Der Bär. Illustrierte Wochenschrift für vaterländische Geschichte [23]

Table of contents :
volume
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contents
2. Januar 1897, No. 1
9. Januar 1897, No. 2
Friedrich der Große beim Austrocknen der Sümpfe
16. Januar 1897, No. 3
23. Januar 1897, No. 4
30. Januar 1897, No. 5
6. Februar 1897, No. 6
13. Februar 1897, No. 7
20. Februar 1897, No. 8
27. Februar 1897, No. 9
Das Kaufhaus Rudolph Hertzog nach seiner Erneuerung
6. März 1897, No. 10
13. März 1897, No. 11
Marine-Gedenkblatt
20. März 1897, No. 12
Kaiser Wilhelm-Medaillen der Berliner Medaillen-Münze
27. März 1897, No. 13
Gesamtansicht des [Kaiser-Wilhelm-Denkmals] in Berlin
3. April 1897, No. 14
10. April 1897, No. 15
17. April 1897, No. 16
24. April 1897, No. 17
1. Mai 1897, No. 18
Das neue Geschäftshaus der "Vossischen Zeitung"
8. Mai 1897, No. 19
15. Mai 1897, No. 20
22. Mai 1897, No. 21
Lageplan der Schmuckanlagen auf dem Dönhoff-Platz
29. Mai 1897, No. 22
5. Juni 1897, No. 23
12. Juni 1897, No. 24
19. Juni 1897, No. 25
26. Juni 1897, No. 26
3. Juli 1897, No. 27
10. Juli 1897, No. 28
17. Juli 1897, No. 29
Grundrisse des Erdgeschosses und des oberen Stockwerkes vom Königlichen Kammergericht im Jahre 1735
24. Juli 1897, No. 30
31. Juli 1897, No. 31
L Woli, Einzug der [Verbündeten in] Paris am 31. März 1814
7. August 1897, No. 32
14. August 1897, No. 33
21. August 1897, No. 34
28. August 1897, No. 35
4. September 1897, No. 36
11. September 1897, No. 37
St. Simeonskirche zu Berlin
18. September 1897, No. 38
25. September 1897, No. 39
2. Oktober 1897, No. 40
Fürst Bismarck in Berlin am 26. Januar 1894
9. Oktober 1897, No. 41
16. Oktober 1897, No. 42
Flucht des Grafen Zeppelin nach dem Ueberfall auf dem Schirlanhof (25. Juli 1870)
23. Oktober 1897, No. 43
30. Oktober 1897, No. 44
6. November 1897, No. 45
13. November 1897, No. 46
20. November 1897, No. 47
27. November 1897, No. 48
4. Dezember 1897, No. 49
11. Dezember 1897, No. 50
18. Dezember 1897, No. 51
25. Dezember 1897, No. 52

Citation preview

vorzüglich für die Geschichte der Woheuzolleon, der^Raiserftadt und der

Mark WvauöeuSuvy.

Brvliu

'


Türkensteuer

der

Kaiser Wilhelme I. Kaiser Wilhelm I., wie er zuerst aus Mollke aufmerksam Kaiser Wilhelms I. Wohlthätigkeit . . : .178 Kaiser Wilhelms I. zarte Rücksichtnahme 178 Kaiser Wilhelm aus dem täglichem Leben, 178 Kaiser Wilhelm 1. als studiosus juris . . 190 Kaiser Wilhelms I. Jugendbriefe 190 Kaiser Wilhelm 1. in Gastein und der pleifende Kaiser Wilhelm I. und sein ältester Rekrut 202 Kaiser Wilhelm 1. als Kaiser Wilhelm I. und Major von Gelieu 335 Kaiser Wilhelm I., Episode aus seinem

I,

.226

Sorte.810



418 Porzcllanzimmer im Schlosse zu Oranienburg 347 Graf von Posadowsky - Wchner, Staats4 43 jelretär des Innern Postillone als Siegesverkündiger 47 Der Prcmierlieutenant und sein Glauben 10 Eine preußische Niederlage Prinz Friedrich Karls Pom Prinzen Karl von Preußen . . . .371 Prinz, der sparsame, und der üppige Ehlers 526 Probesingen beim alten v Publikandum zur Steuerung des Kontrebandierens 46 Quantz, Johann Joachim Ravenssche Gcmälde-Gallcrie zu Berlin . 214 Rcchtssiudien und die juristische Prüfung 406 vor 100 Regiment, degradiertes, . . Reichsarmec vor 100 Jahren 46 Reichskokarde, 178 -Der Rheinwein und die Deutschen 515 . 262 v. Nichthofen, Freiherr Oswald Nillerakademien, zur Geschichte derselben . 154 Roßbacher Franzosen. 526 Sandsteinfiguren in der Kaiser Wilhclm119 323 Scharren-Zins der Stadt Berlin Schcpeler-Lctte, Frau Anna, 299 Schlechtes Schlittschuh, der älteste bekannte der Welt 598 . . Schmidt von Grctna-Grccn. . 34 'Berliner Schmoller, Pros, vr., Rektor der 538 Schneider, Hosrat, über die Verteilung der . Denkmünzen in . .. 371 .334 Schreibtisch und Werkstatt Seltsame Bittschrift an König Friedrich Wilhelm 239 Silges-Allee, Ausschmückung derselben 83, 131 179, 574 .

.

Seite

Rußland.166 Leutseligkeit.166 l. im Jahre 1817 auf

wurde.167

Sterbethaler des alten Stiefel-Erinnerungen aus dem Jahre 1807 586 Streusand, eine besondere . Teuselsbidel, sogenannte ... . „479

.



Reise nach

Fritz.226

Palästina.502

Postamts.

.. ... ..>.

Stephan-Anekdoten..

Wilhelm 286 Pilgerfahrten von Hohenzollern fürsten nach Plattdeutsches Glückwunsch-Telegramm .688 v. Podbielski, Staatssekretär des Reichs-,

... .....

Kaiser Wilhelm



Fassung. Bismarck?.622 Wittenberg.

..

Papa. .... ...

.....

Zorndorfiana.

Prinzen.

Gärtner-Lehranstalt.610

....

England.143

.164 Dichter.165

.... Berlin.407

Berlin.455

der



Mark Krandenburg

und der sngren;enden Gebiete.

Unter Mitwirkung von

Dr.

guter, profesior vr. Srortzer, Dr. S. Krendttke, Theodsr Fuutaue, Stadtrat G. Friedet. RRtchärd Gedrge, Ferd. Wlerfer, Gymnasialdirektor a. 5. Dr. M. Krtkurartj und G. *». MUdendrrutt herausgegeben von

Friedrich ZMrfsen. XXIII. Zahrgang.

Der

„85v"

M 1.

-t-

erscheint wöchentlich am Sonnabend und ist durch jede Postanstalt (tto. 809 < Zeitungsspedition für 2 Mk. BO pfg. vierteljährlich zu beziehen.

Finis Poloniae.'' Historischer Roman von C. utcn Abend, Thomas! Warum so schwermütig?" So rief ein junges Mädchen, im Alter zwischen Kind und Jungfrau stehend. Die flinke „Kleine" kam mii hochgeröteten Wangen und fliegendem Blondhaar am sandigen. Ufer des Sees dahergehüpft, einen Strauß Schneeglöckchen in der Hand. Die Bezeichnung „Kleine" war eigentlich für sie nicht recht passend. Denn sie war für ihre fünfzehn Jahre schon ziemlich hoch aufgeschosien, fast so groß wie ihre fc

mit

einem

auf einem Feldan einem Wollstrümpfe. grauer Paar grober Der vor ihm in die Erde gesteckte Hakenstock und der schwarze Spitzhund zu seinen Füßen kennzeichneten Er war der ihn als Schäfer. Schäfer vom nahen Gutshofe, besten jungen Spitzen des die Schafe durch die ersten sonnigen Frühlings¬

Der Alte

!

steine und

;

saß

strickte

emsig

tage hervorgelockten spärlichen Grases auf dem sandigen Streifen zwischen dem See und dem Föhrenwalde ab¬

weideten.

Bei dem freundlichen Gruß der „Kleinen"sah er garnicht auf. Während er ruhig weiter strickte, murmelte er nur:

.-7'-'

*) Der Titel .Finis Poloniae«

durch¬

und glatt

alten Schlapphut von



'

Füße, an welchen erstere mit kreuzweise gebundenen Bändern be¬ festigt waren, frei. Thomas, dem der Abendgruß galt, war ein alter Mann. Sein mit

rasiertes Gesicht umflatterte spärliches. . langes, weißes Haar. Der Kopf war Verkleinerung

-

Anzug.

deckten

Falten und Fältchen

Zlliiir

Die hohe, undefinierbarer -Form und Farbe bedeckt. schlottrige Gestalt umgab der lange, leinene Rock, über welchem ein alter, verschossener und hundertmal geflickter Reitermantel hing. Bis über die Kniee reichende Ledergamaschen und un¬ förmliche, dicke Lederschuhe vervollständigten den ländlichen

obwohl die Formen noch wenig Aber entwickelt waren. wegen ihres kindlichen Frohfinns, ihrer fast knabenhaften Verwegenheit, so abweichend von den Altersgenosfinnen damaliger Zeit, wurde sie von ihren Eltern noch meist so Das weiß und genannt. blau gestreifte Leinenkleidchen flatterte im leichten Abendwinde und ließ die mit aufgeschnittenen Lederschuhen be.

zogenes schmales, hageres

S.

1887.

Grundier.

Mutter,

tausend

,

Buchhandlung und

erst in dem zweiten Teil ' rechtfertigt stch des Romans. Der erste führt uns — zu¬ folge der Kriegserklärung vom Jahre 1792 — nach Frankreich. Bekanntlich erfolgte, Hülfe. „ noch mit Frankreich im während Preußen Bon Professor ®. »letotonu. _ tm ?°brt 1793, die zweite tm Berlage von ®. Heuer u. «lkinst in Berlin V.

Königin

- 7*■*■*■* der

..

SWrtÄ Ä.

»Schlechte Zeit, schlimme Zeit, gnädig

„Aber Thomas! Du hast auch immer zu klagen! Haben wir nicht das herrlichste Frühlingswetter? Wie warm scheint die Sonne schon,

und die Blumen sprössen überall hervor. ganze Handvoll habe ich für Mama und

Sieh nur, eine Tante gepflückt!" Der alte Thomas hob den Kopf und richtete seine wasser¬ Zu¬ blauen, rot umränderten Augen starr auf das Fräulein gleich ließ er den Strickstrumpf finken und sagte leise: „Hat denn's gnädig Frölen die Glocken nicht gehört? Schon eine N ganze Woche läuten sie jeden Abend!" „Nun natürlich, Thomas," rief das Mädchen belustigt, 'auf das kiesige Ufer her¬ indem es sich auf den Rand eines aufgezogenen Kahnes setzte und die Beine baumein ließ.^ „jeden Abend hör' ich die Glocken, wenn sie zum Abendsegen läuten, und des Sonntags so schön alle drei zum Kirchgang!" „Nein, nein! Da unten!" rief Thomas, indem er mit „Hört das Frölen nichts? dem Finger auf den See wies. Jetzt läuten sie wieder!" „Ach was, Thomas! Das ist ja der Wind, der durch das Schilf und das Rohr streicht! „Nein, das find die Glocken von der untergegangenen ~

/

Stadt!" „Nun.



oft über den See gefahren. Von einer Stadt in der Tiefe habe ich aber nie etwas bemerkt, so klar das Wasser auch war." „Dennoch liegt da unten eine versunkene Stadt. Die Mein wird aber von den bösen Wassergeistern bewacht. Großvater selig hat es mir selbst erzählt. Vor langen, langen Jahren haben einmal Fischer das Netz gezogen. Da ist es so ich

bin

doch so

daß sie es kaum haben heben können. Als glücklich an der Oberfläche hatten, hing eine spiegelblanke Glocke darin. „Jesus Maria", rief der eine, „was ist denn das?"

schwer gewesen, sie es

Da riß das Netz, und die Glocke versank wieder in die Tiefe. Denn die bösen Geister können den Namen Jesus nicht hören."

„Hu!

So alte, gräuliche Geschichten!

— Was

Ich mag

sie

gar

soll denn aber das Glockenläuten bedeuten, nicht hören. was Du vernommen haben willst?" Da erhob sich Thomas von seinem Sitze, reckte seine lange, dürre Gestalt, nahm den Hut vom Kopfe und streckte die Hand gegen Westen. Dabei blickten seine Augen leer in die wette Ferne, die weißen, buschigen Augenbrauen waren zusammengezogen, und die gebräunte, knochige Hand zeigte

auf einige leichte Wolkengebilde, welche rosig mit goldenen Rändern den westlichen Horizont säumten. Wie er so dräuend dastand, glich er einem Propheten des alten Testaments, der gegen das sündige Volk donnert. Mit einer Stimme, die tief aus dem Grabe zu kommen schien, fragte er: „Sieht das Frölen, wie sie hinausziehen? Die Männer mit den blanken Flinten, in denen sich die Sonne spiegelt? Die Reiter auf den schwarzen Rossen? Und die Karthaunen und. Feldschlangen

dort gegen Untergang der Sonne?" „Nein, ich sehe nichts. Bloß ein schönes Abendrot sehe

ich."

Ganz deutlich sehe ich eö! Denn Und dort auf der andem Seite sehe ich sie wiederkommen. Sie ziehen gen Abend. Die blanken Flinten find verrostet, die Retter reiten ohne Köpfe, und die Räder an den Kanonen find zerbrochen."

„Aber

ich

ich sehe

es!

bin ein Sonntagskind.

'mal wieder Deine närrische Stunde, Thomas, da ist nichts mit Dir anzufangen!" „Weiß das Frölen. was das bedeutet?" murmelte er fast unhörbar. „Krieg!" schrie er mit Löwenstimme, so daß das

„Du

grölen!"

hast

aufsprang. „Krieg! Und jetzt haben sie den Christian, unter die Soldaten gestecki! Den der mir geblieben ist! letzten von allen, nicht wieder sehen. Dort hinten, ganz hinten die Brust geschossen, das Blut läuft an seiner

Echo wiederhallte und der

Hund

erschreckt

— Spitz, wistu hier! — ja Krieg! meinen Enkel, einzigen, den Ich werde ihn

liegt er, durch Uniform herunter und tropft langsam in den schwarzen Brei, welcher den Boden bedeckt."

Der alte Mann knickte in sich zusammen und setzte sich auf seinen Stein. Mit den Händen hielt er das Gesicht bedeckt, und heiße Thränen strömten die Wange herab. Das junge Fräulein sprang erschreckt von ihrem hohen Sitz herunter und trat an Thomas heran. Sie hob den Hut. der ihm entfallen war. auf. legte ihre kleine Hand auf seine Schulter und sagte mit teilnehmender Stimme: „Aber Thomas! Sieh. ich habe doch auch zwei Brüder nnter den Soldaten, und Papa ist Soldat gewesen, und der Puffke und" — „Und der gnädige Herr, was unser eigentlicher Herr war, ist damals erschossen worden — bei Torgau! Ich habe es der gnädigen Frau Oberst gleich gesagt, denn ich hatte ihn wieder

vom Schimmel stürzen sehen, von einer Kartätschenkugel mitten vor die Stirn getroffen." „Ach ja, der Krieg, der böse Krieg will seine Opfer. Aber alle werden doch nicht erschossen!" „Nein, nicht alle, aber ich sehe sie alle vorher schon sterben, die ich lieb habe, denn ich bin ein Sonntagskind! Es ist schrecklich, so was vorher zu er¬ Ach Frölen, Frölen! leben. schon lange vorher! Und ich habe sie alle sterben sehen, Wochen, Monate vorher, und dachte jeden Tag: Wird's denn heute kommen? Als meine Frau im See ertrank, als meine vier Jungen starben — der eine auf der Treibjagd erschossen — und als die Schwieger und die Enkel starben, alle, alle habe ich gesehen. Und nun der eine, der letzte auch

noch!"

Das Fräulein war ganz verschüchtert. Es faßte den Alten bei der Hand und fragte: „Aber. Thomas, von meinen Brüdern hast Du doch nichts gesehen? Nicht wahr, nichts?" „Nee, gnädig Frölen, von denen habe ich nichts gesehen! Doch es wird nun Zeit, daß ich heim treibe, und das gnädig Frölen ist auch so leicht angezogen. Es wird kühl. und der Tau fällt schon. Hieh Spitz! Hetz hie!" Der Hund fegte an der Herde entlang, die Säumigen der Schafe in bie, dürren Beine kneipend, und Thomas zog mit bedächtigem Schritt mit seiner Herde dem Stalle zu. Ein letzter, Untergange. roten Mauern der alten Strahl vergoldete noch die Klosterruine. Der Abendhimmel war mit gelben und roten Streifen bedeckt. Dazwischen schimmerte eö wie flüssiges Gold. Der See spiegelte alle diese Pracht getreulich wieder. Die leichten Wellen glänzten wie Millionen kleiner, funkelnder Sonnen und blendeten das Auge des Beschauers. Dort, wo Die Sonne neigte

sich

zum

-glühender

der schwarze Kiefernwald bis dicht an das Wasser reichte, gähnte die unheimliche, dunkle, unergründliche Tiefe des Sees. Die Wiesen hatten eine schillernde, goldig grüne Farbe an¬ genommen. Inmitten derselben leuchteten die bemoosten Stroh¬

Dörfer aus dunklen Baumgruppen, deren braun¬ grüne Spitzen schon die ersten Frühlingstriebe zeigten. Die stumpfen, niedrigen Kirchtürme spiegelten fich im Waffen Es dächer

der

war ein zauberhaftes Bild. märkislye Erde! O Du klebe, viel verachtete großartigen Naturbilder die nicht Wenn Du auch Gegenden unseres deutschen Vaterlandes aufzu¬ mancher weisen hast, an Lieblichkeit der Landschaft und an tiefem Und wenn auch Dein Frieden stehst du keiner nach. Boden oft nur widerstrebend nach harter Arbeit kärglichen Lohn giebt, er erzeugte ein Geschlecht, hart, fleißig, sparsam, klug, aufstrebend, um dermaleinst an die Spitze des deutschen Reichs zu treten!

Das Fräulein hatte sein Sträußchen wieder aufgenommen und schritt langsam und finnend dem Herrenhause zu, während die Schatten der hohen Buchen und Eichen immer länger wurden und schließlich über den ganzen Weg hinweg reichten.

*

*

*

Im

Wohnzimmer des Herrenhauses saßen drei Personen. Das geräumige Zimmer war ziemlich einfach, so zu sagen klein¬ bürgerlich ausgestattet: blendend weiß gescheuerte Dielen, rings¬ um eine vier Fuß hohe, mit weißer Oelfarbe gestrichene hölzerne Wandverkleidung, darüber eine Papiertapete, welche in breiten Streifen abwechselnd Rosen- und VergißmeinnichtGuirlanden zeigte; an der Decke einige Rosetten von Gips¬ stuck, deren jede in der Mitte einen kleinen Spiegel trug. An den Wänden befanden fich nur ein paar Kupferstiche in schwarz polierten Holzrahmen. Der eine von ihnen stellte Friedrich II. vor, der andere den General Ziethen zu,Pferde, in vollem Jagen und mit geschwungenem Säbel. Unter diesen Kupferstichen sah man, aus schwarzem Papier geschnitten, unter Glas und in kleinen Holzrähmchen, nur noch einige Silhouetten der Familienglieder, die damals die Stelle der jetzigen Photo¬ graphien vertreten mußten. Zwischen den drei Fenstern, vor welchen eine breite Fenster¬ bank herlief, waren ein paar geschliffene Spiegel angebracht, deren Rahmen, der Zeit gemäß, ebenfalls aus Spiegelglas bestanden, in welches allerlei Blumen und Arabesken matt eingeschltffen waren. An der einen Wandseite stand das steif-/ lchnige, lange, hartgepolsterte Kanapee mit Roßhaarüberzug, vor demselben der mit geschweiften, geschnörkelten Füßen ver¬ sehene Tisch. Ueber dem letzteren lass- eine bunte Decke gebreitet, und er war umgeben von einem halben Dutzend ebenso geschnörkelter. steifer Stühle mit hohen Lehnen, die. wie das Sofa, mit Roßhaarzeug überzogen waren. Einige Kommoden von eingelegter Holzarbett mit blinkenden, vergoldeten Mesfingbeschlägen, ein Eckschränkchen mit goldrandigen Taffen und allerlei Kristallgeschtrr, ein Gewehrschrank und ein mächtiger Kachelofen vervollständigten das Mobiliar, wie es in wohlhabenden Bürgerhäusern gegen Ende des vorigen Jahrhunderts üblich war. Der Hausherr ging mit starken Schritten im Zimmer auf und ab, indem er dicke Rauchwolken aus feiner braun an¬ gerauchten Meerschaumpfeife gegen die Decke. blieS. Er war eine starkknochige, hohe, breitschultrige Gestalt

gebräunten,

offenen

mit einem wetter¬

und blauen, ehrlichen Augen. Obwohl die Männerwelt damals durchaus glattrasiert ging, so bedeckte doch ein kurz gehaltener, ergrauter Schnurrbart seine Ober¬ lippe. in Erinnerung an die einstmalige militärische Laufbahn. Gesicht

Die Perrücke hatte schon dem Zopf Platz gemacht und wurde nur noch von den Richtern und Aerzten getragen. Das Haar war deshalb auch nach hinten gekämmt und mit einem Bande in ein Zäpfchen zusammengebunden, welches steif im Nacken hervorragte; nur die Settenhaare waren zu je zwei zierlichen Löckchen aufgerollt und unter den Schläfen mittelst Pomade und Nadeln befestigt. Die Farbe der Haare ließ fich nicht genau erkennen, da dieselben mit einer dicken Schicht Puder bedeckt waren. Der Anzug der damaligen Zeit ist bekannt: ein vorn offener, bunter Rock von Tuch, Sammet oder Seide, der bis über die Kniee hinabreichte und bei feierlichen Gelegen¬ heiten meist kostbar, gelb oder weiß, bestickt war, dann seidene Schoßweste bis zu den halben Schenkeln, seidene oder sammetne Kniehose mit Schnalle und weiß- oder schwarzseidene Strümpfe mit Schnallenschuhen. Nur zu Pferde wurden lange Reiterstiefel getragen, in Haus und Feld lange, bis über das Knie reichende Gamaschen. Letztere hatte auch Herr Hans Wilhelm von Krummensee angelegt. Die Sitte tn der Kleiderordnung war damals so streng, daß die Königin Marie Antoinette von Frankreich aufs höchste empört war und den Minister Roland zu stürzen beschloß und auch wirklich stürzte, weil er zur Audienz vor ihr ohne Schnallen an den Schuhen gekommen njar. (Fortsetzung folgt.)

Gine Vergnügungsreise vor 100 Jahren. Von Georg Siegerist.

-

-

Es mutet uns moderne Reisemenschen, die wir im Zeit¬ alter der Rundreisekarten und O.-Züge leben und tn acht Tagen eine Schweizerreise ausführen können, sehr sonderbar an. wenn wir hören, daß vor hundert Jahren eine nach unseren Begriffen sehr bescheidene Reise von Berlin nach "acht Thüringen und Dresden die Zeit von Wochen in An¬ spruch genommen hat. Vergnügungsreisen, wie sie heutzutage jeder einfache Bürgersmann zu machen pflegt, waren in früherer Zeit das kostspieligste Vergnügen; kostspielig wurden sie durch die Art der Beförderung, entweder mit eigenem Fuhrwerk oder mit Extrapost; langwierig und ermüdend wurden sie durch die Beschaffenheit der Wege in ganz Deutschland, die mit wenigen Ausnahmen elend waren. Andererseits aber reiste man in damaliger Zeit mit einem viel größerem Genuß und mit bescheideneren Ansprüchen; alles, auch das Geringste, das wir heute keines Blickes würdigen, wurde denkbar bewundert mit einer ursprünglichen Freude und Naivetät, die uns gegenüber der Blasiertheit unseres Zeit¬ alters erfrischend anmutet. Der „alte Heim", der populärste Arzt, den Berlin beseffen hat, unternahm. im Mai, Juni und Juli 1796 mit seiner Frau und drei Töchtern eine Reise in seine Heimat, ins Meiningensche, um seine Geschwister, die er seit seiner Studentenzeit nicht mehr gesehen hatte, zu besuchen. Das über das Reisen vor 100 Jahren soeben Gesagte findet in den Aufzeichnungen Heims über diese Reise seine volle Bestätigung. Am 17. Mai, früh 8 Uhr. fuhr die Gesellschaft, die aus 7 Personen. Kammerjungfer und Diener eingerechnet, bestand, voll Erwartung der Dinge, die da kommen sollten, im eigenen Retsewägen mit 4 Pferden von Berlin ab. Zur größeren



4 Bequemlichkeit trugen die zwei jüngeren Töchter Knabenkleioer, was zu manch scherzhaftem Intermezzo Veranlassung gab. Das erste Ziel war Potsdam, wohin man, dank des vor¬

trefflichen Weges, den der Hof ja täglich benutzte, in anderthalb Stunden gelangte. Potsdam war für die Kinder bereits unbekanntes Land. Man besichtigte Sanssouci, in dessen Bildergalerie der junge Moses großen Beifall fand, das neue Palais, wo eine porzellanene Pagode, die Kopf und Hände bewegte und dabei „äußerst freundlich aussah" alle sehr vergnügte, und endlich das Belvedere und war mrt diesem ersten Reisetage sehr zu¬

an.

Ueber Merseburg und Naumburg langten die Reisenden in Jena an. „Die hohen Berge. Felsen

am nächsten Tage

und Schlösser gefielen sehr." Hier wurde Hufeland, damals Jenenser Professor, „ein artiger Mann", besucht. Weniger artig war Professor Grüner, der berühmte und wegen seiner Grobheit und Ungeschliffenheit berüchtigte theoretische Mediziner und Botaniker; sehr ergötzlich schildert Heim diesen Besuch: „Der Professor Grüner öffnete mir selbst die Hausthür — versicherte mir mit einer halb erzürnten Miene, daß er nicht zu Hause sei, und ohnerachtet ich ihm sagte, wer ich sei, so wollte er nichts von mir

thür hinter mir zu, und das gleich darauf erfolgte

früh 5 bis abends 11 Uhr saß die Gesellschaft im gemütlich.

Von

starke Geräusch des

Wagen, um über Treuen-

trauen, flegelhafte

Stoßen

über

tief ausge¬ Sandwegen versetzte die Kinder in einen Zustand von an dem Seekrankheit, der

Reise über¬

.

.

.

unschickliches

Rücksicht

mehr

ich

als mich

wurde,

gemacht

pause

fuhr man nach Erfurt. Hier bewunderte die Ge¬ sellschaft die Frohnleich-

der Erholung in dem berühmten Wörlitzer Park

namsprozession, die

gewidmet, der mit seinen Ruinen Kettenbrücken, und radschlagenden

mit allem Pomp, unter Gewehrsalven, Kanonen¬ Glocken¬ schüssen und

Pfauen für die Kinder eine ganz neue Welt war. Hier wurde aber bereits das

geläute, von statten

-w-u-n

jKutMm.Senhm«! auf d°». SMWh.1-,*.

Tochter, Jette, zu schau-

als der 13jährige

sei;

geär¬ gert." Auch die Herren Studenten in Jena hatten sich bei Heim und seinen Damen in kein vorteil¬ haftes Licht gesetzt, son¬ dern sich „etwas unartig aufgeführt." Ueber Wei¬ mar, wo nur Mittags¬ gelacht,

dam gespendeten Vorrat: Wurst und Kirschlikör. Der folgende Tag war

den,

der

Mensch

Betragen in meiner habe

haupt häufig zu leiden hatten; als Lichtblicke rühmtHeim die verschiede¬ nen Eßstationen und den von Freunden in Pots¬

d-,

sein

dieser

daß

Dr. Grüner

auf den fahrenen

sie aus

Augen

konnte ich meinen

Das fortwährende und

Zu-

riegelns zeugte noch von seinem Unwillen. Kaum

briezen und Coswig nach Wörlitz zu gelangen.

Schaukeln

Haus¬

wissen, schmiß die

frieden. Allem schon der nächste wurde weniger

Modellier. v°n Pr°f.

Sohn eines Freundes der Familie, des Kammerats von Raumer, sie fragte, ob sie „den „Um sie von Cornelius oder Julius Cäsar exponiere." dieser Not zu befreien, mußten wir ihm sagen, daß Jette ein Junge, sondern ein Mädchen sei." Die Reise ging dann weiter über Dessau nach Halle, Man io ein Aufenthalt von zwei Tagen gemacht wurde. besuchte den Giebichenstein,

dessen Felsen

die ersten waren,

Mark erblickten, und die deswegen unge¬ teilte Bewunderung fanden; ließ Halloreu nach Geld ins Wasser springen, bestieg die Türme der Markikirche, deren schlechte Treppen der Frau Hofrätin sehr mißfielen. Heim frischte welche die Kinder der

alte Univerfitälsbekanntschaften wieder auf und knüpfte neue

d-up-Es'-"-

@.

Verlag vr. E. Mertens & So., Berlin W. 50.

Gesetzlich geschützt.

ging und selbst

augenblicklichen

Eindruck machte.

tiefen Es wur¬

den verschiedene Klöster besucht, wobei Jette und Caroline

Vorteil

von ihrer Knabenkleidung hatten, denn als „Jungens" wurden sie in das'der Damenwelt verschlossene Karthäuserkloster eingelassen. Auf der Weiterreise nach Gotha war die Verpflegung sehr mangelhaft, zu Mittag in Gotha aß jeder doppelte Portionen. Nun kam ein sehr gefürchteter Tag, die Fahrt über den Thüringer Wald; Um 3 Uhr früh wurde es sollte Meiningen erreicht werden. aufgebrochen, um 10 Uhr Tambach erreicht, wo von Gotha der Wagen schon ausgebessert werden mußte. Zum ersten

Male klagt Heim über hohe Wirtshauspreise. Um 4 Uhr war die Gesellschaft in Schmalkalden und zog es vor. wegen der „Rippenstöße auf dem Thüringer Walde" und da auch

der

Wagen so manchen Stoß erhalten hatte, hier zu übernachten. Die prächtige Waldnatur aber, die hohen Berge und Felsen, die Tannen und Fichten ließen das Ungemach Endlich, am 29., wurde Meiningen erreicht, und hier verlebte die Familie Heim im Kreise der Verwandten und im Verkehr mit dem herzoglichen Hofe nicht nur zwei, sondern zwanzig äußerst glückliche Tage, deren Erzählung jedoch nicht in den Rahmen unserer Darstellung gehört. Jedenfalls ging es damals am herzoglichen Hofe sehr gemütlich zu; rühmend hebt Heim hervor, daß der Herzog als Gast im Hause seines Bruders sich ebenso gab und ebenso behandelt wurde, wie jeder andere Privatmann und Freund vom Hause. Am 19. Juni wurde nach einem thränenreichen Abschied, wie er in dieser Zeit der Sentimentalität nicht anders sein konnte, die Heimreise angetreten. Der Herzog überreichte der Frau vergessen.

Stall, der in Rippach die gelernt und Heim anfänglich für einen Grafen gehalten hatte. Der aufmerksame Leipziger zeigte den Reisenden alle Schönheiten des damaligen Leipzig, den Richterschen Garten mit seinem Japanischen Gartenhaus, „das herrliche Rosenthal", die englischen Anlagen am Grimmaischen Thore. In der Stadt erregten die Menge schöner Kauf¬ läden, die Reinlichkeit der Straßen und die vielen Menschen, die man zu sehen bekam, den Beifall Heims. Die Nikolaikirche war in Gold, Silber, Bronze, Marmor und Reisebekanntschaft,

Gesellschaft

dem Kaufmann

kennen

Mahagoni die reichste, die er je gesehen hatte, Sehr ange¬ Stunden verlebte die Familie im Verkehr mit Stall und dessen Schwager Reichel, die in der un¬ eigennützigsten Weise Gastfreundschaft übten, sowie mit dem Litteraturhistoriker Eck. Die natürliche Folge war, nehme

Kaiser Mitftotrn-Denkrnat aus dem Kriffftäuser. Sartrarassa-Uisrho. Architekt

Bruno Schmitz. Bildhauer Nicolaus Geiger. Verlag vr. E.

Gesetzlich geschiitzt.

Hofrätin

eine Rose mit dem Wunsche, daß der Weg ihres Lebens immer mit Rosen bestreut sein möge. Vor dem Thor sprang er auf den Wagentritt und nahm noch einmal Ab¬

Die Reise ging zunächst auf demselben Wege zurück. In Tambach mußte wieder für wenig Frühstück viel bezahlt werden; doch schmeckte schon damals die Thüringer Knackwurst selbst einem solchen Feinschmecker, wie Heim es war, vortrefflich. Das schlechte Wetter machte den Reisenden viel zu schaffen; eine kleine Aufheiterung brachten die tanzenden Bauern auf der Kirmes in Auerstedt. Mit vielem Genuß wurde die „schönste Gegend in der Welt" zwischen Naumburg und Frei¬ burg durchfahren, Schulpforta besucht, das damals 120 Schüler hatte, und dann von Naumburg über Rippach und Weißen¬ fels nach Leipzig gefahren, „wo wir des Abends ankamen und im Hotel äs Lavlörs abtraten." Vier Tage widmete man Leipzig, aufs freundlichste geführt und geleitet von einer schied.

Mertens

daß beim Abschied am Montag, den 26.

& ®o.,

Berlin W.

BO.

Juni, wieder viel

ge¬

weint wurde. Wurzen, Hubertusburg und Meißen fuhr die bei größter Hitze in zwei Tagen nach Dresden. Die lange Brücke mit dem breiten Elbefluß gefiel sehr. In drei Gasthösen suchten die Reisenden vergeblich Quartier; alle¬ waren überfüllt, zum großen Teil von Fremden, die nach Carlsbad gingen; sie kamen endlich auf der großen Frauen¬ gasse beim Posamentierer Rtethel unter. Noch am Nachmittag wurde die Bildergalerie und die Rüstkammer besichtigt. Correggios „heilige Nacht" und „büßende Magdalena" hinter¬ ließen den nachhaltigsten Eindruck, doch verfehlte der gewissen¬ hafte Heim auch nicht, sich nach dem Preise zu erkundigen. Das erstere Bild kostete nach seiner Angabe 100000 Frtedrtchsdor, die „ganz kleine" Magdalena 13000 Dukaten. Die Rüstkammer mit ihren Schätzen in Waffen und Harnischen, Ueber

Gesellschaft

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7

ausgestopften Pferden, Staatskleidern etc. machte den Kindern viel Vergnügen.

Eifrig ging man im Brühlschen Garten spazieren und besuchte die Hofkirche,

wo man eine treffliche Musik zu hören Naturalienkabtnett gab es viele Raritäten, ein großes Fragment eines versteinerten Krokodils, ein Ammons¬ horn. ein Stück versteinerten Eichenstamms, ein Stück ver¬ steinerten PalmbaumS. alles in Sachsen gefunden, ferner einen ausgestopften Ameisenfresser, ein junges Nilpferd, rin Krokodil und das berühmte Pferd mit dem 15 bis 20 Ellen langen Schwänze, das August der Starke geritten hatte. Nicht minder wurde das grüne Gewölbe mit seinen Schätzen, namentlich der Kamin von sächsischem Marmor bewundert. _ Aber auch Dresdens schöne Umgebung kam zu ihrem Recht. Durch den Plauenschen Grund, wo die Kinder Erdbeeren pflückten, fuhr man nach Tharandt und bestieg den berühmten Aussichtspunkt mit seiner Burgruine,, wo drei Thäler zusammen¬ Von Pillnitz aus wurde der Borsberg bestiegen. stoßen. „Nachdem wir über eine Stunde gestiegen waren, kamen wir endlich auf dessen Spitze und freuten uns nicht wenig, da in einer künstlich zusammengelegten Stelnmasse ein kleines, aber recht elegantes Zimmer zu finden , wo wir auf Sophas aus¬ ruhen und uns abkühlen konnten, Nie in meinem Leben habe ich eine solche herrliche Aussicht gesehen als hier, be¬ sonders nach der Gegend von Böhmen zu. Die Festung Königstein scheint hier ganz nahe zu liegen, sie ist niedriger als der Borsberg, da man über sie hinwegsehen kann. Die Menge hochragender Felsmassen, die sich auf den Spitzen der Berge befindet, gewähren dem Auge einen reizendeu Anblick. Puna mit seiner Festung Sonnenstein liegt eine halbe Meile von dem Fuße dieses Berges. Um die Steinmasie herum „ stehen 7 schöne Zelte, die von Holz find und wie kleine Hütten aussehen. Nun gingen wir auf der andern Seite des Berges herunter zum künstlichen Wasserfall- wo aber wenig Wasser zu sehen war, und besahen noch die Ruinen eines alten Schlosses. Der Weg von der Spitze des Berges bis i ! hierher ist einer der angenehmsten und bequemsten, die ich je ' in einer Berggegend gefunden habe. Man geht beständig im Schatten In Pillnitz, der Residenz des Kurfürsten, speisten wir begierig Butterbrot», Knackwurst uad kalten Kälber¬ braten und saure Gurken, fuhren in einer ganz' vortrefflichen Gondel über die Elbe und kamen Abends halb 10 Uhr in Dresden müde uud matt an." Auch Blasewitz wurde zu ' Wasser mit vielem Vergnügen besucht und auf der Heimfahrt an der langen Brücke das Petermännchen entdeckt und bewundert. bekam.

Im

....

Die folgenden drei Tage waren einem Ausflug

nach

Freiberg gewidmet, um den dortigen Bergwerksbetrieb kennen zu lernen, von dem uns ein anschauliches Bild entworfen wird. Besonders interessierte sich Heim für das Amalgamierungs¬ verfahren, das er genau beschreibt. Die ganze Familie be¬ suchte die Grube „Komm Sing mit Freuden". „Wir zogen alle Bergmannskittel an; die Frauenzimmer ließen sich auch noch ihre langen Röcke zwischen den Beinen fest uud etwas in die Höhe nehmen. Es war ein sehr lächerlicher Anblick, die äawvs so verstellt zu sehen. Nun kamen wir an den Schacht, der Obersteiger Heymann fuhr zuerst ein, Jette folgte ihm dreist, dann Caroline, Christiane. Meine Frau sperrte sich gewaltig gegen das Einfahren, auf vieles Zureden geschah es

Ich fuhr schnell ein; 15 Fuß waren wir nun Da eS lange währte, ehe der Steiger zurück¬ kam, so fuhr ich ihm nach. 150 Fuß tief mußte ich fahren, ehe ich auf eine Strekke kam. Wir gingen die ©treffe lang, bis wir vor Ort kamen, wo wir das Erz ganz sahen.... Von hier fuhren wir nach dem Johannesbruch, wo wir in dem Hebehaus die darin befindlichen Maschinen besahen. Durch diese Maschinen werden Kähne, mit 30 Centner Erz belade», von einem tiefen Kanal in den andern, der bedeutend höher liegt, mit leichter Mühe gebracht. Von da besahen endlich

doch.

unter der Erde.

wir

die Pochwerke und die Wäsche, fuhren unter einer langen Wasserleitung weg. wo nehmlich ein ziemlich großer Fluß über ein Thal von einem Berg zu dem andern geleitet wird, und endlich kamen wir zum Kur-Prinzen, wo wir aus dem Treibeschacht die Erze mit den Tonnen herausfordern sahen, vermittelst einer durch Wasser getriebenen Maschine. Bei der Scheidebank bewunderten wir die Menge Bergjungen, mit welcher Geschwindigkeit der Hände sie die Erze von dem tauben Gestein absonderten. Die Klaube, die Saz-Wäsche und die Stoß-Herde wurden genau in Augenschein genommen, sowie auch die Pochwerke, wo die Erze gestampft wurden." Die Rückfahrt nach Dresden am 5. Juni führte die Reisenden über das Schlachtfeld von Kesselsdorf. Am 6. wurde die Heimreise nach Berlin angetreten. In Leipzig besuchte die Familie wieder ihren „lieben Reichel." Der botanische Garten erregte Heims Mißfallen; er sei voller Unkraut, ohne Ordnung und Reinlichkeit. Mil Am 8. abends dem Botaniker Hedwig verkehrte er viel. wurde beim „ehrlichen Stall" in dessen niedlichem Gärtchen

Die Musikanten gespeist, und alle waren recht vergnügt. mußten unter anderm auch die „Marseiller Hymne" blasen. Mit Musik und einigen brennenden Lichtern führten sie alle. Stall voran, im Gärtchen eine solenne Fackelpolonaise auf. Ueber und dann wurde endgiltiger Abschied genommen. Düben. Wittenberg und Treuenbrietzen kamen die Heimkehrenden am 10. in Potsdam und am 11. um 2 Uhr. nachdem sie in Potsdam vergeblich auf ihre eigenen Pferde gewartet hatten, mit einer mit sechs Pferden bespannten Extrapost in Berlin „Wir alle freuten uns sehr, unsere Kinder und wieder an. Berlin wieder zu sehen, und dankten in unserm Herzen Gott, daß er uns glücklich und gesund bei den Unsrigen in Berlin wieder hat ankommen lassen, nachdem wir just 8 Wochen von Berlin abwesend gewesen waren." Sie hatten in dieser Zeit eine Strecke von 130 Meilen zurückgelegt.

Das preußische Sernsteinkabinett. Geschenk Friedrich

Wilhelms I. an Zar Peter von Rußland. Von

In

seinem Werke

M. Frey.

„Berlin. Moskau, St. Petersburg

1649—1743" giebt der rühmlichst bekannte Archäologe und Heraldiker Dr. phil. B. Freiherr von Kühne eine interessante Schilderung jenes wunderbaren Bernsteinkabtnetts, das König Friedrich Wilhelm I. von Preußen im Jahre 1716 dem Zaren Peter dem Großen zum Geschenk machte. Markgräfin Wilhelmine von Bayreuth, die geistvolle Schwester Friedrichs des Großen, hat bekanntlich in ihren Memoiren berichtet, daß der gewaltige Beherrscher des russischen Reiches eine so große Vorliebe für das in seiner Art aller¬ dings einzig dastehende Kunstwerk an den Tag gelegt habe.

daß

sich

der

König, ihr Vater, genötigt gesehen, ihm das¬

selbe zu verehren.

Den schönheitsfinntgen Mitgliedern

deS preußischen

Königs¬

hauses mag es nicht leicht gewesen sein, sich von dieser pracht¬ vollen Zimmerdekoratton zu trennen, die seit langer Zeit eine Zierde und Berühmtheit des Berliner SchloffeS bildete.

Der große Kurfürst hatte die wertvolle Bernsteinsammlung begründet. Er lieble wie lein anderer nach ihm das eigen¬ artige Gold, welches die Fluten der Ostsee unter ihrem blauen Mantel verbergen. Das baltische Meer war ihm besonders teuer, denn seine Wogen umspülten dasjenige Land, in welchem er erst nach heißen Bemühungen Souveränitätsrechte errungen hatte.

Er war auch der erste, welcher, stolz auf die Schätze, die das neu errungene Preußen von der See empfing, aus großen Stücken Bernsteins lunstvolle Gerätschaften verfertigen und durch seinen Gesandten dem damaligen Kaiser von Rußland Alexei Michailowitsch überreichen ließ. Es waren im Geschmack des fiebzehnten Jahrhunderts angefertigte Arbeiten, Schalen und Pokale, auf deren durchsichtigem Grunde sich Blumen, Laubwerk und Früchte reliefartig Auch zahlreiche Herzen und — Schlangeneier erhoben. inmitten zierlicher Gold- und Silberornamenttk waren auf ihnen zu bewundern. Vielleicht sollten sie zarte Anspielungen auf die Freundschaft enthalten, welche Rußland mit Preußen verband, ungeachtet mancher Intriguen, die von anderer Seite gesponnen wurden. Auch später waren noch mehrmals von dem brandenburgischpreußischen Hause kunstvolle Bernstetnsachen nach

Berlin

Petersburg und später nach Zarskoje-Sselo über¬ geführten Wertgegenstände aus authentischen Quellen. Im Moskauer Archiv des Auswärtigen Amtes befand sich eine „Specifikation" von dem Inhalt deS Bernstetnkabinetts, in der es heißt: nach

„Das Bernstein-Gemach so Se. Köntgl. Majest. in Preußen, Unser Allergdst. Herr, Sr. Czarisch. Majst. praesenttrt, besteht aus folgenden Stücken: 1) Zwei große Wandstücken, wortnnen zwei Spiegelrahme mit Spiegeln. 2) Zwei dergleichen Stücke, bet welchen nur ein lediger Spiegel Rahm.

3) Vier dergleichen Wandstücken, ein wenig schmäler, ein jedes mit einem ausgeschweiften Spiegel zum Blaker*). 4) Zwei Flügel etwas breit, und noch zwey, so etwas schmäler.

Diese zwölf Stücke find alle einer Höhe.

5) Zehen aparte Paneel-Stücken, von egaler Höhe, aber differenter breite, alle complet besetzt. 1>) Noch find dabey gegeben folgende Stücke, so da können mit gebraucht werden, alß: ein vierekt Breit gantz belegt, ein fertig Schildt mit einem palmiten Kopff, drei fertige palmiten Köpffe, sieben kleine Köpffe. Vierzehn fertige Tulipanen, zwölff fertige Rosen. Drey Stücken mit Muscheln und Schnecken ausgemacht. Zwey fertige Gefimmse. Zwei kleine Eckstücken. Ein klein länglicht Brett mit zwei Schrauben. Vier kleine auffgeschweißte Bretter, Noch zu einem Flügel ausso nur hin und wieder belegt. geschweiffter klarer Bernstein so in hundert und sieben kleinen

Petersburg Stücken bestehet." jeweiligen Beherrschern der Reußen mit Außer dieser prachtvollen Wandverkleidung wurden auch besonderem Wohlgefallen entgegengenommen worden. So hatte alle mit Bernsteinpalmetten, Tulpen u. f. w. verzierten Möbel König Friedrich I. auf der Werft des berühmten Amsterdamer und Hausgeräte sorgsam in Flanell verpackt und vermittelst großer Marinemalers Maddersteg eine wahrhaft künstlerisch ausge¬ zugeschraubter Kisten unversehrt nach Rußland gebracht. Ein schmückte Fregatte — die vordere Kajütenwand zeigte z. B. den "preußischen Inspektor nnd ein Schirrmeister vom Königshofe von Meergöttern umgebenen Wagen der Amphitrite, während begleiteten den Transport, der am 13. Januar 1717 abging. über dem Steuerbord Allegorien von Europa und Afrika sichtbar Wie erfreut Zar Peter der Große über die Sendung wurden — bauen lasten und sie dann mit köstlichen Geschenken, war. erhellt aus einem eigenhändigen Schreiben des Monarchen, darunter wundervolle Bernstetnsachen, nach Rußland an dem dessen beglaubigte Kopie ebenfalls im Archiv des Auswärtigen Hof seines kaiserlichen Freundes gesandt. Amtes zu Moskau niedergelegt worden ist. vr. v. Koehne hat Diese nämliche Jacht, die „Krone" genannt, erhielt Zar seiner Zeit, wie er berichtet, durch Baron v. Bühler, EhrenPeter der Große bei der im Jahre 1716 stattgehabten Mitglied des Vereins für die Geschichte Berlins, Einblick in Begegnung in Havelberg von König Friedrich Wilhelnt I. zum dieses kaiserliche Handschreiben gewonnen. Dasselbe hat folgenden Geschenk. In ihr wurde das herrliche Bernsteinzimmer aus Wortlaut: dem königlichen Schlosse zu Berlin nach Rußland übergeführi. „Wenn aus Berlin' das Bernsteinkabinett, was Seine Der prachtliebende König Friedrich I. von Preußens königliche Majestät von Preußen geschenkt hat, in Memel- an¬ dessen Wappen und Namenschiffre sich auf der schimmernden kommt. so empfange und schicke es sofort über Kurland auf Wandverkleidung dieses Kabinetts häufig wiederholten, hatte kurländischen Fuhren nach Riga, vorsichtig und mit dem seiner Zeit die schönen heraldischen Arbeiten einem Refugiä^ Boten, welcher auch diesen Unseren Ukas mitteilt, und gebt dem hochbegabten Geofrin Touffeau, übertragen. ihm bis Riga eine Bedeckung von einem Unteroffizier und Dr. v. Köhne berichtet, daß Friedrich Wilhelm I. in einem mehreren Dragonern; auch gebt dem Boten auf den Weg bis mit Bernstein verzierten Schranke dieses Kabinetts seine besten, Riga (bis Memel hatte der König von Preußen die für da¬ im. Tabakskollegium zur Verwendung gelangenden Pfeifen» malige Begriffe nicht unerheblichen Reisekosten getragen) Geld sowie andere, ihm besonders teure Gegenstände aufbewahrt habe. zur Beköstigung, auf daß er zufrieden sei, Sollte er für den Die leidenschaftliche Bewunderung Peters des Großen Transport des Kabinetts Schlitten fordern, so gebt ihm auch »scheint erklärlich bei der Schilderung der einzelnen Bestandsolche. Peter“. tetle des Kabinetts. Dieser Brief war von Peter I. an den Generalkonsul Selbst der farkastische von Pöllnttz verrät in seinen BeStushew in Kurland gerichtet. Memoiren lebhaftes Entzücken über die „Bernstein Boiferie". Freiherr von Köhne fchSfift feine genaue Kenntnis der von. ') Platte zum Zurückwerfen des Lichts beim Wandleuchter. gesandt und von den

d

Da die vorerwähnte Jacht auf der winterlichen Fahrt erlitten hatte und einer Reparatur halber kurze Zeit von der Weiterfahrt zurückgehalten wurde, so mußte ihr kost¬ barer Inhalt auf dem Landwege wetterbefördert werden. Der, Kaiser von Rußland wünschte sich sobald als möglich im Be¬ sitze der fürstlichen Freundesgabe zu sehen, der er in seinem alten, am Kanal und der „großen deutschen Straße" belegenen Wintervalais ein prächtiges Gemach einräumte. Bis zum Jahre 1755 blieb das Bernsteinztmmer in Petersburg. Dann ließ Kaiserin Elisabeth, die Tochter Peters



/

im dunklen Schacht dem Erdreich abrangen, das preußische Gold, ist hier von Künstlerhand zu unvergleichlicher Schönheit

'Schaden',

umgeprägt worden. Es würde zu weit führen, alle künstlerischen Einzelheiten der Ausstattung des seltenen Raumes zu schildern. Die russische Kaiserkrone und das preußische Wappen, die Friedensgöttin mit Kriegs- und Friedensemblemen, Reichsinsignien und bedeutungsvolle Allegorien wechseln mit Blumen und Korallen¬ ästen ab. Meergötter und Nymphen und allerlei Seegetier, darunter eine Sirene, dte mit einem Delphin kämpft, heben sich in wunderbarer, erhabener Schnitzarbeit aus dem massigen und dennoch durchsichtigen Bernstein des Grundes ab. Weder Edel¬ metall noch auserlesene Juwelen, Mosaiken, Skulpturen und Gemälde find gespart worden, um den märchenhaften Zauber

das Kunstwerk nach Zarskoje-Sselo überführen, da der Neubau des Winterpalastes die Sicherheit des Schatzes

des Großen,

gefährdete.

Der kaiserlich russische Bernsteinmeister Martelli. ein. kunst¬ begabter Italiener, erhielt den Auftrag, die Aufstellung zu

dieses Gemaches zu erhöhen.

.

übernehmen.

Er ßntledigte sich desselben in mustergültiger Weise. Auch die prunkvollen Spiegelrahmen aus Bernstein, welche Friedrich der Große im Jahre 1745 zur Vervollständigung des Bernsteinkabinetts an Elisabeth Petrowna von Rußland gesendet hatte,

-

Du stille Mark mit deinem Kiefernwald,

wurden dem Ensemble einverleibt. '

Im

königlichen

Schlosse

zu

Mit Mit

,

Berlin hatte das

seltene

nur einen kleinen Eckraum im dritten Stockwerk -(Lustgarten und Schloßfreiheit) in Anspruch genommen. In Zarskoje-Sselo^ beherrscht es einen 36 Meter breiten und 34 Meter tiefen Saal. Durch drei hohe Fenster vermag das Sonnenlicht den weiten Raum zu durchstrahlen. Wie ein Meer von Glanz und Gold flutet es alsdann vor den

deinen morschen Eichen, sagenalt. ich kann dich ganz verstehn!

Wie bist du schlicht und doch so reich und schön. Wie tönt aus dir erhabne Poesie, Du läßt so mild durch meine Lieder wehn /Den sanften Odem reiner Harmonie.

j

Das edle Harz, welches Jahrtausende lang auf dem: Grunde der Ostsee von den Wellen bespült wurde, has der Sturm mit den Meeralgen aufwühlte und mit diesen zugleich an die Oberfläche führte, das unverdroffene Taucher in der Tiefe hoben oder unermüdliche Bergleute mit der Spitzhacke

deinen dunklen, schilfumkränzten Seen,

i. Mein Heimatland,

Gemach

Blicken des Beschauers.

Mein Heimatland?)

i

.



Du sprichst zu mir auf Bergen, tief im Thal. Bei Blütenduft, bei Herbstes Klagewind Wie eine Mutter, die zum letzten Mal In Wehmut segnet ihr geliebtes Kind.

,

Ernst Zeisiger.

>

*) Aus den „Märkischen Klängen". Berlin, Verlag von Bohne (Otto Klacger).

Julius

Kleine Mitteilungen. Die Königin Luise lebt im Herzen des deutschen Volkes vor allem auch als Vorbild für eine deutsche Mutter. AIS solche hat sie >



Professor G. Btermann in seinem Gemälde dargestellt, von welchem wir auf Seite 9 eine verkleinerte Nachbildung nach 4>cr im Verlage von G. Heuer u. Kirmse in Berlin erschienenen Photogravure bringen. Der Liebreiz der unvergeßlichen Mutter unseres großen Kaisers, der verehrungswürdigstcn Jdealgestalt, welche die deutsche Geschichte kennt, ist aus diesem Bilde mit vollendeter Meisterschaft wiedergegeben worden. Dtejugendliche

Mutter tritt in natürlicher Anmut und königlicher Würde vor unS;

keine theatralische Pose stört die Darstellung; es sind die milden, durch¬ geistigten GesichtSzüge der historischen Königin Luise, welche die ' Meisterhand dcS Künstlers hervorgezaubert hat. Die edle KönigSrose steht vor unS, die der Sturm brach, welcher dereinst,einem Gottesgerichte gleich, über unser Vaterland herniedersaustc. Neben der jugendlichen Mutter steht die Knabengestalt des späteren HohenzollcrnkaiserS, drsien hundertsten Geburtstag All-Deutschland in einigen Wochen feiern wird. Einen besonderen Wert erhält die Darstellung Professor G. Biermanns durch die historische Treue, deren sich der Künstler be¬ fleißigt hat: nur authentische, zeitgenössische Gemälde und Bildwerke haben ihm zur Unterlage gedient, wodurch sich seine Kompofllion vor allen

Luisenbildcrn auszeichnet. Dte Reproduktion deS Biermannschen BildeS im PhojogravurcVcrfahrcn, welche im Verlage von G. Heuer u. Kirmse jn Berlin erschienen ist, entspricht den höchsten Anforderungen, die man an die moderne Technik stellen darf. Die Kupferätzung ist auf China-Papier im Format von 69:96 cm Blattgröße gedruckt und ist im Kunsthandel zum Preise von 15 Mark käuflich. Es wird hier rin Zimmerschmuck edelster Art geboten, an welchem jeker Kunstfreund und Patriot seine Freude haben wird. DaS Brustbild der Königin Luise allein, das wir auf S. 1 in einer Verkleinerung wiedergegeben haben, ist als Ovalbild im Kunsthandel erschienen; cs kostet 3 Mk., in feinster engltcher Rahmung (grün

mit Gold) 8 Mk. DaS Bild dürfte für Damen eignen.

sich

ganz besonders als Festgeschenk



Karvarossa-Ntsrhe und Neiterstarrddiid arn Kyfstrauser-Donkmal. (Mit Abbildungen auf S. 4 und 5.) Der „Bär" hat

im 18. Jahrgang, Seite 377, eine Abbildung des in Gegenwart das am 18. Juni v. Sr. Majestät des Kaisers und zahlreicher deutscher Fürsten enthüllt worden ist, gebracht. Jn diesem gewaltigen Denkmal hat die Erfüllung des deutschen Kaisertraums, die Thatsache des wiedererstandenen deutschen Reiche« einen überaus herrlichen, weithin sichtbaren und künstlerisch vollendeten Ausdruck gefunden Ein einzelnes Standbild genügte hierzu nicht, es mußte eine figurenreiche Darstellung geschaffen werden. Vor allem sind es zwei mächtig wirkende, koloffale Gruppenbilder, welche die vorgenannte Idee zum Ausdruck bringen: Das BarbarossaDenkmal in der varbaroffa-Nischc und da« Reiterstandbild Kaiser Wilhelms I. vor dem 57 Meter hohen Turm, der auf seiner Spitze eine gewaltige Kaiserkrone und an seinen oberen Seiten die Namen «.ller deutschen Staaten und freien Städte trägt. -schon

I.

Kyffhäuser-DenkmalS,

Steigen wir — so entnehmen wir einer Beschreibung des Denkmals in Nr. 24 der „Parole" v. v. Jahre — von der Ringterrassc (der in einem Halbkreis von 96 Metern Durchmesser hergestellten Plattform) welche etwa die räumliche Ausdehnung des Platzes vor dem Branden¬ burger Thor in Berlin hat, die Stufen der großen Freitreppe hinan, so gelangen wir auf die Burghofterrasse, von welcher drei in das

Gestein des Berges eingesprengte gewölbte Portaldcgen auf kurzen Säulenstümpfen durch schwer lastende romanische Gewölbe hindurch i» Sehr sinnig hat daS unterirdische Schloß Barbarossas führen. man diesen Raum als Burghof aufgefaßt, in welchen das Licht des Hier erblicken Tages mit dem Glanz des neuen Reiches hineinleuchtet. wir an der Hauptstirnwand, die aus dem natürlichen Felsen aufragt, unter reichgcschmücktem romanischem Bogen die Kolossalfigur des .

9

Kaisers Friedrich, aufseinem Throne sitzend,

dargestellt. (Siehe Adb. auf S. 5). Auf dem Haupte trägt er die Kaiserkrone, seine Rechte umklammert das Reichsschwcrt, und sein mächtiger Bart wallt weit auf den faltenreichen Krönungrmantel herab. Das greisenhafte, aber doch kraftvolle Antlitz mit den zwinkernden Augen deutet auf ein Erwachen nach langem, tiefem Schlummer. Gleichsam herausgehoben aus dem Bcrginnern ragt die machtvolle Gestalt in halber Höhe über den Schlo߬ hof hinaus und lehnt sich, wie geblendet von der Herrlichkeit des neuen Kaisertums, das über ihr erstrahlt, in stolzer Haltung zurück. Zu seinen Füßen aber, auf beiden Seiten, bemerken wir sei.re Ritter und Knappen, einen ganzen Troß samt Zwergen, Rossen und Hunden, alles noch in traumhaftem Schlaf befangen. Es ist eine Verkörperung der alten Sage, wie wir sie uns packender kaum vorzustellen vermögen. Dazu der stimmungsvolle Stilcharaktcr, welcher uns in jene Zeit zurückversetzt: die Klecblattfüllung in dem schön ornamentierten Rundbogcnfelde, das schwer lastende Gesims über den gedrungenen Säulchcn mit ihren Würfclkapitälcn und über dem Rundbogen der romanische Zahnschnitt. Wenden wir uns ans einer der beiden Freitreppen zu der mittleren oder sog. Hochterrasse, so finden wir uns abermals auf das höchste überrascht und von Bewunderung ergriffen. Hier sehen wir nicht nur in den als Berginneres gestalteten Schloßhof als Schauplatz der alten Sage mit ihren figurcnreichen Gruppen hinab, hier erkennen wir nicht nur vor uns das Erwachen Barbarossas nach langem Traume, sondern wir schauen auch erhobenen Blickes und leuchtenden Auges unmittelbar über uns zugleich die Erfüllung dieses Kaisertraumes in der hoheitsvollen Dar¬ stellung des Reiterstandbildes unseres hoch seligen Helden kaisers Wilhelm des Siegreichen, des Großen. (Siche Abb. auf Seite 4.) Zn ruhiger Haltung, ein wenig zurückgeneigt, in schlichtem Waffenrock, den Helm auf dem Haupte, sitzt er hoch zu Roß. In malerischen Falten fließt der lange Reitermantel von den Schultern herab, die

in Gegenwart der Minister vr. Bötticher und vr. Bosse, sowie von Vertretern der städtischen Behörden und mehrerer! hundert anderen ge¬ ladenen Gästen feierlich eingeweiht und eröffnet worden. Der Asylverein, vor 28 Jahren ohne Geldmittel begründet, hat mit Hilfe reichlicher Unter¬ stützungen aus der Bürgerschait Berlins bisher nahezu drei Millionen Menschen beherbergen und sättigen können, unter Wahrung ihrer Anonymität, die ein Hauptgrundsatz des Vereins ist. Seinen Zwecken diente bisher das Männerasyl für 310 Obdachlose in der Büschingstraße und das Asyl für Frauen in der Füsilierstrabe. Das neue Asyl, von Baumeister Töbelmann und Architekt Schenck erbaut, setzt sich aus einem in deutscher Renaissance anmutig errichteten größeren Verwaltungsgebäude nebst Beamtenwohnhaus und den 14 mit dem Hause

zusammenhängenden

Schlasbaracken zusammen,

deren

jede

50 Drahtgeflecht-Bettstellen enthält. Den Beamten des A'yls ist bei Strafe sofortiger Entlassung humane Behandlung der Asylisten zur Pflicht gemacht. Betrunkene und mit ekelerregenden Krankheiten Be¬ haftete werden nicht aufgenommen. Die Eintretenden sammeln sich in der Sammelhalle, um sich von da aus zunächst zur Reinigung entweder in den mit 60 Becken mit Kalt- und Warmwasserzuleitung und ebenso¬ viel Handtüchern ausgestatteten Waschsaal oder nach Ablegung der zur Desinfektion bestimmten Kleidungsstücke und Wäsche nach dem Badesaal zu begeben, wo 56 Brauseapparate und 20 Badewannen zur Benutzung stehen. Bis zur Rückgabe der desinfizierten Kleider stehen den Leuten Bademäntel zur Verfügung. Aus dem Ankleideraum, ebenso aus dem Waschsaal passiert man den Aufnahmcschalter, wo das Aller und die Zahl der Nächte, die der Betreffende im Asyl in demselben Monat genächtigt hat. notiert werden. Dann erst er¬ folgt die Beköstigung in dem für 300 Personen berechneten, schmalen, langgestreckten Speise-

Sie besteht abends in einem Napf Suppe von 40 Gramm Reis oder Mehl mit 7,5 Gramm Fett und 200 Gramm oder lje nach Verlangen) auch 250 Gramm Brot und morgens in einem Napf Kaffee (2 Gramm Kafsibohnen und etwa 15 cbom Milch) und einer Schrippe. Die Dampfkochapparate der Küche find für 400 Liter Suppe, 200 Liter Kaffee und 50 Liter Milch eingerichtet. In

saale.

Brust und

die ganze Vorderseite freilassend. Schlichte Heldengröße ist der erste Eindruck, welchen die Betrachtung dieses Standbildes bei uns zurückläßt. Das mild-ernste Antlitz, kaum merklich nach links gewendet, scheint der Speischalle können die Asylisten auch ihre den Blick in die weite Ferne wie über ein großes Schlachtfeld schweifen zu lassen. Das Kleider ausbessern und erhalten dazu das Material von der Verwaltung. An die SpeiseRoß aber, auf welchem der Kais. r reitet, deutet iu Allsdruck und Haltung des Kopfes wie halle gliedern sich die Schlasbaracken rippensörmig zu beiden Seiten an. Dampfheizung, des stolzen Ganges an, als wüßte es recht Dampfwäscherei, elektrische Beleuchtung mit gut, wen cs auf seinem Rücken trüge, und 160 Glüh- und 14 Bogenlampen, Venrilalrren der sehnig-markige Germane, welcher zur u. s. w. zeigen, daß alle technischen Vorteile Linken des Pferdes sitzt und finster trotzigen der Neuzeit beim Bau ausgenützt sind. Das Blickes vor sich hinschaut, sieht aus, als Bcamtenwohnhaus enthält zehn Wohnungen. wollte er sagen: „Mit einem solchen Kaiser Der besagte Verein besitzt ein Vermögen an der Spitze hätten wir auch alle Feinde von 826478 Mk. gegen Passiven von des Reichs zu Boden geschmettert!" Er soll 186900 Mk.. so daß noch 639578 Mk. w rkdie deutsche Wehrkraft verkörpern. Auf der liches Vermögen bleiben. — Die Einnahmen rechten Seite der Standbildes jedoch sehen im vorigen Jahre beliefen sich auf 62469 Mk., wir eine ideale Fraucngcstalt in sitzender die Ausgaben auf 39108 Mk. Haltung. Sie hat den Blick voll inniger Be¬ Gino eigenartige wunderung zu dem alten Kaiser emporgerichtet Uetiquie befindet sich im Besitze einer alten und stützt die mit einem Griffel versehene MiUzclm. Schullehrerfamilie in der Lausitz. Der große Kuifo und Rechte auf einen Schild, der die Worte „Sedan, Paris" zeigt, während ihre Linke einen Lor¬ Verkleinerung der Kupferätzung nach dem Gemälde von Prof. Krach, der den Gründerjahren folgte, hatte auch einen chimaligen Unteroffizier von den beerkranz hält. Es ist die Muse der Geschichte G. Biermann. Wrangelkürassieren, der in der Lausitz einen in germanischer Auffassung. Sie trägt die Verlag von G. Heuer & Kirmse, Berlin W. Posten als Volkrschullehrer gefunden hatte, großen Thaten Kaiser Wilhelms in das Buch in arge Bedrängnis gebracht. Der sparsame der Zeiten ein. Begeben wir uns nun noch höher hinauf, um auf der TurmMann hatte sich eine Aktie gekauft, und als er dieselbe zur bevorstehenden Hochzeit seiner Tochter „versilbern" wollte, stellte es sich heraus, daß sie t er rosse die Einzelheiten der Größenverhältnisse einigermaßen kennen zu lernen! Die Höhe des Reiters einschließlich der Plinthe bis zur Helm¬ durch den Krach völlig wertlos geworden war. Besorgt um da» Schick¬ spitze beträgt 9,70 Meter, und wir staunen, wenn wir erfahren, daß sal seines Kindes, verfiel der um sein schönes Geld gekommene Schullehrer auf die Idee, seinen ehemaligen Regimentskommandeur, der cs in Berlin z. B. die Höhe des Kaiscrkopfes mit Helm 1,30 Meter und die Stiefel¬ länge des Kaisers 0,96 Meter, also fast einen Meter, mißt, sowie daß bis zum Feldmarschall gebracht hatte, und von dessen Menschenfreundlich¬ das ganze Reiterstandbild 336 Zentner wiegt. An dem Sockel des keit er erst kürzlich wieder in den Zeitungen gelesen, auszusuchen und um Turmes bemerken wir noch zu beiden Seiten des Denkmals Kampf- und Rat und Hülfe zu bitten. Er verschaffte sich Urlaub, suhr nach B rlin Siegestrophäen, während hoch über der Nische, vor welcher das Stand¬ und erwirkte sich auch bei Sr. Exellenz eine Audienz. „Papachen," der bild steht, ein riesiger Reichsadler schwebt. Von der Turmhalle, in seinen ehemaligen Untergebenen sofort wieder erkannte, meinte, als der welche wir von der obersten Terrasse gelangen, steigen wir auf 232 Lehrer seinen Vortrag beendet hatte: „Na, laß mich man die dämliche Stufen bis unter die eine Art durchbrochene Kuppel bildenden 8 Träger Aktie hier, ich will mal sehen, was sich mit sie machen läßt, und gebe der Kaiserkrone. Diese Kuppel hat einen Durchmesser von 3 ‘/2 Meter und Dir dann Bescheid." Die Aniwort blieb nicht lange aus. Einige Tage vor der Hochzeit erschien bei dem alten Lehrer ein Bankier, der ihm im eine Höhe von 6 >/2 Meter. Unter dem stark auskragenden Hauptgcsims finden sich an den vier Seiten des Turmes, wie bereits bemerkt, die Auftrage des Fcldmarfchalls den Nominalwert der Aktie auszahlte und Namen der deutschen Bundesstaaten angebracht, an der Vorderseite die ihm gleichzeitig auch die wertlos gewordene Aktie übergab, auf welche der vier Königreiche. Papa Wrangcl die Worte: „Schullehrer muffen nicht spekulieren", geDas Denkmal ist bekanntlich von dem Deutschen Kriegerbund, der schrieben hatte. Der Schwiegersohn des alten Lehrers aber, dem seine aus 15139 Vereinen mit 1202875 Mitgliedern besteht, errichtet. Der Braut die ganze Geschichte verraten hatte, ließ an seinem Hochzeitstage Schöpfer des Denkmals ist Bruno Schmitz in Charlottcnbnrg, Papa Wrangel als Ehestifter und in seiner neuesten Eigenschaft als das Reiterstandbild ist von Emil Hundrieser, die Figur Barbarossas „Bankier" hoch leben. von Nikolaus Geiger, beide in Berlin, modelliert worden. Kriege 1870. Uondürno Moilincrrtitsfciev einem Wcihnachtsartikel im „Militär-Wochenblatt" teilt Max Vorberg der Da» neue Mänrrorasrzi Vddacizlv»fo wir — Wiofenstrafzo. Vom Asylverein ist in der Wiesenstraße 55-59 nachfolgende Erinnerung—an 1870 mit: Vor 26 Jahren waren JahreSin den Weihnachtstagen und um die Teile der 20. Division ein neues Männerasyl Obdachlose errichtet und am 13. d. M.

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im

10 tocttle eingeschlossen im Städtchen Vendüme auf dem Marsche gegen Le ManS. Es war harter Winter. Die französischen Truppen unter Gcneial Chanzy dielten die Gegend umher besetzt. Die Feldpost brachte weder Briefe noch WeihnachtSscndungen pon Haus. Mancher uiochte mit wehem Gefühl und ängstlich fragender Seele an die Heimat denken. So nahte der heilige Abend heran und schien in traurigen Ernst ge¬ hüllt zu sein. Sollte uns aber das alles niederschlagen? Wir wollten und mußten Weihnachten feiern, fröhliche Weihnachten! Darin stimmten olle Herzen überein. Unser tapscrer und freundlicher General, jeder Offizier, jeder Srlvat waren geschäftig und bedacht, mitten im stürmischen Kriegsleben und der selbst»« g ssenen Uebung harter Pflicht eine Feierkiunde voll Jrudcns und Freude zu gegenseitiger Erquickung und Stär¬ kung zu bereiten. Wie erfinderisch ist die Liebe! Mit den kleinsten Mitteln und schwächsten Kräften bringt sie Schönes und Erfreuliches zu¬ stande. In der alten Kathedrale fand am. Abend eine Weihnachtsfeier statt. Die Franzosen staunten, wie alle dienstfreien Krieger sich ins Gotteshaus drängten und tic>biwcgt die Predigt hörten. Ich halteten Musikern der Negimcnrsmusik, die bei uns war, mancherlei Weihnachtsmclodien außer den immcrgiltigen Chorälen: „Vom Himuiel hoch, da komm ich her" und „Das ist der Tag, de» Gott gemacht" vorgesungen, und sie halten sie schnell aufgefabt, und unter Leitung des äußerst ge¬ schickten Kapellmeisters entstand ein musikalisch reich ausgestatteter Gottes¬ dienst. Und dann flammten überall die Weihnachlsbäume, und in vielen Ileinen Kreisen spiegelte sich das herrliche Bild der siegreichen, vor Gott demütigen und dankbaren deutschen Armee, die ihr Weihnachtsfest begeht '

als eine große Familie.

Drvri

,»c»ro

Anrlrdoterr vorn Knisom Fmirdrsrlz

erzählen schlesische Blätter. Kaiser Friedrich war in jungen Jahren zum 11. Regiment in Breslau kommandiert. Er best chtc a> ch damals eine Beratungssitzung des Obcrlandcsgerichts. Um dem hohen Herrn etwas vorzutragen, was ihn voraussichtlich interessieren würde, ließ der Präsident eine Statistik der Verbrechen, mitteilen. Der Beiichterstattcr wies nach, daß die Diebstähle in den letzten Jahren erheblich abgcnoinmcn hätten, und knüpfte daran die Bemerkung, man könne daraus ersehen, daß die Moralität immer mehr zunehme. Da erhob sich das durch seine Freimütigkeit bekannte Mitglied des Gerichtshofes. Freiherr von Anistelten, und sagte trocken: „Glauben Sie cs nicht. Königliche Hoheit! Die Kartoffeln sind billiger geworden." — Bald nach dem französischen Kriege begegnete der damalige deutsche Kronpiinz im Berliner Kastanienwäldchcn eines Sonntags-Mittags einem Zahlmeisteraspiranten. Der Kronprinz blieb stehen und fragte den Aspi anten: „Wo haben Sic gedient?" „Beim zweiten Gardc-Kürassier-Regiment, Königliche Hoheit!" „Was für ein Landsmann?" „Schlesier!" „Der wievielte Mann sind Sic in der Ancicnnctäl?" Aspirant: „Der 25.!" „Da werden Sic noch large warten müssen, che Sic Zahlmeister werden; aber trösten Sie sich, ich muß auch warten!" Damit schritt der Kronprinz grüßend seinem Palais zu. \

Modurct) Füvst Kisrna» rk Glzrenrnitglied der Darizigcr Korrrtrüflcr wuvbc. Infolge einer irrtümlichen

Angabe eines Parlamcutrdcrichtcs der „Post" vom 16. April 1885, in dem behauptet wurde, daß Fürst Bismarck im Reichstage gesagt habe, er glaube, die kräftigen Arbeiter in Danzig, die Kornträgcr, würden auch „Bofkc's" genannt, hatten 125 solcher Danziger Kornträger ein ironisches Schreiben an den Reichskanzler gerichtet, in welchem sie dem¬ selben die Ehrcnmitgliedschaft der Danziger Kornträgcr-V.rcinigung an¬ einem von ihm selbst unterzeichneten Anlwortsschrciben hatte boten. Fürst Bismarck die ihm imputicrtc Aeußerung für erfunden erklärt, die Ehrenmitgliedschaft aber kurzweg angenommen. So wurde denn der Reichskanzler, der schon so viele Ehrenämter inne hatte, auch Ehrenmit¬ ^ glied der Danziger Kornträgcr. II. M.

In

Girr degradiertes Regiment. Als Friedrich der Große im Jahre 1760 Dresden belagerte und der Feind plötzlich «ncn Ausfall machte, konnte das Infanterie-Regiment Bernburg den, kräftigen Anpralle nicht standhalten. Ter König war darüber lvütend und beschloß, das ganze Regiment hart zu bestrafen. Tic Osfizicrc mußten ihre Huttressen. die Soldaten die Bandlitze der Uniform abtrennen und letztere mit ihren Seitengewehren abliefe»»; zugleich verlor das Regiment die Berechti¬ gung, den Grcnadicrmarsch trommeln zu dürfen. Die Soldaten, von denen viele noch aus der Zeit des „Alten DcssaucrS", der das Re¬ giment gebildet hatte, stainmten, waren über diese Schmach und den Spott, den sic deshalb dulden mußten, tief gebeugt und brannten vor Begierde, die Scharte wieder auszuwetzen. Gelegenheit wurde ihnen am 15. August desselben Jahres in der Schlacht bei Licgnitz. Met Löwenmut stürmten sie unter Anführung des Fürsten Franz Adolf von Dessau gegen den Feind und verrichteten Wunder der Tapferkeit. Stach der Schlacht befahl Friedrich der Große die Aufstellung der ganzen Armee in langer Linie und ritt die Front ab. Dabei kam er auch an dem Regiment Bernburg voibei. Er hielt sein Pferd an und rief: „Kinder, ich danke Euch, Ihr h bt Eure Sache brav gemachi!" Ta trat ein eis¬ grauer Soldat, der Flügelmann der Leib-Kompanie, nanicns Fauser, vor und sagte: „Ich danke Euer Majestät im Namen meiner Kameraden. Euer Maj.stät sind nun doch wieder unser gnädigster König und nehmen uns den Schimpf ab?" Gerührt rief Friedrich: „Es ist alles vergeben und vergessen, Kinder, Ihr sollt alles wieder haben!" Auch andere Sol¬ daten traten vor nnd veiteidigt-n in treuherziger Weise ihr Verhalten bei Dresden. Fauser wurde zum Sergeanten ernannt, und das Regiment eihielt seine Ehrenzeichen zurück. 11.

Der alte Pr«rr»ierlieuto»rant unb fein Glauben.

König Friedrich II. von Preußen wandte sich einst an einen alten Premier-Lieutenant mit der Frage: „Wie viele Katholiken, Reformierte und Luthcrancr hat Er in seiner Compagnie?" ' Der Gefragte nannte die Anzahl. „Welchen Glauben hat Er?" „Majestät, daß ich endlich Capitain mit entsprechenden Einkünften werde," antwortete schnell der Osfizicr. „Mag sein — nur verleite Er niemand zu diesem Glauben!" -einwar die Antwort des Königs.

Urrrins -Uachrkchtr». Verein für die Geschichte der Mark Brandenburg. , Sitzung vom 11. November 1896. Herr Oberlehrer vr. Bardcy aus Nauen verlas ein Edikt Friedrich Wilhelms 1. von 1723, durch das die sog. Zcnungsbcrichte veranlaßt wurden, die jeder Magistrat monatlich nach bestimmtem Schema nach obenhin einreichen mußte. Der Vor¬ tragende wies auf die Bedeutung dieser Berichte für die lokale Geschichts¬ forschung der einzelnen Städte hin und ging näter auf die handschrift¬ lichen Zeitungsberichte von Nauen ein. Die letzteren seien zwar höchst lückcnhast, böten aber für die Jahre 1818—1892 manches von all¬ gemeinem Interesse. Der damalige Bürgermeister Dcichmann habe sich nämlich in geistvoller Weise wiederholt über die Wirkung der neu ein¬ geführten Städteordnung und über bürgerliche Verhältnisse mehrfacher Art geäußert. Zu Anfang seien die Bürger über die ihnen bewilligten Freiheiten öfter in große Irrtümer geraten, der große Hausen habe de» eigentlichen Geist der Städteordnnng nicht richtig aufzufassen vermocht, und oft sei nicht edler Eigennutz die Triebfeder der Stadtverordnetenbeschlösse gewesen. Dennoch sei ein reges Leben in die Bürger gekommen. Die gemächliche Ruhe, wie sie vor 1806 bestand, sei ebenso wie der Wohlstand in den Kricgsjahrcn verloren gegangen, und eins so wenig wie das andere wollte sich wieder einstellen. Die Geniüter seien in Bewegung gebracht worden, nnd die Gedanken hätten einen solchen Schwung erhalten, daß das Bestreben nach einem gewissen Etwas,

welches aber niemand

so eigentlich zu nennen gewußt, noch lange fort¬ gedauert. Man erwarte Veibcssciungen der Lage, man spreche verschiedent¬ lich noch von neuen Gesetze» und Verfassungen. Der Zeitgeist sei über¬ haupt sehr problematisch. J>der glaube sich zum Tadeln dessen, was Obere thu», berufen, und dies geschehe meistens mit Leidenschaft. Bciondcrs nachteilig sei die Stellung der Magistrate, die den Stadt¬ verordneten gleichsam snbordrniert xno darum ohne Kraft und Macht seien. Mindestens müsse die erste Magistralsperson durch lcbcnsläng. liche Anstcliring unabhängig hingestellt werden. Die Menschen müßten im Innern veredelt werden. Diese Veredelung könne nur von den höheren Ständen ausgehen. Tie höchsten Staatsdiener müßten zugleich von Herz und Sinn die besten Menschen sein und über die unteren wachen, daß sie zu jeder Zeit gut befunden werden. Ferner sollten die Unteren über das Betragen der nächsten Vorgesetzten von den höheren Borg. setzten lnfragt werden und dann etwa angebl che Fehler geprüft und darüber liebreiche Zurechtweisungen gegeben werden, wenn es nicht etwa grobe Vergehen seien, die bestraft werden müßten. So könne es von unten an dis zum König hinauf gehen. Umgekehrt hätten die Vorgesetzten ihre Untergebenen zur Ordnung zu crmahucn nnd nötigen¬ falls zit bestrafen rc. der sich anschließenden Debatte erklärte Herr Prof. vr. Schmoller, daß sich in diesen Berichten der Zeitge st allerdings vortrefflich wiederspicgele, und daß durch derartige Vorstellungen die Verbesserungen der Städtcordnung zu Anfang der dreiß gcr und fünfziger Jahre veranlaßt worden seien. Herr Privatdozcnt vr. Wilhelm Naudä äußerte sich über das neu erschienene Buch von. Martin Philippson, der groß-- Kurfürst Friedrich Wilhelm von Biandenburg, I. Teil, 1640—1660, Berlin 1897. Das Buch bringt keine neuen Thatsachen und bietet ke ne selbständige Einzelforschung — Ziele, die PH. nach seinem eigenen Vorwort auch gar nicht Der Vortragende erklärte, er vermisse ab.r auch, hat erstreben wollen. wag sehr viel mehr ins Gewicht falle, in dem Philippsonschen Buche selbständige Gedanken und eine eigenartige Auffassung. Im Vciglcich zu Ranke, Dropsen, Erdmannsdörfcr und anderen GcschichtSwcrkcn über den großen Kurfürsten, die PH. als seine „Vorarbeiten" bezeichnet, bedeutet das Buch leinen Fortschritt, sondern einen Rückschritt. Eine Besprechung des Buches hat der Vortragende in der Nr. vom 24. Nov. 1896 der Deutschen Littcraturzcit.lng, herausgegeben von Paul Hinncbcrg, veröffentlicht.

In

Kuchertisch.

Unsere Uogel

in Sage, G.schichte nnd Leben. Jung nnd alt zu» Unterhaltung und Belehrung dargeboten von A. Carsted. Mit vielen Abbildungen noch Zeichnungen von Fedor Flinzer. Kleinquart. Preis geb. 6 Mk. Leipzig, Ferdinand Hirt u. Sohn. Der Vcrfaffer, von Jugend auf ein eifriger Naturfreund, wendet sich an alle Vogelfrcunde. zumeist allerdings an die Jugend, und schildert in heiteren, anspruchslosen Reimen das Leben und Treiben unserer bekanntesten heimatlichen Vögel. Aber er führt uns auch ins graue Altertum und ins Mittelalter zurück und erzählt uns in bunter Reihe eine Menge von Fabeln und Märchen, von abergläubischen Ueberlieferungen und Anekdoten, die sich an die Namen unserer gc-

11

Wir hören da von OdlnS und von fieberten Freunde knüpfen. Mexinrads Naben, von den Kranichen des Jbykus. von den Eulen in Alhcn, wir begleiten das Edelfräulcin mit ihrem Jagdfräulein auf die Rciherbeize — kurz, ein jeder, der sich für die Vogelwelt interessiert, wird reiche Anregung und mancherlei Belehrung au; den frisch unv anmutig geschriebenen Versen schöpfen. Was. dem Buch aber noch be¬ sonderen Wert verleiht, ist der geradezu mustergültige Bilderschmuck Meister Flinzcrs. welcher nicht weniger als 8 ganzseitige Bilder in Quartformat, eine große Anzahl Textbilder, Zierleisten und Vignetten, sowie für jedes der 20 Kapitel eine reizende Kopf-Silhouette geschaffen hat. Eine höchst originelle, mehrfarbige Einbandzeichnung vervollständigt die prächtige Ausstattung des Buches, an dem jung und alt seine Freude —yhaben wird. IDlürhisdic Klänge. Gedichte von Ernst Zeisiger. Berlin. Verlag von Julius Bohne (Otto Klaeger), Preis 4 Mk. Die „Märkischen Klänge" sind Gedichte von vollendeter Form und großer Tiefe des Gefühls: es sind milde, keusche, zarte Blütcnträume eines reinen, frommen Gemüts. Der Titel „Märkische Klänge" ist insofern geiechtscrtigt, als die Mark mit ihren ragenden Buchen, mit ihren knorrigen Kiefern, mit ihren träumerischen Seen es dem Dichter angethan hat: schlicht und herzerfrisch nd wie die märkische Landschaft sind seine „Märkischen Klänge". Das Höchste leistet er nach meinem Gefühle in den Gedichten, in welchen ihm die Natur unmittelbar zum Spiegel seiner dichterischen Empfindung wird. Zwei Beispiele mögen dies veranschaulichen:

Verlassen.

Mond erglänzt im vollen Scheine, Nachtgcsäusel leise weht, Auf dem Heidegrund alleine Träumend eine Buche steht.

'

Baum, wie gleichen wir uns beide Unterm lichten Sternenzelt, Einsam du auf stiller Heide, Einsam ich in weiter Welt.

Andacht.

,.

Leis rauscht die Nacht Hemieder, Küßt freundlich jeden Strauch, Es dringt ins Herz mir wieder Ihr lcbcnssrischcr Hai ch. Um selige Gedanken,

Geheimnisvoll ei wacht, Sich Blütenträume ranken Und lichte Etcrnenpracht.

Sic bringt mir frohe Kunde Bon fernen Himmelshöhu, Und läßt in stiller Stunde Den Glauben auferstch'n.

Ernst Zeisiger mit seiner Poesie in innigster Wechsel¬ Allmutter Natur; sie wird ihm zur Offenbarung Gottes, aus ihrem Born quellen ihm seine Lieder. Sein Sang gilt denen, in deren Gemüt das Rauschen der Wälder, der Sang; der Vögel .der dunkeln Gefühle Gewalt" weckt, „die im Herzen wunderbar schliefen."/ Die Frage: „Wem gilt mein Sang?" beantwortet der Dichter der „Märkischen Klänge" selbst mit folgenden Strophen: „Wer gerne weilt alleine, , So

steht

beziehung zur

j



Wo leis das Bächlein rauscht, Wer gern im stillen Haine Deui Sang der Vöglcin lauscht:

für

1897. Verlag von A. Haack in Berlin. Preis 2 Mk. Ein-reizendes Geschenk für Damen! Der Einband ist in durch¬ brochener Elfenbein-Imitation mit Goldschnitt hergestellt. Die litterarische Beigabe besteht in einer lebendig geschriebenen Novelctte: „Eaizig und allein"^ von M. von Eschen, auf welche auch das Titelbild hiniveist. Die prakt sche Einrichtung als Notizbuch, Tagebuch, Haushaltungsbuch rc., verbunden mit der vornehmen Ausstattung, läßt den Kalender als eine Zierde jedes Damenschreibtisch:s erscheinen. x. Durch anderweitige Arbeiten in Anspruch genommen, hat unser bisheriger hochgeschätzter Mit¬ herausgeber, Herr Richard George, sich veranlaßt gesehen,/vom 1. Januar d. I. ab von der Redaktion des „Bär" zurückzutreten. Wir sagen Herrn George für seine bisherige große Mühewaltung im Inter¬ esse unserer vaterländischen Zeitschrift lien wärmsten Dank. Zu unserer Freude wird Herr George auch fernerhin dem „Bär" sein lebhaftes Interesse zu¬ wenden und in der Reihe seiner Mitarbeiter ver¬ bleiben. Alle Korrespondenzen, Aufsätze, Bücher zur Besprechung u. s. m. wolle man aber hinfort an „die Redaktion des „Bär" (Fr. Zillesscn), Berlin N 58, Schönhauser Allee 141," senden.

Redaktion u. Verlag des

„Bär"

Inhalt: Finis Poloniae. Historischer Neman von Grundier. — Eine Vergnügungsreise vor 100 Jahren. Von Georg Siegcrist. — Das preußische Bernsteinkabinctt. Vo» M. Frey. — Mein Heimatland. — Kleine Mitteilungen. Die Königin Luise (Mit Abbildungen). Barbarossa-Niiche und Reite, standbild C.

Wer gern in Maientagen E.n fröhlich Licdlcin singt.

Die junge Knospe bringt;

Kornträgcr wurde. Ein tegradiertcs Regiment. lieutenant und scin Glauben. Vcreins-Nachiichtcn.

Wer gern sich mag verstreuen Freundes Arm sein Leid, Den soll mein Sang erfreuen, Dem sei mein Lied geweiht!"

in R. G.

©ine jtjcifc irrn die Melk

— nicht in 80 Tagen, sondern und doch ohne Ueberhastung, in behaglicher Ruhe, ohn« Unbequemlichkeiten, ohn« Gefahren und fast ohne Kosten! Zu einer solchen Reise durch aller Herren Länder bietet dos Prachtwcrk „Die Hauptstädte der Welt" (Verlag der Schlesischen Buchdruckerei, Kunst- und Verlags-Anstalt von S. Schottlacnder) Gelegenheit. Wohl werden auf dieser Reise nur die Hauptstädte berührt, aber mehr und niehr ccntralisicrt sich ja das Leben der Staaten iy den großen Metro¬ polen, bieten diese die Quintessenz der eigentümlichen Wesenheit der Nation. Kein trockener Bädcker zählt dem Leser die Sehenswürdigkeiten einer jeden Stadt auf; ob er durch die Straßen des winterlichen Peters¬ burg spaziert, ob er in Paris die Lust heiteren LcbenSgenuffeS atmet, üb er in Rom sinnend vor den Trümmern einer großen Vergangenheit steht, ob er Berlin, Wien. London, Madrid besucht, ob er gar die wundeibaren und wunderlichen Städte fremder (Sriteile, die Residenz

viel

A. Hnack's Darnen-Satondor

am Kyffhäuscr-Denkmal (Mit Abbildungen). Das neue Männcrasyl Obdachlose in der Wicsenstraße. Eine eigenartige Wrangel-Reliquie. Weihnachtsfeier zu Vendöme im Kriege 1870. Zwei neue Anekdoten von, Kaiser Friedrich. Wodurch Fürst Bismarck Ehrenmitglied der Danzigcr

I» so

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rungen

für

Dem Mädchen sonder Zagen

in kaum

Mikado, Tokio, oder die Hauptstadt des Reiches der Mitte, Peking, staunend durchwandclt — immer befindet er sich unter der Führung fein gebildeter, vornehmer Geister, die volle Sachkunde mit glänzender Nnterhaltungsgabe vereinen, die ihm ebenso die Schönheiten der Naiur, der Architektur, der Denkmäler, der Kunstwerke wie die chärakteristischcn Eigentümlichkeiten von Land und Leuten zum tieferen Verständnis zu bringen wissen. Sind cs doch hervorragende Schriftsteller, anerkannte Meister des Stils, welche die Stolle des Erklärer« und Schilderers über¬ nommen haben. Wir nennen von französischen Autoren Namen wie Franyois Coppäe, Pierre,Loti, Camille Pclletan, Edouard Rod, Camille Lemonnicr. denen sich aus anderen Ländern anreihen: Carmen Sylva, Charles Dilke, Henry Havard. Emilto Castelar, Harald Hansen, von dcuffchen Schriftstellern Ä. Oskar Klausmann, Konrad Tclmann u. v. a. Und zu vollem Leben ergänzt das Wort des Erzählers der Stift des Künstlers. Mehrere hundert Illustrationen, zum Teil voi treffliche Holz¬ schnitte, vergegenwärtigen dem Auge die Wunder der Welt und der Menschenhand in den Hauptstädten der Welt, das Werk zu e nem Prachtalbum gestaltend, ebenso reich an künstlerischem Genuß wie an einer den geistigen Horizont erweiternden Belehrung. de«

Stunden


>

Maus

Stoff und Diele durchschlüpfen konnte. Herr Direktor?" stören mich niemals. Ich habe mir im Gegenteil die Freiheit genommen, Sie zu stören, indem ich Sie bitten ließ. Heute möchte ich Ihnen einmal mein Herz ausschütten. Ich habe es bisher noch nicht gethan, auch damals nicht, als Sie für das „Daheim" meinen Lebenslauf schrieben und mich um Notizen über meine Vergangenheit baten. Ich habe Ihnen damals nur teilweise das Inwendige von meinem Aus¬ zwischen

„Ich „Sie

Blüte; für

Berlin wird viel Mastvieh geliefert.

Neu- Trebbin ist der Mittelpunkt eines bedeutenden Gänsehandels. Die Industrie ist durch Spiritusbrenuereien, Zuckerfabriken, Stärkefabriken und Ziegeleien vertreten. Tabak wird zwar allgemein an¬ gebaut, aber in auswärtigen Fabriken verarbeitet. Dem Verkehr wird das Bruch mehr und mehr erschlossen; gegenwärtig stehen mehrere beabsichtigte Bahnlinien und Chausseen im Vorder¬ gründe des Interesses. Der Brückenbau bei Niederwutzen, lebhaft vom Kreise Königsberg und seinem Landrate in Fluß gebracht, ist noch immer nicht gesichert, trotzdem der Kreis 300000 Mk. zeichnete. Es wäre gewiß kein Unglück, wenn

störe doch nicht,

wendigen gezeigt."

„Lieber Direktor," sagte ich, „was damals teilweise ja heute ganz geschehen." Wieprecht griff nach einer Rolle, die neben ihm auf dem Arbeitstische lag. „Raten Sie mal, was diese Rolle enthält!"

geschah, kann

sagte er.

„Da

kann ich lange raten."

antwortete ich.

„Vielleicht

eine der leidigen Oderfähren verschwinden könnte.

eine Abhandlung über die Zentralisation der Armeemusik, die

Die Betrachtung des Oderbruches zeigt eine Fülle historischer, wirtschaftlicher und landschafilicher Vorzüge. Wir

Sie seit Jahren mit allen Ihnen zu Gebote stehenden Kräften angestrebt und auch ausgeführt haben, wie Ihr Sieg in Paris

überaus fruchtbares Gefilde vor uns, hervorgezaubert durch den Fleiß ausdauernder Brandenburger unter Führung ihrer Regenten. Freilich der Kampf mit dem Wasser bleibt ein andauernder, und wenn auch die Gefahr eines Damm¬

bewiesen

sehen ein

bruches heute nicht mehr besteht sicht

—,

darf



die Augen. Ich halte in einem bequemen Lehnsessel neben ihm Platz genommen. sich

nach menschlicher Voraus¬

Hand des Bruchbewohners um das ehrenhafte Denkmal seines Fleißess uud seiner Ausdauer in seiner Vorzüglichkeit und seinen ) geordneten Verhältnissen zu erhallen. Mögen auch die jüngsten, immerhin kostspieligen Anlagen diesem großen Ziele gerecht werden zum Segen der Niederung und ihrer Bewohner! so

in

hat."

Nach diesen meinen Worten schaukelte er sich äußerst heftig seinem Schaukelstuhl. Dann legte er die Brille ab und rieb

doch die schützende

„Hören Sie mich an!"

nicht ermüden,

sagte er.

„Ich war vormittag

beim König und habe diese Rolle, die mit meinem Herzblut geschrieben ist und der ich so viele Nachtstunden geopfert habe,

Hand wieder entgegengenommen. Der Titel „Denkschrift über das gesamte Justrumentalwesen und die militär-musikalische Organisation eines Kriegsheeres, von aus

seiner

lautet: ,

\ Wilhelm Wieprecht." Eine der

30 jährige Erinnerung an den Sieg der Musik preußischen Garde bei dem internationale» Wettkampf der Europäischen Militärmusik auf der Pariser Weltausstellung 1867.

Wieprecht, der Direkior der gesamten Musik des GardeKorps, der mit der Oberon- Ouvertüre und seiner ProphetenPhantasie in dem internationalen Wettkampf der europäischen

Militärmusik auf der Pariser Weltausstellung bekanntlich den Ehrenpreis und die große goldene Medaille errungen, hatte mir sagen lassen, ich solle doch bei ihm vorsprechen, falls mich mein Weg in die Nähe der Luiden führe. Ich verkehrte mit Wieprecht und begab nach auch auf die eben erwähnte Einladung hin noch an demselben Tage nach seiner herrlich gelegenen Wohnung Unter den Linden, die durch ihre Aussicht auf die Umgebungen des Opernplatzes, resp. den schönsten

Da

Teil der

saß er wieder,

Residenz mich ungemein anzog.

wie gewöhnlich,

in seinem Arbeits¬ kabinett, der Reformator der Militärmusik. In dem derb¬

Jeder Mann muß ein gegebenes Wort chalten. Und als ich in Paris nach dem Siege der Musik fliiseies Garde-Korps eine Einladung zur kaiserlichen Tafel Erhielt, unterhielt sich Napoleon lange mit mir über das Ge¬ biet der Militärmusik. Der Kaiser der Franzosen richtete viele Fragen an rnich und drückte mir das Bedauern aus, daß er^ alles das. was ich ihm über diesen Gegenstand vorzutragen bie\ Ehre halte, nicht als Schriftstück besitze. Ich versprach dauauf dem Kaiser, über die Zwecke und Organisation einer Heeiresmufik eine ausführliche Denkschrift zu verfassen. Wieherholt eingetretene schwere und langwierige Krankheits¬ fälle ß haben mlch seit meiner Rückkehr aus Paris erst vor kurzes zum Schluß dieser Denkschrift kommen lassen. Ich werde nun in den nächsten Wochen vielleicht nach Paris reifen, diese Denkschrift laut Versprechen dem französischen Kaiser stelbst zu überreichen. Nur eins fehlt zur Ausführung: Der Kötiiig hat Randbemerkungen zu meiner Denkschrift gemacht,, und diese müssen berücksichtigt werden, ehe ich die

W

Arbeit

mV Paris überreichen kann. Einige Teile der Denk¬ schrift sinds dem Könige zu überschwenglich und andere wieder so technische bekannt, daß sie besser fortbleiben. Namentlich

i

1

i 19

wollen Se. Majestät die ganz nüchterne Sprache. Majestät wollen alles Belehrende, alles, was jeder Regiments-Kommandeur, ja jeder Offizier in dem Kaiser der Franzosen gegenüber

aus der Denkschrift an entfernt wisien. Der König hat diese Stellen eingeklammert und bei einer andern Stelle ein Fragezeichen gemacht. Das Eingeklammerte müßte nach der Anordnung des Königs fortbleiben, und nur die Stelle mit dem Fragezeichen bliebe mir überlassen. Die Hauptsache aber ist, daß Se. Majestät eine getreue, nüchterne Schilderung des Wenkampfcs der europäischen Militärmufik in Paris in der

preußischen Armee

den Kaiser

die

kennen muß,

der Franzosen

Denkschrift

eingeschlossen

haben

möchten.

Sr. Majestät alles genau und nüchtern vom Standpuukt aus erzählt, wie es in Paris bei

Ich

habe

fachmännischen dem Konkurse

zugegangen, und der König hat meine Darstellung gebilligt. Im ganzen hat er meine Arbeit als eine solche bezeichnet, wie

in dieser Angelegenheit noch aus keiner Feder hervor¬ gegangen und wie nur ich sie zu schreiben imstande bin. Ich bedarf nun der Hilfe Ihrer Feder, besonders auch, um sie

den Konkurs einzuschalten."

„Wenn Sie mir den Vorgang in Paris getreu schildern, dann vielleicht," antwortete ich. „Ja, das will ich thun, sagte Wieprecht. „Ich bin heute ganz in der Stimmung. Ihnen mein Herz auszuschütten. Passen Sie nur gut auf. damit Ihnen nichts entgeht! Die Schilderung, die ich Ihnen gebe, ist noch nirgends bekannt. Die meisten haben falsche Thatsachen verbreitet! Zuvor Sie sich eine Zigarre an. Ich weiß, Sie find doppelt aufmerksam, wenn Sie rauchen." Ich griff in die Kiste, und bald hatte der Rauch meiner

jedoch stecken

Zigarre

den

lieben,

rastlos

thätigen

Generalkapellmeister, in einen undurch¬ dem Rauch-Schleier aber

seinen Schaukelstuhl und seinen Schlafrock

dringlichen Schleier gehüllt. Aus hörte ich folgenden kräftigen und markierten Vortrag, während der Schaukelstuhl durch die Rauchwolken ab- und aufflog:

Am Sonntag, den 21. Juli, war der internationale Wettkampf im Jndustriepalast. Schon früh um 10 Uhr machte sich vor der Kaserne, in welcher wir lagen, ein Wogen und Drängen des schaulustigen Publikums bemerkbar; die Pariser wollten die fremden Mufikkorps in ihrer parademäßigen

Uniform nach dem Bestimmungsorte ausrücken sehen. Der Saal des Wettkampfes bildete ein längliches Viereck, in dessen Mute dekorierte Bänke für die sämtlichen Mufikkorps aufgestellt waren. Diese Plätze waren umschlossen von einem duftenden Blumenflor der schönsten Gewächse, hinter welchen sich eine terrassenartige, breite Paffage befand. Von dieser Passage aus breiteten sich die Logen der Zuhörer terraffenartig bis an die Enden des mir entsprechenden beiden^

Emblemen und Wappen geschmückien Saales. An einem Ende desselben befanden sich die kaiserlichen Hoflogen, an welche sich von beiden Seiten die Logen der höchsten Staatsbeamten und Gesandtschaften anschloffen. Vor diesen Logen befand

sich ein großer Tlsch für die^Juiy, mit den erforderlichen Schreibmaterialien versehen. In kurzer Distanz, unmittelbar vor der Jury, war die Orchestertribüne in angemeffener

Höhe sich

ort sich

aufgebaut. Am andern Ende des Saales befand großes, logenartiges Plateau als Versammlungs¬ der gesamten Mufikkorps. Die letzteren ordneten hier nach vorhergegangener Losung zum Abmarsch

ein

auf die für sie bestimmten Bänke. Nr. 1. Das Badenser Mufikkorps unter Leitung seines Kapellmeisters Burg (54 Musiker). Nr. 2. Erstes Regiment vom spanischen Geniekoips, unter Führung seines Kapellmeisters Moimo (64 Mu¬ Nr. 3. Mufikkorps der preußischen Garde, unter siker.) Führung ihrer Musikmeister Meinberg und Saro und deren Wir halten an Holzblase¬ Chef Wieprecht (85 Musiker). instrumenten: 4 Flöten. 4 Oboen. 6 Fagotts, 4 Contrafagotls, 1 kleines Fagott. 4 Miitelfagotts. 16 große Klarinetten. Wir verfügten an Blechblaseiiistrumenten über 4 Sopran-Cornetts, 4 Alt-Cornetts, 4 Waldhörner. 4 Tenorhörner, 2 BaritonTuben, 6 Baß-Tuben, 8 Trompeten, 8 Zug-Posaunen. An Schlaginstrumenten hatten wir 2 kleine Trommeln. 1 große Trommel, 2 Paar Becken, 1 Glockenspiel nebst Triangel, in Summa 85 Instrumente. Nr. 4. Das österreichische Regiment Herzog von Württemberg Nr. 73, unter dem Kapell¬ meister Zimmermann (76 Musiker). Nr. 5. Das belgische Grenadierregiment, unter dem Kapellmeister C. Benner (59 Musiker). Nr. 6. Das bayerische erste Infanterie-Regi¬ ment, unter seinem Kapellmeister Siebenkaes (51 Musiker). Nr. 7. Holländische Grenadier- und Chasseur-Regimenter, unter dem K.-M. Duntler (56 Musiker). Nr. 8. Die russische Chevalier - Garde, unter Führung des CorpsKopellmeisters Doerfelt (71 Mann). Nr. 9. Französische Garde, a guide de la garde Imperiale, Chef Cressonois (62 Musiker). Nr. 10. Garde de Paris, Chef Paulus (57 Musiker). Die Korps nahmen ihren Marsch vom Plateau herab in das Parterre des Saales in der genannten Reihen¬ folge, in welcher Ordnung sie auch auf den bestimmten Plätzen Die Badenser bestiegen zunächst die Musiksich niederließen. begannen tribüne und mit dem Adagio der Oberon-Ouveriüre. Die Musiker, trotzdem sie alle ihre Instrumente angesetzt hatten, wurden indes vom Publikum nicht gehört. 40000 Zuhörer blickien mit gespannter Aufmerksamkeit nach den Musikern, deren technische Gestikulationen sie zwar bemerkten, deren Töne sie aber nicht vernehmen konnten. Ein allgemeines Murren erfolgte, ein tumulluarischer Lärm, klopfend und schreiend: „Wir hören keine Musik! Die Musik in die Mitte des Saales!" Der letztere Wunsch war indes vorläufig unausführbar. Die Musiker schloffen mit dem Adagio der Ouvertüre ab und spielten statt derselben das Finale aus der Lorelei von Mendelssohn, welches mehr auf einer Ensemble-Wirkung ruhte, als das Adagio der Oberon-Ouverlure, unter fortdauerndem Lärmen uno Pochen bis zu Ende. Hieran schloß sich der Vortrag der Oberon-Ouverture. welche aber unter dem ununter¬ brochenen Lärmen des Publikunis ganz spurlos vorüberging. Dem aufmerksamen Hörer konnte indes nicht unbemerkt bleiben, daß dieses Musikkorps sehr tüchtige musikalisch gebildete Kräfte besitze, die unter günstigeren Verhältnissen sicherlich ihre wohl¬ verdiente Anerkennung gefunden haben würden. Unter solch mißlichen Umständen betraten die Spanier die Mufiktribüne und begannen eine Phantasie über spanische Nationallieder, woran sich die Konkurrenzaufgabe anschloß. Auch diese Musik verschwand spurlos unter fortdauernder Unruhe und lauter Unzufriedenheit des Publikums. Mir war nicht entgangen, daß die Musikkorps den Zweck ihrer Aufgabe ganz irrtümlich aufgefaßt hatten und in der Meinung, hier ein großes Militärkonzert aufführen zu sollen, das Ziel, vor einer Jury zu spielen, durchaus verwechselten. Statt Front zu nehmen zur

..

Jury, rahmen

20

Publikum. Die Länge des Saales vereitele hierdurch nicht allein einen Widerhall, sondern ein komplettes Echo von mindestens der Mensur um eine ganze Viertelnote des Taktes. Wir nahmen deshalb bei unserer Aufstellung Front zur Jury, ich allein als Dirigent nahm Front zum Publikum; der Klang unserer Instrumente gewann War doch der Zweck hierdurch eine ganz kurze Distanz. dieses ganzen Konkurses die Prüfung der Milttärmufik und nicht der eines Militärkonzertes vor einem 40000köpfigen Publikum, wozu mindestens tausend Musiker gehörten, um Wir begannen mit meiner dem letzteren Zweck zu entsprechen. Propheten-Phantafie, die genau auf die Klangwirkung einer Militärmufik berechnet ist. Schon durch eine andere Aufstellung zogen wir die Aufmerksamkeit des Publikums auf uns, und Roch es trat ein? allmähliche Ruhe unter dem letzteren ein. starken der uns in dem günstiger gestaltete sich Moment für Unisono aller Instrumente, womit meine Phantasie beginnt, welche sich schon im 7. Takte in eine im rechten tortmsirno erklingende Harmonie verläuft. Hier ergriff das Publikum von allen Seiten ein zusammenhängender musikalischer Effekt, und von allen Seiten erschallten die Worte: „Silence, silence, quelle belle musique!“ Es trat eine große Ruhe ein, unter welcher jede, ja die feinste Nuance der Spieler zu Gehör sie

zum

diese

••

Flöte war, da das

erstere notgedrungen auf einem

exekutiert werden mußte,

eine

nicht passende,

Flügelhorn

wenigstens in

Paris, wo der Komponist lebt und

seine Gegenwart im Konzert werden durfte. Ebenso stand auch der Klang der Instrumente nicht im Vergleich mit ihren unnatürlichen Kolossen. Das Ganze hatte eine etwas gedämpfte und bis In der Aus¬ zum Extrem kurz abgerissene Klangwirkung. führung von Tänzen und Defiliermärschen, Potpourris rc.

angenommen

haben die Oesterreicher eine Meisterschaft erreicht, wie wohl keines

Was darüber hinausgeht, namentlich klassische Musik, wird, gleich wie die Tanzmusik, in allen Situationen ans das kürzeste Stackato basiert. Im übrigen ist ihre Milttärmufik charakteristisch und ihrem Zwecke entsprechend. Auch die Oesterreicher wurden mit vielem Bei¬ Jetzt traten die Belgier fall seitens des Publikums beglück:. hervor, wunderbarerweise wie die Bayern und Holländer mit großen Streichkontrabässen und Kesselpauken ausgerüstet. Sie begannen mit einer Phantasie über Themata der Oper der anderen anwesenden Musikkorps.

wurde mein Solo-Kornettist

das Allegro der Tell-Ouverture Publikum hatte das Vergnügen, die Tellsowie die Oberon-Ouverture zweimal hintereinander zu genießen. Die belgische Militärmusik, welche ich vor 25 Jahren kennen gelant und deren Konkurrenz mir am gefährlichsten erschien, ging hier sonderbarerweise bedeutungslos vorüber, obwohl mir bekannt, daß ihre Hautboisten insgesamt durchgebildete

belohnt, und ich befürchtete fast, daß die gewünschte Ruhe nicht wieder eintreten und unsere Musik um ihren schönsten Lorbeer gebracht werden könnte. Indes merkte doch das Publikum wohl aus meinen Verneigungen, daß das Musikstück noch nicht geendet habe; man wurde ruhiger, so daß wir die Phantasie bei ganz außerordentlicher Stille im Saale glücklich Jetzt ging es zur Hauptaufgabe zu Ende führen konnten.

fehlte derselben der militärische Charakter, den sie ganz aus den Augen verlor, was durch die Ver¬ wendung von Streichinstrumenten und Kesselpauken seine Begründung findet. Die Bayern schlossen sich hieran mit einer Phantasie über Heimatslüfte, die das Längenmaß sehr überschritt, so daß sich im Publikum gleich wieder die erfor¬ Die Oberon-Ouverture wurde nicht derliche Ruhe verlor. mit der Delikatesse und dem poetischen Ergüsse vorgetragen,

Ausführung der Oberon-Ouverture. Intelligenz unserer Hautboistcu halle von

wie es das Weik erfordert. Die Holländer folgten jetzt mit dem Vortrage einer Phantasie über Themata aus Gounods

gebracht werden konnte.

Vor

dem Schlußsätze der Phantasie

für die Ausführung seiner vor¬ geschriebenen Cadenz durch einen nicht enden wollenden Applaus

des Konkurses, nämlich zur

Die

musikalische

in diesem ungeheuren Raume durch die vorgeschriebenen Piauostellen des Adagios nichts erreicht werden könne. Auf meinen Wink wurden hier nächstdem die Pianos, gedämpften Instrumenten zu exekutieren welche ich mit vorbereitet hatte, sistiert. Das Allegro der Ouvertüre wurde Ein sehr feurig und in sehr lebhaftem Tempo vorgetragen. nicht enden wollender Beifall von allen Seiten, den selbst die Herren der Jury durch Erheben von ihren Plätzen kundgaben, begleitete diesen unsern Vortrag bei seinem Schluffe. Froh und wohlgemut traten wir von der Tribüne an unsere alten Plätze, und nun folgten die Oesterreicher, deren kolossale Baßinstrumente, die ungeheuren Bombardons, Helicons rc. uns einen gewaltigen Schreck einjagten, umsomehr, als eine vor¬ herrschende Zuneigung die Oesterreicher begünstigte. Sie nahmen, wohl fühlend die fehlerhafte Aufstellung der Spanier rc. dieselbe Position, wie wir sie in veränderter Weise genommen halten; sie begannen mit der Rosfinischen Tell-Ouverture. Wenn auch nicht geleugnet werden kann, daß Intonation und Ensemble den tonkünstlerischen Anforderungen genügten, so war dies doch nicht in Hinsicht auf die musikalische Auffassung Das schöne Solo des englischen Hornes im der Fall. Andante pastorale wurde auf einem Flügelhorn exekutiert. Die österreichische Musik führt weder Hautboen noch Fagott und war mithin auf diesen musikalischen Mißgriff hingewiesen. Tie Verbindung beider Soli des englischen Hornes mit der

selbst verstanden, daß

„Tell",

deren

bildete.

Das

Musiker sind:

Faust.

Schlußsatz

es

Die Aufmerksamkeit des Publikums für den Gegen¬

halte sich hier schon dermaßen abgeschwächt, daß ihre Lelstungsfähigkeit nicht diejenige Anerkennung fand, die sie wohl verdiente; überhaupt waren die Tonstücke nach freier Wahl im Zeitmaße alle zu lang gehalten. Jetzt traten die stand

hervor. Ihr Aeußeres, was Bekleidung und Deko¬ rierung mit ihren geharnischten Helmen anbelangt, machte eine imposante Wirkung und frischte das Interesse des Publi¬ Sie spielten nach freier kums einigermaßen wieder auf. Wahl eine Phantasie: „Lebensouvertüre für den Kaiser" von Glinka. Diese Ouvertüre halte mehr die Form einer Phantaste über russische Nationalliedcr, die in echt nationaler Die Gesamtwirkung Weise wundervoll vorgetragen wurden. dieser Musik war militärisch charakteristisch, obgleich der Vor¬ Russen

trag ihrer Mufikpiecen mehr Wärme hätte ausdrücken können. Namentlich darf dies von der Oberon-Ouverture gesagt werden, welche auch in einent überaus langsamen Tempo exekutiert wurde. Die Leistungsfähigkeit dieses Mufikkorps überraschte in der That um so mehr, als die allgemeine Meinung herrschte, daß die Russen in der Jnstrumentaltonkunst noch nicht so weit Endlich erschien Nationen. der Moment, wo die Eifindungen des Instrumentenmachers Sax bei diesem Konkurse ihre Sanktion vor der ganzen Es traten als Repräsentanten Welt erhalten sollten. Korps „Guide de la garde Erfindungen die beiden dieser

vorgeschritten seien, wie

andere

|

2;

Imperiale“ und „Garde de Paris“ auf.

Das

erste

Korps

spielte eine geistreich komponierte Phantasie über den „Karne¬ Diese Phantasie val von Venedig" von Charles Collin.

enthielt höchst interessante Instrumental-Effekte, die mit einer Das Ganze außerordentlichen Virtuosität exekuiiert wurden. (Stile humoristischen gehalten, so daß man einem höchst war in dies Musikstück sehr gut als Phantasie-Burleske bezeichnen konnte. Der Charakter der Mililärmufik aber lag dieser Musik sehr fern, so daß man behaupten möchte, die Mililärmufik sei hier schon vollständig im Virtuosentum aufgegangen. Dergleichen gehört mehr in den Salon, als vor die Front eines Regiments. Das zweite Musikkorps trug, ebenfalls nach freier Wahl, Chor und Marsch und die Einleitung aus der Oper Lohengrin vor. Chor und Marsch machten eine schöne Wirkung. Die Einleitung, die der Komponist mit lauter Sordinen im Orchester vorgeschrieben Hai, und welche von den Saxo¬ phons (Blechklarinetten) so zu sagen gesäuselt wurde, war auch wohl nicht geeignet, eine Miltlärmufik zu veranschaulichen. Wenn auch die außerordentliche Virtuosität und Präzision, mit welcher diese Tonstücke vorgetragen wurden, nicht zu ver¬ kennen ist, so fordert eine Musik, die des Kriegers Mut für Kampf und Sieg anfeuern soll, solche Mittel nicht. Es war wohl sehr natürlich, daß nach einer fünfstüirdigen Aufführung, in der man zehnmal gezwungen war, die Oberon-Ouvertüre mit anzuhören, eine Abspannung der Zuhörer sich gellend machte. Die verfehlte Richtung, welcher die französische Militärmusik seit 25 Jahren huldigt, war aber der Grund, daß die Leistungsfähigkeit ihrer eignen Landsmannschaften die Zuhörer nicht mehr so zu enthusiasmieren vermochte, wie es den Preußen und Oestcrreichern geglückt war. Ueberhaupt ist es in de» letzten drei Decennien zur Maxime geworden, von Jndustriellen die Werkzeuge der Mililärmufik zu ihrem Vorteil aus¬ beuten zu lassen. Die Orchester-Kammermusik besitzt in ihren Flöten, Haulboe», Fagotts, Clarinetten. Waldhörnern und Posaunen so vortrefflich für die Militärmusik sich eignende Werkzeuge, und diese bilden mit Hinzuziehung der modernen chromatischen Blechinstrumente, z. B. der Cornetts in Sopran und Alt, der Tenorhörner, der Bariton- und Baßluben, endlich mit Zunahme der üblichen Schlagwerkzeuge ein so unendlich reiches und schönes Material für die Militärmusik. daß es aller ileueren Erfindungen, die doch alle nur Abarten jener sind, nicht bedarf, um eine charakteristische und kräftig klingende Militärmusik herzustellen. Das letzte Mufikkorps verließ um 672 Uhr die Musiklrrbüne. Alles, Publikum und Musiker, harnen in gespannter Erwartung der Eiuscheldung. In diesem Momente trat der kgl. preußische Konsul. Herr Bamberger, Mitglied der Jurr), freudig erregt zum preußischen Musikkorps heran, uns verkündend, daß wir nach dem Ausspruch der Jury den ersten großen Preis errungen hätten. Gleichzeitig trat auch der Sekretär des Konkurs-Komitees, Herr Jonas, an mich mit der Aufforderung heran, mit ihm zum General Mellinet zu gehen. Wir mußten unseren Gang über die Musik-Tribüne nehmen, um zur Jury zu gelangen. Als wir beide daselbst anlangten, waren sämtliche Mitglieder der Jury verschwunden; sie hatten sich in ein anstoßendes Kabinett zu einer zweiten Beratung zurückgezogen. Herr Jonas war über dieses Verchwinden der

Jury erstaunt und bat mich, einen Moment

zu

varien und oen Platz nicht zu verlassen, damit er mich wiederinden könne. Ich folgte seiner Aufforderung, doch leider umonst. Nach einer guten halben Stunde, in welcher das

..

Publikum

schon des langen Harrens auf Verkündigung des Resultates ungeduldig geworden war, erschienen in der Milte des Saales auf einem Balkon die Mitglieder des Komitees, und General Mellinet meldete folgendes: Die Jury habe sich aus gewissen Gründen veranlaßt gefühlt, vom allen Programm dahin abzuweichen, daß aus dem einen großen Preise, zu

welchem 2000 Francs zugelegt wurden, 3 große Preise ä 2500

Francs, ein zweiter Preis aus jenen zugclegien 2000 Francs, noch ein dritter Preis zu 1000 Francs bestimmt worden seien. Er bezeichne die ersten drei großen Preise nach alphabetischer Ordnung, um keinem der Gewinner den Vorzug

endlich

l) pour les Autrichiens; 2) pour les Frangais; pour les Prussiens; für die Russen den Preis der Zulage 3) zn geben:

für die Holländer den Preis von 1000 Francs. So endete dieser denkwürdige Konkurs, aus welchem die Preußen allein als Sieger hervorgehen mußten. Am 30. (Dienstag) fand eine Marschaufführung vor Sr. Majestät dem Kaiser und der ganzen Suite in dem Tuileriengarten abends 5 Uhr fiait. Nach Beendigung derselben mußten die gesamten Musikkorps ein geschloffenes Karree bilden; Seine Majestät nebst Suite in der Milte desselben verteilten hierbei eigenhändig Orden an die kommandierten fremden Offiziere, sowie an sämtliche an¬ wesenden Regiments-Kapellmeister. Hier hatte ich die Ehre, das Ritterkreuz der Ehrenlegion aus der Hand des Kaisers unter der schmeichelhaftesten Anerkennung memer Verdienste im Gebiete Die Korps und alle An¬ der Militärmusik zu empfangen. wesenden brachten dem Kaiser ein dreimaliges donnerndes Hurra. Das Karree tiai wieder in Linie, und die Mufikkorps begannen ihren Abmarsch. Mich beglückte-an diesem Abende eine Einladung zur kaiserlichen Tafel, bei welcher Gelegenheit der Kaiser sich mit mir lange über das Gebiet der Miliiärmusik unterhielt, viele Fragen an mich richtete und das Bedauern ausdrückte, daß er alles das, was ich ihm über diesen Gegenstand vorzutragen die Ehre halte, nicht als Schrift¬ stück besitze. An diesen Wunsch knüpfte ich das Versprechen, für Se. Majestät über die Zwecke und Organisation einer Heeresmusik eine ausführliche Denkschrift zu versassen. Wiederholt ein¬ getretene schwere und langwierige Krankheitsfälle seit meiner von 2000 Francs,

Rückkunft

aus Paris haben mich erst jetzt zum Schluß dieser

Denkschrift kommen lassen, und ich gedenke, dieselbe Sr. Majestät Napoleon 111. rn Paris selbst zu unterbreiten, nachdem ich Die sie heute aus den Händen unseres Königs zurückerhalten. Denkschrift bedarf jedoch der vorhin mir Ihnen besprochenen Umänderungen, die sich auf die markierten Stellen des Königs

beziehen.

-t-

Zur Abgabe

*

*

des hochinlereffanten und wertvollen Wieprechl-

Manuskripts an den Kaiser der Franzosen kam es nicht. Der Krieg von 1870/71 trat unerwartet als eine unüber¬ windliche Scheidewand dazwischen. Ich schickte die Rolle mit Dieser den Anmerkungen des Königs an Wieprechi zurück. mit den in meine Hände wieder Manuskript das aber legte kommen, Zeit noch in Worten: „Behalten! und sollte die F. B. meinem Sinne verwerten!"*) schen

*) Die Denkschrift erschien 1885 unter dcni Titel: „Die MilitärMusik und die militär-musikalische Organisation eines Kricgshecres. Hinterlassene Denkschrift von Wilhelm Wieprecht, weil. Direktor der gesamten Musik des Königl. Prcuß. Garde - Corps u. s. w." im Verlag von Carl Habel in Berlin und ist von der Verlagshandlung zum Preise von 0,80 M. zu beziehen.

Kleine Mitteilungen. Friedrich der Grofte beim Austrercknen drr Sümpfe. (Mit Illustration auf S. 17.) Was das Oderbruch

Fürsorge Friedrichs des Großen, durch die Verlegung des Strombettes der Oder und anderweitige sich anschließende Meliorationsarbeiten geworden, ersehen wir aus dem in der heutigen Nummer veröffentlichten Aussatz von ©. Richter: „Das Oderbruch und seine kulturhistorischen Momente." Aber nicht bloß aus das Oderbruch und die Warthcniederungen beschränkte sich die landesvätcrliche Fürsorge des großen Königs. Auch in der Mark wurden große Strecken durch Austrocknen der Sümpfe — namentlich in der Havclgegend und in den Niederungen des Rhyn — urbar gemacht. Das vortreffliche Gemälde von C. Koch in dem Festsaal des Teltower Kreis¬ hauses in der Viktoriastraße zu Berlin, von dem wir auf Seite 17 eine Reproduktion bringen, zeigt uns Friedrich den Großen, wie er persönlich die von ihm angeordneten Enlwässcrungsarbeiten zwischen Potsdam und Saarmund inspiziert. Dem Gemälde liegt eine in dem alten Amtsgebäude zu Schönebcrg vorgefundene Skizze zu Grunde. durch die landesväterliche

Win H jb c r^FriLÄr rct) s bes Grossen wegen der irufgelrn1renon"Nvrligen- und Aposteltage. Im Jahre 1743 erhielt der Breslauische Inspektor Burg folgendes Kabinettsschreiben: „Würdiger, besonders Lieber, Getreuer. Nachdem Ich mit mehreren dasjenige erfahren habe, was Ihr in Eurem unter dem 11. dieses an Mich erlassenen Schreiben, die in Schlesien auch bey den Evangelischen abgeschaffie verschiedene Heiligen- und Aposteltage betreffend, melden wollen; So gereichet Mir zwar Eure darunter bezeigte guie Intention zu ganz gnädigem Gefallen. Ich kann Euch aber darauf in gnädigster Antwort nicht verhehlen, wie Ich die in erwähntem Eurem Schreiben angeführten Ursachen, daß denen Evangelischen in Schlesien dergleichen eingezogene Feyertage wiederum wie vorhin freigegeben, oder wenigstens solche mit denen Cathoiiken glcichgelassen werden möchten, nicht von der Erheblichkeit finde, daß ich deßhalb von der aus Landcsväterlichen Ursachen letzthin gemachten Verordnung abgehen könnte. Ich bin völlig pcrsuadirt, daß einige gute nnd wohlgesittete Gemüther unter Meinen Evangelischen Unterthanen in Schlesien, alle dergleichen vorhin cclebrirte und nunmehr abrogirtc Festtage, wohlangewendet haben, um den Gottesdienst an solchen würklich zu cclebriren. Ihr werdet aber auch selbst convcniren, daß der größte Theil der übrigen sich der dortige» übergroßen Menge solcher Feyertage, nur allein als einer Gelegenheit bedient habe, ihrem natürlichen Müßiggänge zu folgen, ihr Hauswesen und nöthige Arbeit zur Unterhaltung der ihrigen zu negligiren, Überbit g aber, durch allerhand Ueppigkeiten und Laster, einen ganz widrigen Gebrauch, von der ehemaligen Stistung dergleichen Feyertage zu machen. Bekanntermaßen Werren alle Gesetze in Absicht auf den größesten Theil gegeben, um denen dadurch bei der Menge eingerissenen und weiter einreißenden Mißbräuchen vorzubeugen. Die Bcsorgniß eines Scandals, so durch die Evangelischen denen von der Römisch-Catholischen Religion gegeben werden würde, wann erstere nicht denen letzteren übrig gelassene Apostel- und Festtage zugleich mit celcbrirrn, nachdem eines Theils denen der Römisch-Catholischen Religion, durch das, obgleich nicht ohne Mühe zuwege gebrachte Päbstliche Breve die Augen über den Schaden der zu vielen kleinen Fest- und Feyertage geöffnet worden scynd, anderen Theils aber auch, daß solches wider Verhoffen denen von letzterer Religion einiges Scandale geben möchte; So würde solches sodann nickt anders als ein selbst genommenes Scandale anzusehen seyn, dergleichen in keinen Gelegenheiten gänzlick zu evitircn stehet. Anlangend einen Tieil der¬ jenigen Feyertage, jo Ihr in Eurem Schreiben benennet, und deren Beybehaltung Ihr von einigen Nutzen zu seyn vermeint; da dienet Euch zur Antwort, wie solche theils schon auf die nächstfolgenden Sonntage verlegt worden, die übrigen aber leicht auf eine gleiche Art noch milcelebrirt werden können. Die Mildthätigkeit guter Herzen gegen die Armen wird durch Minderung der Feyertage nicht gehindert werden Sachen, die täglich oder öfters geschehen, werden bald zur Last oder wenigstens indifferent, und weniger Gelegenheiten zu milden Ausgaben animiren vielmehr den andächtigen und freywilligen Geber zu einem so milden Beytrag, lleberdem wird es denen Evangelischen Kirchen und Bethhäusern in Schlesien allemahl freybleiben, auch bey denen (ge¬ wöhnlichen Wochenpredigten vor die Armen und vor die Unterhaltung der Bclhhäuscr öffentlich zu sammeln, so daß beyde letzigenannten durch die gemachte Verfassung wegen der Feyer- und Apostellage, nicht verliehren können, noch werden. Andre noch mehrere Umstände von dem wahren Nutzen der letzthin gemachten Verordnung zu geschweige», welche der Raum allhicr anzuführen, nicht zuläßt; Ich bin daher an Eurer Mir sehr wohlbekannten guten und soliden Denkungsart versichert, daß Ihr den wahren Stutzen und Meine rein und gnädigst gemeinte Landesväterliche Intention bey nachgedachter Verordnung, nicht nur selbst ein¬ sehen, sondern auch diejenigen schwachen Gemüther Meiner Evangelischen Unterthanen in Schlesien, bey welchen sich etwa noch einiger Anstoß über solche Verordnung finden dürfte, aufzurichten und zu rectificircn, Euch bestens bemühen werdet. Ich bin übrigens Euer gnädiger König Potsdam, den 11. März 1754. Friedrich."

L. E L.

Fürst Sisrncrrck als W c>sttthäter.

Durch die Zeitungen ging vor einiger Zeit eine kleine Erzählung von Heinrich v. Poschinger „Bismarck in Biarritz", in der folgende Stelle vorkommt: „Es hat Federn gegeben, welche mit Vorliebe Bismarck als einen Mann hinzu¬

stellen suchten, an dessen Thür die Armut vergebens klopft, dessen Herz durch die Politik ganz versteinert ist" Poschinger widerlegt diese unzu¬ treffende Behauptung über Bismarck durch eine Erzählung aus Biarritz. Aber man braucht nicht gerade nach den Pyrenäen zu gehen, um Beweise für die Herzensgine Bismarcks zu finden. Am 3. Juli 1866 wurden in der denkwürdigen Schlacht bei Königgrätz drei Soldaten beide Augen ausgcschoffen. Die drei Invaliden leben noch, und zwar der frühere Sergeant Weber tn Wittenberg, ein gewisser Trenk in Schönebcrg bei Berlin und ein gewisser Scnftenberg in einem Dorfe bei Potsdam. Der Staat Hai s. Z. für die unglücklichen Männer soweit gesorgt, daß sie vor Mangel geschützt sind. Der damalige Graf Er zahlte ans seinen Mitteln v Bisniarck aber that noch ein übriges. jedem der Unglücklichen jährlich eine Zulage von 160 Thalern. Und was der Graf Bismarck begonnen, hat der Fürst Bismarck fortg setzt Er hat den drei Invaliden also in den vergangenen bis heute. 30 Jahren die Kleinigkeit von 27 000 M. bezahlt. Von dieser Gro߬ that erfährt freilich kaum ein anderer etwas, als die Beschenkten. Sie möge aber auch im „Bär" rühmend erwähnt und so dem Andenken späterer Zeit aufbewahrt bleiben.

Gmit Du Sr>is-Reprnc>nb

ch.

In

der Morgenfrühe des

zweiten Weihnachtstages ist Emil Du Bois-Reymond, einer unserer hervorragendsten Mitbürger, einer der größten Gelehrten unserer Zeit, einem war am fast seit Jahresfrist bestehenden Siechtum erlegen. Er 7. November 1818 zu Berlin als Sohn eines von Neuchatel eingewanderien Uhrmachers geboren und hat also ein Alter von 78 Jahren erreicht. Mit ihm hat die Akademie der Wissenschaften ihr ältestes Mit¬ glied verlo-en. Am 5. Mai 1851 war er in die physikalisch-mathematische Klasse derselben eingetreten, und seit 1867 lag beständig das Sekretariat in seiner Hand. Unter den zeitigen Proiessoren der Universität ist er der einzige, der zwcrmal als Rettor an ihrer Spitze gestanden hat. Das erste Mal hielt er bei Eröffnung des Krieges gegen Frankreich eine von flammender Begeisterung und edelster Vaterlandsliebe erfüllte Rede. Als Schüler von Johannes Müller, dessen Nachfolger als ordentlicker Professor er auch später werden sollte, hat Du Bois-Reymond sich wesentlich der Anatomie und Physiologie zugewandt. Im Jahre 1841 begann er seine Untersuchungen über tierische Elektricität. Die ersten Ergebnisse seiner einschlägigen mühevollen Studien hat er in der Ab¬ handlung „Ueber den iog. Froschstrom u. die elektromotorischen Fische" niedergelegt. Eine vollständige Darlegung seiner epochemachenden Ent¬ deckungen enthält das berühmt gewordene zweibändige Werk „Unter¬ einem besonderen Artikel suchungen über tierische Elektricität." — wird demnächst der „Bär" die großen Verdienste des nunmehr von uns geschiedenen hervorragenden Gelehrten feiern. Rühmend erwähnt sei schon jetzt sein „Ignorabimus“ (Wir werden nicht wissen d. h. das menschliche Wissen wird stets eine Grenze finden, über die es nicht hin¬ ausdringen kann), mit dem er in seiner Rede über „die Grenzen der Naturerkcnntnis" dem Dünkel einer sich selbst überschätzenden Natur¬ philosophie entgegengetreten ist.

In

fpic Siblrotstek des Hauses Rudotplz Horstog

Sorttn.

in

Wohlfartseinrichtungen, die für die Beamten der Firma Rudolph Hertzog in Berlin getroffen sind, nimmt die von dem jetzigen Chef ins Leben gerufene Bibliothek eine hervor¬ ragende Stelle ein. Am 1. .April 1883 gegründet und unter der persönlichen Leitung des Herrn Rudolph Hertzog in diesem Sommer durchgesehen, geordnet und erweitert, umfaßt die Bibliothek nunmehr gegen 1000 Bände, die in jeder Beziehung geeignet erscheinen, dem in Paragraph 1 der Satzungen ausgesprochenen Zweck zu genügen, der „Erholung nach den Stunden der Arbeit und für den Strebenden die Möglichkeit methodischer Fortbildung" verheißt. Ein gedruckter Katalog, der 40 Seiten umfaßt, giebt ein anschau¬ liches Bild der in zehn Abteilungen gegliederten Büchersammlung. Naturgemäß nimmt gediegene Unterhaltungs - Litteratur und eine bedeutende Anzahl guter Volksschriften den größten Platz ein; aber auch die Geschichte und die Litteraturgeschichte, Naturkunde und Länder¬ Unter den

vielen

kunde sind vertreten, und das Spezialgebiet der Handelswissenschaften umfaßt eine lange Reihe sorgfältig ausgewählter Werke. Französische und englische Schriften ermöglichen den direkten Verkehr mit der Geistesarbeit der dem Kaufmann am nächsten liegenden Kulturvölker; volkstümlich geschriebene Kompendien aus ferner stehenden Wissenschaften dienen lcm Lernbegierigen zu einem wenigstens oberflächlichen Selbst¬ unterricht in allen Fragen, die das moderne Leben berühren. Die Bibliothek, die gleichförmig in rote, für das Haus Hertzog besonders gezeichnete und hergestellte Einbanddecken gebunden ist, hat ihren Platz in mehreren mächtigen Eichenschränken, die in einem lichten Raume des riesigen Kaufhauses aufgestellt sind. Sie ist, wie schon erwähnt, die eigenste Schöpfung des letzigen Chefs der Firma, der in monatelanger Arbeit mit erstaunlicher Sachkenntnis alle die Schriften ausgewählt hat, die für oie große Familie seines Hauses am passendsten erschienen. Auch jetzt nach beendeier Zusammenstellung des Grundstockes der Bibliothek behält Herr Hertzog die oberste Leitung in eigener Hand.

Die Sammlung wird werter ausgebaut und ständig gepflegt werden, aber es soll ihr kein Buch einverleibt werden, das der Chef nicht selber kennen gelernt hat. Die Benutzung dieser reichhalrigcn und wertvollen Büchersammlung steht dem gesamten großen Personal des Hertzogschen Kaufhauses frei.

23 Die Disponenten, die Kommis und Lehrlinge, die Konfektionsdamen und die Ladenburschen, die Inspektoren. Portiers und Nachtportiers, die Aichitekten des ständigen Baubureaus und die Familien sämtlicher Angestelltensie alle genießen durch die Bibliothek des Hauses Rudolph Hertzog die Wohlthat unentgeltlicher geistiger Nahrung, So steht dieses in Anlage und Ausführung gleich vortreffliche Wohlfahrts¬ werk als ein bleibendes Denkmal humaner Gesinnung und kräftiger moderner Geistesarbeit da, wie wir glauben, ohne Gleichen als Schöpfung eines Mannes für ein Handelshaus, Es gereicht der Leitung des großen Hauses zur Ehre und dessen Angehörigen zum Nutzen; hoffentlich ist dieses dankenswerte Voranschreiten auf einer neuen Bahn auch für andere große Handelshäuser ein Sporn zur Nacheiferung und stiftet aus diesem Wege auch mittelbar Segen für weite Kreise unseres Volkes B.

Küchcrtifch. Kursor Mittxetnr der GroHo, Deutschlands Kottor

und Räctzor

von n r. Adolf Zehlickc, Verlag von Louis Abel, Berlin 8,. Sebastianstraße 29, Nationales Prachtwerk, 30 Hefte k 50 Pf. Das erste Heft dicies naiionalen Prachtwerkes, das bis zur Jubelfeier am 22 März 1897 vollständig vorliegen wird, ist erschienen. Es enthält vier Druckbogen Text, vier Voll- und zwei Doppelvollbilder und ist mit einem künstlerisch ausgeführten Umschlag nach einer Originalzeichnung versehen. Der Inhalt zeigt, daß wir es hier mil einem groß angelegten historischen Werke von bleibendem Werte zu thun haben. Der Verfasser entwickelt in diesem 1. Heft in großen Zügen die Geschichre des deutschen Volkes von der Urzeit bis zu Heinrich Ueber das ganze Werk sagt die Verlagsbuchhandlung in der Ankündigung: dieiem Werke schildert der Verfasser, der durch sein Werk über den Krieg von 1870/71, durch das große Nationalepos Heinrich der Obotrit und zahlreiche Dichtungen eine hervorragende Stellung in der deutschen Litteratur einnimmt, in populärer, gemeinverständlicher und hochinteressanter Weise die hohen Verdienste Kaiser Wilhelms des Großen, die welthistorische Bedeutung seiner Regierung und der von ihm ge¬ führten drei großen Nationalkriege, sowie des von ihm wieder auf¬

I

„In

Schwäche und Stärke, was faßt es alles in sich an beschämenden und erhebenden Thatsachen! — Wer recht in Freuden wandern will, der nehme sich dies Buch zur Hand und begleite den Dichter, er wird beide

l'ebgewinnen,

P. B.

Uapatoan I. in

Wort und Bild.

Von Armand Dayot.

Leipzig 1896, Verlag von H. Schmidt u. W, Günther. Lsg. 31—34. Preis je 60 Pf. Diese Schlußlieferungen des schönen Werkes über Napoleon I. von Armand Dayot enthalten nicht weniger als 41 Textillustrationen und 4 Doppelvollbilder und zwar „Der 18. Brumaire, das Ende der Republik" nach Bauchet — „Der Redoutable bei Trafalgar" nach dem Gemälde von Meyer — „Schlafzimmer des Kaisers Napoleon I." (Schloß von Fontainebleau) — „Die Kaiserin Josevhine in Malmaison" nach dem Gemälde von Prud'hon. Die Litteratur über den großen Er¬ oberer und sein Schicksal wird durch dieses reich illustrierte Werk bereichert.

—n.

Die verehrten Leser und Freunde des „Bär" werden inständig gebeten, doch in ihren Kreisen auf unsere vaterländische Wochenschrift aufmerksam zu machen und sie zum Abonnement warm zu empfehlen. Nur dadurch, daß die Freunde vater¬ ländischer Geschichte einem Unternehmen, wie das unserige ist, einmütig die angelegentlichste Unter¬ stützung zu teil werden lassen, kann dasselbe seine Aufgabe in befriedigender Weise lösen. Mil Hilfe der allen Mitarbeiter und durch Anknüpfung wert¬ voller neuer Verbindungen sehen wir uns zu unserer Freude schon jetzt in der Lage, allen berechliglen Anforderungen in vollem Maße zu entsprechen.

gerichteten Deutschen Reiches. einer historischen Einleitung wird die Geschichte des alten deutschen Reiches entrollt, seine Bedeutung für die Menschheit und die Ursachen keines Verfalles dargelegt. Daran schließt sich die Schilderung der Bestrebungen der Hohcnzollcrn, namentlich des großen Kurfürsten und Friedrichs des G>oßcn, ein neues Reich auf fester Grundlage zu schaffen, bis nach den vergeblichen Bestrebungen des Deutschen Volkes, das alte Reich wieder herzustellen, endlich Kaiser Wilhelm der Große das Sehnen von Generationen in ruhmvoller und großartiger Weise befriedigt und dadurch Deutschlands Weltstellung wiederherstellt und

Gründler. — Das Oderbruch in seinen kulturhistorischen Momenten, Von C. Richter. — Beim Gcneralkapellmeister

Frieden Europas sichert, D>e besten und zuverlässigsten Quellen sind benutzt, so daß das Werk auch einen hohen wissenschaftlichen Wert hat. Auch die geheimsten Vorgänge, welche bisher nur wenigen bekannt waren, sind ans Licht

aufgehobenen

In

den

gezogen.

Der Verfasser hat erlebt,

Er

diese große Zeit seit 1848—1888 selbst mit¬ ist seit 1800 als politischer Publizist thätig gewesen und hat

Krieg von 1870/71 als Berichterstatter mitgemacht." Wir brauchen wohl nicht besonders zu betonen, daß ein solches Werk für jeden Deutschen von großem Werte ist, und daß sich dasselbe ganz besonders auch als Geschenk für die Heranwachsende Jugend eignet, um die nationale Gesinnung zu stärken und zu fördern, den

Dio Königin Kuilo in

fünfzig Bildern für Jung und Alt von und W. Friedrich, Berlin, Verlag von Paul Kittel. Ganz-Kaliko-Ausgabe 6 Mark, mit Goldschnitt 8 Mark Große Luxus-Ausgabe 50 Mark, Volks-Ausgabe in Pappband 3 Mark. Zu dem schnell volkstümlich gewordenen Bilderbuche „Der alte Fritz" hat sich in diesem Jahre ein würdiges Seitenstück „Die Königin Luise in 50 Bildern" bei gleich vornehmer Ausstattung und gleich wohl¬ feilem Preise gestellt Die Königin Luise lebt im Herzen des deutschen Volkes in unauslöschlicher Erinnerung fort als der Schutzengel Preußens, als das verklärte Sinnbild der guten Sache, für die unsere Ahnen 1813—1815 in den Tod gingen, und als die Mutter des großen Kaisers, der die ihr von dem Korsen angethane Schmach an dem Neffen gerächt hat. Das Buch von der Königin Luise ist zugleich eine Schilderung der Zeit der schwersten Kriegsnöte, in die unser Vaterland jemals ge¬ raten ist, und diese Schilderung, die hier einen tragischen Abschluß findet, wird, dank der wirksamen Form die ihr die drei genannten Künstler gegeben haben, das heilige Feuer der Vaterlandsliebe auch in Zeiten der nationalen Erschlaffung vor dem Erlöschen bewahren. —yC,

Röchling, R. Knötel

Wasgarrfatprton.

Ein Zeitbuch von Fritz Lienhard.

Berlin.

Verlag von Hans Lüstcnöder, Preis 1,50 M. gbd. 2,50 Mark. Der Verfasser gehört zu jenen Wanderern, denen Gott eine rechte Gunst erweisen will, wenn er sic in die weite Welt schickt — und er macht sich solcher Gunst würdig. Er sicht nicht Berge nur und Thäler, Dörfer und Städte, ihm ist der dunkle Wald ein Heiligtum, Burg und Fels bevölkert mit Gestalten der Vorzeit, das ganze herrliche Land ein teures Vermächtnis der Väter. „Elsaß" — Stichwort für Deutschlands

Redaktion u. Verlag des

JjnljaU:

Finis

Poloniae.

„Bär".

Historischer

Roman

von

C.

Wicprecht, Eine 30jährige Erinnerung

an ven Sieg der Musik der bei dem internationalen Wettkampf der Eurovän'chen auf der Pariser Weltausstellung 1867. — Kleine Friedrich der Große beim Austrocknen der Sümpfe (Mit Ein Kabincttsschreiben Friedrichs des Großen wegen der

preußischen Garde

Militärmusik

teilungcn. Abbildung)

Heiligen- und Aposteltage.

Mit-

Fürst Bismarck als Wohl¬

Emil Du Bois-Rcymond ch. Die Bibliothek Rudolph Hertzog in Berlin. — Büchertisch.

thäter.

Uoitction-Arnutetts.

des

Hauses

Aus der Heimat John Bulls hat eine recht eigenartige Neuheit den Weg zu uns gefunden, die augenblicklich bei unseren uppcr ten thonsands als recht geschmackvolle „last novelty“ gilt. Es sind dies die jetzt in Waffen auftauchenden Veilchen-Amuletts. Man denke sich eine ziemlich dicke, mcdaillenähnlichc Masse im satten Tief¬ blau des Veilchens. Die Medaille hat einen niedlichen Hängsel von der Farbe derselben Blume. Hergestellt wird diese niedliche Kleinigkeit aus einer auserlesenen Zusammensetzung der frischen Blüten des ParmaVeilchens, welches alle anderen an Duft und Wohlgeruch übertrifft. dieser festen Forui einer tragbaren Medaille verbindet es durch seinen ebenso lieblich süßen wie starken Dust die Annehmlichkeit eines dauer¬ haften Sachets mit der eines erfrischenden Cachous sür den Atem. Ein einziges Stück in den Mund genommen, hat sich in der That als sehr schmack¬ haft und zweckdienlich erwiesen. Geiragcn werden die Veilchen-Amuletts ferncr in der Tasche oder Geldbörse; auch legt m ans sie mit Vorliebe zwischen Handtücher, Handschuhe, Spitzen re. an Stelle des Sachets; ferner schützen sie die Kleider gegen die Motten. Wir können wegen des Renommees der die Neuheit vertreibenden Firma (F. L. Nadge, Wäschegeschäft, Berlin, W. Mohrenstraße 27,28.) die Veilchen-Amuletts durchaus empfehlen. —

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Verantwortlicher Redakteur und Verleger: Fr. ZiHessen in Berlin N. 68., Schönhauser Allee 141. Druck der Buchdruckerei Gutenberg, Berlin N., Schönhauser Allee 141a. — Abdruck ohne eingeholte Erlaubnis ist untersagt.

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Unter Mitwirkung von

Vv.

U. Küvtnflttter. Professor Di>. Kroctztttt, Dr. A. Richard George, Jett"'. Wlorzer, fiymitafialbireftor

Tt)eo>t>c>r a. D.

|ontaue,

Dr. Wt. Sct>tr>>rrt; imb G. o.

ffi. Fvtedel , WrildetrDrttrii

Stabtrat

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arie sprang von ihrem Vater, der ihr zärtlich die Hand aufs Köpfchen gelegt und ihr liebevoll in das erglühende Gefichtchcn geblickt hatte, zu ihrer Mutter und dann zur Tante. Jeder gab sie die Hälfte ihres Sträußchens, indem sie sagte: „Es find die ersten; ach es war schön, wunderschön!"

„Wo

ist denn

u»in Wildfang

so

lange gewesen?" fragte

der Vater.

„Am See", antwortete Marie. „Die Sonne ging unter und spiegelte fich im Wasser! Es war prächtig." „Am See? Non visu, Du konntest ja ertrinken!" rief die Tante. „Am See?" sagte auch die Mutter. „Dort steigen ja jetzt die feuchten Nebel auf!" „Was in aller Welt hattest Du am See zu thun ?" rief der Vater. „Zu thun hatte ich eigentlich da nichts," erwiderte Marie. „Ich suchte Blumen zu einem Sträußchen für Mama, und da ging ich unvermerkt immer weiter — erst durch den Park, dann durch den schmalen Waldstreifen, und dann kam ich »n Hier standen aber grade die meisten. Ich habe gethan?" fuhr sie fort, betroffen darüber, daß alle sie so ernsthaft ansahen; „der alte Schäfer Thomas war auch da mit seiner Herde." „Da bist Du allerdings in höchst nobler Gesellschaft ge¬ wesen!" spottete Tante Melanie. „So weit darfst Du ohne Erlaubnis nicht wieder gehen, mein Kind." sagte die Mutter. „Wir waren sehr in Sorge um Dich." den

Grürrdler.

(2. Fortsetzung.)

See.

doch nichts Unrechtes

„Warum

steckst

Du nur immer mit

dem alten Flunkerer,

dem Thomas, zusammen?" polterte jetzt der Vater heraus.

Papa, der erzählt immer so schöne Geschichten. — nein, heute hat er eigentlich nichts erzählt. Heute sagte er nur — " „Nun. was sagte er?" „Er sähe in den Wolken gespensterhafle Reiter, Soldaten und Wagen nach Westen ziehen. Ich iah auch hin. sah aber nichts als einige Wölkchen, und da habe ich ihn tüchtig aus¬ gelacht." Tanie Melanie warf einen bedeutungsvollen Blick auf ihre Schwägerin. „Und dann behauptete er —" „Ach.

Auch heule

„Nun, was?" „Das bedeute Krieg! —

Auch sah er die Reiter zurück¬

kommen, und. denken Sie sich, ohne Köpfe. Da habe ich mich denn sehr geängstigt. Denn der Karl steht doch bei den ZietheN'Husaren, und der Joachim müßte am Ende auch mit.

wenn er bis dahin seine Studien beendet hat. Er behauptete auch, sein Enkel Christian, der im vorigen Herbst unter die Soldaten genommen wurde, komme nicht lebend wieder zurück. Ach, es war schrecklich anzuhören, wie der alle Mann

jammerte."

„Na.

dem alten Halunken werde ich einmal gehörig den

Dieser Schwindler giebt sich immer den als ob er mehr loüßte. als andere Leute; und da das Uebernatürliche stets am leichtesten geglaubt wird, hüllt er seine Aussprüche in ein mystisches Gewand, wie das delphische Orakel."

Kopf

waschen!

Anschein,

»

„Aber viele seiner Prophezeihungen find doch eingetroffen!" warf Tante Melanie ein. „Weil er die Verhältnisse vorurteilsfrei beurteilt und eine ziemliche Kombinationsgabe besitzt."

„Die Kriegsaussichlen haben Sie ja

soeben

selbst

zu¬

gegeben!"

„Na,

dazu

gehört

viel! Schon über ein Jahr Wir haben ja auch schon Truppen

nicht

spukt es in den Kabinetten.

in Holland stehen. Bei dem Drängen der geflüchteten franzö¬ sischen Prinzen, bei dem lebhaften Interesse, welches der deutsche Kaiser daran hat, den wankenden Thron seiner Schwester, der Königin Maria Antoinette, wieder befestigt zu sehen, bei dem Wunsche sämtlicher monarchischen Staaten, die revolu¬ tionären Ideen, welche das französische Volk ergriffen haben, sich nicht über ihr eigenes Gebiet verbreiten zu sehen, muß es früher oder später zum Krieg kommen. Schon jetzt sprechen die Bauern in der Schenke davon, und mancher unruhige Kopf sähe das Herannahen der Revolutionsarmee nicht ungern. Den Zenpunkt aber hat der kluge Thomas wohlweislich ver¬ schwiegen."

„Er

sagte

übrigens", bemerkte Marie schüchtern, „von

meinen Brüdern habe er nichts gesehen." „Ach, papperlapap! Dieser Wichligthuer kann gar nichts wissen. Ich hätte ihn auch schon längst entlassen, wenn er nicht so zuverlässig wäre und so erfahren in der Heilkunde.

Darin kommt ihm in der That keiner gleich. Ich werde aber dafür sorgen, daß er Dich künftig mit seinem Unsinn verschont." „Aber, mon beau-frere, Sie können doch nicht leugnen, daß es verborgene Kräfte in der Natur giebt, die wir schwachen, irrenden Menschen nicht zu ergründen vermögen?"

„Daß uns

noch vieles verborgen ist, kann nicht bestritten Daß sich aber einzelne Menschen anmaßen, die gött¬ liche Wellordnung umstoßen zu können, die Zukunft vorherzusagen, das Leben und die Jugend künstlich zu verlängern, Gold zu machen und dergleichen — das ist empörend." „Norr dieu! Da gehören Sie wohl gar zu dem Jlluminalen-Orden?" „Dem Geiste nach immerhin, obwohl ich dem Orden nicht beigetreten bin. Wie mir scheint, schätzen Sie aber die Taschen¬ spielerstückchen eines Messmer und Cagliostro höher als die tiefernste Wissenschaft eines Leibniz und Kant." „Ach, Lieber, streitet doch nicht weiter hierüber! Ihr über¬ zeugt einander doch nicht!" mischte sich Frau Sophie ins Gespräch. „Mich bekümmert nur das eine, daß Karl wahrscheinlich bald ins Feld ziehen muß, wo ihm der Tod täglich hundertfältig droht." „Ja, Fiekchen, das ist nun einmal nicht anders. Der märkische Adel hat es sich von jeher zur Ehre angerechnet, für seinen König Blut und Leben zu lassen. Als bloßer Parade¬ soldat, nur zum Schwenzeln und Caresfieren. dazu wird der Soldat nicht erzogen. Es sollte mich innig freuen, wenn wir den Franzosen einmal so recht eins auswischen könnten, und sollte ich meine beiden Söhne dazu hergeben müssen! Aber freilich, diesen verlotterten Prinzen zuliebe oder dem Oesterreicher — nein, da wären sie mir doch zu schade! Doch,

werden.

wenn der König ruft, heißt es Ordre parieren! Nun, vor¬ läufig isLs noch nicht so weit." „Daß ihr Männer doch an nichts als Kampf und Streit denkt! Die Gefühle der Mutter, welche ihre Söhne mit

26

Schmerzen

und Sorgen

ausgezogen

hat,

kommen

nicht

in

Betracht."

„Das muß wohl

so

in

der

Natur liegen,

Fiekchen.

Wenn ein Rudel Jungens zusanimen ist, dann hauen sie sich. Kommt dagegen eine Anzahl Mädel zusammen, dann fingen und tanzen sie oder sie spielen „kochen". Unter diesen Gesprächen war es allmählich dunkel ge¬ worden, und der Diener brachte einen schweren, dreiarmigen silbernen Leuchter, mit selbstgezogenen Talglichtern besteckt, herein, dazu eine Lichtputzschere und Lichtschiffchen. Eine spärliche

Beleuchtung

gegen

die

war zufrieden.

jetzige!

In

Man kannte aber

Bürgerhäusern brannte für gewöhnlich die Oelfunzel, nur bei festlichen Ge¬ legenheiten das Talglicht. In den Bauernhäusern leuchtete der Kienspan im seitlichen kleinen Kamin. Der Diener, welcher die Lichter gebracht hatte, war nicht Puffke, sondern ein langer, eckiger Mensch von ungefähr vierzig Jahren, mit glatt rasiertem Gesicht, in welchem stets ein stereotypes, halb unterwürfiges, halb insolentes Lächeln vorherrschend war. Seine tiefliegenden, dunklen Augen dichter, schwarzer Augen¬ waren von einem Paar brauen beschattet, und, obwohl die Lider fast immer demütig halb gesenkt waren, so schoß doch zuweilen blitzähnlich ein beobachtender Blick unter ihnen hervor. Sein Haupt war tadellos frisiert, doch konnte der Puder das glänzend schwarze Haar nicht ganz verbergen. Er trug eine einfache Livree, schwarze Strümpfe und Schnallenschuhe. Als er den Leuchter auf den Tisch gesetzt halte, zog er sich bescheiden an die Thür zurück und blieb in demütiger Haltung stehen; er hatte sofort gemerkt, daß eine erregte Unterhaltung stattgefunden hatie, und war neugierig, etwas Näheres zu erfahren. Denn Neugierde war einer seiner Hauptfehler. keine

bessere

und

den

Herr Hans Wilhelm war noch einigemal im Zimmer auf- und abgegangen. Als er den Diener stehen sah, fragte er ihn: „Will Er noch etwas?" „Ich wollte den gnädigen Herrn nach seinen weiteren Befehlen fragen," war die mit süßlicher Stimme gegebene

Antwort.

„Es

ist gut jetzt.

Sorge Er dafür, daß das Abendessen

in einer Stunde serviert wird!" Der Diener warf noch schnell einen Blick über die ganze Gesellschaft, machte eine tiefe Verbeugung und schob dann wort¬

los rückwärts zur Thüre hinaus. Er hieß eigentlich Johann Müller, hatte aber seinen Namen französiert und in Jean Meunier umgetauft, weil dies Der alte Puffke, nach seiner Meinung vornehmer klang. welcher früher seine Stelle eingenommen hatte, war mit zunehmen¬ dem Alter doch recht klapprig und vergeßlich geworden. Tante Melanie hatte deshalb durchgesetzt, daß endlich einmal ein „gelernter" Diener angenommen wurde, der bei den wenn auch seltenen Besuchen aus der Nachbarschaft mit dem nötigen Anstand aufzuwarten verstände. Jean Meunier hatte vorher Es schon in mehreren vornehmen Häusern in Berlin gedient. mußte aber doch in etwas nicht recht gestimmt haben, denn es war ihm ganz erwünscht gewesen, sich eine Zeitlang „aufs Land zurückzuziehen", und so hatte er durch Vermittelung einer Freundin der Frau Melanie diese Stelle erhalten, die wenigstens in Bezug auf reichliche Verpflegung nichts zu wünschen übrig ließ.

27

Manschen hatte

sich

auf'ein Fußbänkchen

zu Füßen ihrer

Mutter erfaßt — die — und ihr Köpfchen zärtlich andere hielt noch das Sträußchen gesetzt,

an

die

die Kleiderfalten

eine freie Hand derselben geschmiegl.

unter endlosen Verbeugungen umdie Taube, und unter d^m Tauben¬ schlag kündigt ein gackerndes Huhn das welterschütternde Ereignis an, daß es im Begriff ist, sein Ei zu legen. Eine Reihe Wirt-

vor den beiden großen Scheunen, welche in Reihe und Glied auf. gefahren, wie eine Kompanie Grenadiere, dahinter die Pflüge und Eggen. Der Hof ist gekehrt, alles zeigt Ordnung, Sauberkeit und strenges Regiment. Den Scheunen schastswagen steht

liebes Kind," sagte die Mutter, „und wärmeres Kleid an, damit Du Dich nicht zieh' ein eikällest! Und nicht wahr? Du machst solch weite Gänge nicht wieder ohne unser Wissen? Du bist nun bald ein er¬ wachsenes Fräulein, und da darfst Du die nötigen Rücksichten nicht aus den Augen lassen." Das Kind hüpfte hinaus. Auch Tante Melanie erhob

die eine Seite des Hofes begrenzen,

vor dem Souper noch Toilette machen zu müssen. Die Toilette nahm sie täglich viele Stunden in Anspruch. Frau Sophie legte ihr Nähzeug sorgfältig zusammen und verwahrte es in dem Nähtischchen in der Fensternische; dann setzte sie sich mit einem liefen Seufzer auf das Kanapee. Ihr stellte seine ausgerauchte Gatte Meerschaumpfeife auf den Pfeifenständer und setzte sich neben sie. Er ergriff ihre Hand, streichelte sie mehrmals und sagte dann tiefernst: „Ich glaube wirklich, wir gehen einer sturmbewegten, trüben Zeit entgegen. Wer weiß, was uns die Bewegung von jenseits des Rheins noch alles bringen kann! So spurlos, wie manche hoffen, wird sie an uns nicht vorübergehen. Was aber auch kommen mag, Tu bist mein tapferes Frauchen und wirst auch Schweres zu überwinden wissen!" Frau Sophie lehnte ihren Kopf an die breite Brust ihres Gatten und erwiderte: „Hans Wilhelm, ich vertraue Deiner Einsicht und fühle mich vollkommen geborgen in Deinem Schutz. Ich bange mich nur um das Schicksal unserer Jungen." „Das steht in Gottes Hand, Fiekchen. Ihm müssen wir vertrauen. Unser allergnädigster König ist ja herzensgut, viel zu gut. Wenn er nur besser beraten wäre! Aber da hcpen's. Es ist ja schwer für einen Fürsten, immer das Rechte zu treffen. Alles wird ihm so dargestellt, wie seine Ratgeber es wünschen. Und nicht selten stehen diese noch in fremdem Solde. Der Fürst lebt gewissermaßen in einem Kreise, über den er nichi hinaus kann. Er sieht die Dinge der Außenwelt nur durch die Brille, die ihm vorgehalten wird. Ja, mit unserem allen König, da war's anders. Er war fern eigener Minister. Er kannte alles, wußte alles und machte alles selbst Er brauchte keine Ratgeber. Seine philosophischen Studien halten ihn die Menschheit lieben und die Menschen verachten gelehrt. Solcher Männer bringt jedes Jahrhundert nur einen hervor. — Jetzt muß ich übrigens nach der Wirt¬ schaft sehen und den Verwaltern ihre Weisungen erteilen. Du wirst Dich auch wohl um Dein Abendessen kümmern müssen." Beide erhoben sich. Hans Wilhelm führte die Hand seiner Gattin an seine Lippen und hauchte einen leisen Kuß auf ihre Stirn. Sie umfaßte ihn stürmisch und rief: „Du bist der beste Mann auf der Welt! Aber das Herz ist mir doch schwer."

„Ring", die eingefriedigte große Dungstätte, auf welcher das Vieh frei umhergehen kann, befinden sich auf einem Neben¬ hofe, ebenso die Fohlenkoppel. Der Einfahrt gegenüber, zu welcher eine doppelte Reihe Akazien führt, schließt das Herren¬ haus das Viereck ab, denn ein Schloß konnte es kaum ge¬ nannt werden. Ehedem war es nur die Wohnung des Amt¬ manns. Das Schloß haue eine Viertelstunde seitwärts an dem Ufer des Sees auf einer kleinen Anhöhe gelegen und war burgartig von Wall und Gräben umgeben gewesen. Aber den Stürmen des dreißigjährigen Krieges halle es nicht widerstehen können. Die Schweden hatten es niedergebrannt, und jetzt lag es nur als Ruine da, an der Epheu und wilder Wein emporgekletten waren. Die Herrschaft haue sich später¬ hin — unter Benutzung eines Teils des Amtsgebäudes — ein neues Schloß gebaut, und zwar im italienischen Stil, der damals in Deutschland aufkam. Aber auch dieses neue Schloß war von den Russen im siebenjährigen Kriege niedergebrannt worden. Nur an dem kolossalen Turm an der einen Seite, dessen Mauern über zwei Ellen stark und dessen Zimmer alle gewölbt waren, halle das Feuer vergeblich seine Macht versucht. Er ragte beinahe hundert Fuß hoch in die und auf seiner mit Brustwehr versehenen, ge. Höhe, wölbten Plattform hatte man eine entzückende Aussicht über

„Geh'

sich

jetzt,

und erklärie,

Dann verließen beide das Zimmer. *

*

Es ist Sonntag Nachmittag. Hell leuchtet die warme Frühlingssonne und lockt die ersten zarten Blättchen aus den lichtbraunen Hüllen an den beiden breitästigen, uralten Linden vor dem Herrenhause. Der große viereckige Gutshof ist wie ausgestorben. Taubenhauses

Nur auf dem Dache des türmchenartigen in der Mitte des Hofes girrt der Tauber

liegen

die Pferde- und Rindviehställe. Daneben Verwalierhaus und ein Gebäude für Mägde und fremde Dienerschaft. Der geräumige Schafstall und der

gegenüber

steht das einfache

die ganze Gegend.

Der Aufbau des jetzigen Herrenhauses war erst nach Be¬ endigung des siebenjährigen Krieges durch den gegenwärtigen Besitzer erfolgt. Den bescheidenen Mitteln desselben ent¬ sprechend mußte es möglichst einfach gehalten werden. Kaum größer als die Wohnung einer wohlhabenden Bürgerfamilie, nur aus einem Hochparterre als Erd¬ geschoß und einem Stock mit aufgesetzter Mansarde. An der einen Seite lehnte es sich an den alten Turm an, an der anderen Seite war als harmonischer Abschluß ein vor¬ springender Pavillon angebracht worden. Der Neubau war

bestand es im ganzen

in Roh backsteinbau ausgeführt, während der Turm aus unge¬ heuren, jetzt altersgrauen Quadern aufgeführt war. Trotz Einfachheit seiner machte der Bau mit seinem blinkenden, dunkeln Schieferdach, mit den vielen, mit Spitzgiebeln ver¬ sehenen runden Dachfenstern, sogenannten Ochsenaugen, wie auch infolge seiner Sauberkeit einen vornehmen Eindruck, der durch eine Freitreppe mit breiter Plattform, auf welche die davor stehenden Linden ihre Schatten warfen, noch vermehrt wurde. Ueber der breiten Hausthür zeigte sich, in Sandstein ausgehauen,

das Wappen des Geschlechts: ein silberner Bretterzaun im blauen Felde. Auf der Plattform vor dem Emgang saßen die Damen des Hauses oft. wenn in der Erntezeit der Hof durch die vielen Arbeiter und Knechte, welche die unaufhörliche Reihe

der Erntewagen mit dem reichen Gottessegen einfuhren, sich Sie erlabten sich an dem fröhlichen Getümmel, belebte.

Gin neues Prachtwerk üker Berlin.

während der Hausherr und die Verwalter ordnend im Felde unverdrossen der heißen Augustsonne Trotz boten. In dem Mittelbau wohnte die Gutsherrschaft, außerdem

befanden sich in ihm einige Fremdenzimmer, während die Ge¬ mächer der Tante Melanie in dem Pavillon lagen. In dem alten Turme hauste der Amtmann, welcher die Geschäfte der gulsherrlichen Gerichtsbarkeit und Polizei ausübte. Die Rückseite des Herrenhauses stieß an den Garten, der in altfranzöfischem Geschmack angelegt war und wunderlich verschnittene Taxushecken und steife Blumenbeete zeigte.

Allerlei sandsteinerne Götterbilder aus der griechischen Mythologie, ohne Arme oder Nasen, mit grünlichem Schimmel umwuchert, betrauerten in lauschigen BoSkeis die fröhliche Zeit, wo hier Glanz und Luxus gebedeckt,

von

Epheu

Mit

drei Abbildungen.

Zum Jubiläum des Verbandes der deutschen Architekten¬ vereine ist

zwei berufenen Körperschaften

von

das

umfang¬

Werk „Berlin und seine Bauten" herausgegeben worden, das auch die geschichtliche Entwicklung der ReichsHauptstadt berückfichligt und als Beiträge dazu eine Auswahl älterer Ansichten, Pläne und Bauwerke dielet. Wir. die wir reiche

das Wachsen und Werden Berlins seit 30 Jahren sehen, sind noch nicht daran gewöhnt, der künstlerischen und

litterarischen Festlegung der seitdem eingetretenen Wandlungen besonderes Gewicht beizulegen; ebendieselben, die mit vieler Mühe und großen Opfern kleinen Bildchen aus älterer Zeit nachjagen,

Anficht der ehemaligen Friedrichsbrnclre im Kahre 1780. Aus

„Berlin

und feine Bauten". Verlag von Wilhelm Ernst

wo zierliche Kavaliere in der Allongeperrücke. den Chapeaubas unter dem Arme, den reifrockgeschmückien, koketten Damen Verse gedrechselt und ihnen kunstvoll gebaute, allerliebste Zweideutigkeiten ins Ohr geflüstert, die diese dann mit studiertem Augenspiel und Fächerschlag beantworteten. Jetzt war alles einfach, nüchtern, aber — praktisch. Die Ueberbleibsel der alten lustigen Zeit wurden kaum noch er¬ halten. Neben dem Blumengarten befand sich der umfang¬ reiche. wohlgepflegie Gemüse- und Obstgarten ~~ der Stolz herrscht hatten,

Der Blumengarten setzte sich in dem so¬ Hausfrau. welcher dem daran stoßenden Forst ab¬ fort, genannten Park gewonnen war. Zwischen alten Eichen und Buchen liefen schattige, dämmerige Gänge, in die kein Sonnenstrahl drang. Griechische Tempelchen, Borkenhäuschen und Eremitage hatten Das auch hier nicht gefehlt, waren aber bereits verfallen. arbeitsvolle Leben des jetzigen Besitzers gestattete nicht die Pflege einer überschwänglichen Romantik vergangener Zeit. der

(Fortsetzung folgt.)

&

Sohn in Berlin.

gehen an solchen Arbeiten oft achtlos vorüber,

obschon

der Momem da sein wird, da man nur sehr schwer

bald

Material

über Vorgänge aus der Mitte unseres Jahrhunderts erlangen kann. Man bedenke nur, wie gesucht heute schon jedes Blättchen

aus dem Jahre 1848 ist! In dem Werke „Berlin und seine Bauten" nun. das der Architektenverein zusammen mit der Vereinigung Berliner Architekten in mehrjähriger Arbeit vollendete, erhalten wir durch alte Pläne sowohl, wie durch die Darstellung der wichtigsten Gebäude ein durch eineu sorgfältigen Text ver¬ anschaulichtes Bild der Stadt seit der Mitte des 16. JahrHunderts. Da tritt uns zunächst das restaurierte Bild des alten Schloßbaues Joachims II. entgegen, der als Renaissancebau nicht genügend gewürdigt ist. und der mit seinem berühmten Schloß zu Torgau noch überragte. Aus dem 17. Jahrhundert haben wir die vortreffliche Stadt-Ansicht des Bernhard Schultz, also ein Stück aus der F e st u n g s z e i t B e r l t n s, die durch Professor Holtze in den „Märkischen Forschungen" Festsaal

das

— Der Glanz

der Königskrone verlangte vornehmere Schöpfungen; die höhere Würde trug zur Erweiterung und Verschönerung der wichtigsten Bauten bei, von denen hier vor allem Schloß und Zeughaus zu so

eingehend geschildert wurde.

Der große Grundplan des königlichen Schlosses, das die Baukunst von vier Jahrhunderten in seinen Mauern vereinigt, wird sicher vielen willkommen sein, zumal die Thätigkeit Schlüters und Eosanders, Knobelsdorfs. Gontards und Stülers bequem daran zu verfolgen ist. In die Zeit Friedrich Wilhelms I. fallen (nach Vollendung der Bauten seines Vaters) die schönsten Kirchtürme Berlins, nennen sind.

dann das Kammergericht, die Anlage der Wilhelmstraße das Creutzsche das

Palais; unter Friedrich

dem Großen

und

folgt u.

a.

Forum Fridericianum mit Opernhaus, Universität und

Bibliothek, mit dem alten Dom. dem Kadettenhaus und den schönen Kolonnaden, unter Friedrich Wilhelm II. das Branden-

herausbildete, erforderte prächtige Bahnhöfe und und der erleichterte Verkehr mit dem Süden brachte uns die Paläste der Bierfürften des Reiches; die Verbesserung der Wasserstraßen hat die Verschönerung aller Brücken zur Folge, und Hand in Hand mit dem Wachstum der kräftig

Berlin

sich

Hotels,

aufstrebenden

schießen kostbare Geschäftshäuser, Kirchen, Markthallen und andere Werke aus dem Boden empor. —

Residenz

neue Bäder, moderne

der Reihe nach

Der Bestimmung des Buches gemäß gehörte aber auch das großartige Jngenieurwesen der Stadt und die blühende Industrie hinein, was im II. Bande zu einer Reihe weiterer Kapitel über die Kanalisation, die Wasserwerke, die Beleuchtung, die Straßenbahnen, über elektrische Anlagen. Stadt¬ bahn u. s. w. geführt Hai; in alle dem ist von der Stadl Be¬ deutendes geleistet worden. — Es war eine gewaltige Arbeit, dieses Bild des heutigen

Das Kurfürstliche Schisst zu D erlin irrr Kahre 1690. Aus

„Berlin

und seine Bauten". Verlag von Wilhelm Ernst

burger Thor und das Oranienburger Thor, unter Friedrich Wilhelm und seinem Nachfolger Museum. Schloßbrücke. Neue Wache, Singakademie, Schloßkuppel u. s. w. Unter Wilhelm dem Großen und seinem Sohne setzt dann das Kaiserreich ein mit dem neuen Reichstag, dem Reichsjustizamt. dem Reichsamt des Innern, den Palästen des Reiches für Patentamt, Reichsversicherungsamt, Gesundheitsamt und die Postverwaltung. Dieser Umschwung ist für die Entwicklung Berlins von eminentem Einfluß, denn die großen dazu bereit

III.

Mittel veranlaflen auch den preußtschen Staat, bei dem Neubau des Kultusministeriums, des Ministeriums des des Kriegsministeriums, und des Ab¬ gestellten

Innern,

geordnetenhauses mit vornehmeren Formen und Techniken vorzugehen. Und ihr Beispiel wieder wirkt auf die Museen, auf die Theater, auf die Unterrichtsanstalten, in ge¬ wissem Sinne auch auf den Privalbau und auf die großen Ausführungen der Stadt Berlin, denen ein großer Teil des Werkes gewidmet ist. Der Ausbau des Eisenbahnnetzes, zu dessen Zentrale

Berlin

&

Sohn in Berlin.

in der Wiedergabe des neuen Domes und des Nationaldenkmals auf der Schloßfreihett ihren Abschluß erreichen. Dazu find auch dem geschichtlichen Teile auf allen, Gebieten sehr interessante Bei¬ träge gewidmet. Die würdige Ausstattung durch die be¬ währte Verlagshandlung Wilhelm Ernst u. Sohn (durch 2000 Abbildungen, Pläne und Karten) entspricht in jeder der für die Be¬ Hinsicht der Bedeutung des Inhalts, völkerung der Stadt, für Armenwesen. Krankenpflege. Wohnungs¬ verhältnisse, Kosten der Brücken u. s. w. sehr wertvolle An¬ zu faffen, dessen Neuschöpfungen

gaben bietet.

Zu den Mitarbeiiern gehören unter Leitung des Oberbaudirekiors Wiebe u.a.Oberbaudirekior Hinckeldey, Professor

Jacobsthal, Geh.BauratOr.Hobrecht, Baurat Gottheiner, Rich. Borrmann, Architekt Fritsch. Regierungsbaurat Hoßfeldt und zahlreiche andere angesehene Fachmänner, während Kräfte, wie G. Halmhuber, Stöckhardt, Otto Rieth, Albert Hofmann und Bruno Schultz durch Zierleisten und Vignetten den künstlerischen Rahmen für die einzelnen Kapitel zeichnerische

lieferten.

Das Werk

ist

wart ein

Markstein

des

unter den Publikationen der Gegen¬ baulichen Zustandes, der auch den Freunden der Geschichte und der Kultur Wichtiges sagen kann.

Stadtverordneten-Versammlung und in öffentlichen Vereins¬ versammlungen — habe ich, und zwar in Gemeinschaft mit manchen Kollegen, den Standpunkt vertreten, welchen ich noch heute festhalte:

Die

Eingemeindung

der

Berliner Uororte,

insbesondere ihre hygienische Bedeutung?) Von D. Spinola. Die Notwendigkeit einer neuen Eingemeindung von Bor¬ orten in Berlin wird unter anderem auch illustriert durch die Berliner Gewerbe-Ausstellung, welche sich nicht in Berlin, sondern in einem Vororte bcfindet, weil innerhalb des Berliner Weichbildes kein geeigneter Platz für eine solche Ausstellung zu ermitteln war. Alles, was uns in dieser Ausstellung umgiebl, ist zwar berlinisch, auch gehört privatrechüich der größte Teil de- Ausstellungsgeländes der Stadtgemeinde Berlin, aber in kommunal¬ politischer Beziehung find wir mit unserer Ausstellung in einer

fremden Gemeinde; deshalb gelten auch hier die polizeilichen Anordnungen des Amtsvorstehers von Treptow, und es waltet nicht der Berliiter Schutzmann, sondern der landrätliche Gendarm seines Amtes.

Juni 1893 ebenso wie

Trotzdem hatte besremdlicherweise noch am 29.

der Berliner Magistrat beschlossen, daß Treptow,

Stralau und Rummelsburg, von der Eingemeindung

gänzlich auszuschließen sei.

Alle großen Hauptstädte üben ersahrungs- und natur¬ gemäß eine magnetische Zugkraft auf die sie umgebenden kleinen

Gemeinden ails.

Berlin

Hai die letzte große Eingemeindung

im Jahre 1861 vollzogen, als neben der Potsdamer Vorstadt der Gesundbrunnen, der Wedding und Moabit in Berlin auf¬ gingen. Damals wurden gegen die Eingemeindung die gleichen Einwände und Besorgnisse erhoben wie jetzt; man ging über sie hinweg und hat es nicht zu bereuen gehabt; niemand möchte wohl heute jene Einverleibung rückgängig machen. Die jetzt in Rede stehende Eingemeindung ist von erheblich größerer Bedeutung; sie bildet vielleicht die größte Aufgabe, vor welche überhaupt seil dem Inkrafttreten der Städteordnung vom Jahre 1853 die Siadt Berlin gestellt worden ist. In ein akutes Stadium trat diese Angelegenheit vor nunmehr fünf Jahren durch das Reskript des Ober-Präsidenten von Achen¬ bach an den Berliner Magistrat vom 9. September 1891. Leider ist in diesen 5 Jahren die überaus wichtige und zu¬ gleich dringliche Frage der Eingemeindung immer noch nicht zum definitiven Abschluß gebracht, sie ist schleppend genug betrieben worden; das Verhalten der städtischen Behörden, namentlich des Magistrats erinnert an den Vers: „Ich schwanke immer hin und her, mich zu entschließen, fällt mir schwer". Ich war Mitglieo der gemischten Deputation zur Vor¬ beratung der Eingemeiudungsfrage. Von Anfang an — in den zahlreichen Sitzungen dieser Deputation, im Plenum der

*) Der obige Vortrag wurde von Herrn Geheimen Ober-Regierungsrat Spinola in der am 21. Juli v. im Saale des Chemie-Gebäudes der Berliner Gewerbeausstellung veranstalteten außerordentlichen Sitzung der „Deutschen Gesellschaft für öffentliche Gesundheitspflege zu Berlin" gehalten und alsdann in der „Hy gienischcn Rundschau"

I.

veröffentlicht.

Bei dem großen Interesse, welches die Frage der Ein¬ gemeindung der Berliner Vororte für die Bewohner der Stadt Berlin wie auch für die Bewohner der Vororte hat, haben wir es für angezeigt gehalten, den wertvollen Vortrag mit gütiger Genehmigung des Herrn Geheimen Ober-Regicrungsrats Spinola auch im „Bär" zu veröffentlichen und somit zur Kenntnis weiterer Kreise zu bringen.

Die Schriftleitung.

„daß die gegenwärtigen Verhältniffe der Vorortsgemeinden Berlin unhaltbar geworden find, daß eine genügende Abhülfe weder durch die Gründung einer Provinz Berlin, noch durch die Verleihung des Städterechts au einzelne Vor¬ zn

orte, noch durch den Zusammenschluß der letzteren zu so¬ genannten Zweckverbänden (behufs gemeinschaftlicher Tragung der Armenlasteu, der Schullasten, der Straßenbaukosten u.

dergl.), noch durch den Abschluß von Verträgen zu solchen zwischen der Stadt Berlin und ihren Vororten erreicht werden kann, daß vielmehr eine Abhülfe nur zu ermöglichen ist durch die völlige Eingemeindung der Vororte, ferner, daß diese Eingemeindung, wenn sie radikalen Nutzen auf eine lange Zeit bringen soll, in möglichst großem Um¬ fange erfolgen muß, d. h. in dem Umfange, wie ihn der frühere Minister des Innern Herrfurth, einer der aus¬ gezeichnetsten Kenner kommunaler Verhältniffe, im Jahre 1891 wünschte." Das jetzige Weichbild Berlins umfaßt 6450 ha mit fast 1700000 Einwohnern; es würde durch eine so ausgedehnte Eingemeindung um 14550 ha, also auf 21000 ha steigen, oder, wenn man die Jungfernheide, die sogenannte Spandauer Forst und das Tempelhofer Feld mit zusammen 3000 ha außer Betracht ließe, doch noch um rund 11550 ha mit reich¬ lich 300000 Einwohnern auf 18000 ha mit 2000000 Em° wohuern. Eine derartige Dimension wird nicht so auffallend sein, als sie an sich scheinen könnte, wenn man bedenkt, daß die Stadt Köln jetzt nach der Eingemeindung ihrer Vororte ein Areal von 11000 ha mit nur 320000 Einwohnern besitzt, also fast das Doppelte des jetzigen Berliner Weichbildes, aber nur den fünften Teil der Einwohner. Ich muß darauf verzichten, die Frage der Eingemeindung der Berliner Vororte au dieser Stelle erschöpfend nach allen Richtungen zu erörtern; eine solche Ausführlichkeit würde den Teil meines Vortrages, welcher sich mit der hygienischen Bedeutung der Eingemeindung beschäftigen soll, beeinträchtigen. Da indessen dieses speciellere Thema mit den übrigen Seiten der Eingemeindungsfrage in engem Zusammenhange steht, so kaun ich nicht umhin, auch die letzteren, wenngleich nur ganz kursorisch, zu beleuchten. Dies thue ich. indem ich 4 Fragen auswerfe und kurz beantworte: 1) warum, 2) wieviel, 3) in welcher Weise soll einverleibt werden, 4) wie ist die Verwaltung des künftigen Groß-Berlin einzurichten? Also: 1) Welche Gründe machen überhaupt eine Eingemeindung notwendig? Der Berliner Magistrat, welcher in dem an und für sich wohlberechtigten Bestreben, die Steuerkraft seiner Bürger zu schonen, sich der Eingemeindung gegenüber möglichst ablehnend verhält, ist naiv genug gewesen (ich kann es nur naiv nennen), noch in einem Bericht vom 20. Dezember 1893 den Herrn Minister des Innern (damals Graf zu Eulen¬ burg) um die Mitteilung solcher Gründe zu bitten. Dies hat der Minister mit Recht abgelehnt, indem er erwiderte, daß nach den zweijährigen erschöpfenden Erörterungen dieser An¬ gelegenheit in mündlichen kommissarischen Beratungen, in öffentllcheu Versammlungen und in der Tagespresse dem Magistrat und den Stadtverordneten die Gründe nicht unZwecken

bekannt sein könnten, welche eine Einverleibung von Vororten in die Stadt Berlin erheischen. Das ist durchaus zutreffend. Diese Gründe find für jeden unbefangenen Beobachter offen Es haben fich eben im Laufe der Jahre zu Tage llegend. zwischen Berlin und seinen zahlreichen Vororten Zustände ent¬ wickelt. welche aus sozialen, wirtschaftlichen, kommunalpolitischen

und hygienischen Gründen auf die Dauer unerträglich find. Thatsächlich bilden die meisten Vororte mit der Hauptstadt

völlige Gemeinschaft; es kommt nur darauf an, dieser thatsächlichen Gemeinschaft den rechtlichen Stempel auf¬ zudrücken und daraus die erforderlichen Konsequenzen zu ziehen. schon jetzt eine

Diese Vororte find faktisch, ohne jede äußerlich erkennbare

Grenze, mit Berlin auf das engste zusammengewachsen. brauche dies wohl nicht näher auszumalen; ich

Ich

will nur daran

erinnern, daß nicht bloß im Westen, z. B. in der Gegend des Nollendorfplatzes, sondern auch im Osten, z. B. in Friedrichs¬ berg, dieselbe ungeteilte Straße Berlin und die Vororte durch¬ zieht. daß das eine Haus zu Berlin, das Nachbarhaus zu einem Vorort gehört. Häufig genug weiß ein neuer Mieter gar nicht, daß er nicht in Berlin gemietet hat; er glaubt, als Berliner zu Bett gegangen zu sein, und wacht als Charlotten¬ burger, Schöneberger, Wilmersdorfer oder Friedrichsberger wieder auf.

Die Einwohner der Vororte legen aber wegen dieser thatsächlichen Verbindung ihrer Gemeinde mit Berlin an die kommunalen Einrichtungen ihres Wohnortes den ver¬ wöhnten Berliner Maßstab; fie erheben Ansprüche, denen die Vorortsgemeinden zu genügen finanziell nicht leistungsfähig find. In vielen Vororten wohnen, teilweise bis zu l/z , sogar bis zu 2/s der Gesamtbevölkerung. Arbeiter, welche ihre Arbeits¬ stätte und ihren Verdienst in Berlin, in dem Vororte kaum mehr als eine Schlafstelle haben, ebenso in großer Zahl Berliner Beamte (besonders Subaltern- und Unterbeamte); alle diese Einwohner haben an der Kommunalverwaltung ihres Vororts nur ein äußerst geringes Interesse; zur Ueber¬ nahme kommunaler Ehrenämter find fie höchst selten zu be¬ wegen; fie machen auch ihre Einkäufe zum größten Teile nicht in ihrem Wohnort, sondern in Berlin; die Beamten genießen in den Vororten ihr Steuerprivileg weiter, d. h. sie dürfen zu den Kommunalsteuern nur mit der Hälfte ihres Dienst¬ einkommens veranlagt werden; die zahlreichen Arbeiter aber find im Falle der Verarmung nicht auf die Hülfe Berlins, sondern auf die Hülfe ihres Wohnorts angewiesen; dadurch ist es z. B. gekommen, daß die Gemeinde Ltchtenberg 30 pCt. der gesamten Gemeindesteuern, die Gemeinde Rixdorf 22 pCt. dieser Steuern allein für Armenzwecke ausgeben muß. Anderer¬ seits benutzen die Vorortsbewohner ohne hinreichenden Ersatz die Berliner Schulen, die Berliner Krankenhäuser und andere kommunale Wohlfahrtseinrichtungen der Hauptstadt. Zu Gunsten der Eingemeindung sprechen ferner schwer¬ engen

Frage gekommene Eingemeindungsumfang, wie ihn der Minister Herrfurth wünschte und wie ich ihn zu befürworten mir er¬ laube, würde, einschließlich des jetzigen Weichbildes, 21 000 ha umfassen.

In

weitesten Umfange war auch von der ge¬ Deputation, bestehend aus 22 Mitgliedern des Magistrats und der Stadtverordneten-Versammlung, durch den diesem

mischten

Beschluß vom 13. Oktober 1892 die Eingemeindung empfohlen

und dieser Beschluß wurde von der Deputation am Danach 9. Januar 1893 ausdrücklich aufrecht erhalten. würden zur Eingemeindung in Aussicht zu nehmen gewesen sein folgende 21 Ortschaften, und zwar alle in ihren bis¬

worden,

herigen Grenzen:

Charlottenburg, Villenkolonie Grunewald, Schmargendorf, Deutsch-Wilmersdorf. Friedenau, Schöneberg, Tempelhof mit der Hasenheide, Rixdorf, Treptow, Stralau, Rummels¬ burg-Boxhagen, Ltchtenberg mit Friedrichsberg, HohenSchönhausen,

Alt-Weißensee. Neu-Weißensee. Heinersdorf. Pankow, Nieder-Schönhausen mit Schönholz. Reinickendorf. Dalldorf. Tegel.

glaubte der Magistrat durch Beschluß vom 29. Juni 1893 die Eingemeindung nur in sehr bescheidenen Grenzen gutheißen zu können; hiernach sollten im wesent¬ lichen bloß Martinickenfelde, der 18. Bezirk Charlottenburgs (d. i. der fetteste Bissen dieser Stadl), die Hasenheide, der nördliche Teil von Rixdorf innerhalb der Ringbahn, der Schlesische Busch und Friedrichsberg ohne das übrige Lichten¬ berg genommen, die Einverleibung also eigentlich auf eine Grenzregulierung beschränkt werden; alle übrigen in Rede stehenden Ortschaften, vor allem sämtliche nördlichen Vororte, ferner, wie schon erwähnt. Siralau, Treptow, Rummelsburg sollten außer Betracht bleiben. Damit war der Ober-Präfident nicht einverstanden; er forderte am 9. November 1893 er¬ heblich mehr, namentlich das ganze Charlottenburg, Wilmers¬ dorf, Schöneberg, Stralau, Treptow, Rummelsburg und das ganze Lichtenberg. Eine Eingemeindung nördlicher Vororte stellte er zwar anheim, machte fie aber nicht zur Bedingung; mit der Ringbahn als Grenze war er (zu meinem Bedauern) an einzelnen Stellen einverstanden. Die gemischte Deputation wich nun von ihrem ersten Plane zurück, und der Magistrat fügte fich in seiner Vorlage an die Stadtverordneten-Versammlung vom 27. November 1894 im wesentlichen dem Reskript des Ober-Präfidenten; doch wollte er aucy jetzt von Westend, von den sogenannten Nonnenwiesen und von dem Pfefferluch (den 3 Enklaven Charlottenburgs), ferner von Ltchtenberg außer Friedrichsberg nichts wissen; die nördlichen Vororte hielt er gleichfalls für hör« de concuurs. Dagegen

Ich will mich mit diesen Andeutungen begnügen; auf die hygienischen Gesichtspunkte komme ich demnächst ausführlicher

Die Stadtverordneten-Versammlung hat dann, nach vor¬ angegangener Ausschuß - Beratung, durch Beschluß vom 24. Oktober 1895 die Magistratsvorschläge im übrigen zwar angenommen, aber den Exerzierplatz bei Tempelhos gestrichen, dagegen von den nördlichen Vororten die Gemeinden Pankow,

zurück.

Reinickendorf und Weißensee hinzugefügt.

Wieviel soll von den Vororten annektiert werden? Diese Frage läßt fich von verschiedenen Standpunkten sehr verschieden beantworten. Meine unmaßgebliche Antwort habe

Das ist der neueste Stand der Angelegenheit. Der Magistrat hat sowohl seine eigenen Vorschläge, wie den Be¬ schluß der Stadtverordneten mittels Berichts dem OberPräsidenten resp. durch diesen dem Minister des Innern mit¬ geteilt. Eine Entscheidung des Ministers Frh. v. d. Recke

wiegende ficherheitspolizeiliche und feuerpolizeiliche Rücksichten.

2.

bereits vorgetragen. Das jetzige Weichbild von Berlin hat einen Flächenraum von 6450 La; der weiteste bisher in

ich

Amtsvorgänger Herr von hitte ebenfalls eine Meinung noch nicht geäußert. steht

noch

aus;

dessen

Koeller

Ich für meine Person bleibe bei der Ansicht, daß die Erfolge der Eingemeindung nicht bloß im Jnlereffe der Vor¬ orte, sondern auch im eigensten Interesse der Sladl Berlin nur sicher gestellt werden können durch eine Emgemeindung ini größeren Stile, nach Analogie des Vorgehens von Köln. Nur dadurch kann tabula rasa auf einen längeren Zeitraum gemacht, nur so kann vermieden werden, daß nach wenigen Jahren mit einer derartigen Riesenarbeit von vorn angefangen werden muß. Insbesondere ist eine Zerstückelung der Vororte, wie sie der Magistrat für zulässig erachtet, zu verwerfen; dies halte ich mit den Vertretern der Vororte, welche dagegen auf das lebhafteste protestieren, geradezu für einen Hohn. Was soll denn mit den übrigbleibenden Gebietsteilen solcher Vororte Sie sind doch absolut nicht lebensfähig. Auch geschehen? kommt in Betracht, daß sich bei mehreren dieser Vororte, z. B. bei Rixdorf, wichtige kommunale Anlagen, welche dem ganzen jetzigen Orte dienen (Schulen, Begräbnisplätze u. s. w.) gerade in dem von der Eingemeindung auszuschließenden Teile befinden. Die Slaalsregierung würde eine solche Teilung nicht genehmigen können.

mit der Ringbahn (der Verbindungs¬ erklären; die allein natür¬ einverstanden nicht als Grenze bahn) Ebenso kann ich mich

lichen Grenzen sind meines Erachtens die jetzigen kommunalen Weichbildgrenzen resp. die Wasierscheiden, wobei zu bemerken ist,

Berlin mit allen

Vororten ein einziges großes Entwässerungsgebiet bildet; die Verbindungsbahn stellt eine Verbindung, keine Trennung dar; auf dem Wedding, dem Gesundbrunnen und in Moabit geht die Verbindungsbahn schon seit 20 Jahren mitten durch die Berliner Stadtteile; niemandem fällt es ein, zwischen den Straßen oder Häusern diesseits und jenseits der Bahn einen Unterschied zu machen. Was die nördlichen Vororte betrifft, so muß gegen deren Ausschluß bei der Eingemeindung entschieden Front gemacht werden; die einzugemeindenden Vororte müffen das jetzige Berliner Weichbild möglichst gleichmäßig umrahmen; schließt man namentlich Pankow, Weißensee und Reinickendorf aus, so fügt man den bestehenden nördlichen Berliner Stadtteilen einen schweren Nachteil zu; man unterbindet in ungerechter Weise ihre Entwtckelungssähigkeit auf viele Jahre, indem man den Schwerpunkt des künftigen Groß-Berlin noch mehr, als daß

es jetzt schon der

Fall

seinen

ist, nach Westen vorrückt.

3. Die Frage, in welcher Weise die Eingemeindung vollzogen werden soll, ist einfach zu beantworten. Es gehört dazu ein Akt der preußischen Landesgesetzgebnng, ein Spezial¬ gesetz, durch welches die einzuverleibenden Vororte aus ihrem jetzigen Kreis- und Provinzialverbande ausgeschieden und von einem bestimmten Termin an mit Berlin vereinigt werden. Der Entwurf eines solchen Gesetzes ist sowohl von der Berliner gemischten Deputation, wie von dem Verein der Vororts¬ interessenten (in einer Anlage seiner sehr sorgfältig und erschöpfend verfaßten Denkschrfft vom Jahre 1894) aus¬ gearbeitet worden. In diesem Gesetze resp. in den mimsteriellen Ausführungsverfügungen zu demselben werden die erforderlichen Bestimmungen zur Festsetzung eines angemessenen Uebergangsstadiums zu treffen sein. wählend dessen die bisherigen Ortsstaiuten und sonstigen Polizeiverordnungen der Vororte vor¬ läufig in Kraft und die Beamten derselben in Funktion bleiben.

Berlin mit

Es wird darin und in den von der Stadt

den

Verträgen auch Vorsorge zu treffen sein, daß die Vororte nicht bloß zu nehmen, sondern auch zu geben haben, namentlich, daß ihre Bewohner sich in ihren Ansprüchen auf Gleichstellung mit den vor¬ geschrittenen kommunalen Einrichtungen der Hauptstadt gedulden müssen und diese Gleichstellung nur ganz allmählich erwarten dürfen. Noch jetzt sind die im Jahre 1861 inkommunalisicrten Vororte in dieser Beziehung teilweise bei weitem hinter den allen historischen Stadtteilen zurückgeblieben. Wenn dieses maßvolle Tempo innegehalten wird. dann werden auch die freilich nicht unbedeutenden Kosten der Eingemeindung sich auf viele Jahre verteilen und die Steuerzahler des künftigen GroßBerlin nicht übermäßig drücken. Zu den Steuerzahlern gehören ja dann auch die Einwohner der Vororte. Es ist hierbei zu beachten, daß keiner dieser Vororte überschuldet ist, einige so¬ gar ein nicht ganz unerhebliches Vermögen besitzen; es ist ferner zu berücksichtigen, daß die Einwohnerzahl Berlins in den letzten fünf Jahren vom 1. Dezember 1890 dis zum 1. Dezember 1895 sich nur 6 l/ %. von 15 78 794 auf während die Einwohner¬ 1 667 351 Einwohner, vermehrt hat zahl der Vororte in demselben Zeitraum in bedeutend höherer Progression gestiegen ist und zweifelsohne in den nächsten Jahren noch mehr steigen wird; Charlottenburg ist in diesen 5 Jahren von 76 859 auf 132 393, Lichlenberg von 22 905 auf 30 301, Schöneberg von 28 721 auf 62 677, Rixdorf von 35 702 auf 59 941 Einwohner gewachsen. einzelnen Vorortsgemeinden

abzuschließenden

i

4. Die Verwaltung des künftigen Groß-Berlin wird jedenfalls einige Veränderungen der jetzigen Verwaltungs¬ organisation bedingen. Ich bemerke jedoch, daß eine Dezentralisation der jetzt in manchen Beziehungen zu schwerfällig und zeitraubend arbeitenden städtischen Verwaltung schon seit vielen Jahren, ehe von einer neuen Vorortseinverleibung die Man könnte nun für die Rede war. geplant worden ist. Zukunft an die Schaffung örtlicher Bürgermeistereien und Bezirksvertretungen, etwa im Anschluß an die Standesamts¬ bezirke. denken. Diesen örtlichen Instanzen würde die Er¬ ledigung der kleineren laufenden kommunalen Geschäfte zu übertragen, den Centralinstanzen (Magistrat und Stadtverordneten-Versammlung) würde die Kontrole und die Ent¬ scheidung der wichtigeren prinzipiellen Sachen vorzubehalten Bei den Beratungen der gemischten Deputation hat sich sein. indeffen ergeben, daß man diesen Weg einer lokalen De¬ zentralisation nicht notwendig zu betreten braucht, sondern daß man im wesentlichen mit den im Rahmen der Städteordnung jetzt bestehenden Gemeindeorganen auskommen kann und nur nötig hat. in materieller Hinsicht zu dezentralisieren, d. h. durch Ortsstatuten die Machtbefugniffe der einzelnen Verwallungsdeputationen, Kuratorien und Kommiffionen zu ver¬ stärke«, ihre Kompetenz zu erweitern und dadurch die Central¬

instanzen zu entlasten.

In

Armensachen,

B. läßt sich dies ohne Zweifel Auf keinen Fall wird nach einer auch

sachen z.

Schulsachen,

sehr

Bau¬

wohl durchführen.

noch so umfangreichen

Eingemeindung die Verwaltung des vergrößerten Berlin, bei allseitigem guten Willen, unüberwindlichen Schwierigkeiten begegnen. Insbesondere werden wir das uns allen ans Herz gewachsene teure, von den Vätern ererbte Gut der kommunalen Selbstverwaltung auch künftig in seiner vollen Reinheit bewahren können. (Schluß folgt.)

Kleine Mitteilungen Die HnUorerr ar»r Kaisor^ofe. Wie regelmäßig in früheren Jahren, so durften auch in diesem Jahre die Abgesandten der Salzwirkerbrüderschaft zu Halle am Neujahrstage bei der kaiserlichen Familicntafel im königlichen Schlosse mit ihren Gaben an Wurst, Eiern, und Salz aufwarten. An der Tafel nahmen außer den kaiserlichen Majestäten u. a. die Kaiserin Friedrich, Prinz Heinrich mit Gemahlin, Prinz Friedrich Leopold mit Gemahlin teil. Die drei Halloren erschienen in ihrer bekannten bunten Galatracht (bunter Pelzrock und bunte Seiden¬ weste mit silbernen Kugelknöpfen, schwarzsammetne Kniehosen, lange, Weiße Seidenstrümpfe und Schuhe mit Silberschnallen) in einem besonderen Gange und warteten dann bei Tafel in der üblichen Weise auf. Der Sprecher der Abordnung, Andreas Ebert, der schon sehr oft der Kaistrdeputation angehört hat, dankte den Majestäten für die der Brüderschaft stets bewiesene große Huld und sprach namens derselben die herzlichsten Glückwünsche für das Wohlergehen der Majestäten und der gesamten kaiserlichen Familie aus. Zugleich überreichte er den Majestäten in goldenem Einbande die gedruckten Exemplare des Glück¬ wunsch-Gedichtes, das, wie schon öfter, von Herrn Regierungsrat v. Rohrscheidt in Merseburg verfaßt war. Dasselbe hat folgenden Wortlaut:

Du fühlst

des Ahnen Segen, nie ist Dein Herz verwaist, ist allerwegen des großen Königs Geist. ein froh Geleite, des Volkes Liebe geht, Gewappnet Dir zur Seite die deutsche Treue steht.

Dir Mit Dir Bei

Gieß', Ew'ger, Deine Und führ' uns Deine Mach', Gott, mit Ja So zieh'n in Seinem

Die übrigen Teilnehmer der kaiserlichen Familientafel erhielten ebenfalls diesen Neujahrs-Glückwunscb, jedoch in farbigem Einbande. Wie immer, ließ sich der Kaiser auch diesmal mit dem Sprecher in eine freundliche Unterhaltung ein. Das Gedicht las er aufmerksam durch und sprach seine große Freude über dasselbe aus. Ueber die Würste verfügte er in der Weise, daß er eigenhändig vier Stück zum sosortigen Genuß zerschnitt und dann nebst den Eiern an der Tafel weiter gehen ließ. Auch die Kaiserin und Prinz Heinrich unterhielten sich freundlich mit den Halloren. Nachdem der Gang beendet war, wurden die Halloren in einem Neben¬ saal mit Speise und Trank bewirtet. Tags darauf wurden sie von dem Kaiser und ebenso von dem Prinzen Heinrich noch einmal in besonderer Audienz empfangen. Dem altenBrauch gemäß waren auch diesmal dieHalloren während ihres Aufenthaltes in Berlin Gäste des Kaisers und wurden auf Kosten desselben bei einem früheren Hofbeamten untergebracht und bewirtet.

Im

Sturme ziehn die Tage, cs rauscht dahin die Zeit, Uns klingt wie eine Sage. was keine Spanne weit; Mit winterlichem Prangen kam auf verschneitem Pfad Das neue Jahr gegangen und mahnt zu neuer That. Es stößt zurück die Riegel, die vor der Zukunft Thür, Es löst die Gottes sieget, nun, Menschheit, tritt hersür! Wir stehen an der Schwelle, was naht von ferne her? Was grüßt so silberhelle, als ob's vom Himmel wär'?

Kandftkiaftliclie» Aus

„Berlin

Das ist der große Kaiser, wie lächelt er so mild! Wir fühlen, wie uns heißer das Blut zum Herzen quillt! Als der Erinn'rung Spende, die keine Zeit uns raubt. Heut an des Jahres Wende grüßt sein geliebtes Haupt. Heut denken wir der Tage, da wir den Herren sahn, Wie spürten wir am Schlage der Herzen schon sein Nahn! Wie war voll Vatermilde sein ernstes Angesicht! Was glich dem Königsbilde, so hoheitsvoll und schlicht? Wie war er voller Hulden auch gar dem niedern Mann! Wir sahn, wie oft Verschulden Gnade bei ihm gewann. Wie hat er gern die Fehle dem Reuigen verzieh»! Fürwahr und uns're Seele frohlockte über ihn. Doch auch ein Lied ertönte des höchsten Heldentums, Den schlichten Herrscher krönte die Glorie des Ruhms, Er sah auf seinen Pfaden ein himmlisches Geheiß, So war von Gottes Gnaden der königliche Greis.

Im

Angesicht des Guten gilt doppelt hoch der Eid, Uns steht das Herz in Gluten, uns wird die Seele weit. Im Angesicht des Helden heut neigen wir uns Dir: O Herr, wir woll'ns vermelden, Dein sind und bleiben wir.

Dir

Noufatfvs-Gvatulrrtivnen und otiavcrktovistrlctie

!

j ;

Wlililär-dofeiplo aus den

Einige charakteristische Militärbefehle MoNeuzahrs-Gratulationen Friedrichs II. werden allgemein interessieren. Am 31. Dezember 1781

Motiv von

dov Gbevfpvoo.

und seine Bauten". Verlag von Wilhelm Ernst

Aus grcilem Antlitz blicken uns treue Augen an, Uns will's das Herz umstricken, uns faßt der alte Bann, Im innersten Gemüte packt uns, was wir erschaut. Die Augen voller Güte, die sind uns wohl vertraut.

glühn die heißen Flammen, die uns're Seele hegt, Heut über Dir zusammen der Liebe Lohe schlägt. Nimm hin als erste Gabe des Volkes bestes Gut, Des Herzens edle Habe wir bringen als Tribut.

Gnade auf Zollern und das Reich, Pfade und mach' in Dir uns gleich! und Amen der Deinen Bitte wahr! — Namen wir ein in's neue Jahr!

&

Sohn in Berlin.

erließ der große König folgenden Neujahrswunsch: „Jhro Majestät der König lassen alle Herren Offiziers zum neuen Jahre gratulieren, und die nicht so sind, wie sie sein sollen, m ö ch t e n si ch b e s s e r n." Ein anderer vom 2. Januar 1783 lautet: „Jhro Majestät der König lassen allen guten Herren Offiziers vielmals zum neuen Jahr gratulieren und wünschen, daß sich die übrigen io betragen, daß Sie künftig ihnen auch gratulieren können." — Durch Befehl vom 7. Juli 1780 wurde den Kompanien aufgegeben, acht zu haben, daß die Leute nicht so husten, wie bei der vorigen Parade. Das Signalement eines Deserteurs, welcher sich „verstochen", wird in dem Zoll groß, pockennarbig und Befehl vom 16. Juni 1751 angegeben: schwarz ins Gesichte und hat eine Schürze vor. Ueber die Frisur und den Bart verbreitet sich eine Ordre vom 10. Januar 1781: „Die Chefs und Kommandeurs sollen besser darnach sehen, daß, wenn ein Kerl ist, der einen Bart tragen kann, besonders wenn er ein gutes Grenadier¬ gesicht hat, solchen stehen lassen soll, desgleichen auch die Rekruten, so noch nicht verspielt. Auf die Frisur soll besser gesehen werden, daß jeder Kerl drei gehörige Locken hat, es sei denn, daß er zu wenig Haare, so muß er doch zwei haben." Urlaub wurde nur selten gewährt. So er¬ hielt der Körnet v. Oertzen auf seine Bitte, ihm behufs Wiederherstellung seines Gehörs einen Urlaub nach Karlsbad zu bewilligen, den Bescheid: „Das Carclsbaht kan nichts vohr die Ohren." Unterm 31. Oktober 1781 wurde den Offizieren bei Vermeidung des härtesten Arrestes untersagt, sich in der Komödie mit dem Auspfeifen abzugeben. Selbst auf die scheinbar geringfügigsten Dinge hatte der große König sein Augenmerk gerichtet, wie aus dem Befehl vom 22. Dezember 1753 erhellt: „Die Officiers, so ihren Burschen nach Holz schicken, sollen sie Geld mitgeben, sonst wird ihnen nichts verabfolgt." Auch an väterlichen Ermahnungen ließ es der König nicht fehlen. „Mein lieber Oberst v. N.," schreibt er demselben, „es ist Euch auf Euer Gesuch hierdurch in Antwort, wie ich es wohl geschehen lassen wijjl, daß der Lieutenant v. M. des Euch anvertrauten Regiments Eure Schwester hcirathe; wenn aber hiernächst Hunger und Durst zusammenkommt, so werdet Ihr solches Euch selbst zu imputieren haben."

7^



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Gedenkfeier für ©cncrctl - IfelbmarsdtaU wo« Kteirrrnef). Anläßlich der hundertsten Wiederkehr des Geburtstages

von Steinmetz fand, so berichtet die auf dem alten Kirchhof zu Potsdam am 27, Dezember v. eine Gedenkfeier für denselben statt. Um 12 Uhr mittags marschieren, voran das Trompeterkorps des 3. Gardc-Ulanen-Regimcnts, der Verein ehemaligerKameradcn desFüsilier-Regimcnts ».Steinmetz, der Veteranen-Verein und die Krieger- und Landwehr-Vereine von Potsdam auf den Kirchhof und nahmen dein Grabe gegenüber Ausstellung. Zugleich erschienen außer des

General- Feldmarschalls

„Parole",

I.

den Verwandten des verewigten Helden d

r Kommandant von Potsdam,

Generalmajor Freiherr von Bülow, Kommandeur der 1. GardeJnfanteriebrigade, der Kommandeur des Kadeitenhauics Major von Wegnern und eine Deputation von Offizieren des Füsilier-Regiments von Steinmetz (Wests.) Nr. 37. Garnisonpfarrer Keßler hielt eine ergreifende Ansprache. Dann ergriff Käme, ad Pflug Vorsitzender de-Veteranen-Vereins aus Potsdam, das Wort zu einer Gedächtnisrede, in welcher er den toten Feldmarichall als das Muster eines Soldaten pries und seine Verdienste hervorhob. Er ermahnte die Kameraden, mit Hochachtung und Liebe jederzeit zum Offizierkorps aufzublicken, und schloß mit einem dreimaligen Hoch auf des Kaisers Majestät. — Der Srtinried von Gretna-Green. Der sog. Schmied von Gretna-Gre-m ist kürzlich gestorben. Als Schutzpatron derjenigen Liebenden, deren ehelicher Verbindung Schwierigkeiten entgegenstehen, ist derselbe in Balladen, Opern und Romanen bekanntlich vielfach gefeiert worden. Der jetzt verstorbene Held dieses Namens war, wie das ,.Berl. Tagebl." meldet, seit SO Jahren Friedensrichter in dem Dörfchen der schottilchen Grafschaft Dumfrics, dicht an der englischen Grenze, und etwa 10 Jahre lang konnte er noch das Recht ausüben, ohne nach dem „woher und wohin" zu fragen, Männlein und Weiblein zusammenzugebcn, die sich hilsiflehend an ihn wrndten. Seit 1857 ist dieses Recht erheblich eingeschränkt, denn nach dem geltenden Gesetze müssen die Ehe¬ kandidaten und -Kandidatinnen wenigstens drei Wochen in Schottland wohnen, ehe sie vereinigt werden dürfen. Ganz besonders stark war der Andrang nach dem bequem zu erreichenden Grenzdörschen erklärlicher¬ weise aus England, welches seit 1750 eine sehr strenge Ehegesetzgebung hat, und berühmie Namen, wie die eines Grasen Westmoreland, Lord Ellenborough und der englische Kanzler Lord Eiden nnd Lord Elskin finden sich in dem dortigen Trauregister. Aber auch Ausländer fanden beim Friedensrichter von Gretna-Green Hilfe, wie das Beispiel des Prinzen von Capua, des Bruders Ferdinands II. von Neapel, zeigt, der in dem schottischen Dörfchen einen Lebensbund mit einer Miß Penelope Smith schloß. — Die Sage hat seltsamerweise alle die ge¬ fälligen Friedensrichter von Gretna-Green zu Schmieden gestempelt, deshalb, weil der erste, der die Trauungen in großem Umfange aus¬ übte, ein Hufschmied war. Seine Naäfolger jedoch und auch der nun Gestorbene gehörten dieser Zunft nicht an. Der „Schmied von GretnaGreen" dürfte übrigens seine Stelle in Lied und Dichtuug wohl auch in Zukunft noch behaupten. — Rach Dev General als 'sich der französische General Lemarois dem ersten Pariser Frieden ließ immer noch nicht bewegen, die Festung .^Magdkbura . deren Gouverneur er war, den Preußen zu übergeben. Eryam zwar Zusammenkünfte mit dem General von Tauentzien, der ihn belagerte, aber sie fühlten zu keinem Resultat wegen der übertriebenen Forderungen, die Lemarois stellte, obgleich das französische Gouvcrnem ni in Paris ihm den Befehl zugehen ließ, die Festung auszuliefern. Tauentzien schickte die Majors von Rottenburg und von Eisenhart zu ihm, um weiter zu verhandeln. Als aber der französische General in voller Wut schrie, das Pariser Gouvernement habe ihm gar nichts zu befehlen, er verteidige Magdeburg auf eigene Faust so lange, wie cs ihm gefiele, da riß dem Major von Eisenhart der Faden der Geduld. „Wenn dar Ihre Meinung ist," sagte er in scharfem Ton. ..so erkläre ich Ihr Corps für eine Räuber¬ bande und Sie selbst für deren Hauptmann. Ihr Schicksal wird nicht zu beneiden sein" — und er machte dabei eine verständliche Bewegung mit der Hand nach dem Helm. Zugleich stand Major von Rottenburg auf und meinte, es sei Zeit, die Unterhandlungen abzubrechen, da man ja doch nicht zu einem Ent ziele käme. Der Franzose stutzte, hielt die beiden Preußen zurück, und binnen einer halben Stunde hatte er die Kaiutulatum unterschrieben. Der „Räuberhauptmann" hatte seine I). Wirkung nicht verfehlt!

Rarrkerlfauptrnann

Uereins Nachrichten Verein für die Geschichte der Mark Brandenburg. Sitzung vom 9. Dezember 1896. — Herr Legationsrat von Linden au legte das Original eines Briefes vor, den der 1821 als Kommandierender des VilT, Armeekorps zu Koblenz im 60. Lebensjahre verstarbene..Mxii era! der Kavallerie Frhr. v. Thielmann am 18. Mai 1815 (nachoM' Eintritt iw 'den prctißlschkn Dienst) aus Naniur an seinen früheren Regimentskameraden, den damaligen königl. sächs. Generalmajor von Gablenz gerichtet hat und der im Auszuge, d. h. in der Hauptsache, wie folgt, lautet: „Bei dem Eintritte eines neuen Verhältnisses meines Lebens, wo ich nun auf immer von meinem Vaterlande scheide, ist es ein Bedürfnis meines Herzens, meinen Freunden ein Lebewohl zuzurufen, selbst denen, die politische Meinungen von mir trennten, und von denen ich endlich

aus Leidenschaft sogar verkannt wurde: zu diesen muß ich Dich, verehrter Freund, leider auch zählen! Mit einer heiteren Seelenruhe scheide ich von meinem Vaterlands, mein Gewissen, dieser unbestechliche Richter, macht mir keinen Vorwurf, sondern giebt mir das Zeiignis, meinem Vaterlande treu und ehrlich und mit allen Kräften gedient zu haben! Nicht über mich schreit das jetzt vergossene Blut, sondern über die, welche seit 0 Monaten mir entgegenarbeiten. — Die Zeit wird auch mich, selbst in den Augen derer rechtfertigen, welche mich jetzt verkannten; auch Du wirst mir wieder Gerechtigkeit widerfahren lassen." — meinen neuen Vcrhä tnissen fühle ich mich wie neugeboren, da ich mich wieder dem Vertrauen hingeben kann und nicht mehr von Intriguen umgeben bin! — In wenig Tagen werden die Armeen beisammen sein, Ueber die endliche und das Trauerspiel wird seinen Anfang nehmen. Teilung der Sachsen ist noch nichts entschieden. Die Kavallerie und Artillerie sind bei der Armee, das Grenadier-Regiment ist entwaffnet in Belgien. Die Infanterie ist gegen den Rhein zurückgeschickt. Ueber Vieles läßt sich sprechen, über Weniges nur schreiben. Wir leben unser Leben zehnfach iu> Vergleich früherer Geschlechter und der Zeiten unserer

In

Jugend." Herr v. L. widmete zugleich der vor etwa 2 Jahren erschienenen Biographie des Generals von Thielmann von vr. Hermann von Peters¬ dorff einige kritische Bemerkungen und knüpfte hinsichtlich der Be¬ mängelungen, welche dieses Buch in gewissen Tagesblättern (vergleiche Forschungen Bd. 8 S. 298) aus dem einseitig militärischen Gesichts¬ punkte erfahren hat, hieran die Mahnung, daß man sich doch hüten solle, den General, der 1813 als Kommandant der Festung Torgau (infolge der ihm erteilten, bald wechselnden, bald mit politischen Zu¬ sätzen verquickten militärischen Befehle, sowie irregeleitet durch vei trauliche

Korrespondenzen niaßgebender Persönlichkeiten am Hoflagers allmählich in eine unhaltbare Stellung geraten war, die ihn am 10. Mai zur „Niederlegung" seines Dienstes veranlaßte, - daß man sich, wie gesagt, hüten solle, Thielmann noch heute (wie dies bald nach dessen Tode seitens einiger Zeitgenossen geschehen sei) als einen Deserteur und halben Verräter zu behandeln, da der Gebrauch solcher Schlagworte zu einem Vergleiche der Handlungsweise des Generals mit derjenigen seines Kriegsherrn geradezu herausfordere, der zur nämlichen Zeit (obschon noch Mitglied des Rheinbundes) von einem sicheren Zufluchtsorte aus den Versuch machte, sich den mit dieser Mitgliedschaft verbundenen Ver¬ pflichtungen inonatelang zu entziehen, ohne im entscheidenden Augen¬ blicke (am 6. Mai und ff. Tagen) den moralischen Mut zu finden, der dem seine Rückkehr nach Sachsen es ihm ermöglicht haben würde, heischenden Machtgebote des französischen Unterdrückers zu widerstehen (cf Senfft, memoires, pag 232). — Solchen leidenschaftlichen Epigonen in der Verurteilung Thielmanns, so fuhr der Vortragende fort, sei das Kapitel „Graf Metternich und Graf Senfft" im 2. Bande von Onckens „Oesterreich uno Preußen im Befreiungskriege" zur Lektüre zu em¬ pfehlen, — von den territorialen Begehrlichkeiten auf Kosten Preußens, die das sächsische Kabinett wenig: Monate nach obiger Unterwerfung bei Napoleon ai.s Anlaß des Prager Kongresses geltend machte und deren Umfang Flathe in seiner Geschichte Sachsens Bd. 3 S. 187 u. ff. ur¬ kundlich nachgewiesen hat, ganz zu schweigenJenen Kritikern gegenüber bezog sich Herr v. L. zum Schluß auf die mehrfach (u. a. von Pertz im Leben Steins Bd. 3 S. 328) be¬ hauptete Thatsache, daß in der am 25. April zu Dresden zwischen dem Frhrn. von Stein und dem Obersten von Boyen einerseits und Thiel¬ mann andererseits stattgcfundencn Konferenz die beiden russisch.preußischen Bevollmächtigten sich bereit erklärt hätten, gegen den Beitritt Sachsens zum Bündnisse wider Napoleon die Erhaltung der Dynastie sowie den Gebietsbestand des Königreiches (einschließlich des 1807 im Frieden von Tilsit von Preußen an Sachsen abgetretenen Kottbuser Kreises) zuzuge¬ stehen bezw. zu gewährleist,n — eine Bereitwilligkeit, die auf seiten Preußens bereits in der Instruktion vom 2. Jrnuar 1813 für die

Sendung des Generals v d. Knesebeck nach Wien mit den Worten Ausdruck gefunden hatte: „garantie äs leur existente actuelle aux rois et princes de la confdderation du Rhin, ü l'exception du roi ' (vergl. Oncken, a. a. O., Bd. I S. 136 und Merrde Westpbalie 1

heimb, die Schlachten bei Bautzen,

S. 9).

Herr Archivar Privatdozent vr. Me inccke sprach über den zweiten Pariser Frieden und charakterisierte namentlich die Gegensätze der po¬ litischen Dentweise, wie sie zwischen den preußischen Staatsmännern auf der einen und der englischen, russischen und österreichischen Diplomatie auf der anderen Seite zu Tage trat. Die Preußen, selbst erfüllt von der Krasi eines nationalen und volkstümlichen Staatswesens, erkannten darum auch am schärfsten die immer noch ungebrochene Nationalkraft Frankreichs und rieten darum zu den schärfsten Mitteln, um sie minder schädlich zu machen, während ihre Verbündeten, in der Anschaungsweis: des ancien rdgime und der alten Diplomatie besangen, des Glaubens waren, daß der revolutionäre und expansive Geist der französischen Nation durch die Mittel der alten vorrevolutionären Regierungskunst eingelullt werden könne, und darum Frankreich nur mit geringem Tribute schätzen wollten. Darauf besprach Herr vr. Bardcy einige Aktenstücke des Königlichen AmtSarriLlS. ru Ra uen aus dem Jahre 1760. Es war die Zeit gleich naHocraWmeWfl'pfeWschen Justizreform durch Cocceji. Die judices in )oco mußten fortan „vom Königlichen Kammcrgericht, nachdem zwei oder drei Subjekte vom Magistrat vorgestellt worden, rezipirt werden." Es wurden aber überhaupt nur solche Bewerber zugelassen, „die bereits Jura studiert und von einem hohen Kammergericht

35

»

und tüchtig dazu befunden waren." Die mit der Ad¬ ministration der Justiz verbundene Besoldung betrug damals 100 Thlr., dazu kamen smoluweuka etwa 30 Thlr., 1 Scheffel Roggen und „2 Amtsschwnne in Mast frei." Als wichtiger hob der Vortragende die Akten über die Neubesetzung des vereinigten Bürgermeister- und Stadtrichtcramtes Inrvor, die durch die Einmischung des König!. Kriegs- und Sleuerrats von Below zu einem merkwürdigen Kompetenzkonflikt der examinieret

Ende 1759 nahm nämlich der alte Bürger¬ Höheren Behörden führte. meister Kricle seinen Abschied, und zwar infolge der strengen Justiz¬ visitation, deren Protokoll sich im Staatsarchiv unter den Akten von

Naue» befindet. Als das Amt vakant geworden war, wandte sich der Magistrat von Nauen sofort an das König!. Kammcrgericht mit Nein Antrage auf „anderweitige Besetzung des vakanten Konsulats". Dieser Antrag war wohl insofern inkorrekt, als das Kammergericht nur für die Besetzung der Stadtrichterstellc kompetent war, während der diri¬ gierende Bürgermeister vom Generaldirektorium und also in Bezug auf Nauen von des letzteren Kommissar, dem Kriegs- und Steucrrat v. Below auf Lindow, bestell! werden mußte. Diese vielleicht absichtliche Uebergehung seiner Instanz nahm v. Below, der ohnehin schon nicht gut auf Nauen zu sprechen war, sehr übel, und er schickte deswegen ein Schreiben an den dortigen Magistrat, das an Derbheit nichts zu wiin'chcn übrig ließ. „Es befremde ihn das ungereimte Verfahren des Magistrats, uud sei cs ihm nicht begreiflich, was derselbe mit seinem unbefugten Vorstellen machen wolle, Magistratui inhinbicre er daher sein imiibnlegtes Betragen in toinm, zumal e§ gar leicht geschehen könne, daß Sr/Kgl. Majestät einem dero Invaliden oder getreuem Kriegsknecht Der Prokonsul das Direktorium der Stadt allergnädigst konferiere. Bandt solle weiter nicht zugeben, daß dergleichen unschmackhafte Sachen Dieser Verweis hielt aber vom collegio senatus abgesandt werden." die Nauener nicht ab, auch ferner selbständig vorzugeben. Sic sahen nicht mit Unrecht in dem Versuch des Kriegsrats, auch die Richterstclle zu besitzen, eine Ueberschreitung seiner Befugnisse, da er nur für das Bürgermeisteramt kompetent war. Daher schritten sie getrost zur Wabl und wählten ein¬ mütig den Kammergeiichtsreferendar Gravius . welcher sich bcwoibeu hatte, für beide Stellen in einer Person. Dieser machte nun von Berlin aus eme schriftliche Meldung über seine Wahl an den Kriegs- und Steucrrat v. Below. Aber o weh! was bekam nun der Magistrat von Nauen zu hören! „Das bezeigete Verfahren des Magistrats solle ihm unvergeßlich bleiben, und er werde höheren Orts das gegen ihn be¬ wiesene nachtheilige Betragen hinlänglich erörtern, auch die Beabndung desselben mehr denn lebhaft erbitten, dlewbra senatus hätten parteiisch und unüberlegt, ja verräthcrisch gehandelt, er werde Zeit und Gelegen¬ heit abwarten, seine Erkenntlichkeit zu Tage zu geben, vorläufig habe er die absunla des Magistrats verschiedenen Königlichen Kollegien vorucllig Wäre der geniacht, damit demselben sein Betragen inhibirt werde. König im Lande, die ganze Affaire hätte in etlichen Tagen zur Endschaft kommen sollen." Du ch dieses Schreiben wurde der Magistrat von Nauen derartig eingeschüchtert, daß er, als der erwähnte Gravius um endgültigen Bescheid anfragte, ihm erwiderte, daß mag>8rratu8 sich richt getraue, in dao causa weitere Vorstellung zu thun. Und schon am 25. Februar war die Stelle auf v. Belows Betrieb anderweitig besetzt. Singel war es, der das noch bis zu Anfang des 19. Jahrhunderts vereinigt bleibende Anit des dirigierenden Justizbürgermeisters erlangte. Der Vortragende unterließ bei dieser Gelegenheit nicht, zu bemerken, daß das rücksichtslose Durchgreifcn des König!. Kommissars in den Nauener Angelegenheiten von einer gewissen generellen Bedeutung war. Es sei ein entschiedener Schlag gegen die Städtefreiheit und gegen die Selbst¬ verwaltung gewesen, welche nunmehr völlig zu einem Schatten herabsank. Teilnahmlosigkeit an den öffentlichen Angelegenheiten, Erschlaffung des Gemcinfinns und Gleichgültigkeit gegen die inneren wie äußeren staatlichen Verhältnisse seien überall die Folge von solcher Bevor¬ mundung durch König!. Kommissarien gewesen, und das habe sich in der Napoleonischen Zeit bitter gerächt, bis die Stein- und Hardenbergsche Gesetzgebung neues Bürgcrlcben geweckt habe.

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Waterlauüslieöe und des Bemeinsinns wie zur Kövüevuny aller echt oatevlänöischen Uuyenüen hat er ohne frage das Seine beigetragen. der

Reichsangehörigen nach Berlin. Sie haben ihre cheimat verlassen, um an den Usern der Spree eine neue Heimat zu stnden. Sollten sie sich nicht auch mit der Geschichte der neuen cheimat näher bekannt zu machen und sich allmählich in sie einzuleben suchen? Rein Blatt erweist ihnen hierfür bessere Dienste als der „War". Und es würde wahrlich weder zu ihrem Schaden noch zu dem der Reichshauptstadt sein, wenn sie die ihnen hier gebotene Gelegen¬

Alljährlich strömen Aehntausende

deutscher

heit bereitwilliger benutzten, als es bisher geschehen ist. wir hoffen, daß der Sinn für heimatliche Beschichte in der Reichshauptstadt und in der Mark Brandenburg sich von Jahr zu Jahr heben wird! Je größer die Zahl unserer Abonnenten wächst, um so Tüchtigeres werden wir auch leisten können. Der „Däv" kostet vierteljährlich 2,§1) Wll. Er kann durch alle Postämter Postzeitungsliste Nr. 809), durch alle Buchhandlungen und Spediteure, sowie auch direkt von der Geschäftsstelle (Berlin R. 58, Schön¬ hauser Allee 141) bezogen werden. probenummern stehen in jeder beliebigen Einzahl zur Verfügung. Die bereits erschienenen Nummern des laufenden Jahrgangs werden nachgeliefert.

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ohne eingeholte

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untersagt.

der

Mark Krandeaburg

und der angreuMden Gebiete.

Unter Mitwirkung von

Dr.

R- Kövirr guter, Professor Dr. Drecher, Dr. H. DrondicKe, Theodor Fontane, Stadtrat G. Friedet, Richard George, Ferd. Mörser, Gyinnafialdirektor a. D. Dr. M. Kcizniarh und G. o. Mitderrdrircti heransgegeben von

Friedrich Zillessen. XXIII. Zahrgang.

Jtt

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Der

„Bär"

erscheint wöchentlich am Sonnabend und ist durch jede Postanstalt (No. 809-, Buchhandlung und Zeitungsspedition für 2 litt. 50 pfg. vierteljährlich zu beziehen.

23. Januar 1897.

Zum 27. Zanuar. Mel.: „wir

treten zum Beten" (niederländisches Volkslied).

llwegen zum Legen Laß, Gott, unsern Kaiser Die Leinen vereinen Als mannhafte wehr, Daß Falschheit vergehe Und Wahrheit bestehe Alldeutschland zum Heile, Dir, Höchster, zur Lhr'!

Gott Vater, Berater

Zur Leite

dem

Kaiser,

Gieb Frieden hienieden In Herz und in Haus! Laß blühen die Marken, Die Mannen erstarken, Beständig im Glauben, Gewappnet zum Ltrauß!

In

Kriegen hilf siegen Dem Lchwerte des Kaisers;

vom Helden laß melden Dem fernsten Geschlecht, Der wägte und wagte

Und kämpfend nicht zagte Für Freiheit und Ehre, Für Wahrheit und Recht!

Aufs

wir

neue in Treue

schwören dem Kaiser,

Den Fahnen der Ahnen

Zu folgen mit Mut! Ob Wetter sich türmen, Ob Feinde drein stürmen, Dem Reich und dem Kaiser Gehört unser Blut! Prof. Dr. Franz Müller in Quedlinburg.

——>

38

-

Finis Poloniae. Historischer Roman von W.

Gründlov.

(3. Fortsetzung.)

S

von Krummensee waren ein altes Geschlecht. Sie hatten hier schon gehaust, als noch die wendische Be¬ völkerung heimlich ihre alten Götter anbetete. Früher waren sie reich begütert gewesen, so auch in Altenau, Alt-Landsberg und ie

Grotz-Barnim.

Kriegszüge und übertriebener Aufwand

aber hatten den Besitz allgemach geschmälert. Am meisten hatte dazu der Vorbefitzer, der Bruder des gegenwärtigen Inhabers,

beigetragen.

Ihm war,

Majorat war. der der jüngere Bruder mit einer

da die Herrschaft

ganze Besitz zugefallen, während sich Rente halte begnügen müssen. Alexander, der ältere Bruder,

stand als Offizier in sächsischen Diensten, und an dem prunk¬

liebenden sächsischen Hofe hatte er seine Gattin, eine vermögenslose Hofdame der Kurfürstin, kennen gelernt. Als er das reiche Erbe angetreten hatte, wurde derHaushalt auf großem Fuße eingerichtet,

und das verschlang ungeheure Summen. Vor dem Ausbruch des siebenjährigen Kries es war Alexauder von Krummensee in preußische Dienste übergetreten, da er doch nicht gegen sein Vaterland fechten wollte. Zum Oberst eines Infanterieregiments ernannt, war er in allen Schlachten, die er bis dahin mitgemacht, unverwundet geblieben. Allein in der Schlacht bei Torgau, am 3. November 1760, fand er den Tod, als er mit seinem Regiment die Süptitzer Höhen, welche die Oesterreicher dicht mit Kanonen besetzt halten, erstürmen half. Da Alexander keine Kinder hinterließ, wurde Hans Wilhelm der Erbe der Güter. Aber wie waren sie zusammengeschmolzen! Von falschen, betrügerischen Verwaltern bewirtschaftet, hatten sie lange nicht die Erträge geliefert, die sie hätten liefern können. Dazu kamen während des Krieges Verwüstungen durch feindliche Heere, Requisitionen und schlechte Ernten. Die Ausgaben waren in dieser Zeit aber nicht geringer, sondern nur größer geworden; denn die leichtsinnige, luxusgewöhnte Melanie konnte sich keinerlei Beschränkungen auferlegen. Und so hatte denn ein Gut nach dem andern verkauft werden müssen, bis bei dem Tode Alexanders nur noch das Stamm¬ gut mit zwei Vorwerken übrig war. Und auch hier sah es traurig genug aus! Die Gebäude waren entweder nieder¬ gebrannt oder doch äußerst schadhaft; viele Accker lagen un¬ bestellt aus Mangel an Spannvieh und Saatgelreide! Es gehörte eine kundige, energische Hand dazu, um das Gut nur einigermaßen wieder in die Höhe zu bringen. Hans Wilhelm besaß diese Hand. In der Schlacht bei Torgau hatte auch er als Rittmeister bei den Ziethenhusaren mitgefochten und war ebenfalls verwunde: worden. Nach seiner Wiederherstellung nahm er den Abschied und übernahm selbst die Bewirtschaftung des Stammgutes. Obwohl schon über die Jugendblüte hinaus, verband er sich mit einem bedeutend jüngeren, adligen Fräulein, seiner jetzigen Frau, die zwar nur wenig Barvermögen, aber einen häuslichen Sinn und einen praktischen Blick hatte und ihm eine treue Gefährtin gewesen war all die langen mühsamen Jahre hindurch, während welcher der Wohlstand der Familie langsam, aber sichtbar empor blühte.

Schwägerin Melanie hatte sich darin finden müssen, die glänzenden Zirkel des Hoslebens und die aus¬ schweifenden Feste mir dem für sie freudlosen Landleben zu ver¬

Seine

tauschen, denn ihre

Mittel

weise fortzusetzen.

Ihr

reichten nicht hin. die frühere Lebens¬ größtes Vergnügen bildete jetzt die Erinnerung an die glänzende Rolle, die sie in früheren Jahren gespielt, und ihre einzige Beschäftigung war das Lesen französischer Romane und die Sorge für ihren Putz. Seltene Lichtpunkte in dem für sie so freudlosen Dasein waren die

Tage,

an welchen Besuch aus

der Nachbarschaft ankam oder

solcher bei Nachbarn gemacht

wurde. Da entfaltete sie ihre Liebenswürdigkeit und prahlte gern mit ihren Er¬ oberungen aus früherer Zeit. Auch an den langen Winter¬ abenden, wenn der Amtmann und der Pastor zum Whistspiel erschienen, war sie gern von der Partie, während Frau Sophie das Kartenspiel nicht liebte und lieber etwas „Nützliches" that. Auf Träume, Ahnungen und Vorbedeutungen schwor sie bombenfest, und bei jeder kleinen Veranlassung legte sie die Karten, denen sie unbedingt Glauben schenkte. Heute war sie mit ihrer Toilette nicht einmal zur rechten Zeit fertig geworden, um mit ihrer Schwägerin in der alt¬ modischen Staatskarosse zur Kirche in das einige Minuten entfernt liegende Dorf zu fahren. Lisette. ihr Kammermädchen, hatte deshalb schlechte Zeit gehabt. Das Mittagessen, zu welchem Sonntags regelmäßig der Amtmann und der Pastor eingeladen wurden, war vorüber, und tiefe Stille herrschte im Hause. Die Herrschaften halten sich jedenfalls ein Stündchen zur Mittagsruhe zurückgezogen. Da huschte eine lange, dunkle Gestalt durch den öden ganze

Korridor. Auf den Zehenspitzen mit katzenartig lautlosem Schritt eilte sie vorwärts, blieb vor jeder Thür stehen und horchte am Schlüsselloche. Es war Jean, der neue Kammer¬ diener,

der wieder einmal spionieren

ging.

Plötzlich wurde

ein leichter Schritt auf der nächsten Treppe hörbar. Mit drei Sprüngen, wie wenn sich der Fuchs auf die Taube stürzt,

war Jean an der Treppe und stand gerade vor Lisette. als diese vom Pavillon herabkam.

„Halt!" sagte er leise, indem er die Arme ausbreitete und dem Kammermädchen den Weg versperrte, „hier kostet's Zoll, sonst kommt niemand durch!" „Ach, lasie Er doch die Dummheiten! Er wird noch die Herrschaft wecken." „Na, ist denn die Jungfer so spröde, daß sie dem armen Jean,

der

doch so gerne hat, nicht

sie

einmal ein Küßchen

geben kann?"

„Nein, lasse Er mich durch! Ich die Gnädige ist heute sehr ungnädig."

„So? Aber

erst ein Küßchen!

habe keine Zeit,

Und wenn die Welt

und zu¬

sammenbricht!"

„Na, ihren nicht

„Ah! „Hat „Nee, eilig hin?"

„Ich

Er einen! Aber nun

lasse Er mich durch!? auf die Zehenspitzen und reichte ihm allzukleinen Mund zum Kusse dar. Das schmeckt wie himmlisches Manna!" Er denn schon einmal Manna gegessen?" ich meine auch nur so. Wo will Sie denn so

da Hai

Dabei stellte

soll

sehen, ob ein

sie

sich

in dem Garten etwas Immergrün holen und paar Krokus heraus find."

39

„Und weshalb soll Sie das?" „Ich glaube, die Gnädige will ein Kränzchen das

Bild

eines

ihrer früheren Anbeter,

dessen

machen, um

Namenstag

heule ist. zu schmücken." den

„Da darf ich Ihr wohl Arm um ihre Taille.

suchen

helfen?"

Dabei legte er

„Ach. lasse Er doch! Wenn uns jemand sähe!" „Es sieht uns aber keiner, die schlafen alle wie

die

Murmeltiere."

Er wenigstens mit hinunter!" der Frau Oberst Melanie, war ein kleines, zierliches Ding. Ueber die Blütejahre bereits hinaus, Halle sie in ihrer schmächtigen Gestalt jene behende

„Na.

da komme

Lisette,

das Kammermädchen

Geschmeidigkeit behalten, die über Jugend und Schönheit hin¬ Ihr Gesicht, ohne gerade schön zu sein, war

wegtäuscht.

Das Stumpfnäschen, die vollen roten Lippen, hinter Reihe ziemlich großer Zähne blitzten, die lief dunkelblauen Augen und die goldroten Löckchen, welche den blendend weißen Teint ihres Köpfchens umrahmten und wider¬ strebend immer wieder in die niedrige Stirn hingen, so oft sie auch zur Seite gestrichen wurden, machten Lisetle wirklich

pikant. denen

eine

zu einer ganz interessanten Erscheinung.

„Tu

es

provocant

en tüus tes gestes,“ pflegte die Gnädige zu sagen, und sie hatte recht. Natürlich war Lisette nach Art aller Kammer¬ kätzchen auch zum Verliebtsein geneigt. Leider halte sie in ihrer jetzigen Stellung noch keine Gelegenheit gefunden, ihren Ueberschuß an Liebe und Liebebedürfnis entsprechend zu ver¬ werten. Ihre Herrin war ihr nicht gerade übermäßig ge¬ wogen; aber Lisette war zufrieden mit dem leichten, bequemen Dienst. Sie ertrug manche Laune ihrer Gebieterin mit an¬ scheinender Geduld und machte sich nur heimlich über sie lustig. Konnte sie doch auch von den Confitüren, von denen die Oberstin immer die Tasche voll hatte, naschen, so viel sie wollte. Die beiden schlugen vorsichtigerweise verschiedene Wege nach dem Garten ein und vereinigten sich erst wieder, als sie im Schalten der Bäume und außer dem Gesichtskreise des Herrenhauses waren. 'mal „Ich habe schon lange gewünscht, die Demoiselle allein zu sprechen." begann Jean die Unterredung. „So? Was hat Er mir denn so Wichtiges zu sagen?" „Hm, hm, es kann Ihr nicht unbekannt geblieben sein, wie sehr ich Sie verehre, wie ich mein ganzes Leben — „Ha, ha, ha! Am Ende will Er mich wohl gar heiraten?" „Das wäre allerdings mein sehnlichster Wunsch, allein bis äato ist — da find —" „Noch wenig Aussichten, will Er wohl sagen?" „Allerdings, gewiß! Aber so eine kleine Liebschaft, eine liaison, wie die großen Herren sagen, ist doch auch nicht zu verachten." „Meint Er? Zu was sollte denn das führen?" „Nun. man liebt sich, man wechselt zärtliche Redensarten, man küßt sich im geheimen,

und schließlich wird

doch

eine

Heirat draus." „So? Und wenn man dann so ein armes Mädchen angeführt hat, geht man davon und läßt es fitzen. Nein, Monsieur Jean, dazu halte ich mich für zu gut."

Die Demoiselle ist ja höllisch hochmütig! Da sollte Sie 'mal nach Berlin kommen. Da find die Mädchen

„Ei. ei!

ganz anders gesinnt.

Und nicht bloß Mädchen aus unserm

Stande, nein. Edelfräulein, Baroneflen, selbst Gräfinnen haben ihre Liebhaber, und niemand findet etwas Unrechtes darin. Na. ich könnte Ihr Geschichten erzählen!" „Geschichten?" „Ich war Mletzt bei dem Herrn von Bischofswerder. Der war zwar verheiratet, hatte aber doch seine Maitresse, die verwitwete Gräfin Pinto, und dann auch noch Fräulein von Tarac. ihre Schwester. Seine Gemahlin wußte darum und fand das ganz natürlich. Warum? Alle großen Herren haben ihre Maitressen, selbst unser allergnädigster König. Also wird es sich wohl so gehören." „Und da meint Er, ich sollte auch —" „Na, so ein bischen Liebhaben ist doch keine Sünde. Sieht Sie —" „Ja, aber Eins vergißt der Monsieur. Was den vor¬ nehmen Damen erlaubt ist. ist nicht uns auch erlaubt. Wenn die Gräfinnen und Edelfrauen vielleicht kostbare Geschenke von ihren Galans erhalten, so steckt man uns ins Arbeitshaus. — Da gab es wohl auch manchmal hübsche Trinkgelder, wenn man so ein Auge zudrückte und manches nicht gesehen hatte?" „Das will ich meinen." „Na, warum ist Er denn nicht dort geblieben?" „Ja, das hatte seinen eigenen Haken. Ich war zu helle.-"

„Zu „Ja.

helle?

Er?"

Nämlich mein Herr, was der Bischofswerder war,

machte auch Gespenster erscheinen,"

„Was Er sagt!" „Das heißt, er that nur

so.

Und ich mußte allemal die

Spiegel stellen." „Die Spiegel?"

„Sie wird mir das nicht glauben, es ist aber wahrhaftig und so." „Nun. wie wurde denn das gemacht?"

doch

gewiß

„Erst wurde das Zimmer, wo die Geister erscheinen sollten, ganz dunkel gemacht. Darauf erscholl in dem Neben¬ zimmer eine sanfte und schwermütige Musik, und in dem dunkeln Zimmer wurden Räucherpfannen angezündet, auf denen scharf riechende und betäubende Spezereien verbiannt wurden, so daß einem bald der Atem verging. Dann kam mein Herr, angethan mit einem langen, schwarzen Talar mit allerlei in gestickten Zeichen, die ich nicht kannte. Dann murmelte er verschiedene Worte in einer fremden Sprache, die ich nicht verstand, und machte allerlei Zeichen in der Lust. Zuletzt fragte er einen der Anwesenden, wessen Geist er zu sehen wünschte. Hier mußte ich nun höllisch aufpaffen. Ich steckte hinter einer spanischen Wand mit zwei großen Brennspiegeln

Silber

und hatte vor mir eine Anzahl Bilder, die alle numeriert Während der nun folgenden Beschwörungsformel waren. nannte mein Herr unauffällig bloß die Nummer des Bildes, das ich dann schnell heraussuchte und vor den einen Brenn¬

Der warf es dem andern zu. und das Bild in Lebensgröße auf dem leichten Schleier von Seiden¬

spiegel brachte. erschien

wir inzwischen herabgelassen hatten, oder auch auf einer Rauchwolke auf dem Opferaltar. Wenn ich nicht ge¬ wußt hätte, wie es gemacht wird, ich hätte mich selbst ent¬ gaze, den

Bilder waren darunter." „Aber das war doch Betrügerei?" „Ja freilich! Aber was will man machen? Gut bezahlt wurde es ja, ich war nur allemal ganz krank hinterher." setzen können, so schreckliche

— „Zu

welchem Zwecke

wurden denn diese Spukgeschichten

aufgeführt?"

„Das weiß ich nicht. Ich mußte allemal gleich fort. Daß aber damit wichtige Zwecke verbunden waren, geht daraus hervor, daß, wie unser allergnädigster König noch Kronprinz war, Bischofswerder auch vor ihm drei Geister gittert hat. Ich hab's von meinem Vorgänger, der mit helfen mußte. Der ist aber dran gestorben." „Was waren denn das für Geister?" „Einer war vom verstorbenen Kurfürsten Friedrich Wilhelm, der zweite von einem großen Gelehrten, Leipzig oder Leißner, wie er hieß." „Vielleicht Leibniz?" „Ja. ja, richtig, Leibniz." „Und der dritte?"

„Das war so ein alter römischer Heide (Marc Aurel)." „Ja. wieso war Er denn nun zu helle?" „Na, versteht Sie denn das nicht? Ich kannte doch die Nun gab es so eine Gesellschaft, die Schliche! Jlluminaten nannten sie sich, die waren den Rosenkreuzern, wozu mein Herr gehörte, spinnefeind und suchten die Auf¬ klärung. Und da war so eiwas verlautet von Betrügerei, und ganzen

mein Herr glaubte, ich hätte aus der Schule geschwatzt. Da nahm er mich vor, stieß die fürchterlichsten Drohungen aus und sagte, es ginge mir ans Leben, wenn noch etwas Weiteres verlaute. Na. dachte ich, das Leben ist Dir doch lieber, als die gute Stelle, und brannte durch, zumal mein Vorgänger auch so plötzlich gestorben war, man wußte nicht recht, wie.

Bei einer großen Herrschaft konnte ich nun nicht gut eine Stelle annehmen, da hätte mich mein Herr bald gefunden. Da bin ich denn hier aufs Land gegangen. Ich wäre aber schon längst wieder fort, denn es ist mir hier zu einsam, und man hat gar keinen gebildeten Umgang, wenn Sie nicht wäre." „Ich? Ich halle Ihn doch nicht?"

Hoffnung noch nicht auf. Sie für Sie heiraten sollte!" „Heiraten? Worauf denn?" „Na, ich habe mir schon 'was gespart. Sie wirv ja wohl auch ein bischen haben. Wenn wir das zusammen thun, 'was anfangen. Vielleicht so ein Kaffehaus oder können wir schon Kleinkram in einem Lande, wo Blschofswerder nicht hinreicht."

„Doch!

Ich

gebe die

mich zu gewinnen, und wenn ich

„Na, ich will mir's überlegen." „Gut. wir sprechen weiter davon.

Daß Sie aber von dem, was ich Ihr anvertraut, gegen niemanden das Geringste laut werden läßt! Es wäre mein Untergang. Es ist der höchste Beweis des Vertrauens, den ich Ihr geben konnte, daß ich Ihr dies schwere Geheimnis mitgeteilt habe." Llsette schob mit den Spitzen ihrer winzigen Stöckelschuhe den Kies des Weges zusammen, denn fie halte fich inzwischen mit Jean auf einer der einfachen Bänke unter einer breit-

kronigen Eiche niedergelassen. Sie warf einen raschen Seiten¬ blick auf ihren Begleiter und sagte zu ihm: „Warum sollte

was Er mir gesagt hat, weiter erzählen? Weiß ich doch nicht einmal, ob alles wahr ist. ob Er mir nicht nur etwas vorflunkert! Es wird wohl ebenso wenig wahr sein, wie das von Seiner Amour, die Er für mich fühlen will." Dabei hatte sie einen trockenen Zweig ergriffen und zeichnete mit ihm allerlei Figuren in den Sand, den Blick beharrlich zu Boden senkend. ich denn,

40

tz

Jean hatte bedächtig eine hörnerne Schnupftabaksdose aus einer der Taschen seiner langen gelben Schoßweste ge¬ nommen und langsam eine Prise seiner Nase zugeführt. Damals war das Tabakschnupfen noch weit gebräuchlicher, als Darauf stäubte er mit seinen fleischigen Fingern einige jetzt. Körnchen des Tabaks von den kurzen Spitzen an ven Enden seines weißen Halstuches und sagte pathetisch, indem er die rechte Hand auf die Stelle seines hechtgrauen Rockes legte, unter welcher das Herz sitzen sollte: „Sollte die Demoiselle noch zweifeln an meiner Liebe, die so hoch ist wie der höchste Berg in Europa und so tief wie das tiefste Meer? Stelle Sie mich auf die Probe, ich will eine jede bestehen!" Dabei blickte er fie seitwärts unter den halbgesenkten Augenlidern an und beobachtete aufmerksam das Mienenspiel, welches die wechselnden Gedanken auf Liseltes zartem Gesichtchen hervor¬ brachten.

„Ja, wenn man Ihm glauben könnte! Aber sind alle falsch.

die Männer

Erst sprechen fie immer von Liebe, und dann

lassen fie einen sitzen."

„Ich will

nicht hoffen,

daß die Demoiselle solcherlei Er¬

fahrungen an Sich selbst gemacht hat." „Nein, nein!" wehrte diese heftig ab. „Aber man steht es doch täglich vor Augen, und was Er mir da von Berlin erzählt hat, läßt auch nicht auf die Beständigkert der Männer schließen."

„Das

ist

ganz

etwas

nehmen Herren haben

anderes,

Jungfer.

schöne Schlösser,

halten

Diese sich

vor¬

Kutschen

und schöne Pferde, warum sollten sie sich mchl auch schöne Weiber halten? Eine Mailresse Sie haben's ja dazu. gehört jetzl gewissermaßen zu jeden: vornehmen Hausstande. Bei Unsereinem ist das aber 'was anderes. Da darf nur das Herz

sprechen.

O Jungfer!"

rief er, aufstehend, indem er

beide Hände gen Himmel streckte, „ich wollte, Sie könnte hören,

wie laut mein Herz spricht!"

Um

sie

vollständig

das rechte Knie nieder,

zu rühren,

ließ

er

fich

vor ihr auf

nachdem er vorsichtigerweise das

rol-

und blaugewürfelte Taschentuch untergebreitet hatte, um die weißen Sonntagsstrümpfe nicht zu beschmutzen. Er hatte diese Pose verschiedenemale durch das Schlüsselloch beobachtet, wenn

Kavaliere ihren Damen eine Liebeserklärung machten, und hielt sie für sehr effektvoll. Er wimmerte weiter: „Gar spröde ist das Eisenerz, noch spröder ist der Jungfer Herz! O, wenn Sie wüßte, wie es hier glüht! O! o!" Seine Stimme klang zum Erbarmen kläglich.

„Nun fängt Er gar an zu dichten! Stehe Er auf! Wenn jemand käme — was sollten die Leute sagen!" „Nicht eher, als bis Sie Erhörung versprochen hat! Bis Sie diese Flammen löschen will, die hier innen brennen!" Dabei drückte er von neuem die Hand auf die breiten silbernen Borten, welche die Knopflöcher seiner Livree um¬ säumten.

„Nun ja doch! Wir werden ja sehen, stehe Er nur erst auf!" Jean erhob fich liefseufzend. Da ließen fich laute klappernde Hufschläge von der Land¬ straße her hören. Es kamen augenscheinlich mehrere Reiter in scharfem Trabe an. Jean horchte auf. „Da kommt Besuch! Verdammt, nun geht die Sklaverei

>.

wieder an! O Lisette, Lisette! Wann wird endlich die Damil eilte er eiligst nach Stunde der Freiheit kommen!" dem Schlöffe. schon

Lisette sah ihm nach. Er war gar keine übele Erscheinung. Ein wenig lang und ungelenk. Aber was wollte sie denn eigentlich? Sie war auch schon dreißig Jahre, da ward's all¬ gemach Zeit zum Heiraten, wenn's überhaupt noch etwas werden sollte. Sie dachte es sich gar zu schön, so in einem sauberen Kaffeehaus als Gebieterin zu walten. Da kamen täglich feine Kavaliere, ihren Kaffee zu trinken, brachten auch wohl hübsche Damen mit. Wenn sie dann den Kaffee mit anmutigem Knix brächte, so sagten sie ihr wohl gar

41

Auch Jean gab die eben gehabte Begegnung zu denken, während er dahin schritt. Ein allerliebster Käfer, dachte er. werde ihn schon 'rum kriegen. Ist sonst gar zu langweilig hier. Na. mit dem Heiraten freilich, da wird's wohl nichts

werden. gehen.

Ja, wenn sie nicht wäre! Es wird aber auch Des Priesters Segen brauchen ja nicht alle. (Fortsetzung folgt.)

Die Eingemeindung der Drriinrr Uororte, insbesondere ihre hygienische Ke

noch Schmeicheleien, ab¬

von der guten Bezahlung. Mit Jean gesehen

wollte

sie

schon

deutung.

fertig

viel

scheinlich

(Schluß.)

.zu sehr ver¬

sie, den

wollte

spezielleren

hygienischer Beziehung die Eingemeindung vor¬

zur Folge würde. Bei der Fülle des Stoffes muß ich aber auch hier mich der Kürze befleißigen. Wir leben in einem Zeitalter wie des Ver¬ kehrs und der Elektricität, aussichtlich

haben

leicht konnte es kommen, sie

sich

gegenseitig

Darlegung in

der Vorteile, welche

Bloß auf die Gnade der Frau Oberst angewiesen zu sein, war doch gar zu unsicher. Sie halle gar sehr ihre Launen. Wie daß

gehe nun über zur

Ich

sie

zurecht ziehen.

sich schon

Spirisla.

Von *3.

werden. Der war augen¬

liebt in

so

elnmal erzürnten,

dann wurde sie an die Luft gesetzt. Sie konnte zwar jetzt noch eine andere

auch

Stelle bekommen, aber wie

so

lange noch? Dann war sie als Kammermädchen

Obwohl habe,

der

Hygiene.

ich

die

Vorsitzender

Ehre der

Dann wurde sie noch Kmder-

Berliner Deutschen Ge¬ sellschaft für öffentliche

muhme oder gar Scheuer¬

Gesundheitspflege zu sein,

zu alt. höchstens

gehöre ich doch keines¬ frau. Puh! Es schauderte wegs zu den Fanatikern sie. wenn sie daran dachte. der Hygiene. Ich habe Nein,lieber jetztzugreifen, über¬ Gegenteil deren im wo sich etwas Reelles dar¬ Forderungen triebene bot, ehe es zu spät war. stets bekämpft; denn auch Wenn er nur nicht diesen Dio ireutfdje Kaiserfcrrnilie. hier gilt der Satz, daß fatalen lauernden Zug im Nach einer Photographie von I. C. Schaarwächter, Hofphotograph Sr. Majestät Königs. des Kaisers und das Bessere häufig der Gesicht gehabt hätte! Man Feind des Guten ist. konnte ihm eigentlich doch nicht recht trauen. Er war zwar immer höflich, übertrieben höflich. und daß Vernunft zum Unsinn, Wohlthat zur Plage werden Aber er konnte auch recht grob sein. Als neulich der alte kann. Wollte man den Extravaganzen einzelner Hygiene-Fa¬ Bettler, den er vom Hofe wies, nicht schnell genug fort kommen natiker nachgeben, so würden nicht nur unerschwingliche Kosten konnte, gab er ihm einen Stoß, daß er hinfiel und sich den erwachsen, sondern es würde schließlich auch jeder harmlose Kopf blutig schlug. Das war doch nicht recht, eigentlich grau¬ Lebensgenuß aufhören. Andererseits muß jeder Gebildete an¬ sam und unmenschlich. Er hatte es zwar abgeleugnet, als sie erkennen. daß die wissenschaftlichen Grundsätze der Hygiene ihm Vorwürfe machte, und behauptet, der alte Mann sei von kein leerer Wahn find, dieser noch jungen Wiffenschaft, welche selbst gefallen, als er ihn nur eben angerührt, allein es gab durch Max von Pettenkofer in München begründet, durch doch zu denken. Ob wohl die Karten Auskunft geben könnten? die epochemachenden Entdeckungen unseres berühmten Ehren¬ Sie beschloß, einmal den Versuch zu machen. Wie es gemacht bürgers Robert Koch in neue verheißungsvolle Bahnen gelenkt

wurde, hatte

sie

von ihrer Herrin gelernt.

worden ist.

Kein moderner Staat,

kein

großes städtisches

Gemeinwesen kann sich der Nutzanwendung dieser Grundsätze für die öffentliche Gesundheitspflege einziehen; besonders hat eine

Sladl von der Bedeutung der Reichshauptstadt

die Pflicht,

der Gesundheil und zur Förderung des körper¬ Wohlbehagens seiner Bürger diejenigen hygienischen Einrichtungen, welche von der Wissenschafl und von der Praxis als nützlich und notwendig anerkannt sind, von Amtswegen -ins Leben zu rufen und zu unterhalten. Dieser Pflicht find die städtischen Behörden Berlins auch immer gern nachgekommen, sie haben in großartigem Maßstabe, mit enormen einmaligen, wie laufenden Kosten, gesundheitliche Werke geschaffen, welche mit Recht als mustergiltig gepriesen und von Fachkundigen anderer Länder studiert werden. Auf der Gewerbeausstellung sind viele solcher städtischen Veranstaltungen zur belehrenden Anschauung gebracht. Ihre segensvollen Wirkungen ungeschmä¬ lert zu erhalten und weiter auszubauen, muß das Bestreben der Berliner Kommunalverwaltung bleiben. Dieses Bestreben wird aber vielfach durch die mit Berlin immer enger zusammenwachsenden Vorortsgemeinden gehindert. Es leuchtet ohne weiteres ein, daß die meisten Vororlsgemeinden schon aus finanziellen Gründen außer stände find, die hygienischen Anforderungen unserer Zeit genügend zu er¬ füllen, daß die mangelhaften hygienischen Zustände der kleinen Nachbargemcindcn die entsprechenden Maßvahnen der Be» liner städtischen Verwaltung zu durchkreuzen, zu paralysiren, zu gefährden geeignet sind. Jeder Kenner solcher komplizierten kommunalen Anstalten weiß, daß sie nur dann in vollem Um¬ fange ihren Zweck erreichen können, wenn sie von einer kräfllgen. zielbewußten, intelligenten Verwaltung geleitet und un¬ ausgesetzt überwacht werden. Dies ist aber unter den gegen¬ wärtigen Verhältnissen, wie sie sich im täglichen untrennbaren Wechselverkehr zwischen Berlin und seinen Vororten allmählich entwickelt haben und naturgemäß immer ungünstiger gestalten werden, ohne die Eingemeindung nicht durchführbar. Ich will diese Auffassung an einigen Beispielen erläutern. Mil Recht sind wir Berliner stolz auf unsere Katakomben, auf die Schwemmkanalisation, dieses Wunderwerk der modernen Tiefbaukunst, welches seinem Chef-Ingenieur, dem Sladlbaural Geheimen Baurai Dr James Hobrecht, zum unverwelklichen Ruhme gereicht. Von allen bekannten Systemen der Slädiereinigung ist die mit Rteselfeldern verbundene Schwemmkanalisation für Binnenstädte von der Größe Berlins unzwetfelhafi das beste System, Berlin ist dadurch zu einer der gesundesten Städte des europäischen Kontinents geworden; die Morbidiläts- und Mortalitätsziffern der Medizinalstatistik beweisen dies unwiderleglich. zum Schutze

lichen

Dagegen ist die Entwässerung der meisten Berliner Vor¬ orte eine sehr mangelhafte. Nur Charlottenburg besitzt eine größere Kanalisation, an welcher auch Wilmersdorf und Schöne¬

partizipieren; an die Berliner Kanalisation sind etwa 400 Charlottenburger Grundstücke, ein kleiner Teil Schöne¬ bergs, einzelne fiskalische Grundstücke Tempelhofs und die Lichtenberger Gebietsteile westlich der Ringbahn angeschlossen, während die östlich der Ringbahn belegenen Teile Ltchtenbergs nach dem Röckner-Roiheschen System entwässern und für einen Teil von Rixdorf eine Berieselungsstation nach Wa߬ mannsdorf mit einer Pumpstation auf den Köllnischen Wiesen berg

angelegt ist. Alle übrigen in Betracht kommenden Vororte, namentlich

>>

!

Treptow, Stralau und Rummelsburg, haben nur eine natürliche Entwässerung. Rummelsburg entwässert in den Kuhgraben und in den Rummelsburger See; mit Rücksicht auf ihre Vorflutsverhältnisse senden die meisten dieser Vororte, besonders auch Weißensee, ihre Abwässer nach Berlin. Es ist deshalb der Anschluß dieser Ortschaften an die Kanalisation der Hauptstadt oder doch vorläufig wenigstens eine diesseitige Kontrolle ihrer anderweitigen Anlagen aus sanitären Gründen höchst wünschenswert, was jedoch nur durch die Eingemeindung zu erreichen sein wird. Die Hauptaufgabe unserer Rieselfelder¬ wirtschaft besteht darin, die Schmutzwäsier durch die Filtration auf den Rieselfeldern so zu reinigen, daß sie unbedenklich in die öffentlichen Wasserläufe, namentlich in die Spree, abge¬ lassen werden dürfen. Eine Verunreinigung der Spree, ins¬ besondere durch bazilläre Krankheitskeime, z. B. Cholera- und Typhusbazillen, ist gefährlich und muß mit allen zu Gebote stehenden Mitteln thunlichst vermieden werden. In dieser Be¬ ziehung bilden aber die am oberen Spreelauf dicht bei Berlin belegenen, der Kontrolle der Städtischen Verwaltung nicht unter¬ stellten Vorortsgemeinden mit ihren primitiven Entwäfferungsanlagen eine beständige Gefahr; es ist deshalb unbegreiflich, daß der Magistrat von Berlin, wie bereits erwähnt, noch im Sommer 1893 der Eingemeindung von Treptow. Stralau und Rummelsburg widersprechen konnte, obwohl der Sladtbaurat Or. Hobrecht in den vorangegangenen Beratungen der gemischten Deputation gerade auf diesen Punkt speziell hingewiesen halte. Die Spree fließt, von den genannten süd¬ auch

lichen Vororten kommend, durch alle unsere öffentlichen Flu߬ badeanstalten; daß man den letzteren möglichst reines Wasser

zuführen muß, ist selbstverständlich; schon wenige, mit Typhusbazillen durchsetzte Tropfen, vom Munde des Badenden auf¬ genommen, können den Tod bringen.

In werken

beständiger stehen

die

Wechselwirkung mit den Kanalisations¬ Die große Wasserwerke.

Berliner

Tegeler Wasserhebestelle entnimmt ihr Wasser bekanntlich aus dem Tegeler See. Deshalb ist die Eingemeindung von Dalldorf und Tegel von erheblichem Werte, damit der Zutritt zum Tegeler See für die Berliner Verwaltung unbehindert ist und der See vor Verunreinigungen möglichst bewahrt wird. Das Gesetz vom 2. Juli 1875, betreffend die Anlegung und Veränderung von Straßen und Plätzen in Städten und ländlichen Ortschaften, legt in die Hände der Gemeindever¬ waltungen im Interesse der öffentlichen Gesundheit schwer¬ wiegende Rechte und Pflichten. Zweckmäßige, von weilausschauenden Gesichtspunkten geleitete Bebauungspläne, Slraßenverbreiterungen und Straßendurchbrüche find von der größten Bedeutung. Für die Stadt Berlin in ihren Beziehungen zu den Vororten kommt es namentlich auch darauf an, lange und breite, durchgehende Slraßenzüge zur Verbindung der Berliner Straßen mit denjenigen der Vororte zu schaffen, große Plätze und Parkanlagen herzustellen. Da thatsächlich die bei weitem meisten unserer Vororte mit Berlin ein einziges großes Verkehrsgebiet bilden, so ist die Anwendung der Be¬ stimmungen des Straßenfluchtgesetzes vom 2. Juli 1895 nach einheitlichen, planmäßigen Grundsätzen für dieses ganze Ver¬ kehrsgebiet ein wahres Bedürfnis; diesem Bedürfnis kann bet der großen Zahl der Vororte und bei der Vielköpfigkeir ihrer Verwaltung jetzt nicht genügt werden, nur die Eingemeindung kann hier Wandel schaffen.

43

Auf die staatlichen Baupolizei-Ordnungen für Berlin und für die Vororte, besonders auch bezüglich der sogenannten Landhausbezirke,

einzugehen, muß ich verzichten; die Bau¬ polizei-Ordnungen, welche von der Kritik vielfach heftig an¬ gegriffen worden sind, unterliegen ja auch nicht der kommu¬ nalen Kompentenz. Ich möchte bei dieser Gelegenheit nur betonen, daß ich den gegen die Eingemeindung der ent¬ legeneren Vororte, namentlich der nördlichen, erhobenen Ein¬ wand, „diese Vororte seien mit Berlin noch nicht genug verwachsen, zwischen ihnen und Berlin liegen noch weite un¬ bebaute Strecken" — daß ich diesen Einwand, gerade aus sanitären Gründen, nicht als stichhaltig betrachte, ganz ab¬ gesehen davon, daß die jetzt noch nicht vorhandene enge Ver¬ einigung solcher Vororte mit der Hauptstadt bei der fort¬ schreitenden Bebauung sehr bald eingetreten sein kann. Wie kommt man aber dazu, das Verlangen zu stellen, daß alle Teile einer Riesenstadt gleichmäßig bebaut sein müssen? Das wäre ja direkt ein Unglück! Im Gegenteil, es ist gut und anzustreben, daß man zwischen die dicht bebauten Reviere andere, von der Bebauung ganz frerbleibende Reviere einschiebt, große Reviere, welche als Luftreservoirs zu dienen haben. So findet man es in anderen Großstädten, z. B. in London. Deshalb ist auch mir Recht die rigorose, vom Standpunkte der Hygiene verwerfliche Veranlagung der großen Berliner Hausgärten zur Bauplatzsteuer bemängelt worden; solche Hausgärten darf man nicht erschweren, man muß fie be¬ günstigen. Nun. die Berliner Bauplatzsteuer ist ja jetzt, mit Rückficht auf die neueste Entscheidung des Oberverwaltungs¬ gerichts, dem Tode geweiht.

Im

Gegensatz zu anderen Städten ist es

in Berlin Sitte

haus errichtet haben, den Schlachtzwang einzuführen, d. h. alle Privatschlachtanstalten gegen Entschädigung aufzuheben und im Anschluß an diesen Schlachtzwang durch Ortsstatuten die obligatorische Fleischschau anzuordnen. Demgemäß kann insbesondere bestimmt werden: 1. daß alles in das öffentliche Schlachthaus gelangende Schlachtvieh zur Feststellung seines Gesundheitszu¬ standes sowohl vor als nach dem Schlachten einer Untersuchung durch Sachverständige zu unterwerfen ist; 2. daß alles nicht im öffentlichen Schlachlhause ausgeschlachiete frische Fleisch in dem Gemeinde-Bezirk nicht eher feilgeboten werden darf, bis es einer Unter¬ suchung durch Sachverständige gegen eine zur Gemeinde¬ kasse fließende Gebühr unterzogen ist; 3. daß in Gastwirlschaften und Speisewirtschaflen frisches Fleisch, welches von auswärts bezogen ist, nicht eher zum Genusse zubereitet werden darf, bis es einer gleichen Untersuchung unterzogen ist.

Von diesen

gesetzlichen

Befugniffen hat die Stadt Berlin

im vollsten Maße Gebrauch gemacht: fie hat erneu großen Viehhof (Viehmarkl) und im Anschluß au denselben einen großen Schlachihof erbaut, ebenso eine große Anzahl öffent¬ licher Markthallen, fie hat den Schlachtzwang durchgeführt und die obligatorische Fleischschau in allen genannten Richtungen ins Weik gesetzt. Der hierzu erforderliche Kostenaufwand war und ist noch beständig ein enormer, nicht minder kostspielig ist der täglich arbeiiende ausgedehnte Verwaltungsapparat. Dem entsprechen aber auch die sanitären Vorteile; fie find nicht zu teuer erkauft; denn die Gefahren, welche die menschliche Gesundheit durch

Tterkrankheiien. durch den Genuß kranken verdorbenen Fleisches bedrohen, find groß; noch vor wenigen Wochen hat über dieses Thema eine Autorität ersten Ranges, der Rektor ver tierärzlichen Hochschule in Berlin,

geworden, möglichst in allen, auch in schmalen Straßen, zu beiden Seiten, auf die Grenze zwischen dem Damm und den Bürgersteigen dicht vor den Häusern Bäume zu pflanzen.

oder

Geh. Rat Prof. Schütz, in der Ausstellung einen lehrreichen

der Hygiene widerspricht,

Sitte in vielen Fällen für eine Unsitte, welche weil solche Bäume, namentlich den Parterrewohnungen, nicht nur den Luftzug, sondern auch das

Vortrag gehalten.

Licht,

steht

Ich halte

diese

notwendige Lebensbedingung, beeinträchtigen. Ich kenne Parterrewohnungen, welche an dunkelen Tagen hierunter sehr zu leiden haben; nicht minder erregt es stets meinen Zorn, wenn ich in ein Haus trete, deffen Treppenflur, in den von dem engen Hofe schon an sich nur spärlich das Sonnenlicht dringen kann, noch durch die thörichte Manier bunter dunkler Flurfenster zur beständigen Finsternis verurteilt ist. Ebenso kann ich es nicht billigen, daß man so oft auf öffemlichen, von Prachlbauten eingerahmten Plätzen die archi¬ tektonischen schönen Linien dieser Bauten durch Baumanlagen verhüllt. Alle Dinge müssen den ihnen gebührenden Ort haben. Die Verwaltung des Groß-Berlin der Zukunft muß es sich znr Aufgabe stellen, die Häusermeere durch möglichst viele und doch eine

durch Parkanlagen mit Springbrunnen, durch Spiel- und Turnplätze für die Jugend zu durchbrechen. Die Eingemeindung der Vororte bietet eine vortreffliche Gelegenheit, dieses Ziel zu erreichen; es wird darauf ganz besonders das

große Oasen,

Augenmerk zu richten sein.

Das demselben

Gesetz

vom

vom 18. März 1868 und die Novelle zu 9. März 1881, betreffend die Errichtung

Schlachthäuser, ausschließlich zu benutzender gestattet denjenigen Gemeinden, welche ein öffentliches Schlacht¬

öffentlich

vorzüglichen Berliner Veranstaltungen kein einziger der hier in Frage stehenden Vororte (auch nicht Charlottenburg) ein öffentliches Schlachthaus besitzt, daß deshalb auch in keinem dieser Vororte der Schlachtzwang besteht, in allen vielmehr noch PrivatGegenüber diesen thatsächlich

fest,

daß

— abgesehen von der Trichinenschau — nirgends durch

schlachtanstalten existieren,

überall

angeordneten

und

daß

auf Gruud des Cchlachthausgesetzes von 1868 bezw. 1881 eine kommunale obligatorische Fleischschau an¬ geordnet ist. Auch staallicherseits ist bisher eine solche all¬ gemeine Fleischschau nur durch landrätliche Verordnungen für Amtsbezirke einzelne eingeführt, nämlich für Stralau, Rummelsburg, Boxhagen, Lichtcnberg, Weißensee, Pankow, Nieder-Schönhausen, Reinickendorf, Tegel, Schöneberg und Deutsch-Wilmersdorf. Alle anderen Vororte, auch Charlotienburg, entbehren noch der allgemeinen obligatorischen Fleisch¬ Ob fie da, wo fie besteht, ausreichend gehandhabt wird schau. und gehandhabt werden kann, rst mir zweifelhaft; ich glaube es nicht. Zwar lassen viele der Schlächtermeister der Vororte ihr Vieh auf dem Berliner Schlachthof schlachten und auch dort untersuchen; viele andere aber thun dies nicht; fie schlachten in ihrem eigenen Hause, entziehen das Fleisch der Kontrolle und lraiisporlieren es in großen Mengen heimlich, mit Vorliebe in den Abendstunden, nach Berlin; in einzelnen Gemeindebeschluß

44 Vororten wohnen ganz auffallend viel Schlächter. Der vor¬ treffliche, leider im vorigen Jahre verstorbene städiische OberTierarzt und Direktor der Fleischschau Or. Hugo Hertwig hat über den gefährlichen Schmuggel mit minderwertigem und krankem Fleisch in unserer Gesellschaft für öffentliche Gesund¬ heitspflege vor einigen Jahren interessante Aufschlüsse ge¬ geben; auch ist darüber uoch in allerneuester Zeit von der Tagespresse, unter Anführung bestimmter krimineller Fälle, berichtet worden. Hier kann nur durch die Eingemeindung der Vororte abgeholfen werden, in deren Gefolge sofort der Schlachtzwang und die volle obligatorische Fleischschau überall in den Vororten eingeführt werden müßte. Mit einem Schlage würden sich dann diese Mißstände bessern; freilich wäre dem¬ nächst die Erbauung eines zweiten großen städtischen Schlacht¬ hauses, und zwar im Westen der Stadt, am besten in oder bei Charlottenburg, nötig, weil der Transport des frischen Fleisches von dem jetzige» Schlachthofe im Osten, an der Eldenaerstraße, nach dem entfernten Westen zu kostspielig und bei großer Sommerhitze sanitär auch bedenklich sein würde. Dagegen würde auch nach einer Eingemeindung von Vor¬ orten im größten Stile ein zweiter Viehhof (Viehmarkt) nicht erforderlich sein, weil unser Viehhof schon jetzt die Vororte, ebenso wie große andere Distrikte Deutschlands, mit lebendem Schlachtvieh versorgt und künftigen Ausdehnungen seines Betriebes durchaus gewachsen ist.

Ich widerstehe der Versuchung,

diese vergleichende Rund¬

auf andere wichtige hygienische Dinge auszudehnen, etwa auf das Berliner Desinfektionswesen, die Krankenhäuser und Heimstätten für Genesende, das Rettungswesen, die Volks¬ badeanstalten, die Schulhygiene, die Straßenreinigung, die Müllabfuhr und dergl.; ich möchte mich mit den vorstehenden Andeutungen begnügen. Es würde mich freuen, wenn es mir gelungen wäre, in denjenigen, weche meinen Ausführungen gefolgt find, die Ueberzeugung zu erwecken oder zu befestigen, daß eine baldige Eingemeindung der Berliner Vororte in großem Stile nicht bloß aus anderen, sondern auch aus Gründen der öffentlichen Gesundheitspflege unabweisbar ist. Die Arbeiten, welche die bisherigen Vorverhandlungen verursacht haben, waren schon bedeutend, noch größere würden, wenn die Eingemeindung, was ich hoffe, definitiv beschlossen werden sollte, zu leisten sein. Die Berliner und auch die Bewohner der Vororte find aber an Arbeit gewöhnt; wir beherzigen den alten hannoverschen Wahlspruch: Nec aspera terrent, Schwierigkeiten schrecken uns nicht. Nach meiner festgewur¬ zelten Ansicht ist die Sache der Eingemeindung eine gute. Der Kampf für eine gme Sache ehrt die Streiter. schau noch

->

Wernigeröder

wacht nicht mehr über die Seinen Otto Fürst zu Stolberg, Gras zu Königstein, Rochefort, Wernigerode und Hohnstein, Herr zu Eppstein. Münzenberg, Breuberg, Agimont, Lohra und Clettenberg, entstammte einem uralten Thüringer Grafengeschlecht, welchem — im 11. Jahr¬ hundert zuerst erwähnt — 1412 die Reichsgrasenwürde ver¬ liehen wurde. Fürst Otto wurde geboren am 30. Oktober 1837 zu Gedern im Groß Herzogtum Hessen, dem Vorort der Gräflich Wernigeröder Herrschaft gleichen Namens, wo sein- Vaier — Erbgraf Hermann zu Stolberg-Wernigerode — derzeit die Ver¬ waltung inne hatte, während daheim in dem alten Stamm¬ sitze der Grafschaft Wernigerode noch der regierende Graf Henrich die Regierungsgeschäfte leitete. — Nur allzufrüh, schon in seinem 4. Jahre, verlor Graf Otto seinen Vater, doch unter der Leitung seiner trefflichen Mutter (einer Tochter aus dem gräflichen Hause Erbach-Fürstenau im Odenwalde) sorgsam gehütet auf und wurde für seinen hohen , wuchs er Berus gründlich vorbereitet. Nachdem der junge Graf zunächst auf dem Gymnasium zu Duisburg das Zeugnis der Reife erlangt, besuchte er in den Jahren 1854 bis 1858 die Universitäten Göttingen und Heidelberg, wo er Jira und Kameralia studierte. Nach vollendeten Univerfitätsstudien und nachdem ihm nach inzwischen erfolgtem Tode seines Gro߬ vaters mit seiner Großjährigkeit 1858 die Regierung der Grafschaft zugefallen war, trat Graf Otto in das Regiment Ctarckss du corps ein, das damals noch in Berlin lag. Bereits im Jahre 1861 schied er jedoch wieder aus dem aktiven Militärdienst aus und zog sich nach Wernigerode auf sein alles Harzschloß zurück. In Wernigerode selbst bezeichnen eine Menge der wohl¬ thätigsten Einrichtungen auf dem Gebiete der äußeren Ver¬ waltung, Kirche, Schule rc. sein unermüdliches Wirken und Auch den Wtffenschaften und schönen seine stets offene Hand. Künsten war Fürst Otto ein warmer Förderer und Gönner. Beredtes Zeugnis legt hiervon der kostspielige Umbau seines Stammschlosses zu Wernigerode ab, deren edle, im Stil der Gotik gehaltene Formen an die Wartburg erinnern. Mit einem Kostenaufwand von über 300000 Mk. erbaute er ferner das Fürstl. Gymnasium zu Wernigerode, dem er auch sonst Die alte Gräfliche jährliche reiche Zuwendungen machte. Schloß-Bibliothek vermehrte er auf 100000 Bände; gleichzeitig ist er der Erbauer vieler wichtiger Kunststraßen im Harz. das heutige große Brocken-Hotel nebst Turm ist durch seine Mittel entstanden, und noch in jüngster Zeit gab er weite Landstrecken zum Bau der Harzquerbahn Nordhausen-Wernigerode un¬

Mt-

ju Hloldrig Wer»igrr«dr

f.

Von W, Schulz-Hasserode.

(Mit Abbildung.) Der Edelsten einer, welche des Todes kalte Sichel im Vorjahre dahingerafft, war Fürst Otto zu Slolberg-

Wernigerode,

sanft entschlafen am Abend des 19. November

Mit ihm auf dem Schlosse seiner Väter zu Wernigerode. sank der stolze Sproß eines der ältesten und vornehmsten Grafengeschlechter Deutschlands ins Grab; das Stolberger Grafenhaus betrauert in dem Dahingeschiedenen seinen lang¬ jährigen. berufensten Repräsentanten — das treue Haupt der

....

Geschicke der

entgeltlich her.

Für»

Grafen-Familie



Auf Vorschlag Bismarcks wurde Graf Otto im Jahre 1867 zum Oberpräsidenten der neu gebildeten Provinz Hannover ernannt; diese kurz nach den Ereignissen von 1866 besonders heikle Stellung bekleidete er bis 1873 und zeigte sich den eigentümlichen politischen und sonstigen Schwierigkeiten des verantwortungsreichen Amtes mit seltenem Takt gewachsen. 1867 in den konstituierenden Reichstag gewählt, gehörte er von 1871—78 dem deutschen Reichstag als Mitglied der Reichspartei an. Gleichzeitig war er von 18/2—76 Präsident des preußischen Herrenhauses. Am Vorabend des Orientkrieges ging er 1876 als deutscher Botschafter nach Wien; zurückbe¬ rufen. wurde er am 20. Mai 1878 zum preußischen Staats-

..

minister und Vieze-Präsidenten des Staalsministeriums ernannt, im Juli desselben Jahres auch mit der allgemeinen Ver¬ tretung des Reichskanzlers (Fürst Bismarck) beaufiragt. In dieser Stellung fiel ihm namentlich die Aufgabe zu, Kaiser

Wilhelm

I mit

dem deutsch-österreichischen Bündnisverträge zu be¬

und im Oktober 1879 in Baden-Baden die Zu¬ stimmung des Monarchen zu demselben zu erwirken, die wegen der gegen Rußland gerichteten Tendenz des Vertrages nur

freunden

war. Am 20. Juni 1881 schied der Graf aus diesem Amt, wurde 1884 preußischer Oberst-Kämmerer und 1885 stellvertretender Minister des Königlichen Hauses. Letztere Stellung legte er tm Sommer 1888, die erstere — infolge der Kotze-Affäre, wie man sagt — 1894 nieder. Seit 1893 wiederum das Präsidium des Herrenhauses führend, schwer zu erreichen

vor Hohenlohe sogar zum Reichskanzler ausersehen gewesen sein, das höchste Amt im Reiche aber infolge seiner damals sich bereits geltend machenden Krankheit soll

er

45

->

lV2 Jahren

herzleidend, hatte Fürst Otto Kaltwasserkur in Dresden und zu Anfang dieses Jahres eine später eine solche in Baden-Baden gebraucht. Ohne jedoch die erhoffte Heilung gefunden zu haben, kehrte er um die Jahresmilte in den Kreis seiner Familie zurück, wo dann am 19. November, nach monatelangen, schweren Leiden, ein sanfter Tod dem arbeits- und erfolgreichen Leben ein Ziel Der Tod des hervorragenden Staatsmannes erregte setzte. Schon seit etwa

Hunderte von Beileids-Telegrammen liefen bei der tiefgebeugten Fürstin-Witwe ein, darunter eine in besonders warmen Ausdrücken gehaltene Depesche unseres Kaisers, sodann eine von der Kaiserin Auguste Viktoria, von der Kaiserin Friedrich und von sämtlichen deutschen sowie vielen inund ausländischen hohen und höchsten Persönlichkeiten.die weiteste Anteilnahme.

Der „Reichs-Anzeiger" widmete dem Dahingeschiedenen einen überaus herzlichen Nachruf, Schlußsätze mit wenigen dessen Strichen die hohen Verdienste des verstorbenen Fürsten um Staat und



abgelehnt haben.

Die engen freundschaftlichen Be¬ ziehungen,

Königshaus

welche



Kaiser Wilhelm

das

und

Gesellschaft kennzeichneten:

insbesondere

I. — mit

dem Re¬

Dienst den in jederzeit vaterländi¬ des allgemeinen schen Interesses gestellr und damit ein leuchtendes Beispiel edler, wahrhaft vaterländischer Gesinnung gegeben. Sein An¬ denken wird in hohen Ehren gehalten werden." — Tie Feierlichkeiten zur Bei¬

alten Harzgrafengeschlechies Jahrzehnte hindurch ver¬ banden, fanden ihren besten Aus¬ druck in dem Restilutionsakt Kaiser Wilhelms II. vom Oktober 1890, welcher den Grafen zur Führung des präsentanten

erblichen

des

Fürstentitels

„Durch

seine Geburt auf die Höhen des Lebens gestellt, hat der Ent¬ schlafene seine besten Kräfte

preußische

berechtigte.

Wie hochgeschätzt die Person des Fürsten Otto am Königlichen Hofe war, zeigen die oft wiederholten Besuche Kaiser Wilhelms I., der überaus gern auf dem herrlich gelegenen Harzschlosse in Wernigerode zu Gaste war. In seiner Begleitung befand sich auch mehr¬ mals Kaiser Friedrich III. als Kronprinz, und unser jetziger Kaiser

setzung des sich

Fürsten Otto gestalteten

äußerst einfach und doch würdig

des großen Toten.

Die Leiche des Fürsten war in der Kapelle des Stammschlosses

Reiche zu Wernigerode aufgebahrt. Palmen gruppen breiteten ihre grünen hat in den letzten Jahren ebenfalls Wedel über die sterbliche Hülle, Fürst ©tto xir Stoltrorg-Wornigorodo. die Wernigeröder Fürstenfamilie mit welche — in schmuckloser GeneralNach einer Photographie von I. C. Schaarwachter, Hofphotograph i» Berti». seinem Besuch beehrt, um in den Interims - Uniform — wie zum prachtvollen Harzforsten dem edlen Schlafe gebettet erschien. Hohe ForstWaidwerk obzuliegen. und Hüttenbeamte hielteti zu Häupten des Katafalks die TotenAus der Zwischenzeit bleibt noch zu erwähnen, daß Fürst wacht. Auf acht schwarzsammetnen Kiffen ausgelegt, strahlten Otto 1891 zum Kanzler des hohen Ordens vom Schwarzen und funkelten die zahlreichen Orden des Verblichenen im Adler ernannt wurde (sein Nachfolger ist der Fürst von Pleß). Kerzenlicht. Feierliche Orgelklänge durchhallten den Raum — In der Armee bekleidete der Fürst den Rang eines Generals die Fürstin-Witwe selbst war es, welche dem teueren Dahin¬ der Kavallerie s 1s, suibs mit der Uniform der 6-sräss du corps. geschiedenen letzte schmerzdurchzitterte Grüße weihte

Fürst Otto war vermählt mit Anna Elisabeth Prinzessin Neuß j. L.. geb. 9. Januar 1837. Der überaus glücklichen Ehe entsprossen sechs Kinder: drei Söhne und drei Töchter. Am 22. August 1888 war es dem allbeliebten Fürstenpaare vergönnt, auf seinem Stammschloß zu Wernigerode das frohe Fest des silbernen Ehejubiläums zu feiern. Der bei dieser Gelegenheit veranstaltete historische Festzug zählte 6500 Teil¬ nehmer; der derzeitige Minister des Königlichen Hauses von Wedel überbrachte damals die Glückwünsche des Kaiserpaares, dem kostbare Geschenke beigefügt waren. —

In

.

28. Dezember erfolgte die Ueberführung der Leiche vom Fürstl, Schloß in die Oberpfarrkirche zu Wernigerode, wo am nächstfolgenden Tage die offizielle Trauerfeier stattfand. Zu derselben war als Vertreter unseres Kaisers Prinz Friedrich Leopold erschienen; unter den Leid¬ tragenden bemerkte man ferner Herzog Johann Albrecht von der Nacht

zum

Mecklenburg, Prinz Aribert von Anhalt, sowie zahlreiche Außerdem hatten andere hervorragende Persönlichkeiten. Deputationen entsandt: das Herrenhaus, der Sächsische Provinzial-Landtag, die Offiziere des Regiments Osrdss du

corps in Potsdam, sodann

die Staats-, Kreis-, Kommunal- und

Ort-behörden, die Geistlichkeit, die Schulen u. s. w. Berge der herrlichsten, kostbarsten Kranzspenden und Trauer-Arrangements wurden an dem Sarge niedergelegt, der unter der duftenden Hülle völlig verschwand. Eine vieltausendköpfige Menschenmenge füllte die Straßen der allen Harzstadt Wernigerode, als sich der unendliche Trauerzug langsam hinausbewegte zur Fürstengruft auf dem St. Theobaldifriedhof. Nach abermaliger kurzer Feierlichkeit am Grabe sank der schwere Sarg hinab in die dunkle, kalte Tiefe — still und langsam nur zerstreule sich die gewaltige

Menschenmasse

Auf

den Spezialbefehl

dem 22.

König

Fr

Januar 1801 folgendes

iedrichwurde Publikandum

unter

erlassen:

Seine Königliche Majestät von Preußen re. rc., Unser aller¬ gnädigster Herr, haben zur Steuerung des den Fabriken- und Landes-Einkünften so schädlichen Contrebandirens und Defraudirens der Churmark, der Provinz zu resolviren geruhet, die Grenzen Magdeburg und der Grasschaft Mansfeld gegen das Ausland durch eigene dazu errichtetete Grenz-Corps und Brigaden besetzen und Ende ein besonderes Reglement, sub dato, den 16 ten zu dem abfassen lassen, dessen wesentlicher Inhalt folgender¬ maßen zu Jedermanns Achtung öffentlich bekannt gemacht wird. I. Die Grenz-Jäger sind mit Seiten- und Schießgewehr versehen, und befugt, gegen diejenigen Schleichhändler, die Gewaltthätigkeiten gegen sie verüben, sich ihrer Waffen zu bedienen. II. Diejenigen Schleichhändler, die sich ohne Weigerung und Widersetzlichkeit anhalten lassen, haben keine Gewalt von den GrenzJägern zu befürchten; diejenigen aber, die sich mit Gewalt widersetzen, sollen für die Folgen dieser Widersetzlichkeit verantwortlich seyn, und in so sein ein Grenz-Jäger, oder sonst Jemand dadurch beschädigt oder getödtet wird, dem Befinden nach als Stöhrer der öffentlichen Sicherheit, nach der Strenge der Gesetze bestraft werden. III. Seine König!. Majestät haben aufs ernstlichste verboten, Schleich¬ händlern und Leuten, welche zum Handel nicht berechtigt sind, Waren abzukaufen oder auch nur Niederlagen derselben in den Häusern zu ge¬ statten. Wer dieses thut, soll als Theilnehmer des Verbrechens ange¬ sehen und bestraft werden.

Januar 1801,

IV. Haben es Seine König!. Majestät sämmtlichen Chefs der Garnison, sowie allen Civil-Obrigkeiten, Schulzen und Gerichten, auch Einwohnern des platten Landes, zur Pflicht gemacht, den Grenz-Jägern, auf ihr Ansuchen, zu Anhaltung der Contrebandiers, ohne allen Aufenthalt den erforderlichen Beistand zu leisten, widrigenfalls sie lür die hierunter gezeigte Verspätung oder Verweigerung verantwortlich seyn sollen.

V. Die Kriegs- und Domainen-Kammern, insbesondere aber die Landräthe und Gerichts-Obrigkeiten, sind aufs ernstliche angewiesen, auf das Gewerbe und die Lebensart der einzelnen Dorfbewohner ein genaues Augenmerk zu haben. Letztere sollen schuldig und verpflichtet seyn, die des

Schleichhandels verdächtigen

Personen, dem nächsten

Accise- oder abzu¬

Zoll-Amte, oder der nächsten Grenz-Brigade mit ihren Waaren

liefern, oder doch bei derselben anzuzeigen. Da diese Grenzbejetzung einzig und allein das allgemeine Beste und das Wohl jedes einzelnen Unterthanen zum Zweck hat, so erwarten Seine König! Majestät von einem jeden Ihrer getreuen Unterthanen, daß ein jeder nach seinen Kräfte:', zur Erreichung der Landesväterlichcn Absicht mitwürken werde. Damit endlich auch dieses zu Jedermanns Wissenschaft komme, so wollen und verordnen Seine König!. Majestät, daß gegenwärtiges Publicandum nicht allein auf dem gewöhnlichm Wege allen Civil- und Militair-Obrigkciten bekannt gemacht, sondern auch den Zeitungen und Intelligenzen dreimal hintereinander inserirt, ferner von den Kanzeln verlesen, und längstens binnen vierzehn Tagen a die xublicatiouis von den Auditeurs den Regimentern und Bataillons und von den Justitiariis den versammelten Gemeinden, so wie in den Städten von den Magisträten der Bürgerschaft und übrigen städtischen Einwohnern publicirt und erklärt, auch diese Publication alle Jahr Termino Johannis, bey den Regimentern aber zu der Zeit, wenn solche ..omplet beisammen, wiederholt, und ein Exemplar des Publicandi an die Kirchthüren, Rath¬ häuser, Accise- und Zoll-Amtsstuben, in allen Wirthshäusern und andern schicklichen

Orten angeschlagen werden soll.

Berlin, den 22sten Januar 1801. Auf Seiner Königlichen Majestät allcrgnädigsten Special-Befehl: Frh. v. Heinitz, v. Voß, v. Hardenberg, v. Strucnsee, v. Schrötter.

klagend

strich

der Hecbstwind

über die

Stätte des Todes, deren Gräberreihen noch die Kranzspenden des Totensonntags schmückten.

*

*

*

An die Spitze des Hauses Stolbcrg-Wernigerode ist nun¬ mehr der bisherige Erbprinz getreten, welcher als Ch ri st i an Ern st Fürst zu Stolberg-Wernigerode sein Erbe angetreten

Der neue Füist, geb. 28. September 1864, rst seit dem 8. Oktober 1891 vermählt mit Marie Elise Gräfin zu CastellRüdenhausen; der jungen Ehe ist bereis ein Stammhalter hat.

entsprossen.

Kleine Mitteilungen. Putolikaridurn futr Steuerung des Kuntredan-

divrens und Defraudierens uuin 22. JjtottaattJ&Ql»



begründet worden?

Die ÄSM-IJnnung wurde :m"Jähre'1272^

die der Kürschner 1280. die der Schuhmacher 1284, die der Schneider 1288, die der Tuchmacher 1289 und die der Schlächter 1311 begründet. der ersten die Schlächter-Innung betreffenden Urkunde wurden die von dem Magistrat erbauten Vcrkaufsstände Scharren genannt und gegen einen Mietszins von 5 Pfennigen und 6 Schillingen zum erblichen Besitz übergeben. Es war aber hierbei ausdrücklich bedungen, daß die Schlächter die Verkaufsstände vierteljährlich untereinander verlosen mußten. Zu diesem Zwecke kamen die Schlächter alle Vierteljahre zusammen, zogen das Los und besprachen Gilde>Angelegenheiten; aus diesen Zusammenkünften emtstanden dann die noch heutigentageS stattfindenden jener Zeit hießen die Schlächter übrigens, Quartals-Versammlungen. wie aus den alten Urkunden hervorgeht, bis etwa zum Jahre 1498, „Knochenhauer", von da an kommt die Benennnng „Fleischhauer" vor, von etwa 1610 an heißen die Jnnungsgenossen „Fleischer" und von 1734 an „Schlächter". Jetzt wird wieder die Bezeichnung ..Fleischer" eingeführt. Es hat nämlich, so schreibt die „Allg. Fl.-Ztg.", die Schlächter-Innung in ihrer letzten Versammlung beschlossen, das bisherige Siegel der Innung durch ein anderes, älteres, bereits von den Vorfahren benutztes zu ersetzen. Dies s zeigt ein Lamm mit der Fahne, mit dem Engelskopf darüber, und wird die Umschrift „Berliner Fleischer-Innung" tragen. — Es gestaltete sich einstmals die Aufnahme von Personen in die Genossenschaft der Knochenhauer viel schwieriger, als diejenige in andere Gilden. Denn jeder, der Fleischer werden wollte, hatte sich nicht allein zu verpflichten, reine, unverfälschte Ware zu liefern, er mußte auch einen feierlichen Eid schwören, daß er „keine milchende Sau und kein abgezehrtes, krankes oder fehlerhaftes Vieh schlachten oder verkaufen wolle". Außer den Knochenhaucrn gab cs noch eine andere Art von Fleischern, nämlich die „Kutler und Wurstmacher". Die Knochenhauer als die vornehmeren Gewerke befaßten sich nur mit dem Einkauf des Viehes, das Schlachten besorgten die Wurstmacher. Diese mußten auch bei den Zusammenkünften ihrer Genossen eine Mahlzeit geben, für die

In

In

Knochenhaucrs orgcn und ihnen das Bier einschenken. Verabsäumungen ihrer Obliegenheiten mußten sie mit einem Pfunde Wachs büßm.

udert

glaljvc«. Nach Die Reictiscrurnve uoy lz »r einer „Schilderllchg^Ä"MekHsüMK^VöEMtz'rei796" (Köln, bei Peter Hemmer) waren die Reichstruppen zusammengerafftes Gesindel in den verschiedenartigsten Uniformen, so daß der badiiche Oberst Sandberg einmal sagte, es sehle nur, daß man sie förmlich als Hanswurst kleide. Hier stellte ein Kloster zwei Mann, dort ein Graf den Fähnrich, dort Die Gewehre waren vom verschiedensten eine Stadt den Hauptmann. Kaliber. Von Geist oder von Vaterlandsliebe war keine Spur zu finden. Der unbekannte Verfasser jener Schilderung sagt: „Wo Liebe zum Vatcrlande sein soll, muß auch ein Vaterland sein; aber Deutschland ist in lauter kleine Monarchien zerteilt, deren Haupteigenschaften Be¬ drückung der Unterthanen, Stolz und Sklaverei und eine unbeschreibliche Ehedem, wenn Deutschland angefallen wurde, war Schwäche sind. jeder zu kämpfen bereit, besonders aber die Fürsten. Jetzt, der Himmel erbarme sich, ziehen die Fürsten und Grafen und Herren von dannen und lassen Land und Leute in Stich. Der Markgraf von Baden — vom Fürstbischof von Speyer uns anderen geistlichen Herren rede ich der Land¬ nicht, denn die dürfen ihre Hand nicht ans Schwert legen graf von Darmstadt und andere Herren flohen beim bloßen Gerücht, daß'die Franzosen sie bald besuchen würden, und gaben dadurch hin¬ länglich zu verstehen, daß sie bloß Regenten sind, um bei gefahrlosen der Gefahr Zeiten sich von ihren Unterthanen mästen zu lassen. bleibt der arme Unterthan sich selbst überlassen. Deutschland ist in zu viele kleine Staaten geteilt. Was kann ein Pfälzer Kurfürst ausrichten, und was die noch geringeren Herren? Dazu fehlt das Band der Ein¬ heit gänzlich. Der Pfälzer steht den Hessen nicht für seinen Landsmann an. jedem Ländchen ist ein anderer Landzoll, ein anderes Geleite, ein anderes Gesetz. Wer nur eine halbe Stunde weit weg ziehen will, in eine andere Monarchie, muß einen großen Teil seines Vermögens zurücklassen. Der Bischof von Speyer erlaubt seinen Unterchanen nicht

-,

In

In

einmal, außerhalb

seines Ländchens zu heiraten. Und da sollte entstehen tonnen? Wer einen um einige tausend Gulden jährlicher Einkünfte reicheren Despoten hat, verspottet den, der einen ärmeren hat. Daher der unbäuvige Haß der deutschen Höfe und Höschen und die Schadenfreude, wenn es in einer benachbarten Dynasttc übel hergeht." —^„Außer den Kreistruppen hatte man gar keine Verteidigung an den Grenzen des Reichs. Weil Jagden, Bälle, Opern und Mai¬ tressen alles Geld verschlangen, blieb zur Erbauung der so höchstnötigen

Patriotismus

L. E. K

Grenzfestungen nichts übrig."

wärtig^Ereignissen

^mit

Blitzesschnelle über den Erdball trägt, waren bis ins 19. Jahrhundert die Postillone bei der Sieges- und Friedensverkündigung vielfach in hervorragender Weise beteiligt. Zu den Zeiten des alten Fritz erschien als Ueberbringer, einer Siegesdepesche meist ein Königlicher Flügel¬ adjutant oder ein Feldjäger; jedem derartigen Kourier aber waren blasende Postillone beigegeben. So ritten dem Adjutanten, welcher die Kunde des Sieges bei Soor(Sorr) nach Berlin brachte, (am 30.Sept. 1745) 20 Postillone vorauf. Der Kourier, welcher die Kunde des Sieges von Kesselsdorf in der Hauptstadt zu melden hatte (15. Dezember 1745), erreichte Berlin erst abends. Deshalb sandte er erst nach der Stadt, um 40 Postillone nnd 40 Fackeln von weißem Wachs herbeizuschaffen. Bereitwillig und schnell sandte das Holpostamt das Gewünschte, und alsbald setzte sich der glänzende Siegeszug nach der Stadt in Bewegung, die Postillone mit den brennenden Wachskerzen vorauf. — Beim feierlichen Einzuge nach dem Dresdener Frieden am 29. Dezember 1746 in Berlin saß der König nebst seinen Brüdern, den Prinzen Wilhelm und Heinrich, im offenen Wagen. Das Volksgedränge erlaubte ihm nur im Schritt zu fahren, was jedoch die Einzugsfeierlichkeit nur erhöhte. Der Chef des Postwesens und 100 blasende Postillone, blau und orange gekleidet, mit goldbetreßten Hüten und blauen Feldzeichen, bildeten eine Schwadron, an welche sich der Oberjägermeister mit allen Jagdosfizianten und Jägern aus den nächsten Bezirken anschloß. Dann folgte ein Detachement des Königlichen Jägerregiments und daraus eine

Schwadron Freiwilliger, dunkelblau uniformiert und prächtig beritten, welche aus den vornehmsten Bügern Berlins bestand. Diese umgaben den Wagen des Königs. Viele Pagen, die Bürgergarden u. s. w. folgten. Interessant ist. wie Friedrich der Große die Nachricht des Sieges von Roßbach (am 6. November 1757) zur Königin nach Magdeburg schickte.

Der Lieutenant August Ferdinand Graf

von

Schulenburg

mußte sie dahin bringen, und zwar unter Vorritt von 24 blasenden Postillonen. Acht Wochen später traf der Lieutenant von Puttlitz mit der Nachricht von der gewonnenen Schlacht bei Leuthen (5. Dez.) mit 48 blasenden Postillonen ebenfalls dort ein, während man in Berlin diese Kunde durch einen mit 48 blasenden Postillonen einziehenden Feld¬ jäger erhielt. Als am Nachmittag des 31. Oktober 1762 die Nachricht von der vom Prinzen Heinrich zwei Tage zuvor gewonnenen Schlacht bei Freiburg nack Berlin kam, schrieb der Larquis d’ Argens, ein Vertrauter des Königs, demselben, wie angenehm überras-beud ihm der Klang der Posthörner gewesen sei. Bei der feierlichen Verlündigung des Teschener Friedens in Berlin ritten 20 Postillone an der Spitze von 4 Hofpostsekretären in Galauniform dem festlich gekleideten Herolde vorauf durch die Straßen der Hauptstadt. — Beim Einzug des großen Friedrich am 30. März 1763 eröffnete der Polizei-Kommissar Latvas

zu Pferde den Zug. Ihm folgten zunächst sechs Postillone und eine ganze Anzahl Feldpostcouriere. Unmittelbar hinter diesem Vortrab ritt der Feldpostmeister Lüdemann, und ihm folgten 9 Feldpostsekretäre und 72 Postillone. Die Feldpostsekretäre trugen blaue Kleidung, goldene Tressen, Hüte mit orangefarbener Kokarde, seidene Leibbinden mit goldenen Franzen und ein silbernes Posthorn, das Tn einem blauen, golddurchwirktm Cordon hing. Die Postillone trugen neue Postlivreen und orangefarbene Schleifen an den Listen. Ihnen schloß sich der Stall¬ meister des Kriegsministers, Reichsgrafen von Reuß, an; zwei Livreebediente führten die mit kostbaren Decken belegten Handpserde Seiner

Excellenz. Diesen fo'gten ein Jäger und ein Husar, 12 Generalpostaustsund Hofpostsekretäre, die beiden Postwagenmeister, der Geheime Postsekretär Bertram und der Kriegsminister in einer prächtigen Equipage mit zwei Läufern zur Seite; dann kam das Schlächtergewerk, hoch zu Roß, auf grünen, mit Bändern geschmückten „Chabraquen" sitzend. Dem Schlächtergewerke schloß sich die Schützengilde an, dann die französische Compagnie, deren Musikcorps während des Einzuges den preußischen „Dragottermarsch" spielte. Der Stallmeister des Staatsministers und Oberstallmeisters Reichsgrajen von Schafgotsch folgte mit den beiden Handpferden desselben, dann der Königliche Stallmeister Bogislav von Schwerin und der Graf Schafgotsch selbst in prächtiger Uniform. Der Held des Tages, der bescheidene Sieger, saß in seiner einfachen Reise¬ Die Kaufmannschaft bildete den Schluß des Zuges. karosse. Die glasenden Postillone als Begleiter von Siegesboten sind übrigens auch noch in diesem Jahrhundert gebräuchlich gewesen. So hielt Lieutenant von Wränge! im Jahre 807 mit 20 Postillonen seinen Einzug in Königsberg, um König Friedrich Wilhelm HI. den Sieg bei Pultusk (26. Dezember 1806) zu melden. Jetzt ist die Glanzperiode der Postillone längst vorüber. 8. E. K.

©ei>etttmisd)c inbet* Kaiser ^riei«rii4i-©cbäd)tnis-

kitdje.

Vor kurzem erschien die Kaiserin Friedrich in der Kaiser Friedrich-Gedächtniskirche, um die Gedenknische zu besichtigen, welche Allerhöchstdieselben Ihrem unvergeßlichen Gemahl gewidmet haben. Die

Führung übernahm der Erbauer der Kirche, Professor Vollmer von der Technischen Hochschule. Der Platz für die Anlage ist von der Kaiserin Friedrich selbst ausgewählt wo-den, und auch die Gestaltung wurde wesentlich von ihr bestimmt. Es ist eine flachbogenförmige Nische, welche sich an der linken Wand der 'Arche nahe am Eingang befindet. Den Mittelpunkt bildet die von dem Bildhauer Uphues modellierte Bronzebüste des Kaisers Friedrich, die auf einem kleinen, rotgeäderten, weißen Marmorsockel steht. Dieser ist in einen Unterbau eingefügt, der die Formen der italienischen Renaissance zeigt und nach dem berühmten Grabmal des Paolo Medici in Florenz hergestellt ist. Das Material ist feiner, gelblicher, oberitalischer Marmor. Die Oinamente umfassen ein rechteckförmiges Mittelfeld, das auf Goldgrund folgende Inschrift trägt: „Friderico III. Imperatori Germaniae Regi Borussiae. Qui obiit In honorem et A. MDCCCLXXXVm. Jun. XV. Vitae LVII. memoriern Uxor.“ (Friedrich III., Deutschem Kaiser, König von Preußen, der am 15. Juni 1888, im 57. Jahre seines Lebens verstorben ist. Zu seinen Ehren und zum Andenken an ihn seine Gemahlin.) Dieser Unterbau ist tief in die Wand eingelassen. Dem Professor Vollmer fiel die Aufgabe zu, zwischen den italienischen Renaissanceformen und dem nordischen Backsteinbau der Kirche eine geeignete Verbindung zu schaffen. Die Lösung fand er durch Angliederung eines Frieses, der den Unterbau aus beiden Seiten verlängert und dem Ganzen einen harmonischen Ab¬ schluß giebt. Der Fries ist einstweilen versuchsweise aus dunkelgebeiztem Holz hergestellt und wird später in getriebenem Kupfer ausgeführt werden, sodaß die Tönung mit der patinierten Bronzebüste zusammenstimmt. Der Fries zeigt am unteren Rande ein Band, durch das sich Lorbeer hindurchzieht, und im Hauptfelde kräftige Eichenzweige auf Goldgrund. der Mitte des Frieses liegt das farbenprächtige Wappenschild der Kaiserin Friedrich, zu dem später auf der anocten Seite das Wappen¬ schild des Kaisers hinzukommen wird. Der Hintergrund der Nische wird noch eine geeignete Bemalung erhalten.

In

für

Rativtafcl dorr Fürllcrr Sisrnarrk- Die Votivta'el, die der Verein Berliner Künstler seinem Ehrenmitgl-ede, dem Fürsten Bismarck, zu überreichen gedenkt, ist jetzt vollendet. Die ornamentale Darstellung behandelt den Kampf eines Ritters mit dem Drachen; die Eisenplatte trägt folgendes Gedicht: „Am Amboß stand ein weiser Schmied, Siegrunen sprach er und sang ein Lied, Gar eine gewaltige Weise. Er schwang den Hammer Tag für Tag, Die Völker bürten seinen Schlag

Im

ganzen Erdenkreise.

Der Schmied bist Du. der Streich aus Streich Genietet hat das Deutsche Reich heißer Arbeit Ringet. Dein war der Mut, Dein war die Kraft Und Dein die Kunst der Meisterschaft Zu solchen Werks Vollbringen. Du großer Künstler gern von Dir Eintracht zu schmieden lernten wir, Den Ruhm der Kunst zu meh.cn. O wolle, diesen Tag zu weih'n. Fortan der Unsern einer sein.

In

Zu

unseres Bundes

Ehren!"

Zum Karr bor bcutsrtiou e*mtt0eiisd)c« ■glirtlje in Jerusalem lieber den Bau der deutschen evangelischen Kirche in

Jerusalem, zu deren Einweihung im Laufe dieses Jahres der deutsche Kaiser erwgttet wird, erhielt der „Beil. Lok.-Anz. vor kurzem folgende Mitteilungen: „Nachdem der Kaiser in der Urkunde d. d. Hubertus stock, 11. Oktober 1893, befohlen hatte, daß auf der Grundlage der alten Kirche St. Maria zu Jerusalem ein Gotteshaus zur Verkündung des evangelische» Christenglaubens zu errichten sei, und am 31. Oktober 1893 durch den Präsidenten des Evangelischen Oberkirchenrats O. Barkhausen im Beisein des Geheimen Oberbaurats Adler und des ersten Sekretärs der deutschen Botschaft in Konstantinopel, Freiherrn von Sccfried, die Grundsteinlegung stattgefunden, sind die Bauarbeiten bisher in vollem Gange gewesen. Leider haben dieselben dadurch eine unliebsame Störung erfahren, daß der größte Teil der Fundamente der alten Kirche St. Maria erneuert werden mußte. Dies war nur möglich, wenn man die schlechten Unterbauten unter den Freipfeilern, die große Lasten tragen müssen, vollständig beseitigte und an jed.r Stelle bis auf den Felsen hinabging. ähnlicher Weise mußten die tragenden Hauptbauteilc an den Umfaffuugsmauern neue, auf dem Felsen ruhende Grundpfeiler er¬ halten, welche durch starke Bogen mit einander verbunden sind. Da hier¬ bei auf beschränktem Raum Tiefen von 10—14 m erreicht werden mußten, so waren nicht allein die sorgfältigsten Schutz maßregeln für die Arbeiter erforderlich, sondern auch fortwährende Abstürzungen sich senkender Bau¬ teile notwendig, sogar eines benachbarten Türkeithauses, welches gar keine Fundamente besitzt. Diese Arbeiten haben sehr viel Zeit beansprucht und die größten Anforderungen an die Architekten gestellt. Trotz all dieser Hindernisse ist der ganze Oberbau rasch fortgeschritten, und es darf gehofft werden, daß die Einweihung der Kirche bestimmt im Frühjahr wird geschehen können. Den Plan für den Kirchenbau hat der G.h. Ober-Baurat Adler, den Plan zu dem Turm, der bei der alten St.-Maria-Kirche quadratisch war, der Kaiser mit eigener Hand entworfen. Die Kirche liegt fast mitten in der Stadt, südlich von der heiligen Grabeskirche.

In

—— Der Grundstein befindet der Kirche Maria Cölina

genau auf derselben Stelle, wo derjenige gestanden hat. bezw. auf welchem der Altar derselben errichtet war, was nach den an der Ostseite noch vorhandenen Mauerresten der drei Schiffe bewiesen ist. Weiter ruht der Grund¬ stein und über ihm der Altar der neuen Kirche genau auf der Stadt¬ mauer, welche zur Zeit des Heilandes die Stadt Jerusalem umschloß."

Zur

Gosch irtsto

sich

der HeiratsdureauX. Mit

der Er¬

richtung von Heiratsbureaux machte Frankreich den Anfang. Bald nach der Revolution wurden derartige Anstalten errichtet, um junge Bürger und Bürgerinnen „pour le bon motif" mit einander bekannt zu machen. Die erste öffentliche „Agence matrimoniale“ wurde aber von Herrn de Foy gegründet. Sie hatte großen Erfolg und brachte Ehen in den höchsten Ständen zustande. Gegen Ende des Kaiserreiches gab es, wie aus einem Polizeiberichte von 1868 ersichtlich ist, 11 solcher Institute, und seitdem hat sich diese Industrie so entwickelt, daß Paris heute über 140 Heiratsbureaux zählt, von welchen eines nach Ausweis seiner Bücher binnen 8 Monaten 202 Paare verbunden hat. Mittlerweile kamen diese Bureaux auch in Deutschland auf, fanden aber nicht eine so umfangreiche — dn— Verbreitung wie in Frankreich resp. Paris.

48 führt, durch eine Begeisterung, die aus einem gut deutschen Herzen quillt, und die um ihres warmen, nationalen Tones willen selbst da sympathisch berührt, wo der Leser in der Sache mit dem Verfasser nicht übereinstimmt. K G.

Inhalt:

Von Robert Magdeburg 1896.Verlag von Obb. 3,25 Mk.

Historischer Roman von C.

Kontrebandierens und Defraudierens vom 22. Januar 1801. — Wann sind in Berlin die ersten Innungen begründet worden? — Die Reichsarmee vor hundert Jahren. — Postillone als Siegcsverkündiger. — Gedenkniiche in der Kaiser Friedrich-Gedächtniskirche. — Votivtafel für den Fürsten Bismarck. — Zum Bau der deutschen evangelischen Kirche in Jerusalem. des

Pianinos Flügel.

Mielke. Mit 85 Abbildungen Walther Nicmann. Preis 2 50 Mk.

„Die Kunst soll den Pulsschlag deutschen Lebens erkennen lassen," soll „sich an volkstümliche Ideen und Anschauungen anlehnen, die tei Volksseele ihrem gelamten Inhalt nach nicht fremd, sondern von ihr selbst erzeugt werden sind," an Stelle der elenden Stilschaukelci in den Manieren aller Länder soll eine deutsche Kunst treten, eine nationale Kunst, die entstanden ist „aus in der Tiefe sitzenden verborgenen Kräften der Volksseele" — das ist der Gedanke, welcher obigem Werke zu Grunde liegt. Der Verfasser geht von der unleugbaren Thatsache aus, „daß die Queisumme des künstlerischen Schaffens der Gegenwart nicht volkstümlich ist". Kunst und Volk stehen sich fremd gegenüber, die welschen und klassischen Einflüsse haben das Volk der Kunst entfremdet und haben an Stelle der Volkskunst die Jndustriekunst gesetzt. Die Rückkehr zu germanisch-bäuerlichen Kunstformen erscheint dem Perfasser als das Heil- und Rettungsmitiel für die deutsche Kunst. Ihm ist die Bauernkunst identisch mit Volkskunst, in jener sieht er die Keime,

Berlin W

sie

aus denen sich eine wahrhaft nationale Kunst auf individuellem Untergrund entwickeln muß Die Zusammenstellung bäuerlicher Kunstsormen, die der Verfasser giebt, zeugt von dem großen Fleiße und der Gründlichkeit der Studien, auf denen sich sein Werk ausbaut; dasselbe ist in der That nicht aus Büchern hervorgegangen, es ist erlebt. Das Kapitel über die Bauernkunst legt Zeugnis von einer gründlichen Kenntnis germanischbäuerlicher Kunstthättgkeit ab, und es ist zweifellos, daß diese rustikalen Kunstformen, an denen eine schablonisierende und nach Formeln urteilende Aesthetik zu lange mit verächtlichem Nasenrümpfen vorübergegangen ist, eine sehr große Bedeutung haben, namentlich für das Kunstgcwerbe und die Kleinkunst. Dem Veisasscr sind sie der Untergrund, auf dem sich die wahre Volkskunst erheben soll, welche auch „die untersten Schichten der Bevölkerung mit ihrem erfrischenden Hauche belebt", er erstrebt eine Kunst aus deut Volke und für das Volk, im Gegensatz zur modernen Maschinen- und Jndustriekunu, im Gegensatz zu der Kunst, die sich „auf dem Kulturichntt anderer Völker erhebt". Das Mielkesche Werk enthält eine solche Fülle von neuen und selbständigen Gedanken, daß eine kritische Beurteilung im engen Rahmen einer Bücherbesprechung nicht gut möglich ist; diese Zeilen sollen darum auch nicht kritisieren, sondern nur referieren und zur Lektüre des eigenartigen Buches anregen. Der Verfasser reißt durch die echte Begeisterung hin, welche seine Feder

Knsorato

Gründler. —

Die Eingemeindung der Berliner Vororte, insbesondere ihre hygienische Bedeutung. Von B. Spinola. — Fürst Otto zu Stolberg-Wcrnigerode ch. Von W. Schulz-Hasserode. (Mit Abbildung.) — Kleine Mitteilungen. Publikandum zur Steuerung

Krichertisch.

Volkskunst.

Zum 27. Januar. Von Prof. Dr. Franz Müller.

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Volksspiegel".

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Verantwortlicher' Redakteur und Verleger: Fr. Zi liessen in Berlin 14. 58., Schönhauser Allee 141. Druck der Buchdruckerei Gutenberg, Berlin kt., Sckönhauser Allee 141a. — A bdruck ohne eingeholte Erlaubnis ist untersagt.

8a.

Unter Mitwirkung von

gSörtnguter, Professor Dr. Krerhw, Dr. H. Sverrdtcke. ©tjeobor Fsntarre. Stadtrat G. Fviodet, Richard Goarge, Ferd. Merier, Gymnafialdirektor a. D. Dr. M. Schwart; und G. r». Miiderrvructi

Dp. fjjt.

herausgegeben von

Friedrich Zillessen. XXIII. Jahrgang.

M 5.

Der

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erscheint wöchentlich am Sonnabend und ist durch jede Postanstalt (No. 809-, Buchhandlung und Zeitnngssxedition für 2 Mk. 60 pfg. vierteljährlich zu beziehen.

30. Jaullllr 1897.

Finis Poloniae. Gründier.

Historischer Roman von G. (4. Fortsetzung.)

Zeitalter der Perrücken und des Puders, des Zopfes (V& und des Reifrocks wird gegenwärtig meist mit einer gewissen Geringschätzung angesehen. Allein diese Zeit, die zweite Hälfte des fiebzehnten und das ganze achtzehnte Jahr¬ hundert. bietet doch des Interessanten viel und ist namentlich reich an schroffen Gegensätzen. Die raffinierteste Genußsucht und das kühnste Denken, mystisch verzücktes Fühlen und edles dichterisches Streben, hündische Unterwürfigkeit und revolutionäre Gedanken standen sich in ihm gegenüber. Nach dem dreißig¬ jährigen Kriege war die Vollkraft des deutschen Volkes ge¬ brochen. In Frankreich hatten die Ludwige mit dem alten Feudal¬ system gänzlich aufgeräumt. Ludwig XIV. hatte zuerst den voll¬ ständig autokratischen Staat durchgeführt, den Staat, von dem Es war ein unsag¬ er sagen konnte: „L’etat o’est moi,“ prachtliebenden König den auf Preußen, daß bares Glück für von Frank¬ Ludwigs XV. Friedrich I. nicht Herrscher im Sinne reich folgten. Allein ihrer Machtfülle und ihrer Souveränität Friedrich waren auch fie fich m vollem Maße bewußt. Wilhelm L gab, als 1717 der Graf von Dohna in einer Eingabe, die mit den Worten schloß: „Tont le pays sera ruine,“ gegen die neu eingeführte Besteuerung des Adels protestierte, jene berühmte Rnsolution: „Tout sera ruin6? Nihil oredo, aber das credo, daß den Junkers ihre Autorität wird ruinirt werden. Ich stabiltere die Souveränität wie einen Roeher de Bronce.“ Und bei einer andern Gelegen¬ heit sagte er: „Wir find König und Herr und können thnn, was wir wollen." An fast allen Höfen des. Kontinents trieb der Absolutismus seine schönsten Blüten. Die Politik wurde eine dynastische Eroberungspolitik, deren Seele die Intrigue

war. die Rechtspflege wurde zur Kabinettsjustiz. Im Gegensatz hierzu regte fich in der Bevölkerung der meisten Staaten ein starker Trieb nach Aufklärung, nach Befreiung von unerträglich gewordenen Lasten wie von der Bevormundung durch die allmächtige Staatsgewalt. Dem Zuge der Zeit gemäß ver¬ einigte man fich zu geheimen Gesellschaften. So entstand der Illuminatenorden oder der Orden der Lichtfreunde, der die Aufklärung und Befreiung der Geister anstrebte. Ihm gegen¬ über bildete fich der Orden der Rosenkreuzer, besten Ziel im letzten Grunde kein anderes war. als das des aufgehobenen Jesuitenordens. Die Seele dieses Ordens war in Preußen damalige der welchen Bischofswerder, der Herr von Erbfolgekriege bayerischen Wilhelm im Friedrich Kronprinz Bischofswerder wußte sich in das Ver¬ kennen gelernt hatte. trauen des Kronprinzen einzuschleichen und blieb auch besten

vertrauter Ratgeber, als der Kronprinz den preußischen Thron bestiegen hatte. Früher halle er mit dem Zauberkünstler und Kaffeewirt Schrepfer in Leipzig in Verbindung gestanden Von demselben hatte er auch vor seinem von ihm selbst her¬ beigeführten Tode besten Apparate zum Wiedererscheinen ab geschiedener

Seelen erworben, ebenso

das Rezept zu

einem

Wunderelixir, welches alle Gebrechen und Schwächezustände heilen sollte. Hiermit ausgerüstet, hatte er das unwürdige Gaukelspiel getrieben, besten Jean gegen Lisette Erwähnung gethan hatte. Als Zweck verfolgte er unter anderem dabei, den Kronprinzen von seiner Geliebten, der Mamselle Enke, zu trennen. Der Kronprinz, welcher strenge Worte von den ab¬ geschiedenen Geistern zu hören bekommen hatte und ganz ge¬ brochen und sastungslos von der schmachvollen Tragikomödie

wurde gegen seinen Willen nach Potsdam zu den

Der Kammerdiener Rietz war inzwischen zum Schatzmeister

Rosenkreuzerordens, dem er selbst angehörte, und mußte hier ein strenges Strafgericht über sich ergehen lassen. Zum Schluß schwor er, den intimen Umgang mit der Mamselle Enke aufzugeben. Halle sich aber vorher ausbedungen, daß sie seine Freundin bleiben dürfe. Die Enke wußte übrigens auch hierfür Rat. Sie schlug eine Scheintrauung mit dem Kammerdiener Rietz vor, nachdem sie und der Kron¬ prinz sich zuvor mit ihrem beiderseitigen Blute schriftlich gelobt hatten, sich niemals zu verlassen. Die Trauung wurde in Szene gesetzl, der Umgang mil der Mamselle Enke wurde aufgegeben, aber der mil der Madame Rietz fortgesetzt. Später wurde Madame Rietz sogar zu einer Gräfin von Lichtenau erhoben, und ein Sohn und eine Tochter von ihr erhielten

ernannt worden. So waren die Zustände damals am preußischen Hofe. Sie erscheinen uns widerwärtig und beleidigen unser sittliches Empfinden. Man darf aber nicht außer Acht lassen, daß sie nach den Anschauungen der damaligen Zeit nicht so unberechtigt waren. Man hatte sich daran gewöhnt, daß den Regierenden gestattet sei. was gewöhnliche Menschenkinder sich nicht erlauben durften. War es doch auch an anderen, selbst kleineren Höfen noch ungleich schlimmer. In Preußen wurde wenigstens kein Zwang ausgeübt, und in der inneren Ver¬ waltung machte sich die straffe Zucht des frideiicianischen Regiments immer noch bemerkbar. * *

zurückkam,

Oberen

des

gebracht

eines Grafen und einer Gräfin von der Mark. Die gestrengen Ordensbrüder mußten sich darein finden. Bischofs¬

.den

Tllel

werder durfte,

da

er

selbst

Maitressen unterhielt,

nicht

zu

scharf aus die Befolgung der Ordensregel bei andern dringen.

Der Kronprinz war in erster Ehe mil Elisabeth Christine Ulrike, Prinzessin von Braunschweig, vermählt gewesen. In¬ folge seines Verhältnisses zur Rietz vernachlässigte er seine Gemahlin aber gänzlich, wofür sich diese auf ihre Weise schadlos hielt. Da sie ihrem Gemahl nur eine Tochter geboren halte und sich beharrlich weigerte, mit dem Kronprinzen weiter zusammenzuleben. König Friedrich II. aber Bedacht auf die Thronfolge glaubte nehmen zu müssen, so wurde diese Ehe auf Befehl des Königs getrennt, und dem Kronprinzen wurde vier Jahre später eine zweite Gemahlin in der Person der Prinzessin Luise von Hessen-Darmstadt gegeben. Als trotzdem, als Friedrich Wilhelm König geworden, das Ver¬ auch hältnis mit der Madame Rietz dasselbe blieb, suchte man den König den Netzen dieser Dame zu entziehen, indem man ihm eine Verheiratung mil einem Fräulein von Voß vorschlug. Diese aber war nur unter der Bedingung dazu zu bewegen, daß die Königin sich einverstanden erklärte und auch die Kirche ihren Segen zu dem Bündnis erteilte. Die Königin, längst an die Untreue ihres Gemahls gewöhnt, war leicht durch das Versprechen, daß ihr Nadelgeld erhöht und ihre Schulden bezahlt werden sollten, gewonnen. Es kam ihr hauptsächlich daraus an. den König aus den Banden der Rietz zu befreien. Das Königliche Konsistorium erklärte unter Berufung ruf Luiher und Melanchlhon eine Ehe zur linken Hand für zu¬ lässig, und so wurde Fräulein von Voß untcr Ernennung zur Gräfin Jugenheim die zweite Gemahlin des Königs neben und unter der Königin. Ihr Bruder wurde Staatsminister, und ihre Verwandten erhielten angesehene Hof- und Staaisämter. Die Rietz aber wartete. Sie wußte, der König werde doch zu ihr zurückkehren. Die Gräfin Jngenheim starb bald nach der ersten Entbindung an der Schwindsucht, und die Hofkreise waren darauf bedacht, ihr eine Nachfolgerin zu geben. Die Aufmerksamkeit des Königs wurde auf eine junge, aus¬ gezeichnet schöne Dame, die Gräfin Dönhoff, gelenkt. Die Königin willigte abermals ein. und die Hofprediger segneten auch diese zweite Ehe zur linken Hand ein. Die Gräfin Dönhoff besaß die Gunst des Königs nur Sie maßte sich Hoheitsrechte an und mischte Hierdurch wurde sie dem Könige unan¬ sich in die Politik. genehm, und er kehrt- zu seiner alten Jugendfteundin zurück. einige Jahre.

* Als Jean an der Freitreppe

wie das Herrenhaus trotz seiner Einfachheit von den Dorfbewohnern genannt wurde, ankam, stiegen eben drei Neuer von den Pferden. Zwei von ihnen trugen herrschaftliche Kleidung, und sie warfen dem dritten, einem Reitknechte, die Zügel ihrer Pferde zu. Der eine der beiden Herren war ein Herr von Oppen, ein benachbarter Gutsbesitzer, und der andere ein fremder Kavalier. Zu seinem Schrecken hatte Jean den Reitknecht erkannt, der ihn vertraulich angelächelt hatte. Er machte ihm schnell heimliche Zeichen, die dieser jedoch nicht zu verstehen schien. Mil tiefen Verbeugungen empfing er dann die beiden Herren und führte sie die Freitreppe hinauf ins des

Schlosses,

Schloß.

Sie betraten zuerst eine weite, mit glatten Steinfliesen belegte Halle, die von den zwei Fenstern neben der Thür kaum genügend erhellt wurde.

An den mit nachgedunkeltem Eichenholz getäfelten Wänden waren

Hirschgeweihe

und

Rehbockshörner

befestigt,

große

mit blankem Messing beschlagen, standen zwischen den Thüren, und der Eingangsthür gegenüber ließ eine vom Boden bis zur Decke reichende Wanduhr im dunklen Gehäuse ihr langsames, einförmiges Ticktack ertönen. Ueber einem schweren, altväterischen Eichentisch in der Mitte des großen Raumes hingen die Erntekränze der letzten Jahre. Denn hier wurden die Erntefeste gefeiert und zu Weih¬ massive Schränke,

nachten der Christbaum

für

das

Gesinde

aufgebaut.

Im

Sommer war es hübsch kühl daselbst, und die Familie ver¬ weilte an heißen Tagen oft und gern in dem einfachen, alt¬ modischen Raum.

Als

die Gäste eingetreten waren, kam ihnen der Hausherr auf der Schwelle der Wohnstube entgegen. Indem er — das Pferde¬ sich noch den Schlaf aus den Augen rieb getrappel hatte ihn aus der Mittagsruhe geweckt — rief er er¬ freut: „Ah. mein lieber Oppen! Tausendmal willkommen! Schon lange habe ich Sehnsucht nach Dir gehabt. — Und wen bringst Du mir da?" schon

„Ich erlaube mir, Dir Herrn von Finkenstein vorzustellen. Kommt direkt von Berlin und bringt Dir Grüße von Deinem

Karl." „Ebenfalls herzlich willkommen, mein Herr! Doppelt willkommen, da Sie. wie ich hoffe, der Ueberbringer guter Nachrichten find." „Es gereicht mir zur hohen Ehre. Herr Baron." erwiderte Herr von Finkenstein mit einer formvollendeten Verbeugung

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„den Vater eines jungen Mannes kennen zu lernen, der meine volle Sympathie erworben hat."

„Ich muß

des uns schon

bekannten Wohnzimmers.

alter Freund!" rief Oppen. „Gerade in diesem Zimmer habe ich die gemütlichsten Stunden bei Dir verlebt."

„Nur

keine Umstände,

schmerzlich sein, Herr Baron." „wenn wir die geringste Störung in Ihrer Hausordnung verursachen sollten. Das Glück, die Damen begrüßen zu dürfen, wird uns schon noch werden."

„Es würde mir äußerst

setzte

Finkenstein hinzu,

werde sie sofon benachrichtigen laffen. Johann!" rief er zur Thür hinaus. „Johann! Wo der Schlingel nur wieder steckt? Er ist sonst ziemlich dienstwillig, allein, wenn man sie nötig hat, ist diese Art immer nicht zu haben. Das

„Ich

werden Sie in

Berlin anders gewohnt sein."

„Nun, die Zuverlässigkeit unserer Dienstboten könnte ich nicht gerade besonders hervorheben. Da find Sie hier auf den vornehmen dem Lande gewiß doch bester dran. ganze Anzahl herum. Allein immer eine Häusern lungern ja sie thun auch nichts weiter, als daß sie sich untereinander

In

und ihre Herrschaft verklatschen."

Ja,

war Johann oder Jean, wie er

wo

sich

lieber

nennen hörte?

Der war schleunigst nach dem Stall gesprungen, wo der mit Hilfe eines Knechtes die Pferde untergebracht Als er die Thür öffnete, rief ihm der Reitknecht halte. Reitknecht

machst

Du denn hier?

Du

hast

Dir

ja höllisch 'rausgemustert!" Jean begnügte sich damit, ihm einen bezeichnenden Blick zuzuwerfen und die Finger auf den Mund zu legen. „Nanu? Wat is mich denn det? Du bist hier man bloß

so incognito?" „Gottlieb!" rief Jean, „Will Er

erst ein bißchen Heu

denn den Pferden nicht

holen?"

Boden. Jean trat schnell auf den Reitknecht zu und flüsterte ihm Du darfst mich hier nicht kennen! Ich machte „Dummkopf! zu: Dir doch ein Zeichen!" „Ach mal! Zeichen hin, Zeichen her! Ick wundere mir bloß, det Du wieder oben auf bist." „So schweig doch! Du sollst ja alles erfahren, wenn wir allein find. Jetzt darfst Du mich unter keinen Umständen

so

legte.

Als Jean ins Schloß getreten war. beeilte er sich, die Zimmerthür leise zu öffnen und mit niedergeschlagenen Augen zu lispeln: „Haben der gnädige Herr vielleicht nach mir verlangt?" „Natürlich! Wo warst Du denn so lange?" „Ich trug Sorge, daß die Reitpferde der Herren gut untergebracht würden." ,.Na ja, mußte ja auch sein! Aber jetzt benachrichtige 'mal meine Frau, daß angenehmer Besuch eingetroffen ist. Ich ließe sie bitten, uns bald die Ehre zu geben." Die Herren hatten sich's inzwischen bequem gemacht, die Galanteriedegen, ohne die damals kein Mann von Stand ausging, abgelegt und die dreieckigen Hüte aufgehängt. Der Herr von Oppen war ein Landedelmann, der in Er war nur wenige der Nachbarschaft einige Güter besaß. kurzer, untersetzter Gestalt, Jahre jünger als der Hausherr, von mit offenem, ein wenig gerötetem Gesicht, dazu etwas zwanglos in seinem Benehmen. Von seiner Scholle war er nie weit fortge¬ kommen,

hatte es

det is jut! Haste denn Deine Frau ooch mit hier?" „Stille doch!" flüsterte Jean mit grimmigem Gesicht,

„Na.

voll Heu wieder Mosjö, wie heißt Er doch?"

denn der Knecht stieg eben mit einem Arm setzte

er hinzu: „Also

sich

aber angelegen sein lassen,

in treuer

Pflichterfüllung das Wohl seiner Leute und sein eigenes zu fördern. Der ächte Typus eines märkischen Edelmanns. Die Bezeichnung „märkischer Junker" hat in neuerer Zeit

für

manche einen etwas unangenehmen Beigeschmack erhalten.

Mag auch der märkische Edelmann zu größerem Glanze — mit wenigen Ausnahmen — nicht gerade bestimmt erscheinen, so glänzt er doch durch seine Königstreue bis in den Tod; seine Söhne haben auf allen Schlachtfeldern geblutet oder in den Kanzleien, meist gegen geringen Lohn, ihr Leben verzehrt. Von prunkloser, ächter Frömmigkeit, hängt er treu an dem heimischen Boden, dem er trotz des größten Fleißes oft nur kärgliche Beträge Unrecht.

geschichtlichen

Vor seinem Freunde von Krummensee hatte Herr von Oppen den größten Respekt; er schenkte ihm bei seinen aus¬ gebreiteten Kenntutffen und seiner großen Wellerfahrung un¬ bedingtes Vertrauen. Herr von Finkenstein war ein Mann von ungefähr dreißig Jahren und seit längerer Zeit in Berlin im Finanzmiiusterium angestellt. Als jüngerer Sohn eines in Ostpreußen angesessenen Geschlechts hatte er den Staatsdienst erwählen müssen. Hoch und schlank gewachsen, war er eine durchaus vornehme Erscheinung. Die Damen des Hauses hatten längst, bevor Jean kam. Eintreffen des Besuchs erhalten und ihre Während Frau Sophie ihr Toiletten eingerichtet. einfaches Hauskleid nur mit einem besseren vertauschte, wendete Frau Melanie alles Raffinement der damaligen Zeit an. um Dem Gesicht wurde möglichst geschmackvoll zu erscheinen. mit dem weißen Poudre de Biz und dem feurigen Karmin¬ rot ein möglichst jugendliches Aussehen gegeben. Ein paar feine schwarze Striche unter den Augenlidern sollten den Augen mehr Glanz verschaffen, dem kühnen Schwung der Augen¬ brauen wurde mit Tusche nachgeholfen, und das Ohrläppchen,

Kunde von

dem

danach

kennen!"

Laut

'

abgewinnt.

„Gleich, Mosjö Jean!" erwiderte der Knecht, der in¬ zwischen den Pferden die Zäume abgenommen und Halftern angelegt hatte. Dann sprang er die Leiter hinauf nach dem

herab.

er konnte,

wat! Da werde der Deuwel aus klug!" murmelte vor Dann begann er, mit dem Knechte Louis Bolle sich hin. die Sättel abzunehmen und die warm gewordenen Reitpferde mit Strohwischen abzureiben, bevor er ihnen die Decken auf¬

„Na.

Mit

grinsend entgegen:

„Na, Hanne! wat

so rasch

nach dem Schlöffe.

die Herren Bitten, einstweilen hier vorlieb zu

nehmen, bis die Damen sichtbar find." Damit öffnete der Baron weit die Thür

Dabei nickte er herablassend und lief,

sich

„Louis Bolle!" „Also, Mosjö Louis, wenn Er Seine Pferde besorgt hat. so lasse Er Sich von Gottlieb die Gefindestube zeigen! Da werden wir nähere Bekanntschaft mit einander machen."

52

in welchem lange, mit Diamanten

besetzte Ohrglocken

Selbst

wurde zart rosa angehauchi

ein

baumelten,

schwarzes Schön-

sogenannte Mouche,

obwohl es gar nicht mehr Mode war, fehlte auf der Wange nicht, um die blen¬ So herausstaffiert, dende Weiße des Teints zu erhöhen. hatte fie Aehnlichkeit mit einem gemalten Puppenkopfe, nur Der turmartige Haarbau daß das Antlitz schmaler war. sorgfältiger hergestellt als gewöhnlich, höher natürlich und war ebenso die künstlichen Locken, die sich hinter den Ohren auf dem weißen Nacken ringelten. Das schwere, burgunderfarbige Atlas¬ kleid mit aufgebauschten Hüften und tief herabgehender Schnebbe, das mit kleinen goldenen Sternchen über nnd über bestickt war, stand freilich nicht in Harmonie zu der sonst zierlichen Gestalt. Als die Damen eingetreten waren, fand die übliche Vor¬ Herr von Finkenstein hatte stellung und Begrüßung statt. das Händchen Mariens, wie die der beiden älteren Damen unter tiefer Verbeugung ehrfurchtsvoll an seine Lippen gezogen und ihr dabei lief in die Augen gesehen, was verursachte, daß sie sofort bis an die Stirnlocken errötete und die Augen niederschlug. „Ei Mietze! Du siehst ja heute aus wie ein Röschen im Morgentau!" rief Oppen. In seinen Augen war sie immer eine

pflästerchen,

noch

das Kind,

das

er hatte

aufwachsen

sehen.

Sie war

in ihrem meergrüner. leichten Seiden¬ kleidchen und mit den flatternden blonden Locken ohne Puder und Pomade. Die noch nicht entwickelten Formen erhöhten nur das Zarte und Elfenhafte ihrer Erscheinung. auch

wirklich

reizend

(Fortsetzung folgt.)

Zum Andenken an Gmll sch

KomM^

9. November 1896.) Von Christian Roggc.

(Mit zwei Abbildungen.) Im vergangenen Jahre hat wieder der Tod reiche Ernte gehalten unter den Männern, die zu dem Kreise Kaiser Wilhelms I. gehörten. Besonders find unter den Entschlafenen bemerkenswert zwei Männer der Kirche, von denen der eine, Rudolf Kögel, in den letzlen dreißig Jahren fast allen bedeut¬ samen Ereignissen im Leben des Kaiserhauses die kirchliche Weihe gegeben hat, während der andere. Emil Fromme!, durch die herzgewinnende Eigenart seiner Persönlichkeit dem greisen Helden und seinem Hause bis in die jüngste Generation des¬ selben hinein seelsorgerlich und menschlich nahe stand wie kaum ein anderer. Seinem Andenken sind diese Zeilen gewidmet. Am 5. Januar 1828 ist Emil Frommei in Karls¬ ruhe geboren, als Sohn des Kupferstechers und Malers Carl Ludwig Fromme!. Sein Elternhaus war ein Künstler¬ haus. „Sonnig wie es gelegen, hineingebaut in den duftenden botanischen Garten, an den sich ein unvergleichlich schöner Park mit seinen Bäumen anschloß, war im Hause selbst Licht und Sonnenschein, unter welchem ich aufwuchs. Neben dem Vater, der eines heiteren, idealen, offenen und tiefen Gemüts war, stand die Mutter, eine Frau von seltenem Verstände, Reinheit des Charakters und großer sittlicher Energie." Dazu umwehte den Knaben oft die würzige Luft des Schwarzwaldes, in dem er zeitlebens heimisch geblieben ist. Sein „Heinerle von Ltndelbronn" zeigt, wie lieb ihm Land und Leute dort stets gewesen sind.

Der frommen wachsenden

Eltern

Wunsch

bestimmte

Jüngling zum Theologen, ihn

selbst

den

heran¬

lockte

weit

mehr das ärztliche Studium. Da schloß der verständige Vater einen Pakt mit ihm: er solle drei Jahre Theologie studieren, seine Prüfung bestehen, und dann, wenn er die Theologie nicht mit seiner Ueberzeugung vereinen könne, wollte der Vater ihn noch Medizin studieren lassen. So zog Fromme! In seine nach Halle zu Tholuck und später nach Erlangen. Studienzeit fiel das Jahr 1848 mit all seinen gerade auch Natürlich die Studentenschaft tief aufregenden ^Ereignissen. davon, aber der gute Grund, nicht unberührt blieb Fromme! den das Elternhaus gelegt hatte, und eine ihm selbst damals wohl noch unbewußte Sehnsucht nach Klarheit und reiner Schönheit behüteten ihn vor dem Schicksal mancher begalnen Naturen, die von dieser gährenden, zerrissenen und dadurch für jugendliche Köpfe so bestrickenden Zeit aus ihrer vorge¬ zeichneten Bahn hinausgeschleudert wurden, um nicht mehr in geordnete Lebensverhältmsse zu gelangen. Im übrigen führte Fromme! ein fröhliches Studentenleben. Während des Semesters studierte er

mit Maßen, und in

den Ferien zog

nicht überreich an mit sangeskundigen Geld, aber voll von Jugendmut und Humor, in die Berge, in seiner unberührten Jugendsrische ein überall gern gesehener und zu allerlei Kurzweil stets aufgelegter Reisebegleiter und Gast, der es schon in jungen Jahren gelernt hatte, mit offenen Augen durch die Welt zu gehen. Sein Büchlein „Aus der er

Studiengenossen,

Sommerfrische" und andere schildern reizende kleine Erlebnisse auf solchen Streifzügen. Der Aufenthalt in Erlangen brachte ihm den inneren Wendepunkt seines Lebens, in den „Festflammen" unter der Ueberschrift „Mein Philippus" ergreifend beschrieben, und damit den Entschluß, bei der Theologie zu bleiben. Nach glücklich bestandenem Examen kam das junge Stadtkind. 22 Jahr alt, als Vikar (die Bauern sagten „Knecht") des Pfarrers von Alt-Lußhetm bei Heidelberg aufs Land in eine Dorfgemeinde. „Wer dem Pfarrer in die Kirche geht, dem zünden wir das Haus über dem Kopf an," war kurz vorher nachts als Willkomm an den Brunnen geschlagen, ein wenig verheißender Anfang für den jungen Geistlichen, der nach seinem eigenen Ausdruck am liebsten die Leute „sechsspännig Er fand auch für dieses in den Himmel gefahren" hätte. Bemühen zunächst wenig Anklang. Beim ersten Geburtstag, den er dort feierte, grüßte ihn ein Anonymus:

Zwanzig und noch drei darüber — Ach was für ein junges Blut! Unserm Alter gegenüber, Das noch steckt in dunkler Flut. Herr Vikar, ach zürne nicht, Entzieh uns Deine Hilfe nicht! Doch gelang es Fromme!, den Bann zu brechen. Der Abschied von Altlußheim war ganz anders als die Ankunft,

davon zeugte der silberne Pokal, den ihm die Gemeinde dabei überreichte; und daß auch Fromme! seiner ersten Gemeinde mit vieler Liebe und Dankbarkeit gedachte, beweist, neben manchen Erzählungen aus jener Zeit in seinen Schriften, der Ehrenplatz, den dieses Schmuckstück, die Gabe einfacher Bauern, bis zu seinem Lebensende in dem Zimmer des oielgefeierten und mit Geschenken überschüttetesi Hofpredigers einnahm. Vor allem aber hatte Frommel auf diesem schwer zu bebauenden Acker von Altlußheim die köstlichste Gabe seines Lebens aus¬ gebildet. die Kunst, auch an schwer zugängliche Menschenherzen

und in der Seele des einfachen Mannes zu Von jener Zeit her stammt wohl auch besonders bei ihm seine Vorliebe für originelle, volkstümliche Prediger, wie Brastberger, Flattich, Henhöser, deren Namen in den Kompendien der Kirchengeschichte meist nicht zu finden find, die aber für ihren

heranzukommen lesen.

Kreis

bedeutender

und für

das Volksleben charakteristischer

lichung des Papsttums aus eigener Anschauung kennen zu lernen. Und als er von dort heimkam, begleitete ihn in seine Gemeinde die treue Gattin, die ihm bis zum Lebensende mit nie rastender, rührender Selbstlofigkeit und Aufopferung zur Seile gestanden hat. Vier Jahre lang ist Fromme! Land¬ pfarrer gewesen, dann wurde er in seine Heimatstadt Karlsruhe berufen. Dieses Wirkungsfeld ver¬ tauschte er nach einer zehnjährigen, unter dem

recht

Drucke

kirchenpolitischer

unerquicklichen,

gesegneten

aber

Thätigkeit mit

Wirren oft doch

reich¬

Barmen,

dem

alten Hochfitz kirchlichen Lebens am Nieder¬ rhein. Von dort wurde er 1869 nach Berlin berufen als „Soldatenpfarrer", wie er fich selbst am liebsten nannte. Seit. dem war er unzertrennlich mit Berlin ver¬

bunden und gehörte bald zu den volks¬ tümlichsten Persönlichkeiten der neuen Reichshaupstadt. Nur einmal noch rief

ihn der Beruf auf längere Zeit fort, als er mit der Garde-Landwehr ins Feld zog, um Ctraßburg dem Reiche wiederzu¬ gewinnen. In seiner geistreichen und

Frommel predigt vor Kaiser Wilhelm

I. in

Gastcin.

waren, als mancher Gelehrte, den der Doktorhut schmückt. Auch nach anderer Seite wurde diese Zeit für ihn be¬ deutungsvoll. Von Altlußheim aus wanderte er, zusammen mit seinem geliebten Bruder Max*), nach Italien, um mit schönheitsdürstenden Augen die Herrlichkeiten des Südens auf» zunehmen, und die Anziehungskraft, aber auch die Verwelt-

humorvollen Art hat er (in „Nach des Tages Last und Hitze") seine Erlebnisse dabei beschrieben: wie er vor der Stadt lag, in der er konfirmiert war; er draußen, sein Vetter drinnen als Prediger; er so froh, mit dabei sein zu können, als die alte Reichsstadt dem deutschen Lande wieder vereinigt wurde, und doch wie kaum ein anderer das Schicksal der „wunder¬ schönen Stadt" mitfühlend, bis der 30. September 1870 ein

f 5. Januar 1890 als Generalsuperintendent in Celle.

neues Band zwischen ihm und der Stadt knüpfte, da er beim

*)

Einzug der Truppen in der Thomaskirche den großen, feier¬

arme Leute ihn ihre „letzte Retirade" genannt, ein junger Ehe¬

lichen Festgottesdienst abhielt.

mann ihm

Im

Kriege

verwuchs

er

so

mit des Königs blauen

Jungen, daß er sich später nie mehr von seinem Soldatenpfarramt trennen wollte. Er selbst erzählt, daß ihn Kaiser Wilhelm nach Thielens Tode zum Feldpropst habe machen wollen. Fromme! erkannte aber klar, daß er nicht ein Mann der Akten und der Verwaltung, sondern des praktischen Pfarr¬ amts war. und bat: „Ach Majestät, lassen Sie mich bei Ihren blauen Junzens! Ich tauge wohl in den grünen Walv, aber nicht an den grünen Tisch." Darauf nahm der Kaiser seine beiden Hände und sagte: „Nun, so bleiben Sie bei ihnen bis

Ihr sanftseliges Ende, und ich, ich bleibe auch bei meinen blauen Jungens." So hat Fromme! denn durch 26 Jahre in der Berliner Militärgemeinde und weit über sie hinaus eine reiche Wirksamkeit entfalten können, da seine ganze Persönlichkeit durch eine seltene Vereinigung ungewöhnlicher Gaben außerordentliche Anziehungskraft auf die weitesten Kreise ausübte. Schon sein Aeußeres sprach wunderbar an. Man konnte diese kleine, aber harmonische Gestalt, mit dem schönen und charakteristischen, wie zum Modellieren geschaffenen Kopfe nie ohne lebhaftes Interesse anschauen. Aus dem feingeschnittenen, von wallendem weißen Haar umrahmten Antlitz schauten dabei ein Paar Augen heraus, die voll Güte und Treuherzigkeit leuchteten und sofort jedermann fesselten. Dazu kam die liebenswürdige und ungezwungene Art seines ganzen Wesens und Benehmens, die ihm aller Herzen, besonders der Frauen, gewann. Mit voller Frische und Natürlichkeit, mit erquickender, entgegenkommender Herzlichkeit verband Fromme! zugleich eine zarte Zurückhaltung, die geduldig abzuwarten wußte, bis sich ihm ein Herz öffnete Die Erinnerung an seine Abstammung, süddeutsche Lebhaftigkeit und eine künstlerische Ader hat Fromme! nie verleugnet. Im lebhaften Gespräch „schwäbelte" er gerne, und wer sein Haus betrat, merkte sofort, daß hier künstlerischer Sinn heimisch war. Gemütlichkeit und Gemütstiese, volkstüm¬ liche Art und erlesene vielseitige Bildung vereinten sich bei ihm völlig; jeder Frömmelei war Fromme! abhold, aber alles war bei ihm geweiht durch die abgeklärte Reife einer durch¬ gebildeten christlichen Persönlichkeit. Dabei hatte seine viel¬ seitige seelsorgerische Thätigkeit ihm einen Einblick in die ver¬ an

Verhältniffe gegeben, so daß er auch in den schwierigsten Fällen das Rechte zu treffen wußte. Seine Wohl¬

schiedensten

thätigkeit

kannte

keine

Armen" aus

Schranken

und

kam besonders

„ver-

Ständen zu gute, auch zahl¬ reiche Künstler verdanken ihm teils direkt, teils durch seine ausgedehnten Beziehungen Förderung. Das alles wirkte zu¬ sammen, um Frommels Wirksamkeit und Einfluß auch auf Kreise auszudehnen, die sonst lieber außerhalb des Schattens der Kirche weilten, zumal er sich jedem kirchlichen Parteiwcsen absichtlich fernhielt. „Ich kenne nur eine Partei, die der an¬ ständigen Leute," sagte er selbst darüber. schämten

der Trauung

dem Unterricht ferngeblieben sei.

für die „trostreichen Worte" „von wejen Familjentrajedie" oder was ihm alles mit seinen

Lieblingen, den Droschkenkutschern, begegnet war, dann lreßen ihn seine Zuhörer sobald nicht los und ruhten meist nicht eher, als bis er mit einer seiner prächtigen zündenden Tischreden die Stimmung der Gesellschaft auf den Höhepunkt gebracht hatte. Denn er' besaß in hohem Maße jenen echten Humor, der mit dem einen Auge weint und mit dem andern lacht, und war Meister darin, ernste und tiefe Lebensweisheit in die liebenswürdigste und anziehendste Form zu kleiden. Wie junge Eheleute sich wohl gerne von ihm vermahnen ließen, auf ihrer Hochzeits- und Lebensreise Hadersleben, Straußberg, Streitheim u. a. zu vermeiden und Glücksburg. Treuenbrietzen, Liebenwerda und ähnliche Orte aufzusuchen, so durfte er über¬ haupt Hohen und Niedrigen manches sagen, was sie von keinem anderen angenommen hätten, weil bei ihm Freimut sich verband mit der großen Kunst, die Wahrheit recht zu sagen. Die seltene Vereinigung persönlicher Eigenschaften, sowie die große rednerische und seelsorgerliche Begabung machten Frommel zum Liebling des alten Kaisers Wilhelm. Was dem allen Herrn bei Frommel besonders zusagte, war, daß dieser in seinen Predigten in feiner Zurückhaltung nie auf die Anwesenheit des hohen Herrn irgendwie Bezug nahm. Der Kaiser äußerte selbst gelegentlich, wie angenehm ihn das be¬ rühre, und hörte gern Frommels Antwort: „Ew. Majestät sind sonst allzeit König, da denke ich. muß es Ihnen wohlthun, am Sonntag in der Kirche nur ein einfacher Mensch zu sein." Ueberhaupt zog Kaiser Wilhelm Frommel viel heran; nicht weniger als sechzehnmal mußte er ihn nach Gastein begleiten. Ebenso fest war das Band, das Frommel mit dem Badischen Hofe verknüpfte. In guten und dösen Tagen hat er dem Gro߬ herzoglichen Hause als treuer Seelsorger und Freund zur Seite gestanden. Besonders groß war die Liebe und Gunst, die das jetzt regierende Kaiserpaar dem allmählich alternden und doch jugendfrischen Hofprediger entgegenbrachte. Es ist allgemein bekannt, wie gerade ihm ein wichtiger Teil der religiösen Erziehung der kaiserlichen Kinder übertragen wurde, wie der Kaiser den aus der Armee Ausscheidenden in ungewöhnlicher Weise ehrte, wie die Kaiserin noch an das Sterbebett des treuen Mannes eilte; mancherlei kleine, von den Zeitungen mitgeteilte Züge vervollständigen dieses Bild.

besseren

Was aber in Berlin noch besonders zu Frommels Volks¬ tümlichkeit beitrug, war sein köstlicher Humor. Unzählige Anekdoten über ihn füllten bald nach seinem Tode die Blätter. Er beobachtete mit scharfer Aufmerksamkeit uud wußte den Ereignissen in glücklichster Weise oft eine heitere Seite ab¬ zugewinnen, die sein außerordentliches Talent zum Erzählen dann bald in helle Beleuchtung stellte. Wenn er erzählte, wie

nach

gedankt habe, eine Konfirmandin

Schweres Leiden warf seinen Schalten in Frommels letzte Schon im Herbst des Jahres 1895 fesselte ihn und schmerzhafte Operation wochenlang ans Krankenlager. In der Stille und ländlichen Abgeschiedenheit Plöns, so hofften seine Freunde, sollte er sich wieder erholen, und wer ihn dort sah, allzeit heiter und fröhlich, der konnte noch wenige Wochen vor seinem Tode nicht ahnen, wie nahe das Ende war. Sein altes Nierenleiden erforderte Ende Oktober von neuem einen chirurgischen Eingriff. Mündlich und brieflich nahm er Abschied von denen, die ihm nahe standen. Mit bewundernswerter Geduld, mehr die Seinen tröstend als nach Trost verlangend, ertrug er die heftigsten Schmerzen. Mit christlicher Festigkeit und in kindlichem Vertrauen auf Gottes Führung ging er dem Tode entgegen, dessen Nähe er seit geraumer Zeit geahnt, wenn nicht bestimmt gewußt hatte.

Lebensjahre. eine

ernste

**)

>.

55

In edler Einfachheit wurde nach des Verstorbenen Wunsch und Willen sein Begräbnis vollzogen, bei dem gemäß seiner ausdrücklichen Bestimmung der Schmuck der Blumen wie die Leichenrede fehlten. Schmucklos stand der schlichte weiße Sarg da, kein beredter Mund feierte den Heimgegangenen, aber um so eindrucksvoller redeten zu der Trauerversammlung, in der vom Kaiser bis zur armen Witwe wohl alle Stände vertreten waren, die von dem Verstorbenen selbst ausgewählten köstlichen und ker. nigen Worte der Lieder und der heiligen Schrift, in denen sein Glauben. Hoffen und Lieben sich rührend und ergreifend kundgab. Wer Fromme! gesehen und gehört hat, wird das Bild seiner Persönlichkeit nie vergessen; wer mit ihm in nähere Berührung kommen durfte, betrachtet es sicher als einen bleibenden Gewinn für sein ganzes Leben. Wenn aber auch

nur noch wenige oder keiner mehr da sein werden, die ihn persönlich kannten, wird man noch in vielen Häusern seine zahlreichen Schriften*) gern lesen, aus denen immer das lebensvolle Bild des Verfassers dem entgegentritt, als eines reich begabten und von Gott gesegneten Mannes, dessen Andenken nicht erlöschen wird, wo man des Kaisers Wilhelm und seiner Zeit gedenkt, und wo man Freude har an einem fröhlichen und gemütstiefen, echt deutschen und christlich frommen Volksleben.

wieder von neuem Leser

Von den zahlreichen Meinungsäußerungen Friedrichs des Großen, welche er bei an ihn gerichteten schriftlichen Eingaben in kurzen Randbemerkungen niederschrieb, sind viele der Nach¬ welt erhalten worden, viele aber auch größtenteils unbekannt geblieben. In letzterer Beziehung dürste die nachfolgende Zusammenstellung von Jntereffe und auch von geschichtlichem Werte sein. 1. Gesuch der Bäcker zu Potsdam um Bewilligung von Korn aus dem König!. Magazine. „Si haben schon über 500 Mispel gekrigt, es seindt Kanaillen und der magistrat muß sie vohr krigen." 2. Gesuch des G.-M. von Kleist, nach seinem Gute gehen und hierauf in ein Bad reisen zu dürfen. „Keine Naredein von Bäder er Sol nicht haßeliren." 3. Gesuch des Kommerzienrats Simon zu Stettin, das

Gut Craatzen für 40000 Thaler auskaufen zu dürfen.

„40000 Thaler im Negotio bringen 8

protzent in gühter

nuhr 4 also verstehet er sein Handtwerk nicht ein Schuster muß Schuster seindt ein Kaufmann handeln und keine gühter haben." 4. Gesuch der Bürgerschaft zu Potsdam um Unterstützung bei Bezahlung von 32000 Thaler österreichischer Contribution. „Sie Mögen Sehen wie Si die Schulden betzahlen Könen, ich werde das liderliche gefindel nicht einen groschen geben." *) Gesammelte Schriften (9 Bändchen) b. Megan dt u. Grieben. 16,00 Mark. Gesammelte Erzählungen (in 2 Bänden) b. Stcinkopf, 8,40 Mark. Festflammcn (4.20)/ Aus Lenz und Herbst (4,20), Predigten bei Müller, Bremen. **) Etliche der obigen Randbemerkungen sind schon bekannt. Nr. 12 ist z. B. erst in Nr. 3 des „Bär" mitgeteilt worden. Gleichwohl erschien es uns angezeigt, die interessante Zusammenstellung so zu lassen, wie sie uns — schon vor längerer Zeit — eingehändigt wurde.

D. Schrift.

5.

Gesuch des Kammerherrn Baron von Müller, Bad zu Aachen gebrauchen zu dürfen.

das

„Was er da Machen wil er wirdt was er noch übrig hat dort verspielen und wie ein bettler zurück kommen." 6.

Wiederholtes Gesuch des von Müller, ins Bad zu

reisen: „Er Kann zum Teufel gehen."

7.

Der Oberstlieutenant von Roon überreicht die Kosten der Bewirtung der Herzog!. Braunschweigschen Herrschafl

im Betrage von 700 Thaler

„Dies Mahl

1

Groschen.

betzahlen aber es ist greulich gestohlen und Mal jemandlen hinschicken, der die

werde ich ein ander Rechnung führet."

Verwendung des Domkapitels zu Breslau für den Fürstbischof, daß ihm ein Teil der bischöflichen Revenüen zum Unterhalt ftei gelaffen werde. „Er Mus Seine Schulden betzahlen Ein Bischof mus ohnsträflich Seindt."

8.

9.

Die Frau von Holwede bittet um eine Präbende

für ihren Sohn. „Ich habe Keine Prepende an Müfichgängers

zu vergeben."

Der Maurergesell Eichel bittet um das freie Meister, recht in Berlin. „Wahr nicht Meisters genung Seindt Kann man ihm an Nehmen wohr er nicht faul wie die Berliner Seindt ist."

10.

Meyer Benjamin in Mag¬ deburg um Bewilligung der Rechte christlicher Kauf¬ leute daselbst. „Der Jude Sol Sich So vohrt aus Magdeburg Paquen, oder der Commandant wirdt Ihm heraus Schmeißen.'«

11.

Gesuch des Schutzjuden

12.

Gesuch des Körnet von Oertzen zur Wiederherstellung

seines Gehörs das Carlsbad

besuchen zu dürfen.

„Das Careis Bäht Kan nichts vor die ohren." 13.

Gesuch des Obrist v. Lessow um den Heiratskonscns

für den Bosniaken-Major Haletius und die

Husaren¬

rittmeister v. Trenk und Saltzwedel.

„Wann Huzaren Weiber

nehmen So Seindt Sie Selten

pulver wert aber Wen er meinte guht Dinen Würden, So Wolle ich es

noch dan ein Schus

daß Sie

doch

erlauben." 14.

Die Berliner Fuhrleute bitten um Vergütigung der Pferde, die ihnen die Russen weggenommen haben.

„Sind

nicht kluch, dan Sol man ihnen auch wohl den Schaden von der Sündfluht vergühtigen ich brauch die

Pferde vohr die Armee." 15.

Der Oberauditeur G. zu Berlin zeigt bei Gelegen¬ heit der Ernennung des Oberauditeurs Reineke zum Generalauditeur an, daß er der älteste Oberauditeur sei und bereits 30 Jahre diene.

„Ich

habe ein Haufen alte Maulesels im

Stal

die lange

den Dienst machen aber nicht das Sie Stalmeisters werden."

16.

Gesuch des

verabschiedeten Kapitäns von E



d,

ihn, da seine intendierte Heirat fehlgeschlagen, wieder im Heere zu placieren. „Die Armäe ist Kein Borde! wohr man herein und heraus läuft hat er quittiri So hat er Keine ambition und dergleichen offiziers Seind mihr ein Greul."

Der Buchhändler Kanter aus Königsberg i. Pr. bittet um den Titel Kommerzienrat. „Ach Alfanzereien Buchhändler ist ein honnetter Titul." 18. Der Landwirt Flegel aus Grätz bittet, um 20000 Thaler ein adeliges Gut im Preußischen kaufen

17.

zu dürfen.

„Flegels haben wir genung im lande, dergleichen Colonien Dihnen nicht, überdem Kan er Kein adliches Guht Kaufen Weil er nicht von Adel ist." 19. Der Kapitän und Ouartiermeister v. Diebilsch bittet um Versetzung zu einem Regiment. „Er weis Selber nicht was rr Wil, er ist bei die Cadels gewesen denn Quartier Meister nuhn Wider bey ein

Regiment, Wint, Wint,

Wint."

Der Obrist v. W. reicht einen Plan ein. wie für das Land, ohne größere Auflagen, 2 Millionen

20.

iy

„So

mehr einzunehmen seien. So, er mögte die Milionen vohr

sich

behalten."

Der Hofprediger Cochius zu Potsdam bittet um eine Stelle beim Dom zu Berlin. „Jesus Saget mein Reich ist nicht von dießer Welt So müsen die Prediger auch denken, denn Predigen Sie Nach Ihren Thodt im Duhm von Neuen Jerusalem."

21.

Tribunalsrat Böhmer verabschiedete Geh. bittet, zufolge einer an ihn ergangenen Aufforderung, sich nach Petersburg begeben zu dürfen, um daselbst für 2000 Rubel etc. die Justiz einrichten zu Helsen. mögte geruhig Seindt und Sich Solche Windige

Der

22.

„Er

28.

Der Kammerherr von H. zeigt an. daß er für die dem Prinzen Friedrich von Dänemark zugeeignete Schrift über seine Genealogie eine Dose. desgleichen einen

Brillantring erhalten

habe.

„Ich gratulire, daß die Bettelei so gut reüsfirt." 29. Der neumärkische Kriegsrat Winkelmann zeigt an. daß sein Onkel, der Minister Necker in Frankreich, ihn in seinem Departement anstellen wolle, und bittet um seine Entlastung aus preußischen Diensten. „Hat er hir gestohlen, so kann er immer dahinn gehen und auch Stelen." 30. Der Chemikus Lardi) zu Marseille übersendet ein Mittel gegen das Podagra. „Ich danke vohr der Cuhr und laße die Natur Walten." 31. Der gewesene dänische Lieutenant v. Kiliani bittet um eine Anstellung in der preußischen Armee. „Ich Kenne Kein Kilian als Kflian Brustfleck und der Schickt Sich nicht in der Armee." 32. Der Chirurg Major Poirier bittet, die französischen OlrirurAisns pensionairs

seiner Aussicht zu unter¬

werfen.

„Ich Wil

Mehr sie seynd gar zu lieder¬ liderliche Sachen." lich und machen lauter 33. Der Generalmajor v. Rothkirch bittet um eine Präbende für eine seine Töchter. „Es seynd 30 bis 40 anwartschaften auf jeder Stelle. Hatt er Jungens die kann ich alle unterbringen aber mit die Madams Weiß ich nirgends hin." keine Frantzosen

NO

gedanken aus dem Kopf Schlagen."

23.

Der Bereiter Wolny bittet, zur Belohnung des in England besorgten Pferdeankaufs um Ernennung zum Stallmeister.

Ihr

fragt mich oft, warum durch meine Lieder Ein Ton verhaltner, leiser Trauer klingt Und durch die hellsten Stunden immer wieder Der heiße Schrei versteckter Sehnsucht ringt.

nicht." Der verabschiedete Lieutenant Graf Matuschka bittet, ein Fräulein Tila heiraten zu dürfen. „Ich bekümere Mir nicht um seine amours."

Kennt ihr die stillen, blauen Havelseeen, Aus denen in verschwiegener Mitternacht Versunkner Glocken Klänge auferstehen verborgenem Schacht? Wie Märchenschätze aus

ich

25.

1

Versunkene Glocken?)

„Er hat braf bei Seinem Einkäufe gestohlen er Sol zufrieden Seindt das ich dazu Stille Sweige aber ihm davohr zum Stallmeister Machen so Nerisch bin 24.



Der Kapiläin v. Brincken bittet, ihn in Betracht seiner langjährigen Dienste zum überzähligen

Major

zu befördern.

„Das Regiment

ist beständig vohr den Feind gelaufen,

und mus er nothwendig allerwegens mitgelaufen Seindt, ich avansire die Offiziers die den Feind geschlagen haben, aber nicht diejenigen, die nirgent fich gehalten haben, und bei Kunersdorf seindt Sie so gelaufen, daß ich fie erst den andern

Tag wiedergekrigt habe."

Vorschlag des von Wolfersdorf, daß die Bereisung des Kantons Neufchatel gemeinschaftlich mit dem Kammerpräsidenten selbst geschehen möge. „Das ist gurh aber der Präsident ist ein dummer Teufel

Habt mit den alten, grauen Weidenbäumen Am Uferkranz ihr ernsten Gruß getauscht? Saht ihr die weißen Wasserrosen träumen, Wenn es im Schilf wie Nixenreigen rauscht? Kennt ihr die tiefen, dunkelgrünen Weiher, Die trutziglich der Kiefernwald umschlingt, Daß durch der dichten Nadeln keusche Schleier Kein Sonnenstrahl, kein Mondenschimmer dringt?

26.

er

Sol

den Direktor mitnehmen."

Der Weinhändler Kiehn zu Berlin bittet um Ent¬ schädigung wegen der ihm bei der russischen Invasion weggeführten 82 Fässer Wein. „Warum nicht auch was er bei der sündfluht gelitten Wo seine Keller auch unter wasser gestanden."

27.

Ließ't ihr das Auge auf der Fläche schweifen, Die unabsehbar fich ins Weite streckt, Bis sie ein duftig blauer Nebelstreifen Verdämmernd fern am Horizonte deckt? *) Die demnächst erscheinenden Gedichte von Anna Behnisch haben dem verstorbenen tzosprcdiger Emil Frommel noch kurz vor seinem Tode vorgelegen. Derselbe hat, nachdem er sie gelesen, der jungen märkischen Dichterin seine warme Anerkennung ausgesprochen, und ihr geschrieben, daß er sich an ihren Gedichten erfreut und erquickt habe.

D. Schristl.

57

Das ist die Heimat, die mein tiefstes Leben, Mein Träumen und mein Dichten mir erschuf; Sie hat mir ihren Stempel mitgegeben, Und immerdar vernehnff

ich

ihren Ruf.

Den Ruf der Sehnsucht und den Ruf der Trauer, — Der Trauer um zerfallene Märchenpracht. Die Sehnsucht, die in ahnungsvollem Schauer Des Zaubers wartet, der verjüngt erwacht.

Denn auf den Wasiern mit den weißen Blüten, Auf weiter EtLne und im tiefen Wald Ist überall von Wundern, die verglühten, Schwermüt'ge Kunde meinem Ohr erschallt. Und ewig rastlos muß ich suchen gehen. — Ich lausche auf versunk'ner Glocken Klang, Und nichts als Sehnsucht nach dem Auferstehen Zerstörter Märchenreiche ist mein Sang. — Anna Behnisch.

Kleine Mitteilungen. Denkmalspflege i» der Provinz Brandenburg. Die ProvinzialKommission für die Denkmalspflege in Brandenburg hielt am 19 Dez. eine Sitzung ab, in der nach Kenntnisnahme einer amtl chen Ueber¬ v. sicht über die Organisation zum Schutz der Denkmäler in allen preußischen Pro¬ vinzen der Geheime Baurat Bluth den Jahresbericht über seine Thätigkeit als Konservator und über die damit zusammenhängenden

I

Fragen erstattete.

Die Ger¬

trud-Kapelle in Soldin,

ein Backsteinbau des 14. Jahr¬

hunderts in guten Verhält¬ nissen, befindet sich trotz wiederholter Ausbesserung in den Jahren 1769, 1822 und 1852 in einem baufälligen Zustande; die früheren Ver¬ handlungen über ihre Erhal¬ tung, für die bereits ein ge¬ wisser Betrag zugesagt wurde, sollen von neuem aufgenom¬ men werden. Der Schlo߬ berg bei Burg, über dessen Wert von verschiedenen Ge¬

lehrten und Anthropologen die günstigsten Gutachten vor¬ liegen, ist durch eine neuer¬ dings geplante Sekundär¬ bahn an seinem westlichen Ausläufer gefährdet; nach langer Beratung sprach sich die Kommission einmütig für seine Erhaltung aus und empfahl Schritte nach dieser Richtung. Der Aus¬ bau der Klosterkirche in Zinna, für den neuerdings durch die Gemeinde 3600 Mk. und von Seiner Majestät dem Kaiser 5200 Mk. bewilligt wurden, kann demnächst in Angriff genommen werden. Gesichert wurde u. a. der Fortbestand der Kapelle der

Tage der vaterländischen Erhebung miterlebt hatte, haben gewiß damals mäcbtig auf die rege Phantasie des Knaben eingewirkt, die anererbte Liebe zum Königshause und zum Vaterland gestärkt und befestigt und Denken und sein ganzes Empfinden beeinflußt. EinzelneStellen aus seinen Briefen mögen besondere Er¬ wähnung finden. Am 24. August 1786 schreibt er:

„Die Todesart der Königs wird Ihnen schon bekannt sein. Kurz vorher

ließ sich ein Geistlicher aus Potsdam bei ihm melden, um ihn zu be¬ kehren. Als der verstorbene

Herr sein Anliegen erfuhr, hat er voll Zorn gesagt, er solle sich zum Henker scheren. Bei seinem nahenden Ende befahl er, in seiner ältestm Montierung beigesetzt zu werden. Bei der Beisetzung folgte alles ohne Ordnung. Aus allen Gesichtern, zumal bei den alten Soldaten von der Garde, war der tiefste

Schmerz ausgeprägt, und stellte, da alles noch

man

König sehen alten wollte, zur Verhinderung des und entsetzlichen Zulaufes Tumultes Schildwachen aus. Der Sarg von Eichenholz den

ist ganz schlecht gemacht, be¬ kommt aber einen schwarzen

Marmor. Hauptleutc setzten ihn in dem Gewölbe der Garnisonkirche zu Potsdam unter der Kanzel bei, wo kein Sarg außer dem Friedrich Wilhelms I. sich befindet. Der jetzige König hielt auf dem

Schloßplatz zu Berlin eine Anrede an die Generäle, daß das Militär den Preußischen Staat aufrecht erhielte, und daß er den jetzigen guten werde desselben Zustand Klosterkirche in Königs¬ v. Emil Frommel, Zu¬ berg, dann ein durch E. zu wahren wissen. gegen Verbrechen mal Friede! gemessener Burg¬ Hoiprcdiger und Garnisonpfarrcr von Berlin. werde wall nahe Kliestow bei die Subordination Trebbin, die Aufnahme figür¬ er sehr hart bestrafen. Einem licher Teile in gebranntem Thon am Turmportal der Kirche in Ebers Kanonier, welcher sich gegen einen Unteroffizier vergangen hatte, schenkte Walde und die vorläufige Erhaltung einer Holzkirche in Burschen er das Leben mit dem Zusatz, daß er der erste und der letzte sei, im Kreise Oststcrnberg. Die Pfarrkirche in Beelitz soll mit einem dem solche Gnade widerfahre. Der Mensch, welcher die Enckc heiratete, Aukwande von 12000 Mk. zunächst im Aeußern hergestellt werden. ist mit einem Gehalt von 2000 Rthlr. zum Kämmerer ernannt." Weitere Mitteilungen betrafen die Mauern und Thore von Gransee, Im folgenden Jahre schreibt er aus Holland über einen Kupfer¬ Templin, Mittenwalde und Lychen, für die manches ge¬ stich mit einer sechsspännigen Kutsche, wo der Kaiser Vorreiterdienste schehen oder vorbereitet ist; ferner das St. Spiritus-Hospital in leistet, und der König von Frankreich als Kutscher fungiert, während Wusterhausen und das Berliner Thor in Potsdam. — An Stelle der König von Preußen darin fitzt und die Staaten von Holland d>s verstorbenen Herrn von Meyer-Arnswaldc ist der bisherige Landeshintenauf stehen. Dem Zollerheber giebt der König zur Antwort: „Die Direktor, Wirkliche Geheime Rat Dr. v on Lcvetzow in die Kommission hinten bezahlen alles." — „Wir haben unglaublicherweise fast immer eingetreten. mit Kavallerie die Orte eingenommen. Hätten wir nicht einen Feind, welcher die festesten Plätze auf unsere Aufforderung hin übergiebt, so Das letzt erschienene Bismarckbuch „Schönhausen und die Familie v. Bismarck", im Aufträge der Familie herausgegeben von würden wir statt vor Amsterdam noch vor den Grenzen dieses Landes Dr. Schmidt, berichtet, wie Otto v. Bismarck als Knabe von Berlin stehen. Am 1. Oktober wurden Meuden, Dicmerdam, Amstclvemr und aus seine Ferien bei seinem Onkel, dem General-Lieutenant Friedrich andere Orte, die sich nicht ergeben wollten, angegriffen. Ich war mit v. Bismarck auf Templin, zu verbringen pflegte. Es heißt da u. a: bei Dicmerdam. Der Ort war so befestigt und mit französischer Artillerie so wohl versehen, daß wir nach einem drei Stunden langen Spielen „Die begeisterten Erzählungen des alten, hochverdienten Soldaten, der als junger Offizier noch unter dem großen König in seiner Garde unserer Kanonen und Haubitzen unverrichteter Sache abziehen mußten. gestanden, am Hofe der unvergeßlichen Königin Quadrillen getanzt, und Die Westfälischen Regimenter find lauter brave Kerls, sie gingen auf die Zeiten von Preußens tiefster Schmach und Erniedrigung, sowie die die Batterien los, als wären die Kanonen mit Bonbons geladen

r, 8

Unsere reitende Kanone wurde vorgebracht, konnte aber nicht zur Thätig¬ keit kommen, weil durch einen Kartätschenschub zwei Kanoniere ver¬

wundet, drei Pferde getötet, und eins ins Bein geschossen wurde. Die anderen Kerle liefen davon, und die Kanone blieb dicht vor rer Batterie stehen. Allein sechs brave Grenadiere (v. Budberg) brachten sie aus dem Kartätschenfeuer angeschleppt, und weil die Protze fehlte, holten sie auch diese. Alle jene Orte ergaben sich hernach freiwillig. Es waren lauter Franzosen darin, welche ich nach der nächsten Ortschaft transportierte. Am 10. Oktober kam die Armee vor Amsterdams Thoren an. Die Orange-FIogge wehte vom Stadthaus und oon allen Türmen. Der Rhcingraf ist infam kassiert und wird, wo er sich ertappen läßt, unfehl¬ bar aufgehoben. Für einen Reichssürsten aller Ehren wert!" einiger Nach dem Tode Friedrich Wilhelms II. schreibt er: Zeit werden hier alle Meubeln aus der Rietz glanzvollen Häusern veraukt oniert. Es ist eine wahre Pracht, sie anzusehen. Das hiesige Gebäude kostet eine halbe Million. Rietz soll den Ursprung seines starken Vermögens nachweisen. Damit Hai es nun gehapert. Bekanntlich hat der verstorbene König ihn öfters heftig geprügelt, und daher erschien im

„In

Publikum eine 20 Hiebe in

Berlin.

komische

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Vermögensausweisung:

2000 Rchlr.

Für ein Dutzend Ohrfeigen in Potsdam . . 500 Dukaten. Für 3 Buckel voll Prügel in Schlesien. . . 1000 Friedrichsd'or. So werden alle Tritte in den Hintern, Rippenstöße u. s. w. ver¬ anschlagt, so daß eine sehr starke Summe heraus- und Rietz zu seiner Rechnung kommt. Gewiß ist, daß der König, wenn er ihn zerarbeitet, ihm jedes Mal ansehnliche Geschenke gemacht hat" — „Neulich liegt der König mit seiner Königin im Fenster. Er ruft einen alten Invaliden herauf, schenkt ihm 3 Rthlr. und sagt: „Nun gehe Er zu der Frau da, die kann ihm auch etwas geben." Die Königin giebt ihm auch 3 Rthlr. und sagt: „Nun komme Er alle Monale wieder. Da wird ihm der Mann da jedes Mal 3 Rtblr. schenken", und der König bestätigt bie.en Vorschlag. Bei unserem ersten Exerzieren rief die Königin uns an ihren Wagen heran und sagte: „Sehen Sie, meine Herren, ich gehöre zu Ihrem Regiment," wobei sie auf ihre wie die Borten unserer Kollets gefertigte Schärpe hinwies. Neulich sind der König, die Königm. die Prinzessin Luise und die Prinzessin von Oranien, alle mit ihren Kindern, in einem Zimmer und schäkern etwas laut. Da ersterer aber erfährt, daß man den Lärm bis in das Zimmer des Kastellans höre, dess n Frau krank lag, so muß sich alles ganz still auf den Zehen davon Der König schläft nur auf einer Matratze unter einer Decke schleichen. und hat für den Fall der Kälte eine alte weiße Pikesche daraufliegen, welche er des Morgens zum Frisieren anziebt. Er hat leine Pantoffeln, sondern fährt des Morgens sogleich in die Stiefel. Mit seinen Sachen geht er sehr ordentlich um, zumal mit seinen Hüten. Keiner seiner Leute darf sie anrühren, sondern er bürstet ste selber aus. Da er sehr gern Billard spielt, ohne eins zu besitzen, hat ihn die Königin mit einem heimlich bestellten sehr angenehm üb.rrascht. Das letzte Mal kam er mit der Königin und Zubehör in Charlotienburg ganz unerwartet an. Keine Küche war da, nichts im Stande. Ja, sie mußten aus Mangel an Licht eine Weile im Dunkeln sitzen. Aus dem Wirtshaus ließen sie Thee und Butterbrote Holen, aßen abends Pellkartoffel und waren seelenvergnügt dabei. Die Königin geht oft selbst in die Küche. Ihr Leibgericht sind Erdtoffeln und roher Schinken. Der König hat mir ein Präsent mit einigen alten Porträts von Garde du Corps-Ot'fizieren in Superwestc u. s. w. gemacht. Beim Manöver war die Königin mit ihren sechs schönen Hengsten immer mitten darunter. Das hätte noch der Mühe gelohnt, die gefangen zu rühmen. Sie tanzt über acht Tage zum Mardigras in einer schönen Quadrille von 80 Personen mit Dar¬ stellung einer Scene aus Don Carlos, der Anzug kostet 36 Friedrichsd'or. Gestern har sie wieder bis 5 Uhr flott getanzt." — „Unsere gute Königin ist gestern zum ersten Male wieder ein wenig spazieren gegangen. Jedoch sieht sie noch sehr krank aus und ist überaus nett. Sie hält sich wegen der Reise zu den Revüen peinlich an die Vorschriften der üoctores.

Vorigen Sonntag sagte uns der König sehr viel Komplimente mit einem besonderen Lobe über unseren Anzug, der kostet aber auch einen schönen Dreier! In unsere Uniform gekleidet, meinte er, daß wir gewiß in Berlin beim Forviieren der Eskadrons den Vogel abschießen würden. Ueber alles informiert er sich aufs genaueste. Mann für Mann, Pferd für Pferd besieht er, und was thut er alles für Fragen! Man muß mit seiner Kompanie inwendig und auswen'ig vertraut sein, um die

zu bleiben. Er kennt fast das ganze Regiment Namen und von den meisten auch das ganze Nationale Fast beständig bei unserem Exerzieren gegenwärtig, kennt er auch die Pferde. Schon öfter hat er mich gefragt: „Warum reitet Er heute einen anderen Gaul?""

Antwort nicht schuldig

bei

In

Zwei heitere Vorgänge am Tage vor der Schlacht bei Gravclotte.

seinen „Persönlichen Erinnerungen an den Krieg von 1870/71" v. Verdy du Vcrnois folgende komischen Episoden, die sich am erzählt 17. August 1870, am Tage vor der Schlacht bei Gravelotte, ereigneten: „An der Stelle, an der wir uns den ganzen Tag befanden, lagen noch zahlreiche Leichen umher, zu deren Bestattung ein paar in der Nähe Mehrere von den befindliche Pionierkompanieen beordert wurden. Mitgliedern des Großen Hauptquartiers fühlten bei der brennenden Hitze das Bedürfnis, sich, während nichts zu sehen und zu thun war, ein wenig auszuruhen, uud streckten sich auf den Boden nieder. Unter diesen befand sich auch der russische Militärbevollmächtigte Graf Kutusow, der, mit dem Gesicht zur Erde gewandt, sehr bald in einen tiefen Schlas verfiel. Während Bronsart und ich zusammen sprachen, bemerkten wir, wie ein

I.

paar Pioniere «n den Russen heranträten und nach kurzer Beratung übereinkamen, daß der Herr in seiner fremdländischen grünen Uniform wohl ein höherer sranzösischcr Jägerosfizier sein müßte. Durch die Regungslosigkeit des Grasen getäuscht, vielleicht auch durch den Geruch seiner neuen Juchtenausrüstnng irritier!, betrachtelen sic ihn eine Weile und schlossen ihre Betrachtungen mit den Worten: „Der ist tot, also vorwärts!" — und sofort fingen sie auch an, unter der Mitte seines Körpers die Erde auszuhebern Man kann sich das Staunen der Leute denken, als sie plötzlich den Totgeglaubten wieder lebendig iverden sahen, aber auch wohi das Staunen des Grafen, als er die eigentümliche Manipulaüon erkannte, die man soeben mit ihm hatte vornehmen wollen. Wir traten schnell hinzu, und unter allseitiger Heiterte t fand dieser Vorfall seine glückliche Lösung. — Der zweite Vorfall an diesem Tage betrifft eine Szene, die zunächst Entrüstung, dann aber ebenfalls die allgemeine Heiterkeit erweckte Als wir alle nocb dicht gedrängt zu Pferde hielten, erschien plötzlich mitten unter uns, sich rücksichtslos Platz machend, eine ganz eigentümliche Gestalt, ein Civilist, der den Typus eines Fremdländers trug, reichlich behängen mit all den Attributen, die vielfach den Kriegskorrespondcnlen schon von weitem kennzeichneten. Dazu saß diese Figur auf einem Pferde, das die Ausrüstung eines französischen Kürassierpferdes trug. Als wir ihm nun zu Leibe gingen, wer er wäre und was er hier suchte, erklärte er ganz naiv, daß er Korrespondent eine? ausländischen Blattes sei. sich im Besitze eines Erlaubnisscheines der französischen Heeresleitung befinde, bisher sich bei der französischen Armee aufgehalten und bei dieser auch die Schlacht am vergangenen Tage mitgemacht habe. N m habe er sich an diesem Morgen eines der umherlaufenden ledigen Pferde bemächtigt und sei herüber¬ gekommen, um zu sehen, wie die Sachen denn eigentlich bei uns ständen! Eine unglaubliche Naivität! Er wurde sehr schnell vom Pferde heruntercxpediert und fand weitere Beförderung nicht bloß vom Gesichtsfelde, sondern auch oom gesamten Kriegsschauplatz. Ob er hernach irgendwo anders wieder aufgetaucht .ist, weiß ich nicht. Sein Pferd wurde mir zugisprochcn, da eben eins der meinigen infolge der Anstrengung gefallen war. Ein seltenes Wild in den Forsten von Alt-Döbern. Mit einem seltenen Wild ist die Gegend von Alt-Döbern (Nieder-Lausitzj bereichert worden. In den umfangreichen Forsten des Grafen von Witzlcben auf Alt-Döbern in seit einigen Jahren ein australisches Wild eingeführt, nämlich das Känguruh. Es sind ursprünglich zwei Paare angeschafft worden, die sich gegcnwärliz auf 9 Köpfe vermehrt haben. Das Känguruh lebt mii dem übrigen Wild, Rehen, Hirschen, Hasen und Kaninchen, friedlich zusamv.cn und findet auf den fruchtbaren, grasreichen Forstbeständen reichliche Aesung in den dort wachsenden saftigen Kräutern. Die Känguruhs siud scheuer als Rehwild, und wenn man sich an sie heranpirscht, so springen sie, sobald sie eine Gefahr wahrnehme», mit ihren langen, muskulösen Hinterläufen in jedem L prange 6—9 Meter weit, sodaß die Schnelligkeit ihrer Fortbewegung sehr bedeutend ist. Sonst sind sie ziemlich stupid und würden bald ausziirotten sein, wenn man sie verfolgen und schießen wollte, was indes Graf Witzleben verboten hat. In diesem Jahre haben zwei Paare je ein Junges gesetzt; die beiden sind aber noch ziemlich unentwickelt. Sie kehren stets noch zur Mutter diesem werden die Jungen zurück und huschen in deren Beutel. überhaupt von der Mutter lange Zeit getragen, oft so lange, bis ste selbst irächtig sind uns auch die Mutter schon ein zweites Junges im Beutel trägt. Den vorigen milden Winter haben die Känguruhs hier sehr gut ertragen; sie werden wie das andere Wild im Winter an be¬ stimmten Aesungsplätzen gefüttert. Ein Känguruh, das aus dem gräf¬ lichen Revier in ein Nachbargebiet geraten war, wurde vor einiger Zeit dort geschossen. Das Fleisch erwies sich als äußerst schmackhaft.

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(Berl Markth.-Z.)

Verein» -Nachrichten

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Der Akademie der Künste und dem Verein für die Geschichte Berlins ist, wie uns von autoritativer Seite mitgeteilt wird, der Bescheid zugegangen, daß S. Majestät der Kaiser und König die Ver¬ auf die gemeinsame Jmmcdiat-Eingabe vom 29. Dez. v. anstaltung einer Ausuellung von Erinnerungen an des hochseligen Kaisers und Königs Wilhelms des Großen Majestät in den Ausstellungsräumen

I.

der Akademie der Künste zu genehmigen geruht haben, von der Ueber¬ nahme des Protektorats über diese Ausstellung aber im Hinblick darauf absehen wollen daß Allerhöchst dieselben bereits Protektor der Akademie der Künste sowohl wie auch des Vereins für die Geschichte Berlins sind.

Aufruf! Die Königliche Akademie der Künste und der Verein für die Geschichte Berlins erlassen gemeinsam folgenden Aufruf:

Seine Majestät der Kaiser und König, unser Hoher Protektor, haben Allcrgnädigst genehmigt, daß zur Feier des hundertjährigen Geburts¬ tages des Hochseljgcn Kaisers und Königs Wilhelm des Großen Majestät die Königliche Akademie der Künste und der Verein für die Geschichte in den Räumen der Königlichen Akademie der Berlins im März d. Künste, Unter den Linden 38, eine auf sechs Wochen berechnete Aus¬

I.

stellung von künstlerischen, litterarischen und sonstigen Erinnerungen an die Person und die Rcgierungszeit des verewigten Kaisers veranstalten. Um diese Ausstellung, die das

Leben und die Thaten des Erhabenen Monarchen dem deutschen Volke vor Augen führen soll, historisch getreu und dem patriotischen Zw ckc an¬ gemessen zu gestalten, bittei: wir alle, welche im Besitze solcher Erinnerungen sind, uns diese für unser Unternehmen gütigst zur Verfügung stellen zu

Wir

bemerken, daß zur Vermeidung jeder Fcuersgefahr die bei Tage geöffnet sein wird, und daß die uns anvertrauten Schätze bei Tag und Nacht unter steter Aufsicht von Akademiebcamten stehen werden. Anmeldungen von Schriftstücken erbitten wir unter der Adresse

wollen.

Aus'ellung nur

Archiv-Rats Dr. Bailleu im Geheimen Staatsarchiv, Kloster76; Anmeldungen aller übrigen Gegenstände an den ersten ständigen Sekretär der Königlichen Akademie rer Künste, Professor Or Hans Mül ler, Universilätsstraße 6. Ueber die Einlieferung ergeht hierauf des

straße

weitere Nachricht.

Der Verein

Die Königliche Akademie

für

der Künste:

H.

Ende,

die Geschichte

Berlins:

Reuter,

Geheimer Archiv-Rat, 1. Vorsitzender.

Präsident.

Sanatorium in Deutsch Ostafrika. Seit Deutschland in Afrika Kolonien besitzt, hat das Tropcnklima schon manches Opfer gefordert. Gar manche rüstige Manneskraft, welche, begeistert für ihren Beruf, in den schwarzen Erdteil hinauszog, und auf deren Arbeit das Vaterland für Jahre rechnen zu können glaubte, ist bald dahingerafft durch das tödliche Fieber. Es ist deshalb schon ost der Gedanke angeregt worden in Deutsch-Ostafrika, unserem größten und wichtigsten Kolonial-Lande, eine Station zu gründen, wo der Europäer in anmutiger Umg bung Erholung finden kann, obne seine Berufsarbeit durch die langwierigen und kostspieligen Heimatsreisen auf längere Zeit unterbrechen zu müssen Endlich soll dieser Plan verwirklicht werden. Auf dem LutindiHügel bei Tamota, in deui herrlichen Gebirgslande Süd-Usambaras, etwa 1200 Meter über dem Meeresspiegel, in 5—7 Stunden von Korogwe, oer künftigen Station der zum großen Teil bereils vollendeten Usambara-Eisenbahn erreichbar, soll

ein Sanatorium

für Europäer

errichtet werden, welches, in einem kühleren, fieberfreien Höhenklima be¬ legen, auf einen weiten Urwald hernicderschaut und seine gastlichen Pforten allen öffnet, die im Dienste ihrer Berufsarbeit, mag sie der Kolonialverwaltung, einem wirtschaftlichen Unternehmen, der Wissenschaft oder der Mission gelten, in ihrer Gesundheit geschädigt wurden und der Erholung bedürfen. Zwei im Krankendienst seit Jahren in Afrika bewährte Pfleger haben die Stätte der Erhölungsstation erkundet und die vorbereitenden Aibeitcn, von den Eingeborenen unterstützt, in Angriff genommen. Sic rühmen das herrliche Klima und die landschaftliche Schönheit der Um¬ gebung und erwarten mit Sehnsucht die Ermächtigung, den Bau des Sanatoriums selbst in Angriff nehmen zu dürfen. Da gilt es zunächst, Gaben der Nächstenliebe zu sammeln und Mittel zu beschaffen, um das Unternchincn finanziell zu ermöglichen. Es handelt sich um ein ebenso patriotisches wie wohlihätiges Werk, welches der freudigen Unterstützung aller Vaterlandsfreundc gewiß sein muß. Wir richten deshalb an alle, welche diese Zeilen lesen, die dringende Bitte, uns bei diesem Werke helfend zur Seite zu stehen. Zur Förderung desselben soll unter dem Protektorat

Ihrer Hoheit am

der Herzogin Johann Albrecht zu Mecklenburg, Herzogin zu Sachsen,

Donnerstag,

den 28.

Iannar 1897,

nachmittags von 5 bis 10 Uhr, in den Sälen des „ Kaiscrhofes" (Eingang Mauerstraße) ein

Mromermden-Konzert, verbunden mit

Spezialitäten-Bühne, stattfinden, zu welchem

Inserate

wir hierdurch freundlichst einladen.

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Eintrittskarten zu 3 Mk. sind an der Kaffe, bei den Unterzeichneten und an folgenden Stellen zu haben: Warenhaus für Armee und Marine, Neustädtische Kirchstraße 4, Deutsch-Ostafrikanische Gesellschaft, Behrenstr. 16 Deutsches Kolonial¬ heim, Potsdamerstr. 22a. Deutsches Kolonialhaur, Bruno Antelmann, Jerusalemerstr. 28. Carl Stanzens Reisebureau , Mohrenstr. 10. Berlin, im Januar 1897. Gräfin von der Groeben, Bismarckstr. 3 Königsplatz. Freifrau von Mutzenbecher, Moltkestr. 1. Gräfin Beroloingen, Kronvrinzenufer 12. Baronin Bodenhausen-Lebusa, Reichstagsufer 3. Frau von Boctiicher, Wilhelmstr. 74. Frau von Delbrück, Roonstr. 2. Frau von Dirksen, Margaretbenstr. 11. Gräfin Douglas, Bendlerstr. 15. Gräfin GörtzSchlitz, Weimar. Frau Maria Heimbach, Neue Roßstr. I. Frau Karl von der Heydt, von der Hcydtstr. 18. Frau von Hindenberg-Beneckendorff, Kursürstenslr. 03 Gräfin von Hochberg, Markgrafcnstr. 38. Gräfin Wilhelm Hohenau, Polsdam, Albrcchtstr. 11 Prinzessin Max zu Hohenlohe-Ochiingen, Alsenstr. 3a. Gräfin von Hohenthal und Bergen, Voßstr. 19. Frau von Jocoby, Karlsbad 14. Frau von Behrenstraße 70. Jagemann, Frau von Kaufmann, MaaßenFrau Anna straße 5. Frau von Koscielska, Alsenstraße 3. Landsberg, Brückenallee 6. Frau Alexander Lucas, Slülerstraße 11. Frau Mart us, Voßstr. 8. Frau Merensty, Weißenburgerstr. 5. Frau von Mohl, Bendlerstr. 26. Gräfin Monts, Schapecstr. 22. Frau von Blessen, Potsdam. Beyerstr. 1. Frau Anna vom Rath, Viktoriastr. 6. Frau von Schäffcr, L>smarckstr. 3. Frau von Scheie, Potsdam, Marienstraße 14. Frau Leony Soltmann, Hollmannstr. 26. Frau Elisabeth Steinhaufen, Potsdamerstr. 73. Frau von Versen, Brückenallee 24. Frau von Wallenbcrg, Potsdam, Eiscnbahnstr. 6. Frau von WedclPiesdorf, Wilhelmstr. 73. Frau von Wissmann, Zelten 9a. Frau Cäcilie Wüstenbcrg, Lützowplatz 5 Kommerzienrat Alexander Lucas, Stüterstr. 11. von Roeder, Reichshof, Wilhelmstr. Geheimer Regicrungsrat Steinhaufen, Potsdamerstr. 73. Geheimer Kommerzienrat Veit, Voßstr. 12. Or. von Woikowsky-Biedau, Bendlerstr. 41.

Inhalt:

Finis

Poloniae.

Historischer

Roman

von

Gründler. — Zum Andenken an Emil Fromme!. Von Christian Rogge. (Mit zwei Abbildungen) — Randbemerkungen Friedrichs des Großen. Von M. L. — Versunkene Glocken. Von Anna Bchnisch. — Kleine Mitteilungen. Denkmalspflege C.

in der Provinz Brandenburg. — Das letzt erschienene Bismarckbnch. — Zwei yeitere Vorgänge am Tage vor der Schlacht bei Gravelotte. — Ein seltenes Wild in den Forsten von All-Töbcrn. — Vereins-Nachrichten.

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Mark Brandenburg

und der angrenWden Gebiete.

Unter Mitwirkung von

Dr.

R. Küvir,guter, Professor De. Kreier, Dr. H. Srer, dicke. Tt7 ec>dor Fuutarre. Stadtrai G. Friedet, Richard George, Ferd. Merzev, Symnafialdirektor a. D. Dp. W. Krhwarh und G. o. Mitdeut'rurti herausgegeben oo»

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erscheint wöchentlich am Sonnabend und ist durch jede Postanstalt sicht über die Fortschritte des gesamten menschlichen Wissens und Könnens. Die vorliegenden vier ersten Nummern lassen hoffen, daß Der Inhalt derselben ist die Zeitschrift hält, was sie verspricht. folgender: Völkerkunde von Dr. Max Büchner. — Die Physik Musik seit der Himmelskörper von William Huggins. — Die Wagners Heimgang von Dr. Hugo Riemann. — Kritik von Leo Berg. — — Die Heimat der Germanen von Dr. Vom Börsen¬ W. Bruinier. jahr 1896 van S. v. Halle. — Zur Behandlung der Nervenschwäche von Geh. Medizinalrat Professor A. Eulenburg. — Die Tierwelt der Höhlen von Professor Dr. Otto Hamann. — Die Entwicklung der Volks¬ wirtschaftslehre von Dr. Otto Ehlers. — Ueber Tierkultus von Dr. Theodor Achelis. — Radfahrende Infanterie. — Emil Du Bois-Rcymond von Dr. P. Tenscn. — Eine neue Stammform des Menschen¬

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geschlechts. Von Dr. L. Reh. — Schnellfeuergeschütze. — Reisen im Mietclalter von Prof. Dr. Alwin Schultz. — Sprachliche Fragen von Dr. F. Jetzner. — Das Verhalten der Batterie zu chemischen Desinfektionsmitteln. Von Dr. H. Bechhold. — Buddha und die Stätte seiner Geburt. Von Dr. Th. Achelis — Ueber Gefahren für Arbeiter in chemischen Fabriken von Dr. K. W. Jurisch. — Die Bedeutung des Rückenmarks von Dr. T. Jensen. — Die Ausrüstung wissenschaftlicher Ballon-Expeditionen von W. Berdrow. — Der Erdmagnetismus zur Zeit der Cherusker. — Deutsche Auswanderung nach dem spanischen Amerika von Dr. H. Polakowsky. — Unsere Industrie-Aussichten in Rußland. — Die Pest von Dr. E. Mehler.

Inhalt:

Finis

Foloniae.

Historischer

Roman

von

Gründler. — Emil du-Bois-Reymond P. (Mit Porträt.) — Zum fünfzigjährigen Bestehen der städtischen Gaswerke in Berlin. — Aus Berlins Oelzeit. Von Georg Siegerist. — Kleine Mitteilungen. Johann Joachim Quantz. (Mit Porträt.) C.

Der 27. Januar des Jahres 1077. — Aberglaube in Berlin und der Provinz Brandenburg. — Büchectisch.

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Verantwortlicher' Redakteur und Verleger: Fr. Zillessen in Berlin hl. b8., Schönhauser Allee 141. Druck der Buchdruckerei Gutenberg, Berlin^., Schönhauser Allee 141a. — Abdruck obne/ eingeholte Erlaubnis ist untersagt.

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Unter Mitwirkung von

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50

13. Februar

ml.

Fitiis Poloniae. Grundier.

Historischer Roman von C. (6. Fortsetzung.)

err von Finkeristein halle Frau Melanie galant den Arm geboten, während Marie zwanglos nebenher gin. In der frühen Jahreszeit war die Natur noch wenig entwickelt, doch auch das Wenige erfüllte das Herz mit freudigen Gefühlen. Das ist es ja, was die Menschenbrust so aufjauchzen läßt bei dem Wiedererwachen der Natur aus langem Winterschlaf: Der Gott, der aufs neue Frühling werden ließ, wird auch Dich, Du armes Menschenherz, aus aller Not und Be¬ Solche Em¬ drängnis erlösen nach Seinem ewigen Rat! pfindungen bewegten auch mehr oder weniger unsere drei Spaziergänger. Die Bäume waren noch unbelaubt, aber schon waren die braunen Knospen zum Brechen dick geschwollen. Die hohlen, phantastischen Stämme der Weiden am See streckten ihre glänzend gelb gewordenen Büschel schwanker Zweige, bedeckt mit filbergrauen, wolligen Kätzchen, nach dem blauen Frühlingshimmel. Wie lang herabwallendes Haar sanken die Zweige der Trauerweide herab, ein Bild weinender, weiblicher Klage. Die schlanken, oft graziös gebogenen weißen Birkenstämmchen, mit dem ärmlichsten Boden bescheiden vorlieb nehmend, haben ihr zierliches Reisernetz schon mit den ersten

zarten. lichtgrünen Blättchen bedeckt, während die Erle am sumpfigen Moor noch ernst ihre schwarzen Stämme hoch in die Lüfte treibt. Majestätisch stehen die alten Eichen da. unter deren knorrigen Aesten schon die Wenden gelagert, unbewegt

den Stürmen des Winters, unbewegt auch noch von lauen Frühlingslüften. Die vielfach geborstene Rinde ihres dunkeln Stammes ist behängt mit grauen Flechten, welche gleich uralten Bärten der Waldgeister in den Lüften flattern. Dazwischen schießen die filbergrauen Stämme der Buchen, der

von den

Aristokraten unter den Waldbäumen, gerade und schlank empor, ihre weitausgreifenden Zweige schützend über das niedere Gestrüpp breitend. Das Moos ist aus dem Winterschlafe schon erwacht und breitet seinen saftig grünen Teppich über die Auch die schlangengleich gewundenen Wurzeln der Bäume. Waldvögel, soweit fie im Winter die nordische Heimat nicht verlaffen, sind schon in den Zweigen lebendig. Ihr Tisch ist wieder reichlich gedeckt. Die Blaumeise mit der gelben Brust und

den

schieferblauen Flügeln

wendet das kluge Köpfchen

hin und her, die bescheiden in weiß und grau gekleidete Bach¬ stelze läuft in zierlich schnellem Getrippel dicyt vor unsern Füßen hin, einer Fliege nachjagend und dabei unaufhörlich mit dem Kopfe nickend und mit dem Schwänze wippend. Es zirpt und piept schon überall in den Zweigen, obwohl die eigentlichen Konzertsänger des Waldes von ihrer Gastspielreise aus dem Süden noch nicht zurückgekehrt find. Der kleine Blumengarten war bald durchschritten, da der größte Teil desselben dem Gemüsegarten angefügt worden war. Dürftig für einen Herrensitz erschien seine Anlage, zumal jetzt, wo die Sommerblumen noch nicht emporgesproßt waren. Nur einzelne Krokus und Narzisien zeigten sich, während in dem jungen Rasen am Zaune Veilchen in Menge sich hervordrängten. „Finden Sie dies nicht überaus ärmlich, Llc>n8isur," setzte Frau Melanie das Gespräch fort, „so gänzlich indigne eines alten adeligen Hauses?" „Nun, Ihr Herr Schwager wird eben keinen Gefallen an solchen Anlagen haben." „Nein, nicht den geringsten." „Aber jedermann hat doch das Recht, sich sein Leben so

74 zu gestalten, wie es seiner Eigenart am besten zusagt, und

wie er es vermag." „Zugestanden! Aber man muß doch auch seinem Stande und dem ässiors einigermaßen Rechnung tragen." „Ich bitte um Verzeihung, gnädige Frau, aber alles, was ich hier gesehen habe, zeugt von außergewöhnlichem Ordnungssinn und von praktischem Blick. Ihr Herr Schwager hat hier eine Musterwirtschaft, und sein Ruf in dieser Beziehung ist weit über die Grenzen der engeren Umgebung gedrungen." „Soit! Mein Geschmack ist es nicht. Hier riecht alles Mein Verbrauch von oäsnrs ist kollossal. nach Siallduft. Ich wollte, meine Verhältnisse gestatteten mir. in der Stadt zu leben. Aber sislas! Leider muß ich mich fügen!"

„Ich

lebe ja schon lange

in

der

Stadt, und zwar in

Aber ich muß gestehen, ich würde abgewinnen können. Wenn ich des Hoflebens müde bin, werde ich vielleicht einmal eins von unsern Gütern in Ostpreußen übernehmen. Ich denke es mir sehr schön, so ganz unabhängig zu sein — fern von allem Hofklaisch, aller Intrigue, ein kleiner König auf seinem Eigen¬ tum, niemandem verantwortlich als Gott und dem Gesetz. Was helfen uns alle diese ewig wiederkehrenden schalen so¬ genannten Vergnügungen! Jeder trägt gewissermaßen eine Maske, hinter der die Teufelsfratze verborgen ist. Die Nächte werden zum Tag gemacht. Der Wein, die Weiber und das Spiel ruinieren die Kräfte und den Geldbeutel vor der Zeit." „Sie schildern zu schwarz, naon ami. Sie haben gewiß schon zu viel von den neuen revolutionären Ideen eingesogen. Ln vsriis, was sollen denn ein Mann oder eine Frau von esprit weiter thun, als sich gegenseitig unterhalten?" „Oh. es giebt auch noch andere Aufgaben, die unserm Stande obliegen: Bildung. Sittlichkeit und Liebe zu König und Vaterland in die breiten Massen des Volkes zu tragen, damit diese armen, urteilslosen Menschen nicht von jedem Schwärmer verführt werden können, wie wir es jetzt in Frankreich erleben. Und dazu halte ich gerade den Landedelmann für sehr geeignet." „Li donc! So soll er wohl den Schulmeister dieser schmutzigen, stumpfsinnigen Tölpel machen? Mich ekelt schon bei der bloßen Nähe dieser Menschen." „Er soll vor allem durch sein Beispiel wirken, denn alle¬ zeit haben -bte Geringeren den Vornehmeren nachzuahmen getrachtet." „Vraiment! Sie passen vorzüglich zu meinem Herrn Schwager. Aber warum taut äs bruit pour une Omelette? Wir werden uns nicht vereinigen. Marie! Wo kriechst Du denn wieder herum?" Frau Melanie hatte mehrmals' den Fächer auf- und zu¬ geklappt und sich indigniert Luft zugefächelt. Die Wendung, die das Gespräch genommen hatte, war ihr offenbar unan¬ genehm. und sie suchte es in andere Bahnen zu leiten. Des¬ halb die etwas schroffe Mahnung an Marie. Letztere kam sofort herbei. Sie war nur einige Schritte seitwärts gegangen und hatte Blumen gepflückt. „Ach verzeihen Sie, liebe Tante, ich wollte der Mama nur ein paar Veilchen mitbringen. Sie legt sie so gern ganz exklusiven Kreisen.

auch dem Landleben seine Reize

zwischen die Wäsche."

„Ich finde," nahm Finkenstein wieder das Wort, „wir haben das gnädige Fräulein schon viel zu sehr vernachlässigt.

Von dem Gegenstände unseres Gespräches fortgerissen, haben wir ganz vergeffen, daß es doch auch mitzählt. Verzeihen Sie mir diese Taktlosigkeit, mein Fräulein!" Dabei ergriff er die Fingerspitzen der einen leeren Hand. „O. ich habe alles mit angehört, was Sie gesprochen haben, und ganz gut verstanden und

„Und?" „Und ich —

ich

hob sie ihre Augen

—"

sie blickte

— und —"

verlegen zu Boden, dann „ich bin auch Ihrer

voll zu ihm auf,

Ansicht."

„Pauvre enfant! Du hast auch eine Anficht?" „Ich freue mich, gnädiges Fräulein, in Ihnen eine bündete zu finden. Wir wollen auch zusammenhalten."

Ver¬ setzte

Finkenstein lächelnd hinzu. Marie war wieder glühend rot geworden. Sie waren jetzt in den sogenannten Park eingetreten. Vielfach verschlungene Wege, nur notdürftig in Stand gehalten, kreuzten denselben. Manchmal waren sie so schmal, daß nur zwei Personen nebeneinander gehen konnten. Marie ging

dann hinterher. Als sie nun die hohe, stattliche Gestalt Finkensteins vor sich sah, wie er mit vollendeter Eleganz ihre Tante führte, da kam ihr unwillkürlich der Ge¬ danke, wie sie selbst sich wohl an seinem Arm ausnehmen möchte, und dabei durchschauerte sie ein so eigentümliches Wohl¬ gefühl, wie sie es noch nie empfunden hatte. Sie achtete sich aber

viel zu

gering,

jemals dieses Glückes

teilhaftig zu

werden. Und doch! Wie prächtig mußte es sein, im Sommer hier so zu wandeln, wenn die dichten Laubkronen jeden Sonnenstrahl abhielten und angenehme Kühlung verbreiteten! Ob wohl Finkenstein im Sommer einmal wiederkäme? Und ob sie dann wohl wieder hierher gingen? Vielleicht war die Tante dann nicht mit. Sie betrachtete aufmerksam den langen, frackartigen Rock von grünem Sammt mit den goldgestickten Taschenklappen, den Finkenstein trug, und aus dessen Aermeln feine Spitzenmanschetten heraushingen. Wie straff und doch wie zierlich er in den hohen Reiterstiefeln mit den blanken

Silbersporen einherging! ganz anders!

Fast wie ihr Vater, und doch wieder

Auch das dreieckige Hütchen mit dem schmalen

Federbesatz und der goldenen Agraffe stand ihm ganz anders,

als ihrem Vater das seine. Jetzt kamen sie an einen größeren freien Platz, eine

Art

Rondell, mit halbverfallenen Steinbänken eingefaßt. Der frühere sandige Mittelraum war größtenteils mit Rasen über¬ wachsen.

„Hier haben wir oft Federball gespielt,"

sagte

Frau

schöne Zeit!" „Ach. früher hier, gnädige Frau?" „Gewiß! Mein Mann war ja Besitzer dieses Gutes und noch mehrerer anderer. Da es aber Majorat ist und wir keine Kinder hatten, so ging es nach dem Tode meines Mannes auf dessen Bruder über. Ja, damals sah es anders hier aus! Wir wohnten ja für gewöhnlich in Dresden, kamen aber jeden Sommer bis in den Herbst hinein hierher. Wir hatten auch ein schönes Schloß, nicht solch ein simples Bürgerhaus, wie jetzt da steht. Mein Schwiegervater hatte Leider haben es die Raffen im siebenjährigen es neu erbaut. Kriege nievergebrannt." „Zu jener Zeit muß es schön hier gewesen sein." „Ln vsrit«, bezaubernd! Wir waren auch nie allein'

Melanie zu Finkenstein.

„Sie waren

schon

das

war eine

75

Das Schloß war stets voll von Gästen. Lauter vornehme Kavaliere mit ihren Damen! Was haben wir da alles auf¬ geführt: Schäferspiele, Jagden, Gondelfahrten auf dem See. auch bei Mondenschein! Sehen Sie dort das Weiße durch die Bäume schimmern? Das ist eine Meierei. Da mußten uns die Leute manchmal das Haus überlasten. Die ganze Gesell¬ schaft verkleidete sich als Bauer und Bäuerin, Schäfer und Schäferin, natürlich in feineren Stoffen und mit geschmack¬ vollem Schnitt. Die Schäferinnen führten ein schneeweißes Lämmchen an rotseidenem Bande, und die Schäfer hatten Wir be¬ einen blumengeschmücklen Htrtenstab in der Hand. wirteten die Herren mit Schwarzbrot und Milch, wobei wir artige, selbstverfertigte französische Gedichte deklamierten. Währenddem hatten die Diener natürlich ein splendides Souper unter den Bäumen serviert, und nach dem Essen wurde bei dem Schein von Windlichtern auf dem Rasen ge¬ tanzt. O'ötaib ä merveille!"

„In

der

That!"

Spaziergänge in den mondhellen Nächten Und diese Maskeraden! Wir brachten jedesmal eine gemietete Musikkapelle mit, welche den ganzen Sommer hier blieb." „Aber gestatten Sie mir die Bemerkung, gnädige Frau, das alles muß doch sehr viel Geld gekostet haben?" „Ach ja, teuer war es! Aber ich war ein junges Ding damals und hatte meine Freude an dem tollen Leben. Und mein Mann? Nun, der that, was ich wünschte, ohne viel nachzudenken. Ein großer Rechenmeister war er wohl überhaupt

„Und im Walde!

diese

Es schmeichelte ihm auch, daß so viel Grafen, selbst Prinzen bei dem einfachen Edelmann zum Besuch kamen und sich oft wochenlang mit Dienerschaft bei uns aufhielten." „Und dann?" „Dann? Ja dann? Lasten Sie mich davon schweigen, was dann kam. oder meine Thränen werden von neuem fließen!" Sie drückte vorsichtig das spitzenbesetzte Taschentuch an die Augen, um die Schminke nicht abzuwischen. nicht.

„Möchten Sie auch wohl solche Schäferfeste mitfeiern, gnädiges Fräulein?" wendete

„Ich? —

ich weiß nicht.

sich

vor

nicht

Leuten,

den

Ich kann mir nicht

so

wenn's

Sie sind lieb."

schmutzig bei ihnen ist.

und haben mich sehr

auch

manchmal recht gut gegen mich

auch alle so

„Aber, Marie, was muß der Herr Baron von Dir denken!" warf die Tante ein. „Es ist aber doch so. liebe Tante. Und die Mama hat mir doch gesagt, ich solle immer die Wahrheit reden!" „Der reine, kleine Friedensengel! Also, Sie sagen immer die

Wahrheit?"

„Ja." „Nun,

so

sagen

Sie mir

auch

einmal aufrichtig: Was

hallen Sie von mir?"

„Daß Sie auch sehr gut find." „Warum?" „Weil Sie sich vorhin der armen Leute so angenommen haben und — und — weil Sie so gute Augen haben." fügte sie

stotternd und errötend hinzu, indem

sie zu

ihm aufsah.

„C’est horrible! Oette enfant!“ rief die Obristin ent¬ rüstet aus. „Das sagt man doch einem Herrn nicht so ins Gesicht!" „Lassen Sie nur, gnädige Frau! Und bleiben Sie immer so mein liebes, kleines, tapferes Fräulein" erwiderte Finken¬ stein. indem er die Hand auf Mariens lockiges Blondhaar legte. „Mit der Wahrheit kommt man immer am weitesten." Wie stolz war Marie, daß sie von ihm, gerade von ihm gelobt worden war. Sie hatte die ehrfurchtsvolle Scheu, die sie vor ihm empfand, jetzt beinahe überwunden. Da der Weg nunmehr breiter wurde, so hielt sie sich auch beständig an seiner Seite und wachte sorgfältig darüber, nichts zu thun, was etwa sein Mißfallen erregen könnte. Aus dem Kinde war urplötzlich die Jungfrau geworden. In die nichts ahnende reine Seele war das erste Samenkorn jener gewalligen Leiden¬ schaft gefallen, die man Liebe nennt. Was wird sie Dir bringen, wenn sie Arme Marie! emporwachsen sollte zu dem kräftigen Baum, der in fernem Schatten entweder die Erfüllung der süßesten Träume brrgt oder vom Sturme zersplittert, sich und seine ganze Umgebung in Trümmer reißt? (Fortsetzung folgt.)

Finkenstein an Marie. recht

vorstellen, daß es besonders amüsant ist, so gekleidet zu sein wie unsere Bäuerinnen oder der Schäfer Thomas." „Nun, Sie würden in diesen seidenen, spitzenbedeckten

Maskenanzügen auch wohl schwerlich Schäfer und Schäferinnen vermutet haben. Aber was find denn hier in Ihrer Einsamkeit

Ihre Vergnügungen?" ich bin nicht einsam! Da ist Mama und Tante, meine Leküonen bet dem Herrn Pastor, und ich streife

„Ach. ich habe

gar

im Park und im Walde umher." „Ist das alles?" „O nein! Manchmal kommt auch Besuch aus der Nachbar¬ schaft, darunter junge Leute in meinem Alter. Da wird Ball gespielt oder Haschen, daß wir manchmal ganz erhitzt find."

„Haben Sie denn keine so rechte Herzensfreundin?" „O ja. Pastors Magdalene. Das ist ein gutes und sehr kluges Mädchen. Wir haben uns auch sehr lieb. Wir lernten früher immer zusammen. Wir gehen auch manchmal zu den armen Leuten ins Dorf, wenn jemand krank ist, und bringen ihnen eine Suppe oder sonstige Stärkung. Ich fürchte mich

Zum vierhundertjührigrn Geburtstag Philipp Metanchthons.

Im

Jahre 1883 feierte die deutsche evangelische Christen¬ heit die 400. Wiederkehr des Geburtstages Dr. Marnn Luthers. In diesem Jahre find es 400 Jahre, daß Philipp

Melanchthon oder, wie sein Name ursprünglich lautete, Philipp Schwarzerd geboren wurde. Luther und Melanchthon! Die beiden gehören zu¬ sammen.

Man kann

sich

den einen

ohne den andern nicht

im Oktober 1896 schrieb D. Emil Frommel, der kürzlich Heimgegangene Garnisonpfarrer von Berlin: „Der Bergmannssohn und das Waffenschmiedskind stehen köstlich bei¬ einander in Gottes Reich. Der eine holt aus der Tiefe das Erz und das Gold des Wortes, der andere schmiedet die blanke Waffe und das Rüstzeug. Melanchihon ist der Spcachmeister der Reformation, und Luther rühmt: „Die Sprachen find die Scheide, darin das Schwert des Wortes Gottes steckl."" denken.

Noch

76

Wir setzen den Lebensgang Melanchthons als bekannt voraus. In dem badischen Städtchen Breiten geboren, in Pforzheim von dem Humanisten Georg Simler unterrichtet, besuchte er schon mit 12^ Jahren die Universität Heidelberg. Erst 14 Jahre alt, erwarb er den ersten Gelehrtengrad, den eines Baccalaureus, und er zählte noch nicht 17 Jahre, als er in Tübingen, wohin er sich inzwischen ans den Rat seines Großoheims Reuchlin gewandt, die Magisterwürde erlangte. Bald darauf, im Jahre 1518, wurde er von Kurfürst Friedrich dem Weisen, dem er von Reuchlin aufs wärmste empfohlen war, an die im Jahre 1502 neugegründeie Universität Witten¬ berg berufen. Erasmus von Rotterdam hatte schon damals in Bezug auf ihn geurteilt: „Unsterblicher Gott, welche Hoff¬ nung gewährt dieser junge Mann, ja dieser Knabe! In der griechischen wie der lateinischen Sprache ist er gleich aus¬ gezeichnet. Welcher Scharfsinn der Erfindung, welche Reinheit der

Sprache,

welche Schönheit

des

dächtnis der unbekanntesten Sachen,

Am Belesenheit!" 29. August 1518 eröffnete Melanchthon seine Vorlesungen in Witten¬ berg mit einer Rede über die Ver¬ welche

reife

besserung des Jugendunter¬ richts. Noch an demselben Tage schrieb Luther an Spalatin, den Hofprediger und Berater Friedrichs des Weisen: „Magister Philipp hat eine Rede gehalten, so gelehrt und so fein und zu solcher Be¬ wunderung aller Hörer, daß Du nicht mehr nötig hast, ihn uns zu empfehlen. Wir haben alsbald von seiner

äußeren

Erscheinung

(Me-

lanchthon war klein und schmächtig) abgesehen und können uns nur Glück wünschen und dem Fürsten

Ausdrucks,

welches Ge¬

Melanchthon sofort dem älteren Luther zu, und die Bewunderung und Verehrung, die er anfangs für ihn empfand, verwandelte sich auf die Dauer in glühende Begeisterung und innigste Liebe. Aus dem Humanismus herkommend und in zarter Jugend schon von dem Straßburger Geiler von Kaisers¬ berg beeinflußt, war er von Anfang an der Refor¬ mation zugethan gewesen. In Wittenberg aber erst versenkte er sich tiefer in das Studium der Theologie und der heiligen Schrift. Und bald erklärte er öffentlich: „Ich verteidige Luther, weil er das Evangelium wieder an das Licht gebracht hat. Nie hat er daran gedacht, den Frieden der Kirche zu stören, die christliche Einheit zu zerreißen, Empörung im Reiche anzurichten, sondern nur das deutsche Vaterland von römischer Tyrannei zu befreien. Die Widersacher sind die'Urheber des Kampfes, denn sie wollen die Wahrheit unterdrücken und Gewalt üben. Wer Luther bekämpft, gehört nicht zur wahren, ursprünglichen Kirche. Und er kämpft nicht mit Gewalt. sich auch

mit dem Worte für den Glauben, der allein Leben giebt. Darum, ihr deutschen Fürsten, schützet das Evangelium!" Der alten Univer¬ sität Sorbonne in Paris, die Luther wieU' einen Schulbuben behandelt und einen hochmütigen Erlaß gegen ihn in die Welt gesandt hatte,

sondern

deckte Melanchthon ihre Unwissenheit, Leichtfertigkeit und Gehässigkeit auf. Er schloß das Schreiben mit den

Worten: „Es ficht die Christen wenig an, wenn Ihr sagt: Wir find Ma¬ gister! Wir find Pariser! Wir find Sorbonnisten! Wir find die Mutter aller Schulen!UDas find lauter eitle Namen,

gegen

welche

Deutschland

fortan taub sein wird." Und nach der Verbrennung der päpstlichen Bann¬ danken. So lange wir ihn haben, bulle durch Luther im Dezember wünsche ich keinen anderen griechischen 1520 schrieb er an einen Freund: Lehrer." Wittenberg wurde in „Luther ist viel wunderbarer, als Philipp Melanchthon nach Dürer. kurzer Zeit die berühmteste Uni¬ daß ich ihn mit Worten darstellen versität der Welt. Von allen könnte. Ich weiß, wie sehr Alcibiades Seiien, aus allen Ländern strömten die Studenten dort¬ seinen Sokrates bewunderte; ich bewundere Luther noch ganz hin, um Luther und neben chm Melanchthon zu hören. anders, nämlich in christlichem Sinne. So oft ich ihn be¬ Von 200 wuchs die Zahl auf 2000, unter ihnen Fürsten, trachte. kommt er mir immer größer vor." Grafen und Freiherren. Das kleine Landstädtchen an der Nicht bedeutsam genug kann es für das Werk der Elbe war kaum imstande, alle zu faffen. Und Luther erklärte Reformation befunden werden, daß gerade diese beiden Männer bald in Bezug auf Melanchthon: „Er ist wohl nur ein durch Gottes Fügung sich fanden und hinfort nicht bloß schlichter Magister, aber ein Doktor über alle Doklores. Schulter an Schulter sondern wie Ein Herz und Eine Seele Es ist auf Erden keiner, den die Sonne bescheinet, der Beide er¬ den papistischen Widersachern gegenüberstanden. solche Gaben hätte." gänzten sich dabei wunderbar. Dem gewaltigen Feuergeist Trotz dieses ehrenvollen Zeugnisses, das Luther ihm aus¬ Luthers, der oft nur zu ungestüm dreinfuhr, trat die Milde. stellte, hat sich Melanchthon nie bewegen laffen, sich um den Sanftmut und Friedfertigkeit Melanchthons, seinem genuinen Doktorgrad zu bewerben. Seine Bescheidenheit erlaubte es Scharfblick, der stets blitzartig aufleuchtete, die ernste und ihm nicht. Er glaubte den Pflichten, die diese Würde ihm tiefe Gelehrsamkeit und der stille, bienenartige Fleiß des auferlegte, nicht gewachsen zu sein. Zeit seines Lebens ist jüngeren Freundes ^fördernd zur Seite. Treffend zieht Luther er nur Magister geblieben. selbst den Vergleich zwischen sich und Melanchthon: „Ich bin Wie Luther vom ersten Augenblick an, da er mit ihm geboren, daß ich mit Rotten und Teufeln muß kriegen und zusammentraf, Melanchthons Größe erkannte und sich mit der zu Felde liegen, darum meine Bücher viel stürmisch und viel kriegerisch find. Aber Magister Philipp fähret säuberlich und ganzen Kraft seiner Seele zu ihm hingezogen fühlte, so neigte

Me

mit Lust, Gaben reichlich gegeben hat."

bauet und pflanzet,

daher,

Gott

nach dem ihm

seine

säet und begeußt

zu den Füßen Melanchthons zu sitzen, wenn dieser den Brief an die Römer oder die Briefe an die Korinther erklärte, um sich durch ihn tiefer in den Geist der griechischen Sprache einführen zu lassen, so stand umgekehrt Melanchthon dem älteren Freunde in allen Kämpfen und Disputationen, die er zu führen hatte, stets mannhaft zur Seite. Gleich bei dem Religionsgespräch mit Eck in Leipzig, im Jahre 1519, war er Karlstadt und Luther mit seiner Gelehrsamkeit, wenn er auch an den öffentlichen Auseinandersetzungen sich nicht beteiligte, eine wertvolle Hilfe. Von andersartigem, auf eine Verständigung mit den Reformierten gerichtetem Einfluß war seine Beteiligung an dem Religions¬ gespräch zu Marburg im Jahre 1529. Luther erklärte schließlich, daß er ohne seinen Meister Philipp nicht mehr leben könne. Und auch Melanchthon schlug — trotz seiner bescheidenen, ja ärmlichen Stellung in Wittenberg — alle anderen noch so glänzenden Anerbietungen aus, um nur nicht von Luther getrennt zu werden. Als Reuchlin sich die größte Mühe gab, ihn von Wittenberg wieder nach dem Süden Deutschlands zu ziehen, antwortete er diesem: „Sterben will ich lieber, als mich von Luther wegreißen lassen! Ja, über mein Leben geht

Verschmähte

mir

sein

Wohl,

der ältere Luther es nicht,

daß

so

mir nichts

als — Er ist mir der ehrwürdige Vater, der fromme Gottesgelehrte, der Mann meiner Sehnsucht, der treue Seelenhirt." Bekannt ist. wie Luther im Jahre 1540 in Gefahr war, Melanchthon durch den Tod zu verlieren, als dieser — infolge von Gewissens¬ Schlimmeres

begegnen

könnte,

seiner zu entbehren.

bedenken. die ihm die Doppelehe des Landgrafen Philipp von Hessen

verursacht

hatte



in

gründliche Kenntnis

der hebräischen

und griechischen Sprache

in hohem Grade zu statten. Schon im Jahre 1521 erschienen Melanchthons „looi communes rerum theologicarum“ oder „Hauptartikel christ¬ licher Lehre", welche die Grundgedanken der heiligen Schrift über Gesetz, Sünde, Gnade und Sakrament zum ersten Male einheitlich und übersichtlich zusammenstellten. Die ganze ge¬ lehrte Well bewunderte dieses Werk. Selbst Erasmus nannte es ein trefflich in Schlachtordnung gestelltes Heer gegen die pharisäische Tyrannei der Jrrlehrer. Am meisten entzückt war Luther. Noch im Jahre 1525, als der erste Jubel über das Werk längst vorüber war, erklärte er es für ein „unbesiegbares Buch und nicht allein der Unsterblichkeit wert, sondern auch würdig, in den Kanon der kirchlichen Bücher aufgenommen zu weroen." Und anderswo sagt er: „Wer jetzt ein Theologus will werden, der hat großen Vorteil; denn erstlich hat er die Bibel, die ist ihm so klar, daß er sie kann lesen ohne alle Hinderung. Darnach lese er dazu die looi communes Philtppi, die lese er fleißig und wohl, also daß er sie gar im Kopfe habe. Wenn er die zwei Stücke hat, so ist er ein Theologus, dem weder der Teufel noch ein Ketzer etwas abbrechen kann, und ihm steht die ganze Theologie offen, daß er alles, was er will, darnach lesen kann zur Erbauung." In fünf Jahren erlebten die looi siebzehn Auflagen in lateinischer und eine ganze Anzahl in deutscher Sprache. Unter den weiteren Schriften Me¬ lanchthons — Erklärung des Briefes Pauli an die Römer, der Briefe an die Korinther, des Evangeliums kam dieser

des Neuen — von w. ist be¬ s. „UnterWert Büchlein sonderem sein richt der Visitatoren an die

Johannis.

Geschichte

Testaments u.

Philipp Melanchthon

nach einem

schwere

Krankheit verfallen war. In Weimar lag Melanchthon. Luther wie jedermann glaubte, auf dem Sterbelager. erschien. Er war erschrocken, als er den Freund sah. Die Augen waren wie gebrochen, das Gehör vergangen, die Sprache entfallen, der Verstand gewichen und das Angesicht schlaff und eingefallen. „Behüte Gott! Wie hat mir der Teufel dies Werkzeug geschändet!" rief Luther aus, Und alsbald rang er, am Fenster stehend, mit Gott u>n das Leben des Freundes. „Sei guten Mutes, Philipp." wandte er sich dann wieder zu diesem, „Du wirst nicht sterben. Du mußt unserm Herrn noch weiter dienen." Und wie Luther es gesagt hatte, so geschah es. Melanchthon genas von seiner schweren Krankheit und blieb Luther und der Sache des Evangeliums erhalten.

alten Holzschnitt.

Pfarrherren im Kurfürstentum

zu Sachsen", das anläßlich der von Visitation der Schulen und Kirchen in Sachsen von ihm verfaßt und von Luther mit einer Vor¬ Diesem Büchlein vor allem ist es zu ver¬ rede versehen wurde. danken, daß Luther 1530 an den Kurfürsten berichten konnte: „Das Wort Gottes ist mächtig und fruchtbar im ganzen Lande, denn Eure Kurfürstliche Gnaden die allerbesten und meisten Pfarrer haben, wie sonst kein Land in der Welt, die so treulich und rein lehren und so schönen Frieden halten dem Kurfürsten Johann angeordneten

helfen."

Der letzteren hat Melanchthon vor allem dadurch gedient, mit seiner umfassenden Gelehrsamkeit und seinem un¬ ermüdlichen Fleiß — durch seine Besonnenheit. Ruhe und Vor¬ sicht besonders dazu ausgerüstet — der Kirche der Reformation nicht nur ihre erste Dogmatik, sondern auch ihre hervorragendsten

Das größte, bedeutendste, wichtigste und gesegnetste Werk Melanchthons aber ist und bleibt die von ihm verfaßte Augsburger Konfession, die am 25. Juni 1530 in Augs¬ burg vor Kaiser und Reich verlesen und aus Grund deren den Evangelischen im Deutschen Reiche schließlich Glaubens¬ freiheit zugebilligt wurde. Als Luther sie zuerst durchgesehen (sie war ihm zur Begutachtung nach Coburg gesandt worden), erklärte er: „Ich habe Magister Philipps Apologie (Ver¬ teidigungsschrift) überlesen; sie gefällt mir fast (sehr) wohl

Bekenntnisschrifien gab. Ebenso ist er an Luthers Bibelüber¬ Seine setzung in hervorragendem Maße beteiligt gewesen.

und weiß nichts dran zu bessern noch ändern, würde sich auch nicht schicken, denn ich so sanft und leise nicht treten kann.

daß er

>.

Christus,

unser Herr,

helfe,

78

daß fie viele und große Frucht

wir hoffen und bitten. Amen." Wohin wir also auch blicken, überall war

schaffe, wie

es Melanch-

der in namhafier Weise fördernd in das Werk der Reformation eingriff und die Schwierigkeilen. mit denen dasselbe zu kämpfen hatte, beseitigen und überwinden half. Die heiltge Schrift war für die alleinige Norm der christlichen Lehre erklärt worden. Ihr Lehrgehalt mußte daher in seiner ursprünglichen Reinheit aufs neue erforscht werden. Melanchthon that es in seinen Vorlesungen und Kommentaren biblischer Bücher. Er mußte weiter systematisch verarbeitet und den Theologen und Gelehrten im Zusammenhange wissenschaftlich dargestellt werden. Melanchthon that es in den loci communes. Er mußte öffentlich vor Kaiser und Reich bekannt und seine Berechtigung vor diesen berufenen Vertretern der traditionellen Kirchenlehre dargethan werden. Melanchthon that es in den Bekenntnisschriften, der Augsburgischen Konfession und ihrer Apologie. Er mußte endlich — und das war vielleicht die wichllgste, aber auch die schwierigste Aufgabe — dem Volke Melanchthon zugänglich und annehmbar gemacht werden.

thon,

that auch das, indem er in seinen Vifiiationsartikeln zunächst das Allernotwendigste zur Belehrung des Volkes durch die

Pfarrer handlich zusammenstellte und indem er schätzbare

Mithilfe

durch seine un¬

an der Bibelübersetzung ein Werk förderte,

das dem Volke die Quellen der ständiger Erforschung darbot.

reinen Wahrheit

zu

selbst¬

Mit

alle dem aber ist Melanchthons segensreiche Wirk¬ zur Förderung des Werkes der Reformation noch lange nicht erschöpft. Nicht bloß mit der Feder war er thätig, auch persönlich hat er allenthalben, wo es nur gewünscht wurde — sei's zur Einführung der Reformation, sei's zur Errichtung oder Neu-Organisation von Schulen — mit Rat und That Beistand geleistet. Einen guten Teil seines Lebens hat er in Verfolgung solcher Zwecke auf Reisen zugebracht. Die Schulen lagen ihm, dem Schulmann und Humanisten, natür¬ lich immer besonders am Herzen. 56 Städte Deutschlands samkeit

(Magdeburg. Nürnberg, Eisleben u. s. w.) verdanken ihr Schul¬ wesen seiner unmittelbaren Anregung und seinem Betrat. Nach allen Seiten hin sandte er Lehrer; auch entwarf er Lehrpläne, gab Anleitung, wie man des Lehramts walten solle, und schrieb zweckmäßige Lehrbücher, die bald überall Eingang fanden.*) Ec empfahl, die leergewordenen Klöster als Schul¬ häuser einzurichten und die reichen Klostergüter zur Unter¬ haltung der Schulen zu verwenden. Zu besserer Beeinflussung der Jugend ermahnte er die Professoren unablässig, Privat¬ schulen einzurichten. Er selbst ging mit gutem Beispiel voran, nahm junge Leute in sein Haus auf und richtete mit ihnen eine Hausschule ein.

Wie groß Melanchthons Ansehen war, zeigt sich u. a. daran, daß selbst die Könige Franz I. von Frankreich und Heinrich VIII. von England sich mit der Bitte um Rat an ihn wandten. Landgraf Philipp von Hessen, für den er auf seinen Wunsch die Schrift „Summa der erneuten evangeseine Lehrbücher, zu denen eine griechische Grammatik, Grammatik, zwei Lehrbücher der Dialektik, eins der Rhetorik, eins der Ethik und eins der Physik gehören, in welchen allen es ihm auf reinliche Anordnung des Stoffes und klare Begriffsbestimmung ankam, erstreckte sich Melanchthons Einfluß bis in das vorige Jahr¬ hundert hinein, selbst auf katholische Schulen. Die lateinische Grammatik erlebte von 1525—1737 51 mehr oder weniger veränderte Ausgaben.

") Durch

eine

lateinische

lischen Lehre"

schrieb, ist eigentlich durch ihn fürs Evangelium gewonnen und aus einem gefürchteten Gegner der Reformation

in einen eifrigen Förderer und Schirmherrn derselben

ver¬

wandelt worden. Im Herzogtum Sachsen mußte er unter Herzog Heinrich, der seinem Bruder Georg, dem schlimmen Feinde Luthers, 1539 in der Regierung gefolgt war. die Reformation einführen. Er hielt Kirchen- und Schulprüfungen zu diesem Zwecke, setzte unbrauchbare Priester ab und tüchtige ein und berief seinen Freund Camerarius als Professor an die Leipziger Universität. Auch der Kurfürst Joachim II. von Brandenburg berief ihn nach Berlin und beriet mit ihm eine neue, bessere Kirchenordnung, die freilich viel von den allen Sitten und Bräuchen beibehielt. Ebenso wurde er an den Hof des Herzogs Ulrich von Württemberg berufen, um diesem allerlei Ratschläge in Kirchen- und Schulangelegenheiten zu erteilen. Im Bistum Naumburg wurde unter dem Bischof Nikolaus von Amsdorf das ganze Kirchen- und Schulwesen durch ihn neu geordnet. Und selbst nach dem Kurfürstentum Köln reiste er auf einen Ruf des Erzbischofs Hermann von Wied und hat dort drei Monate unter großen Schwierigkeiten Aberglauben und Abgötterei bekämpft und die Anfeindungen und Hemmungen der Domherren ertragen. Schließlich aber durfte er doch auch von dorther melden: „Gott sei Dank, geht's im Kölner Gebiet mit der Kirchenverbesserung erfreulich von statten. Schon lehren in Städten und Dörfern treue

Prediger das Evangelium. Wir wollen Gott bitten, das Licht seines Wortes weithin leuchten lasse."

daß er

Stand hatte Melanchthon in den letzten Jahren seines Lebens, nachdem Luther 1546 von seiner Seite gerissen war. Seine Friedensliebe und seine gewissen¬ haften Bemühungen, mit Reformierten und Katholiken eine Verständigung zu erzielen, wurden von den heißspornigen und leidenschaftlichen Theologen, die sich für die allein echten Nachfolger Luthers hielten, nicht verstanden, sondern als Einen

sehr

schweren

Mit Recht Treulosigkeit und Glaubensschwäche ausgelegt. hat man gesagt, daß die 14 Jahre, die Melanchthon nach Luthers Tode noch auf Erden weilte, für ihn fast nur „Ein langer Trauertag" gewesen seien. Welche Gesinnung ihn aber auch in jener Zeit, da er sich von seinen eigenen Freunden nicht mehr verstanden sah, leitete, bezeugen folgende Aus¬ sprüche aus dieser

Zeit: „Die

Sache des Evangeliums werde

Aber durch meine lange ich lebe. verlassen. Alles gestört werden. Schuld soll auch der Friede nicht wollte ich wohl dulden, nur nicht Zank und Streit. Und das

ich nicht

so

gerade ist über mich verhängt." Ferner: „Könnte ich mit meinem Blute die Vereinigung erkaufen, ich würde es gern vergießen." Und: „Bald bin ich in Gedanken in Frankreich, bald in England, bald wieder hier in unseren Bedrängnissen. Gehörte ich mir. so wollte ich mich in irgend eine Einsamkeit zurückziehen, statt in diesem Gewühl von Geschäften zu leben." Verheiratet war Melanchthon mit Käthe Krappin, der Tochter des Bürgermeisters Hieronymus Krapp von Witten¬ berg. Er selbst hatte nrcht ans Heiraten gedacht.^ Luther aber. besorgt um des Freundes Gesundheit und Leben, hatte ihn im Jahre 1520 dazu bestimmt. „Du sollst Deines Leibes pflegen," hatte er ihm zugerufen, „und DeinerWwachen Ge¬

Du verfällst ja wie ein Schatten. Deine und Deine Farbe ist bleich. ^ Es fehlte die rechte Atzung und Pflege. Du mußt besser essen und trinken, sundheit schonen.

Backen find hohl,

79

fleißig in die gute Luft wandern, ordentlich schlafen und ruhen, kurz Arbeit und Ruhe. Geist und Leib in das rechte Gleich¬ gewicht bringen, wie Gott es will. Dein Geist ist so rege auf dem Arbeitsplan, Dein Körperbau aber so schwach, daß Du nach etlicher Zeit erliegen mußt. Du wirst die schwachen Rädlein und Fädlein Deines Leibes bald lähmen und ver¬ brauchen, so Du sie nicht ordenüich salbest, hütest und pflegest. Das kannst Du aber nicht selbst, dieweil Du Dich stets selbst vergissest. Dir fehlt ein ordemlich Hauswesen, eine geregelte Wirtschaft, eine sorgende Seele in Deinem Hause, kurz: ein Eheweib! Du mußt freien, mein Philipp!" Und eine sorgende Seele in seinem Hause, ein treues Eheweib hatte Melanchthon in seiner Käthe gefunden. Sie war eine sehr fromme Frau, eine geschäftige und überaus fleißige Hausmutter und eine milde Nothelserin der Armen. Vur Kinder, zwei Knaben und zwei Mädchen, schenkte sie ihrem Gatten, und die wurden das Glück seines Herzens. Er sagt einmal: „Der Gedanke, Kinder zu haben, ist lieblich und wichtig; lieblich, denn ich weiß mir nichts Erfreulicheres, als wenn ich junge Seelen um mich sehe, die mit mir verwandt sind; wichtig, denn was hat wohl mehr Verantwortung, als Kinder zur Gottesfurcht und Tugend erziehen!" Melanchthon liebte seine Kinder so sehr, daß er. obwohl von Natur leicht reizbar, gern in ihrer Mitte arbeitete. Als einmal ein Franzose zum Besuch kam, traf er ihn in der Kinderstube, wie er mit der einen Hand die Wiege schaukelte und in der anderen em Buch hielt. Als er sah, daß der Gastfreund sich verwunderte, rühmte ihm Melanchthon die Pflichten des Familienvaters und die Segnungen des Familienlebens derart, daß er belehrt und beschämt von dannen ging. Gelehrsamkeit und Frömmigkeit, glänzende Begabung und rührende Bescheidenheit, unerschütterliche Glaubenstreiie und allumfassende Weitherzigkeit und Friedensliebe, freudigster Bekenntnismut und innigste Sanftmut und Milde, großartigste öffentliche Wirksamkeit und schlichtester Familiensinn, begeistertste Liebe zur Schule und aufopferndste Thätigkeit im Dienst der Kirche — das alles finden wir in dem Manne, der einst aus Süddeutschland nach Norddeutschland kam und die ganze übrige Zeit seines Lebens, mehr als vierzig Jahre lang, hier im Norden wirksam war, in seltenem Maße vereinigt. Möge das evangelische Deutschland am 16. Februar nicht nur dank¬ bar das Andenken Philipp Melanchthons feiern, sondern möge es sich auch ernstlich und aufrichtig bemüht zeigen, sich von Melanchthons Geist erfüllen zu lasten!

Lehre schon

bekannten oder derselben wenigstens nicht feind¬

Es waren Jakob Stratner, Hofprediger der fränkischen Markgrafen Georg und Albrecht, den sich der Kurfürst von diesen erbeten hatte, weil er schon bei der Ein¬ führung der Reformation in der Neumark mitgewirkt hatte, und Georg Buchholzer, der später als Propst in Berlin ein¬ gesetzt wurde; endlich Georg Witzel, der anfänglich lutherisch gesinnt war, damals aber der römischen Kirche sich wieder zugewendet hatte. Er war einer der begabtesten und geschicktesten Vertreter des „Resormkatholizismus." d. h. einer Richtung innerhalb der römischen Kirche, welche dieselbe von ihren Auswüchsen befreien wollte, ohne darum die Kirche zu verlassen. Seine wirkliche Gesinnung war daher in vieler Hinsicht der des Kurfürsten Joachim II. verwandt. Zu diesen drei Geistlichen gesellte sich der Kurfürst selbst, welcher an ihren Arbeiten und an der Abfassung der neuen Kirchenordnung persönlich teilnahm. Zu der Begutachtung dieser Arbeit wurde Melanchthon nach Berlin berufen. Der Kurfürst hatte im September 1539 ihn um sein Erscheinen gebeten, und Melanchthon entsprach dieser Einladung im Oktober jenes Jahres. Er war in Berlin Am 26. Oktober schrieb er zweifellos Gast des Kurfürsten. von hier aus an seinen Freund Veit Dietrich, Prediger in Nürnberg, über seine Thätigkeit. Er beklagte es, daß man einen Mann wie Witzel — er macht dabei das Wortspiel Witzel-Wiesel — zu Rate gezogen habe (nollem adhiberi in lich gegenüber standen.

Consilium Mustel am). — Dann berichtete er über Abweichungen, welche sich in den Ansichten des Kurfürsten von den seinigen Er habe manche derselben nicht billigen können. fanden. Uebrigens solle die Einführung der neuen Lehre am 1. November stattfinden. Die Privatmesten würden aufgehoben, den Geist¬ lichen die Ehe gestattet, das Abendmahl unter beiderlei Gestalt eingeführt und die reine evangelische Lehre gemäß dem

Katechismus gepredigt werden.

Freilich sollten trotz alledem

die katholischen Ceremonien im Gottesdienste und die Gewalt der Bischöfe beibehalten werden.

Daß Melanchthon dem nicht zustimmte, versteht sich von Aber er fügte sich endlich mit Stratner und Buchholzer dem Willen des Kurfürsten. Die Kirchenordnung wurde an¬ genommen und auch bald darauf von Luther in Wittenberg gebilligt. Noch einen anderen Dienst mußte Melanchthon dem Kur¬ fürsten leisten, der Zeugnis davon giebt, wie großes Vertrauen Joachim in die Weisheit und das Geschick des Wittenberger selbst.

Professors setzte.

Der König Sigismund von Polen, der Vater der Gemahlin des Kurfürsten, mußte für die Neuerung in der Lehre gewonnen werden, damit er seine Tochter zu deren Annahme

Von Ad. Brecher.

Bei der 400jährigen Gedächtnisfeier des Geburtstages Philipp Melanchthons darf auch die. Mark Brandenburg und insbesondere

Berlin nicht

vergessen,

daß

es

dem

großen

Reformator zu Dank verpflichtet ist. Das Werk der Reformation in Brandenburg beruht zu einem guten Teile auf dem weisen Rate und dem treuen Beistände des frommen Wittenberger Gelehrten. Als in Kurfürst Joachim II. der Entschluß gereift war, in seinen Landen die Reformation einzuführen, berief er zur Herstellung der neuen Kirchenordnung im Sommer 1539 zu¬ nächst eine Gemeinschaft von Theologen, die sich zur evangelischen

beeinflußte.

König Sigismund war für seine Person einer Reformation innerhalb gewisser Grenzen nicht abgeneigt. Darum kam es darauf an. ihm die Sache in der seiner Gesinnung entsprechenden Form darzulegen. In dem Briefe des Kurfürsten an den König, bei dessen Entwurf Melanchthon mitwirkte, wurde dies Die Kirche, sagt der Kurfürst, sei voll geschickt durchgeführt von Mißbräuchen, welche er weder billigen noch mit Hart¬ näckigkeit verterdigen könne. Neue Uebel seien zu den alten hinzugekommen, da die Kirchenzucht gelockert und das Volk im Ungewissen sei, was es glauben solle und was nicht. Dem

>.

80

Ordnung wieder hergestellt und die Kirche mit tüchtigen Lehrern versehen werden, damit das Volk endlich erfahre, was es zu glauben habe. — Er gedenke, dies zu thun; müsse abgeholfen, die

vom Erb-Reichs-Postmeister unterhaltenen alsbald aufgehoben würden. Gegen den Schluß des Briefes heißt es: „Wir getrösten uns auch gäntzlich, wann Eure Liebden in Ihren Landen darzu cen Anfang machen würden, daß die benach¬ barten Stände dann also nachfolgen und desto ehender fich denen außgelassenen Kayserl. Befelchen bequemen würden." Der Große Kurfürst, der mit Recht als der eigentliche Be¬ gründer des Preußischen Postwesens gilt. cntgegnete darauf 6s dato Cöllen an der Spree den 26. April aimo 1660 (nachdem ihm das Kaiserliche Schreiben übrigens erst am 16. April zugegangen war), daß er gar keine Ursache habe und auch ganz und gar nicht gemeint sei, sich mit dem Grafen von Taxis über seine Landeshoheiten in irgend einer Weise einzulassen und er fich dagegen sehr verwahre, wenn der Graf von Taxis die unbeschränkte Ausübung seiner Hoheiten und

aber er wolle fich dabei weder von der römischen Kirche trennen, noch die bischöfliche Gewalt abschaffen. Er werde sich gerne unter die Anordnungen eines später zu berufenden

Konzils beugen.

Nur

die päpstlich Gesinnten hätten dessen

Zustandekommen bisher gehindert, indem sie fich dessen Berufung widersetzten. — Was die Kurfürstin anlange, so solle auf sie

keinerlei Zwang ausgeübt, ihr vielmehr die Freiheit belasten werden, alle Ceremonien beizubehalten, die sie beizubehalten



wünsche.

Damit halte Joachim glücklich alle Klippen umschifft, die ihm von polnischer Seite her gefährlich werden konnten. Melanchthon aber gebührt insbesondere die Anerkennung, Brandenburg und seinem Kur¬ fürsten,

Berlin

nicht am wenigsten auch einen Dienst erwiesen zu

haben,

dessen



Gerechtigkeiten einen

Werl und Segen

nicht nur die damals lebenden Ge¬ schlechter, sondern auch die gegen¬

wärtige

Generation reichlich an erfahren hat und in Zukunft fich auch noch erfahren wird. —

an

keinem

Reich und Provintzien teutscher Nation", finde: sich eine sehr inter¬

Römischen

Das Luther- und Melanchthon-Denkmal in Leipzig.

dessen

Korrespondenz

beigeschlossen,

welche

zwischen

dem

Kaiser Leopold I. und Friedrich Wilhelm, dem Großen Kurfürsten von Brandenburg, wegen des Postwesens deutschen

in den Brandenburgischen Landen

anderen

Zwecke"

vor¬

stellen, daß, wenn auch im Jahre

scheidung der Kaiserlichen Reser¬ vaten und Hochheiten, absonder¬ lich von dem Ihrer Kaiserlichen Majestät reiervirt en Bosireaal im

essante

ge¬

lediglich „zur umständlichen In¬ formation des Kaisers und zu

Einer ausführlichen Schrift von Cäsar Turrianus vom Jahre 1694, betitelt: „Glorwürdiger Adler, das ist gründliche Vorstell- und Unter¬

allen

ein Taxissches Postwesen

dacht) erlangte Reichsbelehnung und ruhige, ungekränkte Ausübung derselben in Zweifel ziehen werde. Er, der Kurfürst, wolle aber

Zw ei Srie fe Friedrich MHBns, des Großen Kurfürsten von Kmn-mdurg.

gantzen

Eingriff oder

Unordnung zu nennen fich unter¬ Er vertraue, daß der fange. Gras fich in seinen gehörigen Grenzen halten und weder in Bezug auf ihn, noch auf die anderen Stände die vor vielen hundert Jahren (und bevor noch

s.

Z. ausgetauscht wurde.

Bekannt ist, daß der Erb-Reichs-Postmeister Lamoral Claudius Franciscus, Graf von Thurn und Taxis, beim Kaiser fich darüber beschwert hatte, daß sowohl im Kurfülstentum Branden¬ burg als bei andern Ständen des Reichs eigene Landesposten eingerichtet und immer mehr ausgedehnt würden, und dem Erb-Reichs-Postmeister der ungehinderte Lauf eigener Posten in jenen Landen nicht gestattet werde. Der Grus von Thurn und Taxis hatte dies dem Kaiser gegenüber eine Unordnung und einen Eingriff in seine Rechte genannt. Kaiser Leopold richtete infolge deffen unterm 20. September 1659 einen Brief an den Großen Kurfürsten, in welchem er die Beschwerden des Grafen von Thurn und Taxis mitteilt und das Ersuchen stellt, daß in Kurbrandenburg alle anderen Posten als die

j

1615 der Graf Lamoral vom Kaiser Matthias die Belehnung über die Posten erlangt habe, einiger Kurfürsten und seitens Stände — trotz des Ersuchens des Kaisers vom 26. Juni 1615 — die Einrichtung neuer Taxisscher Posten nicht gestattet worden sei, während die übrigen Fürsten die Posten

und deren „unbeschränkte Bestellund Verordnung" in ihren Landen wie bisher so auch ferner beibehalten hätten.

Was besonders die Markgrafen und Kurfürsten von Brandenburg anlange, so hätten dieselben niemals anders als die eigenen Posten gehalten, Postmeister beeidet und alles dazu Erforderliche geordnet und geändert, und seien solcher Gestalt bis auf gegenwärtige Stunde „irr Huistissirno Juris Postarum exercitio“ gewesen und geblieben. Daß sich auch nur einzelne Fürsten und Stände zu der Taxisschen Belehnung verstanden, und daß sogar einige größere Reichsstädte ihr eigenes Postrecht verteidigt hätten, das ginge aus den hierauf fich beziehenden Kaiserlichen Erlassen vom 5. Juli 1624 an die Städte Cöln,

Nürnberg und Frankfurt hervor. Die Belehnung des Grafen Taxis habe fich auch nur auf die von alters her gebräuchlichen

„ordiuar-Posten" bezogen, wie dies aus den Reversen des Kaisers Ferdinand vom 3. und 26. März 1647, sowie daraus zu ersehen sei, daß die von dem Römischen Kaiser dem Graf

von Taxis gemachte Belehnung den eigenen Oesterreichischen Posten „keinen Eintracht. Irrung, Verhinderung oder Be¬ schwerung, wie und auff was Weise solches immer geschehen und zu gehen möchte, thun und zufügen lassen wollte." Auch in dem Erlaß Kaiser Ferdinands III. vom 12. August 1637 sei nur von der ungebührlichen Einrichtung und Ausdehnung der Metzger- und Botenposten einiger Kauf- und Handelsleute und Städte, welche dem Kaiserlichen ordentlichen Postwesen Schaden zufügten, die Rede; es werde in dem besagten Patente aber nicht beabsichtigt, „irgend einem Kurfürsten oder Stande

in seinem wohlhergebrachten und fort und fort exercirten oder Hinderung zu machen." In den weiteren. Ausführungen des Schreibens wird ausführlich darauf hingewiesen, daß bet der Wahl des Kaisers in Frank¬

Jure Postarum Eintracht

furt am Main (Juli 1658) der Graf von Taxis dahin agitiert habe,

daß

Kaiser das

dem

römischen

in seinen Erblanden Jus Postarum „per

Capitulationem“ und

abgeschnitten

Beförderung und besserer Bestellung der Post

angetrieben werden. Ich lasse auch noch stets durch meine Bediente mit allem Fleiß und Eyffer dahin arbeiten, daß die Posten in meinen Landen noch mehr und mehr verbessert

und Commodität der höchstnöthigen Correspondentzien im heil. Röm. Reich und außer demselben nach Preussen, Pohlen und Muscau je länger je besser conjungirt werden mögen." Schließlich bittet der Kurfürst den Kaiser, daß er dem Grafen von Taxis sein unziemliches Verhalten ernstlich verweisen und ihn veranlassen möge, daß er sich künftig gegen die höheren Stände anders betragen und mit dem „auß dem H. Röm. Reich ziehenden Vortheil sich vergnügen lasse." Der Kaiser Leopold antwortet unterm 12. November 1660 aus Wien, indem er dem Kurfürsten zu erkennen giebt, daß er sein Schreiben dem Grafen von Taxis übermittelt und dieser einen Gegenbericht

habe, welchen er in den Anlagen

werden aber be¬

dem Kurfürsten zugehen lasse.

Antwortschreiben des Das Kurfürsten aus Cleve vom 5. Januar 1661 ist sehr charak¬ teristisch, indem dasselbe in noch schärferer Form als das erste

Das sei auch Artikel 35 der Wahl-Kapitu lation zum Ausdruck gekommen. Aus mehreren, am Tage Wahl aufgenommenen Proto¬

wolle.

kollen

ginge auch besonders hervor, daß, wenn irgend ein Kurfürst, Fürst oder Stand sich

Geburtshaus Melauchthons i» Brette».

freiem Willen mit dem

Grasen Taxis wegen Ausübung des Postwesens Landen verglichen habe, hierdurch die übrigen

in

eigenen

Kurfürsten, und Stände, welche nach wie vor ihr Postregal selbst ausüben wollten, in keiner Weise beschränkt sein sollen. Sehr bemerkenswert sind die am Schluffe des fünf Druckseiten umfassenden Briefes enthaltenen Worte, welche wörtlich angeführt zu werden verdienen: „Ew. Kayserl. Majestät versichere ich, daß in meinem Lande die Posten so gut als immer möglich eingerichtet, und nicht allein die Reichs¬ Fürsten

Correspondentzien auffs schleunigste be¬ fördert werden, sondern auch jedermänniglich sich derselben mit großer Commodität gebrauchet, gestalt denn offenbahr und bekand ist. daß die Gräffliche Toxische Postbediente dadurch nicht wenig aufgemuntert und zu gleichmäßiger schleuniger

und alle anderen

Mal

die

Ansprüche

des

Grafen Taxis zurückweist und das Bewußtsein des großen Fürsten über die unbeschränkte Souveränität in seinen Landen Auch zum Ausdruck bringt. hebt der Kurfürst in seinem Schreiben hervor, daß dasjenige, was er das erste Mal aus¬ führlich berichtet „alles bloß und allein zu Ew. Kays. Majestät besseren Information, keines Wegs aber mit dem Graff Taxis einzulassen ge¬ „Also — fährt schehen sei." der Brief fort — muß ich's

anderen Reichsständen ausüben

aus

eingereicht

genommen

Es sei sonders von Kursachsen und Kur-Pfalz, wie auch von der Brandenburgischen Gesandtschaft beantragt worden, daß man den Graf von Taxis mir seinen unbegründeten und unziemlichen Ansinnen nicht hören, sondern dem zukünftigen Kaiser anheim¬ geben solle, wie und auf welche Weise er in seinen Erblanden das Postwerk einrichten und das ihm zustehende Regal gleich

möchte.

und mit den

benachbarten angrenzenden Posten zu weiterer Beschleunigung

dabei nochmals aller¬ dings bewenden lassen, und und welcher Gestalt zu seiner auch

wird dahin stehen. wie Zeit der Graf Taxis die in seiner von Ew. Kayserl. Majest. unterm dato Wien den 12. November des verwichenen Jahres mir communicirten Schlifft enthaltene ver¬ und mehr denn unleydentliche Aufflagen. und ab¬ sonderlich daß ich und andere meine Mtt-Slände mehr unser Postregal dergestalt mißbrauchen und dann durch frembde messene

schädliche Correspondentzien zu gäntzlicher Umwerfung des gantz allgemeinen Wesens suchen würden, zu verantworten gedenken,

vor mich und meine Milstände deßhalb die Schließlich Nohturfft außtrücklich wieder ihm vorbehalte." daß veranlassen, möchte Kaiser, er bittet der Kurfürst den — wie Zuschriften derartige höchst strafbare und beleidigende

gestalt dann ich

die des Grafen Taxis

— für

die Folge überhaupt nicht mehr

82 würden, und daß der Graf Taxis mit Ernst werde, falls er überhaupt gegen ihn — den Kurfürsten — oder seine Mitstände etwas anzubringen habe, daß er sich in angemessener Weise benehme. Der Erfolg tft auf der Seite des Großen Kurfürsten geblieben; die Brandenburgischen, angenommen angewiesen

später Preußischen Posten, wuchsen und gediehen, die Taxisfchen Posten mußten das Zeitliche segnen, und aus den verschiedentlichen deutschen Postwesen heraus erblühte von neuem die Reichs-Post, die noch vielen Generationen zum Segen gereichen

E. B.

möge.

Kleine Mitteilungen Friedrich Kaiser Wilhelm I. und .her Eiserne Kreuz stiftete, verordnete Wilhelm III. er im dritten Paragraphen der Stiftungsurkunde: „Der Orden xcmr le merile wird in außerordentlichen Fällen mit drei goldenen Eichenblättern am Ringe erteilt/' Als nun König Wilhelm 1866 die Schlacht bei

onffffi'ÄflStr'ffi

Königgrätz gewonnen hatte, konnte man wirklich sagen, daß dies wohl ein außerordentlicher Fall war. Schon in den Hauptquartieren zwischen Pardubitz und Brünn war unter den Generalen viel davon die Rede gewesen, daß der König nun wohl die besondere Auszeichnung anlegen werde. Da das aber nicht geschah, da das Kreuz am Halse des Monarchen keine Eichenblätter wachten lassen wollte, nahm sich der Generalmajor Graf Bismarck, ilnser späterer erster Reichskanzler, die Freiheit, dem Könige zu sagen, daß seine Generale ihn demnächst mit den drei Eichen¬ blättern geschmückt sehen möchten. „Hören Sie 'mal, lieber Bismarck, so etwas darf ich weder wissen, noch erfahren haben," meinte der oberste Kriegsherr ernst. Damit war die Sache abgemacht. Auch als Prinz Friedrich Karl seinen königlichen Oheim bat, der Armee doch durch Anlegitng der Eichenblätter eine Freude zu bereiten, da es doch ein außer¬ ordentlicher Fall sei, daß eine preußische Armee als Siegerin auf dem Marchfeldc bei Wien große Parade habe und Friedrich Wilhelm IN. ihm, dem Enkel, nach Königgrätz sicherlich die drei Eichenblätter verliehen haben würde, lehnte der König dieses Anerbieten kurzweg ab. Die Paraden vor Wien gingen, ohne daß das preußische Heer seinen Kriegsherrn mit den bewußten Eichenblättern sah, vorüber. Doch der bescheidene Monarch hatte die Rechnung ohne seinen Sohn gemacht. Als der Kronprinz bei Königgrätz sich selbst dielen höchsten Schmuck verdient hatte, verschaffte er sich ganz in der Stille drei goldene Eichenblatter, kam dann am 3. August, als die Truppen schon auf dem Rückmarsch nach Berlin waren, in Prag im „Blauen Stern", wo sich des Königs Hauptquartier befand, an und ließ sich von seines Vaters Kammerdiener des Königs Kreuz zum Orden pour le merite geben, an welches er nun ohne weiteres die Eichen¬ blätter befestigte, so daß der Herr Papa, ohne es zu wissen, die Aus¬ zeichnung am Halse trug. Aui Söhne, die ihre Probe auf dem Schlachtfelde abgelegt haben, können Väter nicht lange böse sein, und so sind denn die Eichenblätter an dem „blauen Kreuze", die „unser Fritz" im Prager „Blauen Stern" dem greisen Vater „verlieb", auch an demselben verblieben. M. M. — Angeblich geflügelte Worte Friedrichs des Großen. Von einem unserer verchrtemAbonnenlen wirb uns geschrieben: ,

„Ich bin es müde, über Sklaven zu herrschen" und „Ja, wenn es kein Berliner Kammergericht gäbe" — diese beiden geflügelten Worte, hineingeschmuggelt in Schilderungen des „großen Königs", sind geschichts- wissenschaftlich gleich Null.

Die ersterwähnte, gänzlich unverbürgte Königliche Redewendung entnahm man — nachdichtend — vielleicht aus Montesquieus „Gespräch zwischen Sulla und Eukrates". Dort heißt es: „Ich war nicht dazu geschaffen, ruhig über sklavisches Volk zu herrschen". Wahrscheinlicher aber ist, daß jener vermeintliche Ausspruch des „Philosophen von Sanssouci" herausgestaltet wurde aus einer seiner letzten Kabinettsordres; denn am 1. August 1786 schrieb Fridericus Rex dem Königsberger Kammerpräsidenten wegen Austrocknung eines großen Morastes und „dort" (auf einer Königlichen Domäne) „anzusetzender Leute" u. a.: die¬ selben müßten „alle" ihre Güter eigentümlich haben, „weil sie keine Sclaven sein sollen". Und: „Es ist ferner die Frage, ob nicht alle Bauern in Meinen Aemtern aus der Leibeigenschaft gesetzt werden können". Wegen des Windmüllers von Sanssouci enthält das Hertslctsche Büchlein „Treppenwitz der Weltgeschichte" (Berlin 1882, F. Weidling, Dessauerstr.; Seite 136 u. f.) eine angemessene Berichtigung, zu welcher hier angefügt sein möge, daß anläßlich eines Kammergerichtsjubiläums die genauesten, aber ergebnislosen Nachforschungen stattfanden betreffs einer Ursache für das (nur anekdotisch bekannte) Trotzwort des wind¬ müllerischen Potsdamer Nachbars unseres am 24. Januar 1712 geborenen „großen Königs". L. W. Prinz August Wilhelm vou Preuße». Dem Prinzen August Wilhelm von Preußen, welcher am 29.Januar sein lO.Lebensjahr vollendet, batte der Kaiser schon an seinem eigenen Geburtstage die Freude gemacht, die Uniform des 1. Garderegiments zu Fuß anlegen zu dürfen, in welcher er sich bei der Gratulation der Kaiserlichen Familie am Mittwoch früh als jüngster Lieutenant bei seinem Vater meldete und in derselben auch abends in Begleitung seiner älteren drei Brüder zur Festvorstellung im Opcrnhause erschienen war. Der junge Prinz, der zum ersten Mal einer so glanzvollen Vorstellung beiwohnte, konnte sich nicht satt sehen und fragen; der zwsite Sohn des Prinzen Albrecht, Prinz Joachim Albrecht, und eine Hofdame mußten die vielen an sie gerichteten Fragen beantworten und thaten dies mit großem Vergnügen.

Mit der Ernennung des Prinzen August Wilhelm zum Sekondelieutenant erhält derselbe auch das Recht, fortan Stern und Band des Schwarzen Adlerordens anzulegen. Nur ein einziges Mal, bei dem hernachmaligen König Friedrich II., ist anders verfahren worden. Als am 24. Januar 1712 dem damaligen Kronprinzen der erste Sohn geboren wurde, ließ sein Großvater dem Enkel eine Sammetdeckc über das Bettchen legen, welche mit dem Stern des im Jahre 1701 gestifteten Ordens vom Schwarzen Adler bestickt war, und kurze Zeit darauf hängte er persönlich dem kleinen Prinzen das Orangeband uiit den blauen In¬ signien des Ordens um. Nie wieder ist seitdem einem preußischen Prinzen eine gleiche Auszeichnung zu Teil geworden. Parole. Ein neues Bonmot Kaiser Wilhelms II. In Offizierskreisen macht ein neues Bonmot Sr. Majestät des Kaisers die Runde und erregt überall große Heiterkeit. Bei der Vorstellung der Rekruten der Leibkompanie des 1. Garde-Regiments zu Fuß in Potsdam war auch der Kaiser zu¬ gegen und richtete während und nach derselben an mehrere Rekruten einzelne Fragen. So erkundigte er sich über die Pflichten des Wacht¬ postens und fragte unter anderm: „Was thun Sie, wenn Sie auf Posten stehen, und es versammeln sich in Ihrer unmittelbaren Nähe viele Menschen?" „Ich fordere sie auf, sofort aus einander zu gehen, Eure Majestät!" „Gut," meinte der Kaiser. „Es bleibt jedoch ein Mann zurück, kommt auf Sie zu und macht sich lästig. Was sagen Sie dann?" — Mit militärischer Kürze antwortete der Rekrut: „Belästigen Sie mich nicht, Eure Majestät." Der Kaiser lachte recht herzlich und meinte schließlich zu dem jungen Vaterlandsverteidiger: „Nun ja, ich gehe ja schon, ich werde Sic nicht weiter belästigen!" Sprach's und wandte sich lächelnd an einen andern Rekruten. — Bauliche Veränderungen in Berlin. Ueber große bauliche Veränderungen in Berlin schreibt der „Kons." folgendes: An der Gertraudtenbrücke ist das Kaufhaus „Hansa", das den ganzen Raum zwischen der Oberwasserstraßc, der Kur- und der Kleinen Kurstraße einnimmt, jetzt im Rohbau fertig; ein zweiter Monumentalbau, das mit einer Front an die Poststraße, mit der andern an die Burgstraße grenzende Kaufhaus „Elsaß", ist bis auf die teilweise noch fehlende innere Ausstattung vollendet und dürfte demnächst bezogen werben können. Der neue Dom reckt sich in seinem mit schöner Sandsteinbekleidung versehenen Rohbau schon Big zum Turmgerüst empor. Am meisten verändert, und zwar gegen früher sehr zum Vorteil, erscheint der Neue Markt, überhaupt die nähere Um¬ gebung der alten Marienkirche. Hier sind im letzten Jahre eine ganze Anzahl geschäftlicher Neubauten entstanden, die sich weit schmucker ausnchmen, als die alten Wohnbaracken, die früher an ihrer Stelle standen. Insbesondere gilt das von jenem imposanten Kaufhause der Bischof¬ straße, das, zur Marienkirche durchführend, sich in Baustil und Form ganz an diese angepaßt hat. Auch die Tage der letzten am MärienKirchhof noch stehenden alten Baulichkeiten sind gezählt. Denn die Nachricht bestätigt sich, daß bie neben dem Gebäude der Stralauer Ge¬ nossenschaftsbank belegenen Häuser Klosterstraße 13, 14 und 15, die mit ihren ruinenhaften Hintergebäuden die Umgebung der Marienkirche noch verunzieren, zum Frühling abgebrochen und durch einen monumentalen geschäftlichen Neubau ersetzt werden sollen. Auch ein anderer Kirchplatz hat im letzten Jahre sehr gewonnen. Die neue Georgenkirche ist jetzt, sich anlehnend an das alte, im Jahre 1779 errichtete Gotteshaus, im Rohbau fast vollendet, uns man muß sagen, daß sie mit ihren reich ge¬ gliederten Formen einen recht guten Eindruck macht. Nur der schon von weitem sichtbare Turm der Kirche ist noch nicht ganz fertig, und das Nachbargebäude wird zum Zweck eines Neubaues soeben abgerissen. Man sieht, wie auch hier, auf diesem alten, halbvergeffenen Platze, ein Neubau den andern nach sich zieht. der Brüderstraße werden die Hertzogschen Häuser von Nummer 24 bis 33, das Eckhaus der Neu¬ mannsgasse und das Hertzogsche Grundstück weiter in der Neumannsgassc im April mit dem alten Kaufhause vereinigt, die Häuser Breite¬ straße 12 und 13 ebenfalls genanntem Kaufhause durch Neubau einverleibt; die Häuser Breitestraße 17 und 18 zum Betrieb des Versandgeschäftes Das Rößlersche Haus in der Scharrenstraße, hinzugenommen. neben dem Kölnischen Rathause, hat Herr Rudolph Hertzog angekauft. Kunst-Auktionshaus von Rudolf Lepke. Einen interessanten Beitrag zur Kunstgeschichte Berlins liefert der Jahresbericht aus dem Rudolf Lepkcschen Kunstauktionshause für das vergangene Jahr. Nach demselhcn hat gerade das Jahr 1896 einen ganz außergewöhnlichen Verkehr zustande gebracht. Die hervorragendsten Privatsammlungen, teils aus Berlin, teils von außerhalb, wurden zur Versteigerung in das Lepkesche Kunstauktionshaus geschickt. Es kamen im Jahre 1896 durch dasselbe 46 Kataloge zum Vertrieb, die Nummern 1025 bis 1070. An 130 Tagen fanden Versteigerungen statt, von denen die Mehrzahl Antiquitäten aller Art betrafen. Nach einzelnen Nummern berechnet, kamen allein über 15 000, darunter sehr kostbare Sachm unter den

In

83 Hammer. Oelgemälde und Aquarellen wurden über 5060 versteigert, unter denen sich Werke befanden, welche mit 8 bis 10 000 Mar! und darüber bezahlt wurden. Einheitliche Kupferstichversteigcrungen fanden nur vier statt, wobei an 4000 einzelne Nummern zum Verkauf kamen. Auch Juwelen kamen nur zweimal, Bücher unc> Autographien nur je Ganz bervorragcnde Kunstsammlungen einmal unter den Hammer. wurden, wie schon erwähnt, im vorigen Jahre durch das Lepkesche Kunst¬ auktionshaus versteigert. Dazu gehören die kostbaren Bildergalerien des Herrn Martin Heckscher und der Frau Jobanna von Tischer aus Wien, Leipzig, die Kunstsammlung des Bildhauers M. A. Zur Strassen aus Sammlung des kostbare Thiem, und allem die vor des Herrn Adolph in Berlin gestorbenen Kunsthändlers Louis Gottschalk, welche volle zehn Tage in Anspruch nahm. Erwähnenswert sind ferner die Versteigerungen des künstlerischen Nachlasses des Malers A. Haun, des Professors Georg Bleibtreu, des Genremalers Fr. Kraus und des Pianisten Prof. Louis Brassin. Der Wert des Wert des Charlottenburger Grundbesitzes. Der Magistrat von Charlottenburger Grundbesitzes steigt rapide. Charlottenburg will vier Grundstücke zu Schulzwecken kaufen. Die dasür in Aussicht genommenen Gelände haben eine Ausdehnung von rund acht Morgen, wofür anderthalb Millionen Mark gefordert werden, was einem Durchschnittswert von etwa 190 000 Mk. für den Morgen gleich¬ der Augsburgerstrabe kostet der Quadratmeter Land käme. 100 Mk, in der Goethestraße 70 M'., in der Knesebeckstraße 80 Mark und in der Bismarckstcaße 58 Mk. Ein zum vielfachen Millionär gewordener Gärtner in Berlin kaufte vor 30 Jahren von Kilian, dem bekannten Schöneberger Millioncnbauer, in der Habsburgerstraße Kartoffel¬ land zum Preise von hundert Mk. für den Morgen und erhielt noch obendrein ein Stück Land geschenkt. Jetzt wird er bald ebensoviel für den Quadratmeter erzielen können.

In

Zur Ausschmückung der Sieges-Allcc. Auf Wunsch des Kaisers sollen, wie wir erfahren, die Bänke, die als Halbrondells jede Fürsteugruppe umschließen bezw. abschließen werden, jedesmal im Stile der den 32 der äußeren Zeit des betreffenden Herrschers gehalten werden. Form nach gleichen Bänken weiden demnach der gotische, der romanische und der gotisch-romanische Stil, die Renaissance, Barock und Rokoko Die moderne Zeit soll möglichst in dem zum Ausdruck gelangen. Bestreben dargestellt werden, die alten Formen des deutschen Mittel¬ alters neu zu beleben. Die Skizze» der für den Viktoriapark bestimmten Hermenstand¬ bilder befinden sich gegenwärtig im Festsaal tes Rathauses. Sie stellen die Sänger der Freiheitskriege dar. Die schönste und auch dankbarste Figur ist die Theodor Körners von Wenck: der Dichter, im Wnffenrock des Lützower Jägers mit dem Mantel, umfaßt mit beiden Händen den Säbel und hält den begeisterungsvollen Blick nach oben gerichtet wie zum heiligen Gelöbnis. Den charakteristischen Kopf von Ludwig Uhland, dessen Seherblick nach links gewandt ist, hat Max Kruse geschaffen. Ernst Moritz Arndt, von Hans Lall, hält in der linken ein Blatt, in der rechten die Feder, und aus dem Ausdruck seines Antlitzes glaubt man das Lied zu lesen „Was ist des Deutschen Vaterland?" Der Kopf des edlen Rückert mit dem herabwallenden Haar ist offen und frei in die Ferne gerichtet, seine Linke hält ein aufgeschlagenes Buch, die Rechte eine Feder. Rückert ist von Lepcke, Heinrich von Kleist von Pracht und Schenkendorf von Reichel modelliert. Die Hermen werden in wetterfestem Marmor aus¬ geführt. Ausstellung im Königliche» Zeughanse. Seit der großen ParoleAusgabe am Geburtstage Sr. Majestät des Kaisers sind im Lichthofe des Königlichen Zeughauses eine Anzahl neu hinzugekommener Stücke ausgestellt. Es sind eine Reihe von Flaggen, dann einzelne Geschenke — darunter als vornehmstes ein Erinnerungsstück an den Prinzen Alexander von Preußen eine Widmungstafel an den Fcldmarschall Moltke, einige Ankäufe und zuletzt die große, Seiner Majestät dem Kaiser als Jubiläumsgabe (1870/71—1895/96) dargebrachte Waffensammlung des Herrn N. von Dreyse-Sömmerda.

In

-,

In

dem neuen Figurenschmuck im neuen Abgeordnctenhause. Abgeordnetenhaus werden einen hervorragenden Teil der inneren Aus¬ schmückungen vier Kolossalfiguren bilden, welche ihren Platz in der großen Vorhalle zu beiden Seiten der zu dem großen Sitzungssaalc cmporführenden Treppen finden sollen. Die vier Figuren, welche sämtlich von dem Bildhauer L. Starck ausgeführt werden, sollen die Beredsamkeit, die Weisheit, die Gerechtigkeit und die Treue- verkörpern. Die Bered¬ samkeit und Treue werden durch männliche, die Weisheit und Gerechtig¬ keit durch weibliche Gestalten dargestellt.

Ein mutmaßlicher Königssarg aus Stein ist aus einem Hüncngrabc auf Helgoland zu Tage befördert worden. Derselbe wurde nach Berlin überführt und soll nach seiner Restaurierung und nachdem er wissen¬ schaftlich untersucht worden ist, dem Museum für Völkerkunde einverleibt werden.

Kücherttsch. Die Poggenpuhls. Roman von Theodor Fontane. Berlin 1896. Verlag von F. Fontane & Co. Preis 2 Mk. „Die Poggenpuhls" sind eine liebenswürdige Familie, wie sie nur Altmeister Fontane zu zeichnen versteht. Der Major von Poggcnpuhl ist am 18. August 1870 bei Gravelotte an der Spitze seines Bataillons

gefallen und hat seiner Familie nichts hinterlassen als einen guten alten Namen und drei blanke Krönungsthaler. Wie die verwitwete Frau Majorin mit ihren drei Töchtern sich mit Gottvertraue» und Humor durchschlägt — das ist der Inhalt dieser neuesten Schöpfung Fontanes, die mehr ein Stimniungsbild aus der Großstadt als ein Roman ist. Aber was für ein Stimmungsbild! Man sieht die lieben Menschen in ihrer bescheidenen Wohnung in der Groß-Görschenstraße körperlich vor sich, so greifbar veisteht der Dichter zu schildern. Sie leben nur für die beiden „Jungens", für Wendelin, der schon ein älterer Premier ist, und für Leo, den jungen Leichtfuß; beide Brüder dienen in demselben binterpommerschen Regiment, in dem schon der Vater seine Laufbahn begonnen und am denkwürdigen 18. August in Ruhm und in Ehre beschlossen hatte. Diesen Ruhm zu steigern, strebt die schwesteiliche Trias mit allen Mitteln an. Die älteste Schwester, Therese, hält die Poggenpuhlsche Fahne in den Generals- und Minister-Familien in der Rehren- und Wllhclmstraße hoch. Sophie, die zlveite, „ein freundliches Pudelgesicht mit Löckchen", malt, zeichnet, dichtet, musiziert und ist mit Manon, dem Nesthäkchen und Plaudermund, in der „seinwollcnden Aristokratie" der Finanzwelt heimisch. Dazu der alte Onkel General, ein Kabinettstück feinster Fontanescher Charakteristik, die Frau Majoriu, die „das Leben zerrieben und mürbe gemacht hat", und last not least, das Dienstmädchen Friederike, ein Musterbild schlichter Treue — es ist in der That ein hoher Genuß, in die Herzen dieser Menschen zu blicken, deren Wesen und Wollen man kennen lernt, als seien es alte Freunde, R. G. mit denen man Jahre hindurch verkehrt hat.

Napoleon I. und der Ueberfall des Lntzowschen Freikorps bei Kitzen am 17. Juni 1813. Ein Beitrag zur Geschichte der Freiheits¬ kriege. Mit einer Karte von Kitzen und Umgegend 1818. Von Adolf Brecher. Berlin 1897. R. Gärtners Verlagsbuchhandlung Heim Heyfelder. Preis 3 Mark. Durch diese auf den sorgfältigsten und fleißigsten Studien beruhende Arbeit ist nicht bloß über das unglückliche Gerecht bei Kitzen zum ersten Male volles Licht verbreitet, sondern cs ist auch die deutsch; Nation von jeder Mitschuld an jenem frechen Bruch des Völkerrechts glänzend

Unter Heranziehung bis dahin in Deutschland nicht bekannter französischer Quellen ist überzeugend nachgewiesen worden, daß Napoleon I. allein der Urheber jenes Bubenstücks war, und daß Friedrich Förster recht hatte, wenn er schon vor vierzig Jahren urteilte: „Diese Greuelthat schließt sich den vielen anderen Mordthaten, welche dcr Franzosenkaiser in Deutschland verübt hat, nichtswürdig an; hier stellen mir die Anklage auf Mord mit Vorbedacht." Wir beabsichtigen, dem¬ nächst im „Bär" in einem besonderen Artikel das Resultat der mühsamen Forschungen Adolf Brechers kurz zu skizzieren, können aber nicht umhin, dem als gediegenen Geschichtsforscher bekannten Verfasser schon jetzt unseren wärmsten Dank für diese seine wertvolle Arbeit, die zugleich als — n. patriotische That bezeichnet werden muß, zu bezeugen.

gereinigt geworden.

Meyers Konversations-Lexikon, Band XIV. Das neue Werk, dem erst vor kurzem wieder berufene Kritiker in ausführlicher Begründung die führende Stellung in der encyklopädischen Litteratur der Gegenwart Hervorragend sind in dem zuerkannt haben, naht der Vollendung. neuerschienencn, die Sticbworte „Politik" „bis Russisches Reich" umfassenden Band die liltcrarhistorischen Arbeiten über polnische, portugiesische und russische Litteratur, die die Entwickelung des geistigen Lebens jener

mit leuchtender Klarheit aufzeichnen. Dieses Gebiet hat außerdem noch eine würdige Vertretung in dem Artikel „Roman" gefunden, kcr nach einem gedrängten, aber erschöpfenden Resümee über Begriff und Wesen in die „Geschichte des Romans" übergeht und sich hier zu einer überaus wertvollen, umfassenden Studie über die Ausbreitung der Romanlitreratur bei den Kulturvölkern entfaltet. Der „Presse" ist gleichermaßen ein größerer Aufsatz in Verbindung mit einer eingehenden Darlegung der preßgesetzlichen Bestimmungen in Deutschland, Österreich und den übrigen Nachbarreichen gewidmet. An den früherm Bänden bereits haben wir die Gründlichkeit in der Behandlung geschichtlichgeograhischcr Themen gerühmt; sie zeigt sich auch in dem neuen Band bei den von reichem kartographischen Material unterstützten Arbeiten über Preußen (mit neuer farbiger Tafel „Preußische Provinzwappen"), Portugal, Rumänien, Rom (Alt- und Neu-Rom), Römisches Reich, Russischs Reich. Zur Erkenntnis unsers Seelenlebens dienen die mit imponierender wissenschaftlicher Vertiefung geschriebenen Beiträge über Psychologie, Psychophysik, dann über Psychiatric, während aus der Sphäre der Kunst und Kunstgeschichte die glänzend geschriebenen biographischen Artikel „Raffael", „Rauch", „Rossini", Rubens" und weiter der Aufsatz „Russische Kunst" (mit neuen Tafeln „Russische Kultur I und II") unbedingten Anspruch auf vollste Würdigung erheben können. Für einschlägige Fragen auf dem Gebiete der Rechts- und Staatswissenschastcn ermöglichen die gemeinverständlichen Abhandlungen über Rechtswissenschaft und die Reichsangehörigkeit, Reichsbehörden etc. eine vortreffliche Zu der Darstellung des Verkehrswesens in Meyers Orientierung. Konversations-Lexikon tritt in der gegenwärtigen Fortsetzung der Artikel „Post", der unter diesem Stichwort neben d>r Geschichte des PostwescnS die heutige Einrichtung und den Betrieb dieser Anstalt im deutschen und internationalen Verkehr und in großen Zügen auch das Postwesen in außerdeutschen Ländern umfassend behandelt. Arbeiten von einschneidendem öffentlichen Interesse auf dem Gebiete der Hygiene und Volkswohlfahrt begegnen wir unter den Stichworten „Rettungswesen zur See" (mit Karte: „Rettungsstationen an den deutschen Küsten"), „Rieselfelder", Nationen

84 „Rotes Kreuz". Von den natuiwissenschafilichen Beiträgen muß bei der Wichtigkeit des Gegenstandes zunächst der Mitteilungen über die Röntgenschen Strahlen gedacht werden, daneben zeichnen sich aber auch die Artikel „Quelle", „Reblaus", „Regen" als musterhaft in der lexikographischen Behandlung der gegebenen Themata aus. Die illustrative Ausstattung des neuen Bandes ist in jeder Beziehung mustergültig, sowohl was die Planmäßigkeit in der Verwendung des Anschauungsmaterials als auch was die Ausführung der Bilder selbst betrifft. Man erkennt, daß neben der erheblichen Vermehrung und auch tcilweisen Verbesserung der Textillustrationen zahlreiche Text¬ kärtchen aus der letzten Auflage durch neuere und bessere ersetzt worden sind. Von überraschender Wirkung, ihrer Farbenpracht und künstlerischen Durchbildung wegen, ist die Tafel „Deutsche Raubvögel" und die neue Tafel „Reiterei". Daneben können die neuen Holzschnitttafeln , Reichs¬ tagsgebäude zu Berlin", „Reichsgerichtsgebäude zu Leipzig" tmit Grund¬ rissen!, „Reiterkunst" ihohe Schule), „Ringe" (in historischer Darstellung! den vortrefflichen Eindruck nur vervollständigen, welchen wir von dem neuen Band des Meyerschen Werkes empfangen haben.

Anstalt:

Finis

Poloniae.

Roman

Historischer

-

Die verehrten Leser und Freunde des „Bär" werden inständig gebeten, doch in ihren Kreisen ans unsere vaterländische Wochenschrift aufmerksam zu machen und sie zum Abonnement warm zu empfehlen. Nur dadurch, daß die Freunde vaterländischer Ge¬ schichte einera Unternehmen, wie das unserige ist, einmütig die angelegentlichste Unterstützung zu teil werden lassen, kann dasselbe seine Aufgabe in be¬ friedigender Weise lösen. Mit Hilfe der alten Mit¬ arbeiter und durch Anknüpfung wertvoller neuer Verbindungen sehen wir uns zu unserer Freude schon jetzt in der Lage, allen berechtigten An¬ forderungen in vollem Maße zu entsprechen.

von

Redaktion u. Verlag des

Gründler. — Zum vierhundertjährigen Geburtstag Philipp Melanchthons. (Mit Abbildungen.) — Melanchthon in Berlin. Von Ad. Brecher. — Zwei Briefe Friedrich Wilhelms, des Großen Kurfürsten von Brandenburg. — Kleine Mi tteilungen. Kaiser Wilhelm I. und der Orden pour le merite. — C.

„Bär".

Angeblich geflügelte Worte Friedrichs des Großen. — Prinz August Wilhelm von Preußen. — Ein neues Bonmot Kaiser Wilhelm II. — Bauliche Veränderungen in Berlin. — Kunst-Auktionshaus von Rudolf Lepke. — Wert des Charlottenburger Grundbesitzes. — Zur Aus¬ schmückung der SicgeS-Allee. — Die Skizzen der für den Viktoriapark bestimmten Hermenstandbilder. — Ausstellung im Königlichen Zeughause. — Figurenschmuck im neuen Abgeordnctenhause. — Ein mutmaßlicher Königssarg. — Büchcrtisch.

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IBI Veramworilicber' Redakteur und Verleger: Fr. Zillefsen in Berlin U. 58., Schönhauser Allee 141. Truck der Buchdruckerei Gutenberg, Berlin X., Schönhauser Allee 141a — Abdruck obn< eingeholte Erlaubnis ist untersagt.

der

Mark Brandenburg

und der angrenzenden Gebiete.

Unter Mitwirkung von

Ernst G. Kardorj, Dr. K. Düringuier, Professor Dr. Kreier, E. Frievei, Richard George, Ferd. Merger , Gymnafialdirektor a.

Dr.

Dr.

A. Srendtcke, Tstondnr Fontane, Stadtrat W. Kchrvari; und E. r». Wtidercbrulti

D. Dr.

deransgegeben von

Friedrich Zillefjen. XXIII. Jahrgang. ' M 8.

Der

„Sät"

erscheint wöchentlich am Sonnabend und ist durch jede poftanstalt (Ho.

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20. Februar 1897.

Finis Poloniae.

Historischer Roman von C.

Grundier.

(7. Fortsetzung.)

an war jetzt an einen kleinen, freien Platz gekommen, auf dem die Ruinen eines griechischen Tempelchens

Von dem ganzen Bau war nichts übrig geblieben als fünf massive Sandsteinsäulen mit schön gemeißelten Kapitalen.

standen.

Ueber denselben lief noch der Rest eines Frieses, welcher tanzende

Amoretten mit Blumenguirlanden darstellte, die Ecken mit Akroierien verziert. Der übrige Bau war zusammengesunken und bildete einen wüsten Trümmerhaufen, überwuchert von Immergrün und wildem Epheu. Das Ganze machte einen trübseligen, melancholischen Eindruck.

„8io transit gloria mundi,“ murmelte Finkenstein, er¬ griffen von dem Verfall der ehemaligen Pracht. „Was meinen Sie? Herr Baron?" fragte Frau Melanie. „Ach nichts! Das lateinische Sprichwort fiel mir nur so ein. Es bedeutet, daß alle Lust und Eitelkeit der Welt vergänglich ist."

In

dieser ernsten Stimmung wandelten sie eine Zeitlang schweigend neben einander her, jedes mit seinen eigenen Ge¬ danken beschäftigt. Man gelangte in eine kurze Allee von Cppressen. welche den Weg zu beiden Seiten inmitten des dichten Waldes säumten. Das dunkle Schwarzgrün der¬ selben hob sich finster mahnend von dem von lichtem

Sonnenschein

durchfluteten Waldhintergrunde ab. Die Allee führte zu einem zweiten kleinen Platz, der von Trauerweiden umsäumt war. Inmitten desselben stand auf einem Sockel von Felsstücken ein hohes steinernes Kreuz, umwunden von in

Stein gemeißelten Epheuranken. Alles war noch gut erhalten. Im Hintergründe zeigte sich ein wahrscheinlich künstlich aufgeschütteter Hügel. Die Vorderseite war durch mauerartig

auf einander geschichtete Felsblöcke gebildet. Auf dem Hügel stand ein Cypreffenwald. In der Mauer befand sich ein starkes eisernes Gitter, welches einen weiten Raum abschloß. Es war das Erbbegräbnis der Familie — der einzige Raum, der von den Schweden und den Russen verschont worden war. Die Majestät des Todes hatte auch diesen wilden Scharen Ehrfurcht eingeflößt. Die drei Spaziergänger traten an das rostige Gitter, dessen kalte Stäbe ihre warmen Hände umfaßten. Sie blickten in das halbdunkle Gewölbe, das ebenfalls aus unbehauenen Felsstücken gefügt war. Von der Decke hingen Zapfen herab, gleich zu Stein gefrorenen Thränen. An der Rückwand, dem Eingänge gegenüber, befand sich ein segnender Christus, kunstvoll aus weißem Marmor gebildet. Die fein gemeißelten edlen, milden Züge hoben sich scharf von der feuchten, mit grünlichem Schimmel bedeckten Steinwand ab. Vor ihm lagerten — in langen Reihen — die Metallsarge mit den Gebeinen eines alten Geschlechtes. Auf dem letzten lagen noch verwelkte Kränze. Seitwärts führte eine Steintreppe zu einem unten in der Erde befindlichen Gewölbe. Schweigend standen die Drei lange vor dem Gitter, als fürchteten sie, die Ruhe der Toten zu stören. Wie viel Hoff¬ nungen und Täuschungen, wie viel Haß und Liebe, wie viel Ehrgeiz und Verzweiflung. Tapferkeit und Königstreue war hier begraben! Seit Jahrhunderten lagen die Schläfer ruhig neben einander, die einstim Leben von so starken Empfindungen durchglüht waren. Was ist eigentlich das Leben? Eine Kette von Wechsel¬ fällen! Zu kurz für die wenigen Freudentage, zu lang für

86

»

„Nun, nun, Oppen." erwiderte Hans Wilhelm lächelnd,

die Zeit der Trübsal!

Aber der segnende Christus da drinnen und das Kreuz da draußen weisen uns hin auf die Ewigkeit — auf die versöhnende Liebe, die stärker ist als der Tod, auf den Glauben, der uns himmelan führt! — Während sie noch so standen, näherten sich Schritte, und

Stimmen wurden laut. Es waren Hans Wilhelm und Oppen, welche ihren Rundgang durch die Wirtschaftsgebäude beendet hatten und nun die Spaziergänger im Park aufsuchten.

„Wir finden Sie an ernster Stelle, Herr Baron." begann Haus Wilhelm das Gespräch. „Ja.

memento mori

dieses

erweckt

unwillkürlich den

Gedanken an die Vergänglichkeit alles Irdischen."

„Aber es regt auch an zu festem Glauben und treuer Pflichterfüllung. Da liegen sie alle, die lange Reihe meiner Vorfahren!" rief er mit erhobener Stimme, die Hand gegen das Mausoleum ausgestreckt. „Kein Flecken ruht auf ihrem Wappenschilde, kein Makel auf ihrer 'Ehre. Getreu unsern Traditionen, haben viele ihr Leben dem Vaterlande zum Opfer gebracht und unseren Stammsitz dem Geschlechte erhalten. Erst mir drohte er unter den Händen zu entschlüpfen. Was es mich gekostet hat, ihn zu erhalten, das weiß nur der da droben. Wie viele Jahre der bittersten Entbehrungen, der aufreibendsten Arbeit find dahin gegangen, bis ich wieder ge¬ festigt dastand! Aber mit Gottes Hilfe und unter dem Bei¬ stand

treuen Weibes

meines

kann wohl sagen, steht noch

ohne

ebenso fest

mich

ist es

mir gelungen, und

zu überheben,

ich

mein Geschlecht

und ehrenhaft da, wie zu den Zeiten

derer, die da unten schlafen."

Tante Melanie war auf die Steinbank gesunken und hatte beide Hände vors Gesicht gepreßt.

Jetzt aber weinte sie wirklich.

Man wandte

Die drei Männer gingen sich heimwärts. Melanie und Marie folgten nach. Letztere mußte eine scharfe Strafpredigt von ihrer Tante hinnehmen über das angeblich unpassende Benehmen dem Herrn von Finken¬ stein gegenüber. Dieser folgten Anweisungen über die Haltung eines Edelfräuleins fremden Herren gegenüber im allgemeinen und Finkensteiu gegenüber im besonderen. voraus.

Oppen klopfte Finkenstein derb auf die Schulter, so daß bei dem gutgemeinten Schlage ein minder Kräftiger zusammen¬ geknickt wäre, und meinte mit seiner kräftigen Stimme, die wie das Brummen des Bären klang: „Ja, glauben Sie mir. Finkenstein, von dem können Sie lernen! Sie sollten mal erst ein paar Wochen hier sein und sehen, wie alles klappt. Was hat er nicht zustande gebracht! Das Moor ist eniwäsiert und

bildet

jetzt den schönsten Weizenboden. Die hochgelegenen Wiesen werden durch eine Maschine, die der Wind treibt, mit Wasser aus dem See berieselt, so daß sie den dreifachen Ertrag

liefern. Auch hat er einen neuen Pflug erfunden, der nur die Hälfte Spannkraft erfordert. Nur mit der Besömmerung des Brachfeldes

klären; denn

kann

ich

mich

ich denke, der Acker

seine Ruhe haben.

noch

nicht

einverstanden

er¬

muß ebenso wie der Mensch

Immerhin muß

ich gestehen, daß ich bis nur Vorteil davon gesehen habe. Auch die Stallfütterung hat er eingeführt. Donnerwetter! Sie sollten einmal seine Kühe sehen! Wie glatt und glänzend find die gegen die ruppigen und mageren Tiere der anderen!"

jetzt

„Du

ja einen wahren Hexenmeister aus mir!" „Bist Du auch!" brüllte Oppen, in Eifer geratend. „Und den Kleebau, den er eingeführt hat! Was für ein Futter! Und vor allem die Kartoffel, an die niemand heran wollte, und zu deren Anbau Friedrich der Große die Bauern mit Gewalt zwingen mußte! Blitz Mohren! Ich habe da heute Wenn ich den Ertrag berechne, eine neue Sorte gesehen! den die auf den Morgen giebt — da hört alles auf!" „Ich hoffe, Dir heute abend noch eine andere Sorte vorsetzen zu können, die an Wohlgeschmack alle übertrifft, die Du bis jetzt gegessen hast. Die Kartoffel wird noch einmal die Wohlthäterin der Mark werden." „Ich verstehe von landwirtschaftlichen Dingen blutwenig, allein so viel entnehme ich aus allem, daß ein intelligenter Landwirt durch sein Beispiel der Wohlihäier einer ganzen Gegend werden kann." „Da haben Sie den Nagel auf den Kopf getroffen, machst

Finkenstein!"

„Wenn ich einmal die Feder niederlege und den Pflug — weit dahinten in Ostpreußen werde ich bei

-,

nehme

Ihnen in die Lehre gehen. Herr Rittmeister." „Soll mir eine Ehre und ein ganz besonderes Vergnügen sein." Jetzt kam ihnen die Gutsherrin entgegen und rief scherz, haft schmollend: „Aber wo bleiben denn die Herren? Ich warte schon eine halbe Stunde, mit dem Abendeffen und hatte doch geraoe so schöne Fische aus dem See!" „Ja wissen Sie, Frau Sophie, wenn man bei dem ist. kommt man sobald nicht los. Da giebt's immer etwas Neues zu sehen und zu besprechen."

„Mein guter Hans Wilhelm!" sagte sie und hing sich an ihres Gatten Arm. „Ich hatte schon die Absicht" fuhr letzterer, zu Kinken¬ stein gewendet, fort, „so eine Art Verein zu gründen, das heißt keinen geheimen Orden mit mystischen Symbolen, sondern eine freie Zusammenkunft von uns Landwirten irgendwo in der Stadt, um über unsere Angelegenheiten zu sprechen und unsere Erfahrungen auszutauschen." „Donnerwetter! Das wäre eine Idee!

Da hätte man

doch die ganze Blase manchmal beisammen und könnte

hinter-

her auch ein gemütliches Gläschen trinken!" „Ich kann Ihrer Ansicht nur beistimmen. He'-r Rittmeister. Was einer nicht weiß, weiß oft der andere."

Unter solchen Gesprächen waren sie ins Schloß gekommen, wo schon die gedeckte Tafel ihrer harrte. Es gab allerdings keine besondern Delikatessen, nur was der See. der Garten, der Hühnerhof und die Rauchkammer boten.

nicht

fehlten

wenig. auch

Das war aber Ein paar Flaschen guten alten Rheinweins nicht. Dazu prangte die Tafel zu Ehren der

Gäste heute im Glanze des schweren, alten Silbergeschirrs.

Herr von Oppen hatte die Hausfrau, Hans Wilhelm seine Schwägerin zu Tische geführt, so fiel Marie dem Herrn von Finkenstein zu. Die kleinen Aufmerksamkeiten, welche ein Herr seiner Dame bei Tische zu erweisen pflegt, empfand diese doppelt wohlthuend, da fie dieselben nicht gewöhnt war. Bei den früheren Mahlzeiten, an denen immer nur alte Bekannte teilgenommen hatten, war fie stets noch als Kind behandelt worden. Heute fühlte sie sich zum ersten Male als erwachsene

87

«

Wenn Finkenstein ihr Glas mit dem seinen berührte, es sie wie ein Schlag mil der Elektrisiermaschine, und sie errötete ein über das andere Mal, obwohl ihr Finken-

auf den Tabak in seines Herrn Pfeife, der mit Wohlbehagen Die beiden Fremden konnten den aromatischen Duft einsog.

saden Schmeicheleien sagte, sondern sich

„Ich habe natürlicherweise heute von dem feinen hollänTabak genommen, Herr Rittmeister, von dem in dem gelben

Dame.

durchzuckte

stein

durchaus

keine

Das Mahl verlief übrigens

in gemessener Höflichkeit bewegte. in angeregtem Gespräch, und dem guten Wein wurde reichlich zugesprochen.

Tafel aufgehoben war, rief Oppen, der schon ein wenig angeheitert war, dem Hausherrn zu: „Hoho, alter Bruder, so leichten Kaufs kommst Du heute nicht weg! Erst wollen wir noch eine Flasche von Deinem guten alten Weine ausstechen. Wer weiß, wann wir wieder zusammenkommen! Wir gehen aber nebenan in Deine Bude, da ist es am gemüt¬

Als

lichsten. mich

die

Weiß der Deuwel, das viele Krimskrams da geniert

sich selbst

Kästchen."

„Schön, Puffke! Ist der Reitknecht des Herrn von Finkenversorgt?" „Befehl, Herr Rittmeister! Der Herr Reitknecht fitzen natürlicherweise mit dem Jean, dem Windhund, in der Küche und lassen sich, mit Respekt zu vermelden, von der Köchin stein gut

futtern."

„Na,

da

wird er ja

der Nähe. Puffke. wenn

keine

wir

Not leiben.

Halte Dich

in

frische Pfeifen brauchen!"

„Befehl, Herr Rittmeister!" Militärisch kehrt, und hinaus

immer!"

„Das soll mir sehr angenehm sein. Ich denke überhaupt, bleibt heute hier." „Nein, nein!" erwiderte Finkenstein. „Ich möchte im Gegen¬ teil vorschlagen, daß wir uns zum Ausbruch rüsten. Ich muß unbedingt morgen nach Berlin zurück. Mein Urlaub geht zu Ende." „Ach was! Der.Vollmond scheint die ganze Nacht, es Ein paar Kerls wte wir werden ist so hell, wie am Tage. nicht fürchten!" sich doch „Wenn Sie wirklich nicht bleiben können, so will ich nicht zureden, aber zu einem Abschiedstrunk ist es immer noch Zeit." Die drei Herren begaben sich in das uns bekannte

Ihr

Wohnzimmer. Frau Sophie nahm das überzählige Silbergeschirr unter Verschluß und überwachte die Unterbringung der noch verwend¬ baren Speisereste. Frau Melanie war ermüdet und fühlte Sie zog sich in eine halbdunkle Ecke sich etwas angegr.ffen. zurück und setzte sich in einen Lehnsessel. Marie ließ sich zu ihren Füßen auf ein Bänkchen nieder und legte ihr Köpfchen auf die Knie der Tante. Sie träumte. Was? Sie wieder¬ holte sich alles, was Finkenstein zu ihr gesagt, und was sie ihm geantwortet hatte. Dabei fiel ihr ein, daß sie manches hätte besser sagen können, und sie beschloß, sich ein ander¬ mal geschickter zu benehmen.

Die drei Herren hatten an dem runden Tische vor dem Kanapee Platz genommen. Die halbgeleerten Flaschen und eine volle hatten sie mitgebracht; die Gläser wurden aufs neue gefüllt. „Puffke!" rief Hans Wilhelm mit seiner dröhnenden Stimme. Als hätte er schon auf den Ruf vor der Thüre gewartet, trat der alle Invalide sofort ein und blieb mit seinem stereo¬ typen „Ich melde mir. Herr Rittmeister," salutierend stehen. Er hatte h.uie eine etwas bessere Husarenunisorm an als sonst.

„Pfeifen!" „Zu Befehl, Herr Rittmeister." Puffke

bedienen.

verschwand, kam aber sofort mil drei Pfeifen

in

der Hand wieder, die er schon in Bereitschaft gehalten haben mußte. Die beiden schon gestopften, neuen, langen Thonpfeifen

erhielten — der damaligen Sitte gemäß — die Gäste. Seinem Herrn übergab er die gleichfalls bereits gestopfte Meerschaumpfeife, setzte einen silbernen Becher mit Fidibus auf den Tisch, entzündete einen an der Kerze und hielt ihn

humpelte der alte Veterane. „Sie haben da ja einen merkwürdigen Kammerdiener, Herr Rittmeister!" sagte Finkenstein lächelnd. „Ja. es ist ein Unikum, etwas verwöhnt, aber treu wie

Gold." „Bloß treu? Der läßt totschlagen, wie er es ja

sich

jeden Tag zehnmal für Dich

schon

einmal gethan hat," rief

Oppen.

„Wieso das?"

„Er

hat mir im Feldzuge das Leben gerettet, als ich verloren gab." „O bitte, erzählen Sie!" „Ja Hans, das erzähle 'mal, aber hübsch ausführlich! Ich kenne es zwar schon, aber Finkenstein wird seine Freude daran haben, und ich höre es immer wieder gern aufs neue." Der Rittmeister, dem es stets Freude machte, die Bravour seines Puffke hervorzuheben, kam der Aufforderung bereitwillig nach. Er begann: „Es war im Jahre 1760, der sogenannte siebenjährige Krieg war in ein Stadium getreten, wo die Fast alle ganze Existenz Preußens in Frage gestellt war. Heere Europas waren gegen dasselbe aufgeboten. Ueberall war der verwundete Löwe Friedrich von Feinden umstellt. Und wenn er auch bald den einen, balv den andern seiner Gegner durch einen Schlag mit seinen Pranken kampfunfähig machte, so entstanden stets doppelt so viel anfs neue. Ich war Rittmeister bei den Ziethen-Husaren — ein armer Rittmeister. Denn die Zuschüsse, die mein älterer Bruder, der selbst Oberst eines Infanterie-Regiments war, mir zu zahlen verpflichtet war, konnten nicht gezahlt werden, die Quelle war versiegt. Der Krieg und manches andere hatten den Wohlstand unserer Familie zerrüttet. Der König hatte die Rcichstruppen aus Leipzig vertrieben und die Stadt am 31. Oktober besetzt. Die österreichischen Generale Daun und Lacy folgten ihm mit 60000 Mann, die Reichstruppen zogen Verstärkungen an sich, die Rüsten bedrohten Berlin mit einem zweiten Besuche. Alle Hilfsquellen waren erschöpft; in den Magazinen waren keine Vorräte mehr, in den Arsenalen weder Geschütze noch Munition ; die geworbenen Rekruten wurden unterwegs abgefangen. In Wien, Paris und Peters¬ burg glaubte man der Vernichtung Preußens gewiß zu sein. Aber der Heldenkönig Friedrich wankte nicht. Der Feldmar¬ es schon

Daun war mit seiner Armee, die er auf 64000 Mann gebracht hatte, auf das linke Elbuser hinübergegangen und hatte am 1. November auf den Süplitzer Höhen bei Torgau schall

Stellung eingenommen. Der König beschloß, ihn Die stärkste Position der Oesterreicher hier anzugreifen. waren die Süptitzer Höhen, welche mit Kanonen vollständig gespickt waren. „Die Oesterreicher schießen uns heut das Wort vom Munde weg." hatte der König zum General Syburg Er selbst setzte sich den größten Gefahren aus und gesagt. wurde von einer Musketenkugel auf die Brust getroffen. „Ich bin tot" hatte er gerufen, als er vom Pferde stürzte. Bald aber erholte er sich wieder, bestieg sein Pferd und führte das Corps des General Hülsen zu einem dritten Angriffe vor. Die Kugel, deren Gewalt durch den Pelz abgeschwächt worden war, halte bloß das Brustbein ge¬ troffen und eine starke Contufion verursacht. Bei einem der ersten beiden abgeschlagenen Stürme auf die Süptitzer Höhen war mein Bruder an der Spitze seines Regiments gefallen. Die einbrechende Nacht machte dem Gefecht vorläufig ein Ende. Die Oesterreicher, deren Führer, Feldmarschall Daun, selbst verwundet war, traten den Rückzug an und suchten die Elb¬ brücke zu gewinnen, um auf das rechte Elbufer hinüber zu eine

feste

Wir. unser Regiment und andere, standen unter dem Befehle des Generals Ziethen, gedeckt durch einen Busch. Kaum hatte der alte Ziethen den Rückzug der österreichischen Armee bemerkt, so stürzten wir uns wie das Wetter auf den Feind und faßten denselben in der Flanke. Bei der Dunkel¬ heit war ich meinen Leuten weit voraus geritten und mitten in einen Haufen feindlicher Infanterie geraten. Obwohl ich tapfer um mich hieb und schon mehrere kampfunfähig gemacht hatte, erhielt ich doch einen Bajonettstich durch den Schenkel. Eben schlug auch ein feindlicher Musketier auf mich an, um gehen.

mir vollends den Garaus zu machen. In demselben Augen¬ blick aber sauste die Klinge Puffkes auf seinen Schädel und Der Schuß ging zwar los, traf aber streckte ihn zu Boden. bloß mein Pferd in die Brust, das sich hoch aufbäumte und mich unter sich begrub. Puffke hatte meine gefährliche Loge bemerkt und war mit kerzengerade aufsteigendem Pferde über ein paar Infanteristen hinweggesprengt und gerade im

rechten Augenblick zu meiner Rettung eingetroffen. Inzwischen war auch die Schwadron herangekommen, und die feindliche

Infanterie wurde zusammengehauen und geworfen. Puffke holte mich unter dem Pferde hervor und half mir auf sein

Er hatte seine Scharen bei einbrechender gewonnen war. Dunkelheit gesammelt, um ihnen für den am folgenden Tag zu erneuernden Kampf einige Ruhe zu gönnen. In dem kleinen Dorfe Elsnig hatte er in der Dorfkirche die Stufen des Altars zu seinem Kopfkiffen gewählt, als die Sieges¬ General Hülsen besetzte am andern Tage nachricht eintraf.

Torgau, und die Oesterreicher zogen sich erst nach Dresden und dann nach Böhmen zurück, nachdem fie 50 Kanonen und 27 Fahnen in unsern Händen gelassen hatten." „Wie waren denn nun aber Ihre weiteren persönlichen Schicksale?"

„Darüber ist nicht viel mehr zu sagen. Zum ferneren Wir wurden am Kriegsdienst waren wir beide untauglich. andern Tage nach Torgau und von da nach Magdeburg gebracht, wo wir unsere Heilung abwarten mußten. Wir lagen in den Lazaretten stets nebeneinander; ich hatte darauf bestanden. Dann gingen wir hierher. Aber in welchem Zustande fand mein schönes väterliches Besitztum! Was nicht verbrannt war, war verfallen. Der einzige einigermaßen bewohnbare Raum war der alte Turm, in dem jetzt das Gerichtsamt ist. Da haben wir monatelang nebeneinander auf den Stroh¬ ich

säcken

gelegen, nur mit unsern Mänteln zugedeckt.

Denn

ehe

an Bequemlichkeit zu denken war, mußte Spannvieh angeschafft

weiden, um die wüsten Felder zu bestellen. Aber ein paar alte Ziethenhusaren verlieren den Mut und das Gottvertrauen nicht. Und so ging's langsam weiter. Puffke war mein treuer Helfer, trotz seines Stelzfußes. Verstehen Sie nun, daß ich mich nie von ihm trennen werde?"

„Herr Rittmeister, wenn irgend etwas imstande wäre, meine Achtung gegen Sie noch zu erhöhen, so würde es dieser Finkenstein ergriff Bericht aus Ihrer Vergangenheit sein."

Hand und drückte sie kräftig. Oppen wischte sich heimlich die Augen. Hans Wilhelm fuhr in seinem Bericht fort: „Nachdem wir einigermaßen eingerichtet waren, erkannte ich, daß das trostlose Junggesellenleben bei einer so großen Wirtschaft nicht durchzuführen sei. Ich hatte schon lange die Bekannt¬ des Rttlmeisters

schaft eines

anschauung

Fräuleins gemacht, die mit meiner ganzen Lebens¬ lebhaft sympathisierte. Bei der Aermlichkeit und

Aussichtslosigkeit

meiner Lage

aber

wagte

ich

es nicht, den

Ich hatte arge Contufionen erlitten und konnte nicht gehen. Hätte er mich nicht hervorgeholt, so wäre ich durch die über mich dahinstürmenden Kavallerieregimenter bei der Dunkelheit unfehlbar zerrreren worden. Er stützte mich nun, daß ich nicht vom Pferde fiel, und führte mich zu den Ambulanzen.

ihr Geschick Ein Zufall brachte uns näher zusammen. Ich überzeugte mich, daß fie mir herzlich zugethan war, und, obwohl fie bessere Partien hätte machen können, entschloß fie sich, mit mir gemeinsam gegen das widrige Geschick anzukämpfen.

heran, da riß ihm eine verirrte Siückkugel den Fuß weg. Nun lagen wir beide da. Wir waren aber bemerkt worden und wurden hinweggelragen.

Ihrer Sparsamkeit und Wirlschaflskunst

eigenes.

Wir waren

schon ziemlich nahe au fie

Was den Gang der Schlacht anbelangt, so hatten die Generale Tettenborn, Saldern und Hülsen den stürmischen Angriff Zielheus kräftig unterstützt, und der Oberstlieutenant von Möllendorf und Major von Lestwitz nahmen das brennende Dorf Süptitz mil einigen Bataillonen im Sturm. Damit mar die Schlacht zu unseren Gunsten entschieden, abends 10 Uhr. Zielhen erhielt seitdem den Beinainen „Ziethen aus dem Busch." „In der That. eine glorreiche Waffenthat!" „Aber blutig! Wir verloren 13000, die Oesterreicher 20000 Mann. Der König hatte anfangs gar keine Ahnung, daß die Schlacht auf der andern Seile des Kampfplatzes

mit dem meinen zu verflechten.

Versuch zu machen,

verdanke ich nicht zum

Mit ihren meiner Wirtschaft. Wohnhaus und vervollstän¬ digten das Inventar. Puffke war dabei steis unser wohlthä¬ tiger Hausgeist. Er war bald Schmied, bald Stellmacher, bald Zimmermann, Maurer oder Gärtner. Er ersetzte uns mindesten

das

Aufblühen

Mltteln bauten wir uns

auch dies

das Kindermädchen und hat alle unsere Kinder auf seinen Armen getragen. Er schnüffelte in allen Ecken umher und. wo er etwas Ungehöriges fand, brachle er es zur Anzeige. Obwohl ihn die Dienstleute fürchteten, hatten fie ihn doch

gern, und wesentlich seinem Einflüsse habe ich es zuzuschreiben, daß meine Leute mit unwandelbarer Treue an uns hängen Mich und und unser Interesse mit dem ihrigen verknüpfen. der Tod." nur scheidet darum auch Puffke

89

„In

Wahrheit!

Jetzt sehe ich den alten Mann mit ganz

andern Augen an. Stoßen sie mit mir an, Herr Rittmeister! Auf daß Sie und Puffke noch lange miteinander wirtschaften mögen!" Die Gläser klangen zusammen und wurden bis auf den Grund geleert. „Jetzt müssen wir aber aufbrechen." rief Finkenstein.

halte während der Erzählung immer wieder aus seinem Glase genippt und es stets aufs neue gefüllt. Er war zuletzt ganz still geworden und widersprach auch dem Aufbruche jetzt nicht mehr. „Puffke!" rief Hans Wilhelm. Sofort öffnete sich die Thür, und Puffke trat ein. die Stummelpfeife ehrerbietig an

Hans Wilhelm noch ein paar Reiterpistolen aufgenötigt hatte, denn ihr Weg führte sie durch einen langen, dunkeln Kiefern, Diese Vorsicht erwies sich jedoch als unnötig. busch. (Fortsetzung folgt.)

Zur Vollendung

Metz-Memel.

Oppen

Die Vollendung

des Schienenweges

Er war draußen in der matt erleuchteten Halle getreulich, wie eine Schildwache, auf und ab patrouilliert, mit mäßigen Zügen den über alles geliebten Tabak paffend. „Die Pferde!" „Zu Befehl, Herr Rittmeister!" die Hosennaht gedrückt.

Während die Pferde aufgezäumt und vorgeführt wurden, verabschiedeten sich die Herren von den Damen des Hauses. Oppen lud sie dringend zu einem baloigen Besuch auf seinem Gute ein. Als Finkenftein Marie die Hand reichte und einen leisen Kuß darauf hauchte, sagte er ihr: „Auf baldiges Wieder¬ sehen. gnädiges Fräulein", was sie nur mit Erröten und einem tiefen Knix beantworten konnte. Die Pferde wurden bestiegen, und die drei Reiter sprengten in den vollen silbernen Mondschein hinaus, nachdem ihnen

des Schienenweges

Ein Gedenkblatt von Friedrich Bucker.

Die letzte und schwierigste Strecke

des

Schienenweges

Metz-Memel, bei welchem so recht das geflügelte Wort

„Vom

Fels zum Meer" zur Geltung kam. sollte (es war im Oktober des Jahres 1874) einer Besichligung durch den Handels-

Metz-Memel.

Empfang in Prökuls.

minister Or. Achenbach unterzogen werden. In seiner Be¬ gleitung befanden sich der Oberpräfident v. Horn, ocr Regierungspräsident v. Pultkammer, der Ministerialdirektor Weishaupt, der Geh. Bergrat und vortragende Rat im Handelsministerium v. d. Heyden-Rynsch, das erste technische Mitglied der Direktion der Ostbahn. Geh. Rat Wex, der Baurat Suche u. s. w. Ich bat darum, mich als Bericht¬ erstatter an der Fahrt beteiligen zu dürfen. Der Umstand, daß ich ein vom Herrn Handelsminister eingesehenes illu¬ striertes Buch: „Unsere Arbeiter der Neuzeit, Skizzen aus der Welt der Arbeit" verfaßt hatte, welches später in zweiter

Auflage (Verlag von F. A. Perlhes-Gotha) von der IndustrieAusstellung in Cöln a. Rh. „Wettstreit zur Verbefferung der Lage der Arbeiter" mit dem Diplom zur silbernen Medaille

Es mochten etwa 26 Minuten vergangen sein, als die Der Zug hatte sich Station Stonischken in Sicht kam. meistens in der Horizontalen, die Memeler Poststraße mehr¬ Zur Rechten war größtenteils fach kreuzend, dahin bewegt. Waldterrain sichtbar. ein von Fichten bestandenes Hinter Stonischken wurde die Gegend immer einsamer. Nur hin und wieder schaute der Giebel eines Gehöfts in die einförmige Landschaft hinaus. Es dauerte über eine halbe Stunde, bis die nächste Station. Jugnaten, erreicht wurde. Hinter Jugnaten fuhr der Zug über die Spießebrücke. Den an der Bahn erwartungsvoll harrenden Menschengruppen sah

war meinem Anliegen günstig, und ich wurde zur Teilnahme an der Fahrt eingeladen. Es lag mir vor allem daran, die riesigen Schwierigkeiten kennen zu lernen, welche die letzte Strecke des Schienenweges Metz-Memel resp. ausgezeichnet wurde,

das Stück Tilsit-Memel der Technik bereitete, und zu beobachten, mit welchen Gefühlen das Volk dort oben in dem äußersten Thule des Deutschen Reiches das Dahineilen der ersten Lokomotive betrachten würde. Was nämlich von Thule

erzählt wurde, daß dort Meer, Erde und Luft zu einem Gemisch sich verbänden, so daß man weder fahren noch gehen könnte, das paßte auch auf manche Gegend Litauens, wenn sie, namentlich im Frühling bei Hochwasser und Eistreiben, vom Verkehr mit der Außenwelt gänzlich abgeschnitten wurde. War doch allein bei Tilsit, im Ueberschwemmungsgebiet des Memelstromes, dem Erdboden ein Schatz von 21 Bahn¬ pfeilern anvertraut resp. unter den schwierigsten Bewältigungen in die Tiefe versenkt worden, eine Zahl, wie sie nirgends in Deutschland auf einer so kurzen Strecke Bahn wieder vor¬ kommt.

Als wir am Sonnabend, von der Witterung

Juli

anzugehören,

den 3. Oktober 1874,

Tag, denn er

schien dem

jenseit des Memelstroms

auf einem

hoch begünstigten

den

einem

provisorischen Geleise, das sich doch bald an den fertigen Oberbau anschloß, für uns hergerichteten Zug bestiegen, lag der Tilsiter Brückenbauplatz bereits hinter uns. Es hatte auf unserem Uebergange über den Memelstrom Die zwischen den Feiertagsstille geherrscht. Mittelpfeilern des Memelstromes hoch emporstrebende Eisenkonstruklion hatte allerdings ein Festgewand angelegt und prangte im reichsten Fahnen- und Guirlandenschmuck, doch das dabei tönte der Takt von hundert Hämmern, und Emporzischen des Dampfes hoch oben auf dem Bau verkündete, daß es mit dem Vernieten und Aufwinden neuer Diese mit Thätigkeit Eisentelle rüstig vorwärts ging. gepaarte Feier auf der gigantischen Brücke war zugleich der schönste Gruß des äußersten Ostens nach dem fernsten Westen. Als wir jenseit des Wassers den Zug bestiegen, der aus zwei sehr wohnlich eingerichteten Sanitätswaggons, einem Gepäck¬ wagen und der Lokomotive bestand — eine Reservemaschine demselben

bei

keineswegs

wurde für vorkommende Fälle in Bereitschaft gehalten —, warfen wir noch einen Abschiedsblick auf die große Memel¬ brücke zurück, ein imposantes Bauwerk, dessen Eigenart vor allem in der mit Eleganz gepaarten Solidität lag. Unser Zug suchte darauf langsam durch den tiefen Einschnitt im Baubeler Walde die Höhe von Pogegen zu gewinnen. Unter¬ wegs wurde einige Minuten angehalten. Wir bestiegen einen der Senkpfeiler, der trotz allen Ausbaggerns und der stärksten

nur sehr langsam in die Tiefe gehen Auf dem Pfeiler waren die Arbeiter in voller wollte. Thätigkeit. Station Pogegen war, wie jede folgende Station, mit Flaggen und Guirlanden festlich geschmückt. Auch dort, wo Wege die Bahn in ihrer Ebene kreuzten, um den Uebergang von Fuhrwerken zu bewerkstelligen, grüßte ein Kranz Schienenbeschwerung

oder flatterte eine Fahne. Selbst Weichen und Ausweichvor¬ richtungen, Barrieren, Masten der optischen Telegraphen waren geschmückt. Nach einem nur wenige Minuten dauernden Aufenthalt in Pogegen, der einer Besichtigung der Räumlich¬ keiten für den Personen- und Güterverkehr galt, dampfte der

Zug der Station Stonischken entgegen.

i

keine Lokomotive, geschweige denn hatten. Hier waren die Schienen erst ganz kurz vorher gelegt worden. Schwarz, dichtgedrängt stand dort hinten am Walde eine unabsehbare Menschenmenge. Links davon flatterten von einem Schuppen, der, wie der Dichter, sagt. noch nach der Sägemühle roch, mächtige Banner. Ein gellender Pfiff der Lokomotive, ein Anspannen der Bremsen, ein Zurückweichen der Menge, als näherten

man es an, einen Zug

sich des

daß sie noch

gesehen

Feuergottes

Gesandte.

Station Heydekrug !

kein Gott des Feuers, sondern der Genius des spendenden Verkehrs hatte seinen Einzug gehalten. Ein nicht

Nein,

wollender Enthusiasmus der Menge wäre hier etwas Nur staunend und gewesen. Gemachtes, Unnatürliches ahnungsvoll kann das Volk stehen, wenn es zum ersten Male in seine Einsamkeit den geschmeidigen Mechanismus der so mächtigen Lokomotive eindringen sieht. Der Schuppen auf Station Heydekrug war durch Laubgrün und Behänge recht finnig in einen Speisesaal umgewandelt worden. Während der Zeit, in welcher das Diner darin eingenommen wurde, war draußen der Ministerzug der Gegenstand der Bewunde¬ enden

rung der Menge. Die Maschine, ihre „Augen", Cylinder und Steuerung, Trieb- und Laufräder wurden staunend an¬ geschaut. Man stellte sich auf die Zehen, um durch die Scheiben einen Blick in das Tiefinuerste der Waggons zu werfen. Bald wußte man, daß ein Waggon ein möbliertes Zimmer, ja eine Häuslichkeit war. Das Ausblaserohr der Maschine mochte wohl manchem als Küchen-Schornstein der rollenden Häuslichkeit gelten.

Diner wurde der Zug wieder bestiegen, um an die etwas entfernter haltenden Extraposten mit ihren Postillonen heranzufahren, denn es war ein Stück Schienen¬ strang noch nicht fahrbar. Ein Sturmwind hatte sich erhoben. Nach

In

dem

wirbelte der Sand an dem Zuge vor¬ über und hüllte alles ringsum in einen dichten Schleier. Es hatte den Anschein, als führe man mitten durch eine öde Heide, deren Sandmassen in Bewegung gesetzt worden. Die Fahrt mit der Extrapost ging, um Station Kuckoreiten, die planmäßig um 2 Uhr 3 Min. erreicht werden sollte, so bald als möglich in Sicht zu bekommen, auf guter Chaussee gelben Massen

vor sich. Auf dieser Strecke stand merkwürdigerweise Hafer auf dem Halm. AIs in der Ferne Flaggen und eine Ehrenpforte winkten, wußte man, daß ein neuer Zug zu unserer Aufnahme bereit stand. Der neu arrangierte Zug, der uns bis Memel bringen sollte, unterschied sich wesentlich von dem früheren. Er bestand aus drei Güterwagen, deren mittlerer durch Aufsatz eines mit Laubgewinden geschmückten Pavillons in eine rollende Gartenlaube umgewandelt worden war. Da die Hitze unerträglich war, hielten wir nicht lange rasch

noch

91

in dem von drei Seiten geschlossenen Pavillon aus, sondern drängten uns auf das offene Plateau trotz des Sturmes und des unaufhörlich niederrieselnden Sandes. Baurat Suche, der bis Heydekrug den Tilsiter Zug überwacht und glücklich durchgeführt hatte, legte nach dem wohlverdienten Dank des Herrn Ministers und seiner Begleitung die Verantwortlichkeit für weitere glückliche Ueberfahrt in Die Hände der Memeler Herren nieder. Der neue Zug bewegte sich mit großer Schnelligkeit vorwärts. Die Landschaft wurde fruchtbarer und

mannigfaltiger. Das Dampfroß passierte die Wewirszebrücke, die Mingeflutbrücke, die Mingestrombrücke und erreichte, den kurzen Aufenthalt an den Brücken eingerechnet, in einer halben Stunde und einigen Minuten Prökuls. Als die Bremsen den Zug in Prökuls zum Stillstände brachten, harrte des Herrn Ministers eine ganz besondere Ueberraschung. Drei hübsche Litauerinnen standen unten im Nationalkostüm vor farbenprächtige, Versammelten und präsentierten so blütenduftige Bouquets, daß selbst ein verwöhnter Blumen¬ freund gern die Hand danach ausgestreckt hätte. Der Herr Minister verließ auch den Zug, und die eine der Blumen¬ den

ihm im Namen der Versammelten das Bouquet mit den Worten: „Wir danken dem Herrn Minister für die Bahn und schenken ihm dafür den Strauß." Eine schlichte Kundgebung, die eine finnige Deutung zuläßt, die. wie so manches andere, daran erinnert, daß bei allem, was hienieden gespendet wird, es nicht auf die Thatsache, sondern auf ihre Auffassung ankommt. Der Herr Minister ließ sich die Kundgebung wiederholen und zwar in litauischer Sprache. Dann stieg er wieder in den Zug. Die Blumenspende des äußersten Litauens konnte der Herr Minister nicht vergessen, ja. er äußerte später den Wunsch, sein Heim mit einer Photographie über den Empfang in Prökuls spenderinnen

überreichte

schmücken zu können.

Bei der Weiterfahrt zeigte es sich so recht, wie sehr die Bahn, gleich dem Frühling, jede Brust mit neuen Hoffnungen, neuen Plänen erfüllte. An den Wegübergängen standen hin und wieder Gruppen, die einen Redner an der Spitze hatten, der beim Herannahen der Lokomotive den Ueberzieher ab¬ legte und im Frack und weißen Handschuhen — jedenfalls redefertig — dastand. Die guten Leute glaubten, der Zug würde an allen Punkten halten, wo ein Weg die Bahn in ihrer Ebene kreuzte. Das lehrte der Augenschein, denn als zwei oder dreimal der Zug an einer Kreuzung vorüberfuhr und darauf einige tausend Schritte weiter hielt, da begann ein Wettlaufen der an der Kreuzung Versammelten nach der Haltestelle, das sich kaum schildern läßt. Zwischen Prökuls und Memel boten sich dem Auge recht anziehende und wechsel¬ volle Bilder dar. Das dunkle Schwarzon, die helle Dünen¬ kette, das blaue Haff wurden von den Hebungen des Terrains aus sichtbar. Jene Dünengegenden werden noch das lebhafteste Jntereffe

und Fachmänner in An¬ spruch nehmen. Das Bernsteingold, das an jenen öden Küsten abgelagert worden, die Wandelbarkeit der Dünen und die Abhängigkeit menschlicher Niederlassungen an ihnen, der Wogenprall, wenn er die Grenze überschreitet, die ihn vom Fleiße des Landmannes scheiden soll, die Wiedergewinnung von Land durch Zurückorängen des Meeres, das Befestigen jener wandelbaren Berge, die weiß aus dem blau glitzernden Meere aufsteigen, werden noch zu vielen Beobachtungen und der Reisenden

—— Vergleichungen anspornen. Ja, wir stehen in dieser Beziehung Anfange der Lösung hochwichtiger Fragen, und es wird noch lange dauern, bis wir sie definitiv zur Entscheidung bringen. Das Dampfroß führte uns bald der alten Handelsstadt Es setzte über die Schmeltellebrücke, Memel entgegen. passierte Carlsberg und hielt endlich an dem reich geflaggten Mastenwald, mit welchem Memel den Herrn Minister begrüßte, an der Dangebrücke. Die Dange kommt als bescheidenes erst am

Wässerchen aus Rußland,

doch

hier bei Memel überläßt

sie

bei geringer Breite Schiffen von beträchtlichem Tiefgang ihr Bett. Zum letztenmale wurde der Zug bestiegen, und bald hielt er in Memel vor einer unabsehbaren, mit Tüchern winkenden und jubelnd grüßenden Menschenmenge.

Nach der

Begrüßung des Herrn Ministers durch die städtischen Be¬ hörden und die Korporation der Kaufmannschaft, sowie nach einer Ansprache des Oberbürgermeisters König wurden die bereit gehaltenen Equipagen bestiegen, und im scharfen Trabe ging es durch die Stadt. Die wohnlichen, geschmackvollen Gebäude, die breiten Straßen, der mit einem Trottoir versehene Bürgersteig, die Physiognomien der Grüßenden machten einen sehr angenehmen Eindruck. Der Augenschein lehrte es, daß man sich in einer Stadt bewegte, deren Wohlhabenheit die Frucht der Emsigkeit und eines freien, im Kampfe mit den Elementen erprobten Verkehrs ist. Nun war die Dange¬ mündung erreicht. Die Equipagen hielten. Der vom Lotsen¬ kommandeur in großer Uniform befehligte, im Flaggenschmuck prangende Dampfer „Schwarzort" nahm uns an Bord, unv fort ging's auf bewegten Wellen hasenwärls, durch einen ge¬ flaggten Mastenwald hindurch und an dem im schachbrettartigen Anstrich prangenden Leuchtturm vorüber nach den Molen. Je mehr sich das Schiff den Nordmolen näherte, desto stärker schaukelte es. Drüben, gen Westen, lagerte eine breite Wolken¬ wand, und der durch die finkende Temperatur immer munterer werdende Wind schwellte lustig die Segel und jagte den Gischt der Wogenkämme immer höher gegen die Molen. Bei der Rückfahrt ging's abermals durch einen Masten¬ wald, unter dessen reichen Flaggen auch Spanien vertreten war. Der spanische, Konsul war an Bord des „Schwarzorr". Unabsehbar, eine ganze Meile weil dehnte sich der aufgesiapelte, aus Rußland stammende Holzreichtum Memels aus. Eine Unmasse von Windmühlen versah hier Holzschneidedienste. Es war schon ziemlich dunkel, als der Dampfer wieder an¬ legte und uns die Equipagen wieder aufnahmen. Auf der Rückfahrt von den Molen nach der Stadt wurde auch noch am „Sandkruge" angelegt, der den durch den Eisgang hier zurückgehaltenen Dichter Kotzebue bekanntlich zu dem Liede begeisterte:

„Es

kann schon nicht alles so bleiben

Hier unter dem wechselnden Mond."

Die luftige Höhe des Sandkruges wurde bestiegen und über Stadt und Hafen genossen, der wahrhaft im¬ posant war. Schöner mag es wohl auf dieser Höhe sein, wenn im Frühling rings das junge Leben emporquillt. Heut, wo die Herbststürme nur auf die Entfesselung zu warten schienen, um mit den Winterstürmen ein halbes Jahr hindurch verkehrhemmend zu wirken, war es mir, dem in die Lage des Landes Eingeweihten, als müßte ich mich anstrengen, um ein paar schmeichlerischer Sommerwochen willen der Natur hier ein Blick

alle ihre langen winterlichen Schrecken zu verzeihen.

92

in Memel, bis zum äußersten Ende des Deutschen Reiches und dem Erscheinen des Herrn Handelsministers galten, bemühte ich mich um ein Bild über den Empfang in Prökuls. Es konnte nur dadurch beschafft werden, daß der Zug abermals dahin geschafft und mit den blumenspendenden Litauerinnen photographiert wurde (s. Abbildung auf S. 89). Möge das hier wieder¬ gegebene Bild allen bei der denkwürdigen Fahrt Beteiligten ein Zeichen der Erinnerung sein! Nach meiner Heimkehr von den Festlichkeiten

die

der Vollendung

Bur Brit

des

Schienenweges

teil MM Mlilhtlm.

I.

Von Carl Stichler.

Im

Jahre 1735 bot der am Rheine, am Neckar und an der Mosel stattfindende Feldzug der kaiserlichen Heeresteile und der Reichskontingente gegen Frankreich den Bewohnern Berlins und gar erst den maßgebenden Personen der dortigen Hofkreise viel Unterhaltungsstoff. Man erlebte in der preußischen Haupt- und Residenzstadt an der Spree damals mancherlei Außergewöhnliches. Daß kaiserliche die Vertretung in den Straßen sowie auf den Plätzen Berlins mit Erlaubnis Sr. Majestät des Königs Friedrich Wilhelm I. die Werbetrommel rühren und dabei die Auf¬ forderung zur Uebernahme spezieller Dienstleistungen verlesen lassen durfte, war gewiß etwas ganz Ungewohntes. Friedrich Wilhelm I. ließ in erlaubter und mitunter auch wohl unerlaubter Weise in anderen Staaten und Reichen werben, um „lange Kerls" für seine Lieblingstruppen in genügender Zahl zu erlangen. Mit dem Uebertritt seiner Unterthanen in auswärtige Dienste oder gar mit Ueberlaffung ganzer Truppen¬ teile unter den direkten Oberbefehl kaiserlicher Heerführer konnte er sich fast nie befreunden. Die Sorge für seine „blauen Kinder" überwog im gewöhnlichen alle anderen Erwägungen und Einwände. Lieber gab der sonst so haushälterische Monarch mit vollen Händen aus seinen Staatskassen reich bemessene Hülfsgeldcr, als daß er seine Regimenter den damals sehr mangelhaften und durchaus ungenügenden „VerpflegungsVorkehrungen" der Reichskreisbehörden und beauftragter Unter¬ nehmer preisgeben wollte. Zu den vom Prinzen Eugenius äußerst schlaff geführten Rheinfeldzügen der Jahre 1734/35 hatte Friedrich Wilhelm I. unter dem Befehle des Generals Erhard Ernst von Röder ein Korps von zehntausend Mann (zehn Bataillone Infanterie, zwanzig Schwadronen Dragoner uno drei Schwadronen Husaren) marschieren lassen. Diese Streitmacht ließ er nicht als Reichskonlingent behandeln; auch hatte er es streng verboten, daß ein Verzeichnis dieser Bataillone und Schwadronen der Reichs¬ kriegsleitung ausgehändigt werde. Mit diesem „Reichskriege" gegen die Franzosen hatte es schon im Beginne eine ganz eigene Bewandtnis gehabt, da die drei wittelsbachischen Kurfürsten, von Bayern, Pfalz und Köln, ganz entschieden gegen denselben „protestiert" halten und allerlei dynastische Neben- und Zwischeninteressen dabei zur Geltung kamen. Auch Friedrich Wilhelm I. hatte ernstlich abgeraten. Reichsgraf Friedrich Heinrich von Seckendorf, der dis dahin am Hofe in Berlin die Vertretung der kaiserlichen Angelegenheiten geführt und die Gunst Friedrich Wilhelms I. in außergewöhnlicher Weise erlangt hatte, gewann auch die

wittelsbachischen Kurfürsten schließlich für die Reichskriegsunternehmung, bewog den preußischen König zu mancherlei Förde¬ rung derselben und blieb dann im Hauptquartiere des alters¬

hinfällig gewordenen Prinzen Eugenius, um für alle Fälle zur Uebernahme des Oberbefehls bereit zu sein. An Seckendorf schrieb Friedrich Wilhelm I. am 8. Februar

schwach und

Jahres 1735 in Bezug auf die Verwendung und Ver¬ sorgung der preußischen Truppen wörtlich: „Wegen den March der Trouppen sollen sie in der Armee seyn, wann die Zeith wird da seyn. aber in Winter-Monathen zu campiren umb nichts zu thun, als die Leuthe und die Pferde ruiniren zu laßen, fl 1a Saxonne, ist nit hier die Mode; Sie sollen nit --die Ersten seyn, Auch nit die letzten; zum wenigsten repondire, wo die Reichs-Armee was entrepeniren wird, Meine Leuihe gewiß mit 8 tsvapo dabey mit aller Vigueur agiren sollen." Als ein großer Erfolg Seckendorfs galt es im März 1735 in Berlin, daß König Friedrich Wilhelm I. damals der kaiserlichen Heeresleitung vierzig „blecherne" Pontons für vierzehntausend Thaler verkaufte, dabei einen PontonsSergeanten, drei Pontonniers und einen „Blechschmiedt" leih¬ weise mitsandte und ferner gestattete, daß zur Bespannung der erforderlichen vierzig Transporlfuhrwerke und des Begleit¬ trains im Magdeburgischen und Halberstädtischen 219 Pferde um den festgesetzten Preis von fünfzig Thaler pro Stück an¬ gekauft und aus dem Lande geführt werden durften. Im weiteren fand nun mit königlicher Erlaubnis in Berlin bei Trommelklang und öffentlicher Aufforderung die Werbung von vier Wagenmeistern sowie 92 Fuhrknechten statt durch kaiser¬ Wie zeitraubend dann die liche Kommissionäre und Agenten. Beschaffung aller Nebenerfordernisse und die Beförderung der Pontons zum Kriegsschauplätze sich gestaltete, ergiebt der Um¬ des

daß der inzwischen zum Oberbefehlshaber ernannte Reichsgraf von Seckendorf am 13. Oktober 1735 endlich die fröhliche Kunde von der Ankunft dieser Pontons in seinem

stand,

Hauptquartiere zu Hirschfeld in der Moselgegend erhielt. Fürst Leopold von Anhalt-Dessau, längst der persönliche Gegner des diplomatisch gewandten Reichsgrafen von Secken¬ dorf, hatte bestimmt darauf gerechnet, bei dem Rücktritt des Prinzen Eugenius den Oberbefehl über das Reichsheer im Sommer 1735 zu erhalten. In dieser Erwartung hatte der alte Dessauer (von König Friedrich Wilhelm I. satirisch der „alte Mensch" genannt) auf eigene Rechnung sowie ohne sonstige Veranlassung und gegen seine bekannte Sparsamkeit verstoßend einen kostspieligen Zug zur Reichsarmee gewagt. Kaiser Karl VI. hatte dem Fürsten Leopold von Anhalt-Dessau den Titel eines „Reichsgeneralfeldmarschalls" verliehen. Darauf¬ hin war der genannte Fürst und Feldherr mit einem Zuge von fiebenzig Pferden und dreizehn Maultieren zum kaiser¬ lichen Heerlager aufgebrochen, um dort, gleich Seckendorf, für Uebernahme des Oberbefehls bereit zu sein. Die Härte und Strenge des Dessauers in allen militä¬ rischen Dienstangelegenheiten war weltbekannt. „Er habe mindestens den fürchterlichen Anstand eines Hermunduren!" äußerten die Führer der Reichskontingenle allgemein. Die meisten „Reichsgenerale" wollten lieber den Abschied nehmen, als unter dem Dessauer dienen. Ganze Korps (namentlich das hannoversche und das hessische Kontingent) wichen den Forderungen des rauhen und äußerst energischen Befehlshabers aus, der hier der Nachfolger des savoyschen Prinzen in der

93 obersten Heeresleitung werden sollte.

reden

ließ", erhielt unter

Seckendorf, „der mit

sich

diesen Umständen den Oberbefehl,

und Fürst Leopold von Anhalt-Dessau zog darauf grollend heimwärts. Selbstverständlich gab dieser Mißerfolg des originellen preußischen Heerführers in Berlin viel zu reden. Grumbkow, der ein Freund Seckendorfs war und als preußischer Staats¬ minister das Vertrauen seines Monarchen im hohen Grade

lange Unterredungen mit dem Könige. I. äußerte schließlich: „Ihr könnt nun judiciren, ob es mit meinem Consentement oder nicht ge¬ schehen, daß der Fürst dahin gegangen, und.ob es mich nicht freuen muß, wenn der „alte Mensch" eine lange Nase davonbesaß,

hatte

jetzt

Friedrich Wilhelm

—— 19. Januar 1730 mit einem besonderen Dekret. Als Kaiser Karl VI. sich in Prag zum Böhmenkönig krönen ließ am 11. .Oktober 1723, ernannte er Seckendorf zum GeneralFeldzengmeister. Erst vom Maimonat 1730 an erhielt der Letztgenannte dann wirklich den Jahresgehalt von 7200 Gulden, mußte aber den ersten Monatsgehalt (sechshundert

Gulden) als Taxpreis hergeben. Noch kostspieliger mußte dieser im Heereswesen sowie im diplomatischen Dienste für den kaiser¬ lichen Hof bis dahin äußerst erfolgreich lhätig gewesene Mann sich mit den kaiserlichen Kassen abfinden für die Erteilung des Gouverneur - Patentes von Philippsbnrg. Für diese im Monat Juni 1731 ausgestellle Urkunde zahlte Seckendorf 1800 Gulden Taxe, fünf Gulden Siegelgeld und zehn

Prinzessin von Sayn-Wittgenstern-Berleburg. Reichskanzler Chlodwig Karl Viktor, Fürst zu Hohenlohe-Schillingsfürst nnd Gemahlin Marie, geb. Goldene Hochzeit am 16. Februar 1897.

trägt, zumal ich nicht leiden kann, daß der Kaiser und ich einen Feldmarschall zusammen haben!" Leopold von Anhalt-Dessau war durch die bei der Reichsarmee stattgefundene Bevorzugung Seckendorfs so verstimmt worden, daß er die vom Kaiser Karl VI. ihm gnädigst verliehene Reichsseldherrnwürde erst im Jahre 1737 öffentlich annahm. Diese vom Kaiser gespendeten Titel und Würden kosteten gewöhnlich dem damit Beglückten recht erhebliche Summen. Reichsgraf Friedrich Heinrich von Seckendorf, der am Hofe König Friedrich Wilhelms I. einen so großen Ein¬ fluß als kaiserlicher Gesandter erlangte, zahlte zum Beispiel für das Patent, welches ihm nur den Titel eines kaiserlichen Geheimrates gewährte und am 6. April 1729 ausgestellt Die Ernennung wurde, nicht weniger als 1503 Gulden. zum wirklichen Kaiserlichen Geheimrat erhielt er erst am

Gulden „Discretion" für des „Vice-Kriegs-Präfidenten Be¬ dienten." Während der Feldzugsleistung Seckendorfs am Rheine und an der Mosel war Fürst Joseph Wenzel von Lichtenstein mit Wahrnehmung und Vertretung der kaiserlichen An¬ gelegenheiten am preußischen Königshofe als außerordentlicher Gesandter beaufiragt worden. Lichtenstein, der später um die Hebung und Vervollkommnung der österreichischen Artillerie mit dem Könige Friedrich sich große Verdienste erwarb, konnte Wilhelm I. selten sich richtig verständigen. Letzterer sehnte die Zerwürfnisse mit dem sich nach „seinem Seckendorf", als kaiserlichen Hofe sich mehrten; und Seckendorf sehnte sich nach Berlin zurück, wo Grumbkow sein bester Freund war. Der Wrener Friede, im Oktober 1735 geschlossen, hatte die Krieg¬

führung an der Mosel beendet.

Kaiser Karl

VI.

hatte

sich

mit

von Versailles verständigt, ohne die Reichsfürsten und Vertretungen der Reichskreise zu befragen. Die Unkosten des Ganzen mußte aber das damalige deutsche Reich in seiner Zerfahrenheit bedingungslos übernehmen. Im Januar 1736 erreichte die Erbitterung des auch von schweren körperlichen Leiden arg geplagten Königs wegen der vielfachen Reibungen und Widerwärtigkeiten mit der Kaiser¬ lichen Kabinettsleitung, sowie wegen mancherlei sehr unan¬ genehmer persönlicher Erfahrungen den höchsten Grad. Die „Seckendorffe" erschienen dem gereizten Monarchen jetzt ganz anders als vordem. Sogar den Bruder des Reichsgrafen, den bescheiden und verdienstvoll wirkenden preußischen Ge¬ heimrat und Staalsministcr Ernst Ludwig von Seckendorf, ließ jetzt der König seinen Groll empfinden. Das General-Directorium hatte an König Friedrich Wilhelm I. damals das Gesuch gerichtet, „dem Geheimrat von Seckendorf die von demselben als preußischem Minister beim schwäbischen und fränkischen Kreise ausgelegten Postgelder durch entsprechenden Allerhöchsten Befehl bezw. Anweisung zurück¬ zuerstatten." Der Monarch schrieb wörtlich an den Rand dieses Schriftstückes: „Die Zeiihen seynd paßiret! Kein Recroute, dem Hofe

point äs 8111886 ou Prussien." Der preußische Gesandte in Wien, der Freiherr von Götter, sollte abberufen und nur noch ein untergeordneter Agent mit der Vertretung preußischer Grumbkow wagte Angelegenheiten dort beauftragt werden. Ungelesen flog der Brief ins schriftliche Gegenvorstellung. Feuer. Erst die Gesamtvorstellung der Minister und anderer Ratgeber des Königs erreichte das Einlenken in versöhnlichere Stimmung. Das

letzte diplomatische Geschäft des Reichsgrafen Friedrich

Heinrich von Seckendorf am Hofe König Friedrich Wilhelms bei dem auch der in

I.,

Berlin bei der kaiserlichen Gesandtschaft

lange Zeit hervorragend thätig gewesene Neffe des Reichsgrafen fich noch beteiligte, betraf Geldangelegenheiten eigentümlicher Art. Friedrich Wilhelm I. wollte dem Kaiser Karl VI. gern

mit reichen Summen helfen, wenn derselbe die preußischen Anrechte auf das am Rheine gelegene Herzogtum Berg endlich anerkennen und rechtskräftig bestätigen wollte. Der Wortlaut einiger beim letzten Friedensschlüsse zwischen den Staatskabinetten von Wien und Versailles unterzeichneten Vertragsbestimmungen hinderte den Kaiser in dieser Beziehung. Die Unterstützung mit 1200000 Thaler, die der preußische König für obige Bestätigung anbot, wurde unter diesen Umständen nicht an¬ genommen, dagegen erbat fich der wegen der bevorstehenden Kriegsrüstung gegen die Türken wieder in argen Geldverlegen¬

heiten

Die

befindliche Kaiserhof andere Begünstlgung in Berlin.

beiden

im österreichischen Dienste thätigen Seckendorf,

der Reichsgraf und sein Neffe, der kaiserliche Geheimrat Baron

von Seckendorf, richteten an König Friedrich Wilhelm I. das Gesuch um Erlaubnis: „daß die damaligen Bankiers Splittgerber und Daum in Berlin gegen drei Prozent Provifion und sechs Prozent Interessen dem Kaiser eine Million Gulden vor¬ strecken dürften." Der König gab die nachgesuchte Erlaubnis Juli schrieb aber gleichzeitig an den österreichischen (1. 1737), Geheimrat Freiherrn von Seckendorf: „Indessen begreife Ich nicht, warum man diesen Weg erwählet, zu Gelde zu kommen, da Ich Selbst ein weit kürzeres Moyen an die Hand gegeben, eine größere Summe ganz leicht, und bloß gegen Guarantirung deßen, was bereits sankte versprochen ist, zu erhallen."

>

Einige Tage danach (3. Juli 1737) wandte sich der Ge¬ heimrat Freiherr Christoph Ludwig von Seckendorf, der in Berliner Hofkreisen als der „Hsvsu" bezeichnet wurde, an Friedrich Wilhelm I. mit der Nachricht und dem Vorschlage: „Das Splittgerbersche Handelshaus könne zur Zeit die in Wien dringend benötigte Summe nicht aufbringen und her¬ geben, ob nicht der König selbst im Namen der Bankiers Splittgerber und Daum die Million Gulden leihen wolle?" Als Sicherheit für dieses Darlehen sollte die sehr langsam eingehende Türkensteuer der böhmischen Stände, die zwei Millionen betrage, verpfändet werden; auch sollte das Darlehen innerhalb zwei Jahren vollständig zurückgegeben werden. Die Antwort König Friedrich Wilhelms I. war echt königlich, sie ließ an Deuilichkeit nichts zu wünschen übrig. Im wesentlichen lautete dieselbe: „Anlangend den Vorschlag daß ich denen Banquiers Splittgerber und Daum mit einer Million fl. zu Bestreitung des Vorschusses unter die Arme greifen möchte, so kan solches auff solche Weyse nicht geschehen, weil Ich nicht alß ein Kauffmann auff Zinsen und Profit zu handeln gewohnt bin. Wohl aber bin Ich, alß ein wahrer Freund von Jhro Kaiserlichen Majestät erböthig und bereit, Deroselben zum Dienst, a fond perdu, sogleich zwey Millionen Gulden zu zahlen, woferne Sie mir die dem General-Feldmarschall bewuste billige conditiones accordiren wollen. Auff diesem Fuß soll diese Sache bald zu Stande

-,

kommen-." Der Kaiserl. König!. Geheimrat Christoph Ludwig Frei¬ herr von Seckendorf (geb. 1709, gest. im Jahre 1781) wurde Sein Oheim, im September 1737 von Berlin abberufen. der Reichsgraf, befand sich als kaiserlicher Oberbefehlshaber im Türkenkriege und erlebte dabei schließlich das ärgste Mi߬ geschick, indem eraufAnstiften seiner Feinde der Untreue angeklagt und auf der Festung Glatz gefangen gesetzt wurde. Im größten Unglück blieb dem schwer beschuldigten Reichsgrafen und General-Feldmarschall von Seckendorf der Trost, daß sein Nrffe seine treueste Stütze blieb und unermüdlich für die Be¬ freiung des eingekerkerten Oheims eintrat. Beide, Onkel und Neffe, hatten am Hofe Friedrich Wilhelms I. mit größter Aufopferung im Interesse Kaiser Karls VI. gewirkt. Noch im Jahre 1751 schrieb der Reichsgraf Friedrich Heinrich von Seckendorf an einen Verwandten: „Ich hätte nie geglaubt, daß ich bey den Zerstreuungen, die mein beständiger Aufenthalt um den König veranlaßte, so viel hätte arbeiten können. Ich habe die Reisen nachgerechnet, die ich mit ihm gemacht habe, und es kommen bey fünftausend deutsche Meilen in einer Zeit von sieben bis acht Jahren heraus." Bei einer solchen gemeinsamen Reise mit dem Könige Friedrich Wilhelm I. verfaßte der Reichsgraf von Seckendorf ein offizielles Schriftstück, dessen Inhalt sachgemäß die Lebens¬ weise und Gewohnheiten des Königs schildert und daher Be¬ achtung verdient. Der preußische Monarch reiste in den letzten Julitagen des Jahres 1732 durch Schlesien nach Böhmen, um dort auf dem Gestüt zu Kladrup im Kreise Chrudim den ihn er¬ wartenden Kaiser Karl VI. persönlich zu begrüßen. Der König wurde von Grumbkow und Seckendorf be¬ gleitet, das militärische Gefolge bestand aus den Generalen von Borcke, von Buddenbrock und von der Schulenburg, so¬ wie ferner aus dem Oberst von Derschau und dem Hauptmann

Grafen von Hacke. Auch der holländische bevollmächtigte Minister General Ginkel begleitete den preußischen Monarchen auf dieser Reise. Seckendorf war vom Kaiser beauftragt worden, den Kreisbeamten und den anderen hierbei zunächst interessieiten obrigkeitlichen Vertrauenspersonen in Schlesien und Böhmen die sorgfältigsten Weisungen für Aufnahme und Verpflegung des Königs zu geben. Reichsgraf von Seckendorf glaubte den erhaltenen Auf¬ trag bestens zu erfüllen, indem er wörtlich schrieb: „Wegen der auf der königlichen Taffel zu fournirenden Victualien sind insbesondere allerhand Flußfisch und Krebß (so Se. Mas. — Zum Getränk wird lieben) nebst dem Fleisch anzuschaffen. vornehmlich für Einen guten alten Rheinwein, hiernächst aber sorgen auch vor braun- und weiß Königl. M. allzeit in Scheunen. Wo möglich Mittags Zeltern oder Gartenhäusern zu Essen geben, wo es sehr lüffiig. Das Nacht-Quartier auch in Gartenhäusern oder Scheunen. — weil Königl. M. nicht gerne sind, wo es warm. und aufferdem nicht wohl hohe Stiegen steigen können. — Ich selbst frage hierunter nach keiner Gemächlichkeit, wann nur nah bey Seiner Majestät seyn kann, hingegen Ew. rc. rc. insbesondere vor des Hrn. Generals von Grumbkow Cxc., so der vornehmste von der Suite und am meisten die Commodität liebt, auff ein bequemes Logis bedacht seyn werden."

Bier-zu

seyn.-

I.

Mit

dem „weißen

Bier",

welches Seckendorf

in seiner

Weisung kurz erwähnt, war jedenfalls das damals berühmte und besonders hochgeschätzte Ducksteiner-Felsenkeller- Bier ge¬

meint. Dasselbe bildete im „Tabaks-Collegium" in Potsdam sowie in Wusterhausen das Hauptgetränk, wurde in Königs¬ lutter im Braunschweigischen umveit Helmstädt gebraut und erlangte seine Vorzüglichkeit durch Lagerung in den Kellereien des Duckstein genannten Felsens. Der gewaltigste Trinker in dieser vornehmen Reise¬ gesellschaft war unstreitig der General und Minister von Grumbkow, der zu Zeilen Unglaubliches in dieser Beziehung leisten konnte. So namentlich, als er im Dezembermonat desselben Jahres (1732) im Auftrage seines Königs den ihm persönlich gewogenen August den Starken von Sachsen im Städtchen Krossen bei dessen Durchreise aufwarten und be¬ Grumbkow hatte sich vorgenommen, den grüßen durfte. sächsischen Kurfürsten und polnischen König bei dieser Gelegen¬ heit wegen der neuen Verwicklung betr. Danzig auszufragen. Ein Zechgelage gewaltigster Art wurde da im diplomatischen Interesse gehalten. August der Starke hatte dabei die Gegenabficht, den ihm Gesellschaft leistenden Grumbkow gründlich auszuforschen. Beide leisteten „geradezu Uebermenschliches" im gegenseitigen Zutrinken. Das Endergebnis dieses Gelages bestand indes darin, daß weder der sächsisch-polnische Monarch noch

Grumbkow den beabsichtigten Zweck erreichten.

Kleine Mitteilungen. Zur goldenen Hochzeit des Reichskanzlers Chlodwig Karl Viktor Fürsten zu Hohenlohe-Schillingsfürst und seiner Gemahlin Marie ged. Prinzessin von Sayn Wittgenstein-Berleburg. Am 16. Februar d. feiert der dritte Kanzler des neuen Deutschen Reiches mit seiner er¬ lauchten Frau Gemahlin das seltene Fest der goldenen Hochzeil. Wie einst den ersten Hohenzoller, der als Herrscher nach Brandenburg kam, den Burggrafen Friedrich VI. von Nürnberg, ein Glied des Hohcnloheschen Hauses, der bekannte edle 5z ans von Hohenlohe, als treuster Freund aus dem Süden in dengefahrvollenundunwirtlichcnNorden begleitete — der dann in der Schlacht am Crcmmcner Damm für die Be¬ festigung der Hohenzollernschen Macht in der Mark Brandenburg seinLeben ließ und in der Kirche des grauen Klosters.zu Berlin feierlich beigesetzt ist —, so haben im Laufe der Jahrhunderte fort und fort enge freundschaftliche Beziehungen zwischen den beiden Häusern Hohen;ollern und Hohenlohe bestanden. Haben nun aber schon den Hohenzollernschen Kurfürsten und Königen Mitglieder des Hohenlohcschen Fürsten¬ hauses zu den verschiedensten Zeiten treu zur Seite gestanden, der sich so war es auch in der Gegenwart wieder ein Hohenlohe, um die Ausrichtung des Hohenzollernschen Kaisertums bczw. um die Einigung Deutschlands unter Preußens Führung die nam¬ haftesten Verdienste erwarb. Was der nun beinahe 78 jährige Fürst

I.

Chlodwig Karl Viktor

zu

Hohenlohe-Schillingsfürst

nach dieser

Richtung hin geleistet hat, ist allgemein bekannt. Aufgewachsen im preußischen Staatsdienst (erst beim Justizsenat in Ehrcnbrcitstein, dann bei der Regierung in Potsdam beschäftigt), nahm er seine Sympathiecn für Preußen mit nach dem Süden Deutschlands, als er im Jahre 1845 unvermutet — infolge Ablebens seines jüngeren Bruders Philipp Ernst — Standesherr int Königreich Bayern und Reichsrat der Krone Bayerns wurde. Unermüdlich ist er von da ab als warmherziger Patriot voll deutscher Gesinnung — lange Jahre hindurch als Reichs¬ rat, später als bayerischer Ministerpräsident — bemüht gewesen, die Interessen der Mittelstaaten mit denen des großen Vaterlandes und be¬ sonders Preußens in Einklang zu bringen und auf eine Einigung Deutschlands unter Preußens kraftvoller Führung hinzuwirken. Reichlich um deswillen mit der Feindschaft des Ultramontanismus uttd des Partikularismus belohnt, wurde er durch das Vertrauen Siaifer Wilhelms I. im Jahre 1874 mit dem schwierigen Botschafterpostcn in Paris und dann im Jahre 1885 mit der Statthalterschaft in ElsaßLothringen betraut, bis er Ende 1894 — seine eigenen Wünsche voll¬ ständig denen seines kaiserlichen Herrn unterordnend — das Amt des deutschen Reichskanzlers und des Präsidenten des preußischen Staatsministcriums übernahm, um, so lange Gott ihm noch Leben und Kraft schenke, Kaiser Wilhelm in Besorgung der schwierigen Regierungsgeschästc getreulich zur Seite zu stehen.' Verheiratet ist Fürst Chlodwig seit dem 16. Februar 1847 mit

ll

Marie Antonie Karoline Stephanie, Prinzessin vonSaynWittgcnstein-Bcrleburg, die er im Herbst 1846 bei einem Auf¬

enthalte in Langcnschwalbach kennen lernte. Die Trauung fand — gerade am 18. Geburtstage der Braut — in der katholischen Kapelle allen verschiedenen Lebens¬ zu Rödelheim bei Frankfurt a. M. statt. lagen ist seine Gemahlin ihm nicht nur eine treue Gefährtin gewesen, sondern sie hat es auch verstanden, bei einfach schlichtem, häuslichem Sinn, großer Liebe zur Natur (als vorzügliche Bergsteigerin und Lieb¬ haberin des edlen Weidwcrks ist die Fürstin bekannt) und noch größerer Mildthätigkeit und Frömmigkeit dem häuslichen Leben echt deutsche Gemütsinnigkeit zu wahren und doch zugleich nach außen hin vornehm zu repräsentieren, die gesellschaftlichen Pflichten ihrer hohen Lebensstellung in musterhafter Weise zu erfüllen. Sechs Kinder schenkte die Fürstin im Laufe der Jahre ihrem er¬ lauchten Gemahl, von denen nur noch vier — eine Tochter, Prinzessin Elisabeth, geboren am 30. November 1847, und drei Söhne — leben. Der älteste der Söhne, Erbprinz Philipp Ernst, geboren am 5. Juni 1853, ist vermählt mit der Prinzessin Chariclca Upsilanti. Leider ist das fürstliche Haus durch den frühen Tod der einzigen Tochter des crbprinzlichcn Paares vor noch nicht langer Zeit in tiefe Trauer versetzt worden. Die weiteren noch lebenden Söhne des Fürsten sind das Zwillingspaar Prinz Moritz, vermählt mit Rosa, Prinzessin und Altgräsiu zu Salm-Reifferscheid-Krautheim und Dyk, und Prinz Alexander, vermählt mit Emmanuela, verw. Fürstin zu SolmsBraunfcls. Der erstere ist Leutnant bei den 3. Garde-Ulanen, der letztere Legationsrat und Mitglied des deutschen Reichstages. Möge dem goldenen Hochzeitspaar, dessen echt deutsche Gesinnung sich in reichstem Maße die Anerkennung und den Dank aller RationalGesinnten verdient hat, und dessen erfolgreiches Mitwirken am Neu-Aufban dcS deutschen Kaiserreichs in den Annalen der Geschichte unauslöschlich verzeichnet steht, noch ein langer und schöner, wie vom Familicnglück so von dem ungeschwächt fortbestehenden Glanze des neuen deutschen Kaiserreiches verklärter Lebensabend beschicdcn sein! Das jüngst erschienene Bismarckbnch tSchönhaulen und die Familie v. Bismarck von Dr. Schmidt), aus welchem wir in Nr. 6 unseres Blattes Mitteilungen aus den Briefen eines Onkels vom Fürsten über die erste Regierungszeit Friedrich Wilhelms III. brachten, enthält aus dem Kriegstagebuch des bei Mars la Tour schwer verwundeten Grafen Herbert v. Bismarck folgenden spaßhaften Auftritt, welchen sein Vater im Lazarett zu Mariaville gehabt: „Dar Fieber ließ nach, und ich fühlte mich verhältnismäßig wohl, als mein Vater in unser kleines Zimmer eintrat. Er hatte am Morgen des 17., als er im Stabe des Königs hielt, hinter sich einen Offizier über die Verluste vom 16. sprechen hören und vernommen, wie dieser sagte: „Von den Garde-Dragonern ist über die Hälfte aufgerieben. Fast alle Offiziere tot oder verwundet. Auch der eine Bismarck tot, der andere schwer verwundet." Mein Vater wandte sich sofort zu dem Sprecher um und fragte, wo das Generalkommando oder der Geneialstab des X. Korps zu finden toärc. Auf die ihm gewordenen Angaben ist

In

er dann, wie mein Vetter Karl Bismarck-Bohlen später erzählte, in so rasendem Tempo nach der angezeichneten Richtung geritten, daß er ihm kaum zu folgen vermochte. Durch General Voigts Rheetz erfuhr mein Vater demnächst, daß nur einer von uns verwundet sei, der andere lebe. Er ritt auf die ihm als meine Unterkunft bezeichnete Ferme

Mariaville los und traf an ihrem Eingänge meinen mit Wassertragen beschäftigten Bruder. Die leicht verwundeten und kriegsgefangenen französischen Offiziere auf dem Gehöft machten sehr erstaunte Gesichter, als der in seiner Generalsunisoim ihnen wohlbekannte Bismarck einen sehr stark beschmutzten gemeinen Dragoner in seine Arme schloß. Meinem Bruder war kurz vor oder mitten in den französischen Linien das Pferd durch die Fessel geschossen worden, so daß es in voller Fahrt stürzte und ihn dabei nicht freiließ. Als er, um loszukommen, den Säbel hob und den Koppelriemen durchschneiden wollte, hielt das Pferd diesen wohl für eine Peitsche und sprang von selbst wieder in die Höhe. Er benutzte es nun als Schild gegen die französischen Geschosse, während er zu Fuß seinen Rückzug antrat. Bei diesem Marsche über das Leichenfeld redete ihn ein durch beide Füße geschossener Dragoner mit der Bitte an, ihn mitzunehmen. Er hob diesen Mann mitten im Feuer auf sein Pferd, das schon von mehreren Kugeln getroffen war, und sie marschierten weiter, bis er in das Dorf Mars la Tour, wo mein Bruder den von der Kavallerie-Attacke zurückkehrenden 2. Garde-Dragoner Grafen Lehndorff traf. Dieser gab ihm ein Pferd, das einen verwundeten und gefangenen französischen General getragen hatte, und fand mit ihm nach längerem Suchen schließlich spät abends Trotha mit seiner 5. Schwadron vom 2. Garde-Dragoner-Regiment. Dieser bewirtete meinen Bruder in freundschaftlicher Weise und behielt ihn die Nacht im Biwak bei sich, von wo ei am anderen Morgen den Weg nach Mariaville fand. Mein Vater hatte mich kaum begrüßt, als der aufgeregte dirigierende Oberstabsarzt Dias, von dem wir bis dahin nichts gesehen hatten, sich ihm entgegenstürzte ihn bei der Hand ergriff und in einen Schwall von Worten ausbrach, die Bismarck und die letzten Ereignisse preisen sollten. Er schloß: „Meine Herren, bringen Sie mit mir ein (Dabei Hoch aus, Sie alle werden das Eiserne Kreuz bekommen." Mein Vater lagen zwei schwer verwundete Franzosen unter uns!) schüttelte sich den Mann mit Mühe ab, um mit mir zu reden, und ver¬ sprach mir für den nächsten Tag einen Wagen, welcher mich nach Pont ä Mousson in sein Haus bringen sollte. Er hatte noch einen Auftritt mit dem aufgeregten Arzt. Die Verwundeten hatten ihm über Nahrungsmangel geklagt, worauf Dies bedauernd bemerkte, es wären keine Vorräte da. AIs mein Vater ihn auf das zahlreiche den Hof an¬ füllende Geflügel hinwies, rief er aus: „Das ist fremdes Eigentum. Wir sind hier nur im Gastrecht, und aller fremde Besitz muß uns heilig sein." Mein Vater erwiderte: „Nun ist es doch einmal gut, daß ich General bin. Als solcher befehle ich Ihnen, sofort alles Geflügel schlachten zu lassen, das Verwendung finden kann." Mit einem liefen Seufzer fügte Diös sich diesem Befehl." Garderobe Kaiser Wilhelms II. Ueber den Kleidervorrat Seiner Majestät des Kaisers enlnehnien wir der „Allgemeinen Militärzeitung" folgende Angaben: Von dem Umfange der Garderobe des Kaisers macht man sich wohl kaum eine richtige Vorstellung. Man braucht aber nur daran zu denken, daß der Kaiser die Uniformen sämtlicher Regimenter der preußischen Armee besitzt, daß zu diesen Uniformen die passenden Mützen, Helme, Tschakos, Bärcnmützen, Tschapkas, Achselstücke, Evauleiten, Säbel und Kürasse vorhanden sein müssen, daß es sich um Uniformen der Infanterie, Artillerie, von Husaren, Ulanen, Dragonern, Kürassieren, um die Uniformen der gesamten Garde aller Waffengattungen, endlich um die Unnormen der Marine handelt. Der Kaiser ist aber auch In¬ haber von bayrischen, sächsischen, badischen und hessischen Regimentern und besitzt von diesen natürlich ebenfalls die passenden Uniformen mit allem Zubehör. Er ist endlich Inhaber von Infanterie- und Kavallerie¬ regimentern in Oestreich, Rußland, Schweden, England, Italien re., Admiral der englischen und schwedischen Flott und für jedes Regiment, dessen Chef der Kaiser ist oder bei dem er a la suite geführt wird, hat er natürlich die betreffende Uniforin. Die ausländischen Uniformen füllen

allein zwei Zimmer, deren Wände ringsum mit Garderobenschränken dicht besetzt sind. Für den gewöhnlichen Gebrauch hat der Kaiser von große Generals- und Admiralsuniform, kleine deutschen Uniformen Galauniformen und verschiedene Garnituren von Waffenröcken. Dazu kommen die Jagdanzüge des Kaisers, die Jagduniformen, die er für sich und für die Hofgesellschaft eingeführt hat, die Uniformen der englischen und deutschen Jachtklubs, denen der Kaiser angehört, Civilkleidungen für Sommer und Winter, Sportkostüme für das Lawn-Tennisipiel re., zu allen diesen Anzügen die passenden Hüte, Handschuhe, Shlipse un, Stöcke, dann die Leibwäsche des Kaisers re. Der Garderobier, meist ein älterer Kammerdiener, hat eine Anzahl von Dienern, welche Schneiderarbeiten verstehen, zur Aushilfe; diese besorgen das Annähen der Knöpfe, das Zunähen von Nähten und die kleinere Flickarbeit: mit den Uniformen wird nämlich sehr sparsam umgegangen, denn der Kaiser läßt sein: Waffenröcke gewöhnlich drei- bis viermal neu besetzen, d. h. mit neuen rote: Kragen und Aufschlägen versehen, und auch an den Eivilanzügen wird nach Möglichkeit gespart. Zur Garderobe des Kaisers gehören gewisser¬ maßen auch die Orden. Diese werden in besonderen Tresors verwahrt, und ein besonderer Beamter verwaltet diesen Schatz. .

Inhalt: Finis Poloniae. Historischer Roman von Gründler. — Zur Vollendung des Schienenweges MetzMeuiel. (Mit Abbildung.) Ein Gedenkblatt von Friedrich Bücker. — Zur Zeit König Friedrich Wilhelms I. Von Carl Stichler.— C.

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Mitteilungen. Zur

Die verehrten Leser und Freunde des „Bär" werden inständig gebeten, doch in ihren Kreisen auf unsere vaterländische Wochenschrift aufmerksam zu machen und iie. zum Abonnement warm zu empfehlen. Nur dadurch, daß die Freunde vaterländischer Ge¬ schichte einem Unternehmen, wie das unserige ist. einmütig die angelegentlichste Unterstützung zu teil werden lassen, kann dasselbe seine Aufgabe in be¬ friedigender Weise lösen. Mil Hilfe der alten Mit¬ arbeiter und durch Anknüpfung wertvoller neuer Verbindungen sehen wir uns zu unserer Freude schon jetzt in der Lage, allen berechtigten An¬ forderungen in vollem Maße zu entsprechen. Redaktion u. Verlag des

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Chlodwig Karl Viktor Fürsten zu Hohenlohe-Schillingsfürst und seiner Gemahlin Marie geb. Prinzessin von Sayn-Wittgenstein-Berleburg. (Mit Abbildung). — Das jüngst erschienene Bismarckbuch. — Garderobe Kaiser Wilhelms II.

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Verantwortlicher'Redakteur und Verleger: Fr. Zitlessen in Berlin N. 58., Schönhauser Allee 141. Druck Der Buchdruckerei Gutenberg, Berlin N., Schönhauser Allee 141a. — Abdruck ohne eingeholte Erlaubnis ist untersagt.

Unter Mitwirkung von

Dr.

K. Ksrtnguier, Professor Dr. Krertzer, Friedet, Richard George, Ferd. Mcrier, Gymnafiatdirektor a.

Ernst

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Dr. H. SrendicKe, Theodsr D. Dr. W. Schwarh und G. v.

Fontane. Stadtrat Milde, rbrurt.

herausgegeben von

Friedrich Zillessen. XXIII. Jahrgang.

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erscheint wöchentlich am Sonnabend und ist durch jede Postanstalt stng modelliert). Die Figuren, welche ohne Plinthe 2 Meter hoch und aus bestem schlesischen Sandstein, demselben Material, in welchem die Kirche selbst erbaut ist, ausgeführt sind, erhalten im Chor der Kirche, und zwar um de» Altar herum, ihren Standort. Wundervoll ist die Figur des Matthäus, der, das Buch in der Linken und die Feder in der Rechten, den Blick nach oben richtet und auf die Eingebung des Engels wartet. Markus hat die Bibel in der Rechten, während die Linke in die Gewandung gehüllt ist, und blickt sinnend vor sich hin. Johannes ist als junger D ann und LukaS vorwärtsschreitend, mit dem WandcrPetrus trägt das Schwert und Paulus stabe in der Hand, dargestellt. die beiden Schlüffe! in der Hand. Auch die Figuren der beiden Re¬ formatoren sind sehr charakteristisch ausgeführt. Aus dem Leben Napoleons I. Höchst interessante Züge aus den, Privatleben Napoleons I. hat Maffon in dem Buche „Napoleon chez lui“ mitgeteilt. In dem Kapitel über die Mahlzeiten erzählt der Verfaffer u. a.: „Der Kaiser aß sehr rasch, gab nichts auf die äußere Form, oft griff er mit der bloßen Hand in die Schüssel und befleckte gar arg seine Kleider. Auch hielt er nicht die Reihenfolge der Speisen ein. Sein Licblingsgericht bildete Huhn mit jeder Art von Tunke; er nahm etwas Braten mit Backwerk, am liebsten die italienische Nalionalipeise: Maccaroni mit Parmesankäse. Bei dem bloßen Gedanken, daß sich ein Haar in einer Speise vorfinden könnte, ward ihm übel. Gleichwohl wußte er sich auch in diesem Falle zu beherrschen. Im Mai des Jahr>s 1811 hatte er den Einfall, in Cherbourg mit den Soldaten zu speisen; er ließ sich von ihrem Brote geben und aß von ihrer Suppe; kaum hatte er den ersten Löffel zum Munde geführt, so fand er ein Haar in der Suppe. Er zog cs heraus und aß die Suppe weiter, denn er wollte sich von leinen Soldaten auf keiner Schwäche ertappen lassen. Auch im Trinken war er überaus mäßig; er trank bloß gewässerten Wein. In keinem

In

der Regel nahm er das seiner Paläste gab es einen Weinkeller. Frühstück allein ein; eine Ausnahme machte er während der kurzen Zeit,

120 die von seiner zweiten Hochzeit bis zur Niederkunft Maria Luises verstrich. Nach der Geburt des Königs von Rom kehrte er zu seiner früheren Gepflogenheit zurück; doch hatte nunmehr die Erzieherin seines Sohnes die Pflicht, diesen täglich während des Frühstücks zum Kaiser zu bringen. Er nahm ihn auf den Schoß, gab ihm von allen Speisen zu kosten nnd lachte laut, wenn die Erzieherin in ihrer Sorge um das Kind aufschrie. Der kleine Prinz streckte seine Händchen einmal nach einer Tasse Kaffee aus, Napoleon ließ ihn einen Schluck nehmen und bemerkte lackend, als bi r Knabe ob des bitteren Kaffees ein eigentümliches Gesicht machte: „Du hast noch viel zu lernen, denn du kannst noch nicht heucheln."

Manchmal empfing er auch Künstler und Gelehrte während des Frühstücks, und zwischen ihm und dem Akademiker Ameilhon soll sich einmal folgendes Gespräch entsponnen haben: „Ah! Sie sind Herr Ancillon?" — „Ja, Sire, Ameilhon." — „Ja, ja, Ameilhon. Sie haben die römische Geschichte Lebons fortgesetzt?" — „Ja, Sire, Lebeaus." — „Ja. ja, Lebeaus — bis zur Einnahme Konstantinopels durch die Araber?" — „Ja Sire, durch die Türken." — „Ohne Zweifel durch die Türken, im Jahre 1449." — „Ja, Sire, im Jahre 1453." — „1453, das ist

richtig."

Krichertisch. Bilder aus der Gegenwart und der Vergangen¬ heit der Stammlandc des Deutschen Kaiserhauses. Von Dr. K. Th. Zingcler. 212 Seiten. Mit 20 Abbildungen.

Hohenzollern.

Stuttgart, Paul Reff Verlag. Preis gbd. 3 Mk. Wer möchte nicht die Wiege unseres Hohenzcllerngeschlechtes. Burg nnd Land Hohenzollern im schönen schwäbischen Lande näher kennen lernen? In dankenswerter Weise hat Hofrat Dr. Zingler, Vorstand des Fürstlich Hohenzollernschen Haus- und Domänenarchivs, hier >edem Gelegenheit dazu geboten. Provinzialschulrat Dr. Buschmann in Coblenz urteilt über das Werk: „Wer je die Hohenzollernschen Lande und den ehrlichen, biederen, treuherzigen deutschen Menschenschlag kennen gelernt hat, der diese Lande bewohnt, der wird Ihr Buch zu schätzen wissen, das sein Gedächtnis auffrischt und ihm doch auch so vieles Neue zu erzählen weiß. Aber cs ist auch für jeden anderen, zumal für die Jugend wertvoll, im Geiste an der Hand eines kundigen Führers durch das Gebiet zu wandeln, das einst auf felsiger Höhe den Horst des Hohenzollernaarcs trug und reich ist an landschastlicher Schönheit und an geschichtlichen Erinnerungen aus alter und aus neuer Zeit." Diesem Urteil stimmen wir nicht nur, von ganzem Herzen zu. sondeni wir laden auch alle Patrioten Im, an der Hand Dr. Zinglers solch eine sie jedenfalls hochcrsreucnde Wandorung durch die Hohenzollernschen Lande und durch die Geschichte ihrer Vorzeit zu unternehmen. Je weiter man auf dieser Wanderung kommt, um so dankbarer wird man dem auf allen einschlägigen Gebieten und durch alle Jahrhunderte Z. hindurch wohl unterrichteten Verfasser die Hand drücken. Jubelkantate, gewidmet dem Andenken Kaiser Wilhelms des Großen. Gedicht von Franz Müller, Komposition von Edwin Schultz, op. 295 a, Tempelhof-Berlin. Di. Hans Natge. Ausgabe A für Männerchor, Ausgabe 8 für gemischten Chor. Partitur je 25 Pf., jede Stimme 10 Pf. Die Kantate ist sür die Vereine des deutschen Krieger-Bundes zur Feier des 22. März geschaffen. Sie ist nach Text u. Melodie wohlgelungen. Würdig, schwungvoll und markig, dabei leicht singbar, entspricht sie allen Anforderungen, die an eine solche Festkantate zu stellen sind. Sie sei allen Sängervereinen aufs wärmste empfohlen. .

der sich (seit 1629) früher an der Nordseite des Die Anlage der neuen Gartcnanlagcn begann im Jahre 1865. Schritt für Schritt ist seitdem weiter gearbeitet worden, und die Umgebung des Domes gehört heute zu den schönsten Großsiadtplätzen des Kontinents. Das mit 12 Abbildungen geschmückte Werk ist für den Geschichts- und Altcrtumsfreund von gleichem Interesse wie für den Botaniker und Gärtner; — es bildet eine Ergänzung zu jeder Ge¬ — c>—, schichte der Stadt Köln und des verrichtn Kölner Domes.

nischen Garten

ein,

Domes befand.

Ludwig Anzengrubers gesammelte Werke. 60 Lieferungen zu 40 Pf. G. Cottaschen Buchhandlung. Stuttgart. Verlag der Die billige Ausgabe des gemütvollen Volksschriftstellers liegt jetzt bis zur 10. Lieferung vor. Der II. Band enthält den Roman „Der Schandfleck". Druck und Papier dieser wohlfeilen Volksausgabe sind vortrefflich, und niemand sollte die günstige Gelegenheit zur Erwerbung — x. dieses Hausschatzcs unbenutzt vorübergehen lassen.

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Die Nummer 2800 der „Illustrierten Zeitung" in Leipzig bringt zunächst über die kretischen, grieckischen und türkischen Angelegen¬ heiten, die im Vordergründe des Interesses stehen, sieben Illustrationen: 1. Die Uniformierung der griechischen Armee und Marine. 2. Die Uniformierung der türkischen Armee und Marine (beides ganzseitige Originalzeichnungen). 3. Ansicht des Piräus, der Hafenstadt von Athm. 4. Reliefkarte der Insel Kreta. 5—7. Die Porträts des Königs der Hellenen, des Prinzen Georg von Griechenland und Pappa-Malckos, des Führers der Aufständischen auf Kreta. Ein Leitartikel: „Die mili¬ tärische Leistungsfähigkeit Griechenlands und der Türkei" orientiert mit fachmännischer Unparteilichkeit über die Kräfte beider Staaten. Der Spezialzcichner der „Illustrierten", Limmer, bringt den „Brand der Kreuzkircke zu Dresden am 16. Februar" und die „Feier am Grabe Melanchthons in der Schloßkirche zu Wittenberg". Die Reichshaupt¬ stadt ist durch ein Bild von der silbernen Bowle, welche Hofjuwelier Werner nach dem Entwurf des Kaisers Wilhelm ausführte, femer durch Wiedergabe des Figurmschmucks auf der Von der Heydt-Brücke und Triton und Nereide (modelliert von Prof. Ernst Herter),. sowie durch eine Zeichnung von Wilhelm Kuhnert: „Riesenhutschlange im Aquarium" vertreten. U. a. sei noch das Erinnerungsblatt: „Zur Silbernen Hoch¬ zeit des Gcheimrats v. Esmarch und seiner Gemahlin" von Dr. P. Grabein in Kiel (mit dem Bilde des Jubelpaares) hervorgehoben.

In

Druckfehler - Berichtigung.

Nr. 9 ist zu unserem Bedauern bei Angabe des Verfassers des Aufsatzes „Ein deutsches Spottgedicht auf Napoleon der Druckfehler „Gebhard Zcrwin" statt „Gebhard stehen geblieben.

Zcrnin"

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C.

Gründlcr.

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Roman

Hermann Jahnkc. (Mit Eismeer. Von Ewald Müller. — Märkische Schlachtfelder. Von A. W. Ludwig. (Fortsetzung.) — Kleine Mitteilungen: Der Fürstlich Hohenlohesche Hausorden. Jubiläumsgabc des Herrn von Sandsteinfigurcn in der Kaiser Wilhelm-Gcdächlniskirchc, Drcyse. Aus dem Leben Napoleons I. — Büchcrtisch.

A. B.

Die Gartcuanlagc am Dom zu Köln einst nnd jetzt. Von H. R. Jung, Neudnini» 1896. Verlag von I. Neumann. Preis 2 Mk. Der Verfasser giebt zunächst in großen Zügen ein Bild der wechselvollen Schicksale des herrlichen Kölner Domes, dieses „Werkes des Brudersinncs oller Deutschen, aller Bekenntnisse", wie Friedrich Wilhelm IV. den Prachtbau nannte, von seiner Grundsteinlegung (14. August 1248) bis zu seiner Vollendung (15. Oktober 1880) Alsdann wendet er sich der unvtittelbaren Umgebung des Domes und der Geschichte der Frei¬ legung des Gotteshauses zu. Ausführlich geht er dabei auf den Bota¬



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nahm. Karl IV. starb ober schon 1378. Neben ihm sind, der „Korr, für Kunst u. Miss." zufolge, zur Darstellung gewählt: der Erzbischof

von Magdeburg, Dietrich Portitz, genannt Kagelwitt, — er entstammte einer Stendaler Bürgerfamilie, und sein angebliches Bildnis wird im Rathause zu Stendal aufbewahrt — und Claus v. Bismarck, schlo߬ gesessener Herr auf Burgstall, Hauptmann des Erzstifts Magdeburg uns markgräflicher Hofmeister. Das zweite, neuerdings vergebene Standbild

betrifft den Sohn Karls IV., Kaiser Sigismund, für den die Mark lediglich ein Pfandobjckt war; als Kurfürst „regierte" er von 1378 — 1397 und von 1411—1415; das einzige Verdienst um Brandenburg erwarb er sich mittelbar durch die Einsetzung des Burggrafen Friedrich VI. von Nürnberg, zuerst als Landeshauptmann, dann als Kurfürsten. Den Kaiser Sigismund werden als Nebenfiguren begleiten: der Landeshaupt¬ mann Lippold von Bredow, der durch Tapferkeit, wie durch Redlich¬ keit sich auszeichnete, und der bekannte Bürgermeister von Berlin Bernd Ryke, aus dem angesehenen Patrizier-Geschlecht der Rhke, welches vom 13. dis 16. Jahrhundert blühte. Die Sigismund-Gruppe ist dem Bildhauer Eugen Börmel übertragen, der ebenfalls aus der Meisterschule von Rcinhold Begas hervorgegangen ist ES sind bisher insgesamt 17 von den 32 Gruppen vergeben; zwei davon sind jedoch durch den Tod von Bärwald und Enke wieder erledigt. Diese beiden Aufträge (Kurfürst Friedrich I. und Friedrich der Große) sind bisher

in andere Hände gelegt. Molkte-Dcnkmal in Breslau. Ueber das Moltke-Dcnkmal, welches der Bildhauer v. Ucchtritz für die Stadt Breslau entworfen hat, erfahren wir folgendes: Dos Standbild selbst zeigt Moltke in Uniform, Mantel und Feldmütze, in jener aufrechten und nur mit den Kopf leicht geneigten Haltung, die den Lebenden charakterisierte. Während der Schlachten¬ denker, in der Linken einen Plan oder eine Karte lose haltend, die Rechte energisch abwärts gestreckt, sinnend auf hohem Sockel steht, reitet auf dem Postament zu seinen Füßen Freia, die altnordische Siegesgöttin, an ihn heran und reicht ihm den Lorbeerzweig. Links von dieser Figur geben geschmackvoll arrangierte Waffcntrophäen dem Ganzen einen noch nicht

wirksamen Abschluß.

„Der Mann hat

doch etwas gelernt!" Der hochselige Kaiser musterte in den 70er Jahren als Kronprinz des deutschen Reiches die 27. Division (2. K. Württ.j in Oberschwabcn. Zur Begrüßung desselben hatte sich unter andern auch der Vetcranenverein von O. ausgestellt. Der Kronprinz schritt auf denselben zu und fragte in seiner bekannten

Friedrich

Leutseligkeit einen Veteranen, welcher die silberne Militärdienstmedaille auf seiner Brust trug: „Haben Sie diese Medaille für Champignh erhalten?" „Oui, Kaiserliche Hoheit" entgegnete der Veteran. Die andern unterdrückten das Lachen. Sie kannten den Hansjörg schon. Als der Kronprinz wieder weg schritt, ging ihm der Vereinsvorstand einige Schritte nach und bat um Entschuldigung wegen der ungeschickten Antwort. „Es ist mein dümmster Mann im ganzen Verein" fügte der Vorstand hinzu. „Das finde ich nicht" — entgegnete der Kronprinz in der ihm eigenen liebenswürdigen Weise — „der Mann hat doch in Frankreich etwas

gelernt".

Parole.

Kücherttsch. Festschrift zum 100jährigen Geburtstage Kaiser Wilhelms des Großen. Von Professor vr. Wilhelm Oncken. Berlin, Verlag von Schall u. Grund. Preis in eleg. Prachtband 5 Mk. Die Jahrhundertfeier hat eine Fülle von Festschriften hervorgerufen. Die wertvollste ist zweifellos die Onckensche. Sie ist der eigensten An¬ regung Kaiser Wilhelms II. entsprungen, der selbst drei Beiträge zu dem Werke geliefert hat: das Geleitwort, einen Brief (S. 183) und ein eiaenhändig gezeichnetes Schluß-Gcdenkblatt. Dem rühmlichst bekannten Ver¬ fasser haben die Schätze des Kgl. Hausarchivs zur Verfügung gestanden; diesem sind die köstlichen Briefe entnommen, welche König Wilhelm 1870/71 an seine Gemahlin schrieb, Briefe, welche den edlen Sinn des Heldcnkaisers, seine tiefe Frömmigkeit und sein schlichtes Wesen treffend charakterisieren. Das Lebensbild, das Professor Oncken von dem un¬ vergleichlichen Fürsten giebt, beruht auf jahrelangem Studium und stellt das Wirken und das Wesen des großen Kaisers mit plastischer Anschau¬ lichkeit vor unser geistiges Auge. Uebcrreich ist der Bilderschmuck des Werkes: 23 Vollbilder, 209 Textbilder und Initialen, 25 Facsimiles sind

Unser Hcldcnkaiser.

beigegebcn und bilden eine vollständige Bildergalerie zur Lebens- und Zeitgeschichte Wilhelms I. Der billige Preis des schönen Werkes — 5 Mark — ist ebenso erstaunlich wie der des großen KriegsJubiläums-Werkcs „Krieg und Sieg", das in demselben Verlage erschien. Das Onckensche Werk ist zum Besten des Baufonds für die Kaiser Wilhelm-Gcdächtniskirche herausgegeben, welche in 3 Vollbildern ver¬ anschaulicht wird. R. G. W. Heimbnrgs Romane, neue Folge, sind jetzt bis zur 10. Lieferung vollendet erschienen. Die Lieferungen 6 und 7 enthalten den Schluß von „Mamsell Unnütz", die Lieferungen 7—10 die erste Hälfte des Romansi „Um fremde Schuld", der die Schicksale einer Offizierstochter aus vornehmer Familie erzählt. Die reich illustrierten und elegant aus¬ gestatteten Romane der beliebten Schriftstellerin verdienen in dieser schmucken Gestalt die weiteste Verbreitung. Die neue Folge der Romane umfaßt 35 Lieferungen zu je 40 Pf. — Von der ersten Folge sind 54 Lieferungen (ebenfalls zu 40 Pf.) erschienen. Die letzten 47—54 bringen den Roman „Lore von Tollen". —x. Von dem Prachtwerk „Die Hauptstädte der Welt" tBreslau, Schlesische Verlagsanstalt v. S. Schottlaender) ist die dritte und vierte Lieferung erschienen. Die dritte ist der italienischen Hauptstadt gewidmet, die wir unter der Führung Gaston Boiffiers und Konrad Telmanns kennen lernen. „Ich denke es mir reizvoll", sagt der Erstgenannte, „Rom nicht, wie flüchtige Reisende es thun, nach Stadtvierteln zu durcheilen, sondern es nach den Bauwerken der verschiedenen Jahrhunderte zu durchwandern. Man sollte die Denkmäler ein uud derselben Epoche zusammen besichtigen, die dann einander gegenseitig ergänzen und erklären würden. So würde jede Epoche vor unseren Augen wieder aufleben. Auf solche Weise könnte man beinahe die Geschichte der Menschheit darstellen, ohne aus einer Stadt herausgekommen zu sein". Nach diesem interessanten Programm hat der französische Autor seine Schilderung Roms in fesselndster Weise gestaltet, und Konrad Telmann, der bekanntlich durch langjährigen Auf¬ enthalt in Rom völlig mit der Hauptstadt Italiens verttaut geworden ist, hat diese Schilderung unter besonderer Berücksichtigung des modernen Rom in so feinfühliger Weise ergänzt, daß der Artikel ein durchaus ein¬ heitliches stilistisches Gepräge zeigt. Die 4. Lieferung enthält außer dem Schluß des Artikels über London von Charles Dilke die Schilderung von Paris aus der Feder Franoois Coppees, der uns die mit Vorliebe als „Seinedemselben

132 Babel",

als

der Sitz einer ebenso glänzenden wie verderbten eines ebenso verfeinerten wie raffinierten Lebensgenusses ge¬ schilderte Metropole auch von einer anderen Seite kennen lehrt: in seiner kleinbürgerlichen Gemütlichkeit, den bescheidenen und anziehenden Lebensgewohnheiten seines bürgerlichen Mittelstandes, den malerischen, dem flüchtigen und oberflächlichen Besucher und Bewohner Paris ver¬ borgen bleibenden Reizen seiner alten Stadtteile. Etwas von deutscher Sentimentalität und Gemütstiefe lebt in dieser stilistisch vollendeten Schilderung des französischen Poeten, die dadurch um so mehr zum Herzen des deutschen Lesers spricht. Neben zahlreichen Textillustrationen enthält das Heft folgende Voll- resp Doppelbilder: „Aus dem Pariser Künstlerleben: Vor der Eröffnung der Ausstellung" „Pariser Kinder"; „Vom Pariser Corso"; „Vor einem Pariser Boulevardcafe". Der Preis von nur 50 Pfg. für das Heft, 10 Mk. für das voll¬ ständige Werk ist im Verhältnis zu dem Gebotenen als ein sehr mäßiger zu

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Unter Mitwirkung von

Dr.

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Dr. JJ.

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Professor

Frlrdcl, Riüicrrd Goorgo, Fcrd. Merzer,

Dr.

Dreüivr,

Dr. H. SrorrdicKe,

Symnastaldirektor a. D. Dr.

W. Krti»v>rrst

Theodcrr Fc»»rta,ro, und

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Stadtrat

Mildeirvvirrti

kerausgegeben von

Friedrich Miessen. XXIII. ^abraana. ~M

12 .

Der „Sät" erscheint wöchentlich am Sonnabend und 'ft durch jede postanftalt

eihekird Jum 22 Wär). .

komponiert von Drofessor V. tzosnnnin

für

die Frier der Könirstisticn Alradcniisrtion Korlisrtiulc

ty^inmal

noch gleitet der stolze schatten Unsres Jahrhunderts an uns vorüber. —

Sinnenb neigt es das graue Haupt. Nahe der Stunde, da schnell und schwer der Vorhang sinkt vor dem mächtigen Bilde, Neigt es das Haupt und denket des großen Menschenlebens, das es erfüllt mit

für die

dildcrrderr Künste.

wir auch beugen, durchschauert von Ehrfurcht, Sein gedenkend, uns vor der Gottheit, Die uns den herrlichen Helden geschenkt.

Ihn,

den Wecker der deutschen Seele,

Der das Vaterland, das geliebte, Stark wie Atlas zur Höhe emporhob — Also, daß wir mit Jubel Dich grüßen,

Deutsches

Ewigem Ruhme.

TahvhuuüevL!-

Sei gepriesen, Du König, Du Kaiser, Der Du uns gabst, was lechzend die Seele vieler Jahrhunderte vor uns ersehnt. — Und Du, Deutscher, vergiß ihn nimmer, Dem zu eigen der stillen Weisheit weithinschauendes Auge geworden — Jauchze dem Vaterland, das ihn geboren,

Wilhelm Len Nvoßeu!

Mul

Warncirc.

I

184

iaifrr Wilhelm geb. 22 .

März

1797 ,

Aase,

Set? gest. 9 . März

1888 .

Zum hundertjährigen Geburtstage ein Bild seines Lebens, dargestellt mit seine» eigenen Worten.*)

Jugend. Nach Gottes

unerforschlicher Fügung

haben Leid und Freude in stetem Wechsel mich begleitet. Die schweren Verhängnisie, die ich in meiner Kindheit über das Vaterland ein¬ brechen sah, der so srühe Verlust der unvergeßlichen, teuren, geliebten Mutter erfüllten von früh an mein Herz mit Ernst. Die Teilnahme an der Erhebung des Vaterlandes war der erste Lichtpunkt für mein Leben. Wie kann ich es meinem heißgeliebten König und Vater genugsam danken, daß er mich teilnehmen ließ an der Ehre und dem Ruhme des Heeres! Seiner Führung, Liebe, seiner Gnade danke ich ja alles, was er mir bis zu seinem Tode vertrauensvoll erwies. Die treueste Pflichterfüllung war meine Aufgabe in liebender Dankbarkeit, sie war mein Glück! Das Bild meiner Mutter hat und wird sich von Gene¬ ration zu Generation vererben, wie ihre Tugenden, ihr festes Vertrauen auf Gottes Gerechtigkeit, ihre Liebe zum preußischen und deutschen Volk stets unter allen Wechselfällen gleich leuchtend da stand — wenn sie auch die Erfüllung des Gehofften nicht erleben sollte. In meiner Kindheit und Jugend verstand ich noch nicht, was sie ahnte, und dennoch hat Gott in seiner Gnade mich ausersehen, die Ahnungen zu erfüllen, als ich kaum noch eine Ahnung hatte, was sich ereignen sollte. Klar ist es, wie Gott sich seine Werkzeuge erwählt, um seinen Willen zu erfüllen. Und das flößt die tiefste Demut mit dem tiefsten Danke ein!

Ich freue mich meines Standes, nicht um der Auszeich¬ nung willen, sondern um deswillen, daß ich in demselben mehr wirken und leisten kann. Mir soll alles heilig sein, was dem Menschen heilig sein muß. Auf Gott will ich unerschütterlich vertrauen, ihm alles anheimstellen und mir im Glauben an seine Vorsehung einen getrosten Mut zu erhalten suchen. Bei allem Guten, welches mir zu teil wird, will ich dank¬ bar auf Gott blicken, und bei allen Uebeln, die mich treffen, will ich mich Gott unterwerfen, fest überzeugt, daß er überall mein Bestes beabsichtigt. Meines Gottes will ich überall gedenken, es soll mir eine süße Pflicht sein. im Gebet mit ihm meine Seele zu ver¬ einigen. Ich weiß, daß ich ohne ihn nichts bin und nichts vermag. Meine Kräfte gehören der Welt und dem Vaterlande. Ich achte es höher, geliebt zu sein. als gefürchtet zu werden. Ich will ein herzliches, aufrichtiges Wohlwollen gegen auch gegen die geringsten — denn sie find alle meine Brüder — bei mir erhalten und beleben. alle Menschen,

Ich will unablässig an der Verbefferung meines Herzens und Lebens arbeiten. Jeden Tag will ich mit dem Andenken an Gott und meine Pflichten beginnen und jeden Abend mich über die Anwendung des verflossenen Tages sorgfältig prüfen. Die Besten, die Geradesten, die Aufrichtigsten sollen mir die Liebsten sein. Die will ich für meine wahren Freunde hallen, könnte.

die mir die Wahrheit sagen,

wo

Jeder Versuchung zum Bösen

will

Es ist die Religion Jesu Christi, der ich so, wie ich sie in unsern Heilgen Schriften finde, meine Zustimmung gebe. und in der ich allzeit Licht für meinen Verstand, Kraft zur Erfüllung aller meiner Pflichten und zum Wachstum im Guten, Trost für mein Herz in allen Unfällen des Lebens suchen

will.

kräftig Wider¬

im Interesse des Vater¬ bei dem 25jährigcn die Seelengröße

seiner Jugendliebe

landes entsagen mußte, zeigt des ausgerciften Mannes:

sich

Ich vertraue dem Himmel und baue auf ihn; er hat mich nicht verlassen und mir Kraft und Stärke verliehen, seinen unerforschlichen Willen zu tragen, und in selbiger Art hat er auch

seine

Segnungen

mir

über

den

durch

menschliche Verwicklungen arg mit¬

cntlissenen

teueren

Gegenstand ergossen.

Als ihm hierbei

auch

gespielt worden war, schrieb er:

Der lebendige Glaube an Jesum ist die Grundlage des wahren Christentums. Diesen Glauben besitze ich; ich freue mich seiner als des köstlichsten Gutes meines Lebens. Ihm verdanke ich mein Glück in Zeit und Ewigkeit. Gott wird mir helfen, als Christ zu leben und zu sterben. Ich will nie vergessen, daß der Fürst doch auch Mensch

— vor Gott nur

ich

mir mißfallen

stand leisten und Gott bitten, daß er mich stärke.

Als Prinz Wilhelm Aus dem Konfirmationsgelöbnis und den am Tage der Konfirmation, 8. Juni 1815, niedergeschriebenen Lebensgrund¬ sätzen des Prinzen Wilhelm:

sie

Mensch ist.

*) Der Verein für christliche Volksbildung hat zur Feier hundertjährigen Geburtstages Kaisers Wilhelm des Großen ein vorzügliches Flugblatt herausgegeben, in welchem in ausführlicherer Weise, als cs (aus Mangel an Raum) hier geschehen kann. das Lebens¬ bild des großen Kaisers mit seinen eigenen Worten dargestellt ist. Wir empfehlen dieses Flugblatt zu masscnbafter Verbreitung auss wärmste. Es umfaßt 8 große Quartseitcn und trägt auf der Titelseite das wohldes

In

gelungene Bildnis Kaiser Wilhelms I. der Reihe der von dem Ver¬ ein herausgegebenen und unter der Redaktion des Pastors lic. Weber in M.-Gladbach stehenden Flugblätter ist das erwähnte Nr. 171. Zu beziehen ist es von Sekretär Carl Görke in M.-Gladbach zu folgenden Preisen: 100 Stück 3 Mk., Porto 50 Pf.; 50 Stück 1,75 Mk.. Porto 30 Pf.; 20 Stück incl. Porto 1 Mk.; 1 Stück incl. Porto 10 Pf. Die oben mitgeteilten Kaiserworte sind — mit nur ganz wenigen Ausnahmen — sämtlich in ihm enthalten; neben ihnen bringt es noch eine ganze Reihe anderer, nicht minder ivertvollcr Worte.

Deswegen kommt kein Groll gegen dieselben in mein Gott bedient sich der Menschen auf Erden als seiner Werkzeuge, durch die er unsere Schicksale leiten läßt nach seinem Willen. Da ist also auch nur frommes und geduldiges Unterwerfen unter höhere Beschlüsse angebracht; der. der so prüft, giebt uns auch die Wege des Trostes und der Stärke an, die wir in solchen Zeiten einzuschlagen haben! Fest werde ich daran halten, aber das Herz ist tief erschüttert, und der Menschen Trost und Teilnahme thut ihm zwar unendlich wohl, aber diese vermögen es nicht zu heilen. Herz.

Mannesalter. sich am 11. Juni 1829 mit Augusto, Prinzessin von Sachsen-Weimar, vermählt und sein eigenes Heim, im Winter in Berlin, im Sommer in Babelsberg, errichtet hatte, giebt er ein schönes Zeugnis seiner wohlwollenden Gesinnung für heimische

Nachdem

Prinz Wilhelm

Arbeit und Arbeiter mit den Worten:

Wenn Sie von meinem Palais Lobendes hören, so wird die Versicherung, daß zu demselben alles im Jnlande gefertigt

ist,

_

135

demselben einen doppelten Wert in jedes Preußen Auge

geben.

Mit

der Thronbesteigung Friedrich Wilhelms IV. wurde Prinz Wilhelm Thronfolger und erhielt den Titel Prinz von Preußen. Sein klarer Verstand eikannte das Wehen eines neuen Geistes, und in seiner ruhigen Art nahm er Stellung dazu:

Ein neues Preußen wird so

sich

bilden.

Möge das neue

erhaben und groß werden, wie es das alte mit Ehre und

Ruhm geworden ist! Nach den Stürmen des Re"olutionSjahres, in dem König Friedrich Wilhelm IV. zur konstitutionellen Regicrungsform überging, spricht der Prinz von Preußen bei seiner Rückkehr aus England, wohin er hatte fliehen müssen:

Es ist schmerzlich, verkannt zu werden, und nur mein reines Gewissen hat mich über diese Zeit hinweggeführt, und mit reinem Gewissen kehre ich in mein Vaterland zurück. Ich habe immer gehofft, der Tag der Wahrheit werde anbrechen, und er ist angebrochen. Es hat sich seitdem vieles in unserm Vaterlande geändert. Der König hat es gewollt; des Königs Wille ist mir heilig. Ich bin sein erster Unterthan und schließe mich mit vollem Herzen den neuen Verhältnissen an. Aber Recht, Ordnung und Gesetz müssen herrschen, keine Anarchie! Dagegen werde ich mit meiner ganzen Kraft streben, das ist mein Beruf! Wer mich gekannt hat, weiß, wie ich immer für das Vaterland geglüht habe. Der Armee stellte er nach dem herrliche Zeugnis aus:

so schweren

Jahre 1848 folgendes

Verhöhnt, verspottet, von allen Kunstgriffen der Ver¬ führung umstrickt, hat die Armee felsenfest und unerschütterlich in ihrer Gesinnung, in Disciplin dagestanden, hat ihie Schuldig¬ keit gegen jeglichen Feind mit einer Treue und Hingebung ge¬ than, welche dieser stets hochgestellt gewesenen Truppe aufs neue die Bewunderung der Welt erworben.

Wirsitz war der Prinz von Preußen als Ab¬ in die Nationalversammlung gewählt worden. In der¬ führte er sich am 8. Juni 1848 mit einer Rede ein, in der es

Von

dem Kreise

geordneter selben

u. a. heißt:

Die konstitutionelle Monarchie ist die Regierungsform, unser König uns vorgezeichnet hat. Ich werde ihr meine Kräfte weihen mit der Treue und Gewissenhaftigkeit, die das Vaterland von meinem ihm offen vorliegenden welche

Charakter zu erwarten berechtigt ist. Nach dem siegreichen Feldzug

Zu den von ihm neuberufenen Ministern sprach der Prinz-Regent: Die Pietät gegen meinen schwer heimgesuchten König und Herrn ließ mich lange schwanken, wie manche Erlebnisse, die ich unter seiner Negierung wahrnahm, in eine bessere Bahn wieder einzuleiten seien, ohne meinen brüderlichen Gefühlen und der Liebe, Sorgfalt und Treue, mit welcher unser aller¬ gnädigster König seine Regierung führte, zu nahe zu treten. — Von einem Bruch mit der Vergangenheit soll nun und nimmermehr die Rede sein. Es soll nur die sorgliche und bessernde Hand angelegt werden, wo sich Willkürliches oder gegen die Bedürfnisse der Zeit Laufendes zeigte. Versprochenes muß man treulich hallen, ohne sich der bessernden Hand dabei zu entschlagen — nicht Versprochenes muß man mutig hindern. Wenn in allen Regierungshandlungen sich Wahrheit, Gesetzlichkeit und Konsequenz ausspricht, so ist eine Regierung stark, weil sie ein reines Gewissen hat, und mit diesem hat man ein Recht, allem Bösen kräftig zu widerstehen.

Königtum. Am 2. Januar 1862 entschlief Friedrich Wilhelm IV., und Wilhelm I. bestieg den preußischen Thron. In seinem ersten Erlaß sprach er unter anderem zu seinem Volke:

König Fliedrich Wilhelm

In

in Baden (1849)

lesen

wir in

dem

Mit Stolz sehe ich auf meine Armee, der es unter Gottes Beistand beschieden war, den alten, wohlbegründeten Kriegs¬ ruhm Preußens zu erneuern, die gezeigt hat, daß die Zeit des 33 jährigen Friedens, dank sei es unserer Heeresverfassung, wohl angewandt worden sein muß, da sich die Truppen überall bewährt haben. Nochmals, Kameraden, rufe ich Euch meinen Dank für Eure ehrenvollen Leistungen zu.

Gott.

Er ist

er¬

der Anspannung seiner

geistigen und sittlichen Kräfte, in

dem Ernst und der Aufrichtigkeit seiner religiösen Gesinnung,

in der Vereinigung von Gehorsam und Freiheit, in der Stärkung seiner Wehrkraft liegen die Bedingungen seiner Macht; nur so vermag es seinen Rang unter den Staaten Europas zu behaupten. Meine Pflichten für Preußen fallen mit meinen Pflichten für Deutschland zusammen. Als deutscher Fürst liegt mrr ob, Preußen in derjenigen Stellung zu kcäfiigen, welche es ver¬ möge seiner ruhmvollen Geschichte, seiner entwickelten Heeres¬ organisation unter den deutschen Staaten zum Heile aller ein¬ nehmen muß.

Möge Gottes Segen auf den Aufgaben ruhen, welche sein Ratschluß

letzten Armeebefehl:

IV. ruht in

löst von den schweren Leiden, die er mit frommer Ergebung Niemals hat eines Königs Herz treuer für seines trug. Volkes Wohl geschlagen. Meine Hand soll das Wohl und das Recht aller, in allen Schichten der Bevölkerung hüten, sie soll schützend und fördernd über diesem reichen Leben walten. Es ist Preußens Bestimmung nicht, dem Genuß der erworbenen Güter zu leben.

mir übergeben hat.

König Wilhelm beschließt anstatt der Erbhuldigung die feierliche Krönung: Die Herrscher Preußens empfangen ihre Krone von Gott.

Ich werde deshalb die Krone vom Tische des Herrn nehmen und sie mir auf mein Haupt setzen. Dies ist die Bedeutung des Königtums von Gottes Gnaden, und darin liegt die Heiligkeit der Krone, welche unantastbar ist. Als im Jahre 1866 der drohte, schrieb König Wilhelm:

Krieg mit Oesterreich auszubrcchen

1858 zum Regenten

Ich weiß, daß in weiten Kreisen der wahrscheinlich bevorstehende Krieg in seinen Ursachen nicht begriffen wird;

Ich, Wilhelm, Prinz von Preußen, schwöre hiermit als Regent vor Gott, dem Allwissenden, daß ich die Verfassung des Königreichs fest und unverbrüchlich halten und in Ueber¬ einstimmung mit derselben und den Gesetzen regieren will.

teils weil diese nicht handgreiflich einem jeden vor Augen liegen, teils weck nach 50 Friedensjahren, der größten und höchsten Wohlfahrt der Bevölkerung, man sich des Gedankens entwöhnt hatte, daß alle die gewonnenen Güter zeitweise einem höheren

So wahr mir Gott helfe!

Zweck geopfert werden müssen.

Den Eid auf die Verfassung berufene

Prinz mit

den

leistete

der

Worten:

186

Ich habe mit meinem Gott im Gebet gerungen, um seinen Willen zu erkennen, und nur so habe ich, Schritt vor Schritt Preußens Ehre im Auge haltend, nach meinem Gewissen gehandelt. Nach diesem Exposs werden Sie sich überzeugen, daß wir einem Kampf um Preußens Existenz entgegengehen, und es wird nur dann ein Bruderkrieg werden, wenn Deutsch¬ land sich mit Oesterreich gegen mich verbündet. Daß ich frei¬ willig keinen deutschen Boden aufgebe, weiß die Welt, und Ströme Blutes müßten geflosien sein, ehe dies geschähe. Beten Sie für mich und für Preußen! Dann begegnen sich unsere Herzen am Throne Gottes, dessen Wille geschieht, wie im Himmel, so auf Erden! Nach

dem

Siege bei Königgrätz, 3.

Juli

1866,

erklärte

der

König:

Ich preise Gott für

seine Gnade. Es ist Gottes Werk, was wir heute vor uns sehen! — Gott allein die Ehre! Wir aber sind Gottes Werkzeug gewesen.

Bei der letzten Heerschau in Oesterreich

sprach

König Wilhelm:

Der Feldzug war kurz, aber glorreich, glücklicher, als es jemand von uns zu hoffen gewagt. Aber das war nicht unser Verdienst, sondern Gottes gnädiger Beistand. Auf den Knieen

wir Gott

Darum auch hebung jetzt, nicht Uebermut, sondern Demut! haben

zu danken dafür.

schrieb

dieser ernsten Scheidestunde des Jahres meinen Herzensdank

ür die Hingebung und Aufopferung, mit der sie meinem Rufe olgte und vor meinen Augen siegte — ein Erlebnis, für das ich Gott meinen demütigen Dank stammle! Aber ganz Preußen finde hier meinen königlichen Dank es in diesem denkwürdigen Jahre an

für die Gesinnung, die den Tag legte!

Wo solche Vaterlandsliebe sich zeigt, da ist der gesunde Sinn vorhanden, der Nationen groß macht, und darum segnet sie Gott sichtlich! Meinen heißesten Dank finden alle hier, die mir halfen, durch schwere Zeiten zu dem Lichtpunkt dieses Jahres zu gelangen! Möge Gottes Segen immer auf Preußen ruhen und Preußen sich dieses Segens würdig zeigen! Möge mein Sohn und seine Nachkommen solches Volk und solche Armee um sich durch

besonnenes,

Nach dem Siege bei Sedan und der poleons IE. schrieb der König an die Königin:

Du

Gefangennahme Na¬

kennst nun durch meine drei Telegramme den ganzen des großen geschichtlichen Ereignisses, das sich zu¬

Umfang getragen hat! Es ist mir ein Traum, selbst wenn man es Stunde für Stunde hat abrollen sehen! Wenn ich mir denke, daß nach einem großen glücklichen Kriege ich während meiner Regierung nichts Ruhmreicheres mehr erwarten konnte, und ich nun diesen weltgeschichtlichen Akt erfolgt sehe, so beuge ich mich vor Gott, der allein mich, mein Heer und meine Mit¬ verbündeten ausersehen hat, das Geschehene zu vollbringen, und uns zu Werkzeugen seines Willens bestellt hat. Nur in diesem Sinne vermag ich das Werk aufzufassen und in Demut Gottes Führung und seine Gnade zu preisen.

Kaisertum. Die Fruckt der Siege war die Einigung Deutschlands und die deutsche Kaiserkrone. Bevor er letztere annahm, erklärte Wilhelm I.:

In dem Jahr, welches heute schließt, hat sich Gottes Gnade in einer Art über Preußen ergossen, die für viel Erduldetes reichlich entschädigt. In Demut erkenne ich diese göttliche Gnade, die mich ausersehen hat, in meinem vor¬ gerückten Alter eine Wendung der Verhältnisse herbeizuführen, die zum Heil des engeren und weiteren Vaterlandes bestimmt zu sein scheint. Das Werkzeug, so Großes zu erreichen, die Armee, steht unübertroffen in diesem Augenblick vor der Welt. Der Geist i er sie beseelt, ist der Ausdruck der Gesittung, die eine sorgliche Hand meiner erhabenen Verfahren der Nation anerzogen hat. Die Armee finde in allen ihren Teilen in

und

mit Frankreich im Jahre 1870

Von Jugend auf habe ich vertrauen gelernt, daß an Gottes gnädiger Hülfe alles gelegen ist. Auf ihn hoffe ich, und fordere ich mein Volk auf zu gleichem Vertrauen. Ich beuge mich vor Gott in Erkenntnis seiner Barmherzigkeit und bin gewiß, daß meine Unterthanen und meine Landsleute es mit mir thun.

keine Ueber-

Am Ende dieses großen Jahres, Mitternacht 1866—67. Wilhelm I. in seinen Aufzeichnungen:

sehen

Beim Ausbruch des Krieges erklärte König Wilhelm:

zeitgemäßes Fortschreiten das

Wohl und Gedeihen beider sorglich fördern und Preußen die Stellung sichern, die ihm von der Vorsehung sichtlich angewiesen ist! Das walte Gott in seiner Gnade!!

Mit

tiefer Bewegung hat mich die durch Se. Majestät den König von Bayern an mich gelangte Aufforderung zur Herstellung der Kaiserwürde des alten deutschen Reiches erfüllt. Aber in dieser so hohe Interessen und so große Erinnerungen der deutschen Nation berührenden Frage kann nicht mein eigenes Gefühl, auch nicht mein eigenes Urteil meinen Ent¬ schluß bestimmen; nur in der einmütigen Stimme der deutschen Fürsten und freien Städte und in dem damit übereinstimmenden Wunsche der deutschen Nation und ihrer Vertreter werde ich den Ruf der Vorsehung erkennen, dem ich mit Vertrauen auf Gottes Segen folgen darf. Als dem Sieg der Friede und die Heimkehr gefolgt waren, beißt es in den Aufzeichnungen, die Kaiser Wilhelm I. am 31. Dezember 1871 niederschrieb, folgendermaßen:

Ihm sei Lob, Preis, Ehre, Dank! Schluß des Jahres 1866 mit dankerfülltem Herzen Gottes Gnade dankend preisen durfte für so unerwartet glorreiche Ereigniffe, die sich zum Heile Preußens gestalteten und den Anfang zu einer Neueinigung Deutschlands nach sich zogen, da mußte ich glauben, daß das von Gott mir auf¬ getragene Tagewerk vollbracht sei. und ich dasselbe nun in Ruhe und Frieden fortbildend dereinst meinem Sohne glück¬ bringend hinterlassen würde, voraussehend, daß es ihm beschieden sein würde, die südliche Hälfte Deutschlands mit der nördlichen zu einem Ganzen zu einen. Aber nach Gottes unerforschlichem Ratschluß sollte ich berufen werden, selbst noch diese Einigung herbeizuführen, wie sie sich nach dem von Frankreich auf das frivolste herbeigeführten, ebenso glorreichen als blutigen siebenmonatlichen Kriege nunmehr darstellt! Wenn je in der Geschichte Gottes Finger sich sicht¬ lich gezeigt hat, so ist dies in den Jahren 1866, 1870 und 71 geschehen. Gott war mit uns!

Als

ich am

13/ Der deursch-französische Krieg, der wie ein Blitz ans heilerem Himmel herabfiel, einte ganz Deutschland in wenigen Tagen, und sein Heer schritt von Sieg zu Sieg und erkämpfte mit schmerzlichen Opfern Ereignisse, die nur durch Gottes Willen möglich waren. Dieser Wille stählte die Gesinnung der Kämpfenden in Hingebung und Ausdauer und nie ge¬ kannter Tapferkeit, seiner Verbündeten

so

daß an Preußens Fahne

und

an

die

unvergängliche Ehre knüpfte. Dieser Wille begeisterte das Volk zu nie gekannter Opferwilligkeit, sich

zur Linderung der Leiden, die der Krieg unvermeidlich schlägt. Mit demütig dankerfülltem Herzen preise ich Gottes Gnade, dle uns würdig befunden hat. so Großes nach seinem Willen vollbringen zu sollen! Möge diese Gnade ferner uns zur Seite stehen beim Auf- und Ausbau des neu geeinten Deutsch¬ lands, zu dem erst der Grund gelegt ist. und Frieden uns beschieden sein, „die Güter in Demut zu genießen," die in blutigen, heißen Kämpfen errungen wurden! Herr Dein Wille geschehe, wie im Himmel, also auch auf Erden! Amen!

So mild und duldsam der Kaiser in religiösen Dingen war. und unentwegt bekannte er seinen Glauben gegenüber dem Unglauben:

so fest

Vor allem kommt

es

darauf an, daß die Kirche auf dem auf dem Grunde des aposto¬

rechten Grunde stehen bleibt,

lischen Glaubensbekenntnisses.

Wenn wir nicht mehr den Glauben haben an den Hei¬ land. daß er ist der Sohn Gottes, was soll dann werdend Dann wären auch seine Aussprüche nur Menschensatzungen.

Nach einer Begrüßung durch Geistliche und Lehrer sprach der Monarch:

Wir haben einen und denselben Bau, ich und Sie, nur mit dem Unterschiede, daß Sie die Fundamente legen müssen, auf denen ich weiter das Volkswohl bauen kann, und diese Fundamente sind Glaube und Gottesfurcht nach Gottes Wort. Wo diese Fundamente gelegt sind, da allein können die Obrig¬ keiten weiter am Volkswohl bauen. Wo diese Fundamente fehlen, bauen die Obrigkeiten auf Sumpf. Legen Sie diese Fundamente, und Sie können auf mich rechnen, und nicht bloß auf mich, sondern auch auf meine Nachkommen.

..

138

Am Schluß dcs Jahres 1878, in dem zwei Mordanfälle sein Leben bedrohten, heißt cs in den Aufzeichnungen

reichgesegnetes

Kaiser Wilhelms:

Es geht ein Jahr zu Ende, welches für mich ein ver¬ hängnisvolles sein sollte! Ereignisse von erschütternder Art trafen mich am 11. Mai und am 2. Juni! Die körperlichen Leiden traten zurück gegen den Schmerz, daß preußische Landesknider eine That vollbrachten, die am Schluß meiner Lebenstage doppelt schwer zu überwinden war und mein Herz und Gemüt für den Rest meiner Tage finster

Doch muß ich mich ergeben in den Willen Gottes, der das alles zuließ, aber zugleich seine Gnade und Barmherzigkeit walten ließ, da er mir nicht nur das Leben erhielt, sondern mich auch in einer Weise gesunden ließ, die So mich zu meinen Berussgeschäften wieder fähig machte. preise ich Gott für diese seine Führung, in der ich zugleich eine Mahnung erkenne, mich zu prüfen, ehe ich vor dem Richterstuhl dcs Allmächtigen erscheinen soll! Daher erkenne ich in den so sichtbar gewordenen Ereignissen eine gnadenvolle Führung Gottes, die zum Guten führen soll, wie alles, was von ihm in Leid und Freude uns trifft. Darum preise ich die Vorsehung für die schmerzensvollen Ereignisse des ab¬ laufenden Jahres. Sie haben mir aber auch Erhebendes ge¬ bracht, durch die Teilnahme, welche mir von allen Seiten zu erscheinen lassen!

teil

wurde.-

Aber nicht bloß in dieser Leidenszeit zeigte sich diese Teilnahme, sondern jederzeit habe ich dieselbe in einem Maße empfangen, die weil über das Verdienst ging, mit dem ich das mir übertragene Pfund verwalten konnte. Die Menschen haben meine Schwächen und Fehler übersehen wollen; aber Der, welcher sie kennt, wolle mir dereinst ein barmherziger Richter sein, wo ich die Lehren und Weisungen des eingeborenen Sohnes des himmlischen Vaters nicht achtete! Herr Dein Wille geschehe wie im Himmel also auch auf Erden.

Im

Glauben ist die Hoffnung und bte himmlische Liebe Amen!

_Wilhelm.

der Weg dahin!

Die Zustände zu

bessern, die solche schmerzlichen

Ereigniffe mög¬

lich gemacht hatten, betrachtete der greise Kaiser nunmehr als seine

Hauptaufgabe.

Die Hauptsache ist die Erziehung der Jugend. Hier gilt Die religiöse Erziehung muß viel tiefer und ernster gefaßt werden. Die wissenschaftliche Bildung des Verstandes allein kann

es, die Augen offen zu halten. noch

nicht

die stttliche Läuterung des Menschen

zu Folge

haben.

Dazu gehört vor allen Dingen Religion, wahre Gottesfurcht. Bekannt sind die Staatserlasse vom 17. November 1881 und

April 1883. In ihnen heißt es u. a.: Wenn es uns gelänge, das Bewußtsein mitzunehmen, dem Vaterlande neue und dauernde Bürgschaften seines inneren Friedens und den Hilfsbedürftigen größere Sicherheit und Ergiebigkeit des Beistandes, auf den sie Anspruch haben, zu 14.

hinterlassen ! Unsere

kaiserlichen

unserer Macht stehendes

Pflichten

Mittel

gebieten

uns,

zu versäumen, um

kein

••

Am 22. März vollendete Wilhelm I. sein neunzigstes Lebensjahr. Es war der letzte Geburtstag, ein Tag voll strahlenden Glanzes. Die Gedanken, die den Kaiser an diesem Tage beseelten, bringt sein Dankerlaß zum Ausdruck:

Cs ist eine wunderbare Fügung dcs Himmels, daß mir nach so vielen unvergeßlichen Erinncrungslagcn auch noch ver¬ gönnt gewesen ist, am 22. März mein neunzigstes Lebensjahr

In demütigem Ernst erkenne ich die Gnade Gottes, welche mich diesen Tag hat erleben lassen, welche mir in so hohem Alter die Kraft zur Erfüllung meiner fürstltchen Pflichten erhallen hat, welche mir das Glück gewährt, noch den Lebensabend mit meiner geliebten Gemahlin zu teilen und auf eine kräftig emporwachsende Nachfolge von Kindern. Enkeln und Urenkeln zu schauen. Neunzig Jahre eines menschlichen Lebens, welch eine lange Spanne Zeit! Wenn ich sie im Geiste an mir vorüber¬ gehen lasse, so will es wir oft kaum faßlich erscheinen, was Die göttliche ich alles erlebt, erfahren und errungen habe. Vorsehung hat meine Wege, wenn auch nicht ohne schwere Prüfungen, sicher geleitet und zu glücklichen Zielen geführt. Gottes reichster Segen hat auf meiner Arbeit geruht. — In frühester Jugend habe ich die Monarchie meines tiefgebeugten Vaters in ihrer verhängnisvollen Heimsuchung gesehen. Ich habe aber auch die hingebendste Treue und Opferfreudigkeit, die ungebrochene Kraft und den unverzagten Mut des Volkes in den Tagen seiner Erhebung und Befreiung kennen gelernt. zu vollenden.

in meinem Alter blicke ich. nach so manchen Wechselfällen meines Lebens, mit Stolz und Befriedigung auf die großen Wandlungen, welche die ruhmvolle Vergangenheu der jüngsten Zeit, ein unvergängliches Zeugnis deutscher Einigkeit und aufrichtiger Vaterlandsliebe, in Deutschland geschaffen hat. Möge unserem teuren Vaterlande die lang ersehnte Er¬ rungenschaft. wie ich es zuversichtlich hoffe, in ungestörter, segensreicher Friedensarbeit zu stets wachsender Wohlfahrt aller Klassen der Nation gereichen! Jetzt

Zum Schluß lautet der Dankerlaß:

Nicht vermag ich allen zu danken. Tlef ergriffen von solcher durch alle Schichten der Bevölkerung gehenden Bewegung, kann ich nur der Gesamtheit zu erkennen geben, welche ungemeine Freude mir jeder an seinem Teil bereitet hat. und wie tief mein Herz von innigster Dankbarkeit für alle diese patriotischen -Kundgebungen erfüllt ist. — Es giebt

wahrlich für mich kein größeres Glück, kein erhebenderes Bewußtsein, als zu wissen, daß in solcher Weise die Herzen meines Volkes mir entgegenschlagen. — Möge mir diese Treue und Anhänglichkeit als ein teures Gut, welches die letz'en Jahre meines Lebens hell erleuchtet, erhalten bleiben! Mein Sinnen und Denken aber soll, wie bisher, so auch ferner für die Zeit, welche mir zu wirken noch beschieden sein wird, darauf gerichtet sein, die Wohlfahrt und Sicherheit meines Volkes zu heben und zu fördern.

in

die Besse¬

rung der Lage der Arbeiter und den Frieden der Berufs¬ klassen unter einander zu fördern, so lange Gott uns Frist giebt zu wirken.

Von Dr. Gustav Albrecht. Zum Andenken an die hundertjährige Wiederkehr des Geburtstages Sr. Majestät des hochseligen Kaisers Wilhelm I. hat die Berliner Medaillen-Münze von L. Ostermann vorm. G. Loos (Jnhab. A. Krüger) zwei Medaillen schlagen

130 lassen, welche

infolge ihrer künstlerischen Ausführung geeignet

sind, ein treffliches Erinnerungszeichen an die Hunderljahrfeier zu bilden.

Die größere der beiden Medaillen hat einen Durchmesser von 50mm und ist in der neuen französischen Manier ohne hervorstehenden Rand und mit mattem Grunde hergestellt. Sie zeigt auf der Vorderseite (s. S. 141 Nr. 2) das mit einem Lorbeerkranz geschmückte Brustbild des greisen Kaisers im Hermelinmantel und die Umschrift:

WILHELM I DEUTSCHER KAISER

GEB.

22.

KOENIG VON PREUSSEN MAERZ 1797 — GEST. 9. MAERZ

Auf der

Rückseite

1888.

S. 141 Nr.. 1) liegt auf einem

krone. von einem Lorbeer- und einem Eichenzweig umrahmt. Darüber befindet sich das Datum: 22. MAERZ 1897. Die kleine Medaille hat die Größe eines preußischen Thalers und zeigt wie dieser auf der Vorderseite den Kopf des Kaisers mit derselben Umschrift wie die größere Medaille. Auf der Rückseite erblickt man ein auf Lorbeerzweigen ruhendes, von der Kaiserkrone gekröntes W und die Inschrift : 1797 . 22. MAERZ . 1897. Diese beiden Medaillen bilden den Abschluß einer Reihe von Denkmünzen, welche die Berliner Medaillen-Münzr*) auf bemerkenswerte Ereignisse im Leben Kaiser Wilhelms I.

hat schlagen lassen.

Die erste in der Reihe dieser Denkmünzen bezieht sich auf die Vermählung des Prinzen Wilhelm von Preußen mit der Prinzessin Augusta von Sachsen-Weimar im Jahre 1829. Sie zeigt auf der Vorderseite (s. S. 141 Nr. 3) das Doppelbildnis des hohen Paares mit Namensumschrift, auf der Rückseite einen von Lorbeer- und Rosenzweigen um¬ kränzten Sockel, mit dem preußischen und sächsischen Wappen und eine auf die Hochzeit bezügliche lateinische Inschrift. Die beiden Köpfe, besonders der aufliegende der Prinzessin in 1er charakteristischen Haartracht der zwanziger Jahre mit einem Rosenkranz, sind vortrefflich ausgearbeitet. Die nächste Denkmünze ist aus die Aufnahme des Prinzen Wilhelm in die Loge und die Uebernahme des Protektorats über dieselbe im Jahre 1840 geschlagen worden. Auf der Vorderseite erblickt man das Brld des Prinzen mit der Umschrift:

GUJL

LUD.

PR1NCEPS SORUM.

von Hymen bekränzt; neben dem Prinzen steht sein Sohn Friedrich Wilhelm (der spätere Kaiser Friedrich III.), neben der Mutter ihre Tochter Luise (die Großherzogin von Badens; beide find gleichfalls in römisches Gewand gekleidet und schauen liebe¬ voll zu den Eltern auf. Zu den Füßen des Prinzen Friedrich Wilhelm sitzt ein Adler, im Schnabel ein Band mit der In einem unteren Abschnitt Inschrift: „Suum cuique.“ befinden sich das preußische und das sächsische Wappen, von einem Band mit der Inschrift 1829, 11. Juni, 1854 umschlungen.

(s. Kissen über gekreuztem Reichsschweit und Scepter die Kaiser¬

ERID.

Ueber einem mit Fackeln geschmückten Altar reichen sich die Ehe¬ gatten. beide in römischem Patiiziergewand, die Hand und werden

BORUS-

Der Revers zeigt, an einen Eichenstumpf angelehnt, drei Wappenschilder der großen Logen, auf dem Stumpfe ein Kissen mit Freimaurerinfignien. darüber den schwebenden preußischen Adler mit Krone und Palmenzweig. Die nun folgende Medaille bringt die silberne Hochzeit des prinzlichen Paares im Jahre 1654 in Erinnerung. Auf der Vorderseite dieser Denkmünze befinden sich die Porträts des Prinzen und der Prinzessin mit Namensumschrift. Die Rückseite (s. S. 141 Nr. 4) ist in antiker Auffassung gehalten. *) Die Berliner Mcdaillcn-Münze wurde 1776 von d.m König!. Münzmcislr Dann! Loos gegründet und b.fand sich damals in der Amen Friedrichstr. 56. Von dem Gründer übernahm sie 1819 der Sohn Gottfried Bernhard Loos und von dicscui 1843 Franz Ludwig Ostcrmann. Unter dem Jnhab.r Emil Krüger, welcher die Münze 1879 übernahm, siedelte dieselbe 1884 nack der Holzriarktstr. 6/7 über, wo sie sich noch jetzt befindet und von dem Sohne des vorigen, Arthur Krüger, geleitet wird.

Die nächste Medaille bezieht sich auf das fünfzigjährige Dienstjubiläum des Prinzen im Jahre 1857. Während die Vorderseite den Kopf des Prinzregenten mit Namensnnterschrift zeigt, ist auf der Rückseite der Prinz in ganzer Figur, auf einem Felsen stehend, in römischer Rüstung mit einer Krone auf dem Helm dargestellt, Eine fitzende Borussia, mit Speer und fliegendem Mantel, zu ihren Füßen der preußische Adler, hält eine Viktoria in der erhobenen rechten Hand, welche dem Prinzen einen Lorbeerkranz aufs Haupt setzt. Die Umschrift lautet: NACH 50 DIENST-JAHREN 1857. Die Krönung im Jahre 1861 wird durch eine Denkmünze gefeiert, welche auf dem Avers das von den Krönungsthalern her bekannte Doppelpoiträl des Königspaares zeigt, während auf der Rückseite das Herrscherpaar, bekleidet mit den Insignien der neuen Würde, aus einem auf Stufen erhöhten Thron Zu Füßen des Throns, auf dessen Stufen der preußische sitzt. Adler, in den Fängen die Verfassung von 1850 haltend, hockt, kniet eine Borussia in griechischer Gewandung und hebt die Hände huldigend zu dem gekrönten Paare empor. Neben dieser Gestalt steht eine Opferschale mit brennender Flamme, der Sockel derselben

trägt die Inschrift:

MIT GUT UND BLUT.

An Deutschlands große Zeit 1870/71 erinnern zwei Medaillen. Die erstere, auf die Einigung Deutschlands, zeigt auf der Vorderseite die Gruppe der deutschen Bundesfürsten, im Vordergründe Kaiser Wilhelm Hand in Hand mit den Königen von Sachsen und Bay.'rn, und auf der Rückseite die Kaiserkrone und die Jahreszahl 1871, von Palmen- und Eichenzweigen umrahmt. Die andere feiert die Enthüllung der Siegessäule und trägt auf dem Avers das Portrait des Kaisers mit Umschrift, auf dem Revers eine Abbildung der Siegessäule mit der Umschrift: DAS DANKBARE

VATERLAND DEM SIEGREICHEN HEERE. SEPT.

1873. Eine größere Medaille, nach einem Entwurf von Ludwig Bürger, ist auf die goldene Hochzeit des Kaiserpaares geschlagen worden. Auf der Vorderseite (s. S. 141 Nr. 5) erblickt man auf einem einfachen, mit Greifen verzierten Sessel das hohe Jubel¬ paar Hand in Hand, der Kaiser im Hermelin mit Scepter und Krone, die Kaiserin in idealer Gewandung mit Schleier und Diadem; vor ihnen steht Hymen mit brennender Fackel und reichr ihnen die goldenen Lorbeerkronen dar. In einem Ab¬ schnitt unter dieser Darstellung befindet sich eine von einem dicken Lorbeerkranz umrahmte 50 und die Jaschrist 11. JUNI 1879. Auf der Rückseite liegen auf einem aus Lorbeer- und Rosevzweigen geflochtenen Kranze an einander gelehnt das preußische und das sächsische Wappen mit der preußischen Königs¬ krone; darüber steht die Inschrift ZUR GOLDENEN HOCHZEIT, überragt von der Kaiserkrone. 2.

Die beiden folgenden Denkmünzen rufen die Erinnerung das fünfundzwanzigjährige Regierungsjubiläum (1885) und das achtzigjährige Dienstjubiläum (1887) wach. Die erstere umfangreiche Medaille zeigt auf der Vorderseite das Porträt des Kaisers in großer Generalsuuiform und auf der Rückseite den Reichsadler mit den aufliegenden Verdienstkreuzen von 1864 und 1866 und dem eisernen Kreuz. Die Umschrift an

lautet:

GOTT WAR MIT UNS, IHM SEI DIE

1861. 2. JANUAR 1886. Die zweite kleinere Medaille trägt vorn das Bildnis des Kaisers im Jnterimsrock, hinten einen einfachen Eichenkranz mit Datum und Umschrift. An den neunzigjährigen Geburtstag des Monarchen er-

EHRE.

©raucrjtragjc für Kaiser Wilhelm I. Aus

an dessen unterem Ende links der Engel des Todes sitzt, während rechts die trauernde Germania einen Lorbeerkranz auf den Sarkophag niederlegt. Diese beiden ist der Sarkophag aufgestellt,

Gestalten sind ganz ungemein schön ausgeführt, und namentlich die Germania, eine ideale Frauengestalt, kann, was den Aus¬ druck der Trauer in den Gefichlszügeu und die Schönheit der Körperformen und des Faltenwurfs aubetriffl, den edelsten Erzeugnissen auf dem Gebiete der Medailleurkunst würdig an die Seite gestellt werden.

Eine kleinere Medaille, gleichfalls zur Erinnerung an Tod des Kaisers geschlagen, beschließt die Reihe der Kaiser Wilhelm-Medaillen. Sie zeigt auf der Vorderseite das den

«Kreulung der Charlottenburger Chaussee mit der öiegesallee, von O. March). Hotzscldt, Verlag von Wilhelm Ernst u. Sohn in Berlin.

dem glcichuamigcu Werk von O.

innert eine Denkmünze mit dem schön ausgeführten Brustbild des Kaisers in Krone und Hermelin auf dem Avers (s. S. 141 Nr. 6) und einer fitzenden Borussia mit Schild und Lanze auf dem Revers. Die Umschrift lautet: ZUR ERINNERUNG AN DEN 90 JÄHR. GEBURTSTAG. 22. MÄRZ 1887. Die schönste Medaille in der ganzen Reihe der Kaiser Wilhelm-Medaillen ist die auf den Tod des greisen Herrschers. Die Vorderseite zeigt das trefflich geschnittene Brustbild des Verewigten im Hermelinmantel, auf dem Haupte einen Lorbeer¬ kranz. Von hervorragend künstlerischer Bedeutung ist der Revers (s. S. 141 Nr. 7). Im Hintergrund erblickt man die Apsis einer romanischen Kapelle, zu deren Seiten sich in Nischen die Gestalten von Glaube und Hoffnung erheben. Vor der Apsis

Portrait schlichtes

im Jnterimsrock. auf der Rückseite ein Kreuz nebst Geburt«- und Sterbedatum und d'e

des Kaisers

IGH UND MEIN HAUS WOLLEN DEM HERRN DIENEN. Inschrift:

Die Berliner Medaillen-Münze hat anläßlich der Hundert¬ jahrfeier eine Zusammenstellung dieser Denkmünzen veranstaltet, welche sie an Liebhaber zu einem sehr vorteilhaften Preise abläßt. Sicherlich sind die Denkmünzen in hohem Grade geeignet, die Erinnerung an Kaiser Wilhelm den Großen wachzuerhalten.

Nr. 2.

Nr. 7.

Kaiser Wilhelm-Medaillen der Berliner Medaillen-Mnnze.

Nr.

1

die

Von L. Ost ermann vorm. G. Loos. Nr. 3. Zur Erinnerung an an die Feier des 100 jährigen Geburtstages. 22. März 1897, Revers und Avers. 1829. Nr. 4. Zur Erinnerung an die silberne Hochzeit. Nr. 5. Zur Erinnerung an die goldene Hochzeit., Erinnerung an den 90jährigen Geburtstag. Nr. 7. Zur Erinnerung an den Tod, 9. März 1838.

Zur Erinnerung Vermählung. 11. Juni

und 2.

Nr. 6. Zur

Hin

Kaiser Wilhelm der Große an sein Uolk. Der ewig großen Zeit, Wo sieggekrönt Dein starkes Schwert Das alte Reichsland hat befreit!

Unübertrefflich war der greise Held. Der größte Ritter ohne Furcht und Tadel!

Ich habe jenes Trauerzugs gedacht. Wie würdiger ihn nie die Welt gesehen — Held Weißbarts Hülle ruht' in Grabesnacht. Sein Geist lebt fort, sein Werk wird nie vergehen! O große Zeit! — Heil dem, der sie erlebt! Das Volk in Waffen zog zu heil'gen Kriegen! Was wir erträumt, inbrünstig wir erstrebt:

Bleib' eingedenk, Du deutsches Volk!

Du deutsches Volk, Sieh' himmelan. Wo Sternenheere steh'n, Unwandelbar Auf dich mit Stolz Die Helden dein herniederseh'n! Sieh' himmelan, Du deutsches Volk!

Held Weißbart führte uns zu Ruhm und Siegen! Und lauter Jubel scholl von Gau zu Gau. Vom Zollernfels bis zu des Meeres Wogen, Errichtet wieder stand der hehre Bau, Als unsere deutschen Brüder heimwärts zogen. Umschlungen alle von der Eintracht Band. Es jauchzten und frohlockten Millionen: „Wilhelm gab uns das große Vaterland. O möge Treue immer darin wohnen!"«

Du deutsches Volk, Bleib' groß und stark, Daß du dein Kleinod wahrst, Als einig Volk,

Wird

es bedroht. Dich treu um deinen Kaiser scharst! Bleib' groß und stark.

deutsches

Du

Stumm schritt ich hin zum Brandenburger Thor; Im Mondlicht glänzt' der Göttin Siegeswagen. Und unwillkürlich schaute ich empor, Wie dermaleinst an jenen Einzugstagen. Das war des Aares kräftig-kühner Flug; Heil, Deutschland Dir. daß solcher Tag erschienen! Ein Zollerndreiblatt strahlt' im Siegeszug, Umgeben von erprobten Paladinen! Nun ruht das Dreiblatt in der kühlen Gruft, Doch Weißbarts Enkel schmückt die Königskrone. Ihm folgen wir, wenn zu den Waffen ruft Der junge Held auf Deutschlands Kaiserthrone. Ihm folgen wir, in Treue immerdar, In Kampf und Tod, wie auf des Friedens Bahnen, Wie wir gefolgt in Krieg und in Gefahr Des Hohenzollernkaisers ruhmgekrönten Ahnen!

Volk!

deutsches

Mit dir

Volk,

ist Gott,

Wenn du mit ihm nur bist! Er führet dich Mit alter Kraft, So du nur nimmer sein vergißt! Mit dir ist Gott,

Du

deutsches

Volk!

Friedrich Bücker.

Elegie auf Kaiser Wilhelm

I.

Von Bruno Emil König.

hin um Mitternachr — Vor Weißbarts Schlöffe mußt' ich stehen bleiben. Und wehmutsvoll hab' ich der Zelt gedacht. Da Er gestanden hinter jenen Scheiben! Wie oftmals hier sein treues Aug' gelacht Beim Anblick seines Volkes, seiner Krieger! Und dann gedacht' ich jener kalten Nacht, AIs sanft verschied der größte aller Sieger.

Die Linden schritt

hin zum Meeresstrand

Und übers Meer erscholl die Trauerkunde. Wehklagen ging durchs ganze deutsche Land Nach Kaisers Weißbarts stiller Sterbestunde. Und ehrfurchtsvoll beugt' ringsum sich die Welt Vor des Verblichnen wahrem Seelenadel;

Du deutsches Volk, Bleib' eingedenk

Du

zu den Alpen,

Und weiter schritt ich hin zum heim'schen Dach Und mußte lang noch jener Nacht gedenken. Als Kaiser Weißbarts Heldenherze brach. Und tiefer mich in jene Zeit versenken. — Doch ist denn wirklich „unser Wilhelm" tot? O nein! Er lebt, sein Nam' wird ewig leben! Mit Ihm ging auf des Deutschen Morgenrot:

ich

Sein Geist wirdimmerdar sein Volk umschweben.

Kleine Mitteilungen. Die Trauerstraße für Kaiser Wilhelm I., bei welcher bekanntlich die ausführenden Architekten wegen des starken Frostes mit großen Schwierigkeiten zu kämpfen hatten, war durch feierlichen Pomp und künstlerische Durchbildung von solcher Großartigkeit, daß Kaiser Friedrich dem Architektenvcrein ein besonderes Dankschreiben zugehen ließ. Heute ist es wohl angebracht, auf diese letzte Huldigung des Volkes und der Kunst an den großen, innig geliebten Kaiser nochmals hinzuweisen, nachdem die in jenen Tagen entstandenen prachtvollen Gelegenhcitsdekorationcn durch Regicrungsbaurat Hoßfeldt zu einem besonderen Werke von dauerndem Werte gesammelt wurden: Die Trauerstraße für Kaiser Wilhelm I. am 16. März 1888, dargestellt und beschrieben von O. Hoßfeldt (Pr. bei cleg. Einband 4 Mk.). Dieses Werk, das bei

l

Wilhelm Ernst u. Sohn

1889 erschien, giebt zunächst in wirkungsvollen Perspettiven die effektvolle Dekoration des Domes (von Baurot Heyden), in dem Moment, da der Sarg des Entschlafenen auf den Baldachin¬ wagen geschafft wird; dann ferne:hin den mächtigen Aufbau der großen Kandelaberpylone vor dem Schlosse (von Wallot), die Dekoration der Langen Brücke (von Orth), den Baldachin an der Friedrichstraße (von Cremer) und das Brandcnburgerthor (von Ende). Den Schluß bildet ein ergreifender Blick auf die Kreuzung der Siegesallee mit der Charlotten¬ burger Chaussee, in dem Augenblick, da der alte Kaiser, von seinen Ge¬ treuen geleitet, seiner ewigen Heimstätte zuwandelt, während die Truppen rechts und links abschwenken (s. Abb.). Diese Blätter, auf denen auch der Trauerschmuck der Linden, des Zeughauses, der Wache, der Universität und

anderer öffentlicher Gebäude zur Darstellung gelangte, wecken eine ernste und wehmutsvolle Erinnerung. Auf Seite 140 bringen wir mit Ge¬ nehmigung des Verlages einen Probedruck der erwähnten vortrefflichen

Blätter.

Ein Jugeudbrief Kaiser Wilhelms des Großen. Ein interessanter Jugendbrief Kaiser Wilhelms des Großen an seinen Bruder Karl, der den Bericht des siebzehnjährigen Prinzen isber seine Feue, taufe bei Bar-sur-Aube enthält, ist kürzlich zum ersten Mas veröffentlicht worden. Dem „Deutsche Helden aus der Zeit Kaiser Wilhelms des Großen von Hans Kraemer" (Berlin, Deutsches Verlagshaus Bong & Co.), das eine große Reihe neu erschienenen, glänzend ausgestatteten Prachtwerk

wertvoller historischer Reminiscenzen enthält, ist eine getreue FacsimileNachbildung des drei enggeschriebene Seiten füllenden Schreibens beigegcben. Der Brief lautet wörtlich: „Chaumont, den 2. März 1814. Vielen Dank für Deine beiden Briefe vom 1. und 12. Februar. Ich habe sie unmöglich früher beantworten können. Die Rechnung von Henoch für die Achselbänver habe ich nicht gefunden, da ich doch alle Quittungen gesammelt habe. Mithin kann ich nicht sagen, ob sie quittirt ist. Mein Tagebuch setz ich noch fort, aber nur sehr kurz. Anliegende kleine Relation von dem letzten Gefecht bei Bar-sur-Aube gehört in das Tagebuch; ich bitte also sehr, nachdem Du sie den Uebrigen mitgetheilt hast, sie mir zurückzuschicken. Es ist das Format meines Tagebuchs. In den letzten Tagen haben wir ziemlich starke Fatiguen gehabt. Den 27. waren wir von 7 Uhr Morgens bis */,8 Ubr Abends im Freien und fast beständig zu Pferde. Um l 2 Abends tranken wir Caffee in Bar-sur-Aube. Dm ganzen Tag hatte ich nichts als 2 Butterbrote gegessen, mich hungerte aber auch fast garnicht. Denn in der Spannung, in welcher man während des Gefechts ist, vergißt man alles übrige. Papa war von den drei Regenten der Einzige bei der Affaire; die beiden anderen waren schon am 25. hicrhergegangen. Papa wollte es aber abwartm. Bei dieser Affaire habe ich zum Erstenmahle die Bekannt¬ schaft der kleinen Kugeln gemacht. Wir erhielten eine Ladung voll auf 80 Schritt. Nachher waren wir wieder sehr exponirt, als die Kavallerie geworfen wurde; wir waren sehr nahe dabei. Der schönste Augenblick des Gefechts war, als der Feind auf einem Punkt, acht Bat. stark, reis aus nahm. Den 28. beritten wir das Schlachtfeld; es war sehr belegt mit Todtm. Einige waren fürchterlich zerschossen. Auch lag ein einzelner Fuß da. Von dort rittm wir über die Brücke bei Arconvall gegen Vandomvre, wo wir dem Flanquiren zusahen. Auch hier pfiffen uns die kleinen Herren einzeln um die Ohren. Morgen oder Uebermorgcn gehen wir wieder vor. Gestern ist Wittgenstein in Vandoeuvre einge¬ rückt. Blücher stand am 28. vor Mcaux; heute oder morgen vor Paris. Vor sich hat er Marmont und Mortier 8000 M. Er selbst ist ganz conccntriert mit Park, Kleist und Sacken. Bülow geht von Soissons grade auf den großen Sünden Pfuhl. Blücher will, wenn er hin kommt, nicht in die Stadt, weil er voraussieht, gleich raus zu müssen, da N. (Napoleon) ihm angeblich mit 40 T. M. folgt (wahrscheinlich mehr) und er ihm Bataille geben wird. Gen. Jagow mit dem Blockade Corps von Erfurt 18 T M. vereinigt sich mit St. Priest 6000 M. und folgt N. Wenn wir hier rasch nachgehen, so kann das sehr gut werden. Nun adieu. Empfehlungen an Menü und die Uebrigen. Wie gefallen Dir die beiden Groß-Fürsten? Sr. König!. Hoheit Dein dem Prinzen Carl von Preußen, dritten Wilhelm. Sohn Sr. Maj. des Königs, zu Berlin. Kaiser Wilhelms I. Lieblingsblume. Im „Bär" ist schon häufig von der LieMngsblumc Kaiser Wilhelms I., der blauen Kornblume, die Rede gewesen. Auch da« ist schon ausführlich mitgeteilt worden, daß diese Vorliebe des Kaisers für die blaue Kornblume aus der Zeit der Flucht nach Ostpreußen und von den Kornblumenkränzen herstammt, die seine Mutter, die hochselige Königin Luise, damals ihren Kindern wand. Nunmehr sind wir in die Lage versetzt, den eigenen Bericht Kaiser Wilhelms 1. darüber, wie er dazu gekommen, gerade diese Blume als Lieblingsblume zu erwählen, unseren Lesern vorführen zu können. Er findet sich in dem Werke „Der große Kaiser in seiner menschlichen Größe" von Paul Pasig (Leipzig, Beruh. Richters Verlag) und lautet

ll

folgendermaßen: „Als meine Mutter mit mir und meinem Heimgegangenen Bruder nach Königsberg floh in jener schweren Zeit zu Anfang unseres Jahr¬ hunderts, traf uns das Mißgeschick, daß ein Rad des Wagens im freien Felde zerbrach. Ein Ort war nicht zu erreichen, wir setzten uns an einen Grabenrand, während der Schaden, so gut es eben gehen wollte, ausgebessert ward. Mein Bruder und ich wurden durch diese Verzögerung müde und hungrig, und besonders ich, der ich ein kleiner, schwächlicher, zarter Bursche war, machte meiner teuren Mutter viel No: mit meinen Klagen. Um unserm Gedanken eine andere Richtung zu geben, stand die Mutter auf, zeigte uns die vielen schönen blaum Blumen in dm Feldern und forderte uns auf, davon zu sammeln und ihr dieselben zu bringen. Dann wand sie Kränze davon, und wir schauten mit Freudm ihren geschickten Händen zu. Dabei mochte der Mutter wohl die ganze traurige Lage des Landes, ihre eigene Bedrängnis und die Sorge um der Söhne Zukunft wieder einmal schwer aufs Herz fallen, denn langsam rann aus ihren schönen Augen Thräne um Thräne und fiel auf den Kornblumenkranz. Mir ging diese Bewegung meiner treuen Mutter tief zu H-rzen; meinen eigenen kindlichen Kummer vergessend, versuchte ich sie durch Liebkosungen zu trösten, wobei sie den von ihren Thränen glänzenden blaum Kranz mir aufs Haupt setzte. Ich war damals zehn Jahre alt; doch ist mir diese rührende Scene, unvergeßlich geblieben, und erblicke

ich jetzt im hohen Alter die liebliche blaue Blume, so glaube ich, die Thränen der treuesten aller Mütter darin erglänzen zu sehen, und liebe sie

deshalb wie keine andere."

Kaiser Wilhelm als Prinz von Preußen im Jahre 1848 in England und seine Rückkehr nach Preußen. Ueber die Flacht des Piinzen von Preußen cbie freilich insofern mit Unrecht als Flucht be¬ zeichnet wird, als der Prinz damals auf ausdrücklichen Befehl des Königs Preußen verlassen hat) machte Herr Kammcrgerichtsrat Dr. Metzel in der Sitzung des Pereins für die Geschichle Berlins am 27. Februar d. I. höchst interessante Mitteilungen. Denselben entnehmen wir folgendes (ck. Nr 3 der Mitt. des Pereins für die Geschichte

Berlins):

Am 2. April 1848 wurde zu Berlin der zweite vereinigte Landtag eröffnet. An demselben Tage besuchte der Prinz von Preußen den Gottesdienst in der Savoykirche zu London. Dort wurde ein Kirchen¬ lied gesungen, welches auf den Prinzen einen solchen Eindruck machte, daß er in dem Hannoverschen Kirchengesangbuche, welches ihm damals vom Prediger Steinkopf geschenkt wurde und welches lange Zeit auf dem Schreibtisch des Prinzen in Schloß Babelsberg gelegen ha«, den dritten Vers anstrick und mit dem eigenhändigen Vermerk versah: „Bei meinem ersten Pesuche des Gottesdienstes in der Savoykirche zu London am 2. April 1848 gesungen." Dieser Vers möge auch hier seine Stelle finden, er lautet: „Da siehst du Gottes Herz, Das kann dir nichts versagen, Sein Mund, sein teures Wort Vertreibt ja alles Zagen. Was dir unmöglich dünkt, Kann seine Vatcrh'and Noch geben, die von dir Schon soviel Not gewandt!" Während der Prinz in England eine bange, aber doch auch in mannigfacher Beziehung an Anregungen reiche Zeit verlebte, erschienen in Berlin die schandvollstcn Schmähschriften gegen ihn. Die Mi߬ stimmung gegen den Prinzen war so weit verbreitet, daß selbst Geistliche ihn in der herkömmlichen Fürbitte unerwähnt ließen, und auch der Landtagsmarschall seiner nicht gedachte. Aber in den Provinzen begann bereits eine Umstimmung sich anzubahnen. Hier und da wurden im Lande Stimmen laut, welche die Zurückberufung des Prinzen von Preußen forderten, und nicht lange, so wurde sein Name der Mittel¬ punkt und das Panier aller, die mit Treue an dem Königtum von Gottes Gnaden festhielten. Namentlich aber sprach sich diese

aus.-

Sympathie für den Prinzen in dem preußischen Heere Schließlich nahm die Stimmung für den Prinzen von Preußen so überhand, daß das Staatsministerium selbst am 10. Mai 1848 dem Könige die Zurückberufung desselben anriet, wobei es erklärte, es erachie es für unerläßlich, daß Seine Königliche Hoheit als der Nächste am Throne während der Beratung und bei der feierlichen Anerkennung der zu vereinbarenden Staatsverfassung zugegen sei. Pereits am folgenden Tage, den 11. Mai, erließ der König eine Kabinettsordre, durch welche er den Major Laue zum ersten Adjutanten des Prinzen von Preußen ernannte und ihn beauftragte, Seiner Königlichen Hoheit die Aufforde¬ rung zur Rückkehr zu überbringen. Am 27 Mai wurde dem Prinzen dieser Befehl übermittelt, und er trat sofort über Brüssel die Heimreise an. Am 4. Juni bcttat er in Wesel, wo ihm ein festlicher Empfang bereitet wurde, den preußischen Poden. Von Wesel bis Magdeburg glich seine Reise einem wahren Triumphzuge, auf allen Bahnhöfen wurde er von Veteranen, Landwehrvereinen und Schützengilden mit jubelnden Hurrahs empfangen. Am 7. Juni, am Todestage seines Vaters, traf der Prinz in Potsdam ein, und noch an demselben Tage begab er sich in das Mausoleum z, Charlottcnburg an die Ruhestätte der unvergeßlichen Eltern, um dort dem Herrn, dem L-nker der Völkcrgeschicke, seinen inbrünstigen und demüligcn Dank darzubringen. Die erÜL Peteilianiia des nachmaligen Kaisers Wilhelm l. am parlamentarischen Leben! Zn'den 'erstcn^FebrMirragen'dieses Jahres ist cs ein halbes Jahrhundert geworden, daß der nach malige Kaiser Wiihelm die Ocffentlichkeit als Parlamentarier zu beschäftigen begann. Als erstes Mitglied des Staatsministcriums hatte Prinz Wilhelm am 3. Fe¬ bruar 1847 das Patent unterschrieben, das auf Geheiß des Königs den Vereinigten Landtag auf den 11. April nach Berlin einberief. Diesem für die weitere Entwickelung Preußens so beteutungsvollen Akte stand der Prinz auch insofern nahe, als er an der Gesetzgebung und den damit zusammenhängenden Erlassen sich direkt beteiligte. Für diese Beteiligung liefern die stenographischen Berichte des erben Pereinigten Landtages das Material zur Beurteilung der parlamentarischen Thätigkeit des Prinzen. Es ist Aussicht vorhanden, daß das Staatsarchiv aus den Stenogrammen über die Sitzungen des Vereinigten Landtages die Reden des Prinzen Wilhelm demnächst zur Veröffentlichung herleihen wird. Diese Steno¬ gramme würden, abgesehen von ihrem Gehalt, auch deshalb allgemeines Interesse erregen, weil sie die Verbesserungen tragen, die der Prinz gleich jedem anderen Deputierten vor der Veröffentlichung mit eigener Hand vor¬ genommen hat. Ein Zeitgenosse äußert sich über den Prinzen als Parlamentarier: „Der Prinz zeigte eine reiche und vielseitige Geistesbildung. Seine Aeußerungen tragen das Gepräge eines gesundes Perstandes, reiner Gesinnungen ued edler Anschauungen. Kurz und bündig sprach er seine Ansichten ails, immer mit direkter Bezugnahme auf die schwebende Frage der Verhandlungen, mochten dieselben das sogenannte Bescholtcnheitsgesetz betreffen oder das Differential-Zoll-System und den Frei¬ handel, für den er sich erklärte, oder die Pattimonial-Gcrichtsbarkeit, für

144

Bild zeigt uns „das Geschwader der europäischen Großvor Kanea", und in einer besonderen Abbildung wird uns der Kreuzer 2. Klasse „Kaiserin Augusta", das einzige deutsche Schiff bei dem Geichwader, vorgeführt. Kleinere Bilder zeigen uns Kretenstsche. Volksttzpen, Stroßentrümmer nach dem Brand in Kanea und griechische Aufständische (letztere nach einer photographischen Momentaufnahme); die Porträts des Kronprinzen Konstantin, des Prinzen Nikolaus von sowie des griechischen Ministerpräsidenten Theodor Griechenland, Delyannis reihen sich der Bilder- und Artikelserie über Kreta an, während der Leitartikel: „Kreta" über die Geschichte des herrlichen Ei¬ lands orientiert, das seit den Tagen der Phönizier immerdar als eine begehrenswerte Beute erschien. Dieselbe Nummer ziert eine Reihe von Faschingbildern, darunter die große doppelseitige Kunstbeilage: „Ein Münchener Faschingsball" (nach einem für die „Illustrierte Zeitung" gemalten Oelbild von Rene Reinicke) und das höchst anmutig nach einer Skizze von Hoiang gezeichnete ganzseitige Bild des Specialzeichners der Illustrierten, Limmer: ..Ein Fastenbrauch in der Mark Brandenhurg, Brezelverteilung an die Kinder m der Priegnitz." Das alte Wort von Faschings Ende: „Fort von Lustgesang und Reigen" wird höchst drastisch durch das Bilv: „Aschermiitwoch" (nach einem Gemälde von Edmund Lenkry) illustriert, und ein lustiges, humoristisch angehauchtes Bild, das Georg Tippel aus einem von der Insel Bornholm mitgebrachten Landschaflsmotiv mit der Signatur: „Carnevale" gestaltet hat, dürfte auch

deren Reform er sich aussprach, oder andere in die Verhandlungen hin¬ eingezogene Angelegenheiten." Als Abgeordneter für Wirsitz hat der Prinz auch einer Sitzung der durch die Ereignisse des 18. März geschaffenen National-Versammlung beigewohnt. An den parlamentarischen Beratungen hat er jedoch sich nicht beteiligt, sondern nnr in einer kurzen Rede sein Einverständnis mit der iru geschaffenen Lage der Dinge aus¬

ein ganzseitiges m ächte

gesprochen.

Kaiser Wilhelm I. mid seine Brandeuburgcr. Am 10. September 1874 hatte die 5. Division (Brandenburger) die Ehre, zum ersten Male wieder nach dem ruhmreichen französischen Feldzüge vor Sr. Majestät zu manövrieren. Der Kaiser kam direkt von Berlin in Begleitung zahlreicher fremder Offiziere auf das nördlich der Bahn Berlin-Frank¬ furt a. O. belegene Manöverfeld bei den Dörfern Petershagen und Falkenberg. Die Truppen erwarteten in Versammlungsformation den Allerhöchsten Kriegsherrn. Das Füsilier-Bataillon des 48. Regiments (jetzt Inf.- Regt. von Stülpnagel) war der erste Truppenteil, an den Se. Majestät von links her heransprengte. Als der Kaiser an das Bataillon herankam, parierte er sein Pferd, besichtigte die Seitenrichtung der ersten Staffel und den Vordermann der damals noch auf dem linken Flügel stehenden Offiziere und wandte sich darauf zu dem zu seiner Linken reitenden englichen Feldmarschall Sir Hugh Rose, Lord Straithnairne. Dieser, als der rangälteste der fremdherrlichen Offiziere, hatte die Ehre, unmittelbar hinter Seiner Majestät reiten zu dürfen. Der Feldmarschall führte nun sein Pferd neben den Kaiser, und da hörte ich, der ich etwa drei Schritt von Seiner Majestät auf dem linken Flügel der ersten Staffel stand, deutlich wie Allerhöchstderselbe zu dem Engländer, der beiläufig gesagt, die gefangenen Seapoys durch die Kanonen hatte „wegblasen" lassen, die für uns Brandenburger erhebenen Worte sprach: „Von diesem Regimente sah ich am Morgen des 17. August kaum einige hundert Mann um seine Fahnen — es ist eins der bravsten Regimenter meiner Armee!" ähnlicher Weise äußerte sich .dann Seine Majestät in seiner Kritik am Schluß des Manövers über die ge¬ samten Regimenter: „Es freut mich, eine Division wiederzusehen, die ich vor vier Jahren beinahe decimieit auf dem Schlachtfelde von Vionville antraf. Sie brachte mir damals nach der für sie so verhängnisvollen Großthat in ihren Trümmern die rührenden Beweise der höchsten Liebe und Verehrung entgegen, und das war mir eine Genugthuung nach sa schweren Verlusten!" An jenem 17. August 1870 war Se. Majestät an dem Biwak des 2. Bataillons des 4. Regiments vorübergekommen und hatte den Leuten mit den Worten gedankt: „Ich danke Euch, daß Ihr so dem Beispiele Eurer Offiziere gefolgt seid!" Und als die Division später auf dem Weitermarsch unter lautem Jubel an ihrem Kriegsherrn vorbeidcfilierte, reichte dieser dem Major von Mellenthin, dem früheren Chef der 8. Compagnie, dem Eroberer von Fehmarn 1864, als seine alte Compagnie vorüberkam, mit den Worten die Hand: „So wie sie damals gezeigt hat, daß sie zu Wasser ihre Pflicht zu thun versteht, so hat sie F. B. es auch jetzt zu Lande gezeigt!"

Letztere, sowie die Liebhaber die Naturforscher ungemein interessieren. der freien Natur finden noch in dem Bilde: Der Schwarz- oder Silber¬ fuchs (nach dem im Zoologischen Garten zu Leipzig befindlichen Exemplar von Herm. Schüßlcr gezeichnet) den schönsten arktischen Fuchs der Welt vorgeführt. Eine wertvolle Zugabe der Nr. 2801 sind die „Marinetabellen Sr. Majestät des Kaisers Wilhelm," eine verkleinerte FacsimileNachbildung der kaiserlichen Originale.

In

Zur Centenarfeier machen wir aufmerksam auf eine überlebens¬ Sr. Majestät des hochscligen Kaisers Wilhelm I., die in (in Elfenbeinthon) ausgeführt und im Jahre 1888 nach Die dem Leben in einer Privataudicnz modelliert wurde.

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0,80 m hohe Büste ist von der Bildhauerwerkstätte der „Jschyrota" in Treptow, Eichenstraße, für 15 M. zu beziehen und dürfte der üblichen Massemvare bei den bevorstehenden Festlichkeiten in Vereinen und öffent¬ lichen Versammlungen bei weitem vorzuziehen sein. Dr. H. Brendicke, Kurfürstcnstr. 41.

Inlzalt:

Weihelicd zum 22. März. Von Paul Warncke. Wilhelm der Große. — Kaiser WilhelmMedaillen (Mit sieben Abbildungen). Von Dr. Gustav Albrecht. — Kaiser Wilhelm der Große an sein Volk. Von Fr. Bücker. — Elegie auf Kaiser Wilhelm I. Von Bruno Emil König. — Kleine Mitteilungen: Die Trauerstraße für Kaiser Wilhelm I. —

Kaiser

— Ein Jugendbrief Kaiser Wilhelms des Großen. — Kaiser Wilhelms I. Lieblingsblume. — Kaiser Wilhelm als Prinz von Preußen im Jahre 1848 in England und seine Rückkehr nach Preußen. — Kaiser Wilhelm als Parlamentarier. — Kaiser Wilhelm 1. und

(Mit Abbildung.)

Küch erlisch. Wilhelm der Große. Ein Bild seines Lebens. Historisch erforscht von Prof. Dr. Ernst Berner. Berlin 1897. Verlag von Alexander

seine

Duncker. Preis 5 Lieferungen zu je 1 Mk. Neben der von Prof. Oncken verfaßten Darstellung des Lebens Kaiser Wilhelms 1. bürste die Arbeit Prof. Berners, von der die erste Lieferung vorliegt, Anspruch auf wissenschaftlichen Wert erheben können. Das Bernersche Werk ist keine Gelegenheitsschrist, keine Festgabe, die mit den Festtagen ihre Bedeutung verliert: es ist vielmehr das Produkt langjähriger, wissenschaftlicher Studien in abgerundeter, ausgereifter Darstellung. Auf Bilderschmuck ist verzichtet worden: an illustrierten Werken, die das Leben Wilhelms des Großen behandeln, ist .ja auch kein Mangel. Die erste Lieferung führt bis zur Vermählung des Prinzen von Preußen (11. Juni 1829). Wir sehen dem Weitererscheinen —e. mit Spannung entgegen. Die Nummer 2801 der „Illustrierten Zeitung" in Leipzig bringt abermals eine neue reiche Serie Bilder über das umstrittene Kreta, und zwar Ansichten von Retimo, Kissamo, Candia, Platania (wo das griechische Expeditionscorps unter Oberst Vaffos landete), der Sudabai;

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27, März

||

Finis Poloniae. Grundier.

Historischer, Roman von C.

(11. Fortsetzung.)

s

hatte sich in fünf Kolonnen nach dem Rheine in Bewegung gesetzt und traf Ende Juni in der Die Marschroute war mit dem Nähe von Koblenz ein. ie preußische Armee

Marquis Bonillö, vereinbart worden; sie sollte durch die Champagne Vorher hatte der Oberbefehlshaber der auf Paris gehen. geheimen Abgesandten des französischen Königs, dem

preußischen Truppen ein geharnischtes Manifest an die Franzosen erlassen, welches ebenfalls unter Mitwirkung des französischen

war, und in dem den Franzosen befohlen Macht auf Grund der allen Verhältnisse wurde. wiederherzustellen und dem Adel sowie der Geistlichkeit die ihnen enlrisienen Güter und Vorrechte zurückzugeben. Wider¬ strebende Orte, namentlich Paris, sollten empfindlich gestraft werden. Dies hatte in der französischen Nationalversammlung

Hofes

abgefaßt

Die königliche

und beim Volke böses

Blut

gemacht.

Im

preußischen Haupt¬

quartier arbeiteten zwei Strömungen gegen einander. Die französischen Emigranten und ihr Anhang drängten auf ein rasches Vorgehen auf Paris, der Herzog wollte die nötigen Vorsichtsmaßregeln nicht außer acht lassen, sich an der Maas festsetzen und den Haupifeldzug lieber bis zum nächsten Jahre verschieben. Der König Friedrich Wilhelm war noch unent¬ schlossen. Dazu kam, daß das verbündete Oesterreich bei weitem nicht die vertragsmäßige Truppenzahl ins Feld gestellt hatte. Die Armeen in den Niederlanden und am Oberrhein, welche die preußischen Flanken decken sollten, waren viel schwächer, als versprochen worden. Auch schadeten die Eifersüchteleien der verschiedenen Oberbefehlshaber.

ferner

Ein mächtiger Troß

erschwerte

die Bewegung der Armee, und die noch bestehende Verpflegung der Truppen durch Magazine hing sich wieieln

Bleigewicht an den Fortgang der Operationen. die Langsamkeit

des Vorrückens.

Dies erklärt

Man gebrauchte auf die

kurze Strecke von Koblenz bis zur französischen Grenze zwanzig Tage, und von da bis Valmy, wo der erste ernsthafte Zu¬

Die niederländisch¬ war zum Waffenplatz aus¬ ersehen, und die Magazine und Lazarette waren dorthin verlegt. Von Paris kamen immer bedenklichere Nachrichten, Die revolutionären Parteien erstarkten sichtlich, und die Anhänger Das zu des Königtums wagten kaum noch hervorzutreten. erstrebende Ziel wurde in, immer weitere Ferne gerückt. Am 5. Juli 1792 hatte in Frankfurt am Main die neue Kaiserwahl durch die Kurfürsten oder deren Gesandten statt¬ gefunden. Obwohl alles vorher längst abgemacht und niemand im Zweifel war, daß dem Könige von Böhmen und Ungarn, Erzherzog von Oesteneich u. s. w., Franz I. die Krone des heiligen römischen Reichs deutscher Nation aufs Haupt gesetzt fünfzig

stattfand,

sammenstoß

Tage.

österreichische Festung Luxemburg

werden würde, ,so wurde doch vorher noch zur Erleuchtung der irrenden Seelen das „Veni Creator Spiritus“ angestimmt und die heilige Geist-Messe celebriert, denn nach den Statuten des Reichs konnte die Kaiserkrone nur einem katholischen

Fürsten übertragen werden. Am 11. Juli hielt der neue Kaiser seinen feierlichen Ein¬ zug in Frankfurt, worauf die Krönung stattfand, wobei, wie von jeher, der auf öffentlichem Platze gebratene und dem Volke zum Besten

um

nicht

zu

gegebene

Krönungsochse

sagen die

eine

Haupt-Rolle spielte.

bedeutende



Der Wein floß

in -Strömen. Aus einem Springbrunnen vor dem Römer ergoß sich roter und weißer Wein in einem fort, Krönungs-

>.

146 i

worden war, sich unter dem Rufe „Es lebe Frankreich" mit gezogenem Degen ins Wasser stürzte und ertrank. Und noch ein drittes Beispiel kam in Verdun vor. Ein

münzen wurden unter das Volk geworfen. Tanz und Illumination folgten — ein Jubel ohne Gleichen. Und der Feind stand an den Grenzen! Am 19. Juli hatte der Kaiser eine Zusammenkunft mit dem Könige von Preußen, der auch der Kronprinz beiwohnte. Hier wurde der Feldzugsplan beraten. Der Kaiser behielt sich den Oberbefehl über seine Truppen in Belgien vor; doch

sollten

einzelne Korps

französischer Grenadier war wegen eines unbedachten Schusses

verhaftet worden. Er benutzte einen günstigen Augenblick lässiger Bewachung und stürzte sich rücklings über das Brücken¬ geländer in die Maas, wo er in den Wellen verschwand. Das waren keine Anzeichen, daß die französischen Soldaten, wie die Emigranten behauptet hatten, scharenweise zu den Preußen übergehen würden. Nicht so heroischen Mutes, wie die Soldaten, zeigten sich die Bürger von Verdun, vorzüglich die Damen. Sie begrüßten die Preußen als Befreier. Vierzehn der schönsten und an¬ gesehensten jungen Mädchen bewillkommneten den König mit Anrede, Blumen und Confcci. Kaum ein Jahr darauf wurden sie sämtlich wegen dieses „Verrats am Vaterlande" auf Befehl des Pariser Eonvems enthauptet.

zur Unterstützung der Preußen

Die 60000 Mann starke preußische Armee, mit Artillerie und einer ausgezeichneten Reiterei, stand noch im Lager bei Koblenz. Am 5. August hielt der König von Preußen bei Bingen Heerschau über die Truppen, welche die ausgewanderten französischen Prinzen und Edelleute zusammengebracht hatten. Es waren 12000 Mann. Die 4000 Mann starke Kavallerie derselben bestand fast aus lauter operieren. der

schönsten

Adeligen und Offizieren. Endlich, am 19. August, überschritt die Armee bei Trier und Luxemburg die französische Grenze. Noch an demselben Tage kam es zwischen Fontoy und Aumetz zu einem kleinen Zusammenstoß, bei welchen sich die militärische Ueberlegenheit der deutschen Truppen aufs glänzendste bewährte. Die kleine Festung Longwy fiel sofort in die Hände der Preußen. Sie befand sich nicht in verteivigungsfähigem Zustande, und die Bürger drängten auf Uebergabe, nachdem sie durch einige Bomben geängstigt worden waren.

Kaum war nun aber die Grenze überschritten,

so

andauernd

schön

>

Das

gewesen,

Endloser Regen strömte herab. Das sich plötzlich. Lager bei Longwy, welches das Heer bezogen hatte, glich einem See, auf welchem die Zelte gleich Wasserlilien schwammen. Den weiteren Gang des Feldzuges können wir am besten an der Hand der Tagebücher schildern, welche der Kronprinz von änderte

Preußen, der nachmalige König Friedrich Wilhelm III., und der junge Dichter Gölhe, welch letzterer den Feldzug im Gefolge des Herzogs von Weimar mitmachte, geführt haben. Die Truppen kamen bei den grundlosen Wegen nur langsam vorwärts. Zerbrochene Räder an Fuhrwerken und Kanonen machten manchen Aufenthalt, und ermattete Füsiliere lagen überall an den Wegeröndern. Die Offiziere traten im Namen Ludwigs XVI. auf. Man requirierte nicht, aber man borgte gewaltsam. Es waren Bons gedruckt und von dem Kommandierenden unterschrieben worden. Derjenige, welcher sie in Händen hatte, füllte sie nach Belieben aus. Ludwig XVI. sollte alles bezahlen. Dies nahm sehr gegen das König¬ tum ein. Die nächste feste Stadt war Verdun. Nach einigen beschwerlichen Märschen war sie erreicht, und in der Nacht vom 1. zum 2. September begann die Beschießung. Die Bürger drangen heftig in den Kommandanten, dem alle Mittel zur Verteidigung fehlten, die Stadt nicht einer nutzlosen Verwüstung preiszugeben. Der Kommandant Beaurepaire gab aus Menschenliebe nach. AIs er aber die Kapitulation unterzeichnet hatte, zog er ein Pistol hervor und erschoß sich vor dem versammelten Stadtrate. Das war das zweite Beispiel patriotischer Hingebung. Das erste hatte in Longwy der Oberst vom Regiment Auvergne gegeben, der, obwohl der Besatzung freier Abzug bewilligt

dem Lager der Preußen sah es keineswegs erfreulich schon jetzt Menschen

und Vieh

Der preußische Infanterist war

schlecht und dürftig be¬ Em Regimentsschneider hatte die großartige Erfindung gemacht, den Oberteil der Weste, welche von Tuch war und die Brust warm hielt, dadurch zu sparen, daß an die Uniform nur ein paar Westenschöße mit blinden Taschen angenäht wurden. Mit Mänteln war nur die Reiterei versehen.

kleidet.

wurde der

Marsch der Armee von endlosem Mißgeschick verfolgt.

Wetter, welches im Vorsommer

In

aus; Wetter und Wege hatten massenhaft zu Grunde gerichtet.

Schon in dem Lager von Verdun brach die Ruhr epide¬

aus, als Folge des Genusses von unreifem Obst, von Erkältungen auf durchnäßtem Nachtlager, von schlechtem Trink¬

misch

und verschimmeltem Brot. Auf dem Marsche lösten sich die Regimenter auf. Hunderte sanken ermattet nieder, und von den Gesunden benutzten viele die Gelegenheit, auf Plünderung auszugehen. Dies machte es notwendig, die Kriegsartikel in ihrer ganzen Strenge anzuwenden. In dem Tage¬ wasser

buche des Kronprinzen finden mußten heute Gassen laufen."

wir angemerkt: „Zwei Mann

Das der preußischen Armee gegenüberstehende französische Armeekorps war zuerst vom Generale Lafayette befehligt worden. Dieser hatte die Hoffnung gehegt, seine Truppen dem Königtume geneigt zu machen und mit ihnen auf Paris zu marschieren. Der Plan scheiterte. Als er sich von seinen Soldaten ver¬ lassen sah, entfloh er nach Belgien zu den Oesterreichern und wurde von ihnen fünf Jahre lang in verschiedenen Festungen umhergeschleppt.

An seine Stelle trat einer der jungen Revolutions-

Ge¬

nerale Dumouriez. —

Die Ziethen-Husaren waren in starken Piketts weit ab vom Lager detachiert worden, um Patrouillendienst zu thun und die Landschaft nach vorwärts aufzuklären. Der Oberst des Regiments hatte den Lieutenant Karl von Krummensee zum Herzog von Braunschweig gesandt, um Befehle zu empfangen. Als er sich dem Herzog in dem Zelt melden ließ, wurde ihm die Antwort, er müsse einige Zeit verziehen, der Herzog sei noch

mit anderen hohen Herren bei Tafel.

suchte sich also ein Plätzchen,

Er

wo er ein wenig ausruhen konnte,

denn er war den ganzen Tag im Sattel gewesen. Als er in dieser Absicht um das Zelt hemm ging, sah er einen andern

Offizier in gleichem Alter auf einer leeren Tonne fitzen. Derselbe

147 welche in Rathenow in Garnison gestanden hatten. Die Herren begrüßten einander und stellten sich gegenseitig vor. Der Fremde — ein Herr von Bismarck — war eine hohe, breitschultrige Gestall, beinahe einen Kopf größer, als Karl von Krummensee, obwohl dieser auch nicht klein war. Aus einem kräftig geschnittenen Gesicht blitzten ein paar kluge blaue Augen. Er saß in behaglicher Ruhe, mit beiden Händen auf den schweren, geraden Pallasch gestützt, und fragte mil spöttischem Lächeln: „Der Herr Kamerad wollen gewiß auch Ordre empfangen?" Auf die bejahende Antwort fuhr er mit einer geringschätzigen Handbewegung fort: „Da werden der Herr Kamerad sich noch etwas gedulden müssen, die Herren da drinnen haben's nicht so eilig. Ich fitze nun schon eine Viertelstunde hier und warte auf Bescheid. Wer weiß, wie lange es noch dauert! Kommen Sie, dort liegt noch ein leeres Faß. setzen Sie sich zu mir! Wir können uns einstweilen etwas erzählen." Karl hatte die Pferde Chrlstian übergeben, der es sich, die Zügel um die Faust geschlungen, abseits auf dem Boden ebenfalls bequem gemacht halte, während die Pferde an allerlei verstreuten Sirohresten knabberten. Er rollte das Faß heran, stülpte es um und setzte sich auf den Boden desselben neben den Herrn von Bismarck. — „Was wollen Sie denn bei Seiner

trug die Uniform der Leibkarabiniers.

Hoheit?" begann letzterer wieder das Gespräch. „Run, wir sollen Nachtwächterdienste thun und wissen gar nicht, wo. Mein Oberst wartet mit Schmerzen auf Befehl. Die Nacht wird hereinbrechen, ehe wir nur erfahren, wohin wir uns wenden sollen." „Nur nicht so stürmflch, mein Herr Kamerad! Nur hübsch bedächtig! In so einem langen Reiterleben lernt man das Warten. Mir ist diese Art der Kriegführung auch nicht nach dem Sinn. Frisch draus! Und die Bande zusammen gehauen! Die Herren da oben müssen'» aber besser wissen, und für uns heißl's: Ordre parieren!" „Ter Herr Kamerad sind schon länger im Dienst?" „Ja. seit meinen Knabenjahren. Wir sind nicht reich, und ich habe, so zu sagen, von der Pike auf gedient, bin als Junker von 12 Jahren schon m Rathenow bei den Karabiniers eingetreten. Ich habe, wie jeder gemeine Soldat, mein Pferd geputzt und Stallwache gethan. Nun, ich war ja an Arbeil gewöhnt. Mein Herr Vater hat uns nicht verzärtelt. Schon als Knabe mußte ich jeden Morgen um 4 Uhr aufstehen und Hat mir aber nicht den Karabiniers den Hafer zumessen. geschadet. An der Arbeit ist noch keiner zu Grunde gegangen. Jetzt habe ich's glücklich zum Offizier gebracht und thue Ordonnanzdienste bei Seiner Hoheit, dem Herzog von Braunschweig. Wer weiß, was das Schicksal mir noch vorbehalten hat! In diesem Feldzug aber, glaube ich. wud wenig-Ruhm zu ernten sein." Kaum waren die letzten Worte verklungen, da kamen der Kronprinz von Preußen mit mehreren Osfizieren die Zeltgasse herab. Sie blieben auf der andern Seite des Zeltes im Gespräch stehen. Die beiden Herren erhoben sich ehrerbietig und salutierten. Gleichzeitig vernahm man aus dem Innern des Zeltes ein Gespräch mit erhobener Stimme. Die Herren mochten von der Tafel aufgestanden sein. Der Kronprinz bemerkt in seinem Tagebuch (1. September): „Zufällige Unterredung des

Herzogs von Braunschweig nach Tische in dem Tafelzelie des Königs mit dem Prinzen von Nasiau, General Lambert und noch einigen Emigranten über unsere politisch-militärische Lage. Sehr ernstlich hielt er (der Herzog) ihnen (den Emigranten) alles dasjenige vor. was sie immer über die Leichtigkeit einer Expedition gegen Frankreich geäußert, ferner, was denn aus allen Verheißungen geworden, die sie uns von ihren Einver¬ ständnissen im Lande, den vorteilhaften Gesinnungen dcr Kommandanten in den Festungen, dem Mißvergnügen der Linien-

lruppen mit der jetzigen Verfassung und den royalistischen Gesinnungen des größten Teiles der Nation gegeben hätten. Daß es nie seine Absicht gewesen, in einer Spitze so rasch vorzugehen und den Fehler zu begehen, mehrere wichtige Plätze teils hinter sich, teils zur Seite liegen zu lassen, wenn sie nicht den König von Preußen mit ihren grundlosen, etilen Hoffnungen getäuscht und die ganze Expedition so unbedeutend und so wenig schwierig geschildert hätten. In diesem Tone dauerte die Unterhaltung wohl eine halbe Stunde, wobei der Herzog mit vieler Festigkeit und Bestimmtheit sprach und ihnen viel derbe Wahrheiten sagte. Da der Herzog mit Affekt und daher sehr laut redete, so konnten mehrere der außerhalb stehenden Osfiziere alles hören und sich herzlich darüber freuen, daß den Emigranten einmal Recht widerfuhr und sie die Wahrheit hören mußten." „Nun, der hal's ihnen einmal ordentlich gesagt!" flüsterte von Bismarck seinem Kameraden zu. „Ich kann mir nicht helfen, alles, was Franzose heißt, ist mir verhaßt, am meisten diese aufgeblasenen französischen Prinzen, und vor allem des Königs Bruder, der Herzog von Artois. Geberden sich doch diese Weichlinge, die nicht das Geringste vom Kriege verstehen, als ob sie unsere Herren wären. Ich hörte es neulich mit an, wie sich der Herzog bitter über die Rücksichtslosigkeit Sr. Majestät des Königs gegen sein Gefolge beklagte. Der König hatte im strömenden Regen dem Vorbeimarsch der Truppen zugesehen, ohne einen Mantel umzunehmen, und sie, die Prinzen die daneben hielten, mußten aus Anstandsrücksichlen sich eben¬ falls naß regnen lassen. Sie hatten doch wenigstens trockene Kleidung in Reserve, während die armen Soldaten schon viele Tage lang in denselben nassen Kleidern kampieren müssen."

„Ich hörte,

die Beschießung der Festung werde diese Nacht

beginnen?" „Wahrscheinlich. Die Festung wird sich aber nicht lange halten können. Es sind nur 4000 Mann drin, und die Werke find schlecht im stände. Allerdings fehlt es uns an dem erforderlichen Belagerungsgeschütz. Ein langes Stilllager hier aber ist jedenfalls nicht ratsam. Vielleicht wird die

Stadt nur cerniert, und wir ziehen weiter." In diesem Augenblick trat eine Ordonnanz heraus und Er empfing von ihm beschied Karl Aegidius zum Herzog. den schriftlich ausgefertigten Befehl und trabte zurück, nachdeni

er sich von dem Herrn von Bismarck freundlich verabschiedet hatte.

Der Oberst erwartete ihn schon mit Ungeduld. Der Befehl ergab, daß eine Schwadron des Regiments Stellung vor der Front nehmen solle, um den vorliegenden Argonnerwald zu beobachten, den man vom Feinde besetzt glaubte. Karl Aegidius erhielt den Auftrag, in dem Schlößchen Monrepos mit einem halben Zug seiner Husaren vorläufig Quartier zu nehmen und noch in der Nacht Patrouillen aus-

Monrepos lag eine kleine Stunde westwärts von Verdun und gehörte dem Grafen Lafäre, dessen weitläufige Besitzungen in der ganzen Provinz zerstreut lagen. Ob es zur Zeit bewohnt wurde, war nicht zu erfahren. Karl ließ seine Leute antreten. Ein dienstwilliger Ein¬ wohner schaffte einen Jungen herbei, der den Weg zeigen sollte. Der Trompeter nahm ihn auf die Kruppe seines Pferdes, und hinein in den finkenden Abend trabten die zusenden.

Mars.

leichtbeschwingten Söhne des

Die Sonne war schon untergegangen. Der Regen hatte augenblicklich aufgehört, nur eine schwarze Wolkenwand mit einzelnen blaßroten Strichen deckte den westlichen Horizont.

Der

flotte Ritt ging

Gelände.

durch

Rebengärten mit

Bekannt ist, welche Schwierigkeiten die Schaffung des Denkmalsplatzes verursachte, wie derselbe erst durch Nieder¬ legung der Häuser der Schloßfreiheit und durch Verengung des Wasierlaufs des grünen Grabens gewonnen werden mußte. Zehn Stufen führen von der Schloßseite her zu ihm hinauf, und es hat sich ermöglichen lassen, ihm eine solche Aus¬ dehnung zu geben, daß allerlei festliche Veranstaltungen, Gesangsaufführuugen, kleine Paraden u. s. w. auf ihm abgehalten werden können. Er wird mit einem Mosaikpflaster

Marmorwürfeln belegt werden, in dessen Musterung Kaiserkronen mit allegorischen Figuren und Sinnbildern abwechseln sollen. Nach Westen zu schließt aus weißen und

schwarzen

fruchtbares

den

fär¬

sich

benden Trauben wechselten mit abgeernteten

oder

noch

bestandenen

Feldern.

Bald

zeichneten sich auch in violettem Duft über hohen Bäumen die vtelgiebeligen Umrisse des

Monrepos am Fünf Minuten draus hielt

Rokoko-Schlößchens

Horizont ab. man am Gitter.

(Fortsetzung folgt.)

Das National -Denkmal auf der

SchloßsreitM

?u

Serlin.

Mit zwei Abbildungen.*) Zur Zeit, da diese Nummer in die Hände der Leser gelangt, ist die Hülle von dem „National- Denk mal" bereits ge¬ fallen. Am 22. März 1897, dem hundert¬

jährigen Geburtstag Kaiser Wilhelms I., findet die feierliche Enthüllung statt. Ein Denkmal, so großartig, wie Berlin bis dahin noch keines besitzt, und dem über¬ haupt nur wenige Denkmäler der Welt zur Seite zu stellen sind, wird sich dann den erstaunten Blicken darbieten. Ursprünglich hatte der geniale Schöpfer. Professor Reinhold Begas, das Denkmal sogar noch weit großartiger geplant. Da aber der

Reichstag statt der acht Millionen Mark, die der erste Entwurf erforderte, nur vier Milli¬ onen bewilligte, so mußte ein neuer

_:__

Entwurf

werden, und es fielen insbesondere die geplanten Jetzt besteht das Denkmal Statuen der Feldherren weg. Kolossal-Reiterstandbilv Kaiser Wilhelms I. und aus dem aufgestellt

aus einer das Standbild fast zur Hälfte umgebenden, von Halnihuber errichteten und mit plastischem Schmuck reich dekorierten Halle.

dem Architekten

*) Ursprünglich waren zwei andere Abbildungen des NationalDenkmals für die gegenwärtige Nummer bestimmt. Nachdem die Kliches für dieselben nicht rechtzeitig eingct offen, hat das Karto¬ graphische Institut Beseke die Frcnndlichkeii gehabt, uns die Galvanos zu den Abbildungen au? S. 148, 149 u. 153 zu überwssen. Ohne jedes Hilfsmittel der Anschauung dürfie cs nämlich nicht leicht sein, die Be¬ schreibung des iltational-Denkmals zu verstehen. Selbstverständlich be¬ halten wir uns vor, auf Grund von photographischen Aufnahmen später sowohl das ganze Denkmal aufs neue, als auch die hervorragendsten Einzelteile desselben unseren Lesern im Bilde vorzuführen. Die Schriftleitung.

den Denkmalsplatz die wieder um vier

Stufen höher liegende

Halle ab. Zwischen dem Schloß und dem Reiterstandbild führt eine Fahrsttaße von 18 na Breite vorüber, deren Bürgersteige am Schlosse 16 m und an der Denkmalsseite 9 m Breite besitzen. Durch den Vorsprung des Eosandeischen Portals am Schlosse einer- und der Postamente der Löwen am Reitersockel andrer¬ seits verringert sich die Breite der Bürgersteige stellenweise

auf 10 bezw. 6 m. Die Tiefenausdehnung des Denkmals von der Vorder¬ kante der Löwenpostamente an der Straße bis zur Flucht der Halle an der Wasserseite beträgt 40 m, die Gesamtlänge von der Flucht der Halle an der Stechbahn bis zur Mündung des Kanals 80 ru; die Höhe der Halle beträgt vom Straßenfuß-

149

aus gemessen 12 m, vom mittleren Wassersiande an der Rückseite aus gemessen 16 m. Bei den Abmessungen der an der Rückseite der Halle vorüberführenden Wasserstraße ist darauf Bedacht genommen, hoben

daß zwei sich begegnende Spreekähne einander bequem aus¬ weichen können; sie hat an der schmälsten Stelle eine Breite

von 18 in.

Das Reiterstandbild ist über die Endpunkte der beiden Hallenarme etwa um IO m gegen die Straße vorgerückt worden, weil Begas wünschte, daß dem von der Schloßbrücke oder dem Schloßplätze Kommenden sofort das Reiterbild selbst als die Hauptsache der ganzen Anlage vor Augen treten sollte.

beträchtlich vorgerückt ist, weil er den Mittelpunkt der ganzen Anlage bildet. Nach den Angaben von Begas ist das eine Götz Viergespann von C. Bernewitz, das andere von

I.

ausgeführt worden. Die Verbindung zwischen den beiden Pavillons bildet dessen gekuppelte Säulenpaare mit ihrem Wandelgang, ein Rythmus den eigentlichen Hinter¬ gleichmäßigem Gebälk in grund für die Reiterstalue abgeben. Die Eingänge zu den erwähnten Pavillons sind durch reiche Portale mit geschwungener Verdachung und vorgestellten

Säulen gekennzeichnet. Sie sind reich mit bildnerischem Schmuck versehen und bilden die Endpunkte einer glänzenden Kette von Bildwerken über dem reichen Hauptgefims der Innen- und Außenseite der Halle. An der Attika der Innenseite find die Wappen der vier deutschen Königreiche Da Preußen und Bayern angebracht. bereits durch die Viergespanne (Nord und

Süd) in besonderer Weise ausgezeichnet wurden,

haben

die Wappen von Sachsen

und Württemberg zum Ausgleich Be¬ krönungen durch in Kupfer getriebene Adler mit ausgebreiteten Schwingen erhalten. Die Skulpiuren der Außenseite beziehen sich auf

Handel, Gewerbe, Kunst und Wissenschaft. Die Halle selbst öffnet sich nach dem Hofe zu an allen Seiten und erhält einen prächiigen Mosaikfußboden, der in seiner farbigen Wirkung zur einfachen, aber edlen Sandsteinfarbe der Architekiuren und der

Skulpturen in Gegensatz tritt.

Innerhalb

dieses reichgestalteten Rah¬

mens erhebt sich das Reiterstandbild bis zur Höhe von 20 Meter über dem Straßen¬ niveau. Es übertrifft mithin an Größe

allen Dimensionen alle Reiter-DenkDas Standbild mit¬ der Welt. ruht auf einem elliplschen Sockel samt seinem Unterbau aus rotem, durchweg poliertem

nach

mälcr

n-DenstmslB >

mn

"l

Berlin.

v!,

schwedischen

Wirbogranit. An

diesen Unter¬

bau gliedern sich vier diagonal vorsprin¬ gende Postamente an, auf denen Löwen

in dräuender Haltung —

des

deutschen

Reiches Wehrkraft symbolisierend — die in blutigen Kriegen errungenen Sieges-

Für die Architeklurformen der Halle war natürlich der Es Anschluß an die des Eosanderschen Portals geboten. freier möglichst wurden demnach jonische Stilformen, aber in Bei der Anordnung der einzelnen Behandlung, gewählt. Säulenpaare ist mit großem Fleiß dafür Sorge getragen worden, daß Schloß und Reiter von allen Seiten her gesehen werden können.

Die Endpunkte der Halle bilden zwei Pavillons, die als Bekrönung je ein in Kupfer getriebenes, aber hellgrün patiniertes Viergespann mit Siegesgöttin, so groß, wie die Quadriga auf dem Brandenburger Thor. tragen. Sie stellen, wie die Embleme der Banner in ihren Händen, Adler und Löwe, anzeigen, Nord- und Süddeutschland dar und stehen in gleicher Höhe wie der Reiter, der nur, wie schon erwähnt,

trophäen bewachen. Auf dem Unterbau ruhen, an die beiden Langseiten des Sockels angelehnt, die Kolossalgestalten des Krieges und des Friedens, während vorn und hinten am Sockel je ein be¬ deutungsvolles Emblem angebracht ist. Ueber den beiden Figuren des Krieges und des Friedens find an den Lang¬ seiten des ganz aus Bronce (zum ersten Mal in Deutschland) gegossenen Sockels Reliefs angebracht, die dort das grauen¬ volle Zerstörungswerk des Krieges, hier die lieblichen Seg¬

Friedens in ergreifendem Gegensatz zur An¬ schauung bringen. Den Hauplschmuck des Sockels aber bilden Sieges¬ die vier herabschwebenden, auf Kugeln stehenden streuen. Kränze und göttinnen, die dem Sieger Blumen

nungen

des

Wie vieles auch Begas in seinem emsigen Schaffen

schon

150

— noch nie zuvor hat er in vier Gestalten Anmut, kindliche Einfalt und bezaubernde Frauenschönheil vereinigt wie in diesen vier köstlichen Gebilden, die, ihrer Reize völlig unbewußt, nur als dienende Glieder zum Ganzen stehen. In der Steigerung der vom Künstler beabsichligten Wükung spielen sie gleichsam nur die Rolle der Vorbereitung auf das Höchste, obwohl jede dieser anmutigen Mädchengestalten 4,70 rn in der Höhe mißt und auf einer Kugel von 80 cm Durchmesser steht. Bei der Bildung der Reiterfigur, die allein 9 m hoch ist.

Darüber erheben sich dann in glücklicher Steigerung die Siegesgöttinnen, eigentlich die Grazien des Sieges, und zuletzt der große Kaiser selbst!" In der That, das deutsche Volk Es kann und darf ist stolz auf seinen Kaiser Wilhelm I. der Kunst, der aber auch stolz sein auf jenen Heros ein Denkmal von solcher Großartigkeit und Schönheit geschaffen, wie es bis dahin einem einzelnen Menschen noch niemals

sich der Künstler an die geschichtliche Persönlichkeit gehalten. Alles Pathetische und Triumphatorische ist fern geblieben. In

Es ist ein schönes Zeugnis für die Pietät, mit der Kaiser Wilhelm II. das Andenken seines hochseligen Großvaters ehrt, daß er aus Anlaß der Centenarfeier befohlen hat. in dem Zeughaus zu Berlin eine besondere Kaiser Wilhelmeröffnet Gedenkhalle einzurichten, die am 22. März d. und von da ab dem Publikum zugänglich gemacht wird. Die „Post" sah sich in der Lage, schon im voraus über Wir geben mit gütiger Be¬ diese Gedenkhalle zu berichten. willigung der Redaktion ihren höchst interessanten, von Richard Schott verfaßten Bericht hier wieder. Wer einmal des Sonntags das Königliche Zeughaus be¬ sucht hat. der wird nicht ohne Rührung die Menschenmenge betrachtet haben, die stets in dem nach den Linden zu belegenen Teile des oberen Stockwerks versammelt war, in andächtiger Stille harrend, bis die Enge des Raumes den Eintritt in die kleine Nische gestattete, in der die Andenken an Se. Majestät Der den hochseligen Kaiser Wilhelm I. aufbewahrt wurden. tief ausgetretene Steinfußboden, den man an dieser Stelle bemerkt, wird ewig ein schönes Zeugnis für die innige Ver¬

geglückt sein mag

so

viel

keusche

hat

ruhiger Gangart schreitet das Roß vorwärts, so wie der König und Kaiser immer ritt, auf das Schlachtfeld wie auf den Paradeplatz, indem seine fromme Seele immer der Zuversicht lebte, daß die gerechte Sache mit ihm war. Zur Seite des Rosses, das den Kaiser trägt, wandelt der Genius des Friedens, nicht, wie man erst fälschlich gedeutet hat, die Zügel des Rosies führend, sondern nur ein Band des herabhängenden Halsschmuckes erfassend. Daß der den Frieden liebende, wenn es sein mußte, die Zügel stets

Professor

aber auch das Schwert ziehende Kaiser konnte von einem Manne wie

selbst führte,

Begas

nicht außer acht gelassen werden.

In

dieser

zur Seite wandelnden Frauengestalt hat sich übrigens die ideale Schaffenslust des Künstlers zu Die deutsche Kunst ist durch sie um höchster Kraft gesteigert. unvergleichlicher Schönheit bereichert von Schöpfung eine dem Roß

des Kaisers

worden.

Der Kaiser selbst, in edler Haltung, hat die rechte Hand auf den Kommandostab gestützt. Sein Blick ist würdevoll und ernst nach dem Lustgarten hin auf das dort befindliche Ern langer, wallender Standbild seines Vaters gerichtet. Mantel umhüllt seine Gestalt und verleiht gleichzeitig der Figur mehr Masse und Haltung. Des großen Kaisers, an dessen hundertjährigem Geburts¬ tag die feierliche Enthüllung stattfindet, ist das Meisterwerk, das Profeffor Begas geschaffen, in jeder Hinsicht würdig. „Hier hak," sagt in Bezug auf den letzteren mit Recht Adolf Rosenberg in der „Post", „ein Mann sich völlig ausleben können in einer großen Aufgabe, nach der er sich lange gesehnt hat, ein Mann, der die Sechszig überschritten hat. Ueberall haben sie ihm die Flügel seiner Phantasie geknickt, in der schlimmsten Art bei den Humboldtdenkmälern. Jetzt hat er seine Genugthuung. Er steht vor dem höchsten Ziel seines Slrebens, und es ist ihm gleich, wie auch die Kritik das krönende Werk seines Schaffens erheben oder verkleinern mag. Er hat alles zusammengefaßt, was in seinem Geiste lebte. Die beiden gewaltigen Figuren, die auf den Stufen des granitenen Unterbaues gelagert sind, der Krieg und der Frieden, tragen das Gepräge eines Michel Angela, die vier vorgeschobenen Löwengruppen das eines Rubens. Aus den Reliefs an den Langseiten des Sockels weht uns der Hauch einer neueren Zeit an; in der Schilderung der auf schnaubendem Rosse einherstürmenven Kriegsfurie mit ihren Begleitern glauben wir eine Erinnerung an die apokalyptischen Reiter eines Dürer und eines Cornelius zu sehen, und in der lieblichen Idylle des Friedens, der Blumen und Früchte streuend über die Fluren schreitet, begrüßen wir freudig den Abglanz der florentinischen Neu-Renaiffance. die Böcklin, Begas Freund, für die Malerei begründet hat.

gesetzt

worden ist.

Die Kaiser Miil/eim-Gedenkhalle im Zeughaus.

I.

und Abertausende nach dieser Nische geführt hat; er erinnert gleichzeitig aber auch daran, wie unzugänglich fast ein Jahrzehnt hindurch der Platz für diese nationalen Heiligtümer gewesen ist, bis Se. Maj. Kaiser Wilhelm II. aus Anlaß der Centenarfeier für sie eine An¬ ehrung bleiben,

die Tausende

ordnung befahl, in der die Einzelheiten bei größerem Raum beffer zur Geltung kommen können, als bisher. In dieser neuen Anordnung werden die Andenken an Kaiser Wilhelm I. von seinem hundertsten Geburtstage ab dem Publikum zu¬ gänglich gemacht werden, nachdem die Sammlung gleichzeitig durch zahlreiche wertvolle Stücke bereichert worden ist. Von der bekannten, nach dem Lichthofe hinausliegenden Nische aus bis zu der gegenüberliegenden, mit alten Fahnen und Kürassen geschmückten Nische an der Lindenseite ist eine Art Ouerschiff geschaffen worden, das durch wirksam drapierte Fahnen von historischer Bedeutung, Trophäen und Feldzeichen, sowie Palaissahnen von dem gegenüberliegenden Palais des hochseligen Kaisers Friedrich u. s. w. eingefaßt wird. In der Mitte dieser ganzen Anlage ragt die silberne Denksäule auf. eine herrliche Huldigungsgabe von Osfizieren seines Heeres zum 60 jährigen Dienstjubiläum Kaiser Wilhelms I. am 1. Januar 1867. Um das Postament, auf dem sie steht, ist ein acht¬ teiliger Glaskasten angeordnet, in dem die Orden des Helden, werden. Mit besonderem Interesse wird man hier die Abteilung betrachten, in der neben den höchsten preußischen Orden und der Ordensschnalle, die Kaiser Wilhelm I. gewöhnlich zu tragen pflegte, die Ehrenzeichen sich befinden, kaisers aufbewahrt

am 26. Februar 1814 bei Bar sur erwarb: das Eiserne Kreuz von 1813 und der

die er als junger Prinz

Aube

sich

russische

St. Georgs-Orden.

151

.>

Die vier Säulen, die diesen Teil der Anlage einschließen unsere Aufmerksamkeit ebenfalls in erhöhtem Maße. der ersten westlichen Säule bemerken wir zunächst ein An

von 1813 gewidmet worden. Gleichsam als Seitenstück zu ihr hat unmittelbar vor dem Fenster nach dem Lichthofe die aus französischem Rohrmaterial gegoffene Ehrensäule Auf¬

kleines Bild, ein sehr sauber ausgeführtes, künstlerisch wertvolles Aquarell, das seine ganz besondere Bedeutung aber durch die Erklärung erhält, die Kaiser Wilhelm I. eigenhändig dazu aufgeschrieben hat. und die folgendermaßen lautet: „König Friedrich Wilhelm III. stellt dem Kaiser Alexander I. auf dessen Verlangen bei einem Ball in Breslau im März 1813 die ersten Freiwilligen vor, nämlich den Grafen Pückler, jetzt Staatsminister a. D., Ritter des eisernen Kreuzes zweiier und des Roten Adler- und Kronenordens erster Klasse, und den Grafen Schafgotsch, jetzt Kammerherrn und Legationsrat a. D., Ritter des Roten Adler-Ordens zweiter Klaffe.

stellung gefunden, die dem Verein der Freiwilligen von 1813 bis 15 verliehen worden war. nach dem Tode des letzten Mit¬ gliedes des Vereins aber Kaiser Wilhelm I. zurückgegeben wurde. Dieses Andenken erhält noch besonderen Wert dadurch,

fesseln

Berlin,

den 3. Februar 1863.

Wilhelm."

Wie charakteristisch find nicht diese Zeilen, und mit welchen Empfindungen betrachten wir die festen Züge der klaren, leser¬ lichen Schrift. Auf dem Bilde selbst, dessen Künstler nicht mehr festgestellt werden konnte, steht man in der Mitte die beiden Monarchen, links Kaiser Alexander, rechts König Friedrich Wilhelm III., etwas weiter im Vordergründe rechts find die beiden jungen Grafen, die ersten Freiwilligen, dargestellt, zwischen ihnen und dem Könige erkennt man den sechzehn¬ jährigen Prinzen Wilhelm, den späteren ersten deutschen Kaiser, selbst. Auf der linken Seite des Aquarells und im Hintergründe bemerkt man unter den Generalen manchen in¬ teressanten Charakterkopf. Ueber dem Bilde ist die kupferne Trophäe der Sieges¬ göttin vom Brandenburger Thore angebracht. 1794 errichtet. 1806 von den Franzosen nach Paris genommen und 1813 zurückgeholt, wurde an der Siegesgöttin im Jahre 1814 diese Trophäe durch das Eiserne Kreuz ersetzt. Neben dieser und der gegenüberliegenden Säule, die durch einen Rahmen mit Uniformbildern Kaiser Wilhelms I. vom Jahre 1803 bis nach der Kaiserkrönung geschmückt ist, werden die noch jetzt zu benutzenden Fahnen der Garde-Landwehr aufbewahrt. Außerdem sind an diesen, wie auch an den anderen, die An¬ lage umschließenden Säulen Fahnenstangen befestigt, von denen die Fahnenbänder der preußischen Fahnen herabhängen, denen nach dem Jahre 1870 das Band des Eisernen Kreuzes ver¬ liehen worden ist.

Die beiden anderen Säulen des Mittelteils zeigen einer¬

in die Fußplaite der Säule an der Vorderseite der Schreibstift Theodor Körners eingelaffen ist. Ueber die auf den erwähnten Granilsäulen ruhenden Ehrengeschenke ist noch folgendes nachzutragen: Ter Prunkhelm ist eine Huldigungs¬ gabe alter Krieger zum 50jährigen Dienstjubiläum des da¬ maligen Prinzen von Preußen, am 1. Januar 1857. Ter Ehrenpokal gehörte dem Verein freiwilliger Kampfgenoffen zu daß

Posen 1813—15 und wurde 1884 von dem letzten Veteranen Vereins, dem Präsidenten Klebs in Danzig, Kaiser

dieses

Wilhelm

In Helme

I. der

Fensternische

deutscher

und

selbst

französischer

bemerk:

man Küraffe und Links einen

Kürassiere.

Helm sowie einen Vorder- und Hiitterküraß eines französischen Kürassiers und einen stark zerhauenen Helm eines preußischen Kürassiers vom Kürassier-Regiment von Scydlitz (Magdeburgisches) Nr. 7. Welche Erinnerungen knüpfen sich an diese Rüstungsteile! Kaiser Wilhelm I. hat sie auf dem Schlachifelde von Mars-la-Tour aufheben lassen. Vom Schlacht¬ felde von Wörth find auf Befehl des Kronprinzen, späteren Kaisers Friedrichs III., der an der rechten Seite der Fenster¬ nische aufgehängte französische Küraß und der Helm mitge¬ nommen worden.

Im

übrigen

wird dieser Teil der Gedenkhalle durch

größere und kleinere Glasschränke eingenommen.

Rechts, un¬

mittelbar neben dem Fenster, enthält eine kleine Vitrine den Degen und die Orden des Feldmarschalls Grafen v. Moltke. Ein etwas größerer Schrank mit den Orden und dem Feldmarschallstab und ein großer Glasschrank mit Degen. Uniformen u. s. w. Kaiser Friedrichs III. reihen sich an. Man betrachtet hier wehmütig die einzige Uniform, eine Generals¬ uniform. die ver geliebte Sohn des Heldenkaisers sich in seiner so kurz bemessenen Regierungszeit hat anfertigen lassen. Au die ruhmreiche Thätigkeit des Kronprinzen als Heerführer im Kriege 1870/71 erinnern Rock, Feldmütze, Baschlik und Krim¬ stecher,

die

seits die kleinen Steinschloßgewehre, mit denen die drei Söhne

würdig ist

König Friedrich Wilhelms III., die Prinzen Friedrich Wilhelm (später König Friedrich Wilhelm IV.), Wilhelm (später Kaiser Wilhelm I.) und Karl im Jahre 1806 exerziert haben, andererseits einen Rahmen mit den Schlüffeln der im Feldzuge 1870/71 übergebenen französischen Festungen. Jn diese Samm¬ lungen sind auch drei Schlüssclpaare von 1813/15 mit auf¬ genommen, darunter die Schlüssel von Berlin, die 1806 an die Franzosen übergeben, 1815 aber zurückgeholt wurden. Zwei Granitsäulen, von denen die eine einen Prunkhelm, die andere einen Ehrenpokal trägt, bezeichnen den Eingang zu dem nach dem Lichthofe zu liegenden Teile der Gedenk¬ halle; er umfaßt mit einigen Erweiterungen den Platz der ehemaligen Nische. In seiner Mitte prangt eine silberne

Federbusch,

Ehrensäule zum Andenken an die Stiftung des Eisernen Kreuzes im Jahre 1813. Die Säule ist dem Heldenkatser vm 3. August 1870 von den Senioren des Eisernen Kreuzes

überreicht.

er

die

er während des Feldzuges getragen hat. Merk¬ Generalshelm mit dem schwarz-weiß-roten

auch der

den der hochselige Fürst zu tragen pflegte, wenn

süddeutschen Kontingente des Reichsheeres

inspizierte.

Der Platz links neben dem Fenster ist wieder ganz dem Andenken Kaiser Wilhelms I. geweiht. Wie schön drückt sich nicht in all diesen vielen Ehrengaben die innige Verehrung aus, die Millionen für Kaiser Wilhelm I im Herzen trugen! Kann es eine schönere Illustration als diese für die Worte der Nationalhymne geben: „Fühl' in des Thrones Glanz die hohe Wonne ganz, Liebling des Volks zu sein!" Man be¬ merkt noch eine Anzahl von goldenen nnd silbernen Lorberkränzen, die dem Heldenkaiser nach seinen siegreichen Feldzügen

dargebracht worden find, die ihm die Offiziere der preußischen Armee zum 50jährigen, und das Prunkschwert, das ihm die

alten Krieger der deutschen Armee zum 70jährigen Dienstjubilänm überreichen durften, und eine kleinere Ehrensäule, die aus Anlaß des zuletzt genannten Jubiläums der Krieger-

152

Landwehr-Verband Westfalens stiftete.

Ferner sind hier auf¬

gestellt: die kleinen Unifoimfiguren der Garde-Fußlruppen von 1870/71, ein Geschenk des Herrn C. Berlich an unjeres jetzigen Kaisers Majestät,

und

vor allem ein großer Glas¬

schrank

mit Uniformen und Degen Kaiser Wilhelms I.

rockes,

den

Wem griffe es nicht ans Herz beim Anblick des schlichten Waffen¬

in seinen letzten Lebenslagen ge¬ man sich unwillkürlich die ehrwürdige

Fejlgruß mm 22.

May

1897?)

Von Paul Warncke.

Neun Jahre find's. Da ging ein mächtig Beben Von Pol zu Pol durchs große Herz der Welt, Denn ausgelebt war ein gewaltig Leben, Wie selten eines unter'm Sternenzelt. Ein leuchtend Auge schloß der stille Tod; Ein Held verschied, erprobt in Krieg und Frieden; — In nichts zerstob, was Volk von Volk geschieden, Denn jedes fühlte Deutschlands bitt're Nor!

Wohl flössen da in allen Landen Thränen, Den Hauch des Todes spürte jede Brust; — Nach Größe dürstet jedes Menschen Sehnen.

Und Menschengröße schauen, ist süße Lust. Uns aber ward das tiefste Seelenleid. Denn unser war er. den die Welt verloren. Und unser Vaterland hat ihn geboren, .

geschmückt

mit gold'ner Herrlichkeit.

Doch. wie gemach sich Stunde schloß an Stunde, Und als verklang des tiefsten Schmerzes Laut.

Da sahen wir vernarben unsre Wunde: Ein groß' Vermächtnis hatt' er uns vertraut! Der aufgerollt das stolze Reichspanier, Der demutvoll im Glück und groß im Leide. Daß er uns niemals stirbt, das fühlen wir! Wir wissen, daß von ihm kein Tod uns scheide,

Er

Erbarmungslos die schönste Blüte brach. Sein junges Herz zerriß die milde. Oual, Die Mutter starb, die Seele deutschen Lebens! — So reifte er! Der Schmerz war nicht vergebens. Des Leidens Flamme schuf uns guten Stahl!

der Hochselige

tragen hat. und in den Gestalt des geliebten Greises hineindenkl! Trotz aller Bemühungen vaterlandsfeindlicher Gewalten, dem Volke seine nationalen Bedürfnisse auszureden, find diese heute noch ebenso lebhaft wie in den großen Tagen von 70 und 71, und was nur immer unternommen wird. um diesem Bedürfnis Befriedigung zu verschaffen, darf von vornherein auf dankbares Entgegenkommen rechnen. So wird denn auch die Eröffnung der neugeschaffenen Gedenkhalle für Kaiser Wilhelm I. im Zeughause in den weitesten Volksschichten mit Freuden begrüßt werden und für immer eine der schönsten Erinnerungen an die Centenarfeier bleiben.

Der es

Und uns mit rauher Hand im Lenzgefilde

stand als Kind entsetzt vor düstrem

Bilde,

Da unser Vaterland durchschritt die Schmach *) Auf

König!. Akademischen Hochschulen für die bildenden Künste und für Musik, des Königl. Kunstgcwerbe-Museums und der Königl. Kunstschule zur Feier des hundertjährigen Geburtstages des Kaisers Wilhelm des Großen in Krolls Etablisicment wurde obiges Gedicht von dem Verfasser vorgetragen. Einmütiger begeisterter Beifall dem Festkommers der

lohnte den noch jugendlichen Dichter, und allgemein wurde der Wunsch sehen. Wir freuen uns, vem Wunsche sofort entsprechen zu können, und sind gerne bereit, Einzel-Exemplare dieser Nummer gegen Einsendung von 20 Pf. in Briefmarken portofrei an Reflektanten zu versenden.

laut, das Gedicht auch gedruckt zu

Sein Auge hatte einst es noch gesehen, Das schemenhafte alte Kaiserreich, Sein Knabenauge sah es untergehen. Zerschmettert von des frechen Korsen Streich. Und als die Glocken dann von Turm zu Turm Zur Freiheit riefen vom verhaßte» Zwange, Da sah sein Auge Frankreich todesbange Erzittern vor des deutsche» Zornes Sturm!

Da stand er selbst, ein Knab', im Kugelregen, Und doch ein Held, sich dessen nicht bewußt! Dem Tode sah er ungeschreckt entgegen. Das Kreuz von Eisen zierte seine Brust! Denn er war tapfer! Wie ein Kleid von Erz, Umgab der Mut sein ganzes tiefstes Wesen! Es ist kein Kampf, der ihm zu schwer gewesen. Denn auch sich selbst bezwang sein großes Herz! Und mit dem Blick des Sehers sah er kommen. noch verborgen lag im Schoß der Nacht. Ihm war das Morgenrot des Tags entglommen Schon lange, eh' der gold'ne Tag erwacht! Und rastlos, mit dem Fleiß, der Sieg verheißt,

Was

Dem Vater aller großen Erdendinge. Schuf uns, bedenkend, was die Zukunft bringe. Ein sieggewaltig Heer sein Denkergeist! Und wirklich! Wuchernd tief im deutschen Herzen. Gar bald gedieh des Haders Unkraut gut! Die alte Zwietracht endlich auszumerzen, Griff seine Hand zum Schwert in edlem Mut. Und mit den Männern, die erprobt im Rat. Und mit dem Siegfried, mit dem Heldensohne Gewann er uns die neue Kaiserkrone — Und, was die Väter träumten, ward zur

That!-

Er übersah des ganzen Daseins Kreise. Sein fich'rer Blick trug nie ihm Falsches zu! Denn in des Lebens Schule ward er weise, Und von ihm aus ging wcisheitsvolle Ruh'! Wir alle wußten: was er that, war gut! Und er hat viel gethan im langen Leben — — Nie fehlte das Gelingen seinem Streben, Und nie hat er vom Schaffen ausgeruht!



Bis an das Grab von seiner frühen Jugend Das wundervollste Kleinod nannt' er sein. Des deutschen Volkes höchste, reinste Tugend, Der Treue lichterfüllten Edelstein! Ja, er war treu! So durch die lange Zeit Trug er in sich der Kindheit Ideale, Sie leuchteten in seines Auges Denn in ihm wurden sie zur Wirklichkeit!

Strahle-

153 Und weil er treu war, liebte er die Treuen — Kein Schmeichler durfte seinem Throne nah'n! — O Schauspiel, selbst die Gottheit zu erfreuen: Die Wahrheit war es, die wir um ihn sah'n! O deutschen Glückes Morgensonnenschein! Wle sich die Mutter freuet ihrer Kinder, Mein Vaterland, so schlug Dein Herz geschwinder: Der Menschheit größte Männer waren Dein! —

Und fieggekrönt, geschmückt mit tausend Kränzen, Wie gütig blieb der König und wie schlicht! — Wohl beugte ihn die Last von neunzig Lenzen: Des Herzens Frühlingsglut verlöschte nicht! — — Zehn Jahre find's! Von Land zu Lande scholl Ein ungeheurer Schrei der Lust, der Wonne! — Hoch im Zenith stand deutschen Glückes Sonne Ihm jauchzten wir, von Lieb' und Ehrfurcht voll!

So aber, wie der Sonne Strahlenpfeile Zusammenbindet das geschliffene Glas. So wurde eins durch ihn zu Deutschlands Heile, Was es an Geistesgröße nur

Wir sahen ihn! Mit uns'ren Augen Wir in das königliche Angesicht!

besaß!-—

schauten

Er stand, umtost von tausend Jubellauten: Das ist Erinn'rung, die kein Sturm zerbricht! —

DgS Leiterstsndbild des Msrionsl-DenkmslK zu Werlin.

— Treu, tapfer, weise — deutsch mit

einem Wort,

So ward er seines deutschen Volkes Segen, Und alle Herzen flogen ihm entgegen. Von Lieb' erfüllt, die nimmermehr verdorrt! —

Wir liebten ihn!

Für

seinen Kaiser schickte

So Arm als Reich zum Himmel sein Gebet! Für ihn, den spät die Ernte noch erquickte, Die Ernte deffen, was er früh gesät! — Der Ort war heilig, den sein Fuß betrat! Dem, der ihn sah, ward höchstes Glück zu eigen —

Mit

Lorbeer- kamen

wir und

—-

Eichenzweigen

Und streuten Rosen ihm auf seinen Pfad!

— Nun hat zum Schlaf geschloffen sich sein Aug', Um auszuruh'n vom langen, langen Tage. — Unsterblicher, Du mehr als Held der Sage, Heut' spüren tief wir Deines Geistes Hauch! Du, den vor hundert Jahren heut' geboren Der Frauen edelste im deutschen Land, Von deutschen Männern sei es Dir geschworen: Fest steht, was uns gegründet Deine Hand! Und ob dereinst uns Tod umgraut und Nacht, Wir stehen treu zu Deines Enkels Throne! —

Dir aber sei. Du aller Länder Krone, O Vaterland, ein brausend Hoch gebracht!



154 •

Kleine Mitteilungen.

Die militärischen Schriften Kaiser Wilhelms I. werden in diesen Tagen herausgegeben. Sic sind von dem preußischen Kriegsministcrium zusammcngestellt, und das erste Exemplar soll am Tage der Hundertjahr¬ feier Sr. Majestät dem Kaiser überreicht werden. Das Material ist ein so reiches, daß es zwei Bände in großem Octav-Forniat, zusammen 75 Druck¬ bogen, umfaßt. Dieses große Material ist fast durchgängig von des Kaisers eigener Hand geschrieben. Es sind die Urkunden über die von dem hohen Schriftsteller als Prinz, Prinz-Regent, König und Kaiser in betreff wichtiger Fragen der Wehrkraft entfaltete Thätigkeit. Seine eigen¬ händigen Denkschriften, Gutachten und Vorschläge sind in diesem Werke lvortgetreu nach dcti Originalen wiedergegeben. Das Werk erscheint int Verlage von E. S. Mittler u. Sohn. Kask or Wslbi^mS a ii teft. filed iicktniS.

Das ausgezeichnete Gedächt¬ nis Kaisir'Mlyeiuis des GrovrikM°vekani'.t; immerhin dürfte aber nach¬ stehende Erinnerung von Interesse sein. Es war im Fiühling 1878. Die zum Eintritt in die Armee bestimmten Kadetten sollten Sr. Majestät dem hochseligcn Kaiser und König in seinem Palais vor¬ gestellt werden. Wir marschierten dorthin und nahmen unsere Auf¬ stellung in einem Saale, dessen Bauart einem Teil von uns den Blick auf die Thür versagte, durch welche der Eintritt Sr. Majestät zu er¬ warten war. Dieser Umstand war Veranlassung zu einem unerwarteten Zwischenfall. Durch dieselbe Thür kam zunächst der damalige Inspektor des Militär-Erziehungs- und Bildungswesens, Excellenz von Rheinbaden, herein und bot uns .Guten Morgen!" Ein kräftiges „Guten Morgen, Euer Excellenz!" das aber von dem noch kräftigeren „Guten Morg n, Eure Majestät!" aller jener, welche den Eingetretenen nicht hatten sehen können, fast übertönt wurde, war unsere Antwort. Wenige Augenblicke nach diesem Intermezzo öffnete sich die Thür vor Sr. Majestät. Ich muß nun erläu'ermd bemerken, daß jeder von uns seinen Namen, dann Stand und Wohnort des Vaters laut Sr. Majestät zu nennen hatte, sobald Allerhöchstderselbe bei dem sehr langsamen Abschreiten der Front Se. Majestät pflegten dann an die Kadetten, deren Namen, beziehentlich deren Väter ihm bekannt waren, gnädige und freundliche Worte zu richten, sich auch wohl noch weiter zu erkundigen. Zu den Glücklichen zu gehören, die von dem hohen Herrn angesprochen wurden, war das Ziel der Wünsche eines jeden von uns. Doch wurde diese Ehre nur wenigen zu teil, und diese waren zumeist Träger von Namen, die in den letzten ruhmreichen Kriegen Preußens mit ihrem Blute dem Vaterlande und dem eigenen Nauien neue Lorbeeren erworben halten. Bald stand der Kaiser auch vor mir, und ich nannte meinen Namen, den Stand und Wohnort meines Vaters. Noch fühle ich das milde Auge des greisen Fürsten auf mir ruhen, und cs war mir, als ob er mich prüfend anschaute. Dann ging Se. Majestät weiter. Also auch ich gehörte zu der großen Masse, deren Hoffnung sich als eitel erwiesen! Da — Se. Majestät waren schon zwei Rotten weiter gegangen — drehte der Kaiser plötzlich um, trat noch einmal auf mich zu und fragte: Vater diente in der Armee?" „Zu befehlen, Ew. Majestät, im reitenden Feldjägercorps!" „Ich weiß! ich weiß! — London!" dabei hob der gnädige Herrscher die Hand, als er dar Wort „London" aussprach, und setzte dann gütig lächelnd seinen Weg fort. War hatte das zu bedeuten? Gerade 25 Jahre vorher, in den ersten Tagen des April 1848, war mein Vater als erster Feldjäger nach den Berliner Märztagen nach London gegangen, um dem Prinzen von Preußen Briefe von seiner erlauchten Gemahlin und vom Könige Friedrich Wilhelm IV. zu überbringen, und hatte auch von den Aller¬ höchsten Herrschaften den Befehl erhalten, über die Zustände in Berlin mündlich zu berichten (s. Bär, Jahrgang 1891, Nr. 28. Seite 34 ). Dieses Umstandes entsann sich nun Se. Majestät bei Nennung meines Namens. Daß Allerhöchstdcmselben, wie wohl zu geschehen pflegt und wie es auch bei den Vorstellungen der Kadetten üblich sein soll, schon vorher Mitteilungen über die Personalperhältnisse der einzelnen, Sr. Majestät besonders auffallenden Namen gemacht worden sind, ist wenigstens in Bezug auf diese Erinnerung vollkommen ausgeschlossen, denn meine betreffenden Herren Vorgesetzten haben auf keinen Fall Kenntnis von jener Londoner Reise meines Vaters gehabt. So verdanke ich diese unvergeßliche Erinnerung, „daß Kaiser Wilhelm der Große mit mir gesprochen", lediglich dem ausgezeichneten Gedächtnis des hochseligcn Herrn! F. B.

vor den Betreffenden hintrat.

„Ihr

Das früheste Kinderbild Kaiser Wilhelms I. Ans Anlaß der zur Hundertjahrfeier des Geburtstages Kaiser Wilhelms I. veranstalteten Ausstellung von Erinnerungsstücken im Gebäude der königl. Akademie der Künste war jüngst in einigen Blättern die gegen Ende des Jahres 1798 von D. Chodowiecki angefertigte, vielfach bewunderte Radierung: „die königl. preußische Familie" erwähnt und dabei die Behauptung aufgestellt, das kleine Babp auf derselben sei das antizipierte Bildnis Kaiser Wilhelms des Großen Wir erhalten von kompetenter Seite hierüber eine Zuschrift, der wir folgendes entnehmen: „Das betreffende Kind ist ein Kind der Prinzessin Ludwig, nicht der Königin Luise, hat also mit dem nachmaligen Kaiser Wilhelm I. gar nichts zu thun, wie der Engclmannsche Chodowiccki-Katalog Nr. 832 S. 448 in einer Anmerkung deutlich berichtet. Das wohl früheste Kinderbild des Heimgegangenen Kaisers befindet sich in der Sammlung der Frau v. D. in Berlin, ein Kupferstich auf einem Fächer, von dem eine fragmentarische Wiederholung im Hohenzollern - Museum erhalten ist."

Die drei großen Epochen in der Geschichte der Berliner Bild¬ hauerkunst. Die „Post" leitet einen Artikel über das National-Dcnkmal für Kaiser Wilhclnl I. mit folgenden überaus bemerkenswerten Worten ein: „Eine seltsame Fügung des Schicksals hat es gewollt, daß die drei

großen Epochen in der Geschichte der Berliner Bildhauer¬

kunst

an die drei brandenburgisch-prcußischcu Herrscher knüpfen, und Nachwelt den Beinamen „der Große" gegeben haben. Alle drei sind Kriegshelden gewesen, denen nach gewaltigen Kämpfen die Wahrung des Friedens ihr höchster und heiligster Beruf war, und unter den Segnungen des Friedens sind die Künste erblüht, welche die Thaten dieser großen Herrfcher und Helden verherrlicht haben. Am Eingänge zum alten Berlin steht auf der Brücke über der Spree das denen

sich

Mit-

Reiterbild des Großen

Kurfürsten, in

dem

Andreas Schlüter,

der Begründer der nur allzu kurzen ersten Blüte der Berliner Bildhanerknnst, die höchste Entfaltung seines Geistes geboten hat. Am Eingang zu den Linden, der monumentalen Prachtstraße des neuen Berlin, erhebt sich das Denkmal, das Friedrich dem Großen und den Männern seiner Zeit geweiht ist, zugleich ein Denkmal des Wiederauflebens der Antike in Berlin, die hier freilich mehr römisch als griechisch gekommen ist, und zwischen Rauch und Schlüter bildet jetzt das alles überragende Denkmal Kaiser Wilhelms I. die Brücke, die historische Vollendung und, wie ein billig und gerecht Denkender sagen muß,-auch die künst¬

Vollendung." Schlüter, Rauch, Begas. Zu de» Koste» des Natio«aldenkmals. Von den vier Millionen Mark, die für das National-Denkmal auf der Schloßfreiheit bewilligt wurden, erforderte, wie wir erfahren, allein die Fundation der Denkmalslerische

Halle 400 000 Mk., während die Herstellung der Ufermauer und die Steinmetzarbeiten der Halle 600 000* 2)J£. kosteten. Professor Neinhold

Begas hatte für anderthalb Millionen Mark das Reiter-Denkmal mit der gesamten künstlerischen Ausschmückung der Halle, also auch den Quadrigen und Sandstcingruppcn, auszuführen. Die in Kupfer getriebenen Quadrigen allein haben 100 000 Mk. erfordert. Der Guß des Reiters und der Löwen war in der Summe, die Professor Begas erhielt, nicht einbegriffen; die gesamte Bronze- Ausführung kostete 500 000 Mk. Die Ausgaben für den Unterbau des Reitcrdenkmals brachten einen Aufwand von 154 000 Mk. mit sich. Dazu kommen noch die Kosten für die Granitstufen, die Dachdecker- und Stuckateurarbciten. Das prächtige Mosaik, mit dem das Plateau später belegt werden wird, ffguricrt unter den Ausgaben mit 90 000 Mark. Zur Geschichte her Vortrage des Direktors der Ritterakademie in stLrandenburgu. H., des Domherrn Professors

vr. Heine,

über die Geschrchw^er^Wtterakademien, insbesondere der in Brandenburg a. H., entnehmen wir folgendes: Die Ritter¬ akademien spielen eine bedeutsame Rolle in der Entwickelung des Schul¬ wesens im 17. und 18. Jahrhundert. Ihre Gründung entsprach einem Bedürfnisse der Zeit, und so entstanden sie in größerer Anzahl in allen Teilen Deutschlands. Seitdem haben es veränderte Zeitverhäitnisse mit sich gebracht, daß sie untergegangen sind oder ihren alten Charakter ver¬ ändert haben. Sie hatten den Zweck, Söhne des hohen und niederen Adels mit allen den Kenntniffen und Fertigkeiten auszurüsten, die sie befäbigten, ein Staats- oder Hofamt zu bekleiden, so daß sie weder die gewöhnlichen Stadt- und Klosterschulen, noch die Universitäten zu be¬ ziehen gezwungen waren. Sie nahmen also eine Mittelstellung zwischen den Lateinschulen und Universitäten ein, die damals weniger streng von einander geschieden waren als heute. Der Adel kämpfte damals mit der Aufgabe, in dem modernen Staate die alte Stellung wieder zu ge¬ winnen. Indem er notgedrungen der ritterlichen Selbständigkeit und der Fchdelust der alten Zeit entsagte, handelte cs sich für ihn darum, sich im Staatsdienste gegenüber dem Wettbewerb der Bürgerlichen zu behaupten und den geselligen Anforderungen des sich verfeinernden Hof¬ lebens zu genügen. Es galt, sich die neue, von der bürgerlichen ver¬ schiedene adlige Bildung anzueignen, die das Ideal des „vollkommenen Hofmanns" verfolgte. Dazu genügte weder die übliche Information durch Hauslehrer noch die Unterweisung auf den bestehenden Lateinschulen und den Universitäien, die einseitig für die Vorbildung von Theologen und Gelehrten zugeschnitten waren. Je schroffer sich die adligen Kreise gegen den Bürgerstand abschlössen, desto notwendiger erschien die Gründung abgesonderter Erziehungsanstalten. Zuerst entstand eine An¬ zahl solcher Schulen am Ende des 16. Jahrhunderts, verfiel aber meist Im Ausgange durch die Heimsuchungen des Dreißigjährigen Krieges des 17. und 18. Jahrhunderts kam es zu einer zweiten Blüte dieser Anstalten, bis die neuere Zeit mit den meisten aufräumte. Die Branden¬ burger „Ritterschule" wurde 1709 von dem Domkapitel auf dem Dom eröffnet. Das Unterrichtsziel war niedriger gesteckt, als bei den Ritterakademien üblich war. Während die am höchsten stehenden den Universitäten in ihrem Lehrziel nahe kamen, Beherrschung mehrerer neuerer Sprachen zu erreichen suchten, Mathematik in ihrer Verw ndung zur Fortifikation, Rechts- und Staatslehre, Statistik, Genealogie und Heraldik lehrten, bezeichnete das Domkapitel als Ziel der Bran enburger Ritterschule nur, „daß junge Edelleute ohne Unterschied nebst einem rechtschaffenem Grunde im Christentum eine saubere Hand im Schreiben und mit derselben eine Fertigkeit, ipsa oder anderer Leute Gedanken förmlich zu Papier zu bringen, gewinnen; dabei fertig rechnen, in der dlatbesi, Geographia und Historie aber solche Fundamente erlangen sollten, welche ihnen in ihrem künftigem Leben überall Nutzen schaffen können". Von fremden Sprachen wurde Lateinisch oberflächlich, ein-

>.

155

stehender Französich getrieben. Ein Tanzlehrer fehlte nicht, dagegen wurde die Erteilung von Reimnterricht immer abgelehnt Die Schule erhielt bald den Namen Ritterkollegium und wurde seit 1804 Ritter¬ akademie genannt. 1828 wurde ihr Lehrplan dem ver damaligen gelehrien Schulen gleichgemacht, und seil 1844 wurden auch Söhne bürgerlicher Gutsbesitzer ausgenommen. Die Aushebung der Anstalt durch die Regierung 1849 wurde nicht aufrecht erhalten, da die Stände das Recht auf den staatlichen Zuschuß im Klage-rege erstritten. Doch ist seitdem der ausschließlich adlige Charakter beseitigt, der Unterricht gleicht dem an anderen preußischen Gymnasien. Rur die von dem ritterschaftlichen Konvent des Kommunallandtages durch Zuschüsse erhaltenen Freistellen sind Söhnen mittelmärkischer Rittergutsbesitzer vorbehalten. Diesen allgemeinen Mitteilungen fügte der Vortragende eine Reihe charakteristischer und kulturgeschichtlich interessanter Einzelzügc aus dem Leben der Schule hinzu, die der Darstellung ihre eigenartige Würze verliehen. Zum Schluß bezeichnete der Redner die Ritrcrakademie als einen seiner Zeit berechtigten Protest gegen den pedantisch einseitigen Charakter der damaligen Gelehrtcnschulcn, die ihren Unterricht einrichteten, als ob alle Schüler Schulmeister werden sollten. Ein neues Bildungs¬ ideal, die geistige und politische Erhebung des Bürgerstandes zur Gleich¬ berechtigung mit dem Adel, entzog der Ritterakademie in der alten Form (Die Mark.) ihre Existenzberechtigung.

^

E

Im

Hofe Wancrlcituiia..1u. ULUi uMkv»b Ä« 'Witt«,bN-ä? des Melanchthonhauses in Wittenberg läuft ein Röhrwasser, das jedem, der sein plätscherndes Plaudern versteht, eine Geschichte erzählt, wie lieb die Besten s. Z. den Lehrer Deutschlands hatten, und wie hoch sie ihn geachtet. Es hat mit dem Wasser nach der „Saale-Ztg." folgende Bewandtnis: Wittenberg war z Z. Luthers ein schmutziges, ungesundes Nest, dem es vor allem an gutem Trinkwasser fehlte. Deshalb traten 1586 sieben hochachtbare Männer zusammen, um zu ihrem Bedarf eine Wasserleitung anzulegen. Ihre erste That dazu, nachdem sie zu ihrem Unternehmen am 27. Juli 1556 ein städtisches Privilegium erhalten hatten, war, daß sie Mclanchthon eine Portion von dem hereinzulcitenden Wasser schenkten. Die Gewerke des Wassers waren die beiden Bürger¬ meister Hieronymus Krapp und Christoff Ni-megk, genannt Keiner, Stadtrichter Hans Luft, Lucas Kranach. Kaspar Psreundt, Cunradt Ruhe! und Christoff Schramm. Und das bezügliche, von diesen Männern unterzeichnete Protokoll, das vom 14. August 1556 datiert, demselben Tag, an welchem der Bau mit Fassung des Quells in der Mark „Bruder Annendorf" begonnen wurde, lautet: „Zu wissen: Am vierzehnten Tage des Monates August dieses sechs und fünfzigsten Jahres sind die sieben Gewerken des Baues zusammen gewesen, um die Verthcilung der Kosten und des Wassers zu berathen. Die Gewerke sind der Ansicht, daß das Wasser wohl bequem in acht Theile, deren jeder für ein Brauerbe Wasser genug gebe, vertheilt werden könnte, uud beschließen infolgedessen cinbellig, in Anbetracht, daß neben dem heiligen, theuren Gottermann, D. Martin Lnther seligen, und auch nach dessen Tode, der auch hoch¬ achtbare und theure Philipp Melanchthon mit seiner Arbeit und Gebet, dieser Stadt Kirchen und Schulen zu erhalten, so mannigfaltig und treulich gedient, und noch täglich damit emsig an¬ hält, um ihm ihre Erkenntlichkeit zu zeigen, dem Herrn Philippo den achten Theil dieses Waffers zu verehren, und ihm dasselbe auf alleinige

emsigen

Kosten der Gewerke, die auch künftighin die Unterhaltung übernehmen, in sein Haus führen zu lassen Jedoch behalten sich die Gewerke vor, daß sie, wenn nach seiner Ehrwürden Tode, den Gott gnädiglich lange verhüten möge, mit seinem Wohnhause eine, der Universität nicht förderliche Aenderung -intreten sollte, dann auch mit dem Wasser wie als mit seinem Eigenthum gebühren können. Demnach haben die sieben Gewerke unter sich Geld zusammen¬ gelegt und dem Apotheker Psreundt übergeben, damit er über die Ein¬ nahme und Ausgabe registriere und Buch führe. Gott gebe seinen Segen, Amen. Der Bau der Wasserleitung (Röhrfahrt) dauerte vom 14. August 1556 bis zum 22. Juli 1558 und hat gekostet: 507 Gulden, 3 Groschen und 11 Pfg. Der damalige Wert des Gelbes geht aus den vorhandenen Rechnungen hervor, nach welchen z. B. ein Tagelöhner 2 Gr., ein Zimmermann 2 /» Gr. und ebensoviel ein Teichgräber pro Tag erhielt. Für eine Fuhre Holzröhren, zu 4 Stück, vom Bohrstuhl bis zum Bau¬ platz, wurde ein Groschen bezahlt. Anfangs wurde die Wasserleitung, einfach als „dieses Wasser" bezeichnet, dann heißt es aqua virgo, Jungfernwasser, und als dann schnell hintereinander noch drei weitere Wasserleitungen in die Stadt geführt wurde)?, das Rhodischc-, das Schloß- und das neue Jungfernwasser, da bildete sich des notwendigen Unterschiedes wegen der jetzt offizielle Name „Altcsjungfernwasser" her¬ aus. Die Anzahl der Gewerke derselben hat sich übrigens durch wieder¬ holte Teilung in halbe und viertel Portionen bis auf 21 vermehrt. 1

Uerrins - Nachrichten. Verein für Geschichte der Mark Brandenburg. Sitzung vom 13. Januar. Herr Professor I)r. Schmoller widmete dem verstorbenen Herausgeber der „Forschungen" des Vereins, Herrn Professor vr. Räude, einen ehrenvollen Nachruf (abgedruckt in den „Forschungen" des Vereins, Band

IX).

vr. Hintzc berichtete über einen Versuch zur Herstellung der landständischkn Verfassung, der in Ostpreußen beim Regierungsantritt Friedrichs des Großen (1740) gemacht worden ist. Zum Zweck der Herr

——

Huldigung, die der König persönlich entgegennahm, war den Ständen gestattet woreen, einen Landtag abzuhalten und zu diesem Zweck 8 Land¬ räte zu wählen, die im Verein mit den 4 Oberhauptleutm den ersten Stand ausmachten und deren Stellen während der Regierung Friedrich Wiihelms I. allmählich ganz eingegangen waren. Der König versprach bei seiner Anwesenheit in Königsoerg die dauernde Bestellung von Land¬ Re¬ räten in Ostpreußen; bald darauf regte die Königsberger

gierung die Wiederbelebung dieses Jnstitms an, die eine Reaktivierung des Landtages zur Voraussetzung gehabt haben würde. Nun zeigte sich aber, daß der König bei jenem Versprechen über die Eigenart der preußischen Landräte nicht ausreichend informiert gewesen war: er hatte Landräte nach brandenburgischem Muster gemeint, und oas war natürlich etwas ganz anderes. Statt der Landräte gab es als Distriksbeamte damals in Ostpreußen die drei Kreisrätc, die 1722 aus einer Um¬ formung des ursprünglichen kreisrätlichen Amts, von dem damals die städtischen Polizeisachen abgetrennt wurden, entstanden waren; neben ihnen fungierten besondere Marschkommissarien. Es erhob sich nun die Frage, ob man diese Beamten abschaffen und durch Landräte nach dem Muster der mittleren Provinzen ersetzen solle. Darüber trat das Generaldirektorium mit den Königsberger Behörden, Regierung und Kammer, in Korrespondenz. Aber beide Behörden hatten kein Interesse an dieser Veränderung, und Erst anläßlich der so verlief denn die Angelegenheit im Sande. Coccejischm Justizreform, durch die statt der Gerichte der Amtshauptlcute die Landgerichte in Ostpreußen begründet wurden, kam auch die Ucbcrtragung des Landratamtes nach Ostpreußen zustande; freilich ohne eine kreisständische Verfassung, die zwar angestrebt, aber nicht erreicht wurde. Eine Wiederherstellung der ostpreußischen Land¬ tage ist erst nach dem Tode Friedrichs des Großen erfolgt.

10. Februar. Herr vr. Hintze besprach die ver¬ die man gemacht hat, um die Entstehung der be¬ kannten LrÄenlegende zu erklären. Erwies schließlich auf einen bisher unbeachtttenMlW^Pir Ausbildung der Ueberlieferung von dem Opfertode Frobens hin, nämlich aus den Vergleich Frobcns mit einem Diener Joachims II., der sich in einem Leichcncarmen von 1675 findet. Dieser Diener Joachims II. opferte sich — der Legende nach — in dem Türken¬ feldzug von 1540, als dem Knrfürsten das Pferd unter dem Leibe er¬ Möglicherweise hat die Ver¬ schossen worden war, für seinen Herrn. mischung mit dieser Ueberlieferung auf die Ausbildung der Frobenlegende eingewirkt. Herr Kustos Buchholz legte einen merkwürdigen Kupferdruck aus der Zeit von 1758 vor, auf welchem neben den geographischen Karten der Schlachtorte von Roßbach und Lissa drei Scidenbänder uiit preußischen Devisen abgedruckt sind, die in beigedruckteu ENMMMWl"äls „Orden", Von einem 3,5 cm im Quadrat großen gelben bezeichnet werden. Bändchen mit dem heraldischen preußischen Adler über Fahne und Standarte, mit der Umschrift: „Viva Frederic le Grand" heißt es: „Orden, welchen S. M. der König denen Soldaten wegen der Battaille bei Rosbach gegeben." Ein etwas längeres Band (Adler, der Sonne zufliegend, „Es lebe Friedrich der Preußen König" und „Victoria der Sieg ist da"), das dem Kopf eines der im Märk. Museum befindlichen Vivatbänder gleicht, sowie ein drittes rotes, auf dem der preußische Adler die Wappenschilder Oesterreichs und Frankreichs in den Fängen hält, ist „wegen Rosbach -bezw. Lissa) von Ihrer Majestät der Königin denen Cavalicrs und Damen erteilet." Endlich ist auch ein Ring ab¬ gebildet, auf dessen gekrönter Platte „Vivo F. K.. pöre de la patrie" steht; dabei die Erläuterung: „Goldner Ring, welchen Ihre Majestät die Königin zum Andenken wegen der Wiedercroberung Breslaus an die Noblesse geschenket." Die Thatsache, daß solche Bänder damals als „Orden" verliehen wurden, ist bishernicht bekannt gewesen; auch die Bänder selbst, wie ein Exemplar des Ringes, hat der Vortragende bisher noch nicht gesehen, weshalb die Aufmerksamkeit des Vereins auf das etwa'ge Vorkommen dieser Sachen gelenkt wird. Herr Graf Lippe-Weißcnfcld ließ ein Streiflicht gleiten auf Geschichtsschreiber, Geschichtsschreibung und Geschichte jenes erbitterten und hartnäckigen Kampfes, welcher den Preußenkönig (1756/63) mit Erniedrigung zum Marquis de Brandebourg bedrohte. — Ein ehrendes Andenken wurde gewidmet den Historiographen Slenzel (ch 1854), F. von Huschberg (ch 1852) und A. Schäfer ich 1883). — So zu sagen „Doktorfrage" sei es, ob während des siebenjährigen Krieges ebensoviel oder mehr Dinte als Blut aufgewendet worden. Unter diesem Gesichts¬ punkte verdienen beispielsweise zwei Friedcnsvcrmittelungsvcrsuche 1757 einer Erwähnung. Betreffs Kriegsbcginn 1756 bleibe beachtlich die Aeußerung eines Erlanger Universitätsprofessors, welche er in seiner Eigenschaft als Brandenburger in einem (zur Belehrung „deutscher Jünglinge") 1788 gedruckten Geschichtsbuch veröffentlichte.

Sitzung vom

schiedenen Versuche,

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Siichertisch. „Deutscher Soldalenhort", Illustrierte Zeitschrift für das deutsche Heer uud Volk (Herausgeber: Gcucral-Licuteuant z. D. H. v. Below. Preis pro Quartal 1,80 Mk. Verlag von Karl Siegismund, Berlin IV., Mauerstraße 68), VIII. Jahrgang, 9h\ 18 enthält: Ein Lebensbfld Kaiser Wilhelms des Großen. (Bkit 8 Abbildungen.) Zum 100 jährigen Geburtstag unseres Heimgegangenen Kaisers. Ein¬ leitung. I. Das Kindcsaltcr.' II. Im Befreiungskriege und die Kon¬ firmation. III. Der Fricdcnsdicnst. IV. Prinz von Preußen. V. Prinzregent. VI. König Wilhelm I. VII. Die Feldzüge 1864 nnd 1866. vm. Feldzug 1870—71. IX. Kaiser Wilhelm I. — Vaterländische Gedenktage. — Neue Bücher. — Briefkasten. — Inserate.

Politische Geschichte der neusten Zeit.

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1816—1890.

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Von Wilhelm Müller, Deutschlands. Berücksichtigung 4. Auflage. Stuttgart. Verlag von Paul Reff. Auf 576 Seiten giebt der Verfasser eine Weltgeschichte, die den Zeitraum von der Stiftung der heiligen Allianz bis zum Rücktritt Bismarcks Umfaßt. Das sehr empfehlenswerte Werk ist nicht im Stile eines trocknen Leitfadens geschrieben, es ist nicht ein Gerippe von Geschichtszahlen und Namen, eine ermüdende Aufzählung von Thatsachen, sondern eiste lebendige Darstellung der politischen Geschichte von 1816—1890, eine dankenswerte Ergänzung der zahllosen Universal¬ geschichten, die mit dem Wiener Kongreß abschließen. Die günstige Auf¬ nahme, welche die früheren Auflagen gefunden haben, beweisen, daß das Werk eine Lücke in der Litteratur ausfüllt. Zu wünschen wäre für die fünfte Auflage ein alphabetisches Namen- und Sachregister, welches die praktische Brauchbarkeit für Zeitungs- Redaktionen und Zeitungs¬ — e. leser wesentlich steigern würde. 1840—1870. Dreißig Jahre deutscher Geschichte. Von Professor Dr. Karl Biedermann. 4. vermehrte (Volks-) Ausgabe. Breslau 1896. Schlesische Buchdruckerei, Kunst- und VerlagsAnstalt vorm. S. Schottländer, l. Band. Preis 6 Mk., gcbd. 8 Mk. Nach einem Rückblick auf die Jahre 1815 bis 1840 behandelt der vorliegende erste Band die Zeit der Gärung von 1840—1849, vom Negierungs-Antritt Friedrich Wilhelms IV. bis zur Versammlung zu Gotha und zum Abfall Sachsens und Hannovers von der Union. Der Verfasser gehörte dem Frankfurter Vorparlament und der deutschen Nationalversammlung an; er war Mitglied der Deputation, die 1849 Friedrich Wilhelm IV. die deutsche Kaiserkrone anbot; so hat er die von ihm geschilderte Zeit, in welcher die Besten unseres Volkes vergeblich an der Einigung des Vaterlandes arbeiteten, als Mithandelndcr erlebt. Seine Schilderung ist lebendig und von vaterländischem Geiste erfüllt. Der nationalliberale Standpunkt des Verfassers tritt nicht in einseitiger Weise hervor, überall zeigt sich das Bestreben, „gerecht, ohne Haß und Liebe" zu urteilen und zu schildern. Käufer und Leser des Buches sollte jeder Deutsche sein; gerade die Zeit von 1840—1870 bildet den Schlüssel zum Verständnis der Gegenwart und der Großthaten von 1870/71. Wer voll und ganz verstehen will, was Kaiser Wilhelm und sein großer Kanzler geleistet haben, der muß die Zeit von 1840—1870 studieren, und für dieses Studium ist das Biedcrmannsche Werk ein vortreffliches R. G. Hilfsmittel. Die Nummer 2803 (Centenarnummer) der „Illustrierten Zeitung" in Leipzig enthält weit über 30 Illustrationen, welche alle auf das thatenreiche Leben und Wirken Kaiser Wilhelms des Großen Bezug Den Umschlag ziert das von goldenen Lorbeeren und blauen Kornblumen eingerahmte große Bildnis des Heldenkaisers. Doppelseitige Bilder sind: das von Reinhold Begas entworfene und modellierte, am 22. März feierlich einzuweihende „Nationaldcnkmal für Kaiser Wilhelm I. in Berlin, gezeichnet von Ackermark; „An der Wiege des deutschen Kaiserreichs", Originalzcichnung von Alexander v. LingenMayer; „Kaiser Wilhelm I. und seine Paladine", Originalzeichnung von Chr. Speyer. An ganzseitigen Bildern enthält die Centenarnummer: die „Reiterstatue des Nationaldenkmals" nach einer photographischen Auf¬ nahme von Otto Kemnitz in Charlottcnburg-Berlin; „Ich habe keine Zeit, müde zu sein", Gruppe von Michel Lock, und „Kaiser Wilhelm I im 90. Lebensjahr" nach einem Gemälde von Franz von Lembach im städtischen Museum zu Leipzig. Vom Nationaldcnkmal sind noch wiedergegeben die Reliefs: Krieg und Frieden, sowie eine der Viktorien am Postament. Die beiden Porträttaseln der Centenarnummer enthalten die Bildnisse des Vaters und der Mutter des Heldenkaisers und zeigen Wilhelm I. im 17. Lebensjahre, als Bräutigam (als Pendant dazu die Kaiserin Angusta als Braut), als Prinzregcnt, im Krönungsornat (1861), sowie aus den Jahren 1866 1871, 1882 und (bereits erwähnt) 1890. Acht halbseitige Illustrationen zeigen die Kiönung König Wilhelms I. von Preußen in der Schloßkirche zu Königsberg, die Er¬ öffnung des ersten Norddeutschen Reichstags, Köuig Wilhelm I. in der Schlacht bei Gravelotte, die Proklamation des deutschen Kaiserreichs in der Spicgelgalerie der Schlosses zu Versailles, der Siegeseinzug in haben.

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j ;

Berlin, ein Erinnerungsbild an die Goldene Hochzeit, sowie das Kaiferpalais in Berlin und das Schloß Babelsbcrg bet Potsdam. Rührende Erinnerungen an Wilhelm den Großen repräsentieren 6 Gegenstände, die nach den Originalen im Hohenzollernmuseum photographiert wurden.

Druckfehler- Berichtigung.

In

des

Nr. 12, S. 144, muß es, wie am Anfang, so am Schluffe Artikels „Kaiser Wilhelm I. und seine Brandenburger",

heißen: 48.

Regiment (nicht

Anfrage. uns: Sammlung der alten Volksweisen und Lieder, die in der Provinz Brandenburg gesungen werden? Wer hierüber Auskunft zu geben weiß, wolle uns dieselbe gütigst mitteilen. Aus

Giebt

unserem Leserkreise ergeht folgende Anfrage an es

eine

Redaktion des „Bär".

Inhalt:

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Gründler.

Riols

Roman von Historischer Rolooioe. — Das National- Denkmal auf

(Fortsetzung.)

Schloßfreiheit zu Berlin. (Mit zwei Abbildungen.) — Die Kaiser Wilhelm - Gedenkhalle im Zeughaus. — Festgruß zum 22. März 1897. Von Paul Warncke. — Kleine Mit¬ der

militärischen Schriften Kaiser Wilhelms I. — Kaiser Wilhelms I. gutes Gedächtnis. — Das früheste Kinderbild Kaiser Wilhelms I. — Die drei großen Epochen in der Geschichte der Berliner Bildhauerkunst. — Zu den Kosten des Nationaldcnkmals. — Zur Geschichte der Ritterakademien. — Wasserleitung im Melanchthonhause. — Vereinsnachrichten. — Büchertisch.

teilungen: Die

Die verehrten Leser und Freunde des „Bär" werden inständig gebeten, doch in ihren Kreisen auf unsere vaterländische Wochenschrift aufmerksam zu machen und sie zum Abonnement warm zu empfehlen. Nur dadurch, daß die Freunde vaterländischer Geschichte einem Unternehmen, wie das unselige ist, einmütig die angelegentlichste Unterstützung zu teil werden lassen, kann dasselbe seine Aufgabe in be¬ friedigender Weise lösen. Mit Hilfe der alten Mit¬ arbeiter und durch Anknüpfung wertvoller neuer Verbindungen sehen wir uns übrigens zu unserer Freude schon jetzt in der Lage, allen berechtigten Anforderungen in vollem Maße zu entsprechen.

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„Bär".

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Herr nh nt

1.

27/28, am Gensdarmen-Markt. ." ■■■■■■■-

Verantwortlicher Redakteur und Verleger: Fr. Ziliessen in Berlin N. 68., Schönhauser Allee 141. Druck der vuchdruckerei Gutenberg, Berlin N„ Schönhauser Allee 141 u. — Abdruck ohne eingeholte Erlaubnis ist untersagt.

Sa.

Unter Mitwirkung von

Dp. H. DoerrdicKo, Theodor D. Dr. W. Krtswarh und G. rr.

Grnst 8>. Kardors, Dp. R« K^oinguier, Professor Dp. Dreetioo, Ä. Friedet. Uicliard George, Ford. Mörser. Gymnafialbirektor a.

vi>.


Zeitungs¬ „Bär erscheint wSchentlich am Sonnabend und ist durä, jede Poftauftalt tNo. 809), B»chh — nimmt spedition für 3 lNk. 60 Pf. vierteljährl. w beziehen. Auch die Geschäftsstelle — Berlin N. 58,Schönh. Allee 141 Bestellungen entgegen. Jnseraten-Austräge sind an die letztere zu richten. Die viergesp. Petitzeile kostet 40 Pf.

Der

'Zobrgana.

M 14.

^

em

Alten im Z«m 1.

as war ein

Tag! — Die Herzen

Sachsenwalöe

3.

April 18b?.



April 1897. Lr,

schlugen

dessen

Wort, wie Donnergrollen

Da uns, wie Adler, aufwärts trugen

Den deutschen Michel aufgeschreckt, Aus dumpfem Brüten ihn zum Wollen,

Die Schwingen deutscher Herrlichkeit!

Aus Träumen ihn zur That

So hoch fast wie in gold'ner Zeit,

Lrz,

Lr,

König, Der uns erkämpft das große Ziel — Das war ein Zauchzen, donnertönig, Als von dem Bild die Hülle fiel! —

Nun

steht er da in

der

In —

dessen

geweckt,

Flammenauge sprühte

jede Seele Feuersglut

— —

(D Deutschland, wie Dein Ruhm erblühte,

von ihm

gehegt in treuer

Hut! —

mächtiger

Der uns erzwang in hundert Siegen

Recke, Sei uns gegrüßt, Du An Geist so herrlich und Gestalt! Wo nur Dein Name klingt, da wecke

Bewunderung der ganzen Welt!

Lr Mut

Doch ob mit ihm auch mancher wallte,

Dein Geist, er möge uns umschweben Zn Glück und Sieg, Not und Gefahr! —

Wohl

ist er längst hinabgestiegen,

Der ritterliche Herr und Held,

Dom Tod besiegt, durchs dunkle Zoch — Der

Tine

— Gott

lebt, der junge Alte,
WäSChegeSChäft.

Hoflieferant Ihrer Majestät der Kaiserin und Königin.

Berlin W

«9

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Mohren-Strasse

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Harrnh nt

Anstalt 1.

27/28, am Gensdarmen-Markt.

Verantwortlicher Redakteur und Verleger: Fr. Zi liessen in Berlin N. 58., Schönhauser Allee 141. Druck der Buchdruckerei Gutenberg, Berlin X., Schönhauser Allee 141a. — Abdruck ohne eingeholte Erlaubnis ist untersagt.

8a.

der

Mark Brandenburg und

der angrenzenden Gebiete.

Unter Mitwirkung von

Grnst G. Kavderi, Dr. R« Dsviriguier, Professor Dr. KrectIvv, G. Friede!, Ulrhard George, Ferd. Werzer, Gymnasialdirektor a.

Dr.

Dr. H. KvondicKe, Ttzeodsv Fr>»rtl,,re» Stadtrat D. Dr. M. Srlltvcrvl; und G. u. JLlllbcubvud)

herausgegeben oon

Friedrich ZiUessen. XXIII. Zahrgana.

M 15.

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erscheint w-chentlich am Sonnabend und ist durch jede poftanftalt (No. 809), Blichh inblnna und Zeitiingsspedition für 2INk.50pf. vierteljährl. zu beziehen. Auch die Geschäftsstelle — Berlin U.58,SchönH. Allee 141 — nimmt Bestellungen entgegen. Jnseraten-Aufträge sind an die letztere zu richten. Die viergesx. Petitzeile kostet 40 Pf.

vcr „Bär''

Finis Poloniae. Grundier.

Historischer Roman von @.

(13. Fortsetzung.)

Graf war Karl Aegidius einige Schrille entgegen¬ gekommen und stellte ihn den Damen vor. Als dabei des jungen Leutnants Blicke denen Arabellas er

begegneten, hatte er eine ganz eigentümliche Empfindung.

Wo hatte er dieses Gesicht schon gesehen? Vergebens zermarterte er sein Gehirn, er konnte sich nicht befinnen. In dem Bestreben, Gewißheit zu erlangen, sah er öfter zu seinem Gegenüber hin, als bei der ersten Begegnung wohl wäre. Und, merkwürdig, jedesmal begegneten sich beider Blicke, worauf sich diejenigen der jungen Gräfin, die leicht errötete, schnell wieder auf die feine Stickerei senkten, die sie in den Händen hielt. So entstand schon eine Art geistiger Rapport zwischen den beiden, ehe sie noch ein Wort mit einander gewechselt hatten. Denn der Graf hatte unmittelbar nach der Vorstellung das Wort wieder ergriffen. „Ich hoffe," sagte er zu Karl, etwas Warmes wird Ihnen nach dem beschwer¬ lichen Ritt in der feuchten Nachtluft willkommen sein! „Allerdings", erwiderte dieser. „Ich bin Ihnen, Herr Graf, um so dankbarer, als dem Soldaten im Felde nur selten eine solche Gunst erwiesen wird, wie mir heute an Ihrem gast¬ lichen Tische. Da ist oft Tage lang, wie man in Deutsch¬ land sagt, Schmalhans Küchenmeister; es giebt nur grobes, schwarzes Brot und vielleicht ein Stückchen Speck; oft fehlt auch dieses, uud wir müssen uns mit hungrigem Magen auf die feuchte Erde legen, nachdem wir den ganzen' Tag im Sattel schicklich gewesen

gewesen."

„Ich gesorgt?"

denke,

für die Herren Offiziere wird

doch besser

„In

allerdings, und die Höchst¬ ihre Küchenwagen bei sich. Aber was will man machen, wenn die Proviantkolonnen in Wegen nicht nachkommen können? Wir den grundlosen Kavalleristen sind da gewissermaßen noch besser daran, als die Infanterie. Wir können doch noch etwas ausführen, wenn überhaupt etwas auszuführen da ist, und auch der Marsch ist nicht so anstrengend. Allein dann liegt uns wieder die Sorge für unsere Pferde ob, die uns ans Herz gewachsen find, und der

Absicht

kommandierenden

ohne die

liegt

haben

auch

wir nichts find."

Die Gouvernante hatte inzwischen den Thee bereitet und herumgereicht. Karl schlürfte mit Wohlbehagen den warmen Trank und fühlte neues Leben durch seine Glieder rinnen. „Das ist ja aber ganz schrecklich!" warf Arabella ein, indem sie Karl mitleidig ansah. „Ja, Comtesse, ä la guerre c’est a la guerre! Wer nicht entbehren gelernt hat, lernt auch nicht genießen. Oder meinen Sie nicht, daß ein Abend wie der heutige manches erlittene Ungemach wieder gut machte?" übertreiben, Herr Leutnant. Was ist denn da Besonderes? Doch nur, was wir alle Tage haben, und was auch Sie schon oft erlebt haben!"

„Sie

„Allerdings, bei meinen lieben Eltern zu Hause. Aber glauben Sie nicht, daß dies Bild friedlicher Eintracht mir noch lange vor der Seele stehen wird, wenn ich wieder im einsamen Biwak liege?"

„Bitte, erzählen Sie uns etwas von Ihrer Heimat!" rief der Graf.

170

Die Kanonade hatte aufgehört, und die unheimlichen Donner unterbrachen nicht mehr das friedliche Stillleben. Karl erzählte. Er sprach mit Liebe von seinen Eltern, von seinen Geschwistern, von Land und Leuten, oft unter¬ von Fragen

Ich

der Comtesse,

die

dies

Arabella reichte Karl ein Tellerchen mit kaltem Aufschuitt. weit zu reichen hatte, drohten die Fleischstücke herab¬ zugleiten. Karl griff schnell zu und berührte dabei ihre Hand. Sie zog sie rasch zurück, als hätte sie glühendes Eisen berührt, und der Teller wäre niedergefallen, wenn Karl nicht schnell Auch ihn hatte auch mit der andern Hand zugegriffen hätte. die Berührung der zarten, rosigen Haut ganz eigentümlich durch¬ zuckt. worüber er sich gar keine Rechenschaft geben konnte. Arabella sah vor sich nieder, und es kam fast wie ein geheimes Frösteln über sie.

Da

so

schlimm.

Aber

in meiner Einsamkeit.

ich

Sie brächten Ihre Person und Ihre Familie in Sicherheit?" „Ich? Das kann nicht Ihr Ernst sein! Wo mein König bleibt, bleibe ich auch. Noch sind wir ja aber nicht so weit. Ihr König ist mit seinem wohldisziplinierten Heere hierher gekommen, um Ordnung und Gesetz in unserem unglücklichen Lande wieder herzustellen. Ich habe das Vertrauen, daß er mit diesem zusammengetriebenen Pöbelhaufen bald fertig werden wird. Und auch, was unsere Soldaten anbelangt, so traue ich ihnen nicht zu viel zu. Wer dem einen die beschworene Treue nicht hält, hält sie auch dem andern nicht." „Ich verstehe von diesen Dingen nicht viel", warf Ara¬ bella ein. „Aber es muß schön und erhaben sein, für eine begeisternde Idee mit seiner ganzen Person einzustehen und selbst sein Leben einzusetzen! Wenn ich ein Mann wäre", fuhr " sie mit blitzenden Augen fort, „so — „Aber Arabella!" fiel ihr die Gouvernante ins Wort, „welche

„Ich

gesehen,

daß

diese

schuldlose Menschen gegenüber standen, die Ihnen persönlich nicht das Geringste zu leide gethan hatten?" fragte Fräulein

Menschen, so arm und unwissend sie sind, doch ein Recht zu

leben haben. Nicht durch Rousseau und Voltaire habe ich es erkannt, sondern durch eigene Wahrnehmung. Und ich habe seitdem zu bessern gesucht. Meine Pächter zahlen mir, was recht

ist,

willig und

ohne Zwang,

und sie find

zufrieden.

Idee!"

„Comtesse scheinen sehr kampflustig zu sein," bemerkte Karl. habe die Sache ja noch nicht erprobt, als allein bei den

Manövern. Und da kam es allerdings jedesmal wie eine Art von Taumel über uns, wenn wir so mit verhängten Zügeln, ventre ä terre, den Säbel hochgeschwungen, auf den scheinbaren Feind einsprengten, dessen Musketensalven uns entgegenknatterten. Es beschlich uns fast ein Bedauern, daß wir die Schärfe unserer Klingen nicht erproben konnten und Halt machen mußten!" Auch Karl hatte mit Enthusiasmus gesprochen und seine Worte mit entsprechenden Haudbewegungen begleitet. Ein glänzender Blick Arabellas belohnte ihn dafür. „Und Sie dachten nie daran, Lloooisur, daß Ihnen arme,

bin zur Einsicht gekommen,

Ich habe

sie

Beide schwiegen, und es war gut, daß der Graf wieder das Wort nahm. „So konnte es kommen," fuhr er fort, „daß eine Hand voll ehrgeiziger Advokaten das urteilslose Volk mit ihren vielversprechenden Tiraden bethörteu. Sie werden natürlich ihre Versprechungen nicht halten können. Das Volk hat nur seine Tyrannen gewechselt." Karl halte sich wieder gefaßt und erwiderte: „Wäre es nicht doch ratsam. Herr Graf,

Seele herunter zu reden, hier, wo ich Verständnis finde." Er setzte sich wieder an Karls Seite. „Da schwenzeln sie bei Hofe oder fitzen auf ihren Schlössern und verjubeln die enormen Summen, die ihre Ver¬ walter nur durch den ungerechtesten Druck aus ihren Pächtern herauspressen können. Ich bin auch so gewesen. Vielleicht nicht ganz

meine Ehre zum Pfande, wenn jetzt ein Haufe käme,

gemerkt."

„Papa, Sie regen sich wieder auf, Sie werden sich schaden!" warf Comtesse Arabella ein. „Nein, Kind! Es ist mir eine Wohlthat, das von der

hier

setze

um hier zu plündern, sie griffen zu Sense und Dreschflegel und schlügen sich für mich und für ihr eigen Hab und Gut." „Auf dem kurzen Wege von der Grenze bis hierher haben wir von enthusiastischen Kundgebungen des Volkes weder nach der einen noch nach der andern Seite hin etwas Besonderes

alles sehr zu interessieren schien. Sein ohnehin sehr hübsches Gesicht wurde noch schöner und anziehender, als er mit Begeisterung von seinem lieben kleinen Schwesterchen sprach. Nur Magdalenens erwähnte er mit keinem Wort. Warum nicht? Ja. warum nicht? Sie war ihm gar nicht in den Sinn gekommen. Angesichts dieser prunkvollen Umgebung, dieser lebensprühenden kleinen Comtesse, war das schlichte, ernste Mädchen für ihn in den Hintergrund getreten. Als er auf seine Zukunftspläne zu sprechen kam und erwähnte, daß er später das väterliche Gut selbst zu über¬ nehmen gedenke, äußerte der Graf: „Warum haben Sie denn das rauhe Waffenhandwerk ergriffen, wenn Sie doch Landwirt werden wollen?" „In unsrer Familie ist es Sitte, daß jeder erst eine Zeitlang dem Könige gedient hat, ehe er sich zur Ruhe setzt, daß man zunächst den Tribut bezahlt, den König und Staat zu fordern berechtigt find. Und so, wie wir. denkt fast der gesamte Adel unseres Landes. Mein Vater hat bei demselben Regiment gedient, bei dem ich jetzt stehe, und hat erst den Abschied genommen, als er dienstunfähig geworden war. So haben wir's gehalten von alters her, und so soll es bleiben." „Wahrhaftig, eine ehrenhafte Gesinnung!" Der Graf war erregt aufgesprungen und ging mit großen Schritten im Zimmer auf und ab. „O, warum denkt unser Adel nicht auch so? Da fliehen sie schmachvoll und feige ins Ausland, anstatt sich um ihren König zu scharen. Wie hätten diese Tausende, überall in der Bevölkerung verteilt, wirken können! Noch mehr! Welchen Segen hätten sie anstiften können, wenn sie die Leiden und Bedürfnisse unseres Volkes rechtzeitig erkannt hätten! Ich habe sie kennen gelernt," fuhr er fon, vor Karl stehen bleibend, „diese Heuchler und Schmeichler, die Tausende opfern konnten, um einen Strahl der hohen Gnaden¬ sonne zu erhaschen, und keinen Sous übrig hatten, um dem Unglück ihrer Untergebenen zu steuern. Man muß auf dem Lande gelebt haben, wie ich seit fünf Jahren! Die Leute sind nicht schlecht, sie werden erst schlecht gemacht." brochen

——

ätz

I

P] 68818.

oder

„Wer kann an so etwas denken!? Hier heißt es Du Ich! Die Verantwortung müssen wir denen überlassen.

Fragt

Adler danach, ob es recht oder unrecht ist, wenn er auf die Taube stößt?" „Der Vergleich paßt nicht, Llouoisur, der Adler geht seiner Nahrung nach und ist von dem Schöpfer darauf angewiesen. Aber Menschen sollten sich gegenseitig nicht nutzlos zerfleischen. Könnten sie nicht miteinander in Frieden leben und sich allein den Aufgaben der Gesittung und der Civilisation hingeben?" „Ja, Mademoiselle, mit allen philanthropischen Ideen werden wir wohl die Kriege nicht aus der Welt schaffen." Unter diesen und ähnlichen Gesprächen war es spät -geworden. Der Graf mahnte, mit Rücksicht darauf, daß sein Gast die uns gesandt haben.

auch der

der Ruhe bedürftig sein werde, zum Aufbruch.

Man

schied, aller¬

seits befriedigt von den Eindrücken, die der Abend hinterlassen.

Als Karl auf Scheine

Bettes

sein

einer Talgkerze fitzend

und

Zimmer kam, fand er Christian beim noch

behaglich

auf dem Rande seines breiten aus seiner kurzen Thonpfeife

schmauchend.

Beim Eintritt richtete er sich stramm auf und nahm die Pfeife aus dem Munde. „Wie, Christian, Du bist noch auf? Warum hast Du Dich nicht schlafen gelegt?" „Zu Befehl, Herr Leutnant. Det hat Zeit. Wenn wollten! Ick der Herr Leutnant noch wat haben traue mir jar nich, mich in det schöne Bett zu legen. In so wat habe ick mein Lebetage nich inne gelegen." „Na, riskier es nur einmal, und lege Dich zur Ruhe! Morgen ist wieder ein scharfer Tag. Ich brauche Deine Hülfe nicht, ich kaun mich allein entkleiden." Damit nahm er den schweren Silberleuchter und begab Trotz der Ermüdung lag er noch sich in sein Schlafzimmer. lange wach. Welch ein Mädchen! Welches Feuer, gepaart mit unendlicher Anmut und Grazie! Sie kam ihm so bekannt vor, als hätte er sie schon früher gesehen. Aufs neue zermarterte er vergeblich sein Hirn, wo er einer ähnlichen Erscheinung schon begegnet sei. War es nur das Ideal, welches ihm unbewußt vor der Seele geschwebt hatte, und welches bestimmt war, sein eigenes Selbst zu ergänzen? Unter solchem Grübeln, und eingelullt von den raffelnden Schnarchtönen Christians, die trotz zweier Thüren zu ihm hinüber drangen, schlief er endlich ein. Nie Auch Arabella konnte die Ruhe lange nicht finden. war ihr ein Mann begegnet, der bei so vollendet schöner Ge¬ stalt so viel edlen Charakter gezeigt hatte. Sie sah ihn immer vor sich, wie sein Gesicht, von heiliger Begeisterung entflammt, sich ihr zugewendet hatte, wie seine treuen Augen sie

angeblickt.

Der kleine

neckische

Gott Amor hatte gut gezielt!

(Fortsetzung folgt.)

Schloß Wilyelmsburg. Ein

gleichsam neu entdecktes und vom Untergang bedrohtes

Bau-Denkmal aus dem 16. Jahrhundert. Von Friedrich Bücker.

(Mit drei Abbildungen.) (Fortsetzung.)

In

langen Kette der Räumlichkeiten von Schloß Wilhelmsburg (der Chronist erzählt von hundert Gemächern) nimmt die Schloßkirche mit ihrem Fürstenstande und ihrer hoch der

über der prachtvollen Orgel liegenden Kanzel den ersten Platz ein. Auf diese Schloßkirche war bereits im Jahre 1877 auf¬ merksam gemacht worden und zwar von seiten Wilhelm Lübkes, der die Wilhelmsburg zu Nutz und Frommen seines Werkes: „Deutsche Renaissance" in Augenschein genommen hatte. Wenn im allgemeinen die katholischen Kirchen hin. sichtlich des Reichtums und der Schönheit ihrer Raumgestaltung die protestantischen Kirchen weit hinter sich ließen, so sollte die protestantische Schloßkapelle der Wilhelmsburg doch wenigstens in Bezug auf die künstlerische Durchbildung des Raumes und mit ihrem plastischen Bilderschmuck nach dem Willen des Landgrafen „zu einem prächtigen Denkmal aus¬ gebaut werden, das fernen Jahrhunderten seinen Ruhm kündete." Um so recht seinen Protestantismus zu zeigen, stellte er die Kanzel nicht an einem Pfeiler des Längsschiffes auf. wie es in den katholischen Kirchen der Ueberlieferung gemäß unerläßlich war, sondern er ließ Altar, Kanzel und Orgel — letztere auf einem Sängerchor — über einander im Angesicht der Gemeinde aufbauen. Die Orgel wurde auch so prächtig und künstlerisch ausgestattet (das Volk hielt den Landgrafen selbst für den Erbauer der Orgel, doch gelang es der Forschung, zu ermitteln, daß der berühmte Orgelbauer Daniel Mayer in Götlingen das Werk vollbracht), daß z. B. zur Schonung des Werkes bei ruhendem Spiel ein ProspektVerschluß angebracht war, dessen Deckel musizierende Frauengestalten und Engelfiguren in herrlicher Malerei zeigten. Eine Choranlage, wie sie die katholische Kirche als sichtbares Zeichen des von der Gemeinde abgesonderten Priestertums liebt, suchte man in der Kirche vergebens; im Gegenteil, der Altar stand vor der Gemeinde als einfacher „Tisch des Herrn". Der der Kanzelwand gegenüberliegende Teil der obersten Empore galt als „landgräfliche Belstube", oder Fürstenstand; sie war für die landgräflichen Herrschaften und ihren fürstlichen Besuch vorbehalten uno demzufolge durch Holzwände von den beiden Galerien und durch Glaswände in den Arkaden von dem Mittelktrchenraum abgetrennt; auch war in ihr ein reich mit ornamentalem und figürlichem Schmuck versehener Ofen an¬ Dieser Vorbehalt wirkte keineswegs befremdend, gebracht. denn auch die übrige Kirchengemeinde konnte sich leicht nach Ständen gliedern, was bei dem ausgeprägten Zunft-, Rang, und Slandesbewußtsein tn jener Zeit (nach Emführung des festen Gestühls) sich von selbst verstand uno besonders in einer Hofkirche geradezu Notwendigkeit war. Eine ganze Reihe von

Tafelbildern, die jedenfalls „der dogmatischen Anschauung der Reformation künstlerischen Ausdruck gaben", schmückie früher die Schloßkirche, und in Bezug auf die jetzt kahlen Flächen heißt es in der Denkschrift über Schloß Wilhelmsburg: „Diese ganze Bilderreihe ist später von dem ihr angewiesenen Platze entfernt worden. Das hängt wohl damit zusammen, daß im Laufe der Zeit, nachdem der helle Kampfeseifer der Protestanten sich genug gethan und die neue Lehre in heißem Ringen furchtbarer Kriege sich die Daseinsberechtigung erkämpft hatte, die weitere Hervorkehrung der Gegensätze in den Anschauungen der Protestanten und Katholiken mehr und mehr zurücktrat. So begann man es schließlich als verletzend zu empfinden, daß gerade an der Stätte kirchlichen

gegen das Papsttum

Friedens

die Anschauungen und Satzungen der Gegner öffent¬

lich satyrisch behandelt wurden. Was die Bilder darstellten, ist für die Farbenharmonie des Raumes gleichgiltig; daß sie

-

172

entfernt sind, bedeutet einen großen Verlust für die Wirkung dieses Juwels farbiger Innendekoration. Und wenn etwas, vom rein künstlerischen Standpunkt aus geurteilt, not thut, so ist es die Wiedereinführung von Gemälden biblischen Inhalts in die Brüstungen, jetzt um so mehr als früher, da seit einiger Zeit wieder Gottesdienst in dieser schönen Kapelle abgehalten wird." jetzt

waren die Hauptrepräsentationsräume der Wilhelmsburg: das Tafelgemach und der Bankettund Tanzsaal (sogenannter Riesensaal) sicher das Sehens¬ werteste des Schlosses. Leider sind sie fast ganz zur Trümmer¬ stätte geworden. Wären bei ihnen, so sagt die Denkschrift, die Innenarchitekturen, ähnlich wie in der Schloßkirche, aus solidem Material hergestellt worden, so würden wir nicht fast vollständig um den Besitz zweier Juwele innerer Dekoratioir Nächst der Schloßkirche

aus der deutschen Renaissance ge¬ kommen sein. Nur die riesigen „barock

geschwungenen"

Wand¬

konsolen und der Riesensaalkamin,

die

dem

Zahn der Zeit getrotzt

haben, lassen mit andern Ueber-

bleibseln und Trümmern auf die frühere charakteristische Schönheit der beiden Säle schließen.

Ein höchst merkwürdiger Raum der Wilhelmsburg war die „Hof¬ stube". Da sie eine Länge von 125 Fuß

hat,

so

in den neben der Küche befindlichen sowie in dem Vorgemach am Süd¬ Südflügels, Räumen des

sammelten Herrschaften

ende des Baukettsaals im ersten Stock vorgenommen.

Eine wahrhaft entzückende Lage hatte die Wohnung der landgräslichen Familie. Von ihren Fenstern aus konnte man alles überblicken, was von und nach dem Schlosse kam. Dabei bot sie zugleich die weiteste Schau tief ins Land hinein bis zum Gebirge. Die Kommission, welche zur Auf¬ nahme von Schloß Wilhelmsburg auf dem Ouestenberge weilte, teilt über den Ausblick von der landgräslichen Wohnung mit: In den erquickenden Abendstunden, nach den Mühen des Tages, fanden wir uns steis hier zusammen, um die Sonne in ihr Bett von Gold und Purpur sinken zu sehen und die Farbenpracht des Sonnenuntergangs über Stadt und fernem Gebirge, die nur allzu kurz dauernde, durch den Pinsel festzuhalten. Die Thurmuhr läu¬ tete friedlich den Abend ein. und der Rauch aus den Kaminen der Stadt zu unseren Füßen färbte sich golden im Scheine des Sonnen¬ lichts. Und wenn dann die Strahlen verblichen waren, die nebelschwangere Dämmerung her¬ einbrach und die ersten Sterne in der Unendlichkeit erglänzten, schlichen

weicht sie von

dem, was man heutzutage Stube nennt, stark ab. Sie diente der

Schloßgarde, der Leibwache, den zahlreichen Trabanten mit ihrem militärischen Treiben als Aufent¬

haltsort und war

auch den Hof¬

beamten und dem Hofdienstpersonal zugänglich. Aus ihr zog täglich eine Schar Männer in fürstlicher Livree mit Trommeln und Pfeifen „auf Schloßwache"; aus ihr rückte eine Kompagnie von Knechten mit langen „Röhren" unter Führung eines Offiziers und Vorantritt von

wir Arm in Arm, wie

aus Furcht, den Frieden und die Ruhe der Natur zu stören, ins Städtchen

Inneres des ersten Zwingers non gdjloß Wilhelinsdnrg. Aus: Friedr. Laske, Schloß Wilhelmsburg.

Kesseltrommlern, um ankommende Jagdgäste zu begrüßen; in ihr trat die gesamte Hofdienerschaft auf bestimmte Trompetensignale zum Appell zusammen, um zu vernehmen, wie man seines Amtes zu walten habe, ob als Ehrenwache, Lakai, Leibdiener oder in anderer Weise. Nach dem Einzug der Gäste und nach vollbrachter Dienstleistung wurde dann in der Hofstube an langen Tischen das verspeist, was in der „Großen Hofküche" zubereitet worden war. Alle mittleren und niederen Hofangestellten stillten ihren Hunger in der „Stube". Der Landgraf konnte durch sein Vorgemach in diesen Riesenraum treten, der an Länge und Weiträumigkeit seines gleichen suchte. Ein weiterer bemerkenswerter Bauteil der Wilhelmsburg war die praktisch angelegte Küche, in welcher die Herstellung Raumes der Speisen vor sich ging; trotz der Größe des

wurde das Anrichten der Speisen für das Hofpersouai, wie sogenannten die Denkschrift hervorhebt, in den Räumen der Kavalierküche und für die zum Bankettieren im Festsaal ver¬

hinunter, im Herzen das erhe¬ bende Gefühl, Zeugen der Wunder¬ wirkung der Natur gewesen zu sein. Die weiteren Räumlichkeiten der umfangreichen Wilhelmsburg zu beschreiben oder auch nur auszu¬ zählen, dürfte weit über den Rahmen dieser Artikel gehen. Da gab es noch Gemächer in den heraldischen Farben der befreun¬ deten Länder, ein brandenburgtsches, hessisches, sächsisches rc.

Da gab es eine „Bad¬ stube", in deren Zimmern die Toi¬ Gemach.

lette aller mit dem Hofe in Zusammenhang stehenden Personen be¬ sorgt wurde. Zu den „Gemächern" gehörten auch noch Stuben, Kammern. Nebenkammern und Vorzimmer. Nachbarlich von jedem Wohnzimmer war noch eine Haupt- und eine Nebenkammer angebracht, erstere als Schlasstätte für die Herrschaft, für die Bedienung. Daß die Vorrats¬ Kellereien auch in reichlicher Anzahl vorhanden kammern und letztere als Schlafraum

waren, ist begreiflich. Ja, das ganze obere Stockwerk der Wilhelmsburg war in einzelne Dachzimmer aufgelöst, sodaß der Chronist wohl recht hat, wenn er von hundert Gemächern der Wilhelmsburg spricht. Um die Gemächer in den oberen Stockwerken bequem zugänglich zu machen, waren, wie die Denkschrift hervorhebt, mit großem baukünstlerischen Geschick weit von einander entfernte Ecktreppen verwendet. Die Lösung ist eine geradezu meisterhafte, wenn man erwägt, daß im Gegensatz zu unseren modernen Wohnungen nicht ein einziger

Korridor

sich

im ganzen Schlosse befindet.

(Schluß folgt.)

173

Berlin am 22. Mar)

1797.

Es war am 22. März 1797, so heißt es in einem zur Hundertjahrfeier geschriebenen Artikel von Gerhard von Ampntor, als im Palais am Zeughausplatze, das heule die Kaiserin Friedrich bewohnt, und das damals den preußischen Kronprinzen Friedrich Wilhelm und dessen märchenhaft schöne Gemahlin Luise beherbergte, ein Prinzlein. als zweiter Sohn des kronprinzlichen Paares, geboren wurde. Der Ort, an dem der dereinstige erste deutsche Kaiser das Licht der Welt erblickte, war schon damals ein geschichtlich denkwürdiger, denn er war geweiht durch einen großen Ahnen, durch den größten König, der je auf Preußens Thron gesessen hatte: als Friedrich der Große sich mit der Herzogin von Braunschweig-Bevern vermählte, hatte er das Palais von seinem Vater zum Ge¬ schenk bekommen.

In

Haugwitz eine traurige Berühmtheit erwarben, allzu leicht Wie ganz anders sollten sich unter dem Prinzlein. das nach. da am Zeughausplatze noch unbewußt in der Wiege lag, einst die Verhältnisse gestalten! Auch Wilhelm der Große sollte sein Dreigestiru haben, dessen Licht ihm leuchten würde auf vielverschlungenen, schwierigen und dornenreichen Pfaden; aber diese drei hießen Bismarck, Moltke und Roon, und wenn er ihnen auch Zeit seines Lebens viel herzlichen Dank und viel kaiserliche Gunst erweisen sollte, — Günstlinge im schlimmen Sinn des Wortes find sie ihn, nie gewesen, und Günstlinge hat der hochherzige und ritterliche Kaiser überhaupt zu keiner

Zeit an seinem Throne geduldet. auch

Unter Friedrich Wilhelm II. hatte sich das Heer zwar glanzvoll in den Feldzügen gegen die französische Revo¬

lution

einer

geschlagen

und

die

bescheidenen hölzernen Wiege

Namen Kaiserslautern, Kir.

wurde

weiler

das

und der Weißenburger Linien prangten frisch eingetragen in seinen Fahnen;

neugeborene

Prinzlein gebettet;

es ahnte

ebenso wenig, wie seine El¬

auch

tern, daß diese Wiege heute eines der kostbarsten Heilig¬ tümer des HohenzollernMuseums bilden würde. Im übrigen ging dieser Ge¬ burtstag vorüber, wie alle

unter jenem schwachen

Festtage in einer Residenz vor¬

Könige hatte das Land einen Zuwachs von 2000Ouadrat. meilen mit über drei Mil¬ lionen Einwohnern gewon¬ nen und nebst den pol¬ Erwerbungen, die nischen

über zu gehen pflegen: der

als

Neu-Ostpreußen

zu¬

den Bewohnern

sammen gefaßt wurden, sich die Länder Ansbach und

der damals noch kleinen, un¬ bedeutenden spie߬ und

Reichsstadt Nürnberg ange¬

eherne

Mund der

verkündete

Geschütze

Baireuth

mit

der

alten

gliedert; ober die Freude

bürgerlichen Residenz das frohe Ereignis, und die guten Berliner sprachen da¬ von in den Trinkstuben und genossen ein Krüglein mehr als gewöhnlich, indem sie auf das Wohl der hohen Wöchnerin, die als gefeierte Schönheit und als ein Muster von Anmut und Frauen¬ güte den Stolz jedes Spree¬ atheners bildete, begeistert

der alten Residenz lag eigentlich Tag und Nacht

über dieses Wachstum des aufstrebenden Königreiches konnte nicht in jubelnden Akkorden ausklingen, denn wie ein Dämpfer lag auf ihr die Erinnerung an jenen eist vor zwei Jahren ab¬ geschlossenen Frieden von Basel, und im geheimen ballte mancher Patriot die Faust, und Zorn und Scham ließ auf mancher Stirn die Röte aufflammen. Hatte Preußen doch in jenem Baseler Frieden den Franzosen das von ihnen be¬ Nun war die Großsetzte linke Rheinufer überlassen müssen! der einst ganz Staates, Friedrichschen machlstellung des gezwungen hatte, Europa zur Bewunderung und Anerkennung wie mit einem Schlage erschüttert und der Kampfpreis der kostspieligen und nicht rühmlosen Rheinfeldzüge völlig ver¬

über dem Lande Preußen und dem gesamten deutschen Vaterlande. Auf Preußens Thron saß Friedrich Wilhelm II., der noch am 15. November desselben Jahres, erst 53 Jahre alt, den Qualen der Wassersucht erlag. Dieser König war ein „seelenguter" Mann. weichherzig und wohlwollend, leut¬ selig und menschenfreundlich; aber die Schlagschatten dieser Tugenden waren zu stark in ihm entwickelt, sein Charakter neigte zur Schwäche, und er gab dem unheilvollen Einflüsse der Günstlinge, unter denen sich Bischofswerder, Wöllner und

Die Kunst der preußischen Diplomatie war so tief Selbsibewußsein der Berliner Staats¬ gesunken, das stolze männer so schwach und hinfällig geworden, daß nicht nur charakterlose Stümper wie Haugwitz, Lombard und Lucchesini, sondern selbst ein Hardenberg, der immer noch als Mann von Kopf und Herz gegolten hatte, die Schmach jenes Friedens nicht empfanden, ihn vielmehr als vorteilhaft und ehrenvoll anerkennen zu müssen glaubten. Der neugeborene Prinz sollte diese Schmach einst mit seinem Siegsriedschwerte rächen;

anstießen.

Es war ein Mittwoch, und in der fünften Nachmittags¬ stunde, als man das neugeborene Prinzlein dem überglücklichen Vater endlich in den Arm legen durfte; die Märzsonne stand schon tief am wolkenbedeckten Himmel, und die Dämmerung, die rn den engen und winkeligen Gassen schon dichtere Schleier webte,

loren.

174

im Friedensvertrag vom 2. März 1871, dem die französische Nationalversammlung in Bordeaux ihre Zustimmung erteilte, gewann er für das Deutsche Kaiserreich Elsaß und Lothringen mit Straßburg und Metz zurück und legte dem besiegten Erb¬ feinde eine Kriegsentschädigung von fünf Milliarden auf. 11 000 gefangene französische Offiziere, mit denen 363 000 Soldaten das Gewehr strecken mußten, nebst 6700 eroberten Geschützen und 120 genommenen Adlern und Fahnen waren die deutsche Antwort auf jenen Baseler Frieden von 1795; 16 siegreiche Schlachten hatte das Heer Wilhelms des Großen geschlagen und auf den zerschossenen Wällen von 26 franzö¬ Das neunzehnte sischen Festungen seine Banner aufgepflanzt. was im achtzehnten ge¬ Jahrhundert hatte wett gemacht, sündigt worden war. und wenn am Geburtstage des kleinen

Prinzleins die Friedrichschen Lorbeeren schon zn welken be¬ gannen und das preußische Heer schon auf der schiefen Ebene angelangt war, auf der es binnen neun Jahren bis nach Jena hinabgleiten sollte, so hat dasselbe Prinzlein als späterer König und Kaiser aus dem deutschen Gesamtheere ein Kriegs¬ instrument geschaffen, dessen Ruhm die Welt erfüllen sollte, und dessen Schneide und Schlagfertigkett noch heute die kampflüsterne Faust manches lieben Nachbars zügelt, so daß sie sich dreimal besinnt, leichtfertig vom Leder zu ziehen. Der Abstand zwischen dem Einst und dem Heute ist für den. der sich unvoreingenommen auf dem geschichtlichen Stand¬ punkte zu behaupten weiß, in der That ein ungeheurer. Im Jahre 1797 bestanden nach Martens (siehe dessen „Denk¬ würdigkeiten eines alten Offiziers") die Osfizierkorps ganzer Regimenter nur aus Invaliden an Körper und Geist. Der Geist der Friedrichschen Aera war aus dem Heere entwichen und mit ihm die moralische Zucht. Geblieben war aber der tote Mechanismus, die Puder-, Zopf- und Kamaschenqual und die brutalste

Fuchtelet.-

Auch in geistiger Hinsicht bot Berlin um die letzte Jahr¬ Es hundertwende ein wesentlich anderes Bild als heute.

hatte eben erst seine ersten Leihbüchereien eingerichtet, erst fett 1771 hatte es eine stehende Bühne, aber es war doch schon ein Brennpunkt ästhetisch-litterarischer Bestrebungen geworden. Schiller und Göthe, die freilich noch im Aufgange begriffe»

waren, hatten sich schon ihr Publikum erobert. „Werlhers Leiden" waren der lesenden Welt längst bekannt, und erst im vergangenen Jahre hatte Jffland am Königlichen National¬ Noch theater zum ersten Male die „Räuber"' aufgeführt. Größen befehdeten teilweise noch diesen herrschten aber neben in unverminderter Anerkennung die Klopstock, Herder u. a.; Winkelmann galt in ästhetischen Fragen als letzte Instanz, und in Cocceji und Svaretz verehrte man die Säulen der Gerade vor 16 Jahren war Kants Rechlsgelehrsamkeit. erschienen; nun tobte der Auf¬ Vernunfl" „Kritik der reinen ruhr in den Geistern und erschütterte die Grundlagen der In der Kunst zehrte man vielfach gesamten Wissenschaft. noch vom Glanze des Malers Pesne und des Kupferstechers und Malers Chodowiecky. und man berauschte sich an den

Melodien eines Graun oder Händel. Dabei war Berlin, nach einem Ausspruche Piersons, die franzöfierteste Stadt in An der Stelle der einst „bärenhaften, deutschen Landen. biedern altdeutschen Sitten" machte Firnis breit, der ein tiefes

sich

Die heitere Lebensfreude, die um 1740 eingezogen, war schnell in üppige Genußsucht, die Aufklärung in zügellose Freigeisterei ausgeartet, und die Ungründlichkeit im Denken und Reden ging Hand in Hand mit der Grundsatzlosigkeit im Handeln. Besonders die höheren Stände hatten sich ganz der Ausländer« hingegeben, die der Hof trieb. Wer nicht französisch sprechen oder radebrechen konnte, war nicht hoffähig bald auch in weniger vornehmen Kreisen nicht Mil der Sprache äffte man die Denkart, die MM und Manieren, dann die Laster der Pariser nach, auch das Unsittlichste galt als elegant, wenn es französisch war. In Berlin waren während der letzten Kriege Fabriken entstanden, die in rastloser Thätigkeit die Uniformen und den Fuhrpark für die Truppen zu liefern hatten; auch wurden hier die Naturallieferungen und Wechselgeschäfte für das Heer besorgt. So hatte sich bald ein zahlreicher Stand von Bankiers gebildet, der mit dem mühelos Erworbenen dem Genußleben nur Vorschub leistete. Die schlimmste Veränderung war. nach Pierson, im Familienleben eingetreten. Das weibliche Geschlecht hatte an dem modischen Wesen in Kleidung und Lebensart Gefallen gefunden und vergeudete nun Zeit und Geld in Putz und Mufiksucht; ernste Häuslichkeit, Arbeitsamkeit und jung¬

und konnte

sich

mehr sehen lassen.

Die fräuliche Zucht waren schnell in Abnahme gekommen. Weinschänken, Männer trieben andern Aufwand; sie suchten in die massenhaft entstanden waren, im Prassen und Spielen ihr Vergnügen. Es machte sich in Berlin und auch anderwärts in Preußen „jener Wachlstubenton breit, der die Würde der Frauen nicht kennt." Verführung und Ehebruch waren an der Tagesordnung.

Sehen wir uns das heutige Berlin an. so finden wir eine unverkennbare Wandlung zum Besseren. Das Familienleben in den breiten Schichten unseres tüchtigen und arbeit¬ samen Bürgertums steht heute auf festeren und gesunderen

Grundlagen, und wer sich noch der Ausländerci schuldig macht, verfällt in den Augen der ungeheuren Mehrheit der Berliner wohlverdienter Lächerlichkeit und Verachtung. Wenn sich auch Berlin noch immer nicht zur führenden Kunststätte empor¬ gerungen hat, so haben doch Maler wie Menzel. Liebermann. Skarbina, Bildhauer wie Begas, Schaper, Encke den Ruhm alle Lande verbreitet. der hauptstädtischen Kunst durch erster Linie Wildenbruch, in Dramattsche Dichter, unter ihnen haben ihr begeistertes Publikum gefunden, und in der Musik hat der deutsche Richard Wagner allen Kulturvölkern das Kunst auferlegt. verzichten darauf, die weiteren Ausführungen GerWir hard von Amyntors über das heuiige Berlin hier wiederzu¬ Darin aber wird man allgemein und mit Freuden geben. Gesetz einer neuen

wir die in jeder Beziehung daß zustimmen, günstigere Lage, deren sich Preußen und Deutschland und nicht zum mindesten auch die Reichshauptstadt am Ende des 19. Jahrhunderts erfreuen, vor allem dem Prinzen verdanken, dessen Geburt am 22. März 1797 durch den ehernen Mund uns

der

Geschütze

den Bewohnern

der Residenzstadt

Berlin ver-

kündet wurde.

längst ein ausländischer

moralisches

Verderbnis

überkleisterte.

-A

Kaiser Wilhelm !. und sein ältester Urenkel?) Gestärkt durch Wildbads Wundersegen, Kehrt Kaiser Wilhelm jüngst zurück, Und alles Volk jauchzt ihm entgegen, Ein Willkomm leuchtet jeder Blick.

die beiden gewaltigen Schlachten von Zorndorf und Kunersdorf.

Aus dem engen Thal bei Frankfurt, das zu beiden Seiten nicht unbeträchtliche Höhen begrenzen, ist die Oder heraus¬ getreten. Die Berge, welche sie zu beiden Seiten begleiten, sind zurückgewichen, und aus dem schäumenden, schnell dahin-

Und Flaggenschmuck und Tannenreiser, Sie bieten ihren Gruß ihm dar. Und alles ehrt den Heldenkaiser, Der frisch und froh im Silberhaar.

rauschenden Flusse ist ein ruhiger

in seinem Bette einherfließt.

Da plötzlich nahl's auf kleinen Füßen Und trippelt leis. — Wer kommt denn da? Naht man, den Herrscher zu begrüßen?

Monarchie, während sich rechts das Warthebruch hinzieht. Die Oder macht hier einen scharfen Bogen nach Nordwest; dadurch entsteht ein stumpfer Winkel, in welchem die Waldungen der Neumühlschen Forst liegen. Eine breite Chaussee führt durch diese hindurch und erreicht nach etwa 4 Stunden (von Küstrin aus gerechnet) das große Dorf Zorndorf, eine Gründung des Templerordens. Nördlich davon dehnt fich das Schlachtfeld aus, auf dem einst Friedrich der Große in blutigem Ringen Ein Denkstein, 1826 gesetzt, auf dem die Russen überwand. niedrigen Friedrichshügel rechts der Chaussee trägt die einfachen Worte: „Hier stand Friedrich der Große am 25. August 1758"; das ist das einzig sichtbare Erinnerungszeichen an die Schlacht.

Drei Prinzlein find's vom Zollernstamme, blauem Aug' und blondem Haar, Der jüngste noch im Arm der Amme, Der älteste im vierten Jahr.

Mit

Und liebreich beugt der Held, der greise, Zum kleinsten fich mit Kindesfinn Und reicht nach Großpapachens Weise Dem ältern etwas Süßes hin. Doch unsrer Zollern jüngster Fritze. Der schüttelt's Köpfchen, reckt sich grad,

Am 23. August harte der König die Oder überschritten und lagerte nun in der Nacht zum 25. mit seinem Heere, 32 000 Mann und 117 Geschütze, bei dem Dorfe Ouartschen, etwa eine Meile nördlich von Zorndorf. Von dort her hatten ihn die Russen unter Browne und Fermor erwartet und deshalb eine Front nach Norden am linken Ufer der Mietzel, eines

Kinderauge — Kindesblitze, Stramm steht er da wie ein Soldat.

Im

„Nein, jetzt noch nicht", erklärt er wichtig. Dann öffnet er den Mund ganz schnell Und singt gar keck, ob falsch, ob richtig: „Ich bin ein Preuße" laut und hell.

Nebenflusses der Oder, eingenommen. Mit Leichtigkeit hofften die russischen Führer seinen Angriff zurückzuschlagen: war doch

Der Kaiser lauscht den alten Weisen, Küßt lächelnd stolz den Sänger dann. mache Dich zum rechten Preußen,

Treu, fromm und wahr, mein kteiner Mann!"

„Urgroßpapa," ruft

dieser grade

Und öffnet seine Händchen weit. „Nun gieb mir auch die Chokolade,

Denn vorher hatt'

ich

keine Zeit."

Märkische Schlachtfelder. Von A. W. Ludwig. (2. Fortsetzung.)

Wieder war ein Jahrhundert vergangen, „zum Königs¬ adler war gewachsen der brandenburger Aar", da ward in einer andern Gegend der Mark eine blutige Schlacht geschlagen. Ruhmreich halte Friedrich die beiden ersten schlesischen Kriege

*) Aus: „Zum

hundertjährigen

Geburtstag

Wilhelms I., Schulfeier, verfaßt und zusammengestellt Binder und Marte Jähncr, Verlag der Buchhandlung

Strom geworden, der bedächtig Wenige Meilen nördlich der

Wendenstadt Lebus beginnen auf dem linken Ufer die gesegneten Fluren des Oderbruches, eines der fruchtbarsten Striche der

Nein: „Guten Tag, Urgroßpapa!"

„Gott

da kam der dritte, der siebenjährige Krieg. Ganz Europa stand in Waffen gegen das kleine Preußen. Während der König siegreich in Böhmen und Schlesien kämpfte, fielen die Russen in das Land. Gegen fie schlug Friedrich

durchgekämpft,

Kaiser

von Helene der Deutschen

Lehrcrzeitung. Berlin dl 58, Schönhauser Allee 141. Preis 25 Pfg. — Dieses Schriftchen, welches allgemein eine überaus günstige Aufnahme gefunden hat und in wenig Wochen in fünf Auflagen erschienen ist, kann auch noch jetzt als eine einfache, aber inhaltlich wertvolle Erinnerung an den alten Hcldenkaiser und seinen hundertjährigen Geburtstag aufs wärmste empfohlen werden. Es cntiollt in anspruchslosen Gedichten in zehn Jahrzehnten ein ergreifende« Lebensbild des großen und geliebten Kaisers. Das oben mitgeteilte Gedicht, das bei der Schulfeier von einem jüngeren Schüler gesprochen wurde, giebt eine Probe von dem Geist, der das Schriftchen durchweht, und von dem Geschick, mit dem mancherlei Züge aus dem Leben des allen Kaisers in ihm behandelt sind. Gegen Einsendung von 25 Pfg. in Briefmarken erfolgt portofreie Zusendung.

ihr Heer um 20 000 Mann stärker und mit doppelt so viel Geschützen ausgerüstet, als die, über welche Friedrich die erschienen verfügte. Um 9 Uhr morgens jedoch Preußen zu ihrem größten Erstaunen in ihrem Rücken. Der König hatte im Vertrauen aus seine überlegene Reiterei das Mietzelufer verlassen und war nach Süden Die Heere. ordneten sich beide Schnell abgebogen. Russen nahmen ihre aus den Türkenkriegen gebräuchliche Stellung ein, ein ungeheures Viereck, in dessen Mitte sich ihre Friedrich Reiterei, Bagage und das Reservekorps befand. schiefer in Leuthen hingegen stellte seine Preußen wie bei gewaltigen Schlachtreihe auf. Der Kampf begann mit einer Kanonade, die von seiten der Preußen konzentrisch gegen den Dadurch wurde rechten Flügel der Russen gerichtet wurde. Flügel preußische ging der linke und nun stark erschüttert, dieser Allein vor. längs der jetzigen Chaussee Zorndorf-Ouartschen die Batlaillone trafen nicht neben einander, sondern hinter einander ein, und ihr Vorgehen war so hitzig, daß eine Flanke bloßgegeben wurde. Diesen Umstand benutzte Fermor geschickt; er sandte seine Kavallerie vor, und mehrere Bataillone wurden über den Haufen gerannt. Bisher war Seydlttz mit seinen

Schwadronen nur langsam den Infanteriekolonnen gefolgt, und zwar war er. unbemerkt von den Russen, westwärts in dem sogenannten Zaberngrunde vorgegangen. Mit schnellem Blick übersah er das Kritische des Augenblicks. Ohne des Königs Befehl abzuwarten, ordnete er sein? Kavallerie in drei Kolonnen,

176

vor und warf in heftigem Anprall die rusfische Kavallerie zurück. In wilder Flucht fluteten die aufgelösten Massen auf ihre eigenen Bataillone. Gleichzeitig waren mehrere Regimenter Dragoner durch das brennende Zorndorf getrabt und hatten sich durch die Lücken der zurück¬ weichenden Infanterie mit Seydlitz vereinigt. Wie ein Sturm¬ wind, so jagien die Schwadronen über das Schlachtfeld auf die rusfische Infanterie. Gegen 1 Uhr war der ganze rusfische Fermor selbst floh auf rechte Flügel auseinander gesprengt. rückte aus dem Grunde

Kutzdorf zu. Noch war bisher wenig auf dem linken russischen Flügel gethan, nunmehr wurde auch dieser angegriffen. Aber nach an¬ fänglichen Erfolgen wichen plötzlich 13 Bataillone der Dohnaschen

Truppen zurück, und gleich darauf artete ihr Zurückweichen in wilde Flucht aus. „Sie vergaßen," sagt Archenholtz, „den Ruhm des preußischen Namens, verkannten ihre Kräfte, sowie die Macht ihrer taktischen Künste in dem entscheidendsten Augenblick und wichen angesichts ihres Königs vor den ge¬ Die schwächten und schon halb geschlagenen Russen zurück." Unordnung war groß, fast wäre das Geschick des Tages zu Ungunsten Friedrichs entschieden worden, da war es wiederum Seydlitz, der zur rechten Zeit eingriff. Mit seinen siegreichen Schwadronen jagte er vom linken Flügel her und nahm den Gleichzeitig Russen die eben eroberten Ballerieen wieder ab. warf Friedrich neue Truppen, die Regimenter Prinz von Preußen, Forvette, Kalkstein und Asseburg in die Schlacht. Nach einstündigem, äußerst blutigem Ringen war der Feind

bis nach Quartschen zurückgeworfen.

Zwar stand am

nächsten

Tage der Rest der russischen Armee schlagfertig da, und der König wollte den Kampf erneuern, allein der Mangel an Munition für die Infanterie und die äußerste Erschöpfung der Kavallerie machten der Schlacht ein Ende. Am Abend zog Fermor sich längs der Warthe auf Landsberg zurück. Die Verluste der Russen waren sehr bedeutend: 19 000 Tote und Verwundete, 3000 Gefangene, 103 Kanonen, viele Fahnen, die Kriegskasse und eine bedeutende Menge Bagage fielen in die Hände des Siegers, der selbst 10 000 Tote und Ver¬ wundete, 1400 Gefangene oder Vermißte und 26 Geschütze durch das Weichen des rechten Flügels verlor. Wenige Meilen oderaufwärts liegt das zweite Schlacht¬ feld jenes Krieges. Unmittelbar sühlich von Frankfurt wird der Fluß durch ziemlich beträchtliche Berge eingeengt, die mit ihren Waldungen der Landschaft einen großen Reiz verleihen. Namentlich auf dem westlichen Ufer ist die Tschetschenower Schweiz, nach dem Dorfe Tschetschenow genannt, sehr sehens¬ wert. Aber mehr noch, wenn auch nicht landschaftlich, bietet

Von der großen Oderbrücke, welche die das andere Ufer. Sladt mit der Vorstadt Damm verbindet, gelaugt man durch diese hindurch zu einem Ausfichlsturm inmitten bewaldeter Berge. Hat man die ziemlich mühsame Arbeit des Kletterns hinter sich, so genießt man eine bedeutende Fernsicht. Zu Füßen des erst vor wenigen Jahren auf dem höchsten Berge erbauten „Kleist-Turmes" liegen die bewaldeten Berge, weiter südlich die von tiefen Hohlwegen durchschnittenen, steil ab¬ fallenden Höhen, auf denen sich der Judenkirchhof. der älteste der Mark, befindet, weiter nach Osten ein Hügelland, von breiten Gründen durchfurcht. Der letzte der Hügel lehnt sich Forst, die mit Unterbrechungen sich weithin nach Osten ausdehnt. Diese Höhe, welche jetzt vom Pfluge be¬ an

eine

—— wird, ist der Mühlberg, die beiden fast parallelen Schluchten vor ihm find der Kuh- und der Laudonsgrund,

ackert

welches aus den Höhen hervorragt, ist Kuners¬ dorf, von dem die schwerste aller Niederlagen, welche Friedrich Ein Weg von einer je erlitten hat, ihren Namen trägt.

das Dorf,

knappen Stunde

bringt uns von der Kleisthöhe zu dem Dorf,

das, regelmäßig gebaut, an einem lang gestrcckien See liegt. Am besten übersieht man das Schlachtfeld, wenn man am Ostende des Dorfes steht, dann hat man nach Norden zu den Mühlberg, nach Osten den mit kleinen Akazien bewachsenen

Fritzenberg und hinter

sich

die Neuendorfer Forst.

Es war ein fast tollkühnes Unternehmen, daß Friedrich die 59 000 Mann starken Oesterreicher und Russen mit seinen 43 000 Preußen angreifen wollte, denn jene standen in einer

Vom Mühlberge bis nach den dem Rücken nach der Damm¬ Judenbergen mit Laudons- oder vorstadt dehnten sich die Verschanzungen aus. Vor der Front lagen tiefe Gründe, und die eine Flanke des Lagers wurde Dazu waren noch obendrein durch eine Sternschanze gedeckt. fast uneinnehmbaren Stellung.

Den linken Flügel auf dem rechten Soltikow ein, unter nahmen die Russen Gegner, furchtbarstem standen die Oesterreicher, unter Friedrichs Gegners Laudon. Trotz der äußerst günstigen Stellung des General Fink. der nordwärts beschloß der König den Angriff. griff zum Schein das Lager stand, bei Trettin Kunersdorf von es den Preußen, nach gelang gedeckt, der Russen an. Dadurch einem starken Bogenmarsche durch die Wälder, morgens um 10*4 Uhr völlig unerwartet vor der Neuendorfer Forst, also

sämtliche Zugänge durch Verhaue befestigt.

im Rücken der feindlichen Stellung, zu erscheinen. Der Plan des Königs ging dahin, die russische Stellung von vorn, von Allein der Flanke und im Rücken gleichzeitig anzugreifen. Gelände zu das das Unternehmen mißlang; Friedrich kannte wenig. Hindernisse wie große Teiche u. a. hemmten den Marsch, Umwege mußten gemacht werden, und auf den engen Waldwegen konnten die schweren Geschütze nicht umwenden. Die Kanonen mußten deshalb mehr als einmal umgespannt werden. So ging viel von der kostbaren Zeit verloren. Trotz¬ dem gelang es den Preußen, als sie aus dem Walde heraus waren, in verhältnismäßig kurzer Zeit, ungeachtet eines wütenden Artilleriefeuers, den Mühlberg mit sämtlichen Ge¬ schützen zu nehmen.

Bald daraus ward

auch die Sternschanze erobert.

Damit

waren die wichtigsten Punkte des linken Flügels genommen; aber schwieriger noch als die Erstürmung war ihre Behauptung. Die Russen setzten alles daran, die verlorene Position wieder zu gewinnen. Zwar konnten ihnen die Oesterreicher keine Hülfe bringen, denn die preußische Kavallerie hielt den anderen Flügel in Schach, aber Friedrichs Geschütze waren Endlich langten einige an, und gleichzeitig noch weit zurück. Norden von vor. In kurzer Zeit war der linke ging Fink

Flügel vollständig über den Haufen geworfen. Hätte der König jetzt, wie seine sämtlichen Generale ihm rieten, den Kampf aufgegeben, er hätte einen der glänzendsten Siege des ganzen Feldzuges erfochten. Schon waren Tausende von Gefangenen und 180 Geschütze in seinen Händen, und es war mit Sicherhelt anzunehmen, daß die Russen sich in der Nacht Aber Friedrich folgte dem Rate des zurückziehen würden. allein anders als die übrigen Heerführer stimmenden Generals v. Wedel, dem er übrigens trotz seines schlechten Kriegs-

177

Angriff auf den öster¬ Hier stand auf dem hochgelegenen Juden¬ kirchhof eine russische Batlerie, welche das ganze Schlachtfeld bestrich. Unter dem furchtbaren Feuer der Preußen hatte die Bedienung die Geschütze verlassen, und schutzlos lag sie den Angreifern preisgegeben da. Schon waren diese bis auf ISO Schritt heran, da erkannte Laudon die drohende Gefahr. Er warf seine Infanterie in die Batlerie, und ein gewaltiger glückes gewogen blieb, und befahl den

Flügel.

reichischen

Kartätschenhagel

lichtete

keit

verwundet

scheiterte:

Das

gleiche Schicksal

hatte

zeitig von derung aus

Trotz des heldenmütig¬ sten Widerstandes mu߬

Damit war der An¬ griff auf den rechten Flügel abgeschlagen, nun galt es, das Zentrum zu sprengen. Noch war die

nen, die

dem

Truppen

hielten. J?ht erlahmten die Die furchtbare

Blutarbeit

erschossen

Schlacht der Abend hatte der König nur

Tages,

des

Leibe

wurden, war selbst in ge¬ Gefahr, gefangen nommen zu werden. Nur die heldenmütige Tapfer¬ keit des Rittmeisters von Prittwitz rettete ihn aus Die dem Getümmel. Verluste waren unge¬ Tote, 18500 heuer: Verwundete und 15000 3 000 Gefangene! Am

berg zu erreichen, welche

Kräfte.

Ge¬

schützt

400 Schritt lang. SO bis 60 breit und bis zu 15 Fuß tief. dabei auf allen Seiten sehr steil. Mit großer Tapferkeit warfen sich Friedrichs Soldaten in den Grund, um durch ihn hindurch den Spitz¬

jedoch

eroberten

und noch 172 preußische wurden zurück¬ gelassen. Friedrich, dessen Uniform von Kugeln durchlöchert war, und dem zwei Pferde unter

nicht verloren,

beste

Nie¬

wildester Auslösung ging die Flucht in die Wälder. Alle Gefange¬

der Eroberung des Spitzberges ab, welchen der tiefe Kuhgrund deckte. Dieser Einschnitt ist etwa

besetzt

der

Infanterie

In

der Sieg aber hing von

Laudons

ab-

gegen die ermatteten Damit war Preußen. die Schlacht entschieden.

ten sie zurück.

I

Kommando

das sein

war ganz außer Gefahr. Hier formirte sich die österreichische Kavallerie zu einer Attacke, und während sie durch den später österreichischen Führer genannten Laudonsgrund nach dem vorging, rückte gleich¬

die Reihen der Preußen.

Schlacht

er

mußte

Nachfolger. Prinz Eugen von Württemberg. Der dritte Führer, General von Puttkamer, fiel bei der Attacke. Diesen Augenblick der Verwirrung benutzte Laudon. Der linke Flügel der Verbündeten geben.

5000 Mann

bei¬

der 15 stündige Marsch

noch

und die glühende August¬

sammen! Aber auch des Feindes Verluste waren

kamen

hitze

zusammen,

um die Preußen auf das

gewaltig: 24000 Mann

äußerste

Oesterreicher und Russen waren tot oder ver¬

ermatten.

zu

Keinem gelang

es.

den

Spitzberg zu erreichen. Wer hinüberkam über den

Kuhgrund, fiel unter

dem Feuer

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wurde hinabgestoßen. Jetzt versuchte Reiterei, die Höhe zu nehmen;

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Schloß Wilhelmsburg.

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König verkauft." der

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Preußen

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„Eure Majestät sich

darüber nicht

wundern",

schrieb

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russische

Kaiserin, „Sie wissen, daß Niederlagen jallemal teuer (Fortsetzung folgt.)

Kleine Mitteilungen. Der Dank des Kaisers. Der „Deutsche Reichs- und Preußische Staatsanzeiger" vom 28. März veröffentlichte folgenden Kaiserlichen

Erlaß: Die hundertjährige Wiederkehr des Geburtstages Meines Hoch¬ Herrn Großvaters, weiland Seiner Majestät des Kaisers und Königs Wilhelm des Großen, ist von allen deutschen Patrioten ohne Unterschied des Bekenntnisses, der Parteistellung und des Berufes in Nord und Süd, Ost und West des großen Vaterlandes und überall,

seligen

wo Deutsche weilen, mit einer Begeisterung gefeiert worden, die von der tiefempfundenen Dankbarkeit und herzlichen Verehrung für den Hohen Herrn ein glänzendes Zeugnis abgelegt hat. Ich preise Mich glücklich, diese Festtage inmitten Erlauchter deutscher Fürsten und Vertreter von befreundeten europäischen Fürstenhäusern angesichts des von dem deutschen Volke errichteten Standbildes des Verewigten erlebt zu haben und Zeuge der herzerhebenden Kundgebungen in der Reichs¬ hauptstadt gewesen zu sein. Die überaus zahlreichen und telegraphisch:n

178 Begrüßungen, die zum Teil in poetischer Form Mir zugegangen sind, haben Mich mit inniger Befriedigung ersehen lassen, daß bei den mannigfachen festlichen Veranstaltungen, welche die Bewohner von Stadt und Land, die staatlichen und kommunalen Behörden, die Krieger-, Schützen-, Gesang-, Turn- und sonstige Vereine, besonders auch die deutschen Vereine im Auslande in diesen Tagen zusammengeführt haben, auch Meiner in treuer Liebe gedacht worden ist. Durch diese Beweise vertrauensvoller Zuneigung bin Ich hoch beglückt worden, und ist es Mir Bedürfnis, allen, welche zur Verherrlichung dieses nationalen Fest¬ tages beigetragen haben. Meinen wärmsten Dank hiermit auszusprechen. Mein besonderer Dank gebührt denen, welche das Andenken des Großen Kaisers durch die Errichtung von Standbildern und hochherzigen Stiftungen an Seinem Geburtstage verherrlicht haben. Die schönste Ehrung des Entschlafenen, wie sie Seinem schlichten und demutvollen

Sinne am meisten entspricht, erblicke Gelöbnis, allezeit mit unermüdlicher Vorbilde nachzueifern, Seine heiligen die volle Kraft für die Größe und

Ich aber in

dem gemeinsamen

Pflichttreue Seinem erhabenen Vermächtnisse zu bewahren und

das Wohl des durch Ihn neu¬ geeinten deutschen Vaterlandes einzusetzen. Auch Meine Kräfte gehören dem Vaterlande, und hoffe Ich zu Gott, daß Er auch Mir und Meiner Regierung Seine Gnade zu teil werben lassen und das deutsche Volk auf friedlichen Bahnen zu einer gesunden Wciterentwickelung führen wird. Ich ersuche Sie, diesen Erlaß zur öffentlichen Kenntnis zu bringen.

Berlin, den 26. März 1897. An den Reichskanzler.

Wilhelm, I.

R.

Als 1870 die Versailler Verträge wurden, war eine gemeinsame Kokarde, wie so manches andere, das aus dem deutschen Heere ein streng einheitliches gemacht hätte, nicht zu erreichen. Auch späterhin verwirklichten sich die darauf gerichteten Wünsche nicht. Um so mehr ist es anzuerkennen, daß des Hundertjährigen Geburtstages Kaiser gelegentlich der Feier Wilhelms I. sämtliche deutsche Fürsten, wie es heißt, auf Anregung Bayerns hin, sich zu diesem bedeutenden Fortschritt in national¬ politischer Hinsicht entschlossen haben. Alle teutschen Soldaten werden hinfort neben rer Kokarde ihres engeren Heimatlandes schwarz-weiß-rote Kokarde tragen. Wir begrüßen die mit Freuden das Opfer, das die deutschen Fürsten hierdurch freiwillig auf den Altar des Vaterlandes niedergelegt haben. Ihr patriotisches Beispiel wird von unschätzbarem Segen für den nationalen Gedanken sein, und das neue Symbol deutscher Einbeit gehört ohne Frage mit zu den schönsten Erinnerungen an den hundertjährigen Geburtstag Kaiser Wilhelms I.. „Die Reichskokarte an den Helmen aller deutschen Soldaten wird mit ewig sich verjüngender Kraft ein tüchtiger Werber für den Reichsgedanken sein." Die neue Reichskokarde.

geschlossen

Immer

ist Kaiser Aus dem täglichen Lebe» Kaiser Wilhelms I. Wilhelm I. ein pflichttreuer Arbeiter gewesen; mit den steigenden Jahren nahm seine Kraft und Ausdauer im-Arbeiten sogar noch zu. Schon in den Achtzigern, war er früh um 7 Uhr regelmäßig an seinem Schreib¬ tische. Die Tasse Thee nebst Gebäck mußte ihm der Diener auf einem hölzernen Brette auf den Schreibtisch stellen. Gegen 9 Uhr stieg er die eiserne Wendeltreppe zum Zimmer der Kaiserin empor, um deren Frühstück eine Viertelstunde lang beizuwohnen und mit ihr bas Tagesprogramm zu besprechen. Dann begab er sich wieder hinunter und empfing die ver¬ schiedenen Kabinetts-Chefs und Minister zum Vortrage, einen nach dem andern, was oft bis 1 Uhr dauerte. Einen kleinen Imbiß nahm er in dieser Zeit wiederum nur hastig vom ungedeckten Tische. Dann erfolgte bei gutem Wetter eine kurze Ausfahrt. Erst zum Mittagessen nahm er mit der Kaiserin an gedeckter Tafel Platz; dies war die einzige Mahlzeit, die er in Ruhe und mit einigem Behagen einnahm. Abends besuchte er die Oper oder das Schauspielhaus. Rach 10 Uhr abends saß er wieder an seinem Schreibtische, und dort arbeitete er stets bis Mitternacht, oft noch darüber hinaus, so daß die Dienerschaft, wenn sic hohe Aktenstöße auf dem Pulte aufgestapelt sah, oft seufzend ausrief: „Heute wird es wieder lange dauern: Majestät haben sich wieder einen hübschen Haufen zurecht legen lassen."

l.

Wohlthätigkeit. Wer die Menge der öffentlich und im geheimen geübten Wohl- nnd Liebesthaten Kaiser Wilhelms I. aufzählen wollte, so entnehmen wir dem zum 22. März t>. I. erschienenen Erinnerungsblatt des „Berliner Lokal-Anzeigers", der müßte ein Buch schreiben; seine Hand war eben so schnell erschlossen wie sein Herz, und dabei blieb er sparsam in seinen eigenen Angelegenheiten und ein vor¬ sichtig wägender Hausvater. Als ihm der Hosjuwelier einen sehr schönen Halsschmuck für die Kronprinzessin anbot und den Preis von 14 000 Thalern nannte, lehnte der Kaiser den Ankauf mit den Worten ab: „DaL können wir nicht, lieber F., wir sind nicht reich genug dazu, es ist bei uns nicht wie bei den Bourbonen, denen brachte das Regieren mehr ein als uns." Seine Güte und Nachsicht gegen seine Umgebung war unerschöpflich; nie entfuhr ihm ein hartes Wort, ein Ausruf der Ungeduld. Als er einmal früher, als er erwartet wurde, aus dem Viktoriatheater heraustrat, mußte er mehrere Minuten auf seinen Leibjäger warten, der den kaiserlichen Wagen verlassen hatte, um sich in einem nahe gelegenen Bierlokal zu stärken. Als der Gerufene erschien und in höchster Bestürzung Worte der Entschuldigung stammelte, beruhigte ihn der Kaiser: „Was machst Du für Aufhebens von der Sache? Du hast oft genug auf mich warten müssen; heut habe ich einmal auf Dich ge¬ wartet — wir sind quitt." Kaiser Wilhelms

Zarte Rücksichtnahme Kaiser Wilhelms I. In der Zeitung „Das Volk" teilt Julius Lohmeyer verschiedene Züge von der zarten Rücksicht¬ nahme, Freundlichkeit und Liebenswürdigkeit Kaiser Wilhelms I. mit, die noch nicht allgemein bekannt sein dürften. Ei-ws Tages, heißt es da z B., erhielt der berühmte Archäologe Professor Lepsius von dem ihm befreundeten General-Postmeister Dr. Stephan eine Lichtdruck-

Nachbildung jener eben wieder zurückgelangten Korresvondenz-Karte, die Lepsius hatte am gleichen Tage eine Audienz bei dem Kaiser, au deren Schluß er Sr. Majestät auch die Stephansche Karte gelegentlich vorlegte. Der Kaiser interessierte sich lebhaft für dieses schlagende Dokument präziser Beförderung im Weltpostverkehr und war dabei voll Lobes für seinen General-Postmeister, der sich um die Ausbildung dieses Verkehrs so große Verdienste er¬ worben hatte. Er ließ sich über alle Umstände und den Weg, den die Karte genommen, auf das eingehendste unterrichten. — Drei Tage darauf begegnete Lepsius Dr. Stephan auf der Straße. „Ich hatte," sagte er, „Audienz bei Sr. Majestät, bei der ich auch die Ehre hatte, die „So — und was sagte weitgereiste Karte im Original vorzulegen." Ihnen der Kaiser?" „Nun, er geruhte sich sehr gnädig zu äußern und sich über alle Umstände und den Weg, den die Karte genommen,. ein¬ " „Und hat Ihnen denn Se. Majestät gehend von mir berichten zu lassen nicht gesagt, daß ihm die Karte schon durch mich vorgelegt worden ist?" „Nein, mit keinem Wort!" — „Ja, das sieht unserem alten Herrn ähnlich: er wollte Sie nicht um die Freude bringen, und Sie sollten das volle Maß an Anerkennung erhalten, das Ihnen zukam." Ein anderes Beispiel: Professor Dr. Schottmüller war in dem letzten Lebensjahre des Kaisers zu einer Berichterstattung berufen worden. Sichtlich leidend und sehr ermattet lehnte der Monarch während des Vortrages in seinem Sessel; plötzlich überkam ihn eine Ohnmacht, er sank mit geschlossenen Augen in die hohe Lehne des Sessels zurück. Schottmüller sprang erschrocken auf, um den Kammerdiener zu rufen. In diesem Augenblick aber öffnete sich die Thür des Fahnenzimmers, und die Kaiserin erschien. Bei eem Klang ihrer Stimme erhob sich der Kaiser, indem er sich mit beiden Händen fest und scheinbar ungezwungen auf die Stuhllehne stützte, nahm mit freundlichem Kopfnicken die Wünsche feiner Gemahlin entgegen, sank aber, kaum daß sich die Thür wieder hinter ihr schloß, von der Anstrengung nun völlig ermattet, in den Sessel zurück, indem er die Worte flüsterte: „To durfte mich die Kaiserin nicht sehenl" . . — Ganz von der gleichen zarten Rücksichtnahme zeigte Auch unter sich die Kaiserin ihrem hohen Geniahl gegenüber beseelt. den heftigsten Schmerzen erhob sie sich, wenn der Kaiser bei ihr eintrat, um nach ihrem Befinden zu fragen, mit einem leichten Lächeln und in scheinbar sicherer Haltung und gab dann stets ohne ein Klagewort

in 26 Tagen um die Welt gegangen war.

beruhigende Auskunft.

Eine Erinnerung an den Fürste» und die Fürstin Hatzfeld. Vor starb Fürst Ludwig Hatzfeld, der Generalgouverneur in Berlin war, als 1806 die Franzosen dasselbe besetzten. Als treuer Diener seines Königs unterhrelt er ein geheimes Einverständnis mit dem Fürsten Hohenlohe, der damals preußischer Gouverneur der fränkischen Fürstentümer war. Unglücklicherweise wurde ein Brief des Fürsten Hatzfeld aufgefangen und gelangte in Napoleons Hände, der die Korrespondenz für Hochverrat erklärte und den Fürsten vor ein Kriegs¬ Alles verzweifelte an gericht stellte. Sein Tod war unvermeidlich. seiner Rettung; nur die Fürstin von Hatzfeld, eine geborne Gräfin von Schulenburg-Kehnert, eine der edelsten Frauen der damaligen Zeit, verzweifelte nicht. Vor Eröffnung der Sitzungen des Kriegsgerichts drang sie bis zum Kaiser und erhielt eine Audienz; sie bat um die Begnadigung ihres Gatten, den sie für unschuldig hielt. „Unschuldig?" 70 Jahren

ihr der Kaiser und überreichte ihr das aufgefangene Schreiben. Sie selbst, und sehen Sie, daß ich bei solchen Beweisen Ihren Gemahl nicht begnadigen kann!" Mit einem staunenswerten Mute er¬ griff die Fürstin das Papier und warf cs in die Flamme des Kamins. Nach einer andern Version hielt sie den Brief rasch entschlossen über ein entgegnete

„Hier

lesen

nebenstehendes Licht und vernichtete so den einzigen Zeugen des statt¬ machte gehabten Verhältnisses. Diese Kühnheit und Aufopferung den Kaiser staunen, und er sprach gelassen: „Nun freilich mangeln die Beweise. Gatte ist begnadigt." Und er wurde es. Die Fürstin von Hatzfeld begleitete ihren Gemahl später noch auf mehreren diplomatischen Sendungen nach Paris, den Niederlanden und zuletzt F. B. nach Wien, wo er im Jahre 1827 starb.

Ihr

Märkischer Jägerhnmor. Bet den Hofjagden in Setzlingen nahe Gardelcg n in der Altmark, ferner in Hubertusstock rc. gelangt ab und zu ein aller Trinkbecher, der für gewöhnlich in dem Kaiseizimmer des Jagdschloss s Setzlingen aufbewahrt wird, zur Verwendung. Er stammt vom König Friedrich Wilhelm III. her und besteht aus dem Geweihstangen-Ende eines starken Hirsches, dessen Geweihkrone ausgehöhlt ist, um darin einen silbernen Becher, der etwa eine halbe Flasche Champagner aufnehmen kann, festzuhalten. Der Rand dieses Bechers befindet sich zwischen der Gabel des Geweihes, und nur dadurch, daß man das Gesicht zwischen diese Gabel klemmt, wird es möglich, aus dem Becher zu trinken. Wer einen dicken Kopf hat oder sonst ungeschickt ist, begießt sich beim Trinken. Dieser Becher wird nun bei der Jagdtafel regelmäßig den jüngsten Jagdgästcn des Kaisers überreich«, welche sich vor den Monarchen hinstellen und unter Aufmerksamkeit der Jagdgesellschaft den Becher auf das Wohl der Kaiserin leeren müssen. Geschieht dies, ohne daß etwas von dem Wein vorbeiläuft, so wird dies von dem Kaiser und seinen Gefährten rühmend anerkannt, im andern Falle werden die ungeschickten Trinker — und dies sind bei der abnormen Form des Bechers die

meisten Jagdgäste — ausgelacht. Auf diesen lustigen Zweck bezieht sich auch die Inschrift, die auf einer silbernen Platte an dem Geweihbecher angebracht ist. Sie lautet wörtlich: „Bon Sr. Majestät dem König an Ihre Majestät die Königin. Mit der Bitte gnädigst gestatien zu wollen, daß dieser problematische Becher bei den großen Jagdpartien (in der Grimnitz, Lctzlingcn, der Potsdamer Gegend) in Jbrer Majestät Namen den Jagdjüngsten vorgesetzt werde, um auf Ihrer Majestät Gesundheit zu trinken ohne sich zu besabbern. Fritz." E. Fr. (Brandenburgia.)

Für die Ausschmückung der Sieges-Allee hat der Kaiser einen weiteren Auftrag vergeben. Emil Graf von Görtz, der Direktor der Weimarer Kunstschule, ist mit der Ausführung einer Gruppe betraut worden. Graf Görtz erhielt vor zwei Jahren bei dem kaiserlichen Aus¬ schreiben für die Ergänzung des Pergamenischen Kopfes eine ehrende Anerkennung. Von den 32 Gruppen sind jetzt 20 vergeben (nicht 18, wie wir zu der Notiz in No. 11 berichtigend bemerken), von denen allerdings zwei durch den Tod von Enke und Bärwald erledigt sind.

bald, den Canon auf 40 Thaler herabzusetzen, zugleich be¬ gnügte er sich damit, die Convertierung vorerst nur in der Mark durch¬ zuführen, weil in den übrigen Provinzen die lehnrechtlichen und die damit zusammenhängenden wirtschaftlichen Verhältnisse sehr verschieden waren; überdies trat überall die Abneigung der Vasallen gegen die Ver¬ wandlung hervor. Die märkische Ritterschaft stimmte schließlich in ihrer Mehrheit dem Reformwerke zu, dafür gewährte ihr der König in der Assccuration vom 30. Juni 1717 das Recht, durch Familienverträge die alten lehnrechtlichen Bestimmungen über Erbgang, Ausstattung der Töchter, Consens d,r Agnaten u. s. w. wiederherzustellen. Nur die alt¬ märkische Ritterschaft widersetzte sich noch weit rhin der Reform und mußte schließlich durch Exccution zur Zahlung des Canons angehalten werden. Betrachtet man somit diese Reform in dem großes Zusammenhange der Auflösung des Lehnwesens, so kommt ihr hierfür keine allzugroße Be¬ deutung zu, sie wurde in erster Linie zu finanziellen Zwecken ins Werk gesetzt, und mehr als einmal äußerte der König, er wolle den Vasallen chre Lehen gern belassen, wenn sie nur den Canon zahlen wollten. schloß sich

Ueretns -Nachrichten. Verein für

Geschichte der Mark Brandenburg. Sitzung vom 10. März 1897. Herr Graf Lippe-Wcißenfeld legte das Ordensbuch vor, welches, 1844 in Brüssel von A. Wahlen herausge¬ geben, 341 Großoctavseiten französischen Text und sehr viele Illustrationen enthält. Unerwähnt mußte hier bleiben eine den „Vivatbändern" gleichgeartete Medaille d. d. 19. IV. 1758, über deren Entstehung und Zweck Graf Lippe mitteilte: Am genannten Tage besetzten, nach Zurücklreibung des Feindes, preußische schwarze Husaren die rheinische Stadt Emmerich Die dortigen gutpreußischen Einwohner stifteten zur Kundgebung ihrer großen Freude, ihrem früheren Landcsherrn wieder anzugehören, jenes Gedenkstück.

Herr Archivrat Dr. Bailleu behandelte, unter Hinweis auf die Hundertjahrfeier, die Bestrebungen des Prinz-Regenten für eine Reform der Kriegsverfassung des deutschen Bundes. In Anlehnung an bisher unbenutzte Denkschriften und Briefe des Prinzen, hauptsächlich aus dem Jahre 1860, aus denen er die wichtigsten Stellen wörtlich mitteilte, wies der Vortragende nach, daß der Prinz, infolge der bei der Mobilmachung des Jahres 1859 gemachten Erfahrungen, im September dieses Jahres zugleich mit der preußischen Heeresreform auch eine Reform der Kriegsverfassung des deutschen Bundes in Angriff genommen habe. Der Zweck des Prinz-Regenten war dabei ein doppelter. Einerseits erstrebte er die Beseitigung der praktisch ohnehin undurchführ¬ baren Bestimmung der Bundeskriegsverfassung, nach welcher im Falle Krieges ein einheitliches Bundcsheer, dem auch 3 preußische Armeekorps angehörten, aufgestellt und dann vom Bundestag ein Bundesoberfeldherr gewählt werden sollte. Der Prinzrcgcnt wünschte für den Fall eines deutschen Krieaes mit einer Großmacht eine Zwei¬ teilung des Bundeshcers in der Weise, daß die norddeutschen Bundes¬ eines

truppen dem preußischen, die süddeutschen Truppen dem österreichischen Heere angeschlossen würden. Feiner verlangte der Prinz, im deutschen Bunde wie in Preußen, eine Verstärkung der Wehrkraft und eine Er¬ höhung der Kriegsbereitschaft. Dies Ziel sollte erreicht werden durch eine Vermehrung des Prozentsatzes der Bundcsmatrikel, Durchführung einer ununterbrochenen 3jähiigen Dienstzeit, Einführung des preußischen Reglements für die Kontingente eines Bundeskorps, Gleichheit des Gewehrkalibers, Annahme der preußischen Mobilmachungsordnung, Vermehrung und Verschärfung der Bundesinspektionen u. s. w. Leider ist dies umfassende Reformprogramm in seinem vollen Umfang damals überhaupt nicht zur Verhandlung gekommen. Nur die Frage der Ein¬ teilung des Bundcshecres und des Oberbefehls ist in vielen Sitzungen am Bundestage erörtert worden, wobei die preußischen Vorschläge namentlich bei den Mittelstaaten lebhaften und nachhaltigen Widerspruch fanden. Die Folge war das völlige Scheitern dieser an die Mobil¬ machung von 1859 anknüpfenden Reforutbcwegung. Hirr vr. V. Loewe sprach sodann über die Allodifikation der Lehen in der Mark im Jahre 1717. Als die auf dem Lehn¬ wesen beruhende Hceresversassung sich in den Kriegen des 17. Jahrhunderts für jedes ernste Unternehmen als unbrauchbar erwies, gestattete man in Brandenburg wie anderwärts den Vasallen, die Verpflichtung zur Stellung der Lehnpferde durch Zahlung einer Geldsumme abzulösen, ohne daß man schon daran dachte, die noch bestehenden Rechtsgrundlagen des Lehnwesens anzugreifen. Das erste Mal wurde im Jahre 1712 in einer vielleicht von Katsch entworfenen Denkschrift der Gedanke erwogen, Vasallen die die Staatseinkünfte dadurch zu vergrößern, daß man den 'Zahlung eines Lehen zu freiem Eigentum überließe und sie dafür zur jährlichen Canons verpflichtete. Das Projekt scheiterte damals am Wider¬ spruch der Geheimen Räte. Es wurde erst gegen Ende des Jahres 1716 auf Betreiben von Kaisch wieder aufgenommen. Hervorzuheben ist das ganz besondere, sich in zahlreichen eigenhändigen Verfügungen und Marginalien äußernde Interesse, das der König an der Durchführung des Reformwerkes nahm, wenigstens soweit es die Mark betraf. Es erging am 5. Januar 1717 das Edikt beirtffend die Aufhebung der Lehen in allen Gebieten der Monarchie, das den Vasallen die Verwandlung der Lehngüter in freies Eigentum verhieß, wofür sic für jedes Ritterpferd einen jährlichen Canon von 50 Thalern zahlen sollten. Die hierüber eingeforderten Erklärungen der märkischen Stände sprachen sich fast ohne Ausnahme gegen die geplante Veränderung aus; neben den Klagen über die Höhe des Canons brachten fast alle den Einwurf vor, daß das aus der Allodifikation sich ergebende freie Verfügungsrecht' die Interessen der alteingesessenen Familien aufs tiefste schädigen würde. Der König ent¬

Kjjchertisch. Ein Handbuch für den Selbstunterricht, sowie ein Nachschlagcbuch für Gärtner, Lanv- und Forstwirte und alle Pflanzcnfrcunde. Bearbeitet von Prof. vr. K. Schumann, Kustos am Königl. Botanischen Museum zu Berlin und Privatdocent, vr. E. Gilg, Assistent am Königl. Botanischen Garten zu Berlin und Privaldocent. Erscheint in 20 Lieferungen zum Preise von je 30 Pf. und umfaßt 54 Druckbogen mit 480 Ab¬ bildungen und 6 bunten Tafeln. Preis komplett, fein geheftet Neu¬ 6 Mk., hochfein gebunden 7 Mk. 50 Pf. Verlag von

Das Pflanzenreich.

I.

mann, Neusamm. Mit dem genannten Werke, von welchem uns die ersten beiden Hefte vorliegen, wird unseren Lesern ein Werk geboten, welches sie in jeder Beziehung fesseln und anrege» wird, und dessen Anschaffung wir nicht genugsam empfehlen können, zumal der Preis derselben ein ganz besonders wohlfeiler genannt werden muß. Die erste Lieferung dieses hochwichtigen Werkes beginnt mit einer geschichtlichen Einleitung von Professor vr. K. Schumann, in der der Verfasser in kurzer, übersichtlicher und knapper Form alles Wissenswerte aus der langen Gffchichte der botanischen Wissenschaft den Lesern vor Augen führt Als ein Meister des Stils in Wort nud Schrift fesselt derselbe den Leser von Seite zu Seite, und trotz der Fülle des Stoffes, den der Verfasser als einer der besten Gelehrten seiner Wissenschaft wie wenig andere beherrscht, fühlt der Leser, am Ende des Kapitels angelangt, keine langweilige Ermüdung, da in weiser Auswahl das Interessanteste in den Vordergrund gerückt, das Nebensächliche nur gestreift wird. Ueberall treten uns die großen Fragen unserer Wissenschaft entgegen, und durch die kritische Beleuchtung und klare, verständliche Darstellung der einzelnen Theorien wird jeder gebildete und denkende Leser unbewußt zu eigenem Urteil, zu eigenem Nachsinnen veranlaßt. Von größtem, allgemeinem Interesse ist auch der zweite Abschnitt: Kurzer Ueberblick über den Bau und die wichtigsten Lebensfunktionen der Pflanzen von vr. E. Gilg. Als ein Schüler Schwendeners ist der Verfasser mit den Lebensvorgängen und den anatomischen Verhältnissen der Pflanze aufs eingehendste vertraut, soweit eben unsere Kenntnis der¬ selben reicht. Auch hier wird jeder Pflanzenlicbhaber eine reiche Fülle interessanter Thatsachen und Probleme berührt finden. — Kurz, jeder einzelne Teil erscheint geeignet, dem gebildeten Laien eine sichere Quelle der Belehrung in botanischen Fragen zu sein, welche zu beherrschen bei dem immer tiefer in das Volk eindringenden Verständnis für die Natur¬ Die Selbstwissenschaften die unabweisbare Pflicht eines jeden ist. belehrung wird erleichtert durch zahlreiche, mit überraschender Treue dar¬ Ein solches Buch sollte in gestellte bunte und schwarze Abbildungen. keinem deutschen Hause, in keiner Familie, vor allem aber in der Bücherei keines gebildeten Landmannes, Gärtners und Forstmannes fehlen. Die dem ersten Hefte beigefügte Farbentasel „Obstgcwächse" ist von größter Schönheit. Jedermann kann sich übrigens selbst davon überzeugen, da die erste Lieferung des Werkes auf Verlangen von der Verlagsbuch¬ handlung umsonst und postfrei versandt wird.

Phryne. Ein Lied aus Alt-Hellas. Von Karl Winderlich, Dresden, 141 S. Verlag. E. Piersons Leipzig und Wien 1896. Preis 2,00 Mk., geb. mit Goldschnitt 3,00 Mk. Ein ergreifender Sang aus dem alten Hellas auf dem Hinter¬ grund der Zeit, da man sich nach Alexanders des Großen Tod noch einmal auf den Ruhni des Vaterlandes und die alte Heldenhaftigkeit besann. Der Verfasser besitzt eine reiche Phantasie in der Schilderung

Natur und eine große Menschenkenntnis in der Zeichnung seiner Helden sowie eine Tiefe des Gefühls und Kraft des Ausdrucks, wie Das kleine Werk birgt einen Reichtum sie selten gefunden werden. der

von dichterischer Schönheit, alles ist schön, formvollendet und warm

b. empfunden. Reden von Heinrich von Treitschkc tut deutschen Reichstage 1871 —1884, mit Einleitung und Erläuterungen. Von vr. Otto Mittelstädt, Leipzig 1896. Verlag non S. Hirzel. 224 S. Preis 2,40 Mk. Die vorliegenden, nach den stenographischen Berichten des Reichs¬ tags veröffentlichten Reden sind mehr als eine bloße Auswahl und doch auch weniger, als eine vollständige Sammlung derselben. Der Heraus¬ geber hat sich darauf beschränkt, einige der echtesten Erzeugnisse der Treitschkeschen Genius der Vergessenheit dieser schnell lebenden Tage zu entreißen, dagegen kürzere Improvisationen und rein persönliche Aus-

einandersetzungen, denen nur eine ephemere Bedeutung beiwohnt, nicht die Sammlung aufgenommen. Um die ursprüngliche Farbe des Gesprochenen dem Leser frischer und erkennbarer zu erhalten, sind alle in den stenographischen Berichten vermerkten Beifalls- und Mißfalls¬ äußerungen, Zwischenbemerkungen u. dgl. an ihrer Stelle stehen gelassen. — Es ist eine Freude, in diesen mannigfachen Reden der mannhaften Erscheinung dieses warmherzigen Patrioten zu begegnen, und ein Genuß, sich in die glorreichen Tage des neuen deutschen Reiches zurückzuversetzen, da in der Reichsversammlung unseres Volkes große Gedanken und starke Empfindungen bedeutenden Ausdruck zu finden vermochten. Der rein sachliche Gehalt. Gedankenreichtum, geistvolle und schlagfertige Ausdruck zeichnen diese Reden, die die verschiedensten Gegenstände betreffen, in hohem Maße aus. Die Sammlung sei allen Freunden des großen

in

Historikers warm empfohlen.

K.

Die Nummer 2805 der „Illustrierte» Zeitung" in Leipzig bringt in glänzender Ausstattung eine ganze Reihe Bilder und Texte über den Verlauf der Centenarfeier in der Reichshauptstodt. Die Nummer wird eröffnet durch das große Bild von H. Lüders-Berlin: Kaiser Wilhelm II. führt am 21 März die Fahnen und Standarten derjenigen answärtigen Regimenter, deren Chef Kaiser Wilhelm I. war, nach dem Palais Unter den Linden. Daran schließt stch das nach einer Skizze von F. Witlich gezeichnete Bild des Spezialzeichners Limmer: Die Fahrt des Katserpaares nach dem Mausoleum in Charlottenburg am Morgen des 22. März An Originalzcichnungen sckuf Limmer ferner das große doppelseitige Bild: Die Enthüllung des Nationaldenkmals Kaiser Wilhelms I. am 22. März und Kaiserin Augusta Viktoria, die Kaiserin Friedrich und die fremden Fürsten legen nach der Enthüllung Kränze am Nationaldenkmal nieder. Zwei Bilder aus dem Festzuge der Bürgerschaft am 23. März: 1) Herold und Trompetercorps der Schlächtermeister von K. Becker und 2) die Mitglieder des Ungarnvereins in Berlin von H Lüders, schließen sich den vorbenannten Illustrationen aus dem Verlauf der Centenarfeier würdig an. Die griechisch-kretensische Angelegenheit wird weiter illustriert durch die Bilder der Protestkundgebung gegen die Beschlüsse der Gro߬ mächte vor dem königl. Schlosse zu Athen; der österreichisch-ungarische Torpedokreuzer Sebenico bohrt (vor Kreta) einen griechischen Schoner in den Grund; Portrait des Befehlshabers der griechischen Truppen auf Kreta, Ober!: Timoleon Vassos. Aus dem soeben erschienenen Polar¬ reisewerk von Nansen: „In Nacht und Eis" (Verlag von F. A. Brock¬ haus-Leipzig) werden 6 Abbildungen wiedergegeben, welche das Interesse für die arktischen Regionen in noch höherem Grade steigern dürfte. Das Bild: Sehnsucht (nach einem Gemälde von Angelo Jank), Nekrolog und Portrait der am 23. März verstorbenen Grobherzogin Sophie von Sachsen sowie eine große doppelseitige Kunstbeilage: Franz von Lenbachs Bismarck¬ bildnis, gemalt im Aufträge Kaiser Wilhelms II. für das Reichskanzlerpalais in Berlin, sind weitere hervorragende Zierden der beregten Nummer.

„Daheim" Nr. Rosenkranz" nach

27

ruft

durch das

Vollbild

„Ringel-Ringel-

dem Gemälde von Theo Gruft in seinen Lesern und Leserinnen die angenehmsten Erinnerungen an frohe Kinderjahre wach. Bon dem bedeutendsten deutschen Kotzenmaler Jul. Adam bringt dieselbe Nummer ein Bild: „Katzenkamilie". Diesem graziösen Adamschen Katzmbild steht gegenüber die bildliche Wiedergabe der Bronzestatur von G. Wolters „Harzer Kuhhirt", eines Werkes von ganz eigenem,

Anixalt:

I !

l

C.

Finis

Friedrich

Poloniae.

Historischer

Roman

von



Schloß Wilhelmsburg. Von (Fortsetzung). Bückcr. (Mit drei Abbildungen.) — Berlin am 22. Mär 3

Gründler

1897. — Kaiser Wilhelm I. und sein ältester Urenkel. — Märkische Schlachtfelder. Von A. W. Ludwig. (Fortsetzung).—

Kleine Mitteilungen: Der Dank

des Kaisers. — Die neue Rnchs— Aus dem täglichen Leben Kaiser Wilhelms I. — Kaiser Wilhelms I. Wohlthätigkeit. — Zarte Rücksichtnahme Kaiser Wilhelms I. — Eine Erinnerung an den Fürsten und die Füistin Hatzfeld. — Märkischer Jägerhumor. — Weitere Ausschmückung der Sieges-Allee. — Vereins-Nachrichten — Büchertisch.

kokarde.

Die verehrten Leser und Freunde des „Bär" werden inständig gebeten, doch in ihren Kreise» auf unsere vaterländische Wochenschrift aufmerksam zu machen und sie zum Abonnement warm zu empfehlen. Nur dadurch, daß die Freunde vater¬ ländischer Geschichte einem Unternehme», wie das unserige ist, einmütig die angelegentlichste Unterstützung zu teil werden lassen, kann dasselbe seine Aufgabe in befriedigender Weise lösen.

Denjenigen Abonnenten, die zu Anfang des neuen Quartals eintreten, überlassen wir das erste Vierteljahr für 1,25 Mk. Abgesehen davon, daß ihnen der Besitz des ganzen Jahrgangs erwünscht sein dürfte, wird cs ihnen auf diese Weise

ermöglicht, den Anfang des fortlaufenden Romans kennen zu lernen.

„Finis Poloniae“

Der gegenwärtigen Nummer des „Bär" liegt eine Bestell¬ karte auf das laufende und cv. auch auf das vorige Viertel¬ jahr bei. Wir ersuchen unsere Freunde, dieselbe solchen, die sich für die vaterländische Geschichte, . insbesondere auch für die der Hohenzollern, interessieren, gütigst einhändige» und sic, wo möglich, znm Abonnement auf den „Bär" veranlassen zu wollen. Der „Bär" hat viele Leser (Verbreitung durch die Lesezirkel), aber nicht genügend Abonnenten. Wir geben uns der freudigen Hoffnung hi», daß auch die Zahl der letzteren sich mehren werde. Helfe ein jeder dazu, so viel er vermag!

kräftig realistischem, aber doch anmutigem Gepräge. „Die kleine Kavalkade" ist eine Probe von der nach langer Mißachtung zu neuem Ansehen gelangten Kunst des Silhouettenschneidens. Weitere Jllustationen sind einesteils dem neu erbauten Geschäftshaus der Leipziger „Illustrierten Zeitung" (Albrecht Dürer, Johann Gutenberg, Gruppe am Mittelbau), andrenteils der griechischen und der türkischen Armee, die sich kampfbereit in Thessalien gegenüberstehen, entnommen, während die Beilagen mit zahlreichen Bildern von der Centenarfeier aus Grund photographischer Aufnahmen von Zander u. Labisch geschmückt sind.

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Unter Mitwirkung von

Ernst E. Harders, Dr. R> Küringuier, Professor Dr. Krerlser, Dr. H. DrendicKe, Thea dar Fantane, Stadtrat G. Friedet, Rirhard George, Ferd. Merser, Gymnafialdirektor a. D. Dr. M. Krtiraarh und E. v. Miiderrtrrnrtr

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Historischer Roman von C.

«

(14. Fortsetzung.)

Ruhe, noch vor Tagesanbruch, machte Leutnant von Krummensee mit einer Anzahl Husaren einen weiten Ritt, um das Gelände zu erforschen und danach die regelmäßigen Patroutllenritte einzuteilen. Als er zurück¬ kam, stand die Sonne schon hoch am Himmel. Zu Fuß ging ach

kurzer

er die kurze Strecke Wegs nach dem Dörfchen, um die Quartiere

seiner dort untergebrachten Leute zu besichtigen. Er fand alles in bester Ordnung. Die Dörfler waren den Soldaten freundlich entgegengekommen und hatten gethan, was sie konnten. Das Wetter halte sich aufgeklärt. Ein frischer Nordostwind jagte die Wolkensetzen eilend vor sich her. Die warme Septembersonne leuchtete zwischen ihnen hindurch und malte In abwechsend lichte und dunkle Streifen auf der Landschaft. Einzelne Verdun hervor. der Ferne ragten die Türme von Rauchwolken, wie von bereits gedämpften Bränden, stiegen

in die Höhe. Karl wandelte nachdenklich

zwischen ihnen

durch die Obstgärten,

in

denen

der reiche Fruchtanhang schon färbte. Alles atmete den tiefsten Frieden. Nur die Menschen befehdeten sich. sich

Die Scene von gestern abend trat lebhaft in seine Erinnerung: er fühlte eine brennende Sehnsucht, der Comtesse wieder gegenüber zu stehen und in ihre glänzenden Augen zu blicken. Sein Leben, das ganze Treiben, in dem er stand, kam ihm nichtig, fast sündlich vor. Das einzig wahre Glück Würde schien ihm doch ein gemütvolles Familienleben zu sein. es ihm jemals blühen? Und merkwürdig! Wenn Zukunfts¬ bilder so holder Art flüchtig, gedankenschnell vor seiner Seele vorüberhuschten, war es nicht Magdalene, die an seiner Seile stand; immer stand nur ein dunkler Lockenkopf mit den

unergründlichen Augen und den reizenden Grübchen in den Wangen da. Konnte er sie jemals erringen? Er, der schlichte, arme Landedelmann — sie, die reiche, vornehme Gräfin! Undenk¬ bar, selbst wenn die feindselige Trennung der Nationen nicht

wäre! So grübelnd, gelangte er an das Gitter. Das Thor stand offen. Er ging die Seitenwege zwischen den Gebüschen hindurch; sein Schritt war auf dem weichen Sande ganz unhörbar. Als er in die Nähe des Schloffes kam, vernahm er weiche Harfenklänge, begleitet von einer nicht starken, aber melodischen weiblichen Stimme. Es war eines jener in Frankreich so beliebten Lieder von Lerun§sr," welches gesungen wurde. Er blieb lauschend stehen und ließ den Zauber dieses Augen¬ gewesen

blickes auf sich einwirken.

Als er sich umsah, erblickte er seitwärts durch das Gebüsch einer Bank in einer kleinen Lichtung einen jungen Menschen auf — hochgewachsen, kräftig, mit nicht unschönen, energischen fitzen

Zügen und dichtem, schwarzem Kraushaar. Der Kleidung nach — er trug die landesübliche hemdartige, blaue Leinwandbluse und eine grüne Schürze — war es ein Gartenarbeiter. Auch er lauschte offenbar dem Gesänge. Sein Kopf war etwas zurückgelegt, seine empor gerichteten Augen drückten ein hohes Maß von Begeisterung aus, während die herabgezogenen

Mundwinkel Schmerz und Entsagung verrieten. Die Hände hielt er um den Stiel eines Rechens gefaltet, der zwischen seinen Knien auf dem Boden stand, und mit welchem er wahrscheinlich die Wege von dem fallenden dürren Laub gereinigt hatte.

Karl

betrachtete das ausdrucksvolle Gesicht einige Zeit mit

Es war so selten, daß sich, außer Zorn und Haß, starke seelische Empfindungen auf den Gesichtern von Leuten dieses Schlages ausdrückten. Er ging einige Schritte auf die Lichtung zu. Der junge Mensch bemerkte ihn, und blitzschnell änderte sich sein Gefichtsausdruck. Mit einem Blick finsteren Hasses schulterte er seinen Rechen und ging stumm und ohne Gruß von dannen.

Neugierde.

Karl

achtete nicht

weiter darauf und wandte

sich zum

Schlosse.

Ein Diener teilte ihm mit, der Herr Graf erwarte ihn einiger Zeit zum Frühstück. Als er bei dem Grafen eintrat, empfing ihn dieser mit scherzhaftem Vorwurf: „Ei ei, mein Freund, schon so früh unterwegs? Wir pflegen auch früher aufzustehen als im allgemeinen unsere Standesgenossen, allein so früh vermögen wir uns doch nicht loszureißen." Karl antwortete liebenswürdig, und das Gespräch bewegte sich dann in allgemeinen Bahnen. Die Comtesse erschien nicht. Nach dem Frühstück ritt Karl ins Lager bei Verdun, um sich bei seinem Obersten zu melden, Rapport abzustatten und Befehle einzuholen. Die Kapitulation der Festung wurde jeden Augenblick erwartet. Von einem baldigen Aufbruch verlautete jedoch nichts. Die Meinungen im Hauptquartier, hieß es, seien geteilt. Der König sei für rasches Vorgehen, der Herzog für Abwarten. Alle Corps sollten erst herangezogen und den ermatteten Truppen einige Erholung gegönnt werden. Auch sollten nach der Uebergabe von Verdun dort Magazine angelegt werden. Ein mehrtägiges Verweilen war also mit Sicherheit schon seit

vorauszusehen.

Karls Rückkehr wurde das Diner wieder in Gemein¬ mit den beiden Damen eingenommen. Die Unterhaltung gestaltete sich überaus lebhaft und anregend. Arabella erzählte von ihrer Jugend. So lange ihre Mutter lebte und die Eltern sich meist in Paris oder Versailles aufhielten, war sie in dem Kloster der Schwestern vom 8aore coeur erzogen worden. Als aber ihr Vater sich nach dem Tode der Mutter nach Monrepos zurückgezogen, hatte er, sich gar zu einsam fühlend, sein einziges Kind zu sich kommen lassen. Fräulein Julie war damals als Erzieherin berufen worden und seitdem ihre stete Gefährtin und treue Freundin geblieben. Sie erzählte von den übermütigen Streichen, die sie in ungebundener Freiheit verübt hatte. Auch Karl konnte mit Nach

schaft

einer

aufwarten, denn gescherzt und gelacht, als ob man im und nicht mitten im Kriege gewesen wäre. sichtbar seine Freude an der Heiterkeit seines den gegenseitigen Neckereien und Scherzen. ganzen

Reihe

derselben

Nach Tische pflegte der

halten.

Er

wurde tiefsten Frieden Der Graf halte Kindes und an und

so

Graf eine kleine Mittagsruhe zu Karl vor, wenn

sprach dies offen aus und schlug

nicht zu ermüdet sei, möge er sich von Arabella den Garten und Park zeigen lassen. Nichts konnte Karl will¬ kommener sein. So begaben sich denn die drei in den Garten. Karl hatte der Comteffe den Arm gereicht, Fräulein äs Plessis ging auf der andern Seite. Allein so lebhaft die Unterhaltung auch im Salon gewesen war, jetzt trat plötzlich eine gewisse Befangenheit ein. Karl und Arabella waren zu sehr mit ihren Empfindungen beschäftigt, als daß sie viel er

können, und Fräulein

hätten reden

Julie mußte die Kosten

der Unterhaltung allein tragen.

In

wohlgepflegteu Garten herrschte noch der altSchnurgerade Alleen führten vor. durch ihn hindurch; zur Seite sah man Weißdornhecken, ab¬ gezirkelte Blumenbeete und zu allerlei wunderlichen Gestalten verschnittene Taxusbäume. Einen runden Rasenfleck umgab dem

französische

ein Weg,

Geschmack

eingefaßt mit uralten,

über hundert Fuß hohen sah man ein

Inmitten des Rasens marmornes Wasserbassin mit Goldfischen, in italienischen Pappeln. einem

künstlichen Felsen

die Bronzestatue

dem Dreizack, den einen Fuß auf einen

demselben

des

auf

Neptun mit

Delphin

gesetzt, aus zwei dünne Wasserstrahlen empor stiegen, ringsumher einige Tritonen und allerlei fabelhafte Meerungeheuer. dessen Nasenlöchern

Andere Stellen des Gartens schmückten eine marmorne Flora in einem Blumenparterre, eine Diana in einem Buchenhain, Apollo mit der Leier in einem kleinen, runden Tempelchen, zwischen dessen Säulen die neun Musen den Klängen zu lauschen schienen, und sonstige Prachtwerke der damals herrschenden Gartenkunst.

Karl

von allem nur wenig und hörte nur lässig auf die Erklärungen von Fräulein äs Plsssis. Der weiche Arm in dem seinen lenkte seine Gedanken unablässig auf dessen sah

Trägerin. Sie sah nicht zu ihm auf. Aber wenn er den Blick seitwärts lenkte, sah er ihr feines Profil, die leicht gebogene Nase, die freie Stirn mit den hoch geschwungenen Brauen, den fein geschnittenen Mund und das runde etwas zurücktretende Kinn. Wie gern hätte er ihr tief in die Augen geblickt! Aber sie hielt die Augen beständig gesenkt. Fast am Ende des Gartens, da, wo derselbe in den Park auslief, im Schatten einiger hohen Eichen, stand ein einsamer Rosen¬ busch. und an demselben, seltenes Naturspiel um diese Jahres¬ zeit, blühte noch eine einzige Rose. Der Gärtnerbursche von vorhin machte sich dort am Wege etwas zu schaffen. „He, guter Freund!" rief Karl. „Wollt Ihr mir nicht die Rose abschneiden?"

Der Bursche sah flüchtig auf, antwortete nicht und that, als ob er kein Wort gehört hätte. „Aber. Pierre, bist Du heute garstig! Was hast Du denn vor? Geh' doch hin, und schneide dem Herrn die Rose ab!" Der Bursche erwiderte mit zusammengezogenen Brauen: „Ihr seid die Herrin, ich bin der Knecht." Dann warf er einen wütenden Blick auf Karl, schnitt die Rose ab und übergab sie Fräulein äs P1s88i8, welche sie

Karl einhändigte. Dieser überreichte sie mit einer leichten Neigung des Kopfes Arabella, indem er sagte: „Was zusammen¬ gehört!" Jetzt blickte die Comtesse zum ersten Male auf und sah Karl mit einem so von Glück strahlenden Blick an, daß es diesem bis ins innerste Herz zuckte. Das Eis war nun gebrochen. Während sie unbekümmert weiter gingen, sah Pierre ihnen mit drohender Miene nach, er ballte die Fäuste, und die Adern an seinen Schläfen schwollen an. Dann stürzte er mit purpurrotem Gesicht in das Gebüsch, warf sich zu Boden und zerkratzte unter heftigem Schluchzen die Erde mit seinen Nägeln. „Das ist ja ein merkwürdiger Mensch!" sagte Karl, als sie einige Schritte weiter gegangen waren.

„Ich

kann

mir

sein

sonderbares Benehmen

erklären," erwiderte Arabella unbefangen.

„Er

auch

nicht

ist sonst nicht

so

Von Herzen ist er gut. ein wenig heftig viel¬ Ich glaube, er ginge für mich durchs Feuer. Wir

abweisend.

leicht.

eigentlich

sind

fügte

Milchgeschwister."

sie

lächelnd

hinzu,

Mntter war meine Amme.

Sein Vater war unser Gärtner. Jetzt ist er eine Waise, beide Eltern sind tot. Es lebt nur noch seine alte Großmutter, deren Mann Waldwärter bei uns war. Sie wohnt allein tief im Walde, in dem kleinen Häuschen, das sie mit ihrem Manne bewohnt hatte. Wir wollten sie immer veranlassen, ins Dorf oder in das Försterhaus zu ziehen, welches Papa am Waldessaum gebaut hat, sie will aber die alte Wohnung nicht verlassen und in ihr sterben. Sie begreifen nun wohl, daß wir den jungen „seine

Menschen nicht

fortschicken können, zumal er fleißig

und an¬ Uebiigens

Er hilft unserm Gärtner im Garten. hat er eine bessere Schulbildung genoffen, als Kindern seines Standes sonst zu teil wird. Unser verstorbener Ours, der ihn als einen aufgeweckten, wißbegierigen Knaben sehr ins Herz geschloffen, hat sich viel mit ihm abgegeben." „Nun, für mich hat er jedenfalls keine Liebe." „Ach. das kommt Ihnen wohl nur so vor. Was sollte er denn für einen Grund haben? Ihre Eigenschaft als Preuße stellig ist.

kann es nicht sein. er

und teilt

sie

Unsere streng royalistische Gesinnung kennt auch sicherlich.

Und Sie kommen doch auch

eigentlich nicht als Feinde, sondern als Freunde zu uns, nur um unsern König zu schützen!"

„Nun.

seine Abneigung

von anderer Seite

so

kann

ich

verschmerzen,

viel Güte und," fügte er

da mir

leise hinzu,

da die Gesellschafterin gerade ein paar Schritte zurückgeblieben

Ansichten anbelangt,

so geht es da wie mit dem Glauben. Es giebt wohl selten zwei Menschen, die genau denselben Glailben oder dieselben politischen Meinungen haben. Das

bleibt eben ein noli me tangere und bildet kein Thema zu Erörterungen. — Dagegen scheinen Sie die Freundschaft zwischen zwei weiblichen Wesen schon für schwieriger zu halten?" „Allerdings! Beim Weibe gieb! es erst recht manche Charaktereigenschaften, Eitelkeit, Eifersucht und dergleichen,

Wahre Freundschaft ist des¬ halb auch unter Frauen nur selten." „Sie vergeffen ja aber ganz uns beide, Fräulein Julie!" die leicht verletzt werden können.

rief die

Comtesse.

„Ja, Sie, liebes Kind, Sie

sind auch eine Ausnahme!" „Und Sie find das liebste, herzigste Geschöpf, was ich kenne!" rief die Comtesse, indem sie Julie um den Hals fiel

und

sie küßte.

„Glauben Sie denn auch an eine Freundschaft unter Personen verschiedenen Geschlechts, Comtesse?" fragte Karl.

„Ich? —

ich habe noch

nicht darüber nachgedacht."

„Oder nehmen Sie an, eine solche könne nicht bestehen, weil das Verlangen nach einem Mehr in dem andern Teile unfehlbar erwachen müsse?" Dabei suchte er sich leise ihrer Hand zu bemächtigen. Sie aber entzog ihm dieselbe und erwiderte aufstehend: „Darin habe ich wirklich nicht die geringste Erfahrung, Herr Leutnant. Im übrigen wird es Zeit, umzukehren. Papa wird schon warten!"

Sie stand auf, nahm den Arm ihrer Gesellschafterin und Weg fort. Jetzt war es an Karl, nebenher zu gehen. Man kehrte nach dem Schlosse zurück und erreichte es an der Seite, wo der alte Turm stand. „Merkwürdig!" rief Karl, vor demselben stehen bleibend,

war, „vielleicht auch einige Freundschaft zu teil wird."

setzte den

Arabella wollte ihm ihren Arm entziehen, er aber hielt ihn nur um so fester und flüsterte flehend: „Bitte, bitte, nicht böse sein, wenn meine Hoffnungen zu kühn waren!" Laut setzte er dann hinzu: „Die Freundschaft ist ein ebenso seltenes wie kostbares Gut. das man nicht leichtsinnig aufs Spiel setzen soll. Ich habe einen Freund, er ist zwar älter, als ich, dem liegt meine ganze Seele offen, und ich glaube auch, ihn durch und durch zu kennen. Bis jetzt haben wir noch kein Geheimnis vor einander gehabt." „Und sind Sie sicher, daß niemals ein Konflikt zwischen

„ein ähnlicher Turm befindet sich auch an meinem väterlichen Hause. Nur ist er noch besser erhalten und wird bewohnt.

Ihnen ausbrechen wird?" Sie waren in dem waldartigen Park weiter gewandert und kamen jetzt an einen Teich, umgeben von hohen Bäumen, auf der einen Seite Buchen und Birken, erglühend unter den Strahlen der scheidenden Sonne, auf der andern Seite Fichten und Kiefern, unter denen schon tiefes Dunkel herrschte. Der Schein des Abendrotes und leichte, rosenfarbene Wölkchen spiegelten sich auf dem ruhigen Wasser und verliehen dem Bilde einen Abglanz von tiefem Frieden. Eine Bank stand am Wege, und sie ließen sich alle drei instinktiv auf ihr- nieder, ohne daß von einer Seite eine Auf¬ forderung dazu ergangen wäre. „Die Freundschaft zwischen Männern will ich gelten lassen", nahm nun Fräulein äs läesois das Wort, „obwohl es auch da mancherlei Punkie giebt, über die sie sich nicht vereinigen können."' „Und die wären zum Beispiel?" „Die Ehre, die politischen Ansichten." „Ein Freund wird nie der Ehre seines Freundes zu nahe treten, die auch die seinige ist. Und was die politischen

Es ist in ihm das Justizamt und die Wohnung des Amt¬ manns, sowie das Gerichtsgefängnis. Wozu wird denn dieser Turm benutzt?" „Ich glaube, er wird gar nicht benutzt. Ich war nie in ihm. Ich weiß nicht einmal, ob er eine Thür hat. Von hier unten kann man nicht hinauf kommen. Ich habe mich als Kind immer schrecklich vor dem weiten, dunklen Gewölbe gefürchtet, und jetzt möchte ich auch nicht hineingehen. Es ist stets sehr unsauber darin und voll alten Gerümpels, sodaß man überall hängen bleibt. Lassen Sie uns weitergehen!" „Da oben muß eine schöne Aussicht sein," bemerkte Karl im Fortgehen. Er verabschiedete sich von den Damen und suchte sein Zimmer auf. Einige Zeit darauf kam ein gräflicher Diener und. fragte, um welche Zeit der gnädige Herr den Thee befehle. Man wünschte also offenbar heute seine Gesellschaft nicht. Arabella war ihm die letzte halbe Stunde auch sehr verändert vor¬ gekommen. Sie war eben so freundlich gewesen wie früher; aber eine gewisse Zurückhaltung, die Allüren der vornehmen Dame waren mehr hervorgetreten. Sollte er sie beleidigt haben? War er zu kühn gewesen? Er glaubte nicht nötig zu haben, sich einen Vorwurf zu machen. Seinen Blicken vermochte er doch nicht zu gebieten.

184

Das

Diner wurde

Tage wieder Arabella vermied es jedoch, gemeinschaftlich eingenommen. ihn bei der Unterhaltung anzusehen, und richtete auch ihre Anrede meist an ihre Gesellschafterin oder ihren Vater. Von der übersprudelnden Fröhlichkeit und der kindlichen Vertrauens¬ seligkeit des vorhergehenden Tages war nichts mehr zu bemerken. So vergingen einige Tage. So viel Mühe sich Karl auch gab, sie aus ihrer kalten Unnahbarkeit zu erwecken, es war vergeblich.

zwar

am

nächsten

Außer zuweilen bei Tafel sahen

sie sich nicht

mehr.

(Fortsetzung folgt.)

HMoß Wilh elmsburg. Ein

gleichsam neu entdecktes

"r^^vom^^ergang

bedrohtes

Bau-Denkmal aus dem 16. Jahrhundert.

es aus den italienischen Anlagen überkommen hatte.

In

dem

Küchengarten hingegen wurde

alles gezogen, was man an Gemüsen für die Tafel bedurfte. Auch der Weinbau wurde an diesem südlich gelegenen Abhange gepflegt, während der Garten au Blumen namentlich Veilchen, Rosen, Lilien, Ros¬

marin und Tulpen aufzuweisen hatte. Die Plattform über den gewaltigen zweietagigen Kellerbauten diente als Ver¬ sammlungsort für die farbenreich kostümierte Hofgesellschaft bei Sommerfesten. Letztere fanden, sobald es die Witterung ge¬ stattete, stets im Freien statt, namentlich auf den beiden Pfalzen und in dem ehemals im französischen Stil prangenden Wenn wir nun noch der Wasserkunst mit ihrem Lustgarten. andauernd zu- und wieder abfließenden klaren Gebirgswasser gedenken, das namentlich in der Küche sprudelte und plätscherte, so haben wir in der Hauptsache die Innen- und Außenanlagen

Von Friedrich Bucker.

(Mit drei Abbildungen.) (Schluß).

Um das Schloß mit seinem gewaltigen, in der Mitte liegenden Schloßhof ließ Landgraf Wilhelm eine Menge

Detvil von Lein thönernen

mehr erhaltene) Schloßgarten machte nach der Denkschrift den Eindruck einer streng mit Zirkel und Lineal behandelten An¬ lage; er war das Ideal eines damaligen Lustgartens, wie man

des Schlosses gekennzeichnet.

Nach der Vollendung des herrlichsten

Aussätze des Ofens im TaMmch von Aus: Friedr. Laskc, Schiob WilhclmSburg.

aller Schlösser be-

Motz Wilheiinsliurg.

Nebenanlagen anbringen. Da waren die Zwinger, deren einer (der äußere) die Ställe umfaßte, während der innere, vertiefte, zur Aufbewahrung seltener Arten von Wild diente. Backund Brauhaus, Hühnerhof und Spritzenhaus, sowie das Schlo߬

gann nun eine Reihe von Festlichkeiten auf dem über Stadt und Land schauenden Questenberge, die ihres gleichen weit und breit nicht fanden. Genau vor 300 Jahren (1597) z. B.

gefängnis mit seiner turmartigen Ausbildung begrenzten die Zwinger. Der Turm des Schloßgefängnisses soll noch der alten Wallrabsburg angehört haben, und es heißt von ihm in der Denkschrift: Er zeigt thatsächlich noch ein eigenartig kon¬ struiertes, ganz in mittelalterlicher Auffassung gebautes Ver¬ ließ, in welches die Gefangenen durch ein in der gewölbten Decke befindliches Loch hinabgelaffcn wurden, und weitere drei übereinander liegende Gefängnisstuben, die sämtlich durch eine dem Hauptbau angefügte Schneckentreppe zugänglich gemacht waren. Dieser Strafturm wurde selbst während des SchloßExerzierplatz, Pfalz, baues für unentbehrlich angesehen. Garten, Lustgarten, Schloßteich und andere Anlagen rings Der große freie um das Schloß waren bemerkenswert. Waffenübungsplatz war durch eine Mauer gegen das ab¬ schüssige Gelände gesichert. Er lag, wie die Pfalz, gen Westen, der Stadt zu. Von der Pfalz (Schloßterrasse) hat man jetzt noch den schönsten Blick auf die zu Füßen ruhende gewerbfleißige Stadt mit ihrer gotischen Hauptkirche. Der sich in vier durch Treppen verbundene Terrassen abstufende (nicht

Schwester Hedwig mit dem Grafen von auf dem Schmalkalder Schlosse, die über alle Beschreibung prachtvoll ausgefallen sein soll. Einzugsfeier, Tanzvergnügen, Bankette. Hoffeste wechselten in bunter Reihe ab. Turniere, Zweckschüsse (mit den Bürgern Schmalkaldens), Maskeraden, Reiterübungen, Ringelrennen und vor allem Jagden waren die Losung. Eine bemerkenswerte Bethätigung religiösen Lebens zeigte auch bei verschiedenen Feiern in der prachtvollen Schlo߬ sich kirche. Schon bei der Einweihung derselben; die au einem Himmelsahrtstage stattfand, konnte man ahnen, was dieser Kirche noch alles vorbehalten war. Ueber die Einweihung sagt u. a. die Denkschrift: Prächtig mag sich die Kapelle mit ihren Schildereien im Glanze der Vergoldung ausgenommen haben. Der Fürstenstand und die Galerien waren von den Fürstlichkeiten (die von auswärts zur Einweihung eingeladen waren), ihrem glänzenden Gefolge und dem Rat der Stadt Schmalkalden besetzt, während der übrige Raum der Kirche von der Bürgerschaft, soweit sie Platz finden konnte, einge-

feierte Moritz, der Sohn des Begründers der Wilhelmsburg, die Hochzeit

seiner

Schaumburg

>.

nommen mar. Ans die Festpredigt folgte dann noch großes Vokal- und Jnstrumentalkonzert.

185 ein

Auch politische Fäden liefen auf der Wilhelmsburg zu¬ sammen. Im Jahre 1600 übernachtete auf dem Questenberge laut Mitteilung der Chronik eine Gesandtschaft des Schah von Persien, welche dieser an den Kaiser Rudolf II. zwecks Ver¬ handlung über ein Bündnis gegen den Sultan sandte. Die

Gesandtschaft begab sich vorher nach Kassel, um am dortigen Hofe, wo die Fäden vieler auswärtigen Verbindungen zu¬

sammenliefen, nähere Erkundigungen über die damalige allge¬ meine politische Lage in Europa einzuziehen. Der Landgraf

Kaiser von dem Plan der Gesandtschaft in Kenntnis und ließ letztere, nachdem sie aus dem Questenberge behufs setzte den

weiterer Information sich aufgehalten, feierlich nach Naumburg weitergeleiten. Einen schrillen Mißton in den Glanz auf dem Questen¬ berge brachte vor allem der 30jährige Krieg. Das Schloß wurde im Jahre 1634 durch

durch Anfügung der nötigen Krücken und Stützen, durch Vor¬

schuhungen und Flickwerk auf den Beinen zu erhalten. Schon längst hat es seinen schützenden Renaissancehut mit all dem Feder- und Bandschmuck — sein ehrwürdiges hohes Dach mit den vielen verzierenden Giebeln und Erkern — eingebüßt, sein Wams ist fadenscheinig geworden, und Wind und Wetter

blasen

in

die

vielen Löcher des Kittels

wird.

jene herrlichen Räume des dänischen Schlosses zurückdenkt an das armselige Schloß auf der Queste.

Mit

dem

Dänenschlosse

die Zwillingsschwester die

von Dänemark

so

ist

Schloß

Frederiksborg,

von Schloß Wilhelmsburg, gemeint, herrlich restauriert worden ist, und die nach dem Vorbild der Wil¬ helmsburg und unter Beteiligung Schmalkaldischer Bauleute entstan¬ den ist.

Hoffentlich wird auch Deutschland nach dem Vorbilde Däneularks — Schloß Wilhelmsburg derartig wieder herstellen, daß sich an dessen alter Poesie Auge und Herz aufs neue berauschen kann. Thüringens Fürsten und Volk werden zweifelsohne hier zuerst gern fördernd mit eingreifen,

und den Befitzwechsel während des¬ selben erlitt das herrliche Schloß



Schaden; verfiel es Laufe der Jahrzehnte, wurde wieder ausgebessert, ergänzt und lag dann wieder lange vereinsamt. Und nun in den Freiheitskriegen! Beim Rückzug der Franzosen bedeutenden

im

denn Schloß Wilheimsburg

nach der Schlacht bei Leipzig wurde die ganze Wilhelms¬ burg ein großes Typhuslazarett, und infolge dessen bildete sich in den regierenden Kreisen zu Kassel die An¬

ist eine

köstliche, wenn auch augenblicklich stark

Perle in dem reichen Diadem des Thüringer Landes. In die Hand genommen freilich muß das ersehnte Werk von der Seite werden, die jetzt schon, wie berichtet, dem erhabenen Baudenkmal aus mittelalterlicher Zeit eine so liebe¬ volle Aufmerksamkeit zugewandt hat. Wir schließen darum auch mit der verblichene

daß das Schloß nur noch als ein Ansteckungsherd zu betrachten sei. Damit war über das alte berühmte sicht,

Alter. fofl.iPstUrabBturm von Schloß Wilhelinsburg. Aus:,

Fried r. LaSkc,

Denkschrift ausdrücklich hervorhebt, heutzutage für undenkbar zu haltende Vorschlag gemacht wurde, das Schloß wieder zu eröffnen, um den großen Tanz- und Bankettsaal desselben zu Gefängnis¬

zellen umzubauen.

Dieser Plan wurde jedoch noch glücklich hintertrieben. Die Mauern der Wilhelmsburg erwiesen sich als so gut, daß die zur Aufnahme des Schlosses bestimmte Kommission den ganzen Wiederaufbau befürwortete. Schloß Wilhelmsburg jetzt ausnimmt? Es ist schon angedeutet worden, und die Denkschrift sagt es plastisch und zutreffend: Welch verändertes Bild jetzt nach 300 Jahren!

Wie

es ist

das deutsche Herz ist es, wenn man bei der Wanderung durch

wilden Horden Jsolanis und Piccolominis besetzt, die schrecklich darin hausten. Durch den Krieg

in ven sechziger Jahren seitens der Regierung zu Kassel der, wie die

Ja,

vollständigen

Zusammenbruch des Gebäudes bei den nur äußerst spär¬ lichen für die Instandsetzung ausgeworfenen Mitteln noch vor¬ zubeugen sein Betrübend und beschämend für

die

Bauwerk.der Stab gebrochen. Es ging mit ihm so weit abwärts, daß

hinein.

eine Frage, ans wie lange Jahre hinaus dem

sich

Der Bau hat infolge arger Vernachlässigung und Ver¬ stümmelung in den wilden Krtegsstürmen, die zu Anfang unseres Jahrhunderts unter napoleonischer Herrschaft über Alldeutschland dahinbrausten, das Aussehen eines trauer¬ erregenden, bedauernswerten, plumpen, schmucklosen Kastens bekommen, und die konstruktiven Teile des Hauses, die dessen Fortbestand bedingen, müssen unter sorgsamer Pflege und

Überwachung gestellt bleiben, um das altersschwache Gerippe

Schloß Wilhelmsburg.

Bitte: O Kaiser, der Du gern bereit. Manch alte Wunde treu zu heilen, Laß heilend auch Dein Machtgebot Das alte Ahnenschloß ereilen! Nachdem der Tag zur Rüste ging, Der große für den Heldenkaiser, Und nun zu neuer Frühlingspracht Erblüh'n die winterlichen Reiser,

Sprich auch das Wort: Schloß Wilhelmsburg auferstehen zu neuem Glanze, Und neuer Zauber soll's umweh'n Von Mittelalters Sagenkranze!

Soll

Wie Dänemark Schloß Fred'riksborg, Das stammverwandte,- neu erbauet. Daß es verjüngt in hehrem Glanz Hoch aus den alten Fluten schauet

186

So lasse auch Schloß Wilhelmsburg Nicht untergehen und nicht verwehen Und wegen seines Namens schon

Zu Deutschlands Ehre neu erstehen! Fürwahr, es wird das Wort Dir leicht, Da eng Dein Volk mit Dir verbunden.

Wilhelmstag Wilhelmsburg nun auch gesunden!

Laß nach dem großen Schloß

M

Gedächtnisfeier des 100. Geburts¬ Rede tages weiland Kaiser Wilhelms des Großen am 22. MLürz 1897

in der Hochschule für die bildenden Künste von A. von Werner.

Klar und

deutlich

steht

noch

die Gestalt

des

großen

vor unserem Auge, dessen Jahrhundertfeier uns heute hier vereinigt hat. Noch nicht ein Jahrzehnt ist an uns Herrschers

vorübergerauscht, Reiches,

seit

der

erste

der Patriarch unter

Kaiser des

neuen deutschen

den Fürsten Europas, von uns

und wohl vollbrachtem Tagewerk. Unverwischt lebt das ehrwürdige Bild seiner persönlichen Er¬ scheinung in unserer Erinnerung, und es ist mir, als müßten auch heute wieder, wie damals zu jeder Mittagsstunde, die Tausende und Tausende sich vor dem historischen Eckfenster versammeln und wieder dem milden, hoheitsvollen, freundlichen Greisenantlitz zujauchzen ! Als der Kaiser heute vor IO Jahren sein neunzigstes Geburtsfest feierte, konnte sein Leibarzt Dr. Lauer mit Ueberzeugung sagen: „O, Seine Majestät kann 100 Jahre alt werden!" Und so dachten Hunderte und Tausende, denn es schien, als ob Natur und Vorsehung ein Wunder schaffen wollten an diesem lange ersehnten Helden und Führer des deutschen Volkes, welcher stets unversehrt aus feinen Feldzügen heimgekehrt war, und welcher, nachdem ihn schied, mach

die Prätenfionen des dritten Napoleons vom Jahre 1871 erklärlich erscheinen läßt. Cs ist gut. wenn wir uns an einem Jubeltage, wie dem heurigen, jener Zeit und ihrer Schmach erinnern, welche Kaiser Wilhelms eisie Jugendein¬ drücke gewesen sind. Auch der nationale Aufschwung der Befreiungskriege erlosch bald unter dem dumpfen Drucke der folgenden Jahrzehnte, und die Blätter preußischer und deutscher Geschichte jener Zeit erscheinen mit Trauerrand. Erst als vor nunmehr 40 Jahren der Prinz von Preußen als Prinzregent an die Spitze des preußischen Staates trat, da begann die Zeit, welche, als neue Aera mit Jubel begrüßt, berufen war, alles gut zu machen, was seit 1815 gegen Deutschland und Deutschtum gesündigt worden war, und das Sehnen und Hoffen des deu.schen Volkes zu stillen; die Zeit, welche ihren Abschluß am 18. Januar 1871 im Königsschlosse zu Versailles gefunden hat. Die Schaffung des deutschen Reiches ist das Wellereignis des 19. Jahrhunderts, die Ver¬ körperung desselben unser Heldenkaiser Wilhelm, der Gerechte, der Siegreiche, der Gütige, der Weise — kein Beinamen wird aber

sein eigenstes Wesen ganz erschöpfen!

Die Ereignisse der letzten 30 Jahre liegen uns noch

redlich

der heimtückische, meuchelmörderische Schuß Nobilings im 81. Lebensjahre getroffen hatte, nach seiner Heilung sagen konnte: „Dieser kleine Aderlaß hat mir ganz wohl gethan." Unsere Gedanken, Hoffnungen und Wünsche für den Kaiser wandten sich vor 10 Jahren seinen kommenden Tagen zu. Heute halten wir Rückschau auf ein Jahrhundert, welches der Vergangenheit angehört; wir blicken zurück auf seine heiteren und seine trüben Tage, auf seine Kämpfe und Er¬ rungenschaften, und wir gestehen uns, daß die größere Hälfte desselben weitaus mehr Dunkelheit als Sonnenschein gewesen ist. Preußen hatte auch im vorigen Jahrhundert einen Mo¬ narchen. welchen seine Zeitgenossen schon den Einzigen nannten, und welchen wir schlechthin den großen König nennen. Aber seinen 100. Geburtstag am 24. Januar 1812 feierten wir durch den am 24. Februar desselben Jahres ab¬ geschlossenen sogenannten Bundesvertrag mit Frankreich, welchen ein bekanntes Geschichtswerk den schmachvollsten Ver¬

trag nennt, den ein Hohenzoller je zu unterzeichnen gezwungen war! Des großen Friedrichs Preußen im Vasallendienst und in der Heeresfolge Napoleons gegen Rußland marschierend, die Rheinbundstruppen, Nassauer, Hessen und Badenser für Napoleon in Spanien kämpfend, und kurze Zeit vorher Bayern und Württemberger als Feinde in preußischen Landen — ja, meine Herren, das ist ein Bild. welches dem Nüchternsten und Ruhigsten das Blut in Wallung bringen muß, welches

wir leben und atmen

so

unter den Ereignissen dieser Jahre, daß es müßige Arbeit wäre, vor Ihnen ein Bild der¬ selben entrollen zu wollen. Diese Epoche wird in der Ge¬ schichte das Zeitalter Kaiser Wilhelms heißen, denn Er und die Männer, welche mit ihm geschaffen haben am deutschen Einigungswerke, haben demselben ihren Stempel aufgedrückt, und die Gestalt Kaiser Wilhelms ragt riesengroß aus dieser Zeit empor als eine Heldengestalt von solcher Größe und Er¬ habenheit in ihrer schlichten Einfachheit, wie die Weltgeschichte nur wenige zu verzeichnen hat. Kaiser Wilhelms Größe be¬ ruht nicht darin, daß er einem großen Dämonen der Welt¬ geschichte, einem Alexander, Caesar oder Napoleon ähnelt, trotz all seiner Siege, sondern vielmehr darin, daß er, noch mit allen Fasern seines Wesens einer alten Zeit angehörend, trotz¬ dem der erste wirklich große Monarch einer neuen Welt- und Zeitanschauung geworden ist. Des jetzt regierenden Kaisers Majestät hat vor kurzem in schwungvoller, glänzender Rede das Bild Seines erhabenen Großvaters in poetischer Verklärung vor uns erstehen lassen. Er ist der beredteste Dolmetscher all der Gefühle von Liebe, Bewunderung, Verehrung und Dankbarkeit gewesen, welche das deutsche Volk dem Schöpfer des neuen deutschen Reiches, dem Feldherrn, Staatsmann und Herrscher entgegenbringt. nahe,

so

Und wie Seine Majestät ein Bild aus dem Mittelalter gewählt hat (im Mittelalter, so sagte er, würde man den Kaiser wie einen Heiligen verehrt haben), um vor allem die hohen Tugenden und die großen Eigenschaften des hohen Herrn zu preisen, so dürfen wir wohl sagen: je klarer und heller seine Gestalt, seine Persönlichkeit von der historischen Forschung beleuchtet wird, um so mehr wird dieselbe wachsen und jenes Bild im modernen Sinne verwirklichen. Die Weltgeschichte ist nur die Lebensgeschichte großer Männer, und des heutigen Gedenktages höchste Weihe wird es sein, zur Anschauung zu bringen, nicht nur, was Kaiser Wilhelm als Held und Herrscher Großes vollbracht hat, sondern was er gewesen ist als Mensch unter den Menschen. Wir be¬ wundern den nie besiegten Kriegshelden, aber wir be¬ geistern uns an den Tugenden eines vollkommenen Menschen,

>.

denn das

wir lernen von ihm und streben ihm nach. Wir staunen Genie an, aber unser Herz und Gemüt wird im

genährt

Anblick welcher

Menschen,

Und

187

des

nach

fühlt

und

Vollkommenheit ringenden strebt, wie wir selbst.

find

uns zur Abrundung des Lebensbildes Mannes alle, auch die kleinsten Züge hochwillkommen, welche geeignet find, dasselbe zu vervoll¬ ständigen. Welchen wunderbaren und erhebenden Einblick in die schlichte, wahrhaft große Seele und vornehme Denkungsart unseres Heldenkaisers gewähren uns nicht die Briefe desselben, welche als höchste Feier des heutigen Tages auf kaiserlichen Befehl veröffentlicht sind, vor allen die, welche derselbe in jenen gewitterschwülen Juliragen von 1870 vor Ausbruch des deutsch-französischen Krieges an Seine hohe Gemahlin gerichtet hat, und welche auf Die politischen Ereignisse von damals sowohl, wie auf Ihn selbst das blendende Licht unmittelbarster Wahrheit werfen. Mit welcher Schärfe und Klarheit tritt uns seine schlichte, große Persönlichkeit aus diesen Briefen entgegen, gegenüber der Anmaßung und Verlogenheit seiner Gegner; und wie machtvoll und demutsvoll zugleich klingt es. nachdem die blutigen Würfel des männermordenden Krieges gefallen find, aus allen schriftlichen Aeußerungen des Kaisers und selbst nach erfochtenen Siegen: „Ich habe es nicht gewollt, hier stehe Gott helfe mir. Amen!" — ich. ich kann nicht anders! Diese Briefe find die Selbstbiographie des großen Monarchen und die Geschichte seiner Zeit, wie sie der größte Geschichtsschreiber nicht kürzer und umfaffender schreiben könnte, ein unbeabsichtigt abgelegtes Zeugnis von Edelmut, schlichter Menschenwürde und nationalem Selbstbewußtsein, welchem vielleicht nur Friedrich des Großen Schreiben vom 10. Januar 1757 an die Sette zu stellen ist, von eines

so

großen

welchem Kaiser

Wilhelm

selbst einst schrieb:

„Dies

erhebende

Dokument giebt einen Beweis wie kein anderes, w?lch edle und große Seele in dem unvergeßlichen König lebte, der, an die Möglichkeit denkend, in feindliche Gefangenschaft zu ge¬ raten, befiehlt, in einem solchen Falle nichts für ihn zu

thun. sondern den Krieg zu betreiben, als der Welt existiert." Diese vom Kaiser

habe

Er nie in

niedergeschriebenen

Worte find zweifellos als der Ausdruck dessen zu nehmen, was er von sich selbst dachte und was er zur Richtschnur für seine ganze große Lebensarbeit gemacht hat. Inmitten aller Erfolge und selbst als das mörderische Geschoß ihn getroffen, hat er nicht an sich selbst gedacht, sondern zuerst an seine Pflicht gegen sein Volk und gegen seine Menschenbrüder. Wie menschlich und ergreifend lautet es, wenn er nach den blutigen Schlachten vor Metz und nach dem Besuche der Schlachtfelder und Lazarette von den Opfern des mörderischen Kampfes schreibt: „Ach, all die lieben Bekannten! Röder. Eckart, Flnkenstein, Auerswald. Reuß, Kleist! Es ist zu, zu schmerzltch!" Man fühlt es, sie alle stehen seinem Herzen nahe, und er vergißt, daß es ihr Beruf als Soldat war, fürs Vaterland zu sterben. Und wie charakterisiert der große Kanzler seinen Herrn und Kaiser, welchen er vor allem bis ins innerste Mark kannte: „Niemals hat ein Mensch gelebt, deffen Charakter edler, menschlicher war. als der des Kaisers. Er unterscheidet sich durchaus von anderen Menschen, welche in so hoher Stellung geboren find, oder wenigstens von sehr vielen unter ihnen. Der Kaiser ist Mensch in allen Stücken. bescheidener,

Niemals in seinem Leben hat er einem Menschen unrecht niemals die Empfindungen eines anderen verletzt, niemals einen anderen hart behandelt. Er ist einer von den Menschen, deren Güte die Herzen gewinnt, er ist un¬ ablässig mit dem Glück und dem Wohlergehen seiner Unter¬ thanen und seiner Umgebung beschäftigt. Es ist gar nicht möglich, sich das Abbild eines Edelmannes zu denken, das schöner, edler, liebenswerter und wohlthätiger wäre, geschmückt mit allen hohen Eigenschaften eines Fürsten und allen gethan,

Tugenden eines Menschen."

Ob nach Worten aus so hohem Munde persönliche Er¬ innerungen in den Rahmen dieser Festrede paffen, dürfte fraglich sein. Aber ich denke, daß am heutigen Tage jeder, der das Glück gehabt hat, mit dem hohen Herrn in persön¬ liche Berührung zu kommen, davon reden darf, und ich bin überzeugt, daß es Sie interessieren wird, wie hervorragende Charaktereigenschaften des hochseligen Kaisers „seine Bescheiden¬ heit, seine neidlose Anerkennung fremder Verdienste und die welche jedem bereitwillig die gebührende Ehre zu erweisen sucht" (G. Freitag), auch in seiner Stellung zur bildenden Kunst prägnanten Ausdruck finden. Und so will ich Ihnen einiges aus der für mich unvergeßlichen Zeit erzählen, in welcher ich das Glück gehabt habe, in künstlerischen Angelegenheiten mit dem hochseligen Kaiser in persön¬

fürstliche Umsicht,

liche Berührung zu kommen.

Die erste Veranlassung war die Ausführung des Mosaik¬ für das Siegesdenkmal, mit welcher ich 1872 betraut wurde. Die vom Kaiser gestellte Aufgabe lautete: „Die Rück¬ wirkung des Kampfes gegen Frankreich auf die Einigung

srieses

und die Schaffung des Deutschen Kaiserreichs." An meiner ersten Skizze beanstandete der hohe Herr vor allem, daß Er selbst und Kaiser Napoleon auf derselben dar¬ gestellt waren. Ich mußte von der Darstellung beider historischen Persönlichkeiten Abstand nehmen und half mir, Deutschlands

wie bekannt, damit, daß ich an Stelle des Kaisers eine allegorische weibliche Gestalt setzte, deren Bedeutung mit Recht angefochten wird. Ich setzte die Inschrift darunter: „Loco Imperatoris.“ Statt des Kaisers Napoleon III. wählte ich eine das Cäsarentum verkörpernde Erscheinung.

Nachdem das Bild zur Enthüllung der Siegessäule am 2. September 1373 daselbst angebracht war, unterzog der Kaiser dasselbe (nach Photographien, welche inzwischen von demselben hergestellt waren), ehe ich es für die Mosaik¬

ausführungen übermalte, einer eingehenden Kritik, welche er in Marginal-Bemerkungen meinem Bericht zufügte. Es ist rührend, aus denselben zu lesen, wie der hohe Herr, der jede Verherrlichung seiner Person auf dem Bilde untersagt hatte, vorwiegend nur darauf bedacht ist. jedem anderen die ihm gebührende Ehre zu erweisen. So moniert er z. B. an der Haltung des Prinzen Friedrich Karl: „Der Prinz Friedrich Karl ist die hervorragendste Figur auf dem ganzen Bilde, was gegen den Kronprinzen als unpassend erscheint. Dem¬ nächst darf der besonnene Feldmarschall nicht als Husaren¬ lieutenant dargestellt werden, des Prinzen Haltung kann bleiben als Lenker der Schlacht durch den FeldmarschallStab dargestellt." Dann weiter: „Hier find zwei Bayersche CorpsGeneräle porträtiert, während nicht ein Preußischer komman¬ dierender Armee-Befehlshaber porträtiert ist auf dem ganzen

^

——

188

Feldmarschall Manteuffel, der zwei verschiedene Armeen in Nord und Süd befehligte und zum Siege führte, muß irgendwo porträtiert erscheinen." „Der Großherzog von Mecklenburg war Vorgesetzter des Generals v. d. Thann, muß also mehr wie dieser hervor¬ treten. Feldmarschall Graf Roon muß Heller beleuchtet sein. Der Kronprinz von Sachsen muß mehr hervortreten." Ueberall tritt hier das Bestreben hervor, jedem der Heerführer nach seiner Stellung und militärischen Bedeutung auch in der bild¬ lichen Darstellung gerecht zu werden. Solche Forderungen werden oft als ein Hemmschuh für die Phantasie des Künstlers betrachtet. Ich teile diese Ansicht nicht, wenngleich es durchschnitt¬ lich zehnmal bequemer ist, der künstlerischen Phantasie zu folgen, als solche berechtigten Forderungen künstlerisch zu verarbeiten. Wie im politischen Leben, so war der Kaiser auch in seinen künstlerischen Anschauungen durchaus Realist, was aus einer späteren, in meinem Besitz befindlichen handschriftlichen Aeußerung deutlich hervorgeht, welche lautet: „Die Auffassung der Kaiser-Proklamation (dies bezieht sich auf die auf dem Siegesdenkmalsfries befindliche halb allegorische Darstellung derselben) ist ganz meiner Angabe gemäß. Wenn nicht alles Allegorie ist, so muß die Arm- und Beinbekleidung als

Bilde.

Rüstung fortfallen —

müssen

dagegen die jetzigen Kürasse,

und hohe Reiterstiefel gewählt auf den Kronprinz Anwendung." Außerdem beanstandete der hohe Herr aus militärischen Gründen noch das dunkle Pferd des Prinzen Friedrich Karl und wünschte statt dessen einen Schimmel. Ich muß gestehen, daß es mir von meinem künstlerischen Standpunkte aus nicht leicht erschien, den Allerhöchsten Wünschen im vollen Umfange nachzukommen, und ich versuchte, durch eine eingehende Erläuterung des Bildes meinen Standpunkt zu verteidigen. Die Folge davon war, daß Seine Majestät unsere Meinungsverschiedenheiten, „Differenzen", wie er sich ausdrückte, durch persönlichen Meinungsaustausch zu begleichen wünschte und demgemäß eines Tages im März 1874 im langen Saal der Akademie erschien, wo das Bild aufgestellt war. Die überwältigende Liebenswürdigkeit und hoheitsvolle Anmut, welche der hohe Herr bei dieser Gelegenheit entfaltete, die hohen Stulp-Handschuhe

S

werden.

Dies alles hat

auch

illustriert durch die an mich in Kaisers Schlußworte eines Handschreibens des einer anderen künstlerischen Angelegenheit aus dem Jahre 1887, welche lauten: „Pardon für diesen Vorschlag." ist schwer zu schildern; sie

wird am

besten

Bezüglich des Siegesdenkmalsfrieses erläuterte der Kaiser eingehend seine Monita, nahm meine Gegen-Bemerkungen ge¬ duldig hin und sagte schließlich: „Ich habe die Sache von meinem militärischen Standpunkre aus betrachtet, der künstle¬ rische. das ist

Ihre

Sache,

das müssen Sie besser wissen als

mir unvergeßlichen Meinungs¬ austausches war. daß das gesamte Bild blieb, wie es war, und nur der Feldmarschall v. Manteuffel und der General v. Werder als Armee-Befehlshaber noch der Komposition eingefügt wurden. Hier darf ich auch wohl eine Aeußerung des Kaisers mitteilen, welche einer jener Legenden ein Ende macht, welche,

ich."

Das Ergebnis

dieses

man weiß nicht wie, entstehen, welche geglaubt, beschrieben und gemalt werden. Im Jahre 1877 war ich von deni hoch¬ seligen Herrn befohlen worden, ihm in der akademischen KunstAusstellung als Führer zu dienen. Beim Anblick des Bildes von Professor G. Bleibtreu, welches den König am Abend

4,

von Gravelotte darstellt, wie er, auf einer über einen toten Schimmel und eine Wage gelegten Leiter fitzend, die angebliche Meldung des Generals v. Moltke empfängt: „Ew. Majestät,

wir haben gesiegt." äußerte der hohe Herr: „Merkwürdig, was die Leute von mir wollen. Mir ist absolut nicht er¬ innerlich. daß ich auf oder neben einem toten Schimmel auf einer Leiter an jenem Abend gesessen hätte; solchen Kadavern geht man ja aus dem Wege, so weit man kann." Generaloberst Graf Waldersee, welcher damals in der Dunkelheit des Abends den Sitz für den König mit her¬ gerichtet hatte, bestätigte mir später die Richtigkeit dieser That¬ sache, und Generalfeldmarschall Graf Moltke protestierte energisch gegen die ihm untergelegte Aeußerung: „Ew. Majestät,

Der Feldmarschall selbst erzählte mir: „Einen solchen Unsinn habe ich nicht gesagt, sondern einfach gemeldet: Das 2te (pommersche) Armeecorps ist jetzt endlich (Schluß folgt) eingetroffen."

wir

haben gesiegt."

(8. Fortsetzung.)

Nichts gemahnt mehr an jenes furchtbare Ringen, allein die Berge und Gründe tragen Namen, welche an die blutige Schlacht von Kunersdorf erinnern. Nur, wenn man die Kirche aufsucht, die, ein modernerer Bau, jedenfalls nach dem Kriege errichtet worden ist, stößt man auf ein greifbareres Andenken jenes Krieges, als jene toten Namen es sind. Vor dem Altar nämlich liegt ein Leichenstein mit der Inschrift: „Hier ruht von Heyking, russischer Offizier, gefallen in der Schlacht im August 1759." Fern von der Heimat hat der Russe in deut¬ scher Erde seine letzte Ruhestätte gefunden, einer von den vielen Tausenden, welche der blutige Tag hinwegraffte. Wie mag es kommen, daß sein Grabstein der einzige ist, der bis in die heutige Zeit sich erhalten hat, während so viele andere,

jedenfalls bekanntere Namen verschwunden sind? Und wie kam es, daß gerade seine Leiche in der Kirche bestattet wurde? Noch eine Erinnerung birgt die Kirche. Hinter dem Altar in der halbdunklen Sakristei hängt ein alter Kupferstich aus jenen Tagen. Er stellt einen fast völlig unbekleideten preußischen Offizier dar, der im Vordergründe halb aufgerichtet fitzt und hülfeflehend seine Arme zu einigen Russen emporstrcckt. Das ist Christian Ewald von Kleist, der Sänger des „Frühlings", unter den unzähligen Opfern der furchtbaren Schlacht eines der edelsten. „Ein edler Deutscher", sagt Archenholtz in seiner Geschichte des siebenjährigen Krieges von ihm, „verehrungs¬ würdig durch seinen Charakter, unsterblich durch seine Gesänge; von seinem König wegen seiner Deutschheit verkannt, von seinen Zeitgenossen kalt bewundert, aber gewiß von der späteren Kleist führte ein Bataillon gegen den Nachwelt gepriesen Feind an, und eroberte damit drei Balterieen. Die rechte Hand wird ihm durch eine Kugel zerschmettert; er nimmt den Degen in die linke, und nun rückt er mit seinen Soldaten, die ihn wie ihren Vater liebten, gegen die vierte Batterie los. Ein Kartätschenschuß streckt ihn zu Boden. Er wird aus dem Schlachtgetümmel getragen, in einen Graben gelegt und so

...

Es war grausam gegen ihn. Die Kosaken, den Menschen an Gestalt ähnlich, in allem übrigen aber den Raubtieren aus Lydiens Wüsten gleich, bei denen Rauben. Morden und Brennen gleichsam Instinkt und Mitleid seinem

Schicksal

überlassen.

ein

fremdes Gefühl war,

Park ist an seine Stelle getreten, aber die vornehmsten Denkmäler hat man aus Pietät stehen lasien. Inmitten eines Gitters erhebt sich auch jener Obelisk. Ein Herz, das treu zu Deutschland schlug, ruht dort aus von den Stürmen des

fielen

über den im Blut schwimmenden Kleist her. Sie rissen ihm alles vom Leibe hernnter, selbst das

Blut triefende Hemde, und lag der Held, der Weise, der unsterbliche Dichter des „Früh¬ lings", nackend wie ein Wurm im Morast und wünschte sich Lumpen. Sein Zustand jammerte einige russische Husaren, welche, vorbeiritten; sie warfen ihm einen Mantel, etwas Brot und einen halben Gulden vom

nun

zu.

Lebens. Ans dem höchsten der Judenberge ist ein Aussichtsrurm errichtet, der den Namen des

Dichters

Wunden

Frankfurt

als

ein

wenige Tage nach

drang,

Er starb in Gefangener der Schlacht.

Die Russen gaben ihm ein ehren¬ volles Leichenbegängnis. Viele ihrer Offiziere vereinigten sich mit den akademischen Lehrern und begleiteten den Trauerzug. Der Sarg war ohne Degen. Diesen Mangel zu ersetzen, nahm ein russischer Offizier den seinigeu. ' legte ihn darauf, und nun ging der Weg zum Grabe, „über das Preußens Krieger wehklagten und die deutschen Musen trauerten, das die Barden besangen und gefühlvolle Mädchen mit Rosen bestreuten". Auf dem GerlraudtenKirchhofe zu Frankfurt, an der Stelle, wo einst Tetzel Luthers Schriften verbrannte, fand Kleist seine

letzte Ruhestätte.

das

da

für

das oben .

lassen,

besserer

geschilderte

als die halb¬

der

Kirche

von

wenigen Fremden, die gelegentlich einmal vorüberkommen? Auf ein ganz anderes Gelände führen uns die Schlachten der Befreiungskriege. Südlich der Hauptstadt bilden die Rotte, die ,zur Spree und dem Müggelsee geht, Ruthe, welche bei und die Potsdam in die Havel fließt, nach Osten und Westen zu einen breiten Sumpfgürtel mit sehr

wundet. Dieser schreckliche Zustand aber und das Wasser des Morasts, seine

so

Kunersdorf, wo es unter Staub von und Spinnweben hängt, beachtet als den niemandem

bis zum folgenden Tage in seinem Blute schwimmen. Kleist war schwer, aber nicht tätlich ver¬

in

ein

nicht

sich

Platz

dunkle Sakristei

durch

machten sie tätlich.

Wenn

sollte

Bild finden

Allein andere Kosaken kamen

und nahmen auch diese Almosen weg. Er mußte also nackend und ohne Verband die ganze Nacht

das

trägt.

Andenken des Kleist geehrt wird,

schwierigen

Uebergängen. Uebergänge

Der

führte zu der ersten Schlacht des Jahres 1813 auf märkischer Erde. Südlich und westlich des Dorfes Großbeeren breiten sich heute gewaltige Rieselfelder aus, die im Süden durch die Gens¬ hagener Heide, im Osten durch sumpfige Wiesen ihren Abschluß Dazwischen liegt das finden. Dorf Großbeeren, halb länd¬ lich , halb bereits ein Berliner Vorort, an desien Nordaus¬ gang der etwas erhöhte KirchBesitz

Als der

Hof

dieser

sich

befindet.

Dort erhebt

Krieg vorüber war, errichteten im Jahre 1778 dankbare Hände

sich die in den Jahren 1818—20 nach dem Plane Meister Schinkels

einen Obelisk mit dem Portrait¬ medaillon des Dichters. Längst

zum Andenken an die Schlacht er¬ baute Kirche. Daneben steht das epheuumrankte Haus des Denkmal-

ist der

Kirchhof geschwunden, ein

WoMmsol im Kiestnsaal

von Schloß Wilyelmsbnrg.

*

190

Wärters. Das Denkmal selbst, eine gußeiserne gotische Pyramide, bildet die Mitte des Kirchhofs. Es ist ein einfaches, aber vor¬ nehmes Monument, doch entsprach der Zustand, in welchem es sich befand, als wir es sahen (Herbst 1894), nicht der Würde des Ortes. Die Gräber umher waren eingesunken, Gras und Un¬ kraut wucherten überall, und die Inschrift der Pyramide war ver¬ wischt und unleserlich. Erst vor einiger Zeit ist dem Denkmal da¬ durch ein besseres Aussehen gegeben worden, daß zwei Geschütze ausgestellt sind, welche die Säule flankieren. Gar seltsam mit dem schlecht gehaltenen Monument kontrastierte ein Grabstein in nächster Nähe, der, tadellos in Stand gehalten, besagt, daß ein Zimmermann bei dem Bau der Säule verunglückte und daneben die letzte Ruhestätte fand. Von Großbecren bis Berlin sind es nur zwei Meilen, und die sandige Ebene dazwischen bietet wenig Raum für die Verteidigung der Hauptstadt. Das wußten Napoleons Generale, unb deshalb suchten sie so schnell wie möglich die Uebergänge durch die Sümpfe zu gewinnen. Am 22. August 1813 war es Reynier gelungen, bei Wietstock, 1V2 Meilen südlich von Großbeeren, den Paß zu nehmen. Die Denkmäler dreier bei dem Gefecht gefallener Offiziere und eine zerbrochene Säule mit eigenartigem Helm auf der andern Seile der Straße erinnern an jenes Gefecht. In drei Kolonnen rückten die Franzosen nach Norden gegen Preußens Hauptstadt vor; in der Nutheniederung Oudinot. der das Oberkommando hatte, östlich von Großbeeren Bertrand, in der Mitte Reynier. Der Kommandeur der Nordarmee war der Kronprinz Bernadotle von Schweden, unter ihm standen die beiden preußischen Generale Bülow und Tauenzien. Des ersteren Verhalten den Franzosen gegenüber war höchst zweideutig. So hatte er den Preußen den Befehl gegeben, vor Berlin, und zwar auf den Höhen der Hasenheide und dem Kreuzberg, eine Stellung einzunehmen und den Feind zu erwarten. Für den Fall eines Rückzuges werde bei Moabit eine Brücke geschlagen werden. Damit wäre bei einer Niederlage die Hauptstadt der Rache des Allein Bülow erklärte im Feindes preisgegeben worden. Kriegsrate, seine Knochen sollten eher vor Berlin bleichen, nie

werde man ihn über die Brücke bei Moabit bringen.

So sah eine Kronprinz gezwungen, wenigstens scheinbar sich Stellung vor Berlin einzunehmen. In einer langen Reihe standen seine Truppen, östlich Russen, in der Mitte Schweden, Bei Blankenfelde kam es am Vormittag westlich Preußen. des 23. August zum ersten Kampfe. Nach heißem Ringen wurde Bertrand genötigt umzukehren. Damit war aber noch wenig gewonnen, die Entscheidung lag vielmehr bei Großbeeren. Gegen 3 Uhr nachmittags hatte Reynier mit seinen 15 000 Sachsen, 5000 Franzosen und 68 Geschützen die Genshagener Haide passiert. Eben war er dabei, die Anordnungen für ein Biwak zu geben, das sich zwischen dem Dorfe Großbeeren und dem heutigen Bahnhöfe ausdehnen sollte, da brach von Norden her Bülow mit 30 000 Mann und 84 Geschützen auf ihn los. Mit äußerster Tapferkeit hielten sich die Sachsen, welche das Dorf besetzt hatten, aber ihre Geschütze wurden durch eine schwedische Batterie auf dem rechten Flügel zum Schweigen gebracht. Inzwischen drang von Osten her Borstell vor. Die Gewehre seiner Truppen versagten bei dem furchtbaren Regen¬ wetter. Da kehrten die pommerschen Landwehrleute, denen die Aufgabe zufiel, das Dorf zu nehmen, ihre Gewehre um, und mit dem Rufe: „Dat fluscht (schafft) beter!" schlugen sie auf die Sachsen ein. Nach kurzem Kampfe mußten diese zurück, und nun wurde auch der Mühlberg durch einen Bajonettangriff genommen. Jetzt gab Reynier den Befehl zum Rückzug, der bald in Flucht ausartete. Während Bülow noch mit der Ver¬ folgung beschäftigt war, kam von Oudinot Hilfe. Er hatte den Kanonendonner gehört und schickte seine gesamte Kavallerie, die gerade erschien, als Reynier sich zurückzog. In kurzer Zeit waren die französischen Schwadronen zersprengt, und, da die Neitermassen nach Norden abbogen, so entwickelte sich bei der hereinbrechenden Dunkelheit eine wilde Jagd, die erst bei Heinersdorf endete, als es bereits völlige Nacht war. Mit einem Verluste von 14 Geschützen und 3000 Mann erreichte Reynier Trebbin, wohin ihm Bertrand und bald darauf Oudinot selbst folgten. der

(Schluß folgt.)

Kleine Mitteilungen. Jngcndbricfc

Kaiser

SB

Mieinig J...... Als

hai^yN^Äkexander

eine

sehr

hübsche

Meyer Cohn aus seiner reichen Handschriften-Sammlung eine Anzahl „Briefe Kaiser Wilhelm des Großen aus den Jahren 1811—15 an seinen Bruder, den Prinzen Karl von Preußen" in 200 Exemplaren drucken lassen und mehrere dieser Briefe in autographischer Nachbildung beigefügt. Den alten Kaiser in diesen Briefen als lustigen Knaben und zum Spaß auf¬ gelegten Jüngling sprechen zu hören, hat einen eigenen, rührenden Reiz. Prinz Karl war derjenige Sohn Friedrich Wilhelms III. welcher nach den Jahren unmittelbar hinter dem Prinzen Wilhelm folgte, und nach diesen Briefen zu urteilen, war Prinz Wilhelm in seiner Jugendzeit mit diesem Bruder besonders vertraut Von der Einfachheit und Harmlosig¬ keit des Inhalts mag der erste Brief, der in einer ungelenken KnabenHandschrift autographisch nachgebildet ist, eine Probe geben: „Lieber Karl Ich zeige Dir hiermit an daß Du weiße Lcincwandten Hosen zur Parade mit nach Potsdam nehmen mußt, weil die Parade wahrscheinlich in Weißen Hosen seyn wird. Fritz soll Dir seine Scherpe leihen, hat Papa besohlen. Auch weiße lange tuchen Hosen mußt Du mit nehmen, weil Du sic der Kälte wegen wohl unter den andern ziehen wirst, wie wir es thun. Es wird gepudert. Du auch hat Papa befohlen. Du hast Dich also hier nach zu richten. nachträgliche

Festgabe

Dein Bruder Wilhelm

Berlin den 21. Dezember 1811. An meinen Bruder Karl Hierselbst. Die folgenden Briefe sind aus den Feldzügen von 1813 bis 1815 und teilen dem Bruder allerlei Einzelheiten aus den Erlebnissen des Prinzen Wilhelm mit. Ein Brief aus Paris, 4. April 1814, lautet:

Da wären wir ja in dem großen Sündenpfuhl, wo ich unter solchen Umständen nie her zu kommen glaubte. Ich lege hierbei die Journale, in welchen alles viel detallierter ist, als ich cs Euch schreiben könnte, um so mehr da der Courier in diesem Augenblick abgehet. Die Journale sind sehr wahrhaft. Von dem Jubel bei unserem Einzug macht Mon Besehen haben sich keinen Begriff; ich verweise auf Graf Schwerin. wir die Hauptsachen schon alle, wie die Tuillcrien mit einer orientalischen Pracht, den Louvre, die 1400 lange wunderschöne Bildergallerie, das antiken Kabinet (Apollo und Laokoon waren verpackt), .die Invaliden Anstalt, 1e Jardin des Plantes mit dem Naturalien-Kabinet und wilden lebendigen Thieren. Ein Elephant unter anderm. Das Schloß Luxem¬ burg, Petits Augustins, eine Sammlung von Monumenten und Statuen seit dem 14. Jahrhundert, sehr interessant, das Panteon, das Attestier von Gerard, das Korps Legislatif, Palais Royal in welchem alles alles zu haben ist. Ein andermal mehr, heut keine Zeit mehr. Nein eine sojche Stadt!!! Man kann sich keinen Begriff von machen, Berlin ist mir indeß doch lieber. Napoleon Bonaparte ist abgedankt. Welch eine merkwürdige Zeit!!!!!!! Empfehlung an alles

Dein treuer Bruder

Wilhelm.

Die Merkwürdigkeit der Zeit,

welche den 17 jährigen Prinzen zu sieben Ausrufungszeichen veranlaßte, ist für ihn noch übertroffen worden, als er nach 57 Jahren wieder in Paris einzog.

als „sluäiosus iuris". In Prof. Onckens wird der interessanten Thatsache Er¬ wähnung gethan, daß der greise Herrscher noch im Alter von Kaiser Wilhelm

Festschnfr

I.

*

191

Iahren die Jurisprudenz, die ihm bisher fern gelegen hatte, zu studieren begann. Als 1874 die Reform der Justizoerfassung in Angriff genommen ward, ließ sich Kaiser Wilhelm noch einen Kursus über Ency¬ klopädie der Rechtswissenschaft vortragen. „Gewiß nicht", sagte, er „um die Männer des Fachs zu meistern, aber um die Belehrung über etwaige Bedenken zu verstehen und um doch einen Begriff davon zu haben, was durch meine Unterschrift Gesetzeskraft erhalten soll." Nach dem Tode fand man unter seinen Papieren zahlreiche cngbeschriebene Bogen, bedeckt mit Auszügen, die er sich aus allen Abschnitten der ihm vorgelegten Ent¬ würfe der Justizgesetze gemacht hatte, um in Sinn und Bedeutung der¬ 77

selben

Vließe, angefertigt aus dem Felle eines ostfriesischen Riesenschafes. Das durch Fan nach wie vor ein gesteigertes Interesse entgegen¬ bringen. Ein großes doppelseitiges Bild eOriginalzeichnung von W. Gausee veranschaulicht einen „Empfang im deutschen Botschaftspalais zu Wien". Belebrend und interessant für Landwirte und Geflügelzüchter ist das ganzseitige Bild nebst Text: „Geflügcltypen von der vierten Großen deutsch-nationalen Geflügelausstcllung in Frankfurt (Main', nach der Statur gezeichnet von Rudolf Koch." Zur 160. Wiederkehr des Todestages des alten Dcssaucrs schreibt A v. Winterüld eine interessante Abhandlung, die von den Bildnissen der Fürsten Leopold von AnhaltGroßes Aufsehen machten im Dessau und dessen Gemahlin begleitet ist vorigen Jahre die Kartons d>s in Dresden lebenden deutsch-russischen Malers Sascha Schneider, welche die Illustrierte Zeitung brachte. Jetzt bringt sie wieder drei Kartons desselben eigenartigen Künstlers.

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und der angrenzenden Gebiete.

Unter Mitwirkung von

Köringuier, profeffor Dr. Drerlivr, G. Friedet, Richard George, Fcrd. Werter, Gymiiastaldirektor a. Gr, »st

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herausgegeben von

Friedrich Zillesjen. XXIII. Jahrgang.

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21

April 1897.

Finis Poloniae.

Grundier.

Historischer Roman von C. (15. Fortsetzung.)

S

Graf blieb in seinem Benehmen Karl gegenüber Stets gütig und rücksichtsvoll, ganz unverändert. offenbarte er beim Gespräch während der Tafel oder auf er

Spaziergängen durch den Park immer neue Seiten seines edlen Charakters. Es war klar, er hatte großes Wohl¬ gefallen an seinem jungen Gast gefunden, und er suchte dessen Gesellschaft gern auf. sobald dieser von dem an¬ Nur Arabella strengenden Dienst eine Stunde frei hatte.

hielt

beharrlich zurück. Das verdroß Karl zuletzt auch. Er war sich keines solchen Verstoßes bewußt, der nicht hätte verziehen werden können. Daß diese Zurückhaltung bloß Koketterie sein solle, um ihn zu reizen, konnte er nicht glauben. Was hätte dies auch nützen sollen? Sein Aufbruch konnte täglich, ja stündlich Die erhofften ei folgen, vielleicht aus Nimmerwiedersehen. Folgen eines solchen Spieles wären dann ausgeblieben. sich

in einer Ausdehnung von acht bis zehn Meilen von Sedan bis Passavant und war damals dicht bewaldet, von Bächen, Flüssen, Sümpfen und Abhängen durchschnitten, so daß der Ucbergang auf wenige Pässe beschränkt war. Die beiden wichtigsten waren die von Grand-Pro und von Jsletten. streckte sich

Der Herzog von Braunschweig hatte es versäumt, diese Pässe rechtzeitig zu besetzen. Dagegen war es Dumouriez, der ihre Bedeutung zeitig genug erkannte, gelungen, durch einige forcierte Märsche sie vor den Preußen zu erreichen. „GrandPro und Jsletten." meldete er am 9. September dem Ministerium in Paris, „find unsere Thermopylen, allein ich hoffe, glücklicher zu sein, als Leonidas." Der österreichische General Clairfait hatte sich inzwischen von Süden her der preußischen Armee genähert, ui:d es war beschlossen worden, auf dieser Seile die Argonnen zu um¬ Das Regiment der Ziethen-Husaren hatte Befehl er¬ gehen. sammeln und zu den Oesterreichern zu stoßen. Am Abend vor dem Abmarsch saß Karl einige Augen¬ blicke auf einer kleinen Bank in dem Buschwerk vor dem

Hätte er doch im geheimen sie sehen und beobachten können — wie sie hinter der Gardine stand, wenn er mit elegantem Schwünge vor dem Schlöffe sein Pferd bestieg, wie sie mit bewundernden Blicken jede seiner Bewegungen verfolgte, wie sie die Hände auf die Brust preßte, wenn er in der Ferne ihren Blicken entschwand, und wie sie sich dann trostlos in

halten.

einen Seffel warf. die Augen voll Thränen!

einmal die Stätte, von der er nun bald scheiden sollte, nachdem er so glückliche Stunden dort verlebt hatte. Da hörte er über sich wieder Harfenklänge. Die Fenster des Zimmers standen offen. Bald setzte auch der Gesang wieder ein; er erkannte Arabellas Stimme und konnte jedes Wort deutlich verstehen. Sie sang ein Abschiedslied. Beides,

Er zog sich jetzt ebenfalls auffällig zurück. Nichts mangelte seiner chcvaleresken Höflichkeit, aber das frühere Vertrauen kam nicht mehr hervor, sein Stolz war empfindlich verletzt. Zudem nahm ihn der Dienst mehr als je in Anspruch. Zwischen der preußischen Armee und dem Heere des franzöEr er¬ sichen Generals Dumouriez lag der Argonnenwald.

sich zu

Es hatte die letzten Tage wieder viel geregnet. Der Himmel war mit dunklen Wolken umzogen, und es tropfte noch leise von den Bäumen. Schlöffe.

Er übersah

noch

194 und der tief traurige Text, griffen ihm wunderbar ans Herz. Als sie geendet, vernahm er ein anhaltendes Weinen und herzbrechendes Schluchzen. Da wußte er nicht, wie ihm geschah; er konnte sich nicht mehr halten, stürzte in das Schloß und öffnete leise die Zimmerlhür. Hier sah er Arabella, noch am Fenster fitzend, beide Hände auf die Harfe gestützt und das Gesicht in ihnen geborgen; ihr zarter Körper zuckle unter dem die melancholische Weise

fassungslosen Schluchzen.

Als

sie bei dem Geräusch

aufblickte,

Wer sagt Ihnen denn, daß Wert lege?"

nicht zürnen!"

„Ich zürne Ihnen nicht." „Womit habe ich Sie unwissentlich beleidigt? Ich Ihnen bei meiner Ehre,

schwöre

alle meine Wünsche allein aus Ihr Wohlergehen gerichtet find, und daß ich ewig dieser glück¬ lichen Stunden, die ich in Ihrer Nähe verweilen durfte, ge¬ denken werde." „Nein, nein, das ist es nicht — ich kann es Ihnen daß

nicht sagen."

„Schon in wenigen Tagen werde ich den Feinden gegen¬ Vielleicht hat es der Himmel beschlossen, daß ich

überstehen.

nicht zurückkehre



„Ach Gott, ach Gott!" „Und wenn ich meinen Mut mit dem Tode besiegeln muß, meine brechenden Augen werden nur Bild noch sehen, und meine sterbenden „Hören Sie auf! Sprechen Sie nicht so! Ich werde täglich zum Himmel beten, daß er Sie gesund zurückführe." „Ist das wahr? Sie empfinden also wirklich etwas von Teilnahme für mich? Oh. dann ist es gut, dann kann mich das Glück nicht verlassen! Arabella, hören Sie es, in dieser heiligen Scheidestunde hören Sie es! Es ist vielleicht die letzte Unterredung, die wir in diesem Leben haben, aber ich könnte nicht ins Jenseits gehen, ohne es Ihnen gesagt zu haben. Sie allein füllen meine ganze Seele aus, Ihr Bild verläßt mich nicht bei Tage, nicht bei Nacht. Arabella, ich liebe Sie. grenzenlos, wenn auch ohne Hoffnung!" Er ließ sich auf einen Sessel nieder und bedeckte das Gesicht mit beiden Händen.

Lippen-"

Ihr

„Aber, mein Freund, warum gleich so verzweifelt?" begann Arabella sanft. „Sie können doch. ja. ich fühle es. Sie werden glücklich zurückkehren, und dann —"

„Was meinen Sie? Und dann?" „Könnten wir uns doch noch einmal wiedersehen!" — „Ja. das könnten wir! Aber hieße das nicht meinen Schmerz erneuern, verdoppeln? Was könnte ich Ihnen sein? Sie, die hochgeborene, vornehme Gräfin, und märkische Landedelmann!"

ich, der arme

auf Titel und Reichtum

„Nun, das behaupte ich auch nicht gerade. Aber wenn mir nicht gelingen könnte, Ihre Liebe zu erringen, so wäre alles andere, was das Leben mir auch bieten möchte, leerer Schein — Seifenblasen, nach denen es sich nicht der Mühe verlohnt, die es

Hand auszustrecken!" Da ging ein freudiger Schimmer, trotz der Thränen, die noch in ihren Augen glänzten, über Arabellas Gesicht.

trat Karl auf

sie zu und sagte mit tiefer Bewegung: „Verzeihen Sie. gnädigste Gräfin, mein unbefugtes Ein¬ dringen! Allein ich hörte Sie weinen, und da konnte ich — mußte ich — bitte nochmals, verzeihen Sie mir!" „Mein Herr, was berechtigt Sie" — „Ich gestehe ja meine Taktlosigkeit, allein — wenn Sie wüßten, wie mir zu Mute ist!. Ihr Benehmen gegen mich war in den letzten Tagen so ganz anders als zuerst. Sie verhielten sich so kalt und abweisend, daß ich mit Be¬ stimmtheit annehmen mußte, ich habe Sie verletzt. Ich stehe nun kurz vor dem Abschied. Sagen Sie mir. worin ich gefehlt habe, und gönnen Sir mir den Trost, daß Sie mir

ich

„So?

Sind Sie

dessen

so

gewiß, daß Sie niemals

meine Liebe gewinnen können?"

„Wie? was? Arabella!

„Ja, Karl! Vertrauen die Heiligkeit dieser

Sie? —" Vertrauen! Auch ich fühle Damit reichte Sie ihm beide

gegen

Stunde."

Hände, und ihren Lippen entrang sich das Geständnis: „Ich habe Sie ja geliebt vom ersten Augenblicke an. da ich Sie sah."

„Arabella!

Jst's möglich!?

Und Sie konnten mich

so

quälen?"

„Dafür will konnte

ich

jetzt

Sie

die treue Wahrhaftigkeit

um Verzeihung bitten. Ich Liebe kaum erhoffen.

Ihrer

Wir

kannten uns ja erst so kurze Zeit, kaum einen Tag. Wer stand mir dafür ein, daß es nicht eine bloße Laune, eine vorübergehende Neigung war, die Sie zu mir hinzog, daß Sie nicht bloß deshalb auf schnelle Eroberung ausgingen, um sich hier ein paar angenehme Tage zu machen? Sehen Sie, Karl, und dafür hielt ich mich für zu gui!"

„Aber, Arabella!" „Jetzt haben Sie die Probe bestanden. Die paar Tage des Zweifels lassen Sie sich nicht leid sein. Ihr ganzes Ver¬ halten. Ihr edler Manncsstolz meiner Kälte gegenüber hat mir die Ueberzeugung verschafft, daß Ihre Liebe echt ist. Und daß Sie mir dieselbe in dieser Abschied¬ stunde. da wir uns möglicherweise zum letzten Male sehen, zu erkennen gegeben haben, und auch ich Ihnen die meine gestehen durfte, betrachte ich als ein unverdientes Glück."

„Wie aber, wenn sich diese Gelegenheit nicht gefunden hätte?" „Wenn Sie stark genug liebten, so. wie ich es beanspruche, so wären Sie doch wiedergekommen, sobald Ihre Verhältnisse es erlaubten. Wenn aber der Himmel beschlossen halte, uns durch den Tod zu trennen, so durfte ich wenigsteris um Sie weinen!" Damit schlang sie beide Arme um seinen Hals und küßte ihn unter strömenden Thränen. Karl hielt

in sprachlosem Entzücken fest umschlungen. Sie machte sich zuerst los und sagte: „Nun ist's genug, mein Freund! Das war unser Verlobungskuß fürs Leben. Das weitere steht in Gottes Hand. Was hilft es, Zukuuftspläne zu schmieden, wo alles noch im Ungewissen steht!? Ich folge Ihnen, wohin es auch sei. Ich hoffe, mein Vater wird Ihnen meine Hand nicht verweigern, wenn Sre ihn darum bitten, dazu hat er mich viel zu lieb!" „Mein geliebtes Mädchen, der Himmel muß es ganz be¬ sonders gut mit mir meinen, daß er mir ein so unverdientes Glück in den Schoß wirft!" Da hörten sie ein Geräusch unter dem Fenster. Karl sie

hinaus, und wieder huschte eine dunkle Gestalt durch die und verschwand hinter dem Schlosse. Gleichzeitig näherten sich Schritte der Thür, und der Graf be¬ trat das Zimmer seiner Tochter, nachdem er zuvor angeklopft hatte.

sah

Büsche

„Wir

Papa,"

195

Arabella von Krummensee muß uns

Torgauer Marsch, zum Andenken an den Ehrentag des Regiments. Der Oberst sprengte auf den Grafen zu, um ihm für die gute Aufnahme, welche seine Husaren bei ihm gefunden

„Wie? Was? Schon so bald?" „Jawohl! Ich war vorhin, als ich von Verdun kam, an Ihrem Zimmer, allein Sie waren nicht sichtbar." „Ich war nach dem Forsthause gegangen. Also morgen Das ist schade, wir hatten uns so brechen Sie schon auf?

hatten, zu danken. Hierdurch hatte Karl Gelegenheit, nochmals ein paar Worte mit Arabella zu wechseln. Dann sprengte er, den Säbel zum Gruße senkend, an der Seite des Obersten

haben Abschied genommen,

mit ruhiger Stimme.

„Herr

sagte

morgen verlassen."

in einander eingelebt." „Des Soldaten Los ist, nicht lange an einem Orte zu verweilen. Ich muß es als eine besondere Gunst des Schicksals preisen, daß mir gestattet war, so lange an einem Ort und gerade hier mich aufzuhalten. Nie wird das An¬ schön

denken an

Ihre Güte und

die schönen Tage, die ich hier ver¬

lebt habe, meinem Gedächtnisse entschwinden." „Nun. nun. wir haben nur gethan, was unser Herz uns

Aber

eingab und die Pflicht uns vorschrieb.

schade,

wirklich

schade!"

„Von der gnädigen Comtesie Von Ihnen hoffte verabschiedet.

habe

ich

mich

soeben

im

Laufe des Denn wir Abends oder morgen früh thun zu können. rücken sehr früh aus, zu einer Stunde, da Comtesse jedenfalls Immerhin hoffe ich. Sie en passant noch der Ruhe pflegt. können, wenn nämlich das einmal grüßen zu noch zieht und Sie vorüber Regiment hier sich die Mühe nehmen wollen, das kurze Stück bis an die Landstraße zu kommen. Jetzt aber bitte ich, mich gütigst zu entschuldigen, denn ich ich

es

habe noch vieles zu besorgen."

„Gott

Ihr

Werk gelingen!" sagte der Graf, indem Hände reichte. er ihm beide „Ich hoffe. Sie doch noch auf lasse

Zeit zu sehen." „Gott nehme Sie in seinen allmächtigen Schutz!" wünschte ihm auch Fräulein de Plessis, die inzwischen ebenfalls ein¬ getreten war. „Auf Wiedersehen!" flüsterte Arabella, indem sie ihm die Hand reichte. Daß ihre Hand länger als sonst in der seinen verweilte und der Handkuß länger ausfiel als üblich, fiel niemandem auf. — kurze

Christian war ganz untröstlich, als er von dem Aufbruch hörte. So gut wie hier hatte er es in seinem ganzen Leben noch nicht gehabt.

Das Regiment Ziethen-Hitsaren war auf einer Wiese aufmarschiert. Karl war mit seinem Zuge Tagesgrauen von Monrcpos aufgebrochen. ersten schon beim Trotz der frühen Stunde hatte sich die Gardine an Arabellas Schlafzimmer auf eine Minute verschoben, und dazwischen halte sich ein dunkles Köpfchen gezeigt, das Gruß und Kuß zum diesseits Verdun

Abschied herniederwinkle.

davon.

Als in

der schier endlosen Reihe der Reiter

Karls Zug

Burschen Hurrah!

und warfen ihre Pelzmützen in die Luft; die Bauern liefen auf die Bekannten zu und schüttelten ihnen die Hände, und manches Mägdlein wischte sich mit der Schürze die Augen. Den Schluß machten die Osfiziersburfchen mit den hoch¬ herankam,

schrieen

die

bepackten Handpferden,

Gepäck-,

Proviant- und Munitions¬

wagen, der Feldschmiede, dem Medizinwagen und dem ganzen

Troß, der im Felde unvermeidlich ist. Als der Zug vorüber war, fühlte Fräulein de Plessis etwas Schweres an ihrer rechten Schulter. Arabella lehnte, weiß wie die Wand. ohnmächtig an ihr. Sie wollte aufschreien, aber schon war Arabella wieder zu sich gekommen und schlug die Augen auf. „Was ist Ihnen mein Kind? Was bedeutet das?" „Das bedeutet, daß ich Herrn von Krummensee heiraten werde, sobald der Krieg zu Ende ist." erwiderte Arabella ruhig. Sie brauchen es aber noch niemand zu sagen." (Fortsetzung folgt.)

M

Gedächtnisfeier des 100. Geburts¬ Rede tages weiland Kaiser Withetms des Großen SM 22 .

März

1897

in der Hochschule für die bildenden Künste von A. von Werner.

(Schluß.)

Wie eingehend der Kaiser arbeitete, wie sein Auge überall war, beweist ein kleiner Vorfall aus dem Jahre 1878. Ich hatte als Generalkommissar die Einrichtung der deutschen Kuustabteilung auf der Pariser Weltausstellung zu leiten, und der Kaiser ließ sich die Listen mit den Namen der Aussteller und ihrer Werke zur Prüfung einreichen und kontrollierte sie sorgfältig. Eines Tages erhielt ich die Aufforderung, darüber zu berichten, ob die Maler Crola und Burnier in Düsseldorf Des Kaisers feines Taktgefühl auch wirklich Deutsche seien. daß bei dieser Gelegenheit in Paris dagegen, sträubte sich etwa Künstcr mit ausstellen könnten, welche, wenngleich in Deutschland ansässig, doch nicht wirklich Deutsche waren. Daß der Kaiser übrigens die Gesamtkosten dieser deutschen Kunstabteilung aus seinen Mitteln bestritt, trotzdem es sich um eine Reichsangelegenheit handelte, ist wohl bis heute nicht

Da Karl alle Wege in der ganzen Gegend auf stunden¬ Entfernung genau kannte, so mußte er als Führer dienen und ritt an der linke» Seile des Obersten dem Regimen! voraus, als dieses in der Nähe von Monrepos vor¬

bekannt geworden. Als der Kaiser nach seiner Genesung von den Wunden

bei kam.

gehörte. sprach er in eingehendster und anmutlgster Weise seine Freude und seine Genugthuung über den Erfolg aus,

weite

Trotz kühlen Nordwestwindes und einzelner Regenschauer hatte sich fast die ganze Bewohnerschaft des Dörfchens dort ein¬ gefunden, wo der Weg aus dem Dorfe auf vie Landstraße stieß. Auch der Graf war zu Pferde und Arabella mit ihrer Gesell¬ Als das schafterin in leichtem Jagdwagen erschienen. Regiment in Sicht kam, schmetterten die Trompeten den

des Nobilingschen

Attentates eine Deputation des Senates

der Akadeinie am 9. Dezember 1878 empfing, welcher ich an¬

Paris gehabt hatte. Bei historischen Bilvern ging dem Kaiser die historische Wahrheit und Nichtigkeit des dargestellten Vorganges trotz aller Konzessionen, welche er dem Künstler sonst zu machen geneigt war. über alles. welchen die deutsche Kunstabteilung in

196

Ein Beispiel dafür ist ein Vorgang, bei welchem ich zugegen war, als der Kaiser im November 1882 die ersten, bis dahin fertig gestellten Wandgemälde in der Ruhmeshalle besichtigte. Sein besonderes Interesse erregte Professor G. Bleibtreus Wandgemälde, welches die nationale Erhebung von 1813 verherrlicht. Der Künstler hatte den Moment der Truppenrevue bei Breslau gewählt, in welchem König Friedrich Wilhelm III., begleitet von Blücher, in der Mitte seines Volkes und der ihn jubelnd begrüßenden Freiwilligen erscheint, und er hatte in künstlerischer Zusammenfassung der großen Be¬ wegung jener Tage auch die volkstümlichsten Männer der¬ selben, wie Theodor Körner. Jahn und Friesen, auf dem Bilde angebracht, obgleich vielleicht nicht alle gerade bei dieser Revue zugegen gewesen waren.

Nach aufmerksamer Betrach¬

der Kaiser

an

den Kriegs¬

tung des Geniäldes wandte sich minister von Kameke mit der überraschenden Frage: „Wo ist denn der Kaiser von Rußland?" Der Kriegsminister beant¬ wortete die Frage dahin, daß der Künstler, um die volks¬ tümliche Gestalt Blüchers anbringen zu können, den Moment

gewählt habe, als der Kaiser von Rußland das Revueseld bereits verlassen halte. Darauf erwiederte der Kaiser: „Das ist nicht richtig. Ich erinnere mich ganz genau, daß ich mit dem hochseligen König und dem Kaiser von Rußland zusammen damals nach Breslau zurückgeritten bin, und Blücher war überhaupt gar nicht dabei. Wir verdanken dem Kaiser Alexander so viel, daß er jedenfalls bei dieser Gelegenheit dargestellt werden muß. Veranlassen Sie den Künstler, daß er an Stelle Blüchers den Kaiser von Rußland mall!" Mich überlief bei diesen Worten ein Schauer der Ehr¬ furcht bei dem Gedanken, daß der Mann, welcher sich dieses geringfügigen Vorganges aus seinem reichbewcgten L:ben noch nach 70 Jahren genau erinnerte und ihn mit weiteren Details schilderte, da leibhaftig in vollster körperlicher und geistiger Frische und doch schon als historische Persönlichkeit vor mir stand. Der Kriegsminister versuchte, Blücher zu retten, und wies darauf hin, daß eine solche eingreifende Aenderung möglicherweise das Abschlagen des Kalkputzes und die Her¬ stellung eines neuen Malgrundes zur Folge haben könnte. Der Kaiser erwiederte lächelnd: „Vorläufig kann aus Blücher ja mal erst der Kaiser von Rußland gemacht werden. Wenn die Farbe sich dann nicht als haltbar

erweist,

so

kann

der

Wandputz ja immer noch ^untergeschlagen werden!" — Nur eines Falles erinnere ich mich, in welchem der Kaiser von seiner strengen Auffassung in Bezug auf historische Treue und Richtigkeit abgewichen ist. Das war, als ich die kleine Wiederholung der Kaiserproklamation, wie sie sich als Wandbild im Zeughaus befindet, im Allerhöchsten Auf¬ träge malte. Das Bild war als Geschenk des Kaisers und der Prinzen des Königshauses für den Fürsten Bismarck zu desien 70. Geburtstag im Jahre 1885 bestimmt, und der Kaiser hatte besohlen, daß auf demselben der Generalfeld¬ marschall Graf Roon angebracht würde, obgleich derselbe der Feierlichkeit am 18. Januar 1871 in der Spiegelgalerie des Versailler Königschlosses persönlich nicht beigewohnt hatte.

von der sonst vom Kaiser bevorzugten chronistischen Richtigkeit war zweifellos die Hochschätzung des Mannes, an welchen er sich in der denkwürdigen Ansprache am Abend nach der Schlacht von Sedan in erster Reihe mit den Worten wandte:

Der Beweggrund

für

diese Abweichung

„Sie. Kriegsminister von Roon haben unser Schwert geschärft; Sie, General von Molike, haben es geleitet, und Sie, Graf Bismarck haben seit Jahren durch die Leitung der Politik Preußen auf seinen jetzigen Höhepunkt gebracht." Begreiflicherweise hatte der Kaiser ein besonderes Interesse Darstellungen und schätzte hier die einfache militärische für historische Nichtigkeit unter Beiseitelassen aller Pose und Phrase

Ich hatte Gelegenheit, dies zu beobachten, als Herr das Sedan-Panorama am Eröffnungstage, am 2. September 1883, und zu Pfingsten 1884 mit seinem Vor allem fand die Richtigkeit in der WiederBesuche beehrte. am meisten.

der

hohe

gäbe des gewählten Momentes der Schlacht und des Schlacht¬

feldes seinen Beifall. Er verfolgte im

lebhaften

Gespräch

mit Generalfeld¬

marschall Graf Moltke auf dem Bilde den Weg, welchen er nach der Schlacht zur Besichtigung der Stellungen und zur Begrüßung der Truppen geritten war, und wurde in der

Erinnerung an jene Tage so warm und mitteilsam, daß er mir außerordentlich lebendig und drastisch, seine Erzählung durch Gesten illustrierend, den Moment schilderte, als General Reille den bekannten Brief Napoleons übergab. Diese Schil¬ derung der Szene hat mir zur Grundlage für das DioramaBild gedient, welches ich unmittelbar darauf malte. Die herzgewinnende Freundlichkeit des Kaisers und eine gewisse anmutsvolle Verbindlichkeit in seiner Art zu sprechen und in seinen Handbewegungen hatte etwas geradezu Be¬ zauberndes. Im Jahre 1880 hatte ich die Ehre, gleichzeitig mit den Professoren Neinhold Begas und Johannes Schilling einige Vormittage Porträtstudien Sr. Majestät machen zu dürfen, und es ist mir der Augenblick unvergeßlich, wie der Kaiser ins Zimmer trat und mit unnachahmlicher Grazie uns lächelnd mit den Worten begrüßte: „Ah, meine Herren, eine ganze Akademie will sich mit meiner armen Person be¬ schäftigen."

Es dürfte noch in frischer Erinnerung sein, wie der Kaiser gelegentlich der Eröffnung der akademischen Jubiläums¬ ausstellung im Jahre 1886 auf die Ansprache des Kronprinzen in improvisierter Rede antwortete und darauf hinwies, wie auch bei dieser Gelegenheit das hellleuchtende Bild seines großen Ahnherrn Friedrich uns entgegen träte, der mit offenem Auge und hellem Blick stets erkannt habe, was zum Wohle „Alles, was wir Großes und des Vaterlandes frommte. sagte er, „ist auf dem bewundern," Lande unserm heute in Gutes

Fundamente aufgebaut, das er gelegt hat; überall, wo er seine Hand anlegte, entstand ein Werk, das den Dank der Nachwelt verdient."

Mit denselben Worten, meine Herren, feiern wir heute Kaiser Wilhelms des Großen Gedächtnis, und was er von seinem großen Ahnherrn damals sagte, paßt im vollsten Um¬ fange auf ihn selbst. — Das Jahr 1887 führte mich zweimal in künstlerischen Angelegenheiten zum Kaiser, einmal im Juli wegen des Lessingdenkmals und später in Baden-Baden am 14. 15. und 16. Oktober.

Entwurf zum Lesfing-Denkmal, welcher im Kaiserlichen Palais aufgestellt war, wünschte der Kaiser meine Ueber den

Erläuterungen (ich gehörte dem Denkmal-Komitee an), da er mancherlei Bedenken dagegen hatte, auf welche er auch in längerer Unterredung mit mir in Baden-Baden zurückkam.

TT .

Oürdlicher Vgvillon de^ RsiserdenlrmalK auf der Schloßfreiheit mit der Quadriga vou JohsnneK Gütz.

—— Vor allem

in der Ausschmückung in der Skizze statt der jetzigen beiden Brunnenbecken u. a. Kränze und Palmen in größerer Anzahl angebracht waren; außerdem lagerte ein Sphinx ans den Postamenlstufen der Vorderseite. Der Kaiser machte dazu wünschte er größere Einfachheit

des Postaments, an welchem

die Bemerkung:

„Das

ist überlüden.

Ein

Lorbeerkranz für

wirkt vornehmer, als diese Menge. Und dann, was bedeutet die Sphinx auf den Stufen?" Ich suchte ihre Berechtigung als symbolische Darstellung des Welt¬ oder Lebensiätsels zu deuten. Der Kaiser erwiderte darauf lächelnd: „Na, dann wird sie wohl auch für viele ein Räisel bleiben, und es ist besser, sie bleibt fort." In einer anderen Unterhaltung in jenen Tagen äußerte der Kaiser, daß er aus der damaligen (1887) Berliner Kunst¬ ausstellung nichts Markantes gefunden habe. Ich erlaubte mir, den hohen Herrn auf die damals ausgestellten Arbeiten der Berliner Bildhauerschule aufmerksam zu machen, besonders auf die Reiterstatuen Professor Sicmerings für das Sieges¬ denkmal in Leipzig und auf des Kaisers eigene Statue von dem inzwischen verstorbenen Bildhauer Bärwald, deren er sich Mit großer Lebhaftigkeit ging er auf auch genau erinnerte. den Dichter ist genug, das

dies Thema ein, und ich mußte ihm eine genaue Beschreibung des Leipziger Siegesdenkmals geben, so weit mir die einzelnen Teile bekannt waren. Meine schriftlichen Aufzeichnungen dieser Unterredungen zeigen mehrmals die Notiz: „Der Kaiser sehr

eingehend," „große Aufmerksamkeit des Kaisers." Der damals 90jährige hohe Herr erging sich in seinen Betrachtungen auch über andere Werke der Skulptur, sprach mit besonderer Anerkennung von Cchapers Goethedenkmal und kam auch zu einem Vergleich zwischen Rauchs Denkmal

Friedrichs des Großen und Professor Sicmerings Sieges¬ denkmal, wozu ihn zunächst der Umstand anregte, daß auf beiden Denkmälern am Postament 4 Reiterstatuen von Heer¬ führern angebracht finv, die krönende Hauptfigur des Leipziger Siegesdenkmals aber die Germania ist. Eine Weile in Ge¬ danken versunken, sagte er dann plötzlich sinnend — und es erschien mir, als ob inzwischen in seinem Geiste Vorstellungen über das Denkmal vorübergezogen wären, welches ihm selbst in der Reichshauptstadt einst errichtet werden würde: „Ja, ja, mit dem großen König war das anders, der war die Seele von allem und überall die Hauptperson, da ist das ganz richtig, wenn alle seine Leute unten am Postament angebracht sind." Es dürfte vermessen oder ungehörig erscheinen. Ge¬ danken, welche nicht ansgesprochen sind, zu deuten, aber ich glaube nicht zu irren, wenn ich annehme, daß der Kaiser in diesem Augenblicke an sich selbst gedacht hat, in seiner rührenden Bescheidenheit aber und in seiner Verehrung für Friedrich den Großen seine eigene Bedeutung und seinen Einfluß auf seine Zeit, trotz der sichtbaren Erfolge seiner Lebensarbeit, unterschätzt hat.

sein

Er trat für seine Person ja stets gern zurück und schätzte Thun gering. Aber jedem seiner Mitarbeit:: und Mit¬

kämpfer wollte der Kaiser seinen wohlerworbenen Platz im Gedächtnis der Nachwelt sicher», und so hatte er schon 1875,

als ihm ein Projekt für den Neubau eines Kunstausstellungs' Gebäudes auf dem Alsenplatz vorgelegt wurde, beim Empfange der Deputation der Akademie geäußert: „Diesen Platz habe ich allerdings für die Denkmäler der Generäle des letzten Krieges bestimmt, aber" — fügte er lächelnd hinzu, „ich werde für Ihr Projekt eine schlaflose Nacht opfern."

198 Heute, meine Herren, haben wir das Denkmal des großen Helden und Kaisers, Meister Reinhold Begas' gewaltige Schöpfung, enthüllt, ein Denkmal, größer und mächtiger, als der hochselige Herr es je für sich erwartet hätte. Aber der Nachwelt gebührt das Recht des Urteilsspruches über historische Persönlichkeiten, und über Kaiser Wilhelm wird es lauten: Kein Denkmal für ihn rst groß und gewaltig genug, um der Größe seines Charakters und der Arbeit zu entsprechen, welche er für uns vollbracht hat. keines kann so hinreißend schön und

prächtig sein, um dem voll zu entsprechen, welches er sich im Herzen seines Volkes durch seine Tugenden selbst errichtet hat. Kaiser und König jeder Zoll an ihm, war er doch ein Mensch unter Menschen, und sein warmes Herz schlug für jeden seiner Mitbürger ohne Unterschied des Standes, des Ranges und der Konfession. Sein eisernes Pflichtgefühl war ohnegleichen, seine Anerkennung der Verdienste anderer aber und seine Dankbarkeit waren unbegrenzt. Haß, Neid, ja auch nur Verstimmung und Unfreundlichkeit hatten keinen Platz in seiner reinen Seele.

als den Helden der Schlachten bewundern wir in ihm den Helden der Arbeit und des Fleißes, welcher auch im höchsten Alter nicht verschmähte zu lernen und zu studieren wie ein Jüngling, und welcher auf seinem Sterbelager noch das schöne Wort sprechen konnte: „Ich habe keine Zeit, müde So, in lichtvoller Erhabenheit, glänzend durch ihre zu sein!" Tugenden, wird die hehre Heldengestalt Kaiser Wilhelms des Großen im Gedächtnis der Nachwelt fortleben, und wenn es noch etwas giebt, was mir als das Größte an Ihm preisen wollten, so würde es das sein, daß er zu dem Beinamen „Der Große", welchen ihm die Nachwelt beilegte, mißbilligend,

Mehr

noch

kopfschüttelnd gesagt haben würde, wenn es zu seinen Lebzeiten geschehen wäre: „Nein, nein, nicht mir, nur Gott die Ehre, ich

war nur ein Werkzeug in seiner Hand."

Jur wissenschaftlichen Theater der Urania kommt jetzt der Vortrag „Der Kampf um den Nord¬ pol" von Dir. Wilhelm Mcyer zur Vorführung. Es ist dies das dritte große Ausstattungsstück, welches in dem neuen Gebäude in der Taubenstraße aufgeführt wird. Die Novität scenisch ausgestattete

sich

der Reise

„Ausflug

nach dem

schließ!

an. die

„Der Kampf um zweite

deutsche

„Durch den Gotthard" und dem Monde" inhalilich und scenisch würdig Nordpol" biingt zur Darstellung: Noidfahrt vom 15. Juni 1869 bis den

die österreichisch-ungarische Expedition vom 13. Juni 1842 bis 3. September 1874 unter Payer und die jüngste Nordpolfahrt unter Nansen. Die erste Scene versetzt den Zuschauer mitten hinein in die arktische Welt: sie stellt Upernivik dar, die nördlichste Ansiedelung der Welt. Im Hintergründe dehnt sich das ver¬

11. September 1870,



gletscherte Festland aus, im Vordergründe liegen die Sommer¬ wohnungen der Eskimos, die vor ihnen im Sonnenschein lagern. Die zweite Scene führt bereits zu den kühnen Nord¬ polfahrern, die am 15. Juni 1869 Bremerhaven unter Führung des Kapitäns Koldewey verlassen haben, begleitet von den

persönlich anwesenden Königs Wilhelm. laviert die „Germania" zwischen Eisbergen; Im Vordergründe das zweite Schiff der Expedition, die „Hansa", erscheint ganz Glückwünschen

des

199

hinten und verschwindet mehr und mehr im Nebel, der beide Fahrzeuge auf Nimmerwiedersehen trennt. Die dritte Scene zeigt die „Hansa" im Eise und ihren Untergang in demselben, ein Bild von wahrhaft erschütternder Wirkung. Scholle auf Scholle schiebt sich übereinander und rennt mit furchtbarem Getöse gegen die zitternden, ächzenden Flanken des Schiffes, um es zu zerdrücken. Die Balken und Wände des schwimmenden Hauses, welches das Häuflein kühner Männer bis hierher trug, krümmen und bäumen sich, ein unheimliches Stöhnen und Wimmern geht durch seinen hölzernen Leib. Mit fürchterlichem Krachen bricht hier ein Balken, reißt dort eine Wand durch, die nicht mehr widerstehen konnte. Das Schiff ist leck ge¬ worden, eisiges Wasser dringt vom Kielraum immer höher herauf und treibt die Unglücklichen an die Pumpen. Eitles Bemühen! Bis zur gänzlichen Erschöpfung müssen alle Mann arbeiten, um nur die nötigsten Dinge, Proviant, Kohlen auf die Scholle zu retten. Da, für einen Augenblick scheint es. als ob das Schiff sich noch loswinden wolle aus der Todes¬ umarmung des Eises. Eine Scholle hat sich mit ungeheurer Gewalt unter dasselbe geschoben und hebt es nun auf der einen Seite empor, es aus der fürchterlichen Pressung be¬ freiend. Plötzlich gerät das Wrack in abermalige Bewegung. Langsam. langsam und lautlos, wie man einen Sarg in die Erde senkt, gleitet es tiefer und tiefer. Noch ein leises Gurgeln und Stöhnen, und es ist verschwunden in den dunklen Fluten. Dem Kapitän und seinen Gefährten durchschneidet es die Seele.

Die Schicksale der Hansaleute auf der Eisscholle ver¬ folgenden Bilder. Die Scholle maß zwei Seemeilen und war 15 Meter dick; aus den für die „Germania" mitgenommenen Briquettes bauten sich die 14 Schiffbrüchigen ein Haus in den Dimensionen eines größeren Zimmers, Wasser und Schnee bildeten bei 20 Grad Kälte einen vortrefflichen Mörtel. Das Dach aus Segeltuch erhielt bald durch eine dicke Schneedecke vom Himmel einen anschaulichen die beiden

wärmenden Mantel. Langsam, entsetzlich langsam, aber Gott¬ lob nach Süden, trieb das Eisfeld mit den Männern weiter. Am 19. Oktober war die „Hansa" unter 71 Gr. Breite

wir

Mannschaft in ihrem Kohlcnein wehmütiger Anblick. Schwebten die Unglücklichen doch beständig zwischen Todesfurcht und neuer Hoffnung. Am 15. Januar 1870 barst die Eisscholle mitten unter der Hütte durch: ein kleineres Haus wurde aus den Trümmern des alten errichtet. 87 Tage hatte sie das alte Haus beherbergt; unter den neuen verschlimmerten Verhäliniffen sollten sie noch 113 Tage ausharren. Immer kleiner wurde die erst meilenweite Scholle, mit 360 Schritten konnte man sie schließlich durchmeffen. Anfang Mai 1870 war die Scholle bis gegen die Südspitze von Grönland getrieben worden; sie hatte in 200 Tagen keinen größeren Weg als den von Berlin bis Konstantinopel zurückgelegt. Die grönländische Küste hatten die Schiffbrüchigen oft erblickt, hatten es aber nicht gewagt, ihr gefährliches Fahrzeug zu verlaffen. Erst an der Südspitze Grönlands bestiegen sie ihre drei Netlungsboote, die sie in 25 bösen Tagen an die Küste und an die erste menschliche Wohnstätte, die Misfionsstation Friedrichsthal, brachten. Gerettet! Alle waren wohlbehalten, bis auf einen, dem die andauernde Todesangst der 200tägigen Schollenfahrt den Geist gestört halte. Am Sedantage betraten die kühnen Hansamänner wieder den deutschen Boden gesunken;

hause

sehen die gerettete

Weihnachten

feiern



und

auf

hörten nun zuerst von den deutschen Großthaten blutgetränkten Schlachtfeldern Frankreichs. Am

den

lief auch die „Germania" in den Jade¬ war glücklicher gewesen als die „Hansa" und busen ein; sie hatte den Kaiser Franz Joseph-Fjord entdeckt, den das Schlu߬ bild des ersten Aktes vorführt. Dieser Fjord wird bei hellem 11 . September 1870

Sonnenschein und bei Untergangsstimmung gezeigt; er versetzt in ein wundervolles arktisches Alpenland, in eine in das

Meer

versunkene

Schweiz,

deren

Großartigkeit

jeder

Be¬

schreibung spottet.

Der zweite Akt des Ausstattungsstückes schildert in Wort Bild die österreichisch - ungarische NordpolExpedition Papers. Bon großartiger Wirkung ist nament¬ lich die Scene, welche die lange Wintcrnacht veranschaulicht. Man übersieht einen größeren Teil der gewaltigen Eisscholle, in welcher der mit dem Winterdach überspannte „Tegcthoff" festliegt. Zum letzten Male streift der bluiigrote Sonnen¬ ball am Horizont im Süden hin: morgen und die nächsten In Minuten zieht an Monate wird er nicht wiederkehren. dem Zuschauer vorüber, was in Wirklichkeit Tage und Wochen dauert; die Dämmerung, die so lange währt, bis der Sonnen¬ ball I 8 V2 Grad unter den Horizont gesunken ist; dann das zarte Orangelicht im Süden, „grünlich umsäumt, scharf vom dunklen Himmel, noch schärfer vom Horizont begrenzt;" dann zaubert der Mond eine Reihe reizvoller Bilder auf die in starrer Eisruhe liegende Polarnacht; endlich erhebt sich das Nord¬ licht über den südlichen Horizont, das wunderbarste aller Phänome der Polarzone. Alle diese Naturerscheinungen werden mit so vollendeter Technik vorgeführt, daß der Zuschauer tief ergriffen wird von der eben so großartigen wie schrecklichen „Keine Gewohnheit", so schildert Payer seine Polarnacht. Empfindungen, „söhnt den Kulturmenschen mit der dunklen Einöde aus; ewig fühlt er sich als Fremdling in einem Klima, gegen das er ohne Unterlaß zu kämpfen hat, und welches nur wenigen Tieren und solchen Menschen eine Heimat ist, die, ihr Dasein unter Essen und Trinken verbringend, die Erinnerung an eine bessere Existenz nicht kennen." — Ueberwältigend schöne Bilder von der Payerschen Expedition geben ferner die Scenen: „Die Entdeckung des Franz JosephsLandes", „Das einsamste Grab des Erdkreises". „In der Gletscherspalte" und „Das Säulenkap" — Scenen, welche

und

die Polarzone so packend darstellen,

daß

sich

der

Zuschauer

mitten in das eisige Wunderland hineinversetzt glaubt. Diese Naturtreue verdankt die Urania der

Mitarbeit der

die jene Polar-Erpeditionen geleitet haben; Admiralitätsrat Koldewey und der Ritter von Payer haben die Einrichtung des Ausstattungsstückes in jeder Weise ge¬ fördert. Der erstere war Kapitän der „Germania" und Leiter der zweiten deutschen Nordpol-Expedition. Der Name des zweiten ist für immer mit den Großthaten der österreichisch¬ kühnen Männer,

ungarischen Expedition verknüpft. Leider zeigte der kühne Forscher

Nansen der Urania nicht das gleiche Entgegenkommen. Direktor Meyer reiste vergeblich nach Christiania, Nansen ließ ihn nicht vor und ließ auch briefliche Bitten unbeantwortet. So giebt der dritte Akt des Stückes, der die kühne Entdeckungsreise Nansens behandelt, diese nur im Umrisse wieder, ohne auf Einzelheiten einzugehen. An Bildern enthält dieser Akt die „Abreise der „Fram"", der „Virgo-Hafen von Spitzbergen" und die „Triumphfahrt der „Fram"" längs der norwegischen Küste.



200

Die Dioramen, welche die letztere darstellen, find von unvergleichlicher Schönheit; sie sind nach Skizzen des Landschafts¬ malers A. Normann bearbeitet'und geben die norwegische Küste

vom linken Flügel her, der erst später vorgegangen war, drei neue Bataillone. Marwitz, ihr Führer, besetzte einen mehr nach Lübnitz zu gelegenen Hügel, und unter seinem Infanterie-

mit ihren dunklen Granitwänden, ihren reizvollen Linien, ihrer leuchtenden Farbenpracht in geradezu berückender Naturwahrheit wieder. Diese Dioramen der norwegischen Küste würden allein

feuer konnten sich die aufgelösten Bataillone wieder sammeln. Inzwischen hatte aber Girard seine bei Belzig stehenden Truppen

den Besuch des neuesten Ausstatiungsstückes zu einem lohnenden

machen.

Märkische Kchla^tfeldrr. (Schluß.)

Wenn auch der Sieg bei Großbeeren kein sehr großer war, so waren die Folgen doch sehr erhebliche: Preußens Haupistadt war gerettet; denn auch das vierte Korps, das Napoleon zur Unterstützung Oudinots von Magdeburg aus unter Girard mit 12 500 Mann gegen Berlin geschickt harte,

erlitt wenige Tage

nach

der Schlacht

bei Großbeeren

eine

völlige Niederlage. Dort, wo der Fläming den Charakter der Hochebene verliert und in ein gebirgiges Hügelland übergeht, liegt in einem Thalkessel das Städtchen Belzig, überragt von Westwärts breiten sich die der uralten Veste Eisenhardt. bedeutenden Waldungen der Brandshaide aus, nach dem Weite Lichtungen Geschlechte derer von Brand so geheißen. durchbrechen die Wälder, aus denen inmitten saftiger Wiesen eine große Anzahl von Dörfern liegen. Hier am Fuße des zweithöchsten Punktes der Mark und gleichzeitig dem nördlichsteti Ausläufer des Fläming, dem 200 Meterhohen Hagelberg liegt Z,

Dorf Bild

Eine armselige Niederlassung, eines echten Heidedoifes. bietet es selbst nichts Besonderes. Aber wundervoll ist namentlich bei klarem Wetter

das das

gleichen Namens.

Der westliche Fläming mit seinen Burg, das prächtige Schloß Wiesen, mit der Belzig Thälern. der ganzen Mark, einst Besitztum schönste bürg, unstreitig das der Herren Brand von Lindau, j'tzt dem Grafen von Fürstenstein gehörig, und die weiten Waldungen der Brandshaide liegen zu den Füßen des Berges. Früher stand eine Wind¬ mühle oben, jetzt trägt seit 1849 der Berg ein Siegesdenkmal, das im Beisein Friedrich Wilhelms IV. enthüllt wurde. Ein viereckiger Sockel trägt eine Borussia aus Sandstein, die in der Linken den runden Schild hält, während sie sich mit der Hier oben fiel die Rechten auf das breite Schwert stützt. August 1813. Entscheidung in dem Treffen vom 27. die Aussicht von dem Berge.

Auf dem Wege zu Oudinot hatte Girard von der Nieder¬ lage von Großbeercn gehört und stand nun bei Belzig mit einem Teile seines Heeres Tschernitschew unschlüssig gegenüber. Inzwischen rückte von Norden her das 11500 Mann starke Korps des Generals Hirschfeld heran, das zur Nordarmee^gehörte und größtenteils aus kurmärkischer Landwehr bestand. Am 27. August gegen 2 Uhr nachmittags griff er das französische Lager bei Lübnitz an. Schon nach kurzer Zeit flohen die Franzosen südlich über Hagelberg nach Klein-Glien. Aber die Preußen folgten mit so großem Ungestüm, daß die ersten Bataillone isoliert ankamen und vor dem Feuer der Franzosen zurück mußten.

In

der Lücke zwischen dem Schmerwitzer und sich alles zusammen, und nun eröffnete

Belitzer Busch drängte

franzöfiche Artillerie, welche ans dem Denkmalsberge auffuhr, ein sehr wirksames Feuer. In diesem Augenblick erschienen

herangezogen^ und so seine ganze Macht vereinigt. Eine Zeit lang stand das Gefecht. Ta gelang es 300 Schützen vom linken Flügel, auf der jetzigen Chaussee ostwärts von Klein-

Glien 1350 Franzosen zu überrumpeln und gefangen zu nehmen. Gleichzeitig griff Grolman mit einem Bataillon Berliner Lanbwehr den Denkmalshügel an. Das Beispiel wirkte. „Avancieren auf der ganzen Linie", hieß es. Ohne einen Schuß zu thun, zum Teil mit geschultertem Gewehr, stürmten die preußischen Bataillone die feindlichen Stellungen. In kurzer Zeit war der Denkmalshügel mit seinen Geschützen genonnnen und die „Nirgends hat der Franzosen in das Dorf zurückgetrieben. Ingrimm und der persönliche Zorn des gemeinen Mannes in Preußen so furchtbar gewirkt, als in diesem Treffen." (David Müller, Geschichte des deutschen Volkes.) An der Kirchhofsmauer des Dorfes fand ein furchtbares Gemetzel statt. Ein ganzes Bataillon Franzosen wurde hier von den erbitterten Landwehrleuien mit dem Kolben niedergehauen. Alle Gaffen des Dorfes, der Amtshos und der Dorfleich waren mit Leichen angefüllt. Daß der Sieg genügend ausgenutzt wurde, dafür sorgten Tschernilschnvs Kosaken. Kaum 3000 Mann brachte Girard nach Magdeburg zuiück. Sieben Geschütze und 6000 weggeworfene Gewehre fielen in die Hände des Siegers. Beide Schlachten, sowohl die von Großbeeren als das Treffen von Hagelberg, waren indessen nur das Vorspiel gegen ungleich blutigeres Ringen, das am 6. September 1813 in Es ist ein b'.utgetränklcr der Nähe von Jüterbog stallfand. gestritten wurde. Wenden und Deutsche, Boden, auf dem damals die Scharen des Magdeburger Erzstifls, Ouitzows Raubgesellen und die verschiedensten Völker des 30jährigen Krieges haben hier gekämpft. Westlich der Stadt dehnt sich heute der große Artillerie-Schießplatz aus. Dorr, in der öden Birkhaide, wie die Hochebene früher hieß, überfiel am 3. Oktober 1644 Torstenson die Reiterei des kaiserlichen Generals Gallas und 5000 Tote kostete der Kampf, der zersprengte sie völlig. größeren Gefechte des unseligen Krieges war. der letzten eines Südlich und östlich des Schießplatzes nun liegt das Schlacht¬ feld der Schlacht von Dennewitz.

Das Nuthethal dringt bei Jüterbog tief in die einförmige Hochfläche des Fläming ein. Von West nach Ost zieht der Bach in einem großen Halbkreis um die Stadt herum, begleitet von einer sumpfigen Niederung. Dort ist die schmälste Stelle des Fläming, und hier hoffte Marschall Ney, .der „Tapferste der Tapferen", dem nach den Niederlagen der anderen Generale Napoleons die Aufgabe zugefallen war. „die Kosakenschwärme und Landwehren zu schlagen und darauf Berlin zu nehmen", den Uebergang nach Norden zu bewerkstelligen.

Im

Süden

der Stadt ziehen sich zwei konzentrische Halbkreise von Dörfern hin, deren kleineren Niedergörsdorf. Dennewitz, Rohrbcck bilden, während der größere und entferntere aus Kaltenborg, Wölmsdors, Gölsdorf und Bochow besteht. Der Raum zwischen den 7 Dörfern ist der Schauplatz des Kampfes. Der höchste Punkt des Ganzen ist ein nach Süden ziemlich steil abfallender Hügel bei Niedergörsdors, von dem aus man das Schlachtfeld am besten überblickt.

Nach Süden

führt von ihm ans eine weit-

hin sichtbare Pappelallee nach dem Wege Dennewitz-Niedergörsdorf. Hier brachte die preußische Artillerie die Entscheidung des Tages, indem sie nach heißem Kampfe das französische Zentrum vernichtete.

Mit 65000 Mann

und 186 Geschützen brach Ney von Wittenberg auf und zog gegen Norden, doch stieß er schon Tauenzien nach wenigen Meilen bei Jüterbog auf den Feind.

war es. der trotz seiner geringen Streitkräfte sich ihm entgegen¬ warf. Nur mit Mühe vermochte er sich gegen die enorme Uebermacht in den Weinbergen und längs der alten Stadt¬ mauer zu halten. Seine Lage war eine verzweifelte, und er deshalb am nächsten Tage, dem 6. September, den Anschluß an den westwärts stehenden Flügel der Nordarmee zu gewinnen. Die Franzosen glaubten ihn abgezogen und

suchte

Dicht vor der Stadt aber stießen Schnell ordnete Bcrtrand, der sich ihnen am nächsten gegenüber befand, sein Korps und griff gegen 10 Uhr von Dennewitz aus an. Wieder vermochte sich Tauenzien nur mit Mühe gegen die überlcgcnen Streilkräfte der Franzosen

rückten sorglos vorwärts. sie

auf die Preußen.

und stürmten nun gemeinsam mit jenen die Stellung an der Mühle bei Dennewitz. Gegen 4 Uhr war die Mühle genommen. Zwar war die Schlacht an dieser Stelle entschieden, aber die unermüdlichen Führer rasteten nicht. Von Norden her rückte

Brigade Kleist heran, und von Westen gingen die vereinigten Truppen gegen Nohrbeck vor, das nach wenigen Schliffen der Da artete der russischen Batterie in Brand geschossen wurde. Rückzug der Franzosen in wilde Flucht aus. Während dessen wären die Erfolge des Tages fast ver¬ loren worden. Bülow hatte gleich im Anfange der Schlacht die Wichtigkeit von Gölsdorf erkannt, das sich ausgezeichnet dazu eignete, von hier aus die Franzosen in der linken Flanke anzugreifen. Das Dorf wurde besetzt, allein zweimal eroberten die Franzosen es wieder. Wer weiß, wie die Schlacht geendet hätte, hätte nicht Ney Oudinot, welcher mit frischen Truppen zum zweiten Mal das Dorf genommen hatte, auf den andern Flügel gezogen, trotz des Einspruchs von Reynier, der es allein nicht zu

halten

vermochte.

Bülow mit dem linken Flügel der Nordarmee bei Von Eckmannsdorf. dem Kirchturme des Dorfes aus zu halten.

beobachtete

Unterdessen stand

er

benutzte

einem heftigen Handgemenge

in den

Dorfstraßen geworfen. In wilder Flucht zog sich Reynier nach Torgau zurück und ließ Qudinots Korps mit sich fort, während Bertrand und Ney unbehelligt nach Dahme gelangten. Um 5 Uhr war der Sieg ent¬

Bewegungen Deutlich konnte er die

Franzosen. Gelände übersehe». Sobald er Tauenziens bedrängte Lage er¬ kannte, gab er den Befehl zum der

Bülow. Mit Bataillonen wurde allen verfügbaren ein neuer Sturm auf das Dorf unternommen und der Feind nach

Diesen Fehler

das

schieden.

Die Schlacht war, abgesehen von

Vorrücken, um dem französischen Heer in die Flanke zu fallen. Ge¬

dem Mitwirken

der

einen russischen

Batterie, eine reine Preußenschlacht. deckt durch das wellige Gelände, von der Kronprinz Hatte doch gelang es den ersten Truppen, un¬ Eckmannsdorf mit Schweden, der bei bemerkt gegen 1 Uhr bei Nieder¬ 60 000 Mann, 10 000 Reitern und görsdorf zu erscheinen. Ney erkannte 100 Geschützen stand, trotz der wiedersofort die Gefahr und warf die dringenden Aufforderung Büholten Division Morand, bestehend aus lows, sich nicht entschließen können, Württembergern und Italienern, Großherzogin Sophie von Sachsen-IVeimur. diesem zu Hilfe zu kommen. 41 000 den Preußen entgegen. Auf Preußen mit 124 Kanonen hatten der späteren Denkmalshöhe entgeschlagen. Aber der Sieg war Geschützen 186 60000 Feinde mit spann sich ein heftiger Kampf; aber die Preußen hatten dem Tage vorher beiJüterbog mit schwer erkauft. Auf 9000 Mann. wenig Glück. Unter starken Verlusten mußte die Brigade bezifferte sich der Verlust. Pferde auf 10 500 Mann. und 900 Thümen hinter Niedergörsdorf zurück. Erst als die schwere russische Batterie Dietrich in die Flanke des Feindes Doch der Erfolg war ein sehr großer. Ney verlor 23 247 feuerte, wichen die Franzosen. Von neuem rückte Thümen Mann. 53 Geschütze. 4 Fahnen. 13 500 Gefangene und 4—500 Wagen. Von den Preußen hatte das 2. Bataillon vor, und diesmal gelang es, mit stürmender Hand den DenkOffiziere malshügel zu nehmen. Dadirrch war Ney gezwungen, seine des Kolberger Regiments am meisten gelitten; 11 verwundet. Truppen eine rückwärts gelegene Stellung zwischen Dennewitz und 340 Mann waren tot oder und dem nördlich von dem Dorfe gelegenen Walde einnehmen zu lassen. Inzwischen fuhren 34 preußische Geschütze auf und eröffneten ein sehr wirksames Feuer auf das Zentrum der Fran¬

Unter seinem Schutze gingen die Bataillone von dem Berge herunter und stürzten sich mit lautem Hurrah auf die Franzosen. Nach kurzem Kampfe gaben diese Dennewitz auf Vor Dennewitz er¬ und zogen sich auf Rohrbeck zurück. folgte die Vereinigung des Bülowschen Korps mit Tauenzien. zosen.

Tambour battant waren die von Norden her

kommenden

Preußen, als ihnen durch Thümens Brigade Last gemacht worden war, durch die Niederung vor dem Dorfe vorgegangen

Auf dem

höchsten Punkte des Schlachtfeldes,

dem mehr¬

Hügel, welchen die Brigade Thümen einnahm, Artillerie die Franzosen aus das 1818 errichtete Denkmal, erhebt Dennewitz vertrieb, sich mit einem eisernen Gußeisen eine gotische Pyramide aus Kreuz als Spitze. Schon 1815 fand hier die erste Gedenk¬ feier der Schlacht statt. Ein schlesisches Regiment, das nach

fach genannten

und von dem aus die preußische

Frankreich zog, ließ es

sich

nicht nehmen, den Gedenktag des

aber geschmackvolle Anlagen Kampfes zu begehen. umgeben das Denkmal, das von zwei Geschützen flankiert ist. Ein Pappelweg, au deffen Anfang das hübsche Häuschen des Einfache,

202

invaliden Denkmalshüters liegt, zieht sich von dem steilen Gipfel des Hügels in die Niederung hinab. Hier in dem Häuschen wird ein Teil der Erinnerungen an die Schlacht aufbewahrt. Der größere Teil befindet sich in dem Pfarrhause zu Nieder¬ görsdorf. Der dortige Geistliche. Pfarrer Zimmermann, ist unermüdlich in der Sammlung von Gegenständen, die irgend¬ wie auf die Schlacht Bezug haben. Aus kleinen Anfängen ist die Sammlung bereits stattlich emporgewachsen. Möchte sein Plan, aus freiwilligen Gaben eine Ruhmeshalle am Fuße des Tenkmalberges für die Sammlung zu errichten, sich verwirk¬ lichen lassen, und vor allem — möchte sein Beispiel auch auf

'

anderen Schlachtfeldern Nachahmung finden! Viel läßt sich erreichen durch den Opfermut eines einzelnen, der, mit Oertlichkeit und Verhältnissen vertraut, sich einem derartigen Werke

Die Mark ist reich an historischen Erinnerungsstätten, der Nachwelt wohl verdienen. Häufig bedarf es nur der Anregung eines patriotisch denkenden Mannes, um ein soches Werk zu beginnen. Der Staat kann nicht für alles sorgen. So ist es denn Sache jedes einzelnen, die Ruhmes¬ stätten unseres Volkes in dankbarer Erinnerung an unsere Vorfahren zu pflegen und zu hüten. widmet.

die die Pflege

Kleine Mitteilungen. Großhcrzogi» Sophie von Sachsen-Weimar Mit Abbild, auf S. 201). ' Noch war der Jubel d e r -Kais W-ÄULel m-Hundert iakirfeier nicht ver¬ klungen, da kam aus Weimar die Trauerkunde, daß plötzlich am Abend des 23. März die Großherzogin Sophie von Sachsen-Weimar, Gemahlin des regierenden Großherzogs Karl Alexander, einem Herz¬ schlage erlegen sei. Obwohl keine Deutsche von Geburt, war die hohe Frau auf unserem vaterländischen Boden doch völlig zur Deutschen ge¬ worden, die auch dem Heimgegangenen und ihr verschwägerten Kaiser Wilhelm I. sehr nahe stand und von ihm überaus hoch geschätzt wurde. Großherzogin Wilhelmine Marie Sophie Luise war die Tochter des Königs Wilhelm II. der Niederlande und seiner Gemahlin Helene Paulowna, einer Tochter des Zaren Paul I. von Rußland. Sie er¬ blickte am 8. April 182t in Haag das Licht der Welt und vermählte sich am 8. Oktober 1842 mit dem damaligen Erbgroßherzog Karl Alexander von Weimar. Ihrem Gemahl, der im Juni 1859 zur Negierung kam, schenkte sic einen Sohn, den Erbgroßherzog Karl August, der schon 1894 starb, und zwei Töchter, die Prinzessinnen Maria (vermählt mit dem Prinzen Heinrich VII. von Neuß-Schleiz-Köstritz) und Elisabeth (ver¬ mählt mit dem Herzog Johann Albrecht von Mecklenburg-Schwerin). Jbr Enkel, der jetzige Erbgroßherzog Wilhelm Ernst, ist am 10. Juni 1876 geboren. Am 8. Oktober 1892 feierte sie uut ihrem Gemahl das seltene Fest der goldenen Hochzeit. Von dem Tage an, da die damalige Erbgroßherzogin Sophie den deutschen Boden betrat, suchte sie mit Liebe und Eifer sich mit dem Geiste der neuen Heimat vertraut zu machen, und die klassischen Traditionen Weimars fanden in ihr bald eine freundliche Pflegerin. Was sie während

der 54 Jahre, die sie an der Seite ihres Gemahls zubringen durfte, für Wissenschaft und Kunst gethan (als Begründerin der Göthe-Gesellschaft, durch würdige Ausstattung des Göthe-Schiller-Arch-vs u. s. w > ist all¬ gemein bekannt. Darüber hinaus aber erwies sie sich als eine in jeder Hinsicht treue und sorgsame Landesmutter und als eine überzeugte evangelische Christin. Die altoranische Tradition, die sie aus der Heimat mitgebracht, war von ihr in einzigartiger Weise mit der ernestinischen vereinigt worden. Wie ernst ihre Frömmigkeit war, ergiebt sich u. a. aus den Anordnungen, die sie sür ihre Bestattung getroffen hatte. Von ibr selbst durfte dabei kaum geredet werden. Statt dessen war der Reformationspsalm „Ein' feste Burg ist unser Gott" von ihr ausgewählt worden, um die ihr Leben kennzeichnende Glaubenszuverstcht auch nach ihrem Tode zu bekunden. Unbegrenzt war ihre Wohlthätigkeit. Das Sophienhaus in Weimar mit seinen trefflich geschulten Krankenschwestern und das Sophienstift mit seinen vorzüglichen Lehrkräften erfreuten sich in besonderen! Maße ihrer unermüdlichen Fürsorge. (Auf das Ersuchen des Landcsbischoss Dr. Müller von Siebenbürgen hin wurden auch die fnfcenbürgcr evangelischen Pflegcschwcstern schon seit einer Reihe von Jahren in Weimar ausgebildet.) Ebenso muß von der Heimgegangenen Fürstin gerühmt werden, daß alle großen deutsch-nationalen Interessen von ihr, die, wie schon erwähnt, eine treue Freundin Kaiser Wilhelms I. und eine begeisterte Verehrerin Bismarcks war, eine verständnisvolle Förderung erfahren haben. Ist doch auch das schwerlich ohne ihre Mit¬ wirkung geschehen, daß ihr zweiter Schwiegersohn, Johann Albrecht von Mecklenburg, an die Spitze der kolonialen Bestrebungen trat, deren hohe Bedeutung für das Mutterland sie von Holland her kannte, und daß ihr älterer Schwiegersohn, Fürst Reuß, so lange Jahre hindurch als Bot¬ schafter in Wien seine reiche Krast^tn den Dienst des deutschen Reiches stellte. Die Trauer um die Dahingeschiedene ist denn auch nicht bloß in Sachsen-Weimar, sondern im ganzen deutschen Vaterlandc und ebenso in dem Heimatlande Holland eine allgemeine.

Nördlicher Pavillon des Kaiser Wilhelm-Denkmals auf der Quadriga von Johaniics Göy. (Mit Abbildung auf S. 197.) Unbe¬ stritten gehören die beiden Quadrigen auf dem Nord- und Süd-Pavillon der das Reiterstandbild Kaiser Wilhelms I. umgebenden Holle zu den und künstlerisch vollendetsten Partieen der aus der Schloßfreiheit in Berlin errichteten Nationaldcnkmals. Bekanntlich hat die eine dieser Quadrigen den Bildhauer Carl Bernewitz, die andere den Bildhauer Johannes Götz zum Urheber. Die letztere befindet sich auf dem nach Norden hin gelegenen Pavillon, und cs gereicht uns zur Freude, unseren Lesern in der gegenwärtigen Nummer eine wohlgelungene Abbildung derselben vorführen zu können. „Beide Quadrigen," so lautet schönsten

das Urteil eines Fachmannes in der „Deutschen Bauzeitung", „sind aus¬ gezeichnete Werke der plastischen Kunst; sic sind von lebhafter Bewegung und halten in der Auffassung einen wohlthuenden Mittelweg ein zwischen naturalistischer Durchbildung und der antiken Strenge und Stilistik der Parthenonskulpturen oder der italienischen Denkmalsplastik der Früh¬ renaissance."

Kaiser W illuK i u -I. uu d- iain ältester,Rekrut. Als im Oktober des Jahres 1806 die Königin Luise mit'ihren Kindern auf der Reise von Berlin nach Memel mehrere Tage in Danzig Aufenthalt nahm, wohnte der kleine Prinz Wilhelm im Hause des Kriegsrats R. Mit den Kindern im Hause wurde Soldat gespielt, und Prinz Wilhelm war ihr Anführer. Kriegsrats Otto aber, einem stämmigen Burschen, der etwas jünger war als Prinz Wilhelm, wollte das fortwährende Gehorchen nicht gefallen, und der Prinz ging endlich auf dessen wiederholte Bitten ein, einmal die Sache umzudrehen, so daß Otto der Offizier und der Prinz der Rekiut war. Dem Otto genügte aber auch das noch nicht Er verlangte ganz gegen die Abmachung vom Prinzen förmlichen Burschen¬ dienst. In Ermangelung einer Bürste reichte er ihm zu diesem Zweck ein Stück Papier und streckte ihm seinen unsauberen Fuß entgegen mit dem Befehl: „Jetzt spuck', Wilhelm, dann wird's blank!" Der Prinz erklärte diese Ausschreitung für zu weit gehend und kommandierte seinen neugebackenen, jetzt wieder zum Rekruten degradierten Offizier in Arrest. Dieser ließ jedoch seine Würde so leichten Kaufs nicht fahren, und so kam

es denn zwischen den beiden zu Thätlichkeiten. Während des Kampfes, in dem keiner siegte unv keiner weichen wollte, erschien der Herr Kriegsrat in der Thür. Sprachlos vor Entrüstung über den An¬ blick, packte er seinen Otto und brachte ihn in den vom Prinzen bestimmten Arrest, eine väterliche Verschärfung hinzufügend. Auf einer dunklen Bodenkammer mußte Otto drei Tage bei Wasser und Brod sitzen müssen, damit er begreifen lernte, daß es seines Königs Sohn sei, mit dem er habe spielen dürfen. Mehrmals hörte der Uebelthäter zwar des Prinzen bittende Stimme: „O, Herr Kriegsrat, lassen Sic den Otto doch 'raus!", aber es wurde diesem nichts von seiner Strafe erlassen. Nach deren Verbüßung war der Prinz abgereist. Seit jenem Vorfall waren 66 Jahre vergangen, und Otto war Pfarrer in Ostpreußen. Als Kaiser Wilhelm 1872 nach Marienburg kam, hätte sich sein ältester Rekrut gern vorgestellt, doch versagten ihm die Füße den Dienst. Zum 80. Geburtstage sandte der alte Rekrut seinem Kaiser aber seinen Glückwunsch mit einem Gedicht. Am 31. März erhielt er einen Brief, den der Wirkl. Geh. Kabinettsrat v. Wilmowski im ausdrücklichen Aufträge des Kaisers hatte schreiben müssen. Dieser Brief lautete: „S. M. der Kaiser und König haben Euer Hochehr¬ würden Schreiben vom 29. d. empfangen und Sich dabei sehr Wohl des Aufenthaltes in Ihrem Baterhause zu Danzig vor sieben Jahrzehnten, sowie der jugendlichen militärischen Uebungen erinnert. Mit der Ver¬ sicherung, daß Allerhöchst Ihrem Gedächtnis keine der damals mit¬ wirkenden Personen entschwunden ist, danken Seine Majestät Ihnen herzlich für die sich auf das Andenken jener Tage stützenden Glückwünsche zum Geburtstage und bedauern sehr, daß Ihre Absicht, sich in Marien¬ burg wieder vorzustellen, nicht zur Ausführung gekommen ist, da Sie bei einer erneuten Begegnung persönlich erfahren haben würden, in wie heiterem Lichte Seine Majestät nach Verlauf so ereignisreicher Zeiten den Arrest des Danzigcr Jugendgenosscn betrachten." Sechs Wochen später ging des Königs ältester Rekrut zur ewigen Ruhe ein. Noch ein Geburtstagsgeschenk für den Fürsten Bismarck. Die „Butzdorfer Getreuen" übersandten dem Fürsten zu seinem Geburtstag einen riesigen Papi er korb aus Leder, dazu auserschen, die Ausflüsse des Neides und der Klcingeisterei aufzunehmen und auf diese Weise verschwinden zu machen. Besagter Korb hat die Gestalt einer gewaltigen Urne. Das Material, aus welchem er gearbeitet ward, ist naturfarbenes Leder, welches in Butzbach hergestellt wurde. Was dem Korbe aber erst seinen Wert verleiht, ist die schöne, sinnige Ausstattung. Der Verschluß besteht aus zwei durch einen Steg getrennten Deckeln, von welchem der eine nach unten, der andere sich nur nach oben öffnet. Ueber den Steg zieht sich ein blaues Band, das hüben und drüben lose herab¬ fällt. Auf dem einen Ende ist Bismarck, auf dem andern das Rutzbacher Stadt-Wappen fein in Oel gemalt. Die Bedeutung dieser Ausschmückung

203 wird durch die Juschrist eines Lederschildes, das Har. Sie lautet: „Die ganze Kraft, die reinste Liebe Hast stets Du Deinem Volk geweiht; Ein Band, das heißer Dank gewunden, Verknüpft Dich mit uns alle Zeit."

den Steg krönt,

Um den oberen Rand des Korbes, dicht unter dem Deckel, zieht sich, ein Spruch, der die Bestimmung des Geschenkes klar macht. Derselbe

„Laß schreiben nur den giftgen Neid, bis ihm die Finger zucken; es wird der Lederbauch gar bald die ganze heißt;

Flut

verschlucken."

».^Stephans Ernennung znm Gcneralpostdircktor. Der verstorbene Generalpostmaster v7"Slrp h tiN" kir>1 t r"sich" schon in jüngeren Jahren sehr hervorgethan. Er hatte die „Geschichte der preußischen Post" geschrieben, die Anregung zum Einheitsporto für den Bereich des Norddeutschen Bundes gegeben u. s. w. Alles das aber vermochte den mißlichen Um¬ stand nicht aus der Welt zu schaffen, daß er nach der Verabschiedung des Generalpostdirektors v. Philipsborn im April 1870 dem Dienstalter nach erst der fünfte unter den vortragenden Räten des Generalpostamts war, daher nach den Ueberlieferungen der damaligen Beamtenhierarchie für die höchste Stellung im Postwesen kaum in Betracht kam. Seine Ernennung, die ihn selber überraschte, erfolgte ausschließlich auf Grund eines Jmmediatberichtcs des Grafen Bismarck an den Kaiser, in welchen: cs hieß: „Mit einer nicht gewöhnlichen Bildung, die er (Stephan) sich während seiner Laufbahn im Postdienst selbst angeeignet hat. und mit einer vollständigen Kenntnis der einzelnen Zweige der Postvcrwa'.tung verbindet er die geistige Frische, die für den Leiter einer mitten in der Entwicklung des Verkehrslebens stehenden Verwaltung unentbehrlich ist, und die persönliche Gewandtheit, deren der Generalpostdirektor des Bundes für die Beziehungen zu den Behörden der einzelnen Bnndesstaateu bedarf." Darauf wurde die Ernennung schnell vollzogen. v. Ste phan al s Erfindender Postkarte. Gegenüber anderweitigen bisherigen" Annahmen ist jetzt von kundiger Seite festgestellt, daß dem verstorbenen Staatssekretär von Stephan ouch die der Erfindung der heutigen Postkarte, früher „Korrespondenzkarte" genannt, gebührt. Bereits im Oktober 1865 halte er als Geheimer Postrat dem preußischen Gcneralpostamt eine Denkjchrift über die Ein¬ führung eines „Postblattes" vorgelegt. der näheren Begründung war diese Idee in überzeugender Weise aus den Bedürfnissen der Zeit heraus entwickelt worden. Leider fand Stephan mit seinem genialen Gedanken keinen Anklang, drang damit auch auf der fünften deutschen Postkonferenz zu Ende 1865 in Karlsruhe nicht durch. Der österreichische Bevollmächtigte auf dieser'Konferenz, Sektionsrat Freiherr v. Kolbensteiner, der bald darauf zum Generalvost- und Telegraphcndircktor der Donaumonarchie ernannt wurde, erkannte jedoch sofort die hohe praklische Bedeutung des Stephanschen Vorschlages, und am 1. Oktober 1869 erfolgte in Oesterreich-Ungarn die Einführung der Korrespondenzkarte. Neun Monate später, anr 25. Juni 1870, wurden die ersten Korrespondenzkarten in Berlin herausgegeben.

Priorität

In

^lautsffc krclüx V^Htcvhan an den Rat der Stadt Bremen. Kurz ist Herrn v. Stephan noch durch eine Sendung kostbaren Weins aus dem Bremer Ratskeller, die vom Senat der alten freien Reichsstadt beschlossen worden war, eine letzte Freude bereitet worden. Staatssekretär Dr. v. Stephan war neben den, Fürsten Bismarck der einzige Ehrenbürger der Stadt Breme». Er vor

dcr^m^Man^dieffÄM^MtN^Mm nging,

hat das Geschenk durch ein Schreiben an den Bürgermeister Dr. Pauli in Bremen beantwortet, das noch deutlich die alte Schlagfcrligkcit, den feinen Humor und das tiefe Gemüt des Leiters des deutschen Post¬ wesens erkennen läßt. Das Schreiben lautet: „Es hat mir stets eine ganz besondere Freude gemacht, nach dem Maße meiner bescheidenen Kräfte an der Förderung der Verkehrscinrichtungen Bremens mitzuwirken, und immer habe ich die freudige Genugthuung erlebt, daß dort eine Saat auf dieser» G.biet noch niemals vergebens ausgestreut worden ist. Manches glückliche patrio¬ tische Ereignis habe ich in begeisterter Erhebung in den ehrwürdigen Räuuicn Ihres Ratskellers mitfeiern dürfen, dieses Schatzgewölbes eines guten Stückes deutscher Geschichte und deutschen Gemüilcbens, von Kaisern und Königen mit ihrem Besuche geehrt, von Dichtern besungen, von Fröhlichen gepriesen und von Leidenden gesegnet. die Reihe der letzteren muß ich mich leider jetzt selbst stellen, hege aber die Hoffnung, daß seine stärkende Kraft sich mit GotteL Hilfe auch an mir bewähren wird. Gerade auch in dieser Beziehung hat mich der sinnige und teilnehmende Gedanke des hohen Senats besonders erfreut: „Und wüßten wir, rro jemand traurig läge, wir gäben ihm den

In

Wein!"

Eure Magnifizenz darf ich bitten, dem hohen Senate den Ausdruck der herzlichsten Dankbarkeit zu übermitteln dessen, der sich mit Stolz

nennt

Ihren Ehrenbürger v.

Stephan."

Festnngsriiiiic Odcrverg. Von verschiedenen Seiten wird über x -nmnrfjf,t hel>nrst«bmdi--'^MckMkngen auf unserer Festung berichtet, mncrscits befürchtet man den Abbruch der ganzen Ruine, andrerseits hält man nur den der Anbauten für wahrscheinlich. Letztere Ansicht wird uns von unterrichteter Seite bestätigt, mit dem Bemerken, daß von den Festungsmauern selbst nur soviel in Mitleidenschaft gezogen werden solle, wie gutwillig niederkommt. Die 16 Familien, Arbeiter, Schiff¬

bauer und andere kleine Leute, friedliche Bürger an kriegerischer Stätte, die hinter den grauen Mauern Schutz und Schirm gefunden haben, rechnen selbst damit, daß sie in absehbarer Zeit ihr idyllisch an der alten Oder inmitten lieblicher Gärten gelegenes Heim werden verlassen müssen; es bestimme ein Abkommen zwischen der Kgl. Regierung und dem der¬ zeitigen Pächter der Domäne Neuenhagen — zu letzterer gehört die im Weichbilde Oderbergs gelegene Ruine —, daß letzterer gegen eine Ent¬ schädigung von 600 Mark innerhalb der Pachtperiodc zur Niederlegung der an die Mauern angelehnten Wohngebäude verpflichtet sei. Wir er¬ innern uns, daß der Abbruch schon einmal in Aussicht stand, aber infolge besonderer Verwendung an höhere Instanzen aufgeschoben wurde. Für den Geschichtsfrennd bildet die Ruine einen ganz besonderen eigenartigen Anziehungspunkt; ihre in Sturm und Drang des dreißig¬ jährigen Krieges hineinführende Geschichte ist mit den wechselvollen Ge¬ schicken unserer Stadt eng verknüpft, auch dürfte ein Bauwerk dieser Art zum zweiten Male in unserer Mark nicht anzutreffen sein. Kann auch ein Ausbau derselben nicht in Frage kommen, so läßt sich doch der Wunsch vertreten, man möge der Rutne, wenn es irgend angängig ist, einen ruhigen Lebensabend zuteil werden lassen. Sollte, wie wir ja hoffen, nur der Abbruch der eingebauten Wohnhäuser ausgeführt werden, so läßt sich dagegen wohl nichts einwenden, zumal in baulicher und sanitärer Hinsicht (es sei z. B. des Friedhofes gcdachi) wohl mancherlei nicht mehr zeitgemäß sein möchte; es ist sogar nicht ausgeichlosscn, daß durch Freilegung der beiden eingebauten Maucrsciten der Gesamteindruck gewinnt. — Die Geschichte pflegt die Ruine unter dem Namen Bären¬ ketten oder Bärenkastcn zu verzeichnen. Es soll das durch eine zeitweilige Anwesenheit von Bären veranlaßt sein. Ob dies richtig ist, erscheint sehr zweifelhaft; übrigens ist bemerkenswert, daß dieser Name gegenwärtig im Volke garnicht vorhanden ist. C. R Beleuchtung des Kaiser Wilhelm-Denkmals auf dem Kpffhönscr. Am Abend der Hundertjahrfeier ist das Kaiser Wilhelm-Denkmal auf dem Kyffhäuser sestlich beleuchtet worden. Die Beleuchtung soll eine großartige gewesen sein Sie wurde geleitet durch Branddirektor Eberhardt-Nordhauscn und sechs Feuerwehrleute. Es kamen 160 Kilo rotes Schellackfeuer aus der Fabrik der Herren Friedrich Wrcsch in Wüizburg und Gust. Gillischewski in Berlin zur Verwendung. Die Beleuchtung dauerte 35—4') Minuten. Das ganze Denkmal glühte im Feuer, und trotz des ungünstigen Wetters bot die Beleuchtung doch auf weite Entfernungen einen prachtvollen Anblick.

Siichcrtisch. Bismarck-Jahrbuch. Herausgegeben von Horst Kohl. Lcipz'g 1897. Göschcn'iche VerlagshanNung. G. Das „Bismarck-Jahrbuch" ist vom vierten Bande ab, dessen erste Abteilung vor kurzem erschienen ist, in den obengenannten Verlag über¬ gegangen. Mit Recht bauerst der neue Verlag, daß das „BismarckJahrbuch" mehr und mehr den Charakter eines „Bismarck- Archives" angenommen hat, in dem alle für die Geschichte Bismarks und seiner Zeit wichtigen Materialien urkundlichen Charakters geiamuicli werden. Auch die jetzt vorliegende erste Abteilung des vierten Bandes bietet ein reiches urkundliches Material dieser Art: 17 Briefe König und Kaiser Wilhelms I. an Bismarck, 3 Schreiben Bismarcks au den Prinzen von Preußen, 35 Briese an König und Kaiser Wilhelm 35 Briefe Albrecht von Roons an Bismarck u. s. w. Erwähnenswert ist noch, daß der Preis des „Bismarck-Jahrbuchs" vom 4 Bande ab bedeutend ermäßigt worden ist. Es erscheint jetzt in jedem Jahre ein Band von vier Abteilungen ä 2 M. (und zwar in der Zeit vom März bis Oktober), io daß der rechtzeitig vor Weihnachten vollständig vorliegende Band broschiert 8 Mi. uitb prächtig gebunden 11 M. kosten wird. Diese Herabsetzung des Preises ist erfolgt, um e§ den zahlreichen Verehrern des Fürsten Bismarck zu erleichtern, sich in Handelt cs sich doch bei dem den Besitz des Werkes zu setzen. Bismarck-Jahrbuch um ein Werk, das keineswegs allein für Historiker von Wert ist; für jeden ist es geschaffen, der an dem großen Kanzler und seiner Zeit Interesse hat, und ein jeder, der deutsch denkt und fühlt, wird hier von neuem den überwältigenden Eindruck der staatsniännischen

I.

I,

und menschlichen Größe Bismarcks empfinden, wird von neuem voll Bewunderung zu dem machtvoll wirkenden Geiste emporblicken.

—n.

Die Nummer 2807 der „Jllstricrtcn Zeitung" in Leipzig (Ostcrnummer) führt uns zunächst das herrliche Fest des Auferstchcns und Frühlingswehens in ergreifenden Bildern vor. Die Krone dieser Bilder ist die große doppelseitige Kunstbeilage: „Kreuzabnahme" »ach einem Gemälde von Georg Pappcritz. Nicht minder ergreifend wirkt das ebenfalls doppelseitige Bild: „Ostermorgen", Originalzeichnung von dem weit bekannten Illustrator Richard Püttner, dessen Landschafts¬ zeichnungen wohl unübertroffen dastehen. Die ganzseitigen Bilder: „Pieta" nach einem Gemälde von Karl Hartmann, „Abendklängc" nach einem Gemälde von Ludwig Setimann sowie ein neckisches Bildchen nach einer Zeichnung von Hosang: „Ein Osterbrauch im Spreewald" schließen mit dem „Ostergruß" für Pianoforte, komponiert und der „Illustrierten Zeitung" gewidmet von dem jugendlichen Klavicrvirtuosen und Kompo¬ nisten Raoul v. Koczalski, die Serie der Osterbildcr. Zwei Nekrologe, und zwar über den Staatssekretär des deutschen Neichsposlamts, Heinrich v. Stephan, sowie über den Großherzog von Mecklenburg-Schwerin, Friedrich Franz HL, mit den Bildnissen der jüngst Verstorbenen bringen

204 uns mitten in die neuesten Zeitereignisse. Originatzeichnnng des Svezialzeichners (Limmer): Tos Leichenbegängnis des Stephan zu Berlin am 11. April, resp. des

neuen Postmuscums.

Wir

Ergreifend wirkt die große der

„Illustrierten Zeitung"

Heinrich v. die Traucrfcicr im Lichthor heben noch die beiden bon Bildern be¬ Staatssekretärs

Gcdcrkblätter: „Zum hundertjährigen Geburtstage August Hägens" und „zum 2öjährigen Jubiläum der Zoologischen Station in Neapel" hervor. Das Bildnis (nebst Lebensgang) des Admiral Köster, Chefs der Marincstation der Ostsee, das Porträt der am 1. April er. verstorbenen Jugendschriftstellcrin: Thekla v. Gumpert, sowie Bilder von der griechisch-türkischen Grenze in Thessalien, und ans Athen: „Trnppcnentscndnng nach der Grenze" sind auch von dem Rahmen der vielseitigen Nummer eingeschlossen. gleiteten

Iirlzcrlt:

Finis Poloniae. Historischer Roman von C. Grnndlcr sFortsctzung). — Rede zur Gedächtnisfeier des 100. Geburtstages weitand Kaiser Wilhelms des Großen. Bon A. von Werner. — Der Kampf um den Nordpol. Von Richard George. — Märkische Schlachtfelder.

Von A. W. (Schluß). — KleincMitteilungen: Großhcrzozin Sophie von Sachsen-Weimar. Nördlicher Pavillon des Kaiser Wilhelm-Denkmals mit der Quadriga von Johannes Götz. Kaiser Wilhelm I. und sein ältester Rekrut. Noch ein Geburtstagsgeschenk für den Fürsten Bismarck, v. Stephans Ernennung zum Gencralpostdirektor. v. Stephan als Er¬ finder der Postkarte. Staatssekretär v. Stephan an den Rat der Stadt Bremen. Fcstungsruine Oderberg. Beleuchtung des Kaiser WilhelmDenkmals ans dem Kyffhäuscr. — Büchertisch.

Ludwig.

Auf diese Weise wird es auch Töchtern aus gebildeten Kreisen, deren äußere Verhältnisse eine Unterstützung von Hause unmöglich machen, ohne wesentliche Kosten möglich, die Krankenpflege zu erlernen und sich diesem Dienst in den Kolonien zu widmen. Die Ausbildung der Schwestern soll theoretisch und praktisch im Pflcgcdienst und in der Krankenküche erfolgen, mit besonderer Betonung der späteren kolonialen Wirksamkeit. Eine derartige Ausbildung dürfte unter allen Umständen für das spätere Leben reichen Segen bringen. Deshalb richtet der Vorstand an alle Töchter der gebildeten Kreise, welche den patriotischen Drang in sich fühlen, ihre Arbeitskraft der Krankenpflege in Deutsch-Afrika zu widmen, die Aufforderung um Meldung. Daß für die Pflcgcarbeit in unseren jungen Kolonien ein ganz besonders gediegener Charakter, stark entwickeltes Pflichtgefühl und ernsteste Entsagungskraft gefordert werden müssen, wolle jede Bewerberin Die Kolonien sind ein hartes Arbeits¬ sich von vornherein klar machen. feld, auf dem Abenteuerlust keine Stätte findet. Wer aber von dem festen Vorsatz erfüllt ist, den Leidenden draußen den besten Trost der deutschen Heimat d. h. eine treue, sorgsame und verständnisvolle Pflege an ihr Schmerzenslager zu tragen, dem wird die Arbeit in den Kolonien eine Wirksamkeit voll hoher Befriedigung gewähren. Alle Anfragen und Anmeldungen bittet der Vorstand an die unterzeichnete Vorsitzende oder Schriftführerin richten zu wollen. Im Namen des Gesamtvoistandes des Frauenvereins für Kranken¬

in den Kolonien: Die Vorsitzende: Gräfin von Monts,

pflege

geb.

Aufruf!

Die Schriftführerin:

Clara Müseler,

von Ingersleben.

Berlin W., Lützcwstraße 84A.

Berlin IV., Schaperslraße 22.

An den unter dem Protektorat Ihrer Majestät der Kaiserin und dem Ehrenpräsidium Ihrer Hoheit der Herzogin Johann Albrecht zu Mecklenburg-Schwerin stehenden Fraucnvcrein für Krankenpflege in den Kolonien sind im Laufe der Jahre zahlreiche Anmeldungen für den Pflegedienst in Deutsch-Af-ika und cbensoviele Anfragen wegen Er¬ lernung desselben herangetreten. Bisher ist der Vorstand immer noch in der glücklichen Lage gewesen, für den stets wachsenden Beda s an Pflegepersonal die geeigneten tüchtigen Kräfte zur Verfügung zu haben. Bei den mancherlei Unzulänglichkeiten aber, die sich im Laufe der Jahre dadurch herausgestellt haben, daß die Pflegckräste aus verschiedenen Krankenhäusern und Verbänden entnommen werden mußten, und bei den immer dringlicher werdenden Nachfragen nach den geeigneten Ma߬ nahmen zur Erlernung der Krankenpflege für die Kolonien muß der Vorstand sowohl auf eine Begrenzung seiner Bezugsquellen als auf eine Erweiterung und Vertiefung der Ausbildung bedacht sein. Dem wohlwollenden Entgegenkommen des Direktors bes Neuen Allgemeinen Krankenhauses zu Hamburg-Eppendorf,ProfessorOr.Rumpf, und der Frau Oberin von Schlichting hat es der Deutsche Frauenvercin zu danken, wenn dieses angestrebte, höchst wünschenswerte Ziel jetzt mit Gottes Hilfe endgültig erreicht ist. Das Eppcndorfer Krankenhaus, welches durch die Munificenz der Hamburger Behörden nach jeder Richtung auf das vorzüglichste aus¬ gestattet ist und in seinen Baulichkeiten zu gleicher Zeit etwa 1900 Kranken nebst 200 Schwestern und sonstigem Pflegepersonal Unterkunft zu gewähren vermag, dürfte die bestgccignelstc Lchrstätte für den Pflege¬ dienst sein.

Die verehrten Leser und Freunde des „Bär" werden inständig gebeten, doch in ihren Kreisen auf unsere vaterländische Wochenschrift aufmerksam zu machen und sic znm Abonnement warm zu empfehlen. Nnr dadurch, daß die Freunde vater¬ ländischer Geschichte einem Unternehme», wie das unserigc ist, einmütig die angelegentlichste Unterstützung zu teil werden lassen, kan» dasselbe seine Aufgabe in befriedigender Weise lösen.

Denjenigen

Abonnenten,

die

zu

Anfang

des

neuen

Quartals eintreten, überlassen wir das erste Vierteljahr für 1,25 Mk. Abgesehen davon, daß ihnen der Besitz des ganzen Jahrgangs erwünscht sein dürfte, wird cs ihnen ans diese Weise ermöglicht, den Anfang des fortlaufenden Romans

„Finis Polouiae“

kenne» zn lernen.

In

warmem Interesse für die Förderung der Krankenpflege in den Kolonien hat der Direktor des Neuen Allgemeinen Krankenhauses dem Franenverein die Zusage gemacht, daß allen den vom Frauenverein ihm zugewiesenen Lernschwestern während der 1'/-icihrigen Zeit ihrer Ausbildung nicht allein freie Station, Wäsche und Kleidung gewährt, sondern auch nach einer, zur Zufriedenheit bestandenen, viel wöchentlichen Probezeit ein Taschengeld von monatlich 15 Mark gezahlt werden soll.

glnscrrttc

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8460, — sowie von allen Annoncenwerden von der Geschäftsstelle Berlin N., Schönhauser Allee 141, — Fernsprechstelle BureauS entgegengenommen. — Der Preis für die 4fach gespaltene Petit-Zeile beträgt 40 Ps.

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27/28, am Gensdarmen-Markt.

Verantwortlicher Redakteur und Verleger: Fr. Zi liessen in Berlin N. 68., Schönhauser Allee 141. Druck der Buchdruckerei Gutenberg, Berlin N., Schönhauser Allee 141a. — Abdruck ohne eingeholte Erlaubnis ist untersagt.

Sa,

der

Mark Brandenburg

und der angrenzenden Gebiete.

Unter Mitwirkung von

Grrist G Darde»), Dr. R> Ksvinguier. Professor Dr. Krocizvr, G. Fviedel, Rictiard George, Ford. Meqer, Gymnasialdirektor a.

Dr.

Dr. H. HrendtcKe, Ttzeodor D. Dr. W. Krtiwartz und G. o.

Fontane, Stadtrat Mitderrbruei»

herausgegeben von

Friedrich Zillessen. XXIII. Jahrgang.

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ver „Bär" erscheint wöchentlich am Sonnabend und ist durch jede postanftalt (tto. 809), Btichbandlunq und Seitungs— nimmt spedition für LMk. 60 Pf. vierteljÄhrl, ru beziehen. Auch die Geschäftsstelle — Berlin bl. 58,Schü»h. Allee 141 Bestellungen entgegen, Jnseraten-Aufträge sind an die letztere zu richten. Die viergesp. Petitzeile kostet 40 Pf.

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1.

Mai

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Finis Poloniae. Gründlor.

Historischer Roman von C.

(16. Fortsetzung.)

VI. Endlich, am 11. September, setzte sich auch die preußische

Armee in Bewegung. Durch den unaufhörlichen Regen der letzten Tage waren die Wege aber aufgeweicht und kaum passierbar geworden. Dazu herrschte die größte Verwirrung. Die Kolonnen gerieten durcheinander und mußten oft weite Umwege machen. Erst in tiefer Nacht kam man an dem nächsten Lagerplatz an. Die einzelnen Truppeukörper konnten die ihnen angewiesene Stelle im Dunkeln nicht finden. Die verfaulten Schlingen der Zelt¬ tücher zerrissen, und der kalte Wind schlug die Tücher über

Und dies angesichts der französischen Armee, die dicht gegenüber unter Dumouriez bei St. Juvin und Grandpre stand, wie der Kronprinz in seinem Tagebuche dem

Kopf zusammen.

erzählt.

Allein bei den Franzosen sah es, wo möglich, noch schlimmer aus. Das gegenseitige Mißtrauen unter den Kommandierenden hatte einen bedenklichen Grad erreicht. Die Pariser Frei¬ willigen hausten wie Räuberbanden im eigenen Lande. Dabei halten sie weder Ausdauer im Marsche, noch Disziplin oder Mut im Gefecht. — Der österreichische General Clairfait, durch einige preußische Truppen verstärk», machte den Versuch, die Umgehung der Argonnen auszuführen. Er griff die Franzosen unter Chasot am 14. September bei Bois le Comte an. Die österreichische Artillerie eröffnete das Feuer auf die gegenüberstehende französische Artillerie, unter deren Schutz starke InfanterieKolonnen vorgezogen waren.

etwas seitwärts postiert waren, machten, ungeachtet des ungünstigen Terrains, eine stürmische Attacke auf die französische Infanterie. Sie wurden

Die Ziethen-Husaren,

welche

mit einen Hagel von Flintenschüssen empfangen. Ob¬ wohl nicht wenige fielen, brauste das Regiment doch wie ein Gewittersturm weiter über das Blachfeld und war nach wenigen Augenblicken mitten in der feindlichen Infanterie, ehe diese Zeit gehabt hatte. Colonne zu formieren. Wie da die Säbel auf die Köpfe der bestürzten Franzosen hernieder sausten! Ein panischer Schrecken ergriff sie, und in wildester Flucht stürzte Artillerie, die eiligst aufprotzte und sich die Infanterie auf die auf der nächsten Höhe Deckung suchte. Ueberall erscholl der Ruf: Sauve quipeut! Zehntausend Mann waren vor einer Die Flüchtlinge Handvoll preußischer Husaren geflohen. stießen Verwünschungen aus gegen die Generale, welche Ver¬

räter seien, und mehr als fünfzehnhundert Deserteure liefen querfeldein und verbreiteten in Paris und durch ganz Frank¬ reich die Nachricht, die Nordarmee, die letzte Hoffnung des Vaterlandes, sei vernichtet und der Weg nach Paris stehe dem Feinde offen.

Dumouriez schrieb am folgenden Tage der Nationalver¬ sammlung: „Ich war genötigt, das Lager von Grandpre auf¬ Der Rückzug war angetreten, als ein panischer zugeben. Schrecken die Armee befiel; zehntausend Mann ergriffen die Flucht vor fünfzehnhundert preußischen Husaren. Der Verlust beläuft sich auf fünfzig Mann und einige Bagagewagen. Alles ist wieder in Ordnung, und ich sage gut für alles."

Der Paß von Grandpre war frei.

In

dem Heere

der

206 Verbündeten war durch den glücklichen Ausgang des Gefechts bei Bois le Comte alles mit neuem Mute erfüllt. Karl von Krummensee hatte bei dem Vorstürmen plötzlich einen heftigen Schlag gegen die Brust erhalten, der ihn bei¬ nahe vom Pferde geworfen hätte. Da er aber keinen Schmerz fühlte, achtele er nicht sonderlich darauf und stürmte weiter. Als späier zum Sammeln geblasen war. knöpfte er den Amla auf, um nachzusehen. Da fiel ihm eine Flintenkugel entgegen, die gerade in der Herzgegend durch die Uniform gedrungen war. Dann war sie aus die dick gefüllte Brieftasche aufge¬ schlagen. die Karl beim Abschied von Magdalene zum Geschenk erhalten halle. Dadurch war ihreKrafi abgeschwächt worden. Der Inhalt der Brieftasche war ziemlich unversehrt, nur das große rote Herz, welches Magdalene so künstlich auf dem Deckel gestickl hatte, war milten durchbohrt. — Dumouriez war weiter zurückgegangen und hatte den General Kellermann zur Verstärkung herangezogen. Die preußische Armee folgte so schnell wie möglich. Ihre einzige Besorgnis war, ob es ihr gelingen werde, den leicht¬ füßigen Feind einzuholen. Bei der Eile des Nachrückens war nicht abgekocht worden, und es herrschte ziemlicher Mangel im Lager. Sowohl der Kronprinz als auch Göche erzählen in ihren Tagebüchern recht drastische Beispiele, wie jeder be¬ müht gewesen, sich Nahrungsmittel zu verschaffen. Die Dörfer wurden gänzlich ausgeleerr, unv manches wurde mit fortge¬ schleppt. was hernach wieder fortgeworfen wurde. Doch hören wir den Kronprinzen in seinem Tagebuch vom 20. September wörtlich: „Da es sehr trüb war und immer¬ fort regnete, konnten wir aus unserm Marsch fast gar nicht um uns sehen. Rechter Hand Sommetombe erreichten wir die Hauptarmee. Der Prinz von Hohenlohe hatte sich bereits mit der Avantgarde engagiert, und wir hörten viel Kanonieren. Er suchte sich der Höhe von La Lune zu bemeistern, welches ihm auch ohne große Mühe gelang. Nun bekamen wir Ordre, die Gewehre zu revidieren und zu laden. Da unsre Leute merkten, daß es ernst wurde, so fing manchem an das Gewissen zu schlagen, und sie warfen allmählich alles geraubte Gut von Mancher eifrige Katholik unter unsern Oberschlesiern sich. suchte wohl gar im Stillen seinen Rosenkranz hervor, um sich mit dem heiligen Nepomuk abzufinden. Die Direktion unseres Marsches ging mit der Spitze auf die Windmühlenhöhe vor Valmy, die stark mit Artillerie besetzt war, und wo der Feind seine Hauptstärke konzentriert hatte; allmählich fing man an. die Gegenstände mehr zu unterscheiden, und bald konnte man, obgleich nur teilweise, die Position der vereinigten großen Armee erblicken, die sich zu beiden Seilen der das ganze Terrain dominierenden Valmyer Höhe ausbreitete, wovon beide Flügel etwas zurückgebogen zu sein schienen, und die eine zahl¬ reiche Kavallerie in der Plaine vor sich aufmarschiert hatte.

Als

die Spitzen der Kolonnen ungefähr bis gegen den

nachherigen linken Flügel

unserer Aufmarschlinie gekommen waren, wurde wieder ein langes Halt gemacht. Alles dieses kam mir noch so revue- und manövermäßig vor, daß ich bei ganz heiterer Laune und Zuversicht blieb, zu den Grenadieren von des Herzogs Regiment heranritt und ihnen scherzhaft „den Butterberg bei Cörbelitz" wies, den wir angreifen sollten, welches sie mit tröstlichem Gesicht und einem freundlichen Lächeln erwiderten. Da ich den König nicht weit davon auf einer kleinen Anhöhe hallen sah, so ritt ich dorthin, um zu

hören, was es denn geben werde. Niemand aber wußte mir etwas zu sagen, jedermann zuckte die Achsel und machte lange Gesichter. Der König war noch unentschlossen, was er thun wollte. Er und der Herzog waren gespannt zusammen, denn keiner wollte die große Frage des Angriffs und seiner Folgen entscheiden; jeder rekognoszierte und beratschlagte für sich. In dieser Ungewiffenheit standen die Sachen im allerentschcioendsten Augenblicke. — Mil eins hieß es: Gewehr auf! Marsch!

Indem kommt der General Manstein mit den Worten ans mich zu galopiert: „Der König Hai befohlen, daß die Armee aufmarschieren soll,

wir werden angreifen. Ihre Hoheit folgen Ihrem Treffen. Ich hoffe, es wird

der ersten Brigade mit

alles glücklich gehen." Dies war also unsere ganze Disposition, und damit Gott befohlen. Nach und »ach hatte man sämiliche Batterien der Armee hervorgeholt, um sie teils bei La Lune, teils vor unserer Froni nach dem Terrain zu verteilen, und obgleich das einzelne Kanonieren noch gar nicht aufgehört, so fing doch nun erst die eigentliche unv lebhafteste Kanonade von beiden Seiten an. — Wir waren noch nichl lange auf¬ marschiert, so wurden die Fahnen zum Avancleren vorgenommen, und die ganze Armee trat an. Da ich nirgend Marsch schlagen hörte, so befahl ich meinen Tambours zu schlagen, und nichl gar lange, so folgten alle Tambours in der ganzen Armee. Wir hatten nicht über 200 Schrille mit klingendem Spiel avanziert, was bis dahin noch mit ziemlicher Ordnung gegangen

war. da wurde Halt gemacht. Es war wohl auch das Beste, denn was wollten wir eigentlich hier thun? Die Kanonade ging ununterbrochen fort. wir waren nur unseren Batterien näher gerückt und verloren deshalb um so viel Menschen mehr unnützer Weise, indem die Feinde unsere Kanonen zum Schweigen bringen wollten. Vor uns im ersten Treffen stand das Re¬ giment Thadden, an dieses ritt ich heran, nachdem wir Halt gemacht. Kaum hatte ich einige Worte hinter der Front mit einigen schließenden Offizieren gewechselt, als wir ewige Kugeln sehr nahe pfeifen hörten, und indem fährt eine unter das achte Peloton. Da lagen drei Musketiere und ein Tambour von des Obersten Hundt Kompagnie hingestreckt mit zerschmetterten Schenk, ln und Beuren und wimmerten jämmerlich. Wie ich mich dorthin wende, so schlägt auch schon eine andere Kugel, ganz nahe, wo ich gehalten, in das vierte Peloton und blessiert 12 Mann von des Major Massow Compagnie. Ich leugne nicht, daß mich dieser Anblick heftig erschütterte, und daß mir anfing etwas wunderlich ums Herz zu werden. Dies unmelo¬ dische Pfeifen und Heulen der französischen Kanonen-Kugeln. die, weil sie alle geschltffen sind. einen eigenen, hellklingenderen Ton haben, als die unseligen, wenn sie durch die Luft fliegen, währte von mittag 12 bis nachmittag 4 Uhr." Das war die große Kanonade von Valmy. das Ende des Feldzugs! Die lässige Kriegführung soll zum Teil ihren Gruno darin gehabt haben, daß Dumouriez von Anfang an mit den Preußen und den Emigranten in geheime Unterhandlungen getreten war. Er spiegelte ihnen heuchlerischerweise vor. er werde sich den konstitutionellen König erklären, sobald die Verhältnisse in Paris es gestatteten. Damit aber veranlaßte er sie nur zur Unthäligkeil und bewirkte, daß sie die günstige Gelegenheit zum Angriff verpaßten, während er selbst Zeit gewann, die seitwärts stehenden Korps von Kellermann und Beurnonville heranzuziehen.

für

207

Der Tag von Valmy gehört zu den größten Possenin der Kriegsgeschichte; zugleich bildete er den Ausgangspunkt eines welthistorischen Trauerspiels. Zwei spielen

große Heere, die sich wochenlang aufgesucht haben, stehen endlich einander gegenüber und beschießen vier Stunden sich

lang mit grobem Geschütz und Gewehr bei Fuß, ohne ein Glied zu rühren. Es sind an diesem Tage von jeder Seite mindestens 10,000 Kanonenkugeln verschossen worden. Und was hatten die französischen Prinzen unterdessen gethan? Der Prinz von Arlois hatte hinter einem Hause an ge¬ schützter Stelle während der furchbaren Kanonade einen Eier¬ „Tant de bruit -pour une Omelette!" kuchen gebacken! (Tagebuch des Kronprinzen.) Die folgende Nacht wurde in der größten Verwirrung im Biwack zugebracht. Es gab weder Feuerung noch Lebens¬

.>

Die Franzosen begnügten

>

sich

damit, den Preußen m

einem Abstand von einigen Tagemärschen langsam zu folgen.

Man hat dies auf geheime Abmachungen zurückführen wollen. Der wahre Grund aber war der, daß die Franzosen Preußen von Oesterreich zu trennen und wohl gar zu einem Bündnis mit Frankreich zu bewegen hofften, was selbstverständlich an der loyalen Gesinnung des Königs von Preußen scheiterte. Der österreichische General Clairfait, dem die ZiethenHusaren zugeteilt gewesen waren, war schon am Abend der Kanonade von Valmy mit seinem Corps in der Nähe des Schlachtfeldes eingetroffen. Das Husaren-Regiment war dann der preußischen Armee wieder angegliedert worden und bei dem Rückzüge in der Arrieregarde geblieben. Obgleich die Preußen drei Tage in Verdun und Umgegend verweilten, lag Karl mit seiner Eskadron doch zu weit zurück, um daran noch

Die geraubten Hühner oder Stücke von Hammel-

denken zu können, einen Abstecher nach Monrepos zu machen.

fleisch wurden ans eine Säbelspitze gestccki. an dem qualmenden

Erst am letzten Tage, als das Regiment dicht bei Verdun lag, um von da den Rückzug der Hauptarmee auf Longwy zu decken, gelang es ihm, einen halben Tag Urlaub zu erhalten, um Arabella wiederzusehen. Daß er auf dem Ritt nach Monrepos sein Pferd nicht schonte, läßt sich denken.

rnittel.

Stroh etwas angeschwärzt und dann roh verzehrt. Eine tiefe Niedergeschlagenheit bemächtigte sich der Preußen. Waren das die Früchte der maßlosen Anstrengungen und Entbehrungen?

„Was schlimmer war, als wenn wir

loren hätten", schrieb der Kronprinz, „die Meinung war dahin! Die Franzosen hatten die Feuertaufe erhalten, sie waren in ihren eigenen Augen gestiegen, wir in den ihrigen gefallen. Die sonst so ängstlichen Vorposten wurden hochmütig und anmaßend."

Ein Waffenstillstand wurde verabredet, den Dumouriez dazu benutzte, seine Stellungen zu verbessern.

Am 25. September traf im preußischen Lager die Nach¬ richt ein, daß am 21. das Königtum in Paris abgeschafft und Frankreich zur Republik erklärt worden sei. Der König von Preußen war außer sich. Er verlangte von dem Herzog von Braunschweig, sofort den Waffenstillstand zu kündigen und den Franzosen eine Schlacht zu liefern. Es wurde ihm Schicksal entgegengehalten, daß das des französischen Königs durch ein weiteres Vorrücken noch mehr gefährdet werde, als durch einen Rückzug. Der Herzog drang auf den letzteren, bequemte sich aber endlich dazu, in einem Briefe an Du¬ mouriez nochmals die Freilassung des Königs und die Wieder¬ herstellung der alten Zustände zu fordern. Es wurde ihm erwidert, daß die Armee mit Politik nichts zu thun habe, und daß dies Sache der Vertreter der Nation sei. Inzwischen verschlechterte sich die Lage der preußischen Armee immer mehr.

„Die Ruhr",

schreibt der

Kronprinz am 27. und 28. Sep¬

tember, „die seit Verdun in der Armee immer zunahm, er¬ reichte hier ihren Gipfel. Wenig Dörfer in der Nähe, keine

Einwohner drin, also auch keine Lebensmittel zu haben, unsere Kommunikation mit Grandpre äußerst unsicher durch französische Streifpartien, die öfter unsere Convois beunruhigen, plündern und Gefangene machen; die Wege dorthin fast ganz unpraklikabel durch den Regen. Alles dies war schuld, daß wir kein Brot von der Bäckerei erhalten konnten, und wenn je etwas herankam, so war es in der Regel ungenießbar, so daß unsere Not täglich wuchs und den höchsten Grad erreichte."

Bei solcher Lage mußte man sich zum Rückzug entschließen. Er ging in derselben Richtung aus Verdun, die man herwärts eingeschlagen hatte.

Als

eine Schlacht ver¬

er am Gitterthore angelangt war. stieg er ab und

übergab Christian sein Pferd zur Besorgung.

Seine äußere

Erscheinung

wenig

glich

derjenigen

bei

Das Gesicht war gebräunt und hager geworden, der rote Attila war verschaffen und abgeschabt, auch

seinem ersten Hiersein. mehrfach

ungeschickt

geflickt,

die

goldenen

Schnüre

waren

schmutzig und zerrissen.

Arabella hatte ihn vom Fenster aus kommen sehen. in der Nähe des Schlosses war. stürzte sie ihm entgegen, umschlang seinen Hals mit beiden Armen und barg ihr Gesicht an seiner Brust. „Karl, mein Karl! Habe ich Dich wieder! O, nun ist alles gut!" rief sie, unbekümmert darum, daß neugierige Diener umhcrlugten und der Graf, ihr Vater, oben am Fenster stand. „Arabella, meine Geliebte, hast Du mich erwarte!?" „Ich wußte, daß Du kommen würdest, Karl. Gott konnte meine heißen Gebete nicht unerhört lassen."

Als

er

Sie hing sich an seinen Arm. und die Stufen hinauf.

so

stiegen sie zusammen

„Bald

häitest Du auf mich vergeblich gewartet. Nun, der hat mich diesmal nur mit seinem Fittich gestreift," sagte Todes enge! Karl, uidem er auf das Kugelloch in seinem Attila wies.

Arabella erschrak. „O. Karl." rief sie, „wenn Du nicht wiedergekommen wärst, dann — dann wäre ich auch gestorben." Der Graf kam ihnen auf dem Flur entgegen, umarmte Karl und sagte: „Seien Sie mir tausendmal willkommen, mein lieber junger Freund! Ich hoffe, bald werden Sie mir mehr sein. Machen Sie keine Worte! Ich weiß alles. Gott hat mir einen Sohn versagt, mit mir stirbt mein Geschlecht aus. Ich lebe nur noch für das Glück nleiner Tochter. Wie sehr Sie von Arabella geliebt werden, habe ich in diesen bangen Wochen erfahren. Ich darf und will einer gegenseitigen

Verbindung nichts in den Weg legen."

„Sie sind der gütigste Vater. Herr Graf. Meine Dank¬ barkeit kann nur mit meinem Leben erlöschen." „Machen Sie mein Kind glücklich! Das ist die beste Dankbarkeit, die Sie mir beweisen können."

Er mußte in Eile erzählen, wie es ihm ergangen war. Oft füllten sich Arabellas Augen dabei mit Thränen, und der Graf ließ ein unwilliges Murmeln hören, wenn er von den ausgestandenen Strapazen und Entbehrungen sprach. Als er des Gefechtes bei Bois le Comte erwähnte und schilderte, wie sehr er da in Lebensgefahr geschwebt, klammerte sich Arabella nur um Von wem er die rettende Briefiasche er¬ so fester an ihn.

Karl konnte nur bis zum Abend bleiben.

halten. erwähnte er nicht. Als Karl den Grafen später zu bestimmen suchte, nach Deutschland auszuwandern, um möglichen Gefahren für die Zukunft zu entgehen, wies dieser seinen Vorschlag mit Entschiedenheil zürück.

„Nie," erklärte

der Graf, „werde ich meinen König ver¬

lassen und dem Vaterlande feige den Rücken kehren!

Uebrigens

fürchte ich auch hier keine Gefahr. Ich bin immer ein loyaler Unterthan gewesen. Auf den Adel habe ich mir nie etwas eingebildet, und meine Leute habe ich immer gut behandelt. Ich bin gewiß ein Gutsbesitzer auch nach dem Herzen des neuen Regiments." „Wenn Ihre Mission geglückt wäre," setzte er nach einiger Zeit hinzu, „so könnten jetzt schon andere Zustände herrschen. Aber auch so kann noch alles gut werden. Das Volk ist eine unberechenbare Größe. Wie vor achtzehnhundert Jahren, so schreit es auch jetzt noch heuie dem sein „Kreuzige" zu, den Es steckt es gestern mit „Hosianna" empfing und umgekehrt. Wenn doch noch viel monarchischer Sinn in unserem Volke.

in Deutschland für Arabella an. und Empfangsbescheinigung und die Certifikate übermachen Sie die Ihren Eltern zur Verwahrung! Es ist für unvorhergesehene in einer

sicheren Bank

Es befinden sich darin auch einige beglaubigte Be¬ stimmungen über meinen Nachlaß, die ich auf diese Weise allen Wcchselfällen entziehen möchte." Karl versprach, alles pünktlich zu besorgen. Darauf ein kurzes, aber schmerzliches Abschiednehmen, Thränen auf der einen, tiefe Rührung auf der andern Seite. Dann sprengte Karl mit seinem getreuen Christian in den finkenden Abend

Fälle.

hinein. — Am späten Abend zogen Fischer den Körper des Gärtner¬ burschen Pierre Dulonp beim Legen von Nachtschnuren aus Er war nahe am Ertrinken gewesen und konnte dem See. ins Leben zurückgerufen werden. — — mit Mühe nur Am nächsten Tage wurde auch die kleine Festung Longwy den Franzosen wieder übergeben, und die Armee schlug über Tellancourt, Romain. Aubange den Weg nach dem Luxem¬ burgischen ein.

Am 27. Okiober wurde die Festung Luxemburg erreicht, die, durch Natur und Kunst stark befestigt, der Armee einen Hier fand man auch hinreichende Vor¬ festen Stützpunkt bot. räte. um die Soldaten mit neuen Schuhen und Patronen zu versehen; denn den Leuten war das Schuhiverk vollständig an den Füßen gefault, viele gingen barfuß oder hauen die Füße mit Lappen umwickelt. Der dritte Teil der Armee war um¬ gekommen. ohne nur einen Feind gesehen oder einen Schuß

der erst wieder geweckt wird, dann haben die jetzigen Macht¬

abgefeuert zu haben.

haber ausgespielt."

Von Luxemburg aus wurde die noch dienstfähige Mann¬ schaft auf das rechte Rheinufer gegenüber von Coblenz ge¬ führt, von wo der König der Stadt Frankfurt zu Hülfe zog, welche der französische General Custine, der über Speier und Mainz in Deutschland eingedrungen war. inzwischen erobert

Karl und Arabella von einem längeren zurückkehrten, fanden sie auf An¬ Park Spaziergang durch den ordnung des Grafen ein kleines Festmahl angerichtet. Arabella mußte sich auf Wunsch des Vaters für dasselbe prächtiger kleiden als sonst und auch den alten, wertvollen Familienschmuck anlegen. Karl hatte nichts als seinen ver¬ schossenen Ehrenrock, den jedoch Christian aus Leibeskräften gebürstet und geputzt hatte. Als das Mahl. an dem auch Fräulein de Plesfis teil¬ nahm, beendet war. wurde die ganze Dienerschaft herein¬ gerufen. Alle erschienen, mit Ausnahme des Gärtners Pierre Dulonp. Der Graf machte sie mit der stattgefundenen Verlobung seiner Tochter mit dem Leutnant Karl Aegidius Ludwig von Krummensee bekannt, und die Verlobten durften Darauf empfingen sich den öffentlichen Verlobungskuß geben. und Glückwünsche aller Anwesenden, die waren gewiß sie die aufrichtig gemeint, denn alle hatten den hübschen, flotten Offizier liebgewonnen. Arabella stcckie ihrem Verlobten einen kostbaren Brillantring an; Karl hatte nichts zu geben, als ein kleines, gering¬ wertiges goldenes Ringelchen, welches er einmal als Kind von seiner Mutter erhalten und aus Pietät an seiner Geldbörse Gegen Abend, als

befestigt hatte.

Als

die Scheidestunde herannahte,

sein Kabinett

rief der Graf Karl in

und übergab ihm ein in Leinwand genähtes

Päckchen.

„Sie werden hoffentlich von hier ungefährdet.nach Deutsch¬ land zurückkommen. Nehmen Sie dieses Packet an sich, es enthält eine Summe von 100,000 Franken in guten Papieren, über die ich augenblicklich verfügen kann! Legen Sie dieselbe

Es gelang ihm. am 2. Dezember Custine wieder aus Frankfurt zn vertreiben. Alsdann wurden die Winterquar¬

hatte.

tiere bezogen. %

Karl hatte

den

rjr

#

Auftrag seines zukünftigen Schwieger¬

vaters pünktlich ausgeführt. In Frankfurt hatte er die Wertpapiere bei einem der ersten Bankiers niedergelegt und die darüber ausgestellten Bescheinigungen nebst den Verfügungen Erst jetzt hatte er ihnen des Grafen seinen Eltern zugesandt. auch die ersten ausführlichen Nachrichten über seine Erlebnisse geben können und ihnen zugleich seine Verlobung mit Arabella gemeldet. Denn die Nachrichten waren bisher nur spärlich geflossen. Eine Feldpost in unserm Sinne gab es damals Wer nicht zufällig Gelegenheit hatte, durch einen noch nicht. der Kabinetts-Kuriere ein Briefchen zu befördern, hatte keine In umgekehrter Aussicht auf Mitteilung nach der Heimat. Richtung war überhaupt nichts zu machen. Von Arabella hatte er während der ganzen Zeit Wenn es selbst möglich gewesen keine Nachricht erhalten. wäre, einen Brief über die Grenze zu schmuggeln, so kannte Auch er konnte sie doch seinen wechselnden Aufenthalt nicht. Nachricht geben ihretwegen und befand in der pein¬ keine ihr sich lichsten Sorge, denn die Zustände in Frankreich gestalteten sich immer bedenklicher. (Fortsetzung folgt.)

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re oes Von Richard George.

I. Die

ältesten Berliner Druckereien und die Vorläufer der

„Bofsifchen Zeitung."

Der brandenbnrgisch-preußlsche Staat war in den ersten Jahrhunderten seines Bestehens kein besonders günstiger Boden

für die Litteratur und die buchgewerblichen Geschäflszweige. Bis zur Mitte des 16. Jahrhunderts gab es in Berlin keine Druckerei. Erst die 1539 durch Kurfürst Joachim II. ein¬ geführte Reformation nahe, in

legte

diesem Fürsten die Notwendigkeit

Berlin für einen Drucker für

seine

neue Kirchen¬

Er gab am 20. April 1540 dem Buch¬ drucker Hans Weiß aus Wittenberg, der dort von 1525 bis 1539 in seinem Berufe thätig war, ein Privilegium. Noch in demselben Jahr erschien im Quartformat die „Kirchen¬ zu Brandenburg, ordnung | im Churfürstentum der Marken mit der Leer und Cere j nionien hallen wie man sich ordnung zu sorgen.

s

|

Gedrukt zu Berlin im Jar NOXO." Der Hofbuchdrucker Hans Weiß gab bereits 1544 seine Offizin auf, die sich jedenfalls nicht in der eihoffien Weise rentierte, und kehrte nach Wittenberg zurück. Fast volle dreißig Jahr war Berlin nun wieder ohne Buchdruckerei. Der Kur¬ fürst gab seine Driickaufträge nach Frankfurt a. O.. wo Johann Eichhorn 1567 ein Privilegium für die ganze Mark erhielt. Auch die wenigen Berliner Gelehrten der damaligen Zeit mußten außerhalb drucken lassen, so bei Hans Luft in Willen¬ soll.

|

berg, Runge in Damm u.

Erst im Jahre 1572

s. w. errichtete der bekannte

Leonhard

Thurneysser zum Thurne auf Befehl des Kurfürsten' Johann Georg wieder eine Druckerei in Berlin, und zwar im Grauen Kloster.

Der Kurfürst halte Thurneysser,

dessen

wir bei unsern Lesern als bekannt voraussetzen dürfen, im Frühjahr 1571 auf seiner Huldignngsreise in Schicksale

Frankfurt a. O. kennen gelernt. Er halte Vertrauen zu ihm gefaßt, weil dieser vielseitige Mann die Kursürstin Sabina von geheilt halte. Thurneysser wurde kurfürst¬ Leibarzt und Apotheker, verkaufte Amulette, stellte Horoskope und forschte nach dem Stein der Weisen, be¬ herrscht von dem verhängnisvollen Wahne seiner Zeit, es sei möglich, aus Quecksilber Gold zu machen. Der merkwürdige Mann, ursprünglich ein Goldschmied, war aber mehr als ein schwerer Krankheit

licher

Charlatan;

er

hatte

sich

bedeutende

naturwissenschaftliche

machte sich sehr verdient um die Gewerbefleißcs und des Kunsthandwerkes in

Kenntnisse angeeignet

und

Hebung des Brandenburg. Wie man nun auch über die vielseitige Thäiigkeit des Wundermannes urteilen mag, um den sich bei den Berlinern ein förmlicher Sagenkreis bildete, seine Verdienste um die Buchdruckerkunst in Berlin sind zweifellos. Thurneysser druckie nicht nur viel, sondern auch kunstvoll, und zwar in deutscher, griechischer, lateinischer und hebräischer Sprache. Seine Schriften und Maschinen bezog er zuerst aus Witten¬ berg, später errichtete er eine eigene Schriftgießerei. Seine Anstalt beschäftigte außer den Schriftsetzern und Druckern tüchtige Holzschneider, Stempelschneider. Schriftgießer und Buch¬ binder. Den größten Teil seines Papieres bezog Thunieysser aus Neustadt-Eberswalde, wo 1532 eine Papiermühle errichtet war, daneben aus Wittenberg. Leipzig, Nürnberg und Bautzen.

Von der Ausdehnung der Thurneysserschen Druckerei legt die Thatsache Zeugnis ab, daß dieselbe 1577 440 Bogen lieferte. Thurneysser war auch der erste Verlagsbuchhändler Beilins. Seine Thätigkeit war namentlich auf dem Gebiete der Kalcnder-Litteratnr eine sehr ausgedchnle; ferner verlegte er naturwissenschaftliche Werke mit zahlreichen Holzschnitten, kabbalistische Bücher u. s. w. Seine Druckerei verkaufte Thurneysser 1577 an seinen Gehilfen Michael Hentzke für die Summe von 1100 Thlr. Der neue Besitzer starb schon 1580. Seine Witwe brachte durch ihre Veiheiratung mit Nikolaus Voltz aus Erfurt 1582 Vorübergehend war der das Geschäft an den letzteren. gelehrte Rektor Hilden, der Schwiegersohn von Voltz, Teilhaber der Offizin; er ging 1586 als Professor der Mathematik und der griechischen Sprache nach Frankfurt a. O. Auch Voltz folgte ihm dahin 1592, und wiederum war Berlin ohne eigene Buchdruckerei. so daß die Berliner ihre Hochzeitsgedichte und Leichenpredigten — darüber hinaus erstreckte sich ihr Bedürfnis nicht

— in Wittenberg und Frankfurt

a.

O. herstellen lassen

mußten.

Im

Jahre 1599 berief Kurfürst Joachim Friedrich Damm in der Neumark thätig gewesenen

den bis dahin zu

Buchdrucker

Christoph Runge

nach

Berlin, der für

seine

Druckerei wiederum die Räume des Grauen Klosters angewiesen erhielt. Christoph Runge starb 1607, ohne in Berlin auf einen grünen Zweig gelangt zu sein. Seine Erben, von 1610 an sein Sohn Georg allein (gestorben 1639), setzten das Ge¬ schäft fort, das die Stürme des dreißigjährigen Krieges nur mit Mühe und Not überstand. Nach dem Ableben Georg

Runges übernahm erst dessen Witwe, sodann im Jahre 1643 sein Sohn' Christoph das Geschäft. Der letztere halte anfangs mit bedeutenden Geldverlegenheiten zu kämpfen. Im Jahre 1648 wurde ihm in Anbetracht der schweren Zeiten ein drei¬ jähriges Moratorium bewilligt. Der thaik,ästige Mann über¬

wand jedoch die Schwierigkeiten bald, und seine Buchdruckerei nahm einen bedeutenden Aufschwung. Christoph Runge starb 1681; er hatte die Schriftkasten seiner Offizin von 16 auf 94 vermehrt und die Zahl seiner Prcsien verdoppelt. Von be¬ sonderer Bedeutung

ist

er

für die Kulturgeschichte

dadurch

geworden, daß er. wie wir sogleich sehen werden, der erste Verleger einer in Berlin erscheinenden Zeitung war, deren unmittelbare Fortsetzung die „Vossische Zeitung" bildet.

Bis 1664 war die Rungesche Buchdruckerei die einzige in Berlin. Am 17. Juni dieses Jahres erhielt Georg Schultze aus Guben das Privilegium zur Errichtung einer lieferte die Drucksachen für den Hof und die kurfürstliche Bibliothek und nannte sich „Chntfürstlich brandenburgischer Buchdrucker" oder auch „Hof¬ buchdrucker"; von 1666—1699 fügte er seinem Namen die Nach dem letzteren Bezeichnung „auf dem Schlöffe" hinzu. halte er seine Offizin verlegen müssen, damit die Herstellung

zweiten Druckerei.

Schultze

der amtlichen Driickaufträge besser überwacht werden konnte.*) Diese Hofbuchdruckcrei bestand bis 1877, in welchem Jahre sie in den Besitz des Deutschen Reiches überging. Besitzer waren nach Georg Schultze: Ulrich Liebbert (1685-1701), Johann Friedrich Bock 1701-1716), Christoph Süß-

als

*)

Dcckersche Geh. Obcrhofbuchdruckerei

uiilch (1716—1721), Gotthard Schlcchtiger (1721—1724), Daniel Andreas Rüdiger (1724—1786), Christian Albrecht Gacbcrt(1736—1755), Christian Friedrich Henning (1755—1765) und Georg Jakob Decker und seine Nachkommen

(1765-1877).

211

So halte Berlin beim Tode des Großen Kurfürsten nur Die Rungesche ist dadurch von be¬ zwei Druckereien*). sonderer Bedeutung, daß sie die erste regelmäßig erscheinende Zeitung herausgab, die zunächst nur einmal wöchenilich erschien. Die erste Nummer dieser Zeitung, von Anfang Mat 1656

Titel: „B. Einkommende Ordinari- und Postzeitungen." Als Vorläufer dieses regelmäßig er¬

datiert, hat den

find die Flugblätter, „Avisen" und „Relationen" anzusehen, welche die Runges seit 1617 ver¬ öffentlichten. Eine Serie dieser „Avisen" erschien sogar in regelmäßigen Zwischenräumen; es läßi sich dies in den Jahren 1617, 1618. 1619, 1620, 1626, sowie 1632 nach¬ weisen, so daß die älteste Berliner Zeitung dem Jahre 1617 angehört. In Berlin gedruckte Flugblätter, die nicht periodisch erschienen, sind auch aus älterer Zeit nachweisbar, so aus dem Jahre 1578 ein bei Michael Hentzke hergestelltes mit Korrespondenzen aus Brabant. Frankreich, Spanien und der Türkei. Die ältesten Jahrgänge der regelmäßig bei Runge erscheinenden „Avisen" wurden, wie man annimmt, scheinenden Wochenblattes

von dem Kurfürstlichen Botenmeister Christoph Frischmann und

Bruder und Nachfolger Veit Frischmann redigiert. Dem Christoph Runge, der in Frankfurt a. O. studiert hatte, erteilte der Große Kurfürst 1655 das Privilegium zur Heraus¬ gabe der „Ordinari- und Postzeitungen". Er schrieb am

Händler

Johann Michael Rüdiger erteilt

worden.

Infolge

der ihm am 29. Oktober 1704 erteilten Erlaubnis, eine Zeitung zu drucken und zu verbreiten, wurde dem Lorenz sogar direkt

verboten, seine Zeitung weiter erscheinen zu lassen; sie wurde gewaltsam unterdrückt, da sich Rüdiger der besonderen Gunst des Königs erfreute. Seit dem Jahre 1895 verkündet der stattliche Neubau des Geschäftshauses der

„Vossischen Zeitung", Breitestr. 8 u 9,

wir Seite 209 im Bilde vorführen,

den

das

urkundlich

be¬

Die Kartusche über dem „Begründet 1704 von Johann Michael Rüdiger, privilegiert für Johann Andreas Rüdiger 11. Februar 1722, für Christoph Friedrich Voß 5. März 1751." So steht die „Vossische Zeitung" in wenigen Jahren vor dem Fest ihres zweihundert¬ jährigen Bestehens, einem Feste, das nur sehr wenigen Zeitungsunternehmungen beschieden ist. Ein zweiter Artikel soll im Umrisse die Schicksale dieser ältesten Berliner Zeitung behandeln, die seit den Zeiten König Friedrichs I. in ununter¬ brochener Folge erscheint, und deren Geschicke jeden Berliner glaubigte Gründungsjahr derselben. Mittel-Portal trägt die Inschrift:

seinem

interessieren dürften.

9. Februar

Mne letzte Geburtstagsfeier der Königin Kuifr. - k eran]falm~in’ der GroUii^Z^MMMMeMge"

Sekretär Fischer: „Lieber Getreuer, Wir haben dem Buchtrucker allhier, Christof Rungen, auf sein untcrthänigstes Ansuchen, die avisen wöchentlich zu trucken, imchgegeben, welchergestalt er dann von Uns darüber gnädigste Concesston in Händen hat. Wir befehlen demnach Euch hier¬ mit gnädigst, daß Ihr Euch vorher, ehe und wenn solche Zeitungen aufgelegt weiden, dieselben vorweisen läßet, sie fleißig durchsehet und Bedacht habet, damit nicht etwas praejudicirlicJies darin exprimiret werden möge." Von diesem Zeitungs-Unternehmen, welches als unmittelbarer Vor¬ läufer der „Vossischen Zeitung" zu betrachten ist, befinden sich in der Kgl. Bibliothek zu Berlin Reste aus den Jahren 1655, 1665, 1676 und 1677. Die Zeitung hat trotz ihres für heutige Begriffe überaus harmlosen Inhalts vielfach mit den Hindernissen zu kämpfen, welche ,hr die Zensur und die Reklamationen auswärtiger Höfe in den Weg legten. Am 5. März 1662 untersagte der Kurfürst sogar das Weiter,

1655

dem

Zeitung, gestattete dasselbe jedoch noch in demselben Jahre wieder. Seit 1665 erschien das Blatt viermal wöchentlich. Von dem weiteren Aufschwünge desselben legen die Beiblätter: „Merkurius" (1665), „Einkommende Relationes", „Fama" und „Postillion" (1677) Zeugnis ab.

erscheinen der

Nach dem Tode Christoph Runges (1681) gingen die Druckerei und das Zeitungs-Unternehmen auf dessen Witwe, eine geborene Thesendorf, über, welche 1685 einen Buchdrucker, namens Salfeld, heiratete. Der zweite Gatte starb aber schon

1688. und die Witwe setzte das Geschäft bis 1704 auf eigene fort, in welchem Jahre die Buchdruckerei auf Johann Lorenz überging. Bisher ging die traditionelle Annahme dahin, daß derselbe Mann auch den Zeitungsverlag über¬ Rechnung

nommen habe. die

Zeitung

Das trifft

ist 1704

nicht

jedoch nicht zu, die Konzession

für

dem Lorenz, sondern dem Buch-

*) Die Zahl der Buchhandlungen betrug 3, ferner 1 Kunst- und Landkartenhandlung. Buchbinder gab cs 15, die gleichzeitig mit Schreib¬ materialien handelten.

7

„%\x den drei

Weltkugeln".

Von Ferdinand Meyer.

Mit

über das die Königin

einem bangen Gefühl,

sich

selber keine Rechenschaft zu geben vermochte, hatte sie am 15.

Dezember 1809 mit dem hohen Gemahl die Abreise von Königs¬ berg nach

„So

Berlin angetreten. werde ich denn (schrieb

sie

damals) bald in Berlin

zurück sein und wiedergegeben so vielen treuen Herzen, welche

mich lieben und achten.

Mir wird

es bei dem Gedanken ganz

viele Thränen hier, wenn ich daran denke, daß ich alles auf dem nämlichen Platz finde und doch alles so ganz anders ist, daß ich nicht Schwarze Ahnungen begreife, wie es dort werden wird. ängstigen mich; immer möchte ich allein hinter meinem Schirm¬ beklommen für Freuden, und ich vergieße schon

so

leuchter sitzen, mich meinen Gedanken überlassen: ich hoffe, es soll anders werden."

Wie die Rückkehr der Königin durch Beweise der Liebe und Treue auch in

so

überaus zahlreiche

Berlin begrüßt wurde,

Doch nicht lange sollte diese Wiedervereinigung ungetrübt bleiben; drohte man doch auch sranzöfischerseils wegen der rückständigen Zahlungen einer unerschwinglichen Kontribution mit der Besetzung des Landes durch eine Exekutions-Armee! So erfüllte denn bange Besorgnis die Seele der hohen Dulderin und erpreßte ihr inmitten des feierlich begangenen Geburtstagsist bekannt.

Worte: „Ich denke, es wird wohl das letzte sein, daß ich meinen Geburtstag hier feiere!" Mal Am 7. März (einem Mittwoch) hatte nun eine öffentliche „Lyrische Vorfeier des Allerhöchsten Geburtsfestes" in dem Gebäude der genannten Freimaurer-Loge, Splittgerbergaffe Nr. 3, stattgefunden.*) festcs die

*) Damals erstreckte sich der baumreiche Logenpark noch bis zu der Anhöhe im jetzigen „Köllnischen Park", die einen Ucberrest des Festungs¬ walles aus der Zeit des Großen Kurfürsten bildete. Später erhob sich hier eine Windmühle. Im Jahre 1859 erfolgte dann die Weiterführung der Jnselstraße über den Logengarten hinweg.

212

Und brachte Trost in die zerriss'ne Brust. Und wie der Lenz die Adern der Natur Mit neuer Kraft und Lebenssülle schwellt, So wirkt auch Sie wohlthätig, liebevoll. Die Sorge weicht, das Herz fühlt neuen Mut. Und jeder legt, als fromme Huldigung, Sein Opfer auf des Vaterlands Altar.

Einlaß-Billets zu 16 Groschen klein Courant waren vorher in der Maurerschen Buchhandlung, Poststraße Nr. 29, beim Kastellan Leist im „Königlichen Nationaltheater" (Schauspiel¬ hause), beim Kastellan der Loge und an der Kasse zu haben; ebendaselbst auch Textbücher zu 4 Groschen.

In

dem durch Kerzen hell erleuchteten Musiksaal waren in einem Halbzirkel duftende Blumen aufgestellt; eine Schadowsche Büste der Königin, geschmückt mit einem frischen Rosenkranz,

So dämmert schon im milden Frühlingslicht Der schöne Tag, der Sie der Well geschenkt. Und Freude hebt des Patrioten Brust, Der Freude sieht er heitern Blicks entgegen, Denn ihn belebt das tröstende Vertrau'»: Wo Liebe herrscht und Menschenfreundlichkeit, Trägt bald auf's neu' das Gute Blüt' und Früchte!

Um 7 Uhr begann der erste Teil mit einer „lieblichen" Fcst-Canlale vom Kapell¬ meister Righini, die, zu einer Hof-Feie komponiert, ursprünglich

erhob

sich ans

der Empore des Orchesters.

einen französischen Text hatte, diesmal aber mit einem vom Kriegsrat Karl Müchler verfaßten deutschen Text versehen mar.*)

Nunmehr sprach der berühmte Schauspieler Be schort den ebenfalls von Karl Müchler verfaßten Prolog:

So laßt uns denn, fest durch das heil'ge Band. Das innig uns an unsern Herrscher bindet, All' unsre Kraft dem Vaierlande weih'n. Und aus des Krieges rauchenden Ruinen Steigt bald verschönt ein neuer Bau empor. So huldiget ein treues Volk durch That Dem Rechtlichen, der mild und weise herrscht, So huldiget es dankbar Dir, Luise!

Nicht immer braust des Winters rauher Sturm. Umhüllt die Sonn' ein trüber Nebelschleier, Deckt Eis und Schnee die blütenleere Flur

Und schweigt im Hain melodischer Gesang. Der Sturm verhallt, der finst're Winter flieht, Der Nebel finkt: im wärmern Strahl der Sonne Entkeimt der Flur ein reicher Blütenkranz. Entfesselt tönt der klare Silberbach, Und frisch belaubt sich der belebte Hain: Es kehrt der Lenz, es kehrt die Freiheit wieder!

In

auch uns das Schicksal, ausgesöhnt.

So kehrte Sie, die wir so heiß ersehnt, Ein Genius der Hoffnung, freudig wieder

dem Vcraiistalier des

I.

vom Dichter und Komponisten charakteristisch dargestellte „Meister." Würdig der schönen Feier folgte ein Schlußgesaiig vom Kapellmeister Weber; den Texi hatte wiederum Karl der

Müchler verfaßt.

Karl Müchler, der bekannte vatriotische Dichter und Verfasser

„Anekdoten-Almanachs Friedrichs des Großen", hatte bereits unter der Regierung dieses Königs seine Bcamtenlaufbahu begonnen. Als das Unglücksjahr 1806 hereingebrochen war, gehörte er zu denjenigen, welche die Zukunft des Vaterlandes unausgesetzt im Auge hatten und Auf der Proscripiionsliste dies kurch Wort und Schrift bekräftigten. Napoleons stehend, flüchtete er sich nach seiner Vaterstadt Siargard in Pommern, ui d hier entstand 1806 sein Gedicht „Ter Eioberer", das abschriftlich leibst bis in die Schweiz gelangte, später A. 1). Kotzebue, dann Erhard und schließlich Schiller zugeschrieben und 1810 in die des

„Nachlese" zu des letzteren Gedichten, mit der Ueberschrift

griff eine von

P. Schmidt, für weibliche Stimmen mit Begleitung von Blase-Jnstrumenien komponierte Hymne effektvoll ein. Der zweite Teil des Pogramms war besonders interessant durch die Ausführung der damals in Berlin noch nicht bekannten, von dem „Doktor der Tonkunst" Andreas Romberg komponierten Schrllerschen „Glocke".*) Die Solo¬ partien sangen die Damen Creuz und Rellstab, die Herren Ambrosch, Weizmann, Fischer und H—ig. Gern war ganz

Nach blm'gem Kampf den langentbehrten Frieden,

*)

die Schlußworte

Festes, dem Regierungs-Assessor

So drückt nicht stets das zürnende Geschick; Es schwindet vor der Hoffnung lichtem Strahl Das Nachtgewölk, der Klagelaut verstummt; Mitleidig heilt die Zeit die tiefen Wunden Und trocknet mild des Kummers Zähren ab. So gab

-

„An

den Kaiser

Napoleon, 1804", ausgenommen wurde. Als ich 1850 mit dem stadt¬ bekannten, bereits 87 jährigen, aber noch rüstigen Greiz näher bekannt geworden, schrieb er noch immer seine Gelegenheitsgedichte und W ihnachtsiicder, zu denen auch das herrliche: „Es giebt kein schöu'res Fest aui Erden, Als wie das Fest zur Weihnachiszeit" gehört Ani 12. Januar 1857 schlossen sich die Augen des Vicrundneunzigjährigen für immer. Von seinem Sterbehause, Neue Grünstraße 32, geleiteten wir den Ver¬ ewigten hinaus nach dem Luisenstädtischen Kirchhof in der Bergmannstraße, wo er neben seiner später verstorbenen Gattin ruht.

Am 28. März ging dem Veranstalter der Festfeier das in meinem Besitz befindliche, von der Königin eigenhändig unterzeichnete Dankschreiben zu:

„Ihre

Majestät die Königin haben den Beweis der Auf¬ nicht verkannt, die der Regierungs-Assessor Herr SIchmidt für Höchstdieselben durch die am 7. März gegebene Musik an den Tag hat legen wollen, und danken um so mehr ihm daher für die von dieser Musik unterm 10. März über¬ merksamkeit

mit dem Wunsche, daß er eine seinen Kennt¬ angemessene bestimmte Versorgung recht Ansprüchen nissen und Luise." bald erhalten möge. reichten Texte,

*) Sie gelangte erst nach langer Unterbrechung vor einigen Jahren in Berlin wieder zur Aufführung.

213

Kleine Mitteilungen. Grosiherzog Friedrich ftrmt*

ibuttgK Am 10. April d. (Mit AvbMungs. b. Franz III. von Mecklenburg-Schwerin

ist Großherzog Friedrich I Cannes I. Frankreich

in

zu

seinem

langjährigen Leiben erlegen. Der Großherzog war. obgleich ihn sein Laub nur selten sab unb er eigentlich nur bem Namen nach regierte, weil er eben seines Gesunbheitszustanbes wegen zumeist im fernen Süden zu leben gezwungen war hoch seines vornehmen unb lauteren Charakters wegen bei seinem Volke sehr beliebt, unb auch im weiteren Deutschen Reiche hat man sein frühes Hinscheiben lief bebauert. ba Friebrich Franz allezeit eine gut beutschc Gesinnung bethätigte. Friebrich Franz III, ein Sohn bes Großherzogs Friebrich Franz II, der sich im bcutsch-französischen Felbzuge als Heerführer, namentlich in ben Kämpfen gegen bie Loire-Armee, einen hervorragenben Nauien erworben, ein Enkel ber Großherzogin Alexanbrine, ber Schwester Kaiser Wilhelm I., hat nur ein Alter von 46 Jahren erreicht. Am 24. Januar 1879 vermählte er sich mit Anastasia Michailowno, Tochter bes Großfüisten Michael von Rußlanb, welcher Ehe brei Kinber ent¬ sprossen sinb: Prinzessin Alexanbrine, ber jetzige Großherzog Friebrich Franz IV. unb Prinzessin Cäcilie.'* Am 15 April 1883 bestieg er nach bem Ableben seines Vaters ben Thron. In ber preußischen Armee bekleibete er ben Rang eines Generals ber Kavallerie. Autzerbem war er Chef bes Infanterieregiments Großherzog Friebrich Franz II. von Mecklenburg-Schwerin (4. Branbenburgisches) Nr. 24, b->s 1., 3. unb

immer weiter, während er sich angelegentlich mit seinem Begleiter unter¬ hielt. Plötzlich blieb er stehen, jenem die Hand auf den Arm legend, zum Zeichen, daß er schweigen solle, und so hörten sie ganz deutlich die helle Stimme eines Mädchens, das in französischer Sprache mit ungemein großer Zungenfertigkeit zu einer zweiten Person sagte: aber nicht, Mademoiselle, und Mama hat gesagt, Sie „Ich wären dafür da und würden dafür bezahlt. Wenn Mama wüßte, daß Sie verlangen, ich sollte den Ball selbst ausheben und mir die Hand¬ schuhe beschmutzen, würde sie sehr böse sein." „Aber Felicie!" wehrte eine sanfte, traurige Stimme. „Lassen Sic mich in Ruhe, Mademoiselle, Sie langweilen mich! Holen Sie den Ball, und dann gehen w:r nach Hause." „Der Arzt hat verordnet, daß Sie bis gegen 10 Uhr in der Luft bleiben, wir dürfen noch nicht ins Hotel zurückkehren." „Ich will aber nicht bleiben und lasse mich von Ihnen nicht halten! Sie sind abscheulich und verderben mir alles Vergnügen!" Bei diesen Worten stampfte das kleine Fräulein hörbar mit dem Fuße auf Kaiser W lhelm, auf dessen edlem Antlitze sich die Entrüstung ab¬ gespiegelt, die er bei der erlauschten Szene empfunden, und dem nichts so sehr zuwider war, als wenn ein Mensch den Gehorsam verweigerte, trat nun mit raschen Schritten hinter dem Boskett hervor, das ihn bis¬ her verborgen hatte, faßte die Kleine derb an der Schulter und sagte

will

4. Bataillons bes Großherzoglich-Mecklen¬ burgischen Grenabierrcgimenis Nr. 89, bes

ebenfalls

in

Großherzoglich-Mecklenburgischen Dra¬ goner-Regiments Nr. 17 unb bes Hanno¬ verschen Husaren-Regiments Nr. 15. Tragisch war bas Enbe bes erlauchten unb geliebten Fürsten. ber entsetzlichsten Atemsnot verließ er am Abenb des 10. April sein Krankenzimmer, um braußen in bem zur Villa Wenben, in der er wohnte, ge¬ 1.

Garten besser Luft schöpfen zu Hier ist er, schon lange äußerst schwach, von einer Ohnmacht befallen worben unb dabei von einer Terrasse herab auf die unten vorbeiführende Straße ge¬ stürzt. Als er von Gärtnern, die auf seinen Hilferuf herbeigeeilt waren, gefunden war, äußerte er wiederholt: „Was ist ge¬ schehen? Wie bin ich hierhergekommen?" Durch den Sturz wurde die von den Aerzten für dienächsten 24 Stunden ohnehin erwartete Herzlähmung nur beschleunigt, so daß der Tod bald, nachdem der hohe Kranke wieder in seine Wohnung gebracht war, eintrat. Die Leiden desselben müssen in der letzten Zeit über alle Maßen qualvoll gewesen sein. Der Generalmajor Fritz Freiberr von Maltzahn, der sich seit einiger Zeit in der Umgebung des Großherzogs be¬ fand, berichtet darüber: „Jcb hätte nie ge¬ dacht, daß ein Mensch mit gleicher Geduld und Ruhe so qualvolle Leiden ertragen könne. Noch in Ictzier Nacht hörte ich ihn wiederholt beten: „Lieder Gott, schenke mir hörigen

das Geschick in abhängige Stellung ge¬ bracht, doppelt liebreich entgegenkommen, denn sie verließ Elternhaus und Heimat und giebt Dir das Beste, was sie geben kann, eine gute Erziehung." Unter dem Banne der in höchster Ent¬ rüstung blitzenden Augen des greisen Mo¬ narchen, der dem Kinde gänzlich unbe¬ kannt war, vollbrachte Felicie wirklich ohne Murren, was von ihr verlangt wurde.

können.

sie scheu zur Seite, den Blick der großen, dunklen Augen auf den Kaiser gerichtet, während dieser sich nach den Ver¬ hältnissen des blassen, jungen Geschöpfes erkundigte, das in seiner Sanftmut so gar nicht geeignet schien, diesen Brausekopf zu lenken und zu erziehen Schließlich erklärte er: „Morgen, kleines, heftiges Fräulein, werde ich mich erkun¬ digen, ob Du beflissen bist. Deiner Er¬ zieherin nur Freude zu bereiten. Du bist alt genug, um zu wissen, daß niemand unartige Kinder gern mag, wenn sie auch noch so hübsch und noch so reich sind.

Dann stand

etwas Ruhe, nur aus kurze Zeit Schlaf, und wenn es gar nicht anders ©Mliljeipg Friedlich Iran? m. geht, gieb mir das Ende!" Der Nachfolger des Heimgegangenen ist Großherzog Friedrich Franz IV., geboren den 9. April 1882. Da er noch minderjährig ist — er besucht seit einem halben Jahr das Vizthumsche Gymnasium in Dresden —, so hat brr jüngere Bruder des verstorbenen Großherzogs, Herzog Johann Albrecht von Mecklenburg, für ihn bis zu seiner Großjährigkeit die Regentschaft übernommen. Die nächste Anwartschaft hierauf hätte eigentlich der Herzog Paul Friedrich von Mecklenburg ge¬ habt, der aber durch seine Heirat mit der Prinzessin Windischgraetz und durch seinen damit zusammenhängenden liebertritt zum katholischen Glauben auf alle Rechte an den Thron verzichtet hat. doch

Wilhelm I. Zug MMr^>är","Ä^rg. l891, Nr. M wir, weil ganz Kaiser Wilhelms I. mit, als Erzie her.

Aus der Feder von H. 26 einen

Leben unseren Lesern gern

den

fließendem Französisch, aber

thun, was das Fräulein befiehlt? Pfui, schäme Dich! Wer wird so ungeberdig, so widerspenstig sein, wenn man solch kleines Dämchen vorstellt! Gleich gehst Du dort¬ hin, holst den Ball und bittest Dein Fräu¬ lein um Verzeihung, daß Du hr mit Dei¬ nen Worten wehe gethan hast! Bist Du reicher Leute Kind, so solltest Du ihr, die

In

er

in

energisch verweisendem Tone: „Willst Du, ungezogenes Kind, sofort

Wal-

aus

dem besonders schön,

in Erinnerung rufen möchten. H. Waldemar erzählt: Es war im Beginn der achtziger Jahre. Kaiser Wilhelm war, wie damals alljährlich, zum Kurgebrauche nach Wiesbaden gekommen. Zu bestimmter Stunde erschien er am Sprudel, nahm von der knicksen¬ den Wasscrjungfrau das Glas entgegen, dankte ihr mit einigen Scherz¬ worten, ehrte diesen und jenen mit einer Ansprache und bezauberte alle, die ihn sahen und ihm begegneten, durch sein leutseliges, ungemein liebenswürdiges Wesen. Dann begab er sich, nur von einem Kavalier begleitet, (besten Namen mir entfallen), auf die vorschriftsmäßige Prome¬ nade, die er, der Abwechslung halber, nach dem Kurgartcn ausdehnte.

Vorsorglich die nächste Umgebung des Kurhauses vermeidend, schritt er

von Mechlenvnrg-Schiverin

f.

mein

Kin?.^unb"b^j°nig? dem' ^zuge¬

es als unverdientes Geschenk dankbar hinnehmen, anstatt sich über andere ihre Abhängigkeit fühlen lassen. Wirst Du daran

fallen, sollte

zu

erheben und

sie

denken?"

Felicie sah scheu, aber nachdenklich in das edle Antlitz, das ihr wohlwollend zuneigte; dann sagte sie ernst: „Om, monsieur.“ Kaiser Wilhelm nickte ihr herzlich zu, grüßte die Erzieherin, sich tief verneigte und ging.

sich

die

Von diesem Tage an lenkte der Kaiser fast täglich seine Schritte zu jenem Boskelt. Und wenn auch Felicie das nächste Mal sehr ver¬ legen und zurückhaltend war, — hatte ihr die Erzieherin doch mitgeteilt, wer der alte Herr gewesen, der sie so scharf getadelt — so gewann sie doch bald Zutrauen, da des greisen Herrschers Art und Weise, mit ihr zu verkehren, so überaus einfach war. Nach und nach verlor sie die alte Scheu, sprang ihm entgegen, begrüßte ihn mit freilich mühsam ein¬ studiertem Knicks und erwartete geduldig seine Anrede, wie man ihr dies jedesmal neu einschärfte; wenn sie aber diesen Ermahnungen genügt hatte, sprudelte aus ihr alles heraus, was ihr durch den Sinn kam, und sie ergötzte Kaiser Wilhelm nicht wenig mit ihrem treuherzigen Geplauder, das so unaufhaltsam über ihre rosigen Lippen strömte. Freilich war Felicie nicht so rasch gebessert; gar oft verfiel sie den alten Fehler; cs bedurfte aber dann nur eines Hinweises auf den deutschen Kaiser, um sie saust und gefügig zu machen. In dem Grade aber, als Felicie sich Mühe gab, anders zu werden, blühte die junge Erzieherin auf; der Druck, der auf ihr gelegen, daß noch

in

214 der Erziehung des Kindes nicht gewachsen war, schien von ihr genommen, und dies ließ nun die angeborene Heiterkeit ihres Gemütes zum Durchbruch kommen. Endlich kam dann der Tag heran, da Kaiser Wilhelm zum letzten Male seine kleine Freundin aufsuchte. Wehmütig zuckte es über sein Antlitz, als er Felicie eine reizende Nadel überreichte, die ihren Namen in Perlen enthielt, und er sagte: „Wer weiß, ob wir uns je wiedersehen, kleine Felicie!" „Nächstes Jahr kommen wir sicher wieder hierher," rief das hübsche Kind, erwartungsvoll zu dem greisen Herrscher aufschauend. „Nächstes Jahr?" wiederholte er, nachdenklich lächelnd. „Wer wollte so weit voraus Pläne schmieden?" So schieden sie und sollten sich nicht wiedersehen. Der Tod ging an dem ehrwürdigen Haupte des Kaisers noch einmal vorüber, streifte aber mit eisigem Hauche die junge Mädchenknospe, daß sic erstarrte und verwelkte. Felicie erlag einem hitzigen Fieber, wenige Wochen nach dem letztes Wort war ein Gruß an Abschiede von Kaiser Wilhelm. den liebenswürdigen Freund, welcher der erste gewesen war, der sie der Pflicht zugefüh-t hatte. sie

Ihr

I. Zu der Mitteilung klII hin »Westen und die Fürstin Hatzfeld" geht uns aus unserem Leserkreis von geschätzter Seite die Versicherung zu, daß der Vorgang sich einigermaßen anders abgespielt habe. Es wird uns geschrieben: „Durch das Anhalten der Briefe gelangten die Franzosen bald nach ihrem Erscheinen in Berlin in Besitz eines Briefes, welcher vom Fürsten Hatzfeld unterzeichnet und an den König bestimmt war. Dieser Brief gab dem Könige von allem, was sich in Berlin zugetragen, genaue Rechenschaft und enthielt auch eine genaue Aufzählung der Stärke der französischen Truppen. Da ein Fürst diesen Brief geschrieben hatte, wurde er dem Kaiser zugestellt, der die Bildung eines Kriegsgerichts verordnete. Der Fürst wurde ver¬ haftet und das Kriegsgericht versammelt; allein der Brief, das einzige Beweisstück, war nicht zur Stelle, er befand sich noch in den Händen Napoleons, und man mußte denselben erst von ihm fordern lassen. Der glückliche Zufall wollte, daß Napoleon außerhalb Berlins Heerschau über das Davoustsche Corps hielt, auf dem Rückwege bei dem Prinzen Ferdinand (Bruder Friedrichs des Großen) einkehrte und erst gegen Abend nach dem Schlosse zurückkam. Die Fürstin Hatzfeld hatte mittlerweile Erkundigungen eingezogen und suchte den Marschall Duroc auf, welchen sic von früher her kannte. Duroc wußte von der ganzen Sache nichts, beauftragte den General Savary, Erkundigungen einzuziehen. Savary erfuhr nun durch den Berichterstatter des Kriegsgerichts, daß er einen Brief, vom Fürsten Hatzfeld an den König von Preußen gerichtet, erwarte, und daß das Leben der Fürsten in Gefahr sei. Savary eilte zu Duroc, teilte ihm mit, was er erfahren, und gab zu verstehen, daß die größte Eile nötig diesem Augenblick traten die Wachen ins Gewehr, der Kaiser sei. kehrte zurück. — Duroc reichte der Fürstin welche seine Zimmer nicht verlassen hatte, den Ann und stellte sich vor der Saalthüre auf, durch welche der Kaiser eintreten mußte. Als Napoleon an Duroc und der Fürstin vorbeiging, fragte er; „Giebt es etwas Neues, Herr Gro߬ marschall?" — Duroc bejahte die Frage, und folgte dem Kaiser in das Kabinett, während die Fürstin wartete. Duroc kehrte bald zurück und der Unschuld ihrer Seele, da sie ließ die Fürstin eintreten. von nichts wußte, sprach sie von Verleumdung und forderte von Napoleon Gerechtigkeit. Als sie alles vorgetragen, was sie zu sagen haUe, reichte ihr Napoleon den Brief ihres Gemahls. Indem sie den Brief liest, bemächtigt sich ihrer der Schrecken, sie erblaßt und ruft aus: „Ach, mein Gott, es ist seine Handschrift, wie unglücklich sind wir!" worauf Napoleon: „Nun. Madame, ist das eine Verleumdung, eine Ungerechtig¬ keit?" Die Fürstin ergoß sich, mehr tot wie lebendig, in Thränen, als der Kaiser ihr den Brief wieder abnahm und ihr sagte: „Madame, ohne Sie diesen Brief gäbe es keine Beweise gegen Ihren Gatten." antwortete: „Das ist sehr wahr, Sire, aber ich kann es nicht leugnen, der Brief ist von ihm." „Nun wohl", entgegnete Napoleon, indem er den Brief in das Kaminfeuer warf, „man muß ihn verbrennen." Die Fürstin wußte nicht, was sie dazu sagen sollte, aber ihr Still¬ Sie schweigen sprach beredter, als die schönste Rede hätte thun können. entfernte sich höchst glücklich; sie sah noch denselben Abend ihren Gatten wieder, der in Freiheit gesetzt wurde. Man wird mir beipflichten, daß diese Darstellung glaubwürdiger erscheint, als die in Nr. 18 gebrachte. Und wenn wir auch wahrlich keine Veranlassung haben, auf Napoleon und seine Generale Loblieder anzustimmen, so dürfte es in diesem Falle nicht in Abrede zu stellen sein, daß sowohl Napoleon wie Duroc und Savary edel und hochherzig gehandelt haben." Nochmals Fürstin Hatzfeld und Napoleon

in Nr"15

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Der.-arone Kurfürst und Daniel Seabers. Wie der Große Kurfürst in den Besttz^klue» Muv lNksienblionssses von Daniel S eg Hers kam, wird in den Antwerpncr Annalen des berühmten Jesuiten Daniel van Papebroek zum Jahre 1646 erzählt.*) Bei Gelegenheit seiner Vermählung mit Luise Henriette von Oranien sah der Große Kurfürst im Hause seines Schwagers einige Bilder von dem Jesuiten Daniel Seghers und äußerte den Wunsch, auch ein solches zu besitzen. Innerhalb Jahresfrist erhielt denn auch der Kurfürst ein von Seghers gemaltes Bild zum Geschenk, das die Jungfrau Maria in

*) S. Seidel, die Beziehungen des Großen Kurfürsten und des Königs Friedrichs 1. zur Nieder!. Kunst. Berlin 1890.

einem Blumenkranz darstellte. Friedrich Wilhelm, heißt es weiter, habe dem Künstler in einem eigenhändigen Schreiben gedankt und ein Gegen¬ Es bestand merkwürdigerweise ans einer Anzahl geschenk beigefügt. Reliquien aus dem alten Schatz des Berliner Domes. Es waren zwei in vergoldetem Silber gefaßte Finger des heil. Laurentius und ein Pilgerhalsband von vergoldetem Silber mit edlen Steinen und Teilen der Mitte war der brandenburgische Adler heiliger Gebeine daran. angebracht. Zum Zeugnis der Echtheit war von der Regierung in Cleve eine vom Kurfürsten unterzeichnete und gesiegelte Urkunde aus¬ gestellt, welche bezeugte, daß diese Reliquien dieselben seien, welche früher in einer vergoldeten, mit edlen Steinen besetzten viereckigen Büchse im Dom zu Cölln an der Spree zur Verehrung ausgestellt gewesen wären.

In

Die Ravene'sche Gemäldegalerie zu Berlin ist vor etlicher Zeit aus ihrem alten Heim nach dem von Ende ünd Böckmann in der Die Wallstraße 5—8 erbauten Prachtgebäude überführt worden. ihr zugewiesenen Räume liegen im Vorderhause drei Treppen hoch. Sie bestehen aus einer Reihe größerer Säle, von deiwn einige Oberlicht be¬ sitzen, und aus einer Anzahl recht behaglicher Kdbinette. Als Hinter¬ grund für die Gemälde ist in den meisten Räumen eine dunkelrote, in einigen andern eine grün getönte Tapete gewählt worden. Holzpaneele von tiefroter Farbe bilden die untere Bekleidung der Wände. Rundsofas und Stühle, sämtlich mit braunem Leder überzogen, laden in den großen Sälen zu behaglichem Ruhen ein. Die Kabinette sind als Ge¬ angemessenen Zwischenräumen sind die sellschaftsräume eingerichtet. Bilder aufgebängt, so daß jedes von ihnen zur besten Wirkung gelangt. Mit feinem Verständnis ist in dieser Beziehung verfahren und ein wohl¬ thuender Eindruck erzielt worden. Im übrigen ist vornehme Einfachheit das Gesamtgepräge der Galerie. An Oelgemälden enthält die Galerie gegen 200, an Aquarellen gegen 100, zudem noch zwei Marmorbüsten, von denen die eine den Begründer der Galerie, den am 31. Dezember 1861 verstorbenen Geh. Kommerzienrat Jacob Ravene, und die andere dessen Sohn, den am 28. Mai 1879 verstorbenen Geh. Kommerzienrat und General-Konsul Louis Ravene, darstellt. Dieser ist der Vater, jener der Großvater des jetzigen Besitzers. Beide Büsten sind nach dem Tode der beiden Dargestellten von dem jetzt verstorbenen Bildhauer Professor Heinz Hoffmeister modelliert worden. Es sind Werke, die sich durch feine Charakteristik auszeichnen und zu den besten Leistungen des Künstlers auf dem Gebiete der Porträtplasiik gehören. Jacob Ravene hat die Galerie in der ersten Hälfte dieses Jahrhunderts begründet, sein Sohn und sein Enkel haben sie mit feinem Verständnis vergrößert. Eine Be¬ sichtigung der Galerie, die dem Publikum Dienstags und Freitags in den Stunden von 10—2 Uhr geöffnet ist, muß als ungemein lohnend bezeichnet werden, da zahlreiche Bilder ersten Ranges vorhanden sind. Man findet solche von Hasenclever, Franz Krüger, Preyer, Morgenstern, Hildebrandt, Knaus, Menzel. Mcyerheim, Schräder, Karl Becker, den beiden Achenbachs, Karl und Paul Graeb, Hoguet, Saltzmann, Röster, Warthmüller, Fritz Werner, Hugo Vogel, Breitbach, Leu, Gabriel Max, Loewith, Troyon, Jfabey, Rosa Bonheur, Meissonier, Ten Kate u. s. w. Das Menzelsche Bild stellt Friedrich den Großen auf Reisen dar. Es gehört zu den besten Schöpfungen, die der Meister hervorgebracht hat.

In

Franz Krüger ist besonders gut mit einem Bildnis Friedrich Wilhelms IV. und einem „Pferdestalle" vertreten; Knaus und Karl Becker vorzugs¬ weise mit Familienbildnissen der Ravenö'chen Familie, Fritz Werner mit seinem „Riesengrenadier König Friedrich Wilhelms I." und seinem „Grenadier aus der Leibgarde Friedrichs des Maßen", Hugo Vogel mit jenem großen Gemälde „Die Industrie unter dem Schutze der Wehr¬ kraft des Deutschen Reiches", das im Jahre 1894 in der Großen Kunst¬ ausstellung zu sehen war, Saltzmann mit dem Marinebilde „Am Cap der guten Hoffnung". Auch von unserem Kaiser findet sich eine recht tüchtige Leistung vor, eine große Zeichnung, darstellend einen Angriff von Torpedoboten auf einen Panzer. In besonderem Maße fesselt noch ein von Helene Buchmann gemaltes lebensgroßes Frauenbildnis, eine schlanke, jugendliche Gestalt mit sehr sympathischen Gesichtszügen. Es ist die Dame des Hauses, die Gattin des jetzigen Besitzers der Galerie. Eine wertvollere und schönere Privatgalerie, in der die Kunst dieses Jahrhunderts ähnlich umfangreich vertreten ist, dürfte Berlin nicht be¬ sitzen. Man kann nur seine Freude darüber aussprechen, daß die prächtige Sammlung auch in ihrem neuen Heim der öffentlichen Besichtigung in Sammelbörse. so liberaler Weise zugänglich gemacht ist.

— Dns ni cderliiiidisckic ^Daukaebct. das bei der Enthüllung

Will'c im^MMkMMMr lin

des

gespielt wurde, hat auf diese Weise Es stammt aus dem Jahre auch eine Jubiläumsehre erhalten. 1597. Damals herrschte in den befreiten Provinzen große Freude über die fortwährenden Siege des tüchtigen Feldherrn, des Statthalters Prinz Moritz, und die Generalstaaten schrieben einen allgemeinen Danktag aus, wobei das Lied gesungen wurde. Der Text: Wilt heden Nu treden Voor God den Heere u. s. w., ist in Bezug auf Echtheit unanfechtbar. Da die Weise, die mit Het wilder dan wild bezeichnet wird, uns indes durch Adrianus Valerius in dessen wertvollen Gedenk-Clanck vom Jahre 1626 überliefert ist, fragt es sich ob sie nicht in der Bearbeitung des niederländischen, Musikers cinekgleiche Verballhornung erlitten hat, wie die des Wilhelmus van Nassouwen, die zweifellos nicht mehr dieselbe ist wie zur Geusenzeit.

Kaiser

Künstlerhonorare. Die Künstlcrhonorare für die Denkmäler der drei Hohenzollernsürstcn in Berlin, des großen Kurfürsten, des alten Fritz und des Kaiser Wilhelm I., waren sehr verschieden. Der erste und als¬ bald auch genehmigte Entwurf für das Kurfürsten-Standbild stammt

215 aus dem Jahre 1696.

Schlüter erhielt von dem über den glücklichen

Kücherttfch.

Entwurf hocherfreuten Kurfürsten Friedrich, nachmaligen König Friedrich I.,

sofort ein Geschenk von 2000 Thaler. Außerdem wurden ihm, der ja damals den großen Umbau des Schlosses zu leiten hatte, für die Ober¬ leitung des Denkmalsbaues für die ersten drei Jahre eine Zulage von je 800 Thaler gewährt, die aus Dank für das schnelle unv fehlerlose Fortschreiten der Arbeiten der Kurfürst für die übrige Zeit auf 1000 Thaler jährlich erhöhte. Danach hat der Bildner des KnrsüistcnDcnkmals etwa 11 000 Thaler erhalten. Hundertfünfzig Jahre später wurde Friedrich II. ein Denkmal gesetzt. Zwölf Jahre währte die Bauzeit. In dieser Zeit erhielt Rauch jährlich 8000 Thaler. Außerdem wurden ihm nach Vollendung des Denkmals noch 20 000 Thaler zuge¬ wiesen. Danach hat Rauch als Küestlcrhonorar für das FriedrichsDenkmal im ganzen 56 010 Thaler erhalten. Reinhold Begas soll für seine Schöpfung einschließlich der gesamten künstlerischen Ausschmückung der Halle anderthalb Million Mark erhalten haben. Das KurfürstenDcnkmal kostete etwa 225 000 Mark, das des alten Fritz 720 000 Mark und für das Kaiser Wilhelm-Denkmal sind (wobei allerdings die sehr schwierige Herstellung des Dcnkmalplatzcs und die großartige Aus¬ dehnung des Werkes nicht außer acht gelassen werden dürfen) 4 Millionen. Mark bewilligt worden. Dag erste ostprcnßische Lehrerseminar in Klein.Deren. Das erste '" wMe^ M^H^M^M-Hriedrich dem ostpreußijche-LtW ! Großen in Klein-Dexen gegründet. (Rach Naumanns Ortslexikon. ist Klein-Dexen jetzt ein ganz kleiner Ort mit nur 40 Einwohnern in der Nähe von Preußisch-Eylau in welch letztere Stadt denn auch im Jahre 1843 das Klein-Dexencr Seminar verlegt wurde.) Um für dieses neugegründete Seminar Zöglinge zu gewinnen, erließ die Ostprcußische Regierung am 31. Januar 1774 folgende Verfügung: „Da unter Königlicher Konfirmation ein Schulmcister-Seminarium in dem Kirch¬ dorfe Dexcn, Bartensteinsche Inspektion, errichtet worden, in welchem

MMI

einige Leute, die

sich zu

Landschulmeisterdiensten einst brauchen zu lassen

Lust bezeugen, frei unterhalten und unentgeltlich in allem denjenigen angewiesen und zubereitet werden sollen, was nach dem Königlichen General-Landschulln-Reglcment von 1763 in den Landschulen zu treiben, anbefohlen worden; auch dieses zum Vorteil des Landes und besonders zur Aufnahme der Landschulen abzweckende heilsame Institut so weit gediehen, daß das zu demselben bestimmte Gebäude bereits aufgeführt und zu freier Unterhaltung der aufzunehmenden Seminaristen alles Nötige vorgekehrt worden: so haben sich die Inspektoren nach solchen der deutschen Sprache kundigen Subjekten, die sich zu einem künftigen Landschulmeistcrdienste durch Treue und Fähigkeit qualifizieren, in ihren Diözesen zu erkundigen und sie mit beigefügtem Zeugnisse von ihrem bisherigen Aufenthalte und Führungen an die Spezial-Kirchen- und Schulen-Kommission zu adressieren, da sie sodann weiter beschicdcn und, wenn sie in den: Dexcnschcn Seminario sich hinlänglich in den für einen Landschulmeister nötigen Kenntnissen haben zubereiten lassen, mit convenablen Schulmeisterstcllen versorgt werden sollen." Letzte Auerhahn-Jagd des Reichspostmcistcrs v. Stephan. Aus dem Königreich Sachsen wird uns mitgeteilt: Seinen l egten Armchuh n hat Reichspostmeister von Stephan vor gerade Jahresfrist am 20. April 1896 erlegt und einem sächsischen Huthändlcr geschenkt. Das bei¬ geschlossene, vom 22. April v. aus Brückenau im Spessart datierte Schreiben, welches zugleich einen Beweis von der menschlichen Bescheiden¬ heit des Verstorbenen giebt, lautete: „Für die mir freundlichst gesandte Spessartmütze aus Hasenhaarcn danke ich Ihnen sehr. Wenige Stunden nach Empfang derselben erlegte ich einen Auerhahn, den ich Ihnen mit Dank und Gruß übersende. Ich freue mich zugleich, in Ihnen einen Regimentskameraden — Stephan hatte bei der Artillerie im Magdeburg 1851 gedient — sowie einen Krieger aus der großen Zeit unseres Vater¬ landes von 1870 her kennen zu lernen, und danke Ihnen noch besonders für die freundlichen Gesinnungen gegen meine Person. Jeder, der in seinem Kreise sich einer nützlichen und ehrbaren Thätigkeit

I.

hingiebt, dient seinem Vaterlande. Wenn es mir gelungen sein sollte, für weitere Kreise der Welt etwas Dauerhaftes zu schaffen, so danke ich es zunächst der Kraft Gottes, welche wiederum einmal im Schwachen mächtig gewesen ist! Mit Waidmannsheil Ihr ergebenster von Stephan." Von den vernünf tigen Betten des DickfierS,.UuMM«---Ln seiner

soeben erschienenen SeldMograpyie erzählt Julius Grosse u. a. eine hübsche Anekdote aus Gutzkows Leben: „Der Dichter des „Urtel Acosta" war es gewohnt, sich nach dem Theater in später Stunde kopiöse und schwer verdauliche kulinarische Genüsse zu gönnen. Natürlich schlief er dann meist sehr schlecht. Um so erfreulichere Erfahrungen machte er

auf ländlichen Ausflügen, wo er in Ermangelung der städtischen Speise¬ karte sich mit einfacherer Kost begnügen mußte und dann vortrefflich ichl'cf. Am ondern Morgen hieß cs dann: „Was kostet dies Belt, Herr Wirt? Endlich einmal ein vernünftiges Bett, ein unbezahlbares Bett, so gut habe ich noch nie geschlafen! Von heute an ist cs mein. Packen Sie es ein. und schicken Sic cs nach Weimar!" Das Bett kam an und that eine Weile seinen Dienst, bis die alten Gewohnheiten wieder auch die alten Folgen hatten. „Ei was, dies verwünschte Baucrnbett tc-ugt auch nichts. Fort damit, hinauf auf den Boden!" Wieder ruachtc dann Gutzkow einen Amflug, und abermals fand er ein unveigleichliches Bett, das wiederum angekauft und nach Weimar geschafft wurde, natürlich mit demselben schließlichen Erfolg. Auf diese Weise war im Laufe der Zeit ein ganzes Magazin von Bauernbetlen zusammengekommen, die endlich alle Räume des Speichers füllten."

Henri Franvois Brandt.

Erster Medailleur an der Königlichen Münze und Professor der Gewerbe-Akademie zu Berlin ,1789—1845). Leben und Werke. Bearbeitet und herausgegeben von seiner Enkelin Hildegard Lehnert 22 Tafeln in Lichtdruck nebst T'.xt und Titelbild. Berlin 1897. Bruno Heßling. Preis -20 Mk. Es ist ein würdiges Denkmal, das hier dem im Jahre 1789 zu La Chaux de Fonds im Kanton Neuschatel geborenen und im Jahre 1845 zu Berlin verstorbenen Künstler in pietätvoller Liebe durch eine seiner Enkelinnen gesetzt ist. Das Prackitwerk enthält überaus wertvolle biographische Notizen und eine ganze Reihe von fachmännischen Urteilen über die künstlerische Bedeutung des im Jahre 1817 auf Rauchs Ver¬ anlassung (der ihn in Rom kennen gelernt hatte) nach Berlin berufenen und im Jahre 1818 als erster Medailleur an der Königlichen Münze zu Berlin angestellten verdienstvollen und wackeren Mannes. Wie hoch Brandt schon damals geschätzt wurde, geht am besten daraus hervor, daß stck, als der Berliner Ruf an ihn erging, gleickizeitig sowohl die päpstliche Münze zu Rom als auch die königliche Münze zu Neapel bemühten ihn in ihre Dienste zu ziehen. Er aber zog den Ruf nach Berlin vor und hat hier 28 Jahre lang nicht bloß beut preußischen Staat die wesentlichsten Dienste geleistet, sondern auch — durch hoch¬ gestellte Persönlichkeiten, wissenschaftliche und andere Vereine dazu veranlaßt — in alle Welt hinein eine wahrhaft staunenswerte Thätigkeit entfaltet. Sicht man alle die herrlichen Medaillen und Denkmünzen an, die er geschaffen, und von denen uns die Kunstblätter vorzügliche Ab¬ bildungen vorführen, so hat man in der That ein reiches Stück Welt¬ geschichte vor sich. Die Verfasserin stellt in anerkennenswerter Weise eine Fortführung ihres verdienstvollen Unternehmens in Aussicht und will dabei nicht nur weitere Werke ihres Großvaters zur bildlichen An¬ schauung bringen, iondern auch die Briefe desselben an Max de Meuron, —n. David d'Angcrs und andere Zeitgenossen veröffentlichen.

Aus der Franzosenzeit. Was der Großvater und die Großmutter erzählen. Von Aug. Knötcl, Leipzig 1896. Verlag von Fr. Wilh. Grunow. 360 S. Preis 4,50 Alk. Augustin Knötcl, geboren 1821 und gestorben 1895, erzählt in dem vorliegenden Buche auf den ausgesprochenen Munich seiner Söhne, was er von seinem Vater und seiner Mutter gehört, teilweise vom Vater auch aufgezeichnet gefunden hat, so treu und einfach wie möglich wieder. Durch die Erzählungen seiner Eltern angeregt, hat sich der Verfasser eingehend mit der Geschichte des Krieges 1806/7 in Schlesien beschäftigt und schon früher eine interessante und anschauliche Schilderung der Kämpfe um Glatz im Jahre 1807 und eine solche der Vorbereitungen zur Erhebung von 1813 veröffentlicht, sowie eine vierbändige Handschrift über jenen Krieg in Schlesien, in der er die zahlreichen damals er¬ schienenen Einzelschristen, meist Tagebücher, über die Belagerungen ver¬ arbeitet hat, der Stadtbibliothek zu Breslau hinterlassen So wurde er besondeis befähigt, die Schicksale und Erlcbnesse seiner Eltern mit den allgemeinen Wcltverhältnissen und den großen Strömungen der Zeit in Veibindung zu setzen. Ueber die Zustände Schlesiens, das Militärwcsen vor 1806, den Krieg in Schlesien, die Landesverteidigung durch den Grafen Götzen, die Volkserhebung 1813 u. a. haben wir sowohl im ersten Teil, den Erzählungen des Vaters, als im zweiten Teil, den Erzählungen der Mutter, manches gefunden, was kaum, bekannt oder mangelhaft und in falschem Lichte bisher dargestellt h. worden ist. .

Von Paul Walter. Norden 1896. Verlag der christl. Buchhandlung. 160 S. Preis 2 Mk., geb. 8 Mk. Eine sehr empfehlenswerte Sammlung tief empfundener religiöser Gedichte, die zum kleinen Teil bereits im „Bußvrediger" erschienen waren. „In Schmerzen geboren", wie der Verfasser im Vorwort schreibt, mögen sie nun dazu beitragen, mancher Seele Leid zu lindern. Gottes h. Segen geleite sie in die Lande. Pilgerpfadc.

Die Nummer 2808 der „Illustrierten Zeitung" in Leipzig enthält zunächst den Leitartikel: „Die Regentschaft in Mecklenburg-Schwerin" mit den beiden Porträts: Großherzog Friedrich Franz IV. und Herzog Johann Albrecht, Regent von Mecklenburg-Schwerin. Der griechischtürkische Konflikt wird durch zwei Bilder aus Kreta illustriert: Die Erstürmimg des Blockhauses von Malaxa durch die Griechen (nach der Skizze eines Augenzeugen gezeichnet von O. Gerlach) und Bombardierung des genannten türkischen Blockhauses durch die Geschwader der Gro߬ mächte (nach der Skizze eines Marineoffiziers gezeichnet von Willy Stömer). Dos Hauptinteresse dürfte sich in den Bildern von der soeben eröffneten sächsisch-thüringischen Industrie- und Gcwerbeausstellung in Leipzig (mit begleitendem Text von Volluiar Müller) konzentriern. Die Bilder, welche 4 Ansichten aus dem „Thüringer Dorf", 4 Ansichten aus „Alt-Leipzig", sowie die Ansichten der Wartburg und des Alpendioramas «Burg Täufers in Tire!) umfassen, sind sämtlich Original¬ zeichnungen t es Spczialzeichners der „Illustrierten" Limmer. Eine große doppelseitige figurenreiche Illustration betitelt sich: „Wachtparade vor der Feldherrcnhalle in München". Sic ist nach einem Gemälde von RenS Reinicke, der unter den jüngeren Künstlern der Gegenwart mit in erster Linie steht Das Bild dü fte in seiner humorvollen Darstellung (auch das Porträt des Künstlers ist beigcgcbcn) allgemein fesseln. Drei Bilder: „Von den Halligen" (nach 3 Gemälden von Jakob Alberts) führen in die eigenartige, fesselnde Welt der nordfriesischen Inseln. Das

des neuen Notschalters der Vereinigten Staaten von Amerika am deutschenKaiscrhof (Andrew Dickson White), der Photographieder Norwegerin Frau Ellen Gulbranson, die am Himmel der vorjährigen Wagnerfeste in Bayreuth als heller ««esangssrern aufging, das Bild der Marie Schönncker, der diesjährigen pariser Mittfasten-Königin, sind von kurzem aber fesselndem Text begleitet. Wir heben noch das ernste Eingangsbild: ^Für Gott geschmückt" (nach einem Gemälde von Alois Erdteil) sowie das gemütliche Thicrbild: „Junge Dachse" (Originaizcichnung von Albert

Porträt

Richter, mit Jägcrtext von Carl Brandt) hervor.

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(18. Fortsetzung.)

as Weihnachtsfest nahte heran.

Finkenstein hatte versprechen müssen, das Fest aus Krummensee mit zu feiern. Die Kälte hatte wieder einer milderen, weicheren Luft Platz gemacht. Weiße Schneeflocken rieselten herab, dicht, unaufhörlich. Bald war die ganze Landschaft mit einer schützenden Schneedecke überzogen, aus welcher die Kiefernwälder gleich gigantischen Mauern empor¬

ragten, während Dörfer wie Oasen in der Wüste die Einöde unterbrachen.

Die niedrigen strohbedeckten Hütten waren tief in den Schneemantel eingewickelt; drinnen schnurrte das Spinnrad, klapperte der Webstuhl, und alles drängte sich in die Nähe des mit Torf und Kiefernkloben gespeisten, wärmenden, ungeheuren Kachelofens.

Draußen stand, wie eine Henne, welche ihre Küchlein um sich versammelt, die feldsteingebaute Dorfkirche, alles über¬ ragend, und daneben, wie der aufgehobene Zeigefinger des Mahners nach oben zeigend, der stumpfe Kirchturm mit seiner Schneehaube.

In den Scheunen klapperte lustig der Flegel im Dreischlag, und die Jungen fuhren jubelnd und laut schreiend ihre kleinen Schwesterchen im kunstlosen Schlitten auf der Dorfstraße, bis sie mit blaugefrorenen Nasen und kribbelnden Händen wieder die warme Stube aufsuchten. In

den Wäldern legte krachend die Axt die hohen Kiefern

und Fichtenstämme nieder, die Frauen der Holzhauer, welche ihren Männern die warme Suppe in dem lappenumwickelten Henkeltopf gebracht hatten, kehrten in langem Zuge heim, in

dem Spankorbe eine Last von Abfallspänen und Wurzeln tragend, welche man ihrem schwachen Körper kaum zugetraut hätte. Holzschlitten kamen, mit Fichtenkloben beladen, den glatten Weg benutzend, aus dem Forste; kurz es entwickelte sich allenthalben das echte, rechte Winterleben auf dem Lande. Am heiligen Abend klingelte denn auch Finkensteins Schlitten, bespannt mit zwei flinken Rappen, welche die Ruhe des Winterstandes übermütig gemacht hatte, lustig in den

Schloßhof.

Die Christmesse in der mit Hunderten von Lichtern und war vorüber — dieser Glanzpunkt der Kinderwelt, an deren erstaunten Augen die Leben im Mütter sich erfreuen, während zu Hause der Vater die Lichter

Lichtchen erleuchteten Kirche

an

dem

Gaben,

heimlich welche

beschafften Christbaum

das Christkindlein

anzündet und

gebracht

hat,

die

ausbreitet.

Finkensteins Schlitten hatte zuvor vor dem Pfarrhause um den Pastor Olearius mit seiner Tochter nach dem Herrenhause abzuholen, wo sie, wie alljährlich der Bescherung der Dienstleute beiwohnen sollten. Der Pastor hatte schnell den Talar mit einem warmen Pelzrocke vertauscht, und auch Magdalene hatte ein warmes, mit weißem Kaninchen¬ fell besetztes Jäckchen angezogen und ein eben solches Pelz¬ barett aufgesetzt, unter dem ihr rosiges winterlich angehauchtes gehalten,

Finkenstein hatte seinen Kutscher geschickt und lenkte selbst das Gespann von

Gesicht zum Entzücken aussah.

zu Fuß

voraus

der Pritsche aus.

In

der Eingangshalle des Herrenhauses war eine lange

230 auf deren Mitte ein stattlicher Christbaum mit und allerlei Näschereien stand. Rings herum lagen die Geschenke für das Gesinde und die Arbeiterfamilien. Schon wochenlang vorher hatten die Damen sich damit beschäftigt, das für jeden paffende auszusuchen oder anzufertigen. Da fanden sich für die Frauen und Mädchen warme Röcke und Jacken, Stücke Leinwand zur Aussteuer, bunte Kopflücher, Schürzen, auch allerlei Tand; für die Männer und Burschen lagen Pfeifen, Tabak, warme Pelzmützen, hand¬ feste Taschenmesser und dergleichen da; für die Kinder Spielzeug, warme Socken, Höschen und Jäckchen. Niemand war vergessen.

Tafel

gedeckt,

brennenden Lichtern

Die beiden Nachbarzimmer waren stark geheizt und die Thüren geöffnet, so daß in dem sonst kalten Raume auch eine behagliche Wärme herrschte. Und nun strömten sie, von den beiden Verwaltern geführt, in hellen Haufen herein, die Knechte und Mägde und die ständigen Arbeiter mit ihren Familien. Streng nach dem Dtenstalter ordneten sie sich im Kreise, die Kinder im Vordergrund.

Dann erschien die Familie der Herrschaft mit ihren Gästen aus der einen Nebenstube, und Hans Wilhelm hielt eine kurze, kernige Ansprache, in welcher er den Dienstleuten für ihre treue Mitarbeit in dem abgelaufenen Jahre dankte und sie zn fernerer treuer Pflichterfüllung, der allein der Segen des Himmels folgen könne, ermahnte. Darauf trat der Pastor vor, sprach ein Gebet, und nun wurden die bekannten Weihnachislieder gesungen.

Mit mehr kräftigen und andächtigen als melodischen Tönen erklang das „Vom Himmel hoch, da komm' ich her" und „Stille Nacht, heilige Nacht" aus den rauhen Kehlen der Männer, übertönt von den laut gellenden Stimmen der Frauen und Mädchen. War der Gesang auch kein Kunstgenuß, so war es doch rührend anzusehen, wie sich alle als eine große Familie fühlten, wie das Gefühl der Zusammengehörigkeit sie durchdrang, indem alle instinktiv fühlten, daß der eine ohne den andern nicht bestehen könne. Nunmehr folgte die Verteilung der Geschenke. Auf jeder Gabe lag ein Zettel mit dem Namen des Empfängers, fein säuberlich von der Hand Mariens geschrieben, auch fehlten nirgends die üblichen Weihnachtswecken, süße Pfefferkuchen, Aepfel und Nüsse.

Zum Schluß sangen die Kinder: „O Tannenbaum, o Tannenbaum, wie grün find deine Blätter," und dann konnte die Plünderung des Christbaums durch die Kinderschar vor sich gehen.

Während die Alten der Herrschaft ihren Dank abstatteten, und diese für jeden ein freundliches Wort hatte, standen Ftnkenstein und Magdalene abseits in einer Ecke. Unbewußt hatten sich ihre Hände zusammengefunden, und sie sahen bald in das fröhliche Getümmel, bald einander in die glückstrahlenden Augen.

„Alles

ist

so

glücklich

sagte Finkenstein schließlich.

an

diesem Tage,

„Soll

Magdalene,"

ich nicht auch heute mein

——

„Ja Max, es sei also? Nimm meine Hand hin, und ich will Dir eine treue Gattin sein fürs ganze Leben." „Und ich will Dich hoch hallen, wie meinen Augapfel

Dir Deinen Weg zu ebnen Nun aber komm zum Vater!" und

In

suchen, so

viel

ich es

vermag.

dem allgemeinen Durcheinander fiel es nicht auf, daß

die beiden sich mit dem Pastor ins Nebenzimmer begaben. Hier hielt Finkcnstein in aller Form um die Hand

Magdalenens an. Olearius, dem die Werbung nicht nnerwartet gab freudig seine Zustimmung, und zum ersten Male berührte Finkensteins Mund die keuschen Lippen Magdalenens. Als sie wieder zu den anderen hinausgingen, kam ihnen kam,

Marie entgegen. „Fräulein Marie, rief Finkenstein jubelnd, „wollen Sie einmal sehen, wie eine Braut aussieht?" Im Augenblick hatte Marie natürlich die Sachlage erfaßt. Sie sprang auf Magdalene zu, schlang beide Hände um ihren Hals und küßte sie stürmisch. Dann ries sie laut: „Hurra! Ein Brautpaar! Papa, Mama, Tante! Ein Brautpaar! Und gerade zum Christabend! Nein, wie herrlich!" Alle horchten hoch auf. Finkenstein stellte ihnen nun feierlich Magdalene als seine Braut vor und empfing dann von allen die herzlichsten Segenswünsche. Auch die Dienst¬ leute drängten sich allgemach hinzu, um ihre Glückwünsche darzubringen. Die Alten hatten ja die Braut aufwachsen sehen, und die Jüngeren hatten mit ihr als Kinder gespielt. Sie Es bemächtigte sich ihrer ein wahrer Freudentaumel. Frau, Herrn, die ließen das Brautpaar hoch leben, dann den die Tante, den Pastor. Maricchen und wer weiß, wen sie noch alle härten leben lassen, wenn nur noch jemand zur Stelle gewesen wäre. Endlich machte der Pastor dem Freudentaumel ein Ende, indem er aufs neue die Gnade Gottes pries, die auch die Herzen der Verlobten zusammengeführt habe, und mit einem Gebet die ganze Feier schloß. Draußen setzte sich aber das fröhliche Durcheinander der Leute noch lange fort. bis es endlich in der Ferne verhallte.



Der alte Puffte hatte während der ganzen Zeit stumm in seiner Ecke gestanden und sich nur ein über das andere Mal mit dem Aermel seine wasserblauen Augen gewischt. Jetzt, als die andern fort waren, trat auch er auf das Brautpaar zu, grüßte militärisch und sagie mit zitternder, oft von unter¬ drücktem Schluchzen gedämpfter Stimme: „Jungfer Leuchen, Sie hat einen guten Mann erwischt. — Denn was mein Junker is — ich meine den Herrn Lieutenant bei den Zierhen-Husaren — der kann keinen schlechten Kerl zu seinem Freunde haben — und da will ich Euch — da meine ich — das heißt — der König und seine Ziethen-Husaren sollen leben und der Herr Bräutigam auch daneben. Vivat Hoch!" Das war die längste Rede, die Puffke in seinem Leben gehalten hat.

Nunmehr begab sich die Herrschaft in das Wohnzimmer, und hier wurden die kleinen Geschenke überreicht, welche sich die Familienmitglieder gegenseitig machten. Finkenstein holte

ganzes volles Glück finden dürfen?"

eine feine goldene Halskette mit einem altertümlichen Kreuz

Magdalene senkte stumm ihr Haupt, ihr Gesicht wurde von Purpurglut überfloffen. „Magdalene, Sie haben mir Hoffnung gemacht! Lassen Sie die Bedenkzeit heute zu Ende sein! Machen Sie mir diese kleine, süße Hand heute zum Weihnachtsgeschenk!"

hervor und überreichte sie Magdalene mit den Worten: „Von meiner seligen Mutter. Sie erhielt sie von meinem verstorbenen Vater als Brautgeschenk. Ich bitte Dich, dieselbe ihr zum Andenken zu tragen." Nachdem auch die Familienglieder sich gegenseitig beschenkt,

231

Unter diesem süßen Träumen aber war er in seinem Lehnstuhl schließlich eingeschlafen. Plötzlich schreckte ihn ein Geräusch auf. Wie lange er geschlafen hatte, wußte er nicht. Er zog seine Uhr, konnte

mußte Puffte die geliebten Pfeifen bringen. Hans Wilhelm und Olearius hielten bei einem Glase Wein ernste Zwiesprache,

war.

Tante Melanie war von dem vorhergegangenen Trubel ermüdet und uickle bald ein, Frau Sophie hatte noch allerlei Wirtschafts¬ sorgen für die kommenden Festtage. Finkenstein und Magdalene hatten sich in eine Fensternische zurückgezogen und flüsterten leise mit einander; so fand sich Marie überflüssig und huschte in die Gefindestube, um mit den Leuten ein wenig über die Geschenke zu plaudern.

aber die Ziffern nicht erkennen. Da hörte er wieder ein Geräusch

— ein leises

Knacken

an zwischen uns verborgen sein.

in dem Zimmer unter ihm. Was war das? Er wußte, daß der Hausherr sein Geld und seine wichtigen Papiere in einem festen Schranke dort verwahrt hatte. Sollten es Diebe sein? Sie hatten vielleicht darauf gerechnet, daß man in der Weihnachtsnacht nach den vielen

ich haben uns von

Aufregungen besonders fest schlafen werde.

„Nun will

ich

Dir

ein Geheimnis anvertrauen." Bräutigam, „denn nichts soll fort¬

auch

sagte Magdalene zu ihrem

Karl von Krummensee und Kindheit an immer sehr lieb gehabt. Nun glaubte ich. als er von mir Abschied nahm, bevor er ins Feld zog. wärmere Gefühle gegen mich bei ihm entdeckt zu haben, als die der Freundschaft. Ich fürchtete auch, durch mein Be¬ nehmen bei ihm den Glauben erweckt zu haben, daß ich solche Gefühle teile. Es war, wie ich jetzt einsehe, ein Irrtum. Ich hielt mich aber so lange für gebunden, bis wir uns deutlich ausgesprochen oder bis er mich freigegeben. Dies war auch der Grund, weshalb ich kühleres Benehmen Dir gegenüber zeigte, als mir mein Herz eigentlich diktierte." im

Er horchte aus das gespannteste. Längere Zeit blieb alles mäuschenstill. Dann aber hörte er ganz deutlich, daß jemand da unten mit Unterbrechungen hantierte. Hans Wilhelm konnte das um diese Stunde nicht sein.

Er streifte die Pantoffeln ab und öffnete leise die Zimmerthür. Sie knarrte glücklicherweise nicht. Dann schlich er auf weichen Socken die Treppe hinab. Als er an die Thür des unten gelegenen Zimmers kam, fand er diese nur an¬ gelehnt. Durch den Spalt erblickte er, von der grauen Fenster¬ öffnung sich scharf abhebend, eine lange, dunkle Gestalt, die Eine geöffnete Blend¬ sich an dem Schranke zu schaffen machte. laterne stand auf dem Boden, so daß ihr Schein gerade auf Er sah, daß durch dicht neben einander den Schrank fiel. gebohrte Löcher bereits eine Füllung gelockert war und eben

„Du liebes, herziges Mädchen! Ja. Du warst wohl Irrtum! Hätte mein Freund jemals dergleichen Gedanken

gehabt, so würde ich es unbedingt wissen,

denn er hatte vor

mir nicht das geringste Geheimnis." „Aber nicht wahr, Du verzeihst mir meine Offenheit, konnte es nicht vor

„Ich

verzeihe

Dir verschweigen." sie Dir nicht bloß,

für dieselbe von ganzem Herzen.

ich

herausgebrochen werden sollte.

Mit sondern ich danke

Dir

Schon holte der Dieb zu einem zweiten Stoß

aus, der als Finkenstein das Handgelenk desselben umfaßte und den Arm rückwärts drückte. Zugleich packle er mit der anderen Hand den Fremden an der Kehle und hielt diese fest umklammert. Die Laterne war bei dem Kampf umgefallen und verlöscht. Die beiden Gegner rangen im Dunkeln mit einander. Sie waren einander an Stärke gleich. Aber die verzweifelte Lage verlieh dem Diebe doppelte Kräfte. Finkenstein, der keine Waffe hatte, schrie aus Leibeskräften: „Hckfe, Hilfe, Diebe!" Das Blut rieselte an seinem Arm herab, er fühlte empfindliche Schmerzen und sah voraus, daß er nur noch wenige Minuten die Hand seines Gegners werde festhalten können. Und dann war es um ihn geschehen. Da gelang es ihm, dem Gegner ein Bein zu stellen, beide Kämpfer fielen auf den Boden. Finkenstein aber und kam oben auf. Auch war das Messer dem Dieb entfallen. Trotzdem wurde der Kampf immer ungleicher, da Finkensicher besser

während

löschte er aus.

Leuchtete auch kein Mond¬ der Widerschein der weißen Schneedecke

genügend, um sich zu entkleiden und das Bett aufzusuchen. Lauge saß er da, und wechselnde Bilder zogen vor seinem geistigen Auge vorüber, deren Mittelpunkt immer Magdalene

getroffen hätte,

stein den verwundeten

nachzuhängen.

doch

Wer da!" stürzte er auf die

In demselben Augenblick sah er etwas in der Luft blitzen und fühlte einen Stich in seinem Arm.

„Das hat meine Seele erst von dem furchtbaren Drucke befreit, in den mich die Wahl zwischen Dir und ihm versetzt hatte. Nun aber ist alles gm." Finkenstein begleitete seine Braut und deren Vater am Abend spät nach Hause. Als er zurückkam. hatten sich die Damen schon zur Ruhe begeben. Auch Hans Wilhelm, der noch allein auf war, ließ eine gewisse Ermüdung merken, so daß Finkenstein sich auch von ihm bald verabschiedete und sich auf sein Zimmer zurückzog. Eine halbe Stunde später lag im Schloß alles im tiefsten Schlafe. Nur Finkenstein konnte noch -nicht einschlafen. Es ging ihm so mancherlei durch den Kopf. Er mußte das Glück, das ihm an dem heutigen Abend geworden war, noch überdenken und für die Zukunft allerlei Entschlüsse fassen. Nachdem er sich des Oberrockes entledigt und die Stiefel mit Pantoffeln vertauscht hatte, setzte er sich in einen weiten Lehnstuhl neben den Ofen, um seinen Gedanken Die Kerze so war

„Halt!

Gestalt zu.

Sie ist mir ein neuer

Beweis von Deiner großen Gewissenhaftigkeit. In der ernsten Abschiedsstunde werdet Ihr beide liebe Menschen sehr erregt gewesen sein, und es fällt da manchmal ein Wort, was leicht mißdeutet werden kann. Du hast ja aber nun die Gewißheit erhalten, daß Karl nicht die Absicht gehabt hat, Dich fester an sich zu binden, denn sonst hätte er sie auch ausgeführt.

schein.

einem lauten:

I

der

andere

Arm fast nicht mehr gebrauchen konnte, Hände frei hatte. Dieser suchte

beide

ihn nun ebenfalls an der Kehle zu fasten und zu erwürgen. Da öffnete sich zu rechter Zeit die Thür des Nebenzimmers, und Hans Wilhelm erschien, nur halb bekleidet, aber mit 'Husarensäbel bewaffnet. seinem alten Gleichzeitig trat Puffke in Unterbeinkleidern und mit weißer Zipfelmütze vom Korridor her herein, in der Hand eine alte Reiterpistole.

232

sich

Der Einbrecher suchte zwar durch einen gewaltigen Ruck los zu machen und zu entfliehen, allein sechs Arme faßten

ihn nun, und er mußte jeden Widerstand und Fluchtversuch aufgeben. Wenige Minuten hernach erschien ebenfalls Frau Sophie im Nachtgewande mit einer brennenden Kerze. Und was zeigte sich nun? Wen hatte man gefangen? Jean Meunier war's, alias Johann Müller, der saubere Diener.

„Da

Hamm mer ja den

Windhund!"

schrie Puffke. „Ich getraut un hette Dir am liebsten gleich wieder fortgejagt, wenn ich gedurft hätte. Na warte. Dich wolln mer's eintränken." Das ganze Haus war wach geworden. Von allen Seiten kam das Gesinde herbei und füllte das Zimmer. Die Weiber heulien und jammerten, die Männer hielten Jean die geballten Fäuste unter die Nase und hätten ihn am liebsten gleich niedergeschlagen.

habe Dich Hallunken gleich

Lisette drückte

sich

mit

nich

entsetzten Blicken

stumm

in eine

und verschwand bald wieder. Selbst Tante Melanie lugte verstohlen mit ihrem Kopf voll Ecke

von der Post geholt habe. Jean hatte das mit dem größten Interesse vernommen. Seine Stellung war in der letzten Zeit ziemlich unhaltbar geworden. Verschiedene kleine Unredlichkeiten hatten ihm ernste Verweise und die Drohung auf Dienst¬ entlassung eingebracht. Unter diesen Umständen gedachte er noch einen Hauplcoup auszuführen und dann zu verschwinden.

Sein Plan war.

sich

zunächst

ins Oesterreichische zu begeben,

wo er verschiedenen hohen Herren von seiner Berliner Zeit her bekannt war. und auf deren Fürsprache er rechnete; dann wollte er Lisette nachkommen lassen. Durch sorgfältig angefertigte Dietriche hatte er sich die

Zimmerthür geöffnet; das kunstvolle Schrankschloß aber wider¬ stand seinen Bemühungen,

und er hatte sich zu gewaltsamer Er wurde später zu einer mehr¬

Oeffnung entschließen müssen.

jährigen Zuchthausstrafe verurteilt, und nur dem Einflüsse des Herrn von Bischofswerder, an den er sich bittweise gewendet, verdankte er es, daß er mit dem Leben davonkam. — Am Abend des ersten Tages stellte sich bei Finkenstein ein leichtes Wundfieber ein, was jedoch am nächsten Morgen nach einer

Unvergeßlich

Braut mit ihrer tiefen klangvollen Stimme etwas vorlas, wobei manchmal Mariechen wie leich¬ tes Vogelgezwitscher dazwischen als

Stuhl

Tage

nun ihn. Wie herrlich war es, wenn er, verbundenen linken Arm den in der Binde, behaglich im Lehnstuhle saß und ihm seine

kam.

Donnerstag, den z. Januarki. auf

schöne

für

folgten

allerdings ohne verschiedene Püffe

war

ver¬

war.

schwunden

seitens seiner Begleiter nicht ab-

ging. Finkenstcin

wieder

Nacht

erquickenden

um die Thür des Nebenzimmers. Um keinen Preis hätte sie sich in diesem Aufzuge den Blicken der Leute gezeigt. Jean stand da mit finster zusammengezogenen Brauen und mit wut- und haßerfülltem Blick. Er sprach kein Wort und ließ sich ruhig mit den herbeigeholten Stricken binden und in das Amts¬ gefängnis im Turm führen, was Lockenwickel

einen

Sie sie

hatte

einst

Unglück trägt

Recht

gehabt,

„Jedes den Keim

gesagt:

in

sich

eines neuen Glücks."

Erst jetzt

lernie er das goldene Gemül seiner Nachbildung der Titel-Nignette der Josstsdjen Zeitung" Er war ganz erschöpft von der Braut vollkommen kennen. Täglich vom Jahre 1727. Anstrengung des Kampfes und entdecke er neue Vorzüge an ihr. dem Schmerz der Wunde. Und auch Magdalene wurde Das war ein böser Abschluß seines Verlobungstages! durch die Pflege inniger an ihren Bräutigam gekettet, als Marie war die erste, welche auf ihn aufmerksam wurde. es sonst hätte geschehen können. Als sie das Blut an seinem Aermel sah, schrie sie laut auf Hans Wilhelms Dankbarkeit aber gegen Finkenstein kannte und rief ihre Mutter. keine Grenzen. Wenn auch der Verlust des wenigen baren Nun trat Frau Sophie in Thätigkeit. Geldes leicht zu verschmerzen gewesen wäre, so hätte doch der Eiligst wurde Wasser geholt und die Wunde ausgewaschen Verlust der Papiere voraussichtlich unendliche Verwickelungen und verbunden. Sie war glücklicherweise nur eine Fleischherbeigeführt. wunde, wenn auch ziemlich groß; die Knochenhaut war nirgend Finkenstein blieb auch nach seiner Genesung noch auf verletzt. Da aber mehrere Adern durchschnitten waren, wollte Krummensee. Er hatte seinen Abschied genommen und wollte sich die Blutung gar nicht stillen lassen. Hans Wilhelm sandte nun unter Hans Wilhelms Leitung die Landwirtschaft studieren, darum sofort einen Schlitten ins Städtchen, um den Arzt um im nächsten Jahre die Verwaltuug seiner Güter, die er holen zu lassen. Tante Melanie hatte geraten, die weise Frau jetzt durch Inspektoren besorgen ließ, selbst zu übernehmen. aus dem Dorfe zu holen, um das Blut zu besprechen. Da¬ Das war denn eine schöne Zeit ungetrübten Glückes für von aber wollte Hans Wilhelm nichts wissen. die Brautleute. Auch die Krummenseer Familie des Schloßam Fenster niedergesunken.

Den Rest der Nacht teilte sich Frau Sophie mit Marie in die Pflege des Verwundeten. Unter dem Gesinde hatte sich das Gerücht verbreitet, der Junker habe in Frankreich große Beute gemacht und eine ungeheure Summe nach Hause geschickt, welche der Freiherr

herrn freute sich herzlich über ihr Glück, dies um so mehr, als von Karl ebenfalls günstige Nachrichten einliefen. Der weitere Feldzug spielte sich mehr in den Grenzdistrikten ab, zumeist auf deutschem Boden, wo sich leichter Gelegenheit bot, Nachricht nach Hause gelangen zu lassen. Große Schlachten waren nicht

geschlagen worden, die Aklionen hatten sich auf Märsche und auf die Belagerung einiger Festungen beschränkt.

Weniger günstig lauteten die Nachrichten, von dem zweiten Sohn, Joachim, welcher noch in der Kadettenanstalt in Berlin war und zum Frühjahr in die Armee eintreten sollte. Es hatte sich bei ihm ein Brustleiden herausgebildet,

Es war in Krankheit diesen Zeitpunkt noch hinausschob. Aussicht genommen worden, daß er. sobald sein Zustand und das Wetter es gestatteten, einen längeren Urlaub antreten sollte, um durch die Ruhe und die Landluft auf Krummensee seine Gesundheit wieder zu kräftigen.

Für Marie war Zeit ebenfalls eine Zeit schwerer, diese

innerer Kämpfe. sie Finkenstein kennen gelernt halte, war sie kein Kind mehr.

welches ernste Be¬

Seit

sorgnisse einflößte.

Aus diesem Grunde hatte er auch die Weihnachtsfesttage

Ihr

nicht zu Hause ver¬ leben können, da sein Zustand

bei

Reise

eine ge¬

Nach dem Wunsch

Eltern

hatte

er bei seinem zarten

innigen

Körperbau die mi¬ litärische Laufbahn eigentlich nicht er-

schaft.

Freund¬ welche

sie

mit Magdalene Zuerst verband. bloß geschmeichelt durch die Aufmerk¬

greifen sollen. Der schwärmerisch

eine

in ihr erwacht. Sie geriet damit in schärfsten Zwiespalt mit der

stattete.

der

unbe¬

war

heftige Neigung zu dem schönen, ritter¬ lichen Manne

solcher

Witterung nicht

selbst

wußt,

ver¬

anlagte Jüngling wollte aber seinem

samkeiten,

welche

ihr Finkellstein

dem

Taufpaten. General Hans Joachim von Ziethen, durchaus

erwies,

indem

er

nacheifern. Erhalte

als junge „Dame" behan¬ delte im Gegensatz

den über ihn. Achtzigjährigen,

welche immer noch

sie

anderen,

den

zu

Kleine" in war sie bald von wahrer „die

der sich meistens in

ihr

Berlin aufhielt, mehrmals besuchen dürfen, und die Ehrungen, welche

sahen,

Liebe zu ihm ent¬ flammt. Welche Qualen der Eifer¬

dieser von seinem

ebenfalls zum Greise gewordenen

sucht hatte sie durch¬

II.

sie Zeugin der kleinen Zärtlichkeilen war, die sich

König Friedrich

für

zukämpfen .

die £

langjährigen

Liebende

treuen Dienste er¬ fuhr, hatten sein schwärmerisches

Gemüt nur um so mehr entflammt.

Sein Wunsch

Micir auf die Vreitestrrrße (vom Hause Rudolph Hertzog aus gesehen).

innigster

kämpfen und. wenn es sein mußte, zu sterben. Die vielen und glänzenden Waffenthaten Ziethens während des siebenjährigen Krieges hatte er sorgsam studiert, und

konnte.

Gegen¬

wart

war, für seinen König und für das Vaterland zu

sehnte den Augenblick herbei, wo er

in

wenn

er

in die Armee eintreten

Nun war er sehr unglücklich, daß die eingetretene

naher An¬ gehörigen einander zu erweisen keinen

Anstand nehmen. Und doch durfte gegenüber Freundin mütterlichen der fast sich nichts sie ihr Herz sie dem Sie hatte niemandem, merken lasten. be¬ Dieses öffnen, dem sie ihren Kummer klagen konnte. drückende Gefühl veränderte nach und nach ihr ganzes Wesen. Aus dem lebenslustigen, übermütigen Kinde war eine stille,

finnige Jungfrau geworden.

234

Die Eltern bemerkten wohl diese Veränderung, aber, weit entfernt, die Ursache zu ahnen, schoben sie dieselbe auf Rechnung der Jahre. So nahte allgemach der Sommer des Jahres 1793. (Fortsetzung folgt.)

Zur

Geschichte des

Kerliner Zeitungswesens.

Von Richard George.

II. Zur

gründet worden ist" — mit diesen Worten, welche der Geheime Justizrat Lessing, einer der gegenwärtigen Besitzer der „Vossischen Zeitung" bei der Einweihung des neuen Ge¬ schäftshauses derselben (Abbildung „Bär" Seite 209) am 10. November 1895 sprach, wurde die Geschichte ihrer Gründung auf eine neue Basis gestellt. Die Tradition nahm bisher fälschlich an, daß die „Vossische Zeitung" durch ein Privilegium Friedrich Wilhelms I. vom 11. Februar 1722 ins Leben ge¬ sei, welches dem

Johann Andreas Rüdiger

Das trifft jedoch

nach

darüber

Kgl., auch Kur- und Landes-Fürstl. Macht unv Gewalt, Ihm Johann Andreas Rüdiger und seinen Erben hiermit und Kraft dieses Unseres offnen Briefes, daß er von nun an einzig und allein und nach ihm seine Erben die Berlinischen Zeitungen und was dazu gehörig, auch dessen allen, was bei Feldschlachten, Krieges- und Friedens-Läufften und passiren möchte; auch was sonsten denen Zeitungen anhängig, wenn es zuvor gehörigen Ortes revidiret und censuriret ist, wöchentlich dreymahl mit guten zierlichen Sittern drukken und verkaufen möge, allen andern aber und sonderlich denen hiesigen Buchdruckern dergleichen Zeitungen

den

im Kgl. Staats¬

und Schriften allhier zu drukken, und Ihm hierinne Eintrag zu thun, bei Vermeidung dreyhundert Thaler Strafe, halb unserm Fisco und die andere Helfte der hiesigen Armee-Casse sofort zu erlegen, hiermit verbothen und nicht zugelassen seyn solle. Dahingegen soll er auch schuldig und gehalten seyn,

Canonem der Zwcyhundert Thaler jährlich in Termino Ostern, zu Unserer Recruten-Casse

nicht nur den verspcochnen

richtig abzugeben: sondern auch und extraordinairen Zeitungen zu corrigiren, und um einen auch von jedem Druck derselben,

Zwölf Hxemplaria,

1704 durch eine vom 29. Oktober 1704 datierte Ordre als ein neues Unternehmen gegründet, infolge einer vom gleichen Tage datierten, an den König gerichteten Eingabe des Johann

seine

am Schluffe unseres

Artikels (Seite 211) mitgeteilt haben. Diese Zeitung des Buchhändlers Rüdiger führte den Titel: „Berlinische ordinäre Zeitung"; sie vererbte sich im Jahre 1720 von Johann Michael Rüdiger auf dessen Sohn Johann Andreas Rüdiger, dem der König am 11. Februar 1722 auf sein wiederholtes Bitten ein offizielles Privilegium erteilte, das sich noch heute im Besitze des Verlages der „Vossischen Zeitung" befindet und das folgenden Wortlaut hat: „Wir Friedrich Wilhelm von Gottes Gnaden, König in Preußen, Markgraf zu Brandenburg u. s. w. bekennen hiermit für Uns, Unsere Erben und Nachkommen. Könige in Preußen, Markgrafen und Churfürsten in Brandenburg, auch sonst gegen Jedermäuniglichcn. Nachdem wir dem hiesigen Buchhändler Johann Andreas Rüdiger auf sein beschehenes allerunterthänigstes Ansuchen und Erbiethen: daß er die Ge¬ schichte der im Haag massacrirten beiden Gebrüdern de Witten auf seine Kosten aus dem Holländischen ins Hochteuische übersetzen und mit allen dazu gehörigen Kupfern ersten

permittiren und er¬ laubet, die Berlinischen Zeitungen und was dazu gehörig, auch dessen, was bei Feldschlachten, Krieges- und Friedensläuflcn passiren und vorgehen möchte, nebst allen dabei vor. kommenden Relationen, Friedens - Cornrnercien und der¬ gleichen Tractaten, auch was sonst denen Zeitungen anhängig, gegen Erlegung eines jährlichen Canons von Zweihundert Thaler in Unsere Recruten-Casse, privative zu drucken und zu verkaufen, auch vermittelst zweier von Uns eigenhändig unterschriebenen Verordnungen vom 8. Februar 1721 und 8. liujus das gehörige Privilegium auf Ihn und seinen sordersamst drukken lassen, allergnädigst

verstatten

zustehenden höchsten

archiv befindlichen Akten nicht zu. Die „Vossische (ursprüng¬ lich Rüdigersche) Zeitung" wurde vielmehr bereits im Jahre

Michael Rüdiger, wie wir bereits

befohlen; Als Wir. aus der Uns

allergnädigst

auszufertigen,

vorgehen

Zeitung". über dem Portal wird

Geschichte der „Vossischen

„Die Inschrift tn der Kartusche vielleicht manchen durch eine darin ausgesprochene Jahreszahl befremden. Zum ersten Male sei es hier ausgesprochen, daß die Vossische Zeitung bereits im Jahre 1704 be¬

rufen worden erteilt wurde.

Erben

Privilegiren, concediren und

ehe

sie

die obberührten ordinairen und Schriften allemal fleißig

billigen Preiß zu verkaufen, nichts davon ausgeschlossen,

ausgegeben werden,

sowohl in

als Lehns-^rrcliiv, auf Kosten bei Verlust des Privilegii bei Uns einzuschulen."

Unsere Geheimble Cammer-Cantzeley

Die älteste Nummer der „Vossischen Zeitung" (damals also Berlinische ordinäre Zeitung genannt), welche Herr Geh. Justizrat Lesfing, dem wir die einleitenden Angaben verdanken,

in seinem Besitz hat, führt das Dalum 12. Februar 1712, Das Zeitungsblatt ist auf sehr schlechtem Papier mit leid¬ lichem Druck in der Größe von 4 kleinen Oklavblätlern ge¬ druckt und enthält dürftige Hofnolizen aus fast allen Ländern Europas. Die weiteren ältesten Nummern, die Herr Geh. Justizrat Lessing erwerben konnte, stammen aus den Jahren 1718, 1719, 1720, 1721 und 1722. Der Inhalt dieser Nummern, wie überhaupt jeder Zeitung des 18. Jahrhunderts, ist überaus dürftig und bietet kaum halb soviel Inhalt und Anregung, wie das kleinste Wochenblättchen einer Landstadt der Gegenwart. Friedrich Kapp, ein gründlicher Kenner des Zeitung-wesens jener Zeit, charakterisiert dasselbe mit folgenden Worten: „Die politische Tagesprcsse Europas war während des ganzen vorigen Jahrhunderts überaus mager, inhaltslos und langweilig. Mit vielleicht einziger Ausnahme von Holland berichtete sie kaum mehr, als die Regierungen wollten und erlaubten. Ein regelmäßiges System der Bericht¬ erstattung gab es noch nicht; Leitartikel brachten selbst die größeren Blätter nur in seltenen Fällen. Die inländische Politik mußte aus Furcht vor dem Zorn der Regierenden mit größter Vorsicht besprochen und jede auswärtige Regierung bei ihrer Empfindlichkeit gegen fremden Tadel mit ebenso großer Scheu behandelt werden. Ab und zu fand es ein Fürst für angemeffen, eine Staatsschrift in den Spalten einer Zeitung zu veröffentlichen; im übrigen blieb diese aber auf den gewöhnlichen politischen Klatsch, Meldung von merk¬ würdigen Naturereignissen. Mitteilung von Hof- und Staalsnachrichten beschränkt. Der Schriftsteller und „Zeitungs¬ schreiber" war in den Augen der Regierenden und ihrer Be-

I

-

235

amten eine höchst untergeordnete, mit einer gewissen Gering¬ schätzung betrachtete Persönlichkeit; der Beruf stand gewisser¬

maßen außerhalb des bestehenden Rechts."

Die „Berlinische privilegierte Zeitung" — diesen Titel nahm das Blatt unter Johann Andreas Rüdiger an — erschien Dienstags, Donnerstags, Sonnabends. Der Inhalt einer Nummer läßt sich bequem auf einer Seite im Format der heutigen „Vossischen Zeitung" unterbringen. Auf¬ fallend ist die Scheu, mit welcher die Zeitungsschreiber es vermeiden, die Person des Königs zu nennen. Sie hatten auch ihre guten Gründe dazu, denn Friedrich Wilhelm I. verstand keinen Spaß. Wie lächerlich klingt beispielsweise eine Danziger Nachricht aus dem Jahre 1724: „Weil ein gewisser König die Angelegenheit der Protestanten insgemein und derer von Polnisch-Preußen insbesondere sehr zu Herzen nimmt, so hat man Ursach zu hoffen, daß man daselbst auf¬ hören werde selbige zu unterdrükken." Ein gewisser König! So vorsichtig mußten sich die Zeitungsschreiber ausdrücken, wenn sie die löblichsten Absichlen ihres gestrengen Landesherrn ihren Lesern mitteilten. Hatte der König voch nach Antritt seiner Regierung die Zeitungen unterdrücken wollen, und die Zeitungsschreiber wußten, daß der Soldatenkönig nicht viele Umstände zu machen pflegte. Lokalnachrichten find in diesen ältesten Jahrgängen äußerst selten. Die spärlichen Inserate betreffen neu erschienene Bücher, Wohnungsvermietungen und Hausverkäufe. Die Zeitungen wurden postnumerando bezahlt, nicht im Voraus wie jetzü So lautet eine Notiz zum Schluß des Jahrganges 1732: „Die resp. Herren Interessenten dieser Zeitungen werden um baldige Abtragung des Weihnachts¬ quartals dienstfreundlichst ersucht; besonders aber werden die¬ jenigen erinnert, welche voriges und mehrere Quartale zu be¬ zahlen vergessen haben."

So vegetierte die „Berlinische privilegirte Zeitung" bis zur Thronbesteigung Friedrichs des Großen. Der Jahrgang 1740 teilt in Nr. 66 das Ableben Friedrich Wilhelms I. in folgender Weise mit: „Vorgestern, gegen Abend, kam allhier aus Potsdam ein Expresser mit der betrübten Nachricht an, daß Jhro Majestät der Allerdurchl. Großmächtigste Fürst und Herr, Herr Friedrich

Wilhelm, König in Preußen u. s. w. unser Allergnädigster König und Herr, zum größten Leidwesen des Allerhöchsten König!. Hauses in gedachter Stadt eben des Tages gegen 3 Uhr, das Zeitliche mit dem Ewigen verwechselt hat."

„Gazetten müssen, wenn sie interessant sein sollen, nicht geniret werden", mit diesen Worten kennzeichnete Friedrich der Große seinen

freieren Standpunkt den Zeitungen gegen¬ über. und doch konnte auch unter ihm von einer Preßfreiheit in unserem Sinne nicht im Entferntesten die Rede sein, die „Gazetten“ mußten sich vielmehr nach wie vor sehr in acht¬ nehmen. Den freieren Ton. welchen der Berichterstatter über die Festlichkeiten bei der Königsberger Huldigung Juni 1740 anschlug, entschuldigt er mit den eigentümlichen Worten: „Sollte in meinen Bericht ein etwas freierer Ausdruck eingeflossen sein, bitte mir es zu verzeihen; denn da ich bei dem Feste einen Ouafi-Marschall und Oberkellermeister vor¬ gestellt, so hat es seinen zureichenden Grund, indem man durch keine Enthaltsamkeit dem herumschwärmenden Weingeiste alle Wirkung erwehren kann." Das Gefühl der Bangigkeit, welches aus diesen Zeilen

spricht, hatte nur zu wohl seine Berechtigung.

Man

machte

damals mit widerspenstigen Zeitungsschreibern nicht viel Feder¬ lesens — auch Friedrich der Große nicht. Während des siebenjährigen Krieges befahl er dem Obersten von Kleist, dem ihm verhaßten Redakteur der preußenfeindlichen „Erlanger Zeitung" fünf und zwanzig Hiebe aufzuzählen, über die der unglückliche Empfänger noch dazu quittieren mußte. Der Redakteur Roderique von der „Gazette de Cologne“ wurde wegen seiner österreichischen Gesinnung schon im ersten Jahre der Regierung Friedrichs durch eine Tracht Prügel „zur Raison gebracht". Der preußische Gesandte Rohd in Köln erhielt zu diesem Zwecke 100 Gulden überwiesen. Ein Kölner führte den Auftrag für 50 Gulden aus, worauf der König dem Gesandten befahl, den Rest zurückzubehalten für den Fall, daß Roderique der Buckel wieder jucken sollte (Dropsen in der „Zeitschrift für preußische Geschichte XIII, S. 11). Dies find gewiß drastische Beweise dafür, me auch Friedrich der Große ihm unbequeme „Gazetten“ „genirte“! Der König war namentlich sehr empfindlich gegen die Einmischung der politischen Prcsse in Verwaltungssachen. Schon am 13. September 1740 erhielt der „Buchführer Rüdiger" eine Ordre vom Generaldirektorium, in welcher ihm eingeschärft wurde, „daß er die denen Zeitungsschreibern er¬ laubte Freiheit mit mehrerer Ueberlegung und Behutsamkeit traktieren soll." Die Zeittuig hatte eine falsche Nachricht über das hiesige Lagerhaus gebracht, und es wurde Rüdiger ernst¬ lich anbefohlen, sich auch nicht weiter zu unterstehen, von dem Lagerhause und anderen einländischen Kommerzien- und Manufaktur-Sachen in seinen Zeitungsdlättern ohne dazu er. haltene Ordre nicht das Geringste zu melden. In wiffenschafllichen Dingen ließ er den Zeitungen einen größeren Spielraum. Der „Rüdigerschen Zeitung" erstand durch die „Haudesche" (seit 1748 die „Spenersche Zeitung" genannt) ein Konkurrenz-Unternehmen, dessen erste Nummer am 30. Juni 1740 erschien. Der König hatte als Kronprinz häufig den Luchladen Ambrosius Haudes (Schloßsreiheit 9) besucht und gab diesem nun nach seiner Thronbesteigung einen Beweis seines Wohlwollens, indem er ihm die Herausgabe einer zweiten Zeitung in Berlin gestattete. Diese Konkurrenz-Zeitung hemmte aber die „Berliner priveligirte (Rüdigersche) Zeitung" in ihrer Entwickelung keineswegs. Im Gegenteil: seit 1749 erschien dieselbe im Quartformat „um der Bequemlichkeit der Die Leser und um der Vermehrung des Raumes willen." Stärke der Nummern blieb freilch nach wie vor dieselbe: ein halber Bogen oder zwei Blätter. Mit dem Jahre 1751 er¬ hielt die Zeitung einen neuen Verleger. Johann Andreas Rüdiger starb, und das Privilegium ging mit königlicher Bestätigung vom 5. März 1751 auf seinen Schwiegersohn,

Christian Friedrich Voß sen. über. In Nr. 33 vom 18. März 1751 wurde der Verlagswechsel durch den Buchhändler

folgende Erklärung angekündigt:

„Da Seine Majestät, nach dem Tode des bisherigen Verlegers dieser Zeitungen Joh. And. Rüdiger die Gnade gehabt, das Privilegium derselben auf den Buchhändler Chr. Friedr. Voß übertragen zu lassen, so hat man für nötig befunden, den sämtlichen Lesern hiervon Nachricht zu geben und öffentlich zu versichern, daß man in Zukunft weder Mühe noch Kosten sparen werde, diesen Blättern, sowohl durch die Neuigkeit als Zuverlässigkeit der mitzuteilenden Nachrichten

236

-

Der Verleger hat sich von einem Bogen die Diese Beilage soll den gelehrten Zeitung zu verstärken. Der Titel dieser Beilage wird Neuigkeiten gewidmet sein. sein: „Das Neueste aus dem Reiche des Witzes, als eine „Beilage" u. s. w., und mit dem Ende des Monats April soll der Anfang gemacht werden. Die Ausführung mag es lehren, ob man aus einc angenehme Art nützlich zu sein weiß, und ob auch durch dieses Unternehmen die Ausbreitung des Geschmacks etwas gewinnt, welcher fast einzig gesittete Völker auf denjenigen Grad der Artigkeit bringen muß, auf welchem wir unsere Nachbarn bewundern."

Lessing, die Zeitung zugesprochen. Dieser AdjudikationSbescheid wurde durch Kgl. Kabinetts-Ordre vom 28. August 1802 bestätigt, und seitdem erscheint die „Vosfische Zeitung" im Ver¬ lage der Erben Karl Lesfings.

Dieser Verlagswechsel war von der größten Bedeutung Zeitung"; denn er führte derselben ihren

Seine Kränklichkeit hatte so zugenommen, daß schon seit geraumer Zeit die Hoffnung auf Genesung aufgegeben war. Ein Mann von so kolossalem Körperbau, von so fester, kaum jemals durch eine schwere Krankheit ernstlich erschütterter Ge¬ sundheit schien freilich zu einem hohen, glücklichen Alter bestimmt zu sein. Allein im letzten Jahr war seine Leibesstärke und Kraft sichtlich dahingeschwunden, und weder die Heilquellen von Pyrmont, zu denen er seine Zuflucht genommen, noch alle von den geschickten Aerzten Selle und Brown angewandten Mittel velmochten dem erschöpften Körper neue Lebenskraft einzuflößen. Ec verschied zu Potsdam in einem Alter von 53 Jahren und 52 Tagen. Die „Berliner Zeitung" brachte in jenen Tagen folgende Nachrichten von seinen letzten Stunden: „Der König kränkelte schon seit einem Jahre, und der Verlust eines geliebten Sohnes, den er am Ende des ver¬ gangenen Jahres erlitt, brachte in seinem Befinden eine sicht¬ bare Veränderung hervor, die weder das Frühjahr noch der

den

Beifall

des

Publici zu verschaffen.

entschlossen, durch monatliche Beilage

für

die „Vosfische

berühmtesten Mitarbeiter zu:

Gotthold Ephraim Lessing,

einen Freund des neuen Verlegers Voß, der denselben durch den

Litteraten Mylius kennen gelernt hatte, welcher vorübergehend Redakteur bei der „Berlinischen privilegierten Zeitung" war. Die Thätigkeit Lesfings an der „Vossischen Zeitung" erstreckie Er kam als mittel¬ sich bis zum Oktober des Jahres 1755. loser, unbekannter Jüngling nach Berlin und verließ dasselbe als ein berühmter Schriftsteller, als ein gefürchteter Kriiiker. Lesfing war bei der „Vossischen Zeitung" Feuilleton-Redakteur, um einen modernen Ausdruck zu gebrauchen; er redigierte die Beilage: „Das Neueste aus dem Reiche des Witzes", welche der neue Verleger mit schwungvollen Worten angekündigt halte. Er schrieb für dieselbe namentlich zahllose Recensionen von Büchern und Theaterstücken und gab der Zeitung durch seine Mitarbeiterschaft einen neuen Geist und eine neue Richtung, das Vorherrschen ästhetischer Tendenzen. In der „Allg. deutschen Biographie" (19. Band. Seite 761) heißt es über diese journalistische Thätigkeit des großen Dichters und Kritikers: „Wer nichts als diese lange Reihe von Büchernamen oder gar die noch längere der Titel aller vom jungen Lessing recensierten Bücher ansieht, bekommt unwillkürlich den Eindruck bloßer Lohnschreiberei, die mit oberflächlicher Leichtigkeit für den einen Tag hinwirft, was am andern vergessen sein kann. Etwas davon ist auch unstreitig in den zahllosen Recensionen der Berliner Zeitung zu finden, wenn der jugendliche Kritikus wegen des ihm fern liegenden Inhalts oder der nicht einmal einen ordentlichen Tadel verlangenden Unbedeutenheit der an¬ zuzeigenden Werke aus der Not eine Tugend machte und sich mit einer flüchtigen Inhaltsangabe loskaufte. Im großen Ganzen ist ihm aber selbst diese kurze Tageskciiik eine ernste Arbeit, zu der ihn sein schneller Blick und seine umfassende Gelehrsamkeit in besonderer Weise befähigten, und die wieder in der Läuterung seines Geschmacks, in dem Wachsen seiner Stilgewandtheit und in der stetigen Erweiterung seines Wissens¬ gebietes Frucht brachte." Durch die Mitarbeiterschaft Lesfings hat die „Vossische Zeitung" einen Platz in der Geschichte der deutschen NationalLitteratur erhalten. In die engste Verbindung trat sie mit der Familie Lesfing nach dem Tode Christoph Friedrich Voß' juxt. (| 1795). Das Unternehmen wurde zunächst auf Rechnung der Erben von diesen gemeinsam fortgeführt, dann aber erhielt durch den Adjudikaiionsbescheid des Kgl. Stadt¬ gerichts vom 18. Dezember 1801 Marie Friederike Lessing, geborene Voß, Gattin vom Münzdirektor Karl Lessing in Breslau, einem jüngeren Bruder von Gotthold Ephraim

(Schluß folgt.)

Der Tod König Friedrich Wilhelms II. von Preußen. Von B. Emil König. Der am 16. November 1797 erfolgte Tod des Königs Friedrich Wilhelm II. von Preußen kam nicht unerwartet.

nachfolgende Gebrauch

des

Pyrmonter Brunnens verbesserte. im Liegen, gaben zu er¬

Erschwertes Atemholen, besonders

Brustwassersucht vorhanden sei, doch ließ Hoffnung der Besserung zu oder wenigstens kein so baldiges Absterben besorgen. In der Mitte des September befand sich der König nach einem beträchtlichen Auswurfe, der vermuten ließ, daß in der Lunge ein Geschwür aufgegangen sein müsse, so erleichtert, daß er seit geraumer Zeit zum erstenmale wieder ein Pferd bestieg und die Wachtparade seiner Garde zur Verwunderung und Freude aller Anwesenden kommandierte. Noch mehr glaubte man, daß er sich erleichtert fühle, als er am 25. September zur Feier seines Geburts¬ tages aus Potsdam hierher (nach Berlin) kam. Ach! es war gleichsam ein Vorgefühl, daß es der letzte sein werde, und daß er ihn benutzen müsse, um sich dem versammelten Hofe und seinen Beilinern noch einmal zu zeigen. Wenige Tage nachher gab ihm die Durchreise der Frau Erbherzogin von Baden mit ihrer Prinzessin Tochter, der jetzigen (1797) Königin von Schweden, nochmals Gelegenheit, nach Berlin zu kommen; aber nach dieser Zeit nahmen seine Kräfte schleunigst immer mehr ab, so daß er nicht mehr in seinem neuen Garten am heiligen See spazieren gehen konnte, was er bisher noch kennen, daß die sie noch

immer und so gern gethan hatte. Am 4. ward der als ein vorzüglicher Chemiker bekannte Professor, Herr Hermbstädt. von hier (Berlin) nach Potsdam berufen und ihm aufgetragen, in dem Krankenzimmer des Königs denjenigen Bestandteil der Luft, der dem Atemholen aller lebendigen Geschöpfe besonders zuträglich ist, durch künst¬ liche Mittel, welche die neuen Entdeckungen in der Chemie gelehrt

haben,

zu

vermehren.

Er

füllte

zu

dem

Ende

237

Ballons mit sogenannter Lebenslust. Indem diese aus dem Ballon allmählich in das Zimmer ausströmte, teilte sie der darin vorhandenen gewöhnlichen Luft ohngefähr die Beschaffen¬ heit mit, welche an einem heiteren Sommcrtage die Luft auf einem mäßig hohen Berge hat, in welcher man sich so leicht fühlt und so frei athmet. Insofern nun die Bergluft all¬ gemein für stärkend und heilsam anerkannt wird, insofern hoffte der König auch, daß die ihr ähnlich gemachte Luft durch ihre reizende und belebende Kraft seine Mattigkeit vermindern fand er sich wegen des dadurch erleichterten Atemholens etwas besser und versuchte es, sich im Garten etwas herumfahren zu lassen. Allein bald nötigten ihn sein Befinden und die Witterung, auch diese Bewegung wieder Er ward nämlich am 9. Oktober plötzlich mit einzustellen. einer Schwäche befallen, wodurch nicht nur seine körperlichen Kräfte auf einmal heruntersanken, sondern auch sein Geist zu leiden schien. Am 12. wurden die königlichen Leibärzte, Ge¬ heimrat Brown und Geheimrat Selle, nach Potsdam berufen. Sie vermuteten, daß eine Austretung „wässerigter Feuchtigkeit" im Gehirn diesen schlagflußähnlichen Zufall her¬ vorgebracht habe. Nach einiger Zeit. da diese „wässerigte Feuchtigkeit" sich mehr nach den unteren Teilen zog, wurde der Kopf freier, aber die Krankheit selbst nahm mit jedem Tage zu. Indessen war das Befinden des Königs noch immer von der sollte.

Auch

religiösen Aeußerungen hatten das Gepräge einer vernunft¬ gemäßen Ueberzeugung, des herzlichsten Vertrauens und der ruhigsten Ergebenheit. Mit diesen bedurfte er äußeren Trostes nicht, sondern gab ihn sich selbst. Als ihm an Tage vor seinem Absterben, nachdem er noch zu Mittag gespeist hatte, Jhro Majestät die Königin, seine Gemahlin, und des Kron¬ prinzen Königliche Hoheit gegen 4 Uhr nachmittags besuchten, fühlte er wohl. daß er sie nicht wiedersehen durfte, war aber genugsam Herr

seiner Gefühle, um es bei der Unterredung nur durch einen wiederholten Händedruck, gleichsam von ferne, anzudeuten. Jhro Majestät die Königin und der Kronprinz verließen das Zimmer, um ihren Thränen Luft zu machen, die sie bis dahin nur mit Mühe zurückgehalten hatten. Die letzte Nacht war vorzüglich unruhig: der Schlaflosigkeit und der zunehmenden Beklemmung wegen verließ der König das Bett um 1 Uhr morgens, ließ sich ankleiden und frühstückte auf seinem Sofa. Gegen 4 Uhr ward sein Bewußtsein unter¬

brochen;

wenn er aber zu

sich kam,

klagte er gegen den anwesenden Leib¬

arzt,

Geheimrat Selle.

über gänzund als er bei einem Anfall von Erstickung einst beide Arme emporhob, um zum Atemholen die Brust desto mehr ltchen Mangel an Luft,

er in Beziehung Zustand, dies einzig: „Der Tod ist doch bitter!" Je näher es dem Tage kam, desto mehr nahmen Beklemmung und Bewußtlosig¬ Art, daß er den ganzen Tag keit zu. das Atemholen ward immer krampfhafter und stockender, und um außer dem Bette zubringen konnte. Ec hatte sich von früher Jagend an 8 Uhr 58 Minuten verschied er in Anwesenheit seines Generaladjutanten gewöhnt, des Morgens um 6 Uhr aufzustehen und sich gleich anzukleiden; des Generallieutenants, Herrn von Bischoffswerder Excellenz und des von dieser Gewohnheit konnte ihn Herrn Obersten von Zastrow, des selbst seine Krankheit nicht abbringen. Leibarztes, Herrn Geheimrat Selle, Er stand um 6 Uhr. und wenn er eine ruhige Nacht hatte, auch wohl des Generalchirurgus, Herrn Görcke, Kämmerers früher auf, und ließ sich völlig Geheimen des und ankleiden, frühstückte und speisele Großherzog Friedrich Frans iv. von Mecklenburg-Schwerin. Herrn Ritz und einiger Kammer¬ auch noch mit einem Appetit, welcher diener." wegen der erforderlichen Unterstützung der Kräfte sehr erwünscht Dies der Zeitungsbericht über des Königs Tod. Aus war. Daß er den Tod nicht scheue, hatte er in mehreren Feldzügen anderen Veröffentlichungen jener Tage sei noch folgendes zu¬ bewiesen; jetzt bewies er, daß auch die anhaltenden Schmerzen sammengestellt : einer langwierigen Krankheit ihn nicht aus seiner Fassung „Durch das anhaltende Sitzen des kranken Königs war bringen konnten. Er ertrug sie mit Standhaftigkeit, sprach am sogenannten heiligen Bein (0s oucrnrn), am untersten

mit denen, die um ihn waren, von allen anderen Dingen, aber von seiner Krankheit nicht gern. In der letzten Periode litt er auch an einem Blutgeschwür, welches bekanntlich sehr schmerzhaft ist. AIs beim Verband desselben der anwesende

Arzt es beklagte, daß durch das Geschwür namentlich der Schlaf des Königs, dessen er doch so sehr bedürfe, noch mehr unterbrochen werde, erwiderte er, daß er es für das geringere seiner Uebel ansehe, und setzte mit Heiterkeit hinzu: „Karl der Fünfte pflegte zu sagen: ein kleiner Rauch beißt

micht!"

auf

Diese Fassung

verließ

ihn auch nicht, als er in den

bei Vermehrung seiner Beschwerden selber die zur Genesung aufgab. Seine gelegentlichen

heben,

sagte

seinen

Teile des Rückens, ein schmerzhaftes Geschwür entstanden, anfangs der königliche Leibchirurgus Herr Rhode, ein in seinem Fache sehr erfahrener Mann, behandelte. Jhro Majestät die Königin veranlaßten aber den König, den Herrn General-Chirurgus Görcke, einen vortrefflichen Wundarzt, zu Dieser blieb bis zu seinem Tode auch sich rufen zu lassen. bei ihm, und der König hörte ihm gern zu, wenn er von seinen Reisen in Italien und von dem, was er in den Feld¬ welches

zügen am Rhein gesehen und gehört, erzählte.

Zur Bequemlichkeit

letzten Tagen

Hoffnung

zu

des hohen Kranken hatte, ohne dessen dem Entstehen des Geschwürs am

Verlangen, bald nach heiligen Beine, der geheime Kämmerer, Herr Ritz, einen besonderen gepolsterten Sitz verfertigen lassen, und der König

238 nahm diesen Beweis von dankbarer Ergebenheit mit seiner gewohnten Huld und Gnade auf. Am 9. November waren die rechte Hand und die Füße des Königs etwas dünner geworden. Dieser Umstand gab ihm einige Hoffnung auf Genesung, aber freilich nicht den Aerzten, die darin vielmehr Am 10., ein schlimmeres Symptom zu sehen glaubten. Freitags, zeigte der linke, geschwollene Fuß zugleich eine Röte, durch welche ungefähr ein Theetopf von „wäfferigter Feuchtig¬ keit" geflossen war. An eben diesem Tage statteten Ihre Majestät die Königin einen Besuch bei ihrem Gemahl ab. zogen am Lager, oder vielmehr am Sitze des Kranken aus ihrem Muff eine leichte, blauseidene, wattierte Decke hervor, und legte sie mit eigenen Händen über ihn. Der König dankte dafür mit Rührung und liebevoller Freundlichkeit, behielt diese Decke nachher bis an sein Ende, und fand sie wegen ihrer Leichtigkeit sehr wohlthuend. Drei Tage vor seinem Tode gab der König selbst, da seine Schmerzen sich mit jeder Stunde vermehrten, die Hoffnung zu

seiner Genesung auf und erwartete den Tod mit Standhaftig¬

Während dieser Zeit sagte er einmal zum Herrn GeneralChirurgus Görcke: „Ich bin ein Mensch und muß wie ein anderer Mensch leiden. Aber ich bitte Gott, daß er mir meine Leiden möge ertragen helfen." (Dabei faltete er die Hände). Ter Gencral-Chirurgus erwiederte: „Gott hat in dem Kriege, wo Ew. Majestät sich allen Gefahren aussetzten, so wunderbar über Sie gewacht und Sie beschützt; er half Ihnen gewiß auch Ihr Leiden ertragen." Nun schwieg der König wieder, und sprach nach einiger Zeii von anderen Dingen. Niemand sagte etwas zu seinemMrost. da er bei einer so ruhigen Fassung dessen, nicht bedurfte. Zwei Tage vor seinem Tode äußerte er von selbst gegen die bei ihm befindlichen Personen: „Ich fühle, daß wir uns bald trennen müssen." Nach einer Pause fügte er hinzu: „Ich habe meine Pflicht gethan; die Feldzüge haben mir geschadet."keit.

(Schluß folgt.)

Kleine Mitteilungen. Großherzog Friedrich Franz IV. von Mecklenburg-Schwerin, Porträt wir auf Seite 237 bringen, ist der Sohn des am 10. April d. in Cannes nach langen schweren Leiden verstorbenen Großherzogs Friedrich Franz III. und der Großfürstin Anastasia. Der jugendliche Großherzog ist am 9. April 1882 geboren, er war daher gerade 15 Jahre alt, als sein Vater starb, dessen Herzensgute und ritterlich-vornehmer Sinn sich hoffentlich auf den jungen Fürsten vererbt hat, an dessen Stelle während der Minderjährigkeit desselben Herzog Johann Albrecht, der thatkräftige Präsident der deutschen Koloniale. Gesellschaft, in Mecklenburg-Schwerin die Regierung führt. dessen

I.

-

EiM^uMich.WiWlM^«MM-ÄkMW»MWM«dMMdftrcicher vom 80. November 1739. Unter dem 30. November 1739 erließ König Friedrich Wilhelm I von Preußen nachfolgendes Edikt gegen die Zigeuner und andere Landstreicher: Wir Friedrich Wilhelm von Gottes Gnaden, König in Preussen, Marggras zu Brandenburg, des Heil. Römschen Reichs Ertz-Cämmerer und Churfürst, Souverainer Printz von Oranien, Reufchatel und Vallcngin, in Geldern, zu Magdeburg, Cleve, Jülich, Berge, Stettin, Pommern, der Cassuben und Wenden, zu Mecklenburg, auch in Schlesien zu Crossen Hertzog, Burggraf zu Nürnberg, Fürst zu Halberstadt, Minden, Camin, Wenden, Schwerin, Ratzeburg. Ost-Frießland und Meurs, Graf zu Hohenzollern, Ruppin der Marck, Ravensberg, Hohenstein, Tecklenburg, Lingen, Schwerin, Bühren und Lehrdam, Herr zu Ravenstein, der Lande Rostock, Stargard, Lauenburg, Bütow, Arlay und Breda, rc. rc. re. Thun kund und fügen hiemit zu wissen: Demnach zu Unserm nicht geringen Mißfallen vielfältig wahrgenommen worden, daß man Unsere wegen derer auf dem Lande sich so häufig ziehenden Ziegeuner, herum¬ streichenden Bettler, und Vagabonden, verschiedentlich emanirte heilsahme Verordnungen sehr schlecht beobachte, ja fast gäntzlich ausser Augen setze, Wir aber sothanen, zum besten des gemeinen Wesens gereichenden, Pa¬ tenten überall vollkommenes Gnügen geleistet wissen wollen: Als renovircn und bestätigen Wir sämtliche dieserhalb publicirte Edicta, sonderlich dasjenige, so unterm 20. December 1727. so ernst- als nachdrücklich ergangen, daß alle fremde Bettler und Landverderbliches loses Gesindel sich relitirircn, und gäntzlich ausser Landes, die Einheimischen aber an die Oerter ihrer Gebührt, oder wo sie bishero einige Jahre gewöhnet und sich sonst genehret haben, begeben sollen: Gestalt dann alle diejenige, so irgend wo sonsten angetroffen und aufgegriffen werden, gleich nach den Vestungen gebracht, und daselbst nach Maßgebung Unserer Circulair-Ordre vom 25 April 1728, so an lämbtliche Gouverneurs ergangen, so fort aufgenommen werden müssen. Jmgleichen renovircn Wir auch die gedruckte Instruction vom 20. No¬ vember 1730. wie cs mit Aufhebung der Ziegeuner und anderer Land¬ streicher zu halten, auch was Massen, umb das Land von dem liederlichen Gesindel rein zu halten, und das Betteln zu verhüten, selbiges so gleich bey den Grentzen im ersten Dorffe anzugreiffen, und wegzuschaffen sey: Schärffen aber und extendiren zugleich selbige Kraft dieses dahin, daß von nun an diejenige Gerichts-Obrigkeit, so dergleichen Ziegeuner, Landstreichern, und Land-Bettlern, wissentlich einen Auffenthalt, oder gar eine Herberge und Nachtlager, in ihren Gütern verstattet, und nicht so fort, oder wenigstens als bald es nur seyn kan, in Conformität Unsere Verordnungen, selbe angehalten und aufgehoben, mit Verlust der Jurisdiction, oder ein Tausend Thaler Straffe an Gelde, angesehen; die Schultzen und Gemeinde aber, so hierunter säumig, oder bemelden Gerichts-Obrigkeiten nicht behörig hülffliche Hand geleistet haben, mit

empfindlicher Leiber- und nach Befinden auch so gar Vestungs-Straffe unablässig angesehen werden sollen. So bald nun ein solcher Zigeuner, oder anderer herum »eignender Bettler und Landstreicher, attrappiret wird, und aus dessen Aussage erhellet, daß er bey hellem Tage durch ein oder anders Doiff durch¬ gegangen, auch etwa daselbst gebettelt oder sich sonsten verdächtig gemacht, und von Leuten gesehen nicht aber arrctiret wordene So muß dos Protocoll so fort der Regierung eingesand werden, welche alsobald durch einen fiscalischen Bedienten ex Offica es untersuchen und die Schuldigen Massen denn allen llnseren nach diesem Edict straffen lassen muß. Regierungen, Krieges- und Domainen-Cammern, Justitz-Collegiis, General-Fiscal und fiscalischen Bedienten, Acmbtern, Gerichts-Obrigkeiten und Befehlshabern injungiret wird, rejpcctive darüber, wie über alle andere, der Zigeuner, Land-Bettler und Landstreicher halber ergangenen Verordnungen, nachdrücklich zu halten, und damit sich niemand mit der Unwissenheit entschuldigen möge, dieses Edict alle Jahr von denen Canzcln ablesen zu lassen. Uhrkundlich unter Unserer höchsteigenhändigen Unterschrifft und aufgedruckten Königlichen Jnnsicgel. Gegeben Berlin, den 30. No¬ vember 1739. Fr. Wilhelm. fürsten

SHtall’

"fast '*ofö Berliner (Cölner)

Statthalter der

während sein Vater die fränkischen Besitzungen verwaltete. Im Jahre 1473 hatte er sich mit der Prinzessin Sophie Margarete von Sachsen verlobt, aber zum Heiraten fehlte ihm — Geld. Kläglich klingen die Briefe, die er an seinen Vater jchreibt. Er sei doch groß genug für ein Weib und Margarete groß genug für einen Mann. aber er wußte nicht, „wie er sich schmücken und woher sie es nehmen sollten", obgleich „es nun wohl Zeit wird, daß solches angefangen würde zu machen", denn „es ist Ew. Liebe wohl wissentlich, wir vermögen's an dem unsrigen hier nicht." — Wir sind in unserer Haushaltung gar geringe versehen mit Bettgewand, Lacken, Polster, Tischdecken imd allen anderen das dazu dient, dazu (wozu) auch etwaiges Geld gehört. Auch wie schwach wir an Silbergeschirr, ist Euch wissentlich. Denn wir haben nicht mehr an Silbergeschirr, als wie die Ew. Liebe zugeschickten Zettel innehalten, ausgenommen 12 silberne Löffel, die wir nach Eurer Abreise haben machen lassen." Bei dem Ge¬ danken an die vielen Gäste, die mit Dienern und Pferden zu der Hoch¬ zeit kommen würden, seufzt der arme Kurprinz: „Und allen diesen Leuten Ausrichtung zu thun mit aller Nothdurfft und Zugehörung, nachdem der Hafer sehr theuer ist, das versteht Ew. Liebe besser, denn (ob) wir das schreiben können, wo das hinauslaufen will, zumal, da wir keinen Pfennig dazu - irgend-) woher zu nehmen wissen." Die Hoch¬ zeit fand erst am 24. August 1P76 und gewiß unter diesen Umständen nicht sehr glänzend und prachtvoll statt.

Mark auf

dem

Schlosse,

Der letzte Verwundete von Spichcrn, der infolge der schweren Verletzung seiner Lunge noch im Jahre 1874 das Garnisonlazareit von Saarbrücken nicht verlassen durste, war der Füsilier August Fender der 10 Compagnie 48. Regiments Als in Saarbrücken am 9. August 1874 das großartige Denkmal an den Sieg von vom 6. August auf dem Winterbcrg eingeweiht wurde, vergaß man dieses „Letzten von Spichcrn" bei dem der Einweihung folgenden Festmahle nicht: eine für den Armen bei der Tafel veranstaltete Sammlung ergab die Summe von 170 Thlr. Damit war eben auch gleichzeitig Veranlassung gegeben, daß in den

Tagesblättern für den Invaliden Aufrufe erschienen, welche den schönen Erfolg hatten, daß der schwerverwundete Stürmer von Spichern ohne F. B. Sorgen für das tägliche Brot in die Zukunft blicken durfte. Seltsame Mttf^st^MW^WMMHWUekm I. Einst über¬ König Friedrich Wilhelm I. ein Bauer eine Bittschrift in Gestalt eines leeren Bogens, auf dem im Viereck verschiedene Striche und Tintenklexe zu sehen waren. Auf die Frage des Königs nach der Bedeutung dieser eigenartigen Zeichnung erwiderte der Bauer, er könne nicht schreiben, habe desbalb seine Bittschrift gemalt. Das Viereck sei ein Garten. Die Striche bedeuteten sein Rübenland, die Tintenklexe aber des Amtmanns Schweine, die ihm seine schönsten Rüben aufgefressen hätten, ohne daß ihm der Amtmann Vergütung gewähren wollte. Zugleich versprach der Bauer dem Könige, wenn er ihm helfe, einen Sack der schönsten Rüben. Lächelnd versprach der König Hilfe. Der Amtmann mußte. Entschädigung zahlen; aufs Schloß aber wanderte bald ein großer reichte dem

Sack Rüben.

Kaiser Nikolaus I. vo« Rußland -und. feiu S»hN, der damals Jähre alte Großfürst - Thronfolger Alexander, gaben am 24. November 1834 den Berlinern Gelegenheit, beide an der Spitze ihrer Regimenter bewundern zu können. Dies beschränkte sich aber nicht etwa darauf, daß der Czar und der Thronfolger die Truppenteile bei einer Parade vorbeiführten, sondern der erstere exerzierte sein brandenburgisches Kiirassterregiment, der letztere sein Ulanenregiment auf dem heutigen Königsplatze, dem damaligen gewöhnlichen Exerzierplätze der Berliner Garnison Allerhöchstselbst. „Der Kaiser erschien dabei, wie ein Augenzeuge in seinem Tagebuch berichtet, in .sehr eleganter" Kürassier¬ uniform, wie sein Regiment, und kommandierte es selbst. Das Ulanen¬ regiment wurde von dem Großfürsten, der auch in seiner Ulanenuniform erschienen war, ebenfalls selbst kommandiert. Alle Prinzen, die Generalität, unzählige Offiziere waren bei dem Exerzieren zugegen, und ebenso wohnten Tausende von Zuschauern zu Wagen und zu Fuß dem interessanten Schauipiel bei. —" Leider hat der Verfasser des Tagebuches, dem diese Mit¬ teilung entnommen ist, die Kritiken des gewiß bei diesem Exercieren sehr kritischen Berliner Publikums aufzunehmen vergessen — die Nachwelt weiß also nicht, wie die beiden „Regiunntskommandeure mit ihren Regimentern abgeschnitten haben." F. B.

Jäger in vollem Kostüme mit einem Gewehr nach Enten schießt Ein anderer Franzose malte die Jungfrau Maria, im Begriff, sich eine Tasse Kaffee aus einer reich ciselierten Kanne einzugießcn. Ein dritter macht den kleinen Fehler in der Zeitrechnung, indem er einen Kavalier vom Hofe Ludwigs XIV. mit dem modernsten Revolver in der Hand vorsührt. Ein italienischer Künstler zeigt uns auf einem Bilde die Kinder Israels, das Manna sammelnd; der größte Teil derselben hatte die Vorsicht gebraucht, sich mit Schießgewehren zu bewaffnen. Der Maler Verrio läßt auf dem Bilde „Christus, die Kranken heilend", die Umstehenden mil den schönsten Perrücken auf den Köpfen erscheinen. Aehulich ist die Wirkung auf einem Dürer'schen Gemälde: Der Engel, welcher Adam und Eva aus dem Paradiese treibt, trägt stolz ein mit Falbeln verziertes Röckchen. Auf einem andern Bilde, welches „Christi Verleugnung" dar¬ stellt, gestattet Dürer einem römischen Soldaten, in aller Gemütlichkeit ein Pfeifchen Tabak zu rauchen. Peter Breughel endlich hatte Jesus gemalt, wie er mit dem Kreuz auf den Schultern dahinwankt, während hinter ihm ein Mönch mit dem Kruzifix in der Hand die Schächer führt.

Küchcrtisch.

achtzehn

Liitzows KMDMs fand am Mittwoch den 10. Dezember 1834 Berlin'siäts/nachdem er daselbst am 6. Dezember plötzlich am Schlag¬ fluß verschieden war Der Held der Befreiungskriege wurde auf dem sogenannten alten Offizierkirchhof in der Rosenthalcistraße beigesetzt, wo ein Stein mit einfacher Inschrift sein Grab deckt. Der Leichenzug des gefeierten Mannes muß sehr großartig gewesen sein. Ein Augenzeuge schreibt darüber: „Gegen 10 Uhr kam der große Leichenzug des Generals von Lützow die Linden herauf. — Voran ritt ein General mit mehreren Adjutanten; dann kamen vier Trompeter mit gedämpften Tromveten, denen die Übrigen Trompeter des Kürassierregiments folgten. Hinter der Musik ritt der Regimentskommandeur mit einem Teile seines Regiments. Diesem folgte die Musik des Alexanderrxgiments mit gedämpften Trouimeln und ein Bataillon des Regiments, dann die Musik der reitenden Artillerie nebst drei Geschützen. Zwei Offiziere, wovon einer auf einem roten Sammctkissen die Schärpe und die Orden des Generals trug, gingen vor dem nun folgenden, von vier schwarz behangeren Pferden gezogenen Leichenwagen. Auf dem Sarg lag der Hut, der Säbel und die Epaulettes des Verstorbenen. Hinter dem Sarge folgten zu Fuß fast alle Offiziere der Garnison, an der Spitze derselben der Prinz August, ter Kommandant von Berlin und Generalität. Hinter den Offizieren fuhren der Königliche Wagen, die Wagen aller Prinzen, alle in Staatsgeschirren mit Lakaien und Läufern. Der ganze Zug dauerte dreiviertel Stunden, ehe er vorüber war." — F. B. zu

Einstmalige Inschrift im Rathans zu Leipzig. Vor Zeiten befand im Rathause von Leipzig Über dem Eingänge zur Ratsstube eine Inschrift, welche in schwersälligem Versmaß die zur Sitzung kommenden Ratsherren an ihre Pflichten und an die göttliche Strafe bei Vernachläsiigung derselben erinnerte. Sie stammte, wie versichert wird, aus dem 16. Jahrhundert und hatte folgenden Wortlaut: sich

„Erstlich wenn ihr zu rath seht gesessen, Sollet ihr Gottes und eures Eyds nit vergessen, Zum andern keiner Sachen nit vorwagen, Vor allen Dingen zu gemeinem Nutz rathschlagcn, um Dritten, den Armen halten, wie den Reichen, 8>o wird Gottes Gnade nit von euch weichen. Zum Vierten, die Bösen ohne alle Gnad straffen kann, So wird euer Regiment in allen Guten bestan. Werd ihr aber das verachten und trencken, So wird euch Gott in das höllisch Feuer versenken."

Inschrift ist leider bei baulichen Veränderungen doch wird ihrer noch in alten Samml.-B. Malerische Mißgriffe. Auf allerlei komische Mißgriffe, welche naiven Malern in ihren Werken passiert find, macht eine vor kurzem erschienene Broschüre eines Kunstschriftstellers aufmerksam. Der drolligste Schnitzer, den sich je ein Maler erlaubt hat, ist auf dem Bilde eines Franzosen zu finden. Das Gemälde stellt den Garten Eden dar, mit Adam und Eva in primitivster Erscheinung, während in der Nähe ein Diese interessante

im Jahre 1672 abhanden gekommen, Chroniken Erwähnung gethan.

Zeit Wilhelms des Großen. Von Hans Ernstes und heiteres aus der vaterländischen Geschichte. von ersten Künstlern, 15 Lieferungen je 50 Pf. Berlin, Deutsches Verlagshaus. Bong u Ce. Aus den zahlreichen buchhändlerischen Erscheinungen, die sich die schöne Aufgabe gestellt haben, das Gedächtnis des großen Kaisers zu feiern, ragen einige durch klassischen Text und schöne bildliche Dar¬ stellungen wie Sterne erster Größe hervor. Zu ihnen gehört vor allem Hans Krämers Werk „Deutsche Helden aus der Zeit Kaiser Wilhelms des Großen". Nicht will dasselbe eine Lebensbeschreibung Kaiser Wilhelms geben, sondern cs will ihn und all die großen Männer, die sein langes Leben hindurch mit ihm gewirkt und geschafft haben, in ihrer bedeutsamen Thätigkeit vorführen und ein umfassendes Zeitbild des in der deutschen Geschichte beispiellosen Jahrhunderts entrollen. Eigen¬ artig ist, daß nicht bloß der Ernst des Lebens, sondern auch seine heitere Seite sich zeigen soll, wie ja auch im Lebensgange jedes Menschen beides miteinander abwechselt. Das edle Wort des Verfassers und Stift und Griffel hervorragender Künstler sind die Mittel, mit welchen das Werk Deutsche Helden ans der

Krämer. Illustriert

seinen Zweck zu erreichen bestrebt ist. Bis jetzt sind drei Lieferungen erschienen. Als Sonderschmuck der ersten Lieferung erwähnen wir: die genaue erstmalige Nachbildung des Briefes, den Prinz Wilhelm nach seiner Feuertaufe bei Bar sur Aube an seinen Bruder Karl schrieb, eine Nachbildung der „Leipziger Zeitung" Nr. 202 vom 22. Oktober 1813, welche den ersten amtlichen Bericht über die Völkerschlacht bei Leipzig brachte, das große Buntdruckbild „König Wilhelm bei Gravelotte" und die in Buntdruck ausgeführte

Wiedergabe des Spottbildes aus der Zeit der Befreiungskriege „Napoleon I. als Nußknacker", wie er sich an der Nuß „Leipzig" die Zähne zerbeißt Dazu kommen zahlreiche große und kleine Bilder ernster und heiterer Art; kaum eine Seite ist ohne bildlichen Schmuck. Die zweite Lieferung enthält u. a. eine glanzvolle Wiedergabe des ergreifenden Bildes von Adolf Menzel „Viktoria!", einer im Jahre 1836 entstandenen, großartigen Darstellung des Abends nach der Völker¬ schlacht,

und ebenso des packenden, farbenreichen Zimmerschen Gemäldes

„Scharnhorsts letzte Attache bei G'vßgörschen", ferner das Facsimile eines noch nirgends veröffentlichten Briefes des Turnvaters Jahn. Aus dem Bilderschmuck der dritten Lieferung seien als besonders wertvoll hervorgehoben: die getreue Wiedergabe des berühmten Wolfschen „Einzug der Verbündeten in Paris am 31. März 1814," ferner „Blücher als Doktor der Rechte," „Der Kaiserfang," „Der Heldentod Wilhelms .

von Braunschweig bei Quartre-bras," sodann Armeebefehle, Maueranschläge Blüchers, lauter ebenso seltene wie interessante Blätter. Auch die Maler Camphausen, Bleibtreu, Becker u. a. sind mit packenden Illustrationen vertreten. Die Ausgabe des vortrefflichen Werkes in Lieferungen zu dem er¬ staunlich billigen Preise von je 50 Pf. erleichtert sehr die Anschaffung, so daß auch Unbemitteltere in der Lage sind, sich zur bleibenden Er¬ innerung an die große Zeit unseres verewigten Heldenkaiscrs für sich und ihre Nachkommen in den Besitz dieses Familienschatzes zu setzen. A. L. Gcrmäniakochbuch. Von Anna von Natzmer. Frankfurt a. O., Verlag von H. Andres u. Co. Preis gbd. 4 Mk. Ein neues Kochbuch ist ein Wagnis, denn cs ist fürwahr kein Mangel an Kochbüchern vorhanden, auch an guten Kochbüchern nicht. Das „Germaniakochbuch" ist zweifellos ein gutes: meine Frau, in Koch fachen eine unbedingte Autorität für mich, hat das Buch verschiedent¬ lich auf seine praktische Brauchbarkeit geprüft und hat gefunden, daß es in jeder Beziehung den Anforderungen genügt, die eine Hausfrau an ein Kochbuch stellen muß. Die 790 Nummern berücksichtigen vorzugs¬ weise die deutsche Küche und befleißigen sich einer deutschen Aus¬ drucksweise unter Ausschluß des Küchenkauderwelsches, das man in anderen Kochbüchern findet. Die beiden bunten Pilztafcln und die 6 Schwarzdrucktafeln, sowie das angehängte Notizbuch sind willkommene, brauchbare Zugaben, die Ausstattung ist gefällig und gediegen, und das „Germaniakochbuch" verdient es in der That, ein Ratgeber vieler deutschen Frauen und Jungfrauen bei ihrer verantwortungsvollen Thätig¬ — e. keit am häuslichen Herde zu werden.

Inhalt:

Finis

Poloniae.

Roman

Historischer

von

lFortsetzung). — Zur Geschichte des Berliner Zeitungswcsens. Von Richard George. — Der Tod König Friedrich Wilhelms n. von Preußen. Von B. Emil König. —

1,25 Mk. Abgesehen davon, daß ihnen der Besitz des ganzen Jahrgangs erwünscht sein dürste, wird es ihnen ans diese Weise ermöglicht, den Ansang des fortlaufenden Romans „Fiuis Poloniae“ kennen zu lernen.

!-

C.

Grundier

Kleine Mitteilungen: Großherzog Friedrich Franz IV. von Mecklen¬ burg-Schwerin. Edikt Friedrich Wilhelms I. gegen die Zigeuner, Land¬ streicher vom 30. November 1739. Die Hofhaltung des Kurprinzen. Der letzte Verwundete von Spichcrn. Seltsame Bittschrift an König Friedrich Wilhelm I Kaiser Nicolaus I. von Rußland und sein Sohn. Lützows Begräbnis. Einstmalige Inschrift im Rathaus zu Leipzig. Malerische Mißgriffe. — Büchertisch.

Gesucht

wird:

Kar, V. Jahrgang 1879.

Gest. Angebote erbittet die

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Die verehrten Leser und Freunde des „Bär" werden inständig gebeten, doch in ihren Kreisen auf unsere vaterländische Wochenschrift aufmerksam zu machen und sie zum Abonnement warm zu empfehlen. Nur dadurch, daß die Freunde vater¬ ländischer Geschichte einem Unternehmen, wie das unselige ist, einmütig die angelegentlichste Unterstützung zu teil werden lassen, kann dasselbe seine Ausgabe in befriedigender Weise lösen.

Denjenigen Abonnenten, die zu Anfang des neuen Quartals eintreten, überlasten wir das erste Vierteljahr für

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werden von der Geschäftsstelle Berlin U., Schönhauser Allee 141, — Fernsprechstelle

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Verantwortlicher Redakteur und Verleger: Fr. Zillessen in Berlin N. 58., Schönhauser Allee 141. Druck der Buchdruckerei Gutenberg, Berlin dl., Schönhauser Allee 141s. — Abdruck ohne eingeholte Erlaubnis ist untersagt.

der

Ernst

Mark Brandenburg

und der angrenzenden Gebiete.

Unter Mitwirkung von

S^ringuier, Professor Dr. Drortivr, G. Friedet. Richard George, Ferd. Mener. Gymnafialdirektor a.

Dr.

G. Kardors, Dr. R-

Dr. H. Krendicke, Theodor D. Dr. M. Kctnoavt; und E. v.

Fontane,

Stadtrat

Mitdenbruct,

herausgegeben von

Friedrich Zillrsfen. XXIII. Iahraang. M 21 .

„Bür" erscheint wöchentlich am Sonnabend und ist durcb jede poftanftalt (tlo. 809), 3»chh indluna und Zeitungs¬ spedition für 2Mk.50pf. vierteljährl. zu beziehen. Auch die Geschäftsstelle — Berlin N. 58,Schönh. Allee 141— nimmt Bestellungen entgegen. Inseraten-Aufträge sind an die letztere zu richten. Die viergesp. Petitzeile kostet 40 Pf. Der

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Finis Poloniae. Gründlor.

Historischer Roman von C.

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5.

Jlllli 1887.

Finis Poloniae. Historischer Roman von C.

Grundier.

(22. Fortsctzung.)

S

Waldhaus, was nur möglich war: Brot, Fleisch, Eingemachtes, auch Wein. Sein Thun war jedoch bemerkt worden, und da jedermann

stille Waldeinsamkeit entsprach vorläufig ganz dem Sinne Arabellas, indem sie ihrem Schmerz ungestört nachhängen konnte. Sie sah niemanden, als die beiden Mit¬

nach dem

bewohner des Waldhauses. Keine andere Menschenseele kam diese abgelegene Gegend. Die Arbeit im Walde, das Fällen der Bäume begann erst später.

Monrepos als herrenloses Gut betrachtete, so wimmelte es in den Trümmern bald wie in einem Ameisenhaufen; man suchte überall nach verborgenen Schätzen und eignete sich an, was noch brauchbar war. Pierre durfte das Recht der Eigen¬ tümerin nicht wahren. Für den kommenden Winter waren sie einigermaßen vor Mangel geschützt. Was sollte aber weiter werden? — Pierre trat allgemach mit seinen Zukunstsideen hervor. Er meinte, die Komtesse sei gestorben, die Marianne sei allein übrig geblieben. Durch die Großmutter hatte er erfahren, wo sich Karl von Krummensee zuletzt aufgehalten hatte. Darauf gründete er seinen Plan. Er brachte eines Tages einen jungen Bauer aus einem Nachbardorse mit, welcher angeblich bei der Nevolutionsarmee gestanden hatte. Derselbe wollte als Verwundeter mit Karl

ie

in

Pierre sorgte aufs rührendste für sie. Er beschaffte die Lebensmittel aus dem Dorfe, welche die alte Großmutter zu¬ bereitete — allerdings manchmal ganz sonderbare Gerichte, die Arabella nie gekostet harte und nur mit Ueberwindung genießen konnte. Hunger und Jugend halfen dabei. Dann trat der Trieb nach Beschäftigung ein. Was sollte sie aber thun? Was sie erlernt hatte, konnte sie hier nicht verwerten; und doch konnte sie auch nicht müßig bleiben. So lernte sie denn die Ziegen füttern und melken. „Es gehört sich dies für ein Bauernmädchen", meinte Pierre. Auch zeigte ihr die Großmutter, wie man Strümpfe strickt und stopft. An die feinen Stickereien mit Perlen und Goldfäden durfte sie nicht mehr denken. Weiler half sie Pierre in dem kleinen Garten hinter dem Hause beim Ablesen der Gemüse und Ein¬ ernten des Obstes.

Die Thätigkeit zerstreute

und lenkte sie von ihrem Es lag alles so sie befriedigte sie aber nicht. weit ab von ihrem bisherigen Sein und Denken. Als die Trümmer von Monrepos einigermaßen zugänglich waren, hatte Pierre sofort nachgeforscht, ob nicht noch etwas zu retten sei. Da er genau Bescheid wußte, hatte er bald Zugang zu den unterirdischen Kellerräumen gefunden. Er entdeckte eine Menge Lebensmittel und schbppte ununterbrochen Schmerz ab;

sie

von Krummensee in demselben Lazarette gelegen und gesehen haben, wie dieser an seinen Wunden gestorben sei. Die Lüge war indes zu plump angelegt, als daß Ara¬ bellas Scharfsinn sie nicht durchschaut hätte. Durch einige Kreuz- und Querfragen erkannte sie sofort das Gaukelspiel. Sie mußte sich aber stellen, als glaube sie alles. Bald wurde Pierre auch deutlicher. Er meinte, da ihr

Bräutigam doch einmal tot sei, so sei es das einfachste, sie heirateten einander, und zwar sobald als möglich. Sie könne einstweilen als bescheidene Bauernfrau bei seiner Großmutter leben. Wenn dann wieder geordnete Zustände einträten, ließe

266 retten. So wie jetzt könne es doch in Frankreich nicht lange mehr bleiben. Auf die Frage, wovon sie denn bis dahin leben sollten, antwortete er, er müsse sich natürlich einen andern Dienst

heit, Dich auszuzeichnen, vielleicht in wenigen Jahren höher Du hast etwas zu steigen, als sonst in Jahrzehnten. Tüchtiges gelernt, bist gesund und stark. Wenn Dir überhaupt das Glück lächeln will, so ist hier die beste Gelegenheit. Zum

arbeiten, bis ihm das Blut unter den Nägeln hervorkäme. Bei ihm solle sie keinen Mangel leiden. Nur mit dem Hinweis auf die eben erst erlittenen schmerzlichen Verluste konnte Arabella ihn bewegen, von dem

Heiraten sind wir auch beide noch viel zu jung." Pierre war wie betäubt. Dann faßte er ihre beiden Hände und sagte langsam: „Du hast recht. Marianne, Du hast immer recht. Ich war wahnfinnig. Vergieb mir! Ich sehe es ein. das Klagen und Toben hilft nichts. Nur der Gedanke — fuhr er fort. und dabei stürzten ihm die Thränen aus den Augen —, daß ein anderer kommen und Dich wegholen könnte, machte mich

sich

vielleicht noch

ein

für

suchen, aber er wolle

Teil ihres

Besitzes

sie

Verlangen einer sofortigen Heirat abzustehen. Pierre betrachtete sie gleichwohl seitdem als seine Verlobte und belästigte sie mit allerlei plumpen Zärtlichkeiten, die ihr Widerwillen und Ekel einflößten. Da trat ein Ereignis ein, welches der Lage mit einem Schlage eine andere Wendung gab. Die junge französische Republik war von allen Seiten von Feinden bedroht. Ueberall an den Grenzen sammelten Sollte sie erhallen bleiben, so bedurfte sich fremde Heere. es einer außerordentlichen Kraftentfaltung. Die Machthaber in Paris, welche keine Ströme von Blut gescheut hatten, um ihren Prinzipien Geltung zu ver¬ schaffen, schreckten auch jetzt vor nichts zurück. Es wurde eine allgemeine Volksbewaffnung dekretiert. Jeder Franzose vom sechzehnten bis zum vierzigsten Jahre mußte Soldat werden. Auch Pierre hatte die Einberufungsordre erhalten. Binnen drei Tagen sollte er sich in Verdun als Rekrut stellen. Er schäumte vor Wut. Das hatte er nicht erwartet. Jedenfalls aber wollte er sich vorher noch mit Arabella trauen lassen. Er bestürmte sie mit Bitten, warf sich ihr zu Füßen, weinte und flehte. Allein Arabella blieb fest. Da entflammte sein Zorn. Er beschuldigte die Geliebte der Undankbarkeit und machte ihr die bittersten Vorwürfe. Durch ihn allein sei sie noch am Leben, ohne ihn sei sie nichts. Warum sie sich sträube, jetzt zu thun, was später doch ge¬

AIs Arabella sich nicht erschüttern ließ, nahm er zu Drohungen seine Zuflucht. Er sprach davon, daß er Anzeige machen werde, was ihren gewissen Tod bedeute. „Thue das. Piere," erwiderte sie, „zeige mich an! Aber dann verlange nicht mehr, daß ich an Deine Liebe glauben soll!" Das half. Wütend sprang Pierre auf. preßte beide Fäuste gegen die Schläfen und lief.wie ein rasendes Tier im Zimmer umher. „Höre nicht auf mich!" rief er. „Ich bin wahnsinnig. schwatze lauter verrücktes Zeug. O Marianne, Marianne! Ich Wenn Du wüßtest, wie ich Dich liebe! Und ich soll Dich hier lassen, allein, schutzlos? Nein, nimmermehr!"

„Willst Du

mich etwa mit ins Feld nehmen?" entgegnere „Deine Gedanken sie. sind in der That sehr thöricht. Ich kaun in Deine Forderung nicht willigen. Sieh, Du bist arm, und ich bin arm. Und ein Leben in solcher Niedrigkeit, wie Du es mir bieten kannst, bin ich nicht gewöhnt. Das würde mich auf die Dauer namenlos unglücklich machen. Auch kann ich Dir als Bäuerin — und Du hast doch noch nicht einmal einen Bauernhof, sondern willst ihn erst erwerben — wenig nützen. Ich verstehe nichts von der Wirtschaft und bin auch viel zu schwach dazu. Du aber mußt nun doch einmal Soldat werden,

Du Dein

hilft nichts. Geschick

Pierre fügte sich, wenn auch widerwillig. Schon am folgenden Tage zog er mit einem kleinen Bündelchen, begleitet von den Segenswünschen der Großmutter und Arabellas, nach Verdun ab, um dort eingekleidet und als Rekrut einexerziert zu werden.

Nach einigen Tagen

Statt indes darüber preisen. Als Soldat

zu klagen, hast

Du

solltest

Gelegen¬

kam er

noch

einmal auf ein paar

Stunden nach Hause, dann nicht mehr.

Die Republik hatte zum Soldatendrillen keine Zeit. Was Nach kaum zu lernen war, mußte im Felde gelernt werden. acht Tagen wurden die Mannschaften von Verdun nach Chsilons dirigiert, wo ein neues Heer zusammengezogen wurde, und Pierre konnte die Großmutter und Arabella nicht mehr besuchen. —

Er fehlte nun aber doch recht in der kleinen WirtJetzt, da Pierre fort war, merkte man erst. was schüft. er geleistet hatte. Bisher waren alle die kleinen Einkäufe von ihm besorgt worden, jetzt mußte die alte Großmutter Dorf wagen selbst gehen, da sich Arabella nicht ins Die Leute durfte, weil jedes Kind sie dort kannte. ihre Verwunderung darüber aus, und fragten, warum sie ihre Großnichte nicht schicke, die sei doch jung! Da mußten denn allerlei Ausflüchte helfen. Bald sollte sie sich den Fuß ver¬ treten haben, bald lag sie krank zu Bette, oder sie war nach Verdun geschickt worden und dergleichen. Das Laub fiel schon von den Bäumen, und die Arbeit im Walde begann. Namentlich kamen viele Frauen, um Streu für den Winter zu harken. Arabella flüchtete jedesmal ins Haus, wenn sie von weitem das Schwatzen der Weiber hörte. Trotzdem hatte einmal eine der Frauen zur Großmutter sprachen

auch

daß sie immer

schehen müsse?

dagegen

rasend." —

gesagt:

ist!

manchmal selbst

komme,

„Nein, was Eure Großnichte für ein sauberes Mädel sie für eine Aehnlichkeit mit der verstorbenen

Und was

Comtesse

hat!

Wenn man nicht genau wüßte,

daß diese tot

ist, könnte man sie dafür halten."

Arabella war tief

erschrocken,

als die alte Frau ihr dies

Ihre Lage wurde überhaupt immer unerträglicher. erzählte. Wie leicht konnte einer der Holzhauer ins Haus kommen und Und wie, wenn die Großmutter krank wurde sie erkennen! oder gar starb!

Bei ihrem hohen Alter war dies jeden Tag

zu erwarten.

Es stellte sich auch bereits an einzelnen Dingen, die ge¬ kauft werden mußten, Mangel ein. So lange der Graf lebte, hatte die alte Frau ihre Pension regelmäßig bezogen, auch Lebensmittel genug erhalten. Ebenso hatte Pierre fast seinen ganzen Lohn der Großmutter gebracht. Das alles fiel jetzt fort. Schon hatte man angefangen, bei dem Krämer Wein

267

Del umzutauschen.

Arabella hätte gern ein weiteres sie es nur in Geld hätte können. Allein dazu war keine Gelegenheit. Sie umsetzen selbst durste es nicht wagen, und die alle Frau konnte nicht mehr bis Verdun gehen. Unter solchen Umständen wurde es Arabella nach und nach klar. daß ihr nichts anderes übrig blieb als — Flucht. Wurde sie dabei festgenommen und entdeckt, nun, dann war das Elend mit einem Male zu Ende. Aber fliehen, sie allein — ein schwaches Mädchen?? Es kam ihr die Idee, sich dem Förster anzuvertrancn und ihn um seinen Beistand zu bitten. Der Förster war immer ein treuer, zuverlässiger Diener ihres Vaters gewesen. Aber sie wußte doch nicht, wie er jetzt dachte. Wie sie gehört hatte, waren ihre Guter von der Republik eingezogen. Würde der Förster nun seinen neuen Herren zuwider handeln, indem er ihr, der Verfehmten, zur Flucht verhals? Der Mann hatte doch auch Frau und Kinder! Nein. sie wollte niemand in ihr Unglück hineinziehen. Allein wollte sie ihr Vorhaben ausführen oder — allein untergehen! Wohin aber fliehen? Wohin anders als zu ihrem Bräu¬ tigam. und dann, wo möglich, zu desien Eltern! Und wie die Flucht ausführen? Das bedurfte längerer Ueberlegung. Als einzelnes Mädchen konnte und durfte sie sich nicht in die Welt hinauswagen. Ja, wenn sie alt und häßlich gewesen wäre! Aber ihr Spiegel sagte ihr täglich das Gegenteil. gegen

Schmltckstück

hergegeben,

wenn

Also abermals Verkleidung!

Und diesmal in

Männer¬

kleidern. Dazu recht ärmlich! Die Armut hat ja in solchen Zeiten am wenigsten zu fürchten. Gut nur, daß sie nicht zu betteln brauchte! Sie hatte ja noch Mittel. Wenn sie nur

in bares Geld verwandelt wären! Sie machte sich nun über Picircs Garderobe her und suchte in ihr nach alten, noch brauchbaren Stücken. Was sie fand, war natürlich viel zu weit und zu lang. An der Weite konnte sie nichts ändern, von der Länge schnitt sie einfach ab. Daß sie mit der Nähnadel nicht recht Bescheid wußte, that nichts weiter zur Sache. Bei einem armen Jungen, wie sie ihn vorstellen wollte, crwaitet man keine Kunstlcistungen. Sie halte sich ein Paar Beinkleider von ungebleichter Leinwand zurecht gemacht. Dazu nahm sie eine blaue Bluse, die in landesüblicher Weise am Kragen und auf den Achseln mit roter und gelber Seide ausgenäht war. Unter ihr wollte sie eine dicke wollene Jacke tragen, während ein Paar Fausthandschuhe dazu bestimmt waren, ihre kleinen Hände zu verbergen, sobald sich dies als notwendig erweisen sollte. Nachdem sie alles heimlich in den Stand gesetzt, beschloß sie, eine Probe zu machen, ob sie auch genügend verkleidet sei. und sich zugleich bares Geld zu verschaffen. Glückte es ihr, in Verdun durchzuschlüpfen, wo man sie doch oft gesehen, so brauchte sic anderwärts keine Sorge zu haben. Sie wählte zu dieser Probe einen Spätnachmittag, als die Großmutter sich wegen rheumatischer Schmerzen ins Belt gelegt erst

hatte.

war sie umgekleidet. Zum Ueberfluß klebte sie großes, schwarzes Pflaster unter das rechte Auge und band sich ein Tuch um die Backen. Gesicht und Händen hatte sie mit Kaffeesatz eine bräunliche Färbung gegeben. noch

Rasch

ein

Als

sie so.

den Spiegel

den

alten Schlapphut auf dem Kopfe, vor

trat, erkannte

Dann machte Stunden konnte

sie sich

sie sich selbst

nicht wieder.

auf den Weg. In längstens wenn sie scharf ausschritt.

sie zurück sein,

drei

Da

sie nicht

sehr groß war. so 13 bis 14 jährigen Jungen. Sie umging das Dorf Landstraße kam.

machte

sie

den

Eindruck eines

in weitem Bogen, bis

sie

auf die

Die Thränen traten ihr in die Augen, als sie sich daran wie hier vor einem Jahre der Oberst der ZiethenHusaren sein stolzes Regiment an ihr vorüber geführt halte. In ärmlichster Verkleidung mußte sie jetzt scheu und verstohlen zu Fuß ihre Straße ziehen, wo sie damals ihren Geliebten hoch zu Roß hatte einhergallopiereu sehen. Allein fort mit aller Weichherzigkeil! Zu sentimentalen Schwärmereien war jetzt keine Zeit. Vorwärts, immer vorwärts! Als sie zu dem Juwelier kam, dem Pierre den Ring veilaust hatte, und Halskette und Brache hervorzog — das Diamanlkreuz hatte sie zurückbehalten — sah sie derselbe lange erinnerte,

mißtrauisch an.

„Was willst Du für den Bettel haben?" „Mein Vater hat mir gesagt, ich solle fünfhunderr Franken bringen." Die „Ho ho!

will

ich

Dir

Schmuckstücke waren wenigstens das

Doppelte weit.

Du bist wohl verrückt? Zweihundert Franken

geben."

„Dann nehme ich's wieder mit und gehe anderswohin." „Weißt Du wohl, Bürschchen, daß ich Dich anzeigen Denn daß die Sachen gestohlen sind, unterliegt keinem Zweifel. Ihr müßt in Moniepos schön geplündert haben." „Das können Sie thun, Monsieur. Dann wird man mir vielleicht den Schmuck abnehmen und mich ein paar Tage einstecken, woraus ich mir gar nichts mache, und Sie kommen um den schönen Verdienst. Denn Sie verdienen, wenn Sie mir fünfhundertFranken geben, immer noch fünfhundert, sagt meinVater." „Na, ich will ein übriges thun und Dir dreihundert Franken geben. Dann aber mache, daß Du forlkoinmst!" „Aber mein Vater wird mich schlagen!" „Das wird Dir Schlingel ganz gesund sein! Also kurzen Prozeß! Entweder — oder die Polizei!" Arabella nahm die dreihundert Franken und erstand bei einem Trödler noch eine alte wollene Decke für drei Franken; dann machte sie sich eiligst auf den Rückweg. Es war schon ziemlich dunkel, als sie im Waldhause wieder eintraf. Unterwegs waren ihr mehrere bekannte Dorf¬ bewohner begegnet, die achtlos an ihr vorübergegangen waren. Das flößte ihr Mut ein. Als sie in die Stube trat, hörte sie an den lauten Atem¬ zügen, daß die Großmutter noch schlief. Sie entledigte sich rasch ihrer Verkleidung und verbarg das Geld. Als sie wieder ihre gewöhnliche Kleidung angelegt hatte, trat sie in die Kammer. Die Großmutter erwachte und fragte: „Ei. Kind, wo bist Du nur so lange gewesen?" „Ich hatte draußen zu thirn, Mutter Manon. Ich freue mich, daß Du so schön geschlafen hast." „Ach ja!" erwiderte Mutter Manon. „Der Schlaf hat meinen allen Knochen gut gethan. Ich will auch morgen noch etwas länger liegen bleiben. Du bist ja so gut. mein Herzblättchen, und weißt ja auch schon so schön Bescheid, daß Du alles aufs beste besorgen kannst." Arabella brachte der Großmutter etwas warme Milch. Dann wandte sich diese der Wand zu und schlief wieder ein. sollte?

(Fortsetzung folgt.)

268

Die Kaiser Wilhelm-Grdächtnis-Kirche. Mit zwei Abbildungen.) Die Kaiser Wilhelm-Gedächtnis-Kirche, das einzige wirklich monumentale Gotteshaus Berlins, die Meisterschöpfung

Werk*) verfaßt, welches in würdigster Ausstattung im Verlage von E. S. Mittler u. Sohn in Berlin erschienen und dem nachstehenden Aufsatze zu Grunde gelegt ist.

Die Kaiser

Wilhelm-Gedächtnis.Kirche

ist

die

Vordcr-Ansicht der Kaiser Wilhelm-GedachtniF-Kirche. Mit gütiger Bewilligung

des Verfassers dem Werke

Sr. Excellenz

des

Freiherr» von Mirbach (Verlag von E. S. Mittler und.Sohn in Berlin) entnommen.

Seile Wort Bild dar¬ und in einer umfangreichen Monographie in gestellt worden: Se. Excellenz, der Freiherr von Mirbach, der unermüdliche Vorkämpfer des Kirchenbaus in Berlin, hat dieses für die Geschichte der Reichshauplstadt bedeutungsvolle des Baurates

F. Schmechten, ist

soeben von berufenster

schönste

Frucht des von dem evangelisch-kirchlichen Hilfs¬ am 2 . Mai 1890 abgezweigten

verein (begründet 1888)

*) Die Kaiser Wilhelm-Gedächtnis-Kirche. Zum22. März

1897. Von Ernst Freiherr von Mirbach. von E. S. Mittler u. Sohn. 4°. 265 Seiten.

Berlin 1897. Preis 5 Mk.

Verlag

269

Kirchenbauvereins. Ohne diesen und ohne die rastlose Thätigkeit Sr. Excellenz des Oberhofmeisters Freiherrn von Mirbach hätte die Reichshauptstadt niemals das monumentale Gotteshaus an der Grenze Berlin-Charlottenburgs erhalten.

Kaiser Wilhelm - Gedächtnis-Kirche

selbständig gebaut

nur die Thatsache hervorgehoben, datz unter seiner Aegide in sieben Jahren fast 25 Millionen Mark für Kirchen¬ bauten in Berlin, Charlottenburg und Potsdam aufgebracht ha«, sei hier

Lhor-Anstcht der Lsiser Wilhelm-Gedschtnis-Ltirche. Mit gütiger Bewilligung

deL Verfassers dem Werke

Sr. Excellenz

des

Freihcrrn van Mirbach (Verlag von E. 3. Mittler und Sohn in Berlin) entnommen.

Der Wirksamkeit dieser beiden großen kirchlichen Vereine, die unter dem Protektorate Ihrer Majestät der Kaiserin stehen, ist daher mit Recht das erste Kapitel des v. Mirbachschen Werkes gewidmet. Aus dem Wirken des Kirchenbauvereins, der die

Segens-Kirche,

die

Samariter.Kirche

und die

find. Das einleitende Kapitel des v. Mirbachschen Werkes giebt ein erschöpfendes Bild des kirchlichen Lebens in Berlin Die Hauptaufgabe des evangelisch¬ seit dem Jahre 1888. kirchlichen Hilfsvereins liegt in der Armen- und Krankenpflege; in 17 Diakonissen-Stationen wirken 102 Schwestern mit Unter-

stützung von 5000 Frauen und Jungfrauen

Berlins für die

Armen, Kranken und Verlassenen.

Die Kaiser Wilhelm-Gedächtnis-Kirche soll der Kirchennot der westlichen Stadtviertel Abhilfe schaffen. Sie war erst für den Wittenberg-Platz projektiert und sollte nur 600 000 Mk. kosten, so daß der Entwurf von Kyllmann und Heyden, der auf 1 500 000 bis 1 800 000 veranschlagt war. als zu teuer zurückgewiesen werden mußte. Annahme fand das Projekt des Bauraies Schmechten, welches mit der Zunahme der Geldmittel die verschiedensten Erweiterungs¬ stadien durchmachen sollte. Von der Errichtung der Kirche auf dem Wittenberg-Platz wurde Abstand genommen: die städtischen Behörden Charlottenburgs schenkten am 22. Oktober 1890, dem Geburtstag der Kaiserin, den Platz, auf dem die Kirche zur Ausführung gelangte, und der an jenem Tage den Namen „Auguste Viktoria-Platz" erhielt. Der Fiskus erweiterte denselben durch Abtretung eines Stückes des Zoologischen Gartens, und die Firma Siemens u. Halske verzichtete nach langjährigen Verhandlungen darauf, die elektrische Hochbahn über den Auguste Viktoria-Platz zu führen. Die feierliche Grundsteinlegung erfolgte am 22 . März 1891. Oberpfarrer Müller von Charlottenburg hielt die Festansprache. Der Kaiser sprach während der Hammerschläge die bewegten

„Zur

Ehre Gottes, zum Gedächtnis meines unvergeßlichen Großvaters, welcher aussprach: „Ich will, daß meinem Volke die Religion erhalten werde." Möge dieser Bau ein Glied in der Reihe der Kirchen sein, welche sich hoffentlich bald um unser Berlin als eine feste, Glauben erweckende Kette schlingen werden!" — Vier Jahre gebrauchte Worte:

Meister Schmechten mit seinen zahlreichen Werkleuten zur Fertigstellung des hehren Gotteshauses: am 1 . September 1895, dem Tage der 25. Feier der Schlacht bei Sedan, wurde dasselbe in einem feierlichen Gottesdienste seiner Bestimmung übergeben, bei welchem Generalsuperiutendent Faber die Weiherede hielt. „Diese Kirche ist das schönste Denkmal, welches meinem Vater errichtet werden konnte" — diese Worte, welche die Großherzogin von Baden am Tage der Einweihung aussprach, gaben wieder, was Tausende und Abertausende beim Anblick und beim Betreten der herrlichen Kaiser WilhelmGedächtnis-Kirche empfunden haben und empfinden werden. Aus kleinen, man möchte sagen bescheidenen Anfängen und Projekten war ein monumentales Gotteshaus erstanden, würdig des großen Kaisers, zu dessen Gedächtnis dasselbe errichtet ist.

600 000 Mk. waren ursprünglich veranlagt, und verbaut sind bis jetzt 3 443 684 Mk. (Rohbau: 2 263 500 Mk.. Aus¬ bau. innere Einrichtung: 1 047 819 Mk.. sonstige Kosten:

132 365 Mk.).

Wie

diese

ein besonderes Kapitel des

Mittel

beschafft worden find, erzählt

v. Mirbachschen

Buches,

welches

die Liste der Donatoren und sonstige eingehende Nachweisungen

Das gesamte Deutschland hat sich einmütig an den Sammlungen beteiligt; die Mitglieder der beiden großen kirchlichen Vereine brachten allein eine Million Mark auf; die Deutschen aller Weltteile steuerten bei. Von nichtevangelischen Patrioten hat der Kirchenbauverein erhalten: von Katholiken 56 000 Mk., von Juden 19 000 Mk. Neben der großen Opferfreudigkeit, die sich in diesen Zahlen ausspricht, verdient vor allem die glaubensfreudige und patriotische Energie des giebt.

Mannes Anerkennung »nd Bewunderung, welcher die treibende Kraft bei diesen Sammlungen war: der Name Sr. Excellenz des Freiherrn von Mirbach ist durch seine aufopferungs¬ volle und leider nicht dornenlose Thätigkeit für immer verknüpft mit der Geschichte der Kaiser Wilhelm-GedächtnisKirche, wie überhaupt mir dem großen Aufschwung, den das kirchliche Leben im letzten Jahrzehnt in Berlin gcnominell hat.

In

hehrer Schönheit haben

die

rastlose

Energie

dieses

Maiincs, der Opfermut der Patrioten und die gottbegnadete Meisterhand Schmechtens die Kaiser Wilhclm-GedächtnisKirche erstehen lassen. Die Abbildungen der heutigen Nummer des „Bär", die mit gütiger Bewilligung des Verfassers dem v. Mirbachschen Werke entnommen sind, geben die VorderAnsicht (Seite 268) und die Chor-Ansicht (Seite 269) der Kirche wieder. Der Grundriß derselben — wir folgen im nachstehenden dem Schwechtenschen Baubericht (4. Kapitel des v. Mirbachschen Werkes) zeigt die Form des lateinischen Kreuzes. „Der Grundriß (a. a. O. S. 48) ist so entworfen, daß an die quadratische Vierung

mit abgestumpfren

Osten der mit einem halben Zehncck Westen das kurze Langschiff,

Ecken nach

Chor, nach nach Norden und Süden je ein geschlossene

Ouerschiffsarm sich anschließt. Die Abmessung der Vierung von 21,5 m, in der Diagonale genommen, überwiegt bet weitem die Länge des Langschiffes und der Querschiffsarme, um auf diese Weise die für eine Prediglkirche günstigste, d. h. eine möglichst centrale Anlage zu erhallen. Um den Chor, welcher drei Stufen gegen das Kirchenschiff höher gelegen ist (42 cm), gruppieren sich Saknsteren und Koufirmaiidei:-Säle. In der Westfront sind drei Hauptportale angeordnet, welche durch die Gedächtnishalle für den verstorbenen Kaiser in das Langschiff führen. An der Ostsiüe (Berlin zugewandt, Chor¬ seite), in der Axe des Gebäudes, liegt das zu den Konfirmanden¬ sälen gehörende

Portal.

Zu

den

Emporen,

welche

in das

Langschiff und in die Ouerschiffe eingebaut find, gelangt man auf den an die Gedächtnishalle sich anschließenden und in den

Chorlürmen befindlichen Treppen. Die westliche Langschiff. Empore ist durch Hinzuziehung des über der Gedächtnishalle sich ergebenden Raumes zu einer Orgelempore von ungewöhn¬ lichen Abmessungen erweitert worden. Ueber der Gedächtnis¬ halle erhebt sich, als äußeres fichlbares Wahrzeichen einer Denkmalskirche, begleitet von zwei kleinen Westlürmen, der mächtige Haupllurm in einer Höhe von 113 m. Außer diesen drei Türmen verbinden noch zwei andere den Chor mit den Ouerschiffbauten." Den äußeren

Aufbau der

im spätromanischen

Stil erbauten

mit den Worten: „Der eigentliche Kirchenraum, die Vierung mit Langschiff und Ouerschiffen, ist in einheiilicher Höhe von 20,70 m über der Straße durchgefühlt, hingegen die Chorpartte dilrch Anordnung einer Galerie über dem Hauptgesims wirkungsvoll hervor¬ gehoben worden. Den Uebergang der Ouerschiffgiebel zum Chor vermitteln zwei 61.60 m hohe Türme, an die sich die niedrig gehaltene» Sakristeien und Koirfirmandensäle, deren Hauptgefims nur 6,60 m hoch liegt, kapellenartig um den Kirche beschreibt der Baumeister

derselben

Chor gelagert, anschließen. Einen wirksamen Gegensatz hierzu bietet die westliche Baugruppe mit dem über der Gedächtnishalle sich erhebenden, das ganze Bauwerk beherrschenden Kolossalturm. Von dem Straßenterrain ab gerechnet, beträgt

271 die

Mittelpunkt

bis zum

Höhe

der

Uhrrose

37 m,

bis

—— in einem kupfernen Knopf auslaufende Dach wnd nach Osten Die den unteren Teil des

zum Gurtgefims des Glockengeschosses 47 na. bis zum Helmansatz 60 m und bis zur Oberkante der Krone 100 m. Ueber der

das ganze Bauwerk abgeschlossen.

sich ein 8 m hohes vergoldetes Kreuz und diesem ein goldener Stern. Ueber dem Hauptüber 5 m gesims hat der Turm eine Breite von 15.50 m, die sich nach oben allmählich verjüngt und im Glockeugeschotz noch 12.50 m beträgt. Diese bedeutenden Abmessungen werden durch die beiden nur 51,85 m hohen Westtürme in der Wirkung

säle werden durch

Krone

erhebt

noch wesentlich gesteigert.

An den guerschisfigen westlichen Baukörper, in welchem und die Orgelempore untergebracht sind, lehnen sich opsidenartig die niedriger gehaltenen halbkreis¬ förmigen Treppenbauten an, deren Hauptgesims nur 15,25 m über Straßeuhöhe liegt. Die in die Gedächtnishalle führenden drei Hauptportale sind als solche durch reich gegliederte und ornamentale Bogenstellungen hervorgehoben und bilden zugleich Der durch ihre Tiefenentwicklung eine offene Vorhalle. mächtige Turmaufbau geht über dem durchgehenden Hauptgesims der Kirche aus der quadratischen in die achteckige Grundrißform vermittelst gestellter kleiner polygonal Pyramiden über. In der Höhe dieses Uebergangs sind auf den freien Achteckseilen vier 5,25 m breite kupferne und vergoldete Zifferblätter angebracht. Der Maßstab der architektonischen Formen ist in den einzelnen Höhen entsprechend sorgfältig abgestimmt worden. Besonders reich ist das Glockengeschoß mit seinen in der Kleeblattform geschlossenen Schallöffuungen durchgebildet, welche wieder durch Bogen¬ einstellungen geteilt find. An den äußeren Ecken des Turm¬ körpers tragen vorgelegte Dienste die zur Abführung des die Gedächtnishalle

Acht reich gegliederte Giebel verniitteln den Uebergang des Turmkörpers zum Helm, welcher nur eine leichte Schwellung erhalten hat. Eine steinerne Kaiserkrone von 2,40 m Durchmesser mit einer Höhe von

Schlagwassers dienenden Wasserspeier.

2,80 va

und

einem

Gewicht von 24 000

kg bildet

den

massiven Abschluß.

Das Hauptmotiv des Langschiffs besteht in einer durH Rundbogen geschlossenen dreiteiligen Fenstergruppe, deren einzelne Teile wieder durch Maßwerkeinstellungen gegliedert find. In den Ansichten des Querschiffs sind zwei 9 m itn Durchmesser

sechszehnteilige

Die beiden Giebel der Längsansichten, deren Höhe sich auf 29 m bczw. 31,50 m bemessen, find durch Einsatz¬ architekturen mit Bogengalerien wirkungsvoll durchbrochen. Die apsidenartigen Treppenvorbanten haben mit Rücksicht auf die Beleuchtung der Gedächtnishalle fünf große. 1,30 va breite, 4.50 m hohe halbkreisförmig geschlossene Fenster erhalten, über denen eine offene Zwerggalrrie angeordnet ist. Die Chortürme bauen sich in vier, durch Fenstergruppen belebten Stockwerken über dem Hauptgefims auf. Ueber dem dnrch Giebel abgeschlossenen Turmkörper erhebt sich der acht¬ mit einem kräftigen Sleinknopf endende Helm, welcher ein schmiedeeisernes, vergoldetes Kreuz trägt. Der Chor ist nach fünf Seiten durch 1,40 in breite, 7.50 m hohe Fenster geöffnet, über denen sich oberhalb des Hauplgefimses der bereits erwähnte Umgang mit fünf kleineren Giebeln erhebt. Durch das als zehnseitige Pyramide gebildete. eckige,

dem Hauptgefims dieser Anbauten zieht sich eine reich mit Ornamenten und Köpfen verzierte Attika hin. Die Dächer sind der runden Grundfoim enlsprechend als Kegel ausgebildet.

In

der äußeren Erscheinung zeigt das Gebäude durchweg

die Verwendung von Weiksteinen. welche auch für die Helme der Türme beibehalten worden ist. Die Anfichtssiächen find

mit rheinischem Tuffstein in abwechselnden Ouaderschichten von 13 bezw. 26 cm Tiefe und 31 cm Höhe verblendet. Die Witterungseinflüssen besonders ausgesetzten Gesimse und sowie die durch Belastungen stark in Anspruch genommenen Pfeiler der oberen Stockwerke sämtlicher Türme find in Cudowaer Sandstein aus dem Heuscheuer Gebirge, die Architekmren der Portale und Fenster mit Rücksicht auf die daran auszuführenden Bildhauerarbeiten in dem feinkörnigen Alt-Werthauer Sandstein ausgeführt. Nur die in den Portalen eingestellten Säulen bestehen aus geschliffenem schwedischen Granit, die der sämtlichen Galerien und Fenstereinstellungen aus Niedermendiger Basalllava, welches Material, wie die romanischen Baudenkmäler am Rhein zeigen, zu der Tuffsteinden

Abdeckungen,

quaderung sehr gut im Ton steht." Mil diesen Worten beschreibt Baurat F. Schmechten (a. a. O. Seite 49, 50 u. 51) das Aeußere des von ihm geschaffenen Gotteshauses. Wer die Kaiser WilhelmGedächtnis-Kirche gesehen hat, wird unserem Urteile beistimmen: der Baukünstler hat in dieser Kirche die höchsten Wirkungen erzielt, er hat ein vollendetes Meisterwerk geschaffen, mit dem Monumentalen verbindet sich das Anheimelnde, Poesievolle des romanischen Baustiles, mit der Würde verknüpft sich die Anmut, und mit innigem ästhetischen Behagen ruht das Auge auf diesem Gotteshause, welches an die schönsten Bau¬ werke des spätromanischen Stiles, des sog. Uebergangsstiles, er¬ innert, einer Bauweise, die trotz ihres fremdländischen Namens sich vorzugsweise bei den germanischen Stämmen entwickele und ein Ausdruck deutschen Volksgeistes und Denkens ist.

Mn Auwel

Rosenfenster

angeordnet. Beide Motive tragen dem Wunsche einer möglichst guten Be¬ leuchtung des Jnnenraumes in weitgehendster Weise Rechnung. große

Chores kapellenartig umgebenden Sakristeien und Konfirmandendreiteilige Fenstergruppen erleuchtet. Ueber

■"

"

und

deutschen

Fühlens — e.

deutscher Baukunst.

Äöil

(Mit

zwei Abbildungen.) (1. Fortsetzung.)

Der von Bischof Semeka begonnene Bau bietet von der

sich jetzt

Nord feite

lichsten dar.

her dem Blicke am freiesten und übersicht¬ Ein wundervolles Architekmrbild, das die Ver¬

in die fein ausblühenden Einzelheiten ebenso lohnt, wie die Zusammenfassung des mannigfaltigen Ganzen zu einem Gesami-Eindruck. Die mit Steinblumen und -Blättern reich verzierten Pfeiler und Fialen beginnen an den Türmen ein¬ facher, werden dann feiner und reichen bis zum Portal des senkung

Kreuzarmgiebels. um schließlich am Ost-Chor wieder zur Ein¬ fachheit zurückzukehren. — Von den vierundzwanzig reich ge¬ stalteten Strebepfeilern des Dombaues finden besonders die ersten drei noch von Semeka erbauten Traveen und Pfeiler (im Westen) die ungeteilteste Bewunderung der Kenner. Rein und klar treten uns hier die charakteristischen Formen der Frühgotik mit ihrer ernsten Feierlichkeit entgegen. Auf dem

ersten Absatz tragen

drittes, vielleicht das der Herren von Hoym (bei Aschersleben), deren Geschlecht der Nachfolger Bnrckhards III. angehört hat. Diese Glocke — 7836 kg schwer — ist die Wiedergeburt der von Bischof Gardolf 1195 gestifteten, 1455 von einem Blitzstrahl geschmolzenen, dann wiederhergestellten, 1840 aber¬ mals gesprungenen. 1860 mangelhaft umgegossenen Glocke, deren Guß 1876 tadellos vollendet ist; die alte Form und Sie ist die bezeichnenden Inschriften find genau beibehalten. einst „Domina" genannt, mit einem noch in das Heidentum zurückgehenden Namen. — Im nördlichen Turme hängt an der gleichen Stelle die sog. Sonntagsglocke mit der Inschrift:

die Pfeiler in offenen Bildhäuschen mit

lebensgroße Steinfiguren: den Stifier Bistums — Karl den Großen mit Krone und Reichs¬ apfel — und zwei nur noch schwer bestimmbare Heilige (etwa Stephanus in jugendlicher Gestalt nebst einer weiblichen Heiligen), sämtlich vielleicht schon im Jahre 1239 ausgestellt. Die spätere Zeit hat wohl die Pfeiler zierlicher ausgeführt und mit doppelter Nische versehen, aber zur Aufstellung der hineinpassenden Steinbilder fehlten die Mittel. Nun hat zwar freistehenden Säulen des

in unserer Zeit die Liebe zu dem hehren Gotteshause den Plan gereift, diese Lücken zu füllen, jedoch Karl dem Großen

I

Sociata Jobannes Floris M. 0. quadrata L quator Octobris me facit boris Osannam factam sociam Domi¬ nae sociatam (1454 im Oktober goß mich Johannes Blume und gesellte mich, die „Osanna", als Genossin zur Domina). Die „Osanna", ca. 5500 kg wiegend, zeigt ebenfalls das Bild des hl. Stephan und darunter das Wappen des Bischofs

der braudenburgischen und preußischen Schirmherren anzureihen, dürfte aus ästhetischen Rücksichten nicht wohl ausführbar erscheinen. Die Strebepfeiler erheben sich ohne besondere Verzierung bis über das Dach der Abseiten, von wo ab die steinernen Strebebogen sich als Gewölbestützen an die Mauer des Mittel¬ schiffes anlehnen. Wo der Strebebogen an das Dachgefims

die hohen Gestalten

der Kirche

tritt,

Burckhard

Unterbrechungen der langen Linie, welche eine geschmackvoll ausgeführte steinerne Brüstung — der sog. bleierne Gang — um das Dach der Kirche herumzieht. Hier schließen sich auch die abwechselnd abenteuerliche Tier- und Menschenleiber dar¬ stellenden Wasserspeier an.



Auch

das

Geringste

ist

bei

diesen Konstruktionen aufs genaueste durchdacht, um mit wenig

Mitteln

die ungemeine Kühnheit des gewaltigen Gewölbebaues

Dies tritt noch augenscheinlicher bei den nächsten vier Strebepfeilern hervor, die neben der sicheren Berechnung zu sichern.

auch den vollendeten Geschmack

des unbekannten Baumeisters

(um 1258) offenbaren. Sie gehören zu den ältesten und kostbarsten Bauwerken des gotischen Stils und verraten in ihrer Zierlichkeit kaum, welch eine hervorragend praktische Auf¬ gabe sie zu erfüllen haben. — Der Grundriß des ganzen Baues zeigt die Form des lateinischen Kreuzes. In der Länge erreicht er 135 in, die Breite beträgt 23 und die Höhe bis zur First des Kirchendaches 30 m; die Türme haben — wie oben angegeben — die imposante Höhe von 91 m und bilden ein weithin sicht¬ West-Fa^ade — dem bescheidensten Teil des ganzen Bauwerkes — öffnet sich das Haupt-Portal unter einem großen, die Orgel erhellenden Radfenster. Ueber dem letzteren baut sich das Giockenhaus auf mit verhältnismäßig großen, zierlich mit Kreisbogen ausgeführten Fensteröffnungen

im Mittelgiebel. Hier hängen die sechs kleineren Glocken des Geläutes; sie wurden ehedem täglich geläutet, sobald im Chor Gottesdienst abgehalten werden sollte. Für die beiden großen Glocken find mächtige Schall-Oeffnungen als dreiteilige Spitzbogenfenster von edelster Form im vierten Geschoß beider

abigo tonitruque fragores Anno Domini MCCCCLVII. festliche Klänge

bringe ich. die Im Jahre

Versucher treibe ich fort und der Donner Krachen.

Herrn 1457.) Neben einem Kruzifix, dem Bildnis des Stephanus u. s. w. trägt die Glocke noch das Wappen des hl. Bischofs Burckhard III., eines Freiherrn von Warberg und ein

anderes

Wappen,

gleichfalls

An der Südseite erhebt sich unweit der Türme, mit dem Schiff der Kirche durch einen spätgotischen Zwischenbau ver¬ bunden, ein zweites Gebäude jener Periode in edler Einfach¬ heit und doch imposant: der Remter, einst das Refektorium der Domherren. Ueber den weiten Kellerräumen bildet das tiefliegende Erdgeschoß eine einzige große, kühle Halle, deren Kreuzgewölbe auf kurzen, romanischen Säulenbündeln ruht. Das Obergeschoß — vordem nicht ausgebaut — ist jetzt mit einem hölzernen Tonnengewölbe und stilvoll edlen drcigeteilten Fenstern versehen und dem König!. Dom-Gpmnafium als

Türme hergestellt, die nach allen vier Seiten die Schallwellen frei hinausfluten lassen. Die größte, im südlichen Turm befindliche Glocke trägt in gotischen Buchstaben die Inschrift: Christi eultores voco festos promo canores tentatores ich,

ein

Unter der großen westlichen Schall-Oeffnung am NordTurm steht auf einem Sockel eine 1,25 m hohe achteckige Laierne aus Eisen. Der andere Turm trug einst eine ebensö'lche; an deren Stelle befindet sich heute das schwarze Ziffer¬ blatt der Turm-Uhr, das an diesem Platze ungemein störend wiiki. Die merkwürdigen Laternen stiftete — der Sage nach — ein Domherr, der auf dem Heimwege vom benachbarten Zilly sich an einem Spätherbstabend verirrt hatte. Das Licht des Domküsters, der zum Geläut des Complerorium auf den Turm stieg, sei ihm da als ein hilfreicher Wegweiser er¬ schienen. Schon 1553 fungieren sie in einer Baurechnung; bis zum Jahre 1810 brannte nachts noch ein Licht in der einen. (Otte, „Handbuch der kirchlichen Kunst-Archäologie", ist geneigt, sie als „Totenleuchten" anzusehen.) —

der

(Christi Verehrer rufe

außerdem

Maria gratia plena

bares Wahrzeichen der alten Stadt.

In

III.;

mit den Warbergschen Insignien. Der Ton der beiden ge¬ waltigen Glocken ist Fis-Ais. — Mit der „Osanna" zusammen hängen noch zwei hübsche, sehr reich mit Gesichtern, Bildern und Inschriften verzierte „Spendeglocken", beides vorzügliche Arbeiten des berühmten Glockengießers Heinrich v. Kämpen (1415 ist die Jahreszahl ihres Gusses). — Schließlich ist noch zu nennen die von dem Gießer der „Osanna" 1740 gefertigte sog. Seigerglocke, auf der sich der Meister gut Diese Glocke ist 1845 von Gettdeutsch Hans Blome nennt. werlh in Halberstadt umgegossen. — Die Glocken im Mittel¬ bau führten seit alter Zeit in den Verzeichnissen sonderbare Namen nach Klang und Gestalt: Langhals, Lämmchen, Sauer¬ kohl. Bratwurst. Slimpimp. Einige von ihnen scheinen sehr alt zu sein; drei führen als Inschrift den Engelsgruß: ave

sind zierliche Fialen aufgesetzt, schöne, passende

des

Aula überwiesen. i

Von Norden her drängt

sich

der

im 16. Jahrhundert

zwischen den (Strebepfeilern des Domes angefügte

Kapitelsaal

der beiden Patrone des Domes darstellen: links die Steinigung

Jahrhundert

hl. Stephanus, rechts eine Burg auf einem Felsen, dvvor eine knieende Männergestall, stark verstümmelt, darüber Gott. vom Himmel schauend. Ueber dem Thürbogen schmückt die Wand ein hohes Kreuz mit den Sinnbildern der vier Evangelisten in den Enden der Balken. Es ist mit sehr fein ausgeführten, zierlichen Krabben umrändert, vier leere Konsole

hinein, an welchen sich nach Osten der aus dem 13. stammende

Krenzgang

anschließt.

273

Dieser trug

ehedem die

Wohnungen der Domherren und später der Vikariey, welche klosterzellenartig angelegt waren. Der Kreuzgang umschließt jetzt einen stillen, wohlgepflegten Garten, an dessen saftigem

Grün das vom Grau der Steinmassen ermüdete Auge sich Es ist ein überaus malerisches Bild, welches sich erquickt. uns nach innen durch jede der mit edlem gotischen Maßwerk gezierten Oeffnungen darbietet. Diese Maßwerkfüllung ist erst 1860 bei der Domrestaurierung eingesetzt und streng dem Stil des 13. Jahrhunderts angepaßt. — Von den eigentlichen Stiftsgebäuden, die noch in jener Zeit, als die Domherren bereits eigene Kurien bewohnten, den Kreuzgang umgaben, ist kein einziges erhalten geblieben. — Neben dem

Südturm — dicht Remter — stand

vor dem weiter der Domkeller, ein Weinhaus, das (der Sage nach) zur Begütigung des über den Dombau ergrimmten Teufels nachbarlich dorthin gestellt sein soll. An eine breite, zum Kreuz¬ gang hinabführende Treppe schloß sich ferner ein Bade¬ haus für die Domherren, dann weiter südlich ein Kornhaus, die CH oral ei

(Wohnraum für Biblio¬ thek und Archiv; später auch der Wohnraum und die Schlaf¬ stuben der Vikarien, die seil 1363 den Kanonikern zur Seite standen. — An der Südost-Ecke die singenden Knaben),

Sitzungs¬ Ständestube,

folgte schließlich ein

saal, der

voll

die sog.

Rittersaal

und die pracht¬

ausgestattete

Kapitel-

des

umgeben

es.-

Wandern wir nunmehr zum Haupt-Portal zurück und treten ein in das hehre Gotteshaus! Wie aus einem Guß hervorgegangen, steht vor dem Eintretenden das Werk von drei Jahrhunderten. Die Pfeiler steigen empor, nicht einer Arbeit, sondern einem Gebet gleichend. Die Gewölbe wachsen aus den Pfeilern, scheinbar ohne Druck, nur vom Geist ge¬ tragen. Der an den hochgeschwungenen Bogen hinschweifende Blick ruht erst auf den in der Ferne die reizvolle Durchsicht schließenden Glasgemälden des hohen Chores aus. Auf der Grundform des lateinischen Kreuzes — wie oben bemerkt — erheben

sich

drei Längsschiffe,

die sich auch jenseits des Ouer¬ schiffes im Chore fortsetzen, in dem die Seitenschiffe einen Chor¬

umgang bilden,

zu

Entfaltung

Prozessionen

der

reicherer

vordem wohlberechnet. (Das bekannnte Dombild von Graes

in der

National - Galerie

Berlin hat hier sein grund¬ legendes Motiv.) Das Mittelschiff steigt bei zu

einer Länge von 100 rn zu einer lichten Höhe von 26.10 m auf, im Verhältnis zu einer

Breite von 8,46 m sehr hoch. Die Seitenschiffe haben eine lichte Höhe von 12,91 m bei einer Breite von 3.34 m. Das

stube. — An Stelle der letzt¬ genannten Gebäulichkeiten (die DsF glte Leipziger Thor in Werlin. lichtdurchflutete Querschiff ist 1860 fallen mußten) liegt im Das von dem Herrn Baumeister Nering feel. aufgeführte, sogenannte Leipziger Mchcr; fecit J. Berlin A. Thor in (üe!. A. Statt C.) von der gleichen Höhe des Osten jetzt die Wohnung des hat dieses Hauptschiffes; Domküsters und des Kal¬ kanten ; ferner das Pfarrzimmer des Ober-Dompredigers in der Kreuzgewölbe, während jenes stern- und netzartig gewölbt ehemaligen alten, schönen Sakristei, sowie das KonfirmandenDie Seitenschiffe sind verschiedenartig, oft in ver¬ ist. Nach Abzug aller Pfeiler und schobenen Bogen gewölbt. zimmcr des zweiten Dompredigers. — Von den übrigen baulichen und architektonischen Schön¬ sämtlicher nicht zum allgemeinen Gottesdienst bestimmter An¬ heiten, die das Aeußere des Domes schmücken, sei nur noch bauten umfaßt der Dom einen Flächenraum von 18393 Hi Fuß. das prächtige Nordportal des Ouerschiffes erwähnt, welches In Hinsicht seiner räumlichen Größe steht der Halberstädter dem westlichen Haupt-Portal ganz überraschend ähnlich sieht. Dom also keineswegs unter den ersten. Sechsundzwanzig Das Portal ist in reichster Weise mit Bildsäulen (Heilige Kirchen Deutschlands sind größer, voran der Kölner Dom mit 62 918 lU Fuß. Unter den Kirchen Sachsens nimmt er dadarstellend) und biblischen Scenen geschmückt, die leider durch gegen die zweite Stelle ein; ihm voraus ist der Dom zu den Zahn der Zeit arg gelitten haben. Im Tympanon stellt

Marias Tod dar.

Die auf einer Bahre Ruhende ist von sechs Aposteln umgeben, über ihr thront in der Glorie zwischen Moses und Elias der Herr; die Seele der Mutter, einem Kinde gleichend, trägt er im Arm. — Neben dem Thürbogen find uralte Hochbilder aus Stein in Form eines Halbrundes sichtbar, die das Martyrium ein großes Kalksteinrelief

Magdeburg mit 31006 (H Fuß. Zweiunddreißig mächtige Pfeiler mit cylindrischem Kern tragen die hohen Bogengewölbe, von denen sieben Pfeilerpaare im Schiff freistehen und ebensoviele im Chore. Das Bogenwerk — ist überall tief eingelegt und von einfacher Schönheit. Treten wir die fünf breiten Stufen zum Mittelschiff hinab, so

274 uns rings von den Pfeilern 33 lebensgroße Standbilder an, denen sich noch der reiche statuiarische Schmuck des kostbaren Lettners, der beiden Emporen und der Bischofskapelle schauen

anschließt.

Figur

Zunächst erkennt man die sehr alte, nachgedunkelte

der Gottesmutter; am östlichen Pfeiler neben der Kanzel

ihr Zeitgenosse

Johannes der Täufer. Westlich von der Kanzel reihen fich die Helden der Kirchengeschichte an, und zwar derart, daß zwischen den Säulenpaaren immer ein Zeit¬ steht

Es find: Augustinus. (im Martin von Tours, Bonifacius Ponlificalschmuck) und Hildegrim I.. der erste Halberstädter Bischof, mit dem Modell des Domes; dann Burckhard II. (von dem der Volksmund noch heute singt: „Buko von Halberstadt, bring' doch unsern Kinneken rvat"), ein Paar Kinderschuhe in der Rechten, seine große Kinderliebe andeutend, sowie Konrad von Krosigk;

raum von vier Jahrhunderten liegt.

endlich

Martin Luthers

Heldengestalt und

Alle diese Gestalten sind mit mildem Ernst lehrend. 1880—1882 aus französischem Sandstein geschaffen; die der Reformatoren von E chwarz in Dresden. — Den Abschluß bilden im Westen die aus Holz geschnitzten Figuren des Dom¬ patrons Stephanus, ihm gegenüber St. Laurentius mit Nach Osten schließen fich an Maria die Märtyrer dem Rost.

Mauritius, Sebastianus

und

Erasmus

an. polychrome

An dem Pfeiler des Steinbilder des 16. Jahrhunderts. Erasmus hat als zweiter auch der Autor der Vulgata —

Hieronymus —

weiterhin, auf der Evangelienseile, erkennt man mit leichter Mühe den Ritter Georg. Dort am Altare also die beiden Ideale des Mittel¬ alters: Ritter und Mönch, hier am Eingang die beiden Bahn¬ brecher der Neuzeit, die führenden Geister in Glauben und seinen Platz gefunden,

Wissenschaft.

Melanchthon,

(Schluß folgt.)

Kleine Mitteilungen.

_(Mit Abbildung auf S. 273). Schnittpunkte

D._____ Das alte Leipziger Lyor stand ctioa an Alten Leipziger- und der Niederwallstraße.

dem

der dem dem

Es wurde von unter dem großen Kurfürsten und seinem Sohne, Friedrich III., nachmaligen König Friedrich I., thätigen großen Baukünstler Johann. Arnold Nering (s- 21. Oktober 1695), dem bekannten würdigen Vor¬ gänger des gewaliigen Schlüter, erbaut und im Jahre 1683 fertiggestellt. Mit seiner Errichtung fanden die von Johann Gregor Memhard im Auftrage des großen Kurfürsten begonnenen Festungswerke der Städte Kölln, Berlin und Friedrichswerder ihren architektonischen Abschluß. Leider hat das stolze und künstlerisch schöne Bauwerk nicht lange gestanden. Es fiel schon 1758 mit anderen Festungswerken dem Abriß anheim, jedenfalls, weil es infolge seiner schmalen Durchfahrt dem Verkehr ein Hindernis bot. Nachdem 1739 die Gcrtraudtenbrückc erbaut worden war, scheint überhaupt ein besonderes Bedürfnis für den Kommuuikationsweg am alten Leipziger Thor nicht mehr vorhanden gewesen zu sein. Der Durchgang wurde bebaut, und da, wo er einstmals war, erhebt sich jetzt die Friedrich-Werdeische Realschule in der Niedcrwallstraße. „Welche Bewunderung das Werk Nerings erregte", sagt vr. D. Joseph in seinem in der öffentlichen Sitzung des Vereins für die Geschichte Berlins

voui 23. November 1895 (s. Mitteilungen des 1895, Nr. 12t gehaltenen Vortrag*), „geht aus Schilderungen der Mit- und Nachwelt hervor, und es bleibt noch genug des Guten übrig, selbst wenn man einen Teil der nach der Sitte der Zeit überschwenglichen Redensarten subtrahiert." Das Thor ragte in doppelter Höhe über den Wall hervor und bildete zwei Stockwerke mit Rustikaquadern. Das mit starken toskanischen Wandsäulen gegliederte Erdgeschoß trug das mit kleineren jonischen Säulen verzierte leichtgestaltete Obergeschoß. Auf dem letzteren zeigten sich Figuren von Sklaven, Kränze, Trophäen und sonstiger Woffenschmuck, und auf einer von kleineren Säulen umrahmten Tafel stand mit ver¬ goldeten Lettern die Inschrift: Fridericus Wilhelmus Elector Felix, pius, sortis, prolatis et auctis provinciarum electoralium finibus urbem hanc principem in praesidium civium, tenorem hostium, amorem hospitum novis colonis auxit, munimentis cinxit, porta hac omavitannoMDCLXXXIH (Kurfürst Friedrich Wilhelm, glücklich, fromm, stark, erweiterte und ver¬ mehrte die kurfürstlichen Länder und vergrößerte — zum Schutz der Bürger, zum Schrecken der Feinde wie zum Wohlgefallen der Gäste — diese Hauptstadt durch neue Ansiedler, umgab sie mit Befestigungen und schmückte sie mit diesem Thore im Jahre 1683). Ueber dem das Thor krönenden Rundbogen lagerten sich dann mächtige, für die Dekorationskunst von Nehring typische Menschen¬ gestalten. Bezug auf diese Ausschmückung sagt Or. Josevh: „Nie wieder hat Nering ein Werk von gleicher übersprudelnder Dekorations¬ lust geschaffen, wie hier, wo wir diejenigen Motive herholen können, welche als Schmuck des Zeughauses eine so große Berühmtheit erlangt haben. Ich kann deshalb nicht anders als der Vermutung Raum geben, daß die Bildhauer am Berliner Zeughaus nicht unbeeinflußt, selbst ein Schlüter nicht, das alte Leipziger Thor angeschaut haben. Ganz ab¬ gesehen von den genau so wiederkehrenden Rüstungen und Trophäen, er¬ scheint besonders auffällig die Aehnlichkeit in den Bewegungen der Sklavengestalten, welche am alten Leipziger Thor und an den Attika¬ gruppen des Zeughauses sowie am Denkmal des Großen Kurfürsten

Vereins, Jahrg.

In

auftreten." Von der Schlacht bei Großbceren. Betreffs der Schlacht bei Großbceren machte der russische General a. D. von Erckcrt gelegentlich der jüngsten Wanderfahrt der Brandenburgia interessante Mitteilungen.

*)

Diesem

Vortrag sind überhaupt die obigen Daten entnommen,

Etwa fünfzig Mitglieder genannter Gesellschaft hatten

sich

unter Führung

des Geh. Rats Friede! nach der historischen Windmühle bei Großbceren begeben, wo Pastor Parisius an der Hand eines selbstgefertigten Schlachten-

plancs einen Vortrag über die Ereignisse vom 23. August 1813 hielt. General von Erckert, dessen Vater die Schlacht als preußischer Haupt¬ mann mitgemacht hat, bezeichnete den bei der Kanalisation von Großbeeren vielgenannten Lilowgraben als das Verhängnis der feindlichen der Nacht zum 24 August wurden hier nämlich die Truppen. Sachsen von der kurmärkischen Landwehr in diesen Graben getrieben und zum großen Teil mit dem Kolben erschlagen. Dies Schauspiel wirkte derart demoralisierend auf die übrigen feindlichen Mafien, daß diese sich zur Flucht wandten, zumal ihr Haupttric, das Salvenfcuer, versagte, da ein wohlthätiger Landregen die Feuerstein-Zündung ihrer Gewehre außer Funktion setzte. General von Erckert wies besonders auf die Bravour der preußischen Landwehr hin, die, meist aus ungeübten Leuten bestehend, ihre Feuerprobe hier glänzend bestand und damit eine wohldisziplinierte Armee von der Hauptstadt des Landes zurücktrieb. — Pastor Parisius zeigte bei dieser Gelegenheit auch die von ihm im Pfarr¬ haus angelegte Sammlung von Waffen, die auf dem Schlachtfelde von Großbeeren durch Acker- und Kanalisations - Arbeiten ausgegraben worden sind. Ge iffesaeamw art j B tM ctg.. Wie der alte Marschall Vorwärts beim Eintritt Imes Meritaiurlich erscheinenden Ereignisses mit Ruhe und Besonnenheit vorging, wird so recht deutlich durch nachstehende historisch verbürgte Begebenheit illustriert. Auf seinem Vormarsch in Frankreich sprengt plötzlich ein Adjutant heran und meldet dem General: „Excellenz, wir sind umgangen, die Truppen dort hinter uns sind Franzosen." Alle Gesichter werden ernst, während Blücher ruhig durch sein Glas blickt. Dann, als er die Richtigkeit der Schreckenskunde bestätigt gesunden, sagt er: „Ja, Kinderkcns, et sind wirklich Franzosen, aber dat schabt nicht, diese verdammten Pariez-nous können uns alle den Buckel runterrutschen!" Diese kühlen Worte des Feldherrn verbreiteten sich mit Blitzesschnelle durch die ganze Armee. Alles lachte und jubelte. Keiner dachte mehr an Tod und Gefangenschaft. Adjutanten und Ordonnanzen flogen nach allen Seiten, Trompeten und Hornsignale ertönten, die ganze Armee machte kehrt und ging auf den Feind los. Zwei Stunden später be¬ deckten Tausende von Franzoscnleichen das Schlachtfeld, während die am Leben Gebliebenen in zügelloser Flucht das Weite suchten. Jener Ausspruch Blüchers machte dann in dem ganzen Heere die Runde, und noch heute ist die Redensart „vom Buckel runterrutschen" dem Volke ge¬ läufig. Ick. M. Familien - Stammbücher in Berlin. Berlin sind seit dem 1. Februar d. die sogenannten Familien-Stammbücher ein¬ geführt worden. Jedem neuvermählten Paare wird auf Wunsch ein solches Familien-Stammbuch von dem eheschließenden Standesbeamten ausgefertigt, und zwar versehen mit der Eintragung und Beglaubigung der Eheschließung. Für das Buch selbst sind zur Deckung der Her¬ stellungskosten 50 Pf. zu entrichten. Dagegen werden die Eintragung der stattgehabten Eheschließung und alle weiteren amtlichen Eintragungen über die Beurkundung der Geburten und Sterbefälle, sofern das FamilienStammbuch dem Standesbeamten sogleich bei der Anmeldung solcher Fälle vorgelegt wird, gebührenfrei erteilt. Auch das Königliche Konsistorium der Provinz Brandenburg hat für die pfarramtlichen Ein¬ tragungen Gcbührenfreiheit gewährt. Für nachträgliche Eintragungen kann Gcbührenfreiheit nicht zugesichert werden.

In

I.

In

Castellis Bären- und Dosensammlung. Der vor 45 Jahren ver¬ storbene österreichische Dichter Castelli, der über 100 Theaterstücke teils selbst verfaßt, teils übersetzt und bearbeitet hat, ist am berühmtesten durch seine Bärensammlung (Sammlung von Wiener Anekdoten), deren 12

275

in den Jahren 1825 bis 32 erschienen, und deren Folge (Neue Wiener Bären) in den vierziger Jahren das Licht der Welt erblickte. Als die ersten Bären Castellis in Wien Aufsehen erregten, wohnte der Dichter schon in der dem ganzen Wiener Volk bekannten „Bärenmühle", deren Bewohner er viele Jahre blieb, und eine Notiz in dem Haupt¬ moniteur Wiens, der damals erschien, hatte folgenden Wortlaut: „Wien wird von Fremden und Einheimischen als der Vereinigungs- und Stapel¬ platz des Scherzes, der Launen, des Witzes und der Fröhl chkeit ange¬ sehen. Hier ist das Treibhaus der seinen leichten Witzspiele, der bonmots, sallies und jeux de mots, welche mit bunten Schmctterlingsflügeln ge¬ wandt und sicher von Mund zu Mund gaukeln. Hier ist aber auch die Geburtsstätte jener drolligen, aus schwereren Stoffen geformten Späße, welche unter dem provinzialen Ausdruck e .Bme » sich überall lustig herum¬ treiben und, da sie schwerfälliger Natur sind) bald d eser, bald jener Hefte

aukacbunden werden müssen. Auf diese Gattung machen Epigrammatisten, HuWristen und Satiriker fleißig Jagd, um damit manche Lücken in ihren Manuskripten auszuschmücken. Es ist nun Sorge Person

getragen, daß sich diese Wiener Bären nicht nach und nach spurlos ver¬ laufen. Herr Castelli, der in dem Gebiete des Komus und Jokus als rüstiger Jäger bekannt ist, hat die schönen Exemplare derselben in sein Netz gefangen und ihnen in seinem Wohnorte in der Bärenmühle die

nötige Politur und Dressur gegeben, damit sie als wahre Spaßmacher und Possentreiber in die weite Welt hinaustreten und den Kampf init den gräulichen Doggen der Kritik bestehen mögen. Die stark brummenden, wilden und beißenden sind mit Maulkörben versehen, damit niemandem etwas zu Leide geschehe." Mit dieser berühmten Castellischen Bärensammlung in gewissem Zusammenhange stand Castellis Dosersammlung. Der in Oesterreich so hochgeschätzte Dichter zählte zu seinen Eigentümlichkeiten auch die, einer der stärksten Tabakschnupfer zu sein. So gelangte er hauptsächlich durch seine Gönner, denen seine Bären ganz besonders gefielen, nach und nach in den Besitz von 1200 Dosen, die nicht allein als Curiositäten zu be¬ trachten waren, sondern auch, wenigstens teilweise, als eine Illustration der neuen Wiener Kunstgeschichte galten. Die geistreichsten und zierlichsten Arbeiten der bedeutendsten Wiener Talente waren in dieser sehenswerten Castellischen Doscnsammlung vertreten. Die Tier- und Landschaftsmaler Ranftl, Barberini, Gauermann, Mößner, Wutky u. s. w. hatten zur Verherrlichung dieser eigenartigen Sammlung beigesteuert. Zu den eigentlichen Curiositäten der Samuilung gehörten die Dosen in Steinglas, einer neuen Erfindung eines böhmischen Glasfabrikanlcn, sowie Monercs Tabaksdose, die durch Zufall in Castellis Sammlung hineingekommen war. Das größte Fernsprechamt, welches gegenwärtig besteht, ist das neue in Hamburg. Dieses mit horizontalen Umschaltctaseln aus¬ gerüstete Amt ist für rund 10 000 Anschlüsse eingerichtet. Bis jetzt sind

die größten Vermittelungsanstalten, in Paris, Berlin, London und Brüssel, nur für 5—6000 Anschlüsse eingerichtet gewesen, eine Zahl, welche dem gesteigerten Bedarf nicht mehr genügt.

Vereins - Nachrichten.

In

der Sitzung am HistorischerVereinzuBrandenburg a.H. 29. Januar trug Professor vr. Mann über die LehninischeWeissagung vor. Bekanntlich tauchte um 1690 dieses angeblich um 1300 in 109 lateinischen lconinischen Versen verfaßte Gedicht in Berlin in verschiedenen Handschriften auf und wurde im geheimen verbreitet. Ter Inhalt ist eine Klage über r ie Auflösung des Klosters Lehnin durch die Hohenzollern und eine Charakteristik der einzelnen Regenten dieses Hauses von Joachim II. bis auf das elfte Geschlecht. Der Vortragende erwies die Fälschung der Weissagung in überzeugender Weise, indem er die Schilderung der betreffenden Fürsten in dem Vaticinium mit der historischen Wirklichkeit verglich. Dabei ergab sich, daß die Regenten bis zum Großen Kmfürsten richtig bezeichnet und charakterisiert werden, während der Verfasser von Friedrich I. schon nicht mehr weiß, daß derselbe die Königswürde erworben hat. Immer, wenn der preußische Staat sich in einer Krisis befand, tanchte die Weissagung von neuem auf und wurde von den Gegnern des protestantischen Königshauses benutzt, um den Hohenzollern den Untergang zu prophezeien, so 1807, 1848 und noch 1888. Hierauf teilte der Schriftführer einen kleinen Aufsatz des Herrn Oberpfarrcrs Wernicke in Loburg mit, der Nachträge zu des Verfassers Aufsätzen über „Die Jagd des Eichhorns und ihre Danullung auf dem Antepenvium der St. Gotthardtskirche" (vergl. 21-—25. Jahresbericht des historischen Vereins, S. 1—14) enthält. W. vervollständigte dann das Verzeichnis der Kunstdenkmäler, welche die in Liede stehenre Allegorie darstellen, und fügt einige allgemeine Bemerkungen hinzu, so z B., daß die Jungfrau mit dem Eichhorn auf kirchlichen Bildern des Mittelalters ganz allgemein als das Sinnbild der jungfräulichen Keuschheit erscheint. Am 19. Februar hielt Prof. vr. Lehfeld einen Vortrag über Christian Daniel Rauch. Rach einer Uebersicht über den Entwickelungs¬ gang des Künstlers bis zu seiner Meisterschaft (1777 in Arolsen geboren, erlernte Rauch die handwerksmäßige Bildhauerei in seiner Vaterstadt und in Kassel, trat 1797 als Kammerdiener in die Dienste Friedrich Wilhelms II., sowie nach dessen Tode in die der Königin Luise, und bildete sich dann von 1804—10 in Rom, im engsten Verkehr mit Thorwaldsen stehend, zum Künstler aus) gab der Vortragende eine aus¬ führlichere Darstellung der Geschichte und Bedeutung des Grab-Denkmals der Königin Luise im Mausoleum zu Charlottenburg und des Denkmals Friedrichs des Groß n, wies auf die Fortschritte hin, welche die Plastik der Thätigkeit Rauchs in der Lösung der Kostümfragc verdankt, und

hob die Verdienste hervor, die der Künstler sich durch die Begründung der Berliner Bildhauerschule um die Entwickelung der plastischen Kunst im allgemeinen und um die Verherrlichung der vaterländischen Gro߬ thaten im besonderen erworben hat. Am 2. April d. sprach vr. Gebauer über dasMMutipnsedckt in deh Mark-Drimdenbur«... Nachdem der Vortragende darauf ytngeMsen

I.

MW^wieoerAuzsburger Religionsfrieden

von Anfang an eigentlich

nur ein Waffenstillstand war, der weder Evangelische noch Katholiken befriedigen konnte, und der besonders in dem sogenannten geistlichen Vorbehalt naturgemäßen Anlaß zu weiteren Streitigkeiten bot, führte er aus, welcher Art im Beginn des dreißigjährigen Krieges niit ihren wachsenden Waffenerfolgen bei den katholischen Reichsständcn der Ge¬ danke einer Rückforderung der nach 1552 eingezogenen geistlichen Güter

immer schififer hervortritt. Sind es im Jahre 1623 nur erst einige kaiserliche Offiziere, deren eigensüchtiges Gelüste sich auf die in den Händen derEvangelischenbcfindlichenBistümer östlich der Weser richtet, so zwingt in den folgenden Jahren schon die höchste Justizbehörde, das Reichs¬ kammergericht, durch richterliche Emzelentscheidungcn viele evangelische Stände Süddeutschlands zur Preisgabe ihrer nach dem Passauer Ver¬ trage gewonnenen Kirchengüter, und, durch da? Drängen der vier katholischen Kurfürsten bewogen, verordnet endlich Kaiser F-rdinand II. in dem Restitutionsedikt von 1629 eine Generalcassation sämtlicher nach 1552 eingezogenen geistlichen Güter. Nach der Auffassung des Wiener Hofes mußten auf Grund dieser kaiserlichen Deklaration auch die drei märkischen Bistümer Brandenburg Havelberg und Lebus als nach Passau säkularisiert der römischen Kirche restituiert werden. Selbstverständlich that die brandenburgische Regierung, und an ihrer Spitze der Kanzler vr. Pruckmann, alles, um die Wirkungen der Edikts von der Mark abzuwenden; so strebte sie anfangs vornehmlich dahin, durch aktenmäßiges Material zu erweisen, daß die in der Mark belegenen geistlichen Güter bereits vor 1552 der katholischen Kirche entfremdet worden seien. Aber die Lückenhaftigkeit der Akten ließ diese Beweise vielfach recht unzuläng¬ lich ausfallen, und nicht einmal die vorpassauischc Reformation der drei Landcsbistünier dürfen wir als unanfechtbar betrachten. Der letzte Bischof von Brandenburg verzichtete erst im Jahre 1560, und wir haben Beweise, daß noch kurz vorher der römische Kultus am Dome wenigstens nicht ganz beseitigt war. Die Neustadt Brandenburg wäre des Besitzes ihrer Klosterkirche (der Paulikirche) auch nicht sicher gewesen, da die Dominikaner das Kloster nicht vor dem Jahre 1560 geräumt hatten und die katholisch.- Auslegung des Restitutions-Edikts ausdrücklich darauf bestand, daß ein Kloster erst dann als eingezogen gelten dürfe, wenn auch der letzte Mönch dasselbe verlassen hatte. Von der Altstadt Branden¬ burg gedachte der Prämonstratenser-Orden die Marienkirche zurückzu¬ verlangen. und ebenso würde sicherlich die Restitutionsforderung auf das altstädtische Franziskanerkloster Anwendung gesunden haben. So wären die Gemeinden Brandenburg bei einer Durchführung des Ediktes in der Mark arg in Mitleidenschaft gezogen worden. Indes verzog die gefürchtete Exekution, da Oesterreich den Kurfürsten von Brandenburg und Sachsen die Gunst gewähren wollte, als die letzten der Evangelischen der Gegenreformation zum Opfer zu fallen. Man faßte in Berlin neuen Mut, benutzte die Frist, um Verbindung mit anderen evangelischen Ständen und insonderheit mit Sachsen anzuknüpfen, und schritt schließlich, im Leipziger Convent, mit der Mehrzahl der Protestanten vereinigt, zu entschiedenem Protest und Das Erscheinen Gustav Adolfs begünstigte nachdrücklicher Abwehr. dieses Vorgehen, es vermochte aber die Katholiken nicht dazu, dem Kaiser Nach dem Tode des Schweden¬ die Zurücknahme des Ediktes anzuraten königs verließ Sachsen die schwedische Partei und erlangte dafür, wie auch Brandenburg und die Mehrzahl der Evangelischen, im Prager Sonderfrieden von 1635 die Suspension des Restitutionsediktes auf 40 Jahre. Aber noch ein weiterer Niedergang der österreichischen Macht war nösig, um im westfälischen Frieden den Kaiser und die Katholiken zur Aufgabe des völlig verfehlten Ediktes zu bewegen.

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Finis Poloniae. Historischer Roman von (Fortsetzung). — Die Kaiser Wilhelm-Ge¬ (Mit zwei Abbildungen.) — Ein Juwel dächtnis-Kirche. deutsckier Baukunst. Von W. Schulz-Hasscrode. (Fortsetzung.) — Kleine Mitteilungen: Das alte Leipziger Thor in Berlin (Mit Geistesgegenwart Abbildung). Von der Schlacht bei Großbeeren. Castellis Bären- und Blüchers. Familicn-Stammbücher in Berlin. Doscnsammlung Das größte Fernsprechamt. — Vereins-Nachrichten. C.

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Mark Brandenburg

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Unter Mitwirkung von

Grnst G. Dar^dors, Dr. M. Kövtrrguiev, Professor Dr. Drertiov, Dr. A. Drendictro, Tl»eodor Fsntane, Stadtrai G. Friedol, Riltzcrrd George, Ferd. Meqer, Gymnafialdirektor a. D. Dr. M. Srtirvart; und G. rr. MikderrDrrrrii

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Friedrich Zitteffen. XXIII. lahrgana.

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,,8är" erscheint wöchentlich am Sonnabend und ist durch jede Poftanüalt Mo. 809), Lrckhaudliina und Zeitungsspedition für 2lNk. nOpf. vierteljLhrl. ui belieben Auch die Geschäftsstelle — Berlin H. 58,Schönh. Allee 141 — nimmt Bestellungen entgegen. Jnseraten-Austräge sind an die letztere zu richten. Die viergesp. Petitzeile kostet 40 Pf. Der

12. Zllui

1881.

Finis Poloniae.

Grürrdlor.

Historischer Roman von C.

s

(23. Fortsetzung.)

war Eine günstigere Gelegenheit konnte nicht

aß der Fluchtversuch sofort ausgeführt werden müsse,

Arabella klar.

kommen.

Dann nähte fie die Franken und Fünffrankenstücke einzeln in einen Gürtel, den fie unter dem Hemde auf bloßem Leibe tragen wollte. Hier¬ aus wurde das Gesicht wieder mit Kaffeesatz gefärbt, auch eine Portion davon eingesteckt, um später benutzt zu werden. Mundvorrat für die nächsten Tage, Strümpfe und ein Hemd wurden in ein kleines Bündelchen geschnürt. Schließlich steckte sie noch ein Messer und etwas Nähzeug zu sich und zog dann

fie das Haar rund um den Kopf ab.

Und doch, wie beschlich Bangigkeit ihr Herz, als sie nun vor der Ausführung ihres Vorhabens stand! War das Unter¬ nehmen nicht doch zu tollkühn? Sie mußte viele Tage gehen, bis sie aus deutsches Gebiet kam. Und auch da war fie noch nicht sicher. Jeden Augenblick konnte sie einem französischen Truppenteil begegnen, wohl gar — mitten zwischen zwei feindlichen Heeren — als Spion gefangen genommen und erschossen werden. Und wenn ihr nun unterwegs das Geld ausging? Von den erhaltenen dreihundert Franken wollte sie hundert der alten Frau zurücklassen. Damit konnte diese lange wirtschaften. Was aber sollte aus ihr werden, wenn das Geld zur Neige ging und sie das Diamanlkreuz nicht los¬ schlagen konnte, ohne als Diebin verhaflet zu werden? Gab es nicht irgend eine Möglichkeit, etwas zu erwerben und sich so den Lebensunterhalt zu erleichtern? Sie besaß eine hübsche Altstimme, die leicht für eine Knabenstimme gehalten werden ^erhielt konnte. Wenn fie den Leuten abends etwas vorsang, sie gewiß manchmal ein freies Nachtlager. Sie beschloß deshalb,

Sie glich jetzt einem kleinen Savoyardeujungen, wie fie schon damals mit weißen Mäusen oder Murmeltieren in der Welt Trotz ihrer erschrecklichen Lage konnte sie ein umherzogen. Lächeln nicht unterdrücken, als sie sich im Spiegel betrachtete. Mit diesen Vorbereitungen war der größte Teil der Nacht vergangen. Sie versuchte nun noch etwas zu ruhen. Allein Ihre Unruhe war zu groß. So brach sie es gelang nicht. denn schon lauge vor Tagesanbruch auf, das Bündelchen auf dem Rücken, die Decke über der Schulter und einen derben Stock in der Hand. Die nächsten Wege im Wald waren ihr bekannt. Von dem Dorf, das sie in weitem Bogen umging, wandte fie sich

gleich in der ersten

erst

Stadt, durch die fie kommen werde, sich eine Guitarre oder Zither als Begleitinstrument zu kaufen. So er¬ klärte

am leichtesten ihr sonst auffallendes Wanderleben. Es galt nun, die Nachtstunden eiligst zu benutzen, um alles ins Werk zu setzen. Zuerst mußten die schönen. langen, braunen Haare fallen. Bei dem Gange nach Verdun hatte sich auch

fie dieselben unter dem weiten Schlapphut versteckt; den mußte fie aber in Zukunft häufig abnehmen. Kurz entschloffen, schnitt

ihren Knabenanzug wieder an.

nach Süden,

dann nach Osten, um möglichst schnell die

Grenze zu erreichen.

Als die Sonne aufging, war

fie schon ein gut Stück weit

Ein frischer Morgenwind wehte, und es wurde gekommen. so kühl. daß sie sich in ihre Decke hüllen mußte. Nach ein paar Stunden der Wanderung fühlte sie Er¬ müdung. Es war doch ein ander Ding, so unaufhörlich zu marschieren, als im Park spazieren zu gehen.

-

278

Die Schuhe drückten sie, und die Füße schmerzten. Sie unter einen Baum am Wege und zog ihren kärglichen Mundvorrat hervor. Es war jetzt die Stunde, wo sie mit ihrem Vater und Fräulein de Plessis zu frühstücken pflegte. Thränen stiegen ihr in die Augen, aber sie bezwang tapfer ihre Rührung. Wenn sie die weite Wanderung nicht aushielte oder gar krank würde? Was dann? Doch nein, sie wollte nicht mutlos werden, sie wollte nicht. Die kurze Ruhe und das Essen hatten sie gestärkt. Sie wanderte aufs neue, und bald lag die Gegend, in der sie persönlich bekannt war, hinter ihr. Das gab ihr mehr Festigkeit und Sicherheit im Auftreten. Gegen Mittag kam Sie bat um ein Glas Milch. sie an eine einsame Mühle. Die Müllerin, eine gutherzige Frau, gab es ihr gern, fragte setzte sich

Art der Landleute gründlich aus. Arabella erzählte, daß sie aus einem Dorfe bei Montmedp komme. Ihr Vater sei als Soldat eingezogen worden, ihre Mutter sei plötzlich gestorben. Die Eltern seien ganz arm gewesen und hätten von ihrer Hände Arbeit leben müssen. Anverwandte hätten sie im Dorfe nicht gehabt; da habe sie sich ausgemacht, um zu einer Tante nach Straßburg zu gehen, die

sie aber nach

sie

aufnehmen werde.

„Armer Junge!" sagte die Müllerin. „Noch so jung und allein in der Welt! Dein Vater kommt schwerlich aus dem Kriege wieder zurück. Wo kommst Du denn heute schon her?" so

„Zwei Stunden hinter Verdun,

da habe

ich die

Nacht

zugebracht."

„Da

hast

Du

schon

Dir. will Dir

einen tüchtigen Marsch hinter

Bleibe heute hier! Es soll Dich nichts

kosten, und ich

ein hübsches Lager zurecht niachen."

Mit

Dank nahm Arabella das gütige Anerbieten an, und der der hübsche Junge mit den melancholischen Augen gleich gefallen hatte, sorgte nun mit mütterlicher Zärt¬ lichkeit für ihren Schützling. Derselbe bekam reichlich zu essen, und am Abend wurde eine Lagerstatt für ihn auf dem Haus¬ Unter inbrünstigem Dank gegen Gott boden hergerichtet. schlief Arabella ein, und sie erwachte gestärkt am nächsten Morgen. die alle

Müllerin,

Die Müllelin beglückte ihren Schützling

noch mit einer Mehlsuppe und gab ihm ein großes Stück Brot mit Käse auf den Weg.

Heute ging's schon besier, als am ersten Tage.

Obwohl

■■

die Zeche überaus mäßig, sodaß sie hoffen durfte, mit ihrem

Gelde zu reichen. Am nächsten Tage kam sie an die Mosel, über die sie Thionville und Metz auf der Fähre übersetzen zwischen sich ließ. Ihr nächstes Ziel war Saarlouis. Nachdem sie Kedange und Bouzonville passiert hatte, überschritt sie die deutsche Grenze. In Bouzonville hätte sie beinahe noch Schiffbruch gelitten.

Sie halte in der Auberge vor den Gästen singen müssen und dafür kleine Kupfermünzen eingeheimst. Ein Kunstenthufiast, dem ihre Stimme ausnehmend gefiel, wollte sich mit Gewalt ihrer annehmen und sie ausbilden lassen. Nur dadurch, daß sie scheinbar auf sein Anerbieten einging und sich dann am anderen Morgen zeitig aus dem Staube machte, wurde sie gerettet.

befand sie sich zwar auf deutschem Gebiet, war aber noch lange nicht allen Gefahren entrückt. Die Gegend wurde bergig, und ihr Weg führte sie oft Jetzt

Wald, in dem sie sich nur mühsam zu¬ Zuweilen verirrte sie sich auch, und sie Dazu wurde es ihr immer kam nur langsam vorwärts. lange

durch

dichten

rechtfinden konnte. schwerer,

sich

verständlich zu machen.

Verstand

sie auch die

ihrer doch nur unvollkommen mündlich bedienen. Das Märchen von dem verwaisten Soldatenkinde war auch bald nicht mehr an¬ gebracht. In neuer Weise mußte ihre Phantasie thätig sein, deutsche Sprache leidlich zu lesen, so konnte sie sich

und zwar ganz verschieden, je nach dem die Leute republikanisch oder ropalistisch gesinnt waren. Endlich näherte sie sich dem Kriegsschauplätze. Das Sie fand Dörfer, die von wachsende Elend bezeugte es ihr. den

Einwohnern verlassen waren, zuweilen sogar nur Trümmer

und Schutthaufen. Anderswo hatten die Menschen selbst nichts mehr zu leben, und sie mußie Hunger leiden, obwohl sie noch mit Geld versehen war. Am schwersten aber war es ihr, daß sie schließlich nicht mehr recht wußte,

wohin

sie sich

wenden sollte.

Sie hatte

keine Ahnung davon, wo sich die preußische Armee be¬ fand, und konnte es auch in diesen Walddörfern nicht erfahren. Erst recht, wußte ihr niemand Bescheid darüber zu geben, wo die Ziethen-Husaren standen. Inzwischen wurde die Witterung immer winterlicher, die Tage kürzer, die Nächte kalt. Wiederholt hatte Arabella schon im Freien

die Nacht zubringen müssen, wenn nämlich die Dunkelheit sie überraschte und sie nach dem

mals passiert,

ihr

seit

Stunden niemand begegnet war, den

Wege hätte fragen können. Auch war es daß sie nach

ihr

mehr¬

vielstündiger Wanderung abends

die Gelenke noch ein wenig steif waren, konnte Arabella doch

da wieder ankam, von wo sie am Morgen ausgegangen war.

nach einigen hundert Schritten ganz munter ausschreiten. Nachmittags kam sie nach dem Städtchen Brieg, wo sie sich eine Guitarre kaufte. Da sie ausgezeichnet die Harfe spielte, die damals in vornehmen Familien viel in Gebrauch war, so hoffte sie auch die einfachen Griffe auf der Guitarre bald zu erlernen.

Trotzdem verlor sie den Mut nicht. Sie vertraute auch ferner auf Gottes Beistand, der ihr bis dahin geholfen und sie Aber schon aus so mancher Not und Gefahr gerettet hatte. in dieser Waldgegend konnte sie nicht länger bleiben. Sie wußte sehen, daß sie wieder in bewohntere Gegenden kam, und wenn sie auch mitten zwischen die feindlichen Heere ge¬ raten sollte. Gesicht und Hände brauchte sie schon lange nicht mehr zu färben. Sonne, Wind und Wetter hatten sie gebräunt.

noch

Ueber Nacht blieb sie nicht in Brieg, sondern sie ging bis zum nächsten Dorfe und kehrte im Dorfwirts-

Die Fabel von dem Soldatenkinde mußte auch hier herhalten; doch hütete sie sich, viel zu sprechen, um sich nicht durch ihre Ausdrucksweise zu verraten. War ihr auch das Idiom des Landvolkes ganz gut bekannt, so war sie doch in der Nachahmung desselben wenig geschickt. Freies Nachtquartier erhielt sie diesmal nicht, doch war hause ein.

Sie sah in ihrer abgerissenen, verschossenen Kleidung mit dem wirren Haar sogar gar nicht mehr aus wie ein Savoyardenknabe, sondern wie ein echter Landstreicher, so daß sie selbst in den ärmlichsten Dorfschenken nur schwer Aufnahme fand. Bei Landstuhl erblickte sie auf einem Felsen die Ruinen

279 der Burg Franz von Sickmgens, jenes Helden aus der Resormationszeit, der hier der Menge seiner Feinde erlegen war. Zugleich gewahrte sie, als sie, von dem Dörfchen Miesenbach kommend, aus dem Reichswalde heraustrat, daß das ganze

Am Morgen erhielt Arabella von den mitleidigen Bauern noch ein großes Stück Brot und etwas warme Milch. Dann schloß sie sich einem der Kund¬ schafter an. (Fortsetzung folgt.)

um

Thal vor ihr mit französischen Soldaten angefüllt war. End¬ lose Züge von Artillerie und Infanterie zogen von Landstuhl über Kindsbach in der Richtung nach Kaiserslautern. Zu beiden Seiten der Hauptstraße, da, wo das breite Thal etwas anstieg, streiften auch starke Kavallerie-Patrouillen umher. Sie zog sich sofort wieder in den Wald zurück, um un° bemerkt zu bleiben. Unterhalb des Waldes lagen Wein¬ gärten, die jetzt ihres Schmuckes beraubt waren. Hier und da waren Leute beschäftigt, die Weinpfähle aus dem Boden zu zieheir und auf Haufen zu schichten. Sie ahnten nicht, daß in wenigen Tagen alle als Wachifeuer verbrannt sein würden. Als Infanterie-Patrouillen herankamen, um auch die Grenzen des Waldes abzusuchen, wandte sich Arabella tiefer in den Wald hinein. Sie ging immer geradezu, nur um aus dem Bereiche der Truppen herauszukommen. Die Richtung hatte sie

ii.

Eins der interessantesten Kapitel des v.

welches den Glocken des schönen Gotteshauses gewidmet ist. Die berühmte Glockengießerei von Karl Friedrich Ulrich in Apolda Hai die fünf Glocken, deren Herstellungskosten sich auf 72 000 Mark belaufen, gegossen. Kaiser Wilhelm schenkte für dieselben 50 000 Pfund erbeuteter Geschütze aus den Zeiten der ersten Republik, Napoleons I., Kails X. und Napoleons III. Die fünf Glocken wiegen mit Klöppel 31 693 kg, das Gewicht der Joche beträgt 6000 kg, das des Glockenstuhls 20 000 kg, das des großen eisernen Gitters, auf welchem jener steht, 27 000 kg, so daß der Hauptturm für das Geläut eine Last von über 85 000 kg zu tragen hat. Die größte, die V-Glocke, trägt die Namen: „Königin Luise. Kaiser Wilhelm I." In Deutschland wird sie an Größe und Schwere nur von der großen Kölner Dom-Glocke überiroffen. Aus dem Glocken¬ mantel sind folgende Inschriften angebracht: „22. März 1797. Jesaias 63, V. 1. 9. März 1888." Ferner der Spruch: „Die mit Thränen säen, werden mit Freuden ernten." Die Glocke ist 2,80 na hoch bei einem Durchmesser von 2,84 na. Die I'-Glocke hat den Namen „Augusta" und neben dem Alliancewappen Preußen -Sachsen die Inschriften: „1829, Seid fröhlich in Hoffnung, geduldig in 11. Juni, 187 9. Trübsal, haltet an am Gebet." Die Höhe der Glocke beträgt 2,35 na bei einem unteren Durchmesser von 2.35 nr. Die ^.-Glocke (Deutschland) trägt den Reichsadler, die Kaiserkrone und die Inschriften: „Versailles, 18. Januar 1871. Jesaias 40. V. 31." — „Sie haben mich oft gedräugel von meiner Jugend auf; aber sie haben mich nicht Übermacht." Die L-Glocke hat den Namen und das Wappen des Kaisers Friedrich mit der Inschrift: „1870. 1. September. 1895. Gott war mit uns, ihm sei die Ehre." Die O-Glocke hat den Namen: „Wilhelm II. Auguste Viktoria". Sie trägt das Alliancewappen Preußen-Holstein und die Inschriften: „4. Mai 1888. Evangelisch-kirchlicher Hülfsverein und Kirchen¬ bauverein. Sei getreu bis in den Tod, so will ich Dir die

Um das Feuer saßen eine Anzahl Männer, Frauen und Kinder, während Kühe an Bäumen angebunden waren und

tief

in der Nacht hier im Walde umherlreibe. Landstuhl gewolll, die ganze Gegend aber von französischen Soldaten angefüllt gefunden habe. Da habe sie sich gefürchtet, sei tiefer in den Wald gegangen und habe sich dann verirrt. Das klang glaub¬ ihnen zu bleiben ein, bei und die Leute luden sie haft. und ihr kärgliches Mahl, anrichteten, gerade das sie mit ihnen zu teilen. Sie waren ebenfalls Flüchtlinge. Bei der Annäherung der Franzosen waren sie mit dem wenigen Vieh, das ihnen noch geblieben war, in diese versteckte Waldschlucht geflohen, die schon ihren Vorfahren im dreißigjährigen Kriege mehrmals als Unterschlupf gedient hatte. Daß sie ihren Hausrat zerschlagen und ihre Hütten in Asche wieder¬ sie nach

des Lebens geben" (Emsegnungsspruch der Kaiserin). Die fünf Glocken wurden September bis Dezember 1894

Krone

trafen am 31. Mai 1895 in Berlin Juni bis 4. Juni vor dem Palais Kaiser Wilhelms I. Unter den Linden aufgestellt, welchen denk¬ würdigen Anblick das v. Mirbachsche Werk in einem wohl¬ Am 13. Juni 1896 ließen die gelungenen Bilde festhält. Glocken zum ersten Male ihr herrliches Geläut ertönen. Musikdirektor Professor Theodor Krause, ein berufener Fachmann, schrieb über das Geläut: „Naht der Wind aus Nordwest, so erfüllt der mächtige Klang des Gußstahl-Geläuies der Gnadenkirche die ganze, zwei Kilometer entfernte Friedrich¬ stadt. An den Türmen des Gensdarinenmarktes brechen sich die gewaltigen Tonwogen und fließen in die rechtwinklig sich

in Apolda gegoffen,

sie

ein und wurden vom 1.

finden würden, nahmen sie als gewiß an. Arabella erfuhr bei dieser Gelegenheit, daß die Preußen

lange bei Kaiserslautern lägen und sich stark verschanzt hätten. Da nun so viele Franzosen nach dieser Richtung ge¬ zogen waren, so vermuteten die Bauern, daß es zu einer Schlacht kommen werd-'. Sie hatten beschlossen, mit Tages¬ anbruch Kundschafter auszusenden, um Näheres zu erfahren und danach ihre Maßregeln zu treffen. schon

Die lange Nacht verbrachte man eng aneinander gedrückt,

Mirbachschen

Buches über die Kaiser Wilhelm-Gedächtnis-Kirche ist dasjenige,

bach, bei dem sie die letzte Nacht zugebracht hatte.

Sie erzählte, daß

gegenseitig zu erwärmen.

(Mit Abbildung.)

Der trübe, kühle Novemberabend brach herein, der Mundvorrat war aufgezehrt, und aufs neue schien der Flüchligen nichts anderes übrig zu bleiben, als die Nacht im Freien zuzubringen. Da bemerkie sie vor sich eine tiefe Schlucht. In dem Gedanken, daß es da unten wohl wärmer sein werde, als auf der Höhe, stieg sie hinab. „Halt! Wer da?" rief plötzlich eine rauhe Stimme, und eine kräftige Hand umfaßte ihren Arm. Sie sank vor Angst in die Knie. Der Mann zerrte sie gewaltsam in den Bereich eines kleinen Feuers, das in einer verborgenen Ecke angezündet war. Beim Scheine desselben erkannte sie den Wirt aus Miesen¬

sich so

sich

Die Kaiser Milhelm-Grdächtnis-Kirche.

längst verloren.

Ziegen von Kindern an Stricken gehalten wurden. Der Wirt fragte sie. wie es komme, daß sie



-

Gestern, Dienstag nachmittag, Straßen ab. stand der Wind aus West-Süd-West, und auf seinen Schwingungen zogen Töne daher, wie sie bis heute Berlin Zum ersten Male öffneten die Glocken ver noch nie gehört. Kaiser Wilhelm-Gedächtnis-Kirche ihren ehernen Mund zu einem wahrhaft majestätischen Chorgesang. Bis in das Herz der Reichshauptstadt, bis in das Herz ihrer Bewohner dringt diese wie jene Himmels-Symphonie, ein tönendes, dröhnendes Zeugnis für den reich gesegneten Fortgang des auf Kaiserliche Anregung unternommenen Werkes der Kirchenvermehrung." Das Innere der Kaiser Wilhelm-Gedächtnis-Kirche ent¬ hält, wie Freiherr v. Mirbach sagt, „vom wertvollsten Gegen¬ stand an bis herab zu dem Griff eines Thürschlosses nur Kunstwerke." Die Gedächtnishalle, zu welcher man durch Bronzethüren tritt, ist ein imposanter Raum mit einem ge¬ waltigen Tonnengewölbe. Die Wandflächen der Halle sollen mit allegorischen Darstellungen aus dem Leben Wilhelms I. geschmückt werden, die Decke aus Slift-Mosaik mil Darstellungen schneidenden

aus der kirchlichen und vaterländischen Geschichte;

einstweilen

mit Kartons aus Pappe überspannt. Den Fußboden bedeck! Mosaik, die Säulen an den Portalen und Seilenbogen find ans rotem schwedischen Granit und tragen künstlerisch hervorragende Kapitale. Die Gedächtnishalle empfängt ihr Licht durch die großen Bogenfenster der beiden Treppenapsiden. Die fünf Fenster zur Linken stellen Scenen aus dem Leben des Propheten Elias dar: fie sind Geschenke von Mit¬ gliedern der königlichen Familie und sind in dem GlasmalereiInstitut von Burckhardt in München hergestellt. Die fünf ist fie

Fenster der rechten Apsis, ein Geschenk der drei großen Frei¬

maurer-Logen, sind eine Arbeit des Königlichen GlasmalereiInstituts in Charlottenburg; fie enthalten Darstellungen aus dem Leben Johannes des Täufers. Drei schwere Eichenholzthüren mit Lederbekleidung und kunstvollen Bronzebeschlägen Die führen von der Gedächtnishalle in das Kirchen-Innere. Superporten, Sandstein-Reliefs desBildhauers Peter Breuer, stellen dar: „Jakob mit dem Engel ringend" (links), „der Leich¬ nam Jesu, auf den Knien seiner sich über ihn neigenden

Mutter hingestreckt" (in der Mitte; mit der Inschrift: „Es ist vollbracht") und „die beiden Jünger mit dem Heiland auf dem Wege nach Emmaus". Im Inneren der Kirche find ebenfalls Reliefs über den Thüren angebracht, welche darstellen: „das Lamm Gottes, von knienden Engeln getragen" (in der Mitte); rechts: „Isaak und Rebekka am Brunnen"; links: „Simson im Kampf mil dem Löwen".

Der

Altar,

den

wir auf Seite 281 im Bilde vorführen,

Der Altar erinnert an die schönen Werke, wie in der Kirche Maria im Kapitol in Köln und in der Kirche St. Ambrosius in Mailand, der Krönungskirche der longobardischen Könige und der deutschen Kaiser, finden, jenen Juwelen germanischer Baukunst." Die Kanzel erhebt sich rechts vom Altar; sie ist wie dieser aus weißem istrischen Kalkstein mit Ornamenten und Mosaiken und ruht auf acht Cipolltnosäulen. Das Lesepult Der in Bronze getriebene wird von einem Adler getragen. Schalldeckel wird von sechs Bronzesäulen getragen. Auf dem Pfeiler am Aufgang zur Kanzel steht eine Engelsgestalt. Die Füllungen der Brüstung des Kanzelkorbes tragen kleine Figuren des Abraham. Salomo. Jeremias. Paulus, Stephanus und Jakobus. Diese Figuren sind sämtlich vom Bildhauer Albert Werner modelliert. Ter Tausstein vor dem Altar Chor wölbt.

wir

sie

ist ebenfalls aus istrischem

Die Spannung des

Marmor gearbeitet. Gewölbes in der Vierung beträgt

21^/2 m; dasselbe ruht auf herrlichen Sandsteinpfeilern und Die Emporen ziehen sich ist von überwältigender Wirkung. zu beiden Seiten des Lang- und Ouerschiffes um die Kirche herum; sie ruhen auf Labradorsäulen mit hohen Sandstein¬

Bogen aus weißem Sandstein. Der Chor hinter dem Altar wird von dem gewaltigen, 18 Meter hohen Triumphbogen eingerahmt, auf dessen Mosailfries Professor Geselschap musizierende Engel und die Apostel Petrus und Paulus dargestellt hat. Die ( Glasmalerei der fünf Fenster des Chores, die in dem Kunstinstitut von Linnemann in Frankfurt a. M. ausgeführt sind, stellen den betenden Moses und die vier großen Propheten dar, die beiden Fensternischen enthalten in Stiftmosaik die Bilder von David und Melchisedek. Die Wölbung des Chores enthält Mosaik¬ darstellungen von Christus mit Maria und Joseph. An den Sandsteinpfeilern zwischen den Nischen und Fenstern stehen auf Konsolen die Statuen der vier Evangelisten (von den Bildhauern Janensch und Wenck) und die der Apostel Paulus und Petrus (vom Bildhauer Haverkamp), an den Triumphbogenpfeilern die Statuen Luthers und Melanchthons. Schöpfungen von Professor Otto Lessing. Die Kaiserliche Loge, deren Sandsteinbrüstuiig mit den Wappen der Majestäten und Blattornamenteii geschmückt ist, hat einen quadratischen Grundriß und befindet sich links vom Altar (gegenüber der Kanzel); es führt zu derselben das mit dem Bilde des heiligen Georg geschmückt^Kaiserportal des nördlichen Chorturms. sockeln und flachen

Den Abschluß des Langschiffes bildet nach Westen die

ist aus istrischem Kalkstein und hebt sich

Orgel-Empore,

treffend den Altar der Kaiser Wilhelm-Gedächtnis-Kirche, „im die mit wenigen Goldornamenten bläulich schillernden Mosaikwände und die in Farbenpracht leuchtenden Glassenster, über welchen sich in farbenreichem Mosaik der

W. Sauer in Frankfurt a. O. Die Orgel enthält auf vier Manualen (0—g'") und dem Pedale (C-f*) 90 Stimmen mit 5612 Pfeifen, 4 Manualkoppelu und 1 Kollekiivkoppel, 6 frei einstellbare Kombinationen, durch welche, unabhängig von der eigentlichen Registratur, jede der eingestellten Kombinationen auch während des Spieles zu ändern ist, einen Kollektivtritt für das volle Werk, ein Registerrad und ein Jaloufie-Schwellwerk. Das Hauptgebläse besteht aus zwei großen Magazinen und acht Schöpfbälgen; es befindet sich oberhalb der Orgel im Turmgeschoß und wird durch einen Elektromotor von Pferdekraft von dem Innern der Orgel

wirkungsvoll von dem dunklen Chor-Hintergründe ab. Die Christus-Figur aus Marmor, ein Geschenk der Frau Baurat Wentzel, tst eine Schöpfung Professor Schapers. Der Baldachin über ihm ist in Bronze getrieben; er ruht auf vier schlanken, wei߬ grünen Cipollino-Marmorsäulen mit vergoldeten Bronze-Basen und Kapitälen. Die Kuppel und Giebel des Baldachins sind mit Mosaik bekleidet, die Ecken tragen in Goldkronen die Sinnbilder der Evangelisten. „Den glänzenden GesamtEindruck vollenden," so beschreibt Freiherr von Mirbach zu¬ Hintergründe

an deren Rückwand sich die große Orgel befindet, deren Unterbau aus Eichenholz und deren Oberbau aus getriebenem Kupfer gearbeitet ist. Erbauer der Orgel ist

4^

Altar Mit gütiger Bewilligung

der Kaiser Wilhelin-GedSchtniF-Kirche.

des Verfassers dem Werke

Sr. Excellenz des Freihcrni von Mirbach (Verlag von E. S. Mittler und Sohn in Berlin) entnommen.



bczw. vom Spieltisch aus in Betrieb gesetzt.

offenen Spitzbögen getragen und mit Durchgängen versehen

empore vor der Orgel

hinter der durchbrochenen Brüstung den erhabenen Platz zur feierlichen Vorlesung bot. (Lectorium, Lettner — Leseort.) Er ist mit dem reichsten bildnerischen Schmuck bedeckt und dennoch nicht überladen. Der tote Stein scheint in tausend Figuren, Blumen und Spitzen aufzublühen; das Maßwerk, die Säulchen, die Kreuzblumen und Baldachine — alles ist

Auf der Orgel¬ 80 Musiker und 300 Sänger Platz, so daß die gröhlen Werke der allen Kirchenmusik ohne Schwierigkeiten aufgeführt werden können. Die Kaiser Wilhelm-Gedächtnis-Kirche umfaßt im Erd¬ geschoß 964 feste Plätze und 153 Slühle; auf den Emporen 643 feste Plätze und 240 Stehplätze, im ganzen also 2000 Plätze. Der Abstand der kunstreich geschnitzten Bänke beträgt von Mitte zu Milte 0,95 m. — Zum Schluß dürfen die bunten Glasfenster in den Schiffen nicht unerwähnt Die sechs bleiben. Fenster im Langschiff stellen das Leben des Heilands dar: die Geburt Christi (in der darüber befindIlcheii Rose die Hirten bei Bethlehem); die Bergpredigt (darüber: Christus mit den Kindern); die Versuchung Christi auf dem Berge (darüber: Christas mit dem sinkenden Petrus); die Himmelfahrt Christi (darüber: die Ausgießung des heiligen finden

Geistes); die Salbung des Herrn durch Maria (darüber: Christus im Garten Gethsemane) und die Einsetzung des heiligen Abendmahls (darüber: die Kreuzigung). Die beiden großen Rosen des Querschiffs enthalten die Himmelfahrt Christi und Simeon mit dem Christuskinde als Mittelstücke; die sechs kleinen Fenster des Qnerschiffes und ein anstoßendes Seiten¬ fenster zeigen die Wappen und Namen der hervorragendsten Heerführer Kaiser Wilhelms I. So bildet auch das Innere der Kaiser Wilhelm-Gedächtnis-Kirche eine vollendete harmonische Kunstschöpfung, welche sich bei aller Monumentalität in den Schranken evangelischer Einfachheit und Schlichtheit hält. Im engen Rahmen eines Aussatzes ist es. leider nicht möglich, ein erschöpfendes Bild von der überwältigenden Schönheit dieses Gotteshauses zu geben, des herrlichsten, welches die deutsche Reichshauptstadt besitzt. Ein zuverlässiger Führer durch alle diese Schönheiten ist das von Mirbachsche Werk*), dessen Reinertrag dem Kirchenbaufonds zu gute kommt. Im Inneren der Kirche, die in jeder Richtung zum Juwel eines evange¬ lischen Gotteshauses ausgestaltet werden soll, harren der aus¬ führenden Hand der Maler und der Bildhauer noch viele Auf¬ gaben, und viele Jahre werden noch vergehen, bis die Kaiser Wilhelm-Gedächtnis-Kirche in all ihren Einzelheiten vollendet ist.

(2. Fortsetzung.)

Der um 1195 gestifiete Taufstein und die Kanzel von 1592, beide Alläre — der liturgische inmitten der Kirche, so¬ wie der Hochaltar im hohen Chore — repräsentieren alle Epochen der Kunst, vom Uebergangsstil bis zur modernen Nachahmung.

Hinter dem liturgischen Altar erhebt sich der Zauberbau welcher mit dem ihn überragenden kolossalen Triumphkreuz einen majestätischen Allarschmuck von einzigartiger Schönheit bildet. Statt der einfachen Schranken, die sonst

des

Lettners,

den dem Clerus vorbehaltenen Chor von der Kirche der Laien scheiden, hat man hier quer durch das

ordentlich

kunstvolle

steinerne Empore

Mittelschiff eine außer¬ erbaut, die — von

*) Die Kais er-Wilhelm-Gedächtnis-Kirche. Zum 22. März

1897. Von Ernst Freiherr von Mirbach. Berlin 1897. Verlag von E. S. Mittler u. Sohn. 4°. 265 Seiten. Preis 5 Mk.

mit

warmem Herzensanteil

geschaffen;

jede

Sockelbildung,

Kapitäl, jedes Ornament von dem nächsten verschieden ausgeführt, alles eigentümlich reizvoll und doch in nichts das schöne Ebenmaß des Ganzen störend. Von dem kalten Stein weht uns der warme Hauch der Lust und Liebe, die daran gearbeitet, belebend entgegen. So ist der Prachtbau des jedes

Lettner ein ganz eigenartiges Meisterwerk der späteren Gotik, bei dem man gerne die ersten Spuren der Verkünstelung an Säulen und Bögen sich gefallen läßt — eine Stickerei in Stein! Er ist im Jahre 1510 vollendet. — Ueber dem Lettner ist am Triumphbogen ein aus dem 12 . Jahrhundert stammendes Kreuz angebracht, ein sehr interessantes Holzschnitzwerk von gewaltigen Dimensionen, mit Ketten am Gewölbe befestigt. Das¬ selbe zeigt neben anderem Bildwerk eine von Cherubsgestalten ein¬ gefaßte Kreuzigungsgruppe, die jedes andere Bildzeichen der rcichgeschmückten Kirche hoch überragt. — Die Rückseite des Querbalkens trägt, ebenfalls in Holzschnitzwerk, 10 Bildnisse von Heilige». Eine zweite, stillere Kirche im Innern des Domes — die Fortsetzung des Mittelschiffes jenseits des Lettners — thut sich auf, wenn wir durch eine der alten, reichbeschlagenen Thüren unter dem Triumphkreuz treten: der hohe Chor.

Von dem die Seitenschiffe fortsetzenden Chorumgange durch 3*/2 in hohe, mit zierlicher Brüstung versehene Schranken getrennt, faßt dies weihevolle Heiligtum etwa 250 Personen; es wird heute zur Abendmahlsfeier und zum Konfirmandengoltesdienst, dem sog. Salve, benützt. —

Zu

den Kostbarkeiten des

Dom-Inneren zählen mit in

erster Linie die prächtig wirkenden Glasmalereien der hohen

Fenster.

Leider ist ein

Teil

derselben

geradezu ungeschicktem Erfolge restauriert.

mir verfehltem oder Aus dem 15. Jahr¬

hundert stammen die dem Eintretenden zuerst ins Auge fallenden, die schöne Durchsicht schließenden drei oberen Fenster des Chorhauptes. Das beherrschende Mittelfenster zeigt Christus am Kreuz mit Maria und Magdalena, darunter drei Brust¬ bilder, wovon vas mittelste einem Könige angehört; das nördliche Fenster stellt die drei Martyrien des Johannes, des Stephanus und Sixtus dar, während das südliche — mangel¬ haft restauriert und schwer erkennbar — Scenen aus dem Leben Jesu zu enthalten scheint. Die mit ihrer Farbenpracht ebenfalls in den hohen Chor hineinwirkenden fünf Fenster der angrenzenden Bischofskapelle bestehen aus vielen kleinen Feldern, die jedesmal in drei senk¬ rechten Reihen angeordnet find. Auf ihnen wechseln Scenen aus der Lebens- und Leidensgeschichte des Herrn mit solchen aus dem Leben seiner Jünger; bildliche Darstellungen aus der Bibel vereinen sich mit allegorischen Gestalten, Spruch¬ bändern und Wappen zu einem reichen und farbenprächtig wirkenden Ganzen. Auf ein sehr großes, am Ostende deß Chorumganges befindliches Fenster — dessen Restaurierung dringend notwendig erscheint — folgt nach Westen hin ein im Jahre 1883 ge¬

283 stiftete?, Leben

sehr

schönes Fenster,

Dr. Marlin Luthers

das in 20 Einzelbildern das in frischen Zügen vor Augen

führt. Der Stifter desselben ist der Kgl. dänische Kammer¬ herr und Hof-Jägermeister A W. R. von Oppen-Schilden.

Die meisten Fenster des nördlichen Chorumganges sind stark beschädigt oder doch schlecht ergänzt.

Man könnte

sie

-

ihrem charakteristischen Inhalt — folgendermaßen aufzählen: das Mosesfenster, das Messiasfenster, das Prophetenfenster, das Taubenfenster, das Marienund schließlich das Erzengelfenster. Die beiden Giebelfenster des Ouerschisfes find erst in der nach

zweiten Hälfte unseres Jahrhunderts kunstgerecht und würdig wiederhergestellt. Das südliche ist von ganz außerordemltchen

Dimensionen, me sie nur etwa noch in der Kathedrale St. Viti in Prag zu finden sind. Das ganze mächtige Fenster — den Tod und die Himmelfahrt Mariä darstellend — ist eingerahmt von den Wappen kapitularischer Adelsgeschlechter, die in alphabettscher Ordnung angebracht sind. Es sind vertreten die fürstlichen Häuser: Brandenburg, Sachsen, Anhalt, Braun¬ schweig, Stolberg-Stolberg, Stolberg-Wernigerode; sodann die Familien: von Alvensleben, von der Asseburg von Bennigsen, von Bieren, von Bismarck, von Britzke, von dem Bussche, von Eberstein, von Hagen, von Hardenberg, von Knesebeck, von Latiorf, von Lochow, von Oppen, von Plotho, von Randow, von Rochow, von Roesfing, von der Schulenburg, von Spiegel, von Wariensleben, von Witzleben, sowie die ausgestorbenen Geschlechter: von Falkensteiu, von Neustadt, von Kanuenberg, von Regenstein, von Stammer, von Feldheim. — Das Nordgiebelfeuster, auf welchem die betden Dvmpatrone Stephanus und Sixtus, ihnen zur Seite der Dompropst Semeca als Er¬ bauer und Erzbischof Ernst als Vollender des Doms dargestellt find, ist umgeben von den Wappen der acht zuletzt genannten kapitularischen Geschlechter.

Die Fenster der Seitenschiffe,

edel

in der Form, sind

ganz einfach gestaltet; man erkennt aus ihnen Domherrnwappen,

Heiligenbilder und sonstige kirchliche Attribute. — Neben dem Grabmal des Semeka — eine Tumba mit der liegenden Gestalt des Dompropstes — von 1492 ziehen im Innern des Domes noch mehrere kürstlerisch kostbare Epitaphien (Grabmalplatten, Grabmale) das Interesse auf sich. Zunächst das reich mit statutarischem Bildwerk geschmückte Epitaphium Erzbischofs Friedrich II., 1552 durch Johannes Pixerna aus gelbem Sandstein geschaffen. Sehr reich komponiert ist das Grabmal des Domdechanten Kaspar von Kannenberg (f 31. Januar 1605); es ist aus edlerem Material, wie das vorige, aus Alabaster gefertigt. Ihm ähnlich ist das Epitaph des Domdechanten Friedrich Britzke (f 1576). — Dem 17. Jahrhundert entstammt ein von Holz geschnitztes, bemaltes und vergoldetes Epitaphium des Regierungsdirektors Rhalan von Canstein; ferner die kunstvoll geschnitzten, leider neuerdings grell bemalten Wappen¬ schilder des ersten kurbrandenburgischen Statthalters F. von Blumenthal und des ersten Gouverneurs von Burgslorff, die mit Kriegs-Insignien und heraldischem Schmuck piunkhaft umgeben find. — Schonender und trotz der Verschiedenheit des Stils dem Auge wohlthuend hat sich das Grabgewölbe der Familie von dem Bussche-Streithorst zwischen die ersten Pfeiler des südlichen Seitenschiffes eingefügt. Mit seiner feinen, reich stilisierten Holzschnitzerei bildet es einen stattlichen

-

dieser Seite. Das vergoldete Laubwerk umrahmt mit den Wappenschilden die Brustbilder des Domdechanten Clames von dem Bussche und seiner Gattin. — Ein Prachtstück des Dom -Innern bildet nicht zum wenigsten auch die große Orgel mit ihrem herrlichen Prospekt. Sie zählte einst zu den b.sten Deutschlands; heute machen sich an ihr schon mehr und mehr die Gebrechen des Alters be¬ merkbar. so daß ein Umbau nur eine Frage der Zeit ist. Sie hat einstmals 12 000 Thaler gekostet, war von Heinrich Herbst aus Magdeburg erbaut und am 19. Juli 1718 vollendet; das Weil enthtelt damals 5 Manuale, 1 Pedal, 63 klingende Siimmett und 8 Bälge. Verschiedene Mängel, die sich nach und nach einstellten, führten zu ihrem Umbau im Jahre 1838, der durch den Orgelbaumeister Schulze aus Paulinzelle nach einem mit dem Dom-Organisten Musikdirektor Baake ent¬ worfenen Plane ausgeführt ist. Die Orgel enthält heute vier über einander liegende Manuale, von denen drei gekoppelt werden können, und hat einen Umfang der Manuale von 6 , Cis bis zum dreigestrichenen I", einen Umfang des Pedals von 0, Cis bts zum eingestrichenen O, 65 klingende Stimmen und 8 Bälge. Die jetzige Orgel hatte drei Vorgänger. Schon 9^2 soll Bischof Hildiward den Dom mit einer Orgel versehen haben;

Abschluß

die erste sichere Kunde

von

dem Vorhandensein einer solchen

von 1328. — Das erweiterte Ktrchengebäude

datiert jedoch erst machte bald eine größere Orgel nötig, die 1361 durch die Hand eines Geistlichen — des Priesters Ntcolaus Schmidt (Faber) vollendet wurde. Im Jahre 1495 ist sie durch Das ganze Werk war ein¬ Gregorius Kleng renoviert. Bei einer Breite von etwa 3 Fuß hatte es nur fach genug. wenige, sehr große bleierne Pfeifen und 9 Tasten von mehr als Handbreite. Die Tasten wurden mit der Faust geschlagen, ganze Akkorde löste der eine Schlag aus. Doch muß der priesterliche Erbauer ein hervorragendes Genie gewesen sein, denn sein Werk war epochemachend. Bald auch knüpften sich allerlei Sagen an dies „erstaunliche" Kunstwerk. Niemand sollte über vterundzwanzig Stunden bei der Domorgel lebendig bleiben können wegen des „arsenischen" Dunstes, den sie, wenn sie „geschlagen" werde, von sich gebe. Drei Mönche sollen sich bei ihr an einem Tage zu Tode gesungen haben, indem sie sich vermaßen, mit Hilfe der Schwarzen Kunst „viel höher und klarer" zu fingen, als alle anderen Menschen. Zwischen dieser und der heutigen Orgel befand sich ein Werk im Dom, das nunmehr in der Franziskanerkirche seinen Platz gefunden hat. Werfen wir zum Schluß noch einen Blick auf den Domschatz, der im Kqpitelsaal und in der Schatzkammer t Zither) aufbewahrt ist! Er bildet eine Kunst- und Altertums¬ sammlung. wie sie nur wenige Kirchen besitzen. Reste aus

heiligen Grüften und das heitere Spiel der Künste, Weihe¬ kluger geschenke von Königen und Pilgern, der Erwerb Bischöfe und die Beute des Kreuzfahrers, das Gewebe fleißiger Klosterfrauen und das Gerät verschwundener Altäre — vergangenen Jahrhunderten ehrwürdig, was selt¬ was sam, was köstlich schien, ist hier aufbewahrt. Die textilen

In keinem einzigartig. ehrwürdigen findet man Fahnen so Alters — kein Museum bewahrt ein älteres Diptychon Consulare, als das Halberstadense; keine bischöfliche Kathedrale Kunstwerke

des

Zeughause

der Welt

Domschatzes

sind

••

284

wohl erhaltene, mittelalterliche Pontifical-Gewänder in solchem Umfange. — Die Reformation des Domes hat auch besitzt

diesen Schatz gesichert.

Nachdem am 6 .

Altären

Juli

1591 die letzte die liturgischen

ist. sind Gewänder und Geräte sorgsam zurückgelegt und haben Jahr¬ hunderte mit ihren Kriegen und Umwälzungen überdauert.

an

Messe

seinen

gelesen

Ein Teil der Schätze ist leider durch Kardinal Albrecht an¬ fangs des 16. Jahrhunderts nach dessen Residenz Mainz ver¬ schleppt.

Nach der Aufhebung

des Domstiftes am 1. Dezember

1810 wandte man sich unmittelbar an den König von West¬ falen mit der Bitte, die in der Schatzkammer und dem Zither (dem Vestiarium) enthaltenen Gegenstände der Domkirche als bleibendes Eigentum zu überweisen, da dieselben mit der Ge¬ schichte dieser ältesten Kathedrale Ost-Sachsens in der innigsten Verbindung ständen. Der lustige Jeröme schrieb an den Rand ^^.ppreuve!" Das genügte. der Eingabe das Wort: Kapellen, Glocken, die Türme. Das Kirchengebäude, der Kreuzgang nebst Pertinenzien, ebenso die vorhandenen Meßgewänder, Reliquien und Kostbarkeiten des Schatzes ge¬ hörten von nun an „der Domkirche" als bleibender Besitz. Das Verzeichnis, welches zuerst 1728, dann 1856 und zuletzt und vollständig durch den Domküstec Teitge aufgestellt Dieselben verteilen sich auf die ist, enthält 433 Nummern. vier Abschnitte: Kirchliche Geräte, Liturgische Gewänder, Schnitz- und Bildwerke, Schrift- und Druckwerke. Ein großer Teil der Gegenstände (besonders der liturgischen Geräte) be¬ steht aus Edelmetall und ist — wie auch die zahlreichen Reli¬ quien — mit Edelsteinen. Perlen und kostbaren Schmelzen bedeckt. Ebenso sind die meisten der liturgischen Gewänder mit wertvollen Stickereien (Reliefstickereien) geschmückt und mit Perlen und Edelsteinen besetzt. (Als Nr. 341 fungiert ein Kurhut des Großen Kurfürsten von rotem Damast, mit Hermelin besetzt, welchen derselbe bei der Huldigung des Domkapitels am 2 . April 1650 getragen.) Von den Schnitzund Bildwerken seien die beiden äußerst seltenen Diptychen (figurengeschmückie Elsenbeintäfelchen, die einst von den höchsten Beamten des römischen Reiches als Geschenke verteilt wurden), sowie eine Schachfigur aus Bergkrystall, nach der Tradition zu Karls des Großen Spiel gehörig, erwähnt; ferner ein Lesepult von Bronze in Form eines Adlers, angeblich von Peter Bischer gegossen. — Von den ehedem so zahlreich vor¬ handenen Schrift- und Druckwerken find viele in den Feuers¬ brünsten der älteren Zeilen vernichtet worden. Von den heute noch vorhandenen dürfte das wertvollste ein sehr altes Evan¬ gelium sein, welches auf 168 Pergamentblättern die evange¬ Nach der Ueberlieferung soll diese lischen Perikopen enthält. Handschrift dem Bischof Hoimco um 840 von Ludwig dem Frommen geschenkt sein. Die Drucke beginnen mit einer im Jahre 1476 zu Nürnberg gedruckten „Historia lombardica

Militärische Ehrentafel eines Fürsten.

Von B. Emil König.*) den gegenwärtig regierenden deutschen Fürsten ist

Unter

ldburgh au.i.L»>ch«"Miltälteste.

denn er beendete am 2 .

April 1897

sein 71. Lebensjahr.

In

Zeitraume von nunmehr nahezu 31 Jahren seit Antritt seiner Regierung hat sich Herzog Georg als ge¬ rechter, milder und leutseliger Herrscher die allgemeinste Liebe und Verehrung seiner Landesktnder erworben, und das, was einem

er für die Kunst gethan, hat längst

in ganz Deutschland und

darüber hinaus die verdiente Anerkennung gefunden. Wer kennt nicht die „Meininger", jenes als mustergiltig in Bezug auf Zusammensptel und zweckentsprechende Ausstattung anerkannte Theater, diese Schöpfung des kunst¬ sinnigen Meiningischen Landesherrn! Auch die in großartigem Baustil aufgeführten zahl¬

Bauten der Residenz Meiningen, die Umwandlung Liebensteins und Altensteins in einen Naturpark, sowie vieles andere verkünden den Schönheitssinn und das feinere Ver¬ ständnis dieses Fürsten für jegliche Kunst, der sich außerdem allenthalben durch sein einfaches und doch so hoheitsvolles Auftreten Bewunderung und Verehrung erworben hat und in seiner schlichten Größe zu den populärsten Herrschern Deutsch¬ reichen

lands zählt. Ein Landesvater im besten Sinne des Wortes, ein Freund des Guten und Schönen, ein feiner, gründlicher Kenner, Beschützer und Förderer von Wissenschaft und Kunst, war Herzog Georg auch von Jugend auf eine Zierde des deutschen Kriegerstandes, dem er gegenwärtig insgesamt 54d/z

Jahre angehört, und zwar seit dem 1. Dezember 1842. An diesem Tage trat der damalige Erbprinz Georg beim herzog¬ lich Sachsen-Meiningischen Contingent, 4 Monat und 1 Tag vor vollendetem 17. Lebensjahre, ein, und da Seine Hoheit demnächst auch auf eine fünfzigjährige Laufbahn in der preußischen Armee zurückblicken darf, so ist es wohl in der Billigkeit, des Landesherrn von Sachsen-Meiningen-Hildburghausen nach dieser Richtung hin zu gedenken und auf Grund archivalischer

Dokumente und

freundlicher Mitteilung

hoher

Volke die militärische Ehrentafel eines volkstümlichsten und dabei in seiner Einfachheit und seiner Würde so zurückhaltenden Fürsten vorzuführen. Ein bekannter und allgemein hochgeehrter General¬ leutnant schrieb uns unterm 10 . März cr. unter anderem

Militärs

dem

wörtlich über den hohen Herrn:

cum legendis quibusdam“, welcher eine „Vitae patrum“ von 1478, biet Foliobände der Lateinischen Bibel von Nicolaus

Lyra. Nürnberg, sowie eine „Biblia cum concor dantiis“ von 1520 rc. rc. sich anschließen.

deutschen

de

'

„Daß Herzog Georg sich dem jetzt so modern ge¬ wordenen „Anfeiern" fern hält, ist sehr natürlich. Ein Fürst, der während des Feldzuges von Wörth ab stets mit seinen Truppen allen Schlachten und Gefechten bei¬ gewohnt, hat es nicht notwendig, sich anseiern zu lassen; er bleibt allen Kriegskameraden als ein Vorbild eines pflichttreuen Soldaten und edlen Fürsten unvergeßlich, ebenso aber auch sein Sohn, der Erbprinz, der — wie

— bei Wörth

durch Major von Holleben vom Generalstabe aus der Schützenlinie geholt werden mußte rc."

ich selbst sah

*) Nachdruck nur mit Genehmigung

des Verfassers gestatiet.

285 Nach der erwähnten Dienstzeit im Sachsen-Meiningischen

trat Erbprinz Georg (der jetzige Herzog), eine hohe stattliche Erscheinung, am 2. November 1847 in die Königlich Preußische Armee ein und wurde als PremierContingent

leutnant dem Garde-Kürassler-Regimcnt aggregiert. Während des Sturm- und Drangjahres 1848 wurde unterm 24. Juni dem Erbprinzen Georg der erbetene Abschied als Rittmeister bewilligt, ihm unmittelbar darauf aber ge¬ stattet, die

Uniform seines Regiments zu tragen.

Prinz als Garde-Kürassier-Regimenls in den aktiven Dienst zurück und verlobte sich bald darauf mit der Prinzessin Charlotte, Tochter des verewigten Prinzen Albrecht von Preußen, bei besten Kavalleriebrigade der gegenwärtige Erbprinz Bernhard 1870/71 den Loirefeldzug mitmachte. Ein Jahr nach der Hochzeit, am 29. Mai 1851, wurde Prinz Georg zum Garde¬ 1. regiment zu Fuß versetzt, bei Weihnachten

Major ä

1a

des folgenden Jahres kehrte der

suite

des

Juli

er am 22. März 1858 Oberstleutnant und am 12 . 1855 zum Oberst avancierte.

Als

letzterer

welchem

zum

führte er 1857 und den Herbstübungen des Gardekoips eine Jnfanteriebrigade. Am 22 . November 1858 wurde Erbprinz Georg unter Versetzung zu den Offizieren ä 1a suite der Armee zum Generalmajor befördert, am 31. August 1861 mit Führung der 30. Brigade während der Manöver des 7. und 8 . Armee¬ korps beauftragt, und am 29. Ja¬ nuar 1863 avancierte er zum Generalleutnant. 1858

bei

Fürsten, dem Gott noch lange Gesundheit und zum Heile seines Herzogtums und des deutschen Vaterlandes schenken möge, deutschen

Rüstigkeit

Kleine Mitteilungen. Bismarck und Wränget. Ueber einen interessanten Brief BisMicks» den Feldmarschall Wränget berichtet Horst Kohl in seinem Bismarck-Jahrbuch folgendermaßen: „Die im Haupt¬ quartier eingegangenen Nachrichten über die Rüstungen und die zweideutige Stellung Schwedens erregten bei dem Feldmarschall t>. Wrangel den Wunsch, einen diplomatischen Coup auszuführen. quartier vom Auswärtigen Ministerium

Er beauftragte

den dem Haupt¬ attachierten Herrn v. W., in Stockholm seine Idee für die Gründung eines skandinavischen Reiches Wenn cs Herrn v. W. auch gelang, das zur Kenntnis zu bringen. letztere ihm auszureden, so mußte er sich doch, um es mit dem alten Herrn nicht ganz zu verderben, dazu entschließen, an den Königlichen Gesandten in Stockholm, Freiherrn v. Rosenberg, ein Schreiben zu richten, in welchem dieser beauftragt wurde, dem Grafen Manderström. dem schwedischen Minister dcsjAuswärtigen, zur weiteren Mitteilung an König Karl XV. zu erklären, daß die

Wrangels ihr Stammlend niemals ver¬ leugnen würden, und daß deffen Zukunft und Größe auch dem Feldmarschall Wrangel aufrichtig am Herzen liege. Herr v. W. unterrichtete jedoch gleichzeitig Herrn v. Bis¬ marck von dieser Korrespondenz, und dieser untersagte dem Frciherrn v. Rosenberg am 3.

April 1864 nicht nur

telegraphisch, dem

im Aufträge des Feldmarschalls Wrangel an ihn gerichteten Schreiben des Herrn v. W. Folge zu geben, sondern verbat sich auch jeden weiteren Uebergriff des Feld¬ marschalls in die diplomatische Sphäre durch folgendes Schreiben: „Berlin, 11. April 1864. Hochwohlgeborener Freiherr! Hochgeehrter Herr Fclvmarschall! Ew. Excellenz haben vor kurzem an den Königlichen Gesandten in Stockholm eine für den Grafen Manderström und den König von Schweden bestimmte diplo¬ matische Eröffnung richten lassen, deren Charakter mit der auf Befehl Sr. Majestät des Königs von Allerhöchst dessen

Regierung verfolgten Politik nicht im Ein¬ klang steht. Ich weiß durch Ew. Excellenz Nachdem er am 20 . Septem¬ eigene Mitteilungen, daß Hochdcro An¬ sichten über auswärtige Politik mit den ber 1866 die Regierung des Herzog¬ DeiM Georg ii. von Zachsen-Meiningen. meinigen nicht durchgehends übereinstimmen. tums Sachsen - Meiningen - HildIch kann hinzufügen, daß auch meine dlaä) einer Aufnahme von Reichard ». Lindncr. Meinung über die Art, wie der Krieg Königliche Hosphotographcn (Inhaber Z. Reichard) in Berlin. burghansen übernommen hatte, wurde auf der cimbrischen Halbinsel zu führen er am 31. Oktober 1867 zum Chef wäre, nicht überall mit dem, was dort unter Ew. Excellenz Befehl geschieht, im Einklang steht. des Infanterieregiments Nr. 32 ernannt; am 22 . März 1868 Dennoch werde ich mir niemals gestatten, einem der Ew. Excellenz unter¬ avancierte er zum General der gebenen Officiere meinerseits militärische Ansträge zugehen zu lassen. Aus denselben Gründen, welche für mich hieibei leitend sind, glaube ich Am 16. August 1876 erfolgte des Herzogs weitere Er¬ Hochdieselben bitten zu türfen, Mitteilungen, welche sür die Beurteilung der preußischen Politik im Auslande von so wesentlichem Einflüsse sein nennung zum Chef des Jnfanterie-Negiments Nr. 95. als können, wie die von Ew. Excellenz an Herrn von Rosenbcrg gerichtete, welcher er gleichzeitig mit dem Herzog von Sachsen-Koburgnur nach vorgängigcr Verständigung mit mir an die Königlichen Ge¬ sandten gelangen zu lassen. Gotha geführt wird. Genehmigen Sie, Herr Feldmarschall, den Ausdruck der aus¬ Außer dem Feldzug vom Jahre 1849 gegen Däne¬ gezeichnetsten Hochachtung, mit der ich die Ehre habe zu sein u. s. w. v. Bismarck." mark hat der hohe Herr, wie bereits mitgeteilt, den Feldzug Bereicherung des Königliäicn Münzkabinetts. Dem Münzkabinett von 1870/71 gegen Frankreich von Anfang an bis zum der Königlichen Sammlungen in Berlin ist eine ganz besonders wert¬ Schluß des Jahres 1870 mit seinen Truppen mitgemacht. volle und wichtige Bereicherung zu teil geworden. Der amtliche Bericht teilt darüber folgendes mit: Eine Allerhöchste Bewilligung Seiner im Anfangs Januar 1871 befand sich der Herzog Majestät des Kaisers und Königs hat cs ermöglicht, die Sammlung Großen Hauptquartier zu Versailles; mit demselben nahm des am 24. Dezember 1894 zu Augst urg verstorbenen Bezirksarztes Dr. L- Fikcntscher zu erwerben, für welche der Hochselige Kaiser er am 19. Januar gelegentlich des großen Ausfalls aus Paris Friedrich bereits vor anderthalb Jahrzehnten nach mehrstündigem Durch¬ mustern das lebhafteste Interesse bethätigt hat. Mehr denn 15000 Stück an dem Kampfe am Mont Valerien teil. umfassend, besteht die Sammlung zur Hälfte aus Münzen und Metaillen zahlBesitz im Herr Selbstredend befindet sich der hohe der Hohenzollernschen Burggrafen von Nürnberg und Markgrafen von Franken und enthält somit von diesen mehr als das Sechsfache der bis¬ reicher höchster Orden, wie des Schwarzen Adlerordens mit her im Königlichen Münzkabinett Vorhand, nen Reihen, darunter eine der Kette, des Hausordens von Hohenzollern. des Kreuzes der überaus reiche Zahl der ältesten burggräslichen Gepräge, Albrechts des Schönen und Friedrichs V, auch Pfennige Regensburger, böhmischen, Großkomture, des Eisernen Kreuzes und vieler anderer. und Haller Schlages. Aus der Neuzeit ist die geldgeschicht¬ Würzburger Das ist der militärische Ehrenschild eines hochver¬ lich wichtigste Periode, die Zeit der ungeheuerlichen Münzkrise zu Beginn des dreißigjährigen Krieges, durch eine Überaus reichliche Vertretung dienten, friedliebenden, kunstfinnigen und volkstümlichen

Infanterie.

owohl der geringen Silbermünzcn, wie der damals zuerst ausgeprägten Kupfermünzen ausgezeichnet. Im übrigen sind es für die Folgezeit besonders die Land- und Scheidemünzen, welche als das Geld des täg¬ lichen Lebens und kleinen Verkehrs voll gewürdigt und mit peinlicher Genauigkeit zu großen Reihen vereinigt sind. Ucbrigcns hatvr. Fikcntschcr seinen Sammeleifer nicht auf vre hohenzollcrnschcn Münzen beschränkt. Die andere Hälfte der Sammlung — der hohenzollernschcn an wissen¬ schaftlicher Bedeutung nichts nachstehend — enthält Folgen sämtlicher

s

fränkischen Münzherrschastcn, sowie auch zahlreicher angrenzenden schwä¬ insonderheit der Bischöfe von Bamberg und Würzbnrg, der Erzbischöfe von Mainz, der Pfalzgrafen, der Könige von Böhmen und der Grafen von Castell, Hcnneberg, Hohenlohe, Lcuchtcnberg, Nassau, Oeltingeu, Werthheim und Württemberg u. s. w. Dem Königlichen Münzkabinett in Berlin dürste infolge dieser Ver¬ mehrung kaum eine zweite Sammlung gleichen Inhalts zur Seite zu stellen sein. bischen und bayerischen Gebiete,

Ein Extrablatt als Transparent. Zur Feier des Einzugs der Truppen in Berlin nach den Befreiungskriegen fand am 7. August 1814 in Berlin eine Illumination statt, zu dem auch der Aermste ein Lichtstümpschen beisteuerte. Unter den vielen teils ernsten, teils scherzhaften Inschriften auf Transparenten erregte eine die Aufmerksamkeit des Königs Friedrich WilhelmTII. so, daß er sie von Ansang bis zum Ende durchlas. Die Haude und Spcnersche Zeitung hatte nach jedem Siege ein Exirablatt herausgegeben, um die frohe Kunde schnell zu verbreiten. Jetzt war an der Expedition dieser Zeitung ein großes transparentes Extrablatt aufgestellt, das folgenden Inhalt hatte:

Den braven Bürgern unsrer Stadt Gab manches frohe Extrablatt Zum Guten Kraft und Leben. Da 's lange keins gegeben hat, Wird heut' ein Extra-Extrablatt Ganz gratis ausgegeben.

Such erlisch.

Ein Wütrich, der der Höll' entstieg. Sein Oben war ein wilder Krieg, Der ist nun abgeschieden. Erfochten ward ein Extrasteg, Vollendet ist ein Exirakrieg, Nun folgt ein Extrafrieden. Dem Extravolk, der Exlrastadt Verkündet ihn dies Extrablatt, Drob freu' es sich nicht wenig. Und wer cs nun gelesen hat, Geh' seiner Weg' und schrei sich satt: Heil unserm Extrakönig! einer

Errichtung der Bühne kostenlos hergegeben, deren Aufbau er ebenfalls auf eigene Kosten übernimmt. Das erste Festspiel soll bereits Ende August zur Aufführung gelangen. Aus der „guten alten Zeit." Zu dem Aufsatz: „Aus der guten alten Zeit" in Nr. 22 sind uns von verschiedenen Lesern Bemerkungen bezw. Ergänzungen zugegangen, denen wir unter wärmstem Danke folgendes entnehmen: „Was unter einer gut konditionierten Chaise zu ver¬ stehen ist, dürfte doch nabe liegen. Es war eine gebrauchte, aber — Die Letzte 'Straße war die noch gut erhaltene Chaise. Dorotheenstraße, die noch jetzt der Mittelstraße folgt. Laufgasse hieß früher, wie ja auch in Nr 19 des „Bär" (f. Briefkasten) richtig ausgeführt ist, die Gormannstraße. — Der „blaue Himmel" lag vor dem Potsdamer Thor, da, wo jetzt die Dessauerstraße in die Königgrätzeistraße mündet Die Feilnerstraße führte noch vor fünfzig Jahren den Namen Hasenhegcrstraße, und Hospitalstraße war de jetzige Auguststraße." Jntereffante Bittschrift. An König Wilhelm von Preußen sandte ein Vater, wie die „D. Ztg." berichtet, folgende wortgetreu wiedergeacbcne Bittschrift, um seinen Sohn vom Militärdienst zu befreien: „Thränenwertester Herr König! Euer Majestät werden gütigst verzeihen, wenn ich Ihren Thron besteige. Ich bin Seidcnwiiker. voriges Jahr brachte ich meinen Sohn zu GoO (o. h. er wurde konfirmiert), dieses Jahr zum Tischler. Mein Sohn soll 3 Jahre dienen, es könnte mit einem Jahre abgemacht sein und wird schon, gehen. Eure Majestät haben ja schon bei mancher Gelegenheit ein Auge zugedrückt; drücken Sie noch einmal ein Auge zu." Original-Depesche aus dem Feldzuge vom Jahre 1870. Der Schlosser Kruschke aus Berlin, welcher als Unteroffizier beim 52. Jnf.Regiment das Eiserne Kreuz für seine bewiesene Tapferkeit erhalten hatte, telegraphierte seiner Frau: „Hurrah, ich habe das Eiserne Kreuz E. K. bekommen! Marie, wie hab' ich Dich lieb!"

D.

Das Pferd des Nationaldenkmals für Kaiser Wilhelm I. In das Nationaldcnkmal hat Major Schönbeck in Bezug

Kritik über

auf das Kaiskipfcrd folgende interessante Bemerkungen gemacht: „Es ist nicht recht ersichtlich, warum der Künstler einen Pfcrdcschlag bezw eine Rasse als Kaiserroß gewählt hat, die überhaupt nicht zum Reiten, son¬ dern zum Ziehen schwerer Lasten bestimmt ist. Hinter dem schweren, massiven Halse verschwindet die Figur des Kaisers. Seine LieblingsPferde waren Trakehner, sowohl zum Reiten wie zum Fahren, weil sie diejenigen Points haben, die dem Kaiser angenehm waren, das heißt, sie mußten hoch aufgesetzt, durften aber nicht sehr breit sein. Daß man auch edle Pferde in der monumentalen Bildncrei verwerten kann, zeigt Rauchs Denkmal Friedrichs des Großen. Das ist ein edler Trakehner, Leider aber der. wie jeder zustimmen wird, Wohl seine Wirkung thut. existierte dieser Pferdelypus zu den Zeiten Friedrichs des Großen noch nicht, und so ist das Roß desselben, ebenso wie die seiner Generale, nicht zutgemäß. Beide Herrscher könnten gut ihre Tiere wechseln, dann käme man der Wirklichkeit näher" Ob bei den großartigen Verhältnissen des Kaiser Wilhelm-Denkmals sich der Gedanke eines solchen Umtausches empfiehlt und nicht vielleicht beide Denkmäler durch ihn, wenn er aus¬ führbar wäre, an ihrer Eigenart verlieren und somit schwer geschädigt werden würden, dürste doch die Frage sein. Ein schöner Zug der ältesten Kaiserlichen Prinzen. Det¬ mold garnisoniert ein Bataillon des 5b. Regiments. Vor kurzem traf nun bei dem Kommando desselben eine Sendung der beiden ältesten Kaiserlichen Prinzen ein, welche eine Anzahl Buchenzweige enthielt, die aus den Schlachtfeldern bei Metz, hauptsächlich an den Stellrn, wo das 55. Infanterieregiment im Jahre 1870 kämpfte, gepflückt waren. Der Oberst, Graf von Schluffen, hat angeordnet, daß jedes der 3 Bataillone, von denen noch je eins in Bielefeld und in Höxter liegt, einen Teil dieser Zweige erhält. Der Kaiserliche Vater soll über die pietätvolle Ge¬ sinnung der Prinzen herzinnige Freude ausgedrückt haben. Vaterländische Sommer-Volksbühne in der märkischen Schweiz. Ein Berliner Verein hat die Absicht, in der märkischen Schweiz eine vaterländische Sovimervolksbühne zu errichten. Sie ist als nationales Gegenstück zu den Oberammcrgaucr Passionsspiclen gedacht und soll zu¬ nächst in einer Folge von Schauspielen die Besiegung der Wenden und die Einführung der deutschen Kultur in der Mark Brandenburg unter den Markgrafen aus dem Hause Ballenstedt zur Darstellung bringen. Der Mühlenbesitzcr Kindermann in Sieversdorf hat zwischen dem Täberscc und einem großen Park ein schön gelegenes Grundstück zur

In

Der Dom zu Halberstadt, seine Geschichte und seine Schätze von E. Hermes. Verlag von Louis Koch in Halbcrstadt. 1896. Preis broch. 4 Mk.. geb. 5.25 Mk. Ueber vorstehende Schrift schreibt das „Atelier", Organ für Kunst und Kunstgewerbe, Berlin, Jahrg. 1896, Hest 24: „Anläßlich der Ein¬ weihung des neuen Domturmes in Halbcrstadt hat Herr Superintendent und Oberdomprediger E. Hermes daselbst eine Festschrift „Der Dom zu " Halberstadt, seine Geschichte und seine Schätze versaßt. Der ehrwürdige und kunsthistorisch hochinteressante Dom von Halberstabt mit seinen reichen Schätzen alter Kunst war bereits mehrfach Gegenstand der Be¬ handlung, und doch ist es dem Autor gelungen, durch Reichhaltigkeit und feine kunsthistorische Behandlung dem Stoffe neue interessante Seiten abzugewinnen und so ein Merkchen zu schaffen, das jeder Kunstsorscher willkommen heißen muß. Wir folgen dem Verfasser in seiner kundigen Darstellung von den ersten Anfängen des Domes in der Karolingerzeit durch all die Wandlungen, die er bis auf unsere Tage erfahren hat, und haben so eigentlich einen Abriß der ganzen deutschen Kunstgeschichte vor uns. Wesentlich erhöht wird der Wert des Büchleins durch die von der Verlagsbuchhandlung beigefügten 32 prächtigen Abbildungen." Ueber dasselbe Werk urteilt die „Kunsthalle" von Galland, Berlin, in Nr. 5, 2. Jahrgang (1896): „Das Werk, das zur Feier der Vollendung der beiden restaurierten Westtürme des Domes im August 1896 erschien, besitzt alle Eigenschaften einer guten Festschrift, die sich nicht an einen bestimmten Kreis von Fachleuten wenden will, sondern an ein größeres Publikum, das im vorliegenden Falle ein warmes Interesse für die Und der Halberstädter schönsten vaterländischen Baudenkmäler besitzt. Dom gehört nicht nur zu den künstlerisch edelsten, sondern auch zu den ehrwürdigsten Monumenten Deutschlands, reicht seine an Ereignissen so reiche Geschichte doch sogar bis in die Karolingerzeit zurück. Durch all die außen und im Innern erkennbaren Phasen seiner Baugeschichte führt uns die Monographie von Hermes. Sie bietet nicht Ergebnisse eigener wissenschaftlicher Forschungen, sondern eine klar orientierende, gewissen¬ hafte, belehrende und fesselnde Schilderung des erhabenen Gotteshauses, aller seiner Teile und Kunstschätze, und zum Schluß ein erläuterndes Inventar des berühmten Domschatzcs mit seinen kirchlichen Geräten, liturgischen Gewändern u.s. w. Diese systematische Beschreibung von der Hand eines sehr unterrichteten Geistlichen erscheint auch deshalb wertvoll, weil in den Publikationen der Kommission für die Kunstdenkmäler der Provinz Sachsen vorläufig noch der Halberstädter Dom fehlt. Die vor¬ züglichen Autotypien der Festschrift verdienen übrigens ganz besondere Anerkennung."

Ilse. Roman von Clarissa Lohde. Mannheim 1896. I. Bcnsheimer. 2 Bde. Preis 5 Mk. „Schwester Ilse" ist ein armes adliges Mädchen, welches sich im

Schwester

Verlag von

Augusta-Hospital zu Berlin in der Krankenpflege hat ausbilden laffen, aus innerer Neigung, und weil sie mit der Mutter nicht sympathisiert und sich nach dem Tode ihres Vaters auf eigne Füße stellen will. Ihr Beruf bringt sie an das Bett des „tollen Wolf", der im Duelle — natürlich um einer Dame willen — von einuit Vetter auf den Tod verwundet worden ist. Der schwer Kranke will die ihm unentbehrliche Pflegerin dauernd an sich fesseln, er giebt sich selbst nur noch eine kurze Lcbcnsfrist, der Gedanke, daß sein großes Vermögen alsdann seinem

287

>.

Vetter und begünstigten Nebenbuhler in dm Schoß fallen wird, ist ihm unerträglich, und io heiratet er Schwester Ilse, aus Hochachtung für sie, aber au» in schnöder Selbstsucht und Eigenliebe; stc aber giebt dem Baron Wolf von Menzelen nicht nur ihre Hand. sondern auch ihr Herz, in der Hoffnung, das seinige durch treue Pflege und hingebende Liebe zu gewinnen. Im sonnigen Süden gesundet der Baron, sieht aber auch jene Dame wieder, um deretwillcn er sich duellierte. Da erwacht die alte Liebe in ihm und läßt ihn Ehre und Pflicht ver¬ gessen, bis er erkennt, daß eine seiner unwürdige Sirene, eine Aben¬ teuerin, ihn in ihr Netz gezogen hat, und bis er in der Erkenntnis des kostbaren Schatzes, den er in Ilse besessen hat, sich mit dieser versöhnt und die drohende Scheidung, zu welcher Ilse entschloffen ist, im letzten Augenblick zu verhindern weiß. Dies ist der Inhalt von „Schwester Ilse"; der inneren Wahrscheinlichkeit wird hier und da auf Kosten der äußerm Spannung Zwang angethan; so erscheint mir namentlich die Versöhnung der unter so seltsamen Umständen zusammengeführten Ehe¬ leute nicht genügend motivier!: man glaubt nicht recht an die dauernde Bisserung des „tollen Wolf". Von besonderer Schönheit sind in dem sehr lesenswerten Roman die begeisterten Schilderungen von der Insel Korsu, der Jsola beata: man fühlt, daß die begabte Verfasserin, die unsern Lesern nicht unbekannt ist, in diese Schilderungen eigne Erinnerungen verwebt, die sonnige Farbenpracht des Südens tritt so greifbar deutlich vor uns, daß die Seele von Sehnsucht nach jener Märchenwelt erfaßt wird. die schon dem Knaben lieb und teuer ist, wenn er liest, wie Odysseus als Schiffbrüchiger unter die Ball spielenden Mädchen und vor die Fürstin Naustkaa tritt. —e. Märkisches Liederbuch. Herausgegeben von l897. Verlag von F. Fontane u. Co

Der

Fritz Eichbcrg. Berlin Preis 80 Pf.

Touristenklub für die Mark Brandenburg,

Wanderverein,

der

ein

in der praktischen Bethätigung der Heimatsliebe auf

den verschiedensten Gebieten die schönsten Erfolge auszuweisen hat, beschert in diesem Liederbuche allen guten Märkern eine überaus dankenswerte Gabe. Wie oft stellt sich auf fröhlicher Wanderfahrt in Gottes freier Natur die Lust zum Singen ein, und wie oft scheitert der Gesang an der weitverbreiteten Text-Unkenntnis; denn gewöhnlich ist selbst von sehr be¬ liebten Liedern nur die erste Strophe allen Teilnehmern bekannt, die zweite kennen nur sehr wenige, und bald verstummt der Gesang ganz.

Ein Liederbuch für Wanderer in handlichem Format entspricht daher

einem wirklichen Bedürfnisse. Mit besonderer Freude ist aber dieses Liederbuch zu begrüßen, dessen Herausgeber sich mit Erfolg bemüht Kat, demselben eine specifisch-märkische Färbung zu geben. Der erste Teil enthält „Sängerstimmen aus der 100 märkische HeimatVaterlands-, Wander-, Liebes-, Gesellschafts- und Trinklieder von 33 märkischen Dichtern. Diese märkischen Lieder sind meist nach bekannten Melodien zu singen. Es sind zum Teil ganz neue Schöpfungen märkischer Sänger, die hier geboten werden; von den

Mark",

Verfaffern nennen wir: E. v. Wildenbruch, Otto Franz Gensichen, Theodor Fontane, Fritz Eichberg, Gustav Albrecht, Dorothea

Goebeler, Ewald Müller, F. Brunold.

Der zweite Teil bringt

142 Lieder aus dem allgemeinen deutschen Liederschätze in sehr geschickter Auswahl und macht die Liedcrsammlung auch für allgemeine Zwecke zu einer überaus empfehlenswerten, der wir in Haus und in Familie, in Vereinen wie überall, wo sich frohe, sangcsluslige Deutsche zusammenfinden, die weiteste Verbreitung wünschen. R. G.

Das Pflanzenreich.

Ein Handbuch für den Selbstunterricht, sowie ein Nachschlagcbuch für Gärtner, Land- und Forstwirte und alle Pflanzenfreunde. Bearbeitet von Professor Dr. K. Schumann, Kustos am Königl. Botanischen Museum zu Berlin und Piivat-

dozent, Dr. E. Gilg, Assistent am Königl. Botanischen Garten zu Berlin und Privatdozcnt. Erscheint in 20 Lieferungen zum Preise von je 30 Pf. und umfaßt 54 Druckbogen mit 480 Ab¬ bildungen und 6 bunten Tafeln. Preis komplett fein gchefte; 6Mk., hochfein gebunden 7,80 Mk. Verlag von Neumann,

Neudamm.

I.

Mit dem genannten Werke, von welchem uns nun die Hefte 3 und 4 vorliegen, wird unseren Lesern ein Werk geboten, welches sie in jeder Beziehung fesseln und anregen wird, und dessen Anschaffung wir nicht genugsam empfehlen können, zumal der Preis desselben ein ganz besonders wohlfeiler genannt werden muß. Im Anschluß an die schon besprochenen ersten beiden Hefte geben wii nachstehend den Inhalt der Hefte 3 und 4 wieder. Im Hauptab¬ schnitt des gesamten Werkes, die Systematik, welcher schon in der zweiten Lieferung begann, werden, dem in Engler Syllabus gegebenen System folgend, zunächst die niederen Pflanzen (Algen, Pilze, Flechten, Moose, Farne rc.) von E. Gilg behandelt. Nach der Beschreibung und Be¬ sprechung der niedrigsten aller Lebewesen, der Schlcimpilze, die (halb Tier, halb Pflanze) nicht einmal eine Zellhaut besitzen und, einer lebenden Gallerte gleichend, auf den Gegenständen sich fortbewegen, wird, ihrer Wichtigkeit entsprechend, verhältnismäßig ausführlich das Leben und die Wirkung der in heutiger Zeit das öffentliche Interesse in so hohem Maße in Anspruch nehmenden Bakterien geschildert und durch zahlreiche, äußerst instruktive Abbildungen erläutert. Den Schluß dieser Lieferungen bilden die Algen, jene Pflanzen, von denen viele sich dem unbewaffneten Auge nur als braune, graue, rote oder grüne Ueberzüge darbieten, durch das Mikroskop aber eine ungeahnte Fülle zierlicher und phantastischer Formcn, welche in den Abbildungen dargestellt werden, zeigen, und die

als Nahrung für zahllose niedere Tiere und als Humusbildner auf nacktem Boden im Haushalte der Natur eine hervorragende Rolle spielen. Jeder einzelne Teil des interessanten Werkes erscheint geeignet, dem gebildeten Laien eine sichere Quelle der Belehrung in botanischen Fragen zu sein, welche zu beherrschen bei dem immer tiefer in das Volk eindringenden Verständnis für die Naturwissenschaften die unabweisbare

Pflicht eines jeden ist. Die Selbstbelehrung wird erleichtert durch zahl¬ mit überraschender Treue dargestellte bunte und schwarze Ab¬ bildungen. Ein solches Buch sollte in keinem deutschen Hause, in keiner Familie, überhaupt in der Bücherei keines gebildeten Mannes fehlen. Probehefte von dem „Pflanzenreich" werden von der Verlagshandlung umsonst und postfrei geliefert. reiche,

Im

Abgrund. Sozialer Roman von Constantin Licbich, Verfasser von „Obdachlos". 300 S. 8°. Preis 2,80 Mk., hübsch gebunden 3,80 Mk. Berlin, Vaterländische Verlagsanstalt. Der verliegende Roman schildert den gesellschaftlichen Untergang eines tüchtigen jungen Kaufmanns, der weniger durch peisönliche, als durch die Schuld der traurigen Verhältnisse in den Abgrund des Vagabunden-Elends gerät. Als letzte Zuflucht geht er als Hofgänger nach Mecklenburg, wo er unter den primitiven Verhältnissen und der harten Arbeit schwer zu leiden hat. Die teilweise unverschuldete Unbill macht ihn zum Sozialdemokraten, zum Feind der bestehenden Ordnung, bis freundliche Schicksalsfügungen ihn dem geordneten bürgerlichen Leben und dem Glauben an die erlösende Macht des Christentums zurückgeben. Die Schilderung des Helden und zahlreicher Nebenfiguren ist überaus lebenswahr, nach den persönlichen Mitteilungen eines Unglücklichen ge¬ —m. schildert. — Der Roman kann warm empfohlen werden.

Judas. Eine Passionsgeschichte von Tor Hedberg. Köln 1887. Ver¬ lag von Albert Ahn. Preis 2 Mk. Die Geschichte des Judas, der den Herrn verriet, ist in diesem Werke zur Geschichte einer Menschenseele ausgestaltet, die, im Bann der Pcisönlichkcit des Erlösers, von schmerzlichem Zweifel zerriffen, in leiden¬ schaftlichem Trotz nach Befreiung lechzt, bis der grausame Zwiespalt

zwischen Haß und Liebe dem Gequälten das Kainszeichen an die Stirn drückt. Die Schuld des Judas ist in diesem Roman der unwahre Aus¬ bruch einer kranken Seele, deren Haß durch das Verbrechen hinüber zur Liebe geleitet wird. x.

„Der Sammler", illustrierte Fachzeitschrift für Sammelwesen und Antiquitätenkunde, begann am 1. April den 19. Jahrgang. Der Heraus¬ geber. Dr. Haus Brendickc, der seit 1885 diese in Sammelkreisen gut eingeführte Zeitschrift leitet, giebt eine reichhaltige Uebersicht über die Porträt-Darstellungen der Königin Luise mit 3 interessanten Abbildungen. Ferner liegt die Reproduktion der Voss. Zeitung vom 23. März 1797 (Geburt des Prinzen Wilhelm) bei, und von der Berliner MedaillenMünzc L. Ostermann vorm. G. Loos werden 2 neuere und 5 ältere Kaiser-Wilhelm-Gedächtnismünzen vorgeführt. Die „Kleinen Mitteilungen" bringen stets Berichte über Funde und Ausgrabungen, Museen und Sammlungen, Vereine und Gesellschaften, Litteratur und Katalogen. Anßerdem enthält jede Nummer die Preislisten der neuesten Versteigerungen aus dem Rud. Lepkc'schen Berliner Kunst-Auktionshause, so daß wir die inhaltreiche, im Verlage von K. Sicgismund, Mauerstraße 68, erscheinende Halbmonatsschrift warm empfehlen können. Für Kakteenliebhaber. Die Kaktecnliebhaberei ist seit einigen Jahren in Deutschland und auch anderwärts wieder im Emporblühen begriffen, ein Erfolg, der wohl in der Hauptsache auf die rührige „Gesellschaft der Kakteenfreunde" (Sitz Berlin) und auf die „Monats¬

schrift für Kaltecnkunde" (Neudamm) zurückzuführen ist. Auch die Wissenschaft hat sich naturgemäß in der letzten Zeit mehr mit dieser eigenartigen, so lange stiefmütterlich behandelten Pflanzenfamilie be¬ schäftigt. Dem jetzt nicht mehr unbedeutenden Interessentenkreise für Kakteen fehlte nun aber seit lange ein umfassendes Werk über dieselben, welches die Beschreibung der vielen Arten und gleicherzeit eine genaue Systematik aller Kakteengattungcn bietet. Nach langjährigen und ein¬ gehenden Studien in den größten Sammlungen des In- und Auslandes hat sich der Vorsitzende der .Gesellschaft der Kakteenfreunde" und der Herausgeber der ..Monatsschrift für Kakteenkunde", Herr Professor Dr. K. Schumann-Berlin, entschlossen, ein derartiges Werk abzufassen; dasselbe erscheint unter dem

Titel „Gesamtbcschrcibung derKakteen

(Monographia Cactacearum) von Prof. Dr. Karl Schumann, mit einer kurzen Anweisung zur Pflege der Kakteen von Karl Hirscht", in 10 Lieferungen zum Preise von je 2 Mk. reich illustriert im Verlage von Neumann in Neudamm (Provinz Brandenburg). Alle zwei Monate wird eine Lieferung herausgegeben, deren erste soeben erschienen ist. Ein Probcbogen, welcher einen genauen Ueberblick über die Art des ganzen Werkes bietet, wird von genannter Verlagsbuchhandlung jedem In¬ teressenten umsonst und postfrei geliefert. Wir wünschen dem für die ganze Kaktcenkunde so überaus wichtigen Buche den besten Erfolg und er¬ muntern jedermann, der sich mit der eigenartigen Pflanzenfamilie befaßt, auf das Werk zu subskribieren.

I.

Das Berliner Verkehrs-Lexikon ist in der Sommer-Ausgabe (Verlag von Max Schildberger, mit Plan von Berlin 40 Pf.) Dieses treffliche, nun bereits im 23. Semester erschienene Hand¬ büchlein bietet in engem Rahmen eine erstaunliche Fülle von Nachweisen über den Verkehr und das öffentliche Leben in Berlin. Die außer¬ erschienen.

ordentlich übersichtliche Anordnung der Eifenbahnfahrpläne erweist

sich

-

288

nicht nur wichtig für Touren in der Mark, sondern auch für weitere Reisen, da fast alle namhaften Städte und Badeplätze des Reiches auf¬ geführt sind. Mit besonderer Sorgfalt sind die Dampferfahrten in und um Berlin behandelt, und wir stehen nicht an, dieses handliche Büchlein

Berliner bestens zu cmpsehlen. Das Juni-Heft von Westermamis Illustrierte» Deutschen Monatsheften bringt an novellistischen Beiträgen eine dramatisch spannende Erzählung von Paul Robran: „Die Kette", der sich H. Abts „Der Rächer" und eine von echtem Humor erfüllte Musikergeichichtc von P. O. Höcker: „Das zweite Fagott" anschließen. Von den illustrierten Aufsätzen sei in erster Linie der Schluß der Abhandlung von H. E. von Berlepsch genannt: „Plakate". Unter den znölf Abbildungen, die dem zeitgemäßen Thema beigcgcben wurden, sind besonders tüe in Buntdruck hergestellten von eigenartig überraschender Wirkung. Den zahlreichen Freunden des Alpeiüpons wird die reich illustrierte Studie von Theodor Wundt: „Das Matterhorn", willkommen sein. In der ihni eigenen geistvollen Weise plaudert E. Eckstein über die „Gasthäuser im klassischen Altertum", während S. S. Epstein einen biographischen Essay bei¬ gesteuert hat, in we'chem die Verdienste unseres große» Naturforschers „Emil du Bois'Reymond" unparteiisch gewürdigt werdrn. Litterarische Notizen und Mitteilungen bilden wie gewöhnlich den Schluß des reich jedem

ausgestatteten Heftes. Die für die „Westermann'schen Monatskvfte in Berlin bei S Gerstmann's Verlag, Königin Augustastraße 85, errichtete Geschäftsstelle nimmt Bestellungen entgegen und sendet auf Wunsch Probeheft Meyers Konversations-Lexikon, Band XV. Man hat das Kon¬ versations-Lexikon vielfach als den Gradmesser der heutigen Kultur be¬ zeichnet. Das ist richtig, soweit man von der Bearbeitung eines solchen Werkes voraussetzen darf, daß sie dem einzelnen Gegenstand unter Be¬ rücksichtigung der herrschenden Sirömungen gerecht wird, seine Bedeutung von der gesamten geistigen Bewegung auf jenem Gebiete ableitet und so ein Spiegelbild menschlicher Forschung und Thätigkeit schafft, das vollen Einblick gewährt in die Entstehung, Gestaltung und Ausbreitung jeder Wisscnsfrage bis auf die Gegenwart. Es muß zugestanden werden, daß das Meyeische Werk auch diesen modernen Anforderungen vollkommen entspricht. Es unterrichtet über die älteren Forschungen mit derselben erschöpfenden Gründlichkeit, mit welcher es den Ereignissen der Gegen¬ wart auf Schritt und Tritt folgt. Das sollte jeder beherzigen, der die brennenden Tage-fragen und ihren inneren Zusammenhang zurück verfolgen, gegenüber den täglichen Eindrücken zu einem klaren Urteil gelangen will. Aus dem ncuerschienenen, die Stichworte „Russisches Reich" (Ge¬ schichte) bis „Sirtc" umfassenden fünfzehnten'Band heben sich die um¬ fangreichen geschichtlich-geographischen Arbeiten über das Russische Reich, Russisch-Zentralosicn (mit Gcsckichtskarte), Sachsen, Schleswig-Holstein, Schweben, Schweiz (mit reicher Statistik), Sansibar, Sibirische E.senbahn (mit neuer Karte von Sibirien) ab, die den schwierigen Stoff mit gewohnter Meisterschaft der Bestimmung des Werkes dienstbar machen. Aus dem Gebiete der Kunstgeschichte wird weiteren Kreisen der Artikel „Schauspulkunst" von Interesse sein. Zwei der vornehmsten Repräsentanten und Meister des deutschen Liedes und deutscher Musik: Franz Schubert und Robert Schumann, sind biographisch vorzüglich gewürdigt. Glänzende lexikographische Leistungen nach Inhalt und Form sind ferner die litterargeschichtlichbiographischcn Artikel „Schiller", „Schopenhauer", „Shakespeare". Der Autorschaft ausgezeichneter Forscher verdankt das Werk in diesen Arbeiten Beiträge von hohem wissenschaftlichen Wert, die sich durch Vertiefung, Klarheit des Urteils und warme Empfindung für das Geistesleben jener Dichter und Denker ausz-ichnen. Die Ab¬ handlungen aus dem Bereiche der Naturwissenschaften, der Physik und der Technik weisen auch in der gegenwärtigen Fortsetzung die herkömm¬ lichen Vorzüge der Bearbeitung auf. Die Artikel „Salz" (mit Tafel „Salzgewinnung"), „Schaugebilde" (mit farbiger Tafel), „Schmarotzer¬

pflanzen" (mit farbiger Tafel),

Inserate

„See" (mit Tafel „Seebildungen"),

->

-

„Schall" (mit vielen Textillustrationen), „Schießpulver", „Schiff" (mit Tafel „Schiffbau") und „Silber" (mit Tafel „Silbergewinnung") sind gleich musterhaft in erschöpfender, gemeinverständlicher Darstellung des Gegenstandes. Dem Kunstgcwerbe sind die instruktiven Aufsätze „Schmiede¬ kunst" (mit Tafel) und „Schmuck" (mit Tafel „Schmucksachen") gewidmet, während die Architektur neben anderen Beiträgen besonders durch den Artikel „Säule" (mit Tafel „Säulcnordnungen") eine würdige Ver¬ tretung gefunden hat. Reiches fachmännisches Wissen ist in den der Landwirtschaft zugehörigen Mitteilungen über Saat, Säcmaschincn (mit (Tafel), Schafzucht (mit Tafel), Schweinezucht (mit Tafel), Schlacht¬ haus rc. niedergelegt. Neben dem Reichtum an bildlichen Darstellungen (wir zählen in dem neuen Band außer 250 Textabbildungen nicht weniger als 87 Sonder¬ tafeln, darunter 13 Tafeln in Farbendruck und 21 Karten und Pläne)

fällt

aber auch die

planmäßige Ausgestaltung

dieses

Teils

bei der

Beurteilung des M-yerschen Werkes ins Gewicht. Einleuchtend veran¬ schaulicht eine Anzahl der neu eingefügten Jllustrationslafcln die für das neue Werk charakteristischen Merkmale der Umgestaltung und Erneuerung im Geiste der modernen Forschung und Erkenntnis. Daneben pflegen die Herausgeber mit Sorgfalt die weitere Ausführung der in früheren Bänden zu Tage getretenen Ideen. So begegnen wir auf naturwissen¬ Gebiete den in prachtvollen Farbendrucken ausgeführten Tafeln „Schaugebilde der Pflanzen", „Schlingpflanzen", „Seeanemonen" k., ferner der auf photographischen Aufnahmen beruhenden Holzschnitttaiel „Schnecgcbilde" u. a. Die Tafeln „Schiffslypen" bringen die Entwickelung des Schiffsbaues vom Altertum bis zum modernen Ozean¬ dampfer und eisernen Segelschiff in historischer Treue zur Darstellung. Der umfangreiche kartographische Apparat ist bereichert worden durch tiergeographische Karten (wie die „Karten zur Verbreitung der Säuge¬ schaftlichem

tiere"). Auch die geologischen Karten der Hauvtausflugsgebiete Deutschlands haben durch eine solche des Schwarzwaltcs eine Erweiterung erfahren. Endlich sei noch des instruktiven Blattes „Seckartcndarstellung" gedacht, das sich dem früher erschienenen Blatte „Landkartendarstellung" anschließt.

Inhalt:

Finis

Poloniae.

Historischer

Roman

von

— Die Kaiser Wilhelm - Ge¬ dächtnis-Kirche. (Mit Abbildung.) — Ein Juwel deutscher Bau¬ kunst. Von W. Schulz-Hasserode. (Fortsetzung.) — Militärische Ehrentafel eines deutschen Fürsten. Von B. Emtl König. (Mit Porträt.) — Kleine Mitteilungen: Bismarck und Wrangel. Bereicherung des Königlichen Münzkabinetts. Ein Extrablatt als Transparent. Das Pferd des Rationaldenkmals für Kaiser Wilhelm l. Ein schöner Zug der ältesten Kaiserlichen Prinzen. Vaterländische Sommer-Volksbühne in der märkischen Schweiz. Aus der „guten alten" Zeit. Interessante Bittschrift. Original-Depesche aus dem Feldzuge voni Jahre J870. — B üchertisch. C.

Gründler

(Fortsetzung).

Auf den dieser Nummer buchhandlung von Hovdincz

beiliegenden Prospekt der Verlags¬ über Tasehenatlantcn weifen wir hiermit em¬

Chr. Pfeip's

& Küchle in gMuttflnvt

pfehlend hin.

--

III

8460, — sowie von allen AnnoncenX., Schönhauser Allee 141, — Fernsprechstelle "MG — 40 4fach Petit-Zeile beträgt gespaltene Der Preis für die Bureaus entgegengenommen. Pf.

werden von der Geschäftsstelle Berlin

11 ^ Braut-Ausstattungen * mmJL

—1

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1.

27/28, am Gensdarmen-Markt.

Verantwortlicher Redakteur und Verleger: Fr. Zillefsen in Berlin X. 58., Schönhauser Allee 141. Druck der Buchdruckerei Gutenberg, BerliiV.X., Schönhauser Allee 141a. — Abdruck obne eingeholte Erlaubnis ist untersagt.

8a.

Her

Mark Krundeilburg und

der angrenzenden Gebiete.

Unter Mitwirkung von

Grnst G Darderf. Dr. K. Dövinguier. Professor Dr. Kroctser, Dr. H. KvendicKe, Theodor Fsntarrv, Stadtrat G. Fviedet, Rirtirrrd George, Ferd. Mörser, Gymnafialdirektor a. D. Dr. M. Kttsrriartj und G. ri. Wildorrdructs

Dr.

berausgegeben von

Friedrich ZiUessen. XXIII. Jahrgang.

25.

Der .,88t'' erscheint wSchentlich am Sonnabend und ist durch jede Postanstalt lNo 809), 8uchhandlnna und Zeitnngsspedition für 2Mk.50ps. vierteljährl.z» beziehen. Auch die Geschäftsstelle — Berlin N. 58,Schönh. Allee 141— nimmt 8estellungen entgegen. Jnseraten-Aufträge sind an die letztere zu richten. Die viergesp. Petitzeile kostet 40 Pf.

19.

Jlllli

1897.

k'Lnis ?o1oriiL6. Historischer Roman von C.

Grundier.

(24. Fortsetzung.)

war der Morgen des 29. November. Ein leichter Reif lag auf den Blättern der Bäume, und es wurde gegen Aufgang der Sonne empfindlich kalt. s

Als die Wanderer den Rand des Kaiserholzes erreicht hatten, lag die Ebene in Nebel gehüllt vor ihnen. Nur rechts, ganz in der Ferne, ragten die Turmspitzen von Kaiserslautern aus dem Nebelmeer hervor. Tann und wann erklang in der Ferne ein Klatschen, wie wenn jemand mit einer Peitsche knallt; es mußten Schüsse sein, die von den Vorposten abgegeben wurden. Sonst war alles ruhig. Nach einer Stunde angestrengten Harrens — es mochte zwischen neun und zehn Uhr morgens sein — lichtete sich der Nebel etwas, so daß die Kämme der benachbarten Höhenzöge schwach erkennbar wurden.

Da löste fich links auf einem Hügel ein weißes Wölkchen ab und zerfloß langsam in der Luft. Bald darauf vernahm man einen dumpfen Ton. — Da, noch ein Wölkchen! Und wieder eins! Die Schöffe mehrten fich und erklangen in

immer kürzeren Zwischenräumen.

Nun kam auch die Antwort von der andern Seite; dieselbe kam aber offenbar noch aus weiter Ferne. Nach ungefähr einer halben Stunde vernahm man auch deutlich das Knattern des Klein-Gewehrfeuers. Dann wieder krachten ganze Salven, die Schlacht war in vollem Gange. Dem Landmann wurde bange zu Mute. Er meinte, er wolle lieber einmal nach der entgegengesetzten Seite, nach Vielleicht seien keine seiner Heimat Miesenbach, ausschauen.

Franzosen mehr dort.

Er machte fich denn

auch dahin auf den

Weg und ließ Arabella allein zurück. Der Nebel hatte fich inzwischen mehr und mehr gelichtet, und es kam Bewegung in die Maflen. die im Thale lagen.

Was indes bisher der Nebel verhüllt hatte, verbarg jetzt der Pulverdampf, der wie eine Wolke über den Truppen lagerte. Nur zuweilen schob fich eine schmale, dunkle Linie aus der Dampfwolke hervor, um bald wieder in ihr zu verschwinden. Das mochte so einige Stunden lang gedauert haben, als plötzlich ein günstiger Luftzug den taktmäßigen Schlag vieler Trommeln von ferne herzutrug. Zugleich erklang es wie ein Schrei aus vielen tausend Kehlen, nur schwach, aber vernehmbar. Darauf ungemein heftiges Schießen, kurz hintereinander mehrere Salven. Und wiederum der Schrei, diesmal näher. Dann wurde es ruhiger. Nur das Knattern des Gewehrfeuers nahm kein Ende.

Die Artillerie auf der Höhe hatte ihre Stellung verlassen und eine solche weiter rückwäris eingenommen. Bald eröffnete fie von hier aus wieder das Feuer. Da hörte Arabella deutlich Trompetensignale. Wie gut kannte fie dieselben!

Der Pulverrauch hatte fich ziemlich verzogen. Sie sah. wie in der Ferne dunkle Massen fich bald rascher, bald lang¬ Wegen der großen Entfernung samer hin und herschoben. ließ fich jedoch nichts deutlich erkennen, auch verdeckte manchmal Endlich wurde es auch eine Bovenerhöhung die Bewegungen. vor ihr lebendig. Zuerst kamen etliche Dutzend französischer Soldaten in

eiligem Lauf an, bald folgten größere Trupps, und schließlich wälzte sich eine unabsehbare Menge in wildem Durcheinander auf dem sanft ansteigenden Blachfelde einher. Hornfignale ertönten, Kommandorufe erschallten; dazwischen ununterbrochenes Gewehrfeuer aus nächster Nähe. Arabella vergingen fast die Sinne, obwohl ihre Nerven schon etwas auszuhalten gelernt hatten. Sie zog sich eiligst in den Wald

Arabella wurde vorwärts gestoßen und stand vor dem jungen Offizier, der wohl kaum älter war, als sie selbst.

„Wie heißt Du?"

„Andre Duloup". „Was willst Du hier?" „Ich will zu meinem Bruder." „Wie heißt Dein Bruder?" „Pierre Duloup." .„Wo hält sich der auf?"

zurück.

Die flüchtigen Franzosen schienen sich wieder geordnet zu haben. Regelmäßige Salven ertönten aufs neue, und die Trompetenfignale erklangen aus größerer Ferne, der Rückzug schien zum Stehen gekommen zu sein. Arabella beschloß, sich noch weiter in den Wald zurück¬ zuziehen, um von den französischen Soldaten nicht entdeckt zu werden. Doch hatte sie zugleich Furcht, es könne ihr gehen, wie am Tage vorher, sie könne sich verlausen. Sie ging denn auch nur soweit in den Wald, daß sie die Richtung ins Freie jederzeit wieder gewinnen konnte. Der Hunger regte sich, Durst Sie kauerte sich in quälte sie, und der Abend sank herab. ein dichtes Buschwerk.

und die Geraume Zeit lag sie hier unbeweglich, Glieder begannen ihr stets zu werden. Das Schießen hörte endlich auf, Nur ein dumpfes Geräusch, wie von vielen Stimmen, drang von außerhalb des Waldes an ihr Ohr. Auch schallte es ab und zu wie von Axtschlägen, als wenn Bäume gefällt würden. Jetzt horchte sie gespannt auf. In unmittelbarer Nähe erklangen männliche Stimmen. Sie erschrack heftig, sprang auf, wollte entfliehen und lief gerade zwei französischen Soldaten in die Arme, welche trockenes Reisig zum Wachtfeuer suchten.

„Eh, mon gar^on. läufst Du fort. Junge?

Wen haben wir denn da? — Warum Was willst Du hier, he?"

„Ach bitte, laßt mich los! Ich habe nichts Unrechtes Ich wollte nach Kaiserslautern, da hörte ich das Schießen und habe mich so gefürchtet." gethan.

„Ah. nach Kaiserslautern, zu den Preußen? Du bist Spion!" „Nein, nicht zu den Preußen!" Ein plötzlicher Gedanke durchzuckte ihr Gehirn. „Nicht zu den Preußen!" rief sie. „Ich weiß ja gar nicht einmal, wo sie sind. Ich suche ein

meinen Bruder, der in den Reihen der tapfern französischen Armee kämpft und jeden Augenblick bereit ist, sein Blut für das Vaterland zu verspritzen."

„Ausreden, thörichte Ausreden! So sagen sie alle. Gleich mit zum Kommandanten auf die Feldwache! Der wird ent¬ scheiden. was mit Dir geschehen soll!" Widerspruch hätte nichts geholfen. fügen und zog mit zur Feldwache.

Arabella mußte

sich

25 bis 30 Soldaten versammelt, welche bemüht waren, ein Feuer zu entzünden. Das grüne Holz wollte nicht recht brennen, deshalb hatten einige nach trockenem gesucht. Ein junger Sous-Lieutenant sah, auf seinen Säbel gestützt, den Bemühungen seiner Leute zu. „Nun, Baptiste, wen bringt Ihr denn da?" „Diesen Burschen fanden wir im Walde versteckt. Es ist ein Spion."

Am Rande des Waldes fand

„Komm mal her, Junge!"

sie

herrschte er sie an, indem er sich eine

wichtige Miene zu geben versuchte.

„Er

steht beim 117. Linienregiment, zweite

Kompanie."

„Was willst Du denn von ihm?" „Er soll mir sagen, was ich thun soll." „Nun hört mal", wandte er sich an seine Füsiliere, „wie der Schlingel lügen kann! Aber es amüsiert mich, mir noch etwas mehr vorlügen zu lassen.

Diantre!

Nachher baumelst

Du doch!" „Ich lüge nicht, mon capitaine!" erwiderte Arabella und „Wenn mein Bruder hier sah den Souslieutenant dreist an. wäre, würde er alles bestätigen. Ich habe bis jetzt bei der Großmutter gewohnt, da man mich als Soldat noch nicht brauchen konnte, nun ist diese gestorben."

„Da mußtest Du ja erben, Du ülorU" „Es war nichts zu erben. Wir find ganz arm. Arbeit gab's auch nicht. Da wollte ich meinen Bruder fragen, ob mit anbringen könnte." „Dich jämmerlichen Knirps!?" „O, eine Flinte kann ich schon losschießen!" „Ha, ha. ha! Solch ein Kerlchen! Kennt denn einer von Euch diesen großmächttgen Pierre Duloup?" „Duloup, Duloup?" murmelte einer der Füsiliere, „es ist mir, als ob ich den Namen schon gehört hätte." „Ist es vielleicht der. mit dem damals die Geschichte bei Pirmasens passierte?" fragte der Souslieutenant. „Wo¬ her war doch der Kerl?" „Von Monrepos!" rief Arabella. „Richtig, von Monrepos!" sagte der Füsilier, indem er vortrat. „Man sprach damals allgemein davon. Die Hundertfiebzehner wollten nicht wieder vor, -weil die preußischen Ka¬ nonen gar zu toll schoffen. Da zog Duloup den Säbel er mich nicht vielleicht als Soldaten

drohte, er würde jeden niederstechen, der fliehen wolle; wirklich versetzte er auch einem der Ausreißer einen Hieb über den Kopf. Dann stellte er sich an die Spitze der Mannschaften, und sie nahmen den Preußen eine Kanone. Leider haben diese roten Teufel von Husaren sie uns hernach wieder abgenommen. Aber der Colonel ernannte ihn gleich auf dem Schlachtfelde zum Sergeanten." und

„So, so," rief der Offizier „das ist also Dein Bruder?" „Gewiß!" erwiderte Arabella. „Er war Gärtner bei mei— bei meinem damaligen Herrn, dem Grafen de Lafere." „Du willst sagen, bei dem Bürger Lafsre?" „Ja, bei dem Bürger Laföre!" „War es nicht Monrepos, wo der Kommissar Chablet erschossen wurde?" „Ja. und ich war dabei, als mein— damaliger Herr ihn erschoß." „Richtig, richtig! Und nachher wurde die ganze Bande niedergemacht und die Tyrannenhöhle ausgebrannt. Diese ver¬ fluchten Aristokraten! Möge sie alle der Teufel holen!"

291

„Ich glaube", wandte sich der Füsilier an den Lieutenant, spricht wirklich die Wahrheit. Die Hunderlsiebzehner Bengel „der stehen nur drüben bei der andern Kolonne, bei Erlback. oder wie das Nest heißt, sonst könnte man leicht dahinter kommen." „Ja, ja! Nun, wir wollen die französische Armee nicht Was hast Du denn in eines tapferen Soldaten berauben. Kasten?" dem „Da habe ich mein Instrument. Ich hatte ja keinen Sous Geld, da habe ich den Leuten manchmal für Geld etwas vorgesungen." Dabei packle Arabella ihre Guitarre aus. „Ha, ha ha! Nusa tu bello! Nun, nachher sollst Du uns einmal die Marseillaise vorsingen! Jetzt wirst Du wohl Hunger haben, denn ich glaube, diese Eichen und Kiefern haben sich wenig dankbar für Deine Kunst erwiesen." Die Füsiliere hatten inzwischen das Feuer entzündet. mit Wasser und einem Stück

Verschiedene hatten ihre Feldkesiel

Hammelfleisch

an

dasselbe

geschoben.

Andere

waren

zu

faul dazu gewesen; sie hielten einfach ein Stück Fleisch an der Säbelspitze in die Flamme und verzehrten es dann halb roh. halb verbrannt. Arabella erhielt etwas von der dünnen Brühe nebst einem Stück Brot. Es schmeckte ihr köstlicher, als früher die feinsten Gerichte auf ihres Vaters Tafel. Nachdem die ebenso frugale wie kurze Mahlzeit beendet war, zogen die Füsiliere ihre kurzen

Thonpfeifen

hervor

und

zündeten

den

schweren,

stinkenden französischen Tabak an; dann lagerten sie sich, Füße gegen das Feuer gekehrt, im Kreise.

„Nun

kannst

die

Du uns Deine Kunst zeigen, mein Junge!

Komm' mal her!"

„Ich werde Sie wohl nicht befriedigen, rnon capitaine; meine Stimme ist durch die vielen Strapazen und die üble schwach geworden." „Schadet nichts, kleiner Kerl! Wir find nicht so verwöhnt. Fange nur an!" Arabella nahm ihre Guitarre und stimmte sie. Dann setzte sie sich etwas in den Schatten und begann

Witterung rauh und

mit zitternder Stimme:

„Allons, ensants de la patrie! Le jour de gloire est arrive. Contre nous de la tyrannie L’etendard sanglant est leve. Entendez-vous dans les campagnes

Mugir ces feroces soldats? Ils viennent jusque dans nos bras Egorger vos tils, vos compagnes. Aux armes, citoyens! Fonnez vos bataillons! Marcbons, marchons, q’un sang impur Abreuve nos sillons!“ Der Schmerz wurde ihr erspart, das Lied zu Ende fingen zu müssen, denn gleich nach den ersten Strophen waren die

Füsiliere gröhlend und brüllend eingefallen und hallen ihr dünnes Sümmchen überschrieen, indem sie zugleich den Takt

mit den Fäusten auf ihren Flinten hämmerten. Sie sahen auch nicht die Thränen, die leise aus ihren Augen herabtropften. Zum Schluß klatschten sie ihr wütend Beifall. Einer von ihnen hielt ihr eine Feldflasche mit Branntwein an den

Mund und schrie: „Trink', Kamerad! Du wirst einmal ein tüchtiger Füsilier!" Arabella mußte scheinbar gehorchen. Sie setzte die Flasche an den Mund, hielt aber die Zunge vor die Oeffnung. Es ekelte sie unsäglich.

Bald darauf lag alles im Schlummer, und nichts unter, Stille, als der Schritt und der Ruf der Wachen oder ein vereinzelter Schuß der Vorposten in der Ferne.

brach die tiefe

Am andern Morgen riefen die Hörner zeitig zum Sammeln. Tie Feldwache eilte zu ihrem Truppenteil. Niemand be¬ kümmerte sich um sie, denn jeder halte mit sich selbst genug zu thun. Zu ihrer Verwunderung sah sich Arabella plötzlich allein. Eiligst flüchtete sie natürlich wieder in den Wald. Hier verblieb sie lange, lange Stunden. Die Kanonade hatte aufs neue begonnen, deshalb wagte sie sich aus ihrem Versteck nicht heraus. Von Stunde zu Stunde aber fühlte sie sich elender. Die völlig ungenügende Nahrung der letzten Tage, die körperliche und seelische An. strengung hatten ihre Kräfte völlig aufgezehrt. Fieber durch¬ schüttelte ihre Glieder, ein brennender Durst, schlimmer noch als der Hunger, quälte sie. Wenn sie nur Wasser hätte, nur einen einzigen Tropfen Wasser! Es mußte doch Wasser in der Nähe sein, die Soldaten hatten ja gestern welches gehabt. Sie beschloß, nach Wasser zu suchen, und wenn cs ihr Leben kosten sollte! Sie war schon ganz gleichgültig gegen den Tod geworden. Im Kriege, wo so viele Hunderte von Menschenleben in einer Stunde unter¬ gehen,

achtet man

Sie schleppte

schließlich des eigenen Lebens nicht mehr.

mehr, als daß

ging, zwischen frisch bestellten Ackerfeldern hindurch nach einer Niederung, wo sie Ueberall die Spuren des Krieges: die Wasser vermutete. jungen Saaten zertreten und von den Hufen der Rofle zer¬ stampft; die Wege bodenlos ausgefahren; auch versperrten Karren, deren Räder zerbrochen waren, die Passage. Das Resten der zahllosen Wachtfeuer, ganze Gelände war von den die gestern hier gebrannt halten, bedeckt. Aschenhaufen, halb¬ verbrannte Holzblöcke, Weinbergspfäle, auch Mobiliarstücke aus den Weinberghäuschen lagen umher. Sie kam bald an eine breite Straße. Es mußte die Heerstraße von Kaiserslautern nach Saarlouis sein. Jenseits lag ein Wiesenstreifen, am Ende desselben derselben standen Weiden und niederes Buschwerk. Da mußte es Wasser Sie eilte, so rasch es geben — gewiß, das war die Lauter! ihre Kräfte zuließen, über die Wiese an das Ufer. Aber das Ufer war steil, tief hatte sich das Flüßchen in den fetten Lehmboden eingewühlt, sie konnte den Wasserspiegel nicht er¬ reichen. Mit dem Futteral ihrer Guitarre gelang es ihr endlich, etwas von der Flut zu schöpfen, und sie trank begierig das gelbe, lehmige Wasier. O dieses Labsal! Die Mittagsstunde mochte schon vorüber sein, da hörte sie ein ge¬ waltiges Geräusch auf der Landstraße, das selbst den ununter¬ brochenen Kanonendonner aus der Ferne und das Knattern des Gewehrfeuers übertönte. Eine endlose Reihe Gepäckwagen und Pulverkarren kam angerasielt. Unaufhörlich peitschten die Knechte auf die keuchenden Pferde. Gewiß waren die Franzosen wieder aus dem Rückzüge. Wenn sie entdeckt wurde, war es um sie geschehen. Sie suchte eiligst nach einem Versteck. Der Trieb auf Erhaltung des Lebens machte sich doch wieder geltend. sich

sie

292 Während sie so an dem Ufer der Lauter entlang lief, gewahrte fie am Rande des Flußbetts eine kleine Sandbank, die von dicht überhängendem Buschwerk bedeckt war. Hier konnte fie bei den hohen Ufern des Flüßchens

nicht

gesehen

werden. Sie kletterte hinab und sank, vollständig erschöpft, bewußtlos zu Boden. — (Fortsetzung folgt.)

Rudolf Kange und die Feier seines 80. Geburtstages. (Mit

zwei Abbildungen.)

Es war ein seltenes und schönes Fest, zu dem fich am etwa 2. Oktober v. 300 Schulmänner in Lehrer - Seminar dem

I.

zu Cöpenick versammelt

Der Königliche Mufiklehrera.D. Rudolf Lange, der über 50 Jahre lang an den Se¬ hatten.

Groß-Dreben, Potsdam und Köpenick

minaren

mufikalischen Hause aus wurde die edle Mufika in der ganzen

Stadt verbreitet; denn nachdem Sohn und Töchter von den Eltern und von dem einzigen hervorragenden Musikpädagogen damaliger Zeit am Orte. von Ernst Hentschel, im Klavierund Orgelspiel ausgebildet waren, unternahmen fie es — also Töchter—, in mehreren Familien der Stadt MusikUnterricht zu erteilen — ein Unternehmen, das damals noch Da des Vaters Lieblingsziemliches Aufsehen erregte. Instrument die Orgel war, so war die Familie oft. nicht bloß des Sonntags, auf dem Oigelchore versammelt, und die älteste Schwester, eine begabte Orgelspielerin, hatte den Vorzug, daß ihr einziger und vielge¬ liebter Bruder ihr die Balgen trat, wenn sie beim Gottesdienste den Vater vertrat. auch die

Nachdem der braun¬

Jüngling in alter, schöner Sitte fich den Beruf des Vaters frische

lockige.

zu dem

seinen

erwählt

in reichem Segen gewirkt hatte, bis er im Jahre 1888 in den Ruhestand getreten war, feierte sei¬ nen 80. Geburtstag, und

hatte und den ungebun¬

Schüler desselben in Berlin und den Umgegend harten

ren Romanschriftstellerin Louise Francois verlebte, Valet sagen mußte,

die

zahlreichen

Beschluß

gefaßt,

diesen

Tag zu einem deren Fest- und Ehren¬ beson¬

tag für den allseitig ver¬ ehrten Lehrer zu gestalten.

Rudolf Lange wurde am 2. Oktober 1816 zu Weißenfels a. Saale als einziger Sohn des Baccalaureus und Organisten Lange geboren. Seine Vaterstadt, damals eben erst preußisch geworden, ist als Seminarstadt seit mehr denn 100 Jahren

denen Knabenjahren, die

mit

den

Söhnen

des

er

Thümmel und

begabten

Pastors der späte-

trat er in das Seminar seiner Vaterstadt ein. Das Weißenfelser Seminar begann seit dem Jahre 1822 die Augen der deutschen

und außerdeutschen Schulmänner auf fich zu ziehen; dort entfalteten

Wilhelm Harnisch neben

Ernst Hentschel,

Stubba und Lüben ihre

allen deutschen Schul¬ männern bekannte Namentlich Thätigkeit. E. Hentschel wurde von Votidtsfel für Rudolf Tsnge. Einflüsse auf großem bekannt. Auch in der Dem König!. Seminar zn Cöpenick, übergeben am 2. Oktober 1896. lernbegierigen unsern Mufikgeschichte wird fie Jüngling. Dieser sowohl, in Verbindung mit keinem Geringeren als G. Fr. Händel erwähnt, welcher in der dor¬ wie Harnisch, verkehrten im lustigen Mufikantenhause und tigen Schloßkirche schon als Knabe den herzoglichen Hof durch waren gerne Gäste in dem von der Stadt nicht weit der Familie Lange gehörigen Weinberge. gelegenen, sein Orgelspiel entzückte. Schließlich wird die Stadt in der An Sommer- und Herbsttagen pflegten fich hier einige wohl¬ Litteraturgeschichte als die Geburts- und Wirkungsstätte der habende Bürgerfamilien der Stadt zu treffen und bei einer Romantiker Novalis und Müllner genannt. In dieser heutzutage gewerblich aufblühenden Stadt, die Tasse Kaffee oder beim Genuffe von Obst zu plaudern und zu fingen. Zuweilen trugen Fensterläden und Thüren des der Bach- und Wagner-Stadt Leipzig nahe benachbart liegt, verlebte Rudolf Lange eine frohe Jugend. Vater und schlichten Wcinberghäuschens Spuren poetischer oder mufikalischer Mutter, sowie die nachgeborenen vier Schwestern pflegten eifrig Augenblicksleistungen, und in fröhlicher Stimmung ging man, namentlich bei Mondenschein, der Stadt am späten Abend zu. die Mufik. Das Organistenhaus — neben der stattlichen Pfarrkirche — barg zur Verwunderung der Nachbarn vier Klaviere, die häufig zu gleicher Zeit erklangen. Von diesem

Noch heute träumt der Achtzigjährige von diesen anregenden Weinbergs-Idyllen, die nach seiner Meinung im Rheingau

298

ja Kirschen aus dem Weinberge bei Weißenfels oder gar Weintrauben von dort find bisher durch kein Obst aus einer andern Gegend an Süßigkeit und Würze übertroffen worden. Bei dieser rührenden Anhänglichkeit an die traute Heimat steht ihm besonders das Bild der Mutter vor Augen. „Was würde Deine gute Mutter dazu sagen?" — so pflegte er vor Entscheidungen im Leben sich vorzuhalten; ihr verklärtes Bild kann ihm nicht verfließen in seiner Seele. Es begleitete ihn in die Ferne, als er neben dem Lehrberufe fich der Kunst widmete. Namentlich in Berlin bot fich ihm hierzu reichlich Gelegenheit. Neben dem Institute für Kirchenmusik besuchte er fleißig das König!. Opernhaus Mancher Künstler und manche Künstlerin und die Museen. von Ansehen gönnten ihm ihren Verkehr, um ihn an den hohen Geuüffen der Kunst teilnehmen zu laffen. Und als er dann berufen wurde, Lehrer, Cantoren und Organisten heran¬ zubilden. wie zuletzt in Potsdam und Cöpenick, da setzte nicht schöner sein konnten;

wird für die heranwachsende Jugend. — Und wie er im Amte, das er so viele Jahre mit Freuden versah, und damit dem Staate, so hat er auch von seinen reichen Gaben auf diesem Gebiete mitgeteilt, soviel er konnte. Eine feingebildete Gattin erzog mit ihm einen Sohn und eine Tochter in den Harmonien der Kunst. Die musikalische Pflege des eigenen Vaterhauses ward jetzt den Kindern zu teil. Hoffnungsvoll entwickelten sie fich und konnten die Eltern als verständnisvolle Mit¬ genießer der Kunst auf ihren Reisen begleiten. Leider sollten sie in reiferen Jahren mit der geliebten, häufig kränkelnden Mutter dem Vater entrissen werden. Aber wenn auch die schwersten Verluste über ihn hereinbrachen, ungebeugt noch lebt Rudolf Lange unter seinen Schülern und Freunden, und wie diese ihm in Dankbarkeit und Verehrung zugethan gezeigt. find, das hat eben die Feier vom 2. Oktober v. Die Hauptfeier fand im großen Ocgelsaal des Seminars der Kunst diente seiner

Familie

I.

Ludolf Tange inmitten seiner ältesten Schüler (1844—60). (Außerdem Schulrui Schulze, Schulrat

vr.

Renisch und einige andere Herren.)

Nach einer photographischen Aufnahme von P. Polster-Berlin.^

fort auf Ferienreisen durch Italien, Frankreich und Holland. Das Ergebnis dieses keine Mühe und keine Kosten scheuenden Studiums war ein feines Kunst¬ verständnis, ein wohlgebildetes Urteil über Kunstangelegenheiten im weitesten Sinne, das ihn außerordentlich befähigte, König¬ licher Seminar-Musiklehrer zu sein. Und derjenige, welcher er

seine Kunststudien

nicht durch Theorien zu überzeugen wäre, wie innerlich die Verbindung, die Wechselbeziehung zwischen Kunst und Sittlichkeit

Rudolf Langes nachprüfen. und nunmehr längst Lehrers Wie hat er im Sinne seines Heimgegangenen Freundes E. Hentschel den Volks schul-

ist, mag die erzieherischen

Erfolge

gesang als den volksmäßigen, reinen Ausdruck sitt. licher Gefühle gepflegt, wie hat er durch tiefempfundene Kompositionen der Andacht gedient, und wie verstand er es, durch einen planmäßigen Unterricht in den herrlichen Museen Berlins den jungen Seminaristen eine

Ahnung zu

verschaffen von den lichten Höhen des menschlichen Genius! — Hier ist im Laufe der Jahrzehnte eine Saat gesäet,

die reichen

Segen

gebracht

hat

und

noch

bringen

statt. Sie wurde durch ein Orgelvorspiel des Seminarlehrers Engelbrecht, eines ehemaligen Schülers von Lauge, eingeleitet, worauf der Jubilar unter dem Gesänge des Chorals „Lobe Nach Verlesung den Herren" in den Saal geleitet wurde. Or. Renisch Schulrat des 91. Psalms durch Seminardirektor

und nach einem von diesem gesprochenen Gebet brachte der Erksche Männer-Gesangverein, dessen Ehrenmitglied R. Lange ist. das Grellsche „Siehe, wie fein und lieblich" zum Vortrag. Lehrer Thiel aus Charlotteuburg hielt die eigentliche Festrede und schilderte mit warmen Worten die Verdienste des

Jubilars um die Hebung

des

Schulgesanges in Wort und

mit überreichte aus Berlin Lehrer Luckow Schrift. Schülern 700 eine von Verehrung und der Dankes Worten des gestiftete Votivtafel in Bronze (s. Abbildung auf S. 292), die im Orgelsaal des Seminars ihre Stelle finden und das Andenken an den Jubilar auch unter den nachfolgenden SeminarNachdem soll. sichern Seminargenerationen Seminar in für das die Tafel Renisch Schulrat vr. direktor der Akt solchen über Freude Empfang genommen und seiner

294

Pietät Ausdruck gegeben, verlas Erziehungsinspektor Piper aus Dalldorf tm Namen aller ehemaligen Schüler eine Adresse (künstlerisch ausgeführt durch Lehrer Schlegel-Berlin), in der hieß: „Wie ein Sirom seine Gewässer befruchtend in die Lande ergießt, so ist von Ihnen aus durch Ihre Schüler in Schule und Kirche die Liebe zu Musik und Gesang in die Herzen weiter Kreise unseres Volkes hineingesungen und gespielt worden." Schulrat Schulze aus Berlin, der als ehemaliger Kollege Langes am Cöpenicker Seminar auch zur Feier erschienen war, wies auf die schöne Ernte hin, die nach langer, schwerer Arbeit nunmehr eingeheimst werde, sowie auf die seltene und hohe Ehre, die dem treuen Lehrer, dem Vater des Volksschulgesanges in der Provinz Brandenburg, in der Ver¬ ehrung seiner Schüler zu teil werde. Nachdem dann noch es u. a.

Lehrer

Weitling

aus Berlin die Glückwünsche

des

Erkschen

Ein erhebendes Festmahl vereinigte nachmittags und ein nicht minder schönes Festbankett abends die Festteilnehmer. Lautlose Srille herrschte, als der Jubilar gegen Schluß des Festmahls das Wort ergriff und in fast halbstündiger Rede ein von echtem Humor durchwürztes Bild seines Lebens und Wirkens gab.

In

der Pause zwischen der Feier im Orgelsaal und dem

Festmahl wurde die ganze Festversammlung von Lehrer PolsterBerlin in verschiedenen Gruppen photographiert. Eine dieser Gruppen zeigt uns das Bild auf Seite 293. Rudolf Lange fitzt dort in der ersten Reihe in der Mitte, rechts von ihm Schulrat Schultze, links Schulrat Or. Renisch. Möge der trotz seiner 80 Jahre noch selten rüstige Greis noch lange in unserer Mitte weilen und sich der Verehrung und Liebe seiner einstmaligen Schüler erfreuen!

Gesangvereins übermittelt und der Jubilar in kurzen Worten tief bewegt seinen Dank ausgesprochen, schloß die schöne und erhebende Feier mit dem Gesänge „Nun danket alle Gott" und einem Orgelspiel des Seminarlehrers Seidel aus

Neu-Ruppin. Die vorhin erwähnre

Votivtafel

Porträt Rudolf Langes.

zeigt das wohlgelungene

Ueber demselben stehen die Worte:

Einiges au£ einem nur noch

al«* Anicum vorhandenen Lochbuch auF Frankfurt a. ZN. im Jahre 1604 .

„Von allen Orgelstimmen süß und traut bleibt vox humana doch der schönste Laut", unter demselben: „Rudolf Lange wirkte als Königlicher Seminar-Musiklehrer zu Potsdam und Cöpenick von 1844—1888. Am 2 Okiober 1896 zum 80. Geburtstage von den dankbaren Schülern gestiftet." Zu den Allen des Seminars wurde eine Urkunde über die

Stiftung

der Weihetafel gegeben, die folgenden

Wonlaut hat:

„Cöpenick, den 2 . Okiober 1896. Am 18. April 1896 regle die Berliner Vereinigung „Ehemaliger Cöpenicker" eine Ehrung für den König!. Seminarmufiklehrer a. D. Herrn Rudolf Lange zu dessen 80. Geburtstage am 2 . Oktober 1896 an. Der Beschluß, dem allverehrten Lehrer, der sein reiches Können von 1844—1851 dem König!. Lehrerseminar zu Potsdam und von 1851—1888 dem Köntgl. Lehrerseminar zu Cöpenik in den Dienst stellie, eine Weihetafel zu stiften und dem König!. Lehrerseminar zu Cöpenik zu spenden, fand bei mehr denn 700 Schülern freudige Anteilnahme. Die König!. Behörden willfahrten gern der Bitte, welche von dem derzeitigen Direkior des König!. Lehrer,

seminars zu Cöpenick Herrn Schulrat Or. Renisch wohl¬ wollend vorgetragen wurde, die Weihetafel im Orgelsaale des Seminars anbringen zu dürfen. Die Enthüllung der Wethetafel — modelliert vom Bildhauer Herrn Schimmelpfennig (Berlin) und gegossen in der Gladenbeckschen Bildgietzerei, Aktiengesellschaft zu Friedrichshagen — geschah heute unter Beteiligung von mehr denn 300 Freunden und Verehrern Rudolf Langes in dem festlich geschmückten Orgelsaal. Künstlerisch verschönt wurde die Feier durch die musikalischen Gaben der König!. Seminarmusiklehrer Herren Engelbrecht von Elsterwerda und Seidel von Neuruppin. Schüler Rudolf Langes und des Erkschen Männergesangvereins, dessen Ehrenmitglied R. Lange ist. Für die ehemaligen Cöpenicker und Schüler Rudolf Langes: Hermann Luckow, Lehrer, Berlin."

Titel: Girr neu (neu») Kechlrnch Das ist Eine gründliche Beschreibung, wie man rechtre

mal, nicht allein von vierfüsfigen, heymischen und wilden Thieren, sondern auch von mancherlei Vögel und Federwildpret, darzu von grünen und dürren Fischwerk u. s. w. zuzurichten sei.

darinnen zu vernemmen, wie man herrliche große sammt gemeine Gasten yn ordentlich anrichten und bestellen soll Allen Menschen, hohes und niedriges Standes, Weibs und Manns Personen zu nutz, jetzunde zum ersten Druck gege¬ ben, dergleichen vor mir nie ist ausgegangen Durch M. Marxen Rumpolt, Churf. Meintzischen Mundtkoch Mit Röm. Keyserlicher Maiestät special Privilegio 1604 Sampt einem gründlichen Bericht, wie man alle Wein vor allem zerfällen bewaren, u. s. w. Getrukt zu Frankfort am Mayn, bey Johann Saum In Verlegung Peter Fischer Erben. Auch

ist

Bancketen

Widmung: Der Durchlauchtigsten. Hochgebornen Fürstin und Frawen, Frawen Annen, gebornen Königin zu Dänemark. Hertzogin zu Sachsen, Landtgräsfin in Thüringen. Marggräsfin zu Meissen, Burggräsfin zu Magdeburg u.s.w. Meiner gnädigsten Fraouwen (Vignette: ein Elephant mit Wappen) Es haben Durchlauchtigste Churf. G. F. zu jeder Zeit die verständigsten Leut Menschliches Geschlechts, denjenigen,

mit

höchstem ernst den Nachkommen, durch die von

so

Gott jenen

verliehene Gaben, nützlich und dienlich zu seyen, etwas fruchtbarliches bei inen zu schaffen, und also umb die gantz Mensch¬ liche Gesellschaft

sich

wohl zu verdiene unterstanden haben,

besonders fürnemmes Lob, und zwar

nit unbillig zugeschrieben.

-

-

.

—....

Demi obwol ein jeder in seinem Standt, in welchen er von unserm lieben Herrn Gott gesetzt und geordnet, so fern er demselbigen nach Gottes willen trewlich und mit ernst nach¬ setzet, Gott angenem ist: So zeuget doch beydes die erfahrung, und gelehrter Leut Schriffien, daß in diesen letzten geschwinden läuffien, da von wegen der Sünde beydes die ganze Natur, und auch das Leben der Menschen verkürtzt wird, und von Tag zu Tag je lenzer und mehr abnimpt, zum höchsten von nöten, daß man nicht allein täglich mit guter Vermahnung, und mit nützlichen Lehren, sonderlich bey der Jugendt, anhalte, sondern auch ein jeder nach seinem besten vermögen, dergleichen Lehre und Unterweisung zum trewlichsten in Schriften versaßet, miss die nachkommen helffe erhalten und fortpflanzen. Und zur Beförderung dessen hat unser lieber Herr Gott von anbegin je und allweg etliche vortreffliche im Regiment, auch andere Professionen und Faculteten, Sprachen und guter Kunst verständige gelehrte Leut erwecket, geführet und erhalten, hiermit anzuzeigen, daß sein endlicher Wille im geringsten nicht sey, daß das Menschlich Geschlecht ohne gewiffe gefaßte Regiment. Zucht und Ehrbarkeit, als wie die Riesen und Cyclopen, oder auch ohne gute Künste und fleißige Unterrichtung wie das wilde unvernünftige Vieh dahin lebe und wandle. In Betrachtung dessen, daß nemlich das Menschlich Geschlecht erstlich und Fürnehmlich zu erkenntniß Gottes, seines Schöpfers Wesens und willens, demnach zu Übung der Tugend!, Zucht und Ehrbarkeit, und Erhaltung Bürgerlicher Gesellschaft, im ansang von Gott erschaffen, haben sich viel hoher, und von Gott sonderlich für andere begnadeter Leut, mit solchen Lehren andere,

nit allein Mündlick

zu unterrichten, sondern auch solches

in Schriffien gründlich begriffen, hinter treulichsten unternommen.

(In

diesem

Stil

sich zu

geht es noch fünfmal

so

verlassen zum

lang weiter!)

.

An den gutherzigen Leser. Es schreibt Pindarus: daß gleich wie in einem köstlichen und Königlichen Bau im eyngang alles köstlich und zierlich, alle Seulen aufs kunstreichste gemahlet und überguldet, auch anderes,

so

die Augen

Also sollen die jenigen, zu verfertigen, untern

aufs herrlichste zugerichtet: etwas zu beschreiben und im Druck

gesellig,

so

(Run folgen ausführliche, bls ins kleinste ausgedehnte Anforderungen und Vorschriften für das zur Küche gehörende Personal, von Koch und Einkäufer angefangen bis zu den letzten Dienstboten.)

Wir Rudolph Kaiser,

der andere, von Gottes Gnaden, erwählter zu allen zeiten mehrer des Reichs, zu

merklichen unkostens. ein ganz nützlich Kochbuch, von allerley vierfüssigen, esfigen Thieren, Wildpret. Vögel, Fischen, Ge-

Torten, und andern vielfältigen Kostbar»,

lichen Speisen,

weil er aber in fürsorg stehen müßte, daß von andern, zu ihrem vortheil, und

gleich

auch täg¬

für Gesunde und Krancke, ordentlich zusammen

solch Werk

als

ser gegen seinen

beschwerlichen Nachtheil nachgedruckt werden möchte:

Als

Haien

Uns demüthigs fleiß gebetten, ime hierunter, zu vorkommung

mil unserm Kayserlichen Privilegio und Fürsehung behülflich zu erscheinen, Daß wir demnach eingesehen, solch sein unterthenig zimlich bitt, Und darumb ime, Marxen Rumpolt, diese Gnad gethan, und Freyheit gegeben. Thun und geben ihme die auch hiemit von Römischer Keyserlicher macht wissentlich in krafft diss Briests, Also, daß er berüries Kochbuch in Druck fertigen möge. Und im dasselbig innerhalb desselben,

zehen

Jaren. die

nechsten

von dato diß Brieffs anzurechnen,

durch jemandts, wer der sey. in gleicher oder anderer Form, nicht nachgedruckt, verführt oder verkauffl werden solle. Und

gebieten darauf

allen und jeden,

unsern

und

des

Heyligen

unser Königreich. Erblichen Fürstenthumb und Unterthanen und Getreuwen, was Wirden, Standes Lande. oder Wesens die seyn, Und sonderlich allen Buchdruckern, Buch¬

Reichs,

auch

führern und Buchverkauffern, bey Vermeidung unserer ungnad und straff, hiemet ernstlich, Und wöllen, daß ir. noch einiger auß geseh, durch sich selbst, oder jemandts von ewert wegen, vorangeregt Kochbuch, so obernennter Marx Rumpolt drucken lassen würdet, in bestimpten zehen Jaren, nicht nachdruckt, oder also nachgedruckt umbtraget, feil habet, und verkauffet, noch diß andern zuthun gestattet, in keine weiß, bey Vermeidung unserer ungnad, und verlierung deffelben ewren Drucks, den auch nahe gemeldter Marx Rumpolt, durch sich selbst, oder seine Befehlhaber, wo sie dergleichen bey euwer jeden finden würden, auß eygenem gemalt, ohn verhindernuß menniglich, zu sich nemmen, und das mit nach ihrem gefallen handeln und thun mögen, Daran sie auch nicht gefrevelt haben sollen, sonder alle gefehrde, Doch sol oft gedachter Marx Rumpolt, bey verlierung dieses Keyserlichen Privilegij schuldig seyn von berürtem Kochbuch drey Exemplaria auff seinen Kosten zu unserer Reichshof Cantzley Taxators Handen zu übersenden. Mit urkundt dieses Brieffs besigelt, mit unserm Keyserlichen auffgedrucktes Jnfiggel. Geben auff unserm Königlichem Schloß zu Prag, ven neuntzehenden Tag deß Monats Octobris (aimo) etc. im achtzigsten, unserer Reiche deß Römischen im fünfflen, des Hungarischen im neunten, und deß Böhaimischen im sechsten.

Ad mandatum sacrae

V> Soieheufer. D.

Germanien, zu Hungarn, Böhaim, Dalmatien, Croatien und Slavonien, etc. König. Ertzherzog zu Österreich. Hertzog zu Burgundt. Steyr, Kärndten, Crain und Wirtemberg, etc. Graff zu Tirol elc. Bekennen öffentlich mit diesem Brieff, und thun kundt wennmöglich Als uns unser getreuer lieber, Marx Rumpolt. unterthaniglich zu erkennen geben: Wen müssen er mit sonderm fleiß muh und arbeit, auch auff anwendung

backens,

getragen hatte, Und nun mehr willens were, dasselbig, mennigöffentlich in Druck ausgehen zu lasten. Die¬

lich zu gutem,

Rudolff

Privileg von Kaiser Rudolph II. Römischer



295

Caes. Maiest.

supscripit A. Erstenberger.

Von den Tisch- und Speiseordnungen. Nun folgen Tisch- und Speiseordnungen für Fürsten, Stände und Andere: dann Beschreibung der Zubereitung mit Abbildungen der Tiere und Gemüse im Naturzustände. I. Wie Fürsten und Herren Bancket zu bestellen und anzu¬ ordnen, was auch für Offizier und beampte Diener, darzu notturffiiglich zu gebrauchen sei. Vom Hofmeister, Marschalek, Hauß-Stübel oder Vom Eynkäuffer Küchenmeister Ampt (I. Capitel). wacker, lustig, soll (II.,Cap.): Ein guter Einkäuffer arbeitsam, unverdrossen, fein sauber, sittsam und reinlich sein, und ave seine Küchensachen mit sonder sauberkeit.

296 geschwindigkeit, wolhöflich und ordentlich umb einen zim-

..

Vom Mundkoch Silberkämmerling (III. Cap.). Vom (IV. Cap.). Vom Trucksessen, Schenken und Mundschenken (V. Cap). Vom Fürschneider (VI. Cap.). Wie man ein Fürsten und lichen Pfennig, einzukaufen wissen

Herren

(VII.

Bancket

Cap.).

.

und halten soll der Wie geladenen Herren Gäste und bestellen,

Diener zu tracliren

(VIII.

anordnen

Dietrich von Auitzows Tod. Brausend in den alten Föhren Singt der Sturmwind seine Lieder,

Auf die moosbedachte Hütte Rauschen Regenströme nieder.

Frühe geht der Tag zu Ende,

Cap.).

Doch der Sterne hell Gefunkel

II.

Folget eine klärliche und verständige Unterweisung, wie und was für Speist und Trachten, auff der Kaiserlichen Majestät, der Königen. Churfürsten. Erzherzogen. Grasten, Edelleut. Bürger und Bauwren Bancketen, nach eines jeden Standt, nicht allein auff die Fleisch, sondern auch auff die Fasttage, zuzurichten seien.

Vier Keyserliche Bancket, zweien Fleischtag und zweien Fasttag u. 1.

s.

w.

Der erste Gang zum Frümahl am Fleischtag: 27 Speisen Der andere Gang zum Frümahl am Fleischtag: 30 Speisen Der dritte Gang zum Frümahl am Fleischtag; das Obß: 87 Speisen

Das Der Der Der 3. Das Der Der Der 4. Das Der Der Der 2.

andere Keyserliche Bancket.

Gang zum Nachtmahl am Fleischtag: 29 Speisen andere Gang zum Nachtmahl: 24 Speisen dritte Gang zum Nachtmahl (Obß): 50 Speisen dritte Keyserliche Bancket. erste Gang zum Frümal am Fasttag: 42 Speisen andere Gang zum Frümahl: 39 Speisen dritte Gang zum Frümahl (Obtz): 40 Speisen vierd Keyserliche Bancket. erste Gang zum Nachtmahl am Fasttage: 31 Speisen andere Gang zum Nachtmahl: 32 Speisen dritte Gang zum Nachtmahl (Obß): 28 Speisen.

erste

Nun folgen vier Bancket der Könige von Ungarn und

Dringt

durch dicke Wolkenmassen

Nicht bis in des Forstes Dunkel.

Auf dem ärmlich kahlen Lager

In

der Hütte an dem Herde Sitzt der Klausner; seine Augen Haften träumend an der Erde.

Bald ein dumpfes, stöhnend Seufzen Steigt empor zum niedern Dache, Bald ein trotzig, höhnend Lachen, Bald ein wildes Wort der Rache. „Dietrich Ouitzow," hallt es stöhnend, „Konntest Du dies Schicksal ahnen, Als Du einst, ein trotz'ger Recke, Stiegst empor des Ruhmes Bahnen?

Als ein Hort Du Deiner Freunde. Deiner Feinde grimmer Schrecken, Nach dem Fürstenhute selber Durftest Deine Hände strecken? — Doch der Starke mußte weichen,

Als der Stärkere ward geboren!! Und der Kampf?! — Er ist zu Ende! Dietrich Ouitzow hat verloren!!

Böhmen: 1.

Sechs Gänge Frühmahl

Ganzen 11 Speisen, und Früchte.

am Fleischtag:

6

Gänge,

ohne Desert und Zucker und

im

Saft

Nachtmahl vier Gänge: 13 Speisen ohne Obß und Saft. Frühmahl am Fasttag, 4 Gänge: 13 Speisen ohne Obß und Saft. 4. Nachtmahl am Fasttag, 4 Gänge: 20 Speisen ohne Obß und Saft. 2.

3.

In

ähnlicher, aber absteigender Linie geht die Zahl und Art der Gerichte dann herab, je nach dem niederen Grad der Stände, beginnend mit 4 Banket der Kurfürsten, der Erz¬ herzogen, der Grafen und Herren, der Edelleute, der Bürger und der Bawre; wobei für die drei letzten Kathegorien die Zahl der Gänge im Vergleich mit den oben angeführten auf respektive 15. 18. 12, dann auf 4, 7, 6 und zuletzt auf 2, 1, 1 und ohne Obst finkt. —

Vom Ochsen gab es 83 Speisen; vom Stier ebenfalls; vom Kalb 59; vom Hammel 45; Lamm 28; Sau 32; Hirsch 37; Reh 29; Hasen 20; Wildschwein 43; Bär 43; wildes Pferd und Gems 18; Steinbock 2; türkisches Schaf 13; Murmel¬ tier 6; Biber 4 u. s. w. R. E.

Er, der einst in stolzer Rüstung Ritt als Tapferster der Recken, Muß in nied'rer Klausnerkutte Wie ein Schächer sich verstecken! Er. den Fürsten sich ersehnten Einst als Freund in seiner Macht. Muß im tiefsten Forst sich bergen

Vor

des Reiches Aberacht!!

S'isi zu Ende, Dietrich Ouitzow!! Deinem sturmgewalt'gen Schritte. Der die Marken machte beben, Ist zu eng des Klausners Hütte! S'ist zu Ende. Dietrich Ouitzow!! Deines Herzens stolzes Schlagen Läßt ein dürftig Klausnerleben Dich auf Erden nicht ertragen!! Geh zur Ruhe, Dietrich Ouitzow!! Deine Zeit, sie ist entschwunden!!

Wohl den edlen, stolzen Herzen, Welche Ruhe schon gefunden!!"

297 Leise murmelt er die Worte. Todes-Schauer faßt die Glieder, Und der einst so mächtige Ritter Sinkt aufs kahle Lager nieder.

Draußen in den alten Föhren

Singt der Sturmwind Todeslieder, Auf die moosbedachle Hütte Schauern Regenströme nieder.

h.

m.

Kleine Mitteilungen Zum sechzigjährigen Negierungs-Jubiläum der Königin Viktoria von England (Mit Abbildung). Nur wenigen gekrönten Häuptern ist cs vergönnt, so lange die Krone zu tragen und an der Spitze ihrer Staaten zu stehen, wie der Mutter der Kaiserin Friedrich und der Großmutter unseres jetzt rcgicrerdcn Kaisers Wilhelm II. Am 20. Juni 1837 bestieg die Königin Viktoria von Ei gland, 18 Jahre alt, als einzige Tochter des Herzogs von Kcnt (Bruder des kinderlosen Wilhelm IV.) und der Prinzessin Luise Viktoria von Sachsen-Koburg den Thron eines der ang>scheusten und mächtigsten Reiche der Welt. Sie folgte ihrem Oheim in der Regierung, weil ihr Vater schon einige Jahre vorher gestorben war. Ganz Großbritannien, das seit einem Jahr¬ hundert so wenig Grund gehabt hatte,

Als beide bei Gelegenheit einer Jagd neben¬ Prinz-Gemahls. einander den Craig-na-Ban hinaufriiten. brach der Kronprinz eilten Zweig weißer Heidcblüten, von denen der Volksmund sagt, daß sie Glück be¬ deuten, und überreichte ihn der Prinzeß royal unter dem gleichzeitigen Ausdruck seiner Hoffnungen und Wünsche, die denn auch alsbald in Erfüllung gingen. Auf 78 Lebensjahre blickt die ho.,e Jubilarin jetzt schon zurück. Möge sie noch länger ihrem Volke erhalten bleiben, und möge sie sich noch manches Jahr der Liebe und Verehrung ihrer Unterthanen erfreuen! Das 175jährige Jubiläum der Garuisoukirchc wurde in dst'er Sonntag, den 30. Atai, festlich begangen. Als Vertreter Sr. Majestät des Kaisers wohnte der Chef des des

Miliiärkabinetts,

auf seine Könige stolz zu sein, be¬ grüßte die junge, anmutige Königin, die bis dahin still und zurück¬

waren zahlreiche Generale, dazu Ab¬ ordnungen von jeder Kompagnie, Schwadron, Batterie u. s. w. in Paradcschmuck erschienen. Der Chor von S. Nikolai und S. Marien eröffnete die Feier mit dem hundertsten Psalm nach Mendetssohn: „Jauchzet dem Herrn, alle

gezogen gelebt hatte, aber mit reichen Gaben des Geistes und des Herzens ausgerüstet, auch sorgsam für die Lei¬

tung der Staatsgeschäfte vorbereitet war, mit Jubel. Nachdem die junge

Königin

in

den

ersten

Jahren

ihres Königtums unverehelicht ge¬ blieben. reichte sie am lO.Februar 1840 dem Prinzen Albert von SachsenKoburg am Traualtar die Hand. Unter den vielen Bewerbern, die sich ihr nahten, gab sie, der Neigung ihres Hei zcns folgend, diesem ihrem jugend¬

Welt!" Militäroberpfarrer Wölfing hielt die Liturgie, in welche die große Doxologie von Borlniansky eingelegt war, und Garnisonpfarrer Goens hielt die Fest-Predigt. „Wo ist ein Altar im ganzen deutschen Reich, der so ergreifend predigte, wie der unsere: „Sei getreu bis in ich dir die den Tod, so

lichen Verwandten den Vorzug. Zu¬ folge ihrer hohen Stellung mußte sie freilich selbst, unter Ueber¬

will

Krone der Lebens geben?" Da

windung aller mädchenhaften Seteu, dem Prinzen Herz und Hand an¬ tragen. „Sie erklärte mir," schrieb dieser an seine Großmutter, „in einem wahren Ergüsse von Herzlich¬ keit und Liebe, ich hätte ihr ganzes Herz gewonnen, und ich könnte sie

haben sie gekniet, die Helden Friedrichs und die der Be¬ des Gloßen freiungskriege, die Sieger in Schles¬ wig und in Oesterreich und die des letzten Krieges — ein großes, ge¬ waltiges Volk! Große Geister aus Volkes, der Geschichie unseres

überglücklich machen, wenn ich ihr das Opfer bringen wolle, mit ihr mein Leben zu teilen. Denn als ein Opfer sehe sie es an; das einzige, was sie besorgt mache, sei, daß sie meiner nickt wert sei." Es ist be¬ kannt, in wie glücklicher Ehe beide miteinander gelebt haben, und wie

Königin ihrem Gemahl, dem sie im Jahre 1857 den Titel princeconsort (Prinz-Gemahl) mrlich, möglichst weitgehenden Einfluß auf die Regicrungsgeschäfte gestattete. Jedenfalls wurde die englische Politik, so lange ihr Gemahl lebte, von ihr in deutsch - freundlichem Sinne beeinflußt, so daß es z B. im Jahre 1848 nicht zu einer Ein¬

Schwert- und Bannerträger des preußischen Heeres, die halten uns hier zu unseren Füßen eine er¬ greifende Predigt und singen mit

die

Aönigin Viktoria von England.

mischung Englands in den deutschdänischen Krieg kam. Der frühzeitige Tod des Prinzen im Dezember 1862 schnitt tief in das Herz der Königin ein und umhüllte ihr früheren ganzes späteres Lcbm wie mit einem Trauerflor. Jahren aus voller Ueberzeugung, beeinflußt allerdings durch ihren Erzieher Lord Melbourne, den Whigs zugethan, neigte sich die Königin je länger je mehr — namentlich seit dem Erstarken des ganz besonderer Radikalismus — den konservativen Torys zu. Weise sympathisierte sie mit dem von ihr zum Grafen von Äeaconsfield erhobenen Disraeli, desicn orientalische Politik ihre volle Zustimmung fand, und durch den auch der Parlamentsbeschluß herbeigeführt wurde, dem zufolge sie in einer Proklamation vom 1. Mai 1876 den Titel einer

In

In

annahm. Am 22 . Juni 1887 wurde mit Glanz und großer Begeisterung das fünfzigjährige Jubelfest ihrer Thronbesteigung gefeiert. Er bewies, daß die im Jahre 1837 mit Jubel begrüßte Prinzessin auch als Matrone auf Englands Thron zu den volkstümlichsten und beliebtesten Fürstinnen gehörte, welche je geherrscht haben. Und das Jahrzehnt, das seitdem verflossen ist, hat diese Volkstümlichkeit nicht abgeschwächt, sondern noch vermehrt. Unter den neun Kindern, welche die Königin Viktoria ihrem Gemahl schcwte, ist die Kaiserin Friedrich, die Mutter Kaiser Wilhelm» H., das älteste. Ihre Verlobung mit dem Kronprinzen Friedrich Wilhelm von Preußen erfolgte tm September 1855, also noch zu Lebzeiten

„Kaiserin von Indien" seltenem

General von

H ahn ke, der Feier bei. Auch sonst

ihren geschlossenen Lippen ein altes Lied über ein altes Thema: „Alles Fleisch ist wie Heu. und alle seine Herrlichkeit wie eine Blume auf dem Felde," und doch auch ein neues Lied mit neuen Zungen, ein¬ stimmend in den Zirbel aller hier Getrösteten und Gesegncten: „Herr, ich habe lieb die Stätte deines Hauses und dm Ort, da deine Ehre wohnet." „Gott mit uns!" so ist das junge Preirßenvolk mutig hinausgezogen von hier. und „Gebt

unserem Gott die Ehre!" so ist es siegreich hierher zurückgekehrt von jenen Tagen von Sorr und Hohen¬ friedberg an bis zum letzten Kampfe in welschem Lande. Immer sind die preußischen Könige erschienen und deutsche Kaiser mit ihren Männern, um das eine zu bekennen: „Welch eine Wendung durch Gottes Fügung!" — Die Gemeinde-Gesänge wurden von den Mustkkapellen des 2. und der 3. Garde-Regiments z. F. begleitet, welche zum Schluffe der

Feier das große Hallelujah aus Händels „Messias" spielten. Einen neuen Behang des Altars, des Taufsteins und der Kanzel haben die Offiziersdamen zur Feier des Tages geschenkt: eine neue Altardecke die Konfirmanden des Garnisonpfarrers. Außerdem hat eine Renovierung des Taufsteines, einer Arbeit Schlüters, der Leuchter, eines Geschenks König Friedrich Wilhelms III., des Betpultes und der Altarsessel, eines Geschenks weiland der Kaiserin Augusta, statlgefunden; die Kosten hier¬ für sind ebenfalls von den Offiziersdamen aufgebracht worden. — Aus der ^Geschich te ' des früheren Schlosses, jetzigen Seminars in Cöpeuick. :Km Anschluß an ßte Feier in Cöp en i ck, von der wir in dieser Mmmer^lichtet, mögen hier etliche Daten aus der früheren Geschichte des seit 1852 in ein Lehrer-Seminar umgewandelten Schlaffes zu Cöpenick folgen. Die älteste Urkunde datiert aus dem Jahre 1168, also lange vor der Begründung Berlins und Köllns. Sie berichtet von dem Dominus Jacza de Copenic, dem Verwandten der Pommernfürsten BoguSlaus und Cazimarus, der damaligen Herzöge von

298 Von diesem Jacza besitzen wir Münzen und eine Chronikcnnachricht. Nach letzterer, die freilich erst aus dem vierzehnten Jahrhundert stamm!, hat er im Jahre 1157 die Stadt Brandenburg erobert, sie aber bald darnach wieder verloren. Aus den Münzen wissen wir, daß Jacza (Johanni von Cövcnick ein Zeitgenosse Albrechts des Bären gewesen ist und sich zum Christentum bekannt hat. Anno 1510 etwa geschah es. daß der Ritter von Otterstedt im Jagdschlösse Cöpenick an die Thür des sürstlichen Schlafgcmachs die kühnen Worte schrieb: „Jochimken, Jochimken, höbe dy, Wo wi di frigen, do hangen wi dy!" Später weilte hier der prachtliebende Joachim II. mit der Anna Sydow, und hier starb dieser Fürst am 3. Januar 1571. 1631 hatte Gustav Adolf, der Schwedenkönig, im Schlosse zu Cöpenick sein Hauptquartier aufgeschlagen. 1658 wurde vom Großen Kurfürsten ein alchymistisches Laboratorum, eine Goldmachei Werkstatt, in dem verfallenen Gebäude eingerichtet, in dem einst Kurfürst Joachim Am den selbsterlegten Hirsch auf reichbesetzter Tafel gehabt batte. 15. Januar 1729 schleppte man den Soldatenkönig Friedrich Wilhelm I. blutend nach Sckloß Cöpenick. Bei einer Jngdpartie war er von einem Wildschweine stark verwundet und hätte sein Leben eingebüßt, wenn ihm nicht einer seiner Jäger noch rechtzeitig beigesprungen wäre. Am 28. Oktober 1730 trat im „Wappensaale" von Schloß Cöpenick das Kriegsgericht zusammen, das über den Lieutenant Katte vom Regiment Gcndarmes, sowie über den „desertierten Oberst-Lieutenant Fritz" Urteil sprechen sollte. Dieser Wappensaal ist zwei Treppen hoch und blickt mit seinen Fenstern auf die Spree hinaus. 1804 gelangte Cöpenick in den Besitz des Grafen v. Schmcttau, 1811 aber das Schloß wieder in den Besitz des Staates, 1831 wurde cs zum Gefängnis degradiert, und es befanden sich in dieser trüben Zeit hier die „Demagogen" in Unter¬ suchungshaft Das Schullehrer-Seminar wurde, wie bereits bemerkt, im Jahre 1852 aus der Stadt Potsdam nach Cöpenick verlegt.

Stettin und Demmin.

Of stzier s-Mun dierungen unter Friedrich dem Großen. Anweisung für OsfifiersTMunwierunstest'"hat König' Friedrich II. von Preußen im Jahre 1743 wie folgt erlassen: 1. Art. Seine Königliche Majestät befehlen allergnädigst, daß alle dero Osfiziers im Dienst

und außer Dienst allezeit ihre RegimentsMundirung anhaben, uud außer der Mundirung sich nichts machen lassen und tragen sollen. Die Ober-Osficiers sollen alle Jahr neue Mundirung 2. Art. sich macken lassen, und die Mundirung soll laut Probe gemacht werden, auch nicht mehr oder weniger kosten, wie in der Designation im Occonomie-Reglement gesetzt ist. 3. Art. Alle Frühjahr, wenn die Bataillons formirt werden, sollen die Ober-Osficiers neue Klappen und Aufschläge auf die Röcke sich machen lassen.

4. Art. Die Osficicrs sollen allezeit gute Feldzeichen am Degen haben, auch. wenn sie den Degen an der Seite haben, sie mögen seyn, wo sie wollen, das Feldzeichen daran tragen; dahero die Osficicrs wenigstens alle Jahr einen neuen Degenquast sich anschaffen müssen. 5. Art. Die Osficicrs sollen egale Stiefeletten mit messingenen Knöpfen und weißen Knieriemen von Leinwand, auch gelblederne Hand¬ schuh sich anschaffen, und allezeit in Dienst, auch wenn sie auf der Straße gehen, mit weißen Stiefeletten und gelbledcrnen Handschuhen dahergehen. Den Stabs-Osficicrs soll cs erlaubt sein, bei schlimmem Wetter Stiefeln anzuziehen. Die Osficicrs Zöllen Ueberröcke von blauem Molton, laut Probe, haben, und den Molton aus dem Lagerhausc nehmen. 5. Art. Die Offiziers sollen allezeit die Haare oder Perüque mit einem Band eingeflochten haben, uns es soll kein Offizier, wenn er seine Haare tragen kann, eine Perüque benutzen; wann aber ein Offizier nothwendig eine Peruquc tragen muß, alsdann solche ganz dünn und kurz gemacht sein muß 6 . Art. Die Ober-Osficier-Mundirung soll gemacht werden, nemlich: Es sollen keine gesponnene, sondern Messingene Knöpfe auf die Mundirung gesctzet werden. Die Mundirung soll allezeit mit rothem Unterfutter doublirt werden. Die Röcke sollen nicht zu lang, auch nicht zu kurz, mit 8 Falten in der Seite, hinten aber sonder Falten und mit Ermeln laut Probe gemacht werden. Die Camisols sollen kurz und nicht zu weit gemachet, auch mit rother Leinwand gefüttert werden. Die Hosen sollen enge um die Beine und im Gesäß, auch kurz über das Knic gemachet werden. Die Ober-Osficiers sollen egale breite Schuh, und des Sommers weiße Leinwands-Hosen tragen. 7. Art. Die Subalternes-Officiers sollen alle Monathe 4 Rthlr. 17 Gr. vom Tractement auf die Mundirung stehen laffen, damit alle Jahr den 1. May, wenn die neue Mundirung ausgegeben wird, die völlige Mundirung bezahlet seyn kann. E. K.

Garten-Costüm-Fest im Marmor-Palais zu Potsdam. Die Vorliebe des Kaisers für König Friedrich II. und alles, was sich auf ihn bezieht, namentlich auch für die Costüme und Einrichtungen jener Zeit, veranlaßte, wie im vorigen Winter das Costüm-Fest im Königl. Schlosse, so am 12. d. M. ein Garten-Costüm-Fest im Reuen Garten am Marmor-Palais. Man konnte keinen passenderen Platz für das Fest finden, als eben diesen Garten, der noch heute in seinem Charaker an das vorige Jahrhundert erinnert. Um die Abendstunden allein mit dem dazu eingeladenen Teil der Hofgesellschaft, fern von allen Spähcrblicken, zubringen zu können, war der weite Park mit einer Postenkette umgeben worden. Vor dem Palais selbst standen in weiter Entfernung zunächst Posten der Potsdamer Abteilung der Schloßgarde- Companie, die dies¬

mal

auch die Zopfperrücke trug. Direkt vor demselben war eine von einem Offizier befehligte Schloßwache aufgestellt, die aus besonders großen Mannschaften des 1. Garde-Regiments gebildet war und die altertümliche Uniform dieser Truppe trug. Die Griffe der Wache und das Ablösen der Posten erregten in hohem Maße das Interesse der Gäste. Der Kaiser traf gegen ß a t Uhr in einspännigem Dogcart im Marmor¬ palais ein und legte, ebenso wie die Kaiserin, erst dort die Festtoilette an. Bald darauf trafen auch die Gäste ein. Die beiden Söhne des Prinzen Albrecht waren mit den Mitgliedern der Familie von Bissing und anderen Festteilnehmern mit dem fahrplanmäßigen Zuge um 6 1 / 2 Uhr in Potsdam angekommen. Die drei Söhne des Kaisers erschienen in weißen Matrosenanzügen in Gesellschaft ihres Erziehers und sahen längere Zeit dem lustigen Treiben zu, das sich bald nach 7 Uhr vor dem Marmorpalais entwickelte. Auch Professor Menzel, der von den höchsten Herrschaften sehr ausgezeichnet wurde, schien an dem ntercssanten und farbenprächtigen Bilde aus dem vorigen Jahrhundert großes Gefallen zu finden. Die Musikkapellen des 1. Gardercgiments zu Fuß und der Gardcs du Corps konzertierten dabei. Auch wurde von kleinen Musikanten, dem Balletkorps angehörig, eine Kindersymphonie aufgeführt. Mit einbrechender Dunkelheit fand das Fest in den Sälen des Palais sein Ende. Schon um 10 1 /* Uhr traten die Berliner Teil¬ nehmer die Heimfahrt an.

l

Der Kronprinz als Amateurphotograph. Der Kronprinz hat Ottomar Anschütz von hier in einem achttägigen Kursus Unterricht in der Amateurphotogi aphic erhalten. Der Unterricht erfolgte auf Wunsch der Kaiserin, welche in dem Kronprinzen den Sinn für die Natur durch Ausübung dieses Sports beleben wollte. Gerade in dem durch Herrn

an Naturschönheitcn so reichen Plön bieten sich für den Amateur¬ photographen wie für den Maler die prächtigsten Motive. Obwohl durch seinen sonstigen Unterricht vollauf in Anspruch genommen, hat der Kronprinz in den ihm knapp zugemessenen Mußestunden die Ausübung mit allen Handhaben doch schnell erlernt und hierbei viel Gewandtheit bekundet.

Znr Parade

am 24. November 1834.

Von einem unserer hoch¬ damäl§'Leuinäüt'istr'^7Mmde-Regiment zu Fuß, der Parade am 24. November 1834 als Zuschauer beiwohnte, wird uns in Er¬ gänzung der Mitteilung in Nr. 20 „Kaiser Nicolaus 1 von Rußland und sein Sobn" folgendes mitgeteilt: „Die Parade verlief, wie in No. 20 beschrieben steht, nur war dar Berliner Publikum nicht gerade sehr stark vertreten. Zu kritisieren gab es auch nicht viel. Beiden Herren Chefs (Kaiser Nikolaus I. von Rußland und sein Sohn) war das preußische Reglement ganz geläufig (Nikolaus blies sogar Allerböchstselbst die preußischen Signale). Zudem hatten sie zur Verhütung aller Stockungen die Regimentskommandeure mit eingestecktem Degen neben Nicolaus trug den Küraß. was damals nicht Sitte war. Heute sich. figuriert er ja nur bei Auf- und Einzügen und anderen ähnlichen fest¬ lichen Gelegenheiten. Nach dem Exerzieren versammelte Nikolaus sämt¬ liche Offiziere um sich und sprach feine unverbrüchliche Ergebenheit für den königlichen Schwiegervater in begeisterten Worten aus. Er -der Kaiser) sei unser bester Freund und Kamerad, und wir könnten stets auf ihn rechnen. geschätzten Leser; ddr,

°.

August von Heyden ch. Am 1. Juni starb in Berlin im fast vollendeten siebzigsten Lebensjahre der Geschichts- und Genremaler August von Heyden. Geboren am 18. Juni 1827 in Breslau als Sohn des aus Ostpreußen stammenden Dichters Friedrich August von Heyden, widmete sich der Künstler anfangs dem bergmännischen Beruf und verwaltete die Bergwerke des Herzogs von Ujest in Schlesien. Im Jahre 1859 siedelte er nach Berlin über, um ganz seinen künstlerischen Neigungen zu leben. Seine malerische Ausbildung vervollständigte er durch einen längeren Studienaufenthalt in Paris, wo er namentlich in den Ateliers von Gleyre und Couture arbeitete. Sogleich sein erstes größeres Bild, die h. Barbara, die einem sterbenden Bergmann die Sakramente reicht, errang im Pariser Salon von 1863 die goldene Medaille. Die zahlreichen großen Historienbilder, die seitdem auf den Ausstellungen erschienen, und von denen wir als die hervorragendsten nur die Walküren (1872), Oedipus vor der Sphinx (1877), den Hochzeitsritt des Herrn Olof (1875) und Wiitichs Rettung (1880) er¬ wähnen, befestigten den durch den ersten Erfolg begründeten Ruf des Meisters im Vatcrlande. Auch seine für das Königliche Opernhaus ge¬ malten Vorhänge „Arion auf den Meereswogen" (1867) und „Die nordische Sagenwelt", große Kompositionen von fesselnder dekorativer Wirkung, sind durch die Stelle, an der sie sich befinden, weitesten Kreisen vorteilhaft bekannt geworden. Das Germanische Museum besitzt von ihm das Historienbild „Luther und Georg von Fmndsberg vor dem Reichs¬ tage zu Worms" (1866), während die kleine liebenswürdige Genrescene „Festmorgen" seine Kunst in der Berliner National- Gallerte vertritt. Auch im Berliner Ratskeller, im Generalstabsgebäude und im ReichsJustizamt finden wir monumentale Wandmalereien von seiner Hand. späteren Jahren widmete sich von Heyden besonders kostümwissenichaftlichen und heraldischen Studien und bekleidete an der KunstAkademie die Professur für Trachtenkunde, die er erst wenige Jahre vor 'einem Tode niederlegte. Mit Recht galt er als der zuverlässigste Kenner und Berater in trachtengeschichtlichen Dingen und stellte seine Kennmisse ailch bereitwillig der Regie der Königlichen Bühnen zur Verlügung. Zu Anfang der neunziger Jahre wurde von Heyden in den Staatsrat berufen. Seiner reich gesegneten Künstlerlaufbahn bereitete der Tod nach einem schweren Nierenleiden, das seine letzten Lebensjahre verdüsterte

In

299 er vergebens in verschiedenen Bädern Heilung suchte, ein Ende. Nicht nur dem Künstler, sondern auch dem vornehmliebenswürdigen Menschen, der sich jüngerer Talente in freundlichster Weise annahm, gebührt ein teilnahmvolles Andenken.

und jähes

für das

Schlechtes Beispiel.

Der bekannte Berliner Professor M. war

ein großer Feind der Lüge. Als er einst bemerkte, daß sein elfjähriger Sohn eine Notlüge gethan hatte, hielt er ihm einen strengen Sermon und schloß seine Rede mit den Worten: „Also merke Dir, daß der ein schlechter Mensch ist, der eine Lüge aussprichl!" Nach kaum einer halben Stunde läutete cs. „Ocffne, Arthur/' sagte der Vater, „und wenn cs der Stcuereinziehcr ist, so sage ihm, ich sei nicht zu Hause, er — dn— solle ein andermal wiederkommen." (!I)

Such erlisch. Amsterdam — diese interessante, wund rbare Stadt — in seiner ganzen Vielseitigkeit kennen zu lernen, gestattet uns die soeben eingelroffene neunte Lieferung des Prachtwerkes „Die Hauptstädte der Welt" (Schlesische Buchdruckerci, Kunst- und Verlagsanstalt v. S. Schottlaender, Breslau). Es war keine leichte Aufgabe, allen Anforderungen bei der Beschreibung gerecht zu werden; der Verfasser hat sie jedoch glänzend gelöst. Mit derselben Sicherheit führt er uns durch die berühmten Kunst¬ sammlungen wie durch die interessanten Diamantschleifereien: durch die schönen, Wunderwerke moderner Architektur ausweisenden Straßen, wie durch das unsaubere Ghetto. Der Stil ist im Rahmen des ganzen Zu erwähnen wären noch Werkes gehalten: geistvoll und anregend. die zahlreichen Illustrationen und Kunstbeilagen, von denen hier einige genannt sein mögend Hans Herrmann, Fischmarkt in Amsterdam; Selbstporträt Rembrandts und seiner Frau; Paul Meyerheim, Amsteroamer Büchertrödler u. a. Preis der Lieferung 50 Pfg.; d>s ganzen Pracht¬ werkes 30 Mk.

Der Nummer 2833 und 2814 der Illustrierten Zeitung in Leipzig (resp. die Himmelfahrts- und Pfingstnummer derselben) zeichnen sich durch einen sehr reichen Inhalt und Illustrationen nebst begleitendem Text

Die beiden großen doppelseitigen Bilder: „Die Himmelfahrt Christi", Deckengemälde von Gebhard Fugel (in 2813) und: „Pfingstpredigt" nach einem Gemälde von demselben Meister (in Nr. 2814) machen aus.

einen geradezu überwältigenden Eindruck und sind ganz dazu angethan, eine weihevolle Stimmung zu den genannten Festtagen in dem Beschauer wachzurufen. Da Pfingsten, wie kein anderes Fest, in die freie Natur hinauslockt, so waren in den beiden Nummern die schönen Landschaftsbilder ganz am Platze, in der Himmclfahrtsnumnicr (2813) die Ansichten von der Bastei in der Sächsischen Schweiz zu deren 100 jährigen, Jubiläum (im Mai vor 100 Jahren wurde die Bastei, dieser Glanzpunkt der Sächsischen Schweiz, zum ersten Male in der Litteratur genannt) und in der Pfingstnummer (2814) die Ansichten von der Kirchenruine Paulin¬ zelle in Thüringen, die früher nur durch eine lange Fußwanderung zu erreichen war und jetzt durch die an der berühmten Abtei Paulinzellc vorbeisührende Bahnlinie: Arnstadt Blaukenburg-Saalkeld den Touristen so nahe gerückt ist. Die Reichshaiiptstadt ist in der Himmelfahrtsnummer (2813) durch eine Ansicht des neuen Doms nach seiner Vollendung und eine Wiedergabe des Bismarck-Denkmols in der Villenkolonie Grunewald vetreten, während die Pfingstnummer,2814) aus Berlin den Prozeß Tausch-Lützow durch sechs Bilder: 1. der Gerichtshof, 2 . die Angeklagten und ihre Verteidiger, 3. die Anklagebchörde, 4. von der Geschworenen¬ bank, 5. Aufrufen der Zeugen, 6 . das Auditorium aufrollt. Die begleitende Skizze dazu stammt aus der Feder des in letzter Zeit vielgenannten, markig schreibenden Schriftstellers A. Oskar Elaußmann in Berlin, der

„das am 6 . Mai enthüllte Maria Theresia-Denkmal in Preßbnrg", die Ansichten von der Sächsisch-Thüringischen Industrie- und Gewerbe-Ausstellung zu Leipzig und von der Allgemeinen GartenbauAusstellung zu Hamburg sind Zierden beider Nummern.

sowie

„Ueber Kakaoernährung" haben die Herren Dr. Alfred Beddies, städtischer Nahrungsmittelchemiker, und Physiker Dr. med. Tischer eine Studie erscheinen lassen lBerlin, Verlag von Conrad Skovnik), deren wesentlichster Verdienst darin besteht, in exaktwiffenschaftlicher Darstellung die Gleichwertigkeit der wohlfeileren deutschen Kakaomarken mit den neuen sogenannten holländiscben Kakaos zu erweisen. Die Versuche wurden mit van Houtens Kakao und den Hallenser Marken Helios, Sanitas, und Economia von der Kakao-Versand-Compagnie Theodor Reichardt vorgenommen. Die Schrift dürfte dazu beitragen, den Kakao, der nicht nur, wie Kaffee und Thee, ein Genußmittel, sondern auch ein Nährmittel ist, die ihm zukommende Verbreitung zu erschließen. Die Autoren plädieren auch in ihrer Studie nachdrücklich für die ausschließliche Ver¬ wendung der billigen und hochwertigen deutschen Erzeugnisse.

Inhalt:

Pints

Poloniae.

Historischer

Roman

von

Rudolf Lange und die Feier seines 80. Geburtstages. (Mit2 Abbildungen.) — Ein Charakter¬ bild aus der Zeit vor 300 Jahren. — Dietrich von Quitzows Tod. — Kleine Mitteilungen: Zum sechzigjährigen Regierungs¬ C.

Gründler

Jubiläum

lFortsetzung).



der Königin Viktoria vor England. Das 175jährige

Jubiläum

Aus der Geschichte des früheren Schlosses, jetzigen Seminars in Cöpenick. Osfiziers-Mundierungen unter Friedrich dem Großen. Garten-Costüm-Fcst im Marmor-Palais zu Potsdam. Der Kronprinz als Amateurphotograph. Zur Parade am 24. November 1834. August von Heyden f. Schlechtes Beispiel. — Büchertisch. der Garnisonkirche.

Wieder ein neues Preisausschreiben finden wir in Nr. 31 der Wochenschrift für die deutsche Frauenwelt „Von Haus zu Haus" in Leipzig, an dem sieb alle fcdergcwandten Hausfrauen und solche, die es werden wollen, beteiligen können. Auf Grund eigner Erfahrung sollen die Leser und Leserinnen gute Bezugsquellen angeben und besprechen, die alles für Haus und Familie Notwendige umfassen, und aucki auf praktische Weihnachtsgeschenke hinweisen Es sind 100 wertvolle Preise ausgesetzt. Der erste Preis besteht in einem hocheleganten SalonPianino von P. Ritmnller u. Sohn in Göttingen (Wert 900 Mark), dem sich andere kostbare Preise anschließen. Näheres ist aus Nr. 31 der Wochenschrift „Von Haus zu Haus" zu ersehen, welche auf Verlangen von Adolf Mahn's Verlag in Leipzig überall hin kosten- und portofrei versandt wird.

Die ganzseitigen Bilder: Kriminalbeamter war. „Herzensecho" (nach einem Gemädc von Bernard), „die Macht zu Lande" (Marmorgruppc am neuen Flügel der Wiener Hofburg), „der Ramolkopel im Otzthat" (nach der Natur gezeichnet von M Zeno Diemer), das Äadettcnschulschiff Charlotte" (Originalzeichnung von Willy Stöwer), früher bekanntlich

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BI
.

304

Gießt der Mond aber sein silbernes Licht in stiller Nacht über den altersgrauen Bau, so hört man in den hohen Räumen geheimnisvolles Flüstern. Leise huscht es über die Treppen und durch die Gänge, und im Schloßhof erklirren Waffen, während ungeduldige Pferdehufe den Boden scharren. Der

Detter Wettbewerb

um den

->

welche vor Jahrhunderten von dem

Blute erschlagener Krieger

gerötet ward.

Hart am Wasser erhebt auch eine alte Kastanie ihr stolzes Haupt. Sechs und einen halben Meter im Umfang mißt der mächtige Stamm, und seine gewaltigen Aeste senken sich zum

Entwurf eines Uölkerfchlacht-Nattoulll-Deukmals bei Leipzig. Kreis in Charlottenburg.

Erster Preis: Entwurf des Architekten W.

Zauber einer ruhmvollen Vergangenheit umspinnt die alte Burg und schlägt jeden in seinen Bann. den ihre mächtigen Mauern umschließen. Wie einst, so treiben auch heute noch die Wasser der Doste eine klappernde Mühle und umschlingen dann mit glitzerndem Band den Garten der Domäne Goldbeck. Erlen und Weiden senken ihre schlanken Zweige in die klare Flut,

Erdboden, um dann wieder in die Höhe zu streben. An der steil zum Wasser abfallenden Seite werden einige derselben durch Stützen getragen. Von diesem alten Baume gelangt

man durch eine dichte, gewölbte Hagebuchen-Allee zu einer von alten, prächtigen Eichen umstandenen Anhöhe. Hier erhebt sich ein im vorigen Jahrhundert erbautes Kirchlein, in dem alle vierzehn Tage Gottes Wort verkündet wird.

305

Lichter Epheu umspinnt die Anhöhe, klettert an den grauen Eichenstämmen empor und überzieht mit einem immer¬ grünen Teppich treulich die Schlummerstätte des letzten Besitzers Weiter durch die Wiesen schlängelt in vielfachen Krümmungen dem einst !so

des Schlosses Goldbeck. sich

der Dofsefluß

Weiter WettbenMb

um den Cütmurs eines

Von «Gelehrten Von P. Bellardi.

Die „Vosfische Zeitung" berichtete schon vor anderthalb Jahrhunderten von „Staats- und Gelehrten Sachen".

MkerMA-UlltionEnkMls

Zweiter Preis: Entwurf des Architekten

stolzen Wittstocker Bischofssitze entgegen, dessen letzter Ueberrest, ein mächtiger, altersgrauer Turm. weit in das flache Land

hineinschaut und Goldbeck.

hinüber grüßt zur epheuumsponnenen Burg

bei Leipzig.

Otto Rieth in Berlin.

bestanden wesentlich in Beurteilung neu er¬ schienener Bücher; ihre Zahl war zu jener Zeit im Ver¬

Letztere

gleich zu heute recht gering, und das Erscheinen eines wissen¬ oder der Uebersetzung eines fremdsprach,

schaftlichen Werkes

war ein wichtiges, oft lange vorher besprochenes Er¬ eignis; bei der kleinen Anzahl regelmäßig erscheinender Zeitungen war die Besprechung der Bücher von größter Belichen

306 deutung für ihr Schicksal. Dessen waren sich die Rezensenten denn auch bewußt — mit dem größten Ernst, mit gewissen¬ hafter Gründlichkeit suchten sie ihre Aufgabe zu lösen. Art und Ton, wie dies geschah, mutet uns heute wunderlich an; es sei gestattet, aus der Rubrik „Gelehrte Sachen" der „Berlinischen Nachrichten" einige tadelnde und lobende

Proben (aus der Mitte des vorigen Jahrhunderts) auszugs¬ weise wiederzugeben.

Eine „hohe Standesperson" hat es sich eine mehr als dreißigjährige Arbeit kosten lassen, die Oden des Horaz zu übersetzen. Das Buch ist im Verlage des großen Waisenhauses zu Braunschweig erschienen und kostet in der Haude- und Spenerschen Buchhandlung, wie auch im Buchladen zu GroßGlogau 12 Groschen. Mit der „hohen Standesperson" wird ziemlich glimpflich verfahren: „Horaz, der sinnreichste und dabey am schwersten zu verstehende Römische Dichter hat schon eine ziemliche Menge von Uebersetzern gefunden; aber, ist jemahls das bekannte Sprüchwort: In der Welt trift man nichts vollkommenes an! gäntzlich wahr geworden, so kann man solches, ohne im geringsten schamroth darüber zu werden, von den Uebersetzern des Horaz mit Fug und Billigkeit sagen. Ein richtiger Uebersetzer des Horaz muß die Sitten und Ge¬ wohnheiten der alten Römer auf das genaueste wissen, sonst wird er manchen falschen Trit thun und sehr oft mit Gefahr ausglitschen. Was nun die neueste Uebersetzung anbetrifft, so möchten wir an der Wahrheit, unserer gelieblesten Freundin, in unseren alten Tagen nicht gern zum Mamelucken werden; sie räth uns wohlmeynend, ein freymüthiges, bescheidenes und unparlheyisches Urtheil zu fällen. Es steckt ein großer Fleiß und eine männliche Denckungskraft darinnen; doch glauben wir, daß der eigentliche Sinn des Dichters nicht allenthalben Diejenigen unter unseren Lesern, welche recht getroffen sey. Horaz verstehn, mögen den Ausspruch thun. ob wir in den dieser Sache verwegen und naseweis, oder mit behutsamer Ueberlegung urtheilen. Die muntere Vorrede zu dem Buche hat der berühmte Artzt und Hofrath Madai zu Halle ge¬ schrieben, ein Mann, den wir wegen seiner würdigen Wissen¬ schaften und wegen seiner uns erzeigten Gewogenheit nun schon über 24 Jahre hoch schätzen und lieben." — Heut macht man. auch wenn der'Verfasser eine hohe Standesperson ist, weniger Umstände und Komplimente.

Schlimmer kommt ein Or. Christian Tobias Ephraim Reinhard. „Königl. Preuß. bestätigter Heilarzt und StadtPhysikus in der Herzog!. Fürstl. Lodkowitzischen Residenzstadt Sagan", fort. Er hat eine „salyrische Abhandlung von den Krankheiten der Frauenspersonen, welche sie sich durch ihren Putz und Anzug zuziehen", geschrieben. Da heißt es: „Der Herr Or. kann vielleicht ein geschickter Heilartzt der Krankheiten des menschlichen Körpers seyn, aber zu einem Heilartzt der moralischen und sittlichen Gebrechen und Schwachheiten schein: er nicht bestimmt zu seyn. Insonderheit ist es ihm mit seinen Rezepten wider den schädlichen Putz und Anzug der Frauens¬ personen nicht nach Wunsch gelungen. Weder die Ingredienzien oder Artzneyen zur gründlichen Hebung dieses Modeübels, noch die vorgeschriebenen Unzen und Drachmä sind richtig getroffen. Wir haben sein Werklein mit einer rechten Schul¬ meistersgeduld, ja im Schweiß unseres Angesichts, von Wort zu Wort durchgelesen, und unsere saure Mühe sollte uns nicht gereuen, wenn wir nur etwas Scharfsinniges oder Geistreiches

darin gefunden hätten. Wir werden uns wieder einen neuen Feind auf den Hals hetzen, aber was sollen wir thun? Heucheln und schmeicheln können wir nicht, und die Wahrheit bringt uns Verdruß — so wollen wir denn von diesen beiden Uebeln das letztere erwehlen. Kostet in der Haude- und Spenerschen Buchhandlung 4 Groschen." — Im nächsten Stück wird der Anonymus Philander von der Weistritz, der die Lebensbeschreibung des „großen Stern¬ guckers

Tycho von

Brahe"

aus dem Dänischen ins Deutsche

übersetzt hat, freundlichst ersucht, sich sagen zu lasten, daß er die deutsche Sprache „nicht vor einen seiner Lieblinge hält."

Endlich sei noch die Beurteilung zweier Schriften erwähnt, bekannte Berliner Schulmänner zu Verfassern

welche

hatten. „Zwey Reden des Cicero: für den beklagten Roscius, in Sachen eines fälschlich angeschuldigten Vatermordes, und für den beklagten Ligarius, wegen Staatsvergehens; übersetzt und erläutert durch Chr. Tob. Damm, Rector des Cöllnischen Gymnasii in Berlin. Die ausnehmende Hochachtung, welche der um die richtige Abwartung seines wichtigen Schulammts sorgfältig bekümmerte Herr Rector Damm vor die Verdienste ist bereits durch viele Proben sattsam bekannt, und seine Wercke über diesen Römischen Bürgermeister find in der Gelehrten Welt Die Zeitung vom 7. Oktober 1758 schreibt: „Den höchst¬ bewunderungswürdigen und ebenso erfreulichen Sieg des Größten unter den Königen und Helden, Friedrichs des 2ten, unseres Allerdurchlauchtigsten Monarchen, den welcher 25. August 1758 auf ewig unvergeßlich macht und bey Zorndorf in der Ncumarküber das zahlreiche und fürchter¬ liche Rußische Kriegesheer glorreichst erfochten wurde, feiert durch eine Allerunterthänigste Danksagungs-Rede gegen Gott, den König und seine Helden Johann Friedrich Lüdecke, Conrektor des Cöllnischen Gymnasii, Berlin. — Freilich wird der 25. August d. I. wegen des von unserem niemals genug zu preisenden Monarchen fast wider aller Vermuten er¬ fochtenen Sieges unvergeßlich bleiben, selbst unsere zahlreichen Feinde fangen an. uns diesen Sieg nicht mehr streitig zu machen. Der Herr Conrcctor Lüdecke hat bei dieser Gelegen¬ heit als ein Christ und Patriot gesprochen, auch die Pflichten eines wahren Redners auf das genaueste erfüllt. Seine Residenzstädte Rede ist dem würdigen Magistrat der Königl. des grossen Römischen Redners hegt,

berühmt-"

Berlin

gehorsamst zugeschrieben. Man kann beiden Buchhandlungen vor 2 Gr. haben."

selbige

in den

In solchem uns heute mitunter recht drollig vorkommenden Tone find alle Beurteilungen der neu erscheinenden Bücher abgefaßt. Bisweilen umfaßt die Rubrik „Gelehrte Sachen" noch einige Anzeigen z. B. „Accurates Portrait Sr. Kgl. Majestät v. Preussen, ein Kniestück, gestochen von M. von Drazowa."

„Plan

der

Bataille bei Zorndorf,

umständlicher Nachricht von dem grossen Siege." hört endlich der (äußerst dürftige)

nebst

Hierher

ge¬

„Theaterzettel"-

„Morgen wird die Königl. general-piivileg.

Schuchische

Ge¬

sellschaft teutscher Schauspieler ihren hiesigen Schauplatz wieder

eröffnen

und

das

Trauerspiel

gütige Canut aufführen;

des Herrn Schlegel: Der ein großes Ballet und Nachspiel

wird darauf folgen. Neue Acteurs und Actricinnen werden im Trauerspiel und neue Tänzers im Ballet zum Vorschein kommen. Der Anfang soll allzeit um 5 Uhr seyn." Oder: „Montags, als den 7. August (1758), wird die Schuchische

..

307

Lustspiel, Democrit oder der lachende Philosoph bei Hofe genannt, aufführen. Nach dem sehens¬ würdigem Ballet macht Hannswurst mit einem lustigen Nach¬ spiel den Beschluß." Wie dürftig war damals die geistige Speise, wie gering Gesellschaft

ein

das Bedürfnis nach derselben — war doch diese Zeitung, die dreimal wöchentlich erschien, fast das einzige politische

Blatt in Berlin, das sich auch mit „Gelehrten Sachen" be¬ Allerdings wurde das öffentliche Interesse zum

schäftigte.

guten Teile von

Kriegsthaten des um seine Existenz mit einem übermächtigen Feinde ringenden Heldenkönigs in Anspruch genommen; auch lag ja die Zeit des Soldatenkönigs noch nicht zu fern, der für Kunst und Wissenschaft weder Geld noch Verständnis hatte, soweit sie nicht seine eigenen Malereien oder das Ercerzier-Reglement für seine „lieben den

blauen Kinder" zum Gegenstände hatten.

Es ist eine historisch verbürgte Thatsache, daß die alten Deutschen bis zur Zeit Karls des Großen, was ihre Kleidung anbelangte, überaus genügsam gewesen sind. Als indes, nach der Rückkehr dieses Monarchen aus Jtalieit, die Edelleute seines Reiches Geschmack und Luxus aus Welschland mit herüber gebracht hatten und man bald nichts mehr als sehr kostbare Stoffe, mit fremden, ausländischen, feinen Pelzen verbrämt, sah, und als dadurch nicht unbeträchtliche Summen jährlich aus dem Lande gingen, da konnte sich der alte, auf das Wohl seiner Unterthanen bedachte Kaiser nicht enthalten und baute

Damm, indem er, aller Wahrscheinlichkeit nach, die erste Kleiderordnung schuf. Nach derselben sollte niemand das beste doppelte Unterkleid höher als für 20 Sols tragen; Das der Preis des einfachen Unterkleides betrug 10 Sols. beste Oberkleid, mit Marder- oder Fischotterhäuten gefüttert, war auf 30 und ein mit Katzenfell gefüttertes auf 10 Sols Wer diese Bestimmungen überschritt, mußte eine festgesetzt. Geldbuße von 40 Sols an den Kaiser und 20 an den An¬ einen

geber erlegen.

Die nächsten Prachtgesetze finden wir in Frankreich unter Ludwig dem Gütigen, die derselbe namentlich der Geistlichkeit und dem Kriegerstande gab. Ludwig der Heilige von Frank¬ reich gab keine neuen Verordnungen gegen die übermäßige Pracht, sondern begnügte sich, die Ausschweifungen mit den Worten zu tadeln: „Ein Mann muß sauber gekleidet sein, und wäre es auch, seiner Frau zu gefallen; er muß in seinen Kleidern so gehen, daß die vernünftigen Leute nicht sagen können, er thue zu viel, noch die jungen Leute, er thue zu wenig." Philipp der Schöne, des Vorigen Enkel, begnügte stch nicht mit Worten, er gab strenge Gesetze gegen den Luxus.

Im Jahre 1294

eine ziemlich ausgedehnte Kleider¬ ordnung. in der den Bürgern rundweg verboten wurde. Grau¬ werk und Hermelin zu tragen. Zierrat von Gold und Edel¬ steinen, sowie goldene Einfassungen an Steinen und Perlen zu führen und ihre Weiber mit goldenen oder silbernen Kronen erschien

zu schmücken.

Daß ebensowenig in Italien wie in Frankreich und später in Deutschland die Regierungen mit all ihren strengen Ge¬ setzen den Sieg über die Frauen und ihre Prunksucht davon

trugen, dafür bürgen die häufigen und immer schärferen Wiederholungen dieser Kleidermandate. Viele dieser Kleiderordnungen, meist nur geschrieben, kommen in Urkunden und Städtebüchern vor und liegen in Eine der interessantesten und ausführ¬ Archiven begraben. lichsten, vom Herzog Johann Georg von Sachsen, vom 23. April 1612, bestätigt durch den Landtag zu Torgau. soll nun ihrem ganzen Wortlaute nach mit allen stilistischen und orthographischen Härten ihrer Zeit hier mitgeteilt werden. Sie gewährt uns ein Spiegelbild jener Zeit; sie bildet ein Stückchen Kulturgeschichte aus dem Anfang des 17. Jahr¬ hunderts und ist aus diesem Grunde nach mehr als einer Hin¬ Es lautet diese Kleidersicht von allgemeinem Interesse. ordnung, wie folgt: „Wir Johann Georg rc. thun kund und bekennen, dem¬ nach leider mehr denn genugsam am Tage, welcher gestalt auch in unserem Kur- und Fürstenthumb nicht allein die Hoffarth und Uebermulh in Kleidungen, sondern auch übermäßiger Pracht, Schwelgerei und Ueppigkeit auf Hochzeiten, Kindtäuffen, Begräbnissen und dergleichen Znsammenkünften, alle geschehenen vielfältigen Gebot oder Verbot ungeacht, dermaßer überhand genommen, daß fast kein Stand mehr von dem andern zu unterscheiden, und sich zu besorgen, so diesen Dingen nicht bei Seiten mit einem sonderbaren ernst begegnet würde, daß über die allbereit vor äugen schwebende gefahr. die Unterthanen vollends in eußerste Armut nothwendig gerathen, ja wol end¬ licher Verderb und Untergang des Vaterlandes aus Gottes gerechtem hierdurch geursachtem Zorn und Strafe erfolgen müßte u. s. w., haben Wir nachgesatzte Polizeiordnung abgefaffet u.

s.

„Die

w. und ist Vnser ernster Will und Meinung: vom Adel. Daß erstlichen, inhalis derer von der

Ritterschaft selbsten zu Leipzig getroffenen Vergleichung, in Zu¬ kunft keiner vom Adel Kleider von güldenen oder silbernen Stück oder Mantel und Kleider mit Perlen, Silber und Gold gestickt,

brämet,

oder

auch

antragen,

mit güldenen und silbernen Borten ver¬ auch

keiner

befugt

sein,

einen

ganzen

denn in großer Herren — Gleicher¬ Bestallung. und Emptern fürnehmen Dienste und und Bügel, Sporen vergüldete gestalt sollen die von Adel Personen Herrenstandes welches Fürstlichen, Gräfflichen und sammeten Mantel zu tragen, er

sey

gebühret, ausserhalb der Ritterspiel vnd erforderlichen Dienstwartung bei der Herrschaft, zu führen, sich gäntzlich enthalten. — Unter dem Avelichen Frauenzimmer soll kein einiges Kleid von güldenen oder silbernen Stücken, oder ein Kleid, so mit güldenen Kelten verbrämet, auch nicht solche Tracht vnd Kleidung geführet werden, so Fürstlichen, Gräfflichen und

Herrenstandes Personen gebühren. Wie sie sich denn auch aller frembden vnd außländischen Tracht vnd Manier in Kleidungen enthalten, auch nit vnlerschiedene seidene Röcke untereinander ziehen, sowohl alles übermäßiges gestick vnd

verbrämen mit Perlen, Golde, silbern und güldenen Borten einstellen, vnd darinnen gebührende maß halten sollen.

„Professores vnd Doctores ansf den Universitäten. Deren Weiber.^,Wi,wohl mit auch, vors ander den Doctoribus vnd jhren Weibern die Privilegia vnd Freiheiten, so sie vermöge cfftgemelter Polizeiordnung vnd sonsten erlanget, nochmals gnädigst gönnen können, so wollen Wir doch gleichwohl, das auch unter denselben gehörende vnterschied gehalten, vnd gebührende bescheidenheit gebraucht

werde, dergestalt: daß zwar diejenigen äoctorso, so unsere Räthe, vnd deroselben Weiber und Kinder, wie cs bißhero gebräuchlich gewesen vnd

jhr Stand vnd Privilegium erfordert,

sich, besage

vielgemelter d. h. Römischen Reichs Anno rc. 48 zu Augsburg auffgerichten Polizeyordnung. in Kleidung verhalten, sie auch darbcy allenthalben gelassen. Nach diesem aber folgendes die, so auff den Vniverfilälen Profesiores oder sonsten ausser den Raihsbestallungen, in fürnehmen officio sein, beneben jhren Weibern den andern. Dieser jetzt erwehnter Doctorn Weiber, derer Herren auff den Vniverfitäten Profeffores vnd sonsten daselbst vnd anderen Orlen ikractici seynd, sollen zu tragen befugt seyn güldene Ketten (jedoch daß dieselben, so sie auff Item, einmal antragen, nicht ober 200 gülden werth). güldene Armbande vnd Ringe, silberne vnd vergüldete Leibvnd lange Gürtel, auch Messerscheiden nach jhrem vermögen, Röcke von Seidenatlas, Damaßken, Seiden grobgrün. vnd was vor Zeug darunter, deß gleichen auch von solchem Zeuge Schürtzen, Ermel vnd Hartzkappen, gantz, zerstochen oder zer¬ schnitten, welche sich mit glatten oder gemöbelten Sammet, oder seiden Borten, oder auch Seidenstickerarbeit, jedoch ohne Gold, Silber. Perlen oder andere Steine, mögen verbrämen lassen, doch daß solche gebräme ober eine querhand nicht hoch Item, vmbnehmen, Mantelien, oder Schauben von sey. Seidenatlas, Damaßken, Seidengrobgrün, Doppeltaffet, vnd was dergleichen Zeuges vnd drunter ist, fornen mit sammeten oder marderem Vffschlägen, jedoch daß solche ober drey quer finger breit, mit sammet oder seidenen Borten, vnten herumb nicht belegt oder verbrämt seyn. So mögen auch alleine der Professorem vnd Doetorem Weiber, so in den Städten in fürnehmen publicis offioiis befunden werden, sammele Ermel vnd Schürtze tragen, aber ausserhalb dieser stück, sollen sie

Kleid, auch mit sammet nicht höher ver¬ brämet tragen, als diese Ordnung besagt. Deßgleichen sollen sie sich aller Außländischen frembden Trachten, Manier vnd Muster in Kleidung, es sey Spanisch, Frantzösisch, Englisch. Welsch, oder wie die seyn mögen, insonderheit der großen kein gantz sammet

Elsen vnd Wülste vnter den Röcken Item der Rabaten vnd lang emblöffeten Hälse, gäntzlich enthalten. Zu jhrem Haupt¬ schmuck mögen sie eine güldene oder seidene Haube mit Perlen behcffiel, jedoch ohne Goldrosen, oder andere güldene oder silberne vergüldete Stiffte oder Körner, deßgleichen einen Schleyer fornen mit Perlen verkleppelt, tragen. Es soll aber solches beydes ober 50 gülden nicht werth seyn. — Lange Mäntel von Ländischem Tuch oder Harras mögen sie tragen, vnd solche fornen herunter mit Seidenstickerarbeit, einer quer Hand breit, ohne schwarze oder andere Steine, verbrämen lassen. — In specie aber soll diesen vnd folgenden Ständen gäntzlich verboten seyn: Perlen, Ketten, Kleinodien. Gehenke von geschlagenen Goldrosen, sie seyn groß oder klein. Schleyer, mit Goldrosen groß oder klein, Bnterläge vnter die Schleyer mit Golde, Perlen, Goldrosen oder anderem dergleichen! geschmeide gestickt

oder gehcffl. Hauptmützen

mit Perlen. Gold¬

rosen oder anderen köstlichen ©teilten, deßgleichen mit güldenen

oder silbernen geklöppelten Borten beheffi oder gestickt, Vmb-

hänge vmb den Hals ober der Krausen, sie seyn von Corallen,

Perlen. Golde, Silber, gläsern schmelzwerg. Goldgülden vnd anderm Geschmeide, silberne oder güldene Kragensteiffen, oder auch so mit Golde, Silber oder Perlen gestickt oder güldenen und silbernen Borten verbrämet, seidene Strümpffe, Haupt¬

decken

oder Schnuptücher, mit Perlen,

Goldrosen oder der¬

gleichen Geschmeide gestickl, silberne und güldene Stecknadeln

mit Perlen und Knöpfen, silberne oder güldene Rappier vnd Tölche

so

die Weiber zum Hauptschmuck brauchen, auch Ohren¬

gehenke vnd dergleichen, Ziem newe Muster der Hauptmützen,

bishero an einem orte nicht bräuchlich gewesen. So sollen nicht tragen Futter oder Vffschläge von Zobeln oder Hermelin, oder anderm Futter, was köstlicher als Marder. so

sie auch

„Der Doktoren Töchter.

So

sollen

auch

dieser

Doetorem Töchter keine andere, als seidene Grobgrüne, Doppeltaffete vnd cardeckene Röcke, vnd was drunter ist. ganz vnzerstochen oder durchschnitten, auch nicht durchsteppet vnd darzu sammele Müder oder Leiber, Damaskene oder Seidenatlasse Ermel, ganz oder zerstochen vnd durchschnitten, aber mit nichts

anders, als mit einem gemeinen Cardecken vnterfüttert. in färben, so jhnen gefällig, tragen. Sie mögen auch ihre Röcke mit glatten oder gemöbelten Sammet oder seidenen Borten vnten Herumb verbrämen laffen, jedoch daß solch gebräme ober eine quer Hand nicht hoch sey. So sollen sie auch kein Kleid, es sei am Rocke, Leib, Ermel oder Schauben, mit güldenen Borten, sie seyn von gutem oder tollem Golde, verbrämen lassen. So mögen sie auch Bmbnemschauben von Damasken oder Doppeltaffet tragen, mit mardernen oder sammeten Vffschlägen; aber von Seidenatlas sollen sie keine Schauben tragen, auch keine ober zweene quer Finger hoch unten herumb mit sammet oder seidenen Borten verbrämen lassen. Deßgleichen keine Kräntze, darinnen Edelgesteine, Goldrosen, güldene und silberne Stiffte oder anders dergleichen versatzt. — Wenn aber eines Doktors Tochter eine Braut ist, mag sie an jhrem Ehren- oder Hochzeittage einen Seidenatlassen oder Damaßkenen Rock tragen, wofern sie nicht ausserhalb jhres Standes, sondern in einen dergleichen Stand heyrathet, in welchem, vmb ires künsfagen Ehemannes Willen, vermöge dieser Ordnung, solcher je zu tragen vergönnet vnd nachgelassen ist. Auffer dessen aber, soll sie jhres Ehemannes Stande, kraffi dieser Ordnung sich allerdings gemeß erzeigen vnd ver¬ halten. — Es soll auch keines Doktors Tochter eine güldene Kette, so mehr als 100 Goldgülden wichtig, auff einmal an jhrem Halse tragen; deßgleichen Armbänder, so doch ober 25 Goldgülden in alles nicht würdig, wie auch alles jhr Hauptgeschmeide an perlenen Borten, vorgebeugen vnd anderm

würdig seyn soll; Silberne auch ver¬ güldete Leib- vnd lange Gürtel vnd Mefferscheiden, sollen jhnen zu tragen erlaubt seyn. Lange Mäntel von Ländischem Tuche, do aber die Ele ober 3 gülden nicht würdig, vnd von Harraß oder dergleichen zeuge, mögen sie tragen, vnd darauff einen Sammet oder Gesteppe, jedoch nur von Seide, ohne Steine, ohne andern zusatz 3 querfinger breit machen lassen. ober 50 gülden

nicht

„Hoffdiener

so

nit graduiret. Item Secretarien.

Ferner folgen die Hoffoiener, so nicht graduirte Personen vnd Räthe seyn, als Renth- Kammer- vnd Müntzmetster, Item Buchhaltern, bis auf die Secretarien, Rentherey vnd Canzleyverwarten, so nicht blose Copisten, inclusive, diese werden sich selbst der gebühr bezeigen, vnd ober jhren Stand nicht heraus brechen, wie denn keiner ober Seidenatlas oder Damaßken (außer die Hosen, darzu sie Sammet gebrauchen mögen) zu seiner Kleidung tragen soll. „Magistri. Die Magistri vnd diejenigen Vnlverfitätsverwandten, so denselben gleich zu achten, vnd fürneme praxin

- 309 sollen mit jhren Weibern vnd Kindern in Kleidungen verhalten, wie folgends bei den Rathsherren specificirt

haben, sich

werden wird.

„Der Hoffdiener vnd Secretarien Weiber. Der obgemelten Hoffdiener vnd Secretarien Weiber aber mögen Damaßkene vnd zum unterscheid der Doctoren Weiber keine Seidenatlasse Röcke tragen. Es sollen jhnen aber ohne unter¬ schied die sammeten

Schürtzen vnd Ermel,

vnd anders

so

gedachter

Doctorn Weibern, wie oben nicht

stehet,

nachgelassen,

verboten, sondern

zum

hiermit

So soll auch keine eine güldene Kette, 100 Goldgülden würdig, auff einmal antragen. Schleyer mit Perlen oder gäntzlich gewehret sein.

so

ober

anderm sie

behefftet

sollen

nicht tragen,

jedoch

derowegen zu reden vnd sie zu straffen nicht vrsach habe. (Schluß folgt.)

Kleine Mitteilungen. Der zweite Wettbewerb für das Völkerschlacht-Nattonal-Dcnkmal bei Leipzig. (Mit zwei Abbildungen.) Bekanntlich hat sich schon vor mehreren Jahren der deutsche Patriotenbund gebildet, der die Erhebung des deutschen Volkes in dem Jahre 1813 und die Vernichtung des übermütigen Korsen, zu der die Völkerschlacht bei Leipzig den eigentlichen Grund gelegt, durch ein großartiges

National-Denkmal

auf Leipzigs blutourchtränktcn Gefilden verherrlichen will. Eine erste Aufforderung zum Wettbewerb um den Ent¬ wurf eines solchen National¬ denkmals, bei dem sowohl

mit Perlen behäffte

historischen Thatsache der jenes gewaltigen Völkerringcns, wie auch der Eigen¬ tümlichkeit des Ortes ge¬ bührend Rechnung zu tragen war, blieb ohne den ge¬ wünschten Erfolg. Man konnte sich nicht zur Aus¬ führung eines der ein¬

tragen, welche aber ober 20 gülden nicht würdig, vnd sich sonsten der Doctorn Töchter mit Haube

Vmbnemschauben, verbrämen der Röcke vnd

den

langen rassen,

gereichten schließen.

tuchenen. Haroder von der¬

gleichen Zeuge

ihrer Konzeptton nicht bloß großartiger, sondern geradezu genialer Entwürfe vorlagen.

Wir führen von

Rieth in Berlin auf Seite

zum

305. — Für den zweiten Wettbewerb war das (ver¬ Ergebnis des meintliche)

unterscheid der Doctoren

Töchter,

wie sie denn gleichergestalt jhre Klei¬ dung mit güldenen Bor¬ ten

nicht

ersten mit den Worten vor¬ geschrieben, daß „nur an die

Ausführung

Das Kisimrik-Denknllü in der Dillen-Kolonie Gruneniald bei Berlin.

Schauben von Doppel¬ taffet, Tobten, Gindeldort oder vngewässerten Zschamlot, vnd was drunter ist, vnd solche vnten vmbher mit einem seidenen oder sammetbörtlein beleget, so doch ober oder sammeten Strich

Finger breit nicht sein soll, mögen sie tragen. Hauptgeschmeide soll ober 30 gülden an perlenen Borten, vorgebeugen vnd anderen in allem nicht werth seyn, sollen auch zweene quer

Ihr

Ketten auff einmal am Halse tragen, so ober 80 Goldgülden wichtig, auch kein Armband, so ober 7 Goldgülden würdig, wie auch keine silberne vergüldete Gürtel, sondern alleine silberne Leib- vnd lange Gürtel, vnvergüldet, vnd solches so lange, biß sie sich durch Heyrath in einen keine güldene

anderen Stand begeben, do ihnen ein mehrers oder wenigers. desselben halben, nach Zulassung dieser Ordnung zu tragen

vergönnet.

eines

mächtig

in die Höhe strebenden Monu¬ mentalbaues in Form eines

verbrämen

lassen sollen, deßgleichen

denselben

diejenigen, die mit dem.ersten und zweiten Preise bedacht worden sind, unseren Lesern in der heutigen Nummer vor, nämlich den Entwurf des Architekten W. Kreis in Charlottenburg auf Seite 304 und den des Architekten Otto

vnzerstochen

vnzerhawen,

ent¬

bewerb gesagt werden, ob¬ gleich hier eine Reihe in

Mänteln

Aber jhre Töchter mögen alleine Röcke von Doppeltaffet tragen, vnd darbey Damaßkene und Seidenatlasse Ermel vnd Sammete Leiber, jedoch alles gantz,

Entwürfe

Leider muß das¬ selbe von dem zweiten Wett¬

gleich halten.

vnd

werden, vaß sie

vor jhre person, jhre Weiber vnd Kinder in ziemlicher Tracht vnd Kleidung halten sollen, damit andern mit guten exempeln sie vorgehen, vnd im Fall ihrer vbertretung, man mit jhnen

mögen sie eine güldene oder

Darbey denn in¬

rnlrristsrii ecclesiae erinnert

an

sammet (ausserhalb der sammeten Hauptmützen) der Doctorn Weibern zu tragen vergönnet, vnd viel weniger das, so jetzt unterscheid des Standes

„Pfarrern, Weiber und Kinder. sonderheit die

Turmes, Obelisken, einer Pyramide oder Säule ge¬

dacht werden könne, in deren ein Aufstieg zu einem Plateau führe, von dem aus bas gesamte Schlachtfeld zu Hinzugefügt wurde noch, „daß das Denkmal übersehen sei." müsse, als Völkerschlacht-Denkmal weithin leicht erkennbar sein keine Anlehnung an Bestehendes enthalten dürfe, vielmehr eigenartig in seiner Gestalt die ganze Umgebung beherrschen solle." Der letzteren Dagegen hat Anforderung nun haben alle Entwürfe entsprochen. Otto Rieth in seinem Entwurf den Nachweis erbracht, daß auch eine andere Gestaltung des Denkmals als in der Form von Obelisk, Pyra¬ mide, Turm oder Säule nicht zu den Unmöglichkeiten gehört. Auf ge¬ waltigem Postament ruht bei seinem Entwurf die Kollossalfigur der sitzenden Mutter Germania (18 m hoch), die mit der Rechten das Schwert hält, die Linke dagegen hoch erhoben hat zu dem Mahnruf an Deutschlands Stämme: „Seid einig, einig, einig!" Von diesem Mahn¬ ruf als Grundgedanken ist überhaupt der ganze Entwurf beherrscht. Auch die dem Postament vorgelegten Reiterfiguren Lützows und Theodor Körners entsprechen ihm durchaus, indem sie in keiner Weise den Anspruch erheben, mit der Hauptgestalt der Germania in Wettbewerb zu treten, sich vielmehr nur als von Begeisterung und Liebe zu ihr erfüllt erweisen. Die „Deutsche Bauzeitung" urteilt über diesen Entwurf: „Was hier ein reicher künstlerischer Sinn geboten hat, ist von solcher Eigenart, so neu in der Gestaltung, und prägt fich bem Gedächtnis

Jnnerm

mit

solcher Macht bezwingend ein, wie es kein

Turmbau üermaß, und von allem Herkömml-chen aufgebaut." Der mit dem ersten Preis ausgezeichnete Entwurf von W. Kreis zeigt uns da¬

sei er noch so abweichend

gegen einen

Turmbau mit quadratischem Grundbau, der in seiner einfachen

und wuchtigen Ausbildung an die griechischen Telamonenhallen der Frühzeit erinnert. An der Vorderseite geht die Halle in einen Rundbau über, den eine Walküre krönt. Der Turm endigt in einer von jeder Ueberlieferung freien Form, trägt ein zum Ausblick durchbrochenes Obergeschoß und ist mit einem Adler gekrönt. Als Denkmalsplatz ist dem Deutschen Patriotenbund seitens der Stadt Leipzig die historische Stätte zur Verfügung gestellt worden, an welcher sich Napoleon I. am 18. Oktober für besiegt hielt und den Rück¬ zug anordnete. Diese Stätte, die ohnehin schon einen übersichtlichen Rundblick über das Schlachtfeld gestattet, soll noch durch einen aufzu¬ schüttenden Berg von etwa 30 in erhöht werden. Auch soll das Denkmal von einer monumentalen Platzanlage für Festversammlungen (ev. National¬ spiele), die circa 10 000 Personen faßt, umgeben werden.

Das Bismarck-Denkmal in der Villen-Kolonie Grnnewald bei Berlin. In der Errichtung eines Bismarck-Denkmals ist die VillenKolonie Grunewald der Reichshauptstadt, die ja auch schon lange ein solches geplant hat, zuvorgekommen. Richt bloß die allgemeine Ver¬ ehrung für den Alt-Reichskanzler, sondern auch noch besondere Be¬ ziehungen haben die Bewohner der Villen-Kolonie veranlaßt, dem „Alten

im Sachsenwalde" ein Denkmal zu setzen. Kein Geringerer als Fürst Bismarck war es, der vor fast einem Vierteljahrhundert die erste An¬ regung zur Schaffung des Kurfürstendamms und damit in Verfolg zur Gründung der Villen-Kolonie gegeben hat. In einem Schreiben vom 5. Februar 1873 hat er die Gesichtspunkte dargelegt, die für eine Straßen¬ verbindung mit dem Grunewald zu beachten sein würden. Auch stammt von ihm das Wort: „DerGrunewald muß der Tiergarten Berlins werden." Den Schöpfer des projektierten Denkmals fanden die Bewohner der Kolonie in ihrer Mitte, nämlich in Max Klein, einem der genialsten zeit¬ genössischen deutschen Bildhauer. Sein meisterhaftes Werk zeigt uns den Fürsten nicht in heroischer Stellung, wie sie sonst für die Monumente unserer Staatsmänner und Feldherrn beliebt ist sondern so, wie sich sein Bild in den letzten Jahren so tief in die Herzen des deutschen Volkes eingegraben hat. einfach als „Gutsherrn von Friedrichsruh", durch den Wald einherschreitcnd, im langen Rock, den Schlapphut auf dem Haupte, den derben Stock in der Hand, zur Seite Tyras, den Reichshund, oder doch einen aus dem Geschlechte dieses berühmt ge¬ wordenen Vierfüßlers. 2,60 Meter hoch erhebt sich das Erzbild auf einem von wuchtigen, unbehauenen Granitblöcken zusamuiengefügten Sockel von 2,20 Meter. Am 10. Mai d. ist das bei aller Einfach¬ heit doch überwältigend wirkende, schöne Denkmal enthüllt worden, das seitdem der Villen-Kolonie Grunewald zu einer hervorragenden Zierde gereicht.

I.

Brief Ferdinand Lasalles an den Fürsten Bismarck. Einen interessanten Brief Ferdinand Lasalles an den Fürsten Bismarck enthält die soeben erschienene zweite Abteilung des 4. Bandes von Horst Kohl's Bismarck-Jahrbuch. Der Brief beziebt sich auf die von Bis¬ marck geplante Einrichtung des allgemeinen Wahlrechts uud hat folgenden Wortlaut: Excellenz !

Vor allem

klage ich mich an, gestern vergessen zu haben, Ihnen noch einmal ans Herz zu legen, daß die Wählbarkeit schlechterdings

allen Deutschen erteilt werden muß. Ein immenses Machtmittel! Die wirkliche „moralische" Eroberung Deutschlands! Was die Wahltechnik betrifft, so habe ich noch gestern nacht die gesamte französische Gesetzgebungsgeschichte nachgelesen und da allerdings wenig Zweckmäßiges gefunden. Aber ich habe auch nachgedacht und bin nunmehr in der Lage, Ew. Excellenz die gewünschten Zauberrecepte zur Verhütung der Wahlenthaltung wie der Stimmenzerbröckelung vor¬ legen zu können. An der durchgreifenden Wirkung derselben wäre nicht im geringsten zu zweifeln! Ich erwarte demnach die Fixierung eines Abends seitens Ew.

Excellenz. Ich bitte aber den Abend so zu wählen, daß wir nicht gestört werden. Ich habe viel über die Wahltechnik und noch mehr über anderes mit Ew. Excellenz zu reden, und eine ungestörte und erschöpfende Besprechung ist bei dem drängenden Charakter der Situation wirklich

unumgängliches Bedürfnis. Der Bestimmung Ew. Excellenz entgegensehend, mit ausgezeichneter Hochachtung

Ew. Excellenz ergebenster

Berlin, Mittwoch 13. 1. 64. Potsdamerstr. 13.

F. Lassalle.

Ueber die Entstehung der Farbenzusammcnstellung Schwarz-WeißRot als Reichssarven bringen die „Hamb. NachriM«^svWtM°MittekkMg: Die Verordnung Sr. Majestät des Kaisers und Königs über die allgemeine Anlegung der deutschen Kokarde in der Armee legt es nahe, sich der Entstehung und Bedeutung derselben zu erinnern. Nach Herstellung des norddeutschen Bundes und Beginn einer deutschen Marine, an der außer Preußen auch andere deutsche Staaten Anteil nahmen, war es Bedürfnis für die Marine, ebenso wie in der Landarmee, eine Flagge herzustellen, deren Farbe die Kokarde wiedergab. Das ftühere deutsche Einhcitszeichen aus der Zeit von 1848, Schwaz-Rot-Gold, war dazu nach der Art, wie diese Farben in revolutionärem Dienst der

Armee gegenüber getreten waren, nicht verwendbar. Der Bundeskanzler erhielt daher den Auftrag, Vorschläge zu machen, und befürwortete bei Sr. Majestät dem Könige die jetzige Zusrmmenstellung, weil in derselben nicht nur das preußische Schwarz-Weiß, sondern auch das Weiß-Rot der Hanseaten und Holsteiner, also der stärksten außerprcußischen Schiffs¬ zahl vertreten war. Und in der That ergab es sich, daß diese Einfügung der heimischen Flagge in die Bundesflagge in den Hansestädten und in Holstein Beifall fand. Dem Könige gegenüber machte der Bundeskanzler für diese Zulammenstellung noch die Begründung geltend, daß Weiß-Rot die alten brandenburgisckien Farben seien, wie sie bis zur Zeit des Großen Kurfürsten geführt wurden, und diese Erwägung trug nicht wenig dazu bei, den König mit der Hinzufügung der roten Farbe in die Flagge zu befreunden. Se. Majestät pflegte auf Reisen, wo beide Flaggen dekorativ grmischt waren, die schwarz-weiß-roten und die schwarz-weißen, wenn die ersteren zu Gesicht kamen, wohl scherzweise dem Kanzler zu sagen: „Da haben Sie Ihre brandenburgischen Fahnen." Parole.

Friedrich Wilhelm I. und der Bürgermeister von Goldap. Im Jahre 17 88" tum Hli«ht I ch^MMl « ' ' Mky''MM>pk^M^6ttige >

'» ^

Bürgermeister Christoph Dullo, ein großer, wohlgewachsener und stattlicher Mann, war dem Monarchen, der bekanntlich große Leute in seine Garde sehr gern aufnahm, als solcher gerühmt worden. Der Stadtpräfekt halte aber die bevorstehende Ankunft des Landesvatcrs erfahren, und da er ahnte, daß er niöchlicherweise zur Zierde der Potsdamer Garde auserwählt werden könne, flüchtete er zu seinem in Polen wohnenden Freunde und Gönner, dem Grafen Pusinna. Dieser schenkte ihm, als er den Grund seiner Flucht erfuhr, zwei sehr schöne große Männer von seinen Unterthanen. Mit diesen eilte Dullo unverzüglich zu seinem Könige, der sich bereits wieder in Gumbinnen befand, bat um Verzeihung, daß er bei der Anwesenheit Sr. Majestät in Goldap nicht zugegen gewesen sei, weil er nach Polen habe reisen müssen, um dem Könige durch ein Paar strammer Garderekruten Freude zu bereiten. Der König war über dies sonderbare Geschenk sehr erfreut, vergab dem Bürger¬ meister seinen Fehltritt und ersuchte ihn, sich eine Gnade auszubitten. Dullo sprach hierauf den Wunsch aus, daß der König ihm die Pacht des damals zur Erledigung gekommenen Domainenamtes Kianten ver¬ leihen möge. Die Bitte wurde dem Bürgermeister huldvoll gewährt, und er blieb auch fernerhin trotz seiner enormen Größe von den Werbern unbehelligt. Vater und Sohn Feldmarschall. Der seltene Fall, daß sowohl der Vater als auch der Sohn preußischer Generalfeldmarschall ist, trat bei dem alten Dessauer und dessen zweitem Sohne, dem Prinzen Leopold Maximilian, ein. Fürst Leopold von Anhalt-Dessau hatte diese Würde, noch nicht 35 Jahre alt, am 2. Dezember 1712 durch Friedrich Wilhelm I. von Preußen erlangt. Ueber dieses Avancement beschwerte sich der Herzog Friedrich Leopold von Holstein-Btck^ dessen Patent als Kavalleriegeneral vom Jahre 1697 stammte, während Fürst Leopold erst 1704 General der Infanterie geworden war. Der König aber hob in einem Schreiben, datiert Köln an der Spree, den 4. Dezember 1712, hervor, daß der Fürst „fast alle Jahre das Commando bei seinen Truppen versehen und durch die ihm geleisteten Dienste die Ehre seiner Waffen um ein Merk¬ liches vermehret und von dem Seinigen ein vieles dabei zugesetzet, und daß er daher sich nicht entbrechen könne, ihm einige Kennzeichen seiner vor ihm habenden Estime und Erkenntlichkeit widerfahren zu lassen." Leopolds Sohn, der Erbprinz Leopold Maximilian, geboren am 25. Dezember 1700, erhielt die Würde als Feldmarschall auf dem Schlacht¬ felde selbst, und zwar am 17. Mai 1742, als Lohn für seine glänzende Leitung der Schlacht bei Czaslau, in der auf seinen Befehl der General¬ lieutenant von Buddenbrock mit dem rechten Flügel angriff und nur die Jnfanterieregimenter Schwerin, Holstein, Prinz Leopold und La Motte zum Schlagen kamen. Er überlebte seinen Vater, der am 17. April 1747 starb, nur wenige Jahre, indem der Tod ihn bereits am 16. Dezember 1751 abrief. D. Sonderbare Frauen" . Herr von Minutoli, ein Vorgänger unserer heutigen PoUzebWW^erichtet in einer Abhandlung über die weiße Frau im Königlichen Schlosse zu Berlin, daß die Nachrichten über dieselbe bis zum Jahre 1486 hinaufreichen. Oft ging mau der Er¬ scheinung tapfer zu Leibe und machte dabei recht interessante Ent¬ deckungen. Markgraf Albrecht der Krieger lauerte im Jahre 1540 dem Unhold auf, umfaßte ihn mit kräftigem Arm und stürzte ihn kopfüber in den Schloßhof hinab. Am anderen Tage fand man den Kanzler Christoph Staß mit gebrochenem Genick, bei ihm einen Dolch und Briefe, die auf ein feindliches Einverständnis deuteten. Das Gespenst, wie oft auch kompromittiert, hat sich bis in die neueste Zeit erhalten. Ende der vierziger Jahre unseres Jahrhunderts soll es zuletzt er¬ schienen sein, Herr von Minutoli schreibt darüber: „Eine auf dem Schloßhofe um Mitternacht, in der Nähe des Einganges zur Silber¬ kammer, von einem Unteroffizier mit Entsetzen wahrgenommene, langsam und schweigsam sich nach dem Brunnen und um diesen fortbewegende, von lichten Gewändern umhüllte schauerliche Erscheinung einer weißen Frau legitimierte sich glücklicherweise am folgenden Morgen als eine bejahrte, schwerhörige, die späte Abendluft in Spenzer und Dormeuse lustwandelnd genossen habende, im Schlöffe wohnende, emeritierte, respektable, unter dem Namen der „schwarzen Minna" bekannte Köchin". M, M.

Eine besondere Sorte Streusand. Der F-eiher' ''im nirtir^ tm der Zeit von Preußens tiefster Erniedrigung mit mächligcm Geist das Staatsrudcr ergriff, war trotz seines edlen und menschenfreundlichen Charakters oft den Erregungen des Jähzorns unterworfen. Doch ver-

in

311 stand er, Wie keiner, seine Härten im Umgänge mit seinen Untergebenen Einem Kanzleidiener, der eine von Stein rasch wieder gut zu machen. unterschriebene Schrift aus Versehen mit dem Tintenfasse statt mit der Streusandbüchse überschüttete, rieb er das mit Tinte geschwärzte Papier derartig ins Gesicht, daß dieser, wie ein Mohr aussehend, eiligst das Als derselbe Beamte am nächsten Morgen in die Zimmer verließ. Kanzlei trat, fiel sein Blick mit großer Unruhe sogleich auf das besudelte und zerknitterte Papier, w-lchcs ihn an die gestrige Ungeschicklichkeit er¬ innerte und sich augenblicklich in den Händen des Frciherrn befand. Letzterer winkte den Diener zu sich heran und übergab ihm das zusammen¬ gefaltete Papier mit den Worten:

„Nehmen Sie es mit nach Hause, ich habe nämlich nachträglich Sorte Streusand auf die Tinte gethan, den mögen Sic auch zur Heilung des Schadens verwenden, welchen ich Ihnen gestern zufügte!" Der Diener nahm das Dokument entgegen; da rollte ihm plötzlich ein Doppel-Louisdor in die Hand. Stein aber, die Dankcsäußerung des bestürzten und zugleich erfreuten Mannes abschneidend, sagte zu ihm: „Strafe muß sein; gestern für Ihre Ungeschicklichkeit, heute für noch eine besondere

meinen

—än—

Jähzorn."

Vom Hildesheimer Silberschatz. Seit einiger Zeit ist man im Antiquarium" 'Ilkk^MklAWÄt^Müseen zu Berlin damit beschäftigt, die defekten Stücke des Hildesheimer Silberschatzes, nachdem sie bisher in dem Zustande, in dem man sie vor 29 Jahren gefunden hatte, gelassen waren, auszubessern, um sie vor weiterer Beschädigung zu schützen. Die abgefallenen Henkel und Füße der Gefäße werden wieder angesetzt, die Löcher durch Einführung von Silberplatten ausgefüllt und einzeln er¬ haltene Bruchstücke, soweit es möglich ist, in ihrem ursprünglichen Zu¬ sammenhange wieder eingefügt. Die Arbeit ist an verschiedenen Gefäßen bereits durchgeführt, so außer an kleineren Stücken namentlich an dem großen Mischkrug, dem Prachtstück der ganzen Sammlung, der nun wieder auf seinem alten Fuße steht und dessen äußerer, mit dem reichsten und feinsten Rankenwerke dekorierter Mantel jetzt nicht mehr die klaffenden Lücken ausweist, die früher den Eindruck störten. Von anderen größeren Gefäßen ist ebenso der durch seine halb barbarisch anmutende Verziern: g von Thicrstreifen und Ranken merkwürdige Humpen hergestellt. Weiter hat sich aus zahlreichen Stücken eine große, mit Riefelungen versehene Schüssel zusammensetzen lassen, die bei der Auffindung des Schatzes noch vollständig gewesen war. Aber auch um ein ganz neues und besonders anziehendes Stück haben diese Hcrstcllungsarbeiten den Schatz bereichert. Wie die amtlichen Berichte aus den königlichen Kunstsammlungen mit¬ teilen, hoben sich einige lose Stücke, die bisher in ihrer Zusammengehörig¬ keit nicht erkannt worden waren, als Teile eines sehr zierlichen kleinen Dreifußes erwiesen. Auf der Platte des Dreifußes steht eine ebenfalls bisher unbeachtet gebliebene Inschrift, die den Namen eines M. Scato, des vermutlichen B:sitzcrs, und dazu die Angabe enthält, daß der Drei¬ fuß ursprünglich mit noch einem anderen gleichartigen Stücke zu einer Garnitur gehörte und beide zusammen ein Gewicht von 213/24 römischen

Sammelbörse.

Pfund hatten.

WleLertäuM-Lhsien.' In einem Gute in Flensburg wurde ein sogenannter Wiedertäufer-Thaler aufgefunden, welcher aus der Zeit Johanns von Leyden stammt. Der Avers trägt folgende Aufschrift: Mcht In Gaen Dat Wort Is Fleisch G: worden Un Wanet ln ths Nicht Gebor ls U h. De Wat Un Geis Mag We. Auf dem Revers steht: lud Litze Godes Ein Konick. Ein Godt Ein Gelove Ein Doepe. — 1534 Tho Munster. Aus der Kaschubei. „Wo kommen die Kaschuben her — es sind so Ml, wie Sand am Meer — ? — Ut Stolp, ut Stolp, ut Stolp!" sind die Worte, welche der Soldatenhumor der pommcrschen Regimenter dem Zapfenstreich unterlegt. Aber der Vergleich mit dem Sand am Meer hinkt; denn die Kaschuben schmelzen immer mehr zusammen. Gegen Ende des vorigen Jahrhunderts gab cs noch viele Kirchspiele, welche das Kassubische redeten. Jetzt wird bald der letzte begraben sein, der Kassubisch versteht. So war im Kirchspiel Chardrow, Kreis Lauen¬ burg, in der Mitte des vorigen Jahrhunderts das kassubische Element 1859 waren höchstens noch 8 Kassuben im Kirchspiel überwiegend. vorhanden, deren letzter, ein Fischer, 92 Jahre alt, 1872 starb. Anderswo wird in einigen Gemeinden noch kassubisch gepredigt. einer derselben wollte der Prediger einem alten, kranken Kaschuben, der auch deutsch berstand, ins Gewissen reden, und zwar in deutscher Sprache. Da wandte sich der Mann um und meinte: „Ach Wat, ick mot kassubisch vermahnt

In

E. K.

werden!"

Kücherttfch. Wandkarte der Umgebung von Berlin. Von Chr Peip. Stuttgart, Verlag von Hobding u Büchle. Preis 6 Mk. Der Verfasser des Taschen-Atlasscs von Berlin und Umgebung (Preis 2 Mk.) ist in den weitesten Kreisen märkischer Wanderer rühmlichst bekannt. Die Vorzüge seines Taschen-Atlasses: ein klares, übersichtliches Bild der Landschaft, Angabe der Entfernungen auf den Wegen, billiger Preis, find auch seiner neuen märkischen Wandkarte eigen. Dieselbe ist >m Maßstabe 1:75000 gehalten (die Generalstabskarten haben 1:900000) und dürfte sich namentlich für Schulen, Gasthöse. Restaurationen. Vereme, sowie zum eingehenden Studium der Umgebung Berlins empfehlen. Die Wandkarte gliedert giebt ein überaus an¬ sich in 4 Sektionen und

Bild der Landschaft zwischen Fehrbellin und Eberswalde (als nördliche Begrenzung) und Trebitz und Bugk am Schweriner See (als südliche Begrenzung'. Nicht verabsäumen will ich bei dieser Gelegenheit, nochmals auf den Peip sehen Taschen-Atlas mit wärmster Empfehlung hinzuweisen. Ich habe ihn auf zahlreichen Wanderungen praktisch er¬ probt und in ihm stets einen selten zuverlässigen Führer gefunden, welchen jeder besitzen sollte, der in der Mark Wanderungen unternimmt. —e. schauliches

Prinz Wilhelm.

Vaterländische Erzählung von Ludow i ca H esc kiel. 2. Auslage. Berlin, Verlag von Otto Zanke. Preis 1 Mk. Diese Erzählung der rühmlichst bekannten, in der Blüte ihres Schaffens verstorbenen vaterländischen Schriftstellerin sollte in der Bibliothek jeder Berliner Familie zu finden sein. Sie giebt ein packendes Bild des vormärzlichen Berlins mit seiner kleinbürgerlichen Gemütlichkeit. Die lokale und kulturhistorische Färbung ist meisterhaft gelungen, der warme Patriotismus geht zu Herzen, da er aus dem echt preußischen — y. Herzen der Verfasserin stammt.

Die Nummer 2816 der „Illustrierten Zeitung" in Leipzig enthält zunächst eine Reihe Bilder zum 60jährigen Herrscherjubiläum der Königin von England nebst einem interessant geschriebenen Leitartikel über die Jubilarin aus der Feder von Wilh. F. Brand. Die Bilder umfassen das Porträt der Jubilarin (ganzseitig), dann 4 Bilder: Jugendporträt, die Königin an ihrem Hochzeltstage, die Königin im Krönungsornat und ein Porträt der Jubilarin ans der Zeit ihrer Thronbesteigung. Die vielgenannten sehenswerten Schlösser der Königin: Buckinghampalast in London. Balmoral in Schottland, Osborne auf der Insel Wight und Schloß Windsor sind nach photographischen Aufnahmen sehr wirkungs¬ voll wiedergegeben. Das sensationellste Ereignis der letzten Tage, das Schicksal von Dr. Wölferts Luftschiffahrt mit seinem lenkbaren Ballon wird durch ein großes ganzseitiges Bild: Die Explosion des Luftschiffs auf dem Tempelhofer Feld bei Berlin am 12. Juni (nach der Skizze eines Augenzeugen), sowie durch die Ansicht des genannten Luftschiffs (nach einer Photographie von Zander und Labisch in Berlin) illustriert. Der Um- und Neubau der Universität zu Leipzig (die feierliche Weihe des Monumentalbaues fand am 15. Juni slattj ist durch 3 hervor¬ ragende Illustrationen, sowie durch das Porträt des Erbauers des Umund Neubaus, Arm. Roßbach, verherrlicht. Der am 26. Mai im Prater zu W^en veranstaltete Radfahrer-Blumcnkorso ist durch 5 Illustrationen (nach Originalzeichnungen von W. Gausc) seh-- schön hervorgehoben. Der am 14. Juni zu Wien verstorbenen größten zeitgenössischen Tragödin Charlotte Wolter sind 6 Illustrationen gewidmet. Außerdem sind noch hervorzuheben: der Nekrolog über den am 11. Juni in Wiesbaden ver¬ schiedenen Nestor der deutschen Chemiker, Fresenius, das Scheffeldenkmal bei Olevano im Sabinergebirge und die nach dem Leben gezeichneten Halbaffen im Berliner Zoologischen Garten.

Das Juniheft der „Deutschen Revue", herausgegeben von Richard (Stuttgart, Deutsche Verlags-Anstalt), hat nachstehenden Inhalt: Erinnerungen an Heinrich v. Stephan. Von A. v. Werner. — Trin' Dorten. Von Luise Schenk. — Erzherzog Johann von Oesterreich über Griechenland. Ungedruckte Briese an den österreichischen Gesandten in Athen A. v. Prokesch von 1837—1844. Von Dr. Anton Schlossar. — Franz von Lenbachs Erzählungen aus seinem Leben. Aus Ge¬ Von W. Wyl. sprächen mit dem Meister mitgeteilt (Schluß). — Ueber die Entwicklung der modernen Verbrecherlehrc. Von Prof. Dr. Kirn in Freiburg i. B. — Beim 84 jährigen Verdi. Von Heinrich Ehrlich. — Wanderungen und Gespräche mit Ernst Curtius. Von Heinrich Gelzer. — Frankreich und die Donaufürstentümer nach demPariserKongreß 1856(Schluß.) VonL.Thouvenel. — Offener Briet an Herrn Geh Regierungsrat Dr. W Bode, Direktor der königlichen Gemäldegalerie in Berlin. Von A. v. Werner. — französischen Mittelmeerkolonien. Von Dr. Czerny. Reisebriese aus den — Zcilfragen: Luxusbühne und Volksbühne. VonDr.HellmuthMielke. — Litterarische Berichte. — Eingesandte Neuigkeiten des Büchermarktes. — Allmonatlich erscheint ein Heft von 128 Seiten. Preis vierteljährlich (3 Hefte) 6 Mark. Das Januarheft der „Deutschen Revue" ist durck) Fleischer

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auf Verlangen zur Ansicht zu erhalten.

Inlzalt: Finis

Poloniae. Historischer Roman von Schloß Goldbcck in der Priegnitz. Von M. Hagemeister. — Von „Gelehrten Sachen". Von P. Bellardi. — Eine Kleiderordnung aus dem Jahre 1612. Mitgeteilt von Dr. Max Baumgart. — Kleine Mitteilungen: C.

Gründler

(Fortsetzung). —

Der zweite Wettbewerb für das Völkerschlacht-National -Denkmal bei Leipzig (Mit 2 Abbildungen). Das Bismarck-Denkmal in der VillenKolonie Grunewald bei Berlin (Mit Abbildung). Brief Ferdinand Laffallcs an den Fürsten Bismarck. Ueber die Entstehung der Farbenzusammenstellung Schwarz-Weiß-Rot. Friedrich Wilhelm I. und der Bürgermeister von Goldap. Vater und Sohn Feldmarschall. Sonder¬ bare „weiße Frauen". Eine besondere Sorte Streusand. Vom Hildes¬ Wiedertäufer-Thaler. Aus der Kaschubei. — heimer Silberschatz.

Büchertisch. Wer die Sommerfrische erfolgreich genießen will, der muß zunächst Das läßt sich freilich eines guten Magens sorgen. bequemer und besser in der Großstadt erreichen, wo man an regelmäßiges Leben gewöhnt ist, Doktor und Apotheker schlimmstenfalls leicht zu erreichen

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sind. Anders draußen, wo neue Küche, neues Bier, vielleicht auch keim¬ haltiges Trinkwasser den Magen aus seiner gewohnten Behaglichkeit aufrütteln, wo den Kindern verlockendes Obst geboten wird, das nicht immer reif ist. Uebcrall lauern im Sommer unsichtbare, krankmachende Keime (Gärungspilze), und die Folgen sind ein verdorbener Magen, Ruhr, Sumpffieber u. s. w- Ein gesunder Magen, dessen Magensaft genügend natürliches Pepsin und Salzsäure absondert, kann viel Krank¬ heitskeime mit Hilft seines Magensaftes töten und verdauen und damit den Körper vor Krankheiten bewahren. Ist der Magen aber einmal verdorben, so ist er auch zur Bereitung des Magensaftes unfähig und kann dann am leichtesten zur Erfüllung seiner Pflicht durch Zuführung künstlichen Magensaftes gebracht werden.

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gab seiner Regierung ihr eigentümliches Er ging ganz in seinem Regentenberuf auf. Gepräge. Ueberall ist er selbst, und über allem wacht sein Auge. Er sieht, wie das Korn steht, und wie der Bauer sich nährt, ob ein Bataillon, eine Schwadron sich verbessert hat, ob die Kammern (Regierungen) seine Befehle strikte ausführen. Bei den großen militärischen Musterungen ist er morgens um drei

zum niedrigsten,

schon auf den Beinen, und es verschlägt ihm nichts, in einer Scheune auf Stroh zu übernachten und in einem Dorfwirtshause ein schlechtes Mahl einzunehmen. So schuf er ein

Uhr

bewunderungswürdiges Heer und einen an Gewissenhaftigkeit und Tüchtigkeit unvergleichlichen Beamtenstand, beide die Grundlage von Preußens Größe. Dieselbe Sparsamkeit wie im Staatshaushalt übte Friedrich Wilhelm auch in seinem Privatleben aus, daher sein Hofhält etwas kleinliches, ärmliches hatte, das der königlichen Würde wenig entsprach. Zwar war er nicht ohne Sinn für manche Genüsse des Luxus, namentlich für die Freuden der Tafel, doch übte er lieber Selbstverleugnung aus oder bat sich für kostbare Lreblingsgerichte an fremden Tischen zu Gast. als daß er sich zu größerem Aufwand verstanden hätte. Ueber des Königs Tafel sagte der Freiherr von Secken¬ dorf dem österreichischen Hofkanzler, Grafen von Sinzendorf: „Essen thut der König stark, aber lauter Simplicia, und seine Tafel kostet täglich nicht mehr als sieben Thaler, wovon wenigstens vierundzwanzig Personen, nachher die Hofdamen, sodann die Pagen und Lakeien, so die Aufwartung haben, essen. Das Desiert aber wird alles geplündert. Bei der Tafel selbst, wenn ein Gericht ist. das dem König ansteht, Die z. B. Schweinskopf, so läßt er den Rest aufheben. Speisen find sehr uni, so kosten sie nicht viel. Die arme Königin und die Prinzessinnen sind zu beklagen, die öfters keinen Blssen haben nach ihrem Gusto." Eine noch schlimmere Schilderung von ihres Vaters Tafel entwirft die Markgräfin Wilhelmine von Bayreuth in ihren Memoiren. Sofern jedoch Luxus und Aufwand den König nichts kosteten, war er nicht gerade ein Feind davon. Faßmann in seinem „Muster einer klugen Landesregierung" erzählt darüber:

„Gleichwie Ihre Majestät beständig gesuchet, der Stadt Berlin sowohl durch Erbauung vieler neuen Häuser, wovon nicht wenig, welche verdienen Palläste zu heißen, und An¬ legung neuer Gassen einen solchen Lustre zu geben, daß sie einem jeden recht schön und prächtig, wie es der Residenz eines so großen Potentaten gemäß, in die Augen leuchten möchte; also hatten Sie auch verordnet, daß alle diejenigen, so eigen Kutschen und Lakaien hätten, im Sommer bei schönem Wetter, des Sonntags nach geendigtem Gottesdienst, damit eine Promenade in gewissen Gegenden dero königlichen Refidenzien, absonderlich auf der Dorotheenstadt, Unter den Linden und auf der Friedrichstadt machen sollten, dergestalt, daß man an Sonn- und Feiertagen oft mehr als zwei hundert Karossen und Chaisen in einem Zuge auf- und niederfahren sehen." — Also ein regelrechter Corso von nicht unerheblichen Dimensionen. — „Es war hiernächst Sr. Majestät Wille, daß zur Winterszeit, bei genugsam gefallenem Schnee, bisweilen eine prächtige Schlittenfahrt sollte angestellt werden." Dergleichen prachtvolle Schlittenfahrten fanden auch

317 im Jahre

1739, unter Anführung des Kron¬ prinzen und des Herzogs

Kleidern und das andere mit feinen Schildereien aus Italien und Holland aufgeputzt war. Vom Eingang des Hauses bis

von Holstein-Beck statt, denen dann der König

und die Königin mit großem Wohlgefallen aus

zum

dem Fenster des Schlosses

mit seinen brabantischen Teppichen belegt. Die Wände waren mit grünen Tannen be¬ kleidet. auch mit etlichen

Ende des großen Hofes war der Fußboden

zusahen.

Auch die reiche Juden¬ schaft

wurde bei Gelegen¬

heit

herangezogen,

Hofe Kurzweil

zu

dem

hundert Lampen und Lichtern illuminiert. Auf dem Hofe zur rechten Hand waren drei Zim¬ mer zur unterlhänigsten

ver¬

wußte aber bei solch aufgedrungenen Ehrenbezeugungen ihren Vorteil wahrzunehmen. So wird berichtet:

schaffen,

„Am

7.

Aufwartung der König¬ lichen und Herzoglichen Herrschaften kostbar mö¬

Januar 1740

auf besonderen Be¬ fehl, zur Ergötzung der Königlichen Familie und

ist

der

zum

Besuch

^4

bliert, welche um Uhr in Begleitung vieler Standespersonen gefahren kamen,

an¬

wesenden durchlauchtigen

vor dem

Braunschweig - Wolfen-

dahin

wo sie Eingang des

des

Hauses empfangen wur¬ den und sodann die aus.

Juweliers und Banquiers Ephraim, sowie auch auf

gelegten kostbaren Waren besahen und mehrere an¬

und seiner Söhne Kosten und Aussteuer, eine Eheverbindung zwischen zwei von ihnen

sehnliche

büttelschen Herrschaft, dem

Wohnhause

in

dessen

erzogenen Weisen.

Hofe, unter einem Trag¬ himmel vollzogen. Nach¬

David

Irin und Wolfson. vollzogen wor¬ den. Das Haus war zu beiden Seilen mit sehr kostbaren Tapeten behängen, und hatten allda verschiedene jüdische Kaufleute allerhand kost¬

Zacharias

dem

Zur

die

schaft

höchste

Gesell¬

dem Tanzen

der

jungen Leute noch eine Zell lang zugeschaut, be¬ gab

dieselbe

sich

nach

Hofe zurück."

Friedrich Wilhelm, der kostbare Oper und die Hofkapelle ganz ab¬ geschafft halte — nur die die

bare brabantische Spitzen und andere feine weiße

Waare feil.

davon

Stücke

kauften. Hierauf ward die Trauung, nach jüdischen Zeremonien, auf freiem

rechten

Königin hielt eine kleine

Hand erblickte

man ein Zimmer, worin allerhand

Privatkapelle Ergötzen



fand

Galanterie-Waren aus¬

sein

gelegt waren, und zur linken Hand eine Stube

Vorstellungen des „star¬

mit reichen französischen Stoffen. In dem vierten Zimmer hatte der Ju¬ welier selbst seine Ju¬

und

an

sonst

nicht

welen

und

Goldwaren

ausgesetzt. Hiernächst sah

man noch

zwei

Zimmer,

wovon

eine

reichgestickten

mit

andere

das

ken

Mannes"

an

den

Eckenberg

von der unverdienten

den

Schönemannschen Gesell¬ schaft aufgeführten Haupt-

und Staatsaktionen.

Daß GeschaflOauß Heller, Lampen- und Kronsemaren-Fabritr.

UM

den Linden 45 .

Für des Kronprinzen Friedrich verfeinerten Ge¬ schmack waren diese Vor¬ stellungen, denen er gleich-

318 wohl mit seinem Vater beiwohnen mußte, eine wahre Tortur. AIs in „Tarquinius und Lukrezia". einer Art von Parodie, gesungen wurde: „Hab' Dank. Lukrezia, Deiner Ehr'; itzund ersticht sich keine mehr" lachte der König laut und sah sich nach dem Kronprinzen um, der keine Miene verzog. „Nun, Du lachst nicht?"

„Ich

habe heftige Kopfschmerzen."

Unwilliges Kopfschütteln des Königs. „Nun, wie hai's Dir gefallen?" fragte er dann beim Hinausgehen. „Recht gut," Gefallen.

„Aber

ich habe

antwortete

Friedrich

seinem

Dich ja nicht ein einziges

Vater

Mal

zu

lachen

sehen."

„Mein

Kopfschmerz

.

.

.

."

„Possen," fiel ihm der König ärgerlich ins Wort. „Wenn Dir nur Deine Trompeten was vorgeschnattert hätten, dann würdest Du wohl gelacht haben." Zu den Hauploergnügungen des Königs gehörte die Jagd. Doch ließ er die Verwertung der reichen Beute nicht außer acht. Alle Beamte, Kaufleute, Gewerke mußten eine bestimmte Stückzahl zu bestimmten Preisen annehmen. Wenn dabei der Judenschafl vorzüglich die wilden Schweine zuerteilt wurden, die sie weder genießen noch verkaufen durfte, sondern an die Armen- und Krankenhäuser abgab, so hielt man dies im Sinne und Geschmack der Zeit für einen besonders guten Spaß. War Friedrich Wilhelm auch eben kein großer Freund prakitsch unfruchtbarer Gelehrsamkeit, so war er doch keines¬ wegs ein unwissender und geistig unfähiger Mann. Er wußte und lernte vieles, aber weniger aus Büchern als im Umgänge mit Fachmännern, wozu ihm namentlich das viel bespöttelte Tabakskollegium Gelegenheit bot. Beschäftigte er sich doch in den letzten Jahren seines Lebens eingehend mit der Wölfi¬ schen Philosophie, deren Verfasser er früher so ungerecht ver¬ folgt hatte, und den er jetzt, bei besserer Erkenntnis, auf alle Weise, jedoch vergeblich, wieder zu gewinnen suchte. Von den in derselben aufgestellten logischen Regeln wußte er im Gespräch einen sehr guten Gebrauch zu machen. Die von seinem Vater auf Anregung von dessen geistvoller Gemahlin und ihres Lehrers und Freundes Leibnitz in Berlin errichtete Akademie der Wissenschaften ließ ec wenigstens bestehen, wenn sie auch keineswegs auf ihrer früheren Höhe gehalten wurde. Ein Zeugnis davon giebt die im Jahre 1732 erfolgte Ernennung des Grafen von Stein^zum Vicepräfidenten der¬ selben, dessen Bestallungsurkunde, welche wir nachstehend mit¬ teilen, nach Inhalt und Form nicht verfehlen kann, uns manches Lächeln abzunötigen. Sie lauset:

„Wir Friedrich Wilhelm rc. urkunden und bekennen hier¬ mit gegen mäunigltch, absonderlich vor der ganzen eruditen Well, daß wir den Wohlgebornen, Edeln, Hochgelahrten, unsern besonders lieben Grafen von Stein, in Ansehung des¬ selben weit und breit erschollener Gelehrsamkeit und Meriten, auch in Antiguttäten, allen und neuen Münzen, in Phyficis, Mechanicis, Botanicis, Hydraulicis, Staticis, wie nicht weniger in der Cabbala und Erkenntniß und Prüfung der guten und bösen Geister und deren nützlichem Gebrauch und Mißbrauch, ingleichen in der wunderbaren Lehre von den Präadamiten und deren vormaligen Wirtschaft und Haushaltung, auch sonst

-l

2

f Höjv,;

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y

•-

in Historicis, Metaphyficis, Logicis, Rhetoricis und Calopticis, vor allem aber in der Algebra arte combinatoria und in der Punktirkunst, auch in der weißen und schwarzen Kunst er¬ langten staunenswürdigen Gelehrsamkeit und Erfahrung zum Vicepräfidenten Unserer Königlichen Societät der Wissenschaften ausersehen, ernannt und bestellt haben, also daß besagter Graf von Stein der zweite Socius von ermeldeter gelehrten Gesellschaft sein, was zu deren Nutzen, Aufnahme und Ruhm gereichen kann, beitragen, wie es einem fleißigen, getreuen und wohl intendirten Vicepräfidenten und Socio ansteht. Er soll auch dahin sehen und fest daran halten, daß die Societät sich mit der Edirung gelehrter Schriften distinguire und jedes Membrum wenigstens ein Spccimen Eruditionis alle Jahre durch den Druck herausgeben müsse. Er, der Viccpräfident bleibt aber von dieser Arbeit dispenfiret, obgleich sonsten sein herrliches, dem besten Klei- und Weizenacker gleichstehendes Ingenium dergleichen Produküoues in Menge hervorzubringen mehr als gar zu tüchtig und geschickt wäre. — Auf das Kalenderwesen muß der Vicepräfident eine sorgfältige und genaue Attention haben, damit kein ünterschleif vorgehen, keine fremden Kalender eingeführt, auch die Gelder, so von den Kalendern aufkommen, zu kernem andern Ende, als wozu wir dieselben destiniret, angewendet, übrigens aber bei Verfertigung der Kalender dem Publica und insonderheit denen Curiosis, welche zukünftige Dinge vorauswissen wollen, zur Freude und Nutzen alle Behutsamkeit gebrauchet, die Prognostica von dem Witter ung, Gesundheit und Krankheit, auch Fruchtbarkeit und Unfruchlbarkett, ingleichen der Kriegs- und Friedenslauf accurat getroffen, der Sonnencirkul nicht verkehrt oder viereckig, sondern rund gemacht, die güldene Zahl nach Mög¬ lichkeit vermehret, der guten Tage so viel wie immer sein können, angesetzt, die bösen Tage aber vermindert werden mögen. Daferne auch der Vicepräfident besondere Umstände, Veränderungen in dem Lauf der Gestirne anmerken sollte, zum Exempel, daß der Mars einen freundlichen Blick in die Sonne geworfen hätte, ober daß er mit dem Saturno. Venere und Meicurto in Quadrat stände, oder auch daß der Zodiacus, wie bereits zu Campanella Zeiten angemerkt worden, sich noch weiter aus dem Geleise begeben, oder auch, daß ein Wirbel des Himmels den anderen, nach des Cartefii Principiis ab¬ schleifen und verschlingen wollte und daher eine übermäßige Anzahl von Kometen oder Schwanzsternen zu vermuthen wäre, so hat der Graf von Stein, ohne den geringsten Zeitverlust, mit den übrigen Sociis darüber zu conferiren und nicht allein auf die Ergründung solcher Unordnungen, sondern auch auf Mittel und Wege, wie denselben am besten abzuhelfen, sorg¬ fältig bedacht zu sein. Und ob es zwar durch den Unglauben der Menschen dahin gediehen, daß die Kobolde, Gespenster und Nachtgeister dergestalt aus der Mode gekommen find, daß fie sich kaum mehr sehen lassen dürfen, so ist dennoch dem Vicepräfidenten aus dem Prälorio und anderen bewährten Autoribus zur Genüge bekannt, wie es an Nachtmähren. Bergmännlein, Drachenkmdern, Irrwischen, Nixen, Wehr¬ wölfen, verwünschten Leuren und andern dergleichen Satansgesellschaften nicht mangele, sondern deren eine große, Anzahl in den Seeen, Pfuhlen, Morästen. Haiden, Graben und Höhlen, auch hohlen Bäumen verborgen liegen, welche nichts als Schaden und Unheil anrichten, und wird also der Graf von Stein nicht ermangeln, sein Aeußerstes zu thun, um die¬

so gut er kann, auszurotten, und soll ihm ein diesen Untieren, welches er lebendig von jedes oder tot liefern wird, mit sechs Thalern bezahlt werden. — Alldieweil auch eine beständige Tradition ist,

selben,

allhier in der Mark Brandenburg, sonderlich in der Gegend von Lenin. Wilsnack und Lebus, confiderable Schätze vergraben seien, zu deren Besichtigung und um zu wissen, ob daß

vorhanden sind,

Ordensleule und Jesuiten so muß der Vicepräfident ihnen nicht allein fleißig aus den Dienst passe», sondern auch keinen Fleiß sparen, um mittelst der Wünschel¬ rute und Segensprüchen oder auf andere Art, wo solche Schätze vergraben und verborgen, ausfindig machen möge, und sollen ihm zu solchem Ende auf sein Verlangen die Zauberbücher, so in Unserm geheimen Archiv vorhanden, nebst dem Seculo Salomonis verabfolgt werden, wie er auch von jeglichem Tresor, den er aufgraben wird, den vierten Teil erhalten und ihm solcher zu reicher und noch

sie

gewisse

alle zehn Jahre von Rom allhier kommen,

ansehnlicher Belohnung seiner geleisteten treuen Dienste angedeihen soll. Jngleichen soll er aller Privi¬ legien, Freiheiten, Rechte,

erfreuen

so

dergleichen Vicepräfidenten

zu¬

und dabei, so oft es dessen bedürfen wird, wider allen Nachteil. Belästigung und Betrug ernstlich und nachdrücklich mainteniret werden. Solches zu beurkunden, haben wir diese Bestallung eigenhändig unter¬ stehen,

schrieben

fich

zu

und

haben

mit Unserm Königlichen Jnfiegel bedrucken

lassen.

Berlin, den 17. Januar 1732. (L. S.)

Friedrich Wilhelm.

Ob es dem Vicepräfidenten gelungen ist. durch Einbringen Nachtmähren, Drachenkindern, Irrwischen, Nixen und Wehrwölfen sowie durch Aufgraben verborgener Schätze eine „reiche und ansehnliche Belohnung" für seine vielfachen merk¬ würdigen Obliegenheiten zu erzielen, darüber wissen wir leider nichts zu berichten. Sonst ist, charakteristisch für den König, von einer Besoldung nicht die Rede. Wäre die Urkunde nicht authentisch, so könnte man geneigt sein, fie für einen parodistischen Scherz zu halten. Allein wenn man fie im Lichte jener Zeit betrachtet, in welcher neben religiöser Gläubigkeit noch fast allgemein ein finsterer Aberglaube herrschte, und wenn man die Eigenart des Königs*) in Betracht zieht, so wird uns diese Urkunde weniger befremdlich erscheinen, als es sonst der Fall sein müßte. Freilich würde fie unter Friedrich II. ganz anders gelautet von

haben.

Dem König Friedrich Wilhelm I. war es nicht beschieden, was auf des Lebens Höhen am leichtesten sein sollte, das Leben in heiterer, geistiger Weise zu genießen und seine Familie und Umgebung zufrieden und glücklich zu machen, obgleich es ihm an einer gewissen derben Gemütlichkeit nicht fehlte und e *, in seiner Weise, ein treuer und liebevoller Gatte und

Vater war. Nur ließ er keine anders geartete Jndividualüät gelten. Daher die Mißhelligkeiten und Kämpfe in seiner eigenen Familie, namentlich mit seinem ältesten Sohne und Nachfolger. Bemerkenswert ist in dieser Hinsicht ein Wort der Königin, seiner Gemahlin. Als man ihr die trefflichen Eigensch aften des Herzens und Geistes rühmte, die ihre VerWelt.

*) Offenbar besonders Die Schriftl.

seine

Spottlust gegenüber der Gelehrten.

wandte, die Kaiserin am Wiener Hofe entfaltete, sagte sie: „Ich weiß es, daß ich ihr nicht gleich komme; aber für die Kaiserin ist es auch viel leichter, ihre Gaben frei zu entfalten, als für mich, die ich unter beständigem Druck und in steter Unruhe lebe." Dach diese menschlichen Unvollkommenheilen und Schwächen des Königs verschwinden wie leichte Schatten vor dem Glanze seiner Regententugenden, denen es gelang, ein lebensfähiges, starkes, energisch aufstrebendes, zukunftsreiches Staatswesen einzurichten, das selbst die höchste Anerkennung und Bewunderung seines noch größeren Nachfolgers errang.

Auch ein historisches Fenster. Nach

dem

Bericht eines Veteranen von H. C z. (Nachdruck verboten.)

Ein heißer Augusttag des Jahres 1870 war's, während des deutsch-französischen Krieges. Herr Buson, der Maire in der kleinen Stadt St. Dizier am Marnefluß, saß an seinem und griff ebenso oft zum Taschentuch, um den von seiner Stirn zu trocknen, wie zur silbernen Tabatisre. Der heutige Tag war ganz besonders schwer. Man überlief den Bürgermeister förmlich. Die Thürklinke Bitt¬ des Büreaus wanderte aus einer Hand in die andere. steller, Beschwerdeführende und solche Personen, die mit recht müßigen Anfragen kamen, lösten einander in rascher Reihen¬ folge ab. Die Nachricht, daß man diesen Nachmittag die erste Einquartierung der deutschen Truppen erwarten konnte, noch dazu der gefürchteten „Prusfiens", war allen Bewohnern der kleinen Stadt der Champagne in die Glieder gefahren, und diese Aussicht, den Feind bald in den Mauern zu wissen, hatte auch den zierlichen Brief — wenn auch in etwas anderer Weise — diktiert, den der Maire soeben mit Aufmerksamkeit von Anfang bis zu Ende durchlas. Der Bote, ein Diener im silberbordierten Livreerock, der ihn überbracht hatte, war wieder bis zur Eingangslhür zurückgetreten und erwartete hier, Bureautisch

Schweiß

die Mütze

Haltung

in der Hand, den bürgermeisterlichen

Bescheid.

Die

des Burschen und seine ganze Erscheinung ließen ver¬

muten, er sei aus vornehmem Hause gesandt. Solches stimmte völlig, und bei Madame Varnier, der reichsten Patrizierin des Ortes, wurden die Domestiken auch stets gut geschult. Nach dem Lesen des Briefes, der auf parfümiertem Billet¬ papier nur etliche Zeilen trug, blätterte der Maire in den Quartierlisten herum, guckte auch in diverse Bücher hinein, machte einige Notizen und entließ sodann den Livreebedienten

mit zusagendem Bescheide. Der Bursche eilte davon. Herr Buson aber blieb unterdes noch mit Kopfschütteln und einem Befremden verratenden Zug im Gesicht vor seinem Bureautische sitzen. Madame, die angesehenste Frau des Ortes, die Witwe des ehemaligen Handelsfürsten, reich begütert und eine bekannte Wohlthäterin der Armen, hatte ihm nicht, wie neulich, in Bezug auf eine neue Sendung „Liebesgaben" für und Pflegestälten der verwundeten Krieger ge¬ schrieben. sondern zu den ihr bereits zugeteilten zwanzig Offizieren noch „einen" mehr gefordert, auch verlangt, daß es die Lazarette

alle „Prusfiens" seien. Dieser Begehr erregte

des

Maires Verwunderung, ja

mehr noch — seinen Argwohn, sogar schlimmen Verdacht. Wie — wenn Madame es mit den Feinden hielte, fie. die sonst allezeit für eine gute, ja eine opferfähige Patriotin

320

»

galt? Freilich — sie hatte die deutsche Sprache schon seit ihrer Mädchenzeit, wie man wußte, mit Vorliebe geschrieben — besaß auch viele deutsche Bücher, — und doch war es un¬

an der Zahl, aufs angenehmste für die Wirtin, die selbst an der Tafel präsidierte, ein. So lukullisch hatte man bisher

glaubhaft — sie, die siebzigjährige Frau, sollte sich noch so weit vergessen können, Landesverrat zu Der Beamte kam mit seinen schlimmen Gedanken säst vor sich selber in Verlegenheit; — immerhin aber that man wohl, auf das Varniersche Haus, den schloßartigen Bau, der in¬ mitten des ausgedehnten Parks mit seiner schönen Front und dem hochragenden Turm gar stattlich da lag, während der Also nächsten Zeit ganz besonders ein Auge zu werfen. kalkulierte Herr Buson, während Madame auf den em¬ pfangenen Bescheid hin noch ein weiteres Offizierlogis her¬ richten ließ. Einige Stunden noch, so waren die „Prusfiens"

hatte das? Offenbar lag etwas ganz Be¬ sonderes hier vor — das merkten alle wohl. Nach dem Dessert ging noch eine Schüssel herum — eine Art von Topfkuchen, wie man ihn auch bei uns zu Lande kennt. Die Herren in der Uniform machten große Augen. „Bohnenkuchen" nannte Madame ihn. als sie ihn eigenhändig in Stücke zerschnitt — ebenso viele, wie deutsche

treiben?-

voraussichtlich schon da. Madame Varnier. eine für ihre Jahre noch ungemein rüstige Greisin mit feingeschnittenem Profil in dem vornehmen Gesicht, das die französische Aristokratin auf den ersten Blick verriet — war in eigener Person zu dem kleinen Turmgemach, das soeben auch noch zum Offizier-Logis eingerichtet worden war. hinaufgestiegen. Die Dame, die das schwarze Seiden¬ kleid, welches sie als Trauerzeichen um die Tagesereignisse trug, ungemein vornehm erscheinen ließ, stand jetzt am Fenster — aber nicht der Fernsicht galt ihr Augenmerk, die man vom Turm aus über die Bäume des Parks bis hinüber zum Horizont genoß, vielmehr einer kleinen Stelle auf dem Glase in der Fensterscheibe, vor der sie stand. Einen Namenszug sah man hier eingeritzt — mit einem Diamant, den ein junger Prinz einst in einem Ringe an seiner Hand getragen hatte. Madame vertiefte sich in diese Erinnerung — sie galt ihrer eigenen ersten Jugend, ihrer Mädchen- oder, besser gesagt, Backfischzeit in diesem ihrem es war im Jahre Elternhause und lag weit, weit zurück 1814 gewesen. .. . Hier in diesem Turm hatte der ritterliche Prinz damals, als er seinen königlichen Vater auf dem Wege nach Paris begleitete, logiert — beide hohe Herren waren die Gäste ihres Elternhauses gewesen — im Kriege gegen den

...

ersten Napoleon.

Wie sie wähnte und ihre Gouvernante ihr bestätigte, hatte Prinz damals, einige Jahre nur älter als sie, ihr mit dieser Diamantschrift im Fensterglase ein kleines „Souvenir", ein Andenken für alle Zeilen, hinterlassen wollen, das sie stets in Ehren hielt; schwärmte sie doch nach echter Mädchenart für den fremden Prinzen, erinnerte sich jener Tage seiner Anwesenheit gern und schloß ihn als fromme Katholikin sogar in ihr andachtvolles Gebet mit ein — eine Rück¬ der

erinnerung an schwärmerische Mädchentage! Sie lebte wieder mächtig auf. diese Erinnerung, während vom Thor der Stadt her schon die ersten Klänge des EinzugsMarsches der feindlichen Truppen erklangen. Die Gesellschafterin erschien alsbald, um Madame hinab

in ihre Gemächer zu geleiten. *

*

*

Der hellerleuchtete Speisesaal, der sich über drei Fenster Breite hinzog, die mit fürstlichem Luxus gastlich gedeckte Tafel mit dem schweren, glänzenden Silber, dem schimmernden Kristall, dem schneeigen Damast des Tischgedecks und den mit Blumen und Früchten gefüllten Schalen von Sevre-Porzellan

— alles

das nahm die deutschen Offiziere,

ein und zwanzig

noch nirgends auf französischem Boden

in Quartieren

gespeist.

Welchen Grund

Offiziere an der Tafel saßen. Auch eine Erklärung gab die Französin ihren Gästen; sie seien nicht verpflichtet, von dem Kuchen zu speisen — derjenige der Herren aber, welcher in seinem Stück die eigens hineingebackene Bohne finde, solle für diesen Tag „Bohnenkönig" sein und — eine ganz be¬ sondere Gunst erhallen.

Man

forschte

allgemein, und

die Bohne

fand

sich

in

eines pommerschen Junkers Kuchenstück; er war also Bohnenköniz und — zog nun für die folgende Nacht in den Turm,

in die nämliche kleine Stube, welche die Diamant-Inschrift auf der Fensterscheibe trug, ein deutlich sichtbares „Pcince Guillaume". Madame riet dem Junker, er solle aufmerksam sein und wohl acht geben, was er in der kommenden Nacht träumen werde. Recht rätselhaft erschien den Herren dieser Begehr, denn sie wußten nichts von jener Schrift und dessen Urheber; der pommersche Junker ging natürlich mit ziemlich gemischten Ge¬ fühlen in dem entlegenen Turm zu Bett und vergaß sogar nicht, seine Pistolen zurechtzulegen. War man doch in Feindesland — trotz aller Artigkeit und Fürsorge konnte leicht dem Logiergast eine bittere Enttäuschung zu teil Aber nein! Zwar träumte dem pommerschen Landjunker nichts von Bedeutung, was er am andern Morgen beim De¬ jeuner, wo Madame die Herren wiedersah, hätte berichten können; doch dafür gab Madame Varnier jetzt die Erläuterung zu ihrem geheimnisvollen Thun und zeigte den Offizieren das pietätvoll von ihr seit den Mädchenjahren gehütete Turmfenster mit seiner Inschrift. Dabei hatte sie ihre große Freude an aller Ueberraschung! — Noch oftmals mußte der Koch im Varnierschen Hause den Topfkuchen mit der Bohne backen, und wer von den fremden Offizieren diese fand, der ging allemal hinauf in das Turm¬ gemach mit dem „historischen Fenster" als bevorzugter Bohnen¬

werden.-

könig. Die Sache sprach sich rasch herum und soll auch unserm hochverehrten, greisen Monarchen, dessen Hauptquartier in der Nähe von St. Dizier dazumal lag, zu Ohren gekommen

— betraf

ihn, der anno 1814 in jenem Turmgemach gewohnt und, wie Madame Varnier verbürgen wollte, die Inschrift in die Glasscheibe mit eigener Hand eingeritzt hatte. Was unser allezeit leutseliger Monarch zu der kleinen Episode, die mit seiner hohen Person in Zusammenhang ge¬ bracht wurde, gesagt hat — darüber ist nichts Bestimmtes ins Publikum gedrungen. Sicher aber hat das „historische" Fenster sein

existiert,

und

doch diese kleine Episode

der Maire,

so

argwöhnisch er

sich auch

zeigte,

sich niemals veranlaßt, Madame wegen Landesverrats unter Anklage zu stellen.

sah

ffifatt «Itiiitritrülmtm

m

atm a»

Mitgeteilt bort (Fortsetzung statt Schluß.)

„Studiosi. Die

Studiosi auff den Vuiversitäten sollen wie es jhrer Eltern Stand erfordert, vnd das Vermögen leiden will, sich auch eines mehrern nicht vnter. sangen, jhnen aber nochmals, inmassen allbereit geschehen. Wehren zu tragen gäntzlichen verboten sein.

sich

kleiden,

„Schösser,

Amptsvoigte, Verwaltern, Bürger¬

meister und Rathsverwandten. Schössern. Amptsvoigte», Verwaltern, Bürgermeistern, Rathsverwandten und allen nach¬ Ständen, so¬ Weib vnd Kindern, soll ins gemein hiermit insonder¬ heit verboten seyn: Alle

gefolgten

wohl

Alles Cammertuch, thewre man höher, als die Elle vor einen gülden zahlen muß. zu Krausen Vberschlägen, Kietlichen, Schürtzen. Schleyern, Haar vnd Vberschläge. so länger denn ein halb viertel, auch nicht zugleich vnd auff einmal zu tragen, sondern es soll jedes alleine getragen, vnd aller vberfluß mit Zancken vermieden, vnd die Elle ober 3 gr. vnd 6 pfen. zu gebrauchen nicht verstattet werden; alle vergüldete, silberne vnd von anderen Metallen überzogene oder schlechte Krausendräte, sampt allen Leibeisen, grossen vnd vngehewren Wülsten auff Englische Manier, sampt den seidenen Strümpffen, vnd andere vppige Kleider, welche biß dato etliche Weibßpersonen den Männern gleich getragen. Sammete Stieffeln, Schuhe vnd Pantoffeln, gleichen

absonderlich

Holländische Leinwad,

deroselben

so

wol die, so mit Gold oder Silber gestickt, oder sonsten mit Perlen oder

so

außländische frembde

Muster vnd Manier von Kleidungen, Trachten, es sei

schmücken;

Schmelzwerk

schwartzen besetzt

Spanisch, Welsch,

len,

— Kränze mit

Per¬

Goldrosen.

Edel¬

Französisch, Engelländisch

gesteinen, güldenen

vnd

oder Niederländisch, wie

silbernen

Stifften,

mit

die erdacht

eingefaßter

gen,

Müntze, alles vergüldete und versilberte Blum¬ werk, von Gewürtze oder anderer Materien, wie die

sich

werden mö¬ sondern sie sollen

der rechten deutschen

Kleidung, wie solche eine zeit hero

den

allein

in

diesen Lan¬

geschlagener

namen haben mag. neben allen güldenen, silbernen

bräuchlich gewesen,

alle gute güldene vnd silberne Thalar, große vnd Hei¬ gebrauchen;

stecknadeln, Ohrengehenck

alle dergleichen; vnd Striche in den Schürtzen, die höher als eine spanne

Borten, auff was Muster solche künfftig erdacht oder gemacht werden könnten; rauche alle Futter an Schauben vnd ne

seynd,

vnten

seilen hero,

vnd

so

an

wohl in

den Kietlichen soll

kein

als Bawm- oder Steinmardern seynd,

Weibsbild einen strich breiter als in den

wie auch alle Goldrosen,

laubt vnd zwar nur einen Strich tragen. (Strich "Elt man m Mittel¬

Röcken, so köstlicher

gemeine

klein

vnd

schmeltzt

schmeltzt, so

groß, gevnd vngedie Mannes-

specialibus

fft te

pltof

-Denkmal bei Kripzig.

brauchen, die Weiber vnd Jungfrawen sonsten zuHauben vudVorbäntgen gebrauchen könten, auch die vom Adel sonst zu tragen

pflegen; allerguterglatter,gemöbelter vnd vngemödelter Sammet, soll beydes Mannes- vnd Weibspersonen zu Hosen. Röcken, vnd Schürtzen auch verboten seyn; alle Perlenketten, Kleinodien mit Edelgesteinen an den Ketten, am Halse oder auff der Stirn, an

Kleidern, Schleyern vnd Mützen. Alle Goldkörner an Schnüre gefaßt am Halse, oder sonst an Kleidungen, nebenst allem von Gold oder Silber gesticktem, Goldstiffte vnd Unterläge. Es sollen auch hinfüro weder Weiber noch Jungfrawen, ohne unterscheid, auff Welsche oder Niederländische Art mit offenem Halse oder Brust gehen, viel weniger ober den jhnen sonsten zugelassenen Schmuck, oben auff den Krausen jhre Hälse mit Perlen, Granatgen, Goldköruern, kleinen Kettlein vnd der-

er¬

deutschland einen Einsatz

oder

Personen zu Hutschnüren

jhnen

Garnitur

von

Spitzen oder gemustertem feinen, durchsichtigen Zeuge, wie z. B. Mousselin, Gaze u. dgl.) Diese alle vnd jede stücke, sollen jetzt ge¬ nanten Personen vnd andern folgenden in gemein gäntzlich ver¬ boten seyn. — Da entgegen denselbigen nachfolgende Tracht

wird: Schöffern und Rathspersonen soll erlaubt werden 1) Aller seidener Zeug, welcher in den generalibus (vorhergehende allgemeine Bestimmung) denselben zu tragen nicht ausdrücklich verboten, doch sollen sie des Atlas nur zu Wammeffen sich gebrauchen, zu Hosen aber guten seidenen oder Hamburger Tripp, des guten Sammets aber weiter nicht nachgelassen

als auf Vffschläge der Mäntel, Polnischen Mützen vnd Hären. 2) Alles rauche Futter, so nicht besier als Marder, die Schöffern vnd Bürgermeistern zwar, vnd die diesen gleich zu achten, vnd neben dem Rathsstule andere officia publica zu



322

verwalten, mögen sich des Mardernen Futters jhrem Vermögen vnter jhren Schauben vnd Beltzen. die andern aber nur zu ihren Mützen auf den gantzen stülpen gebrauchen; das andere Futter aber, als Wölffen, Füchsen vnd dergleichen, soll diesen Personen gemein seyn. 3) Außländisch Tuch, auffs höchste die Elle vor drei Thaler zu einem Mantel vnd Ehren¬ kleide. 4) Die täglichen Kleider, mögen sie von Einländischem oder Außländischem Tuch sein, doch daß die Elle nicht ober zween Thaler würdig, sonsten aber von gemeinen Landwahren vnd gutem Leder ihnen anmachen lassen. 5) Silberne Beschläge an Seitenwehren, Plötzen, Gürteln vnd Wehrgehenken, sowohl silberne Knöpffe, doch vnvergüldet. „Deren Söhne. Dieser erwachsenen Söhnen, so nicht studiret oder graduiret, ist vergönnet, Zindeldort vnd Zschamlot zu Ehrenkleidern, die Mäntel von gutem Meißnischen Tuche, mit Trippenen, Zindeldorten, Damaßkenen vnd Atlassenstrichen

tragen, doch daß Ketten, Ringe. Arm¬ bande soll diesen Personen mehr auf den nothfall, sich sampl ihren Ehewirth vnd Kindern damit zu retten, als zu ober-

(besatz) vnd auffschlägen, anders höhern seidenen zeuges aber sollen sie sich enthalten, auch zu täglichen Kleidern am Leder

perlene Borlen. zu 10. 20 Thalern oder dergleichen schmuck, so viel würdig vnd nicht lhewerer, so wohl andere gezogene Goldborten, Kräntze von allerley Blumen ohne Perlen, unver-

nach

vnd gemeinem Landtuche

sich

begnügen lassen.

„Deren Weiber.

sponnenem Golde oder seidene, mögen

sie

derselben keine vber 15 Thaler würdig.

mäßiger Pracht vnd Hoffarth zu tragen, erlaubt seyn, doch mil gebührender Masse, ihrem Stande gemeß, vnd daß keine vber 100 gülden würdig sey; vnd zwar anff einmal nur eine vnd nicht zwo Ketten, wie sie denn auch Kleinodien oder Ge» hei.ke von gepregtem golde, deren keines vber 20 Thaler würdig, nicht an den Ketten, sondern an einer seidenen schnüre absonderlich, vnd nicht mit den Ketten zugleich tragen sollen. Silberne Gürtel. Messer vnd gantze silberne Scheiden ver> güldet vnd vnvergüldet, mögen diejenigen, so Vermögens, auffs Höchste vor 40 Thaler vnd nicht höher wol tragen. „Jungfrawen. Jungfrawen dieses Standes vnd Mann¬ bare Töchter mögen zu ihrem Hauptschmuck gute güldene oder

Dieser Weibern soll, gleich jren Männern, zu ihren Ehrenröcken aller seidener zeug, außer des guten glatten oder gemödelten Sammets vnd seidenen Atlas,

güldet vnd unverfilbert, deren keiner vber 4 groschen würdig; aber auffs Höchste vor 7 oder 8 groschen tragen. Eine güldene Ketten, doch nicht vber 50 fl. würdig,

erlaubet werden, jedoch zum Leibchen, Mützen, Müdern, Vor¬ vnd Verbrämung ihrer Schauben, Hartzkappen, Schürtzen vnd Ermeln mögen sie gemeinen Sammet brauchen. Zu Weibermänteln Tuch zu 3 gülden oder thalern, auch Grobgrün vnd Harreß soll man jhnen verstatten, sowohl auch zu täglichen Kleidern alle Einländische schlechte Wahren. Von rauhem Futter vntern Schauben, Hartzkappen vnd Beltzen, mögen sie Stein- vnd guten Mardern auff den Vffschlägen, sonst aber das andere, welches geringer als das vorige, zu Vnterfutter gebrauchen. Krausen, Kietlichen, Schürtzen von ziemlichen Schwäbisch. Außländischer Leinwand, derer Elle vor 10. 11. 12 oder auffs höchste vor 18 groschen vnd 1 gülden gekauffl wird. Diese Striche an den Kietlichen sollen von dicker vnd grosser durchsichtiger, löcheriger nath, nicht vber drey querfinger breit, getragen werden. Die Hauben von ge¬

Item, Ringe vnd Armbänder. Gürtel vnd

stecklätzen

die Winterkräntze

Messerscheiden,

Der gute vnd andere obiger müssen tragen. Sammet soll dieses Standes Jungfrawen zu jhren Mützen, Jacken. Leibigen, Vorstecklätzen, erlaubet seyn, zu Ermeln, Schürtzen vnd Schauben aber sollen sie deffelbigen, so wol Gaff- oder Toletsammets sich enthalten. Zu Eh'enröcken vnd möchten sie

Schauben: Thobien, Daffet, Zschamloth, zu andern täglichen Kleidern gemeine Landwahren, als Viertrat, Macheyer, Grob¬ grün vnd dergleichen; Jedoch daß auff die guten Röcke vnd Schauben nur Strichsammet, oder auffs Höchste drey Sammetböulein. eines Fingers breit zu Schweissen, auff die täglichen Kleider aber nur halbseidene Schnüre einfächlig verbrämt, Vnd dieses alles also vnd nicht anders halten. (Schluß folgt.)

Kleine Mitteilungen. Das Geschäftshaus Heller Unter den Linden 45, dessen Abbildung wir auf Seite 817 bringen, ist Eigentum der seit 22 Jahren bestehenden Lampen- und Bronzewaren-Fabrik Fritz Heller. Das Gebäude, welches aus den 60 er Jahren stammt, ist bemerkenswert durch die künst¬ lerische Umgestaltung der Fassade, an demselben vorgenommen hat.

die kürzlich der Architekt H. Jassoy Wir entnehmen über dieselbe der „Deutschen Bauzeitung" folgende Einzelheiten: „Von der alten Fassade wurden alle Architekturteile entfernt und dieselbe in schlichtester Weise in großen Flächen geputzt. Lediglich die Fenster des obersten Geschosses erhielten in den Putz eingeschnitiene, kleeblattbogenförmig geführte Profile als Bekrönung. Auf die so gewonnenen glatten Flächen wurde die Fassaden-Dekoration aus geschmiedeten, naturalistisch gehaltenen Blumenrankcn, etwa 0,12 m von der Wand entfernt, aufgesetzt. Die Firmen¬ schilder sind in die schmückende Architektur einbezogen und gleichfalls von geschmiedeten Ranken umgeben. Das ganze Dekorations-System steht auf einem über dem Laden in Brüstungshöhe durch die Breite der Front laufenden Firmenschild. Die Brüstungen der seitlichen Fenster haben gedrehten Schmuck erhalten. Das Hauptacsims springt stark vor und wird durch geschmiedete und gebogene Stützen getragen. Ueber dem Hauptgesims erhebt sich als Attika ein zweites, durch die Breite der Fassade laufendes Firmenschild, dos von einer Sonne bekrönt ist. Das Eisen ist polychrom behandelt; ein feiner grüner Ton ist die vor¬ herrschende Farbe; sparsames Gold erhöht die Wirkung in feiner, nicht ausdringlicher Weise. Eine wesentliche Bedeutung ist in dieser Fassade der künstlichcn Beleuchtung zugewiesen. Dieselbe ist elektrisch und besteht in Bogen- sowie namentlich Glühlampen, welch letztere in ansprechender Weise in das naturalistische Rankenwerk einbezogen sind. Nochmals der zweite Wettbewerb um den Entwurf eines Völkerschlacht-National-Denkmals bei Leipzig. (Mit Abbildung auf S. 321).

Zu den beiden Entwürfen der Architekten W. Kreis und O. Rieth für das Völkerschlacht-National-Denkmal bei Leipzig, die mit dem ersten und zweiten Preis bedacht wurden und unseren Lesern in der vorigen Nummer vorgeführt sind, fügen wir in der gegenwärtigen Nummer noch die Abbildung des von dem Architekten Arnold Hartmann (Kolonie Grunewald bei Berlin) eingereichten Entwurfs. Allerdings ist dieser Entwurf erst mit dem fünften Preise bedacht worden, aber er erscheint uns doch so eigenartig schön und so großartig in seiner Auffassung, daß wir Die ihm unser besonderes Wohlgefallen nicht versagen können. „Deutsche Bauzeitung" (Bcrnburgerstr. 19) schreibt in Bezug auf ihn: „Der mit dem fünften Preis ausgezeichnete Entwurf des Herrn Architekten Arnold Hartmann in Kolonie Grunewald bei Berlin trägt das Kennwort: „So wollen wir, was Gott gewollt, in rechter Treue halten." Der Künstler erläutert seinen interessanten Entwurf mit den Worten: „Stark und festgefügt wie das deutsche Reich, trägt der ernste Bau den kraftvollen deutschen Mann, der das Reichsschwert zu Gott emporstreckt als das Symbol der von den Vätern so heiß er¬ sehnten deutschen Einheit, deren Grundstein sie auf dem Felde bei Leipzig für uns schufen." Frisch und neu entworfen ist der obere Teil des Denkmals und sein Aufbau von guter, auf Fernwirkung berechneter Umrißlinie. Nicht von gleich glücklicher Wirkung ist der untere Teil. Im ganzen ist auch diese Arbeit ein in hohem Grade bemerkenswerter Versuch zu der nicht leicht zu lösenden Frage eines Völkerschlacht¬ denkmals bei Leipzig, das in gleicher Weise künstlerische Ansprüche und die Forderungen zu stellen hat, die das unbefangene Volksgemüt an ein Denkmal zu stellen berechtigt ist, welches den wichtigsten, in aller Seele lebenden Abschnitt seiner Geschichte zur Darstellung bringen soll." Dem¬ nach wird auch von fachmännischer Seite über diesen Entwurf nicht un¬ günstig geurteilt.

323 Aus dem Leben der Königin Viktoria von England. Emem Artikel der „Köln Ztg" zum 60jährigen Regierungsjubiläum der Königin Viktoria von England entnehmen wir folgendes: Die Herzogin von Kent (Mutter der Königin Viktoria) bewohnte da« Schloß zu Kensington. Sie widmete sich mit großer Sorgfalt der Erziehung ihres Kindes und blieb dem Hofe ihres Schwagers Wilhelm IV. geflissentlich fern, weil dort für eine Prinzessin keine guten Lehren zu gewinnen waren. Ihr Bruder Leopold (der spätere König der Belgier stand ihr treu zur Seite. Aufgeklärte Staatsmänner von der WhigPartei verkehrten in dem kleinen Schlosse, in dem eine bürge,liche Ein¬ fachheit herrschte, da der König der Herzogin gram war und ihr die Mittel knapp hielt. Die kleine Prinzessin arbeitete wacker, aber cs kam ihr manchmal hart vor, und sie fragte: „Warum muß ich das alles lernen?" Daß sie Königin werden sollte, durfte sie nicht zu früh erfahren. Nachgerade waren die Aussichten für sie infolge einer Reihe von Todes¬ fällen klar geworden, und das Volk g wöhnte sich daran, sie als die künftige Herrscherin zu betrachten, wie fünfzig oder sechzig Jahre später die Niederländer ihre kindliche Königin Wilhelmine. Wenn sie mit der Mutter und ihrer Stiefschwester Feodora, der späteren Fürstin von Hohenlohe-Langenburg, Ausflüge nach dem Seestrande unternahm, wunderte sie sich nicht wenig über die Neugier, m t t er ihr das Volk entgegentrat. Warum gerade ihr? Die Mutter erfaßte den richtigen Augenblick, das Kind aufzuklären. Als die Prinzessin 12 Jahre alt war, ließ die kluge Frau in das Buch, aus dem das Kind Geschichte lernte, einen Zettel legen, der die Folge der englischen Könige angab. „Was ist das?" fragte sie ihre Lehrerin. ,Das habe ich vorher nie gesehen." Aufmerksam studierte sie die Liste und sah ihren Namen als den der nächsten Thronbercchtigten verzeichnet. „Ich sehe, daß ich dem Throne näher stehe, als ich dachte," sagte sie feuchten Auges: dann reichte sie der Lehrerin die Hand mit den Worten: „Ich will gut sein; nun weiß ich, weshalb Sie so sehr darauf halten, daß ich meine Aufgaben lerne und mich mit dem Latein abplage. Bis jetzt lernte ich es, weil Sie cs wünschten, nun aber ist mir alles klar; ich will gut sein." Wilhelm IV. hielt an seinem Geburtstageim Jahre 1836 eine Tisch¬ rede, deren Spitze gegen die neben ihm sitzende Herzogin von Kent gemünzt war. Er sagte mit giftigen Worten, es sei unziemlich, daß die künftige Königin von seinem Hofe ferngehalten werbe, aber er hoffe noch so lange zu leben, daß die Prinzessin ohne Regentschaft aus den Thron gelange. Sein Wunsch ward erfüllt. Er starb am 20. Juni 1837, wenige Wochen, Die nachdem die Prinzessin ihr achtzehntes Jahr vollendet hatte. Herzogin von Kent ward nun für die Thränen entschädigt, die der König ihr oft genug abgepreßt hatte. Wilhelm war in den ersten Morgen¬ stunden verschieden. Gleich danach fuhren zwei Männer von Windsor in aller Eile nach Kensington. Es waren der Lordkanzler und der Erz¬ bischof von Canterbury. Tiefe Stille herrschte in dem kleinen Schloß. Die beiden Würdenträger klopften und läuteten lange Zeit, bis der Haushofmeister wach wurde, der sie dann warten ließ, um eine Dienerin zu holen, worauf es wieder zu warten galt, so lange, daß sie abermals Das ging so längere Zeit hin und her, bis ein Mädchen schellten. erklärte, die Prinzessin liege in einem so süßen Schlaf, roß man sie nicht zu stören wage. „Wir kommen in Staatsangelegenheiten zur Königin, und selbst ihr Schlaf kann kein Hindernis sein", sagten die Herren Nun war es heraus, und des Wartens war ein Ende. Im Nachtgcwande, ein Tuch umgeworfen, die Haare ausgelöst, die Füße in Pantoffeln, erschien die Königin, die Augen in Thränen. Als die beiden Herren sich aufs Knie gesenkt und ihr die Hand geküßt hatten, wandte sich die Königin zu dem Erzbischof mit den Worten: „Ich bitte Eure Gnaden, für mich zu beten." Alle drei knieten nieder. Es war 5 Uhr morgens. Sofort richtete die Königin ein herzliches Beileidsschreiben an die Königin Adelaide. Sie schrieb auf den Umschlag: „An Ihre Majestät die Königin." Jemand machte sie darauf aufme-ksam, daß sie selbst ja nun Königin sei, daß cs daher heißen müsse: „Die Königin-Witwe." „Ich weiß es wohl," entgegncte sic, „aber ich will nicht die erste sein, die es ihr lagt." Der Erzbischof und der Lordkanzler zogen sich zurück, und die Königin ging in ihre Gemächer, hielt Rat mit ihrer Mutter, empfing gegen neun Uhr den ersten Minister, Lord Melbourne, und bereitete sich vor, um elf Uhr die erste Sitzung des Gi Heimen Rates unter ihrer Regierung zu leiten. Dank ihrem würdigen, natürlichen Auftreten war die Sitzung der erste Lichtstrahl nach einer langer, trüben Zeit Sie verlas eine kurze Ansprache, leistete die vo> geschriebenen Eide, nahm Schwur und Handkuß der Anwesenden entgegen und begab sich dann selbst zu dem alten Herzog von Sussex, der sich nur schwer vom Stuhl erheben konnte. ganzes Benehmen war anmutig. Dann und wann blickte sie auf Lord Melbourne, der, ein wahrhaft väterlicher Freund, sie schon in den Staatsgeschästen unterrichtet hatte und in den nächsten Jahren fast fortwährender Gast in Kensington blieb, ob sic auch alles so ganz recht mache. Peel, Wellington und andere, die zugegen waren, konnten des Lobes nicht genug sprechen; in manchen Memoircnwerken sind begeisterte Schilderungen dies.r ersten Ratssitzung zu lesen. Nicht minder würdig benahm sich die Königin im folgenden Jahre bei t er Krönung, die mit großem Gepränge m der Wcstminsterabtel stattfand. Die kleine, zierliche Jungfrau war nicht gerade schön, aber von zarten Formen und einnehmendem Wesen; ihre großen blauen Augen verrieten Klugheit sowohl als Herzensgute.

Ihr

ist durch ein berühmtes Gemälde Leslics verewigt, der sie im Krönungsmantel darstellt, wie sie das entblößte Haupt beugt, um gesalbt zu werden. Eine Flechte ihres blonden Haares windet sich nach damaliger Mode um das Ohr. Der Ausdruck der

Ihre damalige Erscheinung

unter den langen Wimpern gesenkten Augen ist überaus anmutig und würdevoll; er deutet auf innige Sammlung. Nach der Feier aber kam die jugendliche Frische sofort zu ihrem Recht Als die Königin, noch in den Staatskleidern, in ihre Gemächer zurückkehrte, war ihre erste Frage, wie cs während der vielen Stunden ihrem Hündchen Dasy ergangen sei. Dasy ward gehörig gehätschelt, dann erst legte die Königin die Krönungskleidcr ab

In

Scharren-Zins der Stadt Berlin. alter Zeit waren mehrere Plätze und manche Straßen Berlins mit Scharren für Fleischer, Fischer u. s. w. bedeckt, wie dies z. B die bekannten Rosenbergschen Kupferstiche aus der friderizianischcn Zeit deutlich erkennen lassen, vergl. den Neuen Markt, den Spittelmarkt, den Hausvoigteiplatz, den Köllnischen Fisch¬ markt 2 C. Der zunehmende Verkehr ließ das Polizei-Präsidium und den Magistrat auf die Forträumung dieser Verkehrshindernisse mehr und mehr Bedacht nehmen. Nachdem die letzten Scharren an öffentlichen Straßen und Plätzen im Jahre 1886 verschwunden sind, existieren nur noch sechs Scharren auf einzelnen Privat-Grundstücken mit der Verpflich¬ tung einer jährlichen Gcsamtabgabe von 71 Mk. an die Stadthauptkasse. Die Scharrenstraße erhielt ihren Namen von den Scharren, welche früher in der Breiten Straße standen und 1667 an das Köllnische Rathaus verlegt wurden. Von der Breiten- bis Brüderstraße hieß die Straße früher „Hinter den Brotscharren". Anfang des 18. Jahrhunderts wurde sie in ganzer Ausdehnung wegen der benachbarten Petrikirche „Kirchgasse" genannt. Nach dem Brand der Pctrikirche 1780 bekam die Straße in ganzer Ausdehnung den Namen „Scharren-Straße". Ve^gl. H. Vogt, Brandenb. E. Fr. die Straßennamen Berlins. 1885, S. 81.

Mchertifch. Geschichte der Bäcker-Innung zu Berlin. Nach aktenmäßigen Quellen bearbeitet von E. Kolbe. Gelegentlich des 625jährigen InnungsJubiläums vom Innungs-Vorstände herausgegeben. Berlin 1897. Im Selbstverlag der Innung. Pr. 1 Mk.

Dem längst gehegten Wunsche des Vorstandes der Bäcker-Innung

„Germania", das, was aus der

Geschichte des

Berliner Bäckergewerks

erhalten hat, zu einem abgerundeten Ganzen vereinigt zu sehen, ist der Einleitung be¬ durch diese fleißige Arbeit entsprochen worden. richtet der Verfasser über die ersten Anfänge des Handwerks überhaupt dem ersten Abschnitt und seine Vereinigung in Gilden und Zünften. „Aus alter Zeit" wird uns dann neben den Berichten über das erste Auftauchen des Bäckerhandwcrks in Berlin auch ein gut Teil alter Stadtgcschichte selbst vorgeführt und diese noch durch eine Anzahl Ab¬ Im II. Abschnitt bildungen aus dem alten Berlin veranschaulicht. ..Mittleie Zeit" wird mitgeteilt, wie das Bäckergewerk eine Anzahl fester Verordnungen und Privilegien seitens des Landcsherrn und des Rats der beiden Sckwesterstädte Berlin und Cölln erhält und dadurch diesem Abschnitt wird auch das immer mehr an Emfluß gewinnt. alte Mehlhaus behandelt, das ja immer noch steht, ein altehrwürdiger Zeuge vergangener Tage, wenn auch seit 1891 seiner Bestimmung ent¬ zogen. Interessant ist, wie dem Leser der Streit der alten, würdigen Meister um ihr Besitztum, das erwähnte Mehlhaus, vorgeführt wird, bis ein königliches Machtwort ihre Rechte anerkannte und Wandel schaffte. Im III. Abschnitt führt uns der Verfasser, zwar abseits vom Schauplatz der eigentlichen Jnnungsgeschichre, in ein altes Berliner Bäcker¬ haus, aber wir folgen ihm gen: in seiner Schilderung; sind es doch abermals 200 Jahre Berliner Lokal - Geschichte, die hier an uns vor¬ überziehen in einem Hause, das erst vornehmes Landhaus war und dann drei Generationen einer alten Berliner Bäckerfamilie ein mit Segen er¬ fülltes Heim gewesen ist. Abschnitt IV, „Das neue Jnnungshaus", behandelt die neueste Geschichte der Innung, die zwar noch f.isch m der Zeitgenossen Gedächtnis ist, aber doch für spätere Geschlechter ebenfalls möglichst übersichtlich behandelt werden mußte. Hierzu gehören auch die folgenden Abschnitte: „Festchronik". „Die schwere Zeit der sich

In In

In

Not", „Wohlfahrts-Einrichtungen und -Institutionen",

und Fortbildungsschule" sowie die „Bäckerfür besonders ausführlich behandelt werden. _ Eine Geschichtsfreunde besonders wertvolle Zugabe ist der Abschnitt VIII: sowie IX: „Aus dem „Wappen und Siegel der Archiv der Innung". Die Schrift ist nicht nur für die Mitglieder des Bäckergcwerks von Jntcresie, sondern überhaupt für alle Geschichtsfrcunde. Sie sei denn auch den letzteren hiermit warm empfohlen.

wobei die

Zeitung"

„Fach-

Innung",

Bismarck-Jahrbuch. Herausaegen von Horst Kohl. IV. Band. 2. Ab¬ Göschen'sche Verlagshandlung. teilung. Leipzig 1897. G. Preis 2 Mk Was wir in Nr. 17 nach Erscheinen der 1. Abteilung des IV. Bandes zur Empfehlung dieses vorzüglichen Werkes gesagt haben, können wir jetzt, da uns die 2. Abteilung des IV. Bandes vorliegt, in allen Stücken nur mit verschärften! Nachdruck wiederholen. Diese neue Abteilung enthält mehr als 70 von hervorragenden Persönlichkeiten (Edw. v. Manteuffel, H. Wagencr, Graf Thun, Leop. v. Gerlach, H. Leo, O. v. Manteuffel, F. Lasallc u. s. w.) an Bismarck geschriebene Briefe, feiner 13 Briefe Bismarcks tan Minister v. d. Heydt, Minister F. Eulenburg, Graf v. d. Goltz Redaktion dnKreuz-Zeitung, Minister Dalwigk u. s. w.) In der That. ganz vorzügliches Aktcrmaterial, um die zeitgenössische Geschichte, die wir selbst mit erlebt haben, richtig kennen zu lernen und die Größe des ersten Reichskanzlers des neugeeinten

I.

>.

324

deutschen Reiches in immer höherem Grade zu bewundern! Der Verfasser verdient den wärmsten Dank für seine Veröffentlichungen, und wir können allen Verehrern des Alt-Reichskanzlers und Freunden vaterländischer Geschichte nur raten, auf das „Bismarck-Jahrbuch" (4 Abteilungen im —n. Laufe des Jahres ä 2 Mk) zu abonnieren.

Die Inventarisierung der geschichtlichen Denkmäler. Nach einer Mitteilung des „Deutschen Reichs- und Königlich Preußischen Staats-Anzeigers" macht die Inventarisierung der geschicht¬ lichen Denkmäler im deutschen Reiche höchst erfreuliche Fortschritte. April 1895 sind neu im Druck erschienen:

Seit

I. Königreich Preußen: Von dem Werke „Die Bau-und Kunst¬ denkmäler der Provinz Ostpreußen", im Auftrage des Ostpreußischen Proviuzial-Landtages bearbeitet von Adolf Boetticher: Heft 5 „Littauen", Heft 6 „Masuren". Provinz Westpreußen. Von dem Werke „Die Bau- und Kunst¬ denkmäler der Provinz Westpreußen", herausgegeben von der Provinz, bearbeitet vom Landes-Bauinspektor Heise: Heft 10 „Löbau". Provinz Posen. Von dem Werke „Verzeichnis der Kunstdenk¬ mäler der Provinz Posen": Band III „Die Landkreise des Regierungs¬ bezirks Posen". Band II „Der Stadtkreis Posen". Provinz Westfalen. Von dem Werke „Die Bau- und Kunstdenkmäler von Westfalen", herausgegeben vom Provinzial-Verbande der Provinz Westfalen, bearbeitet von A. Ludorff, Provinzial-Bauinspektor und Konservator: „Stadtkreis Dortmund", „Landkreis Dortmund", „Kreis Hörde". Rheinprovinz. Von dem Werke „Die Kunstdenkmäler der Rhein¬ provinz", im Auftrage des Provinzial- Verbandes herausgegeben von Paul Clemen: Band II, Heft 2 „Stadt Duisburg und Kreise Mül¬ heim a. R. und Nuhrort". Heft 3 „Stadt und Kreis Esten". Band III, Heft 2 „Städte Barmen, Heft 1 „Stadt und Kreis Düsseldorf". Elberfeld, Remscheid und Kreise Lennep, Mettmann und Solingen".

Provinz Ostpreußen.

Heft 3 „Kreis Neuß".

Hohenzollerusche Lande. Das Werk: „Die Bau- und Kunst¬ denkmäler in den Hohenzollernschen Landen", im Auftrage des Hohenzollernschen Landesausschusies bearbeitet von Dr. Karl Theodor Ziegeler, Fürstlich Hohenzollernschem Hofrat, und Wilhelm Friedrich Laur, Architekt.

Königreich Bayern.

Von dem Werke „Die Baudenkmale in der Pfalz", herausgegeben von der pfälzischen Kreisgesellschaft des bayerischen Architekten- und Ingenieur-Vereins: 3. Band, 4. Band, I. und II. Lieferung, 5. Band, I. bis V. Lieferung. Ferner: Von dem Werke „Die Kunstdenkmale des Königreichs Bayern vom 11. bis zum Ende des 18. Jahrhunderts", beschrieben und aufgenommen im Auftrage des Königlichen Staats-Ministeriums des Innern re., bearbeitet von G. von Bezold und Dr. B. Riehl: Lieferung 3 bis 15.

Großherzogtum Baden. „Die Kunstdenkmäler des Grobherzogtums dem Werke Baden, beschreibende Statistik", im Auftrage des Großherzoglichen Ministeriums der Justiz, des Kultus und des Unterrichts herausgegeben Von

von Professor Dr. Kraus, Bau-Direktor, Professor Dr Durm und Geh. Hofrat Dr. Wagner: Band III, Band IV, 1. Abteilung. Großherzogtum Hessen. Von dem Wcike: „Die Kunstdenkmäler des Grobherzogtums Hessen", Jnveniarisierung und beschreibende Darstellung der Werke der Architektur, Plastik, Malerei und des Kunstgcwerbes bis zum Schluß des XVIII. Jahrhunderts: „Provinz Oberhcssen, Kreis Friedberg", bearbeitet von Dr. R. Adamy.

Großherzogtum Mecklenburg-Schwerin.

„Die Kunst- und Geschichtsdenkmäler des Gro߬ herzogtums Mecklenburg-Schwerin", herausgegeben von Dr. F Schlie: I. Band „Die Amtsgerichte Rostock, Ribnitz, Sülze, Marlow, Tessin, Laage, Gnoien, Dargun und Neukalen." Von

Von

dem Werke

Ucbrige deutsche Staaten. „Die Bau- und Kunstdenkmäler Thüringens",

dem Werke

Professor Dr. Lehfeldt: Heft 21 „Amtsgerichtsbezirk Altenburg (Sachsen-Altenburgl"; Heft 22 „Amtsgcrichtsbezirk Schmölln und Ronneburg WäSChegeSChäft

Hoflieferant Ihrer Majestät der Kaiserin und Königsin.

Mohren-Strasse

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^

Anstalt

Herrnhnt i. Sa.

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27/28, am Gensdarmen-Markt. .

Verantwortlicher Redakteur und Verleger: Fr. Zillessen in Berlin X. 68 ., Schönhauser Allee I4l. Druck der Buchdruckerei Gutenbcrg, Berlin X., Schönhauser Allee 141a. — Abdruck ohne eingeholte Erlaubnis ist untersagt.

der

Ernst G. Karder), E. Friedet, Rictiard

Dr.

Mark Krandenvurg

und der llugren^euden Gebiete.

Unter Mitwirkung von Dp. K. Küringuter, Professor Dp. Srectier, Dp. H. George, Ferd. Mleger, Gymnasialdirektor a. D. Dp.

Srondtctre, ©lieoboc Fsntane, Stadtrai M. Krtkronriz »nd E. u. Miidendruct»

herausgegeben von

Friedrich ZMefsen. XXIII. Jahrgang.

M 28.

Der ,BLr" erscheint wöchentlich am Sonnabend und ist dnr leget, vnd als muthwillige Verächter Vnseres Gesetzes vnd Ordnung mit Wasser vnd Brod gespeiset werden. Do man sich aber daran nicht kehren, sondern zum andern mahl ver¬ botene Tracht gebrauchen würde, so soll der verbrechenden Person das Kleid oder schmuck, so zur vngebühr vnd der Ordnung zu wider getragen worden, öffentlich abgenommen,

>.

334

zu nachtheil an keinem orte nichts verübet werben möge. Unb weil burch bie Schn ei ber alle mißbrauche am besten verhütet

in bas Hoßpital bes orts gewenbet, vnb hierüber nichts besto weniger ob spccificirte straffe von jhr einbracht werben. Wie wir benn, kraft bitz, vnserm Fißcal zu gelbe gemacht,

werben können, so soll nun hinführo kein Schueiber keinem einig Kleib zuschn eiben ober anmachen, so jhnen, vermöge bieser Orbnung, zu tragen nicht gebühret; Würbe aber ein

vnb bei höchster Vnser Vngnabe befehlen vnb aufferlegen, baß er in jebem Kreiße brey gewisse Peisoneu (so vnter benen von Abel vnb Lanbvolk hierauf achtung geben) jeboch unvermarckl vnb in geheim bestellen, vnb alßbenn, so zu Leipzig ernstlich

hierwieber belinquiret, bie straffe burch ben Schösser bes

Schneiber bawiber hanbeln,

ihn selbst ober seine Gesellen, berselbe soll zum erstenmal vmb 8 Thaler, zum anbernmal vmb 16 Thaler gestraffet werben; Da er aber an solche Gelbstraffe sich nicht kehren, sonbern zum brittenmal ber Orbnung zuwiber hanbeln, vnb einem, wer ber auch sey, ein Kleib, so jhme nicht gebühret, angemacht haben würbe, bem soll auf ein viertel Jahr sein Hanbwerg gelegt, auch nach Befinbung seiner vielfältigen Verbrechung (!) vnb mmhwilliger Wibersetzung bieser wohlgemeinten Orbnung, bas Bürger¬ recht gäntzlicheu eingezogen werben. Wie benu auch bie Schneiber, solchem besto mehr vorzukommen, mit keinen waren, sie seyn Seybe vnb Wöllen, es sey inlenbisch ober frembbe

nechst

angelegenen Ampls, welches jhme jebesmahl auff sein ersuchen

hierzu bie Hanb zu bieten verpflichtet, einbringen, solche halb in vusere Kammer einantworten, von bem vbrigen aber zwei Theil er behalten, vnb bas britte beme, so es benunciret, zu gute kommen soll. Darbcy Wir aber hiermit jhn, so wo! aubere, benen bie auffsicht befohlen, gnäbigst erinnert haben wollen, baß sie hierinnen vorsichtig seyn. vnb niemanb aus eigennutz, Haß ober neib (wenn nicht augenscheinlich, baß bie Orbnung vberschritten) beschulbigen ober bie straffe von ihme einbringen sollen. Deßgleicheu sollen bie Stabte schulbig seyn, wenn auff Hochzeiten ober sonsten frembbe Leute, so unsere Vnterthaneu, ein mchrers als ihnen gebühret, an Kleibung tragen würben, solches alßbalb ber Obrigkeit, barunter bieselben gesessen, zu notificiren, bamil alßbann von ben Verbrechern (!) bie ver¬ wirkte Straffe eingebracht, vnb solcher gestalt unserer Orbnung

«

es geschehe burch

(eibene ober wöllene Schnüre ober bergleichen handeln ober solche vor sich führen sollen, die Leute barein zu kleiden, sintemal die erfahruug bezeugt, daß dadurch manch jung Blut

Tuch,

j

Kleidung zu tragen verursacht, die Leute damit übersetzt vnb vbertheuert werden; bei Vermeidung obiger eine

übermässiger

Straffe."

Kleine Mitteilungen. Von Schreibtisch und Werkstatt. So lautet der Titel eines im vorigen Jahr herausgegebenen und im Verlage von Karl Siegis-

mund

erschienenen

Ausstellungs-Gedenkbuchcs (Pr.

1

M.),

das

Handel, Gewerbe und Industrie im Geiste des schaffenden Berlin uns vor Augen führt. Es enthält eine reiche Auswahl einschlägiger Sentenzen von hervorragenden Persönlichkeiten der Reichshauptstadt auf allen ver¬ schiedenen Gebieten des öffentlichen Lebens, die alle mehr oder weniger in Bezug auf die Leistungen und die Bedeutung von Berlins Handel, Gewerbe und Industrie ihr Urteil abgeben. Wertvolle Aussprüche, sämtlich mit dem Facsimile der Verfasser geschmückt oder auch ganz in demselben wiedergegeben, sind in ihm enthalten. Von dem vortrefflichen und reichen Jllustrationsschmuck der Schrift (Abbildungen von Werken Berliner Künstler auf dem Gebiete der Malerei und Skulptur, sowie Porträts von Koryphäen der Kunst und Wissenschaft) geben die der gegenwärtigen Nummer des „Bär" einverleibten Bilder: „Märkischer Bauer" von Alberts >S. 329) und „Märkisches Bauernhaus" von Paul Brockmüllcr (S. 383) Zeugnis. Die Schrift hat nicht, wie man etwa denken könnte, mit der großen Berliner Gewerbe-Ausstellung des Jahres 1896 ihre Bedeutung verloren, sondern sie ist und bleibt ein litterarisches Denkmal für Berlins Schaffensfleiß und für die Würdigung, deren sich Berlins Handel, Gewerbe und Industrie beim Scheiden des 19. Jahr¬ hunderts im Urteil der Bewohner der Reichshauptstadt selbst erfreut.

I.

Berliner Medaille aus dem. Jahre 1700.

Ueber eine

Berliner

Medaille vom Jahre 1700 finde« sich in den „Historischen Remarques über die neuesten Sachen in Europa" — einer in Hamburg zu jener Zeit allwöchentlich einmal erscheinenden, hin und wieder illustrierten Zeitung — in der Nummer vom 18. Januar 1701 (dem preußischen Krönungstage) folgende Beschreibung: „Dieser neue ur.d unvergleichlich schöne Medaillon ist einer von denjenigen, welche Sr. Chur-Fürstl. Durchl. denen Herren Abgesandten, Großen Ministris und anderen Virtuosen zum Präsent geben, und dadurch ihre Magnilicence genugsam verspüren lassen. Auf der ersten Seiten ist Ihrer Chur -Fürstl. Durcbl. Friederici III. Bildniß, im Harnisch mit vollem Brust-Bilde, in einer naturellen Majestät und gravitätischen Mine abgebildet, mit schönen fliegenden Haaren und in ein herrliche? Gewand gekleidet, so eine große Art von Falten wiifft. Wobey die Expression der Mine, die Aehnlichkeit des Gesichts, le bon goust und delicatesse der Arbeit sowol als die Fraktirung des Zeichnens und treffliche Kunst dieser Arbeit zu consideriren.“ — Der Titel des Monarchen auf der Hauptseite lautet: „Von Gottes Gnaden Markgraf zu Brandenburg, des Heiligen Römischen Reiches Erz-Cämmerer und Churfürst." Die Medaille wird im Original ziemlich selten geworden sein, da sie nur in Gold und Silber geprägt worden; in Gold im Werte von hundert Dukaten, in Silber neun Lot schwer; in beiderlei Gestalt war sie also nur zu sehr den Gefahren ausgesetzt, die allen Münzen aus edlem Metall durch den Schmelztigcl drohen. Als Anfertiger der Medaille wird ein gewisser Raymund Faltz genannt, ein Günstling des Kurfürsten, den dieser aus weiter Ferne zu diesem Zwecke nach

Berlin berufen hatte.

Die r-u*.’ tirf.mi»»

srftnii.ciua.^^tocTdic derselbe an in Bärwalde ausstellte, ist in Riedels Oodex diplomaticus Brandenburgensis, A, XIII, 240, im lateinischen Original abgedruckt und hat in deutscher Uebersetzung folgenden seinem TodeRäge, den 14. August 1319,

Wortlaut:

„Im Namen der heiligen und persönlichen Dreieinigkeit. Die zeitlichen Handlungen der Menschen würde vielfach die Vergeßlichkeit, die Mutter des Irrtums, verdunkeln, wenn sie nicht durch schriftliche Aufzeichnung festgestellt würden, und man so der Schwäche des Gedächtnisses zuhilfe käme. Deshalb wollen Wir, Waldemar, von Gottes Gnaden Markgraf von Brandenburg und von der Lausitz, uns für den letzten Tag des Gerichts, soweit wir es vermögen, durch mildthätige Werke vorsehen, belehrt durch die apostolische Posaune, daß wir alle einst vor dem Richterstuhl von Christus stehen werden, um nach unseren im Leben vollbrachten Thaten den Lohn zu empfangen. Und wir wünschen, daß es mit dem.Inhalt der vorliegenden Urkunde zur Kenntnis aller kommt, daß wir dem zur Brandenburger Diözese gehörigen Kloster Chorin, in dessen Mauern die Leichen unserer Vorgänger ruhen und auch unsere Leiche, wenn wir von dieser Welt abgeschieden sein werden, nach unserer Bestimmung beigesetzt werden soll, das Eigentumsrecht über drei Dörfer (des Kreises Angermünde) geschenkt haben und mit der vorliegenden Urkunde übergeben und schenken, über das Dorf Golzow, über das Dorf Buchholz und über das Dorf Groß-Ziethen, und noch besonders in dem Dorf Golzow das Ober- und Amtsgericht, zu unserem und unserer Vor¬ fahren Seelenheil, als dauerndes und ungestörtes Besitztum nach dem Eigentumsrecht. Wir verzichten hierbei noch gänzlich und ausdrücklich auf jedes Recht und jeden Nutzwert, welches oder welchen wir in den vorher genannten Dörfern in irgendeiner Art in Anspruch nehmen könnten. Damit aber bei uns und unseren rechtmäßigen und anerkannten Nach¬ folgern über diese von uns, wie vorher bestimmt ist, in lauterer Frei¬ gebigkeit aus Mildthätigkeit gemachte Schenkung kein Irrtum entstehen kann, haben wir die vorliegende Urkunde, welche bei imsercm vollen Bewußtsein geschrieben und mit unserem gewichtichen Siegel vollzogen ist, dem genannten Kloster ausstellen lassen. Ausgestellt und verhanvelt in unserer Stadt Bärwaldc am Tage vor der Himmelfahrt der seligen Jungfrau Maria, in Gegenwart unserer hierzu besonders herbeigerufenen Lehnsmänner, des hochwürdigen Vaters, des Herrn Heinrichs, Bischofs der Kirche von Havelberg, des Herrn Günters, Grafen von Kefernberg, unserer Truchsesse Dreuseke (von Kröcher) und Jchannes von Blankenburg, unseres Marschalls Redekins (von Redern) und Wedegos von Wedel, der Herren Pröpste Eberhard von Berlin und Walter von Pascwalk, mit noch mehreren anderen des Vertrauens würdigen Männern, im Jahre des Herrn 1819 an dem oben angegebenen Ort und Tag." W. A. Wegcner. Die Markaner und Friedrich der Große.

Die treue Anhänglich¬

Markaner an das preußische Königshaus, speziell an König Friedrich Wilhelm III., ist bekannt. Weniger bekannt dürfte sein, daß dieselben Markaner auch schon Friedrich dem Großen gegen¬ keit der

>.

315

über einen großartigen Beweis von Anhänglichkeit und Treue an den Tag legten. Als dieser zur Zeit des siebenjährigen Krieges sich in großer Bedrängnis befand, machten sich Hunderte von Markanern, Söhne wohlhabender Leute — die Hcllweger in Weißen, die Saucrländer den Pumpernickel- und Schinkenbeutel auf dem in blauen Rücken — unaufgefordert auf den Weg ins entfernte Heerlager ihns Königs. Als sie erschienen, fragte Friedrich: „Wo kommt her?" — „„Aus der Grafschaft Mark!"" — „Was wollt Ihr?" — „„Unserm König helfen!"" — „Ich habe Euch nicht gerufen!" — „„Desto besser!"' — „Wer hat Euch denn rekrutiert?" — „„Keiner!"" — „Es muß Euch doch Einer geschickt haben?" — „„Ja, unsere Väter!"" — „Wo ist denn der Offizier, der Euch geführt hat?" — „„Wir haben keinen!"" — „Wer hat Euch denn kommandiert?" — „ ,Wir selbst!"" — „Wie viele von Euch sind unterwegs desertiert?" — „„Desertiert? Könnten wir dos, dann wären wir ja nicht freiwillig gekommen!"" — Das Adlerauge des großen Königs glänzte vor Freude beim Anblick dieser treuen Vaterlandssöhne. „Seid mir willkommen, wackere Männer!" rief er aus, „Bravo, redliche Markaner, auf Euch kann ich bauen!" E.K.

Kitteln,

Ihr

Wilhelm I. und „Die „Parole" berichtet aus dem Leben Kaiser Wilhelms I. einen Zug von Huld und Leut¬ seligkeit, der einem Briefe des Leibarztes des Großherzogs von SachsenWeimar, Dr. P. Matthes, an seine Gemahlin aus Versailles vom 15. Januar 1871 entnommen ist. Major von Gelieu, ein geborener Neuenburger, trat in preußische Dienste und rückte am 5. Juni 1866 um 4 Uhr früh mit dem Garde-Schützenbataillon aus der Kaserne in Berlin aus An der Kottbuser Brücke erwartete König Wilhelm das Bataillon, um es zu begrüßen. Beim Vorbeimarschieren rief Gelieu dem Könige zu: „Vive le roi!“ Am 3. Juli nahm er mit einer Kompanie von Lipae aus eine österreichische Batterie von 12 Kanonen und wurde dann vom Kommandeur der Avantgarde in der Richtung auf Langerhoj dirigiert. Unterwegs begegnete er dem Könige mit seiner Suite. Wieder ries er ihm ein kräftiges „Vive le roi!“ zu, während seine Leute den königlichen Helden den Rock, ja sogar sein Pferd küßten. Beim Einzug, in Berlin führte König Wilhelm das Garde-Schützenbataillon seiner Gemahlin vor, dann winkte er Gelieu, den Führer der vierten Kompanie, zu sich und gab ihm die Hand. Wieder rief Gelieu begeistert sein „Vivc le roi!", worauf der König sagte: „Je vous permets de me rappele: chaque an le 3. juillet.“ (Ich erlaube Ihnen, mich jedes Jahr an den 3. Juli zu erinnern.) Dem kam Gelieu getreulich nach. Jedes Jahr telegraphierte er am 3. Juli: „Vive leroi! Neuchatelois“ und erhielt darauf jedesmal Antworten wie: „Vive le brave Neuchatelois! Wilhelm“. (Es lebe der brave Neuenburger) oder „Vive le brave des braves! Guillaume“ (@g lebe der Tapfere der Tapferen, Wilhelm) oder „Merci, mon brave Neuchatelois! (Dank, mein tapferer Neuenburger) Kottbuserthor, Langerhost Berlin. Le roi“ ;Der König). Dies waren die drei Oertlichkeiten, wo beide zusammengetroffen waren. Tv-ürft iHiamnrrf Fürst Bismarck nahm im Herbst 1833, nachdem er in Güttingen studiert hatte, in Berlin Wohnung, und zwar im Hause Friedrichstraße 161 zwischen den Linden und Behrenstraße. Er selbst schreibt über diesen Aufenthalt an Ollivier Hollmer. tvelcher ein We,k über den amerikanischen Geschichtsschreiber Motlcy herausgab, folgendes: Wir, Motley, Keyserling und ich, lebten daselbst im innigen Verkehr mit einander, indem wir unsere Mablzcitcn und unsere Uebungen gemeinschaftlich hielten. Motley war dahin ge¬ langt, das Deutsche geläufig zu sprechen; er arbeitete nicht bloß daran, Goethes Faust zu übersetzen, sondern er übte sich auch, indem er deutsche Verse schrieb. Leidenschaftlicher Verehrer Shakespeares, Byrons, Goethes, hörte er nicht auf, seine Lieblingsschriftsteller zu zitieren. Ein hart¬ näckiger Dialektiker, welcher so weit ging, zuweilen mein Wiedcrerwachen zu erspähen, um eine Diskussion über einen Gegenstand der Wissenschaft, der Poesie, des praktischen Lebcns fortzusetzen, welche beim herannahen¬ den Morgen unterbrochen worden war, verlor er doch niemals seine Anmut und Liebenswürdigkeit. Unser treuer Gefährte war Gras Alexander von Keyserling aus Kurland, welcher seither als Botaniker berühmt worden ist. Motlcy war in die Diplomatie eingetreten; wir hatten oftmals Gelegenheit, unsere freundschaftlichen Beziehungen zu er¬ neuern ; in Frankfurt blieb er gewöhnlich bei mir und war meiner Frau ein willkommener Gast; wir sahen uns auch in Wien und später in Berlin. Dos letzte Mal bei der Feier meiner silbernen Hochzeit 1872 in Varzin. (Fürst Bismarck hätte demnach in diesem Jahre das Fest der goldenen Hochzeit feiern können.) D. Tag -Z. Die Wetterfahne' auf der französische» Botschaft. Der „Pa¬

role" entnehmen« wir: Eine Merkwürdigkeit, weil eine Erinnerung an Kaiser Wilhelm ist die sonderbare Wetterfahne, welche demnächst auf einem Neubau in der Prinz-Louis-Ferdinandraße zu Berlin an¬ gebracht werden soll. Die Wetterfahne stellt einen Ulanen dar und befand sich ursprünglich auf der französischen Botschaft. Tort war aller¬ dings ein Vertreter gerade jener Truppengattung, deren Lanzen 1870 dcn Franzosen uianchcn Schreck eingejagt haben, wenig am Platze, und als man merkte, daß man einen „preußischen Ulanen" auf dem Dache hatte, beeilte man sich, ihn zu entfernen. Der alte Generalstabsarzt v. Lauer hatte davon „Wind bekommen" und brachte die Wetterfahne zu einem fürsorglichen Zweck in seinen Besitz. Dem treuen Lcibarzt Kaiser Wilhelms I. lag daran, gleich immer früh morgens von seiner Wohnung aus über den Stand der Windrichtung orientiert zu sein, um danach seine Anordnungen im Jniercsse seines hohen Schutzbefoh¬ lenen treffen zu können. Ihm gegenüber wohnte Markgrafenstraßc 80 der Hotelbesitzer Senior, und diesen veranlaßte der Generalstabsarzt,

I,

—— auf seinem Dache die Wetterfahne anzubringen. Der „Ulan" hat dann viele Jahre hindurch dem Kaiserlichen Kriegsherrn mittelbar gute Dienste geleistet. Das Haus ist später in den Besitz einer Buchhandlung über¬ gegangen und gegenwärtig einem stattlichen Neubau gewichen; der „Ulan" dreht sich dort nicht mehr im Winde, aber er ist sorgsam vor dem Untergänge bewahrt worden und soll nun auf dem neuen Hause der Buchhandlung in der Prinz-Louis-Ferdinandstraße seine Aufer¬ stehung feiern. einer 1827 in Schwedt er¬ Alle Jahre nur eine» Sttefel. schienenen „Beschreibung der Königlich Preußischen Provinz Branden¬ burg", welche im großen und ganzen sehr dürftige Schrift, aber den stolzen Namen „Brennenbuch" führt, sagt der Verfasser über das Fischer¬ dorf Stralau: „Die angenehme Lage an der Spree, die Landhäuser, welche Berlinische Privatpersonen dort haben, und der mit Buschwerk besetzte Damm dahin geben diesem Ort zu einer Luftfahrt oder einem Spaziergange von Berlin aus einen vorzüglichen Wert. Das hiesige jährliche Fischzugfest am 24. August ist ein Bild dafür, wie ein Volks¬ fest nicht sein soll. — Der Stralauer Prediger bekam ehedem alle zwei Jahr ein Paar große Stiefeln, um den Graben, der Dorf und Kirche scheidet (über dem jetzt ein Steg: st) zu überschreiten. Daher die Rede: Der Prediger zu Stralau bekommt alle Jahre einen Stiefel." F. B.

In

Der Urheber des geflügelten Wortes „Stzreeathen" für Berlin. Büchmann nennt in seinen „geflügelten Worten" (in der 13. und in den früheren Auflagen) E)r. P. F. Weddigen als den Urheber des ge¬ flügelten Wortes „Spreeathen" für Berlin, während er später das Wort auf Erdmann Wircker (1706) zurückführt. Es ist aber mit Bestimmt¬ heit anzunehmen, daß Weddigen Erdmann Wirckers Gedichte nicht ge¬ kannt hat; der Ausdruck dürfte also bei ihm ebenso original sein, wie bei dem letzteren. Bei P. F. Weddigen findet sich das Wort zuerst in seinen Gedichten „Morgenstunden der Grazien" (S. 83), welche 1798 von seiner Gattin Charlotte als des Dichters erste poetische Schöpfungm herausgegeben wurden. Das Gedicht, an Professor H. ge¬ richtet, als er von Berlin an das Gymnasium in Bielefeld berufen wurde, lautet: „Was fleuchst du, Freund, den Sitz der deutschen Musen, Berlin, dein Spreeathen? Kommst du, der Barden heil'ge Haine Bei uns .zu sehn?" u. s. w. Von Jntercffe dürfte es den Lesern unserer Zeitschrift sein, zu er¬ fahren, daß Dr. P. F. Weddigen Prediger zu Kleinbremen bei Minden war, am 18. Juni 1788 zu Bielefeld geboren wurde und am 6 . Sept. 1809 starb. Er schrieb eine große Anzahl Werke aus der westfälischen Geschichte, sowie die „Geistlichen Oden und Lieder" (4. Aufl., herausg. von Dr. Otto Weddigen, Leipzig 1839, bei Phil. Recloni), und wurde von Friedrich Wilhelm III. durch Verleihung der silbernen und goldenen Medaille für Kunst und Wissenschaft ausgezeichnet. Die neuen Eisenbahnanlagen im Norden Berlins. Ueber die neuen Eisenbahnanlagen im Norden Berlins entnehmen wir der „Voss. Ztg." folgendes: Die rasche Steigerung des Personenverkehrs, die außer¬ ordentliche Entwickelung der nördlichen Vororte ließen die Bahnanlagen, die vom Stettiner Bahnhöfe ihren Ausgang nahmen, schon in den acht¬ ziger Jahren als unzureichend erscheinen. Dazu kamen die Mißstände aus der Kreuzung der Stettiner Bahn, die die Liesen-, Garten- und Ackerstraße auf Straßenhöhe überschritt. Um einigermaßen ein Bild von den Beschwernissen zu geben, denen der Sttaßenverkehr und auch der Bahnbetrieb dort ausgesetzt war, mögen hier folgende Zahlen Platz finden. An einem Juni-Wochentage des Jahres 1886 überschritten den Uebergang an der Liesenstraße von 6 Uhr früh bis 6 Uhr abends 28 312 Personen und 3037 Fuhrwerke; dabei kreuzten den Planübergang etwa 200 Personen-, Güter- und Rangicrmaschinen. Fast eben solche Unzu¬ träglichkeiten herrschten auf dem Planübergange in der Bad- und in der Christianiastraße. Diese Uebelstände sind jetzt vollständig beseitigt; die verkehrsreiche Liesenstraße ist dem ununterbrochenen Verkehr unter einer säulenlosen Brücke von rund 100 Meter Spannenweite geöffnet, über Auch der Schienenstrang, die ungehindert zahllose Züge dahinrollcn. der den Verkehr auf dem Gesundbrunnen unterband, ist weggefallen; seit kurzem sind dort die trennenden Schranken gefallen, in der Bad-, Bellermann- nnd Christianastraße ist der so lange vermißte freie Verkehr in der Entwickelung begriffen. Während der Bauarbeiten ist es nicht zu vermeiden gewesen, den Vorortverkehr der Nordbahn von dem Stettiner Ein großer Teil dieses nach dem fernen Nordbahnhofe zu verlegen. Verkehrs soll demnächst wieder in den Stettiner Bahnhof geleitet werden. validenstraße soll das Geleis der neuen Bahnhofshalle in der um etwa zwei Meter gehoben worden. Der Zugang, der an der Jnvalidenstraße bleiben soll, wird über einen Treppenbau, ähnlich Im ganzen lassen sich die dem am Anhalter Bahnhöfe, erfolgen. Norden Berlins in vier Gruppen neuen Eisenbahnanlagen im teilen: Die Verlegung der Berlin-Stettiner Eisenbahn zwischen Berlin und Pankow, die 8 500 000 Mark gekostet hat, die Herstellung eines Rangierbanhofes bei Pankow mit den erforderlichen Anschlüsien (8 900 000 Mark), die Vermehrung der Frciladcgcleise auf dem Stettiner Bahnhöfe (1 600 000 Mk.) und die Erweiterung des Stettiner Bahnhofs und die Gabelung der Stettiner- und Nordbahn beim Gesundbrunnen (8 850 060 Mk.) Nach den letzten Arbeiten an der Bahnhofshalle wird für etwa 25 000 000 Mk. eine mustergüllige Verkchrsanlage geschaffen sein, die nicht nur für die benachbarten Teile der Stadt, sondern auch für die Entwickelung der nördlichen Vororte von unberechenbarem Einfluß

Ir

In

sein

wird.

836

Küch erlisch. der Schweiz. Von Dr. Theodor von Staatsarchivar in Luzern. — Erworben und ver¬ öffentlicht vom Eidgmössigen Departement des Innern. Bern, 1897. 207 Seiten. Lexikon-Format. Dieses neue Werk des luzernischen Staatsarchivars reiht sich den früheren Leistungen desselben würdig an. Wenn, wie es hier der Fall

Geschichte

der

Fischerei in

Li eben au,

ist. ein anerkannter Historiker ersten Ranges den eigenartigen Geschichts¬ stoff eingehend behandelt, kann man schon im vornherein sicher daraus rechnen, daß für jeden Geschichtsfreund sich da eine reiche Fülle inter¬ essanter Anregungen bietet. Hier zunächst die Inhaltsübersicht: I. Ueber¬ sicht über die Geschichte der Fischerei in der Schweiz im allgemeinen. Die Zeit der Kelten, Römer, Burgunder, Alemannen, Franken. Rechtsanschauungcn des Mittelalters über Fischerrcchte in Flüssen und Seen. Grenzen der Fischerrcchte. Privat- und Herrschaftsrechtc. Rechte der Landeinwohner und Reisenden. Pflichten der Fischereibesitzer gegen UferDie Betriebsweise der Fischerei im Mittelalter. III. Der anstößer. Kampf zwischen dem alten und neuen Recht. IV. Die Zünfte und Bruderschaften der Fischer. V. Die großen Fischermeyen vom 14. bis VII. Die Fischerei 17. Jahrhundert. VI. Fischerei auf dem Zürichsee. auf dem Murtensee. VIII. Die Fischerei auf dem Vieler See, vormals IX. Die Fischerei im Tessin. X. Der Sempacher Niedauersee. See XI. Die schweizerische Fischerei im 18. Jahrhundert. XII. Die Fischmarktspolizei. XIII. Uebersicht über die Geschichte der Fischerei Damit dem Werke der Jllustrationsseit der Zeit der Hclvetik. schmuck historischer Art nicht gänzlich fehle, ist eine Illustration in Lichtdruck: Pfahlbauer-Kolonie, nach einem Gemälde von A. Bachelin, beigegcben. Fesselnd, anregend und in bester Weise unterhaltend ist der gesamte Inhalt dieser geschichtswissenschaftlichen Arbeit von der ersten bis zur letzten Seite gestaltet; sodaß selbst diejenigen, denen sonst die Fischerei an und für sich sehr gleichgiltig erscheint, hier in bester Art befriedigt werden. Im allgemeinen wie im besonderen zeigt sich hier deutlich, daß der Autor den behandelten Gegenstand völlig beherrschte und mit umsichtiger Fassung des gebotenen Materials seine Aufgabe glücklich löste. Ein früheres historisches Werk desselben Verfassers: Das „Gasthauswescn der Schweiz" hat mit seiner interessanten Aus¬ stattung und vorzüglichem Textinhalte in den Kreisen der Fachhistoriker weit über die Grenzen der Schweiz hinaus wohlverdiente Anerkennung und rege Beachtung gefunden. Möge dies auch bei dem obengenannten —ob.— Werke in gleicher Weise der Fall sein! Die Nummer 2118 der „Illustrierten Zeitung" in Leipzig enthält zunächst zu ihrem Leitartikel: „Die Jubiläumstage in London" die große doppelseitige Illustration: „Der Gottesdienst vor dem Portal der St. Pauls-Kathedrale am 23. Juni" snach einer Momentaufnahme von The Art Reproduktion Company in London), das ganzseitige Bild: „Die Ueberreichung des Cityschwertes durch den Lord-Major", sowie Ansichten der deutschen Ehrengaben zu den Jubiläumsfeierlichkciten. Besonders bemerkenswert ist sodann die große Kunstbeilage zu Nr. 2118: „Das Ende der Welt", nach dem Gemälde von Georg Maltenbcrger, ausgestellt in der Internationalen Kunstausstellung in Dresden. Das 4 Seiten groß-, zusammenlegbare Bild zeigt in seinen drei Ab¬ teilungen das Jüngste Gericht, das im vorigen Jahre in der Münchener Jahrcsausstellung Aussehen erregte und auch jetzt in der

II.

Grubhofer) ein ganz besonderes Jntereffe haben. An Porträts bietet die reichhaltige Nummer dasjenige des neu ernannten Stellvertreters deö Staatssekretärs der auswärtigen Amtes in Berlin: Bernhards von Bülow, sowie diejenigen der Königin von Siam und des Meisters im Schach¬ spiel: Oskar Corde!. Der Pavillon Kais-r Wilhelms auf Helgoland (in 3 Bildern), der freigelegte Stephansdom in Wien und die erste deutsche evangelische Kirche in Tokio (Japan) werden uns ebenfalls in

Illustrationen vorgeführt. Die Abteilung: „Frauenzeitung" enthält diesmal eine hochintereffant geschriebene Erzählung von Moritz Sommerglut." von Reichenbach (Gräfin Bcthusy-Huc): hübschen

„In

Das soeben erschienene Juliheft der „Deutschen Revue", heraus¬ gegeben von Richard Fleischer (Stuttgart, Deutsche Verlags-Anstalt), hat nachstehenden Inhalt: Aus dem Bunsenschcn Familienarchiv. —

Gebannt. Novelle von Emil Kaiser. — Der Wiener Hof im Jahre 1791 bis 1792. Nach Schilderungen von Graf Paul Grcppi — Ge¬ wohnheit. Von Alfred Hegar, Professor an der Universität in Freiburg in Baden. — Aus meinen Tagebüchern. Von Dr. v. Schulte in Bonn. — Erzherzog Johann von Oesterreich über Griechenland. Ungedruckle Briefe an den österreichischen Gesandten in Athen A. v. Prokesch von 1837 an. Von Dr. Anton Schlossar. — Wanderungen und Gespräche mit Ernst Curtius lFortsetzung). Von Heinrich Gelzer. — Aus meiner Jugend. Erinnerungen von Rudolf von Gottschall. — Litterarische Revue. Von M. zur Megede. — Berichte aus allen Wissenschaften. Geschichte: 1815. — Litterarische Berichte. — Eingesandte Neuigkeiten des Büchermarktes. — Allmonatlich erscheint ein Heft von 128 Seiten. Preis vierteljährlich (3 Hefte) 6 Mark. Das Januarheft der „Deutschen Revue" ist durch jede Buchhandlung auf Verlangen zur Ansicht zu er¬ halten.

Inhalt: Finis Poloniae. Historischer Roman von Gründler lFortsetzung). — Erinnerungen an den Prinzen Friedrich Ludwig Carl von Preußen. Von S. Scheffer. — Der uckermärkische Bauer vor 50 Jahren. Von Lebrecht Wolfs. (Mit Abbildungen.) — Eine Kleiderordnung aus dem Jahre 1612. Mitgeteilt von Dr. Max Baumgart. (Schluß.) — Kleine C.

Mitteilungen: Von Schreibtisch und Werkstatt. Berliner Medaille aus dem Jahre 1700. Die letzte Urkunde des Markgrafen Waldemar. Die Markaner und Friedrich der Große. Wilhelm I. und Major von Gelieu. Bismarck als Chambregarnist. Die Wetterfahne auf der französischen Botschaft. Alle Jahre nur einen Stiefel. Der Urheber des geflügelten Wortes „Spreeathen". Die neuen Eisenbahnanlagen im Norden Berlins. — Büchertisch.

Dersdener Internationalen Kunstausstellung viel diskutiert wird. Ein weiteres doppelseitiges Bild, das den Beschauer sehr zu fesseln ver¬ mag, ist die Sonnenwcndfeier in cer Wachau (Niedcrösterreich), Originalzeichnung von W. Gause. Für die Touristen, die sich jetzt zur Bereisung der Alp.n rüsten, dürsten die 6 Bilder von der neuen „Solomitenstcaße" durch das Eggenthal bei Bozen (nach Originalzeichnungen von Tony

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Ernst G. Dards»7 , Dr. R» Köringuier, Professor Dr. Krrrtivr, Dr. H. KrendtrKe, Dlzoodor Fontcrrre, Stadtrat V. Friedet, Richard George, Ferd. Wiener, Gymnafialdirektor a. D. ve. M. Kchrrart; »nd G. v. MtlderrDruch

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Friedrich Zillefsen. XXIII.

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Jahrgang.

^29.

17.

Juli

1807.

Finis Poloniae.

Gründlor.

Historischer Roman von E.

(28. Fortsetzung.)

«

ald darauf klopfte es an die Thür. Wanda meldete den Fürsten Sokolnicki. Der Fürst frage an, ob er die Ehre haben könne, der Frau Gräfin seine Aufwartung zu machen.

„Ich

laste bitten."

Herein trat ein großer, schlanker Mann, im Anfang der Dreißiger, dessen elegante Gestalt durch den Kontusz, den schwarzen polnischen Schnürenrock, die weite rote Hose und die

naturfarbigen polnischen Sasfianstiefel noch mehr hervorgehoben wurde. Die rote, pelzverbrämte Confedereika, die viereckige Polenmütze, hielt er in der schmalen, beringten Rechten. Sein längliches, gebräuntes Gesicht mit der leicht ge¬ bogenen Nase halte einen ernsten Ausdnick und verriet große Willenskraft. Der starke, lang ausgezogene dunkle Schnurrbart

Bald darauf stand eine Flasche Wein und etwas Back¬ werk auf einem kleinen Tischchen zwischen den Fenstern. Die Gräfin schenkte ein und stieß mit dem Fürsten an. Der Fürst trank sein Glas auf einen Zug leer, während die Gräfin an dem ihrigen nur nippte. „So, nun erzählen Sie! Ich will zuhören und ganz still sein."

„Also zuerst das Gute! In den Woiwodschaften Kalisch und Rawa ist das Landvolk in vollem Ausstande, und viele Mannschaften find schon über die Grenze gerückt, um zu den Unsrigen zu stoßen. In» der Gegend von Dobrzyn ist von nnsern Ulanen ein preußischer Convoi von zweihundert Brot¬ wagen und Pulverkarren abgefangen, was uns sehr gelegen kam, denn es trat schon Mangel ein."

„Wie

erhöhte noch diesen Eindruck.

„Willkommen, Ladislaus! Tausendmal willkommen! Wie Sie gehofft! Was bringen Sie für Nachrichten?" Die Unterhaltung wurde in französischer Sprache geführt. „Wie man's nimmt, gute und schlechte. Ich wäre noch

ist es aber in den Woiwodschaften Gnesen und Posen?"

„Auch dort ist alles soweit vorbereitet, daß auf den ersten

beflügelt." „Jetzt keine Schmeicheleien, Ladislaus! Was haben Sie ausgerichtet? Doch halt! Ich vergeste, daß Sie einen langen Ritt gemacht haben, Sie werden einer Erfrischung bedürfen.

Ruf die Mannschaften zusammentrete». In der Waldschenke bei Smycyn liegen große Vorräte von Waffen und Munition, es fehlen nur noch die Führer. Die Luknowsky, Stresinsky die Gebrüder Zablocky, die Przybilsky und andere Kofinsky. haben sich bereit erklärt, mit in die Bewegung zu treten." „Ich denke. Sie selbst werden in diesen beiden Woiwod¬ schaften der Anführer sein?" „Mau hat mir allerdings die Führerschaft angetragen,

Wanda!"

obwohl

habe ich auf

nicht hier,

hätte die Sehnsucht

nach

Ihnen mein Roß nicht

Wanda erschien sofort, das Blut drang noch immer leicht aus der Wunde.

„Wein!"

dort nicht seßhaft bin, und ich habe sie schließlich auch angenommen. Denn Sie wissen wohl, meine Güter in der Ukraine find von den Rüsten konfisziert, und ich bin nichts mehr, als ein armer Flüchtling." ich

,

338

„Nun, mein Freund, das wird

-

so lange nicht dauern. Die wird Zeit Ihrer Flüchtlingschaft bald ein Ende nehmen." „Ach Lodoiska, Sie spielen ein grausames Spiel mit mir! Oft hege ich Zweifel, ob Sie mich wirklich lieben." „So sehr, wie mein eigenes Leben! Aber mehr noch als mein Leben liebe ich mein Vaterland, Sie kennen den Preis, der uns vereint. Verdienen Sie ihn, und Sie machen uns

und halten die preußische Verwaltung für beffer, als die bis¬ herige, wie sie es nennen, polnische Wirtschaft." „Diese schändlichen Verräter am Vaterlande!" „Zu alle dem hat kürzlich der neue Landrat in Gnesen bei einem öffentlichen Essen, an dem viele der Unsrigen teil¬ nahmen, erklärt, es sei der Regierung wohl bekannt, daß ge¬ heime Umtriebe zur Erhebung im Südpreußen beständen. Er

beide glücklich."

warne einen jeden,

„Gott

gebe es. daß ich

ihn erringe! Aber die Schwierig¬

keiten mehren sich täglich." „Weil Sie zu lange zögern!

Männer!

O über die Bedenklichkeiten

in der weiten Landschaft hier, die man schmachvollerweise „Südpreußen" nennt, alles erhebt, muß dann nicht die preußische Armee, völlig abgeschnitten von ihrer Heimat, vernichtet werden? Wahrlich, unsere der

Wenn

sich

braven Kosinier, unsere tapferen Sensenmänner werden wie eine Wassersflut hervorbrechen und sich in die Reihen der Feinde stürzen! Nur kurze Zeit noch, und das Vaterland ist wieder frei!" „Ihre Begeisterung, Lodoiska, ist bewundernswert und macht Sie nur noch schöner — wenn dies überhaupt möglich wäre. Aber was Sie verwerfliche Bedenklichkeit nennen, ist weise Vor¬ sicht und Pflicht gegen die armen Leute. Mit der Begeisterung allein erficht man keine Siege über ein wohlorganifiertes, kriegsgeübtes Heer, welches gut bewaffnet und geführt ist. Uns fehlt hier zur Zeit noch alles. Unsere Truppen in und bei Warschau haben wenigstens die Waffen der ehemaligen polnischen Armee behalien. Aber was haben wir? Es hieße unsre tapfern Kosinier nutzlos zur Schlachtbank führen, wollten wir losbrechen, bevor wenigstens das Nötigste zusammen¬ gebracht ist."

„Nicht unmöglich, daß Sie recht haben!" „Vor allem fehlt uns eins."

„Was denn?"

„Geld!! Wovon sollen die Leute ernährt werden, wenn ihrer heimatlichen Scholle entrissen sind? Diese vielen Tausende können ihren Unterhalt nicht da finden, wo sie gerade weilen, und wenn sie auch alles nähmen, was sie vor¬ finden? Da müssen Magazine angelegt werden, um die erforder¬ lichen Vorräte nachzuführen. Wie aber soll dies heimlich ge¬ schehen können unter den Augen einer feindseligen, argwöhnischen Verwaltung, die jeden unserer Schritte sorgsam überwacht, so sie

daß es mich schon gewundert hat,

daß

sie

unsere

geheimen

Conspirationen noch nicht entdeckt und verfolgt hat!" „Wenn Sie so reden, dann muß man ja wohl annehmen, daß unser ganzer

„Wir

Plan

gescheitert

ist!"

Ohne Sie hat das Leben Es heißt siegen oder untergehen! Wenn alle so dächten, wie wir beide, so wären wir in diese schimpfliche Lage niemals gekommen." „Sie sprechen von Geld. Ich für meinen Teil habe doch gethan, was ich konnte. Zwar verstehe ich nicht viel von Geldgeschäften, aber ich glaube nicht, daß mir noch viel übrig bleibt. Wie steht es denn mit den andern?" keinen

müssen das Beste hoffen.

Wert für mich.

„Ach Gott ja, sie haben ja auch gegeben, wenn auch nicht so viel. Sie wissen ja, unser Adel hat immer lustig drauf los gelebt und wenig gerechnet. Da ist denn bei den meisten große Ebbe in der Kasse. Andere, die noch etwas haben, wollen nicht geben, denn sie sind schon abtrünnig geworden

sich

an ihnen zu beteiligen.

Beschlagnahme

was ihn treffen werde. Preußische Truppen seien genug auf dem Wege, um dem Willen der Regierung Nachdruck zu geben." „Glauben Sie, daß solche Erklärungen einen Eindruck machen weiden?" „Allerdings! Die zweifelhaften Elemente werden durch sie zurückgehalten, sich uns anzuschließen ; und cs giebt ihrer genug, denen der eigene Besitz höher steht, als das Vaterland." „Leider, leider! O diese Schmach! Was die eigene Uneinigkeit nicht zustande brachte, das hat das russische Geld bewirkt. Erst verführten sie unser Volk durch Bestechungen und Versprechungen zum Bürgerkriege, und dann mischten sie sich ein unter dem Vorwände, Frieden stiften und die Ruhe seines

Besitzes

sei

das

mindeste,

wiederherstellen zu müssen!"

„Und schließlich verteilten sie unser Land! O, Lodoiska, glauben Sie mir. es blutet mein Herz, aber ich zweifle daran, daß es uns gelingen wird, unser Vaterland wieder aufzurichten. Gegen diese erdrückende Uebermacht: Rußland, Preußen, werden wir vergeblich ankämpfen."

„Gut, dann werden wir

Oesterreich,

zusammen untergehen, Ladislaus!

Aber Ihre Muilosigkeit! Du guter Gott, find wir Polen denn samt und sonders Feiglinge geworden? Können wir uns gar nicht mehr aufraffen? Sehen Sie sich doch diese Franzosen an! Ganz Europa hatten sie gegen sich! Und wie steht es jetzt? Sie hatten auch weder Geld, noch Kredit, noch Soldaten. Und doch haben sie große Heere geschaffen, nnt denen sie die Feinde vom französischen Boden vertriebeu und ihnen den Krieg ins eigene Land getragen haben. Ihr aber zeigt Euch nicht einmal im stände, ein paar Tausend elende Sensenmänner auf die Beine zu bringen!" „Sie find eine strenge Richterin, Lodoiska! Und leider muß ich Ihnen in vielen Stücken recht geben. Dennoch liegen die Verhältnisse bei den Franzosen anders, als bei uns. Bei allen Parteiungen im Innern hatten sämtliche Bewohner Frankreichs nur das eine Ziel, die Einmischung des Auslandes in ihre inneren Angelegenheiten abzuwehren. Und wir? Ein Teil von uns ruft die Hülfe des Auslandes um persönlicher Vorteile willen an, und der gütige Schiedsrichter nimmt sich dann unsere besten Provinzen zum Lohne. Auch haben sich die Franzosen eine Regierung gegeben, blutdürstig und gewaltig, aber rücksichtslos auf ihr Ziel losgehend. Nun vergleichen Sie damit unsern armseligen König Stanislaus, diesen weich¬ lichen Hampelmann, den russische Drähte in Bewegung setzen." „Ach Gott, schweigen Sie! Wenn ich an den denke, wird ich

tadle doch

mir ganz übel!"

„Und noch eins! Die Franzosen stützen sich auf die breite Masse des Volks, die ungleich gebildeter ist, als bei uns, sie haben ein Bürgertum. Worauf aber stützen wir uns? Legen Sie die Hand aufs Herz, teuerste Freundin, und fragen Sie sich auf Ehre und Gewissen, ob denn der Bauer, der Leibeigene gar so viel gewinnt, wenn er in den alten Zuständen

--

339

und unter unserm Regiment verbleibt? Ist es für ihn schlimm, preußisch oder russisch oder österreichisch zu werden? Verliert et irgend etwas dadurch? Was hat er überhaupt zu verlieren? Hat er je eine Vorstellung von dem Worte „Vaterland" ge¬ habt? Sein ganzes Begriffsvermögen geht auf in dem Worte „Gehorsam", Gehorsam gegen den Woiwoden, und Gehorsam

Priester." „An dem, was Sie sagen, ist leider nur zu viel wahr."

Ihrer gütigen Zustimmung hielt

beiden letzten haben unsre Konsöderationsheere zu¬ sammengetrieben. Wo sie aber versagen, ist mit unserem Land¬ volk — Bürger können wir ja nicht sagen — nichts zu machen!"

„O, es ist schrecklich, schrecklich!" rief die Gräfin. wir denn wirklich so machtlos? Müssen wir ruhig

„Sind zusehen,

wie das Verderben immer weiter schreitet?" Sie preßte beide Hände gewaltsam gegen die Schläfen und lief aufgeregt im Zimmer auf und ab. während Thränen aus ihren Augen stürzten. Der Fürst Sokolnicki hatte sich ebenfalls erhoben und

„Das einzige, was wir thun können und müssen, wir unsern kämpfenden Brüdern drüben Mannschaften

bemerkte: ist, daß

und Geld schicken."

Die Gräfin trat auf ihn zu, legte ihre Hände auf seine Schultern und rief erregt: „Nehmen Sie alles, was ich habe! Nehmen Sie alles! Ich will gleich morgen einen Boten nach Gnesen zu dem Juden Simon Levy schicken. Er soll her¬ kommen. Er muß Rat, muß Geld schaffen! Für mich hat alles keinen Wert, wenn ich in fremder Knechtschaft leben soll!" „Sie find der Edelmut in Person, teuerste Lodoiska, und ich füge mich unbedingt Ihrem Willen. Ich will auch wünschen, daß Ihr heldenmütiges, großes Opfer nicht umsonst gebracht wird. Allein ich fürchte: wa§ dieser preußische schwarze Adler einmal mit seinen Fängen erfaßt hat, das giebt er nicht wieder her. Was nun die Truppensendungen anbelangt,

so

scheint

cs

mir am

besten, daß

wir einzelne

kleine Trupps

über die Grenze gehen laffen, die sich dann jenseits derselben vereinigen und unser Heer verstärken können. Die Entscheidung wird dort fallen, wo sich die Heere gegenüberstehen." nicht doch wesentlich beffer geworden, „Ist seitdem der König von Preußen die Belagerung von Warschau

unsere Lage

aufgehoben hat?"

„Sie denken nicht an die Russen, teure Gräfin, die unter dem schrecklichen Suwarow mit ungeheurer Uebermacht einge¬ drungen find. Wenn sich ihr Heer mit dem preußischen vereinigt, find wir verloren. Beide Heere zusammen erdrücken uns." Da wurde die Thür heftig aufgeriffen, und Wanda stürzte, ohne anzuklopfen, herein. „Sie kommen, sie kommen!" schrie sie mit allen Zeichen des Entsetzens.

bei

Ihnen verabredet, um wichtige Angelegenheiten

zu besprechen!

im voraus

ver¬

zubestellen."

„Was dann anfangen? nicht hier bleiben,

Sollten die Preußen vielleicht

weiter marschieren?" „Das ist kaum anzunehmen. Jedoch, ich weiß Rat, Sie, teure Lodoiska, müffen morgen Geburtstag feiern. Nichts versteht sich mehr von selbst, als daß die benachbarten Edel¬ leute Ihnen zu demselben ihre Glückwünsche darbringen. Und auch ich darf dann kommen und Ihnen gratulieren, da ich zu¬ fällig bei Kosinsky zum Besuche bin." „Das geht! So wird den Preußen eine Nase gedreht. Aber nun fort, fort! Gott schütze Sie!" Sie reichte ihm die Hand zum Abschied, die er ehrerbietig an die Lippen führte. Darf ich mir heute keinen süßeren Lohn mit auf den Weg nehmen?" fragte der Fürst zärtlich, indem er den Arm um ihre Schultern, legte und ihr liebevoll in die Augen blickte. „Nein!" sagte die Gräfin, sich ihm sanft entwindend. „Du kennst unsern Pakt, Ladislaus. Erst wenn Du als Sieger zu mir kommst, bin ich ganz Dein!" Stumm neigte der Fürst das Haupt und wandte sich zur Thür. sondern

gleich

Da sprang die Gräfin hinter ihm her: „Nicht doch! Labislaus!" rief sie. „Nein! So sollst Du nicht gehen!" Zu¬ gleich schlang sie beide Arme um seinen Hals und küßte ihn stürmisch auf den Mund. „Ladislaus! Du meine einzige Hoff¬ nung! O. könnte ich diese Preußen vergiften! Wann werden wir wieder allein zusammen sein?"

„Du

darfst die Feinde nichts merken lassen,

Lodoiska!

Der Gewalt muß man sich fügen. Du mußt Dich im Gegen¬ teil diesen Preußen gegenüber recht freundlich benehmen, um sie zutraulich und sicher zu machen. Jedenfalls bekommst Du den Kommandeur ins Schloß. Vielleicht kannst Du durch ihn über ihre Absichten etwas erfahren. Einer schönen Frau." fügte er lächelnd hinzu, „widerstehen die Männer selten."

„Aber Ladislaus!"

„Ich werde Dich doch in solchem Falle nicht mit Eifersucht plagen." entgegnete er, indem er sie nochmals stürmisch in seine Arme schloß. „O Vaterland! Du verlangst doch schwerere Opfer, als ich

gedacht!"

Da

erscholl

aus

der Ferne Pserdegetrappel.

Noch ein flüchtiger Kuß, und der Fürst huschte zu einer Hinterthür hin¬ aus. während auf der Vorderseite des Schlosses ein Trupp Husaren heranritt und unter den Linden Halt machte.

„Wie kannst Du Dich unterstehen," — rief die Gräfin. „Wer kommt?" rief der Fürst. „Die Preußen, die Preußen! Sie halten schon am Krug!" Wanda mußte in Eile berichten, was sie erfahren hatte. Dann wurde sie wieder hinausgeschickt. „Schleunigst müffen Sie fort!" sagte die Gräfin zu dem Fürsten. „Um keinen Preis darf man Sie hier finden!" „Fatal!" entgegnete der Fürst. „Auf morgen abend habe ich eine Zusammenkunft mit verschiedenen Edelleuten hier

mich

„Gewiß, gewiß! Aber die kann jetzt nicht nicht mehr stattfinden. Das ganze Schloß wird voll von Soldaten sein." „Leider ist es nicht mehr möglich, die Versammlung ab¬

gegen den

„Die

ich

sichert!"

(Fortsetzung folgt.)

gfllifllnfsdMtf, te. Snmmcmmito. (Mit

drei Abbildungen.)

Der um die Erforschung der Geschichte Berlins hoch ver¬ Amtsrichter Or. jur. Friedrich Holtze hat Ende vorigen Jahres im Verlage von Franz V ah len in Berlin eine „Lokalgeschichte des Königlichen Kammergerichts" (Preis geheftet 3,80 M., gebunden 3,60 M.) erscheinen lassen diente

(8°, 113 Seiten), welche eine sehr bedeutsame Ergänzung der zweibändigen Geschichte des Kammergerichts" desselben Versossers bildet. Die lokalhistorischen Schriften des Amtsrichters beruhen sämtlich auf eingehenden archioalischen Holtze Dr. Studien; sie sind daher von grundlegender, wissenschaftlicher Bedeutung. Ueber das Gebäude des Kammergerichts in der Lindenstraße war bisher so gut wie nichts bekannt. Die meisten Beschreibungen von Berlin beschränken sich auf die Wiedergabe der kurzen Darstellung bei Nicolai, aus der noch heute meist die Angabe entnommen wird, daß auf dem Hofe des Gebäudes die Marmorbüste Crccejis stehe, die bereits 1820 in das Innere überführt worden ist. Amtsrichter Dr Holtze giebt in seinem Werke zum ersten Male eine erschöpfende Darstellung der Ge¬ schichte der ehrwürdigen Stätte in der Lindenstraße, an welcher Diese Darstellung beruht seit 1735 Recht gesprochen wird.

um den Stand der Rechtspflege aus eigner Anschauung kennen zu lernen; so wird dies von Joachim II. und Joachim Friedrich berichtet. In den Jahren 1598 und 1631 wurde das Kammer¬ gericht vorübergehend nach Ruppin,

In beiden Jahren wütete die Pest in Berlin, zu der 1631 noch die Furcht vor den Kaiserlichen gesellte. 1655 wurde das Kammergericht in den Westflügel des Schlosses ver¬ legt. der 1585 errichtet, 1604 völlig umgebaut war und sich vom Schloßplätze bis zum Lustgarten erstreckte. „Dieses Ge¬ bäude bestand aus zwei niedrigen Stockwerken, diente im oberen zur Wohnung für jüngere Prinzen, denen ein be¬ sonderer Hofstaat eingerichtet war und enthielt im Erdgeschoß nach der Domseite zu die dem Kammergerichte für seine Sessionen und Büreaux erforderlichen Räume. Dieses sog. Lange Haus erscheint in allerdings nur dürftigen Umrissen auf legt.

sich

DsS Vönigliche Lammergericht im Mhre auf gründlichem Studium der Akten des Kammergerichts, an der Verfasser zur Zeit als Hilfsrichter wirkt. Die folgenden Zeilen geben, zum Teil in wörtlicher Entlehnung, welchem

Inhalt

im Umrisie wieder. folgte das Kammer, gericht dem jeweiligen Aufenthalt des Landesherrn. Von der zweiten Hälfte des 15. Jahrhunderts bis zum Ende des 17. Jahrhunderts fanden die Sitzungen des Kammergerichts im kurfürstlichen Schlosse statt. Aus dem Jahre 1483 find Beweise dafür erhalten, daß die Parteien des Kammergerichts in das Kölner Schloß vorgeladen worden find. Nach Voll¬ endung des Joachimschen Schloßbaus erhielt das Kammer¬ gericht Räume in einem Anbau auf dem Schloßplatz dicht bei der Domkirche, die mit dem kurfürstlichen Schloß unmittelbar verbunden waren. Die Landesherren pflegten von Zeit zu Zeit den Verhandlungen hinter einer Glasthür beizuwohnen, den

In

des sehr lesenswerten Buches

der ältesten kurfürstlichen Zeit

bezw. nach Bernau ver¬

1735 .

„Vor Hoffes Ihrer Chur-Fürstl. Durchlaucht von Brandenburg zu Cölln an der Spree", welches Johann Striedbeck der Jüngere im Jahre 1690 entworfen hat." dem Prospekt des

(Holtze. S. 5 u. 6.)

In diesen Räumen blieb das Kammergericht bis zum Jahre 1698, in welchem dasselbe in das Haus Ecke der Brüdeistcaße und der Stechbahn verlegt wurde, das früher dem Grafen Schwarzenberg gehört hatte, und das Friedrich III. von dem Freiherrn Otto von Schwerin für 16 000 Thaler kaufte. In diesem Hause (Brüderstraße 1) hielt das Kammer¬ gericht über ein Menschenalter seine Sitzungen am Montag, Mittwoch und Freitag ab, während das Konsistorium am Donnerstag in demselben Hause tagte. Die Errichtung eines Gebäudes, welches neben dem Kammergericht den übrigen Gerichtsbehörden Berlins ge¬ nügend Raum gewährte, erfolgte unter dem thatkräftigen

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Grundrisse des Erdgeschosses und des oberen Stockwerkes vom Höniglichrn Aammergericht im Jahre 1735.

342 König Friedrich Wilhelm

I.

und zwar auf Anregung Samuel des Beraters des Königs in Justiz¬ Der König bestimmte eine Fläche auf der östlichen sachen. Seite der Lindenstraße. der ehemaligen Straße nach Teltow, ungefähr in der Milte von der Kommandanten-Straße bis

Landesherr

zum Rondel, dem heutigen Belle Alliance-Platz.

Ravensberg;

von Coccejis,

ersten

war damals noch sehr wenig bebaut; Gärten,

Diese Gegend

seine

lationsgericht.

das

höchste

deutschen Gebiete

märkischen

ausübte;

Lchnsrechte

Gericht

das

Ober-Appel-

für die nicht

kur¬

des brandenburgisch-preußischen

Staates (Magdeburg. Cleve, Pommern. Halberstadt. Minden); das

Ober-Appellationsgericht für die Grafschaft das Bauamt oder Bau-Kolleg, eine

und

Deputation des Kammergerichts zur Herbeiführung von Ver¬

Teil der Friedrichstadt.

gleichen zwischen Bauherren und den Arbeitgebern, welches in

Der König ließ das neue Gerichtsgebäude hier erbauen, damit die Beamten, die damals fast ausnahmslos auf dem Molkenmarkl und an der Petrikirche wohnten, veranlaßt wurden, ihren Wohnsitz in der von ihm weit über Bedarf mit Häusern versehenen Friedrichstadt zu nehmen. Das Grund¬ stück, welches Friedrich Wilhelm I. 1733 für das Kammergericht bestimmte, bildete den östlichen Teil der einst dem Staatsminister Franz von Meinders gehörig gewesenen Meierei „Meindershagen" oder „Meindershausen", die in den Skizzen des jüngeren Johann Striedbeck abgebildet ist. Diese Meierei war 1605 durch Kauf in den Besitz des Kurfürsten gelangt. Mit dem Bau des „Kollegienhauses" beauftragte der König den Ingenieur-Offizier Philipp Gerlach (geb. 1679 zu Spandau, gest. 1748 in Berlin), der auch die Garnisonkirche zu Potsdam, die Jerusalemer Kirche in Berlin erbaut hat. Der Baumeister mußte einen sehr spezialisierten Anschlag einreichen, welcher den Beifall des sparsamen Königs fand, der in margine bemerkie: „gut, in ordre, sollen alles anschaffen und die Fundamente dieses Jahr legen, und zukommen Jahr will ich sagen wie viell ich disponiren kan oder nit. F. W." Die Ausführung des Baues, dessen Hanptfront und dessen Grundrisse wir in der heutigen Nummer nach gleichzeitigen Kupferstichen von Engelbrecht in Augsburg im Bilde*) vor¬ führen, erfolgte im Jahre 1734. Die Haupifront des Gebäudes hat, wie der Augenschein lehrt, seither im wesentlichen keinerlei Veränderung erfahren, nur mündet jetzt an Stelle des Thorwegs rechts vom Mtttelportale die Hollmannstraße in die Lindenstraße. Die Umgebung des Kammergerichts ist auf dem Stiche leider nicht abgebildet; der Schmettausche Plan von 1748 läßt jedoch erkennen, daß sich damals das Hinterland noch völlig unbebaut bis an die Wiesen und Aecker des Köpnicker Feldes ausdehnte. Das einfache Gebäude zeigt im Risalite das königliche Wappen Friedrich Wilhelms I., darüber, in halb liegender Stellung, die Gestalten der Ge¬ rechtigkeit und der Barmherzigkeit. Zwischen den Fenstern des oberen Stockwerks befinden sich die Relief-Porträts der Kaiser Justinian und Theodofius und der Rechtsgelehrten Tribonian und Dorotheus. Der Kopf über der Hofihüc stellt den gerechten Aristides dar. Nachdem der König die Meldung erhalten hatte, daß das Gebäude vollendet, befahl er durch Kabinetts-Ordre an den Justizminister von Cocceji vom 8. Mai 1735, daß „so¬ gleich Morgen" alle Kollegien ihren Umzug in das neue Ge¬ bäude beginnen sollten. Das „Kollegienhaus" nahm neben dem Kammergericht auf: das Konsistorium, welches die geistliche Gerichtsbarkeit in der Kurmark ausübte, die seit der Reformation an den Landesherrn übergegangen war; das Lehnsarchiv und die Lehns-Kanzlei, mit deren Hilfe der

jener an Bauten reichen Zeit angerufen werden mußte, bevor sich die ordentlichen Gerichte mit den Baustreitsachen befaßten. Alle diese Gerichte wurden nun im Kollegienhaus vereinigt,

Wiesen bedeckien

diesen

abgelegenen

Aecker

*) Die Schriftleitung verdankt die Cliche's zu diesen Bildern der Güte des „Vereins für die Geschichte Berlins"; dieselben Bilder schmücken auch die Holtzesche „Lokalgeschichte des Kammergerichts".

den zentralisierenden Bestrebungen und seines juristischen Ratgebers von Cocceji. strebungen bezweckten, „die Justizverfassung des vereinfachen und den verschiedenen Gerichten eine entsprechend

des Königs

Diese

Be¬

Staates zu gemeinsame

Spitze zu geben." „Diesem Ziele," sagt Holtze, „welchem Cocceji im Jahre 1748 ziemlich nahe gekommen ist, standen 1733 noch viele Hindernisse entgegen. In den einzelnen Gcbteten des Landes galt verschiedenes Recht, in den nicht kur-

Territorien war das Reichskammergericht noch mannigfach als oberste Instanz zuständig; dazukam, daß die Stände mit zäher, oft verbissener Energie jeden alten Brauch zu verteidigen suchten, und daß der König im scharf¬ sichtigen Ermessen seiner Kraft den Angriff auf die ständischen Mißbräuche und Privilegien lieber an solche Punkte verlegte, wo ein Sieg ihm selbst und dem Staate greifbarere Vorteile brachte. Andererseits war vieles für eine schärfere Zusammersassung der Gerichtsbehörden und eine einheitlichere Ordnung derselben günstig. In Cocceji war bereits ein thatsächlicher Justizchef gegeben, obschon er den Titel erst einige Jahre später erhielt; an den obersten Gerichten in Berlin waren oft dieselben Richter, hier im Hauptamte, dort in den Neben¬ ämtern thätig; die eine Gerichtsbehörde hatte bereits ihre Daseinsberechtigung eingebüßt, die andere war noch so un¬ fertig, daß das Recht für ihr Weiterbestehen in Frage gestellt w:rden konnte. Da war es denn ein glücklicher Gedanke, die höchsten Berliner Gerichtsbehörden in ein Gebäude zu ver¬ weisen, ihnen damit das Merkmal der räumlichen Trennung zu entziehen und so ein Hindernis ihrer allmählichen Ver¬ Erst im Jahre schmelzung zu beseitigen." (Holtze S. 9). märkischen deutschen

1748 gelang es Cocceji, die Auflösung der sämtlichen landes¬ herrlichen Justizbehörden mit Ausnahme des Geheiinen Justiz¬ rates und des Ravensberger Tribunals durchzusetzen; auch diese Behörden verloren 1750 ihre Selbständigkeit, so daß um die Mitte des vorigen Jahrhunderts die sämtlichen im Kollegien¬ hause tagenden Gerichtsbehörden

schmolzen

Im

zu

einem Gerichtshöfe ver¬

waren.*) Jahre 1789 wurde eine Verbindung zwischen der

Lindenstraße und der Feldstraße (jetzigen Alexandrinenstraße) hergestellt. Der rechte Seitenflügel des Kammergerichts lag

nunmehr an einer Straße, die nach den Ställen des Zietenschen HusareN-Regiments die Husarenstcaße hieß (die jetzige Holl¬ mannstraße). Dieser rechte Seitenflügel wurde im Jahre 1803 Ein zweiter Erweiterungsbau um fünf Fenster verlängert. fand im Jahre 1834 statt; bei diesem wurde der westliche Seitenflügel bis zur Südgrenze des Grundstücks verlängert

*) Bergt Holtze, „Geschichte des Kammergerichts in BrandenburgPreußen". 2 Bde Verlag von Franz Wahlen; derselbe: „Das juristische Berlin beim Tode des ersten Königs" (Schriften des Vereins für die Geschichte Berlins, Heft 29).

-

343

an dieser ein Quergebäude errichtet. Der Umbau des Jahres 1855 gab dem Kollcgienhause seine jetzige Gestalt: es wurde ein östlicher Seitenflügel angebaut und mit dem weiter ausgebauten Quergebäude in Verbindung gesetzt. Eine sehr eingehende Darstellung, welche fast durchgehends Neues bietet, giebt Holtze von den Kunstschätzen des Kammergerichts. Von dem plastischen Schmuck ist in erster Linie die Marmorbüste von Coccejis hervorzuheben. Die Rückseite nennt die Künstler, welche dieselbe geschaffen haben: „Oornmerree par Adam et fini par Sigisbert Micbel. 1765.“ Friedrich der Große hatte unmittelbar nach dem Hinscheiden des um die Rechtspflege in Preußen hoch verdienten Mannes (1755) den Befehl zur Anfertigung der¬ selben gegeben. Die Büste stand bis 1820 auf dem Hofe des Kammergerichts; setzt steht sie im Sitzungssaale des Straf¬ senats im unteren Stockwerke. Ein Seitenstück zu derselben ist die 1821 aufgestellte Büste des damaligen Justizministers von Kircheisen (von Rauch), der ein Menschenalter dem Kammer¬ gerichte angehört hatte. Die Gipsbüsten des Kollegien Hauses haben keinen künstlerischen Wert. Von Gemälden find vor¬ handen: die sog. 12 Kurfürsten, die im Sitzungssaale dcs Strafsenates hängen; es sind dies künstlerisch bedeutungslose Kniestücke aus der Regierung Georg Wilhelms. Der große Kurfürst scheint später zur Ergänzung hinzugefügt zu sein. Die elf älteren scheinen von Peter Rollos gemalt zu sein und den Kurfürstenporträts eines Kupferstich Werkes zum Vorbilde gedient zu haben, das der brandenburgische Archivar und ViceRegistrator Johann Cernitz 1625 herausgab. Diese Porträts können nur als historische Merkwürdigkeiten betrachtet werden. Das Gleiche gilt von den Bildnissen der beiden ersten Könige, die im Saale und V des Kammergerichts hängen. König Friedrich der Große ist in einer Kopie nach Huber, einem begabten Schüler des Antoine Pesne, vertreten, sowie in einer Kopie nach Antoine Pesne. Ein Porträt Friedrich Wilhelms II. erhielt das Kammergericht erst im Jahre 1881 aus den Be¬ ständen des Königl. Schlosses. König Friedrich Wilhelm III. ist auf einer schwachen Kopie Gebauers nach Gerard und auf einem Gemälde von Professor Niedlich dargestellt, König Friedrich Wilhelm IV. auf einer Kopie des Gemäldes von Otto vom Maler Radtke, König Wilhelm I. auf einer Kopie

und

II

Winterhalter vom Maler Ziegler, König Friedrich III. von Professor Gustav Richter auf einem künstlerisch hervor¬ ragenden Originalgemälde. Von hohem geschichtlichen und auch künstlerischem Wert ist die Sammlung von Oelgemälden der Präsidenten des Ober-Appellationsgerichtes, sowie einiger nach

Dieses Bild war in Abwesenheit des lassen." Kollegiums auf Befehl des Kurfürsten im Sitzungssaale auf¬ gehängt worden. Die Räte empfanden dasselbe natürlich als eine bittere Kränkung und stellten einige Tage die Sitzungen des Kollegiums ein. Ihre Bemühungen zur Beseitigung des Bildes waren jedoch vergeblich. Das interessante KambysesBild, wahrscheinlich eine Schöpfung von Lukas Kranach, wanderte vom Schloß mit dem Kammergerichte nach der Brüder- und später nach der Lindenstraße. Es blieb bis zum Jahre 1815 in den Räumen des Kollegienhauses; in diesem Jahre gelangte es auf Antrag des Präsidenten Woldermann in die Königliche Sammlung zurück, ist jedoch leider seitdem spurlos verschwunden. Einen interessanten Thronsessel mit Baldachin hat König Friedrich I. bei Errichtung des OberAppellationsgerichts geschenkt; dieser befindet sich noch heute in der ursprünglichen Form im Kammergerichte. Der Mitte des 18. Jahrhunderts gehört die ehrwürdige Standuhr an. die heute im Sitzungssaale steht; sie ist 7 Fuß hoch, am unteren Teile ist der Reliefkopf des athenischen Gesetzgebers Solon angebracht, das Oberteil zeigt die vergoldete Figur der Gerechtigkeit mit der Wage. Ein Stuhl aus derselben Zeit soll vom Großkanzler Samuel von Cocceji benutzt worden sein. mahnen

III

Das Schlußkapitel des Holtzeschen Werkes bedeutsamen Momenten aus

ist

einzelnen

der Lokalgeschichte des Kammer-

Es schildert die Schicksale des Kollegien¬ Zeiten (1757, 1760, 1807, 1812, 1813 und 1848) und die Besuche, welche drei künftige preußische Thronfolger im Kollegienhause abgestattet haben. Prinz Friedrich Wilhelm, der spätere König Friedrich Wilhelm II,. besuchte 1768 und 1769 auf Befehl Friedrichs des Großen das Kollegienhaus, um einen Einblick in die Justizpflege zu gewinnen. Kronprinz Friedrich Wilhelm (der spätere König Friedrich Wilhelm III.) that das Gleiche im Jahre 1792, und in unserem Jahrhundert stattete der spätere Kaiser Friedrich in den Jahren 1860 und 1861 im Kollegienhause aus pietätvoller Erinnerung an seine er¬ lauchten Ahnen einen Besuch ab. gerichts gewidmet.

hauses

in

kriegerischen

So giebt die Holtzesche „Lokalgeschichte des Königlichen Kammergerichts" ein überaus anschauliches Bild der Geschichte der ehrwürdigen Stätte, die mit der preußischen Rechtsgeschichte aufs innigste verkdüpft ist; sie ist ein lokalhistorisches Werk von grundlegender Bedeutung und sollte in der Bibliothek jedes — e— Freundes Berliner Geschichte zu finden sein.

Präsidenten des Kammergerichts.

Ein historisch sehr interessantes Bild befand sich früher im Kollegienhause. Der Große Kurfürst hatte dasselbe 1643, als sich das Kammergerichi noch im Schlosse befand, im Sitzungssaale desselben aufhängen lassen, weil der Gerichts¬ hof ihm ein Gutachten über die Regelung der Kreditverhältnisse des durch den Krieg hart mitgenommenen Adels abgegeben hatte, das dem Kurfürsten zu einseitig die Rechte der Gläu¬ biger zu berücksichtigen schien. „Das Gemälde stellte", sagt Holtze, „den Kambpses dar, wie er

dem ungerechten

Richter

Sisamncs die Haut abziehen, mit derselben den Richterstuhl Sohn des Getöteten Otanes mit der Mahnung anweist, er möge sich stets an das Geschick seines Vaters erinnern und sich dadurch zur Gerechtigkeit er¬ beziehen läßt und diesen dem

Drei militärische Kabinettsordres aus der ersten Zeit Friedrichs des Großen. Einen Beweis, mit welcher Umsicht und Sorgfalt der junge König von Preußen seinen ersten Angriff im Dezember 1740 vorbereitete, wie er die Erfahrungen, die er während seiner Anwesenheit im Hauptquartier des Prinzen Eugen am Rhein im polnischen Erbfolgekciege gemacht hatte, geschickt zu verwenden wußte, liefert die nachstehende Kabinettsordre an den General de la Motte Fouque. Der ganze Ton der Ordre, die Klarheit und Bestimmtheit der einzelnen Be¬ stimmungen, der Appell an das Ehrgefühl der Offiziere, die .

344 Fürsorge für die Mannschaften und die später oft wieder¬ kehrende Drohung „wenn ich sie auf den Hals komme" bieten schon vieles, was uns beim alten Fritz oft wieder begegnet.

Kabinettsordre an den General

de

la Motte Fouque

vom 4. Dezember 1740.

Mein lieber General Major

de

la Motte!

Ich will das wenn Euer Regiment den Marsch antreten wird, cs zur Verhütung der Desertion nachfolgendermaßen gehalten werden soll. Wenn die Labt. marschieren, müssen die Offic. wohl acht haben, daß die Bursche alle in den Zügen bleiben, und muß Kein Osficier von seinem Troup gehen, sie mögen marcliieren Gompag. oder Batt. weise. Denen Burschen soll bei Spieß Ruthen Strafe verbothen werden, aus die Züge zu gehen, ohne Uhrlaub von denen Osficiers zu nehmen; wenn ein Bursche aus seinem Zuge Uhrlaub kriegt, muß ihm sein Unterofficier mitgegeben werden, der so lange bey ihm bleibet bis der Bursche nachkombt.

Die Osficiers müssen die Bursche auf dem Marsche nicht tradieren. Wo keine defilees sein, soll viel möglich ist breit marchiret werden, wo aber defilees

kommt, auch daß sie die alte Reputation, welche die Preußische jedes Mahl gehabt nicht werden verliehren laßen,

Troupen umb

so

mehr da ich selbst gegenwerdig seyn, und sehen werde

welche Osficiers sich di8tinguiren oder negligiren werden, und verspreche denenjenigen so ihre devoir rechtschaffen und

for anderen hervorthun werden ich ihr ihr Glück und sich avaneemant Sorge Trage au h in alle gelegen heilen Narcguen von meiner affection geben umb zu zeigen daß ich sie könnte.

Der Commandeur des Regiments soll sämtliche

Osficiers

darauf halten.

Berlin,

seines

Regiments

diese meine

verlesen

und

Ordre

stricte

Ich bin

d. 4 len December

1740.

affectionirter König Friederich.

Euer wohl

*

*

*

Die folgende Ordre, betrcffend das Verleihen von Geld wird heutzutage unwill¬

an Offiziere von seiten Untergebener

schinden, noch übel

kürlich Kopsschütleln

so

preußische Offiziere sich

Wir verstehen nicht, daß weit vergessen konnten, von Unter¬ Geld zu borgen. Der Uebelstand

verursachen. so

mögen Compag: oder

offizieren und Soldaten muß sich aber sogar in zahlreichen Fällen gezeigt haben, daß zu seiner Unterdrückung eine Kabinettsordre und so scharfe Strafen notwendig waren, wie sie in ihr angedroht wurden:

auf den Hals mich an den Offiziers

Auch befehle Ich hierdurch alles Ernstes, daß von nun an Kein Unter Osficier oder Gemeiner Soldat sich unterstehen

halten werde die die Züge führen. Die Commandeurs der Battaillions müssen bald hinten bald forne sein und acht haben das alles ordentlich marschirt. Wenn die Battaillions des Abends in die Quartier reiten, so müßen die Liederliche und unsichre Bursche bey gute Unterofficier oder Gefreyte in das Quartier gelegt werden. Des Morgens müßen diese Untei osficier oder Gefreyte wo die Bursche im Quartier alle auf ein mahl zur bestimmten Zeit vor des Capitains Quartier kommen und sollen die liederliche und unsichre Bursche mit denen eine Cammeradschaft aus machen und einer für den andern stehen auch mit eins zusammen for des Capitains Quartier kommen. Wenn die Bursche in Dörfer und Städte oder wo es ist, ein¬ quartiert werden, so muß ein Oberofficier die quartier visitieren, umb zu sehen, ob die Bursche alle gut und recht liegen. Die Capitains als ehrliebende Osficiere sollen auf das Möglichste die Conservations ihrer Compag: sorgen, auch so viel wie einen Mensch Möglich ist. vor die Kranken und

soll, an einen Osficier Geld zu leihen, des sey von seinem eigenen Gelde, oder von seinen Capitulations- oder Hand-

sein muß abgebrochen werden.

Wenn der Marsch durch defüee8 viele Büsche gehet müssen die Offiziers die Bursche sehr ordentlich maschiren sie Batt: weise maschiren, sonsten wenn komme, und es nicht so finden würde, ich

Städte, Dörfer oder wohl acht haben das ich

sie

Maladen Bursche Sorgfalt tragen, auf das kein Bursche Ur. fache zu Klagen habe, daß er versäumt werden.

Weilen auch deren Capitains die Zulage beschwerlich fallen wird, so soll ein jeder Capitain auf Ehr und Reputation die Zulage aufsetzen und an den Chäff und Commandeur des Regiments geben, welcher sie unterschreiben und mir einsenden soll. Werde solange die troupen im Felde stehen sorge tragen und die Capitains wegen der Zulage zu soulagiren und müssen solche denen Burschen, welche Zulage bekommen bey jeder Löhnung so ausgezahlt werden als ich sie auszahlen laße. Es sollen diese Zulagen vom 16 len Dec. an, das erste mahl vergütet werden. Uebrigens verlaße ich mich auf die Osficiers daß sie ihre devoirs thun werden, wie Ehrlichen und Braven Leuten zu

Gelder. unter wes Nahmen und Praetext es immer wolle. Derjenige Unter Osficier, welcher einem Osficier Geld borgen wird. soll degradiret werden, wann aber solches von einen Soldaten geschiehet, soll derselbe deshalb mit zwantzig mahl Spieß-Ruthen lauffen bestraffet, derjenige Osficier aber. so von den Burschen oder Unter Osficiers Geld geliehen hat,

auf drey Jahr nach der zunächst gelegenen Festung gebracht werden. Es soll diese meine ernste Willensmeinung bey der Parole sowohl als auch sonsten bei dem gantzen Bataillon publiciret werden, damit ein jeder darauf achten, und vor Verdruß und Schaden hülhrn könne. Ihr habt also genau und stricte über diese meine Ordre bey Eurem Bataillon zu halten. Potsdam, den 31 len 8br 1743. An den General-Major v. Einfiedel.

*

*

*

Zum Schluffe sei noch ein Rekrutentarif aus dem Jahre 1744 angeführt, der mit seinen Bestimmungen über, man möchte sagen, Menschenhandel uns ebenfalls zuerst höchst Die Taxe bezieht sich natürlich sonderbar anmuthen wird. nur auf die Widererstattung des Handgeldes, das von dem Kapitän, der den Mann ursprünglich angeworben hatte, diesem gezahlt worden war. Wenn Leute an andere Kompagnien abgegeben wurden, mußte das Handgeld selbstverständlich von Die Summe dem neuen Hauptmann wiedergegeben werden. von 300 Thaler für einen Mann von 6 Fuß erscheint uns hoch. ist aber niedrig im Vergleich zu den horrenden Summen, die Friedrich Wilhelm I. für seine langen Kerls in Handgeld und Belohnungen seiner Werber ausgab.

,

——

345

Kabinettsordre an den General de la Motte-Fougue vom 29. Januar. Mein lieber General Major

la Motte. Da Zeither unter denen Regimentern zum öfftern ein Zweiffel, auch wohl Disput entstanden, wie solch ein Kerl nach seiner differenten Größe zu rechnen, wen solchen ein Officier dem andern zahlen soll; als setze Ich hierdurch ein vor allemahl nachstehende Taxe fest und will, daß vor einen Mann vdn 6 Fuß 300 rthlr. von 5 Fuß 11 Zoll auch darüber 200 „ von „ — 10 Zoll 150 „ von „ — 9 Zoll 100 „ „ — von „ 8 Zoll 40 » „ 7 Zoll von „ — 20 bis 24 rthlr. „ von „ — 6 Zoll ft io jedesmahl gerechnet, und so viel und nicht mehr bezahlet werden soll.

dieser

Nach

Taxe,

de

sollen

auch

die Grenadier

der Rückkehr des Königs schon Licht in das Dunkel der nächsten

Zukunft gebracht, indem er

am

Abend des 4. August dem

Wunsche des preußischen, des deutschen Volkes

in dem niedlichen

Verse Ausdruck verlieh:

„Ach, lieber König von Preußen, Ach. knete den weichen Teig, Und mach' aus allzuviel Ländchen Ein einiges deutsches Reich!" Von dieser Sehnsucht gab an den Einzugsabenden der Verlagsbuchhändler Hempel in der Zimmerstraße einen weiteren recht in die Augen springenden Beweis. Die ganze Parterreetage seines Hauses war von einer riesigen Landkarte bedeckt, die in drei Farben die Provinzen des alten Preußens, die neu annektierten Länder und die übrigen Staaten mit transparenter Beleuchtung erscheinen ließ. AIs Ueberschrift erglänzte: „Das neue preußisch-deutsche Reich", und als Unterschrift erschien folgender Vers:

Porzellstizimmer im Schlöffe zu Oranienburg. 8 zöllige.

Capitatns.

die

dergleichen

aus

bezahlen, und

Lenthe,

Llnssinstisr-Oompagrrisu

den

vor

7 und 6 zöllige

gedachte Taxe ein beständiges

Berlin,

d. 29 teil

sie

bekommen,

Principium

Ihr habt solches denen Eures Regiments bekannt zu machen. Ich bin

Regulatioum bleiben.

wenn

Capitains

Januar 1744. Euer wohl affectionirter König

Friederich.

„Was roth hier

seit lange schon gut preußisch Land; Was rosenfarbig colorirt, das haben jüngst wir annectirt, Was sich hier zeigt in gelbem Licht, ist unser, doch gehört's uns nicht; Gott geb', daß bald von deutscher Erde einfarbig unsre Karte werde!" scheint,

ist

anerkannt

Herr Hempel durch „Anschauungsunterricht" in populärer Form Unterstützung lieh, wies ein Schuhmacher Schmidt, in der Parochialstraße 23, mit Seherblick hin auf die Kaiserherrlichkeit des neuen Reiches. Von den vielen guten und gutgemeinten Versen hat mir dieser in seiner köstlichen Ausdrucksweise und durch seinen urschriftlich hier angeführten Text unstreitig am besten gefallen: „Hier in diesen kleinen Haus Während

dem Einheitsgedanken

Berliner Die Berliner Zeitungen, besonders das „Berliner Fremdenund Anzeigeblatt", zählen eine ganze Anzahl von Transpürentinschriften auf, in welchen die Verfasser den ein- und angeborenen Witz an den Einzugsabenden des siegreichen 20. und 21. September 1866 teils humoristisch, teils prophetisch „leuchten" ließen. In letzterem Sinne hatte ein Bäckermeister Ebert bei preußischen

Heeres

am

fieth es jetz

Drum

düster aus. mach ich heuth ein Transporant so

zu EhreN den König und sein Land.

Ich werdes noch erleben Daß Kaiser ehr thut werden

der wohlwollenden Leute gedachten, die den König von Preußen wieder zum Narcpiis äs Brandebourg zu machen gehofft hatten. Natürlich spielte der Name des unglücklichen Benedek darin eine Hauptrolle. Hier durfte es sich der Herausgeber des „Kladderadatsch" nicht nehmen lassen dem vorübergehenden, ebenfalls unfrei¬

Es hat Lude*), Frau Vicktoria**) Und der Chzahr ntchl gedacht Daß der Wilhelm in 7 Tagen Eine Neue Landkart' hath gemacht Graf von Bismark tuth nicht wanken setz Oestereich in seine Schranken Nach Beiern war

willigen Mitarbeiter die gebührende Ehrung zu erweisen. Zwei Lieder, welche die zu geflügelten Worten gewordenen Verse der Nummer vom 27. Mai: „Ricke, steck' die Löffel

ihr Ziel

Liß fühlen, wer nicht hören will Und diß geschah in einen Nu

weg, es kommt Feldmarschall Benedek!" und der Beruhigungs¬ nummer vom 8. Juli: „Ricke, bring' die Löffel her, der

Sachsen***) bekom wir auch noch zu Und zuletzt nicht zu vergeßen

Den Hanofer und Kurheßen Und wie man hört fou Mund zu Mund Der Reichs-Armee der wars gesund." Daß „Lude"

außerdem, sicherlich infolge seiner freund¬ nachbarlichen Einmischung, bei den Berlinern viel auf dem Kerbholz hatte, besagte auch der Vers des Handschuhmachers

Schmidt. Friedrichstraße 103,

der

in seinem Schaufenster

einen riesengroßen ausgestopften Handschuh ausgestellt hatte, über den zu lesen war: „Hätte Graf Bismarck eine solche Hand Dann wäre einig ganz Deutschland Und käme „Er" — uns dann in die Quer, Dann haut ihm — Linie und Landwehr!" „Er" — unter dieser kurzen Bezeichnung der bekannte unfreiwillige, trotzdem eifrigste aber Mitarbeiter des Kladderadatsch, giebt auch dem Weinhändler Hausmann, Jägerstraße 5, Veranlassung zu den schönsten Hoffnungen für die Zukunft.

Schulze und Müller, die Unzertrennlichen, erscheinen in Transparent: der erstere als siegreicher Krieger zurückkehrend,

bringt Müllern zwei Flaschen köstlichen Rheinweins mit und meint im Hinblick auf die Annektierung der Holsteiner Austern: „Erst im Verein mit diesem Wein Schmeckt die Auster wirklich fein." Den gewandten Müller, der 1866 auf den Geschmack gekommen, läßt nun der prophetische Herr Hausmann (l’appetit vient en mangeant) schlagfertig antworten:

Zur

bring' Vom obern Rhein!" nächsten Fete,

ich Pastete

Einen andern Zukunftswunsch sprach ein Transparent der Kronenstraße 36, aus; einen Wunsch, der zwar auch, aber in schönerer Weise in Erfüllung gegangen, als er im September von der „Tribüne" 1866 erhofft wurde: Ein Storch bringt der von acht muntern Kindern (die alten Provinzen) umgebenen Borussia vier Babys im Schnabel: Hannover,

„Tribüne",

Frankfurt a. M. Dazu wünscht nun der Vers:

Hessen, Nassau,

„Vierlinge hast Du uns gebracht, Brav, Storch, laß die Familie wachsen, Und kommst Du wieder über Nacht, Vergiß nur nicht den kleinen Sachsen."

Ausdruck. — Und so spricht er denn auch zu den Rettern der silbernen Löffel Berlins: „Die Ihr gestürzt mit Donner und Blitz

Den Doppelaar von seinem Sitz — Hurrah! für diesen schlagenden Witz, Den tapfern Söhnen des alten Fritz!" In der Grünstraße sah man den allzu fiegesficheren Feld¬ herrn auf einem riesigen Krebse reiten und darunter den Vers: Es wollte keck der Benedek Jüngst reiten nach Berlin; Doch aus Verseh'n trug sein Roß

Statt

dessen rasch nach

Wien!"

Ein Weißbierwirt Maikowski in der Linienstraße begrüßte die heimkehrenden Sieger mit den Reimzeilen: „Seid, tapfere Brüder, 1000 Mal willkommen Ihr habt ja an der Gerbung Teil genommen Die Benedek uns Preußen zugedacht. Er wollte Eure Felle mürbe machen,

Ihr

habt das seinige, es ist zum Lachen, In sieben Tagen gründlich gahr gemacht!" In ähnlicher Weise findet sich das Thema vom „Benedek" vielfach verwertet; aber unter all den angeführten Versen ist keiner, dem trotz aller Siegesfreude nicht, eine gewisse Gut¬ mütigkeit beigemischt wäre.

So ist auch das Transparent eines Schlächters in der Dresdenerstraße, das übrigens besonders die Vorübergehenden ansprach, weil es trotz seiner lapidaren Kürze jedem ver¬ ständlich war, durchaus nicht böse gemeint. Es lautete: arrangiert 1866 von Bismarck. Der Kurfürst tritt nicht mehr. Die Welfenhos' ist leer, Der Nassauer zahlt jetzt sehr, Und Johann streckl's Gewehr — Preußen, was wollt Ihr mehr?!" „Na! den ganzen übrigen Krempel!!!

„Norddeutscher Wurstpicknick,

Die meisten Verse waren dem Könige und seinem sieg¬ reichen Heere gewidmet. Aus der großen Anzahl mögen nur zwei hier folgen.

Soviel von Len Wünschen für die Zukunft. Zahlreicher waren die Verse, welche mit mehr und minder gutem Witz *) Louis Napoleon. **) Die Königin von England. ***) Der Friede mit Sachsen wurde erst im Oktober 1866

Benedek, der kommt nicht mehr!" sachgemäß veranschaulichten, zierten das Haus. Darüber erschien, vom Glanze der dahinter befindlichen Leuchten durchgeistigt, das allbekannte Antlitz des Kladderadatsch und zwar mit wohlwollend, freudig zufriedenem

Der Hulfabrikant

Bluth,

Fischerstraße 11, hatte den

„Was Preußens König Wilhelm that

Mit

seinen Siegesschaaren,

Das wird die Weltgeschichte, glaubts's. geschloffen.

In

Ewigkeit bewahren."

Vers:

Und Obergärtner

Behrendt in

der Kurstraße

347

ließ sein

Gedicht aus klingen:

„Fürwahr

es ist kein schlechter Witz.

Die Neider werden

Wir Wir

boßen: haben nicht blos den großen Fritz, haben auch Wilhelm den Großen!" sich

Kleine Mitteilungen. Das Porzellsnzimmer im Schlöffe 4» Oranirubnrg, welches wir auf Seite 84b im Bilde vorführen, giebt eine Vorstellung von der über¬ ladenen Pracht, welche dereinst in diesem früheren Königsschlosse ge¬ Eine Fülle von Erinnerungen knüpfen sich an diesen herrscht hat. Fürstensitz: auf einem Jagdausflugc im Laufe des Sommers 1650 fühlte sich die Kurfürstin Luise Henriette durch die lachenden Havelwiesen lebhaft an ihre holländische Heimat erinnert, und ihr Gemahl schen'te ihr das „Amt Bötzow mit allen dazu gehörigen Dörfern und Mühlen, Triften und Weiden, Seen und Teichen". An Stelle des alten Jagd¬ hauses wurde ein kurfürstliches Schloß errichtet; die zu den Füßen des¬ selben belegene Stadt Bötzow erhielt der Oranierin zu Ehren 1652 den

Oranienburg. An diese erste Glanzzeit Oranienburgs er¬ innern das von der Kurfürstin gestiftete Waisenhaus und das überlebens¬ große Denkmal, welches ihr die Stadt im Jahre 1858 errichtete, in dank¬ barer Erinnerung an die vielen Wohtthaten, die sie dieser frommen und wcrkthätigen Fürstin verdank. Nach dem Tode derselben (18. Juni 1667) folgte eine stille Zeit für Oranienburg. Erst nach dem Regierungsantritt Friedrichs III. (1688) begann die zweite Blütezeit: dieser prachtlicbende Fürst baute das Schloß von 1688—1704 völlig um und gab ihm im Inneren eine glänzende, nach unserem Geschmack freilich überladene Aus¬ stattung, wie man sie in der Mark noch nie gesehen. Ueppige, be¬ rauschende Feste wurden in seinen Räumen gegeben, an deren Aus¬ schmückung alle bildenden Künste gcwetteifert hatten. Unter dem svarsamen König Friedrich Wilhelm I. geriet Oranienburg wieder in V.rgesscnheit. Schloß und Park verwilderten, der König suchte mit rauher Hand die kostspielige Hinterlassenschaft seines Vaters praktisch zu verwerten. Von 1744—1758 residierte Prinz August Wilhelm, der Lieblings¬ bruder Friedrich des Großen in Oranienburg, dem der letztere die Worte widmete: „Die Milde, die Humanität Ihres Charakters ist es, die ich so hoch schätze; ein Herz, das der Freundschaft offen ist, ist über niedern Ehrgeiz erhaben; Sie kennen kein anderes Gebot, als das der Gerechtigkeit, und keinen andern Willen, als den Wunsch, die Hochschätzung der Weisen zu verdienen." — Der Tag von Kollin schied die Brüder für immer: Prinz August Wilhelm leitete den mißglückten Rückzug der Truppen, welche sich auf die Lausitz zurückziehen sollten. Ein erschütternder Auftritt ereignete sich beim Wiedersehen der Brüder, töraf Schwerin, der Adjutant Winterseldt, berichtet über denselben: „Ein Parolekreis wurde geschlossen, in dem der Prinz und alle seine Generale standen. Nicht der König trat in den Kreis, sondern Wintcrfeld statt seiner. Im Aufträge des Königs mußte er sagen: „Sie hätten alle verdient, daß über ihr Betragen ein Kriegsrat gehalten würde, wo sie dann den Spruch nicht entgehen könnten, die Köpfe zu verlieren; indes wolle der König es nicht so weit treiben, weil er im General auch den Bruder nicht vergesse." Der König stand unweit des Kreises und horchte, ob Winterfeldt sich auch strikt der ihm anbefohlenen Ausdrücke bediene. Winterfeldt that es, aber mit Schaudern, und er konnte den Eindruck seiner Worte sogleich sehen, denn der Prinz trat augenblicklich aus dem Kreise und ritt, ohne den König zu sprechen, nach Bautzen." Das Schloß Oranienburg sah nun trübe Tage. Der Geist des Prinzen August Wilhelm verdüsterte sich, der Prinz litt an Wahn¬ vorstellungen und flüchtete sich durch die öden Räume des Schlosses, da er sich von Wintcrfeld verfolgt glaubte. Am 12. Juni 1758 erlöste ihn der Tod von seinen Leiden. Seit diesem tragischen Ende des Prinzen August Wilhelm, welches seinen königlichen Bruder tief erschütterte, sind die Glanzzeiten für Schloß Oranienburg für imuier dahin. Dasselbe gelangte in den Besitz von Privaten, die in den weiten Festsälen eine Kattunfabrik, später eine Schwefclsäurefabrik errichteten. Hierdurch wurde die kostbare Einrichtung des Inneren fast völlig vernichtet. König Friedrich Wilhelm IV. stellte das Schloß im Aeußeren wieder her, welches —e. seit 1852 ein Schullehrer-Seminar aufgenommen hat. Friedrich der Große und die Schweizer. In der von Friedrich dem GrotzrnnvirbKMü'eistMWelU'Äkavcmlöber Wissenschaften fanden sich neben 15 Deutschen, Franzosen und Italiener nicht weniger als acht Schweizer. Der berühmte Mathematiker Euler war in Basel, der be¬ kannte Aesthetiker Sulzer in Winterthur, der Astronom Bernouilli in Aasest Beguelin in Courtelary im Bistum Basel, Morier in Licchstall >m Canton Basel, der Theolog Achard in Genf geboren u. s w. Seinen beiden Neffen Friedrich Wilhelm und August Heinrich gab er Schweizer zu Lehrern. Das Joachimsthalcr Gymnasium hatte in den letzten zwanzig Lebensjahren des Königs nur Schweizer Lehrer. Der ja be¬ kanntlich auch in der Schweiz geborene Rousseau sollte, als er verfolgt und bedrängt wurde, von Friedrich dem Großen in Potsdam einen Zufluchtsort erhalten; er befand sich bereits auf der Reise dahin, als ihm m Straßburg ein Brief Humes, der damals Sekretär des englischen Gesandten Grafen von Hortfort in Paris war, erreichte und er auf Namen

Einladung nach England ging. Dagegen hatte Johannes von Müller (geb. 3. Januar 1752 zu Schaffhausen) das Unglück, dem Könige zu mißfallen. Schon am 26. Oktober 1780 in Berlin eingetroffen, wurde diese

er erst am 12 . Februar des folgenden Jahres Friedrich dem Großen vorgestellt, aber dieser äußerte sich in einem Briefe an Alembert sehr wegwerfend über ihn. Müller blieb trotzdem bis an seinen Tod ein begeisterter Anhänger des großen Königs. D. Zwei Randbemerkungen Friedrichs des Großen. Der General "dem Großem in den Jahren des Krieges als v. R., welcher Friedlich tapferer Soldat bekannt geworden war, liebte es, sich die Tage des Friedens durch mutwillige und ausgelassene Streiche zu verkürzen, welche oft das Maß des Erlaubten überschritten und auch seine Verabschiedung zur Folge hatten. Friedrich II. hatte bei der letzten Revue, als der General v. R. ihm sein Regiment vorführte, zu ihm gesagt: „Es ist Zeit, daß er seine

Fähndrichs-Streiche läßt" Aber weder diese Worte seines Königs noch der Einfluß seiner

Gattin bewirkten

eine Besserung seines Benehmens, welches besonders der noch jugendlichen Frau gegenüber sehr schroff war. Die Generalin wußte keinen anderen Rat, als sich direkt an den König zu wenden, mit der Bitte, Sr. Majestät möge ihren Gattm zu einem besseren Betragen anhalten, da er sich beständig in Händel der bösesten Art verwickele. Der König, welcher dem General trotz seines ihm bekannten un¬ beugsamen Sinnes sehr wohl wollte, fühlte sich zu keiner Einmischung aufgelegt. Er sandte die Eingabe zurück, an deren Rand er die Worte nichts an." Als später v. R. geschrieben hatte: „Das geht seinen Abschied erhalten hatte, führte er ein noch wilderes Leben als zuvor, und sein Unmut gegen den König, der ihn aus seinen, Dienste entlassen hatte, trat oft in höchst unangemessener Weise zu Tage. Die Generalin fürchtete von solchem rücksichtslosen Benehmen die schlimmsten Folgen und wandte sich abermals an Friedrich II. mit der flehentlichen Bitte, ihrem Gatten sein ungebührliches Betragen gegen sie, sowie gegen alle Welt zu verweisen. Um desto sicherer den Beistand des großen Königs zu gewinnen, betonte sie desonders, daß sich ihr Gatte durchaus unangemessene Ausdrücke in Bezug auf die geheiligte Person dcs Königs An den Rand dieser Eingabe schrieb der zu Schulden kommen lasse. S. v. K. nichts an." König: „Das geht

Mir

Ihr

Eine verunglückte Kabinettsordrc. Das Archiv des Berliner Kriegsministeriums bewahrt eine interessante Kabinettsordre auf. Dieselbe ist vom König Friedrich Wilhelm II. vcllzogen und trägt außer seiner Unterschrift mitten im Text einen großen Tintenfleck. Dieser Tintenfleck wurde von dem Könige selbst gemacht, nachdem er seinen Namenszug schon geschrieben hatte. Der König bat dann eigenhändig folgenden Ver¬ merk auf das Document gesetzt: „Diese Ordre muß noch einmal um¬ geschrieben werden, dieweilen Mir ein Kleck darauf gefallen." — dn— Eine Preußische Niederlage. — Bei der im Jahre 1733 von Kaiser Karl VI. verordenetcn R. ichsexeomston Wider die aufrührerischen Bürger der S ladt—Mchlhauüuri., Thür. erlitt das aus ganzen 100 Mann bestehende und gleich stark aus Preußen, Hannoveranern und Braunschweig-Wolffenbüttlern zusammengesetzte Exccutionscorps eine eigentümliche Niederlage, welche cs lediglich der preußischen Abteilung zu danken hatte. Die gegen ihre Obrigkeit aufsässigen Bürger hatten die Thore geschlossen und in Verteidigungszustand gesetzt und verweigerten der vor denselben cingetroffenen Truppe den Einzug, weil sie glaubten, es seien diese Völker durch Geld einiger Ratsherren dazu gemietet worden (seien also nur in die Uniformen genannter Truppen gestecktes Gesindel), und dazu soll sie sonderlich die schlecht aussehende preußische Mannschaft verleitet haben, welche freilich diejenige saubere Montur nicht angehabt, wie ordinair diese propre Völker zu haben Pflegen, auch nicht von der cliarmaoten Taille, sondern es wären alte und schlecht aussehende Leute gewesen, und so zu reden rechte Invaliden." — So groß war also die Achtung vor den lieben blauern Kindern König Friedrich Wilhelms I. im Reich, daß man sich malpropre preußische Soldaten gar nicht denken konnte. — Der Spaß kam übrigens den Bürgern der freien Reichsstadt teuer genug zu stehen: acht Wochen später standen diesmal über 2000 Mann der drei Kontingente unter dem Oberbefehl des preußischen Generalmajors Prinzen Leopold von AnhaltDessau vor Mühlhausen und, „mich dünkt", sagt der Chronist, „die Königlichen preußischen Truppen sind nunmehr propre genug eingezogen." F. B.

Küch erlisch. Viel umworben. Historischer Roman aus Alt-Berlin vom Jahre 1688. Von Adolf Streckfuß. Berlin SW. 29. Verlag von Oskar Haasc. Preis 2 Mk. (nur vom Verleger zu beziehen).

Der verstorbene allbekannte Streckfuß, dessen eigenartiges Erzählertalent in allen Leserkreisen namentlich in Berlin hochgeschätzt wird, hat diesen Roman noch kurz vor seinem Tode beendet. Diese letzte Arbeit bietet noch alle Vorzüge seiner früheren historischen Romane: eine gründ¬ liche Kenntnis der Zeit, in der die Geschichte spielt, eine reiche Erfindungs¬ gabe und eine ungemein lebendige Charakteristik der auftretenden Per¬ sonen. Die Handlung geht am Hofe dcs Kurfürsten Friedrich BI. vor nicht blos auf die Hofgesellschaft, sich. Aber die Schilderung erstreckt sich sondern auch auf bürgerliche Kreise und das alte Berlin von 1688 wird uns durch die Kunst der Darstellung leibhaftig vor Augen gerückt.

348 Die Nummer 2819 der „Illustrierte Zeitung" in Leipzig enthält zunächst zu ihrem Leitartikel: Die Neucrnennungen im Deutschen Reiche und in Preußen" die Porträts der drei Neuernannten. Des weiteren bringt die genannte Nummer ein ganzseitiges Bild von der Jubiläums-Jachtregatta Dover-Helgoland und zwar die Possierung der Jacht Cctonia durch das Ziel bei Helgoland nach einer Originalzeichnung von Willy Stöwer. Zum gegenwärtigen Aufenthalt der deutschen Kaiserin in Tegernsee sind die Ansichten des Sängerschlosses und der Villa Niggl, resp. die Sommerwohnungen der Deuhchen Kaiserin und der 5 ältesten Prinzen des Deutschen Kaiserpaares (nach photographischen Aufnahmen von Ludwig Schuster in München) aufgenommen worden. Ein großes dopp.lseitiges Bild (Originalzeichnung von M. Plinzner) führt uns in drastisch-fesselnder Weise den Paradeumzug einer Circusgesellschaft in einem Das ganzseitige Bild: „Die Kalmückernorddeutschen Dorfe vor. karawane im Zoologischen Garten zu Leipzig" (nach der Natur gezeichnet von Otto Verlacht erinnert zugleich daran, daß neben der im Vorder¬ gründe aller diesjährigen Ausstellungen stehenden, in Leipzig statt¬ findenden Sächsisch-Thüringischen Industrie- und Gewerbe-Ausstellung sich auch sonst noch viel Sehenswertes in der berühmten Meß- und Buchhändlerstadt befindet. Der bekannte Tiermaler Friedrich Specht ziert die beregte Nummer durch ein köstliches, nach dem Leben gezeichnetes Bild aus dem Zoologischen Garten zu Stuttgart: „Ameisenbär mit Jungen." Ein großes exotisches, durch seine Schlaglichter ungemein an¬ ziehend wirkendes Bild ist die „nächtliche Flamingojagd in Nordafrika" (Originalzeichnung von Richard Fuchs). Zwei Berliner Sportbilder von der Rennbahn Sportpark in Charlottcnburg und von dem Centenarsportfcst in Friedenau bei Berlin (nach Skizzen von Hosang) zeigen, welch mannigfaltige Richtungen das jetzt in Blüte stehende Sportwesen eingeschlagen hat. Drei weitere Porträts: Wilhelm Engelmann (Nach¬ folger von Or. Bois-Reymond an der Berliner Universität! Albert v. Kolliker

Irrsrratu

..

(Senior der medizinischen Fakultät in Würzburg zu seinem -80. Geburts¬ tag) und Jürgen Bona Meyer (mit Nekrolog des am 22. Juni er. ver¬

storbenen wellbekannten Bonner Professor) schließen sich den eingangs Von der benannten Biidniffen hervorragenden Persönlichkeiten an. Internationalen Kunstausstellung in Dresden fesselt dieses Mal das schöne Bild: „Aphrodite" (nach dem Gemälde von Adolf Hirsch!).

Anlzalt:

C.

Gründlcr

Finis Poloniae. Historischer Roman von (Fortsetzung). — Lokalgeschichte des Kammerdrei Abbildungen.) — Drei militärische Kabinetts-

gerichts. (Mit ordrcs aus der ersten Zeit Friedrichs des Großen. Mitgeteilt von Georg Sicgerist. — Berliner Transparente im Jahre 1866. Von Fr. Bayer. — Kleine Mitteilungen: Das Porzellanziminer im Schlosse zu Oranienburg (mit Abbildung!. Friedrich der Große und die Schweizer. Zwei Randbemerkungen Friedrichs des Großen. Eine verunglückte Kabinettsordre. Eine Preußische Niederlage. — B üchertisch.

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Verantwortlicher Redakteur und Verleger: Fr. Zillessen in Berlin fl. 68., Schönhauser Allee 141. Druck der Buchdruckerei Gutenberg, Berlin N., Schönhauser Allee 141a. — Abdruck ohne eingeholte Erlaubnis ist untersagt.

Unter Mitwirkung von

Ernst G. Kardors, vr. R- Sörirr guter, Professor Dr. Krortsvr, E. Friedet, Ricstard George, Ferd. Merger, Gymnafialdirektor a.

Dr.

A. Krendtcke, Ttzoodor Fontnrre, Stadtrat Wi. Krtiroart; und E. v. Wiiidenbrurti

Dr.

D. Dr.

tieransgegebe» oon

Friedrich Zillessrn. XXIII.

Der „Bär" erscheint wöchentlich am Sonnabend und ist durch jede Poftanftalt (No. 809), Buchst indlnng und Zeitungs¬ — nimmt spedition für ZMk.SOPf. vierteljährl. zu beziehen Auch die Geschäftsstelle — Berlin H. 58,Schöllst. Allee 141 Bestellungen entgegen. Inserate »-Aufträge sind an die letztere zu richten. Die viergesx. Petitzeile kostet 40 Pf.

Jahrgang.

M 30.

24. Jali 1897.

Finis Poloniae. Grundier.

Historischer Roman von C.

(29. Fortsetzung.)

(jXft arl Aegidius von

Krummensee war vom Pferde gesprungen

und ging auf das Schloß zu. dessen Thür verschlossen blieb. Zu beiden Seiten der Thür und an allen Ecken standen Diener, Knechte und Mägde mit aufgesperrten Mäulern und betrachteten staunend und bewundernd die fremden, stattlichen gebieterisch: sich einer Gruppe und sagte melden." Herrschaft zu bitte, mich sofort der „Ich Entsetzt stob die Schar auseinander. Es verstand keiner

Karl näherte

ein Wort deutsch.

Da kam quer über den Platz ein graubärtiger, untersetzter Mann, bekleidet mit einem abgetragenen Kontusz, die Pelzmütze auf dem Kopfe und ungeheure Stiefel an den Füßen. Er blieb vor dem Rittmeister stehen, indem er in der Rechten eine mächtige Hundepeitsche schwenkte.

„Niech bedzie pochwalony? Was will der Herr?" fragte er mit den schnarrenden Kehllauten der polnischen Sprache. „Ich muß den Herrn des Schlaffes sofort sprechen. Seid es?"

bin nur der Verwalter. Herr sein tot." ist denn hier der Gebieter?" „Frau Gräfin sein da." „So meldet mich der Frau Gräfin — Rittmeister von Krummensee von den preußischen Husaren!" Der Alte begab sich ins Schloß, und Karl betrachtete nun neugierig das wenig versprechende Anwesen, welches ihm auf unbestimmte Zeit zum Aufenthalt dienen sollte. Als die Dienstboten und Arbeiter sahen, daß die Fremden fich doch

„Nein „Wer

dernde Bemerkungen über den in ihren Augen überaus präch¬

tigen Anzug desselben zu.

Der Verwalter kehrte bald zurück und meldete auf deutsch: den Herrn sprechen". Zugleich bückte er sich tief und küßte den Saum von Karls Attila. Auf polnisch schrie er dann das uniherstehende Gesinde an: „Was wollt Ihr hier? Fort mit Dir, Du Lumpen, gesindel!" Dabei schlug er erbarmungslos mit der Hunde¬ peitsche unter die Leute. Diese Leute stoben nach allen Seiten auseinander, indem sie mit emporgehobenen Armen ihre

„Frau Gräfin will

Gäste.

Ihr

ganz met. schlich benahmen, kamen sie allgemach wieder näher. Sie umstanden schließlich Karl und flüsterten einander bewun-

ich

Köpfe vor weiteren Schlägen zu schützen suchten. Hierauf führte der Verwalter den Rittmeister zur Gräfin.

Sie befand

sich noch

in

demselben Zimmer.

und begann dann in Frau Gräfin! Meine Pflicht „Verzeihung. Anspruch zu nehmen." Zeit in einige Güte auf nötigt mich, Ihre erwiderte die Gräfin Herr," mein „Ich bedauere unendlich, französisch, „daß in der kurzen Zeit, da wir das Glück haben, unter preußischem Scepter zu leben, es mir noch nicht ge-

Karl verneigte

sich

ehrerbietig

deutscher Sprache:

lungen ist. der deutschen Sprache so weit mächtig zu werden, um mich geläufig in ihr auszudrücken. Wenn daher" — „Ich bitte um Entschuldigung, daß ich Sie unterbreche,"

warf Karl im reinsten Französisch dazwischen, „mir gereicht cs aber zur Freude, Ihnen meine Dienste in der von Ihnen be¬ vorzugten Weltsprache zu Füßen legen zu dürfen." Der Alte wollte fich nun entfernen. Die Gräfin rief ihm

350

Du bleibst!" Darauf verharrte er schweigend Thür. Karl wußte nicht, ob das mit dem Glück unter preußischem Scepter Ueberzeugung oder Ironie war. Er beschloß indes, mit der äußersten Höflichkeit aufzutreten, da er der Anficht war, auf diese Weise mehr zu erreichen, als durch schroffes

ließen fich auf allerlei zusammengeschlepptem Gerät unter den Linden nieder und sangen dann ihre lustigen Soldatenlieder, mehr kräftig, als melodisch, in den lauen Oktoberabend hinein. Die Bauern und Leibeigenen standen in weitem Kreis um¬ her und wunderten fich im stillen, wie die Leute so vergnügt sein könnten, da sie doch keinen oder nur wenig Schnaps hatten,

Benehmen.

nicht einmal das Leibgericht des gemeinen Polen

aber zu: „Jozef,

an der

„Nun, mein Herr, was fordern Sie von mir?" fragte die Gräfin,

auf das Sofa setzte und sich nachlässig zurücklehnte, fie zuvor Karl einen Lehnsessel fich gegenüber herangerollt halte. „Von Forderung kann keine Rede sein. Ich komme nur als Bittender und hoffe, Ihre Güte wird mir und meinen Leuten so weit behilflich sein, daß wir wenigstens unter Dach kommen. Alles übrige, dessen wir bedürfen, wird entweder aus den Magazinen geliefert oder bar bezahlt werden." „Ich kann ja selbstverständlich keine bestimmten Ver¬ sprechungen geben, da ich die Stärke Ihrer Mannschaft und Ihre Ansprüche nicht kenne. Doch dürfen Sie fich überzeugt halten, daß ich alles, was in meinen Kräften steht, thun werde, um Sie zufrieden zu stellen. Auf jeden Fall erwarte ich. daß Sie, Herr Rittmeister, Ihre Wohnung hier im Schlosse nehmen werden, hoffe auch, wenn Sie Ihre Angelegenheiten in Ordnung ge¬ bracht haben, Sie zum gemeinschaftlichen Diner bei mir zu indem fie

sehen."

„Frau

Gräfin

find

von

außerordentlicher

Liebens¬

würdigkeit."

„Das übrige bitte

ich

mit meinem Verwalter Jozef

ab¬

zumachen, da ich mich nicht darauf verstehe."

„Frau Gräfin werden

gestatten,

daß ich Sie dann jetzt

auf einige Zeit um Urlaub bitte. Es liegt mir ob, zunächst für Unterbringung meiner Leute zu sorgen." Als Karl mit dem Verwalter gegangen war, sagte die Gräfin vor fich hin: „Die Preußen sind doch höflicher, als ich glaubte. Und was für ein hübscher Mann dieser Rittmeister ist! Schade, daß er kein Pole ist!" Auch Karl stand, während er mit dem Verwalter wegen Unterbringung der Mannschaften und Pferde verhandelte, die glänzende Erscheinung der Gräfin beständig vor Augen. Er sah ihren durchdringenden Blick immer auf fich gerichtet. Ein wahrhaft königliches Weib! dachte er. Warum vergräbt fich eine solche Schönheit ersten Ranges in diese öde masurische Wildnis, da sie doch eine Perle an jedem Hofe sein könnte? Nun. ich kann schon damit zufrieden sein. Für mich gestaltet fich der hiesige Aufenthalt um so angenehmer. Es hatte doch mehr Mühe gemacht, als man anfangs glaubte, die ganze Schwadron unterzubringen.

Karl

Leutnant erhielten Zimmer im wurde im Kruge einquartiert. Bald entwickelte fich nun im Dorfe ein reges mili¬ tärisches Treiben. Eine Hauptwache wurde im Schlosse ein¬ gerichtet. Dann fuhren die Proviantwagen vor, und die Verteilung wurde vorgenommen. Ueberall sah man die munteren Rotjacken geschäftig, fich ihr Abendbrot, welches zugleich ihr Mittagessen war, zuzubereiten. Welch ein Unter¬ schied zwischen diesen Söhnen der Mark Brandenburg und den stumpfsinnigen, verdrossenen Ortseinwohnern! Als die Tiere versorgt und das Abendbrot eingenommen war, holten die Husaren ihre kurzen Thonpfeifchen hervor, Schlosse,

und

der

eine

i

Währenddem saßen die drei Offiziere mit der Gräfin bei

sich

nachdem

Kapusta

groch, Erbsen mit Sauerkraut. einem opulenten Diner im Speisesaal, einem großen, ziemlich schmucklosen Raum, der nur durch allerlei Jagdtrophäen und

Waffenzusammenstellungen an den Wänden einen einigermaßen wohnlichen Anstrich erhalten hatte. In einer Ecke des Saales stand ein prachtvoll geschnitztes Buffet, reich mit Silber und Kristall besetzt. Der Eßtisch aber

war von schlichtem Tannenholz, mit feinem Damast überdeckt. Der frühere kostbare Tisch war gelegentlich einer in der Trunkenheit entstandenen Rauferei, als der Graf noch lebte,

in die Brüche gegangen und nicht wieder durch einen

gleich

kostbaren ersetzt worden.

Das Gespräch wurde fast ausschließlich von Karl und der Gräfin geführt, da die beiden Leutnants fich nicht gewandt genug im Französischen ausdrücken konnten, um lebhaften An¬

teil an ihm zu nehmen. Dem Weine wurde ziemlich reichlich zugesprochen. Auch die Gräfin verschmähte es nicht, mehr davon zu genießen, als Als die Tafel auf¬ im allgemeinen bei Frauen üblich ist. gehoben war, verabschiedeten fich die beiden Leutnants; wollten noch einen Rundgang bei ihren Leuten machen.

sie

Die Gräfin aber sagte zu Karl: „Führen Sie mich in mein Boudoir, Herr Rittmeister! Wir wollen den Thee zusammen nehmen. Sie sollen mir noch ein wenig aus Ihrer Heimat erzählen."

kräftig auf seinen Arm. als fie das Zimmer und die matt erleuchteten Gänge durchschritten, und Karl durchflutete es ganz merkwürdig heiß, als er so dicht an der Seile der berückend schönen Frau einherschritt und ihre weichen Formen fühlte.

Sie

In

stützte sich

dem uns bereits bekannten

Zimmer der Gräfin stand seiner Heimat. Er

Karl erzählte von

der Thee schon fertig.

Eltern, seinen Geschwistern, von der einfach patriarchalischen Einrichtung ihres Hauswesens; nur von Arabella sagte er nichts. Die Einführung dieses reinen Wesens in diese Atmosphäre, gemischt aus Barbarei und Sinnlichkeit, sprach von seinen

erschien ihm wie eine

Art Entweihung.

Die Gräfin machte die Honneurs

der

Hausfrau mit

vollendeter Grazie.

Karl erzählte gut und lebhaft.

der andere Leutnant

die warme, lebendige Schilderung

Ausdrucks neue

Reize.

Polenblut.

verliehen

In

seiner

und

ohnehin

Der genoffene Wein, die Gewandtheit schönen

des

Erscheinung

Gräfin regte sich das leichtsinnige An der Stätte, wo fie kurz vorher die Liebes-

ihres

der

Geliebten freudig entgegengenommen hatte, Wirkungen ihrer Reize auf den schönen, kaum Jahre jüngeren Feind zu erproben. Sie versprach sich zwei ein besonderes Vergnügen davon, und die Erreichung ihres Zieles konnte ihr, der in allen Künsten der Koketterie Be¬ wanderten, nicht schwer werden.

schwüre

beschloß fie, die

»

„Wie lange werde bei

den

ich noch das

Vergnügen haben.

mir zu sehen. Herr Rittmeister?" „Das weiß ich selbst nicht. Frau Gräfin. Befehlen

Geschick, mich

ab,

die

gebracht zu haben, die

„Nur

ich

erhalte.

in die Nähe einer



Die

351

ich durchziehen

Es hängt von

Ich preise aber mein geistvollen Frau

so schönen,

—"

keine Komplimente,

aus der Nachbarschaft kämen, lebte man wie auf einer wüsten

Insel.«

„Ich kann mir Ihre Empfindungen lebhaft vorstellen, traurigen Zustände dieser beklagens¬ werten Landschaft mit eigenen Augen gesehen habe. Doch hoffe ich, in zehn bis zwanzig Jahren schon soll alles anders die

ich

hier aussehen, wenn erst die Wirkungen des preußischen Regiments fich voll werden entfaltet haben. Westpreußen ist

mir hierfür der

„So?

beste

es ein ziemlich ausgedehnter

Kreis, den

werde."

„Da nehmen Sie sich nur in acht, daß Sie nicht, während Sie die Männer bekämpfen, von den Frauen besiegt werden! Unsere Edelhöfe bergen an Schönheit manchen Stern erster Größe."

mein Herr!" unterbrach ihn „Die hasse ich bis in den Tod. Ich selbst freue die Gräfin. mich, daß einmal etwas Abwechselung in mein einförmiges Dasein gekommen ist. Denn Sie glauben nicht, wie unendlich einsam es hier ist. Wenn nicht zuweilen befreundete Familien

nachdem

„Jedenfalls ist

Sie

Beweis."

Was ist denn da geschehen?"

„In

„Vor der Sonne müssen alle Sterne erbleichen!" widerte Karl mit höflicher Verneigung.

er¬

habe Ihnen ja gesagt. Sie sollen nicht schmeicheln!" Gräfin, scheinbar erzürnt, indem sie ihm mit dem Fächer einen leichten Schlag auf den Arm gab. „Ich schmeichle auch nicht, Frau Gräfin, Ihr Spiegel kann Ihnen jeden Tag die Wahrheit meiner Behauptung be¬

„Ich

rief

die

stätigen."

„Nun, was finden Sie denn eigentlich an mir wundersweri?" rief

so be-

ihre schönen runden Arme erhob und die Hände hinter dem Hinterkopf faltete, so daß der schwarze Lockenwald sich von der weißen Haut der ent¬ blößten Unterarme scharf abhob. Dann lehnte sie sich ziemlich ungeniert zurück und streckte die kleinen, atlasbeschuhten Füßchen bis an die Knöchel unter dem Seidenkleid hervor. Zugleich blickte sie ihn mit ihren großen schwarzen Augen unverwandt sie,

indem

sie

Westpreußen sah es ähnlich aus wie hier, als es Sie glauben aber der verstorbene große König übernahm. nicht, was er an dieses sein jüngstes Schmerzenskind gewendet hat. Viele Millionen Thaler sind ausgegeben worden, über hundert neue Dörfer find gebaut. Kanäle sind gegraben,

lächelnd an. während die weißen, spitzen Zähnchen zwischen den vollen Lippen h-rvorlugten.

Sümpfe

entwässert. Schulen gegründet, fremde Ansiedler herangezogen worden. Eine zärtliche Mutter kann ihr unge¬ waschenes und ungekämmtes Kind nicht sorgsamer herausputzen,

Verrat an meinen Landsmänniniien. denen ich die Bekanntschaft eines so liebenswürdigen Kavaliers nicht vorenthalten darf. Zwar giebt es nichts Schöneres auf Erden, als wenn fich so

als der große Friedrich es mit diesem Laudesteil gethan hat.«

zwei gleichgestimmte Herzen

war bei dieser Schilderung ganz warm geworden. Die Gräfin bemerkte jedoch leichthin: „Gut, sehr gut! Doch wozu diese Betrachtungen? Halten wir uns an der Gegenwart! Das Leben ist ja so kurz. Sie find

Der

Rittmeister

mir eine willkommene Erscheinung, und ich hoffe, wir werden gute Kameraden sein, so lange Sie hier verweilen." Dabei streckte sie ihm die schmale Haud entgegen, die er ergriff und

— bitte — wollen Sie mich um meinen Verstand bringen?" rief Karl, indem er erregt aufsprang. „Nein, mein Freund!" erwiderte sie. „Das wäre ein

„Frau Gräfin!

machen mich durch diesen Beweis

zusammenfinden.

Doch

kommen

Sie. seien wir vernünftig!"

Damit füllte sie ein paar Spitzgläschen mit feinem Likör, reichte Karl eins und rief dann: „Stoßen wir an! Vivs 1s vin efc l’ainour!“ Karl stieß an und leerte fein Gläschen auf einen Zug, während Lodoiska an dem ihren nur nipple. Sein Blut fieberte, es stieg ihm heiß in die Stirn, er war nahe daran, dem Zauber dieser schönen Teufelin zu erliegen. (Fortsetzung folgt.)

achtungsvoll an die Lippen führte.

„Sie

ich

Ihres Vertrauens

Nichts wird mich hindern,

Frau Gräfin. Ihnen stets meine volle Ergebenheit zu beweisen."

überaus glücklich,

„Nichts?«

„Nichts!«

„Nun, dies jetzt!

es käme

Worin

Doch lassen

wir

der sogenannte Dienst,

der

auf einen Versuch an.

besteht

denn

Sie hergeführt hat? Wollen Sie die idyllischen Landschaften, unsere Seen und Wälder studieren? Dazu hätten Sie fich wohl nicht so viele Begleiter mitgebracht. Oder wollen Sie der Jagd hier obliegen? Meine Jagd steht Ihnen zur Ver¬ fügung." „Leider ist meine Beschäftigung weniger poetischer Natur. Es haben fich an vielen Orten in Südpreußen bewaffnete Banernbanden gezeigt, die uns schon manchen Schaden zuge¬ fügt haben. Da ist es nun meine Aufgabe, gleich wie die der andern Regimenter, welche den Cordon gegen Polen bilden, solche

Banden aufzusuchen und zu zersprengen." „Sie werden also wohl tüchtig umherreiten müssen?"

Im vergangenen Jahr hat Fräulein Katharine Pufahl, Oberlehrerin an der Dorotheenschule, ein Schulprogramm veröffentlicht, welches zum Teil ungedruckle, zum Teil sehr wenig bekannte Tagebuch-Aufzeichnungen zweier patriotischer Berlinerinnen mitteilt, welches aus der einschlägigen Litteratur die vielfach verstreuten Beweise von Patriotismus sammelt und ein lebensvolles Bild von dem von den Franzosen heim¬ gesuchten Berlin in den Jahren 1806—1808 giebt. Von besonderer Bedeutung find die Tagebuch-Aufzeich¬ nungen von Karoline Sack, der zweiten Tochter des Ober, konsistorialrates und Hofpredigers, welche die Stimmung in Berlin in den verhängnisvollen Okiober-Tagen des Jahres mit greifbarer Deutlichkeit wiederspiegeln. „Montag den 13. Oktober mittags", heißt es in dem Tagebuche, „kam 1806

*) Eine ausführliche Darstellung der Franzosenzcit Jahrgang des „Bär" S. 77, 87, 100 u. 111.

erschien

im 18.

die Nachricht hier an, datz Prinz Louis Ferdinand in einer unglücklichen Affäre geblieben sei. Dies erregte große und

allgemeine diesen

doch

sich

Bestürzung

....

Obgleich

jeder

Vorfall für nichts Entscheidendes hielt, tausend

so

Vernünftige konnte man

banger Ahnungen nicht erwehren, die ein

Opfer und ein so unglaublicher Anfang dieses wichtigen Kampfes erregen mußte." „Den 14. Dienstag hatte man verschiedene Gerüchte, die zwar zum größten Teil von einem vom Prinzen Hohenlohe erfochtenen Siege sprachen, aber noch zu unsicher waren, als daß man sich darüber freuen konnte. Man quälte sich den ganzen Tag und wurde so zwischen Furcht und Hoff¬ nung hingeworfen. . . Ich hatte bis jetzt noch keinen Krieg erlebt, denn den französischen Krieg kann ich nicht rechnen, da ich mich dessen nur wenig erinnere, und er auch zu ent¬ fernt von uns war; plötzlich stand nun das ganze grausame Bild desselben vor meinen Augen In dieser Stimmung so

großes

....

....

alles freute sich schon auf den blasenden Postillon, der sie der jubelnden Stadt verkünden sollte, mehrere Leute ordneten Feste an, aber es ward Mittag, und kein Courier erschien, Es war ein schöner, heller kein Postillion ließ sich hören. Herbsttag, ich ging nach der Post und nach Schulenburgs Hause, um mich durch den Augenschein zu überzeugen. Bei dem Kronprinzen war große Cour, es war sein Geburtstag, wie schön, wenn gerade dieser Tag ein Siegesfest wäre. Doch der Abend erschien, und kein Courier Der Donnerstag kam und mit ihm die bestimmte Nach¬ richt von dem angekommenen Courier, aber leider keine Be¬ stätigung, nun fingen viele an zu zweifeln, obgleich andere sich noch immer nicht die Möglichkeit einer verlorenen Schlacht Papa erzählte aus seinen Erfahrungen denken konnten

....

....

aus dem Siebenjährigen Kriege, wie zuweilen nach Siegesgerüchlen der hinkende Bote nachgekommen sei

„D.

17. Freitag war ein fürchterlicher Tag.

solchen

....

Mit

dem

Dap Machrigal-Dcnirmal im Parst zu Stammt». lasen

wir das Manifest,

welches eben bei Decker herausge¬

kommen war, und erquickten uns auf der einen Seite an der

Schönheit desselben, indem wir auf der andern nur umsomehr das Ungeheuer verabscheuen lernten, was darin an den Tag

war." „Den 15. Mittwoch früh ließ der Graf Schulenburg als zeitiger Gouverneur von Berlin an seinem Hause (Behrenstr. 41) einen Zettel anschlagen folgenden Inhalts: „Nach heutigen flüchtigen Nachrichten hat der Prinz von Hohenlohe den Marschall Soult total geschlagen." Zugleich liefen kam, und was uns nie so abscheulich, so ruchlos erschienen

....

Seiten, besonders aber aus Dresden, noch andere Gerüchte mit lauter Ciegesnachrichteu ein, auch das Bernadotiesche Corps sei von des Königs Armee ge¬ schlagen. Murat mit 30000 Mann eingeschlossen u. a. m. Alles jubilierte, man drängte sich nach Schulenburgs Hause, von

verschiedenen

um etwas gewisses zu erfahren, die Post wurde beinahe ge¬ stürmt, viele liefen nach den Thoren, alles erwartete mit Un¬ geduld den Courier, der die frohe Nachricht bringen sollte,

frühen Morgen kam dann endlich ein Courier hier an, der Nachricht von einer von des Königs Armee total verlorenen Diese Schreckenspost ver¬ Schlacht in Sachsen mitbrachte. die ganze Stadt. Schulenburg ließ breitete sich bald durch sie durch Anschlagzettel bekannt machen, und bat dabei zugleich die Bürger um Ruhe. Dies erregte natürlich die Idee, daß der Feind sich Berlin nähere, und dies wurde durch tausend Gerüchte bestätigt, alles Schreckliche, was die Rache eines siegenden und triumphierenden Feindes nur hervorbringen konnte, wurde hinzugedichtet. Aber dies alles war nicht das nächste Interesse, das Vaterland war in Gefahr, der preußische Ruhm ge¬ sunken, unsere Kräfte gelähmt, unsere gerechte Sache war von dcr Es war keine Bosheit und dem Uebermut überwältigt. gewöhnliche verlorene Schlacht, es war eine gänzliche Nieder¬ Wer auch kein so lebhaftes Inter¬ lage unserer Armee Wohl seines Vaterlandes hatte, der mußte esse für das

....

Aber nur wenige wenigstens für sein eigenes Wohl zittern. Anschlag bringen, in zu die Liebe waren so klein, dies zuerst

>.

353

zum Vaterlande, die Liebe zu einem edlen Könige zeigte sich in ihrer ganzen Stärke, daß diese finken oder gar untergehen

sollten,

war der empfindlichste Streich,

konnte." Derselbe patriotische Geist

der

uns

begegnen

durchweht die Aufzeichnungen

Gräfin Sophie Dönhoff,

Tochter des Grafen Bogislav Dönhoff aus dem Hause Dönhoffstädt, die sich 1805 in ihrem 20. Lebensjahre mit dem Grasen Wilhelm Schwerin ver¬ mählt hatte, aber ins elterliche Haus zurückkehrte, als ihr Ge¬ mahl mit dem Regiment Gardes-du-Corps ins Feld rückte. Diese Aufzeichnungen liegen gedruckt vor, sind jedoch äußerst Ueber das selten, da sie nicht in den Buchhandel gelangten. Eintreffen der Nachricht von der völligen Vernichtung schreibt die Gräfin: „Ohne Vorbereitung, ohne Beschönigung erfuhr man die nackte Wahrheit. Noch am 16. Abends waren die kleinen Prinzessinnen Charlotte und Friederike bei uns und der

Die Pferde wurden dadurch so rar. daß man für eine Fuhre nach Stettin 200 Rthlr. zahlen mußte . . . Auch die hier noch übrige Garnison, aus einigen dritten Bataillonen be¬ stehend, wurde abgeführt . . . Der Graf Schulenburg ging mit den Soldaten ab. Mit Wehmut sahen wir auch diesen

wir waren so gut, wie in des Feindes Gewalt." Am 20. Oktober schrieb Karoline Sack klagend über die im Heere zu Tage getretenen Mängel: „Wir sanken jetzt, trotz der Tapferkeit unserer Soldaten, zu eben der Schmach herab, deren wir die Oester¬

unsern letzten Schutz von uns gehen, schon

reicher beschuldigten."

Am 24. Oktober traf der gefürchtete Feind, den man täglich erwartet hatte, in Berlin ein: „Dieser schreckliche Augen¬ blick war also gekommen, und jeder seufzte und wehklagte in seinem Herzen, denn von nun an war jedes laute Wort ge¬ fährlich.

Eine solche Schreckensregierung wie die Bonapartes

DaK zulrüuslige Deutsche Loloniat- Museum zu Berlin. (Gegenwärtiges Marine-Panorama.)

jubelten über die Siegesnachrichten, den andern Nachmittag waren sie schon auf der Flucht nach Königsberg." Zu dem Aufrufe des Grafen Schulenburg, der mit den bekannten

Worten schloß: „Ruhe ist die erste Bürgerpflicht", bemerkt die junge Gräfin in ihrem Tagebuche: „Mil diesem Trost ward das verzweifelnde Berlin von seinen Autoritäten verlassen, und das Wort „Ruhe" fiel sonderbar in die krampfhafte Gärung des Augenblicks." Karoline Sack schrieb unterm l8. Oktober: „Sonnabend vermehrten sich noch die traurigen

...

Es war ein gewaltiges Getümmel auf den Straßen, indem außer dem eiligen Transport öffentlicher Gelder, auch viele Privatpersonen eilten, ihre Habseligkeiren vor der Plünderung zu bewahren. Viele räumten ihre Häuser, Gerüchte

...

ihr Silber und Gold oder schickten es fort Eine große Menge vornehmer Leute, Staatsbeamte und auch vom Mittelstände, flüchtete aus der Stadt, großenteils nach Stettin, wohl nur aus dem Grunde, weil der Hof dort war. vergruben

ließ nichts Gutes bei irgend einer Aeußerung des Mißfallens (Karoline Sack.) — oder bei Widersetzlichkeit erwarten." an ihren Galten: Monate später einige Schwerin schrieb Sophie vorbeitraben, Chasseurs „Nach höre ich die Pferde jener ersten noch sehe ich, wie mein Vater sich in diesem Augenblick er¬

in den Stuhl warf und umsonst sich zu fassen suchte. — Zu dem Anblick selbst konnte ich mich nicht entschließen, und da wir in dieser ersten Zeit noch keine Einquartierung im Hause hatten, so vergingen wohl vier Tage, ehe ich einen Franzosen erblickte. Ich werfe mir vor. in diesen Tagen oft schöpft

kleineren Geschwister gewesen zu Neugier ans Fenster lockte, später aber gelang es uns besser, ihnen strengere Grundsätze

unfreundlich sein,

welche

gegen

die

meine

verzeihlichste

einzuflößen," Am 26. Oktober wurde Napoleons Einzug in Berlin er¬ wartet, und Karoline Sack schrieb in ihr Tagebuch: „Die Brüder gingen aus, um Neues zu erfahren, sie kamen jedes

354

Mil

mit neuer Betrübnis zurück und waren so empört, daß nur unaufhörlich bitten mußten, ihre jugendliche Hitze zu mäßigen." Am Montag den 27. Oktober traf der Kaiser Napoleon wirklich in Berlin ein. Karoline Sack hatte seinem vermeintlichen Einzug am Tage zuvor, als um 5 Uhr die Glocken läuteten, die Worte gewidmet: „Die Sterbestunde des preußischen Ruhmes und der preußischen Freiheit wurde ge¬ läutet." Die schwere, trübe Zeit der Fremdherrschaft, die nun über Berlin hereinbrach, skizziert Sophie Schwerin in ihren Erinnerungen: „Der Ton dieser Trommeln, der monatelang oft den ganzen Tag nicht abriß, ward zur ausgesuchtesten Folter für mich Es gehörte zu meinen damaligen Träumen, einen langen, tiefen Schlaf zu thun — schwer krank — bewußtlos da zu liegen, um mit dem Frieden, mit

wir

sie

....

der Rückkehr zu erwachen."



Diesen Geist echt preußischer Vaterlandsliebe

Familien

zeigten die

Hofpredigers Sack und des Grafe» Dönhoff im Verkehr auch mit der französischen Einquanierung, die so drückend wurde, daß die Familie Sack an die Verpfändung ihres Silbergerätes dachte, und Graf Dönhoff große Summen aufnehmen mußte, da er von den Einkünften aus seinen Gütern völlig abgeschnitten war; „die Möglichkeit dazu sah er als einen großen Segen an, denn es galt, für einen rücksichts¬ losen und unersäitlichen Feind zu sorgen." Beide Familien vergaßen niemals die Schranke, die der Krieg zwischen ihnen und den Franzosen errichtet hatte, und beschränkten den Verkehr mit denselben auf den unumgänglich notwendigen. Beim Hofprediger Sack verkehrte ein kleiner Kreis von Patrioten: Justizrat Spalding vom Kammergericht, Professor Spalding vom Grauen Kloster, beides Brüder der Hausfrau, Geh. Finanzrat Gerhard, Eichhorn damals Kammergerichls-Assessor. Alle diese Männer waren erfüllt von dem patriotischen Geiste, der den Hosprediger Sack und seine Fainilie erfüllte. des

waren die tollsten Gerüchte im Umlauf. Den Berliner Zeitungen schenkte man keinen Glauben: sie waren ganz im franzosenfreundlichen Geiste ge¬ halten. Die beiden alten privilegierten Zeitungen, die Vosfische und die Spenersche, die damals dreimal wöchentlich erschienen, wurden von den französischen Siegern einfach gezwungen, die Ueber den Kriegsschauplatz

kaiserlichen

Bulletins,

Schmähschriften

die

abzudrucken.

französischen

Prahlereien

und

Man darf ihren Redakteuren

daraus keinen Vorwurf machen; die Franzosen hatten eben die Macht in den Händen, und sie hatten anderwärts gezeigt, wie rücksichtslos sie dieselbe zu gebrauchen wußten. Aus dem Inhalte der in Berlin zur Franzosenzeit unter dem feindlichen Druck erscheinenden Zeitungen darf man daher nicht, wie dies vielfach geschehen ist, auf die Gesinnungslosigkeit der Berliner im allgemeinen schließen. Auch darf man die Berliner nicht für das Erscheinen des „Telegraphen" verantwortlich machen, den der erbärmliche Lange (alias David söhn) redigierte (vergl. „Bär" 18. Jahrgang, Seite 111). Dieser verächtliche Renegat hatte den „Telegraphen" „zur Belebung des preußischen Patriotismus" gegründet, trat jedoch, als die Nachricht von der Niederlage bei Jena und Auerstädt in Berlin eintraf, freiwillig in den Dienst und in den Sold der Franzosen und stellte sein Blatt dem Kaiser zur Veröffentlichung der schamlosesten Schmähungen der Königin Luise zur Verfügung. Wie sehr sich der erbärmliche Wicht dadurch bei den preußischen Patrioten verhaßt machte, beweisen die zahlreichen Spottbilder,

die zu seiner Verhöhnung erschienen. Der Mann mußte so¬ gar vor den Thätlichkeiten der empörten Berliner bei seinen französischen Gönnern Schutz suchen.

Einen schweren Vorwurf hat man den Berlinern aus ihrer Haltung beim Einzuge des Kaisers Napoleon am 27. Oktober 1806 gemacht. Das Material haben dazu in erster Linie die Berliner Zeitungen geliefert. Es liegt jedoch auf der Hand, daß die von diesen gegebenen Schilderungen von dem „großen Jubel" der Berliner beim Einzuge Napoleons Beweiskraft besitzen. Eine objektive keine geschichtliche Schilderung der Volksstimmung in Berlin war unter der französischen Censur eben ein Ding der Unmöglichkeit. Es ist ein großes Verdienst der Pufahlschen Schrift, einmal die Zeugnisse zusammenzustellen, die das Verhalten der Berliner in das rechte Licht rücken. Erwähnung verdienen die Worte Sophie Schwerins, die später schrieb: „Ob von dem Vivat¬ rufen, mit dem Napoleon nach dem Zeugnis so vieler Journale in Berlin empfangen worden sein soll, auch nur das Mindeste darüber konnten wir nie etwas Bestimmtes erfahren . . . Brauchte General Hulin zur Verherrlichung des von ihm veranstalteten Triumphzuges Stimmen, um Vive Napoleon! zu rufen, so können diese in einer großen Stadt wie Berlin unter dem Gesindel nicht schwer aufzubringen gegründet

ist,

gewesen sein;

nur habe ich nie begriffen, wie man dem betäubenden Jubelrufe der ihn begrüßenden

unter Garden

sie

will." —

Nach dem Augenzeugen Bassewitz hat unter den Neugierigen große Stille geherrscht, und die „gedungenen Jungen aus dem Pöbel" haben mit ihrem im Volk gefunden. Rufe keinen Anklang F. von Raumer, ebenfalls ein Augenzeuge, sagt in seinen Lebens¬ erinnerungen": „Die französischen Berichte und die in Paris befindlichen Gemälde von großem Beifall, flehenden Damen und dergl. find durchaus unwahr und erlogen." — Bignon schreibt in seiner „Histoire äs France“: „Napoleon fit son entree solennelle ä Berlin, re^ut aux portes de la vilie les hommages du corps municipal et descendit au vieux chäteau.“ — Thiers schildert in seiner „Histoire du Con8ulat et de l’Empire“ die Stimmung der Berliner: „La foule etait silencieuse, saisie ä la fois de tristesse femmes de cette et bourgeoisie prussienne semblaient avides de ce spectacle quelques-unes laissaent couler des larmes, aucune ne poussait des cris de liaine, ou des cris de flatterie pour le vainqueur. Heureuse la Prasse de n’etre pas divisee, et de garder sa dignuite dans son desastre!“ - Das 21. Bulletin, das Napoleon wahr¬

unterschieden haben

d’admiration.Les

....

scheinlich selbst verfaßt hat. und das vom 28. Okiobcr datiert ist.

meldet einfach:

„La foule immense etait accourue

sur

Berlin

son passage; l’avenue de Charlottenbourg a est tres-belle.“ Daß der jubelnde Empfang und die glänzende Beleuchtung erzwungen waren, bestätigt Karoline Sack in ihren Aufzeichnungen: „Das Erschrecklichste an diesem Abend war, daß wir die Fenster von einigen unserer Nachbarn erleuchtel sahen — doch trösteten wir uns damit, daß dort vielleicht französische Offiziere wohnten, die dies für sich angestellt hatten; aber leider hörten wir am andern Morgen, daß dies von seilen des Magistrats befohlen war!! Em großer Teil der Stadt und auch unsre ganze übrige Straße (Grünstraße) hatte nichts von jenem Befehl erhalten, und so waren wir diesem

355

in der Gegend des Schlosses war Spaldings (Breitestraße) hatten leider daran gemußt." — Der General Hulin hatte in einem Brief an den Fürsten Hatzfeldt die Illumination streng be¬ Enlsetzlichen entgangen, aber

alles erleuchtet gewesen, auch

fohlen: daher die befremdende Anordnung des Magistrats. Die schwere Anklage, die Berliner hätten sich beim Ein¬ züge Napoleons im Jahre 1806 unwürdig benommen, läßt

vollgiltige Zeugnisse widerlegen. Napoleon Bulletin vom 28. Oktober als ein klassischer Zeuge für die Zurückyaltung der Berliner auf: hätte er etwas von dem „großen Jubel" der Berliner bei seinem Einzuge bemerkt, so hätte er das gewiß in alle Welt hinaus sich

von dauerndem Werte ist, und der eine Ergänzung vor allem durch eine Durchforschung des städtischen Archivs zu

Richard George.

wünschen wäre.

Das Deutsche Kolonial-Museum ju Kerlin. (Mit Abbildung.)

daher durch

selbst

tritt in

seinem

ausposaunt und nicht von der schönen Allee, dem prächtigen Brandenburger Thore und dem herrlichen Wetter gesprochen. „Die Ansicht Treitschkes und Lettow-Borbecks". schließt Fräulein Pufahl ihre Ausführungen, „daß die Mehrzahl der Berliner beim Einzuge des Siegers sich durchaus würdig benommen hat, bleibt also unerschüttert."

Eingehend behandelt

die Verfasserin sodann die

Eides,

leistung der

preußischen Beamten am 9. November im Rittersaale des Schlosses und die Einsetzung des Comite ad= ministratif als Stadtbehöcde; sie weist für die „an sich strafbare Eidesleistung und für die Willfährigkeit, in der vom Feinde eingerichteten Stadtverwaltung Dienste zu leisten",

„bei vielen tüchtigen Männern edle Beweggründe" nach. Für Kolonie Sympathien für die Feinde gehabt habe, bleibt' Fräulein Pufahl den Be¬ weis schuldig; derselbe dürfte ihr auch schwer fallen: Napoleon hob 1806 das Verbcrnnungsdekret auf; nur wenige Refugiss die Behauptung, daß die hiesige französische

machten jedoch, durch besondere Umstände bewogen, von dem¬ selben Gebrauch.

„Stets mit dankbarer Liebe dem preußischen Muret in seiner auf archivaltschen

Fürstenhause zugethan", sagt

Studien beruhenden Geschichte der französischen Kolonie S. 72, „teilten sie mit ihm sowohl den Kummer jener trüben Zeit, wie die Freude über die besseren Tage, die jenen folgten." Der bekannte Ausspruch des Konfistorialrates Erman: „8irs, ceia u’ est pas vrai!“ zur Zurückweisung der Schmähungen des preußischen Königspaares von seiten Napoleons beweist, in welchem hohen Ansehen die Liebe der Rsfugies zu ihrem Fürstenhause stand — mag Erman diese Worte nun wirklich gebraucht haben oder nicht. Daß sie der geschichtlichen Wahr¬ heit nicht entsprechen, ist nirgends bewiesen, auch nicht in Karoline Sacks Tagebuch, die mitteilt, daß ihr Vater und Erman bei einer Audienz vor Napoleon, gelegentlich ihren König und ihre Königin loben konnten, (vergl. hierzu: „Mit¬ teilungen des Vereins für die Geschichte Berlins" 1896, S. 70.) Diese Verkennung der Räfugies fällt um so mehr auf. als Fräulein Pufahl die ganze einschlägige Litteratur sehr fleißig studiert und benutzt hat und mit emsigem Eifer und an¬ erkennenswertem Erfolge alle Beweise dafür zusammengetragen hat. daß die Berliner des Jahres 1806 in ihrer großen Mehrzahl nicht die erbärmlichen Wichte waren, als die eine oberflächliche Geschichtsschreibung sie hingestellt hat — nament¬ lich auf Grund der zeitgenössischen politischen Zeitungen, die zum Teil unter dem Druck, zum Teil sogar im Solde der Franzosen standen. Für eine eingehende Darstellung der so überaus interessanten Periode der Berliner Geschichte von 1806—1809, für welche bisher eine erschöpfende Monographie

fehlt, hat Fräulein Pufahl eine Grundlage geschaffen, die

Zur Verwirklichung

des im vorigen

Jahr gelegentlich der

in Berlin gefaßien Planes, ein ständiges Kolonial-Museum in der Reichshauptstadt zu errichten, hat sich eine „Deutsche Kolo nial-MuseumAktiengesellschaft" gebildet put einem Grundkapital von 250000 Mk. und Anteilscheinen von 500 Mk. Dadurch ist die Ausführung des Planes gesichert worden, und steht die Eröffnung des Museums, für welches das Gebäude des jetzigen Marine-Panoramas am Lehrter Bahnhof (s. Abbild. S. 353) mietweise erworben ist, schon für den Herbst d. I. in Aussicht. „Fast allseitig", schreibt die „Deutsche Kolonialzeilung" ist der Gedanke eines Kolonial-Mnseums als durch¬ Deutschen Kolonial-Ausstellung

aus zeitgemäß anerkannt worden, und die etwaigen Bedenken, welche von den bestehenden Museen noch er¬ hoben werden können, werden wegfallen, nachdem der Charakter des neu gründenden Instituts schärfer zu gekennzeichnet worden ist. Die Aufgaben des Deutschen

Kolonial-Museums sind sehr weitgestreckte, aber dafür, daß sie erreichbar sind, bürgen die Namen solcher Herren vom Komitee, wie Graf v. Schweinitz und C. v. Beck, welche die Kolonial-Ausstellung so trefflich geleitet haben. In dem Museum sollen einmal die Ausfuhr aus und die Einfuhr nach den deutschen Kolonien, und die aus den Produkten her¬ gestellten Fabrikate behufs weiterer Vertreibung und weiterer Verwendung der kolonialen Erzeugnisse dargestellt werden. Zugleich wird ein Auskunfts- und Vermittelungsbureau bezüglich des Handelsverkehrs von und nach den Kolonien damit verbunden. Ferner ist die Darstellung des Lebens in den Kolonien, sowohl der Weißen wie der Eingeborenen, durch Ausstellung von Wohnungs- und Pflanzungseinrichtungeil in Bild und Modell, von Waffen und Geräten u. s. w., der Natur wie in Panoramen beabsichtigt. Die hauptsächlichsten

Handels-

und

geschildert und

Produktionsplätze, Verkehrsmittel sollen Vorlesungen und Belehrung über koloniale

Verhältnisse daran geknüpft werden.

wird die Mission, faffen,

eine

Institut soll,

andere

wie

Eine besondere Abteilung nm-

Litteratur. Statistik. Hygiene eine

aus

historische Abteilung.

dem

vorhergeheuden

ersichtlich,

Das ein

Sammelpunkt bilden für koloniale Interessen und koloniales Leben und wird, in vornehmer Weise aus¬ Sehenswürdigkeit von Berlin werden. Ein in den wertvollen Beständen der KolonialAusstellung bereits vorhanden, und als sein Gebäude ist das jetzige Marine-Panorama am Lehrter Bahnhof gewonnen worden. Aus der Zeichnungseinladung ist noch hervorzuheben, daß die laufenden Ausgaben für koloniale Anschaffungen, Darstellungen,. Personal und Miete aus den Einnahmen für Pacht und Entree gedeckt werden sollen, die Aktionäre freien Eintritt zu dem Museum und sämtlichen Veranstaltungen ge¬ nießen, und die Mitglieder des Auffichtsrats keinerlei Gehalt gestattet,

Grundstock

eine ist

oder Tantiemen beziehen."

-

356

Das Unternehmen wird von allen Freunden unserer deutschen Kolonieen mit großer Freude begrüßt werden und ohne Frage je länger je mehr als ein durchaus gemein¬ nütziges und den kolonialen Interessen in hohem Maße förder¬ liches erweisen. Wir wünschen ihm das beste Gelingen und sich

allseitig reiche Unterstützung.

weil nun je und allewege, wann an selbigem Orte newe Fehren gebawet, oder alte aufgebessert, die Nothdurfft Holz aus den Plattenburgischen Höltzern abgefolget worden; So begehren Wir in gnädigstem Befehl hiermit an Dich, wollest die Verfügung thun, damit so viel Holtzes, als etwa zu dieser Brücken möchte vonnötheu seyn, auf Anhalten Unserer Bcampten daselbst, aus denen Heiden angewiesen und

gefolget

werde.

In

Betrachtung, daß, obgleich itzo ein mehrers an Holtze möchte, eine Brücke wol ein 30. und mehr Jahr stehen, dagegen aber eine Fehre über 10. oder höchstens 12. Jahr nicht gehen oder gebrauchet werden kan, und es also mit der itzigen Übermaß, und da sonsten Zwei newe Fehren gebawet werden müsten. nichts sonderliches zu bedeuten, oder Daran erstattest Du. so gar weit außen Wege laufen werde. was dem alten Herkommen gemäß ist und Wir seynd rc. Cölln, rc. den 6. Januar, Anno 1616." Auf diese Verfügung hin wurde das zum Brückenbau nötige Holz gefällt und beschlagen, jedoch auf Rechnung des Amtspächters zu Fehrbellin, resp. des Staates, und wurden dafür 27 Thlr. 9 Ggr. verausgabt, worüber noch 1680 eine Quittung im Original bei der „Churfürst!. Brandend. AmtsCammer-Registratur" vorhanden war. auffgehen

In luches

der Vorzeit befand sich an Stelle des heutigen RhinGewässer, welches mit Fahrzeugen befahren

offenes

was auf dem Grunde des Torflagers aufgefundene Ueberreste von Fahrzeugen und Ankern bezeugen. Das Waffer war nicht sehr tief. höchstens wohl nur 4 bis 5 Meter. Nach und nach versumpfte dasselbe; auf dem Grunde wuchsen Wasser- und Sumpfpflanzen, die ihre Blätter über die mehr und mehr schwindende Wasserfläche emporstreckien, und diese Pflanzen und die Verminderung des Waffers sind wohl die Veranlassung zur Moor- und Torfbildung gewesen. Hatte von südlicher liegenden Teilen der Mark nach der Grafschaft Ruppin in früherer Zeit die Kommunikation mittelst Boote stattgefunden, so mußte während der Moorbildungsperiode daran gedacht werden, einen Damm durch die unbefahrbar werdende Ebene zu bauen, was aus Grund landesherrlichen Befehls von den Bewohnern des Ländchen Bellins ausgeführt ward. Die Grafschaft Ruppin mußte Sand und Steine liefern, die Forsten von Fehrbellin, der Zootzen und die Kremmer Waldung Hallen das nötige grundbildende Holz zum Dammbau herzugeben. Der Damm, 8250 rheinl. Fuß lang, führt von der Grafschaft Ruppin in fast genau südlicher Richtung bis nahe vor Fehrbellin. Ihn an den Ort heranzubauen war nicht ausführbar, weil der die Waffer mehrerer Seen abführende Rhin dicht bei Fehrbellin vorbeifloß. Um mit Fuhrwerk genannten Fluß passieren zu können, wurde eine Fähre gebaut, zu welcher die Herren von Saldern „und sämtliche aus dem Hause Plattenburg interessirte das Holtz aus der Vöhlga¬ stischen Hiyde" hergegeben mußien, welches durch die „Havelbergischen Thum Capüuls-Unterthanen nach Fehr-Bellin auf die Bawstelle unentgeltlich geführt" wurde. Unter der Regierungszeit des Kurfürsten Johann Sigis¬ mund war die Fähre einmal wieder erneuerungsbedürftig geworden, und man hälte sie durch eine andere ersetzt, wenn nicht der Landesherr geplant hätte, anstatt der Fähre eine wurde,

Brücke über den Rhin bauen zu lassen.

Er

schrieb dieserhalb

Saldern zu Platlenburg bei Wilsnack: „Johann Sigismund. Churfürst rc. U. G. z. Bester, Lieber Getrewer, Wir seynb unterthänigst berichtet. Habens auch selbsten gesehen, daß die Fehre uff dem Rein bei unserm Städtlein Bellin dergestalt ein¬ gegangen und untüchtig worden, daß dieselbe nunmehr, ohne allerhand besorgende Gefahr und Schaden weiteres nichi ge¬ brauchet werden kan: Nun wollte zwar die unumbgängliche höchste Nothdurfft seyn, und erfordern, daß hinwiederumb eine neue Fehre angeleget und erbawet würde: Allein aber bedünket Uns viel bequemer und beständiger seyn, daß nicht eine Fehre, sondern eine Brücke selbiges Orts über den Reyn gemachet und verfertiget werde: Gestalt wir es dann auch Und nunmehr dahin gnädigst angeordnet und befehlen. an

Bernhard

von

Die Anfuhr des Holzes von der Vöhlgast'schen Heide bis zur Baustelle lag den Unterthanen des Havelberger Domkapitels ob. Dieselben verspürten jedoch wenig Neigung, die 130 Stämme den 7 Meilen weiten Weg zu befördern. Dieser¬ halb war der Kurfürst genötigt, unterm 2. August des Jahres 1616 sich bittweise an die Rittergutsbesitzer David v. Lüderitz zu Rakel, v. Winterfeld und die von Kröcher zu Neustadt an der Dosse zu wenden und sie in einem Schreiben um Hülfe

Holzes zu bitten. Die bezügliche Stelle in dem Briefe lautet: „Nun hat zwar der von Saldern aller Schuldigkeit nach das Holtz zu solcher Brücken in seinen

bei der Anfuhr besagten

Gehöltzen verweisen. Unser Amptschreiber zu Bellin es auch allerdings bezimmern lassen. Alldieweil es aber itzo hoch¬ nöthig seyn will, daß das Holtz angeführet werde, und es des

Duhm-Capituls zu Havelberg Unterthanen allein zu viel ist. So gefinnen und. begehren Wir an Euch hiermit gnädigst, wollet Uns den unterthänigsten und gehorsamen Gefallen er¬ weisen, und bei ewren Unlerthanen es dahin beschaffen, daß sie solch Holtz, weil ihr der Brücken mit gebrauchet, anführen

Es soll auch gantz nicht zum präjudiz, noch in consequenz gezogen werden." Wie der Amtspächler von Bellin nach Cölln a. d. Spree berichtete, hatten bis Mitte August Unterthanen des Dom¬ kapitels zu Havelberg keine einzige Fuhre geleistet, weshalb Johann Siegismund unterm 22. gleichen Monats 1616 das „Thum-Capitel" an seine Pflicht, resp. nun an die Mithülfe bei Herbeischaffung der Stämme erinnert, „sintemal ihr es zu helffen mögen;

thun schuldig." Darauf wurden dieserseits 28 Stämme angefahren, und glaubte man hiermit seiner Pflicht genügt zu haben, weshalb der Kurfürst nochmals eine Verfügung nach Havelberg erlassen mußte. Dieselbe hatte folgenden Wortlaut: „Johann Sigismund, Churfürst rc. U. G. z. Würdige, Beste, Liebe Getrewen, Uns hat Unser Amptschreiber zu Fehr-Bellin unterthänigst berichtet, daß ewre Capituls-Unterthanen bisher nicht mehr, als 28 Stück Holtz,

357 angeführet, da doch andere benachbarte von Adel, als der von Winterfeld zu Newstadt, und David von Lüderitz zu Nackel, uff Unser gnädigstes Begehren, und aus keiner Schuldigkeit, durch ihre Unterthanen fast noch so zu der Brücken daselbst

viel, als ihr durch die Ewrigen, da ihrs doch schuldig seid, anführen lassen. Und obwohl gedachter Amptschreiber bei euch hicrumb zur Beförderung des Brücken-Gebäudes mit Fleiß Anregung gethan, ist doch darauff nicht erfolgt, welches Uns Begehren demnach ob auch in Ungnaden nicht wenig mißfällt.

hiermit nachmalen in gnädigstem und ernstlichem Befehlich, ihr wollet durch gedachte ewre Capituls-Umerthanen die übrigen Höltzer zu ermeldetem Baw gehörig ungeseumet anbringen lassen, damit die Brücke bey diesem kleinen Wasser folgendes zum Stande gefertiges, und der reisende

Mann dißfalls nicht

gehindert werde. Verlassen Uns

in Vollbringung Unsers Willens zu euch. Sind ein

solches

euch

zu Gnaden gewogen.

folgende Notizen, die hier mit veränderter Orthographie wiedergegeben worden:

„1627,

sind

dänische

Truppen auf den

stein mit viel Tausend Mann zu Roß und zu Fuß durch das Land Bellin gezogen. 1628. Während des Winterquartiers ist den Pastoren des Ländchens Bellin Kontribution zugemutet worden, als sie aber beim Markgrafen, als kurfürstlichen Statlhalter, sich darüber beklagt haben, sind sie durch einen ernstlichen Befehl davon befreit worden.

1629. Die Einquartierung ist immer beschwerlicher ge¬ worden, und es wurde die Kontribution noch den ganzen Sommer hindurch gefordert. 1630. Die Einquartierung des kaiserlichen Fußvolks, sowie hat die Kontribution auch immer fortgewährt, bis endlich der König von Schweden ge¬ landet, sich Stettins bemächtigt und am Ende des Jahres die kaiserlichen Truppen fast an allen Oertern Pommerns zer¬

Datum Cölln rc. am 13.Sept.

Nun blieb den Unterthanen des Domkapitels Havelberg nichts weiter übrig, als das noch fehlende Holz anzufahren. Dieses ward jedoch nur zum Unterbau benutzt, das Holz zum Oberbau hatten die Herren v. Bredow auf Wagnitz aus ihrem Walde geliefert. — Die den

April,

Paß von Fehrbellin (der oben erwähnte Fährdamm) gekommen, die das Land 17 Wochen lang kontribuiert, bis sie von den Kaiserlichen mit Gewalt vertrieben wurden. Am 6. August. Nachdem die königlichen Truppen gewichen, ist kaiserliches Volk auf den Paß gerückt, die gleichfalls das Land kontribuiert haben. Am 20. bis 22. August ist der Fürst von Wellen¬

Anno 1616."

Brücke wurde gebaut.

den 29.

Ob mau

Bau derselben noch 1616

streut.

fertig brachte, oder ob er erst 1617 vollendet wurde, was sehr wahrscheinlich ist, kann nicht bestimmt angegeben werden.

Am 6. Dezember ist Armee unter Marazie aus dem General Pommern über Fehrbellin ge¬ 1635.

die

Das vorliegende Material giebt hierüber keinen Aufschluß. Handdienste beim Bau der Brücke zu verrichten waren die ge¬ samten Einwohner des Ländchens

kaiserliche

rückt gegen die Schweden, sind

aber folgenden Montags Abend

wieder zurückgewichen, da sich nicht allein das Trautische Regiment zuvor einquartiert Bellin, als: Bürger, Bauern, GeMimi die für Deillliiill! Das hat, sondern auch darauf ge¬ Kossäthen und Handelsleute, folgte Brandenburgische geschla¬ drr plmiiiiusiip MitzwiW m Dagamoyo. verpflichtet. Jedem beim Bau gene Völker, die ihre Bagage Behilflichen wurden vom Amte Wagen nebst Zubehör von daher alle und gelassen für einen Tag verabreicht: „1 Kaule Brot, 1 Käse und im Stich Am 24. Dezember gegen haben. 1 Quart Speise-Bier. Die Zimmerleute wurden vom Amte Fehrbellin mitgenommen Abend ist die ganze kaiserliche, kursächsische und brandenburgische bezahlt.

Vollendung des Baues durchzogen verheerend die des dreißigjährigen Krieges unser deutsches Vater¬ land, und auch die neue Brücke wurde von denselben berührt. Sie erwies sich in dem langjährigen Kriege als ein strategisch wichtiger Punkt, indem sie auf der Westseite der Havel fast die einzige passierbare Stelle für große Truppenkörper war,

Bald Furien

nach

Ruppin in das Havelland, oder um¬ begeben wollten. Mehr als einmal wurde die

die aus der Grafschaft

gekehrt, sich Brücke deshalb von verfolgten Kriegsvölkern ihres Bohlwerkes rc. braubt oder mußte die Last ganzer Armeen tragen, die über sic

marschierten. Im Kirchenbuche des Dorfes Dechtow finden

sich

hierüber

Armee im Ländchen Bellin eingetroffen, indem sich zuvor das Am Gerster'sche sächsische Regiment schon einquartiert hat. Fehrbellin anin Sachsen von der Kurfürst Dezember ist 25. Hauptquartier sein Dezember 30. bis zum gelangt und nahm

in Dechtow. 1636. Nach dem Siege der Schweden auf dem Scharfen Berge bei Wittstock, am 24. September, lagen sie drei Wochen im Lande Ruppin und der Priegnitz, haben hier wie auch im Ländchen Bellin die Mühlen eingenommen, viel Sachen ausgezraben und das Vieh weggetrieben. 1638. Am 3. Juli hat Kurfürst Georg Wilhelm zu Linum übernachtet, da er seine Armee von 16 000 Mann mit

Am Michaelstage ist die kaiserlichc-sächfische und brandenburgische Armee gegen Fehrbellin und den Fährdamm gerückt, hat darauf viel Gräben aufgeworfen, die Bagage über diesen Paß geschickt, wodurch des Ländchens Bellin meistens nach sich die Einwohner Unterdesien haben die kurfürstlichen Spandau flüchteten. Truppen unter dem Oberstlieutenant Gpldno in der Nähe von Fehrbellin hin und her gelagert und noch vollends ver¬ zehrt und verdorben, was die Kaiserlichen gelassen. 1639. Am 20. Dezember find die schwedischen Fu߬ völker aus Neu-Ruppin vor dem Paß bei Fehrbellin gewesen, haben mit Gewalt herüber gewollt, weil fie aber hierin ge¬ hindert wurden, haben fie mitten auf dem Damm eine Schanze aufgeworfen. 1640 im Januar haben die Einwohner des Ländchens Bellin abermals nach Spandau flüchten müsien, weil die Schweden aus Neu-Ruppin in das Havelland zu rücken beabfichtigten; bei ihrem Rückzüge nach Ruppin haben fie die aufgeworfene Mittelschanze auf dem Fähr¬ im Dezember v.

wie früher im Jahre 1616, so auch jetzt aus ihrem Vöhlgastschen Walde das nötige Holz zum Unterbau herzugeben. Ob Jakob von Saldern, der wahrscheinlich ein Sohn des früheren Borchard von Saldern auf Plattenburg war. welch Letzterer 1616 oben

damm erhöht und befestigt.

den Plattenburgischen Gehölzen zur

den kaiserlichen Truppen vereinigt hat.

genannte Stämme hatte verabfolgen lassen, nichts von dieser Verpflichtung, die auf seinen und seines Bruders Gütern lastete, bekannt gewesen sein mag, oder ob er nur versuchte, leichten Kaufes fich selbiger zu entledigen, ist nicht erweisbar.

Genug, er und sein Bruder unterließen es, dem Befehl des Kurfürsten Folge zu leisten und ließen unterm 28. April 1656 dieses Schreiben präsentieren:

„Churfürst!. Brandend, zu den Amptssachen ordnete Herren Praefident und Räthe.

Hoch Edelgeborene. Gestrenge, Beste, auch Edele, Wohl Ehrenvehte, Groß Achtbare und Hochgelahrte Großgünstige Hoch¬ geehrte Herren: Wir ist von E. E. Hoch Edel, Gestr. und G. G.

A. A. ein Befehl zukommen, dieses Inhalts sampt fich bei der Churfürst!, Amts Cammer-Registratur Nachricht finden sollte, daß ich und mein Bruder (Hans Siegfried von Saldern) aus

I.

Am 16. Mai ist das Zollhaus (dicht bei der Rhinbrücke gelegen) zu Fehrbellin von den Schweden an¬ gesteckt worden, wodurch mehrere Häuser in Brand gerieten. 1642. Im Februar mußten die Einwohner des Ländchens Bellin zum dritten Male nach Spandau flüchten, da die kaiserlichen Truppen, welche um Zerbst und Burg lagen, nach dem Havellande marschieren und im Ruppinschen Quartier 1641.

Fehre

bei

dem

Ampte

Bellin, das darzu bedürffende Holtz, herzugeben und anzu¬ schaffen schuldig wären. Weil aber detzhalb in meines Vaters sel. Verlaffenschaft die geringste Nachricht nicht gefunden, und ohne beständigen Grund ein solches Onus mir nicht kan auf¬

So ersuche E. E. Hoch Edel Gestr. und G. G. A. A. ich hiermit dienstfreundlich. Sie wollen mir von der in der Chursürstl. Ampts-Cammer deßhalb vorhandenen Nachricht copiam zukommen lassen, damit ich mich daraus er¬ sehen, und nebenst meinen Bruder uff uilsere Kegen-NothSolches umb E. E. Hoch Edel durfft bedacht seyn können. Gestr. und G. G. A. A. zu bedienen, bin ich avstets gcflissen, und verbleibe E. E. Hoch Edel Gestr. und G. G. A. A. bürden lassen.

nehmen wollten."

Der Zahn der Zeit hatte in den 40 Jahren sehr an der Brücke genagt, und infolge dessen, was alles die Brücke während des 30jährigen Krieges über fich ergehen lasten mußte, befand fich dieselbe in den Jahren nach Deutschlands Leidenszeit in einem Zustande, welcher bedeutende Reparaturen, resp. einen Neubau erforderte. Friedrich Wilhelm der Große Kurfürst forderte dieserhalb die Herren von Plattenburg auf,

wolver.

allstets Dienstgeflisiener

Jacob von Salder. (Schluß folgt.)

j

Kleine Mitteilungen. Das Nachtigal-Denkmal im Park zu Kamerun. (Mit Abbildung auf S. 352). Wenn man in das große Becken der Kamerunflüsse ein¬ gefahren ist und dasselbe in etwa zweistündiger Fahrt durchschritten hat, erblickt man auf dem linken Ufer des Wuri, das hier eine Höhe von etwa 10 m ausweist, zu unterst den RcgierungSpark auf der sogenannten Joßplattc. An ihn schließt sich stromauswärt der Ort mit seinen Handels¬ niederlassungen, Missionen, Schulen u. s. w. sowie den Ncgerdörfcrn der Duallas an. Inmitten des schönen Parkes steht das Gouvernement und vor ihm fast am Rande des schroff abfallenden Geländes erhebt sich aus schwarzem Syenit ein Obelisk, welcher dem Andenken Rachtig als, des crstln amtlichen Vertreters der deutschen Henschaft in Togo, Kamerun und Südwestafrika, errichtet ist. Es konnte kein schönerer Platz für denselben gewählt werden! Hier oder doch unweit dieser Stelle hißte Rachtigal am 14. Juli 1884 die deutsche Flagge und legte damit den eigentlichen Grundstein sür die Entwickelung der deutschen Macht an der

w.stafrikanischen Küste. Leider erlag er bereits am 19. April 1885 heim¬ kehrend nach Deutschland auf der Höhe von Kap Palmas einem schleichenden Fieber. Seine sterbliche Hülle wurde zuerst auf Kap Palmas bcigcbettcti aber bereits 1887 führte man seine Gebeine nach Kamerun über und vertraute sie der Erde der jungen Kolonie an. Das einfache aber schöne Denkmal, welches die Stätte seiner Ruhe schmückt, trägt auf der Porderscite das Bildnis des treuen Patrioten und Forschers und stattet dem um das deutsche Volk so hochverdienten Mann den Dank des Vaterlandes ab. Die Palmwcdcl, welche diesen stillen Ort beschatten, mahnen zur Andacht und Ehrfurcht, und ein jeder Deutsche, welcher diesen geweihten Fleck Erde betritt, erinnert sich mit Stolz jener geschichtlichen That, die Deutschland in die Reihe der Kolonialmächte Deutsche Kolonialztg. gefügt hat.

Das Denkmal für die Gefallenen der Wißmann'schcn Schutztruppc (Mit Abbildung auf S. 357). Auch in Dcutsch-Ostafrika

in Bagamoyo.

rhebt sich bereits ein Denkmal, welches die Verdienste unserer Landsleute feiert, die tat Dienste der kolonialen Bestrebungen ihr Leben gelaffen haben. Zu Ehren der in den Kämpfen in Ostafrika gefallenen Mitglieder der früheren Wißmann'schcn Schutztruppe ist in Bagamoyo ein Denkmal errichtet werden. Die Mittel zur Herstellung dieses Denkmals sind zum Teil von t cn Kameraden der Gefallenen aufgebracht worden. Als Standplatz ist die nach der Station führende breite Hauptstraße zwischen dem neuen Bezirksamte und dem Mcssegebäude gewählt worden. Das Denkmal besteht aus einer von Cement und Bruchsteinen hergestellten Pyramide, in deren vier Seiten Bronzeplatten eingelassen worden sind. Als krönender Schmuck soll später noch ein Adler mit ausgebreiteten Schwingen, auf einem Kanonenrohr sitzend, hinzukommen.

Wie Friedrich, der Große ten Diebstahl bestrafte. Der „alte Fritz" wurde nicht selten von seiner Dienerschaft bestohlen. Um alles Aufsehen zu vermeiden und Unschuldige nicht zu verdächtigen, beschloß der Monarch, seine Umgebung hin und wieder auf die Probe zu stellen, wodurch es ihm möglich wurde, den Dieben auf die Spur zu kommen oder fle auf frischer That zu ertappen. Es war ihm wiederholt passiert, daß, wenn er auf seinen Spazierritten Wohlthaten erweisen wollte, es ihm an dem nötigen Gelde fehlte und er dabei in die leere Tasche griff. Um das zu vermeiden, hatte er in seinem Zimmer stets einige Geldrollen auf dem Fensterbrett oder dem Kaminsims liegen, die er bei seinem Aus¬ gange zu sich steckte. Einmal, als er sein Mittagschläfchm hielt, wurde er gewahr, wie ein das Zimmer passierender Lakai die günstige Gelegen¬ heit benutzte und eine Gcldrolle, die ncbm dem Könige auf dem Kamin¬ sims lag, aneignete. Friedrich, der entweder durch das Geräusch erwachte oder sich nur schlafend stellte, that, als ob er nichts bemerkt habe. Er ließ den frechen Patron ruhig gehen, rief dann aber einen Kammer¬ husaren und sagte zu diesem: „Mir fehlt eine Rolle Dukaten, ich will wiffen, wer sic gestohlen hat. Ich halte mich an Dich, Du mußt Deine

359 Kameraden kennen." Der Kammerhusar beteuerte seine Unschuld und ver¬ sprach, nicht eher zu ruhen, als bis der Dieb entdeckt sei. Seine Be¬ mühungen wgren von Erfolg gekrönt. Der König erkannte in dem ihm vorgeführten Uebelthäter den Dieb wieder und fuhr ihn an: „Spitzbube Du hast mich pestohlen! Hier haft Du noch eine Nolle Dukaten; nimm sie und laufe, was Dukannst; bist Du aber nicht bald über die Grenze verschwunden Der diebische Lakai wagte nicht zu so muß ich Dich hängen lassen. leugnen und ließ sich das nicht zweimal sagen. Ein anderer Lakai, der dem Könige nach und nach ein kleines Vermögen gestohlen hatte, wurde einfach unter die Soldaten gesteckt. Ebenso gnädig verfuhr der große Fürst mit einem Stallknecht, welcher ihm eine mit Gold gefüllte Börse, die Friedrich verloren hatte, unterschlug. Letzterer zeichnete sich später in der Schlacht bei Roßbach aus und bat den Monarchen um Beförderung oder Wiederciustellung in den Hofdicnst. Friedrich hatte den Mann aufgefordert, einen Wunsch zu äußern, und als dieser nun sein Anliegen vorbrachte, schüttelte der König den Kopf und sprach: „Geht nicht! Hier hat Er 100 Ducaten, nehme Er sich ein Weib und werde Er ein ordentlicher Kerl." Dir Kriegsmacht Friedri chs des Großen beim B egsny hea-fii-rn-m erschienenUn Geschichte der jährigen Krieges, ^n oer Kurmark Brandenburg von Samuel Buchholz sind über die Armee, mit welcher Friedrich der Große den siebenjährigen Krieg begann, folgende Angaben gemacht: „König Friedrich Wilhelm I. halte eine Armee von 32 Infanterie-, 12 Kürassier-, 8 Dragoner- und 2 Husarenregimentern hinterlassen, ohne das Garnisonregiment des Obersten Persode und die Bataillone zu Memel, Pillau, Kolberg und in anderen Festungen. Im Jahre 1756 bestand die ganze Königliche Preußische Armee aus 50 Feld¬ regimentern, die sehr verstärkte Feldartillerie mit eingerechnet, und 12 Garnisonregimentern Infanterie, ohne die zerstreuten Besatzungen in kleinen Festungen, das Jnvalidencorps und 4 Landregimenter, und aus 13 Kürassier- und Karabiner-, 12 Dragoner- und 8 Husarenregimentern. Die Feldregimenter zu Fuß bestanden alle aus 2 Bataillonen, jedes von 5 Kompanien Musketieren oder Füselieren, und 2 Grenadieikompanien, ausgenommen die Garde zu Fuß und das Regiment Anhalt-Dessau, deren jedes 3 Bataillone und drei Grenadierkompanicn euthält, und die Garnisonregimenter machten zusammen 32 Bataillone aus. Im Felde aber wurden die Grenadierkompanien von den Regimentern abgesondert und formierten ihrer 4 allemal 1 Bataillon besonders. Daher bestand die Preußische Infanterie beim Ansang des Feldzuges 1756 sämtlich aus 160 Bataillonen. Die schwere Kavallerie machte 60 Schwadronen aus, Die Hwarenjede von 2 Kompanien, ohne die Garde du Corps. regimenter und 2 Dragonerregimentcr bestehen aus 10 Schwadronen, die übrigen aber nur aus 5, doch sind die Schwadronen der leichten Reiterei nicht in Kompanien geteilt. Es gingen also 1756 an leichter Reiterei 150 Schwadronen zu Felde, die mit der schweren 213 derselben aus¬ machten. Die Anzahl der Mannschaft der ganzen Armee läßt sich nicht genau bestimmen, da die Kompanien nicht bloß alle vollzählig, sondern auch die meisten mit einer Anzahl sogenanter Ucberkompletten versehen waren, um den mtstehenden Abgang sogleich wieder ersetzen zu können. Diese Macht ist dann noch durch die sächsischen Regimenter, die in Preußische Dienste zu gehen genötigt wurden, und durch verschiedene Freibataillone während des Krieges verstälkt worden." Hierzu sei bemerkt, daß nach einer von Heinatz zu dieser Stelle gegebenen Notiz Buchholz die Garde du Corps aus drei Schwadronen berechnet hat, während das Regiment bis ins Jahr 1756 nur aus einer Schwadron bestand und erst nach der Gefangennahme der sächsischen Heeres bei Pirna durch die Einreihung der sächsischen reitenden Garde auf 3 Schwadronen kam. Die 8 Husarenregimenter waren nach Buchholz weiterer Angabe: 1. Die grünen des Generalmajors von Czcculi, 2. die Leibhusaren, blau und rot, des Generals Hans Joachim von Zieten, 3. die blauen und weißen des Generalmajors Hartwig Karl von Wartenberg, 4. die weißen und hellblauen des Generalmajors Georg Ludwig von Puttkammer, 5. die schwarzen des Generalmajors von Ruisch, 6 . die blauen des Obersten von Wechmar, bald darauf des Generalleutnants von Werner, 7. die karmesinroten deS Generalleutnants von Seidlitz und 8 . die hellblauen und gelben der Generalleutnants von Malachowsly. Wilhelm Ant. Wegener.

-

Adjutant, zu beiden Seiten je zwei Gäste; der höchst im Range zur Rechten des erlauchten Gastgebers; hier nun übte Prinz Friedrich Karl Gastfreundschaft bald in heiterer, bald in ernster Weise aus, doch stets so, daß er weder sich selbst noch seinen Gästen Zwang auferlegte. Dieses erste, wie alle späteren kleinen Soupers während der Residenzzeit in Berlin, spielte sich äußerlich nach einem unveränderlichen Canon ab. Zwei große Schüsseln Austern, die eben noch Platz hatten zwischen der Lampe und den Kouvcrts, harrten bereits der Gäste; ein Jeder griff »ach Belieben zn, während im harmlosen Geplauder Neuigkeiten, oft personeller Natur, ausgetauscht wurden. Sobald die Austern verzehrt waren, wurde ein Braten gereicht, selten noch irgend etwas Anderes, und damit war die Mahlzeit beendet. Die Dienerschaft verschwand, nach¬ dem Cigarren auf den Tisch gesetzt waren, und erschien nur dann, wenn der Prinz die kleine vor ihm stehende Glocke in Bewegung setzte. Das Einschänken besorgte der Adjutant, dem ein Jeder selbst sein Glas reichte." bl. bl. Friedrich Wilhelm III. als Oberschulze. In der ehemaligen Mar kgrasschasv B « a nde »bulrg«S chwrdt "yntkk'vir Lundesherr für die Orts¬ Dieselben mußten in schulzen eine besondere Amtstracht eingeführt. einem hellgrünen Uebcrrock mit gelben Knöpfen und dunkelgrünem Kragen erscheinen. Ein grauer hoher Hut und als Zeichen ihrer Würde ein langer Rohrstock mit einem Metallknopf, sowie ein großes Schild mit dem markgräflichen Wappen auf der Brust gehörten dazu. Als König Friedrich Wilhelm III. vom 30. August bis 9. September 1833 im Schwedter Schlöffe Hof hielt und dort mit seinem Schwiegersohn, dem Kaiser Nicolaus von Rußland, zusammentraf, hatte der Schwedter Rent¬ meister Kriegsrat Hennig die sämtlichen Schulzen der Rentei in ihrer Amtstracht bestellt um den König als Herrn der Herrschaft Schwedt zu begrüßen. Dabei redeten nun die Schulzen den König als „Herr Oberschulze" an, und Friedrich Wilhelm III. zeigte sich über diese An¬ rede sehr erfreut, denn er hatte bis dahin noch leine Ahnung gehabt, daß er neben seinen vielen Titeln und Würden es auch noch bis zum

persönliche stehende

„Oberschulzen" gebracht habe. Er sprach fast mit jedem, reichte den Leuten die Hand und drückte seine besondere Befriedigung über die vielen jungen und kräftigen Leute aus, die er in der alten Markgraf¬ I'. B. schaft gesehen.

Der Orden des Totenkopfs wa r ein Damenorden, den der Herzog ÜKunrob zu JeJilfi IM Jähfe 1652 für Kavaliere und Damen

Sylvius

stiftete, und den seine Enkelin Louise Elisabeth, verwitwete Herzogin zu Sachsen, im Jahre 1709 wieder erneuerte, jedoch nur für adlige Damen. Aus dem Ordensgesetze erhellt, daß mit dem Orden auch französischen Modethorheiten entgegengewirkt werden sollte. Die Herzogin war selbst die Großpriorin des Ordens, und welche Dame von Adel zum Beitritt Neigung hatte, meldete sich bei ihr. Art. 5 lautete: Jedes Mitglied soll's dem andern bekannt machen, wenn nachteilige Gerüchte von ihm ver¬ breitet werden, um seiner Ehre durch zuverlässige Mittel zu schützen und zu retten. Art. 14: Seine Schicksale, erfahrene Beweise von besonderer göttlicher Gnade der Großpriorin melden, „welche dann in ein Protokoll aufgeschrieben" wurden, welches zur Kenntnis der Mitglieder gebracht wurde. Bei Verehelichung der Mitglieder waren Gutachten einzuziehen. Art. 7: Die Mitglieder sollen sich im Unglück mit Rath und That beystehen: Art 9: sich des Tanzes, der Maskeraden, des Schminkens enthalten, keine Mouches auflegen. Art. 10: Beim Eintritt in den Orden und jährlich am Neujahrstage giebt jedes einen freywilligen Beitrag zur Kaffe. Art. 12: Das Geld wird am Charfreytage unter die Noth¬ E. K. leidenden ausgetheilt.

Such erti sch. Roman in zwei Bänden von Wilhelm ine von Leipzig. Verlag von Ernst Keils Nachf. Preis geh.

Aus eigener Kraft.

Hillern.

6 Mk., geb. 7 Mk.

In

dritter Auflage ist nunmehr dieser bekannte Roman der Tochter der Frau Birch erschienen. Von der Mutter hat sie die „Lust zu fabulieren" geerbt, aber sie sucht ihren Empfindungen tiefere geistige Grundlagen zu geben. So ist cs auch in dem Roman „Aus eigener Kraft" der Fall, hin¬ dessen Held, ein schwächlicher Knabe, durch viele Leidensstationen geheilt, sich zu einem tüchtigen Manne entwickelt. Die körperlich durch welche Cirkeln, Prinz Friedrich Karls Cirkel. Bon den intimeren Charakteristik der Hauptpersonen, besonders der schönen, in ihre eigene der verewigte rote Prinz um sich zu versammeln pflegte, erzählt Dr. Paul verliebten Mutter, ist treffend und scharf; nicht minder scharf Schönheit Güßfeld folgendes: „Damals bewohnte der Prinz während seines, im einiger Genrefiguren und das Hereinbrechen der Silhouetten sind die Durchschnitt nur drei Monate währenden Aufenthalts zu Berlin Gemächer j Feuers und Wassers, giebt Anlaß zu lebendigen Gewalten, des elementaren im zweiten Stockwerk des Königlichen Schlofles. Dort erschien ich zur Schilderungen. W lhelmine von Hillern ist keine Vielschreiberin, sie ge¬ befohlenen Stunde, gleichzeitig mit den drei anderen geladenen Gästen, staltet aus einem Grundgedanken heraus eine mannigfach wechselnde aktiven Militärs. Der persönliche Adjutant vom Dienst empfing uns, —yspannende Handlung. anderem dessen von und fast unmittelbar darauf betraten wir ein Gemach, unternommen im 1783-84, Studienreise Friedr. Rincks Christoph reichte Prinz Königliche Ende her der Prinz uns entgegenkam. Der Aufträge des Markgrafen Karl Friedrich von Baden. Nach dem mir die Hand, bewillkommnete mich schlicht und herzlich und hatte Worte, Reisetagebuche herausgegeben von Prof. vr. phil. M. Geyer. Alten¬ welche das ganze Wohlwollen seiner Natur zum Ausdruck brachten. burg 1897. Verlag von Stephan Geibel. Geh. 3,50 Mk.. geb. 4,50 Mk. Wir traten sehr bald in ein anstoßendes Gemach; auch dieses verriet die Ninck wurde vom Markgrafen von Baden ausgeschickt, die berühmtesten mächtigen Dimensionen des Berliner Königsschlosses und war durch Deutschlands und der Schweiz aufzusuchen und durch persönlichen Männer Teppiche so Tische und bücherbeladene Oelgemälde. plastische Kunstwerke, Verkehr mit denselben zu lernen. Was er sieht und hört, vertraut er seinem hergerichtet, daß weder Pracht noch Größe in die Augen fielen, und daß Tagebuche an. Die Reise dauert acht Monate und führt ihn von Karlsruhe An der Eindruck der Behaglichkeit jeden anderen Eindruck überwog. Basel, Zürich, Tübingen, Stuttgart, Nürnberg, Jena, Weimar, nach stand Raumes einer scheinbar willkürlich gewählten Stelle des weiten Erfurt, Leipzig, Halle, Dessau, Berlin, Hamburg Göttingen, Kassel, ein kleiner runder Tisch, an welchem sechs Personen gerade bequem Platz Marburg und Gießen. Er tritt in Verkehr mit Lavater in Zürich, finden konnten. Ein dicker Smyrnatcppich war darüber gebreitet; fern Von dem Leben in Kirche, Herder in Weimar, Klopstock in Hauiburg. Tischtuch, wohl aber sechs Kouverts. der Mitte eine Moderateurlampe. Schule und Gemeinde, in dem Haufe von Theologen, Gelehrten und Der Prinz wies einem jeden seinen Platz an; ihm gegenüber saß der ■

In

360

..

Schriftstellern, von dem Leben und Treiben auf Straßen und in Gast¬ hofen, insbesondere auch vom Studentenleben giebt das Tagebuch ein —x—. Bild von seltener Frische und Anschaulichkeit.

Die Nummer 2820 der „Illustrierten Zeitung" in Leipzig enthält eingangs den Leitartikel: „Der Lippesche Erbsolgestrcit und sein Ende" mit dem Bilde des durch das Schiedsgericht anerkannten, zur Erbfolge berechtigten Regenten des Fürstentums Lippe: Ernst Grafen zur LippeBicsterfcld. Das soeben abgeschlossene 12 Deutsche Bundcsschießen in Nürnberg wird durch zwei ganzseitige Bilder des bekannten Spezial¬ zeichners der „Illustrierten Zeitung", Limmer, verherrlicht. Die Bilder zerfallen in die Gruppen: „Einzug Kaiser Maximilians I, in Nü nberg", „ein Fähnlein Landsknechte", „Edeldame im Gefolge des Kaisers", „Zieler", „Modell der Nürnberger Kaiscrburg", „Bundesbanncrwagen", „zwei Kraftleistungcn", „Schützenbrüder mit dem Nürnberger Trichter", „die Mipsbacher Lies'l". Der mit den gespanntesten Erwartungen entgegengesehencn Ballonreise Andree's zur Erforschung des Nordpols sind 4 bemeikensnerte Illustrationen gewidmet, nämlich: „Der Virgohafen auf Spitzbergen" (mit dem Ballonhaus und dem Kanonenboot Svenskhund), „Der Andree'sche Polarballon" (im Fluge über die Eiswüste), „Das Haus des Engländers Pike auf der Däneninsel mit der Gassabrik der

-

Pascha (letztere mit Nekrolog). Zu der diesjährigen, leider abgekürzten Kaiser Wilhelms Nordlandreise bringt die Nummer eine Ansicht des Hotels Stalheim am Närödal, sowie des Weiteren eine Ansicht des neuesten, zur Ausführung angenommenen Entwurfs zu einem Völker¬ schlacht-Nationaldenkmal bei Leipzig von Prof. Bruno Schmitz.-

Inhalt:

C. der

Poloniae.

Firns

Gründler

(Fortsetzung).



Historischer

Roman

von

Berliner Patrioten während

Franzosenzeit. Von Richard George. — Das Deutsche Abbilduug.) — Die Rhin— Kleine Mitteilungen:

Kolonial-Museum zu Berlin. (Mit brücke bei Fehrbellin. Von W. Boege.

Das Nachtigal-Denkmal im Park zu Kamerun (Mit Abbildung). Das Denkmal für die Gefallenen der Wißmann'schen Schutztruppe in Bagamoyo (Mit Abbildung). Wie Friedrich der Große den Diebstahl be¬ strafte. Die Kriegsmacht Friedrichs des Großen beim Beginn des sieben¬ jährigen Krieges. Prinz Friedrich Karls Cirkel. Friedrich Wilhelm III als Oberschulze. Der Orden des Totenkopfs. — Büchertisch.

Andree'schen Bnllonstation", sowie mit der Gasleitung zum Ballon. Ein doppelseitiges Bild illustriert den Fußkuß an der St. Petersstatue in der Peterskirche zu Rom am Peter- und Paulstage, resp. am 29. Juni er. «Originalzeichnung von S. Macchiati). Ein ganzseitiges Bild bringt von unserer Kriegsmarine: „Uebungen mit Fesselballons an Bord von Torpedobooten" nach einer Originalzeichnung von Willh Stöwer. An weiteren Porträts enthält die Nummer noch die des Nordpolluftsch'ffers Andrer, der Professoren Dr. Hermann Langer und Dr. Hermann Kretzschmar (zum 75jährigen Jubiläum des Universitäts-Sängervereins zu St. Pauli in Leipzig), sowie die des im Juni verstorbenen Naturforschers Steenstrup und des kaiserl ottomanischen Divisionsgenerals a. D. von Drigalski-

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Verantwortlicher Redakteur und Verleger:

Druck.der Buchdruckerei Gutenbcrg,

ssätHü

der

Mark Brandenburg und der angreifenden Gebiete. Unter Mitwirkung von

Grnst G. Kavderi« Dr. R- Ksringuier, Professor Dr. Drert)vv, Dr. H. SvendikKe, Thoodov Fsntane, StaLtrat G. Friedet, Richard George, Ferd. Merger, Gymnafialdirektor a. D. Dr. W. Krtfioartz und G. r». Witderrbructi

Dr.

herausgegeben von

Friedrich ZMesserr. XXIII. )ahrga»g.

M 31.

^ j

II

Der „Bär" erscheint wächentlich am Sonnabend und ist durch jede poftanftalt

!

Grube Mlmnicken.

landesherrlichen Briefbeförderungsanstalten sehr und jedermann konnte sie benutzen. Johann Sigismund befahl 1610 dem Amtmann Ohm

vor dem

Postverwaltern annehmen. Jene erhielten 4 Gulden jähr¬ Gehalt, letztere alljährlich ein Kleid aus der Hofschneiderei statt der Besoldung, wie aus dem Berichte

Gessmtübersicht.

Botenmeisters Frischmann vom 22 . September 1616

des

ausgedehnt,

zu ersehen ist.

seits und

Kanzleibotten

andererseits. Die

Amtsschreiber,

dreißigjährigen

lich

waren die

in Zehden (bei Freienwalde a. O.), die ihm zugebrachten Briefe nach Preußen durch reitende Boten von Stadt zu Stadt weiterzusenden. Diese Anstalt ist die „erste Reitpost" in BrandenburgPreußen. Dieselbe ist also fünf Jahre vor der Investitur des Grafen von Thurn und Taxis als Reichs -General -Erbpost¬ meister in Deutschland entstanden. Kurfürst Johann Sigis¬ mund hatte um diese Zeit 24 vereidete Boten, welche die Briefe, in Büchsen verwahrt, fortschafften. Drei Büchsen waren von Silber und nur für die Schreiben der Kurfürsten bestimmt; 21 waren von Blech oder Zinn, sie nahmen die Kanzleibriefe auf; daher führten die Boten die Namen Silberbotten einer¬

hatten, erhielten jährlich einen

blauen Uniformsrock aus der Hofschneiderei statt der Be¬ soldung und die Boten selbst aus der kurfürstlichen Hofrentei pro anno einen Rock mit einem an der linken Brustseite an¬

abgesendet.

Während der Regierung Kurfürst Georg Wilhelms hatten die Greuel des dreißigjährigen Krieges begonnen; der Postenlauf wurde in dieser schweren Kriegszeit vielfach ge¬ hemmt, und die Briefbeförderung bewirkten größtenteils Leute, die sich durchschlagen mußten, sowie reitende Feld- oder

Heerboten

(auch Feldcourier).

Im

dreißigjähr'gen Kriege ging's Der Post oft miserable, Zumal, wenn was zu schmausen drinn

Für

der Croaten Schnabel,

Da wurden Pferde ausgespannt, Der Schwager vor den Kopf gerannt Und von dem Bock gerissen! —

378

Als der eigentliche Begründer des branden, burgisch-preußischen Postwesens aber ist KurfürssiFriedrich Wilhelm, der große Kurfürst, anzusehen. Bei seinem Tode bestand in den preußischen Staaten bereits eine ununterbrochene

von dem er sagte, „daß dasselbe vor den florissanten Zustand der Commercien hochnotwendig und gleichsam das Oel vor die ganze Staatsmaschine sei". Unter seine Regierung fallen die ersten Anfänge des sog.

Postlinie von 187 Meilen Länge. Nach dem westphälischen Frieden (1648) zeichnete sich für die Ausbildung des Postwesens der damit beauftragte

Zeitungs-Komploirs,

Hofrentmeister Michael Matthias Derselbe

war im Jahre 1654

ganz

besonders

aus.

zum Oberaufseher der

Posten bestellt worden. Ihn suchte der Fürst von Thurn und Taxis vergebens durch Bestechung zu gewinnen, indem er ihm versprach, er werde ihn mit der Direktion des ganzen

Postwesens in den kurbrandenburgischen Landen betrauen und ihm soviel geben, daß er als vornehmer Edelmann davon leben könne; aber der brave Matthias war unbestechlich und riet dem großen Kurfürsten freimütig, die bereits ausgefertigte Urkunde, in welcher Thurn und Taxis das erbetene Postregal im Kurbrandenburgischen überlassen wurde, zurückzunehmen, worauf Friedrich Wilhelm (1651) dem General-Reichs-Erbpostmeister von Thurn und Taxis kurz und bündig schrieb, daß er bereits eigne Posten in seinen Landen angelegt habe und „daher zur Vermeidung allerhand Ungehörigkeiten keine anderen dulden könne." Unterm 2 . Juli 1652 erklärte ihm der Kurfürst ferner unumwunden, „daß in seinen Landen schon vorseines Großvaters Zeiten her Territorialposten gewesen seien. Seine eigene Post versähe den Dienst besser, als irgend eine fremde" rc. Selbst den Kaiser wies der große Kurfürst mit der Zu¬ mutung ab, die thurn- und toxische Post in seinen Landen einführen zu lassen. Der große Kurfürst war somit der erste deutsche Reichs¬ fürst, welcher seine Territorialposi nach den heutigen

Grundsätzen einrichtete. Er ernannte einen der höchsten Slaatsbeamlen, seinen Geheimen Staats-Rat (Minister), Reichsfreiherrn Otto von Schwerin, zum Vorstand der Posten und 1652 zum Ober-Postdirekior, und dieser zog den bewährten, in Postsachen so erfahrenen Michael Matthias in allen Postangelcgen. Freiherr Otto von Schwerin ist also heilen zu Rathe. der erste eigentliche Post-Chef in den brandenburgischpreußischen Landen. Im Jahre 1654 wurde das Postwesen eine besondere Abteilung (Departement) der Staatsverwaltung,

die sogenannte

„Postkammer".

Der Nachfolger des großen Kurfürsten, Friedrich III., belehnte, nachdem er sich in Königsberg am 18. Januar 1701 die preußische Königskrone aufs Haupt gesetzt, als König Friedrich I. zur Erhöhung des Glanzes der Königswürde den Grafen Johann Casimir Kolbe von Wartenberg mit den von ihm am 15. Juni 1700 geschaffenen ErbGeneral-Postmeisteramte.*) dessen „rechte Hand" der Postrat Christian Grabe war. Im Jahre 1712 übernahm der Staatsminister von Kamecke das General-Postmeister-Amt über die damals vorhandenen 99 Postämter. Es ist selbstredend, daß der preußische „S oldateukönrg" Friedrich Wilhelm I.. dieser große Nationalökonom auf dem Throne, die größte Sorgfalt dem Postwesen widmete,

*) Das Erb-Land-Gencral-Postmeister-Amt bekleidete zu gleicher Zeit der Fürst von Thurn und Taxis im deutschen Reich, Graf Paar in Oesterreich und Graf Platen in Hannover.

also der erste Zeitungsverkehr. Unter Friedrichs II. Regierung kam eine merkwürdige Periode der Verwaltung des preußischen Postwesens, die Zeit der sogenannten „französischen Postregie". Der König machte im Jahre 1766 die Franzosen Bernard und de la Hange zu Intendanten und Moret zum Regisseur sämtlicher Postanstalteii. Vor Beginn ihrer Amtsführung setzten diese Franzosen aber eine Kommission, bestehend aus einer Anzahl der ältesten redlichsten und erfahrensten preußischen Postbeamten ein, mit der sie gemeinsam alle einschlägigen Gegenstände berieten. Diese neue oder französische Postverwaltung wurde Postregie, auch Administration, die Versammlung der erwählten preußischen Beamten aber die Post-Kommission Von der letzteren sind alle öffentlichen Postgenannt. einrichiungen entworfen und mit Genehmigung und unter Mit¬ wirkung der neuen Oberen eingeführt worden, welche mrt wenig Abänderungen bis zum Kriegsjahre 1806 bestanden haben. Schon nach 3 Jahren. 1769, löste sich aber die französische Postherrschaft auf, weil die schändlichsten Betrügereien Bernards und Morets ans Licht kamen und der französischen Postwirlschaft ein Ende machten, deren oberste Leiter entwichen waren. Darauf übernahm der Staatsminister von Derschau das Postwesen, der denn auch die übrigen noch vorhandenen Fremdlinge mitsamt ihrem Anhange verabschiedete; dagegen blieben die von der Post-Kommission eingeführten nützlichen Anstalten und Verordnungen in Kraft. Nach Derschaus Tode machte Friedrich den

Geheimen

zum Finanzminister und GeneralMichaelis war als der Sohn eines Apothekers zu Bcrnstadt 1725 geboren. Auf Michaelis folgte im Jahre 1791 Hans Ernst Dietrich von Werder im General-Postmeisteramt. Ums Jahr 1782 wurde auf Werders Vorschlag der Geheime Kammergerichts, und Postrat von Goldbeck zum Direktor des General-Postamts und Stellvertreter des General-Postmeisters vom Könige ernannt. Dem v. Werder folgte Graf von Götter, und diesen der Staats- und Kabinetsminister, Graf von der Schulenburg-Kehnert als als General-Postmeister. Unter letzterem wurde Seegebarth 1803 zum Direktor des General-Postamtes und 1806

Finanzrat Michaelis Postmeister.

zum Präsidenten dieser Central-Verwaltungsbehörde ernannt. Dieser wackere Verwaltungschef war das Muster eines allpreußischen Beamten und hat sich in Preußens schwerster Zeit erprobt. (Man sehe die Biographie Seegebarth's in Nr. 45 und 46 des „Bär" vom Jahre 1886, XII. Jahr¬ Nach Seegebart h's Rücktritt vom Generalgang.) Postmeisteramle trat der bisherige Geheime Staatsrat von Nagler (vom 18. Juni 1821 bis zum 4. April 1823) an seine Stelle. Er war aber zunächst nur Präsident des General-Postamtes unter dem damaligen Staatskanzler Fürsten Hardenberg, als dem vom Könige ernannten Chef des Postwesens. Am 4. April 1823 wurde dann Nagler zum Generat-Postmeister erhoben, welches Amt er bis zum Jahre 1846 bekleidete. Ihn folgte Schaper, der das GeneralPostmeisteramt bis zum Jahre 1849 inne hatte.

v.

379 Nach

Schaper trat der Minister von der Heydt an

die Spitze des preußischen Postwesens.

Unter ihm fungierte

Schmückerl als Generat-Post-Direktor. Dieser und sein Nachfolger Philipsborn nahmen die Stellen von MinisterialDirekloren ein. v. Philips born war der letzte preußische General-Post-Direktor und der erste des Norddeutschen

Bundes. Ihm folgte am 1 . Mai 1870 Heinrich Stephan, der zweite General-Postdirekior des Norddeutschen Bundes und erste des deutschen Reiches, während der Reichs¬ kanzler Fürst Bismarck „Chef der Posten" war. Zu Anfang

der

dcs Jahres 1876 erlangte die Postverwaltung ihre indes frühere

Selbständigkeit wieder. Durch Ordre vom 22 . Dezember 1875 wurden die Post- und die Telegraphen-Verwaliung verschmolzen,

Stephan

„General-Postmeister" ernannt und die und Telegraphenbehörde in ein „Reichspostamt"

zum

oberste Post-

umgewandelt. v. Stephan starb bekanntlich am 8. April d. Bis zur Ernennung des General-Lieutenants a. D. v. Podbtelski zu seinem Nachfolger am 1. Juni d. hat der UnterstaatsSekretär Or. Fischer die interimistische Leitung dieses wichtigen Reichsamles geführt, und es darf gewünscht werden, daß dieser tüchtige Beamte dem neuen Chef die zu¬ verlässigste und kräftigste Stütze sein und bleiben wird.

I.

I.

Die oüvreukil'cke DrrnsteinIMe. Von Friedrich Bücker.

(Mit Abbildungen.) Die ostpreußische Bernsteinküste oder der Küstenstrich von Pillau bis Memel ist so reich an Naturmerkwürdigkeiten und Ueberraschungen,

wie vielleicht kein anderer Küstenstrich der Schon die Wandelbarkeit der Dünen und die Abhängig¬ keit menschlicher Niederlassungen an ihnen, der Wogenprall, wenn er die Grenze überschreitet, die ihn vom Fleiße des

Welt.

Landmannes scheiden soll, die Wiedergewinnung von Land durch Zurückdrängen des Meeres, das Befestigen jener wandel¬ baren Berge, die weiß aus dem blau glitzernden Meere auf¬ steigen, das Bernsteingold, das an jener Küste abgelagert worden und noch viele andere Dinge an jenem wunderbaren Strande dürften das lebhafteste Jntereffe der Reisenden und Fachmänner wachrufen. Man denke nur an die in ihrer Art einzig dastehenden Wanderdünen, die Dörfer und Kirchen ver¬ Noch jetzt ist hier und dort ein Betreten dieser ewig arbeitenden Dünen für den Unkundigen mit Gefahren verbunden, weil der scheinbar ruhende Sand sich beim Be¬ treten in kreisende Bewegung setzt und den Eindringling hinab¬ schüttet haben.

zieht. Als weitere Naturmerkwürdigkeit der Bernsteinküste gellen die Seeberge mit ihren ewig wechselnden Contouren. Or. Falkson schreibt in seinen „Spälspmmerfahrten" kurz und plastisch über dieses einzig dastehende Naturwunder: „Stets sich in der Höhe haltend und die Ränder des Strandberges abschreitend, sieht man mit Staunen die wechselnden Formationen des Bergrandes. Produkte der Sturmfluten und Regen¬ stürze des Herbstes, daher fast in jedem Jahre sich neu ge¬ staltend und verändert. Hier sieht man eine Schlucht, tief in das Land einschneidend, die eine Steilwand kahl, das Erdreich grau und weiß in Geschieben gelagert, hie und da Steine ein¬ gesprengt. täuschend einer Felswand gleichend, bis der prüfende

Stock leicht in die weiche Masse eindringt; dicht mit absteigendem Walde bedeckt.

Die

die andere Wand sich nach dem

Meere

öffnende Schlucht schließt wie eine vorgeschobene Coulisse hier und da ein Sandkegel, mit einsamem Gesträuch oder einer Zwergtanne gekrönt, nach der Düne hin ab, ein stehen ge-

bliebenes Fragment des eingestürzten Strandberges, heute noch sichtbar, im nächsten Jahre vielleicht fortgespült. Wenn man nun in der Höhe weiter schreitend diese einschneidenden Schluchten umgeht, um wieder den Rand zu gewinnen, so ge¬ langt man zu Vorsprüngen mit schroff abfallender Wand, dann wieder zu Einschnitten und Schluchten, stets wechselnder Formationen, heute anders als vor einem Jahre, im nächsten Jahre wieder umgewandelt." Als weitere Nalurmerkwürdigkeit der Bernsteinküste

heiten

gilt die

dicht neben den höchsten Schön¬

des samländischen Ostseestrandes liegende

„Wüste", in

welcher meilenweit kein Baum, kein Strauch, kein Grashalm, kein Vogel oder sonst ein lebendes Wesen zu erspähen ist. Weit und breit nichts als Sand und Düne, ein Stück „Sahara", dem man

bei

Sturm und Sandlreiben unter Umständen gar

nicht entrinnen kann.

Und dann die großartigen und mühe¬ vollen Kulturwerke der Dünenbefestigung, bei welcher Arbeit die Kräfte eines Menschengeschlechts schier verschwinden; sie gelten mit dem von der blendend weißen Nehrung tiefvunkel emporsteigenden „Schwarzori", einem hochgewachsenen Kiefern¬

wald mit Höhen, Thälern, Kesseln und Schluchten, von dessen höchstem Punkt man die entzückendste, wieder einzig in ihrer Art dastehende Doppelausficht über See und Haff (die je nach der Luflstimmung in den verschiedensten Farben schimmern) genießt, für die intereffanteste Erscheinung der Bernsteinküste. das noch zu immer neuen Beobachtungen und Ver¬

Doch

gleichungen anspornende Rätsel der Küste bleibt das Bernstein¬ gold selbst, von dem schon die ältesten Griechen wußten, daß es aus dem äußersten Norden Europas stamme. Durch die Gothen und Esthen am Baltischen Meere gelangte der dem

Golde gleich geachtete Bernstein zu den südlichen Völkern, die ihn als Schmuck, zur Verzierung von Waffen und anderen Gerätschaften, sowie als Räucherwerk verwendeten, bis er in die Türkei und nach Afrika drang, wo er auch noch wegen seiner angeblichen Heilkraft hoch geschätzt wurde.

Die Bernsteinküste, deren auch nur teilweise Bereisung bis vor noch ziemlich kurzer Zeit recht zeitraubend und be¬ schwerlich war, kann man jetzt recht bequem besichtigen.

den Nordstrand

der Küste

zu

erreichen,

Um

fährt man mit der

auf ihrer Strecke von Königs¬ bis Pillau seit sehr langer Zeit den berg vornehmsten Badeort der Königsberger Hautevolse: „NeuHäuser" zum Mittelpunkt hat; sie ist so recht dazu angethan, dem Reisenden, welcher Nation er auch angehöre, zu gefallen. Links hat man den Blick auf das Haff und zwar so nahe, daß die Wellen zuweilen die Schienen zu überspülen scheinen, und rechts genießt man einen Ausguck in ein liebliches Gelände mit Höhenzügen, auf denen die Trümmer mancher merkwürdigen Burg thronen. Pillau beginnt das ewig rollende Meer und die weiße Düne; Golfe öffnen sich, steile Strandberge fallen zur Düne ab und der Hochwald steigt zur Brandung hernieder. Von der Nordwestspitze des Nordstrandes des ost¬ preußischen Samlandes, den der weithin schauende Leuchtturm von Brüsterort ziert, erschließen sich bis in die Nähe des östlich gelegenen, größten Seebades Ostpreußens „Cranz", so ostpreußischen Südbahn,

die

schon

In

viele großartige Naturschönheiien, daß es wirklich schade wäre, wenn sie noch länger dazu verurteilt lein würden, im Ver¬ borgenen zu blühen und nach Dr. Falkson nur Wallfahrts¬ orte für die Bewohner der Provinz zu bleiben.

I

Dr. Falkson

in seinen „Strandbriefen", einem Abschnitt seiner „Spälsommerfahrten": „Mögen immerhin Georgswalde und Warnicken (zwischen Brüsterort und Cranz gelegen) zu den schönsten und erhabensten Punkten der Welt gehören, in Deutschland weiß man es nicht und wird es niemals wissen." Hochragende Uferformaiionen und bewaldete Schluchten sind die bezaubernden Reize dieses Strandes, wie schon die Namen andeuten: Warnicker Wolfsschlucht, Detroitschlucht, Georgrnswalder Wolfskessel, Gausuppschlucht rc. Reizend, ja wunderbar idyllisch gelegene Strandorie (Bäder): Rauschen und Neukuhren, die eine reiche Blumenlese von Ausflügen nach allen Richtungen von geringer Zeitdauer und geringer Anstrengung bieten, schreibt

zieren diese Küste.

Was die Reise um den Südstrand der Bernsteinküste an¬ betrifft, so dürfte diese jetzt die interessanteste sein, die man sich nur denken kann. Man fährt von Königsberg nach Cranz in einer starken Stunde mit der Eisenbahn und gelangt auch rasch mit dem geflügelten Rade von Cranz nach Cranzbeck; hier besteigt man den eleganten Salondampfer „Cranz". Ueber die Fahrt mit diesem Dampfboot nach Schwarzort und Memel äußerte sich kurz nach der Eröffnung dieser Route die „Königs¬ berger Mg. Zig.": „Solch eine Dampferfahrt über den Rücken des Kurischen Haffs gewährt durch den Anblick der Kurischen Nehrung einen seltenen und eigenartigen Natnrgenuß, wie ihn, ohne Uebertreibung, kein anderer Punkt zu bieten vermag. Nach einer kaum vierstündigen fesselnden Fahrt grüßt uns der herrliche dunkle Wald von Schwarzort entgegen. Mitten aus der Monotonie der ungeheuren Sandflächen mutet uns Schwarz¬ ort wie eine Oase in der Wüste an. Wald und Meer und Haff und Düne vereinigen sich zu einem entzückenden Ensemble des nachhaltigsten und erhabendsten Naturgenusses,

dem

Bernsteingemaches zu erhöhen.

Wer die Gewinnung des Bernsteins aus der See und aus den Tiefen der Erde in allen ihren Stadien bequem betrachten will, begicbl sich, wie eingangs dieses Artikels bereits hervorgehoben wurde, mit der ostpreußischen Südbahn

sich

und

(Schluß folgt.)

letzteres begrenzt, resp. von üppigen Ufern eingerahmt. Hier fesselt vor allem das wechselnde Farbenspiel der beiden Wasser¬

das je nach der Luslstimmung verschieden ist; bald sieht man See und Haff blau, doch bald schweift auch das Auge über die blaue See und das grüne Haff, die purpurne flächen,

See und das filberleuchlende Haff, die goldglühende See und das aschgraue Haff u. s. w. Hier am Haffufer bei Schwarzort entwickelte sich auch die alte „Beckersche Bernsteinkolonie". Die Bagger dcr Firma

Stantien u.

Becker holten hier aus dem blauerdigen Grunde bis zu einer Tiefe von 6—8 Metern das Bernsteingold herauf, das auch nahezu 3000 Jahre alte Schmuck¬ sachen barg, bei denen die Durchbohrung der Stücke, wie die des Haffs

stets konisch sich verjüngenden Löcher zeigen, noch nicht durch Metallinstrumente, sondern durch Feuersteinsplitter, erfolgte.

Aus der Zeit, wo der Bernstein vom Staate selber gewonnen verkauft wurde, indem er die Strandbewohner zum Sammeln zwang (dieser Zustand dauerte bis zum Jahre 1811,

und

nach

glücklichsten Falle

Tilsiter und anderer Ortsbewohner Ostpreußens, wird man nicht verlassen, ohne von seinem höchsten Punkte, dem Blocksberge, eine dcr entzückeitdsteu Doppelausfichten, die es giebt, zu genießen. erstere unendlich

Pillau, von hier kann er bald,

im mit Zuhilfenahme der Bernstetnbahn, das hervorragenste Bernsteingebiet von Palmniken erreichen. Schon im Jahre 1869 stiegen die Taucher der Bernsteinfirma: Stantien u. Becker, auf den Meeresgrund von Brüsterort, um das Bernsteingold aufzulesen, und 4 Jahre später entstand aus dem 1870 großartig angelegten Tagebau bei Palmnicken das Bernsteinbergwerk selbst. Ueber die Blüte und den Aufschwung der Bcrnsteiiigewinnung in diesem Jahrhundert orientieren am besten folgende zuverlässige Zahlen. Während der Selbst¬ verwaltung durch den Staat bis 1811 brachte das Bernstein¬ regal durchschnittlich jährlich etwa 22 000 Mk. In dcr Zeit der Generalpacht (bis 1837) etwa 30 000 Mk. In der Periode der Verpachtung au die Bewohner etwa 34 000 Mk. In den letzten 10 bis 15 Jahren durchschnittlich 700 000 Mk. von Königsberg

Herz und Gemüt auch willigst hingeben. Schwarzort. das Seebad der Memeler,

Man übersieht nämlich See und Haff,

bis

man sich entschloß, die Ausnutzung des Regals zu verpachten) datiert als Trophäe jenes wunderbare Bernsteinkabinet, das König Friedrich Wilhelm von Preußen dem Zar Peter dem Großen von Rußland zum Geschenk machte. Dieses mehr als köiugliche Geschenk, das einen nahezu unbe¬ rechenbaren Wert hatte, sollte wahrscheinlich ein ewiges Bündnis zwischen Preußen und Rußland anbahnen, denn es ging weit über den Rahmen des Spruches: „Geschenke erhalten die Freundschaft", hinaus. Wie „der Bär" jüngst mitteilte, ist bei diesem Geschenk das ostpreußische Gold von Künstlerhand zu unvergleichlicher Schönheit umgeprägt worden: die russische Kaiserkrone und das preußische Wappen, die Friedensgöttin mit Kriegs- und Friedensemblemen, Reichsinfignien und bedeutungsvolle Alle¬ gorien wechseln mit Blumen und Korallenästen ab. Meergötter und Nymphen und allerlei Seegethier, darunter eine Sirene, die mit einem Delphin kämpft, heben sich in wunderbarer erhabener Schnitzarbeit aus dem massigen und dennoch durch¬ sichtigen Bernstein des Grundes ab. Weder Edelmetall, noch auserlesene Juwelen. Mosaiken. Skulpturen und Gemälde find gespart worden, um den märchenhaften Zauber dieses resp.

Die Rhinbrücke bei Fehrbellin. Von (Schluß.)

Infolge

>

!

war die Rhinbrücke dreimal dreimal, Fehrbellin zerstölt und aber nur not¬ bei dürftig, wieder fertiggestellt. Zur Vornahme eines Neubaues mußte unbedingt geschritten werden, zumal fast der ganze Verkehr zwischen Hamburg und Berlin das Städtchen Fehrbellin passierte, und die Fuhrleute und die Post an höchster Stelle Beschwerde führten über den Zustand der Brücke. — Der Große Kurfürst, so sehr er auch noch mit den Schweden, insbesondere mit der Belagerung Stettins, beschäftigt war, verlor deshalb das Wohl einzelner nicht aus dem Auge und schrieb: „An den Commissarium Hans Christoph von Bredow zu Wagnitz": der schwedischen Invasion

Friedrich Wilhelm, Churfürst rc. Lieber Getreuer, demnach die hohe Nolhdurffl z. zu des ganzen Landes Besten, so wol wegen der Commercien als auch der Post halber erfordert, daß die durch den Schwedischen Einfall ruinierte Rhienbrücke wieder gebaut werde. Wir auch dcßfalls gnädigste Verordnung ergehen lassen, daß solcher Bau beschleunigt werden solle, so hat Uns Unserer Zollverwalter zu Fehr.Belltn, Johann Schneider, unterthänigst berichtet, weil das Oberholtz und Kiehnen, je und allem wege aus deren von Bredow zum Hause Cremmen und Freisack Gehöltzen hierzu hergegeben werden muffen, daß er dahero mit dem Müllen-Meister auf dem Zootzen gewesen, umb ein drey Schock Kiehnen Holtz außzusuchen, damit man es bei Zeiten fällen und beschlagen und sobald ein Frostwctter ein¬ fiele. herabfahren lassen könne; Du hättest aber Deinen Hegemeister an ihn geschicket und sagen lassen, daß weile Du Uns wegen der Hasen Jagt auff den Zootzen einen Contract getroffen, daß dahero kein Holtz ohne Entgelt abgefolget werden dürffie. Nachdem wir aber den Contract durchsehen lassen, und darinnen mit keinem Worte des Baw-Holtzes zu diesem Brückenbaw gedacht werden, als sehen Wir nicht, wie Du Dich

A. G.

dessen

entbrechen könnest.

Be¬

fehlen Dir demnach hiermit in Gnaden, und zugleich ernstlich, Dich hierunter nicht widrig zu sondern denen, die

bezeigen,

das Holtz außsuchen und fälle lassen sollen, solches ohneeintzige

Hindernüß und Entgelt alle¬ mal, so offte die Brücke repa¬ riert werden muß, abfolgen zu lassen, damit Wir nichi

widrigenfalls andere Mittel zu gebrauchen veranlasset werden

mögen.

LrsnkenhguS

Sind, rc. Cölln rc. den

14. November Anno 1676. Auf diesen ernstlichen Befehl seines Kurfürsten verantwortet fich Hans Christoph von Bredow-Wagnitz am 20 . gleichen

Monats in einem längeren Briefe an den Landesherrn und führt aus, er habe sich nicht geweigert, das Holz herzugeben, wozu er verpflichtet sei, nämlich die Hälfte Anzahl der kiefernen Stämme, die zum Oberbau der Brücke nötig seien, sondern er habe dem Johann Schneider verbieten lassen, noch ein Mehreres an Holz fällen zu laffen, wozu derselbe große Lust verspürte.

Der Zollverwalter zil Fehrbellin, genannter Johann Schneider, dem dieses Schreiben aus Wagnitz behufs Verant¬ wortung zugemittelt wurde, rechtfertigt sich am 28. November damit, er habe nicht gewußt, daß Herr von Bredow-Wagnitz nur die Hälfte der zum Oberbau nötigen Anzahl Stämme zu liefern habe, und Eichenholz wollte er fällen lassen, weil der Dompropst zu Havelberg, Herr v. d. Schulenburg, bei seiner neulichen Durchreise durch Fehrbellin ihm gesagt habe, er möge doch zusehen, ob er vom Herrn v. Bredow etwa 100 Eichen

für Herrn v. Saldern im Zotzen kaufen

weil die Anfuhr besagter Hölzer aus der Vöhlgast'schen Heide so viel Arbeit erfordere. Er. Johann Schneider, habe bei Herrn Hans v. könne,

Bredow dieserhalb Anfrage gethan, und dieser habe durch seinen

Hegemeister geantwortet: er wolle 100 Eichenstämme verkaufen, pro Stamm für 20 Groschen. Dem Rittergutsbesitzer Hans v. Bredow-Wagnitz wurde bald darauf, im Dezember 1676. nachgewiesen, daß er sämtliches Holz zum Oberbau hergeben müsse, worauf er denn auch 3 Schock Stämme fällen ließ, die man im Februar oder März 1677 nach der Baustelle beförderte. — Herr v. SaldernPlattenburg wurde nun auch bald mit Herrn v. Bredow einig über das Kaufgeld für 100 Eichenstämme. In einer am 12 . Februar 1677 von letzterem zu Wagnitz ausgestellten Quittung sagt er. daß er vom Käufer für 100 Eichen zum Bau der Fehrbellinschen Rhinbrücke „Fünf und neunzig Thaler 20 Groschen richtig erhalten habe." Mit dem Anfahren des Eichenholzes wurden die Bauern der Dörfer Brunne und Manker betraut, weil die Unterthanen des Domkapitals Havel¬ berg durch Einquartierung und Lieferung in der Kriegszett „fall gantz außgemergelt" waren. Im Sommer 1677 wurde der Neubau ausgeführt. Dreiundachtzig Jahre nach der Schlacht bei Fehrbellin. im Jahre 1758, als Friedrich der Große im siebenjährigen Kriege gegen halb Europa zu

kämpfen halte, rückten wieder einmal von Norden kommende Feinde über die Rhinbrücke Diesmal in Fehrbellin ein. waren's wieder Krieger der¬ jenigen Nation, welcher der .Name Fehrbellin für alle Zeiten keine angenehme Er¬ innerung sein wird. Kaiserin Maria Theresia hatte auch mit den Schweden einen Bund geschloffen, und gegen diese verteidigte Graf Dohna die Provinz Pommern. Als in Valmnicken. 1758 aber ein russisches Heer unter dem Stratarch Fermor in das jetzige Ostpreußen eingefallen war. mußte Graf Dohna in Eilmärschen dorthin eilen. Die Schweden hatten jetzt keinen Feind vor fich und benutzten diesen Umstand, wieder in die Mark einzudringen und. wie es in einem aus damaliger Zeit stammenden Briefe heißt, womöglich nach Berlin zu marschieren, was diesmal jedoch eben so wenig gelang wie Anno 1675.

In

Vormittagsstunden des

19. September 1758 erschienen vor der abgebrochenen Rhinbrücke zwei schwedische Husaren und verkündeten, wenn die Brücke nicht Nachmittags den

Uhr wieder hergestellt wäre, daß die von Ruppin kommen¬ den schwedischen Truppen über dieselben marschieren könnten, 3

so

würde

zerstören.

man Fehrbellin

in Brand

schießen

Die Bürger mußten notgedrungen

und dem

gänzlich

in

dieser

Ankündigung enthaltenen Befehl nachkommen und die Brücke wieder mit dem Bohlwerk belegen. Um 3 Uhr Nachmittags rückten die Feinde in Fehrbellin ein. Den Anfang machten einige Schwadronen Husaren, darauf folgte ein Bataillon vom Kronprinzl. Regiment und endlich 30 bis 40 berittene Feld¬ jäger. Die Husaren und Feldjäger rekognoszierten sogleich die Gegend von Fehrbellin. begingen aber auch viele Exzesse. Die Infanterie quartierte fich in Fehrbellin zu 15 bis 30

382

Mann in einem Hause ein, die Husaren und Feldjäger dem Amhofe.

aus

Kommandeur dieser Truppen war der Obristleutenant v. Carrnal, unter ihm standen die Majors v. Craußau und v. Snoldzky. Vor den Thoren und Gaffen der kleinen Sladt wurden Gräben gezogen und spanische Reiler gesetzt. Auf dem Kirchturm postierten sich 50 Mann Infanterie, damit sie Umschau hallen und von dort aus wie aus einer Schanze feuern könnten. Am 21 . September erschienen schon preutzische Husaren und ein Kommando Infanterie vor der Stadt. Die Preußen forderten durch einen Trompeter die schwedische Besatzung auf. fich zu ergeben. Dieselbe bat um 6 Stunden Bedenkzeit und holte unterdes aus dem Lager beim Dorfe Langen (eine halbe Meile nördlich von Fehrbellin) Verstärkungen herbei, welche über die Rhinbrücke nach Fehrbellin marschierte. Indessen war der General v. Wedel auch mit einem Korps von einigen Tausend Preußen angerückt, welcher sein Lager bei Dechtow, eine Meile süd¬ östlich von Fehrbellin. halte. Am 25. September kam es zwischen den Schweden, die nach Tarnow zu Furagieren gekommen waren, und den Preußen zu einem Gefecht, aus dem letztere als Sieger hervorgingen. Scharmützel fielen darauf alle Tage vor. Die Bürger Fehrbellins mußien täglich an den Schanzen arbeiten, welche auf der Ost- und Südseite der Stadt von den Schweden begonnen waren, eben¬ so auch an den Schanzen, welche letztere auf dem Fährdamm angelegt halten. Außerdem sollte noch die Stadt eine Kon¬ tribution von 1000 Thlr. geben, konnte aber nicht mehr als 200 Thlr. zusammenbringen. Der 28. September brachte der Stadt auf eine Stunde Erlösung, hernach aber desto größeres Unglück. Morgens um 5 Uhr beschossen die Preußen die schwedischen Schanzen, die Grenadiere erstürmten fie bald darauf mit dem Bajonett und drangen von allen Seiten in die Stadt ein. Nach einer Stunde waren von den 600 Schweden 400 gefangen, die anderen entflohen über die Rhinbrücke und den Fährdamm ins Lager bei Langen. Der stark verwundete Major von Cranffau war in die Hände der Preußen gefallen. Um den Schweden den Wiedereintritt in die Stadt zu erschweren, stetsten Wedels Krieger die Rhinbrücke in Brand und verließen darauf die Stadt. Weil gerade Regenwetter und das Holz naß war, so legte fich der Brand sehr bald. und so konnte die gegen Mittag von Langen kommende schwedische Generalität mit ihren Mannen die Brücke ungehindert pasfieren und in die Stadt rücken. Die im Straßenkampf Gefallenen wurden beerdigt, einige Bürger gefangen und ihnen mit Erhängen gedroht; die Stadt sollte geplündert und dann angesteckt werden, weil man glaubte, die Bürger hätten die Preußen herbei gerufen und seien somit Schuld an der Schweden Niederlage. Die Einwohner Fehrbellins flohen darauf in die benachbarten Dörfer, und die Feinde plünderten in der Stadt nach Herzenslust. Die wenigen zurückgebliebenen Bewohner, bejahrte Leute, wurden von den Schweden aufs härteste traktiert. Man setzte ihnen die Schwerter aus die Brust und an den Hals. durchstach ihnen mit Bajonetten, die Hände, daß sie ihr Geld hergeben sollten. Einem Zimmermann von 83 Jahren ward die Brust mit Pistolen dergestalt zerstoßen, daß er den dritten Tag starb. Mit dem Raube zogen die Schwedell über die Rhinbrücke nach Langen und mußten bald darauf gezwungen die Mark Brandenburg räumen.

Wenige Festungen und ein kleiner Bezirk Ostpreußens ausgenommen, sah unser ganzes Vaterland in den Jahren der Trübsal 1806, 7 und 8 die von Westen gekommenen Feinde. Auch in Fehrbellin sind in dieser Zeit ihrer etwa 70 000 gewesen und mußten auf ihrem Durchmärsche von der Stadt einquartiert und verpflegt werden. Mit wenigen Ausnahmen haben sie alle die Rhinbrücke betreten. In den Jahren 1812 und 1813 kamen streitbare Männer fast aller Nationen Europas über den Fährdamm und die Brücke: aber seit dieser Zeit hat Fehrbellin. Gott sei Dank! bewaffnete Feinde nicht wieder gesehen.

Später kamen noch einmal etwa 40 Franzosen nach Fehrbellin und marschierten über die Rhinbrücke nach der Grafschaft Ruppin; das waren aber Gefangene, die 1870 in den Spandauer Baracken darum gebeten hatten, auf Gütern bei der Landwirtschaft beschäftigt zu werden. Nach 1676 liegt keine Nachricht mehr vor, daß etwa die Herren v. SalderN'Plattenburg, oder das Havelberger Dom¬ kapitel oder die Herren von Bredow beim Neubau der Brücke oder bei einer Reparatur derselben ihrer Verpflichtung nicht nachgekommen wären; wahrscheinlich haben sie ihre Pflicht nach genanntem Jahre immer getreulich erfüllt. Zur Zeit baut der Staat die Rhinbrücke; obige Adelige rc. haben sich dieser durch Ablösung in Geld entledigt, die Herren von Saldern vor etwa 30 Jahren, wie ein Mitglied dieses edlen Hauses einem Fehrbelliner vor mehreren Jahren die Mitteilung machte. Berühmte Männer haben die Fehrbelliner Rhinbrücke betreten, wie aus Obigem zu ersehen, Männer, deren Namen genannt werden, so lange es Geschichte giebt. Wenn hier noch einige aufgeführt werden, so geschieht es nur, weil es fich hier am besten eignet.

Die Engländer hatten am 7. Juni 1814 den „Old. Blücher*' bei seiner Landung an das Ufer getragen, die Mädchen gesucht, ihn zu küssen und in den Besitz einer Locke von seinem Greisenhaar zu kommen, das Volk die Pferde ausgespannt seinen Wagen gezogen. Wie anders als in England konnten auch in Preußen dem Befreier des Vaterlandes aller Herzen entgegenschlagen! Auch in Fehrbellin empfing man

und

den

„Vater Blücher" mit Hochrufen und offenen Armen, als

er gegen Ende des Sommers 1816 aus den mecklenburgischen

Bädern nach Berlin zurückkehrte und über die Rhinbrücke in Fehrbellin einfuhr. Auf dem Domänen -Amte, wo Oberamtmann Hamsch wohnte, hielt General-Feldmarschall Fürst Blücher Nachtquartier. Abends wurde dem Helden von 15 Postillonen ein Ständchen gebracht, doch soll es eine Musik gewesen sein, die Steine erweichen, Menschen rc. Der Ober¬ amtmann unterließ es bei dieser Gelegenheit nicht, Sr. Exzellenz einem in der Schlacht bei Leipzig eines Fußes beraubten Invaliden Namens Engel vorzustellen. Vater Blücher bekundete bei dem Anblick des unglücklichen jungen Mannes recht großes Mitleid, erkundigte sich genau, wo er bei Leipzig gestanden

und an welchem Tage ihm das Unglück wiederfahren. Mit einem warmen Händedruck und einem blanken Friedrichsd'or

wurde Engel entlassen. Am andern Morgen bestieg Fürst Blücher den Wagen, der ihn Preußens Hauptstadt zuführen sollte, und verließ das durch den Besuch des Helden beglückte Fehrbellin, begleitet von den herzlichen Segenswünschen seiner Bewohner. Die meisten Fürsten unseres Vaterlandes find. wenn auch

383 nicht als Regenten, so doch als Prinzen einmal in Fehrbellin

wie z. B. unser hochseliger Kaiser Wilhelm I. auf einer Reise mit Seinem Vater König Friedrich Wilhelm III., welcher, wie mir von noch lebenden Personen versichert wurde, über Brunne und Fehrbellin nach Carwe fuhr, um dem Feldmarschall von dem Knesebeck einen Besuch abzustatten. Daß ein solches Ereignis einen hohen Festtag für Fehrbellin brachte, wird jedem erklärlich sein, dem die große Liebe der Märker zum Hohenzollernhause bekannt ist. König Friedrich I. und König Friedrich Wilhelm I. find ohne Zweifel in Fehrbellin gewesen und haben die Rhinbrücke passiert; denn ersterer pflegte jährlich im Herbste auf mehrere Wochen im Rhinluch der Birkhuhnjagd obzuliegen, und letzterer kam dahin, weil er sich die Urbarmachung des Luches angelegen sein ließ. Nachdem Friedrich Wilhelm I. auch einmal wieder in Fehrbellin Quartier genommen hatte, waren am andern Morgen von der Dienerschaft sieben verschiedene Gläser mit eingeschliffenen Inschriften, Monogrammen der ersten beiden Könige, Königskronen und vergoldet, zurückgelassen worden. Sie wurden nicht wieder gefordert, blieben bis vor 10 Jahren in Fehrbellin und sind dann in Potsdam der Sammlung antiker Gläser des damaligen Präsidenten von Neefe eingefügt. Als Friedrich der Große noch Kronprinz war und in Neu-Ruppin wohnte, besuchte er öfter das Schlachtfeld von Fehrbellin. Da war in Neu-Ruppin ein alter Bürger, der bei Fehrbellin unter dem Großen Kurfürsten gegen Schweden gekämpft hatte. Der wußte die ganze Bataille von Fehrbellin zu beschreiben und kannte den Wahlplatz sehr genau. Diesen Mann nahm Kronprinz Fritz einmal mit auf das Schlacht¬ feld. und der Alte zeigte und beschrieb alles so genau, daß der Thronerbe sehr mit ihm zufrieden war. Als beide wieder zurückfuhren und nördlich von Fehrbellin eben über die Rhin¬ brücke gekommen waren, dachte dcr Prinz: Du mußt doch deinen Spaß mit dem Alten haben, und fragte ihn plötzlich: „Vater, wißt Ihr denn auch, warum die beiden Herren (der Große Kurfürst und der König von Schweden) sich mit ein¬ ander gestritten haben?" Dieser sagte: „O jo, Jhro königliche Hoheit, dat will ick Se wohl seggen. As unse Chor¬ förste is jung gewest, het he in Utrecht studert, und da is de König von Schweden as Prinz ohk gewest. Da hebben nu de beede Herren fick verlörnt, hebben fick in den Haaren ge¬ legen. un dit is nu de Pieke davon!" Am 23. Juli 1779 war es, vormittags 11 Uhr. Die Straßen Fehrbellins waren mit Blumen bestreut, und Guirlanden zogen sich von Haus zu Haus über erstere hin. Die Bewohner des Ortes befanden sich auf dem Platz am Zollhause versammelt und umstanden jauchzend einen gelb gestrichenen und mit sehr hohen Rädern versehenen Wagen, von dem die dampfenden Pferde ab- und neue eingespannt gewesen und haben die Rhinbrücke betreten,

wurden. Mehrere Reiter hielten vor und hinter dem Gefährt. Von den beiden Jnsaffen des Wagens war einer der General von Görz und der andere die Majestät mit dem wunderbar gewaltigen Auge, das so klar seine Zeit, so streng, aber auch so väterlich sein Volk beherrschte, welches die bei Fehrbellin angebahnte Großmachistellung unseres Vaterlandes in zahl¬ reichen Schlachten erstritten und fest begründet hatte: Niemand anders wars als Friedrich der Große, der Abgott seiner Nation. Der König hatte an diesem Tage eine Reise durch das Rhinluch unternommen, langte zu obiger Zeit in Fehr¬ bellin an. sprach dort besonders mit dem Lieutenant Propst vom Zietenschen Husarenregiment und mit dem Fehrbelliner Auf seiner Weiter¬ Postmeister, Hauptmann von Mosch. reise führte der König mit dem neben dem Wagen herreitenden Oberamlmann Fromm aus Fehrbellin das später vom Dichter In Walchow Gleim niedergeschriebene bekannte Gespräch. traf der König seinen „alten Zielen", der sich von seinem Gute Wustrau zum Empfange des Monarchen dorthin begeben hatte. Der alte Fritz stieg aus dem Wagen, umarmte den alten General, sprach längere Zeit mit ihm und ließ dann weiterfahren. Am Abend des Tages sagte Se. Majestät bei Tlsch in Rathenow zum Oberstlieutenant v. Backhoff: „Mein lieber Backhoff, ist Er lange nicht in der Gegend von Fehr¬ bellin gewesen, so reise Er hin! Die Gegend hat sich ungemein verbessert. Ich hab' in langer Zeit mit solch einem Vergnügen nicht gereist. Ich nahm die Reise mir vor, weil ich keine Revue hatte, und es hat mir so gefallen, daß ich gewiß wieder künftig solch' eine Reise vornehmen werde!" Zweiundneunzig Jahre später, am 6 . September 1871, hielt auf demselben Platze vor dem alten Zollhause in Fehr¬ bellin ein Gefährt des Herrn Baron von dem KnesebeckCarwe. Behörden, Kriegerverein, Schützen, Jungfrauen und Schulen umstanden dasselbe, Hochrufe ausbringend den hohen Insassen des Wagens, die keine anderen waren, als Se. kaiserl. und königl. Hoheit der Kronprinz Friedrich Wilhelm, weiland Kaiser Friedrich III., und Ihre kaiserl. und königl. Hoheit die Frau Kronprinzessin, nunmehr verwitwete Kaiserin Viktoria. Die allerhöchsten Herrschaften waren im Schlöffe Rheinsberg

in Carwe Nachtquartier genommen, Wustrau besucht und waren über die Rhinbrücke nach Fehrbellin ge¬ fahren, woselbst der geliebte Hohenzoller sich in bekannter Leut¬ seligkeit mit den Anwesenden unterhielt. Alsdann fuhren die hohen Herrschaften nebst Begleitung durch die reich mit Fahnen und Guirlanden geschmückten Straßen der Stadt dem Schlachtfelde zu, um auf demselben die Stelle zu bezeichnen, an der am 18. Juni 1875 der Grundstein zu dem neuen Denkmal gelegt werden sollte, welches nun die Nachwelt er¬ innert an das blutige Ringen in heißem Kampfe und den Sieg des Großen Kurfürsten über die Feinde Kurbrandenburgs, wodurch der Grund gelegt wurde zu Preußens Macht und Größe. gewesen, hatten

Kleine Mitteilungen. Parolebücher aus der Zeit Friedrichs des Großen.

Die alten

AWM^MMMW WMIM^ÜW» Fn'edrichsbeS enthalten Ergötzliches,

Parol

1

Großen

mancherlei auch find fie gleichzeitig charakteristisch den Geist und die ganzen Verhältnisse dcr Zeit. „Das erste Bataillon", lautet ein Befehl vom 19. Mai 1752, „mit leinenen Hosen und weißen Stiefeletten auch gut gepudert. Das zweite Bataillon mit schwarzen Stiefeletten und tuchenen Hosen. Diese sind nicht gepudert. Daß keiner besoffen kommt, bei Strafe des Gaffen laufen!" Ein anderer Befehl vom 25. April 1780 lautet: „Einige Herren Offiziers und die meisten

für

Unteroffiziers, müssen sich durchaus abgewöhnen, wenn sie Züge führen, Die Herren Offiziers, so daß sie nicht so viel mit die Hände wehen heute gcwehet haben, möchten sich selbst korrigieren und ins Künftige sich bessern." Am 10. März 1788 heißt es: „Die Unteroffiziers auf den Wachten,, nechst den Gefreiten und Schildergästen müssen sehr genau Acht haben auf die großen Frauenzimmer, damit sich kein Soldat verkleidet herausschleicht." — Hierdurch mögen Damen von hohem Wüchse nicht Am 7. Oktober 1751 heißt es: selten arg geängstigt worden sein. „Wenn Lärm oder Schlägereien in den Gaffen vorfallen, so sollen die

384 Patrouillen allens arretieren und wenn auch des Prinzen von Preußen Donicstiques mit dabei wärxn." Zur Aufrechterhaltung der Disziplin bestand noch das Spießruten- oder Gassenlaufen. Der Schuldige mußte mit entblößtem Rücken durch die aufgestellte Gasse seiner Kameraden gehen, deren jeder, mit einer Rute versehen, ihm einen Hieb gab. Das geschah bei Trommel- und Pseisenklang, dessen Melodie die Soldaten den Text untergelegt hatten: „Warum bist du fortgelaulen? Darum mußt du Gassen laufen, darum bist du hier!" N. Pr Ztg. Die Köniaiii LuilQ uudHuL_Borliuer. Aui 18. September 1807 me itomgm Ltuise von Preußen aus Memel an den Probst Honstein zu Berlin: „Neigung zum Wohlthun war von jeher ein her¬ vortretender Zug in dem Charakter der Berliner: nie hat sich dieser schöner entwickelt als in dem eben beendigten unglücklichen Kriege und durch die von Ihnen, würdiger Herr Probst, angezeigte Stiftung zur Unterhaltung, Erziehung und Unterricht unberatener Knaben von armen Eltern! Für Waisen fehlt es nicht an Stiftungen mancherlei Art, aber an Hilfsbedürftige aus der genannten Klasse war bisher nicht gedacht. Diese Anstalt verdient daher allgemeinen Dank und lebhafte Teilnahme- Ich bin aber sehr gerührt durch den zarten Beweis von Achtung, Vertrauen und Liebe, den die Stifter nach Ihrem schreiben vom 12. dieses Monats mir dadurch gegeben haben, daß sie die Stiftung schrieb

nach meinem Namen benennen und unter meinen Schutz stellen wollen. Freuden nehme ich nicht nur beides an, sondern übernehme auch die nach dem Etat gemachten Unterhaltungskosten für vier Zöglinge, indem ich Sie, Herr Probst, ersuche, solche auszuwählen und nach Inhalt des vorgelegten Reglements ihnen einen Pormund zu setzen. Beikommende hundert Stück Friedrichsdor bitte ich zur ersten Einrichtung der Anstalt

Mit

zu verwenden. Der Krieg, der so viel unvermeidliches Uebel über die Nation brachte, deren Landesmutter zu sein mein Stolz ist, hat auch manche schöne Frucht zur Reife gebracht und für soviel Gutes den Samen ausgesät. Vereinigen wir uns ihn mit Sorgfalt zu pflegen, so dürfen wir hoffen, den Verlust an Macht durch Gewinn an Tugend reichlich zu ersetzen. Sie, Herr Probst, haben redlieh das Ihrige gethan, nach

diesem

Ziele hinzuleiien.

Mehrere

Ihrer würdigen Amtsbrüder

haben mit Ihnen gewetteifert. Sie haben dadurch in den Berlinern den Geist veredelt und erhalten, in welchem allein man sich im Unglück mit Würde betragen kann. Dadurch ist das Band der Liebe, welches die Nation mit ihrem Herrscher verband, nur um so fester geknüpft worden, sowie die Freude des Wiedersehens, wonach die Sehnsucht gleich D. groß ist, desto reir er sein wird. Ihre wohl affeetionierte Louise."

Einfachheit bei gekrönten Häuptern. Die einfachsten Gewänder trägt unter den gekrönten Häuptern Europas stets die Königin von England. — Der alte Kaiser Wilhelm trug in Civil auch keineswegs sehr elegante Kleider. So hatte er u. a. einen baumwollenen Regen¬ schirm, der zum Ueberflusse noch an zwei Stellen gestopit war. — Der König von Dänemark sieht in seiner abgetragenenen Civilkleidung, wenn er durch die Straßen Kopenhagens wandelt, gar nicht besonders königlich aus. — Zar Alexander III. trug am liebsten einen russischen Arbeits¬ kittel, der mit einem Lederriemen zusammen gehalten wurde. — Der König von Griechenland fährt ebenso wie der Herzog von Sparta in Athen meist mit der Pferdebahn und niemand würde ihren Kleidern an¬ sehen, daß es königliche

Mütze vom Kopfe und machte eine tiefe Verbeugung. Leopold, den dies eeremoniöse Benehmen verdroß, erwiederte die EhrstirchtLbezeugnng damit, daß er dem Kornett die Zunge zeigte und ihn unter Fluchen und Schimpfen davonjagte. Der Offizier, der sich seines Auftrags unbedingt entledigen mußte, fing die Sache nun anders an. Mit der Mütze auf dcm Kopf, trat er lärmend und polternd ins Zimmer und fragte den Mann am Ofen nach dem Feldmarschall. Nun ließ sich der Fürst schnell Degen, Hut und Feldbinde geben, bekleidete sich hiermit, doch ohne weitere Uniformstücke anzulegen, und nahm so den Rapport des Kornetts mit freundlicher Miene entgegen, darauf lud er den jungen Mann zur

— dn—

Tafel ein.

Küchertisch. Die Nummer 2822 der „Illustrierten Zeitung" in Leipzig enthält zunächst, der Reisezeit Rechnung tragend, zwei ganzseitige Alpenbilder

und zwar aus Tirol: „Das Hinterbärenbad im Kaiscrthal" und sodann aus Vorarlberg : „Die Drusenfluh und die drei Türme im Nhätikonstock." Das Tiroler Bild ist dem unvergleichlichen Gemälde der berühmten Landschaftsmalers Compton in München nachgebildet, während das Vorarlberger eine Zeichnung nach der Natur von 21. Heilmann repräsentiert. Der beiderseitige Text ist von dem bekannten Reise- resp. Alpenschriftsteller M. Koch von Berncck. Ein großes doppelseitiges Bild zeigt uns eine der bestgelungenen Schöpfungen von Luwig Dettmann, nämlich sein „Die Arbeit" betiteltes, seit 1893 auf mehreren Ausstellungen bewundenes Triptychon. Von der Internationalen Kunstausstellung zu Dresden fesselt das große ergreifende Bild „charon" (nach dem Gemälde von Jose Benlliure y Gil). Andere Bilder haben die Burg Creuzenstein in Stiederösterreich, Drontheim

mit seinem Dom letztere zum 9ll0jährigen l

Jubiläum der genannten norwegischen Stadt), den Gerechtigkeitsbrunnen auf dem Holbeinplatz in Dresden und das Panzerschiff Aegir (von Der bekannte Tiermaler unserer Kriegsmarine) zum Gegenstände. W. Kuhnert bringt eine nach dem Leben gezeichnete Tigergruppe aus dem Zoologischen Garten zu Berlin. An Porträts enthielt die Nummer u. A. Mareonis Bildnis, des Erfinders der Telegraphie ohne Draht, sowie (zum 50jährigen Dienstjubiläum) der Kavalerie Carl v. Hänisch.

Inhalt:

die Photographie des Generals

Finis

Poloniae. Historischer Roman von Preußi,che bezw. deutsche GeneralPostmeister. Von Bruno Emil König. — Die ostpreußische Bernsteinküste. Von Friedrich Bäcker. (Mit Abbildungen). — Die Rhinbrücke bei Fehrbellin. Von W. Baege (Schluß). — — Kleine Mitteilungen: Parolebücher aus der Zeit Friedrichs des C.

Gründler

tFortsetzung). —

Großen. Die Königin Luise und die Berliner. Einfachheit bei gekrönten Häuptern. Der alte Deffauer im Neglige. — Büchertisch.

—ckn—.

Gewänder sind.

Der alte Deffauer im Ncgligö. Der alte Dessauer war bekanntlich kein Freund von eeremoniösen Umständlichkeiten, sondern er war von militärischer Geradheit, derb und rücksichtslos, dabei im Dienst von eiserner Strenge. Außerhalb des Dienstes aber ließ er sich gern gehen und uiachte es sich bequem, wo er nur konnte. So stand er eines Tages im tiefsten Neglige am Ofen, um sich zu wärmen, als der als Standarten¬ träger fungierende jüngste Offizier (damals Kornett genannt vom LeibGrenadier-Regiment als Ordonnanz zu ihm kam Als er den Fürsten erblickte, nahm er trotz dessen unvorschriftsmäßiger Erscheinung die

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Verantwortlicher Redakteur und Verleger: Fr. Zillessen in Berlin dl. 58., Schönhauser Allee 141. Truck der Buchdruckerei Gutenbcrg, Berlin dl., Schönhauser Allee 141a. — Abdruck ohne eingeholte Erlaubnis ist uptersagt.

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der

Dr. Grrrst G. Kavderz,

G. Friedet, Richard

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und der angrenzenden Gebiete.

Unter Mitwirkung von Dp. R> Kövinsrrler, Professor Dp. gvedjev, Dp. H. George, Ferd. Merzev, Gymnafialdirektor a. D. Dp.

KrondicKe, Theodor Fontäne,

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Friedrich Ziliesse«. XXIII. )ahraa»g.

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11.

AugM

1897.

Finis Poloniae. Grundier.

Historischer Roman von C.

(32. Fortsetzung.)

g^Xnt Speisesaale des Dombickischen Schlosses saßen in zwei langen Reihen die zur Verschwörung gehörigen polnischen Edelleute um die mit vollen und leeren Flaschen bedeckte Tafel. Verschiedene, die man erwartet hatte, waren nicht erschienen. Die Unglücksbotschaft von der Niederlage des Nationalheeres und von Kosziuskos Gefangennahme war schon bekannt. Etliche der Edelleute hatten sie mitgebracht. Die Debatten gestalteten sich infolge davon laut und heftig. Nicht wenige, namentlich die älteren, rieten dazu, sich ruhig zu verhallen, jedenfalls erst weitere Nachrichten abzuwarten. Die jüngcren aber wollten hiervon nichts wissen. Sie behaupteten, die Niederlage sei jedenfalls übertrieben. Polen besitze noch viele Helden, die Kosziusko ersetzen könnten. Die Volks¬ erhebung müsse mit aller Kraft betrieben werden. Auf diese Weise werde es gelingen, den Preußen in den Rücken zu



kommen und sie zum Rückzüge zu zwingen. Mit den Russen werde man dann auch schon fertig werden. Die sich in diesem

Sinne äußerten, wiesen auf das Beispiel Frankleichs hin, das. auf allen Seiten von feindlichen Armeen umgeben, seine Unabhängigkeit gewahrt und seine siegreichen Armeen nunmehr außerhalb der Landesgrenzen stehen habe. des

Schon hatte man stundenlang gestritten; die Uneinigkeit spielte sich hier im kleinen ab. Man mußte aber zu einem Entschluß kommen, bevor

polnischen Reichstages

der Husarenrittmeister von seinem Rekognoscierungsritt zurück¬

Merkte dieser den Zweck der Versammlung, so ließ er ohne Frage die ganze Gesellschaft aufheben. Es war ohnehin eine große Unvorsichtigkeit gewesen, hier zusammenzukommen. kam.

Man hatte aber das plötzliche Eintreffen der Husaren nicht vorhersehen

können,

und

hernach

war

es zu

spät gewesen,

treffen. Als man sich trotz aller Mühe nicht einigen konnte, übertrug man schließlich Ladislaus von Sokolnicki die fernere Leitung der Angelegenheiten und versprach, sich seinen Anordnungen zu fügen, da man ihn für andere Verabredungen

zu

den Fähigsten hielt.

Die Gräfin Lodoiska hatte

lebhaft an der Debatte beteiligt und natürlich für rasche und energische Erhebung gestimmt. Ihre Schönheit und ihr glühender Patriotismus hatten manchen Zweifler mit fortgerissen. Ladislaus hatte sich

ihr selbstverständlich beigepflichtet. Nach Schluß der Verhandlungen teilte Ladislaus den Versammelten mit, daß die Zusammenkunft zu einer Geburts¬ tagsfeier der Gräfin gestempelt werden müsse, um sie einiger¬ maßen begründet erscheinen zu lassen. Er bat die Anwesenden, ihr ferneres Benehmen danach einzurichten. Man solle den fremden Offizieren sagen, daß die Feier seit vielen Jahren, schon zu Lebzeiten des verstorbenen Grafen, üblich gewesen

und daß sich ehemals große Jagden an sie angeschlossen. Wenn nun auch von dem letzteren Vergnügen in Ermangelung eines Hausherrn jetzt abgesehen werden müsse, so hätten die alten Freunde des Hauses doch nicht darauf verzichten wollen, der allgemein verehrten Gräfin ihre Huldigungen darzubringen sei

und einige Stunden in dem gastfreien Hause, das so schön im Mittelpunkt liege, vergnügt miteinander zuzubringen. Auch ermahnte Ladislaus die Herren, mit Rücksicht darauf, daß sie schon viel getrunken hätten nud wahrscheinlich noch mehr trinken

386 würden, doch alles zu vermeiden, was zu Reibereien mit den fremden Offizieren Veranlassung geben könnte. Die Gräfin schloß sich diesen Bitten in ihrer bezaubernden Weise an und

für jeden der Anwesenden besonders

bedenklich an. so daß sie ihn rasch durch einen heimlichen Händedruck unter dem Tische wieder beschwichtigen mußte. „Was wir lieben!" rief plötzlich die Gräfin und neigte

noch ein freund¬

ihr Glas gegen dasjenige Karls, ihn dabei starr und unter

Während nun die Diener die Abendmahlzeit anrichleten, löste sich die Gesellschaft in einzelne Gruppen auf. Bald darauf sprengte Karl von Krummensee mit seiner Begleitung auf den Schloßhof.

bezauberndem Lächeln ansehend, so daß er notwendig den Toast auf sich beziehen mußte. Während sie sich jedoch zur Rechten wandte, um mit Ladislaus anzustoßen, hatte sie mit der Gewandtheit eines Taschenspielers ihr Glas unbemerkt mit dem seinigen vertauscht, so daß auch dieser sich zufriedengestellt

hatte

liches Wort.

Wie wir wissen, nahmen die Verhandlungen mit dem Juden Aaron noch einige Zeit in Anspruch. Dann ließ die Gräfin die drei fremden Offiziere bitten, an ihrer Geburts¬ tagsfeier teil zu nehmen. Als Karl mit seinen Begleitern eintrat, stockte plötzlich die Unterhaltung, die bis dahin in polnischer Sprache geführt worden war. und aller Augen richteten sich auf die preußischen Offiziere. Die Gräfin machte gewandt der peinlichen Pause, die entstanden war, dadurch ein schnelles Ende, daß sie die Herren einander in französischer Sprache, deren alle Anwesenden mächtig waren, vorstellte.

Karl erktärte,

er sei entzückt, so

viel erlauchte Vertreter

des polnischen Adels zusammen zu finden, und er hoffe, gute

Nachbarschaft mit ihnen hallen zu können, so lange sein Dienst ihn hier fest halte. Sodann reichte ihm die Gräfin den Arm, und er führte sie an den Ehrenplatz der Tafel. An ihrer andern Seite mußte sich Fürst Ladislaus Sokolnicki niederlassen. Die übrigen gruppierten sich nach Gutdünken. Die polnischen Edelleute benahmen sich den preußischen Offizieren gegenüber mit aus¬ gesuchter Höflichkeit, wie denn überhaupt dem gebildeten Polen eine gewisse ritterliche Geschmeidigkeit eigen ist, die allerdings im Zustande der Erregung nur zu leicht von angeborener Roheit und Barbarei durchbrochen wird. Die Politik wurde wie ein noli me tangere behandelt, der beste Beweis dafür, daß Polen und Preußen in ihren politischen Ansichten nicht übereinstimmten und beide sich fürchteten, dies heikle Thema zu berühren.

Es hatte den Anschein, als befinde man sich im tiefsten Frieden. Die Unterhaltung drehte sich um Jagd, Pferde, Hunde und persönliche Erlebnisse. Allerlei Anekdoten und Schnurren wurden erzählt. Fürst Ladislaus erhob sich und ließ in einer wohlgesetzten Rede das angebliche Geburtstags¬ kind leben. Kurz, niemand der hätte Versammlung angesehen, daß sie vor kaum einer Stunde eine Beratung gepflogen, in der es sich um Sein oder Nichtsein, Tod und Leben gehandelt. Der polnische Leichtsinn kam voll¬ ständig zur Geltung. Es wurde stark getrunken, und die Lustigkeit wurde immer größer, die Gesellschaft immer lauter und lärmender. Gräfin Lodoiska machte sich ein besonderes Vergnügen daraus, ihre beiden Nachbarn zur Rechten und zur Linken damit zu ärgern, daß sie bald mit dem einem, bald mit dem andern kokettierte. Fürst Ladislaus, der doch ein besonderes Recht an die Gräfin zu haben glaubte und auch wirklich hatte, mußte alle seine Selbstbeherrschung zusammennehmen, um nicht loszu¬ brechen, wenn sie dem Rittmeister einen ihrer zündenden Blicke zuwarf. Manchmal schwoll die Zornader auf seiner Stirn

sah. Ihre beiden Nachbarn überboten sich förmlich in witzigen Redensarten und feinen Schmeicheleien ihr gegenüber, und sie ließ sich diese Huldigungen wie eine Königin als etwas Selbst¬ verständliches gefallen.

Als

schließlich die Versammlung immer aufgeregter und

die Köpfe immer heißer wurden, auch schon mancher polnische

Fluch derb und kräftig dazwischenfuhr, hielt die Gräfin es für geraten, die Tafel aufzuheben und sich zurückzuziehen. Nun wurden die Karten gebracht, und eine Pharaobank wurde aufgelegt. Diener kamen mit einer dampfenden Punsch¬ bowle und füllten unablässig die jeden Angenblick wieder leeren Gläser. Die Polen spielten leidenschaftlich, und ihre Einsätze waren hoch, so daß man sie alle hätte für Millionäre halten müssen, während bei manchen von ihnen zu Hause der Mangel an der Thür klopfte, wie sich das aus gelegentlichen Aeußerungen, die sie fallen ließen, ergab. Die preußischen Offiziere mir ihrem schmalen Etat konnten hier nicht mitthun. Sie zogen sich deshalb unter dem Vorwände allzu großer Ermüdung zurück und überließen den Polen gegen Mitternacht das Feld

allein. Diese dachten auch noch nicht im entferntesten daran, sich zur Ruhe zu begeben. Stunde um Stunde verrann, während die Leidenschaft des Spieles und der überreiche Genuß des starken Punsches die glühenden Gesichter dieser „Fürsten und

Grafen" immer gräßlicher verzerrte.

Hundertmal war man mit dem Säbel in der Faust auszufechten, aber der Bankhalter, ein alter, weißbärtiger Edelmann, der offenbar großen Einfluß besaß, wußte immer wieder Frieden zu stiften. nahe daran,

entstehende Meinungsverschiedenheiten

Endlich aber machte die überanstrengte Natur ihr Recht Einer nach dem andern sank vollständig berauscht mit dem Kopfe' auf den Tisch, oder sie machten es sich auf den mit Seide bezogenen Divans an den Wänden bcquem. unbekümmert darum, daß die beschmutzten Stiefeln die kostbaren Ueberzüge befleckten oder die scharfen Sporen sie zerrissen. Nur wenig waren imstande, sich schwankend von den Dienern in die ihnen angewiesenen Schlafgemächer führen zu lassen, wo sie sich dann unausgekleidet aufs Bett warfen. Ladislaus hatte bald nach der Gräfin die Gesellschaft verlassen und war ihr in ihr Zimmer gefolgt. Er fand sie in eine Ecke des Sofas gelehnt, die Hände unter dem vollen Busen verschränkt und lächelnd ins Leere starrend. Sie deutete stumm auf den Platz neben sich. „Sie dachten wohl eben noch an die Huldigungen des schönen Preußen. Lodoiska?" „Eifersüchtig, mein Freund? — Und wenn dem so wäre, was ginge es Sie an?" „Lodoiska! Wollen Sie mich töten, oder soll ich ihn töten?" geltend.

38?

„Brr! Warum gleich so heftig? Sie haben mir doch selbst geraten, ihn freundlich zu behandeln!" „Ja, aber die Freundlichkeit ging entschieden zu weit!" „Ihr Männer seid doch die verkörperte Selbstsucht! Daß ich dem armen Jungen ein paar verliebte Blicke zugeworfen, hat Sie gleich aus Rand und Band gebracht! Man will einmal seinen Spaß haben." ich nun aber dächte, das, was Sie zu mir von Ihrer Liebe gesagt, sei auch nur ein Spaß gewesen?" „Halten Sie ein, Ladislaus! Jetzt werden Sie beleidigend! Sie sprechen gegen Ihre bessere Ueberzeugung. Meine Liebe zu Ihnen ist so stark wie die Liebe zu meinem Vaterlande und unauslöschlich. Hier nehmen Sie — sie schloß ihren Schreibtisch auf und entnahm demselben einen Beutel mit Gold — und verwenden Sie das nach Gutdünken! Was es mich kostet, weiß ich allein. Wenn das so fortgeht, werden Sie einst eine arme Gräfin heimführen, die nichts mehr besitzt, als ihre grenzenlose Liebe zu Ihnen." Ihre Augen füllten sich mit Thränen. „Lodoiska, mein Himmel, mein Alles! Verzeihen Sie mir! Ich will nie wieder an Ihrer Liebe zweifeln." Sie reichte ihm versöhnt die Hand, die er zärtlich an die doch auch

„Wenn

Lippen drückte. „Sie hätten besser gethan, mein Freund," sagte sie innig, „wenn Sie auch jetzt nicht an meiner Liebe gezweifelt hätten. Von jenem Rittmeister scheidet mich, abgesehen von der Nationalität, schon der Unterschied der Jahre. Er ist weit jünger als ich. Im übrigen ist er ein Ehrenmann, der viel mehr Charakter hat, als die meisten der luftigen Herren hier, die mich umschmeicheln."

„Merken Sie denn aber nicht, Lodoiska. daß Sie es ihm Er ist ganz verliebt in Sie." „So laffen Sie ihn doch! Das find ja viele. Er wird nichts thun, was ich ihm nicht erlaube." „Und solch Bürschchen hat den Vorzug, täglich in Ihrer Nähe zu weilen, während ich draußen in Wind und Wetter mich herumschlage. Wie ich ihn beneide und — hasse!" „Das Beneiden ist für mich schmeichelhaft. Uebrigens haben Sie wenig Grund dazu. Er nimmt es offenbar mit seinem Dienst recht ernst und wird nicht viel zu Hause sein. Auch wird er mich nur sehen, wenn ich es ihm gestatte. Und das Hassen? Nun, er thut eben seine Pflicht, wie sie nicht von allen gethan wird in diesem unglückseligen Kriege." „Ich hoffe, daß Sie damit nicht auf mich zielen. Lodoiska?" „Nein, mein Freund, dazu kenne ich Sie zu gut. Doch nun kehren Sie zur Gesellschaft zurück, und halten Sie mit Ihrer Besonnenheit die aufgeregten Köpfe im Zaume, damit angethan haben?

scheinend die größte Ruhe. Nirgends wurde eine auffällige Bewegung unter dem Landvolke bemerkt. Die Allgegenwart der flinken Husaren und die verstärkten Garnisonen schienen alle in Furcht zu erhalten.

Auch die Edelleute, unter denen

Karl mehrere

seiner Be¬

von dem Geburtstagsfeste wiederfand, nahmen ihn mit ausgesuchter Höflichkeit auf. und manches schöne Edel¬ fräulein blickte dem schönen preußischen Rittmeister heimlich mit bewundernden Blicken nach. kannten

Der Schankwirt Aaron kam seinen Verpflichtungen mit großer Pünktlichkeit nach und hatte auch die Lieferungen für die Nachbarstationen übernommen. Seine Preise waren im großen und ganzen mäßig zu nennen, so daß die Kriegsver¬ waltung, die in der Regel alles ziemlich teuer bezahlen muß, erhebliche Ersparnisse machte.

Da Aaron

dem Rittmeister

verdanken hatte,

so

gewissermaßen sein Glück zu empfand er eine gewisse Dankbarkeit gegen

ihn, denn er war kein so schlechter Mensch, wie sein Glaubensgenoffe, der Jude Simon Levy in Gnesen. Auch der Verkehr in seinem Wirtshause

hatte

sehr

sich

Die Soldaten brachten ihre dienstfreien Stunden viel dort zu, und auch die Bauern und Kossäten, vie jetzt manches an ihn verkauften, versäumten nie. einen Teil ihres Erwerbes sofort in Schnaps umzusetzen oder von ihren Be¬ dürfnissen dies und jenes bei ihm einzukaufen. Aaron konnte in der That nur wünschen, daß es immer so bleiben möge. gehoben.

Gleichzeitig leistete er dem Rittmeister wichtige Dienste als Kundschafter. Denn er kam überall umher, und das Landvolk zeigte sich ihm gegenüber weit weniger zurückhaltend, als gegenüber dem vornehmen Ossizier und seinen Husaren.

Das Verhältnis zwischen Karl und der Gräfin gestaltete sich inzwischen ganz eigentümlich. Bald schien sie mit ihm zu schmollen, und sie ließ

sich

Tage lang nicht sehen. Dann wieder lud

sie

ihn

zu sich ein. und sie empfing ihn mit der größten Freundlichkeit. Auf die Dauer aber wurde ihr Entgegenkommen so groß, und

der bestrickende Zauber ihrer Persönlichkeit übte einen

mächtigen Einfluß auf ihn aus, daß Arabellas

so

über¬

Bild in

seiner

Seele immer mehr verblaßte und er zuletzt vollständig von dem Gedanken beherrscht war, dies stolze, schöne Weib einst sein eigen nennen zu dürfen. dem

Divan

AIs

ihr auf Sinne kaum mächtig, seinen

er eines Abends neben

saß und er, seiner

Arm um ihren Nacken legte und sie an sich zu ziehen suchte, wehrte sie ihn sanft ab und sagte: „Noch nicht, mein Freund, noch nicht! Was ich verspreche, pflege ich zu halten. Sie müssen sich aber noch gedulden!"

sie ausgeschlafen

„Lodoiska." rief er, „Sie find grausam!" „Fügen Sie sich," widerhalle sie, „vorläufig ins Unver¬ meidliche!" Dann fing sie unbefangen ein anderes Gespräch an.

hatten oder ihre Wohnung entfernt lag, war der Rittmeister von Krummensee längst wieder tm Sattel. Er war zur

Während desselben flatterte ein Nachtfalter um die Flammen der Wachskerzen, prallte aber jedesmal zurück, wenn

Station nach der anderen Seile geritten, um auch dorthin die Verbindung herzustellen, die Patrouillenritte fest, zusetzen und den Dienst von Meldereitern zu regeln. Zugleich wollte er dem dortigen Kameraden von den Anerbietungen des Juden Aaron Mitteilung machen, damit auch dieser sich, falls es ihm vorteilhaft erschien, mit dem Juden in Verbindung setze. So vergingen mehrere Wochen. Ueberall herrschte an¬

er die Hitze verspürte.



nicht noch ein Unglück geschieht!"

Als am andern Morgen die eine früher,

nächsten

der andere später,

Gesellschaft

je nachdem

aufbrach,

der

„Dieser Schmetterling," rief Karl schwermütig, „ist das Lebens. Er strebt unaufhaltsam zur Quelle des Lichts, und in demselben Augenblick, da er sich ihr vermählt, stürzt er tot zum Boden nieder."

Bild meines

„Sie lieben

starke Vergleiche,

Karl,"

entgegnete Lodoiska.

„Uebrigens kann es doch kaum etwas Schöneres geben, als

tm höchsten Genuß zu sterben! Nur das Leben nicht auskosten wollen bis auf die Hefe! Die Hefe schmeckt allemal bitter!" Solche Abende kamen seitdem häufiger. Und wie Karl, so schien auch Lodoiska mehr und mehr von dem Feuer leiden¬ schaftlicher Liebe verzehrt zu werden. (Fortsetzung folgt.)

(Mit

Abbildungen.) (Schluß.)

Die gegenwärtige erstaunliche Höhe von 700 000 Mark durchschnittlicher Jahrespacht für die Bernsteingewinnung wird man begreifen, wenn nian bedenkt, daß der heutige bekannte Verbreitungsbezirk des Bernsteins von sachkundiger Seite auf 10 Quadratmeilen geschätzt wird. Der Schwerpunkt dieses Neben Bezirks ist das Bernsteinbergwerk zu Palmnicken. dem hier gegrabenen Bernstein figuriert aber auch noch der

weil die blaue Bernsteinerde auch noch in das Meer hinausstreicht. Wie nämlich vor genau 40 Jahren Geheimrat Becker, der Chef der jetzigen Firma Stantien und getauchte Bernstein,

Becker, durch ein Stück schönen und reinen Bernstein,

das er

auf der Kurischen Nehrung kaufte, auf den Bernsteinreichtum des Kurischen Haffs bet Schwarzort aufmerksam wurde und diesen Schatz durch Anlage seiner großen Baggerei hob, so wiesen Funde an der Samländischen Küste auf in der Erde Tiefen verborgenes Bernsteingold hin, das nur auf bergmännische Weise gewonnen werden konnte. Hier muß nun der wichtige Unterschied zwischen Seebernstein und Grabbern¬ stein (kurz Seestein und Grabstein genannt) erklärt werden. Der erstere hat eine nur schwache und mehr durchsichtige Rinde, weil er durch die Wellen auf dem Seegrund gleichsam geschliffen wird, während der letztere eine stärkere, fast undurch¬ sichtige Rinde hat, welche den reinen Kern des Bernsteins gänzlich verdeckt, sodaß der Käufer nicht weiß, was „des Pudels Kern" ist. Als nun das Bergwerk in Palmnicken angelegt wurde, mußten auch Einrichtungen getroffen werden, die dem Käufer einen tieferen Blick in das Kaufobjekt gestatteten. Eine Reihe von Maschinen, die der Leser zum Teil im Bilde sieht (s. Abbildung auf S. 393). wurde konstruiert, um ähnliche Dienste dem Grabbernstein zu leisten, wie sie die Meereswellen mit dem See¬ stein verrichten. Zunächst wird der gegrabene Bernstein durch starke Wasserstrahlen von der ihn umgebenden blauen Erde befreit; dann thut man ihn in große, mit Wasser ver¬ sehene Fässer, in denen sich Besen aus Rohr bewegen; durch die Bearbeitung mit den Besen und durch das Hin- und Herwilgern verliert der Bernstein vor allem seine äußere lockere Verwitterungsrinde; damit noch nicht genug, muß er sich auch noch die Reibung in anderen rotierenden Behältern mit scharfem Sand und Wasser gefallen lassen, gerade so wie die Ketten und Nähnadeln, wenn sie blank werden sollen. Diese letztere, ziemlich scharfe Manipulation befreit ihn dann auch richtig von der letzten Rinde, sodaß der Käufer beurteilen kann — nicht unumstößlich sicher, wohl aber halb und halb mit Kenner¬ blick —, ob hier ein guter, tadelloser Kern vorliegt, oder aber ein mehr oder minder defektes Innere mit Höhlungen, Rissen und Verunreinigungen. Nach den hier genannten verschiedenen Reinigungsstadien wird der Bernstein in die Sortierungssäle (s. Abbildung auf S. 392) verwiesen, wo er. nachdem er durch Hacken möglichst

in seine natürlichen Sprünge zerteilt morden, nach Größe. Farbe und Form in eine Menge von Handelssorten klassifiziert wird. Es müßten eine Menge Namen von meist merkwürdigem Klang niedergeschrieben werden, wollten wir hier alle Handels¬ sorten nlit ihren Unternamen fixieren. Es seien nur die fünf Hauptkennzeichnungen benannt: Fliesen. Platten, Bodenstein, runder Bernstein und Firniß. Letzterer ist der kleinste Bernstein zur Lackfabrikation. Für Raucher sei noch bemerkt, daß die beste Ware zur Spitzenfabrikation „großer Spitzenstein" genannt wird, und den Damen diene zur Notiznahme, daß kleine Bernsteinperlen aus „Knibbel" fabriziert werden. Was Um nur alles aus Bernstein hergestellt wird, ist Legion. erwähnt, daß etwas weniger Bekanntes anzuführen, so sei Ringe aus Bernstein mit Rosenölkapseln nach dem Orient, Rosenkränze nach Spanien, Pferdekorallen (Bernsteinschmuck für Pferde) nach Persien, Bernsteinansätze für Opiumpfeifen nach der Türkei. Amuletts (auch mit Drachenblut gefärbte) nach China, „Bodenstein" zur Perlsabrikation als Mtttelstücke für afrikanische Korallen nach dem schwarzen Weltteil, „Knochen" zu Rauchrequisiten nach Rußland, „Kuriositäten" und „Raritäten" (Bernstein mit Einschlüssen in Hohlräumen) nach den Kabinetten aller Länder exportiert werden. Neben den Lager- und Ver¬ sandplätzen in Palmnicken ist aufs trefflichste auch für Arbeiterwohnungen, Kirche, Schule, Krankenhaus (s. Abbildung in Nr. 32. S. 381) gesorgt. Von Palmnicken bis Schwarzort, also von der Blauen Erde der Bernsteinbergwerke bis zu der Blauen Erde des Kurischen Haffs — welch ein Wechsel der Scenerie! Im Westen Georgswalde und Warnicken, die zu den schönsten Aussichtspunkten auf Meer und Land gehören, und im Osten ein Landstrich, über den es in einer Schilderung der „Ostpr. Ztg." heißt: „Auf 3(4 Meilen Weges sehen wir nichts, als nackte Düne, keinen Baum, keinen Strauch, keinen Grashalm weil und breit, keinen Vogel oder sonst ein lebendes Wesen. Zuweilen huscht über den lichten Sand der Schatten einer Krähe, die in höchster Eile über die Einöde hinwegstreicht. In dieser Wüste liegen die Dörfer Preil und Perwelk, aber nicht als Oasen, denn auch ihnen fehlt alle Vegetation; sie find vollständig unwirtsam; die einzige Nahrung, welche die Ein¬ wohner kennen, find Fische. Das wenige magere Vieh, was sie halten, müssen sie meilenweit auf die Weide schicken. Gerade auf dem halben Wege von Nidden (dem leuchtturmberühmten) bis Schwarzort lag früher noch das Dorf Regeln, das im Jahre 1825 zu versanden begann und 1838 vollständig von der Erde verschwunden ist. Das genannte Dorf Perwelk wurde vor einigen Jahren in einem einzigen Sommer dreimal von einer Wanderdüne schwer heimgesucht." Ueber die dritte Belästigung in jenem Sommer durch den weißen unheimlichen Riesen meldete ein Bericht-der „Köntgsb. Hart. Ztg.": „Am 14. September, um 10 Uhr vormittags, lösten sich von der Düne plötzlich ungeheure Sandmasien, die sich über die ganze Breite der Nehrung ausdehnten und sich überall da ablagerten, wo ihnen ein Halt geboten wurde. Dieses Sandwehen dauerte bis 5 Uhr nachmittags und war zeitweise so stark, daß Personen geschützte Räume nicht verlassen konnten.

Sämtliche Gebäude

in Perwelk waren an der nördlichen und östlichen Seite (die Dünen verschieben sich namentlich bei heftigen nordöstlichen Winden) fast bis zum Dache verschüttet. Die Dächer und alle anderen Gegenstände lagen unter einer dicken, wellen¬

389 Gleichnis erscheinst Du der wechselnden Zeit, Gleichnis des Glückes, das kommt und entweichet. Fliehend, sobald es den Gipfel erreichet.

förmig abgelagerten Sandmasse; selbst das Haff war mit einer Sandschicht bedeckt, die sich erst am anderen Morgen verteilte. Nicht in einem Brunnen war das Wasser genießbar geblieben; man mußte es erst filtrieren, um es trinken zu können. Von den wenigen Kartoffelgärten, die schon einmal ausgegraben worden, war auch nicht eine Spur vorhanden, ebenso von den Gärten und von Wegen und Stegen. Wie im Winter den Schnee, so schaufelten jetzt die Bewohner von Perwelk den Flugsand, den fie zu Wällen an ihren Gebäuden und Gärten

Welle am Strand!

Dein Los mir, so klage ich nicht! Hebe mich hoch nur und trag' mich entgegen Nur eine Weile dem Glück und dem Segen, Schenke

Welle am Strand!

aufschütteten."

Senke mich dann in das ewige Meer;

Doch auch diese ostpreußische Sahara hat ihre bezaubernden

Selbst eine Welle, verschlungen von andern, ich zum Land der Vergessenheit wandern,

als eine Nilfahrt. Jeder Tag im Sommer legt uns von Königsberg die Bahn zu den Reizen im Bernsteinküstengebiet in einer Weise frei, daß dieser Strich noch einen weiten Kreis von Verehrern finden wird. Und da Reize, bezaubernder vielleicht

Ostpreußische Wernsteinküste.

fällt mir

Will

Welle am Strand!

Grube Anus.

„Anzeigers des Westens" in in St. Louis das Licht der Welt erblickte. Wenn auf irgend eine Strandgegend, so paßt das in ihm ent¬

die Hand,

noch eine Nummer des

Gessmt-Aeberblick.

K---FeiümmMall.sLüirdeLider

der

haltene Gedicht auf die Bernstetnküste:

Welle am Strand, wo rauschest Du her? Wo ist die Wiege, aus der Du enrsprungen? Wem ist Dein klagender Seufzer erklungen. Welle am Strand?

Weilt Dir ein Liebster, wo fern über'm Meer Golden die Sonne verfinkc in den Wogen? Sprich, find zu ihm Deine Grüße gezogen, Welle am Strand?

Nein, Du bist kalt und Du weinest vor Weh'; Denn Du mußt sterben! Kaum daß Du geboren. Gehst Du im Meer des Vergeffens verloren, Welle am Strand!

Von M. Löbell.

Die Feldmarschallswürde in der brandenburgisch-preußisch. hat seit dem Jahre 1657, dem Zeitpunkt ihrer ersten Verleihung, bereits eine stattliche Anzahl berühmter Auszeichnung bekleidet. Meist wurde diese Personen wegen militärischer Erfolge oder hervorragenden Feldherrn¬ genies verliehen, doch find auch Ernennungen an ausländische Heerführer ehrenhalber erfolgt. Die nachfolgende Zusammen¬ stellung enthält die Namen dieser Feldmarschälle. deutschen Armee

26.

Juni

1657.

24. Januar 1670.

Otto

Christoph

Freiherr

f

9.

f

17. August 1693.

von

Sparr.

Mai 1668.

Johann Georg

^Fürst

von Anhalt-Dessau.

- 390 18. Februar 1670. 19.

April 1687. 1691.

1691. 1696.

Johann Georg Freiherr v. Derfflinger. 4. Februar 1695. Friedrich Graf v. Schonberg, 30. Juli 1690. Alexander Freiherr v. Spaen. Gest. 23. Oktober 1693. Heino Heinrich Graf v. Flemming. Gest. 28. Februar 1706. Johann Albrecht Graf von Barfus. 27. Dezember 1704. Alexander Hermann Graf v. Wartens¬ leben. 26. Januar 1734. Leopold I. Fürst von Anhalt-Dessau. 7 7. April 1747. Philipp Karl Graf v. Wylich und Lottum. ff 14. Februar 1719. Friedrich Ludwig Herzog von HolsteinBeck. 27. Februar 1728. Alexander Burggraf zu Dohna. Gest. 25. Februar 1728. Georg Abraham v. Arnim. 7 19. Mai 1734. Dubislaw Gneomar v. Natzmer. Gest. 13. Mai 1739. Albrecht Conrad Graf Finck von Finckenstein, ff 16. Dezember 1735. Friedrich Wilhelm v. Grumbkow. Gest. 18. März 1739. Adrian Bernhard Graf v. Borcke. Gest. 26. Mai 1741.

f

j

f

1702.

-

25.

Mai

1747.

26.

Mai

1741.

18. Septbr. 1747. 21 . Dezbr. 1751.

22 . Dezbr. 1751. 5. Dezbr. 1757.

f

2.

Dezbr. 1712.

27. Februar 1713.

26.

März

1713.

f

5. Septbr. 1713.

28.

Mai

1728.

3.

Juni

1728.

1733.

Juni

1737.

1737.

Erhard Ernst v. Röder, ff 1743. Hans Heinrich Graf v. Kalle. Gestorb. 31. Mai 1741. 1740. Curl Christoph Graf v. Schwerin. Gest. 6 . Mai 1757. 1741. Friedrich Wilhelm Herzog von HolsteinBeck. 11 . November 1749. Caspar Oilo v. Glasenapp. ff 7. August 1747. 1741. Samuel Graf von Schmettau. Gestorb. 18. August 1751. 1742. Christian August Fürst von AnhaltZerbst. 7 16. März 1747. 1742. Leopold II. Maximilian Fürst von Anhalt-Dessau, 16. Dezember 1751. 1745. Adam Christoph v. Flaiiß. ff 10. Juli 1748. 1745. Wilhelm Dietrich v. Buddenbrock. Gest. 28. März 1757. 1745. Friedrich Wilhelm v. Dossow. Gestorb. 18. Mai 1758. 1747. Henning Alexander v. Kleist. Gestorb. 22 . August 1749. 1747. Christoph Wilhelm v. Kalckstein. Gestorb. 2 . Juni 1759. Friedrich 1747. Ludwig Burggraf zu Dohna. ff 6 . Januar 1749. 1747. Dietrich Fürst von Anhalt - Dessau, Dezember 1769. 2. ff

5. August 1739. 6. Juni 1740.

31.

Juli

5.

Juni 1741.

Sommer 16.

Mm

17.

April

18.

März

19.

März

15.

Juli

24.

März

24.

Mai

24.

Mai

24.

Mai

f

f

14. 1.

Dezbr.

1758.

Mai

1760.

Januar 1787.

17. August

1793.

1795. 12 . Februar 1797.

1798.

Friedrich Sigmund v. Bredow. Gestorb. 16. Juni 1769. Joachim Christoph v. Jeetze. Gestorb. 11. September 1752. Jacob Keich. -j- 14 Oktober 1758. Friedrich Leopold Gras v. Geßler. 22 . August 1762. Hans v. Lehwaldt. -s- 16. Novemb. 1768. Moritz Fürst von Anhalt-Dessau. Gest. 11 . April 1760. Ferdinand Herzog von Braunschweig. Wolffenbüttel. 1' 1792. Friedrich Landgraf von Hessen-Kassel, ff 13. Oktober 1786. Karl Wilhelm Herzog von BraunschweigWolffenbüttel. ff im Oktober 1806. Wichart Joachim v. Möllendorff. Gest. 1816 Friedrich Eugen Prinz von Württemberg, 1797. Wilhelm Landgraf von Hessen-Kassel, ff 1821. Alexander Friedrich v. Knobelsdorff, 10. Dezember 1799. Ludwig Karl v. Kalckstein. ff 1800. Alexander Prinz von Württemberg, 1817. Wilhelm Magnus v. Brünneck.

f

f f

1798. 1800. 1805. 3. 21 .

Juni Juni

f

Graf

1807.

Friedrich

1807.

ff 16. Juni 1818. Rene Wilhelm de I'Homme de Courbisre.

16. Oktober 18 3.

1815.

1817.

Adolph

v.

Kalkreuth,

1- 23. Juli 1811. Gebhardt Lebrechl Fürst Blücher von Wahlstatt, ff 12 . September 1819. Arthur Welleslei). Herzog von Wellington, Köntgl. Großbr. Generalfeldmarschall. ff 1852. Hans David Ludwig Graf Pork v. Wartenburg, 1830. Friedrich Graf Kleist v. Nollendorf. Gest. 1823. Neidhardt Graf v. Gneisenau. Gestorb. 23. August 1831. Hans Ernst Karl Graf v. Zieten. Gest. 1848. Hermann v. Boyen. 15. Februar 1848. Friedrich Karl Freiherr v. Müffling. genannt Weiß, ff 16. Januar 1851. Freiherr v. d. Knesebeck, ff 12 . Januar 1848.

f

1821. 1830.

1838. 7. Oktober 1847.

1847.

1847. 1850.

f

Sergius Graf Paskewitsch v. Eriwan. Fürst von Warschau. Kaiser!, russ. Gener.Feldmarschall. 1. Februar 1856. Friedrich Burggraf zu Dohna. Gestorb. 21 . Februar 1859. Friedrich Freiherr v. Wrangel. Gestorb. 1 . November 1877.

f

1854. 15. August

1856.

28. Oktober 1870.

KronprinzFriedrichWilhelm(FriedrichIII.). ff 15.

28. Oktober 1870.

Juni 1888.

Prinz Friedrich Karl,

f 15. Juni 1885.

391

1870.

April 1871. 8.

16. 1.

April 1871. Juni

1871

Januar 1873.

19. Seplbr. 1873.

als

freundschaft genoffen; erst als der Versailler Hof seine Sache aufgegeben hatie und der Sieg der österreichisch-russischen Partei

Prinz Georg von Sachsen. Prinz Albrecht von Preußen.

27. März 1735 aus Königsberg aufgebrochen war, noch einige Wochen in Angerburg aufgehalten hatte, traf er am 16. Mai früh um 6 Uhr in Berlin ein. Trotz so früher Stunde war es doch bereits zu spät für ihn. um noch der großen Revue beizuwohnen, welche der König von Preußen an diesem Tage abhielt; dafiir hatte er wenigstens das Vergnügen, von den Fenstern des Michaelischen Hauses in Cölln die rückkehrenden Regimenter zu sehen. Quartier nahm Stanislaw bei dem französischen Gesandten, dem Marquis de Chetardie. Am folgenden Tage begab sich der König um 11 Uhr auf das Schloß, um Friedrich Wilhelm seinen Besuch abzustatten, den dieser bereits eine Stunde später erwiderte. Daniit war Stanislaw aus seinem bisherigen formellen Jncognito heraus¬ getreten, und die offiziellen Beziehungen waren eröffnet. An der Mittagstafel im Hause des französischen Gesandten sah man heute den König, den Kronprinzen, die übrigen könig¬ lichen Prinzen und einige preußische Generäle als Gäste. Folgenden Tages mußten sich auf ausdrücklichen Befehl Friedrich Wilhelms sämtliche in Berlin anwesenden Minister zu Stanislaw verfügen, um ihm ihre Aufwartung zu machen und ihre Glückwünsche zu seiner glücklichen Ankunft darzu¬ bringen. Am Morgen dieses Tages schon hatte der König durch den Oberstallmeister von Schwerin dem Polen eine kost¬ bare Kutsche, welche das polnische Wappen führte, als Geschenk anbieten laffen; in ihr begab sich Stanislaw mittags auf das Schloß, um sich der Königin vorzustellen. An ein Prunkmahl im Pfeilersaal schloß sich eine Besichtigung des Refidenzschloffes und später eine Rundfahrt durch die schönsten Straßen der Stadt. Wichtige politische Angelegenheiten müssen überdies an diesem Tage zwischen den beiden Königen zur Sprache gekommen sein. Stanislaw wird seinrm Gastgeber eröffnet haben, daß er nicht mehr an der polnischen Krone festhalte; denn Friedrich Wilhelm ließ damals den kursächfischen Gesandten von Manteuffel wissen, daß er seinen Herrn als König von Polen anzuerkennen willens sei, eine Botschaft, welche Man¬ teuffel sogleich durch einen Eilboten dem Kurfürsten über¬ mittelte.

f

März

1888. 15. Juni 1888. 19. Juni 1888. 27. Septbr. 1893. 15.

König Albert von Sachsen. Karl Friedrich von Steinmetz. Gestorb. 2 . August 1877. Eberhard Herwarth von Bittenfeld. Gest. 2 . September 1884. Helmuth Graf v. Moltke. 7 24. April 1891. Albrecht Theodor Emil Graf v. Roon. 7 23. Februar 1879. Edwin Hans Karl Freiherr v. Manteuffel. 17. Juni 1885. Leonhard Graf von Blumenthal.

Erzherzog Albrecht von Oesterreich.

LW MMW-ÄWL.

GM

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Von Dr.

Friedrick »ilhclms I.

I.

Gebauer.

Das Einvernehmen, welches im Jahre 1728 der Vertrag Berlin zwischen Oesterreich und Preußen geschaffen hatie, hielt auch noch in den nächsten Jahren stand. Im Dezember 1732 brachte es Oesterreich in der Löwenwoldischen Ueberzu

Preußen bei der neu auftauchenden eine Habsburg genehme Stellung einnahm; es versprach — entgegen Frankreich, welches Stanislaw Leszcynski, ehemals polnischer König von Karls XII. Gnaden, jetzt aber Schwiegervater Louis XV., zum Nachfolger Augusts des Starken ausersehen hatte —, die Kandidatur des Jnfauten Don Emanuel von Portugal zu unterstützen. Als jedoch im Januar 1733 August von Polen starb, sprang die Stimmung des österreichischen und mit ihm des russischen Hofes um: man zog es vor, den Portugiesen fallen zu lassen und den Kurfürsten August III. von Sachsen den Polen als König zu empfehlen. Auch Preußen war bereit, sich den Ostmächten anzuschließen, wenn ihm der Sachse den Besitz von Kurland gewährleistete. Da sich dessen aber der Kurfürst hartnäckig weigerte und Oesterreich und Rußland schließlich ohne Preußen sich mit ihm- verständigten, so trat Preußen auf einen Neutralitätsstandpunkt, der nach und nach sogar ein gewisses Wohlwollen gegen Stanislaw nicht ver¬ einkunft

polnischen

zuwege,

daß

Erbfolgefrage

kennen ließ.

Jncognuo und vielleicht auch wirklich unerkannt, war Stanislaw von Frankreich aus im August 1733 durch Preußen und auch durch Berlin nach Polen gereist: am 11 . und 12 . September wurde er fast einstimmig bei Warschau zum Könige erwählt. Indes sah er sich, von seinen Parteigängern matt unterstützt, bald genötigt, eine Position nach der andern dem russischen Heere preiszugeben, welches Polen für August von Sachsen erobern sollte. Endlich auch in Danzig von den Ruffen belagert, entkam er auf preußischen Boden nach Königs¬ berg. Jetzt zeigte sich recht die echte, untadelige Gesinnung König Friedrich Wilhelms I. Mit Unwillen wies er das Ansinnen des Kaisers ab, den Flüchtling nach Rußland aus¬ zuliefern, befürwortete vielmehr nun seine Anerkennung als König. Der Kronprinz Friedrich selbst reiste nach Königsberg und lernte dort den feingebildeten Stanislaw kennen und schätzen. Zwei Jahre hat Stanislaw die preußische Gast'

damit entschieden war, machte sich Stanislaw auf. um nach Frankreich zurückzukehren. Vom fernen Osten bis zum äußersten Westen führte er seine Reise möglichst auf preußischem Gebiete aus, wo man ihm überall die königlichen Ehren unverkürzt zu teil werden ließ. 'Von Königsberg an begleitete ihn der preußische Generalleutnant von Katte; allerorten erfolgte die Verpflegung auf Kosten Friedrich Wilhelms, der gleicherweise Befehl erteilt hatte, dem Zuge des Königs stets freies Vor¬ spann

zu

gewähren.

Nachdem

sich

Stanislaw,

der

am

Da man in der Zeit der Truppenbesichtigungen stand, alljährlich im Mai die Mehrzahl der brandenburgischen Regimenter nach Berlin führten, so wohnte König Stanislaw am 19. Mai einer Parade über das Glasenappsche Regiment bei; er speiste hernach beim Kronprinzen Friedrich und nahm eine der größten Sehenswürdigkeiten der Hauptstadt in Augen¬ Tags darauf fand die Mittagstafel schein, das Zeughaus. wiederum beim Herrn de Chetardie statt, am Abend aber ver¬ anstaltete die Königin zu Ehren Leffcynskis im Schlosse die

Monbijou eine Festlichkeit, bei welcher es höchst ,,magnific[ue“ herging. Es ward daselbst „von allen Großen des Hofes

392 und sämtlichen Dames die Cour gemacht und Apartement gehalten, anbei auch ein anmutiges Concert von denen besten Virtuosis praesentiret." Nachdem die Tafel aufgehoben war, nahm König Stanislaw von seinem Wirte, von der

Königin und von dem Kronprinzen einen „sehr tendren" Abschied,

wobei

man

sich

sicherte.

Vor allem wird

gerührt

haben,

gegenseitig beständiger Treue ver¬

das Herz Friedrich Wilhelms als ihm sein Gast als Gegenleistung für die erwiesene Freundlichseit verhieß, er wolle ihm aus Frankreich fünfzig der größten Leute zuschicken. Am 21 . Mai morgens um 1/2 8 Uhr verließ Stanislaw, jetzt von dem preußischen Obersten Truchseß von Waldburg geleitet, die preußische Hauptstadt; drei Salven aus 90 Kanonen brachten ihm von den Wällen Berlins den Scheidegruß. Er wandte sich zuerst nach Potsdam, um dort das größte der damaligen Weltwunder anzustaunen, das Leibgrenadierregiment des Königs, die „langen Kerls". Dann ging der Weg über Brandenburg, Magdeburg, Halberstadt, Hildesheim, Minden. Wesel und Geldern nach Frankreich hinein. Ob Stanislaw es

sein Versprechen, dem Könige lange Grenadiere zu beschaffen,

eingelöst hat,

weiß

ich

-

licher denn sonst; das Gymnasium, die langersehnte Stätte der höheren Jugendbildung, war soeben durch einen erhebenden Einweihungsakt seiner idealen Bestimmung würdig gemacht; das achtbare Kollegium der Stadtväter war durch eine glücklich durchgeführte Ersatzwahl wieder vollzählig geworden, und die Salamonsche Zeitung, der Fortschritt betitelt, harte eine erhöhte Auflage zu verzeichnen — da donnerten dröhnende Böllerschüsse zu Thal und kündigten den Beginn der Weinlese an. Unwill¬ kürlich wurde ich an meine Schulzeit erinnert; unser alter

Lehrer Falkenberg, der uns manche Lebensregel mit ins Leben gegeben hat. pflegte bei Besprechung des Demokratenjahres 1848 auch die örtlichen Verhältnisse zu schildern: Steine find ins Schulzimmer geflogen — immerhin möglich —, ein Häuflein regulärer Truppen aber blieb in abwartender Stellung vor den Thoren, weil die „Schränke" (so heißen die zu vielen einzelnen Ständen vereinigten Weinpfähle) für Kanonen gehalten wurden, die ihre Mündungen von den Bergen ver¬ derbendrohend übers Thal richteten — eine sonderbare und kaum glaubliche Geschichte.

Das Jahr

1868

war, der Neid muß

es

lassen,

besonders gutes Weinjahr.

nicht;

überhaupt

ein Es

doch

war

reich,

ganz andere Zeit, noch ein Teil der berühmten guten alten;

ließ die Königin von Frank¬ Maria Leszcynska, später zum Dank für die Aufahme, welche ihr Vater in Preußen

damals

eine

der feurige Rebensaft der Neiße-

gefunden, durch Cheiardie drei Garnituren kostbarer Teppiche aus Gold, Silber und Seide an

berge

war

noch

nicht

durch

Wilhelm Stanislaw gegenüber

Hopfen und Malz verdrängt worden; auch der Astheimer, sage Apfelwein, spielte noch eine bescheidene Rolle. Ich sehe noch immer den Sturm der Entrüstung, als ein Fremdling

beobachtete, über rein äußerliche

den spießbürgerlich angehauchten

Höflichkeitserweisungen hinaus,

Eingeborenen

Friedrich Wilhelm überreichen. Ohne Zweifel geht das Ver¬ halten, welches König Friedrich

bedeutet vielmehr eine bewußte

gewollte Annäherung an Kerilfleln-ßergMrk in Frankreich. Bereits im März 1735 hatte Friedrich Wilhelm in dieser Richtung einen beachtenswerten Schritt gethan: er hatte Ringe anfertigen lassen mit der Umschrift „Vive le Roi Stanisla“ und die¬

und

an angesehene Personen seines Vertrauens ausgeteilt. Versailles erfuhr man von der Aufmerksamkeit des preußischen Hofes und vergalt sie in entsprechender Weise. Louis XV. verfügte nämlich, daß sämtliche in Paris oder Versailles erscheinenden Offiziere eine Kokarde von weißem Bande mit der schwarz-gestickten Inschrift ,,Vive le Roi de

selben

In

Prusse“

Die unerhörte Ver¬ nachlässigung, welche Oesterreich nach dem Friedensschluß mit Frankreich gegen Friedrich Wilhelm an den Tag gelegt hatte, verstimmte diesen auf das tiefste, sodaß der Empfang, welchen er Stanislaw in Berlin bereitete, als eine unmittelbare am

Hute

zu

tragen hätten.

Demonstration an die Adreffe des anmaßenden Donaureiches betrachtet werden muß.

Es war am 8 . November 1868. Die Glocken der alt¬ ehrwürdigen Stadl- und Hauptkirche zu Guben läuteten feier-

gegenüber

die

Bezeichnung Dreimäni.erwein — einer trinkt, zwei stützen Ualmnilken. Zortiersnnl. ihn — durchblicken ließ. Zweierlei hat mir immer Bewunderung abgenötigt, Gubens Berge und ihre Bewohner. Nach den Geographen Ritterscher Richtung soll zwischen Land und Leuten ja ein ursächlicher Zusammenhang bestehen; es muß wohl so sein. Ich kann mir in das liebliche Neißeihal, in die weinseligen, blütenreichen Berghänge mit ihren idyllischen Villen in alt¬ deutschem, schweizerischem u. dgl. Stile, mit den behaglichen Wohnhäusern und Gartenhäuschen, sowie den mannigfaltigsten

Stätten der Erholung und des Genusses keine passendere Bevölkemng hineindenken als den alten Gubener Bürger, nüchternen, praktischen Sinnes und unermüdlichen Fleißes, dazu die schmucke Winzerin von heiterer, doch gesetzter Lebensauffaffung. Beneidenswert sie, die in stetem Verkehr mit der verjüngenden Natur unter einem lachenden Himmel Leib und Seele frisch erhalten dürfen. Ein einziger Maientag auf den obstbaumstarrenden, blütenbeladenen Bergterrassen, umschwärmt von Besuchern aus allen Teilen der Mark, dazu Rendezvous auf Engelmanns oder Kaminskys Berg — das find wahrhaft gegen

befriedigende

Genüsse,

beschwerliche

und wochenlange

welche

jede

Badereise

noch so „teure" in den Schatten

gestellt wird.

Guben liegt im Thale der Neiße und ihres Nebenflusses,

der Lubis, eine Stätte nach dem Herzen der alten Deutschen, mit Wasser, Wiese, Weide, Wolle. Weizen, Wald und Wein. Dem letzten Produkte wollen wir unsere Aufmerksamkeit in besonderem Grade zuwenden. Vor dem Krossenerthore erheben Hier sind Villen und sich steil die Neiße- und Lubisberge. Restaurants in malerischem Wechsel bunt durcheinandergeworfen, umsäumt von schattenspendenden Ziergärten. Obstfeldern und Weingeländen. In Ulrichs Höhe erweitert sich der Rundblick, allseitig^ unbehindert, bis zu den weißleuchtenden Segeln des Oderstromes, der selbst noch als blaue Linie am Horizonte

zur Hochwasserzeit erscheint. Die Rebe wurde im 12. Jahrhundert aus Franken und dem Rheinlande nach Guben gebracht nnd hat auf dem

Krosienerlhore die vielgliedrige Zunft der Winzer großgezogen. Welch ein Jubel, wenn die Weinlese ihren Anfang nahm! Die besten Früchte waren den Weinbergen und Hausspalieren schon als Tafelfrüchte entnommen; nun kam alles unters Messer.

Alt und jung

zog von Stock zu Stock und sammelte

alle Trauben in Körben.

lange Stange heraus, am Ende eine künstliche Traube oder ein hölzernes Weinglas umsassend. Inserate füllten die Spalten der Zeitungen; hier verkaufte einer nur „über die Straße", dort „mit und ohne Gäste zu fitzen". Mochte das niedrige Weinlokal noch so klein und versteckt gelegen sein, allabendlich stellten sich die Stammgäste ein und sorgten dafür, daß die schwarzbequalmte Decke immer noch schwärzer wnrde. Manch trauliches Stündchen verrann beim Glase

Wein; die Gäste — lauter Originale.

In

frischem, wüchsigem

Tone wurde von allen möglichen politischen und kommunalen, verstandenen und unverstandenen Angelegenheiten, von ab¬ wesenden wie auch anwesenden Personen gesprochen — doch alles mit Humor und herzerquickender Gemütlichkeit; es war die gute, alte Zeit im besten Sinne des Wortes. Seitdem find fast drei Jahrzehnte ins Land gegangen,

in dieser verhältnismäßig kurzen Spanne Zeit hat sich der damals schon langsam einsetzende Umschwung fast gänzlich und

vollzogen: Die Kulturgeschichte

Die

Jugend zündete Bergfeuer an, die unermüdlich durch Teer¬

KarReisigbündel. toffelkraut, Dornzacken rc. ge¬ nährt wurden. Am Abend bänder.

der Niederlausitz kennt das wcinbaulreibende Guben nur noch in der Vergangenheit. Ausgedehnte Obstpflanzungen seldmäßig und betriebener

Gemüsebau

>

Feinde

brennende Holzstöße Teertonnen ihren weit¬ hin leuchtenden Schein von den Bergen hernieder, die Tabagieen hatten illuminiert, und Böllerschüsse zogen die Aufmerksamkeit empor. Die Weinbauer eilten festlich

die

sind

Rebe

der

sandten

die

und

das Feld behauptete.

geschmückt

zum

Mit die

dem oft

ersehen

sich

Obst-

und

vom

besserer

Ernten ganz

und

als

von

fehlschlagenden

Weinstocke. Ein immer vollkom¬

mener werdendes Verkehrswesen

Kmnmk in Unlmnita.

seufzten:

„Die Sonne blitzte den Sommer so heiß, im Weinberg hängt Traube an Traube; Der Winzer drehet mit emsigem Fleiß schon an der Presse die Schraube; hör meine Bitte, du lieber Gott: Laß alle Brunnen versiegen, daß sie, potz Schwerenot, kein Wasser zum Panschen kriegen." es solche, die einen ständigen

Ausschank unterhielten, anderseits solche, die sich nur zeitweise damit befaßten. Bald lugte hier und dort am Hause eine

^

Winzer Gemüsebau

Die bangenden Trinker aber

ermöglicht überdies rasche und allseitige Ausfuhr und somit nutzbringende Verwertung aller Produkte. Die Weinproduk¬ tion hat sich auf einige Großfirmen beschränkt; daneben wird

nur

SerHeinlmflhe.

noch der eigene

Obstreichtum

der

Hausbedarf berücksichtigt.

Der zunehmende

ganzen Gegend hat zu einer ausgedehnten

Apfelweinbereitung geführt, und

die

Firma Poetkow dürfte

nicht nur in der Mark, sondern weit darüber hinaus bekannt sein.

Wenn ich in den vorstehenden Zeilen der aussterbenden Rebe Lebewohl gesagt habe, so will ich damit doch nicht auch von den verwaisten Bergen Abschied nehmen. Sie entbehren auch im neuen Gewände ihres Reizes nicht, und ich hoffe, den Blick der Märker nicht vergeblich auf eins ihrer Kleinode . auf die Perle der Niederlausitz, gelenkt zu haben.

Kleine Mitteilungen. -dMMMn ittilmV-k vom 12. November 1739 Lande Rostock,

Edikt FriebriL AMAMAoes unnützen

Schießens in der Churmark. Unter dem 12. November 1739 erließ König Friedrich Wilhelm 1. folgendes er¬ neuertes und geschärftes Edikt wegen Abstellung des unnützen Schießens

betr.

Recht

sichererer

Weinlesefest.

Unter den Winzern gab

Jahrhundert

halbes

ein

starken

geworden,

in der Churmark: WJr Friderich Wilhelm, von GOttes Gnaden, König in Preussen, Marggras zu Brandenburg, des Heil. Römischen Reichs Ertz-Cämmerer und Churfürst. 8 ouverainer Printz von Oranien, Neufchatel und Vallangin, in Geldern, zu Magdeburg, Cleve, Jülich, Bergt, Stettin, Pommern, der Cafluben und Wenden, zu Mecklenburg, auch in Schlesien zu Croffcn Hertzog, Burggraf zu Nürnberg, Fürst zu Halberstadt, Minden, Camin, Wenden, Schwerin, Ratzeburg, Ojt-Frießland und Meurs, Gras zu Hohenzollern, Ruppin, der Marck, Ravensberg, Hohenstein, Tecklen¬ burg, Lingen, Schwerin, Bühren und Lchcdam, Herr zu Ravenstein, der

Stargard, Lauenburg, Bütow, Arlay und Breda, rc. rc. Fügen hicmit jcdermänniglich zu wissen, daß ob Wir zwar bereits hiebevor verschiedentlich das ungebührliche ärgerliche und höchst gefährliche Schlesien an den heiligen Abenden vor Weynachten, Neu-Jahr, oder andern grossen Fest-Tagen, auch in solchen Fest-Tagen selbst, oder bey Hochzeiten, KindTauffen und anderen Ausrichtungen, auch sonst sowohl bey Tages- als Abends- und Nacht-Zeit in den Städten und Dörfern, durch öffentliche Edicte und andere Verordnungen bey empfindlicher Strafe verboten haben, Wir dennoch zu Unserm höchsten Mißfallen vernommen, daß solchen Unseren heilsamen Verordnungen nicht überall jederzeit gehörig nachgclebet, sondern durch dergleichen verbotenes gefährliches Schieffen verschiedentlich groffes Unglück und Schaden, als Feuers-Brünste, auch wohl so gar Menschen-Mord verursachet worden. Wann Wir nun dergleichen Frevel und Bosheit mit allem Nach-

^

druck gesteuret wissen wollen; Als haben Wir nöthig gesunde», die dieserhalb vorhin ergangenen Ediere und Verordnungen zu erneuern und zu schärfen. Wir setzen, ordnen und befehlen demnach hiemit und in Kraft dieses auf das ernstlichste, und bey Vermeidung der hierin erwähnten schweren Strafe, daß wie in allen Unsern Landen, also auch in denen Churmärckischen Slädtcn und Vorstädten, desgleichen in den Dörfern und AultS- oder Dorwercks-Häusern, niemand, er sey wer er wolle, vom Soldaten- oder Givil-Stande, hohen oder niedrigen Rangs, sie seyen in Unseren oder anderen Herrcn-Dicnsten, Adelichen oder Bürgerlichen Her¬ kommens, oder auch vom Bauer-Stande, und wie cs sonst Nahmen haben möchte, so wenig am Tage als bey Abends- oder Nacht-Zeit, weder bey Hochzeiten, Kindtauffen und anderen Ausrichtungen, noch vor und in den heiligen Fcyei -Tagen, oder auch sonst aus Muthwillen und zur Lust einiges Sckiieß-Gcwchr, es seyen Büchsen, Flinten, Pistolen oder Puffert und so genannte Schlüssel-Büchsen, oder wie cs sonst Nahmen haben kan, es mag solches Gewehr scharf geladen seyn oder nicht, zu lösen, weniger Schwärmer daraus zu schiessen, oder dergleichen sonst zu Wersen, oder Raqueten steigen zu lassen, oder Granaten zu werfen sich unterstehen soll; wicdrigenfals der oder die Uebertreter dieses Edicts zum crstenmahl jeder mit Fünfzig Rthlr. fiscalifcfier Strafe, wann es Personen vom Civil-@tanbc sind, obgleich durch dergleichen Schuf, kein Schaden geschehen seyn möchte, unnachblciblich beleget, bey wiederholtem Ver¬ brechen aber dergleichen Frevelcr nach Befinden der Umstände härter be¬ strafet werden sollen. Im Fall auch diejenigen, so sich gelüsten lassen wieder dieses ernst¬ liche Verbot zu handeln, etwa nicht vermögend seyn möchten, die Fünfzig Rthlr. Strafe zu bezahlen, sollen dieselben ohne einige zu erwarten habende Gnade auf die nächste Festung gebracht, und Sechs Monat lang zur Arbeit an der Karre angehalten werden. Wofern aber durch dergleichen Verbrechen würcklich eine FeuersBrunst oder Menschen-Mord, oder sonst Schaden entstünde, sollen die Uebcrlrctcr so fort zur Hast gebracht, und mit der Untersuchung wieder sie schleunig verfahren, dieselben auch nach Brfinden nicht allein zu Er¬ stattung des Schadens, wann sie des Vermögens sind, angehalten, sondern auch überdas noch mit der hierin geordneten Strafe unnachblciblich lvieder sie verfahren, wann aber in dergleichen Fällen die Verbrecher den Schaden zu ersetzen nicht vermögend wären, die Strafe nach den Um¬ ständen geschärfet werden. Da Uns auch berichtet worden, daß dergleichen Excesse öfters von beurlaubten Unter-Otficiers, oder gemeinen Soldaten, oder Enrollirten verübet oder vertheidiget worden, Wir aber denenselben darunter ebenfals im geringsten nicht nachgesehen wissen wollen; Als wird insonderheit auch gedachten Beurlaubten Untcr-Otficiers, gemeinen Soldaten und Enrollirten hiermit dergleichen frevelhaftes Schießen, nicht minder die Beförderung oder Vertheidigung desselben, bey Strafe Gassenlaufens oder Festungs¬ Arbeit an der Karre, nach Befinden der Umstände, ernstlich und auf

das schärfeste verboten. Wir befehlen auch biemit allen und jeden Gerichts-Obrigkeiten auf dem Lande und in den Städten, wo keine Garnisons sind, wann solche Verbrechen von Beurlaubten Unter-Otficiers oder gemeinen Soldaten und Enrollirten in ihrer Gcrichtbarkeit verübet werden, oder dergleichen Uebertreter diests Unsers crnstlichcn Verbots sich unter ihnen aufhalten, diesclb.n sofort zu arrestiren, und sie unverzüglich an die nächste Garnison liefern zu lassen, von welcher die Beurlaubten weiter an die Regimenter, worunter sie gehören, die Ueber-Oompleten aber und zum Zuwachs Enrollirten, w.»ln sie von ihren Regiuicntcrn nicht über fünf Meilen entfernet sind, ebenfals dahin gcschicket, wann aber die Regimenter weiter entlegen wären, selbige bey der Garnison, wo sie zuerst abgeliefert worden, exarniniret und abgestrafet werden sollen. Wornach sich Unsere hohe und niedrige Krieges- und Givll-Bediente, Haupt- und Amt-Leute, Magistrate, nicht minder alle und jede GerichtsObrigkeiten in den Städten und auf dem Lande, auch sonst männiglich, insonderheit auch das Officium Eifel, gehorsamst zu achten, mit allem gehörigen Ernst und Nachdruck hierüber zu halten, und die Verbrecher zur Bestrafung anzuzeigen haben. Damit auch hierüber desto genauer gehalten, und insonderheit in den Dörfern, und zwischen Rohr- und Stroh- auch Schindel-Dächern, durch das verbotene Schiessen, Schwärmer- und Granaten- oder RaquetenWerfcn nicht Unglück und Feuer-Schaden verursachet, bey dergleichen Ucbcrtretung aber die Verbrecher so viel mehr entdecket, und zur ge¬ bührenden Strafe gezogen werden mögen, so soll, wann ein beurlaubter Unter-Otficier oder Soldat, Enrollirter oder eine andere Person der¬ gleichen Schiessen und Excesse vornehmen wolte, der Eigenthümer oder Einwohner des Hauses sich demselben aus alle Weise wiedersetzen, und solches allensals mit Zuziehung des Schultzen und der Gerichts-Leute zu hindern suchen.

Dafern aber solches Schiessen und Unfug, ehe und bevor derjenige, welchem der Thäter sich aufgehalten, solches Vorhaben gewahr worden, oder ohne daß er es verhindern können, geschähe; So soll der¬ selbe den Thäter dem Schultzen und Gerichts-Leuten alsofort melden, um sich des Thäters zu bemächtigen. bey

Im Fall aber der Eigenthümer oder Einwohner des Hauses selbst der Thäter wäre, oder mit diesem unter der Decke steckete, und die That zu verhelen suchte, so sollen die nächsten Nachbaren, auch sonderlich der Schultze samt den Gerichts-Leuten, sobald sie einen Schuß gehöret, sich an den Ort begeben, wo derselbe geschehen, und sich des Thäters ebenfals bemächtigen, mithin selbigen ihrer Obrigkeit einliefern; Wofern aber

indes der Thäter entsprungen, muß die Sache nach ihren Umständen der Obrigkeit ohne den geringsten Zeit-Verlust angezeiget werden, um in der Sache weiter nach Vorschrift dieses Edicts zu verfahren. Damit nun selbiges zu jedermans Wissenschaft kommen möge, und niemand sich mit der Unwissenheit entschuldigen könne; So soll dieses erneuerte und geschärfte Edict nicht allein jetzo, sondern auch künftig alljährlich zweymahl, und zwar am ersten Sonntag des Monats Julii, wie auch am letzten Advents-Sonntage nach der Predigt von den Cantzeln öffentlich verlesen, und überdas sowohl in den Städt.n, als auf den Dörfern an öffentlichen Orten angeschlagen und ausgehangen werden. Uhrkundlich unter Unserer höchst eigenhändigen Unterschrift und bey gedrucktem König!. Jnsiegel. Gegeben zu Berlin, den 12. Novembr. 1739.

Fr. Wi'helm. (L. S.) F. v. Görne. A. O. v. Viereck. F. W. v. Happe. A. F. v. Boden. Mit diesen Leuten erobert man die Welt. Pfarrer Besser aus Waldenburg in Schlesien war 1864 zur Pastorierung der lutherischen Soldaten nach dem Kriegsschauplätze entsandt. Er hat seine Erlebnisse in einem sehr anziehend geschriebene» Büchlein „Drei Wochen auf dem Kriegsschauplätze" veröffentlicht. In demselben bringt er auch folgendes Zwiegespräch zwischen einem verwundeten Osfiziersburschen vom 24. und einem Hauptmann vom 64. Regiment, welch letzterer jenen, den Burschen seines Bruders, besuchte. „Ich will versuchen", schreibt Pfarrer Beffer, „den Burschen, einen Märker aus Friesack, in seiner eigenen Mundart reden zu lassen, indem ich das Gespräch aus der Erinnerung hinschreibe". Hauptmann: „Nun, mein Sohn, erzähle mir mal ordentlich, wie es mit Dir zugegangen ist!" Bursche: „Ja, weten Se, Herr Hauptmann, as et losging und wie alle drupp störmten, war ick immer drei Schritt hinner Mienen Herrn Hauptmann her. Up eenmal brennt et ini wie Füer unnen an'n linken Foot, un ick knicke nedder, kunnte mi aber noch upv'n Kniejen an mien Gewehr hollen, dat ick nich ganz umfeel. Da jagten de annern bi mi vörbi, und ick dacht': Ach! dat werd so ville nich sinn. un kreeg mien Schauppdook rut und bünn et üm mien Bein rum, Wiel ick noch met wollte." Hptm.: „Aber, Heinrich, mit diesem Dinge im Fuße" (nämlich mit einer 6 lötigen Kartätsche, die neben dem Bette am Fenster lag) „wolltest Du noch mit? Wie konntest Tu denn auftreten?" B.: „Dat kunn ick ok eben nich! As ick met aller Gewalt uppsprang un eenmal upptrat, da sackte 't mi so unnein Foot un ick feel he». Dva sa ick, dat eener von de vördersten Offiziere een Schuß kreegt und ümkippt, und ick dacht, et wär unse Hauptmann sülwst und reep noch: „Unse Hauptmann! Unse Hauptmann!" Aberst von dünn aff weet ick nischt wieder; mi war schwach worrn, un erscht upp'n Verbandsplatz waakt ick Webber upp, und da hört ick glieks, dat wie alle Schanzen metenanner nommen harren und dat unse Hauptmann nich blessiert was." Hptm.: „Mein Junge, Dein Hauptmann läßt Dich schön grüßen und wird Dich nächstens besuchen." B.: „Ick probier schon een bischken, ob ick de Tägen bewegen kann, un siet gistern geiht et. Uppstunns sind ook de Wehdage tum Uthollen. Ob ick wohl noch wedder metkann, Herr Hauptmann?" Hptm.: „Habe keine Sorge! Die Knochen sind ja, gottlob, ganz geblieben, und das Fleisch wächst wieder." B.: „Aberst noch eins, Herr Hauptmann! Bi den Rummel is mi mien Uhr wegkamen, de ick noch von mien seel Vadder harr. Un ick . ." Hptm.: „Darum gräme Dich nicht! Die Uhr werden wir besorgen und eine Kette dazu. Und dies Ding (die Kartätsche) soll einen Reif kriegen mit Deinem Namen, dicht bei dem Namen Deines Haupt¬ manns, und dann darunter: Düppel, den 18. April 1864. Was meinst Du zu solcher Uhrbummel? Die hat nicht jeder!" B. (helle Freudenthränen im Auge): „Danke, danke vellmals, Herr Hauptmann! Wenn ick man denn nochmal wedder met kann!" — „Das ist," schreibt Pfarrer Besser, „eines preußischen Füsiliers märkische Begeisterung. Dieser Art sind jene prächtigen Jungen, welche dem französischen Offizier, der mit dort auf dem Spitzberg hielt am Tage des Düppeler Sturms, den Ausruf abgewannen: „Königliche Hoheit! diesen Leuten

...

Mit

erobert man die Welt!"" stzhr seid alle Sckelmel.Der Könia Friedrich Wilhelm I. von Preußen traf eiMa) auf^ncmSpazierntte ocn ÄrlMr'MkHv ktid kt

Richardt. Dieser klagte ihm, daß ein Prozeß, den er beim Stadtgericht anhängig gemacht habe, seit langer Zeit schwebe, ohne ein Ende zu nehmen. Daran aber seien die Ratsherren schuld, deren Feindschaft er sich zugezogen habe. , Was hat Er denn für einen Prozeß?" fragte der König. Richardt gab ihm eine klare und gewandte Uebersicht über seinen Rcchtsfall. „Ihm muß ich helfen," rief Friedrich Wilhelm, „Er Und weiß Er was? Da Er einmal so ist ein gescheiter Steel! gute Kenntnisse in allen Angelegenheiten des Magistrats hat, so mache ich Ihn hiermit zum Ratsherrn, aber unter der Bedingung, daß Er mir sofort mittteilt, wenn die Herren nach seiner Ansicht Fehler machen." „Unterthänigstcn Dank, Majestät! Ich werde nicht verfehlen, Dero Bedingung prompt zu erfüllen," cntgegnete der zum Ratsherrn um¬ gewandelte Buchbinder. Ungern, doch dem Befehle des Königs gehorchend, nahmen ihn seine neuen Amtsgenossen in ihre Mitte auf. Nach einiger Zeit traf er den König wieder. „Nun," sagte derselbe, „hat Er meine Bedingung vergessen? Jetzt erzähl' Er mir, was Er alles gesehen hat!" „Ew. Majestät wollen allergnädigst verzeihen —" „Kerl, mach Er mrr keine Ausflüchte! Heraus mit der Sprache, oder —l" Und der König schwang mit einer nicht mißzuverstehenden Geberde seinen Stock. „Ich habe Ew. Majestät wirklich nichts zu melden." „Nichts? Wie geht das

Erst lamentiert Er wie ein altes Weib über einen edlen Rat meiner Residenzstadt, und nun ist Er wohl vollkommen zufrieden mit der Amts¬ führung des Rats?" „Allerdings! Seitdem Majestät die Gnade gehabt haben, mich zum Ratsherrn zu ernennen, habe ich solche Einsicht gewonnen, dost ich meine Meinung andern mußte," „Schweig' Er still!" rief der

zu?

König ärgerlich, „Aber so seid Ihr! Negiert Ihr nicht mit, so räsonniert über die Regierung, sitzt Ihr aber mit am Ruder, so macht Jhr's nicht besser als die andern! Ihr seid alle Schelme!" D.

Ihr

Zarin Katharina II. gemacht hat, zeigt folgende Thatsache: AIs die Nachricht von der Hinrichtung Ludwigs XVI, in Rußland bekannt wurde, befahl die Zarin, sämtliche in Rußland lebende Franzosen zue Leistung eines Eides zu veranlaßen, dessen Wortlaut hier wegen der interessanten Form seiner Abfassung folgen möge: „Mit diesem von mir vor Gott

und seinem heiligen Evangelium geleisteten Eide erkläre ich, daß ich an den entsetzlichen, gottlosen Vorgängen in Frankreich in keinerlei Weise beteiligt bin, dieselben und ganz besonders die Ermordung des frommen Königs Ludwigs XVI. als gemeinen Mord ansehe, indem ich die Thäler und Anführer als gemeine Verbrecher erachte und verachte. Ich erkläre mich ferner in nuinem Gewissen von der Wahrheit des christlichen Glaubens, den ich von meinen Vätern geerbt, überzeugt und dem Könige, dem die Krone nach dem heiligen Erbrecht gehört, ein treuer Diener sein zu wollen. Da mir nun unter dem Schutze Ihrer Kaiserlichen Majestät, Alleinherrscherin aller Reußen, gastfreundlicher Aufenthalt in Rußland zu teil wird, verpflichte ich mich, nicht nur der Religion und dem Könige treu zu bleiben, sondern auch jeden Verkehr mit solchen Personen meiner Landsleute, die den jetzigen Zuständen in Frankreich huldigen, so lange aufzugeben, bis ich, nach der Wiederherstellung der gesetzlichen Ordnung in Frankreich, von Ihrer Majestät das Recht dazu erhalten werde. Sollte ich diesem E>de zuwider handeln, unterziehe ich mich der irdischen und himmlischen Strafe. Ich küsse Gottes Wort und Kreuz. Amen." Wer diesen Eid nicht leisten wollte, mußte sofort Rußland verlassen. —dn —

Entstehung der Ma rseillaise, „G eraume Zeit wurde Go sh ei und P l e y t- ba!f@t#"?ffi7T(Tt!r''TOMis (3 e Ta patrie“ zugeschrieben, und später wollte man die Grundlage der Komposition in „Sagines“ suchen. In¬ des der wahre

Dichter und Komponist des

so

berühmt und

so

berüchtigt

gewordenen Kriegsendes ist Rouget de Liste. Er dichtete und komponierte es Ende April 1792 zu Straßburg in der Nacht vor der Kriegserklärung. Reisende Kaufleute, welche über Straßburg zur Messe nach Beaueiro gingen, verbreiteten es im südlichen Frankreich, Einer von ihnen, ein Flachshändler, Namens Leon, erzählte von der begeisternden Wirkung, die das Lied aller Orten hervorgebracht habe Bald wurde es auf allen Bühnen Südfrcmkreichs und in Konzerten gesungen, und als die Marseiller in Paris einzogen, stimmten sie es im Chore an, daher sein nachmaliger Name „Marseiller Hymne" oder Marseillaise". der ersten Zeit seines Ruhmes war das Lied aber nur unter dem Namen „Schlachilied der Rheinarmee", auch schlechtweg als „Rheinlied" bekannt, und so hatte es mit dem Beckerschen Liede: „Sie sollen ihn nicht haben, den freien deutschen Rhein," wenigstens den Stammnamen gemein. Allerdings hatte der Veriasser des Straßburger Rheinliedes ein ganz anderes Schicksal, als der des Kölner Rheinliedes: denn während die Marseillaise zur Nationalhymne erhoben und in ganz Frankreich mit dithyrambischer Begeisterung gesungen wurde, schmachtete Rouget de Liste im Gefängnisse. Als er aus ihm entlassen wurde, unternahm er eine Reise nach Deutschland und wurde hier in hohem Grade Gegenstand der Aufmerksamkeit, die er in seinem Vaterlande m so geringem Maße auf sich gezogen hatte, daß es erst dem Könige Louis Philipp einffil, dem Dichter durch eine Pension den Dank seiner Nation abzutragen. Die Marseillaise ist in alle europäischen Sprachen übersetzt worden. Als Rouget de Lisle auf seiner Reise durch Deutschland sich in Hamburg aufhielt und mit Klopstock, dem Dichter der „Messiade", zusammenkam, äußerte dieser ebenso artig wie vorwurfsvoll: „Mein Herr! Ich wundere mich in der That, daß Sie es gewagt haben, in ein Land zu kommen, dem Lied mehr Söhne geraubt hat, als Waffen Ihrer Landsleute." E K.

In

Ihr

Zwei. bWM^ÜWeitzr^dieechei den jüngsten Ausgrabungen des Freiherrn von Hehl bei WormS in einem Steinsarge aufgefunden wurden,

gehören zu den hervorragendsten archäologischen Erscheinungen der längsten Zeit. Tenn die beiden verschiedenartig bemalten Eier weisen auf einen direkten Zusammenhang mit den germanischen Ostergebräuchen bm und erbringen den untrüglichen Beweis, daß das noch heute übliche Farben der Ostereier dem germanisch-heidnischen Kult entspringt. Die beiden in dem Sarge eines Mädchens aufgefundenen Eier sind gegen d>e Spitzen zu mit schwarzen Streifen bemalt, an die sich gegen die Witte zu braunrote Streifen anschließen. Der Zwischenraum wird durch rote, grüne und blaue Tupfen ausgeiüllt, auch zeigen einzelne Stellen eine Mischung verschiedener Farben, ein Verfahren, das auch heute noch sehr oft zur Anwendung gelangt. Die beiden bemalten Eier, die einen ganz einzig dastehenden Fund aus germanisch-römischer Zeit darstellen, dursten aus der Osterzeit des Jahres 320 herrühren, da eine dabei gefundene Münze des Kaisers Konstantin mit ziemlicher Sicherheit diesen Zeitpunkt annehmen läßt. Sammt -Börse.

Napoleon u»d die Musik. Im Jahre 1807 gab der als Flötenvlrtuose seiner Zeit berühmte Kammermuflkus Punz in Dresden dem mächtigen Eroberer ein Concert. Der Kaiser spendete dem Künstler

laute» Beifall und sagte in Gegenwart des Hosmarschalls von Räcknitz „Meine Franzosen verkennen mich auch darin, daß Sie glauben, nur die kriegerische Musik. Allerdings kenne ich auf dem Schlachtfelde nichts Imposanteres, als das Rasseln der Trommeln, aber sonst ziehe ich eine sanfte, zum Herzen dringende Musik dem tollen zu ihm: ich liebe

— du-,

Lärm vor."

aa-nnir'der Bergakademie.

Unter den ehemaligen Studierenden der Bergakademie ist noch heute ein Besuch von „Papa Wrangel" in freundlicher Erinnerung. Wrangel besuchie einmal das Museum für Beigbau und Hüttenwesen in der Bergakademie, und der dienst¬ thuende Ingenieur zeigte ihm u, a, einen Steinsalzblock aus Staßfurt. „Js bet Marmor?" — „Nein, Salz, Excellenz." — „Du schwindelst." — „Gewiß, Excellenz, es ist Steinsalz." — „Du! ich lecke!" Wrangel that das nun wirklich und ging kopfschüttelnd weiter: „Ich hab's wahr¬

haftig nicht jejlobt."

Küchertisch. Brockhaus Koiiversations- Lexikon. 17. (Supplement-) Band. Leipzig 1897. Verlag von F. A. Brockhaus. Preis geb, 10 Mk. Die Herstellung eines 16 bändigen Konversations-Lexikons nimmt Daß Wissenschaft und Kunst, mindestens vier Jahre in Anspruch, Politik, Technik, Gesetzgebung während dieser Zeit aber nicht stillstehen, ist verständlich; und so wird eine Encyklopädie ergänzungsbedürftig am ersten Tage nach dem Erscheinen. Dem abzuhelfen ist der Supplementband bestimmt, der Mitte Juni erschienen ist und jeden im Hauptwerk vorhandenen Gegenstand, mit dem „etwas passiert ist", ergänzt, alle allermodernsten Errungenschaften der Kultur, alle ollerneuesten Ereignisse und leitenden Personen erstmalig aufführt. Dieser Band kann nicht wie seine 16 Vorgänger nur nachgeschlagen werden, wenn man Auf¬ klärung braucht, man muß ihn vielmehr zuerst studieren, um zu sehen, was er in seinen 8305 Stichworten alles behandelt! So enthält er z. B. im Artikel Deutschland schon die vollständige Volkszählung aller Ortschaften des deutschen Reiches von 1895, teilweise offiziell überhaupt »och nicht veröffentlichte Ergebnisse. So enthält er erstmalig genealogische Tabellen der Hohenzollern und Habsburger, die bereitwillig Auskunft geben z. B. über die vielen in einem Konversations-Lexikon sonst nicht vorkommenden Prinzen und Prinzessinnen. Ueber 1000 zweispaltige Seiten Text enthält der Band, die Stichworte des ganzen Werkes auf über 130 01,0 vermehrend, und 59 bunte und einfarbige Tafeln und Karten, darunter 8 Chiomos von der bekannten ebenso künstlerischen wie detaillierten kostbaren Ausführung: leuchtende Tiere; Spielkarten aus alter und neuer Zeit, aus Europa, Java, Persien, Japan; Eishöhlen; Buddhismus; Eier unsrer Singvögel; Röntgen strahlen; bunte Ornamente u. a. Unter den Karten seien die der aktuellen Gegenden erwähnt: Cuba, Delagoabai, Sudan, Japan und Korea, orientalische Frage und die interessanten Karten der Ansteckungskrankheiten, des deutschen Welt¬ handels, der unglaublich komplizierten, bisher nirgends kartographisch dargestellten Währuugsverhältnisse der ganzen Welt. Auch der bisher in einem Konversations-Lexikon nicht zu findende, in Paris jüngst zu so trauriger Berühmtheit gelangte Kinematograph, die Pestkonferenz in Venedig, die Darstellung der Erfolge des Diphtherie-Heilserums werden nicht vermißt. Kurz — wer sein Konversations-Lexikon bis 1897 ergänzt und vervollständigt haben will, muß den sich auch äußerlich genau an das Hauptwerk anschließenden Supplementband besitzen.

Ludwig

XIV. in Bild und Wort. Mit ca 550 Textillustrationen, Voll¬ bildertafeln, Karikaturen und Autographen. Nach den berühmtesten Malern, Bildhauern und Stechern damaliger Zeit von Emil

Bourgeois,

übertragen von

Oskar Marschall von Bieber¬

stein. Lieferung 8 bis 12 ä 60 Pfennig. Leipzig. Verlag von H. Schmidt u. C. Günther. Die bekannte Verlagshandlung, welche sich bereits mit der Heraus¬

das Leben Napoleons I behandelnder Werke rühmlichst hervorgethan hat, bietet mit diesem Lieferungswerke dem deutschen Volke für einen äußerst wohlfeilen Preis wiederum eine ganz hervorragende litterarische Gabe. Autor und Verleger unternehmen es, das Leben des „Sonnenkönigs" in umfassender Weise zu schildern; sie bieten neben einer ungemein fesselnden und historisch-getreuen Darstellung einen in seiner Reichhaltigkeit geradezu unerreicht dastehenden Bilderschmuck, den sie den französischen Galerien, sowie den Staats- und Privatsammlungen — y. entnommen haben. gabe mehrerer

Die Nummer 2823 der „Illustrierten Zeitung" in Leipzig fesselt vor allem durch die ergreifenden Bilder aus den UeberschwemmungSgebieten, in welche das beregte Weltblatt sofort nach Eintritt der Katastrophe seinen bewährtesten Spezialzeichner: Limmer, entsandt hat. Zu dem Text: „Die Hochwafferkatastrophe im Elbethal" bringt Limmer 9 nach der Natur gezeichnete Bilder aus dem Ueberschwemmungsgebiet der Weisteritz zwischen Dresden und Cotta und der Elbe im Gottteubathal bei Pirna. Der soeben erfolgten Reise unseres Kaiserpaares nach

Petersburg wird durch 7 Bilder gedacht, welche Schloß Petcrhof, Sommerresidenz des Kaisers von Rußland und Wohnung des deutschen Kaiserpaares während des jetzigen Besuchs, zum Gegenstände haben. Der in diesen Tagen zu Brüssel stattfindende internationale Frauenkongreß wird durch 12 Porträts namhafter Frauen illustriert, die in wirtschaft¬ lichen Dingen eine Stimme haben. Vom Aschantidorf im Wiener Tier¬ garten werden acht und vom Kreisringreiterfest in Sonderburg vier An bemerkenswerten Bildnissen sehenswerte Illustrationen gebracht.

396 enthält die Nummer die der beiden Begleiter Andrees auf seiner BallonPolarfahrt, sowie das von Max Ring zu seinem 80. Geburtstage.

Von 38. Hcimburgs gesammelten Romanen und Novellen (Leipzig, Verlag von Ernst Keils Nachfolger) liegen die Lieferungen 55—62 vor, welche einen intcrcssartcn Roman der Verfasserin „Eine unbedeutende Frau" fast bis zu Ende führen. Die Heldin des Romans Antje, die Frau des Malers Leo Jußnitz, ist eines jener Charakterbilder, wie sie W. Hcimburg zu zeichnen liebt: die „unbedeutende Frau" mag vielen, die sie nicht näher kennen, in diesem Lichte erscheinen; in Wahrheit aber erweist sie sich sehr bedeutend durch ihre sittliche Tüchtigkeit und trägt nach manchen Wirrnissen den Sieg davon über die zerfahrenen genialen Naturen, die, dicht am Abgrund st.hcnd, von ihr zu neuer glücklicher Lebensführung gerettet werden. Dazu gehört der bizarre Gatte, der, unbefriedigt von seiner stillen Häuslichkeit, auf Abenteuer ausgeht, und Hilde, ein schönes Mädchen, ehrgeizig und leidenschaftlich, das aber zuletzt die Gattin, eines braven, edlen Mannes wird. — Die Illustrationen von R. Gutlschmidt fassen Charaktere und Situationen in einer durch¬ aus dem Geist der Dichtung entsprech.nden Weise auf. Die am 26.

Juli

er. erfolgte

Eröffnung der Kleinbahn von der

Station Dahmsdorf-Müncheberg der Ostbahn nach dem Mittelpunkt der an landichaftlichen Reizen so Schweiz,

war

dem

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der Stadt Buckow, reichen Märkischen bestbekannten Geogr.

Gegend und den Weg von dem Bahnhof Dahmsdorf-Müncheberg bis Buckow darstellend. Sehr zweckentsprechend ist der beigegebene Führer, welcher in verständlicher Kürze auf alles Sehenswerte dieser herrschen Gegend aufmerksam macht und durch genaue Beschreibung der einzu¬ schlagenden Wege und Angabe der Entfernungen ein zuverlässiger Be¬ rater für den Ausflug nach Buckow ist. Straube's Spezialkarte ist sowohl von der V^rlagshandlung als auch durch jede Buch- und Papicrbandlung für 75 Big, zu

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Inhalt:

Gründlcr

Finis

Polonjae,

Historischer

lFortsetzung). —

Roman

von

Die ostpreußische Bernsteinküste. Von Friedrich Bücker. (Mit Abbildungen.) (Schluß.) — Die Feldmarschallswürde in der brandenburgisch - preußischdeutschen Armee. Von M. Löbell. — König Stanislaw Leszcynski als Gast am Hofe Friedrich Wilhelms I. Von Dr. I. Gebauer. — Kleine Mitteilungen: Edikt Friedrich C.

Wilhelms I. von Preußen vom 12. November 1739 betr. Abstellung des unnützen Schießens in der Churmark. Mit diesen Leuten erobert man die Welt. Ihr leid alle Schelme. Eid der Franzosen in Rußland unter Katharina II. Entstehung der Marseillaise. Zwei bemalte Ostereier. Napoleon und die Musik. Wrangel in der Bergakademie. — Büchertisch.

Gitschinerstr. 109, Ver¬ anlassung, jetzt eine neue, außerordentlich genaue und schöne Spezial¬ karte dieser Gegend herauszugeben. Straube's Spezialkarte der Märkischen Schweiz, Umgegend von Buckow, 1:15 000, 6 farbig mit Führer, 75 Psg., umfaßt die ganze Umgegend von Buckow. Die Touristen zu empfehlenden Wege sind noch durch rote Linien besonders hervorgehoben und mit je 100 Schritt umfassenden Abschnitten versehen, nach welchen man die genaue Entfernung und füglich den erforderlichen Zeitaufwand zur Errichtung eines vorgesteckten Zieles mit Leichtigkeit ablesen kann Aussichtspunkte sind durch rote Kreise gekennzeichnet. Bcigegeben ist ein Ucbersichtskärtchcn im A aßstabe 1 : 75 000, die

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VeraniworiUcher Redakteur und Verleger: ftr. Zillessen in Berlin di. >•«.. Schönhauser Allee 141. Druck der Buchdruckerei Gutcnberg, Berlin di., Schönhauser Allee 141 ».. — Abdruck ohne eingeholte Erlaubnis ist unlersagl.

der

Mark Uaiidrilburg mid

der angreiizeiiden Gebiete.

Unter Mitwirkung von

Grrrst G. Dardoy, Vv. K. Kövingrrier, Professor vr>. Dverisvr, vr. H. Krorrdietre, Tstoodor Forrtcrrro, Stadtra! G. Friodot, Rirtiard George, Ferd. Meyer', Gymnafialdirektor a. T>. Dr. M. Krtyoavt; und G. r». Milderrbrrrrt»

0i-.

herausgegeben von

Friedrich Iiliefsem XXIII. )ahrga»a.

M 34.

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0er „Bär" erscheint wöchentlich am Sonnabend und ist durch jede Oostanstalt (No. 809), Buchhandluna und Zeitungsspedition für 52 Isis. 50 ps. vierteljährl. m belieben. Auch die Geschäfts stelle — Berlin H. 58,Schönh. Allee 141— nimmt Bestellungen entgegen. Jnseraten-Austräge sind an die letztere zu richten. Die viergesp. Petitzeile kostet 40 Pf.

21. Allg»8

1887.

Finis Poloniae.

Gründler.

Historischer Roman von C. (83. Fortsetzung.)

tnes Tages kam Aaron gegen Abend atemlos angelaufen. Er hatte eine höchst wichtige Nachricht ausgekund¬

Etwa tausend Sensenmänner, dazu mit Flinten bewaffnete Landleule seien unterwegs, um die polnische

schaftet.

Grenze zu überschreiten und zu dem Freiheitsheere zu stoßen. Da sie keine Aussicht hätten, sich unbemerkt durchzuschleichen, so solle Karls Schwadron im Schlafe überfallen und nieder¬

Zu diesem Ueberfall sei die kommende Nacht Die schmale Sichel des abnehmenden Mondes gehe erst gegen Mitternacht auf. Um diese Zeit hoffe man sich in der Dunkelheit heranschleichen zu können. Karl lohnte Aarons Anhänglichkeit mit einem reichen Geld¬ geschenk, hielt es aber doch für angezeigt, sich seines Schweigens anderen gegenüber dadurch zu versichern, daß er ihn in seinZtmmer sperrte. Er ließ ihn durch Christian mit gezogenem Säbel bewachen. Der Jude zitterte am ganzen Körper wie Espenlaub. Nur die wiederholte Versicherung, daß ihm nichts geschehen werde, wenn er keinen Laut von sich gebe, konnte ihn einigermaßen gemacht werden.

ausersehen.

beruhigen.

,

.

Schleunigst sandte nun Karl Depeschenreiter nach Nachbarstationen, um sie zur Hilfe heranzuholen. Ging alles gut, so konnte wenigstens von der zunächst gelegenen Station noch rechtzeitig Hilfe eintreffen. Dann ließ er die beiden Leutnants kommen und teilte ihnen mit. was er erfahren hatte. Er befahl ihnen, die Leute sofort den

in den Quartieren zu halten, daß auf das erste Alarmsignal hin aufsitzen könnten. Ueber die Veranlassung zu dieser Maßregel sei selbstverständlich das tiefste Stillschweigen zu beobachten. zu inspizieren und sie so

sie

Nachdem sich

diese

Anordnungen getroffen waren,

begab

er

zu der Gräfin.

auch auf heute abend wieder zum Thee und hatte ihm sogar sagen lassen, er dürfe keinenfalls ausbleiben.

Sie hatte ihn

eingeladen

im vollen Waffeuschmuck bei ihr eintrat — er erschien gewöhnlich im bequemen Hausrock, was sie ihm bereitwilligst gestaltet hatte — war sie einigermaßen verwundert und empfing ihn mit den Worten: „Wie, mein Freund, so kriegerisch heule?" „Damit sich der Falter die Flügel an der Flamme nicht

Als

er

verbrennt." war die höfliche, aber gemessene Antwort. Die Gräfin zuckie zusammen und erbleichte. Was war das? Hatte er eine Ahnung von dem, was geplant war? Sollte alles verraten sein? — Sie hatte es so gut mit ihm gemeint, sie wollte ihn bei sich behalten, ihn in ihren Schutz nehmen und ihm so das Leben retten. Letzteres war nicht möglich, wenn Widerstand gewagt wurde. Gegen die mehr als fünffache Uebermacht konnten die Preußen nichts ausrichten. Und sie kannte ihre Landsleute hinlänglich, um zu wissen, daß sie keine Schonung üben würden. Alle diese Gedanken durchzuckten wie ein Blitz ihr Hirn.

Dem Rittmeister war die Bewegung der Gräfin auch Diese Sicher wußte sie um den Anschlag. aufgefallen. desto ihn Schlange, sie hatte ihn nur sicher machen wollen, um gewisser zu verderben! Das Gespräch wollte natürlich gar nicht in Fluß kommen. Diese beiden Menschen, die einander nahe getreten waren, beobachteten sich jetzt bei jedem Wort, bei jedem Blick mit dem größten Mißtrauen. so

..

398

Die Gräfin sah Karl oft lange wie mitleidig an. dabei traten ihr die Thränen in die Augen. Karl blickte mehrmals nach der Uhr. „Sie sehen so oft nach der Uhr, mein Freund! Das

Wird Ihnen die Zeit bei mir lang?" Statt aller Antwort trat Karl ans Fenster, öffnete es und lhat einen lauten Pfiff. Der Posten vor dem Gewehr rief „Heraus", der Trompeter schmetterte das Alarmsignal in den Nachthimmel, dem sofort thaten fie doch sonst nicht. zu

die Trompeter vor den Quartieren antworteten.

„Mein Gott, was bedeutet das?" „Das bedeutet einen Abschied vielleicht fürs Leben, gnädigste Frau Gräfin. Der Falter entflieht der Flamme. Trotzdem danke ich Ihnen für die schönen Stunden, die ich hier verlebt habe;

„Karl!"

sie

werden mir unvergeßlich sein." in höchster Augst und Verzweiflung,

schrie Lodoiska

„Sie rennen ins Verderben, bleiben Sie!" „Ich folge meiner Pflicht." Er ergriff seine Pelzmütze, und fort war er. Die Gräfin sank vernichtet auf einen Siuhl und

bedeckte

Aus ihren schönen

Augen

das Gesicht mit beiden Händen.

Strom von Thränen. Zehn Minuten lang ein unruhiges Hin- und Herrennen, aufmarschiert

vor dem Schlosse.

Gleich darauf rasselte fie in die dunkle Nacht hinaus. Karl hatte bis ins kleinste hinein erfahren, welchen Weg die Freischaren nehmen wollten, und da er das Gelände ganz genau kannte,

so

war er darauf bedacht, seinen Reitern eine

möglichst günstige Ausstellung zu geben.

Ungefähr eine Stunde vom Schlosse entfernt dehnte

sich

ein weites Moor aus, an dessen schmälster Stelle schon vor langer Zeit ein Damm aufgeschüttet worden war. Diesen

Dann stieg der

Damm mußten die Sensenmänner passieren.

Boden wieder etwas an. und der Weg durchschnitt ein breites Blachfcld, welches auf der einen Seite durch einen sich meilen¬

weit erstreckenden Kiefern- und Eichenwald begrenzt wurde. Hier nahm Karl mir seinen Husaren Aufstellung. Der dunkle Schatten der hohen Bäume verbarg fie vollkommen den Blicken derer, die auf der Straße daherkamen, und die dazwischen liegenden Stoppelfelder gewährten den nötigen Wenn nicht etwa ein Raum, den Ansturm zu entwickeln. Pferd wieherte, so war von den Husaren selbst auf eine kurze Entfernung hin nichts wahrzunehmen, auch wenn inzwischen der

Mond aufgehen sollte.

Man wartete in

gespanntester Aufmerksamkeit eine

volle

sogar leises Flüstern war untersagt. Nichts regte Die helle Mondsichel stieg hinter dem Walde im Osten empor und warf ihren fahlen Schein auf die bleichen Stoppel¬ felder, auf denen nur hier und da einzelne phantastische

Stunde,

sich.

Dornbüsche,

Moor

Gespenstern

gleich,

auftauchten.

Ueber

dem

vom leichten Nachtwind sich in dichte Klumpen ballend, dann wieder vom Mondlichte zerteilt und in nichts zerfließend, so daß die trüben Wasserlachen das Bild des Mondes filber» glitzernd zurückwarfen. Alles blieb totenstill. Nur der mißtönende Schrei eines nächtlichen Raubvogels störte dje tiefe Einsamkeit. Karl begann bereits unruhig zu werden. schwebten,

Nebelfetzen,

manchmal

getrieben,

weiße

Das war nicht anzu¬

Freischärler vielleicht gewarnt worden? Auch das schien ihm kaum glaublich. Da machte sich ein leises Brausen bemerkbar, wie das erste Grollen eines aus weiter Ferne heranziehenden Gewitters. Die Tritte so vieler Menschen, zu einem Ton vereinigt, können in der tiefen Stille der Nacht nicht ungehört verhallen. Bald darauf sah man eine lange, schwarze Schlange sich langsam Oder

waren

die

aus dem Nebelmeer hervorwinden.

Wie ein elektrischer Schlag durchzuckte es die Husaren. Alle Abspannung, alle Müdigkeit war verschwunden. Sie wären am liebsten gleich aus ihrem Versteck hervorgebrochen und hätten sich auf den langsam herankommenden Feind gestürzt. Doch

Karl gebot Stille.

Erst mußte eine genügende Anzahl das Sumpfland hinter Als sich haben, bevor der Angriff wirksam erfolgen konnte. die Spitze der Kolonne sich der Stelle näherte, an der Karl mit seinen Husaren hielt, wurde ein Trompeter mit einem

Sergeanten, der

stürzte ctn

dann stand die Schwadron

Sollte der Jude gelogen haben? nehmen.

ein wenig polnisch aufgeschnappt

hatte,

ab¬

Die beiden sprengten im Galopp über das Blachgeschickt. Dann selb und hielten unweit der Schar ihre Pferde an. blies der Trompeter eine Fanfare, und der Sergeant schrie mit Löwenstimme auf polnisch: „Halt! Ergebt Euch! Legt die Waffen ab!" Ein wüstes Geschrei aus der vollständig überraschten war die Antwort. Zugleich wurden zahlreiche Masse Flintenschüsse auf die beiden Reiter abgegeben, von denen bei aber glücklicherweise keiner traf. Laute Kommandorufe erschallten nun. und die langgestreckte Linie lief in große Haufen zusammen. Die Sensenmänner standen in der ersten Reihe und streckten ihre Sensen vor. Diese haarscharfen, gewöhnlichen Ackersensen waren gerade ge¬ richtet und an langen Stangen befestigt worden. Sie bildeten der unsicheren Beleuchtung

eine ganz gefährliche Waffe.

Gleichzeitig schmetterten die Trompeten der Husaren vom Walde her das Angriffssignal: „Eskadron Trab! Marsch, marsch! Eskadron Galopp!" Wie der Sturmwind brauste die lange Linie heran, der Rittmeister allen voran. Der erste Sensenmann, auf den er traf, streckte ihm seine

Da gab Karl seinem Fuchse die Sporen. Tier empor und übersprang mit einem ungeheuren Satz die Sense, mit den Vorderhufen den Kopf

Lanze

entgegen.

Kerzengerade stieg das

des Gegners zerschmetternd und diesen zu Boden reißend.

Aber auch Karl blieb nicht unverletzt. Die Sense halte ihm das Beinkleid am Schenkel aufgeschlitzt und ihm eine tiefe Fleischwunde beigebracht. Doch wer achtete das jetzt? Sausend fielen die Säbelhiebe auf die unbeschützten Köpfe und Schultern der Senseiimänger. Eine Lücke war gebrochen. Andere Husaren stürmten nach. Der Hause geriet in Verwirrung und drängte ratlos nach rückwärts. Die langen Sensen konnten im Gedränge nichts mehr nützen, sie waren jetzt mehr hinderlich als förderlich. Da kam Karl ein Reiter entgegen. Ein Pistolenschuß blitzte auf und riß ihm die Pelzmütze vom Kopfe. Karl richtete sich hoch im Bügel auf, und ein wuchtiger Säbelhieb traf die Confederetka des feindlichen Führers. In demselben Augen¬ blick krachte dicht hinter ihm ein Husarenkarabiner. Von der

>.

399

Kugel mitten in die Brust getroffen, sank der Pole hintenüber vom Pferde. Der Fall ihres Führers brachte neue Verwirrung in die Masse der Frcischaren. Alles drängte rückwärts, unbarm¬ herzig von den Säbeln der Husaren zusammengehauen. Viele wandten sich zur Flucht, warfen die Waffen weg und suchten Schutz im Walde oder in den Sümpfen, in denen sie versanken. Aber schon drohte neue Gefahr. Unablässig drangen vom Damm her neue Scharen von Freiheitskämpfern hervor. Sie nahmen die Flüchtigen auf und entwickelten sich auf dem Blachfelde zu geschloffenen Kolonnen, die regelrecht mit vorgestreckten Lanzen, die Schützen hinter sich, vorrückten. Die Lage wurde immer gefährlicher. Das kleine Häuflein der Preußen war bedenklich zusammengeschmolzen, Nur noch kurze Zeit, und trotz seiner beispiellosen Tapferkeit. auch der Rückzug war für sie abgeschnitten. Vor sich. hinter Feinde in unabsehbarer Zahl! sich Schon wollte der Rittmeister das Signal zum Rückzug geben lassen, denn ec sah ein, daß er mit seinen Leuten der Uebermacht erliegen müsse. Da nahte die Rettung. Mit lautem „Hurrah" brach die zweite Schwadron über den schmalen Wiesenstreifen zwischen Wald und Moor hervor, marschierte auf dem Blachfelde auf und stürzte sich den feind¬ lichen Kolonnen in den Rücken. Ein panischer Schrecken ergriff die Freischärler. Alles wandte sich zur Flucht. Scharenweise warfen die Leute die Waffen weg, stürzten auf die Kniee und baten um Gnade. Wer sich widersetzte, wurde niedergemacht. Hei, das war ein lustiges Jagen, so ein echtes Reiter¬ stücklein! In fliegender Hast, was die Pferde nur laufen konnten, verfolgten die braven Ziethen-Husaren die Flüchtigen. Die Gefangenen wurden zusammengetrieben und bis zum an¬ Als die Mondsichel er¬ brechenden Morgengrauen bewacht. bleichte und die Sonne strahlend im Südosten die Dunstschicht durchbrach, beleuchtete sie ein grauenvolles Totenfeld.

Karl war bei Beendigung des Kampfes ermattet vom Pferde gesunken und von seinem treuen Christian aufgefangen worden. Außer der Beinwunde hatte er noch mehrere andere Wunden erhalten und starken Blutverlust erlitten. Bei der kolossalen Anspannung aller Körper- und Seelenkräfte während des Kampfes hatte er der Wunden nicht geachtet. Jetzt aber waren seine Kräfte zu Ende. Der Rutmeister der zweiten Schwadron von Selchow übernahm das Kommando. Er übertrug die Führung der ersten Schwadron dem Premierleutnant von Versen und stellte einstweilen erfahrene Sergeanten an die Stellen der verwundeten Offiziere. Noch in der Nacht waren Boten abgeritten, um Wagen zum Abholen der Verwundeten zu requirieren. Diese trafen mit Tagesanbruch ein und nahmen ihre traurige Ladung in Empfang. Auf einem derselben lag auch Karl, dem Christian einen Notverband angelegt hatte. Von den Gefangenen hatten sich einige unter dem Schatten der Nacht wieder davon geschlichen. Die übrigen wurden unter starker Eskorte nach Gnesen geführt; ebenso wurden die transportfähigen verwundeten Husaren ins dortige

Milüärlazarett gebracht. Die lebensgefährlich Verletzten wurden teils im Schlosse, teils in den besseren Bauernwirt¬

schaften untergebracht. Der Regimenischirurgus und noch ein zweiter Arzt. der schleunigst aus Gnesen herbeigeholt worden war, behandelten sie. Die verwundeten Freischärler übergab man den Kossäten; ihren Angehörigen wurde es anheimgegeben, sie nach

Hause zu holen.

Am andern Tage bot der Rittmeister von Selchow eine Anzahl Bauern und Hörige auf. um die Toten zu beerdigen, was gleich in langen Massengräbern auf dem Schlachtfelve Ein Unterschied zwischen Freund und Feind wurde geschah. wegen der großen Ausdehnung des Kampfplatzes nicht gemacht. (Fortsetzung folgt.)

Fabian von Dolma. Von Or. Hans Georg Schmidt — Sachsenburg.

Mit

zwei Abbildungen.

Als die Nachricht durch die Blätter ging, daß Fabian von Dohna neben dem Kurfürsten Johann Sigismund in der Stegesallee ein Denkmal erhalten werde, da fragte sich gewiß mancher, auf Grund welcher Verdienste ihm noch nach so vielen Jahren solche Auszeichnung zu teil werden solle. Wir unterziehen daher im folgenden den Lebenslauf dieses Mannes einer kurzen Betrachtung. Fabian von Dohna entstammt jenem berühmten Burg¬ grafengeschlecht, das noch jetzt in Ost-Preußen ausgedehnte Besitzungen hat. Er wurde am 26. Mai 1550 auf dem Schlosse Stum geboren. Durch den Tod seines Vaters Peter, kürzlich

der

dem

deutschen Orden große Dienste leistete, sowie seiner

Mutter Katharine, geborenen von Zehmen, verwaiste er schon im Alter von 7 Jahren. Seiner Mutter Schwestern brachten verwaisten Knaben schon im folgenden Jahre auf das Gnmnasium zu Thorn. Durch Vermittelung seines ältesten Bruders Achatius 1560 vom Herzog Albrecht nach Königsberg berufen, erhielt er dort mit dem Prinzen Albrecht Friedrich und anderen adligen Junkern unter der Leitung des Hof¬ Nachdem marschalls Severinus seine weitere Ausbildung. Pädagogen kurze Zeit die durch den berühmten Sturm er geleitete Schule zu Straßburg besucht hatte, unternahm er die damals übliche Kavalierreise nach Italien. Auf dem Rückwege Acht besuchte er auch Genf, die Hochburg des Kalvinismus. Monate verlebte er hier im engsten Verkehr mit Beza, der seinen jungen Freund für die reformierte Lehre zu gewinnen wußte. Hierdurch wurde sein ferneres Schicksal bestimmt. Zwar boten sich ihm Aussichten auf eine glänzende Laufbahn im Herzogtum Preußen, aber die schon damals zu Tage tretende Geistesumnachtung Albrecht Friedrichs, seines JugendEr verfügte genossen, flößte ihm unüberwindliches Grauen ein. ritterlichen an den und tapferen Polen¬ Empfehlungen über könig Stephan Bathori, der bekanmltch die Oberlehnsherrschaft über Ostpreußen besaß; aber auch in dessen Dienste wollte er nicht treten, aus „Widerwillen, ja Schrecken für die polnische Nation." Auf den Rat seines Gönners Languet zog er zu Kasimir von der Pfalz nach Kaiserslautern, dem einzigen Fürsten im ganzen Reich, der gleich ihm sich zum Kalvinismus bekannte. Des Pfalzgrafen Hof war nicht sehr groß, abcr Denn getreu der von sein Einfluß war um so bedeutender. seinem Vater, dem verstorbenen Kurfürsten Friedrich III., geübten Politik trat er in allen Ländern, wo die neue Lehre festen Fuß gefaßt hatte, als Schützer und Schirmer ihrer den

Anhänger auf. Ja, eben im Jahre 1578, wo Dohna ihm seine Dienste anbot, folgte er einem Rufe um Hilfe nach den Niederlanden, welche damals den Kampf gegen die spanische Willkürherrschaft führten. Zwietracht unter den Führern und Geldmangel vereitelten leider die Anstrengungen Johann Kasimirs. Auch seine Reise nach England war, da die Königin ihm die erbetene Unterstützung versagte, vergeblich. Dohna war im Felde und auf der Reise der treue Begleiter seines Herrn, der ihm bald solches Vertrauen schenkte, daß er ihm So machte sich der junge die wichtigsten Missionen übertrug. Graf während des sogenannten Kölnischen Krieges 1588 durch seine Umsicht als Diplomat und durch seine Tapferkeit als Soldat unentbehrlich, und als der Hugenottenkrieg sich von neuem entfachte, verwendete sich Dohna an verschiedenen Höfen für die bedrängten Glaubensgenossen in Frankreich. Nur eine kurze Unterbrechung seiner Thätigkeit in der Pfalz brachte ihm der russische Krieg, dem er im Heere des Polenkönigs, nicht ohne sich mehrmals sehr hervorzuthun, von Anfang bis Ende beiwohnte. „Grausam große, vielfältige Ge¬ schäfte" fand er bei seiner Rück¬ kehr zum Pfalzgrafen vor, denn nach dem Tode Ludwigs, seines Bruders, wurde Johann Kasimir seines Neffen als Vormund Friedrich Kurfürst von der Pfalz.

Als

solcher benutzte er

Mehr und mehr aber zog er sich von diesem hochmütigen Verschwender zurück, zumal auch die schon lange vernachlässigten Güter in Preußen dringend der Anwesenheit

Reichstag.

ihres Herrn bedurften. Es genügte indes Dohna nicht, in Ruhe und Frieden seine Nachdem er der abenteuernden Wanderlust Aecker zu bestellen. seines Volks Tribut gezahlt hatte, wollte er in den Meister¬ jahren des Lebens seine umfassenden Kentnisse und seine reichen Erfahrungen zum Wohle des Vaterlandes verwerten. Das Herzogtum Preußen bedurfte gerade damals, am Anfange des 17. Jahrhunderts, wackerer Männer. Bald mußte sich das Schicksal desselben entscheiden, denn weder dem blöden Herzog

Albrecht Friedrich, noch seinem Vetter und Vormund Georg Sollte nach ihrem Friedrich blühte ein männlicher Erbe. Tode der polnische König Preußen als Woiwodschaft seinem Reiche einverleiben, oder sollte das Land durch Vererbung auf den Kurfürsten von Brandenburg dem Deutschtum erhalten

bleiben?

Fabian mit seinem Abscheu vor polnischem Wesen und polnischer Art wünschte das letztere und war fest entschlossen, sein Möglichstes zur Bekämpfung Polentums beizutragen. des Schon 1589 auf dem Reichstage zu Warschau setzte er haupt¬ durch, daß König es Sigismund bei der Erneuerung der Investitur Georg Friedrichs sächlich

die Ver¬

auch

größerung seiner Machtmittel, um im Bunde mit anderen protestan¬ ein Heer nrch tischen Fürsten zur entsenden, Frankreich zu Rettung der Hugenotten vom Führer Untergang. drohenden Fabian von desselben wurde

Da dieser

Dohna. einem

anderen

aus



aber mit Schweizern

sich

und Franzosen bestehenden Heere unter Führung des allzu jungen Herzogs von Bouillon verbinden

DgF Gräflich Voflnn'sche Wappen.

war er in seinen Plänen sehr behindert. Krankheit, Geldnot und Mangel an Nahrungs¬ mitteln verringerte die Zahl seiner Truppen von Tag zu Tag, und als Navarra gegen sein Versprechen nicht zur rechten Zeit an der Loire erschien, um die Führung zu übernehmen und aller Not ein Ende zu machen, brach unter den Soldaten eine Empörung

mußte,

so

aus, die nur unter großer Mühe beschwichtigt werden konnte. Den Ueberfall von Vimoris schlug Dohna siegreich zurück, aber zu Anneau erlitt er durch die Treulosigkeit eines Franzosen eine Schlappe, nach welcher seine Soldaten in wilder Flucht in die Heimat zurückeilten.

Dohna ließ sich durch diesen unglücklichen Ausgang des Feldzugs nicht entmutigen und zog einige Jahre später als Oberst Christians von Anhalt wieder nach Frankreich. Bei seiner Rückkehr nach Heidelberg stand er trauernd an dem Grabe des Pfalzgrafen, mit dem eine innige Waffenbrüderschaft und selbstlose Freundschaft ihn verbunden hatte. Das Regiment des neuen Kurfürsten Friedrich V. sagte ihm zwar nicht zu, doch widmete ihm als dem Neffen des teuren Entschlafenen gern seine Dienste und vertrat ihn dreimal auf dem Regensburger er

auch

das

kurbrandenburgische

Haus mitbelehnte; und als jetzt Jahres des Reichstage vom 1600 wenig erfreuliche Nach¬ richten über polnische Pläne und eintrafen, da stellte Absichten die Spitze jener er sich an Bewegung, die durch Bewaff¬ nung und militärische Uebungen des Landvolks die Selbständig¬ keit des Herzogtums zu sichern Erwünschten Beistand suchte.

Kurprinz Johann Sigismund, der nach vorheriger Verhandlung mit den Landständen sich der Sache eifrig annahm und solche Waffen, die im Lande nicht für Geld zu bekommen, waren, herbei¬ schaffen ließ. Als der Kurprinz zu einer Beratung mit seinem Vater Joachim Friedrich in Küstrin unter anderen auch Dohua hinzuzog, wußte dieser die Gunst des Kurfürsten in so hohem Maße zu gewinnen, daß man ihm glänzende Anerbietungen für seinen Eintritt in brandenburgische Dienste machte. Zwar leistete ihm

dabei

der

erteilte er ablehnenden Bescheid, doch gab er gern das Ver¬ sprechen, auf dem Reichstag zu Warschau für die Erbansprüche Johann Sigismunds nach Kräften einzutreten.

Im

Jahre 1603 schloß Georg Friedrich, Markgraf von Brandenburg und Administrator des Herzogtums Preußen, für immer die Augen. Erhielt Joachim Friedrich jetzt nicht die Vormundschaft über den blöden Herzog, so war Preußen für ihn verloren. Er erhielt sie zunächst nicht, denn wider Erwarten bestimmte der polnische Reichstag dieses Jahres, daß die vier Regimentsräte, Preußens oberste Behörde, die vormundschaftliche Regierung führen sollten, nnd der König verschob die Antwort

401

Stellung zum Luthertum. Der Kalvinismus war im Lande verboten. Weigerte sich Dohna, die unverfälschte Augustana zu unterschreiben, dann war er Vorläufig schützte ihn noch der starke Arm des gerichtet.

auf die Vorstellungen und Anfragen der brandenburgischen Gesandten ausweichend bis zum nächsten Reichslag. In dieser Bedrängnis wandte sich der Kurfürst an Fabian, der einer Einladung nach Berlin für den 29. Juni Folge leistete und

leichtesten durchzusetzen hoffte, war seine

mit seinem Rate nicht zurückhielt. Die gnädige Aufforderung Joachim Friedrichs zu einer Wunschäußerung sowie das Anerbieten eines Lehen wies er ab, denn „umsonst habe er seine Dienste versprochen, umsonst wolle er sie auch leisten". Inzwischen wuchs das Ansehen und der Einfluß Dohnas in Preußen immer mehr. Obgleich nur Privatperson, wurde er doch regelmäßig zu den Sitzungen des Oberrats hinzu¬

Kurfürsten. Dieser machte allen Streitigkeiten kurz ein Ende, Denn als Johann Sigismund zum Heile seines Sohnes. am 28. Juli 1608 zur Regierung gelangte, da war es vor allem Dohna, der ihm mit Rat und That zur Seite stand. Durch Dohnas Umsicht und Sachkenntnis gelang es auch, dem neuen Herrn die vorläufige Vormundschaft in Preußen zu Die definitive Uebertragung derselben sollte verschaffen. auf dem Reichstag des folgenden Jahres statt¬ finden. Leider genehmigte Jo¬ hann Sigismund seinem

und bei den Beratungen häufigen mit brandenburgischen und gezogen,

polnischen Gesandten

hörte man gern auf die gewiegten Worte des

seinen Landesgenossen

rder

Beziehung

heimgesuchten Oberburg¬

grafen den

in

sollte

sein

brach der Sturm der Stän¬

Auf¬

für Joachim

de

Friedrich auf dem für No¬ Landtag werden,

wo er an der Spitze der gut deutsch d. h. brandenburgisch Gesinnten gegen¬ den

polenfreund¬

dem Ketzer zu trennen. Jo¬ hann Sigismund wehrte

lichen Bestrebungen eine

Resolution

zu

Gunsten

Kurfürsten durchsetzte. Man beschloß nämlich, König Sigismund durch Abgesandte zu bitten, Kuratel und Ad¬ ministration des Landes dem Kurfürsten von Brandenburg zu über¬ des

tragen.

sich

Fabian bestimmt,

solches

gegen

An¬

sinnen mit aller Macht, aber als man drohte, am polnischen Hof gegen sein Gesuch um die Vor¬

mundschaft

Güervurggraf Fabian von Dohna.

und

gelang ihm es wirklich, gegen eine Zahlung von 300 000 Thalern, die der von den Schweden bedrängte König nicht gern missen mochte, diesem die Zustimmung zur einstweiligen Uebernahme der

Kuratel durch Kurbrandenburg abzupressen.

Der Kurfürst war sehr zufrieden mit diesem Erfolge, und nach längerem Drängen wußte er Fabian schließlich doch zum Eintritt in seine Dienste zu bewegen. Er ernannte ihn zum Amtshauprmann von Insterburg und bald darauf durch Ver¬ setzung nach Tapiau zum Oberburggrafen, d. h. zu einem der vier höchsten Beamten des Herzogtums. Fabian stand jetzt auf dem Höhepunkte seines Lebens, denn schon arbeiteten Haß und Neid, seine Wirksamkeit unterbindend, an seinem Sturz. Der Umstand, durch den man seine Entfernung am

zu

pro¬

ließ er Dohna fallen. In einem gnädigen Schreiben vom 28. Dezember 1608 bat er ihn. dem Vaterlande ein Opfer zu bringen zu verzichten. — Aber testieren,

Zum Sprecher

der Gesandtschaft wurde

gegen den verhaßten

Kalvinisten, den „Herzog¬ macher" los. Ritterschaft, Adel und Städte ver¬ langten seine Absetzung; von der Kanzel herab forderten die Geistlichen vom Kurfürsten, sich von

vember 1604 einberufenen

über

nicht

Abschied.

Denn jetzt

druß gespart.

Von besonderer Wich¬ treten

nunmehr

erbetenen

Er hätte ihm damit viel Sorgen und viel Ver¬

über¬

legen war.

tigkeit

Altersschwachhcit

von

Staatsmannes und geschickten Diplomaten, der

da

auf seine Stellung freiwillig Dohna ging nicht! Denn nicht seiner Religion wegen werde er angefochten. Folge er dem Wunsche seines Herrn, dann werde dies den Eindruck erwecken, als müsse er das Licht scheuen. Er erwarte einen gerechten Richterspruch vom Polenund

könige.



So mußte denn auf dem Reichstage zu Warschau die Dohna siegte auf allen Linien. Die Entscheidung fallen. gegen ihn und den Kurfürsten wühlenden Abgesandten der Stände erfuhren schroffe Abweisung; er selbst wurde in seiner Würde als Oberbnrggraf bestätigt, und Johann Siegcsmund erhielt die erbetene Kuratel über Preußen. Jetzt erst dankte Dohna ab. War doch das Werk, dem -

>.

402

Kraft gewidmet hatte, zur Vollendung gediehen: die Erwerbung von Preußen durch Brandenburg war durch die Verleihung der Kuratel an Johann Sigismund hinreichend gesichert. Der Kurfülst hätte ihn jetzt freilich noch gern er seine ganze

behalten, aber schließlich bewilligte er doch seinem vertrauten Rat den erbetenen Abschied unter den schmeichelhaftesten Ausdrücken. Aber Dohna konnte die ersehnte und wohlverdiente Ruhe noch nicht genießen: Johann Sigismund trat zum Kalvinismus über. Bevor er diesen verhängnisvollen Schritt wagte, suchte er seinen ehemaligen Oberburggrafen in Karwinden auf. Was hier zwischen Herrn und Diener verhandelt wurde, wissen wir nicht. Als aber der lutherisch gesinnte Adel Preußens sich in wilder Bewegung gegen den abtrünnigen Kurfürsten erhob, da stand Dohna wieder auf dem Plan und mit ihm seine Familie mit ihrem großen Anhang im Lande. Fabian selbst war zur Uebernahme eines Amtes zu alt, aber sein Neffe Fabian wurde Landesdireklor und dessen Bruder Friedrich Landeshofmeistcr mit Sitz und Stimme im Regiments¬ rat. Johann Sigismund stützte sich also auf das Geschlecht, das zuerst im Herzogtum Preußen zum Kalvinismus übertrat, und dessen geistiges Haupt Fabian von Dohna bildete. Des Treibens müde, zog sich der alte Graf mehr und mehr vom politischen Leben zurück. Er zeigte noch lebhafte Teilnahme für den Landtag von 1615, auf dem die gegen den Kurfürsten klagenden Stände eine neue Niederlage erlitten, und groß war seine Freude, als drei Jahre darauf, nach dem Tode des Herzogs Albrecht Friedrich, die Rücksicht auf das siegreiche Vordringen der schwedischen Armee den Polenkönig bestimmte, das Haus Brandenburg endgültig mit dem Herzog¬ tum Preußen zu belehnen. Fabian lebte auf seinem Schlöffe Karwinden ruhig und still, überwachte die Bewirtschaftung seiner Güter, arbeitete in der reichhaltigen Bücherei und unter,

hielt einen regen Briefwechsel mit Freunden und Verwandten. Eine letzte Freude bereitete ihm, als seine Kräfte mehr und mehr erlahmten, die Nachricht, daß auch Georg Wilhelm von Brandenburg trotz aller Hindernisse die Belehnung mit Preußen am polnischen Hof durchzusetzen gewußt habe, er sah. daß er nicht vergeblich gearbeitet hatte, und daß Kurbrandenburg den Besitz wahrte, den es seiner Vermittelung verdankte. Am 4. Juni 1621 starb Fabian von Dohna eines sanften Todes. Er beherrschte 8 Sprachen und hatte 34 Gesandt¬ schaften verrichtet, davon vier an deutsche Kaiser, je drei an die Könige von Polen und Dänemark. Den prunklosen Leichenstein in der Kirche zu Morungen ziert die Inschrift: „Niemand meinen Tod beweinen soll, ich leb in Gott, und mir ist wohl."

L-M fltrirtmnrt Malim-n», Zu

seinem hundertjährigen Geburtstage.*) Von Rudolf Hartstei».

(Mit

Abbildung auf S. 405.)

1797 wurde Hans Ferdinand Berlin geboren. Er war der Sohn schlichter Bürgersleute, die das beste Erbteil ihrer Kinder in einer guten Am

15.

Maßmann

August

zu

Erziehung sahen. seinem

Demgemäß

besuchte

Zwillingsbruder Johann Karl

Hans Ferdinand mit

zunächst eine sog. Klipp¬

*) Der Aufsatz ist zum 15. August 1897 geschrieben worden, ging uns aber erst zu, als Nr. 33 des „Bär" schon gedruckt vor.

Abc - Schule und hernach das Friedrich - Werdersche Gymnasium, das er 1814 mit Auszeichnung verließ. Er studierte Theologie in Berlin und Jena, war aber neben seinen Fachstudien auf verschiedenen technischen und dem germanistischen Gebiete thätig und lag zudem eifrig dem Turnen ob. Für das letztere sowie für die Germanistik war er von Jahn gewonnen worden, bei dem er seit 1811 geturnt oder

hatte. Den Feldzug 1815 machte Maßmann als freiwilliger Jäger mit. ohne indeffen, wie viele andere Kameraden, an den Feind zu kommen. In der Oeffentlichkeit ward Maßmann zuerst genannt gelegentlich des Wartburgfestes im Jahre 1817. Damals war er es, der das Autodafe verschiedener bei den Patrioten mißliebiger Bücher auf Jahns Anraten in Scene setzte, eine That, die er schwer büßen mußte, da sie ihm auf Jahre hin¬ aus den preußischen Staatsdienst verschloß. 1818 ging Maßmann nach Breslau, um dort das durch Harnisch eingeführte Turnen zu leiten und zugleich seine Studien abzuschließen. Er bestand daselbst die wiffenschaftliche und pädagogische Prüfung, war auch schon als Lehrer an einem Gymnasium thätig, als er plötzlich mit Eintritt der „Turnsperre", einer der Folgen der unseligen That Karl Sands, als politisch anrüchig seiner Stellung enthoben wurde und es nunmehr vor 1827 zu keiner festen Stellung mehr bringen sollte. Er benutzte die Zeit der unfreiwilligen Muße zu naturwissenschaftlichen Studien und vor allem zu großen Reisen an die für altdeutsche Litteratur wichtigen Bibliotheken Deutsch¬ lands. Auch bei Pestalozzi in Merten war er eine Zeitlang.

Von Heidelberg aus ward Maßmann 1827 durch die bayerische Regierung nach München als Turnlehrer am Kadettenkorps berufen, und er erwarb sich dort große Verdienste um das Turnen überhaupt, indem er ihm sowohl in den Schulen wie auch bei Hofe Eingang zu verschaffen wußte.

Für

in der bayerischen Residenz bestehenden Turnplatz auf dem Oberwiesenfeld, der in seiner Art wohl einzig in Deutschland ist. Unter den Prinzen jene

gründete

er

den

noch

heute

aber, denen Maßmann Turnunterricht erteilte, befand sich auch der jetzige Prinzregent von Bayern. Luitpold. In München habilitierte sich Maßmann am 5. April 1827,

von da ab datieren seine zahlreichen wissenschaftlichen Publikationen, zu denen ihm teils die schon erwähnten Reisen, teils die Schätze der Münchener Hofbibliothek zumeist die Grundlagen boten. Als Friedrich Wilhelm IV. im Jahre 1842 die Turn¬ sperre aufhob, da erinnerte man sich auch in Berlin Maßmanns. Er ward mit der Neuorganisation des Turnens in Preußen betraut und versuchte von 1843 ab, dieser Aufgabe unter strengster Anlehnung an Jahns Anschauungen und Vorschriften nachzukommen. So sehr Maßmann diese Pietät gegen seinen verdienten Jugendlehrer ehrt, so verkehrt war das Bestreben, denn die Zeit und die Menschen waren .seit den Freiheits¬ kriegen, dem unentbehrlichen Hintergrund für Jahns Auftreten und Wirken, doch ganz andere geworden. Dazu kam, daß die Turner sich 1848 von dem politischen Getriebe nicht ganz frei hielten und dadurch das eben eingeschlafene Mißtrauen der Regierung neuerdings weckten. Sie wandte sich daher der schwedischen „Gymnastik" zu und unterstellte die Turnlehrer, bildungsanstalt dem eifrigen Fürsprech derselben, dem bekannten Hauptmann Rothstein. und

403 Zugleich

Er Berliner

ward Maßmann zur Disposition gestellt.

lebte nunmehr ausschließlich seinen Vorlesungen an der

Univerfilät, an der er 1846 zum außerordentlichen Professor ernannt worden war. sowie seinen wissenschaftlichen Arbeiten. Dem Turnen blieb Maßmann sein Leben lang innig zugethan. Nicht nur. daß er bis in sein hohes Alter immer einen Stamm von begeisterten Schülern um sich zu sammeln wußte, mit denen er Mittwoch- und Sonnabendnachmittags hinauszog zu frischem, fröhlichem Spiele oder zur unter¬ haltenden und belehrenden Turnfahrt, auch das TurnerVereinsleben fand an ihm einen eifrigen Förderer, wie er denn auch von verschiedenen Vereinen zum Ehrenmitglied er¬ nannt wurde. Ebenso verdankt das Frauenturnen ihm viel; in Maßmanns Hause entstand, gebildet von seinen Schülerinnen, der erste Frauenturnverein. Maßmanns Heim zierte als erste Gattin eine geborene More aus Grünstadt. Sie führte er gleich nach seiner Berufung nach München heim, und eine glückliche Ehe. der 13 Kinder entsproßten. vereinigte ihn mit dieser gemülstiefen, schönen Frau und fürsorglichen Mutter bis zum Jahre 1850. Seine zweite Frau verlor er nach kaum einjähriger Ehe. Seine dritte, eine geborene v. Qualen, überlebte ihn um mehrere Jahre. Sie war ihm eine sorgsame Pflegerin im Alter, den Kindern aber eine treuliebende Mutter. Die Folgen des Alters stellten sich bei Maßmann zuerst anfangs der sechsziger Jahre ein. Damals traf ihn ein Schlaganfall, der ihn für einige Zeit einseitig lähmte, von dem er sich aber ziemlich bald wieder erholte. Nach wie vor hielt er seine Vorlesungen und veranstaltete er seine Turn¬ spiele, bei denen er stets selbst mitthat. Ja, ausgangs der sechsziger Jahre wagte er noch eine zweite wisienschaftliche Reise nach Italien — die erste hatte er 1833 auf Wunsch und mit Unterstützung des Kronprinzen Maximilian von Bayern unternommen —, freilich sorgsam geleitet von seiner fürsorglichen Gattin. Kurz nach der Begründung des deutschen Reiches zog sich Maßmann in den Ruhestand zurück und lebte hierauf zunächst bei seinem Sohne Dietrich in Danzig und sodann bei seinem Sohne Berthold in Muskau. Hier ereilte ihn am 3. August 1874, nachdem er im Frühjahr des genannten Jahres noch einen Schlaganfall erlitten, der Tod. An Maßmanns Bahre trauerte außer seiner Gattin und den erwähnten beiden Söhnen auch noch seine einzige Tochter Bertha — von dem großen Kindersegen waren diese drei die einzigen, die den geliebten Vater überlebten. Es trauerte aber auch die deutsche Turnerschaft, die Wissenschaft und seine Muse. Bekannt ist ja, daß Maßmann von frühester Jugend an für sich und andere zum Trost und zur Erhebung dichtete. Manche seiner Musenkinder tragen den Stempel des ächten, markigen Volksliedes an der Stirne, andere haben sich für immer einen Platz in den Turnliederbüchern gesichert. Wohl jeder Deutsche sang schon das schöne Lied: „Ich hab' mich ergeben", und den Turnern ist die Weise: „Turner ziehen froh dahin" eine allbekannte und lieb gewordene.*) schon

*) Die gesamten die neben verschiedenen

„Turn-

und

Vaterlandslieder

Maßmanns",

anderen Gedichten desselben pietätvoll von den Semigen aufbewahrt wurden, erscheinen demnächst bei R. Heinrich in Charlottenburg, herausgegeben von C. Euler und R Hartstein. Der Erfolg des Buches ist nach dem Wunsche der Familie zu dem Grund¬ stock einer „Maßmannstiftung" bestimmt, aus der dem Toten ein Gedenk¬ stein auf dem Turnplätze der Hafenhaide errichtet werben soll.

Nun ruht der treue Anhänger Jahns, der kleine, unter¬ setzte. breitbrustige Mann mit der hohen, eckigen Stirne und dem schönen, langen Haare schon über zwanzig Jahren im kühlen Schoße der Erde. Ihm zur Seite schlummert nunmehr Dankbar haben die deutschen Turner auch die dritte Gattin. aus Nord und Süd die Stäite mit einem Steine geschmückt, der in einem Bronce-Medaillon das wohlgetroffene Bildnis Maßmanns trägt, und dankbar gedenken seiner die Turner in ganz Deutschland am 14. und 15. dieses Monats. In München wurde der hundertjährige Geburtstag Maßmanns durch den jetzigen verdienten Direktor des Königl. Turnplatzes Hirjchmann schon im voraus gefeiert: eine kernige Rede führte den Turnschülern, bevor die Ferien sie nach allen Seiten auseinander führten, des Verstorbenen unablässiges Bemühen um die Turnsache vor Augen. Auch in Berlin wird, wenn diese Zeilen erscheinen, Der Turnverein der Gedenktag würdig begangen sein. „Maßmann" feiert den Toten am 14. Hierselbst, und am 15. wird in Muskau durch den dortigen Turnverein eine Gedenk¬ feier abgehalten, zu der der schon genannte Verein „Maßmann" sowie der Ausschuß der vier berliner Turngaue je zwei Vertreter entsenden. Alle aber, die des Verblichenen in diesen Tagen gedenken, werden mit dem Verfasser dieser Zeilen darin übereinstimmen, daß Hans Ferdinand Maßmann ein eifriger, überzeugungstreuer Turner, ein kenntnisreicher und produktiver Gelehrter und ein wahrer Vaterlands- und treuer Volksfreund war.

Kriegerische Ereignisse in -er Ueumarir im ilimffliVifl Von W. Bruchmüller. die Kulturgeschichte des 17. und 18. Jahrhunderts, besonders für die des Landvolkes in dieser Zeit, giebt es eine

Für

und doch noch fast garnicht benutzte Fülle von Material in den Pfarrarchiven. Dasselbe führt in den meisten Fällen ein durch nichts gestörtes Stilleben, und Würmer und überreiche

Staub tilgen jahraus jahrein mehr von diesen oft interesianten und für die Kenntnis des damaligen Volkslebens durchaus wichtigen Nachrichten. Haupt- und Staatsaktionen sind es freilich nicht, was uns die verschossenen Blätter melden, sondern meist nur die Geschicke der Gemeinde, die der Pastor der Aufzeichnung für wert hielt: Brände, Mißwachs, Bauten, Seuchen unter Menschen und Vieh u. s. w. Aber zwischen den Zeilen steht das eigentlich uns Interessierende, da lernen wir das Verhältnis des Gutsherrn zu den Bauern kennen, wir sehen die Einrichtung des Pfarrhofes, den Wirtschafts¬ betrieb, den Bildungsstand der Bauern, ihre Freuden und Leiden im Frieden und auch im Kriege, wenn der Feind ein¬ dringt und plündernd und sengend seine verheerende Bahn Manch liebenswürdiges, frommes Pfarrherrngeficht zieht. taucht vor unserem geistigen Auge auf. wenn wir die oft launigen Aufzeichnungen lesen, und auch manch strenges, steifes und starres, das fest auf seinem Schein besteht und der An¬ ficht ist, daß auf die groben Klötze von Bauern ein grober Keil von Pfarrherrn gehört. Die ausgiebigsten Quellen für die Lokalgeschichte find aber in den Pfarrarchiven nicht immer die eigentlichen Kirchenbücher,

welche freilich

hier und da angesehen werden; ich daß sie meist am unfruchtbarsten

möchte

find

noch am ersten

sogar behaupten, — ausgenommen

>.

404

natürlich für die Familiengeschichle. — Oft führen die Kirchen¬ rechnungen schon weiter, in denen sich so manche zerstreute Notiz anbringen ließ, vor allem aber sind es rein annalistisch gehaltene historische Aufzeichnungen von Pfarrern, Matrikeln oder sogenannte Kurrendebücher. welche uns die wichtigsten Details liefern. Der Zeitraum, über den uns für unsere Gegend die Pfarrarchive wertvolle Nachrichten liefern, ist aller¬ dings kein allzu weiter, meist reichen die Quellen nicht über die zweite Hälfte des 17. Jahrhunderts hinaus, und sie hören mit Beginn des 19. Jahrhunderts allmählich fast ganz auf, da mit dem wachsenden Bureaukralismus der Raum für historische Notizen und Anmerkungen in pfarramtlichen Listen und Rechnungen schwand. Wenn ich. daher von kriegerischen Ereignisien spreche, so denke ich dabei vorzüglich an die Kriege Friedrichs des Großen, besonders an den siebenjährigen Krieg mit seinen Einfällen der Rüsten. Vom dreißigjährigen Krieg können wir fast nur noch Nachklänge in unseren Quellen spüren, und die Kriege von 1806 und 1807, sowie 1813—1815 gehen sonderbarerweise in den von mir eingesehenen Akten ganz spurlos vorüber. Ich habe nun sür die gegenwärtigen Mitteilungen die Pfarrarchive von Messow, Kunschow und Tammendorf im Kreise Crossen a. Oder durchsucht, Parochien, die im ganzen 14 Dörfer umfassen und sämtlich rechts der Oder in dem nordwestlichen Teil des Crossener Kreises liegen, es find die Dörfer Messow, Schoenfeld, Pollenzig, Schmachlenhagen,

Mühlow, Siebenbeulhen, Birkendorf, Kurtschow, Radenickel, Trebichow, Heidenau, Rießnitz, Tammendorf und Clebow. Die hauplsächiichsten Quellen sind die Messower Pfarrannalen, die von 1656—1757 reichen und von den Pastoren Helm in Mastow, Vater, Sohn und Enkel, verfaßt find. Für unseren Zweck kommen aber nur die des drillen Helm, Friedrich Christian, von 1726 an, in Betracht, dann zwei Berichte über Russeneinsälle der J.chre 1759 und 1760 durch den Tammendorfer Pfarrer Friedrich Buthenius (175t—1795) und ein Kurrendebuch des Kurtschower Predigers Deuischdie

Reihe anderer erwähnen werde. ich an den betreffenden Stellen

mann 1754—1760; Akien,

die

außerdem

noch

eine

!

11 Jahren hier kein Prediger gewesen, sondern der Küster den Gottesdienst mit Ablesen hat bestellen müssen, indem nur etwa 3 bis 4 Einwohner allhier in Kurtschow gewesen, bis man geendeter Kricgsunruhe einen gewissen Prediger wieder vociret hat, da dann vermutlich, daß demselben von dem hiesigen adlichen Hofe die Decima nur nach dem damaligen endlich

nach

Zustande der Aecker sind entrichtet worden, wobei es bisher geblieben, da doch der status hier in Kurtschow und Heidenau Wir sehen jetzt weit anders, als er dazumal gewesen, ist." hier, wie verödet das Dorf Kurtschow gewesen. Aus anderen Nachrichten wissen wir ebenfalls, daß sogar zweimal während des Krieges jahrelang kein Pastor am Orte

vorhanden

war.

Die 3—4 Einwohner sind natürlich als 3—4 selbständige Hauswesen, nicht etwa als Einzelpersonen aufzufassen. Von Trebichow wissen wir nur aus dem Jahre 1645, daß die Kirchenrechnungen während des Krieges verloren gegangen Vielleicht ist hier in Trebichow die Kirche mit zerstört sind. worden, da 1655 laut der Kirchenrechnung dort eine neue Kirche erbaut ist. Die schlimmsten Jahre des Krieges waren

für

unsere

Dörfer wahrscheinlich die

nach der Schlacht an der

1626. In diese Zeit fällt vielleicht die elfjährige Vakanz, von der Bleschke schreibt. Dessauer

Brücke

auch

Schon während des Krieges und besonders nach dem¬ war es nun wegen der allgemeinen Verödung des Landes eine Hauptaufgabe des Lairdes- und besonders der selben

einzelnen Gutsherren, die verwaist gewordenen Bauernstellen frisch zu besetzen, um neue Kräfte für die Bestellung des Ackers zu gewinnen und wieder Zinse und Abgaben zu erhalten, zu denen die Bauern neben den Hofdiensten verpflichtet waren. Aber diejenigen, die sich zur Annahme einer Bauern- oder Kostätenstelle meldeten, waren meist vollständig mittellos, sie mußten ebenso wie die meisten der noch vorhandenen Bauern mit allem Inventar, Vieh und Saatkorn neu ausgestattet, auch mußten die Höfe neu aufgebaut oder doch repariert werden. Einen solchen Hof erhielt der neue Bauer für ein geringes Geld. das er meist noch schuldig blieb, aber nicht zum Eigentum, sondern

nur zum Nießgebrauch, sodaß er jeden Augenblick von seinerSlelle Ueber diese Neuansetzungen

Ueber die Ereignisse während des dreißigjährlgen Krieges erfahren wir, wie erwähnt, nichts aus unseren Akten, obwohl

wieder vertrieben werden konnte.

die Mark Brandenburg und auch die Neumark in ihm schwer

als sie einen bisher, meines Wissens Vorgang beleuchten. Hier hat unbekannten wenigstens, völlig nämlich die Kirchenkasse den Gutsherrn bei der Neubesetzung unterstützt, indem auch sie aus ihren Mitteln mehrere Kossäten neuansetzle und ausstattete, wofür diese dann zwar der Kirche

Nur aus dem Kurtschower Archive erfahren wir einiges über die angerichtete Verwüstung, und diesen Nach¬ richten sei hier die erste Stelle gegönnt. Der furchtbare Krieg hatte die Mark Brandenburg fast buchstäblich zur Wüste gemacht. Nach einem Bericht der Hof¬ kammer waren 1652 in sämtlichen Aemtern der Kur- und Neumark von 3000 vor dem Kriege vorhandenen Ackersleuten nur noch 1550 auf ihren Stellen, und diese kurfürstlichen Amtsdöifer waren in der Regel noch die besten und am gelitten haben.

Die furchtbare Verwüstung auch in unserer Gegend schildert uns der Kurtschower Prediger Balthasar Bleschke (1688 - 1731) in einer Beschwerdeschrifl an das Küstriner Konsistorium vom 10. Juli 1710, in der er sich über zu kleine Decimalieferung seitens derHerrschafl in Kurtschow und Heidenau beklagt. Er schreibt: „So viel man aber absehen kann, so rühret solche Unrichtigkeit noch wohl von den bösen Zeilen her, in welchen die Kirchen-Matrikul sind verloren gegangen, die Einwohner verjagt, und die Aecker ver¬ wüstet worden, da nach Aussage alter Leute in ganzen

dichtesten besetzten.

haben so

wir

sehr interessante Nachrichten aus Trebichow, die um

wertvoller find,

die Summe zurückzahlen und verzinsen sollten, im übrigen aber Unterthanen des Gutsherrn wurden. So finden sich in der

Kirchenrechnung von 1655 mehrere Posten angeführt, die Ein¬ wohner von Trebichow der Kirchenkaste für Vorschüsse zur Neueinrichtung nach dem Kriege schuldeten, z. B. einer 13 Thl. Ueber die Billigkeit der Preise darf man sich wundern, da das dafür Gewährte ja nicht in hierbei nicht das volle Eigentum der Empfänger überging, sondern ihnen "überlassen wurde. Das wichtigste Akten¬ nur zum Nießbrauch stück über diese Vorgänge teile ich hier ganz mit, es ist datiert vom 16. Juli 1635: „Verzeichnis wegen der verlaufenen Unter¬ thanen zu Trebkow. was dieselben in den Garten bekommen, so sie hineingetreten, und was sie auch der Kirche sind schuldig geblieben, wie folget. Erstlichen Lehmann, als er in Berthels Garten getreten, darinnen gefunden 3 Ochsen, 5 Kälber und

für 2

Ochsen.

--

voll Getreide, 2

5 Kühe, die Scheune

Kessel,

zwei Bornkannen Wasser, ein Fischkessel,

405

ein Kessel von

ein Beil,

wie auch

alles, was im Haus und Hof gewesen, mitbekommen. Darüber ist der Garten der Kirche schuldig geblieben 12 Thaler, sonst

ohne die Zinsen, welche Lehmann nicht verrichtet. Wiederum, wie Lehmann das Weib aus Fischers Garten genommen, hat er zu dem Garten 4 Rinder bekommen, wie auch die Scheune voll Getreide und all das Hausrat, was im Garten gewesen, von welchem er nichts heraus hat geben dürfen, sondern nur der Kirche 6 Thaler herausbezahlen sollte, welches er auch nicht richtig gemacht hat." (Derselbe Lehmann hat also hier zwei Wirtschaften erhalten, ein Vorgang, der sich häufig findet, da die Ertragfähigkeit der Aecker stark zurückgegangen war.) „Andreas Bache, als er in den Garten getreten, ist der Garten von den Gerichten gewürdiget worden um (?) Thaler, darinnen befunden die Scheune voll Getreide und allerlei Hausgeräte, was in solchem Garten ge¬ meiniglich gebraucht wird, da¬ rüber ist der Garten der Kirche 6 Thaler und der Herrschaft

ein Begleiter der Prinzeß, daß sie zwar sehr erfreulich seien, auf die Dauer aber auch tätlich werden könnten. Bei Pollangen

erwartete

der

Großfürst

Nikolaus

Braut.

die

Auf

der

Kompagnie Infanterie und Dragoner. Die ein Zug gleichen Truppen waren auf der russischen Seile aufgestellt. Prinz Wilhelm zog den Degen, führte dem Großfürsten die preußischen Truppen vor und übergab ihm dann feierlich die Schwester. Die preußischen Königsktnder wurden am russischen Hofe mit offenen Armen aufgenommen. Neben der Prinzeß Charlotte war ein Hauptgegenstand des Jntereffes der Prinz Wilhelm. Der Kaiser Alexander stellte den Prinzen seiner Mutter Maria Feodorowna bei dem ersten Zusammentreffen mit den Worten vor: „Ich empfehle Ihnen meinen neuen Bruder." Diese erwiderte, indem sie den Prinzen umarmte: „So bin ich denn um einen Sohn reicher." Während des Aufenthaltes in Petersburg traf den Prinzen preußischen Grenze standen

eine

das Mißgeschick, daß er von einem Hunde des Großfürsten

welche Schuld er bar hat sollen

Michael in den Fuß gebissen wurde; da der Hund getötet worden war und der Ver¬

bezahlen, darauf er nicht mehr

dacht der

6

Thaler

entrichtet, 6 6

schuldig

als

der

gewesen,

Herrschaft

Thaler, und der Kirchen die Thaler nebst dem Zins

schuldig verblieben, so geschehen und geschrieben 11. Juli 1635." (Fortsetzung folgt.)

JotmMUmL-iMudif Von *

Die beiden

Tollwut vorlag,

so

Wunde ausge¬ schnitten und ausgebrannt wer¬ den. Der Prinz hielt dies mit gelassenster Ruhe aus. Als man der Kaiserin-Mutter die Nachricht überbrachte, daß der Prinz die Operation mit heldenmütiger Standhaftigkeit ertragen und keinen Laut von gegeben habe, erwiderte sich mußte

* *

sie:

die

„Kein Wunder,

preußischer

Zusammenkunft der Kaiser des deutschen

es ist ein

Prinz

Prinz." *)

Wilhelm galt

bald

als

das

Muster eines Kavaliers. In Gegenwart des preuGefolges unterließ es ßischen ltzanF Ferdinand MZgßnmnn. nicht, Feodorowna Maria suche von Hohenzollern-Fürsten und Nikolaus Großfürsten den in Rußland zu gedenken. AIs Kaiser Wilhelm I. Rußland zum ersten Male besuchte, Michael Vorwürfe zu machen, daß sie hölzern und in war er zwanzig Jahre alt. Der Großfürst Nikolaus hatte Gesellschaft von Damen wenig liebenswürdig wären. Am im Jahre 1814 in Berlin die Prinzeß Charlotte kennen gelernt, Schluß ihrer Rede richtete sie an die Großfürsten die Mahnung, als er auf Geheiß seines Vaters, des Kaisers Alexander, mit sich an dem Prinzen Wilhelm ein Muster zu nehmen. seinem Bruder, dem Großfürsten Michael, nach Paris eilte, Glänzende Bälle, militärische Schauspiele und entzückende um der Einnahme der französischen Hauptstadt beiwohnen zu Gartenfeste folgten einander in Petersburg, Pawlowsk und Zarskoje-Selo. Nach der Hochzert ging Prinz Wilhelm nach können. Nikolaus sah und liebte die Prinzeß und entdeckte Moskau und kehrte von dort in die Heimat zurück. Friedrich Wilhelm III. Am König seinem und dem Vater sich Prinzeß Charlotte hatte ihre Verbindung mit Nikolaus Grenadier24. November, dem Einzugstage des russischen nicht zu bereuen. Am Hochzeitstag äußerte der Kaiser Alexander, Regiments „König von Preußen", wurde die Verlobung ver¬ dies sei der schönste Tag seines Lebens, und die Kaiserin öffentlicht. Da das Brautpaar noch sehr jung war. die Prinzeß Elisabeth bemerkte, nun habe sie das höchste Ideal ihrer Charlotte erst 16 Jahre, der Großfürst erst 19 Jahre zählte, Wünsche erreicht, nachdem ihr der Himmel eine solche Tochter so Erst am wurde die Verheiratung noch aufgeschoben. Wie die Prinzeß Charlotte als spätere Kaiserin geschenkt habe. 12. Juni 1817 brach die Prinzeß mit einem zahlreichen Gefolge nach Rußland auf. Die Vertretung des Königs wurde Alexandra Feodorowna selbst über ihr eheliches Glück urteilte, dem damaligen Prinzen Wilhelm übertragen. Die 250 Meilen ersieht man am besten aus einem Briefe, den sie nach dem

tliid des russischen Reiches, die in diesen Tagen stattgefunden hat. legt es nahe, früherer Be.

lange Reise von Berlin bis Petersburg glich einem Triumphzug. Von den Jubelbezeugungen der Bevölkerung bemerkte

*) Siehe „Bär" Nr.

14, Seite 166.

406 Tode des Kaisers Nikolaus an die Gemahlin des preußischen Generals Oldwig von Natzmer richlete: „Ach. liebe Luise Natzmer," schrieb sie, „wie bin ich unglücklich! Eigentlich ist kein Wort zu finden, welches das ausdrückt, was mein ganzes Ich, mein armes, zerbrochenes Ding geworden ist, seitdem ich mein Leben verloren habe und doch noch leben muß. Der Zweck ist dahin. Denn Er war der Hauptgedanke meines Herzens seit 38 Jahren. Und 38 Jahre war ich die glücklichste der

Frauen!"

Ein militärisches Schauspiel unvergleichlicher Art war es. sich im September 1835 in Kalisch abspielte, als König Friedrich Wilhelm III. mit seinem kaiserlichen Schwiegersöhne zusammentraf, um mit den versammelten preußischen und russischen Truppen gemeinsam Manöver abzuhalten. Es waren 59 000 Mann. 68 Eskadrons und 136 Geschütze in der Umgebung von Kalisch zusammen gezogen worden. Unter unbeschreiblichem Jubel fuhr der König in Kalisch ein und wurde von der Ehrenwache seines Regiments mit Hurrahrufen empfangen. Als der König mit dem Kaiser auf dem Balkon des Schlosses erschien, stimmten sämtliche in einem Viereck aufgestellten Spielleute der im Lager versammelten Regimenter, Itngcfähr 2000 Mann, einen Marsch an, den der König gelegentlich komponiert hatte. „Larol prusski“, „der preußische König" war in aller Munde, und als die Punzen Karl und Albrecht vor den beiden uralischen Kosaken-Regimentern ein Hoch auf den Kaiser Nikolaus ausbrachten, wurden sie von den freudeberauschten Kosaken von den Pferden gehoben und jauchzend auf den Armen gewiegt. Am 17. September fand das große Manöver mit allen russischen und preußischen Truppen statt, bei dem der Kronprinz von Preußen den Oberbefehl über das Reservekorps führte und die Prinzen Wilhelm, Karl und Albrecht Divisionen kammandierten. Den Abschluß der Festlichkeiten bildete ein großartiges Feuerwerk, während desien Abbrennung von 4300 Musikern und Sängern eine Hymne vorgetragen wurde. Den Takt für dieselbe gaben Kanonenschüsie an. Am 22. September trennten sich die Monarchen Der König und die nach Abhaltung eines Feldgottesdienstes. Prinzen bestiegen die Reisewagen, und die preußischen Truppen setzten sich nach der Grenze zu in Bewegung. Der Kaiser ließ sie noch einmal bei sich vorbeidefilieren, umarmte und küßte fast sämtliche Stabsoffiziere und nannte die vorbeimarschierenden Soldaten wiederholt seine lieben Gäste. Ein ungemein bewegtes Bild gewährten die Tausende russischer Soldaten, die, nur in das

Mänteln und Mützen, Hurrah rufend auf den Feldern neben der Chaussee herliefen und den preußischen Kameraden Lebe¬ wohl sagten.

Im

Dezember

eine Einladung Festes der es,

wo

1869

begab

sich

des Kaisers Alexander

St. Georgenrilter

nach

Prinz Albrecht

auf

zur Beiwohnung des

Hier war

St. Petersburg.

der Kaiser dem König Wilhelm die erste Klasse des

Ein Telegramm benachrichtigte Darauf erhielt Prinz Albrecht diesen von der Auszeichnung. von dem König folgende Depesche: „Nein, welche Ehre ist mir widerfahren! Ich bin überglücklich, aber vollständig er.

St. Georgen-Ordens verlieh.

Ich revanchiere mich, indem ich dem Kaiser den xour 1k rnerite offeriere. Hast Du zwei Kreuze, so biete es ihm an." Ein gleichzeitiges Telegramm hatte den Kaiser von Prinz Albrecht war der Auszeichnung in Kenntnis gesetzt. eben von der Gala-Vorstellung der Kaiserlichen Oper in das Winter-Palais zurückgekehrt und gerade mit dem Auskleiden beschäftigt, als plötzlich der Kaiser durch den Empfangssalon in das Schlafzimmer des Prinzen stürzte, der sich in einer unbeschreiblichen Toilette befand, und ihm das Telegramm aus Berlin mitteilte, durch das ihm der Orden pour le merite verliehen worden war. Erst als der Kaiser sich wieder ent» fernt hatte, konnte der Prinz auch das für ihn eingetroffene Telegramm des Königs lesen, zog nun die russische Generals¬ uniform an und brachte selbst das Nsrlis-Kreuz zum Kaiser schüttert!

hlnüber. Sechs Tage nach der Oldensverleihung schrieb der König

an den Prinzen:

„Es mahnt

Dir

gar nicht, trotz der vielen Telegramme, geschrieben habe, und doch drängte es mich nach allem Schönen, Großen und Unerwarteten so sehr, mich gegen Dich auszusprechen unb Dir den Moment zu schildern, als ich das Telegramm des Kaisers las. Ich ließ vor Ueberraschung das Blatt geradezu fallen, und Thränen der Erinnerung vergangener, schöner Tage und des Dankes für diese gegenwärtige enorm ehrenvolle Auszeichnung er¬ füllten meine Augen, je mehr ich die schönen Worte und Ge¬ fühle des Kaisers weiter lesen konnte. . Kurz vor der Abreise des Prinzen bemerkte dafür der Kaiser Alexander: „Man giebt sich von den verschiedensten Seilen her alle mögliche Mühe. um Rußland von Preußen zu trennen und Mißtrauen zu säen, aber so lange ich lebe, wird es nicht gelingen! Meine Gesinnungen ändern sich weder gegen den König noch gegen Preußen!" mich, daß ich

noch

.."

Kleine Mitteilungen. D

Vor siebenhundert Jahren, In der Askanier Zeit, Bedeckte Barnims Gegend Ein Urwald weit und breit.

verheeret, auch die Kaiserliche Resi¬ denz -

Üernau.

auch die

Frembden obbeschriebener masten genau und fleißig beobachtet,

Er ruft in heller Freude Bei der Entdeckung hier: „Herr Wirt. füllt meinen Becher

„Mit

Eurem besten Bier!" —

Der Markgraf trinkt und stutzet Und voll Verwund'rung spricht:

„Ein Bier, so schön wie dieses, Kam mir nie zu Gesicht!" *) Obige Sage erzählt der Chronist Tobias Seiler in seiner Eben zuvor, Seite 16. heißt cs: „An Stadtchronik, Seite 17. welchem Walde denn, weil eine öffentliche passage oder LandStraße hindurch gegangen, ein Brau-Krug an der durchfließenden Panke gestanden, und zwar an eben demjenigen Orte, wo hicbevorcn G. Jacob George Siemcrs, da er noch Stadt -Sckrctarius gewesen, hernach G. Daniel Emmerich, nachgehends der Kunst-Tischler Müller gewöhnet, jetzo (1737) aber ein Schneider mit Nahmen Lange ist. Welcher Krug zu dem Ende angeleget worden, damit die Reisenden einen Abtritt, Nacht-Lager und einen guten Trunk haben möchten. Gegen Mittage aber habe dieser Krug das Dorff Lindow und gegen abend das Dorff Schmetzdorff zu liegen gehabt." So weit T. Seiler. Der Ort, wo jener Baucrnkrug stand, läßt sich aus obigen Angaben leicht feststellen, er ist Königsstraßc 241, jetzt Bäckerei Albrecht. Siehe Chronik von A. Wernicke, Seite 145. Die Panke fließt freilich nicht mehr durch die Stadt, sondern ist später um die Stadt verlegt worden. Früher war ihr Bett — siehe Wernicke, Seite 145 — in der Gegend der Kronen- und Ncucn-Straße. T. Seiler schreibt, daß noch zu seiner Zeit (1681—1741) in der Neuen-Straße Schilf gewachsen ist.

418

Der Becher macht die Runde In seiner Ritter Kreis. Sie prüfen und bekennen: „Dem Bier gebührt der Preis!" —

„Hier, wo das Waldhaus stehet, „Erblühe eine Stadt, „Die aus dem Braugewerbe „Recht reichlich Nahrung hat!"

Und Albrecht sitzt und sinnet: „Ein BierqueÜ ist entdecktI „Wie schade, daß die Quelle „Im Walde so versteckt!

So legt Albertus ursus, Der treulich war bemüht. Daß Handel und Gewerbe In seinen Marken blüht,

„Dem ganzen Lande würde „Solch Trank willkommen sein! „Wohlan, drum soll nicht brauen „Dies Waldhaus mehr allein!

Am klaren Bach der Panke Aus dieser

„Bären-Au"

Den Grund zu einem Städtchen, Des Name ist „Bernau". A.

Ewald-Bernau,

Kleine Mitteilungen. 1857 der damalige Kommandeur der „Elfer", Prinz Friedrich Wilhelm von Preußen, nachmals Kaiser Friedrich III., bei einem Offiziers¬ schießen des Füsilierbataillons auf eine von dem Lieutenant Dagobert von Gerhardt (Gerhardt von Amyntor) proponierte Wette hin beim ersten Schusse auf eine Entfernung von 180 Schritte getroffen hatte. Der Flaschenboden ist in Silber gefaßt; der ebenfalls in Silber her¬ gestellte Deckel trägt die betreffende Spitzkugel und unter einem Eichen¬ kranze die Inschrift: „Prinz Friedrich Wilhelm von Preußen, König¬ liche Hoheit, traf diese Flasche den 3. April 1857 bei dem Offizierschießen des Füsilicrbataillons 11. R." Die Namen der bei dem Schießen am 3. April 1857 anwesenden Offiziere wurden auf dem silbernen Fuße des Tintenfaßes eingraviert; mit Genehmigung des Prinzen Friedrich Wilhelm wurde beschlossen, das Tintenfaß alljährlich zur Erinnerung an jenen schönen Tag unter den Offizieren des Füsilicr¬ bataillons auszuschießen und den Namen des besten Schützen auf dem Fuße eingravieren zu lassen. An dem Schießen beteiligten sich diescsmal wieder die erbprinzlich Meiningischen Herrschaften. Im vorigen Jahre hatte das Schießen eine besondere Weihe dadurch erhalten, daß die Frau Erbprinzessin von Sachsen-Meiningen, Prinzessin von Preußen, als Tochter des unvergeßlichen Stifters, das Fest mit ihrer Gegenwart beehrte, an dem Schießen teilnahm und einen der ausgesetzten Preise, einen von dem damaligen Regimentsadjutanten, Premierlieutenant John von Freyend gestifteten Preis — ebenfalls ein Tintenfaß — erwarb. Die hohe Frau überließ den Preis dem Osfizierkorps des Bataillons mit der Bestimmung, denselben in analoger Weise wie das silberne Tintenfaß des Füsilierbataillons auszuschießen. Diesesmal schoß die Frau Erbprinzessin 109 Ringe, die beste Leistung, und war somit Siegerin um das Tintenfaß weiland Kaiser Friedrichs III. Die hohe Frau war auf das tiefste bewegt und erfreut, als dieses Resultat ver¬ kündet wurde. Das zweite Tintenfaß, das gleich dem ersten Eigentum des Füsilierbataillons bleibt, hatte sich der Premierlicutenant Ziemssen

April

Ncithardt von Gneiseiia», der treue Waffengefährte Blüchers, der tapfere Verteidiger Kolbergs, tritt auf dem Bilde auf Seile 413,

des Deutschen Verlagshauses daselbst erscheinenden Prachtwerke „Deutsche Helden" entnehmen, wie er leibte und lebte, vor unser Auge. Wer die herrliche Reckengestali hoch zu Roffe siebt, dem scheinen die schwärmerischen Worte des greisen Arndt im vollsten Umfang glaubbaft, der von Gncisenau folgende Charakteristik giebt: „Dieser geschwinde Mut und geflügelte Geist war auch durch innerste Schönheit der Seele geadelt; das Edle. Stolze, Hochherzige leuchtete wie lieblicher Sonnen¬ schein aus seinen Zügen. Man konnte in Freude und Verehrung vor dieser erhabenen Erscheinung still stehen und sich zurufen: Sieh! hier ist einmal ein ganzer harmonischer Mensch; bei gewaltigem Ungestüm und bei unendlicher Beweglichkeit die seltenste Herrschaft über die Triebe, selbst in Unmut und Zorn stand die Geberde dieses Mannes unter höherer Gewalt, und die Sprache behielt den Klang des Helden. . . . Wie er seinem deutschen Vaterlande und seinem König gedient hat, das steht mit unauslöschlichen Zügen in den Herzen der Nachlebenden geschrieben. Obgleich von Gottes Gnaden ein Mann erster Ordnung, hat er doch immer nur an zweiter Stelle gestanden, ist von vielen, wie es auch den Besten oft widerfährt, aus Neid oft nur als ein Mann dritter Ordnung bezeichnet worden, während die, welche ihn erkannten, stets, wenn Hardenbergs Entschlüsse, Blüchers Siege gelobt wurden, auch

welches

Bong

wir mit gütiger Bewilligung u.

Co.

in Berlin

dem

I.

wohl von Gneiscnaus Einsicht, Mut und Kühnheit ein Wörtlein mit drein schallen ließen. Er hat dem großen Gefühl gedient, daß ein Vaterland gerettet und verherrlicht und ein stolzer Königsthron wieder zu alter Glorie aufgerichtet werden sollte. . . ."

Gciicrallicutcnant v. Podbielski, Staatssekretär des Rcichspostamts (Mit Abbildung). Zum Nachfolger des Staatssekretärs vr. von Stephan ist Victor von Podbielski, Gencrallieutenant z. D., er¬ nannt worden. Die Ernennung hat vielfach überrascht, denn man hatte sich in den Gedanken eingelebt, daß der Nachfolger Stephans einer seiner alten bewährten Mitarbeiter, einer der höheren Postbeamten sein werde. Allgemein anerkannt aber wird die Tüchtigkeit, namentlich die hohe organisatorische Begabung des neuen Staatssekretärs des Reichs¬ postamts. Victor von Podbielski wurde am 6. Februar 1844 zu Frank¬ furt a O. geboren als der Sohn des bekannten Generals der Kavallerie, Gencralinspekteurs der Artillerie, der in den Feldzügen 1866 und 1870/71 Generalquartiermeistcr war. Am Jahre 1862 trat er als Sccondelieuienant in das 2. Brandenburgische Ulanenregiment Nr. 11 ein. Seine militärische Laufbahn war eine glänzende. Er besuchte die Kriegs¬ akademie, war schon 1870 als Gcneralstabsofstzier zum 10. Armeekorps kommandiert und gehörte auch nach dem Feldzug viele Jahre dem Generalstab an. Im Jahre 1881 wurde er als Major Kommandeur des Husarcnregiments von Zielen Nr. 3, im Jahre 1890 Brigadekommandeur; 1891 wurde er als Generalmajor in Genehmigung seines Abschiedsgesuches zur Disposition gestellt und erhielt nachträglich. 1895, den Charakter als Generallieutenant. Nach seiner Verabschiedung widmete er sich vornehmlich der Bcwi'tschastung seines Gutes Dallmin in der .Westpriegnitz, wirkte aber seit 1893 auch als Reichstagsabgeordneter und war im Unionklub für die Ziele der vaterländischen Pferdezucht und in der umfangreichen Verwaltung des Warenhauses für Armee und Marine thätig. Kaiser Friedrichs Tintenfaß. Das Osffzierkorps des Grenadier'Wilhelm Regiments Kronprinz Friedrich Nr. 11 (Breslau) hielt am 6 . d. Mts. auf den Schicßstänven am Westendplatze ein Festschießen ab, das sich aus dem „Tintenfaß-Schießen" beim Offizicrkorps des Füsilierbrtaillons dieses Regiments entwickelt hat. Dieses Tintenfaß ist aus dem Boden einer Weinflasche hergestellt worden, welche am 3.

erschossen.

Eine drastische Randbemerkung Kaiser Wilhelms II. Die Stadt Soest plant eine Kanalisation, deren geklärte Abwässer 65 Meter ober¬ halb einer Badeanstalt in den Soestbach geleitet werden sollen. Da behufs Enteignung die landesherrliche Genehmigung erforderlich war, sandtet! die Soester Stadtvätcr mit ihrem Gesuch auch einen Stadtplan mit der eingezeichneten Anlage nach Berlin. Die Antwort ist am 10. d. M. eingelaufen. Der Kaiser hat, wie die „Rh.-W. Ztg." mitteilt, auf den Stadtplan mit einem Rotstift folgenden Vermerk (der an die Randbemerkungen des alten Fritz erinnert) gemacht: „Die Soester können doch nicht in der Sauce der Stadt, selbst wenn sie geklärt ist, baden! Entweder Badeanstalt verlegen oder Kanal unter¬ halb derselben münden lassen! 20/V. 97. Wilhelm I. R." Ferner hat der Kaiser den die Leitung andeutenden roten Tintenstrich mit Rotstift durchstrichen und hat mit einem kräftigen Strich die Einmündung Den auf der Abwasserleitung unterhalb der Schwimmanstalt verfügt. solche Weise zu einer geschichtlichen Merkwürdigkeit gewordenen Stadtplan wird die Stadt Soest für alle Zeiten unter Glas und Rahmen aufbewahren, da er für die Stadt ein interessantes und wertvolles An¬ denken bedeutet.


.

438

von den Slaven etwa um 300 vor Chr. ; der Name „Stargard"

wird übersetzt in „alte Burg"*) Als Ureinwohner des Landes werden die Leutizier und Redarier genannt, die erst im 12 . Jahrhundert von den vor¬ dringenden germanischen Christen unterworfen und zum neuen Glauben bekehrt wurden. Diese Bekehrung geschah nach damaliger Sitte in etwas radikaler Weise, d. h. mit Feuer und Schwert; wehe aber den Christen, die unglücklicherweise als Gefangene in die Hände der Feinde gerieten; grausam wurden sie gemartert und ohne Gnade abgeschlachtet. So wogte hier der Kampf zwischen den heidnischen Slaven, die sich mit dem Mute der Verzweiflung wehrten, und den unab¬ lässig vordringenden Christen zwei Jahrhunderte lang; wieder¬ holt ward das Heiligtum des Götzen Radegast, das sich im Tempel zu Rethra, wahrscheinlich auf einer Insel im TollenseImmer wieder erstand dasselbe von see, befand, zerstört. neuem aus den Trümmern, und erst um die Mitte des 12. Jahrhunderts gelang Heinrich dem Löwen die endgiltige Unterwerfung der Wenden. Nicht lange danach (1170) erhob sich an dem Ufer der Tollense das von den Prämostratensern errichtete Kloster Broda, das sich um die Verbreitung christ¬ licher Kultur große Verdienste erwarb und erst mit der Ein¬ führung der Reformation seiner bisherigen Bestimmung ent¬ zogen wurde. Heute stellt es sich als ein ansehnlicher Guts¬ hof dar inmitten blühender Obstgärten und prangender Felder. In unmittelbarer Nähe des Klosters aber entstand kurz nach ihm (1248) eine befestigte Stadt, das von dem Markgrafen Johann von Brandenburg begründete „Neubrandenburg", welches sich gar bald zu einem wichtigen Platze entwickelte; die Herrschaft der Brandenburger dauerte jedoch nicht lange; schon im Jahre 1317 kam das ganze Land Slargard an die mecklenburgischen Herzöge, deren einer sich mit einer Tochter des Markgrafen Albrecht vermählt hatte und als Morgengabe die Burg mit dem Lande Stargard erhielt. Kehren wir nun zu unserer nächsten Umgebung zurück, so mag uns vor allem die Frage beschäftigen, welche Rolle die Burg und ihre Inhaber zu den verschiedenen Zeiten in der Geschichte des Landes gespielt haben. Daß schon die slavischen Ureinwohner den für diesen Zweck so günstig ge¬ legenen Berg befestigt haben, ist urkundlich natürlich nicht nachweisbar; aber die Ueberlieferung wird wesentlich unter¬ stützt durch die angestellten örtlichen Untersuchungen und durch vorgeschichtliche Funde. Die Sage behauptet ferner in Bezug auf die Gründung der mittelalterlichen Burg, über welche ge¬ naue Zeitangaben nicht bekannt sind, daß auf der Jagd in den damals das Land bedeckenden Urwäldern ein fürstlicher Jäger einen Hirsch verfolgt habe, der sich schließlich in die verfallenen Gemäuer der alten slavischen Burg flüchtete; bei dieser Gelegenheit sei die Stätte entdecki und der Wieder¬ aufbau der Burg beschlossen worden; nach ihrer Fertigstellung diente sie als Sitz des markgräflichen Vogtes.

Im Jahre 1248 ordnete Markgraf Johann von Branden¬ burg auf dem Schlosse zu „Stargard an der Linde" die Er¬ bauung der Stadt Neubrandenburg an; 1259 erhielt die außerhalb der Burg Stargard am Fuße des Berges bc*) Sehr

interessante Aufschlüsse hierüber enthält die lesenswerte der Burg Stargard" von Claus von Oertzen, welcher als Amtsassessor im Amt Stargard Gelegenheit hatte, die vorhandenen alten Urkunden des Archivs zu benutzen.

Schrift: „Geschichte

gründete Niederlaffung das Stadtrecht, blieb jedoch völlig offen und unbefestigt. Aus demselben Jahre wird berichtet, daß der Bau des Schlosses beendigt worden sei; es enthielt zwei „Residenzen", eine für den Markgrafen und eine für die Burg¬ mannen und die Hofgefolgschaft. — Im Jahre 1280 mußte es die Burg über sich ergehen laffen, von dem Pommern¬

Sturm genommen zu werden; doch die Pommern konnten sich nicht lange halten, und so erfahren wir, daß schon im Jahre 1290 der Markgraf Albrecht auf der Burg die Stiftungsurkunde für das Kloster Wanzka, das etwa 2 Minuten südwärts begründet wurde, unterzeichnete. 1352 wurde die Burg von den Dänen erobert und 1440 von den Brandenburgern zerstört, um dann lange Zeit in Trümmern

herzog Bogislav mit

zu liegen,

bis

sie endlich

in der Zeit von 1520—1547 völlig

wiederhergestellt wurde.

Sehr einfach scheint die Lebenshaltung der fürstlichen Herrschaften zu jener Zeit gewesen zu sein, denn der Chronist berichtet uns, daß „das Inventar in der Schlafstube Jhro Durchlaucht außer dem Bett aus einem runden Tisch und zwei Bretschemeln bestand." Recht patriarchalisch mutet uns auch die Mitteilung au,

Burg gespeiset wurden u. a. „drei alt Fruwen,

daß auf der

drei arme Leut',

so

täglich gespeiset werden,

der Schulmetster alle Woche 1 —2 Tage,

der Herr Magister etzliche Tage."

Diese und viele andere Mitteilungen verdankt der Geschichts¬ schreiber den äußerst gewissenhaften Aufzeichnungen des „Küchen¬

meisters" Curt Bornemann, der während des 30jährigen Krieges seines Amtes auf der Burg waltete und auch in den schlimmsten Zeilen, als alles um ihn herum verödete, pflicht¬ treu auf seinem Posten ausharrte, ebenso wie der Amts¬ hauptmann Joachim Engel zu Broda. Aus der schon erwähnten Schrift „Geschichte der Burg Stargard" möge nun noch einiges über die allgemeinen LandesVerhältnisse aus dem 17. Jahrhundert, besonders aus der Zeit des 30jährigen Krieges, angeführt werden. Im Norden und Nordosten von Stargard dehnte fich der beste Boden mit Rittersitzen und amtshörigen Bauerndörfern Noch zu Anfang des 17. Jahrhunderts waren die aus. adligen Besitze nicht Latifundien, in denen der Großgrund¬ besitz allein wirtschaftete, sondern sie bestanden aus dem Bau¬ hofe des Herrn und der Hauptsache nach aus den fast freien Bauernhufen, die Erb- oder Zeitpacht in Geld, Korn und Vieh entrichteten. Dasselbe Bild in größerem Maßstabe bot das Amt, also das herzogliche Eigentum, welches heutzutage mit dem Namen „Domanium" bezeichnet wird. Auf dem bäuerlichen Wohlstände beruhte des Landes Reichtum. Kleine Haushalte von 2 —3 Hufen mit einem Schulzen- oder Freischulzengehöft von durchschnittlich 4 Hufen und einem mäßigen Stande von Halbhufnern erzeugten eine Wohlhabenheit, die nur in wenigen Gegenden Deutschlands erreicht ward und jedenfalls den Vermögensstand der Jetztzeit im Verhältnisse zur Kaufkraft des Geldes weit übertraf. — Würde jetzt ein Tilly mit seinen Obersten wie 1631 im Lande hausen, es bliebe nichts mehr für die Gallas, Banner, Torstenson und ihre Söldnerscharen übrig. — Am Anfange des 30 jährigen Krieges standen die Aemter nicht mehr ganz auf ihrer wirtschaftlichen Höhe, wie im 16. Jahrhundert, denn

439 die Herzoge waren trotz des reichen Ertrages

reichen Ländereien schwer verschuldet.

— Zu

ihrer umfang¬ einer bäuerlichen

Revolution war im Gegensatz zu manchen anderen Teilen Deutschlands kein Grund vorhanden, denn Junker und Bauer standen sich nicht feindselig gegenüber. — Auch ward in Mecklenburg kein Glaubenskrieg geführt, wenn man nicht als solchen eine lustige Fehde einiger Junker mit dem Bischof von Ratzeburg, in der mehr Bier als Blut flotz, rechnen will. Die Einführung der Reformation vollzog sich in vollkommener Ruhe; die großen Vermögen der Klöster wurden „dem Lande zurück¬ gegeben", wie sie aus ihm herausgezogen worden waren — Auch der außer den Schulen hatte niemand zu klagen. Bauernstand litt nicht unter der kirchlichen Umwälzung; im Gegenteil, er gewann dabei im kleinen, denn der Herr Pastor hatte nicht entfernt die Macht, wie vordem der Herr Bischof

Drohmittel der Exkommunikation. interessante Aufzeichnungen aus der Zeit des

und die Priester mit

dem

Einige sehr 30 jährigen Krieges entnehmen wir auch dem lesenswerten Büchlein: „Bilder aus der volkswirtschaftlichen und politischen Vergangenheit Mecklenburgs. 1631—1708, von Dr. Gustav v. Buchwald. Neustrelitz 1893". In demselben sind es viel¬ fach die Wirtschaftsakten des Amtes Slargard, aus denen berichtet wird. So lesen wir im 1 . Kapitel: „Wirtschaflsgeschichtliche Zahlenbilder aus dem 30 jährigen Kriege" von dem Zuge Tillys im Jahre 1631 durch die Aemter Feldberg. Strelitz, Wanzka und Stargard. Wenn Tilly auch die Dörfer möglichst schonte und gute Manneszucht übte, so hatten doch alle befestigten Plätze um so schwerer zu leiden. Am 3. März

1631 setzte sich Tilly auf Burg Stargard fest; am 19. März erstürmte er nach dreitägigem Bombardement Neubranden¬ burg, das von den Schweden besetzt war, und führte den Obristen Dodo von Kniephausen als Gefangenen auf die Burg Stargard. Neubrandenburg aber mußte eine furchtbare Plün¬ derung erdulden. Im Jahre 1637 beginnt die allgemeine Verwüstung des Landes durch die Horden des Grafen Gallas. So berichtet Curt Bornemann. daß er am 7. Januar mit etlichen Neubrandenburger Bürgern nach Güstrow gefahren sei, um Korn zu kaufen, „weill man hier für Geldt keinen Auf der Rückreise sei ihm Scheffel zu Kauffe haben mag." von den Kaiserlichen alles fortgenommen worden; ihn selbst führten sie nach Demmin, wo er „mit Eissen an Händen und Füssen gefesselt drei Wochen lang bei Wasser und Brot elendiglich gehalten worden, bis er fich mit 30 Rthlr. ranzioniren konnte". Es heißt in dem Berichte weiter, daß „im Amte groß Jammer und Hunger gesehen wird, und die Bollen und Eckern,

wovon die Leute bisher noch gelebet, auch verzehret seien, und sterben des Hungers von Tag zu Tage hinweg."

Sodann wird erzählt, wie das Soldatenvolk seine Beute Was an einem Orte, und besonders auf dem flachen Lande, geraubt war, ward in der nächsten Stadt billig verkauft. Die Städte hatten durch die Truppendurchzüge nicht bloß Unkosten, sondern infolge des Raubhandels hatten sie auch mancherlei Verdienst; ohne das wäre z. B. das Fort¬ bestehen von Neubrandenburg mit verhältnismäßig hohem Ver¬ mögen ein unlösbares Rätsel. Die Soldaten, welche vielfach ihre Frauen oder Zuhäl¬ terinnen mit fich führten, nahmen alles an fich, was fie irgend brauchen konnten, insbesondere räumten sie überall mit dem schnell verpraßte.

Linnen gründlich auf. So vermerkt der Jnspektionsbericht des „Wohledlen Herrn Jacob von Oertzen, der auf Ansuchen des Amtshauptmanns Rickmann v. d. Lancken nach der Burg Feldberg kam, um die geschehene Ruination zu besichtigen," folgendes: „Die Mauern drohten dem Einsturz; die Fenster hatten sehr gelitten, vermuthlich hatten die Schweden oder die Kaiser¬ lichen das Blei, welches die kleinen Rauten in den Tafeln hielt, zum Kugelgießen verwandt; auch die Bleigewichte der Thurmuhr waren verschwunden." Daß der gesamte Viehstand und die Getreidevorräte den Bedürfnissen der Besatzung zum Opfer fielen, ist nicht besonders verwunderlich. Vom „Beltgewand" wird gesagt, „dasselbige ist zweymal von den Soldaten wcgkgenommen, itzo aber sogar des Küchenmeisters eigene Betten geplündert und die Federn ausgegossen, daß kein Kissen und das geringste Bettgewand und Lmnengerälh, sowie ander Hausgeräih an Zinnern und Köppern geplieben." So, wie es hier geschildert wird, sah es überall aus auf den Guts¬ höfen. Wir erfahren hierüber noch folgendes: Die wertvolle Mühle am Krüselinsee an der märkischen Grenze ward völlig ausgeraubt, „die armen Müllersleute mussten so lange nacki herumlaufen, bis ihnen die Nachbarn mit dem nöthigsten Zeug und mit Brod aushelfen konnten." — Die Wirtschaflsbeamten in Feldberg kamen nicht ohne Wunden und Schläge davon, auch Hab und Gut, selbst was fie auf dem Leibe hatten, mußten sie lassen; nicht viel besser erging es den Meiern und ihren Mägden, die man nackt vom Hofe jagte. Die Köchin fand soviel Gnade, daß man ihr die alten Kleider, „so nicht viel wirdig gewesen", beließ. Ein höchst nahrhaftes Leben müssen die 28 Schweden geführt haben, die vom 2. bis 12 . März die Burg Strelitz in ihrer Weise beschützten. Wie aus den Wirtschafisakten hervorgeht, lranken fie nicht weniger als 11 Tonnen Bier und verspeisten dazu 8 Hühner, 1 Schock Eier, 8 gepöckelte Schafe. 2 Schweine, 8 Speckseiten, 3 gepöckelte Schweinerücken, 4 Rippespeer, 20 Mettwürste, 6 Gänse. 1 /2 Tonne Schmalz, V4 Tonne Butter nebst allerlei Viktualien und dem nötigen Brot. — Die vorhandenen Heringe dagegen rührten fie nicht an, der Chronist meint: „die müssen sie wohl in ihrer Heimat oft genug bekommen haben." (Schluß folgt.)

Die Transvaal-Ausstellung in Kerlin. (Schluß.)

Von großem Interesse ist die ethnologische Abteilung der Es erheben fich freilich in sittlicher Transvaal-Ausstellung. Beziehung schwere Bedenken gegen die Vorführung von fremden Volksstämmen bei derartigen Veranstaltungen. Die fremden Völker lernen die europäische Kultur hier von ihrer ungünstigsten Seite kennen, die Auswüchse des großstädtischen Lebens müssen auf das kindlich-naive Gemüt der wilden oder halbcivilisierten Völker eine entsittlichende Wirkung ausüben. Eine solche liegt schon in dem monatelangen Nichtsthun, dem die Negervölker fich ohnehin gern, wie die Kinder, hingeben. Ihre Erziehung, die

mit

entschieden

Gewöhnung an Arbeit beginnen muß. wird in ihrer Grundlage gefährdet, wenn fie Monate

der

hindurch nichts thun und begafft sehen.

sich

von nichtsthuenden Europäern

Es ist daher zweifellos ^sehr zu bedauern — obwohl hier die erwähnten Uebelstände nicht in gleichem Maße her¬ vortreten —. daß zu den vorgeführten fremden Völkern auch christliche Sessuthos von der Misfionsstation Medingen im nördlichen Transvaal gehören. Freilich hat die Mission sie nicht hergeschickt, sie find vom Direktor der Ausstellung, Dr. Ohnefalsch-Richter, angeworben worden. Ihr treuer Seelsorger, der Missionar Reuter, hat sie auf der Reise begleitet, um wiederzusehen. nach 18jähriger Missionsarbeit die Heimat Die Verträge wurden mit Bewilligung des Superintendenten in Afrika, des unmittelbaren Vorgesetzten der Misfionsstation, abgeschlossen, welcher natürlich ebensowenig wie der Missionar Reuter eine Vorstellung von den sittlichen Gefahren halte, die ihren Schützlingen in Berlin drohen.

Hat

die Ausstellung

so

Seiten

bedenklichen



auch

der

in

christlichen Sessuthos

Transvaal

entfaltet

ihre sich,

das übliche Tingel-Tangelwesen. das in derartigen Veranstaltungen leider untrennbar verknüpft ist —, so hat dieselbe doch das Gegengewicht, daß sie Kreisen, die sonst den Misfionsbestrebungen völlig fern¬ stehen, greifbar vor Augen führt, in wie hohem Maße die

namentlich

Berlin

abends,

mit

Missionare Träger der Kultur find, von welch segensreichen Folgen ihre Thätigkeit in den Missionsgebieten begleitet ist. An den christlichen Koffern muß jeder, der sie in der TransvaalAusstellung sieht, aufrichtige Freude haben. Die kräftigen, wohlgebauten, elastischen Gestalten machen in jeder Beziehung den Eindruck wohl erzogener, gesitteter Menschen. Die Männer tragen braune Drillich-Anzüge mit blanken Knöpfen und Filz¬ hüte mit breiten Krempen. Die Frauen haben einfache europäische Tracht; sie machen einen überaus sympathischen Eindruck.

Ihr

bescheidenes, zurückhaltendes und freundliches

Wesen könnte sich manche Europäerin zum Vorbild nehmen. Allerliebst find auch die beiden Kaffernkmder. Die Frauen bei Ausübung wirtschaftlicher Verrichtung, die sehen wir Männer zeigen bei ihrer Thätigkeit als Schmiede, Tischler

und

Korbflechter

die Schmiede,

unter

sind von besonderer zeuge, mit denen sie

Nachdem

haben,

namentlich welchen sich auch drei Heiden befinden, Kunstfertigkeit, trotz der primitiven Werk¬ ihr Handwerk ausüben. christlichen Kaffern ihre Arbeit eingestellt mehr den Eindruck eines Beschäftigungs¬

eine erstaunliche Geschicklichkeit;

diese

die freilich

für Kinder macht, fingen sie häufig mehrstimmige religiöse Lieder iu der Landessprache. Der Gesang ist überaus harmonisch und rein, zwei Männer begleiten thu auf der Geige. Während des Vorirags liegt tiefer Enrst auf den Gesichtszügen aller; sonst sind die Sessuthos ein spieles

sie lachen gern über das ganze Gesicht wie vergnügte Kinder und zeigen dabei ihne weißen, schönen Zähne. Wenn sie eine Zigarre geschenkt bekommen, lüften sie den Hut mit drolliger Höflichkeit, die dargebotene Hand schütteln sie mit kräftigem Drucke. In ihrem ganzen Wesen

fröhliches Völkchen,

und Gebühren zeigen sie den wohlthätigen Einfluß, welchen christliche Kultur und Sittlichkeit auf sie ausgeübt haben. Hoffentlich verlassen sie Berlin, ohne Schaden an Leib und Seele genommen zu haben! Zum Glück erfreuen sich die christlichen Sessuthos innerhalb der Ausstellung einer gewissen Abgeschlossenheit; sie nehmen auch an den Umzügen nicht teil, welche die übrigen fremden Völkerstämme veranstalten. Den Arbeitsstätten der Sessuthos gegenüber steht

das

Haus des Buren Botha aus Zidan (Nord-Transvaal), ein im Äußeren und Inneren überaus einfacher Holzbau. Je ein Fenster giebt dem Schlaf- und dem Wohnzimmer Licht, zwischen beiden Fenstern befindet sich die Thür, das Binsendach überragt die Vorderwand und bildet eine bedeckte, nach vorn offene Halle. Die einfachen Tische und Bänke, die den einzigen Schmuck im Innern ausmachen, sind von den christlichen Kaffern gezimmert. Dieses Häuschen wird von dem Buren Bolha, einem hochgewachsenen, sehnigen Mann von 44 Jahren, seiner erst 26 jährigen Frau und seinen sieben Kindern bewohnt, welche 2—13 Jahre alt find. Die Kleidung besteht bei den weiblichen Gliedern der Familie aus einfachen blauen Kaltun¬ gewändern und Kapotten aus demselben Stoff. Der Mann und die Jungen tragen Anzüge aus grobem Drillich und Hüte mit breiten Krempen. Alles ist auf das Dauerhafte und Praktische berechnet und entspricht der zähen, spezifisch holländischen Art, die sich bei den Buren in aller Schärfe entwickelt hat.

Das zurückhaltende Wesen der Buren zeigen schon die Kinder. Der 13 jährige Junge fährt sein Schwesterchen vor dem Häuschen in einem primitiven Karren, der aus einer alten Kiste durch Anfügung zweier hölzerner Scheiben als Räder gebildet ist. Er nimmt nicht die geringste Notiz von den zahlreichen europäischen Gaffern, welche das Burenhäuschen umstehen. Ein anderer Bur, der durch seine imposante Erscheinung allgemeine Aufmerksamkeit auf sich lenkt, ist Mynherr John Pretorius. Dieser ist, beiläufig bemerkt, deutscher Abkunft und zählt zu den bedeutendsten Männern der jungen Republik; sein Name ist einer der volkstümlichsten, denn ein die

Vetter dieses Pretorius. Martinus Pretorius, auf dessen Kopf die Engländer anno 1847 einen Preis von 5000 Pfund setzten, war derjenige, welcher Engländer und Zulus erfolgreich bekämpfte, die Republik gründen half, und nach dem die Hauptstadt Pretoria benannt wurde. Unser Pretorius in der Ausstellung hat ebenfalls eine ruhmreiche Vergangenheit. Der jetzige, im Südosten von Transvaal gelegene Distrikt „Vrijheit" bildete noch vor wenigen Jahren eine eigene Republik, die Eine tapfere Burenschaar ursprünglich Zululand gewesen. entriß sie den Zulus, uud E. Meyer, ein Mann von deutscher Abkunft, wurde der erste Präsident dieser kleinen Republik, die „Nijwe-Republik" genannt. Die rechte Hand dieses Präsidenten war unser John Pretorius, denn er bekleidete unter ihm die Würde eines Kommandant-General. Die Buren sind die herrschende Bevölkerungsklasse in Transvaal. In wiederholten, blutigen Kämpfen haben sie ihre Unabhängigkeit von den ländergierigen Engländern erringen müssen. Ihre Zahl beträgt in der südafrikanischen Republik (Transvaal) bei einer Gesamtbevölkerung von 610 000 Einwohnern etwa 100 000. Der Bur ist vorzugsweise Hirt und Viehzüchter; sein Besitztum besteht in Schafen und Rind¬ vieh. Die echten Nomaden find die Treck-Buren, die während des ganzen Sommers im Lande umherziehen und nur so lange an einer Stätte weilen, als die Weideplätze für das Vieh ausreichen. Diese Wanderfahrten unternehmen die Trcck-Buren auf dem Ochsenwagen, der in der Transvaal-Ausstellung von Herrn Bolha in einem mit sechs Ochsen bespannten Exemplar vorgeführt wird. Der rotbraun angestrichene Wagen ist äußerst fest gebaut und entspricht mit seinen riesigen Rädern und seiner schwerfälligen Maffigkeit dem Charakter des nieder¬ deutschen Buren. Der hintere Teil ist mit einem Zeltdach

441 überspannt, welches den Schlafraum auf den Treckfahrten bildet. Fritsch giebt in seinem Werke: „Drei Jahre in Süd-Afrika" „Eine Haupt¬ nachstehende Schilderung des Ochsenwagens: sache ist. daß der Wagen dicht ist. d. h. daß das Zeltdach keinen Regen durchläßt, die Klappen groß sind und gut passen,

um den Zugwind möglichst abzuhalten. An beiden Enden ist der Wagen außer den Klappen durch genau sich einfügende Kisten abgeschlossen, wodurch verhindert wird, daß etwas aus

innerem Raume herausfallen kann. Dieser Raum ist horizontal durch eine Lagerstatt in eine obere und untere Ab¬ teilung gesondert, von welchen die letztere die Lebensmittel nnd Waren aufzunehmen hat. Die obere Abteilung ist das Wohn-, Schlaf- und Arbeiiszimmer; hier befinden sich in seitlich angebrachten Taschen Schreibmaterialten, Bücher, sowie kleinere Gerätschaften des täglichen Gebrauches, hier find die Gewehre dem

um zum so¬ ein Tisch erforder¬

an dem Gestelle des Wagenzeltes angeschnallt,

fortigen Gebrauche zur Hand zu sein. lich, so dient als solcher ein kleines Brettchen, welches

sich

Ist

am Zeltgestell

in Scharnieren bewegt

und

durch seitlich angebrachte Riemen

sich

in

horizontaler Lage befestigen läßt. Die Lagerstatt wird durch starke Haken in ihrem Platze erhalten, so daß sie leicht entfernt und der untere Raum zugänglich gemacht werden kann, falls es nötig ist, etwas herauszuholen. Dies geschieht aber gewöhnlich nur ein- oder zweimal in der Woche, indem die täglichen Bedürfnisse von Nahrung, Kaffee, Zucker und der¬ gleichen, sowie einige der gesuchtesten

Waren stets in der Vorkiste bereit gehalten werden." Der vordere Teil

Leben der von der Kultur unberührt Eingeborenen versetzen die „Kraale" der heid¬ nischen Kaffern. welche sich links am Haupt-Eingange der Die einzelnen Hütten ähneln den Ausstellung befinden. Bienenkörben; ein Rohrgerüst bildet den Grundbau, der Grundriß ist kreisförmig, die Wände und das kegelförmige

Mitten in das

gebliebenen

oder halbkugelartige

Dach

aus

sind

Binsen

gefertigt,

die

nur einen Eingang; ihre Höhe entspricht der Hüllten eines ausgewachsenen Mannes. Vor den Kraalen veranschaulichen in der Transvaal-Ausstellung die Kaffern ihre heimischen Gebräuche. So spielt ein Mowenda die Bela, das Kaffernklavier, bei anderen Stämmen Marimba genannt. Dieses am höchsten entwickelte Musik-Instrument der Kaffern ist in der Art der Kinder-Klaviere gebaut, etwa 20 Centimeter breit und über 1 Meter lang. Eine Anzahl von Kürbiffen dienen als Resonanz. Die einzelnen „Tasten" bestehen aus Holzbrettchen, die über den Kürbissen befestigt find, und werden beim Spielen mit zwei Schlägeln berührt. Die Bela steht auf der Erde, ihr Spieler ist ein pfiffiger Kaffer, der jeden Nickel, den das Publikum ihm zuwirft, mit verächtlicher Miene ent¬ besitzen

und dann die Hand mit den verlangenden vorstreckt: „Einen Thaler,

gegennimmt

aufs Worten

neue

Thaler!" Vor den benachbarten

einen

beiden großen Hütten führen die Bassuthos, nahe Verwandte der Seffulhos, und die Maquambas, Zulus und Svasis

Es einförmigen Tänze auf. dies sämtlich Kaffernstämme, deren Angehörige sich durch einen kräftigen, wohlgebauten Körper von

ihre

sind

dunkelbrauner Färbung, durch das Ebenmaß der Glieder, durch eine hohe Stirn und intelligente Gefichtszüge auszeichnen. Bei den Tänzen Gras von UlWoivsky-Mehner, Kaffern muß man staunen über der Staatssekretär des Innern und stelln. Reichskanzler. ihres Körpers die Beweglichkeit Für Reisende genügen 10—16 und die Ausdauer ihrer Lungen. Der Tanz der Bassuthos Ochsen zum Fortbewegen des Wagens, bei größeren Waren¬ besteht in einem Rundgang um drei in der Mitte hockende vorge¬ mengen werden bis 24 (zu zwei nebeneinander) Der Vortänzer stößt beim Beginn in ein Trommelschläger. Die Viehzucht treibenden Buren find gewöhn¬ spannt. setzt sich die Kolonne in hüpfende Horn, darauf primitives die Regen¬ wenn lich nur vom Juli bis September, Bewegung, jeder Teilnehmer spielt eine Art Mundharmonika. Während der zeit ist. auf ihrer primitiven Ansiedelung. übrigen Monate ziehen sie auf ihrem Ochsenwagen im lang¬ Von Zeit zu Zeit machen die Tänzer kehrt, bleiben^stehen, Hüpfen der Mitte zu und setzen dann ihren Rundgang samsten Tempo durch die öde Steppe, um Futter für ihre fort. Diese Tanzbewegungen folgen einem überaus ein¬ Schafherden zu suchen. Die Wege find ungebahnt und während — Die Maquambas, Zulus und tönigen Rhythmus. der trockenen Jahreszeit brüchig; besonders schwierig ist das Kleidung und Ausrüstung ihrer Svasis zeigen schon in Ersteigen der Randstufen des Tafellandes. Das erste Ochsen¬ paar wird von dem „Voorlooper", gewöhnlich einem Kaffern, den wilden und kriegerischen Charakter dieser Volksstämme. Die kräftigen Körper find mit Tiger- und Zebra-Fellen angetrieben. Der Bur begleitet den Zug mit einer gewaltig behängt, die Männer tragen riesige Schilde, Stoßlanzen und langen Peitsche. Himer und neben dem Wagen zieht die Speere und schmücken ihr Haupt stolz mit Adler- und Herde. Halt wird gemacht, wo Waffer und Weideplätze zur it. Gr. unter Umständen auf Tage und Wochen Perlhuhn-Federn. Rast einladen, die

Wagens, der nicht von einem Zeltdach überspannt ist. nimmt die sonstige Habe des „Treckers" auf und ist mit Kisten, Wassertonnen und Gegenständen aller Art bedeckt. des

sich

erstreckt.

So ist der Ochsenwagen untrennbar verknüpft mit

der eigenartigen Viehzucht und dem Nomadenleben der TreckBuren, welche sich aus dem Steppencharakter Transvaals ergeben.

442

Der Schwan in der Mark.

eins seiner Symbole gepflegt. ordens heißt es:

Von A. M. Witte.

„Damit wir

Ueberall wird sie Jede Volksdichtung ist echte Poesie. verstanden, weil sie überall lebt. So ist denn auch die Schwanen¬ Die meisten Länder kennen sage fast überall verbreitet. den Schwanenritter, der aus unbekannten Ländern kommt und

für die gute Sache

das

Bild

Soll

„So wir Markgrafen von Brandenburg

„Der Franke ist frei", hieß frei" damit zusammenhängt, ist

doch

be¬

wir in

dasselbe Kurfürsten¬

es

immer; ob „frank und

nicht

sicher erwiesen.

Be¬

merkenswert aber ist, daß der Schwan, der eine neue Heimat auf den Havelseen bei Potsdam fand, dort auch zuweilen „Frauki" gerufen wird. sehr

Der Schwanenritter ist ein Meeresheld, wie im Beowulf-Liede das Meer der Schwanenpfad heißt. Die uralte Sage von dem zu Schiff gekommenen Helden hat durch das Bild des Schwans die romantische Verklärung erhalten, die sie in der Dichtung trägt. Am Niederrhein und in den Niederlanden werden häufig Einwanderungen fremder Meereshelden erwähnt, und in Geschichte und Sage berührt sich England häufig mit den Ländern des Rheins. —

Der Wasserreichtum der Mark war der Schwanenzucht förderlich. Von allen Gewäffern Europas sind Havel

und Spree ohne Frage vom Schwan bevorzugt; ob der freie Vogel aber noch in der Mark weilte, wenn er nicht dnrch Amputation eines Gliedes des rechten Flügels gelähmt würde, ist doch vielleicht zu bezweifeln. —

Wilde Schwäne giebt es in der Mark nur noch am Ueckersee bei Prenzlau. Die Jagd auf diese Schwäne gilt nicht für edel und war besonders Kaiser Wilhelm I. sehr zuwider.

Ob Kurfürst Friedrich II, dem Eisernen, als er zu Ehren der heiligen Jungfrau 1540 den Schwanenorden stiftete, die Sage vom Schwanenritter vorschwebte, auf den z. B. der Clevische Schwanenorden hinweist, ist nicht festgestellt. Viel¬

Die Gesamtzahl der Schwäne bei Potsdam und Berlin man auf 2000. Sie werden alljährlich auf dem Depothof zu Potsdam oder bei Schildhorn, wohin auch die

schätzt

Schwäne aus Berlin gebracht werden, von dem Königlichen Fischermeister und seinen Leuten gerupft. Die Federn, die in

der Kurfürst

daran, daß sein Vater, dem Schwanenritter gleich, aus der Ferne in die Mark kam, um mit siegreichem Schwerte Ordnung zu stiften, Unrecht zu be¬ kämpfen und Zwietracht zu bannen. —

Jedenfalls kam mit dem Herrschergeschlecht der Hohenzollern aus dem Stammlande der Schwanensage — aus Franken — auch die Schwanensage in der Mark zur höheren Geltung. Das erhabene Geschlecht, das vom Fels bis zum Meer seinen Flug nahm, hat auch den Vogel des Lichts als

zuvor

daß

thum. auch das Fürstenthum des Burggrafenthums Nürn¬ berg in dem heil. röm. Reich als freiedel Sachsen und Franken löblich hervorgebracht haben, also haben wir von desselben und solcher Freiheit wegen, zu einer Figur einen Schwan, einen freien und unbezwungenen Vogel, so er seiner Freiheit halber Frank genannt wird, mit an diese unsre Gesellschaft hängen lassen."

Der Schwan verbindet britannische und fränkische Dichtung.

leicht aber dachte

also,

und Kurfürst Albrecht Achill sagt in einem Diplom 1484:

siegt.

des Schwans.

dem Schwane,

gleich

dem Gewand der Unschuld befunden werden;"

Huß (böhmische Uebersetzung des Namens Gans) auf dem Scheiterhaufen aus¬ gerufen haben: „Heute tötet Ihr die Gans, aber aus der Asche fliegt der Schwan empor!" — eine Hinweisung auf Luther. sich

der Urkunde des Schwanen¬

denken und uns darnach richten sollen,

Die Gründung des Hauses Bouillon durch den Schwanenritter ist der Mittelpunkt niederrheinischer Sagen. Die irische Sage von den Kindern Lirs. die in Schwäne verwandelt wurden, das Clevische Volkslied: „Er lenkte an der Hand den Schwan", die Oper Lohengrin, der Schwanensee bei Weimar, der Hohenschwangau in Bayern, die verschiedenen Schwäne als Wappenzeichen — sie alle weisen auf den gleichen Ursprung hin. Sogar in die großen Bewegungen evangelischen Lebens flicht

unser Ende,

In

wandern, geben die Ausstattungsbelten der Jeder Schwan wird dabei von Prinzessinnen. vier Mann gehalten, da die Flügelschläge der Tiere furcht¬ bare Kraft haben. Ein schwarzer Schwan ist eine Seltenheit, Lichtrein ist des Schwanes Art, besonders in unsrer Zone. Dem die Hofkammer

preußischen

i

entspricht

und

sein

Spiegel in der Dichtung

rein ist jede Heldengestalt,

an

— denn weiß

die sich die Schwanen¬

sage knüpft.

Kleine Mitteilungen. Die St. Simeons-Kirche zu Berlin (Mit Abbildung auf Seite 437). kurzer Zeit — wahrscheinlich in der zweiten Hälfte des November — wird abermals ein neues Gotteshaus in der Reichshauptstadt seiner Be¬ stimmung übergeben werden. Es ist dies die in der Wasserthorstraße neu errichtete St. Simeons-Kirche. Länger als 25 Jahre hat sich eine Gemeinde von über 40 000 Seelen nach diesem Gotteshause ge¬ sehnt. großer Geduld hat sie sich mit einer aus Holzfachwerk er¬ bauten, nur 500 Sitzplätze umfassenden Jnterimskirche begnügt, bis Ihre Majestät die Kaiserin, die Notlage der Gemeinde würdigend, vor 4 Jahren das Protektorat eines Neubaus übernahm und der Königliche Baurat Schmechten mit der Ausführung desselben betraut wurde. bekannter Meisterschaft hat dieser cs verstanden, der Kirche, die in der Straßenfront und in unmittelbarem Anschluß an die benachbarten Häuser erbaut werden mußte, gleichwohl ein imponierendes und würdiges Aeußere zu geben. Der Uebergang von den auf beiden Seiten ge¬ legenen Häusern zum Hauptportal der Kirche und dem darüber empor¬ ragenden Turm ist überaus geschickt durch ein den Turmeingang flankierendes, um etwa 3 Meter vor diesen vorspringendes, in alt¬

In

In

In

In

kirchlichem Stil gehaltenes Gemeindehaus vermittelt worden. dem¬ selben sind Wohnungen für den Küster, den Kirchendiener, den Heizer und drei Diakonissinnen eingerichtet worden; auch wird der Mädchenhort der Gemeinde darin untergebracht. Das Innere der Kirche zeigt eine getäfelte Decke unv herrliche Malereien in altkirchlichem Stil. Durch Verkürzung des Langschiffs und Verlängerung der Kreuzarme ist bewirkt worden, drtz alle Kirchgänger den Pfarrer auf der Kanzel sehen können. Die Gesamt¬ kosten des Baus (abgesehen von der inneren Ausschmückung und abzüglich der Kosten des Gemeindehauses) betragen 358 500 Mk. Von di.sen bestritt der Fiskus 138400 Mk. Der Rest mit 222 100 Mk. ist zufolge Resoluts des Königl. Polizeipräsidenten vorläufig von der Stadt bezahlt, doch hat diese die Klage auf Zurückerstattung angestrengt. Die innere Ausschmückung der Kirche ist durch Stiftungen, Geldgaben u. s. w. fast ganz von den Gemeindegliedern bestritten worden. Nachdem 50 000 Mk. für diesen Zweck freiwillig aufgebracht sind, fehlen noch 16 000 Mk. Für die Kosten des Gemeindehauses (80 000 Mk.) hat die Gemeinde ein Kapital ausgenommen, dessen Verzinsung von der Stadtsynode garan¬ tiert ist.

>.

443

Graf von Posadowsky-Wehner, Staatssekretär des Innern und stellvertretender Reichskanzler (Mit Abbildung auf Seite 441). Der neue Staatssekretär des Reichsamts des Innern und stellvertretende Reichskanzler, vr. Graf von Posadowsky-Wehner, entstammt einer niederschlesischen Adelsfamilie. Geboren am 3. Juni 1845 in Groß-Glogau, studierte er in Heidelberg, Berlin und Breslau. Rach vollendetem Stuoium wurde er Auskultator und Referendar beim Stadtgericht in Breslau. Im Jahre 1871 ging er zum Verwaltungs¬ dienst über. Nachdem er einige Landratsämtcr im Posenschcn kommissarisch verwaltet hatte, wurde er Landrat in Wongrowitz, dann in Kröben. Vom Wahlkreise Fraustadt-Kröben 1882 zum Abgeordneten gewählt, schloß er sich der freikonservativenFrakiion an. Im Jahre 1885 verließ er vorüber¬ gehend den Staatsdienst, nachdem der Poscner Provinziallandtag ihn zum Direktor der provinzialstänbischen Verwaltungs-Kommission erwählt hatte. Wenige Jahre später, im Jahre 1889. wurde er zum Landes¬ direktor der Provinz Posen mit dem Titel Landeshauptmann ernannt. Am 12. August 1893 berief ihn das Vertrauen Sr. Majestät zum Staatssekretär des Rcichsschatzamtes. Als solcher trat er im Reichs¬ tag bei Einbringung seiner Vorlagen, wie bei Erörterung der in sein Ressort schlagenden Fragen ziemlich häufig hervor und erwies sich dabei als ein gewandter und schlagfertiger Redner. Am 1. Juli d. ist er zum Staatssekretär des Innern ernannt und nach Maßgabe des Gesetzes vom 17. März 1878 § 2 mit der allgemeinen Stellvertretung des Reichs¬ kanzlers beauftragt worden.

erhaltene Honorar wurde ersteren ungekürzt nachgesandt. Großen An¬ klang fand die Idee des Inhabers einer unter ) er Bezeichnung „Museum" bekannten Lesehalle. Dieser gute Patriot, Namens Rudolph Werkmeister, machte nämlich den Vorschlag, die goldenen (namentlich Trau- und Ver¬ lobung?-) Ringe zu opfern und gegen eiserne umzutauschen; letztere trugen die Inschrift: „Gold gab ich für Eisen 1813". Auch andere Schmucksachen sollten gegen Eintausch eiserner Andenken hergegeben werden. Der durch Verwirklichung dieser Idee erzielte Ertrag war ein ungeahnt großer; über 160 000 goldene Ringe und andere Pretiosen wanderten, wie Strcckfuß in „500 Jahre Berliner Geschichte" mitteilt, in das zur Erledigung des Umtauschgeschäfts errichtete Bureau in der Jägerstraße. Aber mehr noch als diese Geschenke bewiesen die im stillen für die heilige Sache gebrachten Opfer, daß glühende Liebe zum Vricrlande die Herzen der Bürger erfüllte, und mit Recht betonte die Spenersche Zeitung am 22. Mai 1813 in einem Bericht über das Ergebnis der in der ganzen Monarchie veranstalteten Sammlungen die hervorragende Beteiligung der Bewohner Berlins an dem großen patriotischen Werke. „Berlin hat nicht nur," so schrieb das genannte Blatt, „seine eigene junge Mannschaft, sondern auch viele Auswärtige, die sich hier aufhielten oder, um cquipicrt zu werden hierherkamen, ausgerüstet, auch bedeutende Geld¬ summen zu di-sem Zwecke vcrlandt. Berlin hat so viel Freiwillige ge¬ stellt und ausgerüstet, als erforderlich sein würden, nicht nur um ein Regiment, sondern um mehrere Infanterie- und Kavallerie-Regimenter daraus zu formieren." D h.

erste Hohenzollern-Hochzcit in Berlin. Markgraf Johannes, seineSo^vrdÄMben "Red'nekkaMU'auch „Cicero" genannt, war bereits als Kurprinz von seinem Vater Albrecht (Achilles), der bald nach der Huldigung in Berlin (1471) wieder nach Franken zurückgekehrt war, zum Statthalter in den brandenburgischen Landen ernannt worden. Die Einkünfte des jugendlichen Regenten waren äußerst knapp bemessen, da der deutsche Achilles seinem Sohne gegenüber die größte Sparsamkeit zeigte. Selbst für die Feier der Vermählung des Kurprinzen

!

1

Es thut mir leid, morgen nicht mit Ihnen zu Mittag essen zu können, da ich für unabsehbare Zeit hier festgehalten werde." Dies reichte ich dem Zollinspektor mit der höflichen Bitte, es expe¬ dieren zu lassen. Zehn Minuten später waren meine Koffer von dcn Zollwächtern sorgfältig gepackt." „Bei dieser Gelegenheit", fuhr Labouchsre fort, „fällt mir ein Erlebnis mit Bismarck ein. Wir speisten zusammen beim spanischen Botschafter, Herzog von Ossuno in Petersburg. Die Gesellschaft brach eben auf, als Bismarck sich zu mir wandte und sagte: „Es ist jetzt 'mal so viel von preußischer Unersättlichkeit die Rede; da sehen Sie sich holländischen Erwerbssinn an!" Mein Blick folgte seinen Augen, und ich sah, wie im Nebenzimmer der holländische Geschäftsträger einen unverantwortlich tiefen Griff in die Zigarrenkiste that, die zum allgemeinen Gebrauch der Gäste auf dem Tische stand." Berl. Lok.-A. Sechs neue Zenghaus-Kanoncn. Ueber ein Geschenk des Sultans an den Kaiser Wilhelm II. wird der „Post" aus Konstantinopel ge¬ schrieben: Schon zu Beginn dieses Jahres, als die Centenarfeier heran¬ nahte und von verschiedenen Seiten anläßlich dieses Tages dem Zeughause Zuwendungen gemacht wurden, kam man auf der türkischen Bot¬ schaft zu Berlin auf den Gedanken, anläßlich des großen Tages gleich¬ falls einige wertvolle Waffen dem Zeughause zu stiften. Diese Idee

444 fand den vollen Beifall des Sultans. Er gab sogleich Ordre, die reichen Schätze, welche gerade an Waffen am Goldenen Horn aufgestapelt sind, nach passenden Objekten zu prüfen, wobei die Wahl auf sechs Geschütze fiel. Die bekannten Ereignisse auf der Balkanhalbinsel verzögerten leider den prompten Abgang der Sendung. Ueber die Herkunft der Kanonen teilte man auf dem türkischen Kriegsministerium mit, daß die Stücke zwar deutschen Ursprungs seien, aber nicht direkt in den Kriegen des alten Deutschen Reichs erobert, vielmehr den Persern abgenommen worden seien, weiche seiner Zeit mit den Habsburgern gemeinsame Sache gegen die Türkei machten und deshalb von jenen mit Kriegsmaterial versehen wurden. Einige dieser Kanonen sind mit dem doppelköpfigen Adler des „Heil. röm. Reichs deutscher Nation' geziert, andere weisen das Wappen des Bischofs von Salzburg auf; Jahreszahlen, Figuren und Inschriften sind vorhanden und belehren uns, daß ihre Entstehungszcit in das 16. Jahrhundert fällt, daß aber zwei der Kanonen aus der allerältesten Zeit der Geschützgicßerci stammen. Die eine Kanone trägt das Bild einer Schwalbe, und darunter steht zu lesen: „Die Schwalbe hat einen zwiegespaltig' Schivanz, wo diese hintrifft, bleibt nichts ganz!" Eine türkische

Inschrift, welche sich aus dem kleinsten der sechs Geschütze befindet, giebt für den türkischen Kanonier die für die Ladung nötigen Quantitäten rc. an; cs ist diese Inschrift zu Beginn des vorigen Jahrhunderts auf dem Rohre eingegrabcn, ein Beweis, wie lange diese alten deutschen Geschütze von der türkischen Artillerie beuutzt worven find.

Knchertisch. Das

soeben erschienene

Augustheft der „Deutschen Revue", heraus¬

gegeben von Richard Fleischer (Stuttgart, Deutsche Verlags-Anstalt), hat nachstehenden Inhalt: Aus dem Bunsenschen Familienarchiv HI. Der Aufenthalt des Prinzen von Preußen in England im Jahre 1848

Von Friedrich Nippold. — Josef Viktor von Scheffel über Visionen und Vorahnungen. Von Nataly v. Eschstruth. — Die heutigen Konservativen in England und Deutschland. Von v. Helldorf-Bedra. — Eine LohengrinErinnerung. Von Eugen Lindncr (Weimar). — Menschliche Pygmäen der Steinzeit. Von Prof. Dr. L. Büchner. — Aus Schmerlings Leben (Schluß). Von Fritz Leiumcrmayer. — Russiche Pläne und englische Von M. v. Brandt. — Adelaide Ristori (Schluß). Beklemmungen. Von Leone Fortis. — Aus meiner Jugend. Erinnerungen (Schluß). Von Rudolf v. Gottschall. — Naturwissenschaftliche Revue. — Berichte aus allen Wissenschaften: Das^wabre Gesicht des Uebermenschen. Von Dr. Fr. Rubinstein. — Litterarische Berichte. — Neuigkeiten des Bücher¬ marktes. —

— Den zahlreich aus Radfahrer-Kreisen geäußerten Wünschen, auch außerhalb des Berliner Weichbildes in den Vororten die Pflasterungs¬ arten graphisch darzustellen, ist das Geographische Institut von Jul. Straube, Berlin 81V., Gitschinerstr. 109, durch Herausgabe eines neuen Radfahrerplanes von Berlin, im Austrage ves Schutzver¬ bandes Berliner Radfahrer bearbeitet von Jul. Straube, nachgekommen. Straubes neuer Radfahrer-Plan von Berlin veranschaulicht mit großer Genauigkeit und sehr übersichtlich die für das Radfahren ver¬ botenen Asphaltstraßen, sowie die mit gutem Steinpflaster versehenen verbotenen Straßen Berlins, ferner alle befahrbaren Straßen und Chausseen in und um Berlin mit ihren verschiedenen Pflastcrungsarten. Der Plan (Verh. 1:22 000) umfaßt auch einen Teil der Straßenzüge von Charlottenburg, Deutsch-Wilmersdorf, Schöneberg, Stralau, NeuWcißensee, und wird sein Erscheinen gewiß von allen Radfahrern auf das freudigste begrüßt werden. Der Preis des Straubeschcn neuen Radfahrer-Planes beträgt unverändert SO Pf. —

Die Nummer 2847 der Jllnstrierten Zeitung in Leipzig enthält Leitartikel: „Die Enthüllung des Kaiserdenkmals in Magdeburg" das Enthüllungsbild nach einer photographischen Aufnahme zunächst zu ihrem

Insovnto

von W. Müller in Magdeburg, sowie eine Wiedergabe des Ehrenpokals der Stadt Magdeburg, den Oberbürgermeister Schneider dem Kaiser kredenzte. Daran reihen sich drei sehr schön wiedergegcbene Bilder: „Fresken aus dem Kaiserhause zu Goslar" nebst deni Porträt des Schöpfers dieser Fresken: Hermann Wislicenus. Der Besuch des Präsidenten Felix Faure in St. Petersburg ist durch ein ganzseitiges Bild: „Die Grundsteinlegung der Troitzkijbrücke am 24. August" illustriert. Hochinteressant wirken eine Reihe von Bildern aus dem neuen Goldland Alaska, das jetzt die Hoffnung so vieler Goldsucher bildet. Mit welcher Mühe es verbunden ist, das neue Golvland zu erreichen, zeigen sowohl die gut ausgeführten sechs Bilder, als auch der sie begleitende Text. Der Tiermaler Leutcmann ist durch eine sehr wirkungs¬ volle Darstellung eines erwachsenen Seidenaffen aus der deutschen Kolonie Togo vertreten. Die Kammerschlcuse des neuen Kaiscrhafcns zu Bremerhafen, das Leben und Treiben am Strand vo.i Ostende, eine Episode aus einem Spielsaal, die belgische Slldvolcxpediton, sowie eine Gruppe von Rudolf Küchler aus der diesjährigen großen Berliner Kunstausstellung: „Lieb' Vaterland, magst ruhig sein!" find durch Bild und Text veranschaulicht. Ein Riesenglobus mit einem Durchmesser von über 25 Meter und eine Kugeloberfläche von 22 000 Quadratfuß, dcffen größerer Teil bereits vollendet ist, und der in etwa einem Jahre ganz ausgeführt sein wird, dürfte hier im Bilde namentlich alle diejenigen interessieren, die noch den Erdglobus von der vorletzten Pariser Weltausstellung, der wegen seiner Kolossaldimensionen allgemein auffiel, in Erinnerung haben. Der Abschnitt „Moden" in der belegten Nummer bietet eine Collection neuer Sportkostume für die junge Damenwelt.

Inhalt: Finis Poloniae. Historischer Roman von Grundier (Fortsetzung). — Burg Stargard an der Linde. Von Paul Münde. — Die Transvaal-Ausstellung in Berlin (Schluß). — Der Schwan in der Mark. Von A. M. Witte. — Kleine Mitteilungen: Die St. Simeonskirche in Berlin. (Mit Abbildung.) Graf von Posadowski-Wehner, Staatssekretair des Innern und stellvertretender Reichskanzler. (M!t Abbildung.) Die erste C.

Hohenzollcrn-Hochzeit in Berlin. Die Türkensteuer. Patriotismus und Opfersinn im Jahre 1813. Die eiserne Krone der lombardischen Könige. Bismarck und Labouchere. Sechs neue Zeughaus - Kanonen. —

Büchertisch.

Sämtliche Jahrgänge des „Bär", sehr gut erhalten und dauerhaft gebunden, werden infolge Todesfalls zum Kauf angeboten.

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Verantwortlicher Redakteur und Verleger: Fr. Zillessen in Berlin 14. 58., Schönhauser Allee 141. Druck der Buchdruckerei Gutenberg, Berlin 14., Schönhauser Allee 141a. — Abdruck ohne eingeholte Erlaubnis ist untersagt.

der

Mark Kraudenburg

und der mgreu;enden Gebiete.

Unter Mitwirkung von

Ernst E. Darberz, vr. W. Dürtngnior, Professor vr. gvedjev, E. Kriebol, Richarb Goorgo, Ferb. Merior, Symnafialdirektor a.

Dr.

Dr.

A. KrendicKo, ©Ijeobar Fsntnne, Sta&trai M. Krstniarl? und E. r». Milbe,rkvarrt,

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herausgegeben von

Friedrich Zittessrn. XXIII. Jahrgang.

M 38.

Der „Sät" erscheint wöchentlich am Sonnabend und ist durch jede Poftaiirtalt ttlo 809), N, chh,n>>i„»u „»> Heitnngsspedition kür 2Mk.60pf. vierteljährl. n, beriebe» Auch die Geschäftsstelle— Berlin H. 58,Schönh. Allerlei— nimmt Bestellungen entgegen. Jnseraten-Aufträge sind an die letztere zu richten. Die viergesp. Petitzeile kostet 40 Pf.

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Historischer Roman von C. (37. Fortsetzung.)

eit den zuletzt mitgeteilten Ereignissen find zwölf Jahre verflossen.

Ein glänzendes Meteor war inzwischen am politischen Himmel aufgestiegen und hatte die Welt in Erstaunen, Be¬ wunderung und Schrecken versetzt.

Als

die Preußen

gegen die französische Revolution

am

Rhein kämpften, hatten die Engländer die starke Seefestung Toulon erobert. Sie erfreuten fich nicht lange ihres Besitzes. Da die Befehlshaber der französischen Belagerungstruppen. Cardeaur. ein Portraitmaler, und Doppel ein Wundarzi, nicht die geringste Kenntnis von der Kriegskunst hatten, so trat der junge vterundzwanzigjährige Artillerieoberst Bonaparte an ihre Stelle und entschied durch die Erstürmung des Forts Malbosquet das Schicksal von Toulon zu Gunsten der Re¬ volutionsarmee. Die Engländer mußten fich auf ihre Schiffe flüchten, nachdem sie vorher die franzöfische Flotte im Hafen

verbrannt hatten. Napoleon Bonaparte war von da an der Mann des Tages und trat seinen Siegeszug an. der ihn bis zum fran¬ zösischen Kaiser aufsteigen und zur Geißel von ganz Europa werden ließ.

AIs im Jahre 1805 Oesterreich, Rußland und Eng¬ land aufs neue miteinander in den Krieg gegen Frankreich traten, um dem Uebermut des korsischen Emporkömmlings, der fich immer mehr als Diktator Europas geberdete, ein Ziel zu setzen, bemühten fich beide Parteien angelegentlichst. Preußen auf ihre Seite zu ziehen. Der König Friedrich Wilhelm der im Jahre 1797 seinem Vater in der Regierung gefolgt

III,

war, schwankte hin und her und konnte sich zu nichts ent¬ schließen. Er glaubte, durch eine bewaffnete Neutralität seinem Volke den Frieden erhalten zu können. Napoleon hatte dem König von Preußen Aussicht ge¬ macht, nach Beendigung des Krieges das Kurfürstentum Han¬ nover, deffen Kurfürst der König von England war, zu er. hallen. Er hatte ihm sogar gestaltet, dasselbe schon einstweilen „in Verwahrung" zu nehmen. Wirklich rückten auch preußische Truppen in Hannover ein. Das machte natürlich die Eng¬ länder zu den erbittertsten Feinden Preußens. Sie blokierten die preußischen Häfen und stellten Kaperbriefe auf preußische Schiffe aus. sodaß in wenigen Monaten 1200 preußische Fahrzeuge aufgebracht wurden, welche ohne Ahnung von den stattgehabten Verwickelungen auf fremden Meeren einherfuhren.

Und Preußen, das mächtige Königreich, durch den Lauf seiner Ströme, durch seine Häfen an der Ost- und Nordsee auf das Meer angewiesen, mit unerschöpflichen Hilfsquellen zum Schiffs¬ bau im Innern und mit einer seetüchtigen, wetterfesten Küsten¬ bevölkerung ausgerüstet, konnte nicht eine bewaffnete Nußschale zum Schutze seines Handels aufstellen. Schon das waren bittere Erfahrungen. Aber noch schlim¬ mere sollten folgen.

Die österreichischen Heere wurden von Napoleon geschlagen, bevor die Russen noch herangekommen waren.

schon

Als

diese endlich erschienen, war es zu spät.

„Zu spät!", dies verhängnisvolle Wort sollte fich auch bewahrheiten. Preußen an In der Dreikaiser-Schlacht bei Austerlitz siegte Napoleon

..

446

derart über die vereinigten Russen und Oesterreicher, daß die letzteren bald darauf den Frieden zu Preßburg mit Frank¬ reich schlossen. Jetzt endlich drang auch am Berliner Hofe die Kriegspartei, an ihrer Spitze die Königin Luise, durch. „Zu spät!" mußte sich jeder sagen. Ein Krieg Preußens allein gegen die ungeheure Macht Napoleons war aus¬ sichtslos. Nicht nur Napoleon,

die

auch

gegen

ihn verbündeten

Mächte konnten es Preußen nicht verzeihen, daß

sich

dasselbe

lange neutral verhalten hatte. Letztere sahen jetzt ruhig zu, wie Preußen vernichtet wurde. Und es wurde vernichtet! In der Doppelschlacht bei Jena und Auerstedt wurde das preußische Heer in die wildeste Flucht gejagt. Dieser Niederlage folgte die schmachvolle Uebergabe so vieler wohlarmierter Festungen mit ungeheuren Vorräten, deren Verteidi¬ so

gung große französische Truppenmassen mindestens so lange hätte festhalten können, bis die preußische Armee sich wieder gesammelt hatte und die zur Hilfe herbeieilenden Rusien in genügender Anzahl zur Stelle waren. Am 9. Juli 1807 wurde der Friede von Tilsit geschlosien, durch den das Königreich Preußen die Hälfte seiner Länder verlor, darunter die bei der zweiten und dritten Teilung Polens erworbenen Landesteile, aus denen Napoleon ein Herzogtum Warschau bildete, das den von ihm neu geschaffenen König von Sachsen zum Herzog erhielt. Rußland und Oester¬ reich behielten ihren Raub. Bis die Kriegsentschädigung von 140 Millionen Franken bezahlt war. blieben eine Anzahl preußischer Landesreile und Festungen auf Kosten des preußischen Staates durch französische

Truppen

besetzt.

*

*

*

Auch in der Familie von Krummense hatte sich in den abgelaufenen zwölf Jahren vieles verändert. Der Tod hatte reiche Ernte gehalten. Das alte Ge¬ schlecht hatte der jüngeren Generation Platz gemacht.

Zuerst war der alte Invalide Puffke zur großen Armee abgerückt.

Dann war der alte, ehrenhafte Hans Wilhelm dahingegangen; Melanie war ihm bald gefolgt. Beide hatten in dem Erbbegräbnis ihre Ruhestätte gefunden. Das Leben des schwärmerischen, brustkranken Jünglings Joachim war langsam ausgelöscht, wie eine Flamme, der es die Schwägerin

an Oel gebricht. Auch

der

Krummensee.

hatte er

sich

entschließen

Pastor Olearius weilte nicht mehr in Nach dem Tode seines Freundes Hans Wilhelm alte

— wegen zunehmender Körperschwäche — müssen,

sein

Amt niederzulegen,

und

doch

war zu

seinen Kindern nach Ostpreußen gezogen.

Marie konnte lange ihre vergessen.

erste Liebe,

Verschiedene Anträge,

die

Finkenstein,

ihr, als

sie

nicht

erwachsen

war. gemacht wurden, hatte sie ausgeschlagen, weil sie, das Bild eines anderen im Herzen, niemanden betrügen wollte. Endlich in ihrem Innern zur Ruhe gekommen, war sie ein altes Mädchen geworden. Trotz ihrer dreißig Jahre aber war Un¬ sie noch immer eine anmutige, liebliche Erscheinung. endliche Güte und Sanftmut leuchteten aus ihren blauen Augen, und an ihrem klaren, rosigen Teint schien die Zeit spurlos vorübergegangen zu sein. Ihr Leben ging jetzt ganz auf in

der Liebe zu ihren beiden

Abgott

kleinen Nichten,

deren

förmlicher

war. Karl von Krummensee war ein behäbiger märkischer Land¬ wirt geworden. Die schlanke Gestalt, durch die er sich einst als Rittmeister im aktiven Dienste ausgezeichnet, war längst vergangen. Was er an Körperfülle gewonnen hatte, verlieh ihm indes ein nur um so würdigeres Aussehen. Unter seinen Standes¬ genossen stand er wegen seiner Kenntnisse und seines liebens¬ würdigen Benehmens in hohem Ansehen. Für seine äußeren Verhältnisse waren die hunderttausend Franken, welche für seine Frau aus dem Zusammenbruch gerettet waren, von hohem Werte gewesen. Mit ihrer Hilfe hatte er das Gut abgerundet und auch sonst mancherlei Verbesserungen getroffen. Die zarte, verwöhnte Komtesse Arabella hatte sich in Sie eine flinke und tüchtige deutsche Hausfrau verwandelt. wirtschaftete mit dem Schlüsselbund in Küche und Keller um¬ her. als hätte sie zeitlebens nichts anderes gethan. Ihre beiden kleinen Mädchen, Magdalena und Sophie, Lene und Fifi genannt, hingen darum auch fast mehr an der sanften Tante Marie, als an der Mutter. Diese war mit der größten Hingebung stets nur darauf bedacht, ihrem Gatten das Leben Jede Sorgenfalte wußte so angenehm wie möglich zu machen. sie von seiner Stirn zu verscheuchen; über jeden Verdruß, Daneben freilich ver¬ jeden Aerger half sie ihm hinweg. stand sie es auch. bald diesen, bald jenen ihrer kleinen Wünsche Sie wußte dabei stets derart die richtige Mitte durchzusetzen. zwischen Scherz und Ernst zu treffen, daß Karl nur selten widerstehen konnte und lächelnd, eine Rauchwalke in die Luft blasend, das gelinde Pantoffelregiment mit stoischem Gleich¬ mut über sich ergehen ließ. Großmutter Sophie sah alsdann oft verwundert auf ihren Sohn, der früher stets so selbstbewußt gewesen und auch leicht heftig aufgefahren war. Der getreue Christian war nach Beendigung seiner Dienst¬ zeit nach Hause zurückgekehrt. Seinen Großvater, den alten Schäfer Thomas, hatte er nicht mebr am Leben getroffen. Er verheiratete sich mit Lisette, dem Kammermädchen, die, ob¬ wohl bedeutend älter, ihn doch noch für sich zu gewinnen gewußt hatte. Zur Belohnung für seine treuen Dienste wurde er später zum zweiten Verwalter auf dem Gute ernannt. — sie

Än einem der ersten Septembertage des Jahres 1807 saß Marie auf der Plattform vor dem Herrenhause mit einer Handarbeit beschäftigt. Die Morgensonne spielte zwischen den Zweigen der beiden davor stehenden Linden hindurch und zauberte auf ihr lockiges Blondhaar ein goldenes Licht. Ihr Bruder war mit den Knechten und Arbeitern im Felde. Der letzte Hafer sollte eingebracht und gleich draußen in Diemen aufgebaut werden. Die Schwägerin war im Garten und ließ Obst abnehmen, die beiden kleinen Nichten waren dei dem neuen Herrn Pastor in der Schule. Sie war mit der alternden Mutter allein im Hause. Da sah sie in der Allee drei Reiter herankommen. Der Tracht nach waren es Soldaten, französische Soldaten. Das waren natürlich keine beliebten Gäste in deutschen Landen, erst recht nicht nach den letzten erschütternden Ereig¬ nissen; durch ihre Anmaßung und Frechheit waren sie allge¬

mein berüchtigt.

Mit war.

Schrecken dachte Marie daran, daß sie ganz allein Wer sollte ihr zur Seile stehen, wenn die fremden

447 Soldaten

ungeziemend

sich

benahmen?

Die Klugheit gebot

jedoch, ihnen höflich zu begegnen.

Die fremden Offiziere ließen sich nun nieder, und Marie Der Oberst sprach allerlei Gleich¬ gültiges mit der Mutter, blickte dabei aber immer zu der

entkorkte die Weinflasche.

Sie schritt die paar Stufen der Plattform herab und mit rührender Hilflosigkeit, die herabhängenden Hände gefaltet, vor dem ersten der drei Reiter, der nach ein paar Sätzen sein Pkerd vor ihr angehalten hatte. Aengstlich blickte sie mit ihren sanften Blauaugen zu ihm stand bald

Tochter hinüber. Und. merkwürdig, jedesmal begegneten sich beider Blicke. Zuletzt wagte Marie gar nicht mehr, ihre Augen aufzuschlagen.

Der Oberst hatte

sich

mehrmals umgesehen, als erwarte

vom Sonnenlicht, während der leichte Morgenwind mit den krausen Löckchen über ihrer Stirn spielte. Der Reiter blickte ein paar Augenblicke sprachlos auf die edle und liebliche Gestalt, wie auf eine Erscheinung aus einer andern Welt. Dann schwang er sich vom Pferde und sagte

er noch jemanden.

in etwas gebrochenem Deutsch: „Würde das gnädige Fräulein wohl die Güte haben, ein paar durstige Reisende mit einem Glase Milch oder Wasser

Haare waren durch die herabhängenden Baumzweige etwas in Unordnung gebracht. Der Oberst sprang auf. War dies die Arabella, die in seinen Gedanken fortgelebt hatte? Diese resolute und schon etwas rundliche Erscheinung, die sich nur durch ihre feinen Gefichtszüge und die eleganteren Bewegungen von einer gewöhnlichen Bauernfrau unterschied? Er stand sprachlos da. Endlich stotterte er: „Da mich das Geschick des Krieges hier in Ihre Nähe geführt hat, so wollte ich versuchen, ob — ob in Ihrer Erinnerung vielleicht der Name eines Mannes haften geblieben

empor, vollbeleuchtet

nach einer höflichen Verbeugung

zu erquicken?"

Dabei heftete er unverwandt seine glänzend schwarzen Augen ans Mariens errötendes Gesicht. Der Fremde war ein schöner und stattlicher Mann. Ge¬ bräunt von den Strapazen der Feldzüge, zeigten seine Züge einen hohen Grad von Stolz, Entschlossenheit und Kraft. Seine reich mit Gold gestickte Uniform bezeichnete ihn als einen höheren

Offizier der französischen Armee. AIs Marie noch immer sprachlos vor Verlegenheit dastand, sagte der Fremde unter leichter Verneigung und mit bezauberndem Lächeln, wobei seine blendend weißen Zähne sichtbar wurden: ä

„Ooloirsl Duloup, vom cheval."

Endlich stammelte:

hatte Marie

„Wollen

der

siebenten Regiment oUasLsurs

ihre Angst überwunden,

und

Herr Oberst nicht lieber hereintreten? Ich

sie

-

Nötige besorgen." Der andere Offizier, offenbar der Adjutant des Obersten, war inzwischen auch herangeritten. Auf einen Wink des Obersten stieg auch er ab. und beide übergaben ihre Pferde dem dritten Reiter, jedenfalls ihrem Burschen. Marie stieg den Fremden voran die paar Stufen zur Terrasse empor und führte sie vorläufig in die große Halle, deren beide Thüren offen standen. Dann stürzte sie fort zu ihrer Mutter und bat sie, eiligst herunterzukommen. Sie könne unmöglich mit den beiden Herren allein bleiben, von denen namentlich der eine ihr solche Furcht einflöße. Die alte Frau zitterte vor Schrecken an allen Gliedern, doch beeilte sie sich, dem Wunsche ihrer Tochter nachzukommen. Die Franzosen, tröstete sie sich, würden doch wohl Ehrfurcht vor ihrem weißen Haar ich werde gleich das

haben.

Als Marie mit einem Tablett mit zwei Glas Milch und einer Flasche Wein zurückkam, fand sie ihre Mutter schon in angelegentlichem Gespräch mit den Fremden. Sie setzte alles auf den Tisch und machte eine einladende Handbewegung, sprechen konnte sie nicht. Der Oberst ergriff ein Glas Milch und reichte es ihr mit den Worten: „Will das gnädige Fräulein mir nicht den Labetrunk kredenzen? Ich denke, das ist in Ihrem Deutschland so Sitte?" Marie ergriff das Glas mit zitternden Händen, trank einen

Schluck

und

reichte

es

mit

den

Worten zurück:

„Wohl bekomm' es!" Der Oberst nahm das Glas, und trank es auf einen Zug leer.

Plötzlich sagte er: „Ich hoffte, hier eine Bekanntschaft aus meiner Jugendzeit erneuern zu können, indes —" Da trat Arabella von der Gartenseite herein, in ein¬ fachstem Hauskleide, eine Küchenschürze vorgebunden. Ihre

— der —" „Pierre!" schrie Arabella, „Pierre! Du

ist, der

erkenne ich

es an seine

Lippen

es? Jetzt

„Ja. gnädige Frau", erwiderte der Oberst unter tiefer ceremonieller Verbeugung, ich bin es, Pierre Duloup, ehemals Gärtnerbursche, jetzt Oberst Sr. Majestät des Kaisers. Die Zeiten haben sich geändert." „Ach! Herr Oberst, verzeihen Sie!" rief Arabella, indem ihm beide Hände entgegenstreckte. „Das Plötzliche des riß mich fort. Wie freue ich mich, Sie begrüßen zu dürfen! Aber wie in aller Welt haben Sie denn erfahren, daß ich hier bm?" „Gnädige Frau, Sie stellen meinen Erinnerungen ein schlechtes Zeugnis aus, wenn Sie glauben, ich hätte jemals vergessen können, wohin Ihr Herz Sie trieb. Auch habe ich mir stets — zeitweise allerdings nur in großen Zwischen¬ räumen — Nachricht über Ihr Ergehen zu verschaffen gewußt." „Wie war Ihnen das nur möglich?" „Ganz einfach! Als ich noch Sergant oder Sous-Lieutenant war, hatte es allerdings seine Schwierigkeiten. Allein später, als ich zu höheren Graden aufgestiegen war und mich mehr in der vornehmen Welt bewegte, fand sich immer jemand, der mit unserm Gesandtschaftspersonal in Verbindung stand." sie

Wiedersehens

Arabella erklärte jetzt ihrer Schwiegermutter und Schwägerin, daß der Oberst derselbe Pierre sei. der ihr in jener Schreckens¬ nacht das Leben gerettet. Dann wandte sie sich wieder mit bittendem Blick an Pierre und sagte: „Nicht wahr. Herr Oberst,

Sie verzeihen mir meine damalige Flucht? Aber ich konnte wirklich nicht anders handeln." „Ich verzeihe nicht bloß, sondern ich bin glücklich, daß Sie auf diesen Gedanken gekommen find. Ich hatte nämlich damals", wandte er sich lächelnd an die übrigen, „wirklich die Absicht, die junge Komtesse zu heiraten, und ich hätte es auch

setzte

bist

Dich!"

wahrscheinlich

Militär oder

durchgesetzt, wenn ich

richtiger,

diese

nicht plötzlich zum

Nun, dieser Jugendtraum, Jugendthorheit ist längst vorüber.

eingezogen worden wäre.

448

„Die Sterne blaffen, wenn

Es war unser beider Glück, daß es anders kam. Sie, gnädige Frau, wären nicht bloß grenzenlos unglücklich geworden, sondern Denn die Guillotine auch ich wäre dabei zu Grunde gegangen. wäre mir sicher gewesen, wenn man in Erfahrung gebracht Wie aber find hätte, daß ich eine Aristokratin geheiratet. Darüber habe ich nichts erfahren Sie nur entkommen?

Und Sonne ist er nicht; Er ist ein schöner Stern, laßt ihn im Dunkeln! Was reißt ihr ihn ans Morgenlicht?

Er ist ein Abendrot und mag

„Ach. das ist eine lange Geschichte. Die muß ich Ihnen Ich setze nämlich woraus, daß Sie heute hier bleiben. Mein Mann muß auch gleich nach Hause kommen, und er wird sich ebenfalls herzlich freuen, Sie zu sehen. Jetzi aber entschuldigen Sie mich einige Minuten! Ich muß noch etliche Anordnungen wegen des Mittagessens treffen."

Kann er die junge Welt nicht mehr.

später erzählen.

Es zieht durch

In

ein frisch erschaffend Wehen

Das war die Absage der neuen Generatton, beinahe prophetisch, wenn man die Erfolge ansieht, welche Arndt in Frankfurt gehabt hat. Sein gutes, altes, deutsches Gewissen trieb ihn zu strenger Pflichterfüllung des übernommenen Amts; die Liste der in Frankfurt angekommenen Abgeordneten nennt

Ernst Von Heinrich Meisner.

Nicht wenigen der früheren Mitglieder des Frankfurter Parlaments ist es in der Folgezeit leicht geworden, das, was sie freiheitsberauscht in schwärmender Jugendzeit gesprochen und gethan, durch die Besonnenheit der Männerjahre in Vergessenheit zu bringen; aber die Alten von damals, die ihren Traum von der deutschen Freiheit in den Einigungs¬ kriegen von 1864 — 1871 nicht mehr verkörpert sahen, denen ist ein Teil ihrer Achlundvierzigerei, ein Schimmer von Revolutionsmännern, geblieben, mögen sie in jenem deutschen

bereits am 29.

Mai

seinen Namen.

Sein erstes Auftreten gleich in der zweiten Sitzung war mehr eine Ehrenbezeugung der Versammlung als ein Erfolg für den greisen Redner. Nach den wenigen Worten Arndts wurde

sein

Lied:

„Was

ist

des

Deutschen

gesessen

So ist es auch E. M. Arndt ergangen. Man rühmt wohl jetzt in den weiiesten Kreisen bis hinauf zu Thrones¬ höhe seine Biederkeit und sein unverfälschtes Deutschtum, allein ein klein wenig anrüchig ist er doch geblieben, trotz aller Ehrungen und Königsbriefe, und eine geistige Auferstehung hat er nicht einmal vor fünfundzwanzig Jahren feiern können, als seine Gedanken in Wort und Lied That wurden in dem neuen deulschcn Kaisertum, in der Wiedergewinnung der deutschen Provinzen Elsaß und Lothringen. Da lohnt es sich einmal, den politischen Arndt der achtundvierziger Jahre näher zu betrachten, da ja doch wohl die Menge feiner Schriften, die seine politische Stellung zu jener Zeit vorbereiieten und bestimmten, dem größeren Teil des deutschen Volkes unbekannt ist.

da saßen drei Sendschaften

bei Arndt in Bonn, die alle ihm die Wahl zum Abgeordneten

zu sehr vergessen ist

in ihren Kreisen anzeigen und ihn zur Annahme bewegen wollten. Viermal war er am Rhein und außerdem noch in Stralsund gewählt worden, für Solingen nahm er an. Schon vorher hatte er sich klar gemacht, daß er in einen wenig

augenblicklichen Worte zujubelt und nicht

hoffnungsreichen Kampf sich begebe gegen manche Narren und Taugenichtse, die alles umwälzen möchten, gegen Ideen und Pläne einer neuen Generation, von der er doch vielleicht noch manche durch Rundwandeln und Gespräche auf die Bahn der Möglichkeiten zurückführen könne. Bereits hatten ihn die „Jungen" zu den politisch Toten gethan und Georg Herwegh ihm den Nachruf gewidmet:

Mit gütiger Bewilligung der Verlagsbuchhandlung (Deutsche Verlagsanstalt in Stuttgart) der von Richard Fleischer herausgegebenen „Deutschen Revue" entnommen.

Vaterland?"

gesungen und dem Dichter Dank und Hoch dafür ausgebracht. Je mehr aber die junge Generation die Obermacht in dem Frankfurter Parlamente erhielt, desto weniger legte man auf die Vorträge des Alten Gewicht, dem die freien Reden von der Tribüne nicht recht gelingen wollten. Als er am 2 . Juli seine einzige größere Ansprache an die Versammlung hielt und gegen den Antrag, die Sonderrechte des Adels und diesen selbst wegzustreichen, sprach, da fühlte er bereits eine Schüchtern¬ heit beim Sprechen, welche ihren Grund nicht zum wenigsten in dem Gefühl hatte, daß seine politischen Ueberzeugungen, für die er seit dreißig Jahren gekämpft, nicht genug Widerhall bei der Majorität der Versammelten fanden. Nicht lange darauf, bei dem Empfang des Reichsverwesers Erzherzog Johann von Oesterreich, am 12 . Juli, fiel unserm Arndt als Alterssenior neben dem Präsidenten Gagern die Aufgabe zu, in einer Ansprache jenen zu begrüßen. Nicht von Herzen kam beiden die Rede, kurz und trocken waren die Worte. Wie hätte es auch anders sein können! Cs wäre eine Verleugnung des politischen Glaubensbekenntnisses Arndts gewesen, hätte er mit Begeisterung den Oesterreicher als Reichsverweser empfangen. Hing doch sein Herz an einem ganz andern Traum, der viel

haben.

Mai 1848,

sie

ungehemmtem Lauf,

Und mit des Frühlings neuen Blumen gehen Auch neue, große Herzen wieder auf."

(Schluß folgt.)

Es war am 10 .

noch feuchten

Manch Auge kummerschwer; Allein verzeiht, ihr hohen Herrn, erleuchten

können."

Parlamente auf der linken Seite oder im Zentrum

die Sonnen funkeln,

I

in unserer

schnell lebenden sich

Zeit, die dem

an den erinnern

will,- der es vor Zeiten schon sagte. Als Arndt sein Vaterland durch die Befreiungskriege erlöst sah. wandte sich sein Kampf von den Franzosen ab einem andern Ziele zu, das er in seiner 1814 erschienenen Schrift: „Blick aus der Zeit auf die Zeit" klar aussprach. Nicht Oesterreich solle mehr in Deutsch¬ land herrschen, sondern Preußen, welches selbst in der tiefsten Not ein freies, geistiges Leben bewahrt habe und als protestantischer, das ist religiös toleranter Staat dazu bestimmt sei. die religiöse Freiheit zu schirmen und einen Tempel zu bauen, nicht für den katholischen, lutherischen oder reformierten, sondern für den christlichen Gott. Diesem Gedanken hat Arndt in seiner Treue nachgehangen, in Leid und Not selbst, als er in demselben Preußen angeklagt und seines Amtes entsetzt

449

ward. Mit der festen Hoffnung auf die nahe Erfüllung der Mission Preußens in Deutschland nahm er das Mandat zum Frankfurter Parlament an und schrieb in seinem politischen Glaubensbekenntnisse für seine Wähler, das er unter dem

|

Bald konnte Arndt im Parlamente selbst für seine Sympathien in Preußen einstehen. Zwar kam er nicht dazu, einen schriftlich formulierten Antrag zum Entwurf der Grund¬ gesetze des deutschen Volkes am 18. Juli mündlich zu moti-

Jnserate

für

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Stellensuch&ödci j

kostenlos.

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Eguitsble-ValLst. Haupt-Filiale

des

„Kleine« Journal", Leipzigerstraße 101/102,

Titel: „Das verjüngte oder vielmehr das zu verjüngende Deutschland" im Mai 1848 erscheinen ließ, von einer bösen Rotte, die den Namen Preußen und König von Preußen mit Schmutz : und Schande zu beflecken, mit Hohn und Haß zu beladen, sucht.

Ecke

Leipziger- und Friedrichstraße.

vieren, aber aus der Niederschrift der beabsichtigten Rede entnehmen wir. wohin seine Gedanken zielten. Deutlich und in wahrhaft prophetischer Weise spricht er es aus. daß der Schwerpunkt Deutschlands zu Waffer und zu Lande in Preußen liege, und daß alle die, welche vor einer großen deutschen

450 Republik einen ahnungsvollen Schauder empfänden, nicht länger säumen, sondern den König von Preußen zum Könige der Fürsten und des Volkes machen sollien. Wurde auch diese Rede von Arndt nicht gehallen, so ist doch anzunehmen, daß er für ihren Inhalt in Gesprächen mit Parlamentsgenossen eingetreten ist und dadurch für Preußen den Weg zum Kaisertum vorbereiten half, den es damals leider noch nicht betrat. Die Polenfrage, welche bald darauf, am 22. Juli, in dem Parlamente zur Erörterung kam, entfesselte die Gegen¬ sätze in ungeahnter Weise. Handelte es sich zunächst nur um die Einverleibung eines Teiles von Posen in den deutschen Bund, so gingen bald die Polenschwärmer zu dem Verlangen nach Wiederherstellung eines großen polnischen Reiches über. Arndt, welchem es nicht möglich war, in dieser Debatte zum Wort zu kommen, hat die Rede, die er halten wollte, bald darauf drucken lassen, eine ernste Mahnung an das deutsche Volk, sich nicht durch überschwengliches Frkiheitsgefühl zu einer grundlosen Polenbegeisterung treiben zu lassen. Es ist wenig bekannt, daß der greise Dichter damals ein besonderes Flug¬ blatt in dieser Angelegenheit erscheinen ließ; und gerade diese Thatsache verdient eine besondere Beachtung, weil es in der Deckerschen Geheimen Oberhofbuchdruckerei zu

Berlin

stimmung zur Sistierung

Waffenstillstandes zurücknehme. So war im Ausschuß Stimmengleichheit hergestellt, und der Antrag jenes, betreffend die Sistierung, fiel im Plenum mit 237 gegen 258 Stimmen. Damit war ein großes Unglück von Deutschland abge¬ wendet worden, denn Preußen hätte wahrscheinlich den An¬ ordnungen der Zentralgewalt, betreffend den dänischen Krieg, nicht Folge geleistet, die Dränger und Stürmer der linken Seite des Parlaments hätten ihrem Beschlusse durch Reichsexckution Geltung verschaffen wollen, und ein Bruderkrieg deutscher Stämme, der Mittelstaaten gegen Preußen, wäre die Folge gewesen. Aber leicht ist es dem alten Arndt nicht ge¬ worden. im letzten Augenblick seine Stimme für Preußen in die Wagschale zu werfen; er hat dafür üble Nachreden genug geerntet, doch ihm blieb inmitten der hochgehenden Wogen des Kampfes um die vermeintlich von Dänemark geschändete Ehre Deutschlands das Ziel unverrückt vor Augen, nur Preußen könne Deutschland helfen. (Schluß folgt.)

Kurg Stargar- an -er Li n^e.

gedruckt

ist, also einen offiziös preußischen Anstrich besitzt.

Ob irgend eine Verabredung oder ein Auftrag vorliegt, läßt sich nicht entscheiden; jedenfalls stehen die Gedanken, welche Arndl in dem

Flugblatt aussprichl. denen der preußischen Regierung

und des preußischen Thrones nahe. Es ist eine derbe Absage an die Republikaner, die gewissenlosen Aufwiegler des Landes, welche die Grenzen desselben den Welschen und Moskowitern als Beute hinwerfen möchten, und schließt mit einer warmen Ansprache an die besseren Elemente Polens. Preußen sei die erste und jetzt die einzige Macht, um welche sich die Fürsten und Völker Deutschlands sammeln könnten und sich sammeln müßten, wenn sie bestehen wollten. Gelänge es den Republi¬ kanern, dieses Preußen klein und verächtlich zu machen, so wäre der einzige feste Stützpunkt hinweggenommen, und die Polen würden erst recht dann keine freien Polen werden.

Als am 26. August jener Staat, autorisiert von der Zentralgewalt, zu Malmoe einen Waffenstillstand mit Däne¬ mai k abschloß und dadurch die Herzogtümer Schleswig und Holstein unter die Verwaltung eines Mannes kamen, der deni deutschen Interesse feindlich gegenüberstand, so wurde auf die

Worte Dahlmanns hin der Waffenstillstand von Parlamente dem nicht sanktioniert und die Angelegenheit zu weiterer Berichterstattung zwei vereinigten Ausschüssen, dem internationalen und dem der Zentralgewalt, übergeben. Arndt, der selbst einem dieser Ausschüsse angehörte, war bei der vorerwähnten Beschlußfassung am 4. September nicht rin Hause anwesend, sondern verreist und hatte auch am Tage darauf an der Abstimmung, wodurch die Sistierung des Waffen¬ stillstandes definitiv ausgesprochen wurde, nicht teilgenommen. Jedoch erfuhr man, daß er schon gekommen sei und gerade durch seine den Vorstellungen Dahlmanns entsprechende Stimme die Majorität in dem Ausschüsse herbeigeführt habe, welche den Antrag auf Sistierung des Waffenstillstandes bei dem Plenum einbrachte. wenige Tage Aber später, am 14. September, bestieg der alte Arndt die Tribüne und er¬ klärte der Nationalversammlung entschieden, daß er seine Zu¬ zündenden

des

„Honny soit qui mal y pense!“

(Schluß.)

Daß auch die auf den Land- und Wasserstraßen besörderten Güter aller Art nicht von den Plünderern verschont wurden, versteht sich von selbst. So wurde dem Amtshauplmann Olaf v. d. Lanken, der dem Händler Erdmann Schmied in Neuruppin 40 Drömpt Roggen verkauft und selbe zu Wasser nach Havelberg zu liefern hatte, das Schiff von den Kaiser¬ lichen angehalten und seines wertvollen Inhaltes entledigt. — Derselbe Herr hatte einen Vorrat von 27 Drömpt Roggen beim Herannahen der Kaiserlichen auf seinem Lagerplätze in Neubrandenburg für besonders gefährdet gehalten und ihn deshalb auf den Boden einer Witwe in Strelitz schaffen lassen; doch auch hier wurde er von den plündernden Truppen aufgespürt, die am 13. und 23. Februar 1631 sich daran schadlos hielten; den Rest nahmen am 3. Mai die Schweden fort. auf der Burg Stargard selbst zuging, unseres Gewährsmannes, des Küchenmeisters Bornemann, der sich mit seiner Frau aufs kümmerlichste behelfen mußte. Wenn das Burgpersonal noch im Jahre 1614 mit 989 Tonnen selbstgebrauten Bieres fertig zu werden verstand, so dienten dem einsamen Ehepaare ein Vierteljahrhundert später nur ein „Ackervogl", der zugleich „Landreitcr" sein mußte, ein Pförtner, der auch Böttcher war, und „eine einzige Magd für die armselige Küche". Alle übrigen waren teils geflohen, teils bedurfte man ihrer in der Not der Zeiten nicht. — Ging es doch so weit, daß auch die Heiligtümer in den Kirchen und Klöstern geraubt wurden. Nicht nur die Soldaten nahmen die Kelche und anderes Kirchengerät fort, auch die Bauern vergriffen sich in ihrer äußersten Not am Kirchengute. So bekannte nach einem auf dem Amt zu Broda auf¬ genommenen Protokoll vom 11 . Mai 1641 der Bauer Chim Bülow, daß er die kleine Glocke aus der Kirche in Holldorf gestohlen habe; mit einem Genoffen Jürgen Kippe gelang es ihm. dieselbe auszuhängen und aus dem Turm zu schaffen. Sofort ward sie zerschlagen und im Stroh versteckt. An eine

Wie

ersehen

es bei alledem

wir aus einigen Zahlen

durchziehende Lichthändlerin verkauften sie alsbald 40 Pfund

Glockengut.

mutigt,

das Pfund

beschlossen

zu 3 Sechslingen. auch

sie,

— Hierdurch

er¬

die große Glocke von Quasten¬

berg zu stehlen, um aus dem Erlös ein paar Ochsen, die sie sehr nötig brauchten, zu kaufen. Auch§ dieser Plan glückte,

unversehrt bis Friedland; allein das Schicksal, denn der aufmerksame Thor-

und sie brachten die Glocke

hier ereilte wächter

entdeckte

Nach

fest.

sie

den

seltenen Schatz

hatten

geltendem Recht

aber sie hatten das Glück,

sie

und

nahm die Diebe

den Galgen verdient,

vor einen wohlwollenden Richter

gestellt zu werden, und so kam es, daß die Sache durch Ver¬

mittlung des Amtshauptmanns Engel von Broda dem Herzog Adolf Friedrich I. unterbreitet und ihm vorgestellt wurde, „daß er doch trotz des großen Sakrilegiums die Leute pardonnieren wolle, da sie ja nur durch die äußerste Not

daß es mit dem allgemeinen Staatsinteresie, welches die Erhaltung eines freien, unabhängigen Bauernstandes fordert, nicht im Einklang zu bringen ist. Doch kehren wir zu der Zeit des dreißigjährigen Krieges zurück! Bei Kaiser und Reich gab es damals keine Hilfe für das arme mecklenburgische Land. Im Gegenteil, man war froh, wenn die „Kaiserlichen" möglichst weit wegblieben, da so

wie die anderen deutschen und nicht¬ Zudem hatte der Kaiser Ferdinand II. im Jahre 1628 die beiden regierenden Herzöge Johann Albrecht von Mecklenburg-Güstrow und Adolf Friedrich I. von Mecklen¬ burg-Schwerin einfach abgesetzt und die Lande dem Wallenstein als Lehen gegeben. Erst durch den Prager Frieden wurde sie es

genau

so

trieben

deutschen Söldnerheere.

Entscheidung nicht leicht, aber er berücksichtigte auch die Not¬

ihr Eigentum wieder zugesprochen. Diese die beste Hülfe und Stütze bei fernerhin, glaubten den Schweden zu finden. Besonders Herzog Adolf opferte im Lauf der Jahre große Summen für seine ehrgeizigen Pläne auf Machterweiternng; er erreichte jedoch nichts, als daß er von dem Kanzler Oxenstierna gründlich hinter das Licht geführt wurde und obendrein zum Schluß ungeheuer verschuldet

lage der Bauern und ihre

dastand.

dazu getrieben

und junge starke Leute seindt, so ihre starke Weib' und Kindt haben und Ew. fürstlichen Gnaden Dienste noch lange verrichten mochten." Dem Herzog, der ein gar frommer Herr war. wurde die

die

es

mit

sich

brachte,

arg zusammengeschmolzene Zahl, die Aecker nicht mehr bestellt schrieb deshalb seinen Güstrower so

daß

Er Regierungsrälen, daß „ein werden

konnten.

solches Sakrilegium eine exempla¬ Abstrafung meritirete, weil aber gleichwohl hierbei die große Dürftigkeit der armen Leute zu beachten, wollen wir ihnen insoweit Gnade widerfahren lassen, daß sie da nicht mit dem Tode, dennoch mit der Furcht des Todes diesergestalt sollen bestrafet werden, daß beide zuerst darum losen, wer henken soll, und der Gewinnende alsdann mit 14 tägigem Gefängnis bei Wasser und Brot bestrafet werden, der andere soll gar die Leiter hinaufgeführet, alsdann begnadigt werden." rische

Man kann

sich heute kaum vorstellen, wie entsetzlich Land und Volk unter den unglückseligen Religionskämpfen jener Zeit gelitten hat. Aber auch nachdem der Friede endlich eingeläutet worden, waren die Heim¬ suchungen für das arme Volk noch lange nicht beendet. Kaiserliche, kurbrandenburgische. polnische und schwedische Kriegsvölker zogen durch die Lande und erhoben schwere Contributionen. Infolge der furchtbaren Entvölkerung das Landes traten in Mecklenburg zwei Erscheinungen auf, die bis dahin der Wirtschaftsgeschichte der Herzogtümer fremd geblieben waren — die große Gutswirtschaft und die Leibeigenschaft. — Da die Bauernhufen meist wüst und verlassen dalagen, so war es erklärlich, daß man sie zum Hofgut nahm, sofern sie nur bequem für die Wirtschaft lagen. Sehr wenige Bauern waren imstande. Saatkorn zu kaufen, und so wurden sie durch Line eiserne Notwendigkeit in eine Abhängigkeit gebracht, die je nach dem Charakter und dem Vermögen des Herrn milde oder hart war. So kam es, daß nur ein ganz geringer Teil der einst so blühenden Bauernwirtschaften übrig blieb. Dieses „Bauernlegen" blieb auch später noch im Schwange, und wenn wir erfahren, daß im ritterschaftlichen Gebiete seit der Mitte des 17. Jahrhunderts die Zahl der freien Bauernhöfe von 12 000 auf etwa 1200 zurückgegangen ist, so werden wir zu der Ueberzeugung kommen, daß das Bestreben der Ritterschaft, ihr Grundeigentum zu vermehren oder, wie oft gesagt wird, „abzurunden", doch die zulässigen Grenzen überschritten hat,

unser

deutsches

es

den beiden Fürsten

aber auch

Unter solchen Umständen ist

es nicht zu

verwundern, daß

die Ritterschaft des Herzogs Lage im eigenen Jntereffe bestens

ausnutzte und für die ihm vorgeschossenen Gelder sich Ver¬ günstigungen und Vorrechte erwirkte, die sie in gewöhnlichen

Zeiten und unter einer geordneten Verwaltung niemals erlangt haben würde.

Nicht zu verwundern ist es ferner, wenn die mecklenRitter ihre von ihrem Standpunkte aus wohl¬ erworbenen Rechte mit großer Zähigkeit durch die folgenden Jahrhunderte und bis auf den heutigen Tag verteidigt haben, burgischen

und daß infolge dessen die schon so lange angestrebte gleich¬ mäßigere und gerechtere Verteilung der Rechte und Pflichten zwischen Regierung. Rittern und Bürgern noch immer nicht zu¬ So ragt denn die alte ständische Ver¬ stande gekommen ist. fassung in ihrer mittelalterlichen Gestalluug etwas fremdartig

in die moderne Weltordnung hinein, und es wird wohl noch mancher Zentner Papier verschrieben werden, ehe die Streit¬ frage zur Ruhe kommt. Immerhin find Zeiten wie die geschilderten in Mecklen¬ burg und auch im übrigen deutschen Vaterlande für alle Zu¬ kunft wohl nicht mehr möglich; nur ein einziger Punkt er¬ innert noch an jene Schreckenszeiten: die nominelle Zugehörig¬ keit ver guten

Stadt Wismar zum

schwedischen Reiche.

Wenn nun auch thatsächlich so manche blutigen und lang¬ unter den nichtigsten Vorwänden begonnen worden sind, so ist doch nicht zu befürchten, daß wegen dieses Punktes Mecklenburg und Schweden je aneinandergeraten könnten, da ja das jetzige kraftvolle deutsche Reich derartiges nicht dulden würde und unsere Stammesvettern jenseits der Ostsee wegen solcher Sache mit dem geeinten Deutschland dauernden Kriege

nicht anbinden werden.

So dürfen wir denn die Zuversicht hegen, daß der ge¬ waltige Bergfried auf der Burg Stargard noch lange Zeit auf ein blühendes, gesegnetes Land herabblicken wird. Dem Touristen aber, der auf der Fahrt an die See oder zu näheren Zielen Stargard berührt, können wir nur raten, wenn es ihm die Zeit erlaubt, an dem kleinen, stillen Bahn¬ höfe den Zug zu verlassen und sich die Stadt mit ihrer

reizenden Umgebung, besonders aber die Burg anzusehen. Ist er zudem noch, wie wir es ihm gern wünschen, ein flotter Fußgänger und kann noch einen Tag in seinem Reiseplane

erübrigen,

so

möge er nordwärts

durch

das wunderliebliche

„Müblenholz" gen Neubrandenburg pilgern; der Zeitaufwand wird ihn sicher nicht gereuen. Er gelangt in 2 x/ 2 Stunden an der „Papiermühle", der „hintersten Mühle" und der „Heid¬ mühle" vorbei in die alte ..Vorderstadt" Neubrandenburg; die Wanderung führt ihn immer der Linde entlang, zunächst blumige Wiesen und üppige Felder bis zur Papier¬ mühle, in deren Nähe, unweit des Bahnwärterhauses, sich ein gewaltiger erratischer Granitblock, ähnlich dem Markgrafen¬ durch

erhebt; dann aber geht es durch herrlichen Buchenwald im Thalgrunde, zu beiden Seiten die dicht¬ belaubten Höhen, zur „hintersten Mühle", wo unter dem Waldesschatten ein kühler Trunk den Wanderer erquickt, und von hier entweder im Thale entlang zur Heidemühle oder zur Höhe hinauf, um in wenigen Minuten, aus dem Wald heraustretend, vom Mühlberg aus das unvergleichliche stein bei Rauen,

Panorama von Neubrandenburg vor sich zu haben. Da liegt die freundliche Stadt mit dem himmelan strebenden Turm der Marienkirche, mit den vielgerühmten, wohlerhaltenen gotischen Thoren, mit den trutzigen Mauern, den Hängeltürmen und Wiekhäusern. Links aber dehnt sich in endloser Weite der Tollensesee aus mit den von bewaldeten Bergen umrahmten Ufern, diesseits das Nemerower, fenseits das Brodaer „Holz"; zwischen dem Wald und der Stadt zeigt sich das Kloster Broda, und daneben auf waldiger Höhe das „Belvedere oder, wie Fritz Reuter, an den hier fast jedes Fleckchen erinnert, den Kammerdiener Rand sagen läßt, „Belmandür"; „een Belmandür möt wi hebben; alle Höchen Herrschaften hebben een Belmandür, blot wi allein nich!" Die zahlreichen Verehrer der Reuterschen Muse werden sicher gern mal die Gelegenheit benutzen, hier, an Ort und Stelle, sich all die teils treuherzigen, teils so harmlos schalk¬ haften Erzählungen ins Gedächtnis zurückzurufen und den Genuß, den

vors

sie schon

beim Lesen gehabt haben, zu erneuern.

un

Das Land Sternberg ist der Teil der Mark Brandenburg, Jahre lang der am wenigsten von Reisenden besucht wird. war es wegen einer fehlenden Bahnverbindung von der Welt abgeschlossen. Große Rittergüter lagen zwei so gut wie Stunden von der nächsten Station entfernt. Jetzt ist dem Die Uebel durch den Bau einer neuen Bahn abgeholfen. Linie Reppen-Meseritz führt so recht durch das Herz des Steinberger Ländchens. Allmählich, daran zweifeln wir nicht, wird der Strom der Touristen auch diesen Teil unserer Heimat¬ provinz aufsuchen; denn an landschaftlichen Reizen steht er den anderen Teilen nicht nach.

Verläßt man in der Kreisstadt Drossen den Zug, geht man vorbei an den mittelalterlichen Mauern, welche die Bürger einst so tapfer gegen Hans von Sagan verteidigt haben, so nimmt den Wanderer bald ein schattiger Eichenwald auf. Dieser erstreckt sich bis hart an die Grenze von Radach. Kaum hat man den Wald verlaffen, so sieht man den Kirchturm und

die rotcn Dächer der Häuser hervorleuchten

aus dem Grün

der Bäume.

Ich erinnere mich kaum. in der ganzen Mark ein hübsches, schmuckes

Dorf

gesehen zu haben wie Radach.

so

Schon

durch seine Größe — 750 Einwohner — nimmt es einen hervorragenden Rang ein. Eine gepflasterte Straße führt mitten durch das Dorf. Auf der einen Sette derselben stehen Häuser, die fast alle innerhalb der letzten 10-15, höchstens 20 Jahre entstanden sind. Längst hatte man den häßlichen Brauch aufgegeben, die Front des Hauses nach dem Hofe zu zu bauen; nein, alle Häuser sehen, so zu sagen, den Wanderer an. Vor allen befindet sich ein wohlgepflegtes Gärtchen, einige Stufen führen zur Hauslhür empor. Hinter dem Hause, von der Straße aus wenig sichtbar, befinden sich die Stallungen. Alle diese Gehöfte find Besitzungen wohlhabender Kossäten. Auf der andern Seite der Straße stehen die von den Guts¬ Sie find älter und infolgedessen leuten bewohnten Häuser. weniger geschmackvoll. Uebrigens liegen nicht alle Häuser Radachs an dieser Straße. Das Dorf erstreckt sich vielmehr

Teils einzeln, teils in Gruppen liegen verschiedene Gehöfte, bisweilen ganz versteckt in Fichten oder Obstbäumen. Inmitten des Dorfes liegt ein Teich, der Mühlenteich. Durch denselben fließt ein munterer, klarer Bach, das Hammerfließ, Am Nordende des auch das Radacher Hammerfließ genannt. weithin.

Dorfes steht das stattliche, von Linden umschattete Herrenhaus. Die Fenster desselben gehen auf einen Park mit schönen, alten Bäumen, einen Teich mit einer Insel, die terrasienförmig emporsteigt, dem sogenannten Eisberg. Früher stand auf ihm eine Burg, von der im Anfang unseres Jahrhunderts noch ansehnliche Reste vorhanden waren.

Besonders schön ist ein Blick auf Radach von einer im Norden gelegenen Anhöhe aus, von „Annas Lust". Ein höchst anmutiges Bild stellt sich dem Beschauer dar: das Herrenhaus umrankt von wildem Wein, überragt von majestätischen alten Linden, der rote Kirchturm, die vielen kleinen Gehöfte und, als Abschluß, die welligen Höhen der Schwaneberge. Die Nachrichten über Radach ist ein sehr altes Dorf. vierzehnte Jahrhundert zurück. dasselbe gehen bis in das Wie die meisten Dörfer dieser Gegend, so hatte auch Radach ursprünglich einen slavischen Namen. Wir finden die Bezeich¬

nungen Radachow, Nadekow und Radichow. Letztere Form war noch im Jahre 1609 üblich, wie uns eine Urkunde aus diesem Jahre lehrt. Sehr zahlreich sind die Besitzer von Radach. Dieselben wechselten sehr schnell; dazu kommt, daß Radach häufig nicht im Besitze einer, sondern mehrerer Familien war. Als ältester Besitzer wird Pez von Losiow genannt, in der zweiten Hälfte des vierzehnten Jahrhunderts. Im Anfang des fünfzehnten Jahrhunderts ging das Gut in den Besitz der Familie von Horn über. Im Jahre 1515 verkaufte Baltzer von Horn,

Herr auf Radichow und Kirschbaum. für 1500 Rheinische Gulden die Hälfte der beiden Dörfer an Caspar von Loeben; im Jahre 1532 wurde auch die andere Hälfte an die Gebrüder von Loeben verlaust. Ein Balthaser von Loeben verkaufte im Jahre iMb dem Kaufmann Stern das Recht, einen Kupfer¬ hammer anzulegen. Derselbe besteht heute noch. Die Loebens brachten schnell einen ansehnlichen Besitz zusammen. Im Jahre 1571 wurden sämtliche Brüder und Vettern derer von Loeben

——

453

belehnt über ganz Nadach, ganz Kirschbaum, ganz Drenow, ganz Reisewitz, halb Trebow und halb Topper; ferner über den ganzen Radacher See, alle Fischereien, Mühlen, Mühlcnstätien, Teiche, Teichstälten. Doch schnell zerrann dieser großartige Besitz.

Im

Jahre

1598 finden mir nicht weniger als drei Familien auf Radach angesessen: s

2

/6 den von Burgs¬ Jahrhundert kommt /6 eine neue Familie hinzu, die von Jlom. Es find dies Ver¬ wandte jenes Anhängers Wallensteins, den Schiller Jllo nennt. Der durch Schiller bekannt gewordene J!ow ist in Schmagorey, 1615 wird einem Dorfe südöstlich von Radach, geboren. Joachim von Jlow, Rat- Hauptmann zu Sonnenburg, als Herr eines Teiles von Radach erwähnt. Wie zersplittert der Besitz damals war, zeigt folgende Thatsache: eine Mühle vor dem Dorfe gehört dem eben genannten Joachim von Jlow zur Hälfte, die andere Hälfte gehör: Melchior von Soeben zu Radach und Friedrich von Jlow zu Kirsch¬ baum. Heinrich Wilhelm von Jlow, Erbherr auf Radach. starb daselbst als Königlich- Polnischer und Chur¬ Das Jahr sächsischer Hauplmann. dorf,

1

/6

gehörte den von Soeben,

den von Vorhauer.

Im

17.

auf dem Felde gepfändet wird, muß als Strafe eine Tonne 1689: Bier und dem Schulzen das Pfandgeld geben." „Wer beim Diebstahl betroffen wird. es sei an Feldfrüchten oder Obst, soll den ganzen Tag am Pranger stehen und der Diebstahl ihm um den Hals gehängt werden." Im Jahre 1746 kam die Familie Knorr in den Besitz eines Teiles von Nadach und behielt denselben bis in den Anfang unseres Jahrhunderts hinein. Dem ersten Knorr auf Er wurde Radach. George Friedrich, ging es nicht allzu gut. 1749 von seinem Nachbarn, dem gewesenen Husarenrittmeister von Briesky, auf öffentlicher Straße angefallen, so daß er bald

darauf seinen Geist aufgab. Neben den Knorrs

1671

wird zum

letzten

Mal

Besitzer

eines

buch

den

Namen

Teiles von Radach erwähnt.

noch einen Besitzer

in

Friedrich von Knorr; da die Adelspartikel seitdem immer wieder¬ kehrt, so kann man wohl annehmen,

George

die Familie inzwischen geadelt Wann die Thymens worden ist. Nadach

nach sich

gekommen

nicht mehr ermitteln.

find, läßt Im Jahre

17o7 finden wir zum letzten Mal einen Schulenburg erwähnt, und zwar als Pate bei einem Söhnchen 1785 werden des Pfarrers Beil. Herr und Frau von Thymen als ,

Paten genannt.

ge¬

In

nannten Jahre Margarete von der Als Witwe ver¬ Schulenburg. mählt sich diese mit Friedrich von Schlichting. Dieser verkauft seinen Anteil 1704 an den Oberstlieutenant

des

den

letzten

Jahrzehnten

vorigen Jahrhunderts scheinen

in Nadach

sehr

idyllische Zustände

geherrscht zu haben. Auffallend gering

Zahl der unehelichen Kinder. zwischen Gutsherr¬ Beziehungen Die ist die

Christoph Eberdt.

Die Zersplitterung des Gutes bleibt dieselbe wie in früheren Zeiten. Die Glocke in der Kirche zu Radach nennt für das Jahr 1725 nicht weniger als sechs Besitzer. Die Glocke hat nämlich fol¬ erhaltene In¬ gende, vortrefflich

nur

daß

Hein¬

rich von Soeben heiratet in dem

es

Radach, anfangs die Familie von der Schulenburg, dann die Familie von Thymen. Im Jahre 1773 finden wir im Kirchen¬

ist nicht angegeben.

ein von Soeben als

gab

und Dorfbewohnern scheinen patriarchalisch gewesen zu sein; denn auffallend oft übernahmen Mitglieder schaft

adligen Familien eine den älteren Be¬ Unter Patcnstelle. wohnern Radachs wird noch von jener Zeit gesprochen. Die Familien, der

Wernhsrd von Wülow, Staatssekretär des Auswärtigen Amtes.

schrift:

„Soli Deo Gloria. Die Herren Patronen der Kirchen sind: des seligen Herren Obersten Christoph Eberdt's Erben. In Specie: Herr Rath Bernhard Friedrich Gladow Herr Lieutenant Friedrich Christian von Jlow Herr Carl Ludwig von Lucke Herr Lieutenant von Byzeski Erben Herr Gotilieb Fabricius Pastor Primarius in Peitz. M. Jacob Mctzner, Pastor. Johann Lehmann, Küster. Anno 1725 den 16. August goß mich Johann Friedrich Fiehle in Berlienn. Ich laste meinen Schall zu Gottes Ruhm und Ehren und derer Menschen Nutz in Radach täglich hören, hier schalle Gottes Wort ganz unverfälscht und rein, bis Himmel, Erde, Luft und Meer wird sein." Sehr interessant find einige Dorfordnungen, die um die Wende des 17. und 18. Jahrhunderts erlassen wurden: „Wer

beiden

von Knorr und von Thymen sollen sich nicht zum besten verstanden haben, die Fama berichtet sogar von heftigen Streitigkeiten. Wahrscheinlich hat sie, wie so häufig, über¬ Die äußeren Beziehungen wurden jedenfalls auf¬ trieben. Kirchen¬ recht erhalten, dies zeigt eine Nachricht aus dem buch: Im Jahre 1795 waren bei dem Kmde des Faktor

Fräu¬ Kupferhammer folgende Paten: Eiselin, Demoiselle lein von Knorr, Fräulein von Thymen. Demoiselle Naekin. Wir sehen also, daß die Mitglieder der Familien Knorr und Thymen wenigstens am dritten Ort zusammen kamen. Diese Notiz des Kirchenbuches zeigt übrigens, Eiselen

auf

dem

wie selbst in dem stillen, weltabgelegenen Dorfe eine schroffe Unterscheidung zwischen „Demoiselle" und „Fräulein" gemacht wurde. Die letztere Bezeichnung kam nur adligen Damen zu. — Der Kupferhammer war damals ein königliches Werk, der genannte Herr Eiselen war staatlicher Vertreter. Er hatte

*) Von 1767

an sind die Kirchenbücher in Radach erhalten.

454 anfangs den Titel Buchhalter, dann Faktor, 1819 wird er im Kirchenbuche Hütleninspekior genannt. Am Ende des vorigen Jahrhunderts wurden viele Radacher Kinder Soldat, und zwar traten sie meist bei dem Regiment von Ramm oder bei dem von Moellendorf ein. Um die Wende des Jahrhunderts hatten felbst einfache Leute eine große Vorliebe für seltsame, hochtönende Namen. Erdmann. Erdmuih resp. Erdmutte, Beate finden wir bis in die neueste Zeit häufig. 1772 heiratete eine Judith Esther Knobelsdorff. 1780 wird der Vorname Luccetia erwähnt. 1825 nennt ein Tabakspflanzer seine Tochter „Tugendreich", 1828 wählt ein Garnweber die Namen Pauline Wilhelmine

Söhnchen geboren wurde,

Floriunde. —

im Oestreichffchen, vormals Kaiserlich Oestreichscher Soldat, war als Marketender dem Herzoglich Coburg'schen Contingente aus Coburg, wo er ansässig gewesen, gefolgt. Auf der Rückkehr nach Coburg am 2 t. Dezember 1812 hier angekommen, krank, starb im Hause des Kossälhen Zeidler den 4. Januar 1813. Alter angeblich 26 Jahre. Krankheit: h'tziges Nervensieber. Er hatte bei sich eine Frau, angeblich seine Ehefrau." Vier andere Personen starben in diesem Jahr am Nervenfieber, darunter das Ehepaar Zeidler, das jenen Staudach be¬ herbergthatte. Im ganzen kamen im Jahre 1813 11 Todessälle vor, eine auffallend große Anzahl. Einer der Gestorbenen. Johann Gottlieb Herzog, der im Kruge verschied, wird im Kirchenbuch einfach als Vagabund bezeichnet. Vielleicht war

Jahrhunderte hindurch war Radach zersplittert gewesen. Endlich, am Anfange dieses Jahrhunderts, wurde es in einer Hand vereinigt. Der Königliche Kammerdirektor Ludwig Friedrich Pappritz kaufte das Gut, und zwar wahrscheinlich im Jahre 1802; jedenfalls wird er im Jahre 1804 bereits als Besitzer erwähnt. Als solcher führte er den Titel „Erb-, Lehns- und Gcrichlsherr auf und zu Radach". Bisher hatte er an der Tomänenkammer in Cüstrin gearbeitet. Er uiiternahm gleich nach dem Ankauf den Bau des noch jetzt stehenden herrschaftlichen Hauses. Der Rohbau war auf¬ geführt, als die Kriegsnot über Preußen hereinbrach. Auch Radach wurde von derselben getroffen. Ein Sohn des Dorfes. Namens Zeidler, wurde im Jahre 1806 gefangen genommen und nach Frankreich geführt. Dort blieb er bis zum Jahre 1812. Da mußte er an dem Feldzug gegen Rußland teil¬ nehmen. Als sein Contingenl bei Polenzig lagerte, erhielt er die Erlaubnis, die nur wenige Stunden entfernte Heimat auf¬ Er benutzte diese Gelegenheit, um zu desertieren. zusuchen. Vergeblich kam ein französisches Detachement, durchsuchte sein väterliches Haus, den ganzen Ort. Der Flüchtling hielt sich unterdessen in einem hohlen Birnbaum versteckt, der nördlich vom Dorfe, auf dem Wege nach Manscow, stand.

1806 kam auch nach Radach Einquartierung. Angst und erfüllte die Bewohner. Viele flüchteten ihre kost¬ barste Habe in die Wälder, namentlich in die oben erwähnten Die Franzosen betrugen sich indes sehr Schwaneberge. manierlich. Die mündliche Tradition überliefert, daß der Ort von den feindlichen Franzosen viel weniger erlitten habe, als von den befreundeten Russen. Daß die Franzosen sich taktvoll und human benommen, scheint auch folgender Umstand zu beweisen: Als dem Kammerdirekior Ludwig Friedrich Pappritz im Jahre 1868 von seiner Gemahlin, geborenen Bloch, ein Schrecken

lud er unter anderen als Paten ein: Oaiilard, Capitaine au 71 me Regiment de Ligne et membre de la legion d’honneur. Ein älterer Sohn von Ludwig Friedrich, Johann Friedrich, nahm später an den Befreiungskriegen teil. Er wurde in der Schlacht bei Ligm) verwundet, erhielt das eiserne Kreuz zweiter Klasse und ver¬ ließ den Dienst als Premierlieutenant. Als schlimmster Feind für Radach erwiesen sich weder Franzosen, noch Raffen, sondern das Nervensieber. Ein Marketender der „großen Armee" hatte es eingeschleppt. Das Kirchenbuch berichtet folgendes: „Friedrich Staudach, angeblich gebürtig aus Langcfurih

er auch ein Nachzügler der großen Armee.

Ein französischer Soldat

scheint sich in Radach häuslich niedergelassen zu haben; man schließt dies aus der Nachricht

im Kirchenbuch, daß im Jahre 1818 dem Hausmann und Schuhmacher Avenard, angeblich aus Paris, ein Sohn geboren Avenard selbst und seine Nachkommen scheinen Radach ist. wieder verlassen zu haben; denn wir finden den Namen im Kirchenbuch nicht mehr erwähnt. Von den Pastoren, die in Radach bis zum Anfang unseres Jahrhunderts gewirkt haben, lassen sich folgende er-

Mitteln: 1.

der schon in der Glocken-Jnschrift erwähnte Jacob Metzner. Er starb in Radach im Jahre 1767 im Alter von 85 Jahren

und 13 Tagen. Die Standrede hielt ihm Johann Friedrich Beil, die Leichenrede der Pastor Friedrich als sein Confessionarius.

2.

Johann Friedrich Beil, der am 9. Februar 1810 im

3.

74. Lebensjahr an der Brustwassersucht starb. Pastor Toepffer. Wann derselbe gestorben ist, nicht mehr ermitteln.

läßt

sich

Kleine Mitteilungen. Der Equitable-Palast. (Mit Abbildung auf S. 449 ) Von der größten Lebensversicherungs-Gesellschaft der Vereinigten Staaten Nord¬ amerikas Egnitabte, die ihren Sitz in Newyork hat, ist in den Jahren 1885—1889 auf dem Terrain des ehemaligen Rheinischen Hofes, Ecke der Leipziger- und der Friedrichstrabe, in Berlin der sog. Equitablepalast errichtet worden. Was prachtvolle Ansschmiickung, im Acußcrcn wie im Innern, unv Verwendung aller neueren Erfindungen zur Bequem¬ lichkeit und Sicherheit der Bewohner anbetrifft, steht dieses Gebäude unter allen Geschäftshäusern Berlins und auch ganz Deutschlands wohl bis auf den heutigen Tag in bisher sonst nicht erreichter Höhe da. Sind doch die Innenwände großenteils aus Marmor aufgeführt, darunter Platten, von denen der Quadratmeter bis zu 450 Mk. gekostet hat. Das Dach besteht durchweg aus Kupfer, und auch die hoch an der Straßen¬ front emporragende Kuppel ist mit Extra-Kupser-Schindeln gedeckt. Ceniralhcizung und Centralbeleuchtung sind in großartigster Weise durch¬

geführt. Zwei Lichtmaschinen versorgen das Gebäude mit 2500 Glüh¬ lampen. Vier Personenaufzüge (die sich bis zu 6 Meter Schnelligkeit in der Sekunde bewegen können) unv zwei Frachtaufzüge (von denen jeder 1300 kg tragen kann) vermitteln neben den Treppen den Verkehr zwischen den verschiedenen Etagen. Auch besitzt das Gebäude eigene Feuer¬ löschvorrichtungen. Bricht Feuer aus, so können zudem durch einen leichten Druck von außen her (die Berliner Feuerwehr besitzt die erforder¬ lichen Schlüffe!) sämtliche Jalousien der Fenster in den Thorwegen ver¬ mittelst der hydraulischen Pressen, durch die auch die Lifts in Bewegung gesetzt werden, im Nu herabgelassen werden, so daß die Feuerwehr un¬ gehindert die Thorwege passieren kann. Drei Dampfmaschinen dienen dazu, all die verschiedenen Maschinen, welche die Wohnlichkeit des Ge¬ bäudes erhöhen, in Bewegung zu setzen. Einen nicht unbedeutenden Teil der Räume des Equitable-Palastes nehmen die Büreaux der Equitable-Gcsellschaft ein. Daneben haben zahl-

455 Bürgerbräu und das Cafe Kerkau in

reiche Geschäfte, das Münchener

ihm Aufnahme gefunden. das

„Kleine Journal"

In

der ersten Etage hat seit Anfang d.

seine

I.

Hauptfiliale errichtet und gleichzeitig

eine Menge von Wohlfahrtseinrichtungen (Lesehalle mit Zeitungen und Zeitschriften oller Art, auch den Adreßbüchern oller Städte, Annahme von kostenlosen Inseraten für Stellungsuchende u s. w.) veranstaltet. Unter anderem hat es die beiden Säle, über die cs verfügt, für Unter¬ nehmungen, welche wohlthätige, gemeinnützige, künstlerische und litterarische Zwecke verfolgen, kostenlos zur Versügung gestellt. Dieselben sind denn auch schon vielfach zu Ausstellungen aller An (Professor Hertel, Max Rabes, Verein zur Verbesserung der Fraucnkleidung u. s. w.) und zu Konzerten in Anspruch genommen worden. Neuerdings ist die Filiale des „Kleinen Jourual" von dem Berliner Bär," einer Gesellschaft mit beschränkter Haftpflicht, an deren Spitze die Herren Alfred Stcttenheim und M. Kluge stehen, übernommen worden. Die Haupifilialc des „Kleinen Journal" bleibt bestehen, doch widmet sich dieses

„Central-

Büreau für Industrie. Gewerbe, Sport und Verlagsuntcrnchmungcn" außerdem allen Ausgaben bezw Arbeiten, die in folgende Abteilungen fallen: Abteilung I: Permanente Industrie-, Ge¬

werbe- und Sport-Ausstellnng. (Jeder Kunde des „Berliner Bäe" kann kostenlos ausstellen.) Abteilung Annoncen-Annahme für sämtliche Zeitungen der Welt. Abteilung III: Informationen über Bäder, Aus¬ stellungen u. s. w. Abteilung IV: Centrale für alle Sportzweigc. Ab¬

II:

teilung V: Vcrlagsuntcrnchmungen aller Art. Bernhard von Bülow, Staatssekretär des Auswärtigen Amts (Mit Abbild, auf S. 453). An Stelle des Freiherrn Marschall von Bieberstein ist als Staatssekreiär des Auswärtigen Amts im Sommer d. der bisherige Botschafter in Nom, Bernhard von Bülow, ge¬ treten. Derselbe, am 3. Mai 1849 geboren, ist noch verhältnismäßig jung, doch geht ihm ein bedeutender Nuf als Staatsmann und Redner voran. Nachdem er seine akademischen Siudieu (Rechts- und Staatswisscnschaftr vollendet, wurde er Staatssekretär in Rom, dann in Peters¬ burg und Wien. Während des russisch-türkischen Krieges 1871 u. 78 war er Geschäftsträger in Athen, wurde nach Beendigung desselben dem Sekretariat des Berliner Kongresses beigcgebcn und war 1879—1884 zuerst zweiter, dann erster Botschaitssekrctär in Paris. Im Jabre 1884 wurde er zum Botschaftsrat in Petersburg und im Jahre 1888 zum Gesandten in Bukarest ernannt. Während er in Bukarest war, wurde der deutsch-rumänische Handelsvertrag abgeschlossen. Im Dezember 1893 erfolgte seine Ernennung zum Botschafter in Rom. Hier nahm er bei

I.

Hofe sowohl wie auch in der sonstigen Gesellschaft, zu der er durch seine Gemahlin, eine Stieftochter des verstorbenen italienischen Staatsmannes Minghrtti, intime Beziehungen hatte, eine sehr angesehene Stellung ein. Viel b.merkt wurde sein Besuch in Fricdrichsruh beim Fürsten Bismarck in Begleitung des Reichskanzlers Fürsten Hohenlohe. Aus demselben glaubt uian folgern zu dürfen, daß er die Absicht habe, in seiner Amts¬ führung an die Traditionen des alten Kurses anzuknüpfen. Zwei merkwürdige Dörfer in der Mark. Von dem märk.schcn Touristenklub sind in bet Mark, südlich von Lübbenau, zwei merkwürdige Dörfer entdeckt worden. Er berichtet darüber in seinen neuesten Mittei¬ lungen: Das eine Dorf ist Klein-Klessow, es zählt nur vier Nummern mit im ganzen vier Familien. Von den vorhandenen vier Hauswirten bilden drei die Ortsbchörde: einer ist Gemeinde-Vorsteher, die beidin anderen sind die Schöffen, und der letzte mit seiner Familie bildet das „Volk". — Während nun dieser Ort keine Gastwirtschaft hat, besitzt das nicht viel größere Dorf Groß-Klessow deren zwei mit voller Schankgerechtigkeit. Bei der geringen Einwohnerschaft (etwas über 200, darunter also höchstens 40 trinkfeste Männer) würden beide Wirtschaften zu gleicher Zeit nicht gut bestehen können, die Inhaber wechseln daher von Jahr zu Jahr mit der Ausübung ihres Gewerbes ab, so daß immer nur eine der beiden Gastwirtschaften offen ist. der Sylvcsternacht Punkt 12 Uhr wird dann diese geschlossen, und die vorhandenen Gäste siedeln nach der anderen Schänke über. Der auf ein Jahr „zur Disposition" gestellte Wirt von Nr. 1 wird dann Gast des zweiten und so weiter abwechselnd.

In

Uerelns - U achrkchte u. Gesellschaft

für Heimatkunde der Provinz Brandenburg

zn

Berlin.

Außerordentliche Versammlung am 4. September.

Im Saale der BerlinerSchützengilde zu^Mnbolzltnttcn sich die Mitgliedcrder „Brandenburgia" und deren Gäste rcchrznywnch eingefundcn. Gegen 5 Uhr wurde die Sitzung vom Herrn Gehcimrat Friede! in dem „seit 1884 neuen Heim der alten Gilde" eröffnet, und dem Gildevorstand der Dank für den bereitwilligst gestatteten Besuch ausgesprochen. Hierauf verbreitete Herr Kustos Buchholz sich zunächst über die Vergangenheit von Schönholz. Eine der irrigen Annahmen läßt das dortige „Schloß" für die „schöne Gießerin Anna Sydow" erbaut worden sein. Dagegen gewährt Nicolai einen sicheren Anhalt in seiner Be¬ schreibung von Schloß und Park Nieder-Schönhausen, dem Besitztum der Gemahlin Friedrichs des Großen. Nachdem er berichtet, daß in dem nach Beendigung des siebenjährigen Krieges wiederhergestellten Park ver¬ schiedene Gewächs- und Treibhäuser errichtet und auch einige Zimmer für den Seidenbau bestimmt wurden, fährt er fort: „Zu dem letzten Endzwecke war bereits 1743, am Ende der vom Schlosse abgehenden Charlottenburgischen Allee, im Walde eine weitläufige, eingehegte Plantage von vielen Maulbeerbäumen gepflanzt worden. dieser Plantage wurden zugleich allerlei schöne Sorten Obstbäume gepflanzt

In

und, nach der eigenen Angabe der Königin, innerhalb derselben ein sehr anmutiges Lustwäldchcn von allerlei wilden und zum Teil fremden Bäumen angelegt zwischen welchen drei Weinberge befindlich sind. Die in mannigfaltiger Richtung angelegten Alleen sind nunmehr oben zusammen¬ gewachsen und stellen natürliche Bogenlauben vor. Dieses Lustwäldchen ist besonders int Juni, wenn die vielen darin angelegten wilden Rosen¬ sträuche und Bäume und die Akazien blühen, äußerst anmutig." Jene Anlage, von der Spuren noch vorhanden sind, führte ursprüng¬ lich die Bezeichnung „Königin-Plantage" und war uni 1772 mit zwei Kolonisten angesessen; 1808 tritt der Name Schönholz zum ersten Mal auf. Das dortige Schloßgebäude, dessen Alter sich auf 100 Jahre bcziff.rn läßt, wurde 1814 renoviert. Nicht erwiesen ist die Annahme, daß hier eine politische Unterredung der verewigten Königin Luise mit Hardenberg stattgefunden hat. Seil 1884 ist Schönholz in nähere Verbindung mit der Schützc naildc ge treten. die eine halbtausendjährigc Geschichte hat. Bezüglich der Entstehung der Schützengilden sei aus des Redners Vortrag nur hervorgehoben, daß dieselben ursprünglich keine geschlossenen Vereinigungen bildeten, auch ist die Entstehungszeit der „Pfeilbrüderschastcn" nicht bekannt. Gegen Ende des elften Jahrhundens stifteten sie bereits Kirchcnaltäre, Geistliche gehörten zu ihren Mitgliedern, wie Das Ziel des Bogenschusses sie auch besonderer Vorrechte sich erfreuten. waren anfänglich lebendige Vögel; mit der Armbrust schoß man nach einem hölzernen „Papagey", an dessen Stelle später der Adler trat. Der Berliner Schüwni'childe acschiebt zuerst in dem „Wochcnbuch des Rathes" vom Jahre 1504 Erwähnung, und zwar bei einer Aus¬ gabe von 1 Schock und 22 Groschen für Wein und Bewirtung des Kurfürsten Joachim I. und seines Hofgesindes bei dem „Schntzcnbome, Sicherlich bestanden die da nian hat nach dem Vogel geschossen." Berliner und die gesonderte Köllnsiche Schützengilde schon um die Mitte des 15. Jahrhunderts. Das Wcttschicßen veranlaßte dann die Ver¬ bindung mit auswärtigen Gilben. So erging 1510 seitens des Berliner Rates eine Einladung an den Brandenburger Rat zu einem gemeinsamen Schießen. Als Preise waren ein Ochse und andere „Klcinodia" aus¬ Letztere bestanden, wie aus einer Notiz im Jahre 1524 hervor¬ gesetzt. geht, aus „16 Hoscntüchern" zu je 32 Groschen. Im Jahre 1540 ge¬ schieht eines Altars der Köllnischen Gilde in St. Peter (Pctrikirche) Er¬ wähnung, und drei Jahre später erhielt diese Gilde eine „neue Ordnung". Danach sollte der Schützenkönig ein goldenes Ringelein und zwei Schock Geldes erhalten, auch bei feierlichen Gelegenheiten mit dem silbernen Königsvogcl dem Gottesdienste in der Kirche beiwohnen. Von der „Ordnung" der Berliner Gilde hat sich nur ein Peigamcntdcckel vor¬ gefunden, auf dem jene als „erneuerte" bezeichnet ist Der Berlinische Schützenplatz, an den die „Alte Schützcnstraße" noch erinnert, lag zwischen den nach Bernau und Prenzlau führenden Heerstraßen (der jetzigen Neuen Königs- und Prenzlauerstraße). Da eines Schützengrabens Erwähnung geschieht, scheint ein früherer Platz am alten Stadtgrab.n in jener Gegend vorhanden gewesen zu sein. Der Köllnische Schützenplatz befand sich auf der sogenannten Mecklingswiese in der Lindcnstraßc; ihm verdankt die Schützenstraße ihren Namen. Während des dreißigjährigen Krieges hörten auch die Festlichkeiten der Schützengildcn auf — ihre sämtlichen Kleinodien wurden einge¬ schmolzen. Erst 1654 fand die Wiedereinführung beider Gilden statt, aus welchem Jahre die noch vorhandenen beiden Siegel stammen. Dann hob König Friedrich Wilhelm I, welcher das „Schützcnspicl als Müßiggang" betrachtete, im Jabre 1727 beide Gilden auf. bis Friedrich der Große unterm 20. Juli 1747 die Errichtung der neuen und einzigen

Berliner Schützengilde genehmigte. Aus jener Zeit waren die beiden Scheiben ausgestellt, noch denen (laut Umschrift) am 10. und 21. September das KLnigsschicß.'n zuerst abgehalten wurde. Die erste Scheibe zeigt das aufrecht stehende Wappen¬ tier der Stadt, eine kleinere Scheibe uni den Mittelpunkt der großen mit

Zur Linken steht ein von Bienen umschwärmtcr Korb. Die andere Scheibe zeigt den Königsadler mit Servier und Reichsapfel, auf dem der Scheibenmittelpunkt markiert ist. Von den be¬ kannten drei kleinen Broncegeschützen stammen zwei aus der Zeit d.s großen Kurfürsten her. Ausgestellt waren u. a. noch die goldene Schützen¬ kette und das prächtige Banner mit dem Motto „Vertrauen giebt Kraft" — ein Geschenk König Friedrich Wilhelms IV. zur Jubiläumsfeier 1847. Nunmehr erfolgte unter Führung des Herrn Gildevorstchers, Bankassessor Wolff, und der beiden älteren Gildcmitglieder Fittbogen und Würth eine Inaugenscheinnahme der Schützenhalle, deren Wände ebenfalls von Scheiben mit den mannigfachsten, oft auf politische Begebenheiten bezüglichen Inschriften und bildlichen Darstellungen bedeckt sind. Von den Schießständen aus trat die Versammlung einen Rundgang durch die „Wildnis" an. d. h. durch den für Hochwild umzäunten Uebcrrcst der alten Waldung, deren Nicolai erwähnt. Hieran schloß sich ein geselliges Verweilen im SchützenhausRestaurant. F- Nt. seinen Tatzen haltend.

Mch erlisch. Sechs deutsche National- und Kaiserhyinncil. Preiskompositioncn. Aus¬ gabe für Pianosorte mit Text 1,50 M. Hannover, Louis Oertel. Von den 6 Liedern hat nur das erste, die „deutsche National(Friedens-) Hymne" von Hugo Hartmann (Text von Sturm) den weihevollen Schwung, jenes Eigenartige in Stimmung und Rhythmus, das man bei einer Hymne im eigentlichen Sinne er¬ wartet. Davon abgesehen, sind auch die übrigen 5 Lieder schwungvoll,

Julius

-—

456 denn es zeigt die Montblanckette in großartigster Wirkung. Von neuesten aktuellen Bildern bringt die Nummer noch den Besuch des Königs von Siam beim Fürsten v. Bismarck, das Kaiser-Wilhelm-Denkmal in Koblenz, sowie die Einweihung desselben am 31. August dieses Jahres. Die Frauen Zeitung der beregten Nummer enthält eine höchst originell ge¬ schriebene Erzählung von Karl Raupp: „Aus römischer Zeit" mit Illustrationen von Friedrich Raupp. Eine Tafel mit den Geldmünzen der Siamesen (darunter nicht mehr gültige Siamesische Porzellanmünzen) nebst erläuterndem Text von Ernst v. Hesse -Wartcgg interessiert die Numismatiker wie die Laien.

frisch und markig und werden bei patriotischen Festen wie im Hause gern gesungen werden Am schwächsten dürfte Nr. 3, die „deutsche Kaiserhymne" Don C. Arndt, sein. Das Wcrtoollste daran ist der An¬ fang, der aber allzusehr an die russische Nationalhymne erinnert. Nr 2, die „deutsche Reichshymnc" von Norbert Haft (Text von Felix Iahnh wird sich besonders gut zur Aufführung durch Militärmusik eignen, ebenso Nr. 5. Recht innig klingt Nr. 4: „Für Kaiser und Reich" von Eduard Braun; das Lied hat Anwartschaft, ins Volk zu dringen. Dasselbe llrteil verdient auch Nr 5: „Deutsche Vaterlandshymne" von Max Jeschke; der kraftvolle und zündende Rhythmus entspricht völlig den begeisterten Worten. Bei Nr. 6 . „Deutsche Fürstenhymne" von Hugo Hartmann, ist die Melodie an und für sich nicht übel, aber sie entspricht nicht überall dem Texte. Da die Lieder zweifellos in Schulen und Vereinen weite Ver¬ breitung c>langen, so sei besonders auf die Ausgaben für 1 stimmigen Maffcnchor (jedes Lied 10 Ps.) und für Männerchor (jedes Lied: Partitur 50 Pf., Stimmen je 15 Pf.) aufmerksam gemacht. A. Bennstein.

2828

der

Gründler

(Fortsetzung).

Mitteilungen:

Der Equitable-Palast.

Roman

Historischer

von

Moritz Arndt im Par¬ Burg Stargard an der — R.

Dorf

Rittergut

und

Pappritz .— Kleine

(Mit Abbildung.) Bernhard

von Bülow, Staatssekretär des Auswärtigen Amts. (Mit Abbildung.) Zwei merkwürdige Dörfer in der Mark. — Vereins-Nachrichten.—

Büchertisch.

(Montblanc-Nummer) bringt

Ins wate

Finis

Poloniae. — Ernst lamente. Von Heinrich Meisner. — Linde. Von Paul Münde (Schluß.) Radach in der Neumark. Von Dr.

„Illustrierten Zeitung"

zu Leipzig über den höchsten Berg Europas, der mit seinen 18 Gletschern und seinem Eismeer die grandioseste Hochgcbirgsnatur der Alten Welt umfaßt, eine hochinteressante Bilderrcihe nebst Text von berufenen Verfassern. Das Titelblatt der Nummer ziert das Denkmal Sauffures in Cbamonix, dem bevorzugten Ort und Thal am Fuße des Montblanc. Es thut sich ja Heuer ein Jubeljahr auf, seitdem der genannte erste Erforscher des Montblanc der Welt von der Großartigkeit des ersten Gebirgsstockcs Europas berichtete. Wenn auch Baimat, der alte berühmte Führer, der erste wirkliche Besteiger des Montblanc ist (er gilt für alle Zeiten als der Balmat des Montblanc), so ist doch der große Forscher Saussure, der im Monat August vor 110 Jahren bis zum Gipfel des Montblanc vordrang, der zweite Bestciger. Als besondere Beilage ist der beregten Nummer der „Illustrierten Zeitung" ein Panorama der Montblancgruppe nach einer photographischen Aufnahme beigeg den, das sich ganz besonders zum Einrahmen eignet,

Die Nummer

Inhalt:

C.

i

— sowie von allen «nnomen werden von der Geschäftsstelle Berlin bl., Schönhauser Allee 141, — FernsprechUelle Hl «46'), 40 Pk. Bureaus entgegengenommen. — Der Preis für die 4fach gespaltene Petit-Zeile beträgt

ScßmücRe H)ein fcti;ic Probe des Zovfstils mögen folgende Bruchfimfr-ilrrs einem Gesuche, welches kein Geringerer als Eölhe am 28. August 1771 an die „Wohl- und Hoch.>dclgebohrene, beste und hoch¬ gelehrte und Wohlfüisichtige, insbesondcrs hochaebiethende und hoch¬ gelehrteste Herrcir Gerichts-Schultheiß und Schöffen" seiner Vaterstadt Frankfurt richtete, um „in den Numcrum dahiesigcr Advokatorum ordinarium hochgefälligst an- und aufgenommen zu werden." „An Eure Wohl- und Hochedclgebohrene Gestreng und Herrlichkeit" — richtet er seine Bitte, — „deren Gewährung mir hochseroselben angewöhnte Gütig¬ keit in der schmeichelhaftesten Hoffnung voraussehen läßt" Göthe will fürs erste als Anwalt seinen Mitbürgern in ihren rechtlichen Angelegen¬ heiten „anhanden" gehen und sich dadurch zu den wichtigeren Geschäften vorbereiten, die „einer hochgebiethenden und verehrungswürdigen Obrig¬ keit mir dereinst hochgewillct aufzutragen gefällig sein könnte." Wenn obbesagtcn Be¬ er nun die „vorhergehende großgünstige Erlaubniß, schäftigungen sich zu unterziehen," erhalten sollte, so wird die „solcher¬ gestalt mir erwiesene hohe Gewogenheit in lebhaftestem Angedenken bei mir bleiben und zur unaufhörlichen Erinnerung dienen, wie sehr cs eine meiner fürnchmsten Pflichten seyn, zeitlebens zu veiharren Euer Wohlund Hochcdelgcbohrncn Gestreng und Herrlichkeit trengehorsamster Johann Wolfgang Göthe." E. K.

Graf Nl-rtLulpi^g Der am 12. d. M. auf seinem Besitztum KlcinTOelsinSchlcsien verstorbene Graf Pa ul von Wartenburg war ein Enkel dcs berühmten Feldherrn der Befreiungskriege. Er war am 1. März 1835 zu Berlin geboren und trat am 6 August 1866 als Nachfolger seines Vaters in das preußische Herrenhaus ein. Mit ihm ist eine interessante Persönlichkeit dahingegangen. Von Cha¬ rakter edel und vornehm, trug er manchen Zug an sich, der an seinen Großvater erinnerte, doch wandten sich seine versönlichen Neigungen einem ganz andern Gebiete zu, dcui ästlhelischcn und philosophischen. Er stanb in fortdauerndem Umgang mit bedeutenden Gelehrten, besonders mit Professor Dr. Dillhey, der ihm auch sein bekanntes geistreiches Werk über die Geisteswissenschaften, das einen philosophiich.nr Protest gegen jungen die Herrschaft dcs Materialismus bedeutet, gewidmet hat. Jahren hat Gras Paul Dort auch selbst eine Schrift über Heraklit ver¬ faßt. Daneben beschäftigte ihn lebhaft die Verwaltung seines ausge¬ dehnten Besitzes, den der Feldmarschall Uork bei Ohlau in Schlesien sich und seinen Nachkommen aus der Königlichen Dotation, die ihm nach den Befreiungskriegen zu teil wurde, errichtet hat. Sein Nachfolger im Fidcikommiß und im Herrcnhause wird sein ältester Sohn Graf Heinrich sei», der bei der Regierung in Obcrschlcsien thätig war. Derielbc hat noch vier Geschwister, die Komtessen Bertha, Veronika und Eva, von denen die beiden ersteren vermählt sind. und den Grafen Ernst, der in schwedischen Diensten steht. Auch der Dichter v. Wildcnbruch ist durch den Traucrfall nahe berührt worden, da die nunmehrige Witwe des Grafen Paul seine Schwester ist.

In

Anfgcfttndcne Kricgskasse. Ueber eine bei Frankfurt a. M. im Strome aufgefundene Kricgskasse wird der „Voss. Zig." folgendes be¬ richtet: Seit Jahren schon ging bei den wasscrkundigen Sachsenhäusern die Mär.um, daß einzelne Schiffsleutc vom ltnksmainischen Stadtteil bei abgelassenem Strom des Nachts auf dem Main ein unheimlich Wesen trieben und aus dem Mainbette Gold heraufholten. Genaueres ist niemals darüber bekannt geworden, und ernsthafte Leute schenkten den abenteuerlichen Gerüchten, die sich aber mit Hartnäckigscit erhielten, keinen Glauben. Nun ist mit einem Schlage Licht in die Sache gekommen. Bei den Baggerungen im Mainbett an der Alten Brücke wurden schon seit einigen Wochen Silb.r- und Kupfermünzen gefunden, zuletzt fand man ganz nahe an einem Brückenpfeiler auch Goldstücke. Die Wafferbauinspektion ließ darauf die Baggerarbeiten durch Beamte überwachen, und

468 und interessantes Material zur Entwickelung des märkischen Volksgesangs und zur Geschichte des Märkischen Sängerbundes. Auch ist die Schrift mit einer Reihe von Illustrationen geschmückt, besonders mit Porträts solcher Personen, die sich um die Hebung des Märkischen Vollsgcsangs ein hervorragendes Verdienst erworben haben. Der Wunsch des Verfassers, daß seine — überaus fleißige — Arbeit dem Märkischen Sängerhunde neue Freunde zuführen möge, wird jedenfalls in Erfüllung geben. Zum Schluß sind alle 94 Vereine, die dem Sängerbünde an¬ gehören, aufgeführt, und sind auch jedem Verein kurze historische Notizen — e. (Begründung. Dirigenten 2 C) beigefügt.

rollten aus dem Sande, den die Schuttrinnen der Maschine entleerten, noch und nach beinahe ein halbes Tausend französischer Gold¬ münzen. Es waren Münzen aus der Zeit Ludwigs XIV., Ludwigs XVI. und der ersten Republik. Außerdem fand man noch Stücke einer Kiste, Teile eines Kistenschlosses, sogar einen alten, wunderlich geformten und verrosteten Schlüssel, und schließlich auch eine Anzahl von Kapseln, wie Alle sie früher zur Umhüllung der Urkundcnsiegel verwandt wurden. diese Umstände legen die Annahme nahe, daß man es bei dem Funde mit einem französischen Kriegsschotze zu thun hat, der seiner Zeit in den Fluß versenkt wurde. Das Geld lag so offen zu Tage, daß man es bei abgelaffenem Stauwaffer auf der abgewaschencn Oberfläche des Flu߬ bettes glitzern sehen konnte, und ohne Zweifel hat es denn auch mit den Sachsenhäuser „Goldsuchern" seine Nichtigkeit. Die Sachsenhäuser hatten von ihrer Entdeckung wohlweislich geschwiegen und halten sich wohl, wie das Gerücht erzählte, bei niederem Wasserstand die Gelegenheit zu Nutzen gemacht, um unter dem Schutze der Nacht den vom Flusse be¬ hüteten „Nibelungenhort" zu erleichtern. Nun hat ihn die königliche Wasicrbauinspektion unter Verschluß genommen. Leider können die mit großer Vorsicht ausgeführten Baggerungen nicht weiter fortgesetzt werden, weil sich die Ausgrabungen schon bis in bedenkliche Nähe des Fundaments der Brückenpfeiler erstrecken.

reiches

siehe oa, es

In

dcm

Druckfehler - Berichtigung. Aufsatz „Burg Stargard an der Linde"

Paul Münde

muß es auf Seite 438, Spalte 2 , heißen, daß das Kloster Wanzka etwa zwei Meilen (nicht: zwei Minuten) südwärts von der Burg Stargard begründet worden

von

Und auf Seite 452. Spalte 1 , ist, wo von dem Panorama von Neu-Brau den bürg die Rede ist. irrtümlich „Hängellüime" statt „Fan geltürme" (obwohl letzteres von dem Korrektor verlangt worden war) gedruckt worden. Wir bitten, diese Druckfehler freundlichst entschuldigen zu wollen. sei.

Die nördlichste Zeitung der Welt ist diejenige, welche unter den grönländischen Eskimos erscheint. Sic wird redigiert, gesetzt und gedruckt von einem Eingeborenen, Namens Möller, ja sie wird sogar von ihm kolportiert. Er hat seine primitive Druckerei in Godthab (Gute Hoffnung) eingerichtet, und von hier aus unternimmt er zweimal monatlich eine Reise auf Schneeschuhen durch das Land, um als Vorkämpfer der Civilisation unter seinen Landsleuten zu wirken. Zu Anfang enthielt das Blatt, welches sich „Läscstos" nennt, nur grobe Zeichnungen, welche die Neugier erregten und die Einbildungskraft schärften; später folgten Buchstaben, Silben und Worte, und zuletzt Sätze, welche zu kurzen Berichten über Tagcsneuigkeitcn zusammengefügt waren. Möller hat somit durch sein Blatt buchstäblich seine Landsleute. Sie haben das größte Zutrauen zu ihm, betrachten ihn als einen Apostel und sind ihm besonders deshalb zugethan, weil er io oft seinen Aufenthaltsort wechselt. Eine litterarische Gesellschaft in Dänemark hat neuerdings eine gute Hand¬ presse, Papier und neue Typen nach Grönland gesandt, damit „Kollege" —dn. Möller seine Druckerei erweitern kann.

Jirlzalt:

Finis

Poloniae. Historischer Roman von Ernst Moritz Arndt im Par¬ lamente. Von Heinrich Meisner (Schluß). — Die Ent¬ wickelung des Post-Zeitungswesens in Preußen und das Kaiserliche Postzeitungsamt in Berlin. Von B. E. König. — Kl oster Kagel. Von Emil Böhm. — Kleine Mitteilungen: Kalmücken in Berlin. lMit drei Abbildungen). Brandenburgische Ortnanicn. Vom Turmknopf der Georgenkirchc in Berlin. Fürn Bismarck C.

Gründler

(Schluß).



Ehrenbürger von Berlin. Ein unvergeßlicher Tag. Eine Tenunziantenkarriäre. Zopfstil. Graf Paul Uork von Wartenburg. Au>gefundcnc Kricgskasse. DienörvlichsteZeitung der Welt. — Büchertisch.

25 Jahre

Krichertisch.

Sämtliche Jahrgänge des „Bär", sehr gut erhalten und dauerhaft gebunden, werden infolge Todesfalls zum Kauf

Sind die fremdartigen Ortnamcn in der Provinz Brandenburg und in Ostdeutschland slavisch oder germanisch? Von Martin May. Druck von Gebr. Fcy in Frankfurt a. M, 1897. Aus dieser kürzlich erschienenen, höchst interessanten Schrift sind in der gegenwärtigen Nummer des „Bär" bereits eingehendere Mitteilungen Der Verfasser wünscht, wie auf dem Titel angegeben ist. gemacht.

angeboten. Nähere Auskunft erteilt die Geschäftsstelle des

„Bär",

Berlin N. 58.

die weiteste Verbreitung und Nachdruck. Vielleicht, daß wir uns deshalb entschließen, demnächst noch weiteres aus der Schrift hier wiederzugehen. Wir selbst enthalten uns vor der Hand jeden Urteils. Der Gedanke, daß die Slaven die aus der altgermanischen Zeit stammenden Namen für die damals schon vorhandenen Orte beibehalten haben, ist jedenfalls beachtenswert. Es wüide uns freuen, wenn der Nachweis des Verfassers, daß die meisten hrandenburgischen Ortsnamen altgermanischen Ursprungs seien, sich allen anderweitigen Annahmen und Vermutungen gegenüber — n. siegreich hchaupten könnte.

Adolf Lcmnie. Geschichte der Märkischen Volksgesangsfestc und Druck und Verlag von des Märkischen Sängerbundes 1847—1897. Adolf Lcmnie in Eberswalde, 1896. Pr. 80 Pf. Diese znm fünfzigjährigen Jubiläum des Märkischen Sängerbundes

im Auftrage des Beistandes herausgegebene Festschrift bietet ein überaus

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..

III

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Verantwortlicher Redakteur und Verleger: Fr. Ziliessen in Berlin X. 58., Schönhauser Allee 141. Druck der Buchdruckerei Gutenberg, Berlin N., Schönhauser Allee 141a. — Abdruck ohne eingeholte Erlaubnis ist untersagt.

der

Mark Brandenburg

und der angrenzenden Gebiete.

Unter Mitwirkung von

Grnst G. Sarders, Dr. 54. Ssrir,girier, Professor Dr. Srertser, Dr. H. Srorrdictre, Theador Fontane, stadlrot G. Friedet. Rictsard George, Ferd. Wiener, Dr. Gg. Schrnidt, Gymnafialdirektor a. D. Dr. M. Kri>rr»ariz und G. V. Wtiiderrdrrrcti

Dr.

herausgegeben von

Friedrich Zillessen. XXIII. 'tahrgaua.

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erscheint wöchentlich am Sonnabend und ist durch jede Poftanftalt tNo 809), Buchha idlnna und Zeitungs¬ Der spedition für JMk.krOPf. viertetjährl. zn beziehe». Auch die Geschäftsstelle — Berlin H. 58,Schönh. Allee 141— nimmt Bestellungen entgegen. Jnseraten-Aufträge sind an die letztere zu richten. Die viergesp, Petitzeile kostet 40 Pf.

ieavg dem

Leben

„Lang, lang ist's her!" Westen war das wilde Gewitter heraufgezogen; nicht jäh und unerwartet; lange vorher schon hatten sich dunkle ( Wolkenmasien zusammengezogen, lange vorher schon hatte man dumpf grollenden Donner in der Ferne gehört. Nun krachte es in Paris. Louis Philipp, König von Frankreich, den man den „Bürgerkönig" nannte, dankte beim Ausbruch der Revolution am 28. Februar 1848, ab, zu Gunsten seines neunjährigen Enkels, des Grafen von Paris, welchen die Krone nie ge¬ Er sei stets ein friedliebender schmückt. nur gedrückt hat. Mann gewesen, sagte Louis Philipp, gleichsam um seine rasche Abdankung zu begründen, und floh dann mit den Seinen

5

?

schleunigst aus samen Geschickes

Paris. Mit Entsetzen gedachte er des grau¬ Ludwigs XVI.. der armen Marie Antoinette,

Vaters und tausend anderer, denen allen die Revolu¬ tion am Schlüsse des vorigen Jahrhunderts Tod und Verderben gebracht hatte. Vielfach wurde damals behauptet. Louis Philipps Flucht sei eine übereilte gewesen; wäre er geblieben, hätte er Mut und Ruhe behalten, so hätte er alles wieder ins rechte Geleise bringen können, aber der alte Herr hatte das nicht versuchen wollen, und wer will es ihm ver¬ denken. bei den schauderhaften Erinnerungen, die seine Seele

seines

füllten? — Und das wilde Wetter brauste weiter. Wie im Sturm¬ wind erfaßte es Deutschland, ging über halb Europa. Ich war damals ein Kind von elf Jahren und gehöre nun bald zu den ältesten Leuten, die das „tolle" Jahr 1848 mit durch¬ •

1897.

WnSail.

Eine Geschichte aug dem „rollen" Jahre Nach

2. Oktober

erzählt von

1848.

C. 54.

lebt. Die Welt veränderte sich in jenen Tagen sehr, die großen Städte halten ihre „Revolution", die kleinen ihr Volksversammlungen wurden gehalten, „Revolutiönchen"; Beschlüsie gefaßt und ohne Bedenken ausgeführt. Das Be¬ stehende umzustoßen, war allgemeines Verlangen, ohne daß den Massen klar war, wie verhängnisvoll das Einretßen ist, ehe MM Neues, Vollkommuercs aufgebaut. Die Vorstellungen

über die Neugestaltung Deutschlands waren phantastisch, un¬ klar und nicht einheitlich; unter zwölf Deutschen gab es wenigstens immer dreizehn Meinungen. Viele Menschen haben das Bedürfnis, sich ein schönes Wölkenkuckucksheim vorgaukeln zu lassen; sie würden sogar dem Rattenkönig von Hameln folgen, falls er es thuen nur geschickt vorzupfeifen versteht, daß er sie in das Land der Glückseligkeit führt. Stürmische Rufe nach Preßfreiheit, Volksbewaffnung. Schwurgerichten und Volksvertretung wurden laut; auf den Straßen wurde, ohne weiter zu fragen, geraucht, was vor 1848 verboten war; und in Wald und Feld übte der Unkundige neben dem Kundigen das edle Waidwerk; es gab keine Schonzeit mehr, viel Wild wurde niedergeknallt, was in Jahrzehnten nicht zu ersetzen war. und das alles galt als Freiheit. Mancher, dem es bis dahin gut gegangen, wurde durch die schönen, endlosen Volksver¬ sammlungen, die nie ohne Ströme von Bier verliefen, und durch das Laufen auf die Jagd ruiniert; ich erinnere mich, daß damals Hasen geschossen wurden, die dem glücklichen oder unglücklichen Schützen auf zwanzig Thaler zu stehen kamen.

Durch das Bummeln, Reden und Trinken wurde manche gute Eristenz vernichtet — auch das galt für Freiheit; und hat

470 wenn er einmal nicht anders will, das ruinieren, so wurden doch die unschuldigen Kinder und Frauen mit ruiniert, und das war das traurigste an der Sache. Wir Kinder in der Schule, für die es be¬ stimmte Anordnungen hinsichtlich des Frühstücks gab, forderten alles Ernstes „Freßfreiheit" — weil alle etwas forderten, wollten wir doch auch etwas fordern, und ich fürchte, wir waren eine recht ungezogene Rotte, in jener Zeit, in der alles aus Rand und Band ging. — Sogar das Militär sollte in Wegfall kommen, der freie Bürger wollte selbst über seine unb der Seinen Sicherheit wachen. So entstand die Bürgergarde von 1848, der sich gewiß, wer alt genug ist, mit Vergnügen erinnern wird. Auch in Neustadt, wie wir das Städtchen nennen wollen, in dem unsere wahre Geschichte spielte, that sich die Bürgerwehr auf; die jungen Leute trugen ihre grünen Schützenröcke, die sie bei Schützenfesten, Freischießen rc. immer getragen; die älteren auch schließlich jeder,

Recht,

sich zu

Herren, die keinen solchen Rock besaßen oder zu korpulent für ihn waren, ließen sich schwarze Blusen, aus leichtem Baumwollenstoff, mit roten Aufschlägen machen; sie sahen furchtbar aus, waren es aber nicht. Gewünscht wurde, daß alle in schwarzen Hosen kommen sollten, aber sie trugen, was sie hatten, und auch das war recht. Sie bezogen die Thorwachen; die älteren Herren ließen sich ein gutes Bett dorthin bringen und einen wohlgefüllten Speisekorb, vor allem aber einen guten Tropfen zu trinken, der für die ganze Wachmann¬ schaft reichte und brüderlich geteilt wurde, denn „Freiheit und Gleichheit" war das Stichwort. Das Vergnügen pflegte groß zu sein, und als einst der Sanitätsrat Wiebold Wache hatte und mit der Oelkanne zum Kaufmann ging, das Oel für die Wachlstube zu holen, lief johlend und schreiend halb Neustadt mit, und der Sanitätsrat war ein populärer Mann durch ein ganz billiges Mittel geworden.

Mein Vater war ein echt deutscher Mann, von reckenhafter Gestalt; viel von der Natur eines deutschen Landsknechts, im allerbesten Sinne des Wortes, war in ihm; wir, seine Kinder, waren stolz auf ihn und eiferten ihm nach; daß wir niemals Furcht gekannt, war eine Frucht des väterlichen Einflusses. Im Jahre 1813 war mein Vater, als Jüngling von 21 Jahren, dem Aufrufe des Königs Friedrich Wilhelm III. von Preußen „An mein Volk" gefolgt und hatte die Schlacht bei Leipzig mit geschlagen. Nach Beendigung des Feldzuges war er zu dem verlassenen Studium zurückgekehrt und hatte es zu etwas Tüchtigem gebracht. Allein die friedlichen Beschäftigungen der kommenden Jahre hatten das stolze, selbstbewußte Gefühl der Kraft, welches er in der Zeit des Kampfes erworben, nicht zu beeinträchtigen vermocht, er war und blieb derselbe, der er damals gewesen. Ueber seinem Bette hing eine alte Reiterpistole und der Kavalleriesäbel, den er in den Tagen seiner Jugend geschwungen, und ich glaube, er hätte nicht gut geschlafen, wenn diese beiden alten Genossen gefehlt. „Seine Zeit verstehen, an den Fortschritt glauben und ihn erstreben, das heißt mitarbeiten an dem Völkerfrieden", so ungefähr lautete sein politisches Glaubens¬ bekenntnis, und es hatte Gewicht als dasjenige eines Mannes, der im Kriege und im Frieden das Beste für sein Vaterland gethan.

Nun sollte

auch

schwarze, elende Bluse

der „Bürgergarde" beitreten, die mit den roten Aufschlägen anziehen,

er

aber mit Entrüstung wies er das Ansinnen zurück; „er habe genug zu thun, wenn er seinen Beruf treu und gewissenhaft ausfüllen wolle." Er war der einzige unter den Honoratioren Neustadls, der sich nicht zum „Dienst" in der Bürgergarde gemeldet hatte,

und zaghafte Männer und Frauen, die das

„tolle" Jahr massenhaft gezeitigt, machten meine Eltern, ins¬ besondere meine Mutter, um durch sie auf meinen Vater zu wirken, auf die Gefahr aufmerksam, der mein Vater sich und auch uns durch solches Fernbleiben aussetze. Aber, war mein Vater ein echt deutscher Mann, so war meine Mutter eine echt deutsche Frau, und es blieb bei dem gefaßten Entschluß. Mein Vater sagte, und er behielt mit dieser Voraussage recht, daß die Bürgergarde kurzlebig sei, und daß in Jahr und Tag das Militär wieder auf seinem Posten sein werde.

In

Tierarzt August Werdau die Seele der „Revolution". Nicht, daß er ein unloyaler Mann gewesen wäre, der jemals Unrechtes gewollt hätte, ihm wohnte nur viel Ehrgeiz, viel Herrschsucht inne, für die es jetzt Spielraum, „gute Zeiten" gab. Der Tierarzt hatte seinen Vater früh, als vierzehnjähriger Knabe, verloren und war seiner Mutter in ihrem schweren Witwenstande eine treue Stütze gewesen, weit über seine Jahre. Das väterliche Geschäft, Gastwirtschaft mit etwas Ackerbau, mußte fortgeführt werden; der frische, aufgeweckte Knabe, der schon viel an der Seite des Vaters gearbeitet hatte, entwickelte ungewöhnliche Thatkraft, ungewöhnlichen Fleiß; die Mutter sah mit Dank und Bewunderung, was und wie viel er schaffte. So kam es, daß er früh herrschte — über die Mutter, den Hof, die jüngeren Geschwister. Als letztere aber nun heran¬ wuchsen, auch ihr redlich Teil Arbeit thaten und sich nicht mehr so unbedingt leiten lassen wollten, beschloß August, dem Neustadt war der

längst auf dem Hofe zu eng geworden, sich ein neues Feld für seine Thätigkeit zu suchen. Er wollte Tierarzt werden, und die Mutter bewilligte ihrem Aeltesten gern die Mittel dazu, die er durch seine jahrelange treue Arbeit recht¬ schaffen verdient hatte. So zog August vom väterlichen Hofe fort. Und wie er alles, was er angriff, mit Fleiß und Ausdauer betrieb, so konnte es nicht ausbleiben, daß er ein sehr tüchtiger Tierarzt wurde. Er kehrte in die Heimat zurück, ließ sich als Tierarzt nieder, erwarb eine gute Praxis und heiratete schließlich die einzige Tochter eines wohlhabenden Ackerbürgers, die ihm einen gut imstande gehaltenen Hof als Heiratsgut mitbrachte. Das Paar lebte im Wohlstand, zufrieden und glücklich. Da kam das Jahr 1848, und in der Seele des Tierarztes flammten die alten Leidenschaften — herrschen, von sich reden machen — in nie geahnter Stärke wieder auf. es

Schwungvolle, stundenlange Reden hielt der Tierarzt von „Freiheit und Gleichheit" und allem möglichen andern, und die Neustädter hörten andächtig zu. tranken Bier, freuten und wunderten sich, wie schön der Tierarzt reden könne. Sie glaubten ihm alles, was er sagte, ohne erst lange zu fragen, warum und weshalb es so sein müsse. Das Neustädter Kneipenleben blühte wie nie zuvor. Die strengste Frau konnte nichts. mehr gegen den schwächsten Mann ausrichten. Allabendlich rückten alle aus, das Vaterland retten zu helfen; dabei mußte jeder sein. Ja, es war eine schöne, schöne Zeit, und Polizeistunde gab es nicht.

471

Draußen auf dem Anger, wo sonst die Gänse geweidet, von dem sie aber nun unter lautem Geschrei geflohen waren, exercierte der Tierarzt die Bürgergarde ein. Die Wahrheit zu sagen, er ging höchst despotisch mit der Bürgergarde, überhaupt mit ganz Neustadt um; aber niemand nahm ihm das übel, er wußte ja so viel und so schön über die Freiheit zu sprechen, da ließ man es sich gefallen, hielt es wohl gar selbst für Freiheit. Einmal, an einem dunkeln, schwülen Sommerabend, hieß es: „die Harzer kommen, zu sengen und zu brennen". Wie das Gerücht entstanden, das wußte niemand. Ganz Neustadt war erfüllt von dem Geschrei der Frauen und Kinder, und es währte geraume Zeit, bis selbst die Löwenstimme des Tierarztes sich Gehör verschaffte. Werdau traf seine Bestim¬ mungen, die Frauen mußten kochendes Waffer bereit halten, die Kinder große Steine zusammen tragen. Beides wurde auf die Hausböden geschleppt und sollte auf die „Harzer" herab geschleudert werden. Es wurde gerüstet wie im dreißig¬ jährigen Kriege. Niemand fragte, was die Harzer — es waren doch auch Menschen wie die Neustädter, in ähnlichen Verhältnissen lebend — denn eigentlich in Neustadt wollten. Niemand — vielleicht meinen Vater ausgenommen — hatte so viel Nachdenken, die unsinnige Nachricht ihrer völligen Haltlosigkeit wegen abzuweisen. Die Harzer kamen natürlich nicht, aber Neustadt hatte das kostenlose Vergnügen großer Aufregung während eines Abends, einer ganzen Nacht gehabt. — (Fortsetzung folgt.)

E ine Äotmi^ollern-AoH ^it vor Im 16. Jahrhundert war es Sitte, stellenweise auch Unfittle geworden, Familienereignlsse wie Hochzeiten, Kindtaufen, ja selbst Sterbefälle mit vieler Pracht und großem Aufwand zu feiern. Zu den glänzendsten Festlichkeiten dieser Art gehört

Von hohem Stamm geboren schon, Hans Georgen, welcher hat gestudirt, Dadurch er seinen Wappen ziert, Dann er Lateinisch ziemblich schreibt, Mit Büchern seine Weil vertreibt,

Der Bräutigam zu

ersten Fürsten

von Hohenmit der Wild- und Rheingräfin Franziska,

zollern-Hechingen,

des

Gräfin zu Salm. Der Reutlinger Schulrektor Jakob Frischlin hat die ge¬ samten Hochzeitsfeierlichkeiten in „Drey schöne und lustige Bücher" mit mehr als 4400 gereimten Versen beschrieben, die er also anhebt:

Ich hab ein Lust, ein Freud und Mut, Dann mich beim Oh.en rupfen tut Apollo vom Berg Cyntho her,

Führt mich auf ein Meer weit und ferr (fern), Von mir begehrt ein schön Gedicht. Drum ist mein Mut hier aufgcricht, Und treibt mich da am allermeist Mein sinnreich und Poeten Geist, Mein guter Mut und geneigter Will Gegen den Grafen gsinnet vil, Welcher sich Eitel Friedrich nennt, Den man im Römschen Reich wohl kennt; Denn er kommt von eim alten Stamm, Von Zollern her ganz lobesam,

Daß

ich seiner

Gnad jungen Sohn,

0 Aus: Hohenzolleni. Bilder aus der Gegenwart und der Vergangenheit der Stammlande des Deutschen Kaiserhauses. Von Hofrat Dr. K. Th. Zinglcr. Mit 20 Abbildungen. Stuttgart, Paul Reff Verlag. Preis gebd. 3 M. Wir bringen diese vorzügliche Schrift hiermit aufs

neue

in

empsehlende

Erinnerung.

Frist,

Ganz fürstlich schön mit aller Pracht Und Herrlichkeit sein Votier macht. Dieselbig ich da beschreiben will Mit schön Versen und Reimen viel, Der ganzen Hochzeit löblich Fest Und alle seine werte Gäst.

In

dieser Herbst

Da

ich sonst

Vacation (Ferien),

nichts zu schaffen han.

Außer der ungemein genauen, wenn auch langatmigen hat die Hochzeit auch der berühmte Baseler Arzt und Professor Felix Platter beschrieben, der im Gefolge des Markgrafen Georg Friedrich von Baden daran teilnahm. Beide Schilderungen geben ein merkwürdiges Bild von einer Hochzeit großen Stils, von der Prachtliebe des hohen Adels jener Zeit. Nach dem Hechinger „Generalfurier¬ zettel" sind 984 Personen, Männer und Frauen, darunter 68 „wohlgeborene", d. h. hochadelige Fürsten, Grafen und Frei¬ herren, und 148 „vom Avel" in Hechingen beherbergt und „ausgespeist" worden. Hierzu kamen noch 865 Reit- und Fuhrpferde. Es ist kaum zu begreifen, wo diese große An¬ zahl von Menschen und Pferden alle in dem kleinen Hechingen, das selbst nicht 1000 Einwohner zählte, untergekommen find. Allerdings war man in jenen Tagen etwas weniger anspruchs¬ voll hinsichtlich des Wohnens und der Unterkunft als zu heutiger Zeit. Die vornehmsten und vornehmen Gäste wohnten in dem sehr stattlichen Refidenzschloffe, das schöne und viele Räume enthielt. Beschreibung Frischlins

Nachdem am 10 . Oktober schon die Mehrzahl der Gäste,

die am 11. Oktober 1598 zu Hechingen gefeierte Vermählung des Grafen Johann Georg,

dieser

Welchem ein Hochzeit zugerüst,

fast

alle

mit großem Gefolge,

eingeritten

war, fand am

Hochzeitstage selbst, Sonntag, den 11 . Oktober,

der feierliche

Einzug der Braut statt. Diese kam über Haigerloch von Sulz Nicht weniger als her. wo sie die Nacht zugebracht hatte. 500 Bewaffnete, alle in neuen Kleidern, bildeten Spalier vom Schlosse abwärts. Graf Eitel Friedrich und fein Sohn, der Bräutigam, ritten mit einem Gefolge von 120 Pferden der

Braut entgegen. Auf einer großen Wiese, unweit Hechingen. stieß man auf den Hochzeirszug. den Markgraf Georg Friedrich anführte. Felix Platter erzählt:

„Da begegnete uns Graf Eitel Fritz zu Zollern, der Vater mit seinem Sohne, dem Hochzeiter. Grafen Johann von Zollern, samt etlichen Grafen. Herren und Adeligen mit 120 Pferden. Sie ritten zierlich und herrlich geputzt unter den Fanfaren von sechs Trompetern um der Hochzeiterin Wagen, und es verteilten sich die Grafen und Herren, die Adeligen und Reisigen unter die übrigen, die vor dem Mark¬ grafen und hinter demselben ritten. So rückten wir fort gegen das Städtchen Hechingen. Da schoß man ab (der Burg) Hohenzollern mit großen Stücken (Kanonen), und es geschah der Eintritt des etliche Hundert starken Zuges um 5 Uhr in der oben beschriebenen Ordnung. In der Mitte des Zuges fuhr die Hochzeiterin, neben ihr die Markgräfin von Baden, ihre Schwester, in einem offenen, köstlichen Wagen und ließ sich

472 sehen.

einer,

Dann folgten viele Kutschen und Wagen, darunter der allenthalben mit

vergoldeten Spangen beschlagen war. leer. von sechs schönen Pferden geführt, den der Hoch¬ zeiterin Vater ihr nach der Herren Brauch zu ihrem sonstigen Heiratsgut. Kleidern und Kleinodien giebt." So gog der Zug durch die zahllose Menge, die Braut und Bräutigam mit lautem Zuruf begrüßten, bis zu dem „herrlichen Schloß in Hechingen". Nachdem man angekommen war, wurden die adeligen Personen „zu Hofe", die übrigen im Städtlein untergebracht. Am gleichen Tage, abends 7 Uhr, fand in der großen Stube unter vieler Feierlichkeit die Trauung durch den Weih¬ bischof von Konstanz statt.

„Nachdem dies alles beendet war," erzählt Felix Platter, „führte man die Hochzeiter in feierlicher Prozession in einen großen Saal nebenan, der 54 Schritte lang und 25 Schritte breit und gar hoch war. ausgestattet dazu mit einem kunst¬

Thronhimmel von gefirnißter Schreinerarbeit. Die waren allenthalben gegipst und mit künstlich aus¬ gehauenem Bildwerk (Stuck) geschmückt. An einer Stelle war auf vielen Schauiischen das Silbergeschirr in großer Reich¬ haltigkeit zusammengestellt. Ferner war der Saal ausgestattet mit zwei schönen gehauenen Kaminen, unten eines, oben eines, in welchen beständig starke Feuer brannten. Bei den Fenstern standen allenthalben große Kerzen, und zwei Leuchter hingen herab, in deren jedem fünfzehn Kerzen dergestalt angeordnet waren, als brennten zwei Papstkronen. In diesem Saale stellten sich die wohlgeborenen Personen auf, die Herren zur rechien, die Fräulein und Frauen zur linken Seile, der Länge des Saales nach. Dann kamen zwei Hofmeister herein mit filber-vergoldeten, reichbeschlagenen Siäben; vor ihnen gingen zwei Pagen, in weißen und schwarzen Samt, die zollerischen Farben, gekleidet; sie trugen brennende Windlichter. Auf sie folgten solche, die große, vergoldete Platten, Wasserkannen und köstliche Handtücher trugen und mit viel Gepränge den Wohlreichen

Wände

geborenen allen Wasser gaben."

Nunmehr nahmen das Brautpaar und der wohlgeborenen Herren an der ersten

die vornehmsten

Tafel Platz,

sodaß

allemal zwischen je zweien „eine der fürnehmsten und wohl¬ geborenen Frauen" saß. Alle übrigen wohlgeborenen Frauen und Fräulein setzten sich an eine zweite Tafel. „Da nun

der Kapellan jetzt hett

Gesprochen her das Tischgebet,

Den Segen nämlich vor dem Essen,"

konnte das

Mahl beginnen.

und vornehmsten Amtspersonen nahmen, nachdem sie eine Weile um die Tafel „aufgewartet" — so war Hans Heinrich von Lichtenstein der „Fürschneider", sein Bruder Oswald und Junker Hans Gremlich trugen die Speisen auf, sechs adelige Saalmeister sahen auf Ordnung — an vier runden Ttschen im selben Saale Platz. Die übrigen setzte man unten im Schlosse in eine große Stube, in welcher viele Tische bereit standen, darunter einer für die Priesterschaft.

Alles Geschirr im Saale der Wohlgeborenen war von meiste noch vergoldet, namentlich die merkwürdig großen Trinkgeschirre. Besonders köstlich und originell waren

Silber, das

d. h.

aspectabiles nennt

sie

die Schaustücke,

Frischlin.

ein hl. Christoph, mit einem Baum in der An 30 Musikanten mit Violinen, Harfen. Spinetten und Flöten, sowie Sänger besorgten die Tafelmusik. Unter ihnen auch Ferdinand di Lasso aus München, ein Sohn des berühmten Orlando di Lasso. Bis 12 Uhr saß man zu Tisch, wobei die Schalksnarren ihre Possen mit Reden und Spiel auf den Instrumenten trieben. „Unter ihnen war besonders einer, der die Wohlgeboren und Adeligen, so sie gegen die Hoffitte verstießen, mit rasch improvisierten Reimen zierlich zu verspotten wußte, zu größter Freude der Tischgesellschaft." Er erhielt für seine Spässe an „Verehrungen" über 100 Kronen. Nach Tisch trat man zum Tanze an. wobei aber, dem Range nach, immer nur ein Paar tanzte, dem allemal zwei Pagen mit Windltchtern vorangehen mußten. Die folgenden Tage ließen hinsichtlich der Festlichkeit dem Hochzeitstage selbst nichts nach. Zunächst fand großer, feierlicher Kirchgang statt, zu dem man die jungen Eheleute in Prozession abholte. Nach dem darauf folgenden Essen wie auch nach dem Abendessen wurde wiederum getanzt. .Am Abend vor dem Nachtessen begann man „zu gaben", wie Platter sagt, oder „man verehrte die Grässliche Braut", wie Jakob Frischlin erzählt, d. h. man brachte die Hochzeits¬ geschenke herbei:

Drachen tötend,

Rechten.

„Mit Hausten trug man da herbey Ganz guldin gschirr, Kleinoter frey, Von Berlen, köstlich Edelstein, Wie ich will da erzelen fein." Und in der That wurde dem Hochzeitspaare eine außer¬ ordentlich große Zahl kostbarer Geschenke gemacht, wertvolle Schmucksachen, Silbergeschirr und nicht weniger als 36 zum Teil sehr kunstvoll gearbeitete Silberbecher. So kostete der Becher der Stadt Hechingen, der 5 Ulmer Maß hielt, 250 Gulden, eine für den damaligen Gelowert sehr hohe

Summe. Für alle Gaben mußte der hohenzollerische Kanzler Or. Hans Pfeffer, der neben dem Brautpaare stand, in wohl¬ gesetzter Rede danken.

Am dritten Tage, nachdem man am Mittag schon wieder wobei den Damen schöne Kränze ausgeteilt wurden und man allerlei „Mummerey" (Verkleidung) getrieben, be¬ gaben sich die Herren zum Rathaus, wo allgemeine Bewirtung stattfand. Hier war es Graf Karl von Hohenzollern-Sigmaringen, der, allezeit guter Dinge, besonders liebenswürdig als Wirt war. getanzt,

„Karl von Sigmariug

Die übrigen Damen von Adel samt den Junkern, Herren

die „Schauessen",

liche Schloß in Zucker ausgeführt, ferner ein hl. Georg, den

Tafelaufsätze,

vidi

So war das ganze gräf¬

der

Wirt

War Küchenmeister, Obrister Hirt. Der luget fleißig und gar fein, Daß wir genug hätten Brot und Wein. Manch Rentier und erfahrner Knecht Vom Wein ein gutten Mut empfecht Und fröhlich bey der Hochzeit mar, Erzehlet seine Rcyß und Gfahr, Die er hett etwan ausgestanden In fernen und in frembden Landen. Es half darzu gar mancher Bruder, Bis trunken vber dreyssig Fuder, Zum Teyl zu Hof; auf dem Rathaus Trank man allein zwölf Fuder aus."

Am vierten Tage mußte man. da das Wetter ungünstig war, sich hauptsächlich im Hause, d. h. im Schloß, die Zeit mit Kurzweil, mit Tanz und Mummerei vertreiben. Am

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1894..

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fünften Tage fand dann in Gegenwart der Damen großes Ringelrennen auf dem Rennplätze unterhalb des Schlosses statt. Eine ungeheure Menschenmenge drängte sich um die Schranken. Und in der That verlohnte es sich, das farben¬ reiche und lebendige Schauspiel zu sehen.

In

ritten die Herren, fast alle maskiert, unter Vortritt der Musikanten herbei, bewundert und belacht von den auf den Galerien und im Pavillon sitzenden Frauen und Fräulein. Hier hatten auch die „judices ', die Preis¬ richter, Platz genommen; denn eine große Zahl wertvoller Preise sollten zur Verteilung kommen. Die erste Schar war. ein Bild des Waldes, ganz in Grün gekleidet und mit Laub¬ werk geschmückt. Ihr Führer war Markgraf Georg Friedrich von Baden. Diesem Zuge folgte ein Jagdbild aus Ooids Metamorphosen, Actäon mit Gefolge, wobei auch Cupido als Jäger, begleitet von Apollo. Der nächste Zug, geführt von dem allezeit übermütigen Grafen Karl von HohenzollernSigmaringen, rief großen Jubel hervor. Die Reiter waren mit kleinen, roten Hüten, blau und gelben Wamsen und weißen Pluderhosen maskiert, dabei trugen sie entsetzlich lange Knebelbärte. Die hockten wie Zwerge auf ihren Pferden und trieben allerlei Unsinn, wobei aber ihre große Reitkunst vorteilhaft zur Geltung kam. Den Schluß bildeten einige Reiter mit Masken vor dem Gesicht und riesigen Nasen. Nun nahte ein ernsterer Zug, der Vater des Bräutigams, Graf Eitel Friedrich mit Gefolge, in glänzender Rüstung. Den Glanzpunkt bildete der folgende Zug nilt dem Bräutigam, dem Grafen Johann Georg, der durch seine Farbenpracht, seinen Gold-, Silber¬ und Federschmuck die höchste Bewunderung erregte. So folgte Zug auf Zug, bald ernste, bald komische Gruppen darstellend, wie unter andern ein riesiger Delphin, auf dessen Rücken ein Meerweib saß, geführt von einem kleinen Triton, in die Renn¬ bahn zog. Im Bauche des Delphins waren Musikanten und Sänger verborgen, deren Spiel und Gesang wie aus weiter Ferne wirkte. Viele Seilen füllt Frischlin mit der Beschreibung des großartigen Aufzugs, der das Staunen und die Be¬ wunderung der Zuschauer, besonders aus den ländlichen Orten der Stammgrafschaft, die derartiges nie gesehen, im sieben Abteilungen

1

höchsten Grade erregte.

Nun begann das Turnier, das Kreisringelstechen, wozu den Teilnehmern Einsätze von Geld gemacht wurden. Die Preise oder „Dänke" wurden um Mitternacht nach dem Essen ausgeteilt und bestanden aus kostbaren Perlenkränzen, an denen je ein Kleinod hing. Jeder der Preisgekrönten tanzte mit der Braut. Da der folgende Tag wieder Regen brachte, mußte von allgemeinen Belustigungen außer dem Hause abgesehen werden. Dagegen hielt man am siebenten Tage in dem Tiergarten, der sich rings um den Zollernberg zog. ein großes Jagen ab. „Dieser Park," erzählt Platter, „ist acht Stunden zu umreiten und ganz mit eichenen Brettern umzäunt. Es werden darin etwa 900 Stück Rotwild gehalten, die sämtlich dort ihre Atzung finden." Daneben enthielt er auch noch anderes Wild, wie Füchse und Hasen. Die Damen beteiligten sich auch an dem Jagen, und erst spät am Abend kehrte man nach Hechingen von

zurück.

Am achten Tage wurde die Stammburg besucht, und damit waren die Festtage beendet. Am nächsten Morgen nahm der größte Teil der Gäste Abschied, und „nach viel¬

fältigem Gnaden und Abdanken" schied man von einander Felix Platter schließt seine ausführliche Beschreibung mit dem Spruch: Hoflebens wird man auch zletzt satt, Ist dem gut Leben, der 's gern hat.

Jakob Frischlin aber ruft aus: „Leeseite, Zollerii Comites, virtute potentes, Religione pares, antiqua stirpe celebres!“ Wachset, durch eigene Tüchtigkeit stark,

ihr Grafen von Zollern,

Gleich an Fromuisinn und blühend im Ruhm uralten Geschlechtes!

Die HchenMern und das

deutsche

Unterland.

des Großen Kurfürsten ist die Ge¬ Hohenzollern gleichzeitig die Geschichte des deutschen Vaterlandes. Alles Große und Gute, was seit 1640 in deutschen Landen geschehen, ist gleichzeitig ein Blatt im Ruhmes¬ kranze der Hohenzollern. Ihnen verdankt das deutsche Volk die sittliche, geistige und wirtschaftliche Wiedergeburt nach den Schrecknissen des 30 jährigen Krieges, ihnen verdankt es das vorbildliche Staatswesen Friedrichs des Großen, die Abschüttelung des Franzosenjoches zur Zeit der Befreiungskriege und

Seit der Regierung

schichte der

die Aufrichtung des protestantischen Kaiserreiches.

Einem jeden

Deutschen sollte es tief ins Herz geschrieben sein, wie untilg¬

bar groß die Dankesschuld ist, die er und jeder im Volke diesem Herrschergeschlechte durch unwandelbare Treue abzu¬ tragen hat, und darum sollte vom Fels zum Meer jeder Deutsche die Geschichte des Hohenzollern-Geschlechtes

dem das Vaterland Einigkeit und Macht. verdankt.

Bald 1870/71

kennen,

Ruhm und Größe

Einigungskrieges Federn dem deutschen Volke

nach der Beendigung des großen schenkten zwei berufene

eine Geschichte der Hohenzollern,

in welcher

sich wissenschaft¬

liche Gründlichkeit mit volkstümlicher Darstellung und warmem vaterländischen Gefühl vereinigten. Der bekannte HohenzollernForscher Dr. R. Graf Stillfried-Alcantara und der Tübinger Historiker Professor Bernhard Kugler verfaßten das mit vielen Illustrationen nach Gemälden erster Meister geschmückte historische Prachtwerk: „Die Hohenzollern und das deutsche Vaterland." Dieses vortreffliche Werk hatte nur den einen Fehler, daß es zu teuer war, um die Ver¬ breitung zu finden, die es um seiner Gediegenheit willen ver¬ dient; dennoch fanden vier starke Auflagen Absatz. Im ver¬ gangenen Jahre erwarb sich die Verlagshandlung von F. A. Berger in Leipzig das Verdienst, eine billige Ausgabe von dem schönen Werke zu veranstalten. Da Graf Stillfried. Alcantara 1882 gestorben ist, hat Professor Kugler die späteren Auflagen und so auch diese 5. verbesserte allein herausgegeben und bis zur Gegenwart fortgeführt. Freilich kostet auch diese 381 Seiten Quart-Format starke Auflage im eleganten Ein¬ bande noch 12,50 Mark*). Der Kauf dieses vortrefflichen Buches, das in der That einen Ehrenplatz in jeder deutschen Bücherei verdient, wird jedoch niemand gereuen. Die Ver¬ fasser haben die Klippen, an denen die meisten volkstümlichen Darstellungen vaterländischer Geschichte scheitern, mit sicherer Hand umschifft: kein Hurra-Patriotismus, kein Byzantinis¬ mus, keine patriotischen Phrasen; überall zeigt sich der echte

.

*) Das Werk

kann auch in 18 Lieferungen zu 80

Pf.

bezogen werden.

475 Historiker,

der Kern

und Wesen

der Ereignisse

erfaßt und

in ihrem Wachsen und Werden darstellt. Ein Vierteljahrtausend Geschichte ohnegleichen entrollt sich vor den Augen des Lesers in edler Sprache, die begeistert und fort¬ die

letzteren

reißt, da sie aus vaterländischer Begeisterung und Liebe zu den Hohenzollern geboren ist.

Den Geist, in welchem die „Hohenzollern und das deutsche Vaterland" geschrieben find, kennzeichnen am besten die Charakteristiken,

welche die Verfasser den größten Hoher,zollern widmen. Vom Großen Kurfürsten heißt es: „Ohne Geld und ohne Heer, ohne Freunde und ohne Berater war er als zwanzigjähriger Jüngling dazu berufen worden, seine Länder aus unsäglichem Jammer zu erretten. Voll festen Gotivertrauens hat er sich da ans Werk gemacht, die feind¬ lichen Dränger aus seinem Erbe verjagt, die leidenden Unter¬ thanen erquickt und mit unermüdlichem Eifer die Kräfte zu kühnerem Vorgehen gesammelt. Dann hat er die polnischen Fesseln mit starkem Schwerthiebe zerhauen, die unbefiegten Schweden gedemütigt und der Raubgier der Franzosen hero¬ Mitten im Kriegsdrange hat er ischen Widerstand geleistet. das tapfere Heer, die „eiserne Hand" geschaffen, vor deren Schlag die Feinde sich beugten und die er seinem Nachfolger vor allem treu zu bewahren empfahl. In ahnender Seele schaute er schon die künftige Gestalt seines Staates, als er den Traum der Eroberung Schlesiens träumte oder gelegentlich seiner Sehnsucht Worte verlieh, daß nach Bewältigung Pom¬ merns und Westpreußens brandenburgische Gebiete ununter¬ brochen von Stettin bis nach Königsberg sich erstrecken möchten. Und nicht für die Seinen allein strebte er nach Wahrung seiner Macht. In ihm lebte immerdar die Idee des Reiches, Seine Feinde waren auch die Feinde des Gesamtvaterlandes. Deutschlands, sein Kampf ein nationaler, er konnte nichts anderes werden, als ein guter deutscher Patriot." „In jungen Jahren erschien er wie ein David, der den Goliath des deutschen Elends mit fast waffenlosen Händen anzugreifen wagte. Nachdem er aber die stolzesten Kriegs¬ mächte besiegt und wirre Ländertrümmer zu einem blühenden Staate vereinigt hatte, sahen die Zeitgenossen zu ihm wie zu einem Heros voll übermenschlicher Kraft empor. Selbst seine Irrtümer dienten dazu, den Zug des Titanischen in seinem Wesen hell hervortreten zu lassen. Denn sein Geist liebte es, Nicht bloß, die Grenze des Erreichbaren zu überschreiten, als er seine Gedanken auf den Gewinn schlesischer und polnischer Gebiete richtete oder seine Brandenburger „den geraden Weg nach Paris" zu führen plante, sondern mehr noch bei den Versuchen, von seinem armen und fast hafenlosen Lande aus die Meere des Erdballs mit Handelsschiffen und Kriegsflotten zu erfüllen, und ebenso bei der erhabenen Phantasie, umdrängt von den Mächten finsterer Intoleranz, eine von

nationalen und konfeffionellen Besonderheiten völlig absehende allgemeine Pflegstätte aller Künste und Wissenschaften zu gründen. Wie den Zeitgenossen so steht er auch den nach¬ geborenen Geschlechtern in titanenhafter Größe vor Augen."— Ueberaus packend und dabei Licht und Schatten mit kritischer Schärfe abwägend ist auch die Charakteristik, welche die Verfasser von Friedrich dem Großen in seinen letzten

Lebensjahren geben: „Sobald der Staat ihn rief, gehörte er vom Morgengrauen bis zur Nacht seinem Königsamt. Von seinem aktenbeladenen Schreibtisch leitete er die Verwaltung

Preußens und die Politik des deutschen Fürstenbundes, dem geringfügigen Detail widmete er die gleiche Treue wie den Fragen von europäischer Bedeutung. Schien ein Krankheitsfall gebieterisch Ruhe zu sorden, so bezwang er denselben sobald nur möglich durch eine gewaltsame Willensanstrengung und fügte wohl scherzend hinzu, sein Körper, dieses „Futteral seiner Seele", müsse sich gut oder übel an die Leiden gewöhnen; er habe sich mit wichtigeren Dingen zu befassen als mit Gicht und Fieberschauern. Das machtvolle Pflichtgefühl, welches ihn beseelte, legte ihm sogar das strenge Wort in den Mund: „Es ist nicht notwendig, daß ich lebe, wohl aber, daß ich handle."

„Wundersam, wie sich dabei sein Verhältnis zu den Mit¬ lebenden und das Urteil dieser über ihn gestaltete! Er war zum Befehlen geboren, und die Schneidigkeit, die solchen Naturen eigen, war durch lange Gewöhnung an die straffste Form der absoluten Monarchie bis zu einem Anschein von Härte gesteigert. Er that alles, um sein Volk „überhäuft von seinen Wohlthaten" zurück zu lassen, aber er that es gebieterisch nach seinem alleinigen Ermessen; und wenn er sein eigenes Behagen schonungslos dem Gemeinwohl aufopferte, so verlangte er auch von jedem einzelnen unnachfichtlich das gleiche Opfer. Sein herrisches Regiment erweckte an manchem Orte Murren und Klagen. Schier unerträglich, so hieß es wohl, sei der Zwang, welchen dieser König seinen Unterthanen auferlege; auch habe er eigentlich kein Herz für seine Preußen, sondern walte wie eine verkörperte Idee der Pflicht, von Haß uiH Liebe unbewegt, in kühlem Gleichmut seines königlichen Amtes." „Aber nur vereinzelt waren solche Stimmen, und ein überaus schiefes Bild geben sie von Friedrichs Herzen und von der wahren Meinung seiner Zeitgenossen. Das weiche Gemüt des großen Königs hatte sich freilich zur Lösuug der ihm gewordenen Aufgaben mit einem stahlharten Panzer waffnen müssen: unter dieser Hülle blieb es jedoch so zart¬ besaitet, wie es von jeher gewesen war, und bewährte seine ursprüngliche Begabung in tausend Handlungen der reinsten Menschenliebe, des herzlichsten Interesses am Wähle de seinzelnen. In Preußen und Deutschland, ringsum in Europa und selbst in den jungen Freistaaten von Nordamerika zeigten Gebildete nnd Ungebildete das vollste Veständnis hierfür. Man bewunderte nicht nur Friedrichs Klugheit und Tapferkeit, sondern auch die rührende Güte, die er allen Kriegsgenossen und den Dienern im Schloß zu Saussouci bewies, oder wie liebreich er einem unschuldig Verfolgten zu seinem Recht zu verhelfen und ihn freundlich zu trösten Berlin gab es für Fremde und Einheimische nichts Sehens¬ würdigeres. als den greisen Monarchen, wenn er an der Spitze seiner Generale, er selber in der schmucklosesten Uniform, von einer Truppenschau heimkehrte, oder wenn er. nach harter Arbeit sein müdes Haupt an der geliebten Mufik zu erquicken, Nicht an der den gewohnten Platz in der Oper einnahm. Bühne, sondern an seinem Antlitz, welches sie nicht mehr lange in ihrer Mitte zu erblicken hoffen durften, hingen als¬ Tod erschütterte die Herzen dann aller weit und breit. In Preußen flössen bittere Thränen um den

wußte.In

Augen.Sein

Dahingeschiedenen.

Tausend Deutschen sprach ein schwäbischer

Bauer aus der Seele: „Wer soll nun die Welt regieren?"" — Diese Text-Proben werden einen Begriff von der markigen Sprache und der kunstvollen, anschaulichen Darstellung geben, welche „die Hohenzollern und das deutsche Vaterland"

A

turmhoch erheben über die Mehrzahl der populären Geschichts¬ werke. die in den letzten Jahren auf den Büchermarkt geworfen find. Eine Ergänzung bildet dieses vortreffliche Werk für viele

ähnliche Schriften dadurch, daß neben der äußeren die innere im Vordergründe steht, während die Kriegsgeschichte, über welche wir viele hervor¬ ragende Einzeldarstellungen besitzen, weniger ausführlich be¬ handelt wird. Die Hohenzollern haben ihre Kriege nicht um des Ruhmes willen geführt, sondern weil die Notwendigkeit ihnen

Politik, dieBerwaltungsgeschichte

das Schwert in die Hand zwang, um mit Blut und Eisen die Hindernisse hinwegzuräumen, die dem Wohlergehen und Glück ihres Landes und des deutschen Vaterlandes entgegen¬ standen. Mit Fug und Recht haben die Verfasser in ihrer Geschichte des Hohenzollern-Geschlechts daher die FriedensThätigkert der preußischen Könige mit ausführlicher Breite behandelt, so bei Friedrich Wilhelm I., der die Grundlagen des modernen Verwaltungsstaates schuf, bei Friedrich dem Großen, der auf den von seinem Vater geschaffenen Funda¬ menten in einer 23jährigen Friedenszeit den Großstaat auf¬ baute, und endlich bei Friedrich Wilhelm III. Die lange, reich gesegnete Friedens-Wirksamkeit, welche diesem Monarchen

war, wird von den Verfassern in das rechte Licht gestellt. Den liberalen Geschichtsschreibern ist diese gesegnete Friedensperiode durch die unglückseligen Demagogen-Vcrfolgungen und die Nicht-Lösung der Verfaffungsfrage derart verleidet, daß die großen Errungenschaften dieser Zeit — die Ordnung der Finanzen, die Gründung des deutschen Zoll¬ vereins, vor allem auch die Zusammenfassung der buntscheckigen Masse der Provinzen des preußischen Staates zu einem organischen Ganzen — in ihren Werken nicht die gebührende Würdigung gesunden haben, so daß man bei vielen Gebildeten über diese wichtige Periode, in welcher in Heer, in Schule und Kirche, in Kunst und Wissenschaft unendlrch viel Segens¬ beschieden

Einigungskäwpfe von 1864, 1866 nnd 1870/71 treten trotz der knappen Darstellungswelse plastisch vor sein geistiges Auge, er fühlt sich mitten hineinversetzt in die große Zeit, in welcher Deutschlands Einigkeit durch Blut und Eisen ge¬ Die Persönlichkeit des greisen ersten schmiedet wurde. Hohenzollern-Kaisers, sein unbeugsames Pflichtgefühl, sein klarer Verstand, seine schlichte Männlichkeit, seine tiefe Frömmig¬ keit, sein warmes Herz treten uns auf Zeder Seite dieses Kapitels mit all dem märchenhaften Zauber entgegen, der mit dem Wirken und Wesen Wilhelms I. untrennbar ver¬ knüpft ist. — So zieht ein Vierteljahrtausend einer Geschichte ohne gleichen bei der Lektüre dieses Buches an uns vorüber. Dem in jeder Beziehung mustergiltigen Text schließen sich die Illustrationen aufs würdigste an und machen das Buch zu einem historischen Prachtwerk, welches dem deutschen Volk die Großthaten des Hohenzollern-Geschlechts auch im Bilde in Die Illustrationen unserer vortrefflicher Weise vorführt. heutigen Nummer find mit gütiger Bewilligung der Verlags¬ handlung dem schönen Werke entnommen und geben eine Vorstellung von dem Bilderschmuck des empfehlenswerten Werkes. Dasselbe enthält 36 Vollbilder. 230 Text-Illustrationen in Holzschnitt, sowie verschiedene Brief-Facsimiles und KartenBeilagen. Die Illustrationen sind nach Gemälden von G. Bleibtreu, W, Camphausen, E. Hunten, H. Knackfuß, A. Menzel, P. Thumann, A. von Werner und anderen Meistern, ihre Wiedergabe in Holzschnitt steht mit wenigen Ausnahmen auf der Höhe moderner Illustrations-Technik, so daß das schöne und verhältnismäßig billige Prachtwerk in der That eine Stätte in jedem deutschen Hause verdient.

_ .

Urteile sindel.

(Fortsetzung,)

Die große Zeit der deutschen Einigungskriege wird in überaus lichtvoller, geradezu glänzender Darstellung in dem Schlußbuche vorgeführt. Die Wirksamkeit Friedrich Wil¬

IV..

sein vergebliches Bemühen, die von ihm

Gr.

Von Emil Böhm.

reiches geschaffen wurde, vielfach die einseitigsten und schiefesten

helms

B.

so

heiß

herbeizuführen, wird in ergreifender Anschaulichkeit in dem einleitenden Kapitel dieses Schlußbuches geschildert. „Sein Wille war untadelhaft", heißt es von dem edlen König, „sein Geist hell und stark, aber seine Phantasie zu lebendig, sein Gemüt oft zu weich, seine Hand nicht immer fest genug, um seinem Streben zu vollkommenem Siege zu verhelfen . . ." „Erreichte er nicht alles, was er ersehnte, so trafen die Enttäuschungen, die er erlebte, vielleicht ihn selbst am bittersten. Ein Zug tiefer Wehmut gehr durch die Briefe und Reden, die aus der zweiten Hälfte seiner Regierung stammen, und erinnert an die Endlichkeit, die Kürze und Beschränklheii des Menschen¬ lebens, die auch sein Schaffen in enge Grenzen bannlen." — ersehnte Emigkeil Deutschlands

Die labyrinihisch verschlungenen Wege, welche Bismarcks prophetisch in die Zukunft blickende Staatskunst gehen mußte, ehe auf Frankreichs bluigelräiiktem Boden die endgiltige Lösung

Kraft des deutschen Schwertes herbeigeführt werden konnte, werden in dem folgenden Kapitel der deutschen Frage durch die

überaus anschaulich geschildert. Dem Leser werden überall Ursache und Wirkung klar und deutlich vorgeführt, die großen

Kloster Kagel stand, wie bereits erwähnt, auf einem Hügel, einem etwa 8 Morgen großen Werder an dem über 13 ha großen Baberowsee. in der Nähe des alten BabaTempels, umgeben von Luch und Bruch, also inmitten eines Sumpfes; vielleicht im Einklang mit jenem Ordensgesetz aus der ersten strengen Zeit, daß die Klöster von Cisterz nur in Sümpfen und Niederungen, d. h. in ungesunden Gegenden gebaut werden sollten, damit die Brüder des Ordens jederzeit den Tod vor Augen hätten. Als der bekannte märkische Alter¬ tumsforscher Friede! im Jahre 1882 die spärlichen Baureste für die Zwecke des märkischen Museums in Berlin näher unter¬ suchte, lag noch ein großer Teil der Grundmauern in der

Erde zwischen dem See und dem Dorf. Die Tradition be¬ richtet, daß ehedem an allen Seiten des Klosterhügels, welcher

länglichen Vierecks hat, Grundmauern ge¬ wesen seien. Ist dem so, so ist damit eine gewisse GroßartigDie letzten Reste eines Keller¬ keil der Anlage erwiesen. gewölbes, welche einem beladenen Heuwagen Raum und Schutz gegen Nässe zu bieten vermochten, sind vor etwa, 40 Jahren, nach¬ dem sie lange Zeit als Heu- und Viehställe gedient hatten, aus¬ gegraben und zur Aufführung der heute auf dem Klosterhügel die Gestalt eines

stehenden Gebäude verwendet worden.

Auch den Fundamenten

der benachbarten Häuser lieferten die Feldsteinmauern sehr

eignetes Material.

Die

ge¬

dicken Lehmschichten, welche beiderseits

die Grundmauern umgaben, fanden zur Mcrgelung des Ackers ihre Verwendung. Vor wenigen Monaten find die letzten

riefigen Feldsteine entfernt worden. Sie haben ihren Platz in einer künstlichen Grotte im Parke des Kahlbaumschen Jagd, schlosses bei Kagel gefunden. So sind auch die letzten stummen Zeugen, welche auf die Klosteranlage deuteten, verschwunden. Zu bewundern bleibt nur die kolossale Arbeit, die das Herbei¬ schaffen der Steine und des Lehms verursacht haben muß, da die ganze Dorfgemarkung beides nicht aufzuweisen hatte. Nach alledem hat es wirklich den Anschein, als sei Kloster Kagel ursprünglich als selbständiges Kloster er¬ baut worden und viel¬ leicht Mutterkloster Zin¬ nas gewesen. Es müßte

Nachricht von Kloster

Zinna": „Die

Mönche des Feldklosters

bei Rüdersdorf berief mau, das neue Kloster zu besetzen und die Religion zu befördern.

Die gute Versorgung in dieser

neuen Kloster-Abtey machte

sie

pachteten

ihre

alte Wirtschaft,

dazu

ganz

willig;

ver¬

sie

um bei Einrichtung desto

ge¬

schäftiger zu sein."

Friedrich Dionysius, Pastor zu Luckenwalde und zugleich Chronist von Zinna, schreibt 1575 in seinen im Jahre 1734 von dem ehemaligen Diakonus in Jüterbock, Eckardt, heraus¬ gegebenen

„Armales“: „Anno 1171

stiftete Erzbischof Wich-

niann das Kloster Zinna und besetzte es mit

hätte, und

daß letzteres

Mönchen, Benedicti Regel folgten und aus vem Feldkloster bei Straußberg ihren Ursprung haben sollen." Auch das „Landt-Buch

später

einem

der eptei Zinna

Cistercienser welche

dann nur angenommen werden, daß Zinna Kagel überflügelt bald sehr zu

söge-

nannten Feldkloster herabgesunken sei. Wie dem nun aber auch sei, jedenfalls unterschied sich Kloster Kagel von an¬ deren Feldklöstern durch seinen größeren baulichcn Umfang, wie auch

unterstützt

durch die hohe kulturge¬

Stelle:

Notiz



es

für

thum

vber Barnem in

der Mark Brandenburg" enthält, heißt es an einer

„Lentze

Hoppe

giebt uns (den Mönchen) von einem

XII Groschen

ganze

die

Annahme?) Teile dieses

Laudbuches. welcher das „Register vom Eigen¬

schichtliche Bedeutung,

die

eine

durch

diese

dem

1560"

Umgegend gewann.

Acker, da weyland unsere

Das Dunkel des ur¬ sprünglichen Vechältniffes zwischen Zinna und Kagel wird nicht zu lichten

Wonung gewesen." Fldicln^) aber meint,

sein, so lange der eigen«,

register seien die älteren

liche

Geschichtsschreiber

gerade

'

diese

Be¬

merkung im Zinnaer Erb¬

Urkuudenschatz des

Klosters Zinnas aufgefunden ist.

durch

offen¬

bar irre geleitet worden. Unter diesem „weyland"

nicht

Das

sei sicher nicht eine Zeit Magdeburger Provinjialvor 1171, sondern nach archiv bewahrt unter 1250 zu verstehen. Titel Zinna Kloster „Diese Angaben stehen Nr. 11 nur: „Des ErzFriedrich der Große im Mter am Schreibtisch. mit den neueren For¬ Au« dem historischen Prachtwerk: „Die Hohenzollern und da» deutsche Vaterland" bischoffs Albrecht Revers sVerlag von F. A. Berger in Leipzig). dergestalt im schungen gegen das Kloster Zinna daß sie Widerspruch, wegen etlicher Kleinodien, Zinna, Kloster ist Zweifel Privilegien und Briefe, die er aus demselben in seine Ver¬ gänzlich zu verwerfen find. Ohne wahrung genommen, Zinna am Freitag nach Himmelfahrt wie das 1180 gegründete Kloster Lehnin, mit Cisterciensern 1546." Dieser Schatz liegt (nach Anficht Heffters) vielleicht aus dem jenseits der Elbe gelegenen, 1140 gestifteten Kloster in Mainz oder Aschaffenburg, wo Erzbiscyof Albrecht von Sittichenbach besetz! worden." Magdeburg als gleichzeitiger Kurfürst von Mainz meist zu Nach anderen Angaben ist jedoch Zinna sowohl wie Daher konnte auch die in von Ledeburs Kagel mit Cisterciensern aus dem Kloster Altencampen bei weilen pflegte. Archiv, Band XI, versuchte, vom Ortspfarrer Kost herrührende Geldern besetzt worden. Der Name Kagel dürfte auch darauf Spezialgeschichte nur dürftig ausfallen. Dieser Prediger Kost hindeuten, daß die mit den Mönchen angesetzten Kolonisten aus Holland stammten. In dem Ortsnamen haben Stammeszu Zinna schreibt am 7. August 1784 in seiner „Summarischen

i) Vergleiche: Heffter, Urkundliche Chronik der alten Kreisstadt Jüterbock und ihrer Umgebungen, namentlich des Klosters Zinna u. s. w. Seite 279 (Jüterbock 1851; bei A. M. Colditz).

) Vcrgl.: Trinius, Märkische Streifzüge. Band II., Seite ) Fidicin, Territorien der Mark Brandenburg. Band I.

2 8

158.

>.

478

Zugehörigkeit und Besiedelungsweise,

wie uns scheinen will, ihre Spuren zurückgelassen. Kagel, 1375 Kogele, auch Kogel, Kasel, Kader, Kahle (d. i. Kabel, Kavel) genannt, dürfte abzuleiten sein von dem niederdeutschen Kabel. Sanders erklärt Kabel als Teil eines Ganzen, insofern er selbst als zusammenhängendes Ganze gilt; namentlich ein einem nach dem Los zufallender Anteil und das Los selbst; kabeln heißt: um etwas losen, etwas nach dem Los verteilen. So wurden hier lange Zeit schlechte und gute Streifen Landes zur Urbarmachung aus¬ gekabelt, wie z. B. die Caveln, die gale Luchcaveln, die Rohrcaveln, die breiten Kabeln, die Köpernitzkabeln, die Bruchkabeln, das Kaberluch (auch Kagelluch genannt), das Postluch. Lutteb) ist anderer Meinung. Er nimmt an, daß der Name Kagel nichts anderes als Kegel — bekannt in der Ver¬ bindung Kind und Kegel — hier also eine in trauriger, ab¬ seits gelegener Gegend bestehende Ortschaft bedeutet. „Wohl schwerlich", fügt er hinzu, „würden die Mönche ihrer Mutter¬ stätte einen so anrüchigen Namen gegeben oder belassen haben." Auch er weist die Behauptung einer Klostergründung in

Barnim vor Besitzergreifung durch die Markgrafen zurück. Und in der That, mag auch dies und jenes für eine andere Anuahme sprechen, auch wir sehen uns genötigt, an der Ansicht festzuhalten: Kloster Kagel war kein Kloster, dessen Glocken ernste Mönche zu Butzübungen und frommen Liedern

riefen, sondern es war von Anfang an ein Filial des Klostes Zinna, ein sogenanntes Feldkloster, also ein Vorwerk, ein Wirtfchaflshof (grangia). Feldklöster b) waren in der Mark noch in Rüdersdorf (Kreis Niederbarnim), in Klosterdorf (Kreis Oberbarnim), in Marienwalde bei Wandlitz (Kreis Niederbarnim), in Htmmelstädt (Kreis Landsberg a. W.). in Gohlitz (Kreis Westhavel¬ land). in Münchehofe (Kreis Beeskow-Storkow). Dergleichen abgesonderte Zweige °) hatten die Cistercienser auf entfernten Besitzungen, die vom Hauptkloster nicht bewirtschaftet werden konnten. Man muß sich unter diesen Feldklöstern keine großen Gebäude, die mit einer zahlreichen Brüderschaft besetzt waren, denken. Vier bis fünf Mönche, besonders

von welchen der eine Lektor war, bildeten die ganze Gesellschaft und bewohnten miteinander ein Haus, in welchem sie ihren klösterlichen Pflichten nachkamen, außer den kanonischen Stunden aber die Geschäfte auf dem Felde besorgten. Sie hatten das Interesse des Hauptklosters wahrzunehmen und waren auch nur auf eine Zeitlang nach einem solchen Feldkloster gesandt, wurden später wieder zurückberufen und dann durch andere

Brüder ersetzt. Der Lektor, zugleich Hofmeister und Vogt, war ein wirklicher Cistercienser; die andern Klosterbrüder waren nur Halbmönche in einer besonderen Tracht, zum Gehorsam und zur Ehelosigkeit verpflichtet. Der Vogt hatte die Feldund Hauswirtschaft zu leiten und zu überwachen, auch wohl selbst Hand mit anzulegen. Er halte die aus den Kloster¬ dörfern aufgebotene Mannschaft in den Krieg zu führen, aber Vergl.: Bär, Berliner Jllustr. Zeitschrift, Jahrg. 1883 Seite 212. ) Vergl: Riehl u. Scheu, Berlin und die Mark Brandenburg. e ) Vrrgl.: Fischbach, Städtcbeschreibung der Mark. S. 493, 486. —

4

)

auch in seiner Amtsstube die Polizei und Erbgerichtsbarkeit auszuüben und dabei die einzelnen Geldgefälle der Kloster¬ unterthanen zu erheben. Außerdem hatte er die peinliche Gerichtsbarkeit zu hegen, welche dem Kloster über alle seine Dörfer verliehen war, und wozu es ein besonderes Hochgericht

unterhielt. Der märkische Chronist Haftiz erzählt, daß im Zinnaer Klosterlande bei jeder Hinrichtung nach altem Her¬ kommen jeder Hüfner ein Ei, jeder Kossät 6 Pfennige an den Klostervogt habe entrichten müssen. Er deutet zugleich an, daß man, um dieses Einkommen aus den 28 Dörfern zu be¬ ziehen, möglichst oft hingerichtet habe. Die „hochnothpeinlichen Halsgerichte" fanden auf einer Anhöhe südlich von Rüdersdorf, dem Galgenberge, statt. Das gesamte Territorium des Barnim gehörte zu Anfang des 13. Jahrhunderts einem gewissen Dominus Barwin oder Bornem, einem slavischen Edlen, der vielleicht mit dem Pommernherzog Barnim, einem Sohne Kasimir I.. identisch ist. Von diesem erwarben, jedenfalls käuflich, zwischen 1220 und 1232 die brandenburgischen Markgrafen Johann I. und und Otto III. die Länder Barnim und Teltow. Den beiden Markgrafen lag es nun vor allem daran, daß die neuen Länder germanisiert und christianisiert wurden.

Es war ihnen deshalb jedenfalls sehr willkommen, daß Kloster Zinna, wie wir wohl mit Bestimmtheit annehmen dürfen, um Ueberlassung eines Teils des neuen Landes behufs Kullivierung sich bewarb. Die Klöster waren eben zu damaliger Zeit das geeignetste Mittel zur Urbarmachung unkultuvierter Gegenden. Obschon

die vielen Erwerbungen Zinnas sonst ein wohl

zusammenhängendes

und abgerundetes Gebiet bildeten, er¬ hielten seine Mönche jetzt einen Teil des neuen Landes, südwärts der Stadt Straußberg, angewiesen. Da sie in ihrem Erbbuche von einem Ankäufe nichts sagen, so erhielten sie das Land wahrscheinlich ganz umsonst. Im Jahre 1250 wurde Kloster Zinna von den Markgrafen mit dem beschriebenen Gebiet, das in den Klosterschriften häufig das „nyge" Land (neue Land) genannt wird, wirklich belehnt. In dem neuen Lande schufen nun die Mönche?) von Kloster Kagel aus. unbeirrt durch die predigenden und bettelnden, nicht aber auch arbeitenden Dominikanermönche,

in Straußberg angesetzt wurden und alle dortige Seelsorge übernahmen, besage ihres Erbbuches und auch des Landbuches der Mark von 1375, folgende elf eigentümliche, bald aber mit Pachtbauern besetzte Dörfer: Hohnau, Kloster-

welche 1254

dorf. Werder. Zinndorf, Rehfelde, Hornsfeld (jetzt Herzfelde), Hennickendorf, Rüdersdorf, Cogel (jetzt Kagel), Kienbomen (jetzt Kienbaum) und Lichtenau (jetzt, wie zur Wendenzeit, Lichtenow). Diese Namen verraten völlig deutsche, insbesondere Zinnaische Stiftung; sie entstanden in einer vorher spärlich bewohnten, von den Mönchen erst urbar gemachten Wildnis, und zwar binnen einem Jahrhundert. Die Zinnaer Mönche be¬ richten in ihrem Erbbuche genau, von wie vielen Hufen jedes Dorf ihnen zinse — alle 11 von 118 —, auch, daß sie in Straußberg ein Haus erwarben.

6

Hefftc,

Geschichte von

Zinna.

(Schluß folgt.) 7

)

Vergl.: Hcffter,

Geschichte

von Zinna.

Z

479

Kleine Mitteilungen Friedrich Wilhelm III. und die Orgelspieler. Friedrich Wilhelm III. duldelc'M^MUlMaglich zahlreiche Leicrkastenmänrier, blinde Harfenisten und andere verarmte Musikanten im Hofe des Königlichen Schlosses zu Berlin dicht unter den Fenstern seines Zimmers ihr Stückchen spielten' und spendete ihnen dafür stets ein Achtgroschenstück. Am 14. Dezember 1826 hatte der König das Unglück, ein Bein zu brechen, und seine Um¬ gebung untersagte, um den Monarchen nicht zu stören, den Leuten das Musizieren. Als der König, dem die plötzliche Stille aufgefallen war, hörte, daß die Musikanten vom Schloßhofe verwiesen seien, meinte er: „Dummes Zeug! Die Leute haben auf ihren Verdienst gerechnet; sollen meinetwegen nicht darum kommen! Acht Groschen sind für sie eine Summe, die sie nicht entbehren können!" Nun wurden jedem, der auf dem Hofe svielen wollte, acht Groschen gegeben, die Musik selbst aber untersagt. Aber auch das wollte dem Könige nicht gefallen. „Das ist sehr unrecht!" sagte er. „Die Leute können nichts weiter als das; denken mir, in ihrem Sinne, eine Freude zu machen. Ist zwar manchmal recht schlecht, aber mau muß jeden sein Stückchen ausspielen lassen, dauiit sie nicht merken, daß es schlecht ist. Das bloße Bezahlen muß ihnen ja weh thun. Also spielen lassen! Kann's zwar nicht alle Tage hören, sollen aber jeden Eisten des Monats kommen und jeder sein Stück spielen!" So geschah es, und die Musikmacher waren damit zufrieden.

—dn—

Der alte De signer und Gleim. Der alte Dessauer schrieb viel und geiNf-aber'chek'üe' Handschrift war um so schwerer zu lesen, als er sich seiner eigenen Orthographie bediente. So schaltete er gern in jeder Silbe ein h ein und schrieb z. B. Gehnehrahl, Cohmahndoh, O'fizihr. Eines Tages hatte er an seinen Adjutanten eine Ordre gesandt. Dieser konnte sie nicht entziffern und eilte zu dem alten Brummbären, wie ihn das Volk nannte, und bat sich Erklärung aus. Leopold sah sich das Schriftstück an, aber er wußte es nicht zu deuten. Da fuhr er heraus: „Schwerenoth, ich habe ja das für ihn und nicht für mich geschrieben." Um dergleichen zu vermeiden, hielt er sich endlich einen Sekretär. Im Jahre 1740 wurde das Gleim, der dieselbe Stelle bei dem Mark¬ grafen von Schwerin ausgefüllt hatte. Als sich der Dichter ihm vor¬ stellen wollte, traf er ihn im Hemd am Ofen. Er fuhr sodann den zukünftigen Sekretär mit den Worten an:

„Ist

er der

Kerl?"

Gleim war betroffen, aber, rasch gefaßt, antwortete er: „Ja, ich bin der Kerl, Euer Durchlaucht, der selbst unter schwierigen Verhältnissen schreiben kann." Der Fürst stutzte. „Nun, was will er?" lautete seine Frage. Der neue Sekretär legte ihm seine Papiere zur Begutachtung vor, aber Leopold brüllte:

„Scher' er

sich

zum

Teufel!"

Jetzt begann Gleim auch zu lärmen: „Das ist nicht in der Ordnung, Durchlaucht! Sie können mich fortschicken, dann aber fordere ich mein Abzugsattest. Dazu bin ich be¬ rechtigt, und ich weiche nicht eher, und drohte mir der Teufel und seine

Großmutter!"

Leopold blickte den Furchtlosen erstaunt an, dann sagte er ruhig: „Er bleibt mein Sekretär. Halt' er das Maul!" Gleim entfernte sich. Als dieser am folgenden Tage seinen Dienst antrat, sagte der alte

Dessauer zu ihm:

„Gleim, geworden!"

er

gefällt mir;

ich glaube, er

wäre ein tüchtiger Corporal — dn—

Eine denkwürdige Begegnung zwischen Lützow und Napoleon

I.

fand am Abend des 16. Juni 1815 auf der blutigen Wahlstakt von

Ligny statt. Oberstlieutenant von Lützow befehligte jene Brigade, welche, mit Blücher an der Spitze, sich heldenmütig der übermächtigen franzö¬

In

Kavallerie am Abend des Schlachttages entgcgcnwarf. wenigen Augenblicken verlor dabei das 6 . Ulanenrcgimcnt sdic ehemaligen Lützower) — durch das auf nächste Entfernung abgegebene feindliche Jnfanteriefeuer — 3 Rittmeister, 8 Lieutenants, 2 Wachtmeister uno einige 70 Mann. Auch Lützow selbst wurde verwundet und fiel, minder glücklich wie Blücher, in Gefangenschaft. Südlich von Ligny wurde Lützow dem Kaiser vorgeführt, der in einem Viereck seiner Garden hielt, umgeben von Generalen und Adjutanten in reicher Uniform. Die hoch aufflackernde Glut eines brennenden Gehöftes und der klare Vollmond gossen ihr Doppellicht über diese nächtliche Scene. Napoleon, in dem bekannten Feldkostüm, blickte sehr ruhig, aber heiter. — „Oe quel grade?“ redete er den Ge¬ „Lieutenant Colonel, chef du sixieme re'giment de fangenen an. Landers et Commandant d’une brigade“ — antwortete Lützow. „Et votre nom?“ Lützow zögerte keinen Augenblick, obschon der Kaiser im Waffenstillstände von 1813 bei Kitzen seine tapfere Parteigängerschar treulos hatte überfallen und zusammenhauen lassen (17. Juni) — er nannte ihn. „Ah! C’est le baron de Lützow!“ rief einer der Generale im Ton angenehmer Ucberraschung aus. Es war der Kommandant des Kaiserlichen Hauptquartiers. „Comment?“ — fiel Napoleon ein — „c'est le fameux partisan —- n'est=ce-pas ?“ — indem er den Oberst¬ lieutenant mit scharfen Blicken musterte. — Lützow verneigte sich schweigend, und der General erläuterte dem Kaiser, daß der Oberst¬ sischen

lieutenant in diesem Feldzuge kein Freikorps, sondern eine LinienKavalleriebrigade befehlige. — Napoleon richtete darauf, wie es schien, seine Aufmerksamkeit auf das noch hörbare Fcucrgcfccht und warf dann nach einer kleinen Pause, wie beiläufig, die Frage hin: „Le vieux Blücher — est-il ä l’armee?“ und, als Lützow diese Frage bejaht halte, mit gesteigertem Interesse, ihn lebhaft fixierend: „Et le One de Welling¬ ton aussi?“ „Je Eignere“ — erwiderte Lützow kurz. Ungeachtet dieser Zurückhaltung fragte der Kaiser dennoch: „Oe quelle force etes-vous?“ „Sire — je ne connais que la force de ma brigade“ — antwortete Lützow ausweichend. Hierauf wandte sich Napoleon zu dem General und sagte in wohlwollendem Ton: „Qu’on le traite bien!“ Mit dieser Darstellung jener Begegnung, von der ein ebenfalls gefangener junger Offizier der 6 . Ulanen, ein Lieutenant Julius, an der Seite Lützows Zeuge war, stimmt nun allerd'ngs nicht die Ueber¬ lieferung, daß Napoleon, als er Lützow auf dem Kirchhofe von Ligny unter den Gefangenen erblickt, triumphierend ausgerufen habe: „Ah! voici le chef des brigands!“ Letztere Erzählung ist sicherlich Legende — schon die ungewisse Be¬ leuchtung spricht gegen solche Erkennungsscene, und es ist denn doch auch mehr als fraglich, ob Napoleon wirklich Lützows Aeußne so in der Er¬ innerung gehabt hat. Wohl aber läßt sich das scheinbare Wohlwollen des Kaisers aus einem andern Grunde erklären. Er hoffte nämlich, durch Lützow eine Verbindung mit Blücher anknüpfen zu können. Der Kommandant des Kaiserlichen Hauptquartiers drang zu Fleurus sehr lebhaft in den Oberst¬ lieutenant, für eine bequemere Reise nach Paris seinen Wagen mit Hülfe eines Parlamentärs an die preußischen Vorposten kommen zu lassen. Lützow lehnte dies entschieden ab: — er habe keinen Wagen und brauche keinen; auch würde schwel lich ein französischer Parlamentär von den Vorposten angenommen werden. Der General erwiderte gereizt: „Aber warum dieser ganz unbegreifliche Eigensinn Ihres alten Feldmarschalls? Der Kaiser ist sehr bereit, dieHand zu einer Unterhandlung zu bieten " Lützow, der in seiner schwierigen Lage in vollendetster Form durch Würde und Takt den Herren Franzosen ein vortreffliches Beispiel gegeben, wurde einige Tage später, nach dem Zusammenbruch bei Belle-Alliance, wieder befreit. Erspart blieb ihm aber nicht, daß Napoleon am 17. Juni durch seinen Geneialstabschef Soult dem Marschall Ney berichten ließ: „Der berühmte Partisan Lützow, der gefangen genommen worden ist, hat ausgesagt, daß die preußische Armee zu Grunde gerichtet sei, und daß Blücher zum zweiten Male die Monarchie ins Verderben ge¬

führt habe." Sollte man's glauben?!

E. B.

Aufgcflmdcnc gußeiserne Ofeiiplattc. Beim Abbruche der alten Baulichkeiten des in der Kleinen Poststraße befindlichen Hintergebäudes auf dem der Postverwaltung gehörigen Grundstück Heiligegeiststraße No. 38 u. 34, wo ein neues Gebäude im Anschluß an das Hofpostamt

ist (der „Voss. Ztg." zufolge) eine größere gu߬ eiserne Platte mit dem braunschweigischen Wappen aufgefunden worden, die in der Wand des Quergebäudcs eingemauert war. Die Platte war verhältnismäßig noch in gutem Zustande, etwa 88 cm hoch, 58 cm breit,

errichtet werden soll,

mit Rosetten und einem Engelskopfe verziert. Die Inschrift lautet: „Von Cottes Gnaden Rudolph Augustus und Anthon Ulrich Gebrüdere Hertzoge zu Braunschweig und Lüneburg,“ Diese beiden Brüder re¬ gierten in den Jahren 1671 bis 1704, aus dieser Zeit muß auch die Tafel herrühren. Sie gehört zu den sogenannten Ofenplatten, die zur Einrichtung von Herden in Berlin zuerst von dem Alchymisten Thurneisser im Grauen Kloster um das Jahr 1580 angefertigt, dann aber

hier zum großen Teile aus der Gegend am Harz eingeführt wurden, wo herzogliche Gießereien sich mit der Herstellung von Ofenplatten be¬ sonders beschäftigten. Im märkischen Museum befindet sich eine nidjt geringe Anzahl in Berlin gefundener Platten, die nach ihren Darstel¬ lungen aus Gießereien der Harzgegend herrühren sollen und meist braun¬ schweigische, hannoversche oder Stolberger Devisen und Wappen zeigen. Das deutsche Kolonialmusemn im Mariiicpaiiorama am Lehrter Bahnhof gewinnt mehr und mehr an Gestaltung. Die von dem Komitee versandten Prospekte zur Zeichnung haben in den Kreisen der zahlreichen Kolonialsreunde einen sehr guten Anklang gefunden, und die Aktien sind fast alle vergeben, was wohl auch darin seinen Grund hat, daß dem Ehrenkomitec Männer von Rang und Ruf angehören, deren Namen schon für das erwünscht Gelingen des für ganz Deutschland ungemein wichtigen Unternehmens bürgen. Kürzlich fand eine Sitzung zur Be¬ ratung aller Einzelheiten des Baues statt. Herr Maler Hellgrewe legte die fertigen Skizzen für die verschiedenen Dioranien vor, die allgemeinen Beifall fanden. Außer dem großen Mittelsaal werden sich auch die beiden vorderen Nebcnräume, der Ehren- und der sogenannte Äolonialsarl, in kostbarer Ausstattung präsentieren.

Das kostbarste Buch in der königlichen die sogenannte „Teufelsbibel" (Gigas librorum). Diesen Namen hat die Handschrift von einem häßlichen Bilde erhalten, das den Teufel mit doppelter Zunge und langen Klauen an den Händen und Füßen darstellt. Das Buck hat ungewöhnlichen Umfang; die 309 (ursprünglich 318) Seiten, jede von zwei Kolumnen, sind 0,9 m hoch und 0,5 m breit. Das Material besteht aus dick-m, schön gearbeitetem Pergament, zu dem gegen 160 ganze Eselsfelle erDie. sog. Teufelsbibcl. "ist

BiblioiE°'zu ^IMhöM

Die Deckel bestehen aus 4,5 cm dicken, mit starken Beschlägen versehenen Eichenbrettern. Das Gewicht des Buches ist sehr beträchtlich. Bei dem großen Schloßbrande in Stockholm im Jahre 1697 mußte die Bibel aus dem Fenster geworfen werden, um sie zu retten; hierbei wurden die Deckel sehr beschädigt, deren Ausbesserung erst im Jahre 1819 vorgenommen wurde. An den alten Beschlägen kann man noch erkennen, daß das Buch früher angekettet gewesen ist. Dieses merkwürdige Buch nebst einer Menge anderer, kaum weniger seltener und kostbarer Handschriften, u. a. die in der Bibliothek zu Upsala aufbewahrte Ulfilas-Bibel, tvurden im Jahre 1648 bei der Erstürmung Prags durch die Schweden unter Königsmarck „erobert" und der Königin Christine verehrt. Die Teufelsbibcl ist in der erwähnten Bibliothek in einem besonderen Schranke gleich einem kostbaren Schatz untergebracht. forderlich waren.

Samml.-B.

Berliner Bär. Ein wirklich großstädtisches Unternehmen hat in Centrale Berlins, an der Ecke Leipziger- u. Friedrichstrabe, im

der

Equitable-Palast seine Pforten geöffnet. „Der Berliner Bär", so nennt sich das Unternehmen, hat aus der Hauptfiliale des Berliner Blattes „Das Kleine Journal" ein Ccntral-Bureau für Jndustrie, Gewerbe, Sport und Verlagsunternehmungen eingerichtet. So sind Säle zu einer Permanenten Industrie-, Gewerbe- und Sport-Ausstellung hergerichtet, in welcher jede-, Kunde kostenlos seine Erzeugnisse ausstellen kann. Eine große Annoncen-Agentur übernimmt Inserate für alle Zeitungen der Welt zu Originalpreisen (dieselbe nimmt auch für unser Blatt Inserate entgegen), und in der Centrale für alle Sportzweige erhalten Sportfreunde und Interessenten jedwede Auskunft. Ein Jnformationsbureau giebt Aufklärung über alle Bäder, Ausstellungen rc. Auch mit Verlagsunternchmungen beschäftigt sich dieses Wcltburcau; eine illustierte Wochenschrift, „Deutschlands Sport", sowie das Prachtwcrk „Die Höfe Eurovas", dessen erster Band „das Leben Kaiser Wilhelm II." in Wort und Bild wiedergiebt, sind die Publikationen, welche in allernächster

Zeit

erscheinen werden.

Das auf Veranlassung des Vereins der Rheinländer zu Berlin von den vereinigten deutschen Landsmannschaften Berlins am 26. August im Zoologischen Garten veranstaltete Wohllhätigkeitsfest zum Besten der Uebcrschwciiimten hat einen Reinertrag von 19 859 Mark 22 Pf. ergeben, und ist diese Summe an das Central.Komitö z. H. des Herrn Bürgermeisters Kirschner gegeben worden. — D,r Verein der Rheinländer zu Bcrlii', dessen Domizil sich Lcipzigrrslraßc 33, Weinrestaurant Waßmaun, befindet, sieht, getreu seinem heimatlichen Wohlspiuch „Allen wohl und Niemand weh", in der Bethätigung humaner Zwecke das schönste Ziel landsmannschaftlichcr Bestrebungen. Er feiert am 9. Oktober d. sein 3. Stiftungsfest mit Vorträgen, Festspiel, Winzerfest und Tanz im Neuen König!. Opcrnhause iKroll«, und wird mit Genehmigung des König!. Polizei-Präsiidums der Reinertrag dieser Veranstaltung dem Präsidial-Unterstützungsfond für bedürftige Berliner Feuerwehruiannfchaftcn bczw. deren Witwen und Waisen überwiesen. Gegenüber dem reichhaltigen Pogramm und in Anbetracht des humanen Zweckes ist eine recht starke Beteiligung auch an dieser Veranstaltung zu wünschen. —

I.

Thüringischen Industrie- und Gewerbe-Ausstellung in Leipzig (Original¬ zeichnung von O. Gerlach) dar. Eine prächtige Zugabe dazu ist das ganzseitige Bild des Spezialzeichners der Illustrierten Zeitung, Herrn Limmer: „Tvpen" von der genannten Ausstellung, eine Komposition die Hochgebirgswelt von 16 der interessantesten Typen derselben. führen uns die beiden Bilder: „Auf dem Gipfel des Zuckerhütls" (Stu¬ baier Alpen) und das am 19. September eröffnete „Unterkunftshaus der Sekiton München des deutschen und österreichischen Alpenvereins auf der Zugspitze" ^Bayrische Alpen). Der berühmte Maler eigenartiger seelischer Stimmungen, Gabriel Max, ist durch Wiedergabe seines er¬ greifenden Bildes: „Büßende Magdalena" vertreten. Von unserer Kriegs¬ marine wird der am 25. September zu Kiel vom Stapel gelassene erste deutsche Panzerkreuzer „Ersatz Leipzig" in voller Ausrüstung vorgeführt. Zum 100jährigen Geburtstag Donizettis finden wir dessen Porträt nebst Text von Bernhard Vogel. Zwei Nekrologe nebst Porträts der Ver¬ storbenen: Jakob Burckhardt eff am 8 . August) und Hermann Welcker (-ff am 12. September) schließen sich an. Zum 25jährigen Jubiläum des Deutsche» Vereins für das höhere Mädchenschulwesen bringt die beregte Nummer von Ludwig Salomon einen orientierenden Text, dem das Bildnis Gotihold Krehenbergs, Direktors der städiischen höheren Mädchen¬ schule zu Iserlohn, des Begründers des Vereins, beigegebcn ist.

In

Inhalt:

Georg Werdau.

Eine Geschichte aus dem „tollen" R. — Eine Hohenzollern-Hochzeit vor 300 Jahren. — Die Hohenzollern und das deutsche Vaterland. — Kloster Kagel. Von Emil Böhm. (Fortsetzung.) — Kleine Mitteilungen: Friedrich Wilhelm III und die Orgelspieler. Der alte Dcssauer und Gleim. Eine denkwürdige Begegnung zwischen Lützow und Napoleon I. Aufgefundene gußeiserne Ofenplatte. Das deutsche Kolonialmuscum im Marinepanorama am Lehrter Bahnhof. Die sog. Teufelsbibel. — Büchertisch.

Jahre 1884.

Nach dem Leben erzählt von C.

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Kirchcrttsch. Die Nummer 2830 der Illustrierten Zeitung in Leipzig enthält zunächst über die Reise des deutschen Kaisers nach Ungarn und vom Hamburger Parade- und Manövcrseld eine große Anzahl Parade- und Manöveibildcr, teils nach Momcntphotographien und anderen photo¬ graphischen Aufnahmen, teils nach Skizzen und Original-Zeichnungen. Cin großes doppelseitiges Bild stellt c.nen Elitetag auf der Sächsisch-

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Verantwortlicher Redakteur und Verleger: Fr. Zitlessen in Berlin dl. 58., Schönhauser Allee 141. Druck der Buchdruckerei Gutenberg, Berlin dl., Schönhauser Alle« 141a. — Abdruck ohne eingeholte Erlaubnis ist untersagt.

der

Mark Brandenburg

und der angrenzenden Gebiete.

Unter Mitwirkung von Professor vr. Droctzc-r.-, Dr.

vr. Ernst G. Darderf, Dr. A. Küringnier, H. Drendicke. Ti,eodc>r Fontane, Stabtrat G. Friedet, Richard George, Ferd. Mener, vr. Wg. Schmidt, Gyninafialbirektor a. D. vr. WI. Schwccvh imb

G. v.

Mitdendrrnii

herausgegeben von

Friedrich ZMessrn. XXIII. Zahrgang.

A° 41,

| Der „Bär" erscheint wöchentlich am Sonnabenb unb ist burcd jebe poftanftalt 8,Schönh. Allee 141 — nimmt Bestellungen entgegen. Jnseraten-Aufträge sind an die letztere zu richten. Die viergesp. Petitzeile kostet 40 Pf.

16. Gktober 189?.

Wrovg Wkvöau. Line Geschichte suF dem „rollen" Jahre Nach dem Leben

erzählt von

1848.

E. W.

(Schluß.)

Jitti

nächsten Frühjahr wurde einiges Vieh angeschafft: Hühner, ein paar Ziegen, Schweine und Schafe; die Cp Nachbarn halfen mit Futter aus, — das war der Entgelt für die tierärztliche Hilfe, die ihnen Georg bot. Auch wurden Obst, bäume gepflanzt und das urbar gemachte Land bestellt. Welch ein Ton war es, als zum erstenmal in dieser weltverlorenen

mehr auf Wache; die häßlichen schwarzen Blusen hingen in der Pollerkammer und wurden gelegentlich an arme Leute ver¬ schenkt. Der Soldat stand wieder an den Thoren, und es

Einsamkeit ein Hahn krähte, ein Huhn gackerte!

die Gänse

Mit der wachsenden Habe stellte sich indes auch mancher Verdruß und Aerger ein. Hier machte ein eigenmächtiger Nachbar ein tüchtiges Stück Land von Georgs Besitz auf eigene Faust urbar und pflügte es ihm ab; dort verschwanden Vieh und Früchte, und der durch harte Arbeit errungene Erfolg wurde erheblich geschmälert. Keine gesetzliche Hilfe gab es dagegen. Mit dem Revolver schützte man sich und sein Eigen¬ tum, was aber, da man selbst den befreundeten Nachbarn nicht recht trauen konnte, immerhin gefährlich war. Und das war im Lande der „Freiheit", wie man Amerika doch immer nannte! Georg lernte erkennen, daß die eiserne Faust des

mung

Gesetzes nicht

halb

so

schmerzt,

wie

der

kleine Finger

der

Willkür. — Briefe gingen herüber und hinüber über den weiten Ozean. Diese Briefe waren für beide Teile ein großer Trost, wenn sie auch nicht immer frohe Botschaft brachten. Dem Tierarzt war die Leitung der „Revolution" aus den Händen geglitten, er hatte gerade genug davon. Ueberhaupt gingen die Wogen der Bewegung immer mehr zurück. Die Honoratioren von Neustadt exerzierten längst nicht mehr und zogen auch nicht

gab keine lustigen Gelage mehr in der Wachlstube, auch holte

der Sanitätsrat Wiebold kein Oel mehr vom Krämer. Draußen auf dem Anger, von dem man sie verdrängt, weideten wieder

mit großer Befriedigung und reiften ihrer Bestim¬ als Martinsgänse oder Weihnachtsbraten entgegen. Mein Vater halte treu und unentwegt, ohne sich auch nur eine Stunde beeirren zu lassen, in seinem Berufe gearbeitet; er hatte und behielt Recht.

Der Tierarzt konnte den Verlust seines Sohnes nicht verschmerzen; er alterte früh unter dem Herzeleid und den bittern Vorwürfen, die er sich machte, den Unerfahrenen in Wie weit ist doch der Weg, sein Unglück gestürzt zu haben. auf dem der Mensch seine Erfahrungen sammelt, und wie spät reifen die Früchte dieser Erfahrungen! — Gertrud bereitete sich zur Reise nach Amerika vor; es war ihr fester Entschluß, Georg in die Fremde zu folgen. Er hatte ihr alles getreulich geschrieben, was sie fände und nicht fände, aber das treue Mädchen besann sich nicht einen Augenblick, sie wußte ganz genau, was sie zu thun hatte. Allen Einwürfen, welche die Eltern, Verwandte und Freunde

mit dem einen Worte: „Nun hat er mich erst recht nötig." Alles Oberflächliche. Nichtige, was eine weichliche, gedankenlose Leitung in ihr gezeitigt, fiel unter dem Drucke des Unglücks von ihr ab; sie richtete sich auf an machten, begegnete sie

/

ihrer Liebe, und die Liebe vertiefte, veredelte ihr Herz und Gemüt; es ist ein wunderbares Ding um die Liebe. — Gertruds Abschied von der Heimat, dem Vaterlande, war noch viel schwerer als der Georgs, weil er sich langsam vor¬ bereitete und nicht jählings kam. wie jener. Mit blutendem Herzen rang sie sich los von der heimatlichen Erde, aber alles ertrug sie tapfer. Die Freundinnen stickten und nähten für den Haus. halt der scheidenden Gertrud im einsamen Blockhause, drüben im fernen Amerika; ihre und Georgs Eltern wetteiferten mit¬ einander,

gut und nützlich auszustatten. Und dann kam dem das arme Mädchen, vom Vater und Schwiegervater bis Bremerhaven geleitet, unter tausend Thränen den Ihrigen Lebewohl sagte und die deutsche Küste vor ihren nassen Blicken verschwinden sah. wie einst Georg. der

Tag,

sie

an

„Dein bestes Glück, o Menschenkind, Berede Dich mit Nichten, Daß es erfüllte Wünsche find, Es find erfüllte Pflichten."

Gertruds Reise war kürzer, als die Georgs, sie reiste mit einem Dampfer. Es war aber auch eine recht traurige Reise; das arme Kind fühlte sich so verlassen, und der An¬ blick von Himmel und Wasser in ihrer endlosen Weite und

ihr Herz. Dazu quälte sie die Seekrankheit, in deren Gefolge stets größte Mutlosigkeit ist. Im Hafen von Newyork fand sie endlich ihren Georg wieder. War das Oede bedrückte

Immer hatten sich die beiden lieb gehabt, aber in dieser Stunde fühlten sie, wie nie zuvor, welches Kleinod unentwegt treue Liebe ist! In einem kleinen deutschen Wirtshause war Georg ein¬ ein Wiedersehen!

gekehrt.

Nach einigen Stunden

der

Ruhe

legte

die

junge

Braut ihr weißes Brautgewand und den Myrtenkranz an.. Sie fuhren zur Kirche, und der Segen des Geistlichen weihte ihren Bund für das Leben. Und als sie dann bei ihrem einfachen hochzeitlichen Mahle saßen, klangen wohl zur selben Zeit die Gläser in Neustadt, und Freunde und Verwandte tranken auf ihr Wohl. Aber hüben und drüben war der Gedanke nicht zu bannen: „Wie so ganz anders könnte es sein!"

„Ja, wie so ganz anders könnte es sein", dachte auch Gertrud, als Georg sie in die neue Heimat geführt. Aber wieder hielt sich ihr treues Herz tapfer. Und als sie sah, mit welchem Entzücken Georg die hübschen Sachen, welche sie mitgebracht, und die zum Schmucke des Hauses und zur Be¬ quemlichkeit dienen sollten, auspackte, wie er so manchen kleinen Gegenstand, dessen er zu Hause kaum geachtet, den er nun aber lange schwer entbehrt hatte, willkommen hieß, fühlte sie

tief. wie der Arme gelitten und entbehrt, und wie er es doch noch tausendmal schwerer gehabt hatte als sie. Gertrud richtete die Häuslichkeit behaglich ein. sie sorgte für alles und dachte an alles; fester Wille. Beharrlichkeit. Fleiß und Arbeit können viel schaffen. Zu allem fand sie Geschick und Lust. sie machte die Kleider, stickte, stopfte, hielt die Räume schmuck und sauber und kochte herrliche, kräftige deutsche Kost. Wenn sie an Neustadt dachte und daran, mit welchen Nichtigkeiten sie dort ihre Tage verbracht, so wollte ihr das schier unglaublich erscheinen. Das häusliche Glück ist eben das höchste irdische Glück und entschädigt uns für vieles andere. Unsere beiden hatten es unter Sturm und Not ge¬ funden. Lächelnd ließen sich Glück und Frieden auf der Schwelle des kleinen Hauses nieder.

„Die Liebe ist die Flagge, Das Schifflein ist die Eh', Das Schicksal ist die Welle. Das Leben ist die See. Vertrau'n auf Gott ist Kompaß. Der immer uns bewahrt, Er geb' auch diesem Schifflein, Glücksel'ge, frohe Fahrt!" Jahre vergingen unter Mühe und Arbeit, in Liebe und Treue; der Wohlstand wuchs allmählich; aber die Heimat, Deutschland, war nicht zu vergessen. Gesunde Kinder wurden den Eltern geboren; sie wuchsen auf, reich ausgestattet an Leib und Seele; aber die Großeltern konnten sich nicht an ihnen freuen. Wehmütig war die Klage der alten Leute um dieses verlorene, eigentlich nie besessene Glück. Sorglich wachten die Eltern darüber, daß die Kleinen deutsch redeten, deutsche Kinder blieben. Der deutschen Schule wurde sehnsüchtig ge¬ dacht; zu Hause, in Deutschland, verstand sich die von selbst, und Georg erinnerte sich jetzt daran, wie viel sein Vater den Lehrer geplagt, wie ihm das und das nicht recht gewesen, wie er durch ihn. den Knaben, wohl gar herausfordernde Bestellungen an den Lehrer ausrichten ließ und ihm dadurch sein Leben noch schwerer machte, als es schon war. Hier war die nächste Schule viele Stunden weit ent¬ fernt, und dann war es keine deutsche, sondern eine amerika¬ nische Schule.

Allabendlich

setzte sich Georg, müde von der Tagesarbeit, und lehrte sie, was er sie zu lehren ver¬ mochte; spät, aber verständnisinnig kam ihm nun auch der Dank für seine Lehrer in der Heimat. Wie vieles halte sich in Deutschland ganz von selbst verstanden, was hier schmerz¬ lich entbehrt wurde!

zu den Kindern

Auch traurige Nachrichten kamen über das Meer; der Tierarzt starb vor der Zeit. mißmutig und vergrämt; seine Frau überlebte ihn nicht lange. Gertruds Mutter folgte beiden bald nach, das Schicksal ihrer schönen Gertrud, welches sie sich ganz anders gedacht, war auch ihr ein Nagel zum Sarge. Die Heimat der beiden verödete mehr und mehr; der schöne Hof, der des Tierarztes Stolz und Freude war und Jahrhunderte lang im Besitze einer Familie gewesen, wurde verkauft, und nicht einmal günstig, denn fremde Menschen besorgten das Geschäft für den fernen Georg. — Ein einziger Wunsch lebte in Georgs und Gertruds Herzen, in all den langen Jahren lebte er mit unverminderter Stärke fort und wurde zuletzt immer stärker — die alte Heimat, Deutschland, noch einmal wiederzusehen. Sie hatten sich in ihr Geschick gefunden, einer suchte es dem andern in Liebe zu erleichtern, aber wie viel ihnen fehlte, wußte jedes. Nach Jahren wurde Amnestie erlaffen für politische Ver¬ Nun konnte brechen. die im Jahre 1848 begangen waren.

man dem heißen Herzenswünsche näher treten. Es wurde überlegt, es wurden schließlich feste Reisepläne gemacht.

*

*

*

„Selbst der Jugend Jrrgänge leitm

Zu Höhen empor, Wenn nur rastlos hinauf Fast

ein

zu schreiten,

Der Wanderer nicht den Mut verlor." Lingg. Vierteljahrhundert nach seiner unglücklichen

Flucht im Jahre 1848 schiffte

sich

Georg mit seiner Frau im

495 Hafen von Newyork auf einem der stattlichen Lloyddampfer ein, welche den regelmäßigen Verkehr zwischen Amerika und Europa vermitteln. Haus und Hof im fernen Westen waren unter treuer und verständiger Hut des ältesten Sohnes ge¬ ganz anders war diese Fahrt, als jene in An der Seite der besten, treuesten fuhr Georg über das weite Meer, noch einmal die

blieben.

Wie

so

den Tagen des Unglücks!

Frau

Heimat zu grüßen. sie in Bremerhaven gelandet waren, reiste das Paar unverzüglich weiter, Neustadt zu. Ist es wiederzugeben mit Worten, was fie empfanden, als die Kirchtürme der alten, nie vergessenen Heimat auftauchten? Dort oben, wo der blühende Schlehdorn den Hag umsäumte, dort halten fie als Kinder stets die frühesten Haselnüffe gesucht und gefunden; dort war der Weiher, in welchem Georg als Knabe, voll Stolz, die Pferde zur Schwemme reiten durfte; und dort war auch die große, mit Veilchen übersäete Wiese, ganz wie ehedem, ans der die Kirchweih gefeiert wurde, und auf der sie einst sich ihre Liebe gestanden, sich Treue für immer und ewig gelobt deutsche

Als

hatten.

Nun betraten fie den heiligen Boden! Nun standen sie vor der elterlichen Schwelle, auf der Georg einst Vater und Mutter für immer Lebewohl gesagt, und er wußte, ohne daß es ihm jemand gesagt, wie oft seine Mutter hier gestanden und des traurigen Abschieds und seiner gedacht hatte! Fremde Kinder spielten vor der Thür des Hauses, sie schauten be¬ troffen auf zu dem fremden, ernsten Manne, der einst, wie fie, hier gespielt, und nun seinen Thränen nicht wehren konnte. Wenn wir fern gewesen find und wieder heim kommen, so merken wir. daß die Zeit nicht stille gestanden hat; es ist eine andere Welt daheim, und wir find der Heimat fremd

geworden.Es gab noch einige alte Freunde in Neustadt, die den Wiedergekehrten von den Eltern zu erzählen wußlen. Georgs Vater hatte nicht von dem Sohne sprechen können, sein Name

durfte vor ihm nicht genannt werden; er hatte seinen Gram in sich hineingeschluckt und war von Jahr zu Jahr einsamer und ungeselliger geworden. Kleinliche Naturen werden in dem Gefühl, daß fie unrecht haben, eigensinnig und verstockr. Aber seine Mutter — kein Tag sei vergangen, an dem fie nicht von ihrem Georg gesprochen, um ihn geklagt und auf ein Wiedersehen mit ihm gehofft hatte; fie hatte nimmer von der

worden in den langen Jahren, in denen er ferne gewesen? Es war kurz nach dem siegreichen Feldzuge gegen Frankreich. Alldeutschlaiid hatte sich zusammengefunden in Einigkeit und Treue und den Erbfeind geschlagen. Deutschland war groß und mächtig geworden, und mit Stolz sah Georg auf sein Vaterland. Nicht in innerem Hader und Streit, wie 1848, konnte so Großes erreicht werden. Der Mann erkannte die Fehler, für die der Jüngling geopfert war. — Aber nicht allein der kriegerische Ruhm war es, der das deutsche

Volk mit Stolz und Zuversicht erfüllte, nicht allein

die Einigung Alldeutschlands; es war auch das Bewußtsein der

Aufrichtung einer kräftigen Macht, die entschlossen und imstanve ist. den Frieden von Europa zu bewahren. Als das deutsche Reich neu erstanden war, nach den glänzenden krie¬ gerischen Erfolgen von 1870, richtete der deutsche Kaiser Wilhelm sein Bestreben nur auf die Erhaltung des Friedens, nicht auf eine Erweiterung deutscher Macht. Eine wirklich große, ihrer Kraft sich bewußte und innerlich gefestigte Macht reizt eben keinen Großen, kränkr oder vergewaltigt keinen Kleinen, gewährt und schützt allen ihr Recht; ihre große Auf¬ gabe ist, der Welt den Frieden zu erhalten. Eine edle, allen kleinlichen Empfindungen abholde Be¬ wegung ging danials durch ganz Deutschland. Deutschland war zu allen Zeiten die erste Fciedensmacht gewesen und sollte Europa sollte deutscher Macht und es jetzt wieder sein. deutscher Treue den Frieden danken, Deutschland war stark und mächtig genug, ihn auf unabsehbare Zeit zu erhalten. Zugleich lebte die Erinnerung in allen, hoch und niedrig, an die frevelhaften, in nichts begründeten Angriffe, die Deutsch¬ land im Laufe der Jahrhunderte so oft von Frankreich zu erleiden hatte. Der Deutschen Uneinigkeit, Hader und Zank war dabei immer Wasser auf die Mühle des Erbfeindes ge¬ wesen; so waren Elsaß und Lothringen einst verloren gegangen. Die Väter wußten noch zu erzählen, wie die napoleonischen Heere im Anfange dieses Jahrhunderts die deuischen Lande überflutet, das deutsche Volk geknechtet und mißhandelt hatten. Napoleon I. pflegte, wenn ihm jemand im Wege war, zu dekretieren: „Der N. N. soll vor ein Kriegsgericht gestellt, abgeurteilt und erschossen werden."

Wie viel

besser

war

es jetzt, da Deutschland

in Einigkeit

mächtig und stark dastand! Auch der Geringste war stolz auf sein Vaterland. Jeder, auch der Arbeiter, wußte, daß er an

Hoffnung lassen können. Und als es mit ihr zu Ende ging. als Jahr um Jahr vergangen, er immer und immer nicht gekommen war, da hatte sie mit gefalteten Händen gesagt: „So hab' ich ihn denn verloren für diese Erde, aber droben beim Herrgott find' ich ihn wieder!" Und mit Georgs Namen auf den Llppen war sie hinübergegangen. Ein Jahr nach ihrem Tode war dann die Amnestie erlassen worden.

der Wiederaufrichlung des deutschen Reiches mitgeholfen, daß er an den Fortschritten, die auf allen Gebieten, auch auf den wirtschaftlichen, seitdem hervorgetreten waren, seinen Anteil

Sie gingen nach dem Friedhofe, zu den Gräbern der Eltern. Dicht neben der Kirche, unter dem blühenden Hollunder¬ baum, ruhten fie. und der Baum neigte tief die mit Blüten überschneiten Zweige über fie. Wie stark war das schmerz zerrissene Multerherz im Glauben und Hoffen gewesen! Nun war fie vom Glauben zum Schauen gekommen und frei von allem irdischen Leid, aller irdischen Trübsal. —

Schulter an Schulter gekämpft, ihr Blut gemeinsam vergossen für des Vaterlandes Schutz, für des Vaterlandes Größe. Das Bewußtsein, daß fie Kameraden seien, hatten fie mit sich genommen in die Friedenszeit, und es überwog die Berufs¬ und Klassengegensätze. Wie anders ist es seitdem wieder geworden! Wie hat Unzufriedenheit und Undankbarkeit wieder weite Massen ergriffen! Wie find die Klassengegensätze wieder hervorgebrochen und durch wüste Agicallon zu einer noch nie dagewesenen Schärfe gebracht worden! Wie ist Hader und Zank, wenn auch in anderer Gestalt, aufs neue eingekehrt in

Ach. daß der Mensch doch hier soviel vergehen sieht, ehe er selbst vergeht! —

Und was

war

aus Deutschland,

dem Vaterland,

ge¬

hatte. Felde,

Die Erinnerung an die gemeinsame Thätigkeit im

an die gemeinsam bestandenen Gefahren und Ent¬ behrungen, an die gemeinsame Besiegung des Erbfeindes lebte in allen. Vornehm und gering, arm und reich — sie hatten

496 deutschen Landen! Und mit welcher Jmpietät, ja Frechheit lehnt man sich vielfach wieder auf gegen diejenigen, die nach Gottes Ordnung die Leitung des Staatswesens in Händen haben! Nun, wir wollen, trotz allem und allem, an der Seele und an der Zukunft unseres Volkes nicht irre werden. Die Jugend lag hinter ihm, Georg war ein ernster Mann geworden. Was er verloren, war unwiederbringlich dahin, und er fand sich darin. Er mußte zurückkehren dahin, wo nun seine Heimat war; aber Deutscher wollte er erst recht in der Fremde bleiben, deutsche Sitte, deutsche Zucht, deutsche Ehre hochhalten, für sie leben, und wenn es not that, sterben — das gelobte er sich. Und seine Kinder sollten Gleiches thun! Wenn seine Arbeit gethan, seine Stunde gekommen war, sollten sie fortfahren, wo er aufgehört: so wollte er die Schuld seiner Jugend sühnen. — Ruhe und Frieden kamen in sein Herz. Zum zweiten Male zog er über das Meer: ein schönes, reiches, großes Arbeitsfeld lag vor ihm.

„So

wende nach außen, so wende nach innen die Kräfte Jeder, dann ist es ein Fest, Deutscher mit Deutschen zu sein."

Eine Stahlroß-Tour in -er Mark. Von G. Ehreckc.

I. „Pfingsten, das liebliche Fest war gekommen; es grünten ' und blühten Feld und Wald; auf Hügeln und Höh'n, in Büschen und Hecken Uebten ein fröhliches Lied die neuermunterten Vögel; Jede Wiese sproßte von Blumen in duftenden Gründen, Festlich heiler glänzte der Himmel und farbig die Erde." So besingt der Altmeister Goethe die Pfingstherrlichkeit der Natur. Ein Blick zum Thor hinaus genügt, anzulocken, weit hinaus zu locken, auch über die nächste Umgebung hinweg. Und wie leichl ist's, heutzutage zu reifen! „Das Stahlroß blinkt, die Glocke Hingt , fort saust der flinke Reiter; er grüßt die Au', des Himmels Blau und fingt sein Liedchen heiter." Als ich mich vor drei Jahren aufs Stahlroß setzte, zählte ich bereits zu den Alten; ich hatte 55 Jahre auf dem Nacken. „Alter schützt vor Thorheit nicht," sagten kopfschüttelnd meine Kollegen, und Gevatter Schulz im Nachbardorfe stand spöttelnd an der Dorsstraße. wenn ich hoch zu Roß vorbeikam. und rief: „Je öller, je döller." Jetzt schweigen die Spötter, da auch manch anderer Graubart auf beflügeltem Stahlroß

dahin jagt.

„O Jüngling, der Zu

den Wafferkothurn

beseelen weiß und flüchtiger tanzt,

Laß der Stadt ihren Kamin! Komm' mit mir. Wo des Kristalls Eb'ne dir wink:!"

Mit diesen Worten ruft Klopstock den Schlittschuhläufer auf die Eisbahn. Was ist aber der Eislauf in kalter Winters¬ zeit über eintönige Flächen gegen eine Radfahrt im holden Lenz. wenn die Naiur im Brautschmucke prangt! — Doch nun zur Fahrt! Gute Freunde aus Berlin langten am zweiten Pfingsttage schon in aller Frühe in Bernau an. Ich mußte eine Stunde daran setzen, den lieben Genossen die historischen

Merkwürdigkeiten des Husfitenstadtchens zu zeigen: die gut¬ erhaltene Stadtmauer, von welcher im Jahre 1432 die wackeren Bernauerinnen den heißen Brei auf die anstürmenden Husfiten sollen gegossen haben, das Königsthor

mit den wild

blickenden

Husfitenköpfen, die mit erbeuteten Husfitenwaffen gefüllte Rüst¬ kammer u. s. w. Durchs Mühlenthor verließen wir auf unsern flinken, fein geputzten und mit kleinen Pfingstmaien geschmückten

Stahlrossen das Städtchen.

Wogende Kornfelder begrüßten

uns. fröhliche Festausflügler, darunter viele Radlergenossen, riefen uns ein wohlgemeintes „All Heil" zu. Nach zehn

Minuten nahm uns der kienduflende Kiefernwald auf, und eine halbe Stunde später waren wir im prächtigsten Buchen¬ wald. Wir bogen in einen gutgebahnlen Waldweg ein und fuhren langsam durch die hohen Buchenhallen, um an den seitwärts von der Chaussee gelegenen Liepnitzsee zu gelangen. „Golden floß ins Laub der Tag; Vöglein sangen Gottes Ehre, fast, als ob's der ganze Hag wüßte, daß es Festtag wäre."

Da blitzte die helle Seefläche durchs Grün. O du schöner, blauer See! „Er liegt so still im Morgenlicht, so friedlich wie ein fromm Gewissen. Wenn Weste seinen Spiegel küssen, des Ufers Blume fühlt es nicht." Wir lagerten uns unter den hohen Buchenkronen am westlichen Ufer und ließen uns den von einer holden Maid aus dem Forsthause dargereichten Gerstensaft munden. Dabei schweifte unser Blick hinüber nach der einsamen Insel mitten im See, wo eine Kuhherde weidete und das harmonische Ge¬ läut ihrer Glocken ertönen ließ. Das südliche Seeufer ist mit Laubholz dicht umsäumt, das nördliche zeigt hohe Kiefern,

untermischt mit jungen Schonungen. Der See plätscherte leise, im Röhricht lispelte es geheimnisvoll, über unsern Häuptern

flüsterten die Baumkronen. Ich erzählte den Genossen von dem alten Dorfe Liepnttz, das einst hier gestanden, und dessen im See versunkene Glocken in stiller Mitternachtsstunde aus der Tiefe heraufklingen sollen.

„Wohlauf. Kameraden, aufs Pferd, aufs Pferd!" rief unser Fahrwart, und im Nu saßen wir im Sattel. Bald war die Berlin-Prenzlauer Chaussee erreicht, auf der wir uns nach Norden wandten. Da glitzerte uns der Wandlitzer See. umrahmt von wallenden Fruchtfeldern, ins Auge, und der ein¬ same Seekmg lud uns zu einer kurzen Rast ein. Aus dem

Munde des gesprächigen Wirts, der es als seine Aufgabe be¬ trachtete. seine Gäste zu unterhalten, hörten wir folgende Sage: An den Ufern des Sees stand in alten Zeiten ein Kloster, dessen Trümmer noch bis vor wenigen Jahren vorhanden waren. Unter den Mönchen war ein Italiener, der die kost¬ baren Genüsse, die ihm sein Heimatland geboten, nicht ver¬ gessen konnte. Besonders groß war sein Verlangen nach einem Gericht Moränen. Zur Mitternachtsstunde stand er wieder einmal in seiner Zelle, den Blick nach Süden gerichtet, und seufzte: „Ach, alles wollte ich drum geben, wenn ich nur ein Gericht Muränen hätte!" Da erschien ihm der Teufel und

versprach ihm die leckere Speise,

„aber," fügte er mußt mir Deine Seele verschreiben." Der Mönch unter der Bedingung ein, daß die Maränen vor der nächsten Siunde, also bis ein Uhr, zur Stelle

hinzu. „Du ging darauf dem Schlag seien.

Der

Teufel meinte, die Aufgabe sei schwer bei dem weiten Wege, doch wolle er es versuchen. Kaum war der Teufel fort, da wurde es dem Mönch schwül ums Herz, der Angstschweiß

Grafen

Leppelin

nach

dem

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auf

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1870

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Co.

498 perlte ihm von der Stirn. Er lief hin und her und starrte dann wieder in die Nacht hinaus. Halt! Da fiel ihm der alte Klosterschäfer ein. dessen Schlauheit ihm bekannt war. Schnell lief er zu ihm, rüttelte ihn aus dem Schlaf und klagte ihm seine Not. Der Schäfer machte ein verschmitztes Gesicht und meinte: „Noch ist's Zeit. Dem Teufel wollen wir ein Schnippchen schlagen; ich stelle die Turmuhr eine gute Viertel¬ stunde vor." — In banger Spannung stand der Mönch in seiner Zelle. Da erhob sich über dem See ein mächtiges Brausen; es war der Teufel. In demselben Augenblicke schlug die Turmuhr eins. Der Teufel, so nahe seinem Ziel, stieß ein schreckliches Geheul aus und warf die Muränen in den See. Seit der Zeit lebt dieser beliebte Fisch im Wandlitzer See.*) So weit der Seekrugwirt. Als wir uns wunderten, wie man gegen ein Fischgericht seine Seele einsetzen könne, er¬ widerte er: „Nun, hat nicht Esau um ein Linsengericht seine Erstgeburt verkauft?" Der Vergleich war nicht übel. Wir bedankten uns für das Gehörte und setzten in fröhlicher

Stimmung unsere Reise fort.

II. Durch lachende Auen und segensvolle Felder gings weiter über die Dörfer Stolzenhagen und Zehlendorf. Beim letzteren Orte fuhren wir ins tiefliegende Havelland hinein. Die Räder rollten die abfallende Chaussee hinab, und bald nahm uns das tiefschattige Kreuzbruch aus. Unwillkürlich mußte ich alter Zeiten gedenken. Vor meinem Auge stiegen die wilden, trotzigen Gestalten der Quitzows und ihrer Mannen auf, wie sie im Oktober des Jahres 1412 dieses Bruch und den an¬ grenzenden Wald durchzogen, sich im Lager bei Liebenwalde mit den Pommern vereinigten und dann dem ersten Hohenzoller am Kremmener Damm eine Niederlage beibrachten. Wie stolz flatterten ihre Helmbüsche, wie siegesbewußt tummelten sie ihre Rosse! Doch Uebermut thut selten gut. Der neue Landesherr, dieser gering geschätzte „Nürnberger Tand", wußte ihre Macht zu brechen. Nachdem

wir das freundliche Städtchen

Liebenwalde

verlassen hatten, erinnerte uns der zur Hasel fließende Döllen-

über den die Chaussee führt, wieder an die Quitzows. Es war am Tage nach Martini des Jahres 1407. Dietrich Quitzow und sein Bruder Johann hatten sich mit dreißig berittenen Knechten in dem mit hohem Ellerngebüsch bewachsenen Bruchlande, nahe der kleinen Brücke, die über den Döllen führte, versteckt. Da nahte ein Reitertrupp. Kaum hatte der vorderste der Reiter die Brücke überschritten, so stürzten auch schon die Quitzows mit geschwungenen Schwertern auf ihn los und schrien ihm zu: „Herzog Johann, ergebt Euch!" „Ich, der Herzog von Mecklenburg-Stargard, Hauptmann der Mark, soll mich ergeben?" erwiderte mit trotzigem Stolz der Reiter. „Wer seid Ihr?" Unter wildem Hohnlachen schlug Dietrich sein Visier in die Höhe und rief: „Kennt Ihr mich? Gedenkt Ihr des Tages von Kremmen (zwischen Nauen und Ketzin), wo mein Unstern mich in Eure Hände gab? Wie stolz hieltet Ihr auf der Walstatt und übergabt mich dem Markgrafen Jobst, dem ich ein schweres Lösegeld zahlen mußte." „Es war ehrlicher Krieg", entgegnete der Herzog, „und kein tückischer Ueberfall, und hier ist der Geleitsbrief des Markgrafen Jobst, der mich zu sich nach Berlin berufen hat. Gebt den Weg bach,

*) Bekanntlich wird erzählt.

dieselbe Sage vom

Madui-See in Pommern

«

frei!" „Nichts da!" rief Dietrich. „Euer Stücklein Pergament gilt uns nichts, wir zerfetzen es mit unserem Schwerte. Klinge gegen Klinge. Zieht die Enrige, wenn Ihr sie zu führen versteht!" Da riß der Herzog sein Schwert aus der Scheide, und ihm nach lhaten's seine Leute. Das Gefecht wurde auf beiden Seilen hitzig geführt. Die beiden Quitzows fochten gegen den Herzog. Da rief dieser: „Zwei gegen einen, das „Wüßtet Ihr Ritterfitte," entgegnete ist nicht Rcklerfilte." Johann von Quitzow, „so hättet Ihr Euch nicht in unsere Streitsache gemischt. Ergebt Euch! Eure Leute Habens bereits gethan." Dem Herzog blieb nichts weiter übrig, als der Aufforderung zu folgen. Er senkte das Schwert mit den Worten: „Nun denn, wie Gott will!" Dietrich nahm ihm das Schwert ab, und Johann gab einem Knecht den Befehl, dem Herzog die Hände zu binden. „Unerhört!" stieß dieser hervor. „Habe ich es mit Strauchdieben und gemeinen Räubern zu thun? Genügt Euch inein ritterliches Wort nicht? Wie wollt Ihr Euer ruchloses Thun vor Eurem Landesherrn ver¬ antworten?" Johann lachte hell auf und sagte: „Nur immer zu, Herr Herzog, macht Eurer Wut Luft! Hier hören's doch Menschen. Wenn Ihr erst im Turm meines Schlosses Plaue fitzt, müßt Ihr den Mauern Euer Klagegeheul vorsingen. Euer Markgraf Jobst ist ein Fremder in unserer Mark; wir märkische Edelleute scheren uns den Teufel um ihn, und Ihr, Herzog Johann, hättet besser gethan, die Finger von unseren Angelegenheiten zu lassen." „Ich handelte als Hauptmann der Mark." erwiderte der Herzog, „und that meine Pflicht, ich wollte Eurem Raubwesen steuern." „Raubwesen?" fuhr Johann auf. „Wir führen Kriegszüge wie Ihr. Als freigebornen Männern steht uns das Fehderecht zu wie Euch, und Eure Hauptmannschaft hat für uns keine Bedeutung. Doch nun genug. Es ist zu kalt, um weitere Reden zu führen." Der Herzog biß die Zähne zusammen und schwieg. Ihm wurden die Hände gebunden, und so wurde er über Bötzow (jetzt Oranienburg) nach Plaue gebracht. Hier und später in Bötzow

1372 Monat in schmählicher Gefangenschaft. Und was that Markgraf Jobst? Er forderte die Quitzows auf, nach Berlin zu kommen, um sich wegen ihrer That zu verantworten. Die Brüder kamen, und Jobst verlangte von ihnen, den gefangenen Herzog sofort frei zu geben. Dietrich erwiderte jedoch sehr ruhig: „Herr Markgraf, Ihr besitzt zwar schmachtete er

das Schloß in Liebenwalde, die Stadt wird jedoch vermöge einer alten Psandschaft von Mecklenburg in Anspruch genommen.

Es ist also streitig, ob wir den Herzog in Eurem Lande oder in Mecklenburg gefangen haben." Jobst ließ von seiner Forderung ab. Er war wieder einmal in großer Geld¬ verlegenheit, und das ging ihm mehr zu Herzen als die Gefangenschaft des Herzogs. Daher fragte er die Quitzows, deren Reichtum ihm bekannt war. ob sie ihm einen Vorschuß gegen Pfand geben könnten, und als das bejaht wurde, lud er sie in freundlichster Weise bei sich zu Tische.

III. Wir waren aus

Barnim über die Grenze der Ucker¬ mark gekommen und fuhren auf Zehdenick zu, wo wir Rast hielten. Die Uckermark war zur Zeit der Quitzows ein Zank¬ apfel zwischen Brandenburg und Pommern. Die uckermärkischen Städte, darunter auch Zehdenick, sahen wiederholt die Pommern¬ herzöge und die mit ihnen verbündeten Quitzows in ihren Mauern. Zehdenick macht den Eindruck eines aufstrebenden, dem

betriebsamen Städtchens.

In

den Straßen

sahen

wir viele

polnische Arbeiter, die auf den großen Gütern und den zahl¬

in Arbeit stehen. Die farbigen Kopftücher und die von den Burschen mit Vorliebe ge¬ tragenen Soldatenmützen gaben ein farbenreiches Bild. Uns interessierte besonders die alte Klosterruine, deren mit Epheu berankte Wände dachlos emporragen. „Ihre Dächer find zerfallen, und der Wind streicht durch die Hallen, Wolken ziehen drüber hin." Der ehemalige Klosterhof ist mit Ge. bänden umstanden, in deren Räumen ein adliges Fräuleinstift Aufnahme gefunden hat. Der Pförtner des Stifts führte uns in den wohlgepflegten Klostergarten. Wir träumten uns zurück in die alte Klosterzeit. als hier die Nonnen, diese von der Welt geschiedenen Himmelsbräute, in den dunkelschattigen Laubgängen wandelten. Ihr Herz hob sich hier wohl freier als in der engen Zelle, aber der Blick war beengt durch die hohe Mauer, die auch den Klostergarten umschloß. Wie manche liebliche Mädchenblume voll Duft und Blütenpracht, die da draußen als schmucke Braut ein Jünglingsherz beseligt und als holdes Weib und liebende Mutter Mann und Kind be¬ glückt hätte, mag hier achtlos verwelkt sein! Kein mutiger Ritter überstieg die Mauer mit dem Werbewort: „Sollst ruhn mir am Herzen." Wie oft mag so ein sehnendes Mädchenherz den in den Lüften dahin ziehenden Vögeln nachgerufen haben: „Hätt' ich Schwingen, hätt' ich Flügel!" reichen Ziegeleien

der Mädchen

Ueber

die Entstehung

des Klosters

wird folgendes

be¬

richtet:

„Im Jahre 1249 hat ein Weib in Zehdenick eine ge¬ weihte Oblate in Wachs gedrückt und vor ihrem Bierfasse begraben, damit die Leute ihr Bier desto lieber trinken möchten. Da

sie aber hernach einen scharfen Prediger gehört, ist sie zur Erkenntnis ihrer schweren Sünde gekommen, hat sich in ihrem Herzen und Gewissen nicht können zufrieden geben und hat solches dem Pfarrhern in Zehdenick geoffenbart. Darauf hat man im Keller angefangen zu graben, und ist aus dreien und mehr Orten Blut herausgequollen. Die Oblate ist nicht wieder aufgefunden worden; die blutige Erde hat man aber ausgegraben und in die Kirche getragen mit großer Reverenz. Da das Gerücht ausgekommen, ist ein Zulauf von allen Orten her gen Zehdenick geworden. Unter andern find auch dahin kommen Bischof Ruthgerus von Brandenburg und die beiden Markgrafen Johannes und Otto samt ihrer Schwester Mecht¬ hild, Herzogin zu Braunschweig und Lüneburg. Zum Ge¬ dächtnis dieser Geschichte hat man alda ein Jungfrauenkloster des Cistercienser-Ordens gestiftet und aufgerichtet im folgenden 1250. Jahr. Den Beförderern und Wohlthätern des Klosters verkündigte der Bischof von Brandenburg 1254 um Weih¬

nachten den Ablaß."

Im folgenden Jahre erhielt das Kloster vom Erzbischof Magdeburg als geistliches Geschenk einen Ablaß von 40 Tagen für alle, die zu dem heiligen Blute Wallfahrt hielten. Den Pilgern wurde, nachdem sie dem heiligen Blut ihre Verehrung dargebracht hatten, ein Beglaubigungszeichen ihrer Wallfahrt überreicht. Dieses war aus Blei gefertigt und hatte die Form einer Hostie mit drei roten Flecken, die wie Blutstropfen aussahen. Man trug es am Hute. Zehdenick wurde durch den Zudrang der Wallfahrer ein wohlhabender Ort und bald zur Stadt erhoben. Das im Jahre 1384 zu Wilsnack entdeckte Wunderblut stellte das Zehdenicker in den zu

Schatten, so daß die Wallfahrten hierher sehr beeinträchtigt wurden. Unter dem eifrigen Förderer der Reformation, dem Brandenburger Bischof Matthias von Jagow, hörten die Wallfahrten von selbst auf, und bei Aufhebung der Klöster wurde das Zehdenicker Nonnenkloster in ein adliges Fräuleinstifl verwandelt. (Fortsetzung folgt.)

Frieda von Lipperheide?) Von

vr.

I.

Leffing.

(Mit Porträt). Es giebt in der Geschichte der Kunst und der Wissenschaft vornehme Gestalten, die nicht im eigentlichen Sinne geschaffen haben, die uns kaum ein Werk ihrer Hand hinterlassen haben, und ohne welche dennoch wichtige Perioden des Geisteslebens kaum denkbar find, fürstliche Gestalten, in welchen sich die Entwicklung gewisser Kunstrichtungen so lebendig verkörperte, daß ihr Name zum Stichwort der ganzen Richtung wurde. Die moderne Zeit, welche nicht für einzelne Spitzen der menschlichen Gesellschaft, sondern für die breiten Masten arbeitet, ist wenig dazu angethan, solchen dominierenden Geistern ein freies Wirken zu gewähren, und es bedarf schon ganz ungewöhnlicher Vorbedingungen, um dem Einzelnen ein

wirkliches Eingreifen in das mächtige Getriebe des MlllionenVerkehrs zu ermöglichen. Eine solche Kraft grandioser Art war unsere tiefbeklagte Freundin, die Freifrau Frieda von Lipperheide, unablässig wirkend inmitten eines schier unübersehbaren Netzes, das seine Fäden ausstreckt über alle Länder des Erdballs und zurück¬ greift in alle Schätze der Vergangenheit, stets bewußt der

fähig, die Blicke ihrer Mitarbeiter zu erweitern und wiederum die ziellos schweifenden auf einen bestimmten Punkt praktischer Wirksamkeit zu bannen. Was sie an künstlerischen Anregungen empfing, gab sie tausendfach weiter, und was sie gab. war stets ein fruchtbarer Kern, der wiederum tausendfache Früchte trug. Wenn wir von Tausenden sprechen und Hunderttausenden, so sind dies nicht leere Floskeln. Wer eine Zeitschrift leitet, die in jedem Jahre in zehn Millionen Blättern in die Welt gehr, der hat einen so unerhörten Einfluß auf die Geister, daß alles dagegen verblaßt, was frühere Jahrhunderte uns von der Tragweite weltlicher Macht¬ letzten großen Ziele, stets

mittel zu berichten wissen.

Ich habe das große Glück genossen, dieser seltenen Frau durch mehr als zwanzig Jahre nahe zu stehen, ihr das über¬ mitteln zu dürfen, was sie mit richtigstem Verständnis forderte, und von ihr zu empfangen, was sie freigebig an Anregungen hinausstreute. Wenn ich hier an der Stätte ihres Wirkens das Wort ergreife, so thue ich es nicht als der einzige oder bevorzugteste ihrer Mitarbeiter, sondern als einer der ältesten unter ihnen. Als ich am Ende der sechziger Jahre in den Berliner litterarischen Kreisen mit dem Ehepaar Lipperheide bekannt wurde, nahm die von ihnen herausgegebene Moden¬

welt bereits eine angesehene Stellung ein. Franz Lipperheide hatte ihr nicht nur den breiten Boden praktischer Arbeit in Haus und Werkstatt geschaffen, sondern hatte bereits für das

*) Der obige Aufsatz ist mit gütiger Einwilligung der Redaktion der „Modenwelt" (Verlag von Franz v. Lipperheide) entnommen.

500

Unterhaltungsblatt Schriftsteller und Künstler ersten Ranges gewonnen. Für den eigentlichen Modenteil einer Zeitung erhob man damals noch kaum den Anspruch auf künstlerische Bedeutung; hatte doch die neuere kunstgewerbliche Bewegung eben erst eingesetzt. In jenen Tagen galt die Kunst lediglich berufen, monumentale Jdealwerke zu schaffen. Daß die Kunst berufen sei. ein jedes Gebilde menschlicher Hand zu veredeln, das war ein Gedanke, der in jenen Jahren eben erst keimte und selbst damals noch kaum anwendbar erschien für ein Gebiet, das man halb mit Geringschätzung die Mode nannte. Innerhalb dieses Gebietes war und ist die eigentliche Kleidermode dem künstlerischen Einflüsse des Einzelnen nur in sehr geringem Grade unterworfen. Anders dagegen steht es auf dem Gebiete der weiblichen Handarbeiten. Die Aelteren unter uns wiffen, welche Verwahrlosung in unserem Jahr¬ hundert eingeriffen war, wie wir kurz vor 1870 erst begannen, uns unter den Schätzen der Vorzeit umusehen, um Auge und Hand an den alten Vorbildern zu stärken. Wir begründeten Sammlungen an unseren Museen, Zeichen- und Stick-Klaffen, an denen, wenn es hoch kam, einige zwanzig Mädchen für befferen Geschmack erzogen werden konnten.

In

trat für Berlin, ganz im Sinne ihres Galten. Frieda Lipperheide in die Bewegung ein. Sie erkannte mit sicherem Blick, daß eine Umbildung des Ge¬ schmackes sich gerade auf dem Gebiet der weiblichen Arbeit vollziehen laffe, und was wir, die eigentlichen Kunsthistoriker, an nötigem Material zu sammeln verstanden, das unternahm fie, lebendig zu machen. Stets hatte sie das unweigerlich richtige Urteil über das wirklich Erreichbare. Sie mutete ihren Leserinnen nicht zu, auf einmal die alte stillose Art diesem Augenblicke

zu verlassen, sondern gab zunächst einige Proben, welche sich durch einen äußeren Umstand empfahlen. Von meinen Zeich-

nungen brachte fie zuerst einen Teppich, der für die Kronprinzesfin ausgeführt worden war, sodann einzelne Muster

von Kreuzstichen, und dann kamen als großer, in Form eines Extra-Blattes, die Muster altdeutscher Leinenstickerei, die ich aus alten Stickbüchern, nach Bildern rc. gesammelt hatte. Aber die Auswahl und die Anordnung war wesentlich ihr Werk, wie fie auch die zur Wiedergabe überaus wirksamen Kreuz-Typen erfand, die das Nacharbeiten erheblich erleichtern. Und dann trat fie wiederum ein und machte aus dem ExtraBlatt das Buch, welches in erfreulicher Weise berufen war. durch Frauenhand den stilisierten Kunstformen den Weg in das deutsche Haus zu bahnen. In diesem Buche ist auch nicht ein Strich, der nicht in gewissenhaftester gemeinsamer Arbeit festgestellt worden wäre, und wenn die Zeichnung und selbst die fertigen Platten ein dutzendmal umgeworfen werden mußten.

Mit derselben Kraft wurde das einmal gefaßte Ziel weiter verfolgt. Schritt für Schritt wurde jedes Gebiet weib¬ licher Handarbeit für den künstlerischen Geschmack erobert. Der deutschen Leinenstickerei folgte die italienische; dann kam eine Bunt- und Platlstich-Stickerei heran in ihren verschiedenen Arten, die Aufnäh-Arbeit, Goldstickerei, Filet-Guipure, Durch, bruch-, die Knüpf- und Teppich-Arbeit rc.. durch alle Techniken der praktischen Handarbeiten wie der dekorativen Knnststickerei hindurch. Diese Musterbücher bilden jetzt den eisernen Bestand des Hausbefitzes deutscher Frauen. An diesen Sammlungen ist nichts zufällig; alle find fie langer

unserer Bibliotheken und

Hand in sorgfältiger Arbeit vorbereitet. Frau Frieda Lipper¬ heide ward die hochgeschätzte Kollegin aller kunstgewerblichen Fachleute; fie war vertraut mit den Sammlungen jedes Mu¬ seums, mit den ängstlich gehüteten Schätzen der Privatsammler und der Sakristeien. Und fie wurde selbst Sammlerin. Alles edelste und beste war nur gerade gut genug, in ihre Bestände einverleibt zu werden. Aber Frau Frieda Lipperheide war nicht, wie wir Museumsleute, nur antiquarisch thätig. Das Geheimnis ihrer beispiellosen Erfolge liegt in einer beispiel¬ losen Verbindung künstlerischer, antiquarischer und praklischer Eigenschaften. Wenn fie irgend eine Gruppe älterer Hand¬ arbeiten als vorbildlich erkannt hatte, so sorgte fie zunächst dafür, aus dieser Gruppe das Erlesenste zu sammeln und für ihre Zwecke zu fichten. Dann aber machte fie die Probe, ob diese Vorbilder auch praktisch verwendbar seien, und ließ zu¬ nächst eine Reihe moderner Arbeiten nach den alten Mustern ausführen; und dann erst brachte fie das Material vor ihren Leserkreis.

Die Einleitungen der Publikationen, in denen die

Techniken beschrieben und dargestellt werden, find geradezu meisterhaft. Die Verewigte war stets bereit, ihre Hilfskräfte zu nennen, aber die eigentlich geistige Arbeit war die ihre. Wenn irgendwo in einer Lehranstalt, einer Klosterschule, einem einsamen Atelier ein Versuch auftauchte, neue Formen und Techniken zu schaffen, oder alte neu zu beleben, sofort war Frieda Lipperheide zur Hand, ermutigend, belehrend und fördernd. Niemals ließ fie fich an Zeichnungen oder Prospekten genügen. — die fertige Arbeit mußte vorliegen; dann aber bekam fie durch die Modenwelt eine Verbreitung und Anerkennung, wie niemals ein Kuliurprodukt durch irgend eine Veranstaltung hat erhalten können. Dieses Wirken blieb nicht bei der Nadelarbett stehen. Schritt für Schritt wurde alles herangezogen, was wir als Liebhaberkünste bezeichnen. Die Sammlung „Häusliche Kunst" zählt nicht weniger als zweiundvierzig Abschnitte. Hier ist nicht so streng wie in den älteren Mustersammlungen nur altbewährtes veröffentlicht; es ist dem Tagesgeschmack mehr nachgegeben. Aber der Weg ist gewiesen, auf dem der Kunst¬ sinn in das Bürgerhaus einzieht, und nicht nur in das Bürgerhaus der großen Residenzen, nein wett hinaus in die Provinzen, in das einsame Forsthaus der entlegensten Wälder.

verschiedenen

Eine wahre Pionier-Arbeit im Dienste künstlerischer Bildung, und zwar eine Arbeit, wie fie niemand von uns Fachgelehrten hätte leisten können! Jeder von uns würde fich auf einen bestimmten Kreis alleingiltiger Formen beschränkt und spielende Frieda Lipperheide war Ausartungen abgelehnt haben. Kennerin alter Kunst so gut, wie irgendeiner von uns, aber fie war auch Kennerin des weiblichen Herzens und Köpfchens. Sie wußte genau, wie viel von schwerer Kost man ihm auf einmal zumuten durfte, wie man kleinen Seitensprüngen der Mode durch die Finger sehen mußte, um die Gefolgschaft

einmal einen Schritt bei Seite, um Ruhe zu gewinnen, aber niemals einen Schritt zurück, sondern führte fich und ihre Gemeinde zielbewußt vorwärts. Und vergessen wir nie. daß diese Gemeinde nach Hunderttausenden zählt. nicht zu verlieren.

Sie that wohl

selbst

Sehr viel schwieriger, als auf dem Gebiete der Hand¬ arbeiten, war die verwände Arbeit auf dem Gebiete der Kleidermode. Hier ist es nahezu unmöglich, etwas besonderes

501 zu schaffen; dem internationalen Zuge muß alles folgen, und

Paris

Ton angiebt. das ist viel weniger eine Frage des Trachtenwesens, als eine Frage des allgemeinen Schwergewichts. Die Leiterin einer Modenzeitung wird hierob London oder

den

Jmmerhin kann sie die Formen im künstlerischen Sinne beeinfluffen, und wer die Blätter der Berliner „Modenwelt" etwa mit fremdländischen,

reich ausgestatteten Zeitungen ver¬

gleicht, wird sehr wohl empfinden, welcher Geist künstlerischer

Frieds von Lipperheide. Nach einer Photographie von g. Encke in

bei viel weniger von ihrem

einer

persönlichen Geschmack

als von

Art Instinkt, für das Maßgebende der Stunde geleitet.

Ihre Aufgabe bleibt

es, aus den wunderlichen Zickzack-Bewe¬

gungen den leitenden Strom herauszufühlen, die Ausartungen zu beseitigen und das internationale Thema für den Gebrauch ihres Landes abzustimmen.

Berlin ans

dem

Jahre 1885.

Mäßigung hier waltet. Von der Verbindung, welche Franz Lipperheide mit der Künstlerwelt unterhielt, hat auch Frau Frieda reichlichen Nutzen gezogen. Die Modcfiguren können von gewissen Uebertreibungen nicht völlig frei bleiben, wenn man das charaklecistisch Neue sinnfällig machen will, aber der künstlerische Sinn von Frau Frieda Lipperheide hat es erreicht.

502 Modefiguren ein lebensfähiges Ansehen er¬ hielten, und daß sich die prononzierte Eleganz mit freundlicher Anmut vereinigte. Frau Frieda Lipperheide hatte mit Männern einen geistigen Verkehr wie ein Mann; niemand von uns künsthistorischen Fachleuten sah fie anders an, als einen grundgescheidten Kollegen, und zugleich war fie die wärmste Freundin der feinsinnigen Künstlerinnen; ihr Wort, ihr Rat galt soviel wie ein Werk. An den Arbeiten ihres Gatten über Kostüm¬ daß

auch

diese

in der strengsten fachwisienForm geführt werden, nahm sie mit warmem Ver¬ ständnis teil, und so trat sie in den Mittelpunkt aller Kreise, die sich mit der ornamentalen Kunst beschäftigen, kunde und verwandte Gebiete, die

schaftlichen

geradezu

leitend

Arbeiten,

lichen

auf

dem

engeren

aber

auch

durch

Gebiete

das

der

Mitarbeiten

weib¬

mit

ihrem Manne weithin einflußreich auf anderen künstlerischen Gebieten.

Daß Frau Frieda nicht selbst künsterlisch schuf, war für Art der Thätigkeit eher ein Vorteil; fie behielt die volle Freiheit des Blickes und der Bewegung, fie war wie ein Spiegel, der alle zerstreuten Lichter sammelt und fie als ge¬ schlossenen Strahl zündend entsendet. So war fie in der modernen kunstgewerblichen Bewegung eine Kraft ersten Ranges, über deren Bedeutung fich niemand im Unklaren sein konnte, der jemals das Glück hatte, ihr nahe zu treten. Und bei dieser erstaunlichen Intelligenz, dieser gewaltigen Arbeitskraft hörte fie niemals auf. Frau zu sein im besten Sinne; und wenn wir alle uns bemühen, dem Andenken der Genossin unserer Arbeit gerecht zu werden: unser letztes Wort gehört doch der Frau, der aufrichtigen, treuen, unvergeßlichen Freundin. diese

Kleine Mitteilungen. Kimdschafterritt des Württembergischen Hauptuianns Grafen Zeppelin am 24. und 25. Juli 1870 (mit Abbildung auf Leite 496). Die erste Waffenlhat im Kriege 1870/71 ereignete sich infolge des toll¬ kühnen Kundschafterritts, den der württembeigische Hauptmann Graf Zeppettu am 24. Juli von der pfälzischen Grenze aus unternahm. Mit drei badischen Offizieren und drei Dragonern sprengte er quer durch den ganzen Kreis Weißenburg, ritt mitten durch die Festung Lauterburg hindurch und machte überall wertvolle Beobachtungen. Bis ganz in bie Nähe von Reichshofcn drang die kleine, aber mutige Schar vor. Am nächsten Morgen (den 25 Juli) machte sie Rast auf dem Schirlenhof bei Reichshofen. Hier sah sie sich, während sie frühstückte, plötzlich von französischer Uebermacht überfallen. Der badische Lieutenant Winsloe wurde tödlich verwundet, die beiden anderen Lieutenants und die drei Dragoner wurden gefangen genommen; dem Führer, Grafen Zeppelin, gelang es jedoch, sich durchzuschlagen und auf einem schnell ergriffenen französischen Pferde zu entkommen. Roch am Abend desselben Tages konnte er. neuen Gefahren glücklich entronnen, die von ihm gesammelten wichtigen Nachrichten dem Hauptquartier überbringen. Gleich diese erste Waffcnthat war ein Beweis von dem Geiste, der die deutschen Truppen beseelte. Sie verfehlten darum auch nicht, auf die Offiziere der feind¬ lichen Armee einen besorgniserregenden Eindruck zu machen. Die Illustration auf Seite 496, welche uns den Grafen Zeppelin in dem Augenblick zeigt, wo er nach den Ueberfall auf dem Schirlenhof den französischen Verfolge: n entflieht, ist dem von uns schon mehrfach rühmend erwähnten Werke „Deutsche Helden aus der Zeit Kaiser Wilhelms des Großen" von Hans Krämer (Deutsches Vcrlagshaus Bong u. Co. in Berlin), von dem jetzt das 12. Heft (Preis jedes Heftes 50 Pf.) erschienen ist, entnommen. Wir benutzen diese Gelegen¬ heit, jenes vortreffliche Werk aufs neue warui zu empfehlen.

Die Spielkarten des Kaisers dürften für weitere Kreise von sie von den sonst üblichen französischen und deutschen abweichen. Sie sind in einer Altenburger Spielkartenfabrik gefertigt und zeigen altdeutsche Muster. Die Rückseite ist einer symbo¬ lischen Darstellung des Dreibundes gewidmet. Der preußische Adler, der österreichische Doppeladler und das silberne Kreuz von Savoyen auf rotem Felde sind von Eichenlaub umschlungen und von der Kaiser¬ krone überragt; auch in den Ecken sind gleichartige Zeichen angebracht, während das Blatt im Uebrigen mit kleinen Mustern der „vier Farben" bestreut ist. Die Kartenbilder auf der Schauseite sind in Zeichnung und Farben sehr ansprechend und geschmackvoll. Die Asse umgeben bronzefarbcne Ornamente. Herzkönig erscheint mit Spitzbart, großkrämpigem Hut und Hermelin, Piquekönig erinnert ein wenig an den großen Kurfürsten, Carreaukönig mutet in seiner schmucken Tracht mit

Interesse sein, zumal erheblich

goldverziertcm, blauen Barct und gleichfarbigem, herabwallendcn Schleier wie ein exotischer Fürst an, Kreuzkönig ist eine Fürsten¬ gestalt aus dem Mirtelalter mit schwärmerischem Ausdruck. Die vier Damen wetteifern an Lieblichkeit. Herzdame trägt ein Gretchenkostüm, Carreaudame erscheint in einer Art niederländischer Tracht, Piquedame im ausgeschnittenen Ballkleid mit Fächer. Herzbube ist ein mittelalter¬ licher Krieger im Harnisch, Carrcaubube ein schmucker blondhaariger Geselle, der mit dem Papagei spielt, Kreuzbube ein Johannitcrritter und Piqucbube ein bewaffneter Räuber. Pilgerfahrten von- Hohenzolterusürsten—nach.-Patästiua. Sehr häufig haben Hohenzollerniürsten Pilgerfahrten nach dem gelobten Lande unternommen. Aus der fränkischen Linie der Hohenzollern dürfte es

Albrecht der Schöne gewesen sein, dessen Pilgerfahrt in die Jahre 1337-41 fällt. Tagebücher geben Aufschlüsse über Reisen dreier Hohenzollernfürstcn während des 15. Jahrhunderts. Zunächst die der beiden Söhne des ersten Kurfürsten Friedrich, der Markgrafen Jo¬ hann und Albrecht Achilles. Beide traten diese Wallfahrt am 21. März 1435 aus Nürnberg an, nachdem Johann als Statthalter der zuerst

Mark den „ehrsamen, lieben getreuen Bürgermeistern und Rathmannen von Berlin und Cölln" mitgeteilt, daß er den Ritter Hosso v. Bredow zum stellvertretenden Hauptmann während seiner Abwesenheit ernannt habe. In dem stattlichen Reitergcfolge der Markgrafen befand sich aus der Mark nur der einzige adelige Heinz von Kracht. Nach neunzehn¬ tägigem Ritt trafen die Markgrafen in Venedig ein und fuhren auf einer Gallione bis Jaffa, wo die Erhebung einer Pilgerstcuer von 7 Dukaten für jeden einzelnen stattfand. Auf Eseln erreichte die Kara¬

wane am 30. Mai Jerusalem. Nach Besichtigung der Grabeskapelle vollzog Markgraf Johann an heiliger Stätte die Weihe des Ritter¬ schlages an 29 seiner Begleiter. Es wurde Bethlehem besucht und ein Ausflug nach der Taufstättc Christi am Jordan und nach dem Toten Meere unternommen. Bor Antritt der Rückreise am 6. Juni wurde noch das Pfingstfest im Zionskloster begangen. Die Reise hatte 174 Tage ge¬ dauert. Zum Gedächtnis an die glückliche Rückkehr seiner Söhne stiftete der Kurfürst neben der Marienkirche auf dem einst sagenumwobenen Harlungerberge bei Brandenburg ein neues Stift. Die nächste Pilger¬ fahrt unternahm des Kurfürsten zweiter Sohn, der „eiserne" Friedrich, im 13. Jahre seiner Regierung 1453. Das wichtigste Beweisstück, welches ausführliche Kunde über diese Pilgerfahrt giebt, ist das in der Baseler Universttätsbibliothek befindliche Tagebuch des Bürgermeisters Peter Rot, welcher den Kurfürsten nach Jerusalem begleitete. Seinem zahlreichen Gefolge gehörten Träger berühmter Namen an: Hohenlohe, Regenstein, Mansfeld, Pappenheim, Bredow, Pfuhl u. a. Auch Friedrich II. vollzog am Abend nach seiner Ankunst in Jerusalem, 29. Juni, in der Grabeskirche den Ritterschlag an mehreren seiner Begleiter. Am 2. Juli wurde die Rückreise angetreten und mit dem Schiffspatron 35 Dukaten Fahrgeld für jeden Begleiter ausbedungen. Vom heiligen Grabe zurück¬ gekehrt, verlieh er dem Rate die damals hohe Berechtigung, Urkunden und Briefe mit rotem Wachs siegeln zu dürfen. So reichen die Be¬ ziehungen zu jenen Pilgerfahrten bis in unsere Zeit, doch auch diese ruft die Erinnerung wach an eine Fahrt, die ein nicht minder ritter¬ licher Hohenzoller, nachdem Prinz Albrecht von Preußen die heilige Stätte besucht hatte, dorthin unternahm. Kronprinz Friedrich Wilhelm, 1869 einer Einladung des Vizekönigs von Egypten zur Eröffnungsfeier des Suezkanals entsprechend, begab sich im Oktober über Konstantinopel und Rhodus nach Jerusalem. Die Ueberfahrt Das Gentz'sche Gemälde in der erfolgte mit der „Hertha". Der Nation algallerie vergegenwärtigt den Einzug in Jerusalem. erste Gang des Kronprinzen galt der Heiligen Grabeskirche, in der er eine ganze Stunde verweilte. Dann wurde kurze Ruhe im JohanniterHospiz gehalten und ein Besuch der heiligen Stätten bis nach dem Oel¬ berg unternommen. Hebron und Bethlehem bilden das Reiseziel der ersterem wurden die Gräber der Erzväter besichtigt, nächsten Tage. die seit Jahrhunderten nur wenigen Europäern gezeigt worden find. Von einem Ausfluge in Bethlehem zurückgekehrt, wohnte der Kronprinz am 7. November dem Gottesdienst in der englichen Kirche bei und verließ dann die Stadt, in der während seiner Anwesenheit auf dem Johanniterhospiz zum ersten Mal die Standarte des preußischen Königs¬ hauses sich entfaltete. Auch Prinz Friedrich Karl hat Palästina besucht und aus dem Jordan mehrere Krüge mit Wasser mitgebracht, mit dem die Kinder unseres jetzigen Kaisers getauft worden find. Ebenso hat Prinz Friedrich Leopold das Heilige Land bereist.

In

Ein Racheakt Friedrichs des Großen. Ein verabschiedeter Offizier hatte einst Friedrich"dem"MMii"M"Ak!er anonymen, zwar etwas groben, aber äußerst geistvollen Streitschrift angegriffen. Der König setzte 50 Friedrichsdor auf die Entdeckung des Verfassers. Da meldete sich der Offizier selbst bei dem Könige und verlangte die verheißene Belohnung zum Unterhalte für seine durch seine Verabschiedung in das größte Elend gekommene Familie. Friedrich hörte ihn nicht weiter an, sondern rief ihm zu:

„Fort aus meinen Augen, nach Spandau! Dort sollt Ihr Euren Lohn bekommen!" Der Unglückliche erhielt darauf eine verschlossene Kabinetsordre an den Kommandanten von Spandau. Als sie geöffnet wurde, lautete der Inhalt wie folgt: „Ich ernenne den Ueberbringer dieser Ordre zum Vic kommandantcn von Spandau. Seine Frau und Kinder werden mit 50 Friedrichsdor — da— bald nachkommen." Lebensalter der Kommandierenden Generale der zwanzig deutschen Ueber den Kommandierenden Generalen der zwanzig Armeekorps. deutschen Armeekorps ist gegenwärtig der jüngste: 1) Friedrich Erbhcrzog von Baden (Vm. Korps), geb. 9. Juli 1857. Weiter folgen dem Lebens¬ alter nach: 2) Prinz Arnulf von Bayern (I. König!, bayerisches Korps), geb. 6. Juni 1852; 3) Bernhard Erbprinz von Meiningen (VI. Korps), geb. 1. April 1851; 4) von Bomsdorff >>»»0 n„t> ^eitungsspedition für 2Mk.60pf. vierteljährl. ,u beueber. Auch die Geschäftsstelle — Berlin X. 58,Schönh. Allee 141 — nimmt Bestellungen entgegen. Inseraten-Aufträge stnd an die letztere zu richten. Die viergesp. Petitzeile kostet 40 Pf.

23. fflhiolirr 1897.

sie Wramosen nur Rlirinfelu. Historisier Roman non G. van Sarfus. I.

Thor,

^m Abende des 9. Dezember des Jahres 1692

der Straße von Oberwesel nach

ritt auf

St. Goar ein junger

Mann unter strömendem Regen so schnell, als sein durch einen langen Tagesmarsch ermüdetes Pferd es gestattete. „Glückliche Heimkehr, Herr Philipp!" begrüßte der Thor¬ wart am obern Thor den Reiter, nachdem er die kleine Einlaßpfone geöffnet, die wegen der unruhigen Zeiten beim Ein¬ bruch der Dunkelheit geschloffen wurde. „Ihr scheint einen scharfen

Ritt

gemacht zu haben, trotz des abscheulichen Wetters."

„Ja. Mertens,

ich habe auch

Grund dazu gehabt,"

er¬

widerte der mit Philipp angeredete junge Mann, der Sohn des Ratsbürgermeisters Emmerich Walker von St. Goar. „Ich komme direkt von Berncastel und bin heute früh von Simmero fortgeritten. Beeilt Euch, Alter, mit dem Aus¬ schließen; ich habe große Eile, meinem Vater die Bolschaft zu überbringen, welche ich seit gestern für ihn habe." „Von Berncastel kommt Ihr, junger Herr?" fragte der Thorhüter neugierig. „Ist mit den Franzosen wieder etwas von einigen Passanten allerlei Gerüchte gehört, doch Ihr wißt ja. man darf auf das Geschwätz der Leute nicht viel geben." „Diesmal ist's ernst, Mertens." entgegnete der junge

im Gange?

Ich habe

Walker, sein Pferd

schon

durch

das

inzwischen

geöffnete

Thor

„Morgen sollt Ihr mehr hören. Gute Nacht!" Nach wenigen Minuten hielt er vor einem ansehnlichen Hause in der Hauptstraße des kleinen Städtchens, sprang vom Pferde und klopfte mit dem Knaufe seiner Reitpeitsche an das drängend.

seines

in

das

den geräumigen

Hof führte, der zum Hause

Vaters gehörte.

Sofort wurde von einem schnell herbeigeeilten Knechte ge¬ öffnet, dem Philipp sein Pferd übergab worauf er sich dann in das Haus verfügte, wo er von Mutter und Schwester herz¬ lich begrüßt wurde.

„Wo

ist der

Vater?" fragte er, sobald

er

in das

behag¬

lich erwärmte Wohnzimmer eingetreten war.

„Der Vater ist in der „Lilie" bei seinem Abendtrunke," erwiderte seine Schwester Barbara, ein auffallend hübsches Mädchen von zwanzig Jahren. „Du weißt ja. daß er zu¬ weilen nach dem Nachtmahle in den Gasthof geht, um mit guten Freunden noch einen Schoppen zu trinken." „Dann muß ich sogleich hingehen, da ich eine wichtige Botschaft für ihn habe."

„Willst Du nicht erst trockene Kleider anziehen, Philipp?" fragte die Mutter besorgt. „Du bist ja vom Regen ganz durchnäßt." „Ich bleibe nicht lange aus, Mutter, und möchte keine Minute versäumen. Auf baldiges Wiedersehen!"

In Lilie",

nur wenige Häuser entfernten Gasthofe „Zur Front nach dem Rheine zu lag, pflegten sich die Bürger der Stadl St. Goar abends bei einem

dem

dessen

angesehenen

Schoppen Wein über die Tagesereignisse zu unterhalten oder auch ein Spielchen

Als

Solo zu

machen.

in dem vordern größeren Gast¬ zimmer seinen Vater nicht bemerkte, gmg er in eine kleinere daranstoßende Stube, wo er denselben in Gesellschaft von der junge Walker

506 einigen älteren Männern antraf, unter denen sich. wie er sah, der Gemeinde-Bürgermeister Johann Wähler, der Stadt- und Gerichtsschreiber Jakob Josten und mehrere der angesehensten Ratsschöffen befanden. °

„Guten Abend, Vater! guten Abend. Ihr Herren!" be¬ grüßte Philipp die um einen runden Tisch Sitzenden. „Was führt denn Dich schon heute zurück, mein Junge?" rief der Bürgernieister überrascht aus. „Ich habe Dich erst in einigen Tagen erwartet. Und wie schauest Du aus, ganz durchnäßt und mit Straßenkot bespritzt!"

„Ich habe Euch eine sehr wichtige Nachricht zu über¬ bringen, Vater." entgegnete Philipp, etwas zögernd und einen verlegenen Blick aus die Anwesenden werfend; „ich wollte damit nicht bis morgen früh warten." „Betrifft dieselbe meine Person oder die Stadt?" fragte der alle Walker, ein stattlicher, behäbig aussehender Mann, dessen graues Haar weder von einer Perrücke bedeckt noch ge¬ pudert war, wie es zu jener Zeit Gebrauch wurde unter den wohlhabenden und angesehenen Leuten, namentlich bei solchen, die zu den Würdenträgern sich zählten, und der Ratsbürger¬ meister einer Stadt wie St. Goar konnte schon mit Fug und Recht zu diesen gerechnet werden. „Die Stadt und das ganze Land, Vater!" antwortete Philipp. „Nun, dann teile uns mit, was du zu berichten hast, mein Sohn! Wir alle sind für das allgemeine Beste in gleicher Weise besorgt und seit Jahren für dasselbe thätig. Also melde nur, was du zu melden hast." Nachdem der junge Mann sich einen Sessel an den runden Tisch gezogen und dem inzwischen von der Wirtin gebrachten Schoppen zugesprochen, begann er seine Mitteilung. „Nach Erledigung Eurer Aufträge in Berncastel, Vater,

ritt

Trarbach, um auch dort mit den Geschäftsfreunden Rücksprache zu nehmen, fand aber alles in der größten Unruhe und Aufregung, weil nicht allein in der Festung Montroyal, die. wie Euch bekannt, der Franzosenkönig bei der Stadt hat bauen lassen, sondern auch in Trarbach selbst sowie in den umliegenden Ortschaften eine große Menge französischer Soldaten untergebracht war, wohl gegen zwanzigtausend Mann, wie mir der Bürgermeister selbst gesagt." ich nach

„Es

ist eine ewige Schmach und Schande

für das Reich,"

rief der Gemeinde-Bürgermeister Wähler zornig aus. „daß der Kurfürst von Trier dem Franzosen gestattet hat. die Festung Montroyal mitten in seinem Lande zu erbauen. Wie ich vernommen, ist dieselbe so ausgedehnt, daß sie unter dem Schutze ihrer Forts nicht allein eine ganze Armee beherbergen kann, sondern auch ungeheure Vorräte an Kriegsmaterial aller Art in den Zeughäusern der Festung angehäuft sein sollen. Von Montroyal aus können die Franzosen mit Leichtigkeit in einfallen und namentlich die Länder auf diesem Es ist eine Schmach, daß ein deutscher Reichsfürst derartiges ungestraft hat wagen können!" „Ich stimme Euch vollständig bei. Wähler," bemerkte der Ratsbürgermeister, „doch laßt uns erst hören, was mein Sohn weiter zu berichten hat." „Der Bürgermeister von Trarbach, ein aufrichtiger Patriot, wie ich allgemein gehört," fuhr Philipp fort, „hat mir im Vertrauen mitgeteilt, daß General Graf Tallard, der Befehls¬ das Reich

User des Rheins jederzeit überfallen.

-

haber

der

Truppen, aus Paris den Befehl der Festung Rheinfels sowie der Stadt St.

französischen

erhalten habe.

sich

Goar zu bemächtigen. Der Bürgermeister hat das ganz sicher in Erfahrung gebracht, infolge der Großsprechereien eines französischen Offiziers, der in der Trunkenheit damit renommierte. Gleich gestern bin ich noch bis Simmern geritten, um Euch. Vater, sobald als möglich von der Absicht der Franzosen in Kenntnis zu setzen."

„Ich

danke

Dir. Philipp, für Deinen Eifer." „Du hast der ganzen Stadt

der Bürgermeister.

entgegnete

sowie dem

Lande einen wichtigen Dienst geleistet. Hast Du vielleicht in Erfahrung bringen können, wann die Franzosen von Montroyal

in Bewegung setzen werden?" „Der Bürgermeister von Trarbach meinte, alle Vor¬ bereitungen zum Feldzuge seien bereits beendigt, sodaß General Tallard mit seiner Armee jeden Tag aufbrechen könne;" erwiderte der junge Walker. „Und oben in der Festung liegen im ganzen dreihundert Mann als Garnison!" rief der Ratsschreiber Josten aus. „In der Stadt haben wir keinen einzigen landgräflichen Soldaten." bemerkte der Gemeinde - Bürgermeister Wähler. sich

„Ich will

Euch

meine Herzensmeinung

sagen,

Freunde und

Kollegen!

So gut wie der Bürgermeister von Trarbach muß auch unser Herr Landgraf oben im Schlosse Kunde von den Absichten der Franzosen auf Rheinfels haben, davon bin ich fest überzeugt! Montroyal ist nicht so weit entfernt, als daß nicht so großartige Rüstungen dem Landgrafen bekannt ge¬ worden wären. Aber Seine Durchlaucht will dieselben vielleicht nicht kennen und verstehen. Ich erinnere mich noch recht wohl der dunkeln Gerüchte, die vor vier Jahren ruchbar wurden, als man hier und da munkelte, Landgraf Ernst stehe mit dem Könige Ludwig in Unterhandlung wegen Uebcrlassung der Festung; es sei nur deswegen nichts daraus geworden, weil man sich über den Preis nicht einigen konnte."

„Wie könnt Ihr so etwas von unserem Landesherrn be¬ haupten. Wähler!" rief der Ratsschöffe Stein zornig aus. „Es ist aber wahr!" entgegnete der Gemeinde-Bürger¬ meister heftig.

„Denkt nur an den deutschen Kardinal Fürsten¬

berg. durch dessen nichlswürdigen Verrat das schöne, herrliche Straßburz vor elf Jahren in die Hände der Franzosen ge-

raten ist: Denkt doch an Montroyal, mitten im deutschen Lande ein französischer Waffenplatz! Ich für meine Person bin auf alle derartigen Dinge gefaßt; seit ich gesehen, daß so viele unserer hohen Herrschaften nur auf ihren eigenen Vorteil bedacht sind."

„So lange Ihr keine Beweise habt, Wähler," bemerkte der Raisbürgermeister in ruhigem Ton, „dürft Ihr unsern Landes¬ herrn nicht bezichtigen, wenigstens bitte ich. in meiner Gegen¬ wart alle verletzenden Aeußerungen über ihn zu unterlassen; Ich werde," fuhr er fort, um jede Erwiderung des erregten Wähler zu verhindern, „morgen früh hinauf ins Schloß gehen, und Seiner Durchlaucht Mitteilung machen von dem, was mein Sohn uns soeben berichtet; um zehn Uhr will ich dann Euch und den übrigen Ratsmännern, die Ihr bestellen könnt, Josten, im Rathause kund thun, wie der Landgraf meine Nach¬ richt aufgenommen hat. Jetzt will ich aber mit meinem Sohne nach Haus gehen, der arme Schelm wird müde genug sein von dem langen Ritte. Gott befohlen, Ihr Herren!" An demselben Abende saßen in einem reich ausgestatteten

Zimmer des Schlosses Nheinfels, der Residenz des Landgrafen von Hessen-Rothenburg -Rheinftls, zwei Männer in eifrigem Gespräch. Der ältere war mit einem reich gestickten Rocke von Karmoifinroten Sammet, einer weißen, silberbordierten langen seideneu Weste, weißseidener Kniehose und Strümpfen, schwarzen Saffianschuhen, deren silberne Schnallen reich mit Brillanten besetzt waren, bekleidet, während seinen Kopf eine mächtige Allonge-Perrücke bedeckte. Es war der regierende Landgraf Ernst von Hessen-Rheinfels, welcher dem Vortrage des ihm gegenüber auf einem niedrigen Tabonrett fitzenden Hofrats Johann Seydenbender aufmerksam zuhörte. „Mein Herr Vetter in Kassel verlangt also wiederholt, ich solle einige tausend Mann seiner Truppen als Besatzung in unsere Festung Rheinfels aufnehmen, damit dieselbe nicht dem Herrn Marechal — den Camp Grafen Tallard in die Hände falle? Wir haben doch erst vor einigen Tagen Seiner Liebden geschrieben, daß wir sichere Nachricht hätten, das Korps des Grafen sei für einen Koup auf Rheinfelden bei Basel bestimmt, und es wäre für Rheinfels durchaus nichts zu be¬ fürchten. weshalb wir eine Besetzung unserer Festung durch fremde Truppen ablehnen müßten. Nicht wahr, lieber Seyden¬ bender?" „Zu Eurer Durchlaucht Befehl." entgegnete der Hofrat, ein mittelgroßer, klug aussehender Mann von vielleicht fünfzig Jahren, dessen magere Gestalt in dem schwarzen, langschößigen Tuchrocke, ebensolcher Weste, schwarzer Kniehose und Strümpfen noch dürrer erschien, als sie wirklich war. „Das war genau der Inhalt von Eurer Durchlaucht Antwort. Nun haben aber Seine hochfürstlichen Gnaden von Kassel heute nochmals ein Schreiben gesandt, das ich die Ehre habe, Euer Durchlaucht hiermit unterthänigst zu überreichen, nachdem ich auf Besehl meines gnädigsten Herrn Einsicht von demselben genommen. Der Herr Landgraf teilen darin mit, daß ihm ein Schreiben des französischen Staatssekretärs Barbefieur an den Marschall de Corpes durch einen glücklichen Zufall in die Hände geraten sei. in welchem Schreiben ganz deutlich die Absicht des Königs Ludwig ausgesprochen wäre. mit der in Montroyal zusammen¬ gezogenen Armee einen coup de main auf Rheinfels aus¬ zuführen. Seine Durchlaucht habe infolge dessen sofort Befehl erteilt, bei Nastätten ein Truppenkorps zu sammeln, um das¬ selbe erforderlichenfalls in die Festung werfen zu können."

„Mein Herr Vetter hat wahrscheinlich

diese, meiner Anfichi

nach kaum begründete Nachricht durch den kaiserlichen

General

der Landgraf

Thunger von Mainz

aus erhalten," bemerkte „Ihr erinnert Euch wohl, Seyden¬ bender, daß der General bereits vor einer Woche uns benach¬ richtigte, er wisse aus ganz sicherer Quelle, daß die Franzosen Rheinseis angreifen wollten; ich habe infolge dessen auch nichts dawider gehabt, daß mein Herr Vetter die Festung mit Munition und Proviant versorgt hat, um auf alle Eventualitäten vor¬

nach kurzem Schweigen.

bereitet zu sein, doch nicht

auf.

aber

seine Regimenter

nehme ich

deswegen

Ich bin der Herr von Rheinfels und will

es

bleiben!" „Euer Durchlaucht sind vollständig in Ihrem Rechte," sagte der Hofrat, einen prüfenden Seitenblick auf seinen Herrn werfend, der sich in ziemlicher Erregung von seinem Lehnsessel erhoben hatte und in dem großen Gemache auf und abging. Auf dem vollen Gesichte des Fürsten lag ein Ausdruck von Besorgnis, ja von Aengstlichkett, von Zeit zu Zeit warf er

einen fragenden Blick auf seinen vertrauien Ratgeber, der eben¬ falls vom Tabourett aufgestanden war und sich anscheinend

mit der Durchsicht einiger Papiere auf dem Schreibtische des Landgrafen beschäftigte. sehr fatal, dieser angeblich aufgefangene Brief!" auf und abwandelnde Landgraf halblaut vor sich hin: „Schickt doch morgen früh einen sichern Mann hinüber auf das andere Ufer, Hofrat, um auszuforschen, ob wirklich bereits Truppen in der Gegend von Nastätten angelangt sind! Was haltet Ihr davon," fuhr der Fürst nach kurzer Pause fort, „daß wir noch keine Nachricht vom Kardinal Fürstenberg empfangen haben, Seydenbender?" „Wenn Euer Durchlaucht meine offene Ansicht zu wiffen befehlen," entgegnete der Hofrat, „so muß ich schon sagen, daß ich überzeugt bin, Seine Majestät von Frankreich sowie seine Minister find der Meinung, es sei nicht nötig, etwas mit einer bedeutenden Summe zu erkaufen, was man mit Aufopferung von einer Handvoll Soldaten in seinen Besitz bringen kann." „Glaubt Ihr, daß man in Paris falsches Spiel mit mir treiben will?" fragte der Landgraf, rasch dem Hofral

„Fatal,

sagte

der

gegenübertrelend.

„Offenherzig gestanden, ja, gnädigster Herr! Euer Durch¬ laucht Forderungen find in keiner Weise so übertrieben in Anbetracht des für den König so wichtigen Objekts, daß sie sicherlich bereits accepliert worden wäre, wenn man in Paris nicht dächte, auch ohne deren Gewährung zum Ziele zu gelangen.

Seydenbender," rief der Fürst aus, „so würde ich morgen die Truppen meines Vetters Karl in die Festung einziehen lassen." „So arg pressiert die Sache wohl nicht, gnädigster Herr, bemerkte der Hofrat, der vielleicht seine geheimen Gründe halte, es nicht zum vollständigen Bruche zwischen dem Land¬ grafen und der Krone von Frankreich kommen zu lassen: „Ich habe sichere Nachricht, daß Graf Tallard mit seinem Korps noch nicht von Montroyal aufgebrochen ist; wir haben also immer noch einige Tage Zeit vor uns. Es ist ja, trotz meiner soeben Euer Durchlaucht unterbreiteten Anficht, immer¬ hin möglich, daß es dem Kardinal Fürstenberg durch seinen großen Einfluß gelingt, eine für meinen gnädigsten Herrn günstige Entscheidung herbeizuführen." „Ja, so ist es am besten, lieber Hofrat," entgegnete Landgraf Ernst, der im Grunde seines Herzens froh war, eine ihm in sehr vieler Hinsicht unangenehme Entschließung noch etwas hinausschieben zu können: „Warten wir noch einige Tage! mit der Antwort an Seine Liebden von Kassel wird es wohl auch nicht so pressieren. Inzwischen vergeßt nicht, Erkundigungen über etwaige Zusammenziehungen von Truppen am andern Ufer einzuholen: Gott befohlen, mein lieber Seydenbender!" Als der Hofrat in sein in einem Seitenflügel des Schlosses gelegenes Zimmer zurückgekehrt war, zog er aus einem besonders verschloffenen Fache seines Schreibtisches einen in französischer Sprache abgefaßten Brief hervor, den er aufmerksam durchlas, obschon er dessen Inhalt bereits kannte, da er das Schreiben

„Wenn

ich das bestimmt wüßte,

durch einen Boten erhalten hatte, wenige Minuten bevor er zum Landgrafen gerufen worden.

„Es

ist doch sehr

gut," murmelte

er

halblaut vor

sich

>.

' 508 c.

hin. ..daß die Reiter des H:rrn Generals von Thungen diesen Brief nicht ebenfalls aufgefangen haben, wie den des Herrn Barbesieux. Das Bekanntwerden seines Inhalts würde sowohl meinem gnädigsten Herrn, als auch noch vielmehr Höchstdero Hofrat und vertrautem Diener außerordentlich fatal geworden.

LiieSrichs

te

Großen Verordnung wider das verbotene Feuer-Annmchen und Tabak-Hauchen. Unter dem Titel „Erneuerung und Schärfung der Edicte wieder das verbotene Feuer-Anmachen und Toback-Rauchen" er¬ ließ Friedrich der Große am 8. Juli 1744 fol¬ gende für das ganze Reich gellende Verord¬

nung:

Wir Friedlich, von Gottes Gnaden, König von Preussen, Marggraf Brandenburg, des zu Heiligen Römischen Reichs Ertz - Cämmerer und Churfürst, Souverainer und Oberster Heitzog von Schlesien, Souverainer Printz von Oranten, Neufchatel und Vallengin, wie auch der Grafschaft Glatz, in Geldern, zu Magde¬ burg, Cleve, Jülich, Berge, Stettin, Pommern, der Cassuben und Wenden, zu Mecklenburg und Croflen Hntzog, Burg¬ graf zu Nürnberg, Fürst zu Halberstadt, Minden, Camin, Wenden, Schwe¬ rin, Lingen, Bühren und

Noch acht Tage Hinhalten und Zaudern verlangt der des Grafen

woran

ich

Adjutant

Tallard. gelingt es mir, das zu ermöglichen, nicht zweifle, so ist mir ein reicher Lohn gewiß!" (Fortsetzung folgt.)

Warnungs-Tafeln umgehauen und zer¬ Uns bewogen haben, die wieder dergleichen Frevelthaten und Unbedachtsamkeiten unterm 28. Aprilis 1723. und 22. Junii 1726, emanirten Edicta nebst der sub dato den 20. Octobr. 1742. publicirfen Declaration des obigen EdictS vom 28 . Aprilis 1723. zu renoviren und Ende

aufgerichteten

nichtet worden,

schärfen,

zu

daß gleichwie

dergestalt; von Un¬

serer Churmärckischen

Krieges- u. DomainenCammer, und wie Wir nicht zweifeln, auch von Seiten der Geistlichen Stiffter, Vasallen und

Städte,

welche

grosse

Heiden und Holtzungen

wann Unsrigen grentzen und zu¬ haben,

besonders

mit

selbige

den

stoffen, wegen Setzung und Unterhal¬ tung gewisser Warnungssammen

Tafeln, auf welchen die Straffe der Contravenienten gemahlet und

exprimiret

ist, albereit einigen Jahren das nöthige veranstaltet

se>t

worden: Also

und ordnen auf das ernstlichste, daß hinführo niemand, er sei wer er Lehrdam. Herr zu Ra¬ wolle, einiges Feuer venstein, der Lande weder in den Feldern, Die neue evangelische Gsrnisonfiirche im Süden WerlinF. Rostock, Slargard, Lauen¬ wo Holtzungen anstossen, burg. Bülow, Arlay und anzumachen, noch weniger Breda, re. rc. Entbieten allen und jeden Unsern Prälat?», sich an den vor und in den Heiden befindlichen WarnungsGrafen, Freyherren, denen von der Ritterschaft, Magi¬ Tafeln. wie bishero an verschiedenen Orten geschehen, zu straten in den Städten, wie auch Unseren sämtlichen Be¬ vergreifen, oder des so offl verbotenen Nacht-Fischens und amten, Forst- und Heide-Bedienten, Land- und Ausreutern, Krebsens bey Feuer in den Holtzungen, ingleichen des TobackLehen- und Gerichis-Schultzen und insgemein allen Unseren Schmauchens so wenig bey Sommerszeiten in den Heiden und Unterthanen diß- und jenseit der Ooer und Elbe Unseren Holtzungen, noch auch in der Ernte bey Auflad- und EinGnade und Gruß, und fügen ihnen hiermit zu wissen: Was- führung des Getreides und Heues, bey dem Dreschen, Hechsel massen verschiedene Vorfälle, da nemlich durch hochstrafbare schneiden und Vieh futtern in Scheunen und Ställen, oder Unachtsahmkcit und Verwahrlosung mit Feuer und Licht, ab¬ neben solchen Gebäuden, absonderlich wo Stroh-Dächer vor¬ sonderlich aber durch das unbehutsame Toback-Rauchen in den handen, und überhaupt an Orten, wo Flachs, Hanf, oder Heiden bey trockenen Jahres-Zeiten, auch in Städten und andere Feuerfangende Sachen liegen, es sey in Städten, Flecken Dörfern an Orten, wo Feuerfangende Sachen vorhanden, oder Dörfern, bey Vermeidung Zehen jähriger Festungs-Arbeit, grosse Brand-Schaden verursachet, auch so gar von ruchlosen auch nach Befinden härterer Leibes- und Lebens-Strafe zu ge¬ und boshaften Menschen die in und an den Heiden zu dem brauchen fich unterstehen soll. setzen

Wir hiermit

Solle aber jemand,

er scy von was Stande er wolle, Verbot freventlich zuwieder handeln, oder, daß der¬ gleichen von seinen Dienst-Boten, Tagelöhnern. Dreschern und

diesem

dergleichen Lenten geschehen,

sehen

oder erfahren,

und nicht

soll ebenfalls entweder an Gelde oder am

derselbe

angeben,

So haben auch die Obrig¬ Orts sowohl in Städten als auf dem platten Lande, und absonderlich die Schnitzen in den Dörfern, bey unnachbleiblicher Strafe dergleichen Uebertreter gehörigen Orts Leibe nachdrücklich bestrafet werden. keiten eines jeden

der Personen gebührend anzuzeigen, und sich dafern sie nicht angesessen oder sonst vermögend sind, alsofort zu bemächtigen und davon gehörigen Orts zu berichten, damit sie zur ohne Ansehen

dererselbcn,

gebührenden

Strafe

derselbe soll solches anders nicht, als mit Vorwissen und Ein¬

willigung der Obrigkeit des Orts,

auch in Beyseyn der ForstBedienten selbigen Oistriots, und zwar nicht eher, als bey stillem Wetter vornehmen; auch muß ein solcher, ehe das An¬ stecken geschiehet, die Aecker oder Wiesen, welche ausgebrennet werden sollen, mit einem breiten Steig beschippen, damit das Feuer nicht überlaufen könne, auch genügsame Leute mit Schippen. Spaden und anderen nöthigen Gerälhschaften bey der Hand haben, damit wann etwa das Feuer wieder Vermuihen überhand nehmen wollte, demselben beyzeiten gewehret werden könne; wie denn auch solche Leute nicht eher, bis alles gelöschet, vom Brande hinweg gehen, und solchergestalt alle nöthige Vorsichtigkeit ge¬

brauchen sollen.

ge¬

Würde sich aber je¬ mand unterstehen, unangesaget bey der Obrig¬ keit und den Forft-Bedienten, seine Wiesen

zogen werden können.

Diejenigen Obrigkeiten, so hierunter etwas ver¬ oder zu der¬

absäumen,

gar

gleichen

Unwesen

durch die

Finger

sehen,

und wieder diese

aller-

Orärs

gnädigste

oder Aecker dennoch an¬ so

soll

wann

auch

zustecken,

selbe,

wissent¬

der¬

kein

lich handeln lassen, sollen

Schade

allenfalls nach den Um¬ ständen vor allen da¬ raus erwachsenden Schaden stehen, und den¬

noch dem Befinden nach

selben

an¬

daß

In¬

ten und

zu

gehalten

ersetzen

werden.

sonderheit

müsien

daferne schehen,

unterstehen,

entsetzlich

ge-

die

anzustecken;

und soll demjenigen, der dergleichen Freveler nahmhafflig machet, und

ihn

eben-

Die neue katholische Garnisonkirche in der tzasenhaide.

dessen

überführet.

alles des dawieder han¬ oder delnden Hirtens

Schäfers Vieh zur

werden. sich des Morchel-Lesens in den Heiden bedienen, einen grossen Verdacht auf sich gezogen, daß

auch diejenigen,

wie

Heiden und Holtzungen um des Grases willen

mäsfiger Strafe angesehen

Da

sie sich,

mehrmahlen

schon

Gast-

und selbige ver¬ warnen, oder gegen¬ wärtig siyn, daß wann sie solches unter¬

mit

Hir¬

deren Knechte,

am Leben gestrafet werden

geben,

sie

Schäfer,

die

wer ihnen nur Anleitung dazu gegeben, am Leibe auch wohl gar

und Reisenden fleissig Achl

lassen,

In¬

Wir,

oder

die

die Fremden

auf

werden.

sonderheit wollen

bestrafet

wirihe und Krüger aber auch

den¬

mit Gelde oder am Leibe

Wirthe in Städten und Dörfern, auch auf den Höfen, hierunter auf ihre Miets-Leute und Einhuartisrle, auch Kinder und Gesinde, die

geschehen,

so

wo sie an das Feuer-Anlegen und Abbrennen der Heiden nicht selber Hand anlegen, doch wenigstens darzu auf verschiedene Weise Anlaß geben dürften, um das Wachsthum dergleichen

Be¬

lohnung gegeben werden.

Weil

die Hirten und Schäfer auch Holtzhauer die übele Gewohnheit gehabt, daß sie sowohl in den Heiden als auf den Feldern in holen Bäumen Feuer ange¬ auch hiebevor

Erd-Schwämme dadurch zu befördern; So haben Unsere ForstBedienten ihren Pflichten und äußerstem Vermögen nach dahin zu sehen, daß niemanden als solchen Leuten, von denen sie sich wegen Feuer-Anlegens oder Verwahrlosung der Heyden nichts zu besorgen, und die sich vorher bey ihnen gehörig

wird ihnen Strafe Vierjähriger Festungs-Arbeit, oder anderer empfindlicher Leibes-Strafe, hierdurch nochmahls ernstlich unter¬ saget; Auch müssen die Schäfer und Hirten von Walpurgis bis Michaelis durchaus kein Feuerzeug bey sich führen. Wann auch an einem oder anderm Orte in der Heide ein Brand,

angegeben haben, das Morchel-Lesen erlaubet werde. Im Fall aber jemand sich genöihiget befände, verwachsene

man

Wiesen oder Aecker auszubrennen, um das Land zu reinigen,

machet, woraus oft großer Schade entstanden: So solches bey

ohne daß man dessen Ursprung erfahren könnte, entstünde, soll

auf solchen Fall schlechterdings bey den Schäfern und Hirten, welche auf sothanen durchs Feuer beschädigten Heiden

510 hüie», wie auch bey den Dmsschaflen und Gemeinen, welche an dem Orte, wo das Feuer aufgegangen, sich der Weide ge¬ brauchen. verbleiben, und sie sämtlich nach genügsamer Erwegung der dabey vorkommenden Umstände des geschehenen Schadens halben zur Verantwortung ziehen: Damit sie auch, wann sie unschuldig find, sich um soviel mehr bemühen mögen, den rechten Thäter ausfündig zu machen, so sollen sie der Weide auf Fünf Jahr oder so lange sich enthalten bis der eigentliche Thäler immittelst ausgemachet worden. Da aber dennoch bey aller solchergestalt gebrauchten Vorsicht ein Feuer aufgienge, so wird hiermit allen und jeden Unsern Bürgern und Unterthanen, so die Hütung und andere Nutzungen auf besagten Unsern Heiden haben, oder sonst nicht über zwey Meil weges davon wohnen, bey Vermeidung ernster Bestrafung hierdurch geboten, von Stund an, wann sie ein Feuer in der Heide gewahr werden, zu Sturme zu schlagen, die Gemeine zusammen zu bringen, und dem Feuer sämtlich, weil es ein allgemeiner Land-Schade ist. auch ungefodert zu¬ zulaufen und löschen zu helfen: Es sollen aber zu solcher Arbeit keine Kinder, sondern erwachsene Manns-Personen ab¬ geschicket, und solches auch den uähesten Nachbareu angezeiget werden. Würden aber diejenigen, so die Hütung und Holtzung auf mehrberührten Unsern Heiden haben, das aufgegangene Feuer sehen, und selbiges zu löschen jetzt erwähnter müssen sich nicht anschicken, noch solches ihren Nachbaren ankündigen, oder einige, da es ihnen angesaget würde, dennoch vorsetzlich ausbleiben, sollen dieselben der Hütung und Holtzung, wie vorerwähnet. Fünf Jahr verlustig seyn. und sich derselben solche Zeit über gäutzlich enthalten,, das Weide-Geld aber, oder was sie statt des vormahligen Weide-Habers, item vor das Holtzen an Gelde zu entrichten haben, dennoch zu geben schuldig und ge¬ halten seyn, und soll über das ein jedweder ausbleibender Unterthan Sechs Stunden den Spanischen Mantel tragen, oder in Stock gespannet werden. Wie dann auch die, so von der Hütung und Holtzung nicht proLtiren, wann sie auf geschehene Ansage dem Feuer nicht zulauffen und löschen helfen, nach Befindung des Schadens ebenmässig bestrafet werden sollen, immassen Wir dieser Unserer Verordnung in allen Stücken genau nachgelrbet wissen wollen. Damll nun dieses Unser erneuertes Edict zu Männigltches Wrssenschafft kommen, auch in frischem Gedächtniß bleiben möge, und niemand sich mit der Unwissenheit enlschuldigen könne: So soll dasselbe nicht allein in allen Städten, Flecken und Dörfern, auch Gast- oder Wirts-Häusern in der Chur- und Marck Brandenburg dis- und jenseit der Oder und Elbe, in specie in denen, so vor oder in den Heiden gelegen, öffentlich augeheffiet, sondern auch alljährlich vom Martio an bis zum September wenigstens Viermahl an gewöhnlichen Orten nach verrichtetem GOttesdienst laut und deutlich, fürnemlich aber von den Schultzen denen Hirten und Schäfern vorgelesen und bekannt gemachet und darüber unverbrüchlich gehalten werden. Uhrkundlich unter Unserer eigenhändigen Unterschriffl und bey gedrucktem König!. Jnnfiegel.

8.

Julii

1744.

Gegeben

zu

Berlin, den Friderich.

(L. S.) A. O. v. Viereck. F. v. Görne. F. W. v. Happe A. F. v. Boden. S. v. Marschall."

Mne Stahlroß-Tour in der Mark. Von G. Ehrecke. (1. Fortsetzung.)

IV. Am Spätnachmittag nahmen wir unsern Weg nach der Kreisstadt Templin, der „Perle der Uckermark". Wald, Wiese und Wasser rechts und links, anmutige Hügelgruppen, schattige Waldthäler, ergiebige Felder, welch ein reicher Wechsel! Doch die Schatten wurden lang, wir mußten scharf treten. „Wald und Flur im schnellen Zug kaum gegrüßt — gemieden; und vorbei wie Traumesflug schwand der Dörfer Frieden." Die Chaussee läuft meistens an der Bahn entlang, die von Löwenberg an der Nordbahn über Zehdenick nach Templin führt. Ein Zug dieser „Klingelbahn" holte uns ein; wir nahmen alle Kraft zusammen und hielten eine Zeitlang mit' dem Dampfroß gleichen Schritt. Doch wegen Schonung unserer und Pedale gaben wir nach; andern Tag noch Kraft aufsparen.

Lungen

wir mußten für

den

Noch vor Abend langten wir in Templin an, nahmen Quartier und gingen, nachdem wir einen Imbiß genossen und die Rosse dem Hausdiener übergeben hatten, auf Anraten der Wirtin in den „Bürgergarten." Die Stadt kann stolz sein auf solch ein Kleinod. Es ist kein künstltch angelegter Park; sondern ein Stück von dem dicht bei der Stadl beginnenden Walde, der teils Nadel-, teiis Laubholz hat. ist von breiten, mit Kies beschütteten Wandelgängen, durchzogen. Größere und kleinere Rundteile dienen als Spielplätze und zu Volksbelusttgungen aller Art. Nur schüchtern und bescheiden hat

die Hand

des Kunstgärtners hier und da eingegriffen; der Waldcharakter ist nicht beeinträchtigt. Man gedachte wohl des Dichterwortes: „Wer hat dich, du schöner Wald, aufgebaut so hoch da droben? Wohl den Meister will ich loben, solang' noch mein' Stimm' erschallt!" Muntere Bächlein plätschern und füllen einige von dunklen Buchen umstandene Teiche. Es war Pfingsten, der Bürger war mit Kind und Kegel in

seinen Bürgergarten gegangen.

Die fröhliche Menschenmenge

erging sich bei den Klängen der Stadtkapelle unter den grünen Baumkronen, durch deren Lücken die Abendsonne ihre goldenen Strahlen sandte.

Am andern Morgen besahen wir uns die sehr regel¬ mäßig gebaute, am Dolgensee gelegene Stadt. Wir begannen

St. Georgen-Hospital und machten an der Innenseite der vollständig erhaltenen Stadtmauer entlang einen Rundgang. beim

.

Wie oft haben die Alten auf dieser Mauer gestanden, um sich gegen anstürmende Feinde zu wehren! Wie oft erscholl hier Kampfruf, Stoß und Schlag! Viel pommersches und märkisches Blut floß hier wie vor anderen uckermärkischen Städten, bis Friedrich I. von Hohenzollern im Jahre 1427 in Templin mit den pommerschen Herzögen einen dauernden Frieden schloß, der ihm die Uckermark sicherte.

Der Name der Stadt kommt wahrscheinlich von den Templern her. die durch Albrecht den Bären nach Branden¬ burg gerufen wurden und unter den Ballenstädtern eine segensreiche Thätigkeit im Lande entfalteten. Sicher ist, daß die Templer eine „Komturei Templin" hatten. Die Gründung der Stadt ist wohl in die Zeit der Regierung der beiden Brüder Johanns I. und Ottos III. (um das Jahr 1250) zu setzen. Der letzte Ballenstädter, Waldemar, schloß in Templin

511 1317 den bekannten Frieden, in welchem ihm der Besitz aller erworbenen und eroberten Länder zugesprochen wurde. Die Stadt wurde durch viele Brände heimgesucht. Nach dem Brande von 1735, der die ganze Stadt in Asche legte, sand

Aufbau statt, der jetzt den Besucher so angenehm Die schöne St. Marien-Magdalenen-Kirche wurde nach diesem Brande von Friedrich dem Großen ausgebaut. Das große Erdbeben, das im Jahre 1755 Lissabon zerstörte, soll auch im Dolgensee verspürt worden sein. Es wird erzählt, das Wasser sei 50 Schritt zurückgetreten und dann mit großer Gewalt wiedergekommen, habe die Ufer über¬ schwemmt und seitdem einen größeren Umfang genommen. der regelmäßige

berührt.

V.

'

ging auf Lychen zu und führte größtenteils durch schattige Wälder. Der wellenförmige Boden bietet für Radfahrer einige Schwierigkeit, doch dachten wir, wie Till Eulenspiegel, berganwärts an das Thal, das folgt. Bon der Höhe ging's dann auch ohne jede Slrampelbewegung sausend hinunter. Mir wurde schließlich der Aufstieg sauer, aber dann sang mir unser Jüngster spöttelnd zu: „Das Wandern bringt groß' Freud', es sagen's alle Leut'." Endlich lichtete sich der Wald; vor uns lag Lychen mit seinem betürmten Rathaus, ringsum von glitzernden Seen umgeben. Unsere Chaussee führte unweit des langgestreckten Zenzsees hin, der zu der Seengruppe gehört, die sich von Boitzenburg nach Lychen hin¬ zieht und im Stolpsee zur Havel abfließt. Unser Weg

Das Städtchen Lychen erinnerte uns wieder an die Quitzows und ihre Zeit. Johann von Ouitzow war unwillig, daß Herzog Ulrich von Mecklenburg den ihm durch die Gefangennahme seines Bruders hingeworfenen Fehdehandschuh nicht aufnahm. Er beschloß, den trägen Herzog aufzurütteln. Im Oktober 1408 zog er mit seinen Leuten über Bötzow, wo er sich überzeugte, daß sein Gefangener, Herzog Johann, in vorgeschriebener strenger Haft gehalten wurde, nach Zehdenick und Templin und überschritt dann die Mecklenburger Grenze. Hier machten sich die wilden Scharen sofort an die Arbeit: plünderten, vertrieben die Bewohner, steckten die Wohn¬ stätten in Brand u. s. w. In der von Hügelreihen durch¬ zogenen Gegend zwischen Lychen und Ruienberg wurden die Quitzowschen unvermutet vom Herzog Ulrich angegriffen. Die

sie

Mecklenburger gewannen bald die Oberhand. An der Seite Johanns wurde Hans von Hoppenrade von einem Morgenstern getroffen, so daß er tot vom Pferde sank. Johann wandte den Blick auf den zu seiner Rechten gefallenen Freund, wurde

aber in demselben Augenblicke von links angefallen und durch einen Stoß vom Pferde geworfen. Dies wäre nicht so leicht

wenn Johann nicht vor kurzer Zeit bei einem Strauß sein linkes Auge eingebüßt hätte. Sofort nach dem Sturz warfen sich zwei feindliche Knechte auf ihn und packten seine Arme, so daß er Ein Ritter sich nicht rühren konnte. stellte sich mit gespreizten Beinen über ihn, schlug ihm das Visier in die Höhe und sah ihn mit grimmigen Blicken an „Ich bin Herzog Ulrich," sprach er mit vor Erregung zitternder Stimme; „nun habe ich dich in meiner Gewalt. Bete ein Paternoster, wenn du es vermagst; dein Ende ist da, du Aus¬ geburt der Hölle!" Bei diesen Worten griff er nach seinem Dolche. Johann blickte ihm fest ins Auge und erwiderte: geschehen,

„Stoßt nur zu! Bruder dasselbe zitternd, ließ die soll mein Bruder versetzte Johann,

will wird."

Sterbend

ich

mich freuen,

daß eurem

Ulrich, an allen Gliedern Hand finken und rief: „Verruchter Bösewicht, gemordet werden?" „Wie ich gesagt habe," „ihm wird gethan werden, wie ihr mir thut. Aber wozu die Rederei! Stoßt doch zu!" „Wo ist mein Bruder? Lebt er noch?" fragte der Herzog. „Er lebt und fitzt wohlverwahrt in Bötzow", war die Antwort. Herzog Ulrich trat zurück und befahl den Knechten: „Bindet ihn und bringt ihn in das Schloß Lychen! Sagt dem Schloßhaupt¬ mann, er soll ihn halbnackt in einen sichern Turm werfen und dort bei Wasser und Brot fitzen lassen." Des Herzogs Befehle wurden pünkilich befolgt. Gebunden auf einem Pferde fitzend, wurde Johann nach Lychen gebracht. Hier liefen die Leute unter Jubelgeschrei zusammen, und gar manches Spott- und Schimpfwort wurde dem finster blickenden Gefangenen zugerufen. Nach zwölf Wochen wurde Johann von Ouitzow gegen den Herzog Johann von Mecklenburg ausgewechselt. geschehen

VI. Von Lychen fuhren wir auf das mecklenburgische Städtchen Fürstenberg zu. Schon von Templin an halte uns der un¬ gemischte plattdeutsche Dialekt der Landleute viel Vergnügen bereitet. In Mecklenburg, wo alles, hoch und niedrig, mit Vorliebe und fast ohne Ausnahme plattdeutsch spricht, klang uns der Rcuterdialekt besonders angenehm in den Ohren. Volkscharakler und Volkssprache decken sich. Von der plattdeulschen Sprache und Art sagt Fritz Reuter:

„Ick weit einen Eikbom vull Knorr'n un vull Knast. Up den fött kein Bil nich un Aext.

Sin Bork is

so rüg, un fin Holt ist As wir hei mal bannt un behext.

so

fast,

Nix hett'l em dan; Hei ward noch stahn. Wenn wedder mal düsend von Jahren vergahn.

Un hei gräunt

so lustig, de Eikbom up Stunns. Arbeitslüd' hewwen em wahrt; Wi De Eickbom, Herr König, de Eikbom is uns', Uns' plattdütsche Sprak is't un Ort.

Fri

Kein vörnehm Kunst Hett s' uns verhunzt, müssen s' tau Höchlen ahn Königsgunst."

In

Fürstenberg wandten wir uns südlich, fuhren wieder der preußischen Grenze zu und erreichten über das im dichten Waldesgrün versteckte Dannenwalde das in Sage und Geschichte so oft genannte märkische Städtchen Gransee. Wir kamen von der Nordseite und hatten zur rechten Hand das Feld, wo der letzte Ballenstädter, Waldemar der Große, gegen eine dreifache

Dänen, Schweden, Polen, Pommern, stritt. Mecklenburger und noch andere hatten sich gegen den beneideten ruhmreichen Waldemar verbündet, um ihm den Garaus zu Wild und heiß wogte machen. Es war im August 1316. Heer bestand Waldemars der Kampf hinüber und herüber. Uebermacht

Teil aus den Bürgern seiner Stadt, die in ihm ihren Freund und Beschützer sahen und ihm daher gern und willig gefolgt waren. Schmerzlich war es für Waldemar zu wiffen, daß viele seiner Adligen in den Reihen der Feinde zu einem großen

512 von ihm zurückgesetzt glaubten. Die Sonne stand schon lief. und roch immer lobte der Kampf. Waldemar, den Seinen voran, war mitten im Getümmel. Da wurde sein Pferd von einem Lanzenstich getroffen. Es bäumte sich hoch auf, stürzte nieder und begrub den Reiter unter sich. In demselben Augenblick jagte ein Ritter in standen,

weil

sie

sich

schwarzer Rüstung heran, schrie dem Gefallenen zu: „Gieb dich!" und fuhr mit dem Degen nieder, der des Fürsten Stirn und Wange streifie. „Judas, es ist Dein Herr und Fürst!" rief Waldemar. Da wandte der Schwarze, ein Märker war's, sein Pferd und jagte davon. Aber andere Feinde kamen heran, und der hülflose Markgraf wäre sicherlich gefangen genommen, wenn nicht der brave Bürgermeister von Gransee, Andreas Grote, mit seinen schlagfertigen Bürgern herbei geeilt wäre. Grote, dessen Gesicht mit Blut überströmt war, da ein Pfeilschuß seine Stirn gestreift hatte, bahnte sich den Weg zu seinem Herrn und hob ihn auf mit den Worten: „Helfe dir Gott. mein Herr, so alle Tage als heute in deinen Nöten!" Waldemar wurde jubelnd zu den Seinen zurück¬ gebracht. Der Kampf entbrannte aufs neue und endete erst am späten Abend. In der Nacht zogen sich die Brandenburger zurück, und die Feinde, die auf dem Schlachtselde blieben, schrieben sich den Sieg zu. Sie hatten aber so schwer ge¬ litten. daß sie mit dem heldenmütigen Waldemar nicht weiter anbinden mochten und den schon erwähnten Frieden schlossen. Leider starb Waldemar, in dem all das Feuer seines hochsinnigen Geschlechts in ganzer Glut noch einmal auf¬ loderte, schon am 14. August 1319 im Aller von 28 Jahren Seine Gebeine ruhen in der Klosterkirche zu zu Bärwalde. Chorin.

Armes Land Brandenburg, mit dem letzten Ballenstädter Wohlfahrt ins Grab! Von allen Seiten fielen die Nachbarn wie Raubtiere in das verwaiste Land. Als es im Jahre 1323 wieder einen Herrn bekam, war es ein neun¬ jähriger Knabe, der Sohn des Kaisers Ludwig. „Wehe dem Lande, des König ein Kind ist," sagt der weise Salomo. Zwar übernahm der Kaiser die Vormundschaft über den jungen Markgrafen, aber seine Hand hatte wichtigere Geschäfte zu be¬ sorgen, als sich um die abgelegene, sandige Mark zu be¬ kümmern. Wer vermag die Flut von Unglück und Elend zu schildern, die sich über das Land ergoß? Kein Wunder, wenn sich die Märker nach den glücklichen Zeiten der Ballenstädter zurücksehnten, wenn sie es lief beklagten, daß der große Waldemar so früh zu seinen Vätern gegangen war. Ach. wenn doch der verehrte Fürst wieder aus seinem Grabe erstände! Es war im Jahre 1348. Markgraf Ludwig war längst ein Mann geworden, der das Land wohl hätte regieren und sank deine

Aber er war ein stolzer, genußsüchtiger Was bot ihm die Mark mit ihren dürren Sandfeldern, ihren eintönigen Heideflächen und düstern Kiefernwäldern! „Wäre sie eine muntere Dirne gewesen mit roten Lippen und von warmem Blute, er hätte sie in seinen Armen gehalten und ritterlich verteidigt. Aber sie dünkte ihn alt und kalt und welk." Da lobte er sein Bayern und Ttrol mit den beglücken können.

Herr.

üppigen Matten und stolzen Bergen, wo sein Pfeil die flüchtige Dort zu Gemse trifft und sein Blick die schmucke Sennerin. weilen, war seine Lust. Arme Mark! Nicht allein Fremde

Plündern, auch im Lande gab es Von ihren festen Schlöffern zogen die Raubritter herunter und machten mit ihren Knechten die Straßen unsicher und überfielen Städte und Dörfer. Die Stadt Gransee hatte schlimme Nachbarn dieser Art. Da waren die Ouasts und Winterfelds und besonders Hans Lüddccke vom roten Haus. Zwar war die Stadt gut bewehrt, wovon noch jetzt die starke Mauer rings herum mit ihren Lughäusern, Türmen und Thoren Zeugnis ablegt; aber trotz¬ dem galt es. jederzeit auf der Wacht zu sein, damit nicht kamen zum Rauben und

Raubgesellen aller

Art.

draußen das Vieh von der. Weide weggeholt werde oder ein lüsterner Haufe verwegener Raubgesellen sich Eingang in die Stadt verschaffe. Spotiweise nannte Hans Lüddecke die Granseeer seine Ochsenjungeu, aus deren Herden er sich nach Bedarf

Die Stadt zu überrumpeln, war jedoch, abgesehen von der starken Befestigung, nicht so leicht. Da standen auf hervorragenden Höhen in einiger Entfernung von der Stadt zwei Wartlürme, der eine im Osten, der andere im Westen. Der letztere ist noch vorhanden und macht sich schon aus weiter Entfernung bemerkbar. Man könnte ihn für einen Fabrikschornstein halten. Als wir bei unserer Ankunft in Gransee fragten, was das für ein Turm sei, antwortete man uns mit wichtiger Miene: „Das ist die Warte; versäumen Sie nicht, da hinauf zu gehen!" Wir gingen und fanden versorgte.

von etwa 30 m Höhe. Er ist aus Felderbaut und hat sogenannte Rippen aus Backsteinen. Auf diesem Turme saß im Jahre 1348 der alte Wächter Mathis. Seine Ausgabe war. zu spähen und zu horchen auf alles, was im engeren Umkreise vor sich ging. Bemerkte

einen Rundiurm steinen

so hatte er durch Zeichen seine Meldung Denn Hans Lüddccke war die Warte mit ihrem wachsamen Wächter, dessen treues, scharfes Auge ihm schon manchen Handstreich verdorben hatte, verhaßt. Er sann auf eine List, den Alten da oben unschädlich zu machen. — Ellies Tages fuhr auf der Landstraße, die unweit der Warte vorüberführte, ein mit Fäffern beladener Wagen. Mathis dem nichts entging, sah. wie der Wagen plötzlich durch einen Stoß ein Rad verlor, auf die Seite schlug und ein Faß nach dem andern herunterrollte. Der Fuhrmann jammerte und rief zur Warte hinaus um Beistand. Maihls stieg hinab und brachte mit dem Fuhrmann alles wieder in Ordnung. Dieser war erkenntlich, schlug von einem Faß den Reifen zurück, bohrte es an und bot seinem Helfer einen Labetrunk mit dem Bemerken: „Trink nur! Hans Lüddecke, für den die Ladung bestimmt ist, genießt auch oft, was ihm nicht gehört." Mathis, dem heute die Kehle so recht trocken war. ließ sich nicht lange nötigen. Als er sich zur Genüge gütlich gethan hatte, holte er auf Weisung des Fuhrmanns noch Gefäße herbei, die ihm Mit einem kräftigen Händedruck verabschiedeten dieser füllte.

er etwas Verdächtiges, zu machen.

sich

beide. (Schluß folgt.)

Kleine Mitteilungen Die beiden neuen Garnisonkirchen, deren Abbildungen wir auf

I.

508 u. 509 bringen, sind am 8 . Mai b. in Gegenwart des Kaisers eingeweiht worden. Die neue evangelische Garnisonkirche liegt am Ende der Gneisenaustraße auf dem Kaiser Friedrich-Platz. Das Gotteshaus, ein stolzer Bau im frühgotischen Stil, ist eine Schöpfung des Bau- und Intendantur-Rates Rotztäuscher. Das Königshaus und die Osfizierkorps der im Süden Berlins garnisonierenden Regimenter haben das Innere der Kirche reich ausgestattet. Die beiden für Altar und Kanzel bestimmten Bibeln sind ein Geschenk des Kaisers, die Abendmahlkanne schenkte Prinz Georg, den Kelch der Prinz Friedrich Leopold, einen zweiten Kelch weihten der Kirche die Prinzen Friedrich Heinrich und Joachim Albrecht, die Söhne des Prinzen Albrecht, das Ciborium schenkte Prinz Heinrich. Auch die sieben großen Fenster, die Professor Lindemann in Frankfurt a. M., der Schöpfer der Fenster in der Kaiser Wilhelm-Gcdächtniskirche, gemalt hat, sind Stiftungen. Das mittlere Chorfenster, dessen bildnerischer Schmuck die Auferstehung dar¬ stellt, schenkte Prinz Albrecht, der Regent von Brannschweig, die beiden seitlichen Chorfenster mit den Darstellungen der Taufe und des Abend¬ mahles stifteten die evangelischen Osfiziere der Garde-Kürassiere und des Garde-Trains. Auch die vier bildnerisch geschmückten Fenster im Kreuz¬ schiff, die die militärischen Tugenden anschaulich machen, verdankt das Gotteshaus der Opferfrcudigkeit der Offiziere. Das Fenster mit der Darstellung der Tapferkeit (David und Goliath) schenkten die evan¬ gelischen Osfiziere des Franzregimcntcs, das mit der Verbildlichung der Kameradschaft (Moscs in der Amalckrtcrschlacht) die Offiziere der Re¬ serve und der Landwehr des Garde¬ trains, das mit der Darstellung des Gehorsams (Isaaks Opferung) die 2 . Garde-Dragoner und das vierte

mit der Mäßigung (Die Ge¬ fangennahme Jesu: „Stecke dein Schwert in die Scheide") die Offiziere des 1. u. 2 . Eisenbahn-Regiments. Die übrigen Fenster des Schiffes sind in einfacherer Weise im hiesigen Atelier von Didden u. Busch hergestellt, auch zwei dieser Fenster sind Stiftungen der Offiziere des 3. Eisenbahn-Regimentes und der Garde-Pioniere. Der große Altar¬ teppich und ein Teil der Altarbekleidung sind Gaben der Osfiziersdamen. Endlich endlich

Geschichte der Frauenbewegung mit goldenen Lettern verzeichnet steht. Am Morgen des genannten Tages hatte die 67jährige Dame noch in gewohnter Weise die Briefschaften in Empfang genommen und begab sich gegen 3 /Z 0 Uhr in den großen Saal des Lettehauses, um der Prüfung der Gewerbeschülerinnen beizuwohnen. Als sie mit einer ihrer Beamtinnen eine geschäftliche Angelegenheit besprechen wollte, fühlte sie eine plötzliche Schwäche, sank mit den Worten: „Mir wird unwohl" in den Sessel zurück und bauchte nach wenigen Minuten ihre hatte die Dahingeschiedene ihr Seele aus. — Am 23 April d. 25 jähriges Jubiläum als Vorsitzende des Lettevercins gefeiert, den sie

für immer in der

I.

gewiffermaßen als ein Erbteil ihres Vaters übernommen hatte. Der Letteverein ist aus dem „Centralverein für das Wohl der arbeitenden Klaffen" hervorgegangen, dessen Gründung im Jahre 1844 erfolgte. Der langjährige Präsident die>es Vereins Lette überreichte im Oktober 1865 eine Denkschrift „über die Eröffnung neuer und die Verbesserung der bisherigen Erwerbsquellen des weiblichen Geschlechts", die auf sehr Die sog. Emancipation der Frauen gesunden Anschauungen basierte. wurde verworfen, dagegen die Notwendigkeit in den Vordergrund gestellt, den Frauen der mittleren und gebildeten Stände geeignete Erwerbs¬ quellen zu schaffen. Am 27. Februar 1866 wurde auf Grund dieser Denkschrift ein Verein zur Förderung der Erwerbsfähigkeit des weib¬ lichen Geschlechts gebildet. Nach dem Tode des verdienstvollen Präsidenten Lette erhielt dieser Verein den Namen Letteverein, unter welchem er in der ganzen gebildeten Welt bekannt ist. Am 23. April 1872 trat Frau Schepeler-Lette an die Spitze des Vereins, dessen Ausschuß sie seit 1867 angehörte. Seitdem ist die kluge und energische Frau ununterbrochen die erste Vorsitzende und die Seele des Vereins gewesen, der sich unter ihrer Leitung zu nie geahnter Blüte ent¬ wickelt hat. Nach den Statuten sind die Ziele des Vereins: 1. Beseitigung der der Erwerbsthätigkeit der Frauen entgegenstehenden Vorurteile undHinder-

2 Beförderung von Lehranstalten zur Heranbildung für einen kommer¬ Zweck. gewerblichen ziellen und nisse.

Nachweisung gewerblicher Lrhr3. gelcgenheiten und Vermittelung der

Beziehungen zwischen Arbeitgebern und 4. Begründung Arbeitnehmerinnen. von Verkaufs- und Ausstellungslokalen haben auch hochherzige Privatleute reiche für weibliche Handarbeiten und künst¬ Stiftungen gemacht; so sind aus solchen 5. Schutz selbst¬ lerische Erzeugnisse. Spenden beschafft der von Sagebiel ständiger Personen weiblichen Geschlechts in Braunschwcig in Eichenholz ge¬ gegen Benachteiligung in wirtschaftlicher schnitzte und vergoldete Altaraufsatz, oder sittlicher Beziehung, vorzugsweise die von Linncmann sun. gemalten durch Nachweisung geeigneter Gelegen¬ Bilder der Evangelisten an der Kanzel, heiten für Wohnung und Beköstigung. deren Holzwcrk gleich dem Orgel¬ Unter den praktischen Veranstaltungen prospekt aus dem Prächtclschen Atelier des Lettevereins, der unter dem Pro¬ hier hervorgegangen ist, der Taufstein, tektorat der Kaiserin Friedrich steht, die reichere Ausmalung des Chores und seien genannt: die Handels-, Gewerbedie prächtige Ausstattung der Kaiserloge, jfrau Anna Schepclcx-Tettc ff. und Zeichenschule, die Setzerinnenschule, die allein 6000 Mk. gekostet hat. Die von die die photographische Lehranstalt, Kauer in Frankfurt a. O. erbaute Orgel Haushaltungsschule, die Ausbildungs¬ hat 40 Register, zwei Manuale und Ein eignes Pen¬ kurse für Turn- und Handarbeitslehrerinnen. dreifache Registratur. Die Sakristei schmückt ein Ecce homo nach Guido sionat, das Viktoriastift, ein eignes Restaurant, ein Klublokal u. s. w. Reni, ein Rcmarquedruck jenes von der vorjährigen Ausstellung bekannten in den ihm gehörenden Häusern Königstehen dem Letteverein Stiches, den Slicfbold u. Co. geschenkt haben. Ein bauliches Kunst¬ Der Lelteverein und grätzerstraße 89 und 9.0 zur Verfügung. werk ist das glatt durchgeführte Gewölbe des Längsschiffes, eine mit ihm die dahingeschiedene Frau Schepeler-Lette haben das Konstruktion, die akustisch sehr wichtig ist. Die Kirche hat 1620 Sitz¬ Lebensglück vieler deutscher Frauen begründet. Die Anerkennung, die plätze, doch können durch Feldstühle u. dgl. noch für weitere 400 Pers. der Lettevercin in den weitesten Kreisen gefunden hat, drückte Geh. Rat Plätze geschaffen werden. Die Plätze unter den Emporen sollen stets Brandi. der Vertreter des Kultusministeriums, beim 25 jährigen Jubiläum für Civilpersonen freigehalten werden. der Frau Schepeler-Lette mit den bezeichnenden Worten aus: „Wie auch Die katholischen Soldaten der Berliner Garnison hatten bisher die Frauenfrage gelöst werden mag, und was auch die Freunde der überhaupt kein eignes Gotteshaus. Die katholische Garnison-Kirche Frauen-Bestrebungen erreichen mögen, das, was der Letteverein erstrebt liegt inmitten der Waldbeständc der Hascnhcide und ist Johannes dem und erreicht hat, müssen auch die Gegner als einen Teil der Lösung und Täufer geweiht. Sie wurde mit einem dem Kriegsministerium durch R. G. als eine günstige Lösung anerkennen." den Reichshaushaltsctat zur Verfügung gestellten Betrag von 780 000 Mk. — eine sehr geringe hatte Große nach den Entwürfen des Regierungsbaumeisters Menkcn unter verant¬ Friedrich der rftlKBVröW wortlicher Leitung des Baurats Vetter vom Regierungsbaumeister Otto Meinung von dem kriegerischen Wert der Russen. Oft genug hatte er Hohn in romanischem Stil erbaut und zeichnet sich namentlich durch seine Verachtung ausgesprochen, und vergeblich hatte der Marschall Keith, den Glanz der inneren Ausstattung aus. Die prächtige Malerei, vor welcher eine zcitlang in Rußland gedient, dem Könige eine bessere allem auch den Christus in der Apsis hat Maler Klinka geschaffen, die Meinung von den russischen Soldaten beizubringen versucht. Friedrich Altäre entstammen dem Atelier des Bildhauers Riegelmann, die Fenster war bei seiner Ansicht geblieben und nannte die Russen nie anders wie lieferten Didden und Busch, das Gestühl Sagebiehl-Braunschweig, die „Die Kanaillen." — Die furchtbaren Greuel, welche das feindliche Heer Beleuchtungs-Gegenstände Schösser und Walker, die Paramenten der in der unglücklichen Neumark verübt, hatte des Königs Haß und Per¬ Paramenten-Verein in Reiße. Eine der vier großen Glocken schenkte achtung nur noch erhöht; er wollte die Russen daher möglichst total der Feldpropst, Bischof Aßmann, eine fünfte kleinere Glocke hängt im schlagen, aber der Tag von Zorndorf bewies ihm, daß er sich dies doch Dachreiter leichter vorgestellt hatte, als es in Wirklichkeit war. — Als nun der Auch für die katholische Garnisonkirche hat Sauer-Frankfurt a. O. die Orgel erbaut. — Die beiden schönen Gotieshäuser gereichen dem König nach der Schlacht dem Marschall von dem nicht anders als durch Süden der Reichshauptstadt in hohem Maße zur Zierde und haben auf Tötung zu überwindenden Widerstande der russischen Infanterie erzählte, kirchlichem Gebiete einem längst gefühlten Notstände ein Ende bereitet antwortete dieser immer nur: „Die Kanaillen!" iodaß Friedrich das — i. Gespräch kurz abbrach. Jedenfalls hatten sich die Ansichten des Königs über den Wert der Russen als Soldaten nach der Schlacht vollständig Frau Anna Schcpelcr-Lctte ff. (Mit Porträt.) Ein Herzschlag be¬ geändert. Er soll geäußert haben: „Diese Leute sind eher totzuschlagen, endete am 17. September d. jäh das Lehen einer Frau. deren Name

I.

als zu besiegen!" Andererseits ist wohl auch nicht zu leugnen, daß trotz der Niederlage von Zoindorf, und wohl mit durch die Anerkennung des Großen Friedrich die Bedeutung Rußlands in Europa stieg. — Ein sächsisch-polnischer Offizier, Tielcke, der die Schlacht auf Seite der Russen mitgemacht, erzählt, daß ein Teil der durch Scydlitz berühmten Angriff geworfenen russischen Kavallerie die Bagage geplündert und sich namentlich der Branntwcinfässer der Marketender bemächtigt habe. Die Offiziere hätten sich vergeblich bemüht, deui Unfug zu steuern. Selbst das Zerschlagen der Fässer habe nichts geholfen, denn von der Erde hätten die Durstigen das verderbliche Naß geleckt. Sie wären dadurch so sehr aller Bande der Disziplin ledig geworden, daß sie sich gegen ihre Offiziere zur Wehr gesetzt und viele derselben, namentlich die Deutschen, ermordet hätten. — Während die Infanterie des linken preußischen Flügels au dem blutigen 25. August 3 758 gerade keine Lorbeeren errang, im Gegenteil dem Ansturm der russischen Reiterei völlig erlag, ja sich zur Flucht wankte, waren es die Regimenter des rechten Flügels, welche unerschütter¬ lich im Avancieren blieben und im Verein mit den Seydlitzschcn Reitern olles vernichteten, was fick ihnen entgegenstellte. Unter diesen neun Bataillonen des rechten Flügels waren aber auch sechs Branden¬ burgische, nämlich die Regimenter Focande (Ober-und Rieder-Barnim), Prinz von Preußen (Priegn!tz> und Kalkstein lReumark). Diese drei erprobten Regimenter fochten hier recht eigentlich, ebenso wie 55 Jahre später die märkischen Landwehren bei Großbceren und Dennewitz, für ihren Herd und konnten mit den Verwüstern ihrer engern Heimat blutig abrechnen. Emen deutlichen Beweis dafür, daß eine weichende Infanterie fast völliger Vernichtung, eine mutig vorgehende dagegen nur geringeren Einbußen ausgeätzt ist, geben die Verluste der einzelnen Regimenter in dieser wohl blutigsten Schlacht des 7jährigen Krieges. Verluste der am meisten betroffenen Regimenter des linken Flügels , — so wie von allen Annoncen Bureaus entgegengenommen. — Der Preis für die 4fach gespaltene Petit-Zeile beträgt 40 Pf.

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Unter Mitwirkung von

Ernst G. Sarders. Dr. K. Süringirier. Professor Dr. SroUser, Dr. H. Krendicke. Theadar Fantane, Stadtrat G. Friedet, Ricknrd George, Ferd. Wiener Dr. Gg. Scknridt, Gymnafialdirektor a. D. Dr. Wt. Sckrvaris , und G. v. Miiderrdrrrck Dr.

XXIII. Zahraang.

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Der

kerausgegeben oon

Friedrich Zrllessen.

„Bär"

erscheint wöchentlich am Sonnabend und ist durcb jede Poftanftalt lNo. 809), Buchha rdlnna und Zeitungs¬ spedition für 2 INk. 50 pf. vierteljährl. zu beziehen. Auch die Geschäftsstelle — Berlin X. 58,Schönh. Allee 141 — nimmt Bestellungen entgegen. Jnseraten-Aufträge stnd an die letztere zu richten. Die viergesp. Petitzeile kostet 40

Pf.

30. Oktober 1897.

ir pranjofeu vor Usirinfels. Historischer Roman non G. non Karfus. (1. Fortsetzung.)

II.

S

ie Stadt St. Goar hatte während des dreißigjährigen Krieges viel Ungemach über sich ergehen lassen müssen, sowohl zu Anfang desselben durch die Spanier, als diese Festung und Stadt — nach einer Belagerung vom 31. Juli bis zum 3. September 1626 — infolge der ehrenvollen

Kapitulation des tapfern Kommandanten Oberst Johann von Uffeln in ihre Gewalt brachten, als auch durch hessenkasselsche Truppen, die sich im Jahre 1647 in den Besitz von Rheiiifels und St. Goar setzten. Als Landgraf Ernst von Heffen-Rotheuburg-Rheinfels am 30. März 1649 in die Stadt einzog, um seine dauernde Residenz im Schlosse unterhalb der Festung zu nehmen, zählte St. Goar nur sechshundert Bewohner in seinen Mauern. Der Landgraf sorgte aus allen Kräften für die Hebung seiner Stadt; sie wurde der Sitz des Gerichtshofes für die ganze Grafschaft Katzenellenbogen, auch die Forstverwaltung wurde dorthin verlegt, desgleichen nahmen viele Familien der zum Hofe des Landgrafen gehörenden Beamten ihren Wohnsitz in der Stadt. Handel und Verkehr hatten frisches Leben er¬ halten, sodaß im Jahre 1692 die Einwohnerzahl von St. Goar bereits wieder über tausend gestiegen war. An der Spitze des Gemeinwesens stand ein Ratsbürgermeister mit einem aus elf Mitgliedern bestehenden Rate. während außerdem noch ein Gemeindebürgermeister als Beisitzer und Vertreter der Bürger¬ schaft in jedem Jahre am Ostermontage aus der letzteren ge¬ wählt wurde.

Am Morgen des 10. Dezember 1692 waren die Rats¬ männer zur festgesetzten Stunde im Rathause versammelt, um den Bericht des Bürgermeisters Walker, nach seiner Rück¬ kehr vom Schlosse, entgegenzunehmen. Etwas nach zehn Uhr erschien der alte Herr mit düster umwölkter Stirn im Ratsfaale und teilte den Versammelten mit, der Landgraf habe die vom jungen Walker am Abende zuvor überbrachte Nachricht ziemlich ungnädig ausgenommen und ihm, dem Bürgermeister,

erklärt, daß die Rüstungen der Franzosen in Montroyal ihm längst bekannt wären, doch gälten dieselben keineswegs der Festung Rhemfels und St. Goar, sondern der Stadt Rheinfelven bei Basel. Wäre ersteres der Fall gewesen, so würde er,

der Landgraf, gewiß den Bürgermeister seiner getreuen Stadt davon in Kenntnis gesetzt haben. Die Zufuhren von Munition und Proviant, die in jüngster Zeit in der Festung eingetroffen, seien vom Herrn Landgrafen von Kassel an¬ geordnet worden, um für alle Eventualitäten gesichert zu sein. und brauche sich Weise zu beunruhigen.

„Ich

die Bürgerschaft

deswegen

in keiner

muß Euch aber bekennen, werte Herren und Freunde",

Bürgermeister seinen Bericht, „daß mir das ganze Wesen Seiner Durchlaucht ängstlich und zaghaft vorgekommen

schloß der

als ob er selbst nicht recht an das glaubte, was er mir auch wollte es mir gar nicht gefallen, daß der alte Fuchs, der Seydenbender, sich häufig in das Gespräch mischte und dem Herrn Landgrafen die Worte gleichsam in den Mund legte, die er mir antwortete. Als ich aus dem Schlosse trat, ist,

sagte;

518 kam der Major Stoffel, der Kommandant der Garnison, von der Festung herunter, gab mir die Hand und sagte mit recht besorgter Miene, bevor er die Stufen zum Schloßportal hin¬

aufstieg: „Ich fürchte, Bürgermeister, es kommen schlechte Tage über Stadt und Festung!" „Das fürchte ich auch!" rief der Gemeinde-Bürgermeister ans. „Ich glaube der Meldung Eures wackern Sohnes mehr als allem, was der Herr Landgraf und sein Hofrat Euch vor¬

haben!" alle wohl, werter Freund," bemerkte der Ratsherr Stein. „Die Frage ist nur, wie können wir das drohende Unheil von uns abwenden? Ein Beweis, daß der Landgraf an die feindlichen Abfichten der Franzosen nicht glaubt, oder geschwätzt

„Wir

wenigstens

nicht glauben

will,

ist doch sicherlich, daß er die

Garnison, trotz der Anmahnungen des Herrn Landgrafen von wir erfahren, nicht hat verstärken lassen." „Auch ich vertraue unbedingt den Mitteilungen meines wackern Freundes, des Bürgermeisters von Trarbach, die mein Sohn uns überbracht hat", sagte Walker. „Während der schlaflos zugebrachten Nacht habe ich überlegt, auf welche Weise wir Stadt und Festung davor bewahren könnten, den Franzosen in die Hände zu fallen, denn ohne den Schutz von Rheinfels find auch wir verloren. Schon vor vier Jahren hat König Ludwig nach dem Besitze der Festung gestrebt, weil derselbe ihn zum Herrn über den Strom von Bingen bis Koblenz macht. Doch das ist Euch ja nicht unbekannt! Hört nun, werte Herren, wie ich denke, die Gefahr von uns ablenken zu können. Bevor ich heute früh nach dem Schlosse hinaufstieg, kam ein Bauer aus Bogel am andern Ufer zu mir, da er auf dem Gerichte etwas zu schaffen hatte, und er¬ zählte. daß in Bogel, Nastätten, Zorn und anderen Ortschäften der Grafschaft mehrere Regimenter des Landgrafen von Kassel seit gestern einquartiert worden seien und, nach dem Reden der Soldaten zu schließen, in den nächsten Tagen noch mehr Truppen eintreffen würden." „Der Landgraf Karl hat also sichere Nachrichten über die Absichten der Franzosen erhalten", unterbrach Wähler den Vorsitzenden, „und will ihnen in der Besetzung der Festung zu¬ vorkommen! Gott sei Dank!" „Daß es sich so verhält, glaube ich auch", fuhr der Ratsbürgermeister in seiner Ansprache fort. „Doch weiß der den Befehl führende General gewiß nicht, daß die feindliche Armee in zwei bis drei Tagen hier sein kann. Deshalb will ich noch heute meinen Sohn nach Nastätten hinüberschicken, damit er dem General ausführlich Meldung macht von dem, was er uns Kassel, wie

gestern abend berichtet.

Ihr,

Josten, wollt sogleich ein Schreiben

Philipp bei

dem langräflichen Befehls¬ haber als Beglaubigung dienen soll, daß er wirklich als Bote von uns abgeschickt worden ist. Gleich nach dem Mittageffen aufsetzen, das meinem

wird er fortreiten."

„Ihr

Herr Bürgermeister!" und find überzeugt, daß der General unsern Herrn Landgrafen schon zu zwingen wissen wird, die Truppen seines Herrn Vetters in die Festung einzulaffen." habt das richtige gefunden,

rief der Ratsherr Stein aus.

„So Wähler.

„Wir

danken Euch

ist es recht", bemerkte der Gemeinde-Bürgermeister

„Um

jedoch ganz sicher

vor Ueberraschung zu sein,

schlage ich vor, den Vorsteher unsrer Schützengilde, den Meister Kreisch, den wir ja alle als einen treuen Bürger der Stadt

»

und mutigen Mann kennen, aufzufordern, mit einigen zuver¬ lässigen Leuten nach Pfalzfeld. Kastellaun und Simmern hin Streifzüge zu unternehmen, um ein etwaiges unvermutetes Herannahen der Franzosen rechtzeitig zu entdecken." Dieser Vorschlag wurde einstimmig angenommen, und der Ratsdiener wurde sogleich in das Haus des Drechsler¬ meisters Karl Kretsch geschickt, um diesen nach dem Rathause zu bescheiden. Inzwischen setzte Josten, der Ratsschreiber, nachdem sich die Ratsherren mit Wähler entfernt, das Schreiben

für

den jungen Walker auf.

Gleich nach zwei Uhr erreichte Philipp das Dorf Bogel auf dem rechten Ufer, wo er bereits die ersten hessen-kasselschen Truppen vorfand. Auf seine Frage nach dem Hauptquartier des kommandierenden Generals wurde ihm bedeutet, daß er diesen in dem eine gute habe Stunde entfernten Städtchen Nastätten antreffen würde. Der Befehlshaber der auf dem rechten Rheinufer zu¬ sammengezogenen Truppen des Landgrafen von Hessen-Kassel war der Generalmajor Georg Sittich Ludwig von Schlitz, genant von Görtz, ein wegen seiner Tapferkeit und seiner hervor¬ ragenden militärischen Fähigkeiten ausgezeichneter Offizier, der zu jenem Zeitpunkte erst im Alter von sechsunddreißig Jahren Der stand und bereits einen so hohen Rang bekleidete. General hatte sein Quartier im Hause des Bürgermeisters von Nastätten aufgeschlagen und war gerade mit seinem Adjutanten, dem Kapitän von Donop, beschäftigt. Befehle und Anordnungen zur Unterbringung eines für den folgenden Tag angemeldeten Regiments zu treffen, als ihm die eintretende Ordonnanz meldete, es sei ein Bote des Bürgermeisters von St. Goar angekommen, der ein Schreiben für den Herrn General bringe und um Vorlassung bitte. Auf einen zustimmenden Wink wurde der junge Walker eingeführt. General Görtz erhob sich beim Anblick des gut gekleideten jungen Mannes und trat ihm entgegen, ihn mit seinen glän¬ zenden braunen Augen prüfend ansehend. „Was bringt Ihr mir, junger Herr?" fragte er. „Es muß Wichtiges sein, daß Ihr bei diesem Wetter den beschwer¬ lichen Weg über die Berge nicht gescheut habt." „Vorerst dieses Schreiben meines Vaters, des Bürger¬ meisters von St. Goar, Herr General", erwiderte Philipp, mit einer höflichen Verbeugung den Brief überreichend. „Euer Vater verweist mich an Euren mündlichen Bericht, wie ich sehe", bemerkte der General. „Was habt Ihr mir zu melden? Doch zuvor nehmt Platz! Ihr werdet müde von dem langen Ritte sein." Nachdem der junge Walker seine Mitteilungen beendigt, sprang der General heftig erregt auf und ging einigemal im Zimmer auf und ab; dann blieb er vor Philipp stehen, gab ihm die Hand und sagte:

„Ich danke Euch für den Bericht, der indes nur bestätigt, was wir seit zwei Wochen auf anderm Wege in Erfahrung gebracht. Euer Herr Vater ist ein guter Patriot, was ich zu rühmen wissen werde. Nun aber zu Wichtigerem! Wie steht es mit dem Eise auf dem Rhein? Kann man noch gut hin¬ über, hat es sich gestellt?"

„Der Fluß treibt mit Eis, Herr General, das argen Regen während der letzten

worden", berichtete Philipp.

nach dem

Tage wieder mürbe ge¬ „Ich bin mit meinem Pferde

519 auf der fliegenden Brücke ohne Unfall nach hinübergekommen und glaube kaum, daß es

St. Goarshausen in der

nächsten

Zeit scharfen Frost geben wird." „Gut! Morgen früh werde ich Euch nach St. Goar begleiten, junger Herr, um dem Herrn Landgrafen Ernst meinen persönlichen Besuch abzustatten, woran mich bis jetzt das Fieber verhindert hat, das mich seit einigen Tagen wieder plagt; bei dieser Gelegenheit will ich mich auch bei Eurem wackern Herr Vater bedanken. Für diese Nacht müßt Ihr schon mit meiner Gastfreundschaft fürlieb nehmen, da es be¬ reits zu finster geworden, um den Rückweg nach St. Goar ein¬ zuschlagen; auch dürftet Ihr im ganzen Orte hier keine passende Unterkunft mehr finden, da alles mit Truppen be¬ legt ist. Ich werde daher meinen vortrefflichen Ouartierwirt bitten, für Euch Sorge zu tragen. Beim Nachtmahl sehen wir uns wieder!" — Am folgenden Morgen hatte sich das Wetter aufgeklärt, der junge Walker den General von Görtz und dessen als Adjutanten nach St. Goarshausen begleitete. Gleich hinter dem Dorfe Vogel holten die Reiter eine Kolonne Infanterie und eine Batterie schwerer Geschütze ein. die ebenfalls dem Rheine zu marschierten.

„Ich denke, Seine Durchlaucht werden meinen Besuch gnädiger aufnehmen", sagte der General lächelnd zu dem Kapitän von Donop, „wenn ich in so stattlicher Begleitung komme." „Das glaube ich nun weniger, Herr Generalmajor", entgegnete der Adjutant. „Der Herr Landgraf weiß sehr wohl, daß die paar Kompagnien und die Artillerie, welche Sie in St. Goarshausen einquartieren wollen, nicht imstande find, ohne seine Zustimmung in die Festung zu gelangen." „Aber nach der Stadt können sie übersetzen, beim ersten Alarmschuß, und diese gegen den Feind hallen, bis wir mit den übrigen Truppen heran find", bemerkte der General eifrig. „Außerdem wird es mir hoffentlich gelingen, den Landgrafen zu bewegen, daß er mir gestattet, wenigstens die Außenwerke durch einige Kompagnien besetzen zu lassen."

Als

Herrn Vater, daß

und ihn um

Gewährung

einer Unterredung

zu

bitten;

nannten Kanzleigebäude, um dort den Bescheid des Landgrafen zu erwarten. Nach einer halben Stunde kehrte Kapitän Donop mit der Botschaft zurück, daß Seine Durchlaucht verhindert sei, den Herrn Generalmajor im Schlosse zu empfangen, jedoch binnen kurzem nach der Kanzlei herunterkommen werde, um die Mitteilungen des Generals entgegen zu nehmen. Dem General Görtz stieg das Blut zu Kopf vor Ent¬ rüstung über diese wenig schmeichelhafte Weise, ihm zu be¬ gegnen, doch kämpfte er seinen Unmut nieder, der Sache wegen, die ihn hergeführt. Es währte nicht lange, so erschien der Landgraf in Be¬ gleitung seines Adjutanten, des Oberstlieutenants von Ufflingen, und des Hofrats Seydenbender in dem Empfangszimmer des Kanzei-Direktors, wo ihn die beiden heffen-kasselschen Offiziere ungeduldig erwarteten.

Der Fürst schien sich in sehr schlechter Laune zu befinden, als er sich in den breiten Sessel neben dem Tische in der Mitte des Zimmers niederließ, ohne die übrigen Anwesenden aufzufordern, sich zu setzen. Er wußte ja ganz genau, was der General seines Vetters von ihm wollte, und war fest entschlossen, dem Verlangen desselben nicht zu willfahren. (Fortsetzung folgt.)

Graf Grnst

M

der gegenUar?ige Negenr und demnschstige Thron¬ folger im Fürstentum Tippe.

In

(Mit

drei Abbildungen.)

Selten ist wohl ein kleiner Staat Interesses

öffentlichen

zu der Zeit,

getreten

als die Frage:

so

wie

in

den Vordergrund

das

Fürstentum

Wer wird in Zukunft

schlankgewachsenes, auffallend

sein Fürst sein?

dunkelbraunen Augen und frischen Wangen, die sich tiefrot färbten, als Philipp Walker im Vorüberreiten seinen breit¬ randigen Hut vor ihr abzog und sie mit blitzenden Augen

bei Beteiligten und Nichtbeteiligten die Gemüter erregte.

ansah.

„Allewetter, junger Herr" sagte Hut lüftend, sauberes Kind! Nach ihrem Erröten mehr als ein gewöhnlicher Bekannter seinen reich galonnierten

der General,

ebenfalls

„das ist ja ein bild¬

zu schließen, müßt Ihr sein." „Es ist die Tochter des Drechslermeisters Kreisch, des Vorstehers unserer Bürgerschützen", erwiderte Philipp etwas verlegen. Die Gertrud ist eine Gespielin und Freundin meiner Schwester Barbara. Doch hier beginnt der Weg nach dem Schlosse und der Festung, Herr Generalmajor, nun

können die Herren nicht mehr fehlen."

„Seid bedankt für Eure Führung, und meldet Eurem

er

selbst begab sich, begleitet von einem Korporal der Thorwache, nach dem ein wenig unterhalb der Festung gelegenen, soge¬

Lippe

Thür eines stattlich aussehenden Hauses stand ein schönes Mädchen mit großen,

zurück¬

um ihm

dem Schlosse hinauf, um dem Fürsten seine Ankunft zu melden

des

der

in mein Hauptquartier

meinen Dank für seine Botschaft abzustauen!" Nachdem die beiden Herren bei dem ersten befestigten Thore angelangt, schickte der General seinen Adjutanten nach

Fähre, die Landgraf Ernst vor kurzem eingerichtet, das linke Ufer erreicht, ritten sie durch die Hauptstraße nach der zur Festung hinaufführenden Rampe, auf welchem Wege sie vielfach von den in ihren Hausthüren stehenden Einwohnern freundlich begrüßt wurden. die Retter auf der fliegenden

ich, bevor ich

einen Augenblick bei ihm vorsprechen werde,

kehre,

engere

und weitere Kreise beschäftigte und

Fürst Paul Alexander hinterließ er nicht weniger als fünf Söhne. Wer hätte da geglaubt, daß sein Tod der An¬ fang vom Ende seines blühenden Geschlechts sein würde? Und doch sollte es so sein. Die Ehen seiner beiden nächsten Nachfolger, der Fürsten Leopold III. und Woldemar, blieben kinderlos, zwei Prinzen starben unvermählt, und der letzte Sproß des Hauses, der jetzige Fürst Alexander, ist gleichfalls unvermählt. Er lebt, regierungsunfähig, in einer Anstalt in Würzburg.

Als Leopold

am

1.

Januar 1851

seine Augen schloß,

Angesichts dieser für das regierende Fürstenhaus be¬ klagenswerten Thatsachen wurde die Aussicht des Erlöschens der Linie allmählich zur Gewißheit und die Regelung der Erbfolge und damit die einer Regentschaft für den Fürsten

Alexander, im Fall des Ablebens des Fürsten Waldemar, zur dringenden Notwendigkeit. Hätte die Thronfolgeberechtigung des nächsten Agnaten, des Grafen Ernst zur Lippe-

Biesterfeld. in

keiner Weise angefochten werden können,

so

allgemeinen Meinung als demuächstiger Thronfolger nach dem Ableben des Fürsten Waldemar zum Regenten bestimmt werden müssen. Allein seine Successions¬ fähigkeit wurde bestritten, und zwar sowohl von der Lippischen

hätte

er

nach

der

Staatsregierung als auch von den beiden anderen Zweigen des Lippe.Weißenfels und Schaumbeide die selbst auf die Thronfolge in Lippe burg-Lippe.

Lippischen Gesamthauses:

Anspruch erhoben.



Die Versuche der Lippischen Staatsregierung, mit dem Landtage eine Verständigung in der Regentschaftsfrage zu erzielen, führten zu keinem Ergebnis. — Da trat am 20. März

1895 ganz unerwartet der Tod des Fürsten Woldemar ein, ein Ereignis, das nach Lage der Dinge 300 Jahre früher den blutigsten Erbfolgekrieg hervorgerufen hätte und jetzt, für einen Augen¬ blick wenigstens, den Beginn recht¬ loser Zustände und den Anfang heil¬ loser Verwirrung für das Land zu bedeuten schien, und diese wahr¬ scheinlich auch herbeigeführt haben würde, wenn nicht Fürst Woldemar durch einen bis zu seinem Tode nicht bekannt gegebenen

Erlaß

be¬

stimmt hätte, „daß von dem Zeit¬ punkte seines dereinstigen Ablebens an bis zur endgültigen Entscheidung der Thronfolgefrage im Fiusten-

tum Lippe Seine Durchlaucht der Prinz Adolf zu SchaumburgLippe die Regentschaft im Füistentum Lippe mit allen in der Staats¬ gewalt verfassungsmäßig enthaltenen Rechten und Pflichten übernehmen solle".

unter der weisen Regierung des Prinzen Adolf seinen ruhigen Lauf, und mit Zuversicht sah mau der Entscheidung des Streites entgegen. Die streitige Frage wurde durch ein Gesetz vom 17. Oktober 1896 auf Grund eines Vertrags der streitenden Prätendenten einem Schiedsgerichte unterbreitet, das von Sr. Majestät dem Könige Albert von Sachsen und sechs von ihm zu berufenden Mitgliedern des Reichs¬ gerichts gebildet wurde. Durch diesen Akt war der Streit um die Thronfolge in sichere Bahnen gelenkt und jeglichem Zweifel an der

rechtmäßigen Entscheidung mit einem Schlage ein

Schneller, als man es erwartet hatte, wurde die Frage entschieden und am 22. Juni 1897 folgendes Urteil ausgesprochen: „Seine Erlaucht der Graf Ernst Casimir Ende gemacht.

Friedrich Karl Eberhard. Graf und edler Herr zur Lippe-Biesterfeld, ist nach Erledigung des zur Zeit von Seiner Durchlaucht dem Fürsten Karl Alexander zur Lippe innegehabten Thrones zur Regierungsnach¬ folge in dem Fürstentum Lip'pe berechtigt und berufen". —

In

einer sich daran anschließenden umfangreichen Begründung wird aus¬

geführt — und dies ist der eigentliche Angelpunkt des ganzen Streites —, aus der Abstammung des Hauptes der Linie Lippe-Biesterfeld von einem geb. Fräulein M ödest a daß

von Unruh, Gemahlin des Grafen Wilhelm Ernst, ein Grund zur Unebenbürtigkeit nicht abge¬ leitet werden könne.

Mit hatte

der Verkündigung des Urteils die

provisorische

Regentschaft

Sr. Durchlaucht des Prinzen Adolf ihr Ende erreicht. Mit herzlichen Wünschen für das Wohlergehen des Landes nahm er nebst seiner Hohen Gemahlin, der Schwester des Kaisers Wilhelm, Abschied von dem lippischen Volke und hatte bei seiner Abreise

Gräfin Laroline zur Tippe-Wlesterfeld Wie sehr dieser Regierungsakt die geb. Reichsgräfin von Wartensleben. am 10. Juli die Genugthuung, daß Gemüter auch aufregte, und wie heftig bei dre Liebe und Verehrung, die er ihm auch der Widerspruch war, den er sich durch sein mildes, gerechtes und weises Regiment er¬ dem größten Teile der Landtagsabgeordneten hervorrief, so muß worben hatte, durch die herzlichsten und rührendsten Kund¬ man bei ruhiger und objektiver Betrachtung der Dinge doch gebungen ausgedrückt wurden. zugestehen, daß bei dem Mangel einer Verständigung zwischen Am 17. Juli hielt Seine Erlaucht Graf Ernst an der der Staatsregierung und der Volksvertretung durch jene landes¬ unausbleiblichen Rechtsunsicherheit Seite seiner Hohen Gemahlin seinen feierlichen Einzug in das herrliche Bestimmung der Lippische Land. aufs herzlichste begrüßt von seinen zukünftigen vorgebeugt und Zeit zu einer gründlichen Erledigung des ErbUnterthanen. solgestreites gewonnen wurde. Nachdem auch der Landtag die Graf Ernst, der nunmehrige Regent, (s. Abbildung aus Regentschaft des Prinzen Adolf nachträglich genehmigt hatte, Seite 521) wurde am 9. Juni 1842 zu Obercassel bei Bonn sahen alle ruhig denkenden Lipper, im festen Vertrauen darauf, geboren. Sein Vater, Graf Julius, war vermählt mit daß im Deutschen Reiche in einer so wichtigen Frage nichts Seine erste wissen¬ der Gräfin Adelheid zu Castell-Castell. geschehen könnte und nichts gemacht würde, was mit Recht schaftliche Ausbildung erhielt Graf Ernst in Wittenberg, und und Gerechtigkeit im Widerspruch steht, der Zukunft mit Ruhe zwar unter Leitung des in Lehrerkreisen hochangesehenen Gymentgegen. Darum ließ sich auch der größte Teil der lippischen Nachdem er sein AbiturientenBevölkerung durch den Krieg, der mit dem Feldgeschrei „hie nafial-Direktors Schmidt. Biesterfeld!" „hie Bückeburg!" in Zeitungen, Flugblättern und Examen abgelegt hatte, widmete er sich dem juristischen Studium in Berlin, Erlangen und Bonn. Im Jahre 1865 Brosch Iren, zum Teil nicht ohne Leidenschaft und Erbitterung, Neben seiner eigentbestand er sein Referendar-Examen. geführt wurde, nur wenig aufregen. Das Staatsschiff ging

lichen Berufsthätigkeit lag der Graf schon frühzeitig staats¬ rechtlichen und ktrchengeschichtlichen Studien ob, welche stets

in Anspruch nahmen. Aber nicht für alle Gebiete der Kunst bethätigte er allezeit ein warmes Interesse. Ebenso wandte er der Kirche und Schule von jeher seine besondere Liebe und Fürsorge zu. In hervorragender Weise bot sich hierzu Gelegen¬ heit, als der Graf nach seiner Vermählung mit der Reichs¬ gräfin Caroline von Wartensleben (s. Abbildung auf Seite 520) am 16. September 1869 seinen Wohnsitz nach Obercassel bei Bonn, dem alten Familienfitz des gräflichen Hauses, verlegte. Als Mitglied des Kircheu-Presbyteriums und der Gemeinde-Verwaltung war ihm hier eine langjährige segensreiche Thätigkeit beschieden. Die warme Fürsorge, welche das gräfliche Paar insbesondere auch den Armen und Not¬ leidenden entgegenbrachte, hat ihm, auch nachdem es den dortigen Wohnort mit Schloß Neu¬ dorf in Posen vertauscht hatte, in sein besonderes Interesse

nur für

diese Wissenschaften, auch

Herzen

den

der

Obercasseler

Ein¬

die wärmsten Gefühle inniger Liebe und dankbarer Ver¬ ehrung bewahrt.

wohnerschaft

Ebenso segensreich, wie die Ehe des erlauchten Paares bisher nach außen hin gewesen ist, ebenso glücklich hat sich das Familienleben desselben gestaltet. Drei Söhne und drei Töchter wurden ihm geschenkt, welche sämtlich in blühender Gesundheit zur Freude ihrer Eltern herangewachsen find. Wie der Graf Ernst selber, so haben auch seine Söhne sämtlich das Abiturieutennach gründlicher Schulbildung Examen. und zwar unter Dispens von der mündlichen Prüfung,

absolviert. Der älteste Sohn, Erbgraf Leopold, hat sich, nach¬ dem er einige Jahre in der Armee gedient, in Gemeinschaft mit seinem jüngsten Bruder, wie der Vater dem juristischen Studium gewidmet; der zweite Sohn dagegen, Graf Bernhard, steht als Lieutenant im 2. Leibhusaren-Regiment in Posen. Die älteste Tochter ist mit Seiner Hoheit dem Prinzen Friedrich von Sachsen-Meiningen vermählt, welcher Ehe zwei Söhne und zwei Töchter entsprossen find. Am 16. September 1894 hatte Graf Ernst das Glück, mit seiner Gemahlin im Kreise der Kinder und Enkelkinder das Fest der silbernen zu feiern. Ein besonderer Freudentag in seinem Lebensgange war dann natürlich der 17. Juli d. Js., an dem cs ihm, wie bereits erwähnt, beschieden war, umgeben von seiner hohen Familie, in sein geliebtes Lipperland einziehen zu dürfen.

Hochzeit

Nachdem der Vater des erlauchten Grafen, Graf Julius, im Mai 1884 zur ewigen Ruhe eingegangen war, übernahm Graf Ernst die Ver¬ waltung der Herrschaft Bentschen in der Provinz Posen, welche von dem Grafen Julius zu den rhei¬ nischen

Besitzungen

für

seine

Mit

lichem Vertrauen ist

Fa¬

von den Bewohnern des Fürstentums Lippe empfangen worden. Allgemein hofft man von seiner Weisheit, seiner frommen Gesinnung, seiner hohen Begabung und tiefen Bildung, daß das Fürstentum unter seiner Regierung Zeiten der Wohlfahrt und des Glückes

licher

erleben werde.

Graf Ernst zur Mppe-Wiesterfeld Regent des Fürstentums Lippe.

Mitglied der Kreistage, der Kreis-, Provinzial- und General-Synode — überall hat er vermöge seiner hohen Begabung, seines freien, weiten Blickes und seiner aufrichtigen Frömmigkeit in der segensreichsten Weise gewirkt. In Neudorf, seinem Wohnsitz in der Herrschaft Bentschen, widmete er

eingehend der Bewirtschaftung und Verwaltung des ländlichen Grundbesitzes, sodaß er auch auf diesem wichtigen

sich

Graf

und herz¬ Ernst als

Regent und demnächstiger Thronfolger

milie hinzu erworben worden war. In gänzlich andere Verhältnisie, sowohl in wirtschaftlicher und so¬ zialer wie kommunaler und kirch¬ Beziehung, hineingestellt, hat Graf Ernst es verstanden, auch hier eine in jeder Hinsicht segensreiche Thätigkeit zu entfalten, die ihn bald in den weitesten Kreisen zu einer überaus geschätzten Kraft werden ließ. Als Kirchen, und Schul-Patron, als

großer Freude

auch

Gebiet reiche Erfahrungen gesammelt hat. Von der sonstigen Wirksamkeit des Grafen Ernst sei hier noch seine hingebende Thätigkeit für die Bestrebungen Eine Reihe von des Johanniter-Ordens hervorgehoben.

Jahren hat er persönlich eines jener Krankenhäuser ver¬ waltet, welche der Orden, seinen Statuten gemäß, allerorten zum Segen für die leidende Menschheit errichtet. — Nicht unwähnt bleibe auch, wie in gleicher Hinsicht die helfende Hand seiner hohen Gemahlin viel Gutes gestiftet hat. Das Krankenhaus in Bentschen, die Kleinkinder-Bewahranstalt daselbst und der Vaterländische Frauenveretn legen beredtes Zeugnis hierfür ab.

Mir Mendelssohns

erster Ausstng noch Paris. 'Eu?Ma8*?e?^rlnncrung zur fünfzigsten Wiederkehr seines Todestages, zum 4. November

1897.

Von A. von Winterfcld.

in früher Jugend die erstaunlichsten Beweise eines glänzenden musikalischen Talents gegeben und im Knaben- und Jünglingsalter Werke geschaffen hatte, die dem gewiegtesten Meister Ehre gemacht haben würden, so wollte sein Vater sich doch nicht eher entschließen, den Sohn die Musik als Lebensberuf wählen zu lassen, be¬ vor er nicht das Urteil Cherubinis tn Paris und seinen Rat gehört hatte. Daher ging er im Frühjahr 1825 mit Die Sohne nach Paris. seinem kaum sechszehnjährigen die in Briefen seinen Felix in Schilderungen, welche beweisen entwirft, Musikzustäuden Heimat von den Pariser eine merkwürdige Einsicht, ein humorvolles Erfaffen der Obwohl Felix Mendelssohn

schon

Menschen und Dinge neben dem tiefsten Ernst, wo es sich um das eigentliche Wesen der erhabenen Kunst handelt, die für

ihn. mit Schiller zu reden, immer die „hohe, himmlische Göttin" war. niemals die „melkende Kuh." Diese Schilderungen haben — nmtatis mutandis — noch heute Geltung für die französischen gegenüber den deutschen Mufikzuständen. Gerade damals befanden sich viele hervorragende Künstler, darunter auch nicht wenige deutsche, in der französischen Me¬ tropole. wie Hummel, Moscheles. Pixis, Kalkbrenner, Rode, Mcyerbeer, Kreutzer, ferner Cherubim, Lafont, Boucher, Der Neid aber und die Eifersucht, Rossini, Paer u. a. die unter vielen dieser Künstler herrschten, das Intriguen- und Cliquenwesen, die Sucht, sich durch das Glänzende, Pikante, Effektvolle hervorzuthun, die vielfach zu Tage tretende Ober¬ flächlichkeit und die Unbekanntschaft mit den großen deutschen

Meistern ernüchterten und enttäuschten Felix, der mit großen Erwartungen nach Paris gekommen war, und stießen ihn, trotz der Anerkennung und des Entgegegenkommens, die er in Künstlerkceisen fand, nicht wenig ab. Natürlich machte er diese Erfahrungen erst allmählich. Zunächst erging es ihm wie jedem, der zum ersten Mal nach Paris kommt. „Wie soll ich es anfangen", schreibt er nach Berlin, „am ersten Morgen, den ich in Paris verlebe, einen ordentlichen, vernünftigen Brief zu schreiben? Dazu bin ich Das noch viel zu verwundert, zu neugierig, zu verdreht. ist ein Leben und Treiben, ein Rasseln und Schnarren, ein Schreien, eine Lustigkeit unter den Leuten, daß man ganz wirr Zuerst besuchte ich Hummel und fand bei ihm Onslow und Boucher. Der erkannte mich erst nicht wieder, dann aber wurde er wie toll, umarmte mich hundertmal, lief in der Stube herum, brüllte, weinte, hielt mir eine übertriebeire, unsinnige Lobrede und lief dann fort, um Vater zu sehen. Da er ihn aber nicht mehr zu Hause fand, so machte er im Hotel einen Lärm, daß die Leute zusammenliefen, nahm Abschied, kam wieder zurück, umarmte mich abermals u. s. w. Gestern früh kam er mit vier Trägern zu uns gerumpelt und brachte den guten Flügel seiner Frau." Boucher war ein französischer Violinist, der sich durch seine Aehnlichkeits mit dem ersten Napoleon und durch sein excentrisches Wesen auszeichnete. Felix kannte ihn von Berlin her, wo er in Konzerten aufgetreten war und auch im Mendelssohnschen Hanse freundliche Aufnahme ge¬ funden hatte.

wird.

Zuerst wurde der eigentliche Zweck der Rerse ins Auge und der alte Cherubini aufgesucht, der ganz zurück¬ gezogen vom Tagestreiben lebte und wegen der Strenge seines Urteils und wegen seiner beißenden Sarkasmen nicht wenig gefürchtet war. So hatte er einen jungen Musiker, der ihm etwas vorgespielt, gefragt, ob er vielleicht Talent zum Malen habe, und zu einem anderen hatte er gesagt: „Aus Ihnen wird niemals etwas werden." Selbst wenn der berühmte Halevy ihm etwas vorlegte und der alte Meister es schweigend durchsah, ohne eine geringschätzende Grimasse zu schneiden, so war das schon hoch anzurechnen. Nur über dessen Oper „Die Jüdin" hatte er gesagt: „Darin ist einiges nicht übel, aber Sie müssen viel streichen." Wie erging es nun Felix bei dem Komponisten des „Wasserträger"? Nachdem ihm des jugendlichen Künstlers gefaßt

E molböuartett —

und zwar sehr schlecht von französischen

Künstlern — vorgespielt worden war, ging er lächelnd auf ihn zu und reichte ihm die Hand. Dann sagte er zu den übrigen: „0s gargon est riete, 11 fera bien et a fait meme deja bien, mais il depense trop de son argent, il met trop d'etoffe dans son babit.“ (Dieser Jüngling ist reich, er wird Großes leisten, ja, er hat sogar schon Großes geleistet; aber er giebt zu viel aus von seinem Gelde, er nimmt zu viel Stoff zu seinem Anzug.) Dieses Lob aus des alten bösen Meisters Munde war so

unerhört, daß diejenigen Künstler, welche nicht zugegen

ge¬

wesen waren, gar nicht daran glauben wollten.

Uebrigens war Felix schon damals viel zu selbständig in Urteil, um sich vor dem Cherubinis besonders zu fürchten. Er nennt den alten Meister „einen ausgebrannten Vulkan, der zwar bisweilen noch sprüht, aber ganz mit Asche und Steinen bedeckt ist." Ja, er wagte es sogar, in einem auf Cherubinis Anregung in Paris komponierten „Kyrie" dessen Manier ein wenig zu persiflieren, so daß der alte Zelter, Direktor der Berliner Singakademie, zu welcher Stellung er sich vom Maurergesellen autodidaktisch emporgeschwungen, und unseres Felix Lehrer, darüber an seinen Freund Goethe, dessen Liebling Felix war, schrieb: „Der brave Junge hat

seinem

Stück, fast ironisch, in einem Geiste verfaßt, den Cherubini stets gesucht, aber, wenn ich nicht sehr irre, nie¬ mals gefunden hat."

das

Höchst ergötzlich schildert

Goethe

gewidmeten —

Felix die Vorführung

Ernoll-Quartetts

den berühmten Violinisten

Baillot und zwei

durch

seines



ihn selbst,

andere Franzosen.

„Baillot,"

sagte er, „fing zerstreut, ja nachlässig an. aber bei einer Stelle im ersten Teil kam er ins Feuer und spielte dann das übrige sehr kräftig und gut. Aber dann kam das Scherzo, da mußte ihm wohl der Anfang gefallen, denn nun kam er ins Feuer und fing an zu eilen und zu laufen, die andern

immer hinterdrein; ich wollte sie halten, aber halt einmal einer drei Franzosen, die durchgehen. Und so rissen sie mich mit fort. immer toller und toller und stärker, besonders Baillot hieb gegen das Ende ganz fürchterlich ein, und als er mehreremal einen Fehler machte, wütete er ordentlich gegen sich selbst. Sowie es aus war, sagte er kein Wort als: „Eneore nne

fois ee morceau.“ Nun ging's glatt, aber noch wilder als das erste Mal. Im letzten Teil war gar der Teufel los; ich bekam vor meinem eigenen Quartett Furcht.

Und sowie die wilde Jagd aus war, kam er auf mich zu, wieder ohne ein Wort zu sagen, und umarmte mich zweimal, als wollte er mich erdrücken. Auch Rode war sehr zufrieden und sagte auf deutsch: „Brav, mein Schatz!"" — Rode war einer der be¬ rühmtesten Violinspieler seiner Zeit.

Felix trug ein zu hohes Ideal seiner Kunst in der Brust, um nicht den Mangel an Vertiefung und wahrer Begeisterung, der unter den französischen Künstlern herrschte, zu empfinden und sich enttäuscht davon abzuwenden. „Ich hoffte hier", so schrieb er an seine hochbegabte Schwester Fanny*), „die Haupt¬ stadt der Musik, der Musiker und des musikalischen Geschmacks

zu finden, aber, meiner Treu, so ist's nicht.

denen

*)

ich

allerdings

nicht

viel

Die Salons, von

erwartete,

Nachmalige Gattin des Malers Hensel.

lieben

nichts

523 als frivole und kokette Mufik und nichts Ernstes und Solides. Die Orchester der großen und der italienischen Oper find in ihrer Art recht gut, aber keineswegs besser wie die Berliner Königliche Kapelle. Und endlich die Mufiker selbst find teils vertrocknet, teils schimpfen fie wie Rohrsperlinge auf Paris und die Pariser. — Gestern hörte ich die „Leocadie" des berühmten Auber. Nein, so etwas Erbärmliches kannst Tu Dir, liebe Fanny, gar nicht vorstellen. Zu dem wilden Text hat Auber eine so zahme, aus Reminiszenzen von Cherubini und Rossini zusammengeflickte Musik gemacht, daß es ein Jammer ist. Trotzdem nicht ein Fünkchen von Originalität, Leidenschaft und Wärme darin ist und in den dramatischen Momenten die Sänger Gurgeleien und Trillerchen machen müssen, ist die Oper doch schon fünfzigmal gegeben worden. Bei uns würde fie ausgepfiffen werden. In der ganzen Oper Sie malt Wut, spielt die kleine Flöte die Hauptrolle. Schmerz, Verzweiflung, kurz, das Ganze ließe sich bequem für zwei Flöten und Maultrommel einrichten. O weh!"

Auf Fannys Mahnungen, ihr Bruder solle die Franzosen und fie Bach und Beethoven lieben lehren, ant¬ wortet er: „Das thue ich schon ohnehin, soweit es geht. Aber bedenke, daß die Leute hier keine Note von „Fidelio" kennen, daß sie Sebastian Bach für eine mit Gelehrsamkeit Neulich spielte ich auf Kalk¬ ausgestopfte Perrücke halten. brenners Wunsch ein Präludium von Bach für die Orgel. Die Leute fanden es — aus Höflichkeit — „wunderniedlich", und einer bemerkte, es habe auffallende Aehnlichkeit mit einem Duett von Auber. Mir wurde grün und blau vor den bekehren

Augen."

Allein die Berliner wollten sich durchaus nicht überzeugen eifrig für das nach ihrer Meinung un¬ gerecht behandelte Paris, sodaß Felix ärgerlich darauf an Fanny schrieb: „Du redest von Vorurteilen und Befangenheit, von dem Lande, wo Milch und Honig fließt, wie Du Paris nennst. Besinne Dich doch, ich bitte Dich! Bist Du in Paris, oder bin ich es? Ist es meine Art, von Vorurteilen be¬ fangen, über Musik zu urteilen? Ist Rode besangen, wenn er sagt: „0'est ici une degringolade musi— cale“ hier herrscht der Verfall der Mufik —, ist Neu¬ komm befangen, wenn er sagt: „Ce n’est pas ici le pays lassen und stritten

orchestres“ — dies ist nicht das Land der guten —, ist Herz befangen, wenn er sagt: „Hier kann das Publikum nur Oberflächliches goutieren" — und find lausend andere befangen, die auf Paris schimpfen? Du bist so be¬ fangen, daß Du meinen höchst unparteiischen Berichten

des

Orchester

weniger glaubst als einer lieblichen Vorstellung von Paris, die Du dir gebildet hast. Komm her, höre, wie hier „Alceste", wie der „Freischütz" aufgeführt wird, höre die königliche Kapelle, und dann urteile und schilt mich, aber nicht jetzt, wo Du befangen und gänzlich verblendet bist! Frankreich ist nimmermehr das Land der Mufik." Diese

Schilderungen

höchst bezeichnend

für das

der sichere

Pariser

Mufikzustände

Urteil und die strenge,

find dem

in der Kunst zugewandte Richtung, die der sechzehn¬ jährige Jüngling bereits damals eingeschlagen hatte, und der er unbeirrt sein ganzes Leben hindurch folgen sollte.

Höchsten

Mne Stahlroß-Tour in der Mark. Von G. Ehrecke. (Schluß.)

Es wurde Abend. Nacht und wieder Tag. Mathis schlief und träumte von Hans Lüddecke und seinen Kumpanen, wie fie durch das Gebüsch schlichen und sich der Stadt näherten. Er wollte aufspringen und nach seinem Hörne greifen, aber es lag ihm wie Blei in den Gliedern, nicht einen Finger vermochte er zu rühren. Der Traum ging weiter. Die Feinde erstiegen die Mauer, ein wildes Getümmel und Waffenklang drang an sein Ohr. Es hämmerte in seinem Gehirn, das Blut rann siedend in seinen Adern, aber es gab keine Erlösung von dem Alp. der auf ihm lastete. Dann wurde es stiller, Mathis atmete ruhig und schlief bald, in langen Zügen schnarchend, den Schlaf des Gerechten. Da! Schläge gegen die Turmthür. die in mehr als doppelter Manneshöhe an¬ gebracht war. Kehrte der Traumspuk wieder? — Mathis rieb sich die Augen, sprang auf und schaute von seinem Rund¬ gang auf der Plattform nach unten. O ihr Heiligen! Es schallten wilde Flüche zu ihm hinauf, und mit langen Stangen wurde die Zugangsthür von Granseeer Bürgern, die da unten in Rüstung standen, bearbeitet. Schnell lief er die Treppe hinunter, öffnete die wohlverriegelte Thür, ließ die Leiter hinab und war im Nu unten. Hier packten ihn kräftige Fäuste und stießen ihn schimpfend und fluchend vorwärts auf dem Wege zur Stadt.

Was war's? Hans Lüddecke, der das Stücklein mit dem Fuhrmann eingefädelt und dadurch dem Wächter Mathis den Rausch beigebracht hatte, war in der Nacht angekommen und chatte die Stadt überrumpelt. Doch noch zur rechten Zeit waren die Granseeer erwacht, hatten sich gesammelt, unter Führung des Bürgermeisters den Lüddecke zum Thore hinaus¬ getrieben und ihm draußen die mitgenommene Beute wieder abgejagt. Nicht genug damit, hatten fie auch den wilden Hans gegriffen und ihn mit der Beute in die Stadt gebracht. Da lag er nun gefesselt auf dem Marktplatz. Ha, welche Lust, ihn zu verhöhnen und zu verspotten! Bei dem Gespött der Männer schwieg der Ritter; als aber die Weiber anfingen, ihn Teufelskerl, Teufelsbraten u. s. w. zu nennen, verzog sich sein Gesicht zum Grinsen, und er meinte: „Na, es ist noch die Frage, wer mehr mit dem Teufel zu thun hat, Ihr oder ich. In der letzten Walpurgisnacht ritt er Euch doch voran, als Ihr über meine Burg dahin fuhrt." „Wa—, wa . . . s redet der Kerl? Wir sollen als Hexen über seine Burg hiugeritten sein? Wer von uns? Heraus mit der Sprache!" So schnatterte es wild und wirr durcheinander, denn als Hexe zu gelten, war die größte Schmach für eine Frau, und eine solche Beschuldigung konnte fie an Rad und Galgen bringen. Lüddecke lächelte über die Erregung der Frauen und sagte trocken: „Ich habe keine einzelne von Euch gekannt, wußte auch nicht, woher der Hexenzug kam; aber mein Knecht Freisack. der in jener Nacht neben mir stand, meinte: „Das find Granseeer Weiber, ich seh's an den roten Röcken, die im Mondschein so feurig glänzen." Verblüfft schauten die Frauen gegenseitig auf ihre roten Röcke; dann entrissen einige den herumstehenden Männern die Waffen, andere holten aus den nahen Häusern Besenstiele und Knüppel herbei, und so stürzten Sie hätten ihn umgebracht, wenn sie auf den Schmäher los.

524

„Laßt ab von ihm, er ist dem Stadtgericht verfallen!" rief er mit gebietender Stimme; doch konnte er die wütenden Weiber erst beruhigen, als er versprach, das strengste Gericht über den nicht

der Bürgermeister

dazwischen getreten wäre.

Uebelthäter abhalten zu wollen. Und nun der arme Mathis. Er zählte seine langjährigen Verdienste um die Stadt auf und bat winselnd um Gnade, aber niemand hörte ihn an. Das Gericht wurde gehalten, und der seltsame Urteils¬

„Hans Lüddecke und Mathis sollen beide auf Wartturm gebracht werden; wer den andern hinunter wiift, geht frei aus. Der Heruntergeworfene wird dem Henker übergeben, falls ihn der Fall nicht getötet hat. Dem Ritter soll eine Hand gebunden und dadurch sein Uebergewicht genommen werden." Lüddecke hörte den Spruch mit Hohn¬ lachen an. Mathis jammerte und bat. man möge ihn doch lieber hängen oder köpfen, als mit dem bösen Lüddecke auf Leben und Tod zusammenbringen. Nichts da! Der Spruch spruch lautete:

den

wurde vollzogen.

Der Turm war dicht umlagert von einer schaulustigen Menge, die auf den Kampf der beiden wartete. Jetzt erschienen sie aus der Plattform, und zwar friedlich neben einander. Lüddecke, dem man wegen seiner Widersetzlichkeit beide Arme gebunden hatte, war frei. Wer anders als Mathis hatte ihm die Fesseln gelöst? Alles stutzte. Was würde nun werden? Nichts wurde. Lüddecke gebrauchte seinen losen Mund zu frechem Hohn und Spott, brach auch Steinslücke los und warf damit auf die Umstehenden. Das Volk sah sich in seinen Erwartungen betrogen und murrte über den Urteilsspruch. Die Frauen, die besonders erbost waren, gaben ihren Un¬ willen kund, indem sie die Gerichtsherren mit nicht gerade' schmeichelhaften Titeln bedachten. Doch das Urteil ließ sich nicht umstoßen. Es wurde Abend, die Menge verzog sich, nur die gestellte Wache blieb. Am zweiten und dritten Tage dasselbe nicht befriedigende Schauspiel. Aber man tröstete sich: der Mundoorrat, den Mathis hatte, mußte bald verzehrt sein, und dann werde der Wendepunkt schon kommen. Am vierten Tage war wiederum viel Volk um die Warte versammelt; auch der Rat war vollzählig da. Man erwartete mit Spannung das Ende des Schauspiels. Da er¬ scholl Trompetenstoß; ein Zug Reiter in glänzender Rüstung kam auf der Ruppiner Straße dahergezogen und hielt in einiger Entfernung an. Ein Herold kam auf die Menge zu und sprach mit lauter Stimme: „Mein Herr und Fürst, der gute und große Markgraf Waldemar, hat durch Boten, die er in Eure Stadt gesandt, erfahren, daß die guten Bürger von Gransee samt dem Rate allhier versammelt seien. Von langer Pilgerfahrt, die er nach dem gelobten Lande unternommen, kehrt der Fürst in sein Land zurück, um sein geliebtes Volk von Not und Elend zu befreien." Der Herold schwieg, als erwarte er den Eindruck seiner Kundgebung. Die Menge ver¬ harrte jedoch in fast lautloser Stille und sah bald auf den Herold, bald auf die Ratsherren. Da trat der Bürgermeister vor mit den Worten: „Das Gerücht vom wiedergekommenen Waldemar ist bereits zu uns gedrungen; aber wir haben be. schlossen, unserm Markgrafen Ludwig treu zu bleiben." Kaum waren diese Worte gesprochen, als aus dem Reitertrupp ein Mann in Eisenrüstung, den Fürstenmantel um die Schultern, heivorritt und rief: „Andreas Grote, erkennst Du mich? Auf

da unten rettetest Du, obgleich am Kopf ver¬ wundet und mit Blut überströmt, mir das Leben. „„Helfe Dir Gott, mein Herr, so alle Tage als heute in Deinen Nöten"",

dem Felde

so sprachst du. als Du mich aufhobst." Grote starrte den Mann an, erkannte die kennzeichnende Narbe über Stirn und Wange und fiel aufs Knie mit dem Ausruf: „Er tst's, er ist's!" Da brach die Menge in lauten Jubel aus. umringte den wiedergekommenen Waldemar und führte ihn im Freuden¬ rausch zur Stadt hinab.

Den eben beschriebenen Auftritt, der die Aufmerksamkeit aller auf sich zog, wußte Lüddecke zu benutzen. Unter dem Reilertrupp erkannte er einige Freunde und Genossen. Er rief sie um Beistand an und sah sich bald aus seinem Gefängnis befreit. Außer sich vor wilder Freude über seine Befreiung und sinnlos vor unbändiger Lust, sich zu rächen, rannte er dem zur Stadt ziehenden Haufen nach, tobte, schimpfte und fluchte auf das Volk ein. Waldemars Ritter schienen Vergnügen daran zu finden, wurden aber entrüstet, als er auch den Markgrafen schmähte und ihn einen Betrüger nannte. Sie wollten sich auf ihn stürzen, doch Waldemar wehrte ihnen, faßte den Lüddecke scharf ins Auge und rief ihm zu: „Hast Du die Wunde vergessen, die Deine Hand hier bei Gransee mir schlug? Judas, es ist Dein Fürst und Herr!" Lüddecke bebte am ganzen Leibe, fiel nieder und flehte: „Gnade, Gnade!" Waldemar gebot den Rittern, ihn in die Stadt zu bringen, wo er Gericht über ihn halten werde. So geschah es, und der Waldemarsche Urteilsspruch lautete: „Die mehr¬ tägige Einsperrung ist für Hans Lüddecke Strafe genug. Er schwört Urfehde und wird Gransee nicht wieder belästigen." Die Granseeer stimmten dem Urteil, das sie als ein weises anerkannten, allseitig bei. Mathis, der sich bereits aus dem Staube gemacht hatte, wurde auf Weisung Waldemars aus der Stadt und ihrem Gebiete verbannt. — Wir stiegen langsam von der hohen Warte herab. Freund H. citierte: „Schweigend in der Abenddämm'rung Schleier Ruht die Flur, das Lied der Haine stirbt; Nur daß hier im alternden Gemäuer Melancholisch noch ein Heimchen zirpt.

Hier auf diesen waldumkränzten Höhen, Unter Trümmern der Vergangenheit, Wo der Vorwelt Schauer mich umwehen, Sei dies Lied, o Wehmut, Dir geweiht!"

„Halt!" riefen wir, „nur keine Wehmut!" und schuilten damit dem Freunde Matthiflonscher Dichtung das Wort ab. Vor uns lag das Ruppiner Doppelthor. Der eine Thorein¬ gang, das sogenannte Waldemarthor, war bis zum Jahre 1818 vermauert. Es wird erzählt: Alle Städte, darunter auch Gransee, mußten die Thore, durch welche sie dem wieder¬ gekommenen Waldemar, der als ein Betrüger erkannt und der falsche Waldemar genannt wurde, Einlaß gewährt halten, zumauern. Uns blieb in Gransee noch übrig der Gang zum Luisen¬ denkmal. Auf einem Steinsockel ruht ein Sarg; darüber ist ein von Säulen getragener Baldachin. Am Kopfende steht die Inschrift: „Dem Andenken der Königin Luise August« Wilhelmine Amalie von Preußen, geboren den 10. März 1776,

>.

gestorben den 19.

Juli 1810" —

am Fußende: „Nachts den

25. Juli stand hier die Leiche." man: „An dieser Stelle sahen wir jauchzend ihr entgegen, wenn sie. die Herrliche, in milder Hoheit Glanz mit Engel¬ freudigkeit vorüberzog" — rechts: „An dieser Stelle hier, ach, flössen unsre Thränen, als wir dem stummen Zuge betäubt In stiller Andacht entgegen sahen; o Jammer, sie ist hin." sahen wir auf die Stätte, wo die Leiche der Vielgeliebten, der

An der linken Seile liest

525

Mutter unsers großen Heldenkaisers, bei der Ueberführung von Hohen-Zieritz nach Berlin gestanden hat. Diese schöne Königs¬ rose, so früh vom Sturm getroffen und geknickt! * *

*

Es war spät geworden. Wir gingen zum Bahnhof und ließen uns und unsere Räder vom Dampfroß nach Berlin befördern, wo wir mit einem herzlichen „All Heil!" ausein¬ ander gingen.

Kleine Mitteilungen. König FriedrichWMM, Feicrlichkeitenr STUMTII Frieorr

Gegner großer Empfangs-

tlbelm in.

von Preußen war vermöge seiner schlichten und ernsten Natur kein Freund von großen Empfangsfeierlichkeiten. Sein Flügeladjutaut von Malachowski erzählt darüber in seinen soeben erschienenen Auszeichnungen einige neue inter¬ essante Thatsachen. Bei einem Besuch der Rheinlande war er zu seinem unaussprechlichen Ver¬ gnügen unerkannt und unangefochten in Köln angekommen. „Mich traf das Los", schreibt Ma¬ lachowski, „die ausge¬ lassene Freude der gusin Kölner über mich er¬ gehen zu lassen. Kränze und Blumensträuße, Pomeranzen und Apfel¬ sinen flogen von allen Seiten in meinen Wagen, cs war ein reines Bom¬ bardement, der Wagen

war gefüllt und ich be¬ deckt mit Laub und Blumen, als ich beim Absteigequartier des Königs vorfnhr. Er selbst stand

lachend

am Fen¬

und beim Eintreten empfing er mich in bester Laune: „Die Kölner ster,

werden sehr glücklich ge¬ wesen sein, einen so aimablen Monarchen, wie Sie sind, begrüßt zu haben — ich hätte mich wieder schlagrührend ge¬

Eine mißglückte Ehrenbezeugung. KöniqJri edrich WilhelmIV,„ von Preußen hatte einst mit dem Könige WilhelmvonWMkkMerg eine Zusammenkunft am Rhein, bei der cs sich um Verständigung über verschiedene streitige Punkte handelte. Nach glücklich erfolgter Ver¬ ständigung lag dem König Friedrich Wilhelm sehr deran, seinen könig¬ lichen Gast in hervorragender Weise zu ehren. Er beabsichtigte, bei der

Tafel auf ihn mit seinem Rednertalent bekannten einen Toast auszubringen,

und zur Erhöhung des Eindrucks desselben sollte am Schluffe ein Ehrensalut einfallen. Die Batterie stand drüben Rheinufer bereit, am und man konnte durch die Fensterbogen des Bankettsaales zu ihr hin¬ überschauen. Um sich nun von der Sicherheit der getroffenen Anordnungen zu überzeugen, ließ der König den Kom¬ vor kurz mandanten Beginn der Tafel holen und fragte ihn, was er

für

Einrichtungen ge¬ troffen habe, damit die Batterie pünktlich bei dem Hoch einfalle. „O, nichts einfacher als das; die Batterie hat — so ant¬ wortete er — Befehl" — und dabei zog er im Eifer sein Tasch.-ntuch —, „so¬ bald ich mit dem Taschen¬

tuch winke, sofort zu feuern, Majestät". demselben Augenblick be¬ gann auch schon diedienstbeflissene Batterie, da sie das Taschentuch in der Hand des Kommandanten erspähte, den ersten Schuß, und dem König, der an fürstliche Nesidenzschloß zu Detmold. über Schmeichelworten den „Esel von Komman¬ danten" nicht sparte, blieb nichts übrig, als bie Tafel so eilig wie dem Thore schienen selbst die Postpscrde keine Freude zu haben, sie möglich beginnen zu lassen, damit der letzte Schuß nicht schon vor ihrem gingen durch, in wildem Sturme durchjagten sic die Straßen Anfang verhallt war. Noch lange Zeit nachher soll sich^ Friedrich und hielten erst auf dem Markt, wo die Bürgcrgarde aufgestellt Wilhelm IV. über diese ungewollte Störung seiner Absichten sehr erregt war und nebst einer dichtgedrängten Menge den König erwartete. gezeigt haben. Des Königs Geduld war nun völlig erschöpft; entrüstet verließ er den Wagen, begab sich straffen Schrittes mitten unter das Ei« trefflicher Ausspruch Friedrichs. des Großen. Friedrich der Große schrieb einst an Voltaire: „Ich denke über die Satpre wie Epiktet: Volk^ und begann mit lauter, kräftiger Stimme: „Ich habe alle Empfangsfeierlichkeiten mir nicht verbeten, sondern ich habe sie aus¬ Sagt man Böses von dir, und es ist wahr, so bessere dich: sind es aber drücklich verboten. Den ersten und besten Beweis von Anhänglichkeit Lügen, so lache darüber!" — Ich bin mit der Zeit ein gutes Postpferd hätten Sic mir geben können, wenn Sic diesen meinen Befehl befolgt geworden, lege meine Station zurück und kümmere mich nicht um die —äa— hätten! Ich hasse die Napolconischen Empfangs-Feierlichkeiten ! Noch Kläffer, die auf der Landstraße bellen." können Sie keine Liebe und Anhängigkeit für mich, ich kaum für Sie KöMin Luise und die Obstliebe ihrer Söhne. Königin Luise haben. Wenn wir erst 10 Jahre zusammen gelebt haben werden, Sie von PreÜMn/oic Mutter des hcrnachmaligen Kaisers WilhelmI., hörte mir ein treues und gehorsames Volk, ich Ihnen ein gerechter und sorg¬ samer König werde gewesen sein, dann soll es mich freuen, wenn Sie einst von den Hofleuten die Klage, daß die Prinzen, die das Obst außer¬ ordentlich liebten, Pfirsiche, Birnen und Acpfel in großer Hast ver¬ ^hre Freude, mich zu sehen, auch laut werden lassen!" Eine völlige Stille herrschte in der ganzen Menge, jedes Wort wurde weithin ver¬ schluckten. Die Königin erteilte sofort den Befehl, daß von nun an ein jedes zum Frühstück für die Prinzen bestimmte Stück Obst in dreißig nommen. Als der König wieder den Wagen bestiegen hatte, trat ein Papiere gehüllt werden müsse; die Ablösung all dieser Hüllen niar das langer, hagerer Geistlicher heran, mit den nach seiner Idee gewiß sehr sicherste Schutzmittel gegen die Angewohnheit der zu raschen Essens. nachdrucksvollcn Worten: „Herrscher, laffen Sie sich Religion und Tugend Kaiser Wilhelm I., der den Kultus seiner Mutter heilig hielt, erinnerte angelegentlichst empfohlen sein!" „Ach was", rief der König, noch immer Maßregel und sagte oft scherzend: „Mir wurde "regt, „lasten Sie mich ungeschoren! Ich habe in meinem Leben Religion sich noch lange dieser von Jugend auf nichts leicht gemacht, mich kostete selbst der Genuß eines und Tugend uoch nicht unterdrückt!" Und damit rasselte der Wagen -dn—. rotwangigen Apfels ein großes Stück Arbeit." davon, auf Remagen zu."

ärgert!""

.In

Bonn",

erzählt Malachowski weiter, „hatte der König den Acrger doppelt, dem er in Köln entgangen war, denn dort hattesman ihm trotz seines Verbotes eine recht umfangreiche Empfangsfeierlichkeit zu¬ gedacht. An den großen Einleitungen derselbenvor

In

528 Der jüngste Hoheiizoller dankt und trinkt. Ein ganz vortreffliches Bonmot Sr. Majestät Kaiser Wilhelms II. teilte kürzlich der „Berl. Lok-Anz." aus dem Munde des verstorbenen Reisenden Ehlers, der in Bonn mit beni Kaiser im Corps zusammen war und auch später von diesem stets hoch geschätzt wurde, mit k„Jm Corpsleben", heißt es im „L. A.",

„bestand und besteht bei feierlichen Kommersen auch jetzt noch die Sitte des Zutrinkens von Corps zu Corps. Dies gezchieht in der Weise, daß sich z B. der erste Chargierte des Corps „Palaiia" erhebt mit den stereotipen Worten: „Ich habe die hohe Ehre und das Vergnügen, auf das Wohl des Corps „Borussia" einen Ganzen zu trinken." Der erste Chargierte der „Borussia" erhebt sich sodann und erwidert: „Das Corps „Borussia" daukt und trinkt." Gelegentlich der Geburt eines Prinzen sandte nun Ehlers an den Kaiser ein Glückwunschtelegramm mit den Worten: „Ich habe die hohe Ehre und das Vergnügen, auf das Wohl des jüngsten Hohenzollern einen Ganzen zu trinken." Umgehend kam des Kaisers

Antwort:

„Der jüngste Hohenzollcr dankt und trinkt."

Der sparsame Prinz und der üppige Ehlers. Zur Zeit, da Kaiser Wilpelm II. als Prinz Wilhelm mit dem kürzlich verstorbenen berühmten Reisenden Ehlers in Bonn zusammen studierte, ruderten beide öfter miteinander ein paar Stunden auf dem Rhein. Eires Tages war der kleine Kahn festgefahren; die Insassen mußten einen Fischer zu Hülfe rufen, der das Fahrzeug flott machen half und natürlich ein Trinkgeld erwartete. Prinz Wilhelm zog seine Börse und sagte, als er als kleinste Münze einen Thaler darin fand: „Ehlers, können Sie wechseln?" Ehlers zog seine Börse, gab dem Fischer einen Thaler und sagte: „Königliche Hoheit, geben wir nur einen Thaler! Der dritte Mann im deutschen Reich muß nobel auftreten." Der Prinz sah ihn scharf an, schwieg und ruderte am nächsten Tage nicht mit Ehlers, sondern mit dem Grafen Der gute Graf glücklich über die ihm widerfahrene Ehre, wollte sich als vorzüglicher Ruderer zeigen und strengte seine Kräfte so gewaltig an, daß alsbald ein Ruder zerbrach. Die Situation wurde noch unangenehmer als tags zuvor. Am dritten Tage forberte der Prinz Ehlers wieder zum Rudern auf und schien dessen dreiste Bemerkung vergessen zu haben. AIs aber viele Jahre später der berühmte Afrikareisende dem deutschen Kaiser Wilhelm II. die Gesandten eines afrikanischen Volksstammes aus den deutschen Schutzgebieten zuführte, überreichte ihm der Kaiser für jeden der fremden Gäste ein Geschenk, darunter einen prachtvollen, sehr kost¬ baren Brillantring für den Häuptling. „Majestät", meinte Ehlers, „die Leute sind ja mit jeder Kleinigkeit zufrieden. Ein Ring ist ein viel zu kostbares Geschenk." — Da hob der Kaiser lachend den Finger und sagte:

P.

P.aber,

„Na, na, Ehlers! Sie waren doch in Bonn immer so üvpig. Sind Sic jetzt sparsam geworden?" B. Lok. Anz.

Ei» Berliner Scharfrichter als Arzt. Im Jahre 1529 beobachtete Meister Hans, der Scharfrichter von Berlin, drei Krüppel, die bettelnd an der Kirchthür saßen und durch ihre Gebrechen das allgemeine Mitleid in Anspruch nahmen. Aber Hans heilte sie im Nu mit einer Knoten¬ peitsche. linier dem Jubel des herzuströuienden Volkes peitschte er sie, die plötzlich gehen gelernt hatten, vom Kloster zu Köln über die lange Brücke bis zum Georgenthor. Kurfürst Joachim I. wurde auf dieses Schauspiel aufmerksam, er lachte, ließ Meister Hans kommen und sagte zu ihm: „Bist Du ein solcher Mann, daß Du Lahme gehen machen kannst, so muß ich Dich wohl besser halten!" D. Die Roßbacher Franzosen, — Wenig Kriegszucht

Willi

rl757 zur

herrschte unter

Schlacht bei Roßbach zogen. Es liegen uns darüber Berichte vor. Ohne Ordnung marschierten sic auf die Wache, der Tambour ging acht, bis zehn Schritte nebenher und trommelte nur mit einem Klöpfel. Sie standen Posten in der Mütze. Bei der Kavallerie trugen viele Offiziere, auch mancher Wachtmeister Haarbeutel und kleine Galanteriedegen. Ausnahmsweise wurde einmal ein Franzose, der gestohlen hatte, mit Spießrutenlausen bestraft. Aber es dauerte zwei Stunden, bis ein Adjutant mit Mühe und Not eine Gasse von 300 Mann formiert hatte. Als der Prinz Soubisc einmal in Erfurt bei der Hauptwache vorbeiritt, und die Wache ins Gewehr trat, nahm sich der Tambour nicht die Mühe, die Trommel von der Erde aufzunehmen, sondern schlug mit einem Klöpfel den Marsch, während die Trommel aus dem Boden lag. Daraus „wurde aber gleich¬ wohl nichts gemacht." Der Graf von Saint Germain, damals französischer Generallieutenant, schrieb am 11. November: „Ich führe eine Bande von Dieben, von Meuchelmördern, die bei dem ersten Flintenschuß Kehrt machen würden und immer bereit sind, sich zu empören. Niemals hat es etwas dergleichen gegeben. Der König hat die schlechteste Infanterie, die es unter dem Himmel geben mag. und die undisziplinierteste." den Franzosens

11

3u4)¥:den an der Mosel, in Köln und Mainz, wobei er hoffte, sein Sohn würde auf diesen Reisen vielleicht Gelegenheit haben, ein Mädchen zu finden, das würdiger sei. in die Familie des Ratsbürgermeisters von St. Goar einzutreten, als die zwar hübsche aber arme Handwerkerstochter. Der junge Walker liebte jedoch seine Gertrud viel zu innig, als daß die Hoffnungen seines Vaters Aussicht gehabt hätten, sobald in Erfüllung zu gehen. (Fortsetzung folgt.)

Von Dr. Gg. Schmidt.

In

der Liebfrauen-Kirche zu

Halberstadt lenkt ein alter aus Erz gegossener Tausstein die Blicke derer auf sich, welche das neu restaurierte Gottes¬ haus besuchen, und darf auch in weiteren Kreisen Interesse

für

sich in Anspruch nehmen. Er trägt folgende Inschriften: 1. Maria. 2. Wer da glaubt und getauft wird rc. 3. Es

sei denn, daß jemand geboren

werde rc.

4. nomina Cano-

nicorum residentium Ecclesiae beataeVirginis HalberAnno domini stadensis. 1614, mit den Wappen und Namen: Hans Georg v. Britzke Dekan, Albrecht v. Kreyendorff Senior, Christoff v. Briest. Christofs Wulf, Henricus a. Werder. Jacobus a. Bieren, Auetor Balstock, Christoff von Honrodt, Jodocus Petri Cellerarius, Viktor Just Schencke, Wilhelmus ab Arnstedt, Otto Schwerin, Melchior ab Rindtorf. 5. Matthias Kißmann hat mich gegossen zu Halberstadt.



Der genannte Christoph starb 16.12.1637 als Dekan und Senior der Kollegial- und Stiftskirche b. Mariae virginis zu Halberstadt und als Erb¬ sasse zu Haus Neindoiff und wurde Mittwoch p. trium reguin (10. 1.) 1638 in der Stiftskirche begraben. Er war geboren zu Haus Neindoiff bei Halberstadt 8. 3. 1567, als

ff 12. 1. 1581, des ersten Lutheraners in der Familie (sein Wappen zwischen dem seiner beiden Ehefrauen, Anna von Germsee 5. 5. 1562 und der Elsabeth v. Hornhausen 25. 4.1600, befindet sich in Stein gehauen an der Pförtner¬ loge), aus seiner zweiten Ehe. Nachdem er den ersten Unter¬ richt von Privat-Präzeptoren empfangen hatte, besuchte er die Schule zu Quedlinburg, dann mit seinen beiden Halbbrüdern Dietrich (* 6. 9. 1560, 5. 10. 1618) und Georg (* 16. 4. 1562, 18. 12. 1636) seit 1579 die Universität Helmstädt, wo er bei O. Basilius Sattler, späterem braunschweigischen Hofprediger zu Wolffenbüttel, die Wohnung bezog. Sein Vater hielt dort den drei Söhnen einen besonderen PrivatPräzeptor. Als der Vater zu Beginn des Jahres 1581 ver¬ starb, ließen es die Verhältnisie wünschenswert erscheinen, daß die beiden Brüder ihre Studien aufgaben, während Christoph zu seinem frühereu Präceptor Jacobus Randör, damals Rektor zu Aschersleben, zog. um bei ihm fernere „Institution" zu genießen. Jedoch bald wendete er sich wieder nach Helmstädt, um sein Triennium 1583 zu absolvieren. 1684 wurde er zu einem Kanonikat beim Stifte Unserer l. Frauen zu Halberstadt erwählt und mußte nach der Kirche Gebrauch Jacobi (25. 7.) 1585 „sein annum clausfcralem et residentiae imitieren". 1586 begab er sich auf die Universität zu Frankfurt (O.), wo er 4 Jahre verblieb, ging dann Martini (11. 11.) 1590 nach Wittenberg und von dort zum Besuch der Universität nach Leipzig. Zu Fastnacht (16. 2) 1591 kehrte er in die Heimat zurück, wendete sich aber bald zur weiteren Fortsetzung seiner juristischen Studien nach Marburg, wo er bis Johannis (24. 6.) 1594 verblieb. Von hier aus trat er eine in jener Zeit bei den Edelleuten übliche Kavalier-Reise nach Gießen, Mainz, Heidelberg, Speyer, Straßburg. Freiburg, Basel, Tübingen, Ingolstadt, Augsburg, Nürnberg und Alldorf an und kehrte über Marburg nach dem Valerhause zurück. Nach Georg v. Britzkes Tode wurde er 26. 9. 1623 Dekan und 1629, da er sich nicht zur katholischen Religion bekennen wollte, von der Kirche removiert, aber nach AN0.lff37.DIE KfENSli dem Frieden restij) tuiert. Er überlebte

f

f

f

f

_

Wulfsen

;_

seine sieben Geschwister

von

dritter Sohn

des Christoph,

seiner

rechten

Mutter und litt im Alter am nrorbns bypochondricus. Sein wohl erhalte¬ ner Leichenstein trägt die

Wappen

seiner

Ahnen: väter¬ licherseits: v. Wülsten, v. Wrampen, v. Rath¬ acht

gebens?), so. Hacke (?)) und von Schierstedt, mütterlicherseits: von Hornhausen, v. Ma¬ renholz, v. Gustedt und von Meyendorf.

,wn anderen Arbeiten vollauf in Anspruch genommen — jetzt der zweite Band über die Feldherrnthätigkeit des berühmten Bruders Friedrichs des Großen gefolgt. Die auf sorgfältig gesammeltem Urkunden-Material sich stützende Schrift ist um so wertvoller, als sie nicht nur den Prinzen

Heinrich gegen ihn begründete Beschuldigungen verteidigt, sondern auch die Verschiedenartigkeit der Persönlichkeiten und des Feldherrntaleots der beiden Brüder ins Licht stellt. einem Rückblick am Schluffe des Buches sagt der Verfasser: „Alle Menschen sind dem Irrtum unterworfen. König Friedrich war cs ebenso gut. wie sein Bruder, der Prinz Heinrich, der auch nicht fehlerlos war. Eine Geschichtsschreibung die von der Unfehlbarkeit Friedrichs des Großen ausgeht, die ihm von vornherein stets Recht giebt, wird schließlich dem Andenken des großen Königs mehr Schaden zufügen, als cs die Schmähschriften auf die Dauer thun können.

In

es nicht lernt, auch die menschlichen Schwächen großer Helden zu verstehen, der wird auch nicht erkennen, was darin liegt, daß jene Männer trotz ihrer Schwächen große Männer geworden sind. — Nicht immer haben sich die beiden Brüder gegenseitig verstanden. An einem aber hielt König Friedrich fest; daß Prinz Heinrich ihm unentbehrlich war. Wer jede tadelnde Bemerkung, die Friedrich über den Bruder fällt, ohne nähere Prüfung für gerecht erachtet, der darf sich doch der Thatsache nicht verschließen, daß der König auch in den schwersten Zeiten, wo alle Familien-Rücksichten schweigen mußten, wo er nur seinen besten Generalen Ärmeren anvertrauen durste, immer wieder seine Wahl auf den Prinzen Heinrich fallen ließ u. s. w." Die Schmittsche Schrift braucht nicht weiter empfohlen zu werden. Sie ist und muß für alle Freunde der —n. preußischen Geschichte vom größtem Interesse sein.

Wer

4. Band. Herausgegeben von Horst Kohl. Bismarck-Jahrbuch. Göschensche Verlagshandung. 4. Abteilung. Leipzig, G. Preis 2 Mk. Mit dieser vierten Abteilung ist der vierte Band des BismarckJahrbuches abgeschlossen. Die neue Abteilung enthält zwei Ab¬ handlungen: Dr. Julius Langer (Zeitz), Giesemark und Bischofsinark, und Oberst z. D. Block (Münster i. W.), Zur Frage der Emser Depesche; ferner zwei Gedichte: „Ein Nachklang" von ErnstScherenberg und „Dank freier Männer" von Dr. Emil Jacobsen; schließlick (außer einem Nachtrag zur Chronik des 3. Bandes) die Chronik vom 17. Sept. bis 31. Dezember 1896. Die dritte Abteilung enthielt 21 Briefe an Bismarck (von Max Duncker, Graf Stolberg, Andrassy, Leop. von Rancke u. s. w.), 2 Schreiben Bismarcks an Graf St. Ballier, und den ersten eigenhändigen Entwurf der Gasteiner Konvention; ferner einen Trinkspruch des Prof. Dr. Horst Kohl auf den Fürsten Bismarck, die Festrede des Prof. Dr. Erdmannsdörfer zur Enthüllung des Bismarck¬ denkmals in Heidelberg und zwei Abhandlungen über „Bismarck und die Dichtkunst", von Dr. Eugen Schwetschke (Fortsetzung aus dem 3. Band) und von Dr! R.ch. M. Meyer. Wir erinnern daran, daß der 4. Band auch in prächtigem Einband zu haben ist und sich als solcher vortrefflich zum Weihnachtsgeschenk eignet. Möchte das höchst interessante Werk, wie wir es schon zu Anfang des Jahres als Wunsch ausgesprochen haben, allenthalben die Anerkennung und Verbreitung finden, die es verdient! Illustrierte Geschichte der Reformation in Deutschland. Volkstümlich dargestellt von D. Bernhard Rogge, Hofprcdiger in Potsdam. Mit 1 Farbendruck nebst zahlreichen Text-Abbildungen und 30 Dresden-Blaicwitz, Gustav-AdolfKunstdruck-Tafeln. Verlag. Vollständig bis Ostern 1898 in 10 Lieferungen

I.

a 75

Pf.

Eine Reformationsgeschichte, allgemein verständlich abgefaßt und textlich wie auch durch zahlreiche fesselnde Ab¬ bildungen so recht zu einem besseren Volksbuche sich eignend, gab es bisher noch nicht. Der weithin rümlichst bekannte Hof Prediger D. Bernhard Rogge in Potsdam hat es unternommen,

die für alle protestantischen Kreise so hochwichtige Epoche unserer kirch¬ lichen und auch politischen Lebens in dieser Weise zu behandeln. Sticht in trockenem Chronistenstil oder durch Quellenstudien berichtet der Verfasser über jenen interessanten und hochwichtigen Zeitabschnitt, sondern in packender, allgemein veiständlicher, durch eingehende Schilderungen der hauptsächlichsten Episoden noch bciondcis fesselnd gestalteter Dar¬ stellung, so daß sich vor dem Leser ein übersichtliches, faßliches und voll¬ ständiges Bild der großen Zeit entrollt. Die beigefügten, teils in den Text gedruckten, teils auf Kunstdruck-Tafeln befindlichen zahlreichen

Jltustrationcn (Original-Abbildungen

und

Reproduktionen

von

Bildern alter Meister und berühmter Künstler der Neuzeit) unterstützen das Verständnis des textlichen Inhaltes ganz wesenilich. Das schöne Werk verdient mithin den Namen eines Volksbuches in vollstem Maße. Möge cs in alle Schichten des evangelischen Volkes eindringen und ein

Vermöge seiner glänzenden und schöner Druck, feines Papier und prächtiger Einband), sowie wegen des ungemein billigen Preises eignet sich das Werk ganz besonders auch zu einem Fe st ge schenk für Jung und Alt! Lief. I. ist zur Ansicht (Lief. II. und Folge nur auf feste Bestellung) durch jede Buchhandlung zu beziehen. echter

Hausfreund desselben werden!

gediegenen Ausstattung (Quartformat,

Wahrhaft glücklich! Eine soziale Erzählung. Von Albert Grothelm. Verlag der Buchhandlung der Deutschen Lehrerzeitung >Fr. Zillesien). Berlin N. 58. Pr. 1,50 M. schön gebd. 2 M In unserer sozial so aufgeregten Zeit sollte diese Erzählung all¬ gemeine Beachtung und weiteste Verbindung finden. Sie schließt mit den Worien: „Leichter ist es im Leben, Unzufriedenheit und Haß zu

natürlich sehr erregen und zu schüren; viel schöner jedoch — wenn auch viel schwerer, — diese Feinde menschlichen Friedens und Glückes zu Hieraus kann man schon schließen, welche Tendenz die bekämpfen." Schrift verfolgt. Sie tritt den Utopien der Sozialdemokratie mit Ent¬ schiedenheit entgegen, zeigt aber auch zugleich, wie es die Pflicht der Besser¬ gestellten ist, sich die Hebung der materiellen Lage und des geistigen Wohles ihrer weniger begünstigten Mitmenschen angelegen sein zu lassen. Zufriedenheit und Bethätigung warmer Menschenliebe auf Grund ungeschminkier Flömmigkeit erscheint bei Arm und Reich als der einzige Wer es selbst sein und Weg, „wahrhaft glücklich" zu werden.

behilflich sein will, beziehe diese nur zum Zweck vom Verlag so billig — *— Erzählung.

auch anderen dazu

weitester Verbreitung trotz schönster Ausstattung abgegebene

588 >md Erlauschtes für einsame und gemeinsame Stunden von ä8. Mercator. Verlag der Buchhandlung der Berliner Stadtmission. 164 S- 8°. Preis geh. 1,50 Mk., geb. 2,50 Mk. Allerliebste, feine Stimmungsbilder im Genre Emil Frommcls, an den wir bei der Lektüre dieses trefflichen Buches unwillkürlich erinnert werden. Man wird reichen Genuß von diesen frommen und doch von freundlichem Humor durchwetzten Geschichten und Schilderungen haben.

Erlebtes

Die Geschwister. Erzählung von Frau von Pressense. Deutsch von M. Reichmann. Verlag der Buchhandlung der Berliner Stadt¬ mission. 248 S. 8°. Preis geh. 2 Mk., geb. 3 Mk. Ein für Alt und Jung gleich empfehlenswertes Buch der rühmlichst bekannten Verfasserin. Wie fürs Haus, so auch für Volksbibliothekcn aufs wärmste zu empfehlen.

Erzählung von Helene Dalmer. Verlag der -Buchhandlung der Berliner Stadtmission. 144 S. 8°. Preis geh. 1,20 Mk., geb. 2 Mk. Auf dieses vortreffliche Buch möchten wir die Aufmerksamkeit aller derer lenken, die unser Volk lieb haben. Diese gemütvolle Geschichte, die uns das Schicksal einer ländlichen Arbeiterfamilie zeigt, die sich zur Uebersicdclung in eine Großstadt verführen läßt und dort fast zu Grunde geht, ist außerordentlich packend und ergreifend. Sie wird namentlich bei der kleinstädtischen und ländlichen Arbeite rbcvölkerung viel Gutes wirken, wenn die, welchen die Sorge für das Wohl ihrer Arbeiter obliegt, für die gehörige Verbreitung des Buches in jenen Kreisen sorgen. Eine wertvolle Bereicherung jeder Volksbibliothck.

Heimat und Fremde.

I.

Von der „Deutschen Jugend- und Volksbibliothck" (Verlag von F. Stein köpf in Stuttgart» sind soeben die Bändchen 161—165 erschienen. Preis jedes Bändchens, hübsch kartoniert und mit

Tilelbild, 75 Pf. Klee, Dr. Gotth., Abenteuer und Thaten Joachim Nettelbecks, des Bürgers von Kolberg. Von ihm selbst beschrieben. Ein Eicheuzweig um die Stirn des waghalsigen alten Seemanns, des kühnen Bürgermeisters, der mit Gneisenau die Feste Kolberg siegreich 161.

gehalten hat. 162. Stöber,

Karl, Der Tag im Graben,

nebst 8 weiteren

Mit 6 Bildern von Ludwig Richter und R. Uelin. Die Erzählungen „Wessen Licht brennt länger", „Der Wasser¬ graben", „Handwerk hat goldenen Boden", „Die Taufwecken" sind mit enthalten. 163. Stöber, Die Küche, nebst 9 weiteren Erzählungen. Mit 6 Bildern von Ludwig Richter und R, Min. Diese Stöber-Geschichten sind wie ein frtfdjer Waldstrauß und bringen die Freude mit, sie grünen fort in gleicher Schönheit, lustigem Behagen und tiefem Gehalt. 164. Weitbrecht, G (Dekan in Stuttgart), Menschenwege und Gotteswege. Zwei Erzählungen aus alter und neuer Zeit. Für das deutsche Volk, d. h. für jedermann ganz vortrefflich, fröhlich und mit tiefer Lebensweisheit. 165. Willms-Wildermuth, A., Friedrich Perthes, ein deutscher Buchhändler und Patriot. Wir begleiten P. aus der Kindheit im grünen Wald heraus durch die harte Lehrzeit in die Mannesjahre einer angestrengten Arbeit voll Geist und Thatkraft, in sein Familien¬ leben voll Poesie und Glauben, dann durch Deutschlands Rot und Erniedrigung in heldenhafter Mitarbeit zu dessen Erhöhung. Ein Lebensbild und Denkmal, wie wir kein schöneres besitzen. Die deutsche Jugend und Volksbibliothek umfaßt bis jetzt 165 Bändchen. Jedes Bändchen ist in jede Hand passend, dem Wahren und Edlen dienend, patriotisch und spannend. Die ganze Sammlung ist hoch geachtet und für Volksbibliothcken u. s. w. der beste Grundstock. Erzählungen.

sehr beliebten

Die Denkmäler Berlins im Bolksmunde. von von

Victor Laverrenz. Illustriert Hugo Stcinitz, Berlin. Preis

Humoristische Plaudereien von Max Uecke. Verlag

1 Mk. Daß der Berliner Witz nicht, wie jüngst ein Mitarbeiter der „Kölnischen Volkszeitung" behauptete, in den letzten Zügen liegt und an der Auszehrung stirbt, beweist der als humoristischer Schriftsteller rühm¬ lichst bekannnte Verfasser in vorliegendem Merkchen aufs schlagendste. Dasselbe ist ganz in dem Genre seines früheren Schriftchens „Die Denkmäler Berlins und der Volkswitz" gehalten und bildet eine wertvolle Ergänzung zu demselben, indem es teils Nachtläge zu dem früher Dargebotenen bringt, teils die inzwischen in Berlin neu errichteten Denkmäler »Kaiser Wilhelm-Denkmal, Luther-Denkmal, MarkgrafenDenkmäler, hl. Gertrud u s. w) behandelt. Allen Freunden des Berliner

Volkswitzes feien die mit entsprechenden Illustrationen Plaudereien warm empfohlen.

Das November-Heft der „Deutschen Revue", herausgegeben von Richard Fleischer (Stuttgart, Deutsche Verlags-Anstalt», hat nach¬ stehenden Inhalt: Rudolf Lindau über den Fürsten Bismarck. Auf¬ zeichnungen aus den Jahren 1878 und 1884. Von Heinrich von Poschinger (Schluß). — Zwischen den Welten. Von Alexandre Ular (Schluß).,—Die Physiognomie der Kinder. Von Dr. Louis Robinson. — Kaiser-Wilhelm I. und Bismarck; Herzog Friedrich zu SchleswigHolstein und Sommer. Von Dr. Henrici. — Pirogoff und Billroth. Von Dr. Wilh. von Vragaßy. — Verfassungspläne unter Kaiser Nicolaus I. Von Friedr. Bienemann. — Atelier-Plaudereien. Von A. Ocolicsange. — Von der Arbeitsstätte der Physiologen. Von

Leone Fortis. — Ein politisches Porträt Emilio Visconti Venosta. Von M. zur Megede. — Berichte aus allen Wissenschaften und Litterarische Berichte — Allmonatlich erscheint ein Heft von 128 Seiten. Preis viertclj. .

Mark Brandenburg

und der angrenzenden Gebiete.

Unter Mitwirkung von proseffor Dr. Drectivr-, Dr.

Errrst G. Scrrderi, Dr. KG. Friedet, Mici)ccrd George, Ferd. Wierser,

Sradirat

XXIII.

Zahrgang.

M 50.

»nd

Dr. Gg.

Schrnidt,

A. SveridtcKe, Theodor Fontarre, Gymnasialdirektor a. I>. Dr. WI. Schwart;

(ft. ri. WlttderrDerrctl herausgegeben von

Friedrich Billesseit. ver „Sät" erscheint wöchentlich am Sonnabend und ist durch jede poftanitalt lNo 808), Buchhandluna und Zeitungsfpedition kür 2 Mk. 50 Pf. vierteljährl.,» beziehen. Auch die Geschäftsstelle — Berlin U. 58,Schönh. Allee 141 — nimmt Bestellungen entgegen. Jnseraten-Austräge sind an die letztere zu richten. Die viergesp. petitzeile kostet 40 pf.

ie Mvanfosen

11. Dezember

1887.

vor Ußeinfels.

Kistorisrhcr Rc>rnan von G. von Sarfu». (Schluß.)

l/L8degen Abend des 4. Januar traf Landgraf Karl mit dem Entsatzungsheere vor Rheinfels ein. Am folgenden o) Morgen fand feierlicher Gottesdienst in der Hilsskirche zu St. Goar stall, dem die ganze Garnison der Festung wie der Stadt sowie der Landgraf selbst beiwohnten; beim Absingen des Te deum wurde von sämtlichen Batterien eine dreimalige Schluß des Gottesdienstes hielt der Fürst auf dem Biebernheimer Felde eine Heerschau über die Besatzungstruppen ab, an der auch die Bürgerschützen teilnahmen; der Ratsbürgermeister mit dem Magistrate, sowie fast die ganze Einwohnerschaft der Stadt wohnten ihr gleich¬ falls bei. In einer ergreifenden Ansprache belobte der Land¬ graf die Garnison wegen der bewiesenen Tapferkeit und Geschützsalve

abgefeuert.

Nach

Ausdauer, darauf umarmte er vor den Truppen ihien helden¬ mütigen Anführer und ernannte ihn zum lebenslänglichen

Gouverneur von Rheinfels. Gleichzeitig überreichte er dem tapfern General, im Namen des Landgrafen Ernst, dessen Bestallung als Oberamtmann und Stadlhalter der Grafschaft Nieder-Katzenelnbogen. die auf dem linken Flügel der Truppen aufgestellten Bürgerschützen musterte, deren wackeres Verhalten während der Belagerung ihm von General Görtz und Oberst¬

Als Landgraf Karl

lieutenant Du Mont berichtet worden, lobte er sie mit freund¬ lichen, anerkennenden Worten, ernannte den Drechslermeister Kreisch zum lebenslänglichen Hauptmann der Schützenkompanie und bestimmte einen Fonds zu dem Zwecke, daß die Schützen St. Goar, zur bleibenden Erinnerung an den glücklichen Schuß ihres Hauptmanns, am 17. Dezember jeden Jahres

von

Außerdem ließ der Fürst die sechs an der Gefangennahme der drei französischen Grenadiere beteiligt hatten, und einem jeden durch seinen Adjutanten drei Dukaten auszahlen, was durch lauten Jubel und Vivalrufen der umstehenden Bürger begrüßt wurde. Auch den jungen Walker, der bei den Schützen sich auf¬ gestellt, beehrte der Landgraf mit einigen belobenden Worten, fragte, wie es mit seiner Wunde stünde, die er bei der Ver¬ teidigung des vorgeschobenen Postens erhalten, was er vom OberstliKUtcnant Du Mont erfahren, und forderte den jungen ein Fest

feiern

sollten.

Bürger vortreten, die

sich

Mann schließlich auf, sich eine Belohnung auszubitten. Als Philipp vor Verlegenheit kein Wort hervorzubringen vermochte, trat der Oberstlieutenant aus dem Gefolge des Landgrafen vor und sagte lächelnd: „Eure Durchlaucht halten zu Gnaden, daß ich für den jungen Herrn zu sprechen mir erlaube. Ich wüßte wohl etwas, das sowohl für ihn als auch für noch eine andere Person der köstlichste Lohn sein würde, den er sich nur wünschen könnte."

„Was ist denn das, mein lieber Oberstlieutenant?" fragte Fürst freundlich. „Wenn es in unserer Macht liegt, soll der dem Sohne des wackern Bürgermeisters dieser Lohn zu teil werden." „Dann brauchten Eure Durchlaucht nur die Gnade zu haben, den Brautwerber zu machen für den jungen Walker beydem soeben von Ihnen ernannten Schützenhaupimann Kreisch und dem Herrn Ratsbürgermeister. Die hübsche Tochter des ersteren und der junge Herr hier haben schon seit längerer

Zeit keinen höheren Wunsch, als ein Paar zu werden; nur unbedeutende Schwierigkeiten stehen der Erfüllung dieses

großen Aufregung und der Scham, seine innerste Herzens¬ neigung so öffentlich haben kundgeben zu müssen. Doch bald gelang es dem tröstenden Zureden des Geliebten, Gertrud wieder zu beruhigen, und als sie in das Haus des Drechslermeisters traten, um vor allem der Gro߬ mutter das unverhoffte Glück mitzuteilen, lag heller Sonnen¬ schein auf dem rosigen Gesicht der jungen Braut. Inzwischen war der Landgraf in Begleitung der höheren Offiziere nach Rheinfels hinaufgeritten, um die fürchterlich

entgegen, die eine gnädige Fürsprache meines gnädigsten Herrn leicht beseitigen dürfte." „Daran wollen wir es nicht fehlen lasien!" rief der Landgraf belustigt aus. „Hätte ich doch nimmer gedacht, unter dem Donner der Kanonen und im Angesichte meiner tapfern Armee den Freiwerber zu spielen. Wie ist es, Herr Ratsbürgermeister der treuen Stadt St. Goar, und Ihr, mein wackerer Schützenhauptmann, wollt Ihr die beiden Leutchen

Wunsches

zusammengeben,

wenn

ich Euch

verwüsteten Werke und Gebäude in Augenschein zu nehmen, deren schleunige Wiederherstellung er befahl. Kurze Zeit darauf ließ der dankbare Fürst, zum Andenken

darum bitte? Es wäre mir

eine angenehme Erinnerung an diesen glorreichen Tag, wenn ich hätte dazu

au diese ruhmvolle Verteidigung von Rheinfels. in der Haupt¬ kirche zu Marburg ein Monument aus Marmor errichten, das aus einem kolossalen Löwen bestand, in dessen Sockel die Namen der bei dieser Verteidigung Gefallenen eingegrabm

beitragen können, zwei Menschen für ihr ganzes

Leben glücklich zu machen."

„Was

anbelangt. Eure Durchlaucht," antwortete Kretsch, an den Landgrafen herantretend, „so gebe ich gern meine Einwilligung, denn ich kenne den Philipp als einen ordentlichen, tüchtigen jungen Mann; ob meine Gertrud aber damit einverstanden ist, weiß ich nicht genau, doch können Eure Gnaden sie gleich selbst fragen/ sie steht dort hinter mich

waren.

Die Franzosen zerstörten zwar im siebenjährigen Kriege das schöne Denkmal; das Andenken an jene Tapfern so wie an ihre eigene große Niederlage vor Rheinfels konnten sie je¬

meinen Schützen."

doch dadurch nicht auslöschen.

„Dann ruft sie herbei, Meister Kretsch," sagte der Fürst „Wie steht es mit Euch, Bürgermeister?" wandte lachend.

Gleich nach dem Abzüge der Franzosen brach der alte Streit über das Besatzungsrecht auf Rheinfels zwischen dem Landgrafen Ernst und seinem Vetter von Kassel wieder aus, da Landgraf Karl sich weigerte, die Festung wieder heraus¬

er sich dann an Walker, der mit den Ratsschöffen etwas ferner stand. „Ich bin gern bereit, der gnädigen Fürsprache Eurer Durchlaucht, die mich und meinen Sohn so sehr auszeichnet, alle schuldige Ehre zu erweisen," erwiderte der Ratsbürger¬ meister. sich tief verbeugend. Er konnte doch unmöglich vor dem Landgrafen und den zahlreichen Anwesenden erklären, daß seine Frau die Verbindung zwischen Philipp und Gertrud nicht zugeben wollte; das litt sein Stolz als Mann nicht; außerdem hatte er das junge Mädchen stets sehr gern gesehen und wollte auch den von ihm geschätzten Meister Kretsch nicht öffentlich kränken.

„Nun, mein hübsches Kind," sagte der Landgraf zu Gertrud, die inzwischen von ihrem Vater herbeigeholt war und in tödlicher Verlegenheit vor all den Herren stand; „ich habe bereits die Einwilligung Deines Vaters und die des Herrn Ratsbürgermeisters erhalten zu Deiner Verheiratung mit dem jungen Mann dort." Dabei zeigte er auf den nicht minder verlegen dastehenden Philipp. „Da Du nun aber die Hauptperson bist, so fragen wir auch Dich, ob Du den jungen Walker zum Manne haben willst?" Die arme Gertrud war feuerrot geworden und wagte nicht, aufzublicken, dann richtete sie endlich ihre hübschen Augen auf den Fragenden und nickte mit dem Kopfe. Der Landgraf reichte ihr die Hand und legre diese in die Rechte des herantretenden Philipp, indem er freundlich sagte: „So ist es recht, meine Tochter! Der liebe Gott möge Euch beiden seinen Segen geben! Wenn ich auch nicht per¬ sönlich bei Eurem Ehrentage zugegen sein kann, so beauftrage

meinen Generalmajor von Görtz, mich zu vertreten; der Herr Gouverneur ist ja kein Fremder mehr für Euch, wie rch gehört, und wird daher doppelt will¬ kommen sein." ich

doch

schon

heute

Als Philipp,

nach einigen Worten des Dankes an den lustigen Fürsten, hochbeglückt seine Verlobte fortführte, brach das junge Mädchen in heftiges Schluchzen aus, infolge der

weil er Beweise in Händen hatte, daß Landgraf Ernst Rheinfels sowie die Burg Katz gegen eine bedeutende Summe Geldes den Franzosen habe übergeben wollen, mithin als Verräter am deutschen Reiche gehandelt habe. Diese Beweise für die schmachvollen Absichten des sonst zugeben,

ehrenhaften, gelehrten und frommen Fürsten von Hessen-Rhein¬ fels bestanden in mehreren eigenhändigen Schreiben, die auf¬ gefangen worden, und einem durch den General von Görtz

in einer besonderen Abteilung des Archives zu Schloß Rhein¬ fels aufgefundenen, von der Hand des Landgrafen Ernst her¬ rührenden Entwürfe, nebst mehreren auf die Uebergabe der Franzosen bezughabenden Schreiben, welche der General sofort nach Kassel geschickt hatte. Festung

an

die

Die Schuld des Landgrafen wurde dadurch unwiderleglich bewiesen, infolgedessen verblieb Rheinfels im Besitz von Hessen-Kassel.

Landgraf Ernst starb noch im Mai des Jahres 1693 in Köln, tiefgebeugt unter den Folgen seines mißlungenen Ver¬

i

rates am deutschen Reiche. General von Görtz war in den ersten Monaten nach der Belagerung so sehr durch die Arbeiten zur Wiederherstellung der zerschossenen Werke und der Erbauung neuer Forts in Anspruch genommen, daß er nur selten Gelegenheit fand, in die Stadt hinunterzukommen und die Familie des Ratsbürger¬ meisters zu besuchen. Bei dem ersten dieser Besuche, wenige der Abreise des Landgrafen Karl, traf er die Gattin des Herrn Walker und ihre beiden Kinder in größter

Tage nach

Aufregung.

Frau Walker war außer

sich

geraten, als ihr Gatte, nach sie von der

der Rückkehr von der Heerschau am 5. Januar,

Philipps überhäufte ihren Mann

durch den Landgrafen selbst herbeigeführten Verlobung

mit Gertrud in Kenntnis setzte; sie mit den heftigsten Vorwürfen und erklärte, niemals ihre Ein¬ willigung zu geben, noch das junge Mädchen je in ihrem

591 Hause zu empfangen, bis dem alten Walker endlich die Geduld riß und er der zornigen Frau in nicht mitzzuverstehender Weise begreiflich machte, daß er Herr im Hause und Haupt Dem freundlichen Zureden ihrer Tochter und der Familie sei. dringenden Bitten des nach einigen Stunden heimkehrenden den Philipp war es dann schließlich gelungen, die Mutter, die im Grunde doch eine gutherzige Frau war. soweit zu besänftigen, daß sie dem Sohn erlaubte, am folgenden Morgen Gertrud zu ihr zu bringen, damit auch sie ihre künftige Schwiegertochter segnen, was sie unbedingt thun mußte, um nicht ein öffentliches Aergernis zu geben.

In

den nächsten Tagen war es indes den Einflüsterungen

Pfarrers Hildebrand gelungen, die arme Frau dermaßen in Harnisch zu bringen gegen die Heirat ihres Sohnes mit einer Calvinistin, daß sie soeben ihren beiden

und Hetzereien des

Kindern erklärt hatte,

sie

gebe

nun und nimmermehr ihre

Einwilligung zu dieser Verbindung, als General von Görtz in das Wohnzimmer trat und verwundert die erhitzten Gesichter der drei Anwesenden betrachtete.

„Ach, Herr Generalmajor," rief Barbara aus, „es ist ein wahres Glück, daß Sie kommen! Bitte, nehmen Sie Platz und reden Sie doch der Mutter ins Gewissen! Denken Sie sich, gnädigster Herr, heute will sie wieder durchaus nicht zu¬ geben, daß Philipp die Gertrud heiratet, und neulich hat sie

eingewilligt!" „Daran ist nur der traurige Pfaffe schuld!" rief Philipp zornig aus. „Der macht nämlich der Mutter die Hölle heiß, Herr General, weil die Gertrud eine Calvinistm ist. Wenn der Pfarrer sein Aufhetzen nicht läßt, das nur Unfrieden in der Stadt stiftet, so werde ich selbst reformiert, darauf könnt Ihr Euch fest verlassen, Mutter! Von der Gertrud lasse ich nun einmal nicht!"

fügen zu wollen. Als sie darauf mit Barbara das Zimmer verließ, um eine Erfrischung für den hohen Gast zu besorgen und ihren Gatten vom Rathause holen zu lassen, sagte Görtz dem jungen Walker, er werde bei nächster Gelegenheit ein

gelegenheit

mit mehr Ruhe betrachtet,

nicht

wahr, Frau

Walker?" „Ach. mein Gott, gnädiger Herr, ich weiß ja gar nicht mehr, woran ich mich halten soll!" rief die arme, gequälte Frau aus. „Bedenken Sie doch nur. mein Sohn soll eine Andersgläubige heiraten, welche der Irrlehre anhängt!" „Das ist Thorheit. Frau Walker. Lutherische wie Reformierte gehören beide der evangelischen Religion an und

nur über einige unwesentliche Dinge verschieden, die von übereifrigen, streitsüchtigen Priestern zu Gegenständen der Zwietracht und des Streites angefacht worden find. Auch ich bin reformiert, oder, wie Ihr sagt, Calvinist. und schmeichle mir, ein ganz rechtschaffener Mann und treuer Diener meines Fürsten zu sein. Glaubt mir, Frau Walker, es ist das verständigste, Ihr macht Eurem Sohn und Eurer Familie nicht länger das Leben schwer durch Euren Widerspruch, der ja doch denken

nichts ändern kann! Erfreut Euer Herz lieber an dem Glücke Eurer Kinder! Kommt, reicht mir Eure Hand und gebt Euch zufrieden, ich bin fest überzeugt, Ihr werdet es niemals zu bereuen haben!"

Unter Weinen und Schluchzen gab Frau Walker dem General die Hand und gelobte, fortan sich in das Unvermeidliche

dem

Pfarrer Hildebrand

sprechen,

wenn

dieser etwa nochmals versuchen sollte, die vom Herrn Land¬ grafen gebilligte und vermittelte Verlobung zu hintertreiben. Mit dem inzwischen erschienenen Bürgermeister besprach der Gouverneur dann noch einige die Stadt betreffende An¬ gelegenheiten, nahm ein Glas Wein von Barbara an und kehrte bald darauf nach der Festung zurück, da sein körperliches Befinden ihn nötigte, die kühle Abendluft zu vermeiden.

Am 1. Mai desselben Jahres fand die Trauung des verlobten Paares in der Stiftskirche statt. Pfarrer Hildebrand halte, infolge der ernsten Ermahnungen von seiten des Gouverneurs, alle Versuche, sie zu verhindern, aufgegeben. General von Görtz überreichte im Namen des Landgrafen Karl der von Glück strahlenden Braut einen wertvollen Schmuck als Hochzeitsgeschenk und wohnte dem im festlich Der geschmückten Rathaussaale abgehaltenen Bankett bei. Ratsbürgermeister hatte seinem Sohn und dessen junger Gattin ein ihm gehörendes Haus in der Stadt einrichten lassen und übertrug am Hochzeitstage Philipp die selbständige Leitung seines ausgedehnten Weinhandels.

Als im Laufe

doch

„Das könnt Ihr auch garnicht, nachdem der Herr Land¬ graf in eigner Person Euch mit der Tochter des Meisters Kreisch verlobt hat," bemerkte der General in ruhigem Tone. „Eure Mutter wiro das auch einsehen, wenn sie die An¬

Wort mit

ernstes

des

Monats Mai das Schloß Rheinfels der Gouverneur

zur Räumen des Schlosses ein großes Fest, zu welchem auch der Bürgermeister mit seiner Familie, die Ratsschöffen, sowie der Schüyenhauptwohnlich

wieder

Einweihung

war,

hergestellt

seiner

neuen

gab

Residenz

in

den

mann Kreisch geladen waren.

Bei der Promenade durch den Schloßgarten benutzte Görtz einen Augenblick, indem er sich mit Barbara in einem der schattigen Gänge allein sah, um dem schönen jungen Mädchen die Gefühle seines Herzens zu offenbaren.

„Wie

sehr ich Euch zugethan bin.

Barbara, habt

Ihr

Es wäre mein sehnlichster Wunsch, gewiß längst bemerkt. Euch in die Räume dieses Schlaffes als Herrin einführen zu können, doch machen ein solches Glück für mich die nun ein¬ mal Gewalt über uns habenden Verhältnisse unmöglich; außer¬ dem bin ich ein siecher Mann, der wohl nur noch wenige Jahre zu leben hat. Das Fieber und die Folgen meiner Wunden haben meine Gesundheit vollständig zerrüttet. Es wäre, abgesehen von allem andern, eine Sünde, ein so blühendes Leben wie das Eure an das meinige zu fesseln; dazu

schätze

ich

Euch

viel zu

hoch,

Barbara.

Solltet

Ihr

lange ich lebe, eines treuen, aufrichtig ergebenen Freundes bedürfen, teures Mädchen, so erinnert Euch daran, daß Ihr in Ludwig Görtz einen solchen besitzt." aber,

so

Er

zog die still Weinende an seine Brust, drückte einen

Kuß auf ihre Stirn und ging dann init schnellen Schritten den sich nähernden Gästen entgegen, um dem erregten Mädchen Zeit zu lasten, sich zu sammeln und zu beruhigen. Wenige Jahre später, am 3. Februar 1696, starb der noch nicht vierzig Jahre alte heldenmütige Verteidiger von Rheinsels. —

592

Reiichold Kegas. Eine biographische Skizze von Eduard Wolf-Harnier. (Mit Abbildungen.) (Schluß.) erscheint mir die Haupt¬ wirkungsvoll Am wenigsten

figur

Sie entspricht in ihrer plastischen das jeder Ge¬ Charakterisierung nicht dem Jdealbilde, bildete von dem universellen Dichtergenius in seiner Seele trägt. Wir find nicht in der Lage, uns Schiller als einen Mann vorzustellen, in dessen Wangen Not, Entbehrung und körperliches Leiden weithin sichtbare Furchen gegraben haben, und defien Lippen wie im bitteren Schmerze fest aufeinander¬ gepreßt sind. Für uns ist er der geistvolle Dramatiker, der am Schillerdenkmal.

feinsinnige Aesthetiker und der gemütstiefe Lyriker. Es widerspricht dem Pietäisgefühl in uns, ihn als einen mit allem Elende

Schillers besteht, das Haupthindernis für eine glückliche plastische Darstellung seiner Persönlichkeit. Auch Reinhold Begas ist bei seiner Schöpfung im Kampfe mit dieser Schwierigkeit stecken geblieben. Daraus aber ein generelles Urteil über die Fähig¬ keiten des Künstlers zu konstruieren, halte ich nicht für ziemlich und angemessen. Die Einzelheit ist für den Wert des künst¬ lerischen Könnens nicht bestimmend, und zwar um so weniger, als dem Können, der Phantasie und Gestaltungskraft nicht selten Schranken gesetzt sind und dem Künstler durch eine Reihe behördlicher und privater Bedingungen und Vorschriften die Hände gebunden werden, wie das bei dem Schillerdenkmal leider in gar zu reichem Maße der Fall gewesen ist. — Schön ist das mit einem Lorbeerkranze geschmückte Haupt des Dichters, die hohe, breite Stirn ist meisterhaft gebildet. Sie entschädigt für das. was wir in den übrigen Teilen der Hauptfigur vergeb-

Stirn

Welt Gesegneten zu den¬ ken; wir wollen ihn nur als den unsterblichen Liebling der Götter im Marmor verkörpert

lich suchen. Das ist die

Wir und verherrlicht sehen. wollen bei der Betrachtung seines Bildes nicht weinen und nicht von Wehmut und Mitleid er¬ füllt und niedergedrückt werden, sondern wir wollen jauchzen.

auf den ersten Blick begreife», wes Geistes Kind der war, dessen Gestalt in Marmor vor ihm steht. Interessant ist der Gegensatz,

Wir

mal zu seinem Hintergründe steht. Das Schauspielhaus ein Musterbau streng geschlossener

dieser

Dichterfürsten. Sie läßt den sinnenden, auch nicht

greiflichen Ausdrücken titanen¬ hafter Energie, herzgewinnen¬ der Gemütstiefe und Himmelauf

das Schillerdenkmal ein Werk

MonumentMichelangelcsker - Kontrast Dieser Stil plastik. würde vielleicht fördernd für den Totaleffekt des Denkmals

Wir wollen nur den Dichter, den fiegge-

sein, wenn die Dimensionen des

krönten Geisteshelden, das Be¬ wunderung fordernde, Achtung und Ehrfurcht gebietende

Genie, aber nicht den Mann die den sehen, vor uns Natur körperlich sehr mä¬

ßig ausstattete, und den sein

Beschauer

Neuklassizität,

architektonischer

flammender Geistesschärfe. Wir wollen gepackt, gefesselt, empor¬ gehoben, begeistert, fortgerissen großen

eingeweihten

in welchem das Schillerdenk¬

suchen nach sichtbaren, hand¬

werden.

großen

unsers

die Steinnicht ihre Gliederung massen und zu gewaltig, geradezu erdrückend wirkten. — Warum schafft man hier nicht Abhilfe, indem man

Schauspielhauses,

Vsiser Wilhelm-Denkmal von N. WegaF. Löwengruppe.

Volk deutsches „dankbares" In der Pergamenlrolle, die der fast verhungern ließ. umschließt, wollen wir keine Anklage¬ der Linken Dichter mit schrift seiner Zeitgenossen vermuten, sondern wir wollen in ihr nur ein Symbol dessen erkennen, was der Genius schuf. Die rechte Hand darf nicht das Gefühl im Beschauer wecken, als ob sie krampfhaft auf ein schmerzerfülltes, sorgenvolles Herz gepreßt wäre, sondern ihre Einmischung in die Aktion kann nur insofern geduldet und gut geheißen werden, als sie zum Ausdruck bringt, daß es sich um Zügelung und Bändigung der in der Brust ihres Trägers wogenden, gewaltig und rast¬ los nach Verkörperung ringenden Ideen handele. Ihr Eingriff in die Handlung sollte ein Mittel zur Steigerung der monu¬ mentalen Gesamtwtrkung sein. Mir aber will ihre Haltung mehr als ein Mittel zur Verminderung dieses Effektes erscheinen. Jedenfalls liegt in dem Kontrast, der zwischen dem riesen¬ starken Geiste und dem schwächlichen und gebrechlichen Körper

zwischen

eine

der

beiden

Höhe

Schöpfungen des

Schiller¬

denkmals angemessene Orangerie unterhält? 1883 wurde das Denkmal Alexanders von Humboldt vor Es war dem Garten der Universität zu Berlin enthüllt.

Begas nicht vergönnt gewesen, bei der Konkurrenz seine beiden eingereichten Modelle mit Erfolg zur Geltung zu bringe». Sie zeigten zwei Porträlbüsten, die auf vierkanligen, von Guirlanden umwundenen Pfeilern plaziert waren. Jeder Büste hatte der Künstler zwei Nebenfiguren beigegeben, die zum Mittelpunkt der Hauptidee in innigster Beziehung standen und den Effekt des Ganzen steigerten, ohne die monumentale Ge¬ Die Arbeiten schlossenheit, die statuarische Einheit zu stören. gefielen zwar,

aber man entschied

sich

nicht

für ihre

Aus¬

führung. Für die Herstellung Wilhelms von Humboldt wurde der Bildhauer Paul Otto ausersehen. Reinhold Begas be¬ traute man nur mit der Ausführung Alexanders von Humboldt.

Wer die Begassche Schoffensweise kannte, konnte ent-

593 daß diesmal nichts Außergewöhnliches

voraussehen,

schieden

unter den Händen des Meisters entstehen und gedeihen werde. Seine Subjektivität, deren Hanpteigenschaft genialer Schwung, Energie und der Gesetzmäßigkeit trotzende Kraft ist. mußte sich hier einem gegebenen Typus unterordnen. Seine Judividualität ward bestimmt, fich ihres originellen Wesens zu entäußern und eine Idee zn realisieren, die in den Hauptmomenten nicht freie Erfindung, nichts Ursprüngliches, sondern nur Nachbildung

ge¬

Forschungsdrang und Respekt gebietende Denkschärse als gro߬ väterliche Urgemütlichkett erkennen. Fast gewinnt man den Eindruck, als ob man es hier mit einem siebenzigjährigen Geburtstagskmde zu thun habe, das den linken Arm schmunzelnd auf ein Häufchen seltsamer, genial zusammengewürfelter Liebes¬ spenden stützt, und das dem emporschauenden Wanderer mit der rechten Hand eine der hübschen Blumen zeigt, die liebende Hände auf den Geburtstagtisch niederlegten. Die Gestalt des großen Naturforschers ist viel zu sehr zusammen und zu stark Der nach hinten gedrückt. Oberkörper wird in unzu¬ Weise von lässiger den Knieen überschnitten und

am liebsten

erscheint dem Beschauer viel

Die preisgekrönte Arbeit seines Konkurrenten bestimmte ihre Eigenart, der Idee und der Ausführung nach, die durch Akkorde, die das Thema und Leitmotiv für seine Komposition bilden und in denen sein plastisches Tonstück ausklingen sollte. Beide Monumente mußten — in ihren Hauptzügen übereinstimmen, nach Aufbau und Größe untereinander harmonieren. war.

Das war ein Hindernis, das für Begas unüberwindlich sein mußte. Seine an Frei¬ heit und Ungebuudenheit

wöhnte und

sich

durch Aktion und Gebärdung doch nicht dasjenige, von seinem berühmten, unsterblichen notwendigerweise was er Träger offenbaren muß. Die Stirn ist breit, hoch und edel. Trotz der großen Parträtähnlichkeit läßt das ganze Mienen¬ spiel des Gesichts doch weniger rastlose Energie, feurigen

sierung,

Wenn sonst nicht immer, so trifft hier der Berliner Volkswitz, der be¬ hauptet. daß Alexander von Humboldt über einem Strau¬ ßenei brüte, doch den Kern zu kurz.

selbst äußernde Seele seufzte

unter der Last dieses Joches. Sein Humboldt konnte ganz naturgemäß nicht so aus¬ fallen, wie man es im all¬

erwarten durfte. Die Bildwerke des Sockels, zwei Reliefs, die Natur gemeinen

und

Wisienschaft

der Sache. esse

lers

sym¬

ist

der

die

Inschrift

zwischen

des

dessen

Blättern Tiere Südamerikas

— Schlangen.

herzlich die

zu

Origi-

im allgemeinen die Originalität und schwung¬ volle Gestaltungskraft des genialen Künstlers gebieten. Eine Schöpfung Begas,

Charakteri¬

sierung

zeigt dagegen etwas anderes,

es

daß

die

Falter, Raupen, Kolibris — in prächtig

ihr munteres Wesen Die Hauptfigur treiben.

ist

die Achtung zu beanspruchen,

Eidechsen,

Käfer,

naturalistischer

Inter¬

nalwodelle der Gebrüder Humboldt nicht zur Aus¬ Das führung gelangten. Denkmal Alexanders von Humboldt ist nicht geeignet,

Denkmals umrahmende Lor¬ beerkranz.

Im

der Kunst und des Künst¬

bedauern,

bolisierend, find vorzüglich. Ebenso vortrefflich



Lksiser Wilhelm-Denkmal van N. VegsF.

deren Gedankenkeime in dem

Boden Berninischer Monu¬ mentalplastik wurzeln, ist d er imposante Brunnen vor der Südfront des alten Königlichen Schlosses zu Berlin. Er wurde Kaiser Wilhelm II. bei seiner Rück¬ kehr im Jahre 1888 von der Stadt Berlin als Geschenk dargebracht.

Löwengruppe.

als das, was man sucht. Das ist nicht der Humboldt, dessen feuriger, scharfdenkender. analysierender und kombinierender Geist in die Geheimnisse der Natur eindringen, ihre wunderbaren Rätsel zu lösen und der Gesetzmäßigkeit ihres Schaffens nachzu¬ sinnen vermochte. Das ist nicht der mutige, unerschrockene Held,

Gipfel des des Spiele am lieblichen

der auf gefahrdrohenden Pfaden zum schneegekrönten

emporsteigt, um sich Chimborazovogels zu ergötzen und dem Flügelschlage des geniale mächtigsten aller Geier zu lauschen. Das ist nicht der Bahnen neue in Denker, der berufen war, die Nalurforschung

Chimborazos

leiten, der Gesamtwissenschast eine neue Perspektive zu er¬ öffnen und ihr Mittel zu einem höheren, geistvolleren Auf¬ alter, schwünge in die Hand zu geben. Das ist ein guter, gemütlich dreinschauender Herr, der glücklich darüber ist, es zu

in seinen alten Tagen so gut zu haben und so bequem zu können. Der Kopf der Hauptfigur ist gut. Aber er

sitzen

offen¬

bart dem sinnenden Beschauer durch seine plastische Charakteri¬

An diesem Monumentalbrunnen, der in seinem ganzen Aufbau den Gesetzen der stillen Größe und edlen Einfalt zuwiderläuft, bei dessen Anblick der Altmeister Rauch entschieden in Ohnmacht fallen würde, hat Begas so recht bewiesen, wes Geistes Kind er ist, was er kann, welcher schwunghaften, feurigen Aeußerungen seine Phantasie fähig ist, was er zu denken, zu empfinden, plastisch zu bilden und monumental zu gestalten vermag. diesem Werke konzentriert fich der ganze Trotz und Uebermut, die Ungebundenheit, naturalistische CharaklerifierungSweise und dramatische Wucht seines Stils. Wir sehen die Sprache des Wassers, das Rollen, Rauschen, Wogen, Plätschern, Tosen

In

des Meeres

durch

und lebenswahre Gestalten in Grauen und Lust erweckender Weise

mythische

ergreifender, packender,

zum Ausdruck gebracht.

Das ist zwar eine seltene, für die

Augen eines Deutschen neue Kunst, aber es ist eine Kunst, eine große, packende Kunst. — Nicht der ängstliche Zirkelschlag der Neu-Klasfizität und ihre gesetzmäßigen architektonischen Linien gebieten hier und beherrschen die monumentale Situation, sondern das Lust, Fröhlichkeit, Freiheit und Leben atmende figürliche Element. Das find keine Klosternatüren, welche aus ihrer dumpfen Klause starren Blickes in die Ferne schauen und in „klassischer" Ergebenheit und mit „erhabener" Einfalt die Stürme der Zeit an fich empfindungslos vorüberrauschen lassen. Das find lebendige Wesen, deren Körperbildung, Haltung und Gebärdenspiel verrät, daß sie fich ihres Lebens¬ zweckes lebendig bewußt sind. Ihre Charakterisierung ist Schwung, Kraft, Beweguugslust, Elastizität. Sie verschmähen es, an einer klassisch konstruierten Pyramide zu hocken und die kostbare Zeit mit ewigem Nichtsthun tot zu schlagen. Es behagt ihrer ungestümen Natur nicht, Widerstands- und thatenlos dem Uebermut der Wassermassen preisgegeben zu sein. Sie fühlen sich berufen, in das wechselreiche, bunte Spiel des flüssigen Elemements mit einzugreifen, das sie in seiner ge¬ heimnisvollen Tiefe gebar. Sie ziehen keine Sitten- und Anstandsbüchlein zu Rate, um zu erfahren, wie weit sie den Leib vorwärts oder rückwärts zu biegen haben. Sie fragen nicht, wie die Arme zu bewegen, die Hände zu halten und die Beine zu schwingen und zu verschränken find, um nicht mit den Priestern und Priesterinnen des Anstandes und des guten Tones auf Kriegsfuß zu geraten. Sie leben in ihrer eigenen Welt ihr eigenes Leben. Sie leben, wie die Oertlichkeit es gestaltet und gebietet, deren Atmosphäre sie atmen. Das Element, dem sie angehören, diktiert ihnen die Lebens- und Anstandsformen, aber nicht die Gesellschaft, die kopfhängerisch vorüberschreitet, die den Künstler nach ihrem elementaren Kunst-ABC und sich selbst nach dem faden Schein, nach einem oft recht geistlosen Schliffe beurteilt. — Die vier Tritonen, welche ihren mächtigen Gebieter auf einer Muschel tragen, find echte Meergeschöpfe, wie sie nur der feurigen Phantasie eines gottbegnadeten Künstlers entspringen können: wild und ungestüm, voller Lust und Humor. Der Phantasie entsprungen, entbehren sie doch nicht des packenden, natura¬ listischen Elements. Es sind Wesen aus Fleisch und Bein, bei deren Anblick man zurückschreckt, aber auch herzhaft lachen muß. — Allerliebst find die nackten Buben, die das Spiel der Wellen versinnbildlichen sollen. Sie stehen zu den übrigen ungeschlachten Meeressöhnen in prächtigem Gegensatze. Jede ihrer Bewegungen — ihre Beziehungen untereinander und zum Ganzen, ihr Spiel mit den Seetieren: Hummern und Polypen — verrät jauchzende Lust. Das sind Kindergestalten, wie sie für diesen Zweck kaum schöner und fesselnder gedacht werden können und von der plastischen Kunst vollendeter noch nicht dargestellt worden find. Allen lacht der Schelm aus dem Gesichte. Keiner ist unthätig. Aus der brodelnden Tiefe empor zum lichten Throne ihres Allvaters, tm Lichte fich selbst zu Licht verwandelnd, erquickende Tropfen auf die lechzenden Fluren sendend und wieder zurück in den geheimisvollen, den Augen der Sterblichen verborgenen Meeresgrund kehrend: das ist der goldene Faden, den die schaffende Seele des Künstlers spann, um die neckische Gesellschaft trotz ihrer wechselreichen Bewegungen monumental zusammenzuhalten. Keiner schlägt über die Stränge oder stört durch naseweises Hervortreten die

plastische Geschloffenheit, die monumentale Einheit.

— Kraft,

Schwung, wilder Humor und kindlicher Uebermut: das find die Reinhold Begas hier in buntester Zusammen¬ setzung und Aufeinanderfolge in einer meisterhaften Monumentalsymphonie zusammenklingen und auf den empfindsamen Be¬ schauer wirken läßt. Es erübrigt nun noch, den Blick sinnend der großartigsten aller Schöpfungen Reinhold Begas, dem Nationaldenkmale Wilhems I. zuzuwenden. Es will mir aber geboten erscheinen, diesem Werk des Meisters demnächst eine besondere Betrachtung zu widmen. Ich schließe mit den Worten: Reinhold Begas ist ein Mann, zu dem jeder Deutsche, insonderheit aber die deutsche Kunst mit Stolz emporschauen kann. Was man auch reden mag, und wieviel Unzulässiges und Unkünstlerisches Brotneid, kollegialische Mißgunst und dergleichen an seinen Schöpfungen auch herauszufinden versucht: Reinhold Begas ist ein Original voll schwunghafter Phantasie, seltener Empfindungstiefe. Achtung und Ehrfurcht gebietender Gestaltungskraft, er ist ein — Genie. die Töne,

Von Wilhelm Anton Wegener. Fortsetzung statt Schluß.

Die Reformation wurde in Eberswalde 1542 eingeführt, II. 1538 der Stadt das Patronats¬ recht über die St. Maria-Magdalenakirche geschenkt hatte. Ueber eine im Jahr 1541 von ihm beim Eberswalder Magistrat aufgenommene Schuld von 2000 Thalern stellte der Kurfürst der Stadt am 20. Januar 1545 einen Schadlosbrief aus, welcher, auf einem Papierbogen geschrieben, im Stadtarchiv aufbewahrt wird und folgenden Wortlaut hat: „Wir Joachim von Gots genaden Markgraf zu Brandenburgk, des Hailigen Rö(mischen) Reichs Ertzkammrere vnd Churfürst zu Stettin Pommern der Caßuben Wenden vnd In Schlesien zu Croßen hertzogk Burggraf zu Nürnberg! vnd Fürst zu Rügen, Bekennen vnd thun kundt, vor vnns vnnser Erben vnnd Nachkommen auch sonsten mennigklich diss Briefes Anfichtigen, — Nachdem vnd als Unsere liebe getreuen Bnrgermeistere vnnd Rathmanne vnnser Neustadt Ebersswalde, vf vnser genediges Begeren vor zwei thausendt Gulden Peinig Hauptsumma, sampt denn gebürlichen Zinsen fich Inn guttwilligk Bürgschaft gein den Erbarn unsern lieben Besonderen Jhernninn Sünen eingelaßenn. Das wir Inen hiemit zugesagt und vorsprachen haben, zusagen und vorsprechen vor vns nachdem Kurfürst Joachim

Vnser Erben vnd Nachkommen, sie oder Ire Nachkommende werden sollicher Bürgschaft vnd sigtunge. Ob sie deshalber einch schaden oder Nachteill (daß keines wegss sein noch gescheen soll) haben oder erleiden würden In allewege die weil die Hauplsumma zu voller genüge nicht abgelegt wirt, zuvortretten zubenhemen vnd schadloss zuhalten, alles Ohn geferdt In Crafft diess Briefs, Urkuntlich mit unserm hierundtvfgetruckien Secret besiegelt, zu Coln ann der Spree am Tage Sancti Fabiany et Sebastiany Anno Mdxlv." Unter diese Urkunde ist das in einer Oblate mit darübergelegtem Papier ausgedrückte Ringfiegel des Kurfürsten gesetzt, welches im Herzschild den Kurstab und oben die Buchstaben JMZBK, Joachim Markgraf zu Brandenburg, Kurfürst, enthält. Während der schweren Zeit des dreißigjährigen Krieges

>.

595

auch Eberswalde viel Schaden zu erleiden, und es wurden deshalb von den kurfürstlichen Räten Reinhardt und Tornow am 22. Juni 1650 neue Bestimmungen über die

hatte

festgesetzt. In der vortrefflichen Beschreibung von Neustadt-Eberswalde, welche in den nur in einem Band 1786 bei Horvath in Berlin und Potsdam erschienenen Statistisch-topographischen Städtebeschreibungen der Mark Brandenburg von Ftschbach abgedruckt ist, find hierüber die nachstehenden Angaben enthalten:

Stadtverwaltung

„Die Anzahl von 4 Bürgermeistern war schon 1627 auf die Hälfte heruntergesetzt, jetzt aber, wie das abgehaltene Protokoll vom 22. Juni 1650 oder der sogenannte Bürger¬ rezeß besagt, ward beschlossen,

daß das Regiment der Stadt geringen und nur aus 30 Personen bestehenden Bürgerschaft künftig blos mit 1 Bürgermeister, 1 Richter, 1 Stadlschreiber und 8 Ratsherren also bestellt werden sollte, daß in jedem Jahre und so lange bis sich die Bürgerschaft wieder auf 100 vermehrt haben würde, der Bürgermeister, Richter und Stadtschreiber nebst 4 Ratsherren die Stadtsachen besorgen, die anderen 4 Ratsherren aber, welche in demselben Jahre nicht mit an der Regierung wären, dem Richter als Schöffen beifitzen sollten. Der Bürgermeister, Richter und Stadlschreiber bekamen die Besoldungen, welche ihre Vorfahren von alters her gehabt hatten, die 4 regierenden Ratsherren hingegen hatten jeder 12 Thaler und die 4 anderen, welche dem Richter beisaßen, 6 Thaler zum jährlichen Gehalte.

wegen

der

Weiter wird in dem Kommisfionsrezeß wegen der Rats¬ Ablauf eines Jahres der ganze

versetzung verordnet, daß nach

Rar gemeinschaftlich überlegen sollte, ob die Bürgermeister und Richter in ihren Aemtern ferner zu bestätigen wären oder

Im

Fall sollten fie jährlich umwechseln und zum Bürgermeister, dieser aber zum Richter ge¬ wählt werden. Eben auf die Art sei es auch zu halten, wenn eine Ratspcrson mit Tode abginge, daß nämlich ein anderes tüchtiges Subjekt durch die Mehrheit der Stimmen an dessen Stelle ernannt würde. Ferner sollten 2 von den 4 Rats¬ herren ein halbes Jahr des Rats Einkünfte besorgen und der nicht.

letzteren

der Richter

eine Kämmerer, der andere aber Mühlenherr sein, die beiden anderen könnten nur so lange als Beifitzer angesehen werden,

bis die Meierei nebst der Schäferei wiederhergestellt worden, über welche fie alsdann die Aufsicht zu nehmen hätten. Im anderen halben Jahre wechselten fie um, so daß die letzteren die ersten und die ersten die letzten würden. Wenn nun solchergestalt ein Jahr vollendet wäre, so sollten diese 4 Ratsherren ihre Administration niederlegen, solche den 4 Schöffen über¬ geben und dagegen in deren Stelle treten. Endlich ward auch zur Vermeidung des Streits festgesetzt, daß derjenige, welcher im vorigen Jahre Kämmerer gewesen wäre, in dem neuen der Mühlenherr und dieser wieder Kämmerer werden sollte. Die Wahl oder Versetzung des Rats sollte allemal 14 Tage vor dem 22. Juni geschehen und darüber beim kur¬ fürstlichen Geheimenrat die Konfirmation eingeholt und solche auf dem Rathause der gesamten Bürgerschaft früh um 9 Uhr des 22. Juni oder, wenn dieser Tag ein Sonntag wäre, Tages darauf eröffnet und vorgelesen werden. Auch wegen des Ranges geschah die Verfügung, daß der Bürgermeister die Oberstelle haben, hernach der Richter folgen und so weiter der regierende Kämmerer, der regierende Mühlen¬

herr, der Schäferherr, der Meiereiherr ihre Plätze einnehmen

sollten. Die Schöffen behielten ihre Stellen in der Ordnung, wie fie solche bei der vorigen Regierung gehabt, der Stadtschreiber aber saß nicht mit in der Reihe, sondern an einem besonderen

damit er desto besser protokollieren und aufstehen wenn etwa Akten herbeizuholen wären. Und diese Ordnung mußte auch bei Prozessionen und anderen öffentlichen Zusammenkünften beobachtet werden. Sogar wegen des Rats¬ stuhls in der Kirche ward verordnet, daß die Ratsglieder den¬ selben wieder betreten sollten, da sie es seit langer Zeit Unter¬ lasten hatten, weil solches alten Herkommens sei und mehr Respekt gäbe, auch zur guten Ordnung in der Kirche diene. Der Rang ward also bestimmt, daß auf den Bürgermeister der Richter, auf diesen der Stadlschreiber und endlich die anderen Ratsherren nach dem Alter ihrer Bedienung folgten. In Ansehung des Departements wurde nach dem Kommisfionsrezeß vom 22. Juni 1650 folgende Einrichtung getroffen: 1. Der Bürgermeister sollte mit seinen Kollegen fleißig be¬ ratschlagen, wie dem verfallenen Stadtwesen am schleunigsten und füglichsten aufzuhelfen und wie die Einkünfte der Stadt zu vermehren als durch Abschaffung der unnötigen Spei>e° und Reisekosten, durch Reparaturen der Mühle, Kirchen, Schule und Pfarrgebäude, ingleichen durch Wiederaufbau der Schäferei, Tische,

könnte,

Meierei und Ziegelscheune. Zu Rathause sollte eine richtige Registratur von allen Urkunden gemacht werden, damit man die Privilegien der Stadt wissen könnte, wieviel derselben, wo fie zu finden und wo die Gerichtsakten, Rechnungen und dergleichen Schriften mehr anzutreffen wären. Es sollte ein

richtiges

angelegt werden und daher fördersamst berechnen. Das sich Hypothekenbuch müßte eine bessere Einrichtung bekommen, wie denn auch durch öffentlichen Anschlag bekannt zu machen sei, daß alle und jede, welche sich hier ansässig machen wollten, unter billigen Bedingungen Häuser und Gärten bekommen sollten. Fänden sich nun Liebhaber dazu, so könnte der Magistrat zwar, wenn Aecker, Gärten und Wiesen zu ver¬ kaufen wären, auf etwas bares Geld zur Bezahlung dringen, bei Häusern aber, die den Einfall droheteu, wären bloß Obligationen anzunehmen. Das übrige der Instruktion betraf das Grundbuch und Kontributionswesen, zuletzt aber den Befehl an den Bürgermeister, die Bürgerschaft, wenn fie etwas zu klagen oder sonst anzuzeigen hätten, bescheiden zu be¬ handeln und in der Bestrafung gebührende Maße zu halten. auch

der Rat

Schoßbuch

mit den Städten

Dem Richter ward aufgegeben, alle Mittwoch und Freitag auf der Gerichtsstube Gericht zu halten, und zwar im Beisein der 4 Schöffen, wenigstens sollte ohne Gegenwart von 2 derselben nichts verabschiedet werden, die Parteien aber hatten die Erlaubnis, wenn fie mit dem ausgesprochenen Be¬ scheide nicht zufrieden waren, an den Bürgermeister und Rat zu appelieren. 3. Der Kämmerer und die anderen regierenden Rats¬ herren sollten auf Erfordern des Bürgermeisters fleißig zu Rathause erscheinen und über das, was vorgetragen wurde, ihre Meinung nach bester Einsicht eröffnen, ihre Rechnungen ordentlich führen, auch alle 4 Wochen darüber an den Bürger¬ meister einen Zettel abgeben, und was ihnen sonst aufgetragen würde, gehörig erfüllen. 4. Des Stadtschreibers Pflicht sollte sein, alles und jedes in den rathäuslichen Büchern einzutragen, was ihm von dem 2.

Bürgermeister an die Hand gegeben würde, ferner auch die Rechnungen gegen jede Versetzung anzufertigen und übrigens alles, was ihm von dem Bürgermeister aufgetragen und sonst



seines Amtes sei, zu verrichten.

In

verfaßten sind im Verlag der Erben des Matthäus Merian erschienenen „Beschreibung der vornehmsten und bekantisten Städte und Plätz in dem Hochlöblichsten ChurFürstenthum und March-Brandenburg und dem Hertzogthum Pommeren" ist folgende Angabe über die Stadt enthalten: „Eberswald, in Chur.Brandenburg, in der Mittel-Mark, in dem Ober-Barnimbischen Cräyß gelegen: von welchem Ort wir finden, daß er sonsten Neustädt-Eberswalde genennet werde, denn zwo Städte beysammen seyen, deren die eine Eberswald, darin die Kirch, sampt dem Ralhhauß stehet, die ander aber jenseit des Wasiers, die Neustadt genändt werde. Man kann von Stetin nach Berlin reisende darauff zukommen, in deme man von Stetin auf Gartz, Stendelichen (so auch ein Städtlein), Neu-Angermünd in der Uckermarck, Bernau, und von dannen auf Berlin kommet. Andere aber reisen einen anderen der 1648

Weg. Diß ist zu mercken, daß abgedachtes Wasser in den Land-Tafeln die Fuhre genandt wird; so zwischen Curin und Neustadt lausten thut.

Und daher sagt man Neustadt an der Fuhre, zum Unterschied Neustadt an der Dorfe, nahend Havelberg, auch in der Marck gelegen." Fuhre ist ein älterer Name

für Finow. Wertvoller als diese kleine Notiz ist das von Kaspar Merian gezeichnete und in dem Werk enthaltene Bild der Stadt. Da liegt das alle Eberswalde vor uns, vom Rosen¬ berg aus gesehen, dem Terrain der jetzigen Landirrenanstalt der Provinz Brandenburg. Im Vordergrund, an den Höhen aufsteigend, Kiefernwald mit Laubbäumen, hier und da ein abgebrochener oder umgestürzter Stamm,

Mann mit großem Schlapphut in

und dazwischen ein

der Tracht jener Zeit, eine

beladene Schubkarre vor fich herschiebend, dahinter die Felder

mit pflügenden Ackersleuten; auf dem Oderberger Weg von der Stadt im Trab herkommend ein Reiter. Der Weg selbst verfolgt, gleich hinter der Georgskapelle abbiegend, die jetzige Oderbergerstraße, die Kapelle gehenden

Turm und neben

dem Giebel

an der Straße

aber

hat einen hohen spitzzu¬ der Stadt zu das mit

nach

fich stehende Hospitalgebäude.

Dort

fließt auch die Finow, an welcher, der Stadt gegenüber, ein¬ gehegte Hopfen- und Obstgärten sichtbar find. Die Finow¬ brücke ist ein einfacher breiter Steg, ebenso die folgende Schwärzbrücke, und dazwischen weder Haus noch Hütte. Dann folgt auf der von den beiden Schwärzearmen gebildeten Insel in der Mitte der Straße das Außenthor des Unterthors, ein gefälliger Bau, unten mit einer Durchfahrt, unv über dem etwas schlankeren Obergeschoß einen Zinnenkranz mit hohem, spitzem Dach tragend. Zu beiden Seiten des Thors nimmt man die Mühlengebäude wahr, links auch mehrere übereinanderliegende Stämme, Kien- oder andere Blöcke, welche aus¬ einandergesägt werden sollen. Um die Stadt herum führt die noch gut erhaltene Stadtmauer mit den viereckigen, fie über¬ ragenden kleinen Türmen, in deren oberen Stockwerken sich je zwei Fensteröffnungen befinden. Das Oberthor und das Unter¬ thor, schlichte Bauten mit mehreren Geschosten, treten deutlich hervor. Das erstere stand im Lauf der Nagelstraße zwischen den Häusern Breitestraße 18 und 57, das letztere in der

Mühlenstraße in der Nähe der ehemaligen Heiligengeistkirche und des jetzigen Hotels „Deutsches Haus". Auch das Ritterhaus, Breitestraße 54. ist sichtbar und alle die spitzgiebligen und teilweise hohen Häuser überragend die St. MariaMagdalenaklrche mit dem Turm. welchen ein Dach und Dach¬ reiter darauf abschließt. Südöstlich von der Stadt sieht man dann den Hausberg, auf welchem in der Nähe der Gertrudskapelle oder des jetzigen Stadtkirchhofs das ältere Schloßgebäude Ebers¬ waldes stand. Hinter der Stadt auf den Bergen zeigt fich der Wald mit dem klar hervortretenden Abhang, welchen die alte Eiche, die Vorgängerin der jetzigen Rudolfseiche, umschattet. Das ganze Bild gewährt einen lieblichen, freundlichen Anblick; man merkt es der Stadt nicht an, welche Leiden über fie in den letzten Jahrzehnten ergangen find, Ruhe und Friede breiten fich über die Gebäude und den Wald aus. Eine sehr rührige Thätigkeit entwickelte die Stadtver¬ waltung unter dem König Friedrich Wilhelm I. Gute Kataster¬ arbeiten. allgemeine und eingehendere Nachrichten über die damalige Verwaltung und den Zustand der Stadt und die Anfertigung eines Hauptbuches der Eberswalder Urkunden und Privilegien, welches 90 teilweise mit neuhochdeutschen Uebersetzungen versehene Schriftstücke enthält, legen hiervon Zeugnis ab. Aus jener Zeit besitzen wir in einem älteren handschrift¬ lichen Werk über Eberswalde vom Küster Beling auch eine Schilderung von dem Aufenthalt der Salzburger in Ebers¬ walde. Vom 11. Juni bis zum 1. Oktober 1732 kamen an 18 verschiedenen Tagen im ganzen ca. 10 000 Salzburger durch die Stadt und wurden regelmäßig von der Bürgerschaft empfangen, anfangs auch mit geistlichen Reden begrüßt. Da die Emigranten aber gewöhnlich mittags und zeitweise bei großer Hitze anlangten und daher müde, hungrig und nament¬ lich durstig waren, einige von ihnen auch bei den Bewill¬ kommnungsreden ohnmächtig wurden, so stellte man diese Reden hier ein und predigte dann nach der Einführung in die Stadt, welche mit Singen und dem Geläut aller Glocken vor fich ging,

in der Kirche oder auf dem Marktplatz. So

sprach

Juli

über das Thema: „Der rühmende evangelische Salzburger Chor und das bei dessen Bewillkomm¬ nung vor ihrer Stadt freudig antwortende evangelische Neustadt-Eberswalder Thor" mit dem Text Jesaias 26. V. 1 und der Geistliche am 22.

2, und am 17. September

früh vor der Abreise über das

„Von frommer reisender Christen unsichtbarer gesellschaft" mir dem Text Psalm 91, V. 11 und 12. Thema:

Reise¬

Die Predigten wurden auch katechisationsweise mit den Zuhörern wiederholt, und bei den Antworten zeichnete fich ein früherer Kapuziner, welcher evangelisch geworden war. durch eine ge¬ wandte Darlegung der lutherischen Lehre aus. Am 8. August fand nach der Predigt die Trauung von 2 Paaren Salzburger statt; der Trautest war Tobias 5, V. 4 und das Thema: „Ein frommer Ehegatte als der getreuste Reisegefährte." In¬ den Predigten kamen auch Verse vor. in welchen dem Erz¬ bischof von Salzburg gerade keine Schmeicheleien gesagt, den Salzburgern aber die Trostworte zugerufen wurden: „Ihr Davids Brüder nun, die ihr jetzt Fremde seid. Die ihr auf eurer Reis' auch zu uns kommen heul', Ihr seid zwar Könige, gesalbt mit Goites Geist, Doch aber solche, die man Exulanten heißt." (Schluß folgt.)

597

Kleine Mitteilungen. „

-

,

Verbreiterung der Spandauerstraße zwischen der und Eiergasse schreibt die „Voss, Ztg": Um das Jahr 1247

der beschlossenen

Propststraße

erstreckte sich das zu einer deutsuen

Stadl umgewandelte Berlin in bau-

I ;

nur bis zur Jüdcnstraße, deren Endpunkt der „Große Judenhof" — bis zur Mitte des folgenden Jahrhunderts der alleinige, licher Beziehung

verschließbare Wohnsitz der jüdischen Einwohnerschaft — bildete. Hinter der Straße war, abgesehen von dem „allen markgräflichen Hofe" auf

heutigen fiskalischen Grundstücke Klostcrstraße Ne. 32—36 bis zur Sieberstraßc die Gegend b^s zur Stadtmauer noch unbebaut. Erst 1271 schenkten die Markgrafen Otto und Albieckt den gegenüber ihrem „Hofe" gelegenen freien Platz den Franziskanermönchen. Wegen ihrer Lage der Straße „Aul zwischen Mollen" oder Mühlendamm (der heutigen Poststraße) und der Jüdenstraße führte die Spandauerstroße in ihrem ältesten Teile bis zur Propststraße den Namen „Mi del"dem

(Mittel-) Straße Ein

reges Leben herrschte auf dem mit

Zins- und Krambuden

!

s !

!

Dort tobte am 14 Oktober 1806 die Schlacht

hauien.

von Jena und Auerstädt, und der 72jahrige Befehlshaber Herzog Karl von Braun¬ schweig hatte bekanntlich das Unglück, durch eine Kanonen¬

be¬

Marktplätze (Molkendem Sitze des städti¬ Gemeindelebens; na¬ schen mentlich wenn lange Budenreihen an den Jahrmarkts¬ tagen, deren jährlich drei ab¬ gehalten wurden, bis in die damals noch schmalere „Midvelstraße" sich hinein¬ schoben. Die wenigen Bür¬ gerhäuser hier wie in den übrigen Straßen waren meist mit Lehm ausgefüllte, mit Stroh oocr Schindeln gedeckte Fachwerkbauten, ihre Giebel¬ setzten

marlt),

kugel

geblendet

zu

werden

und einen tätlichen Schuß zu erhalten. Die Unglücks¬ stelle seiner Verwundung ist durch ein in bestem Zustande erhaltenes Denkmal, einen von einem Eisengitter um¬ gebenen Obelisk, bezeichnet.

Der

Kriegerverein von

Hassenbausen sich

rechnet es

zur Ehre an,

diese ge¬

weihte Stätte zu hüten und zu pflegen. Das Denkmal

Straße zugekehrt; Scheunen und Vichställe standen in den mit Bohlzäunen abgeschlossenen Gän¬ gen zwischen den Gebäuden, Erst nach dem verheerenden Brande am 10, und 11, August 1380 entstanden massive Wohnhäuser auch in der „Middel-Straße"; sie wurde verbreitert und als eine der Hauptstraßen mit einem seite» der

trägt die Inschrift: Hier ward Am 14, Oct. MDCCCVI Karl Regier. Herzog zu Braunschweig und

Lüneburg tödtlich verwundet P. C. A. D. 8,

Steinpflaster versehen. So findet denn infolge dieser und der späteren Erhöhungen der Brandschult aus jenen verhängnisvollen Tagen, in einer T-efe von etwa fünf Fuß, sich noch vor. Von

ü.

Erneuert von der Herzogi. Braunschw.

Staats-Reg.

MDCCCLXXXVin. E K.

Gebäuden in unseiem Engpässe ist nur das Apothekcnhaus Nr. 33, Ecke der den

Propst-Straße,

?

Hof die Hintergebäude der Spandauer- und Poststraße, sowie des Molkenmarktes, bis durch weitere Bebauung die Straße „Am NikolaiKirchhof" entstand, Dort hielt unier einer hohen Kirchhofs-Linde im Sommer 1692 jener sonderbare Schwärmer, der >ich selbst als den „zwcitm Elias" bezeichnete, unter großem Volkszulaus seine donnernden Strafredcn gegen die offenen und heimlichen Sünden der Berliner, Unr> sünfzebn Jahre später wurde hier der erste in Berlin mit einer christlichen Bestattung begnadete Schauspieler, Jakob Scheller, am äußersten Rande des Kirchhofes „ehrlich" begraben. Wenige Schritte von jener Stätte, Nr, 5 „Am Nicolai-Kirchhof", wohnte der junge Goiihold Ephraim Lessing während seines ersten Berliner Aufenthalts von 1752—55. Denkmal bei Hasscn hauscn. Ein interessanics Denkmal befindet sich in der unmittel¬ baren Nähe des unweit Naum¬ burg a, S, belcgenen preu¬ ßische Torfes Hassen-

Stärker als August der Franz Andreas Starke, wurde im von Favrat Jahre 1734 in Schlesien

geschichtlich

Hier legte im sieben¬ geboren, war Magistrat im Jahre jährigen Kriege preußischer 1691 eine „Rats-Apotheke" Hauptmann, avancierte nach an, die er durch Johann Kaiser Wilhelm-Denslin al von N. Wegas. General zum und nach Friedrich Evenius einrichten der Infanterie und Gouver¬ ließ. Später ging sic an Kopf einer Siegesgöttin. neur von Glatz und starb Hinning Christian Markgraf, An Stärke übertraf 1804. dann an Simon über, dessen er noch den bekannten Kurfürsten von Sachsen, August, zubcnannt Namen sie noch führt. Recht prosaisch, aber stets zutreffend muten uns manche der Starke. Denn er brach einem durchgehenden Pferde den Hals, der alten vergessenen Namen auf den früheren großen blauen Blechindem er ihm einfach in die Mähne griff, spaltete einem feind¬ tafeln an. So befand sich in nächster Umgebung einerder^ahlreichen „Bullen¬ lichen Husarenosfizier den Kopf bis auf die Schultern, hob sein Pferd winkel" in der heutigen Waisenstraße; ferner eine „Paddengasse", deren mitsamt dem Reiter empor und exerzierte mit einer Dreipfünder-Kanonc 1862 erfolgte Umwandlung in „Kleine Stralauer-Straße" anfänglich wie mit einer Muskete. Als es mit ihin zu Ende ging und der Arzt abgelehnt wurde, weil sich historische Erinnerungen an den Namen sich zu ihm ans Bett setzte, meinte er: „Mit mir ist's bald vorbei, ich knüpften, die aufrecht erhalten bleiben müßten. Wahrscheinlich sollten habe gar keine Kräfte mehr!" Dabei griff er mit der Hand nach dem sich diese Erinnerungen auf den alten, 1699 abgebrochenen StadtmauerStuhlbein und hob den Stuhl mitsamt dem Arzte in die Höhe. turm beziehen, der wegen der dort zahlreich vorhanden gewesenen Frösche im Volksmundc „Paddenturm" genannt wurde. In den Engpaß der Die Katzen im Artilleriedcpot und die Katzen im Proviantamt. Spandauer Straße mündet zunächst die Probst-Straße ein, die bis Von der Oberrechnungskammcr wird in der „Parole" aus aller Zeit 1723 nach einem dortigen Hausbesitzer „Kannegießer-Straße" hieß, aber folgendes hübsche Stückchen erzählt: ssur bis zum Probsteigebäude reichte, wo sie durch ein bis zum gegen¬ In der kleinen Festung S, befand sich seiner Zeit außer ver¬ überstehenden Hause Nr. 14 gezogenes Lattengitter qesverrt war, Dieses schiedenem anderen auch ein Artilleriedepot und ein Proviantamt. bildete teilweise eine Umwährung des auf diesem Fleckchen der historisch Beiden war zur Steuerung der Mäuseplage das Halten van Katzen ältesten Berliner Erde um St, Nikolai gelegenen Friedhofs, von dem gestattet worden, denen mit militärischer Pünktlichkeit morgens Milch das alte Stadtbuch berichtet, daß dort ein Bild (Madonnenbild oder Hierfür reichte jeder Aufseher durch einen Aufseher verabfolgt wurde. Kruzifix?) gestanden habe. Nach und nach umschlossen dann den Kirchbemerkenswert. der

_

5.93 bei seiner Behörde quartaliter eine Rechnung ein. — Nun begab cs sich, datz die Auslagen des Proviantamtsaufsehers 15 Groschen pro Quartal betrugen, während der Depotarbeitcr 1 Thl. 7 Sgr. 6 Pfg. liquidierte. — Die Rechnungen kamen zu den jeweiligen Akien und wanderten mit hundert andern zusammen den bekannten Instanzenweg bis zur Oberrcchnungskammer. Eines schönen Tages aber kommt nun ein gewichtiges Aktenstück im Artilleriedepot an, Absender: Oberrechnungskammerl Die Gefürchtete verlangte unter Beifügung der Milchrechnung Aufschluß, wie es zu er¬ klären sei, daß die Katzen des Artilleriedepots für 22 Sgr. und 6 Pfg. pro Quartal mehr Milch verzehrten, als die Katzen des Proviantamtes! Kopfschüttelnd las der Artillerieoffizier vom Platz diese schwierige Frage mehrere male durch! Was thun? Wie ist so was zu erklären? Da bat ihn ein Zeugfeldwebel — der den Schalk im Nacken hatte —, diese Frage erschöpfend beantworten zu dürfen, und dessen Bericht

lautete wie

folgt:

„Die

Katzen des Artilleriedepots ernähren sich, außer von Milch, hauptsächlich von Mäusen; diese Mäuse aber fristen an den Lederabfällen und Pappdeckelrestern des Artilleriedepots, die nur einen geringen Nähr¬ wert für Katzen haben, nur kümmerlich ihr Dasein. Dagegen ernähren sich die Katzen des Proviantamtes außer von Milch — von den Mäusen des Proviantamtes! Diese Mäuse finden reichliche und vorzügliche Nahrung an den großen Mehl- rc. Vorräten des Proviantamtes — eine für Mäuse äußerst kräftige und fette Nahrung. Demnach brauchen diese bedeutend weniger Milch um zu leben im Ver¬ gleiche zu den Die Oberrechnungskammer ließ die Mitchrechnungen für alle Zukunft unbeanstandet in den Akten und hat nie wieder eine Erklärung über

Depotkatzen!"-

dieses

Thema verlangt.

G. R.

jr. i. S.

Kaiser Wilhclm-Denknial zu Berlin in Kanada. Unter den elf Orten in Nordamerika, welche den Namen „Berlin" tragen, ist der in Kanada gelegene weitaus am bedeutendsten. Innerhalb weniger Jahr¬ zehnte hat sich die fast ausschließlich von Norddeutschen bewohnte Stadt zu einem blühenden Gemeinwesen entwickelt, und deshalb wurde von den Deutschen Kanadas der Beschluß gefaßt, in Berlin ein Denkmal Kaiser Wilhelms I. zu errichten. Vor kurzer Zeit fand die feierliche Enthüllung desselben statt, und aus allen Gegenden des weiten Landes, selbst von den Küsten des stillen Ozeans her, waren Deutsche zu dieser Feier herbeigeeilt; auch drei Konsule des deutschen Reiches waren gegenwärtig, ebenso die Vertreter der kolonialen Behörden. Das Denkmal besteht aus einer vier Fuß hohen, in Kupfer getriebenen Kolossalbüste des Kaisers, die auf geschliffenem Granitsockcl von 9 Fuß Höhe ruht. Letzterer zeigt an beiden Seiten in Broncemedaillons die Brustbilder von Bismarck und Moltke; das Denkmal ist rings von prächtigen Anlagen umgeben. Ein Festmahl im Stadthause schloß die erhebende Feier. P. B.

Der älteste und bekannte Schlittschuh der Welt konnte den Mitgliedern der „Brandenburgia".kiirzlich von Herrn Geheimrat Friede! im Branden¬ burgischen Ständehause vorgelegt werden. Der aus der ältesten Broncezeit stammende, also etwa 3000 Jahre alte Fund stammt aus der Spandauer Gegend, es ist ein Pferdeknochen, dessen Schliffflächen seine Benutzung als Schlittschuh unzweifelhaft darlegen. Die Verwendung derartiger Knochen als Schlittschuhe hat sich in der Berliner Gegend noch mehrfach nachweisen lassen; so konnte Geh. Rat Friede! noch weitere solcher „Schlittschuhe" zeigen, die etwa auch dem 13. Jahrhundert ent¬ stammen und in der Spree vor der Landreschen Brauerei gefunden sind. Uebrigens hat sich diese Art der Knochenverwendung bis in die neuere Zeit hinein erholten. Ferd. Meyer erinnerte sich aus seiner Jugend, daß man damals noch in Berlin Knochen als Schlittschuhe benutzt hat. Auch als Schlittenkufen fanden Knochen Verwendung, wie Geh. Rat Friedet an einem Stück nachweisen konnte. Alle diese Funde gehörten einer Sammlung altertümlicher Hausgeräte, die dem Geh. Rat Friede! Gelegenheit gab, sich eingehender über die Sache der alten Hausgeräte zu äußern.

Uereins - Nachrichten. Verein für Geschichte der Mark Brandenburg. Sitzung vom 10. November 1897. Herr Archivrat vr. Bailleu berichtete über einen Konflitt König Friedrich Wilhelms II. mit dem Minister Woellner. Der Vortragende zeigte, unter Benutzung bisher nicht zugänglich gewesener Quellen, daß im März 1794 König Friedrich Wilhelm aus den Berichten der einige Jahre vorher eingesetzten Examinations-Kommission für Geistliche den geringen Erfolg des Kampfes gegen die „Aufklärung" erkannte und die Schuld daran der Lauheit des Ministers Woellner zuschrieb. Er nahm ihm infolge dessen das Baudepartement ab und forderte ihn in mehreren sehr entschiedenen und höchst charakteristischen Erlassen zur energischen Bekämpfung der „Aufklärung" auf, deren Unterdrückung dem König Herzenssache war. Wie der Vortragende nachwies, war es der König selbst, der alle jene Maßregeln persönlich anordnete, deren Summe als „Höhepunkt des Woellner'schen Regiments" bezeichnet zu werden pflegt: der Revers der Lehrer, das Vorgehen gegen einzelne Professoren wie Kant, die Maßregelung der Allgemeinen Deutschen Bibliothek u. s. w. Obgleich übrigens Woellner hierin den Absichten des Königs entsprach, hat er dessen volle Gunst seitdem doch nie wieder erlangt. Herr vr. Hintzc sprach Mer die ständischen Gravamina, die bei

der Huldigung von 1740 übergeben worden sind. Er wies darauf hin, daß diese Kundgebungen nicht nur ein Stück öffentlicher Meinung dar¬ stellen, sondern daß sie auch prattisch nicht ohne Folgen geblieben sind, und daß überhaupt die ständischen Tendenzen in der zweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts doch eine starke Unterströmung gebildet haben, die später wieder mehr an die Oberfläche des Staatslebens getreten ist. — Das politische Ideal der Stände war damals fast überall noch die Wiederherstellung eines politischen Sonderlebcns der Territorien, aus denen der Staat bestand. Ostpreußen und Magdeburg forderte man die regelmäßige Berufung von Landtagen, fast überall die Rückgabe der polizeilichen Kompetenzen an die Regierungen, die ihnen von den Kammern entzogen worden waren, die Hemmung der um sich greifenden Verwattungsthätigkeit der Kammem, die Sicherung der gutsherrlichen Polizei vor ihren Eingriffen, hier und da auch die Wiederablösung der Kommissariate, ebenso im städtischen, wie im adligen Interesse. Diese Forderungen sind natürlich (mit Ausnahme einiger Konzessionen) uner¬ füllt geblieben; Erfolg aber hatten die Stände mit einem anderen Ver¬ langen, dem nach der ständischen Wahl der Landräte, die Friedrich der Große ja bis 1756 allgemein zugegeben hat. — Von praktischer Bedeutung sind auch die ständischen Wünsche bezüglich der Justizreform. Sie decken sich in auffallender Weise mit den Hauptpunkten des Coccejischcn Reformprograo>ms: ein codificiertcs Landrecht und eine neue Prozeßordnung für die einzelnen Provinzen unter Berücksichtigung des alten Herkommens und des Naturrechts und in einem gewissen Gegen¬ satz zum römisch-kanonischen Recht, ein tüchtiger und auskömmlich be¬ soldeter Richterstand, Beseitigung der Verwaltungsgerichtsbarkeit der Kammern, der Kabincttsjustiz und der Supplicationen nach beendigtem Prozeß, Zuziehung ständischer Deputierter bei dem Reformwerk. — Neben den Jurisdictionskonflicten zwischen Regierungm und Kammern spielten die zwischen den Zivil- und den Militärgerichten, namentlich auch in Privatsachen, eine Rolle. Die Eingriffe der Militärgerichtsbarkeit in die Sphäre der bürgerlichen Rechtspflege wird gefordert; eine durch¬ greifende Umgestaltung der Militärgerichtsbarkeit selbst nach dem Muster der Zivtlgerichte, natürlich nur in Privatrechtssachen, wird von den Magdeburger Ständen vorgeschlagen. Besonders stark und einmütig wenden sich die Stände aller Provinzen gegen das Kantonsystem; sie fordern gänzliche Abschaffung des Grundsatzes der allgemeinen Aus¬ hebung oder wenigstens weitgehende Exemtionen: auch hier wird ein Einfluß auf die praktische Gestaltung der Verhältnisse zu vermuten sein. Allgemein sind die Klagen über den Steuerdruck, über die wirtschaftliche Notlage, die eine Folge der vorausgegangenen schlimmen Jahre war. Einhellig erklären sich die Stände gegen das von Friedrich Wilhelm I. inaugurierte Prohibitivsystem. Sie verlangen Herabsetzung der Accisesätze auf das Niveau von 1714, Beseitigung des Wollausfuhrverbotes und der Ausfuhrsperren für Getreide, Aufhebung des Salzmonopols, des Mühlenzwangcs, des Verbotes der Landhandwerker. Die Magde¬ burger Stände machen bemerkenswerte Vorschläge über die Regulierung der Kornprcise durch ein Magazinsystem, wie cs Friedrich der Große später in ähnlicher Weise eingerichtet hat. Merkwürdig ist noch die Be¬ gründung der Forderung des „freien Kommcrciums" durch mercantilistische Grundsätze. — Vor allem wünschen die Stände, unter denen ja in der Hauptsache der Grundadel zu verstehen ist, eine Sicherung ihrer ökonomischen und gutsherrlichen Position, wie sie ihnen in manchen Punkten später auch zu teil geworden ist. — Dem rücksichtslos durch¬ greifenden Regiment Friedrich Wilhelms I. steht der Adel noch in ent¬ schiedener Opposition gegenüber. Die Regierung Friedrichs des Großen, nicht nur seine Konzessionen im inneren Staatsleben, sondern vor allem die Expansion seiner Politik, die Schule seiner Feldzüge, hat denselben Adel zu einem royalistisch-patriotischen, zu einer Grundsäule des altpreußischen Staates gemacht.

In

Mcherttsch. Roman von Clarissa Lohde. Zwei Bände. Mann¬ heim 1897. Verlag von Bensheimer. Pr. 5 M. Mit großem Interesse haben wir diesen neuesten Roman von Clarissa Lohde gelesen. Auch er spielt in der vornehmen Berliner Gesellschaft und zeichnet dieselbe naturwahr und mit lebensvollen Farben. Ergreifend ist die Schilderung, wie wahre Seelengröße nnd selten treue und starke Liebe von dem oberflächlichen, von Vorurteilen erfüllten, dazu stets zum Splitterrichten und zu ungünstiger Beurteilung anderer ge¬ neigten Geist der gewöhnlichen Vertreter jener Gesellschaftsttcise nicht verstanden und gewürdigt wird, und wie Neid und Eifersucht selbst bei sonst edleren Gemütern aufkommen und sie dahin bringen können, das Lebensgluck solcher, denen sie doch durch verwandtschaftliche und freund¬ schaftliche Bande nahe gestellt sind, unbedacht, ja nahezu mutwillig zu zer¬ „Herbstblüte" nennt sich der Roman, weil dem in jeder Be¬ stören. ziehung vortrefflichen, aber schwer geführten Präsidenten von Werthern im Herbst seines Lebens noch einmal ein ungeahntes Glück erblüht durch die in dankbarer und kindlicher Liebe ihm zugethane Verlobte seines Neffen, die eigentliche Heldin des Romans, die liebreizende und nach allen Seiten hin durch ihre Tugenden und ihren Edelsinn sich aus¬ zeichnende Elly Bodin. Beider Verhältnis ist ein durchaus reines und tadelloses. Die Art und Weise aber, wie es in näheren und weiteren Kreisen beurteilt wird, führt nicht bloß, wie ein Wurm an seinem Herzen nagend, den Tod des Präsidenten herbei, sondern es bewirkt zuletzt auch, was niemand hätte für möglich halten sollen, daß Otlomar Gersdorf, d-r Bräutigam, mit dem bittersten Mißtrauen gegen seine einst so heiß und

Herbstblüte.

I.

599 treu geliebte Braut erfüllt wird und, sich von ihr ganz zurückziehend, dem Verlöbnis ein Ende macht. Erst nach langen Zeiten unsäglichen Wehs auf beiden Seiten erkennt Ottomar seinen schweren Irrtum, und beide finden dann doch noch miteinander das Glück, auf das sie in der Jugend gehofft, das ihnen aber Klatsch-, Verkleinerungs- und Ver¬ leumdungssucht der Gesellschaft, sowie Neid und Eifersucht so lange vorenrhalten hatten. Wir empfehlen den Roman, dessen Drucklegung leider nur etwas sorgfältiger hätte erfolgen dürfen, hiermit aufs wärmste. — 11 —. Königin Luise von Preußen, Lichtstrahlen aus Aeußerungen und Briefen. Von Dr. Hans Natge. Mit dem Porträt und Namcnszug der Königin sowie mit geschichtlichen Daten aus ihrem Leben, vr. Hans Natjcs Verlagsbuchhandlung, Tempelhof bei

In

elegantem weißen Umschlag Preis 50 Pf. Berlin. Dieses Büchlein soll nicht die reichliche Anzahl der Biographien der unvergeßlichen Königin vermehren, sondern es will ein plastisches Charakterbild der Fürstin geben, die ein Geschichtsschreiber mit Recht die deutscheste der Frauen genannt hat: ein Bild, wie es sich abhebt aus ihren Aeußerungen und Briefen. Es ist ja bekannt, wie gern und oft und mit welcher bezaubernden Anmut die Königin sprach — am liebsten zum Volke. Nie um den rechten bezeichnenden Ausdruck ver¬ legen, aus der Innigkeit ihres Gemütes, aus der Fülle des Herzens heraus sprach sie zum Herzen. Die „Aeußerungen" entstammen zum Teil offiziellen Anlässen; größtenteils aber entsprangen sie der richtigen glücklichen Eingebung des Augenblicks, wohl beglaubigt und durch objektiv gehaltene Geschichtsschreibung verbürgt. Die „Lichtstrahlen", in vornehmer typographischer Ausstattung ge¬ druckt und in einen weißen Umschlag gehüllt, sind eine durch ihre Sinnigkeit ansvrechende Weihnachtsgabe, wohl geeignet für deutsche Frauen und

Jungfrauen! Theodor Storms sämtliche Werke. Neue Ausgabe. 40 Lieferungen zu 50 Pfennigen (8 Bände). Verlag von George West er¬ mann in Braunschweig. Zu beziehen auch durch S. Gerstmanns Verlag in Berlin W., Königin Augustastr. 35.

Für diese neue Ausgabe von Th. Storms sämtlichen Werken sei der Vcrlagshandlung der wärmste Dank gesagt. Wer Storm einmal kennen geicrnt hat und selbst edlen Gemüts ist, muß ihn schätzen und lieben. Wie tief, wie innig spricht er zu dem Gemüt des dcuischen Volks! Und wie nimmt er zugleich einen Ehrenplatz ein unter den reinsten Lyrikern unseres deutschen Vaterlandes! Schon längst war es der oft geäußerte Wunsch, daß neben den bestehenden teuren Bänden seiner gesammelten Schriften doch auch eine billige, aber ebenso voll¬ ständige Ausgabe erscheinen möge. Jetzt ist dieser Wunsch erfüllt. Ihm muß — zumal bei der bequemen Art des Bezugs in 40 Lieferungen zu 50 Pfg. — die weiteste Verbreitung folgen. Und in Erfüllung geht dann, was vr. Erich Schmidt einst in dem Nachruf an seinen Freund gesagt hat: seinen Werken bleibt Storm lebendig, lebendig

„In

für die Kommenden, die lesen werden, was Gutes, Großes vor Zeiten geschrieben hat." auch

Auf

dem Königssee. Photogravüre von W. Gausc. 75:51 cm. Verlag von G. Heuer u. Kirmse in

er Liebes, J.

Gravürcfläche

Berlin.

Preis

20 Mk. Obige Kupferätzung ist ein hervorragender Zimmcrschmuck. Der Künstler, ein Wiener Maler, hat es verstanden, sowohl die herrliche Scenerie des schönen Alpensees als auch das figürliche Element in vollendet künstlerischer Weise zur Darstellung zu bringen. Das Figür¬ liche besteht in einem Boot, besten Insassin zwei Liebespaare sind. Die Fremden, anscheinend ein junges Ehepaar, das auf der Hochzeitsreise ist, lassen sich von einem jungen Paar der Alpenwelt über die spiegelglatte Fläche des Königssces setzen, auf welcher zwei Schwäne sich schnäbeln. Die Natur atmet tiefen Frieden, aus den Augen der beiden Paare leuchtet das Glück der Liebe, so roß sich Landschaft und Genre auf dem Bilde zu einem harmonischen Ganzen verschmelzen. —e.

Schriften für die reifere Jugend. — Der rühmlichst bekannte Verlag von Ferdinand Hirt u. Sohn in Leipzig hat auch zu diesem Weihnachtsfest der deutschen Jugend reiferen Alters zwei vortreffliche, mit vielen Bildern geschmückte Schriften beschert. Es sind dies: .Rinold und Tuiskomar" von F. Stille (Preis 2,25 Mk., gbd. 3 Mk.) und „Alpenzauber" von Flodatto (Preis 3,50 Mk., gbd. 5 Mk.). Die erstere Erzählung versetzt in die Zeit Armins, als die Germanen mit den Römern rangen. Die Titelhelden sind zwei innig befreundete germanische Jünglinge, die an diesen Kämpfen teilnehmen. In die Erzählung sind eine Fülle kulturhistorischer Einzelheiten einge¬ flochten, so daß das Buch nicht nur unterhält, sondern auch belehrt. — „Alpenzauber" versetzt in die Wunder der Hochgebirgswclt, deren großartige Natur, deren urwüchsige Bewohner mit packender Anschaulich¬ keit und frischem Humor in Wort und Bild vorgeführt werden. — Beide Bücher sind vortreffliche Festgeschcnke für die reifere männliche —e. Jugend, an denen Eltern und Kinder Freude haben.

I.

Nene Bilderbücher sind soeben im Verlage von F. Schreiber vortrefflicher Ausstattung und zu wohlfeilen Preisen erschienen. Lothar Meggendorfcr, der bekannte Zeichner, hat drei Bilderbücher geliefert. Die Uhr (Preis 4 Mk.) ist ein Anschauungsbilderbuch, das de» Zweck hat, den Kindern die Uhr beizubringen. .Du mußt lachen" (2 Mt.) enthält 1296 komische Verwandlungen,

in Eßlingen in

die selbst den Erwachsenen zum Lachen bringen. „Schau mich an!" (5 Mk.) ist ein größeres Ziehbilderbuch. — Ein „Großes A-B-CBuch" ist für Kinder bestimmt, die soeben zur Schule gekommen sind. — Für die ganz Kleinen sind bestimmt: Sonnenschein (2 Mk.) und „Seht wie schön!" (1 Mk.), die beide schöne Bilder ohne Text enthalten. Mit leicht verständlichem Text sind versehen: „Der Kinder Luit und Freude" (2 Mk.) und der „Kindheit goldene Tage" (1,50 Mk.). — Alle diese Bilderbücher werden auf dem Weihnachtstische viele Freude machen; sie bilden nach der illustrativen Seite hin das Beste, was es auf diesem Gebiete giebt.

Im

A.

Haacks Damenkalender für 1898. XXIV. Jahrg. 18 Bogen auf chamois Postpapier mit roter Randeinfassung. — Mit photo¬ graphischem Titelbild. — Inhalt: Die Frauenfrage. Novelle von Konrad Gleichen mit dazu gehörigem Bilde. — Genealogie. — Uebersichtskalender für 1898. — Adreßkalender. — Festkalender. — Schreibkalender. — Geburtstagskalender. — Tabelle der Ein¬ nahmen und Ausgaben. — Zusammenstellung der Ausgaben. — Visitenkartentasche mit Faberstift re. ic. Verlag von A. Haack

in Berlin.

Im

bekannten schmucken Gewände hat sich A. Haacks Damenkalendcr auch für das kommende Jahr eingestellt. Die litterarische Bei¬ gabe besteht diesmal in einer flott geschriebenen Novelle: „Die Frauen¬ frage" von Konrad Gleichen, auf welche auch das Titelbild hinweist. Die praktische Einrichtung als Notizbuch, Tagebuch, Haushaltungs¬ buch re., verbunden mit der vornehmen Ausstattung, lassen den Kalender als eine Zierde jedes Damenschreibtisches erscheinen, und kann derselbe bei einem Preise von 2 Mark als ein schönes und billiges Geschenk für Damen zum Weihnachts- und Neujahrsfeste auf's wärmste empfohlen werden.

Lautenbnrgs illustrierter Abreißkalender für das Jahr 1898. Verlag von C. König u. Ebhardt. Hannover. Vertrieb in Berlin durch Reuter u. Siecke, W. 8, Markgrafenstr. 38. Deutsche Ausgabe M. 1,00. Oesterreich. Ausgabe M. 1,25. Schweizer Aus¬ gabe M. 1,50. Internationaler Touristen-Kalender mit Bildern aus ganz Europa (3sprachige Ausgabe) M. 1,25. 1898. Erste Auflage. Wie in den Vorjahren, so macht sich auch in diesem Jahre der wegen seiner künstlerischen und vornehmen Ausstattung allgemein be¬ liebte illustrierte Lautcnburg-Abreißkalender unter der so großen Masse von Kalendern besonders Stelle bemerkbar. Jedes der 365 Datumblätter der deutschen Ausgabe zeigt ein Bild aus „Deutschlands Gauen" und giebt dazu geschichtlich und geographisch interessante Notizen. Der Be¬ sitzer eines solchen Kalenders ist wie auf einer immerwährenden Reise, bald frischt er alte, liebe Erinnerungen auf, bald kommt er nach Gegenden, die er längst gern g sehen hätte. Die Ausgaben für Oesterreich und die Schweiz zeigen in gleicher Weise Bilder aus diesen landschaftlich so hervorragenden Ländern. Als Neuheit ist seitens des Verlages in diesem Jahre der inter¬ nationale Touristen-Kalender in 3 Sprachen (deutsch, französisch, englisch)

I.

Er unterscheidet sich von den anderen Ausgaben dadurch, Bilder aus ganz Europa in sorgsamer Auswahl bietet. Um größeren Reichhaltigkeit willen empfiehlt er sich in ganz bc-

erschienen.

daß er

dieser sondereui Maße.

Inlierlt:

Die Franzosen vor Rheinfels. Historischer Barfus. (Schluß.) — Reinhold Begas. Eine biogravhischc Skizze von Eduard Wolf-tzarnier. (Mit Abbildungen.) Bon (Schluß) — Aus der Geschichte der Stadt Eberswaldc. Wilhelm Anton Wegener (Fortsetzung statt Schluß). — Kleine Roman von E. v.

Mitteilungen: Spandauerstraße und nächste Umgebung in Berlin. Die Stärker als August der Starke Denkmal bei Hassenhausen. Kaiser Kotzen im Ariillcriedcpot und die Katzen im Proviantamt. Wilhelm-Denkmal zu Berlin in Kanada. Der älteste und bekannte Schlittschuh der Welt. — Vereinsnachrichtcn. — Büchertisch.

Beim Herannahen des Weihnachtsfestcs möchten wir hierdurch auf wohl bekannte Firma Mey & Edlich, König!. Sächs. und König!. Rumänische Hoilieferanten, Berlin IV., Friedrichstraßc 179 (Ecke der Taubenslraße) in empfehlender Weise ausmcrsiam machen. Das reich ausgestattete Warenlager enthält eine große Anzahl Gegenstände, die unsern Lesern

die sich vorzüglich zu Weihnachtsgeschenken eignen; die Preise sind dabei, wenn man die Güie der Waren in Betracht zieht, äußerst billig.

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an freo

Berammortlufcec Redakteur und Verleger: Fr. Zi liessen m Berlin N. fitt. Sd önhaujer AUee Ul. Druck der Buchdruckerei Gutenberg, Berlin N., Schönhauser Allee 141a. — Abdruck ohne eingeholte Erlaubnis ist untersagt.

M.

der

Mark Brandenburg

und der angrenzenden Gebiete.

Unter Mitwirkung von

Dr.

G. Kardors, Dr. S. Hüringuier. Professor Dr. Drert)er, Dr. H. Drondicke, Ttzeodov Fnntane, G. Friedol, Richari» George, Ferd. Mener, Dr. Gg. Schmidt, Gymnafialdirektor a. D. Dr. M. Schmarh

Ernst

Stadtrat

und

E. v. Wlitdeni'rnkh herausgegeben von

Friedrich ZMefsen. XXIII. >at>raa»a.

M 51.

Der „8ät" erscheint wSchentlich am Sonnabend und ist durch jede poftanstalt iNo. 809), Buchha idlnna und Zeitungsspedition für 2Mk.50pf. vierteijShrl. zu beziehen. Auch die Geschäftsstelle — Berlin N. 58,Schönh. Allee 141 — nimmt Bestellungen entgegen. Jnseraten-Aufträge stnd an die letztere zu richten. Die viergesp. Petitzeile kostet 40 Pf.

Anker

Sem

Ptj trabn 1807.

Orkpiev 8rs OalKakrnKänigs Von

TWrn einem

18.

schönen sonnigen Herbsttage des

Mc-rih Zilie.

Jahres 1730

bewegten sich ein stattlicher Reiterzug. und hinter ihm zwei schwere, mit kräftigen Holsteiner Pferden bespannte Karaffen auf einer Straße Vorpommerns dahin. An der Spitze des Zuges ritt ein stattlicher, ziemlich wohlbeleibter Mann in der

Offiziersuniform der preußischen Infanterie, aber ohne beson¬ dere Rangabzeichen, während der Offizier zu seiner Linken die Uniform: eines königlichen Generaladjutanten trug. Ihnen folgten noch einige Herren, die ebenfalls höheren militärischen Graden angehörten, sowie mehrere Kavaliere in Hoftracht; dann kamen die beiden Wagen, und den Beschluß machten zwei Batterien zu Pferde. Der Reiter an der Spitze der kleinen Schar war König Friedrich Wilhelm I. Im ersten Wagen befand fich seine Gemahlin Sophie Dorothea mit Prinzessin Wilhelmine. der Lteblingstochter des Königs, während im zweiten die beiden Hofdamen der fürstlichen Frauen Platz gefunden hatten. Der Monarch war im Begriff, der Einladung des Herrn von Drasdow. eines reichen pommerschen Gutsbesitzers, zu folgen, der ihm zu Ehren auf seinen ausgedehnten, wildreichen Län¬ dereien eine große Treibjagd veranstaltet und ausdrücklich gebeten hatte, auch die Königin, bei welcher seine Gattin früher Hofdame gewesen war, einige Tage aus seinem Schlosse be¬ wirten zu dürfen. Vorpommern war erst seit dem Frieden von Stockholm vom 1. Februar 1720 mit dem preußischen Staate vereinigt, und der König, welcher außer seiner Vorliebe für das Soldatentum und sein Tabakskollegium nur noch die Leidenschaft der Jagd besaß, folgte dieser Einladung um so

lieber, als sie ihm Gelegenheit gab, die neue Provinz wieder einmal besuchen und fich von dem Zustande derselben durch eigene Anschauung zu überzeugen. Chausseen und Wege fast überall viel zu wünschen übrig, und bei nassem Wetter waren sie namentlich für Wagen oft kaum passierbar. Auch die königlichen Kutschen kamen auf dem zwar trockenen, aber sehr holperigen Wege nur langsam vorwärts, so daß sie eine bedeutende Strecke hinter den Reitern zurückgeblieben waren, als die letzteren bereits ein schon länger sichtbares Gehölz erreicht hatten. Nur die beiden Diener und ein Herr in Hof¬

Zu jener Zeit ließen die

noch

sehr

waren bei den Wagen zurückgeblieben und bildeten einzige Bedeckung. Der Kavalier ritt neben dem geöff¬ deren neten Fenster der zweiten Karaffe, in welcher die Edeldamen saßen, und das helle Lachen, welches zuweilen aus ihr erscholl, tracht

deutete an, daß die Insassinnen noch dem jugendlichen Alter angehörten, und daß ihr Begleiter es verstand, sie angenehm zu unterhalten.

Dieser war eine etwas auffallende Erscheinung. Ein ziem¬ lich großer Kopf, auf dem eine riesige, stark gepuderte Perrücke balanzierte, und der mit einem dreieckigen goldbordierten Hute be¬ deckt war. saß auf einem verhältnismäßig kleinen Rumpf, der von zwei dünnen, mit Kniehosen und seidenen Strümpfen beklei¬ deten Beinen getragen wurde. Die grauen, stechenden Augen und die gewaltigen Brauen gaben dem Gesicht einen keines¬

wegs angenehmen Ausdruck. Das Auffallendste an dem Manne aber war zweifellos seine purpurrot glühende Nase, die auf eine bedeutende Vorliebe ihres Besitzers für geistige Getränke schließen ließ. Trotz dieses seltsamen Aeußern trug der Reiter

k

>.

eine Haltung

602

zur Schau, die etwas hochmütig Geckenhaftes

hatte und den Glauben erweckte, daß er von seinem eigenen

Wert eine sehr hohe Meinung hatte. Dieser wunderliche Kavalier war der gelehrte Freiherr Jakob Paul Gundling, den der gesamte Hof, der König an der Spitze, trotz seiner Gelehrsamkeit wider seinen Willen zum Hofnarren gemacht hatte, da er im Tabakskollegium in der Trunkenheit sich zu den gröbsten Späßen mißbrauchen ließ. Friedrich Wilhelm hatte ihn zum Hohne zum Präsidenten der Akademie der Wissenschaften ernannt und ihm eine Menge der hochlrabendsten Titel verliehen, auf welche Gundling, der den Spott nicht merkte, in der lächerlichsten Weise eitel war. Jeder Lieutenant glaubte das Recht zu haben, ihn ungestraft foppen zu dürfen, denn der Freiherr war zu feig, sich selbst Genugthuung zu verschaffen, und seine Klagen beim König hatten keinen Erfolg. Das war der Mann, der jetzt neben dem Wagenschlag der beiden jungen Hofdamen ritt und diese zu unterhalten suchte, während diese es an mutwilligen Necke¬ reien nicht fehlen ließen.

Plötzlich

stutzten

die

Pferde;

ein

vorwitziges Häslein

sprang über den Weg, und dieser ungewohnte Anblick machte die feurigen Tiere scheu. Sie bäumten sich auf, schlugen

wütend aus. daß Deichsel und Ortscheite in Stücke zerbrachen, und rannten, kein Hindernis achtend, von der Straße ab auf das mit Buschwerk bestandene Haideland zu. Aber fie vermochten die schwere Karosse nicht durch den tiefen Graben, der längs des Weges hinlief, zu ziehen; der Wagen neigte sich und stürzte krachend um. während die Pferde die Stränge zerrissen und schnaubend davonjagten. Auch das Roß des Herrn von Gundling war von der Panik ergriffen worden; mit einem mächtigen Seitensprung warf es seinen ohnehin nicht recht sattelfesten Reiter ab und sprengte ebenfalls von dannen. Nur die beiden Diener blieben Herren ihrer Tiere, obgleich auch fie Mühe hatten, die aufgeregten Vierfüßler zu zügeln; fie sprangen von den Pferden, banden diese an einen Baum und eilten den Verunglückten zu Hilfe. Rasch öffneten fie den nach oben gerichteten Wagenschlag und halfen den beiden Mädchen heraus, die halb ohnmächtig vor Schreck, kaum im stände waren, sich auf den Füßen zu erhallen. Unterdessen hatte auch Gundling sich langsam aufgerafft und seine in Unordnung geratene Kleidung notdürftig gesäubert; stellte fich heraus, daß der Unfall für alle Beteiligten ohne ernstliche Folgen geblieben war. denn außer einen durch einem Glassplitter verursachten leichten Hautriß an

es

Stirn, den das jüngere Fräulein davongetragen hatte, und einer ungefährlichen Kontusion am Knie Gundlings waren fie sämtlich unversehrt geblieben. Als fich Gundling neben den Damen niederließ, um mir ihnen zu beraten, was zu thun sei. trat aus dem nahen Wald eine hohe, kräftige Jünglingsgestalt hervor; lange, blonde der

Locken umrahmten das blühende Gesicht, aus welchem ein paar treuherzig und doch mutvoll blickende Augen hervorblitzten. Seine Kleidung war die eines Studenten damaliger Zeit, doch einfach und schlicht, ohüe die bunten Schnüre und Bänder, mit denen fich die Stutzer unter den Musensöhnen zu zieren pflegten.

Mit

„Schere Er fich ins nächste Dorf, und hole Er Leute, damit wir den Wagen wieder aufrichten können," rief Gründling barsch in seiner gegen Niedrigstehende groben Manier. „Hat Er nicht so viel Verstand, selbst zu sehen, wo es fehlt?" „Ich rede jetzt mit den Damen, nicht mit Ihm," ver¬ setzte der Student gelassen; „wenn ich Ihn fragen werde, darf auch Er reden, bis dahin mag Er warten." „Was untersteht fich der Lümmel?" schrie Gundling, und die Röte des Zorns stieg ihm ins Geficht. „Ich werde Ihm zeigen, wie Er fich zu benehmen hat." „Mache Er nur diese Studien zunächst an fich selbst, ehe Er andere belehren will!" entgegnete der Jüngling. „Den Lümmel aber behalte Er für fich, wo er allem Anschein nach ganz am Platze ist." Er wollte ihm den Rücken kehren, aber der erboste FreiHerr hatte fich erhoben uud drang mit gehobener Reitgerte auf ihn ein. Der baumlange Student trat einen Schritt zurück; sein Auge funkelte in gerechter Entrüstung. „Wenn Er mich mit dem Dinge da auch nur berührt, werfe ich Ihn zur Abkühlung in die Pfütze, daß Ihm Hören und Sehen vergeht, — versteht Er mich?" rief er ihm mit einer Stimme zu, die an dem Ernste seiner Worte keinen Zweifel ließ. Gundling ließ den Arm mit der Peitsche finken, er merkte, daß sein Gegner nicht mit fich spaßen lasse. Wenn dieser seine Drohung verwirklichte, wäre er wochenlang die Zielscheibe des Spottes der gesamten Hofgesellschaft geworden. Er zog es deshalb vor, rechtzeitig den Rückzug anzutreten; das Kichern der Damen, die ihrer Situation allmählich die heitere Seite abgewonnen, verkündete ihm ohnehin nichts Gutes.

„Wir

sprechen

uns noch weiter, gebe Er acht!" knirschte

der Alte außer fich vor Wut, daß er vor den Damen lächerlich gemacht worden war. „Er soll mir die Abrechnung wegen seines frechen Betragens nicht schuldig

bleiben!"

Ohne den Hofnarren weiter eines Blickes zu würdigen, wandte fich der junge Mann wieder besten Begleiterinnen zu. „Die gnädige Mamsell haben fich verletzt. Sie bluten an der Stirn", sagte er in dem früheren sanften Ton; „in der Nähe befindet fich eine Quelle, ich will etwas Waffer holen, um das Blut zu stillen." Und ehe die Angeredete noch ein Wort zu erwidern ver¬ mochte. eilte er von dannen. „Ein artiger junger Mann", sagte die jüngere Hofdame mit einem spöttischen Seitenblick auf Gundling; „möchte wohl misten, wer er ist."

„Härte so viel Tournüre und feines Benehmen hier in Pommern gar nicht gesucht", ergänzte die andere in gering¬ schätzigem Tone. „Was. feines Benehmen? Ein Grobian ist er!" platzte der Freiherr ärgerlich heraus. „Aber man wird den Burschen schon mürbe machen!" Ein hämisches Lachen begleitete die letzten Worte. „Hört, Herr Präsident, ein Wort im Vertrauen!" flüsterte das junge Mädchen mit unterdrücktem Lachen dem Rotnäfigen

Mann die Situation, dann schritt er auf die Damen za und. fich mit edlem Anstand vor ihnen verbeugend, fragte er, ob er fich in irgend einer

„bindet mit dem nicht an, es möchte Euch schlecht be¬ kommen. Es fehlte wahrhaftig wenig, so hätte er Euch trotz der feinen roten Eskarpins an Euren Füßen in die Lehm¬

Weise nützlich machen könne.

pfütze dort gesetzt."

raschem Blick übersah der junge

zu,

608

Gundling

heftige Erwiderung, die ihm auf der Zunge lag, denn der Student kehrte in diesem Augen¬ blick zurück, die kleine, mit Leder ausgelegte Sammetmütze voll verschluckte die

frischem, klaren Quellwassers.

„Das wird wenn

Ihr

die kleine Wunde an Eurer Stirn kühlen, das Taschentuch fleißig benetzt und auflegt," meinte er.

„Ich will

unterdessen

zu machen

sehen,

wie Euer Gefährt wieder flott



der altersgraue Edelfitz; in der

am Ziele. (Schluß folgt.)

Während dieses Vorganges hatte der eine Lakai die Pferde, welche in dem dichten Gestrüpp nicht weit gekommen waren, wieder eingefangen, wogegen der andere den Wagen soweit als möglich in Ordnung zu bringen suchte, die Glassplitter entfernte und die zerbrochene Deichsel mit Stricken

notdürftig zusammenband.

Der Student

besah

fich

die Lage

der umgestürzten Karosie und fand, daß die Aufrichtung derselben mit Hilfe der beiden Diener keineswegs sehr schwierig

Wirklich gelang es den vereinten Anstrengungen der drei Männer, das Gefährt wieder auf die Räder zu bringen, und wenige Minuten später waren auch die Pferde wieder vorgespannt und der Wagen zum Abfahren bereit. „Wir find Euch Dank schuldig, junger Herr. Ihr habt Euch viel um uns bemüht", sagte das junge Mädchen mit leichtem Erröten, während ihr Blick schüchtern die imposante Gestalt des schönen Jünglings streifte; „wenn Ihr mir Euren sei.

starken

wolltet, wäre mir das

Namen nennen

auch

für später

eine

angenehme Erinnerung."

„Das

ist mehr Güte, als meine kleine Handreichung ver¬ dient", versetzte der junge Mann, nur mit Mühe seine Ver¬

„Man nennt mich Hans Ruhsam, ich bin der Sohn des Pastors zu Uhsendorf und von unserem gnädigen Patron zum Adjunkten und, so Gott will, später einmal zum Amtsnachfolger meines Vaters bestimmt." „Uhsendorf?" fiel das Mädchen rasch ein, „da ist Euer Gutsherr ja der Herr von Drasdow, dessen Schloß unser Reiseziel bildet. Es scheint Euch nicht bekannt zu sein, daß der König mit Gemahlin und Gefolge heute dort eintrifft."

legenheit verbergend.

„Ich bin zwar theologischen Studien

bin

erst gestern von Wittenberg, wo ich meine beendete, in die Heimat zurückgekehrt,

ich durch meinen

hohen Herrschaften unterrichtet",

„Nun,

da

der Häuser und Gehöfte

„Dort also wird der junge Kandidat nunmehr schaffen und wirken!" flüsterte das junge Mädchen gedankenvoll vor Mit fich hin, den Blick auf das kleine Gotteshaus gerichtet. waren Wagen, Reisenden einem kräftigen Stoß hielt der die

ist."

dennoch aber

Mitte

aber ragte der schlanke Kirchturm empor.

Vater von der Ankunft der

versetzte der

Jüngling.

wir einige Tage in einem und

demselben Orte

leben werden, steht man Sie vielleicht noch einmal; für

jetzt

Gott befohlen und schönen Dank!"

Sie winkte dem angehenden Geistlichen freundlich zu und bestieg mit ihrer Begleiterin den Wagen, auch Gundling. der um keinen PreisMch wieder aufs Pferd gesetzt hätte, folgte ihr. In demselben Momente kam ein Offizier aus des Königs Umgebung vom Walde hergesprengt. Das Ausbleiben der Karosse hatte Besorgnis erregt, und der König sandte da¬ her eine Ordonnanz ab, um nach den Damen zu sehen. Durch

ihn erfuhren die letzteren auch, daß der Gutsherr mit einer Anzahl berittener Bauern den König und seine Gemahlin jenseits des Wäldchens erwartet und bis zu seinem nur eine halbe Stunde entfernten Schlosse geleitet hatte. Die Sonne tauchte am westlichen Horizonte bereits in den Purpur des Abendrotes, als der Wagen in den nach Uhsendorf führenden Seitenweg einbog. Dort lag der freund¬ liche Ort in das bereits stark herbstlich gefärbte Laub der Bäume gebettet, und etwas abseits, auf einer kleinen Anhöhe,

Me Familie v. Zabel titz. (M^bmlvungen^^^ Johannes Casfianus erzählt in seinem Bericht über große und starke Leute, daß „einer von dem adligen Geschlechte Zabeltitz in der Mark von ziemlicher Länge, doch hageren Leibes, aber so stark gewesen, daß er ein neues Hufeisen, wie man es den reifigen Gäulen aufzuschlagen pflegt, desgleichen auch 2 harte Thaler, aufeinander gelegt, ohne allen Vorteil

mit bloßen Fingern habe entzwei brechen können." Die märkisch-niederlaufitzer Familie von Zabeltitz, welche 1466 im Pfandbefitz von Potsdam befand, ist trotz des fich slavischen Namens wohl auf ein altdeutsches Geschlecht zurückzuführen, indem ein Glied einem Heereszug fich anschloß, der im Dienste geistlicher oder weltlicher Fürsten im Interesse des Germanifierens oder Christianifierens nach Osten zu, nach Die fich unterwerfenden dem Slaventum, fich wendete. wendischen Freien blieben im Befitz ihrer Güter. Andere verließen das Land. Mit ihren Begüterungen wurden demsche Mannen zum Lohn für ihre tapferen Thaten belohnt. Diese übertrugen nicht selten wegen der Unfähigkeit der deutschen Zunge zum Aussprechen slavischer Worte den Namen ihrer alten Heimat auf ihre neue Begüterung. Bei dem Stamm¬ vater des hier in Frage kommenden Geschlechts war das Umgekehrte der

Fall.

Er gehörte wohl dem altmeißenschen

Geschlechte der v. Pack an

und nahm nach seiner Belehnung

mit Zabeltitz bei Großenhain den Namen dieses seines Gutes an: Zabelotez, ins Deutsche übertragen „der kleine Ort hinter dem Sumpfe". Dann setzte er zu seinem altväterlichen Wappen¬ bild die Hälfte eines Doppeladlers hinzu, wie ein solcher mehrfach von Familien unstreitig slavischer Abstammung z. B. den v. Below, v. Mitzlaff, v. Zitzewitz im Schilde geführt wird. Der urkundlich älteste Vorfahre des Geschlechtes heißt 1210 Henricus de Zabelotez, ein Name, welcher dann im Die Laufe der Zeit mancherlei Aenderungen erfahren hat. Namensform „Zabeltitz" stammt erst aus den letzten Jahr¬ hunderten.

Die Familie hat sich mannigfach auf dem Felde kriegerischer Unternehmungen hervorgethan, z. B. Hans 1455 im Dienste des deutschen Ordens; und auf dem Siegesdenkmal von Fehrbellin findet fich neben dem Namen eines Derfflinger auch der Name von Zabeltitz.

Der berühmteste im Geschlecht ist wohl der schwedische General Friedrich v. Zabeltitz. Er wurde am 20. März 1591 als Sohn des Christoph (f 29. Sept. 1599) und der Anna Lossow (f 1631) auf dem väterlichen Gute Topper geboren, trat 1607 als Page in die Dienste seines mütterlichen Oheims, des brandenburgischen Kriegsrates Joachim v. Losiow, dann .des kurfürstlichen Kanzlers Lambert Distelmeyer und auf dessen Empfehlung beim Grafen Lynar, bei welchem er bis 1613

—-

604

verblieb. In diesem Jahre wurde er Soldat in den Nieder¬ landen und avancierte invierJahren bis zum Gefreiten Korporal. In der Schlacht am weißen Berge kämpfte er auf seiten Friedrichs von Böhmen als Lieutenant der Infanterie. Darauf trat er in derselben Charge in ein Dragoner-Regiment des Nach der Nieder¬ Herzogs Christian von Braunschweig ein. lage bei Stadloo finden wir ihn in niederländischen Diensten, darauf als Kapitän drei Jahre lang in einem dänischen Regimente, später als Major unter der Krone Schwedens

v. Burgsdorff die Güter Groß. und Klein- Buckow, Oberstorf, Münchehfe Damsdorf rc. an sich brachte.^Nach dem Tode ihres Sohnes Christoph Siegismund wurde ihre einzige Tochter

Christine die Erbin dieser Güter. Bon Interesse ist folgendes Schreiben des großen Kur¬ fürsten an die Generaltn vom 12. März 1659: „Es ist uns Be¬ richt zugekommen, daß ein vornehmer Offizier sich um Eure Tochter bei Euch bewerben solle. Nun wäre es uns wohl .

nichts lieberes und angenehmeres, denn daß

Das heute geflhrte Mappen der von

Ihr

dieselbige an

Meitih.

Nach dem Sturme von Frank¬ beim Oberst von Vitzthum. Banner zum Oberst-Lieutenant von 1631 wurde er furt a. O. und Kommandeur des Leibregiments, fünf Jahre später zum Oberst des weißen Regiments und 1637 vor Torgau zum General-Major ernannt. Am 22. Novbr. 1640 erhielt er das

eine vornehme Person verheyratet und viel Freude und Ver¬ gnügen daran erleben möget, auch also dadurch die Betrüb¬

Oberkommando in Westfalen und starb zu Minden als GeneralMajor der Infanterie unter der Krone Schweden, sowie als Obergouverneur und Kommandant von Westfalen. Er hinter¬ ließ seiner Witwe Margarete geb. v. Zabeltitz a. d. H. Jlmersdorf (f 12. April 1663) ein sehr bedeutendes Vermögen, sodaß sie 1652 für 30650 Thaler vom Oberkammerherrn Kurt

burg. sondern auch eins von unsern Amtshäusern besitzet, so werdet Ihr Euch nicht fremd vorkommen lassen, daß wir Uns hierbey sorgfältig bezeigen, damit Ihr Eure Tochter nicht an einen solchen Ossizier ausstattet, der einer sothanen Parthey adhärire, deren wir weder itzo noch in's Künftige trauen können. Tragen dannhero daß gnädigste Vertrauen^zu Euch,

nus,

so der Höchste durch den

tödtlichen

Hintritt Eures Sohnes

in Ergötzung verwandelt werde. Nach Ihr aber nicht allein ansehnliche Güter in Unserer Mark Branden¬ Euch zugeschicket,

605

Ihr

Eure Tochter an Niemanden versprechen werdet, ehe Ihr Uns darvon unterthänigst Bericht erstattet habt, wie Wir Euch den verfichern, daß Wir Euch hierunter der Gestalt rahten werden, daß es zu Eurem Selbst eigenen Besten und Aufnehmen gedeyhen solle, gestalt Wir Uns Eure und Euer Tochter Wohlfahrt allzeit besiermaßen angelegen seyn Friedrich Wilhelm." lassen wollen und verbleiben Ew. Die Erbin der Güter vermählte sich am 18. Septbr. 1659 mit dem Kommandeur von Spandau, dem General-Wachtmeister Wegen eines großen der Kavallerie Georg Adam v. Pfuel. Buckow Brandes zu mußte sie 1665 nach Obersdorf fliehen, wo sie im Pfarrhaus am 30. Ok° t"ber mit einer Tochter niederkam und am 17. November im Kindbett Ihr Gemahl verstarb. wurde der Erbe des Be¬ daß

und bevor

ihn künftig — wenn Gott mir und ihm das Leben schenkt — zum Dienste Ew. K. Maj. zu erziehen. Mit der tiefsten Verehrung ersterbe ich Ew. Königl. Maj. allerunterthänigster Friedrich v. Zabeltitz. Erbherr auf Eichow." Das Antwortschreiben lautet: „Bester, besonders lieber: so rühmliche Anhänglichkeit an Meine Person und Eine an den Preußischen Staat, als Sie Mir in Ihrem Schreiben vom 9. d.

Mts.

auszudrücken suchen,

Mir

ist

sehr

schätzbar

und wird meinem Herzen unvergeßlich bleiben. Ich

in Betracht der

nehme

redlichen

Gesinnung,

Sie beseelt,

welche

die

mir angetragene Pathenstelle bei Ihrem erstge¬ borenen Sohne mit Ver¬

gnügen an, und genehmige daß Sie Meinen Namen mit dem der übrigen Taufzeugen in's Kirchenbuch eintragen

dabei,

sitzes.

folgende zwei um ca. 160 Jahre jüngere Briefe aus dem FaAuch

milien-Archiv zu Eichow find von allgemeinerem Interesse.

Friedrich Egidius Leo¬ pold auf Eichow. geb. 9. März 1762, 25. Mai 1841, vermählt mit Ka¬

f

roline v. Langen a. d. H. Kittlitz schreibt am 9. Ok¬ tober 1807 an König Friedrich Wilhelm: „Allerhöchster pp. Zwei Tage vorher, ehe wir. durch den Gang des Schicksals genöthigt, einem neuen Landesherrn den Eid der Treue leisten rmßten, ward mein erster krohn geboren. Darf ■k es wagen, im Ver¬ bauen auf Ew. König!. Maj. Huld und Gnade,

lassen, wünsche auch, daß

Sie viel

diesem Sohne Freude erleben mögen und versichere, daß ich stets bleiben

an

werde

Ihr

gnädiger

Friedrich Wilhelm.

Memel, d. 20. Oct. 1807.

An den Hauptmann v. Zabeltitz außer Diensten zu Eichow."

Aus der Ehe des da¬ maligen Täuflings mit Jsabella Leontine Sophie Gräfin zu Lynar a. d. H. Oggrosen

stammte

der

verstorbene Rittmeister Leo

von

Eichow,

Zabeltitz welcher

auf bei

Königgrätz einen Kriegs¬ Seine orden empfing. Majestät hatte am 3. Juli die Sie auch den jetzt Niese von Lsbeltilz. Der 1866 in Sireselitz gehal¬ verwaiseten Kindern und den Reiterkampf ten Ihres Staates zuge¬ Dragoner-Regiment beim An¬ — Neumärkische Als das beobachtet. sichert haben, allerunterthänigst zu bitten, bey meinem Sohn rückte, Rasnitz — nach dreien langsam zu bruch der Dunkelheit Friedrich Wilhelm Aegidius Leonhardt soll er genannt werden weithinschallenden kam Se. Majestät heran, empfangen vom eine Pathenstelle allergnädigst zu übernehmen, und mir die Hurrah und Hoch der Dragoner. Auf die Meldung des ein als Namen Erlaubniß zu ertheilen, Ew. König!. Majestät Kommandeurs erwiderte der hohe Herr: „Sie find es. Ich Denkmal dieser Gnade im hiesigen Kirchenbuche eintragen zu glaubte, es wären die 2. Garde-Dragoner gewesen. Ich: sah dürfen? Dann fuhr er fort: „Das Bald — so hoffen wir freudig — werden glücklichere die weißen Helmbeschläge." Regiment hat sich sehr brav benommen. Ich habe 1813, 14 Tage Ew. Königl. Majestät wieder in die Mitte Ihrer treuen und 15 viele Kavallerie-Attacken gesehen, wie z. B. FsreUnterthanen zurückführen. Dann soll es das seligste Geschäft Champenoise, aber nie einen solchen Wirbel." Se. Majestät meines Lebens seyn, meinen Sohn Ew. K. Maj. vorzustellen, hieraus dem Oberstlieutenant v. Willisen gnädig die reichte da er so glücklich noch als Preuße gebühren zu seyn und ist.

606 Verlusten, auch im Speciellen,

in Berlin, den Namen Schicklerstraße erhielt. Im Jahre 1835

ob letzterer selbst verwundet sei, worauf dieser erwiderte, er habe nur einen flachen Hieb über die Kartusche erhalten, und

verkauften die Gebrüder Schickler die Fabrik versteigerungs¬ weise in einzelnen Grundstücken, und die Fabrikation von Stahl- und Eisenwaren wurde seit jener Zeit in Eberswalde geringer, doch waren im Jahre 1841 noch 55 Meister und

Hand, erkundigte

sich nach den

fuhr dann fort: „Aber wollen Ew. Majestät einen blutigen Säbel sehen, so hier den des Adjutanten Lieutenant v. Zabel¬ titz". zog die Klinge aus der Scheide, und das Aussehen der¬ selben, sowie die mit Blut überströmte Uniform veranlaßte den König zu dem Ausruf: „Mensch, Sie sehen ja aus wie ein Fleischer! Sie find aber ein braver Offizier" und reichte ihm gnädig die Hand. Jener hatte einen Kürassier derartig quer durchstochen, daß sein Säbel bis über den Korb hinaus völlig mit Blut überzogen war, während sein Pferd einen Durch das durch die Ohrmuschel erhalten hatte. Schlagen des Pferdes mit dem Kopf, sowie durch den blutigen Säbel war er über und über mit Blut bespritzt. Schuß

Aus -er

Geschichte

-er Sta-t Gverswalde.

Von Wilhelm Anton Wegener. (Schluß.)

Am Schluß seiner Schilderung schreibt Beling: „Es mag

137 Arbeiter in Thätigkeit. Jetzt besteht die Schicklerstraße nur aus Wohnhäusern mit oder ohne Läden und aus öffent¬ lichen Gebäuden.

In

neuerer Zeit war die Gründung der Forstakademie

für Eberswalde. Seit Ostern 1821 in Berlin eine mit der Universität verbundene höhere Forstlehranstalt, an welcher der Oberforstrat Pfeil als Lehrer der Forstwistenschaft und außerordentlicher Univerfitätsprofestor unterrichtete. Pfeils Waldkenntnis, sein anregender Vortrag und seine Leistungen auf litterarischem Gebiet übten eine große Anziehungskraft aus. Da aber Pfeil wiederholt erklärte, daß der unmittelbare Anschluß des Unterrichts an den Wald eine Notwendigkeit sei, so kaufte die Forstverwaltung in Eberswalde von dem Bankier Schickler ein 1795 erbautes Haus, und nun begründete man hier im Jahre 1830 die preußische Forst¬ akademie. Am 1. Mai 1830 begannen die Vorlesungen, und das Lehrerkollegium bestand aus Pfeil für Forst- und Jagd¬ ein wichtiges Ereignis bestand

hier

auch kurz bemerkt werden, daß diese unschuldig ver¬ triebenen Glaubensbrüder von der hiesigen Bürgerschaft mit vielen Thränen willig und gern auf- und angenommen, aufs beste verpflegt und mit dem Nötigen versehen worden find. Die Einwohner, welche sich dazu vorbereitet hatten, waren auf das äußerste bemüht, sie von anderen zurückzuhalten, um sie mit sich nach Hause nehmen zu können. Darüber kam es

wissenschaft,

öfter zum heftigen Streit, daß mitunter diese armen Leute nicht gewußt haben, an wen sie sich halten sollten, denn der eine faßte sie hier, der andere dort bei den Armen, riß sie an sich und ging mit ihnen fort. Selbst die römisch-katholischen Reiter vom Prinz Friedrichschen Kürassierregiment zu Schwedt, welche zu jener Zeit hier in Garnison standen, haben sich gegen diese erbarmungswürdigen Leute so freigebig und mild¬ thätig erwiesen, daß sie ihnen ihr ganzes erhobenes fünf¬ tägiges Traktament als ein williges mitleidiges Geschenk mit Thränen haben zufließen lasten und sie in ihrem Unglück getröstet."

mann seit 1866 im Amte. Danckelmann verdanken wir ein 1880 im Verlag von Julius Springer in Berlin erschienenes Werk: „Die Forstakademie Eberswalde von 1830 bis 1880." Von den 1597 Studierenden, welche von Ostern 1830 bis Ostern 1880 die Forstakademie besuchten, waren 1548 aus dem Deutschen Reich und 49 aus anderen Ländern: Böhmen, Ungarn. Schweiz. Holland, Schweden, Norwegen. Rußland, Schottland, Irland, Sardinien und Japan. Von den in dieser Zeit hier studierenden 1400 Preußen haben 921 dem Zivilstand, 344 dem Feldjägercorps und 135 dem Fußjägercorps angehört. „Die Forstakademie Eberswalde" — so schließt Danckelmann seine

Aus der Zeit Friedrichs des Großen ist neben der An¬ lage des Finowkanals die Erbauung der Fabrikvorstadt im Westen der Stadt besonders erwähnenswert. Am 1. Dezember 1743 kamen zuerst die Messerschmiede Hilpert und Erbe mit ihren Familien hier an und wurden bei den Bürgern ein¬ gemietet. Man baute ihnen nun Schleifmühlen, und im November und Dezember 1747 erhielt die Stadt durch 28 Familien von Messerschmieden und anderen Stahl- und Eisenarbeitern neuen Zuzug, welche aus Ruhla, einem SachsenGotha- und Eijenachschen Flecken, einwanderten. Im Jahre 1750 hatte sich die Zahl der Fabrikanten auf 235 Seelen vermehrt. Im Sommer 1751 fing man dann den Bau der Fabrikvorstadt an, welche für die Familien Wohnungen und für die Arbeiter Schmicdeessen, dazu aber auch Kontor- und Lagerräume enthielt. Der Fleiß der Meister und Gehilfen hals lebhaft mit zur Hebung der Industrie und des Verkehrs von Eberswalde. Die Fabrikvorstadt bildete eine Straße vor

Schrift — „lebt in dem Mittelpunkte der forstwistenschaftlichen Bestrebungen unserer Zeit, sie blüht im Walde, sie wächst und ist fruchtbar in Lehre und Forschung. Das wird sie auch in Zukunft sein, wenn sie unbeirrt durch andere Strömungen fest¬ hält an den beiden Grundbegingungen ihrer Wirksamkeit, an der Anlehnung an den Wald und an bet durch die Waldwirt¬ schaft bestimmten und begrenzten Richtung in Lehre und

dem Neuen

Thor,

welche

nach

den

späteren Besitzern

der

Fabrik, den Inhabern des Handlungshauses Gebrüder Schickler

Ratzeburg für die naturwissenschaftlichen Fächer Neben dem und Schneider für die mathematischen Fächer. älteren Haus wurde dann 1874 bis 1876 die neue Forst¬ akademie in Ziegelsteinrohban nach den Plänen des Geheimen Regierungsrats Cornelius und des Bauinspektors Düsterhaupt erbaut. Von den drei Direktoren der Forstakademie war Pfeil von 1830 bis 1859, Grunert von 1859 bis 1866 und Danckel-

Forschung." Der Name der Stadt war anfangs Eberswalde, dann Neustadt-Eberswalde und seit 1877 wieder Eberswalde. Der Ausdruck „Neustadt", welcher zuerst in einer Urkunde vom 8. Mai 1307 vorkommt, ist so erklärt worden, daß hiermit „die neue Stadt" mit Inbegriff aller ihrer einzelnen Teile, be¬ zeichnet sei. Möglicherweise aber ist die Stadt aus zwei Dörfern, Eberswalde und Jakobsdorf, entstanden, und dann hätte man bei der Erklärung des Doppelnamens NeustadtEberswalde noch einen anderen Umstand zu berücksichtigen. Hierauf scheint eine Stelle in einer Urkunde hinzudeuten, welche der Burggraf Friedrich vo i Nürnberg am 24. Januar

607

1414 ausstellte. werden

„in

Nach derselben sollte eine Zahlung geleistet

der czweyer stete eyn Nuenstad und Eberswalde".

Das Wappen der Stadt enthält eine Eiche, an deren Stamm zwei Eber aufgerichtet stehen, und in deren Krone der rote märkische Adler schwebt. __

(Mit Abbildung auf

Seite 609.)

Kürzlich besuchte mich ein Thüringer Freund. Er kannte die Mark nicht und war, wie die meisten in unserm deutschen Vaterland, von der Vorstellung befangen, daß es in der Streusandbüchse des heiligen römischen Reichs nichts als Sand und Kiefern gebe. Als er nun aber das herrliche Waldidyll der Milower Gegend kennen lernte, rief er verwundert und

aus: „Ein Stück Thüringen!" Ja — ein Stück Thüringen! Nur ohne Thüringens mächtige Berge! Aber sonst doch so anziehend, so voll der schönsten Reize, so Aug' und Herz erquickend, so labend und erfrischend, daß man es in der That nicht begreifen kann, wie

entzückt

von den Sommerfrischlern der Reichshauptstadt nicht mehr der Göthesche Rat befolgt wird: „Warum schweifst Du in die Weite, Sieh. das Gme liegt so nah!" Der kleine, in so lieblicher Gegend gelegene, jetzt als Alt- und Neu-Milow nur ca. 1200 Einwohner zählende Ort Milow hat eine Jahrhunderte alte, bewegte und denkwürdige Geschichte hinter sich die, wie schon der Name besagt, bis in Schon damals war Milow eine vielumworbene Grenzveste zwischen Wenden und Sachsen, wozu es durch seine natürliche Lage an dem Zusammenfluß zweier Flüffe, der Stremme und der Havel, wie geschaffen war. Auf zwei Seiten von Wasser, auf den beiden anderen von Berg und Wald und sumpfigen Wiesen umgeben, mußte es jeder der streitenden Parteien diesseit und jenseit der Havel die Wendenzeit zurückreichte.

als begehrenswerter Besitz erscheinen.

Auch

in späterer Zeit

bildete es demzufolge den beständigen Zankapfel zwischen den Märkern einer- und den Magdeburgern andrerseits. Und dies umsomehr, als es in jenen Tagen nicht nur eine stark befestigte, sondern auch eine gut bevölkerte Stadt war.

Hat so der Ort selbst eine wechselvolle Geschichte hinter sich, so hat auch der Name mancherlei Wandelung durchgemacht. Noch in späteren Urkunden wird verschieden geschrieben: Myla, Mylow, Mika, Milaw, Milauw. Milow. Die erste sichere Urkunde datiert vom Jahre 1144; sie besagt, daß Milow damals im Besitz der brandenburgischen Markgrafen war. Dagegen bezeugt eine Urkunde vom 31. Dezember 1145, daß Kaiser Conrad III. das Befitzrecht über Milow dem Erz. Der schlaue und gewandte bistum Magdeburg bestätigte. Graf von Stade, Domherr von Magdeburg, scheint dem Erz¬ bistum dieses Befitzrecht verschafft zu haben. Ueber die zweite Hälfte des 12. Jahrhunderts schweigt die Geschichte. Dagegen bestätigt in einer Urkunde vom 28. Dezember 1217 Bischof Siegfried dem Brandenburger Domkapitel seine Gerechtsame und Besitzungen, zu denen nach dieser Urkunde außer Gentin,

In zwei damaligen gleichaltrigen Pfarrers. Jacobus de Milowe, gedacht, welcher einen Revers des Brandenburger Bischofs Gernaud vom 4. April 1225

Plaow, Pntserwe, Ratenowe ziemlich

auch

Urkunden

Milow

wird

gehörte.

auch

des

und vom 4. Februar 1227 mit unterschrieben bat, aus welchem die Zugehörigkeit Milows zu Gernauds Archidiakonatssprengel gleichfalls hervorgeht. Im Jahre 1267 wird Milow zusammen mit Rathenow erwähnt in einer die Bestimmung des Archidiakonatssprengels der Domprobstei betreffenden Urkunde. Und zwei Jahre später, am 12. April 1269, erhält das Domkapitel für Uebernahme von Seelenmessen und Gedächtsnisfeiern vom Castellan Alverich das Patronat über die Milower Pfarre und Kirche, welches es auch bis in die Zeit der Reformation inne hatte, wo es dann auf die Trcsckower überging. Nach einer Copie im alten „Copiarto" lautet die Schenkungsurkunde: „blos Alvericus

dei gratia Castellanus in Milow Omnibus in perpetuum parochiam in Milow cum omni iuris integritate et libertate, que ad nos pertinebant, cathedrali ecclesie in Brandenburg dedimus et propter deum renunciantes simpliciter omni iuri quoad patronatum ipsius ecclesie quod babuimus in eodem.“ (Wir, Alverich, durch Gottes Gnade Kastellan in Milow, haben für alle Zeiten mit allen Ge¬ rechtsamen und Freiheiten, die uns zustanden,

der Domkirche

in Brandenburg von Gottes wegen die Parochie in Milow und übertragen und auf jedes Patronatsrecht über wir bis dahin inne hatten, verzichtet.) Hieraus geht hervor, daß Milow Castell, also durch Wall und Graben verschanzt war, und daß dem Kastellan bedeu¬ tende Rechte eingeräumt waren. Bald darauf müffen wieder Streitigkeiten um den Besitz von Milow ausgebrochen sein, denn Anfang 1276 finden deswegen Verhandlungen zwischen dem Markgrafen von Branden¬ burg und dem Erzbischof von Magdeburg statt, und am 14. Mai jenes Jahres unterschreiben erstere einen mit Magdeburg über die Havelgrenze zwischen Milow und Rathenow getroffenen geschenkt

diese Kirche, welches

Vergleich, in welchem Milow ausdrücklich dem Erzbischof zuge¬ Nichtsdestoweniger dauern die Raub- und wird. Plünderungszüge von Milow aus und um Milow fort. Im Anfange des 14. Jahrhunderts kommt die lang verhaltene sprochen

Feindschaft zwischen dem Erzstift Magdeburg und dem Bistum Brandenburg sogar zu offenem Ausbruch. Aber noch einmal gelang es, einen modus vivendi dadurch zu schaffen, daß

Brandenburgern die kirchliche Gerichtsbarkeit zugesichert wurde, während Milow mit allem Land zwischen Havel und Dieses Elbe im übrigen den Magdeburgern verblieb. Abkommen wurde 1354 durch Ludwig den Römer sanctioniert.

den

beginnt der Kampf als je. Der neue heftiger um Milow von neuem, und zwar Erzbischof von Magdeburg. Albrecht von Ouerfurt. haßte die Märker. Dazu kam, daß märkische Edelleute, brandenburgische Vasallen, Milow besetzten und von da aus sengend und Da brach plündernd ins Magdeburger Gebiet einfielen. — brannte Milow Reisigen und auf Albrecht mit Roß und — nieder, was man damals „auspochen" Schloß und Stadt nannte, während die Märker unter Führung der Bredower hielten, sich aus Plaue warfen, welches sie eroberten und besetzt Albrecht Magdeburger. Gegenanstrengungen der aller trotz erkannte bald die strategische Wichligkeit Milows und ließ daher in größter Eile Stadt und Schloß wieder aufbauen und durch Gräben und Wälle, feste Mauern und Türme befestigen. Gegen Ende des 14. Jahrhunderts

Sorge sahen die Märker diese Zwingburg erstehen, die ihnen den Uebergang über die Havel versperrte und ihnen

Mit

608 gründlich das Handwerk legen mußte. Ganz besonders er¬ warteten die Bredows, in deren Besch das Havelland war, von Milow her nichts Gutes. Und in der That, gar bald setzten die Magdeburger hinüber nach dem Havellande, um bei den Bredowern fette Beute zu holen; war ihnen doch der tapfere und angesehene Hans Lippold von Bredow auf Kremmen noch von Plaue her in guter Erinnerung und schon längst ein Dorn im Auge. Dieser, schon seit 1359 Marschall des Markgrafen Otto von Brandenburg, war eben zuvor durch Jetzt galt Kaiser Siegismund Landeshauptmann geworden. es für ihn. der einstmals Plaue erobert, sich zum Angriff auf die Veste Milow zu rüsten. Nach „von Klöden, die Mark Brandenburg" fällt dieser hochinteressante Kampf um Milow, der mit der gänzlichen Niederlage der Märker endete, in den Anfang Okiober 1391. Da Klödens sehr eingehende und an¬ schaulich geschriebene Darstellung wohl hinreichend bekannt sein dürste, beschränken wir uns ans die kurze Inhaltsangabe aus „Annales marchiae Br.“ nach von Barsewisch: „Im Jahre 1391 hat Lippolt von Bredow viel von Adel und Bürgerschaft der Mark gesammelt in der Meinung, daß er das Flecken Mylow, bey Rathenow gelegen, einnehmen, schleyffen und zerstören wollte. Viel Geschütz und geeignete Männer find in Kähnen und anderen Schiffen über den Havelstrom gebracht, und ist er selbst persönlich mit dem reisigen Zuge zu Lande dahingegangen, um Milow zu belagern. Da sie nun angefangen zu stürmen, ist im ersten geschoß einer Büchsen einen funcke Fewer in das faß, darin das Kraut (wie es die Kriegesleute nennen) oder Büchsenpulwer verwaret ge. daß dasselbe angangen und verbrand, fernerhinnaus in Mangelung des Pulwers

wesen, kommen,

daß

sie

mehr haben von Barby,

schiessen können.

Da nun

solches

also, nicht

Graff Johann

der sich mit viel Adelßperson aus dem Ertzstift Magdeburg auf dem Schlosse Jerichow enthalten, vermercket, daß die Märcker durch solch empfangenen schaden gehindert wurden, ihr fürnehmen zu vollbringen, hat er sich alsbalde gestärcket und ist zu ihnen gefallen und hat den Stadthalter Lippolt von Bredow sampt dreyen Bürgern von Brandenburg, Fritzen von Prützke. Hansen Schulzen und Clausen Newmann gefangen bekommen und jhnen vil plage angeleget. Einer aber mit nahmen Ouibe, so den Stadthalter gefangen be¬ kommen, hat ihn alsobald dem Ertzbischoff Herrn Alberto von Ouerfurt zugeschickt und zur Verehrung etliche Bawernhöfe in Dorff Derben bey der Elbe zu Lehen vom Ertzbischoff be¬ kommen. Der von Bredow aber hat 4 Jahre und etlich Monat in Bestrickung sein müssen." „1396 nämlich, „umb aller heiligen Tag ist Lippold wider loßgegeben worden" nach Vermittlung des Kaisers, deffen Cantzler Albrecht war."

Damit ist aber das Drama, das durch die beiden feind¬ lichen Parteien veranlaßt wurde, noch nicht zu Ende gespielt. Milow, bleibt der wichtige Grenzpunkt und Kampfplatz der beiden Jntereffensphären; und die damaligen Schloßherren auf Milow, die Treskower, scheinen auch nicht gerade sehr friedliebend gewesen zu sein. Nach einer Angabe Kulschkes im D. A. L. ward Heinrich von Treskow 1351 vom brandenburgtschen Markgrafen Ludwig mit Milow und anderen Gütern belehnt. 1407 fiel Henning von Bredow, Bischof von Brandenburg, bald nach seiner Weihe dem Johannes von Treskow in die Hände und ward in dessen Schlöffe zu Milow vom 4. Dezbr. 1407 an gefangen gehalten, bis er auf Grund einer Beisteuer

des päpstlichen Stuhles am 22. April 1408 freigelaffen wuroe. .Verhängnisvoll für Milow war das Jahr 1412. Darüber erfahren wir in einer Urkunde vom 26. Mai 1420: „Das Schloß ist abgebrannt sampt körn, offen, Swyne unde pherde; den schaden wyr erachte uff virhundirt schock behemisch groschen; dez habin getan Diederich unde Hans von quitzow, Dann wird noch für die Borher von Ratenowe u. s. w."

andere Verluste an Schaden berechnet:

„hundirt

schog bemische

Hier wird auch der Berg Milow erwähnt, bei dem durch die Ouitzows „2 pherd an X Marck" verloren gingen. Gegen Ende des Jahrhunderts scheint es wieder zu .Zollstreitigkeiten gekommen zu sein, denn am 9. Juli 1488 fordert Kurfürst Johann die märkischen Städte auf, sich kriegs¬ „Auch begeren wir bereit zu halten mit dem Hinzufügen: Czolles zu Milow des fachen vleiß, wollet die jr mit gantzen unde die vischerei halben, dar jnne jr mit dem Dreßkowen jrrich seit, in ruhe stellen." Die Zollstreitigkeiten kamen eigentlich nie zur Ruhe. Erst durch die schiedsrichterliche Vermittlung des Fürsten Johann von Anhalt einigten sich die beiden Parteien — Magdeburg und Brandenburg — in dem Vertrage von Zerbst am 18. Oklbr. 1533. Die Reformation (1539) brachte endlich Milow ruhigere Zeiten. Infolge derselben nahm es denn auch eine Zeit¬ lang einen kräftigeren Aufschwung. Allein unter der immer mehr verschuldeten Wirtschaft der Treskower sank es später wieder, bis schließlich das Rittergut Milow durch Kaufvertrag vom 24. Juni 1754 in den Besitz des anhaltinischen Hauses kam. Moritz von Anhalt, der Bruder des alten Deffauer, zog mit seiner Schwester, der Prinzessin Wilhelmine, in das Schloß ein. Letztere weilte besonders gern hier. Die beiden Vorwerke Neu-Dessau und Wilhelminenthal erinnern noch heute an den Eifer und Fleiß, mit dem die neuen fürstlichen Besitzer für Wer das an landschaftlichen Reizen so Milow sorgten. reichgesegnete Milow kennen lernt und das Schloß mit dem herrlichen, von den Fluten der blauen Havel und der Stremme umspülten Parke sieht, der versteht, warum Prinzessin Wil¬ helmine Milow zu ihrer ständigen Sommerrefidenz erwählte. Die schönste Aussicht in das abwechselungsreiche, male¬ risch gruppierte Havelland, sowie auch nach Süden in das Jerichower Land, bietet der Milower Berg, dessen Besteigung groschen."

von der Südseite her besondere Reize gewährt, ohne erhebliche Schwierigkeiten zu verursachen. Ein Fußweg führt uns in zwanzig Minuten in dichtem Waldesschatten über die Schäferei auf einen lichten, offenen Platz, von wo der Blick zwischen den Vieritzer Höhen und dem Milower Berge hindurchfällt .und eine prächtige Aussicht gewährt. Auch die liebliche Lage der

isoliert liegenden, Wilhelminenthal im Hintergründe Beschauer. Von

von Wald und Wiesen umsäumten Kolonie und des Vorwerkes Neu-Dessau, sowie des versteckt liegenden Taxwinkel überrascht den hier aus ist der Milower Berg in zehn

Minuten bequem zu ersteigen. Viele ziehen die Besteigung des bedeutend höheren Vieritzer Berges vor. Sie ist ja immerhin lohnend genug, aber eine so herrliche Weitsicht wie jener bietet er nicht. Vor uns liegt im Norden Rathenow, deffen hoch anstrebender Kirchturm die ganze Umgebung beherrscht. Malerisch heben sich im Hinter¬ gründe die dunklen Rollberge und der Markgrafenberg ab. Jenseits der Stremme zeigen sich die dichtbewaldeten Vieritzer Höhen und bis an die Havel heranreichend die Böhneschen Berge mit dem

609

Papparth. Nach Osten, zu beiden Seiten der Havel, streift der Blick die von Wald und Wiesen umsäumten Ufer bis hin In der Ferne blinken die Türme Brandenburgs nach Plaue. am Fuße des Harlunger Berges, auf dem einst dem Triglaff Opfer dargebracht wurden. Im Süden öffnet sich vor unsern Augen das Jerichower Land: am Horizont erscheinen der Turm von Genthin und der Pulverturm von Altenplathow. Am Fuße des Berges breitet sich nach Norden. Osten und Westen wie ein bunter Teppich das farbenreiche, stille Thal aus. in malerischer Abwechselung mit Wiese, Feld und Garten, MilowLeopoldsberg rings umschließend. Und wie ein glänzend Silberband schlängelt sich die Stremme hindurch, von zahl¬ reichen Schifferbooten bedeckt, während in der Ferne stolze Masten der Havelkähne grüßen, oder der schrille Pfiff der Dampfer Zeugnis giebt von dem gewerbfleiß'gen, verkehrs¬ reichen Treiben des Westhavellandes.

von prächtigen Gartenanlagen Die Vorhalle ruht auf zwei mächtigen Säulen. Durch die Vorhalle gelangt man direkt in einen großen Saal, „Lasset den Uutcrrichlsraum und Spielaufenthalt der Kinder. Eintretenden das den die Kindlein zu mir kommen!" so grüßt Wort des göttlichen Kinderfreundes, unter das die Liebesarbeit an den „kleinen Majestäten" gestellt ist. Reicher Spruch- und Bilderschmuck ziert den Saal, wie die einzelnen Wohn- und Schlafräume im ersten und zweiten Stock. Der erziehliche Einfluß der christlichen Kunst auf das zarte, empfängliche Kindesgemüt kommt hier zu vollem Recht. Ueberhaupt ist in jeder Hinficht der bekannten Forderung Rechnung getragen: „Für die Kinder ist das Beste gerade gut genug!" Herrlich find die Parkanlagen, die das Haus umgeben — mit ihren Turnplätzen, ihrer „blauen Grotte", ihren lauschigen Plätzchen an dcr Stremme. Wahrlich, welch wohlthuender

Milow

gelegen, ist ringsum

umgeben.

DoF Innere der Airche zu Am Einfluß der Stremme in die Havel liegt das alte herzogliche Schloß im Schatten Jahrhunderte alter Linden, von geräumigen Paikanlagen umgeben, welche bis dicht an die Havel heranreichen und dem Besucher überraschende Partien bieten. Unweit des Schloffes liegt die Milower Kirche, welche an edlem Schnitzwerk uud intereffanten Deckengemälden reich ist und

für

den Schatzgräber der

Mrlower

Geschichte eine reiche

Fundgrube bietet. Interessant ist auch eine Befichtigung der Bolleschen Ferienkolonie. Sie ist von dem bekannten Berliner Meierei¬ befitzer Bolle im Juni 1891 für erholungsbedürftige Kinder seiner Arbeiter eröffnet worden und beherbergt außer dem Pflege¬ personal jedesmal ungefähr 100 solcher Kinder, die unter Leitung und Pflege mehrerer Schwestern und verschiedener Lehrer stehen. Das Ferienhaus selbst, in der Milte von

Milow

Aufenthalt. — ringsum Wald und Wiese, frisches, saftiges Grün — für die durch Naiurgenuß nicht gerade verwöhnten Berliner Kinder! Nur zu schnell find die wenigen Wochen, die fie im Sonnenschein warmer Liebe und treuer Pflege hier zubringen dürfen, verflogen. Aber mit roten Backen, gutem Appetit und dankbarem Gemüt scheiden die ersten hundert Pfleglinge, um wieder anderen armen, bleichen Gästen Platz zu machen. So ist

Milow

jetzt

— im

Gegensatz zu den kriegerischen

früherer Jahrhunderte —

Wirren

eine Stätte friedlichen Wirkens und Und vor allem in die Reichshaupistadt entsendet es seine Segensströme, dank der Menschenfreundlich¬ keit eines Milower Kindes, das sich verpflichtet weiß, für das leibliche und geistige Wohl seiner Angestellten mit dem irdischen Gut, das ihm geworden, nach Kräften Sorge

warmer Nächstenliebe.

zu tragen.

610

Kleine Mitteilungen. Zur Ge schichte der BLrti-llL^.Stadtm«>!«rM»Äeber die Geschichte der Berliner S ta dtmäüer finden wir in der „Nat.-Ztg." folgende Einzelheiten: Von der ehemaligen Stadtmauer sind bekanntlich außer an den Hinter¬ häusern der Jnvalidenstraße noch einige Ueberdleibsel vorhanden, von denen das bekannteste Stück die etwa 20 Bogen messende Mauerwand in der P'inz Albrechistraße ist, wo diese in die Königgrätzerstraße mündet. Hier war die Stadt gegen Süden und Südosten durch die alte Mauer geschlossen; die neue Bebauung außerhalb der Thore und der Ringmauer ist so schnell und so allseitig vor sich gegangen, daß die KöniggrätzerStraße, die den Straßenzug der alten „Kommunikation am Potsdamer Thor" ziemlich genau verfolgt, nicht mehr parallel, sondern rechtwinklig zur Stadtmauer verläuft. Ein anderes Stück der alten Stadtmauer befindet sich jetzt mitten im Häusergewirr im Süden Berlins, im „Dresdener Garten". Dresdenerstr. 45; hier ist die Wand nach dem Nebenhause durch einen Rest der alten Stadtmauer gebildet. Der Haupt¬ teil der Berliner Ringmauer, die weniger als Befestigung angelegt und betrachtet wurde, sondern eigentlich den Zwecken der Mahl- und Schlachisteuer diente, fiel etwa im Jahre 1888; die hier neu angelegten Straßen im Süden, Südosten und Westen Berlins erhielten dann die Namen preußischer Siegestage im österreichischen Feldzuge: Königgrätzer-, Gitschiner-, Skalitzerstraße u. s. w., während die Namen im Osten und Norden den Ereignissen des französischen Feldzuges entlehnt wurden. Uebrigcns diente die alte Stadtmauer, die bereits lange bedeutende Spuren von Altersschwäche gezeigt hatte, den Berliner Jungen als erfreulicher Durchschlupf, indem sie Löcher hineinschlugen, wenn sie bei ihren Spielen von Schutzleuten verfolgt wurden, und so in die äußeren Thorstraßen entweichen konnten. Im Jahre 1830 wurde der Umfang der Berliner-Stadtmauer, die damals 16 Fuß hoch war, auf etwas über zwei deutsche Meilen berechnet (etwa 20 406 Schritt); sie hatte 14 Landthore, 2 Wasserthore und 4 kleinere Pforten. Der Anfang dieser Ringmauer geht auf das Jahr 1734 zurück, wo sie um die Friedrichs- und Dorotheenstadt gelegt wurde bis zum Unterbaum hin (wo jetzt auch noch ein kleines Stück von ihr übrig ist); im Jahre 1798 entstand dann der Teil zwischen dem Untcrbaum und dem Schönhauser Thore und 1802 das noch fehlende Glied bis zum Höllischen Thore. Vor 1734 hatten Pallisaden die Stadt umzäunt, die aber mit sämtlichen Festungswerken vom genannten Jahre an abgetragen wurden. Der Lauf dieser Festungswerke ist noch an der Wallstraße und der Neuen Friedrichstraße, die beide vielfache Biegungen auswerfen, zu erkennen. Von dieser ältesten Festungsmauer Berlins fiel das letzte Stück, als durch die Kaiser Wilhelmstraße in das Gassengewirr in diesem beinahe ältesten Teile Alt-Berlins Bresche gelegt wurde. So hat Berlin eigentlich drei große Ringe um seinen Urkern, Schloß und Rathaus, auszuweisen, die alte Festungsmauer, dann die jetzt durch die äußeren Thorstraßen, gekennzeichnete Ringmauer und die Gürtelstraße, die jetzt durch die Bülow-, Jork-, Gneisenaustraßc und ihre Fortsetzungen angedeutet wird, aber nicht vollendet ist, da auch dieser Ring durch die Entwickelung Berlins längst gesprengt ist.

Neue Erwerbungen des Zeughauses. Die Besucher des Zeughauses finden vor der Abteilung, welche die Andenken an den hochscligen Kaiser Wilhelm I. enthält, eine größere Anzahl erworbener Säbel und Degen, welche unsere Heerführer im Feldzuge gegen Frankreich 1870/71 getragen haben. Dieselben sind von den Angehörigen unentgeltlich hergegeben worden und wurden u. a. vom Großherzoge Friedrich Franz II., dem Grafen v. Werder, den Generalen v. Manstem, v. Hartmann, von der Tann, von Alvenslrben I. und von Fransecky, Graf von Bose, von Podbielski, von Zastrow, von Hindersin u. a. getragen. Hier sind auch vier Statuetten in etwa 20 cm Höhe aufgestellt, welche einen Garde du Corps, einen Grenadier des 1. Garde-Regiments z. F., einen Husaren vom Regiment König Wilhelm I. und einen Grenadier dO GrenadierRegiments König Wilhelm I. in vollster Paradeausrüstung darstellen. einem Schrank an derselben Stelle sind die 80 Statuetten aufgestellt, welche die verschiedenen Truppenteile der Garde-Infanterie aus dem Jahre 1870/71 darstellen, Feldwebel, Unteroffiziere, Einjährig-Freiwillige und Gemeine. Ein Unteroffizier der Stabswache des großen Haupt¬ quartiers ist mit der Roten Adlermedaille am Bande des Hohenzollernschen Hausordens, der Einjährig-Freiwillige in der Uniform des Garde-Schützcn-Bataillons dargestellt. Auch die Art des Tragens des Schanzzeuges und des Gepäcks ist mit peinlichster Sorgfalt zur An¬ schauung gebracht. Die Statuetten sind ein Geschenk des Fabrikanten Berlich; die Fabrikation wurde von dem Amtsgerichtsrat Mila überwacht, einem der besten Kenner der preußischen Uniformen. In der WaffenSammlung aus der Zeit Friedrichs des Großen haben Geschützkugeln, Gewehre, Säbel und Sporen ihren Platz gefunden, welche auf dem Schlachtfeloc von Kunersdorf gefunden und vom Rittergutsbesitzer Gebauer in Gr.-Kunersdorf dem Zeughause zum Geschenk überwiesen

II,

In

sind.

Verlegung der Wildparker Gärtner-Lehranstalt. Mit der Verlegung Gartens von Schöneberg nach Dahlem bei Berlin ist, wie man hört, auch eine glcichzeittge Uebersührurg der Wildparker Gärtner-Lehranstalt nach Dahlem ins Auge gefaßt. Dieser Plan ist mit Freuden zu begrüßen; die Lehranstalt, welche 1899 auf ein 75 jähriges segensreiches Bestehen zurückblicken kann, bedarf eines den Anforderungen der Zeit entsprechenden Ausbaues; weder Anstaltsräume noch Lehrterrains, weder Sammlungen noch Demonstrations-Material des Botanischen

entsprechen den zu stellenden Anforderuagen. Jetzt aber wird geplant, mit Verlegung der Anstalt letztere so auszugestalten, daß dadurch ein lange in Fachkreisen gehegter Wunsch auf Gründung einer GartenbauHochschule in Erfüllung gehen soll.

Küchrrttsch. Kaiser Wilhelm I. Von Erich Marcks. Zweite Auslage. Leipzig 1897, Verlag von Duncker u. Humblot. 51.; eleg. geb. 7 M. In kürzester Frist ist diese zweite Auflage des in Nr. 46 schon rühmlichst erwähnten Werkes notwendig geworden — der beste Beweis dafür, wie epochemachend dasselbe ist, und wie sehr cs einem allgemein empfundenen Bedürfnis entgegenkommt. Zum ersten Male wird hier dem deutschen Volke eine mit edlem Freimute geschriebene, durchaus tendenziöse Biographie Kaiser Wilhelms I. dargeboten. Professor Marcks, wohl der feinste Psychologe unter den lebenden Historikern, wird nicht nur der Person des Kaisers gerecht, sondern auch dem Zeitalter des¬ selben, den Ideen, die diese wichtigste Epoche Deutschlands bewegten, und nicht zuletzt den maßgebenden Persönlichkeiten unseres Jahr¬ hunderts. Die Marcks'sche Biographie feiert Wilhelm I. nicht im Stile einer Festschrift; dafür enthüllt sie uns ein wahrhaft getreues Bild des Höffens und Werdens des Prinzen von Preußen, des Königs Wilhelm und des greisen Heldenkaiscrs. — Durch das Entgegenkommen der Ver¬ lagsbuchhandlung sind wir in die Lage versetzt, unseren geschätzten Lesern verschiedentlich Proben aus dem bedeutenden Werke vorzuführen. Es wird damit demnächst begonnen werden, und geben wir uns gern der Hoffnung hin, daß die Veröffentlichung btcfer Proben dazu bei¬ tragen wird, auch der zweiten Auflage die weiteste Verbreitung zu verschaffen, so daß das auf sorgfältigstem wissenschaftlichen Studium beruhende Werk des Professor Marcks bald in dem Bücherschatze eines jeden gebildeten Hauses zu finden ist.

Hohenzollern-Jahrbuch. Forschungen und Abbildungen zur Ge¬ schichte der Hohenzollern in Brandenburg-Preußen. Herausgegeben von Paul Seidel. Erster Jahrgang 1897. Perlag von Giesccke u. Devrient, Berlin and Leipzig. 20 M.; eleg. gebd. 24 M.; Liebhaber-Ausgabe 60 M. Der erste Jahrgang des von uns schon in Nr. 47 angekündigten und nach Anlage, Inhalt, Ausstattung und Tendenz geschilderten „Hohenzollern-Jahrbuches" ist erschienen. Noch Pracht- und gehaltvoller, als wir es erwartet, liegt er vor uns. Wir können die warme Empfehlung, die wir dem neuen Unternehmen schon früher angedcihen ließen, hier nur aus innerster Ueberzeugung wiederholen. Jedes weitere Wort der Anerkennung und rühmender Fürsprache ist unnötig. Die Tüchtigkeit der Verfasser, die Vorzüglichkeit der Illustrationen, der Wert der historischen Beigaben — alles spricht für sich selbst Man braucht nur einen flüchtigen Blick in dieses herrliche Werk zu werfen, und man wird zu seinen unbedingten Liebhabern und Bewunderern — a. gehören.

Berlin. Beschreibung der hervorragendsten Sehenswürdigketen der Rciebshaupt-

Kunstgeschichtliche Wanderungen durch

stadt.

In

12 Wanderungen

vorgeführt von

Otto

Hach.

Berlin SW. Verlag von R. Mickisch (E. Mecklenburg). 160 S. Groß Oktav. In engl. Leinen gebd. 1,60 M. Ein ganz vortreffliches Buch, das wir hiermit allen Bewohnern Berlins und auch allen Fremden, die der Reichshauptstadt einen Besuch abstatten und sie gründlich kennen lernen wollen, aufs wärmste empfehlen. Es ist ganz unglaublich, wie viel wertvoller historischer und über alle Sehenswürdigkeiten Berlins in jeder Beziehung orientierender Stoff, dazu in überaus fließender, frischer und gewandter Sprache, hier für einen äußerst geringen Preis geboten wird. Wir bedauern in der That jeden, der, in Berlin wohnend oder weilend, es versäumt, sich in den Besitz dieses Buches zu setzen. Es ist anerkennenswert, daß die Verlagsbuchhandlung es unterlassen hat, dasselbe mit vielen Illustrationen (nur eine vorzügliche Abbildung der „Berolina" ist ihm beigegeben) zu Wäre cs geschehen, so würde naturgemäß der Preis ein schmücken. viel höherer geworden sein. Jetzt aber ist jeder leicht imstande, sich zu erstmaliger und fortgesetzter Orientierung (man wird es nicht unteilaffen können, die Schrift immer wieder aufs neue zur Hand zu nehmen und sich aus ihr belehren lassen) das wirklich wertvolle Buch zu beschaffen. —n.

Zeiten und Menschen. Erlebnisse und Meinungen. Von Rudolph Genöe. Äerlag von E. S. Mittler u. Sohn, Königl. Hof¬ buchhandlung, Berlin SW. 12. Pr. M. 6, geb. M. 7. Die autobiographischen Mitteilungen und Bekenntnisse namhafter Persönlichkeiten begegnen einer immer lebhafteren Teilnahme, und dies um so mehr, wenn sie sich lebensvoll abheben auf dem bunten Hinter¬ gründe unserer ereignisreichen Zeitgeschichte. Dies ist der Fall bei den Erinnerungen des Professors Dr, Rudolph Geuse, welche unter dem Titel Zeiten und Menschen, Erledniffe und Meinungen kürzlich in oben¬ genanntem Verlage erschienen sind. — Professor vr. Rudolph Genee, ein echtes Kind des Volkes, hat -durch eigene Kraft, durch reiche Kennt¬ nisse Einblick, Urteil und Stellung gewonnen auf vielen Gebieten der Kunst und der Litteratur, überall nicht nur beobachtend, sondern mit¬ schaffend und die edlen Zwecke fördernd. Wenn er nun seine Be-

obachturgen und Erlebnisse erzählt, „Zeiten und Menschen" schildert, berührt und beleuchtet er überall Ereignisse und Persönlichkeiten unseres ablaufe,. den Jahrhunderts, die für den erstaunlichen Aufschwung unseres öffentlichen Lebens, für die anwachsende Anteilnahme des Volkes an allen Interessen der Kunst und Litterat, r beredtes Zeugnis ablegen. Und er selbst ist der entsprechendste Zeuge und Führer durch diese Kultur¬ entwicklung; denn die politische Presse, die Kreise und die Schöpfungen zeitgenössischer Dichter und schönwissenschaftlicher Schriftsteller weih er uns aufs lebhafteste zu schildern.

Beim Königsrcgiment 1870/71.

Der erste Hauptabschnitt der Erinnerungen umfaßt die Jahre von 1841 bis 1848, der zweite enthält die Zeit von 1849 bis 1866, während der dritte mit dem Ende des großen Jahres 1870 schließt und die „neuere Zeit" in dem Schlußkapitel Berücksichtigung findet. Des Verfassers stürmische Jugendzeit in Berlin, das Bild der gesellschaftlichen Verhältnisse und geistigen Strömungen der vierziger Jahre, die Schilderung des RevolutionsjahreS, welches der Verfasser aufmerksam und vielbe¬ teiligt mitdurchlebt, erwecken unser besonderes Interesse. Den Höhepunkt des zweiten Abschnittes bilden die Jahre 1863 bis 1866, während welcher der Verfasser in Coburg als Redakteur der Herzoglichen Zeitung wirkte, die ihn in Verkehr mit Persönlichkeiten brachte und an Begebnissen teil¬ nehmen lnß, über die er freimütig — wechselnd im Ernst und im Humor — manches Neue mitteilt. Der mehrfache Wechsel seines Aufenthalies erweiterte fortwährend den Kreis seiner Bekanntschaften wie seiner Be¬ obachtungen von Menschen und Zuständen. Mit steigender Spannung folgt man seinen Aufschlüssen und eindrucksvollen Charakterbildern, ganz besonders aus Berlin, Coburg, Dresden, München und Nürnberg. Durch den Reichtum seines Inhaltes, wie durch anziehende Darstellung wird das Buch „Zeiten und Menschen" den weitesten Leserkreisen eine ebenso fesselnde Lckmre gewähren, wie einen wohlthuenden und erfreu¬ lichen Eindruck hinterlassen. Spamers illustrierte Weltgeschichte mit besonderer Berückstchtigung der Kulturgeschichte, unter Mitwirkung von Prof. Or. G. Diestel, Prof. Or. F. Rösiger, Prof. Or. O. E. Schmidt und Or. K. Sturmhoefcl neubearbeitet und bis zur Gegenwart fortgeführt von Prof, vr. Otto Kaemmel. Dritte, völlig neugestaltete Auflage. Mit nahezu 4000 Text-Abbildungen nebst vielen Kunstbeilagen, Karten, Plänen u. s. w. 10 Bände (geb.) zu je M. 10, dazu Register M. 6. Soeben, noch rechtzeitig vor Weihnachten, ist der zehnte Band sowie das Register von Spamers illustr. Weltgeschichte erschienen, womit das große, monumentale Werk zur Vollendung gelangt ist. Der zehnte Band enthält den letzten Teil der Geschichte der neuesten Zeit, und zwar umfaßt er den Zeitraum von der Thronbesteigung Napoleons EI. bis zur Jetztzeit. Die Schilderung dieser jüngsten bis in die Gegenwart hineinreichenden Vergangenheit ist eine ebenso intereffante wie schwierige Aufgabe, die jedoch von der Feder Professor Kaemmels eine meisterhafte Lösung gefunden hat. Mit Spannung verfolgt man seine Darstellung der Entwicklung, die die Dinge in den letzten Jahrzehnten nicht nur in dem alten Kulturccntrum Europas, sondern auch drüben in Amerika, Asien und Afrika genommen. Dem Kolonialbestrcben der Mächte auf dem letztgenannten Kontinent ist ein sichtlich mit besonderer Liebe ge¬ arbeitetes größeres Kapitel gewidmet. Die Illustration ist, wie in allen früheren Bänden, ebenso reich wie gediegen. Der Band enthält 240 Ab¬ bildungen im Text und 7 Beilagen. Auch das Register, das einen be¬ sonderen Band von 856 Seiten bildet, ist eine hervorragende Leistung. Mit der größten Sorgfalt und einer unendlichen Mühe, die nur der Kenner würdigen kann, hergestellt, bildet cs gewiffermaßen den Schlüssel zu den

Schätzen des Wissens, die in dem ganzen Werke aufgespeichert liegen, und wird zweisellos mit Freuden begrüßt werden. Faßt man jetzt, nach Vollendung des großartigen Werkes, seine Vorzüge nochmals zusammen, Tiefe und so kann man ihm rückhaltlose Bewunderung nicht versagen. wiffenschaftliche Gründlichkeit vereinen sich hier mit formvollendeter Dar¬ stellung zu einer ebenso anziehenden als bildenden Lektüre. Die Ein¬ teilung des schier unendlichen Stoffes ist die denkbar übersichtlichste. Als ein besonderer Vorzug wird es allseits empfunden werden, daß der Ge¬ schichte der neueren und neuesten Zeit ein besonders breiter Raum ein¬ geräumt ist (sind doch von den zehn Bänden nicht weniger als sechs diesem Abschnitt gewidmet, volle drei Bände behandeln die Zeit von der französischen Revolution bis zur unmittelbaren Gegenwart), sowie ferner, daß neben der politischen auch die Kulturgeschichte aller Länder in aus¬ giebigster Weise behandelt ist, wodurch der geschichtliche Stoff außer¬ ordentlich an Vertiefung und Vielseitigkeit gewinnt. Die Ausstattung Die Illustrationen zählen über ist ebenso glänzend wie gediegen. 4000 Nummern, wozu noch über 300 zum Teil in Farbendruck ausgeführte Beilagen oft größten Formats kommen. Und sie sind alle nicht nur technisch vollendet ausgeführt, sondern, worauf wir noch größeren Wert legen, mit größter Sorgfalt und sachlichem Verständnis ausgewählt. Sie bilden eine unendliche Fülle wertvollen und hoch¬ interessanten, durchaus auf authentischen Grundlagen beruhenden An¬ schauungsmaterials, eine historische Bildergallerie ersten Ranges. Alles in allem genommen, ist Spamers illustr. Weltgeschichte ein Werk von eminentem Werte als Bildungsmittel, und zugleich ein Prachtwerk, das jeder Bücherei zur Zierde gereicht. Durch die Vielseitigkeit seines Inhalts kann es eine ganze Bibliothek ersetzen. Vor allem eignet es sich Bande schon durch das statlliche Aeußere seiner geschmackvoll gebundenen zu einem ebenso gediegenen wie vornehmen Weihnachtsgeschenk, wofür wir es besonders empfehlen möchten. Der Preis (10 M. für den gib. ist im Verhältnis zu dem Gebotenen erstaunlich billig.

Band)

Feldzugscrinncrungen eines Metz, vor Paris, im Jura, Tagebuch des Feldwebels Friemelt.

Kriegsfreiwilligen vor

so

unter Bezugnahme auf das Von vr. Max Runze, Prediger an St. Johannis-Moabit zu Berlin. Mit 4 Tafeln Abbildungen und 2 Kartenskizzen. Verlag von Ernst Siegfried Mittler u. Sohn, König!. Hosbuchhandlung in Berlin. Pr. 1,80 M.

Beweist schon die Verlagsbuchhandlung, daß wir es hier mit einer haben, die sich über das Niveau gewöhnlicher Kriegs¬ erinnerungen erhebt, so können wir dies auch unsererseits aufs freudigste bezeugen. Die „Erinnerungen" führen uns nicht bloß die vom Verfasser erlebten kriegerischen Vorgänge vor Augen, sondern sie geben auch die Eindrücke wieder, welche der Krieg und das Leben im Felde dem Geiste des jungen Kriegers unverlöschlich einprägten. Die Schilderungen, welche sich von den Kricgsvorbereitungen bis zum Friedensschluß erstrecken, sind überaus anschau'ich und lebhaft, und die ruhmreichen Waffenthaten des Königs-Regiments treten leuchtend hervor. Dabei ist der Verfasser ein scharfer Beobachter von Land und Leuten, was namentlich der Die Schrift erschien Abschnitt „Friedliches aus Feindesland" bezeugt. zuerst nur für die Regimcntsangehörigen und nächsten Kriegskameraden; sie ist jetzt aber auch dem weiteren Publikum zugänglich gemacht worden. Die interessanten Erlebnisse einer- und die Frische und Treue der Darstellung andrerseils werden allenthalben die größte Befriedigung erwecken und zur Folge haben, daß man nicht nur angeregt, sondern mit warmem Danke von dem Buche scheidet.

_

Schrift zu thun

Hcrkus Monte. Eine Erzählung aus Altpreußens Vorzeit. Von M. Springborn. BerlinS.W. 1897. Wilh. Schultze's Verlag (C. Grieben jxm.). Pr. 3 M.; gebd. 3,80 M. Je weniger die heidnische Vorzeit Preußens bis dahin noch Berücksichtigung in der Litteratur gefunden hat, um so dankenswerter erscheint diese auf eingehenden geschichtlichen Studien beruhende Er¬ zählung. Sie führt uns die verzweifelten Kämpfe der heidnischen Alt¬ preußen gegen den deutschen Ritterorden vor Augen und lehrt uns nicht minder die Heldenthaten der Marienritter in ihrem opfermutigen Ringen für Deutschtum und Christentum bewundern. Der gewaltigste und gefürchtetste Führer der heidnischen Preußen ist Herkus Monte. Seine Tochter, Nomeda, trifft eines Tages im Walde einen jungen Ordensritter, Klaus von Eckstein, der sich verirrt hat. Sic nimmt sich seiner an, erweist ihm Gastfreundschaft und verhilft ihm dann auf den rechten Weg. Später wird Klaus von Eckstein von Herkus Monte gefangen, auf dessen Burg geschleppt und hier lange in Haft gehalten. Während dieser Zeit entspinnt sich ein ideales Liebesverhältnis zwischen Nomeda und Klaus. In demselben weicht jedoch der Ritter nicht von seiner Pflicht, und das Mädchen bleibt ihren Göttern und ihrer Nationalität treu. Schließlich wird Herkus Monte getötet. Auf den entflohenen Ritter fällt der Ver¬ Nomeda hält es für ihre Pflicht, dacht, ihn erstochen zu haben. für den ermordeten Vater an dem Geliebten Rache zu nehmen. Mit einer Schar heidnischer Preußen eilt sie ihm nach, erreicht ihn und stößt ihm selbst das Schwert in die Brust. Zu spät erkennt sie ihren Irrtum. Klaus war nicht der Mörder ihres Vaters. Schmerzerfüllt und treu pflegt sie nun den von ihrer Hand Verwundeten, bis er sein Leben aus¬ haucht. Dann übergicbt sie den Leichnam den Feinden, kehrt selbst aber zu ihrem Volke zurück und beschließt ihr Leben als Priesteijungfrau. In diesen Roman verflechten sich die kulturhistorischen Schilderungen aus der alten Preußenzeit, die, wie gesagt, auf sorgfältigen Studien be¬ ruhen und uns frisch und lebenswahr vor Augen geführt werden. Wir empfehlen die Erzählung allen Freunden altprcußischer Geschichte aufs —r>.

wärmste.

Autorisierte Von Madame de Presscnse. Verlag des Rauhen Ucbersetzung von E. von Feilitzsch. Hauses in Hamburg, 256 Seiten. Eleg. geb. 3 M. Ein Buch von tiefem, religiösem Gehalt, mit vortrefflicher Zeichnung innerer Scelenentwicklung, voll gesunder Gedanken, bei allem Ernst nicht ohne Humor und in eleganter Diktion. Die Verfasserin führt uns mit der den Franzosen eignen Feinheit in die unscheinbarsten, verborgenen Seiten der Gemütsstimmung eines 15 jährigen Mädchens und weiß dasselbe

Das Weidenhäuschen.

durch deren Tagebuchbläiter

so

auschaulich darzustellen, daß man davon

mitbeteiligt fühlt. Namentlich für junge Mädchen ist das Merkchen wertvoll und sehr zu empfehlen. Möge diese Empfehlung nicht übersehen, sondern das Buch vielen unserer Töchter, denen man nicht bloß angenehme Unterhaltung, sondern auch innere Förderung wünscht, auf den Weihnachtstisch gelegt werden! Du und deine Hausgenoffen! Von Tony Schumacher. Verlag von Otto Maier in Ravensburg. Pr. hübsch drosch. 1,25 M. In

tief ergriffen ist und

sich

Geschcnkseinband 1,80 M. Es behandelt einen Stoff, Dieses Buch geht jedermann an. so recht aus dem Leben gegriffen, und es wird kaum jemanden geben, der darin nicht beherzigenswerte Lehren fände für den Umgang mit denen, die ihm im Leben am allernächsten stehen; — kaum aber auch jemanden, der sich nicht, sei's hier, sei's dort, getroffen fühlte und sich sagen wird: von nun an will ich cs anders und besser machen. Bei alledem ist das Buch nichts weniger als eine moralisierende Abhandlung. Es ist eine frisch geschriebene, packende Plauderei, die von einem warmen Herzen und kerngesunden Menschenverstände zeugt und von Anbeginn bis zum Ende fesselt. Hoch und Niedrig, Groß und Klein wird das Buch mit Vergnügen lesen und es bestätigen, wie treffend und taktvoll die.Ver¬ fasserin es verstanden hat, diese Seite der sozialen Frage zu beleuchten, und wie wertvoll ihre in anmutender Form gegebenen Ratschläge sind.

«12 dieses Buch, wenn cs gelesen und beachtet wird, stiften mehr sei es der allgemeinen Beachtung empfohlen Verlag von Ernst Keils Nachfolger iu Leipzig. Wie in früheren Jahren, hat die Verlagsbuchhandlung von Ernst Kcil's Nachfolger in Leivzig auch für das diesjährige Wcihnachtsfest wiederum schmucke Buchausgaben der neuesten Erzählungen einiger der beliebtesten „Gartenlaube"-Schriftstellerinnen veranstaltet, die sich in ihren eleganten Original-Einbänden ganz besonders zu Feitgcschenken eignen. Es sind: Trotzige Herzen. Roman von W Heimburg. Preis geh. 3 M., eleg. geb. 4 M. Dicstr neueste Roman von W. Heimburg weist dieselben fesselnden und ergreifenden Eigenschaften auf wie die früheren Erzählungen, welche die große Beliebtheit der gemütvollen Verfasserin begründet haben. Er ist aber auch ein Werk, das in erfreulicher Weise Zeugnis ablegt, wie sich W. Heimburg ihre Aufgaben immer höbcr steckt und sich nicht daran genügen läßt, nach der Schablone ihrer irühcrcn Romane sicheren, aber leichten Erfolgen nachzustreben. Der Konflikt, welcher dem Roman „Trotzige Herzen" zu Grunde liegt, ist der Welt des großen Kampfes entnommen, der dcui weiblichen Geschlecht cs heute zu erleichtern sucht, den Beruf auszuüben, für den ein besonders, begabtes Mädchen von der Natur bestimmt ist Dieser Konfl'kt >st verwandt mit demjenigen, dm Herman Sudcrmann iu seinem dulgegcbencn uwderncn Drama „Heimat" gestaltet hat, aber, deni echt weiblich empfindenden Wesen von W. Heim¬ burg gemäß, ist er völlig anders aufgefaßt und auf ganz anderen Bahnen einer befriedigenden Lösung entgegengesührt. Das Schicksal der jugenlichöaen, tapferen Acnne May, die unter dem Druck einer schmerzlichen Herzenserfahrung gegen den Willen der Eltern sich -ur Sängerin aus¬ bildet, wirkt doppelt ergreifend durch den Gegensatz, in dem es zu dem schweren Prüfungsgang steht, auf welchem der ung treue Geliebte nach erfolgter Läuterung sich zu der ernst Verlassenen zurückfindet. Der große Erfolg, der sich der Roman „Trotzige Herzen" schon bei seinem Erscheinen in der „Gartenlaube" errungen, wird gewiß auch der nun erschienenen Buchausgabe zu teil werden. Alltagsmenschrn. Novelle von Eva Treu. Preis geh. 3 M., eleg. gebd. 4 M. Bücher, in denen ein so gesunder Humor waltet und die sich so zur gemütlichen Abendlcktüre cm Familientffch eignen, wie der vorliegende Novellenband von Eva Treu, gehören zu den Selrcnheiten. Die Verfasserin entnimmt ihre Stoffe der Alltagswelt und kleinstädtischen Lcbenskrersen; „Alltagsmenschen", jung und alt, stellt sie uns dar; aber ihre liebenswürdige Darstellungswuse ist durchaus oiig nell, und viele ihrer Gestalten, wie das „Fräulein Nunnemann", die alte Lehrerin, die sich in der neuen Welt der strengen Examina nicht zurechtfindet, sind wahre Originale. Daß Eva Treu auch ernste Konflikte mit warmem Anteil und tiefer Scelenkenntnrs zu gestalten versteht, davon ist ru dieser Sammlung die ergreifende Ehestandsgeschichte „Sterben" ein hervor¬ Das zahlreiche Publikum, welches die gemütvolle ragendes Beispiel. Schreibart der Wildermuth liebt, darf in Eva Treu eine Dichterin be¬ grüßen, die der berühmten Verfasserin der „Bilder und Geschichten aus Schwaben" in mehr als einer Beziehung congenial ist.

Je mehr Nutzen kann, um

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Was du ererbt von deinen Vätern hast. Kulturgeschichtliche Er¬ Srcfanie Keyser. Preis geh. 2 M., eleg. gebd. 3 M. Stefanie Keyser zählt zu den geschätz sten Erz rhlerinnen bei all

zählungen von

-

denen, welche gern Gestalten und Begebnisse aus früheren Epochen Ein begeisterter Patriotismus, der deutscher Geschichte erzählen lassen. sich freudig an aller deutscher Sitte und Tüchtigkeit erbaut, ist immer an ihre» Erzählungen beteiligt. Dabei erzähl, sie fließend und leicht; ihre kulturhistorischen Schilderungen dienen nur dazu, den geschilderten Begebenheiten und Personen das echte Zeit- und Lokalkolorit zu ver¬ leihen. Die in dem neuen Band oereinigien Novellen „Deutsche Eichen", „Herr Albrcchl", „Der Prügcljunge", „Die Truhe" weisen sämtlich diese Vorzüge aus. Sie spielen in sehr verschiedenen Phasen der deutschen Geschichte; immer weiß die Verfasserin aber so frisch und unmittelbar zu erzählen, als wäre sie überall selbst mit dabei gewesen.

Die Agenda des Kaufhauses Rudolph Hertzog für 1898 ist soeben erschienen. Das elegant gebundene Buch, oas seit Jahren eine will¬ kommene Gabe für jede Hausfrau ist, darf diesmal auf eine ganz besondere Erwähnung Anspruch machen, da es einen litterarischen

Teil enthält, der sich um einen hübschen und sinnigen Gedanken gliedert. Die Agenda ist „Der Frau gewidmet" Ter jetzige Chef des

Hauses Rudolph Hertzog, der seit 1879 die Agenden des Hauses Hertzog redigiert hatte, wollte das hübsch ausgestattete Werk über das Niveau einer Reklame-Publikation hinausheben und hat für das Buch eine Reihe von Frauengestalten in Wort und Bild schildern lassen, deren Leben (tote die Einleitung der Agenda sagt) „sich übcr die Allläglichkeit erhob, und deren Eigenart etwas Grundlegendes unv Bedeutungsvolles hatte." Es ist eine natürliche und wohlbcrcchtigle Huldigung für die höchstgestellle der deutschen lebenden Frauen, daß ein treffliches Portrait unserer Kaiserin den Deckel der Agenda schmückt; dem Buche selbst verleiht dann eine in Farbendruck ausgeführte wundervolle Reproduktion des Biermann'schcn Gemäldes „Königin Luise, ihren Sohn Wilhem (den späteren Kaiser Wilhelm I.) an der Hand führend" einen herrlichen Schmuck und eine wehmütig würdige Weihe, die gerade im Jahre der Centenarfeier ihren Eindruck auf ein patriotlichcs Herz nicht verfehlen wird. Dann folgen in wohlberechnctcr Gliederung die Frauengestalten, die man für die Zwecke der Agenda ausgewählt. Vom Altertum bis zu unseren Togen ist eine Kette von kurzen Charalterzeichnungen gebildet,

die das vielgestaltige Leben des Weibes umschließt ui.b in ihrem Kreise manches zeigt, was der Erwähnung würdig ist. Dichterinnen und Ralcrinnen, Meisterinnen aus dem Reich der Töne uns hervorragende Vertreterinnen der Wissenschaft, Herrscherinnen von Bedeutung und .denkwürdige Frauen aus den Reihen des Volkes — sie alle sind in kurzen Zügen charakteristisch geschildert; den Schluß der Reihe interessanter Frauengestaltcn bildet ein längerer Aussatz über die Frauenbewegung in der Gegenwart. Es ist klar, daß trotz der hundert und vier Seiten, die dieser litterarische Teil der Agenda einnimmt, bei der Fülle des Materials nanches nur gestreift werden konnte, was genauere Würdigung zu fordern scheint daß alles i dennoch kann man mit vollem Rechte behaupten, Wesentliche richtig getroffen und so ein echtes und richtiges Volksbuch geschaffen ist. einem als „Anhang" bezeichneten zweiten Teil dieser Agenda wird dem Leser in 25 Vollbildern zunächst die Einr chmng und die namentlich in den letzten Jahren grandiose äußere Entwickelung des Weltgeschäftes vorgeführt. Da sehen wir die glänz nden. neugeschaffenen Fronten in der Brcitenstraße und der Brüderstaße, erfreuen uns an oer sachgemäßen und eleganten Gliederung der inneren Geschäftsräume und erhalten anschauliche Abbildungen der Säle, die dem Verwaltungsapparot und dem technischen Beteieb des Hauses gewidmet sind. Besonders anheimelnd wirken beim ersten Blick der Erholungsgarten, das Meldezimmer und Frübstückszimmer in ihrer gediegenen Vornehmheit, alles Neuschaffungen des jetzigen Chefs. Dann folgen allerlei nützliche und angenehme Hilfsmittel für den Fremden, der Berlin besucht: Pläne der Theaicr und der sonstigen großen Vcrgnügungsetablissemenis mit den Preisen der Plätze, ein Verzeichnis der Stiaßen Berlins in alphabetischer Ordnung, Karten der näheren Umgebung Berlins und Potsdams, erläutert von einem aus¬ führlichen und übersichtlichen Führer, Angaben über Ausflüge in die weitere Umgebung der Reichshauptiiadt, eine Liste der Sehenswürdig¬ keiten Berlins, Mitteilungen über Hotels, übcr den Verkehr auf Pferde¬ bahnen, Dampfer- und Omnibuslinien, ein Droschkentarif und last, bot not least, in einem Nachtrag ein wirtschaftlicher Teil mit neuen Kochrezepten und nützlichen Winken für Haus und Küche. Ueber den ganzen Inhalt giebt auf der letzten Seite ein praktisches

In

Znhaltsv.rzeichnis dem Suchenden

Auskunft.

rasche

äußerlich und innerlich gediegen, die „der Frau gewidmete" Agenda des Hauses Rudolph Hertzog als eine ebenso erfreuliche wie nützliche Gabe des Weltgeschäftes, eine Gabe, die unzweifelhaft besonders denen von Wert sein wird, für die sie in erster lieche bestimmt ist: — den deutschen Frauen! Und

so

zeigt

sich,

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Dr. Ernst , Professor Oe. gvedjev, Dr. K. Kvendtcke, Ttzeodor Forrtarre. Siadiiai G. Friedol. Rictzcrvd George, Ferd. Merz er, Dr. Gg. Schmidt, Gymnafialdirektor a. D. De. M. Kcl,»oortr und G. r». Mildei»l>r,r>t, herausgegeben oo»

Friedrich Zillesse«. XXIII.

Der „öür" erscheim ivocyenrliL am Sonnabend und ist durch >ede poftannalk tNo 809), Buchka islnnq und Seitungsspedition für 2Mk.50pf. vierietjährl. zu beziehen. Auch die Geschäftsstelle — Berlin N. 58, Schönt). Allee 141— nimmt Bestellungen entgegen. Inseraten-Aufträge stnd an die letztere zu richten. Die viergesp. Petitzeile kostet 40 Pf.

Jahrgang.

Al 52.

Unter 8rm Äreptrv Von

8es

25. Pkjrmder I8V7.

Salöaienfiönigs.

Moritz Kilte. (Schluß.)

„In

II. ie Jagdgesellschaft brach am andern Morgen zeitig auf; nur die Königin, Prinzessin Wilhelmine, die beiden Hof¬

damen, ein Offizier und Gundling blieben zurück. Letzterer fand an derartigen Vergnügungen nicht den geringsten Geschmack, er zog es vor. beim gefüllten Humpen zu fitzen. Der Herbst schien sich noch von seiner schönsten Seite zeigen zu wollen, denn wieder breitete sich heller, warmer Sonnenschein über die Landschaft aus. Auf dem grünen Rasenweg. der längs des Dorfbaches hinlief, schritten zwei Frauengestalten langsam

der That, Du scheinst mehr Anlage zu zuwerfend. einer Dorfpastorin als zu einer Edeldame zu haben." Elisabeth fühlte, wie sich eine brennende Glut über ihr Antlitz ergoß, aber fie schwieg, da fie nichts zu erwidern wußte. „Habe ich das Rechte getroffen?" spottete jene weiter, da

das Schweigen des Mädchens für Zustimmung hielt. „Was gilts, der lange Kandidat von gestern hat es Dir

fie

angethan!"

„Ich

kann

versetzte Elisabeth

einher, um den herrlichen Tag und die anmutige ländliche Natur, die fie rings umgab, zu genießen. Es waren die beiden Hofdamen, die ältere die Gräfin Anna Reichenstein, die jüngere das Fräulein von Sohr. Anna erging sich in

dem Aufenthalte

satirischen Bemerkungen über das Aussehen und die Kleidung der ihnen begegnenden Dorfschönen; Elisabeth dagegen war

ins Gesicht.

gedankenvoll

und

in

spöttischen Glossen der

„Du

sich

gekehrt,

wenigstens

schien

fie die

Gräfin ganz zu überhören.

scheinst Dich heute in einer sehr elegischen Stimmung

zu befinden," neckte die Aeltere ihre Gefähriin.

beneide diese einfachen, anspruchslosen Dorfbewohner um ihre Landlufi und den natürlichen, ungezwungenen Verkehr, der fie aneinanderknüpft, als seien fie Glieder einer einzigen

„Ich

Familie," entgegnete Elisabeth mit Wärme. „Ah. Dir scheint die Hofluft nicht mehr zu behagen." fiel die Gräfin rasch ein, ihrer Begleiterin einen raschen Blick großen

nicht

leugnen,

daß

er

mir nicht mißfällt,"

mit einer gewissen Entschiedenheit im Ton.

„und ebensowenig möchte ich bestreiten, daß ich das Landleben in der Residenz vorziehen würde." Die Gräfin Reichenstein blieb erstaunt stehen, faßte ihre Begleiterin am Arme und schaute ihr mit strenger Miene

schon

„Was höre ich?" rief fie in strafendem Tone. „Ist es so weit mit Dir gekommen? Du, ein Sprößling des

alten Geschlechts derer von Sohr, könntest Dich soweit erniedrigen, einem bürgerlichen Landpfarrer die Hand zu reichen? Deine Ahnen würden sich im Grabe umdrehen, wenn Du ihren makellosen Namen durch eine solche Verbindung beschimpfen wolltest, wenn Du Dein adeliges Blut, Dein Jahrhunderte altes Wappen so ganz verleugnen könntest." Elisabeth lachte hell auf. „Du sprichst von Dingen, die wohl schwerlich eintreten werden, wie von vollendeten That¬ sachen," entgegnete sie; „weder ich. sicherlich aber noch viel

614 weniger der junge Student denken an eine Heirat, und die kleinen Aufmerksamkeiten, die er uns gestern erwiesen, wird er eintretenden Falles sicherlich jedem anderen Menschen gegenüber wiederholen. Im übrigen weißt Du, Anna, daß ich auf dem Standpunkt des Königs stehe, der zwischen adelig und bürgerlich keinen Unterschied macht." Die Grästn wollte etwas erwidern, aber das junge Mädchen legte ihre Hand auf deren Arm, sie zum Lauschen auffordernd. Aus geringer Entfernung klangen die Töne eines Spinells, welche den Gesang eines geistlichen Liedes begleiteten, zu den Damen herüber. Erst jetzt bemerkten die Frauen, daß sie den Kirchhof betreten halten. In der Mitte des Gottesackers erhob sich die kleine, hellgetünchte Kirche mit

ihrem schlanken Turm. rechts aber führte eine Pforte in der Kirchhofsmauer einige Stufen hinab auf einen kleinen Rasen¬ platz. an welchem ein bescheidenes, mit Schindeln gedecktes Gebäude stand; es war das Pfarrhaus, und aus ihm kamen die Töne, welche die Aufmerksamkeit der beiden Hofdamen erregt hatten. Um der Musik zu lauschen, schritten sie durch das Pförtchen und standen vor dem Pfarrhause still, doch so, daß, sie nicht gesehen werden konnten. Mit einer hellen Tenorstimme sang drinnen im Zimmer der junge Kandidat das Paul Gerhardlschc Lied: „Befiehl Du Deine Wrge", und die Be¬ gleitung auf dem Spinell verriet die geübte Hand. Unwillkürlich faltete Elisabeth die Hände, und andachtsvoll folgte sie der erhebenden Melodie.

„Schau her, Elisabeth", lachte Anna. „so wird Dein künftiger Mann in achtzig Jahren aussehen; ist der nicht zum Verlieben?"

Sie deutete dabei auf einen Greis, der in dem kleinen Gärtchen am Pfarrhause saß und in einem Buche las. Lange, schneeweiße Locken quollen unter dem schwarzen Sammetkäppchen hervor und verliehen der ganzen Erscheinung etwas Ehrwür¬ halblangen Tabakspfeife blies er leichte hin. während er das Haupt mit den freundlichen, gutmütig blickenden Augen zuweilen horchend Der Mann war das Urbild eines nach dem Sänger wandte. echten, rechten Landpfarrers, der Typus der Liebe und des diges. Aus einer Rauchwolken vor

sich

Friedens.

Das junge Mädchen wandte sich in edler Entrüstung von ihrer Begleiterin ab, aber noch ehe sie ihren Weg fortsetzen konnte, hatte der Geistliche sie bemerkt und kam auf sie zu.

„Die Damen

erweisen meinem Sohne die Ehre, seinem

Gesänge zu lauschen", sagte er. indem er sein Käppchen von dem schimmernden Silberhaar zog. „Wenn er Euch beliebte,

in meine bescheidene Wohnung einzutreten, würdet

Ihr

das

anhören können." Lied „Ich danke, ich habe an dem Gehörten genug", sagte dte Gräfin kalt, indem fie fich zum Gehen wandte. Aber Elisabeth besser

eilte auf den alten Pfarrer zu und erfaßte seine Hand. „Es war mir ein besonderer Genuß, das schöne Lied herrlicher Stimme fingen zu hören", sprach fie hastig. „Sagt das Eurem Sohn. und bringt ihm auch einen Gruß von den Verunglückten, denen er gestern so zuvorkommend

mit

so

Hilfe leistete!"

„Da

ist er selbst, gnädigste

Mamsell",

versetzte

lächelnd

der würdige Seelenhirt; „gewiß hört Hans dieses Lob aus Eurem Munde lieber, als aus dem meinigen."

In

der

That war der angehende Adjunkt aus dem Hause

und verlegen stehen geblieben, während Elisabeths anmutige Züge abermals wie mit zartem Karmin übergössen erschienen. Zum Glück für fie nahm die Gräfin das Wort. „Er hat gar keine üble Stimme", rief fie dem jungen Mann zu, „sollte fich aber mit besieren Sachen als mit Kirchenliedern befassen; an der Berliner Oper werden gute getreten

Stimmen gesucht und anständig honoriert." „Mein Beruf ist der geistliche", versetzte der junge Mann mit Würde; „zum Komödianten tauge ich nicht." Ein Blick des Einverständnisies aus Elisabeths finnigem Auge traf ihn; dann winkte fie ihm und dem alten Pastor mit der Hand einen Abschiedsgruß zu und schritt an der Seite Annas den nach dem Schlöffe führenden Weg entlang. Unterdeffen hatte Gundling mit dem ebenfalls zurückgebltebeuen Offizier, einem Hauptmann des Potsdamer Riesen¬ regiments. in der Dorfschänke dem Bier tüchtig zugesprochen und verließ dieselbe, nicht mehr ganz Herr seiner Füße, erst Der gegen Abend, wie es schien, in rosigster Stimmung. Haupimann hatte ihn wie einen Knaben am Arme gefaßt und hinderte ihn auf diese Weise am Hinfallen. Mit schrecklicher Stimme sang Gundling ein alles Trinklied, so daß die friedltchen Dorfbewohner verwundert vor die Thüren eilten und dem Betrunkenen kopfschüttelnd mit den Augen folgten. „Ra, Bruderherz, es bleibt dabei!" sagte der Freiherr mit schwerer Zunge, als ihn sein Begleiter bis glücklich an die Thür seiner Wohnung gebracht hatte, „sobald der König und die übrigen fort find. ans Werk!" „Haltet nur reinen Mund und schwatzt nicht vor der Zeit, sonst könnt Ihr noch alles verderben!" mahnte der Haupt¬ mann, indem er das Zimmer ausschloß und Gundling ziemlich

unsanft hineinschob.

„Dieser freche Predigergeselle soll an mich denken, so wahr ich der berühmte Freiherr von Gundling bin!" hörte der lange Offizier ihn noch knurren, dann warf er geräuschvoll Als der „berühmte" Gundling am andern die Thür zu. Tage um die Mittagsstunde erwachte, lag er vollständig angekleidet mit Stiefel unv Sporen im Bette, und es kostete ihm Mühe, fich zu besinnen, wie das so gekommen war. Drei Tage hatte die Jagd gedauert, und reiche Beule war auf der Strecke niedergelegt worden. Am vierten Morgen verließ Friedrich Wilhelm mit seinem Gefolge das gastfreund¬ liche Haus des Herrn von Drasdow, um nach seiner Residenz zurückzukehren. Das Wetter war umgeschlagen, dichter Nebel, wie er um diese Jahreszeit nicht selten ist, bedeckte die Landfchaft und löste fich allmählich in einen feinen, durchdringenden Regen, untermischt mit Schneeflocken, auf. Der Freiherr hatte fich dem Gefolge des Königs nicht angeschlossen, sondern war unter dem Vorwände eines leichten Unwohlseins in Uhsendorf zurückgeblieben. Das unfreundliche Wetter, vielleicht auch die Folgen des vorhergehenden durch¬ zechten Abends hielten ihn tu dem Zimmer, welches ihm im Schlosse des Gutsherrn angewiesen war. fest; als aber der Abend fich herabgesenkt hatte, warf er einen Mantel über und

hinaus in die Nacht, dem Dorfwirtshause zu. Der Wirt führte ihn in ein der Gaststube gegenüber liegendes Gemach, wo bei der dampfenden Oellampe und beim Kruge Bier der Hauptmann von den Potsdamer Grenadieren saß. „Da seid Ihr ja glücklich wieder!" rief Gundling, den schritt

615

••

Offizier begrüßend, „hätte nicht geglaubt, daß Euch der König loslassen würde."

„Wie

Ihr

seht.

habe

ich

es möglich gemacht,

Seine Majestät sehr ungehalten zu sein schienen," jener, den Rest seines Kruges leerend.

obgleich

Wirtshaus. Draußen herrschte tiefdunkle Nacht, der Sturm war heftiger geworden und peitschte den Männern Schnee und Regen ins Gesicht. Kein Mensch war mehr auf der Dorfstraße zu erblicken, nur die Hunde bellten von Gehöft zu Gehöft. Zum Glück hatte der Hauptmann eine kleine Blech¬ laterne angezündet, sonst würden sie sich schwerlich zurecht¬ gefunden haben. Zwischen Hecken wanderten sie geräuschlos dahin, der aufgeweichte Boden machte ihre Schritte fast unhör¬ bar; dann ging es längs der Kirchhofsmauer wieder bis zu wo der Trupp halt machte. Gundling kleines, altes Gebäude und deutete dem Offizier zeigte auf ein durch Zeichen an, daß sie am Ziele seien.

einem freien Platz,

Letzterer

trat zur Hausthüre und begann mit heftig zu klopfen.

dem

Griff

Nach einer kleinen Weile

durch die Riffe der geschlossenen Fensterläden, daß drinnen im Zimmer Licht angezündet wurde; die Hausthüre wurde geöffnet, und ein junger Mann mit einer Lampe

bemerkte

man

in der Hand, die er hoch emporhob, um das Gesicht des Störenfriedes erkennen zu können, ward sichtbar.

„Er ist der Student Hans Ruhsam?"

fragte der Hauplmann.

„Gegenwärtig nicht mehr Studio, sondern Adjunctus

designatus für hiesiges Pfarramt,"

erwiderte

verwundert

der Gefragte.

erklärte jener,

„Schon gut, Er ist der rechte," Soldat und hat mir zu folgen."

„Er

ist

Ehe Hans es noch verhindern konnte, war der Offizier in die Hausflur getreten, hatte ihm die Lampe abgenommen diesem und schob den jungen Mann dem Ausgange zu. Augenblick traten auch die Mannschaften aus dem Dunkel der

In

Nacht hervor, nahmen den angehenden Rekruten in ihre

Milte

und drängten ihn zum Hause hinaus.

Da ertönte hinter ihnen das Jammern und Flehen seinen Sohn

des

wenigstens

alten Pastors, der inständigst bat, Aber die Soldaten diese Nacht noch tm Hause zu lassen. warfen die Thür dröhnend ins Schloß, mährend der Offizier dem Geistlichen

zurief:

„Gehe er nur ruhig ins Bett! Er ändert an der Sache nichts; der König braucht Soldaten!" „Was meint Er ungewaschener Gelbschnabel jetzt zur Lehmpfütze?" ließ sich plötzlich Gundlings höhnende Stimme „Der Korporalstock wird Ihm nunmehr schon vernehmen. Lebensart beibringen!"

Hans war seiner Sinne kaum mächtig, denn es galt bei damaligen harten militärischen Zucht für das größte Fast willenlos ließ er Unglück. Soldat werden zu müssen. der Hauptmann sich nach dem Wirtshaus führen, wo ihm der

einige Thaler Werbegeld aufzwang und ihn in eine alte Uniform stecken ließ. Noch in der Nacht verließen die Soldaten mit dem Neugeworbenen dessen heimatliches Dorf. —

erwiderte

Nicht lange dauerte es, als sich die Tyür wieder öffnete und ein Unteroffizier mit vier Soldaten ins Zimmer trat. Der Hanptmann nahm die Meldung entgegen, ließ jedem einen Krug Bier und ein Butterbrot reichen und erteilte dann Bald verließen alle das dem Chargierten seine Instruktion.

seines Degens

-

III. Ueber ein Jahr war dahingeschwunden; Hans hatte sich in fein unabwendbares Schicksal ergeben und trug es wie eine Nur die Sorge um ihm vom Himmel gesandte Prüfung. seinen alten Vater verbitterte ihm sein Loos, denn seil er in der Uniform steckte, hatte er von diesem und den übrigen Bei der Angehörigen nicht das geringste wieder gehört. eisernen Disziplin, die damals herrschte, und bei der Strenge, mit der die Leute, von denen e:n Fluchtversuch erwartet werden

durfte, in ihren Kasernements zurückgehalten und überwacht wurden, war dem jungen Kandidaten noch nicht gelungen, seinen Eltern Nachricht über sein Schicksal zukommen zu lassen, und auch mehrere Bitt- und Beschwerdeschriften des Pastors an den König, worin dieser über die seinem Sohne angethane Gewalt sich beklagte, gelangten nicht an ihre Adresse; der

Freiherr von Gundling

besaß

Einfluß genug, um

seine Rache

zu einer vollständigen zu machen, zumal Friedrich Wilhelm in militärischen Dingen die äußerste Strenge walten ließ und nur in ganz außerordentlichen Fällen einen einmal Eingekleideten

wieder freigab. Eines Tages stand Hans vor den Gemächern der Prinzessin Wtlhelmine im königlichen Schlosse zu Berlin auf Posten, als die Hofdame dieser Lieblingstochter des Königs, Elisabeth von Sohr, an ihm vorüberschntt, um sich zu ihrer Herrin zu begeben. Als sie des baumlangen Grenadiers ansichtig wurde,

blieb zögernd stehen. habt Aehnlichkeit mit einem jungen Mann, der mir einst eine große Gefälligkeit erwies." sagte sie. „Wie ist Euer Name?" Hans nannte denselben. stutzte sie und

„Ihr

„Ich

habe mich also nicht getäuscht,

Ihr

seid der ehemalige

Student, der uns bei jenem Unfall in Pommern so bereit¬ willig Hilfe leistete," fuhr das Mädchen fort, indem sie bemüht war, ihre Verlegenheit zu verbergen. „Aber wie kommt es, daß Ihr anstatt des Priesterrockes die Uniform tragt? Habt

Ihr

Euch anwerben lassen?"

Der junge Mann erzählte nun in seiner offenen, treu¬ herzigen Weise, wie alles gekommen war, setzte nichts hinzu, verschwieg aber auch nichts und hob besonders hervor, daß er sein Unglück nur der Rache Gundlings zu verdanken habe.

„Schändlich!" flüsterte Elisabeth, nachdem jener geendet; dann fügte sie laut hinzu: „Laßt den Mut nicht finken! Viel¬ leicht wird noch alles gut." Dabei schaute

sie den

Jüngling mit einem

so

bezaubernden

ihm ganz warm ums Herz ward, und verschwand dann hinter einer der hohen Flügelthüren, die zu Es war heute der den fürstlichen Wohuräumen führten. Geburtstag der Prinzessin Wilhelmine. die ihr einundzwanzigstes Lebensjahr vollendete. Wie der ganze Haushalr Friedrich Wilhelms einen einfach bürgerlichen Charakter trug, so auch die Feier der Familienfeste. Die Geschwister der Prinzessin kamen nach einander an und überbrachten dem Geburtslags¬ Lächeln

an,

daß

es

ihre Geschenke, dann erschien die Königin und endlich, als alle beisammen waren, der König selbst. Ein so strenges, fast barbarisches Regiment auch Friedrich kinde

persönlich

616

Wilhelm in seiner Familie

führen pflegte, -ei solchen

zu

festlichen Gelegenheiten war er stets der liebende Hausvater, dem

es

das

höchste

Vergnügen machte, andern eine Freude

bereiten. Darauf hatte Elisabeth von Sohr ihren Plan gebaut; sie wußte die Prinzessin für das Schicksal des Grenadiers

zu zu

interessieren

und

zu bestimmen, bei ihrem Vater ein

sie

für ihn einzulegen. „Der König versagt mir an

gutes Wort

einem solchen Tage keinen

erfüllbaren Wunsch," versicherte Wilhelmine; „vielleicht läßt Du rühmst sich auch für den armen Kandidaten etwas thun. Veranlasie ihn, einen Vers zu singen, seine Stimme? wenn mein Vater hier ist, damit er dessen Aufmerksamkeit erregt!"

die in ihm auf so grausame Weise ihre einzige Stütze verloren hätten. Der König hörte sie aufmerksam an, und als die Prinzessin schließlich bat, ihn seinen bekümmerten Angehörigen zurück¬ zugeben, meinte er: „Dem Manne scheint Unrecht gethan worden zu sein;

werde die Sache untersuchen." Dem Sänger, der draußen unter Gewehr stand, war es inzwischen bange geworden; er hatte vermutet, daß der König

sofort eine Entscheidung treffen werde, aber statt dessen blieb alles ruhig. Die Ablösung kam; der Tag verging, auch der folgende; nicht das geringste Zeichen einer königlichen Ent¬ schließung war zu bemerken; Hans wollte schon alle Hoffnung

Die Hofdame eilte hinaus und flüsterte dem Grenadier einige Worte zu, und bald nachdem der König die Zimmer seiner Tochter betreten hatte, erscholl draußen auf dem Korridor der erste Vers des Liedes: „Befiehl du deine Wege" mit so schöner, klarer Stimme, daß die Unterhaltung im Zimmer

finken lassen.

verstummte und alle den weichen Tönen lauschten.

Oberst zu sich heran. „Lasse Er mal den Gemeinen Ruhsam vortreten!" befahl er. Der Gerufene marschierte vorschriftsmäßig aus Reih und

„Wer bringt Dir denn da am hellen Tage eine Serenade?" fragte der König, von dem Gesang angenehm überrascht. „Das ist die Schildwache draußen" erwiderte die Prinzessin, „aber das Ständchen gilt weniger mir als meiner kleinen Sohr da." Elisabeth errötete bis über die Ohren, während die Stirn des Königs sich in drohende Falten legte.

„Die Schildwache untersteht Schlosse

zu fingen?"

sich,

im Dienste und hier im

sagte er, indem er sich erhob, um den

Frevler zu züchtigen. Allein Wilhelmine hing sich an seinen Hals und wußte ihn so rasch zu besänftigen, daß er wieder Platz nahm. zumal auch der Gesang verstummt war.

„Wie kommt Sie

denn

zu

dem

da draußen inzwischen

gemeinen Soldaten?"

Friedrich Wilhelm an die Hofdame. „Ist es ein Verwandter von Ihr, oder ist Sie etwa gar in den Kerl verliebt? Sie müßte doch einen Offizier kriegen können!" wandte

sich

Die Prinzessin übernahm die Beantwortung dieser Fragen. Sie schilderte in warmen Worten die ritterliche Art, wie der junge Mann den verunglückten Frauen Hilfe gespendet habe, und wie mutvoll er den Anmaßungen Gundlings entgegen¬ getreten sei, der nun seine Rache an ihm kühle.

„Die Handlungsweise hat

dem jungen Gelehrten einen

gar kostbaren Lohn eingetragen," fuhr die Prinzessin mit einem schalkhaften Seitenblick auf die verwirrt zur Erde blickende Hofdame fort,

„meine Sohr hat

„Hoheit —

schonen

ihm

ihr Herz geschenkt!"

Sie meiner!" hauchte Elisabeth in

höchster Verlegenheit.

„Nein, nein. erzähle nur alles. Wilhelmine!" fiel ihr die Königin rasch ins Wort. „Du hast mich von dem Verhältnis der Mamsell von Sohr unterrichtet, nun soll es auch mein Gemahl, Dein Vater, wisien. Eines solchen Geliebten braucht Sie sich nicht zu schämen," fügte sie, zu der Hofdame gewendet, wie tröstend hinzu. Und weiter erzählte die Prinzessin von dem frommen Sinn des Kandidaten, der sein trauriges Schicksal mit Ruhe und Ergebenheit trage, von der stillen, aber unter den gegen¬ wärtigen Verhältnissen hoffnungslosen Herzensneigung der Liebenden und dann von dem Jammer der hochbetagten Eltern,

Da —



es

war am dritten Tage

nach jenem Vorgänge

rückte das Regiment des Kandidaten zur Parade aus, zu

welcher Friedrich Wilhelm erschien.

Als

stets

mit einer stattlichen Suite

die Exerzitien vorüber waren,

winkte

er

den

Glied vor die Front. „Näher treten!" herrschte der König. Hans folgte, indem er bis dicht an den Monarchen heranschritt.

Mosje, welcher am Geburtstage meiner Tochter vor deren Gemächern, als Er dort die Wache hatte, ein Lied sang?" fragte der König streng. „Gnade. Euer Majestät —" stammelte der Soldat, dem es jetzt zweifellos schien, daß ein Strafgericht über ihn herein¬

„Ist Er

der

brechen werde.

„Schwatze Er nicht dummes Zeug," brauste Friedrich Wilhelm auf. „sondern beantworte Er mir meine Frage!" „Es ist so, wie Eure Majestät sagen", bestätigte der

Kandidat zitternd. „Weiß Er. was Er für fuhr der Monarch fort.

„Ich

diese

Ungehörigkeit verdient hat?"

habe gefehlt und bitte um Gnade

—"

„Muckse er nicht!" unterbrach ihn der Fürst. „Passe Er lieber auf. was ich Ihm sage! — Er ist Geistlicher?" „Kandidat des Predigtamtes, Eure Majestät!" versetzte der Grenadier. „Zwei Gemeine

dort bringen, zwei Unteroffiziere dem Manne da die Montur ausziehen!" befahl der König dem Regimentskommandeur. Sofort schleppten zwei Soldaten einen großen, viereckigen Kasten herbei und setzten ihn vor dem Könige nieder, während zwei Korporale dem Kandidaten Waffen und Umform ab¬ nahmen. Hans war mehr tot als lebendig, er wußte jetzt, daß er Spießruten laufen sollte. Als man ihn der Oberkleider entledigt hatte, sagte der König zu dem Deliquenten: sollen

den Kasten

„Oeffne Er den Kasten!"

Zitternd gehorchte der junge Geistliche; aber wie erstaunte er, als er ein schwarzes Sammubarett und einen Priesterrock gewahrte.

„Werfe Er den Rock über, und setze Er die Kappe auf!" befahl Friedrich Wilhelm. „Er soll mir eine Predigt halten, damit ich sehe, ob Er was gelernt hat! Wenn Ec gut besteht, behält Er den Rock an. sonst fährt er wieder in die Uniform.

>.

Stürzt den Kasten um!" rief er den Soldaten zu. kann ihn als Kanzel benutzen. Aber mache Er es nicht zu

617

„Er

lang!"*)

Dem Kandidaten flimmerte es vor den Augen; diese Wendung kam ihm so unerwartet, daß er kaum daran zu glauben wagte. Aber er fühlte, daß von diesem Augenblick sein Lebensglück abhing, er dachte an seinen alten Vater, an seine bekümmerte Mutter und Schwester, denen er, wenn ihn seine Geistesgegenwart nicht verließ, in dieser Stunde wieder¬ gegeben werden sollte. Und noch ein anderes liebliches Bild trat ihm vor die Seele: das Mädchen, das es gewagt hatte, an höchster Stelle für ihn zu bitten. Da kam eine wunder¬ bare Kraft über ihn; er stieg hinauf auf die improvisierte Kanzel und begann mit dem Bibelworte: „Denen, die Gott

..

einer Stunde komme Er aufs Schloß,

ich

werde

Ihm

eine

passende Stelle geben."

Hans vermochte nicht zu danken, das unverhoffte Glück machte ihn sprachlos. Der König ließ ihm auch gar keine Zeit dazu, sondern befahl, daß das Regiment noch einmal vorbei defiliere, dann ritt er mit seinem Gefolge davon. Pünktlich fand sich der junge Theolog im Schlosse ein und wurde sofort vorgelassen. Als er in das Zimmer trat, fand er den König, deffen Gemahlin, Prinzeß Wilhelmine und deren Hofdame Elisabeth von Sohr anwesend. „Ich habe eine hübsche Pfründe für Ihn, aber Er wird da auch eine Hausfrau brauchen; was meint Er zu der Mamsell da?" begann der König, auf Elisabeth deutend.

Weihnachtsfeier der Lefugies beim Großen Kurfürsten. Originalzeichnung von P. F. Messcrschmirt.

lieben, müsien alle Dinge zum Besten dienen." Von Be¬ geisterung getragen, führte er dieses Thema ans und verflocht in dasselbe die frommen Worte seines Lieblingsliedes: „Be¬ fiehl Du Deine Wege." Je mehr er sprach, um so mehr kamen ihm die Gedanken, flosien ihm die Lippen über von wunder¬ barer, zum Herzen sprechender Beredsamkeit. Und als endlich das „Amen" ertönte und er herabstieg von dem Holzkasten, da sah er, wie der König sich eine Thräne der Rührung aus dem Auge wischte. „Er hat seine Sache gut gemacht, behalte Er nur die schwarze Tracht auf dem Leibe, und lasse

sein!"

sagte Friedrich

*) Der

Wilhelm

Er Montur Montur

nach einer kurzen Pause.

„In

ganze Vorgang beruht auf streng geschichtlichen Thatsachen.

Hans stand verwirrt da wie ein Schulknabe; auf diese neue Ueberraschung war er nicht vorbereitet. „Nun, fasse Er sich nur ein Herz!" fuhr der Monarch lächelnd fort. „Ich weiß bestimmt, Er kriegt keinen Korb!" Der Kandidat schritt zögernd auf das Mädchen zu, die Prinzessin aber faßte ihre Hofdame an der Hand, führte sie dem jungen Manne entgegen, und im nächsten Augenblicke lagen sich beide in stummem Entzücken in den Armen. „So ist's recht! Wenn man sich gegenseitig gut ist, braucht man nicht viel zu reden", sagte Friedrich Wilhelm. „Aber als Dorfgeistlicher kann Ihn das Mädel nicht heiraten, das würden ihre adeligen Verwandten nicht zugeben; nehme Er daher das hier als mein Hochzeitsgeschenk!" Er nahm von einem kleinen Seitentischchen ein Blatt

618

Papier, auf welchem

sich

ein großes Siegel befand; es war

das Bestallungsdekret zum königlichen Hofprediger.

Hans war einer Ohnmacht nahe; er sank dem Könige zu Füßen, und Thränen der Freude rannen ihm über die Wangen. „Bedanke Er

sich

bei meiner Tochter,

in der hat Er eine „und", setzte er

gute Fürsprecherin gehabt", meinte der Fürst,

Chant de noel,

er klingt durch die stille Kapelle: Gott sei gelobt! Auch uns ist der Heiland erstanden. „Flüchtlingen" auch erstrahlet des Christbaums Helle. Denn wir fanden die Heimat in fremden Landen Durch des „Wortes" lauteren Quell. Soit benite, premiere fete de noel!

Pause hinzu, „bei meinem alten Narren Gundling, der Ihm die ganze Suppe eingebrockt hat!" Da trat die Königin Sophie Dorothea zu dem jungen

Hermann d'Artis de Bequignolles.

nach einer kleinen

Paare heran, und, der Hofdame die Hand reichend, sagte sie:

„Ich

werde

Ihr

nie vergessen, mit welcher Aufopferung

Sie vergangenes Jahr bei der schweren Krankheit meiner Tochter dieselbe gepflegt und gewartet hat; nehme Sie daher das Andenken, welches Sie unten im Schloßhofe finden wird, ich denke, Sie wird es in Ihrer neuen Stellung brauchen können."

Die Danksagungen des überglücklichen Paares schnitt der König dadurch ab, daß er das Zeichen der Entlassung gab. Als die Verlobten unten ankamen, fuhr eine elegante, mit zwei stattlichen Braunen bespannte Kutsche vor, auf deren Schlägen das Wappen der Familie von Sohr prangte — das Hochzeitsgeschenk der Königin.

Als wenige Tage später der neue Hofprediger mlt seiner Braut in Uhsendorf einzog, nahm das ganze Kirchspiel freu¬ digen Anteil an dem Glücke des Pfarrhauses, und als bald darauf der alte Pastor Ruhsam am Altare den Herzensbund des jungen Paares segnete, da vermochte das bescheidene Dorfkirchlein die Menge der Terlnehmenden nicht zu fassen. Freilich mußte sich der greise Pfarrherr nach einem anderen Adjunkten umsehen, aber er wußte dafür seinen Sohn in einer hohen geistlichen Stellung, in welcher ihm eine lange Reihe von Jahren segensreich wirken zu können beschieden war.

Lied -er Rrfugies» (Zu

dem

Bilde auf Seite 617). (Nachdruck verboten.)'

1685.

Treu dem Glauben, Calvins gereinigter Lehre, Ließen wir Hab und Gut, der Heimat sonnige Auen. Nichts besaßen wir mehr als im blutenden Herzen die Ehre Und auf den rettenden Gott ein felsenfestes Vertrauen. Heimatlos irrte der Refugie; Le grand Dieu nous a sauve! Fern von Ludwigs Galeeren und Dragonaden, Unerreichbar fortan dem römischen Priestergrolle, Fanden ein Vaterland wir auf nordisch entlegenen Pfaden, Siedelten fröhlich uns an auf märkischer Scholle. Friedrich Wilhelm war's, der uns Schutz verlieh;

Le grand Dieu soit benit! Sehr, er selbst tritt heut in unsere Mitte, Uns sein väterlich Herz aufs neue zu künden, Und zum Christfest nach alter germanischer Sitte Uns den ersten Weihnachtsbaum anzuzünden. Beuget dankbar vor Friedrich Wilhelm das Knie! C’est le jour de Jesus Christ.

Lm-er-amsi-ie im Berliner

Schlosse ant WWMMXG

Am Neujahrstage des Jahres 1589 führten die kleinen Prinzen und Prinzessinnen des Hohenzollernhauses nebst ihren Gespielen im Schlöffe zu Köln an der Spree (Berlin) vor dem Kurfürsten Johann Georg und dem ganzen Hofe ein Stück auf. das den Titel führte: „Eine kurze Komödie von der Geburt des Herrn Christi". Verfaffer ist Georg Pondo, von dem wir auch noch andere „Komödien" haben, die in den Jahren 1579, 1580 und 1584 tm Kölnischen (Berliner) Rathause über die Bretter gingen. Jene „Komödie" bestand aus zwei Akten. Zuerst begrüßt der kleine Wilhelm von Lewen als Prologus die Anwesenden und fingt ein. Loblied auf das Jesuskind. Dann treten vier Kinder auf. Es sind Dietrich von Dahlen, Christoph von Horn, Heinrich von Lewen und Bernhard von Nötsch, alle noch in jugendlichem Alter. Ihre Unterhaltung, die sich um ihre Furcht vor Wölfen (!) und um die Kälte (!) dreht, deren Zunehmen gewiß der merk¬ würdig helle Himmel vorhersage, unterbricht Bernhard von Nötsch mit den lauten Worten:

Hört

aus

mit euerm Disputiren!

Mich thut so mächtig sehre frieren. Mir zittern alle meine Glieder, Vor Frost muß ich mich legen nieder. Ich rath' euch. folget meiner Lehre!

Da wird die Stille unterbrochen durch „Ihr Christenleut', habt jetzund Freud'." Die Hirten springen wieder, auf, der Engel Gabriel — darSie thun das.

den Gesang des Liedes:

gestellt durch die siebenjährige Prinzessin Magdalene — ver¬ kündet ihnen die „frohe Mähr", zwei andere Engel (die

fünfjährige Prinzessin Agnes und Maria von Werlhern) fingen zuerst „Vom Himmel hoch, da komm' ich her", darauf Erstaunt wendet sich „Tretet her, ihr lieben Engelein". Dietrich von Dahlen zu seinen Milhtrten:

Ihr

Gesellen, habt ihr nun gehört. Was Gott uns diese Stund' bescheert? Was muß das für ein Wunder sein! Der alle Ding' erhält allein. Ist nun worden ein Ktndelein Und soll liegen in einem Krippelein In sothaner Kühle auf den Windelein.

Im

dunklen Stalle bei den Eselein. Auf hartem Stroh bei den Rinderlein. Lieber Gott, was werden wir seh'n!

Laßt uns doch ohne Zögern geh'»!

Hin- und Herreden treten die Hinen ab, der Es folgt die zweite Scene des ersten Aktes.

Nach etlichem

Vorhang fällt.

619

Er stellt die Geburtsstätte Jesu vor. Das Christkind (der Markgraf Friedrich) liegt in der Krippe, die Jungfrau Maria (Elisabeth von Mansfeld) und Joseph (Kaspar von Burkersrodt) stehen dabei. Da führt der Engel Gabriel die Hirten herein und zeigt ihnen Gotles Sohn. Die Hirten entfernen sich wieder, um die frohe Bot¬ schaft weiter zu verbreiten; die Engel bleiben, um der Mutter bei der Pflege ihres Kindes zu helfen, endlich fallen zwölf Engel mit Musik ein. der Vorhang fällt. Vor Beginn des zweiten Aktes spricht der Prologus, um

Wenn Gott uns höh'res Alter giebt Und mehr Verstand, wie uns geliebt, Dann wollen wir uns löblich üben In fürstlich-ritterlichen Spielen.

einjährige

die heiligen drei Könige anzukündigen:

Drei Herren aus königlichem Stamm Aus Morgenland jetzt kommen an Durch einen Stern, sie bringen mit Arabisch Gold, Weihrauch und

Myrrh'.

Myrrh'

ist das Kreuz, Gold ist die Ehr', Weihrauch das Priesterlhum und Lehr'.

Von Musik begleitet, kommen die drei Könige — der achtjährige Markgraf Christian, der sechsjährige Markgraf Joachim Ernst und Hans Georg, Graf von Hohenzollern. Vor ihnen her blasen vier Trompeter, und Ernst von Zabeltitz, Adam von Zwolinsky und Hans von Pletzow tragen die Himmels¬ kugeln. Zwei jüdische Hohenpriester (Wolf Dietrich Dreßler und Conrad Kemmelber) kommen ihnen entgegen und können die Frage der Könige nach dem neuen Könige nicht beant¬

worten. ja, der eine bricht in die Worte aus:

Ihr

hochgebor'uen Herren gut,

Nach euch uns nicht verlangen thut!

Was bringt ihr da für neue Mähr'? Führ' der Kuckuk den König her! Einen neuen Lärm ihr richtet an. Wie die Juden oft gethan! sie den Heiland suchen Engel (Heinrich von Holste) mit dem glänzenden Stern und tritt damit vor die Thür des niedrigen Stalles, aus der Joseph hervoi kommt und die frohe Botschaft noch einmal wiederholt. Maria, den kleinen Jesus auf dem Arm. folgt; die Könige überreichen ihre Geschenke,

Die drei Könige wissen nicht, wo

sollen,

da

erscheint

ein

und Maria drückt den Dank dafür aus: Ach. eurethalben bin ich froh, Daß eure Lieb' sich zeiget so

Mit

großer Ehr' und Reverenz: ohn' Zweifel, Gott gedenkl's. weiß Ich

Die Könige nehmen

Abschied von dem Christkinde, wobei

nicht verfehlen, ihm oder vielmehr dem kleinen Markgrafen Friedrich, der es darstellt, zu wünschen: sie

Sei friedenreich!

Dein Reich vermehr'!

Maria erteilt ihnen noch den apostolischen Segen, dann wendet sie sich in inbrünstigem Gebete zu Gott wegen des ihr und der ganzen Welt widerfahrenen Heiles, während Joseph trocken bemerkt:

Nun laß' das Kind doch haben Ruh'! Vor Schlaf fall'n mir die Augen zu. Bewahr' uns sein Barmherzigkeit Allzeit vor allem Herzeleid! Wilhelm von Lewen nimmt, jetzt als Epilogus. wieder das Wort und.sagt u. a.:

Das Stück schließt damit, daß „die junge Herrschaft mit eigener Stimme" und ohne Begleitung die beiden Choräle: „Ihr Christenleut', habt jctzund Freud'" und „Eine große Freud' ergangen ist" fingt.

Eine Weihnachtsfeier deutscher Seemänner im hohen Morden. Von B. E. König.

Cs war am 15. Juni des Jahres 1869, nachmittags 3 Uhr, als in Bremerhafen im Beisein des Königs Wilhelm I. von Preußen die Abfahrt der mit Hilfe des deutschen Volkes ausgerüsteten zweiten Nordpolexpedition vor sich ging. Zwei Schiffe, die Germania und die Hansa, begleitet von den Segenswün'chen der Deutschen, traten unter den Jubel¬ rufen der versammelten Volksmenge die mühe- und gefahr¬ volle Fahrt nach dem eisigen Norden an.

Wie die Expedition verlaufen, ist im allgemeinen bekannt, weniger dagegen find es die Erlebnisse einzelner, und das bevorstehende Weihnachtsfest erinnert uns an da?, was wir aus dem Munde eines dieser kühnen deutschen Nordlandsfahrer im arktischen Meere und seine feine Erlebnisse über mächtiger Eisscholle vernommen Weihnachtsfeier auf haben.

Beide Schiffe, die Germania und die Hansa, waren bereits hoch in die Polarregion vorgedrungen und befanden Am 20. Juli sahen sich inmitten treibenden Scholleneises. Steuermann sah mit Unser letzten Schiffe Male. zum sich die seinen Genossen von der

Hansa in

den letzten

Julitagen in

der Ferne die dunkle Felsenküste von Ostgrönland, und von den vielen Seehunden, welche sich in den Fluten und aus dem vorbetlreibenden Else tummelten, siel gar manches Exemplar der Bemannung als willkommene Beule in die Hände. Immer dichter und dichter wurde das Eis. Die Hansa hielt auf die Küste zu, aber immer uuwahrscheinlicher wurde Schließlich lag vas Schiff an es. diese zu erreichen. einem großen Eisfelde fest, welches bald zum Tummelplätze der Mannschaft wurde. Sie taufte die einzelnen Berge des Eisfeldes feierlich; so hieß ein hoher Eisblock der Teufels¬ daumen, der höchste der Sinai, während zwei andere mächtige Eismaffen das „Brandenburger Thor" benannt wurden. In dieser Zeit wurden auch öfters Eisbären geschossen, deren frisches Fleisch den Nordpolfahrern ganz vortrefflich mundete. So vergingen der August und der größte Teil des September leidlich angenehm. Bald jedoch galt es, Vorbereitungen für den Winter zu treffen. Da sie die Möglichkeit, die Hansa zu verlieren, zu erwägen hatte, so nahm die Mannschafl den Bau eines festen Hauses auf dem Eisfelde in Angriff. Man hatte einen Teil des Feuerungsmaterials für Die Germania an Bord, aus Briquettes bestehend. Diese benutzte man zu Baumaterial, staute feinen Schnee zwischen die Fugen und begoß ihn mit Wasser.

Diese

Art Mörtel gab eine dichte zehn Minuten waren die zu¬

Verbindung; denn schon nach sammengefügten Briquettes fest aneinander geftoren.

Den

620 Dachstuhl fertigte man aus Segelspirren und Faßstäben und ihn mit Segeltuch, während man de:: Fußboden mit Kohlensteinen belegte und das Ganze alsdann mit einer Holzbedeckte

thür versah. In Zeit von sieben Tagen war dieses Kohlen¬ haus unter Dach und Fach, und nun versah man es mit Proviant auf zwei Monate. Bald jedoch brach ein heftiges Unwetter mit Schnee¬ treiben los, welches innerhalb fünf Tagen Haus und Schiff vollständig verschüttete. Durch den Schneedruck hatte sich das Eis ringsum vom Schiffe losgetrennt, und es begann jenes unheimliche Geräusch des arbeitenden Eises, von dem die Nordpolsahrer zu erzählen wisien. Das knallte und dröhnte, quietschte und pfiff gar gewaltig unter der Eisfläche und klang bald wie ein Gewirr von Stimmen, bald wie das Knarren von Thüren und dann wieder wie das Bremsen eines Elsenbahnzuges. Das Eisfeld hatte sich im Treiben gedreht und drängle nun stärker an das Küsteneis heran. Aller Brust erfüllten bange Befürchtungen, die nur zu bald in Erfüllung gehen sollten. Man räumte in großer Eile das Schiff und versah das Haus mit allem Notwendigen, schaffte auch die beiden Oefen auf das Eis. sowie Kleider, Bettzeug und Proviant. Die Nächte brachten nur wenig Ruhe, und in der Frühe setzte man die Räumungs¬ arbeiten fort. Da entdeckte eines Morgens die Mannschaft, daß Wasser in das Schiff eingedrungen war und dasselbe allmählich zu finken begann. Schnell wurde noch alles Greif¬ bare aus dem Fahrzeuge auf das Eis geworfen, und es entstand ein Durcheinander von allen möglichen Gegenständen, belebt durch zitternde, mit dem Tode ringende Ratten. Am Abend versammelten sich die Gefährten in dem durch die Kajütenlampe erleuchteten Asyl, das wie ein schaurig großer Sarg aussah. Am kommenden Morgen in aller Frühe gingen sie wieder zur Hansa, die bereits beträchtlich gesunken war, und brachten, was irgend möglich, noch in Sicherheit. Dann begaben sie sich zum letzten Male auf das Schiff, um von

ihm Abschied zu nehmen. die Leinen,

welche

das

Darauf durchschnitt der Kapitän

dem Untergänge

geweihte Fahrzeug

mittels Eisanker noch am Eisfelde festhielten. Das Schiff hielt sich noch einige Stunden, endlich sah die trauernde Mannschaft das schöne Fahrzeug versinken. Was aber nicht mit versank, das war das Gottvertrauen und die Hoffnung auf Rettung. Beides ist denn auch nicht zu Schanden geworden. Die drei Boote hatte man glücklich gerettet und auf dem Eise hin zum Hause gezogen, wo sie zur Aufbewahrung von allerlei Gegenständen dienten. Nun ging es an das Wohn¬ lichmachen des Hauses. Den goldenen Kajütenspiegel hing man an die hintere Wand, darunter einen kostbaren Barometer. Der Länge nach durchschnitt den Raum ein bretterbelegter Gang, zu dessen beiden Seiten quer Pritschen zum Schlafen errichtet und darauf Strohsäcke gelegt wurden. An den mit Segeltuch bespannten Wänden waren Borde angebracht, auf denen Bücher, Instrumente und Koch¬ geschirre ihren Platz fanden. Der Kochofen, sowie ein zweiter Ofen gaben dem Raum hinreichende Wärme, und durch ein Klappfenster im Dache konnte man frische Luft einlassen. Nachdem so einigermaßen Ordnung hergestellt war. belebte frischer Lebensmut die Brust der armen Schiffbrüchigen. Allmählich hatte der Schnee die Höhe des Hauses erreicht; nur das Dach sah noch daraus hervor. Nun gruben die

Männer einen Gang rund um das Haus in den Schnee, der als Speise- und Vorratskammer diente. Auf einem Schnee¬ hügel hinter dem Hause hatte man die große Flagge aufgehißt. Täglich wurde ein Tagesbefehl ausgegeben, um die Leute ent¬ sprechend zu beschäftigen. Man durchforschte das Eisfeld in seiner ganzen Ausdehnung und maß es; es umfaßte sieben Seemeilen. Auch erlegte man in dieser Periode etliche Eis¬ bären und ein großes Wallroß. Das gab Abwechselung und war ein Mittel gegen die Niedergeschlagenheit, die sich der armen Mannschaft, besonders während des Dämmerlichtes Polarnacht, mehr und mehr zu bemächtigen drohte.

der

Näher und näher rückte das Weihnachtsfest, und immer häufiger weilten die Gedanken der armen Schiffbrüchigen in der trauten Heimat. Da lautete eines Morgens der Tages¬ befehl des Kapitäns, es habe ein jeder zur Christbescherung eine Ueberraschung zu bereiten.

Das gab zu denken und verscheuchte den Trübsinn. Und alsbald entwickelte sich ein geheimnisvolles Treiben auf dem Eise. Jeder suchte sich ein anderes Plätzchen aus. an dem er ungestört seine Weihnachtsvorbereitungen treffen konnte. Der

eine begab sich nach dem „Brandenburger Thor", der andere Berg Sinai, um dort seine Ueberraschungen in den

nach dem

Stand zu

setzen.

Die beiden Steuerleute hatten aus dem

Schiffe einen allen Reiserbesen mitgerettet. Diesen trugen sie, unter ihrem Pelz verstcckt, zum „Brandenburger Thor" und machten sich dort an die Arbeit. Sie bohrten in den Besensttl ringsum Löcher und steckten in diese Reiser in Form eines Tannen bäume s. Ein sorgfältig aufbewahrter Wachsstock gab die Lichter, und schwerlich haben jemals zuvor Weihnachts¬ kerzen von solch einem Weihnachtsbaum gestrahlt.

Am 24. Dezember, während ihre Gefährten abwesend waren, richteten die Steuerleute diesen Christbaum her. Manche Thräne der Wehmut rann den Heimkehrenden in den Barl, als sie die schwarze Kohlenhütte im Hellen Lichterglanz erblickten! Da war keiner unter ihnen, der auf der grön¬ ländischen Eisscholle nicht der fernen, deutschen Heimat gedacht hätte, wo heute in der Eltern und der Freunde Haus der grüne Tannenbaum erstrahlte. Feierlich erklang das finnige Wethnachtslied: „Stille Nacht, heilige Nacht" durch den ganzen Raum!

Darauf erfolgte die Bescherung. Zunächst wurde der Kapitän mit einem Pulverhorn und einer Tasche bedacht, welche die Gefährten gemeinsam für ihn gearbeitet hatten. Sodann wurden die Kisten mit den Weihnachtsgeschenken, welche ihnen die Ausrüstungskommisfion in Bremerhaven mit an Bord gegeben hatte, und die zum Glück gerettet worden waren, geöffnet, und ihr Inhalt wurde verlost. Da gab es allerhand musikalische Instrumente, Damenbrett, Hampelmänner. Chokolade und Pfeffeinüffe, sodaß im Kreise unserer Schiff¬ brüchigen bald eine echtdeutsche Weihnachlsstlmmung herrschte.

„Wenn

diese

Weihnachten

die

letzten

find,

die

wir

erleben." schrieb einer der Gefährte» in sein Tagebuch, „so waren sie immer noch schön genug. Ist uns aber eine glückliche Heimkehr beschieden, so werden die nächsten ein noch schöneres Fest sein.

Das walte Gott!"

Und Gott hat gewaltet und sie glücklich heimgeführt. Keiner von den dreizehn todesmutigen deutschen Männern aber wird je das deutsche Weihnachtsfest, das er im nordischen Eismeer gefeiert, vergessen haben.

621

Kleine Mitteilungen Die neue Oberbaumbrücke in Berlin (mit Abbildung). Als zu pompöses Eingangsthor für die bescheidene Spree in Berlin" wird die neue Oberbaumbrücke am Schlesischen Thor von der „Berliner Jllustr. Zeitung" bezeichnet. Zugleich nennt sie sie mit Recht „fast

„die Krone aller Neuschöpfungen" auf dem Gebiete des reichshauplstädtischen Brückenbaus. Mit glücklichem Gelingen ist für den Bau dieser prachtvollen Brücke, welche die Spree in sieben stattlichen Bogen über¬ wölbt, und mit der ein arkadenortiger Viadukt für die neue elektrische Hochbahn „Warschauer Brücke - Zoologischer Garten" verbunden ist, der alte märkische Backsteinstil gewählt worden. Der Anblick des Bauwerkes, namentlich von der Wasserseite aus, ist ein überaus anmutender. Kraft¬ voll und doch gefällig in seinen Gliederungen, wölbt sich der Bau, dessen malerische, mächtig aufgebaute Milteltürme das neue Wasserportal der Reichshauptstadt treffend charakterisieren, über dem Strom. Leicht an¬ strebende Giebel vermitteln die harmonische Verbindung m,t den lustigen, offenen Hallen und bilden eine anziehende Begrenzung des landschaft¬ lichen Bildes. Stehen wir auf der 27 Meier breiten Brücke, so bietet sich dem Blick nach Norden hin das Stadtbild Berlins: zu beiden Seiten der Spree Fabriken, Wäschereien, Kohlenplätze rc., zur Linken die lange Reihe der Stadtbahnbogen, vor uns aus dem Häusermecr aufragend die

„Dazu habe ich kein Geld, Majestät!" „Das ist mir lieb, dann weitz Er, was Armut umsomehr der Bedrängten annehmen."

ist, und

wird

sich

—dn.—

Der Gegensatz zwischen Bonin und Roo». (Aus Marcks: Kaiser Wilhelm I. Verlag von Duncker und Humblot; Preis 5 Mk. brosch., 7 Mk. geb. Siehe „Bär Nr. bl".) Der Gegensatz (zwischen Bonin, dem

Kriegsminister, und Roon, seinem Nachfolger) erstreckt sich auch auf das eigentlich politische Gebiet. Bonin begründet die Heereskraft auf den Volkswohlstand und ist io grimmig davon überzeugt, daß die geplante Mehrbelastung diesen Wohlstand unfehlbar erdrücken müsse, wie es dann vierzig Jahre lang alle Opponenten unseres Wehrsystems immer von neuem gewesen sind. Dem gegenüber ist Roon einfach Offizier und hier hat er den Herrscher vollständig hinter sich: „in einer Monarchie wie die unsrige", so schrieb Wilhelm am 24. November 1859 an Bonin, „darf der militärische Gesichtspunkt durch den finanziellen und staatswirtschastlichen nicht geschmälert werden; denn die europäische Stellung des Siaates, von der wieder so vieles Andere abhängt, beruht darauf.. ." Der alte Gegensatz des Prinzen Wilhelm gegen all die weicheren, bureaukratischen oder liberalen Auffassungen des Staatszweckes oder wenigstens

Die neue Gberbsumbrücke in Dcrlin. Nach cnicr Photographie von W.

Türme des Roten Hauses und der in seinem Umkreise befindlichen Kirchen. Auf der anderen Seite schweift der Blick nach Stralau und Treptow hinüber; die idyllische Ruhe, die noch vor zwei Jahr¬ zehnten hier herrschte, ist längst verschwunden, das industrielle Leben der großen Stadt setzt sich in zahllosen, an den Ufern der Spree ge¬ legenen Beiriebsstätten fort. Im Sommer wird diese Prosa gemildert durch das Gartengrün, das sich noch überall hervordrängt, und durch den regen Dampferverkchr, der tagtäglich dem Erholungsbedürfnis der Massen dient. Als Friedrich der Grobe ftfr 1784 zum letztenmal nach Westreußen kam, äußerte er zu dem ChefPräsidenten der dortigen Regierung (Regierung war damals nicht wie jetzt die Bezeichnung für die Verwaltungsbehörde, sondern der Titel des Oberlandesgerichts), Frciherrn von Schrötter:

«t—Justizpflege.

Präsidenten gemacht und muß Ihn also bin eigentlich der oberste Justizkommiffanus in meinem Lande, der über Recht und Gerechtigkeit wachen soll; aber

„Ich habe Ihn zum auch kennen lernen. Ich

ich kann nicht alles selbst bestreiten und muß daher solche Leute haben, wie Er ist. Ich habe eine schwere Verantwortung auf mir. denn ich muß nicht bloß von allem Bösen, was ich thue, sondern auch von allem Guten, was ich unterlasse, Rechenschaft geben. So auch Er. Er uiuß durchaus unparteiisch, ohne Ansehen der Person, richten, es sei

Prinz, Edelmann oder Bauer.

sonst sind

wir

geschiedene Leute.

„Nein, Majestät."

„Will Er

welche kaufen?"

Hört Er? Das Hat Er Güter?"

sage

rch

Ihm,

Titzcnthalcr

in

Berlin.

des preußischen Staates tritt da an entscheidender Stelle wieder vor: cs war diejenige Idee, der dieser Hohenzoller einmal nicht fremd werden konnte und die seine historische Größe bedingt. Der Kriegsminister dachte hierin liberal. Und wie lange schon hatten die deutschen Liberalen in der Enge des deutschen Lebens, durch die Schuld aller Gewalten im Lande, vor allem aber doch auch durch eigene Schuld, das Mißtrauen Wie hatte Prinz gegen den Militarismus in sich aufgenommen! Wilhelm 1848 gegen dieses Mißtrauen ringen müssen! Auch jetzt noch, auch in Preußen, bestand es; auf diese Gegnerschaft wies ihn die laue Vorsicht des Kriegsministers, der seiner Sache als Soldat innerlich selbst nicht recht sicher war, im voraus hin. Und auch darin war Bonin

mehr Liberaler als preußischer Soldat, und jedenfalls für Roons ganz entgegengesetzte Ueberzeugung ein Liberaler vom reinsten Wasser, daß er, so meinte Roon am 1. Dezember 1859, dem Regenten als parlamentarischer Minister entgegentrat, dem es erlaubt und geboten ist, seinem Herrscher den eigenen Willen aufzutrotzen und mit dem Rücktritte zu drohen, in der „irrigen Ansicht, hier sei ein Childerich zu behofmeistern und zu bevormunden und sein berechtigter Pipin sei der consritutionelle Kriegs¬ minister. Gottlob, daß dem nicht so ist! wir wären damit der Volks¬ souveränität und der Republik einen großen Schritt näher gekommen". Roon bezeichnet damit eine Ansicht von der preußischen Verfassung, die erst zu bewähren war; „daß dem nicht so sei", so, wie Bonin es wohl ganz natürlich voraussetzte — ja, darüber stand der Kampf erst noch vor der Thüre! Der Gegensatz der beiden Männer umlaßt also, von rein persönlicher Nebenbuhlerschaft abgesehen, eine ganze Fülle von Verschiedenheiten: sie alle, Fragen der Weltansicht und der Staatsauffassung, der allgemeinen

des Verfassungsrechtes, d. h. der Macht, meldeten sich Prinzen von Preußen bereits an, ehe er noch mit seinem Reform¬ werk vor die eigentliche Oeffcntlichkeit trat- Und seine eigene Zukunft verkörperte sich in dem Manne, dem Bonin den Platz räumen mußte. Daß Bonin weder innerlich noch äußerlich geeignet war, die Reorganisation durchzuführen, darin hatten die Generale in Wilhelms Umgebung ganz recht; und in der Wahl RoonS hatten sie und tfcr Herr es nicht minder. Streng, iLroff, ein Diener seines Kriegsherrn voll großer, harter, stolzer preußischer Anschauungen, voll reicher, wissenschaftlicher Bildung und kühnen Fluges der Gedanken und der Worte, tief christlich und tief monarchisch, ein Mann der Wirklichkeit, der That, des hohen Ehrgeizes, furchtlos, ja rauh und herb bei aller innern Wärme, die sein Wesen seiner Gattin und seinen Freunden enthüllte, der erste der mächtigen Kämpfer einer hereinbrechenden eisernen Zeit — so trat jetzt dieser preußische Edelmann, oder besser, dieser preußische Offizier neben seinen Herrn; man darf sagen: bereits jetzt gewaffnct bis an die Zähne. Sein Anteil an den Entwürfen der Reorganisation — um den auch für Roon noch positiv zu bestimmen — war nicht so beherrschend wie man glauben konnte: denn die unmittelbaren, technischen Vorschläge seiner Denkschrift waren, gerade in ihrem eigensten, abgelehnt worden. Wenn er dennoch meinte, Bonins neuer Plan (September 1859) sei nur eine Nachbildung des seinigen, so hatte er dabei in einem trotzdem Recht. Das, was er vertrat, war die weitgehende Umschaffung des Heeres; das, was er hinter diesen Gedanken setzte, war seine feurige Energie, sein Charakter. Das Wesentliche war ihm, daß etwas Neues, Strafferes, zugleich Breiteres und Einheitlicheres entstünde; das eben wollte Bonin im Grunde nicht. Von Bonins Referenten dagegen wich Roon nur in der Art des Verfahrens ab; und ihre bessere Auskunft — minder hart und wirtschaftlich sowie wohl auch militärisch umsichtiger als die seine — nahm er sofort und mit Freuden an, er sprang mit beiden Füßen auf den Boden hinüber, bereitwilliger als sein Fürst. Was er hauptsächlich wünschte, jene Enischiedenheit der Neuerung, wurde dann doch erreicht; er half dabei vorwärts drängen, auch auf dem Wege der andern; er war nicht kleinlich, selbstgerecht und eigensinnig. So war sein Anteil Nun aber wurde er trotz allem bisher schon groß genug gewesen. Minister. Er wurde cs mit „Seufzen", im Vollbewußtscin der Schwierigkeiten und Gefahren, in die er sich begab. Und doch ist es unverkennbar: er empfand seit Monaten, daß diese Stelle, voi der ihm ein wenig grauen mochte und zu der er, soviel man sicht, sich nicht gedrängt hatte, die ihm gebührende war, und aus all seinen Berichten an Frau und Freund sprüht doch der ungeduldige Ehrgeiz des g-borenen Thäters großer Thaten heraus. „Es gilt Großes zu leisten," war sein Schlu߬ wort; „nur ein Schelm denkt immer nur an sich. Das Reformwerk ist eine Existenzfrage für Preußen, es muß vollbracht werden."

Denkweise und dem

Was wiffen Sic von Bismarck? Die„Frankf. Ztg." berichtete vor einiger Zeit, ein Offizier habe an einem der letzten Geburtstage Bismarcks seine Rekruten examiniert, was sie eigentlich von Bismarck wüßten. Einer der Marssöhne war der Meinung, Bismarck habe zur Zeit der Freiheitskriege gelebt, ein zweiter antwortete: „Er hat gepredigt", und ein dritter platzte mit den kostbaren Worten heraus: „Bismarck war Kaiser von Frankreich." Die „Tägl. Rundschau" bezeichnete diese Ant¬ worten deutscher Rekruten als „schier unglaublich". Daraufhin aber schrieb diesem Blatte ein Offizier, daß auch er einmal an jeden einzelnen seiner Rekruten die Frage gerichtet: „Was wissen Sie von Bismarck?" Die Antworten erweckten so sein Interesse, daß er sie aufschrieb. Einer der Rekruten wußte von Bismarck nur, daß er ein „alter Mann" sei, Wieder andere er¬ ein anderer daß er den Titel „Fürst" habe klärten: „Bismarck ist tot;" auf die Frage: „Wie lange?' meinten sic — — : „Schon seit Jahren.' Ein anderer einzeln cs waren dies mehrere gab zur Antwort: „Er ist pensioniert" ferner: „Er lebt in Berlin", ja sogar: „Er lebt in Paris". „Er war General bei die Kürassire", lautete wörtlich eine Antwort, eine andere: „Er war General-Feldmarschall, hat 70 mitgemacht und war stets an der Seite von Kaiser Wilhelm." Einer der Rekruten — seines Zeichens Kolonialwarenhändler — erklärte: „Er hat die afrikanischen Kolonien gegründet", und ein zweiter Ver¬ treter dieses Standes erzählte: „Er hat gegen den Handelsvertrag mit Rußland protestiert, dann ist der Zollkrieg mit Rußland ausgebrochen." Des öfteren fand der Offizier die Ansicht, daß Bismarck lediglich Soldat sei und als General sich Verdienste erworben habe. So eine Art Chef des Generalstabes mußte ein Rekrut in ihm vermuten, der berichtete: „Er hat sich im Feldzug immer ausgesonnen, wie es sich am besten schicken könnte." Ein anderer nennt ihn einen „tüchtigen Kriegsheld", etwas geringere Anerkennung zollt ihm der Ausspruch: „Er hat den Feldzug mitgemacht und das Ehrenzeichen für gute Führung erworben " In biblischer Tonart an Josef in Aegypten erinnerte die Antwort: „Er war einer der Größten am Königlichen Hofe", eine weitere Entgegnung lautete: „Der zweite Kopf bei König", eine andere: „Er war ein Mitbegründer des Dreibundes und hat den Kriegsplan bearbeitet." Ein Rekrut polnischer Abkunft erzählte: „Er war ein großer Fürst, aber zu den Polen war er nicht gut!" AIs Reichstags-Präsidenten denkt ihn sich ein anderer: „Er war Reichskanzler und Vorsitzender im Reichstag", während ihn sein Nachbar lediglich für Preußen in Anspruch nahm und ihn als „das Oberhaup: im Abgcordnetenhausc" bezeichnete. Den Gipfel der Thorheit erreichte folgende Erwiderung: „Bismarck stammt von den Hohenzollern ab und ist am 1 April geboren." Es waren im ganzen sechsundsechzig Rekiuten, an die der Offizier die Frage richtete. Von diesen wußten zweiundzwanzig Mann (also genau ein Drittel) überhaupt nichts von Bismarck. Der Offizier erklärt, er

habe sich die größte Mühe gegeben, irgend eine Erinnerung in ihnen zu erwecken, es blieb erfolglos, sie ciklärten, niemals in ihrem Leben etwas von diesem Manne gehört zu haben. Ein weiterer — der Dreiundzwangste also — gab zu, mal etwas von einem Bismarck gewußt zu haben, das habe er jedoch wieder vergeffen.. — Auch diese Mitteilungen, wir können's nicht leugnen, klingen uns kaum glaublich. Jedenfalls möchten wir zur Ehre der deutschen Nation annehmen, daß der betr. Offizier es mit einer ganz besonderen Sorte von Rekruten zu thun gehabt hat. Wer weiß, aus welcher verlorenen Ecke sie stammten? Jedenfalls aus einer Gegend, wo Schulbildung und Patriotismus auffallend vernach¬ lässigt sind. Im allgemeinen weiß das deutsche Volk — auch in seinen untersten Schichten — über den Fürsten Bismarck sicherlich besser Bescheid.

NavosepA,L, al# Familienoberhaupt. Aus der neu erschienenen Lecestr?WK^SRiniNüng von bisher nicht veröffentlichten Briefen Napoleons I. ersteht man aufs neue, mit welch brutaler Rücksichtslosig¬ keit dieser gegen seine Brüder auftrat. So sbreibt der eben neu¬ gebackene Cäsar unter dem 2 Floreal des Jahres XIII (22. April 1805) an die „Madame Märe" lFrau Lätitia Bonaparte, die Mutt-r des Kaisers): „Herr Jerüme Bonaparte ist mit der Frau, mit der er zu¬ sammenlebt, in Lissabon eingetroffen. Ich habe diesem verlorenen Sohne den Befehl zukommen lassen, sich nach Mailand über Perpignan, Toulouse. Grenoble und Turin zu begeben. Ich habe ihm mitteilen lassen, daß er verhaftet werden wird, wenn er diesen Weg nicht strenge cinhält. Fräulein Patterson, die mit ihm zusammenlebt, ist so vorsichtig gewesen, sich von ihrem Bruder begleiten zu laffen. Ich habe Befehl gegeben,

Amerika zurückzuschicken. Wenn sie sich den von mir erteilten Befehlen entziehen sollte und nach Bordeaux oder Paris käme, so wird sie nach Amsterdam geschickt, um auf das erste amerikanische Schiff ge¬ bracht zu werden. Ich werde diesen jungen Menschen (Jeröme) sehr streng behandeln, falls er sich in der einzigen Zusammenkunft, die ich zu bewilligen gedenke, des von ihm geführten Namens nicht genug würdig zeigt und sich darauf steift, seine Liaison fortzusetzen. Wenn er nicht geneigt ist, die Schmach auszutilgen, die er über meinen Namen gebracht hat, indem er seine Fahnen und seine Flagge für ein albernes Weib im Stiche ließ, so werde ich ihn auf ewig preisgeben, und vielleicht werde ich ein Exempel statuieren, das allen jungen Soldaten begreiflich machen wird, wie heilig ihre Pflichten sind, und welch ungeheures Verbrechen sie begehen, wenn sie ihre Fahnen für ein Weib im Stiche laffen." Elisa Patterson, die Tochter eines reichen Amerikaners, war übrigens diesem jüngsten Bruder des Kaisers rechtmäßig angetraut, wovon ein so mächtiger Mann offenbar keine Notiz zu nehmen brauchte. Nicht minder kategorisch und hart sind die Weisungen, die Napoleon an Josef unter dem 20. Dezember 1807 hinsichtlich Lucians erteilt, dem er befohlen hat, sich von seiner Frau, geborenen Jouberthon, scheiden zu „Wenn Lucian sie aber dennoch an seine Seite rufen will, so lassen. mag er's thun, nur darf es nicht in Frankreich sein. Ich werde ihm kein Hindernis in den Weg legen, so Intim, wie er will, mit ihr zu leben, aber nicht wie mit einer Prinzessin, die seine Gemahlin sein könnte. Denn die Politik allein ist's, die mich interessiert. Abgesehen davon will ich mich seinem Geschmacke und seinen Leidenschaften nicht widersetzen." Lucian ließ sich jedoch nicht so leicht einschüchtern, wie der spätere „König von Westfalen". sie nach

Vereins Nachrichten Verein für Geschichte der Mark Brandenburg. Sitzung vom 8. Dezember 1897. Herr vr. V. Loewe besprach die Politik Friedrich Wilhelms I. im Gebiete der allgemeinen Staatsverwaltung in den Jahren 1714—1717. Die Ansicht, daß die ersten Jahre des Königs die fruchtbarsten gewesen sind und daß die Ziele der inneren Politik, die ihm später vorschwebten, auch damals schon die Richtschnur seines Handelns waren, wird durch die Betrachtung dessen, was er in diesen Jahren erreichte, bestätigt. Seiner Ueberzeugung, daß ein geordnetes Finanzwesen die Grundlage allen gesunden Staatslebens sei, entsprang im Jahre 1714 die Gründung der Generalrcchenkammer. Durchaus selbständig und vom Gcneralkriegskommissariat und dem Gencralfinanzdircltorium unabhängig wurde diese Behörde allerdings wohl erst im Jahre 1717. Die Bebördenorganisation vereinfachte der König dadurch, daß er das oranische Tribunal mit dem Oberappellationsgcricht verschmolz und die bis dahin einer besonderen Regierung unterstehende Grafschaft Hohenstein mit Halberstadt vereinigte.

Aus dem Bestreben, die Verwaltung in der ganzen Monarchie gleich¬ mäßig zu gestalten, ging die Schaffung neuer Behörden hervor, die zugleich die Aufgabe hatten, den noch bestehenden ständischen Organen Bei der Gründung der litthauischen Amtskammrr entgegenzutreten. im Jahre 1714 wurde daher ausdrücklich das gesamte preußische Kammer¬ Eine wesen der Machtsphäre der Königsberger Regierung entzogen. weitere erhebliche Schwächung ständischer Gewalt und Privilegien brachte zu gleicher Zeit in Preußen die Einführung des Generalhufenschosses durch Waldburg und die Aufhebung des Landkastens, im Herzogtum Magdeburg die Beseitigung der ständischen Kreditkosse mit sich. — Einen Ausgleich zwischen den wachsenden Ansprüchen der Königlichen Behört en, insbesondere der Kommissariale, und den althergebrachten Rechten der Regierungen im Gebiete der Verwaltungsjustiz suchte zwar das Kompetenzreglement vom 25. April 1715 herbeizuführen, aber so sehr sich auch die Regierungen gegen die Bestimmungen des Reglements auflehnten, jo vermochten sie doch nicht die weitere Entwickelung zu hindern, die

623 die Vcrwaltungsjustiz immer mehr in die Hand der Königlichen Be¬ hörden brachte. Herr Dr. Freiherr v. Schroetter gab eine Skizze über die Ent¬ wicklung des Beamtentums der preußischen Münzen. Er unterschied drei Epochen: Die erste geht bis zur Einführung des ewigen Pfennigs und dem Uebergang des Münzregals auf die Territorien, die zweite bis zu den Reformen, durch die die Münzmeister aus Privatunternehmern zu Staatsbeamten gemacht wurden, die von dem Minister v. Knyphausen 1682 begonnen und von Friedrich d. Gr und seinem Generalmünzdirektor Grauman 1750 zum Abschluß gebracht wurden. Diese Reformen wurden des näheren besprochen; es wurde gezeigt, wie es dem Großen Kurfürsten nicht gelang, zu einer geordneten Münzverwaltung zu kommen, weil es an einem sachverständigen Kontrollorgan fehlte und man sich zweifelhaften Existenzen ausgeliefert sah, die möglichst viel in ihre Taschen steckten und sich dann bei Zeiten aus dem Staube machten Knyphausen gebührt das Verdienst, die brandenburgische Münzverwaltung geordnet zu haben. 1750 sahen dann Friedrich d. Gr. und Grauman das Werk vollendet, indem sie den Münzmeisteln den Silberhandel, der sie besonders zu Privatunternehmern machte, nahmen und einen Münzfuß einführten, der, wenn auch mit manchen Modifikationen, bis 1873 seine Giltigkeit behielt. Herr Oberlehrer Dr. Joh. Balte legte ein bisher ungedrucktcs Nürnberger Meistcrlied aus dem Ende des 16. Jahrhunderts vor, das von einem brandcnburgischen Markgrafen erzählt, der mit Hilfe eines Schwarzkünstlers zwei ungleiche Berliner Ehepaare mit eineinder vertauschte, sodaß der junge Mann zur jungen Frau und der alte zur alten gesellt wurde. Zu Grunde liegt jedoch keine historische Begebenheit, sondeni der alte Schwank vom Meisterdiebe Elbcgast, der bis ins 18. Jahr¬ hundert wiederholt bearbeitet wurde. Das Meisterlied benutzte der Nürnberger Ayrcr zu einem Fastnachtspiele.

Kricherttsch. Monographien zur Weltgeschichte. In Verbindung mit anderen Ed. Hcyck. Verlag von Vclhagen u. Klasing in Bielefeld und Leipzig. In reich illnstrierten, vornehm ausgestatteten Bänden mit Goldschnitt zum Preise von 8 M. pro Band. Zweiter Band: Königin Elisabeth von England und ihre Zeit. Von Professor Dr. Erich Marcks. Mit 4 Kunstbeilagen und 110 Abbildungen. Preis geb. 3 Mk. Von den „Monographien zur Weltgeschichte" ist jetzt der zweite Band erschienen: „Königin Elisabeth von England und ihre Zeit." Der Verfasser, Professor Dr. Erich Marckr in Leipzig, dem man cs besonders hoch anrechnen muß, daß er seine Feder diesem im edelsten Sinne populären Unternehmen zur Verfügung stellte, giebt in der wiederum reich illustrierten Moncgraphie ein prächtiges, lebensvolles Bild der jungfräulichen Königin; des durchwühlten Boderrs, dem sic entwuchs, der Kräfte, die sie zum Kampf gegen jene andern Kräfte befähigte, mit denen sie um ihre eigene und die Existenz ihres Reiches ringen mußte; ein Bild der politschen und wirtschaftlichen, aber auch der geistigen Strömungen der vielbcwegten Zeit, das sehr feinsinnig in einer Charakteristik Shakespeares, der gleichem die Inkarnation dieser Epoche bildet, schließt. Der erste Band der Monographien: „Die Mediceer" von Prof. Dr. Ed. Hcyck, die demnächst erscheinende Monographie über „Kaiser Maximilian, den letzten Ritter" und die „Elisabeth" sollen vereinigt zugleich eine Geschichte der Renaissance bilden. Man darf auf die Fortentwickelung des groß angelegten Unternehmens gespannt sein. Noch nie wohl hat sich eine gleich große Zahl erster herausgegeben von

Historiker

zu einem ähnlichen Werk zusammengefunden; zeigt die Verlagsbuchhandlung doch u. a. als in nächster Zeit erscheinend an: Bismarck. Von Professor Ed. Hcyck; — Wallenstein. Von Dr. H. Schulz; — Maria Theresia. Von Professor A. Fournier-Wien; — Wilhelm von Oran ien. Von Professor Pol de Mont-Antwerpen; — Deutsches Städtewesen im Mittelalter. Von Professor G. v. Below-Marburg; — Die Blütezeit des Pharaonenreiches. Von Professor G. Stcindorff-Lcipzig; — Mirabeau. Von Professor Bern. Erdmannsdörffer-Heidklbcrg; — Venedig als Weltmacht. Von Profcffor v. Zwicdincck-Graz. — Jeder der ausgezeichnet aus¬ gestatteten Bände ist einzeln käuflich, und zwar kostet jede Monographie nur 3 Mark. Es ist bei diesem Preise, zum ersten Male, wirklich jedem Gebildeten die Möglichkeit zur Anschaffung einer geschichtlichen Bibliothek großen Stils gegeben — sei es, daß er sich allmählich das ganze Werk, das in seiner Gesamtheit einst eine Weltgeschichte in Monographien bilden wird, anschafft, sei es, daß er, je nach persön¬ lichen Neigungen, nur diejenigen Bände kauft, die eine ihn besonders

—-Ich

meine Person kann nicht genug hören nnd leien über die herrlichste Zeit, darf hoffen. die unserem deutschen Volke bcschieden war. daß auch die folgenden schlichten (aber überaus frisch und anschaulich geschriebenen) Erzählungen an ihrem bescheidenen Teil dazu beitragen, von jener begeisterten Hingebung ans Vaterland, wie sie uns damals durchglühte, wenigstens einen Hauch in den jungen Herzen zu erwecken." n.

-

Roman: Die Waffen nieder! von Bertha Suttner. Für die reifere Jugend bearbeitet von Hedwig Gräfin Vötting. Mit 4 Lichtdruckbildcrn und TextIllustrationen von Adrienne Gräfin Pötting. 2. Auflage. Dresden, Leipzig und Wien 1897. E. Piersons Verlag. Preis in Prachtband 4 Mk.

Marthas Tagebuch.



VII.

srhein.-wcstf.) Korps

Erlebniffe eines Einjahrig-Freiwilligen im Feldzug 1870/71. Von Ernst Esch, Professor am Gymnasium

München 1898. C. H. Beck'sche Verlagsbuch¬ handlung. 141 S. Pr. geh. 1,60 Mk.; kart. 2,20 Mk. Der C. H. Beck'sche Verlag zeichnet sich aus durch vortreffliche Erinnerungen an den Krieg 1870/71. Wir erinnern nur an die von Pfarrer Klein geschriebene „Fröschweiler Chronik", die bereits 15 Auf¬ lagen erlebt hat. Die vorliegenden Aufzeichnungen waren ursprünglich nicht zur Veröffentlichung bestimmt; erst auf wiederholte Bitten seiner Angehörigen hat der Verfaffer sie dem Druck übergeben. Welch ein Geist sie beseelt, bezeugen folgende Worte aus der Vorrede; „Ich für zu Barmen.

dem

Marthas Tagebuch"

ist

mit großem Geschick geschrieben und Allein der Standpunkt,

Frage eine überaus interessante Lektüre.

ohne den

vertritt, ist der des modernen „Edelmenschentnms" und „vornehmer Scntiuienialität". „Die Verfasserin", sagt das „rote Kreuz", „will an

es

dem großen Werk mitarbeiten, die Kinder nicht mehr zum Völkerhatz, sondern zur Menschenliebe zu erziehen, sie vor allem zu Edelmenschen

Das klingt sehr schön. Gleichwohl sehen wir uns heranzubilden." genötigt, diese Art der Erziehung für verhängnisvoll zu erklären. Sic trägt unter der Hülle allgemeiner Menschenliebe das Gift sentimentaler Selbstsucht in die vornehmen Kreise und zerstört jede opfermutige Vaterlandsliebe. „Lernet mit dem Herzen denken!" — Diese Worte M. von Egidys giebt die Verfasserin ihrem Buche als Geleitschcin mit in die Welt. Sic scheint aber nicht zu wissen, daß man mit dem Herzen denken und doch zu ganz anderen Anschauungen und Urteilen kommen kann als sie. „Mit dem Herzen zu denken" glauben viele als Vorzug für sich in Anspruch nehmen zu dürfen, denen es an einem klaren Kopfe oder an einem fest in christlicher Wahrheit gezündeten Herzen fehlt. Daß „Marthas Tagebuch" nach dem Roman von Bertha Suttner „Die Waffen nieder!" bearbeitet ist, besagt schon der Titel. Es besitzt auch für nicht selbstständig denkende oder von dem krankhaften Zug der Zeit angesteckte Menschen dieselbe verführerische nnd überwäliigendc Macht wie der genannte Roman, in Bezug auf den selbst P Rosegger — charakteristisch genug! — den Wunsch äußern konnte: „Wie cs Gesellschaften zur Verbreitung der Bebel giebt, so möge sich auch eine Gesellschaft zur Verbreitung dieses Buches bilden!" „Die Waffen nieder!" „Krieg dem Kriege!" Welcher Mensch und erst recht welcher Christ sollte nickt mit der ganzen Sehnsucht Daß die Schwerter zu seines Innern auf dieses Ziel gerichtet sein! Pflugscharen und die Spieße zu Sicheln werden möchten, ersehnten schon die alltkstamentlichen Propheten. Und sie ersehnten es nicht bloß, sondern sie verkündigten auch, daß solch: Zeit kommen werde, eine Zeit, da „kein Voll mehr gegen das andere kriegen lerne " Allein das moderne Edrlmenschentum wird sich vergeblich abmühen, diese Zeit herbeizuführen. Die Resultate seiner Wirksamkeit werden keine positiven, sondern nur negative, auflösende, destruierende sein. Die moralische Kraft des Volkes erschlafft, Edelsinn und Opfermut werden vernichtet, Vaterlandsliebe und Manncstreue erlöschen vor lauter sentimentaler Sehnsucht nach einem ungestörten und behaglichen Lebensgenuß, den man für sich selbst haben und an dem man allerdings auch andere teilnehmen lassen will. Was wäre wohl 1870 aus unserem deutschen Vaterlande gi worden, wenn das ganze deutsche Volk ruhe- und gcnußbedürftig mit „Martha" hätte denken wollen, als sie erregt ins Tagebuch schrieb: „Also wegen eines für einen vakanten Thron gesuchten Königs und in¬ folge einer zwischen zwei Monarchen gepflogenen Unterhandlung war diesmal der Sturm entfesselt!" Allerdings, das schöne und angenehme Leben, das sie mit ihrem Manne in Paris zuzubringen gedachte, wurde dadurch gestört. Man vergleiche mit dieser modernen Sentimentalität Geist eines Körner, Arndt, Max von Schenkcndorf u. s. w. „Ein deutsches Mädchen küßt dich nicht.!" sang Theodor Körner von dem, der unter den Schranzen und Zofen hinter dem Ofen sitzen und nicht den Flamberg schwingen wollte, als er todesmutig ins Feld zog, um sein Leben fürs Vaterland zu lassen. Soll dieser heldenund ehrenhafte Sinn in unseren deutschen Töchtern ertötet werden? Sollen sie alle „modern sentimentale Marthas" werden? Ja. Krieg dem Kriege! Aber so lauge der Geist Gottes nicht die Massen erfüllt und beherrscht, so lange werden auch Krieg und Revolution rächt aus der Welt geschafft werden, und die Feinde von Zucht und Ordnung, die finsteren Gewalten werden ein nur um so leichteres Spiel haben, wenn sie einem erschlafften und weichlichen Geschlecht statt einem Z. heldenstarken und todesmutigen begegnen. den

interessierende Persönlichkeit oder historische Epoche behandeln. des

Nach

Die Geschwister.

von

Roman von

Philipp Wengerhoff.

Verlag

geh. 3 M.. eleg. gebd. 4 M. „Geschwister", deren Schicksale dieser packende Roman aus der

Ernst Keils Nachflg in Leipzig. Preis Die

Gegenwart neben einander und in inniger Verflechtung entrollt, sind die Kinder eines höheren Beamten, der aus Standeshochmut ein viel kostspieligeres Leben führt, als es seine Mittel gestatten. Den Ausgleich sollen die Geschwister herbeiführen, welche die verblendete Mutter zu Mit feiner, geistvollen Satire und lebhafter Geldheiraten antreibt. diese Verhäliniffe dargelegt, welche einen sozialen Krebs¬ enthüllen, der leider namentlich in unsern Großstädten zu weiter Verbreitung gelangt ist. Das Schicksal der Geschwister, von denen die älteste Schwester an der Seite eines braven Mannes ohne Vermögen

Spannung sind

schaden

siegen den Willen der Eltern ein volles Lebensglück findet, während die jüngste als Gattin eines reichen Lebemannes tief unglücklich wird, über¬ führt schließlich die stolze Geheimrätin ihres schweren Irrtums. Be¬ sonders reizvoll ist die Läuterung ihres reichbegabten, aber leichtsinnigen Sohnes dargestellt, den echte Liebe auf den rechten Weg bringt. Die Charakteristik der Personen trägt die frischen Farben der Wirklichkeit, die volkstümliche ideale Tendenz drängt sich nirgend als Absichtlichkeit vor. „Die Geschwister" find ein Roman, der dem Verfafier Philipp Wengerhoff mit einem Schlage einen Platz in den vorderen Reihen der Romanschriftsteller sichert.

Zeitfragen im Familienleben.

Ernst Keils Nachflg in Leipzig.

Von R. Artaria. Verlag von Preis geh. 3 M., eleg. gebd. 4 M.

Selten hat es ein Autor mit so glücklichem Griff verstanden, einem lehrhaften Stoff eine unterhaltende Form zu geben, wie R. Artaria in diesen „Zeitsragen im Familienleben". engem Anschluß an das frühere Buch derselben Verfasserin „Das erste Jahr im neuen Haushalt" werden hier im Rahmen eines romanhaft gehaltenen Familien- und Gesellschastsbildes allerlei wichtige Lebensfragen, welche den Eltern die Sorge für ihre heranwachsenden Kinder bereitet, auf die anregendste Weise zur Erörterung gebracht. Das junge Ehepaar, das wir in jenem ersten Buch bei der Begründung des Haushalts belauschten, ist jetzt vierzehn Jahre älter geworden; drei gesunde Kinder blühen in der ver¬ größerten Familie heran; schwerer ist der Kampf, den die Pflichten des Lebens dem Vater und der Mutter bereiten. Die Ratschläge, welche R. Artaria durch die Scenen und Gespräche der Erzählung hindurch¬ leuchten läßt, verraten überall einen gesunden, tüchtigen Sinn, der den Schein haßt und eine Geistes- und Herzensbildung höher schätzt, als den trügerischen Gewinn von gesellschaftlichen Erfolgen und den oft so leicht zerrinnenden Besitz materiellen Reichtums. Dabei verfällt sie nie in einen langweilig belehrenden Ton, sondern versteht es vortrefflich, durch die bargt stellten interessanten Schicksalsfälle ihre Absichten rein poetisch zur Anschauung zu bringen. Die „Zeitfragen im Familienleben" werden gar mancher deutschen Mutter eine hochwillkommene Gabe sein.

In

Volkramslied. Ein Sang aus unseren Tagen von Julius Grosse. Dritte Auflage. Dresden, E. Piersons Verlag. Preis 4 M., eleg. geb. 5 M. Julius Grosse's „Volkramslied" ist in dritter Auflage soeben bei E. Pierson in Dresden erschienen. Da es uns aus Mangel an Zeit selbst nicht mehr möglich war, von diesem Sang Kenntnis zu nehmen, so hringen wir zunächst — uns eine spätere Besprechung vor¬ behaltend — einige Worte aus der Empfehlung der „Weimarischen Zeitung".

Das

Diese schreibt: „Es mag manchen befremden, daß eine derartige Dichtung, der die epische Palme gebührt, noch nicht weit mehr zum Allgemeingut der Ge¬ bildeten Deutschlands geworden ist. Frankreich, England und Italien würde ein von solcher patriotischer Glut erfülltes und von solchem poetischen Reiz umflossenes Dichtungswerk längst in zahllosen Auflagen erschienen sein. Inhalt wie Form sind von der gesamten Presse seit dem ersten Erscheinen nach Gebühr gewürdigt. Möge nun doch auch die Nation in immer weiteren Schichten inne werden, welch eine Gabe ihr in dieser Dichtung geschenkt ist! Möge insbesondere auch das heranwachsende Geschlecht an diesem Werke erkennen, wie mächtig und prächtig wie begeistert und begeisternd die Sprache des Vaterlandes auf die Se-le einzuwirken vermag! Das deutsche Volk trägt nur eine Ehrenschuld ab, wenn es dieser Dichtung die ihr gebührende Würdigung zu teil

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Inhalt: Unter dem Scepter des Soldatenkönigs. Von Moritz Lilie. (Schluß.) — Lied der Refugies. (Mit Abbildung.) — Kinderkomödie im Berliner Schlosse am 1. Januar 1589. — Eine Weihnachtsfeier deutscher Seemänner im hohen Norden. Von B. E. König — Kleine Mitteilungen: Die in Berlin (mit Abbildung). Friedrich der Große über die Justizpflege. Der Gegensatz zwischen Bonin und Roon. Was wissen Sie von Bismarck? Napoleon I. als Familienoberhaupt. — Vereinsnachrichten. — Büchertisch. neue Oberbaumbrücke

werden läßt."

Frauenwille. Erzählungen von Max Dreyer. Zweite Auflage. Stutt¬ gart. Fr. Frowmans Verlag (E. Hauff!. 388 Seiten. 8°. Preis eleg. broschiert 3 M., schön gebd. 3 M. Max Dreyer ist als Verfasser der Dramen: „Drei", „Winterschlaf", „Eine", „In Behandlung" bekannt. In diesem Werke vereinigt er unter dem Gesamttitel „Frauenwille" eine größere (Jochen Jürgens) und zwei kleine Novellen (Geschichte einer Denkerin und: der Hängeboden), die sich durch scharfe Beobachtung, knappen, originalen Stil und frischen Humor auszeichnen. Einen ferneren Vorzug haben die Novellen insofern, als der Verfasser keine Alltagsmenschen zeichnet, sondern eigenartige, kraft- und lebensvolle Gestalten, die, mit sicherer Hand durchgeführt, das Interesse des Lesers im besten Sinne fesseln und weit über die Helden der modernen Salonlektüre hinausgehen. Sprache und Darstellung sich turch herbe Frische aus, die einem verwöhnten Gaumen vielleicht nicht schmeckt, aber für die Gesundheit der Frucht zeugen dürfte.

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