Josephus Flavius und die Samaritaner: Eine terminologische Untersuchung zur Identitätsklärung der Samaritaner 9783666539039, 3727803738, 3525539037, 9783525539033

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Josephus Flavius und die Samaritaner: Eine terminologische Untersuchung zur Identitätsklärung der Samaritaner
 9783666539039, 3727803738, 3525539037, 9783525539033

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ΝΤΟΑ 4 Egger · Josephus Flavius und die Samaritaner

NOVUM TESTAMENTUM ET ORBIS ANTIQUUS (ΝΤΟΑ) Im Auftrag des Biblischen Instituts der Universität Freiburg Schweiz Herausgegeben von Max Küchler in Zusammenarbeit mit Gerd Theissen

Zur

Autorin:

Rita Egger (1949), diplomierte Sozialarbeiterin, studierte an der Theologischen Fakultät in Luzern Theologie, wo sie ihr Studium 1978 mit dem Schwerpunkt Bibelwissenschaft und Judaistik abschloss. Daraufhin folgten 5 Jahre judaistischer Weiterbildung in Luzern, während denen sie 3 Jahre als Assistentin an der Theologischen Fakultät (2 Jahre am dortigen Institut für jüdisch-christliche Forschung) arbeitete. Während mehrerer Israel-Aufenthalte erlebte sie das Judentum im Alltagsvollzug mit und pflegte Kontakt mit religiösen Minderheiten in Israel. Seit 1984 ist sie Assistentin an der Theologischen Fakultät der Universität Freiburg Schweiz, wo sie seit 1985 auch wissenschaftliche Mitarbeiterin des Propädeutikums ist. Die Autorin ist Präsidentin des Diözesanverbandes Deutsch-Freiburg des Schweizerischen Katholischen Bibelwerkes (SKB) und Mitherausgeberin der SKB-Festschrift «Die Bibel lebt» (1986). Mit der vorliegenden Arbeit über «Josephus Flavius und die Samaritaner» promovierte sie am 29. November 1985 in Freiburg Schweiz zur Dr. theol.

NOVUM TESTAMENTUM ET ORBIS ANTIQUUS

Rita Egger

Josephus Flavius und die Samaritaner Eine terminologische Untersuchung zur Identitätsklärung der Samaritaner

UNIVERSITÄTSVERLAG FREIBURG SCHWEIZ VANDENHOECK & RUPRECHT GÖTTINGEN 1986

4

CIP-Kurztitelaufnahme

der Deutschen

Bibliothek

Egger, Rita: Josephus Flavius und die Samaritaner Eine terminologische Untersuchung zur Identitätsklärung der Samaritaner. / Egger, Rita. Freiburg (Schweiz): Universitätsverlag Göttingen: Vandenhoeck und Ruprecht, 1986 (Novum testamentum et orbis antiquus,· 4) ISBN 3-7278-0373-8 (Universitätsverlag) ISBN 3-525-53903-7 (Vandenhoeck und Ruprecht) NE: GT 13; 63

Veröffentlicht mit Unterstützung des Hochschulrates der Universität Freiburg Schweiz © 1986 by Universitätsverlag Freiburg Schweiz Paulusdruckerei Freiburg Schweiz ISBN 3 - 7 2 7 8 - 0 3 7 3 - 8 (Universitätsverlag) ISBN 3 - 5 2 5 - 5 3 9 0 3 - 7 (Vandenhoeck und Ruprecht)

INHALTSVERZEICHNIS

Vorwort

6

I.

8

EINLEITUNG

1. Zum Thema und Ziel der Arbeit

10

2. Zur zeitlichen und inhaltlichen Begrenzung

11

3. Zur Gliederung der Arbeit und zur Arbeitsweise

14

4. Verwendete Editionen und Uebersetzungen von Josephus1 Schriften 5. Zur samaritani sehen Literatur 6. Zu unserem Vokabular

16 17 19

II.

22

DER STAND DER FORSCHUNG

1. Das Alte Testament und die Samarltanische Religionsgemeinschaft 2. Entstehungsproblematik und Weiterentwicklung der Garizim-Gemeinschaft 2.1 Montgomery 2.2 Thomson 2.3 Haefeli 2.4 Gaster 2.5 Wright 2.6 Purvis 2.7 Kippenberg 2.8 Coggins 2.9 Alon 2.10 Dexinger

28 29 31 33 34 36 38 39 42 43 44

3. Beobachtungen und Bemerkungen zur Terminologie

45

26

2 III. ANALYSE DER TEXTSTELLEN

48

Namensverzeichnis

48

1. Die Σαμαρεϊς

51

Ant 10,184: Die Chuthäer w e r d e n Samar, genannt

51

A n t 11,114.117

(11,115f.118f): F e i n d s c h a f t der Samar.

g e g e n die J u d e n in der P e r s e r z e i t

54

EXKURS A: Samarier auf der Insel E l e p h a n t i n e ? . . . A n t 11,303

(11,302.306-312.322-324): Die Samar, aus chuthäischem G e s c h l e c h t

sind

A n t 11,341

(11,340.342a): Die Samar, treffen A l e x a n d e r d.Gr. und g e b e n sich vor ihm als Juden aus

EXKURS B: Die Wadi D a l i y e h - P a p y r i A n t 12,156

(12,157): Samar, verwüsten jüdisches L a n d und rauben Sklaven (12,257): Die Samar, sagen, sie seien A n siedler der Meder u n d P e r s e r

A n t 13,74.75

65 71 74-77

EXKURS C: Sir 50,25f u n d die Bewohner Samariens. Ant 12,262

59-65

82 85-92 93

(13,76-79): S t r e i t um d a s legitime H e i ligtum - J e r u s a l e m oder Garizim?

95

A n t 13,275-277 (13,278-281) = Bell l,64f: Belagerung und Zerstörung der Stadt Samaria d u r c h Johannes H y r k a n u s

102

EXKURS D: Die SRG zur Zeit der M a k k a b ä e r A n t 17,20 = Bell 1,562: H e r o d e s d.Gr. h a t (auch) samar. Frau

108-113 eine

Ant 17,342 = Bell 2,111: A r c h e l a u s b e h a n d e l t J u d e n u n d Samar, g r a u s a m A n t 18,85.88

(18,86f.89): Ein M a n n v e r u r s a c h t einen A u f r u h r b e i m samar. V o l k - Pilatus g r e i f t ein

A n t 18,167: A g r i p p a I. leiht v o n e i n e m Samar. Geld.... EXKURS E: Eine samar. G e m e i n s c h a f t in Rom?

122 125

128 140 143-148

A n t 20,119-135 = Bell 2,232-245 (Ant 20,118.136): G a liläische/r Festpilger e r m o r d e t - W e r sind die Mörder?

148

Bell 3,307.312 (3,308-311.313-315): Aufruhr der Samar. auf dem G a r i z i m

161

Zwischenbilanz

168

1

1.1 ΣαμαρεΓς - eine un-/bestimmbare M e n s c h e n g r u p p e ? . . .

168

3 1.2 800 Jahre Σαμαρεϋς

169

1.3 Σαμαρεΰς und Σαμαρεϊται : Synonyme? 1.4 Samaritanische Vorkommnisse in die jüdische Geschichte integriert 1.5 Wohnorte der Samaritaner

170 172 173

2. Die Σαμαρεΐται.

174

Ant 17,69 = Bell 1,592: Der Herodessohn Antipater hat einen samar. Verwalter

175

Ant 9,290 (9,288f .291): Die in hebräischer Sprache "Chuthäer" Genannten heissen griechisch "Samar."

176

EXKURS F: Die Bezeichnungen "Chuthäer" und "Samar." Ant 11,61.84.88.97 (11,85-87.89): Zeit des Wiederaufbaus des Jerusalemer Tempels Ant 11,174: Gewalttätige Nachbarvölker der Juden Ant 12,10 (12,7.9): Streit zwischen Juden und Samar. in Aegypten

179-212 213 229 230

Ant 18,30 (18,29): Samar, streuen an Pesach menschliche Gebeine im Jerusalemer Heiligtum aus

237

Zwischenbilanz 2

246

2.1 Terminologische Ergebnisse

246

2.2 JHWH-gläubige Samarier

250

3. Die Σικιμΐται und die tv Σικίμοις Σιδώνι,οι

251

Ant 11,342b.344.346 (11,343.345): Die Sichemiter ("Hebräer" = "Sidonier in Sichern") und Alexander d.Gr

252

Ant 12,258. (260) .262 (12,259 .261.263.264a): Die Sidonier in Sichern und Antiochus IV. Epiphanes

260

Zwischenbilanz 3

283

3.1 Zur Terminologie

283

3.2 Die Sidonier haben eine Position der Stärke gehabt

284

3.3 Kein Schisma zwischen Juden und Samaritanern

284

4 4. Die Χουθαϊοι

285

Ant 11,19.20a: Die Chuthäer bestechen Satrapen und Behörden

285

Ant 13,255b = Bell 1,63 (Ant 13,256): Das chuthäische Geschlecht am Garizim und Johannes Hyrkanus

287

Zwischenbilanz 4

300

IV.

303

FOLGERUNGEN - ERWAEGUNGEN - AUSBLICK

1. Folgerungen 1.1 1.2 1.3 1.4

Wer gehörte wann zur SRG? Wohnorte der Samaritaner: Samarien und Diaspora Josephus und die Samaritaner Josephus und die Samarier/Chuthäer

2. Erwägungen 2.1 Hatten Mitglieder der SRG andere Namen? 2.1.1 Chasidim = Asidäer 2.1.2 Ebioniter 2.1.3 Ephraim / Manasse 2.2 Gibt es andere Benennungen der Samarier/Chuthäer? 2.2.1 Am ha-Aretz 2.2.2 Gottesfürchtige 3. Ausblick 3.1 Samariens Bewohner von 67n. bis ins 2. Jh 3.1.1 Die Zäsur des Jahres 67n 3.1.2 Samarier/Chuthäer bis ins 2. Jh. hinein.. 3.1.3 Zur Zeit Kaiser Hadrians 3.1.31 Der "Aschema"-Kult 3.1.32 Unsicherheit der Tannaiten bezüglich der Herkunft der Chuthäer 3.2 SRG und Chuthäer bis ins 6. Jh. hinein 3.2.1 Die Wiedergeburt der SRG im 4. Jh 3.2.2 Die "Kantäer" (5. Jh.) 3.2.3 Aufstände der Samar, im 5. und 6. Jh

Anhang: Historischer Raster Samaritanische Chroniken Josephus-Texte

304 304 307 310 313 316 316 317 320 321 332 332 333 334 335 335 335 336 338 341 342 342 343 345

352 355 356

5 Verzeichnisse: Abkürzungsverzeichnis Literaturverzeichnis

370 372

Register

39 4 394

: Stellenregister - Josephus-Stellen - Bibelstellen: AT (inkl. deuterokanonische Schriften) und NT - Jüdische Literatur aus intertestamentarischer Zeit - Rabbinische Literatur - Samaritanische Literatur - Andere Literatur

399 401 402 402 402

Personenregister (inkl. Autoren)

403

Sachregister

408

Wichtigste griechische Wörter

412

Wichtigste hebräische Wörter

412

6

V O R W O R T

Die vorliegende Untersuchung ist auf Antrag der Herren Professoren Hermann-Josef Venetz (1. Zensor) und Jean-Dominique Barthélémy (2. Zensor) im November 1985 von der Theologischen Fakultät der Universität Freiburg/CH als Doktoratsdissertation angenommen worden. Der "Sitz im Leben", dessen Polster und Rückenlehne die Bedingungen zum forschenden Arbeiten waren, wurde während meines Theologiestudiums gezimmert: Da fiel innerhalb einer ExegeseVorlesung über Jesaja das Stichwort "BILU" (die Abkürzung der ersten vier hebräischen Wörter von Jes 2,5 ergibt es; "BILU" heisst eine zionistische Bewegung des 19. und 20. Jahrhunderts, die sich aus Juden von Osteuropa/Russland zusammensetzt), bei der Behandlung von Gen 1 fiel die Bemerkung, dass der vorzügliche Heiratstag der Juden der Dienstag sei (nur beim dritten Schöpfungstag steht 2mal: "Und Gott sah, dass es gut war"; vgl. Gen 1,10.12), ein andermal fiel die Erklärung, dass dem jüdischen Bussbrauch ("Taschlich") Mi 7,19 zugrunde liege usw. usf. Solche "Zwischenbemerkungen" meines geschätzten Lehrers für Altes Testament, Herr Prof. Dr. Rudolf Schmid, wirkten äusserst anregend und lösten bei mir jenes Interesse am Judentum aus, das mich während 10 Jahren zum Besuch aller judaistischen Veranstaltungen an der Theologischen Fakultät Luzern motivierte und das mich zur Entscheidung führte, die Arbeit einer bibelwissenschaftlich- judaistischen Dissertation in Angriff zu nehmen . Zum Gelingen dieser Arbeit haben also gewissermassen glückliche Zufälle beigetragen. Aber bedeutend mehr als solchen Zufällen bin ich Menschen dankbar, die nicht nur das wissenschaftliche Projekt interessierte, sondern die auch gegenüber meiner Wenigkeit Anteilnahme und Unterstützung (verschiedener Art) bekundeten. Zuerst möchte ich meinen Eltern danken, die mir während all der Jahre diskret geholfen haben. Dann denke ich an meine Kolleginnen und Kollegen in und von Luzern und in Freiburg. Ohne ihr freundschaftliches Geleit wäre die Arbeitssituation

7 ab und zu härter gewesen. Auch Professoren in Luzern, vor allem die Bibliker, bei denen ich "in die Schule gehen" durfte, sind mir in dankbarer Erinnerung. Dass aus dem Vorhaben, eine Dissertation zu schreiben, dann tatsächlich eine solche wurde, habe ich Professoren des Biblischen Instituts der Universität Freiburg/CH zu verdanken. Vor allem meinem Doktorvater, Herrn Prof. Dr. Hermann-Josef Venetz, möchte ich für seine Begleitung, seine anregenden Fragen und seine kritischen Bemerkungen sowie ganz besonders für seine kollegiale Art herzlich danken. Grosszügig in der Zeitinterpretation waren meine beiden universitären Arbeitgeber, die Herren Prof. Dr. Adrian Holderegger vom Moraltheologischen Institut und Prof. Dr. Adrian Schenker, mit dem ich die Studierenden des Propädeutikums ins Alte Testament einführen darf. Auch ihnen gilt mein Dank. Für die Aufnahme dieser Untersuchung in die neue Reihe NTOA danke ich meinem Kollegen, Herrn Dr. Max Küchler, der mich jederzeit in sehr zuvorkommender und hilfreicher Art beraten hat.

Freiburg/CH, im Frühling 1986

Rita Egger

I.

EINLEITUNG

Erst in unserem Jahrhundert ist der Samaritanischen Religionsgemeinschaft innerhalb der religionsgeschichtlichen und theologischen Forschung vermehrte Aufmerksamkeit geschenkt worden"*". Interesse an ihr bekunden vorwiegend Bibel- unji Religionswissenschaftler sowie Judaisten. Alle an dieser Gemeinschaft Interessierten verbindet bis in unsere Zeit hinein die Frage nach der Entstehung dieser religiösen Gruppe und - damit verbunden die Frühgeschichte dieser Gemeinschaft. Fest steht, dass sie im vorchristlichen Palästina entstanden und beheimatet ist. Sie existiert also bereits mehr als 2000 Jahre. Was auf das jüdische Volk zutrifft, darf auch über die Samaritaner gesagt werden: Sie haben all die Jahrhunderte trotz vieler destruktiver Epochen überlebt, wenn sie bis zu diesem Jahrhundert - anders als das jüdische Volk - auch zu einem kleinen Häuflein zusammengeschmolzen sind^.

1) Die Statistik über die Entwicklung der Studien auf dem Gebiet der Samaritanerforschung zeigt dies; vgl. Noja. Contribution lOOf. Die Kenntnisse früherer Gelehrter über die Samaritaner hat Montgomery, Samaritans 1-12 in einem faszinierenden Bericht zusammengefasst. 2) Vgl. Huxley, Art. "Samaritans" 674: Im Jahre 1901 hat es 152 Samaritaner/innen gegeben. Ihre Zahl ist seither stets angestiegen; vgl. Tsedaka, Art. "Samaritans" 738: Im Jahre 1970 haben in Israel (Holon) und Westjordanien (Nablus-Sichem) rund 430 Samaritaner/innen gewohnt. Im Juli 1977 sind es etwa 500 gewesen, wobei ungefähr die Hälfte in Nablus-Sichem, die anderen in Holon, südlich von Tel Aviv, gewohnt haben; vgl. hierzu A.B. - The Samaritan News vom 1.8.1977, 7f.

9

Ueber die Frühgeschichte der Samaritaner vermitteln uns von allen vorhandenen Quellen die beiden Hauptwerke des jüdischen Historikers Josephus Flavius (37/38n. - ca. 100η.), das "Bellum Judaicum" und die "Antiquitates Judaicae", am meisten Informationen. Vor allem in letzterem benützt Josephus verschiedene Bezeichnungen (vgl. "Namensverzeichnis" S. 48), die üblicherweise mit "Samaritaner" übersetzt oder als solche interpretiert werden. Unzählige Autoren wissenschaftlicher Werke und Kommentatoren religiöser Schriften haben sich auf Josephus' Angaben berufen bzw. diese zitiert, wenn sie etwas über die Samaritaner aussagten. Diese Wertschätzung der für manche Belange einzigen Quelle - Josephus' Werk - dauert auch bei zeitgenössischen Forschern an. Während es nicht an Stimmen fehlt, die zur allgemeinen Vorsicht im Umgang mit den Schriften dieses Historikers mahnen, mangelt es offensichtlich daran, diese Vorsicht auch in bezug auf die Terminologie, mit der die Bewohner Samariens genannt werden, walten zu lassen. Es erstaunt auch, dass bis jetzt noch keine eingehende Untersuchung über "Josephus Flavius und die Samaritaner" erschienen ist , obwohl Josephus' Werke von der gesamten frühjüdischen Literatur zur Erforschung der Frühgeschichte der Samaritanischen Religionsgemeinschaft am ergiebigsten sind und auch dementsprechend konsultiert wurden .

Wir möchten durch diese Untersuchung zur Klärung des Verhältnisses von Josephus Flavius zu den Samaritanern und zur Frühgeschichte der letzteren einen Beitrag leisten. Alle Texte in Josephus' Werken, die von Bewohnern Samariens handeln, werden einer Analyse unterzogen. Dabei achten wir besonders auf die verschiedenen Termini, die von Uebersetzern und Kommentatoren von Josephus' Werk mit "Samaritaner" übersetzt bzw. als solche interpretiert werden.

3) Herr Prof. Reinhard Pummer von der Universität Ottawa/Kanada arbeitet zwar zur Zeit an einer solchen: Seine mir im November 1983 gemachte Mitteilung verrät, dass sie gegen Ende 1985 beendet sein würde. Für diese Untersuchung konnten wir seine Forschungsergebnisse jedoch noch nicht verwenden.

10 1. Zum Thema und Ziel der Arbeit

"Josephus Flavius und die Samaritaner" lag nicht auf dem Schreibtisch bereit. Das persönliche Interesse am Frühjudentum wurde vorerst auf die Kehrseite des Phänomens "Antijudaismus in der Antike" gelenkt: Nach dem Vorkommen und dem Erscheinungsbild eines jüdischen "Antipaganismus" sollte gefragt werden. Aber diese Thematik war viel zu breit angelegt, spielten doch eine ganze Reihe Völker/gruppen im damaligen Judentum eine Rolle. Wir entschieden uns hernach - angeregt durch Sekundärliteratur - dem jüdischen "Antisamaritanismus" nachzugehen. Dieser schien in Josephus' Werk am fassbarsten zu sein. Je mehr wir uns aber mit Josephus' Texten befassten und die sich auf sein Werk berufenden Ausführungen und Bemerkungen aus der Fülle der Sekundärliteratur vorerst ad acta legten, desto problematischer mutete der Ansatz dieser Thematik an: Kann nach dem "Antisamaritanismus" der Juden oder des Josephus gefragt werden, wenn festgestellt werden muss, dass sowohl Josephus' Terminologie als auch chronologische Kriterien bezüglich der Samaritaner nach einer Klärung rufen? Solche Beobachtungen resultierten aus der wiederholten Lektüre der betreffenden Texte der beiden Hauptschriften von Josephus, dem "Bellum Judaicum" und den "Antiquitates Judaicae" (im folgenden "Bell" und "Ant" genannt) sowie aus dem Lesen von Monographien über die Samaritaner. Josephus spricht von Σα,μαρεϊς / Σαμαρειται sowohl dort, wo er die vom assyrischen König nach Samarien gebrachten Siedler bezeichnet und sich auf die Zeit um 700v. bezieht wie auch dort, wo es sich um Anhänger des einige Jahrhunderte später erbauten Garizim-Tempels handelt, um den sich "viele Priester und Israeliten" (Ant 11,312) scharten. Hinzu kommen noch andere Bezeichnungen ("Sichemiter", "Sidonier in Sichern", "Chuthäer", "Jene vom Garizim"; vgl. "Namensverzeichnis" S. 48); die einen Namen bringt Josephus in einen offenkundigen Zusammenhang mit der Garizim-Gemeinschaft, von anderen jedoch kann dies nicht gesagt werden. Diverse Interpreten der Werke Josephus1 haben die verschiedenen Termini allerdings oft automatisch mit "Samaritaner" übersetzt bzw. verbunden - unabhängig von chronologischen und auch von inhaltlichen Kriterien. Ganz oder zumeist ausser acht

11 gelassen wurden bei diesen Autoren Forschungsergebnisse über die Samaritaner. Unsere Untersuchung betrifft darum die Terminologie des Josephus und fragt nach der Identität der hinter den verschiedenen Be4

Zeichnungen stehenden Menschen/gruppen . Sie besteht wesentlich aus einer Textanalyse, die mit Hilfe des Kontextes und anderer Josephus-Texte sowie unter Heranziehung von vergleichbaren primärliterarischen Texten versucht, die im jeweiligen Abschnitt genannten Personen/kreise einer Identifikation näher zu bringen. Die diese Aufgabe stets begleitende Frage heisst: Enthalten Josephus1 Schriften selber Kriterien, die Unterschiede der sich hinter den verschiedenen Termini verbergenden Identitäten sichtbar werden lassen bzw. nötig machen? Anders gefragt: Sind eventuell Spuren vorhanden, die auf eine differenzierende Terminologie in den Quellen des Josephus hinweisen? Das Ziel dieser Untersuchung ist die Klärung der skeptischen Frage: Sind alle von Josephus mit den oben genannten Bezeichnungen belegten Personen, die in der Sekundärliteratur üblicherweise als Samaritaner verstanden werden, tatsächlich solche, dh. Mitglieder der Garizim-Kultgemeinschaft? Gleichsam als zweites Ziel wünschten wir, dass künftige Uebersetzer und Interpreten der Josephus-Texte auf die diversen Termini für die Bewohner Samariens sensibler reagierten als dies bis anhin geschehen

2. Zur zeitlichen und inhaltlichen Begrenzung

Die Festlegung des zeitlichen Rahmens fällt insofern nicht schwer, als unser Gegenstand der Untersuchung, Bell und Ant, diesen selber bestimmen. In Ant - dieses Werk bezieht sich auf den gesamten auch im Alten Testament vorausgesetzten Zeitraum -

4) Sacchi, Studi 420f Anm. 10, plädierte schon 1969 für eine terminologische Untersuchung. 5) Vgl. hierzu zB. die Kritik von van Groningen, Gnosticism 135: Nur wenige Forscher würden sorgfältig definieren, wen sie mit der Bezeichnung "Samaritaner" meinten.

12 braucht Josephus erstmals in 9,288 einen für unsere Studie relevanten Terminus : "Chuthäer". Der Kontext dieser Stelle schildert kurz die Umstände der Zeit um 700v., in welcher eine Zäsur eingetreten ist, die für unsere Arbeit wichtig ist: Mit der Eroberung Samarías durch die Assyrer (721v.) und vor allem der daraufhin folgenden Ansiedlung fremder Menschen in Samarien (vgl. 2Kön 17,24) koppelt Josephus einige Male die von ihm ΧουθαΧοι und Σαμαρεΐς / Σαμαρεϊται Genannten. Seiner Meinung nach stammen die zu seiner Zeit so Bezeichneten von diesen Fremden ab. Daher ergibt sich als terminus ante quem die Zeit um 700v. Mit dem Schluss von Josephus' Hauptwerken ist der zeitliche Rahmen abgesteckt: Das erstverfasste. Bell 7 , hört mit dem Ende des Jüdisch-Römischen Krieges bzw. einigen Bemerkungen über g die Auswirkungen der Unruhen auf die jüdische Diaspora auf. Das zweite, das magnum opus des jüdischen Historikers, Ant, hört mit dem Hinweis auf, dass der Krieg zwischen Juden und Römern im zweiten Jahr des Prokurators Gessius Florus (ab 64n.) und im zwölften Jahr der Regierung Neros (ab 54n.) angefangen habe (dh. 966n.) und dass hierüber sein erstes Werk gelesen werden könne . Somit liegt der terminus ad quem etwa beim Jahr 70n., das für die Juden mit der Zerstörung des Tempels und Jerusalems eine massive Zäsur brachte; für unsere Thematik nicht weniger wichtig - wenn auch längst nicht so bekannt - ist, dass für die Samaritaner das Jahr 67n. eine Katastrophe brachte. Damals ka6) Ausgenommen sind die "Sichemiter"-Texte (vgl. die 13 Stellen in Klammer im "Namensverzeichnis" S. 48), die sich auf Einwohner Sichems bis zur Königszeit, dh. bis rund vor lOOOv., beziehen; ebenso sind jene drei Stellen von Ant 9 hier nicht mitgerechnet, in denen es sich um Einwohner der Stadt Samaria des 9. Jh's v. handelt (vgl. ebenfalls im "Namensverzeichnis" S. 48). 7) Bell wurde wahrscheinlich zwischen 75 und 79n. publiziert; vgl. Thackeray (Loeb), Introduction Bd. 2, XII. und Hegermann, Schrifttum 179. 8) MB zu Bell 7,447, 286 Anm. 215, teilt Bell 7 in drei grosse, in sich geschlossene Abschnitte auf: Ausgang des Krieges Untergang der Aufstandsbewegung - Folgen für die jüdische Diaspora. 9) Ant 20,257f (vgl. Bell 2,284). In dem noch folgenden Abschnitt Ant 20,259-268 spricht Josephus über sich selber. Im vorletzten Abschnitt der Ant (20,267) macht er recht genaue Angaben über deren Abfassungszeit; ihre erste Auflage kann daher mit Sicherheit ins Jahr 93/94n. datiert werden; vgl. Thackeray (Loeb), Introduction Bd. 4, Xf.

13 men bei der Zerschlagung ihres antirömischen Aufstandes 11'600 Personen urn^"®. - So hört die Berichterstattung in Bell und Ant zu einer Zeit auf, die eine doppelte Zäsur brachte: Sowohl das jüdische Volk wie die Samaritanische Religionsgemeinschaft musste einen Neuanfang setzen Nach der Festlegung des zeitlichen Rahmens bleibt noch folgendes zu erwähnen: Wir bewegen uns mit dieser Untersuchung im weiteren Sinne auf religionsgeschichtlichem Boden. Darum könnte die Meinung entstehen, ausser unseren Primärtexten (Bell und Ant) seien noch andere Quellen, vor allem zeitgenössische Schriften jüdischen Ursprungs, zu analysieren und in eine solche identitätsklärende Untersuchung einzubeziehen. Wir beschränken uns aber auf die Josephus-Texte, weil sie als sicher datierbare quantitativ am meisten über Samaritaner berichten und weil das Problem der Terminologie sich in jedem literarischen Werk je anders stellt, dh. vom jeweiligen Verfasser und seinen Quellen abhängig ist. Andere Primärtexte werden dann mitreflektiert, wenn der Josephus-Text durch sie erhellt oder erklärt werden 12

kann . Allerdings möchten wir gewisse Probleme, die sich aus Bell und Ant in bezug auf unsere Fragestellung ergeben, nicht mit anderen unsicheren bzw. interpretationsabhängigen "Belegen" aus der zeitgenössischen jüdischen oder ausserjüdischen Literatur "lösen". Es geht darum, Josephus' Texte sprechen zu lassen, sie ernst zu nehmen: Sie sollen nicht mit einer ideologisch gefärbten Brille gelesen werden, die sie eines schwerwiegenden Antisamaritanismus' bezichtigt. Ob es einen solchen Antisamaritanismus in den Schriften des Historikers gibt, wird aufgrund der Textanalyse feststellbar sein - nicht aufgrund der Einstufung des Josephus als Apologet oder Geschichtsschreiber, der nicht "sine ira et studio" (Tacitus, Ann. I.l)1^ schreibe. 10) Vgl. Bell 3,307-315. 11) Haefeli, Geschichte 5, sagt sehr bestimmt: "Der grosse Krieg von 70 war eben nicht bloss ein judaicum, sondern auch ein samaritanum bellum". 12) Der Einbezug dieser anderen Quellen erfolgt sowohl innerhalb der Analyse eines Textes wie auch - in einigen Fällen - in extensiverem Umfang innerhalb von Exkursen. 13) Vgl. van Unnik, Flavius Josephus 39. Aber Josephus schreibt auch nicht einfach ad maiorem gloriam populi Iudaici; vgl. ebd. 60.

14 Dem Ziel der Arbeit folgend, Josephus' Terminologie der Bewohner Samariens zu hinterfragen, bleiben andere Probleme allerdings unberücksichtigt oder werden nur gestreift. So geht es in dieser Untersuchung nicht um einen Abriss der Geschichte der Samaritaner aufgrund der Josephus-Texte, ebenso nicht um die Klärung historischer Details aus den jeweiligen Kontexten unserer zu behandelnden Abschnitte. Ausgeschlossen von eingehender Behandlung bleiben auch religiöse bzw. theologische Probleme, die bei einigen Textstellen eine gewisse Rolle spielen, wie zB. das vieldiskutierte Thema "Taheb"

(im Zusammenhang mit Ant 18,

85-89) oder die Art der Gottesverehrung im Garizim-Heiligtum (vor allem im Zusammenhang mit Ant 12,257-262). Zudem werden allgemeine Fragen, die Josephus bzw. seine Hinterlassenschaft aufwirft, auch nicht näher

untersucht.

3. Zur Gliederung der Arbeit und zur Arbeitsweise

Die Gliederung ist aus dem Inhaltsverzeichnis ersichtlich,

so-

dass hier nur noch folgendes zu ergänzen bleibt: Der Forschungsbericht ist trotz seiner Einschränkungen aufgrund unserer Thematik relativ lang. Die exzerptartigen Darstellungen der wichtigsten Sekundärliteratur sind zu den im III. Hauptteil se der Textstellen) vorkommenden sekundärliterarischen

(AnalyBemer-

kungen jedoch nicht beziehungslos. Die Prämissen der verschiedenen Autoren kommen hier wieder zur Sprache oder spielen jedenfalls eine gewisse Rolle. Darum möchte der "Stand der Forschung" nicht als ein in sich abgeschlossener Bericht verstanden werden, sondern als Informationsvorschuss schen

zum Verständnis des analyti-

(III.) Hauptteils dieser Arbeit dienen. - Aufgrund der

"Analyse der Textstellen" versuchen wir in einem IV. Hauptteil Folgerungen und Erwägungen zu formulieren und schliessen mit einem Ausblick auf die folgenden

Jahrhunderte.

Zur Arbeitsweise können wir uns hier auf allgemeine Bemerkungen beschränken, denn detaillierte Angaben stehen am Anfang jedes Hauptteils der Untersuchung und, wo nötig, auch zu Beginn eines Kapitels. Die Methode hängt mit der Zielsetzung zusammen; diese verlangt eine kritische Prüfung der Termini, die zu einer so

15 weit wie möglichen Identifizierung der sich hinter ihnen verbergenden Personen/kreise führen soll. Daher ist eine Textanalyse nötig, die naturgemäss auf philologischer Arbeit beruht. Die Textkritik^ spielt dabei nur insofern eine Rolle, als sie direkt Benennungen von Personen betrifft, um die es hier geht. Die Problematik der Ueberlieferungsgeschichte des Textes beginnt schon direkt nach der Niederschrift des Josephus, nämlich mit den für ein korrektes Griechisch zuständigen Gehilfen des jüdischen Historikers. Doch diese Phase - sie wäre wohl wichtig kann nicht rekonstruiert werden. Wir halten uns daher an die immer noch richtungweisenden Korrekturvorschläge und Anmerkungen zum griechischen Text von Niese. (Zusätzliche kritische Bemerkungen zum griechischen Text sind in der Loeb-Ausgabe [vgl. unten] enthalten, die ihrerseits Naber vollständig konsultiert. Ebenso sind Vergleiche mit anderen Uebersetzungen wie der lateinischen Version von Hudson und der französischen Ausgabe von Reinach hierin enthalten.) Spezifische sprachanalytische sowie traditions- bzw. wirkungsgeschichtliche Forschungsresultate^ können aufgrund der Eigenart dieser Untersuchung unberücksichtigt bleiben.

Infolge der mangelhaften Quellenlage für die Frühgeschichte der Samaritani sehen Gemeinschaft''"® sind Vermutungen oft das Letztmögliche. Aufgrund der zu einem beträchtlichen Teil anderswo nicht überprüfbaren Aussagen muss daher einiges in dieser Studie im Bereich des Hypothetischen bleiben.

14) Von den spärlich vorhandenen neueren Arbeiten zum JosephusText sei besonders auf die folgenden aufmerksam gemacht, obwohl sie für unsere Untersuchung irrelevant sind: Schreckenberg, Vermutungen 64-75; ders., Beiträge 81-106 und ders., Untersuchungen. 15) Zur Sprache der Josephus-Schriften vgl. die resümierten Forschungsergebnisse in Ladouceur, language 18-38. Mit der Traditions- bzw. Wirkungsgeschichte der Josephus-Schriften befasst sich besonders Schreckenberg, Untersuchungen. 16) So auch Maier, Rezens. Kippenberg, 98.

16

4. Verwendete Editionen und Uebersetzungen von Josephus1 Schriften

Als Grundlage für die literarische Analyse ist, wie erwähnt, nach wie vor Nieses Edition des griechischen Textes mit dem apparatus criticus massgebend: Flavii Iosephi Opera, edidit B. Niese, 7 Bde, Berlin 1885-1895 (Nachdruck 1955). Zusätzlich wird vor allem mit den folgenden Textausgaben mit englischer bzw. deutscher Uebersetzung und deren kritischen Anmerkungen gearbeitet :

- für Bell und Ant Josephus. With an English Translation by H.St.J. Thackeray, R. Marcus, A. Wikgren, L.H. Feldman, 8 Bde, Cambridge/Mass., London 1927-1965 (Nachdruck 1966-1979). Loeb Classical Library. (Sie wird zitiert mit dem Namen des jeweiligen Uebersetzers und dem Stichwort "Loeb".) - nur für Bell Flavius Josephus. De Bello Judaico. Der jüdische Krieg. Zweisprachige Ausgabe der sieben Bücher. Hrsg. v. 0. Michel und 0. Bauernfeind, 3 Bde, Darmstadt 1959; 2. überprüfte Auflage München 1962. (Sie wird zitiert als Michel-Bauernfeind bzw. abgekürzt "MB".)

Die anderen Schriften von Josephus, Vita und Contra Apionem, spielen für unsere Untersuchung kaum eine Rolle"*"^ . Innerhalb unserer Arbeit finden sie daher selten Erwähnung. Wo dies der Fall ist, beziehen wir uns auf die Ausgabe von Loeb, Bd. 1, London 1926 (Nachdruck 1976) .

17) In ihnen wird nie von den uns interessierenden Personen gesprochen (vgl. "Namensverzeichnis" S. 48).

17 5. Zur samaritanischen Literatur 18 Samaritanische Literatur aus der Zeit des Frühsamaritanertums 19 ist kaum vorhanden . Eine Ausnahme macht der Samaritanische Pentateuch 20 , der für diese Untersuchung jedoch kaum eine Rolle • T4-21 spielt Die sogenannten Papyri von Elephantine (Insel im Nil bei Assuan; Aegypten) aus dem 5. Jh.v. sind nicht zur samaritanischen Literatur zu zählen. Sie enthalten seitens ihrer Autoren einige Male 22 die Selbstbezeichnung "Juden" und keinerlei Indizien, die auf die Samaritanische Religionsgemeinschaft deuteten. (Die Siedler hatten in Elephantine einen eigenen Tempel.) UE. könnten sich 23 in dieser jüdischen Kolonie Oberägyptens aber auch Nichtjuden/ Nichtisraeliten aus dem Gebiete Samariens befunden haben24

18) Wir wählen diesen Terminus in Analogie zu "Frühjudentum"; dieses erstreckt sich, obwohl sein zeitlicher Umfang umstritten ist (vgl. Schmidt, Art. "Frühjudentum" 688f), über den Zeitraum, dem in unserer Arbeit die grösste Bedeutung zukommt: 4. Jh.v. bis und mit 1. Jh.n. Während diesen Jahrhunderten sind die Samaritaner als soziologische Grösse fassbar. 19) Vgl. Pummer, Polemik 224. 20) Zugängliche Ausgabe: von Gall (Hrsg.), Der Hebräische Pentateuch der Samaritaner, Glessen 1918 (Nachdruck 1966). Purvis, SP 14, datiert ihn in die späthasmonäische Zeit. Vgl. des weitern McClymont, Text; Waltke, Samaritan Pentateuch. Ben-Hayyim, Rezens. Purvis (SP), 253-255 warnt - ohne sich für eine bestimmte Entstehungszeit zu entscheiden - vor zu früher Ansetzung. 21) Das Samaritanische Targum zum Pentateuch fällt darum und auch aufgrund seiner bis jetzt ungeklärten Entstehungszeit weg; vgl. dazu Tal, Targum 26-38. Zu Forschungen über "SP und Targum" vgl. Pummer, State I. 42-47. Ebenfalls unberücksichtigt bleiben kann das sogenannte Samareitikon, die griechische Uebersetzung des SP; vgl. dazu Rahlfs-Glaue, Fragmente 167-200 und 263-266. 22) Vgl. Cowley, Papyri, Introduction XV. 23) Vgl. ebd. XVI. 24) Diese Annahme hülfe zur Beantwortung der Frage, ob bzw. weshalb im Tempel von Elephantine verschiedene Gottheiten verehrt wurden. Auch andere Auffälligkeiten bzw. Eigenheiten könnten eventuell geklärt werden. Zu letzteren vgl. Cowley, aaO. XVIII.-XXIII. - Zu den Elephantine-Papyri vgl. unseren Exkurs A.

18

Ueblicherweise zur samaritanischen Literatur werden die 1962 25 26 in einer Höhle des Wadi Daliyeh gefundenen Papyri gezählt Sie stammen aus dem 4. vorchristlichen Jahrhundert und werfen somit Licht auf eine Zeit, aus der sonstige Nachrichten nur 27 spärlich vorhanden sind . Sie sind von Leuten der Stadt Samaria geschrieben worden. Unserer Arbeit sind sie zur Identifikation eines persischen Satrapen namens Sanballat dienlich (vgl. Ant 11,302). Zudem erlaubt dieser Fund - zusammen mit anderen fragmentarischen Bemerkungen - einige Rückschlüsse, die für die Geschichte Samarías und seiner Einwohner zur Zeit Alexanders d.Gr. aufschlussreich sind. Ausser dem Pentateuch der Samaritaner kann keine andere Schrift vor dem 4. Jh.n. mit Sicherheit als "samaritanisch" bezeichnet 28 29 werden; dies gilt sowohl für LibAnt wie auch für TestLev . Auch die von einigen Forschern als Samaritaner eingestuften Literaten Pseudo-Eupolemus, Theodotus sowie Cleodemus-Malchus sind in ihrer Identität umstritten 30

25) Dieses Wadi ist ca. 14km nördlich des alten Jericho (Tel es-Sultan) und ca. 12km westlich des Jordan zu lokalisieren. Die Höhle heisst Mugharet Abu Sinjeh; vgl. Cross, Discovery 113. 26) Weil diese Papyri jedoch vor der Gründung der Garizim-Gemeinschaft geschrieben worden sind, ist die Bezeichnung "samaritanisch" unzutreffend. Sie wären richtiger als "SamariaPapyri" zu bezeichnen, wie es gelegentlich vorkommt. - Zu ihnen vgl. unseren Exkurs B. 27) Vgl. Cross, Aspects 201. Der späteste Papyrus (mit Datum) stammt vom 18.3.335v., der früheste aus der Zeit zwischen 375-365V.; vgl. ebd. 206 Anm. 16 und ders., Discovery 115. 28) Gaster, Asatir 113, sieht beim Autoren des Pseudo-Philo eine enge Beziehung zur samaritanischen Tradition. 29) Pummer, Polemik 234, schreibt, Milik sei überzeugt, dass TestLev von Samaritanern verfasst worden sei. 30) Seit Freudenthal wird Pseudo-Eupolemus von fast allen Forschern als Samaritaner identifiziert; vgl. Hengel, JH 162 und ebd. Anm. 232. Auch Kippenberg, Garizim 85, gehört zu diesen, doch bemerkt er, Pseudo-Eupolemus könnte auch Phönizier gewesen sein. - Zu Theodotus vgl. zB. Bertholet, Stellung 263; Bickerman, Dokument 274f: Theodotus sei Samaritaner. Kippenberg, aaO. 84; Pummer, aaO. 235: Theodotus sei nicht Samaritaner. In Abhebung zu Freudenthal sieht Kippenberg im letztgenannten einen hellenisierenden Juden.

19 Die unzweifelhaft samaritanischen Schriften stammen aus späterer Zeit; die frühesten unter ihnen sind in das 4. Jh.n. zu da31 32 tieren . Die samaritanischen Chroniken sind zum Teil unda33 tierbar oder stammen erst aus dem Mittelalter und der Neuzeit, auch wenn einige von ihnen auf frühere Abfassungen zurück34 gehen mögen . Zudem sind sie keinesfalls eine historisch zuver35 lässige Quelle und für unsere Untersuchung nur bruchstückhaft und als Ergänzungen zu anderen Texten verwertbar. Sie werden konsultiert und sofern sie zu unserer Fragestellung etwas beitragen, wird ihre Darstellungsweise miteinbezogen. (Dies ist allerdings eher selten der Fall, da die Chroniken die Frühgeschichte der Samaritaner in sehr verallgemeinernder Weise berichten.) - Andere, dh. erst aus dem Mittelalter und der Neuzeit stammende, samaritanische Literatur bleibt - von wenigen Ausnahmen abgesehen - unberücksichtigt, weil sie nichts Neues bzw. Differenzierteres für die alte Geschichte der Samaritaner liefert. 6. Zu unserem Vokabular Innerhalb der im "Stand der Forschung" behandelten Literatur

31) So zB. der Mêmar Marqa; vgl. Kippenberg, aaO. 22 und 162f. 167-169. 32) Macdonald, Theology 44-49 und ders., Chronik II. 3-5 und 225 hat sie in sieben solche eingeteilt bzw. numeriert. Wohl aus praktischen Gründen ist diese Zählung bis jetzt aufrechterhalten worden. Vgl. dazu im "Anhang" die Uebersicht über die samaritanischen Chroniken. 33) Vgl. Macdonald, Chronik II. 5. 34) Vgl. Purvis, aaO. 90 Anm. 4. - Chronik II., deren Originaltext eventuell ein "substantielles Exzerpt" eines Bibeltextes war, könnte etwa im 4. Jh.n. entstanden sein; vgl. dazu Fohrer, Propheten 129-137. Auch die heutige Fassung von Chronik IV. aus dem 13. Jh. könnte auf einer Vorlage beruhen, die vor dem Ende des 2. Jh's n. zusammengestellt worden war; vgl. Graf, Alter 62; Pummer, State I. 56. 35) Gasters (Samaritans 4) Einstufung der samaritanischen Chroniken als relativ zuverlässige Berichte, die helfen würden, Probleme zu lösen, wird als unhaltbar abgelehnt; vgl. Kippenberg, aaO. 20-23. Gaster überschätzt das Alter und den Wert derselben beträchtlich. Auch Coggins, Samaritans 127, warnt "against any confident expectation that it will be possible to reconstruct Samaritan history...".

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hat sich in bezug auf die Bezeichnung der Mitglieder der Religionsgemeinschaft VOTI Garizim ein Konsens gebildet: Man nennt sie "Samaritaner". Dieser Name entspricht zwar keineswegs der Selbstbezeichnung der damit gemeinten Gemeinschaftsglieder. Diese nennen sich entweder ("Söhne") "Israel(s)" oder "Bewahrer" bzw. "Behüter", "Beobachter" CpnDtö) der Wahrheit bzw. des Gesetzes 36 In unserer Untersuchung, in der es um die mit verschiedenen Termini genannten Bewohner Samariens geht, werden folgende Regeln strikte eingehalten: "Samaritaner"

: Diese sind Mitglieder der JHWH-gläubigen Religionsgemeinschaft, die den Berg Garizim als von Gott auserwählten Ort glauben und im dortigen (einstigen) Tempel JHWH opferten und anbeteten. Die heilige Schrift dieser Gemeinschaft ist der Pentateuch, an dessen Ge- und Verbote sie sich hält. Andere von uns auch verwendete Bezeichnungen dieser Gemeinschaft sind: "Samaritanisehe Religionsgemeinschaft" (abgekürzt: SRG), "Garizim-Gemeinschaft" u.ä. sowie der sich im Josephus-Text findende Ausdruck "Jene vom Garizim" (Ant 12,7).

"Samarier"

: Dies ist eine Bezeichnung für alle Bewohner der Landschaft Samarien, gültig für alle in unserer Studie behandelten Epochen der Geschichte. Es können damit Juden, Samaritaner, Phönizier, Syrer, Griechen usw. gemeint sein. Wenn aufgrund des Inhaltes bzw. Kontextes jedoch eruierbar ist, dass es sich um Leute der Garizim-Gemeinschaft handelt, wird der entsprechende Ausdruck ("Samaritaner") gebraucht. "Samarier" bezeichnet darum primär und allermeistens Nicht-Samaritaner. (Wo

36) Vgl. Macdonald, Art. "Samaritans" 728.

21

wir Samaritaner tauch] "Samarier" nennen, wird klar gesagt, dass es sich um GarizimLeute handelt.)

"Samar."

: Diese Abkürzung wird bewusst dort gebraucht, wo für uns im voraus noch nicht feststeht, ob es sich um "Samaritaner" oder "Samarier" (im Sinne von Nicht-Samaritaner) handelt; sie wird dort beibehalten, wo kein Kriterium zur sicheren Identifizierung der jeweils gemeinten Menschen/gruppe gegeben ist. Zudem brauchen wir diese Abkürzung auch dann, wenn wir uns auf Sekundärliteratur beziehen, in der die Terminologie uE. indifferent ist. (Zitate werden jedoch genau wiedergegeben.)

"Samaria"

: Dieses Wort bezeichnet immer die Stadt Samaria.

"Samarien"

: Eine Unterscheidung zwischen der Stadt und der Landschaft ist im Deutschen möglich. Deshalb nennen wir letztere "Samarien". (Josephus braucht Σαμάρεια einige Male als 37 Landschaftsbezeichnung .)

"Chuthäer"

: Wir entscheiden uns im Deutschen für diese Wiedergabe von Josephus' Wort Χουθαΐοι, trotz des vom Hebräischen her bekannten Namens Dini3.

37) Das Wort kommt in seinem Werk insgesamt 97mal vor; vgl. Schallt, Namenswörterbuch 105. (Zwei textlich unsichere Stellen sind hier nicht Inbegriffen.) In Bell kommt der Ausdruck 14 mal, in Ant 81mal, in Vita 2mal vor. Nicht aus jeder Stelle kann mit Sicherheit geschlossen werden, ob das Wort den Stadt- oder den Landschaftsnamen meint. Als Name der Landschaft kommt Σαμάρεια aber sicher 3mal in Bell, mindestens 15mal in Ant und lmal in Vita vor. Allerdings werden auch die Termini Σαμαρειτικόν (nur lmal) und Σαμαρεΐτις (13mal) gebraucht. - Im Englischen hat sich zB. Smallwood, Jews 11 Anm. 27, dazu entschieden, die Landschaft immer als "Samari tis" zu bezeichnen.

II.

DER STAND DER

FORSCHUNG

Entsprechend der Zielsetzung unserer Untersuchung möchte dieser Forschungsbericht nur in jene Arbeiten bzw. Arbeitsergebnisse einen Einblick vermitteln, deren Inhalt sich auf die Zeit des Frühjudentums bzw. Frühsamaritanertums bezieht und die sich mit den Ausführungen des Josephus über die Samar, beschäftigen. Dazu gehören Beiträge, die zur Herkunft der Samaritaner bzw. zur Entstehungsproblematik der Samaritanischen Religionsgemeinschaft Stellung nehmen wie auch solche, die geschichtliche Ereignisse im Palästina jener Zeit interpretieren. Weil hier ausschliesslich Forschungsergebnisse zur Darstellung gelangen sollen, werden primär Monographien über die Samaritaner und Untersuchungen zu ihrer Frühgeschichte berücksichtigt. Thematisch anders gelagerte Studien werden nur soweit miteinbezogen, als sie auch Josephus' Texte über die Samar, reflektieren und - aufgrund selbständiger Forschung, eventuell mit einem anderen Schwerpunkt - Wichtiges beitragen können. Ausgeschlossen bleiben daher - alle jene Beiträge, die in Form eines Ueberblicks über "Samaritaner" informieren (zB. Bousset/Gressmann, Religion; Schürer, Geschichte sowie die revidierte englische Fassung dieses Wer38 kes "History", hrsg. v. Vermes u.a. ; Jeremias, Jerusalem; die verschiedenen Artikel in Lexika, Enzyklopädien und Wörterbüchern) 38) Diese "new english Version" - wie der Untertitel sie nennt - wird, was das Kapitel über die Samaritaner betrifft (Bd. II. 17-20), dem Desiderat einer Verarbeitung der neuesten Forschungsergebnisse nicht gerecht. Mit wenigen Ausnahmen

23 - jene Darstellungen, die zwar auf Josephus' Texte Bezug nehmen, deren Aussagen sich aber vorwiegend oder ausschliesslich auf einzelne Textstellen beziehen (zB. Alts Beiträge in "Kleine Schriften"; Mowinckels Anhang über den Tempelbau und sein Exkurs über die Chuthäer in "Studien"; der Appendix von Smith in "Parties", in dem er sich mit Alt auseinandersetzt). Wichtige Aussagen aus Beiträgen dieser beiden Gruppen werden innerhalb der Analyse der betreffenden Texte mitberücksichtigt. Zudem sei ausdrücklich darauf hingewiesen, dass selbst bekannte Verfasser samaritanistischer Werke in unserer Arbeit deshalb nicht vorkommen, weil ihre Untersuchungen unsere Fragestellung 39 nicht tangieren (zB. Ben-Hayyim; Bowman ; Heidenheim; Macdonald; Tal u.a.m.). Erwähnt sei auch, dass in sehr vielen sekundärliterarischen Werken über das Frühjudentum Hinweise, Randbemerkungen und Zitationen aus Josephus' Schriften zu finden sind, die die Samar, betreffen. Diese werden innerhalb dieses Forschungsstandes nicht genannt, denn das würde ins unendliche Aufzählen von Bemerkungen führen. In den wenigsten Fällen liegt ihnen eine eigene wissenschaftliche Untersuchung zugrunde; sie erzählen vielmehr nach, was Josephus (oder ein Interpret seiner Werke) geschrieben hat oder sie wollen mit einem Stellenverweis etwas (anderes) belegen. - So konzentriert sich dieser Forschungsstand nur auf Sekundärliteratur mit den oben erwähnten Kriterien. wurde der ganze Text von Schürer wortgetreu übersetzt. So behandelt auch diese neue Ausgabe die Samaritaner recht stiefmütterlich. Daran ändert sich nichts, wenn in einer langen Anmerkung (Bd. II. 16f Anm. 50) neueste Literatur aufgezählt wird. In den Text selber werden nur wenige neuere Antworten der Forschung einbezogen, so zB. einige Beobachtungen zu den Wadi Daliyeh-Papyri aus dem 4. Jh.v. (Bd. II. 18 und ebd. Anm. 54). Die Schürer'sche Version von der Abstammung der Samaritaner (Mischung der altisraelitischen Rest-Bevölkerung mit den heidnischen Kolonisten; vgl. Bd. II. 17) ist jedoch kritiklos beibehalten worden. 39) Die Titel seiner Beiträge "Samaritanische Probleme" sowie "The History of the Samaritans" versprechen mehr als sie halten: Im erstgenannten Buch behandelt Bowman die Religion und Geschichte von ihren Anfängen bis in die Neuzeit, samaritanische Schriften ab dem 12. Jh., den Bezug der Samaritaner zu den Evangelien sowie zu Qumran - dies alles auf 96 Seiten. Der zweitgenannte Beitrag, ein Aufsatz, resümiert die Geschichte vom 8./7. Jh.v. an bis ins 8. Jh.n. ebenso pauschal.

24 Auf eine allgemeine Aufzählung von Arbeiten über die Samaritaner der frühjüdischen bzw. frühsamaritanischen Epoche wird verzichtet. Dafür können verschiedene Bibliographien konsultiert 40 werden . Für allgemeine Darstellungen der Hauptwerke über die Samaritaner sei auf den Stand der Forschung in Studien zeitgenössischer Autoren verwiesen 41 . Auch für Arbeiten mit Bezug auf Josephus Flavius, die nichts mit unserer Thematik zu tun haben, können Bibliographien zur Hand genommen werden 42 Es ist erstaunlich, wie oft in der sogenannten Umwelt-Jesu-Li43 teratur die Samaritaner übergangen werden . Man kann sich des Eindruckes nicht erwehren, dass etwa bis zur Mitte dieses Jahrhunderts bei gewissen Darstellern des Frühjudentums ein sonderbares Verhältnis zu den Samaritanern bestanden hat: Einerseits

40) Vgl. L.A. Mayer, Bibliography of the Samaritans (Hrsg. D. Broadribb), Bd. I. Suppl. zu Abr-Nahraln, Leiden 1964. S. Noja, Contribution à la bibliographie des Samaritains, AION NS 23 (1973) 98-113. - R. Weiss, Supplements to the Samaritan Bibliography, AION NS 25 (1975) 265-273. - J. Margain, Eléments de bibliographie samaritaine, Sem 27 (1977) 153-157. - M. Mor, More Bibliography on the Samaritans (with emphasis on Samaritanism and Christianity), Hen 1/1 (1979) 99-122. - J. Margain, Bibliographie samaritaine, JA 268 (1980) 441-449; 271 (1983) 179-186. 41) Vgl. H.G. Kippenberg, Garizim, Garizim und Synagoge. Traditionsgeschichtliche Untersuchungen zur samaritanischen Religion der aramäischen Periode = R G W XXX. (Hrsg. W. Burkert und C. Colpe), Berlin, New York 1971, 1-27, v.a. 15-27. (Dieses Buch wird im folgenden als "Kippenberg" zitiert.) - R. Pummer, The present State of Samaritan Studies I., JSSt 21 (1976) 39-60; ders., The present State of Samaritan Studies II., JSSt 22 (1977) 27-47. 42) Erwähnenswert sind die folgenden: H. Schreckenberg, Bibliographie zu Flavius Josephus, I.-II. = ALGHJ I. und XIV. (Hrsg. K.H. Rengstorf u.a.), Leiden 1968 und 1979. - U. Rappaport, Bibliography of works on Jewish History in the Hellenistic and Roman periods 1946 - 1970 = Studies in the History of the Jewish People and the Land of Israel. University of Haifa II. (1972) 255f. - G. Delling (Hrsg.), Bibliographie zur jüdisch-hellenistischen und intertestamentarischen Literatur 1900 - 1970 = TU 106/2, Berlin 2 1975. - M. Mor / U. Rappaport, Bibliography of works on Jewish History in the Hellenistic and Roman Periods 1976 - 1980, Jerusalem 1982. - Die neueste, zugleich forschungsgeschichtliche Kurzresultate enthaltende, Bibliographie ist von L.H. Feldman, Josephus and Modern Schoarship (1937 - 1980) (Hrsg. W. Haase), Berlin, New York 1984. 43) Darauf weist auch Kippenberg hin; vgl. 1.

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sind Aufsätze über Unterschiede zwischen Juden und Samaritanern erschienen44, was auf das Bewusstsein der Tatsache einer Art Verwandtschaft von beiden hinweist; anderseits sind Beiträge verfasst worden, die die Existenz der Samaritaner völlig ignorieren, selbst dann, wenn von jüdischen Sekten bzw. Gruppierun45 gen des Frühjudentums gesprochen wird . Daraus kann man schlies sen, dass entweder angenommen wurde, die Samaritaner hätten damals sowieso keine Rolle gespielt, oder sie hätten nichts (mehr) mit dem Judentum gemeinsam gehabt. Erst neueste judaistische bzw. samaritanistische Studien fordern nachhaltig, die Geschichte der Samaritaner sei - mindestens was die Frühzeit betreffe - als Teil der jüdischen Geschichte und 46 die Samaritaner selber seien als Teil Israels zu betrachten Wir gliedern diesen Forschungsstand im Hinblick auf die zu untersuchende Thematik in drei Kapitel. Das erste berichtet kurz über "das Alte Testament und die Samaritaner", vor allem im Zusammenhang des diesbezüglich wichtigsten Textes. Das zweite Kapitel bezieht sich auf Forschungsergebnisse, die die Entstehungsproblematik und die Weiterentwicklung der Garizim-Ge-

44) Vgl. A. Geiger, Die gesetzlichen Differenzen zwischen Samaritanern und Juden, ZDMG 20 (1866) 527-573. - J. Fürst, Zur Differenz zwischen Juden und Samaritanern, ZDMG 35 (1881) 132-138. 45) Vgl. zB. J. Leipoldt / W. Grundmann (Hrsg.), Umwelt des Urchristentums I., Berlin 1965, 217-291. - L. Bronner, Sects and Separatism during the Second Jewish Commonwealth. A Study of the Origin of religious separatism with special reference to the rise, growth and development of the various Sects, including the Dead Sea Community. The role these sects played in moulding Jewish life and thought is described and evaluated", New York 1967. - Nicht völlig ignoriert, aber nur beiläufig erwähnt werden die Samaritaner zB. in: Bousset / Gressmann, Religion; Abel, Histoire; Simon, Sekten; Foerster, Zeitgeschichte; Stone, Scriptures. 46) So vor allem Kippenberg 161; zudem auch Purvis, Ben Sira 88-94; ders., SP 7.120f; Coggins, Samaritans 81; Dexinger, Sektenproblematik 283-286. Anderseits sieht Macdonald, Discovery 147, in der Anerkennung der samaritanischen Religion "as a separate religion from Judaism" den Fortschritt der neueren Forschung. Diese Aussage muss allerdings auf dem Hintergrund zweier Prämissen verstanden werden: Es geht Macdonald um die Ausmerzung des Begriffe (jüdische) "Sekte" als Bezeichnung der SRG; zudem spricht er von neueren Forschungen, in denen diese Religionsgemeinschaft eben ernster genommen wird als früher.

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meinschaft betreffen; dabei sind diejenigen Thesen und Meinungen für uns von Gewicht, die sich vorwiegend an Josephus1 Darstellung der Entwicklung orientiert haben 47 . Das kurze dritte Kapitel schliesslich enthält einige interessante Beobachtungen und Bemerkungen zur Terminologie.

1. Das Alte Testament und die Samaritanische Religionsgemeinschaft Die Zahl derjenigen Forscher, die im AT Hinweise auf die Samaritaner finden, scheint in der jüngsten Vergangenheit rückläu48 fig gewesen zu sein . Doch gibt es - auch jetzt noch - Wissenschaftler, die vor allem die Frage der Entstehung der SRG aufgrund des alttestamentlichen Schrifttums behandeln oder gar zu beantworten versuchen 49 . Hierzu muss gesagt werden, dass sich

47) Dies ist nicht bei allen Ausführungen bzw. Interpreten der Fall. Gaster zB. geht in seinen Darlegungen eigene Wege: Er stützt sich hauptsächlich auf die samaritanischen Chroniken. Einige andere Forscher orientieren sich ausschliesslich an alttestamentlichen Texten. 48) Die 1971 erschienene Studie von Kippenberg (vgl. Anm. 41) dürfte zu dieser Entwicklung einen beträchtlichen Beitrag geleistet haben. 49) Mindestens ihrem Ansatz nach sind folgende Autoren und Beiträge zu nennen: D.J.W. Rothstein, Juden und Samaritaner. Die grundlegende Scheidung von Judentum und Heidentum. Eine kritische Studie zum Buche Haggai und zur jüdischen Geschichte im ersten nachexilischen Jahrhundert = Beiträge zur Wissenschaft vom Alten Testament 3 (Hrsg. R. Kittel), Leipzig 1908. - M. Delcor, Hinweise auf das samaritanische Schisma im Alten Testament, ZAW NF 33 (1962) 281-291. - J.G. Vink, "The date and origin of the Priestly Code in the Old Testament", in: ders. u.a. (Hrsg.), The Priestly Code and Seven other Studies = OTS 15 (Hrsg. P.A.H. De Boer), Leiden 1969, 51-57. - S. Talmon, Biblical Tradition on the Early History of the Samaritans (hebr.), in: Eretz Schomron, The Thirtieth Archaeological Convention, Jerusalem 1973, 19-33. G. Widengren, The Samaritan Schisma and the Construction of the Samaritan Temple, in: Israelite and Judean History (Hrsg. J.H. Hayes und J. Maxwell Millor), Philadelphia 1977, 511514. - J. Bowman, The History of the Samaritans , Abr-n 18 (1978/79; hrsg. 1980), 101-115. - D.E. Gowan, The Samaritans, in: Bridge between the Testaments = Pittsburgh Theological Monograph Series 14 (Hrsg. D.Y. Hadidian), Pittsburgh Pennsylvania ^1980, 163-178 (Gowan skizziert hier die Geschichte der Samaritaner vom 10. Jh.v. an.)

27 diese Forscher mit Recht auf den späteren Hauptzeugen der samar. Geschichte, Josephus Flavius, stützen; allerdings tun das nicht alle von ihnen. Josephus ist der erste uns bekannte Autor, der die Herkunft der Samar, in den Zusammenhang mit der alttestamentlichen Erzählung von 2Kön 17,24-41 bringt. Dieser Abschnitt^ bezieht sich auf die Zeit unmittelbar nach dem Zusammenbruch des Nordreiches Israel (721v.): Der assyrische König hat fremde Menschengruppen im Gebiete Samariens, anstelle der deportierten Israeliten, angesiedelt (17,24). Diese Fremden haben ihre eigenen Gottheiten in den Höhentempeln aufgestellt, die von den Quinti (LXX: Σαμαρϊται.) erbaut worden sind (17,29) Das Vorkommen dieser eben genannten Bezeichnung hat etliche Forscher zur Annahme oder Ueberzeugung bewogen, hier sei zum ersten Mal von "Samaritanern" die Rede. So wurden die Bewohner Samariens seit der Zeit um 700v. in manchen Wissenschaft52 liehen Schriften "Samaritaner" genannt ; und diese "Samaritaner" wurden - im Anschluss an Josephus - mit den fremden Siedlern identifiziert. Dass die D">31Dtt/ in 2Kön 17,29 jedoch nicht mit den fremden Siedlern, deren Herkunftsorte in 17,24.30f genannt werden, identisch sind, sondern sich von diesen 53 unterscheiden - diese Tatsache ist oft überlesen worden . Sowohl Josephus bzw. einige Texte seines Werkes wie auch das Stichwort QO1ÖIB aus 2Kön 17,29 waren die Ursachen dafür, dass jahrhundertelang geglaubt wurde, der Ursprung der Samaritaner liege in der assyrisch-nachassyrischen Siedlungspolitik. Zudem hatte die Identifikation der D^JIDffl mit den fünf Völkerschaften von 2Kön 17,24 zur Folge, dass die Samaritaner als unjüdische/unisraelitische , dh. ursprünglich heidnische, Gemeinschaft betrachtet wurden. Von diesem Bild der Samaritaner Abstand zu nehmen, dürfte aber

50) Zum Text von 2Kön 17,24ff vgl. Macdonald, Structure 29-41. 51) Die samaritanische Version der Ereignisse, die 2Kön 17,24ff berichten, ist in Chronik IV. (Text: Juynboll, Chronicon 182f) enthalten. Vgl. auch Gaster, Samaritans 18f. 52) Vgl. zB. Rothstein, Juden; Rowley, Schism; Altheim-Stiehl, Erwägungen 215.217. 53) Macdonald, Discovery 143, lehnt kategorisch ab, diese Stelle mit "Samaritans" zu übersetzen; richtig sei "Samarians".

28

aufgrund der neueren Studien 54 nicht mehr besonders schwierig sein. Die ausführlichste Untersuchung hat bis jetzt Coggins verfasst: "The Old Testament and Samaritan Origins" 55 diskutiert die verschiedenen alttestamentlichen Textstellen, die von gewissen Forschern mit den Samaritanern und deren Ursprung in Verbindung gebracht worden sind. Coggins kommt in seiner Studie - wie auch andere Wissenschaftler56 - zum Schluss, 2Kön 17,2441 sei nicht (mehr) als Erzählung zu betrachten, die über den Ursprung der Samaritaner Aufschluss gebe.

2. Entstehungsproblematik und Weiterentwicklung der GarizimGemeinschaft

Zur Frage des Ursprungs der Samaritaner sind schon mancherlei 57 Beitrage verfasst worden . In ihnen wird die Frage der Herkunft der Personen, die den Garizim-Kult institutionalisiert haben, aktuell. Wer sind diese Leute: Nachkommen der vom assyrischen König nach Samarien deportierten Siedler, die in einer Zwangssituation den JHWH-Glauben angenommen haben (vgl. 2Kön 17,24-28); im Nordreich verbliebene Israeliten der zehn Stämme, deren Oberschicht ins Exil nach Assyrien abgeführt worden ist; Judäer, die mit der Obrigkeit in Jerusalem in Konflikt

54) Vor allem Purvis, SP; Coggins, Samaritans; Kippenberg. Es muss jedoch festgehalten werden, dass auch frühere Autoren nicht restlos der These folgten, die Samaritaner seien die Nachkommen der vom assyrischen König nach Samarien deportierten Neusiedler. Schon Gaster, Samaritans 5, sagt, dass die in 2Kön 17,29 genannten DOIDB) "in no way be identified with those who were afterwards designated by that name". 55) ASTI 6, Leiden 1968. 56) Schon Montgomery, aaO. 51, reduziert die Bedeutung von 2Kön 17 als Ursprungsdeutung für die Samaritaner. Zudem vgl. Purvis, SP 96 Anm. 16; Kippenberg 34f Anm. 4; Dexinger, aaO. 283f. 57) ZB. Montgomery, aaO. (Kap. IV.: "The Origin of the Samaritan Sect" 46-74); Purvis, SP ("The Origin of the Samaritan Sect" 88-118); Kippenberg ("Die Entstehung des Garizim-Kultes" 33-59); Coggins, Samaritans. Auch alle Arbeiten, die sich mit dem sogenannten Schisma zwischen Juden und Samaritanern befassen, gehören hierzu.

29 geraten sind; in Sichern lebende Sidonier (vgl. Ant ll,342b-344 und Ant 12,258-262); eine Mischung aus zwei, drei oder allen vier Menschengruppen? Die Frage nach der Identität der Samaritaner ist nicht nur für die Anfangsphase der Garizim-Gemeinschaft - wann immer diese anzusetzen ist - aktuell, sondern auch für die Zeit darnach. Es ist ja möglich, dass sich die Gemeinschaft im Verlaufe von Dezennien oder Jahrhunderten aufgrund geschichtlicher und politischer Konstellationen verkleinert oder vergrössert bzw. verändert hat, dh. dass sich Mitglieder der SRG von ihr losgesagt oder neue Personen sich ihr angeschlossen haben. Wir gehen in diesem Kapitel also der Frage nach, wie in der Sekundärliteratur (die die eingangs dieses Forschungsstandes erwähnten Kriterien erfüllt) die Herkunft der Samaritaner und die (personelle) Weiterentwicklung dieser Gemeinschaft beurteilt werden. (Die Werke der Autoren werden in chronologischer Reihenfolge berücksichtigt, damit eine allfällige Entwicklung der Forschungsrichtungen und -tendenzen sichtbar wird.)

2.1 James A. Montgomery, The Samaritans. The Earliest Jewish Sect. Their History, Theology and Literature. The Bohlen Lectures for 1906, Philadelphia 1907 (Nachdruck: New York 1968) . Montgomerys Buch war und bleibt in Anbetracht der Forschungssituation anfangs dieses Jahrhunderts ein geradezu vorbildli58 ches Werk . In mancherlei Hinsicht arbeitet der Autor differenzierter als dies in gewissen späteren Schriften der Fall ist, die von Samaritanern handeln. - Der Verfasser schreibt im Zusammenhang mit der analytischen Betrachtung von 2Kön 17, dass längst nicht alle Nordreichbewohner ins assyrische Exil weggeführt worden seien; die Masse sei in Israel verblieben (50.53). Einige der Israeliten hätten sich - auch religiös - mit den neuangesiedelten Völkerschaften verbunden; einige tausend seien ihrer eigenen - auch religiösen - Tradition treu geblieben. Samaritanertum und Judentum hätten ein gemeinsames Fundament in 58) Es ist zu bedenken, dass damals weder die Ergebnisse der Archäologie (Samaria; Sichern) noch die Papyri-Funde aus dem Wadi Daliyeh bekannt waren; auch die Josephus-Forschung war in einem ganz anderen Stadium als heute.

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den Umständen der Exilszeit des 6. Jh's v. (61). Die darauffolgende persische Zeit, näherhin die Zeit Nehemias (5. Jh.v.), habe dann das "Samaritan schism" gebracht (67-69). Diese Frühansetzung ist aufgrund Montgomerys anderen Forschungsergebnis59 sen eher rätselhaft , denn er stellt fest, dass die Samaritaner als religiöse Sekte erst in der Makkabäerzeit klar zum Vorschein kämen (71.77). Weil er sie dann - immer noch - als eine jüdisch geprägte Gruppe vorfindet, zieht er daraus den Schluss, dass "there can be no doubt that it remained under the steady influence of Judaism, and that this spiritual patronage was so strong and so necessary..." (72). Darum steht die SRG für Montgomery auch da als "a monument of early Judaism" (73) und "the Samaritans appear as nothing else than a Jewish sect" (46) . Aber seit die Sekte als solche ans Tageslicht getreten sei, gelte es zwischen ihr, "a comparatively small and scattered body" (77), und den andern Bürgern der Landschaft Samarien, "mostly Pagan, those who were civilly Samaritans" (ebd.), zu unterscheiden. Montgomery macht aber selber, trotz dieses Imperativs, keinerlei terminologische Differenzierungen; er untersucht nicht, welche Texte nun die Sektenmitglieder und welche die nach ihm grösstenteils heidnischen "civilly Samaritans" betreffen. Die Prämisse, die er aufgrund des Vorkommens geographischer Angaben macht - die Garlzim-Leute seien in Sichern und in dessen Umgebung anzusiedeln - sowie die Feststellung, dass in der Stadt Samaria wahrscheinlich keine oder nur wenige Samaritaner lebten (45f) , führt zur Aussage: Das übrige Gebiet Samariens "was probably largely occupied by Jews and Pagans" (148). Erst im 1. Jh.η. seien Samaritaner nach Südwesten ausgewandert (ebd.). Montgomery sieht in den Samaritanern, die zur Garizim-Gemeinschaft gehören, Israeliten bzw. Nachkommen der im Nordreich verbliebenen JHWH-Verehrer. Den Schlüssel zum Problem, wie ein Rest von Israel JHWH weiterhin treu bleiben konnte und fähig war, den Versuchungen der fremden Ansiedler zu widerstehen.

59) Er relativiert den Zeitpunkt dieses "Schismas" zwar, wenn er schreibt, dass "a definite break must have separated the two sects on the question to the extent of Scriptures" (73) und von einer "complete excommunication of the schismatics in the H i d and IVth Christian centuries" (72f) spricht.

31 möchte er bei den Judäern finden: Sie seien diejenigen gewesen, die ihre schwachen Brüder unterstützt hätten (54)®^. Josephus gebe zum Ursprung der Trennung einige sehr exakte Details (in Ant 11,306ff.340ff) (67f). Diese Erzählungen - auf dem Hintergrund der Ereignisse im Jerusalem des 5. Jh's v. gelesen Hessen die Entstehung der Sekte eher aufgrund einer Exkommunikation durch die Judäer^ als aufgrund eines eigenen Willensaktes der Samaritaner erscheinen (69). Zahlenmässig reduziert Montgomery die Garizim-Gemeinschaft auf eine verhältnismässig kleine Gruppe (77). Der Name "Sidonier" stamme vermutlich von heidnischen Samar, oder von abtrünnigen Mitgliedern der Samaritaner, die versucht hätten, sich von den unpopulären Israeliten zu unterscheiden (319) . Josephus schliesslich ist für Montgomery zwar ein gut informierter Historiker; doch "unfortunately he no more than reflects the current Jewish prejudices of his day, and allows us to perceive some of the truth only through the contradictions in which he involves himself" (156).

2.2 J.E.H. Thomson, The Samaritans. Their testimony to the religion of Israel. Being the Alexander Robertson Lectures, delivered before the University of Glasgow in 1916, London 1919. Dieses Buch hat - im Vergleich zu Montgomery und dem nur wenige Jahre darnach erschienenen Werk von Gaster (vgl. 2.4) - keine besondere Resonanz gefunden; auch Forschungsberichte übergehen 62 es . Thomson kennt Montgomerys Buch (vgl. 12.24.38 Anm. 1 u.ö.),

60) Montgomery bezieht sich hauptsächlich auf Jer 41,4ff, wo steht, dass 80 Männer aus Sichern, Silo und Samaria in den Tempel JHWH1 s (nach Jerusalem) gekommen seien (56). Dies zeige, dass "a considerable number of northern Israelites adapted themselves to the religious hegemony of Jerusalem " (56). 61) Montgomery spricht von der Exkommunikation durch die "Jewish Church" (69). Seinem Verständnis folgend scheint uns dafür die Uebersetzung "Judäer" - gemeint sind deren führende Persönlichkeiten - richtig zu sein. 62) Vgl. zB. Kippenberg 15-27.

32 doch unterscheidet er sich von den Ausführungen seines Vorgängers in wesentlichen Dingen. Die Geschichte der "Samaritans" beginnt nach Thomsons Ansatz mit der Revolte der Nordstämme unter Jerobeam (931-910v.); der Nord-Süd-Konflikt (Israel-Juda) führt zur Bildung der Gemeinschaft der Samaritaner (25f). Damit ist gegeben, dass diese Gemeinschaft sich aus den Stämmen des Nordreiches zusammensetzt (6f) . Die Erzählung in 2Kön 17,24ff bezieht der Verfasser nur auf deren jüdische Interpretation: Die Juden glaubten (bis heute), dass die Samar, von den hier genannten Siedlern herstammten. Thomson widerspricht dieser Sicht, indem er betont, nicht alle Israeliten seien nach Assyrien verbannt worden (15); das diesbezügliche Zeugnis des Josephus sei unrichtig und nicht ernst zu nehmen (25) . Selbst wer die Samar, mit dem Text von 2Kön 17 in Beziehung bringen wolle, könne feststellen, dass "their beliefs and practices would bear the impress of the faith and practice of a much earlier day" (54) . Die heidnischen Kolonisten, die vom assyrischen König in Samarien angesiedelt worden seien, hätten schnell den monotheistischen Glauben der Altisraeliten angenommen. Wie in der katholischen Kirche mehr Gebete an die Heiligen als an Gott gerichtet würden, so hätten diese Neusiedler auch ihre altvertrauten Götter verehrt. Aber "the syncretism must soon have broken down" (199) . In späterer Zeit habe die Tatsache, dass im Süden (Juda) und Norden (Galiläa) Juden lebten, die Samar, angehalten, ihre eigene religiöse Unabhängigkeit aufrecht zu erhalten (36).

Thomsons Ausführungen basieren zu einem grossen Teil auf samaritanischen Quellen; ihnen schenkt er mehr Glauben als den jüdischen, dh. vor allem Josephus' Beschreibungen (25.31 Anm. 1; 33.55). Sein Werk lässt schon am Inhaltsverzeichnis erkennen, dass die Samar, für Thomson das "Produkt" des Nord-Süd-Konfliktes sind (v.a. Kap. III. "Mosaism in Northern Israel" und Kap. IV. "Prophetism in Northern Israel"); auch seine Beschreibung der Heimat der Samar, verrät dasselbe: "... the whole of the territory of these Northern tribes has to be regarded as their home" (2) .

33 2.3 Leo Haefeli, Geschichte der Landschaft Samaria von 722v. Chr. bis 67n.Chr. Eine historisch-kritische Untersuchung = ΑΤΑ VIII.1/2, Münster i.W. 1922 63 . Haefelis geschichtliche Darstellung fusst auf Josephus' Ausführungen, von denen der Autor weiss, dass sie weder einen lückenlosen Bericht über die rund 800 Jahre enthalten noch absolut zuverlässige historische Gewähr bieten würden (vgl. Einleitung 1-5); sie seien beeinflusst von der Sicht der Dinge zur Zeit des Josephus (25) . Die Behauptung, Josephus sei von persönlichem Hass gegenüber den Samar, erfüllt gewesen, weist Haefeli jedoch vehement zurück (2). Sämtliche Animositäten in Ant seien vielmehr den Quellen aufs Konto zu schreiben (3). Für Haefeli hat die Samaritanische Religionsgemeinde (so nennt der Verfasser die Garizim-Gemeinschaft öfters, vgl. 25.57.64. 83 u.ö.) den "Rang einer jüdischen Sekte" (29). Aufgrund der unterschiedlichen chronologischen Angaben in Neh und Ant will sich der Autor nicht auf eine bestimmte Entstehungszeit dieser Gruppe festlegen: Aus Neh 13,28 wäre zu folgern, dass sie im letzten Viertel des 5. Jh's v. entstanden sei, die Abschnitte in Ant 11,302-312,340ff Hessen jedoch an das Jahr 332v. denken. Haefeli gibt Neh allerdings den Vorzug (63f). - Zu der aus einem jüdischen Grundelement bestehenden Gemeinschaft sollten "alle Altisraeliten des Nordens" sowie diejenigen Judäer gehören, die sich (unter Nehemia) zu Manasse geschlagen hatten (59). Zur Entwicklung der SRG in den ersten Jahrhunderten ihres Bestehens vermutet Haefeli, dass sich eine "freiere Richtung" und eine "konservativere, wohl stärkere Richtung" (27) herausgebildet habe. Angesichts der Verfügungen des Antiochus IV. habe möglicherweise die erstgenannte die Oberhand gewonnen (76). Diesen "Richtungen" liege die "doppelte Abstammung" der Samaritaner zugrunde, die aus einem δμο- und einem άλλόφυλον bestehen würden (26). Die hellenistisch neugegründete Stadt Samaria bzw. Sebaste trennt Haefeli völlig von der SRG ab; im Zuge der zunehmenden

63) Das frühere Werk Haefelis, Samaria und Peräa bei Flavius Josephus = BSt(F) 18 (Teil A: Samaria 5-65), Freiburg i.Br. 1913, enthält vorwiegend Ausführungen zu geographischen Problemen. Es wird innerhalb der Textanalyse beigezogen.

34 Hellenisierung seien zahlreiche hellenistische Kolonien im Be64 reiche der Landschaft" entstanden (68) , die ebenfalls nichts mit der SRG zu tun gehabt hätten, üeber die geographische und numerische Erstreckung der Garizim-Gemeinschaft würden Informationen fehlen (68). 2.4 Moses Gaster, The Samaritans. Their History, Doctrines and Literature. The Schweich Lectures 1923, London 1925 (Nachdruck: München 1980)65. Obwohl dem Buch grosse methodische Mängel anhaften®^, hat es in späteren wissenschaftlichen Beiträgen eine weite Resonanz gefunden 6 7. Gaster ist positiv anzurechnen, dass er auf seine 64) Haefeli zieht in Betracht, dass es in Samarien vielleicht auch jüdische Enklaven gegeben habe (68). 65) Von den verschiedenen Arbeiten von Gaster über die Samaritaner ist für unsere Thematik nur dieses Werk relevant. In seinem späteren Buch "The Samaritan Oral Law and Ancient Tradition. Vol. I. Samaritan Eschatology", London 19 32 (es folgte kein weiterer Band), nimmt er ab und zu auf die Ausführungen in "The Samaritans" Bezug; doch fügt er hierin keine neuen Gesichtspunkte hinzu, die unsere Fragestellung betreffen. 66) Gaster gibt äusserst selten Quellen bzw. Belegstellen für seine Ausführungen an. Er zitiert zB. Verse aus den prophetischen Schriften des AT, ohne Buch und Stelle zu nennen (vgl. zB. 23f); für seine Resümees aus samaritanischen Chroniken gilt dasselbe (vgl. zB. 33). Zudem ignoriert er weitgehend frühere Forschungsresultate (zB. Montgomery, dessen Buch dieselbe Thematik behandelt). Sein Standpunkt ist offensichtlich von emotioneller Begeisterung für die Samaritaner geprägt: Während Gaster anfangs des Buches noch relativierende Bemerkungen zu den darauf folgenden Darlegungen macht (2: Wie weit die samaritanische Tradition Wahrhaftigkeit beanspruchen könne; 4: Er folge der Geschichtsdarstellung der Samaritaner, ohne derselben schon vollen Glauben zu schenken; 6: Es bestehe keine Notwendigkeit, den samaritanischen Anspruch über das Alter ihrer Religionsgemeinschaft als historisch anzunehmen, nur psychologisch gesehen könne man ihn nicht einfach ignorieren), spielen diese innerhalb seiner Gesamtdarstellung keine Rolle mehr. Sie sind wertlos geworden, denn Gaster scheint den samaritanischen Versionen doch Vertrauen zu schenken; andernfalls könnte er diese nicht als Grundlage seines Buches benützen. - Zu seinem Werk vgl. auch die Kritik von Kippenberg 19-23. 67) Die Wertschätzung seines Werkes kann mindestens zweierlei Gründe gehabt haben: 1. Es gab in der ersten Hälfte dieses Jahrhunderts noch keine Auswahl von Monographien über die Samaritaner. 2. Die Originalität und Vielfalt der behandelten Themen machte Gasters Werk bekannt.

35 (populärwissenschaftliche) Art die Samaritaner in die wissenschaftliche Diskussion europäischer Gelehrter einbringen konnte. Dabei hat er insofern beispielhaft gearbeitet, als er das Selbstverständnis dieser religiösen Sondergruppe durch die Verwertung ihrer eigenen Schriften mitberücksichtigt hat. Gasters Sicht der Herkunft der Samaritaner ist - im Anschluss an die samaritanische Version - folgende: Die Sekte sei einige tausend Jahre alt und ihr Glaube sei stets unverändert gebliefi fi ben (1) . Einst seien die Samaritaner eine "mighty nation" gewesen (2). Ihre Geschichte habe mit der Ansiedlung der Stämme im verheissenen Land begonnen (7). Ein (erstes) "schism" sei zur Zeit Elis, der vom Garizim weg ging und den Kult in Schilo etablierte, entstanden (8f) . Die darauf folgende biblische Periode sei "certainly the most important" gewesen (4). Die Ereignisse, die in 2Kön 17 geschildert werden, kommentiert Gaster folgendermassen: Im Nordreich sei ein beträchtlicher Teil der israelitischen Bevölkerung zurückgeblieben, als das assyrische Exil begonnen habe. Dass noch ganze Völkerschaften dort angesiedelt worden seien, sei unmöglich, da der Platz hierfür gefehlt hätte (16). Unter den Neusiedlern (die 2Kön 17,24 erwähnt) seien nur "garrisons drawn from these various nations" zu verstehen (17) . Dass diese an Zahl gering und ohne Einfluss gewesen seien, findet Gaster dadurch belegt, dass sich die Propheten nie gegen Fremde (bzw. Heiden) in Israel gewendet hätten (12-14). Die in 2Kön 17,29 genannten Samar, könnten "in no way be identified with those who were afterwards designated by that name", denn die ersteren seien "of purely heathen origin" (5). Der Name "Samar." sei auf die Garizim-Mitglieder übertragen worden, um ihnen heidnischen Ursprung oder Vermischung anzulasten (ebd.). Für eine "complete separation of Jews from Samaritans" (28) sei dann Esra eingetreten. 68) Die Samaritaner würden mindestens seit 3000 Jahren auf dem Garizim anbeten (45) . - Der samaritanische Vorwurf an die Juden, Esra habe den Bibel- bzw. Pentateuch-Text gefälscht, habe die SRG am Festhalten ihrer Version bestärkt. Dieser Fälschungsvorwurf wurde allerdings auch von den Juden an die Samaritaner erhoben. Ein Streitpunkt war zB. Dtn 27,4: Soll hier "Garizim" oder "Ebal" stehen? Weiter ging es um den Dekalog, de ssen 10· Gebot bei den Samaritanern anders lautet als bei den Juden (28).

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Gaster identifiziert die "Samaritans" völlig mit den Israeliten des Nordreiches. Die Religionsgemeinschaft bezeichnet er als "non other than a purely Jewish sect. It is Jewish not only in its origin, but it is also Jewish in the wider sense of its development..." (41). Dabei weist Gaster nirgends auf eine wesentliche Mitgestaltung der Gemeinschaft durch Judäer hin; dh. wohl, dass er "jüdisch" in einem weiteren Sinn versteht. Er spricht auch nirgends davon, dass die Samaritaner irgendeinmal Fremde in ihre Gemeinschaft aufgenommen hätten. Was Gaster zusammenträgt, stammt aus den samaritanischen Chroniken und aus dem Alten Testament. Gelegentlich zieht er die Schriften des Josephus heran. Diesen Historiker lobt er so: "... a careful examination of the work of Josephus will reveal the unsuspected fact that he seems to have been fully acquainted with Samaritan history and Samaritan traditions..." (31). Andernorts stellt er fest, dass Josephus seinen tiefen Hass gegen und seine Verachtung für die Samaritaner nie verborgen habe (25). Terminologische Unterscheidungen erübrigen sich für Gaster, weil die Samaritaner ganz klar als Israeliten des Nordreiches und als genuin "jüdische" Gruppe verstanden werden.

2.5 G. Ernest Wright, "The Samaritans at Shechem", in: ders., Shechem. The Biography of a Biblical City, London 196 5, 170-184. 260-26269. Die archäologischen Ergebnisse Wrights enthalten nützliche Hin70 weise für einen Zeitraum, in dem sich laut anderen Quellen Spektakuläres ereignet hat: Nachdem der Tel Sichern rund 150 Jahre lang - zwischen 480 — 330v. — unbewohnt gewesen sei (vgl. Shechem 167) , könne für die Zeit darnach bis 107v. eine hier neugegründete Stadt nachgewiesen werden (172) . Der plötzliche 69) Auf den Seiten 260-262 sind die Anmerkungen zu diesem Kapitel. Dieses selbst enthält die leicht revidierte Fassung des gleichnamigen Aufsatzes, der in HThR 55 (1962) 357-366 abgedruckt ist (vgl. 260 Anm. 6). 70) Diese sind: Josephus' Bericht in Ant 11; Curtius Rufus1 Bemerkungen über Alexander d.Gr.; die Wadi Daliyeh-Papyri (die ihrerseits die Glaubwürdigkeit der Aussagen von Curtius Rufus erhärten).

37 Wiederaufbau der Stadt Sichern gibt Wright Anlass, die archäologischen Erkenntnisse mit den Erwähnungen der in Anm. 70 genannten Berichte zu verbinden. Er kommt zu folgenden Resultaten: Was Josephus in Ant 11,302ff.340ff erzähle, sei substantiell glaubwürdig (Gründung des Tempels auf dem Garizim durch die Erlaubnis von Alexander d.Gr.); das Curtius Rufus-Statement, das berichtet, dass Samar, den Präfekten Alexanders d.Gr. in Coelesyrien (er hiess Andromachus) lebendig verbrannt hätten, könne ebenfalls als zuverlässige Information gelten. Aufgrund dieses letzteren Vorfalles habe Alexander d.Gr. 331v. die Stadt Samaria zerstört, wo die für den Tod Andromachus' Verantwortlichen gelebt hätten (wie die Wadi Daliyeh-Papyri belegen würden) (179f) . Der zerstörte Ort sei dann von griechischen Siedlern, die fortan dort wohnen sollten, neu aufgebaut worden. Wright nimmt an, die einen für die Verbrennung von Andromachus verantwortlichen Samar, seien ins Wadi Daliyeh, die restlichen Einwohner der nun zerstörten Stadt Samaria seien nach Sichern geflohen. Letztere hätten Sichern neu erbaut, weil ihre Hauptstadt (Samaria) zerstört worden war. Das Ziel dieser Sichem-Siedler sei es gewesen, Sichern als Rivalin zu Jerusalem neu aufzubauen (180) . Die Stadt Sichern habe dann bis zur Zeit des Johannes Hyrkanus oder eventuell noch länger - bis zur Schlacht von Alexander Jannai gegen Demetrius III., die 88ν. in oder nahe bei Sichern stattgefunden habe - bestanden (183f.262 Anm. 25). Wright identifiziert die ehemals in der Stadt Samaria wohnhaften Samar, mit jenen, die Sichern neu aufbauten und den Tempel auf dem Garizim errichteten. Weil er Josephus' Darstellung Glauben schenkt, ist anzunehmen, dass er die dort erwähnten Judäer, die nach Sichern geflohen sind, mit den aus der Stadt Samaria stammenden Samar, bei der Neugründung Sichems zusammenarbeiten

71) Problematisch in Wrights Ausführungen ist, dass die aus der Stadt Samaria weggezogenen Samar, nach Sichern gehen und dort bzw. auf dem Garizim den Tempel bauen, zu dem Alexander d.Gr. die Erlaubnis gegeben hat. Dh. Alexander zerstört zuerst ihre Hauptstadt, um ihnen nachher die Bewilligung zum Tempelbau zu erteilen oder sie am Bau mindestens nicht zu hindern. Weder für die Umsiedlung nach Sichern noch für die Erbauung des entstehenden Tempels haben wir zuverlässige Belege, dass Samar aus der Stadt Samaria mitgewirkt hätten. Wrights Sicht impliziert, dass in der (später fassbaren) SRG Leute aus Samaria

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2.6 James D. Purvis, The Samaritan Pentateuch and the Origin of the Samaritan Sect = HSM 2, Cambridge/Mass. 1968 72 . Kapitel 2 ("The Origin of the Samaritan Sect" 88-118) setzt sich mit der Frage auseinander, ob die samaritanische Sekte vor- oder nachexilischen Ursprungs sei. Erstere Möglichkeit verneint Purvis: "...there was no organized Samaritan sect in the late pre-exilic or early exilic periods" (96) . Die Formation als Sekte sei erst in nachexilischer Zeit möglich gewesen (98). Am Ende des 4. Jh's v. hätten wir ein klares Bild von den "Samaritan Yahwists of mixed ethnic descent" (108) . Diese entwickelten "a new Samaritan community at Shechem" (109), weil Alexander d.Gr. ihre einstige Hauptstadt Samaria zerstört habe. Mit ihrer Etablierung in Sichern habe der lange und gewundene ("tortuous") Prozess der Selbstidentifikation sowie die Klärung ihres Verhältnisses zu Juda und seinem Glauben begonnen (ebd.). - Die Bezeichnung "Sidonier in Sichern" interpretiert Purvis nicht, weil sie aus der antisamaritanisehen Polemik des Josephus stamme; er möchte sie jedenfalls nicht zu schnell als sidonische Kolonie in Sichern deuten (109 Anm. 53). Zum Namen "Chuthäer" hingegen meint er, dass es von den Juden nicht ganz unfair gewesen sei, den Samar, diesen "in view of the ethnic origins of the people who made up the sect" zuzulegen (95); anderseits sei die kontinuierliche Verwendung dieses Namens verleumderisch gewesen, weil diese Bezeichnung mit 2Kön 17 in Zusammenhang gebracht worden sei (ebd.). Die ethnische Vermischung (vgl. 108) hat aber für Purvis offenbar keinerlei Einflüsse auf die Religion der Samaritaner gehabt. "Samaritanism" ist für ihn "a perpetuation of a pure and uncorrupted ancient Israelite faith" (95) ; nie sei die Religion der Samaritaner von heidnischen Elementen geprägt gewesen (ebd.). Die Samaritaner seien weder Heiden noch Halbheiden/Halbjahwisten, sondern eine jüdi-

dabei gewesen sind. Wohl darum spricht er unterschiedslos von "Samaritans", ob es sich um übrige Stadtbewohner Samarías, um die ins Wadi Daliyeh Geflohenen oder um die (spätere) SRG handelt. 72) Als Appendix ist in diesem Buch (119-129) der in JNES 24 (1965) 88-94 publizierte Aufsatz "Ben Sira'and the Foolish People of Shechem" abgedruckt. Sein Inhalt steht chronologisch Ant 12,156 am nächsten. Er wird darum bei der Behandlung dieser Textstelle miteinbezogen.

39 sehe Sekte mit sadduzäischen Elementen (gewesen) (120f). - Der vollständige und irreparable Bruch zwischen ihnen und den Juden sei das Resultat der Zerstörung Sichems und des Garizim-Tempels durch Johannes Hyrkanus gewesen (118) . Purvis interessiert sich vorwiegend für das Gründungsdatum der Sekte und nicht so sehr für deren personelle Zusammensetzung. Vielleicht differenziert er daher terminologisch nicht: Sowohl den Rest der Israeliten des (ehemaligen) Nordreiches wie auch die (nicht präziser definierten) dazugekommenen Siedler nennt er "Samaritans"73. Es ist anzunehmen, dass er sich auf Wright (vgl. 2.5) stützt, wenn er die aus der zerstörten Stadt Samaria stammenden Samar, nach Sichern ziehen (108f) und sie - zusammen mit andern "Samaritans" - die neue Gemeinschaft bilden lässt. Die in Ant 11,306-312 erwähnten Judäer spielen für Purvis offenbar keine Rolle. Erst der Kult auf dem Garizim sei der grosse Stein des Anstosses in den jüdisch-samaritanischen Beziehungen gewesen (7). Aber es sei keineswegs sicher, dass die Samaritaner unbedingt einen Gegenkultus und eine Trennung zwi74 sehen ihnen und den Juden angestrebt hätten (99)

2.7 Hans Gerhard Kippenberg, Garizim und Synagoge. Traditionsgeschichtliche Untersuchungen zur samaritanischen Religion der aramäischen Periode , R G W XXX. (Hrsg. W. Burkert und C. Colpe), Berlin, New York 1971 75 . Kippenbergs Dissertation ist als "Meilenstein in der Geschichte

73) Vgl. dazu die Kritik von Smith, Parties 281 Anm. 208, Purvis unterscheide nicht zwischen "Samaritans" als Sekte und solchen als Einwohnern der Stadt Samaria. 74) Die selbstverständliche Annahme einer religiösen Identität zwischen den Stadtbewohnern Samarías (vor der Zeit Alexanders d.Gr.) und den Israeliten im übrigen Samarien impliziert, dass eine Art samaritanischer Religionsgemeinschaft schon früher bestanden haben muss. Diese Prämisse (die Bewohner Samariens hätten ein und denselben Glauben gehabt bzw. Kult vollzogen), ist jedoch nicht belegbar. Zudem stellen sich die gleichen Fragen wie zu Wright (s. Anm. 71) auch hier. 75) Das "Textbuch zur neutestamentlichen Zeitgeschichte" = GNT NTD Ergänzungsreihe 8, Göttingen 1979, enthält eine längere Abhandlung von Kippenberg über "Die Samaritaner" (89-104) . Sie ist jedoch eine zusammenfassende Darstellung der Forschungsergebnisse aus "Garizim und Synagoge" und findet hier deshalb keine Beachtung.

40 der geschichtlichen Erforschung der samaritanisehen Religion"^® qualifiziert worden. Zweifellos trifft dieses Urteil zu. Kippenberg zufolge ist der Tempel auf dem Garizim auf Wunsch israelitischer Priester und weiterer Israeliten erstellt worden (54.57). Diese seien auch die Erbauer der Stadt Sichern gewesen; beide Unternehmungen müssten "als

ein

Geschehen be-

trachtet werden. Zeitraum dieses Vorgangs war das ausgehende 4. Jh.v.Chr." (57). So sei der Garizim-Kult "nicht das Resultat einer politischen Tat, sondern die Folge einer Verdrängung von Priestern, die sich nordisraelitischen Traditionen verbunden fühlten", gewesen (58f). Diese "Verdrängung" stehe in engster Beziehung mit den Mischehen, die diese Priester und Israeliten geführt hätten (57) . - Diese These des Autors basiert auf der Interpretation der Ereignisse, die in Ant 11,302ff.340ff geschildert werden und auf Kippenbergs Feststellung, dass die GarizimGemeinschaft noch Ende des 2. vorchristlichen Jahrhunderts als Teil Israels erscheine (76.92) . Der Autor betont die israelitische Initiative zum Tempelbau auf dem Garizim so stark, dass die Frage nach allfälligen anderen Interessenten an einem Tempel gar nicht gestellt wird. So scheint der Garizim-Kult die ersten rund 150 Jahre seines Bestehens eine reine innerisraelitische Angelegenheit gewesen zu sein. Erst in seleukidischer Zeit sei "in Sichern eine Kolonie von Sidoniern emporgewachsen, die ganz lok77 ker mit dem Garizim-Kult verbunden war" (85) und von der synkretistische Anstösse ausgegangen seien (85.91.93). Seit dieser Zeit habe die gegenseitige Polemik eingesetzt (92) . Die Möglichkeit, dass die Hellenisierung des Garizim-Kultes "wohl nicht nur von einer Kolonie Sidonier in Sichern, sondern vielleicht auch von diesem oder jenem Samaritaner gebilligt wurde" (93) , zieht Kippenberg in Erwägung; wer "dieser oder jener Samaritaner" gewesen sein könnte bzw. seit wann die SRG synkretistisch gepräg-

76) Maier, Rezens. Kippenberg, 99. 77) Delcor, Sichern 39, auf den Kippenberg sich bezüglich der Sidonier beruft, zieht allerdings in Betracht, dass eine sidonische Kolonie in Sichern bereits im 4. Jh.v. bestanden nahen könnte; Josephus seinerseits berichtet in Ant 12,259 von Sidoniern der Seleukidenzeit, deren Ahnen einen namenlosen Tempel auf dem Berg Garizim errichtet hätten.

41 te Mitglieder gehabt haben könnte, bleibt unbeantwortet. - Die stetige Fortführung seiner These bezüglich der Gründungspersonen der Garizim-Gemeinschaft führt den Autor zur Aussage, "dass zwischen Juden und Samaritanern lediglich theologische, jedoch keine ethnischen Unterschiede bestanden" (161) hätten. Als Beweis dafür sieht er die Nachrichten an, die von einer Konversion von Juden zu den Samaritanern sprechen (160f) . Kippenbergs Studie ist zu würdigen, weil sie die Hauptquelle, die etwas über die Frühzeit der SRG berichtet - Josephus' Ant - ernst nimmt. Soweit es in einer traditionsgeschichtlichen Untersuchung möglich ist, kommen Abschnitte aus Ant zur Sprache, die noch kaum jemand erschöpfend ausgewertet hat (zB. Ant ll,302f.30678 312) . Ein weiterer Vorzug ist, dass Kippenberg terminologisch zwischen "Samariern" als Bewohnern des politischen Distriktes und "Samaritanern" als Anhängern des Garizim-Kultes unterschei79 det (34) . Ungelöst bleiben allerdings folgende Probleme, die unser Interesse betreffen: - Wer sind die von Kippenberg so genannten "Samarier"? Sind sie die (Nachkommen der einst) vom assyrischen König nach Samarien deportierten Siedler? Oder sind diese längst ausgestorben oder durch Assimilation als solche unkenntlich geworden? Sind mit "Samarier" Israeliten oder Nichtisraeliten/Nichtjuden, dh. Heiden, gemeint? - Warum ist Ant 11,322 (Tempelbau auf israelitischen Wunsch hin) Ant 12,259 (Vorfahren der Sidonier in Sichern, dh. Sidonier der vorseleukidischen Zeit, hätten den Tempel errichtet) vorzuziehen? - Wenn "die Gemeinde zu Sichern (...) von der (viel älteren) Bevölkerung im Bereiche des ehemaligen Nordreichs unterschieden werden" soll (34) , weil sie sich "mit der Provinz Sama-

78) Seine Analysen bzw. die für uns relevanten Teile haben insgesamt mit Haefelis Untersuchung "Geschichte" am meisten gemeinsam. 79) Allerdings werden die einzelnen Stellen nicht untersucht bzw. es wird längst nicht jeder Text, wo von Samar, die Rede ist, verwertet.

42 ria keineswegs besonders verbunden gefühlt" hat (ebd.), dann ergibt sich die folgende Doppelfrage: Gehörten zur SRG längst nicht alle Israeliten des (ehemaligen) Nordreiches und warum nicht? Ist diese "nichtexilierte Bevölkerung", die "von der importierten Oberschicht gesondert weiterlebte" (36), eine Mehrheit oder eine Minderheit in Samarien gewesen? - Hat es vielleicht noch andere als nur die Sidonier in Sichern gegeben, die mit dem Garizim-Kult "ganz locker" verbunden gewesen sind? - Hat Josephus gewusst, dass die SRG von Israeliten gegründet worden ist oder glaubte er, Chuthäer (=Nachkommen der aus Medien und Persien stammenden Siedler; vgl. Ant 10,184) seien die Gründungspersonen gewesen? - Wie ist es möglich, dass (gewisse) Rabbinen des 1.-3. Jh's n. die Samaritaner als Leute zweifelhafter Herkunft betrachteten, wenn in den letzten drei vorchristlichen Jahrhunderten keinerlei ethnische Vermischung stattgefunden haben soll?

2.8 Richard James Coggins, Samaritans and Jews. The Origins of Samaritanism Reconsidered, Atlanta/Georgia 1975. Wie im Untertitel angekündigt, beschäftigt sich Coggins mit der 80

Ursprungsfrage der Samaritaner . Es geht ihm dabei hauptsächlich um das Zeugnis des Alten Testaments und anderer jüdischer Quellen (7). Die Untersuchung der für ihn repräsentativen ATTexte (vor allem 2Kön 17) habe nichts über die Samaritaner ergeben, "in the sense that none of the passages commonly held to illustrate Samaritanism, or to explain the schism which is thought to have brought it into being..." (80). - Die Auseinandersetzung mit Josephus' Angaben über Samar, geschieht in einem eigenen Abschnitt (93-100) ; Coggins erzählt hierin allerdings nur einige Teile aus Ant 11 und 12 nach und kommentiert sie unscharf. Im allgemeinen zögert er, Josephus' Berichten über

80) Aber er leistet dazu einen sehr begrenzten Beitrag, weil eine exakte und vollständige Untersuchung der Primärtexte ausbleibt. Vgl. dazu die Besprechungen seines Buches von Bergmeier 85f, Isser 131 und Pummer 125.

43 O 1

die Samar. Historizität zuzuschreiben (99)

. Coggins glaubt öf-

ters zu spüren, dass Josephus - wenn er über die Samar, spreche in Verlegenheit sei: "... he cannot repudiate them entirely, and yet they cannot be accepted as part of that race whose Antiquities he is setting out to his audience" (ebd.). Eingangs seines Buches weist Coggins auf die Konfusion hin, die der Sprachgebrauch ausgelöst habe: Die Grundbedeutung des Wortes Σαμαρΐται in der LXX (2Kön 17,29) sei "Bewohner von Samaria". Die religiös eigenständige Gruppe der Samaritaner jedoch sei nicht mit Samaria, sondern mit Sichern verbunden gewesen (9). Der Gebrauch dieses griechischen Terminus' durch Josephus "seems now to imply a contemptuous association with the by this time paganized city of Samaria (e.g. Ant IX,290)" (10). Die üblichere Bezeichnung sowohl in Josephus' Schriften wie in der Mischna sei "Chuthäer"82. Coggins" Studie stellt keine neue These des Ursprungs auf; sie negiert, dass die Samaritaner mit 2Kön 17,24-41 in Beziehung zu bringen seien. Die SRG sei ins Judentum der letzten vorchristlichen Jahrhunderte zu integrieren (162f). Darum postuliert Coggins, den Terminus "Schisma" überhaupt nicht mehr zu verwenden (163) .

2.9 Gedalyahu Alon, "The Origin of the Samaritans in the Halakhic Tradition", in: ders., Jews, Judaism and the Classical World = Studies in Jewish History in the Times of the Second Temple and Talmud (translated from the Hebrew by Israel Abrahams), Jerusalem 1977, 354-373. Alon skizziert in diesem kurzen Beitrag eine Abstammungsthese, die als solche zwar kein Novum ist, die er jedoch in einigen halachischen Traditionen zu finden glaubt ß64f.367). Nebst den

81) Diese Haltung hat zur Folge, dass Coggins das "Sidonierproblem" (aus Ant 12,257-264) auf eine Art "löst", die vor Kippenberg (vgl. 79.85 bzw. Delcor, Sichern 37-39) bekannt war, aber seither nur noch wenig Resonanz hatte. 82) Ein Blick in die Konkordanz bzw. in das "Namensverzeichnis" (S. 48) zeigt allerdings, dass Josephus den Terminus "Samar." bedeutend mehr braucht als "Chuthäer". UE. differenziert Coggins bei der Uebersetzung der verschiedenen Bezeichnungen nicht genügend (vgl. zB. die Identifizierung von Σαμαρεΐς mit "Samariern" [85]; dies ist nicht generell zutreffend. Das griechische Wort kann auch "Samaritaner" meinen).

44 beiden Herkunftstheorien (jener, die aus 2Kön 17 herausgelesen wird und jener, die - sich auf Josephus stützend - die Samaritaner als Apostaten des jüdischen Volkes bezeichnet) erkennt Alon eine dritte Möglichkeit: Die Samar., "or a part of them, are none other than the descendants of the ancient Canaanites, the indigenous inhabitants of the land" (359). Dies zeige der Name Samaria, der von Gen 10,18 ("Zemariter") herstamme und "certainly alludes to the relationship of the Samaritans to him..." (363). - In einer knappen Auseinandersetzung widerspricht Alon dem Aufsatz "Dokument" von Bickerman, in dem letzterer hinter Ant 12,258-262 ein authentisches Dokument erkennt. Alon interpretiert dieses angebliche Dokument als jüdisch-polemische Schöpfung aus der Hasmonäerzeit: "Sidonier" sei nur ein Epithet, das die Juden für die Samar, brauchten. "It appears that the expression simply means that the Samaritans are descendants of the ancient Canaanites (Sidonians)..." (360) .

2.10 Ferdinand Dexinger, "Limits of Tolerance in Judaism: The Samaritan Example", in: Jewish and Christian Self-Definition II. Aspects of Judaism in the Graeco-Roman Period (Hrsg. E.P. Sanders), Philadelphia 1981, 88-114. Hinter dem eher irreführenden Titel dieses Aufsatzes ist eine Darstellung der Abstammungsfrage der Samaritaner verborgen. Der Autor berührt in ihr einige wichtige Textstellen aus dem Alten Testament und aus Josephus1 Antiquitates Judaicae. So hält er fest, dass sich "Schomronim" in 2Kön 17,29 weder auf "Samaritaner" noch auf die heidnischen Siedler (vgl. 17,24.30f), sondern auf die Israeliten des (ehemaligen) Nordreiches beziehe (91). Dexinger postuliert eine präzise Terminologie bezüglich der Bevölkerung Samariens: "The Jewish population of the north, from which the Samaritans later developed, should be called 'proto-Samaritans' from Ezra's time on. The Gentile inhabitants of Samaria, on the other hand, should be called 'Samarians'" (92). - Die in Esra 4,1-5 genannten Feinde Judas und Benjamins seien nichtjüdische Siedler, "Samarier" (93). Zur Zeit Esras sei es nicht möglich, von "Samaritanern" zu sprechen (94) . Diesen Ausdruck ("Samaritaner") möchte der Verfasser erst nach dem Bruch zwischen den "proto-Samaritanern" und den Juden verwenden, dh. ab Ende des 2. Jh's v., nach der Zerstörung des Gari-

45 zim-Tempels und Sichems (107) . Spätestens von dieser Zeit an sei bei den Jerusalemern immer weniger zwischen dem heidnischen Kult und dem legitimen JHWH-Kult der (proto-)Samaritaner unterschieden worden (105; vgl. 107). Dieser Prozess habe dahin geführt, dass die Samaritaner allmählich mit den "Chuthäern" identifiziert worden seien (107.114). Zur Zeit des Josephus seien die Samaritaner sicher keine Synkretisten gewesen (106). Aehnlich wie Kippenbergs Untersuchung lässt auch Dexingers wichtiger Beitrag einige Fragen offen: Wer waren die Samarier/Chu83 thäer? Wie war die Beziehung der proto-Samaritaner zu den Samariern? Welche Kreise übten den Kult auf dem Garizim aus?

3. Beobachtungen und Bemerkungen zur Terminologie - Zu Σαμαρεϊς und Σαμαρεΐται Einige Forscher sehen sich offensichtlich beim Uebersetzen bzw. Kommentieren von Textabschnitten aus Josephus' Werk zu begrifflichen Differenzierungen veranlasst: Sie übersetzen Σαμαρεϊς vorzugsweise mit "Samarier" (engl.: "Samarians") und verbinden mit diesem Terminus - ebenfalls vorzugsweise - Bewohner Samariens, die nicht zur SRG gehören oder Samar, der Stadt Samaria (vgl. zB. Coggins, Samaritans 9 und 85). Σαμαρεΐται., dessen Silbenverlängerung unseren Begriff "Samaritaner" (engl.: "Samaritans") geprägt hat, wird beinahe in der gesamten, vor der Mitte unseres Jahrhunderts erschienenen, Sekundärliteratur als Bezeichnung der SRG verstanden bzw. interpretiert 84 . Für viele

83) Innerhalb unserer Untersuchung verzichten wir auf diesen Terminus. Abgesehen von der umstrittenen zeitlichen Ansetzung des üblicherweise "Schisma" genannten Ereignisses (nach dem Dexinger nicht mehr von "proto-Samaritanern", sondern von "Samaritanern" spricht), möchten wir den Bruch zwischen Samaritanern und Juden nicht zum hermeneutischen Schlüssel der Terminologie machen. Die durch ihn betroffenen Bewohner Samariens blieben dieselben, mit oder ohne Schisma! Darum und auch aufgrund des literarisch inexistenten Ausdrucks "proto-Samaritaner" bleiben wir bei der (alleinigen) Unterscheidung von "Samaritanern" und "Samariern". 84) Rothstein, aaO.; Gaster, Samaritans; Rowley, aaO.; Mowinckel, Studien II. u.a.m. brauchen ausschliesslich diesen Terminus und meinen damit stets die SRG.

46 Autoren, die ausschliesslich diesen Ausdruck ("Samaritaner") brauchen, ist selbstverständlich, dass alle Bewohner der Land85 schaft Samarien Samaritaner sind . Andere Forscher und Interpreten unterscheiden zwischen den Anhängern des Gariζim-Kultes, die sie "Samaritaner" oder 8 6"Sichemiter" nennen, und den Einwohnern der Stadt Samaria . Jene Wissenschaftler, die der Meinung sind, (längst) nicht alle Bewohner Samariens hätten zur 87 SRG gehört , müssen (bzw. müssten) terminologisch differenzieren (zB. "Samaritaner" oder "Sichemiter" - "Samarier"). - Zu Χουθαϋοι Zwei Bemerkungen zum Terminus "Chuthäer" sind erwähnenswert, weil sie religionsgeschichtlich interessant sind: Die samaritanische Version der Namenserklärung "Chuthäer" befindet sich in Chronik VI. 88 und erzählt folgendes: Weil der 89 jüdische Hohepriester Simon (der Gerechte ) zu den Samaritanern grausam gewesen sei, emigrierten viele von ihnen. Einige hätten sich im Flusstal "Chutha" niedergelassen. Vielleicht seien sie später zurückgekehrt und 90 deshalb hätten ihnen die Juden den Namen "Chuthäer" gegeben Mowinckel 91 lenkt die Aufmerksamkeit auf den Ursprungsort des Namens "Chuthäer": Chutha sei die Hauptkultstätte des Gottes 92 Nergal , des Gottes der Unterwelt, des Totenreiches, gewesen. In der Volksphantasie und der mythischen Dichtung sei die Unterwelt "mit allen Grauen und Qualen einer richtigen Hölle ausge85) Vgl. Gaster, aaO.; Jeremias, aaO.; Purvis, SP. 86) Vgl. Smith, Parties 188; Coggins, Samaritans 9. 87) V.a. Montgomery, aaO. 77; Haefeli, Samaria 10; Alt, Rolle 322; Kippenberg 34 u.a.m. 88) Text: Vilmar, Abulfathi Annales Samaritani 59. 89) Chronik VII. lässt diesen Simon als den Makkabäer erscheinen; vgl. Gaster, aaO. 35f Anm. 2. 90) Nacherzählung aus Gaster, aaO. 34. Diese samaritanische Aetiologie (vgl. dazu Ant 9,288) des Namens Chuthäer ist - unabhängig davon, ob es sich um Simon den Gerechten oder um den Makkabäer Simon handelt - deshalb interessant, weil sie die Namensgebung ("Chuthäer" für die Garizim-Gemeinschaft) nicht vor dem 2. Jh.v. aufkommen lässt. 91) aaO. 119f. 92) Vgl. 2Kön 17,30.

47 stattet worden". Dadurch sei "Chutha" ein Name der Unterwelt, der Stätte der bösen und unreinen Dämonen, und Nergal ein "Höl93 lenkönig" geworden . Diesen Sinn hätten die nachexilischen Juden noch gekannt, während er Josephus nicht mehr bewusst gewesen sei.

93) Mowinckel verweist in diesem Zusammenhang auf Joh 8,48, wo "Samar." mit "Dämon" gekoppelt wird. - Weist vielleicht auch die Aussage in 3Sib 63 ("Von den Sebastenern wird nachher Beliar kommen...") auf diese Bedeutung hin? (Text: Kautzsch, Apokryphen II. 186).

III.

ANALYSE DER

TEXTSTELLEN

Josephus braucht H i e r werden s i e

für die

Samar,

verschiedene

zum Zweck d e r O r i e n t i e r u n g

optischen Eindruckes

ü b e r i h r Vorkommen

Bezeichnungen.

und e i n e s

ersten

aufgezählt.

NAMENSVERZEICHNIS

1. Σαμαρεύς

(Sing.):

—.

Σαμαρεΐς

(Plur.):

Ant

303.341;

12,156.262;

88.167; 1,65;

(9,61.125.126)94;

2,111.232.233.237.239.242.243.2£5;

(Sing.):

Ant 17,69;

Σαμαρεϊται

(Plur.):

Ant 9,290;

12,10.257;

18,30.89;

3. Σ ι,κι,μΐται. : A n t

ou έ ν Σ ι κ ί μ ο ι ς 4. Χουθαΰοι: Bell

6,140)

94

Σιδώνι,οι:

Ant 9,288.290;

;

Bell

(Inner-

2mal.)

1,592.

Bell

11,344;

3,315.

5,235.240.241.24 3.247.

11,342.344.346;

10,184;

12,7.

3,307.312.

d e r Name

18,85. Bell

11,61.84.88.97.116.118.174.

[4,305]95;

Ant

1,63.

των έ ν Γ α ρ ι , ζ ε ί ν : A n t

steht

20,118.136;

(1,337.340;

248.250.251.253;

5.

Stellen

Σαμαρείτης

340;

11,114.117.

17,20.342;

20,119.121.122.125.^27.129.130.132.134.135;

halb der u n t e r s t r i c h e n e n

2.

10,184;

13,24.75.275.276.277;

12,10.

1 2 , 2 5 8 . (260 ) 9 6 . 26 2 .

11,19 . 2 0 . 8 8 . 3 0 2 9 7 ;

13,255;

49 Die Reihenfolge der in diesem Hauptteil unserer Untersuchung behandelten Texte bzw. Textstellen entspricht dem "Namensverzeichnis": Wir beginnen bei Σαμαρεϊς, dem am häufigsten vorkommenden Namen; weil Ant über die frühere Vergangenheit als Bell berichtet, werden zuerst die Texte aus dem erstgenannten Werk, dann jene aus Bell, analysiert. Wenn ein Paralleltext - auch mit einem anderen Namen bzw. einer anderen Namensform (für die Samar.) - vorhanden ist, wird dieser mitberücksichtigt. Ebenfalls miteinbezogen werden Stellen des Kontextes, auch wenn sie, wie ein Paralleltext, einen anderen Namen bzw. eine andere Namensform aufweisen. Unmittelbar nach der Untersuchung der Σαμαρεϊς-Texte, innerhalb einer "Zwischenbilanz", stellen wir u.a. die Frage, ob für die Verwendung dieses griechischen Terminus' gewisse Kriterien sichtbar oder eruierbar seien. Hernach werden - der Reihenfolge des "Namensverzeichnisses" entsprechend - die anderen Textstellen untersucht. Die Berücksichtigung der Parallel- und Kontextstellen führt zu unvermeidlichen Ueberschneidungen, weil eine Darstellung desselben Inhaltes an zweierlei Orten sinnlos wäre. Daher kann es vorkommen, dass eine Textstelle, in der Σαμαρείται. steht, nicht unter diesem Stichwort behandelt ist, weil sie bereits unter Σαμαρεϊς analysiert wurde (da sie auch diese Bezeichnung enthält oder als Paralleltext herangezogen wurde). Am Ende eines jeden Kapitels erfolgt - wie auch nach dem erstgenannten Σαμαρεΐς-Kapitel - eine "Zwischen98 bilanz" , in der die bereits erwähnte Frage gestellt wird. Der Zielsetzung unserer Arbeit folgend (vgl. Einleitung 1) unterscheiden wir bewusst zwischen Σαμαρεϊς und Σαμαρεΰται bzw.

94) Vgl. "Einleitung" 2 Anm. 6. 95) In dieser Stelle kann auch "Sichern" gelesen werden; vgl. Niese z.St. Anm. 22. 96) Hier steht nur "Sidonier". 97) Ant 11,330 (vgl. Schalit, Namenswörterbuch 127) hat Χαλόαϋοι. Dass hier Χουθαϊοι, stehen sollte, ist eine von gewissen Forschern geäusserte Vermutung. Näheres dazu vgl. zum Kapitel "Die Χουθαϊοι". 98) Die im "Namensverzeichnis" unter 5 genannte Bezeichnung wird in Kapitel 2 bei der Textstelle Ant 12,10 behandelt. Daher hört die Textuntersuchung mit der letzten Stelle (bzw. den beiden letzten Stellen = Paralleltexte) des Kapitels "Chuthäer" und der "Zwischenbilanz 4" auf.

50

Σαμαρείτης 99 . Wir sind uns im klaren, dass die Chronologie durch dieses Vorgehen gestört wird. Doch erachten wir das Auseinanderhalten beider Namensformen in einer terminologischen Untersuchung wichtiger als eine kontinuierliche Chronologie: Die Frage nach allfälligen Kriterien für die Verwendung des einen oder andern Terminus' muss gestellt werden. Bei getrennter Behandlung der Εαμαρεϊς- und der Σαμαρεϊται.-Texte ist sie leichter zu beantworten. - Die beiden griechischen Namensformen kommen zusammen 62mal vor^"". Am Anfang jedes zu untersuchenden Textes werden folgende Angaben gemacht: - Hauptstelle/n. - In Klammer: Allfällige Kontextstelle/n. - Mit den vorhergehenden Stellen durch ein = verbunden: Eventuelle Parallelstelle/n. - Inhalt in Form eines kurzen Titels. - Ein * unterhalb der Stellen- und Titelangabe zeigt mit der jeweiligen Stelle an, ob ein anderer Name in der Textstelle und ihrem Kontext auch noch vorkommt. Die Textanalyse selber besteht jeweils aus folgenden Arbeitsgängen: Zuerst wird der Text (inkl. notwendigem Kontext) resümiert oder, wenn es vom Inhalt her wichtig ist, vollständig wiedergegeben. Griechische Termini und Satzteile werden dann zitiert, wenn sie für unsere Fragestellung relevant sind. Im weiteren folgen, wenn nötig, klärende Hinweise chronologischer sowie inhaltlicher Art. Daran schliessen sich die Ausführungen zum Josephus-Text an, in die auch Thesen und Ansichten aus Sekundärliteratur einbezogen werden. Mögliche erste Resultate folgen am Schluss der jeweiligen Textanalyse.

99) Ueblicherweise werden diese Termini nicht auseinandergehalten; vgl. die Aufzählung in Schallt, aaO. 105. 100) Die erstgenannten drei Stellen (im "Namensverzeichnis" in Klammer) fallen für unsere Untersuchung weg; vgl. "Einleitung" 2 Anm. 6. Darum sind sie in dieser Zahl nicht Inbegriffen.

51 1. Die ΣαμαρεΕς Dieser Terminus kommt - ausschliesslich in der Pluralform am häufigsten, nämlich 44mal, vor. Josephus verwendet ihn zudem in A n t 9 3mal, wo er sich auf die vorassyrische Zeit b e zieht (vgl. Anm. 100) . Dies ist ein Hinweis dafür, dass diese Bezeichnung im Werk des Historikers nicht ausschliesslich für die n a c h der assyrischen Eroberung des Nordreiches Israel dort angesiedelten fremden Menschengruppen gebraucht wird.

Ant 10,184: Die Chuthäer werden Samar, genannt *Ant 10,184: "Χουθαΐου" Anstelle

(άντ'αύτών) der

(aus dem Nordreich) weggeführten Is-

raeliten wurde das Volk der Chuthäer

(τό των Χουθαίων έθνος)

dort angesiedelt. Dieses lebte früher im Innern Persiens und Mediens. Nun aber werden diese Menschen Σαμαρεϊς genannt

(τότε

μέντοι Σ. έκλήθησαν), weil sie nach dem Namen der Landschaft, in der sie angesiedelt worden sind, angeredet werden (την της χώρας είς ην κατωκίσθησαν προσηγορίαν

άναλαβόντες).

Das biblische Fundament dieser Textstelle ist 2Kön 17,24, w o von der Ansiedlung fremder Völkerschaften in Samarien die Rede 102 ist. Der Ant-Text sagt, dass sich das chuthäische Volk anstelle der deportierten Israeliten niedergelassen habe. Josephus folgt damit wahrscheinlich der Uebersetzung der L X X ^ ^ , 101) Schreckenberg, Untersuchungen 113, weist darauf hin, dass das Wort άναλαβόντες aus dem Rahmen des Sprachgebrauchs falle. Josephus verbinde nämlich προσηγορίαν regelmässig mit dem Simplex λαμβάνειν. Darum sei das hier ungewohnte Wort vermutlich das Resultat einer Dittographie der Schlusssilbe von προσηγορίαν. 102) Das Wort "Volk" (bzw. "Völkerschaft") steht nicht im biblischen Text. Josephus braucht es in direkter Verbindung mit Chuthäer bzw. Samar, sonst nur noch in Ant 17,20 und 18,85 und, in leicht geänderter Form, in 9,279 und 9,288. 103) Zum speziellen Problem des Gebrauchs der LXX durch Josephus vgl. die Literatur in Rengstorf, Bibliography 58f (v.a. Jellicoe, Septuagint 286-289.293f). - Kahle, Geniza 242-248, bezieht sich auf Thackeray (als Herausgeber der Cambridger LXX) und weist dessen Meinung, Josephus habe verschiedensprachige AT-Texte als Quelle benutzt, zurück. - Schallt,

52 die "...άντι των υιών Ισραήλ

" (2Kön 17,24) schreibt

104

. Er

dürfte das άντί im Sinne einer Auswechslung verstanden haben. In 10,183 erwähnt er nämlich, dass die Leute der zehn Stänme (b των δέκα φυλών λαός) nach Assyrien vertrieben worden seien. Aber Josephus bzw. seine Quelle weiss auch von Israeliten, die der assyrischen Kriegsgefangenschaft entgangen sind; Ant 10,68 enthält folgenden Satz: τούς Λλλους των 'Ισραηλιτών, gewesen sei. 139) Cowley XVIII. 140) Vgl. Cowley XX.

62 141 ist , haben die Kolonisten eine Petition an den Hohenpriester und andere Persönlichkeiten in Jerusalem gesandt, in der ausschliesslich Ya'u erwähnt wird; kein anderer Name einer Gottheit kommt vor (vgl. Pap. 30). 142 In Anathya'u vermutet Cowley eine Art Gefährte bzw. Gefährtin von Ya'u: Anath sei eine syrische ...... gewesen143 Gottin Die andern drei Namen setzen sich mit "Bethel" zusammen. Zu Ishum führt Cowley aus, dies sei die Aussprache von QtííX; dieses Wort könne auf den babylonischen Dämon gleichen Namens zurückgehen. 144 Pap. 22 , Kolumne 7, erwähnt etwas, das vielleicht als Schlüsselstelle zur Bestimmung der religiösen Eigenart dieser Kolonisten dienen könnte: Die Beiträge für den Tempelfonds hätten total 31 Keraschin und 8 Schekel betragen. Davon seien 12 K. 6 Sch. für Ya'u, 12 K. für Anathbethel und 7 K. für Ishumbethel 145 bestimmt gewesen . Anathbethel hat also beinahe gleich viel wie Ya'u erhalten. Weist das vielleicht auf die Bedeutung dieser Gottheit (sie sei Ya'u fast gleichrangig gewesen) hin? Auch aus der Verbindung "Anathya"u" könnte gefolgert werden, dass Anath bei (gewissen) Kolonisten in Elephantine eine besondere Stellung gehabt habe; die Verbindung mit dem

141) Er hat mindestens gut 100 Jahre lang bestanden; aus Papyrus 30,13f kann geschlossen werden, dass er bereits im Jahr 525v. existiert hat; vgl. Cowley XX. 142) 148 Anm. "Line 3". 143) XIX. 144) Er stammt aus dem Jahr 419v.; vgl. Cowley 65. 145) Vgl. Cowley 70, Zeilen 123-125 und vgl. ebd. 72, Col. VII. Anm. 122-125.

63 146 Wort "Bethel" hat diese Gottheit mit Ishum und Herem gemeinsam. - Darf aus den drei mit "Bethel" zusammengesetzten Namen herausgelesen werden, dass "Bethel" nicht eine Gottheit ist (gegen Cowley; vgl. XVIII.), sondern den Ort, wo (die drei) Gottheiten verehrt worden sind, meint (vgl. Anm. 146)? Sollte diese Interpretation richtig sein, ergäbe sich folgendes: Ya'u wird direkt nicht mit Bethel in Verbindung gebracht (nur Anathya'u bzw. Anathbethel stellen eine Beziehung von Ya'u zu Bethel her), dh. nur die anderen Gottheiten - Anath, Ishum und Herem haben direkt etwas mit Bethel zu tun. Nun erinnert der Name "Ishum" - ausser an den babylonischen Dämon - auch an die Gottheit, die von Leuten aus Hamat angefertigt bzw. verehrt und in einem Höhenheiligtum Samariens aufgestellt worden ist (vgl. 2Kön 17,29f) : Aschima (KD^töK). Cowley schreibt - mit Bezug auf ein Forschungsergebnis von Lidzbarski, aber ohne die Stelle 2Kön 17,30 anzuführen -, es sei wahrscheinlich "that a god DtüK was worshipped in Syria and was brought by the colonists to Egypt with 147 the others" . Zum noch unerklärten Namen Herem führt Cowley nichts aus. Dass Herem bei den Abga' 148 ben für den Tempel leer ausgeht

, ist vielleicht

mit seiner "Funktion" als Kriegsgott o.ä. zu er-

146) Falls gewisse Leute dieser Kolonie aus Samarien (bzw. dem ehemaligen Nordreich Israel) stammten, dürfte der (zwar im semitischen Kultur- und Sprachraum übliche) Name "Bethel" vielleicht mit 2Kön 17,28 in Beziehung gebracht werden: Ein Priester der deportierten Israeliten kommt nach Samarien zurück, lässt sich in Bethel nieder und belehrt die vom assyrischen König aus fünf Orten nach Samarien umgesiedelten Leute über die richtige Gottesverehrung. Bethel spielt also - dem Bibeltext folgend - für das religiöse Leben dieser ursprünglichen Nichtjahwisten eine Rolle! 147) Cowley XIX. Vgl. auch Kraeling 90 Anm. 27. 148) Auch Anatya'u bekommt nichts. Möglicherweise liegt der Grund dafür in der Verbindung dieser Gottheit mit Ya'u. Zudem erhält Anathbethel (=Anath von Bethel?) fast die gleiche Summe wie Ya'u.

64

klären: ΟΊΠ heisst "Bann"

η ΛQ .

Von den drei "Bethel"-Namen sind - Cowley folgend deren zwei wahrscheinlich syrische Gottheiten gewesen: Anath und Ishum. Wir fragen darum: Läge es nicht im Bereich des Möglichen, dass die in den Elephantine-Papyri "Aramäer" genannten Kolonisten ursprünglich aus Syrien stammten? Könnte es sich bei ihnen vielleicht um Leute aus Hamat handeln, die vom assyrischen König nach Samarien umgesiedelt worden sind (vgl. 2Kön 17,24.30) und die von dort her - zusammen mit Juden - nach Elephantine gelangt sind? Wenn diese Frage bejaht werden könnte - wir fahren im Konjunktiv fort -, wäre wahrscheinlich zu folgern, der Tempel von Elephantine sei eine Art religiöses Gemeinschaftszentrum von Juden und "Samariern" gewesen; erstere hätten (nur?) Ya'u verehrt, die anderen Gottheiten jedoch nicht abgelehnt. Letztere hätten möglicherweise zu allen Gottheiten gebetet (vgl. 2Kön 17,33). Die Verehrung aller aus den Elephantine-Papyri bekannten Gottheiten muss uE. jedenfalls nicht unbedingt auf die sich "Juden" Nennenden bezogen werden. Dass die fünf verschiedenen Götternamen nur "Manifestationen" von Ya'u sein sollen^^, ist vermutlich schwierig zu beweisen 151 Für unseren Vorschlag, die Kolonisten in bzw. in der Nähe von Elephantine seien "Juden" und "Samarier" (="Aramäer") gewesen, spricht uE. auch folgendes:

149) Papyrus 7, wo dieser Name vorkommt, berichtet über einen Streitfall, dh. über einen Einbruch. Darum würden wir Hrm nicht als "Harlm" deuten, dh. als "der Heilige", wie Kraeling 91 es vorschlägt. 150) Vgl. Cowley 76 Anm. 123. 151) Wenn die Textlücke in Papyrus 44,3 (vgl. Cowley 147) richtig gefüllt ist, läge hier ein Beweis für Polytheismus vor, da sowohl Ya'u wie auch Anathya'u genannt werden. Auch Papyrus 7,6f (vgl. Cowley 20) scheint "unser Gott" von "Herembethel" abzuheben. Dieser Schreiber spricht hier von einem anderen Menschen, dessen Gott wahrscheinlich Herembethel gewesen ist.

65 Pap. 30,29^^ verrät, dass die (an den Satrapen^"* von Judäa, Bigvai, schreibenden) Kolonisten auch einen Brief an die Söhne Sanballats, dem Satrapen von Samarien, geschrieben haben (nachdem ihre Petition nach Jerusalem erfolglos geblieben war; vgl. Pap. 30,19).

Ant 11,303 (11,302.306-312.322-324): Die Samar, sind aus chuthäischem Geschlecht *Ant 11,302: "Χουθαΐοι" Weil die in 11,306-312 geschilderten Umstände mit ll,302f in engem Zusammenhang stehen und für unsere Thematik wichtig sind, wird dieser Abschnitt ebenfalls ausführlich miteinbezogen. Sanballat - ein Satrap aus chuthäischem Geschlecht (Χουθαΐος τό γένος; 11,302), aus dem auch die Samar, sind (έ£ cSv K-

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t£P), um in Ephraim (D"*1BK3) zu vernichten." Linien 5-6 beziehen sich auf Hos 6,4 ("Was soll ich dir tun,

884) Vgl. Lohse, aaO. 298 Anm. 7. 885) Vgl. zu 2.1.2 "Ebioniter". - Zu Menelaus vgl. 2Makk 4,25-50 und lQpHab 12,2-10; zu Alkimus vgl. IMakk 7,5.9 ("gottloser Alkimus").22. Sind die in IMakk 7,13 genannten "Asidäer", von denen 7,16 zufolge 60 Mann von Alkimus hingerichtet wurden, eventuell Qumranleute? 886) Vgl. zu "Manasse" (oben): Wenn der jüdische Herrscher Alexander Jannai "Manasse" wäre, könnte diese Chiffre durchaus stets Herrscher, die von Jerusalem (Juda) aus regieren, meinen . 887) Stegemann, aaO. 259 Anm. 140, schreibt jedoch, "Ephraim" scheine der Qumrangemeinde näherzustehen als "Manasse". 888) Text: Allegro, DJD V. 33f.

332 Ephraim, was soll ich dir tun, Juda?"). "Ich werde für ganz Ephraim tun, was ich für ganz Juda tun werde." Linie 10 knüpft an Hos 6,9f an ("... schändliche Taten. Im Haus Israel sah ich grauenhafte Dinge: Unzucht für Ephraim; Israel wird unrein.") "Seine Deutung ist: Die Gottlosen der Völker..." Aus der ersten und zweiten Deutung geht hervor, dass es in Ephraim und Juda Gegner der Qumranleute gibt. Die dritte Deutung bricht leider dort ab, wo sie möglicherweise interessante Informationen liefern könnte: Sollte vielleicht die Aussage folgen, dass "die Gottlosen der Völker" Ephraim (zur Unzucht) verführt haben (vgl. den Schluss zu 4QpNah)? Aus CD, 4Qtest, 4QpPs37 und 4QpHos geht nichts hervor, was gegen unsere Ausführungen zu 4QpNah sprechen würde; aber diese zusätzlichen Texte, die die Namen "Ephraim" und "Manasse" enthalten, bestätigen unsere Darlegungen auch nicht. Die einzige Ausnahme könnten jene Erwähnungen in CD 7,12f sein, die mit "Ephraim" wahrscheinlich Bewohner des (ehemaligen) Nordreiches meinen. Aufgrund dieser unsicheren Ergebnisse bleibt unklar, ob "Ephraim" in den Qumrantexten die Samaritaner (als jüdische Gruppe) meint oder nicht. "Manasse" scheint hingegen keine Chiffre für die SRG gewesen zu sein.

2.2 Gibt es andere Benennungen der Samarier/Chuthäer? Josephus' Schriften nennen die Bewohner Samariens Σαυ,αρεΠς bzw. Σαμαρεύται; Ant 9,290 schreibt, in hebräischer Sprache würden die Samar, jedoch "Chuthäer" genannt. Wir fragen nun, ob für die Menschen Samariens eventuell noch andere Bezeichnungen kursierten. UE. sind vor allem die Termini "Am ha-Aretz" und "Gottesfürchtige" zu befragen. Sind die mit ihnen bezeichneten Menschen vielleicht (auch) Samarier/Chuthäer? 2.2.1 Am ha-Aretz Hat dieser in der Forschung noch immer unbestimmte bzw. umstrittene hebräische Terminus möglicherweise etwas mit Samariern zu tun? Wie wir zu Ant ll,61usw. festgestellt haben, weisen Josephus' Schriften keine analoge Bezeichnung für den hebräischen Terminus auf: Wo der MT (Esra 4,4) "Am ha-Aretz" und die LXX an derselben

333 Stelle b λαός της γης schreiben, nennen Josephus' Termini "Chu889 thäer/Samar.". - Oppenheimer schreibt in seiner Studie , es gebe eine Reihe von Aehnlichkeiten zwischen dem A m ha-Aretz und den "Samaritans" (Uebersetzung von D T i O )890 ; "in several halakhic sources they are mentioned side by side" . Diese Tatsache das Nebeneinander des Am ha-Aretz und der D T i O - zeigt uE., dass erstere mit letzteren nicht schlechthin identifiziert wur891 den

. Ob die DTTID, wie Oppenheimer es tut, m i t "Samaritaner"

übersetzt werden sollen oder ob sie unseren terminologischen Ergebnissen zufolge als "Samarier" bezeichnet werden sollen Anhaltspunkte für eine Identifikation mit den einen oder anderen Bewohnern Samarlens fehlen 892 89 Τ 2.2.2 Gottesfürchtige Sucht man in Josephus' Werk nach dem Terminus

"Gottesfürchtige", 894 ist die Enttäuschung gross: Von σεβόμενοι, τόν θεόν ist darin ein einziges Mal die Rede: Ant 14,110. Und auch diese Stelle erwähnt solche nur beiläufig: Alle Juden der Oekumene und die Gottesfürchtigen, sogar jene von Asien und Europa, hätten zum Reichtum im Jerusalemer-Heiligtum beigetragen, schreibt Josephus. Mehr ist über die "Gottesfürchtigen" nicht zu erfahren. Das Neue Testament, vor allem die Apostelgeschichte, spricht

889)

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A m Ha-Aretz 229-238.

890) Ebd. 229. 891) Auch Oppenheimer, aaO. 238, stellt fest, dass es für eine Identifizierung beider "no valid reason" gebe. 892) Einige Ausnahmen deuten darauf hin, dass der Am ha-Aretz aus Juden bestanden hat; vgl. dazu Greenberg/Oppenheimer, Art. "Am ha-Arez" 834. Weder der Garizim noch eine Abstammung von fremden Siedlern spielen für den Am ha-Aretz eine Rolle. 893) Wir verstehen dieses Wort hier als terminus technicus für Nichtjuden, die sich dem Judentum durch Annahme des Monotheismus und durch Uebernahme gewisser jüdischer Praktiken angenähert haben. Zum Terminus im allgemeinen vgl. Bertholet, Stellung 181f; Schürer, aaO. III. 174-178 und Juster, Juifs 274-277. 894) Die Verben σέβω/οέβομαι/σέβειν und ψοβέω kommen sehr häufig vor, haben aber nie etwas mit "Gottesfürchtigen" im angegebenen Sinne zu tun; vgl. Rengstorf, Concordance IV. llf und 312f.

334

einige Male von σεβόμενου 89 S. Es handelt sich in diesen Texten jedoch stets um solche ausserhalb Palästinas. Das andere Wort, φοβούμενοι, kommt im NT häufig vor, aber meistens im Sinne von 896 "fürchten" . Ein einziger Text spricht von einem "gottesfürchtigen Mann", dem Hauptmann Kornelius in Cäsarea (Apg 10,lf.22). Mangels Belegen über "Gottesfürchtige" aus dem Gebiete Samariens in der Literatur, die sich auf die frühjüdische bzw. frühsama897 Titanische Zeit bezieht , ist der Schluss wohl zulässig, dass die JHWH-gläubigen Samarier nicht als "Gottesfürchtige" bezeichnet worden sind. Das NT bestätigt Josephus' Terminologie insofern, als es einige Male von "Samar." spricht und diese auch nicht mit anderen Namen oder Epitheta versieht (vgl. zu Ant 9,290 Exkurs F). Diesen Ausführungen über eventuelle Bezeichnungen der SRG und der anderen Samarier sind keine klaren Ergebnisse zu entnehmen. Die Absicht bestand auch nur darin, einige Namen bzw. Bezeichnungen von Menschengruppen Palästinas im Hinblick auf Bewohner Samariens in Erwägung zu ziehen.

3. Ausblick

Hier werden innerhalb"zweier Abschnitte einige "Stichwörter" herangezogen, die uE. hinsichtlich der terminologischen Frage bzw. unserer Hauptthese, dass zwischen Samaritanern und Samariern zu differenzieren sei, relevant sind. Die folgenden Aus-

895) Apg 13,43.50; 16,14; 17,4.17; 18,7.13; 19,27. Ausserhalb Apg kommt σέβομαι, bzw. das Substantiv nur noch in Mt 15,9 = Mk 7,7 vor, wo es "ehren" bedeutet; vgl. Aland, Konkordanz zum NT I./2, 1200. 896) Vgl. Aland, aaO. 1312f. 897) Aus dem Vorkommen des im Alten Testament häufigen Terminus' Π1ΓΡ KT> (vgl. Köhler/Baumgartner, Lexicon 399f) kann nie auf "Gottesfürchtige" im Sinne von Anm. 893 geschlossen werden. Auch die besonders in Sir öfters vorkommende Bezeichnung b φοβούμενος τόν θεόν (vgl. Wahl, Clavis 491) ist für unsere Fragestellung nicht ergiebig. - Zur diesbezüglichen rabbinischen Terminologie bzw. zu "Proselyten" vgl. Schürer, aaO. III. 175-188.

335 führungen können bestenfalls als Anregungen zur Weiterarbeit verstanden werden, denn hinter jedem "Stichwort" steht eine Thematik und Problematik, die eine eigene eingehende Untersuchung * j .898 erforderte 3.1 Samariens Bewohner von 67n. bis ins 2. Jh. 3.1.1 Die Zäsur des Jahres 67n. Der antirömische Aufstand der Samaritaner, bei dem durch das Eingreifen des Cerealius 11'600 Personen auf dem Garizim getötet worden sind (vgl. zu Bell 3,307-315), brachte wohl beinahe das Ende der SRG mit sich. Diese dürfte darnach dermassen geschwächt gewesen sein, dass die Zeit einiger Generationen vergehen musste, bis ihr Fortbestand wieder gesichert war und sie fähig war, ihr religiöses Erbe nicht nur zu pflegen, sondern auch zu fördern. Vielleicht ist hier der Hauptgrund zu suchen, weshalb von den Samaritanern in den ersten drei Jahrhunderten unserer Zeitrechnung keinerlei (sicher datierbare) schriftliche Quellen vorhanden sind. Dass eine - zahlenmässig - dermassen zusammengeschrumpfte Gemeinschaft keinen politischen Einfluss hatte, ja wahrscheinlich um ihr nacktes Ueberleben kämpfen musste, liegt auf der Hand. 3.1.2 Samarier/Chuthäer bis ins 2. Jh. hinein Mit den umgekommenen 11'600 Angehörigen der SRG im Jahre 67n. waren längst nicht alle Bewohner Samariens ausgerottet. Jene, die nichts mit der SRG zu tun hatten, aber auch solche, die eine lockere Beziehung zum Garizim pflegten, besiedelten weiterhin die Ortschaften Samariens. Ungefähr 72n. gründete Vespasian bei (der zerstörten Stadt) Sichern die neue Stadt Flavia Neapolis 899 . Damit hatte die Region zwei Städte: Die von Herodes d.Gr. erbaute Stadt Sebaste (früher "Samaria") und Flavia Neapolis. Für viele Bewohner Samariens dürfte die erstgenannte mit ihrem prächtigen (heidnischen) Tempel ein besonderer Anziehungspunkt

898) Für detailliertere Angaben dieser hier angeschnittenen Epochen sei auf die traditionsgeschichtliche Studie von Kippenberg, vor allem 94-113, hingewiesen. 899) Vgl. Bell 4,449 und Kippenberg 96.

336

gewesen sein. Die einen pflegten wohl engen Kontakt ευ ihr und zum herodianischen Tempel, andere mögen sich von diesem Ort bzw. Kultort durchaus ferngehalten haben. Vielleicht liegt in dieser Bevölkerungskonstellation Samariens die Ursache für die anscheinend selbstverständliche Identifikation der wenigen noch übriggebliebenen Samaritaner mit den sich - teilweise - auch zum Garizim bekennenden Chuthäern. 3.1.3 Zur Zeit Kaiser Hadrians Kaiser Hadrian (117 - 138n.) errichtete auf dem Garizim einen heidnischen Tempel^0^. Zu seiner Zeit ist "Neapolis mit seinem heidnischen Garizim-Kult (...) in der Tat streng von der sama901 Titanischen Gemeinde zu unterscheiden" . Die Tatsache, dass in der ersten Hälfte des 2. Jh's n. auf dem den Samaritanern heiligen Berg Garizim ein heidnischer Tempel gegründet wurde 902 , veranlasst uns zu folgenden Fragen: Ist Hadrian von sich aus auf die Idee gekommen, ausgerechnet auf dem Garizim einen Zeus-Tempel zu erstellen? Oder haben ihn die (im Vergleich zu den dezimierten Samaritanern bedeutend einflussreicheren) Samarier/Chuthäer dazu angehalten? Hat die Situation zur Zeit Hadrians in etwa derjenigen des 2. Jh's v. geglichen, als Nichtsamaritaner (Sidonier) das Sagen "am Garizim" hatten? - Die im Jahre 67n. beinahe ausgerottete SRG hatte sich bis zur Zeit Hadrians wohl noch nicht so erholt, dass sie zum Bau des Tempels Stellung nehmen bzw. ihre Meinung durchsetzen konnte. Ihre Helden oder Märtyrer (des Jahres 67n.) waren damals aber wohl noch nicht der Vergessenheit preisgegeben: Sie starben auf ihrem heiligen Berg, weil sie die römische Besatzungsmacht verabscheuten. Hätten die Leute der SRG 60 - 70 Jahre später Kaiser Hadrian also in die Hände spielen können? UE. ist das nicht anzunehmen. Das Argument, durch römerfreundliches Verhalten hätten die Sama900) Dieser Tempel bestand bis in die 2. Hälfte des 4. Jh's und war Zeus Olympios geweiht; vgl. Kippenberg 102-104. 901) Ebd. 97; auch Avi-Yonah, Geschichte 40.78, betont den Unterschied. 902) Hadrian errichtete auch in Sepphoris (Galiläa) und in Tiberias am See Gennesaret je einen heidnischen Tempel; vgl. Schäfer, Geschichte 161f.

337 ritaner ein erneutes Blutbad (wie jenes im Jahre 67n.) verhindern wollen, scheint uns unangebracht zu sein. (In ihm verbirgt sich wahrscheinlich die Voreingenommenheit, die Samaritaner hätten den Zeus-Kult auf dem Garizim mühelos akzeptiert bzw. sie seien Synkretisten gewesen.) Wenn die - noch immer geschwächten - Samaritaner Hadrian keinesfalls unterstützt haben, so sind es wohl andere Bewohner Samariens gewesen, denen der Garizim auch 90 3 etwas bedeutet hat. BerR 64,10 teilt mit, die D T I O hätten Einfluss auf Hadrian gehabt, sodass dieser sein den Juden gegebenes Versprechen zum Tempelbau in Jerusalem rückgängig machte. Ob diese Mitteilung historisch zutrifft oder nicht, ist uns we904 niger wichtig . Die offenbar einflussreichen "Chuthäer" können wir jedoch nur als Samarier deuten. Wenn die jüdischen Texte über die sogenannte hadrianische Verfolgung historisch Richtiges beinhalten, dann hätten Hadrians Massnahmen jedenfalls 905 auch die Samaritaner betroffen : Der Aufstand der Juden gegen Hadrian sei wahrscheinlich nur im Gebiet Judäas bzw. im Gebiet "um Judäa" (so Schäfer) ausgebrochen.906 Eventuell seien einige Teile Samariens mitbetroffen gewesen . Hat es sich vielleicht um jene Gebiete gehandelt, die von Samaritanern bewohnt waren?

903) Text: Midrasch Rabba: BerR (Bd. 2) der Ausgabe Halevy. 904) Der Barnabasbrief (16,4) spricht vom (Jerusalemer-)Tempel, den die Feinde niedergerissen hätten. Dann fügt er hinzu: "Jetzt sollen ebenfalls die Diener der Feinde ihn wieder aufbauen" (Text: Wengst, Schriften 185). Wengst schreibt in der Einleitung zu Barn (114f): Die Annahme, Hadrian habe den Juden versprochen, ihren Tempel wieder aufzurichten, sei unwahrscheinlich. Barn 16,4 beziehe sich auf den "Bau des römischen Jupitertempels an der Stelle und aus den Trümmern des jüdischen Tempels in Jerusalem, den Hadrian im Jahre 130 befahl". Zur Angabe, die für unsere Thematik interessant sein könnte, wer die "Diener der Feinde" sind, äussert sich Wengst nicht. In Anlehnung an BerR 64,10 stellt sich die Frage, ob mit "Dienern" (der Römer) eventuell die Chuthäer gemeint sein könnten. 905) Zu den "Massnahmen" Hadrians gehörte folgendes: Es bestand Gefahr, wenn der Sabbat eingehalten und die Beschneidung ausgeübt wurde, wenn Mesusot aufgehängt und Tefiiiin getragen wurden; vgl. Schäfer, Bar Kokhba-Aufstand 194-235. 906) Vgl. ebd. 134f.

338

3.1.31 Der "Aschema"-Kult Die Meinung, die Samaritaner hätten eine gewisse Zeitlang eine Darstellung einer Taube (namens Aschema) verehrt und ihr ge907 opfert, kursiert in verschiedenen Abhandlungen über sie . Doch daran dürfte genau so viel wahr sein wie an den Verleumdungsgeschichten, die den Juden die Verehrung eines Eselskopfes im Jerusalemer-Heiligtum (vgl. Ap 2,79-88) oder die sich angeblich jährlich wiederholende Mästerei und Tötung eines Griechen in ihrem Tempel (vgl. Ap 2,89-96) zur Last legen. Doch woher stammt die Behauptung, die Samaritaner hätten einen "Taubenkult" praktiziert? Die samaritanischen Chroniken IV. und VI. berichten von einem "ehernen Vogel", den die Römer auf dem Garizim aufgestellt hätten. Er soll ein Wundertier gewesen sein, das jeden Samaritaner, der sich dem Berggipfel nähern wollte, der römischen Bewachung durch den Ruf "Hebräer!" verraten habe 908 . Das früheste jüdische Zeugnis für den angeblichen Taubenkult enthält bHul 6a909 . R. 910 Meir, ein Schüler R. Akibas (2. Jh.n.) , wird in diesem Zusammenhang genannt. Der Bericht der beiden samaritanischen Chroniken bezieht sich uE. ebenfalls auf das 2. Jh.n.: Auf dem Garizim könnte sich damals ein römisches Militärlager befunden haben911 und die Besteigung des Berges könnte den Samaritanern verboten worden sein912 . Wenn der "eherne Vogel" bzw. das "Bild einer

907) Doch gibt es auch Forscher, die die SRG von diesem "Taubenkult" abheben; vgl. zB. Jeremias, Passahfeier 59f; Geiger, Differenzen 527. 908) Vgl. Juynboll (Chronik IV.), aaO. Kap. 48-50; Vilmar (Chronik VI.), aaO. 139-143. 909) Es heisst: Auf der Spitze des Garizimberges habe man eine nm1' m m gefunden, die von den ΟΤιΌ angebetet worden sei C p T m y ITlffl). - Spätere jüdische Traditionen berichten, Johannes Hyrkanus habe das Bild einer Taube, Symbol von "Aschema", gefunden; vgl. Fossum, Traditions 159. 910) Vgl. Barthélémy, Symmaque 457. 911) Schon um 50v. hat wahrscheinlich ein solches auf dem Berg bestanden; vgl. Ant 14,100 und vgl. zu Ant 18,85.88 Anm. 410. 912) Jeremias, aaO. 60, betrachtet es als möglich, dass die Samaritaner im 2. und 3. Jh. nicht auf den Garizim hinaufgehen durften.

339 Taube" der Adler einer römischen Truppe gewesen wäre und die Samaritaner damals nicht auf ihren heiligen Berg gehen durften, würde sich das Thema "Taubenkult" als belanglos entpuppen. Die Analysen jener Texte, die über Samaritaner handeln, haben - wenigstens punktuell - ergeben, dass den Leuten der SRG die Treue zu ihrer Ueberlieferung wichtig war (vgl. v.a. zu Ant 18, 85-89 und zu Bell 3,307-315). Deshalb und aufgrund der bereits (unter 3.1.3) gemachten Ausführungen sind wir nicht imstande, die Samaritaner des 2. Jh's n. als (freiwillige) Tauben- bzw. 913 Vogelanbeter zu verdächtigen . Sofern die Behauptung eines Taubenkultes der "Chuthäer" jüdischerseits nicht nur auf einem Missverständnis beruht (weil auf dem der SRG heiligen Berg ein Vogel [der römische Adler] aufgestellt wurde, hätten die Samaritaner diesen dort angebetet) oder nicht nur antichuthäische Polemik sein sollte, wäre zu fragen, welche Menschen denn ein Kultbild eines Vogels auf dem Garizim verehrt haben könnten. Wir denken an jene Bewohner Samariens, welche möglicherweise Hadrian zu einem Tempelbau auf dem Garizim motiviert haben. Es muss sich wohl um Leute handeln, denen der Garizim als Kultort etwas bedeutete und die zu den Römern ein freundschaftliches Verhältnis hatten: Wir nehmen an, dass es Garizim-orientierte Chuthäer bzw. 914 Samarier waren

. Sie, von denen Ant 9,290 schreibt, ihre (son-

derbaren) Bräuche hielten "auch jetzt noch" an, waren zur Idolatrie o.a. wohl fähig.

913) Ishak, aaO. 35, führt den Vorwurf des Taubenkultes an die Adresse der Samaritaner auf Esra zurück und lehnt ihn gleichzeitig vehement ab. Vgl. auch Schürer, aaO. II. 23 Anm. 61. 914) Vielleicht ist an Mitglieder einer sogenannten samaritanischen Sekte (zB. an die Dositheaner) zu denken. (UE. waren die "Dositheaner" nicht unbedingt "Samaritaner", sondern gehörten möglicherweise zu jenen Samariern, die den Garizim - in Abhebung zum "Feind Jerusalem" - als Kultort betrachteten und einige samaritanische Bräuche übernommen hatten. Die samaritanische Chronik VII. berichtet, zur Zeit des Simon Magus habe es "Sekten von den Männern des Dosis" [D">DTT "ΊΐΗΚΗ DV"IB] gegeben und verflucht den Namen "Dosis"; vgl. Adler-Seligsohn, aaO. 70; vgl. ebd. 37. Chronik VI., vgl. Abulfathi, aaO. 82f, erwähnt Bräuche der Dositheaner, die von der SRG abweichen; vgl. Kippenberg 129f. Zu den Dositheanern im allgemeinen vgl. ebd. 128-137 und Isser, aaO. [vgl. zu Ant 13,74.75 Anm. 247].)

340 Falls Idolatrie praktiziert wurde, wäre zu fragen, ob es sich beim Vogel bzw. bei der Taube um eine Darstellung von "Aschema" handelte - einer Gottheit, die (ursprünglich) in Syrien verehrt wurde (vgl. 2Kön 17,30 und zu Ant 11,114.117 Exkurs A). Fossum hat zum Vorkommen des Namens "Aschema" verschiedene Erklärungs915 versuche vorgelegt : - Der Name könnte auf 2Kön 17,30 zurückzuführen sein (Leute aus Hamat verehrten "Aschima"). - Er könnte mit Am 8,14 in Zusammenhang stehen (Leute, die •p-lDtif nntifKS schwörten) . - Er wäre auch als Aequivalent zu ött/Π (=Π0!ίί) zu verstehen916 - Die Juden in Elephantine hätten eine (männliche) Gottheit namens Aschembetel gekannt und verehrt917 - Aschema sei eine syrische Göttin gewesen918 Die letzte Erklärung scheint uns wichtig zu sein: Wir finden "Aschema" als Gottesnamen in 2Kön 17,30 und in den Papyri von Elephantine} auch in Am 8,14 ist wohl diese Gottheit gemeint. Nun bezeugen Xenophon, Diodor und Lucian, dass die Taube den 919 Syrern ein Symbol der Verehrung gewesen sei . Weil in rabbinischen Quellen die Taube mit dem Namen Aschema verknüpft wird, könnte also angenommen werden, die syrische Gottheit sei als Taube dargestellt worden; beim "Taubenkult" auf dem Garizim

915) Vgl. aaO. 144-151. 916) Der samaritanisehe Priester Ishak erklärt, dass das Tetragramm, das die Juden als "Adonai" lesen, von den Samaritanern als "Shimeh" ausgesprochen werde; vgl. History 35. Diese Erklärung ist aber wohl gegeben worden, weil sich die Samaritaner einmal mehr (vgl. ihre Erklärung zum Namen "Chuthäer" im "Stand der Forschung" 3) veranlasst sahen, eine Interpretation zu etwas äussern zu müssen, mit dem sie eigentlich nichts zu tun hatten. - Dennoch ist die samaritanische Erklärung in unserem Zusammenhang interessant. 917) Lagrange interpretiert "Aschembetel" als den deifizierten Neunen Dtif. Albright schreibt, DtííK komme im Sinne von "Name" in aramäischen Inschriften vor; vgl. Fossum, aaO. 155. Vgl. auch zu Ant 11,114.117 Exkurs A. 918) Bei syrischen Gottheiten sei das Geschlecht jedoch oftmals gewechselt worden; vgl. Fossum, aaO. 153. Der Name der Gott heit Aschema habe in Inschriften die Form "Sima", "Sime" u. vgl. ebd. 147. 919) Vgl. Babylonischer Talmud (Ausgabe: Goldschmidt) zu bHul 6a Anm. 118.

341 hätte es sich dann um die Verehrung Aschemas gehandelt. Die Frage nach den Menschen, die einen solchen Kult praktizierten, hiesse demnach: Haben Syrer auf dem Garizim Aschema (in Form einer Taube) verehrt? Oder anders gefragt: Wer waren die "Chuthäer" des 2. Jh's n.? Seit der Makkabäerzeit (dh. seit der Zeit, als der Garizim-Tempel von Sidoniern und eventuell anderen Nichtsamaritanern beherrscht wurde; vgl. zu Ant 12,258-262) bis zur Zeit Hadrians sind keinerlei Anzeichen vorhanden, die auf irgendwelchen Götzen920 dienst seitens der Samaritaner hindeuteten . Genau jetzt, als der heidnische Tempel auf dem Berg errichtet ist, spricht eine jüdische Quelle von Taubenkult. Liegt es - aufgrund dieser uE. interessanten Feststellung - nicht nahe, die Taubenkult-Anhänger als Synkretisten zu deuten? Wenn man Kippenberg folgen will - er spricht bedenkenlos vom synkretistischen Kult am hadriani921 sehen Tempel auf dem Garizim - stellt sich die Frage nach den Menschen erneut, die einen Taubenkult praktiziert haben könnten. Für eine (geringe) Schar Ausländer ist der Tempel ja wohl nicht - und ausgerechnet auf dem Garizim - errichtet worden. Darum drängen sich die Samarier/Chuthäer uE. geradezu auf: Ein allfälliger Taubenkult ist wohl auf ihr Konto zu buchen. Die jüdische Behauptung, auf dem Garizim sei ein solcher Kult betrieben worden, wäre dann nicht gegenstandslos. 3.1.32 Unsicherheit der Tannaiten bezüglich der Herkunft der Chuthäer Innerhalb der Textanalyse (vgl. zu Ant 9,290 Exkurs F) haben wir darauf aufmerksam gemacht, dass die Rabbinen bzw. Juden des Früh-

920) Die Bezeichnung DT'DV (=m>iD1 D O D I 3 Ή ΐ ΐ ν ) - "Götzendiener" - ist für die Samaritaner nicht nachweisbar; vgl. die Stellen bei Levy, Wörterbuch III. 646 und Jastrow, Dictionary II. 1078. Deren Bedeutung in den angegebenen Stellen ist einfach "Nichtjude". Strack, Einleitung 54 Anm. 1, schreibt, dass Di"3V in den Hss und zensurfreien Ausgaben der Mischna und der Talmudim überhaupt nicht vorkomme; die Bezeichnung sei lediglich eine "Erfindung der Zensur". Auch Schürer, aaO. II. 23, betont, dass die Samaritaner nirgends als Götzendiener (DT'DV) behandelt würden. Vgl. auch zu Ant 9,290 Exkurs F Anm. 554. 921) Vgl. 142 Anm. 264.

342 judentums und der sogenannten rabbinischen Epoche oft geradezu gegenteilige Meinungen über die Chuthäer äusserten, weil ihnen die Herkunft dieser Leute möglicherweise "schleierhaft" war. UE. bestätigt eine Mischna diese Sicht in klarster Form: mQid IV.,3. Hier werden diejenigen aufgezählt, die nicht in die Gemeinde/versammlung (>ΠΡ) (sc. der Juden) kommen, wohl aber untereinander heiraten dürfen. Zu den "Zweifelhaften" (mp-'BD) gehören: Der Verschwiegene ( V n t í í ) , der Findling CS1DK) und der T H D . Die Definition der beiden erstgenannten ist in mQid IV.,2: Der "Verschwiegene" kennt zwar seine Mutter, nicht aber seinen Vater; der "Findling" kennt weder Mutter noch Vater - er wurde auf der Strasse gefunden. - Der "Chuthäer" wird diesen beiden insofern gleichgestellt, als auch er zu den "Zweifelhaften" (nämlich be922 züglich seiner Abstammung/Herkunft) gezählt wird . Indirekt wird hier zugegeben, dass man im 2. Jh.n. nicht sicher war, woher bzw. von wem die Chuthäer (ab-)stammten. Gewisse widersprüchliche rabbinische Aussagen (die die einen Chuthäer als bessere Gesetzesbeobachter als die Juden loben, andere hingegen allerlei gesetzlicher Mängel beschuldigen; vgl. zB. bQid 76a) dürften also auf die damals offenbar "zweifelhafte" Kenntnis über die Herkunft bzw. Abstammung der "Chuthäer" zurückzuführen sein. 3.2 SRG und Chuthäer bis ins 6. Jh. hinein Wir möchten die Unterscheidung "SRG" und "Samarier/Chuthäer" bis zum Beginn der islamischen Zeit aufrecht erhalten. Diese Hypothese wird Widerspruch ernten. Wir glauben jedoch, dass schon im 2. Jh.n. (s. oben) wie auch noch später - einiges für sie spricht. 3.2.1 Die Wiedergeburt der SRG im 4. Jh. Das 4. Jh.n. brachte der SRG eine entscheidende Wende, einen schöpferischen Durchbruch. Baba Rabba, der grosse samaritanische Führer des 4. Jh's n., strukturierte die samaritanische Gemeinschaft neu, eröffnete alte Synagogen wieder und baute neue hinzu. Er regelte auch den Gottesdienst: Zu seiner Zeit entstand der Grundstock des sogenannten Defters (von διφθέρα = Buch),

922) Vgl. so auch Greenwood, Hope 383.

343 das corpus liturgicum der Samaritaner. Es enthält u.a. Hymnen von Amram und von dessen Sohn Marqa. Letzterem (2. Hälfte des 4. Jh's) wird der "Mêmar", ein Thesaurus der samaritanischen 923 Traditionen usw., zugeschrieben . Für die SRG war mit dem 4. Jh. "das goldene Zeitalter" angebrochen; es war eine "Atempause 924 zwischen den heidnischen und christlichen Cäsaren" . Die literarischen Zeugen von damals belegen die streng monotheistische Ausrichtung der Samaritaner. Von Synkretismus, Idolatrie oder Einführung heidnischer Bräuche ist keine Spur vorhanden. Offenbar blieb die SRG, nachdem sie die schweren Zeiten des 1. und 2. Jh's n. überstanden hatte, ihrer religiösen Ueberlieferung treu. 3.2.2 Die "Kantäer" (5. Jh.) Soweit wir sehen, ist der Beitrag von Schaeder über eine Sekte 925 namens "Kantäer" in der Forschung über Samaritaner noch nie beachtet worden. Wir sind der Ansicht, es sei wichtig, ihn hier heranzuziehen. Der Autor, Schaeder, beruft sich auf das "Scholienbuch" des christlichen Schriftstellers der frühislamischen Zeit, Theodor bar Konai (8. Jh.) sowie auf mittelalterliche Quellen. (Die folgenden Zahlen in Klammer verweisen auf die Seiten des Beitrages von Schaeder.) Die Kantäer seien eine ältere Sekte als die Mandäer; von den 9 26 ersteren seien die Dostäer beeinflusst, ja abhängig. Die Chaldäer hätten die Sekte der Kantäer nach Nergal benannt, weil der Kult der Kantäer auf der Verehrung des Goliath beruhe. "Goliath" sei von den Chaldäern mit Nergal identifiziert worden (293.296). Zur Zeit des Kaiser Zenon (476 - 491n.) seien Kantäer und Dostäer in Persien aufgetreten (295) . Zur selben Zeit sei ein Mann namens Papa Oberhaupt der Kantäer gewesen (293.295).

923) Zu Baba Rabba, Amram und Marqa vgl. Kippenberg 162f.l67169 und die von ihm zitierte Literatur. 924) Ebd. 170. 925) "Die Kantäer", in: Die Welt des Orients I., Stuttgart 1949, 288-298. 926) Die Dostäer würden u.a. "Mandäer" und "Maschkenäer" genannt; letzterer Name gehe auf die Bezeichnung ihrer Gotteshäuser (masknä = miskàn) zurück (292-294) .

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Schaeder deutet sicher richtig, dass "Dostäer" von "Dostai" kommt und "in aramäischer Wiedergabe der Name des samaritanischen Sektenstifters Dositheos" (295) sei. Also dürften die Dostäer die Anhänger des Dositheus gewesen sein. In den "Kantäern" erkennt Schaeder die "Chuthäer": "knty: kantiyë" lasse sich leicht als Verschreibung aus "kwty': kûtâyë" verstehen (295). - Wir über927 nehmen die Interpretation der "Kantäer" als "Chuthäer" bedenkenlos. Wichtig aus Schaeders Beitrag ist uns folgendes: Noch in frühislamischer Zeit wird von "Chuthäern" (des 5. Jh's) gesprochen; sie werden im Scholienbuch von Theodor bar Konai jedoch nicht (ausdrücklich) mit dem Garizim, wohl aber mit Nergal, in Verbindung gebracht. Wäre es möglich, die Chuthäer des 4. und 5. Jh's als Verehrer des Goliath bzw. des Nergal zu bezeichnen, wenn die damaligen Chuthäer - schon seit Jahrhunderten den monotheistisch ausgerichteten Kult der Samaritaner praktiziert hätten? Hat Theodor bar Konai bzw. seine Quelle gegen die Chuthäer polemisiert, indem er sie des Götzendienstes beschuldigen wollte*"?

Es stellt sich also im 5. Jh. immer noch dieselbe Frage wie wir sie schon im Kapitel über das 2. Jh. (vgl. zu 3.1.3) formuliert haben: Wer waren die Leute, die am hadrianischen Tempel auf dem Garizim ihren Kult ausübten bzw. was geschah mit diesen Menschen, 929 als sie im 5. Jh. keinen Garizim-Tempel mehr hatten ? Wenn der heidnische bzw. synkretistische Kult in der zweiten Hälfte des 4. Jh's verschwand, ist folgende Erwägung in Betracht zu ziehen: Könnten sich die Kantäer bzw. Chuthäer des ausgehenden 4. und des 5. Jh's (die wir als Synkretisten am Garizim-Heiligtum des 2.-4. Jh's betrachten) nicht - sukzessive? - vom Garizim ge-

927) Der zusätzliche Konsonant (n) stammt wahrscheinlich aus der griechischen Form Χουνθα^ vgl. LXX 2Kön 17,24 (Orígenes schreibt Χουθα; Lucian Χωθα). 928) Zu "Nergal" vgl. 2Kön 17,30: Die Leute aus Chutha stellten (ein Bild des) Nergal her. Vgl. auch "Stand der Forschung" 3. 929) Kippenberg 103 schreibt, der Garizim-Tempel habe in der zweiten Hälfte des 4. Jh's "ein Ende" gefunden.

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löst haben

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phisch stark ausgebreitet hat (Synagogenbauten) und - etwa zur gleichen Zeit - der Kult am heidnischen Hadrianstempel auf dem Garizim zu Ende ging, könnte es wohl zutreffen, dass die Chuthäer/Samarier damals in einer verzwickten Lage waren. Vielleicht hat Theodor bar Konai recht, wenn er schreibt, zur Zeit des Kaiser Zenon seien Kantäer und Dostäer in Persien aufgetreten. Wenn die Angaben des christlichen Schriftstellers der frühislamischen Zeit nicht als Polemik abgetan werden, sind sie vielleicht eine Hilfe zur Klärung der Identität der Bewohner Samariens im . /c T. 931 4./5. Jh. 3.2.3 Aufstände der Samar, im 5. und 6. Jh. Revolten der Samar, fanden Ende des 5. und im ersten Drittel des 9 32 6. Jh's statt . Zur Zeit des Kaisers Zenon sollen die Samar, die Herrschaft in Palästina an sich gerissen haben. Einer von ihnen habe viele Christen ermordet und eine Kirche verbrannt. Die samaritanische Chronik VII. berichtet, Zenon habe befohlen, die Samaritaner müssten sich zum Christentum bekehren; wer sich nicht bekehren lasse, müsse sterben 933 Beim Aufstand von 529/530 934 sollen sozio-ökonomische Momente

930) Zu einer Loslösung vom heiligen Berg sollen im 4. Jh. die "dositheanischen Sekten" tendiert haben; vgl. Kippenberg 136f. - Vielleicht liegt hier der Grund, weshalb Theodor bar Konai die Kantäer und Dostäer nicht mit dem Garizim in Verbindung bringt. 931) Die Angabe, im 5. Jh. sei "Papa" Oberhaupt der Kantäer gewesen, zeigt uE. nur auf, dass ein bedeutender Bewohner Samariens, der die SRG im 4. Jh. anführte, mit den Kantäern in Beziehung gebracht wurde, weil auch diese Garizim-orientiert waren; zudem sind die Kantäer bzw. Chuthäer bis zum Ende des heidnischen Garizim-Tempels wahrscheinlich bekannter gewesen als die SRG es damals war. 932) Unter Kaiser Zenon im Jahre 484, unter Kaiser Anastasius (491-518) und unter Kaiser Justinian (529/30); vgl. Heyer, Kirchengeschichte 30. Ueber den Ausbruch des zweitgenannten Aufstandes fehlen präzise Informationen; vgl. Avi-Yonah, Revolts 130-132. 933) Vgl. Adler-Seligsohn, aaO. 75. 934) Zu diesem Aufstand vgl. v.a. Winkler, Samariter 435-457 und Avi-Yonah, Geschichte 242-245.

346

eine besondere Rolle gespielt haben. Grossgrundbesitzer und die Senatorenaristokratie seien mit der Regierung Justinians unzufrieden gewesen. Das Gesetz Justinians zur Zwangsbekehrung der Häretiker habe bei den Samar., die in Cäsarea und in einigen anderen Städten lebten, Konversionen (zum Christentum) nach sich gezogen. Ein Grossteil der städtischen Bevölkerung hielt es "für töricht, sich wegen eines unsinnigen Glaubenssatzes Verfolgungen auszusetzen. Die Leute nannten sich nach aussen hin 'Christen' und vermochten dadurch der Härte des Gesetzes zu entrinnen. Alle, die Verstand und Tatsachensinn hatten, fanden es durchaus nicht 935 entwürdigend, dem neuen Kult Treue zu geloben..." . Anders habe die samar. Landbevölkerung reagiert: Mit der Waffe in der Hand habe sie Widerstand geleistet; 936 in einer grossen Schlacht sei sie schliesslich geschlagen worden . - Zweierlei Haltungen sind also festzustellen. Der Widerstand der Landbevölkerung erinnert etwas an jenen, den Josephus in Bell 3,307-315 geschildert hat: Da wie dort sind Menschen hartnäckig und bereit, ihre Freiheit zu verteidigen und den Preis dafür mit ihrem Leben zu bezahlen. Warum aber hat die Landbevölkerung Samariens nicht auch - wie der grosse Teil der städtischen Bevölkerung - das einfachere Los gewählt? Hat sich erstere etwa ethnisch und/oder religiös von den Einwohnern samarischer Städte unterschieden? Winkler schreibt, die Hauptorte der Aufständischen seien Cäsarea, Skythopolis und Neapolis gewesen. In diesen Städten hätten sich Christen und Samar, erbitterte Kämpfe geliefert; Auslöser dieser gegenseitigen hasserfüllten Aktivitäten sei der Fanatismus der Christen gewesen. Die Samar, seien in Neapolis eingedrungen und 937 hätten den dortigen Bischof getötet . - Nach der um 569 entstandenen Kompilation "Historia Miscella" haben sich die Samar, wahrscheinlich darum stark gefühlt, weil sie sich auf die von Zeit zu Zeit das Römerreich angreifenden Perser verlassen haben 9 38. Doch die aufständischen Samar, der Städte Cäsarea und Sky-

935) Prokopius, Anekdota; zitiert in Winkler, aaO. 438. 936) Vgl. Winkler, aaO. 437f. 937) Vgl. Winkler, aaO. 439f.448. 938) Die "Historia Miscella" verbinden die Samar, mit (ihrer Ansiedlung aus) Assyrien. Darum seien sie auf der Seite der Perser gewesen; vgl. Winkler, aaO. 4 51.

347 thopolis müssen nicht unbedingt oder ausschliesslich Mitglieder 939 der SRG gewesen sein . Es könnte sich bei ihnen zB. um Leute aus Samarien gehandelt haben, deren Vorfahren sich Ende des 4. Jh's in Städte abgesetzt haben, weil der (heidnische) GarizimTempel damals zerstört worden und weil die SRG im 4. Jh. erstarkt war. Auch Nichtsamaritaner aus dem Gebiet Samarien hätten Gründe haben können, gegen die Christianisierung zu protestieren. In Neapolis allerdings vermuten wir eine gemischte Einwohnerschaft: Samaritaner und Nichtsamaritaner (v.a. Christen). Die ersteren dürften für die Ermordung des Bischofs in dieser Stadt verantwortlich sein; wahrscheinlich haben sie - zusammen mit ihren Religionsgenossen aus der Landbevölkerung - diese Tat verübt. Vom Aufstand der Samar, von 529/530 direkt betroffen gewesen sei das ganze Gebiet von Skythopolis bis Cäsarea am Meer. Dieses Gebiet liegt allerdings im nördlichen Teil Samariens. Lebten hier ausschliesslich Samaritaner? Die Folgen des Aufstandes schildert Kyrillos, dessen Bericht 940 als erstrangige Quelle gelten dürfte : Die Samar, hätten Kirchen und Heiligtümer zerstört; auch die Kirche von Bethlehem sei durch Feuersbrunst beschädigt worden. Die Täter seien sogar bis vor die Stadt Jerusalem gelangt. Nach und nach hätten sie sich jedoch gefürchtet und seien geflohen: Die einen (angeblich 50'000) seien zu den Persern, andere auf den Garizim oder in 941 . - Ob die Massenflucht

die Höhlen der Trachonitis geflohen

zu den Persern historische Tatsache war, bleibt unsicher. Eventuell werden die Perser nur darum als Fluchtziel erwähnt, weil die Bewohner Samariens von Nichtsamariern noch im 6. Jh. als einstige Siedler der Perser gegolten haben. Anderseits waren die Perser damals die Grossmacht im Osten und die potentiellen Feinde der Byzantiner 942 . Darum liegt es wohl im Bereich des Mögli-

939) Wir bezweifeln die Annahme von Avi-Yonah, Geschichte 251, dass die "städtischen Massen" in Cäsarea Samaritaner gewesen sind. Dass viele "Samarier", und durchaus auch Samaritaner, dort gelebt haben, ist uE. wahrscheinlicher. 940) Vgl. Winkler, aaO. 436. 941) Vgl. ebd. 443f. 942) Erstere fielen 614 in Palästina ein; "Juden und Samaritaner begrüssten sie stürmisch", schreibt Heyer, aaO. 99.

348 chen, dass Samar, zu den Persern geflohen sind 943 . Die Angaben des Kyrillos könnten so interpretiert werden, dass viele aufständische Samarier zu den Persern (und einige in die Trachonitis), die Samaritaner jedoch auf ihren heiligen Berg geflohen seien. Bei jenen Aufständischen, die sich auf dem Garizim in Schutz bringen wollten, wird es sich wohl grösstenteils um Leute gehandelt haben, die aus der Umgebung dieses Berges stammten und denen der Berg als Zufluchtsort etwas bedeutete (vgl. zu Bell 3, 307-315). Unsere Vermutung, bei der "Landbevölkerung" (die mit Waffen Widerstand gegen die Zwangschristianisierung leistete) habe es sich grösstenteils um Samaritaner, bei der städtischen Bevölkerung (die sich "nach aussen hin" zum Christentum bekannte) grösstenteils um Nichtsamaritaner gehandelt, resultiert aus folgenden Annahmen: - Wir siedeln die Mehrheit der SRG-Mitglieder im Landesinnern, dh. im weiteren Umkreis des Garizim, an 944 - Die Landbevölkerung setzte sich gegen einen Religionswechsel 945 zur Wehr und bezahlte dafür mit dem Leben . Ihr ist es offenbar - wenigstens auch - um die Treue zu ihrer eigenen religiösen Ueberlieferung gegangen. Diese Hartnäckigkeit erinnert an die beiden Ereignisse bei den Samaritanern, die sich im 1. Jh.n. abgespielt haben (vgl. zu Ant 18,85-89 und zu Bell 3,307315) . - Die Mitglieder der SRG haben aufgrund ihrer verhältnismässig kleinen Zahl wohl kaum zur "Oberschicht" des byzantinischen 946 Palästinas gehört - In Samarien haben in den ersten fünf Jahrhunderten unserer Zeitrechnung auch Leute gelebt, die nicht zur SRG gehört haben; min-

943) Winkler, aaO. 452, betrachtet die Flucht nach Persien als historisch. 944) Winkler, aaO. 453 - sich auf Montgomery, Samaritans Kap. 8 berufend - schreibt, die Samaritaner hätten innerhalb eines Radius' von 15-20km um Sichem/Neapolis gelebt. 945) Winkler betont mehrmals, dass das treibende Element des Widerstandes bei dieser lag; vgl. aaO. 4 37f.442.452.454.457. 946) Winkler, aaO. 454, schreibt, die besitzende Schicht, besonders die Städter, habe sich "schnellstens" zum Christentum bekehrt.

349

destens ein Teil von ihnen dürfte an synkretistischem Kultgeschehen teilgenommen haben (vgl. oben zu 3.1.3 und zu 3.2.2). Diese Synkretisten haben uE. gegen die Zwangschristianisierung keinen oder kaum Widerstand geleistet. Die aufständischen Samar, interpretieren wir sowohl als Samaritaner als auch als Samarier. Die ersteren stammten wohl zum grossen Teil "vom Lande", nicht aus den Städten (mit Ausnahme von Neapolis/Sichem). Den Nichtsamaritanern der städtischen Aufständischen ist es wahrscheinlich bedeutend mehr (als dem Landvolk) um die Eingrenzung der byzantinischen Macht gegangen, 947 um ihre eigene Stärke ausbauen zu können . Ob die Aufständischen der SRG "im Alleingang" Kirchen usw. zerstörten oder beschädigten, bezweifeln wir allerdings. Die Landbevölkerung sei mit der Ueberrumpelung einiger römischer 948 Garnisonen, mit Raub und Plünderungen beschäftigt gewesen Wir nehmen an, dass sich Samaritaner und Samarier gemeinsam wenn auch aus unterschiedlichen Motivationen - gegen die Christianisierung zur Wehr gesetzt haben; ähnlich haben sich im Jahre 556 Juden und Samar, in Cäsarea Maritima gemeinsam erhoben 949

947) Winkler, aaO. 457, spricht von "nationalen Bestrebungen" der oberen Schichten. Fünf Abgeordnete von ihnen hätten darüber mit dem persischen Grosskönig verhandelt; vgl. ebd. Anm. 2. 948) Vgl. Winkler, aaO. 452. 949) Vgl. Avi-Yonah, Revolts 132.

351

ANHANG

Historischer Raster mit Angabe von Texten, Personen und Stichwörtern Uebersicht über die samaritanischen Chroniken Josephus-Texte (Niese)

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