach ignoriert.

1 8

Vgl. das Urteil von Savigny, Die Geschichte des Römischen Rechts im Mittelalter, B d VI,

p. 316. 1 9

Savigny, Die Geschichte des Römischen Rechts im Mittelalter, Bd. VI, p. 28.

2 0

Petrus de Bellapertica, Commentaria in Digestum novum videlicet 43. 44. 45. 46. et 49. Pandectarum libros, Francofurti 1571. 2 1

Siehe oben Kapitel 1, S. 11,19.

2 2

Horn in: Coings Handbuch I, S. 278.

Kapitel 3: Kommentatoren

50

b) Cinus da Pistoia Die Rolle des wichtigsten Verfechters der Lehre von der Freiheit der Strafhöhe fällt für die Epoche der Kommentatoren dem italienischen Rechtslehrer Cinus da Pistoia (ca. 1270 bis 1336) zu. Cinus verbrachte im Anschluß an sein Examen einige Jahre in Südfrankreich, möglicherweise in Orléans23. Daher gilt er auch als Vermittler des französischen ("ultramontanen") Stils in Norditalien. Seinen Kommentar zum Codex24, in dem er sich in Note 10 zu C.7.47.1 zu unserer Frage in großer Breite äußert, verfaßte er zwischen 1312 und 1314 2 5 . Die Kommentierung des Cinus ist die wohl ausführlichste Stellungnahme zur Frage der Begrenzung von Vertragsstrafen aus der Zeit der Kommentatoren überhaupt und kann hier nur auszugsweise im Wortlaut wiedergegeben werden. Cinus beginnt seine Ausführungen mit folgender klarer Aussage: Nonö oppo. ad id, quod hic dicit, poenas certo fine concludi. Nam 1. cavetur, poenas quantascunque peti posse, ut insti. de inutil, stipul. §. alten. Als neuntes wende ich mich dagegen, daß es hier (sc. C.7.47.1) heißt, Strafen würden von einer bestimmten Grenze umschlossen. Denn durch das Gesetz wird verordnet, daß Strafen gefordert werden können, wieviel auch immer [sie betragen], wie 1.3.19.19 [festlegen].

Anschließend wendet er sich der wissenschaftlichen Diskussion dieser Frage zu, deren Argumente er sorgfaltig aufzählt. Er nennt zunächst die von ihm selbst bevorzugte Lehre, wonach C.7.47.1 allein auf die gesetzlichen Strafen zu beziehen ist und die Vertragsstrafen gemäß 1.3.19.19 bzw. D.45.1.38.17 der Vertragsfreiheit überlassen bleiben. Als Argument führt er an, nur die gesetzlichen Strafen bedürften einer gesetzlichen Begrenzung, da sie nicht dem freien Ermessen der Betroffenen entspringen. Anschließend beschreibt Cinus die Lösung der Glosse und formuliert die Einwände gegen sie. Dabei spricht er den südfranzösischen Juristen die Ansicht zu, daß die Art der zur Bezeichnung der Strafe verwendeten Formulierung auf die Gültigkeit der Vereinbarung keinen Einfluß haben dürfe, denn: alias esset imponere l[egem] veibis, & non rebus, quod esse non debet Ansonsten würde man das Gesetz auf die Worte [der Parteien] und nicht auf die Tatsachen beziehen, was nicht sein darf.

2 3

Horn in: Coings Handbuch I, S. 278.

2 4

Cinus da Pistoia, In Codicem commentaria, Tomus II, Frankfurt a.M. 1578, Nachdruck Turin 1964, fol. 459. 2 5

Horn in: Coings Handbuch I, S. 321.

I

Die Begrenzung der Vertragsstrafe bei den Kommentatoren

51

Diese Begründung darf man wohl als Vorwurf an die Glossa ordinaria auffassen, sie biete eine spitzfindige Lösung und stütze sich zwar formal auf den Gesetzeswortlaut, nicht aber auf seinen Sinn und Zweck. Als Urheber seiner eigenen Lehre nennt Cinus den Jacobus de Ravanis. Diese Aussage ist indes nur teilweise zutreffend. Wie bereits gezeigt, wurde sie nicht von Jacobus sondern von dessen Schüler Petrus de Bellapertica vertreten. Damit will Cinus im Ergebnis für Vertragsstrafen keine zusätzliche Grenze außer dem Umgehungsverbot hinsichtlich der Zinsvorschriften zulassen. Als Argument dient ihm letztlich vor allem die Erwägung, ein jeder sei der Lenker und Richter seiner Sache (moderator et arbiter) - wie es in C.4.35.21 in anderem Zusammenhang heißt - und daher müsse der freie Wille der Parteien (voluntas partium) maßgeblich sein. Aus dieser Überlegung leitet er die Berechtigung ab, C.7.47.1 einschränkend auszulegen und nur auf gesetzliche Strafe zu beziehen. Cinus empfindet diese Schlußfolgerung offenbar als derartig zwingend, daß er in dieser Frage ausdrücklich von der Meinung seines Lehrers Dynus de Mugello (gestorben um 1300) abrückt, welcher nach dem Bericht des Cinus der Glossa ordinaria gefolgt war. Insgesamt ist die Kommentierung des Cinus als eine konsequente Fortführung der bereits von Placentinus, Azo und Odofredus überlieferten "freiheitlichen" Argumentationslinie zu werten, welche die Glosse verlassen hatte. 3. Neue Lösungsversuche Neben den geschilderten zwei Grundlinien, die auf Vorlagen der Glossatoren zurückgehen, finden sich aber auch gänzlich neue Überlegungen. Insbesondere läßt sich der Versuch verzeichnen, eine der accursischen Distinctio vergleichbare, aber besser begründete, vermittelnde Lösung zu entwickeln. a) Bartolus ä Saxoferrato und der Einfluß des kanonischen Rechts Besondere Bedeutung kommt dabei dem oberitalienischen Jurist Bartolus ä Saxoferrato (1313 bis 1357) zu. Bartolus war ein Schüler des Cinus26 und lehrte

2 6

Peter, Bartolus, in: H R G I , Sp. 319 f.; Horn in: Coings Handbuch I, S. 270.

52

Kapitel 3: Kommentatoren

in Pisa und Perugia, wo er sich ein außergewöhnliches Ansehen erwarb. Seine Werke gelten heute als Höhepunkt der Epoche27. Bartolus äußert sich zum Problem der Begrenzung von Vertragsstrafen an zwei Stellen seines Kommentars zum Corpus iuris 28, nämlich in Note 11 zu D.45.1.38.17 und in Note 21 zu C.7.47.1. Die Kommentierung der Digestenstelle dürfte dabei die ausführlichere und wichtigere sein, was sich unter anderem darin zeigt, daß Bartolus selbst in der Codex-Kommentierung auf sie verweist. Bartolus schildert in Note 11 zu D.45.1.38.17 den Meinungsstand zu unserer Frage folgendermaßen: Nach einer Ansicht sei die einzige Grenze für die Strafhöhe der zulässige Höchstzinssatz, sofern die Strafe eine Geldschuld sichere. Damit meint Bartolus offenbar die Anhänger der "freien Strafhöhe", insbesondere seinen Lehrer Cinus. Anschließend beschreibt er, daß die Repräsentanten des kirchlichen Rechts gegen diese Lehre Einwände erhoben haben. Canonistae contra hoc tenunt extra de poenis capit. suam. quibus in hoc est inhaerendum. Die Kanonisten berufen sich demgegenüber auf Uber Extra de poen. Kapitel suam (= X.5.37.9 = 5. Buch des Dekrets, T i t 37, Kap. 9 Sp. 713), welchen man an dieser Stelle anhängen muß.

Wegen ihrer allgemeinen Bedeutung soll auf diese Einwände, die Bartolus selbst nicht genauer beschreibt, weiter unten ausführlicher eingegangen werden. Nach den Kanonisten erwähnt Bartolus die gegenteilige Ansicht, die die Vertragsstrafen streng an die Grenze des Doppelten bindet. Diese Lehre wird in der mittelalterlichen Diskussion immer wieder angeführt, obgleich nicht festgestellt werden kann, daß sie seit der Summa Trecensis tatsächlich noch vertreten worden ist. Schließlich kommt Bartolus zur Lehre der Glossa ordinaria und referiert auch den Einwand ihrer Kritiker, die spitzfindige und formalistische Unterscheidung

2 7 Horn in: Coings Handbuch I, S. 269; Schlosser , Grundzüge der Neueren Privatrechtsgeschichte, S. 38. 2 8 Bartolus ä Saxoferrato , Commentaria, Tomus Sextus, in Secundam Digesti novi partem, Tomus octavus, in Secundam atque Tertiam Codicis Partem, Venetiis 1602.

I

Die Begrenzung der Vertragsstrafe bei den Kommentatoren

53

der Glosse (bestimmter Betrag oder Vielfaches?) gehe am Sinn des Gesetzes vorbei. Vor diesem Hintergrund schlägt Bartolus nunmehr seine eigene Lösung vor: Die, aut poena adiieitur, certa quantitate expressa in instrumento, ut si dico, vendis domum pro centum, et in fine adiieitur, sub poena dupli, tripli, quadrupii, vel quintupli et tunc possum, prout volo, sicut si certam quantitatem exprimerem sub poena mille, digesta lex si dictum de evictionibus, quia eadem est ratio, certa enim quantitas exprimitur. Aut ponitur poena respectu incerti, ut sub poena dupli eius, quod dicta res valebit, vel dupli eius, quod intererit, et tunc per haec nomina non potest ascendere duplum, 1. unica C. de sententiis, quae pro eo. Sag du, daß eine Strafe entweder vereinbart wird, indem eine bestimmte Summe in einer Urkunde ausgedrückt wird, z.B. wenn ich sage, du verkaufst das Haus für 100, und am Ende angehängt wird: bei einer Strafe des Doppelten, Drei-, Vier- oder Fünffachen. Und das kann ich dann, wie ich es will, so als wenn ich eine bestimmte Summe genannt hätte, z.B "bei einer Strafe von 1000", D.21.2.56 pr., weil der Sinn derselbe ist Es wurde nämlich eine bestimmte Summe ausgedrückt Oder es wird eine Strafe vereinbart in bezug auf eine unbestimmte [Summe], z.B. bei der Strafe dessen, was die besagte Sache Wert sein wird, oder beim Doppelten dessen, was das Interesse betragen wird, und dann kann durch diese Worte das Doppelte nicht überschritten werden, C.7.47.1.

Als Begründung nennt Bartolus folgende Überlegung: Ratio, quia hoc secundo casu posset nimium ascendere, ultra quam cogitaverit pars, quae ratio cessat, quando certa quantitas exprimitur. Der Sinn besteht darin, daß sie (sc. die Strafe) in diesem zweiten Fall allzusehr ansteigen könnte, und zwar über den Betrag hinaus, an den die Partei gedacht hat Dieses Bedenken fällt weg, wenn eine bestimmte Summe zu Ausdruck gebracht wurde.

In seiner Kommentierung zu C.7.47.1 werden diese Gedanken im wesentlichen wiederholt. Auch Bartolus will in der Frage der zulässigen Strafhöhe also unterscheiden. Im Gegensatz zur Glossa ordinaria sollen jedoch nicht die von den Parteien verwendeten Worte den Ausschlag geben, sondern ihr Kenntnisstand. Haben sie sich auf eine bestimmte Summe festgelegt - durch Nennung des Betrages oder des Vielfachen eines feststehenden und bekannten Wertes - und kann der Verpflichtete die Höhe der Verbindlichkeit sich daher jederzeit vergegenwärtigen, so gilt die Vereinbarung ohne Einschränkung. Insoweit folgt Bartolus der Anordnung von D.45.1.38.17 (= 1.3.19.19). Vereinbaren die Parteien hingegen eine Strafe unter Bezugnahme auf einen noch nicht ermittelten Wert, dessen Höhe dadurch kaum abzusehen ist, so darf das Doppelte des ersatzfähigen Schadens 5 Sossna

Kapitel 3: Kommentatoren

54

nicht überschritten werden. In diesem Fall soll also C.7.47.1 gelten. So wird der Schuldner vor unliebsamen Überraschungen geschützt. Bartolus entgeht auf diese Weise dem Vorwurf der rein formalistischen Gesetzesanwendung und kann trotzdem - ähnlich wie Accursius - sowohl D.45.1.38.17 (= 1.2.19.19) als auch C.7.47.1 gleichermaßen zur Anwendung bringen. Durch die Berücksichtigung der Parteivorstellungen folgt er auch in diesem Fall der ihm allgemein zugesprochenen Tendenz, seine Entscheidungen von subjektiven Elementen abhängig zu machen29. Außerdem macht Bartolus mit der in C.7.47.1 genannten MduplumM-Grenze ernst. Die Glossa ordinaria hatte sich insoweit in Anlehnung an 1.4.6.21 auf das "quadruplum" festgelegt, ohne dies mit C.7.47.1 in Einklang bringen zu können. So formuliert Bartolus im Ergebnis eine neue Kompromißlösung, die die Höhe von Vertragsstrafen weder ganz freigibt noch stets einschränkt. Dank plausiblerer Begründung entkräftet er die meisten Einwände, denen die Glossa ordinaria ausgesetzt war. Die Wertung Wielings30, der die Distinctio des Bartolus als "völlig unsachlich" bezeichnet, erscheint mir vor diesem Hintergrund unberechtigt. Dieser Vorwurf ist gegenüber Bartolus schon allein deshalb unzutreffend, weil Wieling die Ansicht des Bartolus aus einer Textstelle zu folgern versucht, in der dieser lediglich eine fremde Meinung, nämlich die des Accursius, schildert. Daß die Distinctio auf Accursius zurückgeht, wird dabei ebenso übersehen wie die von Bartolus vorgetragenen sachlichen Argumente. Am Rande sei noch erwähnt, daß Bartolus - ebenso wie Accursius - nicht ausdrücklich sagt, ob eine Vertragsstrafe, die die zulässige Grenze überschreitet, ermäßigt wird oder insgesamt als nichtig anzusehen ist31. Zu klären bleibt damit die Frage, welche Bedeutung der Hinweis des Bartolus auf die Ansicht der Kanonisten hat, von denen er behauptet, man müsse ihnen "anhängen". Die Kanonisten - so sagt er - lehnten die Lehre von der weitgehend "freien Strafhöhe" ab und beriefen sich dabei auf eine Stelle des Corpus iuris canonici, nämlich auf Liber extra, Buch 5, Titel 37 (de poenis), Kapitel 9 (suam), (X.5.37.9)32. Diese Stelle enthält einen Rechtsbescheid des Papstes Innozenz III. (1198 bis 1216) aus dem Jahre 1213. Er wurde zusammen mit an2 9

Lange, Bartolo II, S. 281/292.

3 0

Wieling, Interesse, S. 99.

3 1

Vgl. dazu die Ausführungen zu Accursius, Kapitel 2, S. 36 ff.

3 2 Corpus iuris canonici. Gregorii Papae IX. Decretales, una cum libro sexto, Clementinis et extravagantibus, Tomus secundus, Coloniae Munatinae 1717.

II. Die Begrenzung der Vertragsstrafe bei den Kommentatoren

55

deren päpstlichen Bescheiden im Jahre 1234 unter Gregor IX. als Teil einer verbindlichen Gesetzessammlung in fünf Büchern publiziert ("Decretalen"). Wie viele andere Rechtsbescheide erging auch dieser in Form eines Briefes auf die Anfrage eines Bischofs, der dem Papst einen konkreten Rechtsfall zur Entscheidung vorgelegt hatte. Die genannte Stelle enthält neben einem leitsatzartigen Obersatz den Wortlaut der päpstlichen Antwort und lautet folgendermaßen: Obligatus ad certam quantitatem, certä die sub poena solvendam, si partern intra terminum solvit, ad poenam integram non tenetur.

Idem Spoletano Episcopo. (an. 1213) Suam ad nos Rectores Clericorum sancti Fortunati querimoniam transmiserunt, quod cum tíbi essent in XL. Libris per quoddam arbitrium condemnati, essetque poena X X X . librarum apposita, nisi eas solverent in termino constitute, tandem X X X I I I . libris in termino persolutis, occasione septem residuarum, per quasdam nostras literas veritate tacita impetra tas, obtinuisti eos in praefatis X X X . Libris tibi per delegatum Judicem condemnari. Quia igitur te non decet in tantum Pontificalis modestiae oblivisci, ut inhonestis quaestibus anhelando desideres cum aliena jactara ditari, mandamus, quatenus septem librarum solutione contentus, super poena X X X . librarum memoratos Rectores de caetero non molestes.

Wer sich bei Strafe verpflichtet hat, einen bestimmten Betrag an einem bestimmten Tag zu erbringen, haftet nicht auf die vollständige Strafe, wenn er bis zum Termin einen Teil leistet.

Derselbe (sc. Innozenz III., vgl. cap. 5) an den Bischof von Spoleto (im Jahre 1213) Die Leiter der Geistlichen des heiligen Fortunatus haben an uns ihre Anfrage übersandt. Danach waren sie dir gegenüber durch irgendeinen Schiedsspruch zu 40 Goldpfund verurteilt worden und man hatte eine Strafe von 30 Goldpfund vereinbart, falls sie diese (sc. 40 Goldpfund) nicht bis zum festgesetzten Termin leisten sollten. Als schließlich 33 Goldpfund termingerecht geleistet worden waren, hast du es aus Anlaß des Restbetrages von 7 [Goldpfund] erreicht, daß sie dir gegenüber zu den oben genannten 30 Goldpfund durch einen beauftragten Richter verurteilt wurden durch unsere unter Verschweigung der Wahrheit erlangten Briefe. Da es sich dir daher nicht geziemt, die priesterliche Bescheidenheit so sehr zu vergessen, daß du nach unredlichem Erwerb strebend dich mit fremdem Schaden zu bereichern begehrst, ordnen wir an, daß du dich insoweit mit der Zahlung von 7 Goldpfund begnügst und im übrigen die oben genannten Leiter wegen der Strafe von 30 Goldpfund nicht belästigtst

Daß eine Vertragsstrafe nicht in ihrem vollen Umfang gefordert werden kann, wenn die Hauptleistung bereits teilweise erbracht worden ist, ist keine neue, spezifisch kirchenrechtliche Erfindung. Tatsächlich hatte bereits Ulpian in D.2.11.9.1 bei teilweiser Erfüllung einer Primärobligation zu einer anteiligen

Kapitel 3: Kommentatoren

56

Ermäßigung der Vertragsstrafe geraten33. Innozenz HI. gibt insoweit nur eine alte römische Rechtsüberzeugung wieder und müßte deshalb hier nicht eigens angeführt werden, zumal der Spezialfall der Teilerfüllung nur bedingt Parallelen zu der grundsätzlicheren Frage nach der zulässigen Strafhöhe aufweist. In einer Hinsicht ist das päpstliche Dekret allerdings auch für unsere Frage aussagekräftig: Die entrüstete Schärfe, mit der der Papst den allzu geschäftstüchtigen Bischof von Spoleto maßregelt und auf seine Christenpflichten hinweist, offenbart eine allgemeine Zielsetzung des kanonischen Rechts: Die Unterbindung unverdienter Gewinne auf Kosten des Vertragspartners aus Gründen des religiösen Anstands. Moraltheologische Grundsätze und deren Wertmaßstäbe erlangten so auch in unserer Frage Einfluß auf die Beurteilung rechtlicher Verpflichtungen. Zu diesen Grundsätzen gehörten z.B. das Prinzip der Gerechtigkeit (aequitas), die Grundsätze von Treu und Glauben (bonafides), die Bedeutung von Ehre (honestas) und Gewissen (conscientia) und andere mehr. Ein bekannter Beispielsfall für die Heranziehung solcher Wertungen ist die mittelalterliche Lehre vom gerechten Preis (iustum pretium)34. Man kann daher mit einigem Recht sagen, daß die Vermeidung unangemessen hoher Vertragsstrafen generell den Intentionen des Kirchenrechts näher kam, als die Betonung der Vertragsfreiheit. Allerdings hat auch diese Tendenz ihre Grundlage im spätantiken Recht35. Wer die erwähnten Kanonisten sind, sagt Bartolus nicht. Aus seiner Kommentierung läßt sich auch nicht der genaue Standpunkt dieser Autoren erschließen, lediglich ihre Opposition gegen die Lehre von der freien Strafhöhe. Möglicherweise bezieht Bartolus sich auf den Kardinalbischof von Ostia, Henricus de Segusio (gestorben 1270), oft "Hostiensis" genannt. Hostiensis gehörte zu den wichtigsten Kommentatoren der Dekretalen Gregors IX. 3 6 . Er vertrat im Rahmen seiner Ausführungen zu Darlehn und Zinsen die verallgemeinerungsfähige Ansicht, ein Strafversprechen sei nicht gestattet, es sei denn, es trete an die Stelle des Schadensersatzes37. Die Ausführungen des Hostiensis sollen weiter unten im Zusammenhang mit dem ersten weltlichen Juristen behandelt werden,

3 3

Siehe oben Kapitel 1, S. 10.

3 4

Wieacker , Privatrechtsgeschichte der Neuzeit, S. 77; Wolter , Ius canonicum in iure civili,

S.7. 3 5

Vgl. C.4.35.22: "in alienis rebus fortunisque inhilantes".

3 6

Nörr in: Coings Handbuch I, S. 376.

3 7 Henricus de Segusio, Cardinal Hostiensis, Summa Aurea, Venedig 1574, Nachdruck Turin 1963, Note 13 in Liber V , Titel "de usuris", cap. "quae poena", col. 1634.

II. Die Begrenzung der Vertragsstrafe bei den Kommentatoren

57

der ihn namentlich zitiert und seine Ausführungen inhaltlich aufgreift: Andreas Alciat38. Bartolus kommt der kanonischen Forderung nach materieller Einzelfallgerechtigkeit nur teilweise nach. Seine "Schutzgrenze" greift nur, wenn der Schuldner nicht sicher wissen konnte, wie hoch die Vertragsstrafe sein würde. Im praktisch sicher viel bedeutsameren Fall der Vereinbarung einer genau bezifferten Summe wird der Schuldner aber an seiner Erklärung festgehalten. Die neue Distinctio des Bartolus ist also gekennzeichnet durch einen mehrfachen Kompromiß: Sie versucht, die widersprüchlichen Fragmente des Corpus iuris Justinians in ein gemeinsames Konzept einzubinden, das sowohl den Postulaten der Vertragsfreiheit als auch den Anforderungen christlicher Rechtsüberzeugungen genügt. Die Heranziehung eines kirchlichen Rechtssatzes bestätigt im übrigen die Beobachtungen Wieackers über den Austausch von Rechtssätzen zwischen Romanisten und Kanonisten39. Daß die päpstliche Entscheidung aus dem Jahr 1213 bei den Glossatoren noch nicht berücksichtigt wurde, kann sicher damit erklärt werden, daß die genaue Kenntnis der Vorschrift vor der Publizierung der Dekretalen im Jahr 1234 nicht gewährleistet war und auch danach nicht schlagartig vorhanden gewesen sein kann, zumal der Bezug zu unserer Frage nicht allzu offen zutage tritt.

b) Iason de Mayno Die Lehre des Bartolus ist von den nachfolgenden Generationen der Kommentatoren nicht immer berücksichtigt worden. Tatsächlich kehrte sein bekanntester Schüler - Baldus40 - zur Lehre des Accursius zurück. Andere, wie etwa Angelus de Ubaldis41 und Alexander Tartagnus42, folgten ebenfalls kommentarlos der Glossa ordinaria. Warum die Distinctio Bartoli trotz besserer Begründimg die Glossa ordinaria nicht zu verdrängen vermochte, bleibt unklar. Vielleicht gab die schiere Verbreitung der Glosse der accursischen Lösung den entscheidenden Vorsprung.

3 8 3 9

Siehe unten Kapitel 4, S. 77. Wieacker,

Privatrechtsgeschichte der Neuzeit, S. 79.

Baldus de Ubaldis, Commentaria in Cod. lib., Lugduni 1585. 4 1 4 2

Angelus de Ubaldis, Consilium XC, in: Consilia, Francofurti 1575.

Alexander Tartagnus de Imola, Commentarii in primam et secundam Digesti novi partem, Tomus primus, Lugduni 1552, fol. 33.

Kapitel 3: Kommentatoren

58

Andererseits geriet die neue Lehre des Bartolus aber auch nicht in Vergessenheit, wie der Institutionenkommentar des oberitalienischen Rechtslehrers Iason de Mayno (1435 bis 1519) beweist43. In den Noten 12 bis 15 zu 1.4.6.21 schildert Iason in großer Breite den Meinungsstand im wesentlichen so, wie er oben beschrieben wurde, und fährt dann folgendermaßen fort: placet mihi theorica Bart in & 1. unica. C. de senten. quae pro eo, quod interest in 7. colum. in versic. venio ad quartam particulam et eiusdem Barto. in d. 1. stipulatio ista. §. alten, in ultima col. Ich billige die Lehre des Bartolus zu C.7.47.1, Spalte 7 in der Zeile "venio ad quartam particulam" und desselben Bartolus zu D.45.1.38.17 in der letzen Spalte.

Anschließend schildert Iason getreulich die Lehre des Bartolus. Seine Kommentierung beschränkt sich in dieser Frage somit auf eine Sammlung und Darstellung von Ansichten, die in der Diskussion bereits vertreten wurden. Er bezieht Stellung, aber er entwickelt keine neuen Gedanken. Ob man ihm deshalb bereits mit Wieacker ein "geringes Profil und Züge einer zu Ende gehenden Epoche" zuschreiben soll,, wage ich zu bezweifeln 44. Auch Baldus hat die Frage nach der zulässigen Strafhöhe durch einen Rückgriff auf Altbekanntes gelöst. Doch unabhängig vom kreativen Gehalt seiner Kommentierung wird die weitere Darstellung zeigen, daß gerade Iasons Schilderung in den folgenden Jahrhunderten viel Beachtung gefunden hat.

III. Zusammenfassung Aus der Fülle der aufgezeigten Aspekte lassen sich eine Reihe von allgemeinen Erkenntnissen für die Behandlung unserer Frage in der Zeit der Kommentatoren herausgreifen. 1. Inhalt In der Frage, ob und wie Vertragsstrafen begrenzt werden sollen, hat sich auch unter den Kommentatoren kein allgemeiner Konsens gebildet. Tatsächlich spricht der Umstand, daß fast alle untersuchten Juristen die Lösungen ihrer Lehrmeister verworfen haben, dafür, daß die Begrenzung von Vertragsstrafen ein Rechtsproblem darstellte, an dem sich die Geister schieden: Petrus de Bella4 3 Iason de Mayno, De actionibus titulus Institutionum Iustiniani tertiam iuris civilis partem continens Commentariis D. Iasonis Mayni, Venetiis 1632, p. 205 f. 4 4

Wieacker,

Privatrechtsgeschichte der Neuzeit, S. 86 f.

III. Zusammenfassung

59

pertica folgte seinem Lehrer Jacobus de Ravanis ebensowenig, wie Cinus dem Dynus de Mugello, Bartolus dem Cinus und Baldus dem Bartolus. Im Vergleich zu den Glossatoren sind allerdings leichte Verschiebungen im Meinungsbild zu verzeichnen: Die ehemals z.B. von der Summa Trecensis formulierte Lehre, wonach alle Vertragsstrafen nach C.7.47.1 auf das Doppelte des entstandenen Schadens beschränkt waren, wurde wohl endgültig nicht mehr ernsthaft vertreten. Vereinzelt tauchte sie in Schilderungen des Theorienstreits zwar noch auf, z.B. bei Bartolus. Sie wurde aber keinem bestimmten Autor zugeordnet, und es hat sich unter den wichtigsten Repräsentanten der Epoche niemandfinden lassen, der diese Lehre für gut befunden hat. Nach wie vor wurde demgegenüber die schon von Placentinus, Azo und Odofredus bevorzugte Lehre von der freien Strafhöhe vertreten. Sie wurde seit Cinus mit dem Lager der sog. MUltramontanenH in Verbindung gebracht45, doch wurde sie besonders intensiv von Cinus sebst begründet, welcher nur vorübergehend in Südfrankreich wirkte 46. Daneben findet sich die vermittelnde Lösung der Glossa ordinaria in ihrer ursprünglichen Form und auch als Fortbildung. Nach wie vor kann man aber aus allen ernsthaft vertretenen Theorien folgern, daß Vertragsstrafen im Regelfall, d.h. bei Vereinbarung eines bestimmten Betrages, nicht beschränkt werden sollten. Insofern sind sich Glossatoren und Kommentatoren einig. Der Unterschied besteht lediglich darin, daß bei den Glossatoren die Lehre von der freien Strafhöhe überwog, während bei den Kommentatoren das Schwergewicht auf den vermittelnden Ansätzen lag, die sich um eine Verbindung von Vertragsfreiheit und Schuldnerschutz bemühten. Die Berücksichtigung von Schuldnerinteressen, d.h. der Versuch, den Verpflichteten vor einseitiger Übervorteilung zu schützen, entsprach den moralischen Forderungen des Kirchenrechts, die sich aus X.5.37.9 ergeben. Das erklärt, warum so viele Juristen die logisch schwer zu begründende Gradwanderung zwischen D.45.1.38.17 (= 1.3.19.19) und C.7.47.1 versuchten. Gleichwohl behielt die Vertragsfreiheit als Regel den Vorrang vor der ausnahmsweisen gerichtlichen Kontrolle der Vereinbarung. Da die Möglichkeit einer generellen Beschränkung von Vertragsstrafen gar nicht mehr ernstlich erörtert wurde, hat sich

4 5

Vgl. Alcia,, Caput X I , Note 2 zu C.7.47.1., p. 560.

4 6

Siehe oben S. 50.

60

Kapitel 3: Kommentatoren

die Diskussion in unserer Frage seit Accursius geradezu auf ein Nebengleis verlagert: Die Vertragsfreiheit stand als Prinzip auch für Strafversprechen fest und man stritt allein um die Zulassung praktisch wenig relevanter Ausnahmen. Überhaupt bieten die Kommentierungen zum Thema der Begrenzung von Vertragsstrafen keinen Anhaltspunkt für eine größere praktische Ausrichtung der Kommentatoren, die Piano Mortari bei Cinus, Bartolus und Baldus geradezu für ein Charakteristikum hält47. Die inhaltlichen Erneuerungen blieben vielmehr auf Details beschränkt. 2. Methode Wie nicht anders zu erwarten, bauten die Kommentatoren auf den methodischen Vorgaben der Glossatoren auf, deren voll entwickelte scholastische Wissenschaft (mos italicus)48 sie übernahmen und fortführten. Auch die Kommentatoren tasteten die Autorität des Corpus iuris Justinians nicht an und bemühten sich, Widersprüche durch Auslegung zu harmonisieren49. Neu war jedoch die Erweiterung der Rechtsquellen. Neben das Corpus iuris trat als eigenständige Rechtsquelle von besonderer Autorität die Glossa ordinaria50. Diesen Vorgang kann man in fast allen untersuchten Texten beobachten. Die Kommentare schlossen an die Glosse oft enger an, als an das Corpus iuris selbst51. Überhaupt scheinen die Grenzen zwischen Quellentext und Glosse verschwommen zu sein. Es kam z.B. vor, daß dem Corpus iuris eine Aussage der Glosse zugesprochen wurde. So spricht etwa in unserer Frage Alexander Tartagnus der Konstitution C.7.47.1 die "quadruplum"-Grenze zu, die tatsächlich erst von der Glossa ordinaria genannt wurde52. Außer der Glosse erlangte als weitere Erkenntnisquelle das im Corpus iuris canonici gesammelte Recht der christlichen Kirche als allgemeine Wertordnung Bedeutung, wie die Ausführungen des Bartolus zeigen. Römisches und kanoni-

4 7

Piano Morton, Commentatori, in: Enciclopedia del diritto, Bd. V I I , S. 794/797 f.

4 8

Wieacker , Privatrechtsgeschichte der Neuzeit, S. 67.

4 9

Wesenberg/Wesener

, Neuere deutsche Privatrechtsgeschichte, S. 35.

5 0

Horn in: Coings Handbuch I, S. 261, 322; Schlosser , Grundzüge der Neueren Privatrechtsgeschichte, S. 34. 5 1 Wesenberg/Wesener das römische Recht, S. 91.

, Neuere deutsche Privatrechtsgeschichte, S. 27; Koschaker , Europa und

5 2 Alexander Tartagnus , Commentarii in primam et secundam Digestí novi partem, Tomus primus, Lugduni 1552, p. 33 zu D.45.1.38.17.

III. Zusammenfassung

61

sches Recht wurden so bei den Kommentatoren zu Teilen eines einzigen Rechtssystems, das im gesamten christlich-römischen Weltkreis gültig war 53. Dem Zeitalter der Kommentatoren werden darüber hinaus in der Literatur einige spezifische Fortentwicklungen in methodischer Hinsicht zugesprochen. So soll es z.B. durch eine intensive Auseinandersetzung mit Einzelproblemen gekennzeichnet sein, die zu einer vertieften Exegese und zu dogmatischen Fortentwicklungen geführt habe54. Diese Aussagen treffen hinsichtlich der untersuchten Texte eigentlich nur auf Cinus und Bartolus zu. Diese Autoren haben offenbar das Bild der Epoche geprägt. Man darf jedoch nicht übersehen, daß neben ihnen eine mindestens ebenso große Zahl von Juristen stand, die die gerühmte Eigenständigkeit und Intensität nicht einmal ansatzweise erreicht haben und sich auf eine mehr oder weniger getreue Wiedergabe der Glosse beschränkten. Dazu zählen nach den hier gemachten Beobachtungen neben Baldus vor allem Jacobus de Ravanis, Angelus de Ubaldis und Alexander Tartagnus. Ferner spricht Horn den Kommentatoren eine schrittweise Lösung von der Legalordnung und eine Stoffbehandlung nach Materien zu 55 . Dies wird durch die vorliegenden Texte jedenfalls insofern bestätigt, als die Diskussion jetzt größere Sachkomplexe erfaßt, nachdem die Glosse die mühsame Arbeit der Erläuterung einzelner Wortbedeutungen bereits geleistet hat. Demgegenüber kann der den Kommentoren zugeschriebene allgemeine Zug zur Zusammenfassung56 hier nicht bestätigt werden. So erscheint insbesondere die Stellungnahme des Cinus gleichermaßen lang wie umständlich. Schließlich stellt sich die Frage, ob der bei den Glossatoren beobachtete Einfluß der griechischen Philosophie auf die juristische Argumentation auch im Zeitalter der Kommentatoren fortbestanden hat. Dazu wird die Ansicht vertreten, der Einfluß der griechischen Philosophie (Dialektik) auf die Rechtswissenschaft habe im Zeitalter der Kommentatoren sogar noch zugenommen, zunächst bei den französischen Juristen, vermittelt durch Cinus später auch in Italien. Diese Entwicklung sei durch die Aristoteles-Rezeption des 13. Jahrhuderts begünstigt worden57. Auch das belegen vorliegenden Texte nicht. Im Gegenteil: Das bei den Glossatoren verbreitete philosophische Argument, die vereinbarte Summe sei die Substanz der Verpflichtung und dürfe daher nicht verändert wer5 3

Wolter,

5 4

Horn in: Coings Handbuch I, S. 262 f.

Ius canonicum in iure civili, S. 24.

5 5

Horn in: Coings Handbuch I, S. 263,326.

5 6

Lange, Bartolo II, S. 281/284.

Kapitel 3: Kommentatoren

62

den, wird von den untersuchten Autoren nicht mehr aufgegriffen. Das ist bemerkenswert, da es sich unter anderem auch in der Glosse fand, deren Argumente ansonsten stets Beachtung gefunden haben. Statt dessen wird die Argumentation mit allgemeinen materiellen Wertungen geführt, z.B. mit dem Grundsatz der Vertragsfreiheit 58 oder mit den subjektiven Vorstellungen der Vertragsparteien59. Der Einfluß der griechischen Philosophie scheint also gesunken zu sein. Daher bestätigen die untersuchten Texte eher die Beobachtung Piano Mortaris, daß materiale Prinzipien den Kommentatoren wichtiger waren als dialektische Formeln60. Insgesamt kann aber ein grundlegender methodischer Unterschied zwischen Glossatoren und Kommentatoren und ebenso zwischen italienischen und französischen Juristen in der Frage der Begrenzung von Vertragsstrafen nicht festgestellt werden. 3. Grundeinstellungen der Zeit So bleibt schließlich noch die Frage nach einem eventuellen Zusammenhang zwischen den wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Grundeinstellungen der Zeit und der - ungeachtet des Theorienstreits - offenbar allgemein für richtiggehaltenen Freigabe der Vertragsstrafe im Regelfall, d.h. bei Vereinbarung einer festen Summe. Schaut man auf die wirtschaftliche Situation Italiens in der Zeit vom 13. bis 15. Jahrhundert, so zeigen sich keine wesentlichen Veränderungen gegenüber der Glossatorenzeit. Die Dynamik der Wirtschaftsentwicklung dauerte an und der Vorsprung zur internationalen Konkurrenz verringerte sich nur langsam61. Die oberitalienische Handels-Wirtschaft trug mithin alle Züge einer florierenden Marktwirtschaft. Man kann davon ausgehen, daß dies prinzipiell auch für die südfranzösischen Stadtzentren gilt, die in wirtschaftlicher Hinsicht als Knotenpunkte auf den europäischen Fernhandelswegen eine ähnliche Entwicklung zu verzeichnen hatten.

5 7

Horn in: Coings Handbuch I, S. 262.

5 8

So Cinus, vgl. oben S. 50.

5 9

Vgl. die Ausführungen des Bartolus, S. 53.

6 0

Piano Morton , Commentatori, in: Enciclopedia del diritto, Bd. VII, S. 794/801.

6 1

Ploetz, S. 538 f.

III. Zusammenfassung

63

Überhaupt basierte das spätmittelalterliche Wirtschaftsleben in ganz Europa auf übereinstimmenden Grundlagen62. Vor diesem Hintergrund fügt es sich nahtlos ins Bild, daß die Vertragsstrafe als Instrument kaufmännischer Vertragsgestaltung zumindest für den Regelfall keiner Begrenzung unterworfen wurde, die die freie wirtschaftliche Entfaltung hätte stören können. Trotz kirchlicher Mahnungen haben die untersuchten Juristen den wirtschaftlichen Realitäten folgend der Vertragsfreiheit den Vorrang eingeräumt. Etwaige Kompromisse blieben - noch - an der Oberfläche.

6 2

Wieacker

y

Privatrechtsgeschichte der Neuzeit, S. 87.

Kapitel 4

Das 16. Jahrhundert und die humanistische Reformbewegung in der Jurisprudenz

I. Einfuhrung in die Epoche Mit dem 16. Jahrhundert beginnt in der allgemeinen Geschichte Europas eine neue Periode. Das Mittelalter geht in eine Epoche über, die üblicherweise als "frühe Neuzeit" bezeichnet wird1. Diese bewegte Zeit der Erweiterung des Weltbildes (Entdeckung Amerikas, 1492), aber auch der konfessionellen Auseinandersetzungen (Reformation Martin Luthers, 1517) wird üblicherweise mit der geistigen Bewegung des Humanismus in Verbindung gebracht2, doch lassen sich die zeitlichen Grenzen sicher nicht so eng ziehen. Bereits die italienischen Kommentatoren des 14. und 15. Jahrhunderts waren Zeitgenossen jener umfassenden kulturellen Strömung, die man heute zumeist als "Renaissance-Humanismus" bezeichnet3. Man versteht darunter eine geistige Bewegung der abendländischen Geschichte, die die altgriechische und römische Kulturwelt zu erschließen sucht und für die Bildung des Menschen fruchtbar machen möchte. Sprachliche und historische Studien standen im Mittelpunkt jener "studia humaniora", deren Ziel die Erreichung eines höheren Menschseins war, wobei das Menschenbild Ciceros als Ideal galt4. Dabei konnte eine Auseinandersetzung mit Wert und Methode der mittelalterlichen Rechtswissenschaft nicht ausbleiben. Waren es zunächst noch Nichtjuristen, die die herkömmliche juristische Arbeitsweise kritisierten5, so traten im 16. Jahrhundert - vor allem in Frankreich - zunehmend auch Fachjuristen unter humanistischen Gesichtspunkten an das

1 Fuchs, Walther Peter: Das Zeitalter der Reformation, in: Gebhardt, Handbuch der deutschen Geschichte, Band 2: Von der Reformation bis zum Ende des Absolutismus, S. 2 f.; Skalweit, Stephan: Der Beginn der Neuzeit, S. 3. 2 Schlosser, Grundzüge der Neueren Privatrechtsgeschichte, S. 42; Wesenberg/Wesener, Neuere deutsche Privatrechtsgeschichte, S. 62 f. 3

Wieacker,

4

Troje in: Coings Handbuch I I / l , S. 617.

5

Wieacker,

Privatrechtsgeschichte der Neuzeit, S. 88. Privatrechtsgeschichte der Neuzeit, S. 90.

II. Die Begrenzung der Vertragsstrafe i

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65

Corpus iuris heran6. Welche Folgen das für die Interpretation und Anwendung des römischen Rechts hatte, soll im folgenden am Beispiel der Vertragsstrafe aufgezeigt werden. Dabei werden wiederum Autoren herangezogen, die sich im untersuchten Zeitraum (16. Jahrhundert) zu unserer Frage geäußert haben und für die nachfolgende Zeit auf diese Weise prägend waren. Unter anderem soll auch untersucht werden, ob und inwiefern sie gerade Humanisten waren oder als solche argumentierten.

IL Die Begrenzung der Vertragsstrafe im 16. Jahrhundert Das 16. Jahrhundert ist in der Frage der Begrenzung von Vertragsstrafen durch eine bis dahin nicht gekannte, verwirrende Meinungsvielfalt gekennzeichnet. Es fällt bisweilen schwer, auch nur zwei Autoren zufinden, die sich auf eine Ansicht einigen konnten. Die hier vorgenommene Einteilung in drei Hauptgruppen vergröbert die zahllosen Schattierungen des Meinungsspektrums daher nicht unbeträchtlich. Sie führt auch dazu, daß die chronologische Reihenfolge der einzelnen Autoren teilweise unberücksichtigt bleibt. Trotzdem erscheint ein solcher Eingriff unverzichtbar, um die Zusammenhänge und Entwicklungslinien der einzelnen Lehren deutlich zu machen. 1. Die Lehre von derfreien Strafhöhe Die relativ homogenste Gruppe bildeten die Autoren, die an der traditionsreichen Lehre festhielten, wonach die Höhe von Vertragsstrafen allein von der freien Parteivereinbarung abhängen soll. a) Jacques Cujaz (Jacobus Cuiacius) Der wohl bedeutendste Vertreter der Lehre von derfreien Strafhöhe war der südfranzösische Rechtslehrer Cujaz (1522 bis 1590). Cujaz lehrte außer an italienischen Universitäten vor allem in Bourges, wo er in Donellus und Duarenus - offenbar aufgrund persönlicher Rivalität - zähe Konkurrenten fand, die ihn erbittert bekämpften. Aus der Zeit seines 1547 begonnenen Aufenthalts in Bourges stammen auch die ersten drei Bände seiner "observationes", aus denen der folgende Text stammt. Aus den konfessionellen Konflikten seiner Zeit versuchte 6 Koschaker, Europa und das römische Recht, S. 106; Wieacker, Privatrechtsgeschichte der Neuzeit, S. 90; Wesenberg/Wesener, Neuere deutsche Privatrechtsgeschichte, S. 62; Troje in: Coings Handbuch I I / l , S. 615; Luig, Mos gallicus, mos italicus, HRG III, Sp. 693.

66

Kapitel 4: Die humanistische Reformbewegung

Cujaz sich nach Möglichkeit herauszuhalten. Flucht und Anfeindungen blieben ihm gleichwohl nicht erspart7. Cujaz beschäftigt sich mit unserer Frage im 16. Buch in Kapitel 34 seiner "observationes"8 unter der Überschrift "de poenarum modo". Er schreibt: Placet definitio 1. un. de sententiis, quae pro eo, quod interest, profer. ut eae tantum poenae exigi possint, quae vel cum competenti moderamine proferuntur, vel a legibus certo fine conclusae statuuntur: nam quae cum competenti moderamine proferuntur vel titulus indicat nos de his accipere debere, quae proferuntur sententia judicis, quarum constat esse modum aliquem, 1. ult. C. de mod. mulctar. quae a judicib. inflig. 1. 244. D. de veibor. signif. non de his, quae ex conventione sibi quisque cavit: nam ubi lege definita est poena, aut sententiae judicis definienda relinquitur, quanti arbitratus fuerit, hic nihil potest conventio privatorum, et ubi lex deficit vel aibitrium judicis, contrahentibus quidvis convenire licet:... et recte 1. 6. D. eod. in omnibus praetoriis stipulationibus, etiam si a praetore habeant formulam et conceptionem certam, veluti quanti ea res est, tarnen illata poena certa ex conventione, poenae nomine stipulationem committi: Die Bestimmung der Konstitution C.7.47.1 ist richtig, daß nämlich nur solche Strafen eingeklagt werden können, die entweder mit angemessener Beschränkung verlangt oder von den Gesetzen mit festen Grenzen umschlossen festgesetzt werden. Denn die [Formulierung] "mit angemessener Beschränkung vorgetragen werden" bzw. der Titel legen dar, daß wir sie auf solche Strafen beziehen müssen, die durch Urteilsspruch auferlegt werden, von denen also feststeht, daß sie eine bestimmte Summe betragen, C. 1.54.6, D.50.16.244; nicht aber auf solche, welche jemand sich durch Übereinkunft versprechen läßt. Denn wenn eine Strafe durch Gesetz festgelegt ist oder der Festsetzung durch Richterspruch überlassen bleibt, dann kann sie nicht durch die Übereinkunft von Privatpersonen nach freiem Ermessen festgelegt werden;... Und wenn ein Gesetz oder ein Richterspruch nicht vorliegen, dann ist es den Parteien gestattet, irgendetwas zu vereinbaren.... Und zu Recht wird nach D.46.5.6 (de praetoriis stipulationibus) bei allen prätorischen Stipulationen, auch wenn sie vom Prätor die Formel und eine bestimmte Fassung erhalten haben, z.B. quanti ea res est, wenn eine bestimmte Vertragsstrafe hinzugefügt wurde, die Stipulation als Strafe wirksam.

Auch Cujaz löst den Widerspruch zwischen den verschiedenen Stellen des Corpus iuris also, indem er C.7.47.1 nur auf gesetzliche Strafen bezieht ("non de

'

Zu den Lebensdaten allgemein: Spangenberg , Jacob Cujas und seine Zeitgenossen, S. 5-45.

8

Jacobus Cuiacius , Observationes. Opera ad Parisiensem Fabrotinam Editionem Diligentissime exacta in Tomos XIII. Distributa Auctoria atque Emendatoria, Pars Prima, Tomus Primus, Prati 1836, p. 750 f. 9 Es folgen Ausführungen zu dem Fragment C.5.1.5, das als Relikt eines archaischen Rechtszustandes beschrieben wird, und zu D.21.2.56 pr., welches der Interpretation des Cujaz nicht widerspricht, da er nicht von einer gesetzlichen Strafe handelt.

II. Die Begrenzung der Vertragsstrafe i

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his quae ex conventione sibi quisque cavit") und somit die Höhe von Vertragsstrafen der Parteivereinbarung überlassen kann. Sein Hinweis auf die "poena certa" am Ende der untersuchten Textstelle legt indes die Vermutung nahe, daß er nur genau bezifferte Strafbeträge vor Augen hat. Die in der Vergangenheit oft erörterte Variante, daß eine Vertragsstrafe durch Nennung eines Vielfachen vereinbart wird, spielt in seinen Überlegungen keine Rolle mehr. Offenbar hielt er wohl mit Recht - eine solche Vereinbarung eines Vielfachen nicht für eine in der Wirklichkeit vorkommende Art der Absprache. Auffällig ist, daß Cujaz zwar inhaltlich eine Lehre vertritt, deren Tradition über Bartolus, Baldus, Cinus, Odofredus und Azo bis Placentinus zurückverfolgt werden kann, dies jedoch mit keinem Wort erwähnt. Er beschäftigt sich mit unserer Frage so, als wäre er der erste Autor, der sich dem Problem stellt. Die Vorarbeiten der mittelalterlichen Juristen trotz Übernahme ihrer Ergebnisse zu ignorieren, ist wohl ein Zeichen für seine innere Distanz zu ihrer Arbeit - indes kein starkes. Sein Verzicht auf Polemik bestätigt zudem Koschakers Einschätzung, daß sein Umgang mit den mittelalterlichen Juristen eher "maßvoll" war 10, und ebenso das Urteil Trojes, wonach Cujaz mit der Tradition nicht völlig gebrochen hat, und daher gängige Vorstellungen über die humanistische Jurisprudenz nicht stützt11. Bemerkenswert ist ferner, daß Cujaz eigentlich nicht ausdrücklich sagt, was für seine Auslegung der Konstitution spricht. Er nennt lediglich einige Stellen des Corpus iuris, die ihr nach seiner Auffassung nicht widersprechen. Im übrigen beruft er sich auf die Formulierung der Konstitution, wonach Strafen nur "cum competenti moderamine" (mit angemessner Beschränkung) vorgetragen werden können (proferuntur), und den Titel der Vorschrift "de sententiis, quae pro eo quod interest proferuntur". Man hat den Eindruck, als wollte er die entscheidende Aussage aus dem zweimal verwendeten Wort "proferuntur" ableiten. Dieses Verb wird herkömmlicherweise mit "vortragen" übersetzt und in dem Zusammenhang "sententiam proferre" oder "iudicium proferre" zur Bezeichnung der Urteilseröffnung gebraucht12. Vertragsstrafen werden demgegenüber "versprochen" (stipulari). Dies könnte der Grund dafür sein, daß Cujaz C.7.47.1 nicht auf Vertragsstrafen bezieht. Mit diesen Ausführungen bestätigt Cujaz zwar die allgemeine Vorstellung vom rein philologischen Charakter der humanisti-

1 0

Koschaker, Europa und das römische Recht, S. 109.

1 1

Troje TRG 38 (1970), S. 519/527 f.

1 2

Heumann/Seckel, Handlexikon, s.v. proferre, Bedeutung 3.

68

Kapitel 4: Die humanistische Reformbewegung

sehen Argumentation13, nicht aber die ihm im besonderen zugesprochene Fähigkeit zur "tiefbohrenden Exegese"14. Es soll schon an dieser Stelle darauf hingewiesen werden, daß Cujaz in den folgenden Jahrhunderten oft zitiert und dabei von einigen Autoren für die gegenteilige Ansicht in Anspruch genommen wurde. Die hier auszugsweise wiedergegebene Stelle aus den "Observationes", auf die sich auch diese Autoren stützen, ist also teilweise als Plädoyer für die Begrenzung von Vertragsstrafen aufgefaßt und somit nicht immerrichtiginterpretiert worden. Der Grund für diese Fehlinterpretation könnte darin liegen, daß Cujaz seine Stellungnahme mit einem uneingeschränkten Lob für die Regelung der Konstitution C.7.47.1 beginnt (Placet definitio 1. un. C. de sententiis ...). Bei flüchtiger Lektüre des Textes kann man leicht übersehen, daß er die solchermaßen generell begrüßte gesetzliche Begrenzung nicht auf alle Strafen beziehen möchte. Erst die Formulierung "ubi lex deficit vel arbitrium iudicis, contrahentibus quidvis convenire licet" stellt unmißverständlich klar, daß Vertragsstrafen letztlich dem freien Willen der Parteien überlassen bleiben. b) Ioannis Schneidewin Zu einem weitgehend identischen Ergebnis gelangt auch der deutsche Rechtslehrer Ioannis Schneidewin (1519-1568), der neben seiner Professur in Wittenberg als Beisitzer des Hofgerichts und kurfürstlicher Rat mit zahlreichen praktischen Aufgaben befaßt war 15. In seinem Institutionenkommentar beschäftigt er sich bei 1.4.6.21 recht ausführlich mit unserer Frage und trifft dabei eine Reihe von Entscheidungen16. Da das Gesetz in 1.4.6.21 davon spricht, jede Klage werde höchstens auf das "Vierfache" gerichtet, stellt Schneidewin die Rechtsfrage folgendermaßen: Pro cujus declaratione quaerunt hic DD. an poena conventionalis Semper possit excedere quadruplum? Bei der Erklärung dieser Stelle fragen die Gelehrten, ob die Vertragsstrafe immer das Vierfache übersteigen kann.

Anschließend beschreibt er die Ergebnisse dieser Gelehrtendiskussion:

1 3

Wesenberg/Wesener, Neuere deutsche Privatrechtsgeschichte, S. 63; H. Hübner , Jurisprudenz im Zeitalter des Humanismus, FS Latenz, S. 41/43. 1 4

Koschaker , Europa und das römische Recht, S. 111.

1 5

Süntzing I, S. 309 f.

1 6

Schneidewin , Ioannis: In quatuor Institutionum Commentarii, Argentorati 1632, Liber IV, Titel VI, § 21, n. 11 und 12, p. 1415.

II. Die Begrenzung der Vertragsstrafe i

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Et in effectu ita distinguitur per DD. in 1. stipulatio ista. 38. §. alten. 17. ff. de verb. obl. et in §. alten. 18. sup. de inutilib. stipul. Aut poena adjicitur obligationi faciendi, aut obligationi dandi: cum omnis obligatio adstringat aliquem, vel ad dandum, vel faciendum. I. Casu, quando poena est adjecta facto; veluti, promittis mihi describere codicem infra annum, sub poena 100. aureorum. Vel pone, inter plures coheredes est facta quaedam transactio super divisione hereditatis, et apposita poena, ut si unus veniat contra transactionem, debeat nomine poenae solvere certam quantitatem pecuniae, rato etiam manente pacto. Hoc casu potest qualiscunque poena etiam maxima apponi, et peti secund. DD. hic. in d. §. alten. II. Casu subdistinguitur. Aut poena est adjecta dationi speciei, aut dationi quantitatis. 1. Quando additur dationi speciei: veluti, promittis mihi dare hunc equum? et si non dederis, promittis nomine poenae centum, isto casu similiter potest quantacunque etiam maxima poena adjici et peti, secund. DD. hic 2. Quando adjicitur dationi quantitatis seu pecuniae, quamvis olim usque ad legitim um modum usurarum poena adjici et peti posset, non autem ultra, quia videbatur adjecta in fraudem usurarum, 1. cum allegas. 15. C. de usur. hodie tarnen, cum non solum de iure divino et canonico, sed etiam de iure civili usurae prohibitae sint (...), sequitur, nullam poenam, etiam minimam, dationi quantitatis adjici posse, quia Semper intelligitur adjecta in fraudem usurarum: quod in practica diligenter notabitis. Und im Ergebnis wird von den Doctores bei D.45.1.38.17 und 1.3.19.18 (=19?) folgendermaßen unterschieden: Entweder die Strafe wird einer Verpflichtung zu einem Tun beigefügt oder einer Verpflichtung auf ein Geben. Denn jede Obligation verpflichtet jemanden dazu, etwas zu geben oder zu tun. Im ersten Fall, wenn die Strafe einer Handlung beigefügt wird, z.B. du versprichst mir, innerhalb eines Jahres einen Codex abzuschreiben bei einer Strafe von 100 Goldtalern. Oder nimm an, zwischen mehreren Miterben sei eine Vereinbarung über die Teilung der Erbschaft erzielt worden, und man hat eine Strafe beigefügt, falls einer gegen die Abmachung verstößt Dann müßte er einen bestimmten Geldbetrag als Strafe zahlen, während der Vertrag auch gültig bleibt In diesem Fall kann eine beliebige, auch eine sehr große Strafe vereinbart und gefordert werden nach Maßgabe der Doctores an dieser Stelle und bei D.45.1.38.17. Im 2. Fall wird weiter unterschieden. Die Strafe wird entweder der Hingabe einer bestimmten Sache oder der Hingabe eines Geldbetrages beigefügt. 1. Wenn sie der Hingabe einer Sache beigefügt wird, z.B. "Versprichst du mir, dieses Pferd zu geben, und falls du es nicht gibst, versprichst du mir als Strafe 100?". In diesem Fall kann eine ähnlich beliebige und auch sehr große Strafe vereinbart werden gemäß der Doctores an dieser Stelle. 2. Wenn sie der Hingabe eines Geldbetrages beigefügt wird, so durfte sie früher bis zum gesetzlichen Zinsmaß vereinbart und gefordert werden, nicht aber darüber hinaus, weil sie dann als Zinsumgehung erschien, C.4.32.15. Daraus aber, daß heute nicht allein nach göttlichem und kanonischem Recht, sondern auch nach Zivilrecht Zinsen verboten sind (...), ergibt sich, daß keinerlei Strafe, auch keine winzige, eine Geldzahlung sichern kann, weil sie als Umgehung des Zinsverbots angesehen wird. Das sollt ihr in der Praxis immer sorgfältig beachten.

Ungeachtet der ausführlichen Distinktion läßt sich Schneidewins Standpunkt auf eine kurze Formel bringen: Die Höhe einer Vertragsstrafe bleibt der freien Parteivereinbarung überlassen, es sei denn, die Strafe dient zur Absicherung einer Geldschuld. In diesem Fall gilt das seit alters her bekannte Verbot der Umgehung der Zinsvorschriften, daß auch hier eine Art "äußerste Grenze" darstellt. Neu ist insoweit allein der theologisch motivierte Rückschluß, daß wegen 6 Sossna

Kapitel 4: Die humanistische Reformbewegung

70

des allgemeinen Zinsverbotes jede zur Sicherung einer Geldschuld vereinbarte Vertragsstrafe ein verbotenes Umgehungsgeschäft darstelle. Abgesehen von dieser spezifisch zinsrechtlichen Problematik, die hier nur am Rande erwähnt sein soll, muß man Schneidewin zu den entschiedenen Befürwortern der Vertragsfreiheit bei der Bestimmung der zulässigen Strafhöhe rechnen. Er stützt sich dabei vor allem auf die wohlbekannten Fragmente D.45.1.38.17 und 1.3.19.19 und blendet C.7.47.1 bei der Beantwortung unserer Frage völlig aus, ohne dafür Gründe zu nennen. Ebensowenig greift Schneidewin bei der Darstellung der Gelehrtendiskussion auf solche Autoren zurück, die eine andere Auffassimg vertraten. Seine Berufung auf die Doctores ist vielmehr ganz allgemein gehalten und besitzt nur den Wert einer Formel, da er keine genaueren Zitate anbietet. Wie sein Hinweis am Ende der zitierten Stelle zeigt, ging es ihm offenbar mehr um eine an praktischen Bedürfnissen orientierte Zusammenfassung der aus seiner SichtrichtigenLösung als um eine wissenschaftlich korrekte, detaillierte Darstellung. c) Dionysos Gothofredus und Joachim Mynsinger von Frundeck Die Lehre von der freien Strafhöhe fand - wie bereits erwähnt - auch in der Folgezeit noch Anhänger. Man hat jedoch den Eindruck, daß die Tiefe der Auseinandersetzung und die Zahl und Kraft der Argumente nachgelassen hat. So folgt derfranzösische Rechtslehrer Dionysos Gothofredus (1549 bis 1622), der als Hugenotte seine Heimat verlassen mußte und im östlichen Ausland lehrte17, der Lehre des Cujaz ohne nähere Begründung. Ein Hinweis auf dessen "observationes" scheint ihm schon auszureichen18. Kaum ausführlicher ist auch die Behandlung unserer Frage durch Mynsinger von Frundeck (1514 bis 1588). Mynsinger war Professor in Freiburg und Beisitzer am Reichskammergericht19. Daher wird er zum Kreis der "Kameralisten" gezählt, die aus der Praxis des Gerichts gewonnene Erkenntnisse in privaten Arbeiten veröffentlichten 20.

1 7

Süntzing I, S. 386 f.

1 8

Dionysos Gothofredus , Corpus Iuris Civilis Pandectis, Institutionibus, Codice et Novellis, Amsterdam 1663, Note 17 zu C.7.47.1, p. 245 f. 1 9

Schlosser , Grundzüge der Neueren Privatrechtsgeschichte, S. 63. Wieacker,

Privatrechtsgeschichte der Neuzeit, S. 174.

II. Die Begrenzung der Vertragsstrafe i

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In seinem Institutionenkommentar21 schreibt Mynsinger zu 1.4.6.21: Quöd autem Doctores dicunt, Conventionales poenas ulterius non posse extendi: id verum non esse, Nizolius in suis observat. docet: ubi ex Cicerone quinta actione in Verrem meminit de poena octupli adversus Decumanos, qui plus ab aratoribus exegerant, constituta. Was aber die Doctores sagen, daß nämlich Vertragsstrafen nicht höher ausgedehnt werden können, trifft in Wahrheit nicht zu, und das lehrt Nizolius in seinen Observationes, wo er sich aus der fünften Klage Ciceros gegen Verres einer Strafe des Achtfachen erinnert, die gegen die Decumanen verhängt wurde, welche von den Bauern zuviel verlangten.

In dieser Kommentierung verwirft Mynsinger eine Begrenzung der Vertragsstrafe durch 1.4.6.21. Am Ende seiner hier nur ausschnittweise zitierten Ausführungen wird allerdings deutlich, daß er die Vorschrift allein auf die gesetzlichen Strafen anwenden will. Aus dem Umstand, daß Mynsinger eine Anwendung von 1.4.6.21 auf Vertragsstrafen ablehnt und C.7.47.1 überhaupt nicht erwähnt, kann man nur folgern, daß er Begrenzungen in dieser Hinsicht insgesamt nicht für richtighält. Interessant ist seine Begründung: Ausschlaggebend ist offenbar allein die mittelbar zitierte Stelle im Werk Ciceros, der beiläufig von einem hier nicht näher beschriebenen Fall berichtet, in dem eine achtfache Strafe verhängt worden war 22. Aus der bloßen Erwähnung einer Strafe des Achtfachen schließt Mynsinger, daß das römische Recht ursprünglich eine Begrenzung von Vertragsstrafen, insbesondere eine Begrenzung auf das Vierfache, nicht kannte23. Insgesamt belegt der untersuchte Text die Ansicht Weseners, daß die Kameralisten an die humanistische Bewegung durch die Verwendung mehr oder weniger passender Klassikerzitate anknüpften, diese Konzession aber äußerlich blieb24. Eine besonders eingehende Analyse des antiken Schriftgutes kann man hier in der Tat nicht finden. Insgesamt scheint die Lehre von der freien Strafhöhe in der wissenschaftlichen Diskussion des 16. Jahrhunderts auf dem Rückzug gewesen zu sein. Das 2 1

Mynsinger von Frundeck, Apotelesma, hoc est corpus perfectum scholiorum ad Institutiones Justinianeas pertinentium, Genf 1633, p. 750. 2 2 Zur Anklage gegen Verres vgl. insgesamt: Paulys Realencyclopädie, 2. Reihe, 13. Halbband, s.v. M. Tullius Cicero, Sp. 842 ff. 2 3

Vgl. dazu Kapitel 1.

2 4

Wesenberg/Wesener,

Neuere deutsche Privatrechtsgeschichte, S. 115.

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Kapitel 4: Die humanistische Reformbewegung

Votum Schneidewins und Mynsingers läßt es allerdings wahrscheinlich erscheinen, daß die Rechtsprechung des Reichskammergerichts - und damit ein wichtiger Teil der Praxis - ihr folgte. Ihr wahres Gewicht ist vor diesem Hintergrund schwer abzuschätzen. 2. Die vermittelnden Lehren und Ulrich Zasius Betrachtet man das weitere Schicksal der vermittelnden Lehren, die im Anschluß an Accursius und Bartolus in verschiedenen Ausprägungen breite Zustimmung unter den mittelalterlichen Juristen gefunden hatte, so zeigen sich im 16. Jahrhundert deutliche Veränderungen: Hier ist ein signifikanter Anhängerschwund zu verzeichnen. Tatsächlich ließ sich nur ein Autor finden, der die Distinktion nach der Art der zur Vereinbarung verwendeten Formulierung aufgriff, und zwar Ulrich Zasius. Zasius (1461 bis 1535) gilt gemeinhin als eine der tragenden Säulen der humanistischen Reformbewegung25. Er wurde in Konstanz geboren, wo er es bis zum Vorsteher der bischöflichen Kanzlei brachte, bevor er nach Freiburg ging. Seit 1499 lehrte er an der dortigen Universität. Nach anfänglicher Sympatie für die religiöse Reformbewegung wandte er sich von ihr ab und betrachtete sie mit zunehmendem Mißtrauen26. In seinem Institutionenkommentar27 beschäftigt Zasius sich bei 1.4.6.21 recht ausführlich mit unserer Frage. Er weist zunächst auf die umfangreiche Literatur der "Doctores" hin und bezweifelt, daß deren Ausführlichkeit notwendig war. Anschließend fährt er mit folgender Feststellung fort: Dicite breviter quod ad promissionem facti vel speciei potest addi poena etiam magna: Ihr sollt kuiz sagen, daß einem Versprechen auf ein Tun oder eine bestimmte Sache (species) auch eine große Strafe angehangen werden kann.

Dabei beruft er sich auf D.19.1.47 und D.21.2.52; in beiden Fragmenten finden sich Beispiele für relativ hohe Vertragsstrafen. Anschließend geht Zasius auf die verschiedenen Arten der Vereinbarung ein. Er schreibt:

2 5

Koschaker , Europa und das römische Recht, S. 109; Wieacker , Privatrechtsgeschichte der Neuzeit, S. 90. 2 6 Wolf, Große Rechtsdenker, S. 72 ff., 79; Stintzing I, S. 155-160; vgl. auch Rowen, Ulrich Zasius, mit sehr aufschlußreichen Hintergrundinformationen zu dessen Lebenslauf. 2 7 Uldaricus Zasius , Opera Omnia, hrsg. von Johann Ulrich Zasius und Joachim Münsinger von Frundeck in sieben Bänden, Band 4, Neudruck der Ausgabe Lyon 1550, Aalen 1966, Sp. 138, Note 12,13.

II. Die Begrenzung der Vertragsstrafe im 16. Jahrhundert

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Inter haec adverte, quod huiusmodi poenae apponi & augeri possunt his casibus, per nomina numeralia Simplicia (Nos nominamus apud Latinos cardinalia, Iuristae nominant Simplicia) scilicet, unum, dúo, tría, & c. Nam non posset addi poena, nec in factis nec in speciebus, per nomina numeralia multiplicativa, scilicet, duplum, triplum, quadruplum, octuplum & c. quae dicuntur apud nos multiplicativa, ut etiam hoc intelligatis. Nam facta non possunt sie aestimari ad duplum, triplum, vel quadruplum, quia sunt incerta. Sic etiam de speciebus dieimus, quarum aestimatio est incerta, ut ita non possit facile quadruplari. Beachte, daß in diesen Fällen derartige Strafen festgesetzt und erhöht werden können durch einfache Zahlworte (die wir bei den Latinisten "cardinalia" nennen, die Juristen nennen sie "Simplician), z.B. eins, zwei, drei, usw. Denn eine Strafbestimmung kann nicht hinzugefügt werden, weder bei Handlungen noch bei bestimmten Sachen, durch vervielfachende Zahlwörter, z.B. das Doppelte, Dreifache, Vierfache, Achtfache usw., die bei uns "multiplicativa" genannt werden, damit ihr auch das versteht Denn Versprechen, etwas zu tun, können so nicht geschätzt werden auf das Doppelte, Drei- oder Vierfache, weil sie unbestimmt sind. Das gilt auch für die Einzelstücke (species), deren Schätzwert unbestimmt ist, so daß [ihr Wert] auf diese Weise nicht leicht vervierfacht werden kann.

Damit schließt Zasius zwar an die accursische Unterscheidung an. Aus der fehlenden Klarheit im Falle der Nennung eines Vielfachen schließt er jedoch nicht nur auf ein reines Beschränkungsbedürfnis. Er geht vielmehr weiter und verbietet solche Vertragsstrafen insgesamt. Nur die Nennung eines bestimmten Betrages ist gestattet, dann allerdings in beliebiger Höhe. Schließlich weist Zasius noch daraufhin, daß eine Vertragsstrafe nie eine versteckte Zinsvereinbarung sein dürfe, da die Erhebung von Zinsen generell gegen das kanonische Recht verstoße. Eine Vertragsstrafe dürfe daher nie eine Geldschuld sichern. Im Ergebnis löst sich Zasius also nicht besonders weit von den mittelalterlichen Lehren, die er eingangs abwertend erwähnt: Allein schon die Unterscheidung nach der Art der verwendeten Worte basiert auf traditionellen Anschauungen. Auch das Argument, eine Vertragsstrafe, die durch Nennung eines Vielfachen vereinbart wurde, sei nicht abschätzbar und damit für den Schuldner wohl besonders gefährlich, ist alt und geht auf Baldus zurück. Gleiches gilt für seine Ausführungen zum Zinsverbot. Hier könnte Iason, den Zasius namentlich erwähnt, die Quelle sein. Die vorsichtig anklingende Kritik von Zasiusrichtetsich also in unserer Frage überwiegend gegen Form und Länge der Darstellung bei den mittelalterlichen Juristen. Sie hindert ihn nicht an einer Übernahme dessen, was "wahr und wirklich ist"28. So bestätigt sich die Einschätzung Kischs, der

2 8

Säntzing I, S. 161.

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Kapitel 4: Die humanistische Reformbewegung

Zasius ein zwiespältiges Verhältnis zu den Glossatoren und Kommentatoren zuspricht sowie einen gewissen Respekt vor Accursius29. Mehr noch als die Lehre von derfreien Strafhöhe stellen sich die vermittelnden Ansichten im 16. Jahrhundert als eine auf dem Rückzug befindliche Lehre dar. Insbesondere die praktisch kaum bedeutsame Variante der Nennung eines Vielfachen verkümmerte zu einer generell verbotenen Spielart. Da Cujaz als Vertreter der Lehre von der freien Strafhöhe sich mit dieser Variante erst gar nicht beschäftigt hat, darf man die Ansicht von Zasius freilich nicht so sehr als etwas gänzlich anderes auffassen. Beide Meinungsgruppen rückten vielmehr im 16. Jahrhundert wieder zusammen und bildeten praktisch ein gemeinsames Lager derer, die Vertragsstrafen im allein interessierenden Regelfall, d.h bei Nennung einer bestimmten Summe, der freien Vereinbarung überlassen wollen. 3. Die neuen Begrenzungslehren Neu an der Diskussion unter den Juristen des 16. Jahrhunderts ist das Aufkommen einer Vielzahl von Lehren, die Vertragsstrafen auf die eine oder andere Weise begrenzen wollten. Die Autoren, die eine Begrenzung für erforderlich hielten, bilden sogar eine ganz klare Mehrheit. Allerdings ist diese Meinungsgruppe keineswegs homogen. Art und Weise der Beschränkung sind vielmehr weithin umstritten. Der folgende Überblick soll anhand von einzelnen Beispielen einen Querschnitt durch die Fülle der Begrenzungsmodelle bieten, der von den strengeren zu den weniger strengen Lehren fortschreitet, ohne den Anspruch der Vollständigkeit zu erheben. a) Andreas Alciat und die strenge Bindung der Vertragsstrafe an den entstandenen Schaden Die vermutlich strikteste Auffassung ist die des oberitalienischen Rechtslehrers Alciat (1492 bis 1550), der allgemein als "Begründer" des juristischen Humanismus gilt 30 . Er lehrte zunächst an der päpstlichen Universität von Avignon, dann in Bourges und schließlich in Pavia und Bologna31. 2 9 Kischy Gestalten und Probleme aus Humanismus und Jurisprudenz, S. 60; ders., Humanismus und Jurisprudenz, S. 18 f. 3 0

Wieacker , Privatrechtsgeschichte der Neuzeit, S. 90; Koschaker , Europa und das römische Recht, S. 109; Wesenberg/Wesener , Neuere deutsche Privatrechtsgeschichte, S. 63; Troje in: Coings Handbuch n/1, S. 756. 3 1

Zu seine Lebensdaten insgesamt: Moetter , Andreas Alciat, S. 5 ff.

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Nachdem während des gesamten Mittelalters die Lehre von der freien Strafhöhe im Regelfall völlig anerkannt war, setzt nunmehr also der früheste Humanist, der sich mit unserer Frage beschäftigt hat, neue Akzente32: Alciat beschäftigt sich in seinem umfangreichen Kommentarwerk33 an verschiedenen Stellen mit unserer Frage. In Note 43 zu D.45.1.38.17 schreibt er: ... Sed nunquid poenae intra certam quantitatem limitandae sint? Et videtur posse etiam ad infinitam summam ascendere, cum hic probetur, non attendi in eius quantum intersit. cum enim lex nulla reperiatur, quae huiusmodi conventionales poenas coarctet, nec nos eas restringere debemus: idque sentit Bartolus, videturque receptius. Quod tarnen intelligitur, nisi poena incerta sit. non enim extenditur, nisi ad mediocrem summam, quia eatenus verisimile est cogitasse contrahentes. quod hic Bartolus censuit... Addunt aliqui Pontificii, generaliter iure canonico poenas supra, quam intersit, exigi non posse. 34 quod ego probare non soleo, lex enim canonica de poena loquitur, quam arbiter pendi iusserat, si da tum non esset: quae poena in fraudem usurarum praesumitur, et merito exigi, seu in honestum lucrum, non potest. ... [Fraglich ist,] ob die Strafen vielleicht auf eine bestimmte Summe zu beschränken sind Es scheint, daß sie auch auf einen unbegrenzten Betrag ansteigen können, weil hier gebilligt wird, daß auf den Schaden nicht geachtet wird Es ist nämlich kein Gesetz zu finden, welches Vertragsstrafen derartig einschränkt und daher müssen wir diese nicht begrenzen. Und das meint Bartolus und es erscheint allgemein anerkannt. Dennoch ist das so zu verstehen, [daß es nur gilt,] wenn nicht die Strafe unbestimmt ist. Sie darf in diesem Fall nämlich nur eine mäßige Summe betragen, weil es wahrscheinlich ist, daß die Vertragsparteien nur das beabsichtigt haben3^. So urteilte Bartolus an dieser Stelle.... Einige Autoren des päpstlichen Rechts fügen hinzu, daß allgemein nach kanonischem Recht Strafen über den entstandenen Schaden hinaus nicht eingeklagt werden können. Das billige ich im allgemeinen nicht Das kanonische Recht spricht nämlich nur von der Strafe, welche ein Richter zu zahlen befohlen hat für den Fall, daß etwas nicht übergeben wurde. Eine Strafe, von der man vermutet, sie [diene] der Umgehung des Zinsmaximums, kann man nicht zu Recht fordern, als wäre sie ein ehrenhafter Gewinn.

Diese Ausführungen wirken nicht eben neu. Alciat schildert im Anschluß an den ausdrücklich genannten Bartolus die Problematik so: D.45.1.38.17 spreche dafür, daß Vertragsstrafen grundsätzlich frei sind. Sind sie jedoch unbestimmt, so müssen sie maßvoll sein. Wichtiger als diese Lehre, von der er später - wie 3 2

Vgl. auch Coing, Europäisches Privatrecht I, S. 440, Fn 33.

3 3

Andreas Alciatus, Opera omnia, Tomus II: Pandectarum seu Digestorum Iuris civilis septimae partís títulos aliquot commentaria continens, col. 498, Tomus III: in Codicis Iustinianei et Decretalium Gregorii IX. títulos aliquot commentaria complectens, Basel 1582. 3 4

In der verwendeten Druckausgabe findet sich an dieser Stelle eine Fußnote mit dem Hinweis "c. suam de poenis", dh. X.5.37.9. Beleg: C.7.47.1 bei den Worten "cum scimus".

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Kapitel 4: Die humanistische Reformbewegung

ich zeigen werde - wieder abrückt, ist sein Hinweis auf die Strenge des kanonischen Rechts, das nach seiner Schilderung die Höhe von Vertragsstrafen an den entstandenen Schaden bindet. aa) Exkurs ins kanonische Recht Hostiensis, Leotardus, Molina undloan de Lugo In Note 127 zu D.45.1.38.17 schildert Alciat die kirchliche Lehre eingehender: Wenn man die im Zusammenhang mit der bereits erläuterten Textstelle X.5.37.9 36 entwickelten Aussagen der Kanonisten zusammenfasse, so könne man als Regel folgendes festhalten: Eine Vertragsstrafe kann immer dann gefordert werden, wenn die geschützte Hauptleistung nicht erbracht wurde. Doch gebe es - so Alciat - von diesem Grundsatz eine Reihe von Ausnahmen. Von den acht Ausnahmen, die Alciat anschließend aufzählt, sind drei für unsere Frage erheblich: ... Secundo fallit, quando nihil intereat creditoris, secundum intellectum Hostienn. ibi. (sc. c. suam, wie sich aus der Allegation zur ersten Ausnahme ergibt37) ... Zweitens gilt das (sc. die Regel) nicht, wenn der Gläubiger keinen Schaden hatte, gemäß der Ansicht des Hostiensis bei X.5.37.9.

Wie sich aus der "Regel" entnehmen läßt, gelten nach Alciat auch die Ausnahmen für alle Arten von Obligationen (tarn in obligationibus dandi quam faciendi). ... Quinto fallit, quando poena esset nimis excessiva. ita illum tex. (sc. X.5.37.9) intelligit Raph. Com. in consil. clxxix. incip. facta. ... Fünftens gilt es nicht, wenn die Strafe allzu maßlos wäre und so versteht jenen Text (sc. X.5.37.9) Raph. (Raphaynus de Caresinis, 1343 bis 1388?) in seinem Kommentar zu Consilium 179, Stichwort "facta". ... Septimo fallit, quoad personas ecclesiasticas, quia si exiguunt integram poenam, redduntur suspecti auaritiae,... ... Siebtens gilt es nicht für Kirchenleute, denn [selbst] wenn sie eine angemessene Strafe einklagen, rufen sie den Verdacht der Geldgier hervor,...

Die Darstellung des Alciat schildert die Lehre des kanonischen Rechts über die Höhe von Vertragsstrafen und zu diesem Rechtsinstitut überhaupt als sehr Siehe oben zu Bartolus in Kapitel 3, S. 54 ff. Überhaupt sind sämtliche Ausnahmen nach der Darstellung des Alciat im Zusammenhang mit Kommentierungen zu dieser Entscheidung von Innozenz III. entwickelt worden.

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restriktiv und reserviert. Allein der Umstand, daß Kirchenleute generell keine Vertragsstrafen fordern dürfen, offenbart eine grundlegende Abneigung. Die Begründung lautet: "Sie rufen den Verdacht der Geldgier hervor". Das dürfte sich jedoch kaum aus der Persönlichkeit der Kirchenleute ergeben haben. Dieser Verdacht traf sicher auch jeden weltlichen Gläubiger einer Vertragsstrafe. Die "Personen der Kirche" sollten also nur eine ohnehin zweifelhafte Geschäftspraxis meiden, die dem Ruf der Kirche abträglich gewesen wäre. Dieses Mißtrauen zeigt sich auch in dem Verbot "allzu maßloser" Vertragsstrafen. Kernpunkt der geschilderten kirchlichen Rechtsauffassung ist jedoch die Verbindung von Vertragsstrafe und Schaden. Als Vater jener Lehre, nach der die Vertragsstrafe nicht größer sein darf als der Schaden des Gläubigers, nennt Alciat den bereits erwähnten38 Kardinalbischof von Ostia, Henricus de Segusio (Beiname: Hostiensis), einen Zeitgenossen der frühen Kommentatoren. Alciats Hinweis auf Hostiensis (gestorben 1270)richtetunser Augenmerk auf einen mittelalterlichen Kanonisten, dessen Lehre zur Vertragsstrafe im 16. Jahrhundert augenscheinlich maßgeblichen Einfluß auf die Lösung unserer Frage ausgeübt hat. Will man die Lehre des Hostiensis im einzelnen rekonstruieren, so muß man zwei Stellen seiner "Summa aurea"39 im Zusammenhang betrachten. Die wichtigste Aussage zur Höhe von Vertragsstrafen findet sich im Titel "De Sententia" § Quid sit effectus (Note 7 a.E., Sp. 773 f.). Hostiensis wirft dort die Frage auf, ob eine Vertragsstrafe das - für die Höhe des Schadensersatzes maßgebliche - "duplum" überschreiten darf und schildert anschließend den Meinungsstand etwa so, wie auch Accursius ihn beschrieben hatte. Hostiensis selbst trifft folgende Unterscheidung: Wenn die Vertragsstrafe dazu dient, den zu ersetzenden Schaden schon bei Vertragsschluß zu bestimmen (poena adiiciatur gratia declarandi interesse), dann darf sie das Doppelte des Vertragswertes bzw. den entstandenen Schaden nicht überschreiten (in hoc casu poena non excedit duplum, sicut nec interesse). Das ergibt sich nach Hostiensis aus C.7.47.1 und folgender grundsätzlicher Überlegung: Cum enim loco interesse succedat, ergo eodem iure fungi debet. Weil sie nämlich an die Stelle des Schadensersatzes treten soll, muß sie folglich nach demselben Recht behandelt werden.

3 8 3 9

Siehe oben Kapitel 3, S. 56.

Henricus de Segusio (Cardinal Hostiensis), Summa aurea, Turin 1963, Nachdruck der Ausgabe Venedig 1574.

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Der Beweis einer solchen Grenzüberschreitung obliegt dabei dem Schuldner. Es ist also an ihm, sich zu verteidigen. Wenn die Vertragsstrafe demgegenüber allein "als Strafe" festgesetzt wird (loco poenae pure ponatur), dann unterliegt sie keiner Begrenzung. Hostiensis schließt sich insoweit ausdrücklich der Lehre Azos an. Am Schluß seiner Ausführungen an dieser Stelle findet sich der Hinweis, daß Geistliche (religiosi) grundsätzlich keine Vertragsstrafen fordern dürfen. Sie sind stets auf den Ersatz ihres wirklichen Schadens beschränkt. Die Parallele zu den zuvor genannten Ausführungen Alciats ist auch in dieser Frage unverkennbar. Die Distinctio des Hostiensis nach der Funktion der Vertragsstrafe im jeweiligen Einzelfall wird wesentlich ergänzt durch seine Ausführungen in Titel "De Usuris" § Quae poena (Note 13, Sp. 1634), wo er sich mit dem Spezialfall beschäftigt, daß eine Vertragsstrafe zur Sicherung einer Darlehnsschuld vereinbart wird. Er schreibt: Est ergo praesumendum, contra stipulantem poenam in mutuo, nisi petatur poena, quae loco interesse succedit,... Sed breviter hoc aibitrarium dico. Daher muß man sich gegen den wenden, der sich beim Darlehn eine Strafe versprechen läßt, sofern nicht eine Strafe gefordert wird, die an die Stelle des Schadensersatzes tritt,... Aber kurzgefaßt sage ich, daß dies ins richterliche Ermessen gestellt ist

Diese Stelle offenbart zweierlei: Zum einen zeigt sich die allgemeine Überzeugung des Hostiensis, daß Vertragsstrafen in Darlehnsverträgen auf den Umfang des wirklich entstandenen Schadens zu begrenzen sind, und zwar nach den Regeln von C.7.47.1. Zum anderen bringt er ein - bis dahin jedenfalls nicht ausdrücklich genanntes - hierfür geeignetes prozessuales Instrumentarium ins Spiel: dasrichterliche Ermäßigungsrecht. Man muß sich an dieser Stelle noch einmal vor Augen halten, daß Hostiensis an der zitierten Stelle von einer Vertragsstrafe spricht, die zur Sicherung eines RückZahlungsanspruchs aus einem Darlehn (!) dient. Seine Ausführungen betreffen also den Spezialfall der Sicherung einer Geldschuld. In der Darstellung des Alciat werden seine Aussagen jedoch auf alle (!) Obligationen bezogen. Daß Hostiensis seine Ansicht so weit verstanden wissen wollte, ist gänzlich unwahr-

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scheinlich, da er in seiner "Hauptstelle" auch rein "pönale" Strafen erwähnt, deren Höhe er freigibt. Wie sehr die von Hostiensis formulierten Gedanken die Vorstellungen des kirchlichen Rechts für die kommenden Jahrhunderte geprägt haben, wird deutlich, wenn man die Ausführungen des Piemonteser Ratsherren Honoratius Leotardus aus der Mitte das 17. Jahrhunderts liest40. Hier finden sich in vielen Bereichen sehr ähnliche Formulierungen. Insbesondere zeigt sich bereits in der Überschrift des Kapitels die für das kanonische Recht so bedeutsame Verknüpfung zuwischen der Vertragsstrafe und dem Zinsverbot. Sie lautet: De stipulatione poenae adiectae quantitati Über das einer Geldschuld beigefügte Strafversprechen

Von den Vertragsstrafen zur Sicherung einer Darlehnsforderung sagt Leotardus, daß die Theologen sie grundsätzlich billigten, fügt dann jedoch in Note 6 hinzu: ... tutior est Iurisperitorum sententia, poenas mutui dationibus adiectas non deberi, nec exigi posse, nisi quatenus creditoris intersit. ... Sicherer ist die Ansicht der Rechtsgelehrten, daß Vertragsstrafen bei Darlehnsverträgen nicht geschuldet sind und eingeklagt werden können, wenn nicht der Gläubiger einen entsprechenden Schaden hat

Auch das speziell für Kleriker geltende generelle Verbot, Vertragsstrafen über den entstandenen Schaden hinaus zu fordern, von dem Alciat berichtet, wird von Leotardus in Note 15 wiederholt. In Note 19 und 20 finden sich schließlich Ausführungen darüber, wie im Ausgangsfall zu verfahren ist, wenn die Vertragsstrafe das Maß des entstandenen Schadens übersteigt. Wiederum greift Leotardus bei der Beantwortung einen auf Hostiensis zurückgehenden Gedanken auf: Quamobrem mihi videtur hac in re plurimum iudicis arbitrio tribuendum esse. Daher scheint mir in dieser Sache am meisten durch das richterliche Ermessen beigesteuert zu werden.

Hierzu führt Leotardus in Quaestio 66 Note 15 näher aus: Quia quoad excessum invalida est, et corrigi debet d. 1. 1. C. de sentent. quae pro eo (...) et ex usu forensi reducitur ad id quod interest...

4 0

Leotardus, De usuris et contractibus, Venetiis 1655, Quaestio 38.

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Weil sie (sc. die Vertragsstrafe) unwirksam ist, soweit sie maßlos ist, und korrigiert werden muß, C.7.47.1 (...), und sie wird nach dem Gerichtsgebradi zurückgeführt auf das Schadensinteresse...

Ebenso wie die Vorstellungen des Hostiensis beziehen sich auch die Ausführungen des Leotardus auf den Spezialfall der Darlehnssicherung. Das entsprechende Bewußtsein dafür geht im Laufe der Lektüre jedoch leicht verloren, da seine Aussagen sehr allgemein formuliert sind. Lediglich die Kapitelüberschriften enthalten die erforderlichen Klarstellungen. Dieser Befund bestätigt die bereits von Fischer41 und Lindacher42 im Anschluß an Fliniaux43 und ältere französische Arbeiten betonte Bedeutung der mittelalterlichen Kanonisten für die Entwicklung der Vertragsstrafe: Ausgangspunkt der kanonischen Doktrin war nach dem Urteil der genannten Autoren das kirchliche Zinsverbot. Da dieses leicht durch die Vereinbarung einer Vertragsstrafe unterlaufen werden konnte, geriet auch die Begrenzung der Vertragsstrafe in das Blickfeld der Kanonistik. Die erste Konsequenz dieser Beschäftigimg war ein (kanonisches) Verbot solcher Vertragsstrafen, die zur Umgehung der Zinstaxen eingesetzt wurden. Dieses Verbot entsprach den Forderungen nahezu aller bislang untersuchten Autoren seit Azo - sofern sie nicht schärfere Grenzen befürworteten -, ließ sich aber auch schon aus C.4.32.15 herleiten und stellte insofern eine Selbstverständlichkeit dar, die stets nur am Rande erwähnt wurde. Ein neuer Schritt war es demgegenüber, die Vertragsstrafe zu dem Schadensersatz in Beziehimg zu setzen. Wie Fliniaux beschreibt, wurde die Frage nach diesem Zusammenhang erstmals von Raymond de Penafort in seiner "Summa" zu Beginn des 13. Jahrhunderts aufgeworfen, jedoch nicht klar beantwortet. Im Anschluß daran soll Guillaume de Rennes die Unterscheidung nach der Funktion der Vertragsstrafe im Einzelfall (Schadensersatz oder Strafe) entwickelt haben, welche Hostiensis übernahm und fortentwickelte. Dessen Theorie, wonach beim Darlehn die Vertragsstrafe an die Höhe des entstandenen Schadens gebunden ist, wurde dann - wie Fliniaux gezeigt hat - verallgemeinert und galt bald für alle Vertragsstrafen 44.

4 1

Fischer, Vertragsstrafe und vertragliche Schadenspauschalisierung (1981), S. 20 f.

4 2

Lindacher, Phänomenologie der Vertragsstrafe (1972), S. 53.

4 3 Fliniaux , L'évolution du concept de clause pénale chez les canonistes du moyen âge, in: Mélanges Paul Foumier (1929), S. 233 ff. 4 4 Fliniaux , L'évolution du concept de clause pénale chez les canonistes du moyen âge, in: Mélanges Paul Fournier (1929), S. 233/242-245.

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Die Koppelung zwischen Strafhöhe und entstandenem Schaden war nicht das einzige Indiz für eine relativ restriktive Haltung des kanonischen Rechts gegenüber der Vertragsstrafe. Neben dem mehrfach erwähnten Verbot der Strafvereinbarung für Priester verdient insbesondere auch die Verbindung mit dem Verschuldenserfordernis Beachtung. So formulierte beispielsweise der spanische Jesuit und Spätscholastiker Luis Molina (1535-1600), der in den Kollegien zu Coimbra und Evora lehrte, folgenden Grundsatz45: modo tarnen rationabilis ac moderata, pro quantitate, tum rei restituendae tum etiam culpae, quae intervenerit, ea poena sit: si enim im moderata, aut irrationabilis esset, tunc eo ipso esset injusta, nec obligaret Der Umfang dieser Strafe muß dennoch verständlich und maßvoll sein in bezug auf den Umfang der zurückzugebenden Sache und auch der Schuld, welche aufgetreten ist. Wenn sie nämlich maßlos und unvernünftig wäre, dann wäre sie aus sich heraus ungerecht und die wäre nicht geschuldet

Nicht wesentlich anders lautet die Überlegung seines jüngeren Landsmannes und Ordensbruders Ioan deLugo (1583-1660)46: Tertia conditio est, quod poena sit proportionata culpae: non potest enim gravis poena apponi pro culpa quam tarn gravis poena excedit Die dritte Bedingung ist, daß die Strafe der Schuld entspricht Es darf nämlich nicht eine schwere Strafe vereinbart werden für ein Verschulden, welches eine solch schwere Strafe überschreitet

Der Blick auf den Maßstab des individuellen Verschuldens dient dabei eindeutig als Instrument der Begrenzung. Er ist zugleich typisch für den von ethischen Überlegungen geprägten, moraltheologischen Standpunkt der spanischen Spätscholastiker in wirtschaftlich bedeutsamen Rechtsfragen 47. So gewann schon im Laufe des Mittelalters eine kanonische Doktrin Gestalt, die "pönalen" Vertragsstrafen insgesamt ablehnend gegenüberstand und dabei von der Überlegung ausging, daß nach der "aequitas canonica" dem Gläubiger Ersatz seines Schadens gebühre, aber auch nur dieses. Jedes "Mehr" stellte daher eine ungerechtfertigte Bereicherung dar. So konnte eine Vertragsstrafe nur gestattet sein, wenn dem Schuldner die Möglichkeit belassen blieb, nachzuweisen, 4 5

Molina, De iustitia et iure, Tomus primus, Moguntia 1659, Tractatus II, Disputatio 317,

Note 2. ^ Ioannis de Lugo, De iustitia et iure, Tomus secundus, Lugduni 1642, Dispositio 22, Sectio 15, Note 399. 4 7

Bergfeld in: Coings Handbuch I I / l , S. 1019.

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daß der Schaden in concreto geringer war als die vereinbarte Strafe. Erst recht verboten mußte dann aber eine Strafe sein, die den potentiellen Schaden von Anfang an überstieg48. Bestätigt wird außerdem die zentrale Bedeutung des Hostiensis in der Entwicklung dieser Doktrin und bei der Erfindung desrichterlichen Ermäßigungsrechts überhaupt49. bb) Alciats Stellung zum kanonischen Recht Alciat selbst weigert sich auch an dieser Stelle (Note 127), die Lehre des kanonischen Rechts als allgemeingültig zu übernehmen: Unde ego adhaerendo rationi text, aliter interligo: nam cum arbiter ibi condemnasset illos clericos ad dandum XL. libras episcopo sub poena, episcopus non potest poenam petere, quia videtur esse apposita in fraudem usurarium, ex qua poena erat apposita dationi quantitatis. Und daher verstehe ich den Text (sc. X.5.37.9), dessen Sinn ich begrüße, anders: Denn weil der Richter dort jene Priester zur Zahlung von 40 Goldpfund an den Bischof verurteilt hatte unter einer Strafe, kann der Bischof die Strafe nicht fordern, weil sie als Vereinbarung zur Umgehung der Zinsvorschriften angesehen werden muß, denn die Strafe wurde einer Zahlungsverpflichtung hinzugefügt.

Alciat will also scheinbar das Dekret des Innozenz III. (X.5.37.9) nicht über den unmittelbar entschiedenen Fall hinaus auslegen und tritt so einer Verallgemeinerung entgegen. Der eigentliche Schwerpunkt seiner Beschäftigung mit unserer Frage liegt allerdings in seiner Kommentierung zu C.7.47.1. Dort schildert er noch einmal die Lehre von Accursius und Bartolus und fährt dann - ein wenig überraschend fort: Ipse crediderim conventam poenam aliquo modo egredi non posse, id quod cum legitimis usuris vere interest quae sententia tribus rationibus adiuvatur. Prima: hae poenae eius, quod interest loco subrogantur, igitur eius naturam imitentur, nec illud excedant. Secunda: lex nostra, quatenus taxationem eius quod interest coercet, argumentatur a poenis, igitur ultra legis restrictionem poenae extendi non possunt aliter enim argumentum non valeret. Nec dicat quisquam, Constitutionen! loqui in poenis legalibus: quia probabilius est ad conventas respexisse, quae loco eius quod interest subrogantur. Tertia ratio ex Papiniani responso elicitur: is frustra dupli poenam adijci promissionibus autor est, quia sic faciliter legitimus usurarium mo-

4 8

Lindacher, Phänomenologie der Vertragsstrafe (1972), S. 53.

4 9

Fischer, Vertragsstrafe und vertragliche Schadenspauschalisierung (1981), S. 21.

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dus excederetur. En ergo poenam excedere non posse id, quod usurarum ratione habita interest. Nec illud responsum in eo intelligendum est, qui foenerare soleat: nec item in obligationibus tantum dandi, sed etiam in factis, si subsit similis suspicio. Illud non negaverim, ubi suspicio fraudis nulla sit, in Bartoli sententiam me accedere: at cum simplum est incertum, tunc sine dubio procul duplum excedi nequid: idque omnes probant. Ich selbst würde glauben, daß die Vertragsstrafe ein bestimmtes Maß nicht überschreiten kann, nämlich den wirklich entstandenen Schaden einschließlich der Zinsen. Diese Ansicht wird auf drei Gründe gestützt: Erstens: Diese Strafen werden an die Stelle des Schadens gesetzt, daher sollen sie seine Natur nachahmen und jenen nicht überschreiten. Zweitens: Unser Gesetz (sc. C.7.47.1) leitet seine Begründung von den Strafen ab, soweit es die Schätzung des Schadens eingrenzt Daher können Strafen über die Begrenzung des Gesetzes hinaus nicht ausgedehnt werden. Anders nämlich wäre die Folgerung wertlos. Und niemand soll sagen, die Konstitution spreche [nur] von den gesetzlichen Strafen, denn es ist gerechter (probabilius), sie auch bei Vertragsstrafen zu berücksichtigen, welche an die Stelle des Schadens gesetzt werden. Der dritte Grund wird aus einem Rechtsgutachten (responsum) Papinians (sc. D.19.1.13.26) abgeleitet. Dieser ist Urheber [für den Umstand], daß die Strafe des Doppelten den Versprechen umsonst angehängt wird, weil auf diese Weise der zulässige Zinssatz leicht überschritten werden würde. Daher kann eine Strafe dasjenige nicht überschreiten, was der Schaden unter Berücksichtigung der Zinsen beträgt Und dieses Rechtsgutachten darf nicht auf denjenigen bezogen werden, der gewerblich Geld gegen Zinsen leiht und ebenso nicht nur bei Obligationen, die etwas zu geben [zum Gegenstand haben], sondern auch [bei solchen, bei denen] etwas zu tun [geschuldet wird], wenn ein ähnlicher Verdacht vorliegt. Ich habe jenes nicht geleugnet, wobei kein Verdacht der Arglist besteht, daß ich der Meinung des Bartolus bepflichte. Aber wenn das Einfache unbestimmt ist, dann darf ohne Zweifel das Doppelte nicht überschritten werden. Und das billigen alle.

Im Ergebnis schließt Alciat sich also letztlich doch der kanonischen Lehre an und begrenzt Vertragsstrafen im Regelfall auf den entstandenen Schaden einschließlich der zugelassenen Zinsen. Und auch die funktionelle Verknüpfung von Vertragsstrafe und Schadensersatz spielt in der Argumentation eine zentrale Rolle. Allerdings beruft Alciat sich nicht auf das kanonische Recht, sondern auf C.7.47.1, wo Vertragsstrafen und Schadensersatz einander als Vorbild dienen, auf die Billigkeit im allgemeinen und auf ein Gutachten des Klassikers Papinian im besonderen. Trotz der mehrfachen Beteuerung, die Kanonisten im allgemeinen nicht zu billigen, ist Alciats Nähe zu ihrer Lehre jedoch zu augenfällig, um darin einen Zufall zu vermuten. Alciat hat demnach einen Standpunkt eingenommen, der Vertragsstrafen so weitgehend beschränkt, daß sie abgesehen von Beweisvorteilen fast jede Funktion verlieren: Der Schuldner erhält nur das, was ihm ohnehin gebührt: Schadensersatz und Zinsen. So übernimmt Alciat letztlich eine sehr viel ältere Lehre des kanonischen Rechts in das "ius civile". Damit erfüllt er in unserer Frage die Erwartungen Trojes hinsichtlich der humanistischen Jurisprudenz als einer Re-

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formbewegung auf der Suche nach neuen Lösungen50, denn für das ius civile ist die von Alciat vertretene Lösung "neu". b) Hugo Donellus und die Bindung der Vertragsstrafen an den "potentiellen" Schaden Nur geringfügig milder ist die Lehre des französischen Calvinisten Donellus (1527 bis 1591), der als Professor in Bourges lehrte, bevor er aus konfessionellen Gründen Frankreich verlassen mußte und an verschiedenen Universitäten in der Schweiz, in Deutschland und in Holland tätig war. Im 26. Buch seines Kommentars51 behandelt er die justinianische Konstitution C.7.47.1. Das 24. Kapitel steht unter der Überschrift: Sit ne aliquis modus poenarum conventionalium, et quis sit Gibt es eine Grenze für Vertragsstrafen, und wie ist sie beschaffen?

und beschäftigt sich auf zwei Folioseiten sehr umfassend mit der Frage der Begrenzung von Vertragsstrafen. Donellusfragt zunächst, welche Bedeutung der "als Argument nebenbei eingestreuten" (argumenti loco obiter interseritur) Aussage Justinians zukommt, daß Strafen entweder mit angemessener Beschränkung vorgetragen oder von den Gesetzen mit einer festen Grenze umgeben werden. Diese Aussage bezieht er sowohl auf gesetzliche als auch auf vertraglich vereinbarte Strafen. Interim hoc significat, non poenas tan tum legitimas certo fine concludi: sed etiam illas, quae a legibus non sunt, non nisi cum competenti moderamine, ut ipse loquitur, exigi. Dies zeigt, daß nicht nur die gesetzlichen Strafen durch eine feste Grenze beschränkt sind, sondern auch jene, welche nicht gesetzlich sind, werden nur mit angemessener Begrenzung eingefordert, wie er selbst (sc. Justinian) sagt.

Daß die Konstitution auch die Vertragsstrafen meint, folgert Donellus dabei aus der Unterscheidung, welche Justinian bei der Beschreibung der Strafen vornimmt. Wenn dieser neben den gesetzlich festgelegten Strafen noch andere nennt, so kann es sich nach Donellus bei diesen nur um vertraglich vereinbarte Strafen handeln. Ansonsten verlöre die Unterscheidung jeden Sinn.

5 0

Troje in: Coings Handbuch H/1, S. 616 f.

5 1

Donellus , Commentarii de iure civili, Frankfurt 1595, cap. 24, p. 332 f.

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Damit steht für Donellus bereits fest, daß auch Vertragsstrafen irgendwie begrenzt sind. Er wendet sich nun der näheren Ausgestaltung dieser Begrenzimg zu und erläutert, warum diese Frage seit jeher heftig umstritten war. Die Ursache für die stete Auseinandersetzung sieht er in dem Umstand, daß die Konstitution C.7.47.1 in den übrigen Vorschriften des Cörpus iuris keine Entsprechung findet, und daß es sogar eine ganze Reihe von Vorschriften gibt, die ihr vehement widersprechen. Als Beispiel nennt er vor allen D.45.1.38.17, wonach bei einer Vertragsstrafe nicht auf das Interesse geachtet wird, sondern auf den Betrag und die Bedingung des Versprechens. Er beschreibt ferner D.21.2.56 pr., wo im Falle der Eviktion von einem Versprechen auf das Vierfache die Rede ist. Auch dies ließe sich nicht mit C.7.47.1 in Einklang bringen, wonach im Regelfall das Doppelte als Obergrenze anzunehmen wäre. Den Widerspruch zu den genannten Stellen löst Donellus zugunsten der justinianischen Konstitution auf. D.45.1.38.17 läßt er ohne weitere Begründung zurücktreten: Daß Vertragsstrafen nicht vom Schaden abhängig sind, heiße nicht, daß sie nicht doch von Anfang an begrenzt sein können. D.21.2.56 pr. bezieht er nur auf die gesetzlichen Strafen, von welchen er die Vertragsstrafen wegen der Freiwilligkeit der Vereinbarung strikt unterscheidet. So kommt er zu der - an dieser Stelle überraschenden - Feststellung, daß es keine gesetzliche Strafe gibt, deren Maß durch eine Vereinbarung zwischen den Parteien nicht überschritten werden dürfte. Et mihi quidem ita res se habere videtur, nullis legib. certum poenae modum esse constitutum, quem conventione excedere non liceret Und mir scheint sich die Sache freilich so zu verhalten, daß durch kein Gesetz ein Strafmaß aufgestellt wird, welches durch eine Übereinkunft nicht überschritten werden könnte.

Auch das folgert Donellus aus dem Umstand, daß Justinian in C.7.47.1 gesetzliche und vertragliche Strafen voneinander trennt. Wenn Justinian von den gesetzlichen Strafen sagt, daß sie vom Gesetz mit einer festen Grenze umschlossen werden, dann - so folgert Donellus im Umkehrschluß - gilt das für die Vertragsstrafen gerade nicht. Eine Bestätigung dieser Folgerung sieht er außerdem in dem Rechtsgrundsatz, daß Vereinbarungen stets zu halten sind, sofern sie nicht gegen das Gesetz oder die guten Sitten verstoßen. Schließlich wendet er sich der Frage zu, ob nicht eine Begrenzung von Vertragsstrafen auf das von C.7.47.1 genannte Doppelte des Vertragswertes den Erfordernissen der Billigkeit entspräche. Donellus verneint diese Frage mit der Erwägung, der Gläubiger müsse bei Vertragsschluß die Möglichkeit haben, sich 7 Sossna

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durch die Vereinbarung einer hohen Strafe gegen solche Schäden abzusichern, die er wegen der Begrenzung des Schadensersatzes durch C.7.47.1 vom Schuldner sonst nicht fordern könnte. Wenn man ihm diese Möglichkeit auch noch nähme, dann könnte nach Donellus der Schuldner trotz aller Vorsorge mit dem Gläubiger ungestraft sein Spiel treiben. Eine solche Unbilligkeit (quo quid iniquius?) aber kann, wie Donellus meint, nicht akzeptiert werden, zumal die Rechtsordnung nach allgemeiner Überzeugung den Wachsamen schütze und den Vertrauensbruch seit jeher als besonders schwerwiegend bewerte. Außerdem sei zu beachten, daß C.7.47.1 primär vom Schadensersatz rede und damit von etwas gänzlich anderem. Nulla ratio est, quae hanc sententiam tarn iniquam possit defendere, praesertim cum illud a Scaevola scriptum, et inter omnes probatum esse constet, ius vigilantibus scriptum esse ... et ut nihil aeque grave veteres putarunt, quam fidem fallere. Es gibt keinen Grund, der diese so ungerechte Meinung verteidigen könnte, zumal weil von Scaevola geschrieben wurde und unter allen als anerkannt gilt, daß das Recht für die Wachsamen geschrieben wurde ... und daß die Alten nichts für ähnlich schwerwiegend hielten, als sein Wort nicht zu halten.

Nach dieser umfassenden Begründung dafür, daß die Vertragsstrafe jedenfalls nicht an die Begrenzung gebunden sein kann, die C.7.47.1 für den Schadensersatz aufstellt, kommt Donellus auf die Frage zurück, auf welche Weise ihre Beschränkung nunmehr vorzunehmen ist. Dabei unterscheidet er folgendermaßen: Wenn der Schaden, der dem Gläubiger durch die Nichterfüllung der Hauptverbindlichkeit droht, seiner Art nach die Höhe der vereinbarten Strafe grundsätzlich erreichen kann, dann gilt die vereinbarte Summe ohne Rücksicht auf ihre Höhe. Ob tatsächlich ein Schaden entstanden ist, wird dann ebensowenig untersucht wie dessen wahre Höhe. Das Gleiche gilt, wenn der Gläubiger durch die Vertragsstrafe ein Affektionsinteresse absichert, dessen Wert sich nicht in Geld ausdrücken läßt. Allerdings darf der Gläubiger die Vertragsstrafe nicht dazu benutzen, die vom Gesetz festgelegten Zinssätze zu überschreiten. Wenn die Vertragsstrafe aber größer ist als der potentielle Schaden, dann ist sie auf dessen Höhe herabzusetzen. Zusammenfassend formuliert er seine Lehre so: In summa poenae modus iudicio nostro non ex quantitate poenae in stipulatum deductae, sed ex eo quod in re, de qua agitur, interest nostra, spectandus est, ut si interesse possit nostra, nihil quantitatem poenae moremur, sed quanta est, tan tum recte petamus: si minus, ad eius quod interesse potest, poenae möderemur petitionem. Bei der Strafsumme muß die Grenze nach unserem Urteil nicht aus dem im Versprechen genannten Betrag sondern aus unserem Vermögensinteresse an der streitbefangenen Sache abgeleitet werden, so daß wir keine Strafsumme verhindern, wenn uns ein Schaden entstehen kann. Wieviel es auch ist, wir fordern es zu

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Recht. Wenn nicht, dann ermäßigen wir die Strafforderung auf das, was der Schaden betragen kann.

Im Ergebnis versteht Donellus C.7.47.1 zwar als Gebot, auch Vertragsstrafen wegen ihrer funktionalen Verknüpfung mit dem Schadensersatz einer Begrenzung zu unterziehen. Er lehnt es jedoch ab, sie nach den gleichen Grundsätzen zu begrenzen, wie den Schadensersatz. Statt dessen schlägt er eine richterliche Herabsetzung auf den potentiellen Schaden vor, die sich aus den Quellen in dieser Form nicht ergibt. Daß seine Lehre starke Parallelen zum kanonischen Recht aufweist, ist offensichtlich. Trotzdem nennt der Calvinist Donellus sein Vorbild nicht beim Namen. Daraus läßt sich zweierlei folgern: Einerseits haben die konfessionellen Feindseligkeiten Donellus in unserer Frage nicht von einem Kurs abgebracht, den die katholische Kirche seit dem 13. Jahrhundert verfolgte. Es mag dem Flüchtling Donellus gleichwohl angebracht erschienen sein, sich nicht ausdrücklich auf das Recht seiner" Vertreiber" zu berufen. Zu erwähnen bleibt, daß Donellus zu den ersten Zivilrechtlern gehörte, die ebenfalls nach kanonischem Vorbild - einrichterliches Ermäßigungsrecht befürworteten. Die Idee eines Ermäßigungsrechts ist möglicherweise nicht wirklich neu. Sie wird aber von den Zivilrechtlern des 16. Jahrhunderts erstmals ausdrücklich formuliert. In den Schriften der mittelalterlichen Juristen war die Frage nach der genauen Rechtsfolge einer Überschreitung regelmäßig offen geblieben. c) Charles Dumoulin und Franz Hotmann - die Begrenzung nach den Regeln von C. 7.47.1 Neben den Lehren, die die Höhe von Vertragsstrafen mit dem Schaden des Gläubigers in Verbindung bringen, finden sich auch solche, die im wesentlichen die Konstitution C.7.47.1 einfach auch auf Strafvereinbarungen anwenden wollen. aa) Dumoulin Als Vertreter dieser Auffassung kann man in erster Linie den französischen Gutachter und Rechtslehrer Dumoulin (Molinaeus, 1500 bis 1566) nennen52.

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Der als eitel und religiös streitbar geschilderte Jurist hatte einen sehr bewegten Lebenslauf: 1542 wurde er Calvinist und mußte 1552 vorübergehend vor den Katholiken nach Deutschland fliehen. Nach seiner Rückkehr schloß er sich den bis dahin verbissen bekämpften Lutheranern an und kehrte auf dem Totenbett möglicherweise wieder zum katholischen Glauben zurück53. Dumoulin beschäftigt sich mit unserer Frage im Rahmen seiner Monographie über das Interesse54. Die Ausführlichkeit, mit der er fast alle bis dahin vertretenen älteren Lehren aufarbeitet, macht dieses Werk zu einer Sammlung, die für die weitere Entwicklung speziell des französischen Rechts besonders bedeutsam war. Dumoulin beginnt seine Ausführungen zur Höhe von Vertragsstrafen mit dem Hinweis, die Frage sei bislang schlecht diskutiert worden (male discussa), und geht dann zurück auf die Lehre der Glossatoren, wobei er insbesondere Azos Ansicht eingehend schildert (Note 159). Dessen Lehre von der freien Strafhöhe nennt er "ganz falsch" (deterrimus), denn - so Dumoulin - sie verstoße gegen den Geist und den Wortlaut von C.7.47.1, dessen Formulierung "cum scimus ..." ersichtlich (!) auch Vertragsstrafen erfasse (Note 160). Anschließend beschäftigt er sich mit D.45.1.38.17 bzw. 1.3.19.19, deren Aussage, wonach bei Vertragsstrafen auf den Betrag und nicht auf den Schaden geschaut werde, er nicht als Widerspruch zu seiner Ansicht auffaßt. Diese Harmonisierung gelingt ihm durch folgende Annahme: Die Fragmente behandeln - so Dumoulin - nicht die zulässige Höhe von Vertragsstrafen, sondern nur die Frage, ob eine Vertragsstrafe auch ohne Schaden grundsätzlich wirksam vereinbart werden kann. Ob man sie anschließend auch in der vollen vereinbarten Höhe einklagen kann, sei damit noch nicht entschieden (Note 161). Nach dieser nicht ganz gewaltfreien Harmonisierung wendet Dumoulin sich erneut wichtigen Vertretern der mittelalterlichen Jurisprudenz zu, mit deren Lehren er sich kritisch auseinandersetzt (Note 162/163).

5 2

Vgl. auch Coing, Europäisches Privatrecht I, S. 440 Fn 33.

5 3

Vgl. im einzelnen: Gamillscheg, Der Einfluß Dumoulins auf die Entwicklung des Kollisionsrechts, S. 2-9. 5 4 Molinaeus, Operum Tom us Quartus, Tracta tus de eo quod interest, Paris 1658, p 1032 ff., Note 159-170.

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Die Ansicht von Azo und Placentinus, wonach die bezeichnete Summe die Substanz des Versprechens darstellt und daher nicht verändert werden kann, ohne das Wesen des Versprechens selbst zu verändern, bezeichnet er schlichtweg als "wertlos" (frivola causatio) und als Wortspielerei (cavillatio in verbulo). Sein Argument liegt letztlich in der Feststellung, daß das Wort, von dem Azo und Placentinus behaupten, es bezeichne die Substanz, nämlich das Wort "quae" in der Formulierung "inspicitur quae sit quantitas" (Inst.3.19.19), sich aus der Eigenart der lateinischen Sprache ergibt und daher völlig aussagelos ist (nulla vis est in verbo quae). Ebenso entschieden weist Dumoulin die Ansichten von Accursius, Angelus de Ubaldis, Bartolus, Baldus und anderen zurück. Schließlich formuliert Dumoulin seine eigene Ansicht zu der alten Streitfrage: Das rechte Strafmaß müsse - so Dumoulin - aus den Umständen des Einzelfalls ermittelt werden und nicht durch eine feste, immer gültige und einheitliche Formel (non a certa quadam perpetua, et uniforma regula), und so habe es auch der römische Kaiser Marcus Aurelianus (philosophus) gehalten. Im Regelfall (regulariter) aber sei die Formel der Konstitution C.7.47.1 durchausrichtigund angemessen (Note 164). Dafür sprechen nach Dumoulin folgende Erwägungen: Wenn C.7.47.1 die Begrenzung des Schadensersatzes mit dem Vorbild der Vertragsstrafen begründet, dann könne das nur sinnvoll sein, wenn die Schranken auch wirklich für beide Rechtsinstitute gleich sind. Eine Gleichbehandlung entspreche zudem der natürlichen Gerechtigkeit (aequitas naturalis) und sei nützlich und angemessen (utilis et accomodus). Justinian habe sich nur deshalb so unscharf ausgedrückt, weil ihm die Aufstellung einer strengen Formel denrichterlichen Entscheidungsspielraum zu sehr einzuengen schien. Ferner sei - so Dumoulin - seine Lösung ein Gebot der starken und lebhaften Vernunft (fortis vivaque ratio): Wenn sogar der Schadensersatz beschränkt sei, dann könne eine Vertragsstrafe dem Gläubiger nicht mehr geben, da sie doch sogar ohne Schadenseintritt fällig werde (D.45.1.38.17). Der Gläubiger werde durch eine Begrenzung der Vertragsstrafe auch nicht unbillig belastet. Er könne immer noch den doppelten Wert der Hauptleistung fordern und habe zudem den Beweisvorteil. Schließlich werde auf diese Weise erreicht, daß die Strafe an die Stelle des Schadensersatzes tritt (poenae loco eius, quod interest, subrogantur; Note 165). Insoweit beruft Dumoulin sich allerdings nicht auf das kanonische Recht, sondern unter anderem auf D.46.5.11. Dieses Fragment enthält den Rat des antiken römischen Juristen Venuleius, bei bestimmten Versprechen eine

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Vertragsstrafe zu vereinbaren, um den schwierigen Schadensbeweis zu vermeiden. Schließlich kommt Dumoulin auf das Digestenfragment zu sprechen, das von einer Strafe des Vierfachen redet und daher seiner Meinung nach das Verständnis der Glosse verwirrt hat (turbavit intellectum gloss.): D.21.2.56 pr. (Note 167). Dieser Text - so Dumoulin - behandele die Vertragsstrafe nur am Rande und biete lediglich Beispiele für diejenigen Fälle, in denen aus guten Gründen von der Regel des C.7.47.1 abgewichen werden darf: Fälle besonderer Leistungsgefahr (periculum), bei denen die allgemeine Formel eben ausnahmsweise nicht gilt (Note 168/169). Dumoulin selbst nennt als Beispiel ein Termingeschäft mit einem Kaufmann (meicator), der ein gemietetes Pferd bei Strafe an einem vorbestimmten Tag zurückzugeben hat. Die Ergebnisse seiner ausführlichen Untersuchung faßt Dumoulin in Note 170 so zusammen: vel poena convenit iuxta consilium /. fin. de Praet. stip. Sc nihilominus subest congruae moderationi per hanc 1. Sc quinque rationes praedictas. Haec enim lex intelligitur dare consilium vel auxilium suum exorbitanti poenae, quam non solum adversatur, sed etiam expressim ad congruum modum, & competens moderamen iubet reduci, ut haec 1. vers. cum scimus. igitur hanc legum voluntatem tenetur imitari earum minister, scilicet, iudex ad quem etiam nominatim haec 1. dirigitur. In casibus igitur certis si poena non multum excedat duplum, potent iudex tolerare, dum modo tarnen casus non recidat in fraudem usurarum, per not. sup. nu. 94. Mod. latfe in tract. usur. num. 35. Sc q. 80. Si vero extra materiam, & fraudem usurarum notabiliter excedat duplum, nec appareat de alia specifica iusta causa tantae poenae, iudex debet eam reducere ad modum legitimum, videlicet duplum, spreto excessu supergressivo, Sc sine causa facto /. illicitas. in prin. de off. praes. In incertis autem ut tolerari potest si non excedat probabilem summam negotii principalis, Sc eius quod verisimiliter in talibus interesse potest, not. sup. num. 60. nec bonos, Sc consuetos civitatis mores, ita si notabiliter ea excedat, debet incivilem , Sc sie iniquum excessum praecidere, nec in his fidelior, & specialior doctrina dari potest. Oder man vereinbart eine Strafe nach dem Rat von D.46.5.11 und desungeachtet steckt dahinter eine angemessene Mäßigung durch dieses Gesetz (sc. C.7.47.1) und die fünf vorgenannten Gründe. Dieses Gesetz wird nämlich wie folgt verstanden: Es gibt seinen Rat und seine Hilfe bei einer übermäßigen Strafe, welche es nicht nur ablehnt, sondern auch ausdrücklich auf ein angemessenes Maß und eine angemessene Beschränkung zu reduzieren befiehlt, wie dieses Gesetz bei "cum scimus" [sagt]. Daher ist der Diener gehalten, den Willen dieser Gesetze zu beachten, nämlich der Richter, an den sich dieses Gesetz ausdrücklich wendet In den Fällen eines bestimmten [Vertrags-] Wertes, wenn die Strafe das Doppelte nicht sehr überschreitet, kann der Richter sie hinnehmen, vorausgesetzt, der Fall fällt nicht unter einen Zinsbetrug, wie oben unter Note 94 gezeigt. (...) Wenn sie aber ohne Anlaß und zur Umgehung der Zinsvorschriften schimpflich das Doppelte überschreitet, und sich nicht aus anderen Umständen ein gerechter Grund für so eine Strafe ergibt, dann muß der Richter sie auf das gerechte Maß herabsetzen,

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d.h. auf das Doppelte, indem er die maßlose und grundlose Überschreitung verachtet (...). In den Fällen eines unbestimmten Wertes aber [gilt], daß er sie hinnehmen muß, wenn sie nicht den wahrscheinlichen Betrag der Hauptveibindlichkeit überschreitet und das, was in solchen [Fallen] höchstwahrscheinlich an Schaden entstehen kann, wie es oben beschrieben ist in Note 60, und nicht die guten und gewohnten Sitten der Bürger [überschreitet]. Wenn sie (sc. die Vertragsstrafe) dies schimpflich überschreitet, so muß er die unangemessene und daher unbillige Überschreitung abschneiden. Und in dieser [Frage] kann eine redlichere und speziellere Lehre nicht gegeben werden.

Nach Dumoulin gilt folglich: -

Auch Vertragsstrafen richtensich in der Regel nach C.7.47.1.

-

Bei besonderer Gefahr (= gerechter Grund) für die zu sichernde Leistung darf diese Grenze überschritten werden.

-

Strafen, die das erlaubte Maß überschreiten, werden vom Richter herabgesetzt.

Wie Donellus ist auch Dumoulin mithin ein Anhänger jenesrichterlichen Ermäßigungsrechts, das schon Hostiensis rund zweieinhalb Jahrhunderte zuvor empfahl. Daß er als "Auch-Kanonist" deijenige war, der "als erster" die restriktive Lehre des Kirchenrechts ins "ius civile" übernahm55, kann der hier untersuchte Text meines Erachtens nicht bestätigen. Dumoulin folgt zwar inhaltlich den Forderungen des kanonischen Rechts, die er mit keinem Wort erwähnt, doch kann man die Übernahme von Kirchenrecht in unserer Frage bei Alciat schon früher - und deutlicher - beobachten. bb) Hotmann Weitgehend identisch ist die Auffassung des Pariser Anwalts und Rechtslehrers Franz Hotmann (1524 bis 1590), der ebenfalls aus konfessionellen Gründen Frankreich verlassen mußte und überwiegend in der Schweiz lebte. Als Calvinist konnte er in seine Heimat nur noch einmal - vorübergehend - zurückkehren56.

5 5 Fischer, Vertragsstrafe und vertragliche Schadenspauschalisierung (1981), S. 21 Fn 19; Fliniaux, L'évolution du concept de clause pénale chez les canonistes du moyen âge, in: Mélanges Paul Fournier (1929), S. 233/246. 5 6

S. 2-17.

Zum Leben Hotmanns: Vogel, Franz Hotmann und die Privatrechtswissenschaft seiner Zeit,

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In seiner "Disputatio de eo quod interest"57 beschreibt Hotmann die Vertragsstrafe als eine reine Bestimmung des zu ersetzenden Interesses (docuimus nihil aliud esse, quam definitionem eius quod interest) und beruft sich dabei - wie Dumoulin - auf D.46.5.11. Seine Meinung formuliert er mit großem Selbstbewußtsein so: Atqui nemo est, sensus quidem communis compos, qui non absurdum esse fateatur, amplius quam alterum tan tum in illam poenae stipulationem concludi. Quid enim iniquius esset, quam eum qui equum triginta aureorum sibi dari stipulatus est, postea subiicere, Et, si illum non dederis, dabis poenae nomine septuaginta, aut centum? Quare moderata et iusta ratio eius quod interest aestimandi videbitur, in casibus quidem quotidianis et communibus, si dupii modus et quantitas observetur. Allerdings gibt es niemanden, der die allgemeine Ansicht kennt und der nicht zugibt, daß es absurd ist, daß mehr als noch einmal soviel von einem Strafversprechen umfaßt wird Was wäre nämlich ungerechter, als daß jemand, dem ein Pferd für 30 Goldstücke versprochen wurde, später hinzufügt: "Und wenn Du jenes [Pferd] nicht gibst, gibst Du mir als Strafe 70 oder 100 [Goldstücke]? Daher wird freilich in den täglichen und allgemeinen Fällen die Berechnung des zu schätzenden Schadens angemessen und gerecht erscheinen, wenn sie doppeltes Maß und doppelten Betrag beachtet

Das entspricht im wesentlichen der Regel des Dumoulin. Daß Hotmann diese Lehre als allgemein anerkannte Einsicht darstellt, erscheint mir angesichts der beschriebenen Meinungsvielfalt wie eine befremdliche Fehleinschätzung, die auf ein hohes Maß an Eigenwilligkeit schließen läßt. Auffällig an seiner Argumentation ist vor allem, daß Hotmann sich weder auf C.7.47.1, noch auf das kanonische Recht, noch auf Dumoulin beruft, obwohl sie alle für "seine" Lösung sprachen. Statt dessen stützt er sich ganz auf die "aequitas". Diese Vorgehensweise erscheint wie eine Imitation der in seinem Werk "Iurisconsultus sive de optimo genere iuris interpretandi liber" gerühmten58 Fähigkeit der klassischen römischen Juristen, auch schwierige Rechtsfälle allein nach der "aequitas" und "bonitas" zu entscheiden. Insoweit bestätigen sich Trojes Annahmen hinsichtlich der besonderen Bedeutung der aequitas-Idee in der humanistischen Jurisprudenz59. Insgesamt wird das Urteil Vogels, Hotmann habe zwar wichtige Grundlagenforschung geleistet aber keine wesentlichen Fortschritte für die praktische Jurisprudenz geliefert 60, durch die untersuchte Textstelle gestützt. 5 7

Hotmann, Opera omnia, Tomus primus, 1599, Kapitel 4, col. 729 s.

5 8

Vgl. Vogel, Franz Hotmann und die Privatrechtswissenschaft seiner Zeit, S. 8.

5 9

Troje in: Coings Handbuch U/1, S. 616 f.

6 0

Vogel, Franz Hotmann und die Privatrechtswissenschaft seiner Zeit, S. 117 f.

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d) Andreas Fachinaeus, Petrus Rebuffus und das "freie" richterliche Ermäßigungsrecht Schließlich findet sich die Auffassung, daß Vertragsstrafen zwar beschränkt werden müssen - jedoch gänzlich unter Verzicht auf strenge oder gar formelhafte Vorgaben: Allein der Richter solle nach freiem Ermessen entscheiden. Als Repräsentanten dieser Ansicht kann man den ganz am Ende des 16. Jahrhunderts wirkenden Italiener Fachinaeus nennen, der von 1587 bis 1597 in Ingolstadt lehrte, bevor er nach Norditalien zurückkehrte61. In seinem Kommentar 62 findet sich folgende Darstellung: Et haec sententia videtur mihi caeteris longe probabilior, si modo ita intelligatur, ut valeat quidem poenalis ipsa conventio, & stipulatio, quantacunque sit poena, sed tarnen Iudex moderari ac taxare debeat ipsam poenam, nec pati, ut immoderata exigitur poena, sicuti doceret S. Pontifex in Suam, de poenis. quo ex responso exemplum sumi potestpoenae immoderatae & merito damnandae. Atque haec sententia diserte probatur ex verbis d. 1. Unica, ibi: (Cum sciamus esse naturae congruum, eas tantummodo poenas exigi, quae vel cum competenti moderamine proferuntur, vel a legibus certo fine conclusae statuuntur.) Atque ita se vidisse observatum a Senatu Parisiensi Rebuff. loco superius annotato, n. 49. Und diese Meinung erscheint mir im übrigen viel gerechter, wenn sie folgendermaßen verstanden wird: Eine Strafvereinbarung oder ein -versprechen ist wirksam, wie hoch auch immer die Strafe ist. Dennoch muß der Richter die Strafe selbst ermäßigen und berechnen und darf nicht dulden, daß eine unmäßige Strafe eingeklagt wird, wie es der Papst lehrt in X.5.37.9, wo aus dem Rechtsgutachten auf ein Beispiel geschlossen werden kann, bei dem die Strafen unmäßig sind und verworfen werden müssen. Und diese Ansicht wird durch die Worte von C.7.47.1 beredt bewiesen (Weil wir wissen, daß es der Natur entspricht, daß nur solche Strafen eingeklagt werden, die entweder mit angemessener Beschränkung vorgetragen oder von den Gesetzen mit einer festen Grenze umschlossen festgesetzt werden.). Und daß es vom Pariser Senat so beachtet worden zu sein scheint, bezeugt Rebuffus an der oben genannten Stelle in Note 49.

Fachinaeus folgert aus C.7.47.1 also nur, daß Vertragsstrafen irgendwie begrenzt sind, nicht jedoch deren Maß. Da - so Fachinaeus - ein solches Maß vom Corpus iuris nicht festgelegt wird, wie D.45.1.38.17 zeigt, bleibt seine Bestimmung dem Richter überlassen. Wesentliche Rechtfertigung für diese ungebundenerichterliche Kontrolle bietet ihm die Parallele zum kanonischen Recht und dessen Kernaussage in X.5.37.9, sowie die Übereinstimmung mit der Praxis des Pariser Obergerichts, welche der französische Praktiker und Senatspräsident Petrus Rebuffus repräsentiert.

50.

6 1

Süntzing I, S. 389 Fn 3.

6 2

Fachinaeus, Controversiarum juris libri tredecim, Coloniae Agrippinae 1678, Buch 1, Kap.

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Rebuffus (1487-1557) war Professor für kanonisches Recht in Paris und gleichzeitig Advokat63. In seinem Kommentar zu C.7.47.1 6 4 beschäftigt er sich mit unserer Frage sehr ausführlich. Hauptsächlich handelt es sich jedoch um eine Zusammenstellung des gesamten Streitstandes seit Azo. Im einzelnen nennt Rebuffus 12 (!) verschiedene Theorien, die sich teilweise nur in Detailfragen unterscheiden, und splittert so die hier gewählte gröbere Einteilung weiter auf. Auf der Stoffsammlung liegt sicherlich auch die zentrale Bedeutung seines Werkes für die Folgezeit. Seine "duodecim opiniones" wurden von jüngeren Autoren oft erwähnt, ohne im einzelnen erörtert zu werden65. Seine eigene Meinung beschreibt Perez demgegenüber fast beiläufig. Grundsätzlich hält er die Strafhöhe für eine Frage des Parteiwillens. Seine Begründung kreist im wesentlichen um die Betonung der Willens- und Vertragsfreiheit und findet in folgender Formulierung ihren vielleicht deutlichsten Ausdruck66: Volenti non fit iniuria, nec dolus. Dem Wollenden geschieht kein Unrecht und keine Arglist

Indes will Rebuffus diesen Grundsatz unter bestimmten Voraussetzungen einschränken. Insbesondere soll folgendes gelten: Note 49: Quarto fallit, quando esset multum excessiva et debitor erat impotens, ad solvendum sine culpa, tunc non debetur alioqui secus (...). Et vidi in senatu istam poenam conventionalem coarctari, quando sapit iniustitiam, austeritatem et iniquitatem. Viertens gilt es nicht, wenn sie (sc. die Vertragsstrafe) äußerst maßlos und der Schuldner ohne eigene Schuld zur Erfüllung außerstande ist. Dann wird sie nicht geschuldet, sonst schon (...). Und ich habe bei Gericht gesehen, daß eine Vertragsstrafe begrenzt wurde, weil sie nach Ungerechtigkeit, Schärfe und Unbilligkeit schmeckte.

Damit spricht Rebuffus die Möglichkeit an, Vertragsstrafen im Falle ihrer Maßlosigkeitrichterlich herabzusetzen. Ohne ein Kriterium für die Beurteilung des gerechten Maßes zu geben, will er die Entscheidimg offenbar allein dem Richter überlassen. Überhaupt hat Rebuffus seine Ansicht nicht begründet. Sie beruht auch nicht auf eigenen theoretischen Überlegungen, sondern auf einer Beobachtung aus der gerichtlichen Praxis in Paris, die er gutheißt. Zu einer re-

6 3

Jöcher, Gelehrtenlexikon, Bd. 3, Sp. 1946.

6 4

Petrus Rebuffus , Commentarius super L. unie. C. de sentent quae pro eo quod interest prof., Moguntiae 1599, Glosse zu proferuntur, p. 276 ff. 6 5

Vgl. etwa weiter unten Groenewegen und Perez, S. 104.

6 6

Note 32.

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gelrechten "Lehre" vom freien richterlichen Ermäßigungsrecht wird sein Denkanstoß erst dadurch, daß Fachinaeus ihn aufgreift und mit C.7.47.1 sowie mit den kirchenrechtlichen Ansichten zu X.5.37.9 in Verbindung bringt. Damit ist an der Wende vom 16. zum 17. Jahrhundert erstmalig ausdrücklich jene Lösung vorgeschlagen worden, die nach § 343 BGB heute im wesentlichen geltendes Recht ist. Sie beinhaltet zugleich auch die bislang deutlichste Berufung auf die Lehre des kanonischen Rechts. e) "Mischformen"

- Menochius

Neben den genannten Lösungsmodellen finden sich schließlich solche, die die verschiedenen Komponenten miteinander verbinden und so ihrerseits wieder neue Lehren formen. Als Beispiel sei auf den italienischen Professor Jacobus Menochius (1532 bis 1607) hingewiesen, der neben Rebuffus den zuvor genannten Fachinaeus offenbar entscheidend inspiriert hatte. Menochius trifft in seinem Werk "De Arbitriis iudicium quaestionibus et causis"67 im Anschluß an ältere Vorbilder folgende Unterscheidung: Wenn die Vertragsstrafe im Hinblick auf die Mißachtung der Hauptverbindlichkeit vereinbart wird (ratione contemptus), d.h. als pönales Druckmittel, so unterfällt sie dem freien richterlichen Ermessen68. Soll die Vertragsstrafe hingegen den zu ersetzenden Schaden bestimmen, so unterfällt sie in vollem Umfang C.7.47.1 6 9 . Von diesem Grundsatz nennt Menochius eine Reihe weniger wichtiger Ausnahmen. Auch er stützt sich insgesamt auf C.7.47.1 und X.5.37.9, deren Aussagen er miteinander verbindet. f) Ergebnis Im Ergebnisfindet sich im 16. Jahrhundert also eine breite Anzahl von Autoren, die Vertragsstrafen beschränken wollen. In der Regel soll der Richter diese Ermäßigung nach seinem Ermessen durchführen, wobei einige Autoren für relativ strikte Vorgaben plädieren (Alciat, Dumoulin, Hotmann, Donellus).

6 7

Genf 1629, Casus 260, Note 13 ff.

6 8

Insoweit entspricht er der (späteren) Lehre des Fachinaeus, der die Ansicht des Menochius offenbar verallgemeinert hat. 6 9

Dieser Teil entspricht der Lehre Dumoulins und Hotmanns.

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Kapitel 4: Die humanistische Reformbewegung

III. Zusammenfassung Aus der Fülle der genannten Einzelaspekte lassen sich folgende Erkenntnisse festhalten:

1. Inhalt Wichtigstes Ergebnis der wissenschaftlichen Diskussion im 16. Jahrhundert scheint mir in unserer Frage die Verbreiterung und Differenzierung des Meinungsspektrums zu sein. Von der völligen Freiheit der Strafhöhe (Cujaz) bis hin zur strengen Begrenzung auf den tatsächlich entstandenen Schaden (Alciat) wurden alle erdenklichen Abstufungen nicht nur aus Gründen der logischen Symmetrie aufgezählt, sondern von namhaften Juristen engagiert vertreten. Weniger denn je läßt sich eine "herrschende" Meinung finden. Wohl aber zeichnen sich einige Tendenzen ab: So verlor die von Accursius begründete vermittelnde Lehre, die nach der Art der zur Vereinbarung benutzten Worte die zulässige Strafhöhe unterschiedlich ansetzen wollte, ihre ehemals zentrale Bedeutung. Statt dessen gewannen "statistisch" gesehen die Vertreter von Begrenzungslehren aller Art in einzigartiger Weise an Boden. 7 von den 11 hier genannten Juristen, die in den Augen ihrer Zeitgenossen die Wortführer der Diskussion um die Vertragsstrafe waren, halten über das Zinsumgehungsverbot hinausgehende Einschränkungen bei der Höhe von Vertragsstrafen für erforderlich und bilden dadurch ein starkes, wenn auch im Detail gespaltenes Lager. Hinzu kommt, daß die Vertreter der Begrenzungslehren ihre Ansichten - vielleicht wegen ihrer Neuheit - ungleich ausführlicher begründeten als ihre Gegner und so ein optischargumentatives Übergewicht erlangten. Technisches Instrument der Begrenzung sollte nach verbreiteter Auffassung (Dumoulin, Donellus, Rebuffus, Fachinaeus, Menochius) einrichterliches Ermäßigungsrecht sein - eine Forderung, die in den Reihen der Zivilrechtler erstmalig im 16. Jahrhundert ausdrücklich erhoben wurde. Bezeichnend für die humanistische Methode, die die Bedeutung der Texte Justinians relativiert, ist, daß diese Lösung, die im justinianischen Recht keine Grundlage findet, mit dem kanonischen Recht und der Praxis begründet wird. Der Vormarsch der Begrenzungslehren besitzt nämlich augenfällige Parallelen zu der Lehre des kanonischen Rechts, die den pönalen Vertragsstrafen, welche das Maß des Schadensersatzes übersteigen, auf der Grundlage und in Fortführung des Dekrets von Innozenz III. X.5.37.9 die Anerkennimg verweigerte. Die Ursprünge dieser kirchlichen Lehre liegen noch im 13. Jahrhundert. Ihre genaue

III. Zusammenfassung

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Ausprägung und Übernahme in das "ius civile" hat demnach mehr als 200 Jahre gedauert, in denen sie zwar nicht unbekannt war, wie Bartolus zeigt, aber offenbar noch nicht in das "ius civile" eingeführt werden konnte. Die inhaltliche Zustimmung zur kanonischen Doktrin geht in unserer Frage quer durch alle konfessionellen Lager. Katholiken vertraten sie (Alciat, Menochius, Fachinaeus) - aber längst nicht alle (Cujaz, Zasius) -, und ebenso auch Calvinisten bzw. Lutheraner (Donellus, Dumoulin, Hotmann). Das ist sicher ein Indiz für ihre Überzeugungskraft. Der konfessionelle Unterschied zeigt sich in unserer Frage eher daran, ob man die Übereinstimmung mit dem Recht der (katholischen) Kirche offen ausspricht, oder nicht: Tatsächlich finden sich solche Hinweise nur bei Alciat, Menochius und Fachinaeus. Sie alle stammen aus Italien und haben sich von der katholischen Kirche zumindest nie losgesagt, waren sogar teilweise an kirchlichen Institutionen tätig70. Wie Alciats mehrfache Beteuerung, das kanonische Recht sei für seine Entscheidung nicht maßgeblich, zeigt, hat man sich auf das kanonische Recht trotzdem im Zweifel nicht ausdrücklich berufen und statt dessen lieber ein Fragment des Corpus iuris angeführt. Abschließend sei noch darauf hingewiesen, daß sich auch das nationale Spektrum der Juristen erweitert hat. Neben Italien und dem zum wichtigsten Wissenschaftsstandort aufgestiegenen Frankreich traten z.B. - wenn auch in bescheidenerem Umfang - mit Zasius und Mynsinger deutsche Wissenschaftler. Deutsche Universitäten erlangten zudem als Zuflucht für ausländische Rechtslehrer Bedeutung. 2. Methode Wenden wir uns nun der Frage nach der Methode zu, die den Juristen des 16. Jahrhunderts zur Gewinnung ihrer Lehren diente. Wie bereits eingangs erwähnt, gilt das 16. Jahrhundert als die Zeit der humanistischen Reformbewegung in der Jurisprudenz, deren gemeinsamer Nenner die Kritik am "mos italicus" der mittelalterlichen Juristen war 71. Die untersuchten Texte bestätigen diese Beobachtung. Mittelalterliche Juristen wurden fast nur noch zitiert, um ihre Lehren abzulehnen. Vieles geriet in den Bereich der Pole7 0 7 1

So etwa Alciat, vgl. oben S. 74.

Ltagy Mos gallicus, mos italicus, in: HRG III, Sp. 694; Koschaker, Europa und das römische Recht, S. 109; Wieacker, Privatrechtsgeschichte der Neuzeit, S. 90; Wesenberg/Wesener, Neuere deutsche Privatrechtsgeschichte, S. 63.

Kapitel 4: Die humanistische Reformbewegung

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mik (Dumoulin). Häufig ging man stillschweigend über sie hinweg, sogar bei inhaltlicher Übereinstimmung (Cujaz). Gängig sind ferner die Klagen über die "alte Weitschweifigkeit", die es zu bekämpfen gelte (Dumoulin, Zasius). Oft blieb dies jedoch auf der Ebene des Programmatischen stecken. Es entbehrt z.B. nicht einer gewissen Kuriosität, wenn Dumoulin seinen Lesern verspricht: facillimo brevique stilo, sed exacto eam resolvemus. in leichtestem und kurzem aber genauem Stil lösen wir sie (sc. die Frage nach der Begrenzung von Vertragsstrafen).

und anschließend etwa sechs lange Foliospalten mit endlosen Wiederholungen füllt. Gleichwohl erscheint mir Wieackers Vorwurf der "Pose unfruchtbarer Radikalität"72 zu hart: Es lassen sich immerhin auch in unserer Frage Juristen finden, die eine kurze Stellungnahme ohne Schilderung endloser Dispute vorlegen (Cujaz, Hotmann). Ob diese "elegante" Methode im Ergebnis stets überzeugt, ist freilich eine andere Frage. Jenseits der gemeinsamen Kritik am "mos italicus" finden sich freilich nur wenige Gemeinsamkeiten. Als typisch humanistisch gilt z.B. die sogenannte "historisch-philologische Methode"73. Gerade sie läßt sich aber in den untersuchten Texten nur ganz vereinzelt nachweisen, etwa bei Cujaz und Mynsinger (Verweis auf Cicero), oder bei Dumoulin, der durch grammatische Ausführungen zur Bedeutung des Wörtchens "quae" Azo und Placentinus zu widerlegen sucht. Philologische und historische Argumente waren zudem immer nur zwei von vielen. Gerade die umfassend begründeten Lehren (Dumoulin, Alciat, Donellus, Menochius, Fachinaeus) führen vor allem die Nützlichkeit und Gerechtigkeit (im Sinne von "aequitas") ins Feld oder die Begriffspaare "angemessen" - "unverschämt" (Dumoulin). Die für die humanistische Jurisprudenz so wesentlichen Elemente der Textkritik und Erneuerung der Textgrundlage - insbesondere durch Einbeziehung byzantinischer Texte - 7 4 wirken sich demgegenüber in unserer Frage nicht aus. Man kann daher sagen, daß die Bedeutung des 16. Jahrhunderts für unsere Frage zwar groß ist, die des Humanismus jedoch nicht. Eine Reihe der untersuchten Juristen haben sich ausweislich ihrer Viten zwar mit humanistischen 7 2

Wieacker , Privatrechtsgeschichte der Neuzeit, S. 162.

7 3

Koschaker , Europa und das römische Recht, S. 106; Luig, Mos gallicus, mos italicus, in: HRG III, Sp. 696; Wesenberg/Wesener , Neuere deutsche Privatrechtsgeschichte, S. 64; Stintzing I, S. 140. 7 4

Luig , Mos gallicus, mos italicus, HRG III, Sp. 692/695.

III. Zusammenfassung

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Vorstellungen beschäftigt (z.B. Cujaz, Donellus, Alciat und Zasius). Es ist jedoch nicht erkennbar, daß sie gerade daraus Anregungen für ihre Haltung zur Begrenzung von Vertragsstrafen erhalten hätten. So sehe ich die Auffassung Trojes bestätigt, daß es Humanisten reinster Prägung unter den juristischen Humanisten nicht gab, und daß man zur humanistischen Rechtswissenschaft alle Autoren rechnet, die eine humanistische Bildung besaßen, auch wenn sich das in ihrer Arbeit nicht unbedingt niederschlug75. 3. Grundeinstellungen der Zeit Zu beantworten bleibt die Frage nach einem Zusammenhang zwischen den Ansichten zu unserer Frage und den "Grundvorstellungen11 der Zeit. Nach gemeinsamen Grundvorstellungen in einer Epoche zu suchen, in der so viele Fragen des religiösen Bekenntnisses die Menschen entzweiten und gegeneinander aufbrachten, erscheint beinahe naiv. Tatsächlich zeigt uns die ungeheure Meinungsvielfalt wohl vor allem, daß die Konsensbereitschaft in unserer Frage auf einen Tiefpunkt gesunken ist. Die Frage muß wohl auch eher lauten, ob die signifikante Zunahme der Begrenzungslehren in Beziehung zur allgemeinen politischen, wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Entwicklung gesetzt werden kann. Hier zeigt sich tatsächlich eine versteckte Parallele: Man wird die Hinwendung zu restriktiveren Auffassungen in gewisser Weise als ein Indiz dafür werten dürfen, daß die Idee der Vertragsfreiheit und der vertraglichen Richtigkeitsgewähr im 16. Jahrhundert an Überzeugungskraft eingebüßt hat. Die Wirren der feindseligen und oft gewalttätigen Konfessionspaltungen mögen dafür mitverantwortlich sein. Wer seine Heimat fluchtartig verlassen muß (wie z.B. Dumoulin, Hotmann, Donellus, Gothofredus u.a.), dem mag das allgemeine Schutzbedürfnis der Menschen deutlicher vor Augen gestanden haben als einem saturierten mittelalterlichen Gutachter. Vielleicht ist das der Grund dafür, daß die Vorstellungen des kanonischen Rechts zur "aequitas" in der Frage der Begrenzung von Vertragsstrafen - obwohl seit über 200 Jahren bekannt - gerade im 16. Jahrhundert Einfluß auf das Zivilrecht gewannen. Damit lassen sich am Beispiel der Vertragsstrafe folgende Schlüsse hinsichtlich des alten Lehrstreits über die "praktische Bedeutung" des Humanismus ziehen: Wie erwähnt wirkt sich die dem Humanismus zugesprochene philologischhistorische Arbeitsweise in unserer Frage kaum aus. Dies scheint jene Autoren zu bestätigen, die der humanistischen Methode wegen ihrer intellektuellen Ex7 5

Troje, TRG 38 (1970), S. 519/532/535.

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Kapitel 4: Die humanistische Reformbewegung

klusivität generell keine umwälzenden Innovationen zutrauen und ihren praktischen Einfluß daher niedrig ansetzen76. Es ginge jedoch zu weit, die Arbeit der Humanisten als auf die Rechtspraxis gänzlich einflußlos abzutun. Dies zeigt gerade das geschilderte Vordringen des aequitas-Gedankens. Insoweit bestätigt sich eine Grundthese Kischs77. Ob man daraus bereits auf eine praktische Zielsetzung schließen darf, die eine Einordnung des juristischen Humanismus als "politische Bewegung"78 rechtfertigt, läßt sich mit Blick auf das Beispiel der Vertragsstrafe letztlich nicht entscheiden. Die vereinzelten humanistischen Elemente in den untersuchten Texten tragen eine solche kühne Deutung nicht.

7 6 Coing , Europäisches Privatrecht I, S. 68; Wieacker , Privatrechtsgeschichte der Neuzeit, & 146 ff.; Koschaker , Europa und das römische Recht, S. 111 ff.; dazu auch H. Hübner , Jurisprudenz im Zeitalter des Humanismus, FS Larenz, S. 41/60. 7 7

Kisch , Erasmus und die Jurisprudenz seiner Zeit, S. 393 f.

7 8

Troje in: Coings Handbuch I I / l , S. 616.

Kapitels

Das 17. und 18. Jahrhundert Niederländische elegante Jurisprudenz und Usus modernus Pandektarum Nachdem die europäische Rechtswissenschaft viele Jahrhunderte lang ihre wesentlichen Impulse von einer relativ kleinen Anzahl norditalienischer und südfranzösischer Universitäten erhalten hatte, zeichnet sich das 17. und 18. Jahrhundert unter anderem dadurch aus, daß sich in dieser Zeit entscheidende Schritte auf dem Weg zur Bildimg eigenständiger, nationaler Rechtsschulen vollzogen. Die weitere Darstellung soll diesem Umstand Rechnung tragen, indem die Entwicklung in den Niederlanden, in Deutschland und Frankreich jeweils gesondert behandelt wird.

I. Die holländische Schule der eleganten Jurisprudenz1 Bis zum Beginn des 17. Jahrhunderts gehörten die Niederlande zum Verband des Heiligen Römischen Reiches Deutscher Nation, an dessen allgemeiner Rechtsentwicklung sie teilnahmen. Dann jedoch traten sie - früher als Deutschland - mit einer eigenständigen Rechtsschule in Erscheinung und lösten dabei Frankreich als Vorreiter in der Jurisprudenz ab. Große Bedeutung für diesen Ablösungsprozeß kam den aus Frankreich vertriebenen Hugenotten zu, die an holländischen Universitäten ihre Kenntnisse einbrachten2. Zentrum der niederländischen Schule war die holländische Universität Leiden3. Betrachtet man zentrale Vertreter dieser Rechtsschule, so zeigt sich im Vergleich zu den Juristen des 16. Jahrhunderts in unserer Frage eine gewisse Stabi-

Vgl. dazu insgesamt: van den Bergh, The Life and Work of Gerard Noodt Wesenberg/Wesener, Wieacker, 8 Sossna

Neuere deutsche Privatrechtsgeschichte, S. 72.

Privatrechtsgeschichte der Neuzeit, S. 168.

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Kapitel 5: Elegante Jurisprudenz und Usus modernus

lisierung und Strukturierung des Meinungsbildes. Es lassen sich im wesentlichen drei einigermaßen scharf konturierte Meinungsgruppen unterscheiden. 1. Die Lehre von der freien Strafhöhe Auch unter den niederländischen Juristen des 17. und 18. Jahrhunderts behauptete die traditionelle Lehre von der freien Strafhöhe ihren Platz als feste Konstante in der wissenschaftlichen Diskussion. Diese vornehmlich von Placentinus, Azo, Cinus und Cujaz über einen Zeitraum von nunmehr bereits ca. 500 Jahren hinweg überlieferte Lehre fand in Vinnius und Noodt wichtige Anhänger. a) Arnold Vinnius 4

Im Institutionenkommentar des Leidener Rechtslehrers Arnoldus Vinnius (1588 bis 1657) findet sich unter der Überschrift "De veiborum obligationibus" für den Fall einer genau bezifferten Vertragsstrafe folgende Darstellung: Neque vero hic poenam promissor effugiet, para tus praestare quod interest: nam ex conventione poenae modus statuitur, non ex taxatione ejus quod interest: nec amplius quaeritur, an & quanti intersit, sed an tantum poenae nomine promissum sit. 1. stipulât. 38. §. alten 17. hoc tit §. alten. 18. infr. de inut stip. Verissimum igitur est, quod mox sequitur apud Justinianum, stipulationem poenae, subjectam stipulationibus faciendi, efficere, ne quantitas stipulationis in incerto sit, et ne sit necesse actori probare quod sui intersit Und der Versprechende, der bereit ist, Schadensersatz zu leisten, entkommt dieser Strafe nicht Denn durch die Übereinkunft wird die Höhe der Strafe festgelegt, nicht durch die Berechnung des Schadens. Und es wird nicht weiter gefragt, ob und wieviel der Schaden beträgt, sondern ob soviel als Strafe versprochen wurde. D.45.1.38.17. und Inst.3.19.19^. Daher ist es sehr richtig, was bei Justinian gefolgert wird, daß nämlich ein Strafversprechen, welches einem Versprechen auf ein Tun beigesetzt wird, gültig ist, damit der Betrag des Versprechens nicht unbestimmt bleibt und der Kläger seinen Schaden nicht beweisen muß.

Damit zieht Vinnius unter Berufung auf die wohlbekannten Fragmente D.45.1.38.17 und 1.3.19.19 eine klare Trennlinie zwischen Vertragsstrafe und Schadensersatz. Die Konstitution C.7.47.1, die primär die Höhe des zu ersetzenden Schadens behandelt, wird überhaupt nicht erwähnt. Für die Vertragsstrafe bleibt es daher dabei, daß ihre Höhe von der Parteiübereinkunft abhängt.

4 Vinnius , In quatuor libros institutionum Commentarius academicus et forensis, editio tertia, Amsterdam 1659, Buch 3, Titel 16 (15), § 7, Commentarius, Rn 5. 5

Die Angabe "18" in der AUegation beruht offenbar auf einem Irrtum.

I. Die holländische Schule der eleganten Jurisprudenz

103

Im weiteren Verlauf seiner Ausführungen weist Vinnius darauf hin, daß es dem Gläubiger unbenommen bleibe, einen die Vertragsstrafe übersteigenden Schaden geltend zu machen. Er stellt schießlich klar, daß die Freiheit bei der Vereinbarung einer Vertragsstrafe nicht dazu mißbraucht werden darf, die gesetzlichen Vorschriften über die Zinshöhe zu umgehen. Damit bilden auch für Vinnius bei Darlehnsschulden die zulässigen Höchstzinsen eine äußerste Grenze. Hinweise auf den Verlauf der Diskussion zu dieser Frage finden sich in den Ausführungen des Vinnius nicht. Ähnlich wie Cujaz löst er den Widerspruch der einzelnen Stellen des Corpus iuris, indem er sich ohne Umschweife für eine Seite entscheidet und die andere ignoriert. b) Gerard Noodt Schärfer und klarer lesen sich die Ausführungen des Leidener Professors Gerard Noodt (1647-1725). In seinem Tractat "De Foenere et usuris"6 findet man folgende Formulierung: Atqui potest poenae stipulatio ascendere quoque ad duplum, triplum, aut quadruplum dl. 56 et d.i. 38 §. 17. Nisi, si quid fiat in fraudem legis quae usuras prohibuit ultra centesimam. quod tunc fieri videtur; cum principaliter quantitas debetur certa die; &, si ea non solvatur, pecunia promittitur. Und ein Strafversprechen kann auch auf das Doppelte, Drei- oder Vierfache ansteigen D.21.2.56 pr. und D.45.1.38.17. Das gilt nicht, wenn es zur Umgehung des Gesetzes geschieht, welches Zinsen über den hundertsten Teil hinaus verbietet. Daß es zu diesem Zwecke geschieht, muß man grundsätzlich annehmen, wenn ein Geldbetrag an einem bestimmten Tag geschuldet wird, und wenn für den Fall der Nichtzahlung Geld versprochen wird

Im Ergebnis bringen Vinnius und Noodt keine neuen Aspekte in die wissenschaftliche Diskussion über die zulässige Höhe von Vertragsstrafen. Der begründende Hinweis auf D.45.1.38.17 (= 1.3.19.19) und auf die Eigenverantwortlichkeit der Vertragschließenden ist erstmalig bei Placentinus bzw. Azo nachzuweisen und damit ungefähr so alt, wie die ganze Lehre. Letztlich gilt auch hier dasselbe, was schon die Vertreter dieser Lehre im 16. Jahrhundert (Cujaz, Gothofredus, Mynsinger) auszeichnete: Ihre Ansicht wird so knapp begründet, daß eine ernsthafte Auseinandersetzung mit den Vertretern anderer Lehren nicht stattfindet.

6

Noodt, Opera omnia, Lugduni 1735, Caput XIII, p. 230.

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Kapitel 5: Elegante Jurisprudenz und Usus modernus

2. Die Begrenzung durch dasfreie richterliche Ermessen Neben der Lehre von der freien Strafhöhe behauptet sich unter den niederländischen Juristen vor allem die Ansicht, daß Vertragsstrafen einer richterlichen Kontrolle unterworfen werden sollten, und daß der Richter dabei nach seinem billigen Ermessen frei entscheiden darf. a) Simon Groenewegen van der Made Als kurzes Beispiel kann die Meinung von Simon Groenewegen van der Made (1613 bis 1652) genannt werden. Der in Delft geborene Sohn einer Patrizierfamilie studierte in Leiden und arbeitete anschließend als Sekretär und Senator in Delft 7. In seinem "Tractatus de Legibus abrogatis"8 schreibt Groenewegen zu C.4.47.1: Notandum est quod poena conventionalis sicuti hujus dupli taxationi non subjicitur, ita econtra in infinitum exigi non potest, sed competenti moderamine judicis aibitrio relicta est Es muß festgestellt werden, daß so, wie die Vertragsstrafe der Berechnung dieses Doppelten nicht unterworfen ist, sie andererseits auch nicht ins Unermeßliche gefordert werden kann, sondern der angemessenen Beschränkung durch richterliches Ermessen überlassen ist

Als Beleg nennt er insbesondere Menochius, Fachinaeus und Rebuffus, also Autoren des vorangegangenen Jahrhunderts. b) Antonius Perez Zum selben Ergebnis gelangt auch Antonius Perez (gestorben 1674), der aus Alvaro in Spanien stammte. Seine wissenschaftliche Tätigkeit fand aber in den (spanischen) Niederlanden statt. Er studierte in Brüssel und Löwen und war anschließend seit 1614 eine Zeitlang Professor in Löwen und gleichzeitig königlich spanischer Rat. Seine Vorlesungen über den Codex wurden oft gedruckt und waren dementsprechend weit verbreitet9. Anders als die bislang genannten

7

Jöcher , Gelehrtenlexikon, Bd. II, p. 1192.

8

Simon Groenewegen van der Made, Tractatus de legibus abrogatis et inusitatis in Hollandiae vicinisque regionibus, Noviomagia 1664, Note 10 zu C.7.47.1, p. 252. 9

Hugo, Civilistischer Cursus, Bd. VI, S. 369; Jöcher , Gelehrtenlexikon, Bd. III, p 1385.

I. Die holländische Schule der eleganten Jurisprudenz

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niederländischen Autoren bemüht Perez sich in seinen "Praelectiones"10 um eine Aufarbeitung des Meinungsspektrums, wobei er sich allerdings auf Juristen des 16. Jahrhunderts beschränkt. Zunächst schildert er die Ansichten von Alciat und Dumoulin über die funktionelle Identität von Vertragsstrafe und Schadensersatz. Perez folgt der Lehre des Dumoulin, wonach Vertragsstrafen nicht denselben Schranken unterliegen wie der Schadensersatz. Er hält es geradezu für ein Gebot der Gerechtigkeit (aequitas), den Schuldner grundsätzlich an seinem Wort festzuhalten und greift in diesem Zusammenhang auf die schon von Qnus verwendete Formulierung des Corpus iuris zurück, jeder sei "der Lenker und Richter" seiner Angelegenheiten (moderator et arbiter). Ebenso wie der von ihm ausdrücklich genannte Fachinaeus will Perez die Höhe von Vertragsstrafen andererseits auch nicht völlig freigeben und so findet sich am Schluß seiner Ausführungen folgende Aussage: Non inficior tarnen, si id Iudex ex circumstantia, & qualitate rerum, ac personarum aequum esse prospexerit, etiam eum poenae conventionalis enormitatem posse coarctare, 1. 85. §. ult. ff. de reg. jur. ut Fachinaeus lib. 1 contr. c. 57. censuit per c. suam de poenis ex sententia Rebuffi, qui ita judicatum fuisse refert Dennoch leugne ich nicht, daß ein Richter auch die unermeßliche Höhe (enormitas) einer Vertragsstrafe eingrenzen kann, wenn er das mit Blick auf die Umstände, den Wert der Sache oder die Personen als billig (aequus) erachtet (D.50.17.85.2 1 1 ) , wie Fachinaeus ... meint gemäß X.5.37.9 und im Anschluß an die Meinung des Rebuffus, die er so schildert.

Dieses Ergebnis besitzt einen gewissen Überraschungseffekt, da Perez relativ viel Raum aufwendet, um zu erläutern, daß die Höhe von Vertragsstrafen der Vertragsfreiheit unterliegt. Die Einschränkung dieses Prinzips erfolgt demgegenüber fast beiläufig und erweckt den Eindruck, daß es sich um eine Selbstverständlichkeit handelt. Unabhängig von der Ausführlichkeit der Darstellung ist aber gerade der einschränkende Schlußsatz die zentrale Aussage.

Perez, Praelectiones in duodecim libros Codicis Iustiniani Imp., Tomus Primus, Neapel 1772, Note 21 f. zu C.7.47.1. 1 1 Das allegierte Fragment lautet: Quotiens aequitatem desiderii naturalis ratio aut dubitatio iuris moratur, iustis decretis res temporanda est (Wenn der Gerechtigkeit eines Begehrens die natürliche Vernunft oder ein rechtlicher Zweifel entgegensteht, so ist die Sache durch gerechte Dekrete maßvoll zu entscheiden.)

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Kapitel 5: Elegante Jurisprudenz und Usus modernus

c) Johannis Voet Eine in den Grundzügen identische Stellung vertritt auch der Leidener Professor Johannis Voet (1647 bis 1713). In seinem Pandektenkommentar12 kommt auch er unter Berufung auf D.45.1.38.17 und 1.3.19.19 zu dem Ergebnis, daß die Gesetze keinen Betrag festlegen, den eine Vertragsstrafe nicht überschreiten dürfe, und fährt fort: necessario sequitur, neque ad duphim, neque ad triplum aut quadruplum damni vere dati, adstringi posse poenae modum; ac mérito regeri promissori poenae conventionalis, illum imputare sibi debere, quod sponte sua sibi talis imposuerit tantaeque poenam necessitatem.... Daraus folgt notwendigerweise, daß die Höhe der Strafe weder an das Doppelte noch an das Drei- oder Vierfache des tatsächlich gegebenen Schadens gebunden werden kann, und die Vertragsstrafen zu Recht dem Versprechenden angerechnet werden, so daß jener sich selbst zurechnen muß, daß er aus eigenem Antrieb sich eine derartige Verpflichtung einer so großen Strafe auferlegt hat....

Auf eine kurze Formel gebracht lautet Voets Standpunkt also: Wer sich bei einer Vertragsstrafe übernimmt, ist es "selbst schuld" und muß für sein Wort einstehen. Dies ist jedoch nur scheinbar Voets letztes Wort. Im folgenden Paragraphen kommt er nämlich auf unsere Frage noch einmal zurück13. Dort heißt es: Deinde moribus hodiernis volunt, ingente poena conventionali apposita, non totam poenam adjudicandam esse, sed magis arbitrio judicis eam ita oportere mitigan, ut ad it prope reducatur ac restringatur, quanti probabiliter actoris interesse potest. Schließlich wollen es die heutigen Gepflogenheiten, daß, wenn eine sehr große Vertragsstrafe vereinbart wurde, nicht die ganze Strafe zugesprochen werden darf, sondern diese vielmehr durch das Ermessen des Richters so gemildert werden muß, daß sie ungefähr auf den [Betrag] zurückgeführt und beschränkt wird, den wahrscheinlich der Schaden des Klägers erreichen wird.

Zu Recht muß man daher Voet zu den Juristen zählen, die die kanonischen Restriktionen in unserer Frage in das "ius civile" übernommen haben14 - auch wenn er die Anwendbarkeit von C.7.47.1 ablehnt15.

1 2 Voet, Commentarius ad Pandectas, Tom us Secundus, Coloniae Allobrogum 1769, Buch 45, Titel 1, § 12 a.E.,p. 745. 1 3

Voet, Commentarius ad Pandectas, Tomus Secundus, Buch 45, Titel 1, § 13, p. 746.

1 4

Fischer, Vertragsstrafe und vertragliche Schadenspauschalisierung, S. 21 Fn 19.

1 5

Zimmermann, The Law of Obligations, S. 109.

I. Die holländische Schule der eleganten Jurisprudenz

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Aus der Vielzahl der Begrenzungslehren des 16. Jahrhunderts erweist sich somit diejenige, welche die Verantwortung für das richtige Maß ganz dem Richter überlassen will, in der niederländischen Schule als zukunftsträchtig. Wie die betonte Verknüpfung mit dem Prinzip der Vertragsfreiheit zeigt, stellt die Begrenzung durch das freie richterliche Ermessen dabei eine deutüch weniger strenge Schranke dar, als eine direkte Anwendung der Konstitution C.7.47.1. Nach der Darstellung von Perez und Voet ist dem Richter offenbar nur eine äußerste Exzeßkontrolle zugedacht. Abschließend sei erwähnt, daß Groenewegen, Voet und Perez sich mit den Anhängern der freien Strafhöhe ebensowenig auseinandersetzen wie umgekehrt. Die gegensätzlichen Ansichten stehen sich somit ohne besonderen kämpferischen Eifer gegenüber. 3. Die strenge Begrenzung nach den Regeln von C.7.47.1 Cornelius Bynkershoek Indessen blieb auch die strengere Position einer unmittelbaren Heranziehung von C.7.47.1 in der holländischen Schule nicht unbesetzt. Als Vertreter dieser zuletzt von Dumoulin und Hotmann aufgegriffenen Lehre ist der in Middelburg geborene Jurist Cornelius Bynkershoek (1672 bis 1745) zu nennen. Bynkershoek wurde 1703 Mitglied des Rats von Holland und Westfriesland, 1724 Präsident des Großen Rats der Staaten von Holland und Seeland16. Seine "Quaestiones"17 sind unter anderem deshalb interessant, weil sie die Rechtsprechung zweier bedeutsamer Gerichte wiederspiegeln, an der Bynkershoek selbst mitgewirkt hat. Unter der Überschrift "Stipulationes poenales an et quatenus licitae?" (Ob und inwieweit sind Vertragsstrafen gesetzlich erlaubt?) geht er auf unsere Frage in großer Ausführlichkeit ein 18 . Gleich zu Beginn findet sich folgende wohlbekannte Formulierung: Ea poena succedit in locum ejus, quod interest, et rem ex incerta reddit certam. Diese Strafe tritt an die Stelle des Schadensersatzes und macht aus einer unbestimmten eine bestimmte Sache.

1 6

Koschaker, Europa und das römische Recht, S. 118.

1 7

Bynkershoek, Quaestionum juris privati libri quatuor, Lugduni Batavorum 1744.

1 8

Cap. XIV., p. 326 ff.

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Kapitel 5: Elegante Jurisprudenz und Usus modernus

Die Parallele zur kanonistischen Doktrin, die von Hostiensis und später von Dumoulin und Hotmann mit nahezu denselben Worten beschrieben wurde, ist eindeutig. Welche Konsequenz die funktionale Gleichstellung von Vertragsstrafe und Schadensersatz in der Praxis hat, läßt sich in exemplarischer Weise an einem Fall aus dem Gesellschaftsrecht zeigen, den Bynkershoek so schildert: Zwei Männer, denen die Blankettnamen Titius und Maevius zugeordnet werden, schließen sich zu einer Gesellschaft zusammen, deren Zweck in der Herstellung und im Verkauf von Spiegeln besteht. Titius besitzt im Bereich der Fertigung die größere Sachkunde und soll seine Kenntnisse daher an Maevius weitergeben. Zum Schutze vor unliebsamer Konkurrenz vereinbaren die Gesellschafter eine Vertragsstrafe von 5.000,- Dukaten für den Fall, daß Maevius die erworbenen Betriebsgeheimnisse weitergibt. Später beginnen die Anwälte an der Zulässigkeit dieser Strafklausel zu zweifeln, nachdem verschiedene Gutachter zur generellen Erlaubtheit von Vertragsstrafen widersprüchliche Beurteilungen abgegeben haben. Daher legen sie den Gesellschaftsvertrag der "kleinen Senatsrunde" (Rotula Senatum) zur Prüfung vor. Nach Bynkershoek verwirft der Senat die "wertlosen Unterscheidungen" (frivola distinctiones) und legt sich auf folgende Linie fest 19: Tutius et melius est jus Romanum sequi, et credere, poenas, stipulationibus faciendi vel non faciendi adjectas, non alio ñne esse inventas, quam ne id, quod interest, in incerto sit, et dummodo servemus modum, quem definit d 1. un. C. de Sentent quae pro eo quod interest profer. nullus ad ejusmodi pactis metus. Certe stipulationem poenalem, qualis hic occurrit, defendit §. ult Instit. de V. O. et módica summa 5000. florenorum, hic poenae nomine adjecta, etiam altero tanto minor esse potest, quam revera Titii interest, artem hanc revelatem non esse, unde et Senatus 27. Jun. 1724. huic pacto auctoritatem suam accomodavit Sin autem poena, in stipulatum deducta, longe et late excedat id, quod stipulatoris interest, omnino servamus d. 1. un. Quum in instrumento locationis conductionis convenisset, ne colonus fundum, ejusve partem alten locare vellet, et, si locasset, quadruplum mercedis solveret locatori, ea stipulatio visa est Senatui im mane quantum excedere, quod revera locatoris intererat, vel interesse poterat, ideoque 15. Jun. 1731. super ejusmodi pacto negata est voluntaría condemnatio. Sicherer und besser ist es, dem römischen Recht zu folgen und zu glauben, daß Strafen, die einem Versprechen, etwas zu tun oder nicht zu tun, angehängt werden, nur zu dem Zweck erfunden wurden, daß der Schadensersatz nicht im Ungewissen ist Vorausgesetzt, daß wir das Maß beachten, welches C.7.47.1 festlegt, bestehen gegenüber derartigen Verträgen keine Bedenken. Mit Bestimmtheit verteidigt 1.3.15.17 das Strafversprechen, wie es hier auftritt Und der maßvolle Betrag von 5.000 Gulden, der hier als Strafe angehängt wurde, kann auch bei einer Verdopplung kleiner sein als das wirkliche Vermögensinteresse des Titius daran, daß

1 9

Cap. XIV., p. 332 f.

I. Die holländische Schule der eleganten Jurisprudenz

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diese Technik nicht unerlaubt weitergegeben wird. Daher hat der Senat diesen Vertrag am 27. Juni 1724 durch seine Autorität bestätigt. Wenn aber eine Strafe, die in ein Versprechen einbezogen wurde, sehr erheblich das Vermögensinteresse (sc. den Schaden) des Versprechensempfängers überschreitet, so beachten wir ganz und gar C.7.47.1. Als man in einer Urkunde über eine Pacht übereinkam, daß der Pächter das Gut oder einen Teil davon einem anderen nicht verpachten wollte und, falls er es doch verpachtete, den vierfachen Pachtzins dem Pächter leisten würde, da meinte der Senat, daß dieses Versprechen den Betrag ungeheuerlich überschreite, welchen die Sache dem Verpächter wirklich wert war oder wert sein konnte. Daher wurde eine Verurteilung auf der Grundlage eines derartigen Vertrages am 15. Juni 1731 verweigert

Im Zusammenhang mit einem anderen Fall formuliert Bynkershoek die Ansicht des Gerichts folgendermaßen abstrakt: ..., sie solet servare Senatus, ut, si id quod interest, possit ascendere ad summam, stipulatione expressam, licita habeatur stipulatio,... ..., weil der Senat gewöhnlich folgendes berücksichtigt: Wenn der Schaden auf den Betrag ansteigen könnte, der im Versprechen genannt wurde, dann gilt das Versprechen als rechtlich zulässig....

Damit entspricht sein Standpunkt in wesentlichen Zügen der Lehre Dumoulins: Vertragsstrafe und Schadensersatz werden funktional gleichgesetzt und deshalb soll C.7.47.1 auch auf Vertragsstrafen angewendet werden mit der Maßgabe, daß die Strafe den doppelten Vertragswert (beim certum) bzw. den potentiellen Schaden nicht übersteigen darf. Die Bezugnahme auf lediglich "mögliche" Schäden beruht - wie auch schon bei Dumoulin - auf einer stillschweigenden Fortentwicklung der justinianischen Konstitution, welche eigentlich vom "wahren" Schaden (id quod re vera inducitur damnum) gesprochen hatte. Dieser Kunstgriff ermöglicht es, Strafklauseln unabhängig von zufälligen Kausalverläufen zu beurteilen. Bynkershoeks Lehre ist im Ergebnis aber für den Gläubiger strenger als die des Dumoulin, da dessen Vorstellungen hinsichtlich einesrichterlichen Ermäßigungsrechts nicht übernommen werden. Das Gericht hat nach der Darstellung Bynkershoeks überhöhte Klauseln vielmehr insgesamt als unwirksam betrachtet und die Verurteilung "verweigert" (negata est voluntaria condemnatio).

Die zitierte Institutionenstelle enthält die Aussage, bei einer Stipulation, die sich auf eine Handlung (factum) richtet, sei es am besten, eine Vertragsstrafe zu vereinbaren, damit der Gläubiger nicht seinen Schaden beweisen muß.

Kapitel 5: Elegante Jurisprudenz und Usus modernus

Sucht man nach einem Motiv fiir diese auffallend restriktive Auffassung, so findet man in dem untersuchten Kapitel in anderem Zusammenhang folgende bezeichnende Aussage: Omni ope cavendum est, ne homines propter minimam moram emungantur et pessundentur. Mit aller Mühe muß man aufpassen, daß die Menschen nicht wegen eines ganz kleinen Veizuges geprellt und unglücklich gemacht werden.

In ihr äußert sich ein ganz bemerkenswertes Bemühen um rechtlichen Schutz des einzelnen Verkehrsteilnehmers vor Übervorteilung durch einen stärkeren, rechtlich gewandteren Vertragspartner. 4. Zusammenfassung Die holländische Schule zeigt in unserer Frage insgesamt ein breites Meinungsspektrum, das von der Befürwortung der Freigabe (Vinnius, Noodt) bis zur strengen Restriktion der Strafhöhe (Bynkershoek) reicht. Als Mittelweg behauptete sich die Lehre vom freien richterlichen Ermessen, die als einer der zahlreichen vermittelnden Ansätze des 16. Jahrhunderts in der niederländischen Jurisprudenz fortlebte. Die von van den Bergh am Beispiel Gerard Noodts herausgearbeitete liberale Tendenz der holländischen Juristen21 wird von den hier untersuchten Juristen wohl überwiegend bestätigt, ohne allerdings den Rang einer festen Regel zu erlangen. Die Meinungsvielfalt ist im Vergleich zum 16. Jahrhundert zurückgegangen, wobei allerdings der auf die Niederlande begrenzte Sichtwinkel eine Rolle spielen mag.

IL Deutschland und der Usus modernus Pandectarum Wenden wir uns nunmehr der deutschen Rechtsentwicklung zu. Das römische Recht blieb auch im 17. und 18. Jahrhundert auf dem Gebiet des Römischen Reiches Deutscher Nation als "gemeines Recht" in der Gestalt bestimmend, die die Rechtswissenschaft ihm seit dem 12. Jahrhundert gegeben hatte. Bezüglich der Interpretation und Anwendimg verzeichnet man allerdings eine neue Stilepoche, die heute in Anlehnung an ein Spätwerk der Epoche als "Usus modernus

2 1

van den Bergh, The Life and Work of Gerard Noodt, S. 132.

II. Deutschland und der Usus modernus Pandectarum

111

Pandectarum" bezeichnet wird 22. Die Datierung dieses Entwicklungsabschnitts ist schwierig23. Ganz grob kann man sagen, daß er gegen Ende des 15. Jahrhunderts begann und seinen Höhepunkt im Verlauf des 17. Jahrhunderts erlebte24. Einzelne Vertreter lehrten indes noch bis ins 18. Jahrhundert und darüber hinaus (z.B. Glück, gestorben 1831). Der Name "Usus modernus" oder die ähnlichen Bezeichnungen "mores hodiernae" und "nova Practica" standen für das Programm einer den praktischen Bedürfnissen der Zeit angepaßten Verwendung des römischen Rechts25. Was "praktisch" im Falle der Begrenzung von Vertragsstrafen bedeutet, wird noch im einzelnen zu zeigen sein. Voraussetzung dafür war ein gewandeltes Verständnis hinsichtlich der Geltung des römischen Rechts. Die sogenannte Lotharische Legende, nach der Kaiser Lothar III. das Corpus iuris im Reich durch Gesetz eingeführt hatte, wurde von Hermann Coming (16061681) in seinem Werk "De origine iuris germanici" widerlegt, und auch die Idee, daß das römische Recht als Kaiserrecht weitergelten müsse, verschwand26. Statt dessen setzte sich die auch heute noch gültige Erkenntnis durch, daß es sich bei der Rezeption des römischen Rechts in Europa vor allem um einen Bildungsprozeß handelte. Es entstand die Überzeugung, daß das römische Recht in Deutschland Satz für Satz durch tatsächliche Anwendung eingeführt worden war. In der Praxis sprach zwar im Ergebnis für die Anwendbarkeit des römischen Rechts eine Vermutung27. Doch das schloß gerade die Möglichkeit ein, daß einzelne Rechtssätze aufgrund tatsächlicher Nichtanwendung als "nicht rezipiert" und daher nicht gültig eingestuft wurden. Es stellt sich die Frage, ob sich daraus sichtbare Konsequenzen für die Behandlung der zulässigen Höhe von Vertragsstrafen ergeben haben. Dazu wurden wichtige Vertreter der neuen Stilepoche auf ihre Haltung in dieser Frage unter-

2 2 Wieacker, Privatrechtsgeschichte der Neuzeit, S. 204; Schlosser, Grundzüge der Neueren Privatrechtsgeschichte, S. 60. 2 3 Vgl. dazu Luig, Samuel Stryk und der "Usus modernus pandectarumn, in: Festschrift Gagnér (1991), S. 219 ff. 2 4 Luig, FS Gagnér (1991), S. 219 f.; Koschaker, Gmür, Grundriß der deutschen Rechtsgeschichte, Rn 306.

Europa und das römische Recht, S. 234;

2 5 Schlosser, Grundzüge der Neueren Privatrechtsgeschichte, S. 61; Gmür, Grundriß der deutschen Rechtsgeschichte, Rn 306; Eisenhardt, Deutsche Rechtsgeschichte, Rn 153. 2 6

Wieacker y Privatrechtsgeschichte der Neuzeit, S. 206; Wesenberg/Wesener, Neuere deutsche Privatrechtsgeschichte, S. 116; Gmür, Grundriß der deutschen Rechtsgeschichte, Rn 306; Luig, Conring, das deutsche Recht und die Rechtsgeschichte, in: Conring, hrsg. von M. Stolleis, S. 355, 357, 373, 378. 2 7 Wieacker, Privatrechtsgeschichte der Neuzeit, S. 208; Wesenberg/Wesener, Privatrechtsgeschichte, S. 117; Luig, FS Gagnér (1991), S. 219/221.

Neuere deutsche

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Kapitel 5: Elegante Jurisprudenz und Usus modernus

sucht. Das dabei zutage geförderte Meinungsbild zeigt einen deutlichen Meinungsschwerpunkt: 1. Begrenzungslehren a) Johann Brunnemann In der Kommentierung des brandenburgischen Professors (Frankfurt an der Oder) und kurfürstlich-brandenburgischen Rats Johann Brunnemann (1608 bis 1672) zu C.7.47.1 2 8 findet sich folgende Darstellung: Sed quaeritur etiam: An in poenis conventionalibus eadem constitutio Justiniani locum habeat? Et piacet distinctio Romani, quam probat Menoch. üb. 2. de A Q. cas. 260. n. 18. aut poena loco interesse adiicitur contractui habenti oertitudinem quantitatis, & tunc duplum excedere nequit; aut adiicitur contractui continenti quid incertum, & tunc non potest excedere verum interesse; Nam in incertis casibus interesse ita stipulari convenit, quatenus ab initio vero simpiiciter interfuturum speretur. Zasius h. t q. 3. Et licet concedatur, valere quidem stipulationem poenae ultra duplum arg. 1. stipulatio ista 38. alteri 7. ff. de Verb. obl. judicem tarnen moderari debere istam poenam, nec pati, ut immoderata exigatur poena, statuit Fachinaeus lib. 1. cap. 50. in fine per C. suam 9. X. de poenis. Aliter [...]. Probari etiam solet ex hac lege.... Es wird aber auch folgendes gefragt: Kommt diese Konstitution Justinians auch bei den Vertragsstrafen zur Anwendung? Und die Unterscheidung des Romanus ist richtig, welche Menochius darlegte. Entweder die Strafe wird als Schadensersatz einem Vertrag angehängt, der einen betimmten Wert hat. Dann kann sie das Doppelte nicht überschreiten. Oder sie wird einem Vertrag angehängt, der etwas Unbestimmtes zum Gegenstand hat Dann kann sie den tatsächlich entstandenen Schaden nicht überschreiten. Denn in unsicheren Fällen einigt man sich darauf, den Schadensersatz auf diese Weise zu versprechen, weil man am Anfang in der Tat leicht auf die Zukunft hofft ... Und obwohl es gestattet wird, daß Strafversprechen zwar über das Doppelte hinaus gültig sind (D.45.1.38.17), so schreibt Fachinaeus vor, daß der Richter eine solche Strafe dennoch herabsetzen müsse und nicht dulden dürfe, daß eine unmäßige Strafe eingeklagt wird Anders ... . Gewöhnlich wird das auch durch dieses Gesetz (sc. C.7.47.1) belegt.

Die Lösung Brunnemanns unterscheidet im Anschluß an Menochius29 und ältere Vorbilder folgende zwei Fälle: Entweder die Parteien haben die Vertragsstrafe vereinbart, um den zu ersetzenden Schaden vorab festzulegen. Dann folgt die Höhe der Vertragsstrafe den Vorschriften über den Schadensersatz, d.h. C.7.47.1 mit Duplum-Grenze. Oder die Vertragsstrafe besitzt einen reinen Strafcharakter und hat keine Schadensersatzfunktion. Dann ist die Höhe nach 2 8 Brunnemann , Commentarius in Codicem Justinianeum, Tomus Primus, Coloniae Allobrogum 1771, p. 714, Note 13 ff. 2 9

Siehe oben S. 95.

II. Deutschland und der Usus modernus Pandectarum

113

D.45.1.38.17 grundsätzlich frei, kann jedoch vom Richter nach dessen freiem Ermessen reduziert werden. Diese Unterscheidung läßt sich dem untersuchten Text nicht auf den ersten Blick entnehmen, da Brunnemann zwar die "poena loco interesse" beim Namen nennt, ihr Gegenstück jedoch nicht genau bezeichnet. Seine Ausführungen erlangen aber nur dann einen widerspruchsfreien Sinn, wenn man sie nach Maßgabe des von Brunnemann als Vorbild zitierten Menochius interpretiert. Nur wenn Brunnemann im zweiten Teil seines Textes die "pönale" Vertragsstrafe meint, wird verständlich, warum sie (plötzlich) das "duplum" doch noch übersteigen darf. Damit greift Brunnemann im Ergebnis aus der Fülle der Begrenzungslehren des 16. Jahrhunderts diejenige auf, die Vertragsstrafen je nach Funktion unterschiedlich stark einschränken will. b)Lyncker Die - soweit ersichtlich - strikteste Auffassung zur zulässigen Höhe von Vertragsstrafen ist die des Gießener und Jenaer Professors Nicolaus Christoph Freiherr von Lycker (1643-1726). In seiner Dissertatio über das Interesse30 findet sich folgende Argumentation: §. V. Conventionalium quoque poenarum, quae interesse loco surrogantur [...] certus finis ac modus esse debet, ne fraus fiat Justinianea sanctioni [...] § 5. Auch für Vertragsstrafen, welche an die Stelle des Schadensersatzes treten [...] muß es eine Grenze und ein Maß geben, damit die justinianische Anordnung (sc. C.4.47.1) nicht umgangen wird [...]

Die funktionale Verknüpfung von Vertragsstrafe und Schadensersatz folgert Lyncker aus der Überlegung, auch der Schadensersatz habe neben der Kompensationsfunktion eine beabsichtigte strafende Nebenwirkung und werde gerade deshalb von C.4.47.1 unter Berufung auf das Beispiel der Strafen begrenzt. Dadurch werde dem alten Grundsatz Rechnung getragen, daß die Strafe der Schwere des Vergehens vergleichbar sein muß (§ 6). Für die Vertragsstrafe, die dem Gläubiger sogar einen Gewinn verschaffe, könne folglich erst recht nichts anderes gelten. Zusammenfassend liest sich das folgendermaßen: §. VIII. [...] Si ergo circa interesse, ubi in damno vitando versamur, verum etiam et probatum damnum ad duplum in certis casibus restringitur, unde tarnen poenam conventionalem descendere diximus, quanto magis poena conventionalis, super cer-

3 0 Lyncker, Dissertatio iuridica, de eo quod interest, 3. Aufl. Jena 1753, Sectio III, Caput 5, §§ 5 ff., p. 56 ff.

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Kapitel 5: Elegante Jurisprudenz und Usus modernus tum casum interposita, quippe in lucro captando versans, tanquam illius surrogatum ad duplum in adiudicatione reduci debet regulariter. Wenn daher im Hinblick auf den Schadensersatz, wo wir uns bei der Schadensvermeidung befinden, sogar der tatsächliche und bewiesene Schaden in bestimmten Fällen auf das Doppelte begrenzt wird, wovon doch die Vertragsstrafe wie gesagt abstammt, um wieviel mehr muß dann erst die Vertragsstrafe, die über einen bestimmten Vertragsgegenstand verhängt wurde, bei der richterlichen Zuerkennung auf das Doppelte reduziert werden, da es sich um eine Gewinneizielung handelt und gleichsam um ein Surrogat jenes [Schadensersatzes].

Sofern die Vertragsstrafe einen unbestimmten Vertragsgegenstand sichern soll, ist ihre Höhe anhand der Umstände des Einzelfalls an der Höhe des voraussichtlichen Schadens zu messen und offenbar auf das Duplum zu reduzieren. In diesen Fällen scheidet - so Lyncker - aus praktischen Gründen, die schon Justinian erkannt hatte, eine starre Begrenzung mangels sicherer Berechnungsgrundlage aus. Lyncker steht mit dieser Auffassung in der Tradition der in den vorausgegangenen zwei Jahrhunderten stark hervorgetretenen Begrenzungslehren (Alciat, Donellus, Dumoulin, Hotmann) und der darin eingeflossenen Ablehnung des kanonischen Rechts gegenüber "gewinnbringenden" Strafen. 2. Die Lehre von der freien Strafhöhe Die überwiegende Mehrheit der untersuchten Autoren lehnt Beschränkungen der Strafhöhe abgesehen vom Zinsumgehungsverbot indes ab. a) Wolfgang Adam Lauterbach Ein entschiedener Verfechter dieser "freiheitlichen" Auffassung war der Tübinger Rechtslehrer Wolfgang Adam Lauterbach (1618 bis 1678), ein Zeitgenosse Brunnemanns. Als Mitglied der Spruchfakultät besaß er einen guten Einblick in die Rechtspraxis31. In seinem "Collegium theoretico-practicum"32 zieht Lauterbach den Kreis dessen, was zum Gegenstand einer Vertragsstrafe gemacht werden kann, denkbar weit. Selbst Pranger und Kerker werden als zulässige Sanktionen genannt. Lediglich allzu intensive Beeinträchtigungen der persönli-

3 1

Koschaker, Europa und das römische Recht, S. 103; vgl. im einzelnen: Luig, Lauterbach, in: NDB 1982, 736 ff. 3 2

lib. X X

Lauterbach, Collegium theoretico-practicum, Tomus Primus a Pandectarum lib. I. usque ad , Tübingen 1763, p. 847.

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II. Deutschland und der Usus modernus Pandectarum

115

chen Ehre sind untersagt. Lauterbach deutet an, daß die zulässige Strafhöhe im einzelnen umstritten ist, löst den Streit jedoch an dieser Stelle nicht. Statt dessen verweist er auf eine Disputation. Dabei handelt es sich um die Disputation des Tübinger Juristen Wolfgang Ludovicus Reuß, die 1666 unter dem Vorsitz Lauterbachs in Tübingen verteidigt wurde. Diese Dissertation geht in Kapitel 6, §§ 23 ff., p. 12 ss. auf die Frage des zulässigen Betrages einer Vertragsstrafe ein. Sie trägt den Titel "Disputatio de poena conventionali". Ihre Aussage ist wegen der allgemeinen Übung, daß schriftliche Thesen zur Disputation in der Regel vom Praeses selbst verfaßt oder doch zumindest ganz entscheidend mitbestimmt wurden33, Lauterbach unmittelbar zuzurechnen. Die genannte Disputatio geht auf die Frage der Begrenzung von Vertragsstrafen in großer Ausführlichkeit ein. An den Anfang der Betrachtung stellt er die These der von ihm sogenannten "Moralisten"34, wonach Vertragsstrafen maßvoll sein und der Schuld entsprechen müssen (§ 23). Diese Forderung gilt nach Lauterbach indes nur für die gesetzlichen Strafen. Diese seien an 1.4.6.21 zu messen. Für Vertragsstrafen gelte hingegen folgender Grundsatz (§ 24): attamen poenas conventionales cum ipsi debitores sua voluntate Constituante sibique imponant, et verbis expressis promittant, ac propterea ad illas solvendas conventi et condemnati, de injuria sibi facta queri nequeant. Aber da die Schuldner die Vertragsstrafen ja freiwillig festsetzen und sich auferlegen und ausdrücklich versprechen, können sie sich nicht über das sich selbst zugefügte Unrecht beschweren, wenn sie zur Zahlung verurteilt werden.

Diesen Grundsatz sieht er durch die Vorschriften des römischen Rechts bestätigt, denn - so Lauterbach - dieses schreibe den Vertragsstrafen kein bestimmtes Maß vor, wie man aus vielen verschiedenen Fragmenten schließen könne, in denen von großen Strafsummen gehandelt wird. Im einzelnen zählt er D.4.8.32 pr. auf, wonach beim "compromissum" (Schiedsvertrag) die Höhe der Strafe keine Rolle spielt, D.21.2.56 pr. und natürlich die zentrale Aussage in D.45.1.38.17 3 5 . Nach dieser grundsätzlichen Festlegung geht Lauterbach auf die "diversen" Ansichten ein, die in der Diskussion über diese Frage vorgetragen wurden und beginnt mit der Differenzierung nach dem Strafzweck 36: Diene die 3 3

Hinsichtlich der Schüler Lauterbachs: Luig, Lauterbach, in: NDB 1982,736/737.

3 4

Gemeint sind damit wohl in erster Linie die Moraltheologen und die spanischen Spätscholastiker, wie sich aus Lauterbachs Verweis auf Ioan de Lugo und Molina (siehe oben S. 81) ergibt. Zu beachten ist allerdings, daß er neben diesen auch einen so sehr verschiedenen Autor wie Cicero nennt. Lauteibachs Einordnung ist also recht "großzügig". 3 5

Zu den Fragmenten vgl. Kapitel 1, S. 11 ff.

3 6

Vertreter dieser Ansicht waren Menochius und Brunnemann, dazu oben S. 95 und S. 112.

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Kapitel 5: Elegante Jurisprudenz und Usus modernus

Strafe als Druckmittel (ad coercendum), dann - so Lauterbach - sei sie unzweifelhaft unbeschränkt zulässig. Das ergebe sich aus D.45.1.38.17 und 1.3.19.19 (§ 25) und sei unabhängig davon, ob die Strafsumme ausdrücklich genannt oder durch Bezeichnung eines Vielfachen vereinbart werde. Hier zu unterscheiden wie Accursius es tut - stütze sich auf keinen "gerechten Grund". Auch die Tatsache, daß die rein "pönale" Strafe dem Gläubiger zu einem Gewinn verhelfe, sei so Lauterbach - unbedenklich, da sie im römischen Recht im Zusammenhang mit der Vierfachstrafe beim Diebstahl anerkannt ist (§ 27). Schließlich wendet sich Lauterbach den Vertragsstrafen mit Schadensersatzcharakter zu (poena ob indemnitatem) und beschreibt die oft genannte und insbesondere von Menochius angeführte Argumentation, wonach in diesem Fall C.7.47.1 gelte, weil die Vertragsstrafe die Natur des Schadensersatzes "nachahme", welchen sie ersetze. Lauterbach hält jedoch die Anordnung von D.45.1.38.17 für bedeutsamer und lehnt das Argument der "Nachahmung" mit folgender Begründung ab: Neque hic procedit argumentum illud a surrogato, tum ob rationis diversitatem, nimirum voluntariam ipsius promissoris determinationem, quae est in poena conventionali, at non aeque in eo, quod interest, utpote quod a judice solet aestimari; tum ob diversam juris dispositionem, quae ei, quod interest, in casu debiti certi certum ponit terminum, in d. 1. un. poenae vero conventionali nullum, eandem quippe indistincte admittens... Und hier wirkt auch nicht jenes Argument vom Surrogat (sc. Nachahmung), zum einen wegen der Unterschiedlichkeit der Gründe, nämlich der willentlichen Bestimmung des Versprechenden, welche in der Vertragsstrafe zum Ausdruck kommt, und nicht gleichermaßen im Schadensersatz, welcher nämlich üblicherweise vom Richter geschätzt wird, zum anderen wegen der unterschiedlichen rechtlichen Anordnung, welche dem Schadensersatz im Fall einer bestimmten Schuld (certum) eine bestimmte Grenze setzt in C.7.47.1, der Vertragsstrafe aber nicht und diese ohne Unterschied zuläßt, ...

Im Ergebnis betont Lauterbach also den wesensmäßigen Unterschied zwischen Vertragsstrafe und Schadensersatz, d.h. den Umstand, daß erstere auf dem Parteiwillen beruht und letzterer nicht (§ 29). Nach umfassenden aber nicht innovativen Ausführungen zum Verhältnis von Vertragsstrafe und Zinsen - die Strafe darf das zulässige Zinsmaximum nicht überschreiten - geht Lauterbach auch auf das kanonische Recht ein (§ 35). Er bestätigt, daß die kirchliche Doktrin die Höhe von Vertragsstrafen an den entstandenen Schaden bindet. Es selbst zweifelt indes an der Richtigkeit dieser Lehre, da zwischen Zivilrecht und kanonischem Recht ohne ausdrückliche kanonische Regelung kein Unterschied gemacht werden dürfe. X.5.37.9 spricht

II. Deutschland und der Usus modernus Pandectarum

117

er diesen Charakter jedenfalls ab, und zwar aus folgenden Gründen, die im Kern auch schon Alciat genannt hatte: Die Entscheidung des Innozenz betreffe - so Lauterbach - gar keine Vertragsstrafe, sondern einerichterliche Buße und zudem habe der Gläubiger in betrügerischer Absicht das Zinsverbot umgehen wollen, so daß der Papst die Klage auf Strafzahlung aus Gründen verbieten mußte, die mit der Strafhöhe nichts zu tun hatten. Mangels ausdrücklicher abweichender Bestimmung im Corpus iuris canonici dürfe - so Lauterbach - das Kirchenrecht daher nicht vom römischen Recht abweichen. Im Ergebnis zieht Lauterbach aus der Fülle der widerstreitenden Textstellen und Lehrmeinungen den Schluß, daß zwingende Gründe für eine Begrenzung von Vertragsstrafen nicht bestehen und folgert daraus, daß sie der freien Vereinbarung überlassen sind. Wie noch zu zeigen sein wird, erlangte Lauterbach in der Folgezeit die Stellung eines Hauptzeugen für die Lehre von der freien Strafhöhe. b) Struve, Stryk, Hellfeld und Wernher Die Reihe der Autoren, die seinem Urteil folgen, wird angeführt von dem Jenaer Rechtslehrer und Beisitzer des Schöffenstuhls Georg Adam Struve (16191692), in dessen "Syntagma Juris civilis"37 die Freiheit der Strafhöhe in einem lakonischen Halbsatz postuliert wird. Zu keinem anderen Ergebnis kommt der Frankfurter und Hallenser Rechtslehrer Samuel Stryk (1640 bis 1710) in seinen "Praelectiones Viandrinae"38. Auch er meint, daß Vertragsstrafen grundsätzlich beliebig groß sein dürfen, und leitet dies aus D.45.1.38.17 und D.21.2.56 pr. ab. Bei Geldschulden dürfe - so Stryk die Strafe wegen C.4.32.15 das Zinsmaß nicht übersteigen. Daher erkenne das kanonische Recht als Konsequenz seines allgemeinen Zinsverbotes solche Strafen überhaupt nicht an. Diese generelle Ablehnung der Vertragsstrafe soll nach Stryk jedoch nur für den Bereich der kirchlichen Gerichtsbarkeit (in foro Canonico) gelten und im allgemeinen Zivilrecht keine Anwendung finden. Auf die entgegenstehende Ansicht Brunnemanns, die er an anderer Stelle zitiert39, geht

3 7 Struve, Syntagma Juris civilis, Pars tertia et ultima a libro ff. 39 usque ad finem, cum additionibus Petri Mülleri, Editio tertia, Frankfurt und Leipzig 1738, Exerc. 47, Lib. 45, T i t 1, p. 563. 3 8 Stryk, § 7, p. 186.

Praelectiones Viandrinae de cautelis contractuum, Berlin 1741, Sectio II, Cap. IV.,

3 9 Stryk, Specimen Usus moderni Pandectarum, Editio VII., Halle, Magdeburg 1730, Lib. 17, Titel 2, § 27 (= Vol. 1, p. 246).

9 Sossna

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Kapitel 5: Elegante Jurisprudenz und Usus modernus

Stryk nicht ein. Er lehnt sie aber der Sache nach ab. "Modern" ist für Stryk offenbar, die Höhe der Vertragsstrafen der Parteivereinbarung zu überlassen. Mit parallelen Argumenten zum selben Ergebnis gelangt eine Generation später auch der Jenaer Professor Johann August Hellfeld (1717 bis 1782). Auch er löst den Widerspruch in den Quellen zugunsten von D.45.1.38.17 und 1.3.19.19 und bestreitet eine Geltung von C.7.47.1 und 1.4.6.21 für Vertragsstrafen, wobei er sich ausdrücklich auf Vinnius, Lauterbach und Perez beruft. Seine Formel lautet daher40: Quantitas poenae nomine praestanda ex aibitrio paciscentium determinatur. Der als Strafe zu zahlende Betrag wird durch das Ermessen der Parteien bestimmt.

Daß diese Formel gerade auch in der Gerichtspraxis verwendet wurde, bezeugt am Beispiel des Rats von Wittenberg Johann Balthasar Freiherr von Wernher (gestorben um 1700). In seinen "Observationes forenses" 41 trifft er folgende Unterscheidung: Bei der Sicherung einer Geldschuld muß die Vertragsstrafe auf das gesetzliche Zinsmaß zurückgeführt werden. Ansonsten gilt: Haec enim ad certam quantitatem haud est adstricta; sed quantacunque esse potest. Ita Ordo Vittembergensis Mens. Aug. 1698 ad consultationem Adam Ernst Lösers zu Torgau, responcüt. Diese (sc. Vertragsstrafe) ist nämlich nicht auf einen bestimmten Betrag beschränkt sondern kann beliebig hoch sein. So hat der Rat von Wittenberg auf Anfrage des Adam Ernst Löser zu Torgau geantwortet.

c) Christian Friedrich

Glück

Als schon ganz am Ende der Epoche der Erlanger Professor Christian Friedrich Glück (1755 bis 1831) die Ergebnisse des Usus modernus in seinem gewaltigen Sammelwerk, von dem er allerdings nur die ersten 34 Bände selbst schreiben konnte, zusammenfaßt, formuliert er denselben Standpunkt zwar in deutscher Sprache, aber ohne wesentliche inhaltliche Veränderungen42:

4 0 Hellfeld , Dissertatio de effectu poenae conventionalis, in: Opuscula et dissertationes, opusculum X V I I , p. 371/385. 4 1

Wernher , Selectae observationes forenses, Tomus I, Jena, Leipzig 1756, Pars IV, Observatio

4 2

Glück, Ausführliche Erläuterungen der Pandekten, B d IV, 1796, 2. Buch, 14. Titel, § 340,

65. p. 531.

II. Deutschland und der Usus modernus Pandectarum

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Ueberhaupt hängt die Bestimmung der Strafe von der Verabredung der Partheyen ab. Nun ist es zwar nicht nöthig, daß der verabredete Betrag der Strafe immer ein Verhältniß mit dem Gegenstande des Hauptvertrags haben müsse, zu dessen Bestärkung dieselbe beygefügt worden ist; vielmehr erlauben die Gesetze, sogar das Duplum, Triplum oder Quadruplum zu stipulieren. Es darf indessen doch die Conventionalstrafe nie zum Deckmantel eines verbotenen Zinswuchers dienen;

Die eigentliche Diskussion verlagert Glück in seinen ausführlichen Fußnotenapparat. Er nennt drei Textstellen aus dem Corpus iuris, auf die er seine Kernaussage zugunsten der freien Strafhöhe stützt. Dabei handelt es sich um D.4.8.32 pr., D.21.2.56 pr. und D.45.1.38.17 - Fragmente, die seit jeher die Diskussion geprägt haben, und denen zuletzt Lauterbach zentrale Bedeutung beimaß. Den Gelehrtenstreit schildert Glück folgendermaßen: einige Juristen glaubten, auch auf Vertragsstrafen C.7.47.1 anwenden zu müssen. Zu ihnen rechnet er Cujaz (zu Unrecht43), Brunnemann, Lyncker und den noch im Rahmen der französischen Rechtsentwicklung zu behandelnden Gabriel Vallius. Andere Rechtsgelehrte - so Glück - hätten jedoch "aus besseren Gründen gezeigt, daß L. un. Cod. cit. (sc. C.7.47.1) auf Conventionalstrafen keine Beziehung habe". In diesem Zusammenhang nennt er Donellus (ebenfalls zu Unrecht44), Voet, Hellfeld, Wernher und vor allem Lauterbach45. Glücks Darstellung ist aus zwei Gründen ein wenig unbefriedigend. Zum einen ist die Wiedergabe des Meinungsstandes verengend und teilweise unzutreffend. Glück reduziert die Ansichten auf zwei Gruppen, obwohl es wesentlich mehr Varianten gab, insbesondere solche, die mit Hilfe des freien richterlichen Ermessens eine Lösung jenseits von C.7.47.1 suchten. Hinzu kommen Fehler bei der Wiedergabe der "älteren" Autoren. Weder die Lehre von Cujaz noch die des Donellus ist zutreffend beschrieben. Glück hat ihre Standpunkte geradezu vertauscht. Sein Konzept einer Darstellung des Zivilrechts in seiner Gesamtheit geht in unserer Frage somit auf Kosten der Genauigkeit im Detail - zumindest bei den Rückgriffen auf die humanistische Literatur des 16. Jahrhunderts. Glücks Stellungnahme ist ferner nur bedingt überzeugend, weil er den alten Meinungsstreit unter Hinweis auf "bessere Gründe" entscheidet, ohne diese 4 3

Siehe oben Kapitel 4, S. 65 ff.

4 4

Siehe oben Kapitel 4, S. 84 ff.

4 5

Glück, Ausführliche Erläuterungen der Pandekten, B d IV, 1796, 2. Buch, 14. Titel, § 340, p. 532 Fn 3.

120

Kapitel 5: Elegante Jurisprudenz und Usus modernus

beim Namen zu nennen. Welche Gründe er meint, kann man nur vermuten. Am wahrscheinlichsten ist es, daß er C.7.47.1 deshalb nicht auf Vertragsstrafen beziehen will, weil er zwischen Vertragsstrafe und Schadensersatz - ebenso wie Lauterbach - einen prinzipiellen Unterschied sieht. Das geht aus einer anderen Stelle seiner "Ausführlichen Erläuterungen" hervor. Dort findet sich folgende Formulierung: Im eigentlichen Bestände aber ist das Id, quod interest, eine Art von accessio civilis der Hauptsache, und wird nicht nur dem schuldigen Gegenstand selbst, und dessen Werthe, sondern auch anderen Accessionen, als der Conventionalstrafe, den Zinsen und Früchten entgegengesetzt46.

Als Beleg für die grundsätzliche Verschiedenheit von Vertragsstrafe und Schadensersatz nennt Glück in einer Fußnote wiederum D.45.1.38.17 und die daraus abzuleitende (!) Konsequenz, daß Vertragsstrafen auch gefordert werden können, wenn ein ersatzfähiger Schaden gar nicht vorliegt. So wird letztlich die Folgerung zum Argument. Ungeachtet dieser Kritik muß man die Bedeutung des Glückschen Sammelwerkes als Mittler des älteren Schriftgutes und auch als Wegweiser in der späteren materiellen Diskussion zu unserer Frage hoch einschätzen. Gerade für die romanistische Forschung des 19. Jahrhunderts, zu der er überleitete, war Glück wie noch zu zeigen sein wird - in der Frage der Begrenzung von Vertragsstrafen eine zentrale Figur. 3. Zusammenfassung Die Vertreter des deutschen Usus modernus zeigen im Ergebnis also eine deutliche Präferenz für die Lehre von der freien Strafhöhe, die rückblickend die Einordnung als "herrschenden Meinung" verdient. Daß sechs von acht untersuchten Autoren sie befürworten, ist zwar statistisch gesehen sicher kein repräsentativer Querschnitt, gibt meines Erachtens aber die Tendenz zutreffend wieder. Zentrales Argument wird dabei die prinzipielle Verschiedenheit von Vertragsstrafe und Schadensersatz, die vor allem aus D.45.1.38.17 gefolgert wird. C.7.47.1 scheidet daher als mögliche Schranke aus. Andere Lehren werden zunehmend einfach ignoriert, wobei die Begründungen häufig den Bereich der Behauptung nicht verlassen. Die für den Usus modernus so bedeutsame Rechtsquellenlehre hat - so muß man feststellen - in unserer Frage keine Rolle gespielt. 4 6

p. 433 f.

Glück , Ausführliche Erläuterungen der Pandekten, Bd. IV, 2. Buch, 14. Titel, §352,

III. Die französische Rechtsentwicklung

121

Die Frage, ob statt des römischen Rechtes einheimisches deutsches Recht zur Anwendung kommen sollte, konnte sich nicht stellen, da es germanische Quellen zur Höhe von Vertragsstrafen nicht gibt. Unsere Frage blieb daher auch im Usus modernus ausschließlich ein Problem der Interpretation des römischen Rechts.

III. Diefranzösische Rechtsentwicklung Damit bleibt die Frage nach der französischen Rechtsentwicklung des 17. und 18. Jahrhunderts. Hier sind es vor allem drei Juristen, die ausweislich der Literatur der Folgezeit in unserer Frage das Bild geprägt haben: Domat und Pothier speziell für die französische Entwicklung, sowie Gabriel Vallius, den Glück in die deutsche Diskussion einbezieht. 1. Gabriel Vallius Der zu Beginn des 17. Jahrhunderts wirkende Rechtslehrer und Pariser Parlaments-Advokat Gabriel Vallius (auch Valle oder Duval genannt) stützt sich in seiner monographischen Abhandlung zu C.4.47.147 ganz auf die Lehre des mehrfach als vorbildlich gelobten Dumoulin. Danach gilt neben dem obligatorischen Zinsumgehungsverbot für die Fälle einer wertmäßig bestimmten Leistung: sin vero ea conventio poenalis dupli cancellos multum egrediatur, bonus vir nostri Molinaei judicio eam dinget ad metam constitutam, quod est duplum. Wenn aber diese Vertragsstrafe die Schranken des Doppelten weit überschreitet, dann lenkt ein guter Mann sie nach dem Urteil unseres Dumoulin auf die festgesetzte Grenze, die das Doppelte beträgt

Bei einer unbestimmten Hauptleistung ist der höchstwahrscheinliche Schaden der Maßstab (quod verisimiliter alicujus intersit). Neben dem bekannten dogmatischen Argument, daß die Vertragsstrafe an die Stelle des Schadensersatzes trete, stützt Vallius sich vor allem auf folgende Erwägung: Insuper, si libera foret poenam stipulandi facultas, plerique ita essent proclives ad quamlibet poenam promittendam; dum bonum animum habent et sperant, huius poenae casum se posse antevertere, ut saepissime circumscriberentur spe allecti: quod enim non expectas, saepius ex transverso sit; ut quidam dicebat, adeo crebra est fors calamitatum.

4 7 Vallius, liber singularis ad 1. unicam C. de sententiis, quae pro eo quod interest proferuntur, in: Thesaurus iuris Romani cum praefatione Everardi Ottonis, Trajecti ad Rhenum 1733, Sp. 419/433 ff.

122

Kapitel 5: Elegante Jurisprudenz und Usus modernus Wenn die Möglichkeit, eine Strafe zu versprechen, frei wäre, so wären überdies die meisten bereit, jede beliebige Strafe zu versprechen, solange sie guten Mutes sind und hoffen, daß man dem Straffall zuvorkommen könne, so daß sehr oft die durch die Hoffnung verlockten getäuscht würden. Was du nämlich nicht erwartest, kommt häufig von der Seite, wie jemand sagte, und daher ist das Los des Unglücks häufig.

Diese den Schutz des Schuldners vor überhasteter und unbedachter Selbstverpflichtung betonende Lehre bringt Vallius im Wege der Auslegung mit den widerstreitenden Stellen des Corpus iuris in Einklang: Er läßt alle anderen Fragmente hinter C.4.47.1 zurücktreten mit dem Argument, die justinianische Konstitution sei das speziellste und vor allem das jüngste Gesetz zu unserer Frage. Dies wird besonders deutlich in seinen Ausführungen zu D.21.2.56 pr., wo von einer Strafe des Vierfachen im Falle der Eviction die Rede ist. Im Kern lauten seine Worte: ante Justiniani Constitutionen! poena in stipulationem deduci poterat supra duplum, [...] Sed postquam haec innovata sunt a Justiniano praefinitique passim termini ejus quod interest, hodie concludendum [est] ..., correctasque esse d. 1. si dictum 56. D. de éviction. [...] Vor der Konstitution Justinians konnte eine Vertragsstrafe auch über das Doppelte hinaus versprochen werden, [...] Aber nachdem dieses [Gesetz] von Justini an erneuert und dabei zugleich die Begriffe des Schadensersatzes vorgeschrieben wurden, muß man heute annehmen,..., daß D.21.2.56 pr. korrigiert worden ist.

Damit zeigt Vallius ein gutes Gespür für die Unterschiede zwischen den im Corpus iuris enthaltenen Textschichten und den sich daraus ergebenden Divergenzen. 2. Jean Domat Der aus Clermont gebürtige Advokat Jean Domat (1625 bis 1696) beschreibt Funktion und zulässige Höhe von Vertragsstrafen ganz ähnlich48: Les difficultez de regier la valeur des dommages et intérêts qui peuvent suivre de rinexecution d'un engagement, obligent quelquefois ceux qui traitent ensemble de convenir d'une certaine somme que celui qui manquera cfexecuter ce qu'il a promis sera tenu de payer à l'autre, pour lui tenir lieu de dédommagement. Mais comme ces sortes de stipulations sont moins une juste estimation, qu'une précaution pour engager celui qui s'oblige à une plus grande fidélité, par la crainte d'encourir la peine de payer la somme reglée, il dépend de la prudence du Juge de moderer cette somme, si elle excede le dommage effectif. Car celui qui l'a souffert

4 8

237.

Domat , Les lois civiles dans leur ordre naturel, Paris 1745, Livre III, Tit. V, Sect. II, § 15, p.

III. Die französische Rechtsentwicklung

123

n'a pû prétendre autre chose que ce qui pourrait lui être dû légitimement Et cette stipulation a son juste effet par un dédommagement raisonnable de la perte qu'il faut réparer. Mais si la convention est conçûë en termes qui marquent que l'intention a été de borner le dédommagement à une somme en faveur de celui qui pourroit en être tenu, et pour empêcher qu'il ne soit obligé à rien au-delà, quoyque le dommage se trouvât plus grand; on ne pourra l'estimer au plus qu'à cette somme. Car ceux qui traitent ainsi, ont pû moderer le dédommagement qui pourroit être dû. Die Schwierigkeiten, den Wert von Schäden und Vermögensinteressen zu bestimmen, die aus der Nichterfüllung einer Verbindlichkeit folgen können, zwingen bisweilen diejenigen, die miteinander verhandeln, dazu, einen bestimmten Betrag zu vereinbaren, den deijenige, der zu erfüllen unterließ, was er versprochen hat, dem anderen zu zahlen gehalten sein wird, damit dieser ihn anstelle einer Entschädigung erhalte. Aber weil diese Stärken der Versprechen weniger in einer gerechten Berechnung bestehen als in einer Warnung, um denjenigen anzuhalten, der sich zu einer viel größeren Treue verpflichtet, durch die Furcht davor, sich die Strafe der Bezahlung der vereinbarten Summe zuzuziehen, hängt es von der Klugheit des Richters ab, diesen Betrag herabzusetzen, wenn er den entstandenen Schaden überschreitet. Denn deijenige, der ihn (sc. Schaden) erlitten hat, konnte nichts anderes fordern als das, was ihm gesetzlich geschuldet wird. Und dieses Versprechen bezieht seine gerechte Wirkung aus einer vernünftigen Entschädigung für den Verlust, den er ersetzen muß. Aber wenn die Übereinkunft zu Bedingungen abgefaßt ist, die zeigen, daß die Ansicht bestand, den Schaden auf eine Summe zu beschränken zugunsten desjenigen, der darauf haften könnte und um zu verhindern, daß er darüber hinaus zu etwas zusätzlichem verpflichtet ist, obgleich der Schaden sich als größer erwies, dann könnte man ihn nicht höher berechnen als diese Summe. Denn diejenigen, die so verhandeln, konnten die Entschädigung begrenzen, welche geschuldet werden konnte.

Damit setzt Domat im Ergebnis die Tradition der Humanisten Alciat, Donellus, Dumoulin und Hotmann fort, die im Anschluß an die Doktrin des kanonischen Rechts die Vertragsstrafe als bloßes Surrogat des Schadensersatzes behandeln und folglich auf den Betrag des entstandenen Schadens beschränken wollen. Überschreitet sie diesen, so halten sie den Richter für berufen, sie entsprechend herabzusetzen. Auf C.7.47.1 und dessen spezielle Regelung geht Domat indes nicht mehr ein. Er schildert - ebenso wie seine deutschen Zeitgenossen - auch nicht die Diskussion über diese Frage und verzichtet im Grunde auf eine argumentative Auseinandersetzung. 3. Robert-Joseph Pothier Zu einem sehr ähnlichen Ergebnis - allerdings mit ausführlicherer Begründung - gelangt der südfranzösische Rechtslehrer und Rat am "présidial" der Stadt Orléans Robert-Joseph Pothier (1699 bis 1722). In seinem "Traité des Obliga-

124

Kapitel 5: Elegante Jurisprudenz und Usus modernus

tion"49 formuliert er hinsichtlich der zulässigen Höhe von Vertragsstrafen folgenden Grundsatz: La peine stipulée en cas d'inexécution d'une obligation peut, lorsqu'elle est excessive, être réduite et modérér par le juge. Eine Strafe, die für den Fall der Nichterfüllung einer Verbindlichkeit versprochen wurde, kann durch den Richter reduziert und ermäßigt werden, wenn sie maßlos ist.

Als Urheber des Grundsatzes nennt er Dumoulin und dessen Abhandlung "De eo quod inteiest", n. 159 ff. Grundlage für Dumoulins Entscheidung ist nach Pothier die Annahme, die Vertragsstrafe trete an die Stelle des Schadensersatzes und unterliege daher auch dessen Beschränkungen, insbesondere deijenigen durch C.7.47.1. Anschließend schildert Pothier die entgegenstehende Ansicht des mittelalterlichen Juristen Azo, der unter Berufung auf den freien Willen der Parteien von der unbegrenzten Gültigkeit aller Vertragsstrafen ausging. Pothier verwirft die Ansicht Azos ausdrücklich und gibt der seiner Meinung nach gerechteren Ansicht Dumoulins den Vorzug. Als Begründung schreibt er folgendes: Lorsqu'un débiteur se soumet à une peine excessive, en cas d'inexécution de l'obligation primitive qu'il contracte, il y a lieu de présumer que c'est la fausse confiance qu'il a qu'il ne manquera pas à cette obligation primitive, qui le porte à se soumettre à une peine aussi excessive; qu'il croit ne s'engager a rien en s'y soumettant, et qu'il est dans la disposition de ne s'y pas soumettre, s'il croyait que le cas de cette peine pût arriver, qu'ainsi le consentement, qu'il donne à l'obligation d'une peine aussi excessive, étant un consentement fondé sur une erreur et sur une illusion qu'il se fait, n'est pas un consentement valable: c'est pourquoi ces peines excessives doivent être réduites à la valeur vraisemblable à laquelle peuvent monter au plus haut les dommages et intérêts du créancier, résultans de l'inexecution de l'obligation primitive. Wenn ein Schuldner sich einer maßlosen Strafe für den Fall der Nichterfüllung der vereinbarten Hauptverbindlichkeit unterwirft, so gibt es Grund zur Annahme, daß dies die falsche Zuversicht ist, welche er hat, daß er nicht versagen wird bei dieser Hauptverbindlichkeit, die ihn dazu bewegt, sich auch einer maßlosen Strafe zu unterwerfen; daß er meint, sich zu nichts zu verpflichten, wenn er sich unterwirft, und daß es seinem Willen entspricht, sich ihr nicht zu unterwerfen, wenn er glaubte, der Fall dieser Strafe könnte eintreten; daß auch die Zustimmung, die er zu der Verpflichtung zu einer sogar maßlosen Strafe gegeben hat, keine gültige Zustimmung ist, weil es eine Zustimmung war, die auf einem Irrtum und auf einer Illusion, die er sich machte, gründete. Und deshalb müssen diese maßlosen Strafen auf den wahrscheinlichen Wert reduziert werden, bis zu welchem die Schäden und

4 9 Pothier y Oeuvre contenant les traités du droit français, nouvelle édition, Tome premier, Bruxelles 1829, Partie II, Chapitre V, n. 346, p. 98.

III. Die französische Rechtsentwicklung

125

Vermögensinteressen des Gläubigers höchstens ansteigen können, welche sich aus der Nichterfüllung der Hauptveibindlichkeit ergeben.

Dieserichterliche Reduktion auf den Wert des potentiellen Schadens betrachtet Pothier als Gebot der Billigkeit, welche es verbiete, sich durch überhöhte Strafforderungen zu bereichern. Damit stellt sich für ihn das Problem, die Vereinbarkeit seiner Lösung mit einigen - scheinbar widersprechenden - Fragmenten des Corpus iuris darzulegen. Pothier nennt im einzelnen 1.3.19.19, D.45.1.38.17 und D.21.2.56 pr., die nach seinem Verständnis allesamt nicht gegen seine Lehre sprechen. Diesen Einklang erreicht er auf dem Wege der oft bewährten einschränkenden Auslegung durch folgenden Kunstgriff, den schon Dumoulin angewendet hatte: 1.3.19.19 (= D.45.1.38.17) solle nur die prinzipielle Wirksamkeit einer Vertragsstrafe regeln, nicht jedoch ihre zulässige Höhe. D.21.2.56 pr. will er als Ausnahmefall auffassen und daraus den Schluß ziehen, daß die Grenzen von C.7.47.1 bei besonderem Leistungsrisiko des Gläubigers überschritten werden dürfen. Im Ergebnis soll nach Pothier also folgendes gelten: -

Der Richter soll eine Vertragsstrafe auf den potentiellen Schaden begrenzen.

-

Im Normalfall ist dabei die Regelung von C.7.47.1 angemessen. Bei großem Risiko ist deren Grenze jedoch unbeachtlich, so daß letztlich der Richter in seiner Entscheidung frei ist.

Von seinem Vorbild Dumoulin unterscheidet Pothier sich allein durch die zusätzliche Begründung, daß eine überhöhte Strafvereinbarung auf einem Irrtum beruhe und daher mangels Willensfreiheit unwirksam sei. Insoweit zeigen sich Parallelen zu Vallius, den er allerdings nicht zitiert. Die französische Rechtsentwicklung steht folglich in der Tradition der humanistischen Begrenzungslehren in ihrer strengeren Ausprägung. Wie die kanonische Doktrin seit dem Mittelalter fordert, wird die Vertragsstrafe an den entstandenen (Domat) bzw. potentiellen (Pothier, Vallius) Schaden gekoppelt und dadurch weitgehend beschränkt.

126

Kapitel 5: Elegante Jurisprudenz und Usus modernus

IV. Zusammenfassung Betrachtet man das 17. und 18. Jahrhundert als ganzes, so lassen sich folgende Entwicklungslinien aufzeigen. 1. Inhalt Legt man alle untersuchten Texte des 17. und 18. Jahrhunderts nebeneinander, so erhält man ein leicht begradigtes Meinungsspektrum, das dem des 16. Jahrhunderts an Vielschichtigkeit kaum nachsteht. Ein über alle Grenzen hinweg bestehender Konsens, wie er das ganze Mittelalter hindurch zumindest für den Regelfall der Vereinbarung einer genau bezifferten Strafsumme beobachtet werden konnte, hat sich seit Beginn des 16. Jahrhunderts nicht mehr gebildet. Bei regionaler bzw. nationaler Einteilung der untersuchten Autoren treten indes Schwerpunkte hervor. So haben sich die im 16. Jahrhundert von Alciat, Donellus, Dumoulin und Hotmann in unterschiedlicher Schärfe entwickelten Begrenzungslehren vor allem in Frankreich behauptet und dort in Vallius, Domat und Pothier bedeutende Anhänger gewonnen. In Deutschland hat sich demgegenüber die von Zasius und Mynsinger im 16. Jahrhundert vage angedeutete Entwicklung fortgesetzt und die Lehre von der freien Strafhöhe zur favorisierten Doktrin gemacht. Die Lehren der französischen Humanisten haben in unseier Frage in Deutschland also keine allzutiefen Spuren hinterlassen. Brunnemann und Lyncker bildeten insoweit Ausnahmen. In den Niederlanden blieb die Frage nach der zulässigen Strafhöhe offener, als in Frankreich oder Deutschland. Hier bestand das volle Meinungsspektrum fort. Insgesamt hat sich das von Dumoulin und Donellus im Bereich des "ius civile" ins Spiel gebrachterichterliche Ermäßigungsrecht als Instrument der Begrenzung weitgehend durchgesetzt. Sofern eine Beschränkung von Vertragsstrafen befürwortet wurde, wurde in der Regel auch die Reduktion durch den Richter gutgeheißen. Dem Richter wurden dabei immer mehr Freiheiten eingeräumt. C.7.47.1 wurde als Regel zwar nach wie vor gelobt (z.B. von Pothier), doch wurde aus D.21.2.56 pr. zum Teil gefolgert, daß die Schranke im Ausnahmefall auch großzügiger gefaßt werden könne (Pothier), und letztlich scheint die Höhe des Schadens das weitaus wichtigere Kriterium gewesen zu sein (Domat und Pothier). Bei Perez, Voet und Groenewegen ist dasrichterliche Ermessen sogar völlig ungebunden. Bynkershoek nimmt in dieser Entwicklung die Rolle einer regelbestätigenden Ausnahme wahr.

I . Zusammenfassung

127

Es zeichnet sich im 17. und 18. Jahrhundert insgesamt bereits ab, daß die Entscheidung sich zunehmend auf die Frage "Freie Höhe oderrichterliches Ermäßigungsrecht?" zuspitzen, und daß C.7.47.1 als Maßstab der Reduktion an Bedeutung verlieren würde. Die Hinwendung zurrichterlichen Reduktion hat den Vorteil größerer Flexibilität. Sie zwingt den Richter nicht zu einer "Alles-oderNichts-Entscheidung" und vermeidet so Wertungswidersprüche. Möglicherweise war die damit verbundene größere Praktikabilität ein Grund für den Erfolg der Lehre. 2. Methode In methodischer Hinsicht bieten die Juristen des 17. und 18. Jahrhunderts keine augenfälligen Gemeinsamkeiten. Art und Umfang der Darstellung variieren vielmehr, je nach dem, ob es sich um eine knappe Kommentierung oder um eine ausführliche Monographie handelt. Daß das Auftauchen solcher Gesamtdarstellungen monographischen Inhalts epochentypisch ist50, kann insoweit bestätigt werden. Insgesamt scheint die Schärfe der wissenschaftlichen Auseinandersetzung in unserer Frage im 17. und 18. Jahrhundert nachgelassen zu haben. Die für die humanistische Diskussion typischen persönlichen Angriffe 51 verschwinden. Das Verhältnis zu den Autoren der vergangenen Jahrhunderte entspannt sich. Mittelalterliche Juristen werden nicht mehr oft gelesen. Selbst die deutschen Autoren, die die Lehre von der freien Strafhöhe befürworten, berufen sich keineswegs auf Vorbilder unter den Glossatoren, obwohl sich das angeboten hätte. Pothier und Lauterbach bilden da Ausnahmen. Aber auch Autoren des 16. Jahrhunderts werden nur selten genannt. Unter den häufiger erwähnten älteren Autoren tauchen vor allem die Namen von Dumoulin (bei Pothier), Menochius und Fachinaeus (bei Groenewegen und Perez) auf. Ein schlichter Hinweis auf ein Fragment des Corpus iuris scheint den Juristen des 17. und 18. Jahrhunderts also wichtiger und aussagekräftiger gewesen zu sein, als eine lange Zitatenreihe. Der Rückgriff auf ältere Autoren ist bei Anhängern von Begrenzungslehren häufiger zu beobachten als bei Anhängern der freien Strafhöhe. Die Begrenzungslehren hatten also wahrscheinlich einen erhöhten Begründungsbedarf, weil sie gleich drei widersprechende Fragmente (D.45.1.38.17,1.3.19.19 und D. 21.2.56 pr.) überwinden mußten. Die andere Seite mußte nur C.7.47.1 ausschließen.

5 0 5 1

Wieacker , Privatrechtsgeschichte der Neuzeit, S. 210.

Am ehesten ließen sie sich bei Dumoulin nachweisen, der Accursius beispielsweise "wertlose" Distinctionen vorwarf.

128

Kapitel 5: Elegante Jurisprudenz und Usus modernus

Insgesamt hat man den Eindruck, daß den untersuchten Autoren bewußt war, wie wenig zwingende Beweise das widersprüchliche römische Recht für die verschiedenen Lehren zur Strafhöhe aufbieten konnte. Wenn man etwa liest, wie Lauterbach den Meinungsstand in unserer Frage schildert, so beschleicht einen unwillkürlich das Gefühl, daß die vorhandenen Widersprüche im Corpus iuris durch die Lawine der Literatur eher vernebelt als geklärt werden. Die verschiedenen Lehrmeinungen erscheinen geradezu beliebig, fast willkürlich: Keine Ansicht bleibt unwidersprochen. Gerade diese Aussichtslosigkeit gestattet es Lauterbach, die Frage durch einen Rückgriff auf prinzipielle Erwägungen über die Vertragsfreiheit zu lösen. So hat vermutlich das nüchterne Bewußtsein gesiegt, daß es eine einzig-richtige und zwingende Lösung in unserer Frage nicht gibt. Das starke Selbstvertrauen und der missionarische Eifer, die Frage der zulässigen Höhe von Vertragsstrafen für alle Zeitenrichtigzu lösen - der z.B. bei Dumoulin in den Worten "wir werden sie in leichtem aber exaktem Stile lösen" mitschwingt - ist im 17. und 18. Jahrhundert nicht mehr zu finden. 3. Grundeinstellungen der Zeit Schließlich stellt sich die Frage nach einem Zusammenhang zwischen dem Vordringen der verschiedenen Lösungsansätze und den Grundeinstellungen der Zeit. Dazu ist eine Einordnung der untersuchten Autoren in das sie umgebende zeitgeschichtliche Geschehen erforderlich. Die untersuchten Autoren wirkten in drei Regionen unterschiedlicher Nationalität. Daraus ergibt sich ihre grobe Einteilung in deutsche (Brunnemann, Lauterbach, Hellfeld, Stryk und Glück), niederländische (Vinnius, Groenewegen, [Perez], Voet und Bynkershoek) und französische Autoren (Vallius, Domat und Pothier). Die deutschen Autoren verteilen sich zudem auf unterschiedliche Territorien. (Brunnemann und Stryk: Brandenburg/Preußen; Lauterbach: Württemberg; Hellfeld, Struve und Lyncker: Sachsen-Weimar; Glück: Erlangen52). Die politischen Gegebenheiten in diesen Regionen sind natürlich ganz unterschiedlich gewesen. Verbindendes Merkmal der Geschichte der betreffenden Länder ist allerdings, daß sie alle von der Mitte des 16. bis etwa zur Mitte des

5 2 Erlangen gehörte seit 1791 zu Preußen, stand seit 1806 unter französischer Verwaltung und kam 1810 zu Bayern.

I . Zusammenfassung

129

17. Jahrhunderts lange und verlustreiche kriegerische Konflikte zu bestehen hatten, die für ihre weitere Entwicklung von entscheidender Bedeutung waren. Eröffnet wurde die Reihe der Konflikte mit den französischen Hugenottenkriegen (1562-1598), einer konfessionellen Auseinandersetzung von ungewöhnlicher Gewalttätigkeit53. Unmittelbar Leidtragende waren die Humanisten des 16. Jahrhunderts gewesen, in deren Lebensgeschichten sich häufig Flucht und Vertreibung spiegeln54. Seit ca. 1650 wurde Frankreich unter Ludwig dem XIV. (1643-1715) europäische Hegemonialmacht55, mußte diese Rolle seit ca. 1713 aber den Engländern überlassen56. Die französische Geschichte des 17. Jahrhunderts ist also geprägt durch einen Aufschwung nach langer Zeit innerer Wirren. Die niederländische Geschichte des 16. und 17. Jahrhunderts wurde dominiert durch die Rebellion und Loslösung von der spanischen Herrschaft. Sie begann 1567 ("Bildersturm") und setzte sich mit wechselnden Erfolgen und teilweise längeren Pausen fast 80 Jahre fort, bis sie im Westfälischen Frieden (1648) mit der völkerrechtlichen Anerkennung der faktisch bereits lange realisierten Unabhängigkeit der Niederlande ihren Abschluß fand 57. Dieser Kampf machte die Niederlande vorübergehend zur militärischen, wirtschaftlichen und kulturellen Führungsnation Europas58. Der für die deutsche Entwicklung entscheidende Konflikt war der Dreißigjährige Krieg (1618-1648), in dem Deutschland zunehmend zu einem Kriegsschauplatz für überwiegend fremde Interessen wurde59. Neben der Verelendung ganzer Regionen besiegelte der Krieg unter anderem die Zurückdrängung der kaiserlichen Macht und den Aufstieg der Territorien 60. Alle drei Regionen befanden sich im 17. Jahrhundert folglich in einer Phase der Konsolidierung und des Wiederaufbaus, wobei Deutschland allerdings die frischesten Spuren des Krieges aufwies, insbesondere eine extreme Dezimierung

5 3

Zeeden, in: Studienbuch Geschichte, S. 455.

5 4

Vgl. oben Kapitel 4, S. 99.

5 5

Zeeden, in: Studienbuch Geschichte, S. 475 f., 480.

5 6

Zeeden, in: Studienbuch Geschichte, S. 483.

5 7

Zeeden, in: Studienbuch Geschichte, S. 449.

5 8

Zeeden, in: Studienbuch Geschichte, S. 453 f.

5 9

Zeeden, in: Studienbuch Geschichte, S. 458.

6 0

Zeeden,, in: Studienbuch Geschichte, S. 459.

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Kapitel 5: Elegante Jurisprudenz und Usus modernus

der Bevölkerung um schätzungsweise 30-50%61. Dementsprechend schwierig gestaltete sich der Wiederaufbau der verarmten Regionen^2. Was die wirtschaftliche Situation der genannten drei Länder angeht, so weist sie im 17. Jahrhundert eine insgesamt steigende Tendenz auf, wenn auch auf unterschiedlichem Niveau. Auch im 17. Jahrhundert lebte die europäische Bevölkerung überwiegend von der Landwirtschaft. Handel und Gewerbe spielten für die Gesamtproduktion eine quantitativ geringe, qualitativ aber sehr wichtige Rolle63. Charakteristisch für Handel und Gewerbe in der Zeit von ca. 1650-1750 ist seine Verbindung mit dem Staat. Die Regierungen bemühten sich um eine bessere Erschließung und um die Schaffung einheitlicher Wirtschaftsgebiete durch Verbesserungen der Infrastruktur: Ausbau der Verkehrswege (insbesondere Schiffahrt), Postwesen, Beseitigung von Binnenzöllen64. Viele kontinentale Staaten verfolgten dabei das Konzept des sog. "binnenländischen Merkantilismus". Dieser Merkantilismus trat seit ca. 1660 gewöhnlich als Begleiterscheinung des fürstlichen Absolutismus auf und fügte sich als ein System staatlicher Wirtschaftslenkung in das fürstliche Policeybzw. Wohlstandsdenken ein. Kennzeichnend ist sein Versuch, durch Produktionssteigerung und Erzielung von Exportüberschüssen eine positive Handelsbilanz zu erreichen und so den Staat zu stärken65. Dadurch besaß der Merkantilismus eine nationalistische Komponente, die sich in einer Stärkung der Eigenproduktion und der damit verbundenen Einrichtung zunftunabhängiger, arbeitsteiliger Manufaktureibetriebe und der Vergrößerung des Arbeitnehmerpotentials niederschlug. Die meisten europäischen Staaten haben dieses Prinzip staatlicher Wirtschaftslenkung übernommen66. Doch gibt es deutliche nationale Unterschiede:

Kellenbenz, Deutsche Wirtschaftsgeschichte I, S. 295; kritisch zu den Verlustzahlen: Wehler , Deutsche Gesellschaftsgeschichte I, S. 54: Die Verluste haben nach seiner Meinung nie mehr als 8% pro Jahr betragen bei gleichbleibend hohen Geburtenraten. Die Greueltaten seien als traumatische Erlebnisse verallgemeinert worden. 6 2

Zeeden, in: Studienbuch Geschichte, S. 462.

6 3

Zeeden , in: Studienbuch Geschichte, S. 500.

6 4

Zeeden , in: Studienbuch Geschichte, S. 500.

6 5

Zeeden , in: Studienbuch Geschichte, S. 500.

6 6

Zeeden, in: Studienbuch Geschichte, S. 500.

I . Zusammenfassung

131

Frankreich hat unter Ludwig XIV. und dessen Minister Colbert eine intensive merkantilistische Wirtschaftspolitik betrieben, deren Konzept in einer privilegierten Förderung von Handel und Gewerbe zu Lasten der Landwirtschaft bestand. Die staatliche Reglementierung der Handelskompanien ging soweit, daß sie die kaufmännische Privatinitiative bisweilen lähmte. Im Ergebnis scheiterte diese Wirtschaftspolitik schließlich an den maßlosen finanziellen Forderungen Ludwigs XIV. 6 7 . Domat (gestorben 1692) und Vallius waren Zeitgenossen der merkantilistischen Wirtschaftspolitik. Pothier (gestorben 1792) erlebte hingegen bereits eine ganz andere, nämlich liberalkapitalistische, Wirtschaftspolitik. Kennzeichnend für sie war die Aufhebung merkantilistischer Reglementierungen, die schrittweise Einführung der Gewerbefreiheit und erste Ansätze der Industrialisierung. Sie bewirkte einen wirtschaftlichen Aufschwung68. Auch hinter dieser Wirtschaftspolitik stand letztlich ein theoretisches Konzept, nämlich das der sog. Physiokraten (Quesnay, Turgot). Diese kritisierten den Merkantilismus wegen seiner Vernachlässigung der Landwirtschaft, welche sie für die alleinige Grundlage der Volkswirtschaft hielten. Daher befürworteten sie auch eine Abschaffung aller ökonomischen Schranken und merkantilistischen Privilegien für Handel und Gewerbe, die der Staat eingerichtet hatte. Ihr Ziel war die Wiederherstellung einer sog. "natürlichen Ordnung" frei von staatlichen Eingriffen 69. Während Vallius und Domat also eine staatlich gelenkte Wirtschaft erlebten, trug die Wirtschaftspolitik zur Zeit Pothiers deutlich liberalistische Züge. Dieser Entwicklung entspricht es, daß Pothier mit seiner Verknüpfung von Vertragsstrafe und potentiellem Schaden weniger strenge Restriktionen befürwortet, als Domat, der den entstandenen Schaden für maßgeblich hält. Doch liegen die Standpunkte beider Autoren eng beisammen und spiegeln die wirtschaftlichen Veränderungen in Frankreich nur tendenziell wieder. Auch paßt Vallius sich in dieses Bild nicht ein. Ein Zusammenhang kann daher kaum angenommen werden. Auch im deutschen Raum hat der Merkantilismus den Beifall zahlreicher Wirtschaftstheoretiker gefunden (Hörnigk, Becher, Schröder, Justi, Sonnenfels) 70. Sein Konzept war auch für die Praxis einzelner Territorien maßgeblich: So entfaltete Preußen unter Friedrich Wilhelm I. (1713-1740) eine umfangreiche

6 7

Zeeden, in: Studienbuch Geschichte, S. 499.

6 8

Ploetz, S. 675.

6 9 Hürten/Zeeden , in: Studienbuch Geschichte, S. 532; Kellenbenz , Deutsche Wirtschaftsgeschichte I, S. 299.

132

Kapitel 5: Elegante Jurisprudenz und Usus modernus

Wirtschaftsplanung, z.B. in Form von Instruktionen zur Herstellung wirtschaftlicher Güter71. Die deutsche Ausgestaltung des Merkantilismus wird in der Regel als Kameralismus bezeichnet72. Dieser kameralistischen Prägung der preußischen Wirtschaft scheint die scharfe Restriktion der Vertragsstrafe durch Brunnemann (Frankfurt an der Oder) zu entsprechen. Lauterbach hingegen hat seine vergleichsweise "freiheitliche" Auffassung in Tübingen in Württemberg gefaßt, also in einem anderen Wirtschaftsraum. Doch bleiben solche Entsprechungen fragwürdig. Stryk hat beispielsweise eine knappe Generation nach Brunnemann ebenfalls vorübergehend in Frankfurt an der Oder gelehrt und dabei eine Gegenposition bezogen, welcher auch Struve, Hellfeld und Glück folgten. Das von Wehler beobachtete "sichtbare Vorrücken staatlichen Einflusses" in Deutschland seit den 1650er Jahren73 hat sich also im Bereich der Vertragsstrafe nicht in einer gestiegenen Befürwortung von gerichtlichen Kontrollen niedergeschlagen. Im Gegenteil: Die Mehrheit gab der Vertragsfreiheit den Vorzug. In bezug auf die Wirtschaftspolitik kommt den Niederlanden eine Sonderstellung zu. Hier wurde dem Staat eine weniger einflußreiche Rolle zugestanden. Seine Machtbefugnisse waren insgesamt schwächer ausgestaltet als in anderen europäischen Ländern74. Damit waren die Niederlande tendenziell weniger dirigistisch eingestellt. Hinzu kommt eine außergewöhnliche wirtschaftliche Prosperität, deren Entwicklung um 1500 begann. Während noch um 1500 der Mittelmeerraum Europas klassischer Handelsraum war und Norditalien und Teile Südfrankreichs dessen reichste Regionen75, verlagerte sich seit dem 16. Jahrhundert das wirtschaftliche Machtzentrum zunehmend nach Nordwesteuropa76. Obwohl Europa allgemein in diesem Zeitraum eine Inflation von nie dagewesenem Ausmaß zu verzeichnen hatte, die das Lebenshaltungsniveau der Lohnempfänger empfindlich senkte77, nahmen die nordeuropäischen Städte, insbesondere Amsterdam und London, als Handelszentren an wirtschaftlicher Macht

Zeeden, in: Studienbuch Geschichte, S. 500; Kellenbenz , Deutsche Wirtschaftsgeschichte I, S. 298. 7 1

Zeeden , in: Studienbuch Geschichte, S. 500.

7 2

Kellenbenz , Deutsche Wirtschaftsgeschichte I, S. 297.

7 3

Wehler , Deutsche Gesellschaftsgeschichte I, S. 57.

7 4

Glamann, in: Europäische Wirtschaftsgeschichte II, S. 330.

7 5

Glamann , in: Europäische Wirtschaftsgeschichte II, S. 271.

7 6

Glamann, in: Europäische Wirtschaftsgeschichte II, S. 279.

7 7

Glamann , in: Europäische Wirtschaftsgeschichte II, S. 273; van der Wee, in: Handbuch der europäischen Wirtschafts- und Sozialgeschichte III, S. 587.

I . Zusammenfassung

133

erheblich zu und wuchsen stark78. Neben Amsterdam trat im Laufe des 16. Jahrhunderts bereits Antwerpen als erster moderner Geldmarkt der Welt79.1530 wurde dort eine freie Börse eingerichtet80. Diese wirtschaftlich sehr günstige Entwicklung Hollands setzte sich im 17. Jahrhundert fort, welches zu einer Blütezeit des internationalen Handels mit Asien und der Neuen Welt wurde. Ein großer Teil dieses Handels ging durch die Hände der Holländer81. In der zweiten Hälfte des Jahrhunderts besaß Holland die mit Abstand größte Handelsflotte der Welt und war auch im Schiffsbau führend 82. Um 1650 etwa waren ca. 75% der Welthandelsflotte holländisch. Erst um 1700 mußten die Holländer ihre führende Stellung an die Engländer abtreten, behielten aber nach wie vor eine ganz hervorragende Stellung bei 83 . Holland wandte sich verstärkt dem Finanzgeschäft zu und wurde so zum "Hauptgläubiger" Europas. Es kam zu einer Entfaltung von privatem, kooperativ organisiertem Unternehmertum84. So ist es kein Zufall, daß Bynkershoek in seiner Darstellung so viele Beispiele aus dem Bereich des Gesellschaftsrecht nennt. Streitigkeiten zwischen Gesellschaften und Gesellschaftern beschäftigten offenbar die niederländischen Gerichte in hohem Maße, was auch als Indiz für die wirtschaftliche Bedeutung von Gesellschaften gewertet werden kann. Im Ergebnis wird man sagen können, daß die holländische Wirtschaft wesentlich freier und leistungsfähiger war, als die deutsche und französische. Sucht man wiederum nach Konsequenzen dafür in der Jurisprudenz, so fällt der Blick zunächst auf Vinnius und Noodt, die in der Frage der Vertragsstrafe einen "liberalen" Standpunkt vertreten. Mit Perez, Voet und Groenewegen finden sich noch drei weitere Autoren, die zumindest die strenge Regel C.7.47.1 verwerfen und einen Mittelweg über dasrichterliche Ermäßigungsrecht ansteuern. Trotzdem kommt man nicht an dem Umstand vorbei, daß die restriktivste Ansicht unter den untersuchten Juristen des 17. und 18. Jahrhunderts ausgerechnet von einem Holländer stammt, nämlich von Bynkershoek. Seiner strikten Anwendung von C.7.47.1 kommt sogar besondere Bedeutung zu, da er die Praxis des holländischen Obergerichts repräsentiert. Trotz bestechender Wirt7 8

Glamann , in: Europäische Wirtschaftsgeschichte II, S. 275; van der Wee, in: Handbuch der europäischen Wirtschafts- und Sozialgeschichte III, S. 587. 7 9

van der Wee , in: Handbuch der europäischen Wirtschafts- und Sozialgeschichte III, S. 602.

8 0

Zeeden , in: Studienbuch Geschichte, S. 398 f.

8 1

Glamann , in: Europäische Wirtschaftsgeschichte II, S. 274.

8 2

Glamann, in: Europäische Wirtschaftsgeschichte II, S. 287.

8 3

Zeeden , in: Studienbuch Geschichte, S. 499 f.

8 4

Zeeden , in: Studienbuch Geschichte, S. 500.

10 Sossna

134

Kapitel 5: Elegante Jurisprudenz und Usus modernus

schaftsdaten erachtet dieses eine strenge gerichtliche Kontrolle freier Vereinbarungen also keineswegs als verzichtbar. Im Gegenteil: Mit seiner Aussage, man müsse mit aller Kraft verhindern, daß die Menschen betrogen und unglücklich gemacht werden, bekennt Bynkershoek ganz allgemein und freimütig, daß man der Vertragsfreiheit nicht völlig freien Lauf lassen darf, weil sie einen gerechten Ausgleich oft verfehlt. Spätestens an dieser Stelle zeigen sich unmißverständlich die Grenzen des Versuchs der Einordnung von Dogmengeschichte in die allgemeine Geschichte: Die individuelle Vorstellungs- und Erfahrungswelt der einzelnen Autoren kann wie man sieht - jederzeit die gesellschaftlichen und wirtschaftlichen Rahmenbedingungen überlagern. Auch ziehen offenbar unterschiedliche Autoren aus denselben Grundvorstellungen in Einzelfragen verschiedene Schlüsse. Ein Autor, der in und von einer blühenden, liberalen Handelswirtschaft lebt, kann dadurch zum Anhänger einer völligen Wirtschaftsfreiheit werden und das im Rahmen der Vertragsstrafe auch berücksichtigen. Er kann aber ebenso gut durch praktische Erfahrungen die Kehrseite dieser Freiheit kennengelernt haben und dadurch den Schutz der Übervorteilten zu einem zentralen juristischen Anliegen machen. Das erklärt, warum sich das Meinungsspektrum zur Frage der Begrenzung von Vertragsstrafen (im Grunde seit dem 16. Jahrhundert) mit den regional unterschiedlichen wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Gegebenheiten nicht mehr in Einklang bringen läßt.

Kapitel 6

Die Naturrechtsschule des 17. und 18. Jahrhunderts Das 17. und 18. Jahrhundert war auch die Zeit einer wissenschaftlichen Bewegung, die man als "Naturrechtsschule" bezeichnet1. Der Begriff "Naturrecht" ist sehr alt. Seine Verwendung ist bei zahlreichen Autoren aus ganz unterschiedlichen Epochen der Weltgeschichte belegt, ohne daß diese Autoren unter "Naturrecht" etwas Einheitliches verstanden hätten2. Im 17. und 18. Jahrhundert griff in den Niederlanden und vor allem in Deutschland eine Reihe von Rechtslehrern die vorhandene naturrechtliche Tradition erneut auf. Zu den Vertretern dieser Naturrechtsschule rechnet man insbesondere die Juristen Hugo Grotius (1583-1645), Samuel Pufendorf (1632-1694), Gottfried Wilhelm Leibniz (16461716), Christian Thomasius (1655-1728) und Christian Wolff (1679-1754)3. Ungeachtet der zahlreichen Unterschiede im Detail verstehen die genannten Autoren unter Naturrecht ein ideales, der Vernunft entsprechendes Recht, das zwar nicht in einem realen Staat tatsächlich gilt, aber in einem idealen Staat gelten müßte und in den wirklichen Staaten wenigstens annähernd verwirklicht werden sollte4. Ausgehend von diesem Selbstverständnis ging es den Naturrechtlern nicht unmittelbar um eine Abschaffung des rezipierten römischen Rechts5. Das Naturrecht bzw. Vernunftrecht 6 stand als Rechtsphilosophie und Rechtskritik vielmehr zunächst selbständig neben dem als positives Recht geltenden römischen Recht. Die naturrechtliche Philosophie hatte allerdings von Anfang an die Tendenz, eines Tages durch eine moderne Kodifikation zu gel1

Wesenberg/Wesener,

Neuere deutsche Privatrechtsgeschichte, S. 139.

2

Grnür, Grundriß der deutschen Rechtsgeschichte, Rn 307; Wieacker, Privatrechtsgeschichte der Neuzeit, S. 259 ff.; Schlosser, Grundzüge der Neueren Privatrechtsgeschichte, S. 71 ff.; zur Entwicklung im Detail: Welzel, Naturrecht und materiale Gerechtigkeit (1962). 3 Wesenberg/Wesener, Neuere deutsche Privatrechtsgeschichte, S. 139 f.; Wieacker, Privatrechtsgeschichte der Neuzeit, S. 287, 306, 312 ff.; Grnür, Grundriß der deutschen Rechtsgeschichte, Rn 307 ff.; Schlosser, Grundzüge der Neueren Privatrechtsgeschichte, S. 78 ff. 4

Gmür, Grundriß der deutschen Rechtsgeschichte, Rn 307.

5

Schlosser, Grundzüge der Neueren Privatrechtsgeschichte, S. 84.

6

Wieacker,

Privatrechtsgeschichte der Neuzeit, S. 249.

136

Kapitel 6: Die Naturrechtsschule

tendem Recht zu werden. Bis dahin kam es als eine mögliche Auslegungshilfe für den modernen Gebrauch (usus modernus) des geltenden römischen Rechts in Betracht. Ziel der Naturrechtler war es, aus wenigen Oberbegriffen und Prinzipien, die aus der Vernunft abgeleitet wurden, "more geométrico" ein möglichst geschlossenes Rechtssystem zu bilden7. Die Schaffung eines lückenlosen Rechtssystems war und ist indes eine gewaltige Aufgabe. Praktisch haben sich die meisten Vertreter der Naturrechtsschule darauf beschränken müssen, die Grundsätze und ethischen Prinzipien einer idealen Rechtsordnung herauszuarbeiten, während die Einzelheiten oft dem römischen Recht entnommen wurden. Es verwundert daher nicht, daß die Vertragsstrafe und ihre speziellen Probleme in der naturrechtlichen Literatur nur wenig Beachtung gefunden haben. Die meisten der oben genannten Autoren behandeln sie nicht. So erwähnt Pufendorf 8 die Vertragsstrafe ebensowenig wie Leibniz. Thomasius nennt sie in seinen zentralen naturrechtlichen Werken9 ebenfalls nicht und erwähnt sie lediglich beiläufig in seinen dem römischen Recht gewidmeten "Notae ad singulos Institutionum et Pandectarum títulos"10, ohne auf eine etwaige Begrenzung einzugehen. Ähnliches läßt sich auch bei Christian Wolff beobachten, dessen Stellungnahme hier exemplarisch dargestellt werden soll. Wolff behandelt die Vertragsstrafe in seinem Werk "Jus naturae methodo scientifica pertractatum, pars tertia"11 in Cap. IV. 1 2 . Inhaltlich entsprechende Ausführungen finden sich in seiner zusammenfassenden Schrift "Grundsätze des Natur- und Völkerrechts worin alle Verbindlichkeiten und alle Rechte aus der Natur des Menschen in

I Wesenberg/Wesener, Neuere deutsche Privatrechtsgeschichte, S. 140; Wieacker , Privatrechtsgeschichte der Neuzeit, S. 275 ff.; Gmür , Grundriß der deutschen Rechtsgeschichte, Rn 309; Schlosser , Grundzüge der Neueren Privatrechtsgeschichte, S. 90. 8 Untersuchte Werke: Elementorum Jurisprudentiae universalis libri duo, Oxford, London 1931, photomechanischer Nachdruck der Ausgabe Lund 1672; De iure naturae et gentium libri octo, Lund 1672 und De officio hominis et civis juxta legem naturalem libri duo, Lund 1673. 9 Untersuchte Werke: Fundamenta juris naturae et gentium, Neudruck der 4. Auflage Halle 1718, Aalen 1963; Institutiones jurisprudentiae Divinae, Neudruck der 7. Auflage Halle 1730, Aalen 1963. 1 0 Halle 1713, Lib. III., Tit. X V I . (De veiborum obligatione), p 215; Lib. III., Tit. X X I . (De inutilibus stipulationibus), p. 223. I I

Halle 1743.

1 2

§§606 ff., insbesondere § 611, p. 420 ff.

Kapitel : Die N a t u r r e c h t s e

einem beständigen Zusammenhange hergeleitet werden"13 in § 410 1 4 . Dort formuliert er folgendermaßen: Hingegen sagt man, es werde etwas bey Strafe versprochen (poena adiicitur promisso) wenn der Versprecher saget, er wolle etwas geben, oder thun, wofern er sein Versprechen nicht hält. Und alsdann heißt es ein Versprechen bey einer Strafe (promissio poenalis). Das aber, was bey einer Strafe versprochen wird, das zur Strafe Versprochene (promissum poenale). Es ist aber eben wie vorher klar, daß man bey Strafe etwas versprechen könne; weil es nemlich lediglich auf dem freyen Willen des Versprechers und desjenigen, dem etwas versprochen wird, beruhet (§§ 393. 3 8 1 . ) 1 5 . Es kann aber eine Strafe auf dreyfache Weise angehängt werden,

Wolff nennt zwar die Vertragsstrafe als Rechtsinstitut, behandelt die Frage ihrer Begrenzung aber nicht. Auch er wendet der Begrenzungsproblematik damit keine Aufmerksamkeit zu. Ob die Formulierung, die Strafe beruhe "auf dem freien Willen des Versprechers" als Plädoyer für die Lehre von der freien Strafhöhe aufgefaßt werden kann, läßt sich nicht mit Sicherheit sagen. Die Textstelle erhärtet insgesamt den Eindruck, daß die naturrechtliche Literatur die Vertragsstrafe - wenn überhaupt - nur sehr knapp abhandelte und auf die Problematik einer überhöhten Strafsumme nicht einging. Die wesentlichen Repräsentanten der Naturrechtsschule haben somit - soweit ersichtlich - weder eine Begrenzung von Vertragsstrafen gefordert, noch der freien Strafhöhe das Wort geredet. Das Naturrecht konnte daher auf die Beantwortung unserer Frage keinen Einfluß gewinnen.

1 3

Halle 1754, nachgedruckt: Meisenheim/Glan 1980.

1 4

p. 249.

1 5

Die zitierten Paragraphen enthalten allgemeine Aussagen zu Angebot und Annahme.

1 6

Im folgenden wird das Nebeneinander von Primärobligation und Strafe behandelt

Kapitel

Die Naturrechtskodifikationen des 18. und 19. Jahrhunderts

I. Einführung in die Epoche Die europäische Rechtsgeschichte seit der Mitte des 18. Jahrhunderts ist geprägt durch eine Welle moderner Kodifikationen. Merkmal dieser Gesetzbücher ist es, daß sie zumindest Teilbereiche der Rechtsordnung systematisch und annähernd vollständig regeln. Zwei Voraussetzungen waren für die Entstehung der Gesetzeswerke maßgeblich. Zum einen bedurfte es eines systematisch geordneten Gedankengebäudes, das als Vorbild und Grundlage dienen konnte, zum anderen der Macht und Bereitschaft der führenden Kräfte des Staatswesens, ein derartiges Projekt in Angriff zu nehmen. Die geschlossenen Rechtssysteme hatten die Naturrechtsphilosophen entwickelt. Die Bereitschaft zur Schaffung einer Kodifikation war erstmalig in solchen Staaten gegeben, in denen absolute Herrscher unter dem Einfluß der Aufklärung daran gingen, die Rechtsordnung zum Wohl ihrer Untertanen dem Naturrecht entsprechend neu zu gestalten1. Wieacker bezeichnet dieses Zusammentreffen sehr anschaulich als "Bündnis des Vernunftrechts mit der Aufklärung" 2.

II. Die Begrenzung der Vertragsstrafe in den Naturrechtskodifikationen Die erwähnte Tendenz zur umfassenden Regelung hat dazu geführt, daß alle Naturrechtskodifikationen sich mit der Vertragsstrafe beschäftigen und die Frage nach ihrer Beschränkung eindeutig beantworten. Dabei zeigt sich folgendes Spektrum.

Gmür, Grundriß der deutschen Rechtsgeschichte, Rn 311 f. Wieacker,

Privatrechtsgeschichte der Neuzeit, S. 322.

II. Die Begrenzung der Vertragsstrafe in den Naturrechtskodifikationen

139

1. Codex Maximilianeus Bavaricus civilis Die Reihe der Kodifikationen wurde eröffnet durch den Codex Maximilianeus Bavaricus civilis. Dieses Gesetzbuch entstand unter der Regierung des Kurfürsten Maximilian Joseph III. (1745 bis 1777). Nach vorausgegangenen Kodifikationen des Straf- und Prozeßrechts trat 1756 das Zivilgesetzbuch als letzter und bedeutendster Schritt des Gesetzesvorhabens in Kraft. Der Codex Maximilianeus ist - ebenso wie die zwei vorausgegangenen Gesetzbücher - das Werk des Juristen und Vizekanzlers Wiguläus Xaverius Aloysius Freiherr von Kreittmayr (1705 bis 1790)3. Der Codex Maximilianeus regelt die Vertragsstrafe im ersten Kapitel des vierten Teils unter der Überschrift "Von der Convention und den daraus entspringenden Pflichten" zusammen mit der "arrha" (Draufgabe) in § 11. Die Regelung ist ganz kurz und erschöpft sich in der Anordnung, die Vertragsstrafe trete regelmäßig neben die Hauptverbindlichkeit, welche auch bei Eintritt des Straffalls fortbestehe4. Eine ausdrückliche Regelung hinsichtlich der zulässigen Höhe von Vertragsstrafen findet sich nicht. Der Codex Maximilianeus ordnet ihre Begrenzung also nicht an. Diesen Eindruck bestätigen auch Kreittmayrs Anmerkungen5, denen von höchstrichterlichen Judikaten bei der Auslegung des Gesetzes eine besondere Autorität zugesprochen wurde6. Kreittmayr führte aus, daß eine Vertragsstrafe, deren Inhalt in der Zahlung einer Geldsumme besteht (in einem quanto), das gesetzliche Zinsmaß nicht überschreiten dürfe, damit die Erhebung verkappter Zinsen (usura pallita) vermieden wird. Ansonsten, also wenn der Inhalt der Strafe in der Vornahme einer Handlung (factum) oder in der Leistung einer bestimmten Sache (specificum) besteht, dann - so Kreittmayr - "kann solcher so hoch bestimmt werden, als man immer will". Als Beleg für seine Lehre nannte er Stryk und Lauterbach. Im Ergebnis unterwirft der Codex Maximilianeus Vertragsstrafen folglich keiner Begrenzung, mit Ausnahme des Verbotes der Umgehung des gesetzlichen Höchstzinses. Da dieser Standpunkt der herrschenden Meinung der deutschen Juristen des 17. und 18. Jahrhunderts entspricht, scheint sich in unserer Frage **

Wieacker,

Privatrechtsgeschichte der Neuzeit, S. 326.

4

Das Bayerische Landrecht vom Jahre 1756 in seiner heutigen Geltung, hrsg. von Max Danzer, München 1894. 5

IV. Theil, erstes Kapitel § 11. 2., p 29.

6

Schlosser, Grundzüge der Neueren Privatrechtsgeschichte, S. 94.

140

Kapitel 7: Die Naturrechtskodifikationen

die Einschätzung Pöpperls7 zu bestätigen, daß die bayerische Kodifikation einen geringen Gehalt an Neuerungen aufweist. 2. Das Preußische Allgemeine Landrecht (ALR) Die Abfassung des preußischen Gesetzbuches erfolgte gemäß einem Auftrag Friedrichs des Großen (1740 bis 1786). Die entscheidenden Fortschritte gelangen, nachdem um 1780 Johann Heinrich Casimir Graf von Carmer preußischer Justizminister geworden war. Die Hauptarbeit leistete dessen jüngerer Freund und Mitarbeiter, der Breslauer Oberamtsregierungsrat Carl Suarez (1746 bis 1798) in Zusammenarbeit mit dem Richter und späteren Hallenser Rechtslehrer Ernst Ferdinand Klein (1744 bis 1810)8. Das ALR trat 1794 für das gesamte preußische Staatsgebiet in Kraft und galt in den altpreußischen Landesteilen bis zur Ablösung durch das BGB im Jahre 1900 9 . Die Vertragsstrafe behandelt das ALR 1 0 in §§ 292 ff. I 5 und § 825 I 11. Es definiert sie als vorausgehende Vereinbarung über den zu ersetzenden Schaden im Falle der Nichterfüllung der Hauptverbindlichkeit (§ 292). Da die Strafe den Nichterfüllungsschaden ersetzt, darf dieser in der Regel nicht zusätzlich neben ihr gefordert werden (§ 293). Hinsichtlich der Strafhöhe finden sich folgende Vorschriften: §. 299. Wieviel bei Anlehnen Konventionalstrafe vorbedungen werden dürfe, ist gehörigen Orts bestimmt (Tit 11, §. 825.) §. 300. Bei anderen Verträgen hängt zwar die Bestimmung der Strafe von der Verabredung der Parteien ab; §. 301. Wird jedoch dadurch der doppelte Betrag des wirklich auszumittelnden Interesses überstiegen, so muß der Richter die Strafe bis auf diesen doppelten Betrag ermäßigen. §. 3 0 2 Ist das Interesse gar keiner Schätzung fähig, so hat es bei dem verabredeten Betrage der Strafe lediglich sein Bewenden.

1

Pöpperl, Quellen und System des Codex Maximilianeus Bavaricus civilis, Diss. jur. Wüizburg 1967, S. 10. 8 Gmür , Grundriß der deutschen Rechtsgeschichte, Rn 314; Wieacker , Privatrechtsgeschichte der Neuzeit, S. 329. 9

Wieacker,

Privatrechtsgeschichte der Neuzeit, S. 331.

Koch, Allgemeines Landrecht für die Preußischen Staaten, hrsg. mit Kommentar in Anmerkungen von Dr. C. F. Koch, nach des Verfassers Tode bearbeitet von Franz Förster, R. Johow, P. Hinschius, A. Achilles, A Dalcke, Erster Band, 7. Aufl. Berlin 1878.

II. Die Begrenzung der Vertragsstrafe in den Naturrechtskodifikationen

141

§. 303. Ein Gleiches findet statt, wenn die Strafe zur Verhütung eines Verbrechens, woraus dem anderen Theile ein besonderer Nachtheil entstehen könnte, verabredet worden.

Die Vorschrift, auf die § 299 verweist, steht im Titel 11 mit der Überschrift "Vom Darlehnsvertrage" und lautet: §. 825. Konventionalstrafen, zu welchen sich der Schuldner, statt der Zinsen, auf den Fall, wenn die Rückzahlung des Kapitals zur bestimmten Zeit nicht erfolgte, schriftlich verbunden hat, sind in soweit gültig, als sie nicht über Sechs, oder bei Kaufleuten und Juden nicht über Acht von Hundert betragen.

Demnach gilt folgender Grundsatz: Eine Vertragsstrafe, die das Doppelte des tatsächlich entstandenen Schadens übersteigt, muß in der Regel vom Richter auf dieses Doppelte ermäßigt werden. Das ALR unterwirft Vertragsstrafen also im Regelfall der traditionellen "duplum"-Schranke und verfügt zu deren praktischer Durchsetzung ein richterliches Ermäßigungsrecht (§ 301). Das gilt jedoch nicht für Darlehn und andere kreditierte Forderungen. Diese sind an den zulässigen Höchstzins von 5% (für Kaufleute und Juden 8%) und damit an noch engere Grenzen gebunden (§ 825). Die übrigen Ausnahmen von diesem Grundsatz knüpfen an sehr spezielle Voraussetzungen an und dürften das Prinzip daher kaum berührt haben (§§ 302, 303). Diese Regelung ist die logische Konsequenz einer Betrachtungsweise, die der Vertragsstrafe eine reine Schadensersatzfunktion zuweist (§ 292 I 5). Trotzdem blieb eine begrenzte Möglichkeit, die Vertragsstrafe als Beugemittel zu benutzen, da der Richter die Strafe nur auf den doppelten Betrag des entstandenen Schadens reduzieren durfte. So blieb eine pönale Komponente entgegen der gesetzlichen Funktionsbeschreibung erhalten11, da unzulässig nur war, was über das Doppelte hinausging. Die Regelung des § 3011 5 geht nach dem Urteil preußischer Juristen des 19. Jahrhunderts auf die justinianische Konstitution C.7.47.1 zurück, die den Verfassern des Gesetzes als Vorbild gedient haben soll12. Sie steht im Gegensatz zum Codex Maximilianeus und zu der herrschenden Auffassung im deutschen Usus modernus Pandectarum. Auf die hierfür möglicherweise ursächliche gei-

1 1 1 2

Fischer, Vertragsstrafe und Schadenspauschalisierung, S. 22 f.

Koch, Allgemeines Landrecht für die Preußischen Staaten, hrsg. mit Kommentar in Anmerkungen von Dr. C. F. Koch, nach des Verfassers Tode bearbeitet von Franz Förster, R. Johow, P. Hinschius, A. Achilles, A. Dalcke, Erster Band, 7. Airfl. Berlin 1878, S. 238 Fn 7; Dernburg, Lehrbuch des Preußischen Privatrechts, 2 Bd. (1878), § 40, S. 89.

142

Kapitel 7: Die Naturrechtskodifikationen

stige Grundhaltung des preußischen Gesetzgebers soll weiter unten noch eingegangen werden. Die Regelung, die das ALR in § 3011 5 trifft, hat indes bereits im Laufe des 19. Jahrhunderts wieder Änderungen erfahren. Maßgebliche Bedeutung kam dabei dem Handelsrecht zu. Auf diesem Gebiet zeigte sich ein unabweisbarer Bedarf an Rechtsvereinheitlichung bereits vor der Reichsgründung von 1871. Auf der Basis einer seit 1850 von Preußen vorbereiteten Vorlage wurde von einer Kommission der "Entwurf eines Allgemeinen Deutschen Handelsgesetzbuches" ausgearbeitet und 1861 in Nürnberg beschlossen. Dieser Entwurf wurde noch im selben Jahr in Preußen als Landesgesetz erlassen. Die meisten anderen Länder folgten diesem Beispiel im Laufe der folgenden Jahre13. Art. 284 Abs. 1 des ADHGB 14 enthielt folgende Regelung: Die Konventionalstrafe unterliegt keiner Beschränkung in Ansehung des Betrages; sie kann das Doppelte des Interesses übersteigen.

Nach Auffassung zeitgenössischer Rechtsgelehrter enthielt Art. 284 ADHGB keine allgemeine Lehre von der Vertragsstrafe. Die Vorschrift bot lediglich eine Lösung für einzelne Streitfragen, so daß im allgemeinen das bürgerliche Recht in Anwendung blieb15, soweit es nicht modifiziert wurde. Im Handelsverkehr unter Kaufleuten schloß die Vorschrift dasrichterliche Ermäßigungsrecht des § 301 I 5 ALR aus. Damit hatte dessen strenge Begrenzung für ein wichtiges Rechtsgebiet keine Wirkung mehr16. Die teilweise Aufhebung der Restriktion rechtfertigt es, daß Eccius knapp 100 Jahre nach dem Erlaß des ALR in seinem Lehrbuch die Begrenzung der Vertragsstrafe durch § 30115 als eine "noch nicht ganz beseitigte Bestimmung" bezeichnete17. Trotzdem erscheint sein Urteil voreilig. Die Vorschrift galt schließlich immerhin noch in allen übrigen Zivilsachen. Auch im weiteren Schicksal des § 825 111 zeigt sich eine Tendez zum Abbau der Restriktion. Durch eine preußische Verordnung vom 12. Mai 1866 wurde bei hypothekarisch gesicherten Darlehn die Beschränkung des gesetzmäßigen

1 3

Kellenbenz , Handelsrecht, in: H R G I Sp. 1942/1951.

1 4

Allgemeines Deutsches Handelsgesetzbuch. Amtliche Ausgabe, München 1862.

1 5

Gareis/Fuchsberger

1 6

Hedemann , Die Fortschritte des Zivilrechts im X I X . Jahrhundert, Teil 1, S. 16 Fn 14.

, Das Allgemeine Deutsche Handelsgesetzbuch, S. 614, Rn 83.

1 7 Eccius , Theorie und Praxis des heutigen gemeinen preußischen Privatrechts auf der Grundlage des Werkes von Dr. Franz Förster, I. Band, 5. Aufl. Berlin 1887, S. 730.

II. Die Begrenzung der Vertragsstrafe in den Naturrechtskodifikationen

143

Zinssatzes aufgehoben. Dadurch wurde auch die Höhe von Vertragsstrafen bei Darlehn der freien Vereinbarung überantwortet. Der Schuldner erhielt bei einem Zinssatz von mehr als 6% oder einer entsprechenden Strafe lediglich ein Kündigungsrecht hinsichtlich des Darlehns18. Eine im wesentlichen identische Regelung enthielt ein für Preußen geltendes Gesetz des Norddeutschen Bundes vom 14. November 1867 1 9 . Diese Liberalisierungsbemühungen betreffen indes nur einen Rand- bzw. Spezialfall. Die ursprünglich strenge Beschränkung von Vertragsstrafen durch das ALR entspricht der allgemeinen Einschätzung Wieackers, das Gesetz sei durch "Mißtrauen gegenüber der staatsbürgerlichen Selbstverantwortung" geprägt20. Die Behandlung der Strafhöhe ist geradezu symtomatisch für das Streben des ALR - anders als etwa der Codex Maximilianeus in unserer Frage in jedem Einzelfall vernünftige und gerechte Entscheidungen herbeizuführen, und dafür auch die Weitschweifigkeit des Gesetzestextes und eine gewisse Bevormundung des einzelnen Bürgers in Kauf zu nehmen21. Die Idee der Freiheit tritt hinter diesem Ziel zurück. Die von Koselleck als "Grenzfrage" bezeichnete Abwägung zwischen individueller Bürgerfreiheit und staatlichem Zwang zu sozialem Verhalten, der Suarez sich allenthalben stellen mußte, wurde für die Vertragsstrafe also eindeutig zugunsten der staatlichen Kontrolle entschieden: Einmal mehr zeigte sich der preußische Staat als "Hüter, Wahrer - oder Erzieher - der bürgerlichen Gesellschaft"22. Auffällig ist aber auch, daß die ursprünglich strenge Restriktion im Laufe des 19. Jahrhunderts allmählich aufgeweicht wurde, um zumindest im Handels- und Kreditverkehr der freien Parteivereinbarung wieder größeren Raum zu geben.

1 8 Landau, Gedächtnisschrift für Hermann Conrad, S. 385/392 f.; Eccius, Theorie und Praxis des heutigen gemeinen preußischen Privatrechts auf der Grundlage des Werkes von Dr. Franz Förster, I. Band, 5. Aufl. Berlin 1887, S. 731; Koch, Allgemeines Landrecht für die Preußischen Staaten, hrsg. mit Kommentar in Anmerkungen von Dr. C. F. Koch, nach des Verfassers Tode bearbeitet von Franz Förster, R. Johow, P. Hinschius, A. Achilles, A Dalcke, Erster Band, 7. Aufl. Berlin 1878, S. 809 Fn 39. 1 9

Bundesgesetzblatt von 1867, p. 159.

2 0

Wieacker,

Privatrechtsgeschichte der Neuzeit, S. 333.

2 1

Wieacker, Privatrechtsgeschichte der Neuzeit, S. 333; Schlosser, Grundzüge der Neueren Privatrechtsgeschichte, S. 99; Gmür, Grundriß der deutschen Rechtsgeschichte, Rn 315; WesenbergfWesener, Neuere deutsche Privatrechtsgeschichte, S. 160; Ltdg, in: Panorama der Fridericianischen Zeit, S. 380 ff. 2 2

Koselleck, Preußen zwischen Reform und Revolution, S. 148.

Kapitel 7: Die Naturrechtskodifikationen

144

3. Code civil Als glanzvollste Naturrechtskodifikation gilt der Code civil23. Er ist das Ergebnis von nur wenige Monate dauernden Kommissionsberatungen, an denen Napoleon (seit 1800 Erster Konsul) persönlich teilnahm und dabei starken Einfluß auf die Regelung mancher Einzelheiten ausübte24. 1804 wurde das Gesetz als "Code civil des Français"25 verkündet26. Der Code civil in der Fassung von 1804 enthält keine Beschränkungen hinsichtlich der Höhe von Vertragsstrafen. Statt dessen bestimmt Art. 1152 ausdrücklich: Lorsque la convention porte que celui qui manquera de l'exécuter paiera une certaine somme à titre de dommages-intérêts, il ne peut être alloué à l'autre partie une somme plus forte ni moindre. Wenn die Übereinkunft besagt, daß deijenige, der die Erfüllung verfehlt, eine bestimmte Summe als Schadensersatz zahlen werde, dann kann der anderen Partei weder eine größere noch kleinere Summe zugesprochen werden.

Einrichterliches Ermäßigungsrecht ordnet Art. 1231 lediglich für den Fall an, daß die Hauptverbindlichkeit bereits teilweise erfüllt wurde. Der Code civil geht also vom Grundsatz der Unveränderbarkeit von Vertragsstrafen aus und verknüpft diese Anordnung mit einer Formulierung, die die Schadensersatzfunktion der Vertragsstrafe ausdrücklich anordnet. In den Motiven27 zu Art. 1152findet sich folgende aufschlußreiche Begründung für diese Entscheidung: 1152 On a prévu le cas où la somme à payer à titre de dommages et intérêts, en cas de l'inexécution, aurait été fixée par la convention même. On avait d'abord craint, que cette fixation ne fût pas toujours équitable; on avait craint trop de rigueur de la part du créancier, trop de facilité ou d'imprudence de la part du débiteur, qui, ne prévoyant point d'obstacles à l'exécution de sa convention, n'aurait pas imaginé qu'il eût sérieusement à craindre de payer la somme à laquelle il se serait soumis. Il avait paru prudent de faire intervenir le juge, pour réduire la somme qui excéderait évidemment le dommage effectiv.

2 3

Wieacker,

Privatrechtsgeschichte der Neuzeit, S. 339.

2 4

Gmür, Grundriß der deutschen Rechtsgeschichte, Rn 320; Wieacker, Privatrechtsgeschichte der Neuzeit, S. 341; Schlosser, Grundzüge der Neueren Privatrechtsgeschichte, S. 107 f. 2 5

Code civil des Français. Edition originale et seule officielle, Paris 1804.

2 6

Wieacker,

2 7

Privatrechtsgeschichte der Neuzeit, S. 342.

Motifs et Discours prononcés lors de la publication du code civil par les divers orateurs du conseil d'état et du tribunat, Paris 1838, S. 431.

II. Die Begrenzung der Vertragsstrafe in den Naturrechtskodifikationen

145

Mais cette évidence, comment la caractériser? Il faut supposer des conventions déraissonables. Si on eût donné aux juges le droit de réduire la somme convenue, il eût aussi fallu leur donner celui de l'augmenter en cas d'insuffisance. Ce serait troubler la foi due aux contracts. La loi est faite pour les cas ordinaires, et ce n'est pas pour quelques exceptions que l'on devrait ici déroger à cette règle fondamentale, que les conventions sont la loi des parties. 1152 Man hat den Fall vor Augen gehabt, daß die Summe, die anstelle der Schäden und Interessen im Falle der Nichterfüllung zu zahlen ist, in der Übereinkunft selbst festgelegt wird Zuerst hat man befürchtet, daß diese Festsetzung nicht immer gerecht sein werde. Man hat zuviel Strenge auf Seiten des Gläubigers befürchtet, zuviel Fügsamkeit und Unachtsamkeit auf Seiten des Schuldners, der sich möglicherweise gar nicht vorgestellt hat, daß er ernsthaft fürchten muß, die Summe zu zahlen, der er sich unterworfen hat, weil er überhaupt keine Hindernisse für die Erfüllung seiner Übereinkunft vorhergesehen hat Es erschien klug, den Richter einschreiten zu lassen, um die Summe zu begrenzen, die offensichtlich den entstandenen Schaden überschritte. Aber wie soll man diese Offensichtlichkeit kennzeichnen? Man müßte unvernünftige Vereinbarungen vermuten. Wenn man den Richtern das Recht gegeben hätte, die vereinbarte Summe zu reduzieren, dann hätte man ihnen auch das Recht geben müssen, sie heraufzusetzen, falls sie unzureichend ist. Das hätte die Treue gestört, die aus Verträgen geschuldet wird. Das Recht wird für die gewöhnlichen Fälle gemacht und das heißt nicht für irgendwelche Ausnahmen, als daß man dort der allgemeinen Regel zuwiderhandeln müßte, wonach die Übereinkünfte das Gesetz der Parteien sind

Aus dieser Begründung geht hervor, daß die Verfasser des Code civil die Gefahr ungerechter, weil überzogener Vertragsstrafen durchaus gesehen haben, die sich aus dem Umstand ergeben kann, daß der Schuldner die Möglichkeit des Strafverfalls nicht hinreichend ernst nimmt. Pothier28, auf den das Argument zurückgeht, der Schuldner einer überzogenen Strafe unterschätze in der Regel das Risiko, hatte daraus gefolgert, die Höhe von Vertragsstrafen müsse gerichtlich kontrollierbar sein. Die Verfasser des Code civil entschieden sich in Kenntnis dieser Bedenken aber bewußt anders und gaben die Höhe frei. Motiv dafür war die Erwägung, daß es in der Rechtspraxis mit unübersehbaren Schwierigkeiten verbunden wäre, zu entscheiden, wann eine Vertragsstrafe den entstandenen Schaden offensichtlich maßlos übersteigt. Unmittelbar danach folgt eine grundsätzliche Erwägung: Die vertragliche Übereinkunft regelt die Rechte und Pflichten der Parteien wie ein Gesetz, dessen Vernünftigkeit nicht weiter hinterfragt wird. Boileux schreibt in seinem Kommentar29 zu Art. 1231: On a considéré que les conventions sont pour les parties contractantes une loi privée.

2 8

Siehe oben Kapitel 5, S. 123 ff.

2 9

Boileux , Commentaire sur le Code Napoléon, Tome Quatrième, 6. Aufl. Paris 1856, S. 507.

Kapitel 7: Die Naturrechtskodifikationen

146

Man hat berücksichtigt, daß die Vereinbarungen für die Vertragsparteien ein privates Gesetz darstellen.

Von diesem Grundsatz wollten sich die Verfasser des Code civil nicht lösen. Sie gaben daher dem Prinzip der Vertragsfreiheit den Vorrang vor der Gerechtigkeit auch im Ausnahmefall. Das Gesetz sei - so formulieren sie - "für die gewöhnlichen Fälle gemacht". Das bedeutet, daß es sich nicht darum bemühen muß, auch in seltenen und ungewöhnlichen Konstellationen einen billigen Ausgleich zu erzielen. Boileux nennt diese Entscheidung "plus sévère et plus juste" (schärfer und gerechter) und hebt sie so gegenüber der "alten Rechtswissenschaft" (ancienne jurisprudence) lobend hervor. Obwohl der Code civil in der Tradition Domats und Pothiers steht30 und ähnlich wie das ALR - die Ersatzfunktion der Vertragsstrafe unter Ausklammerung aller pönalen Aspekte betont, kommt er nicht zu dem Ergebnis, daß Vertragsstrafen an die Höhe des Schadens zu binden sind. Stattdessen bricht er mit der Tradition und gibt der Vertragsfreiheit in unserer Frage klar den Vorzug. Insoweit hat also Bürge Unrecht31. Trotz der langen Begründungen in den Motiven und bei Boileux bleibt dabei ein latenter Widerspruch zwischen Funktionsbeschreibung (Schadensersatz) und Regelung (freier Höhe) bestehen. Aus Gründen der Vollständigkeit sei darauf hingewiesen, daß die Regelung des Art. 1152 Code civil in neuester Zeit entscheidend verändert worden ist. Die Vorschrift wurde im Jahr 1975 um folgenden zweiten Absatz ergänzt: Néanmoins, le juge peut modérer ou augmenter la peine qui avait été convenue, si elle est manifestement excessive ou dérisoire. Toute stipulation contraire sera réputée non écrite. Nichtsdestoweniger kann der Richter die vereinbarte Strafe herabsetzen oder anheben, wenn sie offenkundig maßlos oder lächerlich ist Ein entgegengesetzes Versprechen gilt als nicht geschrieben.

Mit dieser Ergänzung gibt der Code civil seine ursprüngliche, von prinzipiellen Erwägungen geprägte Entscheidung zugunsten der Vertragsfreiheit hinsichtlich der Höhe von Vertragsstrafen ca. 170 Jahre nach seinem Inkrafttreten wieder auf und überantwortet die Strafhöhe derrichterlichen Kontrolle.

3 0

Siehe oben S. 122 ff.

3 1

Bürge, Das französische Privatrecht, insbes. S. 89.

II. Die Begrenzung der Vertragsstrafe in den Naturrechtskodifikationen

147

4. Das österreichische ABGB Das letzte Glied in der Reihe der Naturrechtsgesetzbücher ist das österreichische ABGB, dessen Entstehungsgeschichte der des ALR stark ähnelt. Auch hier ging die Initiative auf eine starke Herrscherpersönlichkeit zurück - Maria Theresia (1740 bis 1780) - und wurde die letzte Phase der Entwicklung durch einen bedeutenden Rechtsgelehrten - Franz von Zeiller - beeinflußt 32. 1811 trat das Gesetz in Kraft. Das ABGB 33 regelt die Vertragsstrafe und ihre zulässige Höhe in § 1336: Die vertragschließenden Theile können eine besondere Übereinkunft treffen, daß, auf den Fall des entweder gar nicht, oder nicht auf gehörige Art, oder des zu spät erfüllten Versprechens, anstatt des zu vergütenden Nachtheiles ein bestimmter Geld- oder anderer Betrag entrichtet werden solle (§. 912). Doch darf bey Darleihen der Betrag, worauf der Richter erkennet, wegen verzögerter Zahlung die höchsten rechtlichen Zinsen nicht übersteigen. In anderen Fällen ist der Vergütungsbetrag, wenn er von dem Schuldner als übermäßig erwiesen wird von dem Richter, allenfalls nach Einvernehmung der Sachverständigen, zu mäßigen. Die Bezahlung des Vergütungsbetrages befreyet, außer dem Falle einer besonderen Verabredung, nicht von der Erfüllung des Vertrages.

Im Ergebnis führt das ABGB unter Betonung der Ersatzfunktion von Vertragsstrafen somit einrichterliches Ermäßigungsrecht ein, das es - anders als das ALR - an keine feste Grenze koppelt und im Grunde dem Urteil der Sachverständigen überläßt. Für Darlehn tritt außerdem noch der zulässige Höchstzins als äußerste Grenze hinzu. Diese Regelung ist das Ergebnis einer kontroversen Diskussion in den vorbereitenden Beratungen. Im Urentwurf von 1796 (§ 38) hatte sich noch die Formulierung gefunden, der Betrag der Strafe dürfe "das erweisliche Doppelte Interesse nicht übersteigen"34. In den weiteren Beratungen der Gesetzgebungskommission hinsichtlich des Urentwurfs wurden bezüglich dieser Vorschrift jedoch viele kritische Stimmen laut, deren Tenor in der Behauptung bestand, den Parteien müsse "die Freiheit unbenommen bleiben", den Betrag festzulegen, da "sie am besten beurtheilen und berechnen können, welcher Schade ihnen entste-

3 2 Wieacker, Privatrechtsgeschichte der Neuzeit, S. 335; Gmür, Grundriß der deutschen Rechtsgeschichte, Rn 322; Schlosser, Grundzüge der Neueren Privatrechtsgeschichte, S. 111 f. 3 3 Allgemeines bürgerliches Gesetzbuch für die gesammelten Deutschen Erbländer der Oesterreichischen Monarchie, Wien 1811. 3 4 Der Urentwurf und die Berathungs-Protokolle des Oesterreichischen Allgemeinen bürgerlichen Gesetzbuches, hrsg. von Dr. Julius Ofner, II. Band, Wien 1889, § 38, S. 201.

148

Kapitel 7: Die Naturrechtskodifikationen

hen werde"35. In der Kommission bildete sich offenbar eine Mehrheit, die den Paragraphen entweder weglassen oder so abändern wollte, daß abgesehen von den Darlehnsverträgen die Höhe der Strafe der "vollen Freiheit" der Parteien überantwortet würde36. Franz von Zeiller verbesserte daraufhin schon im Protokoll den Urentwurf durch eine Randbemerkung dergestalt, daß er die Formulierung, der Betrag dürfe stets das "erweisliche doppelte Interesse" nicht übersteigen, ersatzlos strich37. In einem späteren Bearbeitungsgang warf das Kommissionsmitglied v. Pratobevera aber erneut die eigentlich längst entschiedene Frage auf, ob die Höhe von Vertragsstrafen abgesehen von den Darlehnsfällen "moderiert" werden könne. Die Beratungsprotokolle enthalten die Formulierung, dies "schiene [ihm] nicht deutlich zu sein"38. Angesichts des protokollierten Mehrheitsvotums zugunsten der Vertragsfreiheit ist das reichlich unverständlich. Jedenfalls schlug von Pratobevera vor, für den Fall der vom Schuldner erwiesenen Übermäßigkeit ein richterliches Ermäßigungsrecht vorzusehen39. Sein Vorschlag wurde - offenbar ohne erneute Diskussion - angenommen und schließlich Gesetz. Ob die Kommission dadurch bewußt von der ursprünglich in Aussicht genommenen Freiheit der Strafhöhe abweichen wollte, läßt sich nicht mit völliger Sicherheit sagen. Es drängt sich jedoch geradezu der Eindruck auf, als habe man die unter dem Druck der damaligen Mehrheit zustandegekommenen früheren Beschlüsse ohne große Auseinandersetzung stillschweigend ignoriert. Von § 1336 ABGB nicht beantwortet wurde die Frage nach den genauen Voraussetzungen für dierichterliche Ermäßigung. Das Gesetz spricht nur von einer erwiesenen Übermäßigkeit, ohne diese zu definieren. Der Kommentar Franz von Zeillers aus dem Jahr 1813 löst das Problem auch nicht ausdrücklich, da er keine direkten Anhaltspunkte für die Bewertung liefert. In einer Fußnote findet sich allerdings der Hinweis, das ALR begrenze Vertragsstrafen auf das "doppelte erweisliche Interesse"40. Daß sich ebendiese Formulierung auch im Urentwurf des ABGB fand und die weiteren Beratungen gleichsam nicht überstanden hat, sagt von Zeiller an dieser Stelle nicht. Durch den für das Verständnis des § 1336 ABGB eigentlich irrelevanten Hinweis auf das ALR erweckt von Zeiller aber 3 5

Der Urentwurf und die Berathungs-Protokolle, § 38, S. 202.

3 6

Der Urentwurf und die Berathungs-Protokolle, § 38 a.E., S. 202.

3 7

Der Urentwurf und die Berathungs-Protokolle, § 38, S. 202 Fn 1.

3 8

Der Urentwurf und die Berathungs-Protokolle, § 1314, S. 577.

3 9

Der Urentwurf und die Berathungs-Protokolle, § 1314, S. 577.

4 0

von Zeiller , Commentar über das allgemeine bürgerliche Gesetzbuch für die gesammelten Deutschen Erbländer der Oesterreichischen Monarchie, Vierter Band, Wien, Triest 1813, S. 776.

II. Die Begrenzung der Vertragsstrafe in den Naturrechtskodifikationen

149

unwillkürlich den Eindruck, als sei das Doppelte des Schadens letztlich auch für die Bestimmung der Übermäßigkeit im Sinne des § 1336 ABGB ein geeigneter Maßstab. Auch nach Erlaß des ABGB im Jahre 1811 hat sich die Diskussion über die zulässige Höhe von Vertragsstrafen in Österreich nicht beruhigt. Nach wie vor wurde die Entscheidung des Gesetzgebers kritisiert, da sie den Zweck der Vertragsstrafe, nämlich einen Rechtsstreit über die Höhe des entstandenen Schadens zu vermeiden, im Interesse des Schuldners vereitele41. Auf die Geltung der Vorschrift hatte das freilich keinen Einfluß. Als im Jahre 1903 die achte Auflage des Kommentars von Stubenrauch42 erschien, konnte er bereits einige Änderungen schildern, welche die Vertragsstrafe stärker der Vertragsfreiheit überließen. Insbesondere war die Beschränkung auf den zulässigen Höchstzins bei Vertragsstrafen in Darlehnsverträgen 1868 durch Gesetz aufgehoben worden. Dies muß im Zusammenhang mit der allgemeinen Entwicklung zur Zinsfreiheit gesehen werden. So wurde in Österreich durch Gesetz vom 14.12.1866 zunächst das Zinsmaximum aufgehoben. Durch ein zweites Gesetz vom 14.6.1868 wurde dann sogar der Wuchertatbestand gestrichen43. Außerdem gab der bereits beschriebene Art. 284 Abs. 1 des ADHGB die Höhe der Vertragsstrafe unter Kaufleuten frei. Im nichtkaufmännischen Bereich fand das in § 1336 ABGB normierte "allgemeine" Ermäßigungsrecht indes durchaus Berücksichtigung, wie die von Stubenrauch zitierten Entscheidungen zeigen44. Auch Stubenrauch sagt nicht direkt, unter welchen Voraussetzungen eine Vertragsstrafe als übermäßig gilt. Wenn er aber formuliert "Bei Handelsgeschäften unterliegt die Conventionalstrafe ... keiner Beschränkung und kann auch das Doppelte überschreiten", so kann man daraus nur schließen, daß das Doppelte des entstandenen Schadens auch für ihn in der Regel die Grenze darstellt, ab der eine Strafe als maßlos gelten muß, zumal Art. 284 ADHGB dies durch seine Formulierung in gewisser Weise suggeriert.

4 1 Hasenöhrl, Das oesterreichische Obligationenrecht, Band 1, Wien 1881, S. 514; Kirchstetter, Commentar zum Oesterreichischen Allgemeinen bürgerlichen Gesetzbuche, 2. Aufl. Leipzig und Wien 1872, S. 626. 4 2 Stubenrauch, Commentar zum österreichischen allgemeinen bürgerlichen Gesetzbuche, 2. Band, 8. Aufl. Wien 1903, S. 733. 4 3

Luig, Vertragsfreiheit und Äquivalenzprinzip, Festgabe für H. Coing zum 70. Geburtstag, p. 171/177. 4 4 Stubenrauch, Commentar zum österreichischen allgemeinen bürgerlichen Gesetzbuche, 2. Band, 8. Aufl. Wien 1903, S. 733 Fn 1.

11 Sossna

Kapitel 7: Die Naturrechtskodifikationen

150

Im Ergebnis entschied das ABGB sich - anders als der Codex Maximilianeus und der Code civil - für einrichterliches Ermäßigungsrecht. Im Gegensatz zum ALR wurde die Grenze des Zulässigen bewußt nicht auf das Doppelte des entstandenen Schadens festgelegt. Es hat jedoch den Anschein, als sei die Regel des § 1336 ABGB im Wege der Auslegung der entsprechenden preußischen Vorschrift und dem Zeillerschen Urentwurf weitgehend angenähert worden.

III. Zusammenfassung Die Naturrechtskodifikationen spiegeln den Meinungsstreit des 17. und 18. Jahrhunderts über die Frage der Begrenzung von Vertragsstrafen wieder - zum Teil mit umgekehrten Vorzeichen: So bricht etwa der Code civil mit der französischen Tradition von Dumoulin bis Pothier und das ALR mit der herrschenden Lehre des Usus modernus Pandectarum. Allerdings kristallisieren sich aus der Vielfalt der Ansichten zwei grundsätzliche Standpunkte heraus: Zwei Kodifikationen (Codex Maximilianeus, Code civil) geben die Höhe von Vertragsstrafen frei, die beiden anderen (ALR, ABGB) unterwerfen sie einerrichterlichen Kontrolle. Das flexible richterliche Ermäßigungsrecht wird endgültig zum Gegenpol der liberalen Freigabe der Strafhöhe. Eine strenge Anwendung der von C.7.47.1 vorgeschriebenen starren Duplum-Grenze wird von niemandem mehr vertreten. Die Duplum-Grenze wird dadurch jedoch keineswegs hinfällig. Sie wird zu einer Richtschnur, an der sich der Richter bei seiner vertragsgestaltenden Tätigkeit orientieren muß - so das ALR - oder sich nach dem Urteil der Rechtswissenschaftler jedenfalls orientieren kann - so das ABGB. Hinweise auf spezifisch naturrechtliche Einflüsse finden sich weder in den Naturrechtskodifikationen und den sie begleitenden Materialien noch in der Literatur des 18. und 19. Jahrhunderts. Das preußische und österreichische Recht setzen demnach auf die richterliche Kontrolle der Parteivereinbarungen, während der Codex Maximilianeus und der Code civil sich auf die Vertragsfreiheit verlassen. Diese Erkenntnis deckt sich mit den landläufigen Vorstellungen über den fürsorglich-bevormundenden Charakter des ALR 4 5 und den demgegenüber revolutionär-freiheitlichen Geist des Code civil, den jüngst Bürge angezweifelt hat46. Man kann indes nicht verhehlen, daß die Regelung des Codex Maximilianeus, dem häufig eine gewisse Al-

4 5

Wieacker , Privatrechtsgeschichte der Neuzeit, S. 333.

4 6

Bürge , Das französische Privatrecht, S. 89.

III. Zusammenfassung

151

tertümlichkeit nachgesagt wird 47, sich dieser Einteilung entzieht. Die von Wehler aufgestellte These, die Naturrechtskodifikationen trügen Elemente einer "Modernität" in sich48 - wobei "Modernisierung" in wirtschaftlicher und politischer Hinsicht als Einführung eines durch staatliche Intervention kontrollierten Industriekapitalismus verstanden wird 49 -, findet in unserer Frage keine rechte Bestätigung. Zum einen zeigt das Maß der staatlichen Kontrolle im 17. und 18. Jahrhundert keine einheitliche Tendenz. Zum anderen markieren die Gesetzbücher so sehr die gegensätzlichen Positionen einer jahrhundertealten Diskussion, aus der sie nahtlos hervorgehen, daß der Eindruck einer "neuen", zielgerichteten "historischen Evolution"50, wie sie Wehler vermutet, nicht entsteht. Abschließend bleibt allerdings festzustellen, daß die einzelnen Vorschriften der Naturrechtskodifikationen sich im Laufe ihrer weiteren Entwicklung durch Interpretation aufeinanderzubewegt haben. Das ALR wurde - wie der Codex Maximilianeus, das ABGB und nicht zuletzt das gemeine Recht - bereits im Laufe des 19. Jahrhunderts durch liberalere Gesetze (ADHGB, Zinsgesetze) überlagert. Der Code civil führte 1975 das ursprünglich abgelehnte richterliche Ermäßigungsrecht schließlich doch noch ein.

4 7

Wieacker,

4 8

Wehler, Deutsche Gesellschaftsgeschichte I, S. 22.

4 9

Wehler, Deutsche Gesellschaftsgeschichte I, S. 14.

5 0

Wehler, Deutsche Gesellschaftsgeschichte I, S. 21.

Privatrechtsgeschichte der Neuzeit, S. 327.

Kapitel

Das 19. Jahrhundert und die Historische Rechtsschule

I. Einführung in die Epoche Das römische Recht in Deutschland hatte zu Beginn des 19. Jahrhunderts aus zwei Gründen an Bedeutung eingebüßt. Zum einen beseitigte die Abdankung des letzten deutschen Kaisers im Jahre 1806 das Reich als Institution und damit auch das Reichsrecht. Zum anderen wurde die Geltung des römischen Rechts in mehreren wichtigen Territorien, insbesondere in Preußen, Österreich und im Rheinland, durch das Inkrafttreten des ALR, ABGB oder des Code civil beseitigt1. Trotz dieser Situation sinkender Bedeutung kam es zu einer Wiederbelebung des römischen Rechts, die von den Universitäten ausging. Sie war geprägt durch die auf Friedrich Carl von Savigny zurückgehende Historische Rechtsschule, welche besonders den geschichtlichen Charakter der Rechtswissenschaft betonte2. Die Historische Rechtsschule hatte einen romanistischen und eine germanistischen Zweig. Erstere widmete sich der Erforschung des klassischen römischen Rechts, wobei sie sich praktisch allerdings auf die im Corpus iuris Justinians überlieferten Fragmente stützte, und faßte die Ergebnisse in systematischen Lehrbüchern zusammen3. Die Germanisten versuchten, aus germanischen Quellen für die vom römischen Recht nicht erfaßten Materien ein eigenes System zu erstellen, in dem die Vertragsstrafe allerdings nicht vorkam.

1

Koschaker, Europa und das römische Recht, S. 255 f.

2

Rückert, Idealismus, Jurisprudenz und Politik bei Friedrich Carl von Savigny, S. 423 f.; Koschaker , Europa und das römische Recht, S. 254 f.; Wieacker , Privatrechtsgeschichte der Neuzeit, S. 367; WesenbergfWesener, Neuere deutsche Privatrechtsgeschichte, S. 170 f.; Schlosser , Grundzüge der Neueren Privatrechtsgeschichte, S. 121. 3 Wieacker , Privatrechtsgeschichte der Neuzeit, S. 394; Wesenberg/Wesener , Neuere deutsche Privatrechtsgeschichte, S. 171 f.; Schlosser , Grundzüge der Neueren Privatrechtsgeschichte, S. 124.

II. Die Begrenzung von Vertragsstrafen in der deutschen Pandektistik

153

IL Die Begrenzung von Vertragsstrafen in der deutschen Pandektistik Untersucht man die Literatur des 19. Jahrhunderts zum geltenden römischen Recht auf die Frage nach der Begrenzung der Vertragsstrafe, so findet sich ein ungewöhnliches Bild vollständiger Eintracht. Nachdem Glück sich in seinen "Ausführlichen Erläuterungen" im Jahre 1796 in der Frage der zulässigen Strafhöhe für die Vertragsfreiheit entschieden hatte4, ist die Diskussion abgeflaut. Das römische Recht wird einhellig so interpretiert, daß die Vertragsstrafe keiner Begrenzung in Ansehung ihrer Höhe unterliegt5. Sie darf lediglich nicht dazu benutzt werden, um bei Darlehnsverträgen das gesetzliche Zinsmaximum zu umgehen6. Auch die Begründungen gleichen sich sehr. Als Beleg dafür, daß nach römischem Recht die Höhe der Vertragsstrafe nicht begrenzt ist, wird häufig D.4.8.11.2 herangezogen7. In diesem Paulusfragment findet sich die Aussage, bei gerichtlichen Vergleichen werde nicht danach unterschieden, ob die vereinbarte Vertragsstrafe größer oder kleiner ist. Noch häufiger findet sich ein Hinweis auf D.45.1.38.17 oder die Parallelstelle 1.3.19.19 mit der Aussage, bei Vertragsstrafen werde nicht auf das Interesse geachtet, sondern auf den Betrag

4

Vgl. oben S. 118 ff.

5

Härtel, Lehre vom Schadensersatz (1823), S. 104; Thibaut, System des Pandektenrechts (1823), § 115, S. 90; Liebe, Die Stipulation und das einfache Versprechen (1840), §24, S. 306; Wolff, Zur Lehre von der Mora (1841), S. 66; Vangerow, Leitfaden für Pandekten-Vorlesungen, B d 3 (1847), S. 336; Blume, System des in Deutschland geltenden Privatrechts (1852), S. 199; Savigny, Das Obligationenrecht (1853), § 80, S. 275; Holzschuher, Theorie und Casuistik des gemeinen Zivilrechts, Bd. 3 (1864), S. 344; Keller, Pandekten, Bd. 1 (1866), S. 496; Neuenfeldt, Ist die Conventionalstrafe ihrem Grundprincipe nach Strafe oder Ersatzleistung? (1885), § 26, S. 41; Pergament, Konventionalstrafe und Interesse (1896), S. 94; Specka, Die Conventionalstrafe als Interesseersatz (1897), S. 25; Schleipen, Die Konventionalstrafe nach Gemeinem Recht verglichen mit der Vertragsstrafe des deutschen bürgerlichen Gesetzbuchs (1898), S. 25; Lübbe, Die Vertragsstrafe (1900), S. 22; Dernburg, Pandekten, Bd. 2 (1903), S. 132 6 Thibaut, System des Pandektenrechts (1823), S. 90; Liebe, Die Stipulation und das einfache Versprechen (1840), S. 307; Vangerow, Leitfaden für Pandekten-Vorlesungen, B d 3 (1847), S. 337; Savigny, Das Obligationenrecht (1853), § 80, S. 282; Holzschuher, Theorie und Casuistik des gemeinen Zivilrechts, Bd. 3 (1864), S. 345; Schleipen, Die Konventionalstrafe nach Gemeinem Recht verglichen mit der Vertragsstrafe des deutschen bürgerlichen Gesetzbuchs (1898), S. 26. 7

Thibaut, System des Pandektenrechts (1823), S. 90; Vangerow, Leitfaden für PandektenVorlesungen, Bd. 3 (1847), S. 336; Keller, Pandekten, Bd. 1 (1866), S. 496; Specka, Die Conventionalstrafe als Interesseersatz (1897), S. 25; Lübbe, Die Vertragsstrafe (1900), S. 2 2

154

Kapitel 8: Die Historische Rechtsschule

und die Bedingung des Versprechens8. Häufig wird auch das Fragment D.21.2.56 pr. genannt, welches beim Kauf zumindest ein Versprechen auf das Vierfache zuzulassen scheint9. Alle vier Textstellen begleiten die Diskussion zu unserer Frage seit der Zeit der Kommentatoren, einige von ihnen wurden bereits von den Glossatoren zitiert 10. Die justinianische Konstitution C.7.47.1 wird demgegenüber zumeist nicht erwähnt. Wenn sie genannt wird, so wird in der Regel ein Bezug dieser Vorschrift zur Vertragsstrafe geleugnet. Sie beziehe sich - so wird argumentiert nur auf die Höhe des Schadensersatzes11. Warum die Konstitution den Begriff "poena" ausdrücklich verwendet, wird in der Regel nicht erörtert. Allein Schleipen zitiert eine Entscheidung des AG Celle aus dem Jahr 1871, die sich darauf beruft, das Wort "poena" werde im allgemeinen Sinne "zur Bezeichnung einer jeden nachteiligen Folge gesetzwidrigen Handelns gebraucht"12. Der Kern dieses Arguments ist wohl die Behauptung, daß Justinian die Bezeichnung "poena" im untechnischen Sinn verwendet hat. Man ging offenbar davon aus, der oströmische Kaiser habe das, was er "obiter" zur Begründung sagte, nicht als ernsthafte Anordnung gemeint. Diese Deutung ist alles andere als befriedigend. Möglicherweise haben sich die untersuchten Autoren mit dieser Interpretation zufriedengegeben, weil die Konstitution insgesamt als Fremdkörper im System des römischen Rechts erachtet wurde, der von je her viele Zweifel und Streitigkeiten hervorgerufen habe. So schreibt etwa F. Mommsen:

ö Vangerow, Leitfaden für Pandekten-Vorlesungen, B d 3 (1847), S. 336; Savigny, Das Obligationenrecht (1853), § 80, S. 275; Holzschuher , Theorie und Casuistik des gemeinen Zivilrechts, B d 3 (1864), S. 344; Keller , Pandekten, Bd. 1 (1866), S. 496; Pergament , Konventionalstrafe und Interesse (1896), S. 94; Specka , Die Conventionalstrafe als Interesseersatz (1897), S. 26; Lübbe, Die Vertragsstrafe (1900), S. 22. 9 Hänel , Lehre vom Schadensersatz (1823), S. 104; Liebe , Die Stipulation und das einfache Versprechen (1840), S. 306; Vangerow , Leitfaden für Pandekten-Vorlesungen, B d 3 (1847), S. 336; Neuenfeldt , Ist die Conventionalstrafe ihrem Grundprincipe nach Strafe oder Ersatzleistung? (1885), § 26, S. 41; Schleipen , Die Konventionalstrafe nach Gemeinem Recht verglichen mit der Vertragsstrafe des deutschen bürgerlichen Gesetzbuchs (1898), S. 25; Lübbe, Die Vertragsstrafe (1900), S.

22. 1 0

Die Fragmente sind oben Kapitel 1, S. 11 ff. abgedruckt

1 1

Liebe, Die Stipulation und das einfache Versprechen (1840), S. 306; Vangerow , Leitfaden für Pandekten-Vorlesungen, B d 3 (1847), S. 336; Holzschuher , Theorie und Casuistik des gemeinen Zivilrechts, Bd. 3 (1864), S. 344; Neuenfeldt , Ist die Conventionalstrafe ihrem Grundprincipe nach Strafe oder Ersatzleistung? (1885), § 26, S. 41; Schleipen , Die Konventionalstrafe nach Gemeinem Recht verglichen mit der Vertragsstrafe des deutschen bürgerlichen Gesetzbuchs (1898), S. 26. 1 2

Seuffert's Archiv 26, Nr. 120.

II. Die Begrenzung von Vertragsstrafen in der deutschen Pandektistik

155

Es dürfte auch wenige Gesetze von Justinian geben, die auf der einen Seite so wenig innere Gründe für sich haben, auf der anderen Seite so unbestimmt und nachlässig gefaßt sind 1 ^

Neben diesem Argument aus der Systematik des römischen Rechts finden sich vereinzelt auch allgemeine Nützlichkeitserwägungen. So wird etwa auf den Sinn einer Strafvereinbarung verwiesen, einen Prozeß über die Höhe des entstandenen Schadens zu vermeiden14, oder darauf, daßrichterliche Bevormundung dem freien Verkehr schaden könne und daher nicht in die Zeit passe15. Zu beachten ist dabei, daß die freie Strafhöhe nicht unbedingt mit "pönalen" Erwägungen begründet wurde. Sie wurde vielmehr mit der Schadensersatzfunktion der Vertragsstrafe in Einklang gebracht. Davon zeugen teilweise schon die Titel der Monographien zu unserer Thematik. Specka nennt sein Werk "Die Konventionalstrafe als Interesseersatz", Pergament "Konventionalstrafe und Interesse", und Mommsen faßt unsere Frage sogar völlig unter die "Lehre vom Interesse". Insofern bedarf die Ansicht Fischers16, wonach die Straffunktion der Vertragsstrafe im 19. Jahrhundert wieder "in den Vordergrund gerückt" sei, einer vorsichtigen Relativierung. Der größte Teil der untersuchten Autoren begründet seine Auffassung allerdings überhaupt nicht und erweckt so den Eindruck, daß die Frage der Begrenzung von Vertragsstrafen keine besondere Bedeutung besaß und in keiner Weise umstritten war. Esfinden sich auch nur sehr wenige Hinweise auf ältere Autoren. Vereinzelt werden Donellus (Comment. iur. civ. Lib. XXVI, cap. 20, 24) 17 , Lauterbach (Dissertatio)1*, Cujaz (Observationes Liber XVI. cap. 34) 19 und Glück (Erläuterungen IV., § 340) 20 genannt. Glück ist in der Reihe dieser Autoren der zuletzt genannte. Es hat den Anschein, als habe seine Argumentation hinsichtlich der Verschiedenheit von Strafe und Schadensersatz entscheidend zu ^

Mommsen, Zur Lehre von dem Interesse (1855), S. 235.

1 4

Savigny, Das Obligationenrecht (1853), § 80, S. 275; Hohschuher, Theorie und Casuistik des gemeinen Zivilrechts, Bd. 3 (1864), S. 344; Pergament, Konventionalstrafe und Interesse (1896), S. 39. 1 5

Specka, Die Conventionalstrafe als Interesseersatz (1897), S. 29.

1 6

Fischer, Vertragsstrafe und vertragliche Schadenspauschalisierung (1984), S. 24.

1 7

Hänel, Lehre vom Schadensersatz (1823), S. 104;

1 8

Thibaut, System des Pandektenrechts (1823), S. 90; Vangerow, Leitfaden für PandektenVorlesungen, Bd. 3 (1847), S. 334; Neuenfeldt, Ist die Conventionalstrafe ihrem Grundprincipe nach Strafe oder Ersatzleistung? (1885), § 26, S. 41. 1 9 Neuenfeldt, (1885), § 26, S. 41.

Ist die Conventionalstrafe ihrem Grundprincipe nach Strafe oder Ersatzleistung?

2 0 Vangerow, Leitfaden für Pandekten-Vorlesungen, Bd. 3 (1847), S. 334; Hohschuher, Theorie und Casuistik des gemeinen Zivilrechts, Bd. 3 (1864), S. 344.

156

Kapitel 8: Die Historische Rechtsschule

der allgemeinen Überzeugung beigetragen, daß C.7.47.1 für Strafen nicht gilt, auch wenn die Vorschrift in terminologisch unscharfer Weise von "poenae" spricht. Im Rückblick auf den Rechtszustand vor Erlaß des BGB schreibt Dernburg im Jahre 1903, die gemeinrechtliche Praxis habe einrichterliches Ermäßigungsrecht zum Schutz des Schuldners vor Ausbeutung mangels Rechtsgrundlage "nicht gewagt"21. Davon kann indes keine Rede sein. Die Juristen des 19. Jahrhunderts haben vielmehr die mögliche Rechtsgrundlage C.7.47.1 von Anfang an aus der Betrachtung ausgeblendet und durch die geringe Aufmerksamkeit, die sie der Thematik schenkten, zu erkennen gegeben, daß sie eine Beschränkung von Vertragsstrafen nicht für erforderlich hielten.

III. Rechtsprechung Ein Blick auf die Rechtsprechung des 19. Jahrhunderts offenbart eine entsprechende Angleichung. Drei Urteile sollen hier exemplarisch dargestellt werden. Im Jahre 1852 hatte das Oberappelationsgericht zu Cassel über folgenden Rechtsfall22 zu entscheiden: Der Kläger hatte vom Beklagten zwei Zugochsen zum Preise von 75 Talern gekauft. Die Lieferung hatte am 7. Juni 1849 erfolgen sollen. Für den Fall einer Verzögerung war ein "Conventioneller Schadensersatz" in Höhe von 2 Talern pro Tag vereinbart worden. Das Gericht ging davon aus, daß die Strafe lediglich der Sicherung des Interessen dienen solle und begrenzte die Höhe der Vertragsstrafe unter ausdrücklicher Bezugnahme auf C.4.47.1 auf das Doppelte des vereinbarten Kaufpreises, d.h. auf 150 Taler. Eine nähere Begründung für die Heranziehung der justinianischen Kodifikation gab das Gericht nicht an. Eine gute Dekade später entschied das Obertribunal zu Berlin im Jahre 1864 einen durchaus ähnlichen Fall anders23. Es ging dabei um einen Kauf von 700 Eimern Spiritus, die in monatlichen Raten zu je 100 Eimern geliefert werden sollten. Für den Fall der Säumnis hatten die Parteien ein Rücktrittsrecht des Käufers und eine Vertragsstrafe von 1 Taler pro Eimer nicht gelieferten Spiritus

2 1

Dernburg , Pandekten, 2. B d (1903), S. 132.

2 2

Seuffert's Archiv 11, Nr. 224.

2 3

Seuffert's Archiv 18, Nr. 129.

IV. Die Rechtsprechung des Reichsgerichts

157

"als Entschädigung" vereinbart. Die Besonderheit gegenüber dem zuerst beschriebenen Fall bestand darin, daß der Käufer (!) Kaufmann war. Das Gericht stützte seine Entscheidung auf den bereits genannten Art. 284 ADHGB und führte aus, die vereinbarte Vertragsstrafe unterliege in Ansehung ihres Betrages keiner Beschränkung. Dies erscheint auf den ersten Blick zwingend. Man muß aber wohl hervorheben, daß das Gericht die handelsrechtliche Vorschrift zu Lasten des Verkäufers heranzog, obwohl dieser kein Kaufmann war. Es ging dabei davon aus, daß bei Beteiligung eines Kaufmanns alle am Geschäft beteiligten Personen der Vorschrift des Art. 284 ADHGB unterfallen, und grenzte so die Möglichkeiten, einen voreiligen Schuldner vor überhöhten Strafversprechen zu schützen, sehr ein. Ausgerechnet wenn der Versprechende also mit einem - ihm im Zweifel an Erfahrung überlegenen - Kaufmann kontrahiert, wird er hinsichtlich überhöhter Vertragsstrafen nicht geschützt. Im Jahre 1871 entschied schließlich das Appelationsgericht zu Celle, die Höhe einer Vertragsstrafe unterliege weder den Schranken von C.4.47.1 noch einem allgemeinenrichterlichen Ermäßigungsrecht (Leitsatz)24. Die Entscheidung, die den Tatbestand des vorliegenden Falles nicht beschreibt, ist recht ausführlich begründet. Hinsichtlich der Nichtanwendbarkeit von C.4.47.1 nennt sie nahezu alle Argumente, die in der Rechtslehre des 19. Jahrhunderts eine Rolle gespielt hatten - insbesondere die Fragmente des Corpus iuris, die für eine freie Strafhöhe sprechen. Insoweit kann auf die Ausführungen zu II. verwiesen werden. Der Senat beruft sich auch ausdrücklich auf die "angesehensten Rechtslehrer" und zitiert Glück, Vangerow und Puchta. Ein allgemeinesrichterliches Ermäßigungsrecht wird abgelehnt, weil es "einen Eingriff in die allgemeine Freiheit der Vertragsschließung" darstellen würde. Damit liegt das letzte der hier behandelten Urteile ganz auf der Linie der Pandektenwissenschaft.

IV. Die Rechtsprechung des Reichsgerichts Das im Jahre 1879 eingerichtete Reichsgericht hat sich vor dem Inkrafttreten des BGB - soweit ersichtlich - nur in zwei Fällen mit der zulässigen Höhe von

2 4

Seuffert's Archiv 26, Nr. 120 (Die Entscheidung wurde auf S. 154 Fn 12 bereits zitiert.).

Kapitel 8: Die Historische Rechtsschule

158

Vertragsstrafen beschäftigt. Beide Urteile behandeln Rechtsfälle, auf die preußisches Recht anzuwenden war, d.h. insbesondere die Vorschriften der §§ 300 302 ALR I 5 2 5 . Obwohl diese Vorschriften die Vertragsstrafe einer strengen Begrenzung unterwerfen, hat das Reichsgericht scheinbar nie eine Strafherabsetzung ausgesprochen. In dem ersten Urteil 26 aus dem Jahre 1884 handelt es sich um einen dem Handelsrecht unterfallenden Sachverhalt. Daher kam Art. 284 ADHGB zur Anwendung, der die Strafhöhe freigab. In seinem zweiten Urteil 27 aus dem Jahre 1890 lehnte das Gericht eine Herabsetzung mit der Begründung ab, die vereinbarte Strafe überschreite nicht das Interesse. Insgesamt enthalten die genannten Urteile für sich nichts Neues. Erwähnenswert erscheint allein, daß das Reichsgericht über unsere Frage offenbar nie auf der Grundlage des Code civil, des Codex Maximilianeus oder des gemeinen Rechts entschieden hat. Vieles spricht dafür, daß die Rechtslage (freie Strafhöhe) insoweit abschließend geklärt war.

V. Einfluß auf die Gesetzgebung Die einheitliche Ansicht der deutschen Pandektistik in der Frage der Begrenzung von Vertragsstrafen fand ihren Niederschlag in einer Reihe von Gesetzen. Das ADHGB von 1861, dessen Art. 284 Abs. 1 die Höhe von Vertragsstrafen unter Kaufleuten freigab, wurde bereits genannt28, ebenso die Zinsgesetze von 1867 und 186829. Ein getreues Abbild der wissenschaftlichen Überzeugung war aber auch § 1430 des Sächsischen Bürgerlichen Gesetzbuchs30 von 1863, welches im Jahre 1865 in Kraft trat. Die Vorschrift bestimmte folgendes: Die Größe der Strafe hängt von dem Übereinkommen der Vertragsschließenden ab. Wird sie wegen verspäteter Entrichtung einer Geldschuld versprochen, so

2 5

Vgl. oben S. 140 ff.

2 6

RGZ 12,25.

2 7

RGZ 26,93.

2 8

Siehe oben Kapitel 7, S. 142.

2 9

Siehe oben Kapitel 7, S. 143,149.

Das Bürgerliche Gesetzbuch für das Königreich Sachsen nach den hierzu ergangenen Entscheidungen der Spruchbehörden erläutert und unter Berücksichtigung der neueren Gesetzgebung hrsg. von F. A. Wengler und H. A. Brachmann, 1. Band, Leipzig 1878.

VI. Würdigung

159

darf sie mit Einschluß der etwa versprochenen Zinsen den Betrag der Zinsen, welche von der bestimmten Erfüllungszeit bis zur Entrichtung der Schuld erlaubter Weise versprochen werden dürfen, nicht übersteigen.

Noch eindeutiger war der Dresdner Entwurf eines Obligationenrechts31 aus dem Jahre 1866, der bereits zu Zeiten des Deutschen Bundes eine Rechtsvereinheitlichung auf dem Gebiete des Schuldrechts anstrebte, wegen der Auflösung des Deutschen Bundes dann aber doch nicht Gesetz wurde32. Er bestimmte in Art. 127 in Anlehnung an Art. 284 Abs. 1 ADHGB: Die Conventionalstrafe unterliegt keiner Beschränkung in Ansehung des Betrages; sie kann das Doppelte des Interesses übersteigen, darf jedoch, wenn sie für die verspätete Bezahlung einer Geldschuld versprochen wird, mit Einschluß der vertragsmäßigen Zinsen, den Betrag der Zinsen nicht übersteigen, welche von der bestimmten Erfüllungszeit an bis zur Zahlung der Schuld nach den Landesgesetzen giltig versprochen werden können.

VI. Würdigung Im Ergebnis bedarf der Eindruck, daß die Pandektistik vor allem auf dem Umweg über die Gesetzgebung Einfluß auf die Rechtspraxis in Deutschland hatte33, einer gewissen Relativierung. Auch die Rechtsprechung zeigt zumindest in unserer Frage eine deutliche Ausrichtung auf die Rechtslehre. Betrachtet man die Argumentationsweise der Pandektisten, so fallt auf, daß für sie die "formale" Auswertung der justinianischen Quellen im Vordergrund stand. Primäres Ziel ihrer Bemühung war es, den wahren Aussagegehalt der Quellen zu erfassen und in eine systematische Ordnung zu bringen. So ist es letztlich die mangelnde Vereinbarkeit mit der Systematik der Vertragsstrafe im römischen Recht, aus der die Autoren die Berechtigung ableiten, C.7.47.1 einschränkend auszulegen und die Ausführungen Justinians hinsichtlich der Strafen als sprachlich mißglücktes "obiter dictum" zu ignorieren. Scheinbar nur am Rande finden Fragen nach der allgemeinen Nützlichkeit Beachtung. Überhaupt ist die Auseinandersetzung mit der Problematik überraschend wenig intensiv, wenn man bedenkt, daß es sich bei der Begrenzung der Vertragsstrafe um einen Jahrhunderte lang schwelenden Streit handelt. Insbesondere gibt es nur wenige Hinweise auf die

3 1 Entwurf eines allgemeinen deutschen Gesetzes über Schuldverhältnisse, hrsg. von B. Francke, Dresden 1866. 3 2 3 3

Gmür, Grundriß der deutschen Rechtsgeschichte, Rn 410.

Wieacker, sche Recht, S. 258.

Privatrechtsgeschichte der Neuzeit, S. 462 f.; Koschaker, Europa und das römi-

Kapitel 8: Die Historische Rechtsschule

160

ältere Literatur. In den spärlichen Zitaten tauchen am häufigsten die Namen Lauterbach und Glück auf. Die Humanisten Cujaz und Donellus werden demgegenüber viel seltener genannt, ältere Autoren gar nicht. Cujaz und Donellus werden dabei häufig widersprüchlich zitiert. So wird Cujaz z.T. fälschlich als Vertreter der strengen Begrenzung der Vertragsstrafe durch C.7.47.1 genannt, Donellus als Verfechter völliger Vertragsfreiheit. Da dieser Fehler bereits bei Glück zu verzeichnen war, liegt die Vermutung nahe, daß die Vertreter der Historischen Rechtsschule sich selbst nicht besonders intensiv mit älteren Schriften beschäftigt haben und sich statt dessen auf das nicht immer sichere Urteil Glücks verließen. Da die häufig genannte Dissertation Lauterbachs keine besonders prägnanten Argumente geliefert hatte, dürfte es am ehesten Glück zuzurechnen sein, daß die Frage nach der Begrenzung von Vertragsstrafen allgemein als abschließend geklärt angesehen wurde. Die von Glück gegen eine Anwendung von C.7.47.1 auf Vertragsstrafen ins Feld geführte Divergenz zwischen Schaden und Strafe erklärt jedoch für sich noch nicht, warum auch auf einrichterliches Ermäßigungsrecht nach dem Vorbild des ABGB verzichtet wurde. Man hat den Eindruck, als habe man ein solches Ermäßigungsrecht allein deshalb abgelehnt, weil es das römische Recht nicht kannte. Ob ein solcher Verzicht auch gerecht ist, wird kaum erörtert. Die spärlichen Hinweise auf die zu vermeidende Bevormundung des freien Verkehrs deuten indes darauf hin, daß das formal durch Auslegung der justinianischen Quellen gewonnene Ergebnis auch deshalb gemeinhin gutgeheißen wurde, weil es einer allgemeinen Überzeugung entsprach, wonach es für die wirtschaftliche und gesellschaftliche Entwicklung eines Landes am günstigsten ist, den Rechtsverkehr unter Privatpersonen dem Prinzip der Vertragsfreiheit zu überlassen. Die Herausbildung dieser Überzeugung steht in einem augenscheinlichen Zusammenhang mit der im 19. Jahrhundert im Bereich der Nationalökonomie dominierenden Doktrin34. In volkswirtschaftlicher Hinsicht war das 19. Jahrhundert in ganz Europa eine Epoche einschneidender Veränderungen in einem bis dahin nicht bekannten Ausmaß35. Wichtige Neuerungen ergaben sich insbesondere in der Landwirtschaft, die ihre Ertragsfähigkeit durch veränderte Anbautechniken (Fruchtwechselwirtschaft) sowie durch den Einsatz von Maschinen

3 4 Vgl. Kiefrier, Festschrift für Gmür, S. 53/76 f.; Hedemann , Die Fortschritte des Zivilrechts im X I X . Jahrhundert I, S. 1 f. 5

H n , in: Studienbuch Geschichte, S. 6 .

VI. Würdigung

161

und Kunstdünger erheblich steigern konnte36. Gleichzeitig wurden Arbeitskräfte in großer Menge freigesetzt, die aus den ländlichen Gebieten in die Städte abwanderten37. Verstärkt wurde diese Landflucht durch eine explosionsartige Bevölkerungszunahme, so daß der sich ausdehnenden städtischen Industrie ein unerschöpfliches Reservoir an preiswerten Lohnarbeitern zur Verfügung stand38. Die Führung auf dem Gebiet der technischen Erneuerung übernahm England. Dort bildete sich eine neue unternehmerischen Konzeption, welche Gewinne durch Verbilligung der Erzeugnisse bei gleichzeitiger Massenproduktion anstrebte39. Diese Veränderungen fanden Niederschlag und wissenschaftliche Absicherung in der Volkswirtschaftslehre. Es bildete sich eine neue Auffassung vom Sinn der Wirtschaft. Danach ging es nicht mehr länger nur um die Sicherung eines standesgemäßen Unterhalts innerhalb einer korporativen Organisation. Vielmehr stellte die auf den schottischen Moralphilosophen Adam Smith (1723-1790, sein Hauptwerk "Wealth of Nations" erschien 1776) zurückgehende Klassische Schule der Nationalökonomie die Forderung nach unbegrenzter wirtschaftlicher Freiheit auf. Nach ihrer Theorie werden Gleichgewicht und Harmonie der Wirtschaft durch die ungehinderte Verfolgung von Individualinteressen erreicht40. Der Staat hatte in diesem System konkurrierender und sich dadurch ausgleichender Individualinteressen nur die Funktion, die äußere Ordnung aufrechtzuerhalten. Jede weitere staatliche Einmischung sollte unterbleiben, die staatliche Wirtschaftspolitik sollte auf dem Prinzip des "laisser-faire" beruhen41. Die klassische Schule maß folglich dem Freihandel eine wesentliche Bedeutung bei. In England bildete sich eine sog. Freihandelsbewegung, deren Zentrum die nordenglische Textilmetropole Manchester war. Sie bekämpfte vor allem die englischen Getreidezölle. Die Bewegung war indes keineswegs auf England beschränkt. Die liberale Doktrin des "laisser-faire" fand vielmehr auch in Deutschland einflußreiche Anhänger, insbesondere in Preußen. Tatsächlich wurde der Freihandel in Preußen durch das Zollgesetz von 1818 sogar schneller

3 6

Hürten, in: Studienbuch Geschichte, S. 615 f.; Kellenbenz, Deutsche Wirtschaftsgeschichte, Bd. 2, S. 66 f. 3 7 Hürten, in: Studienbuch Geschichte, S. 616; Kellenbenz, Deutsche Wirtschaftsgeschichte, Bd. 2, S. 30 f. 3 8

Hürten, in: Studienbuch Geschichte, S. 613.

3 9

Hürten, in: Studienbuch Geschichte, S. 618 f.; Kellenbenz, Deutsche Wirtschaftsgeschichte, Bd. 2, S. 12. 4 0 Hürten, in: Studienbuch Geschichte, S. 619; Kellenbenz, Deutsche Wirtschaftsgeschichte, B d 2, S. 12. 4 1

Hürten, in: Studienbüch Geschichte, S. 620.

162

Kapitel 8: Die Historische Rechtsschule

verwirklicht als in England. Dort wurden die hart umkämpften Getreidezölle erst 1846 abgeschafft 42. Es wäre sicher eine zu enge Sichtweise, den beschriebenen Wunsch nach Freiheit allein dem Bereich des Wirtschaftslebens zuzusprechen. Es war für die allgemeine Durchsetzung jener freiheitlich-individualistischen Wirtschaftspolitik von entscheidender Bedeutung, daß das Ideal der Freiheit seit der französischen Revolution im Denken der Menschen insgesamt einen besonderen Stellenwert besaß. Man war erfüllt von dem Optimismus, mit Vernunft alles regeln zu können und hoffte, das freie Individuum werde sich harmonisch in die Gesellschaft einordnen. Je freier der einzelne war, desto sicherer glaubte man Fortschritt und soziale Ordnung garantiert. Solche "liberale" Ideen erfüllten die Geister in Deutschland von Fichte über Schiller und Humboldt bis Görres43. Die allgemeine Überzeugung in der deutschen Pandektistik des 19. Jahrhunderts, die Höhe einer Vertragsstrafe unterliege der freien Vereinbarung durch die Parteien, liegt somit uneingeschränkt auf der Linie der herrschenden Überzeugungen auf wirtschaftlichem und gesellschaftlichem Gebiet44. Es erscheint sogar äußerst wahrscheinlich, daß die nicht zuletzt von der Nationalökonomie propagierte Freiheitsethik maßgeblich dazu beigetragen hat, daß sich in der jahrhundertealten Kontroverse um die zulässige Höhe von Vertragsstrafen in der deutschen Pandektistik eine derartig einmütige Auffassung herausbilden konnte. Die klassische Schule der Nationalökonomie und ihre Lehren blieben freilich nicht ohne Widerspruch. Ihr erster bedeutender Gegner auf dem Kontinent war Friedrich List (1789-1846), der als Förderer einer deutschen Zollunion und des Eisenbahnbaus große Aufmerksamkeit erlangte. Er stellte im Gegensatz zur klassischen Schule die Bedeutung des Staates für die Ökonomie heraus, indem er durch historische Studien den Zusammenhang zwischen nationaler Macht und ökonomischem Erfolg nachwies45. Nach seinen Vorstellungen kam der Wirtschaft eine dienende Funktion zu. Staat und Gesellschaft bestimmten die Ziele, für deren Erreichung die Wirtschaft lediglich die erforderlichen Mittel zur Ver-

4 2 Hurten, in: Studienbuch Geschichte, S. 620; Kellenbenz , Deutsche Wirtschaftsgeschichte, Bd. 2, S. 14. 4 3

Kellenbenz , Deutsche Wirtschaftsgeschichte, Bd. 2, S. 11 f.

4 4

Vgl. zur Freiheitsethik allgemein: Winkel , in: Wissenschaft und Kodifikation des Privatrechts im 19. Jahrhundert, Band IV, S. 3/4; Wesenberg/Wesener, Neuere deutsche Privatrechtsgeschichte, S. 187; Schlosser , Grundzüge der Neueren Privatrechtsgeschichte, S. 130 f. 4 5

Hurten , in: Studienbuch Geschichte, S. 620.

VI. Würdigung

163

fiigung stellte46. Zum Aufbau einer heimischen Industrie sollte die Einführung von Schutzzöllen dienen47. Lists Vorstellungen hatten allerdings zunächst nur geringe Wirkung. Erst in den 70er Jahren fanden seine Ideen im Rahmen einer allgemeinen Abkehr von liberalen Positionen in Deutschland stärkere Beachtung. Es kam zu einem regelrechten Umschwung in den Anschauungen, der durch die Gründung des Vereins für Socialpolitik 1872/73, des Zentralverbandes Deutscher Industrieller 1875 und des Vereins der Steuer- und Wirtschaftsreformer maßgeblich ermöglicht wurde. Insbesondere letzterer wandte sich bald gegen liberale Gesetzgebung und Zollfreiheit 48. Als eigentliche Begründer der historischen Schule der Nationalökonomie gelten die deutschen Professoren Wilhelm Roscher (1817-1894) und Gustav von Schmoller (1838-1907). Die Historische Schule stellte durch ihre empirischen Untersuchungen die Allgemeingültigkeit vieler wirtschaftlicher Gesetze in Frage. Insbesondere formte sie unter dem Eindruck unübersehbarer sozialer Mißstände49 die Einsicht, daß man das Schicksal der Arbeiter nicht einfach den Zufälligkeiten des freien Kräftespiels überlassen dürfe 50. Überhaupt kennzeichnet die Historische Schule das Bestreben, nicht nur über die Mittel der Wirtschafts- und Sozialpolitik zu diskutieren, sondern auch über ihre Ziele zu urteilen. Ethische Erwägungen und allgemeine Gerechtigkeitsvorstellungen könnten, so meinte man, bei dem Streben um individuellen und nationalen Wohlstand nicht unberücksichtigt bleiben51. Dieses Eintreten für staatliche sozialpolitische Aktivitäten machte ihre Anhänger zu entschiedenen Kritikern des Wirtschaftsliberalismus und führte sie in Teilbereichen an sozialistische Zielvorstellungen heran52. Liberale Gegner bezeichneten Vertreter der Historischen Schule daher auch häufig unzutreffend als "Kathedersozialisten", obwohl es sich eigentlich um Sozialreformer handelte. Der Diskussion der deutschen Pandektistik hinsichtlich der Begrenzung von Vertragsstrafen merkt man von dieser seit der Mitte des 19. Jahrhunderts all-

4 6

Winkel, Volkswirtschaftslehre der neueren Zeit, S. 64.

4 7

Kellenbenz, Deutsche Wirtschaftsgeschichte, Bd. 2, S. 15.

4 8

Winkel, in: Wissenschaft und Kodifikation des Privatrechts im 19. Jahrhundert, Band IV, S.

3/6. 4 9 Winkel, in: Wissenschaft und Kodifikation des Privatrechts im 19. Jahrhundert, Band IV, S. 3/10; Kellenbenz, Deutsche Wirtschaftsgeschichte, Bd. 2, S. 28, 44. 5 0

Härten, in: Studienbuch Geschichte, S. 620; Kellenbenz, Deutsche Wirtschaftsgeschichte, B d 2, S. 15. 5 1 5 2

Winkel, Volkswirtschaftslehre der neueren Zeit, S. 69.

Winkel, in: Wissenschaft und Kodifikation des Privatrechts im 19. Jahrhundert, Band IV, S. 3/11; Hurten, in: Studienbuch Geschichte, S. 620.

164

Kapitel 8: Die Historische Rechtsschule

mählich aufkommenden volkswirtschaftlichen Gegenbewegung indes noch nichts an. Sie hielt ohne weiteres am Freiheitsdogma der Klassischen Schule nahezu bis zum Ende des Jahrhunderts fest. Insofern bestätigt sich die Einschätzung, daß die abstrakt-systematischen Lehrbücher der Pandektisten die Regeln lieferten, nach denen der freie Bürger in der Welt seiner subjektiven Rechten leben konnte - ohne Rücksicht auf das soziale Umfeld 53.

5 3

442.

Kiefner,

Festschrift für Gmür, S. 53/76; Wieacker , Privatrechtsgeschichte der Neuzeit, S.

Kapitel

Das Bürgerliche Gesetzbuch und die Arbeit der Kommissionen Nachdem die Pandektenwissenschaft des 19. Jahrhunderts eine Begrenzung von Vertragsstrafen so einmütig abgelehnt hatte, verdient das Gesetzgebungsverfahren, an dessen Ende mit § 343 Abs. 1 BGB schließlich doch eine Begrenzungsregel stand, besondere Aufmerksamkeit.

L Erste Kommission Die Entstehung des BGB erstreckte sich über einen Zeitraum von etwa 25 Jahren. Bevor der Gesetzesentwurf den eigentlichen Gesetzgebungsorganen - Bundesrat und Reichstag - zugeleitet werden konnte, mußte er zunächst in jahrelanger Kleinarbeit erstellt und überarbeitet werden. Diese Aufgabe übernahmen Expertenkommissionen, die eigens für diesen Zweck vom Bundesrat ins Leben gerufen wurden. Die erste Kommission nahm 1874 ihre Arbeit auf. Sie setzte sich aus elf Mitgliedern zusammen, sechs Richtern, drei Ministerialräten und zwei Rechtslehrern (Bernhard Windscheid und Paul von Roth). Den Vorsitz führte Heinrich Eduard Pape, der Präsident des Reichsoberhandelsgerichts. Maßgeblichen Einfluß erlangte der Praktiker Gottlieb Karl Georg Planck. Die Kommission entschied, das Bürgerliche Gesetzbuch nach dem Vorbild des Sächsischen Bürgerlichen Gesetzbuchs in fünf Bücher zu unterteilen. Für jedes Buch wurde einem Mitglied der Kommission die Erarbeitung eines Teilentwurfs übertragen. Ab 1881 versuchte dann die Kommission, die einzelnen Teilentwürfe zu einem Gesamtentwurf zu verschmelzen. Der Teilentwurf für das Recht der Schuldverhältnisse wurde Franz Philipp von Kübel übertragen. Da dieser während der Bearbeitung im Jahre 1884 verstarb, blieb der Teilentwurf unvollendet und wurde später durch das Obligationenrecht des Dresdner Entwurfs von 1866 ergänzt1.

1

Zum Gang der Gesetzgebungsarbeiten vgl. Staudinger/Coing,

12 Sossna

Einleitung vor § 1, Rn 74 ff.

166

Kapitel 9: Bürgerliches Gesetzbuch

1. Vorentwurf Der Vorentwurf des Schuldrechtsredaktors Kübel, in dessen Aufgabenbereich die Konventionalstrafe fiel, enthielt keinen Begrenzungsvorschlag hinsichtlich der Höhe der Vertragsstrafe. In seiner umfangreichen Begründung zum Vorentwurf folgt von Kübel den Ergebnissen der Pandektenwissenschaft und führt aus, die im Laufe der Geschichte häufig zur Begrenzung der Vertragsstrafe auf das Doppelte des Wertes des Obligationsgegenstandes herangezogene Konstitution Justinians C.7.47.1 sei nach herrschender Lehre des gemeinen Rechts "auf Konventionalstrafen völlig unanwendbar". Das Schweigen des Gesetzes an dieser Stelle sei als Votum für "die allgemeine Regel der unbeschränkten Vertragsfireiheit" aufzufassen. Für die Einführung eines dem gemeinen Recht unbekannten richterlichen Ermäßigungsrechts sei "kein genügender Grund" zu erblicken, zumal die Österreicher mit einer derartigen Regelung keine gute Erfahrung gemacht hätten2. Im Ergebnis spricht sich der Vorentwurf also eindeutig gegen jede Begrenzung der Vertragsstrafe aus. 2. Erster Entwurf Nach gründlichen Verhandlungen legte die Erste Kommission 1887 dem Bundesrat den aus den Vorentwürfen erarbeiteten Gesamtentwurf vor, der als Erster Entwurf bezeichnet wird. 1888 wurde er veröffentlicht 3. Der Erste Entwurf regelte die Vertragsstrafe in den §§ 420 bis 425. Eine Begrenzung sah er nicht vor. Mit dem Ersten Entwurf wurden auch die sogenannten Motive zu den einzelnen Büchern veröffentlicht. Diese Motive wurden von den Mitarbeitern der Kommission nach den ansonsten zunächst unveröffentlichten Materialien erstellt. Inzwischen sind auch die Protokolle der Sitzungen der Ersten Kommission bei Jakobs/Schubert abgedruckt4. Ausweislich der Protokolle ist das Problem der Höhe von Vertragsstrafen von der Kommission jedoch nicht behandelt worden. Zum Thema der Begrenzung der Vertragsstrafe stellen die Motive lapidar fest, eine derartige Beschränkung sei "nicht angezeigt". Die Höhe der Konventionalstrafe unterliege vielmehr "der freien Vereinbarung der Parteien, vorbehaltlich 1 Schubert (Hrsg.), Die Vorlagen der Redaktoren für die erste Kommission zur Ausarbeitung des Entwurfs eines Bürgerlichen Gesetzbuches, Recht der Schuldverhältnisse, Teil 1, Allgemeiner Teil, S. 345 f. 3 Entwurf eines Bürgerlichen Gesetzbuchs für das Deutsche Reich. Erste Lesung. Amtliche Ausgabe, Berlin und Leipzig 1888. 4 Jakobs/Schubert, Die Beratung des Bürgerlichen Gesetzbuchs in systematischer Zusammenstellung der unveröffentlichten Quellen.

I. Erste Kommission

167

der reichsgesetzlichen Bestimmungen über den Wucher" 5 . Damit folgt der Erste Entwurf in der Sache und auch in der Begründung dem Vorentwurf von Kübels ohne Einschränkung und steht damit ganz auf dem Boden der allgemeinen Überzeugung in der Pandektistik. Der Erste Entwurf rief in der juristischen Fachwelt eine lebhafte Diskussion und teilweise auch heftige Kritik hervor. Allein ein vom Reichsjustizamt zusammengestellter Auszug aus den kritischen Äußerungen umfaßte bereits sechs Bände 6 . Ein Hauptpunkt der Kritik war neben der mangelnden Volksnähe ganz allgemein die fehlende soziale Ausrichtung 7 .

3. Die Diskussion auf dem 20. Deutschen Juristentag Dieser Vorwurf traf auch die Vorschriften zur Vertragsstrafe. Aufschlußreich für den Verlauf der Diskussion sind die Protokolle des 20. Deutschen Juristentages im Jahre 1889. Die Meinungen waren geteilt. Auf der einen Seite gab es entschiedene Befürworter des Entwurfes 8. Sie griffen im wesentlichen die Argumente der Pandektistik auf und führten sie näher aus. Hauptargument war, daß das römische Recht eine Begrenzung nicht kannte, da die Konstitution C.7.47.1 zu undeutlich abgefaßt sei, als daß man ihr vor dem Hintergrund anderer - sonst widersprüchlicher - Digestenstellen eine Begrenzung der Vertragsstrafe entnehmen könnte 9 . Gegen das richterliche Ermäßigungsrecht nach dem Vorbild des ABGB wurde vor allem eingewendet, daß den Richtern eine sachgemäße Entscheidung mangels genauer Kenntnis der Verhältnisse der Parteien und der Gepflogenheiten des Verkehrs nicht zuzutrauen sei 1 0 . Da es an einem Maßstab für die Ermäßigung fehle, sei ihre Entscheidung willkürlich 1 1 . Außerdem solle ein Auseinanderfallen von Handels- und Privatrecht vermieden werden 12 . Hinter diesen Argumenten steht ein großes Mißtrauen gegenüber der richterlichen

^ Motive II, S. 278. Damit ist offenbar das Wuchergesetz vom 14. Juni 1880 gemeint; vgl. dazu Luig, in: Festgabe für H. Coing, S. 171/182 ff. ^

Schlosser , Grundzüge der Neueren Privatrechtsgeschichte, S. 155.

^ Gierke , Der Entwurf eines Bürgerlichen Gesetzbuches und das deutsche Recht (1889) S. 59; Menger , Das Bürgerliche Recht und die besitzlosen Volksklassen, S. 238. ** Koffka, Verhandlungen des X X . Deutschen Juristentages, Bd. 2, S. 3 ff.; Simon , Verhandlungen des X X . Deutschen Juristentages, Bd. 2, S. 33 ff. 9

Koffka , Verhandlungen des X X . Deutschen Juristentages, Bd. 2, S. 4.

1 0

Koffka , Verhandlungen des X X . Deutschen Juristentages, Bd. 2, S. 24.

1 1

Simon , Verhandlungen des X X . Deutschen Juristentages, Bd. 2, S. 40, 45.

168

Kapitel 9: Bürgerliches Gesetzbuch

Kompetenz zur Schaffung ausgleichender Gerechtigkeit, welches sich in dem Schlagwort der "Bevormundung" niederschlägt13. Koffka geht sogar soweit, unbillige Belastungen des Gläubigers (!) zu befürchten 14. Auf der anderen Seite formierte sich sehr schnell der Widerstand gegen die unbeschränkte Vertragsstrafe. Während Otto Bähr noch etwas pauschal Unbehagen mit der Regelung des Entwurfes äußerte15, wurde der Germanist Otto von Gierke bald zum eigentlichen Verfechter einer Begrenzungsregelung. Seine Kritik wendete sich allgemein gegen das Prinzip der schrankenlosen Vertragsfreiheit, die nach seiner Meinung für den wirtschaftlich Schwachen oft ein reiner "Schein" sei16. Ihr setzte er das Prinzip staatlicher Verantwortung in einer Zeit großer sozialer Gefahren entgegen. Das Recht dürfe - so Gierke - nicht den Starken stärker machen und dem Schwachen nur eine stumpfe Waffe in die Hand geben. Freiheit dürfe nur gemeinnützig gebraucht werden. Schrankenlose Freiheit aber nennt er "Willkür"17. In bezug auf die Vertragsstrafe sah er ein großes Bedürfnis, maßlose Ansprüche zu verhindern, das er aus seiner praktischen Erfahrung herleitete18. Zwei mögliche Fallkonstellationen hob er besonders hervor: Zum einen die Praxis, bei Abzahlungsgeschäften unter Eigentumsvorbehalt für den Fall des Verzuges die bisher gezahlten Raten als Vertragsstrafe verfallen zu lassen; zum anderen die Möglichkeit, daß Arbeitnehmer sich gegenüber ihrem Dienstherrn im Zusammenhang mit Konkurrenzverboten zu unangemessenen Strafen verpflichten 19. Daraus leitete Gierke die Notwendigkeit einer gerichtlichen Kontrolle ab. Diese konnte nach seiner Überzeugung jedoch nicht in der alten Form der Beschränkung auf das Doppelte des entstandenen Schadens erfolgen, da der Schadensersatz seiner Meinung nach wegen des Strafcharakters kein geeigneter Anknüpfungspunkt ist, insbesondere wenn es um den Schutz ideeller Interessen geht20. Insofern stimmte er mit den Lehren der Pandektisten völlig überein. Statt dessen forderte er die Einführung eines richterlichen

1 2

Koffka , Verhandlungen des X X . Deutschen Juristentages, B d 2, S. 25.

1 3

Simon , Verhandlungen des X X . ¡Deutschen Juristentages, Bd. 2, S. 41.

1 4

Koffka , Verhandlungen des X X . Deutschen Juristentages, Bd. 2, S. 25.

1 5 Bähr , Zur Beurtheilung des Entwurfs eines bürgerlichen Gesetzbuchs für das ¡Deutsche Reich (1888), S. 64. 1 6

Gierke , Verhandlungen des königlichen Landes-Oekonomie-Kollegiums, S. 505/507.

1 7

Gierke , Verhandlungen des 20. Deutschen Juristentages, 4. Bd., S. 60/62 f.

1 8

Gierke , Verhandlungen des königlichen Landes-Oekonomie-Kollegiums, S. 505/507; Gierke , Der Entwurf eines bürgerlichen Gesetzbuches und das deutsche Recht, S. 222 1 9

Gierke , Verhandlungen des 20. Deutschen Juristentages, 4. Bd., S. 60/65.

2 0

Gierke , Verhandlungen des 20. Deutschen Juristentages, 4. Bd., S. 60/63.

I.

te Kommission

169

Ermäßigungsrechts21. Die Befürchtungen hinsichtlich derrichterlichen Kompetenz wehrte er mit dem Hinweis auf das Prinzip der freien Beweiswürdigung ab, das dem Richter ohnehin bereits eine umfassende Machtstellung einräume22. Divergenzen zum Handelsrecht wollte er durch eine entsprechende Änderung des Handelsrechts begegnen, die auch unter Kaufleuten einrichterliches Ermäßigungsrecht für Vertragsstrafen einführen sollte23. Gierkes Vorschläge fanden auf dem 20. Deutschen Juristentag Zustimmung. Grundtenor der weiteren Wortmeldungen war die Aufforderung, nicht wegen des Prinzips und der historischen Tradition die Notwendigkeiten des Rechts zu ignorieren: Nicht die formale Logik sondern Takt und Erfahrung sollten entscheiden24. Weitere Fälle wurden herangezogen, um die Gefährlichkeit der Vertragsstrafe zu demonstrieren. So schilderte Markower den Fall einer Versicherungsgesellschaft, die ihre absichtlich zu tief kalkulierten Beiträge nach Vertragsschluß drastisch anhob und kraft allgemeiner Geschäftsbedingungen für den Fall des Verzugs hohe Strafen erhob, die sich durch Addition der einzelnen Raten vervielfachen konnten. Außerdem beschrieb er Berliner Mietverträge, in denen sich die Eigentümer sogenannter Mietskasernen selbst für minimale Verletzungen der Hausordnung (z.B. bei Verletzung des Verbots, mit Holzschuhen auf der Treppe zu laufen) riesigeStrafen formularmäßig versprechen ließen. Den Mietern blieb wegen der angespannten Wohnungssituation regelmäßig keine andere Wahl, als den Vertrag zu unterschreiben und mit der latenten Strafdrohung und dem damit verbundenen wirtschaftlichen Ruin vor Augen zu leben25. Gerade diese Beispiele schienen die Zuhörer mehrheitlich überzeugt zu haben. Als Markower am Ende seines Referats im Anschluß an Gierke ein richterliches Ermäßigungsrecht für Vertragsstrafen forderte, das sich auch auf das Handelsrecht erstrecken sollte, verzeichnet das Protokoll Beifall 26. Nach diesem Votum des Deutschen Juristentages wurde das Gesetzgebungsverfahren in der weiteren Kommissionsarbeit fortgesetzt.

2 1

Gierke, Verhandlungen des 20. Deutschen Juristentages, 4. Bd., S. 60/64.

2 2

Gierke, Verhandlungen des 20. Deutschen Juristentages, 4. Bd., S. 60/65.

2 3

Gierke, Verhandlungen des 20. Deutschen Juristentages, 4. Bd., S. 60/66.

2 4 Willce, Verhandlungen des 20. Deutschen Juristentages, 4. Bd, S. 66/69; Markower, handlungen des 20. ¡Deutschen Juristentages, 4. Bd., S. 69/72. 2 5

Markower,

Verhandlungen des 20. Deutschen Juristentages, 4. Bd., S. 69/75 ff.

2 6

Markower,

Verhandlungen des 20. Deutschen Juristen tages, 4. Bd., S. 69/77.

Ver-

170

Kapitel 9: Bürgerliches Gesetzbuch

II. Zweite Kommission Als der Bundesrat am 4.12.1890 den Ersten Entwurf einer neuberufenen Zweiten Kommission zur vollständigen Überarbeitung überwies, lag neben dem Votum des Deutschen Juristentages bereits eine Empfehlung der Kommission des Reichsjustizhauptamtes vor, die sich unter Berufung auf die "öffentliche Meinung" und den "Zug der Zeit" ebenfalls für einrichterliches Ermäßigungsrecht ausgesprochen hatte27. Die Zweite Kommission bestand aus zehn (später elf) ständigen und zwölf (später dreizehn) nichtständigen Mitgliedern, unter denen diesmal auch Interessenvertreter und Praktiker nichtjuristischer Berufsgruppen vertreten waren. Generalreferent wurde Planck, der bereits Mitglied der Ersten Kommission gewesen war. Die Kommission tagte öffentlich und publizierte laufend die überarbeiteten Teilentwürfe, später auch die Protokolle der Sitzungen. Am 24:10.1895 legte sie dem Bundesrat den Gesamtentwurf vor, der als Zweiter Entwurf bezeichnet wird. Der zweite Entwurf regelte die Vertragsstrafe in den §§ 291 bis 297. § 295 enthielt folgende Bestimmung: Eine verwirkte Strafe kann, wenn sie unverhältnismäßig hoch ist, auf Antrag des Schuldners durch Urtheil auf den angemessenen Betrag herabgesetzt werden. Bei der Beurteilung der Angemessenheit ist jedes berechtigte Interesse des Gläubigers, nicht bloß das Vermögensinteresse, in Betracht zu ziehen. Die Herabsetzung einer entrichteten Strafe ist ausgeschlossen. Das gleiche gilt auch außer den Fällen der §§. 291, 294, wenn Jemand eine Strafe für den Fall versprochen hat, daß er eine Handlung vornimmt oder unterläßt

Ausweislich der Protokolle hat sich die Zweite Kommission mit der Frage der Beschränkung von Vertragsstrafen ausführlich beschäftigt. Ihr lagen nicht weniger als neun verschiedene Anträge vor, die alle die Begrenzung der Höhe zum Inhalt hatten und sich zum Teil nur in der Formulierung unterschieden. Die Kommission nahm den Antrag Nr. 8 an. Sie stützte sich dabei auf ein "Bedürfnis", "Übertreibungen und Ausschreitungen" sowie Mißbrauch abzuwenden. Die Hauptbedenken, daß durch eine derartige Regelung das Richteramt zweckentfremdet und der Verkehr beeinträchtigt würde, wurden verworfen. Die Kommission hob ausdrücklich hervor, daß die Mehrheit der Kritiker, die Presse, der 20. Juristentag, das preußische Landes-Oekonomie-Kollegium und die Mehrheit der Landesregierungen eine Beschränkung gefordert hätten. Außerdem

2 7 Jakobs/Schubert , Die Beratung des Bürgerlichen Gesetzbuchs in systematischer Zusammenstellung der unveröffentlichten Quellen, Recht der Schuldverhältnisse I, §§ 241-432, S. 547.

II. Zweite Kommission

171

sah sie eine logische Beziehung zum Gedanken der "clausula rebus sie stantibus"28. Im Ergebnis ging der Zweite Entwurf also auf die Kritiker des Ersten Entwurfs ein und sprach sich für einrichterliches Ermäßigungsrecht aus. Er folgte damit auch der Empfehlung der Kommission des Reichsjustizhauptamtes. Eine Begrenzung auf eine starres Vielfaches nach dem Vorbild von C.7.47.1 wurde demgegenüber nicht mehr erwogen. Statt dessen findet sich in den Protokollen der Hinweis, man verzichte auf jede Direktive, da sie nicht in allen Fällen zutreffend sein würde, und überlasse es dem Richter, denrichtigenWeg zufinden. Über die Kriterien, die für die Beurteilung der Angemessenheit maßgeblich sein sollen, liest man: Bei Erwägung der Umstände werde der Richter nicht nur die Verschiedenheit der Interessen des Gläubigers zu den verschiedenen in Betracht kommenden Zeiten, die Höhe des möglichen und des wirklichen Schadens, sondern auch die wirthschaftliche Lage beider Theile, den Grad des Verschuldens auf Seiten des Schuldners und sonstige Momente gebührend berücksichtigen können 29 .

Im weiteren Verlauf der Protokolle wird noch einmal ausdrücklich darauf hingewiesen, daß auch ein "ideales Interesse", welches einer objektiven Wertschätzung nicht zugänglich ist, berücksichtigt werden muß, so daß es nicht immer eines Vermögensinteresses bedarf 30. Letztlich bieten die genannten Kriterien wegen ihrer allgemeinen Unbestimmtheit ("sonstige Momente") nur einen sehr groben Anhalt. Tatsächlich hat man die Entscheidung bewußt dem Richter überlassen, dessen Ermessen folglich kaum freier sein konnte.

III. Der weitere Gang der Gesetzgebung Der Justizausschuß des Bundesrates, dem der Zweite Entwurf vorgelegt wurde, diskutierte die Frage der Begrenzung der Vertragsstrafe noch einmal kontrovers. Bedenken meldete das Bundesland Bayern an, das offenbar bei der Vergabe öffentlicher Bauaufträge in der Regel Vertragsstrafen vereinbarte und befürchtete, es werde Schwierigkeiten bei der Darlegung seines Interesses haben. Grundsätzlich ablehnend äußerte sich ferner der Abgeordnete SchaumburgLippe, der sich für den Grundsatz der Vertragsfreiheit aussprach und die Be2 8

Protokolle, S. 783 f.

2 9

Protokolle, S. 785.

3 0

Protokolle, S. 785 f.

Kapitel 9: Bürgerliches Gesetzbuch

172

fürchtung äußerte, die vorgesehene Regelung "führe zurrichterlichen Willkür, zur Vermehrung der Prozesse sowie zur Schädigung des Verkehrs"31. Die Kritik hat jedoch keine Änderung mehr bewirkt. Der Bundesrat leitete vielmehr den Dritten Entwurf am 17.1.1896 an den Reichstag weiter. Die eingehende Diskussion des Gesetzes im Reichstag und insbesondere im Ausschuß, an den der Reichstag das Gesetz überwies, hat in unserer Frage keine nennenswerten Veränderungen bewirkt. Die Frage nach der zulässigen Höhe von Vertragsstrafen spielte - soweit ersichtlich - in diesen Diskussionen keine erhebliche Rolle. Zwar wurde sie in erster Lesung vom Abgeordneten Planck, einem Regierungsvertreter, als Beispiel dafür erwähnt, wie sorgfältig der Entwurf mit den Nöten und Interessen der wirtschaftlich Schwachen umgegangen sei32. Die weiteren Debatten wurden jedoch überwiegend von denjenigen Kritikern geprägt, denen der im Entwurf vorgesehene Schutz der Schwächeren nicht weit genug ging. Als Beispiel mag die Rede des sozialdemokratischen Abgeordneten Stadthagen dienen, der sich speziell mit dem Arbeits- bzw. Gesinderecht, mit dem Mietrecht und mit der rechtlichen Stellung der Frauen und nichtehelichen Kinder beschäftigte. Dies waren seiner Meinimg nach zugleich die Themen, mit denen sich die XII. Reichstagskommission vertieft auseinandersetzen sollte33. Mit unserer Frage hat sich die Kommission in der Tat auch nicht beschäftigt34. Offenbar konnte das Recht der Vertragsstrafe für diese Kritiker kein Streitpunkt mehr sein, da es bereits in ihrem Sinne ausgestaltet war und dringlichere Fragen anstanden. Die Gegenseite, d.h. diejenigen Abgeordneten, die nach ihrer politischen Grundüberzeugung prinzipiell auch in unserer Frage der Vertragsfreiheit den Vorrang vor der Inhaltskontrolle hätten einräumen müssen, haben das richterliche Ermäßigungsrecht bei Vertragsstrafen ihrerseits aber auch nicht mehr in Frage gestellt. Man hat den Eindruck, als habe man die ohnehin teilweise polemisch gewordene Diskussion über die Kernfragen aus dem Bereich des Arbeits-, Miet- und Familienrechts nicht auch noch durch Rückschritte hinter bereits gemachte Zugeständnisse zusätzlich anheizen wollen. Diesem Eindruck entspricht die Tatsache, daß die Vorschriften zur Vertragsstrafe in der zweiten und dritten

3 1

Jakobs/Schubert , Die Beratung des Bürgerlichen Gesetzbuchs in systematischer Zusammenstellung der unveröffentlichten Quellen, Recht der Schuldverhältnisse I, §§ 241-432, S. 550. 3 2

Stenographische Berichte, Erste Berathung, 31. Sitzung vom 4.2.1896, S. 64.

3 3

Stenographische Berichte, Erste Berathung, 31. Sitzung vom 4.2.1896, S. 71/86.

3 4

Vgl. den Bericht der Reichstags-Kommission über den Entwurf eines Bürgerlichen Gesetzbuches, S. 56.

I . Zusammenfassung

173

Lesung ohne Debatte angenommen wurden35. Die Regelung, die bereits der Zweite Entwurf vorgesehen hatte, wurde so mit geringen sprachlichen Veränderungen durch den Reichstagsbeschluß, die Zustimmung des Bundesrates und die Sanktionierung durch Wilhelm II. am 18.8.1896 Gesetz und trat am 1.1.1900 als § 343 BGB in Kraft.

IV. Zusammenfassung Zusammenfassend kann man feststellen, daß die Frage der Begrenzung von Vertragsstrafen während des Gesetzgebungsverfahrens erneut heftig umstritten war. Die alte Diskussion ist also wieder aufgeflammt. Der Erste Entwurf hatte im Anschluß an die Pandektistik ein Begrenzungsbedürfnis mit voller Überzeugung verneint. Die anschließende Kritik hat diese Überzeugung jedoch ins Wanken gebracht. Das Verdienst, dasrichterliche Ermäßigungsrecht ins BGB gebracht zu haben, kommt dabei vor allen Otto von Gierke zu, dessen Einsatz vor dem preußischen Landes-Oekonomie-Kollegium und auf dem 20. Deutschen Juristentag die Argumente der Kritiker bündelte36. Die von Gierke maßgeblich beeinflußte Diskussion spiegelt in Inhalt und Methode die Prinzipien wieder, welche auch die bereits beschriebenen Lehren der Historischen Schule der Nationalökonomie beherrscht haben37. Inhaltlich zeigt sich das in einer Hinwendung zur staatlichen, gerichtlichen Kontrolle im Dienste der Sozialpolitik. Die methodische Parallele wird deutlich, wenn Gierke seine Forderung nicht mehr länger auf abstrakt-systematische Erwägungen stützt, sondern empirische Beobachtungen aus der Rechtspraxis anführt. Die Abwendung von der Pandektistik und ihrer Betonung der Vertragsfreiheit ist zugleich Indiz für das Ende der liberalen Ära in Deutschland, wo es in den 70er Jahren zu einem Trendumbruch in der Wirtschaftspolitik kam. Insbesondere Preußen gab seine bis dahin betont liberale Wirtschaftspolitik auf. Mehrere Faktoren hatten diesen radikalen Umdenkungsprozeß hervorgerufen: zum einen die Wirtschaftskrise unmittelbar nach der Reichsgründung von 1871 und die zunehmende Bedrohung der deutschen Wirtschaft durch ausländische Konkurrenz; zum anderen die wachsenden Aktivitäten der sozialistischen Opposition. Der Umdenkungsprozeß war mit personellen Veränderungen in der preußischen 3 5

Stenographische Berichte, Zweite Berathung, 110. Sitzung vom 20.6.1896, S. 287; Dritte Berathung, 117. Sitzung vom 30.6.1896, S. 831. 3 6 So sah es auch der zeitgenössische Beobachter Billmann , Die Vertragsstrafe im deutschen bürgerlichen Gesetzbuch (1899), S. 33. 3 7

Siehe oben Kapitel 8, S. 163.

174

Kapitel 9: Bürgerliches Gesetzbuch

Administration verbunden. Liberale Kräfte wurden entfernt und durch Anhänger der Gegenbewegung ersetzt38. Ein Beispiel ist die Karriere Gustav von Schmollers. Als prominenter Repräsentant der Historischen Schule der Nationalökonomie wurde er Mitglied des preußischen Staatsrats (1884) sowie der Akademie der Wissenschaften (1887) und zog damit in politische und akademische Schlüsselstellungen ein. Auffallend ist, daß die Pandektistik von diesem Umschwung unberührt blieb. Statt dessen war es mit Gierke ein Vertreter der Germanistik, der auf dem Gebiet der Rechtswissenschaften der Freiheitsethik des Liberalismus entgegentrat. Letzlich hat sich die Idee der staatlichen Verantwortung für die Verhinderung einer rechtsmißbräuchlichen Übervorteilung schwächerer Verkehrsteilnehmer auch in der Rechtswissenschaft gegenüber der liberalen Freiheitsethik durchgesetzt. Es haben diejenigen Stimmen stärker überzeugen können, die dem Richter mehr zutrauten als den Parteien. Wie die kritischen Stimmen im Justizausschuß des Bundesrates zeigen, haben die Anhänger größtmöglicher Vertragsfreiheit sich jedoch keineswegs geschlagen gegeben. Die Mehrheit aber folgte ihnen nicht mehr. Auch die Gegenseite konnte sich aber nicht völlig durchsetzen. Der Vorschlag, dasrichterliche Ermäßigungsrecht auch auf das Handelsrecht auszudehnen, wurde nicht realisiert, so daß es doch noch zu dem befürchteten Gegensatz von Zivil- und Handelsrecht gekommen ist.

3 8

Borchardt , in: Europäische Wirtschaftsgeschichte, Bd. 4, S. 196.

Kapitel 10

Das Verständnis des § 343 BGB seit seinem Inkrafttreten im Jahre 1900 § 343 BGB ist seit dem Inkrafttreten des Gesetzes nicht verändert worden. Da die Formulierung der Vorschrift die nähere inhaltliche Ausgestaltung der richterlichen Einzelfallentscheidung überlassen hat, stellt sich die Frage, wie Rechtsprechung und Lehre das Tatbestandsmerkmal der "unverhältnismäßigen Höhe" konkretisiert haben. I. Zeitpunkt Der Gesetzgeber hat ausweislich der Protokolle bewußt offengelassen, auf welchen Zeitpunkt es bei der Beurteilung der Unangemessenheit ankommt. Rechtsprechung und Lehre haben diese Frage nicht gelöst, sondern ganz überwiegend ebenfalls eine genaue Eingrenzung vermieden1. Meist wird allerdings auf den Zeitpunkt der Verwirkung besonderes Gewicht gelegt2. Zum Teil wird aber auch der Zeitpunkt der gerichtlichen Geltendmachung3 oder der des Vertragsschlusses4 für zentral gehalten. Indes kann man dieser Diskussion um den "regelmäßig besonders wichtigen" Zeitpunkt keine große Bedeutung beimessen, solange niemand ausschließlich auf einen der genannten abstellen will. Im Ergebnis läßt die Diskussion im Verhältnis zu den Protokollen keine Weiterentwicklung erkennen. I L Das Verhältnis zum entstandenen Schaden § 343 BGB nennt als Maßstab für die Angemessenheit das berechtigte Interesse des Gläubigers. Als solches kommt natürlich insbesondere ein Vermögens1 RGZ 64, 293; MüKo/Söllner, Westermann, , § 343 Rn 4. 2

§ 343 Rn 15; StaudingerIKaduk, § 343 Rn 24; Erman/H.P.

RG Recht 1912 Nr. 1761; Staudinger/ATo^ § 343 Rn 24; Erman/ff.P. Westermann , § 343

Rn 4. 3

Palandt/Heinrichs,

4

Soeigel/Lindacher,

§ 343 Anm 2 b. § 343 Rn 15: n ex ante-Betrachtung".

Kapitel 10: Das Verständnis des § 343 BGB seit seinem Intrafttreten

176

interesse in Betracht. Die Protokolle hatten insoweit die Höhe des "möglichen und des wirklichen Schadens" als bedeutsam bezeichnet5. Inzwischen wurde von der Rechtsprechung und der Literatur jedoch die Formel geprägt, es komme nicht darauf an, ob dem Gläubiger ein Schaden wirklich entstanden ist, solange ein Schaden in Höhe der Strafe nur eintreten konnte. Im Hinblick auf den Zwangscharakter der Strafe sei allein das mögliche, nicht das tatsächliche Interesse des Gläubigers an der Vertragserfüllung maßgeblich6. Allein Lindacher will bei einer Diskrepanz zwischen möglichem und tatsächlichem Schaden zumindest dann auf letzteren abstellen, wenn dem Schuldner nur ein leichtes Verschulden vorgeworfen werden kann7. Angesichts des klaren Wortlauts des § 343 BGB kommt es auf den Schaden nach allgemeiner Ansicht überhaupt nicht an, sofern andere Gläubigerinteressen nichtvermögensrechtlicher Art zu verzeichnen sind8. Im Ergebnis ist der Vergleich mit dem Schaden bei der Beurteilung der Angemessenheit einer Vertragsstrafe also nur noch ein Kriterium von vielen. Der Blick auf den potentiellen Schaden stärkt zudem die Stellung des Gläubigers und verbessert die Zwangswirkung von Vertragsstrafen. Insgesamt ist die Rechtspraxis in diesem Punkt vielleicht etwas härter als vom Gesetzgeber ursprünglich vorgesehen, da dessen Verweis auf den wirklichen Schaden zwar häufig zitiert aber in der Sache nicht aufgegriffen wurde. Im Zusammenhang damit steht auch die von der Rechtsprechung geprägte Formel, bei der Prüfung der wirtschaftlichen Lage der Vertragsschließenden sei in erster Linie das Interesse des Gläubigers zu berücksichtigen. Die Lage des Schuldners sei zwar auch zu beachten, könne aber nicht ausschlaggebend sein9. Die Literatur hat dies teilweise aufgegriffen 10. Auch diese Betonung der Gläubigerinteressen läßt sich aus der Formulierung des Gesetzgebers, die "wirthschaftliche Lage beider Theile" sei zu berücksichtigen, nicht unbedingt ableiten. Zusammenfassend kann man sagen, daß die Vertragsstrafe nach geltendem Recht ein effektives Pressionsmittel darstellt. § 343 BGB schützt den Schuldner 5

Siehe oben Kapitel 9, S. 171.

6

RG Seuffert's Archiv 1908, 54 (Nr. 38); RG Recht 1912, Nr. 1759; RG HRR 1931, Nr. 1126; RG HRR 1932, Nr. 1645; BGH L M §339 Nr. 2; BGH NJW 1984, 919/920; Staudinger/Kaduk, § 343 Rn 27-29; MüKo/Söllner, § 343 Rn 17. 7 8

Soergel/Z,indacher, § 343 Rn 16.

BGH L M § 339 Nr. 2; Soergel/Lindacher, Staudinger/foufufc, § 343 Rn 28.

§ 343 Rn 15; UüKo/Söüner,

9

RGZ 86,28/29; RG HRR 1931, Nr. 1126; RG HRR 1932, Nr. 1645.

1 0

Staudinger/KodW:, § 343 Rn 26; Erman/H.P. Westermann , § 343 Rn 2.

§ 343 Rn 17;

III. Vertragsstrafe und AGB

177

zwar, aber erst dann, wenn dem Gläubiger ein Schaden in Höhe der Strafsumme nie hat entstehen können und auch ein ideelles Interesse nicht zu begründen ist. Eine derartige Konstellation kann eigentlich nur vorkommen, wenn der Gläubiger sich die Vertragsstrafe geradezu willkürlich versprechen läßt. Dementsprechend selten sind höchstrichterliche Entscheidungen, in denen eine Vertragsstrafe ermäßigt wird. In den untersuchten Urteilen fanden sich - wohl auch wegen der Freiheit der Strafhöhe unter Kaufleuten - nur zwei Fälle, in denen von der Möglichkeit einer Ermäßigung Gebrauch gemacht wurde. In beiden Fällen handelte es sich um strafbewährte Bieibezugsverträge. Die Bezieher hatten jeweils ihre Gaststätten verkauft, um einer staatlichen Enteignung zuvorzukommen, und so ihre Bezugspflichten verletzt. Das Gericht hat hier mildernd berücksichtigt, daß die Beklagten im Falle der Enteignung von ihren Vertragspflichten nach § 275 BGB befreit worden wären, und die Strafen gesenkt (bzw. zwecks Senkung zurückverwiesen)11. Insgesamt haben die Gerichte ihre Möglichkeiten zum Eingriff in vertragliche Absprachen nur sehr behutsam genutzt und so die gesetzgeberische Erwartung voll gerechtfertigt, daß man einen "zu weitgehenden Gebrauch" nicht fürchten müsse12.

III. Vertragsstrafe und AGB Vertragsstrafen sind für den Schuldner besonders tückisch, wenn sie formularmäßig vereinbart werden und er sie daher im Rahmen anderer Allgemeiner Geschäftsbedingungen ohne Verhandlung einfach mitunterschreibt. Diese Erkenntnis hatte bereits die Diskussion des Deutschen Juristentages aus dem Jahr 1889 zutage gefördert, in der die Mietformulare besonders erwähnt wurden13. Der Gesetzgeber hat diesen Problemkreis inzwischen außerhalb des BGB neu geregelt. Zentrale Vorschrift ist § 11 Nr. 6 AGBG. Sie bestimmt: In Allgemeinen Geschäftsbedingungen ist unwirksam

6. eine Bestimmung, durch die dem Verwender für den Fall der Nichtabnahme oder verspäteten Abnahme der Leistung, des Zahlungsverzugs oder für den Fall, daß der andere Vertragsteil sich vom Vertrag löst, Zahlung einer Vertragsstrafe versprochen wird;

1 1

BGH NJW 1969,461/462; BGH NJW 1974, 2089/2090.

1 2

Protokolle, S. 785.

1 3

Siehe oben Kapitel 9, S. 178.

Kapitel 10: Das Verständnis des § 343 BGB seit seinem Intrafttreten

178

Der Vorschrift liegt die Überzeugung zugrunde, daß § 343 BGB für sich noch keinen ausreichenden Schutz darstellt, weil der Schuldner zur Führung eines Prozesses genötigt ist und daher auch das Prozeßrisiko trägt14. § 13 AGBG eröffnet nunmehr die Möglichkeit von Verbandsklagen gegen formularmäßige Vertragsstrafen. Während des Gesetzgebungsverfahrens war ursprünglich der Vorschlag gemacht worden, jede Art von formularmäßiger Vertragsstrafe im nichtkaufmännischen Verkehr zu verbieten. Letztlich hat man sich dann jedoch darauf verständigt, das Verbot auf bestimmte Fallgruppen einzugrenzen15. Bei diesen handelt es sich um Konstellationen, in denen dem Verwender regelmäßig Schadensersatzansprüche zustehen, die er nach § 11 Nr. 5 AGBG pauschalieren kann, so daß nur ein geringes praktisches Bedürfnis für eine Vertragsstrafe besteht16. Formularmäßige Vertragsstrafen, die von § 11 Nr. 6 AGBG nicht erfaßt werden, sind jedoch keineswegs allein deshalb bereits zulässig. Sie müssen zumindest den Anforderungen des § 9 AGBG genügen. Da die enge Fassung des § 11 Nr. 6 AGBG als wenig "wünschenswert" bzw. als "nicht begründet" gilt 17 , zeigt sich eine gewisse Tendenz, wenigstens die Generalklausel extensiv anzuwenden, um diesen "Mangel" des AGBG zu kompensieren. So findet sich in einer Kommentierung beispielsweise die überraschende und in dieser Allgemeinheit schwer nachvollziehbare Formulierung, formularmäßige Vertragsstrafen seien nach § 9 I AGBG "grundsätzlich als unwirksam anzusehen"18. Im einzelnen soll § 9 I AGBG Vertragsstrafen insbesondere verbieten, wenn dem Verwender die Möglichkeit einer sogenannten "Schadenspauschalisierung"19 offensteht, sofern die mögliche Schadenspauschale nicht zu geringfügig ist, um die Funktion eines Druckmittels zu erfüllen. Als Beispiel für einen Fall, wo die Schadenspauschalierung ausnahmsweise nicht ausreicht, wird die Schwarzfahrt in öffentlichen Verkehrsmitteln genannt. Hier soll die formularmäßige Vertragsstrafe zulässig sein20.

1 4

Wolf/Horn/Lindacher,

1 5

Ulmer ¡Brandner¡Hensen, § 11 Nr. 6, Rn 2

§ 11 Nr. 6, Rn 1.

1 6

Ulmer/Brandner/Henstn

1 7

Wolf/Horn/Lindacher

, § 11 Nr. 6, Rn 2; Ulmer/Brandner/Hensen,

1 8

Wolf/Horn/Lindacher

, § 11 Nr. 6, Rn 23; ähnlich auch Ulmer/Brandner/Hensen,

Rn 14.

, § 11 Nr. 6, Rn 1. § 11 Nr. 6, Rn 2. § 11 Nr. 6,

179

III. Vertragsstrafe und AGB

Erst recht gelten unangemessen hohe Vertragsstrafen als unwirksam gemäß § 9 IAGBG 2 1 . Anders als bei § 343 BGB werden dabei nicht die Umstände des zu beurteilenden Einzelfalls sondern die "allgemeinen Verhältnisse der üblicherweise beteiligten Personenkreise" berücksichtigt22. Als "zu hoch" gilt eine Vertragsstrafe, wenn sie zum Gewicht der Vertragsverletzung nicht in einem "vernünftigen Verhältnis" steht23. Zum Teil findet sich sogar die Formel, die Wirksamkeit hänge davon ab, daß ein "vernünftiges Bedürfnis" dafür besteht, die Vertragsstrafe durch AGB statt Individualvertrag zu vereinbaren24. Diese Formeln sind äußerst vage und lassen erkennen, daß man formularmäßige Vertragsstrafen generell als unangemessene Benachteiligung im Sinne des § 9 I AGBG betrachtet25 und daher nach Möglichkeit ganz unterbinden möchte. Sie gehen über die Kontrolle nach § 343 BGB ersichtlich hinaus. Auf diese Weise hat das AGBG die "gefährlichsten" Vertragsstrafen ausgegliedert und fast völlig entschärft. Das erklärt, warum im Rahmen des § 343 BGB die schuldnerischen Belange nicht mit allzu großem Eifer berücksichtigt werden mußten. Die spezialgesetzliche Vorschrift nimmt dem § 343 BGB einen Teil seiner Funktion ab und löst die brisantesten Fragen. Das BGB wird in unserer Frage zum Nebenschauplatz und hat seine praktische Bedeutung - wie Zimmermann zu Recht festgestellt hat26 - nahezu völlig verloren.

Der Begriff der Schadenspauschale, die in der Regel in einem bestimmten Prozentsatz des Vertragsentgelts besteht, der als nMindestschadensersatz" zu zahlen ist, wurde in der Formularpraxis entwickelt. Seine rechtliche Einordnung ist indes streitig. Die Rechtsprechung hat die Schadenspauschale seit den Sechziger Jahren als "neue" Rechtsfigur eigener Art behandelt, auf die die Regel des § 343 BGB nicht anwendbar sei. Dadurch wurde das Institut der bifunktionalen Vertragsstrafe, die sowohl strafen als auch das Schadensinteresse abdecken sollte, zum Teil verwässert. Dies hat sich auch im AGBG niedergeschlagen. § 11 Nr. 5 AGBG enthält eine eigenständige Regelung für die Schadenspauschale und verbietet Pauschalen, die den "zu erwartenden Schaden" übersteigen oder dem Schuldner den Gegenbeweis abschneiden (vgl. dazu Fischer, Vertragsstrafe und Schadenspauschalisierung, S. 15 ff.; Lindacher, Phänomenologie der Vertragsstrafe, S. 13 ff.). 2 0

Wolf/Horn/Lindacher,

2 1

B G H NJW 1988,1373/1374.

§ 11 Nr. 6, Rn 23-25.

2 2

WolflHorn/Lindacher,

2 3

O L G Hamm M D R 1984, 404; Wolf/Horn/Lindacher,

2 4

Ulmer/Brandner/Herlsen,

§ 11 Nr. 6, Rn 27. § 11 Nr. 6, Rn 14.

2 5

Palandt/ZfemncAs, § 11 AGBG Anm 6 a.

2 6

Zimmermann, Moderationsrecht, S. 89 f.

§ 11 Nr. 6, Rn 28.

Schlußbetrachtung Die Ergebnisse der vorliegenden Untersuchung lassen sich wie folgt zusammenfassen:

I. Inhalt In inhaltlicher Hinsicht weist die Frage der Begrenzung von Vertragsstrafen eine wechselvolle Geschichte auf. 1. Zinsmaß Eine Vertragsstrafe durfte zu keiner Zeit die Vorschriften über das erlaubte Zinsmaß umgehen. Dies war bereits im Corpus iuris eindeutig geregelt (D.19.1.13.26; C.4.32.15) und ist bis hin zu den Verfassern des Ersten Entwurfes des BGB anerkannt worden, sofern nicht ohnehin eine weitergehende Begrenzung befürwortet wurde. Das "Zinsumgehungsverbot" war also immer eine Art Auffangbecken, wobei das kanonische Zinsverbot einen unübersehbaren Einfluß ausübte. Das zeigt sich beispielsweise bei Zasius, der ausdrücklich sagt, eine Vertragsstrafe dürfe nie eine versteckte Zinsvereinbarung darstellen, da das kanonische Recht Zinsen generell verbiete1. Diese Regel betrifft allerdings nur Vertragsstrafen, die eine Geldschuld sichern, und damit nur einen engen Teilbereich unserer Frage. 2. Die Begrenzung von Vertragsstrafen im allgemeinen Die Frage, ob eine Vertragsstrafe nach antikem römischem Recht generell begrenzt war, läßt sich nicht eindeutig beantworten. Eine Reihe von Fragmenten des Corpus iuris spricht ziemlich deutlich für eine freie Strafhöhe (D.45.1.38.17 = 1.3.19.19; D.4.8.32). Zwei Stellen legen eine Begrenzung auf das Vierfache des Wertes der gesicherten Hauptforderung nahe (D.21.2.56 pr.; 1.4.6.21), doch regelt die erste einen Spezialfall (Vertragsstrafe beim Kauf für den Fall der Eviktion) und die zweite enthält eine ganz allgemein gehaltene Aussage über die

Siehe oben Kapitel 4, S. 73.

I. Inhalt

181

zulässigen Klagen. Hauptbeleg für eine eventuelle Begrenzung von Vertragsstrafen ist daher eine dunkle Konstitution Justinians (C.7.47.1), die von einer derartigen Beschränkung ausgeht, ohne sie selbst eindeutig anzuordnen. Sie beschäftigt sich hauptsächlich mit der Begrenzung des Schadensersatzes auf das Doppelte und nennt die "angemessene Beschränkung" von Strafen lediglich als Parallelfall im Rahmen der Begründung. Diese Konstitution ist auch "sedes materiae" für die Diskussion der folgenden Jahrhunderte. Die beschriebene Spannung zwischen den genannten Fragmenten ergibt sich vor allem daraus, daß die Kernstellen D.45.1.38.17 (= 1.3.19.19) und C.7.47.1 aus verschiedenen Zeitschichten stammen und die beiden möglichen Funktionen der Vertragsstrafe - Druckmittel bzw. Schadenspauschalisierung - unterschiedlich stark gewichten. D.45.1.38.17 enthält eine Aussage des Klassikers Ulpian (gestorben 223 n. Chr.) und betont den Strafcharakter der Vertragsstrafe. Eine Vertragsstrafe, die als Pressionsmittel fungiert, muß sich an der Höhe des entstandenen Schadens nicht orientieren. Die Konstitution C.7.47.1 erging mehr als 300 Jahre später (531 n. Chr.) und beschäftigt sich primär mit dem Schadensersatz. Da Vertragsstrafen auch eine Ersatzfunktion haben können - vergleiche nur 1.3.15.7 2 - meinte Justinian vermutlich mit seinem Vergleich von Strafe und Schadensersatz solche Vertragsstrafen, die "loco interesse succedant", d.h. an die Stelle des Schadensersatzes treten. Er betont damit die zweite Funktion. Diese beiden Fragmente stehen folglich in einem inneren Widerspruch, der bei der Abfassung des Corpus iuris in den Jahren 533/534 n. Chr. den federführenden Juristen anscheinend nicht auffiel, wie man an dem Umstand sehen kann, daß auch die Institutionen - d.h. das justinianische "Anfängerlehrbuch" - in 1.3.19.19 die ältere Aussage von D.45.1.38.17 aufgreifen und so der justinianischen Konstitution widersprechen. Solange das Corpus iuris geltendes Recht war, hat nahezu niemand diesen inneren Widerspruch erkannt oder auszusprechen gewagt. Fast alle Autoren haben vielmehr ihre ganze Interpretationskunst aufgewendet, um den "Scheinwiderspruch" aufzulösen und so die Autorität des Corpus iuris als geltendes Recht zu bestärken. Kritik an der "nachlässigen Fassung" der Konstitution findet sich erstmals im 19. Jahrhundert3 und diese skeptische Haltung gegenüber C.7.47.1 lebt in der modernen Romanistik fort 4. Der Widerspruch geht also im Zweifel zu Lasten der jüngeren Konstitution (C.7.47.1). 2

Siehe oben Kapitel 1, S. 7.

3

Mommsen, Zur Lehre von dem Interesse (1855), S. 235.

13 Sossna

Schlubetrachtung

182

Die Geschichte der Begrenzung von Vertragsstrafen ist im wesentlichen die Geschichte der Harmonisierung der genannten Textstellen. Andere Fragmente des Corpus iuris haben in unserer Frage keine zentrale Bedeutung erlangt. Einflüsse außerhalb des römischen Rechts, etwa aus den alten germanischen Rechten oder aus dem Naturrecht, fanden sich nicht5. 3. Entwicklungslinien Den Juristen aller Epochen boten sich auf der Grundlage der Quellentexte drei grundsätzliche Möglichkeiten für die Beantwortung unserer Frage: -

freie Strafhöhe wie D.45.1.38.17 (= 1.3.19.19)

-

strenge Begrenzung wie C.7.47.1

-

Mittelweg durch freie Kombination verschiedener Texte

Bei aller Vorsicht hinsichtlich verallgemeinernder Aussagen lassen sich folgende Entwicklungslinien aufzeigen: Der älteste untersuchte Text aus der Epoche der Glossatoren, die Summa Trecensis, wollte ebenso wie die Lex Visigothorum Vertragsstrafen ohne weiteres nach der Regel von C.7.47.1 begrenzen. Am Anfang der neueren Privatrechtsgeschichte stand also eine strenge Begrenzung der vertraglich vereinbarten Strafe 6. Im Laufe der zweiten Hälfte des 12. Jahrhunderts entwickelte sich in unserer Frage indes eine kontroverse Diskussion, aus der ein Meinungsumschwung hervorging: Placentinus, Azo und Odofredus legten dar, daß C.7.47.1 sich auf Vertragsstrafen gar nicht beziehe und folgerten vor allem aus den älteren Fragmenten D.45.1.38.17 und 1.3.19.19, die Höhe der Strafe hänge allein vom Parteiwillen ab. Diese Lehre von der freien Strafhöhe blieb letztlich für das gesamte Mittelalter, ungeachtet vieler Divergenzen im Detail, die beherrschende Doktrin (Petrus de Bellapertica, Cinus). Zwar hat Accursius eine geringfügige Einschränkung für den Fall vorgenommen, daß die Parteien ein unbestimmtes Vielfaches des Vertragswertes als Strafe vereinbaren, und viele Autoren sind

4

Siehe oben Kapitel 1, S. 18.

5

Siehe Kapitel 1, S. 24 ff. und Kapitel 6, S. 135.

6 Später wurde diese Ansicht nur noch vereinzelt vertreten (Bynkershoek). Sie findet sich allerdings im ALR.

I. Inhalt

183

seiner Autorität gefolgt (Jacobus de Ravanis, Baldus, Angelus de Ubaldis, Alexander Tartagnus). Einige haben die Lehre des Accursius etwas modifiziert (Bartolus, Iason de Mayno). Trotz allem galt jedoch stets die Regel, daß die Parteien bei hinreichend genauer Bezeichnung der Summe einen beliebig hohen Geldbetrag als Strafe festlegen konnten - vielleicht weil der Schuldner in diesem Fall hinreichend gewarnt war und ihn die Höhe der Strafe nicht überraschen konnte. Dieser Konsens ging unter den Humanisten des 16. Jahrhunderts verloren. An seine Stelle trat ein breitgefächertes Meinungsspektrum, in dem es "herrschende" Positionen nicht mehr gab. Die traditionelle Lehre von der freien Strafhöhe ging keineswegs unter (Cujaz, Zasius, Dionysos Gothofredus, Mynsinger). Die Mehrheit der untersuchten Autoren hielt aber eine Beschränkung von Vertragsstrafen auf die eine oder andere Weise für richtigund fachte die Diskussion so erneut an (Alciat, Donellus, Dumoulin, Hotmann, Menochius, Fachinaeus). Es scheint mir sicher, daß der entscheidende Anstoß für diesen neuerlichen "Umschwung" von einer zu diesem Zeitpunkt bereits mehr als 200 Jahre alten Lehre des kanonischen Rechts ausging, die auf der Grundlage der Entscheidung von Innozenz III. in X.5.37.9 entstanden war. Durch sie wurde die Funktion der Vertragsstrafe neu beurteilt. Sie verlor ihre Berechtigung, zu strafen, und sollte nur noch den Schadensersatz gewährleisten und den Gläubiger von der Beweislast befreien (Hostiensis). Nur Alciat und Hotmann haben die Forderungen der Kanonisten hinsichtlich einer generellen Mäßigung bei der Vereinbarung von Vertragsstrafen (Leotardus, Molina, Joan de Lugo) vollständig übernommen. Die meisten Autoren haben sich aus dem Spannungsfeld von D.45.1.38.17 (= 1.3.19.19) und C.7.47.1 gelöst und Mittelwege gesucht, die sich nur noch lose an die Texte des Corpus iuris anlehnten und mehr Ausnahmen zuließen, als die alten "leges" zu begründen vermochten. Statt dessen gewannen allgemeine Überlegungen zur Gerechtigkeit (probitas, aequitas) und Redlichkeit (fidelitas) an Bedeutung (Alciat, Donellus, Dumoulin, Hotmann). Das 16. Jahrhundert war auch die "Stunde" desrichterlichen Ermäßigungsrechtes, das - erstmalig um 1213 von Hostiensis ins Spiel gebracht - sich innerhalb kürzester Zeit eines großen Zuspruchs erfreute (Dumoulin, Leotardus, Donellus, Fachinaeus, Rebuffus, Menochius). Es wurde zum neuen und eigentlich zukunftsweisenden Instrument der Begrenzung. Die folgenden 200 Jahre haben die geschilderte Meinungsvielfalt zwar nicht beseitigt. Es zeigten sich jedoch nationale Schwerpunkte. In Frankreich blieben die Begrenzungslehren herrschend (Vallius, Domat und Pothier), in Deutschland

184

Schlufibetrachtung

wurde die Lehre von der freien Strafhöhe erneut zur überwiegenden Ansicht (Lauterbach, Stryk, Struve, Hellfeld, Wernher, Glück). In den Niederlanden blieben die Mehrheitsverhältnisse ungeklärt. Die Naturrechtskodifikationen spiegeln das Spektrum in etwa wieder, ohne unserer Frage besondere Bedeutung beizumessen. Die Regelungen stehen aber z.T. in einem bemerkenswerten Gegensatz zur jeweiligen nationalen Vorgeschichte. Der Code civil gab die Tradition von Dumoulin, Domat und Pothier auf und überließ die Strafhöhe der Vertragsfreiheit. Das ALR und das ABGB verfügten im Gegensatz zur "herrschenden Meinung" im deutschen Usus modernus Beschränkungen. Allein der Codex Maximilianeus schrieb die Tradition bruchlos fort. Hatten noch die Naturrechtskodifikationen deutliche Gegensätze gezeigt, so gelang es den deutschen Vertretern der Pandektistik im 19. Jahrhundert, in unserer Frage "mit einer Stimme" zu reden. Die Lehre von der freien Strafhöhe wurde nach langer Dominanz in Deutschland geradezu zur "alleinigen" Ansicht und beeinflußte das ADHGB (Art. 284) ebenso wie das Sächsische BGB (§ 1430) und den Dresdner Entwurf (Art. 127). Dem Einfluß auf das Handelsrecht war eine dauerhafte Wirkimg beschieden. Auch im geltenden Recht ist die Höhe von Vertragsstrafen bei Handelsgeschäften nicht beschränkt. § 348 HGB bestimmt: Eine Vertragsstrafe, die von einem Kaufmann im Betrieb seines Handelsgewerbes versprochen ist, kann nicht auf Grund der Vorschriften des § 343 des Bürgerlichen Gesetzbuchs herabgesetzt werden.

Um so bemerkenswerter ist es, daß noch im laufenden Gesetzgebungsverfahren im Jahre 1889 ein erneuter Umschwung mit der bisherigen Tradition brechen konnte. Die Diskussion hatte sich auf dem 20. Deutschen Juristentag auf die Optionen "freie Höhe" oder "richterliches Reduktionsrecht" zugespitzt. Es ist vor allem das Verdienst des Germanisten Otto von Gierke, daß letzteres sich durchsetzte und in § 343 BGB normiert wurde. Seit 1900 wurde dieser Schuldnerschutz durch die Rechtsprechung zu den Allgemeinen Geschäftsbedingungen und schließlich ab 1976 zum AGBG noch erweitert. Obwohl die Lehre von der freien Strafhöhe die konstanteste Größe in der historischen Diskussion war - wohl weil sie aus den widersprüchlichen Texten des Corpus iuris civilis am ehesten zu begründen ist7 -, hat also letztlich aus billigkeitsorientierten Erwägungen hinsichtlich eines pragmatischen Schuldner-

I. Inhalt

185

schutzes das Prinzip derrichterlichen Inhaltskontrolle in unserer Frage gesiegt und ist auch weiterhin auf dem Vormarsch. Die noch im Gesetzgebungsverfahren bis zuletzt zu vernehmenden Stimmen, die dasrichterliche Ermäßigungsiecht für einen "Anschlag" auf die Vertragsfreiheit hielten, sind unter der Herrschaft des BGB schlagartig verstummt. Ein Wiederaufleben der Diskussion über die Richtigkeit der Begrenzung von Vertragsstrafen erscheint mir unwahrscheinlich und wäre sachlich auch nicht gerechtfertigt. Insgesamt verläuft die Entwicklung in unserer Frage also gewissermaßen in einer "wellenmäßigen Bewegung", die U. Hübner bereits für die allgemeinere Entwicklung der Preisfreiheit konstatiert hat8. Phasen, in denen überwiegend eine Freigabe der Strafhöhe befürwortet wurde, wechseln sich ab mit Phasen, in denen eine restriktive Handhabung mehrheitlich für richtiggehalten wurde. Die Wechsel zwischen den einzelnen Phasen sind allerdings weder abrupt noch weisen sie eine erkennbare Regelmäßigkeit auf.

4. Das geltende Recht im europäischen Vergleich Die heute in Deutschland geltende Begrenzungsregel des § 343 BGB hat in Kontinentaleuropa viele Parallelen. Wie bereits geschildert, räumen das österreichische ABGB und seit 1975 auch der Code civil9 dem Richter ebenfalls ein freies Ermäßigungsrecht ein10. Weitgehend inhaltsgleiche Vorschriften enthalten der italienische Codice civile11, das schweizerische Obligationenrecht12, das griechische Zivilgesetzbuch13, aber auch beispielsweise das Zivilgesetzbuch der Ungarischen Volksrepublik von 195914 als Vertreter für die zum ehemals sozialistischen Machtbereich gehörenden Länder Osteuropas. Die wissenschaftliche Auseinandersetzung mit dem gemeinsamen römisch-rechtlichen Erbe hat also in unterschiedlichen Ländern und politischen Systemen auf getrennten Wegen zum

7

Siehe oben Kapitel 1, S. 20.

8

U. Hübner , "Der gerechte Preis", Festschrift für E Steindorff, S. 589/590.

9

Dazu Fischer , Vertragsstrafe und vertragliche Schadenspauschalisierung, S. 132 ff.

1 0

Siehe oben Kapitel 7, S. 146 ff.

1 1

Vgl. A r t 1384 "Riduzione della penale", der an eine offensichtliche Übermäßigkeit der Vertragsstrafe anknüpft Dazu: Natoli , Clausola penale, in: Sistema Giuridico italiana, Diritto Civile, 1.2 Fatti e atti giuridici, S. 610; Magazzü, Clausola penale, in: Enciclopedia del Diritto V I I (1960), S. 186 ff. 1 2

Vgl. §163 Abs. 3.

1 3

Art. 409.

1 4

§ 247 Abs. 1.

Schlußbetrachtung

186

gleichen Ziel geführt. Sie könnte als "Bindeglied der vormodernen europäischen Rechtskultur"15 dem heute oft geforderten Aufbau einer europäischen, rechtsvergleichenden Rechtswissenschaft wichtige Impulse geben16. Zumindest bei der Frage der zulässigen Höhe von Vertragsstrafen hat die Nationalisierung des Rechts im 18. und 19. Jahrhundert und der daraus resultierende, allgemein beobachtete Bruch in der juristischen Denkweise und Kategorienbildung17 keine Folgen gehabt. Die Vermutung liegt nahe, daß die jahrhundertelange Auseinandersetzung über das rechte Gleichgewicht zwischen Vertragsfreiheit und Schuldnerschutz bei Vertragsstrafen alle denkbaren Ideen und Argumente entwickelt und erschöpft hatte, und dadurch letztlich der weitere Weg für alle Nachfolgestaaten des römisch-kanonischen Ius commune vorgezeichnet war. Demgegenüber geht das anglo-amerikanische Recht in unserer Frage auf den ersten Blick eigene Wege. Es unterteilt Strafklauseln nach ihrer Funktion in grundsätzlich unwirksame penalties und prinzipiell wirksame liquidated damage clauses . Während erstere den Schuldner unter Erfüllungsdruck setzen sollen, handelt es sich bei letzteren um eine antizipierte Fixierung des eventuellen Schadensersatzanspruchs durch Schätzung des bei Vertragsverletzimg wahrscheinlich eintretenden Schadens18. Man sollte meinen, daß das Problem exzessiver Vertragsstrafen damit im anglo-amerikanischen Rechtskreis nicht mehr auftaucht. Man muß jedoch berücksichtigen, daß der Schuldner im Falle eines Vertragsbruchs die vereinbarte Schadensersatzsumme auch dann fordern kann, wenn der im konkreten Fall tatsächlich entstandene Schaden geringer ist oder überhaupt kein Schaden erwachsen ist 19 . Außerdem ist die Abgrenzung zwischen erlaubter Schadensschätzung und verbotener Strafklausel kompliziert und läßt sich nicht leicht auf eine griffige Regel zurückführen, da die von den Parteien gewählte Bezeichnung für die Einordnung von geringer Bedeutung und auch der Parteiwille nur dann verbindlich ist, wenn die Schadenspauschalisierung auch objektiv vertretbar (reasonable) ist 20 . Im Ergebnis haben die Gerichte zumeist solche Schadenspauschalen gewährt, die über dem tatsächlich entstan-

1 5

Schulze, Europäische Rechts- und Verfassungsgeschichte, Bd. 3, S. 10.

1 6

Dazu Coing , NJW 1990,937, 939 f.; Zimmermann, JZ 1992, 9 ff.

1 7

Ranieri, Europäische Rechts- und Verfassungsgeschichte, Bd. 3, S. 94 ff.; ders. in: lus commune X V I I , S. 9, 14. 1 8 Lindacher, Phänomenologie der Vertragsstrafe, S. 18 ff., 24; Zimmermann, The Law of obligations, S. 107 f.; Simpson, A History of the Common Law of Contract, p. 118 ff.; Chitty on Contracts I, p. 1389 ff. 1 9

Lindacher, S. 23.

2 0

Lindacher, S. 24-26.

I. Inhalt

187

denen Verlust lagen21. In der Sache handelt es sich bei der oft kritisierten22 Abgrenzung des anglo-amerikanischen Rechts also weniger um eine Unterscheidung zwischen Strafe und Schadensersatz als vielmehr um eine Trennung der zulässigen von den exzessiven Strafen. Bei aller Divergenz in der rechtstechnischen Herleitung sind die Ergebnisse von denen der erwähnten kontinentalen Kodifikationen also nicht weit entfernt. Man wird daher die von Zweigert/Kötz gemachte Beobachtung, daß die Vertragsgerechtigkeit heute generell in aller Welt die Vertragsfreiheit als materiales Funktionsprinzip des Vertragsrechts ablöst23, in unserer Frage bestätigen müssen.

II. Methode Wie bereits angedeutet, haben die untersuchten Juristen aller Epochen die widersprüchlichen Aussagen des Corpus iuris zu unserer Frage zu harmonisieren versucht. Die Autorität des Corpus iuris als geltendes Recht blieb von diesen nicht immer gewaltfreien Bemühungen völlig unberührt. Seine Anordnungen wurden als gegeben hingenommen, die Geschichte ihrer Entstehimg blieb weithin ausgeklammert. Auch die Humanisten, denen man im allgemeinen eine "historische" Arbeitsweise zuspricht24, machten da keine Ausnahme. Mittel der Harmonisierung war stets die Auslegung . Allein Art und Umfang der dabei ins Feld geführten Begründungen wechselten. Da das Corpus iuris aus sich heraus keine zwingende Folgerung zuließ, war fast immer ein Rückgriff auf andere "Quellen" vonnöten. Bei den Glossatoren war es die aristotelische Kategorienlehre, die auf eine uns heute nur schwer verständliche Weise den Ausschlag gab. Bei den Kommentatoren waren es demgegenüber prinzipielle, materielle Erwägungen, mit denen C.7.47.1 aus der Betrachtung ausgeschlossen wurde (Vertragsfreiheit, subjektive Vorstellungen der Parteien). Die Juristen des 16. Jahrhunderts stützten sich in unserer Frage auf schwer faßbare Nützlichkeitsund Billigkeitsargumente und letztlich wohl auf ihr Rechtsgefühl. Spätestens seit der frühen Neuzeit waren alle erdenklichen Argumente in der Diskussion mindestens einmal genannt. Die Auseinandersetzung lebte seitdem fast aus-

2 1

Lindacher, S. 33.

2 2

Zimmermann , Law of Obligations, S. 107 f.: "cumbersome and unsatisfactory".

2 3

Zweigert/Kötz

24 1

Schlosser , Grundzüge der Neueren Privatrechtsgeschichte, S. 44.

, Einführung in die Rechtsvergleichung, Bd. I I S. 8.

188

Schlubetrachtung

schließlich von Wiederholungen. Neuerungen, wie Pothiers Irrtumsargument25, blieben vereinzelte Ausnahmen. Unterschiede zeigen sich vor allem im Stil der Auseinandersetzung. Bei den Glossatoren überwog die ehrerbietige Übereinstimmung mit den tradierten Auffassungen. Die Kommentatoren boten demgegenüber bereits ein Bild zurückhaltender Kritik an Vorgängern und Zeitgenossen sowie einen Schulstreit zwischen französischen und italienischen Legisten. Die schärfsten und fruchtbarsten Auseinandersetzungen brachte das 16. Jahrhundert. Danach verließ die Diskussion in unserer Frage häufig nicht mehr den Bereich der Behauptung. Insbesondere die Vertreter der Historischen Rechtsschule behandelten die Frage der Begrenzung von Vertragsstrafen gar nicht mehr als Problem. Insgesamt zeigt die Beantwortung unserer Frage seit dem 12. Jahrhundert die überragende Bedeutung der Auslegung der Texte des römischen Rechts für die Rechtsfortbildung und den vergleichsweise späten, dann aber einschneidenden Einfluß der Gesetzgebung.

III. Grundeinstellungen der Zeit Die unterschiedlichen Auslegungsergebnisse fügen sich zumeist ohne besondere Brüche in die jeweiligen Grundeinstellungen der Epoche ein und dürften daher in aller Regel auch den spezifischen Bedürfnissen der Zeit entsprochen haben. Das ist eigentlich auch nicht erstaunlich. Unabhängig davon, ob "Argumente aus der Paxis" in der wissenschaftlichen Auseinandersetzung eine unmittelbare Rolle spielten, war die praktische Nutzanwendung wohl zu allen Zeiten das Endziel jeder Juristenausbildung. Man darf diese Parallele von Recht und "Zeitgeist" indes keineswegs als Gesetzmäßigkeit mißverstehen. Zum einen war die Diskussion in unserer Frage fast immer kontrovers. Die Grundeinstellungen der Zeit können also nicht allzu einheitlich gewesen sein, und häufig fallt es überhaupt schwer, einheitliche Vorstellungen in der bunten Fülle der geschichtlichen Überlieferung auszumachen26. Zum anderen überlagerte stets die persönliche Vorstellungswelt der Autoren ihre zeitbedingte Denkweise und führte zu überraschenden Gegenbewegungen (Bynkershoek). Insgesamt scheint mir der Einfluß der allgemeinen

2 5

Siehe oben Kapitel 5, S. 123 ff.

2 6

Siehe oben Kapitel 5, S. 188 ff.

III. Grundeinstellungen der Zeit

189

Grundvorstellungen fast immer ein unterbewußter und unieflektierter Vorgang gewesen zu sein. Hinweise auf die Bedürfnisse der Zeit in der juristischen Argumentationfinden sich erst im 19. Jahrhundert und sind auch dann selten. Zugegebenermaßen bildet die Pandektistik des 19. Jahrhunderts insoweit eine Ausnahme, da sie die Lehre von der freien Strafhöhe zur "alleinigen" Ansicht erhob. Hier mögen die liberale Grundströmung und ihre fachwissenschaftliche Absicherung (!) durch die junge Nationalökonomie dazu geführt haben, daß man auch in unserer Frage dem Prinzip der Vertragsfreiheit den Vorrang gleichsam einräumen mußte

14 Sossna

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