Die Trinitätstheologie und Christologie des Euseb von Caesarea: Eine dogmengeschichtliche Untersuchung seiner Platonismusrezeption und Wirkungsgeschichte 9783666551802, 3525551800, 9783525551806

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Die Trinitätstheologie und Christologie des Euseb von Caesarea: Eine dogmengeschichtliche Untersuchung seiner Platonismusrezeption und Wirkungsgeschichte
 9783666551802, 3525551800, 9783525551806

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V&R

Forschungen zur Kirchen- und Dogmengeschichte

Herausgegeben von Adolf Martin Ritter

Band 72

Göttingen · Vandenhoeck & Ruprecht · 1999

Die Trinitätstheologie und Christologie des Euseb von Caesarea Eine dogmengeschichtliche Untersuchung seiner Piatonismusrezeption und Wirkungsgeschichte

von Holger Strutwolf

Göttingen · Vandenhoeck & Ruprecht · 1999

Die Deutsche Bibliothek -

CIP-Einheitsaufnahme

Strutwolf, Holger: Die Trinitätstheologie und Christologie des Euseb von Caesarea: eine dogmengeschichtliche Untersuchung seiner Piatonismusrezeption und Wirkungsgeschichte / von Holger Strutwolf. Göttingen: Vandenhoeck und Ruprecht, 1999 (Forschungen zur Kirchen- und Dogmengeschichte; Bd. 72) Teilw. zugl.: Münster, Univ., Habil.-Schr., 1997 ISBN: 3-525-55180-0

Gedruckt mit Unterstützung des Förderungsund Beihilfefonds Wissenschaft der VG WORT

© 1999 Vandenhoeck & Ruprecht, Göttingen. Printed in Germany. - Das Werk einschließlich aller seiner Teile ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung außerhalb der engen Grenzen des Urheberrechtsgesetzes ist ohne Zustimmung des Verlages unzulässig und strafbar. Das gilt insbesondere für Vervielfältigungen, Übersetzungen, Mikroverfilmung und die Einspeicherung und Verarbeitung in elektronischen Systemen. Satz: Competext, Heidenrod Druck und Bindearbeiten: Hubert & Co., Göttingen

VORWORT

Die vorliegende Arbeit ist die überarbeitete Fassung meiner Habilitationsschrift, die im Sommersemester 1997 von der Evangelisch-Theologischen Fakultät der Wilhelms-Universität Münster angenommen wurde. Zu danken habe ich besonders Frau Professorin Dr. Barbara Aland, die die Entstehung dieser Arbeit intensiv begleitet und gefördert hat, viel Geduld und Nachsicht mit der Eigenwilligkeit ihres Verfassers hatte und das Erstgutachten erstellte. Herrn Professor Dr. Wolf-Dieter Hauschild danke ich für die Erstellung des Zweitgutachtens und auch und gerade für die kritischen Anmerkungen, deren Berücksichtigung - so hoffe ich wenigstens - dieser Arbeit sehr zu Gute gekommen ist. Er möge mir vergeben, wenn ich im wesentlichen auf meinen (von den seinen abweichenden) Anschauungen beharre. Herrn Professor Dr. Matthias Baltes danke ich für viele Gespräche und Belehrungen, die platonische Philosophie betreffend, besonders aber auch für die liebenswürdige und nachsichtige Art, in der er den Verfasser nicht nur philosophiegeschichtlich belehrte, sondern auch menschlich tief beeindruckte. Meinen damaligen Kollegen am Institut für Neutestamentliche Textforschung in Münster spreche ich hiermit meinen Dank aus für viele instruktive Gespräche, wichtige Ratschläge und kompetente Hilfestellung von der Warte ihrer jeweiligen Fachgebiete aus, allen voran meinen Freunden Dr. Andreas Juckel, Dr. Ulrich Schmid und Dr. Klaus Wachtel, schließlich - last not least - Herrn Gustav Wendt, der sich neben Herrn Dr. Juckel die Zeit nahm, meine syrischen Zitate zu überprüfen. Meinem verehrten Lehrer, Herrn Professor Dr. Adolf Martin Ritter, verdanke ich mehr, als in diesem Vorwort Platz finden kann. Erwähnen möchte ich nur die A u f n a h m e dieser Arbeit in die von ihm herausgegebene Reihe, die intensive Begleitung der Drucklegung, die kritische Durchsicht der Arbeit und die instruktive Kritik an derselben. Herrn Professor Dr. Markus Vinzent danke ich für die gründliche und kritisch-instruktive Lektüre der Arbeit. Wie immer habe ich meiner Frau für die Hilfe, die sie mir während und bei der Entstehung dieser Arbeit leistete, zu danken. Dankbar sei auch der VG-Wort gedacht, ohne deren Druckkostenzuschuß diese Arbeit nicht hätte erscheinen können. Lemberg, den 30.05.1999, dem Todestag des Euseb von Caesarea

Holger Strutwolf

INHALT

Einleitung

11

Α. Der historische Rahmen

19

1. Kirchen- und Reichsgeschichte

20

2. Dogmengeschichte

23

2.1 Eusebs Haltung in der Frühphase des arianischen Streits

24

2.2 Das Konzil von Antiochien 324/325 und sein vermeintliches Symbol

31

2.3 Eusebs Rolle auf dem Konzil zu Nizäa

44

B. Das „apologetische System" des Euseb

62

1. Zur gattungs- und literaturgeschichtlichen Einordnung des eusebianischen Doppelwerks

62

2. Das apologetische Programm des Euseb von Caesarea

64

2.1 Das Referat der Vorwürfe

66

2.2 Der propädeutische Exkurs „Glaube und Vernunft"

70

2.3 Die Systematik des apologetischen Gesamtentwurfs

74

C. Die Aneignung der platonischen Metaphysik und die eusebianische Trinitätslehre

87

1. Das Verhältnis der platonischen Metaphysik zur „hebräischen Philosophie": die religionsgeschichtliche Sicht des Euseb

90

2. Die Philosophie als dreiteiliges System

94

3. Die göttliche Trias und die geistige Welt

103

3.1 Die Theologie des ersten Prinzips: Das Sein und das Gute

105

3.1.1 Theologie des Seins

105

3.1.2 Der Eine und das Wesen des Guten

113

a) Der eine Gott

113

b) Das Wesen des Guten

116

3.1.3 Die Nähe des Transzendenten: Der christliche Schöpfergott

3.2 Die Logostheologie: Idee und Weltseele 3.2.1 Die Existenz eines zweiten Prinzips

123

129 130

Inhalt

3.2.2 Der Logos als Ideenwelt

147

3.2.3 Die Logoslehre der „Hebräer"

156

3.2.4 Bild Gottes und „Weltseele": Die zwei Stufen des Logos bei Euseb

161

a) Die Relation Vater - Sohn: Die Abbildtheologie

164

b) Die Relation Logos - Welt

180

c) Die Vermittlung der beiden Stufen des Logos bei Euseb

183

3.2.5 Zwischen Numenius und Plotin. Der mittel- und neuplatonische Hintergrund der eusebianischen Logostheologie

3.3 Die Pneumatologie 3.3.1 Der Heilige Geist als die dritte ursprüngliche Hypostase

187

194 195

a) Die eusebianische These: Der Heilige Geist und die platonische Weltseele

195

b) Die platonische Lehre von den zwei Weltseelen

198

c) Der Geist als ά ρ χ ή . Mond und Weltseele

201

d) Der Heilige Geist als Weltseele: das Modell des Euseb 3.3.2 Das Problem der Gottheit des Heiligen Geistes

208 212

a) Der Heilige Geist und die Dämonen: Der Streit um die wahre Göttlichkeit

213

b) Das Bild der göttlichen Salbung

218

c) Die Gottheit des Geistes d) Weder Gott, noch Sohn! Die Betonung der eigenen Hypostase des Geistes in der antimarkellischen Polemik des Euseb e) Die Gottheit des Geistes in anderen eusebianischen

222

Schriften

3.4 Die eusebianische Anthropologie

224 230

237

a) Der platonische „Beweis" für die Unsterblichkeit der Seele und das Verhältnis von Vernunft und Glaube

238

b) Die eusebianische Anthropologie und ihr origenistischer Hintergrund

249

Die Differenz zwischen Piatonismus und der „hebräischen Philosophie"

258

4.1 Die Kritik des platonischen „Kompromisses" mit dem Polytheismus

258

4.2 Die Lehre von den Mittelwesen

261

Inhalt 4.3 Die Lehre von der Seele 4.4 Die Lehre von den Gestirnsgöttern

9 265 271

5. Z u s a m m e n f a s s u n g

274

D. Der inkarnierte Logos

276

1. Die Inkarnation in der Heilsgeschichte

279

2. Das christologische Modell des Euseb

284

2.1 Die Inkarnationsvorstellung in der Demonstratio evangelica .... 288 2.1.1 Der Logos als Subjekt des Inkarnationsgeschehens

288

a) Die zwei Seiten des inkarnierten Logos

289

b) Der Abstieg des göttlichen Logos

295

c) Der Gott im Leib

299

d) Die Vergöttlichung des Menschen und die communicatio idiomatum 2.1.2 Die Rolle der Seele Jesu im Passionsgeschehen

304 312

2.2 Die Christusseele und der ψ ι λ ό ς άνθρωπος-Vorwurf in den antimarkellischen Schriften 2.3 Die Christologie im Spätwerk des Euseb 2.3.1 Die „Psychologie" des Erlösers im Psalmenkommentar

323 333 333

a) und Erniedrigung die Seele und Jesu Opfertod Christi

334

b) Der Logos und seine Seele: Ihre Beziehung am Beispiel der Hadesfahrt Christi entfaltet

339

2.3.2 Vater, Sohn und angenommener Mensch

345

a) Im Psalmenkommentar

345

b) Im Jesajakommentar

352

2.3.3 Leib Christi und angenommener Mensch 3. Z u s a m m e n f a s s u n g

364 372

E. Zur Wirkungsgeschichte der eusebianischen Theologie

376

1. Die Wirkungsgeschichte der eusebianischen Apologetik 2. Die Wirkungsgeschichte der eusebianischen „Trinitätslehre"

377 379

2.1 Die Eusebrezeption der sogenannten „Mittelpartei" bis 363

380

2.2 Die Eusebrezeption des Athanasius

391

3. Die Wirkungsgeschichte der eusebianischen Christologie

408

4. Z u s a m m e n f a s s u n g

418

Literaturverzeichnis

421

10

Inhalt

Register Bibelstellen Antike Autoren Sachen

453 453 455 468

EINLEITUNG

Euseb von Caesarea, als „Vater der Kirchengeschichte" 1 hoch angesehen, als christlicher Gelehrter2 geschätzt und als unersetzliche Quelle gerne benutzt,3 wird als Theologe immer noch gründlich verkannt. Zwar gibt es nach Opitz und Berkhof4 in neuerer Zeit einige Studien, die sich mit Einzelproblemen seiner Theologie auseinandersetzen, 5 aber von einer gerechten und umfassenden Wür-

1 So trägt das Buch von F. Winkelmann, Euseb, den Untertitel „Der Vater der Kirchengeschichte". Die Untersuchungen zur Kirchengeschichte des Euseb, ihrer Intention, ihrer Art der Quellenbenutzung und ihres Geschichtsbilds sind denn auch Legion. Ich nenne bloß: G.F. Chesnut, Histories, S. 133-166; A. Dempf, Eusebios; G. Fau, Eusebe; M. Gödecke, Geschichte; R.M. Grant, Eusebius; F. Scheidweiler, Kirchengeschichte, S. 123-139; J. Sirinelli, Vues; G. Wiesner, Bios. Typisch für die Nichtbeachtung des Theologen Euseb zugunsten des Kirchenhistorikers Euseb ist die Vorgehensweise von H.R. Drobner, Lehrbuch, S. 190, der sich nach der Aussage, der „berechtigte Ruhm" des Euseb „als christlicher Schriftsteller" beruhe „auf seinen historischen Werken", in seiner Darstellung des eusebianischen Werks allein auf die chronographischen und historischen Werke sowie auf die Konstantinschriften des Euseb beschränkt (ebd., S. 191-197). R.M. Grant, Case, S. 413-421 möchte auch diese Hochschätzung des Euseb als Kirchengeschichtsschreiber sehr relativieren. 2

O. Bardenhewer, Geschichte II, S. 243. Vgl. auch das positive Urteil bei W. Schmid/O. Stählin, Geschichte, S. 1372 § 1009: „Eusebios war in erster Linie Gelehrter; sein Fleiß, seine Sorgfalt, seine Gewissenhaftigkeit in der Sammlung und Verwendung urkundlichen Materials, seine Meisterschaft in der Ordnung großer Stoffmassen machen ihn zu einem der größten christlichen Gelehrten und seine Werke zu den wertvollsten und einflußreichsten in der altchristlichen Literatur." Die oft zu beobachtende Diskrepanz zwischen der Hochschätzung des Gelehrten Euseb und der Ablehnung seiner Theologie ist schon für die nachnizänische altkirchliche Einschätzung des Euseb typisch, vgl. F. Winkelmann, Euseb, S. 10-15. ' So als Quelle für die Philosophie des Numenius, für deren Fragmente er fast die einzige Quelle darstellt, (vgl. die Einleitung und die Ausgabe der Fragmente bei E. des Places, Numenius und E.-A. Leemans, Studie. Vgl. auch R.R. Ruther, Lecteur, S. 145-153) und überhaupt für die Philosophie des Mittelplatonismus. Aber auch als Quelle für die Geschichte des christlichen Kanons (M. Müller, Überlieferung, S. 425-455) und für den Bibeltext von Caesarea (vgl. B.M. Metzger, Text, S. 42-72) wird er ausgiebig herangezogen, und besonders sein neutestamentlicher Bibeltext ist Gegenstand vieler Untersuchungen geworden: K.W. Kim, Text, JBL68, S. 125-139; ders., Text (Diss.); Κ. Lake, Text, S. 266-270; H.S. Murphy, Text; ders., N.T. Text, S. 162-168; M.J. Suggs, Text of Matthew, S. 233-245; ders., Text of John, S. 137-142; ders., Eusebius and the Gospel Text, S. 307-310; V.G. Tasker, Text, S. 307-310; D. Volturno, Text; D.S. Wallace-Hadrill, Analysis, S. 168-175; ders., Eusebius and the Gospel Text of Caesarea, S. 105-114. 4 H.G. Opitz, Euseb, S. 1-19 und ihm folgend H. Berkhof, Theologie, S. 9 haben als erste wieder Euseb als theologischen Denker in den Blick genommen. Zur Kritik der veralteten Arbeit von M. Faulhaber, Apologeten vgl. G. Ruhbach, Apologetik, S. 2. 5 Vgl. die Studien von G. Ruhbach, Apologetik; J.R. Lyman, Christology, S. 82-123; J.K. Mackett, Theology. Darüber hinaus beschäftigen sich F.S. Thielman, Look, S. 226-237 und F. Trisoglio, Eusebio, S. 173-182 mit der Eschatologie des Euseb. Eine prominente Rolle spielt Euseb

12

Einleitung

digung des Theologen Euseb sind wir immer noch weit entfernt. Zum einen fehlt immer noch eine eingehende Analyse seiner Trinitätslehre; 6 zum anderen steht eine gründlichere Beschäftigung mit der Christologie des Euseb, der allgemein als erster Vertreter einer reinen Logos-Sarx-Christologie angesehen wird, 7 ebenfalls noch aus, von einer von seinen theologischen Intentionen ausgehenden Gesamtwürdigung seiner Theologie ganz zu schweigen. Die weit verbreitete Geringschätzung der eusebianischen Theologie steht dabei in eigentümlichem Zusammenhang mit dem, was man ihren „apologetischen" Charakter zu nennen pflegt. So kam bekanntlich H. Berkhof in seinem unter dem Titel „Die Theologie des Eusebius von Caesarea" stehenden Werk zu dem sehr paradoxen Ergebnis, daß der unter dieser Überschrift untersuchte Theologe eigentlich gar keiner gewesen sei, vielmehr bloßer Apologet ohne eigenes theologisches Interesse und ohne systematisch-denkerische Begabung." Theologisch erscheint dabei sein Denken als ein apologetisch halbierter, bzw. verflachter Origenismus ohne eigenständiges Profil, der von der spekulativen Kraft des genuin origeneischen Denkens nur negativ abstechen kann. 9 Daher gilt Euseb im allgemeinen immer noch als theologisch marginal, man konstatiert bei ihm die „Inkonsequenz des Praktikers", der „kein großer Theologe" gewesen sei, sondern sich „vor allem auf die Tradition" gestützt habe. Ja, man meint, ihn gegen den Vorwurf der Häresie und der theologischen Unredlichkeit, die sich in seiner scheinbar schwankenden Haltung im arianischen Streit offenbare, mit den Worten entschuldigen zu können, er habe es eben „vorzüglich" verstanden, „seine Ideen unter einer Flut von Worten zu verbergen und viel zu reden, um nichts zu sagen." 10 In dieser negativen Beurteilung der eusebianischen Theologie offenbart sich nun nicht so sehr ein Mangel der eusebianischen Theologie als vielmehr das hermeneutische Grundproblem, wie sehr das jeweilige Vorverständnis die Wahrnehmung und die Interpretation des Gegenstandes bestimmt. Zum einen manifestiert sich m.E. über seine Wirkungsgeschichte auch in den Arbeiten von V. Drecoll, Basilius; G. Feige, Lehre und M. Vinzent, Pseudo-Athanasius. 6 Vgl. V. Drecoll, Basilius, S. IX. 7 Vgl. W. Metzger, Organongedanke, S. 246-263; A. Grillmeier, Jesus, S. 312-321. * Vgl. H. Berkhof, Theologie, S. 62-64. Er bemerkt auf S. 62: „Diese Theologie ist nicht selbständig durchdacht, denn sie ist die Theologie eines Apologeten. Der Apologet ist nur so weit an der Theologie interessiert, als er sie für seine eigene Arbeit braucht. Wir sollen uns darum nicht wundern, wenn wir immer wieder auf Widersprüche, Lücken und ungelöste Fragen stoßen." 9 Vgl. G. Ruhbach, Apologetik, S. 1. Gegen dieses festgefügte Bild der völligen Abhängigkeit des Euseb von Origenes hat er in Apologetik, S. 8-20 die Unterschiede zwischen Euseb und Origenes herausgearbeitet. Allerdings wird auch er in seiner Betonung der Eigenständigkeit des Euseb diesem nicht wirklich gerecht. Die Eigenständigkeit des Euseb ist nämlich durchaus die Eigenständigkeit eines Origenisten (vgl. C. Kannengiesser, Eusebius, S. 435-466). 1,1 J. Moreau, Eusebius, Sp. 1078-1079. Auch F. Winkelmann, Euseb, S. 56-57, der einerseits betont, daß Euseb „mehr als nur ein Apologet" war, schließt sich letztlich doch der Ansicht von H.G. Opitz, Euseb, S. 1 -19 an, nach der Eusebs Theologie sich im wesentlichen auf „einfache theologische Formeln und auf Vernunftwahrheiten" beschränkte, „die sich platonischen Gedanken anglichen," und betont dagegen nur, daß „aus seiner theologischen Grundhaltung ... doch ein recht eindrucksvolles apologetisches, historisches und kulturtheologisches System" erwachsen sei.

Einleitung

13

nämlich gerade in der Berkhofschen Kritik an der Theologie des Euseb ein selbst wiederum historisch bedingtes Unverständnis eines modernen, unter dem Einfluß Barthianischer Theologie stehenden Gelehrten, dem offensichtlich die apologetische Aufgabe als solche suspekt zu sein scheint. Zum anderen erweist sich unser Eusebbild als immer noch stark durch das im wesentlichen schon von Athanasius entworfene „altnizänische" Bild von der kirchen- und dogmengeschichtlichen Entwicklung des vierten Jahrhunderts geprägt." Hierbei besteht offenbar die Neigung, die „vornizänische" Theologie des Euseb am Maßstab späterer dogmengeschichtlicher Klärungen und Problemstellungen zu messen, die ihm selber nicht zugänglich waren. 12 Ja, selbst die Charakterisierung seiner Theologie als „vornizänisch" setzt ein Bild von „nizänischer Orthodoxie" voraus, welches dem Nizäa-Bild des Euseb (und wohl auch der Mehrheit der in Nizäa vertretenen Bischöfe) diametral entgegensteht und durch die erfolgreiche Usurpation der nizänischen Synode durch die von Athanasius vertretene Theologie geprägt ist. Eine solche Blickrichtung auf die Theologie des Euseb verstellt m.E. die Sicht auf die historische Bedingtheit und die in diesem Rahmen durchaus festzustellende theologische Eigenständigkeit des christlichen Denkers Euseb, der eben auch als Apologet immer Theologe blieb, der sich zwar als Bewahrer der kirchlichen Tradition verstand, sich aber dennoch problem- und selbstbewußt durchaus für kompetent und berechtigt hielt, sich das überkommene Erbe eigenständig anzueignen und dort, wo die gewandelte zeit-, geistes- oder theologiegeschichtliche Lage es nötig machten, das Überlieferte zu verwandeln. Es ist daher ein methodisches Postulat dieser Arbeit, Euseb in seiner Zeit und aus seiner Zeit heraus und das heißt auch von den von ihm vorausgesetzten Problemstellungen und Lösungsansätzen her zu verstehen. Hierbei ist auch die zentrale Frage zu klären, in welchem Sinne Eusebs Denken „apologetisch" genannt werden kann und wie sich bei ihm überhaupt das Apologetische zum Theologischen verhält. Vieles, was in der Retrospektive die Theologie des Euseb - durchaus im doppelten Sinne zu verstehen - als „fragwürdig" erscheinen läßt, hängt nämlich mit seiner eigentümlichen geistes- und theologiegeschichtlichen Zwischenstellung

11 Vgl. die Kritik von H.C. Brennecke, Hilarius, S. XVI-XVII an den Studien von W. Tietze, Lucifer und P. Gläser, Phoebadius. Brennecke weist zurecht darauf hin, daß die Geschichte der Zeit von 325-361 „nicht ausschließlich nach dem von Athanasius in seinen apologetischen Schriften der zweiten Hälfte der fünfziger Jahre des vierten Jahrhunderts geprägten Geschichtsbild verstanden werden darf, das die kirchengeschichtliche Tradition von den Kirchenhistorikern des fünften Jahrhunderts an weithin bis heute geprägt hat." Zum polemisch entworfenen Bild der Ereignisse in der Apologia Secunda des Athanasius vgl. den gründlichen Nachweis der teilweise sehr tendenziösen Sicht der Dinge bei Athanasius durch L.W. Barnard, Studies, passim, der ebd., S. 7-8 seine Sicht dahingehend zusammenfaßt, daß die Geschichte der arianischen Streitigkeiten bisher zu einseitig aus der Perspektive des Athanasius geschildert wurde, und betont, „that a spirit of fanaticism clouded his historical judgement leading to unfairness in treating the motives and beliefs of his opponents." 12

Vgl. auch J.R. Lyman, Christology, S. 83.

14

Einleitung

zusammen, die er mit vielen seiner Zeitgenossen teilt: Euseb von Caesarea kann ja mit einigem Recht als ein typischer „Übergangstheologe" betrachtet werden. Steht er doch als Theologe und Mann der Kirche „an der Wende zweier Zeitalter." Dieses Stehen zwischen zwei Epochen drückt sich nun allerdings nicht allein darin aus, daß er „mit seiner Bildung, seinen Interessen und seinen den Ertrag der Vergangenheit zusammenfassenden Werken" „noch der vornizänischen Zeit" angehöre, „als Bischof und Kirchenpolitiker" aber „inmitten der kampfdurchtobten neuen konstantinischen Epoche" steht.13 Vielmehr ist auch seine Theologie selbst nicht nur äußerlich am Wendepunkt zwischen heidnischer und christlicher Antike lokalisiert, sondern tief in ihrem Inneren von der Auseinandersetzung mit dem antiken Bildungserbe bestimmt. Wird doch in ihr als einer „hermeneutischen Theologie", die die unerhörte Neuheit des christlichen Glaubens mit der überkommenen philosophisch-kulturellen Tradition der Antike vermitteln will, das Verhältnis von Antike und Christentum selbst explizit thematisch. Dabei ist diese vom intensiven Gespräch zwischen biblisch-christlicher und pagan-philosophischer Überlieferung und ihren jeweiligen Auslegungstraditionen geprägte Art theologischen Nachdenkens nicht nur Relikt einer von der Theologiegeschichte eigentlich schon überholten Zeit, sondern gehört selbst deutlich schon der neuen Zeit an und ist daher nicht allein im Rahmen einer historischen Erforschung des Verhältnisses von Antike und Christentum, sondern auch theologie- und dogmengeschichtlich von besonderem Interesse. Wie oft bemerkt wurde, ist es ein herausragendes Charakteristikum dieser Theologie, daß sie als ein an einem weit- und kirchengeschichtlichen Knotenpunkt lokalisierter Entwurf in ihrem innersten Wesen apologetisch bestimmt ist. Auch das Element des Apologetischen trägt nun bei Euseb die Signatur des Übergangs: Einerseits hat die apologetische Aufgabenstellung, der Euseb sich verpflichtet weiß, eine lange Tradition, die beginnend bei den frühchristlichen Apologeten über Origenes zu Euseb selbst führt, andererseits ist aber die geistige Situation der Zeit, in der Euseb lebte, gegenüber der Zeit der frühen Kirchenväter und auch der des Origenes, 14 erheblich gewandelt: Denn die christliche Kirche stand nun nicht mehr als eine kleine, kaum beachtenswerte Sekte am Rande der Gesellschaft und gänzlich außerhalb des Gesichtskreises des allgemeinen Bewußtseins. Sie war vielmehr zu einer geistigen und geschichtlichen Macht geworden, die nicht mehr zu übersehen und auch nicht mehr staatlich zu beseitigen war, wie der Ausgang der letzten und größten Christenverfolgung, deren Zeuge Euseb geworden war und die ihm wie der letzte und zum Scheitern verurteilte Versuch, sich der wachsenden neuen Religion zu erwehren, erscheinen mußte, gezeigt hatte.

13

B. Altaner/A. Stuiber, Patrologie, S. 217. Vgl. H. Berkhof, Theologie, S. 13. Dies unterstreicht auch M. Simonetti, Eusebio, S. 324 und betont die „neue Verantwortung", die sich für christliche Theologen aus diesem Situationswechsel ergab. 14

Einleitung

15

Aber nicht nur die Bedeutung des Christentums im Rahmen der antiken Gesellschaft hatte sich grundlegend verändert, auch das nichtchristliche Geistesleben, mit dem das sich ausbildende Christentum sich, je weiter es selbst in höhere Gesellschafts- und Bildungsschichten eindrang, konfrontiert sah, hatte einen bedeutenden Wandel durchgemacht: Dem aufstrebenden Christentum steht zur Zeit des Euseb nicht mehr eine lebendige Fülle heidnischen Philosophierens und Glaubens gegenüber, sondern der „monolithische Block" einer sich selbst religiös verstehenden Philosophie, des Neuplatonismus. 1 5 Im Namen dieser Philosophie und mit der Hilfe ihrer Interpretamente wurde jetzt systematisch nicht nur das Christentum angegriffen, sondern eine konsequente philosophische Rechtfertigung und „Entmythologisierung" des Polytheismus versucht (Porphyrius/ Iamblich) 16 . Berkhof hat das Verhältnis des Christen Euseb zu dieser genuin unchristlichen Philosophie mit folgenden Worten zu beschreiben versucht: „In den Voraussetzungen dieser Philosophie lebte die heidnische intellektuelle Oberschicht zur Zeit des Eusebius, und auch Eusebius, der als Christ diese Philosophie selber abgelehnt und bekämpft hat, ist doch in seiner Theologie tiefgehend von deren Voraussetzungen beeinflußt". 17 So sehr die innere Abhängigkeit des eusebianischen Denkens von platonischen Denkmustern und Kategorien in dieser Charakterisierung angemessen und richtig beschrieben sein mag, so sehr scheint der rein äußerlich gefaßte Gegensatz des Euseb zum Neuplatonismus zumindest einseitig, wenn nicht gar irreführend zu sein. Nichts lag nämlich m.E. diesem Denker ferner, als die platonische Philosophie, so wie sie sich ihm darstellte, zu bekämpfen. Vielmehr hat er sie, wie wir im Laufe dieser Studien noch deutlicher erkennen werden, als Gesprächspartner immer ernst genommen und lieber Übereinstimmung des Christentums mit dem Piatonismus als den Dissens konstatiert und herausgestrichen. Es steht j a überhaupt von vornherein zu erwarten, daß eine so sehr von der apologetischen Aufgabe geprägte Theologie wie die des Euseb von Cäsarea, die gerade in ihrer Funktion als antwortende und verteidigende Rede von christlichen Inhalten durch das Moment der Anknüpfung an die zwischen Heiden und Christen unstrittigen Voraussetzungen bestimmt sein dürfte, im Verfolg ihrer apologetischen Argumentation bestrebt sein mußte, eher das Verbindende als das Trennende zwischen dem aufstrebenden Christentum und dem, was an der Antike kostbar war und worauf seine nichtchristlichen Gesprächspartner mit Recht und Stolz beharren konnten, zu unterstreichen. Während für Euseb das negative Element der paganen Kultur seine Mitte im als Dämonenverehrung denunzierten Polytheismus und seinen vermeintlich negativen moralisch-ethischen wie auch kulturellen Auswirkungen hatte, war für ihn das Positive der Antike in der Philosophie des Piaton zentriert. Er mußte daher, wollte er seiner apologetischen Aufgabe gerecht werden, bestrebt sein, einen 15

Vgl. H. Dörrie, Theologie, S. 14-15. Zur Stellung der Neuplatoniker zur heidnischen Religion vgl. E. des Places, Religion, S. 300-306. 17 H. Berkhof, Theologie, S. 25. 16

16

Einleitung

Keil zwischen Philosophie und Polytheismus zu treiben. D.h., er mußte die in der Realität unleugbare Allianz von Philosophie und heidnischer Religion aufbrechen, um die in ihrer denkerischen Evidenz allen tiefer Gebildeten eingängigen Prämissen des Philosophischen aus ihrer Verquickung mit dem Polytheismus zu lösen und in eine neue Synthese mit dem Christlichen, ihrem eigentlich angemessenen Pendant, zu bringen. Daher ist, wie wir noch genauer sehen werden, die Quintessenz des zwischen Heiden und Christen Unstrittigen für Euseb die platonische Philosophie, so wie er sie aufgefaßt hat. Es geht dabei also letztlich nicht um die Auseinandersetzung zwischen Piatonismus und Christentum, sondern um die Konkurrenz zweier verschiedener „Piatonismen", bzw. zweier einander widerstreitender Inanspruchnahmen der platonischen Philosophie für ein jeweiliges religiöses System. Ausdruck des Bemühens, seinen heidnischen Gesprächspartnern die christliche Lehre nahezubringen, bzw. christliche Leser in ihrem von heidnischer Kritik angefochtenen Glauben zu bestärken, ist die Abfassung eines großangelegten apologetischen Gesamtwerks, das sozusagen den Kulminationspunkt der voreusebianischen Versuche, das Christentum gegenüber Einwänden von Heiden und Juden zu rechtfertigen, darstellt. Diese alle vorherigen Versuche in den Schatten stellende Apologie, die in zwei Teile - die Praeparatio und die Demonstratio evangelica - zerfällt, ist nicht allein eine durch die darin verarbeitete Materialfülle aus den Fugen geratene apologetische Verteidigungsschrift, sondern stellt vielmehr den großangelegten Entwurf einer theologischen Gesamtsicht der geistesgeschichtlichen Wirklichkeit dar. Da sie primär dem positiven Wahrheitsbeweis für die christliche Lehre gewidmet ist und damit zugleich das theologischdogmatische Hauptwerk des Euseb ist, soll sie der Ausgangspunkt der vorliegenden Untersuchung sein. Unter der Fragestellung nach dem „apologetischen System des Euseb von Caesarea" soll dabei die Arbeitsweise dieser genuin theologischen Verteidigung des christlichen Glaubens dargelegt werden. Diese Rekonstruktion der apologetischen Theologie des Euseb enthält dabei folgende Elemente: (1) Zum einen ist das eusebianische Bild des Christlichen, um dessen Vermittlung mit dem Antiken es dem Christen Euseb zu tun ist, zu erheben: Was ist für ihn das wesentlich Christliche? Welche Rolle spielt bei diesem Entwurf die kirchliche Tradition, welche die Bibel? (2) Zum anderen ist zu fragen, wie sich für Euseb sein heidnisches Gegenüber darstellt. Welche Kenntnis besitzt er von antiker Philosophie und Religion und aus welchen Quellen stammt sie? (3) Schließlich ist die eigentliche Methode, die der Kirchenvater bei der Vermittlung von Antike und Christentum benutzt, zu untersuchen. Knüpft er an vorgegebene griechische Denkmodelle an, um das Christliche als kommensurabel zu erweisen? Kommt es bei dieser etwaigen Anknüpfung an vorchristliches Denken zu einer wirklichen, produktiven Aneignung des Vorgegebenen, oder stellt sie nur eine „scheinbare Übernahme alter Formen" und somit keine wirkliche Metamorphose des Christlichen, sondern nur eine „Pseudomorphose" dar, wie

Einleitung

17

Η. Dörrie im Anschluß an O. Spengler meinte? 18 Für Dörrie gilt dabei bekanntlich, daß Christentum und recht verstandener Piatonismus einander „gänzlich fremd, ja inkommensurabel" sind, so daß die Anwendung platonischer Redeweise bei den christlichen Theologen der Antike als ein „Eingehen auf die Denkgewohnheiten der ,Griechen'" und als ein bloßes „Mittel, das dazu diente, die Bereitschaft, Christ zu werden, zu vermehren", zu gelten hat. iy Das, was seit langem als „Hellenisierung des Christentums" verdächtigt werde, sei daher nicht mehr als ein apologetischer Kniff der Kirchenväter, die in ihren protreptischapologetischen Schriften den Eindruck erwecken wollen, „daß es nur eines kleinen, eines geradezu geringfügigen Schrittes bedürfe, um von der ,hellenischen Weisheit' zur christlichen Lehre und zur christlichen Offenbarung zu gelangen." 20 Diese von den christlichen Schriftstellern, die um die Unvermittelbarkeit beider Größen gewußt hätten, bewußt eingesetzte „Fiktion" eröffne den „Weg zu dem, was man heute ,Hermeneutik' nennt": Es gehe letztlich bloß darum, „das Verständnis des eigentlich Gemeinten, nämlich der christlichen Glaubensinhalte, zu erleichtern und zu befördern", wobei man sich des Platonischen nur als eines „Vehikels" bediene, eines Mittels der Verständigung, mit dem man es im letzten nicht ernst gemeint haben kann.21 Abgesehen von der Frage, ob das hier zugrundeliegende Bild von Hermeneutik zureicht und nicht vielmehr eine fragwürdige Verkürzung des Verstehensbegriffes impliziert, stellt sich angesichts dieser These eines so profunden Kenners der antiken Philosophie, wie Dörrie es ist, für die patristische Forschung, deren Gegenstand von der Rezeption der Antike durch das Christentum wesentlich geprägt ist, die Frage, inwieweit mit dieser Hypothese das Verhältnis von Christentum und Philosophie angemessen skizziert ist. Ist eine solche vordergründige Instrumentalisierung des antiken Erbes bei den in der Spätantike verwurzelten frühen Kirchenschriftstellern überhaupt denkbar, d.h. psychologisch oder auch geistesgeschichtlich überhaupt möglich? Um diesen Fragen am Beispiel der eusebianischen apologetischen Theologie nachzugehen, bedarf es einer eingehenden Untersuchung der apologetischen Arbeitsweise des Euseb, die ausgehend von seinen eigenen expliziten Äußerungen zu seinem apologetischen Programm zunächst den Gesamtaufriß und die Makrostruktur der Argumentation dieses Riesenwerkes nachzuvollziehen bestrebt sein muß. Erst wenn dieser Rahmen, in dem die Einzelargumentationen und -beweise durch ihren Ort im Ganzen ihren originären Eusebschen Sinn bekommen, abgesteckt ist, kann in die Einzelanalyse bestimmter Partien dieses Opus eingetreten werden. Bei einer solch weitläufigen Apologie mit einer derartigen Materialfülle, wie sie von Euseb aufgehäuft wird, hat eine Darstellung, will sie sich nicht ins Uferlose verlieren, eine bewußte und verantwortbare Auswahl zu

H. Dörrie, Theologie, S. 5. H. Dörrie, Theologie, S. 4. 20 H. Dörrie, Theologie, S. 22. 21 H. Dörrie, Theologie, S. 30-31. Zur grundsätzlichen Kritik an dieser These vgl. u.a. E.P. Meijering, Wie, S. 15-28 [S. 133-146], "

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Einleitung

treffen, was die Teile des Werkes angeht, die einer Einzelexegese der Mikrostruktur der Argumentation unterzogen werden sollen. Als Gegenstand der Untersuchung, der sich besonders eignet, in Bezug auf das antike Denken Anknüpfung und Widerspruch im apologetischen Argumentieren deutlich herauszuarbeiten, legt sich im Rahmen dieser Arbeit der von Euseb selbst durch die Struktur des Doppelwerks ausgewiesene positive Zusammenhang von platonischer „Metaphysik" und christlicher Inkarnationstheologie nahe, weil hier sowohl die größte Nähe als auch der schroffste Widerspruch zwischen Piatonismus und Christentum zu erwarten sind. Die in dieser Arbeit vorgenommene Rekonstruktion der apologetischen, philosophisch-theologischen Argumentation versteht sich also, wie gesagt, als der Versuch, die Theologie des Euseb, die in der Materialfülle, die gerade dieser Kirchenschriftsteller als Beleg für seine Ansichten und im Verfolg seiner eigenen Argumentationsgänge ausbreitet, oft aus dem Blick zu geraten droht, gerade in dem und durch den eusebianischen Umgang mit seinen Quellen in Aneignung und Modifikation zu erhellen. Dabei hat man der Entwicklung seiner theologischen Argumentationsgänge in seiner eigenen Darstellung nachzugehen und die Art und Weise, in der er das von ihm herangezogene Material verarbeitet und seiner eigenen Aussageintention eingliedert, zu verfolgen. Nur so kann man m.E. Euseb als Theologen ernst nehmen und zu Wort kommen lassen. Denn das Diktum des großen Eusebkenners Eduard Schwartz über die Kirchengeschichte des Euseb gilt m.E. genauso auch für dessen großes apologetisches Doppelwerk, „es geschieht ihm Unrecht und führt auch zu verhängnisvollen Irrtümern, wenn es nur nachgeschlagen und nicht gelesen wird." 22

22 E. Schwartz, GCS 9,3, S. XII. Vgl. auch das Diktum von H.-G. Opitz, Euseb, S. 4: „Es ist ein großes Unrecht Euseb damit angetan worden, daß man seine Präparatio im besten Falle nur nach den Zitaten aus den hellenistischen und griechischen Schriftstellern des zweiten und dritten Jahrhunderts ausgeplündert hat, es aber versäumte, dies Werk im Hinblick auf seine theologische Arbeit zu lesen."

Α . D E R HISTORISCHE RAHMEN

Es ist unbestritten, daß die Eigenart der eusebianischen Theologie stark von der geschichtlichen Situation, in der sie entstand, geprägt ist, so sehr, daß eine angemessene Würdigung derselben ohne Blick auf die historischen Umbrüche, deren Zeuge Euseb geworden ist, nicht möglich ist. Diese geschichtlichen Umwälzungen lassen sich mit zwei Begriffen benennen: die konstantinische Wende und das Konzil von Nizäa. Während im ersten Stichwort das Verhältnis von Kirche und Staat thematisiert wird, ist im zweiten die grundlegende theologische Neubesinnung angesprochen, durch welche die höchst anspruchsvolle dogmatisch-theologische Selbstdefinition des Christentums begonnen worden ist, die ihren vorläufigen Endpunkt in der Theologie der Kappadokier und im Konzil von Konstantinopel gefunden hat.1 Im Hinblick auf beide Stichworte ist die Position des Euseb, wie schon kurz angedeutet wurde, in der Forschung zwiespältig bewertet worden, was seine Stellung zu den mit diesen Begriffen angesprochenen Epochenwechseln angeht. Zum einen hat man ihm vorgeworfen, zu sehr „Reichstheologe", d.h. Erfüllungsgehilfe der Vereinigung von Staat und Kirche, gewesen zu sein. 2 Zum anderen pflegt auf seine Rolle in den arianischen Streitigkeiten verwiesen zu werden, in denen seine ambivalente Haltung auffällt. 3 Wenn die in diesen beiden Vorwürfen sich manifestierenden Probleme auch nicht primärer Gegenstand dieser Untersuchung sind und sein können, so sind sie doch für die Bestimmung des

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Es ist nicht unwidersprochen, das sogenannte nicaeno-konstantinopolitanische Glaubensbekenntnis dem Konzil von Konstantinopel zuzuordnen. Vgl. den Disput zwischen A.M. Ritter, Konzil; ders.; Noch einmal, S. 508-520 (ThPh 68, S. 553-560) und L. Abramowski, Nicaeno-Constantinopolitanum, S. 481-513; R. Staats, Tradition, S. 209-220. Neuerdings hat V. Drecoll, NicaenoConstantinopolitanum, S. 1-18 die Herkunft des zum ersten Mal auf dem Konzil von Chalkedon zitierten NC von der Synode von 381 erneut bestritten und will in diesem Bekenntnis vielmehr das konstantinopolitanische Lokalbekenntnis, das eine eigenständige Weiterentwicklung von Ν sei, erblicken. 2 Vgl. H.-G. Opitz, Euseb, S. 16; H. Eger, Kaiser, S. 109-115; H. Berkhof, Kirche, S. 84 und 196; G.F. Chesnut, Histories, S. 151-156; W. Kinzig, Novitas, S. 548-550; P. Piccini, Ideologia, S. 769-790; J.-M. Sansterre, Eusebe, S. 131-195 und S. 532-594 stellt Euseb als Ahnherrn des „Caesaropapismus" dar. Zur differenzierten Betrachtung des eusebianischen Kaiser- und Geschichtsbildes vgl. auch K. Aland, Verhältnis, S. 70-72 und S. 107; F.E. Cranz, Kingdom, S. 47-66; M.J. Hollerich, Polity, passim; ders., Religion, S. 309-325; G. Ruhbach, Theologie, S. 236-258 (hier überhaupt die Auseinandersetzung mit der These von C. Schmitt, Eusebius, S. 220-235, nach dem die eusebianische Lehre als „Prototyp politischer Theologie" zu gelten hat). ' Vgl. nur E. Schwartz, Eusebios, Sp. 1409-1411; H. Berkhof, Theologie, S. 164-166; D.-S. Wallace-Hadrill, Eusebius, S. 121-124. Vgl. hierzu die ausgewogene Darstellung bei G. Ruhbach, Apologetik, S. 106-107, Anm. 289.

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Der historische Rahmen

geistig-theologischen Profils der eusebianischen Theologie wichtig und daher einer zumindest elementaren Berücksichtigung bedürftig. Daher soll zunächst kurz die Biographie des Euseb in den Kontext der Kirchen- und Reichsgeschichte gestellt werden und dann seine Haltung im arianischen Streit untersucht werden.

1. Kirchen- und Reichsgeschichte Euseb, von dessen Jugend und Frühzeit wir so gut wie nichts wissen, ist wahrscheinlich um 260 n.Chr. geboren, 4 d.h. in einer Zeit, in der das Reich sich in einer tiefen Krise befand, 5 von der das Gedeihen der Kirche aber augenscheinlich kaum betroffen wurde. Seine Kindheit und Ausbildungszeit fällt damit in jene lange Friedensperiode, in der die Kirche von einem Staat, der mit seiner eigenen ersten Regeneration aus dieser tiefen Krise beschäftigt war, in Ruhe gelassen wurde und sich rasant ausbreitete und in der Christen zu hoher Stellung am kaiserlichen Hof und in der Verwaltung des Reiches aufsteigen konnten. 6 Diese Zeit, in der Euseb seine immense Literaturkenntnis als Mitarbeiter des Pamphilus bei der Wiederherstellung und beim Ausbau der Bibliothek des Origenes zu Caesarea gewonnen haben muß, dürfte das theologische Denken des heranwachsenden Gelehrten tief geprägt haben. Vor dem Hintergrund einer solchen langen Friedenszeit mußte die Anfang des Jahres 303 über die Kirche hereinbrechende brutale Christenverfolgung auf den zu dieser Zeit ungefähr vierzig Jahre alten Euseb wie ein Schock wirken.7 Diese Verfolgung ergab sich,

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Diese Datierung ergibt sich aus verschiedenen Bemerkungen des Euseb. In h.e. 111,28,3 (258,89. Schwartz) sagt er über Dionysius, daß er „in unserer Zeit" das Bischofsamt in Alexandrien inne hatte (vgl. auch h.e. VII,26,3-27,1 [700,25-702,4. Schwartz]), in h.e. V.28,1 (500,3-6. Schwartz) und h.e. VII,27,1 (702,2-4. Schwartz) läßt er das Auftreten und die Bischofswahl des Paulus von Samosata in die eigene Zeit fallen. Er sagt in h.e. VI,19,2 (558,2-3. Schwartz), Porphyrius habe noch zu seiner Zeit in Sizilien gelebt und läßt schließlich in h.e. VII,31,1-2 (716,1-15. Schwartz) das Auftreten des Mani in seine eigene Zeit fallen. Da Dionysius von 258-265 das Bischofsamt innehatte und während der Synode von Antiochien 264-265 starb, Paulus von Samosata nach der von Hieronymus übersetzten und überarbeiteten Chronik des Euseb im Jahre 261 Bischof von Antiochien wurde (Chronicon, CCLX Olymp., anno VII Valeriani et Gallieni = 261 p.Chr. [220,20. Helms]), scheint Euseb um das Jahr 260 geboren zu sein. So bemerkt auch Th.D. Barnes, Constantine, S. 143 ganz treffend, daß Euseb vom Jahr 260 ab nicht mehr allein die Vergangenheit aus schriftlichen Quellen darstellt, sondern von diesem Datum ab über seine eigene Lebenszeit schreibe „and begins to draw on his own experience and conversation with older contempories." 5

Die Zeit zwischen den Herrschern Alexander Severus und Diokletian (235-284), in die die Kindheit und Jugend des Euseb fällt, wird oft als Zeit der „militärischen Anarchie" bezeichnet (vgl. nur F.G. Maier, Verwandlung, S. 26). 6 Euseb schildert diese Friedenszeit rückblickend aus der Perspektive der darauf folgenden Verfolgung der Kirche in h.e. VIII, 1,1-6 (736,6-738,10. Schwartz). Vgl. zu dieser Friedenszeit auch Th.D. Barnes, Constantine, S. 147; J. Molthagen, Staat, S. 98ff. 7 Einen beeindruckenden Nachhall dieses Schocks kann man noch im achten Buch seiner Kirchengeschichte feststellen. Während Euseb die Christenverfolgungen sonst in der Kirchenge-

Kirchen- und Reichsgeschichte

21

wenn auch andere Faktoren, seien es die Hofintrigen oder Familienprobleme des Kaisers, eine Rolle gespielt haben dürften, in gewissem Sinne als logische Konsequenz der mit der Person des Diokletian verbundenen radikalen Reform und der Reorganisation des Reiches, in der von Anfang an die Einheit und Gliederung des politischen Systems mit Hilfe religiöser Vorstellungen theologisch untermauert war.8 So schien die Einheit des Reiches auch eines geistig-ideologischen Überbaues zu bedürfen, wenn auch nicht im Sinne einer reichseinheitlichen Normreligion, so doch im Sinne einer Beseitigung von religiösen Bewegungen, die der Reichsideologie zu widersprechen schienen. Es ist deshalb kaum Zufall, daß der Verfolgung des Christentums die des Manichäismus, der ja als Religion persischer Herkunft die Religion des Reichsfeindes darstellte, voranging. Die Christenverfolgung, die sich in verschiedenen Phasen vollzog und erst nach zehn Jahren (313 n.Chr.) völlig zum Erliegen kam, forderte besonders im Osten, wo sie grausamer und konsequenter durchgeführt wurde als im Westen, viele Opfer. Euseb selbst wurde nicht nur Zeuge vieler Martyrien in Caesarea, Tyrus und Ägypten und verlor im Laufe dieser Verfolgungen seinen verehrten Lehrer Pamphilus, sondern wurde offenbar selber zeitweilig ins Gefängnis geworfen. Die Tatsache, daß Euseb diese Gefangenschaft unbeschadet an Leib und Leben überstanden hat, trug ihm viel später auf der Synode von Tyrus 335 von Seiten seines damaligen Mitgefangenen Potamon den aller Wahrscheinlichkeit nach völlig unbegründeten Vörwurf des Glaubensabfalls ein. 9 Jedenfalls zeigt seine

schichte als Anschläge des Satans gegen die wahre Kirche versteht, in der sich die Glorie und Überlegenheit der christlichen Märtyrer über ihre Verfolger erweist (vgl. M. Gödecke, Geschichte, S. 129-132), wird die diokletianische Verfolgung in einem fast „deuteronomistisch" anmutenden Entwurf als Strafgericht Gottes über die sich in innere Streitigkeiten verwickelnde Kirche betrachtet (Euseb, h.e. VIII,1,7-9 [738,11-740,16. Schwartz]). Die Ungeheuerlichkeit einer erneuten Verfolgung des Christentums nach jener vierzigjährigen Friedensperiode machte es Euseb offenbar unmöglich, auch diese letzte Verfolgung in den Rahmen seiner sonst in der Kirchengeschichte vertretenen Theologie des Martyriums einzubinden (vgl. auch M. Gödecke, Geschichte, S. 132135; J. Sirinelli, Vues, S. 429; F. Winkelmann, Euseb, S. 114-115), so daß es eines völlig neuen Interpretaments bedurfte, um dieses Skandalon gedanklich zu bewältigen. * Zum politischen wie auch religiösen Hintergrund der diokletianischen Verfolgung vgl. u.a. J G. Davies, Origin, S. 66-94; W.-D. Hauschild, Lehrbuch, S. 131-132; J. Moreau, Christenverfolgung, S. 98-119; W. Seston, Diocletianus, Sp. 1047-1051; J. Vogt, Christenverfolgung, Sp. 11921195. v Epiph., Panar. 68,8,3-5 (148,22-149,11. Holl). Selbst aus dieser ganz gegen Euseb eingenommenen Schilderung des Auftretens des empörten Bekenners Potamos wird deutlich, wie ungerechtfertigt dieser Vorwurf war. Der Bekenner kann dem Euseb augenscheinlich nichts direkt vorwerfen, er schließt nur daraus, daß Euseb im Gegensatz zu Potamos selbst, der während seiner Gefangenschaft ein Auge verlor, unversehrt die Gefangenschaft überlebte, auf ein unrechtmäßiges Verhalten des Euseb. Die Antwort des Euseb (εί έ ν τ α ΰ θ α ήλθειε και πρός ήμάς τ ά τ ο ι α ΰ τ α αντιλέγετε ά ρ α ούν ά λ η θ ε ΰ ο υ σ ι ν οί κατήγοροι ύμών. εί γάρ ώδε τυρανεϊτε, πολλω μάλλον έν τη ύμών πατρίδι) zeigt, daß der so Angegriffene es überhaupt nicht nötig hatte, sich gegen diesen Vorwurf ernsthaft zu verteidigen. Das Ungerechtfertigte und daher „Tyrannische" dieses Vorwurfs war so offenkundig, daß es direkt auf den Ankläger zurückfällt. Auch Athanasius, Apologia contra Arianos, 8, PG 25, 261 C 13-15 beläßt es in seiner Schilderung der gegen ihn vorgehenden

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Der historische Rahmen

Ernennung zum Bischof von Caesarea spätestens im Jahre 315, daß für die christliche Gemeinde in Caesarea Eusebs Verhalten während der damals höchstens seit zwei Jahren beendeten Verfolgung über jeden Zweifel erhaben war. Inzwischen war Konstantin durch seinen Sieg gegen Maxentius an der milvischen Brücke, den er dem Gott der Christen zu verdanken meinte, zum alleinigen Herrscher des Westens geworden und war mit Licinius in einem Treffen zu Mailand Anfang 313 n.Chr. darin übereingekommen, das Christentum offiziell zu legalisieren.10 Während Konstantin diese Tolerierung des Christentums durch die Veröffentlichung eines anordnenden Briefes für den Westen sofort in Kraft setzte, geschah dies im Osten durch Licinius erst im Mai oder Juni desselben Jahres, nachdem Licinius Maximinus besiegt hatte und Alleinherrscher im Osten geworden war." Nach dem Ende der zehnjährigen Verfolgungszeit war somit ein für das Christentum völlig neuer und unerwarteter Zustand eingetreten: Es wurde nicht bloß stillschweigend geduldet oder widerwillig in Ruhe gelassen, sondern war religio licita geworden und erfreute sich offenkundig des Wohlwollens und der Unterstützung der Herrscher. Die Radikalität dieses historischen Umschwungs mußte für Kirche und Gesellschaft zunächst große Orientierungsprobleme mit sich bringen, denn weder die Gesellschaft noch die christliche Kirche besaßen ein „ideologisches" Konzept, das diesen geschichtlichen Wandel verstehbar machen konnte. Es ist sicher kein Zufall, daß Euseb in dieses geistige Vakuum hinein zwei seiner großen programmatischen Hauptwerke entfaltete, in denen er in imposanter Geschlossenheit seinen Entwurf einer kulturund kirchengeschichtlichen Deutung des soeben sich vollziehenden Übergangs der paganen in die christliche Antike vorstellte, nämlich zum einen die wahrscheinlich erste vollständige Edition seiner Kirchengeschichte, 12 zum anderen Synode bei der Nennung des Vorwurfs, wobei sein einziges Ziel die persönliche Diskreditierung seiner damaligen Widersacher ist. Vgl. hierzu u.a. H.W. Attridge/G. Hata, Eusebius (Introduction), S. 30. 10 Der Text der wahrscheinlich schriftlichen Vereinbarung ist nicht mehr erhalten. Der Inhalt läßt sich aber aus dem von Licinius am 13. Juni 313 nach seinem Sieg gegen Maximinus Daja veröffentlichten Reskript oder Edikt erschließen (lateinisch bei Lactanz, Mort.persec. 48,2-12; griechisch bei Euseb, h.e. X,5,2-14). Inhaltlich stellt diese Vereinbarung eine Erneuerung des Ediktes des Galerius (vom 30. April 311, Text bei Lactanz, Mort. persec. 34, vgl. W.-D. Hauschild, Lehrbuch, S. 134) dar, da sie auch im Osten, w o die Toleranz wieder zurückgenommen worden war, „die Religionsfreiheit und Entschädigungsleistungen" durchsetzte. Wie W.-D. Hauschild, Lehrbuch, S. 138 zurecht betont, bedeutete diese Vereinbarung keine „markante Wende in der Religionspolitik", aber sie spiegelte „die durch Konstantin angebahnte Entwicklung von der bloßen Duldung zur Parteinahme für das Christentum wider". "

Vgl. R.M. Grant, Augustus, S. 265-266. Die Anzahl und die Datierung der verschiedenen Editionen der Kirchengeschichte ist in der Forschung noch nicht einmütig geklärt. Festzustehen scheint allerdings, daß die letzte Edition der Kirchengeschichte in zehn Büchern zwischen 324 und 326 veröffentlicht wurde, da einerseits das zehnte Buch mit der Niederlage des Licinius im Jahre 324 endet, andererseits in h.e. X,9,4 (900,911. Schwartz) und X,9,6 (902,1-6. Schwartz) vorausgesetzt ist, daß der 326 wegen vermeintlichen Ehebruchs mit seiner Stiefmutter in Ungnade gefallene und hingerichtete Konstantinsohn Crispus noch in Macht und Ansehen ist. Vgl. E. Schwartz, GCS 9,3, S. LIX, der diese Ausgabe ebenfalls als 12

Dogmengeschichte

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sein großes apologetisches Doppelwerk, das er zu Beginn dieser Friedenszeit in Angriff nahm.13

2. Dogmengeschichte Als die arianischen Streitigkeiten begannen, war Euseb ein Mann von ungefähr 58 Jahren, schon längst ein angesehener Bischof 14 und ein Theologe, dessen Grundüberzeugungen sich gefestigt hatten. Es ist daher nicht verwunderlich,

die letzter Hand ansieht, abgesehen von der sich allein in der syrischen Übersetzung niederschlagenden Streichung beider Nennungen des Crispus (vgl. ebd., S. L). E. Schwartz, ebd., S. XLVIILXI nimmt dabei vier verschiedene Editionen an, nämlich eine erste Auflage, die die Bücher I-VIII umfaßte und um 312 entstanden sein soll, eine zweite im Jahre 315 (Buch IX), eine dritte im Jahre 317, in der der Hauptbestand des Buches X hinzugekommen sein soll, und schließlich die Endredaktion, die nach dem Fall des Licinius anno 324 anzusetzen sei. Dagegen haben R. Laqueur, Eusebius, S. 210-212 und dessen These ausbauend Th.D. Barnes, Editions, S. 191-201 (zusammengefaßt auf S. 201) und Constantine, S. 128-130 eine erste Auflage der Kirchengeschichte in sieben Büchern noch vor dem Ausbruch der Verfolgung postuliert. Gegen eine solche Frühdatierung der „Grundschrift" der Bücher I bis VII sprechen nun allerdings m.E. nicht allein die auch hier des öfteren feststellbaren Hinweise auf die große diokletianische Verfolgung, die sich ja auch als spätere Interpolationen erklären ließen, sondern hauptsächlich die von A. Louth, Date, S. 121-123 herausgestellte Tatsache, daß im sechsten Buch der Kirchengeschichte offenbar die Existenz der von Euseb und Pamphilus während der Verfolgung verfaßten Apologie für Origenes vorausgesetzt wird. Zwar ist davon auszugehen, daß Euseb für seine Veröffentlichung der Kirchengeschichte lange Vorarbeiten benötigte, so daß ein großer Teil des Materials wohl auch schon vor der diokletianischen Verfolgung gesammelt und auch eine Grundkonzeption des Werkes noch in der Friedenszeit entworfen wurde, aber es besteht m.E. keine Veranlassung, eine regelrechte „Ausgabe" der Kirchengeschichte vor dem Ende der Verfolgung anzunehmen. Denn in der handschriftlichen Überlieferung haben sich nur die Stadien nach der Verfolgung niedergeschlagen. " Die Datierung der Praeparatio und der Demonstratio, die durch eine Vielzahl von Hin- und Rückverweisen so miteinander verzahnt sind, daß ihre Entstehung in unmittelbarer zeitlicher Abfolge angenommen werden muß, in die Zeit von 312-324 wird durch folgende Beobachtung gestützt: In Praep. IV,2,10-11 (168,8-169,2. Mras) wird auf den Sturz des heidnischen Propheten Theoteknos und seiner Genossen Bezug genommen, der „Ende 313 oder Anfang 314" zu datieren ist. Da diese Stelle nach Mras „offenbar unter dem frischen Eindruck dieses Ereignisses" geschrieben wurde, „andererseits zur Zeit der Abfassung des ersten Buches die Christenverfolgungen abgeschlossen waren", wie Praep. 1,4,14 (19,3. Mras) zeigen kann, „und Euseb dasselbe noch im zwölften Buch" - nämlich in Praep. XII,10,7 (100,6-14. Mras) - „konstatiert, dagegen im 13.", d.h. in Praep. XIII,6,12 (181,6-12. Mras) „einen Wiederausbruch derselben für möglich hält (was auf die Verschlechterung der Beziehungen des Licinius zu Konstantin und das immer christenfeindlichere Verhalten jenes Kaisers zu Beginn der zwanziger Jahre des vierten Jahrhunderts hinweist)", dürfte Euseb mit der Abfassung der Praeparatio nach Ansicht von Mras um 312 begonnen „und mindestens 10 Jahre daran gearbeitet" haben (K. Mras, GCS 43,1, S. LIV-LV). Auf alle Fälle scheint die Ansicht von F.J. Foakes-Jackson, Eusebius, S. 122, die Praeparatio evangelica sei als Antwort an das Heidentum verfaßt, als dieses die Oberhand zu behalten schien, nicht richtig zu sein. 14 Euseb wurde nach dem Ende der diokletianischen Verfolgung, d.h. nach 313 und vor dem Jahre 315 Bischof von Caesarea, da er schon 315 als Bischof von Caesarea „die Rede bei der Einweihung der Kirche von Tyros" hielt. Vgl. F. Winkelmann, Euseb, S. 51; Euseb, h.e. X,4,l (862,7-13. Schwartz).

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Der historische Rahmen

daß seine eigene Theologie sich nach dem Konzil von Nizäa nicht grundsätzlich verändert hat. Wenn man aber diese Tatsache so beschreibt, daß seine Theologie eigentlich bis zu seinem Tode immer „vornizänisch" geblieben sei, d.h. den doch erheblich veränderten Neuansatz der theologischen Grundbegriffe und Axiome, den die nizänische Theologie bedeutet habe, nicht mehr innerlich nachvollzogen habe, 15 so beruht diese Vorstellung auf einer Sicht von der epochalen Bedeutung des nizänischen Konzils, die, wie wir noch sehen werden, anachronistisch ist. Euseb selber und die von ihm vertretene Mehrheit der östlichen Theologen und Bischöfe haben im Nicaenum keinen theologischen Neuansatz erblickt, sondern es als eine mit der origenistischen Mehrheitstheologie kompatible, antiarianische Formel angesehen. Die eusebianische Logos- und Trinitätstheologie ist jedenfalls, wie deutlich werden wird, eine Weiterentwicklung der origeneischen DreiHypostasen-Theologie, deren Hauptgegner immer und wesentlich die modalistische Verneinung der realen und seinsmäßigen Unterscheidung innerhalb der Trias geblieben ist. Vor dem Hintergrund dieser origeneischen Drei-Hypostasen-Theologie läßt sich sowohl das anfängliche Eintreten des Euseb für Arius und gegen Alexander von Alexandrien als auch seine spätere - oft als widersprüchlich erlebte und auf rein kirchenpolitisches Taktieren zurückgeführte Haltung in den kirchenpolitischen Kämpfen der nachnizänischen Zeit auch theologisch verständlich machen.

2.1 Eusebs Haltung

in der Frühphase

des arianischen

Streits

Euseb wurde schon früh in den arianischen Streit hineingezogen. Nachdem der Streit zwischen dem Presbyter Arius und dessen Bischof Alexander seinen ersten Höhepunkt in der Verurteilung des Arius durch die Synode von Alexandrien im Jahre 318 gefunden hatte, 16 breitete er sich durch die rege Propaganda des Arius, der schnell - und nicht allein bei den Syllukianisten, seinen Mitschülern bei Lukian von Samosata 17 - Verbündete fand, in Windeseile im Orient aus und 15 Vgl. A. Grillmeier, Jesus, S. 300: „Eusebius von Caesarea zeigt uns, daß man vor und nach dem Konzil im wesentlichen dieselbe Lehre vertreten kann, den neuen Schritt also nicht mitvollzieht." 16 Diese Datierung wie überhaupt die gesamte Datierung, die von H.-G. Opitz, Zeitfolge, S. 131-159 begründet wurde (vgl. auch W. Schneemelcher, Chronologie, S. 393-400 gegen E. Schwartz, Dokumente, S. 156-168), ist heute nicht mehr allgemein anerkannt. Besonders R. Williams, Arius, S. 48-61 hat eine Spätdatierung des Beginns der arianischen Auseinandersetzungen in das Jahr 321 vorgeschlagen und gruppiert die bei Opitz vorgelegten Urkunden zeitlich um. Gegen diese Umdatierungen hat sich jüngst U. Loose, Chronologie, S. 88-92 gewandt. 17 Zwar muß man mit R. Williams, Arius, S. 30-31 durchaus vorsichtig sein, aus der Anrede des Euseb von Nikomedien als Syllukianisten durch Arius allzuviel über den geistigen Hintergrund des Arius, den man etwa über Lukian mit der „antiochenischen Theologie" in Verbindung bringen will, zu erschließen. D.S. Wallace-Hadrill, Antioch, S. 83 geht aber doch wohl zu weit, wenn er aus zwei Aufzählungen der Schüler des Lukian bei Philostorgius, h.e. 11,3 (14,7-8. Bidez); 11,14 (25,1014. Bidez), in denen der Name des Arius nicht vorkommt, schließt, Arius sei kein Schüler des Lukian gewesen. Allerdings ist wohl festzuhalten, daß zwischen Arius und den Syllukianisten kei-

Dogmengeschichte

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sorgte für großen Aufruhr."1 In dieser Frühphase der Ausweitung des Konflikts muß auch Euseb von Caesarea von Arius in seinem Sinne informiert und auf seine Seite gezogen worden sein. 19 Denn in einem Brief des Euseb von Nikomedien an Paulinus von Tyrus wird Euseb unter den Verteidigern des Arius und seiner Sache genannt. 20 Diese Verteidigung des Arius gegen die vermeintlich ungerechtfertigten Angriffe seines Bischofs war allerdings zu keiner Zeit eine wirkliche Verteidigung der eigentlichen „arianischen" Theologie, von der Euseb in der Tiefenstruktur seines eigenen theologischen Denkens viel tiefer geschieden war21 als von der sich in der Theologie des Alexander ausdrückenden theo-

ne vollkommene lehrmäßige Übereinstimmung, sondern bei aller Nähe auch ein nicht unwesentlicher theologischer Dissens besteht, der sich in der antinizänischen theologischen Überlieferung auch niedergeschlagen hat (vgl. Philostorgius, h.e. 11,3 [14,1-9. Bidez]; R. Williams, Arius, S. 31). Vgl. auch H.C. Brennecke, Lucian, S. 476 und ders., Lukian, S. 185ff, der den Terminus Syllukianisten offenbar nicht auf die gemeinsame Schulzugehörigkeit, sondern auf die gemeinsame Verehrung des Märtyrers Lukian zurückführen möchte. Dies scheint mir aber nicht sehr überzeugend zu sein, denn die spezielle Verehrung eines bestimmten Märtyrers in Abgrenzung von anderen in einem Sinne, daß sich zwei Verehrer desselben Märtyrers dadurch als verschworene Gemeinschaft fühlen, ist doch eher unwahrscheinlich. Vielmehr scheint der Begriff wie der analoge von der Wurzel πυθαγορίζω „Schüler des Pythagoras sein" gebildete πυθαγοριστής „Schüler des Pythagoras" (vgl. H G. Liddell/R. Scott, Lexicon, S. 1551 a) tatsächlich die gemeinsame theologische Schülerschaft zu bezeichnen. 18 Vgl. Sokrates, h.e. 1,6,1-2 (6,4-8. Hansen): και επειτα ώς άπό μικροΰ σπινθήρος μέγα πϋρ έξεκαίεχο. άρξάμενόν τε τό κακόν άπό της Ά λ ε ξ α ν δ ρ έ ω ν ε κ κ λ η σ ί α ς διέτρεχε τήν σ ύ μ π α σ α ν Αϊγυπτόν τε και Λιβύην καϊ τήν ά ν ω Θηβαίδα, ήδε δε καϊ τάς λοιπάς έπενέμετο ε π α ρ χ ί α ς τε και πόλεις, και συνελαμβάνοντο τη 'Αρείου δόξη πολλοί μεν και άλλοι ... ''' Arius selbst nennt in seinem Brief an Euseb von Nikomedien u.a. Euseb von Caesarea als einen seiner Gewährsmänner: και επειδή Εύσέβιος ό αδελφός σου έν Καισαρείςι καϊ Θεόδοτος και Π α υ λ ΐ ν ο ς και ' Α θ α ν ά σ ι ο ς καϊ Γρηγόριος καϊ Ά έ τ ι ο ς καϊ πάντες οι κ α τ ά τήν ά ν α τ ο λ ή ν λέγουσιν, ότι προϋπάρχει ό θεός τοϋ υ'ιοϋ άνάρχως, ά ν ά θ ε μ α έγένοντο ... Arius, Epistula ad Eusebium Nicomed. bei Epiphanius, Pan. 69,6,4 (157,2-5. Holl) und Theodoret, h.e. 1,5,2 (26,1114. Parmentier) = Opitz, Urkunde 1,3 (2,4-6). Es dürfte sich daher für Arius nahegelegt haben, die seiner Ansicht nach implizit mit ihm selbst verurteilten, weil seine eigene Lehre in diesem Punkte teilenden Bischöfe aus seiner Sicht über den Skandal seiner Verurteilung einer Lehre wegen, die er für eine theologische Konsensmeinung im Osten hielt, zu informieren und auf seine Seite zu ziehen. 2,1 Theodoret, h.e. 1,6,1 (27,19-28,2. Parmentier); vgl. auch H. Berkhof, Theologie, S. 168. 21 Seine eigene Abbildtheologie, die die völlige Ähnlichkeit und Gleichheit des Sohnes mit dem Vater unterstreicht (siehe dazu auch die Ausführungen dieser Arbeit zur Abbildtheologie des Euseb) steht in diametralem Gegensatz zur arianischen Lehre von der wesensmäßigen Unähnlichkeit des Logos zum Vater (vgl. das Referat der arianischen Aussagen bei Alexander von Alexandrien, Opitz, Urkunde 4b,7 [7,21-22]: ούτε όμοιος κατ' ο ύ σ ί α ν τω πατρί έστιν ... und Urkunde 4b, 13 [9,3-4]). Die Echtheit dieses Briefes, den G.C. Stead, Work, S. 76-91 aufgrund stilistischer und sprachlich-theologischer Unterschiede zu Opitz, Urkunde 14 als erstes Werk des Athanasius, der ihn im Auftrag des Alexander verfaßt habe, erweisen möchte, wurde en passant von L. Abramowski, ArianeiTede, S. 408 Anm. 36 bestritten und der Brief als nachnizänisches Werk verdächtigt. Nun reagiert allerdings Euseb in Opitz, Urkunde 7,2 (14,5-6) auf Opitz, Urkunde 4b,7 (7,23) und in Opitz, Urkunde 7,4 (15,23) auf Urkunde 4b,7 (7,7), so daß m.E. der Brief des Euseb von Caesarea an Alexander von Alexandrien eindeutig die Echtheit des Alexanderbriefes stützt. Überhaupt scheint mir, anders als L. Abramowski, ebd. meint, die Theologie der Urkunde 4b weit weni-

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logischen Intention. Sie war vielmehr durch ein völlig anderes Bild der Logoslehre des Arius bestimmt, als es von Alexander von Alexandrien und späterhin von Athanasius entworfen wurde. 22 Daher wird der Begriff der arianischen Theologie hier in Anführungszeichen gesetzt, denn er ist m.E. nur mit dreifachem Vorbehalt zu benutzen: Zum einen ist bei der unterschiedlichen und sogar widersprüchlichen Darstellung der Position des Arius von Seiten seiner Freunde und seiner Selbstdarstellung einerseits und der von Seiten seiner Feinde andererseits nicht a priori ausgemacht, daß das, was im allgemeinen als arianische Theologie gilt und als solche in Nizäa verurteilt wurde, tatsächlich die authentische Lehre des historischen Arius war. 23 Immerhin waren Euseb von Nikomedien und seine Mitstreiter widerwillig bereit, das nizänische Bekenntnis zu unterschreiben, weigerten sich auf dem Konzil aber strikte, der Verurteilung des Arius zuzustimmen, in der Meinung, die Anathematismen träfen die wirkliche Lehre des Arius überhaupt nicht. 24 Zum anderen ist damit zu rechnen, daß die Gruppe der von Alexander als Arianer bekämpften Theologen vor dem Konzil von Nizäa kein monolithischer Block war, sondern durchaus eine erhebliche Bandbreite von Anschauungen umfaßt haben dürfte. Hierbei ist gerade aus dem Vergleich der späteren Darstellungen des Athanasius mit den beiden vornizänischen Briefen seines Vorgängers und Lehrers Alexander von Alexandrien deutlich zu ersehen, daß die von Athanasius als „arianisch" bezeichneten Lehren tatsächlich in vomizänischer Zeit im Umkreis des Arius vertreten wurden, ohne daß deshalb sicher auszumachen ist, ob Arius selbst der Urheber dieser Lehren ist. Es besteht ja durchaus die Möglichkeit, daß bestimmte Lehren seiner Verbündeten, wie etwa des Asterius Sophista, die Arius selbst überhaupt nie vertreten hat, ihm unterstellt wurden. Schließlich ist festzuhalten, daß viele der von den Nizänern als „Arianer" bekämpften Theologen keineswegs Arianer waren, sondern

ger entwickelt zu sein als die der Urkunde 7. Wenn sie meint, όμοιος κατ' ούσίαν könne „nicht vor dem nizänischen ομοούσιος formuliert sein", so überzeugt dies m.E. nicht. Einmal wird in Urkunde 4b diese Formel allein in ihrer arianischen Negation aufgegriffen und nicht positiv formuliert und verteidigt. Zum anderen zeigen u.a. Athanasius, De decretis 6,1 (5,26-27. Opitz) und De synodis 15,3 (242,9-10.27. Opitz) und Euseb von Nikomedien, Brief an Paulinus von Tyrus, Opitz, Urkunde 8,3 (16,2-6), daß die Leugnung der wesensmäßigen Ähnlichkeit von Vater und Sohn tatsächlich arianische Lehre war. Dies aber wiederum war m.E. nur vornizänisch denkbar und aussprechbar. Denn nach Nizäa sammelten sich die ehemaligen Arianer mit den Eusebianern um die Abbildtheologie und eine solche explizite Leugnung dieser Theologie wäre nach Nizäa daher undenkbar gewesen. Gerade aber dies, daß die vornizänische arianische Leugnung der Wesensähnlichkeit von Sohn und Vater in Urkunde 4b nicht positiv mit dem Begriff der auf die Wesenheit bezogenen Ähnlichkeit beantwortet wird, ist m.E. ein deutliches Kennzeichen für die Echtheit dieses Briefes. 22 So gesteht auch Alexander von Alexandrien den Bischöfen, die sich zunächst auf des Arius' Seite geschlagen haben, durchaus zu, daß sie von diesem nicht wahrheitsgemäß über seine eigentliche Lehre und über sein wirkliches Tun unterrichtet wurden: Opitz, Urkunde 14,7-8 (20,20-21,1). 23 Zum Problem des „historischen Arius" vgl. u.a. die unterschiedliche Beurteilung der Quellen, aus denen die Theologie des Arius zu rekonstruieren ist, bei T. Böhm, Christologie, passim und R. Williams, Arius, passim. Zur Forschung und Literatur vgl. A.M. Ritter, Arianismus, S. 692-719; ders., Arius redivivus, S. 153-187. 24 Vgl. den Brief des Euseb von Nikomedien und des Theognis von Nizäa an die zweite Synode von Nicäa (327), Opitz, Urkunde 31,2 (65,5-10).

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von dem, was Arianismus im strengen Sinne genannt zu werden pflegt, deutlich geschieden sind. Wenn wir also von „arianischer" Theologie sprechen und von dieser Eusebs Lehre abgrenzen, dann meinen wir diejenigen Lehren, die von Alexander von Alexandrien und Athanasius dem Arius unterstellt werden und die in den Anathematismen des nizänischen Konzils als Häresie verworfen wurden.

In der ältesten uns bekannten Reaktion des Euseb auf die arianischen Streitigkeiten, dem nur fragmentarisch überlieferten Brief an Euphration von Balaneä,25 erweist sich Euseb zunächst einfach als Vertreter des origeneischen Subordinatianismus, der die „Gleichewigkeit" des Sohnes mit dem Vater, im Sinne einer Gleichursprünglichkeit verstanden, ablehnt, da sie zu der absurden Lehre von zwei „ungezeugten" Wesen führen müßte.26 Diese Ablehnung einer Vorstellung von zwei Ungezeugten teilt Euseb dabei ohne Zweifel mit seinem vermeintlichen Gegner Alexander, unterstellt diesem aber, offenbar durch die tendenziöse Darstellung von dessen Lehre durch Arius veranlaßt, die Ansicht, der Sohn sei in dem Sinne ewig mit dem Vater zusammen, daß er ungezeugt sei. 27 Bedenkt man darüber hinaus, daß auch in der Frage der Subordination des Sohnes unter den Vater zwischen Alexander und Euseb kein grundsätzlicher Dissens besteht,28 so ist der theologische Gegensatz zwischen Alexander und Euseb kaum grundsätzlicher Natur. Wenn Euseb im Anschluß an Joh 17,3 betont, daß allein der Vater „wahrer Gott" sei, so greift er damit wahrscheinlich eine Aussage des Arius auf, der eben-

25 Opitz, Urkunde 3 (4,1-6,7). Die Fragmente sind unter den Akten des zweiten nizänischen Konzils von 787 erhalten: J.D. Mansi, Collectio 13, 176. Euphration von Balaneä w u r d e nach Athanasius, Apologia de f u g a sua 3,3 (70,2. Opitz) zur gleichen Zeit wie Eustathius von Antiochien von „Arianern", d.h. nach athanasianischer Lesart von Gegnern der „Altnizäner", aus seinem A m t e entfernt. Auch in Hist. Arian. 5,2 (185,14. Opitz) wird dieser Euphration von Athanasius (mit Eutropius von Adrianopolis und anderen) als Gegner und O p f e r der „Arianer" stilisiert. Wenn diese Darstellung nicht völlig aus der Luft gegriffen ist, dann hat Euseb mit Euphration wie auch mit Alexander an eindeutige Gegner des Arius geschrieben, u m sie von der Harmlosigkeit der „arianischen" Theologie zu überzeugen. 26 Opitz, Urkunde 3,1 (4,4-10). Gegen L.W. Barnard, Antecedents, S. 311, der Euseb als einen Vorläufer des Arius stilisiert, weil dieser wie Arius lehre, daß der Vater allein ungeworden sei, der Sohn allein durch den Willen des Vaters subsistiere und d e m Vater nicht gleichewig sei. Diese Darstellung ist, wie diese Studie zu zeigen versucht, nicht angemessen. Auch der Gegensatz, der nach T. B ö h m , Christologie, S. 120 zwischen Opitz, Urkunde 3 (4,4-6) und D e m . IV,3,1 (154,1124. Heikel) besteht, ist m.E. nicht gegeben, da an der erstgenannten Stelle die Gleichursprünglichkeit von Vater und Sohn abgelehnt, an der zweiten ihre Gleichewigkeit gelehrt wird. Denn Gleichewigkeit heißt j a noch keineswegs Gleichursprünglichkeit. 27 So referiert j a Arius, Opitz, Urkunde 1,2 (2,1-2) die Logoslehre seines Bischofs: άε'ι θεός άε'ι υ ι ό ς , α μ α π α τ ή ρ α μ α υ ι ό ς , σ υ ν υ π ά ρ χ ε ι ό υ ι ό ς ά γ ε ν ν ή τ ω ς τ ω θεώ. Alexander von Alexandrien wehrt sich dann in seinem Brief an seinen Namensvetter aus Thessalonike deutlich gegen diese verkehrte Wiedergabe seiner eigenen Lehre: Opitz, Urkunde 14,44-45 (26,20-29) und 14,48-49 (27,17-24). Auch für Alexander gehört hierbei der Sohn zur Gatttung der μ ε σ ι τ ε ύ ο υ σ α φ ύ σ ι ς , was ebenfalls deutlicher Ausdruck eines „orthodoxen" Subordinatianismus ist. 2 " Vgl. nur Euseb, Opitz, Urkunde 3,2 (5,1-3) mit Alexander Alex., Opitz, Urkunde 14,48 (27,16-17).

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falls bestritten haben dürfte, daß der Sohn wahrer Gott sei.29 Er will mit dieser Bibelstelle offenbar zeigen, daß die Rede vom Vater als dem alleinigen wahren Gott nicht per se unangemessen ist, da sie biblisch fundiert ist. Aber es zeigt sich sofort, daß der theologische Sinn dieser Formulierung bei Euseb völlig von der Intention des Arius abweicht und eine gänzlich andere Stoßrichtung als bei diesem aufweist. Will Arius darauf hinaus, daß der Logos zwar Gott genannt werde, es aber eigentlich nicht im Vollsinne sei, so ist es dagegen offenbar das Interesse des Euseb zu zeigen, daß der Sohn wirklich Gott ist, wenn auch nicht der eine wahre Gott, der dies eben dadurch ist, daß er aus sich selbst heraus Gott ist und keiner „vor" ihm ist: έπει και αυτός θεός μεν ό υιός, άλλ' ουκ αληθινός θεός. εις γάρ έστι και μόνος αληθινός θεός δια τό μη έχειν προ αΰτοΰ τινά.10 Wird hiermit auch der Vater als der im eigentlichen Sinne „eine wahre Gott" angesehen, was sich als Nähe des Euseb zur Position des Arius verstehen ließe, so geht Euseb aber schon in seiner frühesten Äußerung zum Arianismus weit über arianische Vorstellungen hinaus, wenn er sagt: εΐ δε και αύτός ό υιός αληθινός, αλλ' ώς είκών τοΰ άληθινοϋ θεοΰ εϊη άν και θεός, έπει „και θεός ην ό λόγος", ού μην ώς ό μόνος αληθινός θεός.31 Kommt also dem Sohn nach Euseb wie dem Vater das Prädikat αληθινός zu, so läßt sich das durchaus als eine implizite Zurückweisung eines typisch arianischen Gedankens verstehen, denn Arius hat in dem Brief, den Euseb offenbar gekannt hat, dieses Prädikat wie die Ungewordenheit und die Ewigkeit allein dem Vater vorbehalten. 32 Ist also auch der Sohn das, was er ist, wahrhaftig, also im eigentlichen Sinne Sohn, Logos und Weisheit Gottes, alles Vorstellungen, die entweder von Arius selbst oder zumindest in seinem direkten Umkreis offensichtlich verneint wurden, 33 so ist er nach Euseb als Abbild des wahren Gottes auch Gott, M Vgl. das Glaubensbekenntnis des Arius und seiner Genossen an Alexander von Alexandrien, Opitz, Urkunde 6,2 (12,4): οϊδαμεν έ ν α θεόν, μ ό ν ο ν ά γ έ ν ν η τ ο ν , μ ό ν ο ν ά ΐ δ ι ο ν , μ ό ν ο ν ά ν α ρ χ ο ν , μ ό ν ο ν ά λ η θ ι ν ό ν . Vgl. auch Arius, Thalia, bei Athanasius Or. c. Arian. 1,6,1,1-3; Metzler: Ei γάρ και λέγεται Θεός, ά λ λ ' ο ϋ κ ά λ η θ ι ν ό ς εστίν- ά λ λ ά μετοχή χάριτος, ώσπερ καϊ οΐ ά λ λ ο ι πάντες. 3,1 „Denn auch der Sohn ist Gott selbst, aber nicht wahrer Gott. Einer und ein einziger nämlich ist deshalb wahrer Gott, weil er keinen vor sich hat." Opitz, Urkunde 3,3 (5,7-9). Vgl. auch Dem. V, 17,5 (240,18-23. Heikel). 31 „Wenn aber auch der Sohn selbst ein wahrer (Sohn) ist, ist er aber als Bild des wahren Gottes auch Gott, da ja auch ,das Wort Gott war', aber nicht als der einzige wahre Gott". Opitz, Urkunde 3,3 (5.9-10). 32 Arius, Glaubensbekenntnis, Opitz, Urkunde 6,2 (12,4) 33 Der Sohn heißt „nach Arius ja nur καταχρηστικώς" Wort Gottes und Weisheit Gottes (vgl. Opitz, Urkunde 4b,7 [7,21-8,2]), „denn der eigentliche λ ό γ ο ς Gottes und die eigentliche σοφία Gottes sind Gott immanent und gehören zu seinem eigenen, unteilbaren Wesen" (A.M. Ritter, Arianismus, S. 701). In dem Referat der arianischen Lehre bei Athanasius, Or. c. Arian. 1,5,6,21-22. Metzler zeigt sich, daß Arius die Uneigentlichkeit auch auf den Sohnestitel bezogen hat: „So sagt er, daß auch ein anderer Logos neben dem Sohn in Gott sei, und indem er an diesem teilhat, werde

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wenn er auch nicht mit dem Vater, dem einzig wahren und ungezeugten Gott, identisch ist. Diese Vorstellung weist schon auf die Interpretation von Joh 17,3 im Spätwerk des Euseb voraus, nach der dann auch die Vorstellung vom Logos als dem wahren Gott in die Gottesabbildlichkeit des Logos mit einbezogen wird: καν αυτός ό σωτήρ μόνον άληθινόν θεόν διδάσκη είναι τον πατέρα λέγων ,,ϊνα γινώσκωσιν σέ τον μόνον άληθινόν θεόν", άλλ' ούκ άποκνητέον και αυτόν θεόν άληθινόν όμολογέΐν ώς έν είκόνι και τοϋτο κεκτημένον, 'ίνα ή τοΰ μόνου προσθήκη μόνω τω πατρί ώς αν άρχετΰπω της εικόνος άρμόζη. 14 Hierbei wird deutlich, daß für Euseb die spezifische Differenz zwischen Vater und Sohn, die eben in der Unterscheidung von väterlicher Aseität einerseits und der Abkünftigkeit des Sohnes vom Vater andererseits besteht, und nicht eine wie auch immer geartete Leugnung und Minderung der Göttlichkeit des Sohnes das eigentliche Interesse des eusebianischen Subordinatianismus darstellt. Diese Rezeption des nizänischen Titels α λ η θ ι ν ό ς θεός für den Sohn durch Euseb stellt dabei für Euseb keinen radikalen Bruch innerhalb seiner theologischen Überzeugungen dar, sondern liegt durchaus auf der Linie seiner vornizänischen Logostheologie, deren Kern ja immer das vollständige und unveränderte Abbildlichkeitsverhältnis zwischen Vater und Sohn war, in welches immer die volle und unverminderte Gottheit des Sohnes mit hineingehörte. Auch in seinem Brief an Alexander von Alexandrien aus dem Jahre 320 n.Chr. ist die eusebianische „Übereinstimmung" mit Arius sehr begrenzt. Euseb stellt sich exakt in zwei Punkten hinter die Aussagen des Arius und verteidigt ihn in diesen Fragen gegen die Vorwürfe seines Bischofs: Zum einen greift er den Vorwurf auf, Arius und die Seinen lehrten, ότι ό υ ι ό ς έκ τ ο ΰ μ ή όντος γέγονεν ώς εις των π ά ν τ ω ν , und stellt dieser Anklage die Worte eines von den Arianern stammenden Schriftstücks entgegen, aus dem seiner Meinung nach deutlich wird, daß für die Verurteilten der Logos zwar ein κ τ ί σ μ α τοΰ θεοΰ τέλειον ist, aber auf der anderen Seite damit keinesfalls auf dieselbe Stufe wie die Geschöpfe gestellt werden soll, daß er eben nicht ein κ τ ί σ μ α ώς έν των κ τ ι σ μ ά τ ω ν sei. 35 Zum anderen stellt Euseb sich explizit hinter die Aussage der „Arianer" ό ων τον μ ή ό ν τ α έγέννησε, indem er sich wundert, wie jemand in dieser Frage anders als Arius sprechen könne. 36 Es ist also deutlich, daß Euseb zu dieser Zeit

der Sohn wiederum gemäß der Gnade Logos und Sohn selbst genannt." So referiert Athanasius, Or. c. Arian. 1,9,37,5,15. Metzler es als die Lehre des Euseb von Nikomedien und des Arius: και ο ύ κ έ σ τ ι ν α λ η θ ι ν ό ς Υιός. 14 „Auch wenn der Erlöser selbst lehrt, daß der Vater allein wahrer Gott ist, indem er sagt .damit sie dich erkennen, den alleinigen wahren Gott' (Joh 17,3), darf man dennoch nicht zaudern, auch ihn als wahren Gott zu bekennen, weil er im Abbild auch dieses besitzt, damit der Zusatz des .alleinigen' allein auf den Vater wie auf das Urbild des Abbildes passe." Eccl. theol. 11,23,2 (133,2529. Klostermann). 35 36

Euseb, Ep. Alex.Al., Opitz, Urkunde 7,2-3 (14,5-15,2). Euseb, Ep. Alex.Al., Opitz, Urkunde 7,4 (15,2-3).

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weder die Rede vom Sohn als eines „Geschöpfes" noch die Vorstellung, daß der Vater als der Seiende den Nichtseienden zeugte, für häretisch hielt. Es bleibt aber festzuhalten, daß Euseb die arianische Rede von der Zeugung des Sohnes έκ τοΰ μή οντος 37 nicht explizit verteidigt oder gar übernimmt, da er sie schon vor Nizäa für eine gefährliche Irrlehre hielt.38 Daher muß postuliert werden, daß für Euseb die Vorstellung einer Entstehung des Sohnes έκ τοΰ μή οντος, die den Sohn zu einem der Geschöpfe machen würde, keineswegs mit der Lehre von der Zeugung des Sohnes qua μή ών zu identifizieren ist. Daher scheint die Verteidigung der „arianischen" These, der „Seiende" habe „den Nichtseienden" gezeugt, allein auf die logischen Implikationen des Zeugungsbegriffs abzuheben, wenn Euseb sagt: „Wenn nämlich einer ,der Seiende' ist, dann ist klar, daß aus ihm alles, was nach ihm ist, geworden ist. Wenn er aber nicht als einziger der Seiende ist, sondern auch der Sohn ,der Seiende' war, wie sollte dann der Seiende den Seienden gezeugt haben? So nämlich wären es zwei Seiende gewesen."39 Eusebs Argumentation zielt hier offenbar darauf ab, daß die Vorstellung von zwei gleichursprünglichen Seienden den Zeugungsbegriff aufheben würde. Denn es ist unmöglich zu sagen, daß der Seiende den schon Seienden zeugt, da die Zeugungsmetapher die Entstehung eines Seienden bezeichnet und nicht die Veränderung eines schon existierenden Wesens.40 Daher stellt auch diese Argumentation keinesfalls die Verteidigung der eigentlich arianischen Lehre dar. Überhaupt ist signifikant, daß Euseb in seiner eigenen Anführung des von ihm verteidigten „arianischen" Satzes ό γαρ ών θεός τον μή οντα έκ τοΰ μή όντος πεποίηκε 41 diesen nicht allein um die Aussage der Entstehung aus dem Nichtseienden kürzt, sondern auch statt von der Schöpfung des Sohnes lieber von der Zeugung desselben spricht. Euseb zeigt also in seinem Eintreten für den vermeintlich zu Unrecht angeklagten Arius deutlich ein nichtarianisches Profil, indem er Arius genau dort verteidigt, wo er nach Ansicht des Euseb seine eigene origenistische Sicht ver" Die Arianer haben ja nach Alex. Al., Ep. encycl., Opitz, Urkunde 4b,7 (7,20) gelehrt: ό γ α ρ ών θεός τ ό ν μή ό ν τ α έκ τ ο ΰ μή οντος πεποίηκε. Vgl. auch Athanasius, Or. c. Arian. 11,18,4,1921. Metzler. ,B Vgl. Euseb, Dem. IV,3,13 (154,11-15. Heikel); V,l,15 (212,22-26. Heikel). Vj εί γ α ρ έίς έστιν ό ών, δ ή λ ο ν δτι έξ α ύ τ ο ϋ γέγονε π α ν δ, τι και έστι μετ' α υ τ ό ν εί δε μή μ ό ν ο ς α υ τ ό ς έ σ τ ι ν ό ών, ά λ λ α και ό υ ι ό ς ή ν ό ών, και πώς τόν ο ν τ α ό ών έ γ έ ν ν η σ ε ν ; οΰτως γ α ρ α ν δύο ε'ίη τά όντα. Euseb, Ep. Alex.ΑΙ., Opitz, Urkunde 7,4 (15,3-6). 4,1

Ähnlich R. Lorenz, Arius, S. 206: „Dementsprechend muß man die Ewigkeit des Sohnes als abgeleitet bezeichnen, oder das .Nichtsein' des Sohnes ist für Euseb lediglich virtuell und besteht darin, daß sein Sein der Hervorbringung bedarf." 41 Alex. Al., Ep. encycl., Opitz Urkunde 4b,7 (7,20). 42 Vgl. R. Lorenz, Arius, S. 210. Dies wird gerade in der Vorstellung, daß der Seiende den Nichtseienden gezeugt hat, deutlich, denn dies ist offenbar ein Satz gewesen, den auch Dionysius von Alexandrien in seiner antisabellianischen Polemik gebraucht zu haben scheint. Denn in einem arianischen Florileg wurde ein Zitat des Athanasius von Anazarbus aus dem Werk des Dionysius von Alexandrien überliefert, das in der Edition von D. de Bruyne, Lettres, S. 110 (vgl. den diploma-

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tritt.42 Daher dürften die Argumente des Euseb, dessen Eintreten für Arius kirchenpolitisch für den alexandrinischen Bischof ein Skandalon gewesen sein muß, theologisch für einen ebenfalls deutlich von origeneischen Vorstellungen geprägten Theologen wie Alexander keineswegs anstößig gewesen sein. So ist denn auch das deutliche Abrücken des Euseb von den eigentümlich arianischen Vorstellungen des alexandrinischen Presbyters auf dem Konzil von Nizäa m.E. keineswegs als ein radikaler theologischer Positionswechsel des Bischofs von Caesarea zu interpretieren, sondern primär als eine Distanzierung von der Person des Arius, dessen Theologie Euseb zunächst falsch eingeschätzt haben dürfte, zu verstehen.

2.2 Das Konzil von Antiochien

324/25

und sein vermeintliches

Symbol

Nun erscheint allerdings die Frage, welche Rolle Euseb selbst auf dem Konzil von Nizäa gespielt hat, jeweils in einem anderen Lichte, je nachdem, wie man das in der Forschung durchaus nicht unumstrittene Problem einer Synode in Antiochien im Jahre 324/25 n.Chr. beurteilt. Wenn der nur syrisch überlieferte Brief der Synode von Antiochien an den Bischof Alexander von Konstantinopel authentisch und tatsächlich das Dokument einer vornizänischen Synode sein sollte, dann wäre Euseb von Caesarea mit zwei anderen Bischöfen, Narzissos von Neronias und Theodot von Laodizea, am Vorabend des nizänischen Konzils ausdrücklich als Arianer verurteilt worden. Nach seiner zeitweiligen und ausdrücklich als revidierbar bezeichneten Verurteilung auf einer solchen antiochenischen Synode hätte Euseb auf dem Konzil von Nizäa zuallererst seine eigene Rechtgläubigkeit zu verteidigen gehabt, 43 was ihm dann auch mit der Vorlage seines persönlichen, aber irgendwie doch wohl auf dem Glaubensbekenntnis von Caesarea basierenden Credo glänzend gelang: Nach Eusebs Darstellung approbierte der Kaiser selbst, der auf dem Konzil eine führende Rolle spielte, dieses Glaubensbekenntnis, das auch den allgemeinen Zuspruch der Mehrheit der Konzilsteilnehmer gefunden hatte. Die inzwischen fast allgemeine Anerkennung, die dieses Dokument in der Forschung gefunden hat, führte zu einer - gegenüber der stark an der eusebianischen Selbstdarstellung orientierten traditionellen Sicht - radikalen Umwertung des Bildes des Konzils von Nizäa und der

tischen Abdruck des Textes der Handschrift ebd., S. 107) lautet: ha Pater quidem, Pater et non Filius; non quiafactus est, sed quia est; non ex aliquo, sed in se permanens. Filius autem et non Pater; non quia erat, sed quia factus est; non de se, sed ex quo qui eum fecit, Filii dignitatem sortitus est. Dieser Text kann m.E. wie folgt (vgl. die jeweiligen Rückübersetzungen bei H.-G. Opitz, Dionys, S. 51 und L. Abramowski, Dionys, S. 258) rückübersetzt werden: οΰτως ό πατήρ μεν πατήρ και ούχ υιός, ούχ ώς γενόμενος άλλ' ώς ών, ούκ έκ τίνος άλλ' έφ' έαυτοΰ μένων, ό υιός δε και ού πατήρ, ούχ ώς ών άλλ' ώς γενόμενος, ού παρ' έαυτοΰ άλλ' έκ τοϋ γεννήσαντος αυτόν τό τοϋ υίοϋ άξίωμα έκληρωνόμησεν. Dionysius reserviert also - wie ja auch Euseb in der Frühphase des arianischen Streits - den Titel des „Seienden" allein dem Vater. 43 Vgl. u.a. J. Moreau, Eusebe, Sp. 1440.

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Rolle des Euseb auf ihm. Nun sprechen m.E. allerdings gewichtige Gründe gegen die Echtheit dieses Synodalschreibens, so daß man höchst vorsichtig sein sollte, allzuviel „an diesen schwachen Haken zu hängen". Bekanntlich hat E. Schwartz diesen Synodalbrief durch die Publikation nach der damals einzig bekannten Handschrift, dem Codex Paris, syr. 62, in die Diskussion gebracht.44 Nachdem A. von Harnack die Echtheit dieser Urkunde bezweifelt 45 und E. Schwartz sie energisch verteidigt hat,46 scheint sich nach langer Diskussion ein dahingehender Konsens abzuzeichnen, daß dieses Synodalschreiben echt ist.47 Zwar hat jüngst Holland erneut versucht, Zweifel an der Echtheit dieser Urkunde zu begründen, aber seine Argumentation, die allerdings primär auf der Rolle des Euseb von Caesarea beruht,48 wurde von L. Abramowski als nicht überzeugend zurückgewiesen 49 und gilt seitdem offenbar als erle44 E. Schwartz, Dokumente, S. 134-156. Die Erstedition des Textes zusammen mit einer von E. Schwartz vorgenommenen „möglichst wörtliche(n) griechische(n) Übersetzung", die wie Schwartz, ebd., S. 135 besonders betont, „keine Retroversion sein will", findet sich hier auf den Seiten 136-143. Der Text wurde dann von F. Schulthess, Kanones, S. 160-166 zusammen mit den Kanones, die laut Überschrift von Italien an die in Antiochien tagenden Bischöfe geschickt wurden, ediert. Zu diesen Kanones vgl. F. van de Paverd, Quellen, S. 7-27, der in Auseinandersetzung mit E. Schwartz m.E. mit starken Argumenten gegen die Zugehörigkeit dieser Kanones zu einer Synode von 324/5 nachzuweisen versucht, daß die vermeintlichen antiochenischen Kanones von den Kanones des Basilius von Caesarea abhängig seien. 45 A. von Harnack, Synode, S. 477-491. Inzwischen sind durch F. Nau, Litterature, S. 3 und H. Chadwick, Ossius, S. 292-304 zwei weitere Handschriften bekannt geworden, so daß neben Codex Par. Syr. 62 noch Borg. Syr. 148 und eine Handschrift der Mingana collection syr. 8 die handschriftliche Grundlage bilden können. Wobei besonders die von Chadwick beigebrachte Handschrift deswegen von großer Bedeutung ist, weil sie die alte Konjektur bestätigt, nach der der erste Name nicht ucunAtο cc* sondern om^-mocnlautet, so daß nicht ein ansonsten „unbedeutender" Euseb, sondern der vom Kaiser als theologischer Beauftragter zur Klärung des arianischen Konflikts gesandte Ossius von Cordoba den Vorsitz auf der Synode geführt haben soll. 46 Vgl. E. Schwartz, Synodalschreiben, S. 169-187 (vollständig nur in: NGWG.PH 1909, S. 305-374). Nach dieser Erwiderung zeigte sich A. von Harnack weiterhin nicht überzeugt und trat in Synode II, S. 401-425 erneut der These von Schwartz entgegen. 47 So G. Bardy, Theologie, S. 9-11; C. Luibheid, Council, S. 69-72; J.R. Nyman, Synod, S. 481 -489; A.M. Ritter, Arianismus, S. 704; ders., Glaubensbekenntnisse, S. 410; G.C. Stead, Eusebius, S. 98; J. Stevenson, Studies, S. 92-93; D.S. Wallace-Hadrill, Eusebius, S. 24-26; F. Winkelmann, Euseb, S. 55; W. Eltester/H.-D. Altendorf stellen in ihrer Edition von E. Schwartz, Gesammelte Schriften, Band III, S. 169 fest, Schwartz sei aus diesem Streit „als Sieger hervorgegangen, und die Synode von Antiochien 324/25" sei „heute einer der Eckpfeiler der Vorgeschichte von Nicäa". 4 " Vgl. D.L. Holland, Synode, S. 166-173. Er meint, daß die Unterschriftsverweigerung des Euseb nicht ganz verständlich wäre, da die Ekthesis von Antiochien und „die darin entwickelte Theologie im Denken Eusebius' nur auf geringen Widerstand stoßen konnte und ungleich mehr Zustimmung finden mußte." (ebd., S. 172). Auch I. Ortiz de Urbina, Nizäa, S. 49-70 zweifelt an der Echtheit des Synodalbriefes und nennt als Gründe dafür, einmal das Fehlen jeglicher Nachricht über ein solches Konzil und zum anderen die Tatsache, daß mit Paulinus von Tyrus und Gregor von Berytus „zwei Freunde des Arius" das Schriftstück unterzeichnet haben sollen. 49 Vgl. L. Abramowski, Synode, S. 360-366. Auch T.E. Pollard, Eusebius, S. 459-464 kritisiert die These Hollands eingehend und überzeugend. Mag die Begründung der These von der Unechtheit bei Holland auch schwach sein, so überzeugt m.E. auch die positive Argumentation für die Echtheit nicht wirklich: Die Ansicht, daß Euseb schon vor dem Konzil von Antiochien „längst"

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digt. 5 0 Es gibt aber m.E. über die Argumente von Holland hinaus einige Beobachtungen und Tatsachen, die zu berechtigtem Zweifel an der Authentizität des Schreibens der antiochenischen Synode Anlaß geben: Zunächst bemerkt Brennecke ganz zurecht, daß die im vermeintlichen Konzilsbrief ausdrücklich als vorläufig bezeichnete Verurteilung der drei Bischöfe, denen ja „ausdrücklich die Möglichkeit eröffnet wurde, auf einer bevorstehenden ... Synode ... ihre Rechtgläubigkeit unter B e w e i s stellen zu können", „im eklatanten Widerspruch zur gesamten Synodaltradition steht, nach der die Beschlüsse jeder Synode unmittelbar geistgewirkt und daher im Prinzip für die ganze Kirche verbindlich und nicht einfach aufhebbar waren". 51 Darüber hinaus macht

verurteilt war (L. Abramowski, Synode, S. 364), läßt sich mit Opitz, Urkunde 1 (2,4ff) und Urkunde 14 (25,15-17) nicht stützen. Urkunde 1 setzt keine reale Verurteilung des Euseb voraus, sondern sagt nur, daß „alle Theologen im Osten" mit A u s n a h m e von drei häretischen Bischöfen implizit mit der Verurteilung des Arius mitverurteilt worden seien. Arius beruft sich damit auf einen Konsens der östlichen Theologen und unterstellt damit seinem Gegner Alexander, er habe in der Verurteilung der arianischen Position implizit auch die Mehrheit der östlichen Theologen verurteilt! Die in U r k u n d e 14 genannten Bischöfe sind anonym. Daß Euseb einer von ihnen war, ist höchst unwahrscheinlich, da diese drei Bischöfe für Arius mit dem Argument eingetreten sind, die biblischen Niedrigkeitsaussagen über das Leiden und die Erniedrigung Christi sprächen gegen seine Gottheit, eine Argumentationsfigur, die mit d e m Denken des Euseb unvereinbar ist (vgl. hierzu die Darstellung der eusebianischen Christologie in dieser Arbeit). Darüber hinaus sind auch diese drei syrischen Bischöfe nach Alexander keineswegs verurteilt! Vielmehr überläßt Alexander das Urteil über deren Verhalten seinen Lesern (περι ών ή κ ρ ί σ ι ς ά ν α κ ε ί σ θ ω τ η υ μ έ τ ε ρ α δ ο κ ν μ α σ ί α ) . Diese A u s s a g e zeigt ganz im Gegenteil, daß auch diese drei Unterstützer des Arius noch keineswegs verurteilt sind! Überhaupt setzt die g a n z e Argumentation sowohl bei Holland als auch bei L. A b r a m o w s k i , Synode, S. 364 voraus, daß Euseb und seine Genossen verurteilt wurden, weil sie sich weigerten, das Synodalbekenntnis zu unterschreiben. Aber davon steht nichts im vermeintlichen Synodalbrief. Dort geht es vielmehr darum, daß Euseb ein Kryptoarianer sein soll (vgl. gleich in dieser Arbeit). Daher ist mit der negativen Beantwortung der Frage, ob Euseb das Antiochenum von 324/25 hätte unterschreiben können, für die These von der Echtheit der Ekthesis noch nichts g e w o n n e n . Vielmehr spricht gerade die Tatsache, daß Euseb dieses Bekenntnis kaum hätte unterzeichnen können (vgl. weiter unten die Darstellung über die willentliche Z e u g u n g bei Euseb und ihrer A b l e h n u n g durch das Glaubensdokument), gegen die Echtheit des Synodalschreibens. Denn der historische Euseb hätte das Konzilsdokument wegen dessen Ablehnung der willentlichen Zeugung des S o h n e s keineswegs unterzeichnen können. Hätten er und seine Freunde die Unterschrift aber tatsächlich verweigert, so hätte dies sich im Konzilsdokument als Grund ihrer Verurteilung auch niederschlagen müssen. 50 Vgl. nur A. Grillmeier, Jesus, S. 311 Anm. 38, ebd., S. 403-404 mit Anm. 58; A . M . Ritter, D o g m a , S. 165 Anm. 190; ders., Arianismus, S. 704. 51 H.-C. Brennecke, Nicäa, S. 430. Nun könnte man allerdings die in der alten Kirche völlig singulare vorläufige Verurteilung zu einem Argument für die Echtheit machen. Aber gerade in der Situation die in dem antiochenischen Schreiben vorausgesetzt wird, ist m.E. eine solche von vornherein auf die Revozierung angelegte Konzilsentscheidung höchst unwahrscheinlich. Im Rückblick auf die f ü h r e n d e Rolle, die Euseb auf d e m Konzil von Nizäa und in der nachnizänischen Geschichte spielte, dagegen hatte ein Fälscher dieser Rolle immerhin Rechnung zu tragen und plausibel zu machen, wie sich die vornizänische Verurteilung zum Wirken des Euseb in Nizäa, w o er j a augenscheinlich nicht nur nicht verurteilt wurde, sondern die Gunst des Kaisers gewann, und in der Zeit danach mit einer vornizänischen Verurteilung verträgt. Dazu bot sich dann die Konstruktion einer vorläufigen Verurteilung geradezu an.

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er auf die sehr verwunderliche und auch sonst bemerkte Tatsache aufmerksam, „daß das Nicaenum ... in völliger Diskontinuität zur antiochenischen Ekthesis gegen Arius steht, die sich stark an die Theologie Alexanders angelehnt hatte."52 Es gibt nun allerdings zwei starke Argumente, die für die Echtheit des Schreibens zu sprechen scheinen: 1) Das erste bezieht sich auf die lange Bischofsliste am Anfang des Dokuments. Diese Teilnehmerliste entspricht nämlich in ihrer recht ungewöhnlichen Gestalt formal der zweifellos echten Bischofsliste der antiochenischen Synode von 326 53 und scheint - soweit sie überprüfbar ist - tatsächlich, was die in ihr genannten Bischöfe und ihre Sitze angeht, die Situation kurz vor dem Konzil von Nizäa wiederzuspiegeln. 54 2) Das zweite Argument für die Echtheit besteht in dem deutlichen Hinweis des Schreibens auf eine Synode, die in naher Zukunft in Ankyra zusammentreten soll. Denn dieser Hinweis bezieht sich aller Wahrscheinlichkeit nach auf die zunächst nach Ankyra und dann letztlich durch ein allgemeines Schreiben des Kaisers Konstantin nach Nizäa umberufene große, u.a. mit dem arianischen Problem befaßte Synode. 55 Dieser Hinweis auf eine bevorstehende große heilige Synode in Ankyra wird daher auch zumeist als Siegel der Echtheit unseres Konzilsschreibens angesehen. 56 Neben diesen beiden Argumenten hat der Hinweis auf das Fehlen des ομοούσιος 5 7 wenig Gewicht. Es ist ja allgemein bekannt, daß dieser Begriff auch in den nachnizänischen Streitigkeiten zunächst kaum eine Rolle gespielt hat, sondern erst seit den 50er Jahren des vierten Jahrhunderts in den Mittelpunkt des dogmatisch-theologischen Interesses gerät.58 Nimmt man an, daß eine etwaige

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H.-C. Brennecke, Nicäa, S. 433. Er formuliert diesen Sachverhalt aber so, als ob das Nicaenum auch gegenüber dem Bekenntnis des Euseb in gleicher Diskontinuität stünde, eine Ansicht, der ich weiter unten widersprechen muß. Vgl. auch L. Abramowski, Synode, S. 365-366; A.M. Ritter, Dogma, S. 170 und J. Ulrich, Anfänge, S. 122. 53 Auch in dieser sind die Namen der Bischöfe nicht mit ihren Sitzen direkt verbunden, sondern der bloßen Aufzählung der Namen folgt jeweils die Aufzählung der Provinzen, aus denen diese stammen. So jedenfalls bietet die Handschrift Paris, syr. 62 diese Liste. Der Text dieser Handschrift ist ediert bei F. Nau, Litterature, S. 17-18; F. Schulthess, Kanones, S. 65-66 ediert den Text nach der Handschrift Borg. Sir. 82 der Vaticana, die m.E. sekundär die Bischofssitze, soweit sie dem Redaktor bekannt waren, nachträgt. Dies ist daran zu erkennen, daß bei den Namen Mokimos (8), Patricios (18), Etherios (19) und den beiden letztgenannten Theodoti (28-29) diese Ortsangabe aus Unkenntnis unterbleibt. 54 Vgl. nur E. Seeberg, Synode, S. 67-98. 55 Diese Umberufung der großen Synode von Ankyra nach Nizäa wird durch ein - allerdings ebenfalls allein syrisch überliefertes - Schreiben des Kaisers Konstantin an die Bischöfe belegt: Opitz, Urkunde 20 (41,1-42,6). 56 Vgl. E. Seeberg, Synode, S. 165-176. 57 Vgl. u.a. nur E. Seeberg, Synode, S. 184. So meint auch J.R. Nyman, Synod, S. 487, der über das Credo von Antiochien urteilt: „it is pre-Nicene because it was ignorant of the Nicene theological solutions", damit auch besonders das Fehlen des nizänischen Zentralbegriffs (vgl. D.L. Holland, Synode, S. 166 mit Anm. 8). 5K Vgl. G.C. Stead, Homousios, Sp. 412-418. Selbst Athanasius erwähnt bis zum Jahre 350

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Fälschung vor dieser Zeit entstanden ist,59 so kann das Fehlen dieses nizänischen Zentralbegriffs nicht verwundern. Dagegen sind die beiden genannten Gründe durchaus von Gewicht. Aber dies auch nur solange, wie man die literarische Einheitlichkeit des Synodalbriefes annimmt. Nun läßt sich aber deutlich zeigen, daß dieser Brief keine ursprüngliche literarische Einheit darstellt.60 Denn er weist Doppelungen, Spannungen und eine gewisse inhaltliche Inkonsequenz auf: das nizänische Bekenntnis fast nicht und gebraucht bis dahin auch den Begriff ομοούσιος kaum (vgl. F. Dinsen, Homoousios, S. 115). Auch der als glühender Verteidiger des nizänischen Glaubens geltende Eustathius hat, nach allem, was wir über seine Lehre wissen, den Begriff der Homoousie nicht gebraucht und seine Ein-Hypostasen-Theologie nicht mit Hilfe dieses Schlagworts vertreten (vgl. G.C. Stead, Homousios, Sp. 406). Unter den neuen Fragmenten des Eustathius findet sich nun allerdings eine syrische Passage, die eindeutig das Homoousios auf den Sohn anwendet, nämlich L. Abramowski/A.E. Goodmann, Collection I, p. 15,7-14. Hier zeigt aber ein Vergleich mit dem griechischen Originaltext, der teilweise bei Theodoret von Cyrus, Eranistes (Frg. 18 [ 101,9-13. Spanneut] überliefert ist, daß das Homoousios des syrischen Textes w , -i=) eine sekundäre Interpolation bzw. Ersetzung des ursprünglichen ανέκαθεν παρά τω πατρί darstellt. -w Es ist aber auch möglich, daß ein Fälscher zu späterer Zeit als eine seiner Vorlagen ein Glaubensdokument benutzte, das noch vor der Zeit, in der das Homoousios in den Mittelpunkt des Interesses rückte, entstanden war und sich nicht die Mühe machte, das Homoousios darin einzuarbeiten. 60 Man könnte nun die Angabe über den Adressaten des Briefes zum Ausgangspunkt des Zweifels an der Echtheit des Sendschreibens nehmen: Dieser ist nach Aussage sowohl der Überschrift als auch der Subscriptio „Alexander von Neu-Rom, d.h. Konstantinopel" (so der syrische Text der Superscriptio nach F. Schulthess, Kanones, S. 160,1-2). Es wurde des öfteren mit Verweis auf eine Notiz bei Gelasius von Caesarea darauf hingewiesen, daß Alexander erst nach dem Konzil von Nizäa 325 Bischof von Byzanz wurde. Wäre also die Adressatenangabe ursprünglicher Bestandteil des Dokuments, so stünde fest, daß ein Synodalschreiben, das Alexander ganz offensichtlich als συλλειτουργός der den Brief schreibenden Bischöfe bezeichnet, kaum echt sein kann. Gelasius schreibt nämlich nach der Erwähnung des Bischofs Ossius von Cordoba und der Mitteilung, daß dieser mit zwei Presbytern aus Rom auch den Bischof von Rom, Silvester, vertreten habe: της δε νϋν βασιλευοΰσης πόλεως ό μεν προεστώς Μητροφάνης τούνομα διά γήρας ύστέρει, πρεσβύτεροι δε αύτοϋ παρόντες την αύτοϋ τάξιν έτέλουν, ων ό εις 'Αλέξανδρος ήν, ό μετ' αύτόν επίσκοπος της αυτής γεγονώς πόλεως. Diese Notiz stammt aus Gelasius von Cyzicus, h.e. 11,5,4 (44,23-26. Loeschcke), der hierbei aller Wahrscheinlichkeit nach den Kirchenhistoriker Gelasius von Caesarea ausschreibt (vgl. F. Winkelmann, Bischöfe, S. 57-59). Hier ist allerdings zu bedenken, daß in den Listen der Teilnehmer des Konzils von Nizäa kein Vertreter aus Byzanz, d.h. weder Bischof noch Presbyter genannt werden (vgl. den Index patrum restitutus bei H. Geizer, Nomina, S. LX-LXIV sowie die Listen dieses Bandes,von denen allein die arabische Liste unter Nr. 3 Alexander von Konstantinopel nennt, wo diese Nennung aber augenscheinlich sekundär ist). Diese Notiz des Gelasius unterliegt aber einigen Zweifeln, was ihre Zuverlässigkeit angeht. Zum einen ist Gelasius von Caesarea wegen seiner „sehr erbaulichen Tendenz" und aufgrund der Beobachtung, daß er sich um dieser Ausrichtung willen zu „bewußte(n) Änderungen" verleiten läßt, wie Winkelmann gezeigt hat, nur mit großer Vorsicht als Quelle zu benutzen (F. Winkelmann, Bischöfe, S. 59-60), zum anderen läßt sich die Notiz bei Gelasius aus dem Mißverstehen einer Aussage des Euseb von Cäsarea erklären. Dieser sagt nämlich nach der Erwähnung des namentlich nicht genannten Ossius von Cordoba: της δέ γε βασιλευούσης πόλεως ό μεν προεστώς διά γήρας ύστέρει, πρεσβύτεροι δ' αύτοϋ παρόντες τήν αύτοΰ τάξιν έπλήρουν. (Euseb, Vita 111,7,2 [84,18-85,2. Winkelmann]). Der in diesem Satz bei Euseb ausgesprochene Sachverhalt begegnet nun in der Kirchengeschichte des Gelasius verdoppelt: Zum einen in der Mitteilung, Ossius von Cordoba habe mit zwei Presbytern, nämlich Viktor und Vicentius, den Platz des abwesenden Bi-

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Der historische Rahmen Z u m e i n e n fällt auf, daß d i e L i s t e der B i s c h ö f e , die a m A n f a n g d e s B r i e f e s als

A b s e n d e r fungieren, 6 1 nicht g a n z m i t der A u f z ä h l u n g der P r o v i n z e n , aus d e n e n d i e v e r s a m m e l t e n B i s c h ö f e s t a m m e n sollen, 6 2 übereinstimmt. Z w a r l a s s e n s i c h d i e m e i sten B i s c h ö f e anhand der B i s c h o f s l i s t e v o n N i z ä a tatsächlich d e n P r o v i n z e n Palaestina, Arabia, P h o e n i c i a , C o e l e s y r i a , C i l i c i a und C a p p a d o c i a z u w e i s e n , aber vier der B i s c h o f s n a m e n , d i e genannt werden, g e h ö r e n in k e i n e der g e n a n n t e n P r o v i n z e n : Jakob v o n N i s i b i s s t a m m t ( w i e a u c h der s o n s t nicht n a c h w e i s b a r e Syrer R a b u l a s ) aus M e s o p o t a m i a , A g a p i o s v o n S e l e u k i a aus Isauria, w ä h r e n d der g e n a n n t e K y r i l l o s e n t w e d e r n a c h Cyprus, Isauria oder B i t h y n i a , der g e n a n n t e A l e x a n d e r d a g e g e n entw e d e r n a c h M a c e d o n i a oder A e g y p t i a g e h ö r e n müßte. 6 3 Darüber hinaus w e i s t d i e B i s c h o f s l i s t e e i n e n e n t s c h e i d e n d e n U n t e r s c h i e d zur m i t ihr v e r w a n d t e n Liste v o n A n t i o c h i e n 3 2 6 auf: W ä h r e n d in der n a c h n i z ä n i s c h e n L i s t e d i e A u f z ä h l u n g der P r o v i n z e n , aus d e n e n d i e K i r c h e n m ä n n e r s t a m m e n , direkt auf d i e B i s c h o f s l i s t e folgt, ist d i e N e n n u n g der P r o v i n z e n in u n s e r e m S y n o d a l b r i e f v o n d i e s e r durch e i n e P a s s a g e getrennt, in der O s s i u s v o n C o r d o b a in der ersten P e r s o n singular v o n s e i n e m Wirken in A n t i o c h i e n berichtet. G e g e n d i e E i n h e i t l i c h k e i t d e s B r i e f e s sprechen darüber hinaus f o l g e n d e m . E . nur literarkritisch zu interpretierende S p a n n u n g e n : schofs Silvester von Rom eingenommen (Gelasius, h.e. 11,5,3 [44,20-23. Loeschcke]), zum anderen in einem fast wörtlichen Zitat, das nur um die den Satz auf Konstantinopel beziehende Einfügung des νΰν und die Supplementierung der Namen des Bischofs von Konstantinopel, Metrophanes, und eines seiner Presbyter, Alexander, erweitert ist. Das Ganze findet sich bei Gelasius nun in einem ausdrücklich als Zitat aus der eusebianischen Schrift De Vita Constantini bezeichneten Passus, den Gelasius tatsächlich bis auf einige Auffüllungen von bei Euseb fehlenden Namen wörtlich übernommen hat. Daher spricht viel dafür, daß Gelasius diese Notiz sekundär in Anlehnung an die Euseb-Notiz über den Bischof von Rom gebildet hat, um auch den inzwischen zu großer Bedeutung gelangten Bischofssitz Konstantinopel in Nizäa vertreten zu haben. Daher hat dieses Argument wenig Gewicht. 61

Opitz, Urkunde 18,1 (36,3-10). Opitz, Urkunde 18,3 (37,5-7). 61 Bei Kyrillos könnte es sich etweder um Kyrillos von Paphos (Cyprus), Kyrillos von Houmanados (Isauria) oder Kyrillos von Chios (Bithynia) handeln. Alexander könnte sowohl Alexander von Thessalonike (Isauria) als auch Alexander von Alexandrien (Aegytia) sein. Man könnte nun allerdings auch argumentieren, daß weder Alexander von Alexandrien, den der Synodalbrief als Mitbruder der versammelten Bischöfe nennt und damit deutlich von ihnen unterscheidet, noch Alexander von Byzanz als vermeintlicher Adressat des Briefes gemeint sein können, und daß auch die Gegenwart des Alexander von Thessalonike auf diesem Konzil höchst unwahrscheinlich ist. Wenn dies der Fall ist, wäre es m.E. eine viel wahrscheinlichere Möglichkeit, daß mit Alexander der Bischof von Nikopolis gemeint ist, dessen Bischofsitz in Nizäa noch von einem Petros von Nikopolis eingenommen wird, der aber unter den Unterzeichnern einer Synode von Antiochien 326 n.Chr. zu finden ist (F. Schulthess, Kanones [65,21], Diese Liste steht zwar in der Handschrift F im Zusammenhang mit der Synode von 341, stammt aber, wie der Name des Euseb von Caesarea an erster Stelle der Liste zeigen kann, von der Synode, die im Jahre 326 in Antiochien stattfand, da Euseb im Jahre 341 schon nicht mehr am Leben war. Darüberhinaus enthält die Liste den Namen des Jakob von Nisibis, der im Jahre 338 n.Chr. gestorben ist, wie u.a. die edessenische Chronik Nr. 17 deutlich macht, nach der Jakob von Nisibis im Jahre 649 der seleukidischen Ära, d.h. im Jahre 337/38, bei der Belagerung von Nisibis, starb (vgl. E. Schwartz, Nicaea, S. 222; H.J.W. Drijvers, Nisibis, S. 574). 62

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Zunächst fällt die für einen Synodalbrief von 56 Bischöfen an einen Mitbischof zumindest ungewöhnliche Tatsache auf, daß in den Paragraphen 2-3 zunächst in der ersten Person Singular offenbar allein der erste Bischof, nämlich Ossius von Cordoba spricht, während von Paragraph 4 an durchgehend alle auf dem Konzil versammelten rechtgläubigen Bischöfe in der ersten Person Plural sprechen. Dieser Sprecherwechsel korrespondiert einer inhaltlichen Doppelung des in den jeweiligen Passagen erzählten Inhalts, wobei zugleich gewisse Ungleichmäßigkeiten und Spannungen zutage treten: Der Ich-Bericht schildert, wie Ossius, nachdem er nach Antiochien gekommen ist, dort feststellt, daß die Kirche aufgrund von einigen Irrlehrern in Verwirrung und Aufruhr geraten ist. Er beschließt dann zur Beseitigung dieser Schwierigkeiten, eine Synode von Bischöfen aus den benachbarten Provinzen zusammenzurufen, die zusammen mit ihm durch gemeinsame Beratung und Prüfung die kirchlichen Angelegenheiten wieder in Ordnung bringen sollen. 64 Zu Beginn der WirPassagen, der im übrigen, wie ein Vergleich mit dem Brief der Synode von Nizäa an die Bischöfe der Ökumene deutlich machen kann, eher an den Anfang eines solchen Synodalbriefes zu gehören scheint, 65 ist dagegen davon die Rede, daß die durch die Gnade Gottes in der Parochie von Antiochien versammelten Bischöfe, als sie die Angelegenheiten der Kirche in Antiochien bedenken und regeln wollten, 66 feststellten, daß sich diese Kirche in großer Unordnung befand. Das kirchliche Gesetz und die Kanones waren in der Zwischenzeit völlig vernachlässigt worden, da die Zusammenkunft von Bischofssynoden in diesem Teil des Reiches zeitweilig unmöglich war. 67 Kommen hier also die Bischöfe zur Regelung kirchenrechtlicher Fragen zusammen, und stellen dabei erst die Unruhe und Unordnung in der antiochenischen Kirche fest, die ihrer Meinung nach eine Folgeerscheinung des von Licinius über die Bischöfe verhängten Versammlungsverbots darstellt, so scheinen sie im vermeintlichen Ich-Bericht des Ossius gerade dieser Unruhe wegen zusammengerufen worden zu sein. Ist darüber hinaus in den Paragraphen 2-3 der Anlaß der Streitigkeiten und des Aufruhrs in Antiochien dogmatisch-theologischer Natur, so geht es nach den Worten der Bischöfe zunächst allein um den disziplinarischen Verfall. Man würde jetzt als natürlichen Fortgang des Gedankengangs erwarten, daß sich der Brief den disziplinarischen und kirchenrechtlichen Fragen, sowie der doch wohl anstehenden Frage der Bischofswahl zuwendet. Statt dessen folgt recht unvermittelt und abrupt der Hinweis, daß es den versammelten Bischöfen gut erschien, zuerst das vornehmste und alle anderen Fragen überragende Glaubensgeheimnis, nämlich die Lehre über den Erlöser und Sohn des lebendigen Gottes zu untersuchen. 6 * Damit geht der Brief zu den durch Arius ausgelösten dogmatischen Streitigkeiten über und verliert die kir64

Opitz, Urkunde 18,2-3 (36,12-37,8), griechische Rückübersetzung ebd. 36,11 -37,9. Vgl. zu Opitz, Urkunde 18,4 (37,9. Opitz) die entsprechende Eröffnungspassage des Synodalbriefs von Nizäa: Opitz, Urkunde 23 (47,4-6). 66 D.h. wohl, einen neuen Bischof als Nachfolger des soeben verstorbenen Philogonius zu wählen. 67 Opitz, Urkunde 18,4-5 (37,9-13. Opitz); griechische Rückübersetzung ebd., 37,10-15. ™ Opitz, Urkunde 18,5 (37,13-15. Opitz); griechische Rückübersetzung ebd., 37,15-17. M

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chenrechtlichen Fragen völlig aus dem Blick. Die Ausgangsfrage der „Wir-Passage", die kirchlichen Kanones betreffend, wird im ganzen folgenden Brief nicht mehr erwähnt. Zusätzlich fällt auf, daß mit dem sehr unvermittelten Themawechsel zugleich wieder einmal kurz der in der ersten Person Singular redende Schreiber des Briefes aufleuchtet (λέγω δή = «^κ' i^r«'). Besonders auffällig ist auch die Rolle, welche die Ereignisse in Alexandrien, d.h. die Verurteilung des Arius und seiner Genossen, im Synodalbrief spielen. Nachdem kurz von der Verurteilung der Blasphemie des Arius und der Unterstützung, die er trotz seiner Irrlehre bei einigen gefunden hat, die Rede war, heißt es: „Und auch die Dinge, welche von Alexander, dem Bischof von Alexandrien gegen jene um Arius getan wurden, stellten wir in die Mitte, damit, wenn irgendwelche Leute so erscheinen sollten, daß sie durch eine diesen Dingen entgegengesetzte Lehre verdorben sind, auch diese in der Kirche fremd sein sollten, damit sie nicht, wenn sie drinnen bleiben, einige von den Einfältigeren mit fortreißen würden." 69

Hier ist ganz offensichtlich die Verurteilung des Arius und seiner Genossen schon zum Schibboleth der Rechtgläubigkeit geworden und steht als solche überhaupt nicht mehr zur Debatte. Sie ist überhaupt nicht Gegenstand einer Prüfung und Untersuchung, die die Konzilsväter anzustellen gedenken, sondern sie ist schon zu einem Kriterium und Maßstab der dogmatischen Diskussion geworden, ein Zustand, der m.E. allein nachnizänisch möglich ist. Im Text geht es dabei gar nicht um eine Prüfung und Bestätigung der Verurteilung des Arius, sondern vielmehr um die Überführung und Verurteilung von nur scheinbar rechtgläubigen Theologen und Bischöfen, die aber in Wahrheit „Kryptoarianer" sind. Dies zeigt besonders die Charakterisierung des angeblichen Verhaltens der drei Verurteilten auf der Synode: Sie versuchen zwar ihre eigene Lehre auf vielfältige Weise zu verbergen, werden aber im Laufe der Konzilsverhandlungen in Rede und Gegenrede als solche erwiesen, die heimlich dieselbe Irrlehre wie Arius vertreten und damit Lehren anhängen, die dem von der antiochenischen Synode soeben vorgelegten Glaubensbekenntnis widersprechen. Aus diesem Grunde wird ihnen die Kirchengemeinschaft verweigert. 70 Sie werden also nicht deshalb verurteilt, weil sie sich der Verdammung des Arius verweigern, noch weil sie das Glaubensbekenntnis nicht unterschreiben wollten, sondern weil ihre von ihnen 69

Meine Übersetzung des syrischen Textes bei Opitz, Urkunde 18,7 (38,5-8). Nach der Feststellung, alle Bischöfe hätten jenem Glaubensbekenntnis zugestimmt, heißt es im syrischen Synodalbrief: „Allein Theodot von Laodizea und Narkissos von Neronias und Euseb von Caesarea in Palästina, so als hätten sie die Heiligen Schriften und die apostolischen Lehren vergessen, auch wenn sie durch viele Täuschungen versuchten, sich zu verhüllen und ihre Torheiten durch Überredungskunst von Worten und nicht durch Wahrheit zu verdecken, wurden als solche offenbar, die zu diesen entgegengesetzte (Lehren) eingeführt haben. Und auch von den Werken her und von den Dingen, die sie gefragt wurden und die sie fragten, wurden sie für schuldig befunden, daß auch die Gleichheit der Lehre mit jenen, die um Arius sind, bei ihnen ist und daß sie Gegensätzliches zu diesem, was vorher festgesetzt wurde, denken." Meine Übersetzung des Syrischen bei Opitz, Urkunde 18,14 (40,6-14). 711

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verborgene Gesinnung arianisch ist und der Ekthesis von Antiochien innerlich widerspricht, ein Widerspruch, der nicht offen zu Tage lag, sondern erst durch lange Untersuchung sichtbar gemacht werden mußte. Diese Charakterisierung des Euseb und seiner Freunde paßt kirchengeschichtlich viel eher in die nachnizänische Zeit, als nämlich u.a. Markeil von Ankyra und Athanasius die Eusebianer als Kryptoarianer denunzieren wollten. Schließlich paßt die Verurteilung dieser drei Personen auch aus dem Grunde kirchengeschichtlich viel besser in die nachnizänischen Kämpfe, weil sie nämlich kurz nach dem Konzil von Nizäa als Hauptgegner des Eustathius von Antiochien greifbar werden. Alle drei treten an prominenter Stelle in der Bischofsliste eines Konzils von Antiochien auf, 71 das nicht nur 25 Kanones verfaßt hat, sondern hauptsächlich dazu diente, Eustathius von Antiochien, der erst kurz vor dem nizänischen Konzil von einer Bischofsversammlung (wahrscheinlich der antiochenischen Synode von 325) gewählt worden war, abzusetzen. Euseb von Caesarea fungierte auf dieser Synode offenbar als Vorsitzender und hat, wenn nicht alles täuscht, den Synodalbrief verfaßt. 72 Er war auch der Kandidat für die Nachfolge des abgesetzten Eustathius, lehnte den Wechsel von Caesarea nach Antiochien aber mit Hinweis auf den 15. Kanon von Nizäa, der einen solchen Wechsel verbot, ab.7-1 Hierbei gelten offenbar neben Euseb besonders Narkissos von Neronias und Theodot von Laodizea 74 in der kirchlichen Tradition als hauptsächliche Betreiber dieser Absetzung, wobei auch deutlich ist, daß Theodot und Narkissos neben anderen darauf hinwirkten, Euseb von Caesarea auf den antiochenischen Thronos zu erheben. 75 Es ist daher nicht unwahrscheinlich, daß der „Sitz im Leben" dieser vermeintlichen Verurteilung gerade dieser drei Bischöfe die Polemik antieusebianischer antiochenischer Kreise darstellt, die mit der Fälschung oder Verfälschung eines Synodalbriefs einer antiochenischen Synode die Gegner ihres verehrten Eustathius diskreditieren wollten, indem sie in spiegelbildlicher Umkehrung der Ereignisse von 326 die Ankläger zu Verurteilten ma-

71 F. Schulthess, Kanones (65,8-66,13). Nr. 1 Euseb von Cäsarea; Nr. 3 Narkissos von Neronias, Nr. 10 Theodot von Laodicea. Vgl. zu diesen Listen, H. Kaufhold, Väterlisten, S. 32-38. 72 Vgl. F. Schulthess, Kanones (84,11). 73 Vgl. den Brief des Kaisers an Euseb in Vita 111,61,1-3 (115,8-116,2. Winkelmann). Nicht allein einige Bischöfe waren offenbar daran interessiert, Euseb von Caesarea nach Antiochien zu holen, sondern es gab auch in der Gemeinde selbst eine große Gruppe, die dies befürwortete: vgl. Euseb, Vita 111,61,1 (115,14-16. Winkelmann) und 111,62,1 (116,10-18. Winkelmann). 74 Interessanterweise gilt Theodot von Laodizea primär in antiochenischer Tradition als Hauptbetreiber der Absetzung des Eustathius:. vgl. Theodoret, h.e. 1,21,4 (70,17-18. Parmentier); h.e. V,7,1 (286,7-8. Parmentier).Während er bei Sokrates, h.e. 11,46,5 (185,10-13. Hansen) und bei Sozomenos, h.e. VI,25,9-13 (271,16-272,13. Bidez) allein wegen seines Konflikts mit Apollinaris von Laodizea Erwähnung findet. Die Stelle bei Gelasius, h.e. 111,16,12-15 (170,10-33. Loeschcke) ist als Versuch, Euseb von Caesarea gegen den Vorwurf, gegen Eustathius von Antiochien intrigiert zu haben, zu verteidigen, deutlich von der obigen Passage bei Theodoret abhängig. 75 Vgl. den Brief des Kaisers an Theodot, Theodor, Narkissos, Aetius und die übrigen in Antiochien versammelten Bischöfe bei Euseb, Vita 111,62,1 (116,6-18. Winkelmann).

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Der historische Rahmen

chen. So konnte man die nachnizänische Absetzung des Eustathius als Komplott „arianisch gesinnter" Bischöfe, die schon vor dem Konzil von Nizäa als Kryptoarianer enttarnt wurden und die in Nizäa nur heuchlerisch die Seite gewechselt haben, erscheinen lassen.76 Weisen schon diese Beobachtungen darauf hin, daß der Text die Ereignisse aus einer kirchengeschichtlichen Perspektive, die von der nachnizänischen Periode her auf das Geschehen blickt, schildert, so finden sich im Text noch andere, nämlich theologische Kennzeichen seiner nachnizänischen Entstehung: Es läßt sich nämlich feststellen, daß auch die theologische Problemlage des vermeintlichen Synodalbriefs trotz aller offensichtlichen Anlehnung an den Brief des Alexander von Alexandrien an seinen Namensvetter aus Thessalonike und an die Briefe des Arius selbst auf eine spätere Zeit hinweist. Denn gerade, wenn man die große Nähe zu den Briefen des Alexander von Alexandrien vor Augen hat, fallen einige deutlich über den theologischen Reflexionsgrad des Alexanderbriefes hinausgehende theologische Präzisierungen auf: Während Alexander den Arianern vorwirft, sie lehrten, der Sohn sei nur θέσει Sohn Gottes wie auch die anderen Gottessöhne, während er in Wahrheit von allen Geschöpfen dadurch unterschieden sei, daß er φύσει Sohn Gottes ist,77 im übrigen eine gut origenistische und auch von Euseb durchaus geteilte Ansicht - wird im Synodalbrief die Ablehnung der These, der Sohn sei nur θέσει Sohn, dahin gehend präzisiert, er sei weder θελήσει ή θέσει gezeugt oder geworden (^om o«- i L v « 1 , t m ο«1 . - ν ^ π ^ λ οΛ ).7S 79 Diese in ihrem Kern antiorigenistische Präzisierung des Arguments ist m.E. deutlich nachnizänisch, sie ist weder beim noch viel stärker als sein Nachfolger auf dem Bischofsstuhl von origenistischen Voraussetzungen geprägten Alexander von Alexandrien nachzuweisen, noch im Nicaenum selbst zu greifen, sondern erst von Athanasius in seinen Auseinandersetzungen mit den späteren vermeintlichen Arianern und anderen, der origenistischen Mittelpartei zugehörenden Bischöfen in die theologische Debatte eingeführt worden. 80 Überhaupt läßt 76 Hier könnte natürlich der Einwand erhoben werden, eine solche Verfälschung des Konzilsdokuments von 324/25 wäre unwahrscheinlich, da sie sofort erkannt worden wäre. Nun zeigt aber gerade die Wirkungslosigkeit des vermeintlichen Synodalentscheids von 324/25 deutlich, daß eine solche Fälschung in den Jahrzehnten nach Nizäa keine Chance auf Gehör hatte. Wenn sie j e in die Öffentlichkeit gedrungen sein sollte, muß sie ziemlich schnell sang- und klanglos in der Versenkung verschwunden sein. 77 Vgl. Alex.Al., Ep. Alex.Thess. Opitz Urkunde 14,13 (21,19-21); 14,29-31 (24,7-24). n Opitz, Urkunde 18,10(39,4). 79 Die Zeugung des Sohnes durch den Willen des Vaters ist nämlich gut origenistisch: Vgl. nur Origenes, D e princ. 1,2,6 (34,4-7. Koetschau); D e princ. IV,4,1 (439,9-10. Koetschau); Frg. 32 bei Justinian, Epistula ad Menam (209,11-15. Schwartz). Die Ablehnung dieser Vorstellung in Scholia in Apocalipsim XXVI,6-9. Harnack dagegen ist genuin unorigenistisch und weist auf die Unechtheit dieser Passage hin. 80 Zu welchem Zeitpunkt diese Frage im Mittelpunkt der Debatte stand, kann folgender Text aus dem Bekenntnis der Synode von Antiochien 344 zeigen: ομοίως και τους λ έ γ ο ν τ α ς τρεις είναι θεοΰς ή τον Χ ρ ι σ τ ό ν μή είναι θεόν ή πρό των αιώνων μήτε Χ ρ ι σ τ ό ν μήτε υ ί ό ν α ύ τ ό ν

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sich feststellen, daß die Vorstellung, der Sohn sei θ ε λ ή σ ε ι v o m Vater gezeugt, nicht nur vornizänisch offenbar nicht strittig war, 81 sondern sogar mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit eine Vorstellung war, die auch Alexander von Alexandrien selbst vertreten hat. 82 D i e antiochenische S y n o d e hätte daher nicht allein die T h e o l o g i e des Euseb, sondern auch die ihres großen Vorbilds, Alexander von Alexandrien, verurteilt! B e s o n d e r s frappierend ist dabei aber die Tatsache, daß der Synodalbrief nicht allein die erst viel später von Athanasius in die Debatte g e w o r f e n e A b l e h n u n g der willentlichen Z e u g u n g als solcher enthält, sondern daß er dies auch mit einer für Athanasius typischen Argumentation tut. Es heißt nämlich im Synodalbrief, der S o h n sei weder θ ε λ ή σ ε ι ή θ έ σ ε ι gezeugt, „so daß er aus dem Nichts gezeugt zu sein scheine." 8 3 D i e Unterstellung, die willentliche Z e u g u n g des L o g o s als solche führe letztlich zur arianischen T h e s e von der creatio ex nihilo des

είναι θεού ή τόν αύτόν είναι πατέρα και υίόν ή αγιον πνεύμα ή άγέννητον υίόν ή ότι ού βουλήσει ούδέ θελήσει έγέννησεν ό πατήρ τόν υίόν αναθεματίζει ή άγια και καθολική εκκλησία. Athanasius, De synodis 26,11 (252,6-9. Opitz). In diesem „Verteidigungsbrief' der östlichen Bischofsmehrheit gegen die Vorwürfe des Papstes Julius von Rom, der sich eindeutig auf die Seite der aus ihren Bischöfssitzen vertriebenen „Radikalnizäner" gestellt hatte (vgl. hierzu J.N.D. Kelly, Glaubensbekenntnisse, S. 261-262), ist interessanterweise derselbe Vorwurf gegen die Eusebianer zurückgewiesen, den der vermeintliche Synodalbrief von 324/25 Euseb von Caesarea und seinen Mitverurteilten macht. *' Wenn M. Vinzent, Pseudo-Athanasius, S. 81-82 meint, wir wüßten „aus Asterius", „daß bereits in Kritik der Theologie des Euseb von Nikomedien auch der Gedanke von der Zeugung des Sohnes aus dem Wollen und Willen des Vaters diskutiert worden war", so zeigt m.E. gerade das Fragment 34 des Markeil (190,15-22. Klostermann), daß noch zur Zeit des Verteidigungsschreibens des Asterius für Euseb von Nikomedien die willentliche Zeugung des Sohnes offenbar nicht strittig war. Denn Asterius verteidigt hier die als häretisch verdächtigten Aussagen des Euseb gerade mit dem Hinweis, daß dieser mit diesen Aussagen eigentlich die Zeugung des Sohnes bloß auf den Willen des Vaters zurückführen wollte. Wäre schon der Vorwurf erhoben worden, die willentliche Zeugung als solche wäre mit der arianischen Lehre von der creatio ex nihilo des Sohnes identisch, hätte solch' eine Verteidigungsstrategie wenig Sinn gehabt! "2 In einem syrisch überlieferten Fragment einer m.E. zu Unrecht unter den Dubia des Alexander von Alexandrien geführten Predigt (CPG 2010), die wegen der großen sprachlichen wie theologischen Nähe zu Opitz, Urkunde 14,15 (22,6-8), 14,19 (22,22) wohl tatsächlich dem Alexander zugehört (vgl. auch M. Simonetti, Studi, S. 119-120, der ebd. S. 120, Anm.47 schreibt, die Echtheit des Fragments stehe zweifelsfrei fest), heißt es, allein der Vater sei ungeboren, während der Sohn als Abglanz immer beim Vater war: ro-LuK1«! .rc'imnj .mofcv-«' rdj-Lurt· έτερον έστιν τό φως, έτερον δε τό .rCiysij απαύγασμα r —-ι-*· rtiA n-ui rdi'-ij^ftj» ν δύο πράγματα αλλήλων αχώριστα. .r>Λ »o-aircM \-α γένη θηρίων θέλγειν τη φδή έξημερούν π^λ^λ \ y _gm \ \ ν . . -πο .«"om τε των άγριων τους θυμούς, έν όργάνψ rdiri» u « L t i u i j m k j u . .«"nra πλήκτρφ κρουσμένων χορδών, .rdv3s on) ^ι \i.\jyii ,c\_u ocr> p m ^Vewaii« · κΐλΛ — \ · \ Λ κ* \ -> f, ΚΙΛΛ ji ** · ^ - » r c ' i o j - i t x _jM » η y · .