Der Bär. Illustrierte Berliner Wochenschrift, eine Chronik fürs Haus [14]

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Jer

Iär.

Mustrirke Berliner Wochenschrift^ eine Chronik

für's Haus.

Unter Ulitarbeit von

B. Fischer, Stadtrath L. Friedet, vr. A. Kalischer, L. König, p. Lindenberg, Ferdinand Meyer, Larl Neumann -Gtrela, vr. G. Schwebet, Lehrer B. wagener-Potsdam n. s. w.

Pastor L. Handtmann,

SchulmspeKtor £.

herausgegeben von

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Jahrgang XIV.

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(Oktober 1887 bis Oktober 1888).

Berlin 1888. vertag von Gebrüder paetel in Berlin W.

Lützow-5traße

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* N |cM var Kosten geheuren italienische Oper .gegründet worden, Dekorationen und Kostüme prachtvoll, jede Vor¬ stellung ließ einen zauber¬ haften Reiz zurück, welcher

Herz und Sinne bethörte. Künstler, wie Kapell¬ meister Graun, Konzertmeister

be¬

leuchteten den herrlichen Raum. Friedrich der Einzige saß auf einem rothen Sammetsessel im Parquet und ergötzte sich an der etwas zopfigen, damals

mit großem Beifall aufge¬ nommenen Musik.

So war

denn die Königliche italieni¬ sche Oper eröffnet; sie sollte sich noch lange ihres Be¬ stehens freuen, bis Friedrichs

Hypochondrie und Einsamkeit

Ziel setzten. Der Sänger Antonio Romani, ein hervorragendes Mitglied der Oper, mag ivohl um das Jahr 1744 nach Berlin gekommen sein. — Ein Venederselben ein

tianer von Geburt, verdankte Ausbildung dem be¬ rühmten Antonio Lvtti; er

er seine

Baryton— Von höchster Seite stimme. außerordentlich prvtegirt, er¬ besaß eine herrliche

rang

der

junge

strebsame

Mensch neben dem berühmten

Salimbeni bald ungemeine Erfolge. Er war ein liebcnslvürdiger, feuriger Jüngling,

Benda, Philipp Emanuel Kurfürstin Kabine non Kranbrnburg. Bach, Quanz bildeten Zierden Zweite Gemahlin des Kurfürsten Johann Georg. ein rechtes Götterkind. Frei¬ des Orchesters. Am 7. De¬ gebig bis zur Verschivendung, zember 1743 wurde das neue Kleopatra sparte er nichts, sich das Leben so heiter ane möglich zu ge¬ Opernhaus feierlich eingeweiht, die Oper Cäsar und Männern seines Graun, der Komponist, stalten. Von den Frauen verhätschelt, von den ging mit großer Pracht in Scene.

2 offenen Wesens und kecken Muthes halber gefürchtet, blieb er

der Held des Tages, wo

Drei Jahre später

er-

zugegen

erschien

seine Bewohner. Giovanna Astrua muß ein berückend schönes Weib ge¬ wesen sein. -»-Einfach in ihrem Wesen, bescheiden in ihrem -Auftreten, riß sie das Publikum und die Mtspielenden mit sich fort, so daß sie der Glanz- und Mittelpunkt des Ganzen wurde. Wie es geschah, daß jene beiden, Romani und die

Berlin und

zusammenfanden,

ist nicht gesagt worden,

sei

es

daß die Landsmannschaft und das heiße italienische Naturell der beiden Feuerseelen das Ihrige dazu thaten, kurz, sie liebten sich, leidenschaftlich,

bewohnte, zwanglose Künstlervereinigungen statt, welche Lebe» und Freude athmeten. Dort hatte Antonio zuerst Giovanna

näher kennen gelernt. Die Liebe war mit süßem Rausche in sein Herz gezogen, wonnevolle Stunden hatte er in den Armen des reizenden Weibes verbracht, Welt und alles um sich her sich

zu ver¬

Ehekonseus,

welcher

Romani hatte den Entschluß gefaßt,

mähle», er erbat zu diesem Zwecke den jedoch verweigert wurde.

— Nach zahlreichen vergeblichen Be-

»lühungen, denselben zu erlangen, mußten die Liebenden vor¬ läufig schweren Herzens diesem lang gehegten Wunsche ent¬

in das Unvermeidliche fügen. Drei Jahre dauerte der tolle Rausch, in dem Romani und die schöne Astrua ihr Glück suchten und fanden. Der sagen und sich

ztveite schlesische Krieg hatte den Künstlern einige Ruhepausen

waren nach allen vier Winden geflogen, um Ruhm Romani hatte in Jtalieit, die und Lorbeeren einzuernten.

gestattet,

dort neue

denselben mid anderen hinzugetretenen Kräften begann

Wieder glänzte Giovanna Astrua als erster Stern der Oper, wieder fand Romani in den Armen der zauberhaften Sirene sein Liebesglück. Der Winter dieses Jahres brachte der Residenz einen neuen Gast. Marquis Victor de Sanglade, ein junger, eleganter Franzmann, welcher in der leichtfertigen Schule die Herbstsaison des Jahres 1750.

Ludwig

des

sie

Die ersten Lichtbilder. Eine Erinnerung aus dein Jahre 184V.

Im Mai 1840 befand sich ganz Berlin in wissenschaftlicher Aufregung, und das wallte für damalige Zeiten viel sage». Nicht der Wissenschaft halber war dies ungewöhnlich, denn damals florirte» noch die ästhetischen Theegesellschaften, in denen oft mit heiligem Ernste allerlei Unsinn als Wissenschaft behandelt wurde, in denen aber andererseits die Pflege Also nicht klassischer Dichterwerke recht viel Gutes gezeitigt hat. der Wissenschaft halber, sondern wegen der Aufregung selbst war das ungewöhnlich, denn „Tante Boß" und „Onkel Spener" waren damals die einzigen größeren Zeitungen Berlins. Beide Zeitungen nun hatten vor wenig Tagen lange Artikel gebracht, die gierig gelesen wurden: dieselben handelten über Daguerro typen. „Die Sonne als Maler" war der rothe Faden, der sich durch die Be¬ Die Biographie Daguerres, des schreibung der neuen Erfindung zog. Erfinders, lvar von beiden Zeitungen direkt aus Paris verschrieben, (man denke, lvelche Mühe und Ausgabe!) und Tante und Onkel winnnelten von Hypothesen, welchen großartigen Erfolg die neue Erfindung haben würde, welche Fortschritte auf diesem Gebiete noch zu erwarten seien — den Leuten standen vor Staunen die Haare zu Berge; das Meiste schien ihnen geradezu unglaublich. Doch wenn wir heute jene Phantasien durchlese», wie unendlich weit sind sic hinter der Wirklichkeit zurückgeblieben! „Haben Sie schon ein Daguerrotyp gesehen?" fragte man statt „Wie geht cs Ihnen?", und wohl dem, der stolz antworten konnte: „Ja wohl! Mein Freund Meyer hat sich daguerrotypiren lasse». Es ist eine wunder¬ bare Erfindung!" Und so wanderte das Thema aus der Zeitung in die Gesellschaft und aus der Gesellschaft in die Familienkreise. Als an einem schönen sommerhellen Donnerstage die Mahlzeit auf dem Tische stand, und wir Kinder nur auf die Ankunft des Vaters warteten,

Erfahrungen

gründliche

Fünfzehnten

genossen,

wurde zur französischen ambassade nach Berlin versetzt. Lieutenant in der französischen Garde, einer Truppe, die sich damals durch große Extravaganzen auszeichnete, sah sich der Marquis seines lockeren Lebenswandels und enormer Schulden halber gezwungen, diese Stellung in der nordischen Hauptstadt anzunehmen.

Mit

glühend.

Ziveimal in der Woche fanden bei der Sängerin, die ein schon eingerichtetes Quartier in der Nähe des Opemhauses

vergessend.

Mit

ein neuer Stern am Theater-

Friedrich hatte durch seinen Residenten Cataneo in Venedig Signora Giovanna Astrua, die beriihmte Sängerin, mit einem Jahresgehalte von 6 OOO Thalern für seine Oper Wahrhaft glanzvolle Tage begannen nun für verpflichtet.

sich

Beide Künstler feierten

Triumphe.

war.

himmel.

Astrua,

Astrua in Paris gastirt.

Unlust und Neugierde beherrschten ihn, eine angenehme Enttäuschung gemischten Gefühlen

trat

er die Reise an.

harrte seiner.

Berlin kopirte damals französisches Wesen in jeder Weise. Toiletten, Sprache, Umgangsformen erschienen wie in la dolle France; bald wurde Victor heimisch und trieb lustig mit dem Strome weiter.

In

einem Hofkonzerte hatte er Gelegenheit, die Sängerin

Astrua zu

hören

und zu

Einige Tage später

bewlmder».

empfing die graziöse Schöne den Besuch Victor's. — Sah man den blassen, verlebten jungen Alaun, die schlanke Figur im dunkelblauen mit scharlachnen Aufschlägen und goldenen Rabatten besetzten Sammetkleide, erschien er winzig

und

unbedeutend,

dem

imposanten,

dunkellockigen

Romani

gegenüber. —

Dennoch übte das eigenthümliche Funkeln der sonst für gewöhnlich verschleierten, braunen Augensterne, die einschmeichelnde Redeweise, großen Einfluß. Die Besuche bei der Dame wiederholten sich. Sanglade waren wir, was früher nie vorgekommen, mäuschenstill. Die gute Mutter war auch still; sie hatte recht verweinte Augen. Das war kein Wunder; hatten wir doch vor wenigen Tagen ein liebes Brüderchen hinausbegleitet zum stillen Friedhof. Der Vater kam und setzte sich zu uns. „Nun? Hast du wieder so viel geweint?" fragte er theilnehmend. „Ja. Ich habe von der neuen Erfindung gelesen. Ach, weshalb haben wir sie nicht benutzen können! Ich hatte doch wenigstens ein Bild von dem süßen Kinde, das ich statt seiner küssen könnte." Sie weinte von Neuem und wir Kinder weinten mit. Der Vater aber sagte ruhig, wenn auch mit etwas zitternder Stimme: „Tröste dich! Es läßt sich doch nichts mehr ändern und, wenn mir und den Kindern das Bild des lieben Jungen lange der Erinnerung entschwunden, dann wird es noch in deinem Herzen leuchtend dastehen und klar, bis zu deiner

Stunde." Darauf stand er leise auf und ging in etwas ins Auge gekommen. letzten

sein

Zimmer. Ihm war wohl

Wir alle aßen nicht weiter und gingen zur Mutter und bargen unsere thränenvollen Gesichter in Mutters Schürze. Andern Tags kam der Vater etwas später zu Tisch; er kam um volle sieben Minuten später als sonst, und das war beunruhigend. Aber er sah recht selbstzufrieden, fast glücklich aus und sagte nach dem Tisch¬ gebet: sollen

„Mutter! Ich war beim Daguerrotypeur. Sonntag Vormittag wir da sein, da wird er unS Alle, wenn die Sonne scheint,

daguerrotypiren.

Das war eine freudige Botschaft. Selbst Blatter lächelte wehmüthig und drückte dem Vater stumm die Hand quer über den Tisch. Und nun ging cs mi’S Fragen! Blein Vater, der Jahr aus. Jahr¬ ein nur mit den todten Sprachen zu thun hatte, schien ordentlich stolz darauf, eine» Blick in die Geheimnisse der Natur gethan zu haben. „Zuvörderst" erzählte er, „können wir vier, Mutter und ich, der Junge und das Mädchen nicht alle auf ein Bild, das ist unmöglich wegen des Stillsitzens. Denn man muß ganz still sitzen, aber höchstens 6 Minuten, dann ist das Bild fertig."

3

brachte der Astrua Noten, Bücher, begleitete

sie

machte sich bald unentbehrlich. Romani schien dies nicht zu bemerken.

mit Stahlgriff an die Seite, warf darüber einen grüne» Seidendoiilino, an der Schulter mit gelben Bandschleisen, rossignote genannt, geziert, befestigte vor dem Gesicht den schlvarzeil loup, und ließ mich in einer porte-chaise zu Romani trageil. Sein Diesen fand ich bereits vollständig ailgekleidet.

auf dem clavecin,

Er

hegte keinen

Zweifel an der Liebe des schönen Weibes, dachte auch nicht daran, Giovanna aus die Probe zu stellen. Proben zu einer neuen Oper, in welcher nur er, lind nicht die Sängerin beschäftigt lvar, nahmen ihn überdies gänzlich in

Domino war roth mit goldenen Schleifen. Wir bestiegen die Sänfte und betraten gegen elf Uhr den Saal. Unterwegs erschien mir Freund Antonio etwas verstimmt. Nach dem Grunde fragend, erhielt ich die Antwort, daß er am Vorinittag bei der Astrua gewesen, dieselbe aber nicht' bestimmt versprochen hätte, der Redoute beizuwohnen, trotzdem sie eine

Anspruchs —

Da

brach das Unerwartete herein, plötzlich dem Schicksale

Romani's eine neue, unselige Wendung gebend. Ein Zeitgenosse und Freund des Sänger's, der Hofkapellist Nichelmann, stand zu jener Zeit in enger Verbindung init Romani; ihn wollen wir als Erzähler dieser Begebenheiten

Die neue Oper, Arininio, von Hasse komponirt, war sehr beifällig aufgenommen worden. Am 27. März sollte diese Vor¬ stellung bei Gelegenheit des Geburtstages der Königin Mutter wiederholt werden, und nachher große Maskenredoute im Opern¬

Einladung erhalten. Sie fühle sich incht gairz wohl, habe sie gemeint, die Nachtluft könne ihr vielleicht schaden. Er solle aber jedenfalls recht allfpaffen, würde sie auch ivohl an der Figur erkennen, und, falls sie bis uin zwölf Uhr, lvo die Demaskirung stattfinden sollte, nicht erschienen wäre, sich anderweitig zu amüsiren suchen. — Dies Alles habe sie in einer hastigen, zerstreuten Art und Weise geredet, so daß er ganz verstimmt von ihr ge¬

saale ftattfxnben.

gangen sei.

auftreten lassen.

II.

Das Sie schöne, aber stolze Weib hatte mich niemals angezogen. kam nlir bei aller Gluth und Leidenschaft versteckt vor, lvie es bei den lvälschen Frauenzimmern so oft der Fall.

Ich hütete

Unser hoher Chef, der Herr Baron von Schwerts hatte die Güte gehabt, meiner Wenigkeit und dem Sänger Romani Karten zu dem Feste zugehen zu lassen, in dem Schreiben, welches denselben hinzugefügt war, stellte mau uils freundlichst Domino's zur Verfügung, damit, wie es in der Einladung

sich zum Ceiitralmarkt führt, wo das Wagengerassel nie von der Stadt¬ Käufer und Verkäufer drängen, wo die schrille Pfeife 184t) ei» herrlicher bahn her in kurzen Zwischenräumen ertönt, da lag

gegen die

fröhlichen Muthes, genossen wir zusa»nnen die Freuden des Lebens, schwärinteil für die Kllnst, wie es unser beiderseitiger Beruf mit sich brachte, sahen uns fast täglich. '

!

Ein erneuertes „Ah!" Zoll hoch, „Nun aber ist erstens die Platte drei Zoll breit und vier Stillsitzen nöthig, das deshalb hat darauf nicht viel Platz. Dann ist das

Wir wanderten in bestem Sonntagsanzuge zum Kunsttempel. breite Fahrstraße Dort hinter den Königs-Colonnaden, wo jetzt eine aufhört, wo

hegte

über die täppischen Bären. Viele Feinde besaß die Signora, wußte dies auch, trotzte jedoch denselben, blieb keck und furchtlos. Ueberhaupt hatte ich mich nie in die Privatverhältnisse Er war mein Freliild. Beide jung, des Sängers gemischt.

versehen ist, festgehalten."

zu finden!

sie

sie Deutschen eine entschiedene Abneigunng. uns, wilde Männer, scherzte und spottete bei jeder Gelegenheit

mit Freund Antonio verabredet, denselben um die besagte Zeit aus seiner Wohnung in der französischen Straße abzuholen. Nachdem ich Gallatracht, Frack, escarpius, Schnallenschuhe lind weißseidene Strümpfe angelegt, steckte ich den Galailteriedegen

das Bild kosten?" gefreut, durch seinen hin¬ Also doch! Vater hatte sich schon so sehr Mutter so entzückt und selbst Vortrag naturwissenschaftlichen reißenden, die heikele Geld¬ geblendet zu haben, daß sie ihren rothen Gedankeiifaden, vergebliches Hoffen frage, einmal außer Augen gelassen hätte. Es war Thaler das Stück. Nun zanke gewesen! Kleinlaut sagte er: „Sieben aber nicht; ich habe schon fünf Thaler angezahlt." was für hohen Werth Sieben Thaler für ein Daguerrotyp! Und gegen jetzt! Thaler hatten damals sieben vorher schon Der langersehnte Sonntag kam. Wie oft hatten wir Naum für vor dein Spiegel Probe gesessen, um den möglichst kleinstenBrennpunkt staunenswerthen den uns Kindern unbegreiflichen, deshalb

zu erwidern.

Barbaren nannte

endigte mit dem Glockenschlage Acht. Die Redonte begann uin die elfte Stunde, ich hatte mich

Deshalb soll ich kaum von Zweien zugleich ausgeführt werden kann. beide Köpfe in damit nehmen, Beine die zwischen Jungen sitzen und den Mädchen auf den Arm, das nimmt Mutter und kommen, den Brennpunkt auch so, daß beide Gesichter recht nahe sind." zu Wir Kinder brachen in Jubel aus. Von der Sonne gemalt werden ohne Menschenwerk! „was wird denn „Väterchen?" fragte Mutter mit leiser Stimme,

wohl, etwas darauf

Ihre Augen hatten etwas Listiges,

hieß: „Diese messieurs dem spectacle beiwohnen und keine unnützen ckepoilson machen sollten." Der 27. März war herangekommen. Die Oper begann an diesem wichtigen Tage schon um 5 Uhr Nachmittags, und

r sechs Ein staunendes Ah! durchlief die Reihen der Zuhörer. „4! u Minuten und dann ist das Bild fertig!" „Also" fuhr Vater fort, „wir setzen uns dann vor eine Camera obscara, die Ihr ja kennt und das Bild wird dann hinten auf der Fläche Stoffe nicht allein gesehen, sondern auf einer Silberplatte, die mit einem

mich

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stiller Park mit hohen Ulme», Platanen uird Eichen, und trübe floß der Königsgraben vorbei, der jetzt verschwunden und dem Bahnbau Platz Mitten im Parke lag ein prächtiges großes Haus im geinacht hat. Roccocosthl erbaut. Die Läden waren geschlossen, die kleinen altmodische» Scheiben blind; eine aristokratische, halbverfallene Rampe führte in einen großen Saal, wo wohl zu den Zeiten des alten Fritz manch Tänzchen gemacht worden mit Puderperrücke und Stockdegen und Reifrock und Schönheitspflästerchen. Hier im öden Saal hatte der Künstler rechts in Tisch und der Ecke sein Atelier aufgeschlagen. Sehr einfach war es. Stuhl, dahinter ein Spind mit Chemikalien und Apparate». Punkt 10 Uhr waren wir zur Stelle. Es war, nach dem Lärmen der Straße, so still im großen Parke; leise spielte der Wind mit dem frischen Grün der Birken, kein Laut drang hierher, und das große, öde Haus wollte uns Kindern fast wie ein verzaubertes Schloß erscheine». Ein kleines schwächliches Männchen kam uns von der Rampe her entgegen. Es begrüßte uns bescheiden und freundlich und bedauerte, daß es noch nicht mit dem Prozeß beginnen könne, da der Himmel noch be¬ wölkt sei. Im Garten selbst sollten die Aufnahmen unter freiem Himmel stattEin photographisches Atelier mit seinem Glasdach hatte noch stnden. nicht das Licht der Welt :— festzubannen. Da standen auf freiem licht¬ vollen Platze ein Tisch, ein Gartenstuhl und längliche Seitendekorationen zur Regelung der Lichteffekte. Der Tisch war für die Apparate da, der Stuhl für das Opferlamm; denn Tisch nrit Vase oder Buch, ein Hintergründ mit Wasserfall oder Landschaft — welch' überspannte Phantasie müßte derjenige besitzen, welcher an diese vollendete Kunst solche Forderungen stellen

wollte!

,

Um die Zeit auszunutzen, bis die Sonne .so freundlich sein wollte, auf uns herabzuschauen und unser Konterfei zu entwerfen, wurden wir vor die Camera gesetzt und über die einzunehmende Stellung informirt. Heute heißt es: „Bitte rechten Fuß zurück, das Gesicht ein wenig nach rechts. So. Sehr schön, danke!" Damals aber lief das Männchen von der Camera zu dem Sitze des Vaters mit dem Jungen zwischen den Beinen und schob am Aerniel des Sammtkittels des Jungen; dann trabte es zurück,

4 wußte, daß das Verhältniß mit der Sängerin noch fortdauerte, traute aber der verführerischen Kreatur keines¬

Ich

wegs.

Der Opernsaal ivar in einen Hain Terpsichorens umge¬ wandelt tvorden. Durch den korinthischen Saal^ gelangte man in den eigentlichen Festraum, dessen Parterre sich in gleicher Hohe mit der Bühne befand. Mächtige Spiegel bekleideten die Wände, das Ganze schloß mit einer hohen Glaswand ab. Prächtig flimmerten die vergoldeten Dekorationen der Logen und der weißliche Stuck an den Wänden im Strahle unzähliger Kerzen, kostbare, seltene Pflanzenarrangements waren überall aufgestellt.

An den vier Ecken des ungeheuren Raumes erhoben sich schimmernde, buntfarbige Teinpel, in denen die Büffets und Spieltische aufgestellt waren; dazivischen Krystallgrotten mit

Bojaren, Zigeunerinnen, jedes Land scheint seine Vertreter und Vertreterinnen gesendet zu haben. Ich ergötze mich weidlich an dem ungewohnten Anblick) Es ist der Herr da legt sich eine Hand auf meine Schulter. von Massow, ein lustiger junger Offizier von den Marwitzmanche heitere Stunde haben wir zusammen in Tafelrunde genossen. fröhlicher Freundlich fragt er mich, ivic mir das Fest gefalle. Be¬ geistert preise ich den artigen Anblick, und lobe dabei nach Kräften des Massow herrliches Maskenkostüm, denn prächtig ist er ausstafsiret als genuesischer Seeräuber; da flüstert Romani mir zu: „Sieh einmal, Christophoro, die schöne Perserin, beim Himmel, ich meine, es ist gewiß Giovanna, sie scheint sich suchend umzusehen, ich fordere sie zur Menuette auf," und fort ist er.

Kürassieren,

Massoiv faßt lachend meinen Arm.

„Kommen Sie, blöder

Oie Uilwtailrirchc zu Potsdam vor dem Kuppelbau. (Zur fünfzigjährigen Jubelfeier im Jahre 1887.)

rauschenden Fontaine», es tvar um schier die Augen zu ver¬

blenden.

Aus der großen Hofioge führte eine mit rothem Sammet belegte Freitreppe in den Saal, prachtvolle Sammetdraperien, reich mit Gold und Silber gestickt, wallten von den Logen¬ brüstungen hernieder. Nach und nach fingen sich die Räume au zu füllen. Charaktermasken aller Art, dazwischen die rosafarbenen

Dominos der Hofleute, endlich ist auch die große Hofloge voll¬ ständig besetzt. Die Pauken und Trompeten der Regimenter Gensdarmen und Garde du Corps fangen an zu schmettern, das Fest ist eröffnet.

In

Masken vor dem Auge des Beschauers, Touffaldinos mit langen Rasen, Tempel¬ ritter, Schäfer, schlanke Griechinnen und korpulente Türken, buntem Gewimmel drängten

sich die

Schäfer, schlürfen wir ein Glas Sekt zur Feier dieses Tages, das strömt feurig durch die Adern, später mischen mir uns dann

in das bachantische Treiben." — Er zieht mich fort zum Florateinpel, innen ist

cs traulich

und angenehm, goldschimmernde Girandolen übergießen mit sanftem Lichte das prächtige Innere, lockend winken die silberhalsigen Flaschen auf dem reichbesetztcn Schenktische. — „Kommen

Sie, Freund, cs lebe Amor, es lebe die Liebe!" Die Pfropfen knallen, der Wein perlt in den Kelchen, schneller

rollt das Blut und

rascher klopfen die Pulse.

Scherzend

und plaudernd verstreicht uns die Zeit, eben wollen U>ir wieder hinein in das Gewühl, denn der Rundgang des Hofes und damit die Demaskirung werden bald beginnen, da tritt ei» spanischer Limonadeverkäufer zu uns herein. — „Nehmt, Ihr

Herren, schöne saftige Orangen, direkt von des Tajo lachenden Ufern, frisch und glühend tvie Eure Herzen." —

5

leider nicht, mit einer rosenfarbigen Epistel beschenkt, sie ist in — Höre nur: Prosa abgefaßt nnd klingt recht märchenhaft.

„Sorbet dazu, das spült des Lebens fades Einerlei hin¬ unter." — Ein Page folgt ihm, auf silbernem Brette Gläser und Flaschen tragend. Wir lassen uns nicht nöthigen, greifen zu, adios rufen bk Beiden, mög' Glich das leckere Mahl munden, und

sie

„Mein Freund! Brille des Verliebteil, der Karneval die Dame Ihres Herzens täuscht lustig, sehr endigt diesmal nicht Sie

verschwinden.

Sie. —

„He Massow, wo stecken Sie denn, Winnig von den LeibKarabiniers ist hier, er sucht Sie?" — Der es spricht ist Alvenslebcn, ein reicher Herr vom Lande, mir gleichfalls wohlbekannt, welcher seine Zeit während des Berliner Faschings wohl anzuwenden weiß. — Massow eilt mit ihm fort, ich bleibe allein mit meinen Gedanken, dem Sorbet und den Orangen. Die Orange, welche ich in der Hand halte, fühlt sich merk¬

Wenn der Hof die Redoute verlassen, um ein Uhr Nachts, finden Sic sich mit Ihrem Freunde an dem Hinterpförtchen des Opernhauses ein; man wird Sic dort erwarten und Ihnen das Weitere zeigen. — Leseil und handeln ich

„Ja, Farce," ein

„Nun,

ist das

>»es

gewechselt.

enfants, wie gefällt Euch das heutige Maskeuhatte er schließlich gemeint, und als tvir

schüchtern unseren Dank gestammelt, durch Excellenz dieses Ge¬ nusses theilhaftig tvorden zu sein, uns nochmals auf die Schulter geklopft und hinzugefügt: „Nur immer munter, Ihr jungen Leute, trinkt eine Bouteille Wein auf mein Wohl, das wird mich ftcuen." Wir versprachen, seinem Wunsche Folge zu leisten, und nochmals freundlich zuwinkend setzte der liebenswürdige Herr seinen Weg fort.

nißvollen

— er gelesen, „eine kleine Eifersüchtelei, nichts weiter." „Auch mich hat die schöne Perserin, Giovanna war sie Arm

,

i

natürlich

unsere Schritte Wir traten ein in den großen Saal, dessen Echo auf demselben Tisch, den an er sich setzte Künstlerecke der wiederhallte. In diesen legte er die auf Block, bezogener Sammt stand ein kleiner, mit einem rothen Pulver blinkende Platte und rieb und rieb init Watte und seiner Leistuiig zumit er war Endlich tvohl eine Viertelstunde lang. noch ein letztes Schieben frieden. Wir nehmen die einexerzirte Position, Windeseile den Plattcnund Legen und Faltenglätten, danii holte er mit recht still zu sitzen. Es apparat, schob ihn ein und sprach: „Nun bitte also, aus, aber starr freundlich recht nur sehen Sie sind ja nur sechs'Minuten, so lange, >v>e Augen die immer Sie halten auf den gegebenen Punkt und möglich offen. Also jetzt!" r ,, Er lüftete die Klappe vor der Linse. , , ., . Leben habe ich eine solche Weder je vorher noch nachher in meinem hat. ausgeübt mich Zaubergewalt empfunden, wie sie jene Linse auf mit Wasser; statt sofort sich füllten sollten, bleibe» Meine Auge», die starr schließen und zu öffnen, blieb tvie gewöhnlich, das Augenlid langsam zu »wi» Herz, von dem ich und Augenzwinkern ich unwillkürlich in stetem

mit uns

divertissenlent,"

Ich

erst

„Das

Wort: Gift, das frißt und nagt, aber nicht tödtct."

liche Worte

er, nachdenklich in die vorüber wirbelnde Menge starrend. Mich an seine Seite drängend, zeigte ich ihm den geheim¬ Zettel. „Maskenfreiheit," lächelte er kühl, nachdem

es

sagte er leicht erblassend.

Seine Lippen bebten, er wandte sich ab, um die Ver¬ wirrung seines inneren Weseils zn verbergen. Der Ruildgang des Hofes war beeildet. Baron von Schwerts hatte die Güte gehabt, uns anzureden und freund¬

erhob mich lind trat ivieder in den Saal. Die große Pause war eingetreten, die Demaskirung hatte An eine Säule gelehnt stand suchte Romani. begonnen.

--

vieles erlauben, gehen tvir ans die Farce

Nichts ist abschelilicher, als heimliche Zuschriften,

rechte

hand hatte diese Zeilen geschrieben. Unmuthig knitterte ich den Zettel zusammen, albernes Maskengewäsch; je mehr Neider, je mehr Glück, murmelte ich,

müsse

sich

Karneval, guter Antonio," crtviderte ich,

ein." —

Keine Unterschrift, eine feine Hand, vielleicht eine Frauen¬

poliren.

sind im

„da kann man

Warn' 'ihn vor dieser wälschen Frau! Sie kost mit anderem Buhlen seht. Das sag' ich Dir zu guter Letzt!"

nur

„Was denkst Du davon," fragte er spöttisch, nachdem verwundert das feine parfümirte Billet hin und her ge¬

„Wir

„Romani wird in dieser Nacht, Erbärmlich wohl zum Narr'» gemacht; Sein holdes Lieb, es gleicht fürwahr, Dem Schlänglein, gleißend, biegsam zwar, Doch hinterlistig, falsch und schlau;

trabte des Vaters in eine andere Lage, und so Vater und perlte Stirne der von Schweiß ihm es hin und her, bis der vor dem Beginn und Sohn in der hundertfach geänderten Stellung schon der Aufnahme ganz steif waren. auch Mutter Die Sonne kam nock immer nicht. Deshalb wanderten Dasselbe Hinundherlaufe», und Töchterchen auf Probe zum Torturstuhl. dasselbe Ordnen und Aendern. Die Sonne kam Mittag ivar geworden. Es schlug Ein Uhr. erklärte der Miene wehmüthiger Mit nicht trotz des hellen Wetters. nächsten Sonntag solle Künstler, daß heute eine Sitzung unmöglich sei; aber — die Sonne nicht wieder einen Strich sie bestimmt stattfinden, wenn durch die Rechnung machte! Betrübt uiid mit zerschlagenen Gliedern ginge» wir heun. gehabt. Mit froh cm Am nächsten Sonntag hatte die Sonne ein Einsehen könne es losgehen, nun meinte, und Männchen Gesicht enipfing uns das Gebrauch die Platte unmittelbar vor dem

Sic." —

wendet? —

würdig leicht an, ich will sie schälen, da fällt sie auseinander. In der hohlen Rundung steckt ein zusammengefaltetes Blättchen. Mit Erstaunen lese ich folgenden Vers:

kam wieder, legte den

schaueil durch die

|

bisher nur hatte spreche» hören, es hämmerte, als suchte es durch den Die Bäume begannen sich zugeschnürten Hals ins Freie zu gelangen. zu drehe», die Seitcnkouliffe wollte mir auf den Leib nicke», der Stuhl des Vaters, schien wie auf Wellen zu tanzen, selbst die Hand des Vaters, die meinen Arm umfaßt hielt, schien zu zittern. Mir wurde schwarz vor — »ein, nach sechs Minuten den Augen und endlich »ach sechs Wochen, war die Tortur zu Ende. „So!" klang das erlösende Wort des Männchens. Es stürzte mit Das Alpdrücken war wie weggeblasen. dem Kasten eiligst ins Atelier. Ende — Ich schaute mit klarem Auge ringsum, das Herzklopfen war zu der Zauber war gewichen! Nach einer Viertelstunde kam das Männchen mit trauriger Miene: „Das Bild ist recht gut, aber der Vater hat zwei linke Füße!" Also noch einmal dieselbe Qual. Mit Bangen erwartete» wir das Resultat. Das Männchen war diesmal sehr ärgerlich. Er sagte: „Das Bild ist recht gut, aber der unruhige Junge hat

fünf Nasen!" Die sechste erhielt ich von den Eltern; sie war schrecklich lang. So ging es weiter bis drei Uhr Nachinittags. Da lvar denn durch Glück und Zufall das Bild von Vater und Sohn fertig. Dieselben Qualen hatten Mutter und Schwester am nächsten Sonntag Als wir endlich beide Bilder hatten, als Vater die durchzumachen. schuldigen vierzehn Thaler berichtigt hatte, da meinte er auf dem Rück¬ wege, als uns alle Glieder weh thaten: „Der Preis ist gar nicht zu hoch, drei Sonntage Arbeit! und der Mann wird mehr zerschlagen sei», als wir!" Noch lange prangten die Bilder als theurer Schmuck über dem Sopha der guten Stube. Als aber Staub zwischen Glas und Bilder sich ange¬

sammelt hatte, da mußte sie der Glaser umrahmen. Er brachte sie mit neuem, prächtigen Rahmen zurück, doch — wir konnten die Bilder wenden't und drehen — wir sahen nichts, als die Silberplatten! Was war Las Nun, der Glasermeister hatte mit einem „reinen, wollenen Lappen" den

Staub von

den

Bildern „gründlich abgerubbelt."

C. F.

Liebetreu.

6

„Wo intim mit

ist Sanglade?" fragte ich den jungen Witzleben, der dem Marquis befreundet war.

ihn nicht bemerkt, vor einiger Zeit verließ Fürsten Oginski den Saal, sie wollten polnischen dem er mit des Prinzen, ein Spielchen sollte dort Behausung nach der entrirt werden. Der Marquis hofft den gestrigen Verlust, welchen er daselbst erlitten, recht bald wieder einzuheimsen."

„Haben

fing, an allen Kelchen nippt er, und

Grund!" Grüßend ging

Der Hof hatte die Nedoute verlassen, die Stimmung,

sie

— Der Marquis, ein leidenschaftlicher Ich war beruhigt. Spieler, ließ Alles, selbst die Liebe im Stich, wenn es galt, das Glück am grünen Tisch zu wagen. „War er in Maske?" fragte ich noch leicht obenhin.

„Wie Sie, mein Freund, im Domino, nichts weiter. — Er stolzirte den ganzen Abend mit der kleinen Tänzerin Giraud aus und ab, jetzt die Königin seines Herzens! Der Schmetter-

keinen leert er auf den

er weiter.

Geberden der Tanzenden ivurden ungezwungener, freier.

Allenthalben sah man im tollen Durcheinander'. — Vergebens suchten

sie

tvirbelnd, lacheitd, schwatzend

wir im Gewühle

die schöne

Astrua,

in der That nicht beim Feste anwesend zu sein, ruhte vielleicht schon sauft in Morpheus Armen. Mitternacht war lange vorüber, da packte es mich, von geheimnißvollcr Neugierde getrieben. Ich bat Romani mit mir zu kommen, eine solche Aventurc würde sich nicht zweimal bieten. Nach längerem Widerstreben willigte er endlich ein, (Fortsetzung folgt.) wir verließen den Saal. sie schien

Steine Ml» Steinsägen in der Marlr Srnn-cnsturg. Landschaftsbildes unserer Heimath gewinnt eine» ganz eigenartigen Reiz durch jene gewaltigen erratischen Blöcke, durch jene kolossalen Granitfindlinge, welche auf

Die melancholische Schönheit

des

den Höhen unserer dunkelbewaldeten Bergeszüge lagern und über

unsere

Fluren zerstreut sind.

Uns interessirt an diesem Orte jedoch

die geologische Bedeutung dieser grandiosen Denkmäler furchtbarer Erdumwälzungen keineswegs; wir lassen es dahingestellt sein, von

wo diese gewaltigen Granite uns einst durch ungeheure Eisschollen zugeführt worden sind, ob von den Kjölen Skandinaviens oder von den Gipfeln des Erzgebirges. Wirthschaftlich sind diese Findlinge unseren Vorfahren von höchstem Nutzen gewesen; sie sind es uns Als die Mark wieder zu einem deutschen Lande auch noch heute.

umgestaltet wurde,

wurden von diesem Materiale all' unsere

da

alten Kirchen und Klöster erbaut; da wurden mit Findlingsmauern

Städte umgürtet; da stiegen auch die Burgthürme auf, Ewigkeit zusammengefügt. „In vielen Gegenden unseres Landes," sagt der Topograph Berghaus, „sind die Wege mit Feldsteinen und Blöcken eingefaßt, die oft von Dorf zu Dorf förmliche Mauern bilden, so daß sich der Reisende in eine Gebirgslandschaft versetzt wähnen kann. All' unsere Städte und die meisten unserer Dörfer sind mit diesen Geschieben gepflastert; unsere Steinbahnen sind sämmtlich von ihnen gebaut, sie werden mit ihnen unterhalten und gehören der Güte des Materials wegen mit zu de» besten Kunststraßen Deutschlands; die Grundmauern

all'

unsere

aus ihnen wie für die

unzähliger Gebäude sind aus ihnen hergestellt." Welch' immenser Verbrauch, und ivelche Fülle ist trotz desselben noch vorhanden auf und unter der Erde! Doch auch hierauf sei hier nicht weiter eingegangen! Uns interessirt vor Allem die poetische Bedeutung, welche diese Steine Wie seltsam und geheimnißvoll blicken sie uns entgegen, haben. wenn wir plötzlich im Waldesdunkel vor ihnen stehen, den un¬ gefügen, graubraunen Riesen ! Und lvic wunderschön träumt es sich bei ihnen, in ihrem Schatten, wenn die Mittagssonne über dem Walde steht und die blauen Glockenblumen zu ihren Füßen träumerisch die Häupter senken! Gespensterhast aber und unheimlich erscheinen sie dem Wanderer, wenn sie sich schwärzlich gegen den silberglänzenden Mondscheinhimmel abheben; — vollkommen er¬ setzen sie uns daher die Dolmen und die „Uiorros brnnlnntss" der keltischen Lande, die Menhirs und die „Brunhildenbetten" ge¬ segneterer Landschaften.

Sollte hier



Steinen die Sage nicht wohnen? Sollte sie nicht zugleich mit Blond und Sonne ihre Fäden gesponnen haben um diese erstarrten, von kühlem Moose bedeckten Riesenleiber? — Ja, hier ist in der That ihre begünstigte Wohnstätte; hier erzählt sie am beredtesten, gleichwie auch Dichtermund am ergreifendsten zu uns tont in des Poeten Heim! bei diesen

Der letztere Umstand veranlaßt uns, die „Steinsägen" der Btark Brandenburg hier einmal eingehender zu besprechen. Wir werden einen tiefen Blick dabei zu thun vermögen in unseres Volkes Herz, sowie in seine Auffassung von der Welt und von den Pflichten des Menschen. Die zahlreichsten dieser Steinsägen begegnen uns in der Alt¬ mark, und das ist auch durchaus erklärlich; denn es findet sich hier eine Menge der seltsamsten Naturgebilde dieser Art. So heißt ein Granitblock auf dem Landsberge südwestlich von Stendal der „Backenstein"; dem Volke ist es der Backzahn eines Riesen, welchen der letztere sich ausgerissen hatte, um ihn — gegen den Dom von Magde¬ burg zu schleudern und das schöne, aber ihm so unheimliche Glocken¬ klingen endlich zum Schweigen zu bringen. Schon auf dem Landsberge aber siel diese eigen art'ge Waffe nieder; die Niesen treffen nie. — Nicht allzu ferne von der „Deetzer Warte", einem alten Thurme und Kruge zwischen Stendal und Gardelegen, einer sagenberiihmten Wahlstatt, an dem Wege, welcher nach Klinke führt, lag ehedem ein gewaltiger Stein „dat Pumpelgraft" geheißen. Der Block ist Beckmann meint alles jüngst verkauft und zersprengt worden. Ernstes, „das sei des Pompilii Grabstein und dieser Pompilius sei, wenn auch nicht grade der König Numa Pompilius, so doch ein Kriegsobcrster des Drusus gewesen!" Das Volk der Altmark aber dachte beim Anblick jenes Steines an die bittere Noth der Schwedenzeit und ließ einen schwedischen Heerführer, Namens „Pumpcl", unter dem Steine bestattet sein. Auch der „Bruutsteen" bei Wernitz mit seinen Gefährten

ringsum ist nun längst zersprengt. In diesem Steindenkmale der Vorzeit sah der Landmann einst einen versteinerten Brautzug. Warum indeffen die Strafe der Versteinerung hier eingetreten ist, davon erzählt uns keine Sage. Wohl aber erfahren wir das bei den Steinen unfern von Brome und Ehra. Dort heißt es nämlich: Ein Bauer fuhr des Sonntags Korn nach seiner Mühle. Er hatte schwer

Stelle.

geladen und

Da

kam

trotz

seiner

sechs Ochsen

nicht von der

stieß er einen gräulichen Fluch aus, und alsobald er¬

starrten er, die Thiere; sein Wagen und die Last zu Stein. Steine, welche als Niesenspielzeug oder als Riesenwaffe auf¬ gefaßt ivcrden, giebt es in großer Menge; wir werden ihrer in der Altmark daher nur noch dann Erwähnung thun, wenn es noch 'etwas Besonderes von ihnen zu vermelden giebt. Ein allgemeiner Zug ist, wie erwähnt, daß die Riesen nicht treffen oder sich einander zu Tode werfen: jede ungestüm dahcrbrausende Kraft verfehlt ihr Eine neue MäL aber begegnet uns bei dem Dorfe Grieben:

Ziel.

dort liegt auf dem Acker ein Stein mit dem Fußstapfen eines Bauern. In einer Grenzstreitigkeit hat nämlich irgend einmal ein Landmann geschworen:

„Ist

dieses Land nicht mein,

So werde Butter

dieser

Stein!"

7

Da sank der Meineidige tief tu den Granit ein. Viel wird ferner erzählt von dem „Steine mit dem Huftritte" bei Stendal. Markgraf Albrecht von Anhalt hatte, — so heißt cs nach

I>.

Graessc, aber

wir zweifeln daran, — hatte

oder den folgenden kennt,

daß das Volk diesen Namen den Markgrafen Huder von

Brandenburg schon zweimal auf's Haupt geschlagen und stand ihm nun wiederum bei Dahrenstädt gegenüber. Der kühne Markgraf auf seinem schnaubenden Streitrosse war des Sieges gewiß; die Gefährten aber mahnten ihn zur Vorsicht. Doch Graf Albrecht sprengte gegen den mächtigen Feldstein an und rief: „So wahr mein Roß mit seinem Hufe in diesen Stein tritt, und so wahr mein Schwert des Steines Panzer spaltet, so gewiß werden lvir siegen!" Davon die Male im Stein. Dieser heroischen Deutung, welche an das Wort des Grafen Hoher von Mannsfeld vor der Schlacht am Welfshvlze erinnert:

„So wahr ich greif' in diesen Stein.Auch diese Schlacht muß meine sein!" — steht indessen eine vvlksthümlich-sittliche zur Seite.

Die Krügerfrau von Dahrenstädt, schrecklich.

„Hol'

bekräftigte

sie

so

heißt es, fluchte gar

mich der Teufel, wenn das nicht wahr

einst

eine

Lüge.

Aber

der Böse

ist!"

kam

er¬

So

diesmal

wirklich und führte sie auf kohlschivarzem Rosse davon. Tief drückte sich des Teufelpferdes Fuß dabei in jenen Stein. Mehrere dieser cr-ratischcn Blöcke, z. B. einer bei dem Dorfe Bonese ani Wege von Dülscburg nach Markau, und einer bei Darendorf heißen: „ Lenekensteine". Mit unserm Fraucnnamcn „Lene", hat diese Bezeichnung gewiß nichts zu thu»; — wir stellen sie dem süddeutschen

„Leh" — „Grab" zur Seite.

Trüb¬

sinnig und lieblich, anmuthig und großartig, düster zugleich aber crzählt das Volk: „Es >var einmal ein Mädchen, Lene geheißen, welche von ihrer harten Mutter gezwungen wurde, einen reichen Bauern zu hcirathen, den sie durchaus nicht leiden mochte. Ihr Weinen und Flehen half ihr nichts; nach alter Sitte wurde sic auf den „Braut¬ stuhl" gesetzt, und der Brautwagcn fuhr ab. Wie sie nun an die Grenze kamen und der Fuhrmann nach der üblichen Formel sie

fragte:

„Willst Du,

daß ich weiter fahre oder daß ich umkehre?" vom Wagen herab und rief: Verzweifelnde sprang die werden als nach Markau gehen!" Stein „Eher will ich zu Wunsche. Da steht sie nun ihrem nach Es geschah ihr breite Streifen, der hinten der Braut"; „steinerne Wege, die

da

— am am

Sechs Alan» können diesen Granit Steine liegen um ihn her. Hier kleinere sechs nicht umklaftern; ihres Amtes schon lange Grcthe, Kühtreiberin die nur, heißt es überdrüssig, — vielleicht auch eine „Langschläferin", welche „nachtreiben" mußte, — habe gewünscht, sammt ihren Kühen zu

Wcißgrethenbergc bei Laatzke.

Stein vcrlvandelt zu lverdcn. Eine ganz neue Bedeutung aber er¬ halten die Granitfindlingc der Mark, lvenn lvir von einem Steine, welcher früher sich in der Nähe der Mühle von Ahlum befand, er¬ fahren, daß die Unterirdischen einst auf ihm Kegel gespielt haben, und daß er auf seiner Oberseite neun Löcher für Kegel besaß. sie

in den Stein gehauen, als er eine Fehde hatte mit der Stadt Salzwedcl! Reicher und reicher wird die Volkspoesie der Mark an Deutungen der auffallenden Merkmale unserer Granitblöcke. Bei Wittingen, unfern der hannöverschen Grenze, steht der „Glockenstein". Er gleicht einer Schießscheibe, wie sie die Schützen gebrauchen. Eine Glockengicßersagc aber ist's, welche sich an ihn anknüpft. Dcr Meister schlief; der Bursche weckte den Gestrengen nicht und goß selbst. Wohlgcrathen stand sie da; der zürnende Meister aber erschlug den lockigen Knaben.

Mehrere recht gewichtige Geselle» solcher Granitblöcke giebt'ü in und bei dem Dorfe Ostheeren. Auf dem Schulzenhof z. B. liegt einer; — mit dem hat der Teufel dem frommen, biedren „Schulten" den Brunnen zudecken wollen. Wüthend warf er den Block aus der Höhe herab und wieder — traf er nicht! Wie kundig aber auch der Geist der Sage fein mag: das weiß er uns trotzdem nicht zu erklären, warum bei einem andern Steine bei Ostheeren auf der einen Seite der Schuh eines Kindes, — auf dcr andern der einer Frau eingedrückt ist. Doch wir müssen noch in den „Hans-Jochen-Winkel" der Alt¬ mark, d. h. in das Land um Diesdorf und Beetzcndvrs eilen! „Hans-Jochen-Winkel" heißt die Landschaft natürlich deshalb, weil die Jungens dort herum fast alle „Hans-Jochen" getauft sind. Hier finden sich Hünengräber in ungeheurer Menge vor und wenn

wir bisher von einzelnen Steinen

haben einst gar gern bei den moosigen Granitblöcken

gehaust, die freundlichen und doch auch wieder so tückischen Zwerge, die „Unterirdischen", ächt märkisch „die Ungerärschken!" Dort haben fröhlich sie lustig ihre Purzelbäume geschlagen und sind dann wieder

an ihre Arbeit gegangen, haben den Menschen geholfen und Haus und Hof, Vieh und Acker dienstwillig gehütet. Doch weiter! Zwischen dem berühmten Sitze derer von Knesebeck, dem er¬ innerungsreichen Schlosse Tylsen und Salzwedel liegt ein Feld,

gesprochen haben:

wir

müssen

Steinmonumenten

reden. Großartig, urgewaltig ist der Eindruck dieser Hünengräber, von welchen die besterhaltenen bei Stöckheim und bei Börnsen liegen. Willibald Alexis hat in dem 5kapitcl „Bei den Blutsteinen",

jetzt von

welches

sich

„Jsegrimm" findet, märkischen Königsgräber in dem Lichte der

gleich Eingangs seines Romans

den Eindruck solcher untergehcnden Sonne einst hvchgelvaltig geschildert, und Prvfessor Virchow schreibt einmal in markiger Weise: „Wir sahen ein Grab bei Drebenstedt zu später Abendstunde, als soeben der Vollinond aufgegangen war. Der Anblick erinnerte

an vssianische Schilderungen.

Steine herabläuft, war einst das „Brautband". Unbedeutender ist die Sage vom „Weißgrethenstein" auf dem

Ja,

das „Hcrzgelag" genannt. Dies unverständliche Wort aber soll soviel heißen als „Herzogslager". D'rauf steht „ein rother Kiesel¬ Auch in ihm bemerkt man stein, wie eine Trommel gestaltet". Herzog Heinrich der Löwe einst eine Kerbe; die hat der Sage nach

Als lvir in

dem blassen Mvndenlichtc

gewaltige Stcinsetzung vor uns sahen, tauchten die blassen Schatten der Vergangenheit unwiderstehlich vor uns auf. Die Länge des Grabes beträgt 140, die Breite 20 Fuß, die Zahl der Ringsteine 72. Die Grabkammer besteht aus 12 Trägern und 5 Decksteinen. Die Blasse der Steine mag 25,000 Eentner betragen." die

,

Wahrscheinlich

sind

cs

longo bardische Königsgräber,

Doch wer wagt, darüber mit völliger Sicherheit zu entscheiden? Jedenfalls ist es ein geheiligtes Land, auf welchem wir stehen. Hier grünt die Sage üppig. Halten wir uns nur, um Wiederholungen zu vermeiden, an die berühmte welche

wir hier vor uns

sehen.

„Steinkanimcr von Stöckheim." Sie liegt hundert Schritt südlich vom Dorfe, ist 10 Fuß lang, 5 breit, 1'/- bis 2 Fuß über der Erde hoch und wird von einem gewaltigen, breiten Steine bedeckt. Der seltsamen Volkssagc, daß hier „der Riese Goliath" schlafe, müssen wir nun einmal gedenken. Es hat ihn, so sagt man, im heiligen Lande nicht mehr ruhen lassen; da hat er seinen

goldenen Sarg genommen,

sich

seinen

Leichenstein — das ist der Deckstcin des Hünengrabes — mit einer Kette auf dem Rücken festgebunden, wovon die Eindrücke noch aus dem Stein zu sehen sind, ist hierher gezogen und hat sich wieder

zur Ruhe gelegt. In jeder Neujahrsnacht aber kommt er hervor und macht drei runde Löcher in den Stein, — Löcher, gerade so groß, wie das gewesen ist, welches ihm der Stein aus David's Schleuder in die Stirn geschlagen hat. — Der goldene Sarg weist

8 Auch unter diesem Heldendenkmal, dessen Löcher oben auf der Deckplatte der Sage nach unter dem Moose verwachsen und wiederum Unterirdischen, und durch die stille Mondnacht sich öffnen, spielen die

aller Wahrscheinlichkeit nach wohl darauf hin, daß wir auch hier vor einem deutsche» Königsgrabe stehen. Stauncnswcrth aber ist die Kraft und Beharrlichkeit, welche Denkmäler von dieser Große und Schwere mit den einfachsten Mitteln, mit Baumstämmen, zu errichten verstand.

>

Ein Conrertsnal in

den Werderschcn

früher in dieser Wochenschrift geschildert ist. Einige andere nicht weniger interessante musikalische Freunde, deren Bckanntschaft Zelter in den siebziger Jahren des vorigen JahrHunderts machte, lerne» wir aus folgendem, gleichfalls der Selbstbivgraphie Zelters entnommenen Berichte kennen. „Unter unsern musikalischen Häusern befand sich das eines Destillateurs Namens schon

Radicke, der

sich

neben seinem Erwerbe

austönten, hatte unter dem Dache seiner Mühle einen Raum ausgemittelt, der am besten zu einer Stube genutzt lverdcn konnte. Diese Stube wurde so groß, wie möglich mit Bretterwänden eingerichtet und bald stand eine artige Conccrtstube da, deren Wände "Nun wurde das mit musikalischen Sinnbildern geziert waren. Concert wechselweise eine Woche hier und eine Woche in Radickes Hause gegeben. Die neue Stube war mehr als noch einmal so

mit dem Orgelbau bc-

schäftigtc und außerordentlich sauber arbeitete. Seine Orgelpfeifen, seine Klaviaturen, die er alle eigenhändig machte, waren daher

groß und die Bretterwände thaten auch das

ein.

Dieser stille Mann

hatte

sich

seine

Violine

einen bestem

zu geben.

spieler erschien und der Wolf vor.

legte ein neues

Concert vom Weimarschen

In

selber

gemacht und nachher auch selber ohne mündliche Anweisung darauf spielen gelemt. Das Instrument war nach einem schönen italienischen

Muster vollkommen nachgearbeitet. Er spielte rein, hatte einen guten Ton und lernte in diesem kleinen Kreise bald seine Stimme Dieser so verstehen, daß er brauchbar genannt lverdcn konnte. dein unter wohnte in der Werderschcn Wassermühle ganz oben Tochter. achtzehnjährigen Dache mit seiner Frau und einer etwa War nun Radicke ein sauberer Nacharbeiter im Kleinen, in der Schnitzelci und langsam an seinen Arbeiten, so war Bruvill ein Mann, der eine Mühle von sieben Gängen beschaffte und tüchtige Müllergesellen bildete; der ganze Styl dieses Mannes war daher derber, einfacher, man konnte sagen tiefer. Radicke hatte, ehe er seinen großen Flügel anfing, einen kleinen zur Probe gemacht, der ihm ganz wohl gelungen war; Bruvill beschloß auch einen Flügel für seine Tochter zu bauen. Er hatte unter den Instrumenten, die er zum Muster aufsuchte, einen großen Orchesterflügel vom alten Silbermann entdeckt und sogleich die sichere Meisterschaft

Ihrige,

Die ganze Musik bestand hier in fünf Violinen, zwei Bratschen, zwei Violonccllen, einem Contraviolon, zwei Flöten und dem Flügel. . . Die schwersten Sinfonien, Concerte, Ouvertüren von Bach, Graun, Goldberg, Müthel, Benda, Händel, Wolf, Vivaldi, Tartini, Hasse, Kirnberger und Quanz wurden hier sicher und natürlich aufgeführt. Ein Vorfall machte dem kleinen Orchester viel Freude. Ein fremder, nicht unfertiger Klavier-

Klang

Muster der Nettigkeit. Er war längst mit den besten Instrumentenmachern befreundet und sah diesen ihre Mensuren und äußeren Handgriffe ab. Er baute sich einen großen Concertflügel mit 5 Klaviaturen, die einen vollen, schönen Ton hören ließ und eine Menge Veränderungen hatte. Seinen Sohn ließ er im Klavierspielen unterrichten, so daß er ein leichtes Concert nach seiner Art spielen konnte. Daraus entstand ein kleines Concert in dem engen Hanse, das anfänglich in jeder Woche einmal abgehalten wurde, Zu diesem Concerte fand sich auch ein Mühlenbescheider Namens

Bruvill

Mühlen.

daran wahrgenommen. Nach diesem Muster arbeitete er nun einen dreithürigen Flügel mit zwei Klaviaturen aus. Er war nicht so groß, als der, den Radicke gemacht hatte, aber der Ton lvar noch schöner. Nun ließ er auch seine Tochter im Spielen unterrichten, die bald große Fortschritte machte, weil sie ausgezeichnetes Talent besaß. Bruvill, dem das Concert in Radickes Hause zu kleinlich sein mochte, indem in einer engen Stube die Instrumente nicht

Carl Friedrich Zelter, in Berlin am 11. Dezember 1758 geboren, war der Sohn eines Maurers und lernte auf Wunsch Daneben trieb er eifrig seines Vaters das Maurerhandwerk. Musik und suchte den Verkehr in Kreisen, in denen diese Kunst geliebt und geübt wurde. Dabei traf er nicht selten mit originellen Menschen zusammen, deren einer, der Stadtmusikus Lorenz

George,

Wer deutet das Alles? — Dr. 0 Schwebe!. (Schluß folgt.)

klingen ihre zarten Stimmen.

>

;

Mitte des ersten Allegro hatte der Concertist das Unglück, zwei Blätter umzuschlagen, ohne es zu merken, denn er spielte fort. Das Orchester ward dadurch so wenig gestört, daß alle zugleich, wie verabredet, den Ort trafen, wo er fortfuhr und mit den, folgenden Nitorncll auf den Punkt eintraten. Das Concert war aus 6 -ckur. Als das Stück geendet war, trat der Hoforganist Schaale heran und sagte, die Modulation des Stückes sei ihm ganz neu; der Componist sei mit einem Riale aus D-dur in E-moIl gerathen. Er habe dies anfänglich für einen Schreibfehler gehalten, da aber das Orchester gefolgt, müsse es am Stücke liegen. Hier nun ward das wahre Verhältniß der Sache aufgedeckt, wer aber von dem allen nichts glauben wollte, war unser neuer Klavierspieler. Alle einmüthigen Versicherungen der Repianisten, daß sie beinahe eine ganze Seite hätten überspringen müssen,

|

waren nicht hinlänglich, ihn zu überzeugen, alte Schaale an den Flügel trat und ihm zeigte, die man nicht gehört hatte, weil sie worden. Das Stück ward nun noch einmal Alles seinen ordentlichen Gang ging."

bis denn zuletzt der die zwei Folioseiten nicht waren gespielt wiederholt, wo denn L. H. Fischer.

tffctljxuisii und der Varnhagen-Rahel'sche Kreis. Von Dr.

Alf. Chr. Kalischcr.

I.

In ersten Jahrzehnten unseres Jahrhunderts war kein Badeort so sehr der Sammelplatz der gesammten vielfältigen Aristokratie, wie Teplitz. Jede Hochsommerzeit erblickte hier die Träger der stolzesten Adelsnamen in freundschaftlich geselligem Verkehre mit der Geistcs-Aristvkratie aller Länder. Jede Dynastie, jede Kunst und jede Wissenschaft hatte in Teplitz ihre erlauchten Vertreter. Auch Ludwig van Beethoven, den man in jener Glanzepoche des Teplitzer vornehmen Geisteslebens mehr und inehr als den

!

Fürsten im Reiche der Tonkunst verehren lernte, tvar kein seltener Gast in jenem weltberühmten böhmischen Badeorte. Und so war es auch in dem für Beethoven's Herzensleben besonders bedeutungsreichen Jahre 1811, das uns hier vornehmlich zu beschäftigen hat.

Hier in Teplitz sollte Beethoven auch Varnhagen von Ense und seiner

l

Rahcl

nahe treten.

Das ganze reizvolle, mannigfache Treiben der geistesvornehmen Gesellschaft jener Tage hat wohl kaum Jemand so lebendig und anziehend geschildert, wie Varnhagen von Ense in den „DenkDa bildete im Jahre 1811 Würdigkeiten des eigenen Lebens."

-

9 Zunächst der Herzog

in eigenthümlichster Vollendung zeigte, so daß selbst die große Schauspielerin Madame Bethmann aus Berlin nicht Anstand nahm, ihn den größten Talenten der deutschen Schaubühne

Karl August

komische Kunst

von Weimar einen Mittelpunkt Ser gcistgcwürztcn Geselligkeit. „Die Person des Herzogs" — erzählt Banthagen*) — „übte eine starke Anziehung; unter diesem muntere», sinnlich-kräftigen, scheinbar nur dem Tag und dem Augenblick

beizuzählen." Aber hier kann man wahrlich mit

Schiller

ausrufen:

gewidmeten, aber nach allen Seiten aufmerksamen und thätigen Behaben erkannte der Schärfersehcnde leicht die großen Eigenschaften des geistesregen, schaffenden Fürsten, den klaren Blick über Welt kam aber für mich noch und hinzu, daß er Go et he's Herzog war und schon deshalb auch

Wer nennt die Völker, nennt die Name», Die gastlich hier zusammenkamen? Da ergötzten sich an allerhand Sang- und Saitenspiel, nicht wenig auch an eigener theatralischer Ausübung Männer, wie die

Nahe!'s."

Fürsten

Menschen."--„Nun

Ferdinand von Kinsky, einer der eifrigsten Mäcenc Becthoven's; dann der Uuc de liovigo; Prinz Georg von Mecklcnburg-Strelitz, seine Schwester Prin¬

Nichtsdestoweniger bildete die Besitzung der gräflich Clarh'schen eigentlichen Saminelplatz aller irgendwie hervor¬

Familie den

vonLigne, von Lichten stein,

vvn Svlins und deren Nichte, die Prinzessin Therese zessin

ragenden Teplitzer Badegäste. Dieser Familie war auch her

von Thurn und Taxis;

lvohl befreundet; die Kunst, obenan die Musik, fand in diesem wie in so manchem anderen österreichischen Adcls-

genialen Prinzen Louis Fcr dinand); der Herzog von

Beethoven von Wien

eine

kreise

besonders

Prinz August Ferdinand von Preußen (Bruder des

Würtemberg, Fürstin Jab lvnvwska, Gräfin Ester

eifrige

Pflege.

hazy;

Die Gräfin von Clary, des Gesanges, Freundin als hatte bereits im Jahre 1805 von Beethoven die Dedikation der großen Arie: „Ah, perfido, spergiuro“ (op.65) für Sopran und Orchester erhalten.**) Teplitz besaß diese

In

einen wundervollen Garten und hier im Clarh'schen' Garten war die wahre Hochflut für alles gesellige Treibe» jener

Familie

vornehmen Welt. „Wir hatten eine Reihe der schönsten Tage"

von

In

vom Spazier¬

sollte jetzt — auf besonderes eifriges Betreiben seines jugend¬

von

war eigens von

fahrten gewidmet, selten kehrte man zu rechter Zeit zurück, um noch das Schloßthcater einen Augenblick besuchen zu können, wo eine kleine Truppe aus Böhmen tägliche Vorstellungen gab, und der unvergleichliche, witz- und launenreiche Swoboda bisweilen die

II,

i>.

Varnhagen vv» Ense: Denkwürdigkeiten und vermischte Schriften 315; II. Auflage. Leipzig 1843 („Töplitz 1811").

große Arie hatte Beethoven bereits 1796 in Prag komponiert; Originalwidmnng lautet: „Reoitativo e Aria composta e dedicata

**) Diese

die

alla Signora Contessa di Clari di L. v. Beethoven." ***) A. a. O. Band II, p. 323.

Prag

nach

Teplitz gekommen, um daselbst einige Wock-en mit Rahei

Professor Johann Georg Sulzcr. 1779.) (* 1720

Gondeln die vvrbehaltencn Theile des Gartens wurden besucht, in Behagen, in der schöne Teich bcschifft, alles bewegte sich in traulichem zwangloser Artigkeit. Die Nachmittage waren den größeren Spazier¬

♦)

Meister

in österreichischen Diensten. Er

sich

an, oderZeichenbrett und Griffel traten an die Stelle des Buches,

auch

Varnhagen lvar eintreten. nämlich um diese Zeit ein junger 25 jähriger Lieutenant

Der

bald mit seinem Buche in einsame Gänge, oft auch schlossen sich Begleiter

Ense

Ludwig von Beethoven

aber als Vereinigungspunkt im angenehm war.

Varnhagen

lichen Verehrers

fürstliche Familie und ein Theil ihrer Gesellschaft einem an sich reizlosen Kugelspicl oblag, das

Graf Karl verlor

Rahei

Clemens Brentano und viele andere. diesen erlauchten Kreis

gange zurückgekehrt, versam¬ melte man sich im Clarh'schen Garten, wo gewöhnlich die

Freien

Savignh,

Lewin,

— schreibt Varnhagen.***) — „Morgens nach Bad und Früh¬ stück, oder schon

die gräflich Golz'sche

Familie; von Arnim, (der Bruder Achim von Arnim's,) mit dem Beinamen PittArnim, weil er dem großen Staatsmanne Pitt ähnlich sah; Graf Eugen vonBentheim; von Dalwigk, Freiherr Gräfin von Odonnel, Gras von Trog off. Dann die Gcistcsheroen Jvh. Gottl. Fichte, Friedr. Aug. Wolf, Tiedge mit der Gräfin von der Recke ;

f

Lew in,

der Königin seines

Herzens, zu verleben.

Wie nun Varnhagen in ein näheres Verhältniß zu Beethoven jenen treten konnte, das beschreibt er uns Joteber recht anmuthig in Darstellungen des Teplitzer Badelebens, wo er sich anschickt, der Musik besonders Erwähnung zu thun. Wir lassen ihn wieder sprechen:

„Andere nicht minder ansprechende Unterhaltung gab die der Kapellmeister

Himmel*),

Musik:

dieser wüste Sonderling, der fast nur

der Berliner Hofkapellmeister, Pianist *) Friedrich Heinr. Himmel, — Mit lebte von 1765—1814. „Fanchon," und Komponist der Oper in Beethoven sich Beethoven war Himmel bereits 1798 bekannt, als

Berlin

aufhielt.

10

Aus

noch zwischen behaglichem Champagncrransch und trostloser Nüchtern¬ heit lebte, ließ uns im Golz'schen Hause und bei Clary's, wie

diesen

Barnhagen'schen Mittheilungen

ist Manches

als

Wir ent? Beethoven immer

besonders interessant noch festzuhalten und zu erläutern.

hieraus, daß

auch später

nehmen unter Anderem

heute noch, nach dem

lvicder an Opernkompvsitionen dachte und darum gern mit jedem geistvollen Dichter oder Schriftsteller in Verbindung trat. Die weiteren Beziehungen zwischen Beethoven und Varnhagen werden noch neue Streiflichter auf diesen Beethoven'schen Herzenswunsch

in einem Konzerte, sein Fortepianospiel hören, das auch Urtheil der Kenner, in den neueren großen keineswegs verdunkelt sein würde; Kunstübung dieser Fortschritten Karoline Longhi gewann in demselben Konzert durch ihre Harfe großen Beifall. „Doch in derselben Zeit war ich mit einem Musiker bekannt geworden, gegen welchen mir jene ganz in den Schatten traten. Es war Beethoven, dessen Anwesenheit wir schon lange wußten, aber Niemand hatte ihn noch gesehen. Seine Harthörigkeit machte ihn menschenscheu und seine Eigenheiten, die sich in der Absonderung nur immer schroffer ausbildeten, erschwerten und kürzten bald wieder den wenigen Umgang, auf den ihn der Zufall etwa stoßen ließ. Er hatte aber im Schloßgarten auf seinen einsamen Streifereien einigemal Rahe! gesehen, und ihr Gesichtsausdruck, der ihn an ähnliche, ihm Werthe Züge erinnerte, war ihm aufgefallen. Ein liebenswürdiger junger Mann, Namens Oliva,*) der ihn als treuer Freund begleitete, vermittelte leicht die Bekanntschaft. Was Beethoven den dringendsten Bitten hartnäckig versagte, was in einem schrecklichen Falle, als in Wien ein Fürst ihn zwingen, körperlich zwingen wollte, seinen Gästen vorzuspielen, ihm keine Gewalt abtrotzen gekonnt, das gewährte er jetzt gern und reichlich, er setzte

sich

werfen.

Der sich hier in so üblem Leumunde präsentirende Fürst ist im übrigen um Becthoven's äußeres, wie künstlerisches Leben hochverdiente Fürst Karl von Lichnowsky. Es war im Jahre 1809 während der schrecklichen Kriegszeiten, als Beethoven sich auf die Güter seines edlen Gönners in die Nähe von Grätz in österreichisch Schlesien begab, uin hier „procul negotiis“ in Aber als der idyllischster Behaglichkeit frei schaffen zu können. der

zuin Fortepiano und spielte seine noch unbekannten in freien Phantasiecn. Mich sprach

j

neuesten Sachen oder erging sich

der Mensch in ihn, noch weit stärker an, als der Künstler, und da

!

Oliva

und mir bald enge Freundschaft entstand, so war ich auch mit Beethoven täglich zusammen, und gewann zu ihm noch nähere Beziehung durch die von ihm begierig aufgefaßte Aussicht, daß ich ihm Texte zur dramatischen Komposition liefern oder ver¬ bessern könnte. Daß Beethoven ein heftiger Franzvscnhasser und Deutschgcsinntcr war, ist bekannt, und auch in dieser Richtung zwischen

standen

kl,

!

wir uns gut zusammen." (Varnhagen: Denkwürdigkeiten

i). 344—345.)

*) Franz

Oliva

gehörte um diese

kreise des Meisters,

mit

I8kv

Breitkopf

erschienen bei

Zeit zum innigsten Freundes¬

dem er übrigens auch gleichaltrig

und

Härtel

war.

Im

auch

Jahre

die ihm gewidmeten Piano-

forte-Variationen op. 76 in D-dur („dediiies a SOU ami Oliva“). Näheres über ihn findet man in A. M, Thayer's guellenreicher Beethovenbiographie Band III, p. 114 ff. Darnach war Oliva „Schreiber im Dienste von Offenhenner und Herz am Bauernmarkt Nro. 62V. Es ruht ein eigentümliches Dunkel auf den persönlichen Ver¬ hältnissen dieses Mannes und der Natur seiner Beziehungen zu Beethoven, ein Dunkel, welches zu beseitige»

auch den unermüdlichen Forschungen nicht gelungen ist. Was feststeht, ist Folgendes. Die Beziehungen zwischen Beethoven und Oliva waren in hohem Grade e»g bis zum Frühling 1812; später nicht mehr ganz so; doch wurden sie nie völlig abgebrochen bis zu Oliva's im Jahre 1820 erfolgter Abreise nach St. Petersburg, ivo er es in seinem Interesse fand, sich als Sprach¬ lehrer niederzulassen." Dunkel fürwahr ist auch dieser positiven Rede Sinn? WaS muß das für ein wunderbarer „Schreiber" gewesen sein, der das »»getheilte Entzücken eines Beethoven, eines Varnhagen und einer Nahe! Lewin Hervorrufen konnte! — Leider scheint die ganze

Ferdinand Luib's

Fürst eines Tages den Meister nöthigen wollte, vor den ingrimmig von ihm gehaßten Franzosen zu musizieren, da war cs schnell mit der Geduld, Ruhe und Behaglichkeit vorbei. Bei Nacht und Nebel verließ der tief beleidigte Meister den Ort, wo ihm solche Kränkung Ritter Ignatz von Seyfried (Beethovens widerfahren war. Studien im Generalbaß ec., Anhang p. 21) erzählt diese Anek¬ dote sehr ergötzlich also: Während seines Sommeraufenthaltes auf den Gutem eines Mäcen ward ihm so arg zugesetzt, vor den fremden Gästen sich hören zu lassen, daß er nun erst recht erbost wurde und das, was er eine knechtische Arbeit schalt, standhaft beharrlich verweigerte. Die gewiß nicht ernstlich gemeinte Drohung mit Hausarrest hatte zur Folge, daß Beethoven bei Nacht und Nebel über eine Stunde weit zur nächsten Stadt davon lief und von dort wie auf Windesflügeln mit Extrapost nach Wien eilte. Zur Genugthuung für erlittene Schmach mußte des Gönners Büste ein Sühnopfer werden. Sie siel, in Trümmer zerschlagen, vom Schranke herab zur Erde." — Lange bewahrte Beethoven dem Fürsten schweren Groll im Herzen; erst etwa fünf Jahre nach dieser Schrcckensscene, 1814, kam eine Aussöhnung zwischen dem 'Geistes- und Standesaristokraten zu stände. Beethoven's Napoleon- und Franzosenhaß wird übrigens noch durch manch' , ein wohlverbürgtes Wort aus seinem Munde des Weiteren illustriert. So traf ihn im Jahre 1809 der junge Rust einmal in einem Kaffeehause und sah, wie er gegen einen vor¬ übergehenden französischen Offizier die Faust ballte und ausrief: „Wenn ich als General von der Strategie verstände, was ich als Komponist vom Contrapunkt verstehe, dann wollte ich euch schon etwas zu schaffen geben."*) Tiedge, der Freund Beethoven's und Varnhagcns, zeichnete Varn¬ sich in Teplitz lvie sonst ebenfalls als Franzosenhasser aus. hagen theilt uns mit: „Tiedge war ein Franzosenfeind, wie irgend einer; noch am Tage vorher hatte er zu mir und Beethoven das kräftige Wort über Napoleon gesagt: ,Sie können ja den Menschen garnicht sehen, wegen des Glückes, das vor ihm steht!" Jetzt benutzte er den Anlaß, uns den dichterischen Kriegsaufruf an ihre Kinder" von Heinrich von Kleist mit¬ zutheilen, eines Dichters, den er sonst wenig zu lieben bekannte, aber in diesem Liede Tyrtäisch fand." (Varnhagen a. a. O. , Germania

II.

Korrespondenz zwischen Beethoven und Oliva, wie dessen Tochter Betth de Oliva 1854 wenigstens aus Baltacia an Otto Jahn schrieb, ein

Raub der Flammen geworden zu sein.

p.

347.)-

*) Vergl. A. W. Th ah er: Beethoven, Hl

i>.

79.

Daniel Chodounecki's Berliner Coiffüren und Modelrleidungen. Besprochen von 1.

Ferdinand Meyer.

Der große Berliner „Maler-Radirer"

und unerreichte Schilderer des norddeutschen Lebens während der zweiten Hälfte des vorigen Jahrhunderts führt uns mit seinen bildlichen Dar-

!

stellungcn in

die Hochsommerzeit

des

Rococo

zurück; jener

der Galanterie und Koketterie, der Schöngeisterei und heiteren :

muth, die das durch des Künstlers Grabstichel ebenfalls

Zeit An-

geschmückte

11

„Hohelied der (Sentimentalität" — Gocthe's „Werther" —

ent¬

stehen sah.

Meisterhaft hatte es die damalige Mode verstanden, sich mit den übrigen, das Nococo kennzeichnenden Zeitschöpfungen in Ueber¬ einstimmung zu bringen. Phantastisch und zierlich, in helle Frühlingsfarbcn gekleidet, so erblicken wir die „Blnmenfcen" jener Zeit mit welche ihren Trägerinnen den den oft fußhohen Coiffuren, Neben ihnen die Schein der Erhabenheit verleihen sollten. „elegante" sammetschössige Männerwelt in ihrer ganzen „Puder¬ herrlichkeit". So hat Chodowiecki in zahlreichen Schilderungen des öffent¬ lichen und des Familienlebens eine Fülle dieser köstlichen Gestalten in der Verschiedenartigkeit der Erscheinung und Seelenstimmung geschaffen, die seine scharfe Naturbeobachtung und Herzenskenntniß offenbaren, und ihn schon den Zeitgenossen als „Seelenmaler pur exeellönee" erscheinen ließ.

Dabei zeigt sich das Gepräge seiner Meisterschaft in den kleinen oft tvinzigflen und erst mit belvaffnetem Auge zu rechter Würdigung gelangenden Darstellungen, denen er, ohne kleinlich zu werden, das Gepräge der Größe verlieh. Schon frühzeitig wurde Ehodolviecki's künstlerischer Sinn un¬ willkürlich auf die Erscheinungen seiner nächsten Umgebung hin¬ geleitet; sie bildeten bei dem sonstigen Mangel an Muster¬ bildern die Quellen seines frühesten Studiums, und ihre Jndividualisirnng, besonders der Köpfe, war denn auch später des Meisters starke Seite.

Betrachten

wir

die ganze Serie der oft

nur in zarten Konturen

dargestellten Frauen- und Mädchenköpfe mit ihren wechselvollen, modischen Coiffuren, so läßt sich in jedem einzelnen dieser, doch nur als Modekupfer bezeichneten' Köpfe die jeweilige, der Coiffure angepaßte charakteristische Physiognomie leicht erkennen.

Wie sonderbar und lächerlich die Wege und Abschweifungen Göttin sind, die wir „Mode" nennen, hat schon Juden al bei den Schönen unter dem ewig klaren Himmel, und dem Dufte der Narzissen, unter dem Rauschen und Flüstern der Pinien und Cedern, geschildert. der launenhaften und phantastischen

„Sie bauen Stockwerk auf Stockwerk Sich auf den Kopf, und erhöh'» ihn durch Bindebalken zum Thurme."

Derartige Monstrositäten zeitigte auch die Epoche des Rveveo. Denn die Neigung der damaligen weiblichen Schönen, sich be¬ wundern zu lassen und zu dem Zweck ihre Coiffüre in ein möglichst günstiges Licht zu setzen, verschmähte selbst nicht jene Haarungethüme mit ihren Ausschmückungen, die allen Grundsätzen der Archi¬ tektonik des menschlichen Körpers, allen Regeln der Aesthetik Hohn sprachen.

Und so ist es auch in unserer Zeit geivesen, die sich bestrebt, das Nococo wieder einzuführen. Da finden wir unter den Berliner Moden seit dem Jahre 1774 die „Merisson äDiadöme“ — jenen fußhohen, ballonartigen Haar¬ bau, umwunden von einer Spange und Perlenschnur, seitwärts ge¬ schmückt mit Perlen und Federstutz-Agraffen, während zwei herab¬ fallende Locken mit wallendem Bande sich um den Hals schmiegen. Derselbe Haarbau erscheint dann als „Baigneuse“, bei dieser bis zur oberen Hälfte von einer haubenartigen und mit großer Schleife versehenen Umhüllung bedeckt. Neben der „Dormeuse“ (Nacht¬ „Capricieuse“ als eine der haube) und dem „Neglige“ tritt die sonderbarsten Haarmoden ans: ihr Ausbau wird von einem förm¬ lichen Blumenstrauß überragt; die

„Noble sirnplicite“

schmückt eine

Trochue von Federn. Dann wieder stutzte die Tyrannin Mode den Kopf mit der „Caprice de Voltaire“, der „Jardiniere“, „Israelite“ und „Cir-

cassienne“ resp. „Georgiemie“, dem „Passepartout“, „Chapeau ä la Hamlet“, „Colin galant“ und „FJamand“, der „Petite et double Palisade“ u. n. m. Unsere Illustrationen aus dem Jahre 1781 stellen neun ver¬ auf¬ schiedene Coiffüren dar. 1) „ä la Bourgogne“ mit dem keck wahr¬ la Frontignac“, gestülpten, federgeschmückten Hut. 2) „a scheinlich nach der französischen Stadt benannt, in deren Umgebung die Rebe des vorzüglichen weißen Muskatweins „Frontignac" wächst. 3) „ä la Junon“, nach der majestätischen Here oder Juno, und 4) „k la Ceres“, nach der Göttin des Ackerbaues benannt. Die fünf Berliner Coiffüren auf dem zweiten Blatt leiten ihre Benennungen 1) von der „ 8 t. Hedwige“, 2) der 8 t. Brigitte“, Nytouche“ (Schein¬ 3) der „St. Madelaine“ und 4) von der „St. die la Inconnue“ „k St. ist 5 Nr. (verschleierte) heilige heilige) her.



Unbekannte.

Johann Georg Salier. Spätherbste des Jahres 1747 ritt, erfüllt von froher Hoffnung, von Braunschweig aus ein junger Gelehrter gen Berlin hin, um dort die Stelle eines Professors der Mathematik an dem

Im

weitberühmten Joachimsthalschen Gymnasium anzutreten. Es war dies ein junger Schweizer aus Winterthur, Joh. Georg Sulz er, dessen Freunde, der Hofprediger Sack und Professor Euler, ihren Einfluß bei Maupertuis, dem Präsidenten der Akademie, zu seinen Gunsten geltend gemacht hatten. Sulzer hatte bis dahin ein ziemlich unruhiges und zielloses Leben geführt. Er entstammte einer angesehenen Familie, die seit 400 Jahren in Winterthur ansässig gewesen und war das jüngste von 25 Kindern, die dem Rathsherrn und Kämmerer Heinr. Sulzer und seiner Gattin, der Frau Elisabeth Küuzli geboren wurden (1720).

Vater und Mutter, die ihn brav und rechtschaffen erzogen, verlor er in seinem vierzehnten Lebensjahre an ein und demselben Tage. Sie erlagen einem ansteckenden Fieber. Durch einen Privatlehrer in den Sprachen vorbereitet, bezog Sulzer, um sich für den geist¬ lichen Stand auszubilden, das akademische Gymnasium zu Zürich. Er wohnte dort in dem Hause des Predigers Geßner, dessen Sohn, Professor Johann Geßner, der Stifter der naturforschenden Gesellschaft zu Zürich, ihn durch sein Beispiel mächtig anregte. Nach beendigter Studienzeit (1739) nahm er in Zürich eine Haus¬

lehrerstelle an und kam von dort durch Vermittelung des Landvoigts zu Knonau, Namens Scheuchzer, als Vikarius nach Masch-

wanden. Die herrliche Umgebung des kleinen Dörfchens gab die Anregung zu seinen „Moralischen Betrachtungen über die Werke der Natur", die ihm die Zuneigung einflußreicher Männer 1743 siedelte er nach Magdeburg über, wo er die eintrugen. Söhne des Kaufherrn Bachmann erzog und nebenher für Bodmer die literarischen Neuigkeiten bearbeitete. Hofprediger Sack, der ihn dort kennen lernte, fand an seinem Wesen viel Gefallen und suchte

ihn alsbald für eine Stellung in Berlin zu gewinnen, was sich aber mehrere Jahre hinauszog. — G. Sulzer trat 1747 beim Joachimsthalschen Gymnasium ein zu einer Zeit, als dort sehr unerquickliche Zustände herrschten. „Unter der zahlreichen da studirenden Jugend war lein Schatten

I.

von Disziplin und keiner von den Lehrern hatte die geringste Autorität, als in sofern er sie durch den sehr despotischen Rektor des Gymnasiums zu erhalten suchte". Dies und der Umstand, daß seineAufnahme in die Akademie in Folge einer Abneigung des Präsidenten sich verzögerte, würden ihn alsbald wieder von Berlin getrieben haben, wenn ihn nicht die Hoffnung aufrecht erhalten hätte, hier in Bälde doch noch einen eigenen Herd gründen zu können. Als er aus Be¬ treiben des Leibarztes Eller 1750 dennoch in die Akademie auf-

12 genommen worden, gestaltete sein Leben sich fester. Er verlobte sich in Magdeburg mit der Tochter des Kaufmanns Krusenhof, machte

'

s

war die undankbare Aufgabe,

auch

so

die in

verbessern,

wobei

andere Anstalten,

Klosterbergen und Stettin zu besichtigen und zu

Im

G. Schultheß, dem Uebersetzer von Aman's Epiktet, eine Reise nach Zürich, verkehrte dort viel mit seinem Freunde Vodmer und gelangte im Herbst über Frankfurt, Kassel und Göttingen wohlbehalten in die Heimath zurück, um nun im eigenen Hausstande glücklicher, denn vordem zu leben. Er baute ein Haus, pflegte darin die Geselligkeit und unternahm öfters Reisen, die ihn zerstreuen und aufs Neue anregen sollten. Auch sonst gab es in seinen Studien mancherlei Abwechselung, indem

Jahre 1772, als er von einem Besuche seines Schwiegersohnes, des Hofmalers Graf in Dresden zurückkam, zog er sich ein Unbehagen zu, das in Folge einer heftigen Erkältung im Palasie der Prinzessin Amalie ihn auf lange Jahre an das Krankenbett fesselte. Geheimrath Dr. Muzel that alles, ihn zu retten, doch wurde er von einem störenden Siech¬ thum nie mehr gänzlich befreit. Auf seines Freundes Haller Zu¬ reden sollte er nach Neapel gehen, zog aber Nizza vor und las

Prinz August Wilhelm durch ihn

seinen zweiten Sohn, den Prinzen Markgraf von Schwedt, sowie der und ließ unterrichten Heinrich, Ihm dessen Bruder Heinrich engen Berkehr mit ihm unterhielten. befreundet waren Graf von Borke und der Marquis dÄrgens, der

unterwegs in Lausanne in der Zeitung seine vom Könige vollzogene Ernennung zum Direktor der philosophischen Klasse der Aka¬ demie. Friedrich II. blieb Sulzer stets in hohem Grade gewogen; das geht besonders aus einer Unterredung vom 31. Dezember 1777

oft von ihm zum Könige sprach; ferner Beguelin, der ihm den Unterricht des Prinzen Friedrich Wilhelm (II.) vermittelte. In der Zwischenzeit beschäftigten ihn die Vorarbeiten für ein großes, von ihm herauszugebendes Werk, „Allgemeine Theorie der schönen Künste," das seinen Ruhm dauernd begründet

hervor, bei welcher es sich um die Aufnahme des späteren Oberbau¬ rathes Schulz in die Akademie handelte. Sulzer war so schwach, daß er sich in einen Tragstuhl in das Vorzimmer bringen ließ; der König, der durch Herrn von Ca 1 t davon unterrichtet war, ließ ihm sagen, er solle sich nicht geniren und bei der Unter¬

mit Klopstock und

I.

Muße dazu fand er bei einem aber¬

hat.

maligen Aufenthalt in Zürich,

Sack und Spalding ihm zur Deite standen.

haltung anlehnen, wo er es für gut fände. Der König war sehr aufgeräumt, ging fort¬ während auf und ab und redete zuerst mit Merian. Als nachher Sulzer von de» be¬

dessen er nach

Frau (1761) zu seiner Zer¬ streuung bedurfte. Die Fahrt dorthin über Leipzig, Frankfurt und Basel, die in einem 1780 zu Leipzig erschienenen „Tagebuch" ver¬ öffentlicht wurde, war mit vielen Gefahren ver¬ bunden. Zu Hünefeld, zwischen Fulda und Saalmünster, kam er eben an, als französische leichte Truppen von Husaren der alliirten Armee aus diesem Orte verjagt wurden. Beide Par¬ teien beschossen sich um seinen vor dem Wirthsdem Tode seiner

deutenden astronomischen Kenntnissen des erst

achtundzwanzigjährigen Schulz sprach, der mit dem Mineralogen Ferber in

Wahl stand,

hause stehenden Wagen herum und durch den¬

nur, wie durch ein Wunder mit dem Leben davonkam. Während der Friedensverhandlungcn von Hubertsburg schrieb man ihm, Friedrich II. begehre ihn zu sehen. In der Gesellschaft einiger Landsleute, unter denen Lavatcr, Heß und Füßli sich

trat

kam Friedrich der Große auf die Epicuräische

Philosophie, dann auf die Religion. merkte Sulzer, daß der Probst

Jahre zu erzielen,

daß der König seine Absicht kundgab, ihn als Lehrer für die neu zu begründende N i tt e r - A k a -

demie

zu gewinnen. Während der Verhand¬

Hier

be¬

Spalding ein

Werk geschrieben, worin er den Geistlichen die stolze Vorstellung, daß sie

er sofort die Rückreise an, ver¬

mochte aber erst im folgenden

engerer

absehe, warum wir uns so sehr für die Astronomie interessirten, da wir keine Marine hätten, noch jemals haben würden.*) Gleich¬ wohl ließ er sich für Schulz gewinnen und dieser erhielt die freistehende Pension. Nachher

selben hindurch, so daß er

befanden,

Mitau in

sagte der König, daß er's nicht

D. Lhodowiccki's Berliner Frauentrachtcn.

unmittelbar einen

göttlichen Beruf als Priester Gottes hätten, zu benehmen suche und ihnen vorstellt, daß ihr Beruf als blos politisch betrachtet, dem zu Folge sie das Volk über alle Pflichten unterrichten und zur Befolgung derselben er-

niahnen sollten, edel genug sei. Friedrich 1. a la Bourgogne. 2. ä la Frontignac. 3. ä la Junon. 4. a la Ceres. sagte darauf: „cela est tres bien et je suis Philosophen Lambert, den man nach Peters¬ le premier ä respecter cela." — Die Unter¬ burg ziehen wollte, an Berlin zu fesseln. Da redung, während welcher der König Manches von seinen alten die Akademie noch nicht eingerichtet wurde, begleitete er den gro߬ britannischen Gesandten Andrew Mitchell, welchem sich der pol¬ Freunden erzählte und die Stimmen Voltaire's, Algarotti's und nische General von Cocceji anschloß, nach Spaa, dann nach Anderer täuschend nachahmte, währte über zwei Stunden, Nach Brüssel, woselbst ihm Graf Cobenzl seine großartige Sammlung dieser Unterredung, sagt Sulzer, würde er von ganzem Herzen Voltaire's Urtheil unterschreiben, „que le roi de Prusse etait le öffnete. 1765 trat er seine Thätigkeit bei der Ritterakademie an. — In diese Zeit fällt ein Streit wegen der Verwaltung des plus poli et le plus spirituel de tous les homines.“ — Kalenderwesens, in Folge dessen der berühmte Mathematiker Euler Todesahnung verließ den kränkelnden Gelehrten nicht mehr; Berlin alsbald den Rücken kehrte. Sulzer hatte als Mitglied einer im folgenden Jahre schrieb er die Begebenheiten seines Lebens Untersuchungskommission die Verpachtung der Kalendcw bean¬ nieder und bald nachher, am 27. Februar 1770, gab er seine» tragt, die sich in der Folge auch als durchaus zweckmäßig erwiesen Geist auf. Bernhard Rode malte, ihn zu ehren, ein noch vor¬ hat. Unannehmlichkeiten mancher Art erwuchsen ihm, dem oft überhandenes Bild, auf welchem des Heimgegangenen Denkmal von eifrigen, als er auf Sacks Vorschlag durch den Minister von Zedlitz den Genien der Künste bekränzt wird. Den Hintergrund bilden als Visitator mit einer Reform des Joachimsthal'schen Gym¬ große Medaillons mit den Relief-Portraits Schlüter's und nasiums betraut wurde. Er schaffte viele Mißbräuche ab, verein¬ Winckelmann's, ein Beweis, wie hoch die Zeitgenossen Sulzcrs fachte den Lehrplan, verbesserte die Stellung der Lehrer und Schüler heut fast ganz vergessene Arbeiten schätzten. Peter Walle. zu einander und brachte dabei vortreffliche Ideen zur Geltung, die lungen darüber fand er auch Gelegenheit, den

Meierotto sich vollkommen entwickeln konnten. Eine Folge seines redlichen Bemühens, seines warmen Eifers

aber erst unter

*) S.

Unterredung in der von Nicolai herausge¬ Sulzcrs mit den Anmerkungen von Merian.

diese merkwürdige

gebenen Selbstbiographie

13

Miscellen. Kurfürstin Sabine von Brandenburg. (Mit Portrait.) Zwei

Jahre, nachdem Johann Georg als Kurprinz seine erste Gemahlin ver¬ loren, bewarb er sich im Dezember 1517 um Sabine, die damals acht¬ zehnjährige Tochter Georg des Frommen, Markgrafen von Ansbach und Baireuth. Die Vermählung wurde, obwohl die Erlaubniß des Kaisers noch nicht vorlag, auf de» 12. Februar des folgenden Jahres festgesetzt, wobei das Fürstenthuin und Burggrafeuthuni Nürnberg 10 000 Gulden, der Bruder, Markgraf Georg Friedrich 4 000 Gulden zu dem Heirathsgut zahlen sollte. Im Januar wurde der Brautwagen „vergoldet, mit ge¬ hauenen Bildern und sechs gleichfarbenen Pferden" in Nürnberg in Auf¬ trag gegeben, auch die Truhen für den Leinenschatz der Fürstin dorten bestellt. Am 11. Februar 1548 leistete Fräulein Sabine auf der langen Stube zu Ansbach öffentlich auf ihre Erbrechte Verzicht. Am 12. Februar fand die feierliche Vermählung statt. Der Braut ivurden als Kleinodien ihrer Mutter Hedwig ein Halsring mit Demanten, Rubinen und Perlen und viele Ketten und Ringe übergeben; der Bräutigam schenkte ein Hals¬ band mit 6 Demanten, 7 Rubintafeln, 14 hangenden Demanttafel» und 14 hangenden Rubintafeln, mit Smaragden und Perlen reich verziert; von Joachim II. ein Halsband mit Demanten, Smaragden, 60 großen und kleinen Perlen mit anhängendem Kleinod, offenbar ein Prachtstück, das auch auf dem Porträt wahrnehmbar ist. Zu Pfingsten kam das Paar nach dem Lande Brandenburg, am 25. Juli war der feierliche Einzug in Berlin. Das Paar residirte meist zu Zech lin, wo ein recht glückliches Leben geführt wurde. Nach der Thronbesteigung Johann Georg's, am 3. Januar 1571, hielten Sabine war fromm und sie Hof in Berlin. wohlthätig; sie war eine warme Verehrerin Luthers und sah an ihrem Hofe gar oft den klugen

Thurneyßcr, der ihr Or. Wigand und

Arzeneien ver¬ den Gelehrten vr. Fleck. Die Heilung, die sie von ihnen er¬ hoffte, fand sie nicht: nach langen! Leiden starb sie am 2. November 1575, überlebt von den Prinzessinnen Erdmuthe, Anna Marie und Sophie.

Leonard

schaffte, ferner

lichster Weise in die Wirklichkeit. St. Nikolai hat eine der schönsten Kuppeln der Welt und Potsdam besitzt darin ein stolzes Vermächtniß jenes erhabenen Künstlers. Der Kuppelbau wurde im Sommer 1843 durch de» kunstsinnigen Friedrich Wilhelm IV. befohlen, durch Persius, wie schon bemerkt, begonnen und durch Stüler im Dezember 1849 be¬ Eine Beschreibung derselben von W. Riehl erschien schon im endet. folgenden Jahre (1850) in der Horwath'schen Buchhandlung in Potsdam, welcher sich neuerdings eine Schrift von E. Wall her anschloß, die eine aktemnäßigc Darstellung der Entwickelung der Gemeinde in den letzten — 11. T. — fünfzig Jahren bietet.

Albrecht Achilles im Kampfe mit de» Nürnberger». Die Be¬ Berliner Nativnalgalerie werde» sich eines Kolossalgemäldeü im Erdgeschoß erinnern, das den Markgrafen Albrecht Achilles im Kampfe mit den Nürnberger» darstellt. Albrecht, der allein seinen Rittern voraus gesprengt ist, ergreift mit der Linken die blaue Fahne der Nürnberger, indeß er den Träger derselben niederreitet. Die Rechte schwingt die Streit¬ axt gegen einen andringenden Städter, während hinter ihm schon ein anderer zum Streiche ausholt. Weiter hinten eilen die Markgräflichen ihrem Führer zu Hilfe. Das Bild, gemalt von Karl Steffeck, muß sucher der

jeden Beschauer wegen der lebendigen Darstellung einer Heldenthat aus der engeren Geschichte des Hauses Hohenzollern fesseln. Es dürfte deshalb nicht ohne Interesse sein, den dargestellten Hergang, welcher geschichtlich beglaubigt ist, näher kennen zu lernen. Der Vorgang spielt in dem großen Städte¬ kriege, den Albrecht gls Haupt einer starken Fürsten¬ partei gegen Nürnberg und dreißig verbündete schwäbische und bairische Städte führte (1449 bis 1450). Aus diesem Kriege erzählt der damalige Gehcimsekretär des Kaisers Friedrich III. Enea Silvio, der fein gebildete Humanist und spätere Papst Pius II. von einem Gefecht etwa folgender¬ maßen (var durch waren, legt Albrecht die Lanze ein und sprengt, den Obcrpräsidenten Or. Achenbach vertreten. nur von zwei Rittern gefolgt, dem Feinde ent¬ Vom Hofe erschien Se. Königliche Hoheit Prinz gegen. Von verschiedenen Seiten werfen sich ihm Alexander von Preußen. Die Festpredigt hielt Den ersten, der einige kühne Feinde entgegen. Superintendent Petzholtz über 1 Sam. 7, 12. ihm in den Weg kommt, sticht der Markgraf nieder, Abends fand ein liturgischer Gottesdienst statt, während seine Begleiter von den andrängenden wobei der Chor größere Tonsätze von Händel, Doch Albrecht Feinden überwältigt werden. Palestrina u. s. w. unter Leitung des altbewährten dringt allein in die Reihen der Gegner ein und Dirigenten Storbeck zu vortrefflicher Ausführung bahnt sich eine Gaffe zum Nürnberger Fähnlein. brachte. — Die jetzige Nikolaikirche steht auf der Hier aber wird er von den über solche Kühn¬ Stelle der dem XV. Jahrhundert angehörenden heit erbitterten Gegnern schwarmweise angegriffen U. Chodowiecki's Äerlincr Frauentrachten. älteren Katharinenkirchc, welche 1720 abgebrochen Da greift er nach der Fahne und umringt. und durch ein nach dem heiligen Nikolaus, dem 1. ä I» 8t. Hedwige. 2. a la St. Brigitte. 3. a la St. Madelaine. mit beiden Händen und ruft: „Kein Tod kann a la St. Inconnne. Nytouche. 5. la St. 4. a 1724 ge¬ benanntes, Schiffer Schutzpatron der mir mehr Ehre bringen!" Unterdessen sind aber weihtes Gotteshaus ersetzt wurde. Letzteres er¬ seine Reiter herbeigekommen, treiben den Feind zu¬ hielt unter Friedrich II. ein neues Portal, scheint rück und retten ihre» um die Fahne ringenden, schwer bedrängten und aber sonst in keinem besonderen Zustande sich befunden zu haben. verwundeten Als die Kirche unter den herumstehenden Krambuden litt, wandten Wenn auch der ganzen Erzählung ein schönrednerischer Beigeschmack die Vorsteher an den König mit der Beschwerde, daß ihnen sich nicht abzusprechen ist und manche Ausschmückung dem eleganten Dichter das Licht benomnien würde, worauf dieser antwortete: „Selig sind, — Im Jahre 1795 brannte und Bewunderer des ritterlichen Markgrafen zu gute gehalten werden muß, die da nicht sehen und doch glauben." so scheint doch dem Berichte eine bestinnnte Thatsache zu Grunde zu liegen. St. Nikolai ab, die Trümmer standen noch bis 1-811 und erst das Jubi¬ Aencas Silvius betont wenigstens am Schluffe ausdrücklich, daß ihm dies läum der Augsburgischen Konfession (25. Juni) 1830 förderte den Ge¬ Albrecht selbst et alii quam plnres viri graves auf einer gemeinschaft¬ danke» des Neubaues soweit, daß am 3. September desselben Jahres 1'. IV — r. lichen Reise von Wien her erzählt bezw. bestätigt haben. Schinkel konnte. werden gelegt Grundstein der Ehlert Bischof unter gewölbte eine schon vorneherein von neuen Kirche, die der war der Meister Merlin jenseit des Fandwehrgrabens. Im Oktober 1846 brachte Kuppel erhalten sollte. Die Zeitverhältnisse aber gestatteten die völlige die „Voff. Zeitung" folgende Schilderung des Potsdamer Viertels, die Ausführung nicht und nur in starker Beschränkung des Aeußeren erhob heute in mancher Hinsicht wieder gelesen zu werden verdient. „Schreiten denn sich der Bau, der schließlich, wie Häbcrlin sagt, eher einem Theater, wir durch das Potsdamer Thor nach dem Landwehrgraben zu, so ge¬ einer christlichen Kultusstätte ähnlich sah. (Die diesem Aufsatze beigefügte rathen wir auf einen schönen, großen, freien Platz, der sich bei schlechtem Ansicht ist 1835 von W. Locillot für das im Verlage von Georg Gropius Wetter in ein tiefes Kothmeer verwandelt. Der Platz muß erhöht oder gezeichnet Umgebung" „Berlin u. worden.) Spiker's Werk erscheinende s. rein gehalten werden. Die 0. 0. dl Eisenbahndircktion könnte sich hier¬ widrigen unter Genius Schinkels sehr wie Hieraus mag man ersehen, bei ein Verdienst erwerben. — Wir gehen die Potsdamer Straße ent¬ Uinständen zu leiden hatte; sein Streben war stets auf das Höchste, lang; der Damm ist im gute» Zustande, bei Sonnenschein merkt man, Edelste, Erhabenste gerichtet. Was ausgeführt wurde, blieb meist hinter wenn gesprengt ist, natürlich nichts von dem Staub, bei Regenwetter ist seinem künstlerischen Wollen zurück; die Kuppel von Nikolai aber sollte allen dieser Damm dagegen merkwürdig produktiv an Schmutz. — Mögen die heutigen Stilmengern und Kopisten, die sich angewöhnt haben, mitleidig auf Fabriken gedeihen, die aus Chausseestaub schöne Gefäße formen!*) Der die Schinkelsche Zeit herabzublicken, ein Beweis sein dessen, was der vielfach Fußweg ist gleichfalls chaussirt, aber zu Vieler Schande nicht im besten verkannte Meister in Wahrheit leisten konnte. Ihm selbst war es nicht vergönnt, die gewaltige, ün Uniriß so schöne Kuppel ausgeführt zu sehen, *) Anspielung aus dl« Fabrik von Ernst March in Eharlottenbnrg. sein Freund und Geistesgenosse Persius übertrug seine Pläne in glückcomm.

25.

„Als Albrecht erfuhr,

I.

Führer."

14 Stande, oft bedeckt mit kleinen unreinen, nicht anlachenden Lachen und Pfützen, stets aber mit kleinen spitzen unnützen Steinen, Marter der Füße und Beine. Man verzeihe dem Wanderer diese kleine Abschweifung, er glaubte sich in das steinerne Arabien versetzt. Die anderen vor dem Potsdamer Thor gelegenen Straßen haben durchgängig Trottoirs. dieser hat nur Ein edler Menschen- und Füßefreund Trottoirs legen lassen. Man errichte ihm aus Dankbarkeit eine Pyramide aus all den kleinen — Steinen, welche jetzt noch den Wanderer plagen, und das recht bald. Wir kommen an die Grenze Berlins, an de» Landwehrgraben. Durch den Neubau der Brücke lvar hier ein wahres Sand- und Staubmeer, das zum Kothineer gebildet worden, an dessen Beseitigung wohl mancher dachte, aber Niemand ging, und es sind der Arbeiter genug bei der Brücke! Wann wird aus alle dem trockenen und flüssigen Schmutz in und um Berlin, dem Schmutz ein Tumulus errichtet werden? Wir sind auf Schönebcrger Gebiet. Eine unterbrochene lange Häuserreihe führt uns zu dem eigentlichen Schöneberg. Der Weg ist derselbe, wie der eben be¬ schriebene, nur daß hier die dürftige nächtliche Erleuchtung fehlt, welche bis zum Landwehrgraben eingerichtet ist. Zwar sieht man auf der Strecke zwischen der Brücke und dem ehemaligen Chausseehause drei bis vier Laternen, aber bis jetzt haben wir noch nicht das Prinzip der Kalender-MondscheinScala entdecken können, nach der sie angesteckt oder nicht angesteckt werden. Eine neue Straße, schon mit einigen dreißig Häusern besetzt, worunter sehr ansehnliche, ist die Lützowerweg-Straße. Sie beginnt beim Hallesche» Thore, durchschneidet die Potsdamer Chaussee bei dem ehemaligen Chaufseehause und ist einer unbeschränkten Verlängerung fähig. Sie läuft ziemlich parallel mit dem Landwehrgraben und den neu anzulegenden Boulevards. Hier sind Straßenlaternen, Pflasterung und Chaussirung unbekannte Ein¬ richtungen. Der Weg ist zuweilen eine Sandwüste, zuweilen ein Sumpf, zuweilen ein See. Könnten die Besitzer nicht angehalten werden, die Fu߬ steige in Ordnung zu halten und den Damm mindestens zu ebnen? Bei ihrer Breite und Länge könnte diese Straße eine der schönsten von denen in und bei Berlin werden, wenn in ihrer Mitte eine Allee mit Bänken oder Bowlinggreens angelegt würden. Wie sehr hat durch letztere die breite Straße in Potsdam gewonnen. Einige geringe Abtretungen von Vorgärten oder unbebauten Grundstücken würden die Besitzer aufs reichlichste ent¬ schädigen. Die Regierung wird da sicher ihren Beistand leisten, wo es gilt, schöne und gute Einrichtungen einzufiihren. Die Betheiligten müssen aber selbst dazu mitwirken und nicht, ähnlich den kleinen Kindern, Alles für sich machen lassen tvollen. Die Besitzer der Grundstücke in der Lützowerweg-Straße mögen einen Verein zur Verschönerung der Straße gründen! Ferner stellt sich als Bedürfniß in diesen: Berlin jenseit des Landwchrgrabens heraus: Die Verdoppelung der Polizei für äußere An¬ gelegenheiten, ein zweiter Nachtwächter, eine gute Schule für Knaben bis zum neunten Jahre in der Gegend des ehemaligen Chausseehauses. Eine Mädchen-Schule dieser Art erfreut sich zahlreichen Besuchs. Es wäre eine Wohlthat für die Bewohner dieses Theils von Berlin, wenn recht bald Schöneberg zu Berlin geschlagen würde. Ueber kurz oder lang wird es doch dahin kommen. Man giebt gern mehr Steuern, wenn dagegen alle Vortheile städtischer Einrichtung gewährt werden. Die Majorität der Karl Gaillard." Bevölkerung Schönebergs bilden Städter!

In

Fritz Aeckmann an Apotheker Iänicke. Ein Freund des „Bär" stellt in dankenswerther Weise eine Abschrift des folgenden originelle» Briefes Beckmanns an seinen Apotheker zur Verfügung. Motto: Die Krankheit ist der Erdengüter höchstes nicht; Der Uebel größtes aber ist die Schuld.

„Ew. Wohlhabeudgeboren. Nachdem mir der Himmel durch die geschicktesten aller Hände des Herrn Geheimrath von Graefe das Leben wiedergegeben und derselbe mich durch seine vortreffliche Kunst in den Stand gesetzt hat, wieder standhaft sein zu können und meinen Pulsschlag insofern reduzirt, daß meine Nerven schon einen kleinen Schreck, ja sogar eine Apotheker¬ rechnung vertragen; ergreife ich die Gelegenheit, mein werther Herr Iänicke, Sie um dieselbe zu bitten, als einen Beweis, daß mein Lebensretter auch sogar mein Gedächtniß nicht geschwächt hat, sonst würde ich mit Vergnügen dieselbe gänzlich vergessen haben. Die Größe Ihrer Güte ist mir bekannt, aber nicht die Größe Ihrer Rechnung. Sie werden also am besten beurtheilen können, ob Sie gczwuugcn sind, mir statt des Rabatts gleich ein schmerzstillendes, niederschlagendes Pülverchen mitzuschicken; damit ich nicht genöthigt bin, meine ersten, mir kaum tviedergegebenen Kräfte zum Durchgehen zu verwenden, um so mehr, als das jetzt bei unserer Bühne in die Mode zu kommen scheint. Von Ihrer außerordentlich anerkannten Billigkeit hängt es ab, ob man sagen wird: Herr Geheime Rath von Graefe hat Beckmann ge¬ rettet, aber Herr Iänicke hat ihn erhalten! Gebet, so wird Euch wieder gegeben, ist ein guter alter Spruch; gern würde ich geben, wenn ich nur auch wüßte, wer mir wieder giebt; doch ich will vorläufig geben, was mir möglich ist: 1. gute Worte, daß die Größe der Rechnung meine Kräfte nicht übersteigt, indem ich doch noch sehr schwach bin; 2. gebe ich ganz gewiß — die Hoffnung nicht auf, daß Sie, verehrter Gönner, auch als Jäger eine ganz genaue Kenntniß von meinem Re¬ viere haben und einsehen lverden, daß dasselbe seit 14 Tagen so gränzen¬ los abgetrieben wurde, namentlich von den früheren Pächtern, daß nicht ein Schein von Wild, viel weniger erst ein Fuchs*) zu finden ist; denn von einer Schonung war ja gar keine Rede, selbst die Gewähr¬ leistungen versagten mir und durch diese Versicherung kam auch kein *) Goldfuchs.

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Vorschuß zu Stande. Wie gepreßt ich außerdem wurde, werden Sie durch gefällige Nachsicht in Ihren Büchern finden; ganz Spandau hätte man pflastern können mit der Masse, welche mir ums Bein gelegt wurde, und Spandau wäre es nöthiger gewesen als mir. Mein Herz müßte ja beschaffen sein, wie die bestrichenen Kalbsleder, welche Sie für mich anfertigen ließen, wenn es nicht aus Angst vor der großen Rechnung schlagen sollte. Es schlägt aber auch dankbar für Sie, geehrter Herr Iänicke, denn Ihr werther Besuch beruhigte mich schon einigermaßen, indem Sie theilnehmend äußerten: „Mein lieber Beckmann, ich sage Ihnen, der ganze Dekokt ist umsonst gewesen." Welch' großmüthige Rede! Aus Ihrem Munde war sie mir ein doppelter Trost; und wäre es auch, lvie ich stark vermuthe, ein Mißverständniß von meiner Seite, so theuer wird Zittmann doch nicht sein, wie Sie mir sind. Sie, ein Mann, der soviel Einnehmendes hat, daß er es verkaufen muß; deshalb — nicht mein lasse ich mich auch nicht abschrecken und fordere kühn Jahrhundert in die Schranken — sondern meine Rechnung. Der Himmel gebe, daß mir die Zahlung nicht so sauer wird, wie der Dekokt, welchen ich genossen; sonst erhole ich mich in Jahr und Tag nicht, und würde eher Ihren Medikamenten, lvie der außerordentlichen Kur des Herrn Geheim Rath von Graefe wenig Ehre machen. Fest überzeugt, daß Sie mein Bestes ebenso wollen, wie ich die baldige Tilgung

meiner Schuld, verharre ich in größter Spannung Ihr Berlin, den 7. Februar 1837. kleinster Kunde und ergebenster

Fritz Beckmann

»euhergestellter Komiker,

An den Herrn Apotheker Iänicke

in Berlin." (Iänicke soll darauf seine Rechnung

quittirt

Eine chrdenüverleiliung im Frieden.

eingesandt haben).

Einem

Offizier verlieh

Friedrich in der Friedenszeit einen Orden.

„Majestät," entgegnete bei Uebergabe desselben der eigensinnige Krieger, dem Schlachtfelde steht es mir zu, einen Orden anzunehmen." Lachend sagte der König darauf: „Ach was, sei Er kein Narr und häng Er das Ding an, Seinet¬ wegen kann ich doch keinen Krieg anfangen."

„nur auf

Eine Kutschcrrcchuuug für Friedrich II. Bei der Vermählung des Erbstatthalters mit der Prinzessin von Preußen befahl der König Friedrich der Große seinem Leibkutscher Pfund, den Bedienten des Erbstatthalters in einem Gasthof ein anständiges Abendessen zu gebe» und ihm den folgenden Tag die Rechnung vorzulegen. Pfund lud alle fremden, wie eigenen Stallbedientcn in den ersten Gasthof Berlins und bewirthete sie mit den theuersten Speisen und den feinsten Weinen. Als er Tags darauf dem König die enorme Rechnung brachte, stellte sich dieser gewaltig böse und sagte zuletzt: „Kerl, weißt Du, daß ich Dich fortjagen und

die Rechnung von Deinem Ersparten zahlen kann?"

„Was,"

erwiderte der empörte Kutscher, „glauben Eure Majestät etwa, der Leibkutscher des Erbstatthalters sei so ein armer Teufel wie ich? Der Kerl säuft Champagner, wie ich Bier. Sollte der Kerl etwa in Amsterdam sagen, er habe bei dem Leibkutscher des Königs dursten müssen? Wenn Eure Majestät den Bettel nicht bezahlen will, so kann ich's im Nothfall." Der König lachte und bezahlte die Rechnung.

Die „deutsche Rundschau", herausgegeben Deutsche Rundschau. von Julius Nodcnberg, bringt in ihrem Septemberheft eine prächtige Novelle von Hans Hoffman», „die Wcinprobe", aus der Feder Neinhold Kos er's einen sehr werthvollen Beitrag zur Charakterzcichnung der

Königin Sophie Charlotte,

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zu dem Prozeß Dankelmann beschäftigt, sowie ferner u. A. Erinnerungen von Fanny Lewald, den Schluß einer Novelle „Schön¬ an Franz heit" von Karl Frenzel, sowie den letzten Theil der spannenden Raths -

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vorliegender Nummer beginnt der „Bär" de» neuen Jahrgang, weshalb die baldgcfl. rechtzeitige Erneuerung der Be¬ stellung hierdurch höflichst in Erinnerung gebracht sein mag. Der „Bar" wird, wie bisher, so auch in der Folge bemüht sein, durch Aufsähe und ihrer Abbildungen jeder Art zum Verständniß der geschichtlichen und kulturgeschichtlichen Bedeutung der Heimath, insbesondere der Mark und dem besonders wird Rahmen enge» scheinbar diesem Beschäftigung damit anzuregen. und zur Kaiscrrcsidenz beizutragen I» Hauptstadt, der jetzigen Reiches segensreichen Wirken der Hohcnzollern, der Entwickelung des heimischen Bolkslebens und dem Aufblühen der ersten Stadt des deutschen in Gegenwart, wie Vergangenheit besondere Aufmerksamkeit gewidmet werden. Für den

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XIV.

Jahrgang

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Louis Ferdinand und liegen u. A. an Erzählungen vor: Romani, eine Novelle aus den Tagen Friedrichs des Großen von F. Katt, Pr!»; Rahcl, eine Charaktcrzeichnung von E. v. Hohenhausen, Aus sturmbewrgter Zeit, eine spannende Erzählung aus den vierziger Jahren von — Aus dem sonst E. A. von'Dedenroth, Die Jungfrau von Metz, ein historischer Roma» aus den Reichslanden von Dr. Oskar Schwebel. von Dr. A. Kali sch er, Berlin Beethoven in Me her, erläutert durch Fcrd. Modetrachtcn, Alte Berliner Vorhandenen seien erwähnt: noch Salonio Maimon von Dr. L. H. Fischer, Berliner Witz von Robert Falck, volksthümlichc Hcilkünste von E. Handtmann, die Steinsägen der Mark von O. Schwebet, die Memoiren der Gräsin Lhnar von P. Wälle, Beiträge zur Geschichte des preußischen Staates von C. Trog, die Stammbevölkerung der Mark von Dr. N. Iahn, sowie zahlreiche andere gediegene und interessante Beiträge, Miscellen und Feuilletons von C. NeumannStrcla, E. König, W. Sternbeck u. s. w. Seltene Abbildungen sind »ns wiederum in großer Zahl zur Verfügung gestellt.

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PENS ivo er auch am 1. Nov. 1823 gestorben ist. Nach Gleims Vorbild dichtete er Grenadierlieder und schrieb 1766 die „Gedichte eines Soldaten", wodurch er die altnordische Götterlehre und Mythologie in die deutsche Poesie einführte. Außer der „Ariadne auf Naxos" verfaßte er vier Bände kritischer Briefe „über die Merkwürdigkeiten der Literatur", die einen nicht R. T. geringen Werth beanspruchen dürfen.

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Der optische Telegraph aus der asten Sternwarte zu Merlin. einer „Gesellschaft der Wissenschaften" unter

(Mit Abb.) Die Gründung

dem berühmten Leibnitz hatte u. A. auch die Anlage einer besonderen Sternwarte (oder wie es hieß, eines „astronomischen Observatoriums") nothwendig gemacht. Man legte dieselbe in den Nordflügel der Akademie der Künste, woselbst der bekannte Grünberg seit 1702 einen Thurm gebaut hatte. Hier befanden sich auch der Hörsaal für die Vorlesungen des medizinisch-chirurgischen Collegiums (der sog. „anatomische Hörsaal") und mehrere „Sectionsstuben". Dieser östliche Theil der Dorotheenstraße hieß nach der Bestimmung des Thurms früher „Hinter dem Observatorium". Obwohl der Stiftungsbrief der Gesellschaft vom 10. Juli 1700 lautete, wurde doch die besondere Einrichtung der Kgl. Gesellschaft der Wissenschäften erst im Jahre 1710 bekannt gemacht. Der ältere Kirch (Gottftied), den man schon 1700 zum Astronomen bestellt hatte, konnte erst lange Jahre nachher sein Amt antreten; er beobachtete dort noch die Mondfinstcrniß des Jahres 1706, starb aber schon bald nachher im Jahre 1709. dem Saal unter der Sternwarte wurde am 19. Januar 1711 die erste Versammlung der Akademie abgehalten, obschon bereits 1710 ihre

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Veröffentlichungen (Miscell. Soc. lieg. Berol.) begonnen hatten. Die Sternwarte blieb dort bis zu ihrer Verlegung unter Encke in die durch Schinkel von 1832—1835 erbauten neuen Räume am Ende der Charlotten¬ straße, die zunächst einen Fraunhofer'schen Refraktor auf eiserner Dreh¬ kuppel (von Egells) aufnahmen. Unter Bernouilli und Schulz (1785) kam die Sternwarte sehr in Blüthe, sie besaß ein achromatisches Sehrohr mit Objektivmikrometer von Dollond, eine» Mauerquadrantcn von Bird in London, ein Mittagsfernrohr mit Fadenmikrometer von Camoit in Paris, Uhren von Hugenin in Berlin, Chorivst in Paris und Magcllan in London. .Im Jahre 1832 wurde auf der Plattform der Sternwarte der optische Telegraph aufgestellt, der als der erste der Signallinie Berlin - Magdeburg - Cöln im Dezember in Wirksamkeit trat. Schon 1833 im Januar wurden die ersten Depeschen zwischen Berlin und Magdeburg gewechselt; noch im Herbst deffelben Jahres war die Ver¬ bindung mit Coblenz hergestellt. Politische Rücksichten beschleunigten die Ausführung der Linie, deren Betriebnahme indessen durch die langsame Lieferung der Fernrohre aufgehalten wurde. Die mit der Ausführung betraute Commission unter Generallieutenant von Krauseneck übergab die Ausführung dem Major O'Etzel (seit 1846 von Etzel, Vater des in Berlin lebenden Generals der Infanterie); der Pistor'sche Mechanismus ist eine Verbesserung des sechsarmigen Telegraphen von Watson, welche für die ganze Linie in der Freund'schen Maschinenfabrik ausgeführt wurde.

Akte ZZauernlurnicre. Das Turnier war ehedem nicht allein eine Waffenübung und ein Spiel der Ritter, sondern diese Sitte fand auch bei den Bürgern, ja bei den Bauern Eingang. Daß es dabei auch hart herging, ersieht man aus dem Berichts über ein Bürgerturnier, das im Jahre 1546 zu Nürnberg abgehalten wurde. Von den turniercnden Bürgersöhnen hielt sich am Anfang Wilhelm Schlüsselfelder am besten, „also daß männiglich vermeint, er würde den besten Dank davon bringen, ist aber von Wolf Enders Linken tödtlich verwundet worden, also daß man ihn von der Bahn tragen müssen, ist auch nachfolgende Nacht mit Tod ab¬ gegangen. Dem Georg Közel und dem Wolf Münster sind die Achselbeine, dem Gramlieb Waldstromer ein Arm ausgerücket worden." Von einem Bauernturnier berichtet das alte „Amts-Handelsbuch" von Weimar in folgender Weise: „Dienstag nach Estomihi, den 23. Februar 1585, haben die Unterthanen des Amts Kapellendorf, altem Brauche nach, das Stechen zu verrichten müssen. Da es denn damit also gehalten worden. Erstlich sind durch mich, Heinrichen Opitz, der Zeit Amtsschlösser dahier, aus jeder Amtsgemeinde vier Personen zum Stechen erwählt lvorden, die sich dann vereinigen und zweie davon zum Stechen Diese gewählten vierzehn Personen haben sich dann erkiesen müssen. erstlich im Vorwerk dahier beritten gemacht, geübt und etliche Treffen gethan. Dann sind dieselbigen Dienstags in ihrer Rüstung nebst drei Pfeiffern, so gleichfalls beritten gewesen, gegen Weimar vorgerückt. Als

27 über deutsche Nechtsgeschichte hielt, a» denen Prinz Wilhelm, der jetzige Kaiser von Deutschland, theilnahm. Lancizolle wirkte als Direktor der Staatsarchive; seine aus¬ gedehnte schriftstellerische Thätigkeit und seine humane Gesinnung ivcrde» in der „Colonie" gewürdigt und den Mittheilungen über sein Lebensende

Kronprinzen Vorträge

hinter dem Schloßgarten, die Altenburg hineingezogen, hat mein gnädiger Fürst und Herr, Herzog Friedrich Wilhelm zn Sachsen, ihnen den Garten zn öffnen und durch denselben zu reiten befohlen; da sie dann auf Sr. Fürstliche» Gnaden Befehl dreimal in der Ordnung um die Schranken reiten und sich sehen lassen müssen. Nach gehaltener Mahl¬ zeit ist der Edelgestrenge und Ehrendeste Gregor von Kahn abgesendet und ihm befohlen worden, die Stecher aufzuführen. Worauf erstens gedachter von Kahn, dann die drei Pfeiffer, hernach der Amtsschlösser nebst seinem Beistand, und dann die vierzehn Stecher gerüstet über den Markt aufgezogen und im fürstlichen Schloß auf der., Bahn angekommen, worauf sie, wiederum dreimal um die Schranken geführt und alsdann zum Stechen angeordnet worden. Worauf sie dann von zwei bis sünf Uhr mit einander getroffen, etliche Speere und Harnische zerstoßen haben, worauf die geordneten Gewinne ausgetheilt worden: 1. Hans Kneussel aus Hohlstedt, der seinen Gegenpart Görg Regen sogleich im ersten Rennen mit Roß und Manu gefällt, als. Preis eine große Fuhrmannstasche und vier Thaler; 2. Joseph Fischer aus Kapellendorf sechs Ellen gelbe» Atlas, dieweil er ächt Personen gefällt; 3. Ulrich Wetzet aus Hermstedt ein preußisches, Fuhrmannsleder darum, daß er fünf Personen abgeritten. Als nun die Gewinne ein jeder erhalte», sind die Stecher in obgesetzter Ordnung von der Bahn höflich wieder abgezogen und mit ihren Pferden ins Vorwerk gerückt. Dann wurde ihnen der Schlaftrunk in der fürstlichen Hofburg gereicht. Als nun die Stecher wiederum zu Hause angelangt, ist ihnen, nach altem Brauch und Herkommen allhier im Schloß Kapellendorf, Diens¬ tags in den Osterfeiertagen, ei» Faß Bier von sechs Eimern zur Verehrung gereicht und gegeben worden, welches sie dann mit unterthäniger Dank¬ C. F. sagung in gutem Frieden ausgetrunken." sie nun dort,

.Humor Friedrichs des Großen. Schmidt-Heimigker, der Verfasser der Bismarckanekdoten und des „Kaiserhumor" hat seine Anekdoten, heiteren Scenen und Charakterzüge aus dem Leben Friedrichs II. unter der Bezeichnung „Humor Friedrichs des Großen" in dritter vermehrter Auflage erscheinen lassen. Das ganze Buch, das mit dem Portrait deS alten Fritz geschmückt ist, besteht aus 6 .Hefte», deren Inhalt aus dem älteren Material mit Fleiß und Geschick auserlesen wurde. Die Aus¬ stattung ist eine bessere, als man es sonst an solchen Sammlungen geivohnt ist. Zivei Probeanekdoten „Ordensverleihung im Frieden" und „Eine Kutscherrechnung für Friedrich II." haben wir bereits in Nr. 1 des laufenden Jahrgangs zum Abdruck gebracht. Hier noch die folgende (Heft kl S. 35). Der Oberauditeur G. beschwerte sich beim Könige, daß er im Avancement übergangen sei; der Oberauditeur R., der nicht so lange diene, wie er, sei vor ihm zum Geueralauditeur befördert worden. Der König erledigte das Gesuch eigenhändig, indem er schrieb: „Ich habe einen Haufen alte Maulesels, im Stall, die lange den Dienst thun und werden doch keine Stallmeisters." (Das Buch kommt heraus im Berlage

zeitweise

das Wappen und sonstige Angaben beigefügt. Andere Aufsätze sind von Ferd. Meyer über Daniel Chodowieckis Illustrationen zu den „Llömoire« Ü 08 Refugies“, Nachrichten über Bestand und Veränderungen der fran¬ Be¬ zösischen Gemeinde, das Portrait Achards (mit Stammbaum), merkungen über El. d'Esmiers dDlbreuse, die sogenannte Prinzessin von Ahlden, sowie eine größere Zahl von Stammbaumskizze» von ColvnisteiiFamilien. Bezüglich der im „Bär" erwähnten Achardstiftung bemerkt der Herausgeber, daß dieselbe von der Großtante des berühmten Physikers Die Eltern von Marie Achard geb. Horguelin begründet wurde. Frauen is Charles Achard sind Prediger Guillaume Achard und Marg. Elis. Henr. Nouppart; die Großeltern Melchistdec Achard und Marie

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Ire berliner Zeitschrift Hokonie. Unter der Bezeichnung „Die französische Colonie" erscheint seit Kurzem eine kleine Zeitschrift, welche, geleitet durch Dr. R. Beringuier, jährlich zwölf Ausgaben umfaßt. Heft 9 enthält eine Biographie des Historikers und Rechtsgelehrten Charles von Lancizolle (ft 1871), welcher von 1825 ab dem damaligen

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Ein Sprachfeger (Purist) sandte im Jahre 1854 an de» Musikus B., einen Fagottisten, wohnhaft auf d'em Monbijouplatz in Berlin unweit der Pomeranzenbrücke, einen Friedrichd'or unter der Adresse: „An Herrn B. Bergnügliiig auf dem Tiefknüppel, wohnhaft auf dem Mein-KleinodsPlatz, unweit der bitteren Südfrüchte- Brücke. Hierin ein Goldfritz." — Der Brief gelangte glücklich in die Hände des Fagottisten. 8—Ic.

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Artikel für Photographie.

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Inhalt: Gedenktage. — Antonio Romani, nach der Erzählung einer Großtante von Fr. Katt. — Feuilleton: Die Stammbevölkerung der Mark Brandenburg, von Dr. Ulrich Iahn. — Beethoven und der Varnhagen - Rahel'sche Kreis, von Alfred Kalischer; Daniel

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Ans dem Ziadehliii-Aklium. General-Feldmarschall von Wrangel hat seiner Zeit für das Tyroler Radetzky-Album drei Blätter nach Wien gesendet, welche vom König von Preußen (Friedrich Wilhelm IV.), der Königin (Elisabeth) und dem Prinzen von Preußen (jetzt Kaiser von Deutschland) stammen. Ihr Inhalt ist folgender: „Ohne Liebe kein Muth; Ohne Gerechtigkeit keine Ehre; Ohne Ehre kein Glück. Nur wer sich auf den Fels des Rechts stellt, der steht auf dem . . Fels der Ehre und des Sieges. c>. , „ Fr.edr.ch W.lhelm." „In deinem Lager war Österreich. Elisabeth." „Jedem Verdienste seine Krone; dem Helden aber die Lorbeerkrone. Prinz von Preuße», Inhaber

— K. —

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[32)

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Herausgeber und verantwortlicher Redakteur: Peter Walls in Berlin 8.W. 48. — Verlag von Gebrüder Paelel in Berlin W. — Druck: W. Moeser Hofbuchdruckerei in Berlin 8. — Abdruck ohne eingeholte Erlaubniß ist untersagt.

Erscheint wöchentlich am Sonnabend und ist durch alle Buchhandlungen, Zeitungsspcditioncn und postanstaltcn für 2 Mark 50 Pf. den 1s. Oktober vierteljährlich zu beziehen. — Jm Postzeitungs-Latalog eingetragen unter Nr. 24SZ. XIV. Jahrgang. 1882. W. Berlin Pactcl in Gebrüder von Verlag jsr. Z. Nachdruck Verbote». VI. 70.

Gedenktage. 15. Oktober 1609. 15. Oktober 1678. 15. Oktober 1795.

Fleming * Hartenstein (P 2. April 1640). Stralsund wird d. Kurf. Friedrich Wilhelm erobert. König Friedrich Wilhelm IV. *, ch 2. Jan. 1861

15. Oktober 1810.

(regiert seit 1840). Die neubegr. Universität

16. 16. 17. 18.

Oktober Oktober Oktober Oktober

1675. 1726. 1813. 1663.

Dichter P.

:

I

|

Berlin

feierl. eröffnet. Grumbkow erstürmt b. schweb. Schanzen an b. Peene. Daniel Chobowiccki * Danzig (fi Berlin 1801). Fürst Blücher wirft b. Franzosen n. Leipzig zurück. Gr. Huldigungsfeier zu Königsberg in Preußen.

|

i

«cscy r.

18. Oktober 1831.

18. 19. 20. 21. 21. 22. 22.

Oktober Oktober Oktober Oktober Oktober Oktober Oktober

1861. 1815. 1668. 1674. 1821. 1815. 1861.

ll.

Friedrich Wilhelm Kronprinz

b. deutschen Reiches *. Krönung des Königs Wilhelm 1. zu Königsberg. Friedrich Wilhelm 111. kehrt nach Berlin zurück. Sophie Charlotte, Gemahlin Friedrich des Ersten *. General Dcrfflingcr schlägt die Franzosen b. Zabern.

Oberbürgermeister Max von Forckenbcck * Münster. 400 jähriges Negierungsjubiläum der Hohenzollern. Einzug des Königs Wilhelm 1. nach der Krönung

in Berlin.

Antonio Romani. Nach der Erzählung einer Großtante von

(Schluß.)

Einen Mann wie Romani zu betrügen! Ihr war Recht Mochten die alten Perrücken geschehen nach vollem Maße. salbadern, was sie wollten. Festen Schrittes trat ich in das Haus des Herrn Barons, welches an der Wilhelmstraße in der Nähe des Quarrö's gelegen ivar. Daselbst im ersten Stockwerk angelangt, wies mich der Diener in das Vorzimmer Seiner Excel¬ lenz. Hier empfing mich Pathe

Hinaus war sie und ließ mich in ziemlich kleinmüthiger Stimmung zurück. — ( 6 .)

Doch das Nachdenken ließ mich zn keinem rechten Entschluß Nachdem ich mein kommen. Frühstück

Fr. Katt.

beendet, das Eierbier

hinuntergeschlürft hatte, legte ich meinen besten Nock an und schritt nun langsam sinnend den Linden zu, mich bei dem gnädigen Herrn zu melden.

Steincrt mit mürrischer Miene. Steinert war ein alter Bekannter meines seligen Herrn Vaters, wclchercS herzlich gut mir meinte, ich beichtete dem Herrn Sekretär

Um keinen Preis durfte ich Romani verrathen, er lvar mein Frelind, ivürde cs stets lind immer bleiben.

Ueber dieBchrenstraße einen

denn auch vieles, und dieser meinte schließlich: „Junge, cs giebt ein

Umweg machend, ging ich an dem Hanse der Astrua vorüber. Mächtige Strohschütten lagen vor demselben, um das Geräusch

altes Sprüchwort, das laß nicht zu Schanden werden: Herz, verzag' nicht!

der Wagen und Vorübergehenden

Maul, klag' nicht! Fortuna stirbt nicht.

zu dämpfen.

Dennoch überkam mich kein

Es Wird ivohl nicht allzu

Mitleid mit der verrätherischcn Kreatur, die dort

siech

und krank

schlimm

prosrssor Hermann Hcttner. 1882.) (* 1821

darniederlag. Trotzig gab ich in meinem Innern dem Freunde Recht; was Wunder, tvenn ich also die Sängerin verwünschte und ihr den größten Theil der Schuld zuschrieb. —

f

Ihn

werden.

jetzt

bei

Ich dem

iverde

gnädigen

Herrn melden."

Zaghaft

trat

ich

Schwelle des Gemaches.

einige

Augenblicke

später

über

die

in

ge-

Seine Excellenz schienen sich

30

„Ei, ei, was macht er für reiztcr Stimmung zu befinden. wandten sich der Herr Baron mit Nichelmann," Geschichten, geröthetem Antlitz an meine Person. „Eine schöne Affaire das

Unter dem Vorwände, den Korporal Wuttkc auf der Wache zu besuchen,

mit dem Romani, merkwürdige Dinge sind es ja, so sich in unserer Residenz zugetragen," lind hastig stäubte mein hoher Ehef einige Spaniolkvrncr von dem violetten Sammetschlafrocke.

„Ew. Excellenz", haben, mich

Datas

!

begann ich stotternd, „möchten die Gnade

anzuhören,

so

will

„Antonio," rief ich, „Freund meiner Seele, ich grüße Dich!" Er wandte sich um, stülpte auf mich zu und drückte mich

tvir uns ganz zlisällig in dem Nebenraume Pavillons verirrt hätten, imb so unfreiwillige

lange schweigend an seine Brust.

Die Gefängnißluft hatte seilt Antlitz etlvas gebleicht, sonst war er der Alte, titancngleich an Muth und Kraft. „Mögen sie mich verdammen," rief er nach langer Patise trotzig, „itach menschlichem Ermessen habe ich recht gehandelt, ich bereue nichts, darf nichts bereuen!" „Morgen wird übrigens mein Urtheil verkündet werden, wie es auch ausfalle, ich bin darauf gefaßt!" „Und denkst Du nicht an Deine Kunst, Romani," sprach ich eindringlich, „wenn das Schtverste abgctvendet scheint, die

Zeugen des Gespräches geworden seien. nachdem ich meine Er-

zählung vollendet.

„Ein

Glück, daß er nicht schlintiner bei der Affaire betheiligt

ist, Nichelmann," sprach er dann, „es hätte

mir herzlich leid

gethan! Dem Romani wird die chose theuer zu darauf verlasse er sich." „Gehe er nun, mein Lieber, ich bleibe nach wie vor sein wohl¬ geneigter Ehef!" Noch ein frelindlicher Wink — ich war entlassen. Drei Wochen tvaren verflossen, ich erfüllte meinen Dienst um ihn

stehen kommen,

Astrua vielleicht dem Tode entriffen wird," hier schauderte mein unglücklicher Freund leicht zusamnien, „so können doch lange

iil

der Kapelle mit strengster Genauigkeit, sah und hörte nichts von meinem unglücklichen Freunde, bis ich mir endlich durch einen Bekannten, der in Spandau beim Regimeilte Larisch stand, Einlaß bei dem Unglücklichen verschaffte.

(Iseuikleton.)

Hit Stammtrevölkerimg

der

Von Dr. Ulrich Jahn.

Mark Brandenburg. (Schluß.)

Zunächst ein älteres Zeugniß, das des David Frank, welcher in seinem Buche „Alt- und Neues Mecklenburg" (Güstrow u. Leipzig 1753) in dem X. Kapitel 55 von „Wodans Andenken" spricht und meint, „dabin gehöre, daß wenn sich etwa des Nachts ei» Geschrey von Hunden und Jägern hören lässet, man saget: „Dat is de Moden." — „Ja man weiß in allen an der Ost-See liegenden Ländern noch ei» vieles von Woden und dessen Jägerei zu erzehlen. — Es hat aber in Mecklenburg fast ganz aufgehöret, nachdem durch Einführung der Glashütten die mehresten Holzungen des Adels sehr dünne gemacht worden." — Nachdem Frank dann auf die Zwölften übergegangen, streift er zunächst Holstein, indem er sagt: Holstein wird diese Zeit über, wie ich selbst gesehen, gar nicht ge¬ sponnen, auch kein Flachs aus den Spinnrocken gelassen. Frägt man: Warüm? so ist die Antwort: der Wode jage da durch. Da wisse» sie auch genug zu erzehlen, wie Woden hier über den Hof, da durch die Küche, dort, ich weiß nicht wohin, gejaget." „Das hören die Kinder und bekommen dadurch einen fürchterlichen Eindruck von Gespenstern." Etwas ruhiger, aber immer noch ärgerlich handelt Franck dann von dem Gebrauch der Frauen in Mecklenburg, am Mittwoch „an keinem Flachs zu arbeiten"; das sei „greuliche Tagewählerei, aber ein alter heidnischer Gebrauch, denn der Mittwoch sei Wodens Tag." Er tröstet sich aber gewissermaßen damit, daß es früher »och schlimmer gewesen und man sogar im 10. Jahr¬ hundert dem Wodan noch Opfer bei der Ernte gebracht: „Vom Woden sagte man: daß ör allenthalben auf dem Felde herum jage; dahero auch die Ackerleute, um ihn zu versöhnen bei Hinterlegung der Erndte, einen kleinen Winkel mit Kor» auf dem Felde stehen ließen, damit Woden Futter für sein Pferd hätte, und brachten ih»i also die Letzlinge, gleichwie die Israeliten dem wahren Gott die Erstlinge: um welches Häuflein sprungen sic lustig hemm und sungen: Wode! Wode! hat dinen Roffe nu Voder, Nu Distel und Dorn, ächter Jahr beter Korn. „Nikolaus Gzyse oder Chrisens (wie er also die Form. Concordiae Ao. 1580 zu Rostock unterschrieben) bezeuget, daß solches annoch zu seiner Zeit gebräuchlich gewesen. So habe ich auch selbst alte Leute gesprochen, welche sich dieser Feld-Lust noch atls ihrer Jugend erinnern konnten. Und ist bis zu dieser Stunde noch das Wodelbier gebräuchlich, so den ErndteMehern, wann der Roggen ab ist, auf etlichen Adelichcn Höfen gereicht wird. So lange hat man unter Christe» noch einigeSorge für Wodens Pferd gehabt." Franck kennt also de» Woden als wilde» Jäger, als Ernte- und als Zwölstengottheit, und wenn er auch meinte, „es habe in Mecklenburg mit

„In

militärischen Bekannten schließlich zu Aittonio. Die Zelle, tvelche Romani in der Citadelle inne hatte, tvar ziemlich hell lind geräumig, auch konnte er sich für sein Geld Speisen besserer Art, als die Gcfängnißkost verschaffen,

welche sich herabzusenken begann.

sondern sagte, daß

Baron,

Sonntag, nachdem ich mich

Als ich zum Freunde eintrat, stand dieser an dem vergitterten Fenster und starrte in die Däimiteruitg hinein,

Ich begann nun die Ereignisse zu schildern, tvelche sich am 27. März auf der Redoute und später bei der Astrua zugetragen, verschwieg aber wohlweislich die nraskirte Führerin,

Nachdenklich schwieg der

ich am

kurz, ihm fehlte nichts, als die Freiheit.

ich versuchen die einzelnen

dieser argen Historie erzählen."

des orientalischen

fuhr

dienstfrei gemacht, nach Spandau und gelangte durch ineinen

Jahre vergehen, |

i

ehe

Dll Dich

-

der Freiheit erstellen darfst. —

Eine That, welche Du, mag nian mm auch sagen, was man wolle, in höchst strafbarem Leichtsinn begangen, kann Dein dem Wode fast ganz aufgehört," so hat sich doch alles, was er schildert, bis auf den heutigen Tag in Mecklenburg nicht nur, sondern von Holstein an bis znm Cassubenlande, wenngleich in einem mit der Zeit zerbröckeltem Zustande erhalten, worüber das Nähere bei Schwartz nachgelesen werden mag. Uns interessiren hier vor allem die Namenformen, unter denen der Gott noch heute im Landvotk bekannt ist, und zwar sind das in dem nördlichen Striche des in Betracht kommenden Gebietes von deni nörd¬ lichen Theile der Altmark an bis zu den Cassuben in Hinterpommern: Wöbe, Wöd, Wödke, Wödk, Wnid, Wül, Wär.

Waud, Waudke, Wauld, Waul, Waur, Wauer. Was, Wasen, Wagen. Südlich davon, in dem nördlichen Theil der Altmark und dem Strich, welcher, abgesehen von dem dazwischen liegenden Wendenland, um Hitzacker links von der Elbe und um Jabel rechts von derselben, in mehr oder minder kompakter Weise durch die Priegnitz und das.südliche Mecklenburg sich fortsetzt (und sporadisch in Vorpommern), finden sich ganz analoge Formen, aber überall mit vorgeschlagenem G: Göden, Göde, Gödke, Gödsche, Gööd, Göik, Göü, Gör. Gaude, Gauden, Gaue, Gauren, Gaur, Gauer, Gauerken. Gösen. haben es demnach so zu sagen, mit einer Woden- und mit einer Goden-Zone zu thun. Die erstere zeigt einen gewissen Anschluß an Holstein, darf aber nicht von einer Kolonisation von dorther, verstärkt durch Westfalen und Niederländer, abgeleitet werden, da die in Betracht kommenden Sagennamen, beispielsweise vom wilde» Jäger, in Hinter¬ pommern weit charakteristischer und mannigfacher sind, als in Holstein. Schwartz geht jedoch über die Wodenzone kurz hinweg, weil sie außerhalb der Grenzen der Mark liegt, um sich desto eindringlicher mit der Goden¬ zone zu beschäftige». Der nördliche Theil der Altmark, in dem sie beginnt und am intensivsten erscheint, wird nämlich, wenn auch hier immerhin wendische Niederlassungen sich daneben vereinzelt finden, für das Zu- oder Absprechen einer Kontinuirlichkeit urdeutschen Wesens noch dadurch besonders be¬ deutsam, daß in ihr die Sage vom Nobiskrug und damit spezifisch alt¬ deutsch heidnisches Wesen gleichsam in scherzhafter Art lokalisirt erscheint; und zwar wird dasselbe getragen von dem -»och fortdauernde» Gebrauch, dem Todten ein Goldstück unter die Zunge zu legen, weil sonst derselbe in der Unterwelt nicht Aufnahme fände und als Nachzehrer umgehen und andere nachziehen müsse. „Es heißt dort, wenn einer stirbt: „De is nu all hin nach Nobiskrug," oder, mit Rücksicht auf den erwähnten Brauch, Nobiskrug müssen die Todten ihren letzten Sechser echt bäurisch: Die verzehren," und deshalb legt man einen solchen unter die Zunge. Sage des Ortes Nobiskrug, den man an den Rand des sumpfig, grund¬ losen Drömling in einem daselbst liegenden Dorfe des Namens lokalisirt hat, das höchst charakteristisch auch Ferchau, d. h. Seelenau, genannt

Wir

„In

31 Welcher furchtbaren Uebereilnng, Unglückseliger, hast Du Dich schuldig gemacht!" „Höre mich au, oai-« amico," versetzte Antonio zögernd, in¬ ganzes Lebensglück zerstören!

auf den niedrigen Schemel setzte, der ihm als Ruhesitz und mich bat, auf einem anderen Platz zu nehmen: „Von hoher Seite will man mir wohl, auch kann man mich nicht gut entbehren bei der Opera, da ich brauchbar bin." „Das Schlimmste, was mir also zustoßen könnte, wären dem er sich

|

Romani war lvie vom Doniler gerührt. — Er, der leicht¬ sinnige, sich über Alles hinwegsetzende Italiener war ivie von Sinnen, ivttnschte sich talisendmal den Tod, verfluchte sein Leben und die That, ivelche er so streng, so namenlos bitter

diente,

büßen mußte.

vielleicht ein

„Ehrlos, ein gemeiner Sträfling," rief er einmal über das Andere, „das ertrage ich nicht, lieber zerschmettere ich mir den Kopf an den Steinsließen meines elenden, jammervollen Aufenthalts!" Dann wieder klagte er unter wüthenden Zornesausbrüchcn

bis zwei Jährchen Festungshaft,

damit ist die

die Urheberin seines traurigen Schicksals an; „den bösen Blick, welcher in Italien so verpönt sei, habe sie besessen, damit hätte

Sache abgethan! Ich vertraue deshalb meinem guten Stern und gebe nichts verloren. Pah, wer wird sich so schwarze Gedanken machen, Christophoro! Sie, die falsche Schlange," hier wurde seine Stimme rauh und heiser, „wird künftig nicht so

!

schnell mehr dumme Gimpel und reiche Kavaliere einsangen, ich

habe

ihr die Flügel etwas beschnitten." Traurig nahnr ich Abschied von dein

ungestümen Manne,

mir ahnte nichts Gutes in dieser Sache. „Sowie das Urtheil verkündet ist, komme ich alter, lieber Freund," sprach ich beim Abschiede. —

|

zu

Dir,

„Dam: lache ich Dich bei einem Glase feurigen Falerner's tüchtig ob Deiner Furcht alls. Du Unglücksrabe, leb' ivohl, habe keine Sorge um mich!"

VI. Das Urtheil ward verkündet. — Es lautete aus acht Jahre schiveren Kerkers. — Dieselbe» seien auf der Festung Spandau abzubüßen, außerdein solle der Gefangene die Kette mit der Kugel am rechteil Fuße schleppen, uild die Arbeiten der Militärsträflinge mitniachen. auch noch die Sache in die alte heidnische Zeit hinauf, denn gerade an solchen grundlosen Stellen glaubte» auch die Römer z. B. den Hinabstieg in die Unterwelt zu finden." Dieser so bestimmt auch hierin sich aussprechcnde alterthümliche und in dieser volksthümlichen Weise nicht hervortretende Sageuzug und Gebrauch hebt den heidnisch-deutschen Hintergrund der Goden-Traditionen »och in besonderer Weise hervor. Sehen wir nun von den oben angeführten so¬ genannten Weuddvrser» im Hannoverschen und in der Jabelheide ab, die sich zwischen geschoben haben, so kommt eben dieser Landstrich so ziemlich auf einen Theil der alten Sitze der Longo barden (d. IV. Jahrhunderts) hinaus, auf ivelche gerade die Form mit dem vorgeschlagenen G hinweist. Denn Paulus Diaconus bezeugt in seiner Geschichte der Longobarden ausdrücklich, daß sie den Wodan (zum Unterschiede von anderen deutschen Stämmen) mit vorgeschlagenem G Gwodan nennen. Und das klingt noch heute in den an den Namen Wodc sich anschließenden Formen nach, mit denen die Holsteiner und ihre Nachbarn bis in das Cassubcnland hinein von dem Gotte reden, gegenüber den südlicher wohnenden Stämmen, die dem Namen das charakteristische G vorschlagen und noch von Froh Gode, Güdke, Gaude, Gauren u. s. w. erzählen. Das ist merkwürdig genug, gewinnt aber noch mehr an Bedeutung, ivenn wir ein anderes Moment hinzunehmen: Während sonst in keinem Theile Deutschlands zusammenhängende Reste des Frigg-Kultus aufgetreten sind, findet sich östlich der Goden- Zone in der ganzen Uckermark und über die Oder hinaus bis in den Regenwalder Kreis hinein und (wie hier zugefügt werden mag) bis nach Arnswalde hin überall die Frigg

wird, rückt

als Zwölftengottheit und als wilde Jägerin landschaftlich erhalten, unter Frick, Fricke, Füik, Füi, Fü. — I» der Mittel¬ mark, der Grafschaft Nuppin und dem Havellande tritt statt der Frick den Namenformen

Frau Harke (Herken, Harfe, Harfen, Harre, Harren, Hak, Hake, Haken, Haksche, Arke, Archen) auf, die sich dann, südlich begrenzt von der slavischen Murraue, südwestlich bis zum Harz ver¬

folgen läßt. Der Name ist, wie die Formen Archen und Harre bezeugen, ein Deminutivum, aller Wahrscheinlichkeit nach von Frau Here, von der schon eine aus dem Anfange des XV. Jahrhunderts stammende Notiz bezeugt, sie sei bei den Sachsen verehrt worden, und man habe in den Zwölften gemeint, sie fliege durch die Luft (vro Here de vlugbet) und gebe Ueberfluß an allen zeitlichen Dingen. Sie spielt in der Mittelmark Bei Kamern ist der Frau eine Rolle wie Fratl Holle in Thüringen. Uralte Harkcnberg, da ist ihr Jagdgebiet in demselben beschlossen. mythische Züge klingen in der Lokalsage wieder, und der an sie knüpfende Glaube findet noch heute eine breite Unterlage in dem an die Zwölftenzeit knüpfenden Aberglauben. Jede Arbeit muß zu dieser Zeit ruhe»; vor allem darf nicht gesponnen werden. Findet sie bei ihrem angeblichen Umzug Flachs auf dem Wocken, so zerzaust sie dem Mädchen die Haare und dergleichen mehr.

ihn angelockt, vergiftet!" Uild wieder bat er mich unter heißen Thränen, etlvas für ihn zu thun, mich bei hoheil Personell zu verwenden, und ihn sie

nicht untergehen zli lassen. Wie sollte ich in dieser schlimmen Angelegenheit Rath schaffen! Was ich auch sann und überlegte — nichts fiel mir eiil. Da rieth nur denn endlich ein gemeinsamer Bekannter,

Schritt in diesein traurigen Handel zu thlin. Zu sollte ich eilen, sie würde vielleicht Milde üben, Feindin seiner und seinem kläglichen Dasein eine neue Wendung gebeil. In der Genesung begriffen wußte ich die Astrua, ivürdc sie nach aber cmpfangeil? Dies war eine Frage, welche nicht leicht zu beantworten schieil. Zitternd vor Erwartung und Aufregung setzte ich mich hin, ein Billet abzufassen, in ivelchem ich die Signora höflichst bat, den letzten

mir

doch einen

Tag

zu bestimmen, an dein sie mich empfaiigc»

könnte, es gälte wichtiges. Tacitus nun, der schon von den Longobarden an der Elbe berichtet, weiß auch zu erzählen von dem feierlichen Umzug einer fruchtbringenden Göttin im nordöstlichen Deutschland. fEr sagt von ihr, man glaube ea,» Intervent re rebus hominum, invehi populis. — Lacti tune dies, festa loea, quaecunque adventu hospitioque dignalur. Non bella ineimr, non arma sumunt, clansum omne serrum, pax et quies tune tantum nota, tnnc tantum amata, donec sacerdos satiatam conversaturie mortalium deam templo reddat.] — Freilich die betreffenden Stämme, bei denen die Göttin auftritt, sind etwas nördlicher an der See zu suchen, auch fällt der Umzug in eine andere Jahreszeit, aber der Charakter und die Art der Feier stimmen überraschend mit dem Frick- und Harken - Aberglauben überein. Das Ganze erscheint hier nur, wie auch natürlich, in der verkümmerten Forni einfach bäuerlicher Verhältnisse, die nur im Anschluß an das gleich¬ zeitige Weihnachtsfest sich gewohnheitsgeinäß erhalten haben; der in der unmittelbaren Nachbarschaft fortlebende und in solchem Umfange auf¬ tretende analoge Aberglaube mit allen seinen Gebräuchen ist darum nicht „Erwägt man zumal, daß nach minder der Berücksichtigung werth. historischen Zeugnissen (siche oben) hier Wodan, Frigg (und Thor) die Hauptgötter waren, und gleichartige Ueberreste von beiden in den betreffenden Aberglaubenskreisen hervortreten, so kommt man nach allem fast zu der Vermuthung, daß durch irgend welche Verschiebung im Laufe der Zeiten der jetzige Bestand eingetreten, wir aber speziell in der Frick-Zone nach direkten Beziehungen zu der taciteischen Göttin zu suchen hätten." Vielleicht wird nicht jeder Leser dem Verfasser bis zu diesen Schlüssen folgen wollen, aber das Resultat muß er anerkennen, in dem Schwartz

„In

dem ländlichen Aolksthum der auch der nördlich angrenzenden Land¬ schaften vibrirt noch ein dem niedersächsischen Stamme nahe¬ stehendes, aber doch selbstständiges Heidenthum hindurch, das in seiner organischen Gliederung zu der Annahme nöthigt, daß wir es hier zum Theil mit Nachkommen einer gewisser¬ maßen ostsächsische», noch in verschiedenen Gruppen auftretenden Bevölkerung zu thun haben, welche in einer Art Hörigkeit seine

Arbeit gipfeln läßt:

Mittelmark, dann aber

die Wendenherrschaft überdauert hat und beim Zusammen¬ bruch derselbe» der unter christlichem Banner eintretenden Germanisirung und densich daran schließendenKolonisationen entgegengekommen ist." Eine sehr willkommene Beigabe ist die mythologisch-ethnologische Uebersichtskarte, die zur Veranschaulichung des Beweisganges der Ab¬ handlung ungemein beiträgt. Sie werden sich die Forscher in Sage, Sitte und Brauch für die Zukunft zum Muster zu nehmen haben, damit das vorläufig noch in weiter Ferne liegende Ziel erreicht werde, für ganz Deutschland zuverlässige, ethnologisch-mythologische Karten zu besitzen. Der große Nutzen derselben, zumal für die deutsche anthropologische Forschung, steht nach dem Erscheine» der Schwartz'schen Arbeit außer allem Zweifel.

32

Zu meinem Erstaunen erhielt ich schon am folgenden Tage Antwort. Die kleine Kammerzofe Trinette hatte meine Zeilen beantwortet. Sie bat mich, am selbigen Nachmittage bei ihrer Herrin vorzusprechen; was ihre Gebieterin anbelange, so sei dieselbe noch zu schwach, um selbst zu schreibe», und benutze

deshalb die Schreiberin dieses Briefes als Sekretär. Um fünf Uhr Nachmittags begab ich mich nach der Behren¬ Noch lagen die Strohschütten vor der Hausthüre, ein straße. Zeichen, daß immer noch Vorsicht von Nöthen. Wieder betrat ich die Treppe, mit ivelch' anderen Gefühlen als damals, wo alles heiter und ftöhlich zu sein schien. Heute brannte ein trübes Licht

im Vorzimmer, leise kam mir die Zofe entgegen, half mir ablegen, und führte mich in den

Salon. Der Lüstre warf

sein

matt

Einnahme und ich wäre Romani geheiratet. macht Theaterleben mein Bester, das Was ist's denn lveiter, locker und leicht, man thut manches, ivas nicht gut scheint,

matt lächelnd fort, „noch eine

solche

reich gewesen, Hütte der Bühne entsagt, und

Antoilio war kein Heiliger!" Sie schwieg erschöpft und bat mich, ihr einen kühlen Trunk zu reichen, der auf einem kleinen Tischchen an ihrer auch

Seite stand. „Wenn ich nur erst wieder singen könnte," feiifjte sie dann, „jeden Tag ivürde ich der heiligen Jlulgsrau von Soretto eine Kerze weihen und 20 Meffen lesen lassen!" Unwillkürlich mußte ich über den Leichtsinn und Aber¬ glauben des armen Geschöpfes lächelir, erkannte aber daraus, daß sie vielleicht der Bitte zu Gunsten »reines Freundes, die

im Begriff stand, an

sie

gedämpftesLicht auf die Gegen¬

ich

stände des weiten Gemaches,

zr>

Stimme rief mei¬ nen Namen. Auf einem breiten Divan am Kamin, in welchem trotz der warmen, milden Mai¬ luft ein helles Feuer brannte,

von Neuem, „können ein wahr¬ haft gutes Werk thuir, und damit die Genesung beschleu¬

richten, geneigt sein würde.

„Signora,"

eine schwache

lag die Astrua. Hektisch

und

abgezehrt

schaute sie aus. Decken hüllten sie ein, und Kissen unterstützten

den zarten Körper.

Ich begrüßte scheu

sie

etivas

und linkisch. — Recht

begann ich

nigen!" „Und das wäre,"

ver¬

erwartungsvoll? „Vergeltet Böses mit Gutem, bewirket an hoher Stelle Verminderung der har¬ ten Strafe, die Romani zu¬ erkannt!"

setzte sie

„Niemals," erwiderte sie „da müßte ich mir in

verändert erschien sie mir; das schöne, feurige Weib mit den Gluthaugen lag hier so siech

mein eigen Fleisch

und elend, die Stimme klang

bin

schivach und verschleiert; würde jemals wieder das edele Me¬

überhaupt noch sicher, wenn er frei käme. Er ist ein wildes Thier und kein Mensch. —

tall

derselben

zum Vorschein

„Ihr wünschet etwas von Signore

sprach sie müde,

ich

will

denn

meine

Vendetta haben!"

Nichelmann,"

„Bedenket, wie schwer Ihr

„was führt

ihn gereizt, wie Eure Liebeleien

noch

mir?" „Wer kann jetzt wohl etwas von mir wünschen,"

fuhr

sie

Euch zu

schneideir,

ich meines Lebens

Auch

kommen?"

mir,

hart,

den leidenschaftlichen, hitzigen

Menschen

empöreir

mußten,

Äaqves Ccnfnnt, Prediger an der Werderschen Kirche, schon lange wäret Ihr seiner Inspektor a>» französischen Gymnasium (1690). überdrüssig!" mit Anstrengung weiter sprechend fort, „Ihr Freund Nach einer minutenlangen nicht gut hat mich behandelt, eine ungefährlichere Stelle hätte Pause, welche ab und zu von ihren schweren Athemzügen er sich wenigstens aussuchen können, als hier" — sie zeigte unterbrochen wurde, wie wenn sie mit einem mächtigen Ent¬ auf ihre Brust, „nie iverde ich wieder zu Kräften kommen." schlüsse ringe, sprach sie endlich: Das Alles sprach sie abgebrochen, halb flüsternd, jedoch ruhig „Nun wohl, da Euch so viel daran gelegen, dem sauberen lind gelaffen. Patrone zu helfen, ivill ich ein übriges thun." — „Signora werden bald wieder die Alte sein," wagte ich „Antonio ist mir jetzt vollständig gleichgültig geworden, einzuwenden, „das sind nur Nachwehen, sie verschwinden, laffen die Wunde hat Alles ausgebrannt," hier färbte eine schwache keine Spuren mehr zurück." — Nöthe die blassen Wangen, „ivas mir von Zuneigung für »Possen, mein Herr, ich weiß sehr wohl, woran ich bin," Euren Freund übrig geblieben. — Doch Böses soll man mit unterbrach sie mich, erregter werdend, „doch der Mensch ist Gutem vergelten, und so thut denn, ivas ich Euch hier¬ — seines Schicksal's Schmied. Der Schauplatz meines Aben- mit sage: teners war schlecht gewählt, ich meine die Nedoute," flihr sie „Setzt eine Schrift auf in meinem Namen, worin Ihr

33

Nie war eine Aeußerung über den Gefangenen in Spandau ihren Lippen entschlüpft. Ich hütete mich wohl, dem Freunde etwas über die Krankheit der Astrua wissen zu lassen; er lebte still und ruhig nach seiner Haftentlassung in dem kleinen mär¬ kischen Laudstädtchen, welches man ihm als Aufenthalt ange¬ wiesen. Ruhig hörte er mich au, wenn ich bei nieiueu seltenen Besuchen der Astrua erwähnte, die nach wie vor das Publikum „Gott sei gelobt, daß ich kein Mörder geworden entzückte. bin," war Alles, was er darauf erwiderte, „möge sie nie mehr

sagt, daß ich an höchster Stelle um Verminderung der Strafe bitte, doch niemals darf Antonio Romani ahnen, daß ich es gewesen, die ihm dazu verhelfen; ich

ist zwischen ihm und mir zerrissen.

Ihr

ivill

cs nicht, jedes

Band

Dieses Schriftstück übergebt

Carrignani, einem guten Freunde von mir, das Uebrige möget Ihr alsdann abwarten. — Nehmet Feder und Dinte zur Hand und schreibt." — Ich that, wie sie geheißen. Mit schwacher Hand setzte sie alsdann ihren Namen unter das Schreiben, sank erschöpft in die Kissen zurück und flüsterte: „Ruft mir Toinctten, schon zu lange habe ich mein Lager verlassen, nun muß ich das Ver¬ dem Herrn Grafen

Spielball ihrer Launen machen, daß sie rasend werden und sich selbst vergessen!" — An jenem Abend also bemerkte Berlin, daß Astrua ihre göttliche Stimme vollständig zu verlieren begann, der König bewilligte ihr denn auch in Gnaden einen Urlaub »ach Italien auf zwei Jahre und eine Pension von 2000 Thalern, damit sie in ungestörter Ruhe Heilung in ihrer Vaterstadt Lucca die Menschen zum

säumte nachholen." — Tief bewegt drückte ich einen Kuß auf die weiße, schmale

Hand der Signora, nimmer hätte ich geglaubt, daß das wälsche Frauenzimmer so viel Edelmuth besitze. „Danket mir nicht, Signore," sprach sie noch einmal. Dann mit ganz leiser Stimme: „Geht jetzt, ich bitte Euch, Ihr seid ein guter Mensch." —

finden möge. Ungezählte Ehren wurden ihr beim Abschiede erwiesen, wieder und wieder rief sie die tobende Menge, an diesem Abende gestattete derKönig ausnahmsweise das donnernde Beifallsklatschen.

Die Straßen erschienen mir vom Sonnenlicht vergoldet, als ich in's Freie trat. Athemlos vom Laufen eilte ich zti Carrignani, dem ich das Schreiben der Astrua übergab. — Der Graf versprach mir, sein Bestes in dieser Angelegenheit zu thun. Zu Hause angelangt, schrieb ich dem Freunde, daß vielleicht eine Wendung in seinem Schicksale eintreten könne, er solle nur ivieder Hoffnung schöpfen, das Weitere möge er getrost abwarten. Und richtig, es geschah das Anfangs Unmögliche. Dank der Verwendung hoher Personen, ward die schwere Kerkerstrafe meines unglücklichen Antonio in eine dreijährige,

Grab hinaus hört alle Feindschaft auf!" Am folgenden Tage sagte sie unserer guten Residenzstadt Lebewohl. — Ei» Jahr später erlag Giovanna Astrua in ihrer Vaterstadt dem langwierigen Lungenübel, welches sic leider, höchst klägliches Schicksal, durch jene schlimme Verwundung davon¬

leichte Festungshaft umgewandelt, an ivelche sich dann ebenfalls

getragen.

ein dreijähriger Aufenthalt

in

In ihrer Garderobe nahm sie thränenden Auges Abschied von den Kollegen und der Kapelle. „Was sagte ich Euch, mein lieber Nichelmann," sprach sie melancholisch, mir die Hand drückend, „meines Bleibens war nicht allzu lange hier. Grüßet den wilden Antonio, über's

Während dieser Zeit hatte ich den Freund nicht aufsuchen können, jetzt that ich es schweren Herzens, ihm daS traurige Ergeiniß mitzutheilen. „Welche Wendung! Er, in stolzer Mauneskraft, bald die

einem kleinen Laudstädtchen bei

Berlin schloß. — Ausdrücklich ward dabei gesagt, daß Romani in dieser letzteren Zeit niemals Berliner Gebiet betreten dürfe. Man kann sich die Freude des Gefangenen vorstellen. Romani dankte mir mit heißen Worten, nannte mich seinen Erretter und schrieb mir den größten Theil dieser Begnadigung zu. Stillschweigend nahm ich alle, diese Ergüsse hin; das Ver¬ sprechen, welches ich

Mund

Verbannung überwunden habend, sie, starr, gebrochen, todt, höchst wunderbare Fügung des Schicksals!" „Freund," sprach ich zu Antonio eintretend, welcher mich freudig begrüßte, „eine traurige Mittheilung hab' ich Dir zu machen. Liebster: Die Astrua ist todt!" „Wie," rief er aus, „Du erzähltest mir doch bei Deinem

der Astrua gegeben, zwang nach, reinen

zu halten.

VII.

letzten Hiersein, sie wäre gesund, Ivirke nach wie

Giovanna Astrua betrat die Bühne nach 6 Monaten ivieder. Die Stimme schien nichts von ihrer Schönheit ein¬ gebüßt zu haben. Unsere Diva wurde vergöttert. Vom Könige 'prächtigen Brillantschmuck und eine Zulage von erhielt sie einen 1000 Thalern. Fünf weitere Jahre hindurch entzückte die unvergleichliche Sängerin die Berliner, während dieser Zeit begann die ge¬ feierte Künstlerin plötzlich zu kränkeln, die Stimme wurde schwächer, das edle Metall derselben ging nach und nach ver¬

„Der Schein trog," antwortete

loren.

angegriffen und blieb es."

„Doch

zum

fasse

Muth, Giovanna hat verziehen," und nun

erzählte ich ihm den Edelmuth der Verstorbenen, welchen diese

„I

Liebling des Publikums hauchte seinen Schwanengesang. In dieser Zeit war ich oft, sehr oft mit ihr zusammen¬ getroffen, sowohl während der Opernaufführungen, als auch bei Hofkvnzerten, in welchen sie nach ivie vor mitwirkte.

ich zögernd, „sie kränkelte

Zeit und mußte endlich ihre Thätigkeit aufgeben um in Italien Heilung zu suchen, dort ist sic denn in diesem Jahre zu Lucca verschieden." „Und woran starb sie," stammelte er endlich? „Es mögen wohl die Folgen jenes unglücklichen Ereignisses gewesen sein," versetzte ich traurig, „ihre Brust war seitdem schon längere

Ab und zu trat sie noch auf, endlich letzten Male auf den geliebten Brettern in unseres Maestro Fratelli nemici" (die feindlichen Brüder). Grauns neuer Oper: Mit fast völlig gebrochener Stimme sang sie die Haupt¬ partie derselben, Berlins glänzendster Stern war erloschen, der erschien sie

vor an der Opera !"

gezeigt,

auch die letzten Grüße bestellte ich,

die

mir

dieselbe

für Antonio aufgetragen.

,

Tiefes Schweigen folgte meinen Worten. — „Also doch ein Mörder!" waren die ersten Worte Romani's, „das wird mir Ruhe und Rast fortnehmen, Christophoro," fuhr er fort, „wandern werde ich müssen von Ort zu Ort, ein elendes, erbärmliches Menschenkind!"

34

Als nun die Scene kam, in welcher er auftreten sollte, wurde er überall gesucht und endlich mit weinrothem Antlitz, voll Zorn und Angst, ans dieser erbärmlichen, lächerlichen

Nach taugen Überredungskünsten gelang es mir endlich, die schwarzen Gedanken zu verbannen. Romani schöpfte wieder Muth, versprach von jetzt an kein anderes Ziel vor Augen zu

Sitliation

haben, als seine herrliche Kunst, die Tonschöpfungen der großen Meister in Wort und Sinn zu verkörpern. Bald erschien Romani wieder in der Hauptstadt.

Als Cato in Graun's gleichnamiger Oper trat

sich vor Zorn und Entrüstung befahl unser hoher Chef, Romani solle auf der Stelle vor ihm erscheinen.

„Schere Er

er Uneber

vor das Publikum. Und wunderbar, die Berliner

schienen alle die Eindrücke vergessen zu haben, welche einen dunklen Schatten auf das Leben des Sängers geworfen, enthusiastisch wurde er empfangen, wieder ward' er etliche Jahre der gefeierte Held der Bretter.

Doch sein inneres Wesen hatte eine Aeitderung erfahren. Rauh und abgebrochen klang seine Rede, herrisch war seine

— Er wurde ein Gast der Spielhäuser, eine innere Unruhe trieb ihn von Ort zu Ort, mit Trunkenbolden

Art und

Weise.

erlöst.

Außer

!

sich

zum Teufel," rief er ihm zu, als -der

Unglückliche sich zitternd nahte, „er ist ein wüstes, verkoininenes Sujet, in meiner Nähe lasse er sich nicht wieder seheit, das rathe ich ihm, packe er sich auf der Stelle!" Tags darauf war mein armer, theurer Freund ver¬ Verzweiflung mußte ihn ergriffen haben, Gott schwunden. allein mochte wissen, was ans ihm geworden. Eine gaitze Zeit war seit dieser traurigen Affaire ver¬ gangen, da wandelte ich einmal spät Abends in Gedanken ver¬ sunken die Behrenstraße hinunter, mit Wehinuth des un-

und Weibern verbrachte er seine Nächte. Strenge Verweise ivurden ihm gegeben, fortwährend ward ihm mit Entlassutig gedroht, alle diese Dinge fruchteten nichts,

glücklichen Freundes und seiner Schicksale denkend.

und da sein Gesang unübertrefflich war, er deshalb entbehrt werden konnte, so behielt man ihn also. „Was willst Du," pflegte er oft zu mir zu sprechen, wenn

Ich wende

schwer

ihm Vorwürfe über sein jetziges Leben machte, „das einzige Glück liegt im Genießen, der Pvntac und der Reiz des Goldes, das lasse ich jetzt gelten! Betäubung und Vergessen, diese beiden Dinge können nur von Nutzen sein!" In dieser Zeit schenkte mir Romani sein Bildniß. „Denke

Wie ich denn einer

„der alte Romani ist todt, er und in keiner guten!" Haut einer neuen er bitter lächelnd hinzu,

steckt

in

Schneller als ich gedacht, kam das böse Ende. — Antonio stöhnte jetzt sogar ganz zwanglos dem Genusse des Weines und der

Karten während der Proben,

trotz des

strengen Verbotes. —

Eines Tages besuchte eine hochgestellte Persönlichkeit uncrwartet die Probe. Romani, in ziemlich angetrunkenem Zu¬ stande, sprang aus Furcht, dieselbe iverde bei ihm eintreten, (er befand sich gerade im Umkleidezimmer) Flasche imb Karten mit sich nehmend, in einen Gardervbenschrank. Der Schrank fiel um und auf die Thür, so daß sich der arme Wicht nicht befreien konnte.

langsam dahinschlendere, höre ich von

zitternden

Stimme

meinen

Namen rufen.

mich verwundert um, da steht ein altes, runzliges

Männlein vor mir, unb fragt mich, ob

ich

der Hvfkapelliste

Nichelmann iväre.

„Ihr seid es,

ich

au mich," sprach er dabei, „weitn ich einmal verschollen oder vermodert sein iverde, sei mir nicht gram guter Junge," fügte

schwachen,

so

gleich

lieber Herr, dann kann ich also meine Bestellung

anbringen," sprach der Alte auf meine bejahende Antivort

weiter, „seht, das Briefchen da hat mir Alaun mit dunklen, flackrigen Augen und gegeben, damit ich's in Eure Hände legen „Er gehe weit fort von hier, habe

ein feiner, schlanker krausem Lockenhaare

sollte!" der Herr dabei ge¬ sprochen, der Himmel möge wissen, wdnn er wieder einmal Den Zettel aber habe er mir auf die nach hier zurückkäme! Seele gebunden, daß er richtig an Euch gelange!" „Gott befohlen, Herr Hvfkapelliste," damit humpelte der Alte fort. Wehmüthig betrachtete ich das Papier, welches mir die Abschiedsgrüße des Freundes übermitteln sollte. In halbverwischten Lettern stand ans dein Zettel: „Die Farce ist zu Ende, ich kehre in das Nichts zurück! Leb' wohl! Dein

Antonio." Niemand mehr hat nachher noch irgend etivas von An¬ tonio vernommen. Sv ist das Ende meines liebsten Freundes gewesen, des schönen, kecken

Romani.

Wie Herfticrg Kurator der Äkudemie wurde. Die königlich preußische Akademie der Wissenschaften zu Berlin hatte, seitdem ihr Präsident Maupertuis im Jahre 1759 gestorben ivar, keinen andern Präsidenten gehabt. Ein geringfügiger Vorfall gab im Jahr 1787 ihr wieder einen solchen beständigen Vorsitzer in der Person des berühmten Staatsministers von Herzbcrg. Ein französisches Sprüchwort sagt: „Große Begebenheiten durch kleine Veranlassungen." Dies gilt, wie von tausend anderen Dingen, auch von Herzbergs Erhebung zum Kurator der königlichen Akademie der Wissenschaften in Berlin. Die Veranlassung dazu gab folgender Vorfall. König Friedrich der Große starb am 17. August 1786. Der Kalender auf das künftige Jahr muhte jedesmal schon während des vorhergehenden Sommers gedruckt werden. Also waren auch

und in diesen allen war der am 17. August 1786 verstorbene König noch als regierender König und sein Nachfolger auf Der geheime Rath von dem Thron als Prinz aufgeführt. Oesfeld, als damaliger Pächter der Kalender, urtheilte ganz Er glaubte zugleich, richtig, daß dies nicht so bleiben könne. daß nicht er, der Pächter, sondern die verpachtende Akademie die Kosten zu tragen habe, weil ja die Juristen sagen: „Casum sentit ckominus," das heißt, solche. Zufälle gehen den Eigenthums¬

diesmal alle Kalender für die preußischen Lande, welche die Akademie der Wissenschaften herausgab, bereits für das Jahr 1787 fertig;

geschnitten

herrn air.

Seit 1764 wurden

die ökonomischen Geschäfte der Akademie

durch eine Kommission von sechs Mitgliedern verwaltet. An diese wendete sich also Herr von Oesfeld mit einer Vorstellung, worin

war, wie viele Blätter aus den Kalendern müßten aus¬ und uingedruckt werden, damit der verstorbene König weggelassen und der lebende eingeführt iverde. Die Kosten be¬ berechnet

35 Arten der Kalender und wegen der starken Auflagen, auf sechshundert Thaler, welche Summe er nun zum Behufe dieser Veränderung anzuweisen bat. Er hatte bei sich überlegt, es könne auf diese Vorstellung nur zweierlei erfolgen: entweder wies ihm die Akademie die sechshundert Thaler an,, und dann war sein Wunsch erfüllt; oder sie schlug das Ansuchen ab, und dann wollte er sich allensalls um eine billige Summe zu ver¬ gleichen trachten. Es erfolgte aber weder das eine noch das andere. Die gelehrten Oekonomen, welche die Akademie nicht in Kosten setzen wollten, fanden einen dritten Ausweg. Sic gaben auf des Pächters Vorstellung zur Resolution: diese Veränderung sei gar nicht nothwendig. Oesfeld erschrak über die unerwartete Anordnung: daß man mit dem Anfang des Jahres 1787 in allen weit und breit ver¬ schickten preußischen Kalendern lesen sollte, König Friedrich der Zweite lebe noch, und König Friedrich Wilhelm der Zweite sei nur noch Prinz von Preußen. Dies glaubte er, ungeachtet der Entscheidung der Akademie, verhindern zu müssen. Der Minister von Herzberg war bei dem Tode des großen Friedrichs in Potsdam gegenwärtig gewesen. Das Vertrauen, welches dieser König zuletzt auf ihn gesetzt hatte, pflanzte sich in den ersten Monaten aud; bei dem neuen Könige auf ihn fort. Herzberg ward anfänglich fast über alle Sachen der Regierung um Rath gefragt, und sein Rath fast überall befolgt. An den Minister von Hcrzbcrg wandte sich also Oesfeld mit seinem Gesuch um Entschädigung. Er bat denselben, dies Gesuch dem Könige bei dem damaligen öfteren mündlichen Vortrage vorzulegen und einen rechnete er, wegen der vielerlei

I

Befehl an die Akademie zur Bezahlung der nöthigen Summe auszuwirken. Der Minister war mit Oesfeld der Meinung, daß der Gedanke, der Kalender könne unverändert bleiben, unerhört sei; und daß Brokardikon: Casum sentit dominus hatte so sehr

i

seinen

|

:

i

Beifall, daß

cs ihm ganz unbedenklich schien, die Akademie So trug er auch dem Könige die tragen.

die Kosten Sache vor. Der König gerieth in große Verwunderung, als er vernahm, die Kommission habe sich einbilden können, der Kalender brauche Er fügte hinzu: es erhelle daraus, nicht verändert zu werden. müsse

nicht selbst zu regieren wisse. Um also deren Regiment wieder in Ordnung zu bringen, tvollc er den Minister gleich jetzt zum Kurator derselben ernennen. Herzbcrg tvar über diese unerwartete Ernennung äußerst er¬ freut. Sje machte ihm, nach seiner eigenen Versicherung, weit daß

>

>

!

die Akademie sich

mehr Vergnügen, als der schwarze Adlerorden, welchen ihm König Friedrich Wilhelm der Zweite sogleich nach dem Tode des großen Königs, ebenfalls ganz unerwartet, überreichte. Es verstand sich, daß die Akademie jetzt zugab, die Blätter in den Kalendern müßten umgedruckt werden. Aber in Absicht der zweiten Frage, wer die Kosten tragen solle, hatte der nunmehrige Kurator seine

Meinung ziemlich geändert, und schien entscheiden zu wollen: Casum sentiat dominus Oesfeld! ohne dessen angebrachte Be¬ schwerde er doch tvohl nicht zur Kuratel der Akademie gelangt wäre. Indeß kam er nachträglich zu etwas milderen Gesinnungen zurück, und nach manchen Erörterungen wurden endlich an Oesfeld C. Trog. 144 Thaler Entschädigung gezahlt.

Beethoven und der Vnrnhagcn-Rahcl'sche Greis. Von Dr. Alf. Chr. Kalischcr. (Forts.)

Ra Hel,

warm verehrten Freunde macht, sondern auch zum Theil die Schuld mit trägt, daß Rahel in Wien von Beethoven und seiner heiligen Kunst keinerlei Notiz nahm. Varnhagen von Ense hat uns in seinen Denkwürdigkeiten

die absichtlich oder unabsichtlich Beethoven's

Genius in einer unglaublichen Weise ignorirt, fühlt

sich noch be¬

rufen, auf Berlin folgendes Anathema zu schleudern: „Ilcbcrhaupt auf falscheren Musikwegcn ist keine Stadt in Deutschland, als Berlin; und, wie nätürlich, in einem festen Dunkel darüber befangen, weil es Mühe und lärmende Anstrengungen nicht spart. Weber, Zelter, Jffland tragen große Schuld, und des seligen Righini*) Ilebcrdruß und Nachgiebigkeit aus Applaudissementssucht." (Brief an M. Th. Robert in Berlin aus Wien vom 7. Dezember 1814;

auch das ganze vielgestaltige, bunte

II. p. 251). Diese arme Rahel! Die Berliner dieser Epoche waren — Dank einem E. Th. A. Hoffman», einer Bettina von Arnim, von Radziwill und vielen Anderen — auf

dem herrlichsten Wege,

Beethoven's

der Kongreßzeit.

hohen, idealen Geist recht zu

würdigen und der Pflege seines Geistes in Berlin die allerbedcutcndste Stätte zu bereiten. Aber Rahel bekam niemals eine Ahnung davon. Wie ganz anders, hehr, gewaltig steht doch ihre große Zeitgenossin Bettina von Arnim in diesem Betracht da! —

„Was

fassen, zu

wird sich möglicherweise mit dem Gedanken getröstet haben, daß der in ebenderselben Kongreßzeit in Wien an¬ wesende Äeethovenfreund Varnhagen von Ense Alles vollständig gut gemacht haben wird, was seine geistvolle Gattin in dieser Be¬ ziehung verabsäumt hat. Das wäre denn freilich ein höchst ima¬ ginärer Trost für den hoffenden und harrenden Leser. Der Wunder größtes hierbei ist es vielleicht, das; Varnhagen nicht nur nicht Der erstaunte

ebenso

Leser

wenig Aufhebens jetzt von

Beethoven,

!

seinem sonst so l

*) Vineenco Righini, 1756 zu Bologna gebore», erhielt 1763 den Ruf als Hofkapcllmcister bei der italienischen Oper in Berlin; sein Genosse und Rivale war Reichardt. Die Katastrophe von 1806 brachte auch Righini um seine Hofstelle. 1812 verabschiedete er sich von seinem Kollegen Beruh. Ans. Weber, kehrte krank in seineHeimath zurückuud starb in Bologna am 16. August 1812.

Wiener

Beethoven's Lebensgeschichte Vertraute, daß sich in der Erkenntnis Wien's und der Wiener die beiden Teplitzer Freunde sich so völlig begegnen, daß sie beide sogar den Odhsseischen Ausdruck „Phüakenvolk" als bezeichnend für das Wiener Völkchen in Bereitschaft haben. Beethoven nennt die Wiener mit Vorliebe „seine lieben Phäjakcn". Höre man nun ein wenig Varnhagen über das Wiener Volk in

a. a. O.

einem Fürsten A.

Treiben während des

Kongresses sehr eingehend, anziehend und beredtsam geschildert. — Nimmt man die Summe des Ganzen: dann freut sich der mit

j

ich aber hervorheben

muß" — schreibt derselbe (Denk¬

würdigkeiten, III. Band p. 231) — „was man sich nicht genug vergegenwärtige» kann, wenn man es nicht durch Anschauung erlebt hat, ist die Atmosphäre des Wiener Lebens, das Element, in welchem hier die Tage hinschwimmen; die heitere, auf derben Genuß gerichtete Sinnlichkeit, die stark ansprechende Scherz- und Lachlust, die vergnügte, von Wohlbehagen genährte Gutmüthigkeit, der schon Halb italienische Müßiggang und die dazugehörige schon halb italienische Laune, die naive, ausdrucksvolle Mundart, so rundlich bequem hinzuwülzcn und doch so leicht in scharfen Witz zuzuspitzen, — diese Mundart, die etwas von ihrem Wesen jeder anderen deutschen und auch der höchsten Sprachbildnng unwiderstehlich mit¬ theilt, — und so viele andere Weisen und Gebilde dieses altbestehenden Phäakenlebens, — alles dies gehört so eigenthümlich zu dem Wiener Kongresse, zu dessen bestimmter Physiognomie, daß er ohne diese gar kein zuverlässiges, lebendiges Bild mehr liefert." Nun kommt man lange aus dem Staunen und Verwundern nicht heraus, wenn man im weiteren Laufe dieser Narnhagen'schen Skizzen das bunteste Allerlei zu lesen bekommt, ein allerliebstes

36 Quodlibet aus Politik, Socialismus, Theater, Kunst und Geselligkeit — daß allein aus dieser Olk potrida lange absolut nichts Beethovenhaftes hervorgucken will — und das in einer Zeit, in der sich unser Toiiineister im Zenithe seines Weltruhms sonnte, ivo er sich in Wien von allen Potentaten des Erdreichs den Hof »rachen ließ und sich dabei — wie Becihovcn wohl voll edlen Selbstbewußtseins gelegentlich bemerkte — sehr nobel benahm. Endlich, endlich — nachdem Barnhagcn uns fast neunzig Seiten lang über Wien unterhalten hat: taucht auch der Name Beethoven, wie aus einem Lcthestrvm hervor. Also doch, Herr von Varnhagen! Inzwischen war aber auch seine Gattin Ra Hel, da er es ihr wiedcrholentlich an's Herz gelegt hatte, endlich von Berlin ebenfalls nach Wien in seine Arme geeilt. Und nun sind sie beide in Wien lind geben uns eine erstaunliche Probe von dem so oft verheißenen „steten Eingedenken" hinsichtlich des „armen Beethoven." — Wir wissen bereits, daß Rahel gar keine Gedanken mehr für Beethoven hat: Varnhagen aber besann sich endlich, daß in Wien auch ein gewisser Beethoven lebte. Die Schilderung, die derselbe von dem , damaligen Beethoven entwirft, ist so merkwürdig, weicht so sehr von allen Schilderungen über Beethoven's Wesen aus jener Zeit ab, daß die hierauf bezüglichen Barnhagen'schen Mittheilungen jedenfalls

i» Anspruch nehmen müssen. „Musikalische Genüsse" — heißt es in Barnhagens Denk¬ würdigkeiten (Band III p. 314/815) — „boten sich von allen

unser Jnteresie

Seiten dar, Konzerte, Kirche, Oper, Salon, Virtuosen und Di¬ lettanten, alle gaben ihr Bestes. Der Fürst Anton Radziwill, der in seiner Komposition des Gocthe'schen Faust schon weit vor¬ gerückt war, und hier seinem niusikalischen Hange mit aller Innig¬ keit folgte, war mir Anlaß, meinen wackeren Beethoven wieder aufzusuchen, der aber, seit ich ihn nicht gesehen, an Taubheit und mürrischer Menschenscheu nur zugenommen hatte

und nicht zu

wegen war,

Besonders wollte

er

mit

unsern Wünschen gefällig zu sein.

den Vornehmen nichts mehr zu schaffen haben

be¬

(?!?), und

Widerwillen mit zürnender Heftigkeit aus. Auf die Erinnerung, der Prinz sei der Schwager des Prinzen Louis Ferdinand*) von Preußen, dessen ftüher Tod er so sehr betrauert drückte seinen

hatte und nach und

dessen

wollte

Komposition er höchlich sich

schwerlich ein näheres

schätzte,

gab

er

etwas

Doch hat sich Auch verzichtete ich wiederum zu Rahel zu

den Besuch gefallen lassen.

Verhältniß angeknüpft.

darauf, den verwilderten Künstler (?!?) führen, denn Gesellschaft machte ihn unwillig, und mit ihm allein, wenn er nicht spielen mochte, war gar nichts anzufangen. Uebrigcns

war sein Name, wenn

auch berühmt und verehrt, noch keineswegs

auf der Höhe der Anerkennung, die er seitdem erstiegen. (?!?) der hier zusammengeflossenen gemischten Menge erhielt sich italienische Leichtigkeit und Anmut vor deutschem Ernste unverkenn¬ bar vorherrschend. AIs Varnhagen dieses schrieb — lange nach Beethoven's Tode — muß ihm wohl Vieles aus der Kongreßzeit, namentlich in betreff

Ja,

Beethovens, aus dem Gedächtnis entschwunden sein. Denn die Berichte der mannigfachsten Augenzeugen jener Epoche entwarfen ein in jeder Beziehung anderes Bild von Beethoven. Das er¬

hellt auch aus der positiven Thatsache, daß die denselben Gegen¬ stand behandelnden Darstellungen Varnhagens im 8 . Bande der Denkwürdigkeiten, den seine Nichte Ludmilla Assing nach seinem Tode veröffentlichte, das gesellschaftliche Leben Wiens nicht uner¬ heblich anders zeichnen. So bildet hier die reizvolle Gräfin

Eleonore von Fuchs,

*) Prinz Louis Ferdinand war persönlich mit Beethoven bekannt; als Beethoven 1796 in Berlin war, lernten sie sich kennen und hoch¬ schätzen; in Wien 1803 ward der freundschaftliche Verkehr fortgesetzt. Beethoven widmete dem genialen Prinzen und Künstler sein pathetisches Klavierkonzert in C-moll (op. 37.)

Gräfin von Gallenberg,

Mittelpunkt der hohen Gesellschaft. Als Ver¬ ehrerin der Beethoven'schen Muse ist dort der Kultus Beethoven's ein selbstverständlicher. Die Gesellschaft beehrte die schöne Gräfin Fuchs mit dem Ehrennamen „König! n". Eine einzige, Beethoven mitberücksichtigende Stelle aus jenen Schilderungen Varnhagen's mag dem Leser vorgeführt werden. „In unserm Kreise der, Königin' — schreibt derselbe (Denkwürdigkeiten, VIII p. 52) — hatten sich besonderen

einen

allerlei gesellschaftliche Talente aufgethan; die Musik in allen ihren Zweigen, von der meisterhaften Ausführung Beethoven'scher Sonaten bis zum volksmäßigen Vortrag throlischcr und steicrmärkischcr Lieder, lieferte die reichsten Gaben; ebensowenig fehlte es an zeichnenden Talenten; launige Skizzen und Einfälle, Bildnisse, Landschaften bereicherten die Albums, die in allen Formaten auf den Tischen umherlagen; ein Gemisch von

Bildung und Natürlich¬

wie man es nur in Oesterreich findet, lieferte die artigsten Erzählungen, Scherze des Nachahmens, den verzeihlichsten Muth¬ willen; nur eine Art der Unterhaltung, die im nördlichen Deutsch¬ land bis zur Plage sich aufdringt, und die auch immer das Zeichen eines nothdürftigen Zustandes ist, das eigentliche Vorlesen, fand keit,

keinen

Raum." —

IV. Zur besseren Entkräftigung mancher seltsamer Behauptungen über Beethoven's künstlerische Stellung während der Kongreßzeit 1814—1815, wie wir sie soeben durch Varnhagens Mund gelernt haben, sollen noch auch andere Augenzeugen all Zunächst jener Vorgänge hier ein wenig zu Worte kommen. Freund langjährige und Anton Schindler, der Biograph versichert uns Beethoven's. Ueber das Jahr 1814 im allgemeinen Lebensgeschichte in der dieses gestaltet sich (Jahr) derselbe*): „Es Beethoven's unstreitig als das glanzvollste, denn wir sehen den Tondichter sich auf die höchste Spitze seines Ruhmes erheben; nebst¬ kennen

— bei ist es aber auch in materieller Hinsicht das lukrativste." war jenen Beethoven'sche Kunst in Unter allen Ehrentagen für die Kongreßzeiten der 29. November 1814 der ausgezeichnetste. Beide, Varnhagen und seine Rahel, sind ebenfalls in Wien anwesend; allein sie bewahren ein unverbrüchliches Todesschweigen über all jene künstlerischen Großthaten Beethoven's in jenen Tagen.

Hören

wir nun Schindler

noch

ein

wenig

über

jenen

29. November 1814 reden: „Indessen" — schreibt derselbe**) — „alle in Jahrcsftist, und wohl darf behauptet werden, während der ganzen Künstlerlaufbahn unserm Meister widerfahrenen Ehren wurden durch die Erlebnisse am 29. November desselben Jahres (ge. 1814) überboten. Die großen politischen Ereignisse, welche fast alle europäische Monarchen zu einem Kongresse in Wien zu¬ sammengeführt hatten, wirkten wesentlich mit, um diesen 29. Noveniber zu dem Tag des höchsten Glanzes und Ruhmes zu gestalten,

den ein Künstler, wie Beethoven erleben konnte."

Steine und Steinsägen in der Mark Brandenburg. Wenden wir uns endlich der Neumark zu! Auch hier begegnet uns eine Menge von kolossalen Granitgeschieben, welche die Sage mit ihren immergrünen Maien geschmückt hat. Es weist auf jenen

geborene

(Schluß.)

Gottesdienst zurück, welcher einst an diesen Riesensteinen gehalten worden ist, wenn ehedem die Bewohner von Wubieser und die Morincr das Ostcrwasscr einem Fließe entnahmen, welches unter einem nun verschwundenen Steine in der Nähe von Morin hervorquoll. Hier in der Umgebung von Morin und Butterfelde stehen wir wieder *) Biographie von Ludwig van Beethoven, **) A. n. O. I, p. 197/198.

III. Aust., Band I, p.

193.

37

auf gleich heiligem Buden wie im „Hansjochen- Winkel" der Altmark, nur daß in dem letzteren die Longobarden, hier wahr¬ scheinlich die Burgundionen ihren alten Göttern geopfert haben. Wir müssen hier daher einen Augenblick länger verweilen. „Morin" bedeutet wahrscheinlich Stätte der Geopferten, „Butter¬ felde" Feld des Gebetes. Die Deutschen gründeten hier ihre erste Burg, ihre erste Kirche, ihre erste Münzstätte im Lande über der Oder. . Es muß Hierselbst einst ein ungeheurer Vorrath von heiligen Steinen vorhanden gewesen sein. Was ist allein an den Mauern und Thürnien, was an der Kirche von Morin verbaut worden! Doch nun zu den Einzelnen! Auf dem „Siebcnbrüderbcrge" bei Morin standen einst sieben große Granitblöcke. Sie galten der Sage für sieben, zu Stein verwandelte Knaben, welche im Uebermuthe Brot und Käse geschändet hatten. Sie haben, so sagt man, die Gottesgabe gepeitscht oder sonst wie verunehrt; da ist Blut aus den Lebensmitteln hervorgequollen; sie aber sind zu Stein ge¬ worden. Andere Findlinge, welche hier zu Tage lagen, hießen einst „Teufelssteine"; auf einem derselben merkte man des „Teufels

|

!

Burg die Heiderosen; tief unten blaut der herrliche See, dessen Mitte wie ein blitzender Stahlschild erscheint, und drüben vom andem Ufer grüßen die Baumgruppen von Guhden herüber. Ob

„Wodan" erinnert? Zeit ist von den allgeheiligten Blöcken von Morin gar Manches verschwunden. Sind wir recht berichtet^ so der letztere Name an

In

der neuesten

Denke, lieber Leser, Etzel; „Etzel" soll hier so¬ an König indessen nicht Namen bei diesem „Knapphans" in einst ein War nämlich „Nösel". wie viel bedeuten Flüssigkeiten ver¬ er schenkte, wenn der Kaufmann; Morin, ein ist der „Etzelstein" indessen noch vorhanden.

schönen Tags derBetrügers ein Loch in Böse und drückte mit den Stein, welches ein volles Nösel faßt. „So, jetzt weißt Du, was richtig Maß ist!" sprach der Teufel. „Hüte Dich vor mir!" In gleicher Weise erinnert der „Teufelsstein" bei Neetz a» Satanas holte sie heim; bei jenem eine betrügerische Krügerin. aus, und sein höllisches Ingesinde ihr ruhte mit aber er Steine tanzte vor Freuden oben auf dem Steine herum. Daher die

kaufte, nie volles

Maß; d'rum faßte ihn eines dem Ellenbogen des

j

Dir Commandantur

zu

Srrlin

im früheren Zustande.

napfförmige Vertiefung, in welcher „des Teufels Großmutter" das Essen kochte, auf einem andern Blocke „des Teufels Sattel und Steigbügel". Auf diesem Blocke ritt Satan Ein dritter Stein hieß „des gewöhnlich zur Walpurgisnacht. Teufels Lehnstuhl", ein vierter „des Teufels Angel-Sitz". Weiter¬ hin gegen Zehden zu lag ein Näpfchenstein: „des Teufels Kegelbrett"; noch andere Blöcke zeigten die Eindrücke eines Kuhfußes oder die Fußtapfen von Löwe und Hund. Auf seinem AngelSommernächten Sitze dicht am See weilt in warmen, inondenklaren „den der Teufel noch heut und wirft die Schnur aus. Ob er die damit großen Krebs" aus dem Mariner See hervorholen will,

Pfanne",

eine

Welt untergehe? — Die hohe Heiligkeit und Bedeutsamkeit des Bezirkes von Morin erscheint uns damit zur Genüge erwiesen. Und fürwahr! Die alten Burgundionen konnten keine schönere Stätte zum Göttersitze erwählen. Das erkennt ein Jeder, der einmal auf der alten Warte hier hoch über dem See gestanden hat! Hier um uns auf dem Burgwalle blühen uin die Neste der deutschen

mannigfachen Eindrücke auf demselben, unter welchen ein Roßhuf besonders dcullich hervortritt. Viele, viele andere Steine der Neumark zeigen Kuh- und Hundctrappen, und der Landmann der Umgebung weiß selbst nicht mehr recht, was diese Zeichen bedeuten sollen. Doch wir wollen zum Schluffe nur noch von einem historisch und einem christlich¬

religiös

geweihten Steine sprechen. Bei Zellin a. d. Oder liegt nach den Mittheilungen Handtmanns ein großer Stein; — am Bärwalder Wege zwischen Schützcnhaus und Ziegelei erblickt man ihn noch heut. Zellin aber war einst ein Gut des Mörnerschen Geschlechts. Oft soll noch

heut' bei diesem Steine daher der Schatten jenes heldenmüthigen Obristen von Mörner erscheinen, der in der Fehrbelliner Schlacht im Einzelkampfe gegen den schwedischen Obristen Graf Wachtmeister fiel, nachdem er diesen gleichfalls tödtlich verwundet hatte. Von diesem Steine aus leitete Friedrich der Große der Sage nach vor¬ der Zorndorfcr Schlacht die Bewegungen seiner Truppen.

Doch auch

38 Unheimliches ist bei dem Stein geschehen. Der Enkel des edlen Ritters Mörner von Fehrbellin war ein durchaus entarteter Gesell; im „Siebenjähr'gcn" blieb er faul und feig zu Hause und nach

langen Sündenleben richtete ihn der am Mörnerstcine; man traf den Unwürdigen mit zerbrochenem Genicke an. Bei dem Weiler Rüdnitz endlich, einem dorfe unweit von Zehden, liegt ein Block, einem

eines

schönen,

zartgeformten Menschenfußes

eigene, herrliche

Ahn

eines Morgens dort

Schiffer- und Fischer¬ ivelcher den Eindruck

an

sich

trägt.

Das

Landvolk aber behauptet: Ganz ebenso schildern und zeichnen die Reisebücher über das heilige Land den Eindruck des Fußes unseres Herrn Jesu Christi auf dem Oelberge, von welchem er gen Himmel gefahren.— Hier schließen wir unsere Unischau. Wenn wir die Resultate derselben kurz zusanunenfassen, so ergiebt sich uns das Folgende:

Alle merkwürdigen Steingebilde der Mark, mögen es einzelne es Steinkonstruktionen, sein, — mögen sie durch Größe, mögen sie durch auffällige Merkmale hervorragen, — gelten Blöcke, mögen

dem Volke der

und

In den Steinsetzungen erblickt man im Allgemeinen Held eir¬ Königsgräber; die gezeichneten Steine werden als Opfer-

steine ist

Mark für geweiht.

Das Merkmal der gezeichneten Steine Trappe. Weitaus am häufigsten erscheint die

zu betrachten sein.

fast stets

eine

Roß trappe.

Das Zeichen weist unzweifelhaft auf den Wodans¬ alten, die Mark einst bewohnenden deutschen Stämme der Langobarden, suedischen Semnonen und Burgundionen hin. Das Wendenthum verwischte den Charakter der Heiligkeit unserer großen Steine nicht. Als aber die Bekehrung zum Christenthumc durchgeführt war, wurden die uralt-heiligen Steine zum größten Theile Teufels st eine. Auch der Glaube des märkischen Volkes kennt ferner wie der der Alpenbewohner die plötzliche, über schwere Sünde verhängte dienst der

Strafe

der „Versteinerung". Bei genauer Durchsicht des Sagenmaterials ließe sie sich im Einzelnen vielleicht für die Üebertrctung eines jedweden Gebotes nachweisen. Aus Erbarmen läßt die Gottheit ein „Zu-Stein-Werden" nur höchst selten eintreten. Die Bedeutung der Steine als Mal-, Weg- oder Gerichts¬ zeichen ist fast völlig in unsmn heutigen Landvolke vergessen. Auch geschichtliche Ereignisse werden mit den großen Steinen der Mark nur höchst selten verknüpft. Gleichwohl ist cs eine Fülle von

Poesie, welche diese Malzeichen der Mark umzieht. Die Riesenund Göttersage umrankt sie; am lautesten aber zeugen die von ihnen umgehenden Sagen von dem tiefen Gefühl für Recht

Sittlichkeit,

und

welches unserm Volke

eigen ist.

— Gott Lob! — noch Oskar Schwebet.

Misccllcn. K. Hh. Kellner. (Mit Portrait.) Der Literarhistoriker Hermann Hettner, dessen Bedeutung für die weitesten Kreise auf seiner werth¬ vollen Literaturgeschichte des XVIII. Jahrhunderts besteht, hat auch auf dem

Gebiete des Dramas (das moderne Drama 1852) und der Malerei sich verdient gemacht. Seine Schriften: die „neapolitanischen Malerschulen", die romantische Schule im Zusammenhang mit Schiller und Goethe ge¬ hören zu den gediegensten Werken ihrer Art. Er studirte in Berlin, Halle und Heidelberg Philologie, bereiste mehrere Jahre lang Italien, wurde von Heidelberg nach Jena berufen und ward 1855 Direktor der Antikensammlung zu Dresden. Nach langem segensreichen Wirken auch als Professor der Kunstgeschichte am Polytechnikum zu Dresden, starb er 29. Mai 1882. (* Leipersdorf 12. März 1821.)

-

Prediger Aacqncs ^eiifanl. (Mit Portrait.) Mit Abbadie, Ancillon, Bcausobre und andere» bedeutenden Männern der französischen Kolonie kam auch der gelehrte Theologe und Historiker Jacques Leufant mit der ersten Einwanderung der Nefugirten nach Brandenburg. Er lvird 1689 als der siebente in der Reihe der Berliner französischen Geistlichen aufgeführt. Während seines vierzigjährigen Wirkens als Lehrer und Prediger ist er in hervorragender Weise zum Besten seiner Gemeinde thätig gewesen, so daß man aus Dankbarkeit auf dem Wendling'schen Bilde der Schenkung des Hospitalgrundstücks durch Kurfürstin Dorothea (im neuen Hospital) einem der Köpfe seine Züge gegeben hat. Vor Allem war er als tüchtiger Redner bekannt, weshalb er auf Anordnung und in Gegenwart Friedrichs I. am 1. März 1705 die Rede bei der Ein¬ weihung der französischen Kirche auf der Friedrichstadt halten mußte. Auch die Einweihungsrede für das französische Waisenhaus (am 31. Mai 1725) hielt Jacques Lenfant. Um das Schulwesen hat er sich als In¬ spektor des französischen Gymnasiums (collcge) seit 1690 verdient gemacht. Daß er auch außerhalb Berlins thätig war, beweist eine Traueintragung in der Schloßkapelle zu Köpenick, die dort seinen Namen im Jahre 1696 aufbewahrt. — Er wirkte 1715— 1728 als Prediger der Werderschen Kirche. Lenfant war geboren den 13. April 1661; er starb in einem Alter von 67 Jahren am 7. August 1728. —

(Mit

Ansicht.) Das erste auf dem Friedrichs-Werder erbaute Haus ivar dasjenige bei der westlichen Seite der Hundebrücke, das der große Kurfürst 1653 seinem Baumeister und Ingenieur MemHardt zum Geschenk gemacht hatte. Dem Aufträge, diesen neue» Stadttheil anzulegen, unterzog sich dieser steißige Baumeister, der 1652 einen Plan von Berlin zeichnete, mit solchem Eifer, daß er einige Jahre nach der Privilegiumsertheilung in diesem Stadttheil (10. November 1660) zum Bürgermeister gewählt wurde (1669). Das Haus, daß im Wesentlichen bis ins neunzehnte Jahrhundert hinein unverändert blieb, hieß anno 1786 das Cammanische Haus. Zu¬ erst im Jahre 1802 und nachher im Jahre 1874 wurde cs einem Neu- und Es enthält Umbau, seinen jetzigen Zlveckcn entsprechend, unterzogen. außer zahlreichen Bureaus die Dieustwohnung des Kommandanten. Das Gebäude hat im I. Stock an der Südostccke u. Li. ein Fenster, das des¬ wegen interessant ist, weil von dort aus die Höchste» Herrschaften den Enthiillungsfeierlichkeitcn der auf dem Schinkclplatz stehenden Denkmäler von Beuth, Thaer und Schinkel beizuwohnen pflegten. Das Original unserer Abbildung ist für Spiekers „Berlin im XIX. Jahrhundert" ge¬ zeichnet worden.

Die Kommandantur an der Schkoßbrücke.

Akte Zwstzettek über Pakete. Herr Mielentz in Zehlendorf legt uns folgenden Postzettel vom Jahre 1769 vor. „Daß dato ein Verschlag in wachst, dl. v. 11. sign, worin zwey Original-Dokumente sein sollen nach Colberg- an H. v. Rüde in hiesigem Post - Hause, wohl eingeliefert worden, attestiret hiermit. Wittstock, den 8. Mai 1769. K. P. Ch. Postamt. 99 7 L' J« Löchner."

//

"

Schneller Geschäftsgang unter dem großen Kurfürsten. Der Hauptmann des Klosters Heiliggrabe berichtete am 30. August 1686 an den Kurfürsten, daß zwei Unterthanen des Klosters pflichtwidrig ihrem Dienst entlaufen seien, daß aber der Landreuter sich weigere die Er¬ mittelung und Zurückführung der Ausgerissenen auf sich zu nehmen. Der Eine hieß Hans Schwehder, Einlieger in Dargenthien bei Perleberg, und Joachini Stein damals in Betkin. Der Hauptmann Reimar Christian von Kahrstedt verlangt nun die Zurückführung auf Grund der Kurfürst!. Gesinde¬ ordnung von 1683 Tit. IV. ß 2. Die Antwort des Kurfürsten Friedrich, wodurch die Obrigkeiten zu Dargenthien und Betkin zum Bericht in der Sache aufgefordert werden, ist schon am 4. September in Potsdam unterzeichnet. (Das im privaten Besitz befindliche Aktenstück hat ein sehr schönes Wasserzeichen; ein Ritter in schwedischer Tracht mit Federhut, Degen, bauschigen Kniehosen reicht mit der Linken einer Dame ein Glas hin, während diese ihin eine Blume darbringt. Die Dame hat ein festliches, in steifen Falten herunterfallendes Getvand, darüber einen jackcnartigen Ueberwurf. Zwischen Beiden wächst eine Lilie. Die Unter¬ schrift lautet Almode-Papier.)

Kin Mies Friedrichs

des

Kroßen.

Rach der Schlacht bei

Soor

im zweiten schlesischen Kriege, in welcher österreichische Husaren des Königs Bagage plünderten, schrieb Friedrich der Große an seinen treuen Kämmerier Fredersdorf, welcher krankheitshalber in Berlin zurückgeblieben war, folgenden Brief: „Denke dihr wie Wihr uns geschlagen haben, 18 gegen 50! Meine ganze Equipage zum Teufel. Anemarie ist thod ge¬ hauen, der Champion und die Biche Windspieles auch thod gehauen, Eichel, Müller und Lesser sind noch nicht ausgefunden. Wenn das Un¬ Der glück einmal lvill, dann fällt cs einem allemal auf den Hals. Köppe» muß mihr 10,000 Thaler schicken. Wehrstu hier gewesen, ich hätte gewiß nichts vcrlohren, aber du kennst den dummen Rietze», der sich garnicht zu helfen weih, und ich hatte so gefährliche Umstände auf den Hals, das ich unmöglich daran denken konnte. Nun ist die Campagne gewiß vorbei und ich werde sie endigen können, wenn es Mihr gefällt. solcher großen Ge¬ Sei du nur geruhig; helsfe der Himmel weiter. fahr und Noht bin ich meine thage nicht geweßen, als de» 30sten und bin doch herausgekommen. Gott bewahre dir. Mache doch meine Sachen O. T. all in Berlin, wie ich sie haben lvill und werde gesund."

In

Fürstliche Schreibe». Als Zeichen des alten deutschen Biedersinns und des herzlichen Zutrauens stellen sich die Briefe von drei brandenburgischcn Regenten aus dem 15ten und 16ten Jahrhundert dar. Die¬ selben, wörtlich aus dem Plattdeutschen ins Hochdeutsche übersetzt, sind an den Magistrat zu Brandenburg gerichtet und befinden sich daselbst iin rath¬ häuslichen Archiv. Der erste betrifft ein Massenaufgebot, der zweite eine 'mit einem Auge und der dritte einen Vor¬ Vertauschung eines Pferdes spann.

39

I. Friedrich von Gottes Gnaden, Markgraf zu Brandenburg. Unsern Gruß zuvor. Liebe Getreue. Wir bitten Euch recht sehr, uns'auf diesen unsern schriftlichen Befehl, mit allen Geräthschaften versehen, die Mann¬ schaft, die ihr aufbringen könnt, zu Pferde und zu Fuß, zu Wagen mit Harnisch und Büchsen zu schicken, damit sie mit uns reise» und uns in der Noth bcistehen mögen. Cölln an der Spree, in der Mittwoch an Ostern heiligen Tage» 1456. Friedrich. II. Friedrich von Gottes Gnaden re. Unsern Gruß zuvor. Liebe Getreue. Wir- danken Euch für die Pferde, so Ihr uns geliehen habt und senden sie Euch durch Ueberbringer dieses Briefes zurück. Da nur nun erfahren haben, daß Ihr das Pferd mit einem Auge vertauschen oder verkaufen wollt, so bitten wir Euch aufs inständigste, daß Ihr uns dieses Pferd ablassen und dagegen das Pferd, welches Ueberbringer dieses Briefes mit sich bringet, annehmen wollet. Falls Euer Pferd besser als das unsrige sein sollte, so wollen Wir Uns wohl deshalb mit einander ab¬ finden, und versagt Ihr Uns Unsere Bitte nicht, so werde» Wir das mit Dank und Gnade erkennen. Berlin, den Freitag nach Jnnocent 1554. Friedrich. v III. Johann Georg von Gottes Gnaden rc. Unsern Gruß zuvor. Liebe Getreue. Nachdem Wir vermittelst göttlicher Verleihung Unsern freundlichen geliebten Sohn Markgraf Christian auf die Königliche Krönung in Dänemark, welche auf den nächsten Bartholomäustag zu Kopenhagen als dem Königlichen Hoflager angeordnet und gehalten werden soll, neben etlichen Grafen und vornehmen Landjunkern abzuschicken gemeinet und entschlossen und desfalls Eurer Richtwagen und Pferde be¬ dürftig; so befehlen Wir Euch hiermit. Uns einen neuen Rüstwagcn mit vier guten starken und tauglichen Pferden für Unsern Sohn und die Herren und einen mit Ochsen für dessen Dienerschaft, zu senden. Auch die Knechte mit guter schwarzer Kleidung und die Pferde mit gehörigen Zeugen dermaßen auszustaffieren, damit man damit ehrlich bestehen könne. Cöln an der Spree, den 25"» Juni 1596. Johann George. Als Anhang sei noch ein Brief erwähnt, der aus der Mitte des sechzehnten Jahrhunderts datirt, «ine» Büchsenmacher in Nürnberg zum Verfasser hat, und der sich im Archiv zu Berlin befindet: Guten Tag! Herr Markgraf. Eure Büchse ist fertig; schickt Ihr ich Euch die Büchse; schickt Ihr mir das Geld die Büchse nicht. Hiermit Gott befohlen! Man kann in der That nicht bestimmter und nach de» heutigen Begriffen unbescheidener schreiben als jener Büchsenmacher; und doch weiß man, daß der Markgraf über diesen Brief durchaus nicht empfindlich A. Btz. wurde, sonder» ihm das Geld sofort senden ließ.

mir

das Geld,

niicht,

Im

so

schicke

so schicke ich Euch

Wie dem alten Alücher seine Wecrschaumpfeise konfisziert wurde.

Jahre 1816 folgte der alte Blücher einer Einladung des Grasen

Auf dieser Reise begegnete ihm, „nachdem er an der Dobberaner Bank viel Geld verspielt hatte," zu Teterow — im Volks-' munde das Abdera Mecklenburgs (übrigens sehr mit Unrecht) — ein lustiges Abenteuer. Alle Orte, durch, welche ihn sein Weg führte, beeilten sich, dem heldenhaften Landsniann einen feierlichen Empfang zu bereiten. Auch die gute Stadt Teterow hatte sich zu diesem Zwecke geschmückt, und in vorsorglicher Weise bei den Scheunen der Vorstadt ge» Güstrow zu Plessen nach Jvenak.

die Ankunft Sr. Durchlaucht des Feld¬ marschalls und Fürsten siqnalisiren sollte. Endlich kam eine einfache zweispännige Kalesche angefahren, worin sich zwei alte Herren in ordinärem Anzüge befanden, von welchen einer aus einer Meerschaumpfeife heftig Bei und zwischen den Scheunen zu rauchen, ging gegen die rauchte. Teterower Moral. Dem entsprechend hielt die Wache die Kutsche an und bemerkte dem greisen Raucher: „Wer hier zwischen de» Scheunen raucht, eine Wache aufgestellt, welche

Pfeife." — „Wirklich?

Na, da habt ihr sie. Eine sagt lachend der alte Herr und fährt mit seinem Begleiter weiter und kommt dann ohne weitere An¬ fechtung durch Teterow und »ach Jvenak. Doch bald nach der Pfeifen¬ dem kostet es die

mir!"

merkwürdige Geschichte, Gott straf'

konfiskation kommt ein Packwagen mit Dienerschaft angefahren. Die Diener fragen die Wache: „Haben Se. Durchlaucht hier nicht angehalten!" — „Se. Durchlaucht?" fragt die Wache verdutzt. „Wir haben weit und breit keine Durchlaucht gesehen." — „Ei, was? Hier ist doch ei» alter Herr in einem Kutschwagen vorbeigekommen, der eine Meerschaunipfeife rauchte und so und so gekleidet war?" — „Wär' es die Möglichkeit? Das wäre de old Blüchert gewesen? Herrgott die Blamage! Da möchte man nun gerade des Teufels werden!" —■ Bald darnach sendete die Stadtobrigkeit von Teterow eine Gesandtschaft nach Jvenak, welche den Auf¬ trag hatte, die konfiszirte Meerschaumpfeife — (auf einem Sammetkissen) — ihrem Eigenthümer zurückzustellen, der aber die Zurücknahme mit den Worten verweigerte: „Wat mal futsch ist, det nehm' ich »ich wieder!" 0. F.

Die Zffeiffer'sche Schule. Mit der Frage: „Du bist wohl bei Pfeiffer» in die Schule gegangen?" wurde vor fünfzig Jahren etwa auf das geringe Wissen angespielt, das in der Privatschule des Vorstehers Pfeiffer, in der Markgrafcnstraße, gegenüber dem Kammergericht (1825 bis 1829) erworben wurde. Bei der Uebernahme der Schule durch die Stadt wurde sie nach Lindenstraße 7 (j. Ecke der Neuenburgerstraße) ver¬ legt und verblieb unter der Leitung Pfeiffers, als Hauptlehrer. Die Redensart, die sicher einen ironischen Beigeschmack hat, bezicht sich demnach auf die ältere Anstalt, in welcher das Durchprügeln ein Hauptbildungs¬ mittel gewesen sein soll. Da Pfeiffer für mehr denn zwölfjährige Knaben auch eine Abendschule abhielt, kommt noch die Redensart vor: „Bei Pfeiffer» in die Abendschule gegangen." Einige wollen dieser letzteren Redensart einen günstigen, anerkennenden Sinn beilegen, was aber der A. B. Sitte des Volksmundes nicht entspricht.

Inhalt: Gedenktage. — Antonio Romani, nach der Erzählung einer Großtante von Fr. Katt (Schluß). — Feuilleton: Die Stamm¬ bevölkerung der Mark Brandenburg, von llr. Ulrich Jahn (II). — WieHerzberg Kurator der Akademie wurde, von C. Trog; Beethoven und der Varnhagen-Rahel'sche Kreis, von Alfred Kalischer; Steine und Steinsägen in der Mark Brandenburg, von Oskar Schwebet. — Miscellen: H. Th. Hettner (mit Portrait); Prediger Jacques Lenfant (mit Portrait); Die alte Kommandantur an der Schloßbrücke (mit Ansicht); Alte Postzettel über Pakete; Schneller Geschäftsgang unter dem großen Kurfürsten; Ein Brief Friedrichs des Großen; Fürstliche Schreiben; Wie dem alten Blücher seine Meerschaumpfeife konfiszirt wurde; Die Pfeiffer'sche Schule. — Inserate.

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Line Chronik für's Haus Erscheint wöchentlich am Sonnabend und ist durch alle Buchhandlungen, Zcitungsspeditionen und postanstaltcn für 2 Mark Ist Pf. vierteljährlich zu beziehen- — Jm Postzeitungs-Latalog eingetragen unter Nr. 2485. den 22. Oktober 1887. Berlin W. in Verlag von Gebrüder Pactcl Nr. 4.

XIV. Jahrgang.

Nachdruck verboten. Gesetz v. ir. VI. 7v.

Gedenktage. 22. 28. 24. 25. 26.

Oktober Oktober Oktober Oktober Oktober

1815. 1803. 1648. 1868. 1757.

Vierhundcrtj.Regiernngsjubilänin d.Hohcnzollern. Lortzing * Berlin (f 21. Jan. 1851).

Gustav Alb.

Abschluß des Westfälischen Friedens.

j i

Maler Eduard Hildebrandt-j-Berlin (* 9. Sept. 1817). Heinr. Friedr. Carl Freiherr v. Stein * Nassau.

'■

26. 27. 28. 29. 29.

Oktober Oktober Oktober Oktober Oktober

1800. 1870. 1870. 1685. 1830.

Generalfeldinarschall

Kapitulation der

Graf von Moltkc *

Parchim.

französischen Festung Meß.

Kronprinz Friedrich Wilhelm Generalfeldmarschall.

Des Großen Kurfürsten Edikt von Potsdam. Augenarzt Professor Carl Schiveigger * Halle.

Die Jungfrau van Metz. Roman von Oskar Schwebet.

I. Der Maientag des Jahres 1436 war in der „edlen" Stadt Metz, wie die Bürger des rcichsstädtischcn Gemeinwesens einst in stolzem Selbstgefühle ihre Vater¬ stadt nannten, nach gewohnter Weise fest¬

Derselbe sollte ein Werkeltag und doch ward er es nicht recht. Denn noch immer durchklang ein Nach¬ hall der Festesfreude die edle Stadt, und

Jnng und Alt begangen worden. ivar am frühen Morgen des lieblichen Tages nach der Quelle „Bonne Fontaine devant les Fonts“ hinausgezogen; der Becher mit dem eisenhaltigen Naß des be¬

geboren.

lich

sein;

wiederum füllten sich die Plätze bei den Kirchen mit »der geschmückten Jugend von Metz, niit singenden Patrizicrsöhnen und jubelnden Zunftknappen, mit reihenweise und Bürgcrtöchtern ziehenden einher

und blnmengeschmückten Bornes hatte die Runde gemacht in der fröhlichen Schaar. Dann war der „Maigraf" er¬

kränzten

koren worden;

— ans einem der geweihten

Mägden.

Quelle nahe gelegenen Felde hatte er Ritterspiele abgehalten und den Siegern den schlichten, nur aus einem grünen Laub¬ kranze bestehenden „Dank" znerthcilt. In die

Stadt

Plätze.

Als

gebrochen

öffentlichen

Auch zwischen der Kathedrale und dem Stadthause ivogte die Menge am Morgen des 2 . Mai 1436 noch immer hin und Hier wollten die Söhne zweier her. Paraigengeschlechter, d. h. zweier ritterlicher

die Dämmerung aber herein¬

Patrizierfamilien von Metz, ein Baudoche

zurückgekehrt,

Festgenossen

Dann freilich war die taute Lust und Fröhlichkeit zur Ruhe gegangen; — für einige kurze Stunden hatte die Nacht ihren Sternenmantel über die blühende Welt gebreitet. Die Dämmerung des Morgens stieg herauf; in rosiger Schöne wurde der junge Tag

dann

über

ergossen sich

die

die

und ein Desch,

war, hatte man mächtige Freuden¬

feuer entzündet.

In ausgelassener Lust hatte

einen

Streit ausfechtcn,

welchen der Maientag selbst noch unent¬ Wie hier, so standen

schieden gelassen hatte.

die Jugend ihre Reigen um die aufwirbeln¬

dicht gedrängt die Volksmassen auch auf dem undbiszurMittcrLhodowircki. Danict Blodctrachlcn von altgewohnten Festplatze der „Pompiers" nacht war zu dem Becherklingen und Klirren ttadiUement de Gala. 2. de parade. !!. de Campagnard. oder der „Tonnclicrs", der Böttcher, an unter den offenen, mit frischem Waldesgrün 4. de Kenomniistc. der Ecke der „Fonrnirue", der „Rnc Taisvn" geschmückten Lauben der jauchzende Ruf er¬ und des „Plat d'Etain". Hier that das ehrsame Gewerk „8'nt lo niaye 6 ini inaye, schollen: seinen Morgentrunk, und die maitres und die valels-tonneliers S’at lo joli niois de maye, trieben die althergebrachten Scherze mit ihren geschworenen S’at lo Trhnazö!“ —*) den Flammen geschlungen,

4

*) Das ist der Mai! O holder Mai! Lieblichster Monat

des Lenzes!

Freundinnen, den Dienstmädchen der nächsten Straßen, welche.

/

42 Wie stets, so auch

in

diesem

Jahre der allbeliebten Zunft den

Platz ihrer Festeslust zierlich bekränzt hatten. Prächtig geschmückt waren im Schatten der hehren Kathe¬ drale auch die beiden Patriziersöhne soeben in die Schrankeil eingeritten, um ihre Lanzen im scharfen Rennen gegen einander zu erproben; da erschien hoch zu Rosse plötzlich der Wächter

„Lug' in's Land", des festen Thurmes auf dem „Grangeaux-Ormes“, dem „Ulmenvorwerke" vor der Stadt, nahe bei dem Kirchlein St. Privat. Er versuchte sich einen Weg durch des

bahnen, um zu dem Portale des Stadthauses hast Du's so eilig, Meister Peter?" fragte ihn ein behäbiger Gerbermeister. „'S ist heut doch keine Zeit zu Geschäften! Ich habe noch keinen andern der Dreizehner zum die Menge

zu gelangen.

511

„Was

Rathhaus gehen sehen, als Herrn Nicole Louve, unsern uner¬ müdlichen Schöffenmcister, welchen Gott segnen »volle." „Und eben den will ich sprechen, Meister Theobald!" sprach der Thurmwächter.

Peter?" „Große Zeichen und Wunder, Herr Gevatter. Die Jung¬

„Was

ist geschehen, Meister

frau von Orleans, die Pucelle, lebt; so wahr mir Gott helfe! Sie weilt auf der Grairge-aux-Ormoa ; sie selbst hat mich zu Sir Nicole Louve gesendet!" — Dort drüben

krachten eben die Speere;

Hauses Baudoche ivankte im

Sattel; aber

er

der

Sohn

des

war noch nicht

(Keitilteton.) Berliner gesellige vereine. des weltstädtischen Lebens und Treibens, dem die Hast als ein merklicher Stempel gleichsam aufgedrückt zu sein scheint, nimmt es keineswegs Wunder, wenn der Mensch, das seiner Natur »ach gesellige Wesen, nach Stätten sucht, wo jenes „Erlisten, Erraffen", jenes „Wetten und Wagen" ans einen Augenblick unterbrochen wird. Der Engländer fühlt sich dann bei seinem Oignet und Foot-ball wohl, der Deutsche will cs aber »och heimischer haben; ganz so, wie es zu Hause, soll es überall sein, und darum eben sucht er sich mit denen zu vereinigen, welche cttva mit ihm aus demselben Lande, ans demselben Orte, ja mit ihm aus demselben Bezirke sind: mit ihnen schließt er sich zusammen zu Vereinen, die, jeder vielleicht von anderen Interessen und Absichten geleitet, dennoch sich in ihrer eigentlichen Art, der Geselligkeit, wiederum zusammenfügen. Daß gerade die Deutschen in hervorragender Weise für Geselligkeit zu¬ gänglich sind, beweist schon die ^>lte Redensart, daß, wenn sich zivei Deutsche im Auslande zusammenfinden, ihr erstes Werk ist, einen Verein zu gründe». Die Großstadt ist nun eigentlich nicht der rechte Boden für das Emporwachsen geselliger Vereine, denn „Jeder treibt sich an dem andern rasch und fremd vorüber" und cmpstndet hier weniger das Be¬ dürfniß geselligen Verkehrs, wie in der kleinen. Nichts an sonstigen Ver¬ gnügungen bietenden Stadt; und doch scheint Berlin hierin eine Ausnahme zu machen, den» Hunderte von Vereinen bestehen hier, in denen die Mitglieder durch keinen anderen Zweck, als den der Geselligkeit, verbunden werden. Das Berliner Vereinsleben hat bereits eine nicht zu unterschätzende Geschichte -hinter sich. Schon in der zweiten Hälfte des vorigen Jahr¬ hunderts gab cö in der prcnßischc» Hauptstadt verschiedene Klubs, in denen namentlich die Vertreter der besseren Stände Abends zusammenkamen, um in zwangloser, heiterer Unterhaltung die Ereignisse des Tages zu be¬ sprechen und freundschaftliche Beziehungen mit ihren Gesinnungsgenossen anzuknüpfen. Einige dieser Vereine haben eine gewisse Berühmtheit in der Berliner Geschichte erlangt, wie beispielsweise der sogenannte „Montags¬ klub", der, im Jahre 1748 gegründet, die Blüthe der Geistcswelt Berlins in sich vereinte und bis tief ins 19. Jahrhundert bestanden hat. Mit¬ glieder aller gebildeten Klassen und Stände der damaligen Gesellschafts¬ kreise gehörten dem Montagsklub an und bewahrten die durchaus friedliche Tendenz dc§ Vereins, dessen Devise „Freundschaft und Freude, gewürzt durch eine heilere, frugale Mahlzeit" lautete. . Auch die im Jahre 1795

Inmitten

gegründete „Mittwochsgesellschaft" erlangte ähnliche Berühmtheit. In der ersten Hälfte dieses Jahrhunderts nahm das Berliner VercinSlcben einen ungeahnten Aufschwung, der seinen Grund in der zu¬ nehmenden Vorliebe der Berliner Gesellschaft für Wissenschaft und Kunst hatte. Jeder bessere Bürger hielt eS für seine Ehrenpflicht, mindestens einem der zahlreichen wissenschaftlichen und künstlerischen Vereine, die zugleich auch geselligen Zwecken huldigten, als Mitglied anzugehören, und es giebt kaum eine andere Zeit als die der dreißiger und vierziger Jahre, welche eine größere Zahl derartiger schöngeistiger Gesellschaften auszuweisen gehabt hätte.

bügcllos geworden. Die beiden Kämpfer -schickten sich daher au, aus den Bügeln zu steigen xutb den Kampf zu Fuße mit den Schwertern fortzusetzen. Da erklang, von Meister Theo¬

balds kräftigen Lungen ausgebracht, urplötzlich der Ruf; „Heut ist nicht Zeit zu reiten und zu stechen! Hört's, Bürger, hört es: die Pucelle lebt! Hinaus zum Ulmen¬

vorwerke!" Die Männer von Metz hätten nicht eben „Messins“ sein müssen, wenn nicht der Ruf ihre ganze Aufmerksamkeit gefesselt und dieselbe von den beiden jugendlichen Helden der Paraigen abgeleitet hätte. In einem Augenblick sah der Meister Theo¬ bald sich daher von einer dichtgedrängten Menge umringt. Er zeigte auf den Thurmwart, welcher soeben vor dem Portale des Stadthauses abstieg, und erzählte, was er von diesem Manne Der Eindruck indessen, ivelchen die wundersame Kunde auf die Menge machte, war ein sehr ge¬ theilter. Hier lächelte ein wohlerfahrener Bürger und sprach: „Dergleichen haben wir oft gehört in den fünf Jahren,

soeben vernommen hatte.

Jungfrau aus dem ,alten Markte* zu Rouen verbrannt wurde! Stets aber hat sich das Gerücht von ihrem Wiedererscheinen als Lug und Trug er¬ wiesen. Was wird es anders sein auch diesmal? — D'rum fortgesetzt den Kampf! Glück auf Dir, Raimund von Bau¬ die nun verflossen sind,

doche!"

seitdem die



Jene Vereine, die zum Theil noch bestehen, haben das Fundament des Vereinslebens in unserer Stadt gegeben, jenes Vereinslebcns, das sich nach allen Seiten hin wahrhaft glänzend entwickelt hat. Die große Gruppe der Berliner geselligen Vereine läßt sich in drei Klaffen zerlegen, und zwar in reine gesellige Vereine, Vereine mit Kunstcharakter und Spielvereine. In den ersteren ist ein harmloses, fröhliches Geplauder mit Freunden und Bekannten der alleinige Zweck des Zusammenseins; man ver¬ gißt beim Glase Bier die Sorgen des Tages, tauscht seine Gedanken mit Gleichgesinnte» aus, lacht, scherzt und raisonnirt, bis endlich die vorgerückte Nachtstunde daran mahnt, das stille Heim aufzusuchen, um sich durch den wohl¬ thätigen Schlaf für die Arbeit des kommenden Tages zu stärken. Ab und zu lvird dieses Einerlei durch eine größere Festlichkeit, einen.Ball oder „Kränzchen", unterbrochen, bei der dann die Jüngeren bis zum frühen Morgen der leichtfüßigen Muse Terpsichore huldigen, und auch jener kleine Schelm mit dem Köcher und den nie versagenden Pfeilen fleißig seines Amtes ivaltet. Wie oft hat eine holde Maid bei einem solchen Feste den Pfeilschuß Amors in ihrem Herzen verspürt, wie so mancher Liebesbund ist auf dem glatten Boden des Tanzsaales im Schooße eines geselligen Vereins geschlossen worden und hat zu einem glücklichen Bund für das ganze Leben 'geführt! Daher erklärt sich auch die Anziehungskraft derartiger geselliger Vereine besonders auf solche Väter, denen der grundgütige Himmel eine stattliche Schaar heirathsfähiger Töchter beschieden hat, und so lange es solche giebt, ist auch die Existenz der geselligen Vereine

für die Gestaltung

gesichert.

Die zweite Klasse, die der Vereine mit Kunstcharakter, ist eine sehr weitverzweigte, denn es gehören zu ihr alle Musik-, Gesang-, Theater-, Concert- und Lesevereine, und welche künstlerischen Zwecke sie sonst noch verfolgen mögen. Hier haben wir also neben der Geselligkeit noch ein gewisses ideales Streben, ein Bedürfniß nach geistiger Unterhaltung, tvelches die einzelnen Angehörigen eines solchen Vereins mit einander verbindet und vertraut macht. Nicht in allen diesen Vereinen ist dem „Ewig Weiblichen" ein Thron errichtet, an dessen Stufen die männlichen Mitglieder ihre Huldigungen darbringen, vielmehr gehört zu dieser Klasse eine große Zahl von Vereinen, die nur von Männern gebildet sind und somit des familiäre» Charakters ganz entbehren; es sind namentlich die sehr zahlreichen Männergesangvereine. Die letzte Kategorie der Berliner geselligen Vereine, die Spiel- oder Sportvereine, haben eigentlich erst an Ausdehnung und Mannigfaltigkeit gewonnen, seitdem Berlin die Hauptstadt des deutschen Reiches geworden ist, und nehmen noch von Jahr zu Jahr zu, indem immer neue Zweige des Sports in ihren Dienst gestellt werden. Da giebt es eine Berliner Schachgesellschaft, gegründet^ im Jahre 1827, neun Schützcnvcrcine, von denen die Berliner Schützcngilde die bekannteste ist, zwei Schwimmvcreinc, acht Ruder- und Seglerklubs, verschiedene Radfahrer-, Traber-, Reiter-,

Skating-, Vogel-, Hundezucht-, Fccht- und andere Vereine. Alle Berliner geselligen Vereine in ihrer Eigenart darzustellen, würde den hier gebotene» Raum überschreiten; ich beschränke mich daher darauf, einzelne namhaft zu machen, die theils ein besonderes charakteristisches Bild von dem geselligen Vereinsleben Berlins bieten, theils in geschicht¬ licher Beziehung des Interesses nicht entbehren, und schließlich theils i» ihrem Wirken märkische oder Berliner Verhältnisse berühren.

43 hätte mich solcher Unvorsichtigkeit Seitens der Bürger Stadt nicht versehen. Wisset Ihr denn, ob das Mädchen, welches vorgiebt, die Jungfrau zu sein, die Wahr¬ heit spricht? — Ich denke nicht anders, als daß auch sie eine

„Ich

eine Anzahl von schmucke» Gerberund berühmten Stadt' beisammen

Dort drüben aber, wo knappen

ans

der

,cdlcn

standen, ertönte überlaut der

„Es

lebe

die

Pucelle!

der guten

Ruf: Nie ward ein bester Weib im

Landstreicherin ist, wie die andern falschen Jungfrauen alle, welche sich der Welt gezeigt haben. Wir wir soeben vernommen haben, wünscht die vorgebliche Jungfrau unsere Unterstützung; allein dieselbe kann ihr erst werden, nachdem wir ihre Aecht-

Lande Lothringen geboren! Hinaus zum Ulmenvortverke! Wir holen sie in unsere Mauern! Wir hofften es ja stets: Gott hat die ritterliche Magd geschützt! Es lebe die Pucelle!" Das Kanipfspiel wurde abgebrochen., Mit finsterem Blicke

trat Raimund von Baudoche ander Mal, Gottfried Desch,"

seinem Gegner nahe.

„Auf

gute Bürger, oder — wie Ihr wollet! feiert ein Nachfest des Maientages, Zweierlei aber verbiete ich Euch, der Mattre-Escbeviu de la noble Cite; — das ist: Hochrufe auf die Jungfrau auszu¬ heit

ein

sprach er; „aufgeschoben ist nicht

aufgehoben!" — In demselben Augenblicke erschien aber auch Herr Nicole Lorive, der Maftre-Escbevin*) unter dein Portale des Stadthauses, begleitet von dem Thurmwächter der Grangeaux-Ormes und einem kriegerisch gekleideten Manne, dem tapferen Castellane jener Burg, welche die Porte-St. Thiebault

geprüft haben.

bringen lind »ach dem Ulmenvorwerke hinauszugehen, um die angebliche Jungfrau etwa festlich zu begrüßen. Wartet in !

Metz beschirmte. Beide Herren schauten sehr ernst alls. Dennoch klang auch ihnen der Ruf entgegen: „Es lebe die

j

Gedtild gesagt

der

des

Ihr

von

werden,

begleitet von

des Volkes. Durch die tiefe Stille aber erklangen die ernsten Worte des Stadtoberhauptes:

zugc zu.

was

lliathes: diesem

bald Mädchen

wird zu

Euch

halten

Die Mcngc zerstreute sich, und die beiden Patrizier zogen, ihren Freunden, unter Vorantritt von Banner¬ trägern und Spiellenten nach ihren „Hotels" heim. Die Theil¬

;

Stadt.

Zunächst mag der älteste Berliner Verein den Neigen eröffnen, dessen Gründung noch in die Zeit unserer Vorväter zurückfällt. Es ist die SingAkademie, der älteste Gesangverein in ganz Europa, mithin der ganzen Welt, und zugleich der hervorragendste unter den zahlreichen Berliner Gesangvereinen. Gegründet im Jahre 1701, hat der Verein sich zu allen Zeiten und namentlich in den ersten Jahrzehnten dieses Jahrhunderts unter der Leitung des genialen Zelter, dessen Verdienste wiederholt in Der diesen Blättern gewürdigt sind, vor allen anderen ausgezeichnet. Zweck des Vereins, der seit einigen Jahren unter der bewährten Direktion des Professors und Mitgliedes der Akademie der Künste, Blumner, steht, ist die Pflege religiöser und zunächst damit verwandter ernster Gesangs¬ musik, aus welchem Gebiete in jedem Winter 6—8 öffentliche Aufführungen im eigenen Gebäude, am Fcstungsgrabcn 2, stattfinden. Wie an Jahren der älteste, so ist auch an Mitgliederzahl die Sing - Akademie einer der stärksten Vereine; sie zählt gegenwärtig ungefähr 600 aktive und 150 zu¬ hörende Mitglieder. Aus ihr ist ein Männergesangverein hervorgegangen, der bereits das ehrwürdige Alter von 79 Jahren erreicht hat, es ist die im Jahre 1808 gegründete Zelter'sche Liedertafel, welche ebenfalls unter der Leitung des Profeffors Blumner steht und deren Mitglieder ausschließlich auch Mitglieder der Sing-Akademie sein müssen. Der Zweitälteste Berliner gesellige Verein ist die Theatergesellschaft „Urania". Dieser Verein ist im Jahre 1792 gegründet und besteht seit dieser Zeit ohne Unterbrechung. Sein Zweck ist der, durch Veranstaltung von Theaterausführungen einerseits die Mitglieder angenehm zu unter¬ halten, andererseits jungen schauspielerischen Talenten Gelegenheit zu geben, in geschlossener Gesellschaft auf der Bühne ihre Kräfte erproben und ausbilden zu können. Daß die Urania diesem Zwecke bisher in vollster Weise gerecht geworden ist, dafür zeugen sowohl das 95jährige Bestehen des Vereins, wie die Namen einzelner unserer hervorragendsten dramatischen Künstler, die auf den Brettern der Urania ihre Künstlerlauf¬ bahn begonnen und sich hier die ersten Lorbeeren geholt haben. Ans der Geschichte des Vereins ist erwähnenswerth, daß derselbe von der Zeit seiner Gründung an bis zum Anfang der siebziger Jahre in einem längst verschwundenen Hause der Kommandantenstraßc getagt hat. Po» hier siedelte er nach dem Leipziger Platz über, wo jedoch im Jahre 1879 das Lokal durch den, wohl den meisten Berlinern noch bekannten, Brand gänzlich zerstört wurde. Seit dieser Zeit fand der Verein mehrere Jahre lang kein passendes Lokal und verlor dadurch seine damals weit über 100 Personen zählenden Mitglieder bis auf einen kleinen Stamm. Der Verein spielte 1882 im deutschen Vereinshause, Wilhelmstraße 118, 1882 und 1884 in der Berliner Ressource, Kommandantenstraße 57, und ist dann nach dem neuen Architektenhause, Wilhelmstraße 91/92, übergesiedelt. Seitdem wieder regelmäßige Theatervorstellungen stattfanden, ist die Zahl der ordentlichen Mitglieder in stetem Wachsen begriffen. Unter den Berliner Gesangvereinen sind noch besonders bemerkenswcrth: der im Jahre 1847 von dem bekannten verstorbenen Professor Ster» be¬ gründete Stern'sche Gesangverein, welcher gegenwärtig von dem Mitglieds der Akademie der Künste und Abtheilungsvorsteher bei der akademischen Hoch¬ schule für Musik, Professor Rudorfs, geleitet wird; ferner der in demselben Jahre gegründete Kotzolt'schc und der seit 1852 bestehende Erk'sche Ge¬ sangverein. Ein besonders märkisches Interesse vertritt der märkische

Entscheidung

habt." —

Pucelle!" — Da winkte der Schöffenmeister, Herr Nicole Louve, mit

der

heim,

j

zu

*) Schösscnmeister, oberstes Haupt

Gehet daher

!

!

!

i

nahme der Menge wendete sich wieder ihrem glänzenden Aus„Heil Raimund von Baudoche! — Heil Gottfried Desch!", so klaug's wiederum je nach der Parteinahme der Menge. Da setzten die Trompeter mit einem prächtigen, fröh-

Sänger-Bund, eine Vereinigung von 106 Männergesangvereinen in Berlin und der Provinz Brandenburg. Dieser Bund wurde im Jahre 1860 durch den verstorbenen Komponisten Mücke gegründet, der zugleich vor 93 Jahren die großen Sängerfeste in Eberswaide ins Leben gerufen hat. Der Bund zählt im Ganzen über 2000 Mitglieder und kommt jährlich ein Mal zu einem Sängerfest zusaminen, bei dein stets der Beweis kräftiger Pflege des Volksgesanges geliefert wird. Den schönen Zweck, den Märkern ihre Heimath zu erschließen und in ihnen, ein größeres Verständniß für die vielen Schönheiten unseres noch so wenig gewürdigten heimathlichen Bodens zu erwecken, verfolgt ein noch junger Verein, der vor drei Jahren begründete Touristen-Klub für die Mark Brandenburg. Obwohl an Mitgliedern noch klein, ist es dem Klub doch schon gelungen, eine Sektion in Frankfurt a. O. zu gründen, der neue Sektionen in der Mark folgen sollen. In der kurzen Zeit seines Bestehens hat der Verein schon eine große Reihe der schönsten Ausflüge gemacht und ein gutes Stück märkischer Erde kenne» gelernt. Diese Ausflüge, bei denen der Verein das Prinzip befolgt, alles aufs Billigste zu gestalten, finden jedesmal an Sonntagen, zweimal im Monat statt. Der geringe Beitragspreis von jährlich 6 Mark für Berliner und 3 Mark für auswärtige Mitglieder ist geeignet, dem jungen Vereine recht viele neue Kräfte zuzuführen. Besonders charakteristisch für das Berliner Vereinsleben sind die zahl¬ reichen Herrengesellschaften, die allein von dem Bestreben gebildet werden, der Pflege der Geselligkeit eine Stätte zu bieten. Der Frohsinn, ja bis¬ weilen der ausgelassenste Frohsinn, der „Ulk", ist das starke Bindemittel dieser Vereine; je lustiger und je toller es in den Sitzungen hergeht, desto Wem's nicht paßt, der bleibe zu Haus, wer aber mithält, dem besser. sollen auch bald die Sorgen und Grillen schwinden, selbst wenn er der Schon die drastischen Namen jener ausgesprochenste Hypochonder ist. Vereine deuten auf ihren Zweck hin; da giebt es eine „blaue Knarre", Bei der einen „Verein urfideler Kahlköpfe" und eine „Halluncia". letzteren, als der charakteristischen Vertreterin dieser Art von Vereinen, wollen wir einen Augenblick verweilen. Sie ist im Jahre 1882 gestiftet und repräsentirt jetzt schon eine Mitgliederzahl von ca. 250 Personen. Wer ein Freund heiterer Unterhaltung ist und sich auch an einem zuweilen unterlaufenden derben Witze nicht stößt, der lasse sich in die „Groß-Spelunke", den Versammlungsort des Vereins, führen; er wird hier seine Rechnung finden und bald in den heiteren Jubel einstimmen. Der Vor¬ sitzende und die Vorstandsmitglieder führen den derben Namen „Erz¬ hallunken", während die Mitglieder das Chor der „Hallunken" bilden. Die Halluncia ist gleichsam das kencker-vous der Berliner Bühnenkünstler, die in den, des Sonnabends um 10 Uhr Abends beginnenden und meist wohl erst bei Tagesgrauen endigenden Sitzungen ihrem Humor zur Freude aller Anwesenden die Zügel schießen lassen. Wie überhaupt im Leben, so tritt auch im Berliner Vercinsleben ein steter Wechsel ein. Viele Vereine werden gegründet, schwingen sich auch zu einer gewissen Blüthe empor, erweisen sich aber dann nicht mehr als lebensfähig und verschwinden nach einiger Zeit wieder von der Bild¬ fläche. Trotzdem kann von einem Rückgang im Berliner Vereinsleben nicht die Rede sei», da immer neue Vereine die Lücke ausfüllen, die durch das Verschwinden der älteren verursacht wird. Ll. Or.

44 Jungfrau in der Schlacht bei Compiegne gefangen ward. Nie hat der Haß der Engländer sie wieder freigelassen. Glaubt es mir, Sire Robert Desarmoises: sie ward verbrannt." „So bleib' daheim, Freund Thomas," sprach der Jüngling. „Ich aber glaube Deinen Worten nicht! — Wie? Kann denn nicht ein neues Wunder noch an ihr geschehen sein? —

Ein Theil des Volkes folgte den Patriziercn, ein anderer aber rief: „Auf zu den Tonneliers! Dort giebt es brav zu trinken! A-teu vesault? Du hast doch Durst, Freund Nachbar? — Herr Nicole Louve hat Recht: Pucelle hin,. — Pucelle her! — Sie leben, die Pvmpiers!" — Es war feiertäglich still geworden bei der Kathedrale. Von innen tönte leiser Orgelklang hinaus auf deu freien, mit Goldig fielen die alten Kastanienbäumen besetzten Platz. Morgensonnenstrahlen durch das grüne Blätterdach der wonnig blühenden Bänme, und langsam verstreuten die rothen und An einen Weißen Vlüthenkerzcn ihre Blätter und Staubfäden. der alten Stämme gelehnt aber stand noch ein glänzend in iveiße und scharlachene Seide „mi-parti“*) gekleideter Edelmann, dessen lange Locken goldblond unter dem schwarzen Burgunderlichen Marsche ein.

Ein Wunder war ja all' ihr Leben! Führe mein Roß vor's Thor; — ich werde vor der Stadt aufsteigen. Ich bin vom Ulmenvorwerk Mittags wieder heim!

Doch

wenn ich aus¬

bleiben sollte, sage meinem Vater nicht, daß ich zu der Pucelle

hinausgeritten bin; — ich denke, er wird ohnehin nach mir nicht eben fragen! Denn seine Lieblingsneigungcn, hoff' ich, beschäftigen ihn völlig." Der alte Diener des ritterlichen Hauses der Desarmoises wagte noch einmal einen Einspruch:

Der Schloßhos zu Glienicke. (Von Süden her gesehen.)

„Sire Robert,"

barette hervorquollen und bis auf die Schultern hinabwalltcn. Der jugendliche Kavalier unterhielt sich in leiser Sprache mit einem älteren Manne, welcher

augenscheinlich Mühe gab, von einem bestimmten Plane Herrn abzubringen. Doch ebenso offenbar war es, daß all' das Ab¬ mahnen des gereiften Kriegsiuannes hier vergeblich war. Denn der Junker richtete sich jetzt stolz auf und brach das Gespräch

also

fragte er, —

„ist's Euer fester

Wille?"

„Er ist's!" „So muß ich wohl

sich

den zierlich geschmückten

gehorchen!

— Doch Gott

schütze Euch

vor Hexerei und Zauberei!

„Und wenn Du mich nicht begleiten ivillst, Freund ich reite doch hinaus! Seit ihrem Auftretcu hat das Bild der edlen, kriegerischen Jungfrau mein ganzes Herz erfüllt. Ich muß sie sehen!" „Es ist Thorheit, lieber, junger Herr, — arge Thorheit!"

Denn ist sie's nicht, so steht es schlinun um Euch, und ist sie's, nun so gnad' uns Gott! Dann haben doch wohl jene Engelländer Recht, und sie war eine Unholdin, die selbst die Flamme nicht vernichten konnte!" „Schweig, Thomas," rief der jlinge Sire Robert Des¬ armoises deil würdigen Pfleger feiner Kindheit zu, „und bringe mir mein Roß!" — Der Edelmann wandte sich ab und schütt über den Blünsterplatz dem Süden der Stadt zu, um auf die Heersttaße

erwiderte der Andere.

nach

ab, indem er seinem Gegenüber die Worte zurief:

Thomas, —

„Ich

hab'

es

selbst

erblickt,

wie die

|

der Kirche

gelangen. *) Der Länge

nach getheilt.

St. Privat und

der Grange-aux-Ormes zu



Der ältere Sire Robert Desarinoises war ein Lothringischer

45

Ritter von ächtem Schrot lind Korne gewesen, unruhig, uuzuverlässig, habsüchtig und gewaltthätig, ivie nur irgend einer und mit — ceulx „Die von Metz",

welche damals das Land „schädigten"

der Herren,

Raub und Plünderung überzogen. de Metz, — hatten das alte Sprüchwort:*) „Lorrain — traitre ä son Dieu et :i son parrain“ mit vollem Rechte einst auch auf ihn bezogen, denn er hatte die

j j

I

edle Stadt trotz aller Friedensschlüsse unaufhörlich befehdet. Sire Robert hatte aus seinen Streifzügen indessen außerordentlich viel Belite gemacht; er war ein sehr reicher Mann geworden; der „Stegreif" hatte für ihn in der That einen goldenen Boden gehabt. Als er nun älter lvurde, fing der Ritter allluählig an, zu begreifen, daß er mit seinen Schätzen doch wohl sicherer in der „edlen" Stadt leben möchte, als draußen auf

seinen nicht eben allzu festen Edelhöfen.

einsam; daher,

Auch fühlte

|

1

Knappen Thomas, von dem Ritte nach der Orange aux Onnes nicht abhalten ließ! — Die Maiensonne schien freundlich auf die Straße herab, welche Metz mit der alten Wallfahrtsstätte St. Privat verbindet. Der schöne Edelknecht Robert Desarmoises hatte dem Rosse

das edle Thier Oben am tiefblauen Himmel jubelten die Lerchen, und mit ihnen um die Wette jubilirte auch sein jugendlich hoffendes Herz! Meister Thomas hatte sich, wie erwähnt, im letzten Augenblicke gerne besonnen. „Es ist nicht die Sporen gegeben; in leichten Sätzen flog

und es entspricht der Würde des Hauses Armvises nicht, wenn er allein reitet!" hatte er sich selber gesagt und mit solchem Grunde sich überzeugt, daß er seinen jungen Herrn Munter trabte er also in der herrlichen begleiten müsse. Maicnluft hinter dem Gebieter einher, dem Verbote des Sire passend,

er sich

Gattin war ihm früh gestorben. Er beschloß mit den Metzern zu versöhnen und das Bürger¬

Dem Waffenhandwerke vermochte er trotzdem immer noch getreu zu bleiben; denn die edle Stadt hatte Jahr aus, Jahr ein, ihre schweren Kämpfe mit ben Herzögen von Lothringen und mit dem Adel ringsum zu bestehen. So bat denn eines Tages Sire Robert Desarmoises den Hohen Rath von Metz um freies Geleit; er kam auf das Rathhaus, „vertrug" sich mit der Stadt, that einen tüchtigen recht bei ihnen zu gewinnen.

i

|

!

1

Trunk darauf in dem Weinkeller nahe der Kathedrale und er¬ kaufte am nächsten Morgen den Erbsitz einer ausgestorbene» Patrizierfamilie nahe bei St. Segolene. Dort waltete lind schaltete er nun schon über zehn Jahre, hochgeachtet von den Bürgeril, welche ihin eine Pension verliehen hatten, auf daß er mit seiner Kriegserfahrung ihnen beistände gegen ihre Feinde, und gefürchtet von allen Gegnern von Metz, benen die Sinnesumwandlung des Ritters fast wie ein Wunder erschienen war. Sire Robert aber ließ sich das nicht anfechten lind stritt und Sein Söhnlein war sich selbst zechte und — zechte und stritt. Thomas überlassen. So Leibknappcn und dem treubetvährten wuchs der junge Sire Robert gleich einem wildeil Schößlinge

Nicole Louve zum Trotze. Schon winkten den Beiden die alten Ulmen der Orange aux Onnes, als sie bemerkten, daß ein kleiner Reiterzug ihnen entgegenkam. „Es ist ein Weib zu Rosse mit zwei Dienern!" rief der alte Thomas aus. „Es ist die Jungfrau!" wiederholte Robert Desarmoises. Seine blühende Wange entfärbte sich für einen Augenblick; dann hielt er das Roß an.

:

alten Knechten und abenteuerilden Reitersmännern hatte seinem eine zwar edle, aber durchaus romantische Richtung gegeben. Da, als der Knabe soeben zum Jünglinge gereift Geiste

besten

Freund!

hier!"

sie

so

Die Fremden kamen näher; — Thomas und Sire Robert vermochten die Einzelheiten der Tracht jener Reiterin jetzt deutlich zu erkennen. Wie weit war dies holde Frauenbild von jeder Unweiblichkcit in Haltung und Kleidung entfernt! Die Jungfrau saß in der Art zu Rosse, wie Fralien pflegen; — trug doch auch ihr Zelter, welcher matt und sehr ermüdet schien, den Frauensattel! Die Reiterin selber war nicht ge¬ wappnet; sie hatte nicht Harnisch, nicht Stahlhaube. Ein weitschattendcr Hut, einem Pilgerhute nicht unähnlich, schivarz und ohne jeden weiteren Schmuck, bedeckte ihr Haupt; auf¬ gelöst und im leisen Wurde spielend, fiel hellblondes, röthlich schimmerndes Haar unter dieser Kopfbedeckung auf einen schimmernden, allerdings höchst kostbaren Mantel herab, welcher dem Wappcnmantel der Könige von Frankreich völlig gleich sah und ans azurnem Grunde goldgestickte Lilien anfwies. Das Reitkleid der Dame bestand aus tvcißem Brokat, in Lange welchen ein goldenes Granatmuster eingewirkt ivar. Reithandschuhe von gelbem Leder bedeckten die untere Hälfte der Arme. Nichts unterschied die Reiterin daher von einer friedlichen Dame des Herrenstandes.

Denn daß

sie

an ihrem

Gürtel Schwert und Dolch trug, war damals nichts Unge¬ wöhnliches; die Straßen Lothringens waren zu jener Zeit so arg von Räubern gefährdet, daß auch die Frauen sich waffneten, Die Knechte, sie eine ivcitcre Strecke zu reiten hatten. welche der Dame folgten, trugen gleichfalls eine durchaus nicht auffällige Kleidung; die goldenen Lilien auf ihrer linken Brust ivaren das übliche Zeichen ihrer Zugehörigkeit zu der edlen,

sobald

;

i

ihnen voraufrcitendcn Jungfrau. Und jetzt zeigte sich den Harrenden auch das Antlitz der Robert Desarmoises crschrack: dasselbe war sehr Reiterin. bleich

*) Der Lothringer verräth dcn liebe» Gott und seinen

„Erlvarten >vir

sprach er.

auf: aber es war ein edler Lebenssaft in dem ungepflegten Bäumlein, ein starker Wille und ein hochherziger, ritterlicher Sinn. Der Umgang jedoch mit ivildeil Kriegsgesellen, mit

war, — als er in sein ueuilzehntes Lebensjahr eintrat, war beim Ritter Baudricourt in Vaucouleurs die Pncelle auf¬ getreten, schwärmerische Vaterlaildsliebc liild den todcsmuthigsten Freiheitskampf verkündigend, das Lilicnbanner des Königs Karl aus dem Staube erhebend und mit unverivelklichein Sieges¬ lorbeer schmückend. Was der junge Sire Robert von der französischen Rachbariil hörte, erfüllte ihn mit der höchsten Begeisterung. Aufgejauchzt hatte and; er bei dem Entsätze voll Orleans rmd bei dem Siegesläufe nach der Kathedrale des heiligen Remigius, um dann bei der Nachricht von der Gefangcnnahnie lind von der Verbaniluug der Jungfrau in die tiefste Tralier zu versinken. Wie in tausend und aber tausend Jünglingsherzen der damaligen Zeit, so war and; in seiner Seele eine schwärinerische Verehrung der Jllngfrau voll Orleans entstanden, welche durchaus jener merkwürdigen, freilich nur

wählenden

den Heerweg dahin.

seine sich

hervortretenden, eine unbekannte Persönlichkeit sich erArt von Liebe entsprach. Da war es fürwahr! keiil Wunder, wenn sich Sire Robert heut selbst durch die Warnungen des einzigen Freundes, den er besaß, des alten selten

-

und inachte den Eindruck ergreifender Trauer.

jetzt, da ein leuchtender Sonnenstrahl auf die Züge der

Allein Jung-

46

frau siel, erhellten sich dieselben plötzlich und.waren nun von Es lag nichts von gebietender einer rührenden Anmuth. Hoheit, nichts von religiöser Schwärmerei, nichts von finsterern, kriegerischem Ernste oder gar voit mitleidslosem Blntdtirste in diesem reinen frauenhaften Antlitze; nur eine tiefe Schwcrmuth, — das war offenbar; — hatte die Seele dieses liebenswerthen Weibes umfangen. Wenige Schritte vor den beiden Reitern hielt die Jung¬

Wie pochte das Herz Sire Roberts! Doch fetzt vernahm er die klangreichen, von einer weichen Stimme

frau ihr Roß an. gesprochenen

Worte:

„O was warten, —

der

ich!

zage

Ihr

Unglücklichen

die meiner Heiinatlosen, — die

ja Freunde,

seid

und

der

einzigen treuen Freunde, welche ich bis jetzt in der edlen Stadt Der Geist Gottes hat es mir ge¬ Metz gewonnen habe!

Ihr

mir entgegenkommen werdet; doch weiß ich Eure — Desarmoises? — Ich muß den Namen schon Namen nicht. einmal gehört haben, — in meinem früheren, — ach, so sagt, daß

thränen- und mühsalsreichcn Leben! Gott segne Euch! Doch Du, Du Greis, blickst mich mit scharfem, prüfendem Auge an! Fürchte keinen Betrug: ich bin Jeanne du Lis, die Pucelle Die Gnade von Frankreich, einst Jeanne dÄrc genannt. Gottes und der Menschen Erbarmen hat mich gerettet: eine Hexe und Landstreicherin ist gestorben statt meiner! Doch nicht an Euch geht meine Sendling;



ich muß

mit Sire Nicole

Lolive sprechen, dem Maitre-Esphevin dieser edlen Stadt; dann muß ich handeln. Habet Dank noch einmal, Messire Robert Desarmoises; — ich weiß und sehe es an Eurem Auge, daß Ellch nur die hochherzige Theilnahme mit einer ganz Berlaficncn mir entgegen getrieben hat; — jetzt aber gestattet mir und meinen Dienern, in Frieden weiter zu ziehen." Es lag eine so tiefe Traurigkeit in den schlichten Worten der Reiterin, daß sich die Augen Sire Roberts muvillkürlich

mit Thränen füllten. auf ihn; dann erhob

Fast wie mitleidig blickte die Jnngfrari sie die Rechte,

um ihn mit dem heiligen

Zeichen des Kreuzes zu segnen. O, so hatte sich Sire Robert die Jungfrau nicht gedacht! Doch in demselben Augenblicke kam es wie ein feuriger Geist der Entschiedenheit über ihn; er

gclvann mit einem Schlage seine Fassung wieder nnb rief in glühender Begeisterung aus:

„Nein, gvttgcwcihte, edle Jungfrau, sprich mir von, daß ich Dich jetzt verlassen sollte! D» bedarfst der Unter¬ Dich schirmen! Laß'mich stützung und des Schutzes! Ich in Deiner Nähe weilen; — laß' nlich Dir folgen! Ich will Dich hüten wie mein Theuerstes auf Erden, wie meine Ehre! Nein, — ich lasse mich nicht ablveiscn; — längst bin ich Dein nicht da¬

will

ich bin und habe!" Wiederum traf ein langer Blick der Jungfrau den jugend¬ lichen Mann. Sie schöpfte tief Athem; es mußten sehr schmerz¬ liche Erinnerungen durch ihre Seele gehen. Dann sprach sie

mit Allem, was

bewegt:

„Ja, Du hast bin unglücklich

Recht,

Sire Robert;

ich

bin verlassen,—

Tage von Compiegne! Ward ich auch gerettet: mein Name ist gebrandmarkt als der einer Zauberin und einer Braut der Hölle. Ja, ich bin sehr un¬ glücklich und ich fürchte, auch die Menschen unglücklich zu machen, welche, wie Du, sich mir mit Theilnahme nahen. ich

seit jenem

Doch Du wurdest mir von Gott gesendet; — ich wußte es, daß ich einen Freund hier finden würde vor dem edlen Metz!

Eine Ansgestoßcne Frankreichs, hülflvs und nur aus nieincu Gott und die heilige Jungfrau angewiesen, habe ich kein Recht, den Schlitz und die Hülfe zurückzuiveisen, ivelche, ivie Alles in meinem lvunderbareu Leben, mir von oben kommen. So führe mich denn nach Aletz zu dem berühmten Sire Nicole

Louve." Es blitzte lvie die helle Freude auf in Herril Roberts Allgen. Auch Meister Thomas konnte sich der Rührung nicht erwehren, welche ihn ganz gegen seinen Willen überfallen hatte. „Schütze sie Gott," sprach er für sich; „so redet keine Here und Zanberiu." Sire Robert ritt an die Seite der Jungfrau heran; doch Sie legte den prächtigen sie verweilte noch einen Augenblick.

Mantel ab und ilahin das Schwert aus dein Gürtel. Scharf blickte Meister Thomas auf die Waffe; — er suchte und fand deilil auch auf ihr jene drei mit Golde ausgelegten Lilien,

iil der Stahlscheide eingepreßt waren. Noch aber wußte im Lothringer Lande jedermann, daß einst die Jungfrau gerade solch' ein Schwert getragen. Jeailne dll Lis jedoch, welche

es

ivie

sie seit

ihrer Erhebung in den Adelstand des französischen

Reiches hieß, reichte den Dienern, die ihr folgten, Schwert und Mantel hin. „Der kriegerische Schmuck, ivelchen ich heut auf

habe," sprach sie, „hat nun den Zweck erfüllt, welchen ich noch hellt morgen nicht ahnen konnte: er hat mich meinem Beschützer kenntlich gemacht! Alls nun zur Stadt! Wi