Der Bär. Illustrierte Wochenschrift für vaterländische Geschichte [21]

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Mar.

illustrierte MaHensHrifl für vaterlsnllifHe Urfchichlr, vorzüglich für die Geschichte der WoheUMllevN, der Kaiserstadt und der

Berlin

Mark Brsuöeuönvtz.

Unter Mitwirkung von

Dr. R Köeinguier, Dr. Regierungs-Rat

Dr. Krecher, Theodor Fontone, Geheimer E. Friedet, Ferdinand Meyer, Gymnasial.Direktor a. D. Dr. M. Schwor; und H. Krendicke, Professor

Ernst non Mktdenbrnch herausgegeben von

Friedrich Iilleffen und Richard George.

Jahrgang XXI. (Januar

1895

bis Lüde Dezember 1895.)

Berlin

1895. Verlag von Fr. Zi liessen. Berlin N. 58, Schönhauser Allee 141.

Fachcbt c«r Csrlinsr StccKbLbliothek

sitqsso

InhaliSveMchmS. -00-

I.

Seite

Gedichte.

Zum 27. Januar, von Albrecht Thoma . 37 Heil Bismarck! von Paul Worncke . . . 145 Johannes Weddigen, von Otto Weddigen . 200 Dessauer, Der alte, und der Kandidat, von

Meyer....

Friede!.

Schüler.261 Wernicke.

.284 Westarp.409

August General-Oberst v. Pape und der Landwehr¬ mann, von v. Der Bayrcuther Dragoner, von E. v. Wilden¬

Wedel.274

bruch

Ich liebe Dich, von A

Schüler.309

Kurprinz Friedrich Wilhelm im Haag . . 355 den Jubel-Gedenktagen, von Graf von

Zu

Napoleon III. gefangen, von B. Horsky . 414 Katharina von Schwarzburg-Rudolstadt, von A.

Schüler.523

II. Erzählungen, Romane und /Aus Deutschlands Vergangenheit,

Novellen.

von C. Gründler 1 13, 25, 88, 49, 61, 73, 85. 97, 109, 121, 133, 146, 157, 169 181, 193, 205, 217, 229, 241, 253, 265, 277, 289, 301, 313, 325, 337, 349, 361, 373, 385, 397, 410, 421, Der Stegeknob, von Kart Altrichter 68, 78, /Hie gut Brandenburg allwege, von Oskar 445, Der letzte Askanicr in Wittenberg, von M v. Buch 469, 481, 493, 505, 517, 529, 541, 553, 565, 577, 589, 601,

'

/

Klein.

III.

.

433 90 457 613

Aus dem Leben eines 93jähr. Soldaten 559, 570 Friedrichs des Großen Berlin im Jahre 1789, von Richard 232 248

George.377

Hexenverfolgungen).

....

472 558 148

Meyer.21 George.

187

Buchbinder-Innung, Berliner, von Richard

.616

383, 390, 403, 430, 435 Frauen, Die zwei, des Herrn von Jagow, von Di-, Willy 5 Freicnstein. Schloß (m. Abb.), von M. Hage¬

Thamhayn.

meister

Friedrich der Große und die Frauen, von A. v. Winterfeld . . . 268, 280, 293, 307 Friedrich Wilhelms III. Huldigungsreise, von B. Emil König 392, 405, 415 Gedenkbuch für das deutsche Volk 524 Geschichts- und Altertumsvereine: General¬ versammlung 572, 581, 691, 604 Glocken- und Geschütz-Erinnerungen, AltBerlinische, von Karl Stichler . . 125,138 Golmberg, von B. Götter s. Junggesellenheim. Havelberg > Dolch und Revolver in der Hand des feigen Meuchelmörders oder der Wahnwitzigen sind die Mittel, um wirkliches und vermeintliches Unrecht zu rächen oder die Macht an sich zu reißen. Die Zusammenstellung liefert einen eigenartigen Beitrag zur Geschichte der Fürsten und Völker, doch ist —i. die historische Wahrheit nicht an allen Stellen streng gewahrt.

In

Neue Dilderdücker trtm Qoüjav Uieggendorfer. Verlag von

I.

F. Schreiber, Eßlingen. Wo gesunder, urwüchsiger Humor im Bilde waltet, darf Lothar Meggendorferk phantasiereicher Stift nicht fehlen. Wir finden ihn auch auf dem diesjährigen Büchermarkt für unsere Kleinen wieder aufs liebens würdigste vertreten in feinen Verwandlungsbildern (3 Mk. 50 Pf.), einem Ziehbilderbuch mit Reimen, an dem sich alt wie jung ergötzen werden. Ein anderer Ziehbilderbuch von demselben Meister schildert unS Gigerls Freud und Leid (5 Mk.) in den ergötzlichsten Bildern und Reimen. Von all den Knaben, welche dieses Buch zum Geschenk bekommen unv eS aufmerksam bewachten, wird gewiß nie im Leben einer ein „Gigerl" weitere Ziehbilderbücher von demselben Künstler sind „Ber. Leute" (2 Mk. 50 Pf.) und „Lach mit mir!" (2 Mk. 50 Ps.) herrscht in enthalten ES Ueberraschungen aller Art.

werden.Zwei schiedene

Beide

10

»■ diesen Bilderbüchern eine unwiderstehliche Komik, die selbst Erwachsene auf Augenblicke festzuhalten und in vergnügte Stimmung zu versetzen vermag, bei Kindern aber hellsten Jubel hervorrufen muß.

Strandgut. lage.

Ausgewählte Dichtungen von Gera, Verlag von Karl Bauch.

Reinhold Fuchs.

3. Aus¬

Die Gedichtsammlung sei der Aufmerksamkeit unserer Leser angelegentlichst empfohlen; sie steht weit über dem Durchschnitt und enthält eine Fülle von Stimmungsbildern und Liedern, die an Tiefe und Innigkeit der Empfindung zum Besten gehören, was die lyrische Poesie deS Tages bietet. Wir rechnen dahin insbesondere diejenigen, welche von Strand und Flut reden — hier legte der Dichter seine ganze Seele hinein, verständlich freilich nur dem, der Strand und Flut kennt und sie mit gleichem Auge — sieht.

i

„&» tagt." Verlag.

Roman von Anny Woche. Preis 3 Mk.

Chemnitz 1694.

B. Richters

Wie im jüngsten Roman derselben Verfasserin „Auf Ruinen" ein zerfallendes Grafenschloß im Thüringer Walde, so ist im vorliegenden ein aller Klosterbau im Harz Schauplatz der Erzählung. DaS alte Thema vom Scheiden und Meiden, vom Suchen und Finden wird in neuen, wenn auch nicht ganz eigenartigen Formen variiert; die Tugend siegt, das Laster sinkt zu Boden, die für einander bestimmten Paare finden sich zusammen — damit klingt in schönster Harmonie das Lied auS; empfindsame, anspruchs¬ lose Leserinnen werden sich gewiß daran erbauen. In ihren farbenreichen Schilderungen sollte sich die Verfafferin vor der störenden Häufung von Adjektiven hüten: — „vaS blitzende Gestein, die glitzernden Wellen, vom sanften Abendrot überhaucht, warfen sprühende Blitze —." Studentische Redewendungen und Ausdrücke eines „richtigen Berliners" find ebenfalls entstellende Striche in dem Gemälde, welches im übrigen einige recht hübsche Partien aufweist. —1.

Glückskind.

Erzählung von T. vvn Heinz. Georg Wigand. Preis geb. 4,50 Mk.

Fannys TageduckCharlotte

v.

Seil.

Leipzig,

Verlag von

Erzählung für junge Mädchen von Sophie Leipzig, Georg Wigand. Preis geb. 3 Mk.

Iugendparadies.

Eine wahre Geschichte für Kinder und ihre Freunde von Bernhardine Schulze-Smidt. Verlag von Velhagen u. Klasing. Bielefeld. Preis geb. 5,50 Mk.

Rechte und echte Geschichten für junge Mädchen werden doch eigentlich nur von denen geschrieben werden können, die eS selbst waren und das Herz sich jung erhalten haben, und wenn nun so feinsinnige Naturen und Dichterinnen dieser Aufgabe sich unterziehen, wie eS hier der Fall ist so können wir wohl daS Beste erwarten — und dar ist ja für unsere Kinder eben nur gut genug. Diese Erwartung wird denn auch in den drei genannten Erzählungen, deren Wert sich weit über daS Niveau des Durchschnitts er¬ hebt, voll gerechtsertigt. Je mehr Spreu auf gewissen Gebieten unserer Jugendlitteratur existiert, desto mehr erfreuen die goldenen Weizenkörner, wie wir sie hier finden. „Glückskind" ist die schlichte Erzählung der

Lebensschicksale eines jungen Mädchens, das daheim wie draußen und nicht zuletzt im eigenen Herzen das rechte Glück und innern Frieden findet, allerdings erst nach manchen trüben Stunden und bitteren Erfahrungen. „HannyS Tagebuch" giebt die heranwachsende Jungfrau, eine innerlich kräftige, gerade, vom Pensionsleben nicht angekränkelte Natur, ihre Erlebnisse, Eindrücke und seelischen Empfindungen in knappen, an¬ sprechenden Bildern wieder; die Darstellung zeugt von weitem Blick und scharfer Beobachtungsgabe, von warmem Mitempfinden bei des anderen Freud und Leid, so daß die Gestalten vor deS LeferS Auge lebendig werden und wir die Erzählerin, die Vertraute aller, herzlich lieb gewinnen.

In

DaS „Jugendparadies" von Bernhardine Schulze-Smidt endlich hält, Wie von der hochbegabten Verfafferin nicht was der Titel verspricht. anders zu erwarten war, giebt sie auch hier wieder, sich in erster Linie an die Jugend wendend, ihr Bestes (und sicher Selbsterlebtes) und zaubert den Kleinen nicht minder wie den Großen in ihrer bekannten fesselnden, von fröhlicher Laune belebten Darstellung jene Zeit deS Glückes vor die Seele, die mit ihrem unsagbaren Reiz nur jungen Gemütern beschert ist. So wie eS uns hier geschildert wird, so denkt, spricht, trauert und freut sich ein Kind; eS liegt ein so eigenartiger Hauch der Frische und sinnigen Ernstes über dem Ganzen, daß wir dies Buch nicht minder als Lektüre namentlich unseren jungen Mädchen warm empfehlen. Alle drei Bücher tragen ein —1 höchst geschmackvolles äußeres Gewand.

Strandes Spexialplan von Koriin-Südost mit Treptow unk angrenzenden Ortschaften. Verlag des Geographischen Instituts, schinerstr. 109. Preis 1 Mk.

Jul. Straube,

Berlin SW., Git-

Der sehr deutliche und schöne Plan umfaßt das ganze weite Gebiet von der Friedrichstraße bis hinter Schöncweide an der Oberspree und von Lichtenberg bi» Britz, den Park von Treptow mit der künftigen Bebauung für die Ausstellung 1898 als Mittelpunkt habend. Die genaue und aus¬ führliche Bearbeitung, der große Maßstab (1 : 17 777) und vie saubere Ausführung in 5 Farben bedingen auch die große Uebersichllichkeit dieses Spezialplanes und gestatten die mannigfachste Verwendung des¬ selben zu Einzeichnungen, Projektlinien u. s. w. Ein Nebenkärtchen veran¬ schaulicht das ganze Eisenbahnnetz mit Bahnhöfen in und um Berlin und die Verbindungen mit dem AuSstellungSgelände auf dem Schienenwege.

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Die zweite Auflage dieses wertvollen Romans ist schon sechs Wochen nach Erscheinen der „Nathanael" hat in ersten nötig geworden. westen Kreisen den Anklang gesunden, der für ihn zu erwarten war. Mit seiner ergreifenden Dar¬ stellung gewaltiger Seelenkämpfe, mit seinen

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Die zweite Auflage dieser wertvollen Romans ist schon sechs Wochen nach Erscheinen der „Nathanael" hat in ersten nötig geworden. weiten Kreisen den Anklang gesunden, der für ihn zu erwarten war. Mit seiner ergreifenden Dar¬ stellung gewaltiger Seelenkämpse, mit seinen lebenswahren kulturgeschichtlichen Schilderungen ein Werk, das ist aber auch „Nathanael" Das die weitgehendste Beachtung verdient. vorzügliche Buch kann als Geschenk nicht dringend genug empfohlen werden.

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und Pros. Dr. L. Neu mann. Herausgegeben von Pros. Dr. Wilh. Sievers. Eine allgemeine Landeskunde. Mit 168 Abbildungen im Text, 14 Karten und 28 Tafeln in Holzschnitt und Farbendruck. In Haibieder gebunden 16 Mk. oder in 14 Lieferungen, zu je 1 Mk. (Im Erscheinen.) Von Dr.

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Für die Redaklion verantwortlich Richard George in Berlin W. 67, Culmstr. 25. — Abdruck ohne Eingeholte Erlaubnis ist funierfagt. Verlag: Fr. Zillessen, Berlin X., Schönhauser Allee 141. — Druck, Buchdruckenrei Gutenberg, Berlin X., Schönhauser Allee 141 a

Unter Mitwirkung

Ford. Merzor.

Stadtrat G. Fricd Ernst v. Mistrondrurti,

Tsteodrrr Fsrrtarre,

p. H. Krendicke. Gymnasialdirektor a. D. Dr.

M. Krtywart;

und

herausgegeben von

Friedrich LiNessen XXI. Zahrgana.

Der

„Bär"

M 3.

und

Nichsrd George.

erscheint wöchentlich am Sonnabend und ist durch jede Postanstalt (No. rog), Buchhandlung und Zeitungsspedition für 2 Ulk. 50 pfg. vierteljährlich zu beziehen.

19. Jmwllr 1895.

Mus AeuiflßkanLs Nevgangenßeii oder

Nev Schlsnyeuving. Kistnrischor Vornan von E. Grundier.

(Nachdruck verboten.)

(3. Fortsetzung.)

nlite

Wunden waren längst geheilt, aber der alte Hauptmann Siegfried litt es nicht, daß Frater Dalmatius in Mehr noch als die seine winterliche Klause zurückkehrte. Freundschaft des Vaters fesselte jedoch den Einfiedler das Wohlgefallen, welches er an dem jungen Siegbert mehr und mehr gewann. Obwohl er auch jetzt allen Fragen über seine Vergangenheit auswich, teilte er doch bereitwillig von seinem reichen Wissen mit, und Siegbert war ein gelehriger Schüler. Die Gelehrsamkeit damaliger Zeit war eben nicht groß, nur einzelne konnten lesen und schreiben, und dies nur lateinisch. Für die Edlen ritterliche Uebung und Jagd, für die Gemeinen

— das war fast alles. Endlich war der Tag gekommen, wo der Einfiedler sein Waldleben wieder aufnehmen wollte. Der Hauptmann Sieg¬ fried hatte Befehl erhalten, mit seinem Sohne an das Hoflager des Frankenkönigs Theoderich nach Metz zu kommen, und rüstete sich schon zunl Aufbruch, welcher am dritten Tage

Handwerke und Ackerbau

Der Nachfolger war schon angekommen. Frater Dalmatius saß vormittags mit seinem Zögling

stattfinden sollte.

auf einer Bank unter den breitästigen, alten Linden vor dem Turme, welche zwar noch unbelaubt waren, aber doch schon die ersten Blätter zu entfalten begannen. nicht mit uns ziehen, ehrwürdiger Vater, in unser schönes Frankenreich, wo die Sonne Heller strahlt und die köstliche Traube reift?"

„So willst Du

„Nein, mein Sohn, wir

niemals wiedersehen, denn meine Tage find ge¬ Ich habe in einem Lande gelebt, noch viel schöner als

werde Dich wählt.

müssen heute scheiden, und ich

Euer Frankenreich, wo das Meer den größten Teil des Jahres das Azur des Himmels wiederspiegelt und die Traube an Orangenhainen rankt, wo hundert Blumen blühen und Früchte reifen, die Du nicht einmal dem Namen nach kennst. Was nützte aber selbst ein Paradies, wenn es die Menschen fich selbst zur

Hölle machen!"

haben die Menschen gewiß viel Uebels zugefügt?" „Mein Sohn, die Menschen haben fich zu allen Zeiten mehr darum bekämpft, was fie glauben, als was sie misten. Auch mein schönes Vaterland ist allen Gräueln der Ver¬

„Dir

wüstung um des Glaubens willen anheimgefallen. Das junge Christentum, welches die Religion der Liebe ist, hat schon frühzeitig unselige Spaltungen erfahren. Schon vor zwei¬ hundert Jahren ist eine große Versammlung aller Gelehrten des Christentums (325 zu Nicäa) zusammenberufen worden, um die Spaltungen zu schlichten, allein vergebens. Im An¬

fange behielt die eine Partei den Sieg, und der damalige Kaiser trat selbst zu ihr über. Allein jetzt hat die andere Partei die Oberhand gewonnen und verfolgt ihre Gegner im Glauben, die Arianer, schlimmer als die reißenden Tiere der Wüste. Tausende find hingeschlachtet und verbrannt und in

in die blauen Fluten des Eorstus Euximis gestürzt worden. Auch hier wird bald der Streit um den Glauben entbrennen, doch Du wirst ihn nicht mehr sehen. Doch genug der traurigen Erinnerungen! Ich will Ruhe und hoffe, sie Säcken

die wenigen Tage meines Lebens noch zu haben."

Wie sehr sollte er fich getäuscht haben! Eine Zeitlang schwiegen beide, jeder mit seinen Gedanken

—-e

26

Dann fuhr der Greis fort: „Mein Sohn, ich früher reich war und hatte über viele zu gebieten. Allein ich habe alles verlassen und besitze nichts mehr, was ich Dir zur Erinnerung geben könnte, als ein kleines, wertvolles An¬ gedenken." Hierauf öffnete er sein Gewand, nahm von seiner offenen Brust einen kleinen, goldenen Gegenstand, welchen er an einer festen Schnur von Pferdehaar um den Hals trug. Es war ein Ring von mattem Golde in Form einer Schlange. Die Rundung des Ringes war durch ein dreieckiges Stück ausgesetzt, in welchem ein sogenanntes Gottesauge eingraviert war. Der Ring war doppelt nnd ließ sich wie unsere modernen Medaillons mittelst eines Charniers aufklappen. Die eine Hälfte zeigte die Jnschrifr „iutivaicls st üäslitsr" (Unverzagt und treu), die andere „äivicks st impera ' beschäftigt.

1

(Teile und herrsche). „Dies ist ein Amulett, welches einst an einem heiligen Orte aufbewahrt war. Trage es stets bei Dir, so wird das Glück mit Dir sein, und Ruhe und Frieden in Deinem Herzen wohnen!

Trenne Dich niemals von ihm!"

Siegbert nahm das Amulett, hing es sich unter der Ge¬ wandung um den Hals und verbarg das Gesicht in beiden Händen, denn der Einsiedler hatte, ohne ein Wort hinzuzu¬ fügen, schon seinen Weg bergauf genommen. *

In

Thäler, welche die beiden Höhenzüge trennen, auf welchen das Haus der Sachsen und der Turm einem

der

sich die Meierei des Sachsen¬ Sie bestand aus mehreren roh zu¬ sammengefügten Gebäuden mit einer festen Umfriedigung zur Aufnahme des Viehes im Winter und zur Wohnung des Meiers mit einigen Hirten. Der Viehstand bestand aus zahl¬

der Franken

lagen,

befand

häuptlings Godomar.

reichen Rindern, Schweinen und einer kleinen Schafherde, der

überlassen blieb, unter Leitung tüchtiger Hunde ihre Nahrung in den Wäldern zu suchen. Die Kühe wurden täglich zweimal in einen sogenannten Kraal zusammenge¬ trieben, um gemolken zu werden. Der Bestand an Pferden und Fohlen wurde auf der größeren Wirtschaft in Kannawurf es

meistens

unterhalten.

rechte Hand

gegen

die

linke Brust,

stürmisch klopfende Herz beschwichtigen.

als wolle sie das Sie konnte ungefähr

19 bis 20 Jahre alt sein und war, abweichend von dem Wuchs des sächsischen Volksstammes, welcher auch in seinem weib¬ lichen Teile überwiegend robuste und stramme Bildung zeigte, eine zierliche und fast zarte Gestalt. Hieraus erklärte sich die unmäßige Liebe ihres Vaiers, des alten Godomar. ihr, da ja Elternliebe um so stärker zu sein pflegt, je schwächer und hilfsbedürftiger der Gegenstand derselben ist. Ihr feines, ovales Antlitz, mit einem Paar großer, hellbrauner

auch

zu

Augen und träumerischem Blick, hatte den Ausdruck der Sanftmut und Hingebung. Ihr reiches Haar, von jenem Goldblond, welches eine Zeitlang bei den römischen Frauen Mode war, und welches sie durch Bestreuen mit Goldstaub nachahmten, fiel in zwei dicken, langen Flechten vollendetsten

den Rücken. Friedelinde war bekleidet mit einem Rock aus selbstgewebtem Stoff von schwarzer Lammwolle und ebenEin weißes Hemde, durch eine schmale solchem Leibchen.

über

Krause geschlossen, reichte bis an den Hals, die nackten, kleinen Füße waren in ledernen Pantoffeln verborgen. Als Schutz gegen

die

noch

kühlen Abende

trug

sie

ein dickes Jäckchen

von grauem Wollstoff, mit dem Pelze des Marders eingefaßt. Die Arbeit des Tages war gethan, nur die hochgeschürzten

Mägde beschäftigten sich in einiger Entfernung von der Ge¬ bieterin noch mit dem Reinigen der roh gearbeiteten, hölzernen Milchgefäße am Bache. Die sinkende Sonne stand dicht über dem Kamme des Hainleite-Waldes und warf ihre letzten roten Strahlen in das idyllische Thal. Die majestätischen Buchen an der schroff aufsteigenden Berglehne begannen bereits ihre braunen Blätterknospen zu entfalten und verliehen dem Walde jene eigentümliche braungrüne Färbung, welche das Wieder¬ erwachen der Natur aus langem Winterschlaf verkündet. Auf dem noch welken Grasteppich sproßten die ersten Halme, ver¬ einzelt blühten noch die letzten Schneeglöckchen, während zahl¬ lose blaue Leberblümchen jede sonnige Stelle bedeckten und Die alten riesigen die ersten Veilchen sich hervorwagten. Bäume waren unten am Stamm dicht mit grünem, frischem

Moos bedeckt. Die Luft erfüllte sich bereits mit einem leichten, rosa¬ farbigen Dunstschleier, als Friedelinde einen leisen Hufschlag vernahm. Ueber ihr Gesicht zog ein Strahl der Freude, und in raschem Lauf flog sie den Fußsteig dahin. Bald hatte Es war Siegbert mit einem Knaben. sie zwei Reiter erreicht. „Führe die Pferde zurück, Willi, bis an die drei Buchen, und verhalte Dich ruhig!" rief ersterer dem Knaben zu. indem er sich flink vom Pferde schwang und dem Knaben die Zügel gab. „Habe ich Dich endlich. Du böser Knabe," sagte Friede¬ linde, indem sie sich züchtig der stürmischen Umarmung Siegberts zu entziehen suchte, „ich fürchtete schon. Du würdest heute nicht kommen."

„Ach,

mein Lieb,

wenn Du wüßtest,

wie ich mich nach

dieser Stunde gesehnt habe; aber schon übermorgen muß ich

von dieser Gegend, und ich hatte noch so viele Aufträge zu besorgen, denn der neue Hauptmann Wolfs¬ helm ist gestern eingetroffen." „Was sagst Du, Du willst fort von hier und —" „Ich muß, mein Mädchen! Mein Vater ist an den Hof unseres Königs Theoderich nach Metz berufen worden, und ich muß mit ihm ziehen. Ohne Dich mag ich nicht leben, nnd Abschied

An demselben Tage, wo der Einsiedler Frater Dalmatius von Siegbert stummen Abschied genommen hatte, stand ein junges Mädchen unweit der Meierei an dem Wege, der im Grunde des Thales nach dem sogenannten Mutzenborn führt, von Zeit zu Zeit aufmerksam lauschend. Zuweilen drückte sie die

s-—

nehmen

Du wirst mir folgen." Friedelinde wurde bleich wie der Tod, schwere Thränen tropften aus ihren Augen hernieder, und in wildem Schmerz schrie sie auf: „Siegbert, was forderst Du? Ich soll meinen Vater ver¬ lassen? Heimlich, gegen seinen Willen? Nimmermehr! Ewige Schmach und Schande werden auf meinem Namen haften, und die Götter werden mein Vergehen strafen!" Siegbert. welcher Friedelinde in seinen Armen gehalten hatte, ließ sie sanft auf den Moosteppich gleiten und setzte sich neben sie, faßte beide Hände und fragte sie: „Friedelinde, Du hast mir Deine Liebe zugeschworen und versprochen, mir Willst Du Deinen Schwur als mein Weib zu folgen. brechen?"

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27

fit-

Neugierig betrachtete Friedelinde das Schmuckstück, welches Du bist mir teurer, als mein Aber was soll aus meinem armen, alten Vater werden, in damaliger Zeit unter den Naturvölkern so selten war, daß zu seiner Erlangung ein Raubzug mit Einsetzung des eigenen der schon meine Mutter und meine drei Brüder verlor und Lebens schon öfters vorgekommen war. niemand mehr hat als mich? Ich will zu unserem Gotte Fro „Sieh hier, wenn ich diesen Stift löse, so teilt fich dies beten, daß er meinen Zweifel löse und mich errette aus dieser wunderbare Stück in zwei gleiche Hälften. Mein Glück ist Not und Qual." „Du wirst unseren Christengott kennen lernen, der den das Deine. Magst Du die eine Hälfte tragen und niemals ablegen, wie ich die andere, und — hier hob er die Hand Menschen befiehlt, fich zu lieben. Eure alten Heidengötter hoch — so gewiß die beiden Hälften wieder vereinigt werden, sind machtlos geworden und fliehen vor der siegenden Tapfer Sie können Dir nicht mehr helfen." so gewiß wird unser Vorhaben gelingen und werden auch wir keit des Christengottes. Siegberts Hand fest erfaßt hatte, ant¬ vereinigt werden. Doch nun laß uns gehen, damit ein langes Friedelinde, die Ausbleiben keinen Verdacht erregt! Schicke die Mägde voraus, wortete nicht. Nach einer Pause fuhr der Franke fort: „Es bleiben uns nur noch wenige Augenblicke zur Ver¬ ich geleite Dich bis zur heiligen Eiche, dort mögen sie Dich erwarten. Wir wollen unterwegs alles besprechen." ständigung, Geliebte! Ich kann mein Schicksal nicht mehr Dich lasse!" wenden, aber eher lasse ich mein Leben, ehe ich Friedelinde, durch den Besitz des Amuletts beruhigt und „Ach. mein Vater!" sagte Friedelinde, indem Thräne ermutigt, sah mit einem glücklichen Lächeln unter Thränen zu auf Thräne über ihre Wangen rann. ihrem Geliebten auf: „Dein Vater wird Dich ohnedies nicht lange mehr bei „Ich will Dir gehorsam sein und Dir dienen, so lange ge¬ ich lebe." sich behalten können, und in unserem heiligen Buche steht schrieben: Das Weib soll Vater und Mutter verlassen und „Morgen nacht, wenn der neue Mond hinter dem Walde dem Manne nachfolgen." der Thüringer versunken ist, erwarte ich Dich mit meinen „Ich kenne die Lehren Eures heiligen Buches noch nicht, schnellsten Rossen bei der heiligen Eiche, und wenn die Sonne obwohl viel Schönes darin stehen soll. Banges Herzeleid aufsteigt, wird sie uns schon im Thal der Helme bestrahlen, hat mich oft erfaßt, wenn ich daran dachte, wie ungehorsam wo wir vor aller Verfolgung sicher sind." Mein Vater wird niemals ich gewesen bin. Dich zu lieben. Sie hatten fich erhoben und gingen Arm in Arm zurück, werde, denn glaubst daß ich Deine Hausfrau Du einwilligen, während Siegbert noch äußerte: „Ich werde die Sehnen an die Lehren des Gekreuzigten, und ich bin in dem alten meiner Pferde erproben müssen, wenn ich zu rechter Zeit Glauben meiner Väter erzogen." Denn auf heute abend find alle freien zurück sein will. „Du wirst die heiligen Lehren unseres Glaubens hören, Franken zum Turm entboten, um dem neuen Hauptmann Ge¬ und Du wirst sie lieben lernen, denn in unserem heiligen horsam zu geloben." Während die glücklichen Liebenden an dieser einsamen Buche steht auch: Liebet Euch untereinander — wie Frater Dalmatius gezeigt hat." Stelle die eben gehörte Unterhaltung führten, hatten sie keine „Steht das darin geschrieben? Das zu glauben, sollte Ahnung, daß drei Schritte hinter ihnen ein paar Ohren, welche mir nicht schwer werden, denn ich liebe Dich ja so sehr, mehr an dem struppigen Kopfe eines Sachsen saßen, jedes Wort als mein Leben, und wenn Du fortgehst, werde ich sterben, gehört hatten. Sowie beide um die nahe Biegung des Weges waren, richtete sich dieser Kopf mit einem teuflischen Grinsen wie die Blume ohne Regen." Sie lehnte den Kopf an seine Brust und schluchzte leise. etwas in die Höhe, dann kroch der nur mit einem Tierfell Kaum hundert Er schlang den rechten Arm um ihre Hüfte, zog sie sanft an bekleidete Kerl auf allen Vieren zurück. Schritte davon fand er noch zwei Gefährten, ihn erwartend. sich und küßte sie auf die Stirn. „Du wirst nicht sterben, Friedelinde, sondern, wenn es Leise sagte er ihnen: „Jetzt ist's Zeit; ehe denn des Mondes Sichel über dem Waldrande erscheint, wird er zurück sein." dem Herrn gefällt, noch lange mit mir leben im schönen „Aber Ivo, ich fürchte, wir werden schlechten Dank von benutzen, um Zeit Frankenland. Doch jetzt laß uns die kurze unserem Herrn Godomar ernten, wenn er das erfährt." er¬ zu überlegen, was wir zu thun haben, damit Du unbemerkt widerte Knut, der eine der Gesellen. entkommen mögest!" „Mir ist so bange ums Herz; Gott Donar hat wohl „Du bist doch dümmer, als ein neugeborenes Kalb.

„Niemals, niemals!

Leben!

unseren Untergang beschlossen, da er so vernehmlich aus den Wolken zu uns sprach, als ich vor drei Tagen Dich erwartete,

Mein Herr sagt:

und heute morgen flogen Raben vor mir her nach dem Frankeniurme. Auch Vadomar ist von der Saale eingetroffen bei meinem Vater, wie ich gehört. Er hat mich schon einmal zur Hausfrau verlangt. Er ist ein freier Sachse und hat vielen Besitz. Aber ehe ich ihm folge, suche ich mein Grab

um ihn einzuscharren.

in der Unstrut." „Nun, verbanne die trüben Gedanken!

„Tölpel, habe ich Dir nicht gesagt, daß mein Herr Vadomar die Jungfrau zum Weibe nehmen wird, daß er alles erhalten wird, was ihr Vater besitzt, und daß er dann auch Dein Herr sein wird?" „Mir ist's gleich," sagte Tillo, der dritte, auch ein Knecht aus dem Sachsenhause, „einen Herrn müssen wir einmal haben, ob's dieser oder jener ist."

schon

einen

schmerzlichen Abschied

von

möglich

Lebendig

töten

so

gefangen!

wir ihn, und

Wenn

dies

nicht

der Wald ist groß genug,

Mag Loki die verfluchte Seele des

Christen holen!"

„Ich

sehe

nur nicht, was uns das nützen soll, und mir der mutig und kühn ist, von

widerstrebt es. den Jüngling, hinten zu überfallen."

Ich habe heute

meinem alten Lehrer

Und hier," fuhr Siegbert fort, und Freunde genommen. indem er das goldene Amulett hervorzog, „habe ich von ihm ein Angedenken aus heiliger Stätte. Es soll mir Glück bringen, so lange ich es bei mir trage."

ist,

^

—-e

28

„Nein, Ihr sollt keinen Herrn mehr haben! Sobald der Ehebund vor versammelter Gemeinde geschlossen ist, wird mein Herr Eure Freilassung begehren und einem jeden von Euch

ibdunkle Gestalten von

der

anderen Seite

aus dem Gebüsch

Was soll aber mit dem

Der eine umfaßte ihn von hinten und preßte seine Arme mit Riesenkraft um den Leib, der anvere warf ihm blitzschnell eine Art weiten Mantel über den Kopf und Indessen war auch wickelte die Enden am Halse zusammen. der dritte aufgesprungen, zog feste Stricke von Lindenbast

bringen ihn heimlich gebunden ins Haus; das andere ist unsere Sorge nicht. Der Godomar wird nichts erfahren. Mein Herr nimmt ihn übermorgen mit in seine Heimat. Mögen sie durch die Gemeinde Urtel sprechen! Ihr wißt, wer eine freie Frau heimlich küßt, muß des Todes sterben. Die leichtfertigen Franken zahlen freilich nur 35 Goldstücke Buße. Doch nun rasch zur Stelle! Er muß gleich zurückkommen, die Pferde sind dort hinten bei den drei

hervor und schnürte Hände und Füße zusammen, daß die Stricke ins Fleisch eindrangen. Siegbert war unfähig sich zu regen oder den geringsten Laut von sich zu geben. Die Bande waren so fest angezogen, daß die gebundenen Stellen empfindlich schmerzten, und der Mantel so dicht um seinen Kopf gewickelt, daß er fast er¬ Er fühlte sich auf den Boden niedergelegt und noch stickte. vollständiger überall eingehüllt. Darauf wurde er von zwei Männern auf die Schultern genommen und durch das Ge-

eine Hufe schönen

guten Boden und Pferde und Rinder schenken im

Saalethale."

„Das ließe sich Jüngling geschehen?"

schon

hören!

„Wir

Könrgsbevg

flauer türm,

sog. Kittoobook.

Buchen. Du, Tillo, gehst auf die rechte Seite des Weges und wimmerst, als hättest Du ein Gebreste. Wir beide wissen

Bescheid."

Das saubere Kleeblatt kroch auf dem Bauche der Stelle zu, wo Siegbert und Friedelinde gesesien hatten. Kurz darauf näherte sich ein rascher, elastischer Schritt. Siegbert kam eiligst zurück. „Wenn doch der Willi mit den Pferden etwas näher ge¬ kommen wäre," sprach er vor sich hin, „es wird wahrlich die höchste

Zeit."

In der That glaubte er ein leises Geräusch in einiger Entfernung zu hören. Er blieb lauschend stehen. Doch nein, jetzt hörte er es dicht neben sich, und zwar wie ein leises, menschliches Wimmern. Er zog das Messer aus der Scheide und that einen Schritt nach dem Gebüsch zu. „Wer ist hier, der Hilfe bedarf?" Aber ehe eine Antwort erfolgte, waren plötzlich zwei

gesprungen.

Königsborg U.-M: Mcruerturnr. büsch getragen, denn er fühlte oft, wie die Baunizweige seine Umhüllung streiften. Von der im leisen Flüsterton geführten Unterhaltung seiner Träger konnte er, der dichten Umhüllung

wegen, nichts verstehen. Vergeblich zermarterte er sein Hirn über den Urheber und den Zweck des Ueberfalls. War es ein Akt der Rache gegen ihn oder seinen Vater? Da hätte man ihn einfach töten können, auch lebten sie jetzt mit jedermann in Frieden. Wollte man ihn verbergen, um ein Lösegeld von seinem Vater zu erpressen? Auch das war nicht denkbar, da sein Vater am anderen Morgen abreisen mußte und schwerlich wieder in diese Gegend kam. Auch war er an dem Königshofe in Metz oder auf den ferneren Kriegs¬ zügen wohl kaum zu erreichen, um ihn einzulösen. Und fort ging's, immer weiter durch den dichten, dunklen Wald. Kurz darauf hörte man den Galopp davonsprengender Pferde. (Fortsetzung folgt.)

_

—«l

29

Ek

alterliche Reste, Giebelverzicrungen.

mit der Kreuzesfahne. — In Holz ganz brav geschnitzt sind neben dem Hauptbilde links vom Beschauer ein Moses, rechts ein Paulus aufgestellt. Jüngern Datums ist der vor dem Altar hängende, nicht ohne Geschick, derb aus Holz geschnitzte Taufengel mit grüner Gewandung und rotem Unterfutter. Es ist höchst löblich, daß Herr Pastor Heinemann in Falkenberg auf den

Das kleine Gotteshaus von Faulen-Benz ist in seinen ältesten Teilen aus gespaltenen Feldsteinen als romanische Bafilica gebaut gewesen. Das älteste Mauerwerk ist innen fast noch roher wie außen und war einst mit wenigen schlitz-

fortdauernden Gebrauch dieses ehrwürdigen Gerätes bei Taufen hält. Das Auf- und Niederbewegen des Taufengels, desien Hände die Taufschüssel halten, geschieht nach Art unserer Hängelampen, das Gegengewicht spielt auf dem Kirchenboden.

Dericht über einen Ausflug in den Uaugarder Kreis. Von Grnst FrieL-el. (Schluß.) Märkische Erinnerungen. — Die Gräber-Berge, megalithische Anlagen. — Sleinreichium. — Alle Linde, alte Kirche, messingene Taufschalc, alle Glocken. — Wendische und mitlel-

Karrigsberg |t.-p.: Fries am Krhrnedter Tharturm.

Königsberg U.-M.: Kormitrarnor Thor. artigen Schmalfenstern durchbrochen, welche auch diesem Kirch¬ lein wie fast allen ähnlichen kirchlichen Gebäuden, den Charakter einer Feste gegeben und es durch Bogenschützen verteidigbar gemacht haben. In gothischer Zeit find die Fenster erweitert und die Umrahmungen in Backstein ausgebaut worden. Die Wände sind weiß getüncht, und das Innere macht, wie leider bei der großen Mehrzahl unserer protestantischen Dorskirchen, einen wenig anheimelnden, eher frostigen und nüchternen Ein¬ Gemildert wird derselbe durch die nachfolgenden Aus¬ druck. stattungsstücke. Das alte Altarbild stellt in Oelmalerei die

Kreuzigung dar, darunter das Abendmahl, darüber die Auf¬ erstehung. Auf dem Bilde steht in Holz geschnitzt das Lamm

Die Zinnleuchter des Altars sind aus dem 17. Jahrhundert, etwa Stettiner Herkunft, dgl. mehrere Kannen aus demselben Metall. Der Abendmahlskelch ist aus Silber getrieben und Das Patenenvergoldet, anscheinend Renaissancearbeit. Tellerchen dgl. von Silber. Die hier gebrauchten Hostien haben etwa Thalergröße, sind von dünner Oblatenmasse und

mit einem eingepreßten Gekreuzigten versehen?)

In

manchen Berliner Kirchen, z. B. in der Dorotheenstädtischcn, bei i) welcher ich MagistratS-PatronatSvertreter bin, wird die Hostie in rundauSgestochener Semmelkrume gereicht, die leicht trocken und bröcklich wird, schwerer zu verschlucken ist und unter Umständen zum Husten reizt. manchen holländischen und ftiestschen Kirchen wird einfach ein Teller mit Brotschnitten herumgereicht.

In

•e

Die Orgel steht, eingangs rechts

gesehen,

neben

Altar, welcher aufgemanert und ans kaiholischer Zeit in dem steifen

dem

ist, sie ist

Zeit stilisiert, mit Cpmbelton versehen und oben mit einem Stern geschmückt, welcher sich beim Spiel herumdreht. von 1790,

Geschmack der

Die Kanzel ist einfach und

schmucklos.

Hinter der Orgel wird ein kleines, eisernes Vortragekreuz auf hoher, rotgestrichener Stange bewahrt, welches bei Beer¬ digungen früher, bedauerlicherweise jetzt nicht mehr, dem Zuge vorausgetragen wurde.

An der Wand links sind vier eiserne Tafeln mit Wappen, die, um erkennbar zu werden, erst gründlich gereinigt werden

müßten, anscheinend auf Patrone aus dem 17. und iS. Jahr¬ hundert bezüglich, angebracht. Daneben hängen drei Degen, auf welche sich mutmaßlich ebensoviele jener Blechtäfelchen beziehen, ein dreikantiger Stoßdegen,

17. Jahrhundert, ferner

ein preußischer Offiziersdegen mit den Inschriften: „non soli cedit“ und: „me fecit Potzdam 1729“, in brauner Leder¬ scheide und ein anderer preußischer Osfiziersdegen mit der zweimaligen Devise: „pro gloria et patria“, desgl. mit schwarzweißem Porte-epee.

In

dem

modernen

Backsteinturm

hängen

Glocken, beide enthalten die Bezeichnung:

Heinrich Scheel in Stettin 1748“, auf

zwei

kleine

„mich goss Joh. der größten steht:

„So oft mein Schall die Ohren rührt, So thu was dir dabei gebührt.“ — Ein Stiftsgebäude, welches sich im Dorf Eichenwalde auf dem Wege nach Wittenfelde befand, ist vor einigen Jahren wegen Baufälligkeit abgetragen worden.

Vorgeschichtliches der Umgegend von Eichenwalde. Die Generalstabskarte von 1834, graviert von Schmelzer 1837, neueAusgabe 1880, einzelne Nachträge 1881, enthält mehrere be¬ deutsame Namen: „Der Große Stein", südwestlich vom Dorf, „der Diebssteig" und „die Hölle", nördlich vom Dorf, endlich nordwestlich 5000 m entfernt „der Schloßberg"; während diese Flurnamen späierer Würdigung vorbehalten bleiben mußten, gelang es mir, „die Gräberberge", 2500 rn nordöstlich von Eichenwalde, näher zu untersuchen. Auf dem Wege dorthin

wir die Schäferei worin ein junges, seit mehreren Jahren verehelichtes Schäferpaar lebt, bei welchem, obwohl vier Störche auf der First horsteten, der Adebars-Segen, zur großen Verwunderung, bisher nicht eingekehrt ist! Die Gräberberge sind jetzt bis auf einige Stellen vollständig abgeholzt und Ackerland geworden. Von fern her markieren sich aber einige Stellen, auf welchen die beim Pflügen lästigen großen Geschiebe in Haufen zusammengetragen sind. Dies find die alten Gräberstellen, dem oberflächlichen Anschein nach Hügelgräber, bestanden mit Dorngestrüppe, Haseln, Buchen. Eichen, Brom- und Himbeeren in der für die nordischen Gräber allerorts so charakteristischen Weise. Die großen Steinplatten sind zum Teil gesprengt, zum Teil kann man

passierten

noch

scheinbar

kammerartige Satzungen unterscheiden. Dies ist namentlich bei dem größten nordöstlichen Hügel der Fall, der im Umkreis mit gewaltigen, halb unter der Erde liegen¬ den Blöcken umstellt ist und eine Art Steinmauer aus Geschieben hat.

Stelle kenntlich.

Im Innern

ist ein Graben und eine quellige Es scheinen hier mehrere Gräberstellen ver¬

30

s-— einigt gewesen zu sein. Eine geöffnete und fast zerstörte kammerarlige Setzung scheint gewaltige Platten von über 100 Zentner zur Deckung gehabt zu haben. Bei dem sehr zerstörten Zustande und der spätern Aufhäufung von aus den Feldern zusammengelesenen Blöcken kann man sich aber von der ursprünglichen Natur dieser Steinsetzungen schwer einen vollkommen deutlichen Begriff machen. Waren es dolmenartige Hügelgräber, wofür die Größe des Steines zu sprechen scheint, so würde die Grenze derselben in Pommern dadurch nach Osten hinausgeschoben, es ist hierbei nicht zu übersehen, daß auch in der Provinz Brandenburg sicher megalithische Gräber ziemlich weit im Osten, wenn auch vereinzelt, festgestellt worden sind. Es kann sich aber auch um kleinere Hügelgräber der Bronzezeit, endlich auch um Grabkammern noch späterer Zeit aus Steinplatten handeln. Die Platten solcher Grabkammern aus ziemlich dünnen, aber großen Stücken von grauem gothländischen Orthoceratitenkalk wurden uns zuvor aus dem Felde westlich von der Chaussee gezeigt. Sie waren von also über der Erde, den Arbeitern auf dem letzteren, einer Grabkammer zusammengestellt worden; ob wieder zu hierin etwas gefunden oder übersehen worden war, ließ sich nicht feststellen. Jedenfalls heißen die zuvor geschilderten Stellen seit undenklicher Zeit im Volksmunde „die GräberBerge", und eine solche Bezeichnung wird von der Land¬ bevölkerung kaum jemals ohne wirkliche Begründung gebraucht. Um diese Steinhügel aber genau zu untersuchen und ihren archäologischen Wert festzustellen, bedarf es vieler Menschen¬ kraft. mehrtägigen Zeitaufwand und ganz erklecklichen Arbeits¬ lohn. Wenn die Steine nicht zu wirtschaftlichen Zwecken ab¬ gefahren werden, verbleibt die Sache gewiß noch recht lange im Dunkel. Auf demselben Felde hatte der Inspektor Herr Kestner kürzlich zwei diluviale Bernstein-Geschiebe gefunden; das eine 12 cm lang, lohfarbig, das andere etwas kleiner, klar honig¬ gelb.



Falkenberg,

8 hm südlich Eichenwalde, gelangten

wir über Wittenfelde,

welches eine eigene Pfarre und eine

Nach

mit gotischem Giebel verzierte Kirche hat.

Am nordwestlichen Falkenberger Kirchhofs grüßt von fernher eine mächtige, mehrhunderljährige, ziemlich hohl gewordene Linde, welche dnrch ihren mehr als gewöhnlich schlanken Wuchs auf¬ fällt. Das freundliche Gotteshaus in Falkenberg, welches uns Herr Pastor Heinemann zeigte, hat vor einigen Jahren einen in gefälligem rotem Rohziegelbau mit einem Aufwand von 5000 Mk. aufgeführten Turm erhalten; bei dieser Gelegen¬ heit sind leider die Außenwände der Kirche derartig abgeputzt worden, daß sich ihre Konstruktion nicht genau übersehen läßt. Doch ist ein sehr aller, feldsteinerner Kern nicht zu verkennen, der Giebel an der Altarseite ist gotisch ausgebildet, es ist aber auch ein vermauertes Rundbogenfenster vorhanden. Auf dem genannten Altar steht ein Kastenbild, drei wohl¬ geschnitzte, ausdrucksvolle Figuren enthaltend: in der Mitte Maria mit dem Kinde, rechts Johannes der Täufer, links die heilige Katharina. Bei der Betrachtung ergiebt sich aus der Wendung der Köpfe, daß bei einer Renovierung diese zwei Ende

des

Figuren vertauscht find. Da an dem Kasten die Bezeichnungen Joh. Bapt. und Sta. Catharina aus alten Zeiten umgekehrt an¬ gebracht find, so ist nicht recht verständlich, warum? man die Figuren verkehrt aufgestellt hat, und sollte dies Versehen be¬

•e

31

s>.—

In

seitigt werden. Der Altar hat zwei Klappen, darin stehen in drei Reihen übereinander die zwölf Apostel und zwischen je

der

Mitte:

zwei allemal eine weibliche Heiligenfigur; Figürchen, kleiner und roher als die drei Hauptfiguren, immerhin aber das

Bentz Anno 1728.

Individualisierung bekundend. ist links die Maria, rechts Auf ein Heiliger, als Bischof mit Hirtenstab, ziemlich primitiv gemalt Streben

nach

und

Ausdruck

Mag. Johann Gohr Pastor in Falckenberg und

der Außenseite der Klappen

In

dem

durch die Dorfstraße vom Pastorat

und sehr verblichen, zu erkennen.

hoch belegenen

altes, flaches, messingenes Taufbecken ist gotisch stilisiert und zeigt den Sündenfall; auf dem Rande des Bodens sind gotische Majuskeln angebracht, ohne daß ein Sinn zu Es ist dies bei den entziffern wäre, also rein dekorativ. solcher Art, welche übrigens Nürnberger Becken Lübecker und

wahrscheinlich wendischer Herkunft.

Ein

auch zu profanen Zwecken hergestellt wurden,

Fall.

sehr häufig der

Sicherlich werden diese Becken auch in anderen großen

Slädten, wo das Kunsthandwerk blühte, getrieben worden sein. Schon der Name „Beckenschlägergasse" in mehreren deutschen Städten spricht dafür.

Zwei zinnerne Leuchter von 1643 sind nicht ungeschickt Die Kanzel ist gegossen, wahrscheinlich pommersche Arbeit. im strengen Renaissancestil hergestellt und weiß gestrichen; sie zeigt in den Feldern die vier Evangelisten in Oel gemalt. Herum

getrennten,

Pfarrgarten bemerkie ich frühmittelallerliche Scherben der beim Ottobrunnen bemerkten Art ( 12 . bis 14. Jahrh.) und vorgeschichtliche Scherben verstreut, letztere

Die Giebelverzierungen auf den Strohdächern bei in diesem Aufsatz erwähnten Dörfern find meistens kreuz¬ weise und stellen, nach außen blickend, jene seltsamen Gebilde dar, die ich jetzt geneigt bin, als Hundeköpfe (Symbol der

den

Wachsamkeit) anzusehen; die weniger häufigen, senkrechten Giebelzeichen erweisen sich der Mehrzahl nach den Herzen im

Kartenspiel ähnlich.

Aus diesem kurzen Ausflug in den Naugarder Kreis dürfte ersichtlich sein, wie vieles noch immer in unserer norddeutschen Heimat auf dem Lande zu beobachten und zu erforschen bleibt. —

läuft die Inschrift: „Verbum Domini manet in aeternum.“ Die zwei Glocken sind etwas größer als die Eichenwälder. Ueber dieselbe hatte Pastor Heinemann die Güte mir das

Königsberg in -er Ueumarb. (Mit Abbildungen. 0

Nachfolgende zu berichten:

Die Inschrift auf der älteren und größeren Glocke läßt feststellen. Der Name Maria sich nicht mit Sicherheit ist zu erkennen. Als Jahreszahl scheint 1401 angegeben zu sein. Die Inschrift auf der kleinen Glocke (in Majuskeln) lautet:

(in fehlerhaftem Latein)

HEEG OAMPANAT SUMTIBUS In COLAEUM FALKENB. ET COELESIE FUSA A B.

C.

Pliit.

I. Die und

Plick]

[Diese Glocke auf Kosten der Einwohner und der Kirche von Falkenberg gegossen von

B.

C. Plick.j

Aus der Rückseite, ebenfalls in Majuskeln:

Soli Beo Gloria Friderico Magno Recx (soll heiße» rege) I. C. Steindorff, Pastor. M. F. Spiegel, Provisor. Die wohlerhaltene Inschrift auf dem einen Leichenstein unter der Kanzel im Chor der Kirche (in Majuskeln) lautet vom Rande: (Westen)

(Norden) (Osten)

(Süden)

Netze,

der

Hauptbestandteil

der

späteren

Neumark,

wurde um die Mitte des 13. Jahrhunderts von den Mark¬ grafen Johann I. (1220—1266) und Otto III. (1220—1267) den pommerschen Herzögen entrissen und für den brandenburgischen Staat erworben. In den langwierigen Kämpfen der Markgrafen gegen die Pommern, welche sich mehrere Jahrzehnte hinzogen und erst im Jahre 1260 einen Abschluß fanden, wurde die Stadt Königsberg in der Neumark gegründet als ein Bollwerk gegen die Einfälle der Pommern.

Königsberg liegt im Thale

[Haeo campana sumptibus incolarum Falkenbergensium

Stadt.

Das Gebiet rechts der Oder und nördlich von Warthe

1777.

et ecclesiae fusa a B. 0.

Geschichte der

der Rörike,

die hier die

Altermünne, die Oller und den Zerbst aufnimmt. Eine Anhöhe im Rörikethal, die Nähe der Grenze, die sumpfige Umgebung machten den gewählten Punkt besonders günstig zur Errich¬ tung einer Festung. Das Jahr der Gründung von Königsberg

läßt

sich

nicht mit Bestimmtheit feststellen.

Die

erste urkund¬

Erwähnung der Stadt erfolgt 1244, und die Wahr¬ spricht dafür, daß die Gründung zwischen 1235 Neumann sagt in seiner Geschichte der und 1244 fällt. Stadt Königsberg N.-M. (Berlin 1824), der sich diese Darstellung anschließt: „In einer Urkunde vom Jahre 1235

liche

scheinlichkeit

wird bei Bestimmung der Grenzen, obgleich das Dorf Stein¬

wehr vorkommt. Königsberg durchaus nicht erwähnt. In dem. selben Jahre gab der Bischof Heinrich von Lebus den Tempel. Herren einige Ländereien in confinio castri Seden (Zehden) juxta rivulum Euroa (Rörike). Wäre Königsberg damals schon erbaut gewesen, so würde der Bischof in Bezeichnung einen beinahe vier Meilen von

Bier liegt ein arm

des geschenkten Landes

er Sünder der im Glauben an Gbristum und sein Verdienst gestorben ist.

i) Die Abbildungen sind dem Inventar der Bau- und Kunstdenkmäler von Bergau entnommen, mit gütiger Erlaubnis der LanderdirektoriumS der Provinz Brandenburg.

nicht

-—-s derRörike entlegenen Ort genannt, sondern vielmehr

XosnigZbsrg jnxtL rivulum Eurca heißt

es

in der Urkunde

32

in oonünio

gesagt haben. Dagegen

vom Jahre

1244, nach welcher

den Tempelherren das Dorf Nahausen giebt, bei Bezeichnung der Grenzen, „usqne in Koenigsberge.“ Ebenso unbekannt wie das Gründungsjahr ist der Ursprung

Barnim

Der Sage nach ist die Stadt zu Ehren des Königs Ottokar von Böhmen, dessen Schwester Beatrix Markgraf Ottos Gemahlin war, Königsberg genannt worden, doch lassen sich urkundliche Beweise hierfür nicht bei. bringen. Mit Bestimmtheit läßt sich annnehmen, daß die Stadt Königsberg gleich nach ihrer Gründung zu einem ge¬ wissen Wohlstände gelangte: die imposanten Bauten der St. Marienkirche, des Rathauses und der Klosterkirche, mit denen wir uns weiter unten beschäftigen werden, gehören noch dem 13. Jahrhundert an, welches für alle Gebiete, die unter dem Szepter der glänzenden Markgrafen aus dem Hause der Askanier standen, eine Zeit der Blüte und der Entwickelung war. Die älteste Geschichte der Stadt spiegelt sich in einigen wenigen Urkunden wieder, deren Inhalt hier im Anschluß an Riehl und Scheu die Mark Brandenburg, S. 399 u. ff., wiedergegeben wird. Bis zum Jahre 1270 gehörte Königsberg dem Bistum Brandenburg, worauf es die Markgrafen gegen des Namens Königsberg.

das Städtchen und jetzige

Dorf Leuenberg eintauschten.

1271 bestätigten die Markgrafen Johann, Otto und Konrad ihrer Stadt Königsberg die Aecker gegen Nahausen, Uchtdorf, Jädickendorf und Mantel bis zum Flüßchen Mantenitz, ferner ihre Hütung und Wiesen im Mantelbruch und in der Heide gegen Schwedt. 1292 privilegierten die Markgrafen Otto und Konrad die Stadl, die Rörike und Oder zollfrei zu beschiffen, auch sollten sie überall, wohin sie ihre Waren zu Wagen oder zu Schiffe bringen, von allem Umgelde frei sein; an der Rörike aber sollte keine Mühle gebaut werden,

welche die Schiffahrt

stören könnte.

1298 gaben

die Markgrafen

bei

ihrer Anwesenheit in

der Stadt derselben das Recht, Mühlen anzulegen, ebenso er-

teilten

sie

ihr das

gestrichenen,

Recht, Weizen, Roggen, Gerste nach dem Hafer aber nach dem gehäuften Streichmaße zu

verkaufen.

1317 erhielt die Stadt die Seen bei Mantel, Wobiser und den Wustrow von Ebel von Widdicho.

Gölten,

1320 gaben zu Königsberg der Herzog von PommernStettin, Otto I., und der Herzog von Pommern-Wolgast, Wartislav II., dem Bischof von Kammin ihre Besitzungen für den Fall, daß sie ohne männliche Erben sterben sollten. Das Erlöschen des Hauses der Askanier (1320) brachte auch über die Neumark und Königsberg kriegerische Wirren. Gleich nach dem Tode des großen Markgrafen Waldemar (1319) wurde jede staatliche Ordnung zerstört, Raubsucht und Gewaltthätigkeit herrschten überall. Da verbanden sich die Städte Königsberg, Morin, Schönfließ und Bärwalde zu gegenseitigem Beistände und schlossen am 23. April 1320 ein Schutz- und Trutzbündnis. In den Kämpfen gegen Pommern, die Markgraf Ludwig der Aeltere aus dem wittelsbachschen Hause zu bestehen hatte, stand Königsberg treu auf der Seite des Landesherrn. Bei seiner Anwesenheit in Königsberg 1324 bestätigte der Markgraf die Gerechtsame der Stadt und schenkte

&■

(Walk-) Mühle zum Zeichen seiner Er¬ kenntlichkeit für die treuen Dienste, welche die Einwohner ihm im Kriege mit den Herzögen von Pommern erwiesen hatten. derselben die Galch-

1336 gestattete Markgraf Ludwig der Stadt, Getreide auszuführen, wohin sie wollte, auch auf der Oder nach Stettin; wenn der Weizen aber mehr gelte, als zwei Schilling brandenburgische Pfennige, der Roggen mehr als 18 Pfennige, so solle das Korn im Lande bleiben, weil sonst eine Teurung eintrete. berg

Trotz der mannichfachen Gnadenbeweise, deren Königs¬ sich somit unter Ludwig dem Aelteren rühmen konnte,

gehörte dasselbe doch

zu den Städten,

welche

dem

falschen

Waldemar jubelnd zufielen, als dieser im Spätsommer 1348 auftrat. Königsberg schloß am 29. November dieses Jahres mit mehreren Städten und Ständen der Neumark ein Schutzund Trutzbündnis, das seine Spitze gegen den Landesherrn richtete. In Königsberg befand sich eine landesherrliche Burg; gegen diese richtete sich der Zorn der mit dem Markgrafen unzufriedenen Königsberger: sie stürmten dieselbe, schlugen die Besatzung nieder und machten die

Burg dem Erdboden gleich.

Darauf öffneten

Waldemar ihre Thore und

sie dem falschen

huldigten ihm. Langen Bestand hat dieser Abfall von dem rechtmäßigen Landesherrn nicht gehabt: Ludwig der Römer eroberte am 30. Juli 1349 Königsberg für seinen Bruder, dieser behandelte aus politischen Gründen die widerspenstige Stadt sehr glimpflich und schenkte ihr sogar das Dorf Bernikow. Im Jahre 1351 erklärte der Markgraf, daß alle Bürger der Stadt, wenn sie mit ihren Waren durch seine Lande oder durch deren Städte und Dörfer zu Wasser auf der Havel, Oder, Elbe und Warthe passieren würden, von allem Zoll frei Er bestätigte ihnen das alles, weil er die Briefe sein sollten. gesehen, welche seine Vorgänger, die Markgrafen von Branden¬ burg, ihnen wegen solcher Rechte gegeben. 1360 schenkte Ludwig der Römer (1351 — 1365) der Stadt die Dörfer Rtkenfelde (Reichenfelde) und Wenzechen-Kragenik (WendischKränig). Diese Schenkung erfolgte, um Königsberg für die Verpflegung des Kriegsheeres schadlos zu halten, das Eine der Markgraf in der Neumark gesammelt hatte. besondere Rolle spielte Königsberg in dem Kampfe, welchen Otto der Finner (der Faule, 1365—1373) mit dem Herzoge Der letztere von Pommern-Stettin, Kasimir IV., führte. beim Stadt und empfing Sturm auf die¬ belagerte 1372 die selbe von einem bogenkundigen Schuhmachergesellen die Todes¬ wunde, an welcher er bald darauf verschied. Ein unbekannter Dichter besang diese Thai mit folgenden Strophen: „Hertog Casimir in dem Rathstuel sath, He dachte nye mehre,

Als wue er vor Königsbergs wollte lhan, Woll vor die hohe Veste; Und als er vor Königsbergs quam,

Woll vor die hohe Veste: Ein freyer Echueknecht was

he

genannt,

He dede dat allerbeste; He hedde en Armbrost, dat was guth,

Dat was so stark von schSten, Darmidde ward de Hertog Casimir Dorch fynen Hals geschoten. Se leden den Herrn up enen Sageblock, Und kehrten en woll gegen die Sunne, Dat waS ok jo syn fine blanke Harnisch Met dem roden Blude berunnen.

---8

Bk-

33

®e leben den Herrn up enen haluen Wagen, Und förden en woll gegen Gartze, Bon Gartze tho Stettin in de werde Statt,

Tho enen kloken Arzte: O Arzte, leue Arzte myn, Kann je woll Wunden Helen? Ick hebbe^der Borge und Stedde so veel, Sie schalen dy werden tho Dehle. Un als he tho dem Arzte quam, Syn Lewen nam en Ende, Wo balde de Hertog Casimir Nach synen Broder sende: O Broder, leuste Broder myn, Nu folg' du meyner Bahre, Unne holt du den Marggrauen

!

i

I

Plari der Stadt Königsberg Um., narsi einer Zeichnung narn Jalpre A.

Was für

enorme GewichtSmasie das Kaiser Wilhelm-Denkmal für die Schloßfreiheit repräsentiert, davon dürften nur wenige eine Vorstellung haben. Die im Begas scheu Atelier auseinander genommenen Teile der Modells vom Reiterstandbild nebst dem das Pferd führenden Genius wiegen allein 45 Centner, wovon 15 Centner Gips auf die Kaiserfigur, 20 Centner auf das Pferd und 10 Centner aus die allegorische Gestalt kommen. Die Sockelfiguren, die an den Treppenpodesten zur Seite plaeiert werden und die bekanntlich den Krieg und Frieden vorstellen, wiegen je 15 Centner; außerdem jeder Löwe, deren vier zu ebener Erde der Treppe zu liegen kommen, 12^ Centner. Rechnet man dazu die Schwere von den vier Viktorien der Eckkanten vom Sockel und die Embleme, so stellt sich dar Gesamtgewicht der äußeren DenkmalSteile auf ca. 170 Centner. Im Bronceguß vervierfacht sich das Gewicht, eS werden im ganzen 680 Centner Metall gebraucht. Wegen der Schwierigkeit der Arbeiten mußten denn auch für den Guß drei verschiedene Gießereien hinzugezogen eine

j

Kleine Mitteilungen. Kaiser Milhelrn - Denkmal irr Devlin.

1724.

Vierradner Thor. ß. Echw edier Thor, C, Bernikower Thor. D. Kirche, F. Kloster, G Rathaus.

Vor enen truwen LandeSherrn, Und hadde ick armer also gedan, So derf ick nu nich teure. Nu mot ick itz in die Erde so junck. Darin mut ick verfulen."

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Nach dem Tode Kasimirs setzten dessen Brüder, Suanund Bogislav VII., die Belagerung Königsbergs tibor fort. Die Stadt leistete tapferen Widerstand, bis Markgraf

III.

Die Niederlage, welche dieser Otto ihr zu Hilfe eilte. erlitt, zwang ihn bald Feldschlacht offener schwache Fürst in schließen. darauf. Frieden mit Pommern zu (Fortsetzung folgt.)

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werden. Den Hauptteil, die Reiterfigur, bekam die Aktiengesellschaft früheGladenbeck zu FriedrichShagen, weil sie über genügend große Räume für die Ausnahme der Körperkolofie verfügt, die Sockelgestalten werden Martin und Peltzing in der Chausseestraße auSsühren, denen die Modelle, gleichfalls zerlegt, bereits zugegangen sind, und alles übrige wie Löwen, Viktorien, die Embleme und Reliefbilder die rühmlichst bekannte Gießerei von v. Miller in München.

Da« alte gemeinsame Rathaus tum Devlin und Kölln*), über dessen Lage der , Bä," im Jahrgang XX, S. 590, August 1442 und

eine Notiz brachte, wird in Urkunden vom 29. 6, Januar 1443 (Berliner Urkundenbuch S. 382 und 885) erwähnt und näher bezeichnet als „dat Radhueß tusschen den beyden sieden up der Sprew" und als das „RathuS ruschen beyde siede by der langhen Brüggen." Da nun der Ausdruck „bei der Langen Brücke," der jetzigen Kursürstenbrücke, zweideutig ist, ko kommt eS bei der Bestimmung der Lage der Rat¬ Und hauses darauf an. was der Ausdruck „up der Sprew" bezeichnet. hier helfen die Tangermünder Urkunden aus. einer Urkunde vom

In

*) Wir geben Stellung zu nehmen.

diese

Darlegung wieder, ohne in der Angelegenheit D. R.

16. Dezember 1423 (Riedels Cod. diplom. Brand., A, XVI, 45) kommt der Ausdruck „Tangermünde uff der Elbe' vor, und in anderen Urkunden vom 25. März 1373 und vom 13. Juni 1377 (Riedels Ood. A, I, 32 ' und A, XVI, 22) steht hierfür „Tangermünde upper Elve und „Tanger¬ munde super Albee fluvio,“ die Präposition „uff" war also im Mittelalter eine Abkürzung von „uppei'"(8uper> oder „über", und man muß hier „Tangermünde über (jenseits, an) der Elbe" übersetzen. Hiernach würde „dat Rathueß upp der Sprew" soviel wie „das Rathaus über (jenseits,, der Spree" bedeuten und bedingen, daß noch ein andeies Rathaus vor¬ handen war, welches auf einer anderen Seite der Spree stand. Und dies war dar Köllnische Rathaus auf der linken Seite dieses FluffeS, folglich lag das in den angeführten Urkundenstellen genannte Gebäude auf der Nach diesen rechten Seite der Spree in der Nähe der Kurfürstenbrücke. Anführungen hat man also keinen Grund, dem alten Berlin - Köllner Rathaus einen anderen Standplatz zu geben, als denjenigen, an welchem dar frühere Gebäude stand und im stattlichen Neubau heut noch in der Königstraße steht. Da§ älteste Berliner Rathaus am Molkenmarkt kann Bemerkt mag auch noch sein, daß man hierbei nicht in Betracht kommen allein auf die angeführten Urkundenstellen hin zu der Ansicht gekommen ist, dar Berlin Köllner Rathaus habe in älterer Zeit nicht den Standplatz gehabt, welchen er jetzt noch einnimmt. Dieser Irrtum wurde einerseits durch die falsche Deutung der Worte ,,upp der Sprew" und anderseits durch die mißverstandene Auffassung der Ausdrucks „zwischen beiden Städten" her¬ vorgerufen. „Zwischen beiden Städten" ist im rein geistigen Sinn zu soffen und bedeutet das den beiden Städten Berlin und Kölln zugehörige und gemeinsame, also hier das gemeinschaftliche RathauS.

W. A. Wegener

Das berliner Aquatrinnr

hat jetzt infolge verschiedener Bereicherungen namentlich in der Fischwelt neue, seltene und interessante Formen aufzuweisen. DaS vor dem eigentlichen Dorschbassin belegene Becken beherbergt außer zahlreichen Mittelmeer- und Nordsecfischen einen kleinen Dorsch, also einen Miniatur-Vertreter jener in den nordischen Meeren heimischen Familie, deren Mitglieder als Kabeljau, Dorsch, Schell¬ Der hier befindliche Zwerg erscheint fisch u. a. in den Handel kommen. als sehr schlank gegenüber der ihm beigegebenen Gesellschaft und heller ge¬ färbt als die nachbarlichen großen Dorsche oder Kabeljaus. In den Be¬ hälter der Muränen hat man einige aus der Nordsee stammende See¬ quappen eingesetzt, die gleich der in einem Süßwasserbecken durch ein aus¬ erlesen großes Exemplar vertretenen Aalquappe ebenfalls der Dorschsamilie angehören, indessen nicht bloß einen, sondern mehrere Bartfäden haben und gestreckter gebaut sind. Von einer anderen, in den öffentlichen Schauanstalten kaum einmal ausgestellten Fischart ist, nachdem im vorigen Jahre zum ersten Mal ein großer Exemplar durch die Adria-Station Rovigno hierher gelangte, nun auch ein junger Stück zu sehen, nämlich ein etwa fußlanger Stechroche, der im allgemeinen dieselbe absonderliche rhombische Rumpf¬ scheibe wie andere Rochen zeigt und auch eine ähnliche Lebensweise führt, jedoch vor allen Verwandten in dem peitschenartig langen Schwanz mit an¬ sitzendem großen widerhakigen Stachel eine beachtenswerte Auszeichnung besitzt. Durch neue Eingänge aus dem Mittel- und adriatischen Meere ist auch die ob ihrer grünlich funkelnden Augen, ihrer geschmeidigen Be¬ wegungen und ihres DämmerungSlebenS „Katzen-Haie" genannte HaifischFamilie vermehrt und ergänzt worden, sodaß man jetzt außer dem mit zahlreichen kleinen braunen Tüpfeln auf der Oberseite gezierten kleinen Katzenhai noch mehrere durch andere Grundfärbung und Fleckung sich leicht kenntlich machende Formen vor sich hat, die in verschiedenen Becken ver¬ teilt sind.

Das Kind inr Aberglauben des Kauellanbes.

gesammelt vom Lehrer Agahd in muß man dem Kinde ein Gesangbuch unter dar Kopskiffen legen, sonst kommen die Unterirdischen und ver¬ tauschen eS. (Wechselbälge.) — Manche Kinder werden mit einer netz¬ förmigen Haut aus dem Kopfe geboren. Dieselbe löst sich leicht ab. Sie ist, getrocknet und pulverisiert eingegeben, für viele Krankheiten ein vorzüg¬ liches Mittel. — Wenn kleine Kinder mit langen Haaren zur Welt kommen, sind sie bepauschert (verrufen) und werden bald krank werden. Um dem vorzubeugen, koche man schnell neunerlei Holz und gebe dreimal drei Tropfen von dem Saft in Zwischenzeit von drei Stunden ein. Wer nun kommt und Geld borgen will, hat dar Kind verrufen. — Durch zu vieler Loben verrufene Kinder soll man durch ein von der Mutter selbst ge¬ sponnenes und gehaspelter, noch nicht ausgekochter, ungebleichtes Stück Garn dreimal hindurchstecken, und zwar stets mit den Füßchen zuerst. — Der Pate des Kindes muß während der Taushandlung einen Handschuh abziehen, sonst leidet dar Kind lange an Bettnäffen. (Dasselbe tritt ein, wenn er kurz vorher noch Wasser abschlägt.) — Nach der Taufe müffen die Paten mit dem Kinde schnell nach Hause eilen, sonst wird eS nicht flink. Sie sollen sich auch nicht umdrehen, da eS sonst neugierig wird. — Kleinen Kindern soll man nicht die inneren Handflächen waschen, sonst wäscht man ihnen die Ruhe aus. — Sollen Kinder keine Mitesser bekommen, so muß man sie wenigstens einmal in Bierhefewaffer gebadet haben. — Dar Stroh in der Wiege muß ein Jahr liegen bleiben, sonst sterben die Kinder. — Kinder sollen nicht über den Kopf angesehen werden, sonst lernen sie schielen, und ei bleiben ihnen die Augen im Kopfe stehen. — Kinder unter einem Jahr sollen sich nicht küffen, sonst lernt dar jüngste nicht sprechen. — Man darf mit kleinen Kindern nicht junge Hunde und Katzen gleichzeitig aufziehen, da es schädlich ist. Wenn man eS aber nicht weiß, so schadet eS den Kindern nichts. — Wenn ein Kind sechs Wochen alt ist, muß man ihm von allem Esten einen Biffen geben, so wird et

(Aus

einer

Rixdors).

Ferienwanderung der Taufe

Vor

später keine Mahlzeit verschmähen. — Soll ein Kind körperlich kräftig heranwachsen, so muß eS an seinem Tauftage Teilchen der Taufmahlzeit, besonders gekauten Kuchen zu genießen oder auch nur auf die Lippen be¬ kommen. — Kinder unter einem Jahr darf man nicht mit zum Kirchhof nehmen, sonst werden eS keine guten Christen. Sie wachsen nicht mehr, wenn sie Erwachsenen zwischen den Beinen hindurchkriechen. — Ein Kind wird geistig stark und lernt leicht, wenn man ihm einige Tropfen von seinem Taufwaffer zu genießen giebt. Das übrige Taufwaffer soll der Küster nicht auf die Straße, sondern in den Schatten einer Baumes, wenigstens aber ins Grüne gießen. — Wenn ein Kind während der Taufhandlung vom Paten in den Armen hin- und hergeschüttelt wird, so wird eS leicht¬ sinnig. Mädchen bekommen nimmer den Myrtenkranz. Knaben zerreißen in wilder, unbändiger Weise ihre Kleidung. (Die beiden letzten Angaben sind mir nur in einem Ort erzählt worden. Sie entstammen, wie ich durch meinen Vater feststellen konnte, der früher in der Gegend von Stargard in Pommern Lehrer war, dem Weizacker, woher auch die mitteilende Großmutter nach dem Havelland gezogen ist.) — Wenn ein Kind be¬ rufen worden ist durch Neid der Feinde, soll man ihm drei Kreuzdornstöcklein in Leinenbeutelchen unter das Kopfkiffen legen. — Wenn ein Kind zwei Haarwirbel hat, stirbt es durch Ertrinken. —

Dcrerns -Nachrichten. Verein für Geschichte der Mark Brandenburg. Sitzung vom 12. Dezember 1894. Herr Prof. Dr. Delbrück bemerkte, daß er dar Referat der Protokolls über seine Aeußerungen in der letzten Sitzung, betreffend das Werk von Max Lehmann, nicht als richtig anerkennen könne. DaS solle kein Vorwurf für den Protokollführer sein, sondern eS liege in der Natur der Sache, daß über ein so schwieriges und seiner Problem, wie das hier berührte, sich nicht in einigen, schnell hingeworfenen Sätzen exakt referieren lasse. Herr Prof. Dr. Delbrück hielt hierauf einen Vortrag über die Frage, ob Napoleon I. als „Eroberungsbestie" zu betrachten sei, indem er die der 2. Auflage seiner Gneisenau-Biographie im Unterschied von der 1. eingefügte Anschauung weiter ausführte und im einzelnen begründete.

Herr Prof. Br. Schiemann referierte über eine Reihe noch unge¬ Briefe des Großen Kursürsten an seinen Schwager, den Herzog Jakob von Kurland. Die Briese fallen in die Jahre 1645—1655. Zum Schluß teilte He-r W. Schwartz mit, daß, wenn er früher schon öfter in dem Verein zur Sprache gebracht habe, wie die Ueberreste heidnischen Volksglaubens und daran sich knüpfender Gebräuche in den Marken sowie in Mecklenburg und Pommern auf alte deutsche VolkSüberreste hinwiesen, die sich in einzelnen Gruppen während der Wendenherrschaft in einem HörigkeitSverhältniS zwischen Sumpf, Master und Wald gehalten hätten und dann bei der Regermanisierung der Landes auch ihrerseits allmählich wieder neben den Kolonisten zur Geltung gekommen seien, er jetzt auch auf einem anderen, nämlich dem sprachlichen Gebiet druckter

eine ähnliche Erscheinung nachweisen könne, die jener Ansicht einen neuen Er habe nämlich zufällig die intercstante Entdeckung gemacht, daß in vkrschiedenen landschaftlich besonders isolierten Gruppen jener eigenartig deutsche verschiedene alte, Gegenden noch heutzutage Bezeichnungen, u.a. für gewiste Amphibien, namentlich die Kröte und den

Halt biete.

Regenwurm, allgemein fortlebten und auch ihrerseits Zeugnis für ein in Die das Altertum zurückreichendes selbständiges Deutschtum abgäben. Untersuchung, mit der er infolge dessen beschäftigt sei, habe sich der Ver¬ gleichung halber allmählich auf ganz Norddeutschland erstreckt; soviel hätte sich u. a. aber schon jetzt ergeben, daß in den alten Sumpfgegenden deS Mittel- und UnterlausS der Havel (dem westhavelländischen Kreise, dem nördl. Teil der Zauche, sowie jenseits in dem Landstrich um daS Fienerluch), gerade in den Gegenden, welche durch die Erinnerungen an den heidnischen Harkekultus so bedeutsam geworden, auch die erwähnten sprachlichen Ueberreste in charakteristischer Sonderheit auftreten, indem in den meisten Dörfern die sonst nicht üblichen Namen Muggel und Pierlauke (Pierlock) für Kröte und Regenwurm noch allgemein üblich oder wenigstens bekannt seien. Indem Herr Schwartz sich s. Z. noch weiteres vorbehielt, legte er eine Terrainkarte des erwähnten Landstriches vor, welche den alten Sumpftypus derselben zur Anschauung brachte und dar Faktum so erklärlich machte.

Kücherttfch.

Gerrnania.

Illustrierte Monatsschrift für Kunde der deutschen Vor¬ Zeitschrift für deutsche Kulturgeschichte. Herausgegeben von Br. Chr. Meyer. Leipzig 1894. Verlag von P. Friesenhahn. Heft 1 und 2. Preis halbjährlich 6 Mk. zeit.

Dem neuen Unternehmen ist gewiß ein freundlicher Empfang zu wenn eS, wie es verspricht, die Kunde der deutschen Kultur¬ geschichte in den Vordergrund stellt. ES ist geradezu ein Jammer, daß gerade diese Seite unserer Vergangenheit, die gerade in nicht fachmännischen Kreisen das Jntereste für alles Geschichtliche rege zu erhalten im stände ist, bisher so wenig Kämpen gefunden hat. Der Name oeS Herausgebers ist eine Gewähr, daß die neue Zeitschrift die Bahnen wissenschaftlicher Gründ¬ lichkeit nicht verlosten, sondern versuchen wird, diese in ansprechendem Ge¬ wände in jedem deutschen Hause heimisch zu machen. Die in beiden vor¬ Von dem liegenden Nummern enthaltenen Aussätze: Die Fugger. wünschen,

-8

Ueber

Herausgeber.

deutschen

Frauen.

Haartrachten und Kopfbedeckungen der Von O. Hohnslein. Der Rhein in der

Kultur- und Kriegsgeschichte. Haus im

35

Egerland.

Von

Von Arnim Seidl. A.

John.

Dorf und

GlaubenSkä mpfe

an

deutschen Höfen des 16. Jahrhunderts. Von F. Arnold. Der Aberglaube in der deutschen Kulturgeschichte. Bon O. Henne am Rhyn dürften schon zur Genüge dar Arbeitsgebiet der „Germania" —1—

erkennen lassen.

Alma.

Erzählungen. Beschreibungen, humoristische und andere Dichtungen in Poesie und Prosa auS Südamerika. Von C. S. Andersen in Caracas. Im Verlage von F. A. Krüger in Wyk auf Föhr. Preis 9,50 Mk.

Ein buntes Mosaik von Betrachtungen, Schilderungen, Erzählungen und war sonst noch alles, notdürftig zusammengehalten durch die Absicht, einen „Monte Christo" in deutscher Ausgabe zu liefern, das ist „Alma". Der Verfasser ist kein DumaS, sein Werk verrät nichts von dem blendenden Erzählertalent des Franzosen, nichts von dem, was wir Technik nennen, und doch ist'S so gut — gemeint. Der Dilettant ist auf jeder Seite zu e> kennen, der in naiver Weise glaubt, dar Vielgehörte und Vielgesehene seinen Landsleuten im Binnenlande mitteilen zu müssen. Darum ist eS auch unangr bracht, das Buch mach litterarischen Gesichtspunkten zu beurteilen — — 1k— der Wille ist indes anzuerkennen, denn der war gut.

Krrrrkhaus' Konversation» - Lexikon. 19. Band. 10 Mk.

Leipzig 1894.

14. Auflage. Verlag von F. A. Brockhaus. Preis

Auch in diesem Bande finden wir Kunstbeilagen in vollendetster Aus¬ führung, die Hauptbilder der größten Maler aller Zeiten darstellend, wie wir sie noch nirgends bester reproduziert gesehen haben. Unübertrefflich beweisen dies im 12. Bande die Tafeln „Niederländische Kunst" und die herrliche Madonna MurilloS. Mit der im 13. Bande zu erwartenden Sixtinischen Madonna Raffaels wird die 14. Auflage 4 Marienbilder ent¬ halten, welche zu interestanten Vergleichen anregen, wie deutsche, italienische und spanische Meister der schwierigsten Aufgabe der Malerei und Plastik gerecht geworden sind.

Unter den ca. 9000 (!) Artikeln dieses Bandes ragen die der „Oesterreich - Ungarischen Monarchie" besonders hervor. Begleitet von 7 Karten und einer farbenprächtigen Tafel der KronlandSwappen beweisen die umfangreichen Artikel ihre Herkunft auS der Fever von Autoritäten ersten Ranges. Von den vielen mit Karten und Plänen ausgestalteten Städteartikeln sei nur Paris erwähnt. Die Flstung Paris hat eine be¬ sonder« eingehende Darstellung im Text und aus der Karte erfahren. WaS wir im Artikel Rew-Dork über die WohnungSverhältniste in einigen Städten Amerikas gegenüber denen in Europa erfahren, ist für unseren Kontinent nicht erfreulich. Daß auf dem Gebiete der Technik, der Volks¬ und Landwirtschaft das beste und neueste geboten wird, ist selbstverständ¬ lich; Artikel wie Papiersabrikation, Oefen, Obstbau, Nahrungsmittel, Normalarbeitstag, Ortskranker käste seien hier genannt. Bei den Biographien tritt die Raschheit zutage, mit der die Redaktion trotz deS ungemein kom¬ plizierten Apparates von über 400 Mitarbeitern den Tagesereignissen zu folgen versteht: ist doch schon der neue Zar Nikolaus H. als solcher auf¬

geführt! An JllustrationSmaterial umfaßt der 19. Band 83 Tafeln, darunter 10 Chromotafeln, 96 Korten und Pläne, und außerdem 911 Text¬ abbildungen. Vergleicht man mit diesen Zahlen die der früheren Bände, so erkennt man, daß BrockhauS, entgegen der viel geübten Gepflogenheit, am Anfange mehr Illustrationen zu bieten als später, mit jedem Bande den Reichtum an Kunstblättern steigert.

Griffenfeld.

Historischer Roman von H. F. Ewald. Verlag von Otto Janke. Preis 4 Mk.

Berlin 1895.

Stets wird es für einen Autor eine mißliche Sache sein, die ganze LebenSentwickclung eines Individuums zu schildern. Während eS ihn dahin drängt, die psychologische Entfaltung der einzelnen Thatäußerungen nicht mit der wünschenswerten Sorgfalt auszumalen, weist ihn der Stoff geradezu hin, durch Betonen einzelner, außerhalb der Handlung liegender Momente den geschichtlichen Hintergrund zu schaffen, von dem sich die Persönlichkeit abhebt. So könn wohl ein bunter Scenenwechsel entstehen, der, für sich betrachtet, häufig vorzüglich genannt werden muß, der aber für die Persönlichkeit selbst, insbesondere aber, wenn sie, wie in dem vorliegenden Falle, eine historische ist, dadurch verhängnisvoll wird, daß ihre Wandlungen nur lose aneinanderhängen. Das hat der Vcrfaster wohl auch gefühlt, und er hat durch Teilung des Ganzen in zwei Teile eine Vermeidung oder doch eine Verminderung dieser Schwäche versucht. DaS ist ihm jedoch nur teil¬ — und weise gelungen — konnte ihm übrigens auch nichr vollständig gelingen so haben wir nun innerhalb deS Romans zwei GriffenfetdS, den einen, den die Umstände machen, den anderen, der durch innere Entwickelung ent¬ steht. Dieser letztere, rornehmlich im zweiten Teile zur Geltung kommend, scheint mir der unS menschlich Näherstehende und auch Einheitlichere zu sein. Von riesen kaum zu vermeidenden Schwächen abgesehen, ist der Roman ein vorzüglicher Zeitroman, der das bunte, wechselvolle Treiben am dänischen Hofe des 17. Jah> Hunderts und die geschichtliche Person des großen Staats— llr — manneS deutlich zeichnet.

-6

Zeitschriften schau.

I j

Anzeiger

deS

germanischen National - Museums.

1894,

Nr. 9: Das Hänseln der Fuhrleute in Nürnberg von HanS Bösch. — DaS Selbstbildnis des Goldschmiedes Nikolaus Weiler von Hans Bösch. — Landwirtschaftliche Beschäftigungen im 15. Jahrh, von Hans Bösch. — Holzstock-Katalog.

Brandenburgia 1894, Heft 7—9: Die Arbeiten der Hohenzollern für die Landeskultur von Dr. Müllenhoff. — Die lebenden Krebstiere der Provinz Brandenburg von W. Hartwig. — Zum 900 jährigen Todestage von Samuel Pufendorf von Ferd. Meyer. — Tie Ausgrabungen und Funde in den Braunkohlenwerken bei Groß-Räschen von Ernst Friedei. — Der Burgwall von Blankenburg bei Berlin von Hermann Maurer.

Mitteilungen deS Vereins für die Geschichte Berlins 1894, Nr. 11 und 19: Wie M. Mendelssohn von der Einquartierung befreit wurde, von P. ClauSwitz. — Die Königliche Hochschule für Musik in Berlin.

Drurkfehler-Kertchtigirng. In

„Die zwei Frauen deS Herrn von Jagow in Aulosen" (Bär Nr. 1) stehen zwei Druckoersehen: Seite 6, 1. Spalte, Zeile 16 von oben fehlt hinter „AIs schlichter Gärtner emsig schaffen" die Zeile: „Und nimmer durft' die Hand erschlaffen." S. 6, 9. Sp-, Z. 3 v. o. muß es statt „lebhaft" heißen: „herzhaft". dem Artikel

Der eine

I.

originelle

F.

Schreibersche Verlag in Eßlingen aus den Büchermarkt:

Stuttgart bringt

bei

Neuheit

„Panorama

mit

magischer Beleuchtung," in Form einer Mappe zusammengeklappt,

aber leicht aufstellbac. Um bei Bildern besondere Lichteffekte zu erzielen, hat man in letzter Zeit Reflektoren aus Metallpapier häufig mit Glück verwendet. Die Bilder wurden so aufgestellt, daß sie im Schatten lagen und ein entsprechend angebrachter Metallpapier-Reflektor rotes, gelbes oder anderfarbigeS Licht aus die Scenerie warf. So hübsch dieser Gedanke war, so einsörmig war er auch, aus die Dauer immer dasselbe Bild bei derselben Beleuchtung zu betrachten. Der Vorzug des vorliegenden Schreiberschen Panoramas ist daher, daß eS beides zu wechseln gestattet. Der Kasten wird so gestellt, daß daS Bild selbst im Dunkeln liegt und nur die Reflektoren volles Tageslicht empfangen. Sonnen- oder Lampenlicht ist weniger günstig, weil dies scharsbegrenzte Lichtstrahlen, keine allgemeine Beleuchtung ergieb«. Die auf solche Weise erzielten Lichteffekte sind reizend; groß und klein werden ihr Vergnügen daran haben, besonders da auch die Bilder sehr gut sind und Scenerien aus allen Wettgegenden darstellen. Durch die verschiedenfarbige Scheibe wird auch versckiedengefärbteS Licht auf daS eingestellte Bilv geworfen: eine HSuserpartie im Vordergründe erglüht im Abendsonnenschein, die Waffer vorn sind leuchtend grün, eine Burg im Hintergründe erhält blaucs Licht, eine andere Partie erscheint gelbfarbig. Durch langsames Dnhen der Scheiben wechselt dann das Licht; was zuvor rot erschien, wird grün, die Burg rot u. s. w. Dieser Wechsel, während man das Bild betrachtet, ist an sich schon anziehend; die Einrichtung ermöglicht aber auch, zu jedem Bilde die paflendste Beleuchtung einzustellen. Das Panorama ist in 2 Größen zum Preis von 3 Mk., resp 4,50 Mk. durch alle Buch- und befferen Papier-Handlungen zu beziehen.

Inhalt: Aus Deutschlands Vergangenheit oder Der Schlangenring. Historischer Roman von C. Gründler. (Fortsetzung). — Bericht über einen Ausflug in den Naugarder Kreis. Von Ernst Friedel. (Schluß.) — Königsberg in der Neumark. (Mit Ab¬ bildungen.) — Kleine Mitteilungen: Kaiser Wilhelm-Denkmal in DaS DaS alte gemeinsame Rathaus von Berlin und Kölln. Berlin. Berliner Aquarium. DaS Kind im Aberglauben des Havellandes. — Vereinknachrichten. — Büchertisch. — Anzeigen.

Alte Urrmmern des ,,Sär". Zur Vervollständigung

„Bär"

des 14. und 15.

Jahrgangs des

fehlen uns:

vom 14. Jahrgang Nr. 52 und 53 und

„ Wir würden des

„Bär"

15. Jahrgang Nr. 9. sehr dankbar sein,

wenn

alte Abonnenten

uns diese Nummern überlassen wollten.

Die Geschäftsstelle des

„Bär".

Berlin N. 58, Schönhauser Allee 141.

♦i

96

9-

Mn Sit Mmmenien uu§ WveunLr 8es „Här“. Mit Nummer vom 5. Januar d. I. ist der „Bär" in den eimmöMSUMsten 1

IahvtzSUY

getreten.

Die Liebe zur heimsillHru UeflhiHie aus dem engen Kreise der Fachgelehrten in immer weitere Kreise der berliner bezw. märkischen Bevölkerung zu tragen — das war die Aufgabe, die er sich setzte, als er im Jahre 1875 ins Leben trat. Snmu^itz Tahve lang hat seitdem der „N8v" mit großer Eingebung und unermüdlichem Fleiß Manche Anregung zum Studium der heimatlichen Geschichte ist durch ihn dieser Aufgabe obgelegen. gegeben, manches interessante Material aus ihrem Bereiche durch ihn ans Licht gezogen oder zur all¬ gemeinen Kenntnis gebracht worden. Zugleich hat er es sich von Anfang an angelegen sein lassen, neben der Liebe zur engeren Heimat die Freude an dem großen, unter dem ruhmgekrönten Scepter der Lsohenzollern neu geeinten öeuifcheu WaLevlanük sowie Sie Wieöe xu Raifev uuü Weich aufs sorgfältigste zu pflegen und zu mehren. Infolge hiervon ist der ^W8v" in den ersten zwanzig Jahren seines Bestehens in manchem patriotischen und gebildeten brause ein gar gern gesehener, lieber und werter Gast geworden. Mir

Ighl

feiner MveunSe muß söer? noch öeöeuieuS größer mevSeu, wenn er auch fernerhin mii Wust nn§ Wieöe feiner Wufgaöe leöen fall. Die Verlagsbuchhandlung, welche um des idealen Zwecks willen unentwegt die namhaftesten Mpfer gebracht hat, wird darin auch fürder nicht ermüden, wenn sie nur die Erfahrung machen darf, daß die Freunde des „W3l?" ihr in ihrem edlen und patriotischen Bestreben zur Leite stehen und es sich demgemäß angelegen sein lassen, den Abonnenten- und Leserkreis desselben nach

Kräften zu erweitern.

wir

bitten also alle unsere bisherigen Abonnenten, überhaupt alle Geschichts- u. vaterlandsfreunde, unser werk gütigst dadurch unterstützen und fördern zu wollen, daß sie uns nach Möglichkeit neue Abonnenten zuzuführen suchen. Der .„818t?" erscheint wie bisher am Lonnabend jeder Woche. Er kostet vierteljährlich 2,50 Mk. und kann durch alle Postämter (Post-Zeitungsliste Nr. 762), durch alle Buchhandlungen und ZeitungsExpeditionen, sowie direkt von der Geschäftsstelle Berlin IST. 58, Lchönhaufer Allee 141, bezogen werden.

Nie öeveits erschienenen Nmnmevu ües uenen Jahrganges mevüeu förnilichen erst HLnMiveieuöeu Köounenien nachgeliefert.

fMier

Redaktion und Oerlag des „Bär". Merlin kl. 58, Schönhauser Allee ui. Knserato

= Nützliche

III

8460, werden von der Geschäft-stelle Berlin N., Schönhauser Allee 141, — Fernsprechstelle Bureau- entgegengenommen. — Der Preis für die 4fach gespaltene Petit-Zeile beträgt 40 Pf.

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Für die Redaktion verantwortlich Richard George in Berlin W. 57, Culmstr . 25. — A'bdruck ohne eingeholte Erlaubnis ist suntersagt. Verlag: Fr.^Zi liessen, Berlin N„ SchönhausertMee'141. — Druck Buchdruckenrei Gutenberg, Berlin N„ Schönhauser Allee 141a.

Unter Mitwirkung

Dr. R« KevL».

Söringutert, Merger.

Dr. H. Drrondicke. fRkjeottov Fontane. Stadtrat G. Frtiodet Dr. M. gdjumrlj und ffirnß v. JBUlbenbnwti,

Gymnasialdirektor a. D.

herausgegeben von

Friedrich LiNesscn XXI.

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Richard George.

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60

26. Jallllar 18Ü5.

ü»ar. du deutscher Raiseraar, )hen

Im

Flug begonnen!
/2 Millionen zunächst den Nordwestflügel zu vollenden

beabsichtige. Diese Summe ergiebl sich auch aus der Berechnung, daß die Standbilder im Weißen Saale etwa eine Viertelmillion erfordern und daß außer dem Ersatz der jetzigen Dekoration durch echtes Material der Ausbau der Königskammern, der Wilhelmskammern und anderer Räume in den unteren Geschossen notwendig hinzutritt. Rechnet man auch fernerhin aus die Ve:wendung von fast einer Million in jährlichen Bausummen, so wird der Ausbau und die Fortführung der Galerie bis zu dem von dem Kaiserpaar bewohnten Flügel am Schloßplatz doch immer noch 6 bis 7 Jahre beanspruchen. — Für den neuerbauien kleinen Kuppelturm der Nordwest¬ ecke des Schlosses sind von dem Glockengießer Gustav Collier in Zehlen¬ dorf zwei Uhrglocken hergestellt worden, bestimmt, die Stunden« und Viertelstundenschiäge der kürzlich am Turm angebrachten großen Uhr anzu¬ geben. Die Glocken wiegen zusammen 130 Zentner. Sie sind verziert mit den Buchstaben des Kaisers, dem zur Sonne strebenden Adler mit der Inschrift „blee soll cedit ■, dem Stern des Schwarzen Adler-OrdenS und mit den Worten: „Gegossen aus 1870/71 erobertem Geschützgut 1895. — Mich goß Gustav Collier in Zehlendorf „Nr. 1630" und „Nr. 1631". Sobald die Witterung es zuläßt, werden die Glocken in den neuen Turm 4

gebracht werden.

Ginfülirrrng

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Mcrldüürrrno.

Seit

längerer Zeit sind Versuche gemacht worden, japanische Waldbäume bei unS einzuführen. Auf der kleinen Insel Scharfenberg bei Tegel hat Herr Or. Bolle mit bestem Erfolge japanische Nadel- und Laubhölzer angepflanzt. Seit dem Jahre 1884 sind Versuche im größeren Umfange auch in den königlichen Forsten mit 13 Nadelholz- und einer Laubholzart gemacht worden, zu deren Aussaat der Samen durch die deutsche Gesandtschaft in Tokio, das japanische LandwirtschastSministerium und Herrn James Booth in Klein-Flottbeck bei Hamburg bezogen war. Im vorigen Jahre stellte ein Amerikaner der Berliner städtischen Park-Deputation Samen von 36 japanischen Baum- und Straucharten zur Versügung, den er auf der Insel Dezo gesammelt hatte. Die Park-Deputation hat den Samen aus¬ gesät. Es befand sich darunter auch die Tilia Miqueliana, welche zur Anpflanzung der Straße Unter den Linden empfohlen wird. dem ist über eine höchst be¬ merkenswerte Bereicherung des Tierbestandes zu berichten, indem eine An¬ zahl Exemplare eines SeebcwohnerS anlangte, der bisher im hiesigen Aquarium und wohl auch in anderen derartigen Anstalten noch nicht vor¬ handen war. Durch die gütige Vermittlung des Königlichen HasenbauJnspektors Wilhelms in Neufahrwaffcr kam das Aquarium in Besitz einer kleinen Gesellschaft der in den nordischen Meeren lebenden Riesen-Assel (Jvoihea), welche die größte Art auS der Ordnung der Affeln darstellt und bis 10 cm lang werden soll, während ihre in Deutschland einheimischen Verwandten, die Süßwaffer-, die Mauer- und Keller-Affeln, nur 10—15 mm lang sind. Die im Aquarium befindlichen neuen Gäste haben eine Länge von 4—5 cm bei einer Panzerbreite von etwa 15 mm. Sie besitzen zwar kein zusammenhängendes Rückenschild wie ihre höherstehenden Klassengenoffen, Krebs und Hummer, aber eine Anzahl (sieben) zum Schutz des Körpers dienender derber Ringe, aus deren erstem der Kopf frei hervortritt; auch der Hinterleib ist gedeckt mit einer Anzahl Ringen, von denen der dritte mit dem länglichen Schwanzschilde verschmolzen ist, das an seinem Hinterrande einen großen Zahnvorsprung ausweist. Die gewöhnlickie Färbung der Affel ist ein blasses Gelb- oder Graubraun, die unteren Partleen Heller als die Oberseite, doch zeichnet sich die Jdothea aus durch eine merkwürdige Veränderlichkeit der Färbung und durch das Vermögen, die letztere der Farbe der Umgebung anzupaffen und somit vor ihren Feinden sich leichter verbergen zu können. Am liebsten halten sich diese Affeln am Boden, zwischen Pflanzen u. s. w. aus, kriechen mittelst der sieben Beinpaare umher und suchen ihre in Pflanzen- und tierischen Stoffen bestehende Nahrung.

Aus

Berliner Aquarium

Küchertifch. Dorr neue Don (QMtarotc.

Roman von Arthur Zapp. Dresden, E. Piersons Verlag. 1895. Preis 4 Mark.

Leipzig und Wien. Ein junger Fabrikant versucht seine sozialistischen Ideen dadurch in die Wirklichkeit umzusetzen, daß er sich alles Besitzes entäußert und die Fabrik seinen Arbeitern schenkt. Diese nehmen das Geschenk zwar mit übel und Begeisterung an, bald aber kehren Mißgunst und Neid in ihren

I

Reihen ein, und ihr ganzes Verhalten zeigt, daß sie für die Großmut und den Edelsinn ihres bisherigen Arbeitgebers nicht das geringste Verständnis Mittlerweile ist es den Verwandten des letzteren gelungen, den haben. Schenkungsakl für ungillig erklären zu lassen; der junge Don Quixote fleht das Vergebliche und Aussichtslose seines Kampfes gegen die bestehenden Verhältnisse mit solchen Mitteln ein und heiratet schließlich statt des leicht¬ sinnigen FabrikmädckenS seine Base Monika. — Der Verfasser hat daS Volksleben gut beobachtet, die einzelnen Gestalten entbehren nicht der Lebenswahrheit, und namentlich die Schilderung des Treibens in der Fabrik ist ihm vorzüglich gelungen. Der Charakter der Hauptperson, des Fabrik¬ besitzers Georg Salchow, zeigt so wenig Sicherheit und Zuverlässigkeit, daß man dem Urteil von Freund und Feind, er sei „nicht ganz richtig", bei¬ pflichten muß — ein Mensch mit guten Absichten, aber ein Narr, wie sein

—i.

berühmtes Vorbild.

Allgemeine ©cfdjidjte der bildenden Künste.

Von Universität in Prag. Reich illustriert mit Abbildungen im Text, Tafeln und Farbendrucken. G. Grotescher Verlag, Separat-Konto, (Müller-Grote u. Baumgärtel) in Berlin. Von der neuen Allgemeinen Geschichte der bildenden Künste von Professor Alwin Schultz in Prag ist soeben die 2. Lieferung erschienen. Sie legt, wie die erste, glänzendes Zeugnis ab von der Gediegenheit dieses Der Verfasser kommt in der sich an jeden Gebildeten wendenden Werkes. 3. Lieferung zur Behandlung der Hochrenaiffance und des Barockstils in Italien und der Renaissance in Spanien und Frankreich. Mit der Meister¬ schaft des sein Gebiet völlig beherrschenden Gelehrten und der Klarheit des feinsinnigen Darstellers löst er seine Aufgabe. Ganz besonders augenfällig aber tritt der Wert dieser neuen Kunstgeschichte in dem vortrefflichen An¬ schauungsmaterial zutage, welches, teils in Kunstbeilagen, teils in TextAbbildungen, das Werk in reicher Fülle ziert. Ein bestrickender Reiz wohnt der vielseitigen Folge dieser schönen Bilder inne, die mit sicherer Kenner¬ schaft ausgewählt und in künstlerischer Vollendung ausgeführt sind. Die Anschauung der Kunstwerke ist in der Kunstgeschichte natürlich von einer ganz besonderen Wichtigkeit. Daß dem das neue Werk uneingeschränkt entsprechen will — 14 Tafeln und 57 Textabbildungen enthält die 48 Seiten starke 2. Lieferung — kann ihm nicht hoch genug angerechnet werden, namentlich wenn man die schwierige Arbeit und die enormen Kosten, die zur Herstellung von Abbildungen von so hervorragenden Eigenschaften auf¬ zuwenden sind, in Betracht zieht. Man sieht: hier ist weder an Mühe und Arbeit, noch an Geld irgendwie gespart worden. DaS für die Zwecke und Ziele deS Werkes Beste zu erreichen, war allein maßgebend. Dafür wird dem Werke denn auch in den Kreisen aller Kunstfreunde ein ungeteilter Erfolg bereitet sein, und es steht zu hoffen, daß diese schöne neue Kunst¬ geschichte in sehr vielen Familien Eingang finden werde. Sie wird überall an ihrem Platze sein, wo man auf Abrundung der Bildung und auf Er¬ höhung der geistigen Kräfte bedacht ist; ist eS doch die vertrautere Be¬ schäftigung mit den Werken der Kunst und der Litteratur allein, in der ästhetische und ethische Kunst sich vollentwickeln kann. Von den Kunstbeilagen der 2. Lieferung ist ein Farbendruck besonders zu erwähnen: eine Reproduktion von der „Allegorie auf den Frühling", die Sandro Botticelli gegen Ende deS 15. Jahrhunderts gemalt hat. Die Besucher von Florenz kennen daS in der dortigen Akademie befindliche phantasievolle Bild mit seiner bezaubernden poetischen Stimmung, der keuschen Anmut und dem seelenvollen Ausdruck seiner schlichten, liebens¬ würdigen Figuren. Die Reproduktion ist von großer Korrektheit in Zeichnung, Charakter und Farbenstimmung Schon um dieses einen Blatter willen wird in jedem, der es kennen lernt, der unwiderstehliche Wunsch, die Alwin Schultzsche Allgemeine Kunstgeschichte zu besitzen rege werden: glücklicherweise ist er auch leicht zu befriedigen, denn der Preis ist höchst bemerkenswert billig: er kann so billig nur in der Erwartung, daß das in etwa 30 Lieferungen ä. 2 Mark erscheinende Werk eine sehr weite Ver¬ breitung finden werde, angesetzt sein.

I)r. Alwin Schultz, Prof,

an

der

k. k. deutschen

Briefkasten. Ihr wertes Schreiben laffcn wir nachstehend mit Dank folgen: „In Nr. 1 des „Bär" nennt Herr Ernst Friede! den Maduesee, wie dieser auch stets auf den Karten verzeichnet ist, „Maduisee". Von der ganzen Bevölkerung wird er kurz „die Madü" genannt. Ich habe 25 Jahre in Stettin in Garnison gestanden und hatte einen Bruder beim 9. Regiment in Stargard, der dort 28 Jahre stand, bin oft im Manöver, auf Jagden u. s. w. an Herrn Major Berghaus, Görlitz.

-s und auf der Madue gewesen, habe aber nie den schönen großen See „Mabuisee" nennen hörrn. Die Madue-Maräne soll aus dem Mittelmeer stammen, woher sie der Sage nach ein zur Strafe auS Italien nach dem an der Madue belegen-n Kloster Kolbatz versetzter Abt, der für den Fisch vem Teufel seine Seele verschrieben, kommen ließ. Bis 1 Uhr nachts sollte der Teufel die Maränen geliefert haben; als er aber sich gerade über dem See be'and, hörte er die Glocke in Kolbatz eins schlagen; aus Wut, daß ihm eine arme Seele wieder durch die Lappen gegangen, zerriß er den die Maränen enthaltenden Sack unv ließ die Fische in den See fallen, von denen die jetzigen Madue-, nicht „Madui".Maränen abstammen sollen." (Wiederholt aus „Bär" Nr. 5, da die Notiz daselbst sinnent¬ stellende Fehler enthielt.)

Inhalt: Aus Deutschlands Vergangenheit oder Der Schlangenring Historischer Roman von E. Gründler. (Fortsetzung). — Das Mausoleum im Charlottenburger Schloßparke. Von Mit Abbildungen (Schluß). — Der Stege-Knob. Richard George. Bilder aus der Vergangenheit der alten Stadt Wusterhausen a. D. Von Karl Altrichter. (Schluß). — Die Herrscher-Galerie in der SiegeS-

Allee zu Berlin. Von Ernst Friede!. (Fortsetzung.) — Kleine Mit¬ teilungen: Vom Schloßbau. — Einführung japanischer Waldbäume. — Berliner Aquarium. — Büchertisch. —

AuS dem

Briefkasten. —

Anzeigen. Von Heinrich von SybelS großem Geschichtswerke: gründung der Deutschen Reiches durch Wilhelm I.

„Die

Be¬

erschien schon und Leipzig nach

I.

im Verlag von R. Oldenbourg in München langer, mit Ungeduld empfundener Pause der VI. Band (Preis Mk. 7,50 brach., Mk. 9,50 in Halbfranz geb ) und mit ihm wieder eine Fülle an¬ regendster Belehrung über die Geschichte unserer nationalen Wiedergeburt. Der neue Band bringt ein wahres und völliger Bild der deutschen Entwickelung vom Herbst 1866 bis zum Frühjahr 1868. Er behandelt in zwei Büchern, Buch 21 und 22 — „Norddeutscher Bund" und „Reform der Zollvereins" betitelt — die deutsche Geschichte von den Anfängen des norddeutschen Bundes bis zu den Wahlen zum Zollparlament, zeigt uns die politischen Zustände, die Strömungen und Stimmungen im alten und im neuen Preußen, in dem norddeutschen Bunde und in ven süddeutschen Staaten, führt uns die Ereignisse in ihrem Zusammenhang mit den all¬ gemeinen europäischen Verhältnissen vor, läßt unS die Schöpfer der deutschen Ende v.

95 Einheit bei ihrer Riesenarbeit Schritt für Schritt begleiten und beleuchtet cs taghell, wie jene ihr deutscher Werk inmitten einer Welt von Gegensätzen, Hemmnisien, Widerstreit und Feindseligkeiten vorwärts brachten. Auch dieser Teil des monumentalen Werkes zeigt die ganze Meister¬ schaft Sybelscher Geschichtschreibung, deshalb wird er gleich den früheren Bänden dieses Werkes seinen Weg zu Kopf und Herzen der Leser machen und dazu beitragen, daß dar deutsche Volk auS vertiefter Erkenntnis seiner eigenen unmittelbaren Vergangenheit sich mit Bewußtsein auch seine Zukunft politisch richtig gestalte.

ES giebt Leute, deren Hausstand, deren Kleidung stets sorgfältig, ja nobel erscheint. Wir zerbrechen uns den Kopf, wie das möglich sei, da ihr verhältnismäßig geringes Einkommen nicht damit übereinzustimmen Das scheint. Und doch geht aller auf ganz natürlichem W-ge zu. Geheimnis besteht einfach in der klugen, vorsichtigen Auswahl der Bezugsquellen. ES giebt eben beinahe für jede Sache Bezugsquellen, deren Ausnutzung gar nickt selten die Hälfte der üblichen Kaufgeldes erspart und dazu die Ware in ebenso guter, ja häufig noch in besserer Qualität beschafft. Daß solche Bezugsquellen nicht im Zwischenhandel, sondern lediglich im direkten Bezug von den Fabrikorten bestehen, ist wohl selbstverständlich Auf diese Weise nur können im Laufe der Jahres nicht geringe Beträge erspart werden. In erster Linie läßt sich dies auf die Kleidung, resp. die Kleiderstoffe anwenden. Wer diese direkt vom Fabrikort bezieht, kann im Laufe der Zeit sich ganz erhebliche Beträge ersparen, dieselben Summen, die sonst direkt in die Taschen der Schneider fließen. Besonders ist da eine Kottbuser Tuchstrma zu empfehlen, die bezüglich der Qualität und Billigkeit ihrer Herrenkleider-Stosie jedermann ungemein befriedigen muß. Dar bestrenommierte Tuchversand-Etablissement der Kottbuser TuchManufaktur von Franz Böhme, Kottbus (weltberühmter Tuchfabrikplatz, Mittelpunkt der Lausitzer Tuchindustrie), beginnt nach soeben beendeter Zusammenstellung der neuesten Frühjahr- und Sommer-Anzug- und Paletot-Stoffe mit dem Versand der alle Erwartungen übertressenven reich¬ haltigen Musterauswahl. Die zahlreichen Anerkennungen und Dankschreiben bestätigen hinreichend die Leistungsfähigkeit dieses bekannten Versandhauses und kann hinsichtlich der bedeutenden Vorteile, welche durch den direkten Stoffbezug aus erster Hand erwachsen, jedermann geraten werden, sich die Muster ohne jeden Kaufzwang franko kommen zu laffen.

Mn 8ie vereßvkichcn Monnenirn uns Mvrunöe

8es

„Hot“.

Unter Bezugnahme auf unsere Mitteilung in Nr. 3 (S. 36) ersuchen wir die verehrten Abonnenten und Freunde des „Bär" um eine kleine Mühewaltung, die für uns jedoch von großem werte ist. Ls liegt nämlich in unserer Absicht, demnächst eine größere Anzahl von probe - Nummern Da das Interesse für Geschichte, insbesondere für nebst Einladung zum Abonnement zu versenden. heimatliche Spezial-Geschichte, nun aber nicht an den einen oder anderen Stand gebunden ist, so hält es schwer, hierfür geeignete Adressen zu erlangen. Jeder einzelne der¬ Unsere verehrten Abonnenten und Freunde können uns hierzu behülflich sein. selben weiß nämlich sicherlich in seinem Freundes- und Bekanntenkreise etliche Persönlichkeiten, die noch nicht Abonnenten des „Bär" sind, sich aber doch soweit für die Geschichte der Mark Brandenburg jbezw. Altmark, Neumark u. s. w.), der Stadt Berlin und unseres Ljohenzollernschen Regentenhauses interessieren, daß die Zusendung einer Probe-Nummer zum Zwecke des Abonnements nicht ganz aus¬

sichtslos erscheint. wir bitten nun, die Adressen solcher Persönlichkeiten — je mehr, je lieber — auf dem der gegen¬ wärtigen Nummer beiliegenden Blatt verzeichnen und uns dasselbe alsdann (am besten kuvertiert, event, aber auch nur einmal gefalzt) wieder zusenden zu wollen. Zur Vermeidung des Strafportos wäre es uns erwünscht, wenn die betr. Absender zugleich die Güte haben wollten, die Sendung durch Aus¬ kleben einer (O-pfennigs- (in Berlin, bei Benutzung der packetfahrt, einer 5-pfennigs-) Marke zu

frankieren.

mit der man, wie wir hoffen, dieser unserer Bitte entsprechen und so zur Förderung unserer Bestrebungen beitragen wird, sagen wir nach allen Seiten hin schon im voraus unseren

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die Liebenswürdigkeit,

wärmsten Dank.

N. SS, Mitte Februar * 895 . Schönysuscr Allee 141 .

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Für die Redaktion verantwortlich Richard George in Berlin W. 67, Culmstr. 25. — Abdruck ohne eingeholte Erlaubnis ist untersagt. Verlag: Fr. Zillessen, Berlin N„ Schönhauser Allee 141. — Druck Buchdruckerei Gutenberg, Berlin N., Schönhauser Allee 141a.

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Unter Mitwirkung

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Stadtrat

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Professor

G. Frtedet, Fevd. Merser,

Dr. Drertzor, Dr.

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K. Krendictre, Ttzosdsr Fontane. Dr.

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erscheint wöchentlich am Sonnabend und ist durch jede Postanstalt (No. 70y), Buchhandlung und Zeitungsspedition für 2 Nk. 50 pfg. vierteljährlich zu beziehen.

2. Marz 1895.

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(8. Fortsetzung.)

s

ie uns bereits bekannte Bande der fahrenden Leute lagerte währenddem ungefähr eine halbe Stunde von Walken¬

ried auf einer Lichtung im Dickicht des Waldes in der Richtung nach Ellrich. Ihre Zahl hatte sich noch um verschiedene ver¬ mehrt, Männer und Weiber, darunter der Führer, ein alter Mann mit langem, weißem Bart, Tuchjacke mit zahllosen runden, silbernen Knöpfen, von der Größe einer Nuß. und als Zeichen seiner Würde einen Rohrstock mit großem, silbernem Knopf tragend. Die übrigen waren gleich zerlumpt und schmutzig. Eine Anzahl halbnackter Kinder balgten sich mit Hunden um einen alten, zerbrechlichen, zweiräderigen Karren. Das elende Pferd war ausgespannt und graste mit Die Weiber hatten ein zusammengekoppelten Vorderfüßen. kleines Feuer entzündet und beschäftigten sich damit, einen Keffel voll gestohlener Rüben zu kochen, während ein Mann einige wilde Kaninchen enthäutete und die übrigen teilnahmlos umherlagen. Viktorien de Chateaufranc war von dem Wagen den

herabgenommen und zeitweilig seiner Fesieln entledigt; er

saß

mit dem Rücken an eine Buche gelehnt. Der Alte winkte einem jungen Burschen und sagte zu ihm in der Zigeunersprache: „Schau aus, ob der Mönch noch nicht kommt!" Der Bursche entfernte sich. Die kärgliche Mahlzeit war längst eingenommen, die an einem Stock über dem Feuer nur halbgebratenen Kaninchen waren mit dem Mesier in mehrere Teile zerlegt und ohne weitere Umstände mit den Zähnen zerriffen und verschlungen worden, als der Bursche zurückkam und dem Alten etwas ins

Ohr flüsterte. Letzterer sammelte die erwachsenen männlichen Mitglieder der Bande um sich und gab ihnen Verhaltungs¬ befehle, welche nach längerem Hin- und Herreden endlich an¬ genommen zu werden schienen, als sich ein entferntes Geräusch von Stimmen bemerkbar machte. Die Stimmen kamen näher, ein ängstliches Hin- und Herlaufen entstand, das Pferd wurde eiligst eingespannt, und Viktorien wurde wieder mit den Händen auf dem Rücken gefesselt, da erschien ein Trupp Klosterknechte. Mit Aexten versehen, brachen sie in Begleitung des Mönchs und unter Anführung eines Waldläufers, der mit Schwert, Jagdspieß und Hüflhorn ausgerüstet war, aus dem Dickicht. „Söhne des Teufels." herrschte der Forstwart die Zigeuner an, „wie könnt Ihr es wagen, hier auf geweihtem Klostergrunde Euer verfluchtes Treiben aufzuschlagen?" Der Alte trat vor und entschuldigte sich. „sie häten nicht gewußt, wo sie sich befänden, und wollten gleich weiter ziehen."

„Wißt Ihr

nicht,

daß

ich Euch

kann erschlagen lassen,

Ihr

rechtloses Gesindel?" wie die wilden Bestien des Waldes. „Halt!" rief der Mönch. „Erst wollen wir sehen, was sie dort für ein Vöglein eingefangen haben, denn der (auf Viktorien deutend) gehört offenbar nicht zu ihnen!" „Heiliger Martin!" rief der Förster, „das ist ja vor¬

nehmer Leute

Kind!"

Die Knechte drängten

sich

ihre Aexte gegen die Zigeuner.

herzu und schwangen drohend Es erhob sich ein furchtbarer

Tumult, die Weiber fielen auf die Knie, schrieen und rangen die Hände; die Männer beteuerten, sie hätten den Knaben hilflos auf der Straße gefunden und ihn zu einem sicheren

-e

ört

geleiten wollen.

Der Förster stand ratlos; er konnte fich

mit

dem Knaben in der fremden Sprache nicht verständigen und getraute fich nicht die unreinen Leute in den geweihten Raum zu bringen. Da entschied der Mönch, indem er die Verantwortung auf fich nahm. Die ganze Bande wurde ge¬ bunden und unter Begleitung der bewaffneten Knechte zum Kloster geleitet, wo fie außerhalb der Klostermauern unter scharfer Bewachung auf der Wiese kampieren mußten. Den Knaben nahm der Mönch an die Hand und führte ihn zum Abt. Viktorien bemühte fich nach Kräften, fich verständlich Entweder man wollte oder konnte zu machen, allein vergebens. seine französische Sprache nicht verstehen, und des Deutschen war er nich! mächtig. Im übrigen wurde er sehr gut und liebevoll behandelt, erhielt gute und reichliche Nahrung und wurde dem Pater JofiaS zugewiesen, der ihn unterrichten sollte. Derselbe war ein frommer und in vielen Dingen unter¬ richteter alter Mann. der bald ein wahres Wohlgefallen an seinem gelehrigen Schüler fand. AIs Viktorien so viel Deutsch verstand, um sein Geschick mitteilen zu können, sagte man ihm, daß man Kunde von seinem Vater einziehen wolle. So ward er von einer Zeit zur anderen vertröstet. Inzwischen wurde unermüdlich auf sein religiöses Gefühl eingewirkt und ihm das Klosterleben in den verlockendsten Farben geschildert. Er war der inneren Schule zugeteilt worden und hatte als Novize den Klosternamen Honorius erhalten. Die ausnahmsweise milde Behandlung, die vielen neuen Ein¬ drücke und das Wohlgefallen am Lernen ließen die ritterlichen Erinnerungen nach und nach verblüffen, und nachdem er

mehrere Jahre im Kloster Walkenried er sich daselbst ganz heimisch zu fühlen.

verlebt hatte, begann



Ritter Henry, hielt fich länger in ursprünglich willens gewesen war, Deutschland auf. als um die Nachforschungen nach seinem Sohn und Erben fort¬ Von seinem Beichtiger wurde der Verlust als eine zusetzen. Strafe des Himmels dargestellt und er unablässig bestürmt, Sein Vater,

oer

er

zur Förderung seines Seelenheils der Kirche seinen Besitz zu und fich in die Ruhe eines Klosters zurückzuziehen. Da er jedoch durch seine Kenntniffe weit über viele seiner Standesgenossen emporragte, so wurden seine Dienste vom

schenken

Landesherrn vielfach zu schwierigen Verhandlungen begehrt, und er wollte fich diesem ihm geschenkten Vertrauen nicht ent¬ ziehen. Einen großen Teil seiner Liegenschaften gab er jedoch her zu frommen Zwecken, da ja doch nach seinem Tode in

Ermangelung einer direkten Nachfolge seine gesamte Habe an seinen Lehnsherrn zurückfallen mußte.

Sein Bruder sollte übrigens die Früchte seiner Treulosig¬ Denn bevor noch Ritter Henry von Frank¬ reich zurückgekehrt war. wurde er bei einem wüsten Saufgelage von einem Zechgenoffen im Streite erstochen. Auch der Herr von Chateaufranc überlebte den Verlust seines Sohnes nicht lange. Die Erinnerung daran zehrte an dem Marke seines Lebens. Im vierten Jahre nach seiner Rückkehr starb er an einem schleichenden Fieber, tief betrauert von seinen Dienstmannen. Er wurde in der Ahnengruft seines keit nicht ernten.

98

fr¬

und mit dem Bolzen den Vogel schießen gelehrt, er war der Vertraute seiner kindlichen Streiche gewesen und hatte gut¬ mütig manchmal die Schuld auf fich genommen, um ihm Scheltworte zu ersparen. Er hoffte immer noch, einmal einem von den fahrenden Leuten, die er fich wohl gemerkt halte, zu begegnen und von ihnen Kunde zu erhalten, wo sein junger Herr verblieben sei. Er machte fich deshalb auf und zog nach Deutschland, bald hier, bald dort Dienste nehmend, als Bettler oder als Begleiter reisender Kaufleute, und überall scharf auslugend und horchend. Schon hatte er auf diese Weise das mittlere Deutschland nach allen Richtungen seit bei¬ nahe zwei Jahren durchstreift, als er dem ungarischen Weibe wieder begegnete. Durch Versprechungen und Drohungen, mehr aber noch durch die Rachsucht getrieben, verriet sie ihm den Aufenthalt Vikloriens. Denn die versprochene Belohnung für den Raub des letzteren hatten die Zigeuner von dem Walkenrieder Abt nicht erhallen. Sie waren vielmehr alle derb mit Ruten ge¬ strichen und ihr Oberhaupt war aufgehängt worden, dann hatte man fie schimpflich fortgejagt.

*

*

*

Tage St. Bonifacii bewegte sich eine feierliche Prozession aus der Stiftskirche zu Walkenried im prächtigen Umzuge. Aller Pomp, welchen die katholische Kirche so gro߬ artig bei solchen Gelegenheiten entfaltet, und welcher stets so mächtig auf die Sinne und die Einbildungskraft der frommen und heilsbedürftigen Menge gewirkt hat, war angewandt.

Am

Voran zog eine Rotte bewaffneter Klosterknechte in ihren fteizuhalten. Sodann kam der Voigt des Schirmherr» des Klosters, Grafen v. Clettenberg, mit einer Anzahl Reisiger, hierauf eine Truppe Schüler der Klosterschule mit dicken, brennenden Wachskerzen. Unter einem purpurseidenen Baldachin, deffen Schnur von vier Edlen gehalten wurde, schritt der Abt des Klosters in Stola und Cingulum, prachtvoll mit Gold gestickt, die schwere, goldene, Das große Klosterbanner edelsteinbesetzte Monstranz tragend. mit der Jungfrau Maria wurde ihm vorgetragen. Ihm folgte besten Gewändern, um den Weg

die lange Reihe der Klosterbrüder, lateinische Psalmen singend,

die Fahnen der Heiligen der Neben-Kapellen. Den Schluß machten die Novizen der inneren Schule mit brennenden Kerzen. Eine zahllose Menschenmenge war herbei¬ geeilt, um das prachtvolle Schauspiel zu sehen, des segen¬ bringenden Anblicks des Allerheiligsten teilhaftig zu werden und den Ablaß zu empfangen. Alle lagen auf den Knieen, viele schlugen mit dem Kopfe auf den Boden oder zerrauften sich Haare und Bart zur größeren Ehre Gottes. zwischendurch

Unter den Zuschauenden befand fich auch ein alter Bettler

in ärmlichem, zerrissenem Gewände, welcher

sich mühsam an zwei Krücken herbeigeschleppt hatte. Unbemerkt musterte er aufmerksam die vorüberwandelnden Jünglinge. Als Viktorien fronlmen, gesenkten Blickes vorbeischritt, zuckte ein Blitz der

Stammschlosses beigesetzt.

Freude über sein altes, wettergefurchtes Gesicht. Der alte Pierre hatte seinen jungen Herrn trotz der vergangenen sechs Jahre und der Klostertracht wiedererkannt

Der alte getreue Knappe Pierre, das Inventarium des Hauses Chateauftanc, konnte fich jedoch nicht an den Gedanken des Todes seines Lieblings Viktorien gewöhnen. Er hatte

Die Prozession war vorüber. Die Schüler und dienenden Brüder verteilten Almosen an die zahlreichen Bettler und Hörigen, Brot. Kleider und heilende Tränke an die Brest-

ihn als Kind auf den Armen getragen, er hatte ihn reiten

haften.

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Für die Redaktion verantwortlich Richard George in Berlin W. 57, Culmstr. 25. — Abdruck ohne eingeholte Erlaubnis ist untersagt. Verlag: Fr. Zillessen, Berlin N., Schönhauser Allee 141. — Druck Buchdruckerei Gutenberg, Berlin^., Schönhauser Allee 141a.

Unter Mitwirkung vk-.

Stadtrat

R- Kövinguier.

Professor

G. Friedet, Ferd. Merzer,

vr. Krerher, vr. H. Kr-errdicKe. Theodor Fontane. vr. M. Krhnrarh und G. n. Mitdendrnch

Gymnaflaldirektor a. D.

herausgegeben von

Friedrich Lilleffen

XXI Jahrgang.

Der

„Bär"

M 11.

und

Njchsrd George.

erscheint wSchentlich am Sonnabend und ist durch jede Postanstalt (No. roy), Buchhandlung und Zeitungsspedition für 2 Mk. 50 Pfg. vierteljährlich zu beziehen.

16.

Mär;

1885.

Mus VruisHkanös Nevgsngrnßrii oder

Kev LHlangenvins.

Historischer R^rncrn

von

C. Grundier.

(Nachdruck verboten.)

(10. Fortsetzung.)

(sA^ähreiid Albrecht von Trebra und Kunz von Cölleda (Z^D auf der oberen Sachsenburg zusammen gekommen waren und der Jude Abraham

sich

bet ihnen einstellte, hatte

in der Herberge „Zum grünen Tannenbaum" in Oldisleben ein heller Wortwechsel stattgefunden zwischen dem französischen

Kaufmann und den Stadtknechten aus Ariern. Der Kauf¬ mann hatte das Geleit der Knechte dem Rate bis Griefstedt bezahlt und, sei es nun, daß ein Mißverständnis durch die unvollkommene Kenntnis der deutschen Sprache seitens des Kaufmanns oder eine Arglist von der anderen Seite vorlag, kurz, die Knechte waren abgezogen, und in Oldisleben waren geeignete Personen nicht zu erlangen. Von dem Geleitsrechte der Sachsenburger erfuhr der Kaufmann nichts, und da Pierre — denn dieser war es, welcher mit Viktorien den Kaufmann begleitete

— meinte,

daß

sie stark genug seien,

die wenigen

Stunden allein zurückzulegen, so brachen sie nach beendetem Mittagsfutter der Tiere wieder auf. Die plumpen, zweiräderigen Karren, wie sie noch heute in einigen Gegenden Westfalens und einem großen Teile Frankreichs geführt werden, waren in jener Zeit fast allgemein im Gebrauch, weil dieselben besonders geeignet find, größere Lasten bei starken Steigungen oder schlechter Wegbeschaffenhett fortzuschaffen. Der lange Zug bewegte sich langsam aus der Straße von Oldisleben nach Hachsenburg fort, oft stockend, wenn einer oder der andere Karren in einem der vielen Löcher stecken blieb, und die kräftigen Schultern der Knechte, gegen die Speichen der hohen Räder gestemmt, Hilfe schaffen mußten. Vikiorien und Pierre gingen an der Spitze des

drei Knechte waren bald hier, bald dort nötig, welcher beritten war, erschien jetzt vorn, dann hinten, um die Ordnung aufrecht zu erhalten. Als sie in die Gegend kamen, wo ein Hohlweg in dem Thale den Hagenwald entlang läuft, traten ihnen vier be¬ waffnete Männer entgegen, ein gebieterisches Halt! rufend. Der Zug war etwas auseinander gekommen, da einer der hinteren Karren gerade wieder in einem tiefen Loche stak und Zuges,

die

und der junge Kaufmann,

frei gemacht werden mußte. Den Angreifern standen für den Augenblick nur Pierre und Viktorien gegenüber. Pierre frug nach dem Begehr der Fremden, von denen der eine, welcher der Führer zu sein schien, erwiderte, ob sie nicht wüßten, daß sie sich hier auf Gräflich Beichlingenschem Gmnd und Boden befänden und die Verpflichtung hätten, Geleit durch den Paß zu nehmen.

Pierre erwiderte, daß hätten,

daß

wohl willig

sie

dies allerdings nicht gewußt

der Wagen noch zurück sei. jedoch das Geleitsgeld zahlen würde, wenn er dazu ver¬

der Besitzer

pflichtet sei. Der Fremde erklärte jedoch kurzweg, damit sei es nunmehr nicht abgethan, er habe das Recht, die ganze Ware zu pfänden, die Begleitmannschaft festzunehmen und nur gegen Lösegeld wieder freizulassen. Gleichzeitig zog er sein Schwert und drang auf Pierre ein. Letzterer, sowie

Viktorien hatten gleichfalls die Schwerter gezogen. Pierre parierte mit Fechtergewandtheit die Hiebe des Eckhard, denn dieser war sein Gegner, mußte sich aber bald zur Seite wenden, da ihn die drei Knechte mit ihren Sauspießen an¬ griffen. Während er den einen mit einem gewaltigen Hiebe

über den Kopf darniederstreckte, stach ihn der andere von rück¬ wärts unter dem Schulterblatte in die Brust, so daß er vorn¬ über fiel. Eckhard hatte sich inzwischen dem jungen Viktorien zugewandt, welcher gleichfalls stürmisch auf ihn eingedrungen war. Durch eine geschickte Parade schlug er dem ungeübten Fechter das Schwert aus der Hand, der vierte Angreifer aber hieb mit dem unteren Ende des Spießes, welcher durch einen Schwerihieb Pierres zersplittert war, dem Viktorien mit solcher Gewalt auf den nur mir einer Lederkappe bedeckten Kopf, daß er bewußtlos niederstürzte. Die Führer der vorderen Karren peitschten auf ihre Tiere und trieben ihr Gefährte so rasch als möglich nach Sachsenburg zu. Inzwischen waren die Vorgänge, welche in kürzerer Zeit sich vollzogen, als sie geschildert werden können, von den übrigen am anderen Ende des Zuges wahrgenommen worden, und sie kamen mit großem Geschrei und Schwenken ihrer Waffen herzugelaufen. Die Sachsenburger, welche auf drei

reduziert waren, sahen sofort, daß sie gegen die Uebermacht nichts ausrichten konnten; sie schleppten Viktorien und den verwundeten Knecht ins Gebüsch, und als der gewappnete Kaufmann auf schnellem Roß an die Kampfstätle kam. fand er nur den verwundeten Pierre vor. Da er von Viktorien nichts erblickte, glaubte er, dieser sei mit den vorauffahrenden Karren entwischt. Pierre wurde auf einen Karren gehoben, und der Zug setzte sich wieder in Bewegung. Der gierige Mönch auf der Sachsenburg sollte jedoch noch zu dem erhofften Weine kommen. Da ein Fuhrmann je zwei Karren leitete, so wurde der letzte bei dem Schrecken und der allgemeinen Bestürzung nicht gewahr, daß das Pferd des Hinteren Karrens dem Hohlwege gegenüber still stand und von kundiger Hand leise in den¬ selben geleitet wurde. Als der Zug den Paß hinter sich harte, fehlte der letzte Karren mit drei Faß Wein.

*

-t-



Aus vorstehendem erhellt, daß in jener wilden Zeit das eines reisenden Kaufmanns weit beschwerlicher war. als jetzt. Es erforderte nicht nur ein großes Anlage-Kapital, sondern auch viel Umsicht und Geschicklichkeit und möglichste Kenntnis der gegenseitigen, oft schwankenden Werte der zahl¬ losen verschiedenen Münzen, der verschiedenen Marktrechte der Städte, der an jeder Ecke lauernden Durchgangszölle und Geleitsgelder, und benötigte oft eines hohen Grades von persönlichem Mut. Dabei erwarteten ihn die großen An¬ strengungen der Reise; der Reisende war fast rechtlos in der Fremde, und er that wohl, sein Haus vor Beginn des Aus¬ zugs zu bestellen. Auch daheim begegnete er Mißtrauen in der Bürgerschaft, weil man ihm nicht ohne Grund vorwarf,

Leben

daß

er

durch

das

lange Umherschweifen

an Interesse und

Kenntnis der heimischen Zustände eingebüßt, und an vielen Orten verweigerte man ihm. im Rat zu fitzen. Die Sachsenburger Reisigen hatten auf weiten Umwegen durch die Waldung ihre Beute auf das Oberhaus und in Sicherheit gebracht, da der steil abfallende Berg von dieser Seite unter keinen Umständen für Fuhrwerk passierbar war. Voigt Albrecht hatte nach mehrmaliger Ueberlegung sich von dem Handel ferngehalten, da er dann schlimmstenfalls seine Mitwiffenschast ablehnen konnte. Auch Viktorien war, obwohl noch immer bewußtlos, hinausgeschafft worden und einstweilen in der Wohnung des Schließers Eckhard Riche

niedergelegt, wo dessen Töchterchen Elfriede, der wir schon tn der Herberge zu Nordhausen begegnet find, beschäftigt war,

ihres ehemaligen Gespielen das aus einer schweren Quetschung hervorströmte. Elfriede war zu einer lieblichen Jungfrau erblüht. Die abstoßenden Gefichtszüge ihres Vaters, in das Weibliche übertragen, gaben ihrem feingeschnittenen Gesicht mit der leicht gebogenen Nase und dem zarten, durchsichtigen Teint etwas ungemein Anziehendes. Selbst die unkleidsame Tracht damaliger Zeit, die enganschließende, mit hoher Spitze am Hinterkopfe und weit herabfallenden Zipfeln versehene weiße Haube, unter welcher das reiche, goldblonde Haar nur mühsam versteckt war. das hochaufgehende Mieder mit bis unter das Kinn reichender Krause konnte ihrer Schönheit keinen Abbruch thun. Elfriede war auf Begehr ihres Vaters seit einem Jahre von Nordhausen nach Hause zurückgekehrt, um demselben die Wirtschaft zu führen, und auch weil ihr Verweilen unter den oft rohen Gästen der Herberge zu Un¬ zuträglichkeiten führte. Sie hatte sich recht satt geweint, als den ihres Gespielen vernommen, und seiner gar oft sie Raub freundlich gedacht. Jetzt lag er wieder vor ihr, bleich und leblos, und wenn sie ihn nicht wieder erkannt hätte, so würde der Anblick des Schlangenringes, welchen sie bei den Wieder¬ aus

dem

bleichen

Gesicht

Blut

zu

waschen,

welches

belebungs-Versuchen

an

seinem Halse hängend entdeckte,

ihr

jeden Zweifel genommen haben.

Endlich schlug er die Augen auf, sah sich mit wirrem Blick in dem Zimmer um und fühlte mit der Hand nach dem schmerzenden Kopfe.

„Wo bin ich?" fragte er mit matter Stimme. „Verhaltet Euch ruhig!" sagte Elfriede, „Ihr dürft nicht viel

sprechen,

denn

Ihr

noch

habt eine arge Beule davon-

getragen." Viktorien strich mit der Hand über die Stirn, wie um seine Gedanken zu sammeln, und erwiderte: „Wie ist mir denn? Wir wurden überfallen, und — wo ist Pierre und die übrigen?" „Ich weiß nicht, wer Pierre ist. Ihr seid allein gefangen eingebracht worden. Ich weiß nicht, weffen man Euch be¬ schuldigt." „Und wer bist Du, die wie ein Engel des Lichts sich um mich sorgt?" „Ich bin Elfriede Riche. die Tochter des Schließers auf der Sachsenburg. Kennt Ihr mich nicht mehr?" „Elfriede? Ich weiß es nicht. Dein Gesicht kommt mir allerdings bekannt vor, aber —" sagte Viktorien und richtete sich auf.

„Und kennt Ihr dies noch?" erwiderte Elfriede und zog ihren eigenen Schlangenring aus dem Busen. „Elfriede! Ja, Du bist es, Du warst in Nordhausen; doch, bei allen Heiligen, wie kommst Du hierher?" „Still jetzt, das erzähle ich Euch ein andermal. Ich weiß nicht, was man mit Euch vor hat. Wenn Ihr Euch meinen Beistand bewahren wollt, so dürft Ihr niemanden merken lassen, daß wir uns kennen." „Aber ich begreife nicht, was man von mir will. Du willst mir also beistehen. Elfriede?"

„Ihr fragt noch, ob ich will, Viktorien?" erwiderte Elfriede mit jenem bezaubernden Lächeln, welches mit den beiden Grübchen in den Wangen schon damals den Knaben

s

123

Dabei faßte sie. wie früher, seine Hand, und er ließ die ihrige nicht wieder los. „Was soll nun aus mir werden?" rief Viktorien. „Das weiß ich selbst noch nicht; die Männer haben einen Karren mit Wein gepfändet und find jetzt dabei, die Fässer in den Keller zu bringen. Jetzt laßt meine Hand los, ich will den Verband erneuern; man kann jeden Augenblick so

unwiderstehlich

angezogen

hatte.

Turm mit flachem Dach und Mauerkrone gebildet, in welchem

zugleich die Wohnung des Schließers Eckhard befand. Hierher war Viktorien gebracht worden. Das Gebäude der hinteren Abteilung enthielt im Erd¬ geschoß den Kellerraum und darüber die herrschaftlichen Zimmer, bestehend aus einer größeren Halle und dem Frauen¬ gemach, Kemenate (von caminata, d. h. Zimmer mit Kamin, kommen." weil die übrigen nur einen Herd hatten). Im zweiten Stocke Sie hatte kaum mit kunstgerechter Hand den Verband, befand sich noch eine Anzahl Zimmer für die weibliche Diener¬ erneuert, als sich die Thür öffnete und der Voigt Albrecht schaft und einige Gastzimmer. Von allen diesen Räumen waren nur die Halle und oie Kemenate mit kleinen, runden mit Elfriedes Vater eintrat. „Aha!" sagte der erstere, „da ist ja das Bürschchen Glasscheiben versehen, während die übrigen durch dünn¬ wieder munter; nun, Unkraut vergeht nicht. Weißt Du, geschabtes Horn oder geöltes Pergament ihr spärliches Licht erhielten. Bube, daß Du meiner Gerichtsbarkeit verfallen bist, da Du Das Gefängnis, in welches Viktorien gebracht worden Dich mit Waffen meinen Paßmännern widersetzt hast?" „Ihr habt kein Recht an mir. ich bin ein freier, ritrer- war. bestand aus einem Raume von kaum vier Schritt im bürtiger Mann und gehörte nicht zu jenen Kaufleuten, an Geviert und sechs Fuß Höhe. In der Mitte war ein großer, steinerner Würfel, welcher als Tisch diente; in denselben war denen Ihr ein vermeintliches Pfandrecht ausgeübt. Ihr habt uns hinterlistig überfallen, und da habe ich das Recht, mich ein Ring mit Krampe eingegoffen, an welchem wahrscheinlich Gefangene angeschloffen werden sollten. Eine niedrige Stein¬ meines Lebens zu wehren." Gottes bank und ein Haufen Stroh, mit einer Ochsenhaut bedeckt, sollst mir ein gutes zahlen, „Du Lösegeld oder, Donner. Du sollst Deines Lebens nimmer froh werden. vervollständigten das Mobiliar. Das Wenige, was an Licht Bring' ihn in den vorderen Turm, Eckhard. Du kennst schon und Luft eindringen konnte, kam durch ein kaum fußgroßes Deine Tochter mag ihn in Deiner Gegenwart Loch in den rohen Steinwänden, welches noch mit dicken die Zelle. Jetzt Eisenstäben verwahrt war. Diesem Loche gegenüber war in noch einmal verbinden und mit etwas Speise versehen. der Mauer noch ein zweites, ebenso vergittert, angebracht, wollen wir einmal versuchen, ob uns der französische Wein das jedoch dunkel war. Viktorien saß hier nun schon den nicht ebenso gut schmeckt, als den Erfurter Stadtherren." * * zweiten Tag, einsam, nur mit seinen Gedanken beschäftigt. ♦ Die beiden Sachsenburgen waren, wie vorerwähnt, gleich¬ Elftiede war jeden Tag zweimal in Begleitung ihres Vaters gekommen, um nach dem Verbände zu sehen und ihm Wasser zeitig erbaut worden und gehörten naturgemäß zusammen. und Brot zu bringen, sowie das magere Mittagsmahl, be¬ Während die Unterburg als Hauptburg den Engpaß voll¬ stehend aus gekochten Erbsen oder Rüben. Kein Zeichen von ständig beherrschte und einen ziemlich ausgedehnten GebäudeTeilnahme oder der Wiedererkennung hatte ihn getröstet, stumm Komplex bildete, wurde sie von der unmittelbar dahinter an¬ verrichtete sie ihre Hantierung, und ohne einen Blick weiter steigenden Höhe doch dergestalt überragt, daß die Befestigung auf ihn zu werfen, schied sie wieder. Einmal war auch der Notwendigkeit war hier daher eine zur wurde. Es dieser Höhe Voigt gekommen und hatte ein langes Verhör mit ihm an¬ Art Außenfort angelegt, und beide Befestigungen deckten sich über sein Herkommen und seine Erlebnisse. Das Er¬ gestellt Das Oberhaus allein hätte einer längeren Be¬ wirksam. gebnis schien ihn wenig zufrieden gestellt zu haben, denn nach lagerung nicht widerstehen können, da es an Wassermangel litt. Es bestand zwar eine Wafferleitung mittelst hölzerner Beendigung des Verhörs hatte er die schwere, mit eisernen Bändern und Buckeln beschlagene Eichenthür dröhnend ins Röhren von dem dahinterliegenden waldigen Höhenzuge aus, Schloß geworfen und die starken Riegel vorgeschoben. doch konnte dieselbe von den Belagerern leicht abgegraben

werden. Die Unterburg jedoch halte innerhalb der Be¬ festigungen einen über hundert Fuß tiefen Brunnen, welcher bis auf den Spiegel der Unstrut reichte. Die Oberburg hatte ursprünglich nur aus einem hohen Wartturm bestanden unb

mit dicken Mauern, deren Ruinen jetzt noch stehen, und mit kleinen Fensteröffnungen, die erst im zweiten Stockwerk angebracht waren. Der Zu gang zum Turme befand sich ohngesähr zwmizig Fuß über einem

daranstoßenden

Gebäude

von dem Seitengebäude aus. Letzteres war mit einem wohl dreißig Fuß tiefen, in den Felsen gehauenen Graben umgeben. Später hatte man in der Richtung nach der Unterburg noch mehrere Gebäude angebaut, von denen nur noch die Grundmauern in der Erde und der Graben dem Erdboden

Kunde geben.

Die tlach Maßgabe des Terrains nur kleine Burg bestand daher aus zwei Teilen, welche, wie nach außen, so unter sich durch Zugbrücken völlig abgeschloffen werden konnten. Der Zugang zum vorderen Teile wurde durch einen niedrigen

sich

So saß er wieder auf der Steinbank, den Kopf in die Hände gestützt, sinnend über sein Schicksal. Tausend Gedanken durchkreuzten sein Hirn. Er klagte das Geschick an, welches ihn seit Beginn seines Daseins zum willenlosen Spielball der Leidenschaften und Begierden ftemder Menschen gemacht, und frug sich, ob er nicht bester gethan hätte, im Kloster zu bleiben, anstatt hier sein Dasein freudlos zu vertrauern. Am meisten kümmerte ihn, daß Elfriede ihr Wort nicht gehalten hatte. Sollten ihre treuherzigen Augen gelogen haben? Da, horch, was war das? Er glaubte sein Name mit leiser Stimme gerufen werde. der Thür hin und horchte. Da, jetzt wieder, der Thür her. sondern entgegengesetzt. Die Zelle war doch sonst leer und die öffnung mindestens 20 Fuß vom Erdboden

zu hören, daß

Er ging

nach

aber nicht von kleine Fenster¬

entfernt. Es klang ihm wie Geisterstimme, und er glaubte, sein verstorbener Vater käme, ihn zu sich zu rufen. Da erscholl der Ruf deutlicher, und jetzt merkte er. daß

124 es Elfriedes Stimme war. die sich auswendig an dem ver¬ gitterten, dunklen Loche befinden mußte. Im Augenblick stand er auf der Steinbank und befand ihr gegenüber, leider durch zwei Fuß dicke Mauern von sich ihr getrennt. „Ach, Du armer Knabe," sagte sie leise, „was dachtest Du wohl von mir?" „Es ist wahr, Elfriede, mein Mut begann zu sinken, weil ich niemals einen Blick von Dir erhaschen konnte. Doch, noch war mein Wert» anen nicht verloren." „Es soll Dich auch nicht getäuscht haben; doch jene Vor¬ sicht war nötig. Hätte mein Vater geahnt, daß wir einander kennen, so würde er statt meiner einen Knecht geschickt haben, und ich hätte künftig gar nichts für Dich thun können."

s-

Vorsprung der unteren Mauer verhindert, das obere Stock des angebauten Gebäudes dicht anzurücken, und es war des¬ halb ein zwei Fuß breiter Zwischenraum entstanden, welcher durch das gemeinschaftliche Dach überdeckt war. Elfriede konnte nur auf diesen Mauer-Vorsprung un¬ bemerkt gelangen, wenn der vordere Teil der Burg menschen¬ leer war. Viktorien, welcher schon seit Jahren an eine regelmäßige geistige Thätigkeit gewöhnt war, klagte sehr über die Qual der einsamen Stunden. Elfriede konnte hier leider nicht helfen, denn Bücher gab es in jenen Zeiten nur in den Klöstern, und die wenigen in Privatbefitz befindlichen wurden oft für so kostbar gehalten, daß sie mittelst einer Kette an die Wand geschmiedet waren. Doch erinnerte sich Elfriede einer

Der neue See im Tiergarten zur Winterszeit. Nach einer Momentphotographie des Herrn

„Aber, wie willst Du überhaupt mir einmal nützlich mir forthelfen?" „Das weiß ich jetzt selbst noch nicht. Einmal hängt es davon ab, was der Voigt über Dich beschließt, und was ich noch nicht gewagl habe zu erkunden. Vielleicht darf ich Dir später Deine Kost allein bringen. Ich wäre auch schon früher hierher gekommen, allein ich war immer unter Aufsicht. Heute find die Männer zur Jagd, da können wir ein Stündchen mit einander plaudern." Viktorien streckte die Hand durch das Gitter. Elfriede er¬ faßte sie, und so erzählten sie sich gegenseitig ihre Schicksale, wobei manche Thräne aus Elfriedes Augen auf ihre Hände herabtropfte. Hierbei erfuhr er auch, auf welche Weise es ihr möglich geworden war, mit ihm in Verkehr zu treten. Das verdunkelte Mauerloch hatte früher auch ins Freie geführt. Bei einem späteren Anbau hatte jedoch ein breiter werden können oder

Geheimsekretärs

R.

Köhler

in Berlin.

Pergamentrolle, welche ihr Vater im Schrein ver¬ Da sie doch niemand von den Burgbewohnern lesen konnte, so holte sie dieselbe augenblicklich herbei und nahm gleichzeitig Abschied, da die Jäger bald zurückkommen konnten.

kleinen

wahrte.

Obwohl die Augen Viktoriens sich schon lange an das in seiner Zelle herrschende Halbdunkel gewöhnt hatten, so ver¬ mochte er die verblaßten Schiiftzüge des in lateinischer Sprache geschriebenen Pergaments jetzt nicht mehr zu entziffern und verbarg dasselbe darum bis auf den folgenden Tag. Doch hatte er bei der nun folgenden Einsamkeit über Langeweile nicht zu klagen.' Seine Gedanken hatten in Elfriede einen Mittelpunkt gefunden, und der mitleidige Traumgott zaubert? ihm ihre zierliche Gestalt immer von neuem vor. (Fortsetzung folgt.)

-e

Att-Kerlinische

Glocken-

und

125

Geschütz-

erinnerungen.

„Berlin

Kart Kticklev.

mit

neue

schon

Plätzen

sich

erheben,

noch

von

Morästen,

vereinzeltem Buschwerk versehenen Wiesenflächen,

Reben¬

oder Waldpartien

umgeben waren, beanspruchte man auf den höchsten Türmen vorzugsweise auch für die militärische Sicherung beider Städte.

die Glocken

Heeresteile, wie einstmals auch die dänische Kriegsmacht, die vom „Windmühlenberge" her oder sprengten ver¬ die Nordseite Alt - Berlins bedrohte, wegene Raubritter, wie die Quitzows, herbei, um das dicht Nahten

Stadt in dem alten Weltteile vor vier Jahrzehnten in eigenartig bezeichnender Weise Nordamerikaner, die welche preußische Hauptund Residenzstadt besuchten und hier, trotz des sechs- oder fiebenhundertjährigen Bestehens dieses städtischen Gemein¬ wesens, zu ihrer Verwunderung keine auffällig altertümlichen Bauwerke erblickten. Süddeutsche und rheinländische Städte oder Städtchen boten in dieser Beziehung bedeutend mehr; ist eine

Europa!" äußerten

verkehrsreichen

gärten

Historische Skizzen und Stimmungsbilder von

f—

feindliche

vor den Stadtthoren weidende Schlachtvieh der Bürger zu rauben und fortzutreiben auf kecke, gewaltsame Weise, dann gab gewöhnlich die große Glocke auf dem St. Nlkolaiturme mit auffälligem Sturmgeläut die allgemein vernehmbare Kunde betreffs der drohenden Gefahr, mit gleichzeitiger Mahnung zu

Die alte Krücke beim Hofjager zur Winterszeit. Nach einer

Momeniphotographie des Herrn

namentlich, soweit es die kirchlichen Bauten und die Einrichtungs- oder Gebrauchsgegcnstäude derselben betraf. Zu den letzteren zählen seit einem Jahrtausend in deutschen Landen besonders die Glocken. Als in früheren Jahrhunderten auch in Alt-Berlin und in Kölln an der Spree das gesamte bürgerliche Leben und der geschäftliche Verkehr

unter ausschließlicher Beherrschung der alleinseligmachen¬ den römischen Kirche stand, als Beginn und Beendigung der Arbeit und ebenso die Mahlzeiten, wie auch die städtische Wachtordnung hauptsächlich nach den vorgeschriebenen Gebets¬ zeiten sich richteten und dabei die ankündenden Glockenschläge in erster Linie beachtet werden mußten, standen auch die

noch

Glocken

in

höchstem Ansehen.

damaligen großartigsten Schwesterstädte an der Spree dort, wo jetzt die Palastbauten in langen Straßenzügen und an großen.

Und

in

der

Zeit,

in

der

die

beiden

Gehcinrslkretärr

R.

Köhler

in Berlin.

Denn stärker vernehmbar als der dumpfe Hornruf des Umschau haltenden Turm¬ wächters. erwies sich unstreitig der weithin alles übertönende Glockenklang. So lange kein Lärmgeschütz znr Verfügung stand, und dies war in Alt-Berlin erst ziemlich spät der Fall, war und blieb der Glockenschall das wirksamste AnkündigungsMittel für die Gesamtheit der Einwohner. Die Hauptglocke des aus hartem Feldgestein erbauten beschleunigter Abwehrbereitschaft.

und mit hochaufragendem, schieferbekleidetem Spitzdache ehe¬ mals sich zeigenden alten Nikolaiturmes hatte noch zur Zeit des 30jährigen Krieges für die damaligen Berliner auch eine

Abends um 10 Uhr gab sie als polizeiliche Bedeutung. Zeichen zur Schließung der Schänkstuben „Bierglocke" das und zur Heimkehr der Zecheilden in ihre Behausungen. In dieser wildbewegten Zeit besaßen die Prediger Berlins noch das eigentümliche Vorrecht,

neben Ausübung

ihres Berufes

■«

126

Viele dieser Geist¬ damals wohl auch noch dem Handwerker, stände oder hatten, nach Art der „fahrenden Schüler" dieser Zeit, mancherlei bedenkliche Wagnisse durchgemacht, ehe sie Diener der evangelischen Lehre wurden und als solche dann zu einer ruhigeren Lebensstellung gelangten. Die größten und ältesten Kirchenglocken in Alt-Berlin und Kölln an der Spree waren schon ein Jahrhundert vor Beginn der Reformation eingeschmolzen und ihre Metall¬ massen dann zu ganz anderen Zwecken verwendet worden, mit Zustimmung von Geistlichkeit und Bürgerschaft. Als Kurfürst Friedrich I., der erste Hohenzoller in der Mark Brandenburg, im Februar des Jahres 1416 mit seinen Verbündeten die starken Burgen der Ouitzows zerstören mußte, um seinen Unterthanen Ruhe und Sicherheit in ausreichender Weise ver¬ schaffen zu können, hatte er sür diese Kriegsunternehmung das durchaus erforderliche Feuergeschütz — neben dem auch ältere Schleuder- und Wurfmaschinerien verwendet wurden — von auswärts her entlehnen müffen, da im Brandenburgischen derartiges Kriegsgerät noch nicht vorhanden war. auch Schankwirtschaft betreiben zu dürfen.

lichen entstammten

IV.

von Thüringen, oder vielmehr maßgebender dessen Vormund und Bevollmächtigter, Heinrich XXIX. von Schwarzburg, hatte die darauf viel¬ genannte „faule Grete", ein mächtiges, schwerfälliges Geschütz¬ rohr. mit dem Büchsenmeister (-Artilleriechef) von Thüringen hier leihweise zur Verfügung gestellt. Die mit Verwendung dieses Geschützrohrs erzielten Erfolge und die Notwendigkeit drängten des steten Besitzes gleichartigen Kriegsmaterials dann im Brandenburgischen dazu, daß Kircheuglocken einge¬ schmolzen wurden und deren Metall zum Guße von Feuer¬ schlünden und Donnerbüchsen dienen mußte. Dabei wurden nun, wie schon oben angedeutet, auch die ältesten und größten Kirchenglocken der beiden Hauptstädte an der Spree von den Türmen herabgenommen und in die Gießstätten geschafft. Auf dem Sterbebette empfand der fromme Hohenzoller, der für die Sicherung des Landfriedens und für die Wahrung staatlicher Rechtsordnung in der Kurmark alle Kräfte eingesetzt hatte, doch schwere Beängstigung wegen der stattgefundenen Verwendung geweihter Glocken zu Kriegszwecken. Dringendst ermahnte er die Deinigen, und vor allen Dingen seinen Sohn und Nachfolger, den Kirchen Berlins vollen Schadenersatz für die fortgenommenen Glocken zu leisten. Peter der Große, der aus den Kirchen seines Landes massenhaft die Glocken zum Einschmelzen in die Geschütz¬ gießereien fortführen ließ, war weniger feinfühlend als der Hohenzoller. Er empfand deswegen niemals Gewiffensbisse oder Beängstigungen irgendwelcher Art. Daß die Masse des zur Zeit des Kurfürsten Friedrich I. seiner ursprünglichen Bestinimung entzogenen altberlinischen Glockenmeialls ziemlich bedeutend gewesen sein mag, geht aus den damaligen Kaliberverhältniffen der Belagerungsgeschütze her¬ vor. Die obenerwähnte „faule Grete", die im Jahre 1416 vor den Burgen der Quitzows verwendet wurde, war eine Nachahmung der im Jahre 1411 in Braunschweig aus Bronze gegossenen „faulen Mette", die bei Ueberwältigung der ungemein starken Harzburg sich glänzend bewährte. Das Rohr der „faulen Mette" wiegt 9000 Kilogramm, der Kaliberdurchmesser beträgt 66,7 Centimeter, die daraus geschleuderte Steinkugel wog annnähernd 375 Kilogramm, und

Landgraf Friedrich

B-

ein Schuß mochte 26—35 Kilogramm Schießpulver erfordern. mit einer Ladeschaufel frei in das Rohr ein¬ geführt. nach dem primitiven Branche jener Zeit. Alt-Berlin rmd überhaupt die gesamte brandenburgische Wehrmacht war noch Jahrhunderte später, namentlich auch, als nach der üppigen und kostspieligen Hofhaltung des Kur¬ fürsten Joachim II. die Ständevertretung sich äußerst zurück¬ haltend in Geldbewilligungen zeigte, sehr schwach mit Artillerie versehen. Wohl wird historisch berichtet, daß bei dem großen Freudenfeste, welches der prunkliebende Joachim II. am 28. August 1568 in beiden Spreestädten zur Feier der er¬ folgten Mitbelehnung mit Preußen veranstaltete, neben dem Geläut sämtlicher Glocken beider Städte auch die Lärmschüsse der großen kurfürstlichen Geschütze vom Tiergarten — d. h. von der Stätte des heutigen Opernplatzes aus — den Beginn und die Hauptmomente der Festlichkeiten kündeten. Die da¬ mals noch zunftmäßig bestehende Artillerie, die nicht zum eigentlichen Heerwesen gezählt wurde, kann an Zahl jedoch nur sehr gering gewesen sein. Einige deutsche Landesherren hielten damals gewerbsmäßig ausgebildete Artilleristen mit einem Büchsen- oder Stückmeister in ihrem „Hausdienste", ohne ein eigentliches Heer zu besitzen. Andere Fürsten zogen ' hingegen mit ansehnlichen Streilkräften ins Feld, ohne eine nennenswerte Artilleriemacht dabei mitzufühlen. Die vornehmsten Herren vom Adel Norddeutschlands betrachteten zudem noch in der Zeit des Kurfürsten Joachims H. von Brandenburg den Dienst bei der Artillerie, wie auch im eigentlichen Kriegsbauwesen, als durchaus unstandesgemäß. Kulturgeschichtlich interessante Fehdebriefe, wie zum Beispiel derjenige des späteren kurbrandenburgischen General-Feldzeug¬ meisters Grafen Rochus zu Lynar vom Jahre 1574, in standes¬ gemäßer Verteidigung seiner Stellung als kurfürstlich sächsischer Ober-Arlilleriemeister und Kriegsbaumeister erlassen, geben Zeugnis von der eigenartigen Beurteilung der Artillerieführung Letzteres wurde

dieser Zeit.

Glocken und Geschütze,

die zumeist den gleichen Gie߬ entstammten, wurden auch im Kriegsrechte alter Zeit verwandtschafilich behandelt. Wurde unter Mitwirkung zünf¬

stätten

tiger Artillerie ein befestigter Platz überwältigt, so hatten die Artilleristen, die dabei sachgemäß beteiligt waren, nicht bloß Anspruch auf einen monatlichen Extrasold und auf die in den feindlichen Stellungen befindlichen Pulverfässer, die angebrochen waren, sowie auf die etwa in den dortigen Geschützröhren noch vorhandene Munition, sondern auch, laut „verbrieftem Rechte" und gemäß „guten, alten Brauches" das Recht: die größte Glocke des unter ihrer Mitwirkung überwundenen Ortes sich anzueignen. Selbstverständlich war es da haupt¬ sächlich auf „Auslösung" der Glocke und damit verbundene Erpressung großer Summen abgesehen.

Berlin und Kölln an der Spree gerieten nicht in die als belagert und durch Artillerieangriff überwältigte Als Festungen ihre größten Glocken auslösen zu müssen. Jahrzehnten Krieges die in den ersten des dreißigjährigen Lage,

Wehrfähigkeit beider Städte, wie auch des ganzen Landes, arg zerrüttet und verkommen war, als ein Häuflein vorüber¬ marschierender

englischer

Hilfstrupprn,

die

nach

Prag

be¬

stimmt waren, mit der Rast beim Dorfe Tempelhof die Bürgerschaft beider Städte arg aufregen und erschrecken konnte, war die Wehrmacht und ganz besonders das Artillerie¬



127

Kurbrandenburgs äußerst schwach und ungenügend. ftemder Truppenteile zogen die kurfürstlichen Annäherung Bei geringen Streitkräfte sich gewöhnlich nach Spandau oder Küstrin zurück. Um ein Bild von dem Stande brandenburgischer Wehrmacht und ganz besonders von der Schwäche des damaligen kurfürstlichen Artilleriekorps zu geben, genüge hier die Angabe des vormals berufensten preußischen Militärhistorikers, des weiland königlich preußischen Ordensrates Anton Balthasar König (geb. 1753, gest. 1814), wonach der Kurfürst Johann Sigismund im Jahre 1619 zur Behaup¬ tung seiner Clevischen Erbschaft nur ein Korps von 2900 Mann verwenden konnte, und daß ferner das gesamte kurfürst¬ lich braudenburgische Artilleriekorps im Jahre 1627 unter dem Kurfürsten Georg Wilhelm, trotz der Kriegszeit, einen Bestand von nur 41 Mann aufwies! Andere Zeiten kamen. Der neue Herr, der im Jahre 1640 die Regierung antrat und mit staatsmännischer Umficht eine durchgreifende Hebung und Besserung aller Staatsver¬ hältnisse in Brandenburg zielbewußt durchführte, wandte auch dem Aufschwünge Alt-Berlins und Köllns an der Spree uner¬ müdliche Sorgfalt zu. Beide Städte wurden mit neuen, zeit¬ gemäßen Bollwerken versehen, und in dieser Epoche, in der die Artillerie aus dem alten Zunfisystem heraustrat, um nun in die Heeresordnung mit Regiments- und Kompagnieforma¬ tionen vollberechtigt eingefügt zu werden, erhielt Kurbranden¬ burg eine recht ansehnliche Kriegsmacht unter der ausdauern¬ den Fürsorge seines bald zu großem und dauerndem Ruhme gelangenden Landesherrn. Eine Gießerei wurde am Spreeufer noch innerhalb der Befestigungen eingerichtet, die am Nordende des „köllnischen Werders", zwischen der damaligen Dorotheen- und Spandauer¬ vorstadt, besonders stark erbaut wurden. Die Nordseite des alten Gießereigebäudes, aus dem bald die prächtigsten Gie߬ erzeugnisse dieser Epoche hervorgingen, erhielt besonders starke Mauern und galt als eine wesentliche Verstärkung der vor¬ gelegenen Wallpartien am „grünen Graben". korps

In

der Zeit,

in welcher der Große Kurfürst

sich

ein

militärisch organisiertes Artilleriekorps schaffen und ausbilden mußte, gab es noch recht wunderliche Artilleriechefs. Einer der schnurrigsten Käuze dieser Art war jedenfalls der aus Paris stammende Monsieur Bertrand de la Coste, der in Frankreich, in Polen, in Rußland und in Dänemark als Artilleriebefehlshaber gedient und reiche Erfahrungen gesammelt hatte, ehe er in den Heeresdienst des Kurfürsten Friedrich Wilhelm von Brandenburg eintrat und mit seinen reichen wissenschaftlichen und praktischen Fachkenntniffen bei der Neu¬ organisation und technischen Ausbildung kurbrandenburgischer

Artillerie

sich

auszeichnete.

Dieser originelle Fachmann wurde vom Großen Kur¬ fürsten dann mit Oberstrang verabschiedet und lebte darauf, d. h. vom Jahre 1663 an, in Hamburg, wo sein exentrisches Wesen bald noch ganz anders hervortrat, als vormals in der Residenz des brandenburgischen Landesherrn, der kein Freund Im Jahre von Ausgelaflenheit und Ausschreitungen war. 1676 erregte Monsieur de la Coste in Hamburg Aufsehen

Alt-Berliner

daß und Straßenlärm in und überhaupt auch die kurfürstlichen Offiziere und Beamten, die ihn während seiner brandenburgischen Dienstzeit persönlich kennen gelernt hatten, wieder recht lebhaft an ihn erinnert wurden.

derartiger Weise,

die

»

la

damals (1676) seiner Lands¬ männin, der Schwärmerin Antonia Bourrignon mehrere Monate hindurch ein Asyl gewährt. Da die genannte Dame aber seine mathematischen Entdeckungen sowie seine Erfindungen in der Mechanik nicht genügend würdigen und bewundern wollte, verstieß er sie nicht bloß aus seinem Hause, sondern ließ ihr auch durch den aufgereizten Hamburger Pöbel in der neuen Wohnung sämtliche Fenster einwerfen. Oberst de

Monfieur

de

Coste hatte

la

Coste ging

dann nach Amsterdam,

wo

Jedenfalls war er

er im Jahre 1680 bas Zeitliche segnete.

ein gewandter Techniker und geschickter Mechaniker, der bei richtigerer Lebensweise und Sinnesart Bedeutenderes hätte für die Nachwelt leisten können. Als Erfinder genoß er längere Besonders seine Zeit hindurch im eigenartiges Ansehen. des Archimedes", welche die Hebung einer „Maschine Gewichtsmasse von 2000 Pfund mittelst eines dünnen Fadens ermöglichte (wurde anfangs als eine Wunder¬ leistung ersten Ranges angestaunt), später aber von der

damals

neuen

Akademie

in

Paris

dennoch

unbeachtet

perpetuum mobile

wollte auch das Kreises entdeckt Quadratur des haben. Mit solchen Verirrungen beeinträchtigte er bald sein vorher auf wirklich wertvollen Leistungen begründet gewesenes

gelassen.

Coste

erfunden

und

die

Ansehen. (Schluß folgt.)

Poesie sin de siede 1800. Von Grnst Kvirdel. Mancher, welcher die Umsturzbestrebungen am Ende unsers 19. Jahrhunderts ficht und mit Trauer die Entartung des Volksgeistes, deren Erscheinungen man geradezu mit dem Ausdruck fin de siede bezeichnet, an einzelnen Stellen, keineswegs bloß in Deutschland, beobachtet, der mag mit Unmut und Sorge in die Zukunft blicken.

Für

diese ängstlichen

Gemüter ist es vielleicht ein Trost,

zu erfahren, daß es am Ende des vorigen Jahrhunderts nicht besser war und trotzdem Staat und Gesittung, Menschlichkeit

und kirchlicher Sinn nicht zu Grunde gegangen find. Man höre nur. an was für unglaubliche Dinge man sich, fast möchte man sagen, mit einer gewissen Harmlofigkeit, unter dem Eindruck und den Nachwehen der französischen Revolution

gewöhnt hatte.

Ungenannter bringt in den „Jahrbüchern der Preußischen Monarchie unter der Regierung Friedrich Wilhelms des Dritten" (3. Bd. Berlin 1800) am 6. August 1800 unter dem Titel „Patriotische Gefühle beim Geburtsfeste Friedrich Wilhelms des Dritten, des Besten der Könige" seine Ansichten und Wünsche in einem längeren Gedichte zum Wir entnehmen aus demselben folgende Kraft¬ Ausdruck.

Ein

stellen:

Unserm braven König weihet

Heut" den schönsten Bürgerkranz! Wer ist hier, den es nicht freuet. Daß durch ächten Kronenglanz Er sich an die Helden reihet. Die die Menschheit benedeyet?

—4

128

Sieg in jedes Kampfes Hizze der Du ihm ähnlich bist, Edler Korse! den an Frankreichs Spizze Schon der Mund des Nachruhms küßt.*)

Dir,

Allen wahren Patrioten Dre mit unverdroß'ner Kraft Je dem Staat die Hände boten, Glück und Heil und Brüderschaft. Friede allen Nationen Naher und entfernter Zonen! Dem nur Krieg, der frevelhaft Fürst und Volk in Zwietracht bringet Und des Landes Mark verschlinget! Heißer Zorn, der nie verraucht. Jedem stolzen Menschenwürger**), Der Matros, Soldat und Bürger

Nur für

sich

Gin Stück Alt-Kerlins im Schnee. Aus den vierziger Jahren. Von

(Mit Abbildung.) Ecken und Winkeln" Alt-Berlins gehörte unmittelbare Umgebung des Heiligegeistkirchleins, wie solche zum Teil auf dem beigegebenen, stimmungsvollen Winterbilde aus den vierziger Jahren uns entgegentritt. An die Längsseite der altersgrauen Kirche schließt sich

Zu den „stillen

auch die

in der Heiligegeistgasse das eiserne Gitter an. das den kleinen Vorgarten des Hospitals begrenzt, dessen Insassen den Winter ihres Lebens hier in stiller Abgeschiedenheit verträumen. Noch im vorigen Jahrhundert dehnte der Hospitalgarten sich bis zur Spree aus, zugleich als Kirchhof dienend, nach

Uns mit heil'gen Fabelreden Schon von Jugend an betrügt. Die. um uns ins Netz zu lokken. Uns im Himmel große Brokken Unter Sing und Sang verheißt. Und dabei uns dummen Tröpfen Aus den hier gefüllten Töpfen. Eh' noch unsere Löffel schöpfen. Fett und Nahrungssaft entreißt.

In

Ton mit Verhöhnung der Heiligen Schrift, von Gott verordneten Diener geht es weiter, bis zu dem also lautenden Schluß: und ihrer

Tod und Feindschaft den Neronen! Allen braven Nationen Friede, Segen! Brüderschaft! — Dergleichen war damals — unter der strengen littera¬ rischen Zensur — zu drucken möglich, was heut wahrscheinlich eine Anklage wegen Aufreizung zu Haß und Verachtung und noch ärgeren Dingen nach sich ziehen würde. Wunderliche Verhältnisse! Fast um dieselbe Zeit, wo unter dem König Friedrich Wilhelm II. eine sinnlich-mystische Schwärmerei neben dem ödesten Rationalismus mit dem Wöllnerschen Religionsedikt vom 9. Juli 1788 rang. welches jede Abweichung vom Religionsdogma mit bürgerlichen Strafen belegte, da erschien das erste Patent für das 1791 vollendete Allgemeine Landrecht für die Preußischen Staaten, ein Patent, welches derartig im Volksbeglückungston des französischen Konvents gehalten war, daß es deshalb angehalten und unter¬ drückt werden mußte.

schmeichelhafte Parallele

zwischen

dem stillen,

„Am Heiligengeist-Kirchhof" genannt wurde. An ihm entlang lief dieselbe über die zur Linken einmündende Heiligegeist-Straße — ursprünglich als Verbindung des Nikolai-Viertels mit dem Hospital „Nach dem Heiligengeist" bezeichnet — hinaus, und dann in einem Knick und mit geringerer Breite ebenfalls bis zum Wasier hin. Dieser schmalere Teil war mit Fischerhäusern bebaut, und hier befand sich auch am Spreeufer der sogenannte „Wursthof" — das zweite der ältesten Schlachthäuser im Berliner Stadttetl. Kurz vor Beendigung des siebenjährigen Krieges ließ der bekannte Bankier Jtzig, unter Hinzuziehung eines Teils des Hospitalkirchhofes und einiger Fischerhäuser, auf dem Wursthofe das stattlich: Haus Nr. 25 in der Burgstcaße er¬ bauen. Jenes Haus fiel 1880 dem Erweiterungsbau der Börse zum Opfer; ebenso das auf unserer Illustration mit seiner hohen Giebelfcont in der Heiligegeistgaffe aufragende Eckgebäude. Heiligegeiststraße No. 1, dessen Besitzer zu Anfang des vorigen Jahrhunderts der Geheime Rat v. d. Osten war. dem die Gasse

diesem

*) Wenig

Ferdinand Meyer.

als Hunde braucht!

Krieg und ewige Bataille Jeder heuchelnden Kanaille, Die ihr Gift in Honig taucht! Wenn sie ohne zu erröthen Gar zum warnenden Propheten Sich mit frecher Keckheit lügt, Und um die Vernunft zu tobten

der Kirche

Hat Ben Akiba Recht, daß nichts Neues unter der Sonne vorgeht, daß sich die wunderlichsten Phasen in der Volksseele wiederholen, und ist es unwiderleglich, daß das ganze mensch¬ liche Leben sich in Kurven, bald in aufsteigenden, bald in ab¬ steigenden, bewegt, und daß trotzdem und alledem bei den furchtbarsten Krisen weder Staat noch Christentum bislang zu Grunde gegangen find, so darf man der Vorsehung und dem gesunden Volksfinn zweifellos vertrauen, daß die menschliche Gesellschaft auch die scheinbar so furchtbaren Erschütterungen am fii, de siede 1900 siegreich überdauern werde.

menschen,

freundlichen Friedrich Wilhelm IN. und dem furchtbaren 1. Konsul Bonaparte, der am 19. Brumaire (10. No». 1799) zu St. Cloud den Rat der Fünfhundert gesprengt hatte. **) Daß „der Korse" damals schon ein arger „Menschenwürger" war, scheint dem naiven Dichter entgangen zu sein.

Mit

dem Erweiterungsbau der Börse entstand gleichzeitig

gehörige Telegraphengebäude zwischen dem vorer» wähnten Eckhause und dem Hospital, und als Ersatz für den nunmehr eingegangenen Teil der Heiligegeistgaffe wurde die

das

dazu

„St.

Wolfgangsstraße" angelegt.

Wenden wir uns nun dem Kirchlein und dessen Hospital zu, so find beide wahrscheinlich schon bei Gründung der Stadt

als eine Stiftung werkihätiger Frömmigkeit jener Zeit, als eine Zufluchtsstätte dürftiger und von des Alters Bürde gedrückter Greise und Greisinnen

entstanden!;

außerhalb der ältesten Stadtmauer

und

Zum erstenmale geschieht des Hospitals, als eine Jungfrau

Salzwedel

aus

zwar noch

(„extra rnuros“). dessen

Stifterin

dem angesehenen Geschlechte Derer

bezeichnet

wird, in dem 1272

von

den Bäckern ver-

129

&

Uehenen Gilderecht nebst Vorschriften wegen Beschaffung

von und wohlfeilem Brot Erwähming. Es heißt darin, daß das in den Scharren vorgefundene, nicht vollwichtige Brod weggenommen und den beiden Armenhöfen (zu St. Georg und zum Heiligengeist) gebracht werden sollte. Nach Erweiterung der Stadl lagen Hospital und Kirche nebst dem in der Spandauerstraße (Nr. 2) angrenzende» gutem

Prediger- und Küsterhause sowie einer zur Empfangnahme milder Gaben bestimmten Klause mit Heiligenbild und „ewiger Lampe" in dem von der Stadtmauer gebildeten Winkel zwischen dem Spandauer Thor und der Spree. Zu den Wohlthätern des Hospitals zählte manch edle Familie der Stadt und Mark, deren Denkmale längst aus dem Kirchlein verschwun¬ den sind. Nur die drei Wappenschilde der Brüder

Hans. Jakob

und

Peter

Holekanne,

aus einem alten Patrizier - Geschlecht. einige altgotischeHolzschnitzereien neben der vom Stadt¬ rat Hollmann 1834 ge¬ stifteten neuen Orgel und die von der Kurfürstin Dorothea 1668 der StadtCompagnie verliehene Fahne mit dem roten märkischen Adler auf weißer Seide waren noch erhalten ge¬ blieben. befinden sich aber seit mehreren Jähret! im Märkischen Museum.

Kleine Mitteilungen. Kaiser Mithelnr II. über die Eigenarten ber

Kerliner.

Der Kaster hat, wie die „SB. Z." erfährt, bei dem Mahle, dar der Ober-Präsident vr. ron Achenbach am 23. Februar ». ven Mitgliedern der brandenburgtschen Provinziallandtages gab, im Laufe des

I.

anerkenrende Aeußerungen über die Eigenarten der Besonders hat der die sie im Soldatenleben zeigen, gethan. Kaiser den guten Einfluß gerühmt, den der schlagfertige W tz unter un¬ angenehmen Berhältniflen aus die Kameraden a.sübt. Einen Fall erzählte der Monarch aus eigener Erfahrung. Zur Zeit, als er noch Prinz Wilhelm war, befehligte er bei einer Felddienstübung eine Infanterie-Abteilung. Er geschah das in der Nähe von Trebbin. Die Hitze war außerordentlich groß, die Mannschaften, denen der Prinz bezüglich ihrer Kleidung schon weitgehende Erleichterungen gestaltet hatte, litten ungemein unter den An¬ strengungen der Marsches. Es zeigten sich Spuren ron Erschöpfung bei den Leuien, die beinahe knietief in den losen märkischen Sand versanken; da hörte der Kaiser, wie ein Flügelmann, ein echtes Berliner Kind, die Worte Gesprächs

Berliner,

auch

ausrief: noch ein

„J-tzt fehlt hier nur Kamel." Die Kameraden

lachten herzlich über diese die bezeichnende Bemerkung, Lage die ihre ermunternde Wirkung nicht verfehlte und die Leute die Unbequemlichkeit des Augenblicks Anknüpfend an vergessen ließ. diesen Fall erzählte der Kaiser eine Episode aus dem deutsch¬ dänischen Krieg, die ihm von Vater, dem Kaiser seinem Friedrich, mitgeteilt worden i't. In kleinen Booten bewerk¬ stelligten die preußischen Trup¬ Uebersetzung die nach pen Alsen, bestrichen von dänischen Geschützen. Uebermäßig gemütlich war er gerade nicht, da ließ plötzlich ein mit Spreewasser getaufter Füsilier die klassischen

Worte fallen:

„Ick jondle

auch

lieber in Stralau sür'n Jroschen, als hier für nischt." Auf die Stimmung der Kameraden war dieses Scherzwort von vorzüg¬ licher Wirkung. In Zusammen¬ hang mit diesen Mitteilungen bezeichnete der Kaiser seine Berliner als den Sauerstoff in der Armee.

Aus den Flitterurortierr Napoleons I. Nachdem sich Napoleon I. von

Jene drei hölzernen BeauharnaiS hatte Josephine Wappentafeln aus dem 16. scheiden lasien, durchforschte er Jahrhundert, die im rot und die fürstlichen Familien nach einer Die Unter¬ zweiten Gemahlin. weiß geteilten Schilde eine handlungen, die in seinem Namen Rose und Kanne als Fami¬ Savary, der Herzog von Rovigo, PeterSbuig anknüpfte, um die in lienwappen führen, werden Schwester des Kaisers Alexander in Verbindung gebracht mit zu erhalten, scheiterten an der Die Umgebung bev Heiligegeistbirriie in de»,^ förmlichen Erklärung der Kaiserinder bekannten Sage von vierziger Jahren. Witwe, sie werde zu einer solchen den drei Brüdern und den Verbindung nie ihre Einwilligung Mehr Glück hatte Napoleons in Wien. Marie Luise, die geben. drei gepflanzten von ihnen auf dem Hospitalkirchhof Großnichte der unglücklichen Königin Maria Antoinette, war damals Linden, unter denen im Sommer der Gottesdienst abgehalten von hohem Wuchs, edlem Gange, frischer, neunzehn Jahre alt, blühender Farbe, blondem Haar; sie hatte blaue Augen, reizende wurde. liebenswürdiges Benehmen, nur war

Eine Zeitlang diente vordem der „Armcnhof" auch als „Stadthof" zur Unterbringung der Raispferde, Wagen und Im Jahre 1720 wurde das Kirchlein Ackergerätschaften. durch das Explodieren des alten Pulvenurms am Spandauer Thore arg beschädigt, und 1816 mußte der Turm abgetragen werden. In den sechsziger Jahren erfolgte die Renovierung des Gotteshauses, bei welcher Gelegenheit die Giebelseite in der Spandauerstraße ihre ursprüngliche Gestalt wieder erhielt.

Zwanzig Jahre zuvor hatte der fetzige Herr Rentier N.. von einem Fenster der althistorischen „Schwanen-Apotheke" in der Spandauerstraße aus, die von uns reproduzierte Aufnahme des schneebedeckten Straßenbildes gemacht.

Hände, kleine Füße und ein Berlhier, Fürst von sie anfangs ein wenig schüchtern und zurückhaltend. Neuschatel, schloß die Unterhandlungen ab. die Ehe wurde in Wien zunächst durch Prokuralion vollzogen, und bald befand sich die junge Kaiserin auf dem Wege nach Paris. In SwffonS sollte ihre erste Zusammenkunft mit dem Kaiser, der damals 41 Jahre zählte, stattfinden. Doch kam Napoleon zu zeitig und reiste ihr mit dem König von Neapel vier Stunden weit entgegen. Er war von seiner jungen Gemahlin entzückt und fand sie allerliebst. Während der ersten drei Monate nach seiner Vermählung kam er kaum von ihrer Seit-, Die dringendsten Geschäste wurden aufgeschoben. Im StaalSrat erschien er erst zwei Stunden nach Beginn der Sitzung, Privataudienzen erteilte er selten und mußte an die notwendigsten er¬ innert werden, kurz, der Kaiser, der sonst die Arbeit leidenschaftlich litbte, der zuweilen zehn Stunden lang ununterbrochen mit den Ministern arbeitete, ohne zu ermüden, ohne eine Pause zu machen, und der gewohnt war, zwei S kreläre bis zu ihrer völligen Erschöpfung zu beschäftigen, neckte sich jetzt mit der Kaiserin, plauderte mit ihr und mit ihren Hofdamen und war eifersüchtig auf jeden Mann, der sich seiner Angebeteten näherte. Kein männliches Wesen, die Leibärzte ausgenommen, durfte die Zimmer der Den Musik-, Zeichen- und Kaiserin ohne ausdrücklichen Befehl betreten. Stickstunden, die Marie Luise nahm, mutzte eine Hofdame beiwohnen. Eines Tages erteilte der Komponist Paer der Kaiserin Klavierunterricht.

-s

130 und in ihrem deutschen Heldensinn plastisch vor unser geistiges Auge. ES ist geradezu Schwarzwaloodem, der dar Bach durchweht. Za tadeln ist, daß in einem Volksbuche Ausdrücke wie „Qui vive?“, „Augmentations—Tg — Mannschaften" (6. 7) vorkommen.

AIS gerade die Hosdame, einen erhaltenen Befehl auszuführen, sich durch die Thür hinausbeugte, trat Napoleon durch eine andere Thür herein. Da er die Hofdame nicht sogleich erblickte, glaubte er, sie sei hinausgegangen, und schalt sie, nachdem Paer fortgegangen war, in den derbstenÄusdrücken. Die Kaiserin hatte sich durch den Goldarbeiter BiennaiS eine Brieftasche fertigen lassen, die geheime Behältnisse enthielt. Um sich diese zeigen zu lassen, trat sie mit ihm an LaS eine Ende des Zimmers, die Hofdame stand soweit entfernt, daß sie die Erklärung nicht hören konnte. Wiederum trat Napoleon ein, und wiederum erhielt die Hofdame einen strengen Verweis. Nach einigen Monaten waren die Flitterwochen beendet, der Kaiser kehrte D. zu seinen alten Gewohnheiten, zu seinem früheren Leben zurück.

Das Glück.

Von Franz Wolfs. Ein Sang von der Donau. Leipzig 1895. Verlag von Oswald Mutze. Preis 2 Mk. AuS der Hochflut der lyrischen Gedichte unserer Tage ragt die vor¬ liegende Dichtung als das Geistesprodukt eines echten Poeten hervor, der sich getrost neben seinem berühmten Namensvetter Julius Wolfs sehen laffen Tiefe, warme Empfindung weht aus seinen Schilderungen des darf. Natur- und Gemütlebens, fröhliche Laune belebt die Darstellung, schlicht und edel ist die Sprache. Die Lebensfrische und Daseinsfreudigkeit, die aus jeder Strophe atmen, machen uns den Dichter in dieser Zeit des finsteren Pessimismus besonders lieb — auch dieser neue Sang wird ihm —ineue Freunde gewinnen.

Vereins -Uachrichtr« Verein für Geschichte der Mark Brandenburg

Sitzung vom

Herr Archivrat Dr. Bailleu sprach über die wirt¬ 13. Februar 1898. schaftliche und finanzielle Vorgeschichte des Friedens von Basel. Schon wenige Monate nach Beginn des Krieges mit Frankreich hatte die preußische Negierung sich genötigt gesehen, die Frage nach der Beschaffung von Geldmitteln zur Fortsetzung der Krieges ernstlich in Erwägung zu ziehen. Im Jahre 1793 halte man sich durch kleine Anleihen in Holland und in Frankfurt a. M. (bei dem bekannten Bankhause Willemer) geholfen; im Jahre 1794, nachdem verschiedene andere Versuche zur Ausbringung von Geldniitteln gescheitert waren, wurde mit England ein Subsidienvertrag geschlossen, der die wachsende Finanznot wenigstens vorläufig beseitigte (19. April 1794). Tann aber brach im Osten ein Krieg mit Polen aus, der neue Geldopfer erforderte. Die Einnahmen der Staates sanken, die Kasten leerten sich; gleichzeitig mit einer schlechten Ernte in der Mehrzahl der Provinzen entstand im Gewerbe und Handel eine Stockung, die eine schwere wirtschaftliche und finanzielle Krisis zu verursachen drohte. AIS dann

vollends im Oktober 1-94, infolge der Streitigkeiten über die Verwendung der preußischen Truppen am Rhein, die englische Regierung den Subsidienvertrag kündigte und die Geldzahlungen an Preußen einstellte, vereinigten sich die preußischen Minister zu den dringendsten Vorstellungen an den König Fricditch Wilhelm II., um ihn zum Friedensschluß mit Frankreich oder wenigstens zur Abberufung der Truppen vom Rhein zu bestimmen. Der Vortragende schi-dcrle besonders die Wirksamkeit, die Struensee in zahlreichen Denkschriften und Berichten dieser Hinsicht entwickelt hat. hat er dem König die finanziellen Verlegenheiten des Staates vorgestellt Auf seinen Wunsch und auf die Notwendigkeit des Friedens hingewiesen ernannte im Oktober 1794 der König eine Kommission bestehend auS Struensee, AlvenSleben, Gausau, Goldbeck und Werder, welche die Lage deS Staate? prüfen und die Mittel zur Fortführung des Krieges begut¬ achten sollte. Nach längeren Beratungen, bei denen u. a. die Aushebung der Steuervorrechte des Adels, die stärkere Belastung der Bankiers und Kapitalisten erörtert wurde, schlug die Kommission als einziger Hilfsmittel eine inländische Anleihe vor, betonte aber gleichzeitig die tiefe Abneigung der „Nation" gegen den französischen Krieg und ihren sehnlichen Wunsch Der Vortragende schloß mit einem kurzen nach Frieden (26. Oktober). Hinweis auf die Bedeutung dieser Verhandlungen für die unmittelbar darauffolgende Einleitung der FrirdenSverhandlungen in Basel. Herr König!. HauSarchivar Dr. Berner behandelte die Allerhöchste KabinellSordre vom 1. August 1812, von der früher nur die Existenz bekannt war. Professor Ernst Meier hat vor einigen Jahren imHardenbergschen Nachlaß wenigstens eine Abschrift gesunden, während es dem Vor¬ tragenden neuerdings gelungen ist, das Original und einige dazu gehörige Aktenstücke im Finanz-Ministerium aufzufinden. Die KabinetlSordre ist deshalb von hervorragender Wichtigkeit, weil sie dar Grundprinzip der gesammlen preußischen Staatsverwaltung, wie es durch die große Reformgesetzgebung deS JahreS 1808 ausgestellt ist und 1815 wie 1817 aufrecht erhallen ist, vollständig beseitigt und an Stelle der Kollegial- das PräfekturSystem mit voller Energie durchführt. Es sind in der That alle Ein¬ leitungen zur Ausführung dieser von Scharnweber herrührenden totalen Aenderung getroffen morden, und nur der bestimmte Widerspruch und die sachlichen Erörterungen Hippels haben Hardenberg bewogen, von der auch durch Fr. v. Raumer widerratenen Ausführung abzusehen. Sehr ausfallend ist er, daß, wie sich au§ Hippels Darstellung ergiebt, neben der in dem bekannten Gensdarmerie Edikt vom 3». Juli 1812 angeordneten, aber bekanntlich niemals ausgeführten Neuordnung der KreiSverwallung. über denselben Gegenstand noch eine besondere Verordnung vom 12. August 1812 existiert, von der wir bisher gar nichts wisien, die sich aber allem Anschein nach hauptsächlich mit der damals ins Auge gefaßten Umwandlung der LandralS-AmteS in ein besoldetes StaatSamt beschäftigen wird.

Uiederlausrher Docks sagen.

Gesammelt unv zusammengestellt 1894. Verlag der deutschen Schrift¬ steller-Genossenschaft. Preis 3 Mk. Eme überaus sorgfältige und gewiffenhaste Arbeit liegt vor, die sich hauptsächlich mit dem in dem Stadt- und Landkreis Guben vorhandenen Sagen beschäftigt, die jedoch gerade dadurch, daß sie einen nur geringen Bezirk ausschöpft, für die vergleichende Sagensorschung von Bedeutung werden kann. Man ist überrascht, wenn man den unversiegbaren Born der poetischen Volksüberlieferung übersieht, welcher im Volke noch bis in die Neuzeit sprudelt, welcher indessen dem Versiegen nah ist. Von den Sagen, die der Verfasser zum größten Teil selbst gesammelt hat, sind viele neu, andere haben im übrigen Deutschland Parallelen, sie sind aber hier in bestimmter Lokalsärbung ausgeprägt Ganz besonders charakteristisch für slavische Gegenden scheint die Fülle von Totenspuk zu sein, der hier ihr Wesen treibt. Wenn er auch nicht in rein germanischen Ländern fremd ist, so häufen sich hier gerade Geschichten dieses Inhalts, war in der Ganderschen Sammlung scharf hervortritt. Dahingegen finden sich die Luttchen-Sagen nicht so häufig, als man es nach Willibald von Schulen¬ burg annehmen sollte; und in auffallendem Gegensatze dazu wird der Name „Heinchen" bevorzugt, was der Nestor unserer Sagensorscher, Prof. W. Schwartz, bei der Besprechung deS vorliegenden BucheS im MonatSblalt der „Brandenburgia" auch betont. Fassen wir zusammen, was in dieser Büchergabe für die Mark Brandenburg gewonnen ist, so läßt sich dieselbe als eine wirkliche Mehrung deS Stoffes bezeichnen, den der Historiker wird in Betracht zu ziehen haben, und er hat sich der fleißige Verfaffer dadurch —Iß — ein bleibendes Verdienst erworben.

vvn

In

Küchertisch.

Mit

Badens Motxr mann, Freidurg

i.

für B.

deutsche Ghr. Von A. GunterVerlag von Lorenz u. Waetzel. 8 bis

10 Lieferungen zu 25 Pf. Vor 25 Jahren wurde die deutsche Einheit durch Blut und Eisen von unseren Vätern geschaffen. Zur Erinnerung an jene große Zeit bringt unS der deutsche Büchermarkt eine große Anzahl von Monographien, die den Anteil einzelner Truppenteile an dem EinigungSkciege behandele. Das obige Werk schildert die Anteilnahme der badischen Division,

und zwar so lebhaft und frisch, daß man das Buch nicht eher auS der Hand legt, bis man mit der Lektion zu Ende ist. Die wackeren Schwarzwaldsöhne treten in ihrer deutschen Derbheit, in ihrer deutschen Tüchtigkeit

Karl Gander. Berlin

Erinnerungen aus den Ludwig Pietsch. Berlin

Jahren. Von Verlag von F. Fontane u Co.

sechziger

1894.

Preis 6 Mk. Der neue Band der Erinnerungen des bekannten Kunstkritikers und Feuilletonisten erschien zu seinem 70. Geburtstage und legt Zeugnis davon ab, ein wie IhatenfroheS, reich bewegtes Leben derselbe hinter sich hat. Eine lange Reihe der interessantesten Persönlichkeiten, mit denen er in Be¬ rührung gekommen und zu denen in Beziehungen getreten ist, führt er an seine kunstsinnige uns vorüber. Fürstlichkeiten, wie Kaiser Wilhelm hohe Gemahlin; Dichter, wie Turgenjew, Storm, Reuter; Maler, wie Gentz, Dorö, Gustav Richter; Musiker, wie Mme. Viardot, Dssiräe, Arlöt, Niemann, treten lebendig vor uns hin und von allen weiß er uns etwa? Charakteristisches, Neues zu erzählen. Das Berlin der sechz'ger Jahre läßt er wieder aufleben mit seinen geistigen Interessen, seinen politischen Bewegungen und seinen sozialen Zuständen. ES können hier nur Andeutungen auS der Fülle deS Gebotenen gegeben werden, aber das Buch bringt vieles und wird darum jedem etwas bringen. ES reiht sich würdig dem im vorigen Jahre mit so großem Beisall begrüßten Werke „Wie ich Schrift¬ —y. steller geworden bin" an.

I,

'

©ermancnblut im Gsten. Eberhard KrauS.

Erzählungen und Skizzen von E. Pierson« Verlag, Dresden, Leipzig und

Wien. Preis 2 Mk. Der Schauplatz dieser

sechs Erzählungen sind die russischen Ostseeprovinzen, und offenbar schöpft der Versasser zum Teil auS eigenen Erleb¬ Die Eigenart der deutschen Bluter in fremdem nissen und Beobachtungen. Lande wird lebendig und lebenswahr, zuweilen nicht ohne scharfe Satire, geschildert; der Verfaffer versteht nicht nur anregend zu erzählen, sondern auch kräftige psychologische Reflexe in die Charakierzeichnungen hineinzu¬ tragen. Dos Büchlein sei unseren Lesern angelegentlichst empfohlen.

—i.

Dicker aus unserer Könige Häusern.

Von Anna Wendland. Hannover, Verlag von Karl Meyer (Gustav Priors. Preis Mk. 1,80. In sechs mit guten Illustrationen geschmückten „Bildern" entwirft die Versafferin anschauliche Schilderungen bekannter Wohnstätten unseres Königshauses; auf geschichtlichem Hintergründe gezeichnet, wollen sie den Blick insbesondere der heranwachsenden weiblichen Jugend auf jene hehren Gestalten lenken, die dort gewaltet haben und ihr zum Vorbild geworden sind. DaS in edler, klarer Sprache geschriebene Buch ist sehr wohl geeignet, den angestrebten Zweck zu erreichen — geistig anzuregen, das Wisien zu vertiefen und vor allem: warm empfindendes patriotisches Gefühl zu er¬ zeugen und zu nähren. Wir können dar Buch für unsere Töchter an¬ gelegentlichst empfehlen.

—1.

-■8

131

III.

Zeitschriften schau. Brandenburgia

1895, Januar:

Dorf und Gräberfeld Mühlen¬

Grunow. — Aus der Urzeit der Küche von Elisabeth Lemke. — Ein Berliner Mörder — und Die Kraniche des Jbykus von Ernst beck

von

21.

Friede!.

des Vereins für die Geschichte Berlins 18SS, A. von Cohausen (mit Porträt). — Neuere Werke zur Geschichte Friedrichs deS Großen (enthält sehr intecesiante Besprechungen von: Koser, Friedrich der Große; Lavisse, la jeunes^e du Grand

Mitteilungen

Nr. I und 2:

Prüderie und le Grand Fiederic avant l’avenement; Lehmann, Friedrich

der Große und der Uriprung des siebenjährigen Krieges; Gaedertz, Friedrich der Große und der Gerneral Chasot.)

Inhalt:

AuS Deutschlands

Schlangenring.



Historischer

Vergangenheit

Roman von C

oder

Der

Gründler. (Fortsetzung).

Alt-B erlinische Glocken- und Geschützerinnerungen.

den Vorbereitungen Napoleons zu einem Kriege gegen Preußen und den Anfängen der KricgSoperationen von 1870, überzugkhen; er umfaßt somit auch die an patriotischen Kundgebungen und hoffnungsreichen Aus¬ blicken in Deutschlands Zukunft übervollen Tage deS Hochsommers, in dem König Wilhelm das Schwert zog, um Deutschlands Einheit vom Schiachtseide heimzuholen. Das ganze Werk ist ein unvergängliches Denkmal, welcher der er¬ habenen Größe Kaiser Wilhelms I. und der Kraft seines getreuesten Beraters, des Fürsten Bismarck, errichtet worden ist, gleich ausgezeichnet durch die Strenge und Gründlichkeit der historischen Forschung, durch die Schärfe und Sicherheit der Kritik, wie durch die edle, jeder Phrase ab¬ holde Sprache und durch das warme Nationalgefühl der Autors. Der folgende Band de? Sybelschen Werkes, den wir hofsentlich in nicht zu langer Zeit erwarten dürfen, wird den glorreichen Verlauf und den siegreichen AuSgang des uns von Frankreich so mutwillig aufgedrängten Krieges zu melden haben.

Histo¬

SiimmungSbiloer von Karl Stichler. — Poüsie sin de siede 1800. Bon Ernst Friede!. — Ein Stück Alt-BerlinS im Schnee. Aus den vierziger Jahren. Von Ferdinand Meyer. — Kleine Mitteilungen: Kaiser Wilhelm U. über die Eigenarten der Berliner. Aue den Flitterwochen Napoleons I. — Vereins - Nachrichten. — Büchertisch. — Anzeigen. rische Skizzen und

Dem

Zur Vervollständigung

„Bär"

Geschichtswerke:

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Für die Redaktion verantwortlich ohne eingeholte Erlaubnis ist untersagt, Verlag: Fr. Zillessesn, Berlin dl., Schönhauser Allee 141. — Druck Buchdruckerei Gutenberg, Berlin dl., Schönhauser Allee 141 a.

herausgegeben von

Friedrich Lillessen XXT, Zahrgang. ■M 12 .

und

Richard George.

Der „Bär" erscheint wöchentlich am Sonnabend und ist durch jede Postanstalt (No. 709), Buchhandlung und Ieitungsspeditiön für 2 Mk. 60 pfg. vierteljährlich zu beziehen.

23. Mari 1895.

Mus KeuifManLs Vergangenheit oder

Nev Lchlaugeuving. o m a n oon G. Grundier. A ist o v i srst e v

^

(Nachdruck verboten.)

(11. Fortsetzung.)

großen Halle der Sachsenburg saßen die zurückDie Jagdbeute, ein gekehrten Jäger beim Schmause. Burghofe unter all¬ engen im war Rehböcke, drei und Hirsch der

03

gemeinem Jubel gestreckt worden, und mehrere Beutestücke zienen Die sgroße Halle trug noch die Spuren der die Tafel. prächtigen Einrichtung aus der Zeit, in welcher die Grafen von Beichlingen selbst die Sachsenburg bewohnt hatten. Bis in halber Manneshöhe waren die Wände mit braunem und

Darüber mit ver»

lichtem Eichenholz in zierlichen Sechsecken getäfelt. befand sich eine Tapete von rotbraunem Leder, be¬ Verschiedene blichenen goldenen Siemen bedruckt. Ecke einer in Wänden, den sonders starke Hirschgeweihe an der Schenktisch, besetzt mit einer großen Anzahl von Trink

gefäßen aus Steingut, Glas und Silber von mitunter ganz wunderlichen Formen, von denen die kostbaren Stücke allerdings längst weggeschafft worden waren, sowie eine lange

Tafel in der Mitte vervollständigten das Meublement. Die und Tischgesellschaft, welche wir großenteils schon kennen, und Burgen der Reisigen welche nur durch die freigeborenen einige Gäste aus der Gegend vervollständigt war, hatte sich ungemein stark die nach dem Geschmack der damaligen Zeit mit Saftan, Pfeffer und Senf gewürzten Speisen wohl dem Dolch schmecken lassen, indem man dieselben einfach mit

im übrigen sich der Finger bediente, da der Gebrauch der Gabeln noch nicht Sitte war.

zerschnitt und

man dem so billig erworbenen französischen immer Malvasier tapfer zu, und die Unterhaltung wurde freilich besaß Wein fremde lauter und lärmender. Der starke, Jetzt sprach

saure Getränk, von Honig und verschiedener Gewürze unter dem Namen Würzewein einigermaßen genie߬ bar wurde.

ein anderes Feuer, als das welches nur durch den Zusatz

einheimische,

Nachdem der „Willkommen", ein großer, mehrere Quart haltender Humpen, welcher, mit beiden Händen gehalten, die Runde machte, getrunken war, erhielt ein jeder seinen eigenen Becher

oder Krug,

welcher von dem Kellermeister so oft ge-

ffiHt wurde, als man es begehrte. Das Gesicht des Mönchs glänzte vor Vergnügen, und dicke Schweißtropfen rannen über sein feistes Gesicht ob der Anstrengung des Effens und Trinkens. sei gelobt." rief er, „daß sie mein Gewächs beschert hat, und solches uns ein Gebet erhört und ich will hoffen, daß Ihr Söhne des Teufels einem Knechte Gottes, wie mir. seinen gebührenden Tel! abgebt."

„Die heilige Jungfrau

.

„Dafür wirst Du altes Weinfaß

sorgen," rief Donner und Wetter,

schon

Albrecht, „daß Du habe ich jemals einen Pfaffen gesehen, der sündlich saufen kann, so ist's dieser Mönch, und wenn Pfarrer Hermann mit unserer Gräfin nicht bald zurückkommt, so säuft uns der Kerl den Keller wieder leer, ehe wir uns dessen versehen." nicht zu kurz kommst.

„Mater sanctissima!

Ihr

Voigt , was

schwatzt

Ihr für

denn, der Segen und die Ver¬ sündliches Zeug! Wenn Ihr den gebung der Sünden wachsen von selbst? Baum nicht begießt, wird er ewig keine Früchte tragen. He. Severin! reiche mir einmal die Rehkeule herüber, und Du,

Meint

'S

Schuft!" wandle sich der Mönch zum Kellermeister, meinen Becher, welcher schon lange leer ist!"

134

„fülle mir

„Ich will

Euch nur wünschen. Albrecht," sagte der Voigt von Cölleda, „daß Euch der Wein nicht teurer zu stehen Kunz kommt, als er wert ist. Ihr wißt, daß des Kaisers Frieden noch besteht, und den habt Ihr gebrochen." „Ach, was!" erwiderte Albrecht. „Der Kaiser ist weit hinten in Böhmen und kümmert sich nicht um uns. Hat er etwas dazu gethan, daß dieser schuftige Franzose sein Geleits¬ geld bezahlte, wie er schuldig war? Und schützt er uns etwa in unseren Rechten?" „Ihr habt ja dem Franzosen auch nichts abgefordert und wißt nicht, ob er sich geweigert hätte. Was, meint Ihr, wird Gräfin Adelheid sagen, wenn sie zurückkommt?" „Na, die wird sobald nicht kommen, und dann ist über die Geschichte längst Gras gewachsen." „Maria purissima!“ rief der Mönch. „Soll ein frommer Ritter nicht sein ehrliches Recht an solch einem ausländischen Schuft von Krämer suchen? Ihr stiftet unserem Schutzpatron, dem heiligen Johannes, eine Kerze in der Klosterkirche zu Oldisleben, und ich erteile Euch vollständige Absolution. Die Gräfin Adelheid ist eine viel zu fromme Frau, als daß sie die Rechte der heiligen Kirche antasten sollte."

„Was

gedenkt

Ihr

mit

gefangenen

dem

Buben"

zu

machen?"

„Ja,

Furcht vor dem fremden ungarischen Weibe. Er fühlte es, ja, er wußte es, es bestand ein geheimnisvoller Zusammen¬ hang zwischen ihrem Schicksal und dem seinigen. Wie wäre zweitenmale sonderbaren Umständen getroffen hätten? Wie hing es

es sonst möglich gewesen, daß sie sich heute zum

unter

so

zusammen,

daß

sie

beide

saßen. von welchem gekommen war?

ihm

dasselbe

etwas

seltsame Schmuckstück be¬

Aehnliches

niemals vor¬

Die Jahre hatten bei beiden naturgemäß dieselben Ver¬ änderungen im Aeußeren bewirkt. Er war hochaufgeschossen zu einem kräftigen, dunkellockigen Jüngling mit kühn blitzenden Augen, und Elfriede war erblüht zu einer holden Jungfrau von unnennbarem Liebreiz. Aber unauslöschlich stand vor seinem Geiste jener Blick der sanften braunen Augen, welcher

begrüßt hatte. Trotz der totalen Finsternis, ihn umgab, erblickte er in jedem Winkel einen blonden Mädchenkopf mit jenem himmlischen Lächeln, welches zu allen Zeiten und bei allen Völkern das Herz des Jünglings ge¬ fangen hält und jenes unüberwindlichste aller Gefühle hervor¬ zaubert. welches man Liebe nennt. Ihre süße Stimme, mit welcher sie ihre Hilfe zusagte, glaubte Viktorien immer noch vor seinen Ohren lispeln zu hören, trotz des Lärms und wüsten Gebrülls von dem Gelage im Hauptgebäude her; er fühlte noch den leisen Druck ihrer kleinen, weichen Hand, und

sein Erwachen welche

eine unbekannte, namenlose Sehnsucht nach Elsriede bemächtigte

das weiß ich selbst noch nicht," erwiderte Albrecht.

..Ich habe ihn ausgeforscht, allein der Mensch ist verschlossen und hat mir wenig Antwort gegeben. Doch scheint er mir von edlem Herkommen zu sein, und ich hoffe noch ein gutes Lösegeld zu gewinnen, sonst soll er, so wahr ich Albrecht von Trebra heiße, die Burg nicht lebend verlassen!" Das Gespräch wendete sich nun anderen Gegenständen zu. Gelächter, derbe Scherze und Spottgesänge erklangen von wilden Lippen durch den weiten Raum, und oft lockerten sich die langen Messer in den Scheiden, den erlittenen Spott und Schimpf gewaltsam zu vergelten, wenn die Gegenrede nicht ausreichte. Nur die Besonnenheit und Autorität des Voigtes der Unterburg, Kunz von Cölleda. vermochte das Gelage vor Blutvergießen zu bewahren. Der im ganzen Mittelalter ver¬ breiteten Gewohnheit des übermäßigen Trinkens konnten sich auch unsere Gäste nicht entziehen, und schwankend, mit wüstem Kopfe, suchten weit nach Mitternacht diejenigen ihr Lager auf, welche überhaupt dazu noch imstande waren und nicht vor¬ gezogen hatten, gleich auf den Steinfliesen des Saales ihren

Rausch zu verschlafen.

*

*

*

junger Gefangener

auf dem harten Steinsitze Obwohl ihn der Kops von dem erhaltenen Lanzenschlage immer noch schmerzte, so war doch durch die angewandten Kühlungen und heilkräftigen Salben die Wunde in der Heilung begriffen. Langsam zogen vor seinem geistigen Auge die Begebenheiten seiner Jugend vorüber, und bald erinnerte er sich jedes kleinen Umstandes seiner ersten Begegnung mit Elfriede. Er sah sie wieder vor sich, wie sie als kleines Kind ihm den Schlangen¬ ring zeigte und ihn dabei mit ihrem runden, rotbäckigen Gesichtchen anlächelte. Er glaubte den Druck ihrer kleinen Hände wieder zu fühlen, als er ihr sein kleines Pferd zeigte, und sah ihre ängstlichen Blicke, als sie sich an ihn schmiegte, aus Unser

BK

seiner Gefangenenzelle

saß

in tiefen Betrachtungen.

sich

seiner,

dergestalt,

daß

er manchmal aufsprang und

mit

aller Kraft an den Stäben des kleinen, vergitterten Luftloches rüttelte. Aber hier gab es kein Entrinnen; die dicken, aus dem harten Kalkstein des Berges gefügten Mauern trotzten jedem Entweichungsversuche. Zudem hatte Viktorien nicht das kleinste Instrument, denn die raubgierigen Hände seiner Feinde hatten seine Taschen geleert und ihm alles abgenommen, und

nur Zufall war es, daß ihren Späherblicken das kleine, goldene Amulett, der Schlangenring, welchen er auf der bloßen Brust trug, entgangen war. Auch an seine Lage mußte er denken. Was wollte man von ihm? Ein Lösegeld erpressen? Er besaß ja nichts, als was er auf dem Leibe trug. Nicht einmal seine Herkunft konnte er beweisen, da die aus dem Kloster Walkenried ge¬ retteten Pergamente, welche sich darauf bezogen, von Pierre verwahrt wurden. Was war sein Schicksal, wenn er der Hab¬ gier seiner Feinde nichts zu bieten hatte? Wenn sie ihn hier festhielten, monatelang, jahrelang, oder er langsam verschmachten

Seme Phantasie erfüllte ihn mir den schrecklichsten Bildern, welche er gelesen hatte. Wäre es da nicht besser gewesen, in dem Kloster Walkenried zu bleiben, in beschau¬ licher Ruhe den Lehren des ehrwürdigen, milden Pater Josias zu lauschen, als sich den Stürmen der rauhen Welt auszu¬

sollte?

ihm gleich bei seinem Eintritt in dieselbe so un¬ barmherzig entgegengetreten war? Doch die Erinnerung an Elfriede ließ sofort diesen Gedanken wieder verschwinden. Nein, er wollte nicht wieder nach Walkenried zurück. Er beschloß daher, vorerst abzuwarten und nichts von seiner Ver¬ gangenheit zu offenbaren, was man auch anwenden möge, um ihn zu zwingen. Noch immer hörte er vom Herrenhause herüber das widerwärtige Geschrei trunkener Männer, ihr Singen, Lachen und Streiten, und die befehlende, scheltende Stimme des Voigtes. welcher die Ruhe wieder herstellte, während er grübelnd vor dem kleinen Lufiloche stand. Schon

setzen, welche

■*ä;

135

verkündeten über der Schmücke blaßrote Streifen am dunklen Nachthimmel das Nahen des Tages. Die Natur machte endlich ihr Recht geltend. Der Lärm

der Hals des Ringes um sich selbst, und ein leises Klingen, wie von sich reibendem Eisen, ertönte aus dem Innern des Steins. Mit Macht stemmte sich Viktorien mit der Schulter

im Schlöffe war verstummt, als Viktorien schließlich sein dürftiges Lager aufsuchte. Das Bild Elfriedens erschien ihm wie von einem leuchtenden Heiligenschein umgeben; fest baute er auf ihre Zusage, er schlief, trotz seiner entsetzlichen Lage, mit einem glücklichen Lächeln auf den Lippen ein. und der barmherzige Traumgott zauberte ihm die entzückendsten

Nichts vermochte ihn auch gegen den Stein. Vergebens! nur um ein Haar breit aus seiner Lage zu bringen. Doch

Bilder vor. Die Sonne stand

schon hoch, als Viktorien erwachte. Verwundert rieb er sich die Augen, und es bedurfte einiger Zeit, ehe er sich in der Wirklichkeit wieder zurecht finden konnte. Es ist ja bekannt, daß die seelischen Eindrücke des Traumlebens weit stärker auf das Gemüt wirken, als das im wachen Zustand Erlebte, und dies erklärt sowohl den uralten Brauch, den Träumen eine Deutung der Zukunft unter¬ zuschieben, als auch den unsittlichen Gebrauch des Orients,

die Anwendung narkotischer Mittel künstlich ein ent¬ zückendes Traumleben zu genießen, trotzdem man die Gewi߬ heit hat, seine Gesundheit dadurch zu zerrütten und seinen durch

Lebensfaden zu kürzen.

Viktorien war noch soeben im Traum mit Elfriede Hand in Hand in den reizenden Gefilden seiner Heimat gewandelt, und dem Gefühl eines unsagbaren Glückes folgte das Erblicken des nackten Elends. Die strenge Erziehung des Klosterlebens hatte das Erwachen jedes weltlichen Gefühls unbarmherzig zurückgedrängt, dadurch aber gerade die Reinheit und Heilig¬ Und wie der eingedämmte keit seines Gemüts bewahrt.

Strom, wenn er entfesselt wird, jede Schranke durchbricht, so brach die Liebe bei Viktorien plötzlich mit doppelter Stärke hervor.

Er zog das alte Pergament hervor und bedeckte die Stelle, auf welcher ihre Hand geruht, mit tausend Küssen, dann erst begann er den Inhalt zu entziffern. Es war eine in schlechtem Mönchslatein geschriebene Beschreibung des Ober¬ hauses, wahrscheinlich von dem Freunde eines früheren Be¬ nach sitzers. Voigtes oder sonstigen Burgmannes, bei oder kurz der Erbauung in müßigen Stunden niedergeschrieben und mit einer rohen Planzeichnung versehen. Die Beschreibung mit den Namen der Werkleute und den Kostensätzen enthielt wenig Interessantes, bis eine Andeutung von geheimen Zugängen kam, welche Viktorien veranlaßte, mit größerer Aufmerksamkeit zu lesen. Hiernach mußte aus seiner Gefangenenzelle ein un¬ bekannter Ausgang existieren, welcher wahrscheinlich den jetzigen Burg-Insassen fremd war. Die mehrfach verwischten, alten, ergeschnörkelten Buchstaben ließen den Inhalt nur schwer des unterhalb daß kennen, so viel war indes zu entnehmen, als Tisch dienenden großen Steinwürfels ein Gang münden sollte.

einzelnen Mannes hätte vermindestens möcht, den schweren Stein zu bewegen, welcher die zwanzig Zentner wog? Immer von neuem las Viktorien Hand¬ der daß endlich, fand und Stelle in dem Pergament der griff siebenmal nach rechts gedreht werden müsse, dann sei nur konnte hinweg zu schieben. Unter dem Handgriffe Doch,, welche Kraft

eines

Stein

sein, an welchem, dem werden sollten. angeschmiedet Anschein nach, die Gefangenen drehte sich Knirschend Sofort wurde das Experiment versucht. der eingelassene Ring

zu

verstehen

immer von neuem versuchte der arme Gefangene an ver¬ schiedenen Stellen seine Kraft; der Schweiß rann in dicken Tropfen von seiner Stirn. Endlich setzte er an einer Ecke an. und mit einem Ruck drehte sich der Stein mit Leichtigkeit, schob sich zur Seite und ließ eine dunkle Oeffnung sichtbar werden, in welche Viktorien beinahe hinabgestürzt wäre. Bei näherer Untersuchung erwies sich der Stein als ausgehöhlt und mit einer Ecke auf einem starken, eisernen Zapfen ruhend. Durch das Drehen des Ringes war ein Riegel gehoben worden, welcher ihn auf der anderen Seite im Boden festhielt. Viktorien schob den Stein wieder in seine Lage und öffnete von neuem, bis der Mechanismus wieder leicht und geräusch.

los

sich



schnell

Da hörte er gespornte Tritte vor der Thür brachte er alles in die alte Ordnung und warf sich

bewegte.

auf sein Lager.

Der Voigt Albrecht trat mit dem Vater Elfriedens ein. und letztere folgte demütig mit der kärglichen Tageskost. „Nun, Bursche." begann der Voigt, „hast Du Dich eines Besseren besonnen, und willst Du mir nun antworten?" „Ich habe Euch schon früher gesagt, daß ich von freier Geburt bin, und Ihr kein Recht an mich habt. Von wannen Lasset ich komme und wohin ich gehe, geht Euch nichts an. mich meines Weges ziehen; warum haltet

Ihr

mich hier fest?"

„Donner und Wetter, ich bin hier, um zu fragen, und nicht, um zu antworten! Wenn der Bursche so störrisch ist," wandte sich Albrecht zu dem Vater Elfriedens, „wollen wir ihn schon zahm machen. Ein paar Tage Hunger, und er wird wohl gefügiger werden." „Ich bin in Eurer Gewalt! Ihr könnt mich töten, allein zum Reden könnt

Ihr

mich nicht zwingen."

uns ein gutes Lösegeld zahlen, oder der Teufel soll Deine Seele holen." „Da dürftet Ihr Euch doch getäuscht haben. Auf ein Lösegeld habt Ihr jetzt nicht zu rechnen, doch will ich Euch schwören, zu zahlen, was billig ist, wenn ich zu meinem Recht gekommen sein werde und Ihr mich frei lasset." „Daß ich ein Narr wäre! Ich denke, übermorgen wird

„Du

sollst

das Vöglein anders pfeifen. Nimm das Esten wieder fori, Mädchen, und laß bloß den Wasserkrug hier, wir wollen jetzt keine Zeit verlieren." rief Albrecht und wandle sich zum Gehen. Währenddem hatte jedoch ein blitzschneller Augenaufschlag

Viktoriens

nach

vergitterten Loche hin Elfriede verantwortete mit einem leichten, bejahenden dem

Sie ständigt. Neigen des Köpfest „Den Schlüssel nehme ich gleich mit," sagte Albrecht im Fortgehen; „morgen ist nicht nötig, daß hier jemand hinein¬ geht."

Damit schloß sich die schwere Eichenthür, und Viktorien war auf lange Zeit allein. Jetzt galt es, die Zeit auszunutzen, um das Geheimnis des verborgenen Ganges näher zu erforschen. Der Stein wurde wieder abgeschoben und die senkrechte

Oeffnung von etwas über vier Fuß im Geviert, Oeffnung eines Schornsteins, wieder frei gelegt.

ähnlich der Eine sorg-

-« fällige Untersuchung zeigte, daß an einer der Seitenwände in Zwischenräumen von einem Fuß Vertiefungen eingehauen waren, welche dem Fuße einen Halt boten, wenn der Hinab¬ steigende mit dem Rücken gegen die andere Wand sich stemmte. Aus dem. was Viktorien in dem alten Pergament gelesen, ging des weiteren hervor, daß der Gang bis in die Küche des Schließerhauses führe und unter dem Herde endigen solle. Trotz der dumpfen, moderigen Luft, welche ihm entgegen¬ beschloß Viktorien, den Gang weiter zu untersuchen. Behutsam und mit Vermeidung jedes Geräusches stieg er hinab und erreichte ungefähr in 20 Fuß Tiefe den Boden. Hierauf ging er in gebückter Stellung ungefähr eben so weit wagerecht weiter, wo er plötzlich am Ende war. Der Gang war in den Kalkfelseti eingehauen und vollkommen trocken. (Derselbe ist bei neuerlichen Nachgrabungen im Jahre 1887 Ein Geräusch von Stimmen und aufgefunden worden.) Klopfen, wie wenn über ihm Holz gespalten würde, belehrte kam,

136

Immer tiefer sank die Sonne. Quälender als der Hunger war der Durst, kein Tröpfchen war mehr in dem Wasserkrug. Sollte ihn Elfriede vergessen haben? Nein, das war nicht anzunehmen. Aber sie konnte verhindert sein, ihm Hilfe zu bringen. Was sollie dann aus ihm werden? Die Dämmerung sank schon hernieder, als er die wohlbekannte Stimme Elfriedens am Gitter vernahm. „Armer Knabe!" rief sie. „Geschwind komme hierher, und nimm Deine Nahrung! Bei der heiligen Jungftau, ich konnte nicht früher kommen, wenn ich nicht alles verderben wollte." „Elfriede, mein Liebling, ich wußte, daß Du kommen würdest, wenn es Zeit war. Dir droht doch keine Gefahr?" „Nein, die Männer find fortgeritten und nur ein paar Knechte und Mägde im Hofe. Also hast Du mir vertraut?" „Ich traue Dir," rief Viktorien, „wie ich auf die ewige Seligkeit hoffe. Deine Augen können nicht lügen, Elfriede.

Gesarrrtarrstcht uxm Havolberg. Viktorien, daß er sich in der Nähe eines bewohnten Raumes befinde. Dies mahnte ihn an den Rückzug. Doch erkannte er noch durch vorfichtiges Betasten seiner Umgebung, daß die Decke am Ende des Ganges durch eine glatt bearbeitete Platte von Stein geschlossen war. Behutsam trat er den Rückweg an und befand fich bald wieder in seiner Zelle, wo er die Spuren seiner Wanderung sorgfältig verwischte. Stunde auf Stunde verrann, er vernahm Stimmen auf dem Burghofe, deutlich unterschied er die scheltende Stimme des Voigtes, manchmal glaubte er Pferdegetrappel zu hören, dann ward es wieder still. Fieberhaft glühte sein Hirn, die Pulse hämmerten an den Schläfen, auch der Hunger begann sich mächtig zu regen, da er seit vergangenem Abend nichts ge¬ noffen hatte. Die Vöglein, welche er in den Tagen seiner Gefangenschaft gefüttert hatte, kamen in das Luftloch geflogen, doch war kein Krümchen Brot mehr für fie vorhanden. Wie beneidete er die Vögel um ihre Freiheit, welche lustig davon flogen und fich zwitschernd auf den nächsten Dachfirst setzten!

Dein waren unaufhörlich meine Gedanken, und Dein liebes Bild hat mir in meiner Einsamkeit Gesellschaft geleistet." „Du lieber Viktorien! Aber nimm nur erst!" Dabei reichte fie sorglich in Streifen geschnittenes Fleisch und Brot durch das Gitter, sowie einen kleinen Becher mit Wein. den sie aus einem Krug von Zeit zu Zeit wieder füllte. Während Viktorien den zwingenden Bedürfnissen des Leibes Genüge that, tauschten fie ihre Erlebnisse und Entdeckungen in jener unschuldigen, naiven Weise aus, welche die gegen¬ seitig glühende Liebe erraten läßt, ohne es direkt auszu¬ sprechen.

Höchst verwundert

war Elfriede von der Entdeckung des

unterirdischen Ganges, von welchem weder fie noch einer der anderen Burgbewohner eine Ahnung hatte. Sie versicherte, daß fie in ihrer Wohnung ganz allein sei, daß ihr Vater

keinenfalls vor Mitternacht zurückkehren werde, und bestand darauf, daß Viktorien den Versuch mache, den Ausgang des Ganges zu suchen. Als sich der letztere daher gestärkt hatte,

-d kehrte Elfriede

in ihre Behausung zurück, alle Thüren

fältig verriegelnd. Feuerherd in der

137

sorg¬

Kaum hatte sie den großen, massiven von allem darauf stehenden Koch¬ geschirr befreit, so hörte sie auch das leise Klopfen unter der Feuerplatte. Auf ihren Zuruf hob sich dieselbe empor, und Die gesunde der Kopf Viktoriens erschien unter derselben. Körperkraft des letzteren hatte die immerhin schwere Platte bald beiseite geschoben, und er entstieg der seltsamen Oeffnung. Die Eingebung des Augenblicks, die Erregung der Gefühle in den beiden sich unbewußt Liebenden war so mächtig, daß sie ohne Besinnen sich in die Arme sanken und Viktorien zum erstenmale in seinem Leben die Lippen eines weiblichen Wesens Es wäre überflüssig, zu mit glutvollen Küssen bedeckte. schildern, was diese beiden so reinen und keuschen Herzen, angehaucht von den Wonnen der ersten Liebe, empfanden, und in welchen Worten sie dieselbe gegenseitig ausdrückten. Küche

6k

geheiligten Bestimmungen wurden von den Mächtigen oft willkürlich gemißbraucht, wie es ihr Vorteil erheischte, und wer die Macht hatte, hatte auch das Das waren die Zeiten des Faustrechts. Unsere beiden Recht. jungen Leute hofften daher vertrauensvoll auf den gnädigen Beistand ihrer Schutzheiligen, welche ihnen zur rechten Zeit schon einen glücklichen Gedanken eingeben würden, wenn ihr Herkommen gewissermaßen

eigenes Wissen nicht ausreichte.

wurde auf zwei mnde Hölzer gelegt, sodaß Elfriede dieselbe wieder in den Falz zu schieben vermochte, wenn Viktorien in die Versenkung gestiegen war. An Mundvorrat wurde in dem Gange so viel geborgen, daß Beide hatten verabredet, es für mehrere Tage ausreichte. Unterredung mir dem Voigte nächsten daß Viktorien bei der diesem sein Herkommen entdecken und bloß verschweigen solle, daß er dem Kloster entflohen sei. Er hoffte ihn dabei zu

Die

schwere Herdplatte

Das Aerrstere des Domes zu Aavelderg. Die kurze Zeit, welche ihnen zugemessen war, entschwand nur allzu rasch. Tausend Pläne für die Zukunft wurden gemacht und als unausführbar wieder verworfen. Aber eins stand bei beiden einander ewig angehören und lieber den Tod erleiden, als sich trennen wollten. Elfriede drang darauf, daß Viktorien sogleich fliehen sollte. Allein derselbe erklärte, nur mit ihr zusammen das Schloß verlassen zu wollen. Das war freilich nicht durch¬ führbar. Wie hätte eb wagen können, das zarte Mädchen nach seiner Heimat zu führen, da er zur Zeit selbst nicht wußte, wie er als Mann ungehindert dieselbe erreichen sollte. Wenn ihm dieses aber auch wirklich gelungen sein würde, so fest,

daß

sie

er allein und schutzlos unter fremden Menschen, sein Erbe war in wer weiß wessen Händen, und von einer Rechts¬ keine pflege, wie wir fie jetzt kennen, war in jenen Zeiten gar altes durch Die nicht. es gab Rede. Richter in unserem Sinne

stand

überzeugen, daß an ein Lösegeld nicht eher zu denken sei, als bis er das väterliche Erbe angetreten, daß aber natürlich seine

Freilassung vorhergehen müsse. Auch den wunderbaren Schlangenring besaß Elfriede noch, und bei der Vergleichung der so seltsam sich ähnelnden Schmuckstücke befestigte sich in beiden immer mehr die Ueber¬ zeugung. daß fie vom Schicksal für einander bestimmt seien. anderen Empfindungen stieg Viktorien hinauf in seine einsame, dunkle Zelle! Nicht fürchtete er mehr die trostlose Einsamkeit, konnte er doch ungestört träumen von dem Liebsten, was er auf Erden besaß. Das ungekannte, neue

Mit

welch

Gefühl hatte sein Inneres vollständig umgewandelt. Aus dem ernsten, stillen Klosterjüngling, dessen einzige Freude das schwache Wachstum an Gelehrsamkeit gewesen, war ein lebens¬ lustiger, mutiger Mann geworden, der um sein Lieb den Kampf mit der ganzen Welt aufgenommen hätte. Lassen wir ihn einstweilen in seinen glücklichen Träumen. (Fortsetzung folgt.)

138

Alt-Berlinische Glocken- und Erinnerungen.

Geschütz-

Karl Stichler.

Der Kurfürst Friedrich Wilhelm von Brandenburg, dessen Ruhm als Kriegsheld wie auch als weiser, vortrefflicher Regent bald in der gesamten zivilisierten Welt sich verbreitete, errichtete aber nicht bloß neue Bollwerke für den besseren seiner

beiden

Spreestädte,

sondern

versah

dieselben

Die auch darüber hinaus mit neuen Vorstädten und Kirchen. alte Dorotheenkirche in der Mittelstraße, die bis zum Anfange der sechsziger Jahre dieses Jahrhunderts noch in Gestalt einer richtigen Dorfkirchc mit ihrem eigentümlichen Türmchen sich geigte, entstammt der damaligen Erweiterungs- und Auf¬ schwungsepoche Alt-Berlins. Das Geläut dieses alten Gottes¬ hauses entsprach dem Charakter des Gebäudes, denn es er-

klang ziemlich hell und dünn. wie das schwache Geläut irgend einer Landgemeinde. Den eigenartigen Glockenklängen, die da, in fast unmittelbarer Nähe der vornehmsten Straßen Neu-Berlins, bis vor 34 Jahren vernehmbar waren, lauschte der Verfasser dieser Zeilen einstmals äußerst gern. Das hörte der sich ganz anders an. als der dumpfere Glockenklang

Marienkirche am Neuen Markte oder als das noch mächtigere Geläute des nun ebenfalls beseitigten Berliner Domes. Die Zeit, in der die Dorotheenkirche in der „Neustadt" Alt-Berlins errichtet und das erforderliche Geläut für dieselbe gegossen wurde, war nicht günstig für Verwendung größerer Metallmassen zu Kirchenglocken. Kurbrandenburg mußte seine Metallvorräle mehr für Kriegszwecke bereithalten oder ver¬ wenden. als daß es dieselben für Kirchengeräte in größeren

Mengen hätte hergeben können. Unter dem ersten Könige, der als Sohn und Nachfolger des Großen Kurfürsten gleich einem reichen Erben auftrat, erhielt Alt-Berlin dann eine Glockenbescherung, die erst nach erfolgtem Fehlschlagen der ursprünglichen Absicht des prunk¬ liebenden Monarchen einem damals neuen Kirchturme im ältesten Teile

im Juni 1706 der bis über 140 Fuß emporge¬ langte Turmbau abgetragen werden mußte, fiel Andreas Schlüter in Ungnade, mußte seine Stellung als Baumeister schließlich

ist die Stelle alles meines Unglücks!" Das vom berühmten holländischen Meister de Graave gegossene Glockenspiel, das für den geplant gewesenen hohen Turm des Königsschlosses bestimmt war. wurde dann dem Turme der Parochialkirche in der Klosterstraße zugewandt. Hier hatte in der Vorzeit ein Burgbau brandenburgischer Markgrafen gestanden, und in der Kurfürstenzeit hatte die Klosterstraße überhaupt für eine der vornehinsten Straßen Alt-Berlins gegolten, da hier vorzugsweise die angseehensten Würdenträger, Beamten und Patrizier ansässig waren oder wohnten. Von der Zeit an, in der das Glockenspiel vom Turme der genannten Kirche seine Klänge über diese alte Stadtgegend entsandte, gab es wieder neue Umwandlungen Die Bollwerke, die im Außenbereiche beider Spreestädte.

„Das

(Schluß).

Schutz

-

aufgeben und konnte dann der Planzeichnung zu den Funda¬ menten des verfehlten Turmbaues die Worte hinzufügen:

Historische Skizzen und Stimmungsbilder von

»

Berlins zugewandt wurde.

Schon der Große Kurfürst mochte die Idee gehegt haben, aus Holland, wo er seine Jünglingsjahre in bestangewandter Weise verlebt batte, ein Glockenspiel größerer Art für seine Residenz- und Hauptstadt kommen zu laffen. Die Kostspielig, keit der Anschaffung und entgegenstehende anderweitige An¬ forderungen mochten ihn jedoch davon abgehalten haben. Sein Nachfolger war von anderer Gemütsart und Sinnesrichtung. Derselbe wollte an der nordwestlichen Ecke seines großartigen neuen Schloßbaues den höchsten Turm im damaligen Europa aufführen lassen. In diesem Turme sollte das aus den Niederlanden geholte und aus 35 Glocken be¬ stehende Glockenspiel angebracht werden, welches später an

Vom Jahre 1701 ganz anderer Stelle Verwendung fand. bis im Monat Juni des Jahres 1706 hatte sich der geniale Andreas Schlüter vergeblich bemüht, dem Wunsche des hohen Herrn mit Errichtung des neuen Turmes zu entsprechen. Der schlechte Baugrund beim ehemaligen Münzturme unweit der über den westlichen Spreearm führenden Hundebrücke (heutige Schloßbrücke) vereitelte alle technischen Vorkehrungen und notwendigen Sicherungsanstrengungen des Baumeisters. Als

wenige Generationen zuvor der Kurfürst Friedrich Wilhelm errichtet hatte, wurden wieder niedergelegt, und weite Straßenzüge wurden im Vorterrain der Festungswerke bei der Anlage neuer großer Vorstädte abgesteckt und nach und An Stelle der Kloster¬ nach auch mit Häuserreicheu versehen. straße wurde zunächst die Wilhelmstraße bevorzugt.

Friedrich Wilhelm I. von Preußen, dieser echt deutsche Mann von derbem Wesen und mit haushälterischer Sinnes¬ richtung, betrachtete die Festungswerke Berlins bald für über¬ flüssig und hatte mehr Vertrauen auf seine schlagfertige Armee und seine reichgefüllten Staatskassen. Ter Glockenklang war als Alarmzeichen längst dem Geschützdonner gewichen. Eine Lärmkanone stand damals in All-Berlin jederzeit schußbereit für Meldung eines Brandausbruches oder einer stattgefundenen Letztere war nichts allzu Seltenes, da der Fahnenflucht. damalige Dienst hart und streng war und mit Strafprügelei keineswegs gespart wurde. In der Zeit nun. in der unter König Fiedrich Wilhelm I. Christian von Linger Chef des gesamten Generalmajor der Artilleriekorps war. passierte in Berlin im Wachtdienst bu der Lärmkanone etwas „noch nie Dagewesenes". Den ältesten und erfahrensten Herren von der Armee war dergleichen „Dreistigkeit" und „Unverschämtheit" noch nicht vorgekommen. Ein echter Berliner hatte einen äußerst verwegenen Streich ausgeführt und konnte nicht erwischt werden! Es war der aus einer Berliner Tuchmachersamilie stammende Bombardier Georg Friedrich Schmidt, der später als Kupferstecher an den ersten Höfen hochgefeiert wurde. Er war am 24. Januar des Jahres 17 l 2 zur gleichen Stunde geboren worden, in der Kanonendonner den Berlinern die Geburt eines Thron¬

Die glückliche folgers (Friedrich des Großen) verkündete. des Kanonen¬ Vernehmen beim Schmidt rief Tuchmachersgattin donners aus: „Auch ich habe ein großes Glück geboren; mein Sohn wird die Freude und Ehre seines Stammes sein!" Zunächst erlebte jedoch der junge Georg Friedrich Schmidt, der zeitig als ein vortrefflicher Zeichner bekannt wurde, daß man ihn im dienstpflichtigen Alter zur Artillerie aushob, ihn zwar bald zum. Bombardier wegen seiner Befähigung im Zeichnen erhob, ihn aber auch dann sobald nicht wieder entlassen wollte.



139

Vergeblich hatte der junge Künstler seinen Abschied wiederholt verlangt, schließlich äußerte er: „Wenn man mir

will, so werde ich oenselben nehmen, ganz Berlin hören soll!" Als ihm nun wieder der

den Abschied nicht geben

daß

es

bei der Lärmkanone anvertraut wurde, seuerte er und verschwand augenblicklich darauf, ohne er¬ wischt zu werden. Um die Tragweite dieses verwegenen Streiches annähernd Nachtdienst

dieselbe

zu

ab

ermessen,

muß

man bedenken,

daß

nach

Ertönen des

Lärmschusses die Thore gesperrt blieben,

schließende

nähere

daß auf die sich an¬ Kommandantur-Meldung dann sogleich

berittene Offiziere und Ordonnanzen auf die Landstraßen hinauseilten, um in Ortschaften, an Stromübergängen u. s. w. alle Vorkehrungen zur Ergreifung des oder der Geflüchteten anzuordnen. Wer Flüchtlinge verbarg oder ihnen sonst irgend welchen Vorschub oder Beistand leistete, mußte härteste Strafe gewärtigen. Wiedereingebrachte Flüchtlinge mußten die entsetzliche Strafe des Spießrutenlaufens erleiden, wenn nicht noch Schlimmeres in besonderen Fällen verfügt wurde.

Bombardier Schmidt entkam damals, erreichte Paris, dort ein Schüler des gefeierten Carmafin und fand

wurde

wegen seiner außerordentlichen Leistungen, obgleich er Protestant

und Ausländer war, im Jahre 1742 sogar Aufnahme als Mitglied in der damaligen Akademie von Paris. 1744 rief Friedrich der Große diesen vordem davongelaufenen Alters¬ genossen und ehemaligen Bombardier zurück nach Berlin, er¬ nannte ihn zu seinem Hofkupferstecher und gewährte ihm ein bedeutendes Jahrgehalt.

Der „alte Lmger", der im gleichen Jahre (1744) den schwarzen Adlerorden erhielt, nachdem er schon seit Jahresfrist zum General der Infanterie ernannt worden, sonst aber

immer noch als Artilleriechef fungierte, konnte sich nun „das Früchtchen" näher anschauen, welches in den letzten Lebens¬ jahren des alten Herrn mit seinem originellen Streich und danach erreichten Künstlererfolgen so mancherlei Unterhaltungs¬ stoff in den unterrichteten Kreisen Alt-Berlins geboren hatte. Christian von Linger, der im Jahre 1669 in einer Familie geboren wurde, die mit der Entwicklungsgeschichte brandenburgisch-preußischer Artillerie eng verflochten ist, hatte verschiedene Aufschwungsepochen Alt-Berlins wie auch der

Sein Urgroßvater Wilhelm III. vierundzwanzigFerdinand Heinrich Lmger hatte Kaiser jährige Kriegsdienste geleistet und war dabei zum Oberst¬ lieutenant vorgerückt. Sein Großvater, Martin Ferdinand Linger, war dagegen (jedenfalls auf Veranlassung des ersten kurbrandenbur fischen General-Feldmarschalls, des Freiherrn gesamten Monarchie mitgemacht.

Otto Christoph von Sparr, der noch in der Schlacht bei Lützen als Reiteroberst auf kaiserlicher Seite mitgekämpft hatte) in Kriegsdienst übergetreten und hatte dann dem Großen Kurfürsten 20 Jahre hindurch als Kapitän und als Zeugmeister bei der Artillerie gedient. Vater Salomon Linger diente dann 36 Jahre hindurch beim kurbrandenburgischen Arttlleriekorps. wurde ebenfalls Zeugmeister, machte unter den brandenburgischen Fahnen 21 Feldzüge mit und den

brandenburgischen

war bei allen Belagerungen, die damals die Thätigkeit der bran'oenburgijchen Artillerie beanspruchten. Christian von Linger nun, der als Knabe und als

Jüngling manchen

von den Großen Kurfürsten häufig gesehen hatte und Friedrich desselben persönlichen Eigentümlichkeiten

b»-—

dem Großen berichten konnte, kommandierte trotz seines hohen

Alters den im zweiten schlesischen Kriege (Herbst 1744) gegen Prag gerichteten preußischen Artillerieangriff noch mit bestem Erfolge. Er starb erst am 17. April 1755 in Berlin, wo er so viele Umwandlungen miterlebt und angesehen hatte. Aus seiner Kindheit war ihm die Zeit des letzten Schwedeneinfalls in die Mark sowie der Siegesjubel nach der Schlacht von Fehrbellin noch erinnerlich. Als Jüngling war er auf den Wällen Alt-Berlins im Jahre 1688 eingeübt worden im Dienst beim Geschütz, und im Jahre 1696 hatte Osfiziersrang erhalten. er Als unter König Friedrich Wilhelm I. bei der Belagerung von Stralsund der General¬ major von Kühlen am 9. Dezember 1715 als preußischer Artilleriechef den Tod fand, hatte Linger sich schon derartig ausgezeichnet und war so weit vorgerückc, daß er dessen Nach¬ folger in der Befehlsleitung wurde. Am 19. Februar 1716 übernahm Oberst von Linger als Chef die gesamte Leitung des preußischen Artilleriekorps, das damals aus einer Kompagnie Bombardiere und neun Kompagnien Kanoniere bestand. Im Februar 1741 war von Linger, der jetzt zum Generallieutenaut befördert wurde, mit der Errichtung eines zweiien Artilleriebataillons beauf¬ tragt worden. Im Jahre 1742 mußte er das neue Feld¬ artillerieregiment errichten, dessen Mannschaftsbestand anfangs sechshundert, nach zwei Jahren aber schon (1744) 1570 Mann umfaßte. Als General von Linger der aktiven Feldthätigkeit seines hohen Alters wegen entsagte, aber auf ausdrückliche Weisung Friedrichs des Großen Chef der preußischen Artillerie blieb, zählte (1745) die gesamte preußische Arstillerie einen Bestand von 4123 Mann. Wie viel hatte

sich

während der langen Dienstzeit dieses

in Alt-Berltn und überhaupt im ganzen Lande geändert. Das Kurfürstentum war zum Königreiche erhoben und die beiden Haupt- und Residenzstädte an der Spree Mannes

waren

ihres Festungscharakiers

gänzlich

entkleidet

und

zu

Im Gießhause, am offenen Städten umgewandelt worden. hatte der Nachfolger des Werders, kölnischen des Nordende Reiterstandbild seines das herrliche Großen Kurfürsten König Friedrich Vaters und Vorgängers gießen lassen. Wilhelm I. hatte dagegen dort mit einem Kostenaufwande von 12 000 Thalern das herrliche Glockenspiel herstellen lassen, welches noch gegenwärtig vom Turme der Potsdamer Garnison¬ kirche erklingt und mit seinem bekannten allpreußischen Volksliebe weiteren Generationen noch die Erinnerung an diese Ausschwungsepoche wachrufen

wird.

Glocken und Geschütze, die vormals gemeinsame Erzeugungsstälten halten und im Kriegsrechte alter Zeit ver¬ wandtschaftlich behandelt wurden, werden längst nicht mehr aus gleichem Metall und auf gleiche Weise hergestellt. Die Zeiten haben sich in dieser Beziehung gründlich geändert. Wenn aber bei größeren Anlässen das Zusammenwirken von Glockenklang und Kanonendonner angezeigt erscheint, wie so häufig in der Zeit Kaiser Wilhelms I., dann zeigt Neu-Berlin, die heutige Kaiser- und Reichshauptstadt, gewöhnlich sich in

größerem und reicherem Festschmucke, als jemals in wie Erinnert hier auch nicht, alter Zeit eine von älteren Kaiserrefidenzen. Klängen dröhnenden dumpfen große Glocke mit -

in der Vorzeit. und

anderen

her berühmte an gleichartige

-6

140

find dafür die Errungen¬ derartig bedeutend, daß die ersten Vergleiche zurücktreten und

Festlichkeiten der Vergangenheit,

so

schaften der letzten Generationen

Vorzeit dagegen schon im der neueren Zeit den Vorrang lassen muß. Mehrfach ist in neuerer Zeit darauf hingewiesen worden, daß man den Sinnsprüchen, Wappen, Verzierungen oder historisch beachtenswerten Bildwerken und Inschriften alter Glocken und Geschützrohre etwas mehr Beachtung widmen solle, als es bis vor wenigen Jahrzehnten und in manchen Gegenden noch bis in die Gegenwart hinein der Fall gewesen. Manche historische Kunde kann da Auffrischung oder Berichtigung in bester und überzeugendster Weise erfahren, denn bei derartigen Gegenständen mußten die alten Meister jederzeit gewärtig sein, daß die Zeitgenossen Kritik üben und etwa unrichtige Angaben in entschiedener Weise beseitigen ' würden. der Kunst des Glockengusses und überhaupt im Bereiche Metallgusses hat Alt-Berlin und Kölln an der Spree keine des Bedeutung in der Vorzeit besessen, wie z. B. schon im frühen In letztMittelalter Nürnberg, Straßburg und Zürich.

In

erwähnter Stadt vererbte sich die Glocken- und Geschützgießerei Eine bedeutende sechs Jahrhunderte hindurch in einer Familie. Zeit seines zur eigentlich erst Gießstätte erhielt Alt-Berlin letzten Kurfürsten und ersten Königs, und im neunzehnten Jahrhundert nahm dann endlich der Kunstguß hier einen der¬ artigen Aufschwung mit Erzeugung größter, epochemachender Meisterwerke, daß wir ältere, minder vollkommene und weniger formvollendete Gußwerke des früheren Mittelalters hier leichter vermisien können, als heimische Erzeugnisie.

Havelberg. Von

Dr.

Gustav Alvrortst.

Mit

In

mannigfachen,

Abbildungen.)

oft

weit

verzweigten

Windungen

schlängelt sich die Havel am Südrande der Westpriegnitz Langsam nur zwischen ausgedehnten Wiesenflächen dahin. durchschneidet der Dampfer, welcher den Verkehr zwischen Rathenow und Havelberg vermittelt, die klaren Fluten, denn er muß genau Kurs halten in dieser schmalen Wasierstraße mit ihren vielen Nebenarmen und verborgenen Sandbänken, und oftmals streift sein Bug bet einer Biegung des Flusses so dicht am Schilfe, welches die Ufer bekränzt, dahin, daß die gefiederten Sumpfbewohner, vom Rauschen der Räder er¬ schreckt, in Scharen aus ihren Verstecken auffliegen und kreischend weil hinein in das Sumpfrevier flüchten. Sonst ist alles still und öde. Schilfbewachsene Wiesen, Sumpf und Wasser, so weit das Auge blicken kann; nur hin und wieder taucht der Kirchturm eines Dorfes in weiter Ferne auf, um bald wieder zu verschwinden. So geht es eine Weile fort. Dann erscheint plötzlich, nachdem der Dampfer am Dorfe Vehlgast vorübergerauscht ist, am Horizonte eine dunkle Masse, welche, je mehr man sich ihr nähert, immer bestimmtere Umrisse an¬ nimmt. Ein gewaltiges Bauwerk scheint es zu sein, welches sich dort in der Ferne auf der Höhe eines Hügelrückens er¬ Deutlich unterscheiden wir jetzt ein langgestrecktes hebt. Gebäude mit hohem Dache, welches im Westen mit einem mächtigen, vierschrötigen Turme, einem Bergfried vergleichbar, abschließt, während sich südlich ein stattlicher Gebäudekomplex

fr-

im Viereck an das Hauptgebäude anlehnt. Immer mehr nähert sich der Dampfer dem imposanten Koloß, immer deut¬ licher heben sich die Umrisse desselben von dem klaren Hinter¬ gründe ab. nun noch eine Biegung des Flusses — und vor uns liegt in majestätischer Hoheit der prächtige Havel-

berger Dom. Nur wer

von Süden aus auf dem vorbeschriebenen nähert, kann den richtigen Eindruck von der Wege Havelberg herrlichen Lage dieser „Perle der Westpriegnitz', wie die Stadt von Einheimischen mit Stolz oft genannt worden ist, erlangen, nur auf dieser Seite wirken die kraftstrotzende Architektur des Domes, die idyllische Lieblichkeit des Weinberges und die patriarchalische Ruhe der Jnselstadt zugleich auf den Beschauer ein und bieten ihm in ihrer Gesamtheit ein Bild dar. dessen Schönheit er niemals vergessen wird. Schon die reizende Lage der Häuschen, welche sich südlich vom Dom in zwei Reihen terrassenförmig am Abhange des Weinberges aufbauen und mit ihren Giebeln und blinkenden Fensterkreuzen aus dem buschigen Grün der Berglehne her¬ vorlugen. ist geeignet, ein Entzücken bei dem Beschauer her¬ vorzurufen; und dann als Bekrönung des lieblichen Bildes auf der Höhe des Berges der herrliche Dom mit den aus¬ gedehnten Klostergebäuden, mehr einer Burg als einem Gottes¬ hause ähnlich, und linker Hand die Unterstadt mit der statt¬ lichen St. Laurentiuskirche, umgeben von dem breiten Wasserspiegel der Havel — wahrlich ein reizender, unvergeßlicher sich

Anblick. Während der Dampfer langsam stromabwärts gleitet, können wir mit Muße das Panorama von Havelberg in seiner ganzen Ausdehnung betrachten (s. d. Abb. a. S 136). Die eigentliche Stadt liegt auf einer Insel mitten im Flusie und gruppiert sich ziemlich kreisförmig um das Rathaus und die Laurentiuskirche. Diese Insel ist durch 3 Brücken mit dem festen Lande verbunden. Eine auf steinernen Pfeilern ruhende Zugbrücke vermittelt den Verkehr mit der nächsten Stadt Sandau und dem Teil der Altmark östlich der Elbe; nach dem rechten Havelufer führen eine Steinbrücke und eine „Laufbrücke" über den sogenannten.Stadtgraben, einen toten Arm der Havel. Der Stadtteil auf dem rechten Ufer wurde erst 1876 dem Gemeindebezirk von Havelberg einverleibt, früher bestanden daselbst 7 selbstständige Gemeinden, und zwar: 1. die Gemeinde Dom-Havelberg nebst der Domäne Wöplitz, 2. die Gemeinde Koeperberg (jetzt Weinbergstraße), 3. die Gemeinde Neuberg (jetzt Weinbergstraße), 4. die Gemeinde Saldernberg (jetzt Mittelstraße), 5. die Gemeinde Schönberg (jetzt Bahnhofstraße). 6. die Gemeinde Sperlingsberg (jetzt Untere Havelstraße), 7. die Gemeinde Wendeberg mit Heinottenberg (jetzt Weinbergstraße).

Obwohl Havelberg auf eine beinahe tausendjährige Geschichte zurückblickt, so find doch nur wenige Spuren seines hohen Alters vorhanden. Die ältesten Zeugen aus früherer Zeit find der Dom und die Stadtkirche, welche aus dem 12. bezw. 13. Jahrhundert stammen, und die Annakapelle, Die ältesten welche im 15. Jahrhundert erbaut wurde. Häuser find aus der Mitte des 17. Jahrhunderts erhalten, und diese geringen Ueberreste früherer Geschlechter find auch teilweise modernisiert. Der Grund, daß sich so wenig alter¬ tümliche Gebäude erhalten haben, liegt darin, daß die Stadt verschiedentlich, so in den Jahren 1450, 1627, 1658 und

141 besonders 1870 durch verheerende Brände heimgesucht wurde, welche die alten Wohnstätten, das Rathaus und auch die

Diese altehrwürdige Sitte, welche von entziffern kann.*) reger Gottesfurcht und Dankbarkeit für die Gaben des Herrn zeugt, verdient sicherlich Nachahmung bei neueren Bauten.

Aber die wenigen älteren meisten Urkunden vernichteten. Häuser, welche erhalten find, geben uns eine Vorstellung, wie Die aus es ehemals in Havelberg ausgeschaut haben mag. Fachwerk erbauten und einfach getünchten Häuser find mit dem Giebel nach der Straße zugekehrt und zeichnen sich durch

Die übrigen Häuser find entweder einfache Fachwerkgebäude älteren

verziert find, heimelnd wirkt, sondern Zeugnis ablegt auch der frommen, von christlichen Gefinnung der Erbauer. „Bleibe nur

ein Schmuck,

der

nicht

nur

oder moderne Steinbauten, auch das Rathaus,

und ohne besondere architektonische Schönheiten. Im südöstlichen Teil der Jnselstadt erhebt

die Kleinheit ihrer Wohnräume aus. Charakteristisch an den meisten dieser Häuser ist, daß sie an den Außenbalken mit finnreichen, meist biblischen Sprüchen und teilweise auch mit Schnitzwerk

Stils

ein zweistöckiges Gebäude mit Freitreppe, ist neueren Datums

aufgeführte Stadtkirche, welche dem geweiht ist, ein stattlicher Backsteinbau aus dem Ende des 13. Jahrhunderts mit dreischiffigem Lang¬ Hans und Polygon ge¬ schlossenem Chor, welcher gedrungenen Formen

an¬

schon äußerlich durch ein

niedrigeres Dach er kennbar ist. Der massive Turm an der Westseite trägt eine welsche Haube und zeigt, neben dem reich gegliederten Portal eingemauert, ein einfaches Memorienkreuz und eine Steinrafel von 1459, mit der Kreuzigung, unter

liest man an einem Hause in der Mühlenstraße, und an einem benachbarten:

„Wo der Herr nicht das Haus bauet, da arbeiten umsonst, die daran bauen! Wo der Herr nicht die behütet,

da

Düvert)

faffungsmauern, sowie viele Strebepfeiler und

der

der

alte Gebäude dürfte das Haus Stein¬

4

sein,

Teil

obere

mußten. .Das Innere wurde 1854 völlig aus¬

über das ganze Gebälk Schnitzereien und

und

mit

gebaut

Inschriften

gerade Decke

Ueber lesen

dem

wir:

ist.

gewölbe

Erdgeschoß

auch

„Der Herr

denket an uns und segnet uns, er segnet das Haus Aron; er segnet, die denHerrn fürchten, beide. Klein >und Groß.j Der Herr segne Euch je mehr und mehr, Euch und Eure Kinder! Ihr seid die Gesegneten des Herrn, der Himmel und Erde ge¬ macht hat." An das Gebälk süber dem ersten Stockwerk „Lieber Gott, ich danke Dir, daß schrieb der Erbauer: Du ein Haus bescheeret mir, ein Haus, darin ich wohnen kann. Drum dank ich Gott und hoffe fest, daß er die Seinen nicht verläßt. OHerr. hilf, oHerr, laß wohlgelingen, gieb auch Glück und Heil zu allen Dingen." Andere ähnlich geschmückte Häuser stehen in der Scabell- und Fischerstraße, das älteste derselben in letzterer Straße stammt aus dem Jahre 1645, doch ist die Inschrift

teils vernichtet, teils übertüncht,

des

Turmes erneuert werden

welches

bedeckt

ist.

bei welchem mehrere Teile der Um»

schönste

straße

knieende

bau.

Das

Langenstraße.

dargestellt

um dieMittedesl8.Jahrhunderts erfolgten Um¬

(Be¬

in

der

Donator

die Pfarrkirche durch einen

sich an dem Gebälk eines mit reichem Schnttzwerk

sitzer

welcher

Ihre jetzige Gestalt erhielt

wachet der Wächter umsonst." Eine ähnliche Inschrift in Versen befindet

versehenen Hauses

in

Heiligen Laurentius

fromm und gerecht!"

Stadt

die

sich

so

daß

man sie nicht mehr

,

die

dabei

die

in ein Kreuz¬

umgewandelt, innere Aus¬

stattung würdig reno¬ viert. Von den mannig¬ fachen Altertümern, welche die St. Laurentiuskirche besitzt, ist vor allem eine Sammlung alter Drucke zu erwähnen, welche sich in einem eichenen Schranke der Sakristei befinden, unter ihnen eine im Jahre 1575 erschienene deutsche Uebersetzung des Flavius Josephus, ein sehr wertvolles Werk mit zahl¬ reichen

Holzschnitten.

Die meisten dieser kostbaren Bücher von wohlhabenden Bürgern Havel¬

wurden der Kirche bergs geschenkt und tragen Widmungen der Stifter**).

vielfach

die

eigenhändigen

(Fortsetzung folgt.)

berg

'*) Weitere HauSinschristen siehe b. Zoellner, Chronik von HavelS. 888 und im XV. Jahrg. dies. Zeitschrift S. 27. **) Ueber die alte Bibliothek s. Bär IV, S. 148, und Zöllner,

II.

Chronik von Havelberg

II,

391.



142

Kleine Mitteilungen

„urit

Uerein der Freunde dein Hut". Im Juni der Jahres 184b fand im Saale der Krollfchen Etablissements ein Konzert statt, in dem eine gröbere Anzahl von Herren, die augenscheinlich den ge¬ bildeten Ständen angehörten, dadurch den allgemeinen Unwillen der Publikums erregten, voß sie die Hüte nicht abnahmen, auch dann nicht, als viele hundert Stimmen: „Hut ab!" brüllten Die Herren thaten, als ob sie die Sache nichts anginge, mutzten es sich jedoch gefallen lassen, daß unter grobem Tumult an die frische Luft befördert wurden, wobei ihren

sie

standhaften Hüten übe! mitgespielt wuroe. Dieselbe Scene wiederholte sich an demselben Tage noch in verschiedenen anderen Lokalen, überall hallen die tapferen Männer denselben Erfolg, Sie wollten aber nicht etwa einen Ulk machen, sondern die „Unsitte" des HutabnehmenS abschaffen, und so thaten sie, waS deutsche Männer gewöhnlich thun, wenn sie die Welt verbesiern wollen: sie gründeten am 16. Juni 1845 im Mehlhause den „ge¬

selligen Verein der Freunde mit dem Hut",

dessen Hauptzweck eS sein sollte, das Hutabnehmen auf der Straße und in öffentlichen Lokalen abzuschaffen. Zu den ersten Ehrenmitgliedern des Vereins gehörten die Hofschauspieler Garn, HendrichS, Rott, der Komponist Anton Rubinslein, die Schriftsteller Louis Schneider (später Geheimer Hofrat, und Rudolf Löwenstein, Man sieht also, baß Angehörige der besten Kreise das Hutabnehnien für eine „Unsitte" hielten. Auf einem Festprogramm vom Juni 1846 findet sich der Vermerk: „Die Polonaise wird mit be¬ decktem Haupte getanzt"; dagegen wurde nach den Statuten den Offizieren das Aufbehalten der Mütze nicht gestattet! Das Merkwürdigste an der ganzen VereinSgründung ist, datz sich dieselbe bis auf den heutigen Tag erhalten hat, so daß der Verein in diesem Jahr sein 50, Stiftungsfest feiert. Frreilich hat man die lächerliche Bestimmung über das Aufbehalten des Hutes nicht lange aufrecht erhalten. Der „Verein der Frei¬ mütigen" — wie er sich seit August 1846 nennt — ist jedoch eine Stätte des Humors und der Geselligkeit geblieben, welche für das Berliner Vereinsleben überaus charakteristisch ist. Die zur 50jährigen Jubelfeier deS Vereins, an dessen Spitze seit 14 Jahren der bekannte Schriftsteller Richard Schmidt-CabaniS steht, erschienene Festschrift skizziert eine große Zahl von karnevalistischen und anderen Humorischen Festen, die zum Teil den Veranstaltungen ähnlicher Vereine als Vorbild gedient haben.

gu]tianta4jcr uni* Kiekiingsgerichie.

_ rg—

Es ist höchst merkwürdig, daß die meisten Nationen ihre Lustigmacher nach ihren Lieblingsgerichten nannten; so nannten ihn z. B. die Deutschen HanSwurst, die Italiener Maccaroni, die Engländer Jack Pudding die Holländer —dn— Pickelhäring, die Franzosen Jean Potage u. s. w.

Alto grijUbcrctcn, Geräte, Siid werke, Wappen,

Sieget u. f. n*.

finden sich in weitaus den meisten älteren Dorf- und wohl Sladtkirchen der Mark Brandenburg, vielleicht vergessen, oder an unbeachteter Stelle, darum wenig oder gar nicht bekannt und auch wohl wenig geachtet. Und doch liegt in solchen — meist noch aus katholischer Zeit der betr. Kirchen stammenden Gegenständen ein gut Stück Geschichte, deren Schatz nur durch kundige Hand gehoben zu werden braucht. Der „Bär" wäre nun der rechte Ort hierfür, solche Dinge nach und nach in Wort und Bild vorzuführen, soweit nicht schon geschehen. Die betreffenden Kirchen oder Besitzer brauchen sich ihrer Altertümer durchaus nicht zu entäutzern. Schreiber dieser Zeilen erbietet sich, dieselben an Ort und Stelle zu besichtigen event, die für ihre Konservierung nötigen Winke zu geben, wenn ihm von solchen Dingen Mitteilung gemacht wird, vielleicht unterstützt durch Abbildungen oder dergleichen. — Trotz der „Inventarisation der Kunst-Denkmäler der Provinz Brandenburg" scheint doch noch viel „übergangen" zu sein. Gefl. Nachrichten sind erbeten an Schriftsteller E. Kolbe, Berlin W* Winterfelbtstraße 25. auch

Büchertifch. Deutsche Novellen.

Von

Viktor Laverrenz.

Verlag von Preis 2 Mk. Der aus dem Gebiete der Militärhumoreske wohlbekannte Verfasser giebt hier drei kleine Novellen, deren Stoff der deutschen Geschichte ent¬ nommen ist, und zwar der Vor-, der NeformationS- und der Neuzeit Er versteht auch auf diesem Gebiete seine Leser anregend zu unterhalten unv namentlich in der letzten der Novellen („die schöne Müllerin") auch gemüt¬ volle, von tiefer Empfindung zeugende Töne anzuschlagen. —i.

I.

L. V. Laverrenz.

Berlin 1895.

Die Kauptwannsfrau.

Ein Totentanz aus dem 16. Jahr¬ hundert. Roman von Joseph Laufs. Köln 1894. Verlag von Alderl Ahn. Preis 6 Mk., geb. 7 Mk. Soll der Schriftsteller seine Stoffe der Gegenwart oder der Ver¬ gangenheit entnehmen? Die Antwort kann nicht zweiseihast sein; denn nicht der Stoff macht das Kunstwerk, sondern der Künstler. Wo das Können vorhanden ist, ist auch der Erfolg, gleichviel ob derselbe auS dem tiefen Schacht vergangener Jahrhunderte oder aus dem Wogenmeer der Gegenwart geschöpft ist. Und Joseph Lauff kann eS; er ist ein Künstler, der giebt aus vollem Herzen, mit ganzem Können. Nicht wie eine MuseumSmumie mutet die „HauptmannSfrau" an, die mit unfruchtbarer Gelehrsam¬ keit aufgebahrt ist, sondern wie ein Stück lebendigen Altertums, das wie die gegiebelten Fachwerkhäuser in den thüringischen Städten in unsere schaffende Zeit hineinragt. Lauff zieht seine Gestalten nicht aus dem Boden der Vergangenheit künstlich heraus; er trägt vielmehr einen Strom

wirklichen Lebens in die Geschehnisse des 16. Jahrhunderts hinein, um uns gewiffermaßen als Miterleber daran teilnehmen zu taffen. Die Menschen, welche Lauff schildert, sind wirkliche Menschen; sie denken und schaffen wie wir, wenn sie auch andere Kleider tragen und teilweise eine andere Sprache reden. Ich hatte allerdings beim Lesen bisweilen die Empfindung, als wenn der Autor einzelne Wort- und Redebildungen zu sehr im Zeit¬ kolorit belasten hätte, doch irgend eine Pointe, eine That, die plötzlich den Dialog unterbricht, fine stimmungsvolle Schilderung des Waldfriedens oder anderes drängen solche Gedanken sofort zurück und lasten dar ganze Werk aus einem Guste hergestellt sein. Einzig und allein scheint, mir die Figur deS geheimnisvollen Magisters Grielach nicht völlig überzeugend ent¬ wickelt zu sein. Auch wenn eS der Autor beabsichtigt hätte, sie immer mit dunkler Mystik zu umgeben, so wären einzelne feinere Striche hier besser am Platze gewesen, als die groben Mittelchen, ihn mit Feuer¬ spuren u. a. umherwandeln zu lasten. Das ist jedoch nur persönliche Ansicht; alles in allem kann der Roman wohl zu den wenigen wirklich guten gerechnet werden, die in der Familie eine Stätte finden sollten.

-lk-

Die Dominikaner in Gifenach. Ein Bild aus dem KlosterVon Ludwig Weniger. Preis 80 Pf. leben des Mittelalters Dto Geheirnbnnde Afrikas. Von Leo V. Frobenius.

Preis 60 Pfg. Die beiden Broschüren bilden Hest 199 und 269 der in der Hamburger Verlagsanstalt A. G. (vormals I. F. Richter) erschienenen „Sammlung gemeinverständlicher wissenschaftlicher Vorträge, herausgegeben von Rudolf Virchow und Wilh Wattenbach." Der Inhalt bietet dem Geschichtssreunde sorgfältig gesichtetes unv aus besten Quellen schöpfendes Material; die klare, verständliche Sprache macht diese Borträge auch dem Laien zugänglich —L und interessant.

Kathinka, die Zigeunerin.

Volkserzählung von Joh. WestenVerlag von A. Fuchs. Preis 2 Mk. In unserer dem Materiellen zugeneigten Zeit darf man mit Freuden eine Erzählung begrüßen, die dazu angethan ist, die im Volke tief ge¬ sunkenen Ideale wieder aufzurichten. Barmherzig zu sein gegen Menschen und Tiere, auszuharren in Geduld und voll Goltvertrauen in den Zeiten der Not, nicht im blinden Haß gegen göttliche und weltliche Satzungen zu eifern: das will uns die Erzählung lehnn, die ihres spannenden Inhalts und der echt volkstümlichen Schreibweise wegen Stunden reinsten GenusteS bietet und hiermit bestens empfohlen sei. Besonders dürste sich daS wert¬ volle Buch zur Anschaffung für die Bibliotheken von VolkSbildungSvercinen h

ösfer. Zabern i.

E.

Ew. M.

eignen.

Geschichte der Siegel.

Von Gust. A. Seyler. Leipzig. Verlag von P. Friesenhahn. Preis 4 Mk, geb. 5 Mk Die von dem rührigen Verlag herausgegebene Bibliothek der Kunstund Kulturgeschichte hat sich längst gut eingeführt. Die verschiedensten Gebiete der Kultur- unv Kunstgeschichte sind in derselben bis jetzt behandelt worden und, soweit Rezensent es beurteilen kann, warm aufgenonmen. Nun folgt ein Thema, dar einerseits noch wenig Bearbeiter gefunden hat, andererseits aber als Hilfswissenschaft der Geschichte ein bedeutendes Interesse beansprucht: die Geschichte der Siegel. Der Verfaffer, längst be¬ kannt als hervorragender Kenner auf seinem Gebiete, beginnt mit den Siegel-Cylindern VorberasienS und Aegyptens, verfolgt ihre Einflüsse bei den klassischen Völkern, deren Gemmen einen beträchtlichen Bestandteil der Kunst überhaupt repräsentier,n, und leitet so allmählich in den Ursprung Gründliche Forschungen bezeugt deS mittelalterlichen Siegelwesens über. jede Seite, und an ihrer Hand wächst das Thema zu ungeahntem Reichtum empor, der durch über 400 Abbildungen jedem gestattet dem Text mit Leichtigkeit zu folgen. Ein wertvolles Material ist damit dem Forscher zu¬ gänglich gemacht, und kann der Verfaffer mit dem Bewußtsein an die Herausgabe des zweiten Bande» herantreten, sich ein großes Verdienst er¬ —Iß— worben zu haben.

Zurrst Otto non Disrnarck.

Festschrift

zu

seinem

achtzigsten

von von F. Bornhak, Berlin 1895. Verlag Geburtstage F. Fontane u. Co. Preis 80 Pfg. Diese Festschrift giebt in knapper Form den LebenSgang Bismarcks. Die Darstellung ist von echt patriotischem Geiste durchweht. In jetziger Zeit, wo die Liebe und Verehrung für den großen Baumeister des Deutschen Reiches in allen Gauen deS Vaterlandes lebendig ist, wo man sich von allen Seiten rüstet, den 80. Geburtstag des Eisernen Kanzlers festlich zu begehen, wird man mit Freuden zu diesem, den echten Volkston treffenden' Merkchen greisen. ES führt in großen Zügen der Mit- und Nachwelt die gewaltige Epoche der Weltgeschichte vor Augen, die durch BiSmarck abgeschlossen ist. Für Schulen und Vereine, aber auch für Hatt» und Familie ist das Büchelchen, dem weiteste Verbreitung schon durch den billigen Preis gesichert —x ist, wie geschaffen.

Drnckfehier-Serichtigrrng. In

dem

Aufsatz

„Die

Herrscher-Galcrie

in

der

SiegeS-Allee

zu

Berlin" lies: Zu 15. Albrecht Achilles, den Namen des Kanzlers nicht Hestelmann sondern Seffelmann und am Schluß des Aufsatzes Zeile 9 von unten E. Fr. statt 2850 Mk. richtig: 2300 Mk.

—«

143

Anhalt: Aus Deutschlands Vergangenheit oder Der Schlangenring. Historischer Roman von C. Gründler. (Fortsetzung). — Alt-B erlinische Glocken- und Geschützerinnerungen. Histo¬ rische Skizzen und SlimmungSbilver von Karl Stichler. — Havelberg, Von Dr. Gustav Albrecht. (Mit Abbildungen.) — Kleine Mitteilungen: — Verein der Freunde „mit dem Hut." — Alte Schildereien, Geräte, Bilvwerke u.s.w.— Lustigmacher und Lieblingsgerichte. — Büchertisch. — Anzeigen. Dem

sechsten

Bande von

Heinrich von Sybels monumentalem

„Die Begründung

des Deutschen Reiches durch (Verlag von R. Oldenbourg in München und Leipzig) ist nunmehr auch der siebente Band (Preis Mk. 7,50 brosch., Mk. 9,50 in Halbfranz geb.) gefolgt Dieser siebente Band behandelt zuerst innere Angelegenheiten Preußens und deS RordbundcS (vie Verhandlungen des preußischen Land¬ tags, des norddeutschen Reichstag? und deS Zollparlaments, die Ansänge der sozialistischen Bewegung durch Lasialle u. s. w.), um dann zu dem HauptereigniS deS Jahres 1869 und deS ersten Halbjahres von 1870, den Vorbereitungen Napoleons III. zu einem Kriege gegen Preußen und den Ansängen der Kriegsoperationen von 1870, überzugehen; er umfaßt somit auch die an patriotischen Kundgebungen und hoffnungsreichen Aus¬ blicken in Deutschlands Zukunft übervollen Tage der Hochsommers, in dem König Wilhelm das Schwert zog, um Deutschlands Einheit vom Geschichtswerke:

Wilhelm I."

Schlachtfelbe heimzuholen. ^ Das ganze Werk ist ein unvergängliches Denkmal, welches der er¬ habenen Größe Kaiser Wilhelms I. und der Kraft seines getreuesten Beraters, des Fürsten Bismarck, errichtet worden ist, gleich ausgezeichnet durch die Strenge und Gründlichkeit der historischen Forschung, durch die Schärfe und Sicherheit der Kritik, wie durch die edle, jeder Phrase abholde Sprache und durch das warme Nationalgefühl des Autors. Der folgende Band der Sybelschen Werkes, den wir hoffentlich in nicht zu langer Zeit erwarten dürfen, wird den glorreichen Verlauf und den siegreichen Ausgang des unS von Frankreich so mutwillig aufgedrängten Krieges zu melden haben.

Wo tauft man am besten ein gediegenes Piano, das vermöge seiner Solidität und reellen Bauart nicht nur einige Jahre auShält, sondern zum Familien > Erbstück wird? Die Antwort ist sehr einfach: Nur bei einer bewährten, großen Fabrik, welche infolge ihres ausgedehnten Betriebes ein wirklich gutes Piano zum billigen Preise zu liefern im stände ist. Eine solche Fabrik (nicht Handlung) ist die Hospianoforte Fabrik von G. Jrmler, Leipzig deren Vertretung die Firma Hugo Reinhard Pieper, Perlt» W., Potsdamerstraße 32, vorn , an der Lützowstraße,

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übrigen sind die Jrmler-PianoS wegen ihrer soliden und gediegenen hinlänglich bekannt, als daß sie noch irgend einer Empfehlung bedürften, der Name Jrmler bürgt allein dafür. Ein bisher vernachlässigtes Tasteninstrument ist daS Harmonium, es kam weniger zur Geltung, da die seitherige unpraktische in Europa übliche Bauart nur eine sehr beschränkte Verwendung zuließ, und die Behandluug desselben mit vielen Schwierigkeiten und Umständlichkeiten ver¬ knüpft war. Nachdem die amerikanischen Fabrikanten durch die bedeutend verbesserte Konstiuktion in der Zuführung der Luft (Saugsystem) und die vereinfachte Bauart diesen Mängeln abgeholfen haben, ist dem Harmonium

Bauart

größere Beachtung seitens des Publikums entgegengebracht Man Jetzt wird das Harmonium gern gehört und gespielt. will heute ein Instrument im Hause haben, welchem ein angenehmer, orgel¬ ähnlicher Ton eigen ist, und daS sich dabei nicht hoch im Preise stellt. Von allen anderen Fabrikanten ist eS den bewährtesten Fachmännern, den Herren Wilcox u. White in Menden U. S. A. am besten gelungen, ein Orgel-Harmonium herzustellen, das allen Anforderungen vollkommen genügt, sowohl als HauS-, wie auch als Kirchen- und Schul-Orgel. — Das Wilcox u. White-Orgel Harmonium, welches ebenfalls durch die Firma Hugo Reinhard Pieper, Berlin, eingeführt ist, zeichnet sich in erster Linie durch die äußerst solide Bauart, schönen Ton und billigen Preis auS. Der Ton, vollständig orgelartig, besitzt bei großer Klangfülle einen außer¬ Der dadurch ordentlich gesangreichen und angenehm-weichen Charakter. Die bewirkte Wohllaut verleiht dem Instrumente seine edle Schönheit. leichte und bequeme Spielart läßt den Ton sofort angeben, so daß selbst Figuren und Paffagen zum Ausdruck gelangen und gut klingen. Die reiche Abwechslung in der Registerzusammenstellung gewährt eine große Mannigfaltigkeit. In der Ausstattung, echt Nußbaumholz, ist den ent¬ sprechenden Zwecken in geschmackvoll-künstlerischer Weise Rechnung getragen, so daß das Wilcox u. White-Orgel-Harmonium einem jeden Raume zum auch

eine

worden.

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Nur eine kurze Spanne Zeit trennt uns noch von der Feier eines Festes, an welchem teilzunehmen sich alles, was deutsch denkt und fühlt, anschickt. Es ist die Feier des Tages, an welchem der größte und verdienteste der jetzt lebenden Deutschen, der Fürst Bismarck, vor 80 Jahren gebcren wurde: der 1. April! Indem wir dieses Tages gedenken und des großen Mannes, den Gottes Gnade uns an ihm schenkte, erfüllen wir auch an unserem Teile nur eine Dankespfllcht, einmal gegen Gott, der ihn uns schenkte, sodann gegen das Geburtstagskind selbst, das unser Vaterland aus Verachtung und Zerstückelung zu Ansehen und Einheit erhob. „Unser Leben währet 70 Jahre, und wenn es hoch kommt, so find es 80 Jahre, und wenn es köstlich gewesen ist, so ist es Mühe und Arbeit gewesen". — so sagt die heilige Schrift, und gerade an dem Leben des großen Staats¬ mannes hat sich die Wahrheit dieses Btbelwortes sichtbarlich erfüllt. Als nach langjähriger, wichtiger Vorbereitungszeit — als Gesandter in Frankfurt a. M., in Petersburg und in Paris — Herr von Bismarck, von dem Könige Wilhelm nach Berlin gerufen, am 29. September 1862 das Amt eines preußischen Ministerpräsidenten übernahm, zählte er 47 Jahre. Er war noch immer einige Jahre jünger als die preußischen Minister, welche in bewegter Vergangenheit das gefährdete Staatsschiff geleitet halten, als Stein und Hardenberg, aber er war ihnen überlegen an Kenntnissen und Erfahrungen auf dem Gebiete der großen äußeren und zum Teil auch der inneren Politik. Der aus verhältnismäßig kleinen Verhältnissen her¬ vorgegangene altmärkische Junker hatte sich mst offenem Auge und klarem Sinn auf seinem weiten Lebenswege alles zu

Fürst Bismarck in der Uniform feines Kürafsier-Uegiments.

--s

150

eigen gemacht, was für die Betrachtung von Menschen und Staaten wichtig war. Seiner äußeren Gesundheit entsprach die innere: ein fester, sittlicher Wille, ein sicheres Urteil und vor allem eine unbegrenzte Vaterlandsliebe. Schon damals hat vor seinem ahnenden Geiste die Größe Deutschlands in hehrer Lichlgestall aus dem Dunkel der Zukunft sich erhoben, schon in jenen Tagen hat er wie ein Seher das Ziel geschaut, zu dem er unter Kämpfen ohnegleichen das geliebte Vater¬ land zu führen berufen war. In der That, eine Riesenarbeit erwartete ihn bei der Uebernahme des Amtes eines preußischen Ministerpräsidenten: die Herausführung des preußischen Staates aus drohendem Verderben. Wir misten, in welche Stellung die Krone wegen der geplanten Heeresreorganisation zu der Landesvertretung geraten war, wir kennen die ungeheure Feindschaft, welche von seilen der Majorität des Landtages dem modernen „Curtius" entgegengebracht und mit zäher Ausdauer Jahre hindurch bewahrt wurde; aber wir kennen auch die bewun¬ dernswürdige Thatkraft und meisterhafte Geschicklichkeit, mit der er allen diesen Widerstand überwand — überwand mit dem Geheimnis im Busen, das er niemandem vertrauen durfte, ohne alles zu gefährden: daß alle diese Rüstungen nur seien, um Preußen zur Herrschaft in Deutschland zu

führen. Bismarck hat selbst einmal geäußert, daß diese Zeit für ihn die schwerste gewesen sei. Aber er überwand sie und stählte seine Kraft zu höherem Gelingen. Sobald die Vergrößerung der peußischen Armee sicher gestellt war. begannen die auswärtigen Verwickelungen. Nicht, daß Preußen sie gesucht hätte, es war, wie wenn die Vor¬ sehung dem Könige Wilhelm das Eingreifen in die Geschicke Europas in der für Preußen und Deutschland geeigneten Weise aufgespart habe, und zwar bis zu dem Augenblicke, wo sie seinem

erhabenen

Herrschergeiste

auch

die rechten

Mittel

und die rechten Personen zur Verfügung stellen konnte. Die Zeit begann, wo das verachtete und verhöhnte Preußen den Weg zur Höhe seiner Bestimmung einschlug.

Wie ein leichtes Probestück seiner Krast nimmt sich auf der dänische Krieg aus; und doch, wer ihn genauer studiert, findet in dem damaligen Schaffen und Wirken Bismarcks und seiner militärischen Genossen schon alle Eigentümlichkeiten seiner späteren Behandlung größerer Angelegenheiten. Er war die Vorschule der künftigen Meister¬ Doch, war es überraschend gewesen, wie Bismarck den schaft. Gegner Dänemark ins Unrecht gesetzt, dann isoliert und zu¬ letzt sogar mit der Beihilfe des erbittertsten Gegners Preußens, d. h. Oesterreichs, vernichtet hatte, so erschien es gleich daraus wahrhaft bewunderungswürdig, wie er diesen zweifelhaften und neidischen Rlvalen im Laufe von nur zwei Jahren mit¬ samt seinem ganzen Anhange im deutschen Bunde von einem Fehler zum anderen trieb und ihn diplomatisch so einengte, daß er sich zuletzt zu den traurigsten Widersprüchen in seiner Politik genötigt sah. Schon lange bevor die Waffen erhoben wurden, war Oesterreich samt seinem Anhange von dem ge¬ waltigen Staatsmanne diplomatisch und politisch geschlagen. Sein Kampf gegen Preußens Heere auf den böhmischen und niährischen Schlachtfeldern war nur der verzweifelte Versuch, mit den Waffen das politische Mißgeschick vielleicht wieder auszugleichen. Es gelang nicht. Auch die Bundesgenoffen

diesem Wege

&•

unterlagen, und das erstaunte Europa sah in wenigen Wochen mit wunderbarer Sicherheit eine Thatsache verwirklicht, deren Ausführung über ein Jahrhundert hindurch'Deutschland und die Nachbarländer vergeblich beschäftigt hatte: die Ausein¬ andersetzung Preußens mit dem österreichischen Kaiserstaat und die Herstellung der preußischen Hegemonie in Deutschland. Diese erschienen

schnellen Erfolge

der

Mitwelt

kaum

der Regierung Königs Wilhelm

glaublich.

Selbst diejenigen,

welche den preußischen Waffen unterlegen waren, wußten sich anfänglich nicht Rechenschaft davon zu geben, wie sie in die

unerwartete Lage gekommen seien. sie

die Einsicht,

daß

Erst allmählich gewannen

ein Staat und

ein Staatsmann von

ganz außerordentlicher Kraft und Begabung ihnen ihr Schicksal bereitet habe. — Aber glücklicherweise war dieser Staats¬

mann kein Ausländer, kein Richelieu, kein Mazarin, auch kein Napoleon I., der die Deutschen in die Knechtschaft der Er war ein deutscher Fremden hätte führen können. von der lautersten und reinsten ein deutscher Patriot, Mann. vaterländischen Gesinnung, der es seinen irrenden Lands¬ leuten nur nicht ersparen konnte, sie durch „Eisen und Blut" zur lang ersehnten Einheit und Macht zu führen. Es war wunderbar, wie nun die Gesinnungen sich wandelten. Nord und Süd fanden sich wie zwei feindliche Brüder, die sich nach langer Verkennung und Zwietracht versöhnt in die Arme fallen. — Der aber, der dies herbeigeführt hatte, suchte nun auch äußerlich diese Einheit herzustellen. Indem er alle

Staaten nördlich des Maines zum norddeutschen Bunde zusammenschloß, verband er Gesamtdeutschland durch Schutzund Trutzbündnisse und in dem deutschen Zollparlamente

(1867). Aber in dem Maße, als Preußen seine hohe Bestimmung als Förderer, Einiger und Beschützer Deutschlands zu erfüllen gelungen war, in gleichem Maße hatte es sich auch den Neid und den Haß auswärtiger Mächte, insbesondere Frankreichs, zugezogen.

Ohne Zweifel war bis dahin Frankreich die erste Macht Europas, Napoleon III. der wegen seines politischen Geschickes und seines diplomatischen Jntriguenspiels gefürchtetste Herrscher Es war unmöglich, daß er. der Emporkömmling gewesen. und gewählte Kaiser der ehrgeizigsten und eitelsten Nation, die plötzliche Erhebung und Vergrößerung des Nachbarlandes Mit Neid und Haß verfolgte er ruhig mit ansehen konnte. jeden ferneren Fortschritt der Deutschen, ohne irgend welche Erfolge zu erreichen. Die „Luxemburger Denn Bismarck war auf der Hut. Frage" ließ er vorübergehen, weil das deutsche Recht in der¬ selben nicht zweifellos war, auch die geheime Verbindung zwischen Frankreich.

Italien und

Oesterreich schien er zu über¬

sehen. die Gelüste Napoleons auf Belgien ließ er durch schweigende Duldung sich zu dem Umfange auswachsen, der Daß die An¬ eine Ableugnung später unmöglich machte. maßung und Thorheit der Franzosen eines Tages sich zeigen werde, ja, erscheinen müsse, wußte er im voraus. Dazu kannte Nur darüber er die Welschen und ihren Kaiser zu genau. konnte noch ein Zweifel bestehen, wann dies kommen würde.

Darum war man in Deutschland gerüstet. Die Diplomatie wie das Heer waren jede Stunde bereit. Und als nun der entscheidende Augenblick eintrat, als mit frechem Uebermute Frankreich

Deutschland herausforderte, der

161

Graf Benedetti den greisen Kaiser in seiner Sommerruhe beleidigte, da erhob sich in seiner Größe und Herrlichkeit das ganze waffenstarke deutsche Volk, um sich auf den friedelosen Nachbar zu stürzen. Allen voran der Kanzler des norddeutschen Bundes, Graf Bismarck. Wie früher, so hatte er diplomatisch und politisch den Gegner schon gedemütigt, bevor es noch zum Schlagen kam. Denn Napoleon und seine Helfershelfer waren durch ihn auf das geschickteste entlarvt und in ihrer ganzen Erbärmlichkeit französische

bloßgestellt worden.

Und was die Diplomatie vorbereitet hatte, vollendete das Wunderbare Zeit! In wenig mehr als einem Monat lag das französische Kaiserreich zerschmettert am Boden; die Armee war vernichtet, der Kaiser gefangen; niemals waren Uebermut und Arglist so entscheidend zu Falle gekommen, wie Heer.

in den Tagen von Gravelotte und Sedan. Die Deutschen hatten es wieder einmal übernommen, die anderen Völker vor der drohenden Erneuerung der napoleonischen Gewaltherrschaft zu bewahren. Dennoch begegnete die „deutsche That" nicht überall der erwarteten Zustimmung der Völker. Darum galt es, Deutschland selbst in eine Verfassung zu ver¬ setzen, die seiner Stellung unter den Nationen entsprach. Das Kaiserreich war es, das der großartigen Ent-

Bismarck seinem Vaterlande vorgezeichnet hatte, den Abschluß verlieh. Wie mußte sein Herz frohlocken und jubeln, als er seinen königlichen Herrn in dem Saale des Schlosses zu Versailles am 18. Januar 1871 zum Wicklung,

welche

deutschen Kaiser ausrufen durfte! Nur große Männer erleben in sich das Große! Anders wird er diese weltgeschicht¬ liche Thatsache empfunden haben, als die meisten seiner Zeit¬ Hatten sie auch das Größte zu hoffen gewagt, wie genossen. hätten sie es auszuführen und zu vollenden gedacht? Das konnte nur der gottbegnadete Mann. in welchem alle edlen und großen Eigenschaften seines Volkes vereinigt waren, das vermochte nur der treue und hingebende Diener seines Herrn, dem das Höchste

zu

bieten er sich zur Lebensaufgabe gesetzt

hatte.

Bald sollte sich dann noch weitere Gelegenheit bieten. Die äußere Einheit des Reiches war zwar vollendet, aber an der inneren mangelte noch fast alles. An diese neue Aufgabe schritt der Fürst Bismarck — sein dankbarer König hatte ihm diese Würde verliehen — mit neuem Eifer. Es war erstaunlich, wie er diese neue Aufgabe mit ungeahntem Genie löste. Der große Politiker und Diplomat zeigte sich bald als der größte Staatsbaumeister. In etwa 10 Jahren schwerer und ernster Arbeit war das Wichtigste gethan, trotz „Kulturkampf" und erbitterter Feindschaft der gegnerischen Parteien im Parlamente. Aber die reichen Erfahrungen, welche er bei diesem Schaffen gemacht hatte, lehrten ihn, daß noch ganz besondere, bisher unbekannte Einbauten nötig seien, wenn das große Werk fest und beständig bleiben solle. Die Stürme der Zeit, die drohenden Bewegungen der Massen in der „Sozial¬ vorsorg, demokratie" und dem „Anarchismus" lenkten seinen arbeitenden der lichen Blick auf die Bedürfnisse und Wünsche Klassen. Nicht sie zu erniedrigen oder zu entfremden war er gesonnen, sondem sie an das Vaterland neu anzuknüpfen und ihren abgewendeten Geist wieder mit vaterländischen Interessen zu nähren. Es gelang ihm, seinen kaiserlichen Herrn für



arbeiterfreundlichen Pläne zu gewinnen' am 17. November 1881 bildete den Ausgangspunkt einer ganzen Reihe bisher ähnlich nie gedachter Gesetze und Einrichtungen, durch welche er dem durch ihn geschaffenen Staate einen neuen Charakter verlieh. Die Idee des „praktischen Christentums", in Kaiser Wilhelm und volkS-

seine

und

Die kaiserliche Botschaft

alten abstrakten Rechtsstaat in den modernen „Wohlfahrtsstaat", eine Schöpfung, wie sie in der Geschichte der Völker bisher nicht gekannt war. Aber während er so für Deutschland und das deutsche Volk dachte und wirkte, traten neue Verwicklungen mit dem Auslande ein. Der „Berliner Kongreß", auf dem der orientalische Konflikt zwischen Rußland und der Türkei (1877/78) beigelegt wurde, erneute die Feindschaft Rußlands, welches Um ihnen zu be¬ sich mit Frankreich ins Einvernehmen setzte. Oesterreich-Ungarn und gegnen, vereinigte sich Deutschland mit Italien zum „Dreibund" und zeigte so seinen Gegnern, daß es nicht mehr gesonnen sei, sich irgend welche Uebergriffe

Kanzler lebendig,

seinem

verwandelte den

des Auslandes gefallen zu lassen.

So durfte denn der Kanzler unter seinem greisen Kaiser die weitere Entwicklung des deutschen Staats¬ erwarten. Aber nicht lange war es ihm beschieden. Am 9. März 1888 traf ihn der tiefe Schmerz, seinen treuen, heißgeliebten kaiserlichen Herrn scheiden zu sehen, und am 15. Juni 1888 folgte ihm sein Sohn und Nachfolger, Kaiser

mit Ruhe wesens

III.

Friedrich Der Fürst war vereinsamt, auch in seinem Amte. Die mit ihm einst gewaltet und gewirkt hatten, waren einer nach dem anderen ins Grab gesunken, am letzten der treue Moltke. So zog er denn, sobald die äußeren Verhältnisse es ihm nahe legten, sich aus dem Staatsleben zurück, um seine letzten Lebensjahre in dem Frieden eines lang ersehnten otium cum

dignitate

zu verbringen. Aber wenn er auch nicht mehr an dem Steuerruder des Staatsschiffes blieb, verblieb ihm doch die innigste Liebe und treue Zuneigung des deutschen Volkes, das es sich nicht nehmen läßt, trotz Feindschaft und Verleumdung, in ihm den Erneuerer seines herrlichen Volkstums zu verehren. Möge ihm. dem nun 80jährigen, dem treusten der tteuen Männer des Vaterlandes, Gottes Gnade noch lange Jahre verleihen, damit ihm vergönnt ist, die Früchte seiner auf¬ opfernden Arbeit zu sehen und den Dank der beglückten Volks¬ genossen zu empfangen! Heil und Segen dem großen Kanzler!

A. B.

Havelberg. Von

Df. Gustav Albrecht. (1. Fortsetzung.)

Von ist

der

von

den

eines

in im

der

Kirche

Jahres

der Schulenburg,

befindlichen

Grabsteinen

verstorbenen 1537 vom Hochaltar,

rechts

Herrn wegen

Ausführung bemerkenswert. Er zeigt den die linke auf dem voller Rüstung, Hand Ritter in bärtigen seine Ehefrau Schwertgriff, neben ihm in langem Gewände mit Haube und Halskrause und am Fuße die Kinder des Ehepaares, sieben Knaben und zwei Mädchen, in absteigender Größe. Ferner an der südlichen Wand der Kirche der in Farben restaurierte Stein des im Jahre 1559 verschiedenen Bürgers Hovemann mit den Gestalten des Ehepaares und seiner

schönen

seiner vier Kinder,

gearbeitete Grabstein des 1759) mit sinniger Inschrift.

gut

der

sowie

Handelsherrn Jacob Rodatz (f Der Kuriosität halber seien hier einige Inschriften anderer Grabsteine erwähnt, so der des Joachim Friedrich Pein, auf welchem zu lesen steht:

„Unter

diesem Leichcnstein

„Ruh' ich Pein ohn' alle Pein, „Und erwarte mit den Meinen „Selig für Gott zu erscheinen." und der des Herrn

Nibbe,

Mein Mutterherz!"

welcher die Inschrift trägt:

Außerdem befinden sich im Innern der Kirche und der Turmhalle verschiedene Grabsteine und Bildnisse früherer Pfarrer der Stadlkirche*). An das alte Havelberger Patriziergeschlecht der Curdes, welchem mehrere Bürgermeister entstamyren, erinnern ebenfalls verschiedene Leichensteine, sowie eine schrein¬ artige Gedächtnistafel, welche ziemlich versteckt an der Wand

und wegen ihrer Malereien und tief¬ Die Tafel ist dem gefühlten Inschriften Beachtung verdient. Gedächtnis eines dreijährigen Kindes, welches 1676 starb' geweiht und drückt den Schmerz der Eltern um den Verlust des Sohnes aus. Der Rektor und der Konrektor der Havelberger Schule haben sich bemüht, in lateinischen und deutschen Versen dem Schmerze der Eltern und ihrem eigenen Mitgefühl in wohlthuender Innigkeit Ausdruck zu geben. Die Außen¬ seiten der Flügelthüren find nur mit Versen geschmück:; schlägt man die Flügelthüren auf, so erblickt man einen Engel mit einer Rose, welcher eiu Leichentuch an einem Zipfel über die linke obere Ecke eines Sarges hält. worin ein Kind in weißem, mit schwarzen Schleifen besetzten Sterbegewand ruht, den Kopf Darunter steht der Name des Kindes ziert ein grüner Kranz. des kleinen Toten, Dietrich Curdes. und die Verse: eines Portales hängt

„An Tod ich Röslein stets gedenk, „Mein Leben ich in Christo senk, „Der Tod verbleibet mein Gewinn,

Um einen Begriff von der Innigkeit und der Tiefe der Empfindung zu geben, welche die Verfasser der Trostsprüche beseelte, lassen wir hier einen Teil der Inschrift**) des inneren linken Flügels folgen:

„Ach Dieterich! Wie find ich dich! Steh auf mein Kind Und komm geschwind, Zu küssen meine Wangen, Du einziges Verlangen. Komm, komm, umarme mich

*)

Dieterich!"

Ueb. d. meifete Inschrift vgl.

**)

S.

Zöllner I

c,

II.

Zoellner I.

392 ff.

c.

II.

von der Gewalt des Allbe¬ zwingers Tod. Es wäre gut, wenn in unserer nüchternen, prosaischen Zeit in jeder Kirche mehrere solcher Erinnerungs¬ zeichen an die Vergänglichkeit alles Irdischen aufgestellt wären, sie würden sicherlich von Nutzen sein. aber leider läßt man die aus alter Zeit vorhandenen zumeist auf den Kirchböden vermodern oder vernichtet sie aus Unkenntnis oder aus Mangel ein

düsteres Ahnen

an Pietät. Havelberg kann sich glücklich preisen, daß es noch viele Denkmale früherer Frömmigkeit in seiner Kirche und

so

in seinem Dom besitzt. Aus dem Portal des Turmes, deffen Einfassungen, wie auch die der anderen Portale, mit Schleifrillen und Bohr¬ näpfchen,

den

charakteristischen Zeichen

eines

abergläubischen

Geschlechts, versehen find, schreiten wir durch die Mühlenund Sandauerstraße zum Salzmarkt, auf dem sich die alte Kirche St. Spiritus nebst dem Beguinenhaus erhebt, ein einschiffiger Backsteinbau ohne Gewölbe aus dem Ende des 14. Jahrhunderts. Die Fensterlaibungen des Gebäudes find sehr fein profiliert und auch das spitzbogig umrahmte Portal zeichnet

sich

durch seine Laibung aus,

welche einen

tauartig

und mit Masken und Ranken ornamentierte Thonplatten aufweist. Das Hospital zum Heiligen Geist wurde der Ueberlieferung nach - - Urkunden sind nicht vorhanden — auf Veranlassung des Beguinenordens gegründet gewundenen Rundstab

und die Hospitalitinnen waren zum Krankendienst verpflichtet. Jetzt hat das Hospital den Zweck, alten, bedürftigen Bürgerwittwen Wohnung und Unterhalt zu gewähren, die Zahl der¬ selben beträgt sechs; außerdem gewährt die Anstalt noch drei Nebenpräbenden ohne Wohnung. Vom Salzmarkr aus begeben wir uns durch die Langeund Steinstraße zur Steinbrücke. Hier erhob sich in alter

„Dadurch fahr ich zum Himmel hin, „Woselbst der Herr mir hat bereit' „Sein herrlich Reich, die Seeligkeit!"

Ach

Ein eigentümliches Gefühl befällt uns, wenn wir diesen Gedächtnisschrein beim Scheine einer Kerze betrachten und die Reflexe des flackernden Lichtes über die einfache Malerei hin¬ weghuschen,

„Gottesfurcht, Bescheidenheit, „Liebe. Treu, Aufrichtigkeit „Wollen ihren Sitz auch haben, „Wo Herr Nibbe liegt begraben."

Mutters Anrede:

Sohnes Antwort: „Es kann nicht sein: Denn ich nicht mein Bin mächtig mehr, Weil Gottes Ehr Mich zieht hinauf zum Himmel Von allem Weltgetümmel; Drum stille deinen Schmerz,

395f,

Zeit das Steinthor, von welchem sich die Stadtmauer rings um die Stadt an der Havel entlang hinzog, dem Dom gegen¬ über und an der Sandauerbrücke von je einem Thore unter¬ brochen, von welcher Befestigung noch Teile auf dem

Merian-

Stich von 1652 zu erblicken find. Von der St. Annenkapelle, welche wir nach Ueberschreiten der Steinbrücke erblicken und auf welche wir später zurückkommen, gelangt man durch einen Hohlweg hinauf zum Domberg. Vor uns erhebt sich die Realschule, links dehnt fich die schöne Prome¬ nade „Am Camps" aus, welche in ihrem nordwestlichen Teil mit dem aus einem Sandstein-Obelisken bestehenden Krieger¬ denkmal geziert ist. Wir befinden uns hier oben in dem Bezirk der ehemaligen Domberg-Gemeinde (s. ob.), welcher fich Der alte im Viereck nördlich an den Dom anschließt. Domhof, aus welchem fich dieser Gemeindebezirk entwickelt hatte, bildete noch im 17. Jahrhundert ein von einer steinernen Mauer und einem Wall und Graben umgegebenes Viereck, schen

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Thore — das Kreuzthor, das Ziegelthor Innerhalb dieses und das Schäferthor — hineinführten. umfriedeten Raumeslagen außer der Domkirche mit den zugehörigen Stifts - Gebäuden noch weitere dreißig, den Zwecken des Kapitels dienende Gebäude, so das Haus die die Dom - Probstei, die Dechanei, des Bischofs, Kurien des Domherrn, das Pfarrhaus nebst mehreren Domkrug und verschiedene der Vikarien. Häusern, zu

welchem

vorhanden find und nur ihre Bestimmung ge¬ So wird beispielsweise die Domprobstei als Kaserne für einen Teil des in Havelberg garnisonierenden 3. Bataillons des 24. Infanterie-Regiments (Großhcrz. Friedrich Franz) benutzt, in der ehemaligen Dechanei hat das Königl. Amtsgericht seinen Sitz aufgeschlagen, das alte Refektorium wird als Montierungskammer verwendet; einige dieser Gebäude

drei

Häuser zu gewerblichen Zwecken,

Gebäude,

welche zum

at-

heute

noch

wechselt haben.

weisen auch noch Skulpturen aus der bischöflichen Zeit auf.

Teil

(Fortsetzung folgt.)

Kleine Mitteilungen. Dt»rnarrk-Worte.

allem sein warmer, begeisterter Ton und. die echt volkstümliche Darstellung, durch die es sich auszeichnet. ES ist ein Volks- und Familien¬ buch im besten Sinne, das sich bei aller geschichtlichen Treue doch wie ein Für die jetzt erscheinende Reu-Bearbeitung haben festelnder Roman liest. dem Verfaster die wichtigsten und zuverlässigsten Quellen zu Gebote gestanden, namentlich für die ErgänzungS-Kapitel, welche den Rücktritt der Kanzlers und die Zeit nachher behandeln.

Aus der großen Zahl hervorragender Aussprüche deS Fürsten BiSmarck mögen zu seinem 80. Geburtstage hier folgende in Erinnerung gerufen werden, die den „Lichtstrahlen aus Bismarcks Reden, Briefen und Gesprächen" entnommen sind: „Er ist gleich, ob ich auf dem Straßenpflaster oder dem Schlachtfelve für meinen König sterbe." >1866.) „Ich muß Kämpfe führen, aber doch nur zu dem Zweck, den Frieden zu

ist vor

bringen." (1881.)

Zwei Schreiben an den Kandrat Angnstns non Kisrnarek. Aus nachstehenden beiden Schreiben, deren Originale im

frage gar nichts danach, ob meine Sache populär ist; ich frage sie vernünftig und zweckmäßig ist, die Popularität ist eine vorübergehende Sache." (1882.) „Ich halte es für männlich und offen, seinen Irrtum anzuerkennen; aber nicht dar halte ich für männlich, vem einen Vorwurf daraus zu machen, der von seinem Irrtum zurückgekommen ist." (1850.) „Ein Appell an die Furcht findet in deutschen Herzen niemals ein Echo." (1650) „Wir Deutsche fürchten Gott, aber sonst nichts in der Welt." (1888.) „Wie man ohne Glauben an eine geoffenbarte Religion, an Gott, der dar Gute will, an einen höheren Richter und ein zukünftiges Leben zusammen leben kann in geordneter Weise — das Seine thun und jedem dar Seine lasten, begreife ich nicht." (1870) „Wenn ich nicht mehr Christ wäre, bliebe ich keine Stunde mehr auf meinem Posten. Wenn ich nicht apf meinen Gott rechnete, so gäbe ich gewiß nichts auf irdische Herren. Ich hätte ja zu leben und wäre vornehm genug." (1670.) „Warum soll ich mich angreifen und unverdroffen arbeiten in dieser Welt, mich Verlegenheiten und Verdrießlichkeiten aussetzen, wenn ich nicht das Gefühl habe, Gottes wegen meine Schuldigkeit thun zu müsten. Wenn ich nicht an eine göttliche Ordnung glaubte, welche diese deutsche Ration zu etwa« Gutem und Großem bestimmt hätte, so würde ich dar Diplomaten¬ gewerbe gleich aufgeben oder das Geschäft gar nicht übernommen haben. Orten und Titel reizen mich nicht. Ich habe die Standhaftigkeit, welche ich zehn Jahre an den Tag gelegt habe, gegen alle möglichen Absurditäten, nur aus einem entschlossenen Glauben." (1870.) Eine A1knnrfiprnot)o junge Dame erbat sich erst von Moltke und.dann von BiSmarck einige Worte in ihr Album. Moltke schrieb: Lüge vergeht, Wahrheit besteht! v. Moltke, Feldmarschall.

„Ich

nur danacb, ob

Schloßarchioe zu Schönhausen liegen, ergiebt sich, daß der gestrenge König Friedrich Wilhelm den man bei seiner schwachen Seite für große Kerls zu nehmen verstand, sich einem Handel mit Stellen im Staatsdienste nicht abgeneigt zeigte: ' l . Ew. :c. Jnsonderst hochgeehrter Herr Landrat!*) Katt Ew. — werden sonder Zweifel von dem Herrn Gen.-Maj. v. "meine benachrichtigt sein, wie S. Kgl. Maj. allergnäbigst consenstiert, Hauptmannschaft an den Herrn Sohn für 7000 Thl. zu verkaufen, wenn Sie über diesen Handel einen großen Kerl von Ew. Hochw. bekommen. Da nun die Anschaffung solcher Lente sehr schwer und fast unmöglich ist, so habe hierdurch Ew. Hochw. ansragen wollen, ob Sie nicht resolvieren wollten, lieber 1000 Thl. mehr an die hiesige Werbekaste zu geben, wenn S Kgl Maj. dero Herrn Sohnes zum RegierungSrat und den Charakteur als Geh. Rat allergnädigst zulegten. Wenn Ew. hochw. hierzu resolvieren, so bitte mir durch diesen Expresten eine kleine Antwort auS, so will die Sache auf diese Art noch einmal Sr. Kgl. Majestät vortragen und die AuSfertigungS Kosten für die Patente übernehmen, der ich stets verharre k. de Sydow 8 ) Perleberg, 8. 4. 1721. Ew. hochw. :c. Ew. hochw. habe hierdurch gehorsamst melden wollen, wie ich gestern Sr. Kgl. Maj. einen großen Kerl präsentiert, wofür Sie mir allergnäbigst erlaubt, die Hauptmannschaft Giebichenstein an den Herrn Sohn zu ver¬ kaufen. Als habe hierdurch dienstlich bitten wollen, mir besten Namen mit Ehestem zu übersenden, damit die Ausfertigung auf ihn dafür könne einrichten lasten. Der Kerl hat mir Über 600 Thl. gekostet, also hoffe. Sie werden nun billig resolvieren, die Patentgeld >r für ihn zuzulegen. Ich aber will Ew. hochw und dero Herrn Sohn von Herzen gratulieren und wünsche, daß er sie mit Vergnügen und mit guter Gesundheit unzählig viele Jähre besitze und genießen möge 4), der ich stets verharre rc. de Sydow. Berlin, l0. 5. 1722.

I,

,

Moltkos und Kismarcks.

Fürst BiSmarck schrieb darunter: Wohl weiß ich, daß in jener Welt Die Wahrheit stet« den Sieg behält. Doch gegen Lüge

Dis Mappenfiprüche den Familie non Kisrnarck.

Die Wappendevisen bieten einen ganz hübschen Beitrag zur Spruchpoefie z. B. das „vom Flecke zum Zwecke" der Grafen von Bismarck-Bohlen, und dar „Einig und treu" der Grafen von BiSmarck-Schierstein. Zuweilen beziehen sie sich auf eine geschichtliche Begebenheit. AIS Roch,Guerrin,

dieses Lebens

Kämpft selbst ein Felvmarschall vergebens v. BiSmarck, Reichskanzler.

„Fürst Kisrnarck"

der berühmte Festungsbauer von Metz, 1578 in brandenburgische Dienste trat, um Spandau zu befestigen, gewahrten, die märkischen Edelleute mit scheelen Augen die Gunst, deren sich der französische Abenteurer, wofür sie ihn hielten, beim Kurfürsten erfreute. „Durch den Neid allein" seiner Standcsgenoffen fühlte er sich veranlaßt, auf Grund einer ihm vom Herzog

.von Hermann Jahnke.

Unter den vielen BiSmarck-Biographien, die namentlich beim Herannahen des 80. Ge¬ burtstages der AIl-ReichSkanzlerS das Licht der Welt erblickt haben, ragt wie ein Riese unter seinen Genosten das vorzügliche Werk Hermann Jahnke« hervor, dem die Abbildung auf Seile 153 „Napoleon und Fürst BiSmarck am Morgen nach der Schlacht bei Sedan vor dem Weberhäuschen bei Donchery" mit gütiger Bewilligung der Verlagsbuchhandlung entnommen ist. Der vollständige Titel des Buches

III.

lautet:

„Fürst Disrnarrk.

Wirkens

von

Ein Bild seines Lebens und Hermann Jahnke. Mit 100 Abbildungen im Text und

45 Illustrationen in Reproduktionen berühmter Künstler (Verlag von Paul Kittel, Berlin)." Jeder deutschen Familie kann eS nur empfohlen werden, sich in den Besitz dieses Buches zu setzen, von dem in wenigen Jahren schon viele Tausende von Exemplaren ihren Weg in patriotische Häuser gesunden haben. Erleichtert wird die Anschaffung dadurch, daß gegenwärtig eine vollständig neu bearbeitete und mit noch reicherem Bilderschmuck als bisher ausgestattete Auslage (die vierte) erscheint, die in 20 Lieferungen DaS 3000. Exemplar seines ä 60 Pfennigen bezogen werden kann. Werkes durfte der Versaster dem Fürsten BiSmarck in FriedrichSruh per¬ sönlich überreichen, und dieser bewies dem Buche u. a. auch dadurch seine Anerkennung, daß er die Widmung der neuen Auflage huldvollst annahm. WaS dem Jahnkeschcn BiSmarckbuch so zahlreiche Freunde erworben hat,

1 ) August v. BiSmarck, Landrat auf Schönhausen rc gest. 25. 8. 1666, 16. 6. 1732, Erbauer deS dortigen Schlosses, Oberoberelteroater der Fürsten. Friedrich, 2) Die Söhne deS LandrateS AugustuS sind: 1. August geb. £. 4. 1695 gest. 17. 5. 1742, schwer verwundet bei CzaSiau, Oberst 81 Joh. der AnSach-Bayreuther Dragoner, Obereltexvater deS Fürsten. Christoph, geb. 15.4. 1606, gest früh. -3. Georg Friedrich) geh. 1-1. 7. 1607, gest. 12. 1. 1767, Senior des Domstiftes zu Havelberg. 4. Karl Ludolf, 5. Joh Friedrich, geb. geb. 13. 2. 1700, gest. 17. 9. 1760, Major. 5. 12. 1701, gest. 2. 2. 1702. 6. Georg Heinrich, geb. 25 3. 1703, 6. Alexander Wilhelm, geb. 12. 9. 1704, gest. 25. 5. 1729, Lieutenant. gest. 18. 3. 1793, Rittm. u. Domkapitular zu Halberstadt. 8 ) Etwa HanS Friedrich v. Sydow auf GörlSdorf geb. 1683, gest. 15. 10. 1726 als Preuß. Kapitän bei der Leibgarde. 4 Weder aus sonstigen Korrespondenzen noch auS den Stellungen, ) welche die oben bezeichneten Söhne bekleideten, ergiebt sich, ob der Handel Ör. Gg. S. perfekt geworden ist.

gest.

!

*80

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155

CoSmo di Medici von Florenz ausgestellten Urkunde über seine direkte Abstammung von den Conte di Linari den Namen Graf von Lynar mil

dem eigentlich schwer verständlichen Wappenspruch „solo invidia“ anzu¬ dies Gebiet gehört auch das „Vorwärts" der Grasen von nehmen. Blücher. Zuweilen steht der Wappenspruch mit dem Namen ln einer Verbindung, z. B. bei den v. Schöning: „Thue Recht und scheu nich". Der Spruch bezieht sich häufig auf dar Wappenbild: bei den von AlvenSIeben mit den Rosen: „nulle rose sans epine", bei den v. Hahn mit dem Hahn im Schilde: „primns «uw, qui deum laudat", bei den PourtaleS, mit dem Pelikan: „quid non dilectis?", bei den v. Pirch, mit der unbekleideten Jungfrau: .Pfui Dübel, wat bilen de Flöh!" Aus der Klinge eines BiSmarckschen EhrendegenS findet sich die Inschrift: „Dar Wegekraut sollst stehen lah'n, hüte dr', sind Nesteln d'ran" und an den BiSmarckschen Nesteln hat ja sich schon mancher deutsch-freisinnige Dickhäuter AIS der BundeStagSgesandte Otto seine Vordertatzen gründlich versengt o. BiSmarck-Schönhausen vom König von Dänemark das Großkreuz der Daneborg-OrdenS erhielt, wählte er, da eS üblich ist, daß die Wappen der Ritter mit einer Devise im Waldschloste zu FrederikSborg angebracht werden, den Spruch: „in trinitate robur", welcher auf seine Veranlastung bei seinen späteren StandeSerhebungen auch in sein gräfliches und fürst¬ liches Wappen gesetzt worden ist. Der Spruch ist doppelsinnig, denn die auf den ältesten Siegeln aus den Winkeln der Kleeblätter herauswachsen¬ den Blätter sind offenbar Blätter der Steineiche (robur) andererseits darf der Dreifaltigkeit liegt meine Kraft". Ganz willkür¬ man Übersetzen: lich ist Graf -Herbert von diesem, doch angeerbten, Wahlspruch abgegangen und führt die Devise „areeo" in freier Uebersetzung: „Bleibt mir ge¬

In

„In

vr.

wogen."

Gg. S.

' Krrchcrtisch. Drei Schwaben in fremden Kriegsdiensten.

Graf

Herwarth von Bittenfeld. Joh. Jak. Wunsch. Stuttgart 1885, Von Albert Pfister, Generalmajor z. D. (12. Blatt der Württembergischen Verlag .von D. Gundert. NeujahrSblätter.) Preis 1 Mk.

Harrfch.

In

die

dem vorgenannten Verlage erscheinen seil einer Reihe von Jahren „Wü rttcmbcrgischen NeujahrSblätter," herausgegeben unter

vom Oberschulrat Beckh, Oberbibliolhekar vr. Heyd, OberPauluS, Oberstudienrat vr. Planck, Gymnasialdirektor Pceffel, Prälat Schmid, Geh. Archivrat vr. Stälin u. a. von Profestor Hartmann. Ihr Zweck ist, im schwäbischen Hause und nament¬ vr. lich auch bei der heranwachsenden Jugend Sinn und Liebe für die vat:rländische Geschichte zu wecken und zu nähren. Und diesem Zweck wird jedenfalls in hervorragend-r Weise entsprochen, wenn alle diese NeujahrSblätter, was wir als selbstverständlich glauben annehmen zu dürfen, ihre Aufgabe in so vorzüglicher Weise lösen, wie das unS vorliegende von Generalmajor z. D. von Pfiiter. Drei Schwaben in fremden Kriegs¬ diensten sind ei, wie schon der Titel besagt, deren Lebensbild uns hier vorgeführt wird, und über die zuverlässiges Aktenmaterial mit großer Mühe zusammengetragen ist: I. Gras Harrfch, der Sohn eines Pfarrers, hauptsächlich in kaiserlich-österreichischen Diensten unter Prinz Eugen und Markgraf Wilhelm Ludwig von Baden in Ungarn, später am Rhein gegen Frankreich (hier heldenmütiger Verteidiger von Freiburg) kämpfend, in¬ zwischen im Dienste der mit den Oesterreichern verbündeten Venetianer im Reginent Alt-Württemberg an dem Feldzug nach Griechenland, (PatroS, Korinth, Athen. Negroponte) teilnehmend, auch auf weiten Reisen (Holland, Spanien, Kleinasien, Persien) die Welt durchstreifend; 2. Johann Friedrich Herwarth von Bittenfeld, der Großvater unsere« preußischen Generalseldmarschalls, der seine Feuertaufe ebenfalls in Ungarn erhielt, dann in österreichischen Diensten den Feldzug nach Sizilien mitmachte, später und auch unter Prinz Eugen am Rhein den Franzosen gegenüberstand schließlich im Jahre 1741 in preußische Kriegsdienste überging, bi« er am 18. Juni 1757 bei Kolin den Heldentod fand (s. „Bär", 20. Jahrgang. S. 262 ff., 271 ff.); 3. Johann Jakob Wunsch, Sohn eines Kürschner« in Hcidenheim, seit 1767, nachdem er erst in österreichischen und bayrischen der¬ Diensten gestanden, im Dienste Friedrichs des Großen und hier sich der maßen auszeichnend, daß er schnell zum preußischen General aufrückte, uner¬ u. a. nach der unglücklichen Schlacht von Kunersdorf durch seine unter warteten Erfolge den Mut Friedrichs neu belebte und deshalb auch der großen den Heersührern und leitenden Geistern, die als Gehülfen der König« an der Vollendung seines Werk-S mitarbeiteten, am Sockel — Denkmals „Unter den Linden" in ehrenvoller Weife mitgenannt ist. wie Mit der Lebensgeschichte dieser drei KriegSmänner wollte der Verfaffer, Verständnis da« für liefern Material allem vor sagt, Vorrede in der er welche, einer Zeit (Schluß des 17. und Anfang des 18. Jahrhundert«), anklingt Obwohl kaum entschwunden, unS doch recht fern liegt, recht fremd Alle mit ihren eigenartigen Zuständen, Gewohnheiten und Anschauungen. gewiß ganz GeschichtSfreunde werden ihm dafür Dank wiffen und werden Jntereffe KenmniS von den Resultaten seines Fleißes mit besonderem nehmen. andere Novellen. Von Fedor ffletr E. Piersons Verlag. und Leipzig. Dresden von Zobeltitz. ' Mk. Preis 4 Zabeltitz', ein Vorzug, Große Probleme anzuschneiden ist nicht die Art biSckien in „soziale Frage" der heut, wo fast ein jeder Romanschreiber ein Wohl aber durchleuchtet macht, besonders hervorgehoben werden muß. nicht ganz verwischt feine Erzählungen etwas Sinniger. Wohliges, das auch diese« Sull-ZuftiedenEntfaltung volle eine Hintergrund düstere ist, wo der Verfaffer« in da« Gebiet de« sein« ausschließt. Daß eine Exkursion de«

Mitwirkung ftudienrat

vr

vr.

I.

kleine Pastor und

Dramatischen, Bewegten ihn von seiner eigentlichen Domäne abführt, bezeugt die letzte der drei Erzählungen „Zwei Küsse", die mir künstlerisch am wenigsten gelungen zu sein scheint, die bei den Anläufen des Autors zur Lösung eines verpfuschten Lebensproblems überall in Zerfahrenheit stecken geblieben ist, die aber in den Schilderungen häuslichen Glückes wieder von der ftischen, lebensfreudigen Auffaffung des VerfafferS dasselbe glückliche —lk Zeugnis ablegt, wie in den beider vorhergehenden. Jubel-Sedanfeier Bildern zur Festspiel in vier Sedan, Vaterländischer 1895 für Soldaten, Studenten und Schüler von Georg Thouret. Musik von Adolf Cebrian. Verlag von Breitkops u. Härtel, KlavicrauSzug mit BezugSweise: Text 25 Psg. Leipzig 1885. Drei InstrumentalJede Sir gstimme 30 Psg. Text Mk. 1 50. stimmen (Flöten, Trompeten, Trommeln) je 30 Psg. Das uns vorliegende Sedansestspiel, deffen Handlung am 1. September 1870 vor Sedan spielt und in der Kapitulationsoerhandlung zu Donchery zwischen dem Grasen v. Bismarck, dem Freiherrn v. Moltke und dem General v. Wimpffen gipfelt, können wir für die Feier des Geburtstages des Fürsten Bismarck sowie für die Jubelfeier der SiegeStage von 1870 nur angelegentlichst zur Ausführung empsehlen. DaS Manuskript hat dem Fürsten v. Bismarck, dem das Festspiel auch gewidmet ist, vorgelegen. DaS ganze Spiel dauert mit der Musik nur zwei Stund!«. Jedoch ist eS jedes einzelne Bild (I. Der Feind. 2. Sieg. daß so eingerichtet, 3. Unsere Soldaten. 4. Die Kapitulation.) auch für sich allein aufgesührl werden kann. Die Handlung in jedem einzelnen Bild ist lebhaft, die Sprache knapp und schön, sodaß sich in jedem Verein mit leichter Mühe die Aufführung bewerkstelligen läßt, aber auch geübtere Kräfte reichlich h. Gelegenheit haben, ihr Können zu zeigen.

Inhalt: Heil Bismarck! Gedicht v.PauIWarncke. — AuSDeutschlandS Vergangenheit oder Der Schlangenring Historischer Roman von C. Gründler. (Fortsetzung.) — Zum achtzigsten Geburtstag des Fürsten Bismarck. — Havelberg. Von JDr. Gustav Albrecht. (Fort¬ — Kleine Mitteilungen: BiSmarck-Woite. — Albumlprüche setzung.) MoltkeS und BiSmarckS. — „Fürst Bismarck" von H. Jahnke. — Zwei Schreiben an den Landrat Augustus von Bismarck. — Die Wappensprüche — Anzeigen. der Familie von Bismarck. — Büchertisch

Des Fürsten Bismarck Krastgericht.

Die Rührigkeit und

I.

Frische des greisen Kanzlers, deffen 80. Geburtstag am I. April d. begangen wird, findet außer in seiner robusten Natur auch eine Erklärung in den einfachen, aber kräftigen Gerichten, die er zu sich nimmt. Ein Gericht, welches auf Anordnung der Pro>. Schweninger sowohl wie auch aus Wunsch des Fürsten regelmäßig in kurzen Zwischenräumen wieder auf der Mittagstafel erscheinen muß, nennt sich „Pichelfteiner Fleisch". Dar Rezept zu diesem Gerichte, welcher wir unseren verrehrteu Leserinnen nicht vorenthalten wollen, entnehmen wir dem im Verlage von Georg Brieger in Schweidnitz erschienenen Kochbuche „Die gute Küche" von Eugenik Tafel (320 Seiten stark, Preis Mk 1,80). ES lautet: „Für fünf bis sechs 1 Personen /., Pfd. zarter altgeschlachleleS Rindfleisch, ohne Haut und Fett, '/z Pfd? mageres Schweinefleisch, 1'/- Pid. roh geschälte Kartoffeln, 1 gelbe Rübe, 1 Sellerieknolle, I Stückchen Meerrettig, alles in kleine 1 Würfel geschnitten, auch wohl einige Rettige in dünne Scheiben. / Psd. Rindermark wird fein gewiegt, etwas Petersilie, Schnittlauch oder Lauch, lagenweise in eine Kafferolle, Salz */4 Prd. Zwiebeln, dieses alles kommt und Vz Liter Wasser dazu oder noch bester Fleischbrühe; so kocht man e§ V/2 Stunden aus schwachem Feuer. Nach dem ersten Auskochen kann alles durcheinander gerührt werden, nachher soll man nicht mehr daran rühren. */« Stunde vor dem Anrichten giebt man 1 Glas Weißwein und 1 Prise Cayennepfeffer dazu."

l

i

Alle Verehrer unseres All-ReichrkanzlerS vereinigen sich, um den 80. Geburtstag desselben festlich zu begehen. Millionen deutscher Herzen werden an diesem Tage höher schlagen im gerechten Stolz über den Nicht nur in allen Gauen deS Vaterlandes, auch großen Mitbürger. darüber hinaus bis in die fernsten Länder, wo in neuer Heimat Deutsche treu an alter Sitte hallen, allüberall, soweit die deutsche Zunge klingt, wird man dem ersten Reichskanzler an seinem Ehrentage huldigen. Um nun den Veranstaltern von Kommersen uud anderen Festlichkeiten und sonstigen Jnterreffenten diejenigen Erzeugniffe zusammen vorzuführen, deren arcksie bedürfen und für welche Jntereffe vorhanden sein mag, ist im BiSm Verlag, Carl Stange in Frankenberg i. S., ein BiSmarckKatalog erschienen, welcher aut Wunsch überallhin kosten'rei versandt wird. Der BiSmarck-Kataloz enthält für die Festleier paffende Manner¬

chöre, Lieder für eine Stimme, Streichorchester, Militärmusik, Theaterstücke. Festreden Prologe, Gedichte rc; zur Dekoration von Sälen: Büsten, Bilder, Transparent«, Fahnen; zum Schmuck für jeden Teilnehmer an Kommersen rc.: einen geschmackvollen BiSmarck-Schmuck zum Anstecken, Medaillen-Anhänger; zur Verteilung in Schulen: Gedenkschrislen, Gedenl-

blätter und Medaillen; zum öffentlichen Tragen am Festtage: BirmaickStmuck, Medaillen, Erika-Sträußchen, (Lieblingsblume deS Fürsten); für Damen: Nadeln und Broschen; zum Andenken und eventuell zum Schmuck für jeder Zimmer: Schmuckschalen. JubiläumSthaler. RokokoRahmen mit Bismarckkops, große Medaillen für Gemeinden, Sammler. Museen, Schulen, in Silber und unächt, Reliesporlräts aus Holzrahmen, kleine Büsten aus galvan. Zinkguß. Aquarell- und Oelsarbendrucke, Photographieen rc, waS alles ohne Aufenthalt durch obige Firma bezogen sehr werden kann. Jedenfalls wird vielen unserer Leser dieser Katalog willkommen sein, und verfehlen wir nicht, auf den Bezug desselben noch besonders aufmerksam zu machen.

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60

ti. April 1885.

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Historischer

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an

von

G.

Grundier.

(Nachdruck verboten.)

(13. Fortsetzung.)

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zog nun unter seinem weiten Gewände einen zweiten betrlerhaften Anzug hervor und hieß Viktorien in seine Zelle hinaufsteigen und denselben mit der riltermäßigen Kleidung vertauschen, welche er dann dort zurücklassen solle.

alles wieder in die gehörige Ordnung gebracht, möge er aber schleunigst wiederkommen. Kaum eine Viertel¬ stunde genügte, um dies auszuführen, und währenddem zerfloß Elfriede in Thränen. Beim Abschiede war ste wieder gefaßter.

Nachdem

er

„Wirst Du immer an mich denken. Viktorien?" „Ich werde Dich nie vergessen, Elfriede!" Eine stürmische Umarmung, ein letzter Kuß, die krausen Locken Elfriedens noch einen Augenblick mit dem breiten Schlapphut bedeckt, und hinaus humpelte der lahme Bettler mit seinen Krücken, geführt von dem jugendlichen Begleiter. Elfriede durfte nicht folgen. Als sie an der Kirche zwischen beiden Burgen vorüber

Begriff, in der Richtung nach Oldisleben in den einzubiegen, sahen ste den Voigt Albrecht von der herkommen. Er blieb stehen und sah den beiden Hatte er Verdacht geschöpft? Gestalten nach. Indem kam sein großer Wolfshund in weiten Sätzen den Berg herab und sprang unter stürmischen Liebkosungen an ihm hinauf. Ehe sich der Voigt seiner erwehren konnte, Wie wäre es waren die beiden im Walde verschwunden. Morgen hellen am auch denkbar gewesen, daß sein Gefangener

waren, im Hagenwald Unterburg zerlumpten

aus dem festen Gewahrsam entwichen sei! Der Voigt Albrecht von Trebra hatte seinem Freunde Kunz das Schreiben des Komturs der Deulschritter zu Gries-

vorgelegt. Es enthielt im wesentlichen dasselbe, was aus dem Munde des Juden erfahren hatte. Der besonnene Kunz riet, jeden Konflikt mit der Kirche sorgfältig zu vermeiden und den jungen Mann, womöglich schon am anderen Morgen, unter guter Bedeckung nach Walkenried zurückzusenden. Er kündigte Albrecht zugleich an, daß seine Herrin, die Gräfin Adelheid, schon in einigen Tagen zurück¬ kehren werde und ihre Zimmer in Stand gesetzt werden sollten. Auch aus diesem Grunde mußte die mißliche Angelegenheit Kunz hatte gleichzeitig in bald zu Ende geführt sein. Albrechts Namen ein lateinisches Schreiben an den Abt von Walkenried verfaßt, in welchem der Vorgang in dem günstigsten steht

er

schon

Lichte dargestellt wurde.

Voigt Albrecht fühlte

sich

ordentlich erleichtert über die

und als er an der Küche auf deren Herde schon wieder ein tüchtiges Feuer flackerte, rief er Elfriede einige Scherzworte zu. Das hohe Erröten konnte auch auf die Hitze und den Wiederschein des Feuers gedeutet werden. glückliche Beendigung seiner That,

vorüberschritt,

Gegen Abend,

als Eckhardt, der Schließer,

mit den

Knechten zurückkam. begab er sich mit dem Voigt in die Zelle Viktoriens, um demselben sein Schicksal zu verkünden. Der sich angeschlossen, um in heiligem Eifer dem Flüchtling das Sündhafte seines Thuns zu Gemüt zu führen. Wer beschreibt das Erstaunen der drei Männer, als sie die Zelle leer fanden. „Donner und Wetter!" rief der Voigt, „der Vogel ist

Mönch hatte

■«

158

entwischt, und doch habe ich die Schlüssel nicht aus meiner Hand gegeben!" „Hieraus ist kein Entrinnen möglich, gestrenger Herr!" ries Eckhardt, „seht nur die dicken Mauern. Auch sind sie unversehrt. Und durch das kleine, kaum handgroße Luftloch, in welchem noch die eisernen Stäbe sind, hat er auch nicht Da liegen entwischen können. Doch, was ist denn das? Das kommt mir sehr ver¬ seine Kleidungsstücke im Winkel! dächtig vor und geht gewiß nicht mit rechten Dingen zu." „O. Ihr Kurzfichllgen und Verblendeten!" rief der Mönch. „Seht Ihr nicht, wie die allerheiligste Jungfrau selbst den Frevel an der heiligen Kirche gestraft hat? Der abtrünnige Mönch ist von dem Teufel durch die Lüfte entführt worden; die Kleider hat er zurückgelassen." Eckhard untersuchte mit großer Genauigkeit alle Wände und schüttelte halb ungläubig mit dem Kopfe, sagte aber kein Wort, denn an der Existenz des Teufels zu zweifeln, war ein

großes Verbrechen.

Die Mär verbreitete sich rasch in der Gegend, und bald fanden sich auch Leute, welche den Teufel hatten fliegen sehen, wie er den armen Viktorien in seinen Krallen hatte. — Die beiden Flüchtlinge hatten sich beim Eintritt in den Wald sofort von der eingeschlagenen Richtung scharf links ab¬ gewendet und den Weg nach Frankenhausen eingeschlagen. An der Stelle, wo früher die heilige Eiche gestanden hatte, stand wieder einer jener Waldriesen, jetzt zur Bezeichnung der Grenze dienend. Hrer mußten sie einige Augenblicke ver¬ schnaufen, da Pierres Wunden noch nicht eine längere rasche Wanderung gestatteten. In demselben Orte hatte der Ahnherr Viktoriens auch vor achthundert Jahren gerastet nach seiner Flucht aus dem Sachsen¬ hause, und beide schlugen ziemlich denselben Weg ein, den jener ge¬ nommen hatte. Mehrere Tage hielten sie sich entfernt von bewohnten Orten und nächtigten in einsamen Hütten oder

Mühlen.

Dann folgten

sie der

Heerstraße auf dem kürzesten

Wege nach der Heimat. Ihr ärmliches Gewand legten sie nicht wieder ab, obwohl Pierre noch Geld genug hatte, um besseres zu kaufen.

In

Frankreich angekommen, suchten sie zunächst Freunde

Denn obgleich die Pergamente, welche die Ab¬ von Chateaufranc beweisen so blieb die Frage, ob sie auch anerkannt würden. Zudem war das erledigte Lehen schon beim Tode des alten Ritters Henry in die Hände eines Kampfgenoffen des Herzogs Philipp des Kühnen, eines der Vormünder des minorennen Königs von Frankreich, über¬ gegangen. Die Franzosen lebten damals in langandauernder Feindschaft mit den Engländern und hatten schon im ver¬ gangenen Jahre (1385) unter Jngelram von Courey und dem Admiral der Flotte, Johann von Vienne, einen Raubzug nach England ausgeführt. zu gewinnen.

stammung Viktoriens von denen sollten, glücklich gerettet waren,

Auch in diesem Jahre

(1386) war wieder ein solcher in

er mit seinem Diener Pierre unter das Gefolge des Königs Karl VI. aufgenommen wurde. Durch seine in dem Kloster Walkenried gewonnene geistige Bildung stand Viktorien weit über den meisten Standes¬ genossen. Die Trauer um den Verlust seiner ersten Liebe

hatte seinein Wesen

behrlich.

Im Jahre 1388 erklärie fich der junge, nunmehr zwanzig Jahre zählende König plötzlich bei einer Versammlung von Edelleuten und Geistlichen zu Rheims für mündig, übernahm selbst die Zügel der Regierung, entließ drei seiner Vormünder, welche scheußlich im Lande gewirlschaflet hatten, und behielt bloß den vierten, den Herzog von Bourbon, bei fich. Jetzt konnte er auch für seinen Liebling Viktorien etwas thun und gab ihm kurz darauf ein erledigtes Lehen in der Gegend von Verdun, namens Latour. Und so wurde Viktorien der Gründer eines neuen Geschlechts, derer von Latour. Weniger glänzend hallen die Ereignisse auf der Sachsen¬ burg ihren Verlauf genommen. Die ftomme Gräfin Adelheid von Beichlingen war bald nach der Flucht unseres Helden auf dem Oberhause zu Sachsen¬ burg eingetroffen und .bewohnte dieselbe unausgesetzt bis zu ihrem Tode im Jahre 1407, wo sie wieder an ihren Neffen, den Grafen Friedrich von Beichlingen, zurückfiel. Elfriede hatte sich gleich anfangs die warme Zuneigung alten Gräfin erworben und bildete ihre tägliche Gesell¬ schaft. Als der Herbst kam und das Laub des Hagenwaldes fich in alle Farben des Regenbogens färbte, der rote und violette Duft fich auf die Landschaft legte und alle die kleinen, gefiederten Sänger des Waldes fortgezogen waren, saß Elfriede wohl manchmal auf der Sleinbank neben dem Thor. blickte der hinter den Thüringer Bergen in ver Richtung nach Frankreich versinkenden Sonne nach, welche im Scheiden das schöne Thal mit einem goldenen Schleier überdeckte/ und manche stille Thräne rann ungesehen über ihre Wangen und tropfte auf die im Schoße gefalteten Hände. Und als der Winter kam und sein Leichentuch über Berge und Thäler breitete und es recht, recht einsam wurde auf der Sachscnburg, wurden auch ihre Wangen blasser und blasser. Aber keine Klage kam über ihre Lippen. Niemand hatte eine Ahnung von ihrem Leid. Wohl hatte sie vor vielen Monden durch einen fahrenden Minnesänger einen heimlichen Gruß ihres Geliebten erhalten aus Frankfurt, der Kaiseistadt. Aber seitdem war jedes Lebenszeichen erstorben. Der Voigt Kunz von Cölleda war ein oft und gern gesehener Gast auf dem Oberhause; sein ruhiges, ernstes Wesen war der gleichfalls der

ernsten

Gräfin und deren Gesellschafterin ungemein sympathisch.

Als feiner

Berry, der zweite Vormund des Königs, selbst anführen Bei den Vorbereitungen hierzu, welche jedes Interesse in Anspruch nahmen, und bei der Machtlosigkeit des jungen Königs, welcher es mit keiner der Parteien verderben durfte, war an eine Herausgabe des väterlichen Erbes Viktoriens

kommen war.

nicht zu denken.

Doch erreichte dieser wenigstens soviel, daß

von Schwermut verliehen,

Da zudem die junge Königin

Jsabeau eine geborene Deutsche, die Tochter des Herzogs von Bayern war. so kam ihm sein sechsjähriger Aufenthalt in Deutschland im persönlichen Verkehr mit dem jungen Königs¬ paare sehr zu statten, und bald war er demselben unent¬

noch größerem Maßstabe beabsichtigt, welchen der Herzog von

wollte.

einen Hauch

welcher unwiderstehlich anzog.

halte er längst bemerkt, wo das Leiden bet Elfriede saß, indem er ihr Verhalten genau beobachtet hatte, wenn einmal das Gespräch auf Viktorien ge¬ Menschenkenner

Der Mönch, welcher nur kurze Zeit vertretungsweise die Seelsorge hatte, war längst in sein Kloster zurückgekehrt, und der würdige Pfarrer Hermann waltete wieder seines Amtes.

-« Der Winter war verflossen, im Hagen sproßten und Leberblümchen,

schon

die Birken

hatten schon die junge Blätter, während braunen Knospen der Buchen nur eines warmen Regens harrten, um sich zu öffnen. Schneeglöckchen

Im Schlosse saßen die Gräfin Adelheid und der Pfarrer beim Schachspiel, welches im Mittelalter noch verbreiteter war als jetzt. Elfriede hatte lingsplätzchen.

fich

um auf ihrem Lieb¬ wieder der scheidenden Sonne

fortgeschlichen,

der Steinbank,

nachzusehen.

Plötzlich legte fich eine Hand auf ihre Schulter, und eine klangvolle, ernste Stimme sagte:

„Jungfrau, soll traurig ist?" Als fie aufsah,

ich

Euch

sagen,

warum Euer Herz

blickte fie in die wohlwollenden Augen Aber anstatt zu antworten, bedeckte sie das Gesicht mit beiden Händen, und die warmen Thränen rannen durch ihre Finger. Kunz setzte fich neben fie, zog ihr die Hände vom Gesicht und fragte: „Und habt Ihr niemals Nachricht von ihm erhallen?" „Doch, ein einziges Mal, und das ist schon lange her," erwiderte sie schamglühend. „Elftiede,"^ setzte Kunz das Gespräch fort, „Ihr braucht Euch Eurer Herzensneigung nicht zu schämen. Ich bin auch jung gewesen und weiß, wie es thut, wenn man vom Liebsten, was man hat, scheiden muß. Und nun erzähle mir. Kind, recht viel. Mes! Du hast keinen treueren Freund, als mich!" des Voigtes Kunz.

Elftiede erzählte, wie fie Viktorien schon lange gekannt, wie sehr fie ihn geliebt, und auf welche Art er entflohen sei. Kunz zeigte fich teilnehmend und verständnisvoll und munterte fie, immer mehr zu erzählen.

&•-

159

Dich hochhalten wie meine Ehre und Dir ein kräftiger Schutz und Schirm sein in allen Fährlichkeiten des Lebens." „Herr Kunz." erwiderte Elfriede nach einigem Besinnen, „Euer Antrag ehrt mich sehr, und wenn ich nicht schon mein Herz vergeben, so würde ich es niemandem lieber schenken, als Euch, obwohl Ihr beinahe mein Vater sein könntet. Aber Mein Viktorien ich bitte Euch, schont noch meiner Gefühle! könnte ja doch noch wiederkommen." „Gut," sagte Kunz, „ich wrll Dich nicht drängen. Ich werde genaue Erkundigungen einziehen und Dir gewissenhafte Mitteilung machen. Wenn jedoch über ein Jahr keinerlei Nachrichten zu erlangen gewesen, willst Du mir dann folgen

in mein Haus?" „Ja, Kunz, so

ich

will

Euch gehorsam sein und Euch dienen,

lange ich lebe." Kunz begann sofort seine

Nachforschungen

anzustellen.

Das war damals keine leichte Sache. Wenn er auch den Namen und die Gegend, wo das Stammschloß Viktoriens lag. erfahren hatte, so war doch die Hilfe vieler Mittels¬ personen nötig, um nach langer Zeit eine Nachricht zu er¬ langen. Mit Hilfe von Erfurter Kaufleuten und deren Ge¬ schäftsfreunden erfuhr er endlich kurz vor Ablauf des verein¬ barten Jahres, daß Schloß Chaleaufranc schon seit vielen Jahren in anderen Händen sei. Von dem jungen Erben hatte niemand etwas gesehen oder gehört. So wurde denn Elfriede die getreue und folgiame Hausftau des Kunz von Cölleda, und beide Teile haben ihre Wahl nie zu bereuen gehabt. Floß auch in der ersten Zeit noch manchmal eine heimliche Thräne, so versiegte die Quelle gar bald, als ein Häuflein blondlockiger Buben und Mägdlein sie umspielre.

*

er¬

♦ -r-

Als Viktorien mit

dem

Frühjahr

sein neues Heim be¬

Da drang es wie eine Art von Frieden in Elfriedens Herz. Das Bedrückende des absoluten Geheimnisses war von ihr genommen. Sie halte einen Vertrauten, einen Freund gewonnen; es gewährte ihr ein unbeschreibliches Glück, von Viktorien reden zu dürfen — und sie redeten oft und viel von ihm —, Pläne zu machen für die Zukunft oder ihre bangen Sorgen und Zweifel zerstreuen zu lassen von der

fuhr Pierre, daß Elfriede seit einem halben Jahre verheiratet sei. — Da wandte er still sein Roß heimwärts, ohne fich zu melden, und berichtete seinem Herrn. Elfriede sei schon längst

Einsicht eines erfahrenen Mannes.

an der bösen Seuche, der schwarze Tod geheißen, verstorben.

Aber Mädchen.

zogen, sandte er Pierre nach Deutschland, um Kunde einzu¬ ziehen und um wegen Elfriede Riche für ihn bei deren Vater zu werben, denn der junge König Karl konnte ihn selbst nicht der Nähe von Sachsenburg angekommen, er¬ entbehren.

In

Kunz gewann immer mehr Gefallen an dem Das reine, unverdorbene Gemüt desselben, der

(Fortsetzung folgt.)

reiche Schatz warmer Gefühle, die vertrauensvolle Hingebung, welche fie ihm bewies, und die klagelose Entsagung, deren

fie fähig war, gewannen ihr nicht bloß seine hohe Achtung, es begannen fich auch bereits wärmere Gefühle zu regen. Der Sommer war abermals vergangen, ohne daß irgend eine Nachricht von Viktorien an Elfriede gelangt wäre. Doch war sie ruhiger geworden, und ihre Wangen begannen fich nahm schon wieder mit einer zarten Röte zu bedecken. Da traulichen einer eines Tages Kunz ihre Hano, als fie in

Dämmerstunde beieinander saßen, und sagte: „Elftiede, Du kennst mich nun ganz, und ich muß gefür stehen, daß es mir sehr schwer werden würde, einmal entschließen, immer von Dir zu scheiden. Könntest Du Dich bei mir zu bleiben und meine Hausfrau zu werden? Ich Jugend, Anspruch auf die heiße Liebe der mache

keinen

welche ich

Dir

auch nicht zu geben vermöchte.

Aber

ich

will



Havelberg. Bon

Dr. Gustav AUrrortst. (Schluß.)

dieser alten Baulichkeiten erhebt fich der impo¬ der Stolz Havelbergs und der West-Priegnitz sante (S. d. Abb. auf S. 137). Trutzig streckt sich dem Besucher, der fich von Westen her dem Bauwerk nähert, der breite steinerne Unterbau des Turmes entgegen und weist mit seinen

Inmitten

Dom,

schmalen Fensteröffnungen, die Schießscharten ähnlich find, auf Leider entbehrt dieser fernere, kriegerische Zeiten zurück.

Unterbau des Schmuckes der Türme, welche fich einst auf ihm erhoben und um die Mitte des 16. Jahrhunderts beseitigt wurden, und ein Glockenhaus aus Backsteinen, mit einem Dachreiter versehen, nimmt ihre Stelle ein. Zwar vermehrt dieser Aufbau den burgartigen Charakter der ganzen Anlage

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L2---"

Unter Mitwirkung

Frrrrtcrrro. R. göringitler, Professor Dr. ^vcdjer, Dr. A. KrerrdicKe, ®1jeoi»or und G. rr. Wiiderrbrrrrti Krtirvart; Gymnasialdirektor Dr. a. D. Merker, Ferd. W. G. Friedet, Dr.

Stadtrai

herausgegeben oon

Friedrich Lillcffen XXI.

Der

Jahrgang.

„Bär"

19.

und

Richard George.

und erscheint wöchentlich am Sonnabend und ist durch jede Postanstalt sNo. 70y), Buchhandlung beziehen. vierteljährlich zu Zeitungsspedition für 2 Mk. Pfg.

50

II. Mai 1885.

Mus Leutfchkanös Nevgangenlieii oder

Kev Lchlangenving. Historischer o m a tt von ®. Grundier.

(Nachdruck verboten.)

(18 Fortsetzung.)

m anderen Tage wurden die Wagen abgeladen. Was im Haushalt nicht verwendet werden konnte, wurde in einen Speicher gebracht, um später zu Geld' gemacht zu wer¬ den. Die Fuhrleute waren aus Cöln, und. da es Sickingen

mit dem Erzbischof nicht verderben wollte, so wurden sie ent¬ lassen und bekamen noch einen Zehrpfennig mit auf den Weg. Die beiden Gäule der Reisigen erhielten sie als Ersatz für die getöteten.

Der italienische Kaufmann blieb vorläufig im Gewahrsam, Sickmgcn hoffte von ihm noch ein gutes Lösegeld zu erpressen. Um dies auf die möglichste Höhe zu steigern, war es vielfach Gebrauch, den Gefangenen ebenso seine

beiden Knechte.

Der Italiener war daher in ein ärm¬ nur mit einem kleinen Luft¬ loch an der Decke; als Lager diente ihm ein Haufen Stroh in einer Ecke; eine Steinbank, ein steinerner Tisch und der Mittags und Wasserkrug bildeten das ganze Mobiliar. Abends kam der Schließer, brachte die ärmliche Nahrung, aus einem Stück Brot mit Speck bestehend, füllte den Wasserkrug von neuem und entfernte sich wieder, ohne ein Wort zu sprechen oder auf eine der Fragen zu antworten, die schwere, mit

recht hart zu halten.

liches Gemach geworfen worden,

eisernen Buckeln beschlagene Eichenthür schließend.

qualvoll vollbrachten Tagen be¬ mit dem Gefangenen anzustellen, schloß Sickingen ein Verhör und ließ ihn durch zwei bewaffnete Knechte vor sich führen. Er saß mit seinem Freunde Ulrich von Hutten und Felix in einem oberen Gemach in einem der Ecktürme, durch dessen Nach

drei oder vier

so

Fenster man eine wunderbar schöne Aussicht auf die Umgegend

und auf Kreuznach hakte.

„Wie heißt Du?"

herrschte er den Gefangenen an. welcher

an der Thür stehen geblieben war.

„Mein Name thut nichts zur Sache." erwiderte der Italiener, indem er finsteren Blickes einen Schritt vortrat, „aber

Ihr

ich beklage mich

mich erdulden laßt.

über die unwürdige Behandlung, die Ich bin in Eurer Gewalt und kann

mich jetzt besten nicht wehren.

In

meinen Adern fließt aber ich verlange

ebenso gut adelig Blut, wie in den Euren, und ein adelig Gemach und eine bessere Behandlung, weitere Fragen antworte."

ehe ich

auf

hoffärtig und stolz, Mann? Ich dächte, Ihr hättet mehr Ursache, bescheiden und demütig zu sein in Eurer Lage. Doch so Ihr Eure Behauptung beweisen könnt, so soll Euch werden, was Ihr begehrt, denn ich weiß, was ich meinem Stande schuldig bin. Nehmt die Sache, wie sie jetzt ist und Sodann ersetzt Euch sonder Groll und Zwietracht zu uns! Dabei Beweise find!" Eure was nach, zählt uns der Ordnung

„Ei.

so

ihm einen der plumpen, geschnitzten, eichenen Arm¬ stühle an den schweren Tisch, dessen gespreizte Füße ain Boden mit hölzernen Leisten verbunden waren. schob er

Der Italiener setzte sich und goß einen dargebotenen Becher Frankenwein auf einen Zug hinunter; eine lang entbehrte Labung, welche seine gesunkenen Kräfte wunderbar stärkte. „So, nun erzählt uns! Seid Ihr aus Mailand?"

« „Ich

entstamme

Dem Geschlechte

218

derer von Bellamonte,

in Genua ansässig war," begann der Italiener. „Recte!" rief Hutten, „ich entsinne mich, davon gehört zu haben, als ich 1512 in Pavia und Bologna war, wo ich das jus studieren sollte. Hattet Ihr nicht Streit mit der Republik gehabt?" „Ja," bestätigte der Italiener, „und dies war unser Ver¬ derben. Meine Familie war sehr angesehen und begütert, und schon manches ihrer Glieder hat in dem Rat der Stadt Genua gesessen. Wir besaßen einen prächtigen Palast in der Stadt und weite Ländereien in der Umgegend. Die fort¬ währenden Kriege mit den Deutschen und den Franzosen und die inneren Streitigkeiten hatten schon sehr an unserem Reich¬ tum gezehrt. Da wurde mein Großvater von einem Mitglied

welches

beleidigt, und er zettelte eine Ver¬ schwörung an. seinen Feind zu stürzen. Sie wurde verraten, mein Großvater wurde zum Tode verurteilt und seine gesamten Güter wurden konfisziert. Meiner Großmutter war es gelungen, mit ihren Kindern zu entfliehen und nach Mailand zu ent¬ kommen. wo ein Bruder von ihr lebte. Um sich vor den Nachstellungen zu verbergen, legten sie den Adelstitel ab und nannten sich nur Monte. Als ihre beiden Söhne herangewachsen warin, fingen sie mit dem Rest des Vermögens ein Kaufmanns¬ geschäft an. Mein Vater heiratete ein armes adeliges Fräu¬ lein aus dem Geschlecht der Grimaldi, welches eigentlich für das Kloster bestimmt war, während mein Ohm unvermählt blieb. Ihr seht also, daß meine adelige Abstammung rein und unvermischt ist, wenn ich auch jetzt unter dem einfachen Namen Luigi Monte vor Euch stehe." „Gut," sagte Sickingen. „Ich glaube Euch, und so Eure Angaben auf Wahrheit stehen, soll Euch ritterliches Gewahrsam nicht geweigert werden. Ihr müßt jedoch zuvor Euer ritterlich Wort geben, daß Ihr nicht heimlich entfliehen wollt, bis unser Handel beendet ist. Wollt Ihr das?" des hohen Rates tötlich

„Das Wort will

ich Euch wohl geben, wenn es Euch Was nützte mir auch das Entfliehen? Ein Kaufmann hat sein Vermögen in den Waren stecken. Ihr

genügen

kann.

habt einen großen Teil meines Vermögens in den Händen. Wenn ich allen meinen Verpflichtungen gerecht werden will, bin ich ein armer Mann. und es bliebe mir nichts übrig, als ein Buschklepper und Strauchdieb zu werden, wie Ihr und Eure Genossen." „Gemach, gemach, Mann!" rief Sickingen aufspringend.

„Mäßigt Eure Zunge, und dankt es meiner persönlichen Stimmung von heute und der Rücksicht auf Eure üble Lage, daß ich dies böse Wort nicht auf der Stelle strafe," fügte er, indem er sich wieder setzte, hinzu. „Verschlimmert Eure Lage nicht unnötig," sagte Hutten begütigend. „Tempora mutantur, ich selbst habe sattsam des Schicksals böse Schläge empfunden und doch den Mut nicht verloren. Ihr seht die Sache nicht mit den richtigen Augen an."

„Was that

ich

Euch?"

fuhr Luigi Monte fort.

„Wir

haben einander nie gesehen, noch habe ich Euch jemals böses zugefügt. Wie kamt Ihr dazu, mir mein Eigentum zu rauben

und meine Knechte zu schlagen?" „Ich bin doch in regelrechter Fehde mit der Stadt Mai¬ land wegen einer Forderung von 2000 Goldgülden, so ich rechtmäßig erkauft. Ich habe ritterlich Absagebrief geschickt,

8——

und nun mag

Mailand verteidigen,

sich

so

gut es kann.

So

liegt die Sache."

„Ich bin aber nicht Mailand!" rief Luigi. „Wie soll ich wieder zu meinem Eigentum kommen?" „Da müßt Ihr Euch an die Stadt halten." erwiderte Sickingen.

„Wie soll ich

ich mich an die

Stadt halten? Die wird sagen,

hätte vorsichtiger sein und Euer Gebiet umgehen sollen.

Derweil

ich aber

in den Niederlanden und im

Cleveschen war.

von Eurer Fehde nichts gewußt, sonst würdet Ihr gegriffen haben. Es ist gegen alle göttliche und menschliche Gerechtigkeit, wie hier in Deutschland das Rauben betrieben wird, und Ihr seid allzumal Räuber, vornehm und habe ich

mich

nicht

gering!" „Ha, ha, ha!" lachte Sickingen. „Wie das Mäuslein piept, wenn die Katz es in den Klauen hat!" Verlaub, Signore Luigi, da seid Ihr übel belehrt." ins Gespräch, „wenn Ihr uns alle Räuber nennt. Ein Räuber ist nur, wer den Wanderer oder Kauf¬ mann heimlich auf der Straße anfällt und beraubt oder in Dies thut aber der Adel nicht. Er sein Haus einbricht.

„Mit

mischte sich Hutten

kündigt entweder ordentliche Fehde an. wo sich jeder wehren mag, oder er fordert Geld für den Durchzug durch sein kleines Gebiet. Da mag man zahlen. Aergere Räuber sind aber die Kaufleute, so durch Einführung fremder Waren, Gewürze, Seide und ausländischer Kleider das Geld aus Demschland ziehen. Die ärgsten unter ihnen find die aus dem großen Hause Fugger,

denn diese

unterdrücken die andern Kaufleute

ihr Geld, und es ist, als wenn der Weg bloß für sie offen wäre." „So ist es." bestätigte Sickingen. durch

nach

Indien

„Räuber find ferner die Schreiber und Advokaten," fuhr Hutten fort, „denn sie hetzen und verleiten die Leute zu un¬ nützen Prozessen, versprechen Himmel und Seligkeit, so daß von manchem schönen Hof nichts übrig geblieben und alles den Advokaten in den unersättlichen Rachen und Magen gejagt ist. Die tollsten Räuber aber find die Pfaffen. Denn zum hohen Pfaffentum gelangt nur, wer Geld hat, oder solches auflreiben, und wer am besten zahlen kann, wird seiner Sünden am ehesten ledig. Dabei leben die Pfaffen selbst in allerlei Lastern, Saufen. Unzucht und Streilen, und ist fast keiner seines Weibes mehr sicher im Beichtstuhl, wie im Hause. Einer absolviert den andern, und mit einem paar Paternostern wird alles wieder abgethan. Also verwalten die Pfaffen ihre Stellen nicht um der Seelen Heil und Seligkeit, sondern nur um Geld und volnptas. Drum ist es löblich und ein gott¬ gefällig Werk, daß sich die Welt dagegen setzt und wehrt, und der Mönch Maninus Lutherus, der im vorigen' Herbst seine 95 Thesen wider den Ablaßhandel an die Schloßkirche in Wittenberg heftete, ist wahrlich ein mutiger Mann und rechter Streiter Gottes zu nennen." „Recht hast Du, Hutten!" rief Felix, zum erstenmale das Wort ergreifend, indem er mit funkelnden Augen aufsprang. „Der Martinus ist mein Mann, und ich möchte ihm gleich im Kampf zur Seite stehen, wenn es auch meinen letzten Blutstropfen kosten sollte." „Du hast gut gesprochen. Hutten." sagte Sickingen be¬ dächtig. indem er sich in seinen Armstuhl zurücklehnte und einen guten Schluck aus dem Becher nahm, „gut gesprochen.

--s

219

'damit

in unsern actionibus wie immer. Allein wir kommen nicht weiter. Es handelt sich itzo darum, welches Lösegeld unser Gast," indem er sich höflich gegen Lnigi verneigte, „jetzt zahlen

will."

„Von meinem Willen wird gar wenig abhängen, denn größeren Teil an der Handlung. Mit

:

&>

starke

und Felix von Latour war eine und beide umschlang bald das

Zwischen Hutten

einander.

geistige Verwandtschaft,

innigste Freundschaftsband. Oft nahm auch Sickingen Luigi Monte an ihren Besprechungen teil.

oder

Als eines Tages wieder von der Grausamkeit

des

mein Ohm hat den

Herzogs von Württemberg die Rede war und von den Bauern¬

ihm mögt Ihr Euch in Verbindung setzen. Ich sollte ver. meinen, daß Ihr Eure Forderung schon längst beigetrieben haben werdet, da Ihr gleich mich schon andere gebrandschatzt habt und meine Waren Eure vermeintliche Forderung schon allein zu decken vermögen." „Ihr vergeht, Signore." erwiderte Sickingen lächelnd,

unruhen,

„daß ich, gleich einem guten Advokaten, auch meine Kosten in Und schätzt nicht den erforder¬ lichen Unterhalt der Reisigen und meine Arbeit zu gering!" dem Prozesse berechnen muß.

Da Luigi Monte bestimmte Versprechungen wegen der Höhe des Lösegeldes nicht geben konnte oder wollte, so wurde verabredet, der unverwundetr Knecht Gialoma sollte nach

Mailand an Luigis Oheim geschickt werden, um die Forderung Ritters zu überbringen, während der andere, Beppo, seine

des

Wunden pflegen und die Bedienung seines Herrn übernehmen sollte.

„Ihr

werdet es Euch also eine Zeit lang auf der Ebernburg gefallen lasien müssen. Doch sollt Ihr ritterlichen Ge¬ wahrsam haben und an meinem Tische essen; an Euch selbst wird es liegen, ob Euch diese Zeit angenehm oder trübe

verfließt." Beim Scheiden ergriff Felix die Hand Luigis und sagte: »Ich hoffe. Ihr tragt mir's nicht nach, daß ich es war. der Euch fing. und wir werden noch Freunde werden." „Im Gegenteil," erwiderte Luigi. „ich schulde Euch mein Leben. Denn, wenn Ihr den Landsknecht nicht zurück¬ gehalten, mir den Kopf zu spalten, so läge ich heute unter dem Rasen."

Luigi Monte erhielt darauf in einem der Türme ein hochgelegenes, helles Gemach, allerdings mit vergitterten Fenstern, und der Verkehr mit den anderen Rittersleuten war ihm nicht gewehrt. Hutten stand damals auf der Höhe seiner schriftstellerischen Thätigkeit. Seinen vielen Streitschriften reihten sich während seines Aufenthalts auf der Ebernburg eine Menge andere an. Den schon früher erschienenen Briefen der Dunkelmänner (epistolae obscuTorum virorum) folgte ein zweiter Teil, in welchem mit grausamer Satire die Schäden der Zeit, namentlich der Geistlichkeit, gegeißelt wurden, und an welchem Hutten den größten Anteil hatte. Ferner erschienen die fünf

Briefe gegen den Herzog Ulrich von Württemberg und viele andere. Die Schriftsprache der Gelehrten war damals noch ausschließlich das Lateinische, weshalb jeder, der einigermaßen auf Bildung Anspruch machte, es verstehen mußte. Selbst

Erst seit Luther anfing, folgte ihm Hutten als erster nach. Zeitungen gab es noch nicht. Die zahllosen Flugschriften, welche fortwährend erschienen und in Tausenden von Exemplaren durch den Druck verbreitet wurden, mußten die vornehmen Frauen erlernten es.

seine Flugschriften deutsch zu schreiben,

Manche unterhielten selbst eine kleine Druckerei, der rascheren Verbreitung wegen. Die Gelehrten Deutschlands und anderer Länder standen teils in mündlichem, mehr aber in schriftlichem Verkehr mit¬

diese ersetzen.

welche schon 1502 und 1514 stattgefunden hatten, Hutten: „Ich erachte, es seien die verschiedenen Stände als Adel. Geistlichkeit, Bürger und Bauer von Gott eingesetzt und bestellt, um einander zu helfen und beizustehen,

äußerte

sintemal einer nicht alles thun kann, ülanus manmn lavat, die eine Hand wäscht die andere. Wo sollten solche große Bauwerke und Kunst entstehen, so sich nicht viele zusammenthäten und ein jeder nach seinem Geschick thäte. Was ist das für ein böses Werk, daß sie sich einander anfeinden, befehden und Abbruch thun?" „Ich erachte aber doch," rief Felix, „der Bauernstand sei der wichtigste Stand, weil er das Brot und das Vieh schafft, davon alle die anderen Stände leben müssen."

„0

tacuisses, philosopbus mansisses!“ rief Sickingen. „Hast Du auch geredet? Sieh Dir doch unsere Bauern an mit ihren ungeschlachten Sitten, ihrer Dummheit si

und ihrem Aberglauben. werden,

so

Was sollte wohl aus dem Regiment

die Bauern an die Spitze gestellt würden."

„Sie sind erst zu dem gemacht, was sie find, durch tausendjährige Knechtschaft und Verdummung und haben doch Denn Abraham, Isaak und Jakob gar füruehme Ahnen. nur Bauern. waren auch Ich kann mir leichter ein ganzes Land voll Bauern denken, so dumm sie find, als ein Land voll Adelige, die nichts treiben wollen, als ritterlich Wesen und Lustbarkeiten, denn wovon sollen sie leben?" „An Dir ist ein Bauer verdorben, Felix." sagte Hutten. „Ist nur gut, daß Du ein Edelmann geworden bist, denn als Bauernführer möchtest Du den Fürsten gar gefährlich werden."

„Es

und sagt unser Herr Jesus Christus selbst: „Liebet Euch untereinander!" Wo aber ist wohl solche Liebe zu finden? Eitel Haß und Verfolgung. Jeder liebt nur sich selbst. So Du Deinem Nachbar eine steht

doch

geschrieben

Liebe und Gutthat erweisen sollst, heißt es gleich: „Ich habe kein Geld, keine Zeit." So Du aber Dich beleidigt glaubst

und willst ihm schaden, so Haus und Hof kosten soll.

Du alles dran, und wenn es Ergo ist der Haß stärker als die

setzt

Liebe."

„Das wird wohl

so

sein müssen und ist von Gott

in

die Welt gesetzt, denn Kain schlug schon den Abel tot. mein Aber was in der Welt fehlt, das ist die Ge¬ Solche, die Gott hoch gestellt hat, sollen gerecht rechtigkeit.

lieber Felix.

richten, ohne Ansehen der Person. Sieh Dich um im ganzen deutschen Lande, wo findest Du einen von den Fürsten, der Alle find nur auf Ver. gerecht und gottesfürchtig denkt? kann deshalb nur ge¬ bedacht und Macht ihrer größerung

Selbst unser alter Kaiser Max denkt nicht anders. Schon seit Jahren ist er bemüht, die Kaiserkrone seinem Hause zu erhalten und sie seinem Enkel Karl aufsetzen zu lasten."

schehen, daß sie andere schädige» und verderben.

Sickingen erwiderte hierauf: „Sieh Dich doch um, wo findest Du einen, der würdig wäre, diese Krone zu tragen, und kräftig genug, das auseinanderfallende deutsche Reich

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Pr. 52. ane der finnb biß briütn foljiitnlrfigtiß — bis tt selbst, gtirofftn, j»m Pferde Bubi (JllustrationSprobe aur „Wie wir unser Eisern Kreuz erwarbcn", Berlin, Deutscher VerlagShauS R. Bong u. Eo.

Fahuc des 1. Kutaillouß, Kegimrut

Jb August am p-iß de Eaumout.

m

--8 nehmigen

Ihnen

wollen,

so

mache

ich

330

mir ein Vergnügen daraus,

dieselbe zur Verfügung zu stellen, und bitte, unbeschränkt

füllt und mit drei Bataillonen und zwei Husarenregimentern

über meine Dienste zu verfügen."

„Es

macht mich glücklich, Herr Pfarrer, in Ihnen einen wohlwollenden als feinen Mann gefunden zu haben, und mit der Offenheit des Soldaten nehme ich Ihr Anerbieten an, indem ich mit vollem Vertrauen das Leben meines Sohnes in Ihre Hände glaube legen zu können." Beide Männer besprachen noch die nötigen Einrichtungen für die Zukunft, und, obwohl sie politische Gegner waren, so lernten sie sich doch als edle Menschen gegenseitig achten. Der Elsässer Chasseur sollte zur Bedienung des jungen Felix Latour zurückbleiben und denselben später nach einem näher zu bestimmenden Ort geleiten. Der aus Heldrungen herbeigerufene Arzt erklärte, daß die Ueberführung des Patienten nach dem Pfarrhause schon morgen oder übermorgen stattfinden könne. Der Kapitän Latour verabschiedete sich gegen Abend und eilte mit mehreren Reitern dem bereits mit den übrigen vorangegangenen Lieutenant nach. ebenso

(Fortsetzung folgt.)

General Johann Jakob Wunsch. Von Generalmajor

(I. Es

ist

nicht

z.

D.

Df. t». Pfister.

Fortsetzung.)

meine Absicht,

den Zügen

des Generals

in den Jahren 1758 und 59 zu folgen. Alle seine Thaten find in den verschiedenen Schriften über den sieben¬ Wunsch

jährigen Krieg beschrieben, wie auch zu ersehen aus den Werken Friedrichs des Kroßen uud dessen politischer Korre¬ Nur einzelnes sei hervorgehoben. spondenz. Während des Kriegsjahres 1758 focht Wunsch mit den Seinigen im Gebiet von Hildesheim, in Sachsen und Böhmen. Zu Anfang des Jahres 1759 stand er bei der Armee des Prinzen Heinrich als Führer der Avantgarde an der Spitze von 5 Bataillonen und 5 Schwadronen. Es galt, einen Ein¬ fall in Böhmen auszuführen. Bei Nollendorf mutzte er rasch mit seiner Avantgarde durchstotzen und drang bis Budin und Eger vor. Hierüber wird berichtet: „Das einzige Freibataillon von Wunsch hat in der Gegend Budin zwei österreichische Regimenter mit solchem Succctz angegriffen, daß, nach einigem gethanen Widerstand und er¬ littenem ansehnlichem Verlust solche sich retiriert und den Preußen das Feld geräumt haben." Unter dem Kommando des Prinzen Heinrich stand Wunsch auch beim Einfall in Franken, der bis nach Hof und Bam¬ berg führte. Dem König berichtet der Prinz über Wunsch und seine Thätigkeit: „dont j® rr® puis paz assez louer la valeur, le genie et la capacite“. Am 11. Juli 1759 war Wunsch zum Oberst befördert worden und sah sich bald darauf mit seinen leichten Truppen vom König nach der Mark berufen. Die dem jungen Freischarenführer vom Prinzen Heinrich gezollte Anerkennung und die an den Tag gelegten Fähigkeiten bewogen den König, ihn schon am 9. August zum Generalmajor zu ernennen. So ist Wunsch nur vier Wochen Oberst gewesen.

Es begannen

sich

unglückliche Ausgang alle Hoffnungen des Königs zu zerstören schien, hatte Wunsch den ihm speziell gewordenen Auftrag er¬

die Mafien zur Entscheidungsschlacht

zusammenzuziehen. Bei Kunersdorf wurde am 12. August das Schicksal des Sommerfeldzuges entschieden. Während der

Frankfurt an der Oder weggenommen, die russische Besatzung zu Gefangenen machend. — Vom Abend des unseligen Tages ist der berühmte Brief des Königs datiert, den er an den Grafen Finckenstein richtete: „Ich bin mit meinen Hilfsmitteln zu Ende; ich halte alles für verloren. Den Untergang meines Vaterlandes überlebe ich nicht." — Die vollständige Unthäiigkeit der

beiden Gegner,

der Russen und Oesterreicher,

der König freilich nicht voraussehen können.

Rettung.

Mit

dem

hatte

Sie wurde seine

Morgen des 13. August begann er die

auseinandergebrochenen Heeresteile zu sammeln. Wunsch allein

verfügte noch über fast unversehrte, am Unglückstage siegreiche, bewegungsfähige Truppen. Er stieß noch vor Tagesgrauen bei Reilwein zum König. Dieser gedachte, seine Truppen bei Fürstenwalde zu sammeln, und schickte den General Wunsch

dahin voraus, um den Sammelplatz gegen die Streifereien des Gegners zu decken. Der Kriegsrat und Geheimsekretär Coeper schreibt aus Reitwein vom 15. August an den Etats¬ minister Finckenstein:

„de compte que Votre Excellence sera dejä informfe, que le Eoi a donne ordre au generalmajor de Wunsch de marclier avec quelques Bataillons et de la cavalerie pour couvrir Berlin II s’est mis en marche hier et pourra etre vers ce soir dans les environs de Fürstenwalde, pour pouvoir se porter en cas de besoin sur Koepenick.“ Da kam die weitere Nachricht aus Sachsen. Wittenberg imb Torgau seien von den Oesterreichern genommen, Dresden werde bedroht. In der That glaubte Graf Daun, daß nach dem Siege bei Kunersdorf für ihn der günstige Zeitpunki ge¬ kommen sei, uni einen Lieblingsgedanken zur Ausführung zu bringen, die Eroberung von Dresden. Die Reichsarmee unter dem Herzog von Zweibrücken sollte die Stadt belagern, die österreichische Armee

aber durch eine Reihe von Posten diese Thätigkeit decken. Das war die Lage, aus welcher heraus der König den General Wunsch von Fürstenwalde an der Spitze eines selbständigen Korps von 10 Batalllonen und 8 Schwadronen entsandte, mit dem allgemeinen Auftrag, den Operationen der Reichsarmee Einhalt zu thun, im ein¬ zelnen aber aus eigene Faust zu handeln, Wittenberg und Torgau wieder wegzunehmen. Dresden zu ersetzen. Damu betrat der junge General seine ruhmvolle Laufbahn als selbst¬ ständiger Heerführer. Der Marsch führte über Köpenick und Wusterhausen nach Luckenwalde; am 27. August stand Wunsch vor Wittenberg. Fleißig sandte er seine Berichte ein über Stärke, Thätigkeit und Absichten des Feindes. Schon am 17. August hatte ihm der König befohlen: „Ihr müsset hinfüro, da Ich nunmehr von Meiner Unpäßlichkeit wiederum hergestellet bin, Euere Berichte Mir immediate abstatten." — So stand General Wunsch erst, mals mit seinem Korps direkt unter dem Kommando seines Königs; bis daher war er zunächst dem General v. Finck, Prinz Heinrich und anderen Heerführern unterstellt gewesen. — Ein Schreiben des Königs aus Fürstenwalde besagt: „Ich überließe ihm die ganze Expedition. Nach itzigen Umständen, glaube Ich, würde wohl der Anfang bei Witten¬ berg sein müssen und wünschete wohl, daß er schon Geschüz

-8

331

Die Bataillons aus Wittenberg über¬ ließe seiner Disposition, um sie wieder in Wittenberg als Garnison zu legen. Aber weilen in der Garnison Leute von Ferme!« sein müssen, möchte einen Offizier bei die Bataillons aus Magdeburg halte.

choifiren,

so

ferme,

aber capable wäre,

welcher sich nicht zu

Pardon ergebe."

Er glaube nicht, schreibt Wunsch, daß er vor Wittenberg Artillerie nötig habe; er gedenke auch ohne solche fertig zu werden. Der König kenne aber das Verfahren der Oester¬ reicher in hiesiger Gegend; er möchte deshalb anfragen, wie er sich in Sachsen zu verhalten habe. »Ich seze mein ganzes Vertrauen auf ihn." antwortete „Laudon, Haddik und Beck sind hier, also hätte König; der schwere

dort nichts von ihnen zu besorgen, also könnte er seine Sachen dort tranquille machen und muß an den Feind ge¬ denken, den er vor sich hat." Wunsch machte rasche Arbeit; schon am 28. August konnte er dem König die Kapitulation von Wittenberg über¬ senden. Aus Fürstenwalde antwortete Friedrich: „Ich dankte für die erste gute Zeitung, die Ich in ein Jahr gekriegt hätte." Endlich wieder ein Erfolg nach dem Unglückstag von Kuners¬ dorf. — Mit zwei Regimentern Infanterie, zwei Grenadier¬ bataillonen, mit Husaren und Dragonern steht Wunsch schon am 30. August vor Torgau; wenn dieser Platz sich so rasch ergebe wie Wittenberg, so wolle er vor Dresden rücken und dem Herzog von Zweibrücken einen Strich durch die Rechnung machen! Rach kurzer Beschießung wird in Torgau Chamade geschlagen und am 31. dem Kömg die Kapitulation zugesandt. Weil sie mit Brand verschont worden sei, erklärte die Stadt entrichten. sich bereit, dem Korps Wunsch ein Douceur zu dato noch so gut ginge." es bis daß „Es wäre mir lieb, schwerste Ende schreibt der König aus Fürstenwalde. „Das wäre noch vor ihm: die Oesterreicher aus Dresden zu jagen, würde Mühe kosten. Von dieser Seite wollte ich wohl decken, daß nichts von Laudon und Haddik hinkommen könnte." er

Mit Aufbietung

aller Kräfte eilte jetzt Wunsch zum Ent¬ Dresden; am von 5. September traf er vor Dresdensätze Neustadt ein. Erfolg konnte er nicht mehr haben; am Tage vorher hatte Graf Schmettau die Stadt übergeben. Allein

war mit dem festen Entschluß gekommen, die Stadt wiederzunehmen. So griff er unverweilt an und warf den General Maquire in die Neustadt zurück. Weiter vermochte er mit seinen ermatteten Truppen nicht zu kommen. „Die vorzügliche Bravheit, mit der gefochten wurde," sagt Tempelhoff, „verdient um so mehr Bewunderung, als die Bataillone, die Wunsch unter sich hatte, größtenteils aus Aus¬ ländern bestanden. Dies ist ein Beweis, daß General Wunsch die Kunst, den Soldaten zu führen und seine Zuneigung zu gewinnen, vollkommen in seiner Gewalt hatte." Wunsch

Indessen kommen schlimme Nachrichten von T o r g a u; Oesterreicher und Reichsarmee zeigen sich in der Nähe. Wunsch eilt zurück; am 8. September schreibt er aus Torgau: „Gestern ist ein Oberst vom Baden-Baden-Regiment, Graf Truchseß, hier gewesen und forderte im Namen des Herzogs von Zwei¬ brücken die

Stadt auf,

Zeit, daß

ich

Es war also höchste Wunsch will den Feind sofort

sich zu ergeben.

gekommen."

zur Stelle und griff am 8. Sept. die an Zahl zweimal über¬ legenen Neichstruppen so nachdrücklich und mit solchem Geschick an, daß er sie nicht allein von Torgau abschlug und diesen nach dem Verluste von Dresden für die preußischen Operationen doppelt wichtigen Platz behauptete, sondern auch das feindliche Dies war die erste Lager und acht Kanonen erbeutete. Waffenthat, welche Zeugnis ablegte, daß aus der preußischen Armee der kriegerische Geist noch nicht entwichen war. Wunsch bahnte damit dem Könige den Weg zur Wiedereroberung Sachsens."*) Im einzelnen verlief das Gefecht etwa so: Der General St. Andrs stand mit den Reichstruppen und Oesterreichern vor Torgau, dieses bedrohend. Seine Stärke wird verschieden angegeben; etwa: 7 Reiter-Regimenter, 2000 Kroaten, 9 Grenadierkompagnien. 10 Bat. Musketiere, ungefähr 14000 Mann. — Zunächst schickte er einen Trompeter in die Stadt mit der Aufforderung zur Uebergabe. Wunsch war mit seiner Avantgarde schon in nächster Nähe und ließ sagen: in ein

paar Stunden Seinen rechten den linken an Kroaten besetzt

man

entscheidende

Antwort sagen. —

Flügel hatte St. Andrs an den großen Teich, die Höhen von Zinna angelehnt, die mit waren. Der von Siztiz herabkommende Bach durchschnitt die Stellung und hinderte die Flügel, sich gegen¬ seitig zu unterstützen. Diese Schwäche erkennend, ging Wunsch an der Spitze von 7 Bataillonen und 8 Schwadronen sofort zum Angriff vor. Des Feindes rechten Flügel ließ er nur beob¬ achten und attackierte heftig seinen linken.

Nach kurzem Gefecht

„Wunsch wich der Feind in Unordnung vom Schlachtfeld. umsichtiger General, und zeigte sich hier als entschlossener und trug durch sein Benehmen nicht wenig dazu bei. dem Könige die Wiedereroberung Sachsens vorzubereiten."**) Aeußerst befriedigt sprach sich der König über die Thätig¬

„Wenn kein Unglück geschieht, kriegen wir Dresden richtig wieder." Dem Generallieutenant v. Finck that der König zu wissen: keit des Generals aus.

Euch hier beigehend einen Bericht des aus welchem Ihr dessen erhaltene Wunsch, Generalmajor von Avantage über die sogenannte Reichsarmee ersehen werdet.

„Ich communiciere

Ich weiß übrigens nicht, warum

Ihr

heute bei den Euch be-

wußten Umständen Ruhetag gemacht. Ihr müsset vielmehr suchen, Euch bald mit dem Generalmajor von Wunsch zu konjungiren, da Ihr Euch dann die gegründete Hoffnung machen könnet,

den Feind,

ehe er

haben, über den Haufen zu stoßen.

wird recht rekolligirt Man muß bei dem guten sich

Succeß von Wunsch keine Zeit verlieren, um daß man davon

profitiret." Benehmen des Generals Wunsch bei diesen Vor¬ gängen," sagt Tempelhoff, „entsprach vollkommen dem Ver¬ trauen, das der König in ihn gesetzt hatte. Bisher hatte er leichter Truppen ausgezeichnet, sich nur als geschickter Anführer

„Das

jetzt aber zeigte er sich

als ein General, der Thätigkeit. Ent¬

schlossenheit. Kühnheit und ein ganz vortreffliches militärisches Auge mit Gründlichkeit in der Anlage seiner Entwürfe und

großer Geschicklichkeit in der Ausführung

derselben

zu ver¬

binden wußte."

Sein eigenes Lager nahm der Sieger zunächst bei Zinna;

attackieren.

„General St. Andre erschien von Leipzig her vor Torgau. um den Platz wieder zu nehmen. Aber Wunsch war schleunigst

werde

*) Schaefer

**)

stabs

HI

Gesch.

175 .

II.

326 f. -c. des siebenjährigen Kriegs von den Off. d. Gr. General¬

•«

332

das Lager der entflohenen Gegners war den Soldaten preis¬ gegeben, welche ihre Beute an den Meistbietenden verkauften.

Unter den Gefangenen, welche Wunsch bei seinem Siege sich auch Leute vom der Reichs¬ Württemberg, das einen Bestandteil Regiment armee bildete. Wiederholt stand Wunsch bei seinen Unter¬ nehmungen in Sachsen den eigenen Landsleuten gegenüber. Der Riß, den der siebenjährige Krieg durch das ganze deutsche Volk gezogen, wird besonders deutlich veranschaulicht durch die Art und Weise, wie sich gerade die Württemberger Auf der einen auf die beiden feindlichen Lager verteilen. Seite die beiden unstreitig tüchtigsten Heerführer aus schwäbi¬ schem Stamm, der Herzog Friedrich Eugen und General Wuns ch mit Tausenden von Landsleuten, welche teils in zwei Regimentern die 1741 von Württemberg an Preußen überlasten worden waren, standen, teils als Freiwillige in anderen Truppenteilen und in den verschiedensten Stellungen. Ihnen gegenüber, auf der Seite Oesterreichs und Frankreichs, finden wir gewistermaßen das offtzielle Württemberg, das sein Kontingent zur Reichsarmee gestellt, aber zugleich noch gewaltige Anstrengungen gemacht hatte, um herzogliche Haus¬ truppen gegen Subfidienzahlung für Frankreich aufzustellen. Halb widerwillig, häufig in offenen Trotz und Rebellion aus¬ brechend, folgten sie, meist von Nichtwürttembergern angeführt, den fremden Fahnen. Denn in Württemberg war man „fritzisch* gesinnt; man bewunderte den großen König und feierte seine Siege. Dem regierenden Herrn von Württemberg, dem Herzog Karl Eugen, war bei allen sonstigen Talenten jede Begabung als militärischer Organisator und Führer durchaus versagt. Dennoch stellte er sich in mehreren Feldzügen an die Spitze, umgeben von harmlosen Federbüschen, die groß geworden waren in militärischer Kinderstube. So konnte es nicht fehlen, daß die Württemberger des preußischen Dienstes oftmals die engeren Landsleute in fliehenden Haufen vor sich hertrieben.

in die Hände gefallen waren, befanden

(Fortsetzung folgt.)

Die Kreisstadt Seelow. Milhelrn Ant. Megoner.

Von

Das Städtchen Seelow im Kreise Lebus liegt auf einer welche das Oderbruch im Westen begrenzt. Von

Anhöhe,

hat man eine prächtige und weite Aussicht über das Ober- und einen Teil des Mittelbruchs in einer Länge von 45 Kilometern, von Reitwein bis Neuenhagen; und eine große Zahl reicher Dörfer, viele Zuckerfabriken, Brennereien und einzelne Gehöfte bilden hier ein reizendes Panorama. Der Name der Stadt ist wahrscheinlich von den sechs kleinen Teichen abzuleiten, welche früher innerhalb der Stadt lagen und in der Mark „Sülle" oder „Siele" genannt wurden. Die erste geschichtliche Nachricht über Seelow ist in einer Urkunde vom 24. April 1252 enthalten. In einem Vergleich, welchen der Erzbischof Wilbrand von Magdeburg mit dem Bischof Wilhelm von Lebus abschloß, werden die „Dörfer" Seelow und Wuhden und die Stadt Drosten mit Göritz und Gohlitz als Besitzungen des Bistums Lebus genannt (Riedels 6cd. diplom. Brand. A, XX, 184). Bald darauf aber wurde Seelow eine Stadt, denn am 15. März 1278 stellte der Lebuser Bischof folgende Urkunde dieser Anhöhe

fr„Wir Wilhelm,

von Goties Gnaden Bischof von Lebus, zugleich mit seinem Kapirel, bezeugen mit dem Inhalt der vorliegenden Urkunde, daß wir unsere Stadt Seelow nicht zum Nachteil der Magdeburger Kirche oder ohne ihre Erlaub¬ nis von uns fortgeben wollen. Zum Zeugnis hierfür haben wir die vorliegende Bescheinigung mit unseren und unseres Domkapitels Siegel vollziehen lassen. Ausgestellt in Magde¬ burg am 15. März im Jahre des Herrn 1278." In dieser Urkunde haben wir einen ?-satz für das fehlende Gründungs¬ dokument der Stadt Seelow. Die Geschichte von Seelow, welches nie Thore, sondern nur Thorschlagbäume und auch keine Mauern gehabt hat. ist ungemein einfach. In den Kämpfen des Markgrafen Ludwig wurde auch die bischöfliche Stadt Seelow von dem Hauptmann Heinrich von Wulkow belästigt (Riedels Cod. A, XX, 212); im dreißigjährigen Krieg überfiel der Oberst Eyrenberg von Burgsdorf mit seinen Reitern im Jahre 1634 in Seelow den Kaiserlichen Obersten Wins, und besten Reiter konnten sich nur mit Zurücklassung ihrer Pferde retten (Bär, IX, 549); im siebenjährigen Kriege wurde die Stadt am Den Prediger 17. August 1759 von Kosaken geplündert. Zietelmann drohte man bei dieser Gelegenheit mit einem Strick zu erwürgen, dem Bürgermeister Trübner wurde eine Pistole auf die Brust gesetzt und ihm sein Geld abgepreßt, der Ziesemeister Gruß und andere Personen mußten bei den Pferden herlaufen und sich herumschleppen lasten. Kirche und Gotteskasten wurden beraubt, die Armengelder gestohlen. Besser erging es den Seelowern in den Jahren 1806—1815 während des Aufenthaltes der französischen und später der russischen Truppen, wie dies aus der Schilderung in den „Beiträgen zu einer Chronik der Stadt Seelow von A. F. Karstedl" (Seelow. 1878) hervorgeht.

aus:

Das Hauptgebäude der Stadt ist die 1830—1832 er¬ baute Kirche, deren Turm erst 1837 vollendet wurde. Die ältere Kirche war ein gotischer Bau, dessen Gewölbe auf zwei starken Pfeilern ruhte; die Südseite des Turmes stürzte am zweiten Weihnachtsfeiertage im Jahre 1820 gleich nach der Predigt ein. In dem jetzigen Kirchturm hängen drei Glocken.

I.

Die große Glocke wurde 1791 in Berlin von F. Thiele „C. F. Baath. umgegossen und hat folgende Inschriften: Oberamtmann. I. C. Luger, Prediger, F. E. Ockel, Bürger¬ meister. I. F. Hurte, G. Henze, Gerichts-Assessoren. C. F. Nüsse, Weinberg, M. Schilling. Stadtverordnete. G. Jrmschleer, M. Wurl, G. Schütze, Kirchenväter"; über diesen Namen: „Gott allein die Ehre. Psl. 66 Vers 12". unter den¬ dann ein Reifen, selben ein Kranz von Blumenkörben, wieder mit der Inschrift: „Gott allein die Ehre", darunter „Auch der eine Borte und unterhalb dieser die Worte: spätesten Nachkommenschaft sage dieses Denkmal, daß 1630 der dritte Teil und 1788 den 8. Februar abermals 72 Häuser und ebensoviel Scheunen und Ställe dieser Stadt ein Raub der Flammen geworden. Seelow, den 6. Juli 1791." Die mittlere Glocke ist ähnlich wie die große verziert und hat die Inschrift: „Gott allein die Ehre. 1. Samuel. 7 Vers 12." Auf der kleinen Glocke liest man: „Verbum domini manet in aeternum. Anno jubüäo 1630. Michael Pascha Präpositus ätatis suae LI. Pranciscus Dubois me fecit.“ Deutsch: „Gottes Wort bleibt in Ewigkeit. Im Jubiläumsjahr (der Augsburger Konfession) 1630, Michael

I.

■ta

333

Propst, tm Alter von 51 Jahren. Franz Dubois Darüber ein Wappen, in demselben eine Glocke. In der Kirche befinden sich rechts und links von dem Altar in die Wand eingelassen die beiden Grabdenkmäler des Predigers Freilinghausen (f 1741) und seiner Gattin, auf welchen das Porträt dieses Geistlichen und eine Abbildung des früheren Seelower Pfarrhauses von einigem Wert find. Auch die alte Stadtkirche, nach einer 1813 von F. W. Feller entworfenen Zeichnung von dem Hehrer Tschaulsch, dem Vater des bekannten Malers Albert Tscha^ch, gemalt, betrachten wir hier mit Interesse. Bemerkenswert find ferner die an den Wänden der Kirche hängenden sechs Gedächtnistafeln, welche die Namen der in den Kriegen von 1806, 1813—1815 und 1870—1871 gefallenen und der nach und nach verstorbenen Krieger der Seelower Gemeinde enthalten. Die Kirche selbst ist im Innern sehr freundlich und hell; im Osten, parallel mit der Apsiswand, zieht sich hinter dem Altar bis zur Höhe der Decke im Halb¬ kreis eine Holzwand her, aus welcher über dem Altar die Kanzel mit der Kanzelthür und dem auf blauen Säulen ruhenden Baldachin hervortreten. Zwei auf dorischen Säulen übereinander erbaute Emporen an den Seitenwänden und die klangvolle Orgel der Kanzel gegenüber find, ebenso wie die Bänke im Schiff, weiß angestrichen, zur Verzierung ist an einigen Stellen nur Vergoldung angewendet. Für die Heizung Pascha.

goß mich."

der Kirche dienen zwei größere eiserne Oefen.

In der Nähe der Kirche, in der Berliner Straße, liegt das 1859—1860 neu erbaute geräumige Pfarrhaus. In der in der ersten evangelischen Zeit war Die Seelower Pfarre mit einer Propstei verbunden. Simon Pascha, Namen der evangelischen Pfarrer sind: Becker, 1560—1602, ein bekannter märkischer Dichter („Bär". XX, 494), dessen Sohn Michael Pascha, 1602—1652, dessen Schwiegersohn Hindenberg, 1652—1671, Kien schaff. 1672 bis 1718, Freilinghausen. 1718—1742, Zietelmann, 1742—1767, Löbach, 1767—1789, Luger, 1789—1792, Hermes. 1793 bis katholischen und auch noch

die

1797, Gutbier. 1797— 1832, Wegener, 1832—1854. Nach Wegeners Tode wurde die Parochie geteilt, die Dörfer Altund Neu-Langsow, bis zu dieser Zeit zum Kirchspiel gehörig, erhielten einen eigenen Geistlichen und die Stadt Seelow mit den Dörfern Zernikow, Werbig und den Ausbauten oder „Losen" im Bruch einen Oberpfarrer und einen Diakonus. Oberpfarrer waren Engels, 1856—1870, Kriele, 1870—1877, Bamler, welch letzterer 1890 starb und den 1891 zum Super¬ intendenten der Diözese Frankfurt an der Oder II. ernannten früheren Alt-Glietzener Prediger Feldhahn zum Nachfolger hatte.

Der städtische Friedhof lag in früherer Zeit um die ein zweiter kleiner Kirchhof aber um eine zu Anfang unseres Jahrhunderts abgetragene Kapelle au der Wriezener Straße. Dieser kleine Kirchhof wurde eingeebnet, und auf ihm erbaute man in den Jahren 1837—1838 das neue Schulhaus mit zwei Seitenflügeln. Der jetzige Friedhof, im Westen der Stadt, ist im Februar 1813 angelegt. Auf demselben steht eine in neuerer Zeit erbaute Kapelle. Seelow war schon in alter Zeit eine ackerbautreibende Stadt, deren Feldmark 60 Hufen auf der Höhe hatte. Den größten Teil dieser Hufen bewirtschafteten die 26 Ackerbürger, deren Zahl Stellen derart verminderte, daß zu sich jedoch durch das Zerteilen der Anfang dieses Jahrhunderts nur noch 20, im Jahre 1878

Kirche,

nur

noch 5 Ackerbürger vorhanden waren.

Neben den Acker¬

bürgern gab es in der Stadt 76 Mittelbürger, welche meist dem Handwerkerstand angehörten, und eine Anzahl Klein¬ bürger. Außer den 60 Höhenhufen besaß die Stadt im Bruch noch 47 „Wasserhufen". Von diesem Bruchlasid erhielten beim Beginn der Separation im Jahre 1811 zuerst drei Mittelbürger ihren Anteil und erbauten sich dort an der Neu-Langsower Grenze ihre Hofstellen. Als dann im Jahre 1820 das ganze Bruchland separiert wurde und jeder

Mittelbürger etwa 26 Bruchmorgen

bekam, zogen andere nach,

und im Jahre 1878 waren schon 28 „Ausgebaute" vorhanden, die „Seelower Lose" bildeten. Für ihre Kinder ist eine eigene Schule eingerichtet worden. Die Kleinbürger

welche

erhielten

von

dem

Bruchland nur

jeder

etwa

3,

die

etwa 40 Morgen, die letzteren bei der Separation der Höhenfeldmark im Jahre 1839 noch dazu etwa 100 Morgen auf der Höhe. In älterer Zeit war wohl In den „Beiträgen zu einer wenig Ackerland im Bruch. Chronik der Stadt Seelow" bemerkt Karstedt hierüber: „Es gab hier nur Aufhütung und Wiesenwachs, bis die Oder mehr eingedämmt und verschiedene Abzugsgräben angelegt waren, auch das Wasser überhaupt einen niedrigeren Stand einnahm. Sobald Hochwasser in Aussicht war, mußten die hiesigen Bürger, sowie alle Dörfer des Bruches, nach der Zahl ihrer Dammruten. Dünger nach den Oderdämmen fahren, um die Das Vieh wurde vor der Separation Gefahr abzuwenden. täglich gemeinschafilich zur Hütung ausgetrieben. Da war der Waiker (Pferdehüter), welcher seine Herde schon bei An¬ bruch des Tages mit der Peitsche zusammenknappte, dann kam der Kuhhirte, welcher auf seinem langen Horn die schönsten Töne hervorbrachte, und endlich der Schweiner (Schweinehirte), welcher gleichfalls auf seinem Horn seine edlen Pensionäre zum Ausrücken aufforderte. Am Abend trieben der Kuhhirte und der Schweinehirte ihr liebes Volk bis zum Eingang der Stadt, und jeder ließ dann seine Schützlinge ihr Quartier selbst Ackerbürger

was unter Grunzen und Blöken nach einer ohren¬ zerreißenden Melodie geschah. Die Pferde blieben bei warmen Nächten auf der Weide, und wer am Tage sein Gespann brauchte, mußte es auf der Waike (Weide) aufgreifen lassen, wobei sich der Herr Waiker beritten machte. Das erste Melken der Kühe wurde vor dem Austreiben besorgt, dann gingen die Frauen und Mädchen um die Mittagszeit mit ihren Kannen, auf dem Kopfe breite Hüte, nach der Weide und holten die Milch herauf; abends wurden die Kühe zum Nach der Separation ist die Stalldritten Mal gemolken. eingeführt worden, und nur das allgemein ziemlich füttemng Rindvieh wird im Anfang des Frühjahrs und nach der Ernte, suchen,

indes von jedem einzeln, ausgetrieben."

Seelow war in früherer Zeit auch ein lebhafter Markiort, besonders für Pferdehandel, und bis zum Jahre 1348 ging über Seelow und Quilitz, dem jetzigen Neuhardenberg, die Landstraße, welche dann über Müncheberg gelegt wurde. Die Lebuser Bischöfe besaßen in Seelow ein Vorwerk mit einem Weinberg, welches das Hütungsrecht auf den städtischen Ländereien hatte und jetzt eine Domäne ist. Für dieses Vor¬ werk mußten die Ackerbürger wöchentlich vier Tage mit dem Gespann dienen, die Mittelbürger aber hatten einen Tag wöchentlich Handdienste zu leisten, und die Kleinbürger mußten spinnen. Die Domäne hat 453 ha Größe und wird von dem

Amtsrat Böthe verwaltet.

■«

834

Das Aeußere der Stadt ist freundlich und ansprechend. Meist massive ein- und zweistöckige Häuser, mehrere geräumige Plätze, darunter der Marktplatz, auf welchem bis 1759 das alte Rathaus stand, und zum Teil breite und gerade Straßen machen Seelow mit seiner schönen Umgebung und seinem regen Vereiusleben zu einer verkehrsreichen Kreisstadt. Die Seelower Straßennamen sind ähnlich wie in anderen märkischen

— eine

Städten, es giebt hier eine Berliner-, Küstriner-, Frankfurter-, Wriezener-, Breite-, Mittel-, Hinter-, Große und Kleine Kirch-, Mühlen- und Roßstraße. Ein gutes Tableau „Seelow im Jahre 1893" mit 16 Ansichten, Freihandzeichnung von Ehreg. Zschille in Großenhain i. S., ist im Verlag von Max Engemann in Seelow erschienen.

Kleine Mitteilungen. Majar: Graf Krtilippontract) am Kais i>c Kugeln nieder.

(ffiawmont. ist

fr-

Unsere heutige Illustration Gemäldes von G. Koch „Major

(6. Abbildung auf S. 329).

Wiedergabe der prachtvollen

Schlippenbach nimmt die Fahne des >. Bataillons, Regiment Nr. 58, aus der Hand der niedergestreckten dritten Fahnen¬ trägers — bis er selbst getroffen vom Pferde sinkt." Die Illustration ist dem Lieferungs-Prachtwerk „KriegS-Erinnerungen. Wie wir unser Eisern Kreuz erwarben" (vollständig in 15 Liefe¬ rungen ä 50 Pfg.) entnommen, daS im Verlage deS Deutschen VerlagShauseS Bong u. Co., Berlin W. 57, erscheint, und auf daS wir

bereits empfehlend hingewiesen haben. Im Gegensatz zu anderen Pracht¬ welken, die zum Jubiläum der Jahre 1870/71 erscheinen, handelt eS sich bei dem Bongschen Unternehmen nicht um e ne Schilderung der Kriegserelgnisie im großen, sondern um eine Ubbafte Darstellung der einzelnen Heldenthaten, denen wir nicht zum geringsten Teile die Erfolge jener in der Geschichte einzigartigen Feldzuges verdanken. Mit Recht sagt der Herausgeber, Generalmajor z. D. Freiherr Friedrich von DincklageCampe, in dem Vorwort: „Die Geschichte kann nickt aller Männer gedenken, die ruhmvoll mitgewirkt haben in blutigen Schlachten, die in heldenhaften Einzelthaten zum Siege beitrugen, die gleichsam die Sleine herbeitrugen zum Fundamente des festen Mauerwerkes, das mit deutschem Blute gekittet wurde und an dem nun und nimmermehr gerüttelt werden soll. Sollen sie aber vergeflen werden — die mutigen Handlanger? Ist es nicht ein patriotisches Werk, den Söhnen zu erzählen von den Thaten ihrer Väter, der Männer, auf die noch spätere Geschlechter mit Stolz zurückblicken werden? Muß das Beispiel der Alten nicht begeisternd auf die Jungen wirken, wenn auch an sie die Ehrenpflicht herantreten sollte, für Vaterland und Kaiserthron die Waffen zu erheben?" — Ja, eS ist ein patriotisches Werk, auch der einzelnen Heldenthaten in diesem glor¬ reichen Kriege ehrend zu gedenken, und Verfaffer wie Verlagshandlung verdienen den wärmsten Dank, daß sie ein derartiges Unternehmen in An¬ griff genommen. Insbesondere werden in diesem Prachtwelke, wie schon der Titel besagt, die Heldenthaten derer erzählt — und zwar zumeist mit ihren eigenen Worten —, deren Brust daS ehrenvolle Zeichen des Eisernen Kreuzer schmückt. Und zwar ist dabei weder auf die Reihenfolge kriegerischer Ereigniffe, noch auf Rangstufen Rücksicht genommen. „Mögen die Kämpfer und Veteranen," sagt der Herausgeber, „heute im GeneralSrocke oder im schlichten Arbeiteranzuge einhergehen, eins haben sie alle gemein: „gleiche Liebe zum großen deutschen Vaterlande — gleiche Treue für den Kaiser, den höchsten Kriegsherrn!" Und daß die Söhne denken und handeln, wie einst die Väter dachten und bandelten, dar walte Gott!" Was speziell die Heldenthat deS Majors Grafen Schlippenbach am Bois de Gaumont anbetrifft, die in ihrer Abbildung dem ersten Hefte der Bongschen „KriezSerinnerungen" zur Zierde gereicht, so ist sie um so glorreicher und ruhmwürdiger, als sie einem für den Augenblick siegenden und bereits in der Verfolgung unserer Truppen begriffenen Feind gegen¬ über ausgeführt wurde. In dem von dem Großen Generalstab heraus¬ gegebenen Werke über den deutsch-französischen Krieg 1870/71 lesen wir darüber: „Weniger günstig lagen die Verhältniffe aus dem linkel Flügel der 9. Brigade. DaS Füsilier-Bataillon deS Regiments Nr. 48 war an der 1. leichten Batterie vorbeigegangen, um die derselben gegenüber ent¬ wickelte französische Infanterie anzugreifen. Während der BataillonsKommandeur, Major Gelle, die 10. Kompagnie in daS feindliche Feuer vorfühlte, suchte Oberstlieutenant v. L'Estocq, weiter links ausholend, mit den drei anderen Kompagnien die Flanke deS Feindes zu gewinnen. Dieser mit großem Nachdruck unternommene Vorstoß scheiterte indeffen an der bedeutenden Uebermacht deS Feindes, welcher seinerseits die Füsiliere links umfaßte. Die drei Kompagnien erlitten so erhebliche Verluste, daß sie in völliger Auflösung nach dem BoiS de Gaumont zurückweichen mußten. Später schloffen sich ihre Trümmer teils wieder dem eigenen, teils dem Regiment Nr. 52 an, deffen 1. Bataillon, die Spitze der 10. In¬ fanterie-Brigade bildend, sich eben zur rechten Zeit dem bereits gefährdeten linken Flügel der Batterie näherte. Vom General v. Döring dringend um Unterstützung angegangen, warf sich Major Graf Schlippenbach, ohne den Aufmarsch des Regiments abzuwarten, mit auseinandergezogenen Kompagnie-Kolonnen dem verfolgenden Feinde entgegen. ES gelang, so weit zurückzudrängen, daß der eigenen Artillerie wieder Luft gemacht wurde. Aber daS Bataillon erlitt ungeheure

diesen

Verluste durch daS verheerende Feuer deS Gegners. Gleich zu Anfang war der etatSmäßige Stabsoffizier, Major v Schorlemmer, gefallen;

von einer Hand in die andere ging die Fahne; denn einen Fahnenträger nach dem anderen streckten die feindlichen

Bald waren sämtliche Offiziere der Bataillons außer Nachdem auch der schwerverwundete Kommandeur (Graf Schlippenbach) den Kampfplatz hatte verlassen müssen, wichen die Ueberreste der opfermutigen Bataillons nach der hinlerliegenvin Mulde zurück." An diesem Tage sind nach der amtlichen Verlustliste von dem brandenburgischen Infanterie-Regiment Nr. 52 18 Offiziere gefallen und 28 Offiziere ver¬ wundet worden. Ehre einem solchen Regiment und Ehre einem Führer wie Graf Sch Uppen buch, der mit solcher Todesverachtung — die Fahne hoch in der Hand — seinen Leuten im Kamps fürs Vaterland voranging! Gefecht gesetzt.

Christian Dietrich Gravbe in Derlin.

Nur wenigen er bekannt sein, daß der unglückliche Dichter Grabbe sich auch in Berlin längere Zeit aufgehalten hat, um hier seine juristischen Er vertauschte nach zweijährigem Aufenthalt in Studien fortzusetzen. Leipzig Ostern 1822 die dortige Universität mit der zu Berlin. Hier legte er die letzte Hand an sein Trauerspiel „Herzog Theodor von Gothland", in welchem er sich die Ausgabe gestellt hat, daS Menschendasein in seiner ganzen Erbärmlichkeit darzustellen. Dieses durchaus pessimistische Drama ist ein Abbild der Grabbeschen Geistes und der forcierten Genialität der bedauernswerten Dichters. AIS Grabbe feine den Gedanken und der Anlage nach wahrhaft gigantische Dichtung in Berliner litterarischen Kreisen bekannt gab, erregte dieselbe ungeheures Aufsehen; man fragte sich geradezu, ob der Dichter verrückt oder ein Genie sei. Er selbst schrieb am 3. August 1822 an seine Eltern: „Vor allem melde ich Euch, daß mein Ruhm sich hier zu verbreiten anfängt. Ich hatte vor vierzehn Tagen oder drei Wochen mein Werk mitgeteilt und werde nun schon von vielen Schrift¬ stellern aufgesucht. Erst gestern holte mich einer ab und führte mich in seine Wohnung, wo sich eine Masse von Philosophen und Dichtern ver¬ sammelt hatten. Mein Werk fällt den Leuten, die eS lesen, so auf, daß Man sieht aus diesen sie beinahe vor Ueberraschung wirblicht werden." Worten, daß der unglückliche Dichter auch vom EitelkeitSteufel besessen war. Die allgemeine Anerkennung, die Grabbe in Berlin fand, erzeugte in ihm vorübergehend eine gehobene, ja glückliche Stimmung, in welcher er das Lustspiel „Scherz, Satire, Ironie und tiefere Bedeutung" schuf. Grabbe entwickelt hier, besonders auf Kosten litterarischer Größen, einen köstlichen Humor und beißenden SarkaSmuS; freilich zeigt fein Werk auch, wie bedenklich er schon vorgeschritten war in der .Umwertung aller Werte". Der Berliner Zeit gehört auch das bedeutungslose dramatische Spiel „Nannctte und Maria" und das groß angelegte, von tiefer Geschichts¬ an. — kenntnis Zeugnis ablegende Fragment „Marius und Grabbe schloß sich in Berlin eng an Kocchy. von Uechtritz, Gustroff. Ludwig Robert, von Borch und Heinrich Heine an. Bald verfiel der erst 21jährige Dichter jedoch in jene geniale Liederlichkeit, als deren klassische Vorbilder E. T. A. Hoffmann und Ludwig Deorient anzusehen sind. Daher darf eS nicht überraschen, daß Grabbes glückliche Stimmung nur eine vorüber¬ gehende war. Zweifel an seinem poetischen Talent, Ekel vor sich selbst verbitterten ihm das Leben. Schließlich kam er auf den Gedanken, Schau¬ spieler »u werden. Schon in Leipzig hatte er sich zur Realisierung des¬ selben Wunsches an Amadeus Wendt gewandt, der ihm aber seinen Ge¬ danken ausgeredet hatte. Grabbe glaubte jedoch jetzt erkannt zu haben, einer sonderbaren daß die Schauspielkunst sein eigentlicher Beruf sei. Laune schrieb er an den Kronprinzen von Preußen, den späteren König Friedrich Wilhelm IV., einen grotesken Brief, in welchem er um tine Stelle als Schauspieler bat. Sein Schreiben war in einer so närrischen Form abgefaßt, daß der Kronprinz, welcher es für Scherz halten mochte, dasselbe unbeantwortet ließ. Ostern 1823 verließ Grabbe Berlin und ging nach Dresden, wo er von Ludwig Deck, der damals Dramaturg am Hoftheater war, eine Stellung als Regiffeur oder Schauspieler zu erhalten hoffte. Dies ist in kurzem Umriß der Aufenthalt GrabbeS in Berlin; er deutet symptomatisch die spätere Laufbahn deS unglücklichen Dichters an, welche^ in forcierter Genialität, Größenwahn und Liederlichkeit versumpfen sollte, sodaß man daS Shakespearische Wort auf ihn anwenden kann: „Ach, welcher große Geist ist hier untergeganj,en!" H. G. Aus der Baustelle an der Ecke der Fischerstraße und der Mühlendammbrücke sind schon vor etlicher Zeit mehrere mittel¬ alterliche Küchengefäße gefunden worden, z.B. ein Kochtöpfchen mit abgerundetem Boden, drei kurzen, zapsensörmigen Füßen, um das Stehen zu ermöglichen, und mit einer in vier Bogen abgeteilten Mündung; ferner eine Flasche aus ge¬ branntem Thon nrit zwei von der engen Mündung nach dem Bauch gehenden Henkeln. Auch ein Spinnwirtel aus Stein, zwei Netzsenker aus Thon und ein gotischer Löffel mit sehr kurzem Griff und Verzierung gehören noch dem Mittelalter an. Aus dem 16. Jahrhundert rührt ein leider etwas abge¬ schlagener schöner Bartkrug aus Steingut her, mit Gesichtsmaske, zwei

Lesern dürste

Sulla"

In

Alt-Korlirrer Funde.

-e

335

kleinen Henkeln als Ohren, vier kleinen Henkeln zum Anhängen von Schaustücken, einem größeren Haupthenkel und Krausen am Fuß; dies Gefäß kann vielleicht die Stelle der später aufgekommenen Will¬ Formen in Bezug auf die vertreten deren kommenkrüge haben, Abgliederung von Hals, Bauch und Fuß, sowie wegen der Henkelringe zum Anhängen eine gewisse Verwandtschaft mit diesem Bartkruge zeigen. Derselben Zeit scheint ein mit glatten und netzförmigen Streifen verzierter Fuß einer venetianischen GlaSvase anzugehören. Sorbin. Sieben Jahrzehnte Die ersten sind jetzt vergangen, seitdem Berlin zuerst Trottoirs erhalten hat. Bis 1825 entsprachen die Bürgersteige, welche von den Hausbesitzern unterhalten werden mußten, durchaus dem früheren schlechte Pflaster der Residenz. Wo sie gepflastert waren, lagen unregelmäßig spitze Steine, auf denen schon ein kurzer Spaziergang schmerzende Füße verursachte, und doch sehnte man sich in gar vielen Straßen selbst nach diesen abscheulichen Steinen, wenigstens bei schlechtem Wetter, weil man sonst Gefahr lief, in den tiefen Morast bis über die Knöchel einzusinken. Diesen Uebelständen machte ein von Friedlich Wilhelm im Jahre 1825 ausgesprochener Wunsch ein Ende, daß in den besseren Stadtgegenden die Trottoirs, breite Granitplatten, gelegt würden. Zuerst wurden vier Straßen, die Leipziger-, die Jäger-, die Neue Friedrich- und die Königstraße, als solche bezeichnet, in welchen der König die Anlage der Trottoirs vorzugsweise wünschte. Er gab das Versprechen, daß, wenn die Bürger sich bereit erklären würden. Trottoirs zu legen, dann auch vor allen königlichen Gebäuden der Bürgersteig in gleicher Weise auf königliche Kosten verbessert werden sollte. Doch die Berliner Eigentümer hatten schon damals die Eigenschaft, die Hand auf ihrem Geldbeutel zu halten, und da die Granitplatten ein teurer Artikel waren, mußte der Magistrat den Bürgern einen Zuschuß zu diesem Zwecke gewähren. Innerhalb der 70er Jahre sind wir aber jo weit gekommen, daß wir uns einen Bürgersteig ohne Trottoirs gar nicht mehr denken können, und in Berlin dürfte wohl keine Straße mehr existieren, die des Trottoirs entbehrt.

Trottnirs in

III.

Von Prosesior Dr. Partsch. Berlin 1893, Verlag von Dietrich Reimer, Preis 50Pfg — Dazu: Handkarte der deutschen Kolonien von R. Kiepert, gbd. Preis 60 Pfg. DaS obige Büchlein wendet sich in erster Linie an die Schüler höherer Lehranstalten, es ist jedoch für jeden Gebildeten von Jnteresie, der sich kurz über unsere Kolonien orientieren will. Ohne in den Ton eines trockenen Leitfadens zu verfallen, der nur Thatsachen und Zahlen an ein¬ ander reiht, erhallen wir eine kurze Schilderung unserer Kolonien in Bezug auf äußere Gestalt, Bodenbeschaffenheit, Klima, GcsundheitSverhältnisie, Bevölkerung, Handel und Statistik. Das Büchlein behandelt Togo, Kamerun, Deutsch-Ostafrika, Deutsch-Südwest-Afrika, das Geb et der „Neu-Gui..eaKompagnie und die Marschall-Jnseln. — Die vortreffliche Kieperische Karte im Maßstabe 1:16900600 gewährt eine klare Uebersicht über die deutschen Kolonien und bildet eine schätzbare Ergänzung deS Buches von

I.

Deutschlands Kolon ieon,

—s.

ihre Gestaltung, Entwickelung und Hilfsquellen. Von RochuS Schmidt. Erster Band: Ost-Asrika. Berlin 1895, Verlag des Vereins der Bücherfreunde. Preis 5 Mk., gebunden 6 Mk. Der erste Band dieses Werkes behandelt Ost-Afrika im allgemeinen und die deutschen Kolonien daselbst im besonderen, der zweite wird sich mit Westafrlka und der Kolonisation in der Südsec beschäftigen. In der Einleitung giebt der Verfasier eine kurze Geschichte der kolonialen Unter¬ nehmungen Brandenburg-PreußenS an der Westküste Afrikas, die einst unter dem großen Kurfürsten einen so viel versprechenden Anfang nahmen, aber kaum 50 Jahre später durch die Eifersucht der Holländer und daS geringe Jnteresie des brandenburgischen Mutterlandes wieder zu Grunde gingen. In den ersten Kapiteln berichtet sodann der Verfasier über die Erwer¬ bung der oftafrikanischen Kolonie durch vr. Karl PeterS, über deren weitere Entwickelung bis zum Eingreifen der Reichsregierung, der Niederwerfung des ostafrikanischen Aufstandes durch den Major H. v. Wißmann und über die Abtretung der deutschen Schutzherrschaft über Witu an England. Dann folgt ein interesianteS Kapiiel mit der Schilderung Deutsch -Ostafrikas in naturwisienschaftlicher Beziehung, weiter ein solches über ostafrikanischen Handel und die Sklaverei. Einer ausführlichen Besprechung werden auch die Antisklaverei-Bestrebungen und die Missionen unterzogen. Die letzten Kapitel verbreiten sich über militärische Maßnahmen im Innern und wirt¬ schaftliche Unternehmungen, sowie über Deutschlands Kolonialverwaltung im allgemeinen. Besonders interessiert der Teil des Buches, welcher sich mit vr. Emin Pascha, seinem Leben, seinem Wirken und seinem Nieder¬ gänge beschäftigt. Ueber 100 Illustrationen erläutern den sehr anziehend geschriebenen Text, der um so authentischer ist, als er zum größten Teile auf eigener Anschauung und Erfahrung beruht, da der Verfasier ein ehe¬ maliger Kompagnieführer in der Kaiserlichen Schutztruppe für DeutschAfrika ist. —x. Verlassener und andere Geschichten. Von Guy de Maupassant, deutsch von R. Harling. Berlin 1895, Verlag von R. Jacobsthal. Preis 1,50 Mk. Diese Novellen zeigen uns in Guy de Maupasiant den scharssinnigen Darsteller seelischer Vorgänge, den Meister eines feinen Stile, zugleich aber auch die ganze naturalistische Brutalität, die diesen unglücklichen Schriftsteller charakterisiert. Die Menschen, die er uns vorführt, wate»

Gin

alle bis zum Halse im Sumpfe moralischer Verkommenheit, sie stoßen daS deutsche Gefühl geradezu ab. Eine starke Zumutung an die deutsche Gut¬ mütigkeit ist die Aufnahme der Erzählung „der heilige AntoniuS"; sie fpielt während deS Krieges 1876/71, und ein preußischer Soldat, der des Französischen nicht mächtig ist, wird in derselben angeredet: „Da, sauf, dickes Schwein!" — „He, da ist was Feines, Du trinlst hier nicht wie zu Haufe, mein Schwein!" und so geht es viele Seiten hindurch. Haben denn Uebersetzer und Verleger wirklich nicht «inen Funken deutschen Empfindens, daß sie so etwas dem Publikum zu bieten wagen?

E. G.

Um fremde Schuld.

Roman von W. Heimburg. Leipzig 1895Verlag von Ernst Keils Nachf. Preis 5 Mk-, gbd. 6 Mk. Auch in dieser ihrer neusten Schöpfung bewährt sich die Verfasierin wieder als eine feine Kennerin des weiblichen Herzens. ES ist auch in diesem Roman die deutsche Art treu gewahrt, und man vertieft sich gern in die Frauencharaktere, welche die Verfasierin ebenso liebevoll wie geschickt zeichnet. Sie erzählt die Geschichte einer Mutter, die sich durch eine zweite Verheiratung mit einem geistig und sittlich tief unter ihr stehenden Mann opfert, um ihrer Tochter eine sorgenlose Zukunft zu sichern. Diese Tochter, ein echtes preußischer Soldatenkind, ist ein überaus liebenswertes Geschöpf, ebenso sympathisch ist ihr Schutzengel, die alte Base. Die Brutalität des StadtrateS Wollmeyer scheint uns ein bißchen zu grob aufgetragen zu sein, wie auch die Handlung der Romans eine etwas unwahrscheinliche ist. Unsere Frauen und Töchter werden ihn aber mit großer Vorliebe und auch mit Vorteil lesen, da sein Inhalt sittlich rein ist und er eine Reihe vor¬ —o— bildlicher Frauencharaktere vorführt. 1894/95 hat die Der japanisch - chinesische japanischen Künstler zu einer Reihe von Darstellungen begeistert, die durch den Kunstverlag von M. Bauer u. Co. in Berlin und Leipzig nach Die unS vorliegenden sehr interessanten Deutschland eingeführt sind. farbigen Reproduktionen stellen dar: SiegeSruf nach der Schlacht in Ping> Dang, der chinesische General Deh auf der Flucht mit seiner Geliebten und die Eroberung von Ping-Uang. Die Skizzen legen von einem ur¬ wüchsigen Kunstempfinden und einem stark ausgeprägten Volkrbewußtsein e. Zeugnis ab.

Kries

-

Süchertisch. Die Srhirtzgestiete dos dorrt sichen Ueichos.

Prosesior Partsch.

&-

Inhalt: Aus Deutschlands Vergangenheit oder Der Schlangenring. Historischer Roman von C. Grundier. (Fortsetzung.) — General Johann Jakob Wunsch. Von Generalmajor z. D. vr. v. Pfister. — Die Kreisstadt Seelow- Von Wilhelm Ant. Wegener. —

Kleine Mitteilungen: Major

Gaumont.

Gras Schlippenbach

am

Bois

de

(Mil Abbildung.) — Christian Dietrich Grabbe in Berlin.

Alt-Berliner Funde. — Die

ersten

— Anzeigen.

Trottoirs in Berlin. — Büchertisch.

Jeder Käufer besinnt sich ste'S etwas länger als sonst, wenn er sich eine neue Wohnungs-Einrichtung anschaffen oder dar alte Mobiliar er¬ gänzen will. Man sucht sich eben gern erst die billigste und beste Quelle auS. Aber daS ist nicht ganz leicht. Möbel, die von den Meistern früher für Generationen gezimmert wurden, halten heute — bei allerdings sehr billigem Preise — kaum zwölf Monate vor. Wie ist nun diesem Uebelstande am besten abzuhelfen? Man gehe nur zu den Handwerkern, die noch wirklich gediegene Möbel anfertigen, selbst in die Werkstätten und meide die Händler, die wohl den geschickten Handel mit Möbeln verstehen, jedoch einen Tisch oder Stuhl selbst anzufertigen sehr oft nicht imstande sind. Wir machen um so bereitwilliger auf die Anzeige der Firma Bock, Zimmermann u. Co., Berlin, Alexanderstrabe 4L,, aufmerksam, als wir durch den Hinweis auf eine reelle und wirklich billige Firma unseren Lesern einen Dienst erweisen wollen. DaS Geschäft besitzt seine eigenen Tischlereien, Tapezier- und Polster-Werkstätten und wird von Handwerksmeistern betrieben, welche früher für die besten und größten Aus Erfordern werden streng stilgerechte Fabriken gearbeitet haben. WohnungS- und Zimmer Einrichtungen zu verhältnismäßig niedrigen Preisen angefertigt. Außerdem ist stets eine Anzahl befferer Einrichtungen Obwohl die Firma erst einige Jahre von 300-6000 Mk. auf Lager. mit Privat-Publikum arbeitet, ist es ihr doch gelungen, sich bezüglich der Güte und Schönheit der Ware einen vorzüglichen Ruf zu erwerben, da das wirklich Gute auch auf diesem Gebiet sich bald von selbst Bahn bricht. Bock, Zimmermann u. Co. sind gern bereit, ihre Preislisten kostenlos zu versenden, auf Wunsch jeden Entwurf einer Einrichtung sofort anfertigen zu laffen und gegebenenfalls ihre Vertreter persönlich an den betreffenden Platz zu senden.

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Unter Mitwirkung

Dr. Stadtrat

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Professor Dp.

G. Friedet, Ford. Mörser,

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herausgegeben von

Friedrich Lilleffen XXI. Jahrgang.

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Grundier.

(Nachdruck verboten.)

(28. Fortsetzung.)

ür den verwundeten preußischen Grenadier,

ein unscheinbarer, sonderbar geformter Ring mit welcher angeblich mit jenem Vorgänge in Verbindung stehe. Genaueres könne er nicht sagen. Ihre Familie sei früher adelig gewesen; zur Zeit der franzöfischen

dessen Ver¬

schmuck auch

wundungen weit gefährlicher waren, als die des Felix Latour, wurde inzwischen auf der Sachsenburg auch aufs beste gesorgt. Er war in einem Nebenzimmer gebettet worden und litt furchtbare Schmerzen, zumal die Fußwunde durch die Anstrengungen der letzten Tage sich sehr verschlimmert hatte. Es stellte sich bald ein heftiges Wundfieber ein. und wochen¬ lang schwebte sein Leben in Gefahr, obwohl der Arzt ihn

Schlangenköpfen,

Revolution hätten fie den Adel abgelegt und nennten fich einfach Latour. Der Pfarrer erinnerte fich, daß Friederike Reiche, wenn fie zur Kirche ging, auch einen altertümlich geformten Ring als Schmuck an einem Bande um den Hals trug. Bei ge¬ nauer Betrachtung erklärte Felix, daß er dem seinigen auf das Haar gleiche; nur die Inschrift, kaum noch leserlich, sei eine andere. Die Familie Friederikens wohnte seit Menschen¬ gedenken in Sachsenburg, und mehrere ihrer Vorfahren hatten,

sowohl wie Felix täglich besuchte. Zwischen den beiden jungen Leuten, Felix und Friederike, hatte sich bald ein freundschaftliches, fast geschwisterliches Ver¬ hältnis herausgebildet. Obwohl fie fich gegenseitig nicht ver¬ standen, so sprachen ihre Augen um so deutlicher, und Friederike hatte bald gelernt, jeden Wunsch ihrem Pflegling am Geficht abzulesen und behende auszuführen, ehe er Auch als Felix schon im Pfarrhause ausgesprochen war.

soweit erinnerlich, Aemter auf der Burg inne gehabt. Nach Verlauf von vier Wochen war Felix so weit her¬ gestellt, daß die Reise nach Magdeburg unternommen werden konnte, wo sein Vater, welcher in ein anderes Regiment über¬ getreten war, vorläufig seinen Aufenthalt hatte. Mit Thränen in den Augen nahm er Abschied von dem würdigen Pfarrer

war. mußte fie oft kommen und ihm Gesellschaft leisten, ob¬ wohl fie noch ein halbes Kind war, denn fie zählte erst fünfzehn Jahre. Bei den Unterhaltungen mit dem Pfarrer Schundenius erwähnte Felix unter anderem, daß er bei dem Durchstöbem des Familienarchivs auch eine alte, lateinisch verfaßte Hand¬

und von obsrs soeur, wie er Friederike nannte, und ver¬ sprach, wenn er glücklich nach Frankreich käme, jene Schrift noch einmal aufzusuchen und seinen Sachsenburger Freunden

von dem

aufgefunden habe, aus welcher hervorgehe, daß einer seiner Vorfahren vor mehreren hundert Jahren in einem onstro saxemburgensi gefangen gehalten worden sei, daß er aber kein sonderlich großer Lateiner sei und die genaue Uebersetzung ihm zu viel Mühe gemacht habe, weshalb er schrift

davon

abgestanden.

Es befände fich unter ihrem Familien-

Inhalt

derselben Kenntnis zu geben.

Die Heilung des Westfalen Jochen Gutmann nahm längere Zeit in Anspruch. Obwohl fie durch seine kräftige

j

Jugend (er zählte ungefähr seine und Konstitution 25 Jahre) bedeutend unterstützt wurde und die Kopf- und Armwunde in normaler Heilung begriffen waren, so stand

■«'

338

Fuß gelähmt bleiben werde. Friederike hatte ihren beiden Patienten die gleiche Sorgfalt gewidmet. Allein wenn die Jugend von Felix ihr anfangs ein größeres Zutrauen eingeflößt hatte, so richtete der große Unterschied in der Bildung und sein vornehmes Wesen all¬ mählich wieder eine Scheidewand zwischen ihnen auf. Jochen oder Joachim Gntmann, erst von Schmerzen gepeinigt und in seiner Soldatenehre verletzt, indem er sich eine Zeitlang gegen den vornehmen französischen Kornett zurückgesetzt glaubte, taute nach und nach bei den lieben Menschen auf und zeigte die ganze Ehrenhaftigkeit und Treuherzigkeit seiner westfälischen Natur. Als der Winker seine Schneedecke über das Land ge¬ breitet, konnte Jochen schon wieder am Stocke in der Stube umherhumpeln. Da saßen sie oft miteinander an den kleinen Fenstern des traulich warmen Zimmers, Friederike am Spinn¬ rad beschäftigt und Jochen erzählend von seiner Heimat, während der alte Neike auf der Ofenbank sein Pfeifchen doch

zu

befürchten, daß

der

8-

Friederike errötend die ihren niedergesenkt hatte, war es Jochen leise über die Lippen gekommen: „Fieken, mi geiht 'ne Sak in Minen Kopp herümmer, worut ick mi noch keinen Vers maken kann, aber ick komme weder," oder: „Fieken, wenn ick mal weder kommen dauh, willste mi ohck weder in-

laten?" Und Friederike war noch höher erglüht und hatte still mit dem Kopfe genickt. Die Stärke der Empfindungen richtet nicht

nach hochtönenden Phrasen,

und die Wellenschläge des gleich hoch bei vornehm und gering. Es ist auch immer dasselbe geblieben unter allen Wandlungen der Geschichte, ob Völker kamen oder gingen, ob die stolzesten Bauwerke entstanden oder zerbrochen wurden. In der Brust der Bewohner der Sachsenburgen empfand man jetzt ebenso warm wie vor tausend Jahren, mochten auch von den festen Türmen und Mauern nur noch kärgliche Ueberreste vorhanden sein. sich

Menschenherzens gehen

*

schmauchte.

Jochen

beschrieb den Lindenhof,

den drei uralten Linden habe,

der seinen Namen von

von Steinbänken um¬ geben, im Hose ständen. Er erzählte von dem langgestreckten, einstöckigen Wohnhause mit den gekreuzten Pferdeköpfen am Giebel, von dem großen Flur, der Deele, welcher zugleich die Küche und Aufenthaltsort für das Gesinde sei; von den zahl¬ reichen Kühen und Pferden, welche sein Vater besitze, und den weitgedehnten Getreidefeldern und Weiden. Sein Vater habe ihm wohl einen Stellvertreter beim Militär kaufen können, jedoch der Edelmann habe wegen eines alten Grenzstreites seine Freilassung hintertrieben.

Sobald

welche,

ihm möglich gewesen, hatte Jochen über sein Ergehen Nachricht nach Hause gegeben, und es war eine große Kiste mit westfälischem Schinken und Pumpernickel angekommen, sowie eine ansehnliche Summe für die Verpflegung, was alles dem alten Neike bei seiner schmalen Jnvaliden-Penfion sehr willkommen war, so daß dieser sich keinen besseren Kostgänger wünschte. Dafür erzählte Neike wieder von alten Zeiten, wie die Sachsenburg noch vollständig bewohnt gewesen und die Ritter mit ihren Knappen oft den Weg unsicher gemacht hätten. Das Dorf Sachsenburg habe früher oben am Berge gestanden, und die Einwohner hätten die Verpflichtung gehabt, fremde Reisende gegen Buschklepper und Strauchdiebe zu schützen und sicher durch den Paß zu geleiten, weswegen sie seit alten Zeiten „Paßmänner" geheißen. Er erzählte von dem unter¬ irdischen Gange, welcher aus dem Burgkeller bis zum Kloster Oldisleben geführt habe, aber jetzt ungangbar sei; nur der Eingang sei noch zu sehen. Früher hätten sich oft Schatz¬ gräber in demselben aufgehalten, die auch wohl etwas ge¬ sunden haben möchten. Auch Goldmacher seien zuweilen gekommen, und es gebe jetzk noch drei Personen in Sachsenburg, welche in den Bergen nach der Silberblüte suchten; es fehle nur noch ein klein wenig, und sie könnten wirklich aus den gewöhnlichen Steinen das schönste blanke Silber machen. Mehreremale, wenn der Alte vom vielen Erzählen am Ofen sanft eingeschlummert war, wenn Jochen dann, den Kopf in die Hand gestützt, ohne ein Wort zu sagen, Friederike eine Zeitlang unverwandt angeblickt hatte, wie ihre fleißigen Hände den Faden zogen und ihr zierliches, bloß mit dem Strumpfe bekleidetes Füßchen das schnurrende Rädchen in Bewegung setzte, und wenn sich dann ihre Augen getroffen hatten und es

*

*

Nach dem im Jahre 1407 erfolgten Tode der verwitweten Gräfin Adelheid von Beichlingen war das Oberhaus zu der

wieder zurück an den Grafen Friedrich gefallen, welcher noch in demselben Jahre beide Burgen mit Zubehör an den Landgrafen Friedrich den Jüngeren verkaufte. Der Voigt Albrecht von Trebra blieb auch bei der neuen Herr¬ schaft noch einige Jahre im Dienst und hielt noch mehrfach im Namen des Landgrafen Dinggericht (Gerichtstag) in Oldis» leben ab. Als Landgraf Friedrich am 4. Mai 1440 auf Sachsenburg

Burg zu Weißensee gestorben war, fiel Thüringen an Vettern, den Kurfürsten Friedrich II. und den Herzog Wilhelm von Sachsen. Bei der Teilung der Länder unter die beiden Brüder im Jahre 1445 fielen die Sachsenburgen dem Herzog Wilhelm zu. Dieselben haben zu jener Zeit zu den ansehnlichsten und geräumigsten Burgen Thüringens ge¬ hört, wie eine Urkunde des landgräflichen Oberschreibers vom Jahre 1447 beweist. In der ersten Hälfte des sechszehnten Jahrhunderts war Georg Vitzthumb zu Kannawurf Amtmann des Herzogs Georg von Sachsen auf der Sachsenburg. Er besaß dieselbe eine Zeitlang als Pfandobjekt für eine bedeutende Summe, die er dem Herzog vorgeschoffen hatte. Im Jahre 1561, am Tage Aegidi, belehnte Herzog Johann Friedrich von Sachsen den Ritter Georg von Bende¬ leben mit den zu der Sachsenburg gehörigen Liegenschaften und Gerechtsamen, nämlich 7 Hufen Land zu Sachsenburg und Kannawurf, 4% Hufen zu Bilzingsleben, ingleichen 100 Acker Wald, 2 Acker Weingarten, 1 Acker Hopfengarten, dazu Wiesen, Weiden, Zinsen und 108 Scheffel Getreidezins. Auch erhielt er das obere Schloß, während das untere herzoglich blieb und der Sitz des Landgerichts über die Dörfer Sachsenburg, Gorsleben. Etzleben, Büchel, Griefstedt und Bilzingsleben wurde. Im Jahre 1567 wurde es sodann mit dem Amt Sachsenburg und mehreren anderen Aemtern an den Kurfürsten August von Sachsen abgetreten, um die Kosten zu decken, welche auf die Schleifung der Burg Grimmenstein bei Gotha verwendet waren. Seitdem war die untere Burg im Besitz des Kurfürsten von Sachsen verblieben. Die Gebäude wurden mehr und mehr baufällig, wurden nicht erneuert, sondern nach und nach Der bedeutend sich entwickelnde Durchgangsabgetragen. verkehr hatte die Straße über den Berg verlassen und am seiner seine

--s

339

linken Ufer der Unstrut entlang neue, bequemere Wege ein¬ geschlagen, wo auch die Dorfbewohner inzwischen, die un¬ bequeme Höhe verlassend, sich angesiedelt hatten, und wo im Jahre 1578 ein neues Zoll- und Geleitshaus erbaut worden Bei der zunehmenden Baufälligkeil der Burgräume war. war schon in den letzten Jahrzehnten des achtzehnten Jahr¬ hunderts der Sitz des Gerichts und die Beamtenwohnung in das Zollhaus verlegt worden, und die einzigen Bewohner der unteren Burg waren zur Zeit die Glieder der Neikeschen Familie, zugleich als Hüter des daselbst verbliebenen Gcfängnisies.

Die obere Burg war schon längst verlassen, wahrscheinlich infolge eines Brandes, da die Familie derer von Bendeleben sich einen Ritterfitz in Kannawurf erbaut hatte, welchen sie bewohnte.

*

*

*

Er Gutmann war längst wieder hergestellt. der nicht Sachsenburg immer noch von konnte sich trennen und behauptete, es gefalle ihm nirgends so gut wie hier. Der alte Neike war damit wohl zufrieden, hatte er doch davon keinen Schaden, denn noch manche Kiste und mancher Speziesthaler waren den weiten Weg von den Ufern der Lippe nach dem Thüringer Lande gewandert. Jochen

jedoch

Friederike lernte ihren neuen Hausgenosien von Langsam keimte die Liebe in Tag zu Tag mehr schätzen. ihrem jungen Herzen, ohne daß sie sich dessen bewußt war. und ohne daß beide jemals ein Wort davon gesprochen. Sie erblickte in dem kräftigen Westfalen ihren natürlichen Beschützer und Führer durchs Leben, und sie konnte sich den Fall gar nicht denken, daß sie jemals einem anderen ihre Hand reichen werde. Als jedoch der Schnee schmolz und die Briefe aus der Heimat immer dringender betonten, daß der Vater des Sohnes für die beginnenden Feldarbeiten bedürfe, da konnte Jochen nicht länger zögern und rüstete sich zur Abreise. Als er. den Zwergsack auf der Schulter, den dicken Knotenstock in der Hand, sich von der Neikeschen Familie verabschiedete, be¬ gleitete ihn Friederike noch bis zur dicken Eiche. Hier wollten die beiden von einander Abschied nehmen. Schon während des Weges war eine stumme Thräne nach der anderen von den Wangen Friederikens herabgeflosien, jetzt brach sich der Sie erfaßte Jochens beide Schmerz unaufhaltsam Bahn. Auch

Hände, sah zu ihm auf und rief unter strömenden Thränen: „Ach, Jochen, dann sehe ich Dich niemals wieder, und das werde ich nicht überleben!" Jochen faßte

sie

in seine starken Arme und drückte den

ersten Kuß auf ihre Lippen.

„Fieke," sagte er, indem er einen einfachen Goldriug hervorzog und ihn ihr an den Finger steckte, „hüel nich mehr, Willste mi den Ring getreulich ick nehm kein anner, als Di! upheben? So wahr der Herrgott in Hewen is, ick komm weder un hal Di up'n Lindenhof in min schön Westfalen, land." Der letzte Abschiedskuß brannte noch lange auf ihren Lippen.

*



*

Der Friede zwischen Preußen und Frankreich war am 9. Juli 1807 zu Tilsit abgeschlossen worden. Preußen verlor

fr-

die Hälfte

seines Landes und mußte sich den demütigendsten Bedingungen unterwerfen. Es sollte sich unter der Hand des französischen Kaisers langsam verbluten. Die Festungen wurden nicht zurückgegeben, ein Netz von französischen Garnisonen überzog das Land, unerschwingliche Kontributionen, zahllose Verpflegungsgelder brachten zahlreiche Städte an den Rand des finanziellen Ruins. Die verhängte Kontinental¬ sperre lähmte Handel und Industrie und verteuerte die Be¬ Selbst die dürfnisse des täglichen Lebens ins unendliche. Wohlhabenden legten sich Entbehrungen auf, bereiteten den Kaffee aus gerösteten Eicheln und rauchten Huflattich und Kartoffelkraut.

Unter solchem Drucke bereitete sich im Norden Deutsch¬ lands der Anbruch einer neuen Zeit vor. Mit der Liebe zu dem zertretenen Vaterland wuchs der Haß gegen den fremden Eroberer und gewaltthätigen Tyrannen. Ernster wurden die Gemüter, strenger die Sitten, und im geheimen traten Patrioten zusammen, um der Not des Vaterlandes ein Ende zu machen. Als sich Napoleon 1812 zum Kriege gegen Ru߬ land rüstete, hoffte man. Aber der König vermochte nicht, den Entschluß eines energischen Widerstandes zu fassen; als Verbündeter Napoleons ließ er die Hälfte des stehenden Heeres gegen Rußland ziehen. Da verließen 300 Offiziere seinen Dienst und eilten nach Rußland, dort gegen Napoleon Was zu kämpfen. Der Erfolg des Feldzugs ist bekannt. von der großen Armee aus Rußland zurückkehrte, bot dem Volke einen kläglicheren Anblick, als man sich je hatte träumen Ungeordnete Haufen, aus allen Waffengattungen zu¬ lassen. sammengesetzt, ohne Kommando, ohne Waffen, zerlumpt und mit allerlei Trödel behängen, zogen der Heimat zu. Auf dem Hinwege hatten sie übermütig die Habe des Landmanns

Not verwüstet, jetzt brachten sie einen fast unersättlichen Ekelhafte Krankheiten und giftige Fieber Heißhunger mit. in den schnell errichteten Lazaretten verzehrten Tausende, welche dem Schlachtentode und dem Erfrieren entronnen waren. ohne

(Fortsetzung folgt.)

General Johann Jalrob Wunsch. Von Generalmajor 00 Mann nach Dippoldiswalde direkt in den Rücken des Feindes. General Wunsch, mit Finck vereinigt, bildete dessen Vorhut und stand am Abend des 16. November bei Maxen. der

nacher

Reichsarmee

Hause zu gehen".

Die Bedrohung des Rückzugs rief im österreichischen Hauptquartier zunächst Bestürzung hervor; bald aber ver¬ durch aufgefangene mochte man Meldungen Fincks Schwäche und isolierte Lage zu übersehen. So entwarf Daun den Plan, das kleine Korps mit erdrückender Uebermacht von drei Seiten her anzufassen und entweder gefangen zu nehmen oder bis auf den letzten Mann zu vernichten. Boten von Finck zum König und umgekehrt kamen nicht mehr durch; so konnte der Angriff am 19. November vorbereitet und am 20. zur Ausführung gebracht werden. Die Generale Prinz Stolberg, Brentano, O'Donnell führten die drei Angriffs¬ kolonnen heran, aus Reichstruppen und Oesterreichern zu¬

Mit

unerschütterlicher Ruhe schlug Wunsch Reichstruppen zurück; die Grenadiere der Hauptmacht aber, durch gewaltiges Artilleriefeuer gedeckt, drangen unaufhaltsam in Maxen ein. Die Reste der Preußen sammengesetzt.

die Angriffe

der

umzingelt; Finck beschloß zu kapitulieren, Antrag an. In diesem Augenblick, des Uhr am 21. November, hatte Wunsch den sich mit der leichten Kavallerie durchzuschlagen. verdeckte auf der einen Seite das Unter¬ Kälte. Schnee, und Glatteis verlangsamten

sahen sich am Abend Daun nahm seinen

Morgens um 3 Versuch gemacht,

Die Dunkelheit nehmen, allein

das Vorwärtskommen. Mit Anbruch des Tages sich erst auf die Weite eines Kanonenschusses ein Defilee passiert. Daun bestand darauf, mit der Kavallerie zurückberufen werde und sich

Vergeblich

schützte Finck

vor, daß

hatte Wunsch entfernt und daß

Wunsch

ergeben solle.

dieser General

sondertes Korps

ein abge¬

kommandiere. Der österreichische Heerführer bestand darauf, und der bedrängte Finck mußte alles eingehen. Wunsch kehrte auf Befehl um, allein er unterschrieb die

Kapitulation nicht.

Er wurde aber

doch gefangen.

»-

Es ist nicht meine Absicht, die Beschreibungen zu er¬ Katastrophe von Maxen ausführlich

schöpfen, welche die

Ich gebe statt dessen den Brief des gefangenen Generals Wunsch, den er aus Dresden am 22. November

beleuchten.

an seine Frau geschrieben:

„Mein Kind,

du wirst dich wundern, daß ich aus Dresden Leider ist das ganze Finckische Korps gestern kriegs¬ gefangen gemacht worden. Kann das wohl die Welt glauben? Leider aber ist es an dem. Die Oesterreicher atiakirten uns an drei Orten zugleich, wobei der Feldmarschall Daun selbsten dabei in Person gewesen. Der General Finck stunde bei Maxen, ich aber stunde mit 4 Bataillons von Dohna auf der Anhöhe nach Ploschwitz; ich hatte vor meiner die Reichs¬ armee und den General Ried und Kleefeld mit 10 Bataillons Kroaten und 5 Kavallerieregimentern. Ich blieb auf meinem Platz stehen, sowohl in währender Aktion als auch die ganze Nacht; allein die anderen Canaillen bei Maxen sind gelaufen, als wenn sie der Teufel wollte holen, und nahmen in größter Konfusion ihre Retirade zu mir in der Zeit, da ich hörte, daß es oben bei Maxen schlecht ginge. So ritt ich von meinem Posten weg und gab indessen das Kommando dem schreibe.

Wie ich an unsere Kavallerie, so Obrist von Wolffersdorff. bei Maxen gestanden hatte, hinkäme, fand ich solche in der größten Konfusion. Ich raffle solche zusammen und attakirte die österreichische Kavallerie, jagte sie auch ziemlich weit zurück, hart unter die feindlichen Kanonen. Allein das verfluchte Gut von uns verließ mich und war auch nicht mehr zum aufhalten; in summa, es waren Canaillen. Die Hälfte der Infanterie ist während der Aktion desertirt; gestern früh aber, ehe es Tag wurde, hatte ich mich resolvirt, mit die Husaren und die zwei Dragonerregimenter, nemlich Jung-Platen und Württemberg, mich durchzuschlagen; ich wäre auch schon durch das Defile von Ziehsren, allein der Herr Generallieutenant von Finck, welcher den General von Rebentisch mit einem Trompeter zum Daun abgeschicket, ließe mich zurückrufen und dabei sagen, daß ich nicht marschiren solle, weilen sonsten das ganze Corps ins größte Unglück kommen würde und über die Klinge springen müßte; mithin haben wir uns als salva venia schlechte Kerls ergeben müssen. Ich würde zwar ohnrecht thun, wenn ich sagen thäte, der Herr General Finck ist daran Schuld.

Morgen marschiren wir nach Böhmen über Prag. — König wird mich bald ranzioniren... Ich Grüße mir Alle insgesammt, Große und Kleine. Sie werden sich sehr wundern, daß ich auf eine so infame Manier hab müssen gefangen werden; Geduld aber, ich werde doch wohl Gelegenheit haben, den König zu sprechen."

denke.der

Voll Sorge um

den Gatten schrieb die

Frau Generalin

in ihrem besten Französisch an den König und legte den eben aus Dresden eingelaufenen Brief des Gefangenen bei:

Lire Je viens de recevoir l’affligeante Nouvelle que mon Mari est prisonnier de Guerre, je sais, qu’il en est du desespoir, l’incluse insfcruiera Votre Majeste des Circonsfcances de cet Evenement et comme il me marque, dans sa lettre de vendre une partie de ses clievaux et de le suivre ä Prague, je ne me mettre point en Chemin, sans avoir agrement de Votre Majeste,

1896)

(GervorheairsstoUu'ifl

Berlin.

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342

j’espere encore de m’epargner tout ä fait ce voyage 81 j’oserai me flatter que votre Majeste daignera le faire rancionner bientot. C'est dans cette Esperance que j’ai l’honneur d’ etre avec la plus prüfende Soumission Sire de votre Majeste la tres humble tres obeissante et tres soumise Servante M. J. de Wunsch. Berlin le 26. Nov. 1769. Sofort gab

der

König den erwarteten Bescheid:

Wilsdruf

30. Nov. 1759.

A la Generale de Wunsch a Berlin. Je vous sais gre de la communication de la lettre que vous avez regue de votre mari en dernier lieu, et dont vous voudrez bien que j’en garde l’original. Soyez assuree que je suis vivement touche du desastre, on il a ete entraine, sans qu'il y ait eu aucunement de sa saute. Si j’avais ä disposer de son echange, selon mon gre, il serait assurement un de premiers officiers que je reclamerais; mais comme ceci ne dopend pas tout-ä-fait de mon choix, il saut pendre un peu de patience. Autant qu’il sera en mon pouvoir,

il

ne doit pas languir longtemps; d’ailleurs faut-il, que notre reste de Campagne soit fini, avant que de pouvoir pendre le concert qu’il saut relativement ä cet echange. Frederic.

Der Geheime Kriegsral und Kabinettssekretäc des Königs, Eichel, übersandte in diesen Tagen dem Minister Grafen Finckenstein einen Auszug aus dem Schreiben des Generals Wunsch an seine Gemahlin, damit der Minister daraus ersehen möge: „wie dieser würdige Mann und brave General von der Finck'schen Affaire fich ausdrücket. Da er aber solches noch in der ersten Rage und hier und da in etwas naiven Expressionen gethan hat, so bitte Ew. Excellenz ganz gehör, samst, solchen Extract nach gethanem Durchleseu ohnvorgreifcassiren und Niemanden

lich ganz zu lassen;

denn

sonsten

der Eclat

davon

etwas davon sehen zu dereinsten zu vielen

Weitläufigkeiten Gelegenheit geben könnte. Eichel." Unter dem ersten Eindruck der Schreckensnachricht hatte Eichel an Graf Finckenstein geschrieben:

„Wildruff 23. Nov. 1759. Ew. Excellenz werden von der Größe meines Chagrins über ein Desaster, dergleichen bei denen preußischen Truppen ohne Exempel ist. Selbst urtheilen, wovon ich mir noch bis diese Stunde keinen rechten Begriff machen kann, zumalen der Generallieutenant von Finck sich sonst in allen Gelegen¬ heiten so wohl und so vorsichtig betragen, auch die General¬ majors Wunsch und Rebentisch bei sich gehabt, die beide, und sonderlich der erstere, sich sonst in allen Gelegenheiten sehr distinguiret haben, daß ich also vermuthe rc." Seinem Freunde d'Argens sandte Friedrich schon am 22. November zerrissenen Herzens die Trauerbotschaft von dem „Finckensang" bei Maxen: „Bon

dem Unglück des Generals Finck bin ich so betäubt,

noch nicht zu mir selber komme, das zerstört alle meine Maßregeln und trifft mich im Innersten. Das Unglück,

daß ich

das mein Alter verfolgt, nachgezogen.

mir aus der Mark nach Maxen Die kleine Hymne an Fortuna, die ich Ihnen

B>-

geschickt,

war voreilig gemacht;

besingen, bevor man ihn erfochten

den Sieg

muß

man nicht

hat."

Schmerzlich empfand der König den Verlust eines so unermüdlichen Vorkämpfers, wie es Wunsch gewesen; solches Auge, solchen Entschluß, das brauchte er jetzt gerade in den „Der König aber verlor in einem sehr Tagen der Not. entscheidenden Augenblick Generale wie Finck und Wunsch."*)

Nochmals machte der Geheime Kriegsrat Eichel seinem in einem vertraulichen Schreiben an Graf Finckenstein: „Der würdige General Wunsch, welcher seinen Posten in der Nähe von Dohna hatte, wo er den Feind mit großem Verluste zurückgeworfen hatte, der eben zum Angriff über¬ gegangen war in derselben Zeit, da Bestürzung den General Finck erfaßte, und der Nichts hören wollte von Kapitulation, wurde doch mit hineingezogen und ebenfalls gezwungen, fich zu ergeben." gepreßten Herzen Luft

Ueber Prag war General Wunsch nach Innsbruck gebracht Trotz alles ungeduldigen Drängens von seiner worden. Seite, trotz alles guten Willens beim König, kam es zu keiner Auswechselung. Am 6. Juli 1760 erhielt der König ein Schreiben von Wunsch aus Innsbruck, „worin derselbe Mir werden, bezeiget". sein Verlangen, bald ausgewechselt zu

Die Antwort, welche der König „durch Vermittlung der Frau v. Wunsch" abgehen ließ, lautete: „Wie Ich Solches gleich¬ falls wünschete, daß dieses aber nicht von mir allein, sondern auch von des anderen Theils Genehmhaltung dependire, wozu Ich Meines Orts gerne Alles beitragen würde." In den bedeutungsvollsten Kriegsjahren hatte er mitgefochien, im unglücklichsten Jahre wohl am meisten zur Wtederausrichtung der Gemüter, zur Wiedererneuerung der alten Waffenherrlichkeit beigetragen; jetzt mußte der gefangene General dem Nachspiel des Krieges aus der Ferne zusehen.

Erst mit dem Friedensschluß kehrte Wunsch aus der Gefangen¬ schaft zurück.



Der Krieg war vorüber; die Regimenter kehrten in die Garnisonen zurück und setzten fich auf Friedensfuß; die Freibataillone, die kein Recht auf Fortbestand hatten, wurden mit dem letzten Schuß entlassen oder bei den anderen Truppen¬ körpern untergesteckt. Brotlos geworden, zogen sie entweder der Heimat zu oder irrten umher in Berlin und anderen Städten, füllten die Wirtshäuser und suchten Unterhalt auf irgend welche Weise. — Das Land selbst, weithin verwüstet und heimgesucht, begann wieder ein besseres Aussehen zu gewinuen; die verbrannten Wohnplätze hoben sich aus ihren Trümmern, die vernachlässigten Fluren wurden wieder ange¬ baut. — Die Kriegsgefangenen waren ausgetauscht worden; in langen Zügen kehrten sie in die Heimat zurück. Das Verdienst, wo es fich fand, belohnte der König; die Schuld ward gesühnt. Die mit Finck aus der Gefangenschaft zurückkehrenden Generale — es waren deren neun — wurden vor ein Kriegs¬ gericht gestellt, in welchem Zielen den Vorsitz führte. Finck erklärte im Verhöre: er habe bei versammelter Generaluät, behufs der Befreiung, in der Nacht die Absicht kundgegeben, das ganze Korps durch einen neuen Angriff aufzuopfern, da aber niemand gleiche Absichten geäußert, er auch nach den eingegangenen Zählungen der Mannschaften erfahren habe, daß nur 5071 Mann noch unter dem Gewehr ständen und

ist

*) Schöning, Der siebenjährige Krieg. PotSdamjl852.^ II. 339.

der General v. Wunsch nur mit 1800 Mann: so hätte er es für unverantwortlich gehalten. die braven Leute ohne Anschein, daß es etwas helfen würde, aufzuopfern; dennoch habe der General von Wunsch mit seiner Bewilligung ver¬ suchen wollen, sich mit der leichten Kavallerie am 21. durch¬ zuschlagen, Wunsch wäre indessen, obgleich er des Morgens um 3 Uhr aufgebrochen, beim Anbruch des Tages kaum einen Kanonenschuß von seinem Lager ab und und erst ein Defilee passiert gewesen, allwo aber derselbe die ganze österreichische Armee vor sich gehabt, durch die er unmöglich durchgekommen

würde." Die Frage, warum Finck den General Wunsch nicht habe ungehindert gewähren lassen, beantwortete Finck dahin: „der Feind habe dessen Rückkehr durchaus verlangt, und da er noch im Angesicht gewesen, so wäre dies auch den Verhältnissen sein

Ilchannisminne und Aohannisjegen. Von

G. Glaser.

Ein aller Fest- und Opferbrauch war das Minnetrinken. Bei den heidnischen Göttermahlen trank man die Minne der Götter, daheim neben dieser auch wohl die Minne der Abwesenden oder Verstorbenen — der Ursprung unserer Toaste. In christlicher Zeit trank man zu Ehren der an die Stelle der Götter meist getretenen Heiligen. Nach Grimm war es uralter und verbreiteter Brauch, den Hausgöttern bei festlicher Mahlzeit einen Teil der Speisen zurückzustellen, namentlich wurde der Berchta und Hulda eine Schüsiel mit Brei hingesetzt, und dabei ließ man die Götter auch den feierlichen Trank mit genießen. Aus dem Gefäße pflegte der Trinkende, ehe er für den Gott oder Hausgeist hinzugießen.

selbst genoß,

angemessen gewesen; hätte Wunsch irgend eine Möglichkeit zu

etwas

reüssieren gehabt, so würde er davon ohnedies Gebrauch

Die Johannisminne wurde zuerst zum Andenken des aber auch zu Ehren Johannis des Täufers getrunken. Der Tradition zufolge soll der Evangelist an dem Festlage Johannis des Täufers gestorben sein, sodaß

ge¬

macht haben, da er von einem kriegsgefangenen General nicht

nötig gehabt hätte, eine Ordre anzunehmen." In einem zweiten Verhör, welches sich Finck am 2. Mai 1763 erbat, brachte er noch vor: „daß er an dem Tage des Gefechts, am 20. November, versucht habe, sich mit der Kavallerie Luft zu machen und das Brentanosche Korps an¬ zugreifen, allein er sei geworfen und fast bis in die Gegend, wo der General Wunsch gestanden, zurückgetrieben worden. Wie ftd). nun die ganze Aktion in der Nacht geendigt: so wäre er mit dem Rest in einem Sack gewesen, wo er nicht vorwärts und auch nicht rückwärts gekonnt habe, so daß. wenn die Nacht nicht eingebrochen, sein ganzes Korps überdem masiakriert worden wäre."*) Der Spmch des Kriegsgerichts, das unter Zielen zu Rate gesessen, wurde am 26. Mai gefällt und lautete dahin: „General v. Finck sei gerechtfertigt von dem Vorwurf, als habe er Mangel an Kourage gezeigt, dagegen seien ihm eine Reihe anderer Punkte zur Last zu legen." Finck wurde zur Kasiation und zu einjährigem Festungsarrest verurteilt. Noch weitere Generale wurden bestraft und sämtliche entlasien. Als gerecht¬ fertigt durch mannhafte Haltung und Entschlossenheit sah der strenge König nur den General Wunsch an, den ruhmvollen Kriegsgefährten des Jahres 1759. Er wurde in alle Ehren wieder eingesetzt und zum Chef des Fincktschm Regiments ernannt. (Fortsetzung folgt.) *) Schöning II. 195 s. — Bei dem ganzen Verhör ist bemerkenswert, in welch bestimmter und aufopfernder Weife die Adjutanten Fincks, Pfau und Winterfeldt, ihn verteidigten und namentlich auch aussagten, daß Finck es gewesen, der den Befehl gegeben: Wunsch solle sich während der Nacht mit der Kavallerie durchschlagen. — Von Maxen aus war Finck auch nach Dresden gebracht worden; er schreibt von hier auS dem König am 21. November: „ES ist mit dem größten Chagrin, daß ich Ew. Kgl. Majestät allerunterthänigst melden muß, daß, nachdem ich gestern von drei Seiten bin attackiert worden, ich endlich nach einer hartnäckigen Gegenwehr bin geschlagen worden; der Rest des Korps sammelte sich in der Nähe von Poschwitz, ich tentirte zwar, um in der Nacht die Kavallerie noch suchen durchzubringen, eS war aber alles vergeblich; nachdem ich nun fast die völlige Artillerie schon verloren hatte, eS mir auch an Munition gebrach: so bin ich leider gezwungen worden, mich mit dem Rest heute Morgen zu Kriegsgefangenen zu ergeben. Ew. König!. Maj. sind viel zu gerecht, als daß Höchstdieselben wegen dieser betrübten Vorfalls mir einige Ungnade zuweisen werden, da ich mich dann der allcrstrengsten Untersuchung unterwerfe rc." Darauf der König: „Mein lieber Generallieutenant von Finck. — Euer Schreiben vom 21. ist mir eingeliefert worden. ES ist bis dato ein unerhörtes Exempel, daß ein preußisches KorpS das Gewehr vor seinem Feinde niederleget, von dergleichen Vorfall man vorhin gar keine Jvee gehabt. Von der ganzen Sache muß ich annoch Mein sJudicium suSpendiren, weil Ich die eigentlichen Umstände, so dabei vorgegangen, noch gar nicht weiß. Ich bin Euer wohlasfectionirter König Friedrich."

Evangelisten Johannis,

man an einem und demselben Tage den Geburtstag des einen und den Todestag des andern zu feiern gehabt hätie. Da jedoch jeder von beiden eines besonderen Gedächtnistages

würdig schien, so fragte es sich, wer dem andern weichen solle. Nun sollen sich, wie die Tradition meldet, zwei Kirchenlehrer einst eifrig über diesen Punkt gestritten und der eine alles, was sich für den Vorzug des Evangelisten sagen ließ, angeführt, der andere aber auf das Wort Christi sich berufen haben, „daß unter allen von Weibern Geborenen keiner größer sei. als Johannes der Täufer." Beiden aber sei den Tag vorher, ehe die Streitfrage entschieden werden sollte, dem Verteidiger des Evangelisten der Täufer und dem Verteidiger des Täufers der Evangelist erschienen mit den Worten: „Wir im Himmel find einig; streitet Euch also auch nicht auf Erden über uns!" und so habe man sich denn dahin geeinigt, daß dem Täufer sein Gedächtnistag bleiben, das Andenken an den Evangelisten aber am 3. Weihnachtstage gefeiert werden solle.

Die Tradition meldet noch weiter, daß der Evangelist zwar zum Trinken eines Giftbechers verurteilt worden sei, weshalb er auch mit einem Becher, um den sich eine Schlange windet, abgebildet wird, den Trank aber durch das Zeichen des Kreuzes unschädlich gemacht habe; und zur Erinnerung daran war es auch allgemeine Sitte, sich am Johannis- oder 3. Weihnachtstage mit geweihtem Weine zu beschenken und beim Abschiede sich den sogenannten Johannisbecher oder Johannissegen (beneäiotio St. Johannis) zuzutrinken. In früheren Zeiten reichte der Priester den geweihten Wein am Kommuniongitter oder am Altare den Gläubigen

Worten: Lids arnorern sanoti Johannis in nomine patris et filii et Spiritus sancti. Heute scheint diese Gewohn¬ heit größtenteils aufgegeben zu sein, doch kommt sie noch in Ober¬ bayern und im Hildesheimschen vor. In Oberbayern wird in der Kirche in einem besonders dazu bestimmten Becher der

mit

den

ganzen Gemeinde der

geweihte Johannissegen zu trinken

ge¬

wofür jeder einzelne eine Kleinigkeit opfernd auf die Stufen des Altars legt. Auch wird der Wein für die Johannisminne geweiht, welche bei der Trauung das Brautpaar trinkt, und viele Bauern lassen sich noch zum Privatgebrauch Wein weihen, geben,

3-14

den sie dann während des Jahres als Arznei bei Erkrankung

trinken oder vor einer Reise — gleichsam ein inwendig ge¬ tragenes Amulett. (Bavaria I, 387.) Auch wird jetzt der von einem Hausvater in die Kirche gebrachte Wein nach der Weihe nach Hause getragen und dort in seierlicher Weise getrunken, zum Teil in die Weinfässer geschüttet oder aufbewahrt.

Ehemals trank man den Johannissegen nüchtern, jetzt nach Hause genommenen entweder vor oder Birlinger berichtet darüber ans dem Ravens¬ nach Tische. burgischen: „Jeder Bauer nimmt seinen Johannissegen, etwa ein Maß, oft noch mehr guten roten Wein mit nach Hause, aber roter muß es sein. Kommt man von der Kirche heim, so werden Mutter, Kinder, Knechte, Mägde bis zuni einfachsten Hirtenbuben herab zusammengerufen, und alle setzen sich an den Tisch. Der Hausvater trinkt zuerst aus dem Becher, und sodann macht der Becher die Runde am ganzen Tische, sogar das Kind in der Wiege muß St. Johanniswein trinken.

trinkt man den

Desgleichen

ist

St. Johannissegen im Wirtshause zu

treffen. Der Wir! läßt ziemlich viel Wein zur Kirche tragen, und davon bekommen Nachbarn, Stammgäste und solche ärmere Leute, die keinen Wein aufzubringen vermochten, zu trinken.

In

der Oberndorfer Gegend sagt man beim Johannistrinken:

,Grüß Dich Gott, Bruder gut!

Nach

Wir

haben getrunken Christi

Gott Gott Gott Daß

Vater mit mir, Sohn mit Dir. heiliger Geist mit uns beiden, wir glücklich von einander scheiden."

Blut,

in unter Gebet oder mit Hersagung der

dem feierlichen Rundtranke geht der Hausvater

den Keller und

schüttet

Formel:

„Am Johannissegen

Ist

alles gelegen"

in jedes Faß einige Tropfen

des gesegneten Weines.

Dadurch

soll alles Böse vom Keller abgehalten oder das Verderben des Weines gehindert werden.

Allein nicht nur am Feste des Evangelisten, zur Zeit der Wintersonnenwende, sondern auch am Gedächtnistage des Täufers am Sommersonnenwendfeste trinkt man Johannissegen. Meier (Sagen aus Schwaben) berichtet darüber: „Am 24. Juni trank man noch vor einigen Jahrzehnten in Rotenburg a. N. abends den Johannissegen

oder Johannistrunk.

Man stellte

und Stühle vors Haus, und die Nachbarn nebst Be¬ kannten und Verwandten setzten sich hier zusammen. Wenn manche Nachbarn auch das ganze Jahr hindurch sich angefeindet halten, so mußlen sie an diesem Tage sich aussöhnen und mit einander essen. Der eine brachte Brot, der andere Fleisch,

sich

SK

Die Sitte, beim Scheiden Johannisminne zu trinken, hat in einigen Gegenden Bayerns erhalten. Einen interessanten

Bericht über das Trinken des Johannisweines vor der Abreise giebt uns Panzer (Beitrag zur deutschen Mythologie): „Vor der Abfahrt eines Salzzuges von Passau nach Regensburg brachte der Seilträgcr aus dem Seilnachen einen Plutzer*) Wein, füllte einen kleinen Becher und sprach zu den vorüberreitenden

Roßleuten: „Bring' Euch den heiligen Johannissegen!" Hier¬ auf leerte er den Becher, schwang ihn rückwärts über den Kopf und goß einige Tropfen aus. Dann reichte er jedem der Roßleute den gefüllten Becher, und jeder sprach: „In Gottes Namen den heiligen Johannissegen," leerte den Becher, schwang ihn rückwärts über den Kopf und goß einige Tropfen aus. Hatten alle getrunken, so sprach der Seilträger: „In Gottes Namen fahren wir." Er fuhr unter beständigem Seilauswerfen zurück an den Hohenauer**) und übergab das Seil dem Sesstaler (der den ganzen Salzzug befehligte). Inzwischen war der Seilträger auf das Schiff gestiegen und hatte dem Sesstaler den Plutzer mit Wein hingestellt. Der Sesstaler brachte nun den Johannissegen dem Seilträger, dieser dem Bruckknecht u. s. w., und jedesmal wurden obige Worte ge¬ Merk¬ sprochen und einige Tropfen rückwärts ausgegossen." würdig ist hier das Ausgießen einiger Tropfen rückwärts über den Kopf, das uns an alte Trankopfer erinnert. Früher war der Brauch, vor dem Abschiede St. Johannis¬ Dem segen zu trinken, in Deutschland weit verbreitet. Scheidenden trank man die Johannisminne zu, daß er Glück und Schutz auf der Reise habe. Zuerst mochte sie wohl vom Priester geweiht gewesen sein, oder es war doch der Ab¬ schiedstrunk mit gesegnetem Wein vermischt. Später jedoch, als damit schon Mißbrauch getrieben wurde und man selbst den letzten Trunk im Wirtshause St. Johannissegen nannte, fehlte jede kirchliche Weihe. Anspielungen auf den Johannissegen und Johannistrunk trifft man bei mittelalterlichen Dichtern. Hartmann v. Aue kennt sie bereits, denn als Erek den fürchterlichen Kampf im Baumgarten bestehen sollte, vernahm er eine heilige Messe zu Ehren des heiligen Geistes, kehrte dann zum Frühstück und trank St. Johannissegen vor seiner Ausfahrt. Die vom Gelage aufbrechenden Gäste tranken auch St. Johannisminne und wähnten, sich mit dem Namen des Heiligen gegen schädliche Wirkungen des Weines schützen zu können. In den Fastnachtsspielen des 15. Jahrhunderts wird dieser Brauch öfters erwähnt. Im Spiele von zwei Eheleuten heißt es:

Tische

dritter Wein u. s. w. Dann aß und trank man auf offener Straße und sang lustige Lieder dazu bis tief in die Nacht. In der neuesten Zeit hat man diese gute alte Sitte wieder eingeführt. Ebenso wird noch in Heilbronn abends der Johannisfegen getrunken. Ein solches gemeinsames Effen hielten früher auch die Zünfte in Ueberlingen am See." Der Johannistag mit seinen Trinkgelagen wird in Schwaben das Versöhnungsfest genannt. In Nürnberg war es eine alte Sitte, am 24. Juni den Johannissegen zu trinken, damit ein warmer und fruchtbarer Sommer erfolgen möge. ein

„Herr Wirt, nun heißet uns einschenken. So woll'n wir mit St. Johannis Minn trinken, und uns dann heben unser Straß, Daß man mehr Leut zu euch herein laß."

Im

Spiele von drei bösen Weibern steht: „Knecht, bring uns St. Johanns Minnen, es ist Zen. daß wir gangen von hinnen."

In

einem Schauspiele von Salomons Urteil sagt die Mutter zum Kinde, das ihr die Henker entreißen wollen:

rechte

„Ach, saug noch eins zu guter letz und trink nun St. Johannis Trunk."

*) Ein

Henkelgefäß

mit weitem Bauche, engem Halse und kleinem

Boden.

**)

Die „Hohenau", dar größte der Schiffe mit 1750 Ctr. Ladung.

■«

Die Sitte, Johannissegen zu trinken, Man trank den geweihten Wein an den

345

reicht weit zurück.

um gegen Zauberei, namentlich Vergiftung und schädliche Speisen gesichert zu sein. Er schützt den Trinker vor Blitz, macht den Mann kräftig und das Weib schön und verschafft dem Kranken Genesung. Er durfte bei dem Trankopfer für die Ernte in manchen Orten nicht fehlen. Man trank auch Johannissegen bei Trauungen, damit die Ehe gesegnet, fruchtbar und glücklich werde. Der Scheidende leerte dem Heiligen zu Ehren den Becher, damit er vor bösen Zufällen gesichert sei, Glück auf bem Wege und freudige Heimkehr finde. Vor einem schwierigen und gefahrvollen Unternehmen trank man Johanniswein, damit ein gutes Ende Festen,

ganze Werk kröne. In allen diesen Fällen handelt es vorzüglich um Erlangung von Schutz und Frieden. Frucht¬ sich barkeit und Jahressegen. Was die Johannisminne anbelangt, so darf man nicht

das

vergessen,

daß das Minnetrinken sowohl zu Ehren Johannrs

des Evangelisten wie zu Ehren des

Täufers

geschah.

Beide Johannes werden auf Freyr bezogen, und der Johannissegen ist aus der Freyrsminne entstanden. Zu Freyes Ehren trank man den Vollbecher um ein gutes Jahr Frieden; ebenso trank man den Jchannissegen, damit ein fruchtbarer Sommer werde. Bei Trauungen opferte man dem

Freyr, in gleicher Weise trank man Johannisminne.

Freyr hatte das

beste Schiff, bei ihm gelobte man auf Abenteuer auszuziehen. Vor der Reise trank man St. Johannis¬ segen, um Glück zu haben, man trank ihn, bevor man ein

Abenteuer bestand.

(1683), äußerte er Aufbruche aus jedem sein Erstaunen darüber, daß man beim Wirtshause des Morgens ihm St. Johatlnissegen zu glücklicher Weiterreise aufnötigte. C. Geßner schreibt in seinem Tier¬ buch: „Herkulis Trunk, d. i., wie wir sagen, Sr. Johannis¬ mantel." Er will sagen, ein großer Schluck ist ebenso gut besuchte

Freiflng liest man auf einer Tafel im oberen

„Hältst Du Johannissegen nicht veracht, Hält dir der Gaul den Garaus nicht gemacht." Ein Reiter war im Wirtshause eingekehrt und wollte eben wieder zu Roß steigen, als der Wirt ihn an St. Johannis¬ den Wein

Tier hinab, unv er zerschmetterte

die Hirnschale.

Lezzetrunk heißt in Spaichingen der Segenswein. Evuard Düller fingt im „Freund Hain": „Und es füllt der Wirt die Kannen, Werter Gast, ihr zieht von dannen,

Einen wüsten Weg hinaus,

Drum Johannissegen Wahr' euch allerwegen Vor der Wanderung Sturm und Graus!" Bei Landhochzeiten, zumal im bayerischen Gebirge, wird das Brautpaar zum Antritt einer glücklichen Ehe in der Kirche mit St. Johannissegen geehrt, aber auch die Gäste nehmen Profeffor Sepp in München erzählt: „Bei daran teil. der Hochzeit meines Verwalters Dornach in Weßobrunn am 1. Februar 1875 bin ich voran um den Altar zum Minne¬ trank gegangen, und feierlicher Hörnerklang erhöhte den Ernst der Handlung." In Bernau am Chiemsee wird die Braut vom Braut¬ führer beim Hochzeitamt dreimal um den Altar geleitet und Anderwärts, wie in trinkt jedesmal St. Johanniswein. Peutting, Weßobrunn, Fürstenfeldbruck bleibt die Braut stehen und trinkt dreimal abwechselnd mit dem Bräutigam, die andern Hochzeitsgäste noch einmal. Auch beim Auszug in den Krieg und beim Abschied vom Leben durfte der Minnebecher nicht fehlen. Die Regens¬ burger zogen am 13.

Juli 1431

gegen die Husfiten, nachdem

Bei den bis ins St. Johanniswein getrunken. 15. Jahrhundert in Bayern fortdauernden Gottesurteilen und Turnier kämpfen erhielt jeder zuvor den Minneirank. Im erst

Augenblick vor der Enthauptung reichte man dem ritterlichen Pienzenauer zu Kopfstein noch St. Johanniswein. Und wie sollen wir es anders fassen, daß man im Altertum letzten

Der Kelch, den St. Oswald ist eben Odins Minne¬ Rabe kostet Johanneslieb sein sprachkundiger

den Hinzurichtenden Wein anbot?

becher,

oder

Gang neben einem Hufeisen:

segen mahnte.

sich

stürzte das

auf Bildwerken in der Hand führt,

wie ein warmer Reisemantel. zu

den Berg kam,

sie

Als Mabillon die Schweiz

In Dom

&•

Dieser spottete darüber und sagte, man solle Roß geben. Als er gen Moosbmg an

seinem

selbst

St. Johannissegen.

So tranken unsere heidnischen Vorfahren die Minne der Götter. Beim Totenmahl war der Minnetrunk dem Andenken der Verstorbenen geweiht, in anderen Fällen auch den Anwesenden. In christlicher Zeit traten Heilige an die Stelle der Götter, und zuletzt pflegten Scheidende und Reisende Johannisminne zu trinken, um dadurch Schutz und Glück ans der Reise zu haben.

Kleine Mitteilungen.

Alt-Kerlin

Das Theater (f. Abbildung auf S. 3t l). Auf dem Ausstellungsplatz der Gewerbe - Ausstellung von 1896 welcher bekanntlich größer ausfällt, als der Raum der Pariser Weltausstellung samt Jnvalibenplatz, und welcher im verpachteten Raum etwa das fünfundvierzigfache der 1879er Gewerbe-AuSstellung beansprucht, wird auch dar Theater .Alt-Berlin" errichtet werden. Mitten im Treptower Park belegen, und zwar genau in der Längsachse der HauptauSstellungSgebäudeS, dessen Front eS die seine zukehrt, wird da« HauS schon äußerlich zu einer

Sehenswürdigkeit sich gestalten. Ist es doch im Stil Gontards gehalten, jenes hochbegabten Architekten, dem die junge Residenz der preußischen Könige nicht wenige ihrer bemerkenswerten Baulichkeiten verdankt. Ein Blick auf die Faqrde des Theaters Alt-Berlin erinnert uns zugleich an Gontards „Königskolonnaden', an die beiden Kuppelbauten unseres Schillerplatzes, an die Arkaden in der Leipziger- und Mohrenstraße. Wer des alten Meisters Art so in ein einziger Bild zu fa^en vermochte, der mußte auch seinerseits ein Meister sein: von Bernhard Sehring, dem genialen Schöpfer des „Künstlerheimes", rührt der Entwurf zum Theater Alt-Berlin

Die Faqade desselben wird sich als eine große Säulenhalle darstellen, von zwei Renaisiancc-Flügelbauten eingerahmt. Hinter der Faqade steigt ein hoher Giebel empor, welcher zu einer überraschenden perspektivischen Wirkung ausgenutzt ist. Rechts und links nämlich von der Fensterarchileklur, welche die Mitte der Giebels einnimmt, ist nach beiden Seiten ein prächtiger, weit ausbiegender Arkadengang gemalt, welcher den Eindruck einer — Die in weite Tiefen gehenden planvollen Renaisiancearchilektur hervorruft. Jnneneinteilung erinnert an das Bapreuther Festspielhaus. Ueber einem leicht aufsteigenden Parkett mit 509 Sitzplätzen erhebt sich nur ein Rang, der freilich so geschickt angelegt ist, daß im ganzen nicht weniger als 1850 Personen Raum finden und das Bühnenbild bequem überblicken können. Die Hälfte deS Parketts enthält die prächtigen Sitze aus dem alten ReichStagS^ebäude. — DaS HauS wird absolut feuersicher auSgesührt durch die Aktien-Gesellschaft für Monierbauten, die damit ein Ausstellungs¬ objekt ersten Ranges zu bieten beabsichtigt. Die Bühne mißt 25 Meter im Quadrat, sie dürfte zu den größten in Deutschland zählen und wird nach Plänen deS Ingenieurs C. Kortüm eingerichtet werden. Da man in

her.

-S

346

auf Dckorations- und Licht-Effekte ganz Außerordentliches vor¬ führen will, fo hat bei der Bühnenanlage jede gute Neuerung Verwendung Zur Aufführung gelangt ein historischer Cyklus ,.Alt- und gesunden. Neu-Berlin". Die Herren Carl Bleibtreu, E. von Wolzogen, Hans von Hopfen, Ernst von Wildenbruch, Alexander Baron von Roberts unv Julius Stinde sind die Autoren dieser schon in der Anlage ganz und gar nicht konventionellen Dichtung, die durch alle Behelfe modernster Bühnentechnik unterstützt werden soll. Der ausgezeichnete Jnscenator Fritz Witte-Wild ist als Oberregisseur und ein zahlreiches, sorgsam zusammengestelltes Künstlerpersonal für die Darstellung gewonnen. — Sxhvings Theatov des Westens. Bernhard . Bezug

„AltBerlin" noch ein zweites Theater, geplant, welches er unter Benutzung elek¬ trischer Beleuchtung und dauernder Tag- und Nachtarbeit vom Herbst Das Grund¬ 1885 bis zum H"bst 1896 fertig zu stellen hofft. stück des „Theaters des Westens" liegt 180 Meter vom Zoologischen Garten entsernt in der 30 Meter breiten Kantstraße und hot eine Front von 66 Metern. Der Gesamtplatz hat einen Inhalt von 490 Geviertruten. Der Bau zerfällt inhaltlich und künstlerisch in zwei Teile: den vorderen mit der Straßenansicht und den EmpkangSräumen und den hinteren mit den mehr praktisch verwerteten Räumen. Der vordere Teil ist in gewöhnlichem, aber sehr wirkungsvollem Renaissancestile französischer Färbung gehalten, der hintere ganz in drm eigenartigen und aus heimatlichen Motiven ent¬ wickelten Profanstile, den man von den Bauten SehringS kennt: für den Theaterbau eine völlige Neuerung. Der Zuschauerraum umfaßt an 1800 Plätze, wovon 1000 auf Parkett und ersten Rang gehen. Die Proszeniumslogen reichen bis an die Decke ohne Unterbrechung und bieten einen gewaltigen Anblick dar. Der dritte Rang, der äußerste, hat dieselbe terrassensörmige steile Erhöhung der Bänke, welche in den Theater-Neu¬ bauten der letzien Zeit bereits mit Erfolg durchgeführt ist. Vom Vorhang bis zur Brüstung deS ersten RangeS zählt man nur 18 Meter (die königliche Oper hat über 20 Meter), so daß auch die hintersten Mittelplätze nicht vas Gefühl einer allzu großen Entfernung von der Bühne aufkommen lassen. Um daS Theater, welches etwa die Mittelgröße zwischen Opernund Schauspielhaus hat, unter Umstänven zu einem kleineren Schauspiel¬ haus umwandeln zu können, ist eine interessante Vorrichtung getroffen, welche mittels eines Velariums den dritten Rang zudeckt, eine tiefere unakustische Decke bildet und unter Aufgebung von etwa 500 Plätzen sofort dem Raum die Eignung für den Konversationston verleiht.

Sehring

hat

außer deni Theater

„das Theater des Westens",

Alt-Sevlin irr der Gewevde-AusstoUunfl.

— Nach den Mitteilungen des Vereins für die Geschichte Berlins sind die Pläne des Unternehmens (s. „Bär" Nr. 23, S. 275) unter Mitwirkung einer Kommission aus dem Verein für die Geschichte Berlins von dem Architekten Herrn Hoffacker sestgestellt und werden allseitig durch die geschickte Ausnutzung des zur Verfügung stehenden Terrains und mit Rücksicht auf die historische Treue beiriedigen. Am Karpfenteiche, im Herzen der Ausstellung, wird sich die Zeit um die Mitte des 17. Jahrhunderts herum abspielen, und die Gesellschaft Alt-Berlin scheut keine Kosten, um durch Unterhaltung des Publikums etwas Großartiges zu bieten. Alle Angestellten, über 500, werden in der kleidsamen Tracht der damaligen Zeit erscheinen, und das MusiikorpS wird mit den zur Zeit gebrauchten Instrumenten alte Weisen ertönen lasten. Jeden Tag sollen von 1 bis 11 Uhr abwechselnd Chor und Musik, Aufzüge und Turniere den Beschauern die Zeit vertreiben, so daß sie sich wirklich in das 17. Jahrhundert versetzt glauben.

„Alt-Berlin"

Gin irlafstscties Beispiel svanzüstscliev Uevdlendung liefert der „Rappel" vom 23. Juli 1870, in welchem

Ch- Hugo, ein Sohn Victor Hugos, ein preußisches Regiment mit folgen¬ den Worten beschreibt: „AIs ich vor einigen Jahren in Trier war, sah ich ein preußisches Regiment vorbeimarschieren. ES war das etwas seltsam Ungewöhnliches. Wer ein preußisches Regiment marschieren sah, hat eine feudale Horde gesehen. DaS schaut sich lächerlich, wild, beunruhigend an. Die Pickelhaube bringt uns zum Lachen, vas martialische Aussehen aber nötigt unS zum Nachdenken. Nichts Fremdartigeres und nichts, waS so furchtbar lächerlich ist, wie ein so schreckliches, mit Blitzableitern behelmtes Regiment. Man glaubt, bei einem Kriegskarneval zu sein. Der Soldat ist ein als

Mars frisierter Harlekin.

Das Regiment marschiert. Seht es euch an! Voran schreitet der StabStrompeter. ES ist ein geberdenreicher, buntscheckig aufgeputzter, tänzelnder, singender und schreiender Junge, der wie wahn¬ sinnig in ein Blechinstrument bläst, das den ganzen Umsang der preußischen Mititärmusik hält, ein mißratener Spaßmacher. Hinter dem StabStrompeter kommt die Musik mit ihren Pfeifen, Hörnern und flachen Trommeln, die zwei übereinander gestülpten Cymbeln gleichen. Nichts Wahnsinnigeres als dieses verteufelte Orchester. Alles Geräusch, Toben und Getöse stimmt sich wütend zu einer undeutlichen Harmonie zusammen, aus der man die musikalische Seele Deutschlands heraushört und die mit der Wut die Träumerei und Melancholie verbindet. Der Sturmwind scheint ein Stück Beethovens aufzuspielen. Hinter der Musik marschiert der Oberst, eine ganz unmögliche Persönlichkeit. Er trägt eine andere Uniform als die der Regiments, sie ist verbrämt, federgebuscht, vergoldet, gestickt, phantastisch ausschweifend. Er ist behelmt, trägt Epauletten mit großen Kugeln, den Säbel gezückt, und daran erkennt man seinen Rang.

Zwölf Lakaien in großer Livree und Haiducken mit Turbanen solgen ihm, hinter ihnen seine Adjutanten, junge Leute, aber große Herren, in auffälligen Anzügen. Sie sind hochfahrend und unbärtig. All das zusammen,

StabStrompeter, Musikanten, Oberst, Haiducken spreizt sich, macht Sätze, bläst und schreit den Krieg. Die schroffe deutsche Manneszucht kündigt sich durch ein erstaunliches Kaprizio an. Das ist zügellose Phantasie. Beethoven hat die Musik, Callot die Anzüge geliefert. Man meint zu träumen.

BWohin ziehen sie? In den Krieg. Totengang; man erwartet TheSpiS mit preußischen Geschützen

Sind das Gaukler oder Krieger? Das

ist ein

heranziehen zu sehen. Nach dem Stabe ändert sich rasch daS Schauspiel, das phantastische Gepränge muß der Zucht weichen; Zucht und Regiment sind gleichbedeutend. Hier der Hauptmann, ein Veteran, fünfzig Jahre alt; ein langer, grauer Bart bedeckt ihm Mund und Kinn. Er hat ken Säbel gezogen; seine Epaulettes zwei schmale Goldfäden. Er ist in eine stramme, bis an den Hals zugeknöpfte Uniform wie in eine Säbelscheide einklemmt. Er schaut weder rechts noch links, sondern gerade auS; sein Schritt hält stoisch den Takt, Der Oberst sein Regulativ ist die stumme, resignierte, drohende Pflicht. ist der Renommist, der Hauptmaan der Soldat. Hinter dem Haup:mann rückt die Kompagnie in drei Gliedern an. Die Soldaten sind blaß, Jeder Mann bewegt sich wie eine Maschine erschöpft, durch das Kommando gebrochen, im Gehorsam verknöchert und von der Disziplin wie betäubt. Die Regelmäßigkeit ihres Marsches ist überraschend. Kein Arm und kein Bein, kein Gesichtsprofil tritt aus der Linie. Alles ist korrekt, genau, tragisch. Der ersten Kompagnie folgt die zweite. Der zweite Hauptmann ist jünger, sieht aber ebenso malerisch aus. Hinter jeder Kompagnie geht der Unterlieutenant, daS Auge fest auf die Mannschaft gerichtet. Wenn der Knopf an der Gamasche fehlt, setzt es Kein Wort fällt in den Gliedern, nach der Rückkehr in die Kaserne Hiebe. kein Blick wagt sich zu den Fenstern hinauf, keine Bewegung, die nicht zuchtmäßig richtig ist. Die Hauptleute, Lieutenants und Soldaten scheinen wie aus Holz geschnitzt. Sie tragen nichts von dem Selbstbewußtsein des menschlichen Willens zur Schau. Eine Art teutonischer Wildheit ist in ihren Brauen eingenistet. Sie gehören nicht ihrem Jahrhundert an. Man glaubt, die Cimbern vorbeimarschieren zu sehen. Das ist nicht mehr eine Maskerade, das ist eine Todeslegion. Dieses Heer hat eine Heimat: den Norden; einen Ruhm: Waterloo; einen Helden: Blücher."

Wen Gott vernichten

will,

diese französischen Phrasen ein

den schlägt er mit Blindheit — dafür sind drastisches Beispiel; und doch klingt auS

ihnen bereits die Furcht vor der „teutonischen Wildheit" hindurch, und der rückhaltlose Anerkennung allpreußischer soldatischer Schlußsatz ist eine Tüchtigkeit. Das Lächerlichste ist der Gegensatz, der hier zwischen dem Stab des Regiments und den Truppen konstruiert wirb. Der Verfasser hat wahrscheinlich nie einen preußischen Oberst gesehen, sonst hätte er nicht solch dummes Zeug schreiben können. Seine Worte bilden überhaupt ein merkwürdiges Gemisch kindischen Blödsinns und scharfer Beobachtung.

R. G.

Dev 25. Icrlpvestcrg dev Srizlercist tu»« St. Pviuat

wird mit Zustimmung des Kaisers am 18. August von der t. GardeJnfanteriebrigade in Potsdam in großartiger Weise begangen werden. Diese Schlacht war bekanntlich für die preußischen Garden die verlust¬ soll nun alle diejenigen reichste des ganzen Feldzugs. Der 18. August d. Veteranen, die jene Schlacht als Angehörige der 1. Garve-Jnfanterie-

I.

brigade mitgemacht haben, wieder zusammenführen. Als Festplatz ist der Lustgarten in Potsdam ausersehen. Die Feier wird durch den Umstand noch besonders begünstigt, daß am 18 August die ganze Brigade in Potsdam versammelt ist, indem daS 3. Garde-Regiment z. F. aus Berlin am Tage vorher wegen des Manövers in Potsdam einrückt. DaS Fest wird vormittags mit einem FeldgotteSvienst unter den alten Eichen des Lustgartens eingeleitet. An demselben Orte, vor den eroberten Kanonen, wird nachmittags ein Festesten der Offiziere und der Veteranen stattfinden. Der Kaiser hat sein Erscheinen zu dem Feste zugesagt. Um die Teil¬ nehmer vor etwaiger Unbill der Witterung zu schützen, werden Zelte auf¬ gebaut. Bei einbrechender Dunkelheit ist eine allgemeine Illumination deS ganzen Lustgartens geplant. Auch die angrenzenden Fronten des könig¬ lichen Schlaffes und des Maistalls werden illuminiert und erstrahlen in bengalischem Licht.

Mistliehev Bescheid.

Der Kronprinz, später König Friedrich hatte einst dem Theaterdirektor Cers in Berlin im Theater einen Besuch abgestattet. Als der Thronfolger sich schließlich empfahl, begleitete Cers ihn zum Wagen und stieß im Eifer einen neugierigen Straßenjungen aus dem Wege, der ihn daraus mit „Schafskopf!" titulierte. „Er meinte mir, Königliche Hoheit," entschuldigte Cers. „DaS habe ich auch gar nicht anders aufgefaßt," erwiderte der Kron¬ — än.— prinz lachend.

Wilhelm

IV.,

Adgefevtigt.

Der bekannte berliner Geheimrat Hufeland, der ziemlich barsch und kurz in seinen Antworten war, fuhr einst in einem Coupö mit einem jungen schwatzhaften Gecken zusammen. Letzterer wollte sich mit dem Gcheimrat einen Scherz erlauben und fragte ihn daher unterwegs: „Entschuldigen Sie, mein Herr, welch ein Ort liegt dort? Ist das Grüneberg oder Rothenburg! ich leibe an Farbenblindheit." Aber der Geheimrat antwortete sofort schlagfertig: „Bedaure, nicht dienen zu können; denn ich leide an demselben Uebel, so daß ich z. B. einen Naseweis von einem Gelbschnabel nicht unter¬ scheiden



kann."

— du —

Du dem Avtikel „Rudolph Kepke uud dev

Kevlinev Kuustmavlrt"

in Nr. 27 haben wir (auf Grund eigener Mitteilungen des Herrn Lepke) berichtigend nachzutragen: Rudolph LepkeS Vater war nicht Konservator einer königlichen Sammlung, sondern Hofkunsthändler. Der Irrtum dürfte dadurch veranlaßt sein, daß der Verfasser des Artikels ihn vielleicht aus seiner Prioatwohnung im alten

•e

347

KönigSpalaiS kannte; diese Wohnung aber war nicht seine Dienstwohnung, sondern die seiner Gattin, welche in königlichen Diensten stand. Hofmaler unter LepkeS Vorfahren war sein Ururgroßvater mütterlicherseits; derselbe war aber nicht preußischer, sondern, wenn auch geborener Brandenburger, russischer Hofmaler. Seine Nachkommen sind allerdings meist Künstler gewesen.

Mcherttsch. Sagen aus dem Fände Deaunsrtiweig, Th. V o

schaft gleich berufene Federn fänden, die jene unscheinbaren, leicht sich ver¬

P. B.

lierenden Goldkörner an das Tageslicht förderten!

Ron Gottes Gnaden.

Trauerspiel in 5 Aufzügen von A. Fitger. 3. Aust. Oldenburg 1895, Schulzesche Hofbuchhandlung. Preis 2 Mk., eieg. gbd. 3 Mk. Der Verfasier der „Hexe", die auch in der abgelaufenen Spielzeit mit so großem Beifall im Berliner Theater ausgeführt worden ist, zeigt sich auch im obigen Trauerspiel als ein Dramatiker von bedeutendem Können. Ec behandelt den Konflikt zwischen Fürstin und Weib, in welchem die erstere die moralische Siegerin bleibt. Die Fürstin Anna Leonore heiratet einen aus dem Mann Volke, dem gegenüber sie jedoch aus die Fürstin mit ihren HoheilSrechten nicht verzichten will. Sie will Herrscherin und Hausfrau streng von einander sondern, der Erwählte soll nur ihr Gemahl sein. Gegen diese Rolle einer Puppe empört sich das Mannesbewußtsein WolfgangS, er stellt sich an die Spitze der Rebellion, Hilst Anna Leonore ent¬ thronen und macht sie zur Hausfrau auf seinem Waldhose. Als er ihr dort aber den Verrat an seiner Sache vorwirft und sie der Lüge bezichtigt, überwindet die Fürstin das Weib, der Stolz die Liebe, sie tötet Wolf¬ Wenn wir von den unwahrscheinlichen gang durch einen Messerstich. Voraussetzungen absehen, verdient das Trauerspiel in Bezug auf Charakte¬ —o. ristik und Aufbau warmes Lob.

Thüotngisrti-füctiftfche Gefrti ichtsviBIiotliek.

Bd.

III:

Urkunvenbuch von Stadt und Kloster Bürgel. I. 1133

bis 1454. Herausgegeben von Paul Mitzschke. Gotha 1895, Verlag von F. A. Perthes. Preis 12 Mk Die vorliegenden Urkunden entstammen zum größten Teile den Weimarschen Archiven. Die Sammlung ist aus 3 Bände berechnet, welche mit der Säkularisation des Klosters (1526) bezw. mit der ältesten Stadt¬ ordnung (1568) ihren Abschluß finden sollen. Schon im Anfange des 12. Jahrhunderts war östlich von Jena „die kleine Burg" (Bürglein. Bürgel) alS Grenzfeste gegen die Slaven vorhanden. Aus ihr entwickelte sich die Stadt gleichen Namens, und in ihrer schirmenden Nähe wurde 1133 vom Markgrafen Heinrich von Meißen und seiner Gemahlin Bertha unter Zustimmung des Bischofs von Naumburg das Benediktinerkloster ge¬ stiftet. DaS Urkundenbuch illustriert in 400 Nummern die wechselnden Geschicke von Stadt und Kloster während der nächsten vier Jahrhunderte und bietet durch das Uebergreifen der Dokumente auf das Gebiet der all¬ gemeinen Reichs- und Kirchengeschichte auch der Geschichte von Gesamt¬ Für die noch aus¬ deutschland vielfache und dankenswerte Förderung. stehenden Bände wäre eine Kürzung der ausschließlich die Vermögensver¬ waltung betreffenden Stücke wünschenswert; meist dürste hierfür die

Gottes

Gedichte

Herausgegeben von Karl von Johanna Ambrosius. Schraltenthal. 4. Aufl. Preßburg 1895. Verlag von G. Heckcnasts Nachf. Preis 3 Mk., gbd. 4 Mk. Nicht ohne staunende Bewunderung kann man diese Gedichte lesen. Sie sind ein Beweis von dem Reichtum an Gemüt und Kunstsinn, der in unserem Volke wohnt, und man muß in der That staunen, wenn man hört, daß die Veifasienn ein Kind aus dem Volke ist, daß sie die Dorf¬ schule vom 5.—11. Lebensjahre besucht hat, eine HandweikerStochler, die einen armen Bauer heiratete und zeitlebens sich in schwerer, harter Haus¬ Voigt, und Landarbeit abmühte. Johanna Ambrosius ieigentlich Frau geb. 3. August 1854, wohnhaft zu Groß-WerSmeninken bei LaSdehnen in Ostpreußen) ist eine VolkSdichlerin von seltener Kraft, ein Natur-Genie im Gewände der Arbeiterfrau. Ihre Gedichte erschienen seit Weihnachten 1894 in 4 Auflagen. Wir empfehlen dieselben unseren Lesern aufs wärmste; der Erlös aus ihnen soll soll die kranke Dichterin auS bitterster Armut reißen und ihrem Sohn den Pfad zu dem ersehnten Lehrerbcruf

I.

gesammelt von von Bruno Goeritz.

Braunschweig 1895. Verlag g e S. Preis 4 Mk. ES ist immer lin Verdienst, dem Kleinen und Kleinsten nachzuspüren in den Lebensäußerungen des Volkes, eS aus verborgenen Winkeln hervor¬ zulocken und zu charakteristischen Zügen zu gestalten, welche der Eigenart einzelner Stämme und Landschaften ihr Gepräge geben. Trotz Grimm und zahlreicher, ost unberufener und unwahrer Nachtreter lebt noch vieles im Volke an Sagen und Märchen, was nur von Mund zu Mund läuft und der Klärung und Sichtung bedarf. Der Verfasier hat, unterstützt von seinen Kollegen, der Lehrerschaft in Stadt und Land, mit großer Gewissen¬ haftigkeit und emsigem Fleiß aller zusammengetragen, was sein engeres Vaterland an solchen bisher ungeschriebenen Sagen barg. Welche Bereicherung würde es für die deutsche Volkskunde bedeuten, wenn sich für jede Land¬

Regestenform genügen.

k-

P. B.

Uarr

von Maarten Maartens. Eine Koopstader Geschichte. Albert Ahn, Berlin, Roman. Mit dem Bildnis des VerfasierS. Köln. Preis broschiert 5 Mk.; in hochelegantem Einband 6 Mk. Maarten MaartenS ist ein Holländer, er verlebte seine erste Jugend in England, genoß seine Schulbildung in Deutschland und legte in der rheinischen Universitätsstadt Bonn sein Abiturienten - Examen ab. Maarten MaartcnS lebt in Holland und schildert Holländer und Holländerinnen; aber Dieser er schreibt mit Vorliebe in englischer und deutscher Sprache. Umstand allein stempelt Maarten Maartens zu einem schriftstellerischen Genie. Mit diesem Sprachgenie geht eine hohe novellistische Gestaltungskraft Hand in Hand. Me alle bedeutenden Schriftsteller, bietet auch Maarten Maartens jeder Schule und Kunstrichtung einen Anhaltspunkt, ihn als Anhänger zu reklamieren. Bei allem Humor, mit dem die Thorheiten der Koopstader Gesellschaft gezeichnet werden, ist der Inhalt des Romans übrigens ein recht ernster. Er zeigt, wie eine deS Gehörs und schließlich auch deS Ge¬ sichts beraubte Persönlichkeit, die von dem Verkehr mit der Außenwelt säst gänzlich abgeschnitten ist, und die man. weil sie auch in ihrer Entwickelung verschiedentlich zurückgeblieben ist, füglich als „GotleS Narr" bezeichnen kann, schließlich doch sittlich ungleich höher steht und auch glücklicher und reicher ist, als die ganze vollsinnige und vornehme Welt, die sie umgicbt.

—n.

B.

ebnen.

Gr.

— Auf

eine litterarische Erscheinung von hervorragender Bedeutung, welche sich unter der Presse befindet, wollen wir unsere Leser schon heute Er ist das Prachtwerk aufmerksam machen.

„Georg Dirnmor-

mcmrt, Fürstliche Schriftsteller des nerrrrrehrrterr

Jahrhunderts",

das demnächst im Verlag von Walther Peck, B er l l n 8 , erscheint. Herausgeber und Verleger haben hier etwas geradezu Vor¬ zügliches geleistet: ebenso vortrefflich wie der Inhal! ist dar durch prächtigen Einband, Druck und Papier ausgezeichnete Aeußere, und nicht zum

mindesten gereichendem Ganzen Porträtbilder von wirklich künstlerischer Ausführung zum Schmuck. Wohl die beste Empfehlung des Werkes dürste sein, daß Seine Königliche Hoheit Prinz Ludwig von Bayern die Widmung desselben huldvollst angenommen haben. — Wir sehen in dem Werk eine von trefflichen kritisch-biographischen Aussätzen unterbrochene Anthologie vor uns, welche durchaus mustergiltige Proben deS litterarischen Könnens der fürstlichen Schriftstellerinnen und Schriftsteller der neunzehnten Jahrhunderts giebt. Hochinteressant ist eS, daß wir unter letzteren S e. Majestät unsern regierenden Kaiser sowie dessen Hochseligen Großvater finden; ferner enthält die Sammlung u. o. a. von Rußland (übersetzt von Beiträge vom Kaiser Alexander Dietrich Hasner), vom Großfürsten Conti antin von Rußland (über¬

III.

von Julius Grosse), vom Fürsten NicolauS von Montenegro von Stephan Milow), von Mitgliedern des schwedischen Königshauses (übersetzt von Emil JonaS) von Kaiser Maximilian von Mexico und — last not least — vom Schah von Persien (übersetzt Hochverdient um das Zustandekommen des von Dietrich Hafner). Werkes haben sich in erster Reihe gemacht: Ihre Königliche Hoheit Prinzessin Therese von Bayern, Ihre Kaiserliche Hoheit Herzogin Wera von Württemberg, Großfürstin von Rußland, Seine Hoheit setzt

(übersetzt

Herzog

Elimar von Oldenburg,

Professor

Dr. Julius

Grosse

in

Weimar, Dietrich Hafner in Berlin, Se. Excellenz Hosmarschall Graf Holn¬ stein in München, König!. Kammerrat Emil JonaS in Berlin. Stephan Milow in Görtz, Frau Gräfin Oberndorf in München, Hofrat Maximilian Schmidt ebendort, Se. Excellenz Feldmarschall-Lieutenant Freiherr von Teuffenbach in Salzburg, der berühmte Orientalist Prosiffor Dr Hermann Vämbsry in Budapest und Robert Waldmüller-Duboc in DreSden-Slrehlen. — Wir geben dem Werk unsere besten Wünsche mit auf den Weg und bemerken noch, daß Bestellungen auf dasselbe (Mk. 20 pro Exemplar) schon jetzt der Verlag von Walther Peck, Berlin 8, Ritterstr. 92, W. v. E. entgegennimmt. Von der Kunstgeschichto von Alwin Schultz liegt bereits Dieselbe enthält neben 59 Abbil¬ die 4. reich illustrierte Lieferung vor. dungen im Text folgende 10 Kunsttafeln: Der ovale Salon im Schloß Fontainebleau. — NicolaS Pouffin: Das Fest der Ceres. — Senatorenpalaft, Konservatorenpalast und Museum auf dem Kapitol in Rom. — Michelangelo Buonarroti: Dar jüngste Gericht. — Vom Palast deS Louvre in Paris. — Charles le Brun: Sieg Alexanders der Großen über DariuS in der Schlacht bei JsioS. — Die Jagellonenlapelle am Dom in Krakau. — Guido Dient: Aurora und Phöbus mit den Horen. — Der Hof deS PellerhauseS in Nürnberg. — Germain P:lon: Bronzefigur König Heinrichs II. — Der Text behandelt die deutsche Renaisiance-Architektur, die Baukunst der Renaisiance in England, in Rußland und die Plastik der Renaisiance in Italien. — DaS Werk ist in 30 Lieferungen zu 2 Mk. vollständig.

Inhalt: Aus Deutschlands Vergangenheit oder Der Schlangenring. Historischer Roman von C. Gründler. (Fortsetzung.) — General Johann Jakob Wunsch. Von Generalmajor z. D. Dr. v. Pfister. (Fortsetzung.) — Johannisminne und Johannissegen.

Von E. Glaser. — Kleine Mitteilungen: DaS Theater Alt-Berlin. (Mit Abbildung.) — SehringS Theater des Westens. — All-Berlin in der Gewerbe-AuSstellung. — Ein klassisches Beispiel französischer Verblendung. — Der 25. Jahrestag der Schlacht von St Privat. — Mißlicher Bescheid. — Abgefertigt — Zu dem Artikel „Rudolph Lepke und der Berliner Kunst-

malkt". — Büchertisch. — Anzeigen.

Die Bibliothek deS jüngst verstorbenen Polizeipräsidenten von Berlin, Freiherrn von Richthofen, welche vornehmlich staatSwisienschaftliche sowie geschichtliche Werke enthält, ist soeben durch Kauf in den Besitz der Anti¬ quariatsbuchhandlung von S. Calvary u. Co- in Berlin NW. 6, Luisenstr. 31 übergegangen. Die in Vorbereitung befindlichen Kataloge werden

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grcdjer,

Dr.

K. Krendirtre. Thoodor Fontane, M. Kett wart; und G. v. Mitdentrrurti

Gymnasialdirektor a. D. Dr. herausgegeben von

Friedrich Lilleffen XXI. Jahrgang.

Der

„Bär"

und

Nichard George.

erscheint wöchentlich am Sonnabend und ist durch jede postanftalt (No. ?o-), Buchhandlung und Zeitungsspedition für 3 Mk. pfg. vierteljährlich zu beziehen.

50

M 30.

2?.

Juli

1885.

Mus Neuifchksnös Nrvgsngrnßeii oder

Kev Schlangeuvins.

Kistorischer Vornan

von (&.

Grundier.

(Nachdruck verboten.)

(29 Fortsetzung.)

W^m Anfange

des

Monats März 1813 bewegte

Lippe unweit ***

sich

in

einer uralten Mauer von Feldsteinen umschlossen und durch Wenn nicht das ein Thor von starken Bohlen gesperrt.

dem

ein einspänniger Bauern¬ Thäte der bespannt, auf der grund¬ zerrisienen Plane mit einer wagen. teils durch ging Der Weg losen Straße mühsam weiter. mächtige Eichenwälder, teils zwischen schneebedeckten Feldern dahin und war mit tiefen Wasserlöchern bedeckt, in welchen das halbverhungerte Pferd oft stecken blieb, so daß es nur durch lauten Zuruf und heftige Peitschenhiebe des Führers Der Abend zum Weiterziehen angetrieben werden konnte. begann bereits hereinzudämmern, die Kühle wurde schon empfindlich, und immer war noch kein Ende des Weges ab¬ zusehen, keine Spur einer menschlichen Wohnung zu erblicken. Unter die Fluchworte des Bauernknechtes, der. mit kurzer, blauer Bluse und dem warmen Friesrocke darüber angethan, mit seinen erbsengelben Tuchgamaschen knietief im Schmutze watete, mischte sich zuweilen eine matte, fragende Stimme aus dem Innern des mit Stroh gefüllten Wagens. Die Dunkel¬ heit brach endlich ganz herein, der Fuhrmann erklärte dem

Cy?

Gebell mehrerer Hunde die Bewohner schon auf¬ auf die Ankunft eines Fremden gemacht hätte, so würden es die donnernden Schläge seitens des Fuhrmanns mit dem umgekehrten Peitschenstiel auf das Hoflhor gethan haben. Endlich ließ sich das Klappern von Holzschuhen auf wütende

merksam

dem gepflasterten Gange hören, und eine Laterne bewegte sich dem Thore zu.

„Wer ist denn dos?" frug drinnen eine tiefe Stimme. „Ick bin't, de Klaas Steffen von Weesenstedt." „Herr Jemine! Wo kömmst Dau her bei diese Zeit?" „Ick heww doff en kranken statischen Affzier, den fall ick nach Lippstadt

„Je, Du Däskopp, do geiht doch de Weg »ich hie hinner!" „Ick weeß woll, ick hewwe mich ok de unnen im Eller¬ busch

Reisenden, er müsse in einen falschen Weg geraten sein, und wenn sie nicht bald ein Obdach fänden, so müßten sie sich anschicken, auf der ersten erträglichen Stelle zu übernachten.

Ji

„Na. des't Natur! Wi werden doch en Christenminschen bi dit Weder nicht unter freien Hewen laken, man kann keine Hand vör Ogen seihn. Führ in, und bring Dien Pird in

Stall."

eines gastlichen Daches zu suhlen, denn es nahm seine letzten Kräfte zusammen. Das Hundegebell wurde deutlicher, und bald schimmerte auch ein schwacher Lichtschein in der Entfernung. Nach einer anstrengenden Viertelstunde

die Nähe

erreichten sie einen ziemlich weitläufigen Gebäudekomplex, mit

bi dem Schnee verfahren un kann nu nich wieder.

möt mich wohl die Nacht behohlen."

— Da schlug ein entferntes Hundegebell an ihr Ohr. Neuer Mut belebte die gesunkenen Lebensgeister, '-nd selbst das Pferd schien

führen."

Der Riegel wurde zurückgeschoben, das Thor öffnete sich, und der Wagen fuhr in den geräumigen Hofraum, in welchem eine Gruppe starker Bäume ihre weitverzweigten Aeste in den i

Nachthimmel streckten.

--6s

350

Während der Fuhrmann mit Hilfe des Hofknechts sein Pferd in den Stall brachte, erschienen in der geöffneten Haus¬ thür zwei Personen. Die eine, eine hohe, breitschulterige Männergestalt in ländlicher Tracht, ungefähr 30 Jahre alt, die andere ein junges Weibchen von 20 bis 21 Jahren, das Licht mit der Hand gegen die Zugluft schützend. Da hierbei der Lichtschein voll auf ihr frisches Gesicht fiel, so konnte man ohne weiteres, was der Leser wohl schon geahnt hat, Friederike Reiche von der Sachsenburg mit ihrem jungen Ehegemahl Jochen Gutmann erkennen.

„Wen

Du mi denn

hast

do bracht?" wendete sich Jochen

an seinen Knecht.

„Je. Herre,

do

widerte

der Knecht,

deutete,

„un

„Hast

ok

fall en blessierten Affzier inne fien," er¬ indem er mit der Hand auf den Wagen

do docht ick,

recht

Di man un bring

em

malt,

Ji will'ii

doch nich buten

laten."

Michel," sagte Jochen, „un spau

rin."

Die Plane des Wagens wurde abgedeckt, und der Knecht mit Hilfe des Fuhrmanns den in einen alten Militär¬ mantel gehüllten und mit einer Feldmütze bedeckien fremden Offizier vom Wagen und führte ihn durch den großen, küchenarügen Vorraum in die Wohnstube des Kolonen. Von einem riesigen Kachelofen strömte eine behagliche Wärme in das Ein mit Leder beschlagenes weite, aber niedrige Zimmer. Kanapee an der einen Seitenwand, darüber ein Kupferstich in schwarzem Holzrahmen, den König von Preußen darstellend, ferner eine große Schwarzwälder Wanduhr, ein paar Vogel¬ bauer mit schlafenden Vögeln, einige Stöcke Goldlack und ein großer, blankgescheuerter Eichentisch nebst einer Anzahl hölzerner, hochlehniger Stühle bildeten das ganze Mobiliar des ein¬ fachen, weiß getünchten Zimmers. hob

Beim Eintritt des Offiziers erhob sich aus dem lederbeschlagenen Lehnstuhl ein hünenhafter, alter Mann mit schlichtem, weißem Haar, den man sofort als Jochens Vater erkennen mußte. Nachdem derselbe durch seinen Sohn mit kurzen Worten verständigt war, um was es sich handle, was er nur durch ein beifälliges Kopfnicken erwiderte, wurde der Offizier zu dem Kanapee geleitet, und Mütze und Mantel Ein noch jugendliches Antlitz wurden ihm abgenommen. wurde sichtbar, jedoch totenbleich und abgemagert, die ein¬ gefallenen Augen von bleigrauen Ringen umgeben, der Bart lange nicht rasiert, die Lippen blutleer. Seine großen, blauen Augen blickten verwundert von einem zum anderen, denn sprechen konnte er noch nicht, weil der Fieberfrost seine Zähne

hörbar zusammenschlagen machte. „Großer Gott!" rief Friederike, Felix . .. Herr Latour!" „Kennt Sie mich, junge Frau?" sagte der Offizier mit zitternder Stimme. „Ei, freilich," erwiderte Friederike und schlug die Hände zusammen, „steh doch. Jochen, es ist ja der junge Herr, der mit Dir verwundet wurde. Ach, Du meine Güte, wie sehen Sie aber aus! Nur schnell etwas Warmes!" Damit lief sie zur Thür hinaus. „Seien Sie mir willkommen, Herr Kapitän oder Lieutenant, was Sie sind, in meinem Hause, der liebe Herr¬ gott führt uns wunderbar wieder zusammen. Was ich Ihnen bieten kann, soll Ihnen mit Freuden zu Diensten stehen." „Mais, mon Dieu, welche merkwürdige Schickung! Ich

»-

Ihn nicht erkannt, habe Ihn freilich nur

hätte

auch wenn ich nicht so desolat wäre,

ich

wenig gesehen.

Aber mademoiselle

Friederike" —

„Meine Frau." „Ah, madame, xnadame —“ „Frau Gutmann!" „Madame Gutmann hat sich

sehr

verändert zu ihrem

Vorteil." Ein zufriedenes Lächeln glitt über Jochens ehrliches Ge¬ und er erwiderte: „Meinen Sie? Aber ihr goldenes deutsches Herz kennen Sie doch noch nicht." „Ach, monsieur! Er muß mich doch halten für seinen Feind. Es war mein Vater, welcher hat verschuldet die Ver¬ wundung bei der Sachsenburg, und nun —" „Darüber beruhigen Sie sich. Herr Kapitän, die paar Schmarren find bald wieder geheilt. Wenn's nur mit dem Fuß aus der Schlacht bei Jena auch so gut gegangen wäre! Wäre das Rekontre bei der Sachsenburg nicht gewesen, so sicht,

hätte

Sie

ich

mein liebes Weibchen schwerlich zu sehen gekriegt. nur Gewinn davon gehabt."

sehen also, ich habe

Während dieses Gesprächs war Frau Gutmann wieder eingetreten und sagte, ihrem Gatten lächelnd mit dem Finger drohend: „Warte, Du Schelm, Du willst mich stolz machen!"

Der alte Mann wandte

sich

zu seinem Sohne:

„Du

hast

olle Gott levt noch.

Un Sei, Herr Kaptän," wendete er sich zu diesem, „mögent mi glöven, wi dragen en ihrlich dütsches Hart in unssem Buffen. Sei bliewen hier, bis Sei wedder gesund stnd, un was ick segg,

recht makt,

Jochen,

de

dat segg ick."

„Que le bon dieu vous protege! Ich wollte lieber in meiner Heimat sterben, als in einem dieser verpesteten Lazarette."

„Aber nun habt

„nun

komme

ich

Ihr

an

genug gesprochen." rief Friederike," die Reihe; zuerst muß der

Felix...

Herr Kapitän, etwas genießen; hier ist ein Glas heißen Weins, das wird Ihnen gut thun." Und mit geschäftiger Eile deckte sie ein weißes Linnen mit gewirkter, blauer Kante auf den Tisch und trug auf, was das Haus vermochte — und das war nicht wenig. Leider konnte Felix den vielen guten Dingen wenig Ehre anthun, denn nach dem Genuß von ein paar Gläsern Glühwein und einigen Bissen Brot machte die erschöpfte Natur ihr Recht geltend, und er wäre bewußtlos zusammengesunken, wenn ihn Jochen nicht umfaßt und in einem sorglich er¬ wärmten Nebenzimmer ins Bett gebracht hätte. Dem Fuhrmann Klaas kam die Einkehr des alten Be¬ kannten, was seine eigene Aufnahme anbetraf, gleichfalls sehr zu statten.

Als Jochen

sich

am

anderen Morgen zu dem Kapitän

begab, fand er denselben in wilden Fieber-Phantasien.

Er kannte niemanden, wußte nicht, wo er sich befand, und rief in den Paroxismen bald nach seiner Amelie, bald Dann glaubte er sich wieder von Kosaken ver¬ nach Viktor. folgt und schleuderte ihnen Verwünschungen zu. Auch nach seinem Vater rief er, sprach von brennenden Palästen und von Da

wilden Ausbrüche der Leidenschaft meist in französischer Sprache erfolgten, so wurden sie, mit Ausnahme der Eigennamen, von der Umgebung nicht ver¬ standen. Allein soviel war klar, daß an eine Weiterreise Meuchelmördern.

diese

-a

351

vorläufig nicht zu denken war. Jochen ließ sofort den leichten Wagen anspannen, um den Arzt aus der benachbarten Stadt zu holen. Inzwischen war bei dem Patienten die Reaktion eingetreten. Das Bewußtsein kehrte auf kurze Zeit zurück, aber auf die Fieberhitze folgte der Fieberfrost.

Während alle

vor Frost schrecklich zitterten, berichtete er in abgebrochenen Worten, daß er sich vor zwei Jahren verheiratet und seine junge Frau Amelie mit dem einjährigen Sohn Viktor in Frankreich zurückgelassen habe, als ihn der Befehl des Ausmarsches nach Rußland getroffen. Sein Vater habe in Moskau einen schrecklichen Tod gefunden. Ec sei als Colonel mit mehreren anderen Offizieren in dem verlassenen Palaste eines russischen Großen einquartiert ge¬ Plötzlich habe der Palast in Feuer gestanden. Die wesen. Schlafzimmer der Franzosen hätten sich in einem Flügel des¬ selben befunden, in welchem die Fenster mit starken, ver¬ seine Glieder, trotz der warmen Bedeckung,

goldeten Eisengittern versehen waren. Bei Ausbruch des Feuers, welches von

fremder Hand und sorglich vorbereitet gewesen, waren die starken Verbindungsthüren von außen verschlossen gewesen. Als die¬ selben nach unsäglichen Anstrengungen endlich gesprengt worden, waren schon alle Zugänge und die Treppen vom Feuer er¬ griffen. Felix, welcher in einem anderen Stadtteile gewohnt, war sofort herbeigeeilt, als er Nachricht von dem Ausbruch

Er kam

in der Nähe

des

Quartiers seines Vaters erhielt.

noch dazu, um den herzzerreißenden

Hilferuf der ein-

gesperrten Franzosen hinter den vergitterten Fenstern zu hören. Als Leitern herbeigeschafft waren und von den wuchtigen

Schlägen der Sappeurs das erste Gitter zertrümmert war. brach das Gebäude in Flammen zusammen und begrub Retter und zu Rettende in einem Feuermeer. Auch Felix war von der Leiter herabgestürzt und nur dem Umstande, daß ein fallender Balken wie ein Schutzdach über ihn zu liegen gekommen, hatte er sein Leben zu verdanken. Besinnungslos und mit Brandwunden bedeckt, hatte man ihn hervorgezogen. Die schrecklichen Gemütsbewegungen, die Strapazen unv namenlosen Entbehrungen während des Rückzuges durch die von den Russen in eine Einöde verwandelten Lande, die grimmige Kälte hatten seinen von Gesundheit strotzenden

Körper gänzlich zerrüttet. Es beseelte ihn nur der eine Wunsch, sein junges Weib und sein Kind noch einmal zu sehen und wenigstens in ihren Armen zu sterben. —

Als der Arzt

kam, schüttelte er bedenklich mit dem Kopfe. eigentliche Krankheit sei nicht zu erkennen,

Er meinte, eine der Patient sei jedoch in seinem ganzen Nervensystem so zer¬ rüttet, daß nur die größte Ruhe und gute Pflege ihm wieder Wenn jedoch die Fieberschauer wieder¬ aufhelfen könnten. kehrten,

so

würden

sie den letzten Rest

der alte Neike, wohnte immer noch oben. Das Ge¬ fängnis war abgebrochen und unten im Dorfe neben dem Amtshause neu aufgebaut worden. Der letzte Gefangene war ein gewiffer Lehmann aus Gorsleben gewesen, welcher die Gorslebener Kirche bestohlen hatte. Derselbe war aus dem baufälligen Gebäude durch den defekten Schornstein entwichen. Obwohl nun der alte Neike durch die Wegnahme des Gefängniffes seines Dienstes enthoben war, so hatte er doch seine geliebte Sachsenburg nicht verlassen mögen und wollte dort sterben. Er bewohnte sein baufälliges Häuschen seitdem noch als Jnvaliden-Versorgung. Der Kranke wurde inzwischen anstatt kräftiger, immer schwächer und fühlte selbst, daß seine endliche Auflösung un¬

Onkel,

vermeidlich sei. Mit zitternden Händen schrieb er einen letzten Abschiedsbrief an seine Gattin und bat Jochen, denselben nach seinem Ableben an seine Adresse zu befördern.

kann

„Ich

angelegt

des Feuers

i

fr—

von Lebenskraft auf¬

zehren.

Jochen und seine Frau kamen fast nicht vom Bette des Kranken und bewachten jeden Atemzug desselben. Die Fieberphantasien hatten sich zwar Noch mehreremale wiederholt, waren aber dann einer größeren Ruhe gewichen. Tagelang lag er ohne jede Spur von Bewegung apathisch da, und nur den der leise röchelnde Atem zeugte noch von Leben. Felix besseren Stunden sprachen sie von der Vergangenheit.

In

erzählte von seiner jungen, heißgeliebten Frau und von seinem Kinde und beschrieb die herzzerreißenden Szenen des russischen Ihr Friederike erzählte von der Sachsenburg. Feldzugs.

hinterlassen, meine Freunde," schwacher Stimme, „mein Geld ist bis auf Euch

nichts

sagte er mit wenige Napoleonsd'or auf der Reise drauf gegangen. Ich kann Euch nur meinen Segen geben, den Segen eines Sterbenden, dem Gott wird verleihen die Kraft, Euch zu Doch hall! Jochen, schützen in den Gefahren des Lebens.

will Er mir

geben das Portefeuille aus der inneren Tasche

meiner Uniform?" Jochen überreichte ihm eine kleine, mit seinen Stickereien verzierte Brieftasche. „Behaltet dies Portefeuille als eine Erinnerung an die große Liebe und Selbstverleugnung, welche Ihr erwiesen habt einem früheren Feinde Eures Blutes und Eures Landes! Hier ist," fuhr er fort, indem er zwei kleine auf Elfenbein gemalte Miniaturporträts herausnahm, „das Porträt meiner geliebten Amslie und von mir, wie wir haben ausgesehen in

Und hier ist der Ring, von dem Sie. hat das Gegenstück, wie ich habe ge¬ sehen zu Sachsenburg. Ich habe gelesen in unseren alten Familienschriften, daß schon bestanden haben muß ein ge¬ heimnisvoller Zusammenhang zwischen unseren Familien von uralten Zeiten her. Ich habe auch schon wollen schicken Sachsenburg die Abschrift von dem Pfarrer zu dem Herrn glücklicheren Tagen.

meine gute Friederike,

Pergament, allein ich habe nicht können dazu kommen in dieser bewegten

Zeit."

Friederike hatte mit weinenden Augen einen altertümlichen Schrank geöffnet und aus einem Schubfache ihren Schlangenring herausgenommen. „Sie werden nicht sterben. Herr Kapitän," sagte sie. „und behalten Sie Ihren Ring! Ich habe immer gehört, daß er Glück bringen soll." „81, si! Ich werde

nicht

wieder sehen mein schönes

Frankreich, ich fühle es, hier sitzt es," sagte Felix, indem er auf die Brust wies. „gebt mir Eure Hand und, wenn 1s bon Dieu Euch schenkt einen Sohn, so laßt ihn heißen wie den

meinigen, Viktor!

0, mon pauvre petit Victor!“

von dem langen Sprechen sank er zurück in Die eine seiner Hände lag in der schwieligen Rechten Jochens, die andere hielt Friederikens Hand umspannt. So lag er eine Zeitlang mit geschlossenen Augen da. „Adieu, ma belle France, adieu!“ hauchte er mit schwacher Stimme. Sein edles Herz hatte aufgehört zu schlagen. Zwei Tage später, als die ersten Boten des Frühlings Erschöpft

die Kissen.

—« eingetroffen waren, bewegte

sich

352

ein Leichenzug aus dem Linden¬

General Johann Jakob Wunsch.

hofe nach dem entfernt gelegenen kleinen Gemeinde-Kirchhofe. Den Brief hatte Jochen pünktlich abgesandt. Ob er bei den

unruhigen Zeilen an seinen Bestimmungsort gelangt war, blieb ungewiß, denn eine Antwort traf nicht ein.

*

*

*

Und nun geziemt es, nachdem wir das Unglück Preußens erwähnt haben, mit kurzen Worten auch der aufopfernden Begeisterung zu gedenken, mit welcher man begann, die er¬ littene Schmach zu löschen, welche beispiellos dasteht, so lange Geschichte geschrieben

wird.

Seinen Truppen voran hatte Napoleon den Rückzug nach Frankreich in fliegender Eile genommen, unerkannt. Tag und Nacht. Nur in Hainau hatte die Postmeisterin Gramsch den am 12. Dezember, abends 8 Uhr, in den Posthof mit offenem Schlitten einfahrenden verhüllten Offizier erkannt, welcher eine Sie halte in der Küche das Tasse Thee verlangt hatte. geschworen, ihm keinen Thee, und Geschirr zusammengerworfen sondern lieber einen andern Trank zu gönnen. Endlich hatte Er wurde getrunken, sie sich auf Kamillenthee erweichen lassen. rasender Uhr in Flucht 10 nach Dresden. um gings fort und französischen Lügen-Bulletins und der scharf Trotz der zensierten Presse wußte das Volk, wie es stand: langsam, hartnäckig hatte man sich auf die ersehnte, kommende Erhebung vorbereitet seitens der Regierung wie im Volke. Schon am 30. Dezember hatte General Uork mit den Russen unter Diebitsch einen

Neutralitäts-Vertrag

geschlossen

und den Franzosen den Gehorsam gekündigt. Am 3. Februar und 17. März 1813 rief der König sein gesamtes Volk zu den Waffen, und alle, alle kamen, die noch Waffen zu tragen Die vermochten, zum hcilgen Kampfe wider den Erbfeind.

Universitäten mußten geschlossen werden, weil weder Hörer noch genügend Lehrer zurückgeblieben waren. Die älteren Schüler der Gymnasien, die Richter und Verwaltungs-Beamten strömten in solcher Zahl zu den Fahnen, daß ein besonderer Erlaß ihren Eifer zügeln mußte, damit die Staatsverwaltung nicht Der gesamte Landadel sandte seine ins Stocken geriet. dem Bürgeraus und Bauernstande griff zur Söhne, und Wehr, wer irgend noch fort konnte, so daß die schwache Be¬ völkerung Preußens von 4700000 Menschen eine Armee von 247 000 Mann ins Feld stellte, oder von 19 Personen, Weiber und Kinder mit eingerechnet, je einen. Ja, in Ostpreußen waren sieben Prozent der gesamten Bevölkerung in Waffen. Die gesunkenen preußischen Finanzen konnten ein solches Heer weder ausrüsten noch erhalten. Da gab jeder freiwillig, was er hatte, Kreise, Städte, Ortschaften; nicht wenige verzichteten auf einen Teil ihres Vermögens oder ihres Einkommens; wahrhaft rührend sind die Beispiele von Opferfreudigkeit für die Befreiung des Vaterlandes in damaliger Zeit. Für Deutschland hatten die siegreichen Feldzüge von 1813 und 1815 unter anderem auch noch den großen Gewinn, daß sie

zum

erstenmale

den

Begriff eines gemeinsamen großen

deutschen Vaterlandes dem Volke zum Bewußtsein brachten.

Es bedurfte allerdings noch langer Jahre, Traum zur Wirklichkeit wurde.

ehe

dieser

Von Generalmajor

z.

D. 0v.

tf. PfistvV.

(3. Fortsetzung.)

Der Krieg war vorüber; die äußere Gestaltung der Staaten hatte sich nicht sonderlich verschoben, aber im inneren Leben des deutschen Volkes war eine durchgreifende Wandlung vor In der Schule der Leiden war dem preußischen sich gegangen. Volke ein lebendiger Patriotismus erwachsen, durch die Zähig¬ keit, mit der es sich jahraus jahrein des Verderbens erwehrte, durch die endlichen Erfolge ein starkes Selbstbewußsein. So erstand ein Geschlecht voll Glaube an sich selbst, voller Stolz, voller Ansprüche, oftmals herb und scharf. „Ein Preuße zu sein war vordem eine schwere Pflicht, jetzt ward es eine *) „Dem Staate anzugehören, welcher der Welt so Wunderbares zu schauen gegeben, war ein Schatz für das Bewußtsein des Preußen."**) In einem

Ehre

Kampfe ohnegleichen wußte das neue Staatswesen sich so erfindungsreich, so existenzberechtigt, so unerschöpflich an Hilfs¬ mitteln zu erweisen, daß es sich jetzt dreist neben die alten Großmächte stellen konnte. Aus der Armut, aus dem Elend des dreißigjährigen Krieges hatte sich am raschesten und mit der meisten Energie der brandenburgisch-preußische Staat erhoben; jetzt nahm er einen

Rang ein, der gebieterisch verlangte, nut ihm in der europäischen Politik zu rechnen; ein Ansehen nahm er in Anspruch, das ihn zum Vorbild für alle Staaten machte, mit seinem zuver¬ lässigen Beamtentum, seiner Finanzwirtschaft, seinen Heeres¬ einrichtungen. In eigentümlicher Weise aber bekundete der erstarkte preußische Staat die Neigung, sich nach Osten hin sich auszubreiten, hier die Sphäre seines Elnfluffes zu suchen und auszudehnen. Eines besonderen Ruckes im Gang der Welt¬ geschichte hat es bedurft, um das östliche Schwergewicht vom preußischen Staatskörper zu amputieren. Dieser Ruck, zunächst verderbenbringend und niederschmetternd, hat in der Folge sich doch in hohem Grade heilsam erwiesen, insofern er den preußischen Staat seiner einheitlichen Aufgabe wieder zuführte, der Mitte und dem Westen des deutschen Bodens. Voll Bewunderung war der größte Teil der Nation dem Schauspiel zugewandt gewesen, wie mit Anspannung jeder auffindbaren Kraft das preußische Volk seine Pflicht und Schuldigkeit that, vom Adel in der Mark bis zum letzten Bauern in Hinterpommern. Im Phäakenlande am Rhein, am Main und am Neckar hatte man oftmals geringschätzig nach dem in strenger Schulung aufwachsenden Preußenvolke, nach den Hungerleidern, hinübergeblickt; und jetzt der über¬ raschende Anblick: die Beamten bezogen Jahre lang keinen Gehalt, der Adel verblutete sich, und gerade diese Hungerleider waren es, die in den Tagen ber. Not zusammen¬ strömten, Kirchenlieder singend in den Kampf zogen, das Vaterland retteten und nunmehr überall mit Respekt genannt wurden. Das Beispiel, das Vorbild wirkie ansteckend. Im Norden Deutschlands, in der Mitte, auch im Süden, in Württemberg ganz besonders, blickte man zum König von Preußen auf als zum Schirmherrn deutschen Volkes und Landes. Dem verschüchterten Geschlecht wurde die Seele weit

(Fortsetzung folgt.)

*)

I.

Treitschke, Geschichte

*) Säend, 149.

im 19. Jahrhundert.

Deutschland

I.

61.

vor hundert Jahren.

Leipzig

1887.

Gin Ehrentag der preuhisclsen Garde. JllustrationSprobe auS: „Wie wir unser Eisern Kreuz erwarben" Berlin W. 57., Deutscher Berlagshaus Bong L Co.

■«

354

bei der Erinnerung an die Erneuerung alter deutscher Waffen¬ herrlichkeit durch die Thaten des Königs. An den Kriegsgefangenen von Fulda*) zeigt sich die Hinneigung zu Preußen besonders deutlich. Geheimer Kriegs¬

rat Eichel berichtet darüber dem Minister Grafen Finckenstein mit dem Beisatz: „der starke Echec derer württembergischen Truppen, davon die zu Kriegsgefangenen gemachten fast durch¬ gängig preußische Dienste verlangten, soll zu der Retraite viel beigetragen haben." Darstellung des siebenjährigen Krieges hat Tempelhoff 1791 gegeben. Bei Betrachtung der Thaten des Generals Wunsch im Sommer 1759, insbesondere bei Würdigung seines Verhaltens im Gefecht bei Torgau und Zinna, als er den ersten glänzenden Sieg erfocht nach dem Unglückstag von Kunersdorf, bekennt der Geschichtschreiber: „dies Gefecht verschaffte den preußischen Truppen wieder die Achtung, die einigermaßen zu wanken anfing." — So hatte der Schwabe seinem neuen Vaterlande das Bürgerrecht in klingender Münze bezahlt. Er war ja längst Preuße geworden. „War Lessing sagt in einem Briefe aus dem Jahre 1759: Keith kein Preuße, weil er ein Schotte von Geburt war? Einerlei Kriegszucht, nicht einerlei Himmelsstrich macht im Soldatenstand den Landsmann!" Auch die aus nichtpreußischen Gebieten Herbeigeeilten waren thätig gewesen, ein preußisches Vaterland zu schaffen und mit starkem Arm zu schützen. Und Schutz brauchte die neue Regung der Vaterlandsliebe nach außen wie nach innen. Das gemeinsame Vaterland, gemein¬ sam für den Adel, den Bürger, den Bauer, für den Gelehrten, Beamten, Soldaten, Geistlichen war ja kaum entdeckt worden. Zunächst halten die Männer des Krieges das ihrige gethan. Mitwirken sollten weiter die philosophischen Köpfe, die schreibenden Hände.

Die

Und

erste und umfassendste

hier darf ich eines

eines

gessen,

anderen Schwaben nicht ver¬

Jünglings, der ebenfalls in Preußen wirksam

Schwerte seines Landsmanns schlagfertiger Rede: ich meine den Hilfe kam mit Wunsch zu Philosophen Thomas Abbt, 25. November 1738 in

war

und

dem

glücklichen

Durch Berufung an die Universität Frankfurt Ulm geboren. a. d. Oder war der zweiundzanzigjährige Professor Preuße geworden und ging nun rüstig daran, mitten im Kriegs¬ getümmel sein Teil zur Rettung des neuen Vaterlandes beizusteuern.

Epochemachend wirkte nach dieser Richtung seine

Schrift: „Vom Tode für das Vaterland", 1761 erschienen. Die Absicht des jugendlichen Philosophen geht dahin, der noch immer schwer gefährdeten Sache

des

Preußens durch Anregung

Patriotismus neue Hilfskräfte zu

erwecken.

„Wie

sehr

von den eingeführten Begriffen", ruft er aus, „wenn ich sage: jeder Bürger Soldat, jeder Soldat Bürger, jeder Edelmann Soldat und Bürger!" Die Sprache späterer Jahrzehnte redet jetzt schon der junge Feuerkopf, wenn er die „Majestät des Vaterlandes" anruft, die Sprache jener Tage, in denen das deutsche Volk gewaltsam aus seinem Schlafe aufgerüttelt wurde, da Gelehrte, Beamte und alle privilegierten Stände aufhören mußten, sich als außerhalb des Staates stehend zu fühlen; den Vorläufer von Fichte hören wir, von dem Fichte, wie wir ihn in den Jahren 1807 weiche ich nicht ab

und 1808 kennen lernen.

*)

1762.

V-

Auch der große König wußte ja von den Pflichten und Rechten des Bürgers, von der Vaterlandsliebe zu reden; ein

leidenschaftlicher Nationalstolz

wenn er seine deutschen Gedanken in fremde Worte kleidet. Bekannt ist es, wie er in den letzten Jahren seines Lebens mit weitem Blicke in die Zukunft Deutschlands schaut und eine Zeit geistigen Ruhmes weissagt. Wie Moses sieht er das gelobte spricht

aus

ihm.

auch

Land in der Ferne liegen und ruft hoffnungsreich aus: Viel¬ diejenigen, welche zuletzt kommen, alle ihre

leicht werden

Vorgänger übertreffen!" Der geistreiche Mann, sonst so vielseitig, kümmerte sich kaum um den Gang des geistigen Lebens, um den Umschwung der Litteratur im deutschen Lande. Seine Thaten aber haben belebender und erfrischender gewirkt, als noch so viele Schreibereien und noch so große Gunstbezeugungen es ver¬ mocht hätten. Worte, wie sie Justus Möser sprach, der die Volksgeschichte tief innerlich auffaßte: „Unser historischer Stil Hai sich in dem Maße gebessert, wie sich der preußische Name ausgezeichnet und uns unsere eigene Geschichte wichtiger und werter gemacht hat" — solche Worte, zusammengehalten mit dem, was Schubart gesungen, legen ein Zeugnis dafür ab. daß der Ruhm der preußischen Waffen im Norden wie im Süden als ein gemeinsamer Besitz aller Deutschen auf¬ gefaßt wurde.

Und Goethe in seinem wunderbaren Buche „Dichtung und Wahrheit" sagt: „Der erste wahre und eigentliche Lebens¬ gehalt kam durch Friedrich den Großen und die Thaten des siebenjährigen Krieges in die deutsche Poesie." — Ich will hier nicht von Kleist und Gleim und Ramler reden; die wahrste Schöpfung des siebenjährigen Krieges ist Lessings „Minna von Barn Helm". — Die Skizze zu diesem Lust¬ spiel schrieb Lessing in den heiteren Frühlingsmorgenfiunden im Neldnerschen Garten im Bürgerwerder zu Breslau, als er 1760 sich hier befand in der Stellung eines Sekretärs des

Tauenzien,

Bei Gouverneurs von Breslau. lernte er die Eigentümlichkeiten des Kriegerstandes, wie sie der Krieg geschaffen, auf das genaueste kennen. Befand er sich doch meist mitten im Kriegs¬ theater selbst. Das war ein ewiges Kommen und Gehen, ein Berichten von Ueberfällen und kühnen Streichen, ein Auf¬ tauchen von kecken Führern, ehrenhaften, entschlossenen Männern. Aus solchen Eindrücken heraus kam der deutsche Soldat auf Während sie mit scharfem Schwert und voll die Bühne. Selbstgefühl dem Feind zu Leibe gingen, ahnten sie kaum, daß sie nicht bloß Großes auf dem Schauplatz des Krieges schufen, sondern auch hohe Ideen pflanzten in empfängliche Generals

soldatischen Verkehre

seinem

Köpfe. Lesfing selbst fühlte sich entschieden zum Soldatenstande hingezogen schon durch seinen Freund, Ewald von Kleist. Es hieß sogar einmal. Lesfing habe eine Regimentsguartiermeisterstelle im Regiment des Freundes angenommen, ein andermal, er sei als Offizier in ein Freibataillon eingetreten.*) Die Thaten der Freibataillone, ihr abenteuerliches Treiben, die männlichen Gestalten der aus den verschiedensten Nationen, aus allen Stämmen Deutschlands zusammengeströmten Anführer machten den größten Eindruck auf ihn. gefühl mit dem herben Geschick, dem

185«.

*) A. Stahr, G.

I.

195.

E. Lessing.

Dazu kam das Mit¬ die meisten verfallen

Sein Leben und

seine Werke.

Berlin

-e

355

mußten, als sie im Frühjahr und Sommer des Jahres 1763 förmlich auf die Straße gesetzt waren. Da und dort mit den Resten ihrer Habe sich herumdrückend und einen Unterschlupf suchend, oftmals dem Elende preisgegeben — in solcher Lage

fand Lessing seine Lieblinge im Sommer des Jahres 1763; so entstanden bei ihm die Figuren seines Tellheim. seines

Werner,

seines

Just.

Wie Thomas Abbt in seiner Schrift „Vom Tode für das Vaterland" auf die Vorbilder des klassischen Altertums hinweist, so hat auch Lessing in seinem Philotas, 1759 geschrieben, ein leuchtendes Beispiel der martialischen Spartanergesinnung. wie sie durch die Waffenthaten der Preußen im jungen Deutschland geweckt worden war, aufgestellt. Eine Verherrlichung der sittlichen Elemente aber, durch welche die preußische Armee zusammengehalten und zu ihren Thaten fähig gemacht wurde, kam mit Minna von Barnhelm auf die deutsche Bühne.

Der siebenjährige Krieg gab die Voraussetzung für die Handlung des Stückes; aus Tagesereignissen, die zur Zeit des Friedensschlusses in aller Munde waren, hat Lesfing die Fabel seines Stückes zusammengewebt; Tellheim hat ein Frei¬ bataillon kommandiert nnd ist nach dem Frieden mit seinen Leuten abgedankt worden.*) — Tellheim ist ein Fremder, ein Nichtpreuße: „Wie kam der Mohr in venetianische Dienste?" phantasiert er. „Hatte der Mohr kein Vaterland? Warum vermietete er seinen Arm und sein Blut einem fremden Staate?" — Und endlich ist die Ehre wieder hergestellt für den zu jedem Verzicht Bereiten; der Feldjäger tritt ein mit dem Kabinettsschreiben des Königs. — Solche Wirkung mag wohl das Kabinettsschreiben hervorgebracht haben, mit welchem unser General Wunsch im Sommer 1763 von allen ent¬ ehrenden Nachreden freigesprochen und in seine Würden wieder eingesetzt ward.

Minna von Barnhelm spielt am 22. August 1763 zu Berlin im Gasthaus zum König von Spanien.**) — In Erinnerung aller waren die Bestrafungen, die Belohnungen, die Wiederherstellungen, wie sie eben vom König verfügt worden waren. Bei keinem einzigen hervorragenden Führer trat der Umschwung des Glücks so sprechend vor die Augen, wie bei Wunsch; alle anderen verurteilt, entlasten; er allein vor aller Welt in die alten Ehren wieder eingesetzt. Solch jähen Umschwung brauchte der Dichter für seinen dramatischen Stoff. — Und Tellheim war aus der Fremde nach Preußen gekommen; wie Wunsch hatte er seinen Arm vermietet. Das Fräulein sagt, sein Regiment sei nach dem Friedensschluß untergesteckt worden. frischester

Aber da. wo heldenmäßige Männer sich drängen, wo jeder Tag neue Namen nennt, welche die Bewunderung erregen, da mag wohl nicht ein einzelner als Vorbild gedient haben.

In

Tellheim ist ja vor allem der gefallene Freund Kleist wieder aufgelebt; man wollte in ihm auch den Major Marschall von Biberstein^erkennen, der in der That der Stadt Lübben die Kontribution vorgeschoflen hatte gegen Ausstellung eines Wechsels, und endlich — Lesfing selbst ist Tellheim.

*)

Schriften

**,

E.

Schmidt,

Berlin 1884.

Lessing.

I.

Ebend. 1 470.

455 ff.

Geschichte

seiner

Lebens

und

seiner

»■

Ist allein,

somit unser Wunsch auch nicht Tellheim selbst und

hat er doch durch sein thatenreiches Leben, durch sein ehrenhaftes Verhalten in allen Lagen dem Dichter Züge geliefert, die beitrugen zur Zusammenfügung der Figur seines Helden. Denn aller Augen hatte ja der junge General auf sich gelenkt, als er nach dem Tage von Kunersdorf erstmals so

wieder die preußischen Waffen zum Siege führte; er wurde genannt als der einzige, der sich durchzuschlagen bereit war aus der fürchterlichen Enge und Bedrängnis von Maxen; als der einzige, dessen Ehre vor dem strengen Richter als unbefleckt bestanden war. Le digne Wunsch, ce brave officier, das find die Bezeichnungen, die wir allerorten für

ihn finden.

In

Berlin war

es übel vermerkt worden,

die Abdankung der Freibataillone,

ihr „An

die

daß Lesfing

Luft setzen", ihr

aller Fürsorge auf die Bühne gebracht hatte. Die Aufführung der Minna von Barnhelm begegnete daher manchen Schwierigkeiten. Am 21. März 1768 aber ging das vielgepriesene Stück in Berlin zum erstenmal über die Bühne: wochenlang mußte es Tag für Tag wieder¬ holt werden; nie hatte ein deutsches Stück in dem von franzöfischer Klassicität und italienischer Oper beherrschten Berlin einen Erfolg wie diesen erlebt. Jede veraltete Schablone ab¬ streifend, kam Minna von Barnhelm ans Licht, das Spiegel¬ bild des ersten Friedensjahres mit den lieben Figuren vom großenKriege her. Zunächst wurde Tellheim für Kleist genommen, und im Wachtmeister Werner erkannte jeder auf den ersten Blick den General Werner, den schneidigen Führer der Frei¬ Unterstecken,

die Unterlassung

husaren. (Schluß folgt.)

Kurprinz Friedrich Wilhelm im Haag.

(1637.) Bei rauschendem, prunkendem Mahl und Gelag In Hollands Hauptstadt, dem blühenden Haag. schwelgerischem

Feste Versammelt waren zu Viel Edelleute und gräfliche Gäste. Da strahlt der Saal von Millionen von Kerzen; Er widerhallet von losen Scherzen; Bis diese ertrinken in tosenden Wellen. Wie solche Trompeten und Geigen entquellen. Gleich edlen Rubinen und goldnem Topas, So blitzt und funkelt da Glas an Glas, Champagner sprudelt und perlet und zischt Ans schlanke Kelchglas wie schäumender Gischt. Sie wußten zu leben, die Herrn Kavaliere; Leichtsinn und Uebermut ihre Paniere! — Inmitten der Tafel, voran ihnen allen, Schien einer besonders sich baß zu gefallen In launigen Reden, Witzen und Späßen,

Ohn' jemals jedoch des Weins zu vergessen, Von welchem er schlürfte mit lachendem Munde. Aus Frankreich kam er vor kaum einer Stunde; Unglaubliches wußt' er von da zu berichten. Vielleicht auch geschickt uud voll Laune zu dichten. Rings ließ er die glühenden Blicke weiden. —

356

Was mag ihn bewegen, die Augen zu meiden Die Hellen, klaren, voll feuriger Frische Des Jünglings ihm gegenüber am Tische? Wie nennt man den Kraftvollen. Jugendschönen, Welch Land zählt den Edlen zu seinen Söhnen, Den Herrlichen, ebenso freundlich als stark? Das ist Friedrich Wilhelm, der Kurprinz der Mark, Der Brandenburger, der Zollern-Sohn, Ein Held in der Knospe, als Knabe schon. — Und drüben der Franke erhebt den Pokal: „Aufs Wohl aller Schönen trink ich zumal!" Und Lärmen erhebt sich und Lachen und Schrei'n. Da thut sich die Thür auf; es schwebet herein Von üppigen Mädchen die loseste Schar, Mit lachendem Munde und Blumen im Haar. Der Jubel nimmt zu. — Nur einer im Kreis Blickt streng und finster, das Blut wird ihm heiß; Der Kurprinz ist es. Die Blicke voll Zorn Läßt er im Kreise, wild und verworr'n. Von einem Freunde zum andern gehen; Doch keiner will ihn heute verstehen. Da zieht er die Brauen drohend zusammen; In heftigem Unmut die Augen flammen; Es spricht um die stolzen Lippen der Zug: „Es widert mich an; nun hab' ich genug!" — Dem treuen Erzieher Kalkuhn winkt er da, Der ernst ihm und forschend ins Auge sah:

„Ich breche auf, begleite mich Du, Hier ist nicht mein Platz." — Der Thüre zu Schreitet der Kurprinz mit hallenden Schritten. Es hören's die Freunde. Beschwörungen, Bitten, Beim Fest zu verweilen, die Lust nicht zu stören. Muß er von allen Seiten nun hören; Alles umdrängt ihn und nötigt zu bleiben. Doch wie vorm Winde die Wolken treiben, Weichen sie scheu vor dem Zollern zurück. Hochaufgerichtet mit loderndem Blick Sieht stolz und erhaben er unter ihnen. Mit vor Erregung zuckenden Mienen. Die Junker umher ergreift ein Zagen. Kaum, daß sie verstohlen die Blicke wagen Empor zu der Augen zornsprühender Pracht. Des Antlitzes wundergewalliger Macht. Ans kurze Schwert schlägt der Erbe der Mark, Erhebt dann die Stimme fest, edel und stark: „Wähnt nicht, daß ich selber mich länger hier dulde; Ich weiß es zu gut, was den Eltern ich schulde, Was ich schulde mir selbst und dem Vaterland —

Adieu!" — Schon hat er zur Thür

sich gewandt. ins Schloß. dröhnend Ist hinaus und schlägt sie Da draußen sattelt er selbst sein Roß; Und während verstört zum verlass'nen Gelag Die Gäste kehren, hat Friedrich den Haag Bald hinter sich liegen. Durch wogenden Wind

Und lichtlose Nacht sprengt sturmesgeschwind Der Tugendstarke. Kaum kann ihn ereilen Der treue Gefährte. War's doch zuweilen. Als braust er auf Adlersschwingen voran! — Die Frische der Nacht allmählich begann Tie Stirn ihm zu glätten, das Blut ihm zu kühlen Und leise zu sänftigen Denken und Fühlen. Und schweigend so ritt er. bis dämmernd der Morgen Am Himmel sich hob. Nicht länger verborgen Vom Dunkel der Nacht, sieht er Zinnen aufragen Und Mauern, die stattliche Türme tragen. Im grauenden Frühlicht erblickt er ganz nah Das Ziel seines Rittes, die Feste Breda. .

Der edle Oranier hielt unverdrossen Sie an vier Monaten nun schon umschlossen. Ins Lager zu ihm Friedrich Wilhelm ritt; Der leuchtende Tag ihm zu Häupten schritt. In die Laufgräben eilt er. Mit sprühendem Schein Schlägt unfern von ihm eine Bombe ein. Da dehnt sich des Jünglings gewaltige Brust. Er atmet befreit in kriegrischer Lust; Denn das ist Musik, die das Herz ihm erhebt. Wenn vom krachenden Donner die Erve bebt. Ins flammende Morgenrot schaut er empor, Vom Blick ist gewichen der düstere Flor, Sein herrliches Auge wird klar und weit: Er schaut einen Morgen von glorreicher Zeit, Er fühlt in den Sehnen stählerne Kraft. Er spürt in den Adern feurigen Saft; Es drängt ihn zu Thaten, zu Schlachten, zu Siegen. Jhni ist. als müßt' er zur Sonne fliegen. — Indes hat Oranien die Ursach' vernommen, Weswegen der Kurprinz ins Lager gekommen. Er sieht ihm ins morgenverklärte Gesicht Und schämt sich der Thräne im Auge nicht: „Nimm hier, junger Held, des Oraniers Hand. Du Zukunftgestirn für das deutsche Land, Du hast einen größeren Sieg errungen, Als wenn ich zur Stunde Breda bezwungen." — Und die Sonne wirkte mit goldenem Glanz Um des Zollern Stirne den Siegerkranz.

n.

j

Kleine Mitteilungen. Gin Gsirrrrtng der preufrifrliorr Garde.

Illustration auf S. 353).

Unsere

heutige Illustration

(Siehe

ist dem zweiten

des Prachtwerkes Kriegserinnerungen. Wie wir unser EisernM-ri^uz^ erwarben", da? in der Deutschen Verlagsanstalt Bong u. Co., Berlin W. 67, erscheint, entnommen. Unter dem Ehren¬

Hefte

tag ist der Tag von Le^Bourget. der 30. Oktober 1870, gemeint. In dem genannten^Werke^lesen wir darüber: „Um den Besitz des Dorfes wogt der Kampf. Langsam gewinnen die Gardegrenadier-Regimenter von Norden und Osten her Raum, aber jeder Schritt wird mit,Blut und Opfern erkauft. Der Feind wehrt sich mit verzweifelter Tapferkeit. Jedes Haus ist eine Festung, von jeder

Mauer, hinter jedem Steine fast hervor fegt der Tod in die Reihen der Stürmenden. Zwar der Bahnhof ist durch das Alexanderregiment bereits genommen; aber von der Gasanstalt her winkt ein neuer Kampf. Die 6. Compagnie nimmt ihn auf. Mit einem Hurra stürzt sie sich auf den Feind, der Hauptmann voran. Ein dichter Kugelregen empfängt sie, mehr und mehr lichten sich ihre Reihen. Und plötzlich blitzt es auS der Strabe Ein selbst vor ihr auf. Dort hat oer Feind eine Barrikade errichtet. tödliches Schnellfeuer knattert auf, ballt dunkle, das Licht des Tages ver¬ schlingende Puloerdampswolken empor, erstickt mit seinem unheimlichen, klopfenden Raffeln selbst das Stürmen der Trommeln. Einen Augenblick lang scheint es, als ob die Kraft des Sturmes gebrochen sei. Ein Zucken

-8

gehl durch die dezimierte Kolonne, sie stutzt angesichts dieses neuen Hinder¬ mitten auf dieser offenen, breiten Straße, die jeden deckungSIoS und fast wehrlos einem versteckten Feinde preisgiebt. Da — in diesem Moment der höchsten Gefahr, da die anfeuernde Stimme des HauptmannS in dem Getöse deS Kampfes untergeht — stürzt ein einzelner Tambour hervor an die Seite des Führers. Unter seinen Händen dröhnt dar Kalbfell un¬ aufhörlich in seinem scharfen, abgerisienen „Marsch! Marsch!" das aller unwiderstehlich mit fortreißt. Nun achtet niemand mehr auf die Kameraden, die rechts, links und vorn fallen, unaufhaltsam stürmt aller vorwärts hinter dieser stachelnden, wütenden, peitschenden Musik der Schlacht. „Marsch! Marsch!" — Marsch! Marsch!" Und dann — der Tambour ist „Hurra! Hurra!" Ueber der erste, der es dem Hauptmann nachschreit! die Barrikade hinweg springt die Flut der stürmenden Leiber — der Feind, von panischem Schrecken ergriffen, wendet sich, flieht. — „Hurra! Hurra!" Seit diesem Tage heißt Friedrich Wilhelm Brümsen im VolkSmunde „der Tambour von Le Bourget". Nicht nur schmücken dar Eiserne Kreuz und der russische Georgenorden seine Brust, seine That fand auch begeisterten Widerhall in den Herzen seiner Volkes. Unzählige Ge¬ dichte preisen sie." nisses,

DaS Werk „KriegSerinnerungen. Wie wir unser Eisern Kreuz erwarben" (bearbeitet von Friedrich Freiherr von Dincklage-Campe, General-Major z. D.) umfaßt 10—15 Lieferungen. Die

Lieferung kostet nur 50 Pfennige.

Dos Königs tum Sri,wovon Gofrt,onk an von veutsri,en Kaifou. König Oskar II. von Schweden bereitete Kaiser Wilhelm II. gelegentlich seines Besuches auf Schloß Grivsholm durch Ueberreichung eines kostbaren Andenkens eine Ueberraschung ange¬ nehmster Art. Die Gabe bestand in einer getreuen Nachbildung der silbernen Pokals, der in Form eines Erdglobus, auf den Schultern einer künstlerisch ausgeführten Atlas ruhend, hergestellt und im Jahre 1683 von den Bürgern Nürnbergs dem König Gustav Adolf geschenkt worden war. Die Nachbildung der Meisterwerk vollendetster Goldschmicdckunst der deutschen Renaiffance legt nicht minder Zeugnis von der Vollendung der schwedischen Goldschmiedekunst ab. Sie ist aus dem Atelier der Stockholmer Firma C. G. Hallberg hervorgegangen und wurde seiner Zeit auf die graphische Abteilung der Chikagoer Weltausstellung ge¬ sandt. Was den Globus selbst betrifft, so giebt dieser die geographischen Begriffe, wie sie der gelehr'en Welt vor zweihundert Jahren bekannt waren, mit größter Genauigkeit wieder. Am Fußgestell, dar die Figur der Atlas trägt, hat der neue Pokal folgende Inschriften:

II.

Wilhelmo Oscar

II

Imperatori Gennaniae Oscar II D. D.

II

Rex Sueciae et Norvegiae me anno MDCCGXCV

faciendum curavit exemplar accuratissimum sphaerae illius terrae quae anno MDCXXXII ab urbe Norimbergo

Gustave Adolpho Magno donata est. Me in officina Johannis Hallbergii celavit Carolus Nicolaus Henning. Carolus Bovallius opus inspexit et correxit.

— Gustav Adolfs ffiinfUß in Uüoukorg und die voidou Nüruvergoo Pokalo aus vom Jahre 1632.

Ueber den Einzug Gustav Adolphs in Nürnberg und die beiden Pokale, die ihm bei dieser Gelegenheit von der Nürnberger Bürgerschaft überreicht wurden, schreibt der „Fränk. Kur.": Am 31. März (1633), einem Mittwoch Vormittag gegen 10 Uhr nahte sich der Zug; vorauf die Nürnberger Reiter mit ihren Trompetern, darnach die RatSdeputierten mit ihrem Komitat ; auf sie folgten die schwedischen Trompeter und ein Heerpauker, deS Königs Leibpferde, dann dem Könige allein voran der Hosmarschall Bertolf von Crailsheim, „Ihrer Königlichen Majestät inneister Geheimer Rat". Den König Gustav Adolf begleiteten der Winterkönig Friedrich von der Pfalz, Herzog Ernst von Weimar, Psalzgraf August von Sulzbach, der Herzog von Holstein, der Markgraf von Durlach und andere Grafen, Edle, Herren und Ritter. Zwei Kampagnien Dragoner und ein zahlreicher Dienertroß bildeten den Schluß. Unter dem Jauchzen, Frohlocken und Glückwünschen des jubelnden Volker erfolgte der Einzug, „daß er nicht kann mit Worten ausgesprochen werden, ja, den Leuten stoffen Freudenthränen die Wangen herab, als sie ihn kommen sahen." Gustav Adolf stieg im großen Jmhoffschen Hause auf dem St. Aegidienhofe ab, einem der merkwürdigsten Häuser der Stadt, in dem zur Zeit der Erste Bürgermeister Nürnbergs diesem Hause fand auch nach der Ankunft eine feine Wohnung hatte. große Tafel statt. Im Aufträge der Rates gratulierten Christoph Fürcr und Christoph Volckamer dem König zu seiner glücklichen Ankunft, hießen ihn willkommen und überreichten ihm zwei kostbare Trinkgeschirre in Gestalt einer Himmelskugel und eines ErdglobuS, beide von Silber, innen vergoldet, außen „schwarz eingelaffen", also wohl mit Email oder Niello geschmückt. Anhaltspunkte dafür, wer die Trinkgeschirre ge¬ fertigt, hat man nicht; jedenfalls wurden sie dem großen Vorräte des Rates an Silbergeschirr entnommen und waren nicht die schlechtesten Stücke verselben. Außer diesen beiden Gaben verehrte der Rat dem König

In

S--

357

vier halbe Kartaunen nebst dazu gehöriger Munition, 2 Fuder Wein, 2 Fuder Hadern und 8 Schaff allerlei Fische. Er ist eine Rede überliefert worden, die der König in Erwiderung der Ansprache, die an ihn bei Uebergabe der Geschenke gerichtet wurde, gehalten haben soll. Er bedankte sich zunächst für die schönen Geschenke und fügte sodann hinzu, daß dar beste Geschenk, welcher sie ihm geben könnten, Beständigkeit bei dem all¬ gemeinen evangelischen Wesen sei. Bei ihm bat er sie zu verharren, trotz der zwischen dem Kaiser, Spanien und dem Papst bestehenden Bundes, alle Evangelischen auszurotten. Er erinnerte sie daran, was die Folge dieser Weise fein würde, wenn sie in ihrer Feinde Hände gerieten. verlief der erste Besuch Nürnbergs durch König Gustav Adolf. Er kam später wiederholt in die Stadt, hörte mit großer Andacht die Predigt und sang mit lauter Stimme die Kirchenlieder selbst mit. noch

In



Wieurertit-Kouzert ant 14. Auli 1870. Die schrieb am 14. Juli d. I.: ES war heute vor 25 Jahren,

„Voff. Ztg."

am Donnerstag, 14. Juli 1870. Der Direktor der gesamten Musik des GardekorpS, W. Wieprecht, hatte ein großes Militärkonzerl im Zoologischen Garten angekündigt. Die älteren Bewohner erinnern sich noch, daß, wenn „Vater" Wieprecht ein Militärkonzert ankündigte, eS fast immer regnete. DaS wußte man. und doch ging man in Scharen in das Konzert, denn Wieprecht verstand es meisterhaft, große Musikermaffen zu trefflichem Zu¬ sammenklingen zu vereinigen. So war auch damals das Konzert im Zoologischen Garten gut besucht. Die Anwesenden waren sehr aufgeregt; die KriegSgerüchte schwirrten in der Luft. So war auch die Aufmerksamkeit auf die Klänge der Musik geteilt, so sehr auch Wieprecht sich abarbeitete mit Dirigieren, daß der Schweiß in Strömen an seinem Gesicht herabfloß, wie man es bei ihm gewöhnt war. Da ertönte plötzlich der Ruf: „Der Pariser Einzugsmarsch!" Wieprecht winkte; die Musiker mußten auf seinen Befehl ausstehen und spielten mit einem Feuer, daß die Zuhörenden in lauten Jubel auSbrachen. Nach der Beendigung des Musikstückes wurde Hoch! hoch! hoch! erbrauste eS. gerufen: „Vater Wieprecht soll leben! Aber Wieprecht wehrte mit Händen und Füßen ab und winkte aus Leibes¬ kräften, bis er sich endlich Ruhe verschaffte. „Meine Herrschaften!" rief er mit heiserer Simme, „Sie haben sich geirrt, „der König soll leben!" Nun ging aber ein Jubel loS! Solchen hatte der Zoologische Garten noch nicht erlebt; dürfte ihn auch kaum wieder erleben. Wir kehrten nach Berlin zurück und fanden die Stadt in größter Bewegung. Unter den Linden strömten die Masten der Bevölkerung; überall bildeten sich Gruppen, man tauschte seine Ansichten aus. Daß der Krieg unausbleiblich war, verstand sich von selbst; man sah ihm mit stolzer Zuversicht entgegen. des Page». In seiner Chronik von Köpenick berichtet Hasche von einem sonderbaren Jagdvorfall zur Zeit deS Kurfürsten Albrecht Achilles, bei welchem ein Page seinen Tod fand. Aus den folgenden Tag war eine Jagd auf Eber und wilte Schweine festgesetzt. Am andern Morgen weigerte sich jedoch der Page von Schönfeldt, an der Jagd teilzunehmen, weil er im Traume einen Eber gesehen hatte, der ihn tödlich verwundete. Der Kurfürst, dem er seinen Traum mitteilte, gestattete sein Fernbleiben von der Jagd. Am Abend wurde ein gewaltiger Eber in den Schloßhof gefahren und auf einen Tisch gelegt. Der Page trat an den Tisch heran und sagte: „Dar ist der arge Eber, den ich im Traume gesehen habe!" Dabei ergriff er den Eber bei den Ohren und sügte hinzu: „Jetzt kann er mir aber nichts mehr thun!" In demselben Augenblick brach der Tisch zusammen, und die Hauer des Ebers schlitzten dem Pagen — e' im Fallen beide Schenkel auf, so daß er tot zu Boden sank.

Der Truuur

glüdjcrmünjc

berliner

Dür-ger. Wie dem der Die „Lokalanzeiger" berichtet wird, befindet sich die Münze, welche die Berliner Bürger im Jahre 1816 dem Feldmarschall Blücher verehrten, gegenwärtig im Besitz des StellenbesitzerS Heinrich Kammer in Kauffung in Nieder¬ schlesien. Der Durchmesser der schweren Silberstückes beträgt 6,1 cm, die Dicke 6 mm. Auf der Vorderseite befindet sich ein vorzügliches Relief der Blücherbüste. Um den Hals schlingt sich ein Bärenshawl, vorn mit zwei Klauen schließend. Die Umschrift lautet: „Dem Fürsten Blücher von Wahlstatt die Bürger von Berlin 1816." Im Schriftschluß befindet sich dar Wappen von Berlin, während unter dem Relief in seiner Prägung zu Auf der Rückseite sehen wir ebenlesen ist: „Schinkel ino. Röhig fitz" falls in Reliefprägung den St. Georg, auf dem besiegten Drachen stehend. Um denselben stehen die Zahlen 1813, 1814, 1615. Die Münze ist in tadellosem PrägungSglanze erhalten und befindet sich augenscheinlich in dem ursprünglichen feinen Lederetui mit hellblauem Seidensutter.

Hausuururnoru-Kulriiüuut.

Die Einlührung von Haus¬ nummern ist noch keineswegs so alt, wie man gewöhnlich glaubt. Noch am Ende deS vorigen Jahrhunderts waren Großstädte wie London, Paris, Wien, Berlin re. ohne HauSnummem. Namen für die Straßen waren natürlich vorhanden, die Häuser aber wurden nach den über den Hausthüren angebrachten Emblemen oder nach den Eckhäusern benannt. Nicht selten wurde das HauS auch nach seinem Besitzer bezeichnet, und eS war Sache des Betreffenden, dar gedachte HauS in der Straße zu erfragen. In Berlin wurde im Jahre 1795 zuerst der Vorschlag gemacht, die Häuser zu numerieren. Anfangs wollte man am Brandenburger Thor mit Nr. 1 beginnen und dann die Nummern durch alle Straßen fortlaufen lasten. Man kam aber bald von diesem unpraktischen Gedanken zurück und numerierte die Häuser in jeder Straße, wie noch jetzt, derartig, daß, nachdem eine Seite gezählt ist, die Nummer an der anderen Straßenseite weiterläuft bis zum ursprünglichen Ausgangspunkt. Die Stadt Wien dagegen führte, wie auch viele andere Städte er jetzt haben, im Jahre 1803 die Einrichtung ein, daß auf der einen Straßenseite mit den geraden, auf der andern mit den ungeraden Zahlen numeriert wurde. In Paris

--g

358

&-

folgte man diesem Beispiele im Jahre 1805, indem man, vom Laufe der Seine als Ausgangspunkt ausgehend. bestimmte, waS recht? und links einer Straße fei. Verbesserungen zur Eileichterung der Orientierung in den Städten werden noch immer getrossen. In Wien herrscht die Sitte, daß unter jeder Hausnummer auch noch der Name der Straße, in der man sich befindet, angegeben ist. In Mainz besteht die Einrichtung, daß die Straßen, welche senkrecht auf den Rhein stoßen, mit blauen, diejenigen, die parallel mit ihm laufen, mit roten Straßenschildern versehen sind. Berlin hat vor wenigen Jahren durch die Einführung der neuen großen nnd weithin sichtbaren Hausnummern den Einheimischen wie den Fremden einen besonders schätzenswerten Dienst erwiesen.

WaS die Verfafferin über die beiderseitigen Beziehungen mitteilt, recht¬ fertigt diese Bezeichnung nicht im geringsten. Auch sonst ließe sich im einzelnen mit der Verfasserin streiten; so scheint mir ihre Begeisterung für den „schönen, stolzen, geistvollen Laffalle" doch stark übertrieben, wie über¬ haupt die Darstellung der Beziehungen dieses jüdischen Demokraten zu Helene von DönnigeS an einer gewiffen Einseitigkeit leidet. ES geht durch daS Buch ein Zug der Romantik, der die UrteilSschärse trübt, und man merkt, daß Frau von Hohenhausen ebenso wie ihre Vorgängerin auf diesem Gebiete, die Romanschriftstellerin von Scudäri (S. 211), „eine rührende Freude darin findet, schöne Frauen und Liebesgeschichten zu beschreiben."

Zur Rc»rKfarKe des Regiments KaureuthDraguner der DoheufriodKerg (s. Nr. 24 des „Bär" S. 285)

Die Schlucht



wird der „Kreuzztg." von hoher militärischer Seite mitgeteilt: „Daß die Dragoner früher weiße Röcke getragen, ist jedem Kundigen bekannt. ES handelt sich aber darum, wann die weißen Röcke in blaue verwandelt worden sind. Im allgemeinen weiß man, daß dies im Laufe des Jahres Das eine Regiment hat tie neue Uniform 1745 geschehen ist. Einige hatten sie schon vor früher, das andere später angelegt. dem

Ausbruch der

Feindseligkeiten

geliefert

erhalten,

andere

haben

sie

erst nach Rückkehr in die Garnison erhalten. ES ist wahrscheinlich, daß daS Regiment Bayreuth-Dragoner Nr. 5 die neuen hellblauen Röcke schon seit dem Frühjahr mit sich führte, und der Kommandeur kann seh . gut be¬ fohlen haben, daß sie am Schlachttage von Hohenfriedbera zum erstenmale

angezogen werden sollten, ohne daß der König darum wußte. Die Gefahr, daß nach der Schlacht, welche unglücklich verlaufen konnte, das Gepäck in die Hände der Kroaten fiel, war gewiß erwogen worden, und mußte es vorteilhaft erscheinen, die neuen Sachen anzuziehen und die alten auf die Wagen zu legen. Die Anschauung, als ob eine höhere Genehmigung dazu erforderlich gewesen wäre, ist ganz modern und vermag sich in die da¬ maligen Verhältnisse nicht zu finden."

Zu den Bereicherungen des Berliner Aqua¬

riums

haben die nördlichen und die südlichen Meere beigesteuert und bekannteren Wesen eine Anzahl seltene und neue, hier noch nicht vorhandene Wafierbewohner hergesandt. Die Klaffe der Wurmtiere, welche so ungeahnt reiche und absonderliche Vielgestaltigkeit und Größenabstufung in den Reihen ihrer Mitglieder vereinigt und erst unlängst einige intereffame neue Gäste schickte, hat während der letzten Tage wiederum mehrere ihrer prächtigsten und nach Bau und Lebensweise anziehendsten Formen Die zu Rovigno an der Adria belegene Tochteranstalt des geliefert. Aquariums erbeutete einzelne Exemplare e neS zur Ordnung der sogen. Vielborster zählenden Wurmes, veffen Erlangung mit erheblichen Schwierig¬ keiten verknüpft ist, weshalb er eben zu den größten Seltenheiten der wiffenschaftlichen Anstalten gehört und hier noch nicht gezeigt werden konnte. Er bewohnt nämlich eine etwa fußlange, pergamenlartige Röhre, die er aus Sandkörnchen u. a. selbst zusammenleimt, die aber nicht, wie die im Aquarium ebenfalls zu sehenden Röhren der Serpeln und Tabellen, in mehr oder minder senkrechter Richtung hochgeführt, sondern ungefähr wie ein Hufeisen oder ein Halbmond geformt und mit den beiden offenen Enden freiliegend, mit dem Bogenteil in den Sand gesenkt ist. Daher muß, will man Tier und Röhre unversehrt erhalten, die letztere freigelegt und ausgegraben werden; die zum Fischen und Sammeln von Seebewohnern sonst benutzten Geräte laffen hierbei also im Stiche. Der Wurm selbst zeichnet sich noch ganz besonders durch die merkwürdige Gliederung des Körpers aus, indem derselbe drei völlig verschiedene Regionen ausweist, von denen die Segmente der ersten und dritten Ab¬ schnittes verlängerte, flache Fußstummel mit ansitzenden Borsten tragen, woher sich der Name „Borstenflosser" < Chaetopterus) schreibt. Aus der Gruppe der freilebenden Vielborster ist ein zweiter neuer Gast angekommen, die glänzende Hermione, eine nahe Verwandte der als Seeraupe bezeichneten und bekannten farbenschillernden Aphrodite. neben

Brich erlisch.

Ernst Murih Arndts Merke.

Erste

einheitliche Ausgabe

4. und 5. Band. Bearbeitet von Heinrich MeiSner. Leipzig 1895, Verlag von Karl Fr. Pfau. Preis ' je 3 Mk.. gebd. 4 Die vorliegenden Bände enthalten den 2. und 3. Teil der Arndtschen Gedichte. Wir empfehlen unseren Lesern nochmals aufs dringendste die Anschaffung der Gesamtwerte ArndtS. Jeder gute Deutsche sollte eS als eine Ehrenpflicht betrachten, dielelben für seine Bücherei anzuschaffen und dem Verleger damit bei der Verwirklichung eines litterarischen Unter¬ nehmens zu helfen, welches unserer von der Parteien Haß und Hader zerriffenen Zeit notthut. DaS deutsche Volk bedarf einer nachdrücklichen Auf¬ rüttelung, und zu einer solchen bietet die Lektüre der Arndtschen Werke die seiner Hauptschriften.

1,

Darum trage auch ein jeder seinen Teil zu der Er¬ möglichung der Vollendung dieser einheitlichen Gesamt-AuSgabe ArndtS bei, denn die Hebung der Arndtschen Geistesschätze kostet unendlich viel Geld, Mühe und Arbeit. R. G.

beste Handhabe.

Serühurte Iiedespcrare. lage. Leipzig gbd. 5 Mk.

Von F. von Hohenhausen. 2. Aus¬ 1885, Verlag von Walter Fiedler. Preis 4 Mk.,

Im flotten Feuilletonstil behandelt die Verfafferin die Beziehungen berühmter Liebespaare, ohne dabei in irgend einer Weise inS Anstößige zu verfallen. Eigentümlich berührt eS, daß Friedrich der Große und die Tänzerin Barbarina hier als ein „berühmtes Liebespaar" hingestellt wird.

R. G.

Sedan,

dazu mancherlei, was voranging und nachfolgte. Ein Jubelbüchlein für alt und jung aus dem lieben, deutschen Volke Von Otto Müller. 1!2 Seiten. Buchhandlung Berlin C. Preis des Ostdeutschen JünglingSbundeS (M. Hennig) 1 Expl. 25 Pf.. 20 Expl. 4 Mk.. 60 Expl. 8 Mk. 100 Expl. 14 Mk. Der Verfasser hat sich durch seine volkstümlichen Schriften schon einen guten Namen gemacht, in weit über 100000 Exemplaren haben die¬ selben durch ganz Deutschland Verbreitung gefunden. Auch dies Büchlein ist für das Volk geschrieben. ES giebt bekanntlich nicht viele, die so recht zum Volke reden können. WaS den Gebildeten interessiert, braucht noch lange nicht dem Kinde des Volkes zu gefallen. WaS der Mann der Universität für wichtig hält, ist vielleicht dem Mann aus der Dorfschule Volk? schifften müffen kurz, packend, lebendig, ohne lange höchst gleichgiltig. Auseinandersetzungen, ohne trockene Aufzählungen, vom Herzen herunter geschrieben sein, damit sie die Herzen fassen. Und so ist dieses Büchlein. ES ist kurz, packend, lebendig und redet eine Sprache, die auch der Ein¬ fältigste versteht. Die Ursache des Krieges ist in ihm interessant erzählt; die ersten KriegSereigniffe werden übersichtlich nur soweit berührt, als sie zum Verständnis der Entscheidungsschlacht von Sedan notwendig sind; diese wird dann in ihrem dramatischen Verlauf durch lebensvolle Einzel¬ bilder, die meist den Schilderungen von Augenzeugen entnommen sind, vorgeführt, woran sich zuletzt die Darstellung der Kaiserproklamation im Königsschloß zu Versailles anschließt. Möge das Büchlein zu Tausenden und Abertausenden unter dem Volke verbreitet werden — der so überaus billige Preis läßt das möglich erscheinen — und Liebe und Treue zum x. deutschen Reich und zum deutschen Kaiser mehren helfen!

Krieg

von 1870/71. Von Jubiläumsausgabe. Lie>erung 5 bis 9. Mit zahl¬ reichen Abbildungen. Preis jeder Lieferung 60 Pf. Bielefeld 1895, Verlag von Velhagen und Klasing. Die vorliegenden Lieferungen 5 bis 9 führen uns bereits in die Gerade großen Entscheidungstage vor Metz am 14., 16. und 18. August in der Beschreibung dieser großen Epüoden zeigt sich daS DarstellungS- und Erzählungstalent HiltlS im glänzendsten Lichte; in lebensvollen und lebens¬ wahren «ildern ziehen die großen Tage heldenmütigen Ringens mit ihrer hochgespannten Begeisterung, aber auch mit allen den Schrecken an dem geistigen Auge des Lesers vorüber. Gesteigert wird der Eindruck der intereffanten Schilderung durch die der neuen Jubiläumsausgabe beigefügten Kunstbeilagen nach Gemälden erster Künstler wie Hünten, Bleibtreu, Röchling u. a., welche auf eingehenden Berichten von Augenzeugen und gründlichem Studium des betr. Terrains beruhen und deshalb das Gepräge der Wirklichkeit an sich tragen. Dev deutsch-sranrösische G.

Hiltl.

Unsere Muttersprache,

ihr Merken und

Mesen.

Von Prof. Gr. O. Weise. Leipzig 1895. Verlag von G. B. Teubner. Preis geb. 2,40 Mk. Dieses soeben erschienene Schriftchen verdankt einem Preisausschreiben deS Allgemeinen deutschen Sprachvereins sein Dasein und ist von demselben durch einen Preis von 600 Mk. ausgezeichnet worden, wie ihn dieser Ver¬ ein bisher in solcher Höhe noch keinem einzelnen verliehen hat. Die Schrift giebt eine auf wissenschaftlichem Boden ruhende, gemeinverständliche und überaus klare Schilderung der räumlichen und zeitlichen Entwickelung unserer Sprache und legt das Hauptgewicht auf daS Neuhochdeutsche. An diese kurzgefaßte Geschichte unserer Muttersprache schließt sich eine höchst anregende Darstellung der Schriftsprache unserer Zeit. DaS Büchelchen ist nicht in Form einer lehrmäßigen Uebersicht oder eines NachschlagebucheS geschrieben, sondern als eine lebendige und anschauliche Erörterung, und zwar in einer Weise, die geeignet erscheint, die äußerliche Auffaffung vom Wesen unserer Muttersprache zu bekämpfen und die weiten Kreise der Ge¬ bildeten zu seffeln und zu unterrichten. DaS Büchelchen, daS sich durch eine mustergültige Sprache auszeichnet und sich äußerlich als ein schmuckes Bändchen von trefflichster Ausstattung darstellt, wendet sich an den ge¬ samten gebildeten Leserkreis deutscher Zunge und wird schnell seinen Weg — x.— in jedes deutsche Haus und jede deutsche Schule finden.

Deutsche Ueuue.

Herausgegeben von Richard Fleischer. gart, Leipzig, Wien, Berlin, Deutsche Verlagsanstalt.

Für

Stutt¬

den Geschichtsforscher, der die diplomatische Geschichte der zweiten

Hälfte unserer Jahrhunderts schreiben wird, werden die Hefte der „Deutschen Revue" eine reiche Quellensammlung bilden. Die Namen der Mitarbeiter, welche alle insgesamt eine mehr oder weniger große Rolle auf dem geistigen Theater der Gegenwart spielen, bürgen dafür, daß die wichtigsten Ereigniffe fortdauernd ihre Würdigung finden; keine zweite Monatsschrift, auch fremde nicht ausgenommen, dürfte sich in dieser Hinsicht der Genannten an die Seite stellen können. Von dem treuen Mitarbeiter Heinrich von Poschinger, der seine Bismarckiana in der Deutschen Revue regelmäßig zuerst erscheinen läßt, sind wieder wichtige Aufsätze in den letzten Heften erschienen; ihnen reiht sich Prinz Earolalh mit einem Beitrag über die nunmehr gefallene

359

■«

Umsturzvorlage an, K. Vamböiy äußert sich über die armenische Frage, Reinhold Werner über den Nord-Ostseekanal, Lombroso über „die Ursachen der Launen der Erwachsenen und besonders der Frauen", Anton Schlosiar bringt über Hamerling Erinnerungen und ein Ungenannter über Gladstone eine treffende Charakteristik — kurz, die „Deutsche Revue" ist inhaltlich I. und geistig aus ihrer alten Höhe geblieben.

Das Maiheft der neuen beliebten Monatsschrift „Unser Uc-gtbringt, wie die vorhergehenden, wieder eine Fülle anregender und fesielnder Beiträge. Prof. vr. Fritz Regel in Jena, eine Autorität auf

land,"

dem

Gebiete

der Lander- und Volkskunde,

hat

einen

hochinleresianten

Artikel: „Zur industriellen Entwickelung von Gera, Greiz,

Pößneck und Umgebung" beigesteuert. „Ueber die vogtländischen Schlangen" berichtet in fesielnder Weise L. Herrmann in OelSnitz. Von Heft zu Heft sieht man den Herausgeber vr. Gottfried Doehler bemüht, die ersten Namen zur Mitarbeiterschaft an dem echt volkstümlichen Unternehmen heranzuziehen und die Beiträge möglichst mannigfältig auszuwählen, ein Bestreben, welches allseitige Unterstützung von seiten der Publikums verdient. Der Preis der empfehlenswerten und schön ausgestatteten Zeitschrift beträgt pro Quartal nur 1,20 Mk.. die Hefte können durch jede Buchhandlung und die Post, sowie durch vie Verlagshandlung lTheodor Leibing in Leipzig) bezogen werden, welche gern Probehefte gratis verschickt.

Inhalt: Aus Deutschlands Vergangenheit oder Der Schlangenring. Historischer Roman von C. Gründler. (Fortsetzung.) — General Johann Jakob Wunsch Von Generalmajor z. D. vr.

(Fortsetzung.) — Kurprinz Friedrich Wilhelm im Haag. (1687.) Ehrentag der preußischen Garde. (Mil Abbildung) — Des Königs von Schweden Geschenk an den deutschen Kaiser. — Gustav Adolfs Einzug in Nürnberg und die beiden Nürnberger Pokale aus dem Jahre 1632. — Wieprecht-Konzert am 14. Juli 1870. — Der Traum des Pagen. — Die Blüchermünze der Berliner Bürger. — HauSnummern-Jubiläum. — Zur Rockfarbe des Regiments BayreuthDragoner bei Hohenfriedberg. — Zu den Bereicherungen des Berliner v. Pfister.

Kleine Mitteilungen: Ein

Aquariums. — Büchertisch. — Anzeigen.

Die Kade-Direktion AUinge auf Darnholrn

ver¬ sendet ihre Broschüre „Ostseebad Bornholm" mit den diesjährigen Fahr¬ zeiten der Dampfer, welche ab Stettin, Swinemünde, Saßnitz, jeden Mittwoch und Sonnabend nach Bornholm fahren. Den vielfach ge¬

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äußerten Wünschen zufolge schickt die Rhederei Bräunlich-Stettin diesmal den großen, mit allem Komfort ausgestatteten Salon - Schnelldampfer „Freia" nach Bornholm, welcher von Saßnitz kaum 4 Stunden zur Ueberfahrt gebraucht und es den Pasiagieren ermöglicht, morgens von Berlin abfahrend schon des Abends in Bornholm einzutreffen. Die herrliche Insel hat sich diesmal zum Empfange der Fremden gut gerüstet. Im Hammergebiet, unmittelbar bei den sagenhaften Ruinen, sind zwei neue Hotels entstanden, dar weithin bekannte Hotel Helling¬ dommen ist einem eleganten Hotel gewichen, und selbst in der Hauptstadt Rönne ist Fürsorge getroffen, daß die de« Abends ankommenden Gäste vor der Weiterfahrt nach Hammern schnell bequemes Unterkommen finden. Die im Buchhändlerwege erscheinende, übrigens einzige neue deutsche Beschreibung der Insel Bornholm (Vers. Badedir. Lima») ist sehr aus¬ führlich geschrieben und enthält außer allem WisienSwerten zahlreiche Aus¬ flüge, die einen Begriff von den vielen eigenartigen und außergewöhnlichen Schönheiten dieser dänischen Insel geben.

Wir haben unsere Leser auf ein für jeden Geschäftsmann höchst MinoprioS Hand¬ nützliches Nachschlagewerk aufmerksam zu machen. buch des Kaufmanns enthält außer einem kurzen Abriß der Handels' geschichte, Handelsgeographie, Volkswirtschaftslehre und Finanzwisienschaft, eine Zusammenstellung der wichtigsten Daten der Handelsstatistik, ferner die neuesten, für den Geschäftsmann wichtigen Handelsgesetze, Stempelgesetze, HandelSgebräuche, übersichtliche Darstellung der Warenkunde, Börsen¬ geschäfte, des kaufmännischen Rechnens, einfacher und doppelter Buchhaitu ig und HandelSbiiefsteller in 6 Sprachen (deutsch, französisch, englisch, DaS im Laufe dieses Jahres in italienisch, spanisch und holländisch). 20 Lieferungen ä 20 Pf. erscheinende Werk ist durch jede Buchhandlung zu beziehen.

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50

1?. August

1885.

Mus NeuisManös Uevgangenßeik oder

Kev Lchlauyenvins.

Historischer

von

G. Grürrdier.

(Nachdruck verboten.)

(32. Fortsetzung.)

ls die Zeit

des Abendessens herannahte, welches pünktlich um 6 Uhr eingenommen wurde, fanden sich die Knechte und Mägde wieder ein. Auch der alte Hanne war Die Nachricht von der Verhaftung des zurückgekommen. jungen Herrn hatte alle wie ein Blitz aus heiterem Himmel getroffen. Hanne hatte sofort den ganzen Zusammenhang be¬

griffen und sagte in seiner trockenen Weise nur: „Na', dese entfahmte Släcks, de willen we wohl kregen." Darauf rief er den Schulzen auf die Seite und sprach eifrig auf ihn ein, worauf dieser verständnisvoll mit dem Kopfe nickte und sich bald verabschiedete. Ebenso verfuhr er mit Viktors Bruder Klaus. Nach dem Abendessen sah man Klaus, Hanne, mehrere Knechte, jeden allein und mit einem dicken Prügel versehen, aus dem Hofe schleichen. Klaus trug außerdem noch ein Bündel unter dem Arme. Hanne hatte unternommen, mit dem Mißtrauen, welches die Landleute gegen die vorsichtige und langsame Prozedur der Gerichte hegen, die Angelegenheit auf eigene Hand zu beendigen.

Der verfallene Kalkofen lag mitten auf einer weiten Lichtung im Walde. Nicht weit davon war der Steinbruch. Die Familie des Kalk-Märten, eine Frau und deren Mutter, hatte sich, während der Ernäher interniert gewesen war, kümmerlich mit Tagelohn durchgeschleppt. Als die Dunkelheit vollständig hereingebrochen war, kam ein junger Mann eilig auf der Laudstraße einher, bekleidet mit einem kurzen Studentenrock, die farbige Verbindungsmütze Vor das auf dem Kopfe, das Band über der Brust.

Gesicht hielt er ein Taschentuch, wie wenn, er sich nicht wolle erkennen laffen.

Er schritt auf die Hütte zu und klopfte leise an das er¬ blindete Fenster, indem er mit leiser Stimme rief: „Faust, Faust!" Darauf erschien eine fremde Gestalt und öffnete das Fenster ein wenig.

Dich!"

sagte der Student leise hinter ihm mit den Händen, daß er entfliehen möge. Darauf war er im Dunkel verschwunden. Kurz darauf öffnete sich die Thür. eine Gestalt huschte heraus Kaum war er und schlug die angedeutete Richtung ein. hundert Schritte weit gekommen, als er sich von zwei kräftigen Armen umspannt fühlte, welche ihn festzuhalten bemüht waren. Es erfolgte ein verzweifeltes Ringen, der Angreifer war jedoch stärker als sein Gegner, und obwohl der letztere ein Messer hervorgezogen und ersterem einen tiefen Stich in den Arm

„Faust,

sie suchen

dem Taschentuche

und

winkle

versetzt hatte, so wurde er doch

überwältigt.

Bald kamen auch von verschiedenen Seiten mehrere Personen hinter den Bäumen hervor, wo sie sich schon lange Schnell war der Ueberwundene an versteckt gehalten hatten. Händen und Füßen gefesselt; unter Bewachung zweier Knechte wurde er zurückgelassen. Die übrigen, voran der Schulze und der Gemeindediener, begaben sich geräuschlos nach dem Häuschen und öffneten rasch die Thür. Der Kalk-Märten stand mitten Er war reisefertig, hatte den Zwergsack auf in der Stube. dem Rücken und schien von den Weibern soeben Abschied ge¬ nommen zu haben.

hS

„Martin Brand. Ihr wir

müssen

bei

Euch

386

im Verdachte der Hehlerei, Haussuchung hallen." rief ihm der

»

„Wie

seid

kommst

zehn Worte

keine

Du mir vor, Mädchen? zu

sprechen!

Du wagtest

sonst

Woher auf einmal dieser

Schulze zu.

Ton?"

„Ken Schritt wider, oder Ji fied des Todes!" schrie Märten und zog ein kurzes Pistol aus der Brustlasche. „Faat em. faat em!" rief Hanne und stürzte auf Märten los. Ein Schuß — die Mütze flog Hanne vom Kopfe und

„Das lassen Sie sich vorläufig nicht kümmern! Ich bin ein freies Sachsenmädchen und lasse mich nicht zwingen. Sie

Aber schon httten den Märten sechs, acht Arme ergriffen, ihm die Pistole entrissen Die Weiber heulten und und ihn gleichfalls gebunden. machten dem Märien Vorwürfe, daß er sich nicht schon früher fortgemacht habe. Da sie sich hierdurch schon halb verraten hatten, so genügten wenige Fragen und die Versicherung, daß nur ein offenes Geständnis ihre Schuld mildern könne, um alles zu entdecken. Sie schimpften schrecklich auf den fremden Abenteurer, welchen der Märten unterwegs getroffen, und be¬ haupteten, daß er sie abscheulich betrogen habe. Bei der vor, Haussuchung fanden sich fast sämtliche Gegenstände welche dem Juden abgenommen waren, ebenso ein Teil des Geldes, soweit es eben der Student nicht bei sich hatte.

fällt! Ach so. ich vergaß, nun anders geworden."

ein Bündel seiner grauen Haare dazu.

Die ganze Gesellschaft wurde zum Dorfe gebracht, dort auf einen Wagen gepackt und nach der Stadt zum Kreisgerichl geführt. Währenddem war diesen Vorgängen nichts

man auf dem Lindenhofe von gewahr geworden. Man vermutete die abwesenden Knechte und den älteren Sohn in der Schänke oder bei Bekannten. Nur Marianne wußte um den Streich, der ausgeführt werden sollte. Sie befand sich in der größten

Erregung.

Der Kamps mit dem plötzlich hereingebrochenen

Mißgeschick hatte auch bei ihr alle schlummernde Energie des Geistes geweckt, und sie beschloß, nicht ebenfalls mit ihrem Geliebten ein Opfer der Härte ihres Vormundes zu werden. Denn daß Viktor an dem Raube unschuldig war, stand bei ihr fest; sie wußte ja, daß er gerade zu jener Stunde mit ihr zusammengewesen. Sie trat in die Wohn¬ 'Finstern saß, den Kopf in die stube, in welcher der Meier im Hände gestützt. Von Zeit zu Zeit entfuhr ihm ein tiefer Seufzer. „Tausend Jahre in Ehren auf dem Lindenhofe"

murmelte er, „und nun ein Dieb!" Frau Gutmann saß still in der Ecke und weinte vor sich hin. Marianne trat vor den Meier und sagte: „Vormund, ich habe mit Ihnen zu sprechen." „Was willst Du jetzt? Laß uns zufrieden!" „Nein, gerade jetzt muß es abgemacht werden." „Nun, so sag, was giebsts?" „Sie haben mich als Waise gütig in Ihr Haus ge¬ nommen und mich in Gottesfurcht und zur Arbeit erzogen, als mein Vater auf dem Sterbebette mich Ihnen übergeben hatte. Sie haben auch, ohne mich zu fragen, über meine Zukunft bestimmt. Ich erkläre Ihnen aber, ich werde den Viktor nicht heiraten." „Kommst Du auch noch, mir den Kopf warm zu machen? Ha, ja! Ein Dieb, ein Straßenräuber! Für den wird sich wohl auch die schlechteste Tagelöhnerdirne bedanken, mag er auch auf dem Lindenhofe geboren sein." „Halt, Vormund, keine Schmähungen! Ich frage Sie bloß, ob Sie mir mein erzwungenes Wort zurückgeben wollen — unter allen Umständen, es mag kommen wie es will."

haben meinem Vater zugesagt, daß ich

Ihren Sohn heiraten

soll, aber nicht, welchen!"

„Nun, natürlich denjenigen, welchem das ist ja,

der Lindenhof zu¬

Gott

sei es geklagt,

„Also, Sie geben mir mein Wort zurück?"

„Ich kann Dich nicht zwingen. Du bist frei!" „Gut, ich halte Sie beim Worte. So wiffen Sie denn: Viktor ist unschuldig!" „Mäochen, was redest Du? unwiderleglich."

„So?

Die Beweise sind klar und

wäre ich heute zu¬ einer Verhaftung nicht ge¬ kommen. So will ich Ihnen denn die unwiderleglichen Be¬ weisgründe Ihres klugen Herrn Kreisrichters einzeln zu Wasser machen. Das Geld, welches Viktor fortgeschickt hat, sind die Ersparnisse von Ihrem Großknecht, welche dieser ihm geliehen, weil der eigene Vater den Sohn so kurz gehalten hat, wie es einem Lindenhofer nicht geziemt." gegen

Ich weiß

gewesen,

so

es aber besser, und

wäre

es

zu

„Mädchen!"

„Still,

lassen Sie mich ausreden! Das Feuerzeug des Juden, welches ein starkes „Beweismittel" sein soll, hat Viktor erst wenige Siunden vorher von einem ehemaligen Studien¬ Jochen war dabei." genossen erhalten.

„Was

sagst

Du?"

„Und zum Schluß will ich Ihnen sagen, daß ich gerade der ZUt, als der Raub geschehen ill, mit Viktor beim zu Pflanzgarten war, daß er mir sein Wort ebenfalls zurück¬ gegeben hat, so wie ich ihm das meinige, da ich ihn nicht heiraten kann, weil . . . weil . . . nun, das findet sich ein andermal." „Ja, aber mein Gott, da wäre ja der ganze Verdacht grundlos, und die Ehre des Lindenhofes bliebe rein! Da

wir doch gleich „Nur ruhig, der

müssen

zum Schulzen."

ist jetzt nicht zu Hause. Wenn es werden in dieser Nacht die Schuldigen noch eingefangen werden, aber ohne den klugen Herrn Kreis¬ richter und seinen noch klügeren Gendarmen!"

Gottes Wille ist,

so

Die alte Mutter war dem Mädchen um den Hals ge¬ fallen und weinte jetzt heftiger vor Freude, als vorher vor Schmerz. Natürlich wurden alle Einzelheiten des Ereignisses, soweit sie Marianne bekannt waren, durchgesprochen, und an Schlaf war nicht zu denken. Es war denn auch schon lange nach Mitternacht, als die Mannschaften des Lindenhofes von ihrer Expedition zurück¬ kehrten.

Der verwundete Arm des Klaus schmerzte zwar heftig, doch war die Wunde nicht gefährlich. Das Messer erwies sich später auch als dem Juden gehörig. Die beiden Räuber wurden nach einiger Zeit von dem Schwurgerichte zu langjähriger Zuchthausstrafe verurteilt. Ehe jedoch die Strafe an beiden vollstreckt wurde, veröffent¬ lichten die rheinischen Zeitungen einen Steckbrief gegen den ehemaligen stuä. med. Kuno v. Mettwitz, genannt Faust,

-s

387

das bemoste Haupt, welcher aus dem Kriminalarrest des Kreis¬ gerichts zu

.

.

.

ausgebrochen war.

Die Freude bei der schon am Morgen des anderen Tages erfolgenden Rückkehr Viktors zu beschreiben, wäre unmöglich. Die nächste Folge war, daß Klaus und Marianne noch im Laufe des Sommers ein Paar wurden und den Schärlings-

Im Herbste desselben Jahres trat Viktor hof übernahmen. Heer, Königs um seiner Dienstpflicht als Einjähriger des in zu genügen.

*

III. von Frankreich, die großen Kopie seines Onkels, stand auf dem schlecht gelungene Höhepunkte seiner Macht. Er hatte Italien groß und von sich abhängig gemacht, hielt den Papst und durch ihn die katholische Welt im Schach, hatte Oesterreich gedemütigt und durch ein Bündnis mit England und Italien Rußland ge¬ Die wachsende Machtstellung Preußens aber war schwächt. ihm bedenklich, und die wankelmütigen, heißblütigen Franzosen fingen an, sich lebhaft mit seiner inneren Politik zu beschäftigen, so daß eine Ableitung nach außen dringend geboten erschien. Ein Krieg mit Preußen war bei dem französischen Volke Dieser Krieg war von den preußischen Staats¬ populär. männern längst vorausgesehen, und es war unablässig von ihnen an der Verbesserung der Hecresverfassung gearbeitet worden. Aber auch die Franzosen waren nicht müßig gewesen und hatten dem preußischen Zündnadelgewehr den Chassepot Es fehlte nur noch und die Kugelspritze gegenübergestellt. die Kriegsursache. Eine solche zu finden, hatte sich Napoleon seit Jahr und Tag in deutsche Angelegenheiten, die Luxem¬ burger Frage, den Bau des St. Gotthard-Tunnels, gemischt, und nur die preußische Friedensliebe halte den Zusammenstoß vermieden. Da mutete er dem König von Preußen zu, er solle dem Prinzen Leopold von Hohenzollern, nachdem der¬ selbe schon die ihm vom spanischen Volke angetragene Königs' kröne ausgeschlagen hatte, befehlen, auch in Zukunft nie wieder als Bewerber um den spanischen Thron aufzutreten. Der Kaiser Louis Napoleon

Als darauf König Wilhelm

dem französischen Boischafier

durch seinen Adjutanten sagen ließ, er habe ihm nichts weiter

mitzuteilen, war der Kriegsfall gefunden, und am 19. Juli 1870 erfolgte die französische Kriegserklärung, welche dem an dem¬ selben Tage zusammengetretenen Reichstage des norddeutschen Bundes vorgelegt werden konnte. Allgemeine Entrüstung er¬ griff das deutsche Volk über die Schmach, welche der gesamten Nation in der Beleidigung der Person ihres greisen Kriegs¬ herrn angethan worden, und der Begeisterung und Opfer¬ freudigkeit, die es an den Tag legte, konnte nur diejenige des Jahres 1813 zur Seite gestellt werden. Vielleicht hatte Napoleon gehofft, im entscheidenden Augenblicke nach dem Muster seines Onkels durch eine Art neuen Rheinbundes Preußen zu isolieren und die süddeutschen Darin aber hatte er sich Staaten zu sich hinüberzuziehen. gewaltig getäuscht. Die Badenser, Württemberger und Bayern rückten mit derselben Freudigkeit ins Feld zur Verteidigung der deutschen Ehre wie die Preußen und Sachsen. Die neue Gestaltung des Heeres bewährte sich zudem vollkommen. In kaum vierzehn Tagen überschritten die deutschen Truppen die französische Grenze, um ihren unaufhaltsamen Siegeszug zu beginnen. Die großen Ereignisse des nun folgenden Krieges sind

»-

Wir erwähnen sie nur in¬ im frischen Angedenken. als die Personen in unserer Erzählung mit ihnen in Berührung kommen. Die Festung Straßburg war am 27. September gefallen, Paris wurde von den deutschen Truppen eng umspannt, und der Diktator Gambetta hatte eine allgemeine Volksbewaffnung Neben den regelmäßigen Mobilgarden hatten angeordnet. Freischaren, Frankiireurs, gebildet, welche zwar zahlreiche sich unseren geschulten Truppen im Felde nicht Stand hielten, jedoch kleinere vorgeschobene Abteilungen überfielen und

noch

soweit,

namentlich

die

des deutschen Heeres vielfach

Etappenstraßen

belästigten.

Zur Sicherung von Pont

der

Linie Straßburg-Paris

war daher

Mousson nach dem Dörfchen Beaulieu eine Abteilung preußischer Infanterie unter der Führung des Lieutenants Schlicht verlegt worden, da ein von Pont ä Mouffon nach Dammartin abgelassener Feldposttransport am 26. Sep¬ tember abends in einem Walde hinter dem Dorfe Chöry von südlich

ä.

Franktireurs angegriffen und beraubt worden war, wobei zwei Mann von der Bedeckung erschossen wurden. Der Einjährig-Freiwillige Viktor Gutmann vom Linden¬ hofe befand sich unter dieser Abteilung und war inzwischen zum Unteroffizier avanciert. Er hatte sein Quartier mit sechs Mann in einem Landhause erhalten, welches einige hundert Schritte vom eigentlichen Dorfe entfernt war. Dasselbe lag auf einem kleinen Hügel am Eingänge einer waldigen Schlucht und bestand aus einem einstöckigen Gebäude mit aufgefitzter Mansarde und mehreren kleinen Slallgebäuden. Nach vorn war eine weinumrankle Veranda angebaut, und nach hinten schloß sich an den Hofraum ein kleiner Blumengarten mit Park, deffen kiesbestreule Wege ihre Fortsetzung in dem Walde hatten. Der Besitzer, Monsieur Dumoulin, halte eine Fabrik in Paris; die Villa hatte er durch Er pflegte sich mit seiner Familie im seine Frau erhalten. Monate hier aufzuhalten und befand sich auch einige Sommer jetzt hier, da er durch die allzurasch vordringenden deutschen Heere von der Hauptstadt abgeschnitten worden war. indem keiner der Franzosen geglaubt hatte, die Prusfiens würden die Kühnheit haben. Paris zu belagern.

viel Besuch nicht eingerichtet, man hatte daher zusammenrücken müssen. AIs gemeinschaft¬ liches Wohnzimmer war den Preußen ein großes Zimmer eingeräumt, welches, der eleganten Möblierung nach zu urteilen, bei kleinen Festen auch wohl als Salon gedient Viktor hatte unmittelbar daran ein kleines haben mochte. Schlafkabinett, während seine Leute in der Mansarde unter¬ Die von der Familie bewohnten Zimmer gebracht waren. stießen auf der anderen Seite gleichfalls an den Salon, hatten jedoch noch einen besonderen Ausgang nach dem Korridor. Die Fenster des Salons gingen auf die Veranda, und unter dem Möblement befand sich auch ein verschlossenes Pianino. Viktor wohnte nun schon über eine Woche dort, hatte aber die Familie des Besitzers noch nicht zu sehen bekommen. Der lächerliche und oft ins kindische ausartende Haß der Franzosen gegen die Deutschen hatte jede Berührung vermeiden lassen. Der Verkehr wurde nur durch einen alten bissigen Diener Derselbe hatte Viktor beim Eintritt mürrisch vermittelt. entgegengerufen: „Nix Dütsch, nix Dütsch!" Als ihm jedoch ersterer in gutem, fließendem Französisch auseinandersetzte, daß

Das Landhaus war auf

so

.

■S

fies)

niemand

an

dem

Eigentume

seines

Herrn

388

vergreifen

werde, daß er jedoch auf ein einigermaßen anständiges Unter¬ kommen und auf pünktliche Lieferung der Rationen bestehen

So¬

rache deshalb auch an sich nichts Verabscheuungswertes, sondern als erster Versuch zur Begründung eines Rechtsschutzes sogar

verehrungswürdig:

so

führte

zu höchst bedauerlichen eines Geschlechtsgenoffen nur durch sie dennoch

müsse,

hatte sich der Alte gekrümmt wie ein Wurm und behauptet, sie hätten selbst nichts mehr zu leben und müßten beinahe verhungern. Doch Viktor ließ sich so leicht nicht einschüchtern und erklärte kurzweg, wenn er nicht gutwillig

Zuständen. Da das Blut ein neues, womöglich noch größeres Blutbad würdig gesühnt werden konnte, so wurde Missethat aus Miffethat geboren, und es entstanden förmliche Vernichtungskriege zwischen den

das Nötige herausrücke, so müßten sie selbst sich etwas suchen, und wenn er die Schlüsiel nicht sofort herausgebe, so würden einige kräftige Kolbenstöße die Thüren schon öffnen. Darauf hatte der Alte hergegeben, was verlangt wurde, und. da er nach und nach sah. daß die gefürchteten „deutschen Barbaren" gute, harmlose Menschen waren, wenn sie nicht unnötig gereizt wurden, so faßte er allmählich Zutrauen, wozu hauptsächlich beitrug, daß er sich mit Viktor in seiner Landessprache unterhalten konnte, und so die zahllosen Mißverständniffe vermieden wurden, welche der Mangel an Verständigung zwischen den Okkupationstruppen und den Landeseinwohnern sonst herbeiführte. Der Dienst war ziemlich anstrengend. Ununterbrochener Postendienst und zahlreiche Patrouillen auf ziemlich weite Entfernungen ermüdeten die Soldaten dermaßen, daß sie in der Regel bei der Rückkehr bald die Ruhe suchten.

feindlichen Geschlechtern, die sich durch Jahrzehnte hinzogen und sich sogar von den Eltern auf die Kinder vererbten. Bei steigender Kultur mußte sich daher sehr bald der Wunsch bemerkltch machen, die Blutrache einzuschränken. Bei den Germanen galt diese schon im 1. Jahrhundert unserer Zeit¬ rechnung nicht mehr für so unverbrüchlich, daß man nicht bereits auf sie hätte verzichten und sich mit dem Mörder aus¬ söhnen können. Die Rache erhielt ihren Preis. Sie durfte den beleidigten Geschlechtsgenossen abgekauft werden, anfäng¬ lich infolge freier Vereinbarung durch eine Anzahl von Haus¬ oder Herdetieren, später durch eine von vornherein feststehende Summe, welche die Rechtsgewohnheiten oder Gesetzbücher als Buße oder Wergeld d. h. Manngeld bestimmten. Obwohl die unblutige Beilegung des Streites in jeder Weise begünstigt wurde, galt es doch mancher Sippe noch lange Zeit für schimpflich, sich das vergossene Blut ihres Genoffen durch Geld abkaufen zu lassen, dagegen für ehren¬ hafter. Rache für Buße zu nehmen. Eine neue blutige That um deswillen verübt, unterlag keiner Strafe; denn der älteste

(Fortsetzung folgt.)

Mord- oder Sühnekreure in der Medrrlausch und die germanische Klutrache. Kulturgeschichtliche Skizze von Karl Gandor«

Rechtszustand war eben der, daß die Tötung eines Menschen

Privatsache der dadurch berührten Sippen blieb. Wenn aber auch die öffentliche Gewalt sich nicht unaufgefordert in den

Streit

(Fortsetzung.)

so waren doch die alten Volksgerichte gern auf Antrag zwischen den Parteien zu vermitteln. Weigerte sich dann jemand „zu Recht zu stehen", so wurde er für friedlos erklärt und aus der Rechtsgemeinschaft ausge¬ stoßen, so daß ihn jeder bußelos töten konnte.

mischte,

Obwohl den Sagen keineswegs jede Bedeutung abge¬ soll, bringen sie doch keine Aufklärung über Teils sollen diese zur Grenz¬ den Zweck der Steinkreuze. bezeichnung, teils zur Erinnerung an geschichtliche Ereignisse oder an Mordthaten gesetzt worden sein. Auf den letzteren

bereit,

Zweck weisen nicht bloß die meisten Sagen,

straffe Staatsverbände traten, begannen die Machthaber sofort den Kampf gegen die Blutrache; freilich war es nicht der

sprochen werden

sondern auch die

Beile, Schwerter und Messer auf den Kreuzen hin. Daß diese wirklich größtenteils zur Erinnerung an Blutthaten gesetzt worden sind, ist zur Gewißheit geworden, seitdem man sie

zum Gegenstände

Mit Recht

werden

urkundlicher Forschungen gemacht hat. allgemein als Mord- oder Sühne¬

sie jetzt

kreuze bezeichnet. Stammen auch die meisten gewiß erst aus dem Mittel¬ alter, so geht doch der Rechts brauch, der das Setzen derselben veranlaßt hat, bis ins germanische Heidentum, bis ins erste Jahrhundert unserer Zeitrechnung hinauf. Die alten Stein¬ kreuze können als Erinnerungszeichen an die bei fast allen jugendlichen Völkern vorkommende, bei den Germanen stark ausgeprägte Rechtsgewohnheit der Blutrache gelten. In der ältesten Zeit, als von einem Gemeinde- oder Slaatsverbande noch nicht die Rede sein konnte, fand der einzelne Mensch seinen natürlichen Schutz im Familienverbande. Wurde ein Mitglied desselben getötet, so galt das nicht als eine der Allgemeinheit oder der menschlichen Gesellschaft zugefügte, sondern vielmehr als eine der Familie des Getöteten angethane

Unbill, die die waren. Ja,

rächen bestrebt

Geschlechtsgenossen

desselben

zu

diese Rache bildete

sich sogar zu die zwar dem ganzen Geschlecht, in erster

einer Pflicht aus. Linie aber den nächsten

Verwandten oblag.

Ist

die Blut¬

Als an die Stelle loser germanischer Volksgemeinschaften

Kampf der Humanität gegen die Barbarei, sondern eine neue staatliche Rechtsanschauung suchte, weil sie die Befugnis zu strafen für den Herrscher allein in Anspruch nahm, die Selbst¬ hilfe zu unterdrücken. Karl der Große bemühte sich aufs eifrigste, die Blutrache einzuschränken. In einem Oaxidrrlars von 779 (Pertz, Nou. L. L. I, 39) bedroht er den Ver¬ letzten, welcher die Annahme des Wergeldes verweigern, und ebenso den Verletzer, der nach erwiesener Schuld sich nicht zur Bußzahlung verstehen sollte, mit Verbannung. In einem Capitulare von 802 (Pertz, Mon. L. L. I, 133) wird den Eltern des Erschlagenen die Ausübung der Blutrache unter¬ sagt und gütliche Auseinandersetzung anbefohlen. 805 ordnet er an (Pertz. Norr. L. L. I, 133), daß da, wo sich die feindlichen Parteien nicht gutwillig zum Frieden verstehen würden, derselbe zwangsweise zwischen ihnen hergestellt werden solle, und er droht mit persönlichem Ein¬ greifen, falls die Macht seiner Beamten nicht ausreiche. Indes der gewaltige Mann, der die Sachsen gebeugt hatte, war nicht imstande, erfolgreich die Vorstellung zu bekämpfen, die in der Ausübung der Blutrache ein Recht des Geschlechts, dem der Getötete angehörte, und eine Pflicht gegen diesen sah. Wenn auch die Friedensbemühungen der kaiserlichen

-e

389

Beamten in einzelnen Fällen zum Ziele geführt haben mögen: auf die Rechtsanschauung des gesamten Volkes wirkten die Verordnungen Karls so gut wie nicht ein. Obwohl er 819 und 829 noch verschärfte Vorbote erließ, obgleich die Kirche in seinem Sinne auf das Volk einwirkte: die Blutrache blieb. Noch durch das ganze Mittelalter erhielt sich der ihr zu Grunde liegende Rechtsgedanke lebendig, trotz mancher Ver¬ änderungen in den Sitten und gesellschaftlichen Zuständen. Auch die späteren, nicht fränkischen Kaiser des Mittelalters wandten sich in ihren Verordnungen, namentlich in den ver¬ schiedenen Landfrieden, gegen die Selbsthilfe bei Mordfällen, freilich mit nicht besierem Erfolge als Karl der Große. Schließlich sahen sich die staatlichen Gewalten im Mittelalter gezwungen, die Rechtlichkeit der Blutrache anzuerkennen und

s--

waren da geseffen (ansässig). Als die von Rosheim daß ihre Feinde zu Molsheim wohnten, da schlichen sie heimlich in die Stadt zu Molsheim und lagen so manchen Tag in einem Hause verborgen und warteten, wenn sie über ihre Feinde könnten kommen. Hierum wußten die Rebenstöcken nicht und gingen ungewarnt zehren und essen auf der Edelleute Trinkstube zu Molsheim. Und als die Rebenstöcke eines Mals auf der Stube zu Nacht gegessen hatten und bei einander waren, da liefen die von Rosheim heimlich aus dem Hause, darin sie verborgen waren, und kamen gewaffnet auf die Trinkstube über die Rebenstöcke und stachen ihrer acht zu Tode, und zwei junge Knaben, die entrannen. Und als die von Rosheim ihre Feinde also erstochen hatten, und

erkundschafteten,

da liefen

sie

an die Ringmauer zu Molsheim,

und weil es

Klick auf dorr Ruinen borg bei Patsdarn. Nach einer photographischen Aufnahme des Geheimsekretärs R.

Köhler

in Berlin.

auf diese Weise

Nacht war und die Pforten geschlossen waren, kamen sie mit Leitern und mit Seilen über die Mauer hinaus, wie sie es

In welch schonungsloser Art die Geschlechter noch gegen Ende des 14. Jahrhunderts gegeneinander wüteten, dafür folgen¬ des Beispiel, das der elsässischen Chronik des Jakob Twinger

vorher bestellt hatten. Dies geschah am St. Valentinsabend Geburt 1375 Jahr. Danach klagten die Neben¬ stöcke, die noch zu Straßburg waren, vor dem Rathe diesen Mord. Da erkannten Meister und Rath. daß die von Ros¬ heim keinen Mord damit hätten begangen, daß sie ihre Feinde erschlagen hätten, und verboten jeglichen, die dies gethan, die Stadt zehn Jahre, wie man denen thut, die einen Todtschlag

sie

nur

gesetzlich zu ordnen, zu begrenzen und

einzuschränken.

von Königshofen entnommen ist.*) „Als man zählte nach Gottes Geburt 1374 Jahr, am St. Georgentag nach Nachtesien, da erhub sich ein Krieg und ein Geschelle bei St. Thomas zwischen den zwei Geschlechtern zu Straßburg, genannt die Rebenstöcke und die von Rosheim. Und derer von Rosheim wurden drei erschlagen. Darum wurde zwölfen von den Rebenstöcken die Stadt verboten (sie wurden aus ihr verwiesen), die zogen zuhand nach Molsheim

*i

Vergl.

Frauenstädt,

Blutrache 32.

nach Gottes

begangen haben."

Daß die Blutrache in Norddeutschland bis ins 15. Jahr¬ hundert in Uebung gewesen, ist erwiesen (vergl. Grimm, Weistümer IV, 703). In den „Apes", einem Erbauungs¬ buch des brabantischen Geistlichen Thomas Cantiprantanus, das aus der Mitte des 13. Jahrhunderts stammt, ist von den

Friesen

zu lesen,

bis

behielten,

sie

-6

390

daß sie einen Getöteten solange im Hause

die Rache

vollbracht

hatten,

daß sie den

aufhängten und dem Rauch aussetzten. Uebrigens herrschte damals beinahe in ganz Deutschland der Brauch, einen Ermordeten nicht gleich zu beerdigen, weil es für den Fall, daß die Mordklage erhoben wurde, erforderlich war, daß die Leiche an drei Rechtslagen, die in vierzehn¬

Leichnam

sogar

tägigen Zwischenräumen stattfanden und zu denen der Mörder vorgefordert wurde, vor Gericht gebracht werden mußte (Sachsenspiel III, 90. § 2). Später gestattete man die Bei¬ setzung der Leiche gewöhnlich

schon nach dem ersten Gerichts¬

tage. nachdem man nur die blutbefleckten Kleider des Toten oder seine vom Körper getrennte rechte Hand als sogenannte

„Leichzeichen" zurückbehalten hatte. (Fortsetzung folgt.)

Zur

Geschichte

-er Berliner Buchbinder-Innung.

Die Berliner Buchbinder-Innung feierte in diesen Tagen ihr 300jähriges Bestehen, eine Jubelfeier, welche der Vorstand der Innung in nachahmenswerter Weise dadurch zu einem Ereignis von dauernder Bedeutung gestaltet hat, daß er eine auf Aktenmaterial beruhende Geschichte der Innung herausgab. Die Berliner Buchbinder-Innung hat sich durch diese 385 Seiten 8° umsasiende Festschrift*) ein Denkmal gesetzt, welches in weiteren Kreisen bekannt zu werden verdient und welches Zeugnis ablegt von dem historischen Sinn, der in der Innung lebt und der hoffentlich auch in anderen Innungen ähnliche erfreuliche Resultate zeitigen wird. Die Schrift ist

mit um

größerer Sympathie zu begrüßen, als ihr Verfasser angehört. Die Festschrift ist von dem Buchbindermeister Paul Richter verfaßt, der mit großer Geschicklichkeit und Sachkenntnis das Urkunden-Material der Innung und die archivalischen Schätze des städtischen und des so

dem Handwerk selbst

Staats-Archivs zusammengetragen hat, unter Berücksichtigung der einschlägigen Litteratur. Die Jubiläumsschrift enthält namentlich in dem die ältere Zeit (1595—1681) behandelnden Teile so viele für die Geschichte Berlins interessante Einzelheiten, daß wir uns nicht versagen können, hier näher auf den Inhalt einzugehen. Der erste Buchbinder, der sich urkundlich in Berlin nachweisen läßt, wird 1518 erwähnt; er hieß Hennig und gab 30 Groschen Bürgergeld nnd ein Buch im Werte von einem Gulden zur Erlangung des Bürgerrechts. Nach ihm wird Hans Schwiker aus Weimar genannt, der 1545 Bürger wurde. Eine größere Anzahl von Buchbindern führte erst die Thätigkeit des bekannten Thurneysser,

der 1571 nach Berlin kam, nach

der brandenburgischen Hauptstadt. Da diese Buchbinder aber nur Thurneyssers Gehilfen waren, wurden sie nicht Berliner Bürger, und ihre Namen sind nicht erhalten geblieben. 1583 wird in dem Trauregister der Marienkirche der Buchbinder Kasper Kalle erwähnt; in demselben Jahre erhielt der Buch¬ binder Georg Schmidt aus Lawen bei Augsburg das Bürger¬ recht in Berlin und zahlte dafür 1 Schock 15 Groschen, 1586 Bastian Heide, ein Berliner Bürgersohn, 1591 Hans Küriß, ebenfalls ein Berliner, 1593 Wolf Rosenberg, 1596 Martin

Löwenberg.

*) Diese Festschrift ist von dem Obermeister der Innung, G. Großbeerenstr. 86, gebunden für 8 Mk., zu beziehen.

Bf

Das verhältnismäßig späte Auftreten der Buchbinderei als Gewerbe, welches wir allerorts finden, erklärt sich dadurch, daß die Buchbinderei ursprünglich als Kunst in den Klöstern ausgeübt wurde. Auch trat erst mit der Erfindung der Buch¬ druckerkunst ein größeres Bedürfnis für gewerbsmäßige Buch, binderet zutage und lange dauerte es, bis eine völlige Scheidung der Buchbinder von den Buchdruckern eintrat; die letzteren waren bis zur Mitte des 16. Jahrhunderts vielfach gleichzeitig auch Buchbinder und Buchhändler.

Die Berliner Buchbinder-Innung wurde im Jahre 1595 ins Leben gerufen. Die Handwerksartikel find leider nicht mehr vorhanden, wohl aber die Bestätigungs-Urkunde des Rats, die vom Sonntag Reminiscere (23. März a. St.) datiert ist. Der Rat bestätigte die Handwerksartikel, damit „ein endlicher und vollständiger Friede und Einigkeit zwischen den alten und jungen Meistern des löblichen Buchbinder-Hand¬ werkes beider Städte Berlin und Cöln angerichtet werden möge." Am 18. Juli 1597 erteilte der Kurfürst Johann Georg den Buchbindern in Berlin einen Schutzbrief gegen den Kolportage-Buchhandel, „dieweil denn solche Störer und Frembde unbesessene Leutte diesen armen Bürgern, welche des Landes Bürden tragen, ihr Brodt aus dem Maule nehmen, welches wir als der Landesfürst nicht pilligen noch nachgeben können." Eine erneute Bestätigung erhielt dieser Schutzbrief durch den Kurfürsten Joachim Friedrich im Jahre 1600, der auch den zunftmäßigen Krämern den Bücherhandel verbot. Man sieht aus diesen Verordnungen, daß die damaligen Berliner Buchbinder teilweise auch die Thätigkeit der heutigen Sortiments-Buchhändler ausübten. Da die Wirksamkeit beider Erwerbszweige nicht genau begrenzt war, gab das Privilegium der Buchbinder, auch mit Büchern zn handeln, zu vielen Streitigkeiten Veranlassung, und zwar umsomehr, als sich die Buchhändler niemals innungsmäßig organisierten, überhaupt erst in unserem Jahrhundert zu einer bemssgenossenschaftlichen Organisation, dem Börsenverein der deutschen Buchhändler, (Gründungsjähr 1825) kamen, die dann freilich gleich das

gesamte Deutschland umfaßte.

Bereits im Jahre 1603 gingen die Berliner Buchbinder an eine Revision ihrer Innungs-Statuten. Der Meister Wolf Rosenberg hatte sich an der Lade des Handwerks vergriffen und war mit dem Jnnungsgelde auf und davon gegangen. Dies veranlaßte die übrigen Meister zu einer strafferen Organisation der Innung. Die revidierten Artikel sind erhalten geblieben; es lohnt sich, dieselben näher zu betrachten. Wer Meister werden wollte, mußte ehelicher Geburt sein und mußte das Handwerk drei Jahre lang bei einem ehrlichen Meister recht, redlich und vollkommen erlernt haben und vier Jahre auf der Wanderschaft gewesen sein. Wer „außer dem Handwerke" freien wollte, mußte 6 Groschen „Muthgeld" in die Lade zahlen, und zwar „drei Quartal nach einander." Das Meisterstück mußte in acht Tagen und in Gegenwart zweier Meister gemacht werden. Die „Stücke" für die Meisterschaft waren: 1. Eine Median Bibel in brettern, mit weis Schweinen leder überzogen in folio.

2. Eine

Cosmographia

auch in brettern und weis in folio. 3. Ein deutsch Testament in octavo gleicher Gestalt in brettern unnd roth leder vergalt, welches so lange in

schweinen Leder

Slaby,

■«

391

soll, bis ein anderes an dessen Stelle kumpt, alßdann soll es verkaufft werden, Undt das geldt der Laden znm besten kommen. 4. Vier Partes in lohgar gelb Leder. 5. Ein Betbnch in quarto in Pappen und roth Leder vergult. welches einem Ehrennesten Rathe zum Zeugnüs dieses Bandes und Bundes, auch umb desto mehrer erhaltung Unserer Artikell, unnd zur beförderung frieb undt einigfeit, verehret werden soll." — der Lade bleiben

Die Meistersöhne waren vom Meisterstück befreit; wer Meisterwitwe oder eine Meistertochter heiratete, hatte Es tritt überhaupt überall die Tendenz in den Innungs-Satzungen hervor, den Zugewanderten, die nicht in eine Buchbinder-Familie hinein heirateten, das Selbständigwerden zu erschweren. Man suchte auf diese Weise geschäftlichen Wettbewerb dem übermäßigen, vorzubeugen. Eine ganze Reihe von Bestimmungen ist dem sittlichen Ver¬ halten der Meister gewidmet: sie sollen nicht nach neun Uhr mit einander „trinken und Zeche halten", und sollen unter ein¬ ander nicht zanken, hadern oder sich schlagen; auch dürfen sie keine „mörtliche Wehre" zu ihren Zusammenkünften mit¬ bringen. Ebenso hielt es die Innung für notwendig, Gottes¬ lästern und Fluchen in ihren Satzungen ausdrücklich zu ver¬ Um weiteren Veruntreuungen vorzubeugen, erhielt bieten. der Altmeister nur den Hauptschlüssel, während die beiden anderen Schlüssel der Lade in den Händen zweier anderer Meister blieben. Betreffs der Verkaufsläden wurde bestimmt, daß jeder Meister nur eine Bude haben dürfe, und zwar ent¬ Es hat weder in der Stadt oder auf dem „Müllendamm". also schon vor 300 Jahren unternehmungslustige Meister ge¬ Jeder Meister geben, welche Zweiggeschäfte einrichteten. durfte nur zwei Gesellen oder einen Gesellen und einen Jungen haben; auch diese Bestimmung sollte unbequemem Wettbewerb vorbeugen. Die Arbeitszeit der Gesellen setzten die Satzungen für den Sommer von 4 Uhr morgens bis 8 Uhr abends, für den Winter von 5 Uhr morgens bis 9 Uhr abends fest: man war somit noch weit entfernt von „Gute" (blaue) Mon¬ der „8stündigen Normal-Arbeitszeit." tage durften nur 4 im Jahre gemacht werden, bei Uebertretung verlor der Geselle seinen Wochenlohn. Die Lehrzeit der Jungen dauerte vier Jahre; wer nach drei Jahren aus derselben entlasten werden wollte, mußte seinem Lehrherrn sechs Thaler zahlen, wenn die Innung ihn für reif zum Ge¬ sellen erachtete. Wer zum Gesellen gesprochen wurde, mußte dem Handwerke eine Tonne „berlinisch Bier" zum besten geben und den Meistern mit Weibern und Kindern eine Abendmahlzeit ausrichten, bei welcher „mit Butter und Käse" drei Die Meistersöhne brauchten nur Gerichte gespendet wurden. zwei Jahre zu lernen. Lehrjungen, die aus der Lehre ent¬ liefen, mußten 12 Thaler Strafe entrichten, von denen der Meister 6 erhielt. Dies ist der wesentliche Inhalt der Buchbinder-JnuungsSatzungen vom Jahre 1603, welche interessante Rückschlüsse auf das Leben eines Handwerkers vor 300 Jahren gestatten. Die straffere Organisation kam den Berliner Buchbindern bereits im Jahre 1605 zu statten, als die Krämergilde sich wiederum den Bücherhandel angemaßt hatte. Die Innung klagte gemeinschaftlich mit dem „privilegierten Buchführer" (Buchhändler) Hans Werner beim Kammergericht gegen die eine

wesentliche Erleichterungen.

Krämergilde, und das erstere verfügte am 14. Juni 1605, daß sich die Krämer vorläufig des Bücherhandels zu enthalten hätten. Die aus Wittenberg, Leipzig, Magdeburg und Halle eingeholten Berichte von Sachverständigen waren für die Krämergilde so ungünstig, daß das Kammergericht am 5. November 1606 endgiltig entschied, daß die Krämer den Es hat somit schon Bücherverkaus zu Unterlasten hätten. damals in Berlin Kaufleute gegeben, welche den Handwerkern und Gewerbetreibenden in derselben Weise Schaden zufügten, wie dies unsere heutigen Warenhäuser thun. Im Jahre 1609 wurde ein Protokoll- und Meisterbuch Die eingerichtet, welches seinem Zwecke bis 1706 diente. Protokolle, von denen die ersten von der Hand des „Chirurgus

und

Ratsbalbirers"

beweisen,

eingetragen Georg Ebel wurden, wie eifersüchtig die alten Meister über Erfüllung

der eingesetzten Artikel wachten.

Sie geben aber

auch Beweise

von dem gesunden Sinn der Meister, die ihren Stolz darin suchten, ihr Handwerk in Ehren zu halten und Streitig¬ keiten unter sich zu schlichten.

Die Innungs-Satzungen von 1603 unterzeichneten: Sebastian Heide, Kaspar Kalle und Martin Löwenberg. Ausgang 1611 bestand der Jnnungsvorstand nach dem Tode Löwenbergs und Kaspar Kalles aus dem alten Heide und den Brüdern Hans und Samuel Kalle, den Söhnen von Kaspar. Die beiden letzteren erhielten am 10. Mai des Jahres 1614 vom Kurfürsten Johann Sigismund das Privilegium zur Errichtung einer Buchhandlung. Nachdem der Kurfürst sich am 25. Dezember 1613 öffentlich zur Lehre Calvins bekannt hatte, hielt er es für unumgänglich, daß in Berlin eine Buchhandlung vorhanden war, die zur Förderung und Ver¬ breitung der calvinistischen Lehre ihre Hand bot. Der einzige bisher in Berlin privilegierte Buchhändler, Hans Werner. *) war nämlich streng lutherisch; daher sah sich der Kurfürst genötigt, ihm einen Konkurrenten zu schaffen, um mit geistigen Waffen der die Wege zu ebnen. Am 2. Februar 1615 der Kurfürst den beiden Brüdern noch die Zusicherung, gebrechlichen nach dem Ableben ihres hochbetagten,

Lehre Calvins gab daß

Konkurrenten das alte Wernersche Privilegium erlöschen solle, und daß sie, die Kalle, alsdann allein in Berlin den Buch¬ handel betreiben sollten. In der Mitte desselben Jahres trat Samuel Kalle aus dem Geschäfte aus und widmete sich wieder ausschließlich der Buchbinderei. Hans Kalle, welcher durch die ihm vom Kurfürsten eingeräumten Vorrechte stolz und übermütig geworden war, erhielt darauf von einem gewissen Martin Guthe, der vorher bei Kirchner in Magdeburg beschäftigt gewesen war, den Antrag der Teilhaberschaft, welchen Hans Kalle in einem „injurioischen" Schreiben ablehnteDarauf kaufte dieser Martin Guthe das Wernersche Geschäft für 2738 Gulden 17 Silbergroschen, den Gulden zu 20 Reichsgroschen gerechnet, und der Kurfürst Johann

Sigismund

Versprechen

am

1. Januar 1616 den Kaufvertrag und den Uebergang Wernerschen Privilegs auf Martin Guthe.

des

bestätigte

entgegen

seinem

Während der Wirren des 30jährigen Krieges wurde das litterarische Leben, welches sich allmählich in Berlin entwickelt hatte, fast völlig erstickt. Man hatte in diesen schweren Zeiten andere Dinge zu thun, als Bücher zu kaufen und binden zu

*)

Die Wernersche Buchhandlung befand

sich

an der Langen Brücke.

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Verantwortlicher Redakteur: Richard George, Berlin W. 67, Culmstraße 25. Berleger: Fr. Zillessen in Berlin N. 68., Schönhauser Allee 141. Druck Buchdruckerei Gutenberg, Berlin X., Schönhauser Allee 141a. — Abdruck ohne eingeholte Erlaubnis ist untersagt.

VI-

Unte< Mitwirkung

Ksvtngirier,

Dp. R«

Stadtrat

Krertier, Dp. H. Symnafialdirektor a. D. Dp.

Professor Dp.

G. Friedet, Ferd. Meyer.

KrerrdicKo. Theodor Fontane, M. Krtzwervt; und G. v. Mttdenvructi

herausgegeben von

Friedrich Lilleffen XXI. Jahrgang.

Der

„Bär"

und

Richard George.

erscheint wöchentlich am Sonnabend und ist durch jede Postanstalt (No. 709 ), Buchhandlung und Zeitnngsspedition für 2 Mk. Pfg. vierteljährlich zu beziehen.

50

M 36.

7. SkPtr«ber

1895.

Mus Vriilschlanös Wevgangenheii oder

Kev Lchlklntzenvlns.

Historischer goman

von

C. Grundier.

(Nachdruck verboten.)

(35. Fortsetzung.)

n einem schönen Nachmittage des Monats Juli 1875 war auf der Sachsenburg eine ziemlich zahlreiche Ge¬ sellschaft versammelt: Touristen, Badegäste aus dem nahen Soolbad Frankenhausen und verschiedene Bewohner aus den näher gelegenen Ortschaften. Sie saßen, wie sie Neigung oder Zufall gruppiert hatte, bei einem Glase Bier oder einer Tasse Kaffee auf den zahlreich angebrachten Ruheplätzen und in den Bosketts, dem Genuffe der schönen Natur sich überlassend. Aus dem Waldgrunde ertönten noch die jugendlichen Sänger¬ stimmen einer abziehenden Knabenschar aus einer der benach¬ barten Fürstenschulen. Ja, fürwahr, .es ist ein schönes Stückchen Erde hier oben, bei

der Ruine

der

alten Sachsenburg, zu übersehen.

Nach

Süd und West schweift der Blick weit in die Ferne, über zahllose Ortschaften, die wie Perlen aus dem saftigen Grün der Felder und Wiesen hervorblinken, bis der Thüringer Wald mit dem weithin zu schauenden Jnselsberg dem Blicke ein Ziel setzt. Nach Osten liegt das Städtchen Heldrungen mit dem prächtigen Schloß, von dunklen Waldbergen überragt, Ariern mit der Saline, Allstedt mit seinem hochgelegenen, weitgestreckien Schloß,

nach Norden

zu Sangerhausen,

dann

die Borberge des Harzes, überragt von dem majestätischen Brocken, dem Vater des Harzes. Ueber jenem nahen Waldkamm, an welchem sich das schmucke Frankenhausen mit Saline und Soolbad lehnt, erhebt sich der ehrwürdige Turm der alten

Kaiserburg Kyffhausen,

jenes

sagenhaften

Schauplatzes

der

deutschen Kaisersehnsucht.

Zu unseren Füßen dehnt durchflossen von der

sich

der Paß von Sachsenburg,

sich durch Wiesen windenden grünen Un¬

strut und überspannt von zwei mächtigen Brücken. Gegen¬ über erhebt sich wie eine riesige Pyramide die kahle Schmücke; die idyllisch gelegene Mühle Oldisleben prangt wie ein ge¬ öffnetes Schmuckkästchen unter uns. und die ersten Häuser des städtisch gebauten Oldisleben, überragt von dem ehemaligen Benediktinerkloster, lugen neugierig hinter dem nächsten eichen¬ bewaldeten Bergrücken hervor. Das Dorf Sachsenburg streckt sich lang, eingeklemmt zwischen Berg und Fluß, um den Fuß des Burgberges, geziert von dem dominierenden Pfarrhause und dem niedlichen Glockenhäuschen. Das Schieferdach der neu erbauten Kirche blickt aus grünen Bäumen hervor, und der mächtige Gebäudekomplex der königlichen Domäne schließt den Gebäudestreifen wie der Kopf der Riesenschlange den mächtigen Leib. Wenige hundert

Schritte unter uns erheben sich die Reste der unteren Sachsen, bürg. Von der alten Feste ist wenig dem vernichtenden Einflusse der Zeit entronnen: der ausgebrannte Wartturm, die Einfassung des tiefen Brunnens und spärliche Mauerreste. Deutlich übersieht man den weiten Burghof und die lang¬ gedehnte Umspannung der alten Wallgräben, welche jetzt Ge¬ Auch die ehemalige Burgkapelle, treidefelder umschließen. spätere Pfarrkirche von Sachsenburg, ist seit 1840 schon Ruine geworden. Die Ruinen des oberen Hauses zu der Sachsen¬ burg, jetzt kurzweg die Sachsenburg genannt, find durch die Fürsorge der königlichen Regierung zu Merseburg vor weiterem Verfalle bewahrt. Sie bestehen aus den Resten eines mehr¬ stöckigen, festen Gebäudes, wahrscheinlich des früheren Herren¬ hauses, und einem 21 in hohen Turm, in welchem eine im Jahre 1871 neu gebaute Treppe zu einer gewölbten Platt¬

422 form führt, von der aus

man den

entzückendsten

der zweiten Hälfte

des vorigen Jahrhunderts der Sitz des kurfürstlich sächfischen Justizamts gewesen, wegen zunehmender Baufälligkeit aber nach und nach verlassen worden. Als im

Rund¬

blick hat.

Gleich

unterhalb

des

kleinen Restaurationslokales,

auf

Jahre 1815 nach dem Wiener Kongreß das Amt Sachsenburg mit den übrigen benachbarten Aemtern an Preußen fiel und der letzte Bewohner der Burg, ein alter Invalide, gestorben war. stand fie gewissermaßen als herrenloses Gut da. Fort¬ während wurden von den Bewohnern der Umgegend Balken, Steine, Bretter fortgeholt, bis zuletzt alles zusammenfiel. Die Anlagen, die Ruheplätze, welche Sie jetzt hier sehen, find alle aus freiwilligen Beiträgen entstanden und das Werk des im Jahre 1874 gegründeten Verschönerungsvereins. Die regellosen Hügel alten Brandschuttes wurden ge¬ ebnet und Bosketts mit lauschigen Plätzchen angelegt, neue, bequemere Wege gebahnt, sowie zahllose, junge Bäume und Sträucher angepflanzt." „Es hielt allerdings schwer," nahm der andere Herr das Wort, „hier oben aus dem sterilen Kalkfelsen Kulturen hoch zu bringen, und oft vernichten einige Wochen der Augusthitze die Früchte mehrerer Jahre. Es werden in jedem Jahre über

dem sogenannten Philosophenplatze, saß eine kleine Gesellschaft

von Damen und Herren. Einer der letzteren, riesenhaft, breitschullrig, mil rötlichblondem Haar und Vollbart, war in einen modernen, hellfarbigen Sommeranzug gekleidet. Sein gut¬ mütig breites, sonnenverbrannies Gesicht verriet den Landwirt.

Das junge Frauchen neben ihm mit dem runden. lächelnden Gesicht war offenbar seine Gattin. Der zweite Herr mit knappem, dunklen Rock und hellen Beinkleidern ließ aus der geraden, eleganten Haltung auf den ehemaligen Militär schließen. Die Züge seines mit einem blonden Schnurrbart gezierten Gesichts zeigten unverkennbare Familienähnlichkeit mit dem anderen, etwas älteren Herrn. Etwas entfernt davon saßen noch einige Herren und Damen, welche

jedoch nicht zu

der ersteren Gesellschaft gehörten.

„Du wirst zugestehen. Klaus, daß ich nicht zu viel ver¬ sprochen habe, als ich Dir von den Schönheiten der Sachsen¬ burg rühmte, und Du wirst nicht bereuen, den kleinen Umweg gemacht zu haben!" sagte der jüngere der beiden Fremden. „Nein, gewiß nicht, Viktor, im Gegenteil, ich bin Dir sehr dankbar, wäre es auch nur. um den Ort kennen zu lernen, wo unsere Großmntter ihre Jugend verlebte." „Weißt Du, Männchen," sagte die junge Frau, ich glaube, im Winter wäre es mir hier oben doch zu zugig." „Ja, wenn ich nun aber hier wohnte?" „Ja, dann, dann, das wäre natürlich etwas anderes! Man sieht ja aber gar nichts mehr, was einem Wohnhause ähnlich sieht. Wo mag nur die Großmutter gewohnt haben?" „Liebes Kind, darüber kann ich Dir leider auch keine Auskunft geben. Doch warte, vielleicht wissen die Herren hier etwas näheres, sie scheinen mir aus dieser Gegend zu sein. — — Ich bitte um Entschuldigung, meine Herren, wenn ich Sie mit einer Frage belästige. Mein Name ist Klaus Gutmanu, meine Frau. Ich habe ein nahe liegendes Interesse, etwas über die jüngste Vergangenheit dieser alten Burgen zu erfahren. Vielleicht ist es Ihnen möglich, mir etwas darüber

mitzuteilen." Die beiden Herren stellten

wir

die Namen

sich

gleichfalls vor, doch müssen

verschweigen, da die Träger derselben noch Der ältere mit dunklem Vollbarte erwiderte: „Mit Vergnügen, mein Herr, will ich Ihnen das Wenige zur Ver¬ fügung stellen, was darüber bekannt ist: Die obere Burg ist schon lange unbewohnt, die Familie von Bendeleben, welche sie zu Lehen hatte, baute sich später in Kannawurf an." „Kannawurf, liegt das hier in der Nähe?" „Drei Viertelstunden weit von hier. Wenn Sie hier herumtreten, können Sie es liegen sehen!" Die beiden traten in die Nähe der Restauration, wo man den Ueberblick nach Süden hat. „Die Familie von Bendeleben starb aus, und das Lehen fiel an den Fiskus zurück, welcher 1828 die Ländereien mit der königlichen Domäne in Sachsenburg verband, die Gebäude aber, den Bendlebshof, im Jahre 1854 an den Pastor Brandt zu Kannawurf verkaufte, welcher daselbst eine Knaben-Lehranstalt gründete." „Wie war es mit der Unterburg?" „Die Unterburg oder eigentliche Sachsenburg ist noch in

leben.

»

dreitausend Stämmchen

und Reiser gesetzt,

selten bleiben mehr als einige hundert.

angepflanzt, aber

Allein die unermüdlich

fortgesetzte Arbeit muß doch endlich zu dem Ziele führen und diese Höhen wieder mit schattigem Hochwald bedecken. werden es freilich nicht mehr erleben."

.

Wir

„Dafür wird Sie das Bewußtsein entschädigen," erwiderte Klaus, „einen der schönsten Aussichtspunkte Deutschlands auch zu einem angenehmen Aufenthaltsorte gemacht zu haben, und ich begreife vollkommen den Zusammenfluß der vielen Fremden hier oben." Viktor war auf dem sogenannten Philosophenplatze zurück¬ geblieben. Auf dem Waldwege längs der dicken Eiche von Oldisleben nahte sich eine Gruppe neuer Gäste, mehrere Herren, die Hüte in der Hand und mit von der Anstrengung des Steigens geröteten Gesichtern. „Was, Teufel. Gutmann, wie kommen Sie hierher? Das nenne ich ein gutes Zusammentreffen!" rief der vordere der Aufsteigenden, ein etwas korpulenter Herr mit goldener Brille und schwarzem Kraushaar, „wenn nur der verdammte Berg nicht so hoch wäre! Ach, ist mir das sauer geworden! Es wird doch etwas leidlich Trinkbares hier oben geben. Die Herren kennen sich wohl nicht? Reserveleutnant Gutmann," sagte er vorstellend, „Hauptmann F., Rittmeister v. B. Aber nun, als Ihr ärztlicher Beistand, muß ich anordnen, daß wir uns zuvor an einem möglichst zugfreien Orte ein wenig abkühlen. Da schlage ich den Herren vor, zuerst in die Restauration eine halbe Stunde einzutreten." Dies geschah, und die Herren bestellten sich Bier, der kleinere, Stabsarzt vr. Adam, eine Tasse Kaffee. „Nun sagen Sie mir aber, alter Freund," rief vr. Adam, man sich an einem der Tische niedergelassen, „wie Ihnen ergangen, seitdem ich Sie in Le Mans mit dem Bajonettstich in der Brust zurücklassen mußte?"

nachdem ist es

„Nun, als

ich

die Schramme hat mir mehr zu schaffen gemacht, anfangs glaubte, zumal meine Schenkelwunde auch

wieder aufbrach, da ich mich nicht geschont hatte. Ich habe mich erst lange in den Lazaretten umhergetrieben und dann noch lange zu Hause festgelegen. Jetzt bin ich. Gott Lob, wieder vollständig hergestellt und gesunder als je."

■«

„Sie können von Glück sagen, Zoll tiefer kam, denn dann wäre

423

daß der Stich nicht einen es um

Sie

geschehen ge¬

wesen."

Sk

und flüsterte ihm zu: „Komm, Viktor, und zeige mir einmal, wo die Großmutter eigentlich gewohnt hat! Man sieht doch gar nichts, was einem Wohnhause ähnlich ist."

„Dafür auch

haben Sie sich durch Ihre Bravour und Umsicht das Kreuz und die Epauletten verdient," schaltete der

Nittmeister ein. „denn wenige hätten mit gleicher Tollkühnheit zur rechten Zeit in den Kampf eingegriffen, wie Sie. Für meine Schwadron war es geradezu die Errettung vom sichern

so

(Schluß folgt.)

Mord- oder Sühnrlrrelye in der Uiederlausitz und die germanische Klutrache.

Untergang."

Kulturgeschichtliche

„Bitte, erzählen Sie doch!" rief der Hauptmann. „Da¬ von haben Sie mir noch nicht gesprochen!" „Bei den Kämpfen von Le Mails hatten wir gegen eine Batterie vorzugehen, welche uns sehr belästigte. Dabei hatten wir zur Seite ein Gehöft zu passieren, welches anscheinend nicht besetzt war. Als wir in Schußweite gekommen waren, empfing uns aus demselben ein mörderisches Feuer, und wir wären unrettbar verloren gewesen, wenn das Feuer aus einer uns unbekannten Ursache nicht plötzlich aufgehört hätte. Dies hatten wir bloß Gulmann zu verdanken. Da schon viele Offiziere seines Regiments gefallen waren, hatte er als Vicefeldwebel die Führung eines Zuges übernehmen Mit demselben hatte er das Vorterrain abzusuchen. müssen. Dabei fand er das Gehöft wenigstens von der zehnfachen Uebermacht besetzt. Obwohl es nun in der Ordnung gewesen wäre, sich zurückzuziehen, griff er mit seinem kleinen Häufchen die Franzosen an. Ein Stück von Tollkühnheit ohnegleichen." „Sie müssen bedenken," erwiderte Vrkior, „daß wir nicht die alten geübten Soldaten der Kaiserlichen Armee vor uns hatten, die ja fast alle in Deutschland gefangen waren, sondern frisch zusammengerafftes Volk von wenig Erfahrung. Trotzdem wären wir verloren gewesen, wenn unser Regimentskommandeur, durch das Schießen aufmerksam gemacht, uns nrcht die ge¬ nügende Hülfe im Laufschritt zugeschickt hätte." „Und wir kamen dadurch in die für einen Kavalleristen

feindliche

glücklichste

Lage,

die

zurückweichende

französische

Infanterie

vollkommen aufzurollen und in ihre eigene Batterie hineinzu¬ werfen, wo sie dann, samt ihren Geschützen, gefangen wurden. Diese Ueberrumpelung trug wesentlich zur glücklichen Ent¬ scheidung des Schlachttages

bei."

Herren so eine Zeitlang alte Kriegs¬ erinnerungen ausgetauscht hatten, verließen sie, genügend ab¬ gekühlt. das Restaurationszimmer, um sich an der schönen Nachdem

die

Aussicht draußen zu weiden.

Als sie auf den freien Platz traten, kamen ihnen Viktors Bruder Klaus und dessen Gattin entgegen. Nachdem die

war, gerieten der Doktor und die beiden Militärs mit Klaus Gutmann in ein längeres Gespräch, in der auch erwähnt wurde, daß beide

übliche

gegenseitige

Vorstellung beendet

Brüder eine Geschäftsreise nach Sachsen gemacht hätten und sich nunmehr auf der Rückreise befänden. Sie hätten dabei einen kleinen Abstecher nach der Sachsenburg gemacht, von wo ihre Großmutter stamme. Von hier aus wollten sie noch eine Tour über den Thüringer Wald und den Harz machen, da seine Frau noch wenig von der Welt gesehen habe.

Der Doktor war schon überall gewesen und konnte Klaus für die bevorstehende Vergnügungsreise manchen guten Rat geben. Die beiden Männer gerieten immer tiefer in ihr Thema, und da Viktor und seines Bruders Gattin dabei mehr Zuhörer blieben, so nahm letztere ihres Schwagers Arm und

Skizze

von

Karl Gander.

(Schluß.)

Der Wunsch, daß von den Lebenden Fürbitie für den Toten eingelegt werde, auch auf die Buß-, Bitt- oder „Bedefahrten", welche in den Sühneverträgen unter den Seelgeräten gefordert werden. Die Kirche hat in Deutsch¬ land schon früh — bald nach der Bekehrung der Germanen — damit begonnen, schweren Verbrechern Bußfahrlen nach Rom oder den Stätten von angesehenen Heiligen aufzuerlegen; damit die Schuldigen daselbst Vergebung den Sünden er¬ Besonders streng verfuhr die Kirche gegen flehen sollten. Vater- und Brudermörder. Die Seele, welche durch die Bußfahrt gerettet werden sollte, war nicht in erster Linie die Daher war es des Verbrechers, sondern die des Getöteten. dem Thäter auch gestattet, die Bußfahrt durch einen andern ausführen zu laffen. Wenn er sie persönlich unternehmen mußte, so sollte das für ihn eine um so empfindlichere Strafe sein, und das war eine Reise nach Rom gewiß, umsomehr, weil dem dazu Verurteilten vom Beichtvater die Bußhandlungen, die er unterwegs vorzunehmen halte, genau vorge¬ schrieben wurden; oft mußte er auf der Rückreise noch ver¬ schiedene

andere Wallfahrtsorte

besuchen.

Auch

nach

dem

wurden Bußfahrlen von der Kirche vorge¬ schrieben; ja, eine Sühne von 1288 verurteilt sogar einen adeligen Herrn dazu, Dienstmannen zum Kampfe gegen die Späier kamen die Ungläubigen übers Meer zu schicken. überseeischen Wallfahrten mehr und mehr ab; dagegen wurden Bußfahrten zu „Unserer Lieben Frauen" in Aachen und zum „Heiligen Blute" in Wilsnack so beliebt, daß diese bis ins 16. Jahrhundert hinein selten in einem Sühneverlrage fehlen. Mitunter hatte Thäter solche Bittfahrten auch mehrere male heiligen Lande

unternehmen. Daß für diesen gemietete Personen eintreten konnten, wurde schon erwähnt. Das führte zu manchem Solche Mietspersonen bettelten sich wohl das Reise¬ Unfug. geld, obwohl sie mehr als das bereits vom Thäter erhallen zu

hatten, noch einmal zusammen. Schon Karl der Große spricht in einem Capitulare vom Jahre 789 abfällig und mit Mißtrauen von den Leuten, die unter dem Vorgeben, zu einer

verurteilt zu sein, nackend und mit eisernen um den Leib, bettelnd im Lande umherschweiften. Solche Ketten, aus dem Schwert des Erschlagenen gemacht, mußten von den Totschlägern so lange getragen worden, bis sie ihnen von selbst vom Leibe fielen; Verbannte durften oft

Kirchenstrafe

Kelten

nicht früher in die Heimat zurückkehren. Zu den „Seelgeräien" der Sühneverträge gehörte endlich auch

das

Setzen

mittelhochdeutschen

der

sogenannten

Wörterbuch von

Martern. Lexer

(Bd.

Nach

I, S.

dem

2054) Blutzeugnis, soviel wie Marter man unter einer verstand Leiden Christi, in weiterer Bedeutung — große Qual und Pein. Sie wurden teils als hohe, schmale Steinplatten, teils als Kreuze aus Eichenholz oder Stein hergestellt; die Kosten

-8 bet Anfertigung gingen zu Lasten des Thäters.

424

Die Martern

hatten offenbar den Zweck, die Erinnerung an den Erschlagenen und an die Unthat wach zu halten und Vorübergehende auf¬ zufordern, zum Besten der armen Seele ein stilles Gebet zu verrichten. Martern kommen schon in den Totschlagsühnen des 14. Jahrhunderts vor und erfreuten sich in diesem und dem folgenden Säculum so großer Beliebtheit, daß sie fast

in keinem Sühnevertrage fehlten. Es ist daher auch anzu¬ nehmen, daß es im Mittelalter, als die Mordthaten viel häufiger waren, in Deutschland kaum eine Feldmark gab, die nicht ihre Martern aufzuweisen hatte. Ern Mann, der im Jahre 1812 eine Reise durchs Riesengebirge machte, berichtet,

is-

der Autorität

des Staats zu gunsten des Von da ab enthalten die Sühne¬ verträge fast nur noch Entschädigungen des verletzten Teils, und um die Milte des 16. Jahrhunderts verschwinden sie

der Person

und

letzteren entschieden wurde.

gänzlich

erhielten

aus den Gerichts- und Stadtbüchern; am längsten Nur sie sich in Schleswig und in der Schweiz. fällt der Niedergang der Totschlagsühne mit der

zufällig Reformation zusammen; jene verschwand, weil sich das starke Familienbewußtsein mehr und mehr verlor und das Staats¬ bewußtsein an seine Stelle trat. Freilich war der Sieg der Staatsgewalt kein plötzlicher

habe

(Iduna und Hermode, Altertumszeitschrift, 1. Jahrg., Nr. 12). Sie wurden in der Regel an die Stelle der Unthat gesetzt; doch blieb die Wahl des Ortes den Wünschen und

und vollständiger, denn das Fehde- und Absagewesen hat sich noch bis ins 17. Jahrhundert erhalten, und die mittelalter¬ liche Anschauung, daß Torschlag, falls er nicht aus sittlich verwerflichen Beweggründen hervorging, nicht mit dem eigenen Leben gesühnt zu werden brauche, ist noch nicht ganz aus

dem Geschmacke der Hinterbliebenen des Getöteten vorbehalten.

dem Rechtsgefühl unseres Volkes geschwunden.

Vorschriften über die Art der Herstellung der Martern fehlen, was darauf schließen läßt, daß wohl jede Gegend ihre beson¬ deren Muster ausbildete. Eine Sühne, welche in den Monumenta Zollerana V, 132 abgedruckt ist, verlangt, daß aus dem Kreuze Helm und Schild des getöteten Götz von Lochhof gemeißelt sei. Eine Stralsünder Sühne von 1458 verpflichtet den Thäler, eine 12 Fuß hohe steinerne Wage errichten und ein Kruzifix und den Namen des Toten eingraben zu lassen. Uebrigens scheinen sich die Ansprüche, die man betreffs der Martern an den Thäter stellte, seit der Mitte des 15. Jahr¬ hunderts gesteigert zu haben. So begnügte man sich in Schlesien häufig nicht mehr mir einem Kreuz, forderte viel¬ mehr neben demselben eine Kapelle aus Eichenholz oder Stein und in derselben einen Altar mit Decke, mit Kruzifix, wohl auch mit Bild der Jungfrau Maria und eines oder mehrerer Heiligen. In Breslau verpflichtete sich 1497 ein Totschläger, ein Sreinkreuz und die Standbilder der heiligen Jungfrau, des Apostels Johannes und der hl. Barbara setzen

die äußerst milde Beurteilung

daß er im schlesischen Gebirge 38 steinerne Kreuze angetroffen

zu lassen.

So stammen denn die eingangs beschriebenen Steinkreuze von der ein niederdeutsches Sprichwort sagt: „Oe Füste hefft, mag shlahen, de Geld hefft, mag betalen.“ Indes könnte man mit diesem Wort der hinter uns liegenden Zeit und unsern Vorfahren leicht Unrecht thun. Allerdings waren damals für einen Bemittelten die Schwierigkeiten gering, zur Sühne zu gelangen; was in der Hitze des Gefechts verbrochen wurde, ließ sich mit Geld gut Denkt man aber an die demütigende Abbitte, die machen. mannigfaltigen kostspieligen Seelgeräte, die Bußfahrten und daran, daß der Totschläger infolge der Acht oft jahrelang das Brot der Verbannung essen mußte, so kommt man zu aus einer Zeit,

der Ueberzeugung:

der

Rechtsordnung Namentlich die Sühneverträge des 14. und 15. Genüge. Jahrhunderts mit den pomphaften Begängnissen haben mehr den Charakter einer empfindlichen Strafe, als eines gütlichen Ausgleichs.

Mil Eintritt schauung

es

geschah

verletzten

16. Jahrhunderts gewann die An¬ immer mehr Boden, daß sich der Totschläger in des

dem Staat und erst in zweiter dem Verletzten verantwortlich gemacht habe. Der 1495 auf dem Reichstage zu Worms errichtete ewige Landfriede kann als Zeitpunkt gelten, an welchem der Kampf zwischen der Selbstherrlichkeit

erster Linie

Das beweist

nicht nur der Duelle,

sondern

Köperverletzung mit rötlichem Ausgange. In der Reichs¬ darauf sagte Fürst Bismarck in tagssitzung vom 3. Dezember 1875 mit Recht: „Ich woran das liegt — ich wundere mich nicht, weiß jedesmal über die gerechte Schärfe der Verurteilung in Eigentumsfragen neben der außerordentlichen Nachsicht gegen Körperverletzungen. Das Geld wird höher im Gesetzgebungs¬ tarif veranschlagt als die Knochen. Man kann jemandem weit wohlfeiler eine Rippe einschlagen, als man sich erlauben darf.

auch

der

Bezug

etwa auch nur eine fahrlässige Fälschung eines Attestes zu begehen." Bas Recht und die Richter stehen eben noch unter dem Einflüsse des Mittelalters. Weil dem Deutschen von jeher nichts mehr verhaßt war. als Heimlichkeit, daher wurden Lug, Trug und Diebstahl härter beurteilt als offene rohe

Gewalt. Möchte es durch die vorstehenden Ausführungen gelungen sein, das Interesse für die alten Steinkreuze zu wecken oder wenigstens zu beleben, damit diese Denkmale aus einer weit hinter uns liegenden Zeit dort, wo sie noch vorhanden, vor der Zerstörung bewahrt werden. Da aber anzunehmen ist, daß aus der Niederlaufitz

noch nicht alle erhaltenen MordSühnekreuze bekannt sind, so würde der erfreulichste Erfolg dieser Arbeit der sein, wenn durch sie Freunde der Heimat sich veranlaßt fühlten, auf solche Kreuze aufmerksam

oder

zu machen.

Auer durchs Mesthavelland. Streifzüze von

Dr. Gustav

Alvrorht.

(Mit Abbildung.)

I. Erster Eindruck. —

Plaue

a. H. — Wichtige Lage. — Havelpaß und Grenzfeste. — Kirche. — Glockcnturm.

Nähert man sich auf der alten Handelsstraße, welche von Magdeburg über Plaue in die märkischen Lande führt, der Grenze der letzteren, der seenreichen Havel, so erblickt man jenseits derselben eine weite duftig grüne Ebene, welche von Wafferläufen durchzogen und mit einzelnen Hügeln oder lang¬ gestreckten, bewaldeten Höhenzügen besetzt ist — das anmutige Westhavelland. Saftiges Grün überall, wohin das Auge blickt, freundliche Dörfer am Strande der Havel, umkränzt von hellen Seen und dunklem Kieferngehölz, vor uns ein schmuckes

-s

425

Städtchen, das alte, einst Achtung gebietende Plaue, am Horizonte langgestreckte dunkle Streifen, die Brandenburger Heide, überragt von dem gelblichen, weithinleuchtenden Kriegerdenkmal auf dem sagenumwobenen Harlungerberge Dies die Scenerie, welche sich uns darbietet, wenn wir den

Teil der Mark werfen. Wie eine glänzende Einfassung umschließt die Havel an dieser Stecke das grünlich-schimmernde Kleinod und versucht es gegen die Angriffe fremder Eindringlinge zu schützen, zumal ausgedehnte Sumpflaken und weitverzweigte Elsbrüche auf dem rechten Ufer des Fluffes ein weiteres Vordringen fast un¬ möglich machen. Heutzutage allerdings, wo die sumpfigen Strecken zum größten Teil urbar gemacht find und von Chauffeen und bequemen Landwegen durchschnitten werden, ersten Blick auf diesen

&-

natürliche Uebergangsstelle gebildet wird, welche schon früh¬ zeitig von den Anwohnern als Schlüssel zum Havellande er¬ kannt und dementsprechend befestigt wurde. Das ganze Mittelalter hindurch nahm daher Schloß Plaue eine gebietende Stellung ein und bildete wegen seiner Wichtigkeit als Grenz¬ feste Jahrhunderte lang den beständigen Zankapfel zwischen den Erzbischöfen von Magdeburg und den Markgrafen von Brandenburg, bis es allmählich infolge der Urbarmachung des umliegenden Landes und der Vereinigung der feindlichen Neben¬ länder unter einem Scepter von seiner dominierenden Stellung herabsank und durch die Sorglosigkeit seiner häufig wechseln¬ den Besitzer einem völligen Verfall entgegenging. Nur dem kräftigen Eingreifen der Görnes und der Königsmark gelang es, den Ort vor einem gänzlichen Untergang zu schützen.

Srhlatz Plaue a. H. Nach einer photographischen Aufnahme des Touristenklubs

nützt dieser natürliche Schutz dem Lande nichts mehr und mit Muße kann man jene Gegend nach allen Richtungen hindurch¬

wandern.

In

alten Zeiten aber,

als der

deutsche

Aar mit

dem Slavenwolfe um den Besitz des brandenburgischen Landes

als die Sachsenkaiser an Stelle des dreiköpfigen Triglaff auf dem Harlungerberge das Kreuz Christi aufzu¬ pflanzen suchten, war ein Einfall in die wendischen Gaue von kämpfte,

der Westseite aus einfach unmöglich, und noch heute kann man sich im Frühjahr, wenn weite Wasserflächen mit ihren! silber¬

glänzenden Spiegel die Sumpfwiesen bedecken, ungefähr einen Begriff davon machen, wie schwer in alten Zeiten das Ein¬ dringen in diesen Teil der Mark gewesen sein muß. Nur an jener Stelle, wo sich jetzt das Städtchen Plaue erhebt, war es möglich, den Fluß zu überschreiten, da hier das Gelände bedeutend höher liegt und zwei auf einander stoßende Hüzelrücken den Flußlauf so weit einengen, daß eine

für

die

Mark Brandenburg.

Plaue, welches sich jetzt im Besitze der Familie von Königsmark befindet, liegt an der Nordspitze eines großen Seenkomplexes, der sich aus dem Breitling-, Möser-, Wend- und Plauer-See zusammensetzt und seinen Ausfluß nach Norden in das Flußbett des Havelstromes hat. Der Durchbruch dieser Gewässer nach Norden hin hat Plaue, welches auf einem der oben erwähnten Hügelrücken liegt, seine Bedeutung als Schlüssel zum Havellande verschafft und dazu beigetragen, daß das Städtchen in der märkischen Geschichte des Mittelalters eine äußerst wichtige Rolle als Grenzfeste und Zollstätte spielte. Von der glänzenden Vorzeit, welche Plaue einst gesehen, ist jetzt nichts mehr zu bemerken. Die historischen Stätten sind verschwunden, die Burg des Johann von Ouitzow, die Mauern. Türme und Thorgebäude des Städtchens dem Zahn der Zeit zum Opfer gefallen, keine her¬ vorragenden Gebäude, das Schloß und die Kirche ausgenommen,

—«a

426

stellen das Auge des Besuchers auf sich, keine umfangreichen Fabriken stören durch das Getöse ihrer Maschinen die friedliche

Stille, welche über dem einfachen Landstädtchen lagert. ruht aus von den Kämpfen früherer Jahrhunderte.

Plaue

Einige Ziegeleien am Ufer der Havel weisen auf den Gewerbszweig hin, der hier hauptsächlich gepflegt wird, meistens bewohnen Ackerbürger, Handwerker und Fischer das circa 2200 Einwohner umfassende Städtchen. Zu beiden Seiten der Chaussee von Genthin nach Brandenburg und am Ufer der Havel nach Norden zu zieht sich dasselbe ziemlich ausgedehnt dabin, so daß der Wanderer, welcher sich von Nordwesten auf dem Wege von Charlottenhof oder vor den Schießständen her nähert, eine umfangreiche Stadt von sich Betritt man aber die hügligen, schlecht¬ zu haben glaubt. gepflasterten Straßen, so steht man, daß Plaue höchstens den Rang eines Marktfleckens beanspruchen kann und Kirche sowohl wie Rathaus dienen auch nicht dazu, dem Orte einen mehr städtischen Charakter zu verleihen. weist

Die Kirche, ein mittelalterlicher Backfteinbau ohne Turm, zwar einige architektonische Merkwürdigkeiten, wie

über den Spitzbogenfenstern und charak¬ teristische Blendenverzierungen am westlichen Giebel auf und

er¬

geschnitzte,

mit

den

Kanzel

ein

Werk

ist

Bildniffen

der Evangelisten bemalte Spälrenaissance und wurde im

der

Jahre 1616 errichtet. Einige Schritte nordöstlich von der Kirche steht der im Jahre 1844 aus Backsteinen neu erbaute, viereckige Glocken¬ turm, welcher in seinem Stuhle zwei ältere Glocken beherbergt. Die kleinere und ältere der beiden stammt aus dem Jahre 1662 und trägt folgende Inschrift: Got zu ehren vnd zvr befordervng des gottesdinsths hat dise glocke giesen lasen der hochehr-

wvrdige hochedele geborne gestrenge vnd vesten herren georg Christoph von goerne doxnherr zv brandenbvrg vnd erbherr avf plaven. Johannes hoevelivs pastor primarius in plaven. petrus doering consvl. bans doering Senator reipvblicae plaviensis. anno 1662. das Wappen

Um

des Herrn von Görne

Umschrifi: Ich hin durchs fever geflossen, zv brandenbvrg hat mich gegossen.

zieht

sich

die

simon holle

Die giößere Glocke rührt von dem Sohne des obigen,

geschmackvolle Friese

von

Christoph

von

Görne

her

und

weist

folgende

In¬

macht

schrift auf:

welcher die harmonische Einfachheit des Gotteshauses sehr beeinträchtigt, abgestoßen fühlt. Im Innern der Kirche hat man das, was frühere Geschlechter durch diese äußere Ver¬

Höre Piave Wen ich leyte Vnd den feiertag andevte Sojvorsamle dich sofort Da Got Schalen last sein wort. Chiistof Von (Wappen) Görn. — Die Von (Wappen) Bennigsin. Gos mich Martin Heintze in Berlin. Anno 1686.

im Schmuck schattiger Bäume von Ferne einen an¬ heimelnden Eindruck, ist aber durch spätere Anbauten wiederum so verunziert, daß man sich durch diesen nüchternen Geschmack,

unzierung

gesündigt

das Kirchenschiff,

Kunstwerken

wieder

haben,

gut machen wollen und

besonders den Altarraum mit mannigfachen

ausgeschmückt,

so

daß

überladen erscheint. Das zweischiffige Langhaus, dessen Kreuz¬ gewölbe auf drei quadratischen Pfeilern ruhen, weist in seinem östlichen Ende nach dem Chor zu verschiedene alte Grabsteine der Familien von Saldern, von Arnim und von Görne aus dem 16. und 17. Jahrhundert auf; der einschiffige, ebenfalls mit Kreuzgewölben überdachte Chor enthält den Altar und das bronzene Grabmal eines Grafen von Königsmark, sowie

früheren Kirchenschmuckes. Der Altar zeigt einen gemauerten Aufbau mit Marmorreliefs, welche in künst¬ lerischer und figurenreicher Darstellung Scenen aus der Lebens¬ geschichte des Heilands vorführen: im Mittelfeld die Kreuzi¬ gung. darüber die Auferstehung und in der Bekrönung vie Himmelfahrt, in der Predella die knienden Donatoren. Dieses einige

Reste

Altarbild,

Jahrhundert stammt, ist eigentlich ein Epitaphium der Familie von Arnim und wurde

seines

welches

aus

hohen Kunstwertes

Altars verwendet.

dem

17.

wegen

zum Schmuck des

jetzigen

Hinter letzterem an der Ostseite des Chors früheren Altarschreius von 1616 aufgestellt, dessen aus Holz geschnitzte Umrahmung die gemalten Dar¬ stellungen der Kreuzigung. Grablegung und Abendmahlsfeier umschließt; Seitenteile dieses Schreins sind unter der herrschaf:lichen Empore an der Wand befestigt. Das erwähnte Grab¬ mal des Grafen Fried. Wilh. Hans von Königsmark (f 1861) ist ein Meisterwerk des Bildhauers Kiß und zeigt die lebens¬ große Figur des Grafen, in der Uniform des Leib-GardeHusaren-Regiments, in einer von einem Maßwerkgiebel ge¬ krönten Nische, welche mit dem Wappen der Königsmark, den roten Keilen im weißen Felde, geziert ist. Die aus Holz sind Reste

des

(Schluß sogt.)

das kleine Kirchlein fast

Zur

Geschichte der

Berliner Kuchbinder-

Innung. (2. Fortsetzung)*)

Wie wenig die starren Formen der Innungen den ver¬ änderten Zeitverhältnissen entsprachen, beweisen die zahllosen Streitigkeiten, welche die Akten der Buchbinder-Innung auf¬ weisen. Zwei Punkte sind es, um welche immer wieder der Streit entbrennt: der Handel mit gebundenen Büchern, den die Buchbinder als ihr ausschließliches Vorrecht betrachten und den Buchhändlern streitig machen und sodann das Bestreben, die so

Aufnahme neuer Meister in die Innung

viel wie möglich zu erschweren und, wenn es irgend angeht,

neue Meister nicht zuzulassen.

Der langjährige Streit um den Handel mit gebundenen Kurfürst der welcher nach Thronbesteigung fand im erneuter entbrannte, Friedrichs III. mit Heftigkeit Jahre 1690 seinen Abschluß. Die Buchbinder erhielten den Handel mit Schulbüchern, Fibeln, Katechismen, Gebet-, büchern, kleinen Postillen, deren Preis jedoch 1 Rthr. nicht übersteigen durfte, zugewiesen, während die Buchhändler auf diese Litteratur verzichteten, namentlich soweit sie gebunden in den Handel gebracht wurde. Der Buchbindermeister Friedrich Pesenecker hatte sich für seine Person allen Einreden der beiden Buchhändler in Berlin gegen seinen Handel mit unge¬ bundenen Materien dadurch entzogen, daß er sich vom Großen Büchern,

*)

Siehe Seite 403, Nr. 84.

-q

427

Kurfürsten eine Konzession verschaffte, in seiner Bude auf dem Mühlendamm, sowie auf dem Markte Landkarten, Kupfer¬ Vergebens ver¬ stiche und ungebundene Bücher zu verkaufen. suchten die beiden Buchhändler Reichel und Völker, sich des neuen Konkurrenten zu entledigen; sie wurden am 6 . April 1688 mit dem Bescheide abgewiesen, „daß Sr. Churfürstlichen Durch¬ laucht mit sonderbahren Misfallen vernehmen, daß die Supplicanten die Bücherpreise so sehr gesteigert und die Käufer auf eine unverantwortliche Weise übersetzt haben." Der zweite Streitpunkt, die Aufnahme neuer Meister

in die Innung,

gegen welche sich die letztere, soweit es sich

um Meistersöhne oder um solche Meister handelte, die Meisterwitwen heirateten, stets mit allen den Mitteln sträubte, welche die vielen Paragraphen der Innungs-Satzungen boten — dieser Streitpunkt fand seine endgiltige Erledigung erst unter der starken Regierung König Friedrich Wilhelms I.. der im Jahre 1732 eine neue Zunftordnung beim Reiche durchsetzte und diese mit kräftiger Hand in seinen Staaten nicht

durchführte.

Unter seinem Vorgänger auf dem Königsthrone zeitigten die Innungen mit ihren vielfachen Auswüchsen noch mancherlei Wunderlichkeiten, und häufig mußte ein kurfürstlicher bezw. königlicher Befehl in Einzelfällen Abhilfe schaffen, wobei sich ebenso wenig wie sein Vater durch der Kurfürst Friedrich

III.

die Jnnungsstatuten gebunden fühlte. Im Februar 1690 erging ein kurfürstlicher Befehl, daß die Person, mit welcher Thomas Lorenz vor der Verheiratung

Kind gezeugt hatte, als gleichberechtigt anzusehen sei, nachdem er sie geheiratet und das Kind legitimiert hatte. Gegen die Chikanen der Meister gegen die eingewan¬ derten französischen Buchbinder mußten diese ebenfalls erst durch einen besonderen kurfürstlichen Befehl geschützt werden. Die Franzosen Arnaud und Jean du Sarrat erhielten die Erlaubnis, als sog. Freimeister das Buchbinder-Handwerk auszuüben, ohne sich bei der Innung einzukaufen, wie den Rsfugies später überhaupt allgemein gestattet wurde, sich ohne Rücksicht auf Zünfte und Gilden zu nähren. ein

Buchbinder-Innung am 8 . Januar 1697 wiederum erlaubt wurde, auf sechs Jahre niemand in die Innung aufzunehmen, ließ der Kurfürst in verschiedenen Fällen Ausnahmen zu, wie er sich überhaupt mehrmals veranlaßt sah, Obgleich

gegen die

der

Innung

einzuschreiten, wenn sie einzelnen den

Zutritt

durch allerlei Einreden zu erschweren suchte. Dadurch wurden wenig¬ stens in Einzelfällen die starren Formen der Innung durch¬ brochen. Die Statuten der letzteren bestätigte Friedrich III. Dieselben hatte im wesentlichen den am 4. Januar 1698. Wortlaut der früheren, doch hatte man dem Zeitgeist insofern einige Zugeständnisse gemacht, als die Meisterschaft auf die alte Forderung, daß der Meisteraspirant noch unverlobt sein sollte, verzichtete. Die höchste Zahl der Angestellten wurde auf drei Gesellen und einen Lehrjungen oder zwei Gesellen und zwei Lehrlinge festgesetzt. Auch gegen „das Freffen und Saufen" der Gesellen enthielt das neue Privilegium, für welches die Innung 50 Thlr. 18 Gr. zahlen mußte, schärfere

Bestimmungen. Sehr renitent zeigten sich die Meister, als Johann Reichardt. der in dem Oberceremonienmeister von Marschal im Jahre 1707 einen einflußreichen Gönner hatte, Sie weigerten seine Aufnahme in die Innung beantragte.

pihn anzunehmen, erschienen zu 9 Terminen nicht, bis ein königliches Reskript im Januar 1708 der Innung befahl,

sich,

den Reichardt ohne weiteres aufzunehmen.

Die Publizierung

dieser Ordre suchten die Meister dadurch zu verhindern, daß sie zu dem dafür angesetzten Termin wiederum nicht erschienen. Noch einmal rief Reicharvt die Entscheidung des Königs an, welcher der Innung in sehr ungnädigen Worten drohte, er werde ihr als Strafe für ihre Widerspenstigkeit sofort alle ihre Privilegien nehmen. Das half, die Meister baten demütig „Die treuherzige Einfalt und den König um Verzeihung: allzu genaue Beobachtung unserer Handwerksordnung hat uns fehlend gemacht", schrieben sie. „Wir beklagen und deprccieren

unsern Fehler unterthänigst.

wir

Alle Worte entfallen uns, wenn

Clausulam finalem

die

an

hochangezogenen

Eescripti

Ew. Königliche Majestät sich allergnädigst eines ganzen Gewerkes! Uns niedergeschlagene kann nur die allergnädigste Evolution uns bey dem uns Es

gedenken.

erbarme

doch

allergnädigst gegebenen Privilegio gnädigst zu schützen, eintzig wieder aufrichten." Trotzdem die Meister zum Schluffe dieses merkwürdigen Schriftstücks „in allerschleunigsten unver¬ züglichen Gehorsam" erstarben, machten sie dem Reichardt, der nach dem Tode des Hofbuchbinders Kalle die Hofarbeit erhielt, wegen des Meisterstückes aufs neue Schwierigkeiten, bis der Magistrat zu gunsten Reichardts intervenierte. Eine Eingabe gegen das Pfuschertum richteten die Berliner Buchbindermeister am 2 . Februar 1709 an den König. Sie machten in derselben den drastischen Vorschlag, „bei itziger Werbung, da wir armen Leute einen Mann an¬ schaffen sollen, von denen Fuschern einen dazu auszusuchen." Der König ging auf den Vorschlag, die Pfuscher unter die Soldaten zu stecken, wirklich ein und befahl am 19. Februar dem Magistrat, die Buchbinder „bei ihrem Privilegio gegen alle Eingriffe zu schützen und die contravenianten zu ver¬ warnen, daß. falls sie ferner betreten würden, sie unter die

Militz gegeben werden sollten." Zu einer tief eingreifenden Umgestaltung

der gesamten

Friedrich Regierung führte Jnnungsverhältniffe Wilhelms I.. welcher in allen Zweigen der Verwaltung „die souverainete wie einen rochen von Bronze stabilierte" und in die Beaufsichtigung der Innungen einen strammen und rücksichtslosen Zug brachte, der freilich sehr am Platze war. Die Statuten der Berliner Buchbinder-Jnnung bestätigte er am 25. Mai 1715, doch geschah dies bereits mit Einschrändie

Vorrechte

der

kung

der

Meistersöhne.

So hob

er

die

Bestimmung auf, daß diese nur zwei Jahre lernen sollten. Die Furcht vor den Werbern des Soldatenkönigs verscheuchte aus dem brandenburgisch-preußischen der Geheimen Kriegskanzlei, für befahl Staate, und der König die Gesellen, die sich die Meister von auswärts verschrieben, Päffe auszufertigen. Freilich schützten diese Päffe große und stattliche Leute nicht vor der Zwangswerbung, und 1718 klagt die fremden

Gesellen

das Gewerk, daß nur noch kleine und unansehnliche Gesellen

Berlin kämen.

nach

Die sprache

sollte,

schärfte

dehnte er

der

Gilde ihre Morgen¬ halten 1718 ein, und der König 1714 aufs neue Aufsicht des Magistrats auf das Kassenwesen Damit war die Selbständigkeit der aus. Geldsachen völlig gebrochen. Die Buchbinder-

alte Verordnung, Hinzuziehung

ohne

die

Gewerke

Innungen in

daß

keine

des

Magistrats-Assessors

428 den Schlüssel zur Lade erst aus, als ihr eine Die Rechnung Strafe von 20 Thalern angedroht wurde. der Innung bewies, wie schlecht es mit der Rechnungsführung Für die Zukunft bedurften alle Aus¬ derselben bestellt war.

Innung lieferte

gaben der Zustimmung des Magistratsbeifitzers. „Zum Ver¬ trinken" durfte „nicht das Geringste aus der Lade" genommen

werden. Auch sonst fühlte die Buchbinder-Innung bald die eiserne

Als die Meister den Martin Pesenecker Faust des Königs. in die Innung nicht aufnehmen wollten, schrieb er dem König, sein Vater sei zwar kein Buchbindermeister, aber Korporal bei der Garde zu Fuß und darum den Meistersöhnen mindestens

gleichberechtigt.

In

einem

versprach der Petent,

solchen Gründen konnte

stehen:

er

Pesenecker.

befahl

der

Ebenso

zweiten Schreiben

an den König

lO Rthr. an die Rekrutenkasie zu zahlen:

Friedrich Wilhelm I. Innung mußte

nicht wider¬

die schleunige Aufnahme des sie

den

Gesellen

Emanuel

Donat aufnehmen, weil er in Potsdam zur Zufriedenheit des Königs „Exerzierbücher" gebunden hatte. Auch der Geselle Wendland wurde auf königlichen Befehl in die Innung auf¬ genommen, weil er gedroht hatte, sonst mit seinem Ver¬ mögen von 1000 Thalern außer Landes zu gehen. Eine durchgreifende Reform des Jnnungswesens erwies sich mehr und mehr als eine gebieterische Notwendigkeit, welche der klare Geist König Friedrich Wilhelms I. vollständig erkannte. Schon der Große Kurfürst hatte beim Reiche ein Gesetz gegen die häßlichen Ausartungen des Zunftwesens be-

antragt, und infolge seiner energischen Anregung war 1672 Diese Be¬ auch ein „Reichsgutachten" zu stände gekommen. mühung seines Großvaters nahm 1724 Friedrich Wilhelm I. mit echt preußischer Zähigkeit wieder auf und nach endlosen Verhandlnngen kam wirklich eine „Reichszunftordnung" zu stände, die in den meisten deutschen Staaten am 30. Sep¬ tember 1732 veröffentlicht wurde. Diese „Reichszunftordnung" räumt gründlich mit der alten Zunftherrlichkeit auf. Die Kinder von Totengräbern, Turm- und Gerichtsdienern, Schäfern u. s. w., die bisher als unehrlich galten, sollten zünftig lernen dürfen, ebenso Schindersangehörige von der zweiten Generation an. Für die Gesellen wurden Ausweispapiere (Kundschaften) eingeführt. Korrespondenzen unter den Innungen wurden verboten, ebenso Exzesse beim Geschenkgeben, Schmausereien beim Los¬

Preisabmachungen zwischen den Meistern. Die Vorrechte der Meistersöhne und Ehemänner von Meistertöchtern und Witwen bei der Gewinnung des Meisterrechts wurden abgeschafft, die Meisterzahl, die Gesellen¬ zahl sollte unbeschränkt sein, ebenso sollten die Zunflkosten und Meisterstücke vereinfacht werden. Auf der Basis dieser „Reichszunftordnung" gab König Friedrich Wilhelm I. der Buchbinder-Innung in Berlin am 24. Dezember 1734 ein General - Privilegium, welches für den klaren Blick und den gesunden Sinn dieses Monarchen Dieses in jeder seiner Bestimmungen Zeugnis ablegte. General-Privilegium, das natürlich alle Gewerke in ähnlicher Form erhielten, schneidet dem Zunftwesen alle Zöpfe ab, unter Aufrechterhaltung des gesunden Kerns, der in den Innungen und Gilden lag — und liegt. So blieb vor allem der „Befähigungsnachweis" (das Meisterstück) erhalten. Die Aufnahme des Melsteraspiranten erfolgte jedoch ohne Weit¬ sprechen und Meisterwerden,

»

-

läufigkeiten nach Vorzeigung seines Lehrbriefes und seiner Die „Muthzeit" und „das Ausweispapiere (Kundschaften). Wer über sein Arbeiten aufs Jahr" wurden abgeschafft. Wohlverhallen kein Zeugnis beibringen konnte, sollte vorher an dem Ort, wo er Meister werden wollte, ein halbes Jahr arbeiten. Eine dreijährige Wanderschaft war Vorbedingung, doch behielt sich der König Dispensation in einzelnen Fällen vor. Das Gewerk mußte schon am zweiten Tage zusammen¬ treten, nachdem der Meisteraspirant sich gemeldet halte. Das billigen Anforderungen entsprechen. mußte Meisterstück Sämtliche Vorrechte der Meistersöhne u. s. w. wurden aufgehoben. Die Aufnahme als Meister kostete 10 Rlhr.: 4 Rthr. für die Lade, 1 Rlhr. „zur Ergötzlichkeit", 1 Rthr. für den Magistratsbeifitzer, 1 Rthr. für den Meister, wo der Geselle das Meisterstück gearbeitet hatte, 2 Rthr. an die Ratskämmerei Die Meisterzahl blieb unbe¬ und 1 Rlhr. an die Kirche. waren 1730 Berlin 17 Meister mit 27 Gesellen schränkt (in und 14 Lehrlingen thätig), ebenso die Gesellen, die jeder Meister halten wollte. Die Heirat mit einer Meister-Witwe sollte keinem Untüchtigen zustatten kommen, doch war es den Meister-Witwen erlaubt, das Geschäft unter der Leitung eines tüchtigen Gesellen weiter zu führen. Unnütze Prozesse und Bei den Schmausereien wurden der Innung verboten. Innungs-Versammlungen durfte überhaupt nicht getrunken werden. Die Meister sollten, „wenn sie zusammen trinken wollen, solches außer denen Gewerks Angelegenheiten selber veranlasseten Zusammenkünften" thun. Betreffs der Verkaufsstätten wurde festgesetzt, daß jeder entweder eine Bude auf dem Mühlendamm oder eine „in der Stadt" haben solle. Mit anderen Gewerken durfte die Innung „bei schwerer Strafe" nicht korrespondieren. Von außerhalb eintreffende Bliese mußten unter Hinzuziehung des Magistratsbeifitzers beantwortet werden. Die Lehrlinge mußten drei Jahre lernen. Bei ihrer Aufnahme mußten sie schreiben und lesen können und wurden bei ihrer Lossprechung vom Magistrats-Beisitzer in Bezug auf ihre Kenntnisse in den religiösen Grundwahr¬ heiten geprüft. Dies ist der Inhalt der von König Friedrich Wilhelm I. geschaffenen neuen Innungs-Satzungen im Um¬ Sie machen dem gesunden Sinn des Soldatenkönigs risse. und wenn sich die Meisterschaft der Staatsgewalt auch schweren Herzens fügte, so trat der Segen dieser freieren Bestimmungen, deren Ausführung die Behörden mit eiserner Es war auch die Strenge überwachten, doch bald zutage. höchste Zeit gewesen, daß die Staatsgewalt den thörichten alle Ehre,

Auswüchsen des Zunftwesens entgegentrat: noch 1725 schlossen die Tuchwirker in Neudamm jemand aus dem Gewerke aus, weil es ruchbar geworden war, daß die Großmutter seiner

Frau einem Schäfergeschlecht entsprossen war; in demselben Jahre wurde in Sommerfeld ein Tuchmachergeselle in Hand¬ werksstrafe genommen, weil er auf eines Scharfrichters Pferd geritten. Solchen Narrheiten trat König Friedrich Wilhelm I. mit eiserner Faust und rücksichtsloser Energie entgegen, und brachte dadurch, daß er die Souveränität als einen „rooUsr äs brems« stabilste", einen freieren Geist in das völlig er¬ starrte Zunftwesen. (Schluß folgt.)



429

Am Sonntag, den 1. September, einem Tage der Erinnerung an einen der gewaltigsten Siege des unvergeßlichen Kaisers Wilhelm I., ist das diesem edlen Fürsten zum Gedächtnis errichtete Gotteshaus feierlich eingeweiht worden, zu welchem der Grundstein erst vor etwa 4 x/2 Jahren gelegt worden. Es war das auch ein Sonntag, Palm-Sonntag (22. März 1891) und der Geburtstag des Hochseligen Kaisers. Damals glaubte man nicht, daß die Kirche so schnell vollendet werden könnte, weil bei der Großartigkeit des Planes die zu¬ Aber Dank erst beschränkten Mittel nicht auszureichen schienen. Höchster Allerhöchster und der allseitigen Opferwilligkeit an Stelle und der Beihilfe der Patrioten und Verehrer des großen Monarchen im ganzen deutschen Vaterlande gelang die Vollenoung des Gotteshauses in verhältnismäßig kurzer Zeit. Dasselbe ist eines der hervorragendsten Werke architektonischer Kunst, die sich mit den bildenden Künstlern und dem KunstWeise

Die Kirche hat fünf Türme. Die Haupt-Westfront zeigt den gewaltigen 113 Meter hohen Hauptturm über der Mitte der Gedächtnishalle mit zwei 84 Meter hohen begleitenden Nebentürmen. Auf der entgegengesetzten Ostseite schließen zwei Der Hauptschlanke 62 Meter hohe Türme den Chor ein. einem sich und auf tragenden Bögen türm ruht auf großen über den Portalen lagernden Kontrebogen von riesigen Ab¬ messungen. welcher die ungeheure Last große Fläche zu verteilen bestimmt ist.

aus

eine

möglichst

Die Bögen ruhen

auf den massigen Pfeilern, zwischen denen sich die Eingangs¬ portale zur Gedächtnishalle und die von dieser in das Innere der Kirche führenden Portale be¬ finden. Zur erhöhten Sicherheit find, wegen des ungewöhnlich großen und schweren Geläutes, auf halber Höhe noch um den ganzen Turm herum gewaltige Anker

eingezogen.

raschender

Schönheit

Von

über¬

und

gro߬

artiger Wirkung sind die Stein¬ metz- und Bildhauerarbeiten, be¬ sonders an den drei Hauptportalen und den beiden Seitenportalen der Chortürme. Die Spitze des Giebels über den drei Haupiportalen trägt

Teil der Luisen-Gemeinde von Charlottenburg, ein Teil der Zwölf Apostel - Gemeinde und kleine Teile von Wilmersdorf. Schöneberg und der St. MatthäiGemeinde gehören.

über der großen Rose in weißem Sandstein eine Nachbildung des

Die Kirche ist iin spätroma¬ nischen,

find in Cudowaer Sand¬ stein aus dem Heuscheuergebirge, die übrigen Gesimsgliederungen aus Alt-Warthauer Sandstein ausgeführt. Die Höhe des Hauptgestmses beträgt 20 Meter über dem Fußboden. Die Säulen in den Portalen bestehen aus schwedischem Granit, diejenigen in den gekuppelten Fenstern, den Zwerggalerien und Türmen aus Niedermendiger Basalt-Lava. gesetzten Gesimse und Abdeckungen

Die Kaiser-Wilhelm- Gedächtnis -Kirche?)

Handwerk zu einem harmonischen Ganzen in einer verbunden hat, daß es die ein¬ mütigste Bewunderung hervorruft. Die Kirche befindet sich auf dem am Viktoria-Platz, Auguste Kurfürsten¬ des Schnittpunkte dammes und der Hardenbergstraße, und wird eine Gemeinde um sich sammeln, zu welcher ein größerer

S-.

dem sog. Uebergangsstil

1870, Kreuzes von eisernen entworfen, welcher besonders in Geschenk Kirche, als die welches Deutschland sich zu einer un¬ Ihrer Majestät der Kaiserin, übertrefflichen Höhe entwickelte Heinrich von Srivel. wird. auch als Siegel führen echte alt¬ der und eigentlich In dem Hauptturme liegt zu¬ deutsche Kirchbaustil ist, wie er mit dem elektrischen Motor Raum der Orgel nächst über der sich in seiner Vollendung namentlich im Westen Deutschlands, und dem großen Gebläse für die Orgel. Zu beiden Seiten vorzugsweise aber in der Rheinprovinz findet. Der Grund¬ Darüber befindet sich das Uhr¬ riß schließt sich an die bewährte Form des lateinischen Kreuzes find große Nebenräume. Das Langschiff und die Ouerschiffe enthalten etwa geschoß. Die große Uhr ist ein Geschenk des Hof-Uhrmachers an. 1000 Sitzplätze, die Emporen 800 Sitzplätze, im ganzen find Felfing in Berlin. An den vier Seiten des in seinem unteren Teile quadratischen Turmes find die vier kupfernen, ver¬ also 1800 feste Sitzplätze vorhanden, welche durch Stühle auf goldeten Zifferblätter, welche einen Durchmesser von 5,25 Meter mehr als 2000 gebracht werden können. Dem Langschiff ist, ähnlich wie die berühmte Vorhalle haben und deren großer Zeiger 3,25 Meter lang ist. Das Material zu den Glocken ist von Sr. Majestät dem von St. Marco in Venedig, die Gedächtnishalle vorgelegt.

An der entgegengesetzten Seite, der Ostfront, liegt der Chor,

In

diesem Kranze befinden Sitzungssäle, zu welchen zwei große Sakristeien und zwei große man sowohl durch die Seitenportale in den Chortürmen, als ein reich ornamentiertes Portal in der Mitte hinter dem Chor gelangt. Der äußere Aufbau ist ausschließlich in Werksteinen,

umgeben von einen Kapellenkranz.

Die Mauerflächen sind mit rheinischem Tuffstein aus dem Brohlthal verblendet, die den Witterungsverhältniffen besonders aus. auch

für die Helme und Türme, durchgeführt.

*} Zur Ergänzung des illustrierten Artikels, welchen der Jahrgang Seite 273 brachte.

„Bär" im

17.

Kaiser geschenkt; es waren erbeutete, zum Teil schöne, reich ciselierte, große Geschützrohre aus der Zeit der ersten Republik. Napoleons I.. Carls X. und Napoleons III., in einem Ge¬ Die Glocken haben die Töne samtgewicht von 25 000 Kilo.

ä, I, a, b, c. Das Gesamtgewicht der Glocken mit Klöppel beträgt etwa 32 900 Kilo; das Gewicht des Glockenstuhles etwa ebensoviel, so daß der Hauptturm für das Geläute eine Last von etwa 66 000 Kilo zu tragen hat. Das Innere der Kirche verdient eine ausführlichere Be¬ schreibung. Geht man an der Hauptfront die aus Oberstreiter Granitstufen bestehende Freitreppe hinauf, so gelangt man durch

»7

die

herrlichen

äußeren

Portale hindurch zunächst in einen

welchem man zu der Gedächtnishalle Reich verzierte, kunstvoll getriebene Broncethüren dieselbe hinein. Dieser imposante Raum, welcher

kleinen Borraum, in emporsteigt.

führen in

S--

430

mit seinem gewaltigen Tonnengewölbe vor den inneren Raum der Kirche vorlegt, ist dazu bestimmt, dermaleinst auf seinen Wandflächen allegorische Darstellungen aufzunehmen aus Um die Halle zieht sich ein dem Leben des alten Kaisers. Sockel von etwa einem Meter Höhe aus dem dunkel leuchtenden schwedischen Labrador; an den sechs Portalen und den Seiten¬ bogen stehen Säulen aus rotem, schwedischen Granit, welche künstlerisch gemeißelte Kapitäle tragen, von denen jedes, wie bei der ganzen übrigen Kirche, ein eigenes, reiches Muster zeigt, und jedes für sich ein Meisterstück der Bildhauerkunst ist. Die Decke wird später mit reichem Sliftmosaik geschmückt. Der schöne Fußboden zergt in Mosaik in wirkungsvollen Farben in der Mitte den Erzengel Michael und an den Seiten Ornamente mit breitem Fries. An der rechten und linken Seite der Gedächtnishalle führt durch je drei von Granitsäulen getragene Bögen hindurch eine breite Granit¬ treppe zur Orgelempore hinauf, sich in halber Höhe in zwei Teile teilend. Jede dieser Treppenapsiden hat fünf große Bogenfenster, durch welche nach unten der Gedächtnishalle, sich

nach

oben

das Licht zugeführt wird. Die Geschenke der Majestäten und der

der Orgelempore

fünf Fenster zur Linken, Königlichen Familie, stellen Scenen aus dem Leben des Propheten Elias dar, die fünf Fenster zur Rechten find eine Stiftung der drei Großlogen der Freimaurer mit Darstellungen aus dem Leben Johannes des Täufers. Von der Gedächtnishalle führen drei schwere Eichenholzthüren, mit Leder bekleidet und kunstvollen Bronzebeschlägen versehen, in das Innere der Ueber diesen Thüren befinden sich Sandsteinreliefs: Kirche. in der Mitte der Leichnam des Heilands auf den Knieen seiner sich über ihn neigenden Mutter hingestreckt, von ergreifender Wirkung, mit der Unterschrift: „Es ist vollbracht." Ueber der Thür links erblickt man Jakob mit dem Engel ringend, das Ringen der einzelnen Seele andeutend; über der Thür rechts: die beiden Jünger mit dem Heiland auf dem Wege nach Emmaus, die Begründung der ersten Gemeinde Im Inneren der Kirche find über diesen versinnbildlichend. Thüren, den äußeren Reliefs entsprechend, ebenfalls Reliefs

in der Mitte: ein Lamm Gottes, von knieenden Engeln getragen, rechts: Isaak und Rebekka am Brunnen; und links: Simson im Kampf mit dem Löwen.

angebracht,

(Schluß folgt.)

Kleine Mitteilungen. Keinr irh von gttjbei,*) bet Geschichtsschreiber der Begründung

Porträt wir auf Seite 429 bringen, ent¬ stammte einer protestantischen Familie. Sein Vater, der 1831 geadelt wurde, war RegierungSrat in Düffeldorf, sein Großvater Prediger in Soest; seine Mutter entstammte einer KausmannSfamilie aus Elberfeld. Schon als Gymnasiast interessierte sich Sybel für die Geschichte in besonderem Maße. Im 17. Jahre (1834) bezog er die Berliner Universität deS

deutschen Reiches,

dessen

und wurde neben Georg Waitz ein Schüler Leopold Rankes. Im Jahre 1838 promovierte Sybel mit der Dissertation: „Os libro Joordanis de rebus gesticis“. Zu seinen Thesen bei der Disputation gehörte der be> zeichnende, wenn auch in seiner Allgemeinheit anfechtbare Satz: „Der Ge¬ schichtsschreiber soll mit Leidenschaft und persönlichem Anteil schreiben." Nach Absolvierung seiner Dienstjahres bei den Garde-Dragonern habilitierte sich Sybel 1840 in Bonn, wo damals die Historiker Dahlmann, E. M Arndt, W. Loebell wirklen, so daß Sybel auf eine Lehrthäligkeit im größeren Umfang nicht rechnen konnte. Seine wissenschaftliche; Thätigkeit widmete er der Zeit der Kreuzzüge und der deutschen VerfassungS->e!chichte. AIS Resultat seiner Berliner rechtsgeschichtlichen Studien erschien 1844: „Die Entstehung des deutschen Königtums". In demselben Jahre wurde die Schrift: „Der heilige Rock zu Trier und die zwanzig anderen ungeGildemeister verfaßte, die Verannähten Rock-", welche er mit dem iasiung zu seiner Berufung als ordentlicher Prosesior an die Universität Marburg. DaS Jahr 1848 bildet einen Wendepunkt im Leben EybelS: er wurde im Vorparlament zu Frankfurt am Main, im kurhesstschen Land¬ tage und im Staatenhause zu Erfurt praktischer Politiker und wandte seine wisienschastliche Thätigkeit dem Studium der neuesten Geschichte zu. Dar Resultat war zunächst seine „Geschichte der Revolutionszeit von 1789—1796", die seinen Ruhm als Historiker für immer begründete. Sybels Werk ruhte auf eingehenden archivalischen Studien und zerstörte manche traditionelle Legende. Im Jahre 1856 erhielt Sybel einen Ruf an die Münchener Universität. Unter seiner Mitwirkung wurde die „Historische Kommission" begründet, die „Deutschen ReichStagSakten", die „Hansarezesse", die „All¬ gemeine deutsche Biographie" inS Leben gerufen. 1859 gründete Sybel seine „Historische Zeitschrift", deren 76. Band in diesem Jahre erscheinen wird. Dar litterarische Resultat der Münchener Jahre waren seine „Kleinen historischen Schriften" (Stuttgart 1880, 3. Auflage) und seine „Vorträge und Aussätze" (Berlin 1875). Im Jahre 1661 folgte Sybel einem Rufe nach der Universität Bonn, wo er bis 1875 auf dem Lehrstuhle Dahlmanns wirken sollte. Seiner preußischen Gesinnung gab er in der Schrift: „Die deutsche Ration und das Kaiserreich" (1862) Ausdruck: „So sicher die Ströme seewärts fliehen, wird es zu einem Bunde der Deutschen unter Preußens Leitung kommen." Der damaligen preußischen Regierung 1862 er war und mißtraute freilich Sybel stand — auch ins Abgeordnetenhaus gewählt worden — während der Konflikts¬ zeit auf der Seite der Opposition. Später trat er jedoch zu Roon Im und vor allem zu Bismarck in sehr freundliche Beziehungen. Kulturkampf trat Sybel als ein scharfer Kämpe auf den Plan und ver¬

I

I.

*)

Geb. 2, Dezember 1817 in Düffeldorf.

öffentlichte 1874 die Schrift: „Klerikale Politik im 19 Jahrhundert." folgenden Jahre beendigte Sybel seine akademische Lehrthätigkeit und trat als Direktor an die Spitze der Staatsarchive in Berlin. Während seiner Amtsthätigkeit wurden die ..Publikationen aus den preußischen Staatsarchiven" (61 Bände), die „Politische Korrespondenz Friedrichs des Großen" ins Leben gerufen; auch bei der Leitung der ,.Acta Borussiea“ für die preußische VerwaltungSgeschichte war Sybel beteiligt. Im hohen Alter begann der unermüdliche Gelehrte vor vierzehn Jahren dar Haupt¬ werk seines Lebens, die Geschichte der „Begründung des deutschen Reiches durch Wilhelm L", von welcher der 6. und 7. Band 1894 erschienen, die bis zum Ausbruch des Krieges 1870 führen. Den Hauptteil dieses Werkes schrieb er unter Benutzung der Staatsarchive; nach dem Abgänge der Fürsten Bismarck wurde ihm, da er vielfach eine spezifisch BiSmarcksche Richtung in diesem Werke vertrat, die Erlaubnis zur Benutzung der StaatsArchive entzogen, und die beiden letzten Bände enthalten kein ArchivMaterial. An der Vollendung dieses groß angelegten Werkes hat ihn der die Tod verhindert, der dem greisen Gelehrten am 1. August d. Sybels Werke sind bedeutende Geistesschöpfungen, die von Feder entriß. großer Schärfe des Urteils und hoher Kunst der Darstellung Zeugnis ab¬ legen. Der besten Deutschen einer ist mit ihm von unS gegangen, deffen Hauptwerk ein klassisches Denkmal aus Deutschlands größter Zeit ist, ein Der Alt-ReichSkanzler Fürst GeschichtSwerk von unvergänglichem Werte. Bismarck telegraphierte beim Tode SybelS an deffen Sohn, er sei „tief bewegt vom unerwarteten Scheiden seines Mitarbeiters" — gewiß ein —e. schönes Zeugnis für den GesckichtSschreiber.

Im

I.

Ueber die Verpflegung unserer Truppen

Frankreich

in

enthält das soeben erschienene Büchlein: „Aus meinem Tagebuche" (Verlag von E. S. Mittler, Berlin, Preis 1 Mk., gbd. 1,50 Mk), verfaßt von unserem Mitherausgeber, dem ehemaligen Einjährig-Freiwilligen vr. Hans Brendicke intereffante Einzelheiten. Die Hauptmahlzeit bildete in der ersten Zeit die berüchtigte Erbswurst, an welcher die Kochkunst viel¬ fach Schiffbruch litt; oft gab eS freilich nur Kommißbrot und Kaffee, ein keineswegs leckeres Mahl, das den halbverhungerten Ueberläusern von Butter, Käse und Wurst mangelten Metz aber vortrefflich mundete. gänzlich, dafür gabS in AScoux zwei Tage lang ungeheure Quantitäten von prächtigem Honig. Vor Beaune gabS Kaninchenbralen und dazu Wein und Cognac, welch edle Flüssigkeiten der Spürsinn in einem RestaurationSKeller entdeckt hatte. Richt weit davon fand man auf einem Scheunenboden ein Lager von Backobst. Rüsten rc., mit welchen die Helme gefüllt wurden, um dann taktmäßig von Hand zu Hand inS Freie zu wandern. Dabei half der Herr DivisionSpfarrer wacker, indem er das Obst kiepenweise herabtrug und unter die Hungernden verteilte. Bei ChilleurS fand großes Hammelschlachten statt, als aber daS Alarmsignal ertönte, mußten die Kartoffeln halbgar eingepackt werden und mancher schnallte sich schnell eine Hammelkeule auf den Tornister. Auch die Nachbarschaft von OrlsanS bildete eine „Oase in der Wüste"; dort hatten die Bayern sogar eine „echte" Bierbrauerei etabliert! Regelrechte Eßzeiten konnten natürlich nicht innegehalten werden; so fingen die hungrigen Krieger erst nachtS um 1 Uhr mit dem Kochen und Braten an! Die Herren Franzosen mußten, wenn sie



431

„mitessen" wollten, unsern Truppen die gelieferten Hülsenfrüchte rc. kochen, an die ein französischer Magen sich nicht leicht gewöhnt. Hunger aber ist der beste Koch, wie auS dem folgenden VerSlein des vom Verfasier ge¬ dichteten „KriegSIiedeS" erhellt: „Blockade ist ein putzig Ding: Man sperrt die Stadt mit einem Ring, Und drinnen ißt man zum Diner — Von — Wir können unseren Lesern diese Hund und Katze FricaffSe . . . persönlichen Erinnerungen unseres Mitherausgebers auss wärmste empfehlen, da sie ein überaus anziehendes und anschauliches Bild der großen Zeit bieten.

—e.

Girio poetische Erinnerung an gang. Die Schlacht von Belle-Alliance war

Mnrats Unter¬

vorüber und mit ihr Napoleons Stern zum zweitenmal erloschen. Aber noch ehe eS soweit kam, hatte Murat, der Sohn der Gastwirtes zu La Bastide und König von Neapel, seinem Schwager durch unbesonnene HÜIseleistung mehr Schaden zugefügt, als im Jahre vorher durch seinen unerwarteten Abfall. Trotz seines Bünd¬ nisses mit Oesterreich fühlte er sich auf dem von Napoleon empfangenen Throne unsicher, da die Bourbonen ihm ihre Anerkennung verweigerten. In der Voraussetzung, daß die auf dem Wiener Kongreß herrschende Zwie¬ tracht seinen Plänen günstig sei, faßte er den Gedanken, seine Macht durch Eroberungen zu befestigen. In dieser Absicht verlegte er im Frühjahr 1815, kurz nach Napoleons Wiederkehr, fast seine ganze Armee in die nach dem Pariser Frieden noch nicht geräumten päpstlichen Marken und verlangte von Oesterreich die Erlaubnis zum Durchzuge durch Oberitalien, um Frank¬ reich bekriegen zu können. Bevor aber die Oesterreicher, in Ablehnung dieser verdächtigen Antrages, ihm genügende Kräfte entgegenstellen konnten, hatte er die Marke abgelegt, erklärte die Sache seines Schwagers für seine eigene und erließ am 30. März in Rimini einen Aufruf an die Völker Italiens, für ihre Unabhängigkeit die Waffen zu ergreifen. Nach einigen anfänglichen Erfolgen war der Siegertaumel vorüber: der eitle Abenteurer sah seine schlechten neapolitanischen Regimenter von Oesterreichs kriegsgeübten Truppen zurückgeworfen, und bereits am 2. Mai machte die Schlacht von Tolentino seinem Throne ein Ende. Mural selbst entfloh über Neapel und JSchia nach Frankreich, worauf ihn Napoleon in die Gegend von Toulon verwies, während Ferdinand sein Königreich von neuem in Besitz nahm. Wie zutreffend die öffentliche Meinung den Gestürzten als einen charakterlosen Abenteurer bezeichnete, zeigten die nächsten Monate. Schon am 25. August entwich der Verbannte nach Corsika, schiffte sich dort am 28. September nach Neapel ein und landete am 8. Oktober beim Städtchen Pizzo in Calabrien, wo er dar Volk zur Erhebung gegen König Ferdinand aufrief. Aber diesmal war er an den Unrechten gekommen. Dieselben Menschen, welche ihm im Siegesrausch zugejubelt halten, nahmen ihn jetzt mit seinen wenigen Begleitern gefangen und überlieferten ihn dem Statt¬ halter der Provinz. Schon nach viertägiger Gefangenschaft wurde der ehemalige König kraft des von ihm selbst erlaffenen KriminalgeletzbucheS als Hochverräter zum Tode verurteilt und am 13. Oktober erschossen. In Deutschland erregte die Nachricht seiner Erschießung allseitig Be¬ friedigung. Das nachstehende Gedicht, welches dem Vater der Einsenders dieser Zeilen von seinen Kinderjahren her geläufig war, kennzeichnet vor¬ trefflich die Empfindungen deS Volkes, so wenig eS auch einen litterarischen Wert beanspruchen darf.

MuratS Höllenfahrt.*) Die lehrten teuflisch ihm nun wores, AIS Bonapartes Altgeselle Zu bändigen den rohen Sinn, Beendigte den Lebenslauf, Da sperrte sich das Thor der Hölle Und zahlten ihm ad posteriores Ein jeglicher zehn Tausend hin. Nach Satans Willen krachend auf. Fürst der schwarzen Zuerst der Büttel mit der Peitsche, Geister, Indem er donnernd zu ihm schrie: „Kennst Du ein Volk — man nennt „Gab ich Dir darum meine List, es Deutsche? Daß Du jetzt ohne Deinen Meister WaS ich Dir geb', thu' ich für sie!" Der Oberwelt entlausen bist?

„Hund,"

sprach der

Schon harrete der zweite Büttel Du hättest ruhig sollen leben Mit wahrer Teuselsungeduld, Und mit ihm bei Gelegenheit Nach Frankreich wieder Dich begeben, Und zahlte mit dem dicken Knüttel Neapels große Sündenschuld. Ins Land der stolzen Eitelkeit.

Erbärmlich spieltest Du die Rolle, Und wir verstehen keinen Spaß. Drum gebe man Dir jetzt das volle Gerüttelte, gehäufte Maß!"

Zuletzt der Büttel mit der Knute; Der schlug so derb und zog so stramm, Daß von dem schwarzen Natterblute Die ganze Hölle überschwamm.

Drauf kamen, schrecklich anzuschauen, Drei große Teufel auf einmal, Die packten ihn mit ihren Klauen Auf einen Klotz von glühn'dem Stahl.

Die Teufel klatschten in die Hände Und jauchzten lauten Beifall zu. Kaum aber war der Spaß zu Ende, So hatt' er dennoch keine Ruh'.

Und hiernach noch drei Höllenbüttel Gar grimmig tobend angesaust, Mit einer Peitsche, einem Knüttel Und einer Knute in der Faust.

Denn in der Hölle ist er Eilte, Daß Satan stets „4a capo“ schreit, Drum straft der erste, zweit' und dritte Von nun an bis in Ewigkeit!

Hm. Kienbaum.

Vorstellung der Uactiol auf der Pfaueniufel bei Potsdam. Die berühmte Tragödin wurde an, >3. Juli 1653 von dem damaligen Hofrat Schneider auf dem Bahnhöfe empfangen, *> Hat einer der Leser des Gedichtes?

„Bär" Kenntnis

um

von dem Verfaffer dieses

Sk-

vor dem zum Besuch anwesenden Kaiser Nikolaus zu spielen, der ihr wegen ihrer republikanischen Gesinnungen den Eintritt in Rußland nicht gestalten, ES war hier also aus eine Art Octroyierung sie auch nie sehen wollte. abgesehen. Sie erschien ganz schwarz, in den kostbarsten Spitzen. Schneider machte ihr bemerklich, sie könne so bei Hose und einem fröhlichen Feste nicht erscheinen. Die Frau Prinzessin Carl, zu oer man die Zuflucht nahm, half mit Manschetten, Kragen und Handschuhen aus, eine Rose wurde ins Haar gesteckt. Auf der Insel angekommen, fragt die Rachel nach der Bühne; niemand weiß etwas davon. Zuletzt stellt sich heraus, die Künstlerin soll auf dem Rasen spielen, die hohen Herrschaften würden auf einer Gartenbank am Schloß sitzen. Mvlle. Rachel ist empör: über diese Zumutung und will sofort umkehren. Die Bemerkung ihres Cicerone, es handle sich hier um den Eintritt in Rußland und ein Honorar von 300000 Franken, und die andere, sie stehe ja auf gleicher Erde mit ihrem Es hohen Publikum, verfehlte ihre Wirkung nicht und Rachel blieb. wurden nun einige Lichter in Gläsern aufgestellt, dahinter rauschten die Fontänen. Rachel deklamierte einige Scenen aus französischen Komödien, Wie hinreißend ihre Rede aber war, geht daraus hervor, daß Kaiser Nicolaus aufsprang und ihr in Gegenwort sämtlicher Damen die Hand küßte. Die Grenzsperre von Rußland hörte aus. Zum Andenken aber an diesen Abend ist der Künstlerin Bild, aus weißem Marmor, an der 8. Stelle ihres Triumphs aufgestellt.

Der Avendmahlskelrh irr der Kirche ju Grad; (JUtmark) trägt folgende Inschrift: „Christi Leib und Blut unser Erbgut.

Ist

Doch glauben wir zu Cratz; Wer eS haben will, der hal'S Er sei Frau oder Mann.

So lehrt uns Peter Sallmann." 8.

KLchertisch.

Sedan-Küchlein.

Von R.

von

des christlichen ZeitschriftenvereinS.

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Berlin 1695. Preis 40 Pf.

Verlag

Bei hübscher, äußerer Ausstattung und reichem Bilderschmucke bietet dieses Werkchen, dessen Verfaffer aktiver Offizier ist, alles, was zu einem Volksküche im wahrsten Sinne gehört. Die gröberen Schriften, welche bis jetzt erschienen sind, eignen sich ihres hohen Preises wegen nicht zur An¬ schaffung für jedermann, die billigeren genügten dagegen selten an innerem Werte. Das uns vorliegende Buch bietet den gewaltigen Stoff in frischer, Das Interesse ermattet niemals beim Lesen. volkstümlicher Sprache. Man ist von Anfang bis zum Ende ergriffen von der patriotischen Be¬ geisterung und dem Geist gesunden, nationalen Empfindens, der das Ganze

th.

durchweht.

Mlanöoergaste.

Roman von O. Elster. Mannheim 1895. Verlag Preis 4 Mk. Die bei einem adeligen Gutsbesitzer während der Manövers ein¬ quartierten Offiziere und die hübschen Nichten deS Hausherrn stehen im Mittelpunkte der leicht und flott geschriebenen Erzählung; nebenher spielt der wenig erquickliche Roman zwischen Gutsinspcktor und der Gattin eines Schließ'ich löst sich HaupimannS — letztere ebenfalls „Manövergäste". alles in Wohlgefallen auf, auch die Bösen bekehren sich, und am fröhlichen Ende treten drei Brautpaare auf einmal an den Altar. Die Geschichte liest sich ganz gut und füllt eine müßige Stunde angenehm aus. Lästig sind eine Menge Fehler — der Setzer scheint eine besondere Vorliebe für das „ck" besessen zu haben: „erschrack", „biwackieren", „Häckelarbeit", k- B, .Nesthäckchen" u. s. w. von

I.

BenSheimer.

Die Uicklingoe.

2. Auflage. Roman von A. von der Elbe. Berlin 1895. Verlag von Otto Zanke. Preis 2 Mk. Die „Ricklinger" sind eine vortreffliche kulturhistorische Erzählung:

schildern in lebhaften Farben da? Leben und Treiben auf einer Raub¬ burg und deren Untergang zu Ende des 14. Jahrhunderts. Die ganze Wildheit dieser fehdelustigen Zeit wird packend geschildert in diesen „Aus¬ Aber auch in die Herzen der zeichnungen deS Dominikaners AnselmuS". Burgbewohner können wir einen tiefen Blick thun, und niemand wird diese lebenswahren Schilderungen ohne warmes Interesse lesen. — e. sie

Die Donau

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—*:•

432

Sebr ausführlich und viel neues bringend ist der prähistorische Abschnitt gehalten. Dar Ganze durchzieht eine große Auffassung von der historischen Bedeutung der Donauländer und erhält vielfach durch den Abglanz sagenhaster Geschehnisie — z. B. durch den ausführlichen Kommentar zum „Nibelungenliede" — einen farbigen Hintergrund, wie man ihn aus anderen Eine wertvolle Zugabe bilden die Schriften dieses Verfassers kennt. historischen Kärtchen, welche die Staatenbildungen des Mittelalters erläutern. Die Tafeln und Farbenkarten sind von tadelloser Schönheit. Jeder Freund des alten „Danubius" wird die vorliegende vortreffliche Leistung mit auf¬ —best— richtiger Freude begrüßen.

Fürst gJiemctrxk,

Von Fedor von der deutsche Reichskanzler. Leipzig, Verlag von Otto Spamer Volksausgabe. Preis gbd. 6 Mk. Vor allen den zahlreichen Biographien des großen Mannes zeichnet sich die Koeppensche durch die Volkstümlichkeit ihres Textes und den Reichtum und die Schönheit ihrer Illustrationen auS. Der Mann wie der Jüngling werden dieses echte Volksbuch mit dem gleichen Jntereffe und —11— dem gleichen Genuffe lesen.

Koeppen.

Erreichte Mürrsthe.

Roman von A. v, GerSdorff. Berlin 1895. Verlag von Otto Janke. Preis 5 Mk. Mit gleicher Meisterschaft, die Ossip Schubin in der Schilderung österreichischer Adelskreise entwickelt, wird unS hier das Leben und Treiben des altgesessenen ostpreußischen Adels gezeichnet, und wir gehen wohl auch hier kaum fehl, wenn wir in A. v. GerSdorff eine Dame vermuten, die

d-

mütige Mann und läßt eS sich gefallen, daß Esther alles opfert, um ihm den Frieden zu geben. Wenig glücklich sind einzelne der Nebenfiguren ge¬ zeichnet ; namentlich der eingebildete Musiker Kallweit und die Wirtschafterin Alles in allem aber gehört der Roman zu sind unwahre Karrikaturen. P. B, den besten seiner Art.

Inhalt: AuS Deutschlands Vergangenheit oder Der Schlangenring. Historischer Roman von C Gründler. (Fortsetzung). — Mord- oder Sühnekreuze in der Niederlausitz und die germanische Blutrache. Kulturgeschichtliche Skizze von Karl Gander. — Quer durchs West Havelland. Streifzüge von vr Gustav (Schluß.) Albrecht. (Mit Abbildung). — Zur Geschichte der Berliner Buch¬ binder-Innung. (Fortsetzung). — Die Kaiser-Wilhelm-GedächtnisKirck e. — Kleine Mitteilun gen: Heinrich von Sybel (mit Abbildung).

— Ueber die Verpflegung unserer Truppen in Frankreich. — Eine poetische Erinnerung an MuratS Untergang. — Vorstellung der Rachel auf der Pfaueninsel bei Potsdam. — Der Abendmahlskelch in der Kirche zu Cratz (Alrmark). — Büchertisch.— Anzeigen. Der heutigen

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jene Kreise aus eigener Anschauung kennt. und höchster seelischer Bewegung ist in einzelnen Scenen so ergreifend und lebenswahr, daß der gemütvolle Leser das Buch nicht ohne warme Anteil¬ nahme aus der Hand legen wird. Die inmitten der Handlung stehende Esther von Riska-Tollehnen ist ein groß angelegter Charakter, die den um sie werbenden James v. Rabe (wunderliche VornamenI) seelisch hoch über¬ ragt; in dem schweren Konflikt, der seine Quelle in dem anormalen Alter der Gatten hat — Esther ist 6 Jahre voraus — unterliegt der schwach¬

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60

II.

Leptember

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G.

Grundier.

(Nachdruck verboten.)

(Schluß.)

führte seine Schwägerin die paar Schritte bis an steile Böschung und zeigte ihr die Reste der unteren Burg, das verfallene Kirchlein und die Ortschaften in weitem Bogen. Beide sprachen angelegentlich miteinander. Marianne hatte sich leicht an Viktor gelehnt und blickte oft bewundernd zu ihm auf, denn sie hatte gewaltigen Respekt vor seiner

^^/(Tiktor “skr’ die (

Dabei streifte ein Blick ihres ausdrucksvollen Mienen¬ spiels seine Schwägerin. Viktor hatte die Bedeutung dieses Blickes sofort ver¬ standen und erwiderte rasch: „Meines Bruders Frau!"

hatten sich einige Badegäste aus Frankenhausen niedergelassen. Plötzlich hörte Viktor hinter sich eine Stimme: „Bitte, bringen Sie doch schnell ein Glas Wasser, da ist eben eine

„Und Sie?" „Adeline, ist das Ihr Vertrauen?" Ein Strahl von Glück zog über Adelinens Gesicht. Die Augen schloffen sich abermals; aber nach wenigen Minuten war Adeline wieder Herrin ihrer selbst. Sie erfaßte beide Hände Viktors, sah ihm tief in die Augen und sagte leise und tief errötend: „Viktor, mein Viktor, giebt es noch ein Glück für mich?" Viktor hätte sie am liebsten gleich an seine Brust gezogen und wurde nur durch die vielen Augen, die auf die er¬ regte Gruppe gerichtet waren, daran verhindert. Er mußte

Dame ohnmächtig geworden."

sich

Gelehrsamkeit.

Die Besucher der Sachsenburg hatten inzwischen mannigfach Einige gingen durch den Hagen in der Richtung gewechselt. Oldisleben zu, andere kamen von dorther oder den steilen Fußweg von dem Dorfe Sachsenburg herauf. Zur Rechten Viktors, in einem neuangepflanzten Boskett,

nach

nach der angedeuteten Richtung Damen, eine ältere und gekleidete schwarz zwei erblickte jüngere. Letztere war totenbleich und lehnte ihren Kopf geschlossenen Augen an die Schulter der älteren Dame. Nur einen Augenblick währte die Betrachtung, dann

Er wandte den Kopf

und eine

mit

ließ mit drei war los und Begleiterin Viktor den Arm seiner der Hände Sätzen bei den fremden Damen. Er faßte beide jüngeren und rief: „Adeline, Adeline!" Letztere öffnete einen Augenblick die Augen und flehte dann leise: „Laissez-moi, laissez-moi!“

„Endlich habe wieder! Erst muß ich wissen, was — wie —" „Bitte," sagte Adeline, „verlassen Sie mich!"

„Nie, niemals!" rief Viktor.

ich

Sie

damit begnügen, sich neben die Damen zu setzen; aber Adelinens Hand ließ er nicht mehr los. „Nc>u coeur cheri,‘‘ flüsterte er; „jetzt lasse ich Dich nicht mehr, mag kommen, was da will! Aber, was sagen Sie, Mama?" wandte er sich an die alte Dame.

Die Mutter Adelinens. der bei der aufregenden Scene eine Thräne um die andere über die blaffen, gefurchten Wangen herabgerollt war, konnte vor mächtiger, innerer Bewegung erst kein

Dann ergriff sie Viktors freie Hand, zwischen die ihrigen und rief nur: „Mem Sohn,

Wort hervorbringen.

preßte

sie

mein lieber, lieber Sohn!" Den Umständen Rechnung tragend, wurden nun beiderseitigen Erlebnisse im Fluge erzählt. Viktor erfuhr, daß Adelinens Bruder nach dem

die ge-

-H

Ueberfall doch

scheiterten nach

Paris

geschlossen

zu

kommen.

434

noch

Gelegenheit

gefunden hatte,

„Ja,

Hier

habe er sich den Roten an¬

gewesen."

Ein Bruder ihres

Großvaters, welcher mit demselben

gleichzeitig in Magdeburg in Garnison

gestanden habe,

sei

dort Invalide geworden und habe sich dann mit einer reichen Kaufmannstochter vermählt, welche als 85jährige Greisin dort noch lebe. Zu der Familie dieses Großonkels hätten sie, so lange ihr Vater gelebt, gar keine Beziehungen gehabt, da ihr Vater als eingefleischter Franzose nichts von ihr habe wissen wollen. Nachdem derselbe jedoch gestorben und das Unglück über hereingebrochen, sie hätten ihre Verwandten sie gebeten, ihren Aufenthalt bei ihnen in Magdeburg zu nehmen, und da sie keine näheren Angehörigen in Frank¬ reich mehr besäßen, so seien sie dem Rufe gefolgt und lebten seit zwei Jahren in Magdeburg. Der Zustand ihrer Mutter habe sich in Deutschland wesentlich gebessert. Nur sei sie von Zeit zu Zeit von rheumatischen Leiden heimgesucht, weswegen der Arzt ihr den Gebrauch von warmen Soolbädern in Frankenhausen verordnet habe. Sie befänden sich seit einer Woche dort und hätten heute mit anderen Badegästen einen nach der Sachsenburg gemacht.

„Herr Gott," rief Viktor, „so nahe und

bei Le Mans wäre es beinahe um mich geschehen

Viktor erzählte nun, was wir

und sei einer ihrer Führer geworden.

Nach der Uebergabe von Paris habe er mit den Communards gegen die Regierungstruppen gekämpft und sei dabei gefallen. Bei einem dieser Kämpfe sei auch die Fabrik ihres Vaters in Flammen aufgegangen.^wodurch dieser den größten Teil seines Vermögens verloren habe. Herr Leon Deville habe deshalb die Bewerbung um ihre Hand zurückgezogen. Ihr Vater, welcher den herben Schlag, die Früchte seines ganzen Lebens mir einem Male zu verlieren, nicht habe verwinden können, sei das Jahr darauf gestorben. Ihre Mutter habe durch die harten Schicksalsschläge ebenfalls sehr gelitten und sei fortwährend kränklich. Schon durch des Vaters letzte Krankheil sei der Rest ihres Vermögens sehr zu¬ sammengeschmolzen, und sie habe den Pariser Aufenthalt nur unter Zuhilfenahme der Erträge feiner, weiblicher Handarbeiten bestreiten können. Da sei ihnen ein Zufluchtsort in Magdeburg angeboten worden.

Ausflug

fr-

doch so

fern!

schon wissen,

auch, daß

er doch noch dem Wunsche seines Vaters nachgegeben, sich der Landwirtschaft zu widmen und die beabsichtigte Lehrthätigkeit

Nachdem er sich theoretisch und praktisch darauf vorbereitet, habe er seit zwei Jahren die Bewirtschaftung des väterlichen Gutes übernommen, während sein einziger Bruder „Und die junge Erbin des Nachbargutes geheiratet habe. dort," setzte er hinzu, „mein süßes Lieb, wo Dein Großvater seinen letzten Seufzer ausgehaucht hat, wirst Du nun hin¬ fort leben, und die Mutter wird immer bei uns sein."

aufzugeben.

„0

vaon Oien!" rief die alte Dame, indem Thränen netzten, „ich darf der Rührung von neuem ihre Augen leben an dem Orte, wo das Grab ist meines heißgeliebten Vaters! Ich varf es alle Tage schmücken mit neuen Blumen!

Quel bonbeur!" „Aber, wie konnte

es kommen,

daß

wir uns

heute hier

auf der Sachsenburg treffen? Beide so lange getrennt, ohne Kunde von einander, aus weiten Fernen kommend und zu¬ sammentreffend in dem Zeitraum einer kurzen Stunde?" frug

Adeline.

„Ja,

warum? kann ich

das

Dir

auch

nicht

erklären.

Das verdanken wir offenbar einem höheren Walten." Klaus Gutmann und seine Gattin, ebenso deren militärische Begleiter, hatten mit Verwunderung der leise ge¬ führten Unterhaltung Viktors mit den beiden Damen von Da sie aber an den Mienen und Be¬ weitem zugesehen. wegungen gewahrten, daß es sich um etwas Außerordentliches handelte, so wollten sie nicht stören.

mit den beiden Damen auf sie zutrat und ihnen Adeline als seine Braut vorstellte, kannte ihr Erstaunen keine Grenzen. Wenige Worte genügten, um

Als

jedoch

jetzt Viktor

alles zu erklären. Aus einen Wink Viktors zogen Klaus und seine Frau Mutter Adelinens in ein vertrautes Gespräch, während die Er hatte das die Militärs sich achtungsvoll zurückzogen. sehnliche Verlangen, mit seiner neugefundenen Geliebten

einige Augenblicke allein zu sein.

Als

Ich habe durch einen befreundeten Kaufmann die eingehendsten Aber war es nur Nachforschungen nach Euch angestellt. war wirklich nichts Abneigung gegen die Deutschen, oder die zu ermitteln, wir erhielten stets die Nachricht, daß niemand von Eurer Familie aufzufinden sei. Ihr wäret wie vom Erd¬

nun Arm in Arm glückstrahlenden Gesichtes Fußpfade in dem Hagenwalde zuschritten und beim einem der Glanz der untergehenden Sonne die entzückende Aussicht vor sich sahen, rief Adeline ganz überwältigt aus:

boden verschwunden."

schön!

„Glauben Sie mir, mein Freund," setzte die Mutter Adelinens hinzu, „ma obere enfant hat gewelkt wie eine Blume, welche ist beraubt des Wassers, als Sie gegangen waren von uns. Wir haben auch gefragt nach Ihnen, aber wir wußten nicht das Regiment, wo Sie waren enrolle, und die deutschen Soldaten waren so viel, ach, so viel!

„Ja, obere maman,“ erwiderte Viktor, „daß die Nach¬ fragen anfänglich nichts genutzt haben, ist erklärlich. Ich bin in mehreren Lazaretten nacheinander gewesen, und da hält es in Kriegszeiten schwer, den einzelnen auszuspüren, weil überall die verschiedensten Truppengattungen von Freund und Feind verpflegt werden." „So

bist

Du

auch krank gewesen?"

rief Adeline.

beide

Wie ist die Welt doch so „Ach, Viktor, wie schön! vielleicht schöner jetzt, als sonst, oder kommt sie Ist

es

mir nur

so

vor?"

„Die Welt, mein Herz," erwiderte Viktor, „ist immer schön

gewesen.

Nur die

Menschen machen sie sich oft genug

durch Unzufriedenheit, Neid, Selbstsucht, Zank und Streit zur Wie aber die untergehende Sonne jetzt alles mit Hölle.

bestrahlt, so, hoffe ich, wird nach all den Stürmen die Sonne der Liebe auch unser ferneres Leben golden bestrahlen und uns den seligsten Frieden bringen. Diese alten Mauern find zer¬ Denn die Liebe ist ewig. bröckelt, die Gegend hat sich verändert, Geschlechter sind entstanden und wieder versunken, aber die Liebe überdauert alles und schlägt noch ebenso heiß in unseren Herzen, wie in den Herzen unserer Vorfahren vor tausend Jahren."

dem goldensten Lichte

•880), „Gesetz und Budget" (1879), „Die preußische Finanzresorm" (1881), „DaS englische Parlament" (1886), „Die Tage der preußischen Heercsorganisation", „DaS Reichsgesetz gegen die gemeingefährlichen Bestrebungen der Sozialdemokratie". Auch als Schiedsrichter in internationalen Streitigkeiten wurde Gneist wiederholt in Anspruch genommen, beispielsweise in dem Streit wegen der türkischen Eisenbahnen. Rektor der Berliner Universität war Gneist zum erstenmale 1872. Gneist wurde auch zum Mitglied des StaatSratS ernannt. Er erhielt von Kaiser Friedrich den erblichen Adel als Gneist von Schierstädt. Kaiser Wilhelm II. verlieh seinem ehemaligen Lehrer den Titel eines Wirklichen Geheimen RatS mit dem Prädikat „Excellenz". — Der berühmte Staatsrechtslehrer starb am 22. Juli dieses Jahres nach langen, schweren Leiden; er war ein ebenso fruchtbarer wie gelehrter Jurist. Der Schwung seiner nationalen Gesinnung wird selbst von seinen politischen Gegnern an¬ erkannt und bewundert. .

Krau Müfflirrg f. Im

Alter von 99 Jahren 5 Monaten

und 9 Tagen ist am 23. September d.

I.

die bekannte

Schriststellerin

Frau Mühling, die Mutter des Besitzers vom Hotel de Rome Unter den Linden, in ihrer in der Mittelstraße belegenen Wohnung gestorben. Die Greisin, die am 15. April d. ihren 99. Geburtstag erlebte, feierte den¬ selben unter Anrichnung des Tages der Geburt als „hundertsten" mit der Motivierung, „sie wolle den Tag als 100. Geburtstag feiern, weil sie nicht wisse, ob sie noch ein Jahr lebe" Sie vermählte sich als kaum Siebzehnjährige mit dem Tenoristen Mühling, und es war ihr vergönnt, mit dem Gatten die diamantene Hochzeit zu begehen. Kurz vor ihrem

I.

Tode schrieb die fast Hundertjährige noch Briefe, verfertige Rätsel, kurz sie war von solch lebendiger Frische, daß jedermann, der ihre UnterHaltung genoß, von der Liebenswürdigkeit der Greisin entzückt war. DaS bekannte Theaterstück von Scribe: „Le verre d’eau“ wird noch jetzt im Schiller-Theater in ihrer Uebersetzung aufgeführt.

im

QBijVS Keil»«. In dem siebenjährigen Kriege zeichnete sich ein junger Hauptmann derartig aus, daß der General Seydlitz den König auf ihn aufmerksam machte. Der König ließ den tapferen Soldaten zu sich be¬ scheiden und sagte freundlich zu ihm: „Er hat sich, wie mir erzählt wird, brav gehalten, Ich will Ihn dafür belohnen. Dort liegen 100 Friedrichsdor und der Verdienstorden — wähle Er!" Ohne sich zu besinnen, griff der Offizier nach dem Gelde. „Ehre scheint er doch nicht im Leibe zu haben", sagte der König unwillig. — „Verzeihen Eure Majestät", erwiderte der

Offizier freimütig, „ich habe Schulden, und die Ehre erfordert es, daß ich Den Orden werde ich mir in den nächsten Tagen auch noch diese bezahle. verdienen." — „Brav, mein Sohn", sagte Friedrich, „nehme er den Orden 8. nur gleich mit, Er verdient ihn."

Nercinsnachrrchten Verein für Geschichte der Mark Brandenburg.

(Sitzung vom 11. September 1895.) Herr Amtsrichter Dr. Holtze sprach über das am 14. und 24. August 1587 niedergeschriebene Testament des kurDasselbe ist nicht brandenburgischen Kanzlers Lampert Diestelmeier. nur lehnSrechtlich bemerkenswert, sondern auch deshalb, weil der Kanzler darin in der verschiedensten Weise bestrebt ist, seinen Sohn, den im RatSdienste angestellten Christian (den späteren Kanzler) zum Verbleiben im Staatsdienste zu bewegen, den dieser gern so bald als möglich verlaffen Für die Familiengeschichte LampertS erfahren wir aus dem hätte. Testamente, daß sein Ohm Frankenstein — vielleicht ein Bruder oder Bruderlohn seiner Mutter — daS in Leipzig angelegte sehr bedeutende Kapitalvermögen LampertS verwaltete, ferner die Höhe seines AllodialbesitzeS, der etwa 100 000 Thaler, nach heutigem Gelde mindestens eine Million betrug. Langatmige Mahnungen richtet er an seinen Sohn und seine beiden Schwiegersöhne v. Kötteritsch und v Psuel, ihre Frauen gut zu behandeln, still und eingezogen zu leben, sich des SausenS zu enthalten und ja für eine sichere Anlage ihrer Kapitalien zu sorgen. Im Nachtrage vom 24. August 1587 spricht der Testator die Absicht auS, für seine Witwe ein zweites HauS in Berlin zu erwerben. Diese Absicht hat Lampert insofern ausgeführt, als er daS von ihm bisher mit der Familie seines Sohnes Chrütian bewohnte Haus am Molkenmarkt dieser allein überließ und mit seiner Frau in da§ HauS Poststraße 2, welches den Nachkommen seines Vorgängers, des Kanzlers Weinleben, gehörte, verzog, woselbst er dann am 12. Oktober 1588 gestorben ist. DaS im Original auf dem fürstlich Lynarschen Schlosse zu Lübbenau, in einer Abschrift auf dem Geh. Staatsarchive befindliche Testament gelangte zum Teil zur Verlesung. Herr Privatdocent Dr. Gal land teilte aus einer zur Veröffent¬ lichung bestimmten Abhandlung über die ältesten Baubeamten der Kurfürsten Friedrich Wilhelm einige Angaben mit, die sich vorzugsweise aus G. Memhard, den Baumeister des älteren Oranienburger Schloff s. beziehen. Dieser angeblich holländische Architekt soll, um die Mitte deS 17. Iah < Hunderts auS seiner westlichen Heimat nach Berlin berufen worden sein. Nun ist aber aus verschiedenen Urkunden deS Geh. StaatSarchioeS ersicht¬ lich, daß Memhard bereits unter dem Kursürsten Georg Wilhelm bei der preußischen Festung Pillau alS zweiter Ingenieur angestellt war. Kurz vor deut Thronwechsel, im Sommer 1640, reiste er auf Befehl jenes Ueberhaupt blieb Memhard selten lange Fürsten nach den Niederlanden. an einem Orte er durchquerte öfters den deutschen Norden, vom Kurischen Haff bis zum Zuidersee oder in die Clever Gegend und wird dabei wohl wiederholt Berlin berührt haben. Inzwischen wurde seine Bestallung als FestungSingenieuc oder richtiger gesagt als Reiseingsnieur zwei Mal erneuert, in den Jahren 1641 und 1645. Seine Funktionen bestanden vornehmlich darin, zwischen dem Kurfürsten unv den Kommandanten der brandenburgisch-preußischen Festungen in Fragen der Fortifikation zu ver¬ mitteln, der persönliche Ueberbringer wichtiger Meldungen zu sein, die man entweder dem Papier nicht anvertrauen wollte oder die bei der Eile der Kriegsgeschäfte nicht schnell und deutlich genug fixiert werden konnten. Nichtsdestoweniger stand Memhard zu Pillau auch im GehLt unter vem Ingenieur Joh. Carneliß van DoeSborg, der, ein Holländer, vorher im Dienste der damals halb polnischen Stadt Danzig thätig war. Um eine Gehaltsaufbesserung zu erlangen, richtete nun Memhard ein ausführliches Gesuch an Friedrich Wilhelm, ein Schreiben (Ende 1647), welcher inter¬ essantes biographisches Material über den Meister enthält und außerdem entnehmen läßt, daß derselbe anscheinend gar kein Holländer war. Giebt er doch als Grund seiner Vertreibung auS seinem Vaterlande „daS ' beschwerliche Krieg?- und Reformations-Wesen an. Auch ist er auffällig, daß M. von vornherein der deutschen Schriftsprache völlig mächtig war, was man von keinem der damals in der Mark ansässigen nachweislich holländischen Techniker behaupten kann. Seine flehentliche Bitte, ihn „ein¬ mal an einen beständigen Ort" zu setzen, damit er sein „ganzes Wesen recht formieren" und dem Kürfürsten „mit mehreren! Nutzen als bishero dienen" könne, wurde endlich erfüllt. Am 12. März 1650 traf er, am Ziele seiner Sehnsucht, an der Spree ein. In Berlin erwarteten ihn gehäufte Arbeiten: am Schloß, im Lustgarten, beim Festungsbau und bei der Anlage des neuen Stadtteils Friedrichswerder, dessen erster Bürger¬ meister M. wurde. Die Jahreszahl „1648", die sich auf einem der hiesigen

I.

480 Magistralsbibliothek gehörigen Exemplare des bekannten Memhardschen StadiplaneS befindet, ist eine ziemlich plumpe Fälschung. Der Meister hatte übrigen- mehrere Jahre früher (1648) auf kurfürstlichen Befehl einen ähn¬ lichen Plan der kleinen niederrheinischen Festung Calcar geschaffen. Aus MemhardS spätere Berliner Thätigkeit gehl Nikolai etwas ausführlicher ein. Von seinen sechs Kindern bekleidete ein älterer Sohn den Posten eines kurfürstlichen ReiseapothekerS; ein jüngerer Sohn. Johann Christoph Memhard. war ein ziemlich unbedeutender Architekt und vorzugsweise am Oranienburger Schloßbau unter Friedrich III. untergeordnet beschäftigt.

Kücherttfch. Sagen und Erzählungen der Sglter Friesen.

Von

Garding 1895. Vertag von H. Lühr C P. Hansen. 3. Aufl. und DirckS. Preis 3 Mk. AIS vor ca. 40 Jahren in sommerlichen Tagen die ersten Gäste nach der nordfriesischen Insel Sylt eilten, um an ihren ..Wellen und Winden" Genesung zu suchen und zu finden, wurde bald die stille Wohnung des Lehrers und Chronisten Christian Peter Hansen auf dem Keitumkliff von Fremden aus aller Herren Länder belebt. Mit dem Gruße: ,.Hier sind wir, Sie haben uns in Jhnn Schriften so freundlich eingeladen!" kehrten sie, herzlich bewillkommt, hier ein, um die Schätze seiner ethnographischen Was sic und naturhistorischen Sammlung in Augenschein zu nehmen. aber noch mehr erfreute, war die Zuvorkommenheit, mit der der biedere Friese in schlichter Einfachheit seine Erzäblungen vortrug, die er bis dahin teilweise in verschiedenen Schriften veröffentlicht hatte. Diese Schriften, welche alle aus der echldeutschen HeimatSIiebe heraus geschrieben sind, fanden reichen Beifall, so daß eS in den letzten Lebensjahren Hansens (er starb am 9. Dezember 1879) mit Recht hieß: „Wer Sylt kennt, kennt auch den alten Hansen." Er genoß in der Gelehrtcnwelt des deutschen Vaterlandes hohe und wohlverdiente Achtung; seine Werke über Sylt werden immer wieder von denen aufgesucht werden müffen, die sich eine gründliche Kenntnis der Insel sowohl als ihrer Bewohner erwerben wollen. Nachdem im Jahre 1891 „Das Nordseebad Westerland auf Sylt und dessen Bewohner" mit einer Biographie Hansens von Chr. Jensen in zweiter Auflage erschienen ist, sind nunmehr auch die „Sagen und Erzählungen der Sylter Friesen" in dritter vermehrter Auflage bei H. Lühr u. DirckS in Garding, von Jensen, der mehrere Jahre in der Hansenschen Sammlung

&

-

thätig war, bearbeitet, in schöner Ausstattung erschienen. Beim ersten Er¬ scheinen dieses Buches wurde von der Kritik besonders rühmend hervor¬ gehoben die einfache, edle Erzählungsweise des VerfafferS. Die „Sagen und Erzählungen der Sylter Friesen," in denen der Ton echter Volkstüm¬ lichkeit getroffen ist, sind eine Perle innerhalb der verschiedenen deutschen Sagenkreise. Wo sich in ihnen Beziehungen zur alt-nordischen Mythologie nachspüren ließen, hat Hansen er sorgfältig gethan und so mancherlei Neues und JntereffanteS zu Tage gefördert. Die eingehende Beschreibung der Insel und die klare Karte, auf welcher die zahlreichen Hünengräber Sylts namentlich verzeichnet sind, erhöhen den Wert des Buches, das wir Es wird allen jedem Besucher Sylts angelegentlichst empfehlen kännen. eine liebe Erinnerung sein an die Stätten, an denen sie glücklich waren. —os —

Inhalt: Erzählung

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(l.

M. von

Durst.

Fortsetzung.)

erhob leise seine tiefe Stimme. „Ihr Herr. Böser Zufall waltet in martert unnütz, Euch (JP Eurem Hause, doch steht Ihr noch in der Vollkraft des Lebens, und Euer Stamm kann zum andernmal erblühen und neue

(^Saer Schloßvogt

Sprossen treiben."

Fast heftig fiel der Herzog ein: „Wir sächsischen Askanier find dem Untergange geweiht. Mein Vater, Kurfürst Wenzel, ein noch rüstiger Mann, war in wenigen Tagen gesund und tot; er starb so plötzlich, daß es im Volke hieß, er sei ver¬ giftet worden, aber niemand konnte die Wahrheit des Gerüchtes Zwei meiner älteren Brüder starben in der Kind¬ erweisen. heit an einem heftigen Fieber. Die Söhne meines Bruders Rudolf wurden von dem einstürzenden Turme des Lochauer Schlosses erschlagen; er selbst fiel in der Schlacht gegen die Hussiten. So bin ich der letzte des ganzen Geschlechts. Wie

willst Du in dem allen nur das Walten des Zufalls erkennen? Einst glaubte ich wohl daran; doch, suchte ich meine Seele damit zu beschwichtigen, so quälte mich der Zweifel, ob denn auch die Weltordnung gerecht sei, die so furchtbare Schick¬ salsschläge auf ein unschuldiges Geschlecht häuft. Da trat mitten in der tiefsten Nacht der Priester vor mich. Als ich mit ihm sprach, so wie ich jetzt mit Dir spreche, zeigte er mir die verborgene Schuld, die auf unserm Hause ruht, den Fluch, der sich an unsere Sohlen heftet, also, daß der blind¬ waltende Zufall die Rache ist, die uns überfällt, schnell und heimlich, wie der Dieb um Mitternacht. Setze Dich dort mir gegenüber, und laß Dir das Rätsel lösen, das Du aus meinen Worten zu hören vermeinst! Doch dazu muß ich er¬ zählen. was vor langer Zeit geschah." Der Herzog war inzwischen aufgestanden und ging im

Zimmer auf und ab. Sein blasies Gesicht hatte sich gerötet, die dunklen Augen glühten, und mit leiser Stimme begann er: „Es war an einem bitterkalten Weihnachtsabende. Die Luft war still, und die Sterne leuchteten. Wir feierten die Geburt unseres Herrn im Schlosse zu Lochau. Der Saal war mit Tannenreisern und Kerzen geschmückt, und wir Kinder jubelten laut über unser Spielzeug. Da pochte ein dunkelhaarig Weib, das ein Kind auf dem Arme trug, an das Thor der Burg und begehrte Einlaß für die Nacht. Ich ward zufällig Zeuge des folgenden Herganges, denn ich hatte mich auf den Hof begeben, um mich unbemerkt in den Stall zu schleichen und dort die Nacht zuzubringen, dieweil man mir erzählt hatte, in der Christnacht bekämen die Tiere Sprache, und ich verspürte große Lust, unsere Rosie reden Dem Thorhüter war das landstreichende Weib in zu hören. der heiligen Nacht unheimlich, und er weigerte sich, ihr Obdach zu geben.

„Ich will

den Kurfürsten sprechen,

er kennt mich", be-

harrre die Einlaß Begehrende. „Kennt Dich?" höhnte der Thorwart. „Will solch ein Aber es mußte Bettelpack auch noch wiedererkannt sein?" Frau liegen, Wesen der Besonderes in dem etwas doch wohl was den Diener bewog, dennoch seinen Herrn von dem Ver¬ langen der Bettlerin in Kenntnis zu setzen; genug, mein Vater kam auf den Hof. Bei dem Anblick des Weibes prallte er zurück.

„So recht!" rief

„Entsetzen faßt Dich über bin Dein Werkzeug." „Ich kenne die Frau nicht", rief mein Vater mit heiserer Stimme dazwischen, „sie ist wahnwitzig."

Dein Werk, und

das Weib.

ich selbst



482

„Wahnwitzig war ich, Dir zu glauben", klagte das Weib, „Du eidbrüchiger, falscher Mann! Gieb jetzt Obdach Deinem verschmachtenden Kinde!" „Hinaus mit dem sinnlosen Weibe!" tobte mein Vater. Man verjagte Da griffen die Fäuste der Diener zu. das weinende Weib, aber ihre gellende Stimme klang durch die verschlossene Pforte: „Fluch

Dir. Du ehrloser Mann, der

Du

dem werdenden Leben die Gerechtigkeit schuldig bliebst! Den Sproß Deines Stammes ließest Du unbeachtet, dieweil er kein Edelreis. Aber der Herr wird Dich schlagen, bis auch Deine Edelreiser verwelkt find. bis kein Zweig mehr Blüten treibt, kein Ast mehr Augen hat und der entblätterte Stamm dem Sturme zum Opfer fällt. Fluch Dir, Du stolzer Kurfürst, Dir und Deinem Hause!" Das Weib entschwand. Am nächsten Morgen ward sie mit dem Kinde an der Landstraße erfroren aufgefunden, und mein Vater ließ sie heimlich von einem ihm ergebenen Priester begraben. Die Kirche wollte ihr als einer Landfremden kein ehrlich Begräbnis gönnen. Mich halten die Worte ins Herz getroffen, obgleich mir erst später der Zusammenhang kund ward zwischen jener Frau und meinem Vater. Ungefähr zwei Jahre vor |biefcm Begebnis, das ich erzählte, war der Kurfürst nach Böhmen gezogen, um einen der Großen des Landes wiederzusehen, der mit ihm am Hofe des Kaisers als Page gedient hatte, und der durch innige Freundschaft mit ihm verbunden war. Doch da er an dem Schlosse im Böhmerwalde anpochte, sagte man ihm, der Edelmann sei ferne in Jerusalem. Schon wollte der Kurfürst den Heimweg antreten, da ließ ihn der Vater seines Freundes zu sich bescheiden und bat ihn, die Gastfreundschaft der Burg einige Zeit anzunehmen und ihm, dem alten, einsamen Manne, einige frohe Wochen zu ichenken. Mein Vater blieb, und daß er es that, war sein Unglück, denn er sah die jüngste Tochter des Edelmannes, die Schwester seines Freundes, und sie entflammte seine Sinne und setzte sein Blut in Brand. Er verschwieg, daß er vermählt sei, und als er nach Wochen und Monden Abschied nahm von der böhmischen Burg. und der Liebestraum ausgeträumt war, da versprach er dem weinenden Mädchen, wiederzukommen und sie heimzuführen. Aber das Mädchen hörte bald genug, daß der Kurfürst von Sachsen nicht wiederkommen werde, da er daheim Weib und Kind habe. und als ihr stolzer Vater das Elend erfuhr, ließ er sie peitschen und versagte ihr fortan das schützende Dach seines Hauses. Da ist die dunkelhaarige Böhmin mit ihrem Kinde hinausgezogen, meinen Vater zu suchen, und als sie ihn endlich unter tausend Nöten und Ent¬ behrungen im Lochauer Schlöffe erreichte, und man sie auch hier zurückwies, da war es mit ihrer Kraft zu Ende, und so ist sie jammervoll gestorben und verdorben."

Herr Konrad blickte dem Fürsten in die Augen. „So meint Ihr, der Fluch jenes Mädchens sei an Euerm erlauchten Hause haften geblieben und habe es verödet vor der Zeit? Hat aber nicht auch sie gesündigt und Unehre über das graue Haupt ihres Vaters gebracht? Wie vermögt Ihr den Worten eines Weibes ein solches Gewicht beizulegen?" Herzog Albrecht hielt inne in seinem Gange durchs Zimmer. „Die Schuld war meines Vaters", sagte er. „Er verschwieg, daß er vermählt sei, er brach meiner Mutter die Treue, er handelte Unrecht an dem Freunde, dessen Schwester

i

mit seiner Liebeslockung umgarnte, und er betrog den Gastfreund, der ihm vertraute, indem er ihm Gastrecht schenkte. Das war die Schuld, Konrad, von der es heißt, daß Gott sie heimsucht an den Kindern; und wahrlich, uns hat er schwer geschlagen. Lauenburg ist Wittenbergs rechter Erbe. und mein

er

Vetter, Herzog Johann, har mich gebeten, den Kaiser anzu¬ gehen. daß er ihm schon jetzt die Vorbelehnung über meine Lande erteile, damit jedwede Erbschwierigkeit nach meinem Hinscheiden im voraus beseitigt sei. Ich meine", fuhr der Kurfürst leise fort, „das Recht steht auf seiner Seite, und darum gedenke ich, Johanns Bitte zu erfüllen und sie dem Kaiser beim nächsten Reichstage vorzutragen." Herr Konrad sprang vom Sessel auf, und indem er sich „Und durch schwer auf bie Lehne stützte, fragte er erregt: Bitte vortragen lassen?" hat Euch Herzog Johann diese wen „Erasmus hat mir einen Brief meines Vetters überbracht", sagte Albrecht. „Der Bruder des Plebans, der in der Stadt Lauenburg angesessen ist, lag im Sterben und hatte ihn zu sich beschieden, und da der Pleban sich auf den Heimweg begab, nahm er den Brief des Herzogs an

mit."

mich

Konrad ballte die Faust. „Der Priester und immer der Priester!" murmelte er ingrimmig. „Ich hätte mir denken können, daß sich kein anderer zum Werkzeuge des Lauen¬ burgers hergab." Laut aber sagte er: „Und der Pleban hat Euch mit Wort und Beispiel bewiesen, daß Ihr nichts Besseres thun könnt, denn die Bitte Johanns erfüllen?" Der Herzog sah den Schloßvogl mißtrauisch an. „Du bist gegen Erasmus eingenommen, seine Art ist Dir zuwider, hier aber solltest Du Person und Sache von einander trennen. Der Pleban lehrt mich den göttlichen Willen erkennen, und an mir ist es, mich ihm zu fügen."

„Ihr

„Ich bitte

Euch, gnädigster

Herr", rief Konrad

dazwischen,

gedenkt doch nicht der Vorbelehnung Vorschub zu leisten?

Das ganze Land ist dem Lauenburger wenig freundlich ge¬ sonnen und wünscht unserer Herrschaft noch ein lang und Gedenkt der alten Zeiten, und wie die Lauenburger getrachtet haben, Euer Haus und das Land zu schädigen!" »Ich gedenke ihrer, doch muß ich mein Haus bestellen, es ist Zeit dazu." sagte der Kurfürst ernst. Herr Konrad erhob die treuherzigen Augen. „Es ist ja wahr, der Mensch soll sein Ende bedenken, aber er soll auch des Lebens Lust nicht vergessen. Schuf doch der Herrgott die schöne Welt allen Menschen zum Wohlgefallen, und nur die Priester wollen sie uns in ein Leidensthal verwandeln. So¬ fern Ihr noch auf meine Worte hört. gnädigster Herr, so be¬ schwöre ich Euch, gebt wenigstens dem Lauenburger nicht sofort Antwort auf seinen Brief! Vielleicht schafft die Zeit, daß Ihr noch ein ander Ansehen von der Lage der Dinge erhaltet. Doch. halt! Ihr habt doch nicht etwa schon heute dem Priester geantwortet?" gesegnet Regiment.

Albrecht blickte schwermütig auf den erregten der Pleban hatte zwar dem Herzoge zugesagt, ihm sogleich einen treuen Boten mit meiner Herzog

Mann.

„Mein guter Konrad,

Antwort zu senden, doch ich habe diese verschoben, bis die Kaiserliche Aufforderung zum Reichstage an mich ergeht." Konrads Gesicht glättete sich. Heute war mit dem Fürsten nicht zu streiten,, das sah er ein; aber uoch war

•ä

483

nichts verloren, und er konnte vielleicht späterhin mit besserm „Kommt Zeit, Erfolge das heutige Gespräch aufnehmen. kommt Rat," dachte der Schloßvogt. Er hoffte gern.

Der Hund, der zu

den Füßen

des Herzogs lag.

hatte

sich erhoben und rieb die Schnauze an den Knieen seines Herrn. Er war ein schönes Tier, aber man sah, er war Der Herzog sehr alt, und seine Augen waren halb erblindet. hatte ihn aufgezogen und mochte sich nun nicht von ihm trennen. Liebkosend fuhr er mit der Hand über den braun¬ haarigen Kopf seines langjährigen Gefährten. „Alter Treu." meinte er. „Du wirst doch wohl vor mir hingehen, und ich werde, wenn es mir auch schwer fällt, mich daran gewöhnen müffen, daß ein Nachfolger Deinen Platz hier einnimmt, und wie mir mit Dir. so wird es auch dem Lande mit mir

ergehen."

war im Gemach still geworden, auch der Wind schwieg für einige Minuten, da erscholl plötzlich vom untern

t» ich zusehe, ob ich die freundlichen Kindergefichter

der Jungfrauen wiedererkenne!" Konrads rotes Gesicht erstrahlte

Worten. „Mit Verlaub, edler Herr, ich werde sie Euch mit vieler Freude vorstellen, und bin ich auch ihr Vaier, so darf ich doch mit Stolz gestehen: schönere Kinder werden im ganzen Sachsenland selten gefunden werden." Darauf verneigte sich der Schloßvogt und ging. Albrecht sah ihm nach, lehnte sich dann an das Fenster und lauschte auf das Saitenspiel, das noch lange erklang. Freilich wurden die sanften Töne oft vom Sturme ver¬ schlungen, aber der Wind kam von Mittag, und unter seinem Hauche

taute das

starre Erdreich

fröhliche Weise herauf, und Lautenspiel be¬ gleitete das Lied. Albrecht lauschte; er war ein Freund der edlen Musik, und schon oft hatten ihm die Kurrende-Knaben den Trübsinn durch ein fröhliches Lied verscheucht. eine

„Wer ist die Lerche, die noch am Abend ihren fröhlichen Sang ertönen läßt?" fragte der Herzog.

„Mein jüngstes Kind, Offka, wird nicht denken, daß ihr Lautenspiel Euer Ohr erreiche. Entlaßt mich, gnädiger Herr, daß

ich es dem unbedachten

Mägdlein verbiete!"

Der Kurfürst hörte nicht auf die Erwiderung, sondern fragte erstaunt: „Du sagst, Dein Kind. Konrad? Ich denke. Deine Töchter werden von den Nonnen im Kloster Plozeck erzogen?"

„Wurden, gnädigster Herr, wurden, denn nun find die Vöglein flügge, und ich mußte sie wieder ins heimische Nest nehmen, ward es ihnen doch nachgerade bei den frommen Müttern zu einsam." Herzog Albrecht lauschte auf die Weise, und ein freund, licher Glanz lag in seinen Augen, als er sagte: „Ich kenne das Lied, das dort unten ertönt, es ist ein feurig Liebes¬ lied. Hat das Deine Tochter von den frommen Schwestern erlernt?" „Um Gott, Herr Herzog, was denkt Ihr!" fiel der Ritter schier erschrocken ein.

sie

Der Herzog sah den Sprecher lächelnd an. diese Weise, Konrad? Etwa Du?"

„Wer lehrte

Ein Schmunzeln überzog bei diesen Worten das Gesicht des Ritters, und er schickte sich an. die Erklärung zu geben:

„Als

ich meine

Töchter aus dem Kloster Plozeck holte, mußte

mit ihnen auf der Flämings-Burg Rabenstein beim Ritter von Oppen Rast machen, dieweil des Ritters Hausfrau die Kinder ihrer Schwester zu schauen begehrte. Da hatte sich just zur selben Zeit, als wir auf dem Rabenstein einzogen, der einzige Sohn des Paares von einer Reise eingefunden, und der übermütige Junker, der Possen voll, hat meine ich

Kinder statt frommer Psalmen manches weltliche Lied gelehret. Erlaubt, daß ich gehe und dem Kinde das Spiel verbiete!"

„Mit „Du

nichten, Konrad!" fiel der Kurfürst freundlich ein. weißt, mich tröstet Musik. Du magst jetzt hinabsteigen,

aber sorge, hörst Du

daß Dein Kind nicht innehält im Singen! Und wohl, sende mir morgen Deine Töchter zu, damit

und

bei

diesen

schmolz

der Schnee.

Der Frühling war nun wirklich herbeigekommen und harrte vor der Thür. (Fortsetzung folgt.)

Es

Stockwerk

in den Zügen

Das Kaiserliche Dost- Zeitungsamt in Krrtin. (Schluß.,

Interessant ist es. einen Blick in das Getriebe des PostZeitungs-Amres zu werfen. Das „Archiv für Post und Tele¬ graphie" schildert das Tagespensum wie folgt: Zu Mitternacht treten zugleich mit den Auffichtsbeamlen der Postschaffner zur Bedienung der Aufzüge und 32 Post¬ schaffner der Versendungsstellen an, um die am Abend zuvor verspätet und in der Nacht eingelieferten Zeitschriften — tn unserem Fall 9976 Stück — in die Fächer zu verteilen und später den letzteren wieder zu entnehmen. Bis 2 Uhr früh treffen weitere 14 Postschaffner ein, welche bis zum Beginn des Versendungsgeschäfts die eingegangenen leeren aufgerollten Zeitungssäcke zur neuen Verwendung vorzubereiten haben.

Eine halbe Stunde später beginnt die Einlieferung der Zei¬ tungen; sie zieht sich in verschiedenen Abschnitten bis 6 % Uhr Morgens hin. Der größte Andrang findet um 3 Uhr statt; alsdann werden 6 Zeitungen mit rund 60000 Exemplaren — in Stößen von 200, 300, 400 und 500 Exemplaren ge¬ ordnet — auf einmal eingeliefert. Ebenso rasch aber, wie der mit Stahlplatten belegte, 21 qm umfassende eiserne An¬ nahmetisch von einem Ende bis zum andern sich angefüllt hat, wird er wieder leer. Das Nachzählen geschieht mit einer staunenswerten Fingerfertigkeit, indem der Nachzählende die

Finger über die langen Stöße rasch dahingleiten läßt, dabei die Exemplare in der ihm zugerufenen Anzahl ergreift und

dem

abholenden

Postschaffner

jeder

Versendungsstelle

Es gilt nun für die Versendungsstellen sich zu zuschiebt. beeilen, um zunächst für 178 Postanstalien in Berlin und Umgegend die Säcke und Packete mit 5200 Exemplaren bis — Um 3V2 . 4, 5, 6 3 Uhr 20 Minuten fertig zu stellen. und 6 V2 Uhr treffen die übrigen 130100 Exemplare eüt. Das Versendungsgeschäft ist um 7 */4 Uhr Vormittags beendet, während sich jdas Verladegeschäft bis nach 8 Uhr hinzieht. Bis 6 Uhr Vormittags find 11 und bis 8 % Uhr noch 9 Postwagen mit zusammen 468 Zeitungssäcken nach den Bahn¬ höfen abgelassen worden. Um 8 Uhr melden sich 44 Post¬ schaffner, welche am Nachmittag und Abend vorher beschäftigt waren, zum Dienst. Arbeit liegt in großer Fülle vor; zu¬ nächst handelt es sich um die Vorbereitungen für die Ver¬ sendung der Zeitungen am Nachmittag: es sind Ortszettel und Papierstreifen auf der Maschine zu schneiden, die Ortszettel

■fl

484

auf die Papierstreifen zu kleben (für den Tag sind 16000 bis 20000 Stück Ortszettel und ebenso viel Papierstreifen erforderlich), eine Menge Zeitungssäcke müssen umgewendet und gelegt. Rundfahrten nach den Zeitungsexpeditionen mit den beim Post-Zeilungsamt aufgestellten Aushülfsgespannen verrichtet, sonstige dienstliche Botengänge besorgt werden und dergl. mehr. Inzwischen sind Gesetzblätter in großer Zahl eingeliefert worden, deren Verteilung und Verpackung die Postschaffner von 10^ Uhr Vormittags bis 1 Uhr Nach¬ mittags vollauf beschäfiigk. — Um 1 Uhr beginnt die Ab¬ lösung: 68 Postschaffner treten gleichzeitig an. In den Ver¬ packungsräumen beginnt ein hastiges Hin- und Hereilen. Etliche Schaffner besorgen die eingelieferten Zeitschriften von der Annahmestelle nach den Versendungsstellen, andere schaffen die in Gebrauch zu nehmenden Säcke

von der Sacklagerstelle Versendungs- und Sammelstellen, wieder andere holen die Verteilungsbücher und Listen aus der Bestellabteilung herbei. Der Postschaffner der Postillionsabfertigungsstelle läßt

nach

den

gefertigten 40 Säcke mit Gesetzblättern zusammentragen und in die Postwagen verladen. Um 4% Uhr treten weitere die

58 Postschaffner an (15 zum Verpacken der Zeitungen, 30 zum Verteilen der Zeitschriften in die Fächer und 8 zum Ab¬ tragen der Packele und Säcke), so daß nunmehr 121 Post¬ schaffner im Dienst anwesend sind. Bereits treffen einige Wagen mit Zeitungen ein, bis um 5 Uhr der Andrang ein sehr starker wird: 9 Zeitungen in 90800 Exemplaren werden auf einmal eingeliefert, der niächtige Tisch ^vermag sie kaum zu fassen; aber, gleichwie am Morgen, geschieht die Verteilung der Exemplare mit größter Geschwindigkeit. 5 Minuten später sind sämtliche Versendungsstellen mit Zeitungen versehen, von wo aus bis 5 Uhr 20 Minuten 4 Postwagen mit 9 Kurssäcken und 15 Packeten iür die Stadtpostanstalten, rund 12000 Exemplare enthaltend, in weiteren 10 Minuten noch 4 Postwagen mit 17 Kurssäcken und 18 Packeien (rund 21000 Exemplare) abzulassen find. Die nächsten Lieferungen erfolgen bis 7 Uhr Abends in Zwischenräumen von ®/4 bis 1/2 Stunde. Bereits bis 6 Uhr 45 Minuten sind 24 politische Znlungen in rund 180100 Exemplaren und 75 Zeitschriften in rund 56000 Exemplaren zu den Bahnposten befördert. Die übrigen 163098 Eremplare der politischen Zeitungen und 51150 Exemplare nichtpoliiischer Blätter entfallen auf die später ab¬ gehenden Züge. Nach Beendigung des Dienstes zeigt sich, daß 24 politische Zeitungen in 344098 Exemplaren und 96 nicht politische Zeitungen mit 107150 Exemplaren in 596 Säcken mittels 38 ein- und zweispänniger Wagen nach den Bahnhöfen und Stadtpostanstalten befördert worden sind. 11 Zeitschriften in 5850 Exemplaren sind verspätet eingeliefert worden und gelangen erst am nächsten Morgen zur Absendung. — Die Gesamtzahl der innerhalb des 24stündigen Zeitraums

zelnen Versendungsstellen nicht rechtzeitig zugehen und oft zwei

und mehr Postwagen fast zu gleicher Zeit planmäßig abfahren müssen. Nicht weniger als acht elektrische Glocken und zwei Sprachrohre dienen zur Verbindung zwischen den verschiedenen

Stellen der Versendungsabteilung. Der Verkehr in den Abendstunden gestaltet

abgesandten Zeitungssäcke hat 1104 Stück betragen;

ihr

Ge¬

An Zeitungspacketen sich auf rund 39500 kg. find rund 18500 Stück gefertigt worden; ihre Zahl würde bei weitem größer gewesen sein, wenn Reichstag und Abge¬ ordnetenhaus Sitzungen abgehalten hätten; im letzteren Fall nehmen die Zeitungen einen wesentlich größeren Umfang an. belief

Am lebhafiesten geht es an der Verladestelle zu, wo die Zeitungssäcke verlesen und für die einzelnen Kurse zusammen¬

Der Postschaffner der Postillons-Abferttgungsstelle hat einen schwierigen Stand, wenn ihm Säcke von ein¬ gestellt werden.

besonders

wenn einer der drei letzten Wochentage, an denen bei weitem mehr nichtpolitische Zeitungen als an den ersten drei Wochentagen eingeliefert werden, auf den 1 . oder 15.

Monars fällt. Dann gelangen die Modezeitungen mir ihren großen Auflagen, die Monatsblätter, viele Unterhaliungsblätter, häufig auch das Amtsblatt des Reichs-Postamts, das Archiv für Post und Telegraphie, das Beiheft zum Militairwochenblatt u. dergl. zur Einlieferung. An solchen Tagen steigert sich die Zahl der gefertigten Zeitungssäcke um mehrere Hundert Stück, oft sind zehn und mehr Gespanne über die gewöhnliche Zahl hinaus erforderlich. So überwältigt das Postzeilungsamt in Berlin täglich eine Sisyphus-Arbeit, welche ihren Höhepunkt erreicht, wenn die Reisezeit beginnt und zahllose Berliner sich ihre Zeitungen in die Sommerfrischen und Bäder als Reise-Abonnement nachsenden lassen. Diese Ueberweisungen von Seiten der Zeiiungs-Spediteure an die Post betragen bei einzelnen Blättern in den ersten Tagen des Juli oft über 200 Exemplare täglich, und die Buchungen und Schreibereien des Post-Zeitungs¬ amtes steigern sich dabei ins Ungeheure. Diese gewaltige Arbeitslast überwindet die bis ins Kleinste wohl organisierte Behörde, von deren Wirksamkeit nur wenige Berliner eine Vorstellung haben, da man die am Orte selbst erscheinenden Zeitungen in Berlin vorzugsweise durch Zeitungsspediteure bezieht, mir einer Genauigkeit und Zuverlässigkeit, welche staunenswert ist und ein wohl geschultes Beamlenheer von echt preußischer Pflichttreue voraussetzt. des

Aus der Vergangenheit Stralaus.*)

l

wicht

sich

schwierig,

Von

Richar!» George. (Mit Abbildung).

den

Der Ursprung von Stralau oder — wie man sechsziger Jahren sagte — von Stralow —

noch

ist

in in

Dunkel gehüllt. Keine Urkunde nennt den Namen seines Gründers oder das Jahr seiner Gründung. Mit Bestimmt¬ heit läßt sich aber behaupten, daß Stralau ein wendisches Fischerdorf von sehr hohem Alter ist. Auf diesen wendischen Ursprung weist neben dem Namen — den man als Aue des Pfeiles, d. h. Landzunge, erklärt — vor allem auch die Lage Stralaus auf der spreeumflossenen Halbinsel hin, die für den Fischfang die günstigsten Bedingungen bot. Die Wenden liebten für ihre Niederlassungen und Dorfanlagen derartige geschützte und gesicherte Oertlichkeiten, die nur von einer Seite, in diesem Falle also von Berlin her, zugänglich waren.

In

der durch Urkunden beglaubigten Geschichte erscheint

Stralau

erst im 13. Jahrhundert. Die erste urkundliche Er¬ wähnung fällt in das Jahr 1244. In diesem Jahre befand sich ein Ritter von Stralow im Gefolge der Markgrafen Johann und Otto zu Spandau; ein Ritter Rudolf von

*)

Ueber vorgeschichtliche Funde

Friedet im

„Bär"

1878, Nr. 30.

in Stralau berichtete Herr Geheimrat

Dlie-

Original

befindet

sich

in

der

Berliner

Magistrats-Bib,

lachet.

•e

486

Stralow verkaufte |im Jahre 1261 an die Stadt Cölln die Myrica, eine Heide, die Stralau gegenüber an der Spree lag. Es läßt sich annehmen, daß die in diesen Urkunden aus dem 13. Jahrhundert genannien Ritter die Besitzer eines gutsherrlichen Hofes waren, der sich in der Nähe des Rummels¬ burger Sees befand. Zu diesem wendischen Edelfitz gehörten der Rummelsburger See und das Dorf Stralau, welches 1288 zum erstenmale in einer Grenzberichrigungs-Urkunde erscheint, in welcher der stralowsche Damm angeführt wird. Später gelangte Stralow in den Besitz der Brüder Christian und Friedrich Bartolsdorp, von welchen 1358 die Stadt Berlin das Dorf und den Hof Stralow käuflich erwarb. So war denn Stralow ein berlinisches Ratsdorf geworden. Als solches hat es im Landbuch Kaiser Karls IV. keine Aufnahme gefunden. Im Berliner Stadtbuche wird das Dorf Stralau 13 97 zum erstenmale erwähnt.

Es

hatte nach demselben

Rat im Stadtbuche genau Das Dorf Stralau kam Jahrhunderte hin¬ verzeichnet find. durch über diesen geringen Umfang nicht hinaus; noch im Jahre 176 9 bestand es aus den 11 Höfen, welche un§ das Mit dem Dorfe Stralow hatte Sladtbuch von 1397 nennt. der Rat im Jahre 1358 auch den Gutshof erworben; er hieß damals der „neue Hof" und war nach dem Stadtbuche von 1397 an mehrere Personen verpachtet. Die letzte Erwähnung dieses Gutshofes fällt in das Jahr 1407, in welchem der Schäfer des Hofes zum Tode verurteilt wurde, weil er die Heide des Markgrafen angezündet hatte. Nach dieser Zeit ist der Gutshof wahrscheinlich wüst geworden und wird in den Urkunden nicht mehr erwähnt. Den Nummelsburger — oder wie er damals hieß — Siralower See halte Berlin ebenfalls 1358 „mit allem Recht und dem Gericht" über¬ Die Fischer zu Stralow durften bis 1424 nur nommen. viermal im Jahre darin fischen, da die große Fischerer seit 1381 vom Rate dem Kalande zu Berlin für ein der Stadl gegebenes Darlehn überlassen war. Auf die Pacht verzichtete der Rar an Stelle der Zinsen, die er sonst den Kalandsherren hätte zahlen müssen. Da der Zinsmann des Kalands jedoch sein Fischereirecht überschritt, bezahlte die Stadt Berlin 1419 ihre Schulden bei den Kalandsherren und überließ 1424 die Benutzung des Sees den Fischern zu Stralow, die bis dahin nur die Fischerei in der Spree hatten. Die jährliche Rente bestand in 6 Schock Groschen und in Lieferung von Fischen. Dies sind die dürftigen Thatsachen, welche die erhaltenen Urkunden über die mittelalterliche Geschichte Stralaus mitteilen. Einen Ruf, der weit über die Grenzen Berlins hinaus¬ 11 Höfe,

deren Abgaben

an

den

hat Stralau durch -den Stralauer Fischzug*) er¬ Der Ursprung dieses Volksfestes ist zweifelhaft und langt. läßt sich nicht durch Urkunden belegen. Auf die wendische Zeit ist das Fest jedoch ebenso wenig zurückzuführen, als man dasselbe mit einer Pflichtleistung der Stralauer Fischer gegen¬ über dem Berliner Magistrat in Verbindung bringen darf. Nach Fidicin, der sich sehr eingehend mit Stralau beschäfligt hat, ist dieser Fischzug am 24. August, dem Bartholomäusrage, von einer kurfürstlichen Verordnung des Jahres 1574 abzuleiten, die 1690 bestätigt worden ist. Diese Verordnung des Kurfürsten Johann Georg vom 23. Februar 1574 be¬ stimmt. daß vom Gründonnerstag bis zum Bartholomäustage geht,

*) Sehr eingehend ist dieser Volksfest im „Bär'' 1876, S. 157 vr. Rich. BSringuier behandelt worden.

von unserem Mitherausgeber

»

-

(24. August) nicht gefischt werden dürfe. liegende Erklärung, daß die Fischer

Es ist eine sehr nahe nach

Ablauf

dieser

Schonzeit den ersten Fischzug in besonders feierlichen Formen

vollzogen.

Stralauer Fischzug somit ein Fest der Freude über die Beendigung der Schonzeit im Es hat jedoch noch eine andere Auffassung viel Fischfang. für sich, nämlich die. daß er schon vor der Fischerei-Ordnung Johann Georgs ein Teil eines Kirchweihfestes gewesen ist. Der 24. August ist der Tag des heiligen Bartholomäus, der neben Petrus als der Patron der Fischer-Gemeinden erscheint, An dem Namenstage weil er. wie dieser, ein Fischer war. ihres Schutzpatrons feierten die Stralauer naturgemäß ihr Kirchweihfest, welches nach Nicolai zum erstenmale 1464 anWas lag näher, als daß sie an diesem zunehmen wäre. Tage das Ergebnis eines in feierlicher Weise vollzogenen Fischfangs der Kirche, d. h. ihrem Pfarrer weihten? Eine gewisse Bestätigung findet die Annahme, der Stralauer Fisch¬ zug sei ein Teil eines Kirchweihfestes, durch die Kirchen¬ matrikel von 1574, welche bestimmt, daß der Pfarrer von Stralau von den 5 Zügen, die am Ftschzugstage gethan wurden, den Ertrag der ersten vier erhielt, um seine kärgliche Nach

dieser Erklärung

ist der

Eine nahe liegende Kombination ist die. den Stralauer Fischzug als ein Namensfest des Schutz¬ patrons von Stralau aufzufaffen, das sich später zu einem entwickelte und nach der Einführung der Kirchweihfest Reformation durch die Fischerei-Ordnung des Kurfürsten Johann Georg als Anfangstag des Fischfangs seine Be¬ deutung erhielt. Die Erklärung des Ursprungs dieses alten, einst so volkstümlichen Festes wird dadurch so schwierig, daß die ältesten Nachrichten, die über dasselbe vorhanden find, erst Besoldung aufzubessern.

aus dem Jahre 1780 stammen. auch nicht genau festzustellen, naturgemäß zunächst eine rein wann dieses Fischzugsfest, das lokale Bedeutung hatte, zu einem allgemeinen Volksfest wurde, an welchem die jüngere Nachbarstadt Berlin, die das kleine Fischerdörflein Stralau in so gewaltigem Maße über¬ flügelte, sich mit tausenden ihrer Einwohner beteiligte. Fidicin

Aus demselben Grunde ist

für das Jahr 1780 entscheiden zu müssen, weil in diesem Jahre zum erstenmale ein preußischer Prinz an dem Stralauer Fischzug teilgenommen har. Es war dies Prinz Ferdinand von Preußen, der jüngste Bruder Friedrichs des Großen (gest. 1813), der sich zu jener Zeit in Friedrichsfelde aufhielt. Der Prinz schrieb an den Berliner Magistrat, er wolle mit seiner Gemahlin und vielen hohen Herrschaften den Der Magistrat ließ die Dorf¬ Stralauer Fischzug besuchen. seine Vorbereitungen zum sonst straße säubern und traf auch glaubt

sich

Empfang des Prinzen. Das Volksfest muß dem hohen Gaste gut gefallen haben, denn er meldete sich bereits am Im nächsten 16. August 1781 zu demselben aufs neue an. Polizeipräsidenten den an August Jahre schrieb er am 21. Phllippi in Berlin: Da der 24. August, an welchem sonst der Stralauer Fischzug gehalten sei, diesmal auf den Sonn¬ abend falle, und am Sonnabend „noch" keine Musik erlaubt sei. so wünsche er die Verlegung der Feierlichkeit, „wobey es doch besonders auf die Menge und Fröhlichkeit der Zuschauer" Damit waren aber der ankomme, auf Montag, den 26. Schulze und die Schöppen von Stralau nicht einverstanden. Sie erklärten sich gegen die Verlegung des Festes, da sie

sehr

487

■■e

offenbar lieber die Musik vermiffen, als von ihrem alther¬ gebrachten Brauche abgehen wollten. Im Jahre 1791 erschien ein hoher, fremder Besuch am preußischen Hofe zum Stralauer Fischzug, nämlich der Herzog von Jork, der zweite Sohn Georgs III. von England, mit seiner Braut, der Prinzessin Friederike, der ältesten Tochter Friedrich Wilhelms II. Das fürstliche Brautpaar fuhr in einer prächtigen, reich geschmückten

Gondel nach Stralau. So war der Stralauer Fischzug hof¬ fähig geworden und hatte damit seine höchste Blüte erreicht, die wir von 1780—1850 ansetzen müssen. (Schluß fo'gt.)

MeLtimtergangs-Antriilidigungen. Altberlinische Erinnerungen und historische Rückblicke von

Carl Stichler. Alle

Rechte vorbehalten.

Meister Rudolf Falb, der in neuester Zeit vielgenannte Erdbebenprophet, hat bekanntlich für die Nacht vom 13. zum 14. November 1899 eine ernste Kometengefahr für uns Erden¬ bewohner angekündigt. In den Morgenstunden des letztge¬ nannten Tages, von 2 bis 5 Uhr, soll es sich da wieder um eine gefahrvolle Begegnung mit einem anderen Weltkörper handeln. Dergleichen Ankündigungen find schon häufig da¬ gewesen und haben zuweilen auch eine allgemeinere Beachtung im alten Berlin sowohl als auch in der ganzen Mark Branden¬ burg gefunden. Im Jahre 1857 bildete eine solche Kometengefahr und damit eng verbundene „Weltuntergangs-Erwartung" in Berlin, in den übrigen Gebieten der Mark und ganz besonders auch in den gesegneten Gefilden Hinterpommerns, Monate hindurch den Hauptgegenstand der Tagesgespräche. Der „Kladderadatsch", der damals sonst zumeist mit dem dritten Bonaparte sich be¬ schäftigte, und vom Kaiser Alexander II. von Rußland ge¬ wöhnlich mit besonderer Vorliebe gelesen wurde, fand sich sogar veranlaßt, mit zahlreichen humoristischen Illustrationen und beigefügten sinnreichen Späßen die damalige „Komeren-

gefahr" mit samt den „Weltuntergangs-Befürchtungen" beleuchten. Auch anderweitig

zu

altberlinischer Art In diese Angelegenheit mit Humor behandelt und verwertet. der nach dem Gesundbrunnen hinausführenden Brunnenstraße besaß damals (1857) der vielleicht noch manchem alten Berliner gut erinnerliche ehemalige Komiker Oualitz vom Cirkus Renz das Konzertlokal „Universum", das noch ziemlich ftei und ländlich gelegen, mit hoher Rasenböschung am Straßenrande in etwas erhöhter Lage sich zeigte. Oben, am Vorgartenrande dieser Erholungsstätte, hatten zwei Unternehmungslustige ein aus leichten Blechröhren angefertigtes und mit gewöhnlichem Fensterglas ausgestaltetes „Riesenteleskop" errichtet, auf deffen oberster, dem Himmel zugekehrter Glasscheibe, ein äußerst buntfarbiger, „noch nie gesehener" Komet aufgepinselt war, den man „auch bei gänzlich bedecktem Himmel" und „so lange es Tag war" gar deutlich sehen konnte, wenn man für diesen Genuß einen Silbergroschen zuvor entrichtete. Die beiden Unternehmer, die hier von der Hügelböschung herab mit erheblicher Zungenfertigkeit das Vorstadt- und Sonntagspublikum zu begeistern und anzuregen wußten, hatten schnurrige Magier- und Astrologenkostüme angelegt. Sie er¬ zielten gute Einnahmen, bis sich die Aufsicht führende Behörde wurde

nach

echt

ff

-

dann veranlaßt fand,

diesen Kometenscherz

endgiltig zu

be¬

seitigen.

Pfingstfeiertag des Jahres 1857 erlebte ernsteres Ereignis, das mit der Welt¬ untergangsankündigung in direkter Beziehung stehend, uner¬ wartet eintrat und auch Menschenleben vernichtete. Verfasser dieser Zeilen befand sich damals auf dem alten berliner Schützenplatze am Ostende der Linienstraße, wo an dem Nach¬ mittage des genannten Tages bei schöner Witterung der aus¬ gelassenste Festjubel herrschte. Der weite, von hohen Mauern umschlossene Platz, der an seinem nordöstlichen Ende bedeutend erhöht war durch das Hügelterrain bei der alten Stadtmauer, zeigte sich dicht gefüllt. Tausende oder auch Zehntausende drängten sich bei dem herrlichen Pfingstwetter in vergnügtester Stimmung zwischen den Schaubuden, Karrussels, Würfelbuden, Bolzenschießstätren und ähnlichen Tummelplätzen. Die Verkäufer von Knoblauchs¬ würsten, sauren Gurken, Kringeln und Salzbrezeln, machten ebenso gute oder sogar auch noch bessere Geschäfte, als die hier frei auftretenden Bänkelsänger, die mit langen Stäben die schrecklichsten Mordgeschichlen auf Wachstuchgemälden bet Leierkastenbegleitung erläuterten und dann in Gestalt gedruckter Flugblätter „Lied und Beschreibung" verkauften mir allerlei Anpreisungen. Abhange zeigten dagegen Oben am in sich lagernden Gruppen massenhaft jene entgleisten Biedermänner, denen der Anblick dieses Getümmels sowie auch der begleitende Lärm außerordentlich wohlgefiel beim unvermeidlichen SchnapsDiesem Teile des alten berliner Schützenplatzes und genusse. der dort an dem Nachmiilage des dritten Pfingstferertages gewöhnlich wahrnehmbaren Gesellschafl zwelfelhafler An, widmete der damalige, sonst sehr demokratisch gesinnte Schrift¬ steller Gustav Rasch in der Regel die derbsten und ab¬ sprechendsten Bezeichnungen, wenn er dieses lokale Festlreiben

Am

Berlin

dritten

dagegen

ein

schilderte.

In dem lebhaften Festlärme und Getümmel am Nach¬ mittage des drillen Psingstfeienages 1857, vernahm man nun auf dem derllner Schützenplatze trotz wüstem Trompelengeschmelter, Trommelwirbeln, Pauken- und Beckenschlägen, Leierkastenklängen und Ausrufergeschrei, einen von fern herkommen¬ den, bumpfdröhnenden und doch auch zugleich arg krachenden Knall, der jedes andere Geräusch eigenartig übertönte und allgemein beachtet wurde. „Das ist bei Dobermonl gewesen!" — „Nun hat er seinen Weltuntergang ganz solo für sich!" erschallte fast gleich¬ zeitig und allgemein in den Volksmassen, die sich den Krach und dessen Entstehen sogleich richtig erklärten und sich nun auch wohl für die nächste halbe Stunde über das durch den auffälligen Änall verkündete Ereignis unterhielten. Dobermont galt damals (1857) bei den Berlinern und namentlich bei der größeren, schaulustigen Masse des Sonntags¬ publikums, als ein Feuerwerkskünstler ersten Ranges, der nur wirklich großartige und überraschende Leistungen vorführte und namentlich mit seinen Land- und Wasserfeuerwerken bei Stralow und Treptow außerordentlich Fesselndes zu bieten wußte. Die damals allgemein besprochene „Kometengefahr" und „Well¬ untergangserwartung" halte auch den Kunstfeuerwerker Dobermont veranlaßt, etwas „ganz Besonderes" und „noch nie Dagewesenes" vorzubereiten. Längst war es in Berlin all¬

■^5

gemein bekannt,

datz

der

unternehmende Mann

ein

488

großes

Land- und Wasserfeuerwerk vorbereite, mit dem er zwischen Stralow und Treptow die Ankunft des großen Kometen und den dabei stattfindenden Weltuntergang vorführen wolle in großartigster Weise. Es sollte nicht sein. Die auf dem Schützenplatze sich rummelnde Volksmasse hatte den krachenden Knall ganz richtig gedeutet. Dobermonts Feuerwerkslaboratorium, nordwestlich von der Stadt, auf ödem, abgelegenen Terrain befindlich gewesen, war aufgeflogen mit all dem reichen Inhalt, der nach der Absicht des Unternehmers der schaulustigen Volksmenge einen außerordentlichen Genuß hätte bieten sollen. Als die hochaufsteigende und schnell zer¬ verschwunden war, deuteten nur noch Mauerreste die Stätte an. die das Laboratorium Dobermonts bis dahin eingenommen. Von einem erneuten Versuche, den Berlinern mittelst großartigen Land- und Wasser¬ feuerwerks die angekündigte Kometengefahr und den Welt¬ untergang bildlich vorzuführen, vernahm man nun nichts mehr. Die Welluntergangsankündigungen, die seit Beginn unserer Zeitrechnung stallsatiden, halten im Laufe der Zeit verschieden¬ artige Entstehungsgründe aufzuweisen. Zuweilen wurde eine stiebende Rauchmasse

spärliche

Schriftstelle in den Evangelien — so namentlich Matthäi, Kapitel 25, Vers 31 und nächstfolgende — oder auch eine Aiiveulung in den Offenbarungen Johannis falsch ausgelegt, zuweilen waren dagegen astrologische Rechnungskünsteleien

hierbei die Ursache. Mitunter waren auch beide Arten des Verfahrens vereinigt daran Schuld, daß die Zeitgenossen eine Kunde von geistig hochbegabten und gelehrten Männern erhielten. Jahreszahl, Tag und Stunde des „Jüngsten Gerichtes", sowie mancherlei interessante Begleitumstände des

so schreckhafte

dabei

sich

vollziehenden „Vergehens

von Himmel und Erde",

wurden nicht selten mit größter Genauigkeit und Zuverficht ange¬ geben, und zwar von Gelehrten, die in großem Ansehen standen.

Im Zeitalter der Reformation machten sich sogar noch hervorragende protestantische Gelehrte und Geistliche in dieser Hinsicht in auffälligster Weise bemerkbar. Zu dieser Zeit, daß heißt im XVI. Jahrhundert, erlebten die Bewohner von Berlin und Kölln an der Spree, daß der hochgebildete Landes¬ herr an einem solchen „kritischen" Tage seine Residenz mir Begleitung seines engen Hofkreises verließ, um auf dem Höhenrande gegen Tempelhof hin. den Eintritt des angekündigten außerordentlichen Ereigniffes abzuwarten unter freiem Himmel. In den Anblick seiner beiden Spreestädte versenkt, wurde der hohe Herr von einem furchtbaren Gewitter und mächtigen Platzregen überrascht und damit zu beschleunigter Rückkehr in seine Schloß- oder vielmehr Burgbehausung genöthigt. Die Idee: „daß die Sterne vom Himmel fallen und vabei alle lebenden Wesen auf Erden vernichten könnten", müßte in jenen Zeiten, in denen man über die Beschaffenheit, über die Bewegungsarten und Gegenstellungen, sowie namentlich auch über die ungeheueren Entfernungen zwischen den Welt¬ körpern sich keine annähernd richtigen Begriffe machen konnte, mehr Beängstigendes als gegenwärtig haben. Schweifstern, der aus fernen Himmelsräumen kommend, nur auf weite Entfernung sichtbar werden konnte, erregte schon allerlei ernste Befürchtungen. Der lateinische Kirchenvater Lactantius, der zur Zeit des

Ein

£►-

Kaisers Diocletian seine Wirksamkeit begann und angeblich zu Trier im Jahre 325 das Zeitliche segnete, soll zuerst ein nahes Bevorstehen des Weltunterganges und zwar für das Jahr 436 angekündigt haben. Als Lehrer der Beredsamkeit in Nikomedien halte dieser hochbegabte Mann die Bezeichnung: Seine Prophezeiung wurde „christlicher Cicero" erlangt. daher allgemein beachtet und als sicher in Erfüllung gehende

Ankündigung betrachtet. Darauf war es das Jahr 1000, welches größere Be¬ Die Furcht vor einem Weltuntergänge sorgnisse erregte. entstand immer wieder, und im Zeitalter der Reformation finden wir dann verschiedene Ankündigungen des „Jüngsten Tages", die von hervorragenden Gelehrten und Geistlichen der proiestantischen Kirche gegeben wurden. Vor diesen bibelfesten und schriftgläubigen Männern hatte der in Rom hochgeschätzte Mathematiker und Kalenderverfasser Regiomontanus sich als Ankündiger des Weltunterganges schon Regiomontanus (eigentlich Johannes bemerkbar gemacht. Königsberg in Franken am 6 . Juni 1436 heißend, zu Müller geboren und als Bischof von Regensburg am 6 . Juli 1476 gestorbeu) haue derartig für die Kalenderverbesserung gewirkt, daß ihn Papst Sixtils IV. nach Rom berief, damit er dort in diesem Fache arbeite. Der nach Rom berufene Gelehrte war der erste, der zu dieser Zeit in Deutschland die arg ver¬ nachlässigt wordene höhere Rechenkunst wieder hob und verbefferte. Sein zu Nürnberg im Jahre 1473 herausgegebener 33jähriger Kalender hatte ihn berühmt gemacht, seine astro¬ nomischen Berechnungen zeigten Genauigkeit, und daher mußte auch seine Ankündigung des Weltunterganges für das Jahr 1588 nicht blos am kurbrandenburgischen Hofe in Berlin, sondern auch in anderen Residenzen und Hauptstädten Glauben und Beachtung finden.

1476) gelangte Deutschland in den Ruf, nicht blos die besten Kalenderschreiber und „astroNach Regiomontanus

mischen Rechnungsmeister",

(f

sondern

auch

die

gewandtesten

Sogar noch zur Zeit des Astrologen hervorzubringen. dieses der Fall, als König Krieges war dreißigjährigen Ludwig XIII. von Frankreich bei der zu erwartenden Geburt eines Thronerben, trotz der „Tüchtigkeit" seines festangestellten Hof- und Staatsastrologen vr. Jean Baptiste Morin, einen „besonderen" Sterndeuter aus Deutschland kommen ließ, der neben dem Schlafzimmer der Königin untergebracht, sogleich das „Geburtsglück" des zur Welt kommenden Kindes (des späteren Ludwig XIV.) aus dem Stande der Gestirne be¬ rechnen sollte.

König Heinrich VIII. von England hatte schon im Jahre 1525 den zum protestantischen Bekenntnis übergetretenen Nikolaus Kratzer aus München zu seinem Hof- und Staats¬ astrologen ernannt. Ein in der Güildhall Library zu London aufbewahrter Brief von Albrecht Dürer, datiert: „1524 am Mondag nach Barbare (5. Dezember) zw Nürnberg (zu Nürnberg)" und an den Kratzer wegen eines in Nürnberg bestellten Instrumentes „darmit man mißt in die Fern und

Weite" geschrieben, giebt uns Kunde von dem Ansehen, in dem damals ein solcher Astronom und Astrolog auch bei den ersten Künstlern und Gelehrten stand.

(Schluß folgt.)

■43

489

Kleine Mitteilungen.

Adolf von

Im Alter von 76 Jahren ist Hardoletrerr der Geheime Ober-Medizinalrat Pros. Dr. Heinrich Adolf von Bardeleben in seiner Friedrich Wilhelm-Stratze La belegenen am 24. September d. Wohnung, von seinem segensreichen Lebenswerke abberufen worden. Mit ihm verliert die Chirurgie einen allverehrten Meister, die medizinische Fakultät zu Berlin ihren würdigen Senior. Bardeleben fesselte schon durch den Zauber seiner äußeren Erscheinung, durch den prächtigen Charakterkopf mit der hohen Denkerstirn, der kühnen Adlernase, dem weißen herabwallenden Vollbarl und den freundlich blickenden Augen. Ein Denkmal von Martin WolffS Künstlerhand wurde ihm schon bei Lebzeiten im Chaiileegarten gesetzi. Ter nun Heimgegangene war überall, wo sein Beruf ihn hinstellte, der rechte Mann am Platze, als Operateur

f.

I.

zösischen Feldzuge brachten ihm das Eiserne Kreuz erster Klaffe ein. Wer seine imponierende Erscheinung je am Operationstisch gesehen hat, wie er, angethan mit schwarzem Zacket, ruhig, elegant und sicher seine Aufgabe zu lösen verstand, empfing sofort den Eindruck seiner chirurgischen Meister¬ schaft. Unter allen seinen deutschen Kollegen hat er zweifellos die meisten

Operationen, weit über 30600, ausgeführt. Sein litterarisches Hauptwerk bildet das in hoher Auflage vorliegende, vielfach übersetzte „Lehrbuch der Chirurgie und Operationslehre". Daneben bat er seine Erfahrungen und oft maßgebenden Gesichtspunkte in einer Reihe kleinerer Abhandlungen niedergelegt. In seiner Rektoratsrede 1876 warf er einen Rückblick auf 'zweiten Hälfte dieses Jahrhunderts. die Fortschritte der Chirurgie in der Ein besonderes Ver¬ dienst erwarb sich Bardeleben um die Einfüh¬ rung der Lifterschen antiseptischen Wundbe¬ handlung in .Deutsch¬ land. An Auszeich¬ nungen ist dem nun Verewigen ein reiches Maß zu teil gewor¬ den Er war General¬

in Krieg und Frieden, als akademischerLebrer, dessen trockener Humor die Vorlesungen köstlich würzte und als reprä¬ sentierender Professor; 1876 übertrug ihm die Universität Berliner daS Rektorat; als Dekan stand er viermal, zuletzt 1889/90, an

der Spitze

arzt

Medizinalwesen. 1888 wurde er an daS Krankenbett Kaiser Friedrichs berufen. Zum 50 jährigen Doklorjubiläum verlieh ihm der Kaiser Wil¬ helm II. den erblichen Adel.

seiner

Bardeleben L7 Jahren Direktor der als chirurgischen Chariteeseit

Klinik in Berlin ge¬ wirkt. Geboren war der berühmte Chirmg am 1. März 1812 zu Frankfurt a. O. Sein GeburtSname war

Der

Dahingeschie¬ liebte eS gleich vielen berühmten Aerzten, in seine Vor¬ träge gewiffe Scherze einzuflechten, die stän¬ dig wiederkehrten. In dieses Gebiet gehörte die „Eramenjrage" eines alten General¬ arztes, die da lautete:

dene

eigentlich nicht Barde¬ leben, sondern Schwager. Sein Vater starb früh, und er wurde dann von einem Onkel adoptiert, dem Justizkommissar Hein¬ rich Baibeleben, der als einer der Gründer des „TugendbundeS" bekannt geworden ist. Lange Zeit führte er daher den Doppel¬ namen SchwagerBardeleben.

„WaS würden Sie thun, wenn Sie auf das Schlachtfeld ge¬ und rufen würden man Ihnen sagte, das Majors Pferd de§ und gestürzt wäre hätte sich da? Schlüssel¬ bein gebrochen?" Der Examinator wies dann alle möglichen Ver¬ bände und Heilmittel als unzweckmäßig ab; er wollte nämlich nur

Seine Studien machte in Berlin und Heidel¬ berg. Dort fertigte er unter Theodor Bischoff seine Dissertation über den Bau der Drüsen ohne AuSfllhrungSgänge; 1841 promo¬ vierte er in Berlin. Seine medizinische Aus¬ bildung hatte er in er

Paris

die eine Antwort hö¬ ren: „Ich würde das Pferd für eine hohe Summe an ein großes

abgeschlossen.

Schon im letzten Heidel¬ berger Semester war er Assistent

des

Klaffe. Mitglied

wiflenschastlichen Deputation für das

Fakultät.

hat

1

der

Professor

Dr. Heinrich Adolf

.Nach einer photographischen Aufnahme von

be-

deutendenGynäkologen Naegele und gedachte selbst der Frauenheilkunde sich zu widmen. Bald aber stand er unter anderen Zeichen: In den vierziger Jahren regte sich in der wiffenschastnaturwissenschaftlichen exakten lichen Welt ein kräftiger Zug nach Forschungen, die man für die Heilkunde dienstbar zu machen suchte. Diese Bestrebungen fanden damals an der kleinen Universität Gießen einen besonders fruchtbaren Boden. Dorthin zog es auch Bardeleben ; er wurde Prosektor von Th. Bischoff, deffen Einfluß und Anregungen seine Schritte nach der Musenftadt an der Lahn gelenkt hatten. 1843 ließ er sich dort als Privatdozent nieder und rückte nach 4 Jahren zum außerordentlichen Profeffor auf. 1848 folgte er einem Ruse als Ordinarius nach Greifswald Dort hatte er anfangs neben der Chirurgie noch andere Fächer zu lehren, so z. B. Augenheilkunde. Im Lause der fünfziger Jahre drang sein Ruf als Operateur aus Greifswald Mauern weit in die deutschen Lande und über die Grenzen. Gegenüber früheren Grundsätzen übte er als Chirurg den KriegSjahrm 1864 und die „konservative', erhaltende Richtung. >868 war er konsultierender Generalarzt der Armee. 1868 kam er nach Berlin als Nachfolger von Jüngken. Seine sanitären Verdienste im fran¬

In

Gher-Mediiwalral. Schaarwächier in Berlin,

von Lardeleben, Geheimer

I.

C.

Museum verkaufen, denn sonst giebt e§ — keine Pferde mit Schlüsielbeinen!"— von Geheimrat

Bardeleben ist einem Nieren- und Blasenleiden erlegen, an dem er schon einige Jahre litt und das in feinem Ursprünge auf einen Unfall zurückzuführen ist. Der berühmte Chirurg that vor einigen Jahren einen unglücklichen Fall, durch den dar Rückgrat und die Kreuzgegend in Mitleidenschaft gezogen wurden. Eine Folge davon muß eine Nierenquetschung gewesen sein. DaS Leiden machte sich ursprünglich Durstnoch weniger bemerkbar, doch zeigte eS sich in einem fortwährenden gefühl. Seit einem halben Jahre kränkelte der betagte Gelehrte mehr und mehr, so daß man schon länger Besorgnis hegen mußte. Als Bardenicht beendet leben seinen diesjährigen Sommerurlaub, den er noch hatte, antrat, war in seinem Befinden eine Befferung eingetreten, von der man hoffen durste, daß sie sich während der Erholung im Urlaub noch steigern werde. Diese Hoffnung hat sich leider als trügerisch erwiesen; statt der Genesung kam plötzlich die Katastrophe. Bardeleben hinterläßt außer mehreren Töchtern drei Söhne, die sich Bardealle der Heilkunde gewidmet haben. Der älteste, Prof. Karl von siebziger leben, ist der bekannte Jenenser Anatom; er war schon in den Jahren des Vaters Mitarbeiter, indem er den anatomischen Teil einer

ii

490

Neuauflage des „Lehrbuches der Chirurgie" redigierte. Die Gattin des Geh. Rats von Barbeleben ist als geistvolle Erzählerin hervorgetreten; sie starb vor etwa 5 Jahren. Der Name deS verewigten Altmeisters der Chirurgie behält einen Ehrenplatz in seiner Wisienschaft, und viele, denen seine Kunst Hilfe und Rettung gebracht hat, werden noch lange sein An¬ denken segnen.

Kaiser Mithvtnrs

Gin

I. aus dem Jahre 1840, Gedicht dem Entstehungsjahr deS Rheinliedes von Nicolaus Becker, teilt der „B. B.K." mit. Dasselbe hat folgenden Wortlaut: Der Oberrhein. Sie haben ihn da oben, Den alten, deutschen Rhein, Deshalb soll stets gehoben Das SchweU der Deutschen sein.

Mit

welcher Schalkheit raubte

Der Luvwig uns das Land, Weil Deutschland mit dem Haupte DeS Reichs in Fehde stand.

Du Straßburg, Burg der Straßen Bon Frankreich und Burgund, So lang' dort Franken rasen, Wird Deutschland nicht gesund. Dein Münster reckt den Finger Zum Himmelszelt empor Und drohet dem Bezwinger Und dem, der ihn verlor.

Dem Reich und einst dem Kaiser Wohl von der Rheines Strand Sei du des Weges Weiser Ins stolze Frankenland.

Der Rhein soll Deutschlands Erden seinem ganzen Lauf Wohl wieder eigen werden. Rollt Euer Banner auf!

In

So woll'n wir'S wieder haben DaS Gut von unserm Blut, Weil dort schon längst begraben Der deutsche Adler ruht.

Du Bolk aus den Vogesen Und dem Ardenneiwald, Wir wollen dich erlösen Von fremder Truggewalt. Dann mußt auch du vernehmen Den deutschen BundeSruf, Und dich der Knechtschast schämen, Die wälsche Art dir

schuf.

Und solltest du dich sträuben. Und fühlst die Knechtschast nicht, So wollen wir dich treiben

Zu deiner Kinderpflicht;

Damit einst deine Kinder Doch mögen Deutsche fein Und sich der Ueberwinder Von ihren Vätern freun.

So wollen wir ihn haben, Den alten deutschen Rhein, Dann erst wird ganz begraben Die Schmach der Deutschen sein. Dreißig Jahre später wurde der Dom wirklich „der Weges Weiser inS stolze Frankenland" für den Sänger dieses Liedes, der nun an der Spitze eines siegreichen Heeres erschien, um das Ideal selbst zu verwirk¬ lichen, welcher er vor 1840 in den Tagen nationaler Erregung, alS der Erb¬ feind drohte, besungen hatte.

(Bitte fvanxösische Kriogstrarte tmm Kahre 1870.

Die Geographie gehörte immer zu den schwächsten Seiten der „großen Nation." Ein erheiterndes Muster geographischen Wissens war denn auch eine Kriegskarle, mit welcher französische Offiziere zum Feldzuge „contre la Prasse“ ausgerüstet waren. Ein Exemplar davon hatte dar 80. Regiment nach Deutschland gesendet, dar allen, die eS gesehen, viel Vergnügen bereitet hat. Nach den gewöhnlichen Strichen der Zeichnung mußte der Rhein ein Strom von mindestens einer Meile Breite sein. Er entspringt nach jener Karte jedoch keineswegs in den Alpen, sondern kommt aus dem „Lac de Constance“, der nach der französischen Karte durchaus keinen Zufluß aus der Schweiz hat. Zur Rechten hat der Rhein zunächst ein großes Gebirge, „den Schetzwald" (Schwarzwald), zwischen welchem

» und dem Flusie dar Thal „BriSgau" (BreiSgau) liegt. DaS Gebirge wie das Thal gehören zu dem Lande „Souabe" (Schwaben); die beiden Staaten Baden und Württemberg sind gar nicht näher bezeichnet. Die Festung Raltatt sucht man auf der Karte vergeblich; dagegen muß der kleine Ort Ettlingen für den Kartenzeichner eine große Bedeutung haben, denn er ist bei Karlsruhe verzeichnet. Auch von der Existenz der Festung Germersheim weiß diese KciegSkarte nichts, wohl aber ist südlich von Landau der wichtige Punkt GaiSwailer verzeichnet. Auf dem rechten Ufer liegen „Spiere" und „Heilbe", oberhalb der letzteren „Mannheim." „La Baviäre Rhenane" ist ebenes Land; nur nördlich von Kaiserslautern findet sich ein einzeln stehender Berg, der „Mont Tonnere" (Donnersberg). In der Gegend, wo nach deutschen Karten etwa Ingelheim liegt, ist nach jener Kriegs¬ karte etwa „Mayence" zu suchen. Ganz dicht bei der Mainmündung findet sich „Francsort" und etwa 10 Meilen weiter ostwärts Hanau. Auch Darmstavt liegt sehr weit vom Rhein entfernt, während die Strecke bis Berlin verhältnismäßig kurz ist Jenseits des Mains sieht man das hohe Gebirge „Wiesbaden", an besten nördlichem Abhange das Städtchen „Taunus" liegt. Rechts davon repräsentiert sich als eine angenehme Etappe auf dem Marsche nach Berlin „Hombourg". Die Entfernung an der Mündung der Mains in den Rhein bis Bingen ist bedeutend größer, als die Strecke von dort bis zur Mündung der „Moselle", und wenigstens dreimal so groß ist die Entfernung von „Cologne" nach .Aix la Chapelle". Weiter unterhalb, gegenüber von „GualdraS" (?) nimmt der Rhein ein Flüßchen, namens „Wezel" (?) auf, und so geht eS fort.

Strafen im 16. Jahrhundert.

E. K.

Die nachfolgende Stelle, der Chronik Gardelegens (Altmark) vom Jahre 1668 entnommen, möge als Beitrag zur Charakteristik damaliger Rechtspflege gelten. Der Verfasser der Chronik erzählt wörtlich: „Justiz hat man administrieret, und die Bösen auS dem Wege gethan, wie folgende ExekutioneS ausweisen. — A C. 1544 den I. Junii wurden 5 Uebelthäter wegen Zauberey verbrandt, hatten unter andern vielen Bürgern und Bauern beym Bier Schaden zugefügt. — A. C. den 4. Junii ward noch eine Zauberin verbrandt. — A. C. 1552 den 7. May wurden drei Zauberinnen verbrandt, die Bier bezaubert und Männer getödtet hatten. — Den 9. May wiederumb zwo Hexen verbrandt. — 1554 den 12. Sept. wurden zwo Zauberinnen verbrandt. — Den II. Oktober wurde eine verbrandt. — Den 28 Novbr. abcrmahl eine. — 1556 den 6. Marti! ward einer gehenkt wegen Diebstahl. — 1563 den 21 May ward Johannes Rööpke ob bigamiam decolliert, er war eine Zeitlang Pastor in Solbke gewesen — 1566 den 19. Jan. ward eine Magd lebendig in die Erde unter den Galgen begraben, sie hatte ihr Kind umge¬ bracht. — 1566 den 22. Jun. ward enthauptet ein Ganse-Hirte, der stach einen Becker, der ihn geschlagen. inS Bein, woran er starb und den 27. Jun. begraben ward. — Den 27. Junii ward sein Weib ertrenket, die er nicht wohl gemacht und unterschiedlich gestohlen hatte. — 1588 den 11. Oktober ward Anna Franken geköpffet, ward berüchtigt wegen Zauberey. — 1690 den 11. September ward ein Weib, daß die Garten bestohlen, Kohl, Hopfen und Staken geraubet hatte, dreymal um den Kack herumb geklinget und zum Thor hinausgewiesen. — 1636 ward eine Witwe, die ihr Kind getödtet, ersäuffet. — Eodem Anno, Grete mit der Ehre ent hauptet, sie halte nicht alleine zu vorgedachten Kindermord geholfen, sondern war Ehebrüchig geworden." 8.

Anwachsen des Tolesrarnm-Norkehrs in den deutschen Städten. In Berlin wird unter den deutschen Städten

am meisten depeschiert (über 3 Mill Telegramme im Jahre); ebenso erhält Berlin von auswärts die meisten Telegramme (über 2 Mill. im Jahre). Darauf folgt Hamburg, bei welchem die Zahl der einlaufenden und auslaufenden Telegramme im Jahre ziemlich dieselbe ist (über 1 Mill). AlSbann kommt Frankfurt a. M., wo ter Telegrammverkehr eine Millio: im Ganzen (aus- und einlaufende Depeschen) jährlich übersteigt. Darauf folgen: Köln, Leipzig, BreSIau und München. Einen verhältnismäßig sehr bedeutenden Depeschenverkehr haben Stettin, Mannheim, Halle, Straßburg, Danzig, Mainz und Wiesbaden, wogegen Frankfurt a. O. und Görlitz vom Telegraphen verhältnismäßig geringen Gebrauch machen. Während in Berlin, Hamburg, Nürnberg, Halle, Posen, Kiel, Wiesbaden, Darmstadt und Frankfurt a O. durchschnittlich im Jahre mehr Telegramme aufgegeben werden, als einlaufen, empfangen die übrigen größeren deutschen Städte durchschnittlich mehr Telegramme, als sie absenden. Die höchsten Ein¬ nahmen aus Telegrammen erzielen jährlich die Postanstalten von Berlin (nahezu 30 Mill. Mk.), Hamburg (über 10 Mill. Mk), dann Leipzig (über 5 Mill. Mk), München (über 6 Mill. SKI), Frankfurt a. M., Dresden, Köln, BreSIau, Stuttgart und Bremen. — Der BeoölkerungSziffer nach rangieren die vorstehend genannten Städte, wie folgt: Berlin, Hamburg, Leipzig, München, Breslau, Dresden, Köln, Magdeburg, Frankfurt a. M., Hannover, Königsberg, Chemnitz, Düsseldorf, Altona, Nürnberg, Stuttgart, Elberfeld, Bremen. Straßburg, Danzig, Stettin, Barmen. Crefeld, Aachen, Halle, Braunschweig, Dortmund, Mannheim, Esten, Mühlhausen, Chariottenburg, Augsburg, Karlsruhe, Kastei, Erfurt, Mainz, Posen, Kiel, Wiesbaden, LebuS, Görlitz Würzburg, Metz, Duisburg, Darmstadt, Frankfurt a. O.,

Potsdam.

'

E.

L.

Verkauf des Greerzierplatzos „ptv einsamen

Pappel" (vov dom Schönhauser? Thore.)

Der MilitärfirkuS beabsichtigt, einen großen Teil der Exerzierplatzes zur einsamen Pappel, der von der Schwedter Straße, der Ebers walder Straße, der Schönhauser Allee, der Straße 24 und dem Platze N der Abteilung XI deS Bebauungsplanes begrenzt wird, zu verkaufen. Zur besteren Ver> Wertung des umfangreichen Geländer ist die Anlage mehrerer Straßen

--s

491

bot ouf geplant, und zwar eine Straße in der Verlängerung der Straße 8 bis zur EberSwalder Straße gleichlaufend der Schwedter Straße, ferner drei Straßen, an der Schwedter Straße beginnend, nach der geplanten Straße. Die Militärverwaltung will zunächst die erstgenannte Straße auf ihre Kosten anlegen und die Ausführung dem Magistrat übertragen, falls die Stadtgemeinde daselbst Baustellen erwerben will. Anlagekosten sollen nicht erhoben werden. Ferner ist der Magistrat um die Geradelegung der Eberswalder Straße nach der Schönhauser Allee ersucht worden. Die Gesamtzahl dorn aller MuieumSgegei stünde des Märkischen Prooinzial-MuseumS hat sich während des VerwaltungsjahreS 1894/85 von 71 893 auf 73 858 vermehrt Der Katalog zählte am 31. März 1893 10 017 Nummern der natur¬ Geschenk¬ geschichtlichen und 63 941 der kulturgeschichtlichen Abteilung. gebern, welche durch wiederholte und wertvolle Zuwendungen sich um das Museum in höherem Grade verdient gemacht haben, sind besondere AnerkennungS-Diplome ausgefertigt worden. Im Laufe des Berichtsjahres Für diejenigen Personen, sind vier solcher Diplome verteilt worden. welche, bereits im Besitz deS Diplomes, sich noch weitere Verdienste um daS Museum durch fortgesetzte wertvolle Stiftungen erworben haben, ist ein besonderes, als Anhänger zu tragendes Anerkennungszeichen auf Ge¬ meindebeschluß geschaffen worden Diese Zeichen werden in der Regel in Silber verliehen. Wenn es sich um besonders große Verdienste handelt, wird das goldene Anerkennungszeichen zuerkannt. Im Laufe deS Berichts¬ jahres wurden 5 silberne Anerkennungszeichen verteilt. Zur Zeit sind 6 Personen Inhaber deS goldenen und 56 Personen Inhaber deS silbernen Anerkennungszeichens. Während der öffentlichen Besuchszeit, Sonntags von I I — P /2 Uhr, Montags und Donnerstags voa haben rund 13 000 Personen im Berichtsjahre die Sammlungen besichtigt. ist aus verschiedenen Meeren Dem eine so reiche Anzahl merkwürdiger und seltener Tiere zugegangen, daß einige der Becken fast überfüllt zu sein scheinen und an dieser Stelle nur aus die neuen, dem Aquarium bislang fehlenden Arten hingewiesen werden Die Familie der Drachenfische, deren Angehörige durch nahe bei¬ kann. sammen stehende und in der Regel nach oben gerichtete Augen auffallen, lieferte den im Mittelmeer heimischen Viperfisch, einen ziemlich kleinen, aber wegen der bei Berührung heftig schmerzende und leicht entzündliche Wunden hervorrufenden beweglichen Stacheln der ersten Rückenflosse sehr gefürchteten Knochenfisch, der gern still am Grunde ruht und aus vorbei¬ Aus der Gruppe der Panzerschwimmende Krebstiere u f. w lauert. wang n langte gleichfalls eine neue Spezies an, der gestreifte Knurrhahn, welcher diese Bezeichnung einesteils infolge der braunen Bänder auf den prachtvoll rot grundierten Kopf und Rumps. andernteilS wegen seines Ver¬ mögens, mittels gewiffer MuSkelpaare in der Wand der großen Schwimm¬ blase knurrende, knarrende oder schnurrende Töne hervorzubringen, führt. Diese Eigenheit und dazu die leuchtenden Farben, die barocke Gestalt, die Gehbewegungcn auf dem Boden, die Sprungkrast machen den Fisch zu einem der anziehendsten Floffenträger. Mit einer Sendung der Adriastation Rovigno kamen zwei Zitterrochen hier an und von diesen hatte der eine unterwegs sieben, etwa handflächengroße Jungen geboren. Das ist um so intereffanter, als die naheoerwandten echten Rochen, wovon man sich im Aquarium wiederholt überzeugen konnte, Eier legen, in denen sich erst nach und nach das Junge entwickelt. Zur Familie der Meerbraffen gehört ein etwa fußlanger Fisch, die Oblata, die namentlich durch einen großen, schwarzen Fleck auf dem Schwanzrücken auffällt, während sich auf dem silbergrauen Körper 21—24 dunkle, schmale Längslinien hinziehen

Aus

Märkischen Museum.

11-Uhr

Kerliner Aquarium

ge¬

Der arrne Malter. Jafse.

Trauerspiel in füns Akten. Von Verlag von Richard Tändler.

Berlin 1895.

Robert Preis

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Der „arme Walter" ist ein verkrüppelter junger Maler, welcher ein armes Mädchen liebgewinnt: auch sie glaubt ihn zu lieben, muß aber bald innewerden, daß eS nur Mitleid ist, was sie für den Unglücklichen empfindet. Ihr Herz wendet sich einem anderen zu, und der Konflikt wird schließlich durch den freiwilligen Tod des Malers gelöst Dies der dürftige Inhalt des Trauerspiels und ihm entspricht auch die Form. Die Art, wie die Personen handeln und miteinander sprechen, wie sich Eltern und Kinder zueinander verhalten, ist so unwahr und unnatürlich, daß uns keine einzige der Gestalten Sympathien abgewinnen kann. Für die Bühne ist das Trauerspiel wohl kaum geschrieben. P. B.

Jena

Kleine litterarische Nöthen. ist von

Dr. Eduard Leidolph in einer

Die Schlacht bei

bei der Frommannschen Hof¬

buchhandlung in Jena erschienenen Monographie (Preis 1,40 Mk.) behandelt worden. DaS Schriftchen giebt ein anschaulicher Bild von der verhängnis¬ vollen Katastrophe, ohne neue Gesichtspunkte zu bieten. Sehr verbesserungs¬ bedürftig sind die beiden beigegebenen Karten, die in keiner Weise billigen Anforderungen entsprechen. — Goethes Religion, eine Studie, betitelt sich eine Broschüre von Ad. Wilh. Ernst, die bei Konrad Kloß erschien (Preis 1 Mk.) Der Verfaffer sucht in dem Buche nachzuweisen, daß Goethe nicht der „große Heide" war, als welcher man ihn mit Vorliebe hinstellt, daß er nicht pantheistischen Anschauungen huldigte, sondern vom Geiste deS Christentums erfüllt war, obgleich er deffen Dogmen fern stand. Sein Ausspruch: „Die Menschen, welche ohne Gott leben, deren Herz dem Vertrauen und der Liebe gegen den Unsichtbaren zugeschloffen ist, sind un¬ glücklich," entsprang seinem innersten Gefühl. — Bei Albin Schirmer in Naumburg a. S. erschien: Wanderungen durch Thüringen. (Pracht¬ werk.) Illustriert von W. Anton und P Greef, Maler in Düffeldorf. Mit Text von Dr. E. Anemüller, Detmold; Gymnasialdireklor a D. Dr. H. Anton, Jena; Dr. C. Beyer, Erfurt; Dr. E BorkowSky Naum¬ burg a S.; Dr. R. Hodermann, Koburg; Professor E. Koch, Meiningen; Dr. A. Pick, Erfurt; Proseffor Dr. F. Regel, Jena; Rektor Herm. Schmidt, Arnstadt; Proseffor Dr. A. Schulz, Gotha. DaS reich illustrierte Pracht¬ werk — Heliogravüre, Autotypie, Zinkographie — in schöner und fesselnder Sprache geschrieben, gestaltet sich, selbst für solche Leser, die nicht in der Lage sind, dar schöne Thüringer Land zu besuchen, zu einem Schatze an¬ genehmer Unterhaltung und Belehrung Den Landeskundigen aber werden ihre Erinnerungen erweckt und ihre Kennlniffe erweitert. Die Ausgabe er¬ folgt in 10 Lieferungen zu je 1,50 Mk. — Von dem sehr empfehlens¬ werten Werke von A. von Schweiger-Lerchenfeld „Die Donau" liegen die Lieferungen 1 l—15 vor. (A Hartleben, Wien, jede Lieserung 50 Pf.) — Die „Victoria", ein neues, ganz eigenartiges Sport- und Famitienblait, das die Hebung aller Sportarten, welche Sportart es auch sei, insbesondere aber deS Radfahrsports, und die Verallgemeinerung deS Sports zum Familienvergnügen sich zur Aufgabe gestellt hat, erscheint vom 1. Oktober d. ab im Verlag „Victoria" (Hacke u. Grützmacher) in

Berlin-Zehlendorf.

I

— e.

Inhalt:

Der letzte ASkanier in Wittenberg. Historisch» Buch. (Fortsetzung) — Dar Kaiserliche Post-ZeitungSamt in Berlin. (Schluß.) — Aus der Vergangen, heit Stralaus. Von Richard George. (Mit Abbildung.) — WeltuntergangS-Ankündigungen. Allberlinische Erinnerungen und histo¬ Erzählung

von M. von

Rückblicke von Carl Stichler. — Kleine Mitteilun gen: Adolf von Bardeleben ff. (Mit Porträt ! — Ein Gedicht Kaiser Wilhelms I. — Eine französische Kriegskarte vom Jahre 1870. — Strafen im 16. Jahr¬ hundert — Anwachsen der Telegramm-Verkehrs in den deutschen Städten. — Verkaui des Exerzierplatzes „zur einsamen Pappel". — AuS dem Märkischen Museum. — Vom Berliner Aquarium. — Büchertisch. —

rische

Kücherttsch. Iec»pr»ld I., Fürst Bökelmann.

rro>rr Anstalt-Destau. Von Cur Preis Verlag von Carl Jacobson.

Leipzig.

1,50 Mk. DaS sehr ansprechend ausgestattete Heftchen will keine erschöpfende Schilderung von dem Leben und der Bedeutung des „alten DeffauerS" geben, eS faßt namentlich seine Thätigkeit als Feldherr und Organisator der preußischen Armee inS Auge. Als Quelle diente dem Verfaffer haupt¬ sächlich die selten gewordene „anhaltinische Chronik" von Samuel Lentz auS dem Jahre 1757; dieselbe giebt auch eine Anzahl Briefe und Erlaffe, die bei Beurteilung der Persönlichkeit und des Charakters des Fürsten von wesentlichem Jnteresie sinv. P. B.

la France. — Le Nord-Ouest de la France. Manuel du voyageur par K. Baedeker. Cmquieme Edition. Preis 5 Mk. jeder Leipzig 1895. Verlag von K. Baedeker.

Le Nopd-Est de Band.

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50

^

19. Oktober

1895.

Nev seist MsKaniev in Ditlenllevg. Historische Erzählung von

M« »on Kuch.

(2. Fortsetzung )

ls der andere Morgen anbrach, ward es kund, wie der Südwind gehaust halle. Der Schnee hatte sich in eine schmutziggraue Masse verwandeli, die überall das schwärzliche Erdreich durchblicken ließ. Von jeder Erderhöhung sickerte ein Rinnsal herab oder strömte ein Bächlein, und jedes Bächlein

gurgelnd Weg und Steg, bis alle willig Unterkunfi fanden in der Elbe, die schäumend und brausend die benach¬ Die Häuser, die zunächst dem barten Wiesen überflutete. Strome standen, wurden von den Bewohnern geräumt, aus Furcht, daß. wie in vergangenen Jahren, so auch diesmal die Wasiergefahr mit all ihren Schrecknissen hereinbrechen könne; Der Frost hatte sich doch sie ging diesmal gnädig vorüber. suchte sich

schon

während

Erdreich

der letzten

gezogen,

so

daß

Tage langsam aus dem lockere Boden das Wasser

trüben der

aufsaugen konnte.

Grau und finster hing der Tag hernieder. Hinter der dichten Wolkenwand blinzelte schläfrig die Sonne, der Sturm wehte und brauste noch immer, und in den Gassen der Stadt stiegen die Bürger fluchend durch den fast undurchdringlichen Kot. Grau und trübe, wie in der Stadt, sah der Tag auch durch die Fenster des Wittenberger Schlosses; doch in den Räumen, die dem Schloßvogt Konrad von Oels zugewiesen waren, sah Seine beiden jungen Töchter es durchaus nicht traurig aus. Eufemia und Offka jagten einander lachend durch die Ge¬ mächer und kramten darauf wieder in allen Truhen nach den schönsten Gewändern, mit denen geschmückt sie vor dem Her¬ zoge erscheinen wollten, der sie auf heute zu sich beschieden hatte. Man konnte es dem Ritter von Oels nicht verdenken, wenn er mit Wohlgefallen auf seine Kinder blickte und in berechtigtem Vaterstolze auch daraus

kein Hehl

machte.

Er

pflegte seine Töchter seine Goldäpfelein zu nennen. Zwar paßte diese Vergleichung nicht ganz, und Junker Cuno von Oppen, dessen Konrad vor dem Herzoge Erwähnung gethan, hatte es besser getroffen, wenn er sie zwei Röslein auf einem Zweige nannte, die nur des Sonnenscheins harrten, um auf¬ zublühen. Zwar glichen die Röslein einander nicht ganz, denn Eufemia, die ältere, war ein ernstes, finniges Kind, mit braunem Haar und sanften, blauen Augen, während Offka, die jüngere, eitel Sonnenschein war; selbst ihr lichtblondes

Haar

schien aus

Sonnenglanz gewoben, und ihr Auge strahlte

wie der lachende Fiühlingshimmel selber. Die Schwestern befanden sich jetzt in ihrer Kammer. Vor ihnen stand eine geöffnete Truhe, und Bethel, die Gürtelmagd, hatte nach Anleitung der Fräulein unter bewundernden Ausrufen die bezeichneten Sachen hervorgelangt und ausgcbreitet. Offka wollte sich soeben ein pelzverbrämtes Sammet¬ gewand anlegen laffen, als sie plötzlich zögerte und befahl, em anderes, blaues, das mit reicher Silberstickerei versehen war, dem Kasten zu entnehmen. Die ältere Schwester sah die jüngere erstaunt an, als sie den Umtausch der Kleider bemerkte. „Was hat Dir denn den Sinn gewandelt, Offka?" fragte sie. „O nichts." meinte diese errötend. „Vetter Cuno sagte nur, mein blaues Kleid stände mir bester zu Gesicht, als alle übrigen, und es ist wohl angebracht, mich für den Herzog mit dem besten Kleide zu schmücken." Eufemia lächelte die Schwester an. „Ich fürchte nur, Offka. der arme, kranke Herr wird gar wenig auf solche Kleinigkeiten achten, und Du hättest getrost mit dem filbergestickten warten können, bis Vetter Cuno, seinem Versprechen gemäß, uns hier aufsucht."

494 Offka enigegnete nichts. Doch wie die Rose die gleiche Pracht entfaltet, ob sie in heimlicher Waldeinsamkeit erblüht.

wo niemand sie sieht, oder im schmucken Ziergärtlein, wo jedermann sie bewundert, so war es auch ihr Bedürfnis, sich zu schmücken, ob sie es nun für den kranken Herzog that oder für einen anderen, desien Augen williger waren, Jugend und Schönheit in sich aufzunehmen.

„Der arme Herr!" sagte Eusemia mit mitleidschimmerndem „Der Vater hat mir erzählt, wie tief ihm das Schicksal

Auge.

seines Hauses in die Seele schneidet, und wie schwer er daran zu

tragen

hat,

ist

wie

an

einer drückenden Last.

Denke doch

ihm. als gehe er in einem bergumschlossenen

nur. Thale; von einem Berge haben sich Felsstücke gesenkt und find in die Tiefe gefallen, seine Gefährten erschlagend, er aber muß allein weiter wandern, und so oft er seine Augen es

erhebt, sieht er das halbabgebröckelte Felsstück drohen, bereit, herabzustürzen und auch ihn zu erschlagen. Ist das nicht' ein furchtbarer Gedanke?" Osfka sah die Sprecherin erschrocken an. „Eusemia," rief „wie kannst Du so reden? Hat nicht der Vater ge¬ sagt, in den traurigen Ereignissen, welche unser Fürstenhaus heimgesucht haben, habe nur der Zufall gespielt?" Und ehe Eusemia antworten konnte, fuhr sie fort: „Ich bitte Dich. Schwester, die Beispiele, welche man für das Gegenteil anführt, beweisen nichts. Kurfürst Wenzels Ende war freilich plötzlich, doch auch unsere Mutter ging schnell aus der Welt; ein Herzschlag raffte sie dahin. Kurfürst Rudolf fiel in der Schlacht; frage unsere Ritter, ob sie,

Tod auf grüner Haide einem langen Siechtume vorziehen? Zwei Brüder Albrechts starben in der Kindheit an einem hitzigen Fieber; das war traurig, aber nicht ungewöhnlich. Der Turm des Lochauer Schlosses, der die Söhne Herzog Rudolphs erschlug, war uralt und sollte umgebaut werden; lediglich Unvorsichtigkeit war es. ihn noch zu bewohnen." Bethel hatte ihr unterdessen beim Anlegen des Gewandes geholfen, und nun stand sie vor der Schwester in ihrer rosig lachenden Schönheit und strich sich die goldblonden Löckchen aus der weißen Stirn. „Rein, nein, Eusemia, ich glaube nicht an ein so furchtbares Geschick. Wäre ich ein Mann, ich verscheuchte alle trüben Gedanken, nähme den Degen in die Faust und erkämpfte mir das Glück in der schönen, weiten Welt. Wozu ist er ein Mann, wenn er nicht kämpft, sondern sich dem finsteren Geiste überläßt, der ihn befällt?" Eusemia blickte die Schwester vorwurfsvoll an. „Weißt Du, ob er nicht gekämpft hat und des Ringens müde geworden ist? Ich sage Dir, mir thut das Herz weh, wenn ich ge¬ denke, wie der Herzog leiden muß, denn er ist überzeugt von seinem Geschick, und der Glaube ist ja doch der Boden, darin sie

nicht

alle

einen

das Wesen des Menschen wurzelt." Offka nestelte am Mieder. „Warum vergrämt sich der Herzog sein Leben?" meinte sie gleichmütig; und dann durch¬ suchte sie mit flinken Fingern das Schmuckkästchen nach einer Doch so viel sie auch räumte und kramte, sie fand keine vor, die zu dem silbernen Zierrat des Gewandes gepaßt hätte, und schon wollte sie ungeduldig werden, als die hilfreiche Bethel zur rechten Zeit Rat wußte. „Der alte Chaim Levi, der Schmuckhändler, hat eine reiche Auswahl in Geschmeide und edlen Steinen, Goldspangen

Haarspange.

\

!

S--

und Perlenschnüren,"

so

redete sie die junge

Herrin an, „es

gehen einem schier die Augen über, wenn man alle die Herr¬

Wenn Ihr wollt, so sende ich meinen Bruder, den Jürgen, zu ihm mit der Weisung, er solle, so¬ gleich mit einer Auswahl seiner Sachen zu Euch kommen." Offka stimmte dem Plane lebhaft zu, und Bethel sprang in den Hof, um den Bruder zu suchen, der als Roßbube im kurfürstlichen Marstalle diente. Jürgen lief gerade über den Hof auf das geöffnete Thor zu, als Bethel ihn anrief und ihm den Auftrag an den Juden erteilte. „Wo wolltest Du hin, Jürgen?" rief sie erstaunt. „Du warst im Begriff, den Hof zu verlassen." Der Knabe wies lachend die prächtigen Zähne. „Verrat mich nicht; Du weißt, wir sollen den Stall nicht ohne Er¬ laubnis verlassen, und ich wollte zur Stadt hinaus. Sie sagen, vorm Elsterthore habe das Wasser einen prächtigen Fall und schäume daher wie Meereswogen. Aber sei nur still, ich gehe zuvor zum Juden und komme bald zurück." lichkeiten betrachtet.

Ungefähr nach einer halben Stunde erschien Chaim Levi mit einem Kasten seiner Schätze vor den Töchtern des Schloßvogtes. Der Schmuckhändler im langen Kaftan, ein schon bejahrter Mann, trug auf dem Kopfe den Spitzhut der Juden. Die Locken an den Schläfen waren alle bereits schneeweiß, doch blickten die dunklen Augen noch feurig genug. Er neigte vor den Damen und murmelte: „Der Herr sich demütig meiner Väter segne Euch! Ihr habt Euern Knecht gerufen, und ich bin gekommen. Mögen meine Sachen Gnade finden vor Euren Augen!" Bei diesen Worten öffnete er seinen Kasten, der mit dunkelm Sammet ausgeschlagen war, und in dem es von Gold, funkelndem Edelgestein und Bernstein flimmerte und blitzte; denn der Jude hatte seine schönsten Sachen hervorgesucht. Gefällig breitete er die einzelnen Sachen aus oder hob sie empor, daß oas Licht auf sie fiel, und dann pries er sie mit beredten Worten an. „Die Damen find jung und schön, sie müssen sich schmücken mit Gold und Steinen, daß mau kann sagen, ihr Haar sei glänzender denn Gold, und ihre Augen strahlender denn Edelgestein. Ich bin ein alter Mann, ich weiß nicht zu machen so schöne Redens¬ arten,

wie die jungen Edelleute werden sagen

den

schönen

Fräulein." Offka blickte verlangend auf die zum Teil kostbaren Kleinodien, und es ward ihr schwer, unter so viel Schönem die rechte Auswahl zu treffen. Der Alte bemerkte das wohl und sah verschmitzt darein. „Wenn das Fräulein schön findet meine Sachen, warum soll es nicht nehmen, was ihm gefällt? Werden doch kommen Festtage, und es wird geben Feiertage, wo das Fräulein wird anlegen können den Schmuck, deit es heute dem armen Juden abkäuft." Hiermit hielt er Offka eine Haarspange entgegen, die über und über mit blauen Steinen besät war, und zeigte in der andern Hand eine Halskette aus goldenen Plättchen, in deren Mitte ein purpur¬ roter Rubin eingelaffen war. Offka ergriff die erstere und legte sie beiseite: „Laß gut sein, Chaim Levi, stelle den Preis, und schließe den Kasten!" Aber der Jude gab sich nicht so leicht zufrieden. Wieder und wieder hielt er dem Mädchen das Kettlein entgegen, lobte an ihm die zierliche Arbeit und sagte zuletzt: „Betrachte

■tj

495

das Fräulein nur den Rubin! Er besitzt die Eigenschaft, die Liebe des Mannes zu erwecken, an den seine Trägerin mit Herzklopfen denkt. Es könnte vielleicht eine Zeit kommen, wo Ihr mit Sehnsucht diesen Rubin erwünscht und vergeblich nach ihm sendet." Prüfend ließ Offka das gelobte Kleinod durch die Finger gleiten. Von hellen Perlen umgeben, schimmerte der Rubin wie ein roter Blutstropfen; es war, als winke und grüße er ihr zu. Ob ihm wirklich eine geheime Kraft innewohnte? „Nun, es lohnt sich doch vielleicht einmal, die Macht des Steines zu erproben," meinte übermütig lachend Offka, bei welcher die Worte des Juden sichtlich einigen Eindruck hinter¬ lassen hatten, und legre den Schmuck in ihr Kästchen. Ver¬ geblich redete Eufemia auf sie ein. es sei nicht recht, sich auf Zaubereien einzulaffen, die eitel Leid im Gefolge hätten. Offka hörte nicht, sie versprach dem Juden, das Geld zu senden, und entließ ihn mit freundlichem Kopfnicken. Chaim Levi aber murmelte im Hinausgehen: „Sind die Mädchen doch alle gläubig, wenn man von der Liebe zu ihnen spricht, auch meine weiße Taube — der Herr segne sie — nicht ausgenommen." Die weiße Taube aber, von der Chaim Levi sprach, war Esther, das schönste Judenmädchen der Stadt. Es war gut. daß Offka ihre Auswahl getroffen hatte, denn wenige Minuten, nachdem der Jude hinausgegangen war, wurde ein schwerer Tritt hörbar, und Ritter Konrad

trat ins Zimmer,

um seine

schmunzelte, als er sie ansah;

Goldäpfelein abzuholen.

Er

doch dann zuckte er die Schul¬

tern und meinte: „An den bunten Gewändern, die Ihr an¬ gelegt habt, werdet Ihr wohl mehr Freude finden, denn der Herzog. Doch kommt nur! Der Herzog hat schon einmal nach

uns geschickt."

Als fie

durch die alten Korridore schritten, die jeden dumpf zurückgaben, über die steilen, zum Teil ausge¬ tretenen Treppen, und dann wieder durch die hallenden Gänge, die den Wind von allen Seiten einzulassen schienen, fröstelte es Offka ein wenig, und sie fragte: „Mußt Du denn jahraus, jahrein hier im Schlosse bleiben, wie der Fuchs im

Tritt

Bau, Vater?" Konrad lächelte. „Du vergleichst falsch. Der Herzog hat mir die Verwaltung seiner wichtigsten Burg anvertraut im Frieden wie im Kriege. Wer auf einem solchen Posten steht, der ist in den Augen der Welt nicht verborgen und kann Ver¬ steck spielen nach Lust und Gewohnheit. Gefällt es Dir hier nicht?"

„Burg doch

Rabenstein hat mir besser gefallen. Vater, und ist nur ein ritterlich Haus und kein fürstlich Schloß. Diese

Gänge

erinnern

mich

fast

an

unser

strenges

Kloster

zu

Plozeck."

Der Ritter schüttelte den Kopf.

„Thörichtes Kind!

Ein

Nonnenkloster und eine herzogliche Residenz! — Doch in einem mögen sie einander gleichen." und er seufzte rief, „Freude und Lebenslust sind in keinem daheim." Nun hatten fie die herzoglichen Gemächer erreicht, und

im Vorraume stand wieder Andreas und blickte müde und gelangweilt auf die jagenden Wolken, die der Sturm zerriß, und die sich doch immer wieder zusammenfanden. Als er die beiden Mädchen erblickte, verklärte sich sein Gesicht, als habe er Bethel erschaut. Es hatte sich lange kein Frauenfuß

fr-

hierher verirrt, und er freute sich schier, solchen Besuch seinein Herrn vermelden zu können. Des Herzogs blaffes Gesicht sah nicht frischer und fröh¬ licher drein, denn sonst; nur seine Augen, in denen es w.e verhaltene Klage lag, blickten teilnehmend den Ankommendeir Freundlich streckte er dem sich tief neigendeit entgegen. Schwesternpaare

seine Rechte entgegen,

herzliches Willkommen bol,

und

indem er ihnen ein ruhte dabei Mit

sein Blick

unverhohlener Freuve auf dem lieblichen Bilde, das leibhaftig vor ihm stand. Er begann mit Offka über ihr Lautenspiel zu reden, und diese war schnell mit der Antwort bei der Hand; fie geriet in Eifer, ihre Augen blitzten, ihre Wangen röteren sich, und die blonden Löckchen tanzten auf der weißen Stirn. Sie sprach zutraulich und sonder Scheu, und so kamen die beiden in ein gar freundliches Gespräch, an dem sich auch Eufemia beteiligte, obgleich sie ihrer Gewohnheit gemäß stiller war, als die Schwester.

Seines Vogtes haue der Herzog fast vergessen, doch dcr gute Konrad nahm sich die scheinbare Ungnade nichl sehr Er lehnte ehrerbietig am Fenster und wuß:e zu Herzen. ob er ein Wörtlein dreinreden solle oder nicht. Endlich meinte er. er müsse zum Ausbruch mahnen; doch der Herzog wehrte dem Drängen und wollte nichts davon wissen, ehe seine jungen Gäste die Fürstenzimmer gesehen hätten. Er selbst geleitete die Schwestern durch die Prunkgemächer, welche die Kurfürsten Wenzel und Rudolf ausgebaut und eingerichtet hatten. Dort wies er ihnen die zierlichen Holz¬ täfelungen der Wände, die veneiianischen Gläser und die

nicht recht,

wuchtigen Humpen auf den geschnitzten Schränken und die prächtigen Gewebe und Teppiche vor den Thüren und am Boden, lauter Sachen, die ihrer Kostbarkeit und Seltenhen wegen in keinem andern denn nur in einem fürstlicheit

Hier gefiel es Offka weit besser, als auf den Treppenfluren; doch, als sie dann in den Waffen¬ saal gelangten und ihr der Herzog den krummen Säbel zeigte, den er in der siegreichen Schlacht bei Nikopolis erbeutet Hane, Hause zu erschauen waren.

ward ihr Auge des Anblicks müde, denn fie hatte dergleichen Waffen vielfach auf Burg Rabenstein gesehen, wo fie ihr der Vetter Cuno gezeigt und erklärt Hane. Sie begriff Eufemia nicht, die den Worten des Herzogs fast andächtig lauschte und den edelsteinbesetzten Dolch anzurühren begehrte, den Herzog Albrecht eigenhändig dem türkischen Sultan Bajazid entrissen, der, als er im Jahre 1396 mit seinen Horden über die Gefilde Ungarns zog, sich selbst Jldrym, das ist Blitzstrahl, genannt hatte. Als endlich der Herzog seine Gäste entließ, bat er Offka, fie möchte ihm zuweilen vergönnen, ihrem Ge¬ Dann aber sänge und dem Spiele ihrer Laute zu lauschen. wich der Glanz von seinem Antlitz, und liefe Schallen be¬ gannen darauf zu lagern. „Gern, Herr Herzog," sagte Offka. „Sobald Ihr mein begehrt, laßt es mich wiffen! Ich steige dann mit der Schwester zu Euch herauf und spiele und singe, Am liebsten hätte sie noch hinzu¬ so lange es Euch gefällt." gefügt: „Ich möchte Dir gern etwas Gutes erweisen. Du armer, kranker Mann," aber fie getraute sich's nicht und blickte den Herzog nur mitleidig an. Der winkte mit der Hand, noch ein Gruß, eine tiefe Verneigung, und die Teppiche rauschten hinter ihr und den anderen zusammen. „Nun, wie gefiel Dir der alte Herr Herzog?" flüsterte fie der Schwester zu.

■e

„Der alte?" fragte Eufemia erstaunt. alt erschienen?"

„Ist

er

Dir

496 so

„Nun, an den Schläfen schimmert das Haar bereits silber¬ weiß. und kleine Falten ziehen sich um die Augen. Wer ihn anschaut, kann doch nimmer denken, er stände einem Jüng¬ linge gegenüber." Eufemia schüttelte das Haupt und sagte leise: „Der arme Herr! Wie müde

aus, und wie traurig war der Aus¬

sah er

druck seiner Augen!

Mir

that es weh, seinen Blicken zu

gegnen, und doch sah ich nichts anderes

"

be¬

Draußen pfiff der Wind noch immer; heulend strich er um die Luken und drängte sich durch die Thüren. Es war, als klage er um die Pracht und Herrlichkeit vergangener Jahre, in denen hier im Schlosse noch frisches Leben pitlfierte, während es jetzt ruhte, nachdem der einsame Mann seine schwermütigen Gedanken wie Schleier über alles gebreitet. Recht unheimlich klang das Lied des Windes, und die Schwestern eilten, ihre warme Behausung zu erreichen. Konrad von Oels aber stieg in den Schloßhof hinunter. (Fortsetzung folgt.)

Aus -er Vergangenheit Stralaus. Von Rirttard Mesrgo. (Mit Abbildung). (Schluß.)

Eine ganz besondere Ehre wurde dem Stralauer Fisch¬ zuge im Jahre 1821 dadurch zu teil, daß der damalige General-Intendant Graf Brühl die Aufführung einer Lokal¬ posse — und zwar der ersten in Berlin — auf der könig¬ lichen Opernhausbühne gestaltete, welche den Titel „der

Stralower Ftschzug"

führte. Herr Ferd. Meyer hat interreffante Episode aus der Berliner Theatergeschichte im 17. Jahrgang des „Bär", Seite 607, eingehend behandelt, ebenso auch auf Seite 628 desselben Jahrgangs eine Bio¬ graphie des unglücklichen Dichters Julius von Voß, des Verfassers dieser Lokalpoffe, gegeben, so daß ich hier nicht näher auf den interessanten Gegenstand einzugehen brauche. Bis zur Mitte dieses Jahrhunderts bewegte sich die Be¬ deutung des Stralauer Fischzugs in aufsteigender Linie. 1841 sollen 50000 Berliner an dem Volksfest teilgenommen haben. Im Jahre 1842 besuchte der spätere Kaiser Wilhelm I. mit seinen Brüdern, den Prinzen Karl und Albrecht, das Fest; 1843 erschienen dieselben Herrschaften, sowie Prinz Waldemar und ein württembergischer Prinz. Der letzte Besuch des Hofes fand 1847 statt. Seitdem find Mitglieder unseres Kgl. Hauses nicht mehr zu der lustigen Kirmeß er¬ schienen. Das Volksfest hatte übrigens schon im Anfange dieses Jahrhunderts einen lumultuarischen Charakter ange¬ nommen. der von Jahr zu Jahr stärkere polizeiliche Maßregeln diese

>

fr

Das einfache Gotteshaus ist ein Backfteinbau von geringer Ausdehnung, ein einschiffiges Langhaus mit polygonalem Schluß und quadratischem Westturm mit vierseitiger Spitze. Die Decke ist ein Kreuzgewölbe, dessen einfach profilierte Rippen auf figurierten Konsolen ruhen. Die Portale und Fenster find spitzbogig. In drei Fenstern find Reste von Glasgemälden aus dem Anfange des 16. Jahrhunderts. Der Kronleuchter aus Messing stammt aus dem Jahre 1708 und trägt die Inschrift: „Frau Anna Katharina Schillinger, geb. Behniker. hat diese Krone der Kirche zu Strahle geschenkt anno 1708." Im Märkischen Museum befinden sich aus der Stralauer Kirche: ein kelchförmtger Taufstein aus dem 15. Jahrhundert, zwei in Messing getriebene Taufschüsseln mit den Darstellungen des Sündensalls, ein Taufengel aus Holz aus dem 18. Jahrhundert, sowie ein Klingelbeutel aus dem Jahre 1683. des Turmes der Stralauer Abbildung in der vorigen Nummer wieder (Seite 485). Der Original-Kupferstich vom Jahre 1793, der die llnterschrift trägt: „Vne äs Treptow et Strahlau pres de Berlin 1793“, befindet sich in der Bibliothek des Berliner Magistrats. Das Bild zeigt im Vordergründe ein zu Treptow gehöriges Gehöft, daran schließt sich der Spree¬ strom; im Hintergründe baben wir uns den Rummelsburger See zu denken. Der interessante Kupferstich kann auf topo¬ graphische Genauigkeit jedenfalls keinen großen Anspruch er¬ Dem Künstler lag offenbar mehr an der Wiedergabe heben. des schönen Landschaftsblides, welches er im Zimmer nach flüchtigen Skizzen gezeichnet haben dürfte. An dem Langhaus hat Meister Schinkel, wenn wir von dem Dachstuhl absehen, nichts Wesentliches geändert. Es enthält geiviß Ueberreste von sehr hohem Alter, die dem vier¬ zehnten, vielleicht sogar dem dreizehnten Jahrhundert angehören dürften. Dahin gehören die interessanten Verzierungen der

Die

Kirche

frühere

giebt

Gestalt

unsere

Tragesteine des Gewölbes, welche menschliche Köpfe darstellen; diese dekorative Plastik ist mit dem Sparte! sauber aus Thon geschnitten. Interessant ist auch die Wetterfahne der Stra¬ lauer Kirche; sie zeigt neben dem Berliner Wappentiere die 17 Zahlen gg, welche jedenfalls die Jahreszahl 1733 bedeuten

An der Südseite des Kirchleins meldet der älteste vorhandene Grabstein vom Jahre 1795, daß hier Charlotte Rusch nach langen, unverdienten Leiden ruht. Um die Ruhe des kleinen Friedhofs, welcher das idyllisch gelegene Gotteshaus umgiebt, ist es während der Feier des Stralauer Fischzuges freilich oft schlecht bestellt gewesen: die Vogelwiese hatte ihre Hauplstätte auf dem freien Platz vor sollen.

— wenn man das noch so nennen darf —

der Kirche, und der ausgelassene Festjubel wüste Treiben des

Berliner Janhagels

erheischte.

dehnte sich bis auf die Grabstätten aus.

Ein weithin sichtbares Wahrzeichen Stralaus ist die überaus einfache, von einem kleinen Friedhoie umgebene Kirche, die sich malerisch unter hohen, alten Bäumen erhebt. (Siehe Abbildung Seite 497). Nicolai giebt 1464 als das Jahr ihrer Erbauung an, ohne einen urkundlichen Beleg für diese Datierung beizubringen. Die Kirche ist jedoch jedenfalls älter, als Nicolai angiebt. Der Westturm erhielt seine gegenwärtige Gestalt durch den großen Schinkel, der die Stralauer Kirche im Jahre 1822 umbaute.

Diese Ausschreitungen, bei denen sich „alle Bande frommer Scheu" lösten, verschlimmerten sich von Jahr zu Jahr, und seit der Mitte dieses Jahrhunderts war der Stralauer Fischzug, einst ein harmloses Volksfest, ein Sammelplatz aller derjenigen Elemente geworden, die gern Radau machen und groben Unfug verüben, und an diesen hat es leider nie in Berlin gefehlt. Es herrschte schließlich ein so wüstes Treiben auf dem Stralauer Fischzuge, daß der Ortsvorstand sich veranlaßt sah, das Fest auf der Wiese um die Kirche nicht mehr zu gestatten. (23. Juli

-€

497

Seitdem hat es an Versuchen, das Fischzugsfest wieder aufleben zu lassen, nicht gefehlt, und es sind auch noch in späteren Jahren ungeheure Menschenschwärme am 24. August von Berlin nach Stralau gepilgert. Diese WiederbelebungsVersuche find auf die interessierten Besitzer der Vergnügungs¬ lokale in Stralau zurückzuführen, welche sich die Einnahmen aus

1873).

der Ueberschwemmung Stralaus mit Berlinern nicht entgehen

So hat der in den letzten 20 Jahren oftmals tot gesagte Stralauer Fischzug eine künstliche Wiedergeburt ge¬ feiert. Er ist jedoch arg

lassen wollen.

&-•

uralten kaiserlich chinesisch-astronomischen Tribunals, sondern auch erster Staatsminister des „himmlischen Reiches der Mitte" unter den ersten Herrschern der damals neueingesetzten MandschuhDynastie. Es war dies der deutsche Jesuitenpater Adam aus Schall Köln am Rheine, geb. 1591 in letztgenannter Rheinstadt und gest. am 15. August 1666 in Peking. In einem Lande, in dem die Astronomie mit der Stern¬ deutekunst damals noch eng verbunden, eifrigste Pflege und Anerkennung fand, konnten die Weltuntergangs-Ankündigungen kaum zu den außerordent¬

und Geschäfisgeworden,

lichen Seltenheiten zählen.

heruntergekommen

lediglich ein unternehmen an dessen früheren Glanz nur noch der Name er¬ innert.

Und

wir

denn auch, als die deut¬

Astronomen, Kalen¬ und Stern¬ deuter deu größten Ruf genossen, in Deutschland den meisten Ankündi¬ gungen vom Nahen des Weltunterganges. Die muntere Volksweise und ehemalige Studenten¬ melodie : „Stiefel muß sterben" scheint bei dem Verfehlen einer solchen Schreckenskunde im Okrobermonat des Jahres 1533 entstanden zu dermacher

fern eigenartige eine Stelle ern, als es mit seinen 1800 Einwohnern

im wesentlichen an der GrenzeseinerAusdehnuiig angelangt ist. Die Natur selbst hak dem Dorfe im Rummelsburger See und in der Spree unverrück¬ bare Grenzen gegeben. Das uralte Fischerdorf hat sich in unseren Ta¬

und dann sich von der Hochschule in Wittenberg schnell über ganz Norddeutschland verbreitet zu haben. Eine sein

in einen Vergnü-

gungs- und Fabrikort verwandelt. Die

drollige,

Vergnügungslokale, die sich dem Bedürfnis der

aber

geschicht¬

lich beglaubigte Begeben¬

heit scheint hier die Veranlassung gegeben zu

großen Masse der Be¬ völkerung des östlichen

Berlins

begegnen

schen

moderne Das Stralau nimmt unter den Vororei Beilins iwo-

gen

so

haben,

und

man

annehnien, daß

anpassen, liegen

kann

die

ge¬

der

flügelten Worte: „Stiefel

Spreeseite, die Fabriken vorzugsweise am Rum¬

muß sterben" zuerst in der Kirche von Holzdorf (östlich von Wittenberg

auf

vorzugsweise

melsburger

See.

Die

gewerbliche

und

indu¬

strielle Thätigkeit hat in letzten

den

Jahrzemen

in Stralnu.

sehr an Boden gewonnen,

und

Fabrikschorn-

die

steine

Nach

find

-«-» biographisch-» Aus»°hm° d-s Tourist-»'Klubs für di- Mark Brandenburg.

und südlrch von Jüterbog, sowie unweit vom Städt¬ chen Schweinitz gelegen) am 3. Oktober 1533 aus dem Massenchore

aufge¬

regter Bauern ertönte.

die Ursache

(Schtutz.)

Der am 19. April 1486 zu Eßlingen in Schwaden ge¬ borene Michael Stiefel wurde cm sehr gelehrter Manu, und zuweilen zeigte er sich gelehrter in zweifelhafien Dingen, als es für ihn und seine nächsten Bekannten gut und angezeigt erscheinen konnte. Er war ein großer Mathematiker, Hane sich der neuen Kirchenlehre in Wittenberg zugewendet und war dorr in der sächsischen Universitätsstadt jedenfalls auch mit

In der Mitte und in der zweiten Hälfte des XVII. Jahrhunderts war dann noch Jahrzehnte hindurch ein Deutscher im fernen China nicht bloß Piäsiveiil des belühnueil und

dem in astrologischen Berechnungen zuweilen hervortretenden Reformator Melanchthoii näher bekannt geworden. Im Jahre 1529 wurde Michael Stiefel zum Pfarrer in Holzdorf ernannt.

geworden,

Stralau

daß

für Landhäuser in

dem

so

schön

gelegenen

kein Raum mehr ist.

MrUuntergangs-AnKündigungen. Altberlinische Erinnerungen unv historische Rückblicke von

Carl Kttriitor.

Alle Rechte vorbehalte».

—-s

498

auf besondere Empfehlung des vr. Martin Luther. Das rief dann sonderbare Folgen hervor. Zwei Schwächen brachte der gute Mann nämlich mit in sein neues Amt. Die eine bestand in seinem unbegrenzten Wunderereignisse, die andere in seiner zuweilen Glauben an auf arge Abwege geratenden Rechnungskünstelei in astronomischen Dingen und Deuteleien der Schilderungen, die in der Offen¬ barung Johannis enthalten find. Die Bauern in Holzdorf wären zufrieden gewesen, wenn ihr Pfarrer ihnen schlicht und recht in angebrachter Weise und zur rechten Zeit Gottes Wort ans Herz gelegt hätte. Der Pfarrer Stiefel fühlte sich jedoch der gesamten Mitwelt gegenüber zu weil anderem berufen und erzählte darum seinen Bauern und auch anderen Leuten eine große, überraschende Neuigkeit, an die er persönlich glaubte und die er mit Eifer und Ausdauer möglichst verbreitete.

Er hatte nämlich herausgefunden, bei seiner Kunstrechnerei und Offenbarungsforschung, daß Christus, der Welterlöser, am 3. Oktober des Jahres 1533, genau vormittags zehn Uhr, das Weltgericht halten werde, womit natürlich auch gleichzeitig der „Jüngste Tag" unwider¬ ruflich beginnen sollte. persönlich

wiederkehren

und

Die hohe Gelehrsamkeit des Pfarrers Stiefel war ziemlich Nachdem der Genannte seinen Bauern von der Kanzel herab oft genug das Herannahen des Weltgerichtes und das bevorstehende „Vergehen von Himmel und Erde" bekannt.

vorgepredigt hatte, glaubten die biederen Landleute endlich ebenso steif und fest daran, wie ihr Herr Pfarrer. Je näher der verhängnisvolle Schreckenslag heranrückte, um so mehr wurde daher auch geschmaust und gezecht, da man doch nichts verderben lassen wollte bei den Schrecknissen des Weliunrerganges. Speck- und Wurstvorräte wurden ebenso vertilgt wie der Inhalt der Fässer, der sonst für Stärkung in rauhester Jahreszeit in achtsamster Weise aufbewahrt wurde. Während man sonst für den nahenden Winter vorgesorgl haue rn werrgehendster Art, harte alle Vorräte aufgezehrt,

war um

es sich

Man für die bevorstehenden

nun umgekehrt.

Schreckenserergnisse hinreichend zu stärken.

Am Morgen des drillen Oktober 1533 versammelte

sich

die ganze Gemeinde von Holzdorf in ihrer Kirche, um andächtig

und ergebungsvoll Stiefels Predigt über das nun beginnende Weltgericht anzuhören. Mil Hingabe uno Eifer predigte der überzeugte Pfarrer von den untrüglichen Zeichen und Schreck¬ nissen des „Jüngsten Tages". Da gerade ein furchtbares Unwetter eintrat und die dichtgefüllte Kirche mit Zerstörung bedrohte, waren alle Anwesenden ebenfalls überzeugt, daß nun das Angekündigte wirklich eintreien werde. Plötzlich klärte sich jedoch der Himmel wieder auf. die schönste Witterung trat ein mit herrlichstem Sonnenschein, die Mittagsstunde erinnerte an die bis dahin stets stattgefundene Hauptmahlzeit, und nun wurden die sonst so langmütig und geduldig ge¬ wesenen Bauern rebellisch. Sie umdrängten den verblüfften und enltäuschten Prediger in dichter, erbitterter Menge, glaubien vielleicht auch nun sogar, derselbe habe als Schalks¬ narr gleich dem bekannten Eulenspiegel gegen sie gehandelt und sie mit einschüchternden Vorspiegelungen auf unerhörte Weise gefoppt.

Tobend umdrängten sie den geängstigten und verzagt gewordenen Mann, als derselbe endlich von der Kanzel herabslieg. Sie zerrten, stießen und pufften ihn im wildwogenden

e»-

„Nieder mit Stiefel!" — „Stiefel muß sterben!" erschallte dabei im Massinchore. Arg zerbläut und schlimm zugerichtet, entkam der wundergläubige Mann, der mit seiner gelehrten und abergläubischen Ueberspanntheit dieses Unheil selbst verschuldet hatte, endlich aus der Kirche und auch aus dem Dorfe. Handgemenge umher.

Die ganze Sache wurde dem Konsistorium in Wittenberg

vr. Martin Luther diesen Vorfall Man kam dort zu der Beschlußfassung, daß Michael Stiefel in gutem Glauben und mit besten Absichten

unterbreitet, wo nun der eingehend besprach.

seinen Bauern den Weltuntergang verkündet habe

im Lehramte zu belassen

und daher

sei.

Stiefel wurde später Professor der Mathematik an der Hochschule in Jena und leistete in diesem Wissenszweige noch recht Ersprießliches. Ein Hauptziel seiner regen Thätigkeit als Universitätslehrer bildete die Verbreitung und Förderung der Algebra in deutschen Landen. Seine vormalige Welt¬ untergangs-Ankündigung überlebte er um mehr als 33 Jahre. Als er am 9. April des Jahres 1567 in Jena das Zeitliche segnete, ohne den Weltuntergang erlebt zu haben, waren die Worte: „Stiefel muß sterben" längst in Studentenkreisen, sowohl zu Wittenberg als auch in Jena, der Text einer be¬ liebten, volkstümlichen Sangesweise geworden, die durch „fahrende Schüler" schnelle und weite Verbreitung fand.

Michael Stiefel war keineswegs der letzte, der in gutem Glauben das Herannahen des Weltunterganges auf Grund mathematischer Berechnungen und mit Auslegung mißverstan¬ dener Bibelstellen sicher ankündigen wollte. Martin Richter rechnete den „Jüngsten Tag" ganz bestimmt für das Jahr 1677 heraus.

Philipp Melanchlhon, der vielen, so auch dem späteren, verdienstvollen kurbrandenburgischen Staatskanzler Lamprecht Distelmeyer das Horoskop (— Zeichendeutung) stellte und ihm dabei gleichzeitig die Weisung für die Wahl des Lebensberufes gab,; verkündete den Eintritt des Welt¬ unterganges für das Jahr 1680. Sein Zeitgenosse Ofiander (eigentlich Hoiemann heißend) glaubte hingegen, das Jahr 1689 zu müssen. Der schottische Gelehrte und Schriftsteller John Rapier, Baron von Mer» chiston, geb. 1550 zu Merchiston in Schottland und dort gestorben im Jahre 1617, hatte den „Jüngsten Tag" und mit diesem das „Weltgericht" für das Jahr 1700 heraus¬

dafür

angeben

mathematische

gerechnet.

Swedenborg,

der bekannte Schwärmer und Geisterseher,

hatte das „Weltende" für das Jahr 1756 erwartet, überlebte aber auch diesen Zeitabschnitt um sechszehn Jahre. Andere betrachteten dann das Jahr 1806 als „sehr kritisch".

Für

den

preußischen

Staat gestaltete

es

sich

leider kritisch

genug.

Ein Zeitgenosse des Emanuel Swedenborg, der berühmie Theologe Johannes Albrecht Bengel, geboren am 24. Juni 1687 zu Winnenden in Würtemberg, gestorben am 2 . November 1752 als Konsistorialrat und Prälat in Alpirsbach, trat auch als Weltuntergangsverkündiger ganz besonders hervor. Von den Fachmännern wird Bengel als der erste protestantische Theologe anerkannt, der die Kritik der Schriften des Neuen Testaments mit Scharfsinn, Umsicht und Reife des Urteils behandelte. Andererseits wird nun aber auch dieser deutsche

--e

499

Mann in Hinsicht auf folgendes als Schwärmer betrachtet werden müssen. Die Offenbarungen des Johannes für den Höhen- und Krönungspunkl oes Prophetismus erklärend und dieselben auch noch in weltlichen Beziehungen als durchaus maßgebend für die neuere Zeit betrachtend, berechnete Bengel aus dem Inhalte dieses letzten Teiles des Neuen Testamentes mit großem

Fleiße und vieler Rechnungskünstelei, daß die Welt, deren Hauptteil nach älterer Auffassung der von uns bewohnte Planet bilden sollte, genau 7777^/g Jahre bestehen würde. Der sonst so ernste und tüchtige Gelehrte verkündete den Beginn des Weltgerichts für das Jahr 1836. Aehnlichen Träumereien und Ueberschwänglichkeiten begegnete man noch vielfach in der Mitte des neunzehnten Jahrhunderts. Im Jahre 1851 erschien zum Beispiel ohne Angabe des Verfassers die Schrift: „Sechs Perioden der christlichen Kirche" in Heilbronn. Hier wird die Zeit des Eintritts der großen Weltkatastrophe zwischen den Jahren 1879 unv 1887 ange¬ geben. Mit welcher „Berechtigung" dieses geschah, beweist am besten der Umstand, daß das Angekündigte nicht eintrat. Die Weltuntergangsbefürchtungen im Jahre 1857 riefen in verschiedenen Hinterlandsgebieten Norddeutschlands unier den Landleulen und Kleinstädtern eine Vcrhaltungsweise hervor, die den wirtschaftlichen Uebereilungen und Mißgriffen der Bauern von Holzdorf im Sommer und im Herbste des Jahres 1533 täuschend glich. Hoffentlich wird die für den Morgen des 14. November 1899 berechnete Kometenannäherung nicht ähnliche Thorheiten veranlaffen, sondern mit gutem Humor erwariei und überstanden werden. Dafür in bester Weise mitzuwirken, dürfte als eine Ehrenpflicht der Tagespreffe gelten können.

Knaöenerinnerungen. Der Zufall wollte es, daß mein guter Vater, nachdem in die schwierige Kunst des Lesens eingeweiht war, an einer Augenentzündung erkrankie. und daß ich nun infolge meiner Kunstfertigkeit beauftragt wurde, ihm täglich die Zeitung

ich

eben

vorzulesen.

Da mein Vater, ein schwarzweißer Preuße vom Scheitel bis zur Sohle, mir, seinem Aeliesten, die Großthaten unserer Fürsten und unseres Heeres mit Vorliebe erzählt hatte, und ich nichts Schöneres kannte, als vom großen Kurfürsten und vom alten Fritz zu hören oder mir von meinem damals noch lebenden Großvater, der als Lützower gefochten, aus seiner Kriegszeit berichten zu laffen — so kann es nicht wunder nehmen, daß ich als 9 jähriger Junge ein für mein Alter sehr entwickeltes Verständnis für die damaligen politischen Ver-

hältniffe hatte. Hörte ich doch täglich darüber sprechen, und wurde mir doch, so weit das möglich war, auf meine vielen Fragen von meinem Vater bereitwillig Antwort gegeben. Jedenfalls — davon war mein Herz überzeugt — „ge¬ schlagen" konnten die Preußen nicht werden! Und ich entsinne mich noch sehr genau, daß ich deshalb den damaligen sehr großen Sekretär meines Vaters mit einer unverhohlenen Verachtung ansah, weil dieser Mensch, als man 1863 in¬ folge des in die Brüche gegangenen Frankfurter Fürstentages einen Krieg mit Oesterreich vor der Thüre glaubte, in meiner

s--

Gegenwart zu einem unserer Förster geäußert hatte: „Na! denn adjes! da werden wir schöne Schläge kriegen!" Hätte es in meiner Macht gelegen, der Mann hätte un¬ verzüglich das Haus verlassen müffen! — Bekanntlich kam es aber 1863 nicht zum Kamps, und des Jahres 1864 sah Preußen und Oesterreicher Anfang der Schulter an Schulter gegen die gefürchteten Dänen ziehen.

Man wird vielleicht lächeln, daß ich den „Danskes" hier dieses Beiwort gegeben habe, aber die Erinnerung an die Ereigniffe von 1850, besonders an die Zeit, wo das winzige Dänemark Häfen schloß, dann die Mär von dem gewaltigen Danewerk — alles das trug dazu bei. den „tapfern Landsoldaten" bei uns, nicht allein in den Kreisen einfacher Leute, sondern auch bis hoch hinauf, mit einem Nimbus zu umgeben, der ihn vielen „ge¬

dem

zur See

ohnmächtigen

Deutschland

die

fürchtet" erscheinen ließ. Es war am 2. Februar 1864, abends in der siebenten Stunde. Ich schwitzte gerade über einer lateinischen Aufgabe bei dem Nachmitlagsprediger unseres Nachbarstädlchens. Da wurde die Thür aufgerissen, und herein stürzte der Schwager meines verehrten Lehrers: „Depesche! erstes Gefecht!" Die Nachricht von dem Vorstoß auf Missunde war da. Dieselbe abschreiben, Latein — Latein sein lassen, und, so schnell die alte Stute mein Wägelchen ziehen wollte, nach Hause fahren, war für mich die nächste Folge dieser ersten wirklichen Kriegsbotschaft.

So jung ich war — so hatte ich doch das Empfinden: „Hier stimmt etwas nicht!" Denn die Schanzen waren nicht genommen, und Prinz Friedrich Karl war vor denselben Daß höhere Rücksichlen das Abbrechen des veranlaßt hallen, war zu hoch für mich, und auch noch für viele andere Leute, wie ich dies gleich bei meiner Ankunft zu Hause erfahren sollte. zurückgegangen. Gefechtes

Es war Besuch eingeiroffen, denn am anderen Tage sollte die Taufe eines Schwesterchens statlfinden. Man saß schon beim Abendbrot, als ich aufgeregt und mich herzlich wenig um die Formen kümmernd, die ein wohlerzogener Junge nun mal haben und zeigen soll, meine kopierte Depesche Erstes Gein der Hand schwingend, hereinstürzte: „Hurra! — nichts! Die wußte noch man fecht!" Ich war glücklich der „Onkel" das Depesche wurde studiert, und endlich sprach gewichtige Wort: „Da haben wir's — die Sache fängt mir einer Schlappe

an!"

Was hätte ich darum gegeben, wenn ich dem Onkel aus meiner vollen Ueberzeugung heraus hätte Unrecht geben können! Aber leider, leider — er schien nur zu recht zu haben, und selbst mein so fest auf Preußens Waffen verlrauender Vater mußte zugeben, daß ein thatsächlicher Erfolg nicht errungen worden sei. Als dann aber der Onkel, der 1848 selbst insoweit handelnd mitgewirkt halte, als er das Original des traurigen Verirages von Malmoö (26. August 1848) nach Kopenhagen als Feldjäger üherbrachle, im weiteren Verlauf zu meinem

Vater sagie: „Ich sage Dir. Fritz, das wird dieselbe Geschichte, wie damals — wir reiten uns hinein und müssen hernach klein beigeben —", da geschah etwas, was mir, weil es für uns ganz unerhört war, nie aus der Erinnerung gekommen Mein Vater, stets ein Mann der ist und kommen wird. vollendetsten Formen, schlug mit der Hand auf den Tisch,

-

-i

500

rief: „Nein! nein! und abermals nein! Das sage ich Dir — das wird nicht dieselbe Geschichte: der König und Bismarck, die zucken nicht zurück!" Mein Mütterchen hatte Mühe. die hochgehenden Wogen daß alles wackelte, und

der mich

ich aber

entgegengesetzten Ansichten zu beruhigen;

innerlich,

daß

der Vater

dem Onkel

so

freute

ordentlich die

Meinung gesagt. Der nächste Tag brachte nähere Einzelheiten. Ein in unserer Nähe garnisonierendes Bataillon hatte Verluste erlitten, darunter einen Fähnrich oder Avantageur, der uns bekannt war. Das gab für die Damen natürlich genug Stoff zum Klagen, und ich entsinne mich, dabei wiederholt die Befürchtung gehört zu haben: „Ach. wenn der Feind nur nicht ins Land kommt!" Wenn man nun auch diese wunderbare Sorge damit entschuldigen kann, daß Frauen von unmittelbaren Ursachen leicht beeinflußt werden, so zeugen diese Bemerkungen doch dafür, daß man 1864 recht herzlich wenig auf die Kraft unseres Vaterlandes zu trauen geneigt war. Allerdings hatten ja die klugen Herren Volksvertreter genug Veranlassung gegeben, an dem Horte Preußens, an seiner neuen, herrlichen, damals allerdings noch nicht er¬ probten Armee Zweifel zu hegen: Zweifel, die sich in ein wesenloses Nichts nach den Tagen von Düppel und Alfen lösen sollten. Aber vielleicht noch mehr als der ruhmreiche 18.

April

vier Wochen ftüher die Nachricht vom Seegefecht von Jasmund dieHerzenhoch schlagen. Die Schmach, die Deutschland 1848/49 durch den kleinen, seemächligen Nachbar hatte er¬ dulden müssen, die Erinnerung an die „deutsche Flotte un¬ die 1852 unter dem Hammer seligen Angedenkens", vr. Hannibal Fischers ein rühmloses Ende genommen, und ließ

endlich die numerische Schwäche der kleinen preußischen Marine — alles dies ließ keine Erfolge erhoffen.

Kunde von Kapitän Jachmanns helden¬ am 17. März. Ich entsinne mich noch sehr deutlich, daß diese Nachricht bei den ruhigen Bewohnern meiner märkischen Heimat zunächst geradezu ein stummes, bewunderndes Staunen hervorrief, und deutlich sehe ich einen alten Holzhauermeister vor mir. der — früher Unteroffizier gewesen — mir durch seine militärische Sprechweise immer „Neubauer", sagte mein Vater zu demselben, sehr imponierte. „haben Sie's schon gehört, unsere Kriegsschiffe habend den „Zu befehlen — dänischen nun auch ordentlich gegeben?" nein, Herr Oberförster! Dann sünd sie (die Dänen) ja auch Da künnen sie uns ja NU gaar nichs mehr!" NU da alle!

Da

kam

die

mütigem Seegefecht

wieder dasselbe Lied — die von vornherein an¬ genommene, in diesem Falle allerdings nicht unberechtigte Furcht vor der dänischen Ueberlegenheit! Ich erwähne dieses Punktes besonders, weil er mir kennzeichnend erscheint für die Zeit, die vor den großen Kriegen liegt, und die heutzutage so gut wie vergeffen ist. Endlich die Siegesdepeschcn vom 18. April und vom 29. Juni! — Die Drahtmeldungen von der Höhe der Düppel¬ mühle. die der erstaunten Welt berichteten, daß in weniger denn 10 Minuten die für unüberwindlich gehaltenen Düppeler Schanzen genommen seien, daß unsere ruhmreichen, schwarzweißen Farben auf den zerschossenen Wällen siegreich flatterten — sie mochten Europa, die Welt ahnen lassen, daß die jungen Auch

S>Soldaten König Wilhelms I. die würdigen Enkel der Helden von 1813—15 seien. In der Heimat ließen die Tage von Düppel und Alsen in den preußischen Herzen ein Hochgefühl wach werden, wie ich es später bei den großen Siegen der Jahre 1866 und 1870 kaum gesehen habe.

Diese beiden Siegesrage — mit den großen Erfolgen von Königgrätz und Sedan sinv sie ja nicht zu vergleichen — sie

waren doch für Preußen eine Probe für die Zukunft.

Ich habe damals in den Augen erwachsener Männer Thränen stolzester Freude gesehen, als sie die Depeschen lasen, die in ihrer lapidaren Kürze dem Auge des Lesers doch ein deutliches Bild gaben von jener todesmutigen Begeisterung, die nicht allein die berüchtigten Schanzen, sondern auch noch den Brückenkopf von Sonderburg in kürzester Frist in unseren Besitz gebracht hatte.

Und nun kamen die näheren Nachrichten. Der Heldentod des braven Klinke, des preußischen Winkelried, begeisterte uns Jungens besonders, und im Schanzenbau und Schanzensturm wurde das Möglichste geleistet. Ja. ich entsinne

wir an Miniaturpalllsaden hingen und dasselbe entzündeten — aller¬

mich sehr genau, daß

ein Pulversäckchen

dings weitab vom Schuß, aber doch mit dem unerwarteten Ausgang, daß die Dampfwolke bemerkt wurde, und daß unsere Sprengversuchr durch das väterliche Dazwischentreten einen zwar schmerzlichen, jedenfalls aber durchschlagenden Erfolg an uns selbst erzielten.

Dann war es der Tod des Feldwebels Probst vom 64. Regiment, der, die Sturmfahne auf den Wall der Schanze aufpflanzend, von einem tapferen Verteidiger erschossen ward und so sein Leben im Augenblick des Sieges für König und Vaterland dahingab! um die sich bald ein legendenhafter Schleier wob. sprachen zu dem Herzen des Volkes, und wohl manch einer, der. angekränkelt von dem Genörgel der damaligen Volksvertretung, zweifelnd auf unsere jungen, „unerprobten" Soldaten gesehen, wurde eines besseren belehrt und bekehrt. Diese Heldenthaten,

Der Tag von Alsen — erwartet und

doch

überraschend

— gab

so recht die Gewißheit, daß „mit den Truppen alles zu machen sei", und endlich bewies das kleine Gefecht von Sundbye, am 3. Juli 1864, die furchtbare Ueberlegenheit des Zündnadelgewehrs über den Vorderlader und vor allem den hohen Wert unserer Waffe in der Verteidigung.

Das war auch solch wunder Punkt dazumal, daß das glänzende Drauflosgehen der Oesterreicher bei Oberselk und Jagel (3. Febr. 64) und bei Oeversee ( 6 . Febr.) die Meinung hatte befestigen helfen, daß die „Stoßtaktik" der beste Weg zum Siege sei.

Wie oft habe ich in jenen Tagen nicht die Ansicht aus¬ sprechen hören: „Ja! ja! die Oesterreicher, die verstehen's! Die haben's 1859 von den Franzosen gelernt! Und dann die österreichischen Jäger! — aber unser Gewehr?!??" und ein zweifelhaftes Kopfschütteln des alten Landwehrmynnes, der seiner Zeit noch mit dem Miniegewehr oder mit der Thouoeninschen Dornbüchse ausgebildet war (so waren es fast alle Förster meines Vaters), ließ die minder sachver¬ ständigen Hörer doch den Wert des Zündnadelgewehrs — des „Krickelkrakel", wie unsere österreichischen Bundesgenoffen

•6

den Hinterlader ziemlich verächtlich nannten

501

— arg in Frage

unserer unerreichten Siege sein?" — da

kam die Größe des Erreichten mehr und mehr zur richtigen

stellen.

Da

werden die Erfolge

Kunde von Sundbye und gab jedem, der unumstößliche Gewißheit, daß Vorderlader alten Gerümpel zu werfen seien: durch zwei kurzes Schnellfeuer waren die in Kolonne

kam die

wollte, die und Stoßtaklik zum Salven und ein angreifenden Dänen — weggeblasen worden. hören

Erfolg damals von unseren Bundesgenossen wohl gar nicht recht in Betracht gezogen worden, und die Oesterreicher blieben in dem Glauben, daß sie das Arkanum des Sieges in dem rücksichtslosen, todesmutigen Sturm in dichten Kolonnen sicher in der Hand hätten; eine Ansicht, die ihnen dann zwei Jahre später, als unserem Glück ist dieser

die Jahrhunderte alte Gegnerschaft zwischen Hohcnzollern und

Erkenntnis.

Bei der Geschwindigkeit, mit der die Ereignisse

sich ab¬

von unsern spielten (diese Geschwindigkeit damaligen Gegnern das zwar nicht gerade schöne, aber doch „affenartig" erhalten), hatten sehr bezeichnende Beiwort hatte bekanntlich

1866 noch nicht von der Bahn be¬ rührten Städtchen wenig vom Kriege gesehen. Endlich hieß es: „Unser Lazarett wird mit österreichischen Verwundeten

wir Jungen in

unserem,

belegt!" Und so kam es. Natürlich wurde jeder freie Augenblick um dorthin zu gehen und die Bekanntschaft der fremden Gäste zu machen. Es waren durchweg Leichtverwundete,

benutzt,

die meistens schon fast völlig ge¬ Habsburg auf Böhmens Gefilden nesen waren. ein Ende finden sollte, trotz aller Während wir uns inil den heldenmütigen Tapferkeit nur blu¬ Italienern sehr schnell anfreundeten, tige Niederlagen brachte. österreichischen Jäger waren die 1866 war ich auf dem Gymna¬ ziemlich unnahbar, und es impo¬ sium zu Königsberg i. N., im nierte uns sehr, daß einige der¬ Hause meines Großvaters. Die von selben den großen Busch Frage: „Wird cs Krieg geben oder am Hahnenfedern, den sie grünen nicht?" zog sich bekanntlich vom Preis keinen Hule trugen, um Mai bis zum Juni hin. und als verkaufen wollten. das 2. Bataillon der 60er unser Ganz besonders blickten wir Städtchen verließ, glaubte eigent¬ aber mit einer Art voir bewun¬ recht an lich doch noch niemand so dernder Scheu auf ein paar große einen blutigen Ausgang. Endlich ungarische Husaren, die trotz der kam die Nachricht von Oester¬ Gefangenschaft ihre kohlschwarzen reichs Mobilmachungsantrag gegen haarspitz ausgesetzt Schnurrbärte damaligen Deut¬ Preußen beim hatten Juni 1866). schen Bunde ( 11 und. sich augenscheinlich etwas Besseres dünkend, in stiller Am denkwürdigen 14. Juni er¬ Verachtung auf ihre leichtlebigeren folgte die Abstimmung, die über Letztere Kameraden herabsahen. ärmster, Krieg entschied. den Ich die darin, nichts durchaus fanden der täglich mit meinem allen Zigarren und Tabak Besucher um Großvater die Karten und Zei¬ anzugehen, und es schien ihnen tungen studierte, lag seit ein paar eine gute Vierradener mindestens Tagen an den Masern im dunkeln ebenso vortrefflich zu schmecken, Zimmer. Air (frbgtofiljcritigin Elisabeth »au (Olbtnburg. wie eine echte Importierte dem Da kam am 15. Juni, mittags, Sind) einer photographischen Aufnahme von Franz Titze »thaler sachverständigsten Raucher. mit der neuesten „KreuzZeitung" in Oldenburg. Lazarett Unsere Besuche im in der Hand, der 78 jährige alte unserem die in Cholera, verschlossenen Laden denn die die aus nahmen aber riß bald ein Ende, Herr zu mir ins Zimmer geeilt, österreichischen die als und las mir mit dem Ausruf: „Gott sei Dank, nun geht Heere leider größere Opfer gefordert, Kugeln, hatte uns Jungen Ferien verschafft, und ich befand es los!" das Telegramm über die in Frankfurt a. M. mich im Elternhaus, als die Nachricht, daß Napoleon III. gefallene Entscheidung vor. überstürzten Tage seine Vermittelung angetragen, bekannt wurde. denkwürdigen 7 Die Ereignisse der sich Mein Vater war außer sich, und ich erinnere mich sehr so. daß für uns Jungens tlur gerade die Zeit übrig blieb, Die Siegesnachricht von gut. daß er zum Entsetzen aller Bekannten das Wort aus¬ die frischen Depeschen zu lesen. sprach: „Mobil find wir — am besten wir marschieren nur Königgrätz war eben angeschlagen, als wir aus der Schule diese über Freude daß die über den Rhein: die Franzosen find dessen nicht sagen, gleich kann nicht kamen. Aber ich .

ungeahnten Erfolge sich äußerlich so sehr bethätigte. Die Sorge um den glücklichen Ausgang des großen Bruderkampfes hatte in unserm Vaterlande allerorten so vor¬ geherrscht. daß die endlose Reihe der Siege gewissermaßen er¬ Erst nach Königgrätz. als von dem großen drückend wirkte. Kriegsschauplatz in Böhmen längere Zeit keine Siegesdepeschen kamen und nun die Frage laut wurde: „Was nun? Welches

gewärtig!" Dann kam er eines Morgens ganz früh an mein Bett und sagte freudestrahlend: „Es wird noch alles ganz gut — jedenfalls behält der König die Führung in Deutschland!" Dies sind Knabenerinnerungen an eine große Zeit, die — r. noch Größeres hervorbringen sollte!

nb

502

Kleine Mitteilungen. (fihrbgvoRtjcrjoßin ffililabctlj von (Dibcnbuvo f. zurückgezogen. Eines Sonntags

I

die 501) In der Blüte der Jahre ist am 38. August d. Ecbgroßherzogin Elisabeth von Oldenburg, die zweite Tochter der Prinzen Friedrich Karl von Preußen und seiner Gemahlin Maria Anna, einer geborenen Prinzessin von Anhalt, aus Schloß AvolfSeck bei Fulda, wo sie Die Erbgrotzzu Besuch weilte, durch den Tod dahingerafft worden. herzogin war am 8. Februar 1857 geboren; sie vermählte sich am 18. Februar 1878 mit dem Erbgroßherzog August von Oldenburg, welcher Ehe nur die am 2. Februar 187 d zu Oldenburg geborene Herzogin Sophie entstammt.

(Mit Porträt S.

Der grstzo Krrrnlourtitor inr Kuppolrcrurn dos ReictistaAsgobärrdes. Ueber den großen Kronleuchter, der für der Wandelhalle im neuen ReichStagSgebäude bestimmt und vor kurzem aus Augsburg angekommen ist, erfahren wir: Nicht bloß die 80 Centimeter hohen Figuren, welche die zwö f Nischen des Leuchters einnehmen, sind vortrefflich ausgeführt, sondern auch alle Pflanzen¬ ornamente und Wappenschilder zeigen dieselbe Feinheit der Ausführung. Der gedämpfte und dennoch kräftig goldbraune Grundton der Bronze variiert in helleren und dunkleren Schattierungen so, daß sich die einzelnen Partien wirkungsvoll von einander abheben und dock eine harmonische Gesamtwirkung erzielen. Der Kronleuchter soll gewiffermaßen ein Bild der deutschen Kulturgeschichte geben. Sein mächtiger Reifen ist durch zwölf Nischen gegliedert; der Raum zwischen ihnen zeigt Schilde, die von Kronen überragt und von Adlern getragen werden. Diese Schilde schmücken die Wappenzeichen der für Deutschland wichtigsten Kaiser. Die Nischen selbst geben den Gestalten von Männern aus dem Volke Raum, welche durch ihre geistige Bedeutung zu Lichtträgern der Nation wurden. Der erste in ihm folgen der Reihe dieser leuchtenden Vorbilder ist Ulsilas, BonifaciuS, Eginhard; letzterer umfaßt mit der Linken die Rolle mit der LebenSbesckreibung Karls des Großen, während die Rechte das Modell Die vierte Nische wölbt sich über Roland, deS Aachener Domes hält. dem Vertreter der Ritterlichkeit und Stärke des alten deutschen Reiches. Die kernige, mit Schwert und Schild gewappnete JünglingSgestalt von Köln, dem Bruder und hat in dem greisen Bruno Kanzler Ottos des Großen, ihr ernstes Seitenstück. Es folgen die breiden kriegsgewaltigen Necken Markgraf Gero, der Bezwinger der Slaven, und Markgraf Hermann Billing, der Sieger im Nordosten des Reichs. AIS achter in der Reihe ist Neinhold v. Dassel, der kluge Kanzler Barbarossas, zu nennen, ihm zur Seite ragt Otto v. Wittelsbach empor, der Bannerträger der Reiches, der kühne Mitkämpfer Barbarossas. Hermann v. Salza, der Bruder Kaiser Friedrichs II. und Begrün er der Ostmark, gesellt sich zu Albertus Magnus, dem berühmten Kölner Gelehrten Martin Luther, der Reformator und Neubegründer der deutschen Schriftsprache, schl'eßt den bedeutsamen Ring. Jede einzelne Figur ist nach Vogels Modellen aufs sorgfältigste und treuste in Bronze gegossen und ciseliert worden. Der ganze Reifen wird von der deutschen Kaiserkrone getragen und überragt; sie ruht auf einer Burg, Das Gesamt¬ welche von einem dichten Eichenlaubkranz umgeben ist. gewicht des Kronleuchters beträgt 125 Centner. den Kuppelraum

Gine Godonktafol

für

den Fürsten Kismarck,

gestiftet von seinen nock lebenden ehemaligen Mitschülern, ist an der nach der Straße belegenen Mauer der Gymnasiums zum Grauen Kloster in der Klosterstraße angebracht worden. ES ist eine Tafel aus weißem, goldgerändertcm Marmor, an den unteren Ecken mit Palmen verziert, die in vergoldeten Buchstaben die Worte enthält: „Otto von BiSmarck war des Grauen Klosters Schüler vom 4. 5. 1830, Sekundaner, bis 14. 4. 1833, Abiturient Zum Jubiläumstage, dem 2. September 1895. Seine Mit¬ schüler der Prima von 1839 bis 1832."

Hrrv;rs Verfahren.

— Soldat von ganzem Herzen, beteiligte Feldmarschall Wrangel, wie bekannt, als er 1866 kein Kommando erhalten konnte, als Freiwilliger in seinem Kürassierregiment am Kriege. Der König hatte ihm daS gestaltet, und so fuhr denn der alte Herr den vor dem Feinde stehenden Truppen nach. Wrangel wollte zwar in Feindesland hineinreiten, bestieg aber auf dringendes Bitten feines Adju¬ tanten den Wagen „Na, jut, ich will'S thun, auf Dein Bitten, aber Du reitst. Du reitst!" Nun allein im Wagen, begann Wrangel denselben zu untersuchen und fand dabei allerlei Sachen, wie es jüngere Osfiziere gern haben. Da waren Konserven, Weine, Cigarren u. s. w, die er der Reihe nach aus dem Wagen warf. Nun kam der Abend, Schmalhans w^r Küchenmeister, und die jedem Soldaten gelieferte Feldportion machte den ganzen Reich¬ tum der Tafel aus. Schmunzelnd meinte Wrangel nun: „Scheenes Leben, des Soldatenleben, so einfach, so jesund!" Nach der Mahlzeit forderte er seinen Adjutanten aus, zu rauchen. „Ich habe keine Cigarren," antwortete sich

dieser.

„Ja, dann

werde ich Dich welche holen!" Stand auf und ging in den Stall zum Burschen der Adjutanten, den er mit den Worten: „Gleich giebst Tu die Cigarren, die Du Deinem Herrn geraubt hast!" in nicht geringen Schrecken versetzte und zur Herausgabe veranlaßte. Mit — dn. — der Beute ersreute er dann den rechtmäßigen Eigentümer.

— Fortdauernder Rvfpelrt. Der alte brave Husaren¬ major von Gleichen, der übrigens viel auf seinen Adel und demzufolge auf gehörigen Unterschied der Stände hielt, hatte sich aus sein Landgut

geht er in die Kirche. Der Pfarrer predigt vom Jenseits, daß dort alle gleich seien und es keinen Unterschied in Rang und Stand gebe. Der würdige Major, aus der Kirche kommend, begegnet seinem ehemaligen Wachtmeister, jetzigem Hausmeister, der ebenfalls in der Kirche gewsien war. „Hör' Er mal, Jakob!" herrschte der Major ihn an. Jacob machte ehrerbietig Front. „Er hat gehört, war der Prediger heut gesagt; aber das sage ich Ihm, wenn wir uns einmal dort" — hier zeigte er nach dem Himmel — „treffen sollten: daß Er mir den gehörigen Respekt nicht vergißt, sonst" — hier schlug er auf den Säbel, — „sonst — nun Ec kennt mich ja!" Mit militärischer Haltung antwortete Jacob, indem sein Herr vorüber¬ ging: „Zu Befehl, Herr Oberstwachtmeister — soll pünktlich befolg! — du. — werden!"



Gin Vostgonio des 17. Jahrhunderts.

Ende

des 17 Jahrhunderts tauchte im äußersten Westen der brandenburgischpreußischen Staaten ein eigentümliches Postgenie auf. Dort richtete nämlich der brandenburgifche HosmusikuS Schöpplenberg in Cleve unter kur¬ fürstlichem Schutz und Privilegium eine regelmäßige Personen- und Paketfuhrgetegenheit zwischen Cleve und Köln ein, die er später von Cleve Selbstverständlich blieb dieses Unternehmen nach Nymwegen ausdehnte. nicht ohne Anfechtung, besonders auf Betreiben des fürstlich Thurn und TaxiSscken Postmeisters in Köln. Schließlich gelang cs aber doch im Jahre 1699 (nachdem Schöpplenberg einen im letzten Augenblick auftretenden Konkurrenten überboten), gegen eine Abgabe von jährlich zweihundert Thalern auch die Konzession der kurkölnischen Kammer zu erlangen. Schöpplenberg erhielt seine Ernennung zum „kurbrandenburgischen PostKommissiariuS", und der Köln-Nymweger Postkurs, der eine bis dahin ungeahnte Beschleunigung der Verbinvung mit Amsterdam bildete, bewährte sich so gut, daß noch unter den Nachkommen Schöpplenbergs das PosthauS in Cleve lange Zeit eine der wichtigsten Stationen im Postverkehr zwischen Deutschland und Holland bildete. Und dieses Postgenie war ein Privat mann, ein Musikant, wie der berühmte englische Postresormator Rowland und der Erfinder der aufklebbaren Briefmarke, ChalmerS. der ein

Hill

E K.

Buchhändler war.

Krn Kerliner Aquarium

zwei Seewasserbecken des oberen Grottenganges neu eingerichtet und mit Fischen aus dem Mittel¬ und Adriatischen Meere, welche die Fangstation Rooigno hierher lieferte, Dar eine derselben hat außer kleineren Knurrhähnen und besetzt worden. der einer Gattung Meerbraffen noch zwei Arten Fische aufgenommen. ersten von diesen begegnen wir jener Spezies, die wegen ihres weißen, festen, eigenartig pikant schmeckenden Fleisches bei den größten Feinschmeckern römischer und neuerer Zeit als die Krone aller Fische galt und gilt. ES ist dies die Meerbarbe (Llulluo), ein in Schauanstalten nur selten anzutreffender Meeresbewohner, ausgezeichnet durch zwei lange, zum Aufspüren der Nahrung dienende Bartfäden, einen an der Vorderseite sehr steil abfallen¬ den Kopf und oberseitlich karminrote, unten silberne, übrigens in mancherlei Schattierungen und Tönen spielende Färbung. Die zweite Art ist hier noch nicht gezeigt worden. Sie gehört zu den Schlangenfischen (Ophidium), so benannt wegen ihres gestreckten, cylindrischen, beweglichen Körpers, der mit sehr kleinen Schuppen bedeckt ist, einem ununterbrochenen niedrigen Flossen¬ kamm, und an der Kehle zwei Paar Bartfäden trägt. Das zweite Becken wurde mit einer außerordentlich reichen Anzahl kleiner, zoll- bis finger¬ langer slldeuropäifcher Zahnkarpfen bevölkert, die in dem Behälter ein ruheloses, silberglitzerndes Gewimmel schaffen. Diese reizenden Fischchen bilden einen Uebergang von den in unseren Gewässern stark vertretenen Weißfischen zu den übrigen Physostomen und erregen noch dadurch Jntrreffe, Auch andere seltene daß die Männchen viel kleiner als die Weibchen sind Fische langten aus der Adria an, so ein Haifisch, mehrere Schleimfische rc. Die Helgoländer Biologische Station bereicherte die Seetierwelt deS Aquariums mit Blumenpolypen verschiedener Art und Färbung.

sind

In

Mcherttsch. SehMor,

I.

Wychgram. dargestellt. Von Er. 16 Lieferungen Bielefeld 1895. Verlag von Velhagen u. Klasing zu 60 Pfg. Die neue illustrierte Schiller-Biographie von Er. Wychgram liegt nunmehr vollständig vor und ist in allen Teilen das geworden, was sie zu werden ver¬ sprach, ein nationales Prachtwerk, das einen Ehrenplatz in jedem deutschen Hause verdient. Schillers Volkstümlichkeit und Bedeutung für das deutsche Volk ist nicht allein in seinen unsterblichen Werken begründet, sondern auch in seinem Leben. Wenige unserer großen Dichter haben ein innerlich und äußerlich so bewegtes Leben gehabt, wenige haben mit solcher Thatkraft, solcher Selbstüberwindung und solcher Selbstbescheidung an sich gearbeitet und dadurch ihrem Leben Vorbildlichkeit für ein ganzes Volk verliehen, wie Schiller. ES ist deshalb ein großes Verdienst, dem deutschen Volke, besonders der heranwachsenden Jugend, Schillers Leben eindringlich und anregend vorzuführen, was in der Wychgramschen Darstellung vortrefflich gelungen ist. Zu einer ganz eigenartigen Erscheinung auf dem Gebiete der Schillerlitteratur wird das Werk auch durch die intereffante Illustrie¬ rung, welche die schöne geschichtliche Darstellung durch eine solche Fülle authentischer Porträts und zeitgeschichtlicher Abbildungen, wertvoller Schrift¬ proben und Briefe unterstützt, daß das ganze Zeitalter Schillers in einer dem

deutschen Volke

I.

503 Weise lebendig veranschaulicht wird, wie eS durch das Wort allein nicht erreicht werden kann. unserer Zeit, die sich dem Dichter des deutschen Idealismus, wieder zuzuwenden beginnt, ist das schöne Werk eine ganz vortrefsliche Gabe sür jeder deutsche HauS mit heranwachsenden Söhnen

In

— n.

und Töchtern.

Allgemeine ®cs4jidjte der bildenden Künste von vr. Alwin Schultz. Berlin 1885, G. Grotesche Verlagsbuch¬ handlung.

In

30 Lieferungen zu 2 Mk.

Die vorliegende 5. Lieferung enthält den Schluß der i'alienischen Renaissance- und Barock-Plastik, die Bildhauerkunst der Renaissance in Spanien, Frankreich, den Niederlanden, England, Deutschland und bringt damit die gesamte Darstellung der Plastik der Renaissance zum Abschluß. 58 Abbildungen im Text, vortreffliche Erzeugnisse unserer Holzschneidekunst, und 12 Tafeln und Kunstbeilagen erläutern und schmücken die vorliegende Lieferung, die Meisterwerke der Renaissance-Plastik in wirkungsvoller, treuer Wiedergabe zur Anschauung bringend. Eine wohlgelungene farbige Nachbildung der Reliefs „Die Verkündigung" von Andra della Robbia giebt ein hübscher Beispiel von der eigenartigen Thätigkeit der Florentiner Künstlerfamilie della Robbia, deren Reliefs aus glastertem Thon durch ihre ideale Formenschönheit und keusche Einfachheit entzücken. Er ver¬ dient den Dank aller Kunstfreunde, daß dieses Werk, besten Inhalt reicher und gediegener kaum gedacht werden kann, zu einem so sehr billigen Preis dargeboten wird; so allerdings wird auf die zweckmäßigste Weise dafür gesorgt, daß jeder, der Sinn für die Kunst und dar Schöne hat, deniseiben auch die beste geistige Nahrung zuführen kann. th

Alt - Kerstin.

Vaterländisches

Wilhelm Wendlandt.

in drei Auszügen. Von Berlin, Verlag von A. Entsch. 1885. Schauspiel

Preis 3 Mk.

In sarbenfrischen Bildern entrollt sich unserem Blick jener gewaltige Kamps zwischen Städtefreiheit und Fürstenmacht, zwischen dem trotzigen Berlin-Kölln und dem Kurfürsten Friedrich Eisenzahn. Unter möglichster Anlehnung an die geschichtlichen Thatsachen webt der Verfasser den Roman zwischen dem Bürgermeistersohn und der Tochter des kurfürstlichen BurghauptmannS hinein, geschickt einen Ausgleich herstellend nach dem ent¬ schiedenen Siege der Fürstengewalt. WaS die Sprache des Schauspiels anbetrifft, so stört vielfach der moderne Ausdruck; nicht selten kommen BeroliniSmen aus neuerer Zeit vor, selbst Kalauer fehlen nicht. — Mit Alt-Berlin auf der nächstjährigen Ausstellung im Hintergrund wird das srisch und flott geschriebene Schauspiel an Treue und LebenSwahrheit nicht wenig gewinnen. P. B. Des Erbprinzen Meitreise. Humoristischer Arthur Zapp. Berlin 1895. Verlag von Otto

Roman Zanke.

von

Preis

5 Mark.

Der Erbprinz Egbert will die Welt und die Menschen kennen lernen, wie sie wirklich sind, er will ein Jahr als gewöhnlicher Sterblicher unter ihnen weilen, und so läßt er seinen Freund, den Maler Kern, als Erbprinz nach Amerika fahren, während er selbst als einfacher Schriftsteller Reimann nach Berlin geht und dort in Künstler- und Litteratenkreisen verkehrt. Der angebliche Erbprinz verliebt sich in eine amerikanische Miß, der wirkliche in die Tochter eines Berliner Malers. Durch den Bericht des deutschen Konsuls an die herzogliche Regierung kommt die von dem angeblichen Erbprinzen beabsichtigte Mißheirat ans Licht der Sonne, und der zur Rettung des Erbprinzen nach Amerika geschickte herzogliche RegierungSrat deckt die vom Prinzen Egbert gespielte Komödie auf. Die Verzichtleistung deS Erbprinzen auf den Thron löst den Konflikt, so daß der Roman harmonisch mit einer Doppelheirat schließen kann. Der Verfaster bewährt sich in dem Buche als ein feiner Beobachter und Beurteiler, der nach dem Leben schildert. In erster Linie gilt dies von seiner Schilderung des Berliner litterarischen und künstleriichen Zigeunertums. Auch der kleine Fürstenhof, an welchem sich die Menschen wie Marionetten bewegen und an welchem die Schranken der Etikette jede freiere, ursprüngliche Aeußerung des Lebens ersticken, ist sehr anschaulich geschildert. Alles in allem ein guter Roman, der sich auch zur Lektüre in der Familie eignet.

—s.

Woher tönt dieser Mitklang dureh dio Mott?

Roman in 3 Bänden von Ossip Schubin. 2. Aufl. Braun¬ 1894. Verlag von George Weftermann. Preis 12 Mk., gbd. 15 Mk. Was die Romane der hochbegabten Verfasterin von jeher auSg-zeichnet: sinniger Ernst, ergreifende Tragik, tiefe Innerlichkeit und Wahr¬ haftigkeit in der Zeichnung der einzelnen Charaktere, dar ist auch dem vorliegenden Romane mit seinem wunderlichen Titel nachzurühmen. Wie lebensvoll gestaltet sich daS Bild des kleinen rheinischen BadeS mit seinen grundverschiedenen Besuchern — solchen, die sich „eine UrlaubSverlängerung vom lieben Gott erbetteln wollten," und solchen, denen „Rheinwein in den Adern rollt und Sonnenschein aus den Augen leuchtet"; wie unerbittlich scharf und richtig werden die Damen gewisser Gesellschaftsklassen beurteilt: „ein Bündel hysterischer Begierden hinter ein bischen geistiger Betriebsam¬ keit versteckt — der harmlos in diese Kreise Eintretende war von den Theorien dieser Gesellschaft verblüfft wie ein Bauer, der zum erstenmale hört von Menschen, die nicht an Gott glauben." Und auf der anderen Seite — welch rührende Töne vermag die Verfasserin z. B. anzuschlagen, wenn sie das Sorgen und Bangen der Mutterherzens schildert — „die alte Frau verbreitete ring» um sich eine kleine Tafel von Sonnenschein." schweig

ist-

Unter den drei Hauptpersonen sesselt weitaus am meisten Lena dar Jntereste des LeserS — „ein vornehmes Bild, nur mit einer Spur ver¬ wirrender Zigeunerpoesie in seinen schönen Zügen"; am wenigsten mutet der zerfahrene, unsicher schwankende Charakter Werners an. der eines mit solcher Hingabe und Selbstlosigkeit liebenden WeibeS, wie Else ist, nicht wert erscheint: auS diesem Grunde ist auch der Schluß des Romans kein befriedigender und kein, wie beabsichtigt, versöhnender. „Woher tönt dieser Mißklang durch die Welt?" Dieser Mißklang — er ist die Leidenschaft deS Menschenherzens, die sich duckt und windet, sich unter tausend edlen Gefühlen versteckt, bis sie auch das u-bestechlichste Gewissen einschläfert und bethört, um unter immer neuen Vorwänden, ihr innerstes Wesen ver¬ leugnend, ihr letztes Ziel erreichen zu können; dieser Mitzklang — eS ist die Sucht, sein Ich heilig zu sprechen, aber eS nicht heilig zu halten; eS ist jene Art der Reue, die nicht den Weg zur Sühne findet, sondern Daher tönt sich in sittlicher Vornehmthuerei und Schwächlichkeit verliert. dieser Mißklang, und er wird tönen, so lange es schwache, heißempfindende Mensche i auf der Welt geben wird. P. ß.

Das zwanzigste Jahrhundert.

Dar Oktoberhest

dieser

vortrefflichen deutsch-nationalen Monatsschrift (Verlag von Hans Lüstenöder, Berlin, Preis 3 Mk. vierteljährlich) hat folgenden

Inhalt:

Erdwirtschastliche Probleme. Erläutert an denr Aufbau des englischen Reiches. Von Or. H. Thüring. — Deutscher Lied. Von Tanthippus. — Die Wacht am Eisack. Von Or. E. C. Schmidt. — An einem Grabe. Von A. v. Eye. — Der deutsche Student der Gegenwart. Von Walther Ramm. — Kriegs- und FriedenSmoral IV. Von H. Mann. — DaS leidige Berlin. Von Fritz Lienhard. — Deutsche Aussprüche. — Die Thiel. — Die Behandlung der Preffe. AllerweltS-Duselei. Von P. Von M. — Landwirtschaftliches au§ Ungarn. — Schwachdeutsche, gro߬ deutsche, alldeutsche und größtdeutsche Politik. — Die erste Preßfreiheit in Deutschland und deren Mißbrauch. — Aus All-Deutschlands Gauen. Uotizvn. Soeben ist bei Schmidt u. Günther in Leipzig die Fortsetzung des mit so großem Beifall aufgenommenen Werkes über Napoleonl. erschienen. Nicht weniger als 59 Textillustrationen und 5 Vollbilder zieren die 4.-6. Lieferung dieses PrachlwerkeS Von den Vollbildern erwähnen wir folgende: Portrait der Madame Bonaparte geb. MariaLätitia Ramolino. (Nach dem Gemälde von Baron Gsrard, Museum von Versailles ) Napoleon in der Uniform der CyaffeurS de la Garde. (Stich von Dahling) Der Kaiser in der Notre-Dame-Kirche, die Verfassung be¬ schwörend. (Aus dem „Buch der Salbung von Jsabey und Fontaine" im Der Triumph Napoleons. (Nach dem Basrelief auf dem Louvre.) Triumphbogen ) Napoleon zu Fontainebleau am 31. März 1814. (Nach DelarocheS Originalgemälde im Museum zu Leipzig.) — Der vorletzte (15.) Band von Brockhaus' Konversationslexikon, der die Artikelfolge von „Sozial" bis „Türken" umfaßt, ist soeben erschienen. Der letzte Band soll Anfang 1896 veröffentlicht werden, und damit wird die Be¬ zeichnung der jetzigen (14.) Auflage als Jubiläumsausgabe gerechtfertigt sein; denn 1796 erschien die erste Auflage, welche damals von Loebell bei verschiedenen Verlegern herausgegeben wurde, bis sie 1808 F. A Brockhaus erwarb. In diesen hundert Jahrcn hat sich das Werk gewaltig entwickelt und ist zu einer Encyklopädie der menschlichen Wissens geworden, die im Publikum, wie seine Verbreitung zeigt, sehr beliebt geworden ist. — Die Vorarbeiten sür den 16. Jahrgang von Kürschners allbekanntem „D'eul scheu Litteratur-Kalender" haben begonnen. Der Herausgeber. Geh. Hosrat Josiph Mischt er, Hohenhainstein bei Eisenach, ersucht Schriftsteller, Uebersetzer rc., besonders auch Redakteure von Zeitungen und Zeitschriften um Einsendung ihrer Adreffe zur Aufnahme für dar Schriftsteller-Lexikon des Kalenders.

III

I.

Kleine litterarische

Inhalt:

Der letzte ASkanier in Wittenberg. Historische Erzählung von M. von Buch. (Fortsetzung) — AuS der Vergangen¬ heit StralauS. Von Richard George. (Mit Abbildung.) (Sä-Iuß.) — Weltuntergangs-Ankündigungen. Altberiinische Erinnerungen (Schluß.) — Knaben¬ Erbgroßherzogin von (Mit Porträt.) — Der große Kronleuchter im Kupp lOldenburg fl. raum deS ReichStagSgebäudeS. — Eine Gedenktafel für den Fürsten Bismarck. — Kurzes Verfahren. — Fortdauernder Respekt. — Ein Post¬ genie der 17. Jahrhunderts. — Berliner Aquarium. — Bücherlisch. — und

historische

erinnerungen.

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28. Oktober

50

1895.

lev letzte MsKamev in Wittenkevg. Historische Erzählung von M. non Auch. (3. Fortsetzung.)

Mn der Vorhalle begegnete dem Schloßvogt der Leibknecht 05 Hennig. „Gestrenger Herr, habt Ihr vernommen? Die Ouerfurterin, ich meine die Frau von Hadmersleben, hat sich auf dem Rabenstein anmelden lassen. Ich hab's gestern in der Stadt von einem gehört, der selber ihren Boten gesprochen. Das Witwenleben auf dem stillen Schlöffe zu Hadmersleben gefällt ihr nicht mehr, und sobald es die Witterung erlaubt, wird sie sich nach Rabenstein begeben. Ihr wißt. Ritter Thiele und Frau Margarets Vater, der edle Protze von Ouerfurt, waren Kriegskameraden." Herr Konrad sah den Knecht verwundert an. „Hast Du Dir auch nicht falsche Mär zutragen lassen? Der Gemahl der Ouerfurterin. wie sie die Witwe noch immer nennen, ruht ja noch nicht volle vier Monate unter der Erde."

Der Leibknecht beteuerte die Richtigkeit seiner Aussage „Die Ouerfurterin hat immer ihre Meinung verhohlen. Viel Trauer wird sie beim Hinscheiden des Junkers und fügte hinzu:

von Hadniersleben nicht empfunden haben. Einen grämlicheren ich mein Lebtag nicht gesehen, und in ihr selber. Ihr Vater, der alte Schloßherr Leben steckte das helle von Wiesenburg, derselbe, der nachmals seine Herrschaft an den Junker Brandt von Lindau verkaufte, hat sie mehr wie einen Buben denn wie ein Mädchen erzogen, und ich glaube, Mit den es that ihr selbst leid, daß sie kein Knabe war. der statt hinter und Burgknechten schloß sie gute Freundschaft, Kunkel war sie in Wald und Feld mit der Armbrust zu finden."

Herrn als ihn habe

Unter einem der gewölbten Thorbogen erschaute der Schloßvogt einen müßigen Stallburschen, der behaglich mit „Träges Gesindel," einer vorübergehenden Dirne scherzte. polterte der Alte vor sich hin. „Es ist eine Sünde und

Schande,

daß so ungetreuen Knechten die schönen Gulden

in

den Schoß geschüttet werden." Schon wollte der Leibknecht die Treppen ersteigen,

als ihn der Vogt zurückhielt. „Sag einmal. Hennig. soeben fällt mir bei, ging da nicht einmal die Rede von einem Verspruch zwischen unserm jetzigen gnädigen Herrn und der noch unver¬ mählten Margaret von Ouerfurt?" „Freilich," nickte Hennig; „der Vater unsers Herrn, Kur¬ fürst Wenzel, verlobte die beiden, da die Braut noch tast ein Kind war, denn er wollte gar zu gern seinem Sohne das prächtige Schloß Wiesenburg verschaffen, und die Protze von Ouerfurt gehörten dem höchsten Adel an. Nun aber starb Kurfürst Wenzel unerwartet, und der neue Herr, Herzog Rudolf, geriet in Streit mit dem Magdeburger Erzbischof Albert von Ouerfurt, dem Vaterbruder der Braut. Da ward die Ver¬ lobung auf Befehl Rudolfs plötzlich aufgehoben." Konrad blickte den alten Diener forschend an. „Hat denn der Herr damals das Verbot sonder Widerspruch gelten lassen und der Braut ohne Kampf entsagt?" Hennig

zuckte die

Schultern.

„Ich glaube nicht,

daß sich

eigentlich von Herzen zugethan ge¬ wesen find. Doch Ihr wißt, es ist nicht des Herzogs Art. viel zu reden über das, was ihn am meisten angeht, und Es war gerade in schon damals nmdüsterte sich sein Gemüt. die Brautleute so recht

dem Jahre, als die herzoglichen Knaben von dem Turme des Lochauer Schloffes erschlagen wurden, und noch derweil die

Sterbeglocken

klagten,

tönte

fröhliches Hochzeitsgeläute

in

Wiesenburg. Margaret von Ouerfurt hatte sich für den ersten besten den grünen Kranz in die Haare geflochten und gelobte sich am Altare Herrn Kurt von Hadmersleben und Egeln zu.



k--

506

Sie war nicht die erste, und sie wird auch nicht die letzte sein, die aus Stolz und Trotz über ein zerrissenes Herzens¬ band sich den goldenen Ring an den Finger stecken ließ, aber ist's selten ausgeschlagen, und hier schon gar nicht. Ja, hätte damals unser Herr die Ouerfurterin heim¬ geführt, so sähe es jetzt anders aus, und besser wäre es ge¬ worden, viel bester." Hiermit strich er sich die zerzausten, spärlichen Haare aus der Stirn und stieg dann seufzend zu seinem Herrn hinauf. Der Schloßvogt hatte dem Alten erstaunt zugehört. Ihm war von der Liebesgeschichte oder vielmehr von dem kurzen Brautstande des Kurfürsten nicht viel zu Ohren gekommen, und als ihn nun der Leibknecht verlasten, brummte er vor „Ja, ja, anders wäre es hier geworden! Ob aber sich hin: bester? Das mag der Himmel misten." Herr Konrad war nun einmal gewohnt, die Sachen zu nehmen wie sie waren, und hatte keine Neigung, eine etwaige veränderte Lage der Dinge blindlings darum besser zu finden, weil die augen¬ blickliche nicht eben gut war. Schnellen Schrittes durchmaß er das Schloß mit den umliegenden Gebäuden, deren Mannschaft und Ingesinde seinem Befehle unterstellt war. Sein Auge war scharf, und wehe dem, den er auf unrechten Wegen ertappte, oder der müßig war zur Stunde der Arbeit; denn der Bogt hielt nicht zurück mit der Strafe. Führte er aber auch ein streng Regiment, so war er doch seinen Untergebenen ein guter Herr und ein gerechter Verwalter des Pfundes, das ihm sein Herr anvertraut. Vom Turme der Schloßkirche gab jetzt die Uhr die zwölfte Stunde an. Drinnen erklang Gesang und Orgelspiel, und dann verließ eine kleine Gemeinde die ragenden Thüren des Gotteshauses. Als einst der Kurfürst Rudolf II. die Kirche gebaut, hatte er sie mit einem echten Dorn aus der Dornen¬ krone Christi beschenkt. Der Tag. da ihr diese kostbare Reliquie überwiesen ward, und der heute fällig war, wurde alljährlich mit feierlicher Messe begangen, bei der der heilige Dorn der Versammlung gezeigt ward. Es hatten sich jedoch, wohl der Wilterung wegen, nur wenige Andächtige zur Meste eingefunden; Kurfürst Albrecht selbst befand sich unter ihnen. Er winkte dem Schloßvogt freundlich zu. und indem er an seiner Seite blieb, sagte er im Weiterschreiten: „Es thut gut, Konrad, daran erinnert zu werden, daß ich nicht der einzige bin, der eine Krone trägt und nur die Dornen fühlt." zum Segen

Am nächsten Tage ging ein Fragen und Suchen durchs ganze Haus. Der flinke Jürgen, der Roßbub, war verschwunden, und vergeblich war in Böden und Kellern nach ihm gesucht. Bethel hatte Jürgen zu Chaim Levi gesandt; der Schmuck¬ händler war von dem Knaben in die Behausung des Schlo߬ vogts gerufen worden, und Esther, die Tochter des Juden, hatte ihn den Weg zur Stadt einschlagen sehen, wo ihn noch einige Bürger bemerkt hatten. Ob er dann noch ins Schloß zurückgekehrt war. blieb ungewiß; die Möglichkeit blieb jedoch nicht ausgeschlosten, daß er, unbemerkt von den anderen Knechten, in den Stall geschlüpft war. Nun war des Euchens nach ihm kein Ende, und die freundliche Bethel ging dabei, wenn auch mit rotgeweinten Augen, allen voran. Aber als sie den Bruder trotz alles Suchens nicht fand und auch keine Spur von ihm zu entdecken vermochte, da befiel sie eine furchtbare Angst, es könne ihm jemand ein Leid zugefügt haben, und eine Unruhe überkam sie, die sie sogar des Nachts

von ihrem Lager aufscheuchte und keinen Schlaf in ihre Augen kommen ließ. „Der Bub wird an den Strom gegangen und ertrunken sein." sagten die Leute. Etliche Fischer thaten dem unglücklichen Mädchen den Gefallen, mrt Netzen und Stangen an einigen Stellen der Elbe nach ihm zu suchen, sie fanden aber nichts. „Vielleicht treibt ihn der Strom späterhin ans Land," so suchten die Männer das aufgeregte Mädchen zu beruhigen; „wir werden genau Obacht geben und die Ufer absuchen." Die verzweifelte Bethel aber ging Tag für Tag, so oft und so lange es ihr Dienst zuließ, an das Wasser und suchte nach

Bruder. Dieweil nun also zwei Tage lang Schloß und Stadt Wittenberg wegen des entschwundenen Jürgen in Aufregung war. so ist es wohl angebracht, ein wenig genauer über ihn dem

zu berichten.

Bethel und Jürgen waren die Kinder eines Waldwärters, der in den gewaltigen Forsten, welche die Flämings-Burg Rabenstein umgaben, ein bescheidenes Haus besaß. Bethel diente ursprünglich bei der Herrschaft auf der Burg. Als je¬ doch vor einigen Monaten Konrad von Oels mit seinen Kindern vom Kloster Plozeck gekommen und auf dem Rabenstein ein¬ gekehrt war, hatte Frau Katharina von Oppen das anstellige Mädchen den Töchtern ihrer Schwester als Gürtelmagd mit¬ gegeben. Jürgen aber, Bethels Bruder, war auf seinen leb¬ haften Wunsch mit dem Schloßvogt gezogen, um als Roßbube

in

Marstall zu kommen. Die Eltern des Knaben hatten ihn, den jüngsten, ungern scheiden lasten, und Bethel hatte versprechen mästen, für ihn zu sorgen. Nun lag dem armen Mädchen die traurige Pflicht ob, den Eltern von dem Verschwinden des Bruders Kunde zu geben. Erst nachdem dies geschehen war, ward sie ein wenig ruhiger. Lenkte indessen jemand das Gespräch auf ihren Bruder, indem er tröstend von seinem möglichen Wieder¬ den kurfürstlichen

erscheinen

sprach,

so

antwortete sie überzeugungsvoll:

„Er

wird nicht wiederkommen, denn ihm ist ein Leid zugefügt Aber ich werde schon noch erfahren, wie und wo er geendet, und das ist mein Trost." worden.

Oefter als sonst ging sie jetzt zum Pleban in die Beichte; und wanderte sie zu ihm mit gesenktem Haupte und blassen Wangen, so kehrte sie aufrechten Ganges und mit hellen Augen zurück. Der Priester halte Balsam gefunden für ihr wundes Herz, indem er sagte: „Der Herr, der den Wind sänftigt für das geschorene Lamm, hat wohl auch den unschuldigen Knaben vor dem Tode in den Wellen behütet. Aber ist Deinem Bruder Gewalt geschehen, so wird es der Allmächtige offenbar werden lassen, damit wir den Uebelthäter richten nach dem Brauche der Welk. Doch harre getrost, bis es dem Himmel gut dünkt, das Geheimnis aufzudecken!" Andreas, der junge Knecht, der vor den Gemächern des Herzogs Wache hielt, war schon seitJahren mit Bethel versprochen. Der Kurfürst hatte ihm jetzt eine Stelle als Waldwärter in der Wittenberger Forst zugesagt und ihm im Walde ein schmuckes Häuschen zugewiesen, in das er sein junges Weib führen könne. Nun wollte Andreas im Frühjahr die Hochzeit feiern, aber Bethel hatte den Kopf geschüttelt und gesagt: „Ich muß erst wissen, was aus Jürgen geworden ist. Mir sagt eine Ahnung, daß er ermordet ist, doch ungerächt darf er nicht bleiben, und dafür muß ich jetzt noch sorgen, denn als

"S

507

Dein Weib kann ich es nicht mehr." Ihr Liebster war über Antwort sehr zornig geworden, aber da Bethel fest blieb und sich weder durch Bitten noch durch Drohungen erweichen ließ, so mußte er nachgeben und begann bald ebenso eifrig, wie seine Braut, nach dem verschwundenen Jürgen zu suchen. diese

Der Frühling, der lang erwartete, war mit Macht über

In

Feld und Wald und Heide die harrende Welt gekommen. Sprossen und Sprießen, Schwellen, ein und Keimen war ein als dringe eine unsichtbare, geheimnisvolle Licbesgewalt dem Seitdem der Tauwind die Eiskruste der Erde geschmolzen, schien auch in das Wittenberger Schloß ein frischer Hauch zu dringen. Der Herzog hatte schon einigemale das Töchterlein des Vogtes gebeten, mit Gesang und Spiel die Schatten der Schwermut von seinem Gemüte zu scheuchen, und die sanfte Stimme Osikas hatte wohlthätig auf ihn gewirkt. Doch noch mehr als die beruhigende Macht ihres süßen Gesanges batte das schöne, fröhliche Mädchen selbst ihn erfreut, ja, es war, als sei ein anderer Geist über ihn ge¬ kommen. Sein Wesen ward frischer und thatkräftiger, und er verließ zuweilen seine Gemächer, um zur Jagd oder zur Beize segnenden Lichte entgegen.

Bwendete sie, als folge sie einer Eingebung, ihr Rößlein und trabte dem Graben zu. Dann machte sie kurz Halt und hob die Gerte. — „Halt ein, Offka!" rief der Herzog, der ihr Vorhaben bemerkte, „der Graben ist tief und gefährlich Dein Be¬ ginnen." Offka lachte nur, schüttelte den Kopf und setzte hinüber. Aber bei dem Sprunge war der Sattelgurt geplatzt, und Offka stürzte mit lautem Aufschrei auf den steilen, steinigten Erdwall. Sie wollte sich schnell erheben, aber die Füße hatten sich in die Schleppe ihres Kleides verwickelt. Sie verlor das Gleich¬ gewicht, glitt aus und wäre in das Wasser gefallen, hätte nicht ein starker Arm sie erfaßt. Auf dem Rande der Böschung stand nämlich ein dunkelhaariges, gluiäugiges Mädchen, das, obwohl fast ebenso erschrocken wie Offka selbst, eilends hinzu¬ gesprungen war und die noch Zitternde jetzt völlig aufrichtete und sie dann auf einen Stein am Wege sich niedersetzen ließ.

„Dankt Gott, daß

ich

noch

gerade

zu rechter Zeit ge¬

kommen, um Euch vor Schaden zu bewahren!" sagte sie, teil¬ nehmend in Offkas Gesicht blickend. Offka hatte einen Augen¬

dann aber mit dankbarem

zu reiten.

blick die Augen

Meistens begleitete ihn dann Konrad mit seinen Töchtern, es war ein freundliches Bild, die beiden Mädchen im Offka war eitel schmucken Jagdgewande dahinfllegen zu sehen. Lust und Freude, aber selbst die stille Eufemia fand Gefallen an diesem Vergnügen; ihre Augen begannen zu leuchten, ihre

Blick ihrer Retterin zu. Der ärmliche Mantel des fremden Mädchens hatte sich ein wenig verschoben und ließ ein feines

und

Wangen röteten sich, und bei ihren schelmischen Worten zog oft ein Lächeln über das Antlitz des Kurfürsten. Aber wenn dann Offka, wie es oft geschah, ihr Rößlein tollkühn über Stock und Stein setzen ließ, und Albrecht ihr besorgt in den Zügel siel und sie schalt, unvorsichtig gewesen zu sein, während doch seine dunklen Augen mit einem Ausdruck verhaltener Zärtlichkeit auf ihr ruhten, einem Ausdruck, den diese nimmer für die ältere Schwester annahmen, dann ward Eufemia plötzlich blaß und still, und ihre Freude war dahin. Eines Tages ritten der Herzog und seine gewohnte Be¬ gleitung, von der Jagd kommend, durch ein kleines Gehölz, unweit Wittenberg, und betrachteten die sprossenden Triebe an dem Geäst der Bäume. Der Schloßvogt hielt vor einer jungen Linde sein Roß an und zeigte Ellfemia, die sich an seiner Seite befand, die bräunlichen Knospen. Erklärend sagte er: „Mitten im Winter, wenn noch Eis und Schnee die Welt erschauern lassen, steigt schon der Saft des Baumes aus der Wurzel in die Höhe; beginnt aber der Lenz, dann ergießt er alle Aeste und Zweige. sich wie eine frische Lebenswelle in Denke, mitten im Winter wohnt schon quellendes Leben in dem starren Erdreich." Eufemia nieste zerstreut zu den langsamen Worten des Vaters. Das dunkle Haupt des Herzogs war dicht vor ihr aufgetaucht, sie hörte die weiche Stimme der Schwester plaudern und fragen, und sie suchte unter Herzklopfen Albrechts Worte zu erlauschen.

Nun

hatten die Reiter das Ende des Wäldchens erreicht.

zog sich ein breiter, sumpfiger Graben hin. der selbst im Hochsommer nicht austrocknete, und der jetzt bis zum Rande mit Wasser gefüllt war. Ein mäßig hoher Erdwall. der von beiden Seiten ziemlich steil abfiel, bildete die Umrahmung des trüben, schlammigen Waffers. Offka war hinter den anderen zurückgeblieben. Plötzlich

Auf der einen Seite des Gehölzes

geschlossen,

ntckie

Wollkleid erblicken, das im schärfsten Gegensatze zu dem groben „Sie wird eine Jüdin sein," des Mantels stand. das heimatlose Volk durfte sich öffentlich dachte Offka; denn nur in den ärmlichsten Kleidern zeigen, eine Maßregel, welche oft zum Ueberhängen von Mänteln bewog. Gewebe

Die andereil Reiter waren inzwischen herangesprengt. Der Schloßvogt begann zu schellen. In seine Vorwürfe mischten des Herzogs und Eufemias mit sich jedoch die Stimmen Fragen und Ausrufen, so daß die Kraft der väterlichen Straf¬ predigt geschwächt wurde. Was halfs auch? Er mußte am Ende froh sein, sein Kind heil und gesund vor sich zu haben, und so gedachte er des Mädchens, das im Augenblick der Gefahr die rettende Hand gereicht hatte. Wo aber war dieses? Beim Herannahen der Reiter war sie bescheiden zurück¬ getreten, und nun sah man sie schon festen Schrittes die ein¬ Ein Ruf brachte sie zurück. same Straße wandern.

„Wir den

wollen

Dir

rechten Augenblick

gern danken," sagte Konrad, „Du hast wahrgenommen, um mein Kind vor

Schaden und uns vor großem Schmerz zu bewahren."

Das Mädchen blickte Offka an. „Ich kenne Euch, edles Fräulein." sagte sie. „Mein Vater hat mir Euch jüngst auf der Straße gezeigt und von Euch gesprochen." „Von mir?" fragte Offka verwundert. „Wie nennst Du Dich?" „Ich bin Esther, die Tochter Chaim Levis, des Schmuck¬ händlers, den Ihr neulich zu Euch gerufen habt." „Was hattest Du hier im Walde zu schaffen?" fragte der Herzog freundlich weiter.

„Gnädigster Herr, unser Begräbnisplatz ist weit von der Stadt, und wenn ich die Gräber der Meinigen besuch! habe, pflege ich den Weg zurück durchs Gehölz zu nehmen. Wenn man eine Zeitlang geweilt hat am „guten Orte", sucht man nicht gerade Sonnenschein auf dem Wege." Albrecht nickte ihr gütig zu. „Wir sind in Deiner Schuld, „Vergiß das nicht, wenn Du meiner bedarfst!"

Esther

neigte

„Das Judenmädchen Habt Dank für die Worte, edler

das schöne Haupt.

wird es nicht vergessen. Herzog!" Offkas Sattel ward wieder auf das Pferd gelegt und notdürflig befestigt, und dann ritt der kleine Zug langsam von dannen. Esther sah den Reitern lange nach und flüsterte: „„Wenn Du meiner bedarfst", hat er gesagt. Das Gesicht des Herzogs ist gülig, aber zu weich; ein schwacher Stab ist keine Stütze

in der Not, und ich fürchte, Unheil droht unserm Hause. Mir hat in verwichener Nacht von einem Geier geträumt, der über unserm Dache die Schwingen breitete, und er sah mich an mit den Augen des bösen Priesters." (Fortsetzung folgt.)

Das Königliche Zeughaus in Kerlin. Ein Beitrag zur

Geschichte des

Baus und der Sammlung.

Dr. D. Joseph. Am 28. Mai dieses Jahres waren 200 Jahre verflossen, Von

seitdem unter feierlichem Gepränge der Grundstein zum Zeug¬

in Berlin gelegt wurde. *) Das prächtige Gebäude war dazu be¬ von vornherein seitens des Kurfürsten Friedrich Kurfürsten für die durch den stimmt, einen sichtbaren Ausdruck Friedrich Wilhelm den Großen geschaffene ansehnliche militärische Machtstellung des kurbrandenburgisch-preußischen Staatsgefüges

hause

III

zu bilden.

Dieser letztgenannte Fürst war es denn auch. der sich schon lange vorher mit der Idee der Schöpfung eines großen Arsenals beschäftigte, wie wir aus einer Stelle seines politischen Testaments ersehen,') worauf Gurlitt 8 ) hingewiesen hat und Diese nach ihm von Borrmann^) Bezug genommen wurde. bedeutsame Aeußerung des Großen Kurfürsten datiert vom 16 . Mai 1667, und erst 28 Jahre später begann man mit der Ausführung des Gedankens.

der Entscheidung,

Knotens

die

gelöst werden kann,

Sr. Höchst Seel. Königl. Na). Friederich der Erste König in Preußen haben Ao 1695 den 28. May. als noch damahliger Chur Fürst in hoher Person Selbst den ersten Grundstein zu diesem prächtigen Gebäude geleget/) solches angeleget, ist weitere Vollführung ist Die gewesen?) durch den berühmten Ober-Bau-Direklor Schlüter geschehen^)

Der erste Baumeister,

so

Nehring Seel, und

der

Rest

sonderlich,

was

oben

nicht

nach

Art

des gordischen

da sich bislang kein Alexander

Die Meinungen von Gurlitt und Walls hat. scheinen unüberbrückbar auseinander zu gehen, da ersterer sich für den sonst in der Berliner Baugeschichte unbekannien gefunden

Pariser Akademie-Direklor und Feldmarschall Biondel ent¬ scheidet, letzterer hingegen mit guten Gründen bei der bis¬ herigen Ueberlieferung verharrt, wonach die Ehre dem Oberbaudirekior A. Nering, dem Begründer der Berliner Zu dieser Frage werde ich an Architekiurschule. gebührt. Vor der Hand liegt mir anderem Orte Stellung nehmen. daran, die ausführlichen Betrachtungen eines Chronisten, des Diplomaten Gerke, hier wieder zu geben/) der den Bau des Zeughauses noch mit eigenen Augen verfolgt hat:

I.

die Grundsteinlegung enthält mein Aufsatz in der Da¬ selbst gebe ich auch einen Abriß der Baugeschichte des Zeughauses. 2 ) Leopold von Ranke. Zrölf Bücher preußischer Geschichte.

i) Weiteres über

„Nalional-Zeitung" vom 26. Mai 1895, Sonntags-Beilage Nr. 21.

I. E.

293 st. Andreas Schlüter. Berlin 189 t. S. 61. ) Cornelius Gurlitt. 4 R. Borrmann, Die Bau- und Kunstdenkmäler von Berlin. ; Berlin 1893. S. 378. 8

B ) Berolimnn oder per Anagramma Orbi Lumen, das ist kurtze Beschreibung der Weltberühmten Königl. Preuß. und Churfürst!. Branden¬ von Johann Heinrich Gerken. burg. Haupt- und Refidentz-Stadt Berlin Manuskript im Rathaus-Archiv der Stadt Berlin aus der Zeit 1714—1717.

...

die

Zierarhen

an

Trophaeen pp. anlanget, von dem General-Major BL Bott als einen geschickten .Ingenieur und Baumeister zur Per-

fection

gebracht worden.

weltberühmte Gebäude zwey Stockwerk, von sogenannter Busticarbeit und ist gleichsam als wenn das Zeughauß aus Felsen hervorkäme, der andere oder oberste Stock aber ist nach dorischer Ordnung und herrlichster Architectur. Alles ist auswendig herum nach den Regeln der schönsten Bau Kunst sowohl und mit so zierlichen Ornaments gebauei, als immer von einem Zeughauß kan gefordert werden, gestalt die Ornaments und Casqeten, so über den großen

Es hat

der

dieses

unterste Stock ist

Fenstern ringsherum zu sehen, fürtrefflich nach der BildhauerKunst aus Steinen ausgearbeitet, als worin, wie bekant, der

Seel. Ober-Bau-Direktor Schlüter

Zu oberst rings um das Dach

Die heikle Frage nach dem Urheber des ersten Entwurfs zum Königl. Zeughause bedarf noch der Klärung und harrt vorerst

„Dieses ist ein fürtreffliches magnifigues großes und schönes Gebäude, dergleichen man in gantz Teutschland, ja wohl gar in Europa, was die nette Baukunst anbelanget, nicht findet, welches jedermann bekennen muß. Es ist ohne Verwunderung und Lust nicht anzusehen, denn es ist ein gantz massives, festes Gebäude, ins Gevierdte und nach der modernen, und mit einem solchen Gebäude allerdings übereinkommende starcke und doch dabey zierlicheArchitectur, und woran in¬ sonderheit die fürtreffliche Sinnreiche Auszierungen an Statuen und andern steinernen Ornamenten zu admiriren find.

Steinen,

auf

deren

dazwischen

excelliret ist eine

gesetzten

hat.

Ba11u8trade von

Piede 8 talen oder

Postamenten die Krieges-Göitin Bellona, der Krieges-Gott Mars mit Sclaven, die Fama pp. mit allerhand KriegesArmaturen und Trophaeen untermischt, so aus mächtig Quaderstücken künstlichst verfertiget, wie denn solche Teil noch rauh vorher erst hinauf¬ Stein-Metzen und Bildhauers die gebracht, und oben durch erst ausgearbeitet worden, damit bet der Hinaufw'ndung solche kostbahre Arbeit nicht möchten zerbrochen werden. großen

große Quader Steine, zum

Die vorderste Seite gerühmten Zeughauses hat ein Fronton mit schönen Golonnen, oben mit Historischen Basreliefs, unterwärts in der Mitte ist S. Königl. Maj. Brust Stücks von Netall gezieret mit einem BorheerKrantz ums Haupt, alles im Feuer mit echten Bucatengold starck verguldet, auf besten zwey Seiten zwey Adlers stehen. schönes

0 Ausführliches über die Grundsteinlegung berichtet Beckmann in dem Manuskript des Berliner RalhauSarchivS, worauf ich in dem bereits genannten Aufsatz Bezug genommen habe. 2 Diese Stelle scheint mir für die Frage nach dem Erfinder des ) Entwurfs sehr beachtenswert. 8 Gerke erwähnt hier garnicht die Thätigkeit GrünbergS, der vom ) 21. Oktober 1695, dem Todestage NehringS, bis zum 3». März 1698 am Zeughause, wenn auch mit wenig Glück, gearbeitet hatte. Vielleicht unterläßt er gerade wegen deS letzteren Umstandes die Nennung feiner Namens. 4 Näheres über das Brustbild giebt mein Aufsatz in den Mit¬ ) teilungen deS Vereins für die Geschichte Berlins 1895, Nr. 6, S. 63 f.

(

-S;ir '

l83 °‘

Kolonnaden.

Hoffmann-

110«

i

I

I

schönes Geschenkwerk

-

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Cristall!

v

weiterungsband

ergänzt werden,

der demnächst erscheinen

-e

525

wird und folgende Kapitel enthält: C. R. Wille, GeneralMajor: Der Offizier im Felde und Die Artillerie im

Porträts, Abbildungen von Ortschaften, bei denen gekämpft wurde, Schlachtenbilderu und einzelnen Episoden aus Schlachten geschmückt und veranschaulichen und erläutern den Text in

Felde. — v. Bernhardt, Oberst-Lieutenant, Kommandeur des 1 . Badischen Leib-Dragoner-Regiments Nr. 20: Die Kavallerie im Felde. — Dr. A. Krocker, Ober-Stabs¬ arzt 1 . KI.: Das Sanitätswesen. — Konsistorialrat D. E. Fromme!, Kgl. Hofprediger, Garnison- und MilitärOberpfarrer: Der evangelische Geistliche im Felde. —

erstatter und

zu behaupten, dasselbe fülle eine Lücke in der Litteratur aus. Für das Gedenkbuch „Krieg und Sieg" ist diese Behaup¬

Der

D. I. katholische Geistliche im Felde. — W. Erbe, PostInspektor: Die deutsche Feldpost 1870/71. — Prof. Ludwig Pietsch: Der Schlachtenbummler (Bericht¬ Aßmann, Bischof und Feldprobst der Armee:

jeder Beziehung. So haben sich die hervorragendsten Kräfte vereinigt, um ein standard-work allerersten Ranges zu schaffen. Es ist eine oftmals angewendete Phrase, bei der Besprechung eines Buches

i

Künstler).

— Prof. Dr. Edmund Meyer vom LuisenGymnasium in Berlin: Daheim in Deutsch¬

land.—Ernst Wichert, Kammergerichtsrat:

tung aber keine Uebertreibung. Die letzten Monate haben den deutschen Büchermarkt freilich mit einer großen Zahl von Jubiläumsschrifien über den Krieg 1870/71 überschwemmt, und unter diesen find viele zweifellos gediegene. Sie find jedoch entweder wesentlich teurer (so z. B. das Werk von Hiltl, Velhagen & Klasing, Bielefeld, Preis 15 Mk.

„Illustrierte

Litteraturund Presse

und

1870/71. — Richard

Geschichte

Ernst Freytag, Semi¬ nar-Oberlehrer in Auer¬ Die bach (Vogtland):

1870/71" (Union,

heftet),

Der Bilderschmuck

Die Bilder, schmücken,

men;

des

den

die

dem

Vorstellung vornehmen der reichen Ausstattung Werkes geben. Unter Künstlern, welche 600 Illustrationen

Leser

von und

sie

strationen. Aeußerst wichtigeAbschnitte mußten daher in diesem Werke

entnom¬

werden

auf wenige

eine

General u,

Moltkr

beobachtet die Belagerung von

Paris.

Mtsber 1870.)

Grafen Harrach. Alexander Dunckcr in Berlin. „Krieg und Sieg" (Verlag von Schall u. Grund).

Nach einem Gemälde des

Mit

schaulichkeit.

Genehmigung des Herrn

Probe-Illustration aus

die ersten Namen vertreten.

Zimmer

zu¬

und unter der Kürze der Darstellung litt die An¬

Gberstlienteuaut bc Claer.

Hanfitmann non Kurt.

Wir nennen hier: — G. v. Boddieu — E. Bracht — G. Bleibtreu L. Braun — A. Calandrelli — W. Camphausen — Th. Crampe — W. Emelö — O. v. Faber du Faur — O. Fikentscher — C. Freyberg — G. Friedrich — Graf F. Harrach — K. Hellgreve — E. Hünten — R. Knötel — G. Koch — L. Kolitz — R. Lotter — E. Mattschaß — H. Mützel — W. Otto — H. Pohlmann — C. Röchling — Th. Rocholl — A. v. Roeßler — H. Scherenberg — H. Schulze — R. Siemering — Chr. Speyer — C. Starke — C. Sterry.— P. Thumann — C. Wagner — A. v. Werner — A. Zick — E.

Zeilen

sammengedrängt werden,

Das Werk von Pro¬ fessor Jos. Kürschner,

desselben geschaffen haben,

sind

sie

Werk von kostet Lindner Profeffor freilich nur 4 Mk., hat aber nur 163 Seiten Text und nur 170 Illu¬

find dem schönen Kriegs werke mit gütiger Be¬ willigung der Verlags¬ handlung als Probe-

Illustrationen

wenn

oder

erschienene

welche die heutige Num¬

„Bär"

deut¬

billiger find, bieten sie textlich und illustrativ be¬ Das deutend weniger. im amtlichen Auftrag

des Werkes ist dem Texte

mer des

Krieges

des

sche Verlagsanstalt, Stutt¬ gart, Preis 7,50 Mk. ge¬

Soldaten-Poesie 1870/71.

ebenbürtig.

die

u. a.

Diese Künstler haben den stattlichen Band mit zahlreichen

war,

für

lediglich Zei¬ von ein hingegen ist Sieg" und „Krieg tungsausschnitten. billigen Preises, Volksbuch, welches trotz des erstaulich der fast beispiellos dasteht, nach jeder Seite hin das Beste mit reicher Goldpreffung ist bietet: der Prachteinband einfach und geschmackvoll, das Papier ist holzfrei, Satz und Druck des Buches find vorzüglich. Jeder, der das schöne Werk Reklametrommel

das

die

eine

Kompilation,

so

eine

rührig

ist

Zusammenstellung

zur Hand nimmt, hat schon an der äußeren Erscheinung des¬ selben seine Freude, die sich zu dem lebhaften Wunsche, das¬ selbe zu besitzen, steigern wird, wenn er auch nur ein Kapitel gelesen hat.

„Krieg und Sieg"

dient und

sich auch

ist ein nationales Pracht¬

in jeder erobern wird.

werk, welches einen Ehrenplatz

deutschen

Familie ver-

R.

G-.

-■€

526

-

Kleine Mitteilungen Gin Heldengrab auf dem KnValidenkirrhhafe.

Carl Friedrich Friesen, der Liebling des Turnvaters Jahn und Mit¬ begründer der deutschen Turnerei, ausgezeichnet durch Schönheit und Kraft, war im Befreiungskriege LiitzowS Adjutant, und fand in Frankreich ein beklagenswertes Ende, Jni Ardennenwalde am 15. März 1813 versprengt, geriet er, von Hunger, Durst und Anstrengung ganz erschöpft, sein er¬ müdetes Pferd hinter sich herführend, unweit der Dorfes la Loble, eine Meile von Launoy und drei Meilen von MeziäreS in vie Hände zweier Holzbauern und einer kleinen Abteilung französischer Nationalgarde, wurde gefangen genommen und bald daraus durch Kolbenstöße, Axtschläge und eine durch die Brust gehende Flintenkugel ermordet. Den tötlichen Schuß vollführte der Schäfer Brodio von der Ferme Puesieur im Grandchamp. Friesen hatte einst in feierlicher Stunde mit seinem Kameraden, dem Llltzowschen Osfijier August Freiherr von Bietinghosi, zusammen das Ge¬ lübde abgelegt, daß, wenn der eine von ihnen auf französischem Boden fiele, dann der andere desien Gebeine zur Ruhestatt in vaterländischer Erde heimführen sollte. Als Bietinghosi durch Zufall dar Grab entdeckt hatte, ließ er die Leiche am 5. Dezember 1816 auSgraben und führte sie, bald da bald dort in Garnison, 26 Jahre mit sich herum, bis sie am 1b. März 1843 eine ehrenvolle bleibende Ruhestätte auf dem Kirchhofe des —dn— Königlichen JnvalidenhaufeS zu Berlin fand.

Girr ©Ibingcr Wkahrxeirhen.

Die Stadt Elbing befaß

ehedem ein Wahrzeichen in der RatSstube, welches Christum als Weltrichter darstellte und nachstehende Inschrift trug:

.Wer in den roth wird gekoren, Der hite sich, das her dort nicht werde verloren, Und thu gleiche Dem armen a'iS dem reichen, Dem vremden als dem vriente So richtet her wol ann fünde." Dar Bild gefiel der Gemahlin der Czaren PeterS I. so gut. daß er der Rat von Elbing ihr zum Geschenk machte. So kam eS im Jahre 1712 E- K. nach St. Petersburg.



gerlin im |>aljre

1797. Berlin zählte im Jahre 1787 die Garnison 138 306 Einwohner, worunter 287 AcciSbediente, 220 Geheime Räte, 188 KriegSräte, 600 königliche Räte, 20 Präsidenten, 724 Sekretäre, 8» Kanzieischreiber, 47 Doktoren der Medicin, 108 Schau¬ E. K. spieler. ohne

Die Mallenlieinsrtio Armee

war eine Musterkarte aller europäischen Völker, wie man sie seil der Völkerwanderung und den Kreuz¬ zügen nicht gesehen hatte. Man braucht nur die Namen der Chefs der Wallensteinfchen Regimenter zu lesen. Da waren die Italiener Colalto, Maestro, Torquato Conti und Montecuculi, deutsche Herzöge von SachsenLauenburg, der Böhme Schlick, Dohna, ein Ostpreuße, Tiesenbach und Lichlenstein auS Oesterreich, Bennstein aus Meißen, der Cavallerieobrist Hebron war ein Pommer, Colloredo und Porcia aus Friaul, Fahrenbach aus Liefland, Merode, ein Wallone, Wanglor, ein Holländer, DeSfourS und la Motte waren Franzosen, Jsolani, Aoanzini und andere waren Kroaten; Arnim, Götz und Jllo — der wohl zu einem Kroaten gemacht wird, aber in Wahrheit der unweit Berlin begüterten Familie von Jlow

angehört — waren Brandenburger, Verdugo und Don Balthasar MaradaS kommandierten spanische Kavallerie Allein dar Colloredifche Regiment bestand aus zehn Nationen, Deutsche, Italiener, Franzosen. Ungarn, Polen, Spanier, ja Türken und Tartaren, die „böS Regiment halten"; besonders aber wurde über die Spanier geklagt, die sich am Bier nicht genügen ließen. Hierzu kam ein ganz unglaublicher Troß. Als einst eine Besatzung gezählt wurde, fand man auf 1350 Musketier, 327 Pickenick und 280 Reiter und Dragoner. 587 Frauen, 261 Bagagewagen mit noch 300 Weibern, dazu schleppten sie 100 Wagen voll Kranken, auch Ochsen, Schafe und Hühner sonder Zahl mit sich. E. K.

an Freiherrn von Mirbarh

— Adresse Dem Oberhofmeister der Kaiserin, Excellenz von Mirbach, ist von den vereinigten Vorständen der PfingsthauseS und der Pfingstkapelle zu Potsdam am 1b. October (dem Jahrestag der Einweihung dieser Stiftungen und dem hundertjährigen Geburtstag Königs Friedrich Wilhelm IV.) zu Schloß Urville eine Adresie überreicht worden, in welcher die Verdienste desselben um den Neubau von Kirchen und die Begründung kirchlicher Stiftungen gebührend gefeiert werden. In der Adresie, in welcher zunächst auf die Not der Zeit und die die Kirche Christi bedräuenden Mächte des Unglaubens hingewiesen, dann aber betont wird, wie ein neuer frischer LebenShauch durch die evangelische Christenheit gehe, heißt eS weiter wörtlich: „Allen voran ist es auch jetzt dar hochgelieble HohenzollernhauS. das, durch die Jahrhunderte hindurch als eherner Fel« unsere« BekenntnisieS bewährt, sein weltgeschichtlicher Glaubensvermächtnis zur Ehre Gottes und des deutschen Volker innerer Erneuerung krastvoll bethätigt. AIS sein Ver¬ trauensmann und nächster Mitarbeiter haben Ew. Excellenz die Hand mit an die Heilung der Notstände der evangelischen Kirche gelegt, an ein Werk, daS in schönster Vermählung den Dienst der himmlischen Königs mit dem des irdischen verband, und daS bald unter dem sichtbaren Segen des Höchsten wie ein Senfkorn emporwuchs. Großes ist durch dasfe'be in wenigen Jahren für die evangelische Kirche geleistet worden: die Zahl der neugegründeten Kirchen, Kapellen, Liebesanstalten, Gemeinde-, Pfarrhäuser und Parochieen hat eine niemals erhoffte Höhe erreicht, der'protestantifche Kirchenbau und die mit ihm verknüpften Künste, besonders die Flächen-

und Glasmalerei, die Architektur, Holzschnitzerei, die Schmiede- und Stein¬ metzkunst haben die vielseitigsten Antriebe empfangen, ein KirchenbauKongreß und der Plan einer Bauhütte sind auf seinem Boden erwachsen, dar Diakonisienwesen hat einen neuen Aufschwung genommen, tausend und abertausend Herzen und Hände sind zu opferbereitem, versöhnenden Thun bewegt worden — kurz, wohin man blickt, ist das Ergebnis der unternommenen Arbeit eine mächtige Befruchtung des werkthätigen evan¬ gelischen Lebens und zugleich ein liebevolles Zusammenfassen derselben zu Die Organisation des Kirchlichen Hilssgreifbaren Fortschritten gewesen. vereinS und des Kirchenbauvereins für Berlin hat auf ihrem Gebiete be¬ wiesen, wie eine Eingliederung und Heranziehung unseres evangelischen Volker zur kirchlichen Arbeit auch in unserer Epoche möglich ist. Ergiebt sich voch die Thatsache, daß die bislang kirchenarme Reichshaupt¬ stadt durch sie seit 1888 mehr Zuwachs an Gotteshäusern gewonnen hat. wie in den drei Jahrhunderten seit der Refor¬ mation vorher. DaS mag es begründen, daß dieser Blatt zu seinem besonderen Rahmen und zu einem Ehrenkranz für Ew. Excellenz die Namen

neuen Berliner Kirchen samt ihren Weihetagen gewählt hat. Die Potsdamer Kirchenreform, deren Schwergewicht in unserer Friedensgemeinde ruht, hat uns Ew. Excellenz als unser zugleich thätigster und einflu߬ reichstes Gemeindemitglied durch manche Stunde freudigen Zusammen¬ wirkens besonders nahe gerückt, und wir alle haben, auf welchem Stand¬ punkt wir uns auch bewegten, dabei in engster Berührung den Wert der hohen persönlichen E genschasten kennen gelernt, die Ew. Excellenz aus¬ zeichnen: die ernste Frömmigkeit, die sich selbst aufopfernde Pflichttreue, die unbeugsame Energie, die seltene Fähigkeit, die verschiedenartigsten Stände, Kreise und Kräfte der guten Sache dienstbar zu machen, und vor allem auch die herzgewinnende Vornehmheit der christlich gesinnten Edelmannes. Hiervon auch nach außen Zeugnis abzulegen ist, uns ange¬ sichts der lieblichen Pfingstkapelle. deS RettungShaufeS, der Diakonisienstation und des prächtigen Pfarrhauses, die uns in rascher Folge fast ohne eigener Verdienst geschaffen wurden, ein aufrichtiges Bedürfnis, und wir bitten Ew. Excellenz daher, uns nach erlangter Zustimmung unserer allergnädigsten Protektorin, Ihrer Majestät der Kaiserin und Königin, zu ge¬ statten, daß wir für den neuen Sitzungssaal ein Bildnis von Ew. Excellenz zum historischen Gedächtnis unv zugleich zu einem Schmuck für den Ort Möge er als ein teueres Andenken unserer künftigen Beratungen stiften. die kommenden Geschlechter zur nie ermüdenden, selbstlosen Arbeit im Reiche GottcS mahnen!" Unterzeichnet ist die Aoresie u. a. von dem ehrwürdigen Geheimrat L. Wiese, von Oberstlieutenant v Schmeling, General v. Patow, Geheim¬ rat von Tiedemann, Bankdirektor Sonden, Hofprediger Wendlandt, Pastor Kritzinger, DivisionSpfarrer Keßler, Hofmaurermeister Bolle Herrn Sollt), Posth, Hoppe, Beyer rc. In der Ausführung ist sie eine vortreffliche Leistung des Potsdamer Kunstfleißes. Der Einschlag, auS braunem Leder, vom Ho buchbindermeister Mann hergestellt, zeigt in erhabener Arbeit gepunzt daS von Mirbachsche HauSwappen, in der weißseidenen Moiräefütterung mit Vorsatz ruhen dann die beiden Blätter der Adresie, welche der Kunstmaler Krickel geliefert hat. TaS vordere wird beherrscht von einer malerischen Ansicht der PfingsthauSanlagen, über welchen als Symbol der heilige Geist in Gestalt einer Taube schwebt, während zur Seite zwischen Pfingstrosenranken die beiden von der Kaiserin in die Altar- und Kanzel¬ bibel geschriebenen Sprüche leuchten. Dar Grün, in welches daS ganze anmutige Bild nach der Natur gebettet ist, wird links unten durch das von den schleswig-holsteinischen Farbenbändern umschlungene Siegel der Kirchenbauvereins mit der Kione und dem Namenszuge der Kaiserin, rechts durch daS Siegel der Pfingstkapelle mit Kelch und Bibel abge¬ schlossen. DaS zweite Blatt hat in den vier Ecken die Wappen der Kaisers, der Kaiserin, der Stadt Potsdam und der freiherrlichen Familie und enthält, wie schon der Wortlaut der Adresie anbeut- t, unter einem goldenen Kreuz ringsherum Bilder mit den Namen aller eingeweihten Kirchen, vornehmlich der Berliner, mit ihren Weihetagen, einschließlich der neuen Kaiser Friedrich-Gedächtniskirche. Der Kunstdruck ist vom Buchdrucker R. Müller der

hergestellt.

Mcherttsch. Die Kchäpfnng des Menschen nnd feiner Ideale. Ein Versuch zur Versöhnung zwischen Religion und Wisienschast. Von v r. W i l h e l m H a a e. Mit 62 Abbildungen im Text. Verlag ck

von H.-rmannCostenoble, Jena. 1885. Preis 12Mark, geb. 14,50. Da» uns vorliegende Werk ist, wie der Versasier im Vorwort mit Recht behauptet, seiner besonderen Tendenz und seinem wesentlichen Inhalt nach wohl vollkommen neu und eigenartig: er wendet sich nicht nur an Naturforscher, Philosophen und Theologen, sondern an alle, denen die geistige Wohlfahrt ihrer Volkes am Herzen liegt und ernstliche Beschäftigung damit nicht allzu mühsam und uninteresiant erscheint, indem eS aus Grund der einschlägigen Thatsachen lediglich den eingehenden wissenschaftlichen Nachweis unternimmt, daß die mechanistische Naturbetrachlung Raum für den Glauben an eine sittliche Weitordnung läßt. Der Naturforscher, der hier allerdings zum Philosophen werden mußte, tritt jedoch nicht mit einem neuen Glaubensbekenntnis auf, will keinen Stoff zu Streitigkeiten in Parlamenten und kirchlichen Versammlungen, sowie aus ethischen und sozialen Kongresien geben, sondern beschränkt sich vielmehr auf vaS, was vor allen anderen Naturforschern besonders der mit dem geistigen Gesamtinteresie seiner Volkes in Fühlung stehende Zoolog zu bieten berufen, um

527 nicht zu sagen, verpflichtet ist: eine Verknüpfung seines eigenen Gebieter mit den gerade hier sehr zahlreichen benachbarten zum Besten der Allgemeinheit. Wer sich jemals mit den EntwickelungStheorieen der Neuzeit beschäftigt hat, wird mit immer steigendem Jnteresie dies, man darf wohl sagen, epoche¬ machende Werk studieren, mag er mit den Resultaten des Verfassers über¬ einstimmen oder nicht: ohne Nutzen und ohne Anregung zu weiterem gründlichen Nachdenken, ja ohne einige Revision seiner bisherigen Welt¬ anschauung wird niemand dies durch zahlreiche neue Beobachtungen und interessante Beispiele aus dem Leben beachtenswerte Buch aus der Hand legen. Der Verfasier behandelt seine Aufgabe, den Versuch zur Begrün¬ dung einer haltbaren Weltanschauung, in sieben Teilen. Der erste Teil beschäftigt sich mit den Zeugnisien über die Herkunft deS Menschen, der zweite prüft die vorgefundenen Thatsachen und wisienschaftlichen Theorien und legt die Frage vor, ob die bestehenden Lehren den Thatsachen gerecht werden oder nicht. Wir finden, daß zwar zahlreiche Thatsachen bekannt, aber vielfach nicht in einer solchen Weise gruppiert sind, daß sie unS befriedigen können, und daß in den bisher aufgestellten Theorien zwar manche wertvolle Gedanken enthalten, aber nicht zu einem Abschluß, bei dem wir unS beruhigen könnten, gelangt sind. Der dritte Teil versucht deshalb eine selbständige allgemeine Theorie durchzuführen, die für dar Naturganze Giltigkeit beansprucht: die Bildung der Formen durch dar Gleichgewicht Der vierte Teil bringt die Anwendung dieser Theorie auf die Schöpfung der menschlichen Körperform, ein Abschnitt, der bei jedem Gebildeten das lebhafteste Jnteresie erwecken wird; der vierte betrachtet die Entstehung der Tier- und Menschenseele im Lichte dieser Lehre, während ein sechster die Entstehung der menschlichen Sprache behandelt und ein siebenter zeigt, auf welche Weise sich Verstand und Gemüt gleichzeitig befriedigen und die entwickelten Anschauungen in die Praxis der mensch¬ lichen Lebensführung übertragen lasten. Auf eine eingehende Besprechung bezw. Kritik der vorgetragenen Anschauungen können wir uns bei dem Charakter unseres Blattes naturgemäß nicht einlaffen, uns ist es nur dieses wirklich hervor¬ Bedürfnis und Pflicht, unsere Leser auf ragende und neues Material in eigenartiger Weise verarbeitende Werk hin¬ zuweisen, das man jedoch sorgfältig in seinem ganzen Inhalt studieren muß, um zu einem gerechten Urteil zu gelangen. Ein besonderer Vorzug gegenüber fast allen anderen derartigen Werken liegt übrigens auch darin, daß die Sprache, deren sich der Verfasier befleißigt hat, eine allen wirklich Gebildeten verständliche, aber „frei von Zugeständnissen an den Pöbel" ist. Wir können es uns zum Schluß nicht versagen, den Hauptinhalt des letzten Kapitels hier zu skizzieren. Teleologisch ist diejenige Weltauffasiung, für die der Weitpiozeß einen Zweck hat. Da wir aber die Frage nach dem Vorhandensein oder Nichtvorhandensein eine« Weitzweckes schlechterdings nicht beantworten können — denn sie betrifft die Metaphysis — so wollen wir ausdrücklich betonen, daß der Naturforscher als solcher nichts mit der Teleologie, mit der Lehre vom Zweck zu thun hat. Für die Natur¬

wissenschaft ist die mechanische Weltauffassung die allein maßgebliche. Eine Beschäftigung mit der MetophysiS ist ihm innerhalb Um so verwunderlicher ist deS Bereiches seiner Wisienschaft verboten.

Ek

stattet, die Frage zu beantworten, ob die Welt einen Zweck und das menschliche Dasein demgemäß Wert hat oder nicht, die aber die Naturwisienschaft nichts angeht. Privatim war eS Darwin gestattet, antiteleolo¬ gische Metaphysik zu treiben — privatim ist eS aber demgemäß auch andern gestattet, teleologische Metaphysik zu treiben. Man hat zu wählen zwischen dem wüsten Chaos und dem geordneten, einem bestimmten Ziele zustrebenden KoSmoS, und man täuscht sich, wenn man glaubt, die Wahl der meisten Menschen werde aus das ChaoS fallen. „Wie dem aber auch sei: die von uns entwickelte Weltanschauung giebt der Wisienschaft, waS der Wisienschaft ist, und stellt es jedem frei, Gott zu geben, waS Gottes ist."

K. H.

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der (Fortsetzung.) — Geschichte Herrschaft Beutnitz. Von vr. Wendland. (Fortsetzung.)— Katharina von Schwarzburg-Rudolstadt und ihre Gäste. Von A. Schü'er— Ein Gedenkbuch für das deutsche Volk. (Mit Abbildungen). — Erzählung

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Darwinismus

unausgesetzt als die höchste Weisheit den größten Triumph der Natur¬ forschung preist, wo man ihn doch längst al« einen Nascher an den der Naturwissenschast verbotenen Früchten der Baumes einer schlechterdings Der unmöglichen metaphysischen Erkenntnis hätte entlarven sollen. Darwinismus hat sich mit seiner Behauptung, daß die Welt keinen Zweck habe, verblendeterweise in daS der Wisienschaft auf ewig verschlossene Gebiet der MetophysiS begeben. Und die meisten Naturforscher deS „Volkes der Denker" sind ihm in fröhlichem Schützcnsestzuge, dem auch die laute Lärmtrommel nicht g fehlt hat, auf dies Gebiet gefolgt und ent¬ wickeln dort noch unausgesetzt ein Treiben, dar sie, von Blindheit geschlagen, als ein antimetaphysisches ansehen. Daß dieses Treiben aber in Wirk¬ lichkeit ein metaphysisches ist, sollte einer von ihnen auch dem blödesten Auge zeigen, der Verfasier der Schrift von der „Allmacht" der Natur¬ züchtung. Für seine Person ist eS natürlich dem Naturforscher ge¬ eS,

daß man den

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Verantwortlicher Redakteur: Richard George, Berlin IV. 57, Culmstraße 25. Verleger: Fr. Zillessen in Berlin N.,68., Schönhauser Allee 141, Druck der Buchdiuckcrei Gulenberg, Berlin N., Schönhauser Allee 141a. — Abdruck ohne eingeholte Erlaubnis ist untersagt.

Stadlrat

G. Fviodot, Ford. Merpev,

Gymnasialdirektor a. D.

vr. M. Srtlwrrrrt;

und

G. rr. Mildorrtrvucti

herausgegeben von

Friedrich LMeffen XXI. ViNrgang.

'.1147.

Der

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und

Nichgrd George.

erscheint wöchentlich am Sonnabend und ist durch jede Postanstalt ihn bedienenden Mamsell: „Künftig bringen Sie mir Bouletten appart und Haare appart." — Durch Schadows Leben ging, wie Fontane in seinen „märkischen Wanderungen" höchst geistvoll sich ausdrückt, insofern ein Zwiespalt, als Griechentum und Märkertum bei ihm das Gleichgewicht sich hielten oder vielmehr zu einem wunderbar humoristischen Gemisch sich verbanden. Als der „alte Schadow" war er nicht nur populär geworden, wie der „alte Vater Heim", der „Marschall Vorwärts" und andere Zahlreiche Männer seiner Zeit, sondern ein Original. Anekdoten geben charakteristische Züge aus seinem Leben wieder.

Sein äußeres Auftreten war ohne Künstelei. Was er dachte Dazu bediente er und fühlte, sprach er rückhaltlos aus. sich eines mit märkischem Platt gemischten Berliner Dialekts. Manche drastische Aeußerung dieser Art ist uns erhalten Unausgesetzt thätig, pflegre er noch gegen das geblieben. Ende seines Lebens, in hohen Pelzstiefeln durch den Zeichen¬ saal der Akademie schreitend, die Arbeiten der Schüler selbst zu mustern, dabei den einen durch die aufmunternde Bemer¬

is jut" zu weiterem Streben anfeuernd, das künst¬ lerische Selbstbewußtsein eines weniger Talentvollen durch ein „det is nischt, Du kannst man Töpper werden" jäh vernichtend. kung „det

Wurden Skizzen gegen ausgeführte Arbeiten über Gebühr gelobt, so bemerkte er: „Papier is weech, aber Steen is hart." Ein ander Mal äußerte er mit Bezug auf den dem Künstler gebührenden Lohn: „Kuppern bezahlt — kuppern gemalt." Von einem Professor der Akademie, der nichts weniger als ein großer Maler war, sagte er: „Er hat sich det Malen an¬ gewöhnt." Auch seitens der Königlichen Familie war er geachtet und gern gesehen. Er erteilte den Prinzen Unterricht. Fontane, dem die vorstehenden Mitteilungen entlehnt find, erzählt, wie Schadow im Königlichen Schloß einst gerade in ein Zimmer trat, in dem zwei kleine Prinzessinnen im erregten Spiel lachend über den Teppich rollten. Erschrocken sprangen die Kinder auf, warfen sich jedoch, weiter tollend, lachend mit den Worten wieder nieder: „Ach, 's ist ja der alte Schadow." Als Friedrich Wilhelm IV. bei der Stiftung der FriedensHoffe des Oroens pour le merite denselben alsbald auch an Schadow verlieh, zu welchem Zweck der König sich selbst in dessen Wohnung begab, wollte dieser wegen seines Alters ihn zunächst überhaupt nicht annehmen. Er that es schließlich nur unter der Bedingung, daß nach seinem Tode sein Sohn, der berühmte Düsseldorfer Maler, den Orden erhielte. Der König stimmte lachend bei und erfüllte des Alten Wunsch. —

Wie seine vielen vaterländischen Denkmäler beweisen, ging durch Schadows künstlerische Thätigkeit ein speziell Die märkische Landschaft brandenburgisch - preußischer Zug. war ihm gegenüber der italienischen durchaus sympathisch. Fontane teilt folgende Aeußerung Schadows mit: „Ich bin nich so sehr vor Italien un die Bööme gefallen mir nu schon jar nich. Immer diese Pinien un diese Pappeln. De eenen sehn aus wie uffgeklappte Regenschirme un de andern wie zugeklappte." Schadow wurde im Alter durch ein Augenleiden, den grauen Staar, an der Ausübung der Kunst sehr behindert. Einige seiner Zeichnungen in der Bibliothek der Königlichen Akademie tragen die Aufschrift: in ävlvribns pinxit. Wir

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deshalb auf späteren Darstellungen mit dem mächtigen Augenschirm abgebildet (siehe Abb. Seite 568). der Ein anderes, für seine Erscheinung charakteristisch wurde. sehen

ihn

diesem Aufsatze

beigegebenes

Porträt

(siehe Seite

523),

an¬

als Visitenkarte benutzt, zeigt ihn dagegen etwa Erwähnenswert mag hierbei noch eine eigen¬ vierzigjährig. händige Radierung Adolf Menzels zur Säkularseier der Geburt Schadows am 20. Mai 1864 erscheinen. Auf sein Elternhaus anspielend, ist eine Schneiderwerkstatt dargestellt. Die Zahl des Geburtsjahres 1764 wird aus Nadel. Scheere und Zollmaß gebildet; darüber befindet sich das Denkmal des Grafen von der Mark, umgeben von den Figuren der Schadowffchen Hauptwerke — Luther, Friedrich der Große, der alte Dessauer, Zielen, Blücher und Königin Luise. Die Umrahmung zeigt oben das Porträt-Medaillon des Gefeierten und die Namen zwölf hervorragender Meister der bildenden scheinend

Kunst. Schadow selbst führt mit Recht den Titel des Altmeisters Durch ihn wurde eine neue Kunst¬ der realistischen Kunst. Ueberall anerkannt, gönnte er auch anderen, epoche eingeleitet. In nach ihm auftretenden Talenten neidlos ihren Ruhm. er oftmals ehrlicher Autobiographie spricht mit Be¬ seiner wunderung von Rauchs Schöpfungen. Schadows Andenken wird gefeiert werden, so lange seine erhabenen Werke des

Meisters Ruhm verkünden.

Zum Schlüsse soll die Stadt Berlin noch an eine Ehren¬ schuld gegenüber dem Manne, der zu ihrer Ausschmückung an die Anbringung so viel beigetragen, erinnert werden, einer Gedenktafel an seinem noch vollständig erhaltenen Wohnhause Schadowstraße 11.

Aus drm Leben eines -reiundneunzigjährigen Soldaten Friedrichs des Großen. (Schluß.)

Nachdem Dreyer

bei Beginn des siebenjährigen Krieges

„Coups" gemacht und dem Feinde hin und wieder Proviant abgenommen hatte, erhielt er ein kleines Kommando von 27 Mann, die er sich selbst aussuchte, um mit ihnen Streifereien zu machen, und blieb den ganzen Krieg hindurch Chef dieser Streifpartie. kleine

heutigen Tages auf eine andere Art den Krieg führt als zu meiner Zeit. Damals verpflegte man die Armee aus Magazinen und wenn Mangel einriß, Dies so suchte man dem Feinde Lebensmittel abzujagen. war z. B. mein Casus. Jetzt aber führt man zugleich Krieg mit den Soldaten, Bürgern und Bauern, mit ihren Vorrats¬ kammern, Schweinen, Vieh- und Hühnerställen, mit ihren Bier-, Schnaps- und Weinkellern. Das heißt man Requirieren; zu meiner Zeit hieß man das: Plündern oder Marodieren, und wenn es unter uns auch Einzelne gab, welche darauf Ei ausgingen, die nannten wir die Schnabulier-Garde. nun! Diese neue Manier ist für den Soldaten recht gut, er braucht sich nicht mit schlechtem Brot zu schleppen; wo er

„Ich höre,

daß

man

hinkommt, ist der Tisch für ihn gedeckt; wenn er ein schlechtes Hemde hat, tauscht er es gegen ein anderes oder reines um; ist seine Feldflasche leer, so füllt er sie wieder, er braust daher weiter kein Geld. Daß der Krieg dadurch eine noch größere Landplage wird, als er schon an und für sich ist, das

»

-

wohl ein, aber du lieber Himmel, wenn töj den Krieg mache, will ich ja auch nichts Gutes erweisen. Jedoch so etwas durfte bei uns in der Regel nicht vorkommen, da setzte es sonst Kappen." Zunächst ließ nun Dreyer seine 27 Mann antreten und hielt ihnen folgende Rede: „Se. König!. Majestät haben mich mit dem Commando über euch beehrt; ich verlange daher strengen Gehorsam; wer mir widerspricht, bekommt 20, wer meine Befehle nicht respektiert, bekommt 50, und wer ihnen entgegen handelt, bekommt 100 mit dem Röhrchen. sehe

ich

Dagegen verspreche ich auch bei jeder Beute gleiche Teilung; 3 Teile von 27 behalte ich aber für mich, als Kommandeur." Dann dachte er an Armierung und Anzug, schaffte nach und nach die alten Musketen ab, ließ in Breslau 27 „jagdgerechte" Doppelbüchsen machen und damit nicht exerzieren, sondern

Das Bajonnet warf er ganz weg, Dagegen hatten seine Leute in ihrer Kleidung überall sichtbare und versteckte Taschen, selbst in den Beinkleidern, und darin Kugeln, Pflaster und Patronen für den äußersten Notfall. Das Pulver wurde in einer messingenen Büchse, die um die Schulter hing, getragen. In einem Gurt um den Leib staken gute Pistolen, in den Bein¬ kleidern lange, scharfe Messer, außerdem hatten sie noch ganz kleine Terzerole und einen tüchtigen Säbel bei sich. Außer der gewöhnlichen Kleidung trug jeder einen Aermelmantel. Um zu kundschaften trat die Hälfte seiner Leute bald als Juden, bald als Medizinhändler, Bettler oder Bauern auf, Ziele schießen.

nach dem

die Patrontasche.

auch

war der ausübende Teil, Dreyer selbst Er hatte zwei kühne und gewandte Adjutanten, der eine war Chirurg, der andere Apotheker. Ersterer ging oft als Feldarzt verkleidet ins österreichische

die

andere Hälfte

machte die nötigen Pläne.

verbinden und gleichzeitig zu als Marketender unter feind¬ liche Streifzüge und teilte Wein aus. der mit einem Schlaf¬ mittel vermengt war, worauf Dreyer ihre Viehherden weg¬ trieb. Er lehrte seine Leute Signale für Angriff und Rück¬ zug; große Gefahr wurde durch einen Pistolenschuß ange¬ Die Viehtransporte deutet. alles andere durch Pfeifen. wurden von als Bauern verkleideten Leuten Drcyers mit doppelten Pässen oft mitten durch die Feinde dem preußischen Lager,

um Verwundete

spionieren,

letzterer

zu

mischte sich

Heere zugeführt.

Als letzteres bei Landeshut in Schlesien und das

öster¬

reichische ihm gegenüberstand, schlich sich Dreyer mit seiner Abteilung hinter der Schneekoppe herum nach Freiheit hin und schickte von da Spione nach Trautenau. Diese meldeten ihm, es befände sich ein betrunkenes österreichisches KavallerieDetachement in der Stadt im Ratskeller, der Offizier schliefe

Mit Dunkelwerden und hätte keine Vedetten ausgestellt. nahmen sie Pferde und Reiter in Beschlag; den Offizier weckte Dreyer, indem er ihm ein gezogenes Ptstol unter die Nase hielt. Dann schlich er sich mit seiner Beute glücklich wieder zurück und konnte dem General de la Motte Fouquä einen gründlichen Rapport von der Stellung der Feinde ab¬ statten.

Im

Derselbe nannte seinen Namen dem Könige.

Jahre 1757 nahm Dreyer an den Schlachten bei Er stand in der Nähe Friedrichs und C ollin teil. Schwerins Tod gemeldet wurde. Der des Großen, als diesem König wurde erschüttert, eine Thräne drängte sich hervor, er suchte sie zu verbergen und sagte mit lauter Stimme: „Das

Prag

571 ist weiter nichts — Folge seines Eigensinns; Marsch. Marsch!" Fouqus kommandierte den linken Flügel; als er eine Brigade zum Bajonnetangriff heranführte, schlug ihm eine Kugel das

Degengefäß durch die Hand, er ließ sich nicht stören und befehligte weiter. Der König kam und wies ihn hinter die Front, damit er sich verbinden lasien könnte. Fouque er¬ widerte: „Jetzt nicht, Jhro Majestät, erst wenn wir gesiegt

haben!" und warf

sich

wieder auf den Feind.

Nach errun¬

genem Siege schickte der König den General-Chirurgus Bannes. General Fouqu« war zwei Jahre lang nicht im stände, zu schreiben.

Nach der Schlacht bei Collin erhielt Dreyer Befehl. Lebensmittel herbeizuschaffen, und er nahm vor der Front der Oesterreicher in Sachsen bei den „Katzenhäusern" 75 Ochsen weg. In demselben Jahre wurden unweit Görlitz ein Lieutenant, 4 Korporals und 40 Dragoner seine Gefangenen. Dann überfiel er bei Striegau einen Transport von 19 Ochsen und

36 mit Zelten, Feldkeffeln und anderem Gepäck beladenen Mauleseln, die samt der Bedeckung zum Regiment de Ligne gehörten. Nachdem er noch 18 Esterhazy-Husaren, 38 PrinzJoseph-Dragoner und 40 Mann vom Regimente Löwenstein gefangen genommen hatte, mißlang ihm bei Liebau der Ueberfall eines Kroaten-Kommandos. Er wurde umringt, gab gut¬ willig Uhr und Börse und durchsuchte selbst seine Taschen nach Geld. Anstatt dessen zog er aber ein Terzerol hervor, schoß es dem einen ins Gesicht unv hielt zwei andere mit seinem langen Meffer von sich ab. bis ihm seine Leute zu Hilfe kamen. In der österreichischen Armee wurde er bald so gefürchtet, daß man einen Preis auf seinen Kopf setzte. Im Jahre 1759 kam er mit seinem Bataillon in die Breslauer Oder-Vorstadt ins Quartier und von da mit dem Bataillon von Lüdenitz und den Lutz-Husaren weiter nach Schlesien hinein gegen die Russen. Im Militscher Wirtshause suchten 7 betrunkene preußische Husaren mit ihm Händel, er zog vom Leder und verwundete sie fast alle. Die Wache arretierte sie wie ihn, und Major Lutz entschied, jene sollten, weil sie zu sieben einen Einzelnen überfallen hätten, 60 Prügel, er dagegen 2 Bouteillen Wein erhalten. Eben trank er die Gesundheit des Majors, da kam ein Bote von Neuschloß mit der Nachricht, daß die Kosaken dort hausten. Sofort machte sich Dreyer mit seinen 27 Mann auf und kam gerade recht, um Oberamtmann und Pfarrer aus den Händen der Kosaken zu retten, die sie durch Peitschenhiebe zwingen wollten, zu gestehen, Diese Henkersknechte wo sie ihr Geld verborgen hätten. wurden niedergeschossen, und mit einer Beute von 27 Pferden und 20 000 Thalern barem Geld kehrte Dreyer zurück. Nachher hielt er sich lange bei der Armee des Prinzen Heinrich auf. Unter anderen Handstreichen hebt er folgenden hervor. Sein Apotheker machte durch gemischten Wein die österreichischen Vorposten schläfrig, und so gelang es, eine Herde von 313 Ochsen wegzuführen. Dafür erhielt im Haupt¬ quartier jeder seiner Leute 20 Friedrichsdor ausgezahlt. Nach der Schlacht bei Kunersdorf verübte er einen ähnlichen Streich. Da ließ ihn der König zu sich kommen, unterhielt sich leutselig mit ihm und schenkte dem „braven Soldaten", wie er ihn nannte, und jedem seiner Leute 16 Friedrichsdor. Bei der Belagerung von Breslau (1760) erhielt Dreyer einen Schuß durch das rechte Bein und ließ sich bei den Wieder hergestellt deckte er barmherzigen Brüdern heilen.

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-

den Abzug des Korps des Prinzen Heinrich,

indem er auf Befehl unterdeffen von 20 Tambours den Zapfenstreich auf verschiedenen Seiten des verlassenen Lagers schlagen und dann eine Menge Wachtfeuer anzünden ließ. Prinz Heinrich wollte ihn zum Offizier befördern, er schlug es aus und erhielt 200 Friedrichsdor. Einmal lag er mit seinen Leuten in einem dicken Gebüsch auf der Lauer, da kam ein Mann gegangen mit einer Krücke und einem verbundenen Auge. Sie erkannten in ihm ihren Spion. Er teilte mit, daß der österreichische General Janusch sogleich mit seinem Gefolge vorbeikommen werde, um zu rekognoszieren. Dreyer verteilte seine Mannschaften, schoß einige Husaren nieder und nahm den General, einen Oberst, zwei Oberst-Leutnants, zwei Ma¬ jors, vier Kapitäns, vier Leutnants, zwei Ordonnanz-Korporale, sechs Husaren und drei Bediente gefangen, brachte sie ins Hauptquartier und bekam seine Beute vom Könige dreifach besten

bezahlt. Nach dem Frieden zog er mit dem in ein GarnisonRegiment verwandelten Frei-Bataillon Le Noble als RegimentsTambour in Glatz ein. Mit seiner Beute, von der er noch einige Tausend Thaler übrig hatte, und mit dem Erlöse aus Goldarbeiten, die er zu fertigen gelernt hatte, unterstützte So oft Friedrich der er seinen alten Vater in Ensisheim. sprach er mit ihm, Regiment abhielt, Große Revue über das schenkte ihm 10 Friedrichsdor und kaufte ihm Ringe und andere

Gegenstände ab.

Als im Jahre 1773 der

baierische Erbfolgekrieg

aus¬

Tambour, der den preußischen

war Dreyer Grenadier. Marsch jenseits der Grenze (bei Nachod) schlug. Sonst aber war er, namentlich mit dem Paradewesen, in

brach,

der erste

diesem Kriege sehr unzufrieden.

Unter Friedrich Wilhelm II. reichte er, nachdem er 1733 Tambours ausgebildet hatte, den Vorschlag ein, bei der Infanterie sämtliche Kommandos mit der Trommel geben zu lassen.

Am 11. März 1788 erhielt der alte Veteran folgenden „Nachdem Vorzeiger dieses, Joseph Ferdinand Dreyer aus Ensisheim im Ober-Elsaß gebürtig, seines Alters 61 Jahre, welcher Anno 1736 bey das (sic !) Königl. Preuß. Infanterie-Regiment von Borck in Kriegs-Dienst getreten und dabey den Bataillen bei Mollwitz, Czaslau, Hohenfriedeberg, Landeshut und Kesselsdorf beygewohnet; alsdann Anno 1743 zu dem neuerrichteten Garnison-Regiment von Nettelhorsch (sic!) als Regiments-Tambour versetzt, und Anno 1756 wieder Abschied:

unter das neu errichtete Frey-Bataillon de Lenoble abgegeben wurde, wobey er in dem verflossenen siebenjährigen Kriege folgende Bataillen als 1) bey Lowositz, 2) bey Prag. 3) bey Collin. 4) bey Rosbach. 5) bey Breslau. 6) bey Leuthen, 7) bey Zorndorf, 8) bey Hochkirchen, 9) bey Kunersdorf, 10) bey Liegnitz, 11) bey Torgau und 12) bey Freyberg, wie auch noch zwey Ueberfälle und zwey Belagerungen beygewöhnet; sich auch in unzähligen Scharmützeln und anderen Begebenheiten, jederzeit als ein braver und rechtschaffener Regimentstambour finden lasten, und alle ihm vorgesetzt gewesenen Offiziere völlig mit ihm zufrieden gewesen, derselbe auch während seiner Dienstzeit von aller Regiments- und Compagnie-

Strafe befreit geblieben, wegen empfangener dreyzehn Blessuren und 52jähriger Dienstzeit, als zu ferneren Krieges-Diensten nicht mehr tüchtig, von Einem Königl. Hohen Krieges-Departe-



572

ment mit 4 Rthlrn. monathlicher Penfiion als Invalide ange. setzt worden, so habe ich ihn hiermit vom Reg'ment entlassen. Es ergehet daher an alle und jede, hohe und niedrige Militärund Civil-Bediente mein respect. dienstfreundliches Ersuchen, obbemeldeten Joseph Ferdinand Dreyer nicht nur aller Orten frey, sicher und ungehindert paß- und repatziren zu lassen, sondern ihm auch seines rühmlichen und rechtschaffenen Ver¬ haltens wegen, allen geneigten Willen und Aufnahme zu erzeigen, welches zu erwiedern, wir bey allen sich etwa ereig¬ nenden Gelegenheiten, so willig und erböthig find. Zu mehrerer Bekräftigung habe ich gegenwärtigen Abschied eigenhändig unterschrieben, und mit dem Regiments-Siegel sowohl, als meinem angebohrenen Pettschaft besiegelt. So geschehen zu Glatz den 11. März 1788. L. S. Sr. König!. Majestät in Preußen bestallter General von der Armee, Oberst und Chef über ein Regiment Infanterie de Heuking. O. 8. — Daß vorstehende Abschrift mit dem Original sorgfältig ver¬ glichen und dem wesentlichen Inhalte nach, damit überein¬ stimmend befunden worden ist. wird auf Verlangen hiermit altestirt. Glatz, den 3. August 1809. L. S. Schädel. Gouvernements-Auditeur." Zum Schluffe zählt Dreyer noch die Mannschaften auf, die unter ihm gedient haben. Unter diesen 102 Mann be¬ finden sich — und das ist charakteristisch für die damalige Zeit — nur 6 Brandenburger, 1 Preuße. 4 Schlesier, 2 Magdeburger, die anderen find Sachsen (6), Gorhaer, Weimaraner, Altenburger oder Meininger (4), Vogtländer (3). Thüringer (1). Hessen (2), Baiern (3). Schwarzwälder (2), Schwaben (1), Hamburger (2), Bremer (2), Pfälzer (1) Braunschweiger (1), Breisgauer (2), Holsteiner (3), Aachener (1), Sundgauer (1), Elsäffer (2), Ermländer (1), „aus dem Reich" (3). Oestreicher (3), Böhmen (5). Mähren (1), Polen (4), Ungarn (3). Kroaten (2), Tiroler und Steiermärker (10), Schweizer und Neufchateller (4). Wallachen (3), Holländer (3), D. Russen (1) und Italiener (2).

Die 44. Generalversammlung des Gefamtvereins der deutschen Geschichtsund Altertumsverrine M Konstanz In Verbindung mit der 26. Generalversammlung des Vereins für die Geschichte des Bodensees und seiner Umgebung tagte vom 15.—18. September d. die 44. Generalver¬ sammlung des Gesamtvereins der deutschen Geschichtsund Altertumsvereine zu Konstanz. Die alte BodenseeStadt hatte ihr festlichstes Gewand angelegt. Die Straßen prangten im Schmuck der badischen, konstanzer und deutschen Fahnen. Dazu erstrahlte der Himmel während der vier Festtage im freundlichsten Licht. Sonntag, den 15. September, abends 8 Uhr, fand in den prächtigen Räumen von St. Johann (jetzt katholisches Vereinshaus) der offizielle Empfang statt. Im Namen des Ortsausschusses und des Bodenseevereins begrüßte der Vor¬ sitzende des letzteren, Graf v. Zeppelin, die auswärtigen Gäste, indem er dem Dank für ihr Erscheinen im äußersten Süden des deutschen Vaterlandes und der Hoffnung auf ein glückliches Gelingen der Tagung Ausdruck gab. Eine innere Gewähr für letzteres biete die Wahlverwandtschaft beider

I.

8-

Vereine, indem der Bodenseeverein gerade so wie der Gesamt¬ verein einen sonst Getrennte vereinigenden Charakter trage, gleich dem See selbst, der mehr vereinige als trenne. Dabei stehe man auf klassischem Boden, woran schon der Ort der Begrüßung erinnere. St. Johann sei ohne Frage die älteste Pfarrkirche der Stadt, und zwar auf römischen Grundlagen erbaut. Nachdem Redner sodann noch der Ereignisse vor 25 Jahren gedacht, wodurch auch die Deutschen, gleich Oesterreich und der Schweiz, wieder ein einheitliches Vaterland gewonnen,

mit einem Hoch auf den Geist der deutschen Wissen¬ Der Vorsitzende des Gesamtvereins, Geheimrat schaft. Reuter-Berlin, antwortete auf die freundliche Begrüßung und sprach allen, die sich um die diesjährige Tagung durch ihre hingebende und fleißige Arbeit Verdienste erworben, den wärmsten Dank aus. Der übrige Teil des Abends verlief unter gemeinsamen Gesängen und in gemütlichem Austausch schloß er

von Begrüßungen der verschiedensten Art. Am folgenden Tage wurden die Gäste von morgens 8 Uhr an durch den Geistlichen Rat Brugier, das Haupt der Münstergeistlichkeit, und den Rechtsanwalt vr. Beyerle in liebenswürdigster Weife durch das Münster umhergeführt, wobei alle Schätze dieses Gotteshauses vorgeführt wurden auch über die Geschichte desselben eingehend Bericht erstattet wurde. Punkl 9 Uhr begann sodann im Theatersaal die erste Haupt¬ versammlung. Zu derselben hatte sich von Schloß Meinau her auch die Großherzogin von Baden nebst Gefolge ein¬ gefunden, während der Großherzog durch die gerade statt¬ Nach findenden Manöver am Erscheinen verhindert war. Eröffnung durch den Vorsitzenden, Geheimrat Reuter Berlin, begrüßte der Vertreter der großherzoglichen Staats¬

regierung. Geh. Regierungsrat Engelhorn, die Ver¬ sammlung, wobei er erwähnte, daß Baden für die Zwecke des Vereins und für verwandte Zwecke jährlich ca. 350 000 M. Weitere Begrüßungsansprachen hielten Ober¬ aufwende. bürgermeister Weber im Namen der Stadt Konstanz und Graf Zeppelin im Namen des Bodenseevereins.

Zwei Vorträge wurden alsdann in dieser ersten Haupt¬ versammlung gehalten: „Aus der Geschichte der Stadt Konstanz" von Monsignore Theodor Martin, fürstlich Fürstenbergschem Hofkaplan in Heiligenberg, und: „Ueber Bischof Gebhard III. von Konstanz" von Professor vr. Gerold Meyer von Knonau in Zürich. Der letzte Vortrag war eine gelehrte Auseinandersetzung über die

Bedeutung dieses Bischofs (um 1100), der neben Salomon III. (um 900) den Konstanzer Bischofsstuhl über den Rahmen eines gewöhnlichen Bistums hinaushob und ihn zum Mittel¬ punkt der päpstlich-antikaiserlichen Politik in Südwest-Deulschland gegenüber Heinrich IV., nicht aber auch gegen Heinrich V., machte. Denn obgleich letzterer, seines vielbefehdeten Vaters gefährlichster Gegner und schließlich Ueberwinder, nachdem er zum Throne gelangt, im wesentlichen dieselbe Politik ein¬ schlug. wie der von der Kirche so grimmig bekämpfte Heinrich IV., nur daß er sich als ein noch gefährlicherer Feind der Kurie auswies, sehen wir doch den als Vertreter der päpstlichen Politik zu einer ausschlaggebenden Bedeutung in Südwest-Deutschland gelangten Gebhard III. Heinrich V. gegenüber keineswegs in der alten Hitze weiterkämpfen. Viel¬ mehr ist es ihm alsbald so deutlich um Aussöhnung mit dem neuen Kaiser und

damit um den endgiltigen Frieden des

-*S

573

zu thun (vgl. vor allem die Gesandtschaft seines Bruders Berthold ll. von Zähringen im Auftrag des Kaisers an den franzöfischen König, welche auf den Ausfall der Synode von Troyes 1105 so wesentlich eingewirkt hat), daß dies sicherlich einer der Hauptgründe ist für die Erkaltung der Beziehungen zwischen dem Bischof und seinem hohen Auftraggeber Papst Paschalis II. Wie diese Schwenkung zu erklären, darüber

»-

Landes

der Vortragende eme Reihe von bedeutsamen Winken (alte und in der Schule der päpstlichen Politik gewonnene Erfahrung, sodann die Ueberzeugung, daß dem Reiche wie der Kirche durch einen endlichen Frieden, ob auch im Sinne Heinrichs V., am best.» gedient sei u. s. w.) Von allgemeinerem Interesse, sowohl durch die äußere Vortragsweise als durch seinen Inhalt, war ohne Frage der erste Vortrag, der des Monsignore Martin, obwohl er wesentlich sich mit einer Persönlichkeit — Johannes Huß beschäftigte, die man gerade von dieser Tagung ausgeschlosien geglaubt hatte. Er zeichnete Konstanz als Kirchen-, als Musen- und als Fremdenstadt. Dabei aber nahm doch die Angelegenheit des Johannes Hnß einen so breiten Raum ein, daß man unwillkürlich den Eindruck hatte, es komme dem Redner vor allem darauf an, die Stellung der katholischen Kirche zu diesem Manne darzulegen und

gab

gewissermaßen auch zu rechlfertigen.

Immerhin erfordert

Kleine Mitteilungen. —

Das neue Abgeordnetenhaus

in der Prinz AlbrechtStraße (der verlängerten Zimmerstraße) ist im Laufe der vergangenen Bausaison bis zum Dachgeschoß gefördert worden und soll 1897 seiner Bestimmung übergeben werden Nach der Vollendung dieses Monumental, baue« siedelt das Herrenhaus interimistisch in daS alte Abgeordnetenhaus am Dönhofsplatz über, und in den Jahren 1898—1900 wird in der Leipzigerstraße 3 und 4 auf den Grundstücken deS alten Herrenhauses und des alten ReichstagSgebäudeS daS neue Herrenhaus errichtet Die gesamten Monumentalbauten, die in unmittelbarem Zusammenhang stehen, werden nach den Entwürfen und unter der Oberleitung deS Regierungs¬ und BaurateS Friedrich Schulze ausgeführt, der über dieselben in dem „Centralblatt der Bauoerwallung" einen Aufsatz veröffentlicht, welcher auch als Sonderabdruck erschienen ist (Verlag von Wilhelm Ernst u Sohn, Berlin). Dieser intereffanten Monographie entnehmen wir über die großartigen Bauten folgende Einzelheiten: DaS Herrenhaus wird nicht unmittelbar an der Front der Leipziger Straße errichtet, es werden ihm vielmehr die beiden PräsidentenWohnungen seitlich vorgelagert, getrennt durch eine mittlere Garten Anlage, so daß daS Herrenhaus erst die zweite Gebäudegruppe bildet An das Herrenhaus schließt sich ein niedriger Verbindungsbau, der die Räume für den Hof, die Minister, die RegierungS-Kommiflare und die Stenographen beider Häuser enthält und die Verbindung zwischen dem Herrenhause und dem Ab¬ geordnetenhause an der Prinz Albrecht-Straße herstellt. Die gewählte Gruppierung entspricht in Bezug auf Lage und Beleuchtung den weit¬ gehendsten Anforderungen. Mit Ausnahme der beiden Sitzungssäle und Wandelhallen, sowie der Treppenhalle im Abgeordnetenhause haben sämt¬ liche Geschäftsräume nicht allein seitliche Beleuchtung, sondern auch ihre Lage nach den die Gebäude umgebenden Gärten erhalten können. So viel über die Gebäude-Gruppierung im allgemeinen. DaS Ab¬ geordnetenhaus, deffen Fundamen¬ tierung im Herbste 1893 erfolgte, zeigt in seinem Grundriß vier innere Höse, welche sich um den großen Sitzungssaal gruppieren, der daS Herz des fast quadratischen Baues (92 mal 88 m) bildet. Die Tiefenabmessungen der Ein¬ gangs- und Treppenhallen sowie der gegenüber Wandelhallen ihren sind

Breitenabmeffungen verhältnismäßig ge¬ ring ausgefallen, weil das Kunstgewerbe-

es die Gerech¬

tigkeit. anzuerkennen, daß Redner nicht bloß dem katholischen, son¬ dern auch einem allgemeineren

Museum 47 m Abstand von seiner Front verlangte und weil daS Herren¬ haus Einspruch gegen eine Verkleinerung Um die vier seines Gartens erhob. inneren Höfe gruppieren sich die KommisstonS- und Sprechzimmer. In dem Vorderbau befinden sich die Eingangs¬ halle, die Treppenhalle und die Wandel¬ halle, sowie links und rechts von diesen die Bücherei, daS Lesezimmer und die ErfrischungSräume.

Empfinden, sowohl dem allgemein¬ humanen wie dem nationalen, Rechnung trug. Seine Stellung dürfte am besten gekennzeichnet sein durch folgende Worte: „Ich bedaure den Scheiterhaufen, auf welchem der

unglückselige Mann

ich bewundere sogar in gewisser Beziehung Charakterfestigkeit, oder wie andere es nennen, die Starrheit, mit welcher er bei seiner Ueberzeugung geblieben; aber wenn ein gewisser Kultus mit diesem Namen getrieben werden wollte, so würde mein deuischer Patriotismus einer¬

enden

mußte,

die

seits

und

andererseits

meine Liebe

mir gebieten auszurufen: ist ungesund!"

Ferner:

für

Recht und Ordnung

Omne nimium nocet, allzuviel „Wenn Sie den starren Sinn des

Mannes Ueberzeugungstreue oder Charakterfestigkeit nennen wollen, wenn Sie neben dem deutschen Nationalgefühl auch einem anderen Nationalgefühl Berechligung zuerkennen wollen, so mögen Sie immerhin htnwallfahrten zu dem Stein, in dessen Nähe vielleicht — nachgewiesen ist es nicht — ein Mann weniger den dogmatischen Streitigkeiten als persönlicher Gehässigkeit und veralteten Gesetzen zum Opfer fiel." (Schluß folgt.)

Im Vorderbau enthält das Abge¬ ordnetenhaus außer dem Kellergeschoß in der Erde ein 3,50 in hohes Sockel¬ Stockwerk von geschoß, ein Erdgeschoß von 8,20 m und ein erstes 6,80 m Höhe und ein Dachgeschoß, im Hinterbau. der die Lichthöfe und den Sitzungssaal einschließt, dagegen ein 4,70 iu hohes Erdgeschoß, ein Halbgeschoß (Tribünengeschoß) von 3,50 m und zwei Stockwerke von je 4,70 m Höhe. Die Bauflucht liegt aus dem mitgeteilten Grunde etwa 20 m hinter der Front zurück. Bei der Anlage des Abgeordnetenhauses ist der Baukünstler Hand in Hand mit dem Bureau-Direktor Geh. Reg.Rat Kleinschmidt gegangen, so daß überall den praktischen Bedürfniffen auf den intereffanten entsprochen wird. — Ein nähere« Eingehen Monumentalbau muß einem größeren illustrierten Artikel vorbehalten bleiben. An dieser Stelle sei nur noch betont, daß das neue AbgeordnetenhauS auch in ästhetischer Beziehung seiner hohen Bestimmung entspricht, hat, deren eine Faffade gegeben und daß sein Schöpfer ihm künstlerische Wirkung um so höher anzuschlagen ist, als sie durch die ein¬ fachsten Mittel erzielt wird und lediglich auf der Harmonie der gegebenen Verhältnisse beruht. Der Baukünstler ist jeder Ueberladung mit plastischem Schmucke abhold gewesen und hat dem neuen ParlamentSpalast den — s. Stempel ruhiger Würde aufgedrückt. —

Mahnung au eine Königsbraut.

Als

sich Therese,

Sachsen-Hildburghausen und Nichte der Königin Luise von Preußen, mit dem Kronprinzen Ludwig von Bayern, Maximilians I. Sohn, verlobt hatte, richtete die Königin Luise in der Zeit von Preußen« tiefster Erniedrigung an sie folgenden Bries: Potsdam, den 11. Mai 1810. Liebe Therese! Ich gratuliere Dir von Herzen zu Deiner bevor¬ stehenden Verbindung und wilnsche aufrichtig, daß sie sich zu Deinem Glück schließen möge. Viel, ja sehr viel wird dabei aus Deine Aufführung ankommen. Liebe und besonders der Rausch der Liebe kann nicht immer dauern; aber Freundschaft und Achtung sollst Du verdienen, wenn Du rein und unbescholten dastehst, und wenn Klugheit Deine übrigen Schritte in der Welt leitet. Dazu gebe Dir Gott Kraft und Willen! Er leite Dich auf ebner Bahn und segne Dich und fei Dir nahe mit seinem Geist und seiner Gnade. Amen. die Prinzessin

auS

dem

Hause

■•e

574

heilig, sie ist in geblieben bis an

die

was Du einmal für Recht erkannt hast! Deine treue Tante und Freundin ihre „große Be¬ Die zu haben.

8.

Uokerfrrll dos Knhowsrhon Freikorps koi Kitzen.

der Sitzung der .Historischen Gesellschaft" vom 14. Oktober sprach Professor Dr. Brecher über den Anteil Napoleon I. an dem Ueberfall des Llltzowschen Freikorps vom 17. Juni 1813 bei Kitzen. Wenn auch auf der preußischen Seite bald nach jener That von Bülow, Gneisenau u. a. bestimmt angenommen wurde, daß Napoleon ihr eigentlicher Urheber sei, eine Ansicht, welche später von mehreren Geschichtsschreibern wiederholt wurde, so ist doch bis jetzt ein Beweis für jene Annahme nicht erbracht worden. Dieser konnte auch nur mit Hilfe französischer Quellen, d. h. der eigenen Befehle der Kaisers geliefert werden. Es ist gelungen, diese „Befehle", die sich in der Correspondence militaire de Napoleon I. nicht finden, ausfindig zu machen. Sie ergeben aufs unzweideutigste, daß der Kaiser den Plan zur Vernichtung aller feindlichen Freikorps schon vor dem Abschlüsse deS Waffenstillstandes (4. Juni 1813) faßte und die Ausführung der Planer trotz der Waffenruhe so leidenschaftlich und eifrig betrieb, daß er alle Be¬ denken und allen Widerspruch sowohl seiner eigenen als auch der beteiligten Rheinbunds-Offiziere überwand und zuletzt alle Mittel vereinigte, um die friedlich dahinziehenden Lützower zu vernichten. Wie schlau und gewalt¬ thätig er dabei gegen die gehaßten „briZands" vorging, wie die mit der Ausführung der „Bubenstücks" betrauten französischen Offiziere, der Herzog von Padua (Arrighi) und der Divisionsgeneral Fournier, die beteiligten deutschen Offiziere, insbesondere den württembergischen Brigadegeneral Graf Normann irre führten und betrogen, wie sie endlich durch ein verräterisches Doppelspiel ohne gleichen die Deutschen, Württemberg» auf der einen, Preußen (unter Lützow) auf der anderen Seite, gegen einander hetzten, das bildet den an¬ ziehendsten, wenn auch beklagenswertesten Teil dieses Gegenstandes.

Der Vortragende unterzog auch LützowS Verhalten bei dieser Gelegenheit einer erneuten Prüfung. Sie ergab, daß der Mojor sich seiner Ausgabe wenig gewachsen zeigte und dadurch dar Unheil über sein in vielen Beziehungen ausgezeichnetes Korps gebracht hat. Mit dem Urteil der Zeitgenossen über den schändlichen Verrat und den Maßregeln zu dessen Vergeltung, welche von den Verbündeten ergriffen wurden, schloß der Vortrag, welcher als selbstständige Schrift mit allen geschichtlichen Beweisstücken demnächst veröffentlicht werden wird.

Karrlkatnr mit

— Die der Kaffeemühle, welche Friedrich der Große bekanntlich am Fürstenhause in der Kurstraße niedriger hängen ließ, damit sie die Gaffer besser sehen könnten, gab ihm Veran¬ lassung, an Voltaire zu schreiben: „Ich denke über die Satyre wie Epiktet: „Sagt man Böser von dir, und es ist wahr, so bessere dich; sind eS aber Lügen, so lache darüber! Ich bin mit der Zeit ein gutes Postpferd ge¬ worden, lege meine Station zurück und bekümmere mich nicht um die Kläffer, die auf der Landstraße bellen." 8.

Die Koken der Uvrkreiterung des Kctziotzpirrtzes und der Königstratze. Die Entschädigung für die Abtretung der

Grundstücke Schloßplatz 7/15 beträgt einschließlich der Entschädigung für die Mieter 1 750 355,81 Mk.; dazu tritt die Entschädigung für den zum Umbau der Langen (Kurfürsten-) Brücke nicht in Anspruch genommenen Teil des Grundstücks Schloßplatz 16, welche von dem königlichen PolizeiPräsidium auf 273 036,40 Mk. festgestellt worden ist. Die Kosten für den Erwerb der Grundstücke Königstraße 1/6 betragen 3 131397,50 Mk. Da von dem Grundstück 335 Geviertmeter zur Verbreiterung der König¬ straße in Anspruch genommen wurden und 1489 Geviertmeter als Bau¬ land verbleiben, entfallen an Kosten auf die Verbreiterung der Königstrabe 575 119,60 Mk., so daß die Gesamtkosten der Verbreiterung der Schlo߬ platzes und der zwischen Burg- und Poststraße gelegenen Strecke der Königstraße sich auf 2 598 511,81 Mk. belaufen. dem Voranschläge des Magistrats war der Höchstbetrag dieser Kosten auf 2 700 000 Mk. berechnet worden.

In

jähriger Jubiläum feiern.

Ur.

Luise.

In

Dev Koledvlrhshaln

kann in diesem Jahre sein fünfzig¬ Zu der HundertjahrSfeier der Thronbesteigung Friedrichs des Großen, welchem vornehmlich dis Verwandlung des Tier¬ gartens in einen der Erholung und dem Vergnügen der Einwohner ge¬ widmeten Park zu verdanken ist, hatten die städtischen Behörden die An¬ lage eines ähnlichen Parkes, wenn auch von viel geringerem Umfange, im Osten der Stadt beschlossen, was 1845 geschah. Im Jahre 1864 erfuhr der Friedrichshain eine Erweiterung von 5,5 Hektaren, mußte aber 1868 10,21 Hektar zur Erbauung des städtischen Krankenhause? abgeben. Durch in den Jahren 1874—76 neu erworbenes Land entschädigt, umfaßt er gegenwärtig eine Fläche von 51 Hektaren. In seinem neuen Teile ent¬ hält der Park einen 250 Meter langen und 100 Meter breiten Spielplatz für die Jugend, der fleißig benutzt wird. Der Haupteingang am Lands¬ berger Thor, ein mit mehrfachen Baumreihen besetzter Halbkreis, zeigt nach der Stadt zu eine Nische, deren unterer Teil durch eine mit wildem Wein berankte Böschung geschlossen ist, während der obere Teil unter den Kronen der Bäume einen Durchblick gestattet. In der Nische ist seit 1876 dar von Profesior Calandrelli geschaffene Denkmal zum Andenken an die in den letzten Kriegen Gebliebenen jenes Stadtteils vom „Ost-Klub Berlin" Aus dem höchsten errichtet und mit Pflanzenschmuck umgeben worden. Punkte des Parkes befindet sich die Büste des „Alten Fritz". — Das Kans Taukenstrahe gehört 17 insofern zu den historisch-denkwürdigen Gebäuden, alS Voltaire während seines Berliner Aufenthalter in demselben wohnte. Hier schrieb er 1752 seine berüchtigte „Geschichte deS Doktor Akakia", eine in beißenden Sätzen gegen den Präsidenten der Akademie, v Maupertius, abgefaßte Schrift,

DieseS sind die aufrichtigen Wünsche meines Herzens für Dich, liebe Therese! Ich kann Dir keine großen Beweise meiner Liebe geben, ich schicke Dir hierbei eine Eoentaille mit meinem Namen in bunten Steinen. Sie ist ganz einfach, ohne Juwelen, wie die Zeit er mit sich bringt. Kommt sie mal besser, so bekömmst Du noch etwas. Laß die Eitelkeit, die Noch vor einer Sache warne ich Dich. Klippe der Jugend, nicht überhand nehmen. Bedenke, daß Du in ein gänzlich ruiniertes Land kommst, wo eine allgemeine Drangsal das Volk erdrückt. Bestrebe Dich, Gutes zu thun und Wohlthaten zu streuen, damit die Unglücklichen Deinen Namen segnen und nicht die marchandes de mode Dich loben. Dies kommt Dir vielleicht jetzt lächerlich vor, daß man zwischen den beiden Wegen nur wählen könne. Doch wirst Du recht wählen, dafür bürgt mir Dein Herz und daS Beispiel Deiner unvergleich¬ lichen Mutter, aber in Gefahr wirst Du doch manchmal kommen, wo Kopf und Herz nicht einig sein werden. Behalte diesen Brief, und kommen solche Gelegenheiten, so denke Deiner Tante, die durch Unglück und Trübsal der großen Bestimmung entgegen reiste. Adieu, gute, liebe Therese! Der Himmel sei bei Dir, mit Dir, um Dich! Behalte fest Deine Grundsätze und laß Dich nicht wanken in dem,

Nur zehn Wochen später hatte die gefeierte Königin stimmung" erreicht, ohne ihre schöne Nichte wieder gesehen Mahnung der .Tante und Freundin" blieb dieser aber der That eine Wohlthäterin der Armen geworden und ihren Tod, der am 26. Oktober 1854 erfolgte.

S--

ln Koriin

Friedrich der Große, gegen er durch den Druck veröffentlichte. derartige Unbilden höchst generös, sobald sie sich auf seine Person bezogen, konnte und durfte dagegen den Präsidenten der Akademie dem öffentlichen Spott nicht preisgeben. Zuvörderst nötigte er Voltaire zur Ausstellung eines Reverses, in welchem dieser fortan eine schickliche Aufführung geloben mußte, dann ließ er durch den Scharfrichter Johann Meyer das PaSquill an drei Straßenecken und vor den Fenstern des genannten Hauser ver¬ brennen. 8.

Ans dem Koken Friedrich Hanfes wird in der „N. Zür. Ztg." — Haase gastiert zur Zeit in Zürich — folgende Geschichte Nachdem sich Haase im Seminar die ersten Sporen verdient hatte, kam er auf Befehl des Königs nach Potsdam und wurde im Oktober 1849 zum erstenmale als Gast an das Berliner königliche Schau¬ spielhaus berufen. AIS Amtsrat in „DaS Blatt hat sich gewendet", als Wurm in „Kabale und Liebe" (später eine seiner Bravourrollen) und als Adam in „Doktor Wespe" trat er an der Berliner Hofbühne auf. der letzteren Rolle stieb ihm ein Mißgeschick zu, daS sür den Anfänger leicht verhängnisvolle Folgen hätte haben können. Mit den räumlichen Verhältnissen der Bühne nicht vertraut, hatte Adam-Haase den Stuhl, auf dem er schließlich einschlafen mußte, von der Vorleserin immer weiter und weiter weggerückt, bis große Ueberraschung erlebte. Der Vorhang fiel nach Aktschluß. Adam öffnete etwas die Augen, um zu sehen, ob er seine „Schlafstelle" schon verlaffen könne. Doch, was war daS! Statt der Dunkelheit des gesenkten Vorhanges unheimliche Helle. Haase, ver zu weit nach vorne gerückt war, saß vor dem Vorhang im Angesichte deS unbändig lachenden Publikums, und der Unglückliche, derart „an die Luft" gesetzt, konnte nichts Eiligeres thun, alS sich schleunigst unter dem brausenden Halloh der Zuschauermenge hinter den schützenden Vorhang zu flüchten. DaS Publikum hielt dies für einen beabsichtigten Scherz und klatschte Beifall. Nicht so dachte aber der Herr Intendant über diese „Nüance". , Hären Sie, Herr Hoose," rief Herr von Küstner ganz ent¬ rüstet dem jungen Künstler zu, „solche Schmierenkniffe muß ich mer aus der keniglichen Piene denn doch scheenstenS verpeden haben. Solche Kinker¬ litzchen kennen Se auf dem Stodttheater zu Neu-Ruppin anpringen, aber nicht auf dem Hoftheoter zu Perlin." Trotz dieser „Schmierenkünste" sollte der junge Haase verpflichtet werden; er lehnte aber den ihm vorgelegten Vertrag ab, da seine Zeit sür Berlin noch nicht reif war. Dessoir und Döring beherrschten damals den Spielplan, und neben diesen Größen wäre sür den jungen Künstler kein Raum gewesen.

mitgeteilt.

In

er-eine

Büchertisch.

Als

dorr

Grotznater Me Grofzmntter nährn.

Liederbuch

Ein

für altmodische Leute.

3. vermehrte Auflage. Leipzig 1805, Verlag von F. W. Grunow. Preis gbd. 7 Mk. Diese originelle Anthologie enthält eine Auswahl älterer Gedichte, die in dem Zeitraum von 1740—1840 veröffentlicht sind. Sie ist eine „Art Asyl" „für alle von der heutigen TageSlitteratur verstoßenen Kinder der Musen, an denen wir unS selbst noch in der Jugend und an denen Der sich vor allem unsere Eltern und Großeltern einst erfreut halten." Herausgeber, der bekannte Sprach- und Litteraturforscher Gustav Wust mann, hat diese /.altmodischen" Gedichte mit großem Geschick aus der Almanachs- und Taschenbuchslitteratur u. f. w. ans Licht der TageS gefördert. Der Geist vergangener Generationen weht uni aus denselben entgegen und heimelt uns an. Zur Kennzeichnung deS Inhalts seien hier einige Titel und Gedichtansänge genannt: „Gott grüß euch, Alter! Schmeckt dar Pfeifchen" (Pfeffel), „Johann, der muntere Seifensieder" des Waldes tiefsten Gründen" (VulpiuS), „Der Mond (Hagedorn), ist aufgegangen" (Claudius), „Schöne Minka, ich muß scheiden" (Tiedge), „Ob ich Dich liebe, frage die Sterne" (Herloßsohn) u. s. w. u. s. w.

„In

Die Sammlung gliedert

lungen, Lieder

und

sich

in drei Abteilungen: Fabeln und Erzäh¬

„aus dem Theater". Innerhalb

der einzelnen

6

575

Abteilungen ist die Anordnung chronologisch. Die Gedichte sind durch Anmerkungen und biographische Notizen erläutert. Ein Inhaltsverzeichnis (nach den Dichtern geordnet) und ein solcher nach Liederanfängen gestatten ein sofortiger Aufschlagen jeder gewünschten Gedichtes. Die Ausstattung ist „altmodisch", doch geschmackvoll und vornehm. Die soeben erschienene 8. Auflage der Werkes beweist, daß der Herausgeber thatsächlich nicht nur „allerlei Leuten einen Gefallen" mit diesem Buche gethan hat, sondern daß er vielen eine große Freude mit demselben bereiter hat. Dieser „Lieder buch für altmodische Leute" gehört zu den wenigen Gedichtsammlungen, — e. die man wirklich jedem mit gutem Gewissen empfehlen kann. Die Krtrmprinzorrpassago. Roman von HannS v. Zobeltitz2 Bände. Jena. Verlag von Hermann Costenoble. Preis 7 Mk.. gbd. 9 Mk. Unermüdlich im Schaffen, legt Hanns von Zobeltitz säst jedes Jahr eine neue Schöpfung auf den Büchertisch. Er gebürt zu den bekanntesten und beliebtesten Erzählern, die in jeder Familie Einlaß gefunden haben. Dar müßte eigentlich überraschen; denn seine Motive sind nicht weit hergeholt, die Konflikte meistens anspruchslos, und seine Menschen gehören jener liebenswürdigen Klaffe an, die sich weder durch Genialität noch durch stürmisches Drängen nach oben und unten auszeichnen. Er gehört also nicht zu den SensationSschriststellern, die von der Kritik zuerst bewun¬ dert, dann zergliedert, heruntergemacht und schließlich nur noch von einem Kritikaster erwähnt werden, der beweist, daß der berühmte X. sicher einmal der Vergeffenheit anheimfallen wird. Vielleicht ist es der warme Ton, den der Autor stets zu treffen weiß, vielleicht sind er auch die Menschen, in deren Bilde sich so mancher Leser selbst abgespiegelt wähnen könnte, die seinen Erfolg sichern. Die Kronprinzenpassage ist eine moderne Straßengründung, deren geistiger Urheber es versteht, einen jungen, ideal angelegten, soeben aus den Kolonien zurückgekehrten Offizier in den Strudel seines verbrecherischen Lebens hineinzuziehen. Die hereinbrechende Katastrophe trifft dann auch diesen und, während der Schwindler ver¬ schwindet, wirst ihn Gram und Enttäuschung auf dar Krankenlager, von dem er erst vollends aufstehen kann, als ihm die uneigennützige Liebe eines edlen Mädchens eine neue arbeitsvolle Zukunft verheißt. Auf diesem durchaus nicht neuem Grunde hat der Versaffer so manchen schönen Zug der Wirklichkeit abgelauscht und in seine Dichtung verpflochten, der düse so anziehend macht. Namentlich ist ihm dar rührende Bild der Mutter unseres Helden zu einem Kabinettstück der Beobachtung gelungen.

—Iß—

Karrdlmrh der praktischen Zimmergärtnerei. Max HeSdörffer. Mit

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Schmidt).

Er giebt wohl

kein HauS, in dem man sich nicht mit der Blumen¬ pflege beschäftigt, in ven Palästen der Reichen, wie in der einfachen bürger¬ lichen Wohnung, überall bilden die Blumen einen wichtigen Bestandteil der häuslichen Einrichtung und erfreuen sich der Pflege durch Familien¬ mitglieder. Wie oft aber beginnen die Gewächse zu welken und ihrem Besitzer Sorge zu verursachen trotz aller Pflege und Mühe, die auf¬ gewendet sind. Dann ist guter Rat teuer und wenn überhaupt noch zu helfen, muß der Gärtner einspringen. Und dennoch wäre dem vorzubcugen gewesen, wenn die Pflege in der richtigen Weise gehandhabt worden wäre. Alles, auch das scheinbar Einfachste will gründlich erlernt sein, und so ist eS auch mit der Blumenpflege im Hause, der sogenannten Zimmeigärtneret, die zu den verbreitetsten Liebhabereien gehört. ES ist deshalb mit Freude zu begrüßen, daß der bewährte Fachmann Max HeSdörffer es unternimmt, dem Laien ein Buch zu bieten, das in wirklich klarer, verständlicher und praktischer Weise dem Blumenfreunde Anleitung zur Ausübung seiner Liebhaberei erteilt. Die vorliegende erste Lieferung giebt bereits ein Bild von der Zweckmäßigkeit dieses Buches; neu und übersichtlich in der An¬ ordnung der Stoffes, verständlich und reich an praktischen Handgriffen Winken und Ratschlägen, die durch eine Fülle von vortrefflichen, nach des Verfassers Angaben gezeichneten Abbildungen veranschaulich, werden.

—y-

Da» Fräulein.

Roman in 2 Bänden von E. Seit). Mann¬ heim 1895. Verlag von BenSheimer. Preis 5 Mk Der obige Roman gehört zu denen, welche lediglich der Unterhaltung dienen, er ist Dutzendware, wie sie unsere Familienblätter in Hülle und Fülle bringen. „Das Fräulein" hat einst als Abkömmling einer adligen Resugiö-Familie, die in Vermögens-Verfall geraten ist, beffere Tage ge¬ sehen. Nach dem Tode ihres VaterS muß jedoch die Baroneffe Jacqueline de Arabin als „Fräulein", d h. beffereS Kindermädchen, in dem Hause der ebenso reichen, wie stolzen und gefühllosen Frau Konsul Ebba Lund dienen. Die männlichen Mitglieder und Gäste verlieben sich natürlich alle in daS „Fräulein", welches als Romanheldin selbstverständlich von außer¬ ordentlicher Schönheit ist Jacqueline liebt jedoch nur den Arzt, der ihren Vater vor seinem Tode behandelt hat, und in dieser Liebe ist sie die Nebenbuhlerin der Frau Konsul Lund. Der Herr Doktor, ein seltsames Gemisch von Schlappheit und Gefühlsduselei, läßt sich am Krankenbett eines Kindes der Frau Konsul zu einer sehr auffälligen Huldigung gegen Jacqueline hinreißen, die HauSherrin überrascht beide bei derselben und jagt die verhaßte Nebenbuhlerin auS dem Hause. AIS Ehrenmann hätte der Herr Doktor Jacqueline, die er schwer kompromittiert und die er liebt, um jeden Preis aufsuchen müffen, waS mit Hilfe des Einwohner¬ meldeamtes für 25 Pf. möglich gewesen wäre. Er verharrt jedoch in Unthätigkeit, bis man Jacqueline, die keine neue Stelle finden kann und sich auf dem Nollendorfplatz unter der Dampfbahn da« Leben nehmen

I.

&-will, ihm,

gerade ihm in die Wohnung bringt, nachdem der Dampswagen ihr natürlich nur eine leichte Schramme beigebracht hat. Nun kann die Heirat loSgehen, der von Anfang an nichts im Wege stand, als die Schlappheit der Herrn Doktors, zu deren Darlegung die Verfasserin über 300 Seiten gebraucht. In den Einzelheiten enthält der Roman mancherlei Züge, die dem Berliner Leben naturgetreu nachgebildet sind. Als Ganzes genommen kann er jedoch den Beifall eines denkenden Lesers nicht finden. R. G.

Die Schule bcr Zukunft-

Zur Kritik und Neubildung unserer Schulorganisa'ion von Max Wundtke. Verlag von Ulricht Kracht. Berlin 1895. Preis 0,50 Mk. „Der deutsche Michel pfuscht und experimentiert fortwährend an seinem Schulwesen herum. Hier ein Reskript und da eine Verordnung, da ein Vorschlag und dort ein Gesetzchen; aber da helfen alle kleinen HauSmittelchen nichts, um dem kranken Manne beizukommen Mit Flicken, Lappen und Pflastern ist hier nichts gethan. Die Schule krankt am Llarasmus senilis (Altersschwäche); alle diese Tränkchen machen vas Unheil nur schlimmer. Konferenz und kein KommissionSbeschl'tß kann daran etwas ändern — urOete Schulorganisation hat abgewirtschaftet." Das ist das Resultat der Kritik des Verfassers an unserem jetzigen Schul¬ wesen. Wir können uns hier unmöglich mit den mancherlei beachtens¬ werten Einzelheiten befaffen; wenn der Verfasser aber auch den Religions¬ unterricht über Bord werfen möchte, so scheint ihm für die Bedeutung einer guten Religionsunterrichtes jegliches Verständnis zu fehlen. Alle Uebelstände des jetzigen Schulsystems sollen, und damit beschäftigt sich der zweite Abschnitt „zur Reform", vermieden werden durch eine zu suaffende dreifache Schule, die jeder bis zu Ende durchlaufen muß: Grundschule,

Erweiterungsschule, Abschluß oder Fachschule. Bezüglich der Einzelheiten verweisen wir auch bier auf die Schrift selbst. Vermögen wir auch, besonders dem zweiten Teil des Buches nicht zuzustimmen, so empfehlen wir doch die anregende Lektüre desselben angelegentlichst. —m.—

Die Hjwmcmität na4) ihrem Wesen und ihrer ffirtt-

wickolung.

Eine Wanderung durch die Geschichte von W. Stahlberg, Rektor a. D. Prenzlau 1885. Verlag von Theophil Biller. Preis 3,60 Mk. Ohne Zweifel wird in der Gegenwart von der Humanität nicht jo begeistert und so glänzend gesprochen, wie in den Tagen Herders, Goethes und Schillers; dafür aber m.n in ihrem Sinne desto mehr gehandelt, war die überaus zahlreichen und mannigfaltigen Humanitätsbeftrebungen beweisen. Jnsolgedeffen ist auch das Wort „Humanität" in aller Munde, wandert jedoch meistens wie eine gangbare Scheidemünze ohne Prüfung des Gepräges und Gehaltes von einem zum andern. Da erscheint es wohl der Mühe wert, den Begriff näher zu untersuchen und weiter die fortschreitende Ausgestaltung deS Menschheitsgedankens im Laufe der Jahr¬ hunderte zu verfolgen. Man kann bei solchen Betrachtungen verschiedene Wege einschlagen, je nachdem man die Zeiten, die Völker, die LebenSgebiete, die geistigen Strömungen zum Einteilungsgrunde macht. Die vorliegende Schrift hat es unternommen, nach einer Erörterung der HumanitätSidee die wichtigsten Erscheinungen der Geschichte, Personen und Völker, Ereigniffe und Zustände, zeitlich geordnet, unter den Gesichtspunkt der Humanität zu stellen und damit von der Entwickelung dieser umfaffenden Idee ein Bild wenigstens in den Hauptzügen zu gewinnen, das ungeachtet mancher schiefen Urteile

[_

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(9. Fortsetzung.)

Die Waldbäume hatten endlich ihr grünes Frühlingsgewand um Aeste und Zweige gespannt, die Vögel bauten Nester, und das blumengestickte Kleid der Erde glänzte in den prächtigsten Farben. Die schlanke Birke trug die grünen Blätter wie einen Brautkranz zu ihrem meisten Kleide, und die Winde neckten die Geschmückte mit ihrer Eitelkot und zupften sie an Die Obstbäume an den den langen, schwanken Zweigen. Rainen hatten die Knospen gesprengt; nur die Linden wollten auf die Rosen warten, denn Lindenblüte und Rosendufl ge¬ hören nun einmal zusammen; darum hielten fie auch die herz¬ förmigen Blätter wie einen Schild über die Blütenstengel mit den dicken, grünen Knöpfchen, damit die Sonnenstrahlen sie

^schimmernder Sonnenglanz lag auf

den Feldern.

nicht zur Unzeit sprengten. Im nahen Gebüsch aber schlug die Nachtigall und übertönte den Klang der minder begabten

Sänger.

Auf

dem Wege von Wittenberg nach Rabenstein kam ein

kleiner Reitertrupp daher, der kaum mehr Köpfe zählte, als jener, der vor Wochen, geführt von Cuno von Oppen, die gleiche Straße gezogen war. Kurfürst Albrecht ritt nach der Flämings-Burg, um offen um die Braut zu werben. Graf Sigsried von Bernburg. Konrad von Oels und drei Diener begleiteten ihn, während in einiger Entfernung mehrere hoch¬ beladene Wagen folgten. Ueber Albrechts Züge lag sinnender Ernst gebreitet, doch Schwermut und Trübsinn waren daraus

wie der Frost aus der Frühlingserde. und seine leuchteten freudeverklärt. Sigsried hatte dem Augen dunklen Drängen des Kurfürsten nicht widerstehen können und sich zur Fahrt entschlossen, doch vermied er jegliches Gespräch über die Verlobte des Herzogs und ließ sich von Albrecht nur die

entwichen,

Namen der blühenden Ortschaften nennen, durch deren tau¬

Wälder und sprießende Felder fie gemächlich trabten, oder deren Türme fie von weitem erblickten. Wortkarg ritt Konrad von Oels hinter den fürstlichen Herren her, und fast wie Trauer lag es auf seinem runden, Er erstaunte über sich selbst, daß er sonst so heitern Antlitz. der Ehre, der sein Kind und auch er gewürdigt werden sollten, so wenig freudenreich, ja fast zaghaft entgegensah, und fast widerwillig gestand er sich: Wäre es ihm vor Monden vergönnt gewesen, in der Zukunft zu lesen und das Jetzt zu schauen, so würde er, als er damals seine Töchter aus den stillen Klostermauern von Plozek holte, sie niemals ins Schloß von Wittenberg geführt haben. Nun kam die Reue zu spät, und trübselig murmelte der Alte in den grauen Bart: „Em Edelftäulein und ein Herzog, der Unterschied ist zu groß; das frische

kann kein gutes Ende nehmen." Kurfürst Albrecht hatte seinen Besuch auf dem Rabenstein die Kunde davon hatte sich schnell verbreitet. Aus der Umgegend kamen ihm der gesamte Adel und die Gesandten der Klöster entgegen, um den Landesfürsten an der Grenze ihrer Marken zu empfangen und eine Strecke ansagen

lassen,

und

mit ihm zu ziehen, bis die Herren dann wieder von anderen viele waren auch von weiterher ge¬ kommen, um den so selten geschauten Fürsten zu begrüßen. Wer nennt alle die Namen? Da sah man die Herren von Blisendorf, die von Kranephul und von Süden, die Edlen von Brugnitz, von Quifike und Glin; auch Herr Hans Repgow und Jan von Brandt hatten sich eingefunden. Daß abgelöst wurden.

Doch

Frau Margaret letzterm ein Körbchen war bereits ruchbar geworden, und man erzählte es sich als offenes Geheimnis hinter dem Rücken des ahnungs¬ losen Wiesenburgers. Als nun aber Hans von Oppen mit die schönen Hände der

geflochten,



578

überlauter Stimme, so daß es jedermann hören konnte, den kleinen Junker fragte, ob die Glöckchen, mit welchen Jan heute abermals das Gewand geziert, etwa als Trauergeläut für eine verschmähte Liebe erklingen sollten, da ging ein zwar leises, aber doch vernehmliches Lachen durch die Reihen. Junker Jan ward ganz blaß vor Aerger, doch rief er schnell gefaßt: „Wem der Klang mißfällt, soll es sagen, und das hier" — er schlug an sein Schwert — „wird ihm ein Lied fingen, dessen Bedeutung keinen Zweifel gestattet." Hans lachte. „Nur nicht so heftig, Jan! Es war nicht bös gemeint, und Du gabst die richtige Antwort. Was aber den wunden Punkt anbelangt, so tröste Dich! Es ist. Gott sei Dank, kein Mangel an hübschen Mädchen im Sachsenlande, und Du vollends bekommst noch zehn statt einer."

Jan von Brandt lächelte wohlgefällig vor sich hin und strich mit den spitzen Fingern über sein fliederfarbenes Ge¬ wand. Der tapfere, kleine Junker, der sich nichts gefallen ließ, und dem sein Schwert so locker in der Scheide saß, war einem Lobe nicht gewachsen und unterlag rettungslos jeder Schmeichelei.

Der Kurfürst hatte für alle Herren ein gnädiges Wort, ja, oft sogar einen Scherz bereit, so daß Ritter Hans von seinen Freund beiseite zog und ihm zuflüsterte: Oppen „Sage, Konrad, wer hat das Wunder an dem Herzog voll¬ bracht?" Der alte Oels aber lächelte ihn trübselig an: „Ja, nicht mich darfst Du danach fragen!" Und dann sank ihm das Haupt auf die Brust, und er murmelte wieder: „Es nimmt doch kein gutes Ende." Nun scholl von neuem Pferdegetrcppel. Wem mochte der Reiterzug zugehören, der den Waldweg daherzog und dann in die große Heerstraße einbog? Kein Kloster war mehr in der Nähe, und Vögte und Adel waren allbereits vertreten. Auch waren das nicht bunte Wamse oder dunkle Kutten; weißschimmernde Mäntel mit schwarzen Kreuzen flogen um die Mähnen der Hengste. „Die deutschen Herren kommen," flüsterte des Herzogs Begleitung.

Im

Trab nahte, an der Spitze der Vorsteher der Komturei Dahnsdorf, Herr Eghardl von Trebecin, eine Abteilung der deutschen Ordensritter, um den Landesherrn ehrfurchtsvoll zu begrüßen. Auch für alle diese Herren hatte der Kurfürst einen freundlichen Gruß, so daß mancher ver¬ schärfsten

wundert den Kopf schüttelte und dem Nachbar zuflüsterte: was über die Krankheit des gnädigsten Herrn ins Volk ge¬ drungen sei, müsse arg übertrieben worden sein, oder Gott habe sich des halb verwelkten Stammes der Askanier erbarmt und wolle ihn ftisch ergrünen lassen. Schon war der stattlich angewachsene Zug bis nahe an das Städtchen Raben gekommen, und die Glocken der kleinen Kirche hoben an, den Ankommenden ihre Grüße zu entbieten, als Rttter Tiele von Oppen mit dem gesamten Burggefinde aus prächtig geschirrten Rossen sichtbar wurde, um seinen Lehnsherrn zu bewillkommnen und in die Burg zu geleiten. Kurfürst Albrecht begrüßte ihn huldvoll und wandte sich dann an seine Begleitung, indem er sagte: „Liebe Freunde und Herren! Habt Dank fiir Euer freundliches Willkommen! Ich nehme es als ein Zeichen der Anhänglichkeit an Euer angestammtes Haus, und ich denke, dies soll noch lange blühen

S--

und seinen Schild halten über die Lande Sachsen. Jahrelang haben die Schatten über meinem Haupte gelastet, doch jetzt hat sie der Wind zerriflen, und die Trauer ist verweht. Das Glück ist über mich gekommen, da mir eine liebe Braut ge¬ hört. Nun ist es an der Zeit, fröhlich zu sein und Feste zu feiern, und darum sage ich Euch allen, die mir heute Geleit gegeben und Gruß geschenkt haben: Kommt morgen aber¬ mals die gleiche Straße gezogen, damit ich Euch allen Eure künftige Herrin nenne und zeige! Doch auf Burg Rabenstein möchte der Raum zu eng werden für die Gäste, darum werde ich sorgen, daß im grünen Walde Zelte errichtet und Bänke aufgeschlagen werden, und so es Euch recht ist. wollen wir ein fröhliches Fest und einen freudenreichen Tag begehen. Sorget nur, daß die graue Wolkenwand hier im Osten uns keine Störung bringe! Doch — Gewölk im Frühling ver¬ geht schnell.

In

war es still geworden. Jeder hielt straff im Zügel und lauschte aufmerksam auf die Worte des Herzogs, dessen sonst so bleiches Gesicht leicht ge¬ rötet war, und dessen dunkle Augen glückselig, ja fast jugendlich glänzten. Kaum aber hatte er geendet, als die Zuhörer in lauten Jubel ausbrachen. Aus jedem Munde klang fröhliche Zustimmung und der freudige Ruf: „Heil und langes Leben unserm Herzog! Glückauf zur Frau Herzogin!" Und dann wandten Ritter und Knechte. Klosterherren und Vögte die Rosse, und jeglicher eilte wieder seiner Heimat zu. Nur vom Ritter Oppen begleitet, ritt der Herzog den steilen Burgberg hinan. Herr Thiele war im stillen fest überzeugt von dem Verlöbnis des Fürsten mit der Ouerfurterin, und als ihn jetzt der Kurfürst nach seinen Gästen fragte, da glaubte er so recht dem Wunsche seines Herrn nachzukommen, wenn er vor allen Dingen von der jdjßncii Ouerfurterin be¬ Doch erstaunte er nicht wenig, als der Herzog richtete. unverhohlen seine Verwunderung über die Anwesenheit der Frau Margaret aussprach. Fast wäre der Burgherr irre geworden, dann aber erinnerte er sich, daß der Fürst erst morgen sein Geheimnis kund geben wollte. Lange Zeit zum Nachdenken ward ihm übrigens nicht dem langen Zuge

sein Roß

gegeben, denn Albrecht setzte seinen Rappen

die Zugbrücke erbebte,

der Türmer

in schnellen Trab.

schmetterte sein schönstes

und aus dem Hofe glänzten helle Frauengewänder; Pforten und Pfeiler waren grün bekränzt; um die grauen Mauern der Burg zogen sich Laubgewinde, und vor die Fenster Lied,

hatte man prächtige Teppiche und Tücher gehängt.

Der Zug hielt. Frau Katharina, Eufemia, Offka und Margaret von Hadmersleben traten herzu, um den fürstlichen Gast willkommen zu heißen. Frau Katharina strahlte ob der Ehre, die ihrem Hause widerfuhr, und als nun gar der Kur¬ fürst, nachdem er vom Roffe gestiegen war, ihre Hand an seine Lippen zog, da erglühte sie über das ganze, vollwangige Gesicht und bedauerte immer von neuem, daß ihr Cuno nicht hier sei, um an der Ehre und der Freude teilzunehmen. Bei solchen Gedanken sah sie gar nicht, wie totenblaß Eufemia ward, und wie Offka an ihrer Seite wie Espenlaub zitterte und bebte, als sie sich vor dem Herzog verneigte, und wie dieser ihre Hand mit seinen beiden ergriff und einige Sekunden lang fest umschloß, ehe er sie freigab. Eine aber hatte dies bemerkt, und das war die Ouerfurterin. Doch als sie die Augen mit einem spöttischen Lächeln auf den vollen, roten

-8

Lippen erhob, da stand der Graf von Bernburg an ihrer Seite. Jüngst noch hatte sie dem Ritter Oppen gestanden, Graf Sigfried sei der einzige in der Welt, dem sie ein freund¬ liches Gedenken bewahre. Und als dieser sie nun begrüßte und fragte: „Kennt Ihr mich wieder? Die Jahre haben viel geändert an dem, was einst war", da errötete sie mädchenhaft und sagte: „An Marksteinen darf die Zeit nicht rücken. Graf Bernburg, und die Erinnerungen an jene Jahre find die Marksteine meines Lebens." Ein aufleuchtender Blick Sigfrieds traf sie noch, dann ward sie von ihm getrennt, denn Ritter Thiele führte die fürstlichen Gäste in die für sie hergerichteten Gemächer. Den Schloßvogt aber geleiteten seine Goldäpfelein in die für ihn bestimmte Kammer. Konrads kummervolles Gesicht hatte sich sichtlich erhellt beim Anblick seiner Kinder. Liebevoll streichelte er Eufemia die blassen Wangen und fragte, was ihr fehle. Sie aber schüttelte den Kopf und bat nur für später um eine Unter¬ redung, dieweil sie ihm eine Bitte vorzutragen habe. Der Alte nickte verwundert, dann zog er Offka auf seine Kniee, strich über den goldblonden Scheitel und sagte freundlich ernst: „Du weißt, weshalb der Kurfürst von Wittenberg ge¬ kommen ist; er liebt Dich und will Dich zur Fürstin machen. Du gehst hohem Glück entgegen, mein Kind, doch das Krönlein, das bald Deine Stirn schmücken wird, soll Dich nicht stolz machen. Denke immer daran, daß das Wappenschild Deines Vaters so blank und rein ist, wie das mit der Rautenkrone, über der der Herzogshut prangt! Denn wie der Fürst, so empfängt auch der echte Edelmann seine Krone von Gottes Gnaden." Offka legte das Gesicht an die Schulter des Vaters und begann leise zu weinen. Konrad erschrak, und gutmütig, wie man ein Kind beruhigt, suchte er sie mit dem Hinweise auf das morgende Fest zu trösten. Aber da er trotzdem den Thränen nicht Einhalt gebieten konnte, fragte er bekümmert, ob sie etwas quäle? Offka verneinte. Denn wem hätte sie gestehen können, was ihr Herz bedrückte? Sie konnte nicht aufhören, Cunos zu gedenken, und daß sie ihn nun und nimmer wiedersehen werde, ihn, dessen Liebe sie, wie sie meinte, durch ein Zauber¬ mittel erworben habe. Eben darum freilich war seine Liebe zu ihr gewiß in seinem Herzen so schnell erloschen, wie sie entstanden war. Nur ihre thörichten Gedanken waren dem allem zum Trotze Tag für Tag auf der Wanderschaft und suchten den Liebsten in der Ferne. Eufemia starrte schweren Herzens auf die Schwester, und als Offka dem Blick der traurigen Augen begegnete, raffte sie sich auf. trocknete die Wimpern und löste sich aus dem Arme des Vaters, indem sie sagte: „Mir wird die Trennung von Dir schwer, mein Vater. Habe Geduld mit mir! Ich habe das Gleichgewicht der Seele verloren. Zu viel ist heute auf mich eingestürmt, doch gewiß, ich finde die Ruhe wieder. Komm mit, Eufemia! Wir wollen den Vater verlaffen, denn unser Anzug ist noch nicht beendigt." —

Um die von Gold und Edelmetall strotzende Festtafel hatten sich die Burgbewohner versammelt, aber es war trotz der köstlichen Weine und der erlesenen Speisen eine etwas gezwungene Stimmung beim Mahle, ja es schien fast, als laste ein Druck auf allen Gemütern.

&

579

Aber das machte wohl

ungewohnte Anwesenheit eines Fürsten; denn obwohl Herzog Albrecht sehr freundlich und auch im Anfange ge¬ sprächig war, so vergaß doch niemand, daß er eben Kurfürst und Landesherr war, und am allerwenigsten Frau Katharina, die an seiner Seite saß, und deren sonst so fröhliches Ge¬ die

plauder heute fast verstummte. Draußen war es mittlerweile schwül geworden, und auch die Luft in der Halle war drückend und legte sich wie hemmend auf jedes Gespräch. Nur die Ouerfurterin und Graf Sig¬ fried vermochten eine Unterhaltung zu führen. So empfand es jeder als Erlösung, als das Mahl nunmehr sein Ende erreichte, und man aus den dumpfen Zimmern in den schattigen Schloßhof trat. (Fortsetzung folgt.)

Lin

Miezen an der Oder. msrkische-s Von

Stsdlebild.

G. Ho-tUe.

(Mit Abbildung.)

Wer von Berlin aus mit der Stettiner Eisenbahn das Eberswalde mit seiner Forstakademie und seiner hübschen Umgebung, namentlich aber wer Freienwalde an der Oder, das so hochromantische Wald- und Berg¬ partien bietet, besucht hat, wird auf den ersten Blick von Wriezen enttäuscht sein, wenigstens vom Bahnhof aus macht das sonst so gewerbfleißige, hübsche Städtchen landschaftlich keinen günstigen Eindruck, dahingegen ist das Panorama der Stadl vom Oderthale aus entzückend schön, und von hier aus find auch recht lohnende Spaziergänge zu machen, von denen gleich hier vorweg der „Wriezener Bock" genannt sein möge. Auf dem diesen Zeilen beigegebenen Bilde aus Wriezen sehen wir vor uns den in nächster Nähe des Bahnhofes belegenen Marktplatz, der von zwei öffentlichen Gebäuden beherrscht wird: in der Mitte rechts das ziemlich einfache, Versuche von gotischen Motiven zeigende Rathaus und die sehr alte, schon von weitem sichtbare Marienkirche. Wriezen ist eine sehr alte Stadt und soll schön zu den Zeiten der Römer unter dem Namen Yirition bestanden haben; die Gründung scheint aber wendischen Ursprungs zu

freundliche

sein,

wenigstens

deutet der alte wendische Name der

Stadt:

Worize,

d. h. an Flüssen liegend, darauf hin. Die Lage der an einem breiten Arm der Oder, welcher der Faule

Stadt See hieß, war eine überaus günstige und hat wesentlich zur Entwickelung der Stadt als Hauptstadt des Oderbruches

beigetragen. Die früheste urkundliche Erwähnung der Stadt geschieht 1320; bis zum Jahre 1337 galt in Wriezen noch das

Stadtrecht; in diesem Jahre erst erhielt Wriezen Markgraf Ludwig das Strausbergsche, d. h. deutsche Stadtrecht, und damit zugleich die Erlaubnis, sich von nun an mit Mauern oder Holzschanzen befestigen zu dürfen; außer¬ dem hatte die Stadt Kasans äs non svosanäi, d. h. ihre Gerecht¬ same vor ihrem eigenen ordentlichen Richter zu verhandeln. 1429 überlreß der Markgraf dem Rate der Stadt das Ober¬ gericht und den Zoll auf der Oder auf ein Jahr für 115 Schock Groschen. 1432 brannten die Husfiten die Stadt wendische

durch

nieder. Dasselbe geschah am 15. September 1664, wo auch die beiden Kirchen ausbrannten und nur 14 Häuser vom Feuer verschont blieben.

•e

580

Das auf unserem Bilde sichtbare Rathaus gehört der Neuzeit an; es wurde nach dem letzten Brande auf den Fundamenten eines älteren Baues errichtet. Die dahinter besindliche Marienkirche ist ein in frühgotischen Formen Gebäude; der sehr kleine, nach Osten gelegene Chor scheint einem früheren Bau anzugehören, der im Zopfstil gehaltene Turm ist später angebaut worden. In ihren baulichen Konstruktionen hat die Kirche viel Aehngehaltenes,

schwerfälliges

lichkeit mit der Marienkirche in Bernau.

Vor der Reformation

die viel Gutes wirkte. Böttcher und sogenannten Hechtreißer waren in Wriezen zahlreich angesessen und bildeten mit dem kirchlichen Leben eng verbundene, hochangesehene Zünfte. Die auf dem sogenannten kleinen Markt belegene St. Lorenz- oder bestand hier eine Kalandsbrüderschaft,

Die Bäcker,

Laurentiuskirche wurde in

der ersten Hälfte des 14. Jahr-

also mußte schon damals diese Kirche eine gewisse Bedeutung,

vielleicht auch besondere Vorrechte neben der Pfarrkirche gehabt haben, da sie der kanonischen Visitation unterworfen wurde,

früher gewöhnlich nur bei Pfarrkirchen aus den Visitationsaklen nicht hervor,

was geht dieser

erbaut, litt 1664 durch den Brand der Stadl be¬ deutend, wurde 1691 wieder erneuert, 1807—1808 von den Franzosen in einen Pferdestall verwandelt, wobei vieles beschädigt wurde. Nach erfolgter Reinigung und Wiederher¬ stellung wurde das Gebäude der katholischen Gemeinde als Pfarrkirche vom Magistrat überwiesen. Die Baukonstruktionen sind zierlicher und gefälliger als von

St. Marien, gleichwohl

befindet sich das im Grunde genommene hübsche Kirchlein gegenwärtig in einem höchst dürftigen, fast verwahrlosten Zustande, und auch die nächste Umgebung mit dicht angebauten Wohnhäusern und Ställen harmoniert nicht mit der Bestimmung dieses

auf

alten,

jedenfalls noch in seiner ursprünglichen Gestalt

unsere Tage

gekommenen

Gebäudes.

In

dieser Kirche

übrigens ein mit mehreren Fundationen versehener Dieser Altar wird in den zum Teil noch erhaltenen Visitations-Annalen des Bistums Lebus, zu dem Wriezen damals gehörte, zweimal erwähnt, 1378 und 1425, befanv

sich

„Gilde" -Altar.

welcher

Leider

Gilde

Altar diente.

Das öffentliche Leben scheint in Wriezen

schon früh¬ von Bedeutung gewesen zu sein; schon 1303 werden die Fleischscharren an die Schlächter verliehen; 1324 wird der Zoll zu Wriezen an den Rat zu Landsberg verpachtet; 1337 konfirmiert der deutsche Kaiser die Stadtprivilegien; 1380 begegnen wir einer abermaligen Verpachtung des Zolls; 1458 wird in der Pfarrkirche der Altar des HI. Bernhardin fundiert

zeitig

mit wöchentlich vier zu persolvierenden Messen; 1487 werden

in der Marienkirche abermals drei wöchentliche

Ratffaus und Mcrrioukirrhe Irr Mviezerr a. Hunderts

geschah.

G.

Messen gestiftet,

(Text Seile 580).

Altar irr honorem Sti. Petri, Pauli, Fabiani et Sebastian! mit und

1495

10 Schock

wird in derselben Kirche

Groschen

fundiert.

Eine

noch

ein

gleiche

Altarstiftung

Martin von Dahmen zu Sternebeck, und 1536 erwirbt der Rat der Stadt das Pfarr-Patronat geschieht auch 1518 durch

vom Kloster Friedland. Fast alle brandenburgischen Fürsten aus dem Hause Hohenzollern, bis auf den Großen Kurfürsten (dieser 1643), haben die alten Privilegien der Stadt neu bestätigt und dieselben auch teilweise vermehrt. Wie die meisten märkischen Städte, so ging auch Wriezen im 30 jährigen Kriege erheblich zurück; es erholte sich erst wieder einigermaßen

nach den Befreiungskriegen,

nahm aber auch hier neues Leben brachte und den Verkehr mit den Nachbarstädten sowie namentlich mit der Hauptstadt von Land und Provinz ganz

besonderen Aufschwung, seit

die

Eisenbahn

erleichterte.

Von großer Schönheit, ja geradezu sehenswert find die

-« dicht bewaldeten,

terrassenförmig

«s*f

581

e-

aufsteigenden Friedhofs-An-

lagen; sie zu besichtigen, möge kein Fremder versäumen. Zum Schlüsse dieser kurzen Skizze möge noch des Stadt¬ wappens von Wriezen gedacht sein, obwohl es uns nicht

Letzteres

geschah

in dem

ersten

der

Vorträge,

die

in

zweiten Hauptversammlung am Dienstag, ebenfalls in Gegenwart der Frau Großherzogin von Baden, ge¬ der

halten wurden.

Es

war dies der Vortrag des Mit-Heraus-

gelungen ist, für das Entstehen der eigentümlichen Darstellung eine Erklärung zu finden. Dasselbe zeigt im grauen (silbernen) Schilde den brandenburgischen (roten) Adler. Das Schild wird gehalten von drei Engeln: je einer rechts und links, der dritte; oben letzterer hält auf älteren Darstellungen ein Kruzifix, auf neueren einen Merkurstab in der linken Hand. Die Figur des Adlers hat noch ein Brustschildlein

Professors Dr, Brecher von Berlin über „Die Hohenzollern und das Konstanzer Konzil". Da dieser Vortrag für unseren Leserkreis offen¬

mit dem Namenszug F. W.

allen wichtigen Anlässen in der Geschichte erkennen,

gebers unserer Zeitschrift, des

bar von besonderem Interesse ist, Inhalt hier etwas näher ein. es

so

gehen

wir auf desselben

Der Vortrag war von dem Grundgedanken beseelt, daß in der Geschichte keinen Zufall giebt, daß wir vielmehr bei wie die

Die Försterei bei Kurt). Ei» märkisches Winterbild nach einer photographischen Aufnahme vom Geheim-Selreiär

„Die Tannenbäume wiegen

Ihr

Haupt so sorgenschwer; Auf allen Zweigen liegen Schneeflocken rings umher.

Die 44. Generalversammlung des

Gesamtvereins der deutschen Geschichtsund Attertumsverrine zu Konstanz

n. War die Auffassung von der Verurteilung und Ver¬ brennung des Johann Huß auf dem Konstanzer Konzil im

Monsignore Martin gegeben, vom Standpunkte aus auch erklärlich, so hatte römisch-katholischen der fürstlich Fürstenbergische Hofkaplan doch durch seine Aus¬ führungen. dem ihm nicht zustimmenden Teile der Versamm¬ lung das Recht gegeben, gegen jene Auffassung zu reagieren und seiner uneingeschränkten Bewunderung des Johann Huß Jahre 1415, wie

sie

als eines Märtyrers

seines Gewissens Ausdruck zu geben.

SR.

Köhler.

Kein Vogel läßt sich hören Ties still ist'S in dem Wald; Rings um die alten Föhren

Liegt Winter rauh und kalt."

Ur. Brun old.

Wege Gottes vorbereitet werden. Es ist wunderbar zu be¬ obachten, wie große Männer der Geschichte stets aus kleinen Verhältnissen hinausgeführt worden sind in große. So hat

in der Führung des Hauses Hohenzollern der Wille der Vorsehung geoffenbart von damals an, wo Friedrich von Hohenzollern, Burggraf von Nürnberg, in Konstanz mit der sich auch

Mark Brandenburg belehnt wurde, bis zum heutigen Tag. Mit wunderbarer Klarheit schilderte der Redner die GesamtVerhältnisse, wie sie zu Beginn des 15. Jahrhunderts in Deutschand lagen. Man hat mit Recht viel über jene böse Zeit geklagt, über jene Zeit des geistigen und sittlichen Nihilismus, und hart geurteilt über König Sigismund sowohl als über Friedrich von Hohenzollern. Aber wenn wir die beiden vergleichen mit den Menschen ihrer Zeit, in der im ganzen

«

582

Reiche niemand arbeitete, niemand einen Gedanken dem Wähle

des Vaterlandes widmete, dann find

Sigismund und Friedrich

glänzend erhaben über die allgemeine Versumpftheit. Sigis¬ mund allerdings war — neben dem glänzenden Auftreten, neben einer bis zur Starrheit gehenden Entschiedenheit —

leichtsinnig wie sein ganzes Jahrhundert, ohne besonders tiefe Gedanken, und in finlicher Beziehung nicht besser, aber auch

Einen Papst zu haben, sei gar nicht nötig; wenn man einen Papst wähle, so sei man in seinem Recht, aber man handle in völlig freiem Belieben. Einem Papst aber, der sich nicht durch sitt¬ liche Tüchtigkeit als einen gottgesandten Mann erweise, brauche Ein allgemeines Konzil man keinen Gehorsam zu leisten. sondern das Episkopat, die Kirche, die Hauptsache sei.

solle

über

wichtigsten Fragen der Christenheit souverän Die Hauptsache sei die Erhaltung der Einheit

die

Anders Friedrich! Wenn die Berichte über die ocanäaloaa jener Zeit genau find, so dürfen

entscheiden.

wir

daß Friedrich niemals dabei war, denn er ist während Sigismund genoß, arbeitete Friedrich, wenn andere schwelgten, zog er sich zurück. Diesen Mann wählte Sigismund, als im Jahre 1411 eine Gesandtschaft von Brandenburg an den Hof von Budapest kam, um Klage über die jammervolle Lage der Mark zu führen. Treffend wurde Mit diese Lage vom Redner in kurzen Strichen gezeichnet. der Niederlage von Tannenburg ist der Deutsche Orden, der bisherige Haupiträger des Deutschtums im Osten, zu Boden geworfen. Unaufhaltsam dringen die Slaven vor. Schon sind die Grenzen des Polentums bis zur Oder vorgeschoben, und es ist nur noch eine Frage der Zeit, wann die Mark Bran¬ denburg, mit so viel deutschem Blut durch vier Jahrhunderte

Mord, Gift, Bestechung.

erkauft, wieder in slavischen Händen sein wird.

protestierte

nicht schlechter als die übrigen. feststellen,

nie genannt;

Kummervoll sinnt Sigismund, ohne Geld und ohne Heer, der Frage nach, wie helfen? „Ich will euch Friedrich schicken, ist sein Resultat. Aber innerlich ist er dabei doch voll Unruhe. Die Mark ge¬ hört zum Luxemburgischen Hausbefitz. Haupt des Hauses ist aber nicht er, sondern Wenzel von Böhmen. Dennoch über¬ trägt er Friedrich die Verwaltung und Vorstehung des Landes. Am 11. Juli 1411 wurde die Urkunde ausgestellt, durch welche die Mark Brandenburg an Friedrich als den „obersten Verweser und Hauplmann des Landes" übergeben wurde; er solle „sich des Landes in allem annehmen wie ein Fürst, ausgenommen die Kurwürde und das Erzkämmereramt." Mit 100 000 ungarischen Gulden soll zunächst die Lage des Landes gebessert werden. Friedrich muß diese Summe selbst vorschießen; bei früherer oder späterer Rückgabe der Mark soll sie ihm jedoch ersetzt werden. Uebrigens konnte Friedrich noch nicht sofort nach Brandenburg gehen. Die Reichsangelegenheiten hielten ihn Er mußte erst den König Sigismund in Deutsch¬ noch zurück. land selbst festsetzen. Ein Reichstag nach Speyer ist aus¬ geschrieben. Aber um das Reich kümmert man sich nicht Sigismund ist dadurch so tief mehr; kein Fürst kommt. getroffen, daß er die Krone niederlegen und nach Ungarn zurückgehen will. Der ihn festhält, ist Friedrich. Er führt den König in das allezeit gut reichsgefinnte Nürnberg, und hier wird Sigismund umgestimmt. Indessen ermahnt Friedrich durch Briefe und Boten, doch zu kommen; allmählich findet sich einer nach dem andern ein, und so kommt nach zwei Monaten die Krönung in Aachen zu stände. Von da an zeigt

Sigismund ernstlich entschlossen, dein Reiche zu helfen, und Friedrich ist sein^guter Genius dabei. So komrnt er auch an die kirchlichen Dinge, den Hauptfaktor jener Zeit. Redner geht,hierauf zur Schilderung der Verhältnisse und Zustände über, die dem Konstanzer Konzil zu Grunde lagen. Er wies auf die Anschauungen hin. die sich in dieser Zeit des tiefsten allgemeinen sittlichen Verfalls in hervorragenden Köpfen Italiens, Frank¬ sich

reichs und Deutschlands über Papsttum chnd Episkopat gebildet hatten. Die Idee brach sich Bahn, daß nicht der Papst,

der Christenheit,

zu

ihrer Erhaltung

sei

jedes

Mittel

recht,

Diese Behauptungen vertritt ein Schriftsteller, der grau geworden ist in der päpstlichen Kanzlei, der all die frommen päpstlichen Erlasse geschrieben. Kann man sich da wundern, daß ähnliche Anschauungen in der ganzen Christenheit sich verbreiteten? Sollten Sigismund und Friedrich in ihrem Innern nicht ähnlich gedacht haben? So treten die beiden in das Konzil ein, dessen Verlegung nach dem Papste hatte abgerungen werden müssen. Er hatte es im Süden haben wollen; allein man setzte durch, und wählte schließlich daß es in Deutschland stattfand, Konstanz seiner schönen Lage wegen. — Der Redner ging dann kurz auf das in der 1. öffentlichen Hauptversammlung behandelte Thema: „Huß auf dem Konstanzer Konzil" ein und

Konstanz

bei dieser Gelegenheit gegen etliche der dort vor¬ getragenen Behauptungen. Sodann betonte er, daß Friedrich von dem Freibrief für Huß nichts könne gewußt haben. Was Sigismund in Bezug auf die Zurücknahme des zugesicherten

freien Geleites that, ist nicht auf Friedrich, der erst zum Konzil kam, als alles eigentlich schon entschieden war. zurück¬ zuführen, sondern auf Sigismund selbst, dem die Geistlichkeit einredete, daß man einem Ketzer das Wort nicht zu halten brauche. Sigismund fühlte sich trotzdem in seinem Gewissen verpflichtet, sein kaiserliches Wort zu halten, und wollte — zu keiner Entscheidung kommend — Konstanz verlassen; allein es wurde ihm vorgehalten, daß mit seinem Weggehen das Konzil gesprengt und die Einheit der Christenheit gefährdet sei, das dürfe um eines Ketzers willen uicht geschehen. Sigismund brach schließlich sein Wort. um die Kirche, die Einheit der Christenheit zu retten. In der Sitzung vom 5. Juni im Dominikanerkloster (dem jetzigen Jnselhotel) nahm er Ver¬ anlassung. Huß als Ketzer ernstlich zu verwarnen. Wenn er

bei seinen Anschauungen beharre, werde er ihn als erster mit¬ richten und entscheidend eingreifen. Am 7. Juni findet dann die Fortsetzung des Verhörs statt, und dabei wird Huß von Pierre d'Ailly und Gerson angefaßt wegen seiner Behauptung, daß ein unsittlicher Papst oder Kaiser seines Amtes unfähig sei

„quoad meritum, non ad officium“.

Sigismund herbeigerufen, der

sich kurz

Darüber wird mit der Sache abfindet

und entdeckt, daß Huß doch ein „schlimmer Ketzer" sei. Offen¬ bar ist Huß nicht recht verstanden worden, sonst hätte man seinen Worten unmöglich solche Bedeutung beilegen können. Nun trachten die Väter danach, Huß so rasch als möglich zu beseitigen. Aber Sigismund, hier durch Friedrich beredet, will eine rechtlich unanfechtbare Erledigung. So kommt ein wochen¬ langer Aufschub zu stände, ohne daß dadurch jene widerwärtige Scene der Ketzerdegradierung vermieden worden wäre. Offen¬ bar ist dann Friedrich es gewesen, auf den das letzte Angebot

von Gnade um den Preis des Widerrufs durch den Marschall v. Pappenheim erfolgte. Er ahnte wohl, wie der Kaiser sagte, daß „darüber die Krone in Böheim in Stücke gehen werde".

■€

Es gelang nicht; Huß erwiderte, er fühle sich in seinem Ge¬ wisien gebunden; Gott sei der Richter, er möge die Dinge nach seinem Ratschlüsse führen! — Dafür ist eine andere Sache in Konstanz endgiltig entschieden worden: die Uebertragung der Mark Brandenburg und der Kurwürde an den Zoller Friedrich. Dreierlei Gründe waren es, die den Kaiser hier bestimmten: 1) daß die Zahl der Kurfürsten wieder voll werde; 2) die Verdienste Friedrichs um das Reich; 3) die Lage der Mark Brandenburg selbst. Bei der Uebertragung wurde nun wohl das Rückkaufsrecht des Kaisers oder seiner Erben um die Summe von 400 000 fl. ausbedungen. Trotzdem ist es unrichtig, von nur pfandweiser Uebertragung zu reden. Der Uebertragende ist ja der Kaiser, das Uebertragene die Mark Brandenburg, und die 400000 fl. find offenbar nur eine formelle Reservation, schon weil das Haus Luxemburg im Aussterben war. Es handelte sich jedenfalls nur darum, das Haupt des Hauses, den mißtrauischen König Wenzel in Prag, zu beruhigen. Mit dessen Absterben war die ganze Sache erledigt. Aber interesiant ist, was Friedrich nun im Sinne führt. Er geht mit hohen Plänen um. Hat er nicht schon bisher that¬ Drei Tage darauf erklärt er sächlich das Reich verwaltet? — Wahl sich zur kostenlosen Rückgabe der Mark bereit gegen zum römischen König. Die Sache zerschlägt sich aber, denn davon wollte der Kaiser nichts wissen. Friedrich geht nun l/2 Jahre nach Brandenburg. Dann kehrt er noch einmal nach Konstanz zurück, um die feierliche Belehnung mit der Mark Brandenburg entgegenzunehmen. — Redner schilderte hierauf eingehend die Feierlichkeit, die auf dem Obermarkt in Friedrich wohnte Konstanz im April 1417 vollzogen wurde. im Hohen Hause, von wo er feierlichst nach dem Obermarkt Dort war ein großes Gerüste von zwei abgeholt wurde. Stockwerk Höhe aufgeschlagen, groß genug, um sechzig bis achtzig Menschen zu tragen, und bedeckt mit güldenen Tüchlein. Dort saß der Kaiser, um die Belehnung vorzunehmen, die Krone auf dem Haupt, mit dem großen Krönungsmantel angethan. Nach Beendigung der Feierlichkeit erscholl Musik und begeisterter Jubel seitens des Volkes, das den Platz und alle Fenster der Häuser auf demselben besetzt hielt. Nachher fand ein großes Mahl im Rathause statt, das Friedrich dem Kaiser und den übrigen Großen gab. „Das find lang ver¬ gangene Dinge", schloß der Redner, „alle die Geschlechter jener Zeit find ins Grab gesunken, eine neue Welt hat sich im Laufe der Jahrhunderte gebildet, aber eines ist geblieben :

l

das ist das

burg, wie

Haus Hohenzollern in der Mark Branden¬ es

seinen Ausgang nahm hier in Konstanz, wie

sich von der Mark Brandenburg ausdehnte nach den anderen Provinzen Norddeutschlands, wie es sich erhob auf den Königsthron und dann empor stieg zur höchsten Höhe und schließlich den Kaiserthron einnahm, um Deutschland neue Ehren zu bringen, welche bleiben mögen jetzt und immerdar!"

es

Lebhafter Beifall lohnte dem Redner. Auch die Frau Großherzogin von Baden sprach dem Vortragenden nach Schluß der Versammlung ihre hohe Befriedigung aus über Gleichzeitig gab die hohe Frau den vernommenen Vortrag. dem Geheimrat Reuter gegenüber ihrer Freude darüber Ausdruck, daß in dem Gesamtverein das Andenken an ihren hochseligen Vater so sehr in Ehren gehalten werde. Höchst

bedeutsam

war

auch der zweite

s--

588

Vortrag, der in

der Hauptversammlung am Dienstag gehalten wurde, der des

vr.

Wilser aus Karlsruhe über: „Alter- u. Ursprung Derselbe war nur wegen seiner wissen¬ Runenschrift." der L.

schaftlichen Tiefe und der gelehrten Kenntnisse, die er voraus¬ setzte.

für eine große Anzahl der Teilnehmer

lich.

In

der Hauptsache wies er

schwer verständ¬

die Unmöglichkeit der Ab¬

leitung der Runen vom römischen Alphabet nach. Als einzige In Möglichkeit bleibe der genuele germanische Ursprung. stecke ein Hauptbestandteil der europäisch-arischen Kultur, und die Fortbildung dieser Schrift sei nur durch die Macht¬ stellung des römischen Reichs und das Vordringen der griechisch, römischen Kultus herrschenden Schreibweise gehindert worden.

ihnen

(Fortsetzung folgt.)

Professor Gustav Kangenscheidt 7 . (Mit Porträt.) Am 11. November des Jahres starb in Berlin Profesior Gustav Langenscheidt, der Begründer und Be¬ sitzer der weltbekannten Verlagsbuchhandlung, welche zu den größten in Deutschland gehört. Es schied mit ihm einer der tüchtigsten Bürger Berlins, der Sproß einer seit mehr als zwei Jahrhunderten in

Berlin

ansässigen

Familie, und

es ist

für den „Bär" eine Ehrenpflicht, das dieses seif made man in seinen Spalten zu behandeln. Johann Ludwig Gustav Langenscheidt, dessen Familie aus Westfalen stammt, jedoch seit dem 17. Jahrhundert in Berlin ansässig ist, wurde am 2i. Oktober 1832 zu Berlin Leben

geboren.

Ueber

seinen

äußeren Lebenslauf

und

Wirken

entnehmen

wir

biographischen Buchhändler-Lexikon von Karl Fr. Pfau und H. Rösch Folgendes: „Langenscheidt wurde ursprünglich Nach beendigter für den kaufmännischen Beruf bestimmt.

dem

Lehrzeit verließ er jedoch diese Laufbahn und machte — an¬ geregt durch die Leklüre Seumes — zu seiner Ausbildung

über 1000 Meilen umfassende Fußreise durch Deutsch¬ land, England, Frankreich, Italien u. s. w. mit einem, seinen damaligen bescheidenen Verhältnissen entsprechenden Reisegelde von täglich einer Mark. Während dieser, ca. ein Jahr um¬ fassenden Wanderzeit vervollkommnete er u. a. seine Fertig¬ eine

im Gebrauch des Französischen, und kam nach seiner Rückkehr auf den Gedanken, seinen Landsleuten zur Erlernung

keit

dieser wichtigen Kultursprache eine Unterrichtsweise zu schaffen, die, wo nötig, den Lehrer entbehrlich mache. Noch während

seiner Dienstzeit beim

webel

entlassen

Militär,

wurde,

von dem er als Reserve-Feld¬

ging er an die Ausführung dieser

Idee und gab nach vierjähriger Nachtarbeit (die Tagesstunden mußten größtenteils anderen Zwecken dienen) seine heute der ganzen Welt bekannten „Unterrichtsbriefe zur Erlernung der Trotz beschränkter Mittel und führte er die schwierige Drucklegung Anfeindung vielfacher trotz des Werkes mit eisernem Fleiße und zielbewußter Zähigkeit durch, und wurde, da es ihm nicht gelingen wollte, einen Verleger für seine Arbeit zu erwärmen, im Jahre 1856 — in seinem 24. Lebensjahre — sein eigener Verleger. Die günstige Aufnahme, welche die Unterrichtsmethode in dem lern¬

französischen Sprache" heraus.

fand, setzte ihn in die Sprache auszudehnen. englische die auf Lage, die Mitwirkung Grundsatz Für jedes dieser Werke galt als von Vertretern beider betreffenden Nationalitäten. Für die französischen Briefe hatte er zu diesem Behufe in seinem Freund und Lehrer, dem zu Berlin lebenden Profesior

lustigen Deutschland nach und nach dieselbe

auch

■«

gewonnen; für die englischen fand er dieselbe in Professor Henry Lloyd und Professor Dr. van Dalen, Lehrer an der königlich preußischen Kadettenanstalt zu Berlin. Diesen Männern, sowie seinem verewigten Freunde und Gönner Prof. Dr. Herrig (Vorfitzender der Berliner Gesellschafi für das Studium neuer Sprachen) hat Langenscheidt viel zu verdanken, ebenso den Autoren, welche die später notwendig gewordene Ausdehnung der Toussainl-Langenscheidlschen Methode auf anderweitige Gebiete, wie Wörterbücher u. s. w., förderten. Auch diese find Langen¬ scheidt sämtlich liebe Freunde geworden. Namen wie: Prof. Dr. Hoppe, Berlin, Prof. Dr. Muret, Berlin. Prof. Dr. Sachs. Brandenburg, Prof. Dr. Schmitz, Greifswaid, Prof. Dr. Sanders, Strelitz, Prof. Dr. Vtllatte, Neustrelitz, u. s. w. bilden eine Zierde des Katalogs der Langenscheidtschen Verlagsbuchhandlung. Noch andere wichtige und treue Stützen Langenscheidts auf seinem Lebensgange müssen hier erwähnt werden: Erstens seine Gattin Pauline geb. Hartmann, die ihm eine unermüd¬ liche, selbstlose Mitarbeiterin war, und zweitens sein (Halb-) Toussaint,

eine

treffliche

Unterstützung

I.

Bruder C. F. Schwartze in Berlin, der in wohl beispiel¬ loser Weise dem jüngeren Bruder seine Bruderliebe bethätigte, und ohne dessen Selbstlosigkeit an das Vorwärtskommen Langenscheidts gar nicht zu denken war. Im ganzen Leben stand dem zu sehr raschen und kurzen Entschlüssen geneigten

Langenscheidt der bedächtige, weitersehende, kaufmännische Blick des ratenden, älteren Bruders zur Seite, und nicht nur der

Rat, sondern auch die helfende That. — Nach und nach die Beliebtheit der Touffaint-Langenscheidtschen Unter, richtsmethode, welche außer der Kenntnis der fremden Sprachen auch die Kenntnis der Muttersprache in hohem Grade fördert, von Jahr zu Jahr in einer Weise, wie ste Langenscheidt in der Anfangszeit seines Schaffens wohl selbst nicht geahnt haben mag, und mit voller Berechtigung darf man heute sagen, daß überall, wo Deutsche leben, der Name Langenscheidt und der Begriff Selbstunterricht einander decken. wuchs

So lange Langenscheidt nur sein eigener Verleger (Selbstverleger) blieb, war es nach dem vor ca. 25 Jahren be¬ stehenden preußischen Gesetze nicht nötig, daß er die Qualifikation eines Buchhändlers erwarb. Als indessen die Arbeiten anderer (zunächst Sachs-Villattes) den Langenscheidtschen Verlag ver¬ mehrten. mußte Langenscheidt „zünftiger" Buchhändler werden und das erforderliche Examen machen. Als Kuriosum sei er¬ wähnt, daß er in Preußen der letzte war, der diese preßgesetzliche, bald nachher aufgehobene Prozedur durchzumachen

hatte." Die bedeutendsten Erscheinungen des Langenscheidtschen Verlages sind: „Die französischen und englischen Unter¬ richtsbriefe (beide 1895 in 36. Aust.); die Sanderschen „deutschen Sprachbriefe" (1895: 11. Aust.), das von demselben

Gelehrten

schwierigkeiten

verfaßte

in

„Wörterbuch der Haupt¬

Sprache (1895: 26. Aust.); das berühmte „Encyklopädische Wörterbuch der französischen und deutschen Sprache (1895: 9. Aust.) von den Professoren Dr. Karl Sachs und

Dr. Cs faire Villatte.

der

deutschen

Dieses

großartige Werk,

welches

in der Litteratur aller Völker und aller Zeiten ohne gleichen dasteht, entstand nach dem Plane und unter der Oberleitung Langenscheidts. Die Herstellung desselben kostete 400 000 Mk. Neben dem außerordentlichen Wortreichtum, durch welchen der

684

8-

Sachs-Villatte" viele Fachwörterbücher entbehrlich macht, ist es vor allem die genaue Aussprachebezeichnung nach dem Langenscheidtschen System. Die Aussprache bearbeitete Langenscheidt persönlich: er ließ jedes Wort von vier aus verschiedenen Provinzen Frankreichs stammenden Franzosen vorsprechen und durch vier Deutsche aus verschiedenen „große

Gegenden Deutschlands so

nach

dem Gehör niederschreiben und

die Aussprache jedes Wortes nach dem Langenscheidtschen

System fixieren. Aus dem großen encyklopädischen Wörterbuch das überaus weit verbreitete vortreffliche Sachs-

wuchs

Villattesche Hand- und Schulwörterbuch heraus (1895: 85. Aust). Ein würdiges Seitenstück zu dem „großen Sachs-Villatte" ist das gegenwärtig im Erscheinen begriffene „Encyklopädische Wörterbuch der englischen Sprache" von Professor Dr. Ed. Muret und Prof. Dr. D. Sanders. Einem Aufsatze von Friedrich Streißler entnehmen wir über die Herstellung dieses encyklopädischen Wörterbuchs, das gegen¬ wärtig bis zur 17. Lieferung gediehen ist: „Nicht weniger als 20 Jahre Arbeit wurde für die Herstellung des Manuskriptes aufgewendet. Jntereffant ist es, die Entstehung dieses Werkes und deffen Drucklegung zu verfolgen. Das OriginalManuskript umfaßte 8000 engbeschriebene Blätter. Es sollte bereits 1890 zum Drucke gelangen: — da stellte sich die

Notwendigkeit einer Umarbeitung heraus, weil inzwischen das Century Dictionary in Amerika erschienen war, welches, in großartigem Maßstabe angelegt, das vollständigste Wörter¬

bildet.

Getreu seinem Grund¬ sätze. das menschenmöglich Vollkommenste zu bieten, vereinigte Prof. Langenscheidt einen Stab von sprachwissenschaftlich ge¬ bildeten Mitarbeitern, welche unter Heranziehung aller bis dahin erschienenen Hilfsmittel das Manuskript einer gründ¬ lichen Durchsicht und Umarbeitung unterzogen. der

buch

englischen Sprache

Je nach der Individualität der Mitarbeiter oder auch in Beobachtung technischer Rücksichten erfolgte die Verteilung des Manuskriptes. Jeder erhielt 40 Seiten und überarbeitete diese allen denjenigen Gesichtspunkten, welche durch einen die Einheitlichkeit der Leistung sichernden „Leitfaden", sowie durch Das aus einen ausführlichen Arbeitsplan festgelegt sind. Mitarbeiter hervorgehende den Händen der verschiedenen Manuskript erhält nunmehr der Autor zur Durchsicht. Die gemachten Aenderungen und Zusätze werden sorgsam von ihm geprüft und, wo es nötig ist, die redaktionelle Fassung dem nach

So er¬ Mitarbeit wie aus das Buch trotz der vielköpfigen

Gesamtcharakler besser als etwa geschehen, angepaßt. scheint

einem Guffe.

Mit

gleicher Gewissenhaftigkeit wird die Drucklegung be¬ Die gröbsten Satzfehler werden in einer Vorkorrektur berichtigt, dann folgt eine sorgfältige Hauskorrektur, bei der

sorgt.

alle Eigennamen, Jahreszahlen, Hinweise u. s. w. nachgeschlagen und verglichen werden. Diese Hauskorrekturen find auf gelbem Papier abgezogen; außerdem werden noch Abzüge auf weißem Papier gemacht, die an einen großen Kreis auswärtiger Mit¬ leser — Sprachgelehrte deutscher, englischer und amerikanischer

Nationalität



gesandt

werden.

Das

eingegangene

Korrekturenmaterial wird nun genau geprüft und davon das¬ jenige auf das oben erwähnte, schon durch zwei Hände ge¬ gangene gelbe Exemplar der Hauskorrektur übertragen, was eine Verbesserung oder notwendige Bereicherung des Werkes

--s

585

8--

Die so vorbereitete erste Korrektur geht nun an Autor, welchem die Aufgabe obliegt, jede Einzeichnung zu prüfen. Der Autor korrigiert mit roter Tinte, und jeoer Korrektor benutzt, um die Kontrolle zu ermöglichen, eine anders¬ farbige Tinte. Dieses Sammelsurium von roten, blauen und grünen Strichen u. s. w. sieht deshalb wohl mehr wie eine Landkarte, als wie eine gewöhnliche Druckkorreklur aus.

Sein Name ist aber auch unzertrennbar mit allen Bestrebungen verknüpft, welche darauf hinzielen, die französische und englische Sprache ohne Lehrer zu erlernen. Die zahlreichen Nachahmungen, welche das Langenscheidtsche Unterrichlssystem gefunden hat, sind der beste Beweis für die eminente praktische Brauchbarkeit desselben. Neben der bisher

Nachdem der Setzer die angezeichneten Korrekturen vor¬

dem geistreichen Aufbau des sprachlichen Unterrichtsstoffes, der nicht in Form einer trocknen Grammatik geboten wird, sondern

herbeiführt. den

genommen hat, wiederholen selben

sich

für die zweite Korrektur

Manipulationen, die bereits geschildert find.

die¬

Aus¬

wärtige Leser erhalten weiße Abzüge, auf denen sie ihre Be¬ merkungen einzeichnen, und die dann auf den in der Druckerei Nach Er¬ verbleibenden gelben Abzug übertragen werden. ledigung dieser zweiten Korrektur erfolgt die Revision. Diese unterscheidet sich von den Korrekturen nur dadurch, daß je 12 Spalten, zu 4 Seiten umbrochen, abgezogen werden; im übrigen wird die Revision ebenso auswärtigen Lesern zur Durchsicht

genauesten

sandt,

wie

fördert hat.

unübertroffenen Aussprachebezeichnung

gleich in medias res, mitten in die Sprache einführt, seine Lernlust fortwährend anstachelt und seine Willenskraft unermüdlich anspornt. Der Schüler der Langenscheidtschen Unterrichtsbriefe fühlt, daß der Verfaffer derselben ein ganzer Mann war, und das hat Profeffor Gustav Langenscheidt in seinem Leben und Wirken bewiesen. Aus dem Nichts heraus hat der unermüd¬ liche thätige Manu, dessen her¬ den Schüler

selbst,

vorstechendste schaft

zuge-

die

die Thatsache, daß die Korrek¬ eine

(104 Seilen) allein

eine ge¬

Lieferung

Der preußische Staat erkannte

4000

die Verdienste Langenscheidts um das Studium der mo¬ dernen Sprachen an. indem er demselben 1874 den Professor-

ca.

Mk. betragen. Die Vollendung des großen Muretschen

Charaktereigen¬

Energie war,

Seine Buchdruckerei, schaffen. die er 1869 begründete und die sich seil 1885 in einem stattlichen Neubau (Hallesche Str. 17) befindet, ist eine Musteranstalt. typographische

typiert." Wie gewissenhaft es die Verlagshandlung mit der Drucklegung nimmt, beweist

für

die

buchgewerbliche Wellfirma

Korrekturen. Die schließlich genau revidierten Seiten werden nun stereo¬

turkosten

liegt dieser Erfolg in

encyklopädischen

Titel verlieh.

englischen Wörterbuches, welches er seil 25 Jahren vor¬ bereitet hatte, erlebte Professor

Ein näheres Eingehen auf den

Charakter

dieses

eigen¬

seit made man artigen Nur würde zu weit führen. eine Eigenschaft des Heimgegan¬ genen sei hier noch betont: seine

Am der wurde un¬ November 11. ermüdlich thätige Mann, der Langenscheidt nicht mehr.

bis zu seinem Lebensende die

warme Liebe für Berlin. Sein ausgeprägtes Heimats¬ PvofLssvv Gustav Iangorrsrhoidt geb. 21. Oktober 1832 zu Berlin, gest. 11. November 1895 zu Berlin. gefühl fand einen geistigen er starb nach berufen; in dem Schriftchen Niederschlag Leiden langem, schweren „Naturgeschichte des Berliners", welches er im Jahre 1878 Es schied mit ihm ein Mann an einem Blutsturze. veröffentlichte. Unter Zugrundelegung eines urgroßväterlichen von seltener Thatkraft, von seltenem Organisationstalent, von ausgedehnten seiner Seele war, ab¬ Unternehmungen

vor allem aber von seltenem Idealismus aus dem Leben. Die Liebe zur Sache war es, die ihm die Feder führte, als er vor vierzig Jahren seine französischen Unterrichtsbriefe nach einem tief durchdachten, Dieselbe Liebe zur Sache war geistreichen Systeme schrieb. es. die ihn bei der Herausgabe seiner übrigen Verlagsunter¬ nehmungen beseelte. Die letzteren stehen alle auf streng wissen¬ schaftlichem Boden, aber sie tragen zugleich den Stempel seltener

geschäftlicher Umsicht,

Sie bieten das Beste, das Vollkommenste aus dem betreffenden Gebiete; darin liegt das

größter praktischer Brauchbarkeit.

Geheimnis ihres großen, geradezu beispiellos dastehenden Er¬ folges. Professor Gustav Langenscheidt ist das Vorbild eines zielbewußten deutschen Verlagsbuchhändlers. Sein Name ge¬ hört der Geschichte der modernen Philologie an, welche er durch eine klassischen Wörterbücher in hervorragender Weise ge¬

(Text S. 583).

stark

Tagebuches unternimmt er in diesem Merkchen, dessen Lektüre „Bär" Freude bereiten muß, einen jedem Leser des

Spaziergang durch das alte Berlin von 1739, auf welchem wir sehr interessante kulturhistorische und lokalhistorische An diesen Spaziergang schließt sich Einzelheiten erfahren. des Berliners an, in welcher Naturgeschichte Versuch einer der er den Berliner einer sehr zutreffenden, wohlwollenden Kritik unterzieht. Das Schriftchen ist aus der Empfindung heraus geschrieben, „daß Gottes Sonne da am schönsten scheint, wo

hat", und es läßt den Leser zugleich interessante Blicke werfen. Langenscheidts in das Gefühlsleben

unsere Wiege gestanden

—e.

586

&

Kleine Mitteilungen. Milheirns

— Handschrift Kaiser II. Ueber Kaiser Wilhelms II. Handschrift äußert sich der bekannte Graphologe W. Langenbruch in seinem Journal „Die Handschrift" folgendermaßen: „Wie jede Steil¬ schrift so gehört auch diese in die Kategorie der nicht natürlichen, gemachten Schriften, wie man sie bei Personen antrifft, welche, der Lebhaftigkeit ihres Temperaments sich wohl bewußt, bemüht sind, es zu dämpfen und sich möglichst nicht von momentanen Empfindungen hinreißen zu lasten. Das gelingt freilich nicht immer. Steilschrist findet man ferner bei offiziellen, repräsentativen Persönlichkeiten, die sich in der Oeffentlichkeit nach einer bestimmten, gewollten Norm bewegen, während sie im intimen Familien¬ kreise sich zwanglos und natürlich gehen lasten und dann auch mitunter für ihre intimere Korrespondenz eine freiere, schräger liegende, natürliche Handschrift zur Verfügung haben. Unsere Pädagogen, Philologen, über¬ haupt solche Personen, welche von der Bedeutung, von dem Werte der Schulung, Erziehung und Selbstzucht eine hohe, vielfach übertriebene Vor¬ stellung besitzen, bieten hierfür prächtige Beispiele in ihrer steilen und zu¬ gleich gekünstelten Zwangschrift. Die ganz ungezwungene, freie, natürliche Schrift ist stets schräg, einerlei, ob der Schreiber in der Schule Steilschrift erlernte oder nicht. Die steile Schrift des Kaisers giebt also dem Graphologen einen Charakter kund, der Selbstbeherrschung erstrebt. Dieser Streben wird unterstützt durch eine außerordentliche Entschlossenheit. Solch wuchtige, feste Keulen schreiben nur energische Willensstärke Persönlichkeiten, die mit Kraft und Leidenschaft einen ihnen lieb gewordenen Gedanken in die That umsetzen. Alles geschieht mit Wucht und Schnelligkeit, mit Eifer und Ernst, das Große wie das Kleine, das Bedeutende und Unbedeutende. Ernst, nüchterne Anschauungsweise spricht aus den klaren, ausfallend knappen Zügen. Da ist nicht ein Zug zu viel, kein Schlußstrich verlängert, keine Form umgestaltet. So schreibt kein Freund von Unver¬ ständlichkeit und Weitläufigkeit, kein Verehrer graziös-geistreicher Nichtig¬ keiten, kein Anhänger nervös-empfindsamer Kunstbethätigung u. s. w. Wohin man blickt: markig und männlich. Der Kaiser offenbart sich in diesen wenigen Zügen — jede Schrift giebt vornehmlich den während deS Schreibens obwaltenden Charakterzustand wieder — als ein Realist, als ein Thatsachenmensch



ini guten Sinne."

Rcrnr Fürsten

Kisrnarrk.

Das Denkmal, welcher die alten Herren des Köfener S -C. dem Fürsten Bismarck auf der Rudelsburg setzten, stellt bekanntlich in der Hauptfigur den 18jährigen stuck, für. Otto v. Bismarck nach einer v. Kestelschen Zeichnung aus dem Jahre 1832 dar. Der Sockel des Denkmals soll das Relief der achtzigjährigen Fürsten tragen. Dieses letztere ist jetzt fertig gestellt; es entstand unter den Augen des Fürsten Bismarck selbst in Friedrichsruh. Der mit der Ausführung des Werkes betraute Künstler, Bildhauer Pfretzsckner, weilte zu diesem Zwecke fünf Tage als Gast der Fürsten in FriedrichSruh, wo er das Bild deS Altreichskanzlers in halber Lebensgröße schuf. AIs Atelier diente der fürst¬ liche Speisesaal, die Arbeitszeit fiel mit der FrühstückSzeit zusammen, und als Staffelei diente der FrühstückStisch. Der Fürst bewegte sich, wie er eS gewohnt war; er rauchte, las, erzählte, lachte, besah sich ab und zu die Arbeit, machte seine Bemerkungen und richtete dabei sein Hauptaugenmerk aus die Unterlippe: „Mich haben die Künstler — so meinte der Fürst — immer ohne Unterlippe dargestellt, daS ist falsch; sie ist bei mir sehr aus¬ gesprochen vorhanden — nicht zu sehr, denn daS würde Eigensinn bedeuten; der war mir immer fremd, wenn ich bestere Ansichten fand als meine. Aber in einer wohlausgebildeten Unterlippe liegt Beharrlichkeit." So ent¬ stand eigentlich Zug um Zug dar Bildnis unter Mit- und Einwirkung de« Altreichskanzlers selbst. Der Fürst war von der Arbeit des Künstlers so befriedigt, daß er, als Herr Pfretzschner seine Arbeit beendet hatte, das Modellierholz ergriff und mit eigener Hand sein bekanntes v. B. links unter dar Bildnis in den Thon eingrub und damit dem Werke eine denk¬ würdige Kennzeichnung gab. DaS Relief wird binnen kurzem in Berlin bei Schulte ausgestellt.

Perthes über das preußische Militär: 1826. Im

Jahres 1825 besuchte der bekannte Buchhändler Friedrich Er schrieb unter anderem: „Eine wahre Freude ist eS, Die Soldaten, Mann für Mann, daS jetzige preußische Militär zu sehen. kernhaft und tüchtig an Gestalt und jugendlich blühend. Die vielen feinen, geistigen Gesichter, denen man begegnet, erinnern daran, daß auch die jungen Leute der höheren und höchsten Stände ihr Dienstjahr leisten müssen. Ueberall habe ich nur anständige Haltung bei dem Militär bemerkt; be¬ scheiden gegen die Bürger und diese höflich gegen die Soldaten, in denen Auf die OffizierkorpS soll der gemeinsame sie ihre Angehörigen erkennen. MittagStisch einen sehr guten Einfluß üben, den kameradschaftlichen Geist stärken und den jüngeren festere Haltung geben. Welch ein Unterschied ist daS alles gegen das, war ich 1600 und 1806 in Berlin sah! Wie tief in die ganze Nation muß hier daS Jahr 1613 eingegriffen haben! Fast der dritte, vierte Mann, den man auf der Straße fleht, trägt dar Feld¬ zeichen; jeder ist stolz darauf, mag er StaalSrat oder Karrenschieber sein."

Frühling

de«

PertheS Berlin.

v.

Die gehoirnnisvuUe Ziffer. Im

Jahre 1810 trieben in der Umgegend Benins Brandstifter ihr Wesen und verbreiteten Furcht und Schrecken auch in der Hauptstadt. Welche Angst befiel aber die Berliner, als sie an mehreren Häusern neben den Thüren die Zahl 69 eingekratzt fanden! Kein Zweifel, daS war das verabredete Zeichen der Brandstifter, die betreffenden Häuser in Flammen aufgehen zu lasten! Schleunigst setzte man die Polizei davon in Kenntnis, und diese entwickelte eine fieberhafte

Thätigkeit, um dem Schreiber der geheimnisvollen Ziffern auf die Spur zu kommen. Da kommt eines Tages der bekannte Dr. Heim zu einer Patientin und findet diese in einem merkwürdig aufgeregten Zustande. Auf seine Fragen erfährt er, auch neben ihrer Thür stände nun das schreckliche Zeichen, und sie fände Tag und Nacht keine Ruhe mehr. Heim läßt sich die unselige Geschichte erzählen, besieht sich die Ziffer und ruft lachend auS: „Der vermeintliche Brandstifter bin ich selbst!" Da er nämlich eine ungemein große Praxis hatte, wurde er leicht ungeduldig, wenn er an einer Thür lange aufs Oeffnen warten mußte. Um sich aber die Häuser bester zu merken, wo erst auf derbes Klingeln hin geöffnet wurde, kritzelte er mit der Spitze seines Stockes neben den betreffenden Thüren ein Notabene (HL.) ein. Sofort fuhr er zum Polizeipräsidenten JustuS Grüner, der in einer öffentlichen Anzeige das ängstliche Publikum beruhigte.

v.

Vereins-Nachrichten Verein für Geschichte der Mark Brandenburg.

Sitzung vom 13. November 1895. — Herr Amtsrichter vr. Holtze überreichte als Geschenk eine von ihm veranlaßte Sammlung der Bildniffe der 8 ältesten kurbrandenburgischen Kanzler v. Kracht, Seffelmann, Zerer, Stublinger, v Ketwig, v. Breitenbach, Weinleben und Lampert Distelmeier, und be¬ sprach die Herkunft dieser Porträts, von denen die meisten dem Sammel¬ eifer des bekannten Forschers Martin Friedrich Seidel ihre Ueberlieferung auf unsere Zeit verdanken. Herr vr Treusch von Buttler machte Mitteilungen aus von ihm gesammelten „Hofordnungen", vornehmlich deS l6. Jahrhunderts. Diese Hofordnungen sind eine wichtige Quelle für die Geschichte des Beamten¬ tums, für die Organisation der höfischen Wirtschaft, nicht minder aber auch für die Sittengeschichte jener Zeit. Der Vortragende versuchte eine Schilderung des täglichen Lebens an einem Fürstenhof deS 16. Jahr¬ hunderts zu entwerfen, wie eS sich in diesen „Hofordnungen" wiederspiegelt. Die Organisation der Höfe war bis ins 17. Jahrhundert noch eine völlig patriarchalische; alle, auch die höchsten Beamten wurden vom Nur sehr langsam brach sich hier daS Fürsten beköstigt und gekleidet. Prinzip der Geldwirtschast Bahn, vielfach unter zähem Widerstand gerade der Beamten: noch im Jahre 1623 sehen eS die preußischen Oberräte z. B. als ein Opfer ihrerseits an, daß sie auf die Naturallieferungen des HofeS Die Folge deS verzichten und auf ein fixes Gehalt gesetzt werden sollen. Systems, daß das gesamte „Hofgesinde" vom Hofe Speise und Trank er¬ hielt, war die durchaus gerechtfertigte Sorge, daß auf Kosten der Herrschaft mehr als nötig verbraucht wurde. Daher wird aufs strengste darauf ge¬ halten, daß alle, die zum Hofe gehören, aber auch nur die, gleichzeitig und gemeinsam die Mahlzeiten einnehmen. Die Bestimmungen, welche die täglichen Mahlzeiten betreffen, die Anordnungen, um alles „Abschleppen" von Speisen und Getränken zu verhindern, nehmen einen breiten Raum in den .Hofordnungen" ein und enthalten manches kulturhistorische Seinen Bedarf bezog der Fürstenhos, soweit irgend intereffante Detail. möglich, von seinen Domänengütern, den Aemtern; die Wirtschaftsgebäude, als Backhaus Schlachthaus, Brauerei u. s. w, befanden sich meist gleich am Wohnhaus des Fürsten, so daß man von einem „Hos" im ursprünglicken Sinne deS Wortes reden kann; in Berlin befand sich der „Mühlen¬ hof" in der nächsten Nähe des SchloffeS. Genaue Buchführung über das, was einkam und was verbraucht wurde, war bis ins kleinste vorgeschrieben; auS den vielfach den „Hofordnungcn" angehängten Wochen-RechnungSFormularen kann man ein Bild von dem, was am Hofe verzehrt wurde, gewinnen. AuS einem Anschlag des Bedarfs für daS ganze Jahr, wie ihn eine Hofordnung des Markgrafen HanS von Küstrin enthält, läßt sich an¬ nähernd der tägliche Konsum an Fleisch u. s. w für den Kopf deS HofhalteS berechnen; auf jeden Fall wurde damals unvergleichlich viel mehr gegcffen und getrunken als heule. Zur Charakteristik der Sitten jener Zelt findet sich insbesondere auch in den „Frauenzimmer-Ordnungen" manches Lehrreiche.

Herr vr. Hintze sprach darauf über einen bisher noch unbekannten Versuch Friedrichs des Großen, die Lage der Bauern zu verbeffern. ES handelt sich um die Verwandlung der ungemeffenen Frondienste in gemeffene, die durch die erneute Instruktion für dar General-Direktorium Die AuSsührung war in den einzelnen von 1748 anbefohlen wurde. Die westlichen Provinzen kommen dabei überhaupt Provinzen verschieden nicht in Betracht, da die bäuerlichen Verhältnisse dort eine derartige Reform nicht erforderten; Schlesien ist von der Maßregel nicht berührt worden, weil er nicht unter dem Generaldirektorium stand. Für Magdeburg ist der Kurmark scheint auf den daS Aktenmaterial verloren gegangen. Domänen nicht mehr viel zu thun gewesen zu sein, da dort schon früher Dagegen hat die eine leidliche Normierung der Dienste eingetreten war. kurmärkische Ritterschaft verstanden,■ die zum Zweck der Durchführung der Maßregel verordnete Untersuchung von sich abzuwenden. Noch deutlicher tritt der Widerstand deS grundbefftzenden Adels gegen die Reformbestrebungen deS Königs in Pommern hervor; er wurde unterstützt durch die Minister

In

PodewilS und Cocceji, die sich beim Generaldirektorium für die Stände verwandten und vor allem forderten, daß dem Kammerpräsidenten von Ascherrieben in Stettin, einem in Pommern nicht begüterten und mit dem dortigen Adel nicht zusammenhängenden Manne, die Untersuchung der Generaldirektorium und Kammer Dienstverhältnisse abgenommen werde. waren schließlich froh, unter dem Vorwände zu großer GeschäslSbelastung

*

587

die Untersuchung der Dienstverhältnisie auf den Rittergütern vorläufig bei¬ seite setzen zu können, wobei eS denn überhaupt geblieben ist. Auf den pommerschen Domänen aber, wo säst durchweg 6 tägige Dienste üblich waren, ist die Verwandlung in 2, 3 und 4 tägige im Lause der Jahre von 1749—1766 bei Erneuerung der Pachtkontrolle thatsächlich erfolgt. Aehnlich dürfte eS in der Neumark gegangen sein, wenngleich das Aktenmaterial hier keine genaue Auskunft giebt; von den Rittergütern hören wir dort Anders war eS in Ostpreußen und Litthauen. Hier waren gar nichts. die Zustände auf den Domänen bereits zufriedenstellend, während die auf Allein für Ostpreußen ist den adligen Gütern einer Reform bedurften. eine eingehende Untersuchung der bäuerlichen Dienstverhältnisse auf den Rittergütern wirklich durchgeführt worden in den Jahren 1749—1762. Die Dienste sind dabei teilweise herabgesetzt worden, wo die Zustimmung der Gutsherren zu erlangen war; wo dies nicht der Fall war, blieb es bei der alten Observanz. — Man kann also im allgemeinen sagen, daß die Absicht deS Königs für die Domänenbauern verwirklicht worden ist, daß ihre Ausführung für die Gutsbauern aber in der Hauptsache an dem Widerstande des Adels gescheitert ist. Der König hat aber den Plan nicht fallen lasten. Ec kommt 1774 und endlich l784 bei Anlegung der Urbarien darauf zurück. Die Verwandlung der ungemestenen Dienste in gemessene ist der eigentliche Grundgedanke seiner Bauernpolitik, so weit sie sich aus daS Wohl und Wehe des einzelnen Baucrn bezog.

Süchertisch.

Die deutsriierr Kolonien.

Kurz dargestellt von Wilhelm Gymnasium in Paderborn Mit einer Karte. 2. Auflage. Paderborn 1895. Verlag der Junfermannschen Buchhandlung. Preis kart. 1 Mk. Die vorliegende Uebersicht über unsere Kolonien ist die beste von denen, die uns bisher bekannt geworden sind. Für Schule und Haus, für jeden, der sich mit unserem Kolonialbesitz bekannt machen möchre, bietet das Büchlein eine treffliche, kurze, aber keineswegs trockene Auf¬ zählung alles WistenSwerten. Die zweite Auflage ist wesentlich berichtigt und vervollständigt. Insbesondere gilt daS von unseren afrikanischen Be¬ sitzungen deren Geschichte gerade auS der neueren Zeit manches zu be¬ richten hat, was für die weitere Entwickelung dieser Gebiete von weit¬ tragender Bedeutung erscheint; erinnert sei nur an die Grenzrcgulierung in Kamerun, an die Ausdehnung deS Plantagenbaues, an die gesteigerte X 2. MisstonSthäligkeit.

Richter, Oberlehrer

am

von Balduin Greller. Dresden, Leipzig und E PiersonS Verlag. Preis 3 Mk. Die Geschichten sind meist Augenblickskinder, rasch geschaffen und bald vergesten; einzelne enthalten aber doch mehr als bloß geistreiche Plauderei, so besonders die erste, „Cajetan Rottmayr". Der Krüppel, welcher mit wahnsinniger Leidenschaft ein Mädchen liebt, ist so rührend in seiner Naivität und Hilflosigkeit, daß der Verfasser hier deS lebhaftesten JnteresteS seiner Leser sicher sein darf. Daß .Balduin Groller" in den letzten beiden Geschichten sich persönlich einführt, erscheint mindestens gewagt und wäre bester unterblieben. — Im ganzen wird der beliebte Erzähler seinen Zweck, eine Stunde anregend zu unterhalten, erreichen.

Zehn Geschichten Wien

895

P. B.

Utngtras junge Keidon.

Nach dem Von JuleS VallsS. Berlin, Verlag des von Karl Schneidt. Vereins für freies Schrifttum.. Preis 3 Mk. JuleS ValleS war einer der bedeutendsten französischen TageSschristsleller der siebziger Jahre, der auch politisch während deS KommuneaufstandeS eine nicht unwichtige Rolle spielte; seine scharfe, die Schwächen von Freund und Feind schonungslos geißelnde Feder schuf ihm zahlreiche Gegner, und der Kamps umS Dasein war ihm ein harter. Er starb 1885 in der Vollkraft seiner Jahre, manches unvollendet zurücklastend. Karl Schneidt hat es unternommen, dem deutschen Publikum den dreibändigen autobiographischen Roman seines Freundes: „JaqueS Vingtras" in freiet Der vorliegende erste Band enthält Bearbeitung zugänglich zu machen. die Geschichte seiner sreudlosen Jugend, die Leidensgeschichte eines von seinen Eltern nicht verstandenen, körperlich und seelisch schwer mißhandelten KindeS; sie birgt eine Menge feiner, von tiefer Seelenkenntnis zeugender Züge und wird besonders von Eltern und Erziehern mit warmem Interesse

Französischen bearbeitet

gelesen werden.

Deutsche Revue.

P. B.

Herausgegeben von Richard Fleischer. XX. Jahrg. Stuttgart. Deutsche Verlagsanstalt. Preis 6 Mk. viertelst Die vorliegenden Hefte des 20. Jahrgangs der verbreiteten Zeitschrift bezeugen, daß die alte Ueberlieferung, welche die .Deutsche Revue" zu unserer vornehmsten Monatsschrift gemacht hat, festgehalten werden soll, und daß der Stab ihier Mitarbeiter sich dauernd durch die ersten Autoren Deutschlands ergänzt. Von besonderem Jntereste dürsten bei den Wirren im Orient die Auslastungen VamböryS, des trefflichen Orientalisten, sein, der die armenische Frage einer eingehenden Würdigung unterwirft. Von weiteren Beiträgen seien wiederum PoschingerS BtSmarckia, GiltermannS „Erinnerungen an Lothar Bücher", LitzmannS „Zur Entwickelung des modernen deutschen RomanS", LombrosoS „Die Ursachen der Launen der Erwachsenen, besonders der Frauen", SchlostarS „Hamerling-Erinnerungen" und die von einem Ungenannten veröffentlichten „Charakterskizzen auS der neuesten englischen Geschichte" und andere nicht minder wertvolle Aufsätze erwähnt, von denen HanS Hoffmann, Rudolf von Gottschall, W. Preyer, Graf Hoenkbroech, Karl Bleibtreu, Luise von Kobell, Fürst Tscherkaßki, X. Karl Blind wenigstens als Autoren ge annt sein mögen.

s*

Das zwanzigste Jahrhundert.

Lüstenöder, Berlin.

Inhalt

Verlag

von

Hans

Der deutsche Student der Gegenwart. Von Walther Ramme. (Forts.) — SchwarzRot-Gold. Von Wilh. Gittermann. — Die großoeulsche Bewegung und die „Welfen". Von Albert Sturm — Erdwirtschaftliche Probleme. Er¬ läutert an dem Aufbau deS englischen Reiches. Von Hellmuth Thüring. II. — Ein Wort zur Erziehung zum Deutschtum. Von TanthippuS. — Ein FrühlingSgang. Von Fritz Lienhard. — Dezentralisation. — Wohin? Von Paul Dehn. — Deutsche Aussprüche.

Inhalt:

deS

NovemberhesteS 1895:

Der letzte ASkanier in Wittenberg. Historische von Buch. (Fortsetzung.) — Wriezen an der Oder. Ein märkisches Städlebild. Von E. Kolbe. (Mit Abbildung.) — Die 44. General»ersammlung des Gesamtvereins der deutschen Geschichls- und Altertumsvereine zu Konstanz. (Fort¬ (Mit setzung statt Schluß.) — Professor Gustav Lqngenscheidt ff. Porträt) — Kleine Mitteilungen: Handschrift Kaiser Wilhelms II. — Vom Fürsten Bismarck. — Perthes über daS preußische Militär 1825. — Die geheimnisvolle Ziffer. — Vereinsnachrichten. —Bücherlisch. — Anzeigen. Erzählung von

M.

Unter den in den letzten Jahren nach den Vorbildern der großen Magazine von London und Paris in der ReichShauptstadt erstandenen Warenhäusern nimmt dasjenige der bekannten Firma Mey & Edlich, Friedrichstraße 179, Ecke Taubenstraße, einen ersten Platz ein. DaS Warenhaus ist eine Filiale des Versandgeschäftes der Firma in LeipzigPlagwitz, welches sich durch sein streng durchgeführter Prinzip, nur wirklich brauchbare Waren zu möglichst niedrigen Preisen zu verkaufen, und durch seine Reellität einen ausgedehnten Kundenkreis in allen Kreisen der Bevölkerung erworben hat. Die mit allem Komsorl der Neuzeit aus¬ gestatteten Geschäftsräume enthalten zunächst im Parterre-Geschoß neben den entzückendsten echten Bronzen und Kunstgußwaren Bijouterien und Fächer in überraschender Auswahl. Unmittelbar hieran schließt sich daS Lager der versilberten und vernickelten Waren, welche unter vielen Luxusgegenständen eine Auswahl recht praktischer Sachen für die Küche und die Tafel enthalten. Aus der rechten Seite vom Eingang befindet sich die Aus¬ stellung von Portefeuilles, Lederwaren und Reiseartikeln, ks folgen die Abteilungen für Handschuhe, Krawatten, Hosenträger, Herren- und KnabenHüte und Mützen, Parfümerien, Seifen und Toilette Artikel und künstliche Blumen. Einen hervorragenden Platz nimmt das Lager von MeyS Stoff¬ und Monopol-Stoffwäsche ein, eine von der Firma selbst fabrizierte Spezia'ität, welche sich in den weitesten Kreisen großer Beliebtheit erfreut. Im Souterrain befindet sich eine große Auswahl von Schuhen und Stiefeln für Damen, Herren und Kinder und daneben die geschmackvoll angeordnete Ausstellung von Holzwaren alS: Tische, Etageren, Wandschränke, Schmuckund Arbeitskästen u. f. w., sowie auch daS ausgedehnte Lager der Handund Reifekoffern. — In der ersten Etage des Hauses befinden sich diejenigen Waren, welche an: meisten daS Jntereste der Damenwelt erregen. Die Abteilungen für Damen- und Kinder-Konfektion sind aber auch so reich¬ haltig ausgestattet, daß es unmöglich ist, jedm einzelnen Gegenstand zu erwähnen. Die Abteilung für Pelzwaren bietet eine Fülle von Neuheiten Schirme, in BarettS, Muffen und Kragen in verschiedenen Pelzarten. Phantasiewaren, Damenhüte und Puppen sind ebenfalls in diesen Räumen untergebracht. Noch eine Treppe höher befindet sich das Wäschelager. Damen-, Herren- und Kinderwäsche in reichhaltigster Auswahl vorrätig gehalten, sowie auch nach Maß in eigenen Ateliers angefertigt, dazu Bettund Tischwäsche laden unsere Hausfrauen zu eingehendster Besichtigung ein. Unter der Tischwäsche werden die jetzt so beliebten handgestickten und künstlerisch auSgefübrlen Gedecke besonders den Beifall unserer kunst¬ verständigen Damenwelt erregen Im selben Lager finden wir eine reich¬ haltige Auswahl von Schürzen aller Art. Durch das Lager von Portieren, Teppichen, Decken, Fellen, Gardinen gelangen wir in die Abteilung der Herren- und Knaben-Konfektion, und wenn wir schließlich noch die ebenfalls vorzüglich assortierte Abteilung der Trikotagen und Strumpswaren erwähnen, so haben wir in aller Kürze einen Ueberblick über die Reichhaltigkeit dieses großartigen Warenlagers gegeben. ES ist daher kaum mehr nötig, hervorzuheben, daß ein Besuch des Kaufhauses

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Verantwortlicher Redakteur: Richard George, Berlin W. 57, Cuimstraße 25. Verleger: Fr. Zillessen in Berlin X. 58., Schönhauser Allee 141, Druck der Buchdruckerei Gutenberg, Berlin X., Schönhauser Allee 141a. — Abdruck ohne eingeholte Erlaubnis ist untersagt.

Unter'' Mitwirkung

Dr. Stadtrat

R. Kövingrrior,

Professor

G. Friedet, Ford. Merfer,

vr. Srerhor, Dr. H. SvendicKe, f&ijeobov Forrtane, M. Krtswartz und G. v. Mitderrdrurti

Gymnafialdirektor a. D. Dr. herausgegeben von

Friedrich Lillesten XXI. Jahrgang.

Der

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erscheint wöchentlich am Sonnabend und ist durch jede Postanstalt sNo. 709 ), Buchhandlung und

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M. von

Kurst.

(10. Fortsetzung.)

«

nterdes waren die Wagen gekommen, die dem Kurfürsten aus Wittenberg gefolgt waren, und welche die seidenen Zelte, Speisen und Weine aus den kurfürstlichen Kellern, dazu vieles andere enthielten, was zu dem für morgen geplanten Feste notwendig war.

Albrechte wandte fich an seine Wirte. „Ist es Euch recht, und auch Euch, Ritter, so erteilt mir Urlaub! möchte mich in den Wald begeben, um den rechten Fest¬ Ich platz für morgen auszuwählen, damit ihn meine Diener aus¬ edle Frau,

können. Vielleicht führt Ihr mich, Ritter Thiele, in der Gegend besser Bescheid wißt, denn ich. Komm auch Du mit uns, Konrad, und erteile Deinen Töchtern eben¬ falls Erlaubnis, uns zu begleiten!" Der Burgherr war sogleich bereit, dem Wunsche des schmücken

da

Ihr

Herzogs nachzukommen; auch wußte er nicht allzufern im Walde einen quellenreichen Platz, dessen grüner Rasen wohl geeignet erschien, um allerlei Kurzweil wie Ringelstechen und Reihentanz vorzunehmen. So schritt Ritter Thiele mit dem Schloßvogte und Eufemia woran, der Herzog folgte mit Offka, und den Beschluß des Zuges machten die Ouer-

dem

furterin und der Graf Bernburg. Spöttisch blickte Margaret auf das vor ihr schreitende Paar. „Die Kaiserkrone neigt sich zum Sternblümlein. Was meint Ihr, Graf Sigfried, wo das hinaus soll?" Sigfrieds Antlitz wurde ernst. „Er liebt sie und glaubt, nicht von ihr lasten zu können." Frau Margaret warf den Kopf zurück und lächelte ver¬

„Er ist das Rad, welches fich von den hochgehenden Wogen der Empfindung treiben läßt, und die Selbsttäuschung ist das Verhängnis seines Lebens." ächtlich.

Der Bernburger blieb einen Augenblick stehen. „Ihr Sein Gemüt ist zu sprecht sehr hart und darum ungerecht. weich für die Welt, sein Wille zu biegsam, das ist wahr, und das ist ein trauriges Los für einen Fürsten, für den es bester wäre, zu handeln, als über die Rätsel des Lebens zu sinnen. Aber die Liebe vollbringt Wunder."

„Ein Rohr bleibt schwankend und biegsam." „Er ist noch nicht am Ziele seines Lebens, warum werft Ihr einen Stein auf ihn?"

„Ihr seid zu antworten, sagte die Querfurterin: Mädchen an seiner aber Seite, das Albrecht liebe überzeugt. denkt Ihr, daß das unerfahrene Kind ihn wiederlieben kann? Glaubt mir, ihre Augen find von der Herzogskrone geblendet, doch von Liebe steht wohl nichts in ihnen geschrieben." Statt

Sigfried faßte die Hand der jungen Frau.

„Habt

Ihr

geliebt? Und thut es Euch weh, ihn an der andern einer zu sehen?" fragte er leise und eindringlich. Seite

den Herzog

Sie löste ihre Hand aus der seinen. „Meint Ihr, mein Herz sei nicht stolz genug, den zu vergessen, der mich leichten Sinnes aufgegeben hat? Hätte ich ihn geliebt, ich würde ihn gehaßt haben von dem ersten Augenblick an, da er mich hin¬ gab. den Befehlen seines Bruders gehorsam, der mit meinem Ohm in Streit geraten war. Doch ich empfand nichts für den Schwächling,

Krankheit,

die

nicht

einmal Mitleid für

ein einziger,

fester

seine beginnende

Entschluß

geheilt

haben

würde."

Der Bernburger richtete die Blicke

fest

auf das Weib an

seiner Seite.

„Ich meinte, nur aus

verschmähter Liebe wärt

Ihr

der

-e

590

Werbung Curts von Hadmersleben gefolgt, nun aber frage Hat Euch Neigung zu Eurem Gatten gezogen?" Die Ouerfurterin zuckle ein wenig die Achseln. „Ihr habt eine unbequeme Art zu fragen, Graf Bernburg. Wenn ich Euch nun die Antwort schuldig bliebe?" ich Euch:

„Das werdet schwöre Euch,

warum gabt?"

Ihr

Ueber

Ihr

nicht

thun, Margaret,

denn ich be¬

kraft meiner Liebe zu Euch, ich muß wissen, von Hadmersleben zu eigen

Euch dem Junker

das Gesicht des Weibes

schlug

eine

helle Röte,

und verwirrt stammelte sie: „Ihr habt mich geliebt, Sigfrieb?" Der Graf neigte sich tief zu ihr nieder. „Das habt Ihr nicht gewußt, nicht geahnt?" sagte er. „Freilich, ich durfte es Euch ja nicht sagen. Euch, der Braut meines Freundes Albrecht. Doch ich meinte immer. Ihr würdet es mir an¬ sehen, mein klopfendes Herz würde es Euch verraten und mein leuchtender Blick verkünden. O, noch stehen die Tage vor meinen Augen, als Albrecht und ich vom weißen Schloß zu Belzig gen Wresenburg flogen, wo Ihr, ein wildes, aus¬ gelassenes Mädchen, fast noch ein Kind, uns auf der Brücke

entgegenspranget. Ja, ich liebte Euch, aber ich wäre mir ver¬ ächtlich vorgekommen, hätte ich Euch gestanden, was mein Herz empfand. Denn das muß ein schlechter Mann sein, der ein fremdes Glück zerstört, um auf dessen Scherben sein eigenes

aufzubauen." „Glück, Sigfried?" sagte Frau Margaret, und ihre Brust hob und senkte sich in schneller Folge. „Nennt Ihr so den Verspruch, der ein kaum sechzehnjähriges Kind und einen schwankenden Jüngling an einander band? Es war eine Schale ohne Inhalt; eine Glocke, die keinen Ton angab. Und Ihr habt die tote Form über das lebendige Glück gesetzt."

Sigfried blickte nachdenklich in die auf ihn gerichteten Augen. „Albrecht war Euch zum Gatten bestimmt, und Ihr, ein Kind noch, wart es zufrieden. Band Euch nicht Liebe, so band Euch doch Zuneigung aneinander. Ihr hättet glück¬ lich mit ihm werden können, und warum hätte ich mich für einen besseren Mann

halten sollen,

aber Euer Verspruch gelöst wurde,

als Albrecht?

Als nun

da jubelte ich und freute

wie ein Kind vor Weihnachten, denn nun durfte ich offen um Euch werben. Schon wollte ich aufbrechen, da kam eine böse Botschaft auf Flügeln des Unglücksraben, und Du weißt gar wohl, wie sie lautete. Du hattest Dich vermählt. Nun antworte, was trieb Dich in die Arme des Junkers Hadmersleben?" Die Ouerfurterin kämpfte mit den Thränen. „Gekränkter Stolz war es, Sigfried. Mein gekränkter Stolz ließ mich in dem ersten besten Manne Ersatz suchen und finden, und mein Vater war mit meinem Entschluß zufrieden. Du hast meinen Gatten gekannt, Du weißt, was mich an seiner Seite erwarten konnte. O, wie hätte ich denken können. Du habest mich ge¬ liebt? O Sigfried." und das erregte Weib rang die Hände, „das Schicksal ist ungerecht, denn find wir nicht beide elend geworden? Und warum, warum? Wollte es Dir so die goldene Treue lohnen, die Du dem Freunde bewiesest?" Graf Sigfried neigte sich tief zu ihr. „Was fragst Du mich nach dem Warum? Ein Gewitter im Sommer wirft die schweren Aehren damieder und knickt die fruchtreichen

mich,

fr— Halme, aber die tauben Blüten streift es nur, sie erholen sich wieder und grünen von neuem. Und doch ist das Schicksal oft nicht so ungerecht, wie wir manchmal vermeinen. Margaret, wir verstehen nur nicht seine Winke und Fingerzeige. Und wollen wir es trotzig zu unserem Willen zwingen, dann geht es an unserer Thür vorüber. Ich wäre gekommen, Margaret, hättest Du nur ein wenig gewartet und Vertrauen gehabt. Doch Du warfst die Thür hinter Dir zu, gingest in die Irre, und ich stand draußen vor dem verschlossenen Garten des Glücks. Und nun, ob durch unsere Schuld, ob durch die anderer, wir haben viel versäumt im Leben, aber können wir nicht wenigstens etwas wieder nachholen? Die Frühe des Tages ist dahin, aber noch steht die Sonne hoch am Himmel und verheißt freundliche Stunden vor ihrem Scheiden. Was uns getrennt hat, ist vergeben und vergessen, und die alte Liebe, die ich in den Schlaf des Vergeffens gewiegt zu haben glaubte, schlägt die Zauberaugen von neuem auf. Werde jetzt noch mein Weib. Margaret, willst Du?" Mit starken Armen umfing er das beglückte Weib, ihr Haupt sank an seine Brust, und dann schritten sie Schulter an Schulter in die dämmernde Waldeinsamkeit. Inzwischen hatten die anderen den vom Ritter Oppen im Walde gefunden, und der Herzog er¬ freute sich an den mächtigen, ragenden Eichenpfetlern, deren Wipfel sich in der Höhe umschlangen und so einen lebendigen grünlaubigen Dom schufen. Auch war es hier in der Nähe der Quelle kühl und erfrischend; der heiße Atem, der draußen geweht hatte, war noch nicht in den Wald gedrungen, und des Himmels Blau leuchtete ourch das Geäst der Bäume. Wo waren die Wolken geblieben, die vorhin am Horizont gedroht hatten? Ein Kuckuck rief vernehmlich aus der Ferne herüber. Offka fragte: „Wie lange lebe ich noch?" Da antwortete der Offka gab schließlich lachend das Vogel unzähligemale. Zählen auf und bat den Herzog: „Nun fragt Ihr einmal!" Doch ehe dies geschah, schwieg der Vogel plötzlich still. „Ritter Oppen," rief der Herzog, „habt die Güte, meinen Wagen den Weg hierher zu weisen. Ich werde unterdes aus Eure Rückkehr warten, damit Ihr uns später weiter in den Wald führen könnt." Der Burgherr folgte der Weisung. Er und Konrad von Oels schritten alsbald der nicht allzu fernen Burg zu. Eufemia aber begann im Walde nach dem entschwundenen Paare zu suchen, und so blieben der Herzog und Offka allein. Das Mädchen hatte sich auf einen Baumstamm an der rieselnden Quelle niedergelassen, und ihre Finger flochten einen Kranz von Vergißmeinnicht. Die goldenen Locken, vom Winde gelöst, hingen verwirrt um ihr rosiges Antlitz, und die dunklen Lider beschatteten die blauen Augen. „Offka!" sagte der Herzog mit einem tiefen Atemzuge. „Endlich haben sie uns allein gelassen. Endlich kann ich Dir sagen, wie ich mich gesehnt habe alle die Zeit her nach Deinem geliebten Antlitz. Und doch hatte ich schon blutenden Herzens Dir entsagt, denn ich meinte, der Himmel habe mir ein Zeichen gegeben, und dies Zeichen sei das Verbot meines Glücks." Offka schüttelte das Haupt und blickte den Herzog fragend an. „Was meint Ihr? Ich verstehe Euch nicht." „Ein andermal will ich Dir die Erklärung geben, Ge¬ bezeichneten Platz

591 liebte.

Qual!

Laß mich heute nicht weilen bei den Stunden der Ich bin bisher im Schatten gewandelt und habe über

Vergangenheit und Zukunft gesonnen; jetzt trete ich in die Sonne der Gegenwart; denn leben will ich, leben mit Dir, Offka." Der Herzog ließ sich vor dem zitternden Mädchen auf ein Knie nieder und zog sie an sich. „Und Du, Du hast Erbarmen mit mir, Du kannst mich verstehen, Du liebst mich, Offka? Nicht wahr, Du hast mich lieb?" Albrechts Augen suchten verlangend die ihren; seine Worte und seine Stimme hatten das Mitleid in ihrem Herzen er¬ weckt, und so faßte sie sanft seine Hand, küßte sie und sagte: „Gott weiß es, Albrecht, ich will Euch eine treue Gefährtin sein und versuchen, Eure große Liebe zu verdienen. Aber um eins bitte ich Euch, habt Geduld mit mir! Ihr steht allzu hoch über mir. ich muß erst lernen, zu Euch hinaufzu¬ schauen."

„Mir

sie

in Zukunft tragen

Doch das Mädchen entwand sich seinen umschlingenden Armen. errötend

Es geziemt Euch nicht, vor mir zu knieen. Bedenkt, wie leicht die anderen uns hier überraschen könnten!" „Du hast recht, Süße!" sagte der Kurfürst. „Das Glück des seligsten Tages meines Lebens soll heute noch Geheimnis bleiben zwischen mir und Dir, morgen aber muß ich dies Glück dem neidischen Tage anvertrauen." Er erhob sich und stand vor ihr aufrecht und stattlich, und in seinen Augen lag der Schimmer so grenzenloser Seligkeit, daß das Mädchen unwillkürlich die Hand auf das Herz preßte. Sie fühlte sich bei diesem Ausdruck ihrer Empfindung halb verwirrt und

„Erhebt Euch. Albrecht!

halb schuldig.

Da kam plötzlich der Jagdhund des Fürsten, der den Spuren seines Herrn gefolgt war. Freudewinselnd trat er zu seinem Herrn und kauerte sich zu dessen Füßen nieder, aber er schnappte mühsam nach Luft, als wäre er krank. „Mein Vater wird mit Euren Knechten in der Nähe sein," meinte Offka, und ihre Augen blickten suchend den Waldpfad hinab; dann blieben sie an dem Hunde haften. „Ihr solltet ihn töten lassen." meinte sie, ihn betrachtend,

„er

ist sich und anderen zur Last." Albrecht nickte. „Auch ich dachte es schon," sagte er leise,

„aber er ist mir lieb, und darum zögerte ich. Aber Mitleid in der Welt."

es giebt

auch ein übel angebrachtes

Ein Windstoß fuhr über die Baumkronen daher, es in den Zweigen, tief bogen sich die Wipfel herab, und in der Ferne hörte man das Rollen des Donners. Nun spürte auch das Paar, wie drückend die Luft unter den rauschte gewaltig

Eichen geworden war.

„Ein Gewitter

Offka," sagte der Herzog, Dein Vater zurück¬ Wald gar mehr in den Wirt werden nicht und unser kehren, sondern unserer Rückkehr harren. Komm, wir finden schon den Weg!" „Aber wo ist Eufemta?" rief Offka angstvoll. „Sie ist nicht zurückgekehrt, sie muß noch im Walde sein." „Eufemta, Eufemia!" ries sie mit schallender Stimme. Keine Antwort.

„wir

ihre Augen das Waldesdunkel nach einem lichten Gewände. Von Eufemia war keine Spur vorhanden. „Sie wird mit den anderen heimgekehrt sein," tröstete Albrecht, „Du ängstigst Dich umsonst. Wir wollen eilen, es wird gefährlich, hier zu zögern." (Fortsetzung folgt.)

Die 44. Generalversammlung -es Gesamtvereins -er -rutschen Geschichtsun- Altrrtumsvereine ;u Konstanz

iii. Aus

den

Verhandlungen

Sektions-Sitzungen

der

gelegentlich

Delegierten-

und

der diesjährigen Tagung

des Gesamtvereins sei hier folgendes, was von allgemeinerem

Interesse ist, erwähnt.

wird die Krone lieb. da Du

wirst," gestand der Herzog.

auch

Br

zieht

heran,

müssen die ersten Anzeichen überhört haben.

Ihre Füße beflügelten

sich,

und angstvoll durchsuchten

In

der Sitzung

Hauptthemadie

Tübingen.

der

3.

und

4. Seknon bildeten das

„Grundkarten" von Profeffor v. Thudichum-

Derselbe erinnerte daran, daß vor drei Jahren auf der Generalversammlung zu Sigmaringen der Plan der Herstellung von Grundkarten nicht bloß im Maßstab 1: 100 000, sondern auch in dem von 1: 500 000 und 1 500 000 gutgeheißen worden sei, und es an der Zeit erscheine, die Aus¬ führung auch der letzteren Arten von Karlen von neuem in Anregung zu bringen, weil sich mit ihrer Hilfe Karten von allgemeinerer Bedeutung, die für den Unterricht auf Universitäten und Gymnasien wertvoll sind, herstellen ließen. Um zu zeigen, wie Karten 1: 500 000 etwa aussehen sollen, habe er eine Karte über Westdeutschland vom Schwarzwald bis Bar le Duc gezeichnet und drucken lassen, die sich unmittelbar an die bayerische Karte von 1834 anschließt und nun zusammen mit letzterer die Möglichkeit bietet, über ganz Süddeutschland bis nach Böhmen hinein historische Karten der verschiedensten Art zu entwerfen. Als Beispiele dafür waren an den Wänden folgende Karten aufgehängt: über die Völkersitze in der Zeit von 58—50 v. Chr. nach den Angaben Cäsars; über die Völkersitze im Jahre 98 n. Chr. nach Tacitus; über Limes und Römerstraßen, letztere für das linksrheinische Land unter gefälliger Beihilfe von Dr. Lehner in Trier hergestellt; über die Völkersitze im 6. Jahrhundert u. s. w. Die Herstellung dieser Art von Grundkarten für ganz Deutschland könne vor¬ läufig, meinte Thudichum, den Akademien überlassen bleiben; es sei aber zugleich eine Vereinbarung mit Oesterreich, der Schweiz, Frankreich und Italien über einen gemeinsamen Maßstab und gemeinschaftliches Netz ohne Verzug anzustreben. Die Herstellung der Grundkarten 1:100 000 sei in gutem Fortgang begriffen; zwar in Sachsen, in Magdeburg, in Lothringen sei den Beschlüffen noch keine That gefolgt, dafür Die stehe es in anderen Teilen des Reichs um so besser. mecklenburgische Regierung habe die Beschaffung der Grund¬ karten für das ganze Großherzogtum Schwerin angeordnet, und in vier Jahren werde das Werk voraussichtlich vollendet sein. (Archivrat Dr. Grotefend aus Schwerin legte der Ver¬ sammlung die ersten fertigen Blätter vor.) In SchleswigHolstein habe der Landesausschuß jährlich 900 Mk. für die Grundkarten bewilligt, ebenso kürzlich der hessische historische Verein zu Kaffel vorläufig jährlich 100 Mk. Zu den bereits gedruckten 8 Sektionen über Wetterau, Oberrheingau und

592

Maingau würden in kurzem die Sektionen Fulda-Schlüchiern und Mainz-Wiesbaden rreten, und es sei zu hoffen, daß der historische Verein für Unterfranken recht bald von den 300 Mk. Gebrauch

mache,

welche

die königl. bayerische Akademie der

Sektionen Orb-Lohr und WürzburgSchweinfurt zur Verfügung gestellt. Außerdem konnten Prof. Brecher und Geh. Archivrat Reuter die erfreuliche Mitteilung machen, daß gegründete Aussicht bestehe auf kräftige Förderung Wissenschaften

für die

des Unternehmens iu der

des Landesausschusses.

Mark Brandenburg mittelst Beihilfe

Professor Thudichum wies zum Schluß

darauf hin. wie wertvoll es sein würde, wenn auch am Bodensee, und zwar in Konstanz selbst, ein Anfang mit den Grundkarten gemacht würde, weil das Veranlassung gebe, auch die schweizerischen historischen Vereine zur Mitarbeit heranzuziehen, worauf die Versammlung den Beschluß faßte: den Bodensee-Verein zu ersuchen, recht bald die Beschaffung von Grundkarten in die Hand zu nehmen. Der Präsident des Vereins, Gras v. Zeppelin, erklärte seine Bereitwilligkeit, dafür einzutreten, und teilte zugleich mit, daß. nach einem Schreiben des Dr. Wartmann zu St. Gallen zu urteilen, auf eine Mitwirkung der schweizerischen Vereine gehofft werden dürfe.

In

der Sitzung

2. Sekiion

wurde vor

allem die Frage behandelt: „Wie und wann sind die geschicht¬ lichen Beinamen der deutschen Landesfürsten ent¬ standen?" Referent darüber war der Vorsitzende, Dr. ErmischDresden. Derselbe hatte eine lithographisch vervielfältigte der

Tabelle über die Wettiner ausgearbeitet und unterschied an der Hand derselben dreierlei Kategorien: 1. uralte Bei¬ namen. die sich schon durch ihre meist schwer erklärliche Namensform als echt legitimieren; 2. gleichfalls wohl in der Hauptsache gleichzeitig entstandene (Benennungen nach körperlichen Eigenschaften); 3. später entstandene (die zahl¬ reichste Kategorie), welche die Fürsten nach ihrem Leben be¬ urteilen. Eine nähere Untersuchung, führte er aus, habe er¬ geben, daß im ganzen Mittelalter so viel wie nichts darüber zu finden sei. Den ersten Beinamen führte Heinrich der Erlauchte (,i11n8tni8'), vor welchem auch sein anderer Beiname der „Milde" (— Freigebige) allmählich verschwindet. Aber woher der dritte Beiname Heinrich „Lomats" oder „Homar" ? Aehnliche Schwierigkeiten biete Heinrich „Clem" (wohl — Be¬ dränger der Feinde), aus dem sich später der „Kleine" ent¬ wickelt habe, offenbar nur durch Mißverstand eines Schrift¬ Von gleicher Schwierigkeit sei Friedrich „Tute" stellers. (jedenfalls nicht — Stammler). Friedrich „Aneland" (— ohne Land) sei ein Beispiel der Uebertragung vom Vater auf den Sohn. Friedrich der „Freidige" sei erst ca. 100 Jahr später so genannt in Rothes thüringischer Chronik, Friedrich der „Gebiffene" (oder mit der gebiffenen Wange) sei ebenfalls erst durch die späteren Historiographen aus einer Eisenacher Lokalsage gebildet. Friedrich der „Höfische" wurde so ge¬ nannt, weil er gern tanzte; nachher wurde er der „Strenge" Dagegen wurde genannt, also das gerade Gegenteil. Friedrich der „Einfältige" so schon im Mittelalter genannt. Die folgenden Beinamen von Friedrich dem „Streitbaren" ab, stammten alle erst aus der Zeit vom 16. Jahrhundert an, als mit dem gewaltigen Fortschritt des geistigen Lebens durch den Humanismus auch die Geschichtskenntnis einen neuen Auf¬ Dazu fingen die Landesherren an. sich schwung genommen.

selber

für ihre

Geschichte zu interessieren, und so entstand

nun

Hofhistoriographie, deren erster Vertreter in Sachsen Spalatin ist. Ein eigentlicher Hofhistoriograph, auch dem Titel nach, ist dann Georg Fabrtcius, dessen Geschichte leider

die

von seinem Sohne vollendet wurde; noch vor ihm ent¬ stand des Peter Albinus meißnische Landeschronik (1580). In ihr zuerst findet sich die vollständige Beinamenrethe der erst

Wettiner, so daß vom kritischen Standpunkt aus diese Bei¬ namen von sehr geringem Wert find. Mit der Mitte dieses Jahrhunderts schließt die Beinamenbildung ab; später kommen nur noch wenige vor, so als offenbar aus dem Volk ent¬

„Starke".

Ganz künstlich seien die noch Es sei interessant, später entstandenen, so „der Gerechte". die Sache auch in anderen Ländern zu verfolgen. — Professor standen August der

Dr. Hartmann

aus Stuttgart, Vertreter der württemgiebt über Württemberg in dieser HinHier finden sich viel weniger solcher Namen

bergischen Regierung,

ficht Aufschluß.

wegen

Mangels einer Hofhistoriographie.

handenen, schon von

„mit

dem Daumen"

Stälin oder

Die

sechs

vor¬

zusammengestellt, find: 1. Ulrich der „Stifter". Davon ist „mit

gleichzeitig, „der Stifter" bald nach seinem Tode durch die Stuttgarter Stiftsherren entstanden. 2. Eber¬ hard der Greiner (— Zänker) ziemlich gleichzeitig. Dagegen 3. Eberhard der „Erlauchte" erst viel später. Wirklich aus dem Volk heraus heißt Ulrich der „Vielgeliebte", auch wieder aus dem Volk heraus Eberhard „im Bart", mit dem die Beinamen 1495 aufhören. (Der „Bärtige", entweder wegen dem Daumen"

Barts oder wegen Aufnahme unter die „Bärtlinge". eine Art Laienmönche in Einsiedeln.) — Professor seines langen

v. Thudichum hebt als besonders wichtig hervor die Beinamen Sehr bei den deutschen und den französischen Königen.

Konrad der „Salige", der erst hundert Jahre später so genannt wurde. Von den Chroniken des 14. und 15. Jahrhunderts sei daraus Konrad der „Salier" gemacht worden, woraus dann gar der „Springer" entstanden sei. Redner wünscht für jedes Land eine Untersuchung, zumal auch hinsichtlich der Frage, wie weit bei den Beinamen deut¬ scher Fürsten der französische Einfluß reicht. — Archivar Dr. Zimmermann (Braunschweig) führte aus: Bei den verhält es sich ähnlich wie bei den Braunschweigern Wettinern. In keinem Fall heißt Heinrich der Löwe so bloß als Uebersetzung von „Welf", wie man schon be¬ hauptet hat, sondern es ist sein echter, uralter Beiname, den er schon 1151 führt, „de nomine suo“ die „Löwenstadl" gründend. — Archivrat Dr. Jacobs (Wernigerode) weist auf die Wappenkunde in dieser Beziehung hin, die manche Auf¬ schlüsse biete. — Hofrat Zingeler aus Sigmaringen bespricht die Beinamen der zollerschen Geschichte: Friedrich der „Löwe" und der „Erlauchte" seien Produkte der Hofhistoriographen. Der „Löwe" heißt der erstere, weil er sich des Schildes mit dem Löwen (als letzter) bediente; der „Erlauchte" der letztere durch Uebersetzung von „vir illnotris". Die übrigen Bei¬ namen dienten nur zur Unterscheidung der verschiedenen Friedriche. Das Schlußergebniß war ein Antrag der Sektion, die verbundenen Vereine aufzufordern zu einer Zusammen¬ stellung der Beinamen der Fürsten mit Angabe der Quellen, wann diese Namen zuerst in Chroniken und Urkunden auf¬ treten, und der Fälle, wo die Fürsten selbst sich solcher Namen

instruktiv

bedienten.

sei

-e

fr—

593

In

der letzten Delegierten-Sitzuug wurde u. a. über die Berichterstatter war Denkmal Angelegenheit verhandelt.

Architekt Walls-Berlin.

Ein besonderer Bericht über die Erhaltung der Denkmäler in Schlesien lag gedruckt vor. Der

war von Archivrat Dr. Grotefend zur Anficht mitgebracht, eine offenbar vorbildliche Leistung); in Anhalt find sechs Lieferungen erschienen; von Thüringen 20; über Hessen liegen vier Bände vor. Hohenzollern ist abgeschlossen, erscheint in ca. drei

Die Kaiser Frredrirti-Gedäctitrrisirirrtio irn Tiergarten. Entwurf von Proseflor

I. Bollmer.

K'ohIe r. Die Grundsteinlegung erfolgte am 18. Oktober 1892, die Einweihung am 21. Oktober 1895. Nach einer Photographischen Aufnahme vom Geheim-Selretär R.

Denkmäler-Aufnahme ist in den verschiedenen Ländern sehr verschieden, aber im allgemeinen macht die Sache erfreuliche Fortschritte: in Baden ist ein 5. Band in Vor¬ bereitung; in Württemberg find zwei Bände vollendet; in Braunschweig erscheint demnächst der erste; am weitesten ist man in Mecklenburg, wo man mit der Sache fertig ist (das Werk

Stand

der

Wochen.

In

Preußen

ist

man

am

weitesten

in Berlin,

Brandenburg, Schlesien. Erfreulich ist, daß das Interesse für die Denkmäler allgemein geworden zu sein scheint. Von Arbeiten in dieser Richtung wird der Vollendung der Münster von Köln und Ulm gedacht, womit nun um so mehr die Restaurierung Von anderen der Marienburg in den Vordergrund tritt.

--W

594

Denkmälern kommen sodann die Dome von Metz und Worms in Betracht. Auch das Straßburger Münster sieht einer besseren Zukunft entgegen, doch ist, ehe man an einen weiteren Ausbau desselben denken kann, vorher eine Reihe schwieriger Fragen zu erledigen. Für die photographische Aufnahme der Denkmäler wird das Dr. Weydenbauersche Verfahren (das sogenannte „Meßbildverfahren") empfohlen und an einem Beispiel veranschaulicht. — Zum Schluß erklärt die Versamm¬ lung es für wünschenswert, daß auch die Restauration des Münsters in Konstanz in Angriff genommen werde.

Die Kaiser Friedrich-Ge-ächtniskirche. (Mit Abbildung.)

— Kirchlein im grünen Wald an dieses Lied erinnert die Kaiser Friedrich-Gedächtnis¬ kirche, wenn man sich ihr von der Charlottenburger Chaussee nähert und das Gotteshaus durch die Bäume des Tiergartens schimmern sieht. Der edle Dulder auf dem Kaiserthrone, dessen Gedächtnis die Kirche gewidmet ist, hat den schönen Platz für dieselbe im Tiergarten (gegenüber der Lessingstraße, neben Charlottenhof) selbst gewählt, und die Errichtung der Kirche gerade an dieser Stelle ist die Erfüllung eines Lieblings¬ wunsches des verstorbenen Kaisers, dessen hehres Bild auf alle Zeit tief in der Seele des deutschen Volkes haftet. Nachdem die Dorotheenstädtische Gemeinde unter Zu¬ stimmung des Magistrats den Beschluß gefaßt, zu dem Bau des neuen Gotteshauses aus dem Kirchenvermögen 300000 Mark zu bewilligen, wurde der Bau der Kirche nach dem vom Kaiser genehmigten Entwürfe des Professors Joh. Vollmer im September 1892 beschlossen. Die feierliche Grundstein¬ legung erfolgte in Gegenwart des Kaisers am 18. Oktober desselben Jahres. Die Kaiserin Auguste Viktoria übernahm das Protektorat über den Kirchenbau, den Baumeister Leibnitz leitete. Am 19. Juni 1893 begann der Bau, und trotz des schlechten Baugrundes konnte schon am 18. Oktober 1893 das Richtfest gefeiert werden. Der Grundriß der Kirche zeigt ein lateinisches Kreuz mit zwei kurzen Armen; der Chorraum ist gerade geschlossen; der

„Es

steht

ein

Turm ist wegen der beschränkten Raumabmessung des Bau¬ platzes an die Ostseite in den durch Ouerschiff und Langschiff

Winkel verlegt worden. Dem Altar gegenüber liegt die Orgelempore. An der Ostseite befindet sich in dem südlichen Winkel vom Langschiff und Querschiff ein kleiner abgerundeter Anbau, mit dem Eingang zur Hofloge. Diesem Anbau entspricht in dem gleichen Winkel an der Westseite die Sakristei. Der Zugang zu der Kirche erfolgt durch den Turm, der mit dem Querschiff in Verbindung steht, und von der Lessingstraße aus. Die Hofloge hat einen eigenen Eingang; als Vorraum dient jener abgerundete Anbau; die Loge ist auf sechs Plätze berechnet und liegt auf der linken Seite des Altars. Ihr gegenüber befindet sich die Kanzel. Der Tauf¬ stein steht unter der Querschiffempore zunächst dem Altar. Die Sitzplätze für die Gemeinde befinden sich im Langschiff, unter der Orgelempore und dem Querschiff, sowie auf den gebildeten

Sk

am schönsten gelegene Kirche Berlins, sondern auch in

ihren

Kunstformen eins der schönsten Gotteshäuser in Berlin, ein¬ fach, edel und des Herrschers würdig, an welchen sie die MitDie äußere Architektur ist in und Nachwelt mahnen soll. Tuffstein, beziehungsweise in Sandstein hergestellt, die Flächen sind mit roten Ziegeln verblendet, das Innere der Kirche ist in roten Verblendziegeln gemauert und trägt — wie das ganze Gotteshaus

das Gepräge des

— bei aller Schlichtheit und Einfachheit Für die Kapitäle, Konsolen Erhabenen.

und Friese find reich ornamentierte Terracotten verwandt. Einen hervorragenden Schmuck besitzt der Jnnenraum durch den mit Mosaik bekleideten Triumphbogen, welcher sich gegen das Kirchenschiff öffnet und Christus, den guten Hirten dar¬ stellt. Die Fenster im Chorraum und in den Querschiffen enthalten Glasmalereien von hervorragendem Kunstwert. Die Bemalung und Dekoration des Jnnenraumes ist im Anschluß an die Fenster und das Mosaikbild des Triumphbogens farbig gehalten, ohne prunkend zu sein. Der Altar zeigt figürlichen Schmuck. Großer Wert ist auch auf schöne Tischlerarbeit an der Bestuhlung und namentlich an den Thüren, von denen fast jede eine andere Behandlung zeigt, gelegt worden, ebenso auf die Kunst-Schmiedearbeiten, unter denen die große Krone des Hauptgewölbes als ein Meisterstück ihrer Art hervor¬ zuheben ist.



Die Kosten der Baustelle,

des Kirchenbaues belaufen sich, ausschließlich

welche

der

Kaiser

geschenkt

hat,

auf

etwa

520 000 M., wovon 170 000 Mk. auf den inneren Ausbau kommen. Da beim Rohbau gespart werden konnte, so glaubte man beim inneren Ausbau durch Echtheit und Kostbarkeit der Ausführung der Bedeutung der Kirche als Gedächtniskirche des allverehrten hochseligen Kaiser Friedrich gerecht werden zu müssen. Von den Geschenken für die Kirche seien die folgenden erwähnt: Das Metall zu den prächtigen vier Glocken (von Kanonen herrührend, die im Kriege 1870/71 erbeutet wurden; Spender: der Kaiser), das herrliche Chorfenster (Spender: das Kaiserpaar, Prinz und Prinzessin Heinrich), die Altarbibel. Kelch und Kirchenfiegel (die Kaiserin), die reich in Gold gestickte Altarbekleidung in rotem Sammet (Frau Gro߬ herzogin von Baden), die Kanzel (Frau Kommerzienrat Dippe, deren Gemahl die Orgel schenkte), der Taufstein (Frau Metzing), die silberne Taufschüssel u. s. w. (Dr. v. Websky), die Einrichtung der Hofloge (Fabrikbesitzer Vogt, der zugleich drei Vorhallenfenster stiftete), die große elektrische Krone (Fräulein Smitt), der vergoldete Schlüffel zum Hauptportal (Paul Marcus), Teppiche (Geppert u. Rössel) rc. Die Stiftung eines noch auszuführenden Bronze-Reliefs haben die Herren Geyer u. Roesicke übernommen. Einem besonders rührigen Damen Komitee ist es zu danken, daß Altar- und Kanzel¬ behang in den fünf kirchlichen Farben vorhanden sind. —

Die feierliche Einweihung der Kaiser Friedrich-Gedächtnis¬ erfolgte am 21. Oktober d. I. in Gegenwart des Kaisers und der Kaiserin, des Prinzen und der Prinzessin Heinrich, der vier ältesten Prinzen und vieler Fürstlichkeiten. kirche

Generalsuperintendent

Faber,

dem die Pastoren

Vogel

und

beiden letzteren.

Hagenau zur Seite des Wortes: „Selig

Die Kaiser Friedrich-Gedächtnis-Kirche zeigt frühgotische Formen in ihrer Architektur, sie ist nicht nur die

duldet. denn nachdem er bewährt ist, wird er die Krone des Lebens empfangen, welche Gott verheißen hat denen, die ihn

standen, hielt die Weiherede auf Grund

ist

der Mann,

der die Anfechtung er¬

—« lieb haben." das

„Durch Bewährung zur Verklärung —

wir dem Kaiser Friedrich zum Gedächtnis, wir auf als unser Vermächtnis."

sagen

nehmen

596

das

Gin Berliner Tagebuch aus -rm Jahre 1813. Mitgeteilt von Professor Dp.

Vor Jahresfrist fiel

Kaflonoarnp.

dem Schreiber dieser Zeilen ein bis

unbekanntes geschriebenes Berliner Tagebuch aus dem Jahre 1813 in die Hände, das als Spiegelbild jener großen bewegten Zeit noch heute ein allgemeineres Interesse bean¬ Allerdings umfaßt es nur die Zeit vom spruchen darf. 1. Januar bis zum Anfange Juni 1813, und wenn wir noch jetzt

&— ebenso

der

spätere

Staatsminister von Klewitz

unter den

Freunden des Hauses genannt. Auch die durch Schönheit und Geist gleich ausgezeichnete Jüdin Henriette Herz wird von der Schreiberin mehrfach besucht, wenn fie auch dem unnatürlichen prätentiösen Wesen der Dame wenig Geschmack abgewinnen kann. War man abends zu Hause, so pflegten, wenn nur nahe Freunde der Familie anwesend waren, wohl einige Stunden der Lektüre geweiht zu werden, und zwar waren es nament¬ lich die Werke der romantischen Dichter, die nach den Auf¬ zeichnungen des Tagebuches an solchen Abenden vorgelesen Namentlich gaben die Schriften v. L. Tieck reichen So wurden das Volksbuch von der schönen Magellone, sein „gestiefelter Kater", „Ritter Blaubart", „Prinz Zerbino" und andere Märchen vorgenommen; des¬ gleichen ergötzte man fich an La Motte Fouqus, und eines Abends las auch Arnim selbst die vor kurzem verfertigte Komödie „Belagerung von Wesel" vor. an der „eine lebendige Handlung und recht hübsches, kräftiges, derbes Leben" gerühmt wird. Ebenso liest man das Nibelungenlied und die Elektra

wurden.

hinzufügen, daß dieses Tagebuch der Feder eines zwanzig¬ jährigen, den besten Ständen der Hauptstadt angehörigen Mädchens entstammt, so ist schon hieraus zu entnehmen, daß wir in diesem schriftlichen Ergusie nicht neue historische Ereignisse zu erwarten haben; ja, es ist das Elaborat über¬ haupt arm an eigenen Erlebnissen, trotzdem bietet es, weil es als Gedankenäußerung eines jungen Mädchens ficherlich nie für die Oeffentlichkeit bestimmt war, etwas Frisches, Unmittelbares; wir lernen aus diesem unscheinbaren Tage¬ buche vielleicht besser die Stimmungen und Gefühle kennen, die damals die herrschenden Kreise Berlins bewegten, als aus dickleibigen Büchern, und mit einem Gefühle von Bewunderung muß uns das schlichte Mädchen erfüllen, wenn wir die glühende, warme Vaterlandsliebe erkennen, von der jene Blätter durchdrungen find. Es ist ein ruhiges, ziemlich eintöniges Frauendasein, das

Lesestoff ab:

des Tagebuches entrollen: Der Tag wird mit häuslichen Beschäftigungen, zeitweilig mit Sing- und

buchblättern fehlen die politischen Anspielungen und Raisonnements nicht; anfangs freilich wagen fie fich nur schüchtern und verstohlen hervor: die Schreiberin spricht von den fürchter¬ lichen Scenen des russischen Feldzuges; fie zeichnet einige Pariser Bonmots über diese Katastrophe auf und wundert fich über die Frivolität jener Nation, die mitten in diesem

die ersten Seiten

Zeichenstunden, Spaziergängen und Besuchen bei befreundeten

Familien zugebracht, der Abend wird teils mit dem Anhören von Vorlesungen in der Akademie ausgefüllt, teils ist er der Unterhaltung am Theetisch, teils der Lektüre gewidmet. Zu den bekanntesten Berliner Adelsgeschlechtern stand die Familie der Schreiberin in Beziehungen: namentlich war man dem bekannten Dichter Achim v. Arnim und seiner Frau, der geistvollen Bettina, geb. Brentano, und ebenso der Familie eines jüngeren Offiziers v. Canitz nahegetreten, der damals im Generalstabe Aorks diente und später als preußischer General eine hervorragende Rolle gespielt hat; aber auch die Familien v. Maltzahn, v. Bardeleben, v. Seckendorf, Graf Lüttichau, v. Treskow u. a. begegnen uns im Tagebuche mehr oder minder oft als Bekannte des Hauses. Auch mit her¬ vorragenden Beamten und Männern der Wissenschaft stand man in nahem Verkehr; namentlich wird der berühmte Jurist F. K. v. Savigny, der seit 1810 als Oberrevifions- und Staatsrat in Berlin lebte, als besonderer Freund der Familie geschildert, und als er einst in einer Gesellschaft der Schreiberin der Tagebuchblätter seine besondere Achtung bekundete, unter¬ läßt fie, von einem gewisieu Stolze erfüllt, es nicht, dies in

ihren Aufzeichnungen zu erwähnen. Auch der große Historiker Barth. G. Niebuhr wird von ihr besonders gefeiert: ihn und seine Gattin nennt fie „zwei wahre edle Gemüter, in denen der Sinn für das Heilige des Lebens frisch und lebendig ist." Desgleichen wird K. F. Eichhorn, der bekannte Herausgeber der deutschen Staats- und Rechtsgefchichte, der seit 1811 an der Berliner Univerfität Berlin wirkte, ferner der damalige Regierungsdirektor, spätere Staatsminister von Ladenberg,

in einer Uebersetzung; dagegen werden die Werke von Schiller und Goethe nirgends als Lesestoff für jene Unter¬ des Sophokles

haltungsabende erwähnt.

Im Anfange der Jahres 1813 finden die litterarischen Abende häufiger statt; gegen das Ende des Januar aber treten fie, da die politischen Ereignisse alle Gemüter beherrschen und so auch die Abende meist mit derartigen Gesprächen aus¬ gefüllt werden, in den Hintergrund. Auch in unseren Tage¬

Elend noch Witze zu machen wisse. Sie gedenkt der Konven¬ tion zu Tauroggen, und um den Leser darüber nicht im Unklaren zu lassen, auf welcher Seite fich ihre Sympathieen befinden, fügt fie die Worte hinzu: „Gott gebe seinen Segen!" Und als fie am 15. Januar von einer Prügelei, die zwischen Franzosen und Berlinern stattfand, berichtete, erschien ihr auch dies als eine Bethätigung des nationalen Selbstgefühls; „Gott sei Dank — schreibt fie hier — es wird gut; denn die Gemüter kräftigen fich und lernen, was es ist, ein freies Volk zu sein." Die Abreise des Königs von Berlin, die auf den 22. Januar festgesetzt war, betrachtet auch fie als einen Versuch, fich dem umstrickenden Einflüsse der Franzosen zu entziehen: fie berichtet darüber am 19. Januar: „Man hat den Plan gehabt, den König aufzuheben und ihn Gotl weiß wohin zu bringen; alles war die Nacht in Potsdam und der Gegend unter Waffen; die Bürger baten um Waffen, um

ihren König zu beschützen, die Studenten haben sich fest gesetzt und werden fechten, sobald etwas Gewaltsames unternommen werden soll." Von da an nehmen politische Notizen und Betrachtungen in den Tageblättern einen breiteren Raum ein: Nachrichten, wie die von der gewaltsamen Entführung russischer Gefangener, werden als ein wichtiges Symptom für die Stimmung der Berliner Bevölkerung erwähnt; jedes weitere Vorrücken der Als die Schreiberin den Ruffen wird mit Freuden begrüßt.

-^ Bildung des freiwilligen Jäger¬ korps vom 3. Februar las, ruft sie unter Freudenthränen die Worte aus: „Das muß gegen die Erbfeinde sein!" Und am 10. Februar trägt sie in ihr Tagebuch die Worte ein: „Auf allen Gymnasien geht Prima, zum Teil auch Secunda, alle

Auftuf

des Königs über die

Studenten und Eleven, viel Referendarien; sogar einer, der ein krummes Bein hat, war durch nichts abzuhalten, ach! der Enthusiasmus ist doch groß." Am 14. Februar berichtet das Tagebuch von einer Einsegnung der Freiwilligen im sonn¬ täglichen Gottesdienste; an Schleiermachers Predigt vermißt die Schreiberin, so vortrefflich sie gewesen sei, das eigentlich Erhebende; „nach der Predigt — heißt es hier weiter — gingen einige vierzig Freiwillige zum heiligen Abendmahle; ich fand dies so schön, und es war so feierlich und rührend." Auch unter dem 16. Februar verzeichnen unsere Blätter neue schöne Züge von Patriotismus; so wird von einem jungen Menschen berichtet, der so gern mitziehen wollte, aber eine alte Mutter und Schwester habe, für deren Unterhalt er sorgen mußte; nun bekam er von diesen die Aufforderung, er möchte hingehen und für König und Vaterland streiten; sie würden schon durchkommen; ein anderer mit einem krummen Beine ruhte nicht eher, bis ein Rittmeister, dem er ein Pferd vorgeritten hatte, sich bereit erklärte, ihn in seine Schwadron aufzunehmen. Während so das Tagebuch alle Aeußerungen der Vaterlandsliebe mit Beifall begleitet, hat es nur Worte herben Tadels für alle diejenigen, welche sich zaghaft und feige zeigten; auch der Musikdirektor Zelter wird mit einem wenig ehrenden Beinamen belegt, weil er, um nicht anzustoßen, sich weigerte, das Musikwerk „Judas Makkabäus" für die Freiwilligen aufzuführen. Der Auszug kranker Franzosen aus der Stadt wird von der Schreiberin am 18. Februar mit Jubel begrüßt; erschien ihr dies ja doch als ein sicheres Zeichen von dem Heran¬ nahen der Russen, die schon bei Wriezen die Oder überschritten hätten. Auch sonst zeigt sich die Dame als Optimistin: die Nachricht, daß der österreichische Gesandte Graf Zichy den schwarzen Adlerorden erhalten habe, giebt ihr die Gewißheit, daß man auch mit Oesterreich einig sei. Verschwunden ist das Interesse an den litterarischen Abenden; nur noch einmal wird vorgelesen, aber es ist Arndts markiger Aufsatz über Landwehr und Landsturm, der zum Vortrage gelangt und eine solche Begeisterung erweckt, daß er vom Sohne des Hauses zur Stärkung des Patriotismus auch den Dienstboten vorgelesen wird. erschien das erste russische Kosakenstreif,

und Tettenborn, trotz der fran¬ in den Thoren der Stadt. Hören wir darüber unser Tagebuch! „Ich ging in den Garten; der Jubel der Menschenmenge erscholl laut an den Linden; Thränen traten mir in die Augen; Gott! es giebt doch Empfindungen der Wonne, die Jahre von Schmerz nicht auf¬ wiegen können! Bald ritten auch einzelne Kosaken an diesem Garten vorbei; mit lautem Freudenruf reichten ihnen die Bürger die Hände, drückten sie an sich, streichelten die Pferde, reichten ihnen Branntwein und Brod, wiesen ihnen die Wege. Es find garstige, schmutzige Kerle auf Pferden wie Katzen; die aber fliegen wie ein Pfeil; die ganze Erscheinung hat etwas Eigenes, ohne eine eigentliche Uniform, mit einer Pike, korps

unter

Tschernirscheff

zösischen Besatzung,

A--

hin und wieder mit einem Säbel und Pistolen, die sie gespannt Sie erwähnt sodann, wie sich in den Händen halten." eine heftige Kanonade am Brandenburger Thor angehoben habe, diese aber durch ein plötzliches Gewitter zum Schweigen gebracht sei. An diesem und am folgenden Tage machte Berlin den Eindruck eines Feldlagers: Von den Franzosen

...

waren Kanonen auf dem Lustgarten und um das Schloß herum aufgefahren; „die Bürger — heißt es in unseren Blättern — wollten dies nicht leiden und fuhren dreimal die Kanonen weg und vernagellen sie; eine wurde die BreiteStraße hinunter gelöst; die Bürger erklärten, sowie ein Schuß fiele oder sonst eine Unordnung entstünde, schlügen sie alle los, und wahrlich, dies hätte den 3000 Franzosen, die damals übel bekommen können. Am bildeten, die Besatzung 21. Februar waren von den Linden Kanonen nach allen Querstraßen aufgepflanzt, und alle Soldaten biwakierten

Unter den Linden."

Aber dieser

kecke

Ueberfall Tettenborns,

bei

dem

die

Kosaken die Wachen am Oranienburger Thore und am Zeug¬ hause überrumpelt hatten,

war noch verfrüht: die Franzosen

hatten auch ihre in Frankfurt a. O. befindlichen Truppen, unter dem Marschall Gouvion v. St. Cyr nach Berlin zurück¬ gezogen, und das russische Streifkorps konnte sich deshalb

halten. „Am 25. Februar standen die Kosaken noch Unter den Linden", am folgenden Tage halten sie die Stadt geräumt. Aber es war nur ein kurzer Aufschub für die Franzosen; denn die russische Hauptmacht hatte inzwischen schon die Oder auf Brücken passiert und näherte sich der Hauptstadt; am 2. März wagten die Franzosen nicht nrehr die Stadtquartiere zu beziehen und biwakierten auf Am 4. März lag die Schreiberin des dem Wilhelmsplatze. Tagebuches noch im Bette, da hörte man Trompetenklänge, und sofort erscholl der Ruf „die Franzosen ziehen gewiß weg." „Kaum hörte ich dies — so heißt es in jenen

nicht

Blättern weiter — als es wie ein Blitzstrahl in meine Seele fiel: da find die Russen auch schon da. Wir zogen uns an und eilten in den Garten, wo wir die Freude hatten, die ganze Straße voll Kosaken zu sehen; ein Sängerkorps war just an unseren Garten gestellt und sang Volkslieder, alles Viel Menschen standen in den in ergreifenden Tönen. Straßen, doch sah alles aus, als hätte man noch nicht aus¬ geschlafen. Die Kosaken waren sehr munter, einer wollte sich seine

Pfeife anzünden;

lichsten

Der 20. Februar war für Berlin ein ereignisvoller

Tag; denn an ihm

596

einen

Regen

angenehm.

Wir

ich

brachte

brennenden

standen

ihm durch den fürchter¬

Fidibus, er

dankte

recht

ungefähr eine Stunde, der Regen

träufelte von uns herab, noch mehrere Kosakenregimenter defilierten, auf einmal erhob sich ein gellendes Geschrei; alles wies mit den Fingern die Straße hinab: „Franzos, Franzos!" schrie man, mich faßte ein Grauen, ich dachte, sie wollten vor unserem Garten ein Morden beginnen, bald sah ich, daß es 10 bis 12 Gefangenen galt, die zwei Kosaken vor sich Hertrieben. Es war Infanterie, die jammervollsten Gestalten; mit gräßlichem Schaudern drehten sie sich nach ihren Herren um, doch wurden alle gut behandelt.Gegen 9 Uhr bekamen wir große Lust nach dem Schloß zu gehen; da man kommen konnte, so gingen wir hin; versammelt, auch Savignys und der alle waren schon dort Vater. Der General Tschernitscheff war eben zum Prinzen Heinrich gegangen, bald kam nun der wirkliche Einzug; nun noch

ziemlich

hindurch

-e

597

und Baschkieren. Es war mir ganz eigen zu Mute, so viel Freude in aller Brust! Die Bürger drängten sich zwischen den Pferden durch, um den eine

kam

große Menge Kosaken

Die Prinzessinnen standen auf einem Balkon und wurden von den Truppen durch freudiges Hurra begrüßt, was von den glücklichen Bürgern allen Seilen wieder tönte. Die Prinzessinnen wehten Der ganze Schloßhof war von den Schnupftüchern.

Leuten die Hände zu reichen. .

alle ein

von mit

.

.

»■

war der Dank für die Konvention von Tauroggen. Gestern abend wurde überall die Erklärung des Königs über das in der Herrschaft der Franzosen gefällte Urteil über Jork angeschlagen. Das war recht schön, da man nun das Volk autorisierte, ihm seine Jork selbst wird geschildert „als ein Achtung zu beweisen." Mann von fünfzig Jahren, nicht groß, ein sehr blasses Gesicht, erscholl ein lautes

Vivat;

dieser Empfang

die

sieht sehr entschlossen aus, aber streng und kalt, was er auch sein soll; er soll gewöhn¬

Massen gingen da drun¬

lich einen sehr abschrecken¬

Kosaken

besetzt,

und die Ko¬

den Ernst haben; diesen

umarmlen mil so natürlichen Herzlichkeit alles, was ihnen in den Weg kam. und führten vorsichtig ihre Pferde, um nieman¬

sah ich nicht, indem diesen

ten durch, saken

Morgen für seinen Stolz

einer

und seine Eitelkeit soviel geschehen

auch

mußte. kannten,

den zu beschädigen."

versicherten, er

ganzen

vorigen

zusam¬ Leben mengenommen. noch nicht so lange freundlich ge¬

feierlichen Dankfeste, das im Lustgarten abgehalten

in

wie

wesen,

diesen

Tagen hier."

wurde; alles kniete an¬ dächtig nieder unter dem freien Himmel Gottes:

„Die

sein befriedigt Alle, die ihn

in seinem

sei,

Unter dem folgenden Tage (5. März) berichtet die Schreiberin von einem

war, daß er

Mit warmem Blätter

die

sodann

schildern

Russen haben noch

Interesse

den Einzug des

eine unverdorbene

geliebten Königs in die

Frömmigkeit, gegen ihre Freunde viel Inniges, aber gegen alle Fran¬

Hauptstadt am 24. März. Duich Savignys Ver¬ die erhielt mittlung Schreiberin die Erlaub¬ Schauspiel dies nis, vom Univerfitätsgebäude

zosen

eine

fürchterliche

Grausamkeit." Am März fand zu 6. eingezoge¬ der Ehren ein nen Verbündeten

Hofball statt,

bei

Militär —

dem

schreiberin dem russischen

General Dörnberg, dem hessischen

vorgestellt

wurde.

sie

ihn — ein Mann

so

das

auch

gute König,

liebe,

der

der

treue

Führer seines Volks an

„Er

ist

über

kam

Führer der Insurgenten,



berichtet

so

Ereignis — war von Charlottenbnrg bis in die Linden hinunter aufgestellt; bald

sie

unsere Tagebuch¬

ehemaligen

„Das

aus zu betrachten.

der

charakterisiert

Spitze der

preußischen

und

von vielleicht einigen 40 Jahren, recht gut ge¬ wachsen, braunes Haar, schon etwas Platte, leb¬

Per Einzug der Königin £uift in Kerlin am 23. Dezember 1800. Aus: Oskar Höcker „Im Zeichen des Bären" (Verlag von F. Hin u. Sohn in Leipzig.)

russisch-

Generalität,

gewiß hat er nicht

viele ähnliche Momente in seinem Leben gehabt; denn

nie sprach

sich

die

hafte Augen und im Wesen eine gewisse Entschlossenheit, so etwas Treues, recht deutsch. Es war schön zu sehen, wenn die Prinzessin v. H., die sehr gut aussah, mit ihm tanzte, von

Liebe des Volkes für ihn mehr aus als heute; eine zahllose Menge von Menschen war auf das bloße Gerücht hin, daß er käme, versammelt; die Leute banden die Schnupftücher^,an Stöcke,

viel Achtung und Vertrauen." Darauf schildern unsere Blätter den Einzug der preußi¬ schen Truppen unter Aork am 10. März, dem die ganze „Die russische Generalität und Prinz Heinrich entgegenritten. — — Truppen heißt es hier die so brav für die Ehre der Nation gestritten hatten, wurden von den Bürgern mit den lautesten Freudenbezeugungen empfangen; wo Jork sich zeigte;

um desto

beiden Seiten im Gesichte

so

Auf dem Balkon vor dem die ganze war Oranien Palais der Prinzessin von Familie versammelt, und es war rührend zu sehen, wie sich Am Sonnabend, den dort das Vivatrufen verdoppelte." Armee Berlin, von preußische ganze verließ die 27. März, begleitet; Bevölkerung hauptstädtischen den Segenswünschen der „in allen Kirchen war. wie wir aus dem Tagebuche erfahren, sichtbarer

zu

wehen.

598 allgemeiner Gottesdienst angeordnet, Schleiermacher predigte recht schön, alles war tief bewegt, selbst ernste Männer baten Gott weinend für die die heilige dieses Umstandes wegen

Sache."

Sodann wird der Eindruck, den die Nachrichten von den siegreichen Gefechten bei Lüneburg (3. April) und Möckern (5. April) auf die hauptstädtische Bevölkerung machten, ge¬ schildert; am 11. April trafen die ersten Gefangenen nach dem Kampfe bei Lüneburg in der Hauptstadt ein: „Es waren 2500 Franzosen — so schreibt das Tagebuch über ihr Ein¬ treffen in Berlin — und, was mein Herz empörte, auch viele Sachsen. . . . Mir schlug das Herz, als ich die stolzen Franzosen von deutscher Kraft bezwungen sah. Neun Kanonen und mehrere Pulverwagen folgten. Das Volk benahm sich recht schön, nirgends hörte man Spott oder Schmähungen, nur den Sachsen hatten sie hin und wieder zugerufen, ob Deutsche sich nicht schämten, gegen Deutsche zu fechten."

Die Eröffnung des Bombardements von Spandau am 10. April versetzte die Familie der Tagebuchschreiberin in die größte Aufregung; am 11. April schoß es noch in einem fort, und gegen Mittag wollten alle behaupten, ein Pulverturm sei gesprengt; am 20. April begann wieder eine neue Kanonade der Stadt, „der halbe Himmel glühte von dem Feuer, das — wir citieren hier wieder unsere Blätter wörtlich unser

-

eigenes Geschütz in der armen Stadt angezündet halte; man hörte ganz deutlich das kleine Gewehrfeuer, dazwischen immer den gewaltigen Donner der Mörser und Batterien, es machte einen schauerlichen Eindruck; wir waren alle sehr bewegt."

Am Sonntag, den 25. April, empfing die Schreiberin in der Kirche die Nachricht, daß Spandau eingenommen sei, und 8 Tage später wurde dieses Ereignisses wegen ein feierliches Dankfest gefeiert.

Die Nachricht von der Schlacht bei Lützen (2. Mai), die

»-

als ein großer Sieg gemeldet wurde, rief in Berlin ungemeine Freude hervor. Bald wurden übertreibende. Einzelheiten gemeldet; der König selbst sollte eine Batterie erstürmt haben, dem Prinzen Wilhelm sollte ein Pferd unter dem Leibe durch ein Bajonnett erstochen sein. „Alles war — so heißt es in unseren Blättern — in ausgelassener Freude; viele wollten Wir erwarteten mit Sehnsucht eine am Abend illuminieren. offizielle Nachricht; am Abend hatten wir uns zu Bett gelegt, als das Freudenschießen in der Stadt wir es für Brennen hielten."

so

arg wurde,

daß

Aber die Besorgnis, daß die Hauptstadt vielleicht doch wieder eine Beute der Feinde werden könne, veranlaßt den Vater der Schreiberin, seine Familie in sichere Gegenden zu flüchten, und die Befürchtung, daß man später keine Pferde mehr bekommen würde, bestimmt ihn zur Beschleunigung der Abreise. In der Nacht vom 11. zum 12. Mai brach man auf und gelangte unter mancherlei Mühsalen und Schwierig¬ keiten über Müncheberg. Frankfurt a. O., Naumburg a. O.. Sagau, Sprottau und Hirschberg nach Altwasser, und von da, weil sich der Kampf inzwischen durch die Schlacht bei Bautzen wieder mehr in jene Gegenden gezogen halte, und man sich daher auch dort noch nicht recht sicher fühlte, nach Lubie in Oberschlefien, wo man am 6. Juni eintraf. Damit schließt unser Tagebuch.

Alles

geben jene Blätter ein treues Bild Zeit; zugleich charakterisieren sie die Schreiberin

in allem,

der bewegten

nicht nur als ein Wesen, das mit echten weiblichen Tugenden geschmückt,

sondern

auch

durch

eine

seltene Vaterlandsliebe

Wahrlich, wenn die gleichen Empfindungen — mit diesem Gedanken legten wir das Tagebuch aus der Hand — viele Frauen der damaligen Zeit durchglüht haben, so können wir uns nicht wundern, daß deren Gatten, Brüder und Väter so glänzend zu siegen verstanden. ausgezeichnet war.

Klrine Mitteilungen. Girr Kujjeni«

Moihrrachtssosictierrlr

fär

die gevlittev

ist soeben im Verlage von Ferdinand Hirt u. Sohn in Leipzig erschienen. Das Werk betitelt sich: Zeichen der Büren" und hat den bekannten Volks- und Jugendschriftsteller Oskar Höcker zum Versager. Da? Buch enthält zwei kulturhistorische Erzählungen, welche in erster Linie für die reifere Jugend bestimmt sind, welche jedoch auch jeder Erwachsene bis zur letzten Zeile mit Interesse lesen wird, da sie ein getreues Abbild der Zeit geben, in welcher ste spielen, und da sie auf ein¬ gehenden allgemein historischen und lokalhistorischen Studien beruhen. Die

„Im

Erzählung: „Die Jagd nach Gold" spielt anfangs diS vorigen Jahrhunderts und führt uns an historischen Persönlichkeiten den ersten König in Preußen, seine geistvolle Gemahlin, Leibniz, den Phantasten und glücklichen Erfinder Böttger, den berüchtigten Schwindler Ruggiero vor; sie erste

und auch ebenso die Personen zweiten Ranges sind echt und lebenswahr gezeichnet, und das kulturhistorische Bild ist gut und treu zur Darstellung gekommen. Die zweite Geschichte „Ein einig Volk von Brüdern", welche ebenfalls in Berlin spielt und zwar zur Zeit der Erniedrigung und der beginnenden Befreiung Preußens, bietet ebenfalls ein sehr interessantes Bild der Zeit; sie wird um so lieber gelesen werden, als der Verfasser bei allem berechtigten und bewährten Streben nach Wachhaltung und Er¬ weckung der Vaterlandsliebe doch weit entfernt von irgend welcher unbe¬ gründeten oder gehässigen Herabsetzung des Feindes ist. DaS vortrefflich ausgestattete und reich illustrierte Werk saus Seite 597 geben wir eine

Probe-Jllustrationj dürste in der großen Flut der litterarischen Erscheinungen für die reifere Jugend, die auch der diesjährige Büchermarkt gebracht hat, gerade für die Berliner Jugend (von 14 Jahren an) ein sehr empfehlens¬ werter Weihnachtsgeschenk sein, da es geeignet ist, die Liebe zur Geschichte der Vaterstadt

neben

der

zum

großen deutschen Vaterlande zu erwecken.

Hiermit soll nicht gesagt sein, daß das schöne und wohlfeile Werk (Preis gbd. 6 Mk.) sich gerade nur für den Berliner Jungen eignet: im Gegen¬ teil, er wird im Herzen jeder deutschen Jungen Freude he. vorrufen, und sei nochmals warm empfohlen. — Der Verfasser des Buches ist allen Berlinern als früherer Regisseur des Lessing-TheaterS bekannt. Oskar Höcker erlag im Sommer 1694

einem Nervenleiden, zu früh für die deutsche Schauspielkunst, zu früh für unser Jugend- und Volksschrifttum. Der Verstorbene hatte durch künstlerisches Feingefühl, durch die stille Beschaulichkeit seines Humors und die Innigkeit schlichter Gestaltung unter den Schauspielern der Reichs¬ hauptstadt einen ganz hervorragenden Rang eingenommen. Unvergeßlich wird er allen Besuchern der Lessing-TheaterS als der alte Doktor in Blumenthals „Großstadtluft" bleiben. Mitten in voller Schaffenslust, beim Studium neuer Charakterrollen ereilte ihn das heimtückische Leiben, dem er zum Opfer fiel — Oskar Höcker ward am 13. Juni 1840 zu Eilenburg geboren. Vom Studium der Naturwisienschaften wandte er sich, angeregt durch Karl Gutzkow, der Bühne zu. Seit 1849 war er schau¬ spielerisch in Bremen, Rostock, Reichenberg, Stettin, Meiningen, Karlsruhe und Berlin, hier zuerst am Deutschen Theater, thätig. AIS Jugend- und Volksschriftsteller hat er sich einen sehr geachteten Namen geschaffen: DaS vorliegende Buch „Im Zeichen deS Bären", dessen Erscheinen er nicht mehr erleben sollte, charakterisiert auss neue seine hervorragende Begabung für volkstümliche Darstellung.*) —s.

*) Die weiteren Jugendschriften OSkar Höckers, die im Verlage von F. Hirt u. Sohn in Leipzig erschienen, sind: Der Schisfsjunge deS Großen Kurfürsten. — Der Seekadett von Helgoland. —

Kadett und Feldmarschall. — Husarenkönig und Kürassiergeneral. — Mit Gott für König und Vaterland (1813). — Im Preis gbd. je 5 Mk. — Rock der Königs (1864, 1866, 1870/71). Die Brüder der Hansa. — Auf der Wacht im Osten. — Steg¬ reif und Städtebund. — Im goldenen Augsburg. Preis gbd. je 6 Mk. — Das Ahnenschloß. Kulturgeschichtliche Erzählungen aus vier Jahrhunderten: Der Erbe des Pfeiferkönigs. AuS dem

In

heimlichem Bunde. AuS dem Jahr¬ Reformationszeitalter. — hundert des großen Krieges. — Zwei Riesen von der Garde. AuS der Zeit des Zopfes und der Wachtparade. — Deutsche Treue, welsche Tücke. AuS der Zeit der Befreiungskriege. — Der Sieg des Kreuzes. Kultur- und religionsgeschichtliche Bilder von der Entwickelung des Christentums. Unter dem Joche der Cäsaren. AuS der Zeit

-« — soeben

Das neue Hertiner AdrvHvuch

bei

August Scherl,

599

für 1896 ist Für

dem bekannten Gründer und Besitzer der „Berliner Lokal-AnzeigerS" erschienen. Geradezu erstaunt muß jeder Fach¬ mann sein, daß eS möglich ist, diesen gewaltigen Band sür 6 Mk. zu liefern; man sollte glauben, daß allein der Einband ein Drittel der Preises verschlingt. Die typographische Ausstattung ist vorzüglich, der Druck klar, die Anordnung übersichtlich, das Papier haltbar, ebenso der Einband. Das gewaltige Buch ist aber unhandlich, und später dürste eine Teilung nicht zu umgehen sein, wenn dies auch den Preis etwas er¬ höhen wird. Die Gruppierung ist im wesentlichen dieselbe wie in dem Löwenthalschen Adreßbuch, doch ist der Teil übe: die Behörden und öffent¬ lichen Einrichtungen vorangestellt, dann folgt das Verzeichnis der Ein¬ wohner, das der Straßen und Häuser, das Verzeichnis der Handel- und Gewerbetreibenden und zum Schluß der Vororte Bei diesen ist Steglitz mit aufgenommen, was einem längst gefühlten Bedürfnis entspricht. Dar Einwohner-Verzeichnis ist sehr reichhaltig, es sind auch sehr viele Persönlich¬ keiten, welche keine eigene Wohnung haben, Schriftsteller, Künstler u. s. w., sowie kleine Haushaltungen verzeichnet, die man in dem bisherigen Adreßbuch vergeblich suchte. dem StraßenvcrzcichniS ist der jeder Straße vorangestellte Situationsplan sehr praktisch; dar Verzeichnis der Handel- und Gewerbetreibenden ist ungemein reichhaltig, die Aerzte und Rechtsanwälte sind im ersten Teile aufgeführt. Ein dem ganzen Bande vorangesetztes Sach-Register orientiert über die gesamte Anlage und Ein¬ richtung des Buches in sehr kurzer Zeit. Besondere Hervorhebung ver¬ dienen die sehr anschaulichen Pläne aller Theater und der sehr gute Plan von Berlin, der eine genaue graphische Darstellung der VerkehrSeinrichlungen (Pferdebahn, Dampfstraßenbahnen u. s. w) enthält. Aller in allem: eine sehr hervorragende Leistung, die dem Organisationstalent August ScherlS alle Ehre macht! Fehler im einzelnen sind vorhanden; sie dürfen aber, so unangenehm sie auch sür den sind, deffen Adresse falsch verzeichnet ist, nicht zu einem absprechenden Urteil über daS Ganze führen. Einen fehler¬ losen Adreßkalender giebt eS nun einmal nicht, dies liegt in der Natur der Sache. Ich habe den neuen Adreß-Kalender eine Woche benutzt, habe mehrere hundert Adreflen nachgeschlagen, aber nur drei salsche gesunden, darunter zu meinem Bedauern meine eigene. Fehler im einzelnen sind eben von einer solchen SisyphuS-Arbeit nicht zu trennen. — Interessant ist ein Vergleich zwischen dem Schrrlschen Riesen-Adreßbuch mit seinem welt¬ städtischen Gepräge urd dem ersten Berliner Adreßbuch vom Jahre 1718. DaS letztere bescheidene Büchlein befindet sich in der Magistrals-Bibliothek, er ist ein Oktav-Bändchen von 174 Seiten, das den Titel führt: „Adre߬ kalender der König!. Preuß. Haupt- und Residenzstädte Berlin und da¬ selbst befindlichen Königl. HofeS. Auch anderer hohen und niederen Kollegien, Jnstantien und Expeditionen Auf daS Jahr MDCCXIII. Mit Hils und Approbation der Königl. Sozietät der Wissenschaften." Ein längeres Vorwort schließt folgendermaßen: „Vornehmlich aber will man nochmals aufs feyerlichste bedungen haben, daß wo jemand an seinem Charakter, Namen oder Ordnung verkürtzet seyn möge, solcher nicht als aus Vorsatz geschehen, aufgenommen, viel weniger zu einigem Nachtheil gemeint oder gedeutet werden möge, hingegen auf geschehene Anzeige willigst ge¬

In

R. G.

ändert werden solle."

KScherttsch.

Fanden und Stranden. Gustav Falke.

Berlin.

Ein Hamburger Roman von Verlag der Vereins sür Freier Schrifttum.

Mk. — Ohne Jahreszahl.

2 Bände. Preis: 6 Selten hat ein Schriftsteller er wie Falke verstanden, die intimsten Seiten der Volkslebens zu belauschen und sie so treu und wahrhaftig zu schildein, wie dies im vorliegenden Romane geschieht DaS kann nur jemand, der mitten drin gestanden hat im flutenden Leben und der mit warmem Herzen aufzunehmen versteht, war dies Leben im Kleinen und Kleinsten bietet. Wie die Kreise der unteren VolkSklaffen und der verbummelten Genies (beide berühren sich oft) zu empfinden und zu reden gewohnt sind wie sie leiden und sich freuen — das ist scharf beobachtet und gut erzählt. Freilich ist auch, und daS gehört ja in jenes Bild hinein, erzählt wie solche Menschen sündigen, und dar beschränkt den Leserkreis des BucheS: ich werde eS weder meiner Frau, noch meiner Tochter als Lektüre geben. Und dem Verfaffer kann der Vorwurf nicht erspart werden, in dieser Beziehung zu breit geworden zu sein; weshalb der Nachtseiten so viele herauskehren, wo doch auch des Lichtes genug vorhanden ist? DaS Schlimme mag wahr sein, dar Gute ist eS aber nicht minder, und es fehlt auch im Leben nicht daran. P. B

Am Seoienteioptfsn.

Neue

Kurzgeschichten

von

Karl Pröll.

Berlin, Verlag von Hugo Storm. Preis 8,60 Mk.. gbd. 3,50 Mk Der bekannte deutsch - nationale Schriftsteller zeigt sich in diesen „Kurzgeschichten" als ein feiner Kenner der menschlichen Seele und als ein scharf blickender Beobachter des menschlichen Lebens und Treibens. Er giebt Ausschnitte aus der Wirklichkeit in packender Schilderung und mit schalkhaftem Humor. Niemand wird diese „Kurzgeschichten," die von großer Lebens- und Menschenkenntnis Zeugnis ablegen, ohne innere Befriedigung und ohne Anregung lesen.



e.

Kaisers Hadrian. — Durch Kampf zum Frieden. Zeit der Christenverfolgung unter Diokletian. — Zwei Streiter des Herrn. Aus der Zeit der Merowinger. — Ein deutscher Apostel. Aus der Zeit der heiligen BonifaciuS. — WuotanS Ende. Aus der Zeit der Kämpfe Karls der Großen. (Preis gbd. je 3 Mk.) des

S-Zeit uttfc Ewigkeit.

Denksprüche einer VaterS. Don Leipzig, Verlag von Georg Wigand. Preis 2,^0 Mk. Diese „Denksprüche eines Vaters", zu welchen Hosprediger Frommes eine empfehlende Einleitung geschrieben hat, stehen auf positiv-christlichem Standpunkt. Sie geben in sentenzenartigen Aussprüchen Ansichten einer Mannes über Gott und die Welt wieder, für den der Glaube eine gewisse Zuversicht ist. Die Denksprüche verdienen ihres religiösen und sittlichen GehalteS wegen die weiteste Verbreitung. Sie sind ein Fesigeschenk, daS — e. in jedem christlichen Hause Freude hervorrufen wird.

Otto Schlapp.

Inhalt:

Der letzte ASkanicr in Wittenberg. Historische M. von Buch. (Fortsetzung.) — Die 44. GeneralVersammlung der Gesamtvereins der deutschen GeschichlSund Altertumsvereine zu Konstanz. (Schluß.) — Die Kaiser Friedrich-Gedächtniskirche. (Mit Abbildung.) — Ein Berliner Tagebuch aus demJahre1813. Mitgeteilt von Prof. vr. Haffencamp. — Kleine Mitteilungen: Ein Weihnachtsgeschenk für die Berliner Jugend (Mit Abbildung.) — DaS neue Berliner Adreßbuch. — Bücher¬ Erzählung von

lisch. —

Anzeigen.

Facettiertes Feuer. Man schrieb ehemals dem Granatapfel die Macht zu, daß sein Genuß Liebe zu erwecken vermöge. Die Frauen von heute sind klüger, sie haben erkannt, daß eS kein wirksameres Zaubermitlel giebt als: die eigene Schönheit durch klug gewählten Schmuck zu heben. Deshalb haben sie auch dem Granatapfel den Laufpaß gegeben und halten sich lieber an seinen Namensvetter aus dem Mineralreiche, an den in vor¬ nehmer, dunkler Pracht erglühenden Granat. Man kann sich auch nicht leicht eine reizendere Augenweide denken, als einen zarten Frauenarm oder einen weißen Nacken, aus dem in goldener Faffung die steingewordene Glut der Granaten funkelt. Dar haben schon unsere Urgroßeltern ge¬ wußt und dem schönen roten Juwel gerne Raum in ihrem Schmuckkästlein Aber welcher Unterschied zwischen jenen Granaten, die unsere gewährt. Großmütter trugen, und jenen prächtigen Juwelen, die heute unter diesem Namen daS Entzücken der Damenwelt bilden! DaS edle Material war wohl dazumal dasselbe, aber der fortschreitende Kunstfleiß hat eS erst in unseren Tagen zustande gebracht, durch musterhaften Schliff das ganze Feuer zu entfachen, dar in diesem Edelsteine schlummerte. Unter den Firmen, welchen dar Verdienst gebührt, neuerdings die Aufmerksamkeit der Frauenwelt auf den Granat gelenkt zu haben, ist die Firma Reimann die bedeutendste. Er ist ein geradezu märchenhast schöner Anblick — dieser Funkensprühen und Leuchten in dem Schaufenster des Etablisiements Friedrichstraße 189, zwischen Mohren- und Kronenstratze, dar fast ver¬ wirrend wirken müßte, wenn er nicht durch maßvoll edle Formen gebändigt würde. DaS ist eben auch ein Hauptverdienst dieser Firma, daß auch die Faffung den strengsten Anforderungen entspricht. Namentlich in der Wahl der Materials, dar den Glanz des EdelsleineS zu heben berufen, herrscht hier eine Erfindungsgabe, die wahrhaft bewunderungswürdig ist. So ist eS einer der glücklichsten Einfälle, die Perlmutter nit ihrem lichten, leicht irisierenden Schimmer als Unterlage für das volle saftige Rot des Steines zu verwenden; die zierlichsten Nippes und Gebrauchsgegenstände sind in diesem Material hergestellt, und neuestenS ist der Firma in gleicher Weise der Versuch, Galanteriegegenstände auS Leder und Bast, als Cigarren-, Cigaretten- und Brieftaschen u. s. w., durch Granatenauflagen zu schmücken, vortresflich gelungen — Wir glauben daher jetzt beim Herannahen deS WeihnachtsfesteS denjenigen, welche in Verlegenden sein sollten, waS und wo am besten kaufen, einen nützlichen Wink zu erteilen, indem wir diese solide Firma bestens empfehlen. — Bei Reimann wird niemand durch ausdringliches Zureden beim Kaufen geniert, die Bedienung ist höflich und zuvorkommend, die Preise siad sehr billig, und die Waren sind, wie allgemein bekannt, streng reell; diesem GeschästSversahren Reimann ihren von Jahr zu Jahr sich ververdankt die Firma größernden Umsatz in Berlin und weit darüber hinaus, sie hält fest an dem Grundsätze: Die Grundpfeiler, auf denen sich daS Vertrauen zu einer Firma ausbaut, sind Reellität und Leistungsfähigkeit; beide besitzt sie.

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Verantwortlicker Redakteur: Rickard George, Berlin W. 57, Culmstraße 25. Verleger: Fr. 3*Hessen in Berlin N. 58., Schönhauser^Allee 141, Druck der Buchdruckerei Gulenberg, Berlin N., Schönhauser Allee 141a. — Abdruck ohne eingeholte Erlaubnis ist untersagt.

herausgegeben von

Friedrich Lilleffen XXI. Jahrgang.

M 61.

Der

„Bär"

und

Nichgrd George. 21.

erscheint wöchentlich ain Sonnabend und ist durch jede Postanstalt ■

1617

am

3. Dezember

Kersten Grunows Wittwe

ist ferner Gertrud Mühlenbeck,

(in

den Akten die Grunowsche ge¬

nannt) mit Zangen gezogen und lebendig verbrannt worden. „Sie ist eine Haupt-Zauberin gewesen und hat fast die andern alle veroffenbahrel und angegeben

"

1617 wurde Barbara Habedanck, Fleischermeister Balthasar Kluges Eheweib, auf die Aussagen der gleichfalls in Haft eingezogen; gefänglich befindlichen Gertrud Mühlenbeck späterhin ist auch ihr Ehemann Kluge ins Gefängnis gelegt Sie war von der Mühlenbeck (Grunowsche) be¬ worden. schuldigt worden, daß sie den Drachen, welcher Hans heiße, in einer mit Werg gefüllten Tonne halte und füttere, und daß sie eine ärgere Zauberin als sie, die Mühlenbeck, wäre. Auch viele von anderen Personen angebrachte Beschuldigungen ergeben die Akten: Kluge sei mit seinem Weibe von Spandau sehr armselig nach Bernau gekommen und Hierselbst bald wohlhabend und Besitzer eines Brauhauses und von Ländereien u. s. w. geworden, „natürlich nur durch den Drachen." welchen man oft des Nachts „feuerrot brennend" in Kluges Brau¬ haus habe ziehen sehen, wonach dann immer den Nachbarn Malz fehlte. Die Frau des Kluge habe ganz heimliche Dinge gewußt, z. B. alles, was ihre Gesellen auch außer¬ halb vollbrachten, namentlich wie viel Geld dieselben auf dem Lande

für Vieh ausgegeben hätten.

Auch sei die Frau,

als ihr Gesinde sich im Garten durch „Bescherben und Semmelessen u. s. w." vergnügt und dabei die Arbeit vergessen habe, plötzlich in Gestalt eines schwarzen Vogels (Stars) mit langem Schwänze erschienen und habe den Leuten zugerufen:

„So

gehts,

so

gehts!"

Ihre

Gemeinschaft mit dem Satan

habe man daraus geschloffen, daß einer ihrer Gesellen etwa um Mitternacht in der Klugeschen Wohnung, als sich die Kluge aus ihrer Schlafkammer nach der Wohnstube begeben, ein großes „Gebrumme" vernommen, worauf dann die am Kachelofen fitzende Kluge heftig „gegünselt" habe, als füge ihr jemand ein Leid zu. Das sei aber der Satan gewesen,

über die Frau „hergemacht" habe. Die Frau habe auch schon öfter, wenn sie den Teufel erwarte, sich das Ge¬ sicht mit Mehl geweißt und sich „wie ein Geist" gekleidet, der

sich

und Gesinde zu verscheuchen. Als sie einmal sagte, daß ihr kleiner Finger ihr alles sage, was im Geheimen geschehe, habe der eine Knecht ihr zugerufen : „Frau, um vorher Gesellen

der Finger thut es nicht, sondern der leidige Teufel," worauf sie sich sehr erschreckt hätte. — Auf dem Hofe des Kluge seien zwei schwarze Hunde gesehen worden, welche wie Katzen einen

„Da man die Frau eingezogen, haben die Nachbahrn, wie auch die Dröscher in der Scheune und üm sein Hauß ein greßlich Gebrülle, als eines Löwen gehöret, welches anfangs etwas dumpficht gegangen. Hernach¬ mals wäre es so entsetzlich geworden, daß sie alle dafür ein hohen Zaun erklettert hätten.

Grausen

bekommen,

welches

zu zweyenmahlen, des Abends

6, und des Nachts üm 12 Uhr. gehöret worden." — Der Ehemann Kluge habe sich dadurch verdächtig gemacht, daß er „Gürgen Schmedicke, der nur arm, gesaget. er solle ihm nur 3 Tröpflem Bluts aus dem Mittelfinger seiner rechten Hand geben, so wolle er ihm sein Lebtage lang Geld genug verschaffen. Wie denn auch dieser Kluge einen Vogel oder Hahn von ungewöhnlicher Größe unter der Treppe ge-

üm

füdet (gefüttert) habe." — Und noch verschiedene andere tolle Dinge wurden den Kluges zur Last grlegt. — Da Kluge

-e

608

unt Ansetzung seiner Mittel sein Weib und auch sich auf das äußerste verteidigte, auch seine und seiner Frau Verwandten zu Spandau den beiden Angeschuldigten nach allem Vermögen beistanden, so zog sich der Prozeß über 4 Jahre hin und Der Kluge starb schon vor verursachte ungeheure Kosten. Beendigung des Prozesses im Gefängnis und wurde (da ihm der Kirchhof laut Entscheidung der Juristenfakultät zu Frank¬ furt a. O. versagt blieb) „auf einem grünen Berglein beym Klause-, oder Crucifix-Hause vorm Berlinischen Thore" be¬ graben. — Die Klugesche Freundschaft führte den Prozeß weiter und holte ein Urteil der Juristenfakultät zu Helmstädt ein, welches die Angeklagten freisprach und bestimmte, daß Kluges Körper wieder ausgegraben und auf dem Kirchhofe „christlich und ehrlich" bestattet werden könne. — Jedoch weil der „hexenstörrige" Bernauer Rat nunmehr gegen das Helm¬ städter Urteil appellieren wollte und die Klugesche Freund¬ schaft des Prozesfierens müde wurde, so kam ein Vergleich zustande, wonach jeder Teil für sich die Kosten zu tragen hatte und Kluges Körper nicht wieder ausgegraben werden durfte. Nach abgelegter Urfehde wurde Frau Kluge nach Ljähriger Hast wieder in Freiheit gesetzt. Die Unglückliche starb aber bereits am 19. September 1630 Hierselbst an der Pest.

-

1618 wurden Bürger und Bäckermeister Gürgen Crone und sein Eheweib Emerentia Flörickens, Tochter des Sydower Krügers, durch die Angaben einer anderen der Zauberei be¬ schuldigten Frau gefänglich eingezogen. Verdächtig hatten sich dieselben dadurch gemacht, daß sie aus ihrer Armut schnell in Wohlstand gekommen waren, sich prächtig kleideten, Gast¬ mähler ausrichteten und „Brot und Semmeln von schönstem Geschmacke und so schön aussehend, wie Citronen und Pomeranzen,

backten und

feil hielten," „was nur mit Hilfe

Crone ließ zu seiner und seiner Frau Verteidigung aus Berlin einen geübten Advokaten eines bösen Geistes geschehen sei." kommen.

Derselbe

Hause Wohnung.

nahm in dem

„Da

siehet

er

verlassenen

Croneschen

eines Morgens

an

dem

Backofen ein greuliches Ungeheuer, welches beschäftigt gewesen, Entsetzt hierüber eilt er zum das Brodt hineiuzuschieben."

Bürgermeister, erzählt das Gesehene und sagt: „Ein Ehrbarer Rath sollte nur zufahren und dieses Hexengeschmeiß verbrennen lassen." Hierauf sind Crone und seine Frau nach eingeholtem Urteil der Frailkfurter Juristenfakultät verurteilt worden. Der Mann wurde am 24. April 1618, die Frau, welche vorher noch

entbunden

werden

mußte,

erst

am

31.

Juli

lebendig

verbrannt.

1619 kam auchOrthie Meermanns. Thomas Selchos Wittwe, in den Verdacht der Zauberei; schon ihre Mutter und Gro߬ mutter waren etwa 40 Jahre früher (jedenfalls nicht in Bernau) wegen Zauberei verbrannt worden. Die Meermann wurde schon 1617 durch die erwähnte Grunowsche als Zauberin angegeben. Vielerlei Beschuldigungen wurden der Meermann vorgehalten: Sie habe einen Drachen, welcher Klaus heiße und ihr von den Böden der Nachbarn Malz und Korn zutrage; man habe den Drachen öfter aus- und einziehen sehen, zuletzt am 28. November, morgens 6 Uhr, in „gantz feuriger und hellbrennender Gestalt." — Sie soll auch früher ihren Mann vergeben haben; auch einer Frau Kröchelin sei von ihr ein Eierkuchen vorgesetzt worden, in welchem man „Haare und Blut" vorfand. — Konrad Tiechel,

St¬

ein Nagelschmiedegeselle, habe mit großem Entsetzen gesehen, wie sich ein „greulich schwartzes Ding als eine große Ganß dem Meermannsichen Hause Abends um 9 Uhr genähert und auf das Dach wie ein Knepper (Storch) niedergelassen habe."

— Als ihr Nachbar einmal über

schlechte Geschäfte geklagt,

ihm die Kellerthür mit einem Spruche geöffnet, worauf am anderen Tage so viele Kunden herzugelaufen seien, daß dieser Nachbar, Adreas Hanne, eine halbe Last Bier ausschenkte. — Als die Meermann gefänglich eingezogen war, habe es in ihrem Hause dreimal geklopft, worauf es Nachts daselbst „gefleddert, als wenn Gänse mit den Flügeln ge¬ schlagen. dabey es sehr gelermet, als wenn ein großer Malz¬ — Standhaft in der ersten Tortur, sack niedergefallen." leugnete die Meermann ihre Schuld, weshalb die Frankfurter Fakultät eine schärfere Tortur durch einen wohl erfahrenen Scharfrichter, „welcher dergleichen Personen mehr unter seiner Gewalt habe," anordnete. Da nun aber inzwischen bei einem großen und höchst schädlich gewesenen Gewitter ein sich wild geberdendes nacktes Weib an mehreren Stellen in der Bernauer Feldmark gesehen worden, so fürchtete die Bürgerschaft die Rache der Hexengeister und hinderte den Rat durch einen Volksauflauf, die Meermann aufs neue foltern zu lassen. („So unbeständig ist der gemeine Mann. Wir haben vorher gesehen, daß jeglicher unter ihnen daraus gedrungen, es sollte die Hexen-Jnguifition mit aller Macht fortgesetzet werden, itzo aber erhället das Wiederspiel und jedermann will, daß es nicht geschehen solle." Seiler.) Der Kurfürst aber wollte es anders; der Aufstand der Bürger wurde von ihm ernstlich gerügt und dabei angeordnet, daß die Tortur abermals in schärferer Weise vorgenommen werden solle, was denn auch geschehen, aber wieder ohne gewünschten Erfolg, da die Tochter der Unglücklichen, die Katharina Selchos, welche später auch verbrannt wurde, der Mutter ihren bösen Geist ins Gefängnis geschickt, welcher diese eingeschläfert und ihr dadurch die Schmerzen abgenommen habe. Die Meermann ist aber bald nach den Folterqualen im Gefängnis verstorben: Denn es geschah, als am anderen Morgen die Tortur zum dritten Male vorgenommen werden sollte, daß die Tochter nochmals ..ihren habe

sie

bösen Geist

beordert,

welcher

der Mutter,

ehe

sie

mehrere

Bekänntniß thäte, den Hals umdreht." „Denn da die Mutter des Morgends vor der abermahligen Tortur auf den Hof gehen will, üm ihre Nothdurft zu thun, sie aber, weil sie von der vorigen Peinigung gantz entkräftet worden, weder gehen noch stehen können, nimmt sie der Wächter auf den Rücken und träget sie hinaus. Sobald er mit ihr auf den Hof gekommen, kömmet eine große Menge von allerhand Vögeln, als Raben, Nachteulen rc., fliehen üm des Hüters

Kopf herum, daß er sich kaum derselben erwehren kann. Hierauf er sie zwar zur Buße ermahnet, aber da er sie wieder hineingetragen und nunmehro wieder auf ihr Lager legen will, befindet er sie todt, und daß der Hals ümgedrehet worden sey, welches sonder Zweifel durch des Satans Gewalt Daher derm auch die gelehrte Frankfurter geschehen." Fakultät bestimmte, daß der Körper nach dem Hochgerichte geschleift und daselbst verscharrt werde, welches am 19. Mai 1619 durch die Henkersknechte ausgeführt worden ist. 1620, am 8. November, ist Dorothea Hellwiegs, Hans mit Zangen gerissen und lebendig ver¬ brannt worden wegen Zauberei. Eckmanns Ehefrau,

—*3

609

1620, am 19. Dezember, wurde der Körper der Katharina Schultzen, Melchior Müllers Witwe, öffentlich verbrannt. Dieselbe war wegen Zauberei verhaftet worden, starb aber bereits am 27. November im Gefängnis. (Schluß so'gt.)



Kleine Mitteilungen. Das Porträt d-er Königin Kurs« „Mitteilungen des Vereins für mit gütiger Genehmigung der Redaktion

nehmen wir den

Berlins"

(Seite 609) ent¬ die Geschichte Herr derselben.

Dr. G. Brendicke,

unser Mitherausgeber, schließt aus der Ueberschrist nie veröffentlichten Porträts, dessen Original sich im Besitze der Kunsthandlung von Zahn u. Jaensch in Dresden befindet und käuflich ist, daß dasselbe auS späterer Zeit stammt, da die Ueberschrift lautet: .Luise Königin Preußen geb. 1776, von ES wäre aller¬ ff 1610." dings auch möglich, daß diese Ueberschrist ein späterer Zu¬ satz ist oder daß vaS Bild unmittelbar vor dem Ableben Die der Königin entstand. edle Frau ist auf dem Porträt in all ihrer Lieblichkeit und Das Schönheit dargestellt. Original zeigt die Königin im lilaseidenen Kleid mit hochblondem Haar und recht frischer Gesichtsfarbe. Die deS noch

A-— einigung der Herzogtümer mst Preußen wurde eine Kadettenanstalt im Schlöffe untergebracht. — Dar Gymnasium zu Plön ist ein Königlicher und wurde 1704 vom Geheimrat v. Breitenau gestiftet. ES steht seit Ostern 1889 unter Leitung deS Direktors A. Fink, eines thatkräftigen Schulmannes, der auf eine 24 jährige Thätigkeit als Lehrer zurückblickt. Bevor er das Amt als Direktor übernahm, war er Oberlehrer in Meldorf. Die Anstalt hat einen Etat von 44100 Mk. Die Schülerzahl, die sich auf acht Klaffen und eine Vorschulklasse verteilt, ist nur gering und be¬ trägt rund 100. Die Stadt Plön selbst ist ein kleines Städtchen, das nach der Volkszählung von 1890 nur 3212 Einwohner hatte.

Knn Kor Ausschmückung der Sieges - AUve durch Siidwerke hot man lange nichts vernommen. Der Plan

sondern wird in aller Stille weiter ver¬ folgt. Der Kaiser hat, wie man hört, aus den Archiven das einschlägige Material eingefordert, um die Frage zu entscheiden, welche Männer als Vertreter der einzelnen Epochen zu wählen sind. Eine Zahl von Bild¬ hauern ist befragt worden, welche Art der Ausführung sie empfehlen

ist jedoch keineswegs aufgegeben,

In Künstlerkreisen würden. wird angenommen, daß ganz plötzlich einmal der fertige Plan veröffentlicht und die Austräge gleichzeitig vergeben werden. — Eine itttcrVfscmie Krieskarto besitzt daS

ReichSpostmuseum zu Berlin. Sie bildet einen Beitrag zur der Verteidigung Geschichte ChartumS durch General von Gordon und ist dem Post¬ museum von der ägyptischen General - Postdirektion über¬ Sie ist die lassen worden. Brieskar'e der letzten ordent¬ lichen Post, welche aus dem Chartum abge¬ belagerten konnte. werden sandt arabischer Das in Papier abgefaßte Sprache trägt dar Datum vom 4. No¬ vember 1884 und vergegen¬ wärtigt den Zeitpunkt der gänzlichen Unterbrechung jeder geregelten Verbindung ChartumS, den Beginn des letzten Zeitabschnitts in seiner Ver¬ teidigung, welche nach wei¬ teren vier Monaten zähen Widerstandes mit dem tra¬

Bemalung erstreckt sich bis unter die Umrahmung hin¬ weg, so daß dar Bild ur¬ sprünglich jedenfalls einen größeren Umfang hatte, also vielleicht als Hüftbild gedacht — e. war

— Dos treuen Kol¬ kes Kieke. Aus den Geburtstag, den die Königin Luise in Berlin ver¬ lebte, den 10. März 1798, hatien der Hofmedailleur LooS und deffen "Söhne eine in ersten

unseren Tagen äußerst selten Medaille angegewordene tertigt, deren Vorderseite das Brustbild der Königin zeigt mit der Umschrift: „Luise Auguste Wilhelmine Amalie,

Königin von Preußen", wäh¬ rend die Rückseite einen Kranz von Rosen (als Sinnbild der Freundschaft und Liebe), Lilien (Sinnbild der Tugend und Unschuld), und KonvaSvuluS (Sinnbild ehelicher Zärtlich¬ keit) zeigt, der die Worte ein¬ schließt: „DeS treuen Vol¬ kes Liebe wand dankbar

diesen

Kranz.

10. März 1798."

Den

E, K.

gischen Untergange GordonS ihren Abschluß finden sollte.

E. K.



Kalk Kieken.

im Riesen¬ war ein LieblingSFriedrich aufenthalt König Wilhelms III. von Preußen. Er hatte die Besitzung vom General Gneisenau gekauft. ErdmannSvors gebirge

In

Königin Kuise von Preußen. Das Original befindet

stch

(Text S. 609.)

im Befitzc der Kunsthandlung von Zahn u. Jaensch in Dresden.

Dte Uokerstodoluug der ältesten Prinzen

Plön erfolgt zu Ostern; Hofmarschall von Lyncker trifft bereits an Ort Herrliche Parkanlagen umgeben dar alte Stelle Vorkehrungen. Fürstenschloß Plön, um welcher blutige Kämpfe geführt worden sind. Vor 750 Jahren nahmen die Holsteiner er den Wenden ab. Im Jahre 1173 wurde dar neue Schloß auf dem Platze, wo es jetzt steht, von dem Grafen Adolf II. erbaut, aber es blieb lange umstritten; 1181

nach

und

wurde eS von Heinrich dem Löwen erobert, dann fiel es in die Hände von Adolf III., aber 1189 nahm Heinrich es wieder, bis er 1201 von den Dänen unter Waldemar II. erobert wurde. Seit dem 14. Jahrhundert ist es die bleibende Residenz der Plöner Herzöge der Schleswig-Holsteinischen Fürstenhauses geblieben. Im Jahre 1761 kam es durch Vertrag an die Der dänische König Christian VII. hat wiederholt in Königliche Linie. den vierziger Jahren in Plön residiert, sein erster Sohn liegt auch in der Kapelle der Schlaffer bestattet. Das jetzige Schloß ist vom Herzog Joachim Ernst 1636 erbaut; er hat dicke, feste Mauern, drei Stockwerke, zwei Türme, zwei nach Süden gerichtete Flügel und zwischen diesen einen ge¬ räumigen Hofplatz. Bon den Schloßtürmen und der das Schloß um¬ gebenden Schloßterraffe genießt man eine ausgezeichnet schöne und weite Autsicht auf dar see- und waldreiche ostholsteinische Land. Nach der Ver¬

ländlicher Einfachheit hier

lebend, unternahni die könig¬ liche Familie häufig Ausflüge ins Gebirge, bei welchen Ge¬ legenheiten dann in irgend einem Gasthofe vorgesprochen einer guten Nach wurde. Bewirtung in einem solchen wollte der König dem Wirt Auf die Frage, erschien die Wirtin. antwortete dieselbe: „Ach, diesen halb Sieben mit ihm!" Auf des sie zur Antwort: „Das heißt hier zu

per-önlich danken. Statt seiner aber weshalb ihr Mann nicht käme, Morgen um 9 Uhr war eS schon König» Frage, war das heiße, gab Lande, er ist betrunken! Ich habe ihn übrigens eingesperrt!" — Alles lachte. Bei der Rückfahrt begrüßte in einem Dorfe der Pfarrer den König. Man hatte noch etliche Meilen bis ErdmannSdorf, und so fragte der König, wie spät eS sei? — „Halb Sieben!" erwiderte der Pfarrer und blickte Die Wagen halten sich schon in höchst verlegen darein, als alles lachte. Bewegung gesetzt, da ließ der König halten, stieg auS, ging zurück, erklärte dem Pfarrer, weshalb man so gelacht habe und lud ihn für nächsten E K. Sonntag zum Mittagsmahl ein.



@iUtj xtnh dte

Sorsdorfer Aepfet.

Im

Jahre

1628 schrieb der Feldmarschall Graf von Tilly im Lande Hannover schwere Kontributionen auS und verlangte durch seinen Kriegs kommiffar von Lerchenseld von der Stadt Hannover die Aufnahme von acht Reiter¬ kompagnien. Naiv weiß die Volkssage zu erzählen, warum er die Stadt mit Einquartierung verschonte. Sie erzählt: Tilly war ein großer Verehrer von feinen Obstarten, dar hatte der Magistrat durch der Feldmarschalls

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610

alten Kriegskameraden, den Stadthauptmann Barthold Knaust, erfahren. Er sandte ihm also eine Ladung BorSdorfer Aepfel zu, und Tilly war so entzückt über dieses Geschenk, daß er Hannover nicht weiter belästigte. In Der Magistrat richtete am Wahrheit stand die Sache aber anders. 1V. August 1688 einen eindringlichen Brief an Tilly mit der Bitte, gegen Zahlung von 12 000 Thalern die Stadt verschonen zu wollen. Laut Kämmereiregister ist diese für die damalige Zeit sehr bedeutende Summe, die infolge der durch den Krieg herbeigeführten Geldmangels noch erheb¬ licher erscheint, wirklich dem Tillyschen Kommißar Hofschläger ausgezählt worden. Außerdem erhielt letzterer einen vergoldeten, 62 Thaler werten Pokal, und der die Verhandlungen leitende Oberst von Lerchenseld eine goldene Panzerkette zu 168 Thaler, nebst einem Becher zu 86 Thaler. D. DaS waren teure BorSdorfer Aepfel!

?

der Familie beitragen; sie standen auch unter der Fuchtel des ProfoßBei schlimmeren Vergehen steckte man sie in die Fiddel, d. h. in ein Brett, welcher Löcher für Kopf und Arme hatte und mit welchem sie vor der Hauptwache spazieren gehen mußten. Diese Zustände in dem damaligen preußischen Heer sind nur verständlich, wenn man sich vergegenwärtigt, wie sehr verschieden das damalige Offizierkorps in moralischer und intellektueller Beziehung war. Neben hoch gebildeten und geistig streb¬ samen Offizieren wie Generallieutenant von Winterfeldt und Ewald von Kleist, besaß die große Mehrzahl derselben eine sehr mangelhafte, ja gar keine geistige Bildung. Der Vortragende führte dies näher durch eine Charakteristik deS alten DcsiauerS aus, der seinen Sohn Moritz nicht schreiben und lesen lernen ließ, und der überhaupt in seiner derb-komischen Haudegennatur typisch ist für diese harte Zeit, welche nur aus Unkenntnis R. G. die gute alte genannt werden kann.

Vereins -Nachrichten. „Brandenburgia." (Sitzung vom 30. November 1895). — Herr Dr. Otto Franz Gensichen, der bekannte Dichter und Schriftsteller, Derselbe, geboren sprach über den Astronomen Karl Ludwig Hencke. 8. April 1793 zu Driesen in der Neumark, machte als freiwilliger Jäger die Freiheitskriege mit und wurde bei Lützen verwundet. Später wurde er Postbeamter und als Postmeister pensioniert. seinen Mußestunden widmete er sich der Astronomie und entdeckte, nur mit den primitivsten Hilfsmitteln ausgerüstet, auf dem Boden seiner HausiS in Driesen vor gerade 50 Jahren, am 8. Dezember 1815, den Planeten Asträa. Der entdeckte Stern ist der 5. in der Reihe der Planetoiden oder kleinen Planeten, die sich zwischen Mars und Jupi'er um die Sonne bewegen, und zwischen der Entdeckung des 4. Planetoiden Vesta durch OlberS und der der Asträa waren 38 Jahre vergangen. Alexander von Humboldt nannte den glücklichen Entdecker des 5. Planetoiden den „Vater der neuen Planeten-Entveckungen", und Friedrich Wilhelm IV. erhöhte die spärliche Pension des Postmeisters von 225 Thaler aus 300 Thaler. Der Ent¬ deckung der Asträa folgten die weiteren Planeten-Entdeckungen in kurzen Zwischenräumen; Hencke selbst entdeckte noch die Hebe, den 6. Planetoiden, am l. Juli 1847. Die Berliner Akademie beauftragte ihn mit der Bearbeitung einer ihrer Sternkarten. Hencke starb am 21. September 1866 zu Marienwerber als ckoetor philosoxhias honoris causa, und die Mark kann mit berechtigtem Stolz auf diesen ihren Sohn blicken, der, obgleich er nur eine elementare Bildung besaß, seinen Namen für immer in den Annalen der Astronomie verzeichnet hat. — An diesen Vortrag schloß sich die Vorläge einer Reihe neu aufgefundener Erinnerungsbücher, zu denen Herr Geheimrat Friedei die nötigen Erläuterungen gab. — Herr Geh. Baurat Bluth sprach über da? Denkmal deS Großen Kurfürsten in Rathenow (aus dem Jahre 1738) und über die im Frühjahr dieses JahreS mit vielem Erfolg ausgeführte Renovierung desselben. — Zum Schluß hielt Herr Divisionspfarrer Schild aus Torgau einen äußerst anregenden freien Vortrag, der sich betitelte: „Bilder aus dem Leben der preußischen Armee deS vorigen Jahrhunderts. (Nach alten Militär-Kirchenbüchern und biographischen Aufzeichnungen Fridericianischer Feldprediger.)" Der Vor¬ tragende verfügt über eine Redegabe, wie sie nur wenigen Sterblichen ver¬ liehen ist, und zu dieser Gabe gesellen sich reiches historisches und kultur¬ historisches Wißen. Er führte auS der harten, eckigen, kantigen Zeit Friedrich Wilhelms I. und seiner großen SohneS StereoSkopbilder auS Psarrstube und Kaserne, auS Krieg und Frieden vor. DaS damalige preußische Heer, zur Hälfte auS Ausländern bestehend, war eine Ablage¬ rungsstätte sämtlicher Vagabunden aus aller Herren Länder. Die AbendmahISlisten der Geistlichen werfen aus den sittlichen Zustand der damaligen Soldaten ein greller Licht: Säufer und Spieler sind die gelindesten unter den Pastoralen Noten, die mit großer Gewissenhaftigkeit von dem Geist¬ lichen über jeden gemacht wurden, der zum Tisch der Herrn gehen wollte. Dies kann nicht in Erstaunen setzen, wenn man bedenkt, daß die Hefe des Auslandes, Abenteurer und Verbrecher aller Art dem preußischen Heere zustrebte. Die vermögenden, steurrzahlenden Preußen waren vom Heeres¬ dienst befreit, so weit sie nicht durch besonders stattlichen Wuchs den Werbern des Königs ausfielen. „Wachse nicht, sonst fangen Dich die Werber!" sagten damals die Mütter zu ihren emporschießenden Jungen. Dar Soldatsein war ein schwerer Frohndienst, es galt als ein Unglück, ja als eine Schande. Die allgemeine Mißachtung des Soldatenstandes erklärt sich aus den Elementen, auS denen sich derselbe zusammensetzte. Ehrgefühl kannte der damalige Soldat wenig, er leistete seinen Fahneneid unter heimlichen Vorbehalten wie: „So lange es mir paßt", und enifloh trotz aller Lärmkanonen bei der ersten sich darbietenden Gelegenheit. Darüber wunderten sich auch die Chefs der Regimenter gar nicht, da der Fahneneid vielfach notorischen Fahnenflüchtigen abgenommen wurde, die irgend einem anderen Kriegsherren eidbrüchig geworden waren. Die Feldgeistlichen suchten sich daher von einer amtlichen Mitwirkung bei der Eidesleistung der Neueingestellten möglichst fern zu halten, da dieselben ihnen alS eine Prosanation des Eider erscheinen mußte. Das Ehrgefühl der Soldaten wurde durch das viele „Fuchteln" (Siockprügel) systematisch getötet. Für jede falsche Bewegung, für jeden faschen Gewehrgriff wurde „gefuchtelt", dar grausame Spießrutenlaufen stand auf der Tagesordnung, dar Ab¬ schneiden von Ohren und Nasen gehörte nicht zu den Seltenheiten. Die Hälfte der gemeinen Soldaten war verheiratet (bei 2 Thaler Sold monat¬ den Kasernen hatte jeder verheiratete Saldat nur eine Stube lich). und eine Kammer, mußte aber noch 2 ledige Soldaten bei sich aufnehmen. Die schlimmen Folgen, die dies in sittlicher Beziehung hatte, können hier nur angedeutet werden. Wilde Ehen wurden bei einzelnen Regimentern den Soldaten nach Lösung von sog. „Liebstenscheinen" sogar gestattet, die Soldatenfrauen mußten durch Spinnen und Kleinhandel zum Unterhalt

In

In

KSchertisch.

Das Ketren des Feeilpeeen t>nm Stein

von

Wilhelm

Vierte, verbesserte Auflage. Mit dem Bildnis Steins. Berlin 1895. Verlag von Reuther u. Reichard in Beilin. Preis gbd. Mk. 2,70. „Des Rechtes Grundstein, des Unrechtes Eckstein, des deutschen Volker Edelstein", das war Minister vom Stein in den Tagen, da unsere Väter gegen den ersten Napoleon kämpften. Wer wäre würdiger, dem deutschen Volke dauernd und immer wieder von neuem vorgehalten und geschildert zu werden! Er, der in den Tagen tiesster Schmach seinem König und Vaterlande in unentwegtem ManneSmute seinen unvergleich¬ lichen Rat und seine Dienste, ungeachtet der vielen Anfeindungen von allen Seiten, lieh, der in Verbindung mit einem andern echten Patrioten, Scharnhorst, dar Staat«- und Heerwesen einer so durchgreifenden Umbil¬ dung unterwarf, daß man mit Recht von da ab Preußens Wiedergeburt Uud damals wurde der Grund gelegt zu der nachmaligen datiert! Errichtung des deutschen Reiches mit preußischer Spitze! War in dem vorliegenden Buche über SteinS Leben und Wirken berichtet, aus seinen Briefen und Denkschriften mitgeteilt wird, zeigt uns nicht nur das Bild eines großen, um sein Vaterland wahrhaft verdienten Mannes, sondern läßt uns überhaupt tiefe Blicke in eine Zeit thun, die noch heute vor¬ bildlich zu wirken vermag, wenn eS sich handelt, innere Schäden zu heilen

Baur.

oder kräftige Abwehr nach außen zu schaffen! Von echt evangelischem Geiste durchweht hat Stein doch, wie allge¬ mein bekannt, katholische Interessen und Personen in anerkennendster ausführlichen Nachrichten und die und zartester Weise behandelt, darüber im Buche eines evangelischen Geistlichen, der hier eine Geistesfreiheit und Gerechtigkeitsliebe bekundet, die bewunderungswürdig ist, dürften dasselbe erst recht geeignet erscheinen laßen, in den weitesten Kreisen verbreitet zu werden. DaS Buch, welches bereits in vierter Auflage erschienen ist, sollte gerade im Hinblick aus die gegenwärtigen politischen Verhältniße in jeder OrtS- und Schulbibliolhek Anschaffung sieden; auch Eltern können ihren heranreifenden Söhnen keine geeignetere Lektüre —y— schenken als dieses Buch.

Dfarrliairssegen.

Dichtung von Otto Franz Gen sichen. Berlin 1895. Verlag von Alexander Duncker. Preis 3 Mk. Der wohlbekannte Dichter schildert in einer hübschen Idylle den Charakter eines guten märkischen Pfarrhauses, wie es, im Dienste GotteS und des Vaterlandes wirkend, im heimatlichen, sowie in eigenen Familien¬ kreise und gegenüber allen, die ihm näher treten, zu einer Stätte des Segens wird und trotz aller Einfachheit, oder vielleicht gerade deshalb, feste LebenSanschauungen selbst denen wiedergiebt, welche, in der idealen Welt rastlos umhergeschweift, zu der Heimat als einem sicheren Ausgangs¬ punkt ihres Wirkens zurückkehren. Anschauliche, volkstümliche und land¬ schaftliche Bilder verleihen der Darstellung einen besonderen Reiz, sodaß sich diese märkische Idylle, zumal betz ihrer gewandten poetischen Sprache, der „Luise" von Voß ebenbürtig zur Seite stellt. Die Charaktere sind dem Leben entnommen und scharf gezeichnet. AuS dem Volksleben hebt sich namentlich am Schluß der alte Flößer von der Warthe in einer rührenden Weise ab, der bei einer Ueberschwemmung in selbstloser Hingebung und treu geübter Nächstenpflicht den Tod im Wasser findet, wie er ihn sich als in seinem heimischen Element, stets gewünscht hat. Möge diese poetische WeihnachtSgabe besonders in den heimatlichen Kreisen viel freundliche Leser

finden!

N^rdland-Sagorr.

W. Schwarte.

Nordisch-germanische Lieder und Mären für dar deutsche Haus, bearbeitet von Emil Engelmann. Mit vielen Bildern nach Zeichnungen von G. Cloß, C. Häberlin, Th. Hosfmann, R. E. Kepler u a. Stutlgart. Paul Neffr Verlag. Vollständig in 12 Lieferungen ä 50 Pf. Emil Engelmann hat sich durch seine Bearbeitungen der Heldenlieder: Nibelungenlied, Gudrunlied, FrithiofS-Sage, Parzioal, sowie durch Germanins Sagenborn, Homers Odyßee bei jung und alt so beliebt gemacht, daß eS beim Erscheinen obigen neuen Werkes wohl nur weniger Worte bedarf, um dasselbe bei unseren Lesern einzusühren. Die nordisch-germanischen Heldensagen sind tiefer gegründet und innerlicher empfunden, als die anderer Völker, selbst alS die der Hellenen. ES ist zwar nicht zu leugnen, daß hellenische Anmut und Grazie den Sagen unserer Väter fehlt, und daß die germanischen Dichtungen oft wie eisige Höhen oder wogenumschäumteS Felscngestade sich darstellen, arm aber an markigem Inhalt und befruchtenden Elementen deS Edel» und Schönen sind sie nicht. Die teil¬ weise den Quellen der Edda entnommenen Sagen stammen aus einer Zeit, in welcher Odin und Frigga unbestritten auf dem Hochsitz in Wal-

—-e

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halla thronten und „Aegir Herr der Fluten" war. Auch die germanischen Völker saßen damals noch in ihren ursprünglichen Sitzen unter der wuchtigen Führerschaft ihrer tapferen Heersürsten, und diese Zeit ist er, welche die ewig jungen und frischen, wundersam poetischen Stoffe aus¬ gebildet hat, die nach anderthalb Jahrtausenden uns erfreuen und die nach uns Kommenden noch erfreuen werden. — Möge dieser neue Band, der in 12 Lieferungen ä 50 Pf. rechtzeitig vor Weibnachten vollständig geworden ist, denselben Beifall finden, wie die früheren, für deren Ge¬ diegenheit sowohl bezüglich des Inhalts, als euch bezüglich der Ausstattung wohl der glänzendste Beweis dadurch erbracht ist, daß in wenigen Jahren ca. 75 000 Exemplare abgesetzt wurden. —y.

siedelung der ältesten Prinzen. — Von der Ausschmückung der SiegeSAllee durch Bildwerke. — Eine interessante Briefmarke. — Halb Sieben. — Tilly und die BorSdorfer Aepfel. — Vereins-Nachrichten. —

Bücherlisch. — Anzeigen.

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I.

—z—

Aus Truhkspfs Ehe.

Von Elsa Wildhagen. Stuttgart 1895. Verlag von Gustav Weise. Preis 4,50 Mk. Noch rechtzeitig zum Feste ist der dritte Band vom „Trotzkopf" erschienen — eine Nachricht die viele junge Mädchen mit Freude begrüßen werden. Derselbe betitelt sich: „Aus TrotzkopsS Ehe" und hat Elsa Wildhagen, die Tochter von Emmy Rohden, zur Versasserin. die auch den Band: .TrotzkopsS Brautzeit" schrieb. Auch der neueste Band ist in herz¬ lichem, frischem Ton geschrieben und steht aus sittenreinem Boden, so daß daS Werk jedem jungen Mädchen ohne Bedenken in die Hand gegeben — y— werden kann. -

Inhalt:

Der letzte ASkanier in Wittenberg. Historische M. von Buch. (Fortsetzung.) — Eine allgemeine Kunstgeschichte für daS deutsche Volk. (Mit Abbildung.) — Die 44. Generalversammlung des Gesamtvereins der deutschen GeschichtS- und AltcrtumSvereine zu Konstanz. (Schluß.) — Die Hexen-Verfolgung in Bernau in den Jahren 1615—162]2. Mitgeteilt aut der Chronik der Stadt Bernau von August Wernicke. — Kleine Mitteilungen: DaS Porträt der Königin Luise. — Die UeberErzählung von

Filiale Berlin W., 27 b. Potsdamerstrasse 27b.

Meyers Konversations - Lexikon, Band X.

Was

man

beute zu den unleugbaren Vorzügen eines Konversations-Lexikons auch rechnen mag, paßt vor allem auf Meyers Konversations-Lexikon. Hin¬ sichtlich der Vollständigkeit und Klarheit der Darstellung, der bewundcrnswcrten Durchführung des Arbeitsplanes, wie endlich des Reichtums und der Vortrefflichkeit des Bilderschmucks hat dieses Werk nicht seinesgleichen. Die Zahl und Tüchtigkeit der Mitarbeiter, die unermüdlichen Bestrebungen des Verlags, alles was die hochentwickelte Technik unserer Zeit an Fort¬ schritten zeitigt, für die Ausstattung des Werks zu verwenden, verbürgen eben den vollsten Erfolg. Eine objektive Prüfung des neu erschienenen zehnten Bandes be¬ stätigt unsere Vorausschickung in allen Einzelheiten. Auf 1060 Seiten Text, mit Unterstützung von etwa 360 Textbildern und einer reichen Anzahl von Plänen, Karten und Bildertaseln, bringt auch dieser Band innerhalb der Stichworte: „Kaustik bis Langenau" eine Fülle zeitgemäßen praktischen Wiffens zur Darstellung. Seinen Inhalt kennzeichnet eine

Anzahl wichtiger Beiträge von aktuellem Interesse, als „Kommunismus", „Krankenkassen" (mit umfassender Statistik), „Kredit", „Kolonien" (mit Karten!, „Konsulatswcscn"; ferner aus dem Gebiete der Rcchtswisstnschaft die umfassenden Arbeiten über Kriminalität (mit Karte), Kriminalstatistik, als Erg bnis einer auf tiefwiffenschaftlicher Grundlage beruhenden Er¬ kenntnis der Verbrechen und ihrer Ursache. Gründlich gehalten und mit

lichtvoller Klarheit geschrieben sind die Artikel „Kirche", „Kirchenpolitik". Der Geschichtswissenschaft ist ein ganz neuer Artikel über Koalitionskricge gewidmet. Die Arbeit hat neben ihrem wissenschaftlichen Gehalt noch insofern weitergehende Bedeutung, als sie in der vorliegenden Form ganz neu im „Meyer" erscheint und das verstreute historische Material in einem Ganzen in übersichtlicher Darstellung vereinigt. Die geographischgeschichtlichen Artikel „Kolumbien", „Kongo", „Kongostaat", „Kordilleren", „Korea" glänzen auch in dem neuen Band durch musterhafte Bearbeitung und weise Beschränkung des gewaltigen Stoffes auf den Kern des absolut Wissenswerten. sich

der

Als

eine hervorragende lexikographische Leistung erweist

Artikel „Landkarten" mit instruktiver Beilage „Landkarten¬

darstellung". Neben dieser Artikelreihe kommt die Landwirtschaft zu ihrem Recht, die sich sowohl unter ihrem Stichwort als auch unter den sich

an das letztere anschließenden Zusammensetzungen einer ausgezeichneten

Darstellung durch eine Autorität ersten Ranges erfreut. Zahlreich ver¬ treten sind auch die hygienischen und medizinischen Themata, die in den Beiträgen über Kind, Kinderernährung, Kinderheilstätten, Kleidung, Kost, Kricgssanitätswescn (mit 2 Tafeln), Krankenhäuser mit Plänen der berühmtesten Hospitäler in Deutschland), Krankenpflege, Krankhcitsverbreitung in Deutschland (mit statistischer Karte), Fragen von einschneidendem öffentlichen Jntercffe in vollster Wissenschaftlichkeit und doch gemein¬ verständlich erörtern. Die Bearbeitung der kunstgewerblichen uud tech¬ nischen Artikel ist im „Meyer" von jeher die denkbar beste gewesen. Es genügt daher, darauf hinzuweisen, daß auch die Arbeiten über Keramik (mit instruktiver farbiger Tafel), Kunstwissenschaft, Kupferstecherkunst, Kleinkraftmaschinen, Kochherde und Kochmaschinen (mit neuer reich¬ haltiger Tafel), Kühlapparate, Lampen (mit Tafel) :c bis zu dem neuesten Stand fortgeführt sind. Unbedingte Anerkennung verdient ohne Zweifel der Bildcrschmuck des neuen „Meyer". Ist es im allgemein.:: zeitgemäß, nicht bloß der Pädagogik, dem Wort durch das Bild, der abstrakten Darstellung durch Anschauungsmaterial zur Hilfe zu kommen, so hat Meyers KonversationsLexikon nun noch in die bildliche Darstellung überall da, wo es thunlich erschien, das Prinzip der historischen Entwickelung hineingetragen und ist damit bestrebt, durch Versinnbildlichung des Werdcprozesses der dar¬ gestellten Dinge nach großen Gesichtspunkten deren heutiges Sei:: erst ganz verstehen zu lehren und lange textlicke Erörterungen überflüssig zu machen. Fast über jedes Bild des Meyerschen Konversations-Lexikons wäre etwas Neues und Gutes zu sagen, doch wollen wir uns^bcgnügen, aus dem Bilderschatz des zehnten Bandes außer den oben angeführten Illustrationen noch der Sondcrtafeln in Farbendruck „Kirchen", „unter¬ Korallcnlandschaft", „Kostüme", „Landsknechte" und der seeische kartographischen Beigaben „Karte vom Kielerhafen", „Kleinasien" (neu) als wirkliche Meisterwerke der heutigen Jllustrationitechnik lobend zu gedenken.

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Nev l'ehir Msßsniev in Wiiiensievg. Historische Erzählung von

M. Von

Krrch.

(Schluß.)

Wald von Hörnern. Fackeln glühten in der Ferne, und in den Klang der schrillen Pfeifen mischten sich laute Rufe von Menschen. Ritter Thiele war einer der ersten, die an der Stätte anlangten, wo einst das Haus des Waldwärters gestanden hatte. Konrad von egen Mitternacht erscholl der

Oels folgte, und dann schmetterte ein Jagdfignal durch den Wald, den übrigen zu verkünden, daß der Herzog gefunden sei. Oppen trat erschreckt auf das Lager zu. auf dem der Herzog ruhte. „Um Gott, gnädigster Herr, seid Ihr krank?

Der Himmel sei gepriesen, daß wir Euch endlich gefunden haben! Es waren böse Stunden, die wir in der Sorge um An das Gewitter werde ich denken mein Euch verlebten. Lebenlang." Markus zeigte auf deir Trümmerhaufen. „Der Blitz schlug in das Haus; der Kurfürst hat einige Brandwunden davon getragen, es wird nicht lange dauern, bis sie geheilt find. Ein paar Tage Ruhe, das ist alles, was not thut." Nun winkle der Rabensteiner vier Männer heran und ließ eine Trage aus Baumzweigen flechten, um den Fürsten darauf zu legen. Albrecht blickte ihn mit matten, erloschenen Augen an und flüsterte: „Ja, Oppen, das waren böse

„Und wo Da wies

ist

fie?"

seine jüngste Tochter

mit abgewendetem Gesicht

auf die verkohlte Stätte. Konrad starrte zuerst verständnislos auf den Trümmer¬ haufen und auf sein Kind, dann aber dämmerte ihm die ganze, furchtbare Wahrheit, und mit lautem Weheruf brach er zusammen.

Die Träger legten den Herzog auf die Bahre, und ge¬ drückt und schweigend schritt der kleine Zug der Burg Raben¬ stein zu.

Traurige Tage folgten. Der Herzog lag in hitzigem Fieber. Die fröhlichen Feste, die man zu feiern gedacht, hatte man abgesagt. Wohl hatte Graf Sigfried sogleich Aerzte von Wittenberg holen lassen; die begannen mit Pulvern und

Konrad von Oels hielt die bebende Offka in den Armen, die ihm vom Brande berichtete. Jetzt schaute er auf und „Wo ist Eufemia?" blickte suchend in der Runde umher. Antwort. Keine „Wo ist Deine Schwester? Sprich!" drängte der Schlo߬ vogt noch einmal. „Du sagst, fie sei noch bei Dir im Hause

Latwergen den Kampf gegen die Krankheit. Doch je mehr sie rührten und mischten, desto besorgter schüttelten fie die Köpfe, Schließlich die Mittel versagten den Dienst, das Fieber stieg. ließ fie der Herzog gar nicht mehr an sein Lager und befahl, den Pleban Erasmus herbeizurufen. Schon neigte sich der vierte Tag seit Albrechts Ankunft auf dem Rabenstein. Hatte er bisher viel in Fieber-Phan¬ tasien gelegen und nur in seltenen Augenblicken volles Be¬ wußtsein erlangt, so war er seit einigen Stunden in ruhigen Schlummer gesunken, aus dem er, wenn auch schwach, so doch klaren Kopfes erwachte. Offka weilte am Lager des Kranken; er ihr jetzt lächelte auch sie hatte er immer erkannt, fteundlich zu und bat fie, den Grafen Bernburg zu rufen. Offka folgte der Weisung, und bald darauf trat der Gerufene

gewesen?"

ins Zimmer.

Stunden!"

Offka nickte.

„Setze Dich zu mir,

Sigfried!" begann

der Herzog.

„Ich

—« Dir

und jetzt sind meine Gedanken klar. Wann reitest Du zum Reichstage?" „Wenn es Dir besser geht, Albrecht," sagte der Herzog

habe noch mit

zu reden,

ehe

ich

scheide,

freundlich.

Der Kurfürst winkte abwehrend mit der Hand. „Sprich nicht, was Du nicht glaubst! Ich weiß, daß ich sterben muß, und meine Botschaft an den Kaiser verfällt. Aber schon längst habe ich Dich fragen wollen, was Du damals, als wir von der Sache redeten, mit dem einen meintest, wodurch ich mir Sigismunds Zustimmung zu meiner Vermählung hätte sichern können."

Der Gras sah prüfend in das bleiche Geficht des Freundes. Dann erwiderte er: „Wenn Du ein Heer gegen Der Kur¬ die Husfiten gesammelt und selbst geführt hättest!" fürst wandte das Geficht der Wand zu. „Es ist gut, daß mir dieser Entschluß erspart geblieben ist." Nach einer Weile hub er wieder an: „Nun wird doch geschehen, was Erasmus gewünscht hat, Herzog Johann wird die Belehnung erhalten und wird hier einziehen, um Land und Leute in Empfang zu nehmen."

„Das steht beim Kaiser," sagte Sigfried, „und ich denke, wird dem Lauenburger schwer werden, die Erfüllung seines Wunsches zu erlangen. Sollte das geschehen, was Du meinst, Albrecht, so wird die sächsische Ritterschaft, Hans von Oppen

es

bis zum Kaiser gehen und die Majestät um Ernennung eines kraftvollen Landesfürsten ersuchen, denn der Lauenburger hat keinen Anhang im Lande." „Soweit gehen sie in ihrer Abneigung gegen ihn?" rief an der Spitze,

Albrecht erregt.

Und auch Johann weiß, wie das Volk über ihn denkt, darum wünschte er zu Deinen Lebzeiten mit Deiner Zustimmung vom Kaiser die Vorbelehnung über Dein Herzogtum zu erhalten. Und um Dich seinem Willen gefügig

„Gewiß, Vetter!

wählte er den schlauen Priester, dem er für die glückliche Lösung der Aufgabe als Lohn das Bistum Branden¬ burg in Aussicht gestellt hat." Albrecht machte eine heftige Bewegung. Sigfried aber fuhr fort: „Zuerst war des Priesters Belohnung freilich niedriger bemessen, aber als um Weihnachten herum Bischof Balderam gestorben war, beschied Herzog Johann den Pleban zu sich nach Lauenburg und versprach ihm den Hirtenstab zu Brandenburg, den sein Bruder, der Erzbischof von Magdeburg, zu vergeben hat. Seitdem setzt der Priester Himmel und Hölle in Bewegung, um Dich willfährig zu stimmen. Geahnt hat mir der Plan freilich schon längst, doch erst seit gestern habe ich Gewißheit." „Wer gab Dir diese Gewißheit?" forschte atemlos der zu machen,

Herzog.

„Ich traf gestern einen Sendboten des Plebans im Walde; es war ein verschmitzter, listiger Bursche, der mir auf¬ fiel. Als ich ihn nach Weg und Herkommen fragte, glaubte er sich seines Auftrages vor mir rühmen zu müssen und meinte wohl auch, jede weitere Frage meinerseits damit abzuschneiden. Ich pries im stillen mein Glück und befahl dem Boten, mir den Brief zu zeigen, und als er fich dessen weigerte, drohte ich, ihn zu fesseln, und wies auf meine beiden Knechte, die in einiger Entfernung zu Pferde hielten. Da sah der Bursche, dag er im Garn saß, und gab das Gewünschte unter Zittern und Zagen heraus." Bei diesen Wonen zog der Graf einen

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&—

Brief mit

gebrochenem Siegel aus seinem Wams.

Der Kur¬

fürst nahm mit zitternden Händen den Brief, und las:

„Gnädigster Herzog und Herr!

Ich hoffte Euch besseren Bescheid zu geben und zögerte deshalb so lange, den Boten mit diesem Briefe an Euch ab¬ zuschicken. Wider alles Erwarten hat fich der Sinn des Kurfürsten gewandelt, und er verweigert hartnäckig, seine Zu¬ stimmung zu Eurer Vorbelehnung durch den Kaiser zu erteilen. Mir war es bisher ein Leichtes, ihn mit dem Fluche zu schrecken, den sein Vater über die Glieder seines Hauses ge¬ bracht haben sollte, doch seit einigen Tagen versagen meine Worte den Dienst, weil fich eine falsche Zahl in meine Be¬ rechnung geschlichen hat. Aber sofern Ihr Euch noch eine Weile gedulden wollt, hoffe ich noch bestimmt, mir die Bischofs¬ mütze zu verdienen, die Ihr mir zugesagt habt, als ich Euch in Lauenburg. Eurem Willen gemäß, aufsuchte. Und nun Gott befohlen, gnädigster Herr! Ich gedenke bald günstigen Bescheid geben zu können. Erasmus. Pleban von Wittenberg/' Jetzt pochte es leise an die Thür. Ritter Oppen meldete den Pleban, der soeben aus Wittenberg eingetroffen sei, und der ihm auf dem Fuße folge. Mit sanftem Gruße trat der Priester in das Gemach. Kurfürst Albrecht neigte das Haupt: „Meine Stunde ist ge¬ kommen, schneller, denn ich gedacht, aber ehe ich meine Rech¬

nung mit dem Himmel abschließe, möchte ich eins wissen: Habt Ihr dies geschrieben?" Der Kurfürst hielt dem Priester das Pergament hin. Erasmus, den wohlbekannten Brief schaueno, ward blaß und ballte die Faust. „Böser Zufall, regierst du vie Welt? Verderben deine plumpen Fäuste in wenigen Minuten alles, woran ich seit Jahren mit Geist und Witz gearbeitet habe?" Laut sagte er: „Gnädigster Herr, ich leugne nicht. Meine Hand hat die Buchstaben gezeichnet, aber das Papier war nicht für Euch bestimmt, denn sonst hätte ich die Worte wohl anders gefügt." „Doppelzüngiger Pfaff!" brauste Sigfried auf. doch Albrecht winkte. „Laß den Priester reden!" Erasmus trat an das Lager des Kranken und fuhr fort: „Hört mich, Ihr Herren! Wer spricht wohl von einem Menschen, und sei er sein bester Freund, so, wie er zu ihm redet? Niemand vernimmt gern die Wahrheit, denn das Ohr ist das verwöhnteste Glied, und Wahrheiten treten hart auf. Ist es ein Unrecht, wenn ich versucht habe. Herzog Johann die Vorbelehnung mit Sachsen zu erwirken? Ihr seid Geschlechtsvettern, und die Herzöge von Lauenburg find von Gottes- und Rechtswegen erbberechtigt im Lande Witten¬ berg. Und darum frage ich Euch: War es ein Unrecht, wenn mir der Lauenburger durch seinen Bruder, den Erzbischof von Magdeburg, den Bischofsstuhl von Brandenburg zu ver¬ schaffen gedachte? Ich strebte nach Hohem, doch ist solches Streben ein Unrecht? Wahrlich, die Zufriedenheit der Menschen wäre der Krebsgang der Welt. Und noch eins! Sollte ich Euch glauben machen, das furchtbare Schicksal, welches die Männer Eures Hauses hinwegraffte vor der Zeit, sei nur Zufall? Hätte ich Euch so gelehrt, ich hätte gelogen, denn ich bin überzeugt, der Fluch Gottes ruht auf Euerm Geschlechte, und, siehe, bestätigt fich nicht das Schicksal jetzt abermals an Euch?"

-s

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Sigfried hatte aufmerksam zugehört, aber nun fuhr er empor. „Euer Amt ist es, die Menschen zu versöhnen mik ihrem Geschick, und doppelt wäre das Eure Pflicht gewesen, als Ihr einem Kranken gegenüber standet. Ihr aber habl Wunden aufgerissen, statt fie zu verbinden. Wie wollt Ihr erklären, was doch allen Augen verborgen ist, das Rätsel des Lebens

und die

Geheimniffe des Geschicks?

Ihr

ließt die

Jüdin sterben für das vermeintliche Verbrechen ihres Vaters, und stehe, die himmlische Barmherzigkeit ließ es zu. daß ihre Unschuld erst dann offenbar ward, als fie gerichtet war. Warum hat die Tochter des Schloßvogts ein Grab unter Trümmern gefunden? Sie hatte keine Schuld auf ihr Haupt geladen, ja, fie war, wie ihre Schwester versichert, bereits dem Himmel verlobt. Auch ich glaube nicht an blinden Zufall, aber wer vermag den Ursprung zu ergründen alles dessen, was den Menschen zu tragen auferlegt wird? Und nun, Pleban, haltet es, wenn Ihr könnt, für einen Fingerzeig des Himmels, daß ich Euern Sendboten gestern im Walde ge¬ troffen habe! Will's Gott, so wird Herzog Johann nimmer Herr werden hier im Lande. Jetzt aber geht hinaus, Erasmus, mein Blut beginnt zu sieden, und mich selbst faßt Begierde, Euch zu richten. Denn vor eine weltliche Obrigkeit darf ich Euch, als einen Priester, nicht stellen, und bei einem geist¬

will ich keine Klage gegen Euch führen. Noch Priester, hinaus, oder ich vergesse, nicht zu wem, sondern wo ich spreche!" Jetzt richtete sich der Kurfürst, der bisher in den Mienen des Plebans aufmerksam gelesen hatte, hoch auf in den Kiffen und wies mit der Hand nach der Thür. Erasmus wollte sich verteidigen, da brach ein Blutstrom aus dem Munde des Herzogs, und zähneknirschend verließ der Priester das Sterbe¬ lichen Gericht

einmal.

gemach.

Albrechts Blut hatte das weiße Linnen purpurn gefärbt, war, als breite sich ein scharlachroter Fürstenmantel über das Sterbelager des letzten Askaniers im Lande Sachsen. Gras Sigfried legte den erschöpften Herzog in die Kissen es

dann beugte er sich über den Kranken, der schwer atmete und mit erlöschender Stimme flüsterte: „Es geht zu

zurück,

Ende, rufe den Priester!"

Im

Nebenzimmer weilte der Priester von Raben. Sig¬ fried winkte ihn herbei, um dem Sterbenden die Sakramente zu reichen. Dann traten Ritter von Oppen, Konrad von Oels und Offka herein, um zu Füßen des Lagers niederzuknieen. Frau Katharina und Margaret hielten sich im Hintergründe.

Der Herzog aber winkte Offka herbei, und indem er ihre Hand umfaßte, flüsterte er ihr zu: „Bleibe mir nahe! Halte meine Hand fest! Wenn ich in Deine weinenden Aagen sehe, so werde ich denken, Du liebst mich und wirst Trauer um mich tragen!" Offka neigte sich erschüttert über den Sterbenden und flüsterte mit zitterndem Munde: „Jetzt erst habe ich den Grund Deines Leidens erfahren! Du wolltest Eufemia retten, und dabei traf ein Balken Deine Brust. Bleibe bei mir, Albrecht! Ich liebe Dich!" Der Herzog lächelte ihr noch einmal freundlich zu. Er bewegte die Lippen, aber seine Worte blieben unverständlich, und dann schloß er die Augen. Das Gemach durchhallle ein leises Schluchzen.

Offka stand auf und öffnete das Fenster.

Ihr

kam die

s-

alte Rede ins Gedächtnis, daß die vom Körper befreite Seele auf ihrem Fluge gen Himmel durch kein irdisches Hemmnis zurückgehalten werden dürfe. Die Schwalben kreisten zwitschernd um den Giebel der Burg, und durch die Blätter der Linden flutete das Sonnen¬ licht und legte sich, ein glänzender Streifen, auf das Lager. Unbewußt griff Albrecht nach dem funkelnden Schein; da entflohen die Sonnenstrahlen verschüchtert vor dem Hauche des

Todes, wie auch das Glück stets den Lebenden gemieden. Offka legte ihre Hand in die seine; Albrecht versuchte fie noch einmal innig zu drücken, er konnte es nicht mehr. Schwächer und schwächer wurde der Atem, daun stand er plötzlich still, um noch einmal von neuem einzusetzen. Endlich streckte sich der Körper mir einem tiefen Seufzer. Albrecht III. Kurfürst und Herzog zu Sachsen, war zu seinen Vätern ver¬ sammelt.



Unsere Erzählung ist zu Ende, und nur wenig noch haben

wir hinzuzufügen.

Pleban Erasmus kehrte nach Wittenberg dort war seines Bleibens nicht mehr lange; verbittert durch den Mißerfolg und gekränkt in seiner Ehre, zog er sich, als der Brschofsstuhl von Brandenburg mit einem anderen Priester besetzt wurde, in das Kloster zu Lauenburg zurück. Nach einigen Jahren fand man unter einer vom Sturm entwurzelten Elche einen halbverwesten Leichnam, in dem man Chaim Levi, den jüdischen Schmuckhändler, zu erkennen glaubte, und es entstand das Gerücht, der Pleban habe ihn zu der Zeit, da man seine Spur verfolgte, von seinen Vertrauten ermorden lassen, um sich mit Fug und Recht Esthers bemäch¬ tigen zu können. Cuno von Oppen kehrte bald von Leipzig nach dem Rabenstein zurück. Nach etlicher Zeit führte er Offka von Oels als seine Hausfrau heim. Hatten auch die vergangenen Tage viel Schatten auf Offkas Lebensweg geworfen, so lächelte ihr nun doch noch eine glückliche Zukunft; denn Ge¬ witterwolken im Frühling vergehen bald. Das junge Paar fand jedoch wenig Gefallen mehr am Rabenstein, an den sich so viele traurige Erinnerungen für fie knüpften, uud bald nach dem Heimgänge Ritter Thieles suchte Cuno für sich und seine Familie eine neue Wohnstätte im nahen Fredersdorf. Die Worte Jans von Brandt, die Ouerfurterin strebe danach, Burgfrau auf dem Rabenstein zu werden, erhielten anscheinend Bestätigung, denn Gräfin Margaret von Bernburg, Graf Sigfrieds Gattin, erwarb von Cuno den Rabenstein, bis er späterhin in den Jahren 1470—80 auf beinahe zwei Jahr¬ hunderte in die Hände der sächsischen Kurfürsten gelangte. Herzog Johann von Lauenburg ward von der Nachfolge im Herzogthum Wittenberg ausgeschlossen. Durch die Bitteu der sächsischen Ritterschaft bewogen, gab Kaiser Sigismund dem verwaisten Lande einen neuen Herrn in dem Markgrafen Friedrich von Meißen, genannt der Streitbare, aus dem Hause Wettin. Seine Regierung siel in eine erregte Zeit, denn die Husfiten verwüsteten wie die übertretenden Wogen eines ge¬ waltigen Stromes die deutschen Gauen, und erst unter seinen Nachfolgern ward es wieder licht im Lande Sachsen, in welchem der erbleichende Stern des letzten unglücklichen Askaniers hinter Wolken verschwunden war. zurück,

aber

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Schloß Frrienßein. Ein Wild suß der Gst-Priegnitz. Von

M. Hagouroister.