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German Pages 620 [628] Year 1894
Ällustvievie MoHensHvifi füv vaievksnöisiße BesHichte^ vorzüglich für die Geschichte der Hoßeu^ollevu, der Kaiserstadt WevllN und der
Mark WvanSenSuvg.
Unter Mitwirkung von
Dr. R K^ringuier, Dr.
H. Krendickc, Theodor Fontane, Geh. Regierungs-Rat E. Frtedel, Ferdinand Meyer, Gymnasialdirektor a. D. Dr. W. Schwach und Ernst non Mtldendrnch herausgegeben von
Friedrich Iilleffen
und
Richard George.
Jahrgang XX. (Januar *894 bis Ende Dezember J894-)
Nr rlin
1
89 ^.
Verlag der Buchhandlung der Deutschen Lehrer-Zeitung (Fr. Zillessen). Berlin N.
58, Schönhauser
Allee 1->.
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sf.L'ii *1 Friedet.
I. (1. Fortsetzung.) Fürst
—
Heinrichs
Kuliucversuche. Beschützung der Slaven lind Bedrückung der die christlichen Landesherren. — Falsche Vorstellung über die Knecht¬ schaft der Wenden. — Evermod, Bischof von Ratzeburg. — Arnold von Lübeck. — Ge¬ Deutschen
durch
waltsame Versöhnung.
— Bevorzugt- Lage des Landes Laucnburg. — Sieg Christen- und Deutschtums um 1150. —
de»
Zur Zeit von Herzog Heinrichs Tode braucht Helmold Wendung: „Die Fürsten pflegen die Slaven zu beschützen, um ihre Einkünfte zu vermehren."
noch die bezeichnende
Die Wenden, zur blinden Unterwerfung von ihren Kursen und Szupanen gewöhnt, waren tributpflichtig und mußten mancherlei Zins, an die weltlichen wie geistlichen Oberen entrichten*). Deshalb wurde das Slaventum förmlich verhätschelt, was den eingeborenen Deutschen, den Holsten und den ins Land gerufenen Einwanderern aus dem Nordwesten Deutschlands, zum Aergernis gereichte. dieGermanisierung und Christianifierung lange Zeit verhinderte, stets einen Zwiespalt unter denselben Landesbewohnern wach erhielt und am meisten dazu bei¬ getragen hat, die schrecklichen Slavenaufstände mit ihren
*)
Der Herzog
Lauenburger Polaben dieselben Steuern an das Bistum Ratzeburg vor, welche bei den Polen und Pommern erlegt wurden, d. h. von jedem Pfluge drei Himten Weizen und zwölf Stück gangbare Münzen. Der^Scheffel hieß bei den Slaven Curitce, und ein slavischer Pflug (Haken) wurde zu zwei Ochsen und zwei Pferden gerechnet.
schrieb den
das Land wieder verlassen. Mit Gewalt bedroht, gingen die Nordleute endlich in Gegenwart des Herzogs mit ihrem Bischof den Vertrag ein, mehr Zehnten zu geben, von jeder Hufe sechs Himten Weizen und acht Himten Hafer. Nun erfolgt eine für das trotzige
Bauernvolk
höchst
bezeichnende Szene.
Als
die Notare
für
der Urkunde nach Gerichtsbrauch eine Mark Gold forderten, da zerschlug sich hieran das ganze Geschäft, und die Sache blieb in den folgenden unruhigen Zeiten in die Aussetzung
der Schwebe. Diese Verhältniffe haben
wir
so
ausführlich geschildert,
sie zeigen, wie unrecht jene schlecht unterrichteten Schreiber haben, welche beständig von der Unterjochung. Knechtung und Mißhandlung der Wenden sprechen, während diese gerade von den christlichen Herrschern begünstigt und darüber deren eigene
weil
Unterthanen zurückgesetzt worden find. Auch die Kolonisation überschätzt. wird außerdem vielfach sehr deutsche Noch von Pribislav wird erzählt, daß er die Städte Mecklen¬ burg. Jlow und Rostock ausgebaut und diese — wohlgemerkt selbst die städtischen Weichbilder — sowie ihr Gebiet mit slavischen Einwohnern bevölkert habe. deutsche
Die Christianifierung und Verdeutschung vollzog fich im 12. Jahrhundert ganz von selbst, wo die slavischen Fürsten der Obotriten und Milzen ohne Widerstand zum Christentum über¬ traten, auch deutsche Sprache und Sitte annahmen, wo Bil¬ dung, Handel und Wandel. Schifffahrt, verbesserter Ackerbau
-s
Vorteile boten, wie sie solche nie zu¬ Dies alles gab in der Hauptsache den Aus¬ schlag und hat Mecklenburg. Holstein, Lauenburg, Pommern, Brandenburg deutsch gemacht. den Wenden*) so große
vor genossen.
In
der Neuzeit ist es fast eine Mode unter gewissen
sen¬
timentalen deutschen Skribenten geworden, ihre eigenen All¬ vorderen den Slaven gegenüber durch den Kot zu ziehen und ihnen nur Schandthaten den Wenden gegenüber anzu¬ dichten, die Slaven aber, die uns in Böhmen, Mähren. Krain und anderen Orten für jene philoslavische Geschichtssälschung wenig Dank wissen, als friedsame und harmlose Ackerbauer und Fischer in den Himmel zu erheben.
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8
-
Zehnten vom Lande, von denen er jedoch die Hälfte zu Lehen nahm, wodurch er des Bischofs Lehnsmann wurde, mit Aus¬ nahme indessen der 300 Hufen, welche mit allem Zubehör, sowohl des Ertrages überhaupt als der Zehnten, dem Bischof gehören sollten.
Dieser
Evermod wirkte wohlthätig für das Land
Ratzeburg gewidmeten Chronik.
Zusrtiauor-Rarrm des „Neuen Theaters" in Koriin. So viel zur Steuer der Wahrheit über Wenden und Deutschen. —
„Evermodus Episcopus Primus“
liest
Aliar des Ratzeburger Doms. Das'Bistum ward hier 1154 von Heinrich dem Löwen als feste, göttliche Stütze des Christenund Deutschtums im Lauenburger Lande begründet. Der Graf man auf einem kleinen viereckigen Stein neben dem
der Polaben gab dem Evermod, Propst von Magdeburg, die Insel bei der Burg zu bewohnen und verlieh außerdem 300 Hufen an den Herzog, um davon dem Bischof eine Amtsein,
nähme zu gewähren.
') Seit Heinrichs
Ferner überwies er dem Bischöfe die
Bemühungen gaben die Wenden mehr und mehr dm leichten, nur die Oberfläche seicht furchendm Haken auf und gewöhnten sich allmählich'an dm ausgiebigeren, schweren, germanischen
Pflug.
Lauen¬
burg und ward einem Heiligen und Wunderer gleich erachtet. Einen Vorfall aus seinem Leben, der einer gewissen unfrei¬ willigen Komik nicht entbehrt, erzählt uns der Abt Arnold von Lübeck (geb. etwa 1140, tot nach 1212) in seiner/ eine Fortsetzung Helmolds bildenden, dem Bischof Philipp von
wart
Als Evermod in Gegen-
(S. 27.)
Hartwigs,
Erzbischofs von Bremen, im Dithmarschen tötete ein Dithmarscher einen Vornehmen Evermod versuchte sofort eine Aussöhnung, indem
Lande Messe las, des Landes.
er den Verwandten der Erschlagenen anflehte,
zu verzeihen.
Als
dieser hierauf aber
dem Totschläger
nicht achtete, stieg der
Bischof von der Kanzel, trat zu ihm und warf sich ihm mit den Ueberresten der Heiligen zu Füßen. Der aber verschwor sich mit furchibaren Eiden, daß er dem Totschläger niemals verzeihen werde. Nun griff Evermod zu einem eindringlicheren Mittel und gab dem Widerspenstigen statt des Segens eine
gewaltige Ohrfeige. Dies wirkte wie ein Zauberschlag, der bis dahin so aufgebrachte Mann erklärte sich mit offenen Armen zur Versöhnung bereit. Arnold setzt naiv hinzu: „Das. denke ich, war eine Wirkung des Himmels, indem
— nämlich
wurde.
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ein böser Geist durch den Backenstreich ausgetrieben — Wegen dieser und anderer Wunderzeichen glaube
ich, daß Bischof Evermod
Ewig
schade
ist
es,
in Christo lebt." — daß die Mark Brandenburg
nicht eine ähnliche farbenreiche Vorgeschichte hat, wie sie uns für das Herzogtum Lauenburg durch die Geschichtsschreiber Pippins und Karls des Großen sowie die übrigen genannten und mehrere nicht ausdrücklich angeführte Chronisten überliefert Gerade um die Gegend der deutschen Reichshaupt¬ stadt herum liegt ein höchst bedauerliches Dunkel, andauernd fast bis zur vollen geschichtlichen Epoche unter den Askaniern.
ist.
gelegentlichen Berichten, welche die Ortschaften Branden¬ burg. Lenzen und Havelberg streifen, müssen wir uns leider
Mit
Former dos „Neuen
Offenbar liegt dies sowohl an der Volkseigenlümlichkeit der unsere Mark bewohnenden, in zahllose Sippschaften zersplitterten, selten unter einem Fürsten wirklich staatlich vereinigten auch an der
im Verhältnis zu Lauenburg
in Bezug auf den Weltverkehr damals mehr versteckten Lage der Mark. Dagegen find die Elbmündungen seit der Römerzeit dem Weltverkehr geöffnet, und der frühmittelalterliche Handels¬ verkehr nach der Nord- und Ostsee hat das von demselben umschloffene und gekreuzte Polabenländchen frühzeitig in das Ringen der germanischen (deutschen wie skandinavischen) und der slavischen Völkerschaften, des Christentums, des Wodans¬ und des Radegast - Glaubens hineingezogen und damit welt¬ geschichtlich bekannt gemacht.
Helmold den Worten:
schließt
„Das
seine
Slavenchronik i.
I.
1172 mit
ganze Gebiet der Slaven, welches an der Eider,
wo die Grenze des Dänenreichs ist. beginnt und sich zwischen dem baltischenMeere und der Elbe hin durch weite Länderstrecken bis nach Schwerin ausdehnt, dies Gebiet, welches nicht durch räuberische Anfälle unsicher und öde gemacht war, ist jetzt durch Gottes Gnade gleichsam eine große Ansiedlung der Sachsen geworden,
in der Städte und Dörfer erbaut werden und die Zahl der Küchen und Diener Christi zunimmt." Die Entstehung Möllns ist in die Wende des 12. zum 13. Jahrhundert zu
Mölln
Möllen besagt, verdankt es den von Wasser getriebenen Mahlmühlen, auf welche u. a. auch die städtischen Anfänge Berlins mit seinem Mühlensetzen
Wie der Name
Tlzenters" iu Dorlirr.
begnügen, d. h. mit Nachrichten, welche nur vorsichtige Schlüffe auf den Spree-Gau zwischen Havel und Oder erlauben.
Wilzen-Wenden, als
»-
dämm zurückweisen,
oder
(S. 27 .) seinen Ursprung an der Siecknitz und dem
Mühlengraben*). Die Wassermühlen wurden von den christlichen Deutschen ins Land der Slaven noch heute sogenannten
gebracht, welche nur
Handmühlen
kannten.
Also schließt für diese wieder verdeutschten Gebiete die letzte Vorgeschichte; damit ist auch
liche
und
ursprüngliche
für unser Mölln der
eigent¬
Boden, auf dem es geruhig und
gesichert gediehen, historisch gewonnen. (Fortsetzung folgt).
*) Dr. G. Hey: die slavischen Ortsnamen von Lauenburg (Archiv pp. 2. Bd. 2. S. 33) erklärt M. richtig als deutsch schon 1217 als Molne, 1230 Mulne bezeichnet Antiqua Molne, Alt-Mölln, wird schon 1194 erwähnt, vgl. Dührsen, Archiv pp. 4. Bd. 1. S, 3 und 10. 1>r. Bestmann: Zur Gesch. der Stadt M. im Mittelalter. Archiv pp. 2. Bd. 3, S. 77, will den Namen M. ohne rechten Grund aus dem Slavischen ableiten.
■8
Kerlin int Jahre Von
Division-pfarrer
1813.
©tritt) Schild.
Vor mir liegt das interessante Tagebuch eines preußischen Feldpredigers der Freiheitskriege, der am 8. April 1813 von Königsberg in Ostpreußen aufgebrochen war und über Marien¬ burg, Konitz, Lantsberg, Frankfurt. Berlin, Dessau zur Armee reiste. Ueber Berlins Einwohner, Kunstwerke. Kanzelredner u. s. w. äußert er sich wie folgt:
Am 29. April verließ
Frankfurt a./O. und fuhr über Wie freute ich mich, den Sand überwunden und endlich festen Boden unter den Rädern zu haben! Gleich jenseits der Oder wird der Boden bergig, aber die Herrschaft des Sandes hebt wieder an. Von allen Gegenden Deutschlands wird diese zuerst zur Wüstenei werden, wenn das Schicksal Aegyptens und Babylons auch in Europa an¬ die Chaussee
nach
ich
Berlin.
fangen wird, in Erfüllung zu gehen. Zu Müncheberg fand ich in dem Superintendenten Noack einen Mann mit lebendigem Sinn für die Wiffenschaft. Er begleitete mich in meine Wohnung, und wir sprachen über die neuen Fortschritte der theologischen und philosophischen Litteratur bis gegen Mitternacht. Am
folgenden Tage nachmittags um 3 Uhr sah ich die große Königsrefidenz mir ihren prächtigen Türmen vor mir liegen. Man fährt durch einen dreifachen Lindengang zum Frankfurter Thor hinein. Berlin ist von innen und außen so voll von Linden, daß man sie vorzugsweise die Lindcnstadt heißen könnte.
In
der That kühlt dieser Baum feuchtend den sandigen Boden
und hält mit seinem breiten Laube den brennenden Sonnen¬ stich von der zarten Haut der Berlinerinnen ab.
Am Abend meiner Ankunft in Berlin wurde ich von einemMitgliede derHumanitätsgesellschaft in ihreVersammlungen geführt, wo ich verschiedene Professoren, Prediger und andere Offizianten kennen lernte. Der berühmte Astronom Professor Bode las eine Abhandlung über die scheinbare Größe der Sonne, von den Planeten und anderen Weltkörpern aus ge¬ sehen, vor, welche nachher zum Gegenstand des Gesprächs ge¬ macht wurde. Es folgte ein frugales Mahl, bei welchem teils litterarische, teils andere freundschaftliche Gespräche mit¬ einander wechselten. Diese Gesellschaft ist eine wahre Schule der Humanität, und ich bedauere, daß bei uns in Königsberg nichts Aehnliches existiert.
Da der folgende Tag gerade ein Sonntag war,
so machte
mir's zum Geschäft, die berühmtesten Prediger und Kanzel¬ redner Berlins kennen zu lernen. Zuerst ging ich um 8 Uhr ich
um den Propst und Oberkonfistorialrat (Er predigt itzt im Dom, weil die ab¬ gebrannte Petri-Kirche noch nicht wieder aufgebaut ist). Da heute das Danksest für die glückliche Einnahme der Festungen nach der Domkirche,
Haustein
zu hören.
Thorn und Spandau gefeiert werden sollte, so hielt er eine Kasualpredigt, legte aber das Sonntagsevangelium vom guten Hirten zu Grunde. versäumt und trat
und Einleitung hatte ich schon ein, als das Thema angekündigt wurde. Es lautete: Das Evangelium von Christo, das kräftigste Mittel, die große Sache des Vaterlandes gelingen zu machen; denn es macht uns stark durch den Glauben, erleichtert das Pflichtgebot durch die Liebe, befeuert unseren Mut durch das Beispiel Jesu und erhebt uns über Grab und Tod durch Hoffnung. Diese Sätze wurden sehr paffend aus dem evangelischen Text hergeleitet. Ich habe noch nie einen Geistlichen Gebet
eben
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8-
gesehen, der so viel körperliche Beredsamkeit besitzt und mit Eine reine, unwiderstehlicher Gewalt die Herzen fortreißt. deutliche, Artikulation, Stimme, langsame voll und wohl tönende so daß kein Buchstabe verloren geht, ein freier und edler An¬ stand (mehr kleine als große Person), ein rundes, wohlgebildetes
männliches Gesicht, schwarzbraun gelocktes Haar, feuriges Auge. Hier und da schien es mir, als ob sein Ton bisweilen mehr das einzelne Wort, als den Gedanken markierte und aus¬ höbe. Dennoch ist mir noch nie ein Redner vorgekommen, der in seine Worte so viel — zu legen versteht. Jeder un¬ bedeutende Ausdruck erhält in seinem Munde Bedeutung und hohe Wichtigkeit. Daher kommt es vielleicht, daß Hansteins Predigten sich bester hören, als lesen lassen. Ans der Kanzel von ihm vorgetragen, sind sie ein Feuer vom Himmel, das die Herzen nicht nur erwärmt, sondern entflammt. Von dem gefeierten preußischen Kanzelredner Ouandt (dem unter den
Mosheim gleich kam) ist bekannt, daß er nie dahin zu bringen war, auch nur einen seiner Vorträge drucken zu lasten. Er verweigerte es, weil er ihnen doch seinen Ton, seine Stimme, seine Empfindung nicht mitgeben könne. Nach 9 Uhr ging ich nach der Nikolai-Kirche, um den Propst und Oberkonfistorialrat Ribbeck zu hören. Hier fand Deutschen nur
Gegenteil vom vorigen Prediger — und doch ge¬ fiel mir die Predigt ausnehmend und schien mir wieder in anderer Art vollkommen. Wenig oder gar keine Gestikulation, eine mehr sanfte als starke Summe, aber hoher Ernst und Ehrfurcht gebietende Würde im Auftreten, Ruhe und himmlische Verklärung im Auge, ein Antlitz, auf dem der Friede Gottes wohnt, und etwas Apostolisches im ganzen Wesen. Dabei ein zusammenhängender, zwar wenig geschmückter, aber gedanken¬ voller Vortrag. Bei einigen Stellen herzinnige Rührung, die, ich fast das
aus einem tiefbewegten Gemüt emporsteigt und die philosophische Ribbeck Trockenheit auf eine erwärmende Weise mildert.
gleichfalls aus dem Evangelio hergeleitet, und schloß mit einem Dankgebet und einer kräftigen Fürbitte um ferneren Segen für unsere Waffen. Am folgenden Tage harte ich noch einmal Gelegenheit, sprach über die Selbstachtung,
Landwehrvereifigung in einer anderen Kirche zu hören. Sehr feierlrch war der Zuruf mit erhobener Stimme: „Heilig, heilig, heilig ist der Herr und wird den nicht ungestraft lassen, der seinen Namen mißbraucht!" Darauf tiefe Stille, und nun erfolgte dte Eides¬ leistung. Die Kirche war gedrängt voll. Nur zwei Dinge gefielen mir nicht. Einmal, daß die Landwehrmänner kein Liederbuch in der Hand hatten, um mitsingen zu können, während alle die anderen Zuhörer mit gedruckten Liederzetteln versehen waren. Zweitens, daß lediglich Vornehme und Ge¬ bildete durch Billets in die Kirche gelassen waren, als kämen sie zum Schauspiel, und die Armen ausgeschlossen wurden. So weit find wir von dem Smne Jesu und der ersten Christen entfernt! Einen Geistlichen von ganz anderer Art lernte ich in dem Prediger Jänicke bei der böhmischen Gemeinde kennen. Er ist wie ein Vater unter seinen Kindern oder wie ein liebe¬ voller Ratgeber unter Freunden. Der didaktische, kalte Ton fällt ganz fort. Hier ist nichts von kunstvollem Vortrag, nichts von tiefer Gelehrsamkeit, die Predigt ist mehr eine fromme, freundschaftliche Unterhaltung. Man sieht und merkt es dem Prediger an, daß es ihm um das praktische Christentum, diesen ehrwürdigen Kanzelredner bei der
—«
23
&
unter Profefforen
um Erweckung eines frommen Sinnes mehr zu thun ist, als um Belehrung des Verstandes. Ich glaubte mich in eine Ge¬ meinde der ersten christlichen Zeiten verseht, wo Lehrer und Lernende ein Herz und eine Seele waren. Wie ein heiterer Himmel verklärte sich des Alten Gesicht, wenn er von der Liebe zu seinem Heilande und dessen freudiger Nachfolge
Entdeckungen vorteilhaft ist. Hinter dem Palaste befindet sich ein Garten zur Erholung für Lehrer und Lernende. Aus dem Schwarm und Getümmel der Straße „Unter den Linden" rettet man sich hier in die Stille. Es wäre wohl überhaupt
Nicht ohne Rührung wohnte ich nach dem Gottes¬
zu wünschen, daß das ganze Musenlokal samt den Wohnungen
sprach.
dienst auch dem katechetischen Unterricht in seinem Hause bei, der nicht nur belehrend, sondern auch Andacht erweckend und erbauend ist. Mit seltener Geschicklichkeit weiß er die Glaubens¬
wahrheiten den Katechumenen faßlich und klar zu machen, sie aus der Schrift zu entwickeln und stets ihre Anwendung auf das Leben zu zeigen. Die Kinder wußten, was wich Wunder nahm, selbst schwierige Stellen der heiligen Schrift ziemlich richtig mit einigen Worten zu erklären, da sie auf den Zu¬ sammenhang aufmerksam gemacht waren. Was ich sehr lobens¬ wert finde, ist, daß dieser im Geiste Speners thätige Mann einen Betsaal mit Kanzel und Orgel in seiner Wohnung an¬ gelegt hat, wo er täglich biblische Erbauungsstunden hält.
Meiner Ansicht
nach ist auch
nur auf
diesem Wege die Rück¬
kehr apostolischer Frömmigkeit zu erwarten.
bloß
Geistlichen
sind,
so
lange
öffentliche sie
So lange unsere Redner und Sakramentverwalter
nicht in das Volk selbst hinabsteigen, um
die
geschaffen,
der
Studenten
erleichtert
der Professoren
Bekanntschaften
und
der
und
Mitteilung wissenschaftlicher
und Studierenden in einer stilleren Gegend
der Stadt belegen wäre, denn das Geräusch und Getümmel der Straße, in welches der Jüngling, nachdem er den Hör-
saal verlassen, sich stürzt, kann zur Nährung und Befestigung Uebrigcns find der erhaltenen Ideen schwerlich beitragen.
hier, wie in Königsberg, viele Studierende zur Armee abgegangen, daher die Professoren genötigt sind, vor drei bis sechs Zuhörern zu lesen. Die Porzellan-Fabrik, die ich sah. ist wegen der in ihr gepflegten wundervollen Malerei gewiß die erste in Europa; an Güte des Thons mag die Dresdener oder Pariser Fabrik Von allem Großen und Herrlichen sie vielleicht übertreffen. aber, das ich in Berlin gesehen, zogen mich doch am meisten auch
an zwei Institute, die der erbarmenden und erfinderischen christlichen Nächstenliebe zu besonderer Ehre gereichen: die Taubstummen-Anstalt und das Blinden-Jnstitut. Erstere ist
so
ein Werk des verstorbenen Professors Eschke und wird jetzt von dessen würdigem Nachfolger, Professor Grashoff, geleitet. Mehr als vierzig unglückliche Knaben und Mädchen,
Schmuck
denen
häusliche Erbauung und tägliche Ermahnung nicht nur selbst zu halten, sondern auch überall die Laienkreise dazu anregen,
lange wird aus dem Reiche Gortes nichts werden. Durch der Rede oder höhere Pracht fürs Auge, die nur armselige Notbehelfe find, wird der Sache selbst nicht auf¬
geholfen
Die Zeiten der Chrysostomie zeugen Sinken, als vom Zunehmen des praktischen
werden.
mehr vom Christentums.
Was die Bauart der Stadt betrifft, so ist fast jedes Haus ein Palast, die Straßen find breit und grade, und die öffentlichen Plätze mit schattigen Bäumen bepflanzt. Die Straße „Unter den Linden" mit ihrer vierfachen Lindenreihe ist eine der schönsten und besuchtesten von Berlin. Alles, was nur sehen und gesehen werden will, strömt scharenweise hierher und dann weiter durch das Brandenburger Thor nach dem Tiergarten, um teils in schattigen Gängen unter duftenden Wohlgerüchen zu wandeln, teils in Lustgärten und Erfrischungshäusern bei den Tönen einer anmutigen Musik den Trank des Morgenlandes zu ge¬ nießen. Ueber dem herrlichen Thore standen ehemals vier Rosse und ein Wagen mit der fahrenden Viktoria aus Erz — ein prachtvolles Werk. Das haben die Franzosen bei der ersten Besitznahme Berlins ^weggenommen. Von den öffentlichen Gebäuden find das Zeughaus, das königliche Doch genug von geistlichen Sachen!
Schloß und
die
Kirchen
am
Gensdarmenmarkt diejenigen,
welche sich am meisten durch Erhabenheit des Stils auszeichnen. Köstlich ist die Statue des großen Kurfürsten auf der langen
Das kräftige Roß ist ein Griff aus der Natur, und das kühne Gesicht des Helden erweckt wieder Mut und Kühn¬ heit. Durch die Wirkung auf den Beschauer lobt sich das Werk. Brücke.
Das Palais des Prinzen Heinrich ist bei Stiftung der Universität vom König zum akademischen Gebrauch geschenkt worden. Die Professoren aller Fakultäten kommen hier täglich zusammen, um in den zahlreichen Hörsälen ihre Vorlesungen zu halten. Dadurch ist ein litterarischer Bereinigungspunkl
die
versagt
Natur die Gabe des Gehörs und der Sprache
hat,
lernen hier durch
den bewunderungswürdigsten
Fleiß der Lehrer den Gebrauch der Sprache und
überdies
eine Menge der nützlichsten menschlichen Kenntnisse und Fertig¬ keiten. Das ihnen mangelnde Gehör ersetzen sie durch das
Gesicht; dem Sprechenden sehen sie die Worte an der Be¬ wegung der Lippen ab und antworten darauf, ohne sich selbst hören zu können. An Scharfsinn und schneller Fassungskraft übertreffen sie die anderen mit allen fünf Sinnen begabten Menschen. Ich machte den Versuch, sie nach den abstraktesten Ideen zu fragen und die Antwort aufschreiben zu lassen, und Herr Professor sie waren in einem Augenblick damit fertig. Grashoff hatte die Güte, mir den ganzen Unterrichtsgang in drei Stunden praktisch zu zeigen. Die meiste Anstrengung kostet es. im Anfang des Unterrichts die einzelnen Buchstaben Ein oder mehrere Tage sind den Kindern beizubringen. erforderlich, bis sie das r oder x aus dem Munde heraus¬ bringen lernen. Das Cyllabieen und Lesen geht später schon schneller. Außer der Tonsprache haben die Kinder noch die Zeichensprache, welche ihnen zur Unterhaltung dient, wenn Ein früherer Zögling dieses Institutes, sie unter sich sind. Herr Habermaß, ist jetzt schon selbst Lehrer und giebt Unterricht in den Wissenschaften. Diese Taubstummenanstalt
erhält Schüler aus den entferntesten Gegenden Deutschlands, selbst aus Ostpreußen und Kurland. Bewunderung verdient das Blinden-Jnstitut, Direktor Professor Zeune ist, und das dreißig Zöglinge Hier wird der Mangel des Gesichts beim Unterricht har. durch das Gefühl ersetzt, was bei den Blinden in dem Grade Gleiche
dessen
geschärft ist, daß sie Gedrucktes durch Betastung lesen können.
— Wer
Anstalten gesehen hat. muß von dankbarer Freude erfüllt werden über die edle Entsagung der Männer, die ihr ganzes Leben mühevoll daran wenden, der leidenden diese
-« Menschheit
zu
helfen.
Welch
irdischer Lohn
kann
ihre un¬
säglichen Lehrer Anstrengungen vergelten? — Seitdem die Festung Spandau übergegangen
war,
Die Trüminer Spandaus blieben fast
zu haben.
ausschließlich Gesprächsthema aller Zusammenkünfte, bis die späteren großen Ereignisse die Zungen auf einen anderen Gegenstand lenkten.
Ein kluger Einfall des Spandauer Magistrates war es, jene Neugierde der Berliner mit einem Zoll zu belegen. Jeder Ankömmling mutzte nämlich beim Eintritt in dies Ruinentheater acht gute Groschen bezahlen, wodurch für die Abgebrannten mehr eingekommen ist. als durch die Kollekten in sämtlichen Kirchen Berlins. Am Tage meiner Abreise von Berlin besuchte ich noch vormittags das Waltersche Museum im akademischen Gebäude, worüber Dr. Rudolphi die Aufficht führt. Es soll das größte anatomische Kabinett in Europa sein. Hier ist der Mensch in allen Perioden seines Lebens von der kleinsten Embryogestalt an bis zum Totengerippe, teils in Spiritus, teils unter Glaseinfassung. zu sehen. Jeder innere oder äußere Teil des menschlichen Körpers, jeder kleinste Nerv hat seinen Namen und ist wohl vierzig bis fünfzigmal in einer anderen Gestalt und Lage zu beschauen. Welch eine Wunder¬ welt ist doch das kleine Wesen, Mensch genannt! Man muß
in Staunen und Anbetung
versinken
über
die Kunst,
und zum
mit
harmonischen
alles ineinander geschlungen Ganzen verbunden ist. Das größte Wunderwerk von allen aber ist das Nicht sichtbare, weiches einst alle diese Teile be¬ lebt und zusammengehalten hat. Wo ist der unbekannte welcher
Fremdling geblieben, der unter diesem Laubwerk eine Zeitlang wohnte und zu den Fenstern hinaussah, dann aber davon¬ ging. als es ein wenig einzuregnen anfing? Zwei Stunden vor meiner Abreise wurde die Nachricht an den Straßenecken bekannt gemacht, daß unweit Leipzig bei Lützen eine große Schlacht vorgefallen und die Verbündeten
Mai
das Schlachtfeld bis Mitternacht behauptet hätten; auf feindlicher Seite sei Napoleon selbst dabei gewesen. Diese Nachricht erregte allgemeine Sensation. Ueberall stand man in Gruppen beisammen und besprach die eingelaufenen Nach¬ richten, man wies Briefe vor. die von großen Trophäen, am 2.
Täuschung stattfinden dürfe.
de Wette Dr. Beller¬
Schleiermacher und
habe ich nicht sprechen können, wohl aber Herrn
halte eine wahre Wut von Neugierde alle Stände und Ge¬ schlechter Berlins ergriffen, die Ruinen der zusammengeschossenen Stadt zu sehen! Alles ging, ritt oder fuhr hinaus, um dies
Schauspiel
24
mann, der dem Kölnischen Gymnasium vorsteht. Er teilte mir einiges aus seiner hebräischen Metrik mit, die er schon in den Druck gegeben und die über diesen dunklen Teil der Beim hebräischen Litteratur neues Licht verbreiten wird. Direktor Snethlage am Joachimsthaler Gymnasium sah ich die Programme dieses Gymnasiums, die sich durch das Be¬ streben auszeichnen, den religiösen Geist in den Schülern wieder zu erwecken, anzufachen.
Das
sowie
die Liebe
ist eine neue
zu
realen Kenntnissen
Morgenröte, die in den
ge¬
Alles Hai seine Zeit; auch der frivole Leichtsinn gehet vorüber. Es war schon spät am Tage, als ich Berlin verließ, und daher gegen Nacht, als ich in Potsdam ankam, so daß ich kaum Zeit hatte, eine Stunde an die Fortsetzung meines Tagebuches zu wenden. Mit Sonnenaufgang fuhr ich auch schon wieder aus Potsdam heraus, ohne etwas von den Die Havel Herrlichkeiten Friedrichs II. gesehen zu haben. Weinberge, Schlösser, romantische Gegenden. bildet hier Hügel. Seeen, Lustgärten wechseln so anmutig mit einander ab, daß man sich in ein bezaubertes Feenreich versetzt wähnt. Eine Meile hinter Potsdam, bei Baumgartenbrück, hört die lehrten
Schulen
aufgeht.
auf. und der fliegende Sand, dies ewige Erbstück Das Städtchen der Mark Brandenburg, hebt wieder an. Gebiete; indessen tragen sächsischem Brück liegt schon auf Sachsens Gegenden die auf dem rechten Elbufer liegenden Nichts von den noch die Physiognomie der Mark an sich. Chaussee
Dörfern, feiten Fluren. Weinbergen, Obstgärten, die in Sachsen erwartet, sondern Sand, Heideland und Wildnis. Erst wo das Uferland gegen die Elbe sich herab¬ schönen
man
senkt.
hebt
das
Reich
der
Fruchtbarkeit
und
eine
andere
Vegetation an. Die Stadt Belzig liegt in einem anmutigen Thale. über welches die Trümmer eines alten Bergschlosses hervorragen.
Die Selagerung und Gcoberung Stettins durch den Großen Kurfürsten Friedrich Wilhelm im Jahre 1677. Bon Carl van Kessel. Wiederabdruck nur mit Genehmigung de- Verfasser- erlaubt.
Die Belagerung Stettins im Jahre 1677 durch den Kurfürsten Friedrich Wilhelm von Brandenburg nimmt in der
w. meldeten. Ich gestehe, daß mir die Kunde etwas verdächtig vorkam, weil Napoleon, wenn er wirklich zugegen gewesen, nicht ohne überlegene Macht an¬ gegriffen. sondern sich lieber bis zum Rhein zurückgezogen haben würde, bis seine Kavallerie herangekommen. Gott verhüte, daß es eine zweite Eylauer Schlacht gewesen, wo man auch bis Mitternacht das Schlachtfeld behauptete, dann aber bis Königsberg sich zurückzog. Auch taucht hier heute neben der Siegesbotschaft schon ein anderes Gerücht auf, wo¬ nach die Franzosen Leipzig wieder besetzt hätten. Mein Aufenthalt in Berlin war zu kurz, als daß ich viele gelehrte Bekanntschaften hätte machen können. In Herrn
samkeit schenken, in Anspruch nehmen zu dürfen, wenn wir ihnen hiervon ein Bild entwerfen, welchem nicht allein die damaligen amtlichen Berichte zu Grunde liegen, sondern wobei auch die Mitteilungen hoher Militärs, welche der Belagerung beiwohnten, als Quellen benutzt worden find. — Am 22. Dezember des vorerwähnten Jahres übergab die schwedische
Profeffor Marheineke.
Garnison Stettins, nachdem
eroberten Kanonen
u.
s.
den
ich
Sonntag abend
besuchte,
fand ich einen liebenswürdigen jungen Mann. Wir kamen im Gespräch auf den Gebrauch der Poesie in der Religion zu reden, gegen den er sich erklärte, da in der Religion keine
an kriegerischen Bewegungen so reichen Geschichte Pommerns eine hervorragende und interessante Stelle ein. Wir glauben deshalb auch das Jntereffe derjenigen Leser, welche den historischen Ereignissen
in diesem Lande ihre nähere Aufmerk¬
sie
am 14. Dezember kapituliert
hatte, den brandenburgischen Truppen unter dem Kommando des Großen Kurfürsten die Stadt, die seit jenem Tage im Besitz der Krone Preußens geblieben ist. Obgleich Stettin in
Völkerkunde. I. Krrlksglanke und Uolkskrcruotr der Kivkenkürger Kcrrhfen. Von Dr. Heinrich von Verlag von Emil Felder. Preis 5 Mk.
Für die
WliSlocki.
Berlin.
im allgemeinen wie für die märkische bildet die vorliegende Arbeit der auf diesem Gebiete rühmlichst bekannten Verfasser« einen wichtigen Beitrag. So manche Parallele läßt sich zwischen den jetzt so entfernten Stämmen nachweisen, die auf denselben Ursprung zurückführen muß. So ist z. B. die Sage von dem als, der neugeborene Kinder entführt und sein eigene« an deren Stelle legt, identisch mit den in Norddeutschland verbreiteten Erzählungen von den „Unterirdischen". Im allgemeinen kann man auch bei den Siebenbürger Sachsen die Beobachtung machen, daß ihr Volksglaube ebenso von naivem Humor durchwürzt ist, al« der im übrigen Deutschland, eine Wahrnehmung, die für dar VolkSverständni« in seinen weitesten Beziehungen noch immer nicht genügend klar gestellt ist. Die Erzählung von der „BranefrL (Brunnenfrau) ist auch in Berlin nicht ganz fremd. Schreiber entsinnt sich aus feiner Jugendzeit, eine Drohnung vor der Wafferfrau gehört zu haben, die nicht anders als in der Wasserleitung stecken sollte, eine interessante Bezeugung, wie sich uralte Anschauungen in immer wieder veränderten Umständen erhalten. — Auch unter den Gebräuchen erkennen wir manche wieder, die auch in der Mark nicht fremd sind. Von Bedeutung erscheint, daß in Siebenbürgen die Pferdeköpfe auf den Zäunen Hexen und böse Geister abhalten. Um den reichen Inhalt, wenigstens soweit er zur märkischen Volkskunde Beziehungen hat, auch nur einigermaßen anzuführen, müßte da« Referat die ihm gezogenen Grenzen weit überschreiten; eS fei daher nur noch auf die Sammlung von Sagen und Heilmittel hingewiesen, für welche wir den Verfaffer allein schon dankbar sein müflen. deutsche Volkskunde
R. M.
Mekiziniscties aus bev Weltgeschichte. von
Dr. Hermann Bierordt,
Buntes Allerlei Tübingen. Preis 1,60 Mk.
Professor der Medizin.
Verlag der Lauppschen Buchhandlung.
Der Verfaffer widmet die vorliegende Broschüre dem ihm persönlich nahestehenden, bekannten Gelehrten Dr. v. Roth. Er spricht eS selbst aus, daß diese Gelegenheitsschrift nicht Ausfluß ernster Forschung fei, sondern lediglich eine in der vorliegenden Ausdehnung bisher nicht gebotene, au« teilweise entfernt liegenden Quellen geschöpfte Zusammenstellung; sie hat den Zweck, die Bedeutung des Krankheitsmoments bei geschichtlichen Persönlichkeiten inS Licht zu stellen. Die einer Erklärung am wenigsten bedürftigen TodeSarten läßt der Verfaffer ebenso zurücktreten, wie die oft wenig beglaubigten KrankheitSgeschichten älterer Schriftsteller. Jedenfalls bildet die eigenartige Schrift einen schätzenswerten Beitrag zum Verständniffe — i. so mancher bisher falsch aufgefaßten Vorgänge in der Geschichte.
Im
Karnpf der Gesellschaft.
O. My fing (Otto Mora). Preis S Mk.
Berlin 1893.
Moderner Roman von Verlag von Otto Zanke.
Wie der Titel schon andeutet, ist die Tendenz des vorliegenden Romans eine sozialpolitische. Die beiden Hauptoertreter der „Gesellschaft",
&
soweit diese Stellung nimmt zu den immer lauter tönenden Forderungen der Sozialdemokratie, sind Kurt Bahnsen, der Großrheder, und der Arzt Bruno Ellhorst. Jener ist imstande, Hunderte von Menschenleben zu opfern, um einen großartigen Gewinn zu erzielen. DaS Gefühl der Ver¬ antwortlichkeit den Mafien gegenüber ist ihm ftemd; er kennt nur ein Streben — nach Besitz von Macht und Geld. Der menschenfreundliche, warmempfindende Arzt will die Kluft zwischen den einzelnen Klaffen überbrücken, will da« Menschengeschlecht kraftvoller und selbständiger machen, möchte der götter- und ideallosen Zeit ein Ende machen: „Die Welt ist so schön, die Kultur so mächtig — warum sind die Menschen so glücklo» heute?" klagt er. Mit tiefem Ernst und edlem Wollen versucht er die Lösung seiner Aufgabe und tritt selbst unter die Arbeiter; aber er fühlt sich hier abgestoßen, als er sieht, daß der Sozialismus die Knechtung des einzelnen noch viel weiter treibt als die „Gesellschaft". — Eine Lösung der sozialen Frage versucht der Roman nicht zu geben; geschickt führt er die handelnden Personen ein, und wenn auch die Charakterisierung einzelner, wie der Sängerin Helga und Magda LaffonS, übertrieben und unwahrscheinlich erscheint, so muß doch zugestanden werden, daß der Roman intereffant geschrieben ist und den „Kamps der Gesellschaft" richtig —i. wiederspiegelt.
„Kieke, tva» btt lieben darfst."
Schauspiel in 8 Auszügen.
Von Wilhelm Jordan. Frankfurt a. M. 1892. W. Jordan» Selbstverlag. Preis 2 Mk. Dar kleine Drama dürfte sich recht gut zur Aufführung bei ES ist flott geschrieben, die Vereins- oder Familien-Festlichkeiten eignen. Charaktere sind gut gezeichnet, und auch dem Humor ist breiter Raum gegeben. Da jeder liebt, was er lieben darf, so schließt daS Ganze in —i. befriedigendster Weife.
Meister s Kilder- Atlas zur Weltgeschichte nach Kunstwerken alter und rreuer Zeit. Mit er¬
146 Tafeln Großläuterndem Text von Dr. Heinr. Merz. Folio mit über 5000 Darstellungen. 5 Auflage. 25 Lieferungen ä 1 Mk., in Original-Prachtband 30 Mk. Stuttgart. Verlag von Paul Reff. Dieser von kompetentester Seite anerkannte und mit mehreren Medaillen ausgezeichnete Bilderatlas zur Weltgeschichte hat sich die Auf¬ gabe gestellt, die Geschichte und da» Leben der Kultur-Völker durch ihre eigenen
alten Kunstdenkmäler,
sowie
durch geeignete Meisterwerke neuerer
Zeit zur Anschauung zu bringen, und den Beschauer nicht allein in die Geschichte als solche, sondern auch in den reichen Denkmälerschatz der Vergargenheit und damit in Genuß und Verständnis des Herrlichsten, was Menschenhand geschaffen, einzuführen. Ein so echt künstlerischer, in sich harmonisch abgerundeter Werk, mit einer Fülle der instruktivsten, da« verwöhnteste Auge befriedigenden Inhaltes, eine Zierde jeder Privat- und öffentlichen Bibliothek wird hier zu dem unerhört billigen Preis von 2b Mark geboten; eS sollte daher von keinem. Studierenden, keinem Ge¬ bildeten, keinem Kunstfreunde die Gelegenheit, sich solch unvergänglichen Kunstschatz zu erwerben, versäumt werden. Die Anschaffung ist jedem durch Mk.) ermöglicht, die Ausgabe die Lieferung» Ausgabe (25 Lieferungen ä in Original-Prachtband zu 30 Mk. — eignet sich vorzüglich zu Festgeschenken.
l
Der neue Straubesche Große Plan von Berlin einschließlich der Vororte, Ausgabe 1894, der wie alljährlich, so auch diesmal dem Berliner Adreßbuch von 1894 beigegeben wird, ist soeben erschienen und vom Geographischen Institut und Landkarten-Verlag, Jul. Straube, Berlin SW., Gitschinerstr. 109, sowie durch alle Buchhandlungen zu beziehen, mit Text in Leinwand gebd. für 1 Mk. 50 Pf. (ungebunden für 1 Mk.). Jeder Geschäfts- und Privatmann, der in Berlin lebt oder mit der Metropole in Verbindung steht, muß sich über die baulichen Neugestaltungen und sonstigen Veränderungen auf dem Laufenden erhalten und wenigstens einmal im Jahre einen guten Plan anschaffen. Die Ausführung des Straubeschen Planes ist als eine in jeder Beziehung vorzügliche zu bezeichnen, und bürgt für die wirkliche Zuverlässigkeit desselben der langjährige Ruf der bekannten Firma Straube. Abgesehen von der Ueberstchtlichkeit de« vorliegenden, in drei Farben sauber ausgeführten Plane«, machen wir be¬ sonders auf die große Ausdehnung des dargestellten Gebietes, welche« die Vororte von Berlin und die vollständige Stadt- und Ringbahn umfaßt, sowie auf die Genauigkeit in der Ausführung von Einzelheiten, wie Er¬ weiterung der BebauungSfläche, Anlage und Benennung neuer Straßen, Plätze, Brücken, Kirchen, Umnummerierung der Häuser, Anlage neuer Pferdebahn-Linien u. s. w. aufmerksam. — Somit kann der neue Straubesche
Plan jedermann empfohlen werden.
Inhalt: —
Schloß Erlau. Novelle von Antonie Heidsieck (Fort¬ Die Belagerung und Eroberung Stettins durch den Großen Kurfürsten Friedrich Wilhelm im Jahre 1677. Bon Carl von Keffel (Fortsetzung). — Mölln und Till Eulenspiegel. Eine Wanderstudie von Ernst Friede! (Fortsetzung). — Döberitz im Osthavel¬ lande. Von Dr. Gustav Albrecht (mit Abbildungen). Die Nonne. Eine VolkSsage au« der Neumark von Fritz Eichberg. — Kleine Mit¬ setzung).
teilungen: Ein
Urnenfund in Neu weit fortreißen, ihm hinter dem Fächer das Geständnis ihrer Liebe zuzuflüstern, in dem Wahn, daß dies den zurückhaltenden Niederländer aus seiner Reserve reißen werde, aber seine Antwort lautete anders, als sie er¬
ihrer Leidenschaft
so
wartet hatte.
„Ich
bedauere,
Frau Marquise." erwiderte er, „über
zwar unendlich ehrt, keine Freude empfinden zu können, denn ich bin verlobt. Zwar ist Eva von Lingen, meine Braut, weder so schön, noch so reich wie diese Versicherung, die mich
Sie;
dennoch vermag selbst eine Blanka von
Frix
nicht, mich
meiner Liebe untreu zu machen." Blanka ließ den Fächer finken. Die Röte, die erst ihre Wangen gefärbt hatte, wich einer jähen Blässe, und unter dem Vorwand eines plötzlichen Unwohlseins verließ sie sofort den Hofball.
Graf Horn hatte
diese Episode
fast
vergessen,
als er
1626 seine Braut Eva von Lingen zum Altar führte. Er verlebte selige Flitterwochen mit ihr, und fast zwei Jahre später, am Tage, nachdem im Palast des Erbstatthalters ein Töchterchen geboren, schenkte Eva von Horn ihrem Gatten gleichfalls eine Tochter, deren Geburt die Seligkeit des jungen
Paares noch erhöhte. Da nahte das Unglück in Gestalt Blankas von Frix. Dieselbe tauchte plötzlich in der vornehmen Ge¬ sellschaft im Haag auf. Alle Salons öffneten sich ihr, auch die des Erbstatthalters, und so konnte ihr auch Graf Horn die seinen nicht verschließen. Er that es ohne Bedenken, da Seiner sie sich seiner Gattin in Liebe und Freundschaft nahte. Eva sagte er nichts von Blankas Liebeserklärung, zu seinem und ihrem Unglück, denn die Frau wäre doch wohl mi߬ trauischer und argwöhnischer gewesen, als der Mann mit dem offenen, geraden, biederen Charakter; eine Frau hätte gewußt, daß eine Französin von dem Charakter Blankas eine solche Zurückweisung niemals verzeiht. So war der Winter von 1628 zu 29 fast vergangen, als auch Blanka ihre erste größere Gesellschaft gab. Die Hitze war drückend, Gräfin Horn klagte über Unwohlsein, Blanka führte sie liebevoll in ein Nebenzimmer zu einent Sofa und entfernte sich auf kurze Zeit, um ihr eine Limonade zu bereiten.
„Ich danke Ihnen, wie gut Sie sind!" sagte Gräfin Eva, als sie das Glas aus der Hand der Todfeindin und Neben¬ buhlerin nahm. Ihre blauen Augen spiegelten die tiefe Dankbar, keit wieder, die ihr weiches Herz in diesem Augenblick empfand. Nicht lange danach kehrte sie erfrischt und belebt in die Gesellschaftsräume zurück. Am anderen Tage erkrankte Gräfin Eva zu jahrelangem dessen Ursache kein Arzt ergründen konnte. Ihr Gatte bezog mit ihr ein Landhaus bei Haag, aber weder die Landluft, noch die sorgfältigste, liebevollste Pflege vermochten ihre Gesundheit wieder herzustellen, da die Kunst der Aerzte den schleichenden Feind in ihrem Innern nicht erkannte. Drei Jahre später stand Graf Horn an ihrem Sarge. Mit ihr begrub er das Glück seines Lebens. Wohl blieb ihm noch sein Kind, seine kleine Eva. aber er konnte sich über dieselbe
Siechtum,
nicht mit seiner Gattin freuen. Ersatz am Sarg derselben hätte dem Vater nur eine erwachsene Tochter gewähren können. Aber solche Hoffnung sollte selbst für die Zukunft Blankas Rache ihm nehmen.
Das fast freundschaftliche Verhältnis mit der verstorbenen
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Gräfin Horn gab der Marquise von Frix ein Recht, ab und zu nach dem Kinde der Gräfin zu sehen. Hätte sie dies in des Grafen Abwesenheit gethan, so hätte die Welt nichts dagegen sagen können. Ihre häufigen Besuche bet der kleinen Eva erregten aber bald Anstoß in der Gesellschaft und bei der Dienerschaft des Hornschen Hauses. Ohne es zu ahnen, leistete der Graf selbst dem üblen Gerede Vorschub, indem er
ihr geflissentlich aus dem Wege ging; denn die Untergebenen haben ein feines Verständnis für die Sympathie oder Antipathie ihrer Herrschaft. Ein halbes Jahr nach dem Tode der Gräfin gelang es Blanka. den Grafen in der Kinderstube, am Bette des schlafenden Kindes, zu treffen. Nicht schüchtern und errötend hinter dem Fächer, wie vor Jahren, nein, heiß und leiden¬ schaftlich gestand sie ihm abermals ihre Liebe und beschwor ihn, seinem von ihr über alles geliebten Kinde in ihr eine zweite Mutter zu geben. Graf Horn aber hatte keine Lust, ein Weib, das sich ihm selbst antrug, zur Gattin zu nehmen; gab er je seinem Kinde eine zweite Mutter, so .sollte es aus eigener, steter Wahl geschehen.
Zu ihrem Staunen hatte ihre Leidenschaftlichkeit es nicht vermocht, einen Wiederhall in der Seele des kühlen Nieder¬ denn kalt und ruhig wies er fie zum Sie und der Graf wußten sich zu be¬ herrschen, als die Dienerin eintrat, so daß diese von dem, Kühl und was eben vorgegangen war, nichts merkte.
länders zu
erwecken,
zweiten Male
ab.
zeremoniell verabschiedeten fich beide, um sich hienieden nicht wiederzusehen; aber in Blankas Seele kochten Wut und Zorn, nnd mit einem fürchterlichen Racheschwur im Herzen verließ sie das Haus des Grafen, um Weh und Leid über dasselbe heraufzubeschwören.
Am Abend desselben Tages kam ein Bote zum Grafen vom Erbstatthalter, der ihn sogleich nach dem Haag entbot. Das offene, arglose Gemüt des Grafen kannte kein Mißtrauen; er ahnte nicht, daß Blanka ihm Rache geschworen, und zögerte daher keinen Augenblick, dem Rufe seines fürstlichen Freundes Folge zu leisten. Als er eine Weile fort war, erschien Blanka im Landhause und sagte: Der Erbstatthalter, der im Sterben liege und schon nach dem Grafen geschickt, wünsche auch das Töchterchen desselben noch einmal zu sehen, und da habe Graf Horn fie gesandt, das Kind zu holen. Keiner im Hause hatte ein Arg, und keiner mißtraute der ihnen allen nicht fremden Dame, die stets so viel Liebe und Interesse für das Kind ihrer „verstorbenen Freundin" gezeigt. Die Kleine schlief schon; fie ward daher nur notdürftig angekleidet, um fie nicht zu wecken und dadurch in eine Stimmung zu versetzen, die für das Krankenzimmer eines Sterbenden nicht erwünscht war. Blanka wickelte fie in die kost¬ bare Decke, die Gräfin Eva noch für das Bettchen ihres Kindes aus blauer Seide gefertigt, und die, mit gesticktem Tüll über¬ zogen, den Namenszug der Kleinen: E. v. H. in Goldfäden gestickt trug; außerdem ließ fie fich aber noch einige Kleidungs¬ stücke geben,
spät,
denn es werde heute abend, meinte sie. doch zu fie werde wohl die
fie wieder nach Hause zu schaffen,
Nacht im Haag bei der kleinen Prinzessin Luise Henriette bleiben müssen. So trug fie sie aus dem Vaterhaus. In einiger Entfernung harrte ihrer ihr Reisewagen, sie bestieg denselben und fuhr in rasendem Galopp der stanzöfischen Grenze zu.
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Stunden später jagte auch Graf Horn zum Erbstatthalter vom denn als er zurück, Landhause gehört, daß derselbe nicht nach ihm geschickt, hatte sich seiner eine unbestimmte Angst bemächtigt. Als er erfahren hatte, was daheim indessen geschehen, eilte er noch einmal nach dem Haag zu seinem fürstlichen Freunde, um Hilfe von demSogleich wurden Bewaffnete auf der selben zu erbitten. Landstraße nach Frankreich entsendet, mit dem Befehl, jeden Reisewagen anzuhalten und nach einer Dame und einem vier¬ Blanka halte jährigen Kinde zu durchsuchen. Vergebens! mehrere Stunden Vorsprung und vorzügliche Pferde; auch eine polizeiliche Durchsuchung Haags blieb natürlich erfolglos. Nach einigen Tagen erhielt Graf Horn ein Schreiben von Blanka. in welchem sie ihm den Kindesraub mitteilte und ihm sagte: er möge jede Hoffnung aufgeben, seine Eva je wiederzusehen, denn dieselbe weile nicht mehr unter den Wenige
„Blanka von Frix kann nur lieben oder hassen," fuhr sie fort, „Sie haben meine Liebe nicht gewollt, so er¬ fahren Sie denn meinen Haß und meine Rache! Sie haben
Lebenden.
mein Herz gebrochen,
so sei es auch
das
Ihrige!"
Thränenlos starrte der Graf ins Leere, nachdem er diesen Brief gelesen. Jetzt wußte er. daß ihm jede Hoffnung auf Rettung seines Kindes und auf ein Wiedersehen mit demselben genommen sei. Gattin und Kind im Zeitraum eines einzigen Jahres, das war zuviel für das Herz des Gatten und Vaters! — (Fortsetzung folgt.)
Die Belagerung und Eroberung Stettins durch den Großen Kurfürsten Friedrich Wilhelm im Jahre 1677. Bon Carl trtrn Uteffel. Wiederabdruck nur mit Genehmigung des Verfassers erlaubt.
(2. Fortsetzung.)
Am 9. Oktober, mittags 12 Uhr, machten die Belagerten an nach der Lüneburger Seite hin einen Hauptausfall, welchem nicht allein der größte und beste Teil der Garnison, sondern auch viele Bürger und Matrosen teilnahmen. An¬ fangs wurden die Lüneburger durch diesen unerwarteten Angriff überrascht und zurückgetrieben und verloren dabei
150 Tote, worunter Oberst Jäger Offiziere, bald kam aber dem Lager Unterstützung, und 13 und die Schweden wurden aus den Werken, deren fie sich bereits bemächtigt hatten, wieder mit einem Verlust von etwa Am Abend desselben Tages 100 Mann hinausgeworfen.
wiffen wollte.
Seitens der Brandenburger hatte man unter-
deffen den kleinen Wassergraben vor dem halben Bollwerk am Heiligengeistthor, trotz des Widerstandes des Feindes, mit Faschinen gefüllt und einen Damm darüber gebaut, worauf
auf die Fassade des halben Bollwerks ein Sturm erfolgte, der auch so glücklich gelang, daß die Kurfürstlichen Truppen imstande waren, auf diesem Punkte Posto zu fassen und sich festzusetzen. Nach den Berichten der Ueberläufer hatten die letzten Gefechte den Belagerten gegen 1100 Mann gekostet, und bei drei Kompagnien Bürgermilitär, welche die Waffen niedergelegt, war es nur mit vieler Mühe gelungen, dieselben Der Rat der Stadt wieder zur Ordnung zurückzuführen. — überall Rathause; befand sich in Permanenz auf dem herrschte Unordnung und Schrecken, welche noch durch die fast täglichen Feuersbrünste vermehrt wurden. Am 29., vormittags 10 Uhr, ließ der Kurfürst in dem Bollwerk vor dem Heiligengeistihor eine neue Mine springen, die indessen nur teilweise aufging, doch aber einen abermaligen hartnäckigen Kampf zwischen Belagerten und Belagerern veranlaßte, wobei schweInzwischen discherseits der Oberstleutnant v. Kelwig blieb. geschlichen in Stadt Pust wieder die der bekannte hatte sich auch am einem und dort mit solchem Erfolge die Nachricht von nächsten Sonntag bevorstehenden Entsatz zu verbreiten gewußt, daß man in Stettin vor Freude zu braten und zu backen begann. Am 28. besetzten die Brandenburger das zwischen dem Heiligengefft- und dem neuen Thor belegene Ravelin. nachdem dasselbe vorher durch eine mit großer Wirkung in die Höhe gehende Mine zerstört worden war, und hierdurch wurden fie nunmehr in den Stand gesetzt, an zwei Orten auf dem Walle vor dem Heiligengeistthor sicher fortzuarbeiten.
Am 2. November langte der königlich-dänische Stall¬ meister, Herr von Haxthausen, im Kurfürstlichen Lager mit der Nachricht an, daß der König von Dänemark 200 Mann
zur
Unterstützung abgesandt habe, die in zwei bis drei Tagen, da dieselben sich schon in See befänden, angelangt sein würden. Unterdessen hatte man sich bei beit Angriffen dem Heiligengeistthor und Frauenthor bis zum 4. November bis an die Brustwehr des Walles genähert und fuhr fleißig mit der Legung
von Minen fort. Am 4. flog abermals eine solche in die Luft, und die Folge davon war die Einnahme des Ravelin von der Courtine zwischen dem Heiligengeistthor und dem Eckbollwerk und die Besetzung desselben durch 200 Mann. nachdem das¬ Dort selbe dreimal verloren und wieder genommen worden war.
zwei Geschütze und etwa
errichtete man am 6. und 7. eine Batterie, um damit die vom
erhielt der Kurfürst die Nachricht, daß die Schweden ganz Rügen geräumt und den Dänen überlassen hätten. Am 11. in der Nacht versuchte der Feind mit 300 Mann einen zweiten Angriff auf das Brandenburgische Lager, welcher jedoch eben¬ falls entschieden zurückgeschlagen ward, und deffen Resultat bei der Besatzung außergewöhnliche Bestürzung erregte. Unter diesen abwechselnden Angriffen und Ausfällen näherte man sich dem Ende des Monats Oktober, und was man aus der Stadt hörte, war für die dortigen Zustände eben nicht sehr tröstlich, indem sich dort bereits eine Pöbelherrschaft geltend zu machen begann, welche noch immer nichts von Uebergabe
Feinde errichteten Pallisaden und Planken zu zerstören. Die Nachrichten aus der Stadt lauteten inzwischen immer trauriger. Die Besatzung war so zusammengeschmolzen, daß man die Toten, weil die Kirchhöfe überfüllt waren, auf dem Walle begraben und die Verwundeten zum Dienst heranziehen mußte; von der Infanterie waren nur sehr wenige Offiziere unbeschädigt, und unter der Bürgerschaft herrschte der Zwie¬ spalt. Hierzu kam noch, daß fast kein Schuß aus den Brandenburgischen Geschützen sein Ziel verfehlte, da dieselben bereits ganz in der Nähe auf den Stadtwällen und in den Gräben aufgestellt waren. Während man am 16. auf dem zwischen dem Heiligengeist- und dem Neuenthor gelegenen Ravelin Batterien errichtete, war bereits das dänische Regiment des Generals von Lehnsdorf im Kurfürstlichen Lager eingetroffen, und am 19. langte die Nachricht an, daß weitere dänische
-e
Hülfstmppen auf dem Marsch begriffen und binnen zwei Tagen zu erwarten wären. Am 24. iing die Batterie ans dem halben Bollwerk zu feuern an und zerstörte bald die feindlichen Pallisaden und Blockhäuser; auch nahm man die vom Feinde besetzte, vor dem Heiligengeistthore belcgene Courtine. Im Lüneburgischen Lager hatte man drei Minen verfertigt und eine derselben springen lassen, während dies mit den beiden andern am Tage des Generalsturms der Fall sein sollte. Dagegen konnte man aus der Seite der Lastadie nur bis an den kleinen Fluß kommen, der an dem Wall vorbeiläufr und den Stadtgraben bildet. Der
Kurfürst hatte übrigens für alle Fälle noch fünf Regimenter aus dem Klevischen komnien lassen und den Befehl zur Beschleu¬ nigung der Minenarbeiten gegegeben, um den feindlichen Wall zu Am 6. sprengen und dann einen Hauptsturm zu beginnen. Dezember wurde von den Brandenburgern des Nachmittags 2 Uhr die mit dreifachen Pallisaden versehene Schanze, der sogenannte Knopfhäs, die am Fuße der Courtine vor dem Heiligengeistthor lag und sehr vielen Schaden that, genommen und dann in die Lust gesprengt, wodurch die Stadlmauer
&—-
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Vergleich nicht abgeneigt, besonders als ihm vorgestellt ward, daß er doch die Stettiner von nun ab als seine Unterthanen
und ihm daher die Pflicht obliege, dieselben Infolge dessen kamen am 13. Dezember zwei zu schonen. schwedische Offiziere als Geiseln ins brandenburgische Lager, wogegen sich zwei brandenburgische Offiziere in gleicher Eigen¬ zu betrachten habe
schaft
auch
der
schwedische
den
Oberst
schickten
den
Uechtritz
folgendes Schreiben übergab:
„Durchlauchtigster Kurfürst! Wie bisher die Pflicht, wo¬ mit Ihrer Königlichen Majestät und der Krone Schweden, nach unserer an dieselbe mit gemeiner Reichsbewilligung geschehenen Uebergabe und der darauf erfolgten Huldigung, wir verbunden gewesen, auch uns allerdings, angetrieben, bei Höchstermeldeten
Ihrer Königlichen Majestät und Schweden redlich und getreu verdrossen
Ksrh-MedarUr. Zu dieser Zeit starb
Die Schweden
Stettin begaben.
und einen Ober-Kommissar, der Kurfürst dagegen den Major v. d. Lühn und den Hauptmannn v. Krusemark. Gleichzeitig erschien eine Deputation des Rates der Stadt im Lager, die betn Kurfürsten
Aus der Medai'llen-Priigerei von
bloßgelegt ward.
nach
General-Major Plantin,
Gut und
Blut
zu
derer hcchwohllöblichen Krone
handeln und folgends
aufsetzen,
un¬
als können wir uns
(B. öl.)
Otto Oertel
in Berlin.
nicht anders vorstellen,
als
daß
Euere Kurfürstliche Durch¬
Oberst von Jsensee, der einen Schuß in die Brust und einen in die Schulter bekommen hatte. Uebrigens war die Besatzung bereits so geschwächt, daß die meisten Kompagnieen fich außer stände befanden. Dienst zu thun, da fich ihre Stärke mit¬ unter nur auf sechs bis sieben Mann belief. Am 9. Dezember
pflichtmäßigen Bezeugungen ein gnädiges Gefallen werden gehabt haben. Sondern müssen auch glauben und unzweifelhaft dafür halten, daß Eure Kur¬ fürstliche Durchlaucht nach Dero wohlbekannten Tugendeifer von denjenigen, die fich zu Dero hiernächstigen Unterthanen
erschien eine tartansche Gesandschaft im Lager des Kurfürsten, und dieser gab derselben, auf einem rotsammetnen, mit Silber verzierten Seffel fitzend, Audienz. Der Gesandte überreichte drei Schreiben; das eine von dem Chan, seinem Herrn, das andere von dessen Sohn, beide an den Kurfürsten gerichtet, ein drittes war für die Kurfürstin.
qualifizieren sollten, eine Probe eines künftigen gleichmäßigen Comportements requerieren. Und sie sonst nicht würdig zu halten, dieselbe in Dero Kurfürstliche Durchlauchtigste Huld und Schutz zu nehmen, ehe und bevor sie durch ein öffentliches Exempel Euere Kurfürstliche Durchlaucht und der ganzen Welt zu erwarten und zu hoffen sein möchte. Nachdem aber nun¬ mehr die von uns oberwähnter Maßen erforderte Schuldigkeit adimpedieret, uns aber von seiten Ihre Königlichen Majestät und der Krone Schweden es so weit ermangelt, daß die uns so oft allergnädigst verheißene Rett- und Entsetzung außen geblieben, oder durch ein unglückliches Verhängniß vergeblich gemacht und impedieret worden, wir aber dannen Hera insonder¬ heit bei Euer Kurfürstlichen Durchlaucht unablässigen Vorsatz und deren bisherigen Succes nicht anders finden können, als daß wir der Nezesfität und von Gott bestimmten Aenderung uns submittieren, weichen und zu Euer Kurfürstlichen Durchlaucht
Am 12. endlich richtete der Kommandant von Stettin. General von Wulffen, ein Schreiben an den General ° Major von Ende, der die Lüneburger befehligte, in welchem er diesen an das ihm gegebene Versprechen erinnerte, ihm einen ehren¬ vollen Abzug auswirken zu wollen. Von Ende antwortete, es sei hierzu zwar etwas spät, doch wolle er sein Bestes thun, das Werk zu einem guten Ausgang zu führen. Obgleich bereits alles zu einem Haupsturm vorbereitet war und die Soldaten diesen, wegen der in Ausficht stehenden Plünderung, sehnlichst herbeiwünschten, fand sich der Kurfürst doch zu einem
laucht
an solchen
unseren
-«I Füßen
demütig niederlegen müssen,
als kommen wir nun¬
mehr» in solchem Habit und bitten zuvörderst unterthänig. Eure Kurfürstliche Durchlaucht geruhen gnädigst, uns unter Dero Regierung auf- und anzunehmen, was bisher nicht anders als in ob vorgestellter Meinung und Intention geschehen, zu einiger wider uns zu übenden Ungnade nicht gedeihen zu
vielmehr durch gnädige Bewilligung dessen, was wir unserthalben bei dem zutreffenden Akkord unterthänig zu erinnern und zu suchen gemüßiget werden, uns und der Stadt zu eröffnen, was wir hiernächst zu gewarten und von Dero Gnaden Szepter zu fassen haben. Und als da nächst bei auf eine solange Zeit ausgehaltener Belagerung und dabei von Euer Kurfürstlichen Durchlaucht gebrauchten großen Ernst wir zu armen, ruinierten Leuten werden, die sowohl an lassen,
sondern
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&•
mit Genugthuung nicht minder gnädig Deputation auf und empfing die städtische wie die militärische, indem er beiden Teilen sein Wohlwollen versicherte. Am 16. Dezember gegen Abend wurden darauf für die Stadt und Besatzung folgende 24 Punkte festgesetzt und bewilligt: 1. Dte Garnison zu Roß und zu Fuß, in schwedischen National- und dazu gehörenden Völkern bestehend, soll nach Soldatenmanier mit fliegenden Fahnen und Stan¬
Der Kurfürst nahm
dieses Schreiben
darten, klingendem Spiel, vollem Gewehr und Sack und Pack abziehen und nach Liefland convoyieret werden, die Deutschen aber, sowohl Offiziere wie Gemeine, müssen, zu Folge der Avokatorien, die
schwedischen Kriegsdienste
quittieren.
Das Herrnhaus ft* Döberitz. Nach einer photographischen Aufnahme von
ihrem publiquen als privaten Zustande unsäglichen Schaden und Abgang gelitten, auch aus solchem kläglichen Unfall anderer Gestalt, als durch Euer Kurfürstliche Durchlaucht gnädigstes Erbarmen und Erhebung
nit electieren können,
so
Franz TÜmar.
2. Sollte alle Bagage nicht können mitgenommen werden, soll einem Jeden freistehen, selbige bei sicheren Leuten niederzulegen und nachgehends bei offenenem Waffer abholen zu lassen.
hat uns solche äußerste Not und zuverläßliche unterthänige Zuver¬ sicht gezwungen und angefrischk, bei Ihre Kurfürstliche Durchlaucht mit hierbeiliegenden allerunterthänigsten Memorial annoch und in Zeiten einzukommen und demütigst zu bitten, unserer also in Gnaden eingedenk zu sein, damit wir dadurch soviel mehr capabel und quale-
3. Die Schützen und Haidereiter werden pardoniert, jedoch diejenigen ausgenommen, welche wider Kriegsgebrauch Mordthaten begangen und deswegen abzustrafen find. 4. Die Beschädigten und Kranken bleiben bis zur Genesung
ficirt werden, alles dasjenige, was Ihre Königliche Majestät und
5. Die abmarschierende Garnison nimmt auf einen Tag Proviant mit sich, hernach wird Sie von Ihrer Kurfürst¬ lichen Durchlaucht mit Unterhalt versorgt.
Dero Krone Schweden bisher geleistet worden, und so dessen ein mehreres sein kann, Ew. Kurfürstl. Durchlaucht und Dero ganzem Hause pflichtschuldigster Maßen zu erweisen, und demnach wirklich darzuthun. was wir nunmehro sein und unverruckl bleiben werden. Ew. Kurfürstliche Durchlaucht Allerunthänigst gehorsamste und getreue Unterthanen Bürger¬ meister und Rat, wie auch gemeine Bügerschaft der Alten Stadt Stettin, den 14. Dezember 1677. Stettin.
und werden verpflegt.
6. Die Gefangenen werden losgegeben und auf freien Fuß gestellt.
7. Die Ueberläufer werden
Bitte pardonieret und
auf des General . Lieutenants müssen sich wieder bei ihren
Regimentern einfinden. Kurfürstliche Durchlaucht
8. Seine
lassen
den
General-
-« Lieutnant von Wulffen zwei Stücke, so sie selber aussuchen wollen, verabfolgen. 9. Den Offizierfrauen, Wittwen und Erben steht es frei, bis Ostern zu bleiben und hernach bei offenem Wasser auf erteilte Pässe ungehindert abzuziehen. 10. Die Königlich Schwedischen Zivil- und Militärbedienten werden gemätz der Amnestie in Schutz genommen, behalten ihre Güter und Habseligkeiten, außer was Domänen find, jedoch daß sie den Eid der Treue leisten. 11. Denjenigen aber von besagten Königlich Schwedischen Bedienten, welche sich anbeiswohin begeben wollen, steht es
frei, Mobilien und Immobilien innerhalb Jahres-
ftist zu verkaufen. 12. Einem Jedem steht wo er will.
es
frei,
seine
Toten zu begraben,
13. Den Königlich Schwedischen Bedienten wird freigestellt ihre Rechnungen wegen geführter Administration abzulegen.
Bediente mögen wegen der der Krone Schweden geleisteten Dienste nicht inkommodiert werden. 15. Die Hineingeflüchteten vom Lande, sowohl Edelleute als Bauern, wie auch aus anderen Städten, mögen sich wieder
14. Vorerwähnte
zu dem
16.
Ihrigen
begeben und
dasselbe
ruhig genießen.
In
Religionssachen machen Seine Kurfürstliche Durchlaucht keine Veränderung, sondern lassen es in dem Stande, wie
es jetzo ist. 17. Die Stiftungskirche zu
St. Marien und das Pädagogium da¬ selbst behalten ihre Jura. Privilegia, Güter und Hebungen.
18. Jngleichen auch alle und jede Kirchen, Gemeinden, Schulen und Hospitalien in und außerhalb der Stadt. 19. Alle und jede Prediger, Kirchen und Schuldiener nehmen Seine Kurfürstliche Durchlaucht in ihren Schutz, lassen sie bei ihrem Amte, wollen auch nicht, daß sie wegen des, was bisher passieret, besprochen werden sollen, jedoch
daß
sie
hierfüro Seiner Kurfürstlichen Durchlaucht die
schuldige Treue und Gehorsam leisten.
20. Die bei der Rechen- und Rentkammer, wie auch Proviantund Lizentwesen vorhandenen Rechnungen und Dokumente werden nach genommener Abschrift abgefolgt. 21. Der Rat und Bürgerschaft der Stadt wird bei ihrem Stadregiment und Priviligien gelassen, mit keiner Plün¬ derung, Brandschatzung oder Lösung der Glocken beschwert; das Fürgegangene wird durch die Amnestie gänzlich ab¬
gethan; einem Jeden steht frei, begeben,
sich
wohin er will zu
und behalten die Bürger und Einwohner den
völligen Genuß und Besitz ihrer Güter. 22. Der General-Lieutnant muß alle Stücke, Munition. Pro¬ viant, und was sonst zur Miliz gehört, getreulich und ohne Gefehrde übergeben.
23. Stracks nach Vollziehung dieses Akkordes wird Seiner Kurfürstlichen Durchlaucht das Neuethor samt dem nächstdarangelegenen Bollwerk, ingleichen der Posten bei der Parnitzschen Brücke auf der Lastadie eingeräumt. 24. Dieser Akkord soll in allen Punkten unzerbrechlich gehalten werden. Nach Abschluß dieser Konvention besetzten die Kurfürstlichen Truppen die vorbenannten Punkte, die Garnison bereitete sich zum Abmarsch vor, und der Rat trat, soweit dies die allgemeine Verwirrung zuließ. Anstalt, den Kurfürsten würdig zu empfangen. (Fortsetzung folgt».
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Mölln
und
Till
Eine Wanderftudie von
Gulrnspiegel. Grrrst Friedet.
(3. Fortsetzung).
Der Küster, Herr Köhler, nicht „Kühler", wie Glagau a. a. O. S. 148 schreibt, ist dienstwillig, kenntnisreich und betreibt, wie Glagau schon im Jahre 1866 rühmt, das Fremdenführen mit Lust und Liebe, jedermann zu Dank, so daß auch wir ihn aufs wärmste allen Touristen und Alter¬ Er kennt seine Kirche genau und tumsfreunden empfehlen. macht die Besucher in freundlich-bescheidener Weise auf alles Sehenswerte aufmerksam.
Die Kirche ist St. Nikolaus geweiht, und
ich kann
mir
deutschen
der Bedeutsamkeit dieses Heiligen für den Norden, einschließlich Berlins und der Mark Branden¬ burg, nicht versagen, dem gefürchteten und doch so gerne
bei
Zeilen zu widmen?) Wie der Knecht Ruprecht im Süden unsers Vaterlandes um die Weihnachtszeit schenkend und strafend herumzieht, so bei uns
gesehenen Kinderfreund ein paar
oft im Geleite des Christkindes, wozu sein Namenstag, der 6. Dezember, ihn schon prädestiniert hat. Auf Grund der Beliebiheit dieses wohlthätigen Heiligen beruht die Verbreitetheit seines Vornamens, welche sich jetzt allerdings mehr auf Schleswig-Holstein und Lauenburg in der Abkürzung Klaus beschränkt. Die tadelnden Ausdrücke, welche man im ganzen plattdeutschen Gebiet noch hent hören kann, wie „er ist ein richtiger Klas" d. h. ein Dummbart, oder die der
Klas oder Klas Bur.
tölpelhaften „Klas Abendsegen", find Der Name Klas nicht etwa gegen den Heiligen gemünzt. (wie Verbreitetheit wird hier nur wegen seiner allgemeinen so besagt gebraucht und etwa in Berlin Fritz und Wilhelm) mit Petrus wenig eine Schmähung, wie eine solche gegen St. dem Volksausdruck „dummer Peter" beabsichtigt, ist Auch die gelehrigen und verschmitzten Dohlen, die Bewohner der Kirch¬ türme, werden, z. B. in Neuvorpommern und Rügen, „Klas" genannt. Was dem Heiligen seine hauptsächliche Verehrung komische
Figur
verschafft
hat,
Schiffer
und
gewidmet,
so
des
ist
der
Umstand,
daß
er
Schutzpatron
der
treibenden oder durch sie wenigstens mittelbar lebenden Kaufleute geworden ist. Er beschirmt das Wasser und schützt gegen Sturm und Fluten. In zahlreichen Schifffahrtsplätzen find ihm daher Kirchen
Prenzlau,
der
Schifffahrt
S
B. in Berlin, Spandau, Potsdam, Lübeck. Bremen, Hamburg. Stettin, z.
Pasewalk, Stolp, Colberg, Alt¬ damm, Ueckermünde. Neustettin, Treptow a. R., Gützkow, Fiddichow, Stralsund. Greifswald, Anklam, Wollin u. s. w. Gleichwohl ist St. Nikolas auffallend
Greifenhagen,
genug Schutzpatron keiner einzigen großen deutschen
**)
*) Nicht zu verwechseln mit Nikolaus StaditeS aus dem 9. Jahr¬ 1330, N. AlbcrgatuS. Bischof von hundert, N. von Tolentino, Bologna,-s 1443 und N. de Rupe oder von der Flüe (lebte nur vom Abendmahl und starb 1487). Ueber unsern norddeutschen Heiligen vgl.
f
Wiesener in den MonatSblSttern, her. von der Ges. mersche Geschichte u. s. w. Nr. 1l, 18»3, S. 169 flg.
für Pom-
**) St. Nikolaus von Myra oder Bari (j- 6. Dezember 343) ist Schutzpatron von Freiburg in der Schweiz, Laibach in Krain und von Moskau. Neben St. Andreas und St.^WIadimir ist er der dritte Schutzpatron Ruß land r. Vgl. D. v. Radowitz, Jconographie der Heiligen, Berlin 1834.
47
fr-
Ja Mölln hatte
er die Stecknitzfahrt zu schirmen, denn durch das Stecknitz - Fließ verkehrte Mölln mit Lübeck und dadurch mit der großen Handelswelt, eine Verbindung, welche neuerdings durch Dampferverkehr vermehrten Aufschwung
die Krypta, in der der Wunderer mht, 1089 von Urban IIgeweiht, die Kirche selbst 1139 vom Normannenkönig Roger Das Fest des Heiligen ist am 8. Mai, wozu vollendet. Tausende von Pilgern, namentlich aus den nachbarlichen
genommen hat.
Dörfern, zusammenkommen. Heiligen schwitzen, oi oredere velis, noch
Unser
albanesischen
Nikolaus
ist in
Pater« in Lycien
geboren und
wurde nach Verabredung als der erste, der zu Myra in der Unter nämlichen Provinz zur Kirche kam, daselbst Bischof. Diokletian eingekerkert und erst unter Konstantin dem Großen befreit, machte er sich auf dem Konzil zu Nicäa, 325, als
Vorkämpfer gegen die Arianer bemerkbar. Als er sich nach Palästina einschiffte, rief er einen ertrunkenen Matrosen ins Leben zurück und sänftigte den Sturm. Auf sein Gebet hin spendete eine versiegte Quelle Wasser uud reinigte sich ein Die Kinder hatte durch einen Dämon verdorbener Born. Nikolaus besonders lieb und beschenkte sie gern mit Aepfeln, darum wird er mit einem Buch, auf dem drei goldene Aepfel Während einer Hungersnot in Myra liegen, dargestellt.*) aß er arglos von dem ihm vorgesetzten Fleisch dreier Kinder; durch das Zeichen des Kreuzes erweckte er sie aber wieder zum
Leben.
Statt der Aepfel hält
er
auch
wohl drei Gold¬
häufchen auf dem Buche, zur Erinnerung daran, daß er einem
verarmten heidnischen Ritter, welcher aus Not seine drei Töchter der Schande preisgeben wollte, dreimal heimlich Gold ins Fenster warf. Die damil ausgesteuerten Töchter verheirateten sich gut, und die ganze Familie ward christlich. Noch nach seinem Tode übte er Wunder aus.
Bild
Ein Jude
als Schutzmittel gegen Diebe. Als solche ihn trotzdem bestahlen, schlug er das Bild. worauf St. Nikolaus den Dieben nachts erschien und sie zur Rück¬ besaß ein
des Heiligen
erstattung des Entwendeten veranlaßte. — Zu
Greifswald
in der Gertrudenkapelle ein Sankt Ni kl äsen-Bild. Eines Nachts brach ein Dieb ein, wollte den Gotteskasten berauben und rief den Heiligen an: „O. heiliger Klas, ist stand
das mein oder dein? komm, laß uns Wettlaufen darum, wer zuerst zum Gorteskasten kommt, soll gewonnen haben." Hub
damit zu laufen an. aber das Bild lief auch und überlief Der sprach: „mein heiliger Klas. du hast's den Dieb. redlich gewonnen, aber das Geld ist dir doch nicht nutz, bist von Holz und bedarfst keines; ich will's nehmen und guten Mut dabei haben." — Bald darauf geschah, daß dieser Räuber starb und begraben ward, da kamen die Teufel aus der Hölle, holten den Leichnam aus dem Grab, warfen ihn neben den beraubten Gotteskasten, hängten ihn zuletzt vor der Stadt an eine Windmühle auf und führten ihn auf ihren Diese Mühle stand noch im Flügeln wider Winds hemm. Jahre 1633 und ging immer mit Gegenwind unter den andern umstehenden, natürlich getriebenen Mühlen. (Grimm,
I, 134.) Solcher Ruhm der Wunderthätigkeit bestimmte apulische Kaufleute, die Gebeine des Heiligen aus Myra zu entwenden und im Jahre 1084 nach ihrer Hafenstadt Bari heimlich zu Dort ward zur Aufnahme der köstlichen Reliquie schaffen. Sagen
Gläubigen als wunderthätig San Nicola, aus.
geschätzte
Die Gebeine des jetzt eine von den
Flüssigkeit, Manna
di
So viel vom guten Möllner Nickel oder Klaus. — Das Innere der Nikolai-Kirche zu Mölln*) ist seltsam verbaut, ein Langschiff mit halbrundem Chorabschluß, ein niedriges nördliches und ein größeres sowie höheres südliches Halbschiff. Ueber dem Chorabschnitt ist hoch oben auf einem Querbalken Ein ein riesiges, wohl gearbeitetes Kruzifix aufgestellt. interessanter hölzerner Leuchter ist unter dem Gewölbe des südlichen Seitenschiffes
angebracht,
ein
künstlicher
baldachin¬
artiger gothischer Aufbau aus 2 Stockwerken, gekrönt durch An jedem der vier das Baldachin den auferstandenen Heiland. tragenden Pfeiler lehnt eine gewundene, mit Heiligenfigürchen Ueber dem Baldachin, in halber Lebens¬ geschmückte Säule. größe, findet sich die demütig knieende Jungfrau Maria, hinter ihr der Erzengel Gabriel als Verkündiger. Das ganze, gegen zehn Fuß hohe, zierliche Kunstwerk ist leider so unzweckmäßig aufgehängt, daß es betastet werden kann, und hat infolge Entweder sollte man eine bessere Stelle dessen sehr gelitten. in der Kirche auswählen oder das Kunstwerk in das Lauen¬ burgische Museum zur Aufstellung überweisen, wo es fteilich auch besonders geschützt werden müßte.
Der bronzene Taufbrunnen von 1509
ist
eigen¬
tümlich geformt, etwa ein Meter hoch, getragen von knieenden Engeln, welche außerdem mehrere kleine Oel- und Salbenbüchschen halten**), wie sie in der katholtschen Kirche zur
Aufnahme des Oels für die letzte Oelung (Oleum infirmorum), Firmelungs - Oels (O. catechumenorum) und des heiligen Chrisam (Weihsalbe — 0. sanctum) üblich find. In halberhabener Arbeit sieht man an der Außenfläche acht von gewundenen Säulen getragene flache Bögen angebracht, welche des
ebenso viele Felder bilden, von denen sieben durch biblische Figuren, das achte durch das Möllner Stadtwappen, das Mühlrad, ausgefüllt werden. Dieser Taufkessel konnte von unten her erwärmt werden, so daß die Kälte des Waffers den zarten Säuglingen nicht schadete, eine Verbesserung gegen
Jetzt die älteren, plumpen, nicht zu erheizenden Taufsteine. hat man den Taufbrunnen mit einer flachen Metallschale verdeckt, aus welcher getauft
wird.
Noch ist zu erwähnen ein ansehnliches, schönes, hölzernes
Lesepult von 1624,
ein
Lübecker
Kronleuchter aus
Glockenguß, ein anderer mit dem daranhängenden Zeichen der
Schneiderzunft, ferner ein Marienbild über einem eisernen Teller, aus welchem viele eiserne Dornen herausragen zum Aufstecken geweihter Kerzen, genau so, wie man sie heut in den Vor dem hölzernen katholischen Kirchen allüberall noch sieht. Altar liegt die gewaltige, ausdrucksvoll und hocherhaben
drei Jahre später die Säulenbafilika San Nicola begonnen, auf der aus der mittelalterlichen Kirche von West-Swine in die Swinemünder Stadtkirche übertragenen Holzbildsäule, wie H. Wiesen er Die bekannte Holzschnitzfabrik von a. a. O., S. 168, richtig nachweist. G. Lang in Ober-Ammergau hat dar Bildwerk leider als den in Bayern verehrten Heiligen Corbinian irrtümlich restauriert.
*) So
*) Vgl. W Dührsen: Die Epitaphien in der Möllner Kirche, Archiv de» B.'r f. d. Gesch. der Herz. Lauenburg I. Bd. 2. S. 137 flg. Ferner S. 158 flg. **) Vgl. darüber meinen Artikel: „Christliche Kulturgeräte" in Verh. der Berliner Ges. für Anthrop. 1887. S. 541.
—-■«
Grabsteinplatte des StadthauptmannS Peter von 1638. — Ein anderer Leichenftein beim Basse Stecknitzfahrerstuhl hat in der Mitte ein großes viereckiges Loch. darunter soll ein Mann begraben liegen, dem die Hand gemeißelte
zum Grab hinaus durch jenes Loch wuchs, weil er sie gegen die Eltern erhoben hatte, nach anderen ein Meineidiger, deffen
Hand abgehauen und in dem Loch aufgepflanzt ward. Besondere Beachtung verdient
der große fiebenarmige
Leuchter aus Glockenguß von 1436. Glagau a. a. O., S. 147, bemerkt hierzu: „Der Leuchter ist dem zu Jerusalem entführten Tempelleuchter, auf eineni Relief des Titusbogens in Rom dargestellt, offenbar nachgebildet, gegen 6 Fuß hoch und wird von drei sphinxartigen Löwen getragen. Der Sage nach haben ihn vor Jahrhunderten Schiffer in der Stecknitz gefunden, und noch heute gehört er, wie eine neuere Inschrift besagt, zum Amte der Stecknitzfahrer."
Dergleichen Leuchter werden gewöhnlich kurzweg „salo¬ monische" Leuchter genannt, wonach man schließen möchte, daß fie einem Borbild, das aus dem salomonischen Tempel stamme oder gar auf Salomos Befehl vielleicht vom kunst¬ reichen Hiram von Tyrus (1. Könige, 7, 13) gefertigt worden, nachgeahmt seien.
Vorab sei bemerkt, daß alle diese Leuchter mit dem Kandelaber, der auf dem von mir recht oft in Augenschein genommenen Triumpfbogen des guten Kaisers Titus zu Rom abgebildet ist. nur eine in der Konstruktion zu suchende, sonst aber gar sehr entfernte Aehnlichkeit besitzen. Der Stil dieses Mich erinnert er an Titus-Leuchters ist morgenländisch. indische und ägyptische Vorbilder. In diesem „Titus-Stil" ist kein einziger der vielen großen sogen, salomonischen Leuchter ausgeführt, vielmehr ist romanisch der in Essen von 1003, ferner der in Braunschweig, Bamberg, Paderborn und Prag; gothische Armleuchter (Baumleuchter, Girandolen) find in Fürstenwalde. Colberg, Frankfurt a. O. (von 1376), Mailand (von etwa 1350), Brünn, Magdeburg. Alle diese find siebenarmig, es giebt aber auch fünfarmige, in St. Kunibert zu Köln, in Perleberg, und dreiarmige, in Halberstadt und Xanten. Gewöhnlich sieht man die sieben Arme in einer senkrechten Fläche geordnet, von den Armen Möllner Armleuchters können aber zwei Paare des ein richtiger Lichlerbaum, der gedreht sodaß werden. alsdann wie
eine
Art Weihnachtsbaum aussieht,
hergestellt
werden kann.
Wie steht es nun eigentlich mit dem salomonischen und mit dem Titus-Baumleuchter? In der mosaischen Stifts¬ hütte wurde ein Leuchter aus einem Zentner Gold gefertigt, der Schaft mit einer Lampe, daneben je 6 Röhrenarme (2. Mos. 25, 31—40). Daß dies kostbare Stück auch nur die Zeit der Richter überlebt haben sollte, wo das Volk Israel in die ärgste Not und Knechtschaft geriet, wo die Philister die Bundeslade eroberten (1. Samuelis 4, 11), ist Vielmehr ließ Salomo das Tempelgerät kaum glaublich. Dabei werden 10 goldene Leuchter. eigens neu anfertigen. 5 zur Rechten, 5 zur Linken des Altars, erwähnt (1. Könige 7. 49); daß fie siebenarmig waren, möchte man aus 2. Ehronika 4, 7 „zehn goldene Leuchter, wie sie sein sollen", schließen. 2. Chronika 13, 15 spricht König Abia von Juda zu Jerobeam von dem goldenen Leuchter mit seinen
48
S-—
Lampen, daß sie alle Abend angezündet werden. Die Erwähnung dieses einen Leuchters ist allerdings auffällig. 588 wurde das Reich Juda vernichtet. Jerusalem verbrannt, und das Volk dann bis 536 in der babylonischen Gefangenschaft Nebukadnezar legte die heiligen Geräte im gehalten. Schatzhaus
des
Bel nieder.
Leuchter
werden
dabei
nicht
1, 2). Cyrus giebt das Tempelgerät zurück, es werden nur Becken, Messer und Becher, Der Tempel wird keine Leuchter, erwähnt (Esra 1, 7—11). erwähnt (Daniel
ausdrücklich
neu gebaut und eingerichtet;
Schweigen herrscht bezüglich der
Leuchter (Esra 8, 33, 34).
Um 520 schreibt und lehrt Sacharja; die fünfte Vision dieses Propheten handelt vom goldenen Leuchter und den zween Oelbäumen (1. 2): „ich sehe, und siehe, da stand ein Leuchter, ganz golden, mit seiner Schale oben darauf, und sieben Lampen daran, und je sieben Röhren an den Lampen; und zween Oelbäume dabei, einer zur Rechten der Schale, der andere zur Linken." Diese
wird
Vision
wie folgt
Leuchter ist das heilige Volk, dessen
erklärt:
„Der
goldene
Sinnbild der fiebenarmige
Die all¬ in dem Heiligen des Tempels war. gemeine Deutung des Gesichts ist. daß der Bau des neuen Tempels (unter Esra) nur durch Gottes Geist, aber siegend, ausgeführt werden und der Haupt- und Schlußstein das Werk krönen wird."*) (V. 4—7.) Leuchter
Nach der gänzlichen Zerstörung Jerusalems im Jahre 72
in Rom angekommen, hielt
Titus
mit Vespasian gemein¬
einen glänzenden Triumph, in welchem aus dem Heiligtum ein Gesetzbuch, der goldne Schaubrottisch und der viel besprochene Leuchter den schaulustigen Quinten vorgeführt schaftlich
wurden.
Ist
dies einer der zehn salomonischen, ist er der eine Die Sache bleibt dunkel, wie das Schicksal
Leuchter des Abia?
des Titus-Leuchters
in der Sage und Legende.
Nach den einen raubten die Vandalen aus Rom den Goldleuchter, uud er versank mit den, nordischen Drachen-Schiff, welches ihn entführte, im Mittelmeer; nach anderen gelangte er nach Karthago und ward nach der Besiegung Gelimers Die Juden sollen ihn vom von Beiisar, 533, erbeutet. Glück brachte er keinem griechischen Kaiser zurückerbeten haben. mehr, ein Fluch haftete an ihm. wie an dem berüchtigten „Gold von Tolosa". dem von den Galliern aus dem heiligen
in einem heiligen See bei Toulouse
Delphi geplünderten,
versenkten Tcmpelschatz, welcher den ihn raubenden römischen
Feldherren Verderben brachte, oder wie am Niblungenhort, der den deutschen Heldenrecken das Leben kostete.
Der Titus-Leuchter ist und bleibt verschollen, und im übrigen scheint den abendländischen Künstlern wohl die Leuchter¬ vifion des Sacharja für ihre kirchlichen Girandolen nur ganz im allgemeinen und symbolisch vorgeschwebt zu haben. Der jetzige Altar der Möllner Kirche ist hölzern, der Altaraufbau barockzopfig, aber von wackerer Arbeit. *) Vgl. Otto v. Gerlach und H.
Schrift,
E.
Schmieder: Die Heilige
bei dieser Stelle.
(Fortsetzung folgt.)
-—--S
Dööeritz im Osthavellande. Von vr. Gustav Albrectit. (I. Fortsetzung.) Die wiederholte Erwähnung des Ministers von Katsch giebt uns Veranlassung, an dieser Stelle näher auf diesen Besitzer, sowie auf die Geschichte des Dorfes überhaupt einzu¬ Es find nur dürftige Nachrichten, welche uns in gehen. Lehnsbriefen oder Schloßregistern von den Besitzern und den Schicksalen des Ortes aus früherer Zeit überliefert find. Ueber
den
Ursprung
des Dorfes
läßt
sich
bei
dem
Mangel an historischen Quellen über die Gründung märkischer
Dörfer natürlich nichts Be¬ stimmtes feststellen. Zu ver¬ muten ist nur, daß Döberitz Nieder¬ wendische eine lassung ist, denn darauf
Name
sein
deutet
Döberitz. dobrice, ist
49
lS-
befanden, von denen zwei zur Zeit wüst waren. Ein Wirts¬ haus und eine Mühle waren nicht vorhanden. Die Bede Hanen die Ritter Johannes und Heinrich von Kröcher, die Pacht, den Zins und das Obergerichl die Witwe Schosses Der Wagendienst wurde dem als Leibgedinge im Besitz.
Markgrafen geleistet.
Im
Jahre 1414 wurde die Familie Bamme in Döberitz mit 16 Hufen und allen mit diesen verbundenen Gerechtsamen belehnt. Der Wohlstand einzelner Dorfbewohner scheint um Dies ersehen diese Zeit ein recht günstiger gewesen zu sein. wir aus einer Klageschrift des Kurfürsten Friedrich I. von Brandenburg wegen der seit 1412 durch den Erz¬ bischof von Magdeburg und deffen Unterfassen in den Marken stattgehabten Beschädigungen vom
hin.
wendisch
von dem Worte dobrygut, schön, abzuleiten und
guter,
eine
Bezeichnung, welche der lieblichen Lage des Dorfes wegen sehr treffend ge¬
wählt ist.
Wann
eine
Niederlassung
solche
aber
in dem in früherer Zeit sehr sumpfigen und
wal¬ digen Gelände entstanden
„czu döberitz fueff-
Erst im
czehn huben vnd das uberste vnd halbe
13. Jahrhundert lichtet sich einigermaßen das Dunkel, welches über der Ge¬ schichte des
Dorfes schwebt.
In
Urkunden
den
ryderste gerichte“ an die Gebrüder Otto und Hein¬ rich v. Hake (Riedel, Cod.
dipl. I,
aus
Diese
jener Zeit wird vielfach eine Familie von Döberitz erwähnt, ein altritterliches märkisches Geschlecht, welches im Havellande ange¬ sessen
vorher
schon
dem
Hake über, als Herr 1453 erwähnt Döberitz
von
Kaiser Milhelrn II.
Lietzow (bei Nauen) und Lentzke (bet Fehrbellin)
Nach einer Photographie von E.
Bieber, Kgl. Bayer.'Hofphotograph in Berlin.
Es dürfte nun keine zu weitgehende Vermutung sein, daß der Name dieses Geschlechts in Beziehung zu unserem Dorfe steht und daß die Familie sowohl dieses Dorf wie das gleichnamige im Westhavellande in Besitz gehabt und von einem derselben ihren Namen entlehnt hat.
in Besitz hatte.
,
Erwähnung unseres Dorfes vom Jahre 1375, sich im Karolingischen 50 Hufen be¬ „Döberitz" welchem zufolge der Umfang von trug, von denen 4 dem Pfarrer gehörten und abgabenfrei waren, während die anderen 46 zu Pacht und Bede ver¬ erste sichere urkundliche
Landbuch
Die Zahl der Hufenbefitzer wird nicht genannt, dagegen wird erwähnt, daß sich fünf Koffätenhöfe im Dorfe
pflichtet waren.
339). hatten
Vater
Besitz ihres Oheims Achim
sitze
Die
S.
Hufen
11.
15
der beiden Brüder gehört und gingen später in den
war und die Ritter-
findet
mit
wir
ist, darüber vermögen
nichts anzugeben.
Kotcze
Darin
synen belfern hat den vnsen also tyle brosekenin dem dorffe czu dobericz genommen an pberden, trugen, betten, kesseln etc. den schaden er achtet uff XXX beh. chog gr. (ca. 1200 Mark Im i. heut. Gelde) *). gelangten Jahre 1435
schön¬
Ort,
gelegener
1420.
„Anno domini MCCCCXVI peter
slavischen
bedeutet
24. Mai heißt es:
(Riedel a. Hake,
in
a.
welcher
dem
O. auch
der
auf
wird
I. 11.. S.
384). Dieser Achim von auf Dallgow angesessen war, trat indes
letztgenannten Jahre
an einen gewissen Gelfart
seinen Grundbesitz
Toyse ab, und
in Döberitz
dieser verkaufte im
Jahre 1472 „das dorf doberiz mit allen seinen czinsenn, pechten, Ackern, wesen, weidenn, Bracheren, pusschenn, beiden vnde allen holczen mit dem Kirchlehen, mit obirsten und nydersten gerichten, auch den Weingarten**) do bey gelegen, mit der bethe vnde
*) Riedel, Cod. dipl. Bd. II, 3. S. 369. **) Vermutlich bezeichnet der .Weinberg",
dem Wege
garten«.
nach Buchow-Carpzow
gelegen,
westl. von Döberitz auf die Stelle diese« alten Wein¬
—