Der Bär. Illustrierte Wochenschrift für vaterländische Geschichte [18]

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Der £$är. Illustrierte WaiKensHrift für vaterkänLisHr WefchiHie, vorzüglich für die Geschichte der Gohenfvllevtt, der Raiserstadt und der

Kevlitt

Mark Uvanüenüuvy.

Unter Mitwirkung von

Dr. R. Hrringuier, Dr. H. Srendirlre, Theodor Fontone, Stadtrat E. Friedet, Ferd. Meyer, Gvmnasialdirektor Dr. M. Schmort; und Ernst non Mitdendrnch herausgegeben von

Friedrich Zillessen

Jahrgang

und

Richard George.

XVill (Oktober 1891 bis Lnde September 1892.)

MrvlLn 1§S 2. Verlag der Buchhandlung der Deutschen Lehrer-Zeitung (Fr. Zillessen). Berlin N. 58, Schönhauser Allee hi.

I

^

Inhalts -Verzeichnis. I. Gcdid)tc.

.313 Scharfenberger.562

Seile

Heimat, an die, von Fritz Eichberg Roland, vom Sage von der Bürgerglocke, die, zu Bernau, von 31Segen der Väter, der, von Dorothea Goebeler 214 Schulmeister von Wusterhausen, von B. Sturm¬ höfel 19, 29. 41, 55, 66, 79, 99, 103, 115, 139, 150, 162, 171. Spinnerin im Monde, die, von Fritz Eichberg . 454 Taube, die weiße, von W. 1 Vorwärts, von

Ewald.227

Weihnachten

Trojan. 1812.156 I.

Bittrich.526

Wilhelm I. und seine Paladine, von P. Märkel 277

II. Rorncrrro und- Gvzcihlurrgorr.

.

Seile

Seite

Duncker, Hermann (m. Abb.), von A. Kohut 284, 291 Erinnerung an Berlin aus dem Jahre 1850, von Prof. Dr. Carl Euler. 306, 321, 326,

Virchow, Rudolf (m. Abb.) von A. Kohut. 31, 43 Wanderungen, historische, im SchwiebuS - Züllichauer Kreise, von O. Schwebet . .471, 483 Breest 177 Wegweiser, ein alter, (tn. Abb.), von Weltausstellung, wo soll sie hin? (M. Abb.) 394 Wiedergeburt des preuß. Staates 1806, von

mar.244

339, 355. Erinnerungen, pädagogische, von F. Brunold . 682 Feckert - Ausstellung (m. 2 Abb.), von H. Voll-

I.

Bellardi.570

Gravelius.387 .116 Krause.15 .201 .383 Abb.). .429 Angermünde.131 Relais.479

Forckenbeck, Max von (m. Abb.), von Ad. Kohut Friedrichs des Großen Charakterbild, von Dr.

57

R. Mahrenholtz Gasthof zum Braunen Roß (m. Abb.), von

Oskar Grenadiere, norwegische, in d. Potsdamer Garde, von L. Pasiarge 499, 510 Grob-Berlin, von R. Hochbahn, elektrische (Siemens & Halske, mit 375, 388, 401, 418 Hohenzollern-Galerie (mit Abb.), von H. Vollmar 233 Klein -Machenow Kleist, Franz von, (m. 3 Abb ), von P> Acker¬ 269, 280, 293 mann Kysshäuser und seine Sage (m. 4 Abb.) von 340, 351 F. Fulda Kysshäuser. Kaiser Wilhelm-Denkmal (m. Abb.) 378 Leutinger, Nikolaus, siehe Liebling. Liebling der märkischen Klio, ein, von Dr. C. 585, 596, 608, 620 Bolle, (m. Abb.) . . 487 Luise, Königin, in Memel, von M. Frey Lynar, Graf Rochus zu, von P. Walle (mit 502, 508, 523, 537 3 6 Moltke, etwas vom alten, von H. Waldemar . Moltke im Spreewald, von Max Bittrich . . . 142 Moltkebrücke (m. 2 Abb.) von E. Fichtner . .219 National-Denkmal Kaiser Wilhelms I. Zweite Preisbewerbung, von H. Vollmar (mit 2 18 Nedlitz bei Potsdam. Von H. Wagener. 394, 402, 413 Schmidt. Paul, Jean, in Berlin, von F 495, 507, 519 Platzsrage für das Kaiser Wilhelm - Denkmal, von Daehr (m. Preußen in Paris, von F. Beyer. 450, 461, 474, 489 Rheinsberg (m. 9 Abb.), von Rob. Mielke. 436, 449, 459 Rheinsberg, das Idyll von. und sein Ende (m. 2 Abb.), von F. A. von Winterfeld. 39, 52, 63 Sänften, Einführung derselben vor 200 Jahren, von H. Bösch Schill, von Fr. Tismar (m. 6 Abb.) . . 551, 587 Schloßbrunnen, der, (m. Abb.), von H. Vollmar 91 Schlüterbiographie, eine neue, von Rob. Mielke 92 Schmähschrifi. eine, auf die Königin Luise, von Rob. Seegefeld, Dorskirche, von Rob. Mielke, (mit 2 Abb Sorben-Wendisches Volksleben, (m. 2 Abb.), von M. Krätschell, Spaziergang nach Stettin, von 272, 286, 296, 309 Stadtbuch, Berliner, die Bilder desselben (mit 2 Abb.) von Rob. Steinmetz, Feldmarschall, Erinnerungen an ihn, 211, 224, 231 von G. E. von Natzmer Stillleben, zollernsches, von Ernst Friedei (mit 631, 547, 559 4 Tiergarten, der Berliner. Von Ferd. Meyer (mit 9 Abb.). 187, 199, 209, 222, 234, 246, 267, 279, 295, 319, 344, 363, 378, 399 415, 427, 440, 452, 465, 476, 484. 496, 522. 533, 548 Tucherhaus (m. Abb.), von Rob. Mielke . . . 333 Untergrundbahn, elektrische (m. Abb.), 316, 331, 343, 355, 367

George.

P. Winkel, aus einem stillen, von OSkar Zanke . 438 Wissenschaft und Leben (m. Abb.) von Dr. H.

Brecht....

561, 572 Zelt, türkisches, von C. Ziesar, Stadt und Schloß, von H. Schütz, 380, 392, 405

IV. Hlorrro

Mittoilrrrrgorr.

Abiturienten-Prüsung Alexandrine, Grobherzogin von Mecklenburg 407, 443 Allerlei aus der Reichshauptstadt 95, 105, 131,

. ..

Ben Sabbataj, von S. Kyn. 217, 229, 242. Brautschau > Fasching im Jürgenhause, von M. Frey. 589, 601. Der Tag von Rathenow, von C. Seydel. 325, 337, 349, 361, 373, 385, 397. 409, 422, 433, 445, 457. Des Großen Kursürsten Umritt in der Neujahrs¬ nacht, von G- H. Die gute, alte Zeit, von O. v. Oberkamp . . Eine Wette, von B. W. Zell. 469, 481, 493. Glöcknerin von St. Nikolai, von M. Frey, 529, 541, Im Frührot geankert. Erzählung von M Frey. 2, 13. 25, 37. 49, 61, 73. 85, 97, 110. 121, 157, 169. In Berlin O. Von W. Koch. 253, 265, 278, 289, 301. 314. Knecht Ruprecht. Ein Berliner Weihnachtsbild von B. W. Zell . . Macht der Kunst, die, von B. W. Zell Mit dem Privilegium Apolls, von Julius R.

Schneideck154 205

580

.133,

145 613



HaarhauS.181,

193 Um die Wiege einer Kaiserstadt, von A. ChoLowiecki. 505, 517, 544, 555, 668, 590, 603 615. Urlaubstag in der Residenz, von R. Schmidt553, 565, 677 Cabanis

III. (Scfdjidjtlidjje, luüiur-

aefdjidjtlidjc und lanfrfdjaftltdjo

.64 Meyer.9 Winter.411

Müller.69 Aufsähe.

Angermünder Bürgerbuch, das älteste, von Dr.

Aufmarschgelände des KreuzberaS im. Lageplan), von Ernst Friede! Bank, eine besetzte, unter den Linden (m. Abb.), von Ferd. Belzig und Schloß Eisenhardt (m. 2 Abb.) von Berlin zur Franzosenzeit (m. 6 Abb.), von 77, 87, 100, 111 Richard Berlin in einem französischen Urteil, von Rich.

George.

George.189 Mielke.

Berlin und der märkische Städtebund, von Rob. 246, 255, 271, 282 Berlin, das wehrhafte. Von Major Staehler. 123, 135, 147, 159, 171, 184, 197

....

Besuch Friedrich Wilhelms HI. auf dem Fürsten328 stein (m. Abb.), von Fr. Naumann Boitzenburg in der Uckermarck (m. 7 Abb.), von

Abb.).127 ....

Richard George.

213, 225, 236, 248, 257.

Brühl, Graf Karl Friedrich, von P. Bellardi (m. Dahlem, von (Sufi. Heinr. Schneidest Dichter, ein vergessener, von F. Brunold . Dom, der neue Berliner (m. 3 Abb.) Drucker, Louis, von F. Meyer (m. Abb.)

.... .

.

.

.

464 426 303 512

....

Abb.).

.263 .239 143, 155

Anspachsches

.383 .191 eine. .396

Arbeiter-Kolonie Aufruf des Fürsten von Isenburg Ausstellung, Ausstellung von Kunstwerken aus dem Zeitalter Friedrichs des

akademische.527

Großen.419

Beckmann

.251 .... Abb.).3, Blücher.■.516 Abb.).119 Abb.).59 .131 Georg.299 Abb.).165 I.

Belle-Alliance und Waterloo Berichtigung, Billcthändler, die ersten v. Bismarck-Denkmal Blockhaus, norwegisches (m.

34, 263

Bischofswerder.455

Abb.).574

443 Bredow, Rettung deS Generals von Lutze, Nuscha (m. Chamisso, Adalbert von, als Peter Schlemihl (m. Damen der Halle Daubner, Delbrück, Professor (m. Denkmal Friedrichs d. Gr., erstes, in Preußen 564 Dichter, der Dombau 623 Droschkenparade in Berlin (m Abb.)

.251 Louis.539 .59 Abb.).262

geprügelte.492

....

.584 Eigenhaus.322 .611 Mielke.129 f.431 ).694 ).504 Bürgermeister.22

Drucker, Duncker, Eberhard von Schwedt

„Heim".455 Fastnachtsgebräuche.274 Rathause.106 Professor.215 I, Müschncr.26 I. Mielke.425

....

Abb.).

Eisenbach, Schloß (m. Abb.) Enkel des alten Ereignisse von 1806

431

Fisch am

Fleischverkauf an Berliner Arme (m. Abb.)

.

516

Forckenbeck

Förster, Friedrich Markgraf, wirst die Quitzows nieder (m. Abb Friedrich I., König, Friedrich d. Gr 420, 455 Friedrich d. Gr. als Friedrich d. Gr. und der Sklavenhandel... 10 Friedrich d. Gr. als zärtlicher Bruder . . . .167 Friedrich d. Gr. und der Dichter-Offizier . . . 383 Friedrich d. Gr. in Friedrich d. Gr. und seine Friedrich d. Gr. und Friedrich d. Gr. in Marienburg Friedrichs III., Kaiser, Friedrich Karl und die Friedrich Karl von Hessen und Prinzessin Mar¬ garete von Preußen (m. 2 Friedrich Wilhelm I. und die Berliner . . . 504

Anekdote.275 Journalist.479

Küstrin.396 Garde.431 Zielen.443 .611 Herzensgute.227

Bäuerin.143

Abb.).527

Seite

Seite

Friedrich Wilhelm I. und der Kunsthändler . Friedrich Wilhelm I. u. die Wolfsche Philosophie Friedrich Wilhelm I. Friedrich Wilhelm Friedrich Wilhelm IV. und der Bürgermeister Fritz, unser, in der Fortbildungsschule.... Frühlingstag in der Mark (m. 2166.) Gasthof zum Braunen Roß Gemeindeschulwesen, Entstehung des jüdische, .

590 467

Napoleon I. auf dem Rückzüge auS Rußland Napoleon I. und Luise von der Recke . . . Nationaldenkmal für Kaiser Wilhelm . . . Nationalgalerie, eine Anregung für dieselbe .

370 179 359 575

III.227 Nauen.599 .... Neapel.443 Abb.).83 (Anekdote).•

492

.34 Notgeld.239 Stadt.465 Mark.347 396 599 370 46

Jahren.371 Ioh. Ernst.33

Geschenke einer Gesetzbuch vor 460

Gotzkowsky,

alte.106, Abb.).574 215

Grabschriflen, Haustein, Adalbert von (m. Hochbahn,

elektrische.274 Kosaken.203 Galerie.286

Höflichkeit der Hohenzollern

von.•

Holzschnitzerschule

Hülsen, Frau

für

Frauen.83

Humbert, König von Italien (m. Abb.)

408 479

Jungsernbrücke.106 Abb.).847 .

.

.

Niemann, Albert (m.

Berliner.178

Orientmaler, ein Osterbräuche in der

Peuker.131 Abb).59 Straßenbild.22 Abb.).70 Abb.).178 Preisausschreiben.71 Patriotismus,

preußischer.227

Pfahlbau, der letzte (m. Pferdebahnfturm bei Regenwetter.

Berliner

Postbote, ein Berliner auS dem 17. Jahrhunhundert (m Postreiter (m.

Provinzial-Museum,

märkisches.274

Seite

Tetzeis

Ablaßkrämerei.33 ...

.46 Paris.562 .34 ein.34

Ticrarzneischule, die königliche (m. Abb.) Tiergarten, im, zur Weihnachtszeit (m. Abb.)

.

10 153

Abb.).563

Tischplatte mit Federzeichnungen Friedrich Wil¬ helms IV. (m. Tortur-Abschaffung Treuenbrietzen: Heilige Geistkapelle (m. Abb.) 12 Tucher-Haus: Wandgemälde (m. Abb.) . . . 119 Untergrundbahn,

elektrische.71

Urteil des Urteil, salomonisches Verein für die Geschichte Vergleich,

Berlins.106

Adb.).564 Abb.).322 .... .130

Viktoria Margarete (m. Viktoria-Theater (m.

Volksspeisehallen in Berlin (m. Abb.) Vorortverkehr, Berliner (m. Plan)

479

Scharfenberg.575

Wanderfahrt nach Wanderfahrt nach dem Jagdschloß Grunewald 624 Wang, Kirche, im Riesengebirge (m. Abb.) . . 563

.95 KochS.208 Bestcres!.33 t ... Reproduktion.71 Dialekt.239 Luise.275 ...... Königsmark.239 Wichmann.455 Gevatter.311 Aeltester.371 Abb).191 Urenkel.334 schweigen?.22 Schloßbau.455 II. .... III..46 II. Kosakenhöflichkeit.263 ein.549 Kadett.467 Gr.383 Kammerdiener.604 Friedrich.370 Schlotzbrunnen.95 Kinderfreund.60 Abb.).492 Zahlenlolterie. Abb.).143 Abb.).623 Schloßfreiheit-Niederreißung.274 Kaiser, der, alarmiert (m. . 274, 322 Kaiser Wilhelm-GedächtniSkirche . . Karsch, Anna Luise. Ihre Bildniste (m. Abb) 82 Kartoffelland-Verteilung (m. Abb.) . 82 Kinderbälle unter Königin

.167

KönigSpaar, das preußische, nach der Schlacht bei Jena Können Sie Konstanz. Oberer Markt (m. Abb.) 167 Krückstock Friedrichs d.

Kuß vom Kaiser Lange Brücke im Jahre 1795 (m. Abb.) Leistnger, Elisabeth (m. Leopold von Hohenzollern (m. Abb.) . Lindenpromenade . Luftballon im Luise, Königin MäßigkeitSverein, der Marggraf und Achard (m. 2 Abb.) Marienpsorte (m. 2

..166 .215, .

.

45

.

.

431

Militärdienste.

600 227

St.71 Abb).599 Berlin.131

erste.60 ....

Martin,

Abb.).298

Matkowsky (m. Mausoleum Kaiser Friedrichs (ni. Abb.) Millionäre in Moltke in „MopS im

611

.179 I. Prag.859 Dischkasten".859 .

.

407

Quitzow-Kürassiere bei Hochkirch Rechnung eines Regiment Prinz Ferdinand.

.

323

ReichStagSgebäude, künstlerischer Schmuck

.

Reichstagsgebäude, Wandelhalle (m. Abb.)

Rieselfelder von Berlin (m. Plan) . Salzwedel als Salzwedel: Burg (tn. Sanssouci, Scherz Kaiser Friedrichs Schlachtenbummler, auch Schloß, das Berliner, 1797 (m. Abb.)

.

.

.

106 191

296, 310

.

.

.

143

ff.179 Abb.).588 Cherrier. ....

SchloßfreiheitUmgestaltung (ZiUersches Projekt) 407 Schöneberg, Kaiser-Denkmal (m. Abb.) . . . 334 Schwanenburg in Cleve (m. Schwebe!, Oskar Senefelder-Denkmal (m. Sergeant 239 Sitte, jüdische, in Berlin . . 359 Sophie . . . . 227 Spandau (Denkmal) . 310

Abb.).130

Charlotte.• Amerna.370 Spreewaldbuch.370 für

StadthauShalt-Etar.263 StammbuchverS von Gouf. Kinkel.10 Rudolf Stein, Freiherr (Anekdote).239 Museum, märkisches.370 v. Mutter, hier is eener!.383 Moste,

Napolöon

420

Slosch.420 Abb.).149 Friedrich.627

Straßenlcben, Berliner (in. Tabakspfeife vom Kaiser

Wendisches im

. .

249 141

Berliner

Wenzel von Böhmen (m. Abb.)

588

Wie mein

Schloßfrciheit (m.

Spatzengesahr

WaS Wegebau-Denkmal von 1688 (m. Abb.) . . Weihnachtsmarkt, die letzten vom (Genrebild)

Wilhelm I. und sein Wilhelm bringt die Fahnen heim (m. Abb.) 491 Wilhelm von Württemberg (m. Abb.) . . 70 Wrangel und der Wrangel und sein Wrangel als 60 Zelle, Bürgermeister 83; (m.

V. Seite 10, 22, 131, 143, 156, 239, 252, 276, 384, 396, 408, 492, 504, 516, 611, 624.

VI.

Dürtiertisrt).

34, 167, 287, 420, 528,

60, 71, 83, 179, 191, 299, 323, 432, 444, 540, 552,

96, 203, 335, 455, 564,

107, 215, 360, 467, 675,

120, 227, 371, 480, 600,

Drief- und FragekaNen.

Seite 10, 22, 144, 252, 360.

VII. Uoreins-Naotivirtiton. Seite 251, 263, 275, 287, 311, 323, 335, 347, 359, 384, 455, 480, 528, 540, 588, 600, 624.

Unter Mitwirkung

Dr.

R- Döringirrer, Dr. H. Krondicko, TlpLodor Fontano, Stadtrat G. Friedet., Ferd. Meyer, Gymnasialdirektor Dr. M. Kcftwarft und Ernst n. Milden tarn ct) herausgegeben von

Friedrich Lilleffen

und

Lttchgrd George.

— Erscheint wöchentlich am Sonnabend und ist direkt von der Geschäftsstelle (Berlin X., Schönhauser Allee w, für Zeitungsspeditionen Buchhandlungen und (No. Postanstalten 7og), alle durch Fernixrechstelle 8 ^so), sowie 2 Utk. 50 Pfg. vierteljährlich zu beziehen.

XVIII

lila,

Jahrgangs

3. (Dhtobec 1891.

orwätts! vorwärts mit Gott! So Ruf,

Der (3)

klingt aufs neue!

der uns geführt bisher.

Vaterland, blüh' und gedeihe

Dorn

Firn

der Alpen bis zum

Meer!

Wir wollen

treulich es bewahren,

Was anvertraut ist unsrer Hut, Den Enkeln bleibe, von den Jahren

Gemindert nicht, das heil'ge Gut:

Dir, das wir tief im Kerzen tragen,

Der Väter Sitte, die wir ehren,

Kilt Liedesklang wie Schwertesftreich.

Auf

)n

Die Feinde derer, die zerstören,

guten wie in bösen Tagen

Stehn CD

wir

zum Raiser und zum Reich.

Heimatland, darin

wir

leben,

die

wir

stolz und

freudig schau'n —

Und Helfer derer, die erbau'n.

G Himmel,

der Du uns befchieden,

Das unsre teuren Toten barg,

Was fremde Völker füllt mit Scheu,

Dein find wir ganz und Dir ergeben,

Wahr' uns

Mb Du

auch arm nur fei'st und karg.

die

Macht, erhalt' uns Frieden

Und gieb uns Männer, stark und treu;

Dank Heimat Dir, geliebte, traute,

Gieb uns, daß unsres Feldes Segen

Die Du uns freundlich haft gelehrt

Uns einst erfreut am Trntetag,

Der Muttersprache süße Laute

Daß

Und uns bereitet Haus und Herd!-

Getrost, was auch

wir

der Zukunft geh'n entgegen sie

bringen mag!

J. Trojan.



Am

2

!>

Prühroi geankert. Gr;cistlunc; von

MHs war

an

In

den Hallen noch' hört man Harfen von Helden,

Die

hoch der

Hügel hat überhöht.

einem Maimorgen

des Jahres 1682.

dem in zartem Lenzgrün prangenden

Ueber

Tiergarten jubelten

und durch das blühende Ge¬ sträuch des Lustgartens erklangen Nachtigallenlieder und fröh¬ licher Finkenschlag. Goldener Sonnenstrahl überstrahlte die daselbst in voller Blüte stehenden Kirsch- und Mandelbäume. Jetzt sprühte auch die Wassergarbe des Springbrunnens empor. In allen Regenbogenfarben schimmernd, boten ihre fellchten Schleier deut Morgenwinde willkommenes Spiel. Bald glitzerten auf jedem in der Nähe befindlichem Gesträuch un¬ zählige Tautropfen. Die tieftönende Domglocke setzte soeben mit enistem Klange ein. den Gläitbigen die Stunde sonntäglicher Frühandacht zu verkünden, als auf der Gallerte des kurfürstlichen Lusthauses, an der Spreeseite der gärtnerischen Anlagen, ein hochgewachsener junger Mann erschien. Einige Sekunden lang verharrte derselbe regungslos, ver¬ sunken im Anschauen der zu seinen Füßen ausgebreiteten Frühlingspracht. Dann schweifte der Blick hinüber zu dem majestätisch in die Höhe ragenden Schlosse, und das stolze Auge feuchtete sich, als es die wappengeschmückte Fahne auf dem Kuppelturme des kurfürstlichen Palastes gewahrte, welche lebhaft vom Morgen¬ winde bewegt wurde. „Heil Dir. mein großer Schirmherr, und Heil Dir! mein¬ teures, geliebtes Vaterland!" sprach er bewegt, während sich in seinen, von der Sonne südlicher Zonen gebräunten, schönen Zügen die Freude eines nach langer Abwesenheit Heimgekehrten die Lerchen ihren Frühgesang,

aussprach.

Dort lag

sie vor ihm, seine Vaterstadt, mit ihren wohl¬ Türmen und Dächern. Freundschaftlich grüßend schien ihm alles entgegen zu winken, und wo seinem Blicke Fremdes entgegentrat, wie in der neu angelegten Dorotheen¬ stadt, die er von seinem Standpunkt überschauen konnte, da mischte sich Bewunderung in seine Gefühle. Heimat und Wiedersehen! Eine ganze Welt von Empfindungen, von Erinnerungen und Hoffnungen liegt in diesen beiden Worten enthalten. Hätte man das ganze Erdenrund erschaut mit allem Schönen, was Natur und Kunst erschaffen, in dem Allgenblick, wo der Fuß den Bodcil der Heimat betritt, verklärt die

bekannten

Wiedersehensfreude jedes

Bild, alle anderen

M. Fr orz.

Der Angerufene sprang sofort herbei. „Sobald Dein Herr erwacht, berichte ihm, daß Eginhard von Marwitz seine Sippe heimzusuchen gegangen ist, sich jedoch zum Empfange bei Seiner kurfürstlichen Durchlaucht wieder einstellen wird. Verstanden?" „Jawohl, Herr!" erwiderte, mit über der Brust ver¬ schränkten Armen sich verneigend, der Bursche auf den in abessinischer Mundart erteilten Befehl. Eginhard blickte lächelnd auf die gekrümmte Gestalt des Afrikaners, welcher den musklllösen Oberkörper, trotzdem er vollstälidig europäische Kleidung trug, mit einem purpurnen Tuche dicht umwickelt hatte.

„Du frierst wohl, armer Jzo?" „Ein wenig. Herr, das Himmelsgeftirn schaut so blaß" — „Zur Strafe, weil Deinesgleichen uns Bleichgesichter nennen, — Ist es aber nicht schön in der Heimat Deines Herrn?"

Der junge Marwitz wies stolz auf die vor ihm liegende Pracht, während sein Blick gespannt auf den Zügen des Dieners ruhte, gleichsam, als sehne er sich, aus einem anderen Munde die Bestätigung der eigenen freudigen Em¬ pfindung zu erhalten. Der junge Neger zeigte ein etwas zweifelhaft vergnügtes Antlitz. „Jawohl, Herr! Jzo hat auch schon einen Baobab ge¬ sehen und Palmen — so groß!" Der Abessinier streckte seinen Arm in die Höhe — „werden wohl noch jung sein, Herr, denkt

Jzo."

Eginhard blickte den Schelm lachend an. „Ja freilich, wentl Du an hiesigen Palniettkrüppeln Brandenburgs Schönheit missest, muß es um Deine Bewunde¬ rung schlecht bestellt sein. Ich will Dich viel hundertjährige Eichen kennen lehren, armer Bursche, und selbst Dein ver¬ wöhntes Auge wird staunen. Wo sahst Du überhaupt Ge¬ wächse Deiner Heimat?" Der Abessinier wies nach dem unweit entfernt liegenden Pomeranzenhause des Großen Kurftirsten. „Jzo hat durch die Glasfenster geschaut." Eginhard drohte lächelnd mit dein Finger. Ernster wer¬ dend, befahl er dem Diener, seinen, ihm soeben gewordenen Auftrag zu wiederholen. Nachdem der Neger die Gedächtnisprobe zur Zufrieden¬ heit bestanden hatte, begab sich der junge Herr hinweg.

Eilten Rundgang atitretend dtlrch den mit kunstsinnigem Verständnis angelegten, parkartigen Garten, gelangte er an der Hundebrücke vorüber nach der Schloßfreiheit, welche mit ihren

Eindrücke weichen

erblassend zurück.

neu errichteten Gebäuden einen stattlichen Eindruck hervorrief. Ehe Eginhard von Marwitz noch die nach dem Werder hin¬

Von plötzlicher Sehnsucht erfaßt, demjenigen näher zu treten, was bisher sein Blick umfaßt, schritt der junge Mann die nach dem Lustgarten führende Treppe hinab. Unten angelangt, war er soeben im Begriff, die Linden¬ plantage zu betreten, welche nach dem mit botanischen Zier¬

überführende Brücke erreicht hatte, erklang zum zweitenmale das Glockengeläut des Domes, und fast in demselben Augen¬ blick tauchten vom kurfürstlichen Holzplatz her in der Nähe der Reitschule, drei Frauengestalten auf, welche, ihr Gesangbuch in den Händen haltend, nach einander die schmale Brücke

gewächsen bepflanzten Hintergarten führte, als sein Blick auf einen Neger fiel, der beschäftigt lvar, Gepäckstücke von dem an der Rückseite des Hauses befindlichen Reisewagen loszuschnallen.

betraten.

„Jzv!"

Eginhard blieb bescheiden in einiger Entfernung stehen, um dieselben vorüber zu lassen. Ihrer Kleidung nach schienen die drei Kirchgängerinnen dem Patrizierstande anzugehören.

-9

3

„Eine Mutter mit ihren Töchtern", dachte der junge Marwitz, und es fiel ihm nicht eben schwer, die voraufschreiteirde alte Edeldame durch keinen Blick zu belästigen. Bei der nachfolgenden zweiten Frauengestalt ward ihm diese Zurückhaltung weniger leicht, und bei der dritten siegte das Berlangen, einen Moment aufzublicken. Da traf ihn ein fröhlich fragendes Mädchenauge. Seknndenlang war es, als zögere die junge Kirchengängerin. weiter zu schreiten.

Eginhard hatte sein braunlockiges Haupt beim Nahen der Damen entblößt und bot tti seiner ehrerbietigen Haltung ettten hübschen Anblick. Es schien jedoch nicht Wohlgefallen allein zu sein, welches den Schritt des jungen Mädchens stocken machte. Im nächsten Augenblick schritt sie übrigens schon wieder in der nämlichen, unanfechtbar ehrwürdigen Haltung wie die andern beiden dem Domportale zu. Eginhard blickte ihnen traumverloren nach. Vor seineminneren Auge war urplötzlich ein anderes Bild ailfgetaucht. Er sah sich als strammen, rotwangigen Knaben zwischen zwei zarten, kleinen Mägdlein, deren Händchen er schützend gefaßt hielt, zum Domgottesdienst eilen, und als halbentwickel¬ ten

Jüngling

auf demselben Gange den stets schutzbedürftigen

Genossinnen gegenüber Ritterdienste versehen. Gedankenvoll blickte er an sich selbst hernieder.

Eine Aehnlichkeit, die er glaitbte wahrgenommen zu haben, hatte diesen Gedankengang in ihm heraufbeschworen und den Wltnsch angeregt, jenen Kirchgängerinnen zu folgen. Er that dies aber nur einen Augenblick. Dann schlug er, kurz ent¬ schlossen, die entgegengesetzte Richtung nach Friedrichswerder ein.

Eins der ansehnlichsten Häuser dieses Stadtteiles war sein Ziel. Schon von weitem ruhte Eginhards Blick suchend auf den Fenster der beiden Stockwerke; aber bis zum Giebel empor spähte sein Auge vergeblich.

Wohl waren die zwischen Steinverzierungen und Holz¬ hier und

dort

befindlichen bunten

Glasscheiben

zurückgeschoben, um der schönen

Frühlingsluft

den

Eintritt

gewähren, aber kein freundliches Antlitz neigte der Fenster dem Heimkehrenden entgegen.

sich

aus einem

„Wie thöricht, das zu erwarten,"

ihr als Fremder empfangen

zu werden,

hatte

das

Marwitz ein Lächeln ins Antlitz gelockt. — Der Handelsherr und kurfürstliche Admiralitätsrat Peter von Marwitz saß, in eine schwierige Berechnung vertieft, vor und blickte tinwillig auf, als Eginhards Pochen an der Thür hörbar wurde. Er wandle das Haupt über die Schulter zurück, und, die festlich gekleidete Männergestalt infolge seiner Kurzsichtigkeit nur undeutlich ge¬ wahrend, fragte er mit gerunzelter Stirn in barschem Tone: „Was ist Euer Begehr?" Ein unterdrücktes Lachen klang als Antwort herüber, hinterher jedoch sogleich die halb bewegt, halb schalkhaft

seinem umfangreichen Schreibtische

klingende Bitte:

„Nichts

geringeres,

als

ein

Willkommensgruß,

Ohm

Peter!"

Mit

einem Ausruf höchster Ueberraschuug

Handelsherr von seinem Sitze empor. „Was Teufel, höre ich! Eginhard? oder ist's Dein Geist?"

sprang

der

Junge bist Du's

„Ich bin's in Fleisch und Blut!" Der junge Mann warf sich in die freudig ausgebreiteten Arme des älteren, über dessen gefurchte Züge sich ein Schein verbreitere, wie das Abendsonnenlicht auf herbstlichem Felde, während er den Ankömmling väterlich herzlich an seine Brust

„Das

es denn

Der junge Marwitz schüttelte ungläubig lächelnd sein Haupt.

schnitzereien

In

dem jungen

drückte.

möglich, daß fünf kurze Jahre bis zur llnkenittlichkeit verändern konnten?

War

-

zu

nenne ich

mir eine Ueberrumpelung!"

scherzte er,

um dem zuletzt weich gewordenen Tone die gewohnte Rauheit zurückzugeben. „Wann bist Du angelangt? — Natürlich in des Kammerjunkers Begleitung? Du Schalk! Während wir von der Grüben und Dich noch in Aegypten wähnen, trittst Du bereits Alt-Brandenburg ans den Nacken. Seid Ihr zu Lande oder zu Wasser gereist?" „Wir haben den Seeweg gewählt, durch das Mittelmeer, an

Gibraltar vorüber." „Und seid in Hamburg gelandet?" „Nein, Ohm. Im Hafen von Pillau

sind

wir vor Anker

gegangen."

„Wie das?" „Der Major

wünschte mit dem Oberhaupt der Handels¬ Verhandlungen zu pflegen. Wir er¬ Königsberg gesellschaft in fuhren jedoch dort, daß Benjamin Raule augenblicklich bei dem Kurfürsten weilt und reisten daher unverzüglich hierher." (Fortsetzung folgt.)

sprach er lächelnd, indeni

er den Thürklopfer in Bewegung setzte.

Liebkosend berührten

Finger die kunstvoll geschmiedeten Verzierungen der gut verwahrten Pforte.

seine

Eine ihm unbekannte, junge Magd öffnete dem Einla߬ begehrenden und schüttle verwundert itnd bewundernd zugleich aus dessen goldgesticktes, dunkelgrünes Samlwams, die kostbare

niederländische Spitzengarnitur und das federgeschmückte Barett.

„Der Ratsherr fitzt daheim in der Amtsstube. Kommt, fremder Herr!" lautete die freundliche Antwort auf seine An¬ frage. Dann ging die Dienerin voraus, und Eginhard folgte ihr lächelnd durch die kühle, in rrattlichem Dämmerlicht ge¬ haltene Vorhalle, deren liebvertraute Einrichtung ben Ankömm¬ ling zu umfangen schien, wie weiche, sehnsuchtsvoll ausge¬ breitete Mutterarme.

Die Meile Preisbewerbung um das Uatisnal-Dentnnal Kaiser Wilhelms l. Bon H. Uollnrav. (Mit

2 Abbildungen.)

Die Aufforderung, sich an dem zweiten Wettbewerb um Nationaldenkmal zu bewerben, richtete der Reichskanzler das am 27. August 1890 an folgende deutsche Künstler: Architekt Bruno Schmitz-Berlin, Architekten Rettich und Pfann-Berlin, Bildhauer Carl Hilgers-Charlottenburg, Bildhauer Fritz Schapervon Berlin, Bildhauer A. Hildebrand-Florenz, Bildhauer dein ersten Wett¬ Künstler hatten bei Schilling-Dresden. Diese bewerb die ersten und zweiten Preise erhalten; ihnen reihte man noch folgende vier deutsche Bildhauer an, welche durch

I.

--e Bedeutung Anspruch auf die Beteiligung Aufgabe hatten: Reinhold Begas-Berlin, R. Siemering-Berlin, W. Rümann-München und A. Donn-

ihre an

4 Diese Aufforderung lehnten sechs Künstler ab;

künstlerische

großen

der

acht Paragraphen, welche die Bedingungen dieser Preisbewerbung enthalten, heben wir zur Orientierung zweiten folgende wichtige Punkte hervor: „Durch.Beschluß des Bundesrates und des Reichs¬ tages ist Sr. Majestät dem Kaiser die Entscheidung über den Platz, auf welchem das Nationaldenkmal für den hochseligen Kaiser Wilhelm I. errichtet werden soll, über die Gestaltung des Denkmals und über den auszuschreiben¬ den engeren Wettbewerb anheim gegeben worden. 1 . Das Denkmal wird auf dem durch die Niederlegung der Schloßfreiheit entstehenden und durch Hinzuziehung eines Teiles der gegenwärtigen Wasserfläche erweiterten Platz er¬ richtet; es wird von dem königlichen Schloß durch die Straße

und der Berliner Architekt Bruno Schmitz. Am 12 . August 1891 wurden die Entwürfe von den Künst¬ lern eingeliefert, und das Reichsamt des Innern sorgte für eine würdige Aufstellung derselben im Lichthofe des Zeughauses. Die kundige Hand des Geh. Ober-Regierungsrats Busse, welche schon die bedeutend schwierigere Aufstellung der ersten Preisbewer¬ bung künstlerisch befriedigend geordnet hatte, wies auch dies¬ mal die Plätze an, und zwar in der Weise, daß die Arbeiten von Begas zur Linken, diejenigen von Hilgers zur Rechten der Borussia, dem Standbild gegenüber Schmitz' und Schillings Entwürfe ihre Aufstellung fanden. Se. Majestät der Kaiser nahm als erster am 22 . August diese Preisbewerbung in Augenschein, und am folgenden Tage wurde ihre Besichtigung dem

getrennt.

Publikum freigegeben. So verschieden die vier Entwürfe sind, deren jeder ein-

National - Denk,ncrl Kaiser MiUielrns Entwurf von C.

2.

Das Denkmal erhält die Gestalt eines Reiterstand¬

bildes.

Außer dem Denkmal selbst umfaßt der Wettbewerb auch die architektonische Ausbildung des bezeichneten Platzes, einschließlich der ihn begrenzenden Ufermauern, von der Schleusenbrücke bis zur Schloßbrücke.

der für die Denkmals¬ anlage in Betracht kommenden baulichen Bedingungen wird unter 4 gesagt: „Es sind zu liefern a) 1 Modell des Reiterstandbildes bezw. der Nebenfiguren im Maßstabe von Nach eingehender Erörterung

1:5. b) ein Entwurf für die architektonischen Anlagen, entweder im Modell oder in Zeichnungen, ersteres im Ma߬ stabe von 1:50 und letztere in 1:100 der natürlichen Größe. 7.

Für

I.

Schilling

dorf-Stuttgart. Aus den

jeden zur Bewerbung

zugelassenen

Entwurf

wird dem Autor eine Entschädigung von 4000 M. gewährt. Außerdem bleibt vorbehalten, einzelne Entwürfe durch be¬ sondere Preise bis zur Höhe von 12 000 M. auszuzeichnen. Die Entwürfe werden gegen Zahlung der erwähnten Ent¬ schädigung Eigentum des Staates."

die vier,

welche sich beteiligten, waren die Berliner Bildhauer Reinhold Begas und Carl Hilgers, der Dresdner Bildhauer von

I>

Hilgers.

unverkennbar treu die seinen Bildnern eigentümliche Schaffensweise widerspiegelt, eins ist ihnen allen gemeinsam: der nach dem Schlosse hin sich öffnende halbkreisförmige archi¬ tektonische Abschluß. — Diese Lösung der Aufgabe war durch zelne

den

Standort gegeben, und alle Künstler außer

I.

v. Schilling

haben demgemäß so komponiert, daß die gewaltige Baumasse des Schlosses mit Eosanders Portal, vom westlichen Ufer des

Schleusengrabens aus gesehen, den Hintergrund der architek¬ tonischen Anlage bildet, während von der Straße aus, die sich zwischen dem Schloß und dem Denkmal halbrund hinzieht, die

luftige und freie Anlage der umschließenden Architektur den Hintergrund des Kaiserstandbildes abgiebt. Schlicht und edel hat C. Hilgers seinen Denkmals¬ entwurf gestaltet, er hat des Kaisers Persönlichkeit so darge¬ stellt, wie sie jedem bekannt ist und wie sie historisch weiter leben wird: einfach und vornehm — ein Bild ernster Ritterlich¬ keit. Um diese Eigenschaften möglichst hervortreten zu lassen und um nur ihm und keinem änderet! ein Denkmal zu setzen, hat der Künstler dem Postament nur denjenigen notwendigen

■*3

Schmuck gegeben,

der als eine Ergänzung der Kaiserstatue

Der gut gegliederte Sockel zeigt an der Vorderseite eine von der Kaiserkrone überragte Kartousche, welche die Worte „Wilhelm der Siegreiche" trägt; zur Rechten und Linken des Reliefs, in das Postamettt eingefügt, erblicken wir die

selbst anzusehen ist.

5

Gangart aufgefaßt, und die Erscheinung des Herrschers ist bei aller Einfachheit der Kleidnitg — Paletot und Helm — dennoch eine hoheitsvolle, majestätische; seine Haltung vereint vornehme Ruhe mit männlicher Kraft, und frei und ruhig, wie wir alle es an ihm kannten, ist sein väterlich gütiger Blick.

Reitorstatue Kaiser Wilhelms Entwurf von C.

ruhenden, weiblichen Jdealgestalten der Gerechtigkeit und Frömmigkeit, welche die Hauptcharaktertugenden des glorreichen Herrschers verkörpern; die Frömmigkeit, welche das Kreuz glaubensvoll umfaßt, trägt die edlen Züge der Königin Luise. Ein schlichter und dennoch großer Zug geht durch Hilgers Reiterstatue des Kaisers; das kräftige Pferd ist in ruhiger

I.

Hilgers.

Während die leicht erhobene Rechte den Herrscherstab hält, faßt die Linke des Pferdes Zügel; als besonders glücklich ist an diesem Reiterstandbild die edle Silhouette, der künstlerische Zusammenklang der Linieit hervorzuheben, und auch die jedem verständliche allegorische Figur des Sieges, welche in jugend¬ licher, in sich gefestigter Kraft zu Füßen des Kaisers auf den

_-8 Stufen des Sockels lagert, unterstützt diesen Eindruck in

be¬

Diese jugendlich schöne Heldengestalt, deren

deutsamer Weise.

Helmzier trägt, ist eine herrliche Verkörperung des lhatenfrohen Sieges; auch wenn um seine streitbare Rechte und das jetzt ruhende Schwert sich nicht Lorbeergewinde zögen utid der vom Flug heimgekehrte Zollernaar ihm nicht zur Seite rastete, würde jeder ihn als den Sieg gelten lassen, der hier das Sinnbild der Erfolge des großen Kaisers ist. Zwei ruhende Löwen flankieren zur Rechten und Linken das Denk¬ mal, zu welchem wie zu der dasselbe umgebenden Plattform acht Sinsen hinaufleiten. Während der Künstler, wie geschildert, sich bei dem Reilerdenkmal — um das Hauptaugenmerk nicht von der Erschei¬ nung des Kaisers abzulenken — einer besonders schlichten Formensprache befleißigt, giebt er ihm eine architektonische Um¬ rahmung, welche in ihrem glanzvollen Reichtum ein treffliches Abbild der Ruhmesthaten und der Machtstellung des großen Kaisers ist. Zu beiden Seiten begrenzen thorartige Bauten

Haupt

griechische

Mittelbau,

Wölbung gleich einem Triumphbogen das Denkmal überragt, ist eine von Säulen getragene, nach vorn offene Halle; ihre Wände schmücken Mosaikbilder, welche wichtige Begebenheiten aus jener großen Zeit zum Vorwurf haben. Zwischen jenen Cckbauten und der den Mittelpunkt bildenden Halle zieht sich eine luftige Archi¬ tektur hin, deren obere Balustrade von Karyatiden getragen wird, welche als mächtige Walkyren gedacht sind, die in ihren Händen Tafeln halten, auf denen die Namen der Hauptschlach¬ das Halbrund;

der

dessen

ten unserer großen Kriege geschrieben stehen.

Die Denkmalsanlagc ist in das Wasser hinein geplant und nach der Seite des Schleusengrabens zwar einfach, aber gut gegliedert; Treppen führen zum Wasser¬ und verschiedene dekorative Skulpturen, deren einige auch als Wasserspender gedacht sind, beleben das Ganze,

doch architektonisch

spiegel hinab,

auch hier der Charakter der heiteren, festlichen Pracht, welcher die Anlage beherrscht, durchaus gewahrt wird. so daß

(Schluß folgt.)

Etwas vom attrn Moltlre. Von

H. Mnldonrar.

Es war zu Ende der siebziger Jahre, bei Gelegenheit der großen Herbstmannöver in Brühl am Rhein. Im Gefolge des Kaiser Wilhelms I., das ungemein zahlreich und glänzend war. befand sich selbstverständlich auch Generalfeldmarschall Graf Molike. Der greise Feldherr, der damals schon sein 77. Lebensjahr zurückgelegt hatte, liebte es, wie den Lesern wohl bekannt sein wird, sich unerkannt unter das Volk zu mischen.

Gar manches

hübsche Geschichtchen

ist nach seinem

Tode ins Publikum gedrungen, ein jedes von seiner großen Einfachheit und Herzensgüte Zeugitis ablegend. Dennoch glaube ich. daß wenigen bekannt sein dürfte, was ich hier er¬ zählen will. Brühl ist ein recht beliebter Ausflugsort für die um¬ liegenden Städte, und namentlich von Bonn und Köln besucht man gern den prächtigen Park, in welchem das Schloß liegt, das im Jahre 1728 vom Kurfürsten Klemens 3Iuguft erbaut und „Augustenburg" genannt wurde. In jener Zeit, da die Mannöver in Brühl stattfanden, war das Städtchen von Fremden überschwemmt, die alle den

6

fi* greisenKaiser und seine getreuen Ratgeber sehen wollten. Stunden¬ lang standen die Menschen vor dem Schlosse oder den Ge¬ bäuden, in welchen die großen Herren Unterkunft gefunden hatten. Den alten Feldmarschall zu sehen, glückte aber nur ben wenigsten, denn ohne, daß die meisten es ahmen, war er ge¬ wöhnlich durch eine Hinterpforte entschlüpft, oder, wie es that¬ sächlich vorgekommen sein soll, er drückte den Hut (Moltke trug gern Civil, wenn er nicht im Dienste war) tief in die Stirn und schlüpfte scheu, verlegen durch die Eingangsthür mitten ins Publikum, das natürlich in dem schüchtern auf¬ tretenden Männchen den Gewaltigen nicht vermutete und ihn ruhig durchgehen ließ. Daß derartige Erlebnisse den Grafen höchlichst ergötzten, wird man gern glauben.

Eines Tages, als der Dienst den Feldmarschall nicht in Anspruch nahm, unternahm er eine weitere Fußtour nach der Ruine Mödling, weil man ihm verraten hatte, daß nicht allein der Weg dorthin, sondent auch das ganze Mödlingthal ent¬ aufzuweisen habe. Er war ein großer Freund der Natur, einer ihrer eifrigsten und auf¬ richtigsten Bewunderer, und er genoß die ihn umgebende Ruhe und Stille in vollen Zügen. Kein Blatt regte sich, über ihm spannte sich ein wolkenloser, blauer Himmel, das rechte Kaiserwetter; neben ihm lief geschwätzig der Mödlingerbach, bald unter Gestrüpp verschwindend, bald unverhüllt sich über blankem Kiesel hinwälzend, dein einsamen Wanderer nicht allein Unter¬ haltung gewährend, sondern ihn auch mit seiner Kühle erlabend. zückende landschaftliche Reize

So erreichte Moltke das gewünschte Ziel. Doch seltsam, dachte er, war außer ihm in dieser Einöde noch ein anderes lebendes Wesen? Klang es nicht, als ob die alten Zeiten wieder erstünden, jene Zeiten, da in den Burg¬ verließen die unglücklichen Gefangenen schmachteten? Moltke besann sich nicht lange. Leichtfüßig erklomm er die Ruine, von Zeit zu Zeit innehaltend in seinem Laufe, um zu horchen, auszukundschaften, woher die Stimme — oder waren



Aber so sehr er sich auch anstrengte, es wollte ihm nicht gelingen. Ganz erhitzt, wollte er schon sein fruchtloses Bemühen aufgeben, als er deutlich eine leise, wehmütige Melodie singen hörte. Die Stimme war jung und frisch; es schien so¬ gar, als würden ihr Zügel angelegt, als bemühe man sich mit Gewalt, die eigentliche Stimmung des Singenden 311 ver¬ bergen. Dann und wann war es dem aufmerksam Lauschenden, als sei es Niren-Gesang, so neckisch-lieblich erklang es bis zu ihm. Moltkes Jnterresse, aber auch seiue Neugier waren erregt. Noch eifriger als vorher machte er sich daran, das Geheimnis zu erforschen, wäre aber sicher ohne die ihm zu Teil werdende Hilfe nicht ans Ziel gelangt. Er hatte das ganze Gemäuer, soweit es menschlichem Fuße zugänglich war, abgesucht; die Stimme, ja, oft ein unter¬ drücktes Lachen folgten ihm auf Schritt und Tritt. Da noch eine Biegung — und unter ihm lag, von dem ungehindert hereindringenden Sonnenlicht überflutet, ein unterirdischer Raum, der nach den einzelnen Gitterstäben, die lose in den Luken hingen, zu urteilen, wohl als Gefängnis gedient haben mochte. Libellen huschten umher, auf dem abgebröckelten Mauerwerk saß ein Rotkehlchen und lugte recht naseweis bald auf ben un¬ erwarteten Eindringling, bald nach der Gestalt hinüber, die sich's auf einem mächtigen Felsblock ganz bequem gemacht hatte. es mehrere?

kam.

7

Moltke ward durch des Tierchens Gebaren erst aufmerksam. Um die Gestalt sehen zu können, mußte er sich weit vorbeugen. Darüber schien das junge Wesen unten höchst belustigt, denn es

rief:

„Obacht, mein Herr Ritter! Wenn man gekommen ist, eine Gefangene heimlich zu befreien, darf man nicht so un¬ geniert zu Werke gehen!" An der Stimme erkannte der Feldniarschall die geheimnis¬ volle Sängerin. Auf ihren munteren Ton eingehend, sagte er: „Heimlich, holde Dame? Wenn die Vöglein und Libellen uns zuschauen?"

weiter! — Ach, wer Sie auch sein mögen, ich schwärme gar so sehr für die alten Zeiten! Ihnen muß ich's verraten, Sie haben ein so gutes,

„Die sageu's aber

doch nicht

vertrauenerweckendes Gesicht!"

„Sehr verbunden", erwiederte Moltke mit einer tadellosen Verbeugung von seiner Höhe herab. Um seine Mundwinkel zuckte es, aber er bezwang sich, mochte er doch das Zutrauen der reizenden Kleinen nicht verscherzen. Eine Kleine war es allerdings noch, das sah er am als sie endlich aufsprang und zu ihm eilte. Sie mochte kaum sechzehn Jahre zählen, ihr Gesichtchen hatte noch einen sehr kindlichen Ausdruck, den die frei herabhängenden, blonden besten,

Zöpfe noch erhöhten, und ihre blauen Augen, die in ihrer dunklen Färbung mit dem Himmel zu wetteifern schienen, ver¬ rieten, daß sie noch nicht gelernt hatte, ihre wahrsten und innersten Empfindungen unter hohlen Phrasen zu verbergen. Mit einer Bewegung, die einer Fürstin Ehre gemacht haben würde, lud sie ihn ein, zu ihr herniederzusteigen. Da ihm dies nicht so rasch von statten ging, wie sie gern wollte, sprang sie das Gerölle empor und reichte ihm die Hand. „Es wäre freilich viel richtiger, Sie führten mich, aber —" sie verstummte und wendete ihr Gesichtchen ab. „Aber bei einen: so alte:: Knaben, wie ich bin, wollen Sie eine Ausnahme machen, nicht wahr?" lachte der Geführte, der es sich ganz gern gefallen ließ, von so zarten Händchen geleitet zu werden. Das Mädchen errötete und meinte nach einer langen Pause:

„So freilich

hatte ich mich nicht ausdrücken wollen."

„Und wie denn?" Sie aber ließ nun

seine Hand los, eilte vorwärts zu dem Platze, den sie vorher inne gehabt, legte das Moos, welches ihr zun: Sitz gedient, dichter aus und bat ihn, es sich hier bequem zu machen.

Als sie

er nicht sofort ihrer Aufforderung Folge leistete, rief

lachend:

„Sie

vorlieb nehmen, denn so wie es der Kaiser im Schlosse zu Brühl hat, kann ich es Ihnen freilich müssen schon

nicht machen."

„Der Kaiser?" „Ja, der Kaiser und Bismarck und

der alte Moltke. Haben Sie den schon gesehen? Ja? O, Sie Glücklicher! Ich bin noch nicht dazu gekommen. Mama will nicht, daß ich nach Brühl gehe, es seien" — hier lachte der Schelm höchlichst ergötzt auf — „zu viele Offiziere da. Gelt, das ist drollig?" „Na, aber im Bild kennen Sie ihn doch?" fragte der Feldniarschall voller Spannung. „Gesehen habe ich ihn wohl, aber ich würde mir nicht

&■zutrauen, ihn zu erkennen. Da sagen die Menschen immer, Aber, er sei daran zu erkennen, daß er keinen Bart trüge. du lieber Himmel, andere Herren tragen auch keinen. Dann Bei diesen Worten lachte müßten Sie auch Moltke sein." sie so herzlich, so kindlich, daß der ernste Molkte mit lachen mußte.

„Sie

haben recht, kleines

Fräulein, daran erkennt man

den alten Moltke nicht."

„Aber woran denn?" „Das könnten Sie nur erfahre::, wen:: Sie nach Brühl Sagen läßt sich das nicht." gehen. „Grade so sagt mein Papa auch immer." — Moltke unterhielt sich noch einige Zeit mit dem lieblichen Backfisch, der so zutraulich sich ihm genähert, und, nachdem er noch erfahren, daß ihre Angehörigen gar nicht weit entfernt seien und sie dieselben in knapp zehn Minuten erreichen könnte, drängte es ihn heimwärts, vielleicht hauptsächlich deshalb, weil eben diese Angehörigen ihn erkennen und ihm seinen Spaß verderben würden. Das Mädchen gab ihm ein Stück Wegs das Geleite, immerfort plaudernd, ihm alle kleinen Sorgen und Kümmer¬ Als sie schieden, meinte Moltke: nisse verratend. „In Brühl werden wir uns doch vielleicht wieder¬ sehen. Wenn Sie nur daun nicht thun, als hätten Sie meine Bekanntschaft noch gar nie gemacht!" „Wo denken Sie hin? Sie sollen mir im Gegenteil helfen, Moltke zu sehen." „Das dürfte schwer halten."

„Ich merke schon, ich muß mich nach einen: anderen Ritter umsehen", schmollte die Kleine, sich nach echter Backfischmanier mit den Schultern hin und her drehend. „Wenn Sie mir versprechen, sich durch gar nichts ver¬

blüffen zu lassen, dann —" „Dann wollen Sie mir helfen?" jubelte das Mädchen. „Das ist hübsch von Ihnen!" „Also auf Wiedersehen in Brühl, kleines Burgfräulein, das wimmert und klagt und ehrbare Wanderer verführt," sagte der greise Feldherr. „Wie soll ich Sie aber erkennen oder wo Sie finden?"

„Ich erwarte Sie

am Bahnhof."

„Abgemacht, Herr Ritter, hier schlagen Sie in meine Rechte, und wehe Ihnen, wenn Sie nicht Wort halten!" Das war das letzte, was Molrke von dem übermütigen Geschöpfchen hörte; denn kaum, daß er ihre Hand berührt

hatte, flog waren. —

sie

den

Weg zurück,

den

sie

soeben

gekommen

Es war am Tag der Abfahrt der hohen Herrschaften. Das Städtchen war von Fremden überfüllt. Im Bahnhof war kein Plätzchen leer. Der absperrenden Schutzmannschaft dünkte es eine unausführbare Aufgabe, das Publikum fernzu¬ halten. Von fern und nah waren sie herbeigeströmt, um den ehrwürdigen Kaiser inmitten seiner Familie — auch der Kron¬ prinz, seine Gemahlin und deren älteste Tochter waren an¬ wesend — und seine Getreuen zu sehen. Ziemlich weit vor allen anderen, an einer Stelle, welche einen prächtigen Ueberblick über das Ganze bot, von der Thüre, durch welche die Herrschaften auf den Perron treten mußten, nur durch einige hohe Lorbeerbäume getrennt, stand ein junges Mädchen, das durch seine Lebhaftigkeit, sein liebes Gesichrchen

mit welchem

und durch den Eifer,

trat und ihr mit einem liebenswürdigen Lächeln beide Hände

jeden Ankommenden

sie

nmsterte, aller Umstehenden Interesse erregte. „Dein Ritter hat Dich aber schmählich im Stich gelaffen,

entgegenstreckte.

Lucy", neckte sie ein älterer Herr, dessen Züge auffallende Aehnlichkeit mit denen des jungen Mädchens verrieten. „Ach Papa!" Waren das wirklich Thränen, die in den lustigen Augen schimmerten? Wohin war Fräulein Lucys Schalkhaftigkeit? Wohin ihr Uebermut, ihre Sicherheit? Verweht, alles zerronnen vor der Gewißheit, daß der Fremde, um den sie so schwere Schelte hatte hinnehmen müssen, weil sie sich mit ihm so vertraut gemacht, sie nur gefoppt hatte. Am liebsten wäre sie nach Hause gegangen; sie wollte gar nichts sehen, gar nichts wissen und hielt sich des öfteren die rosigen Ohren zu, als ihr Bruder, ein Primaner, ihr diesen und jenen Namen nannte. Nein, sie wollte nichts wissen.

Lucy ward bald bleich, bald rot. „Excllenz", stammelte sie. Moltke aber lächelte nur, zog zwischen den Knöpfen seiner Uniform ein Couvert heraus und übergab es ihr mit den

„Nun, kleines Burgfräulein,

habe ich nicht

Wort gehalten?"

Worten:

„Hier haben Sie ein Bild vom alten Moltke, der sich freute, im tiefsten Wald versteckt ein Ritterfräulein zit finden. Vergeben Sie mir das kleine Versteckspiel, aber ich brachte es nicht fertig, durch Nennung meines Namens, womit ich Ihren Wunsch allerdings am raschesten erfüllt haben würde, die köstlichen Augenblicke mir selbst zu schmälern." „Papa, siehst Du nun, wer der Fremde gewesen? Und Ihr habt mich so hart darum angelaffen," flüsterte das hoch-

«pH

Die

Ksi.

TievcreFneislctiuie

inr Jahre 1795.

von btt heutigen Karlstraße aus gesehen.

Aus der Ferd. Meyerschen Sammlung.

laut genug, um von Moltke verstanden

Da ging eine Bewegung durch die harrenden Massen. Lucy und die Ihrigen wurden noch etwas weiter vorgeschoben. In demselben Augenblick trat Kaiser Wilhelm und mit ihm Fürst Bismarck und Feldmarschall Moltke durch den blumengeschmück-

beglückte Mädcheti, doch

ten Weg hinaus auf den Perron.

Lippen darauf.

Lucys Augen erweiterten sich immer tnehr. Sie faßte krampfhaft nach ihres Vaters Arm, so fest, daß dieser kaum

Ein lautes Bravo in ihrer Nähe schreckte rief ihr ins Gedächtnis zurück, wo sie weilte.

zu werden.

Er drohte ihr lächelnd mit zum Abschied die Hand reichte,

einen leichten Schmerzensschrei unterdrücken konnte.

„Papa,

.

.

.

Papa,

dem Kaiser?" fragte sie

wer ist atemlos. .

.

.

.

.

.

so

Ihr nun Lucy auf und erbleichte. Schrecken aber ward noch größer, als der Feldmarschall, der nahe genug war, um ihren Ausrnf zu vernehmen, auf sie zu¬

sie

Als rasch

er

ihr nun

die frischen

sie

auf und

dann zuriick.

Lucy barg ihren Schatz auf ihrem Herzen. Das übrige hatte nun ihr Interesse so ziemlich verloren. Nur mit Mühe

gerne sehen wolltest!"

„Moltke?"

drückte

Moltke grüßte verbindlich, lächelte noch einmal und trat

der Herr neben

„Betrachte dir den Mann nur genau, das ist Moltke, den du

dem Finger.

schrie

,

konnte sie sich zurückhalten, ihr Herzchen war zu voll, es drängte sie, ihrem innern Jubel laut Luft zu machen. Sie begrüßte es deshalb als eine Wohlthat, als nun der Kaiser einstieg und dabei ein nicht endenwollendes Hurra die Luft

'

Dabei durfte sie ja einstimmen, ohne aufzu¬ fallen, und so rief sie aus voller Kehle mit. Der Zug setzte sich langsam in Bewegung. Nun war Ms dem Publikum gestattet, hinauszutreten. Lucy machte von Mieser Erlaubnis sofort Gebrauch, und so gelang es ihr, noch Minen Gruß ihres Ritters 511 erhalten. durchbrauste.

Eine

besetzte

Bild

§m\k unter

den Kuben.

aus dem Leben der dreißiger Jahre. Von

Fordincrnd Moyerr.

Es ist ein heiteres,

(Mit Abbildung.) aus der unmittelbaren Anschauung

|be§ Lebens hervorgegangenes Stimmungsbild, das einen Rück¬ blick gewährt auf jene sogenannte „gute alte" Zeit der Menschen «„von damals", wie wir dasselbe in halber Größe des Originals

Girir

Uosctzto

kravattenartig verschlungenes, weißes Halstuch sichtbar werden

in welches das Kinn fast begraben ist. So erscheinen auf unserer Bank die beiden, von den übrigen nach links abgewendeten Männer, deren erster einen baumwollenen „Parapluie" zwischen den Knieen hält. Eine lassen,

erhebliche, aus Frankreich herübergekommene Neuigkeit bilden die langen Pantalons, denen die Kniehose oder Culotte weichen mußte. Der frühere Hut mit vorspringenden Ecken ist bereits dem stark geschweiften und von einer Schnur oder sehr schmalem

Seidenbande umgebenen „Cylinder" gewichen; unter der kühn geschwungenen Krämpe tritt das zierlich gekräuselte Haar her¬ vor, während ein nur schmaler Backenbart das intelligente Gesicht der beiden Männer von leichter Vornehmheit umrahmt. Augenscheinlich haben wir es hier mit „historischen" Portraits zu thun.

In

Dnnk irrrtev dorr Linden.

der bereits unmodern gewordenen, aus Kasimir ge-

Ein ßild aus drm kcdrn brr brtifiigcr 5nfjrr.

Aus der Ferd. Mcyerschen Sammlung.

unsern Lesern darbieten: ein Fragment der bürgerlichen Gesell¬ schaft ans der so herrlich ins Kraut geschossenen „Biedermeier¬

zeit" mit ihren ehrbaren und komischen Gegensätzen, wie solche

in dem mannigfach gestalteten Leben einer großen Stadt zum Vorschein kommen.

An einem Sommertage zur Zeit unserer Eltern oder Großeltern erblicken wir eine Suite „echter" Berliner unter dem Schatten der damals noch achtreihigen Lindenpromenade, welche eine Bank besetzt halten.

Da interessiert vor allem die Modetracht,

welche teilweis

schon zu Beginn des Jahrhunderts die herrschende geworden ivar. Der Tuchfrack mit seiner bis fast unter die Schultern

verkürzten Taille zeigt die spitzen, hinten lang herabfallenden Schöße; dann die beiden knappen vorderen Aufschläge, welche in ihrer außerordentlich weiten Oeffnung das Gilet und ein

fertigten Kniehose, die hohen Schaftstiefeln ohne Absätze, sehen noch die wohlbehäbige und in lebhafter Unterhaltung be¬ griffene „Biedermeiergestalt", deren persönlicher Eindruck durch das starke spanische Rohr mit metallenem Knopfe erhöht wird. Der schon regelrechte Cylinderhut (damals nach einem Ofen¬ rohrverschluß „Rauchstöpsel" genannt) zeigt die modernere Form, wie solche in unserer Zeit wieder Mode geworden ist. An der Seite dieses redeseligen Allerwelts- Onkels hat eine ebenfalls majorenne „Madame" Posto gefaßt, deren Körper¬ fülle von einem leichten, ringsum mit Palmetten durchwirkten Umschlagetuch überdeckt ist; ihr Gesicht mit den pfropfenziehermäßigen Seitenlöckchen blickt aus einem wahren Tonnenge¬ wölbe von Hut. Dann fällt unser Blick auf das weibliche Wesen, tvelches zwischen jener und dem spießbürgerlich-männlichen Nachbar mit der großen Papiermachv-Dose, wie in einer Zelle einge-

wir

Nichts in jener schlichten Zeit bemerkt man von all den Erweiterilngsapparaten des weiblichen Habitus bis zum Ableger des Heidelberger Fasses der — Kriuoliiie, welche übrigens zu Anfang des Jahrhunderts ihren größten Umfang erreicht

gefütterten Daseins sich zn erfreuen scheint. Wohl keiner unserer Haarkünstler würde in Versuchung geraten, die Haartracht dieser Schönen aus einer 60jährigen Ruhe als verführerische Neuheit wieder einführen zu wollen. Eben so wenig begehrenswert erscheint das dicht unter der Büste gegürtete Kleid, wodurch die Taille aus der Empirezeit pfercht ihres nur leicht

hatte.

Und nun schließlich jene köstliche, im Kampfe gegen die Langeweile oder vielleicht in der Ueberschätzung eines gewissen Quantums „Aquavit" in ein tiefes wohlthuendes Schweigen versunkene Gestalt von individualistischer Lebenswahrheit, mit dem über die breite Stirn zurückgeschobenen „Cylinder". Jst's ein im Leben wie in der Liebe verspäteter Junggeselle, über den die Küchenschürze so wenig Macht wie der homerische Gürtel der Grazien besaß . . .?

zur kürzesten geworden, die es wohl jemals gegeben hat. Die Arme wurden bloß getragen, von den „oberen Zehntausend" jedoch mit bis über den Ellenbogen reichenden Handschuhen den Blicken entzogen.

In

gleicher Tracht erscheint, am äußersten Ende der Bank,

der Gattungstypus einer

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solche zum Heil mehr und mehr zur Sie hält den kleinen ihrer Obhut

eines behaglichen Hauswesens seitdem

Seltenheit geworden ist. anvertrauten Weltbürger an einem praktisch konstruierten, jetzt außer Mode gekommenen Gängelbande, dessen symbolische Bedeutung für erwachsene Menschenkinder sich noch erhalten hat.

Es war ein glücklicher Griff ins volle Menschenleben, den echten Kindern jener Tage „besetzten Bank" gethan und so trefflich wiedergegeben hat.

der Künstler von dieser mit den

Kleine Mitteilungen. Dir Königliclio

®icravjnctscl)ulc hat im vergangenen Jahre das erste Jahrhundert ihres Bestehens zurückgelegt. Schon Friedrichs des Großen Augenmerk war auf die Förderung der Wissenschaft gerichtet, welche ausschließlich „die Erhaltung der Gesundheit und die Beseitigung entitandener Krankheiten der Haustiere" zu chrem Gegenstände hat. ColheniuS (der berühmte Leibarzt des Königs, nach dem kürzlich die „Cotheniusstraße" benannt worden ist) sprach sich zuerst sür die Notwendigkeit einer Tier¬ arzneischule aus und legte diesen Gedanken in einem am 21. Januar Doch 1768 in der Akademie der Wissenschaften gehaltenen Vortrage dar erst unter Friedrich Wilhelm II. sollte der Plan zur Ausführung kommen, nachdem bereits 1786 der Oberstallmeister Gras v. Linden au mit den Einleitungen zur Errichtung einer Ecole vüterinaire beauftragt worden war. „Denn", so hieß es, „der Schade, der aus Mangel an guten Roß- und Vlehärzten entstanden, sei sür das Land und die Kavallerie von Es galt nun zunächst, ein den beabsichtigten den allertraurigsten Folgen." Zwecke» vollkommen entsprechendes Terrain zu gewinnen, welches sich dann auch in dem berühmten gräflich Rcußschen Garten darbot. Dieses um¬ fangreiche Besitztum wurde von dem Teil der Friedrichstraße zwischen der heutigen (1827 angelegten) Karlsstraße und dem Oranienburger Thor, von der dortigen Sladtmaueikommunikalion bis zur jetzigen (1838 angelegten) Philipp- und der Luisenstraße (1827 entstanden) bis zur Karlsstraße, und ES erfolgte in dem¬ diese entlang bis zur Friedrichsstraße umschlossen. selben die Umgestaltung größerer Plätze zu Wiesenflächen; wieder andere umgab man mit hohen schattigen Bäumen und Barriören, um die kranken Tiere ins Freie führen zu können. Selbst ein Badebassin sür Pferde entstand im Bette der den Garten quer durchschneidenden Panke, und zwar konnte das Wasser vermittelst angelegter Schleusen in beliebiger Höhe ein¬ und abgelassen werden. Ein Warmwasserbad gelangte dagegen wegen der großen Schwierigkeiten zur Erwärmung der erforderlichen Wastermenge nicht zur Anwendung. Von Baulichkeiten entstanden gleich anfangs die auf unserer Illustration aus dem Jahre sichtbar werdenden: ein zweistöckiges Wohn- und Lehrgebäude mit Apotheke und Laboratorium; zwei Stallgebäude für 40 Pferde, und ein kleinerer Stall für die mit an¬ Ferner eine Schmiede in vier steckenden Krankheiten behafteten Tiere. Abteilungen mit zusammen 8 „Esten", unv, inmitten der Anlagen, das mit einer hohen Lichtkuppel bedeckte Anatomie-Gebäude. Sämtliche Bauten wurden von denc damaligen Geheimen Kriegs- und Baurat Langhans, dem Schöpfer des herrlichen Brandenburger Thores, errichtet. So¬ dann fand die Eröffnung der Ticrarzneischule am 1. Juni 1790 mit sechs „königlichen Scholaren" (zu denen der nachmalige Landstallmeister zu Trakchnen, Wilhelm v. Burgsdorf gehörte), 39 „Fahnenschmieden" und einem Freischüler statt; die Leitung war dem Eingangs erwähnten Oberstallmeister Grafen v Linden au übertragen worden. Die jetzigen Haupt¬ gebäude an der Luisenstraße blicken auf einen övjährigen Zeitraum zurück; ihre Einweihung fand gelegentlich der Anstaltsfeicr im Jahre 1840 statt. AIS Standpunkt von dem aus die Aufnahme unseres Bildes 1795 durch Calau (S. 8) erfolgte, kann eine Stelle der heutigen Karlstraße, und zwar Ferd. Meyer. unfern der Luisenstrahe, angenommen werden.

Friedrich der

Grc>sie

und dev Strirruenffnndel.

Ein preußischer Accisebeamter, von Geburt Franzose, erbat sich von Friedrich dem Großen sür seinen Bruder, einen Kaufmann in Bordeaux, die Erlaub¬ nis, Sklavenhandel unter preußischer Flagge treiben zu dürfen. Er erhielt folgenden Bescheid: „Der Sklavenhandel hat Mir stets herabwürdigend für die Menschheit geschienen, und Ich werde nie durch Meine Bewilligung Jemand dazu crmuthigen und solchen begünstigen. Uebcrdics wollt Ihr Eure Schiffe in Frankreich kaufen und ausrüsten, die rückbringendc (sie!) Waare in jedem beliebigen europäischen Hafen abladen, was noch ein Grund

mehr für Mich ist. Euch Meine Flagge zu versagen. Indeß, wenn dieser Handel soviel Reiz für Euch hat, so steht es bei Euch, nach Frankreich zurückzukehren.

Fricdrick."

Potsdam, den 16. April 1782.

>

v.

Gin Stnnnntrurtirrovs non Gottfried Kinkei*): „Der Bund soll fürder walten. Der uns vereinte hier. O komm zu meinem Herde, Laß keinerlei Beschwerde Dich halten! Den alten. Den hellen Wein bewahr' ich

| \ !

Dir." —

II.

Unser Süchertifch.

Krrch der Freundschaft.

Bon »r. Friedrich Kirchner. Halle a/S., 1891. G. Schwctschkes Verlag. Preis geh. 3 M., gbd. 3,50 M. Der Verfaster vereinigt in diesem Werke gründliches Studium mit geistvoller Darstellung. Es wird gewiß bei jungen und alten Lesern nach¬ haltigen Beifall finden. Tadel verdient jedoch die allzu große Bereitwillig¬ keit, berühmte Liebespaare unter die berühmten Freundschaften zu mischen; denn Hebbel und Elise Lensing, Rafael und die Fornarina, Slruensee und Karoline Mathilde gehörten wahrlich nicht zu letzterer Kategorie! Dagegen sind einige der berühmtesten Freundschaften ganz vergessen: z. B. Tiedge und Elisa von der Recke. Tieck und Gräfin v. Finckenslein. Jmmermann und Amalie non Sybel, Chateaubriand und Julie Recamier, Larochefoucauld und Gräfin Lasayette, u. s. w. Noch schärfer muß es aber gerügt werden, daß Kirchner fälschlich berichtet, Levin Schücking habe Annette von DrosteHülshofs mit einer Liebeswerbung behelligt! Das widerspricht gänzlich den Thatsachen. Ebenso falsch ist, was Kirchner S. 252 über Emilie Reinbeck, Lenaus mütterliche, verehrungswürdige Freundin, sagt, die er angeblich mit Lenaus eigenen Worten geschildert! Es sind allerdings Lenaus eigene Worte, Lenau beschrieb jedoch mit denselben ein junges Mädchen, mit dem er sich gern verlobt hätte, wozu ihm jedoch die Mittel fehlten. Es war jenes schöne Lortchen, an welches auch die Gedichte „Mein Stern" und „Ohne Fr. von Hohenhausen. Wunsch" gerichtet sind.

In Brief

Fragekasten.

des vorigen Jahrganges vom „Bär" ist abgedruckt, welchen der Tiroler Schütz Riedl an

Nr.

1

auf S. 10 ein

Friedrich Wil¬

gerichtet hat. Wo befindet sich das Original dieses Briefes? Von wem wurde derselbe dem „Bär" zur Veröffent¬ lichung eingesandt?**) Um Beantwortung dieser Fragen bittet die Lrdalttion des „Lar".

helm IV.

Anhalt: Vorwärts,

Gedicht von

I. Trojan; Im Frührot

ge¬

ankert, Erzählung von M. Frey; Die zweite Preisbewerbung um das National-Denkmal Kaiser Wilhelms I, von H Vollmar (mit 2 Abbildungen); Etwas vom alten Moltke, von H. Waldemar; Eine besetzte Bank unter den Linden. Ein Bild aus dem Leben der dreißiger Jahre, von Ferd. Meyer (mit Abbildung). — Kleine Mitteilungen: Die Königliche Tierarzneischule (mit Abbildung): Friedrich der Große und der Sklavenhandel; Ein Slammbuchvers von Gottfried Kinkel. — Bücherlisch. — Fragekasten. — Anzeigen. *>

**)

gegangen.

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(Fortsetzung.)

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III. Hause des Admiralitätsrats auf dem Friedrichswerder war bald uach Eginhards Fortgang die Muhme nebst

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den Töchtern des Hauses angelangt.

Die Nachricht von der unvermuteten Heimkehr des Weit¬ gereisten hatte auf die drei Damen verschiedene Wirkung aus¬ geübt. Während Frau Katharina, eine verwitwete Schwester des Hausherrn, welche seit dem Tode ihrer Schwägerin den

mutterlosen Mädchen zur Seite stand, gerührt nach der Decke emporschaute, tanzte Dorel, die jüngere der beiden Töchter, vergnügt im Zimmer umher. „Ich habe ihn bereits gesehen, Vater, auf dem Wege zum

Dom."

sei's geklagt, sie schaut auf dem heiligen Gange nach rechts und links!" seufzte die Muhme.

„Gott

Dorel

achtete nicht darauf.

„Der Eginhard

sah wunderhübsch aus,

Vater, zwar viel

größer und stattlicher, aber doch noch eben so lieb wie ehemals. Naemi muß glücklich sein! Meinst Du nicht auch?

Hui, jetzt heißt's aber, sich tummeln." Das kleine Edelfräulein, welches nach Aussage des Admiralitätsrats Haushofmeister und vieles andere in einer Person sein sollte, machte dem Titel in ihrer augenblicklichen ■

Lage alle Ehre.

Eilig warf

sie den schwarzen

Seidenmantel von der Schulter

und die Mütze aus Golddraht, die dem jugendlichen Mädchen¬ haupte, so kleidsam sie an und für sich war, in ihrer kronen¬ artigen Zusammenstellung ein wunderliches Relief verlieh, bei Seite und stand nun im schwarzgeblümten Kleide, dessen Säume mit dunkelrotem Bande zackenartig besetzt waren, mit blendend weißem Spitzenbrusttnch und ebensolchen Puffen an den Schlitz¬

ärmeln vor dem Vater; dieser betrachtete wohlgefällig sein lieb¬ reizendes Töchterlein, dessen Augen funkelten wie die Edelsteine des Goldgehänges an ihrem Halse.

„Herzensvater, drei Gerichte dünken mich an einem Tage wie der heutige gar armselig! Was meint Ihr, wenn ich noch den wilden Schweinskopf zu Hilfe nehme und das welsche Huhn, sie liegen ja doch einmal im Vorratskeller, seid Jhr's zu¬ frieden?" „Ob du das fragst oder nicht, die Tafel wird ja doch nach deinem Gusto hergerichtet," lachte der Hausherr gut gelaunt. „Mach' nur, und bring' Deine Kunst zu Ehren."

Das ließ sich Dorel gern gesagt sein. Bald schallte ihre Stimme Befehle erteilend fröhlich durch das Haus, und eigen¬ händig war sie in Küche und Wirtschaftsräumen voller Lust thätig. Die älteste Tochter begab sich, ohne eine Silbe zu äußern nach dem Schlafgemach, das sie mit der Schwester im oberen Stockwerk inne hatte.

Hier sank

sie

vor einem Betpult in die Knie.

Mit

schwerem,

schlürfenden Schritt kam die Muhme nach einiger Zeit ihr nach. den halberloschenen Augen der alten Frau glühte das Feuer

In

fanatischer Begeisterung, als sie die Betende gewahrte.

Sie trat langsam heran und erhob ihre hagere Rechte zu segnender Bewegung; dann verließ sie wieder leise den Raum.



„Schwesterherz, beneidenswertes Bräutchen, wo steckst Du?" klang es lustig aus der Flurhalle herauf. Als keine Antwort erfolgte, eilten hurtige Füße die Stiege empor.

Naemi erhob sich schnell. Sie war soeben im Begriff, das edelsteinbesetzte Haubenband zu lösen, als Dorel auf der Schwelle erschien.

iv

50

Das lebhafte Mädchen schlug die Hände über den Kopf zusammen.

„Noch im Mantel, Naemi? — Soll ich Dir sagen, was ausgerichtet habe? Doch ein Un¬ — sinn so meinte ich es nicht," unterbrach sie sich, über das eigene Lob errötend. „Ich wollte Dir nur mitteilen: am Herdfeuer dreht sich der Spieß, dort ist meine Anwesenheit Geh' Du derweilen nach der Giebelstube hinauf jetzt nötig. und sorge, daß Eginhard alles in Ordnung findet! Aber — wie siehst Du denn aus? So blaß — wie die armen Schlucker, welche der Büttel nach dem Molkenmarkt führt!" „Es war sehr warm heute, — ich bin ganz matt ge¬ worden." „Das glaube ich! Muhme Katharina ist nicht recht gescheit mit ihrer Kirchenlauferei. Na, da darfst Du freilich nicht emsig schaffen! Ich werde eine Magd hinauf schicken. Vielleicht schaust Du später einmal nach! Dann vergiß nicht, Deinem Eginhard ein Sträußleitt zum Willkominensgruß an den Spiegel zu stecken! Es bringt Glück, wenn er beim Hineinschauen an die Braut ich nach der Rückkehr schon

erinnert wird!" Dorel flog wieder hinaus, und Naemi legte still ihren

Mantel

ab.

Schnitt ähnlich wie die Schwester gekleidet — die altlutherische Familie von Marwitz hatte im Gegensatz zu anderen Adelshänsern, welche die neuen fränkischen Moden bevorzugten, altdeutsche Tracht beibehalten — zeigte der Anzug der ältesten Tochter eine Farblosigkeit in seiner Zusammenstellung von grau und weiß, daß im Bunde damit die bleiche Gesichtsfarbe und das Helle auf dem Hinterhaupt emporgekämmte Haar nur den Eindruck der Eintönigkeit hervorrufen konnten. Selbst das funkelnde Halsband, das Dorel so wohl anstand, war durch

Im

eine mattglänzende Perlenschnur ersetzt.

Naemi von Marwitz besaß eine edle Gestalt und regel¬ mäßig geschnittene, feine Gesichtszüge; aber es lag ein Hauch von Unfreiheit über der ganzen Erscheinung, welche deren Vor¬ Die Hauptschönheit, zwei seelenvolle dunkel¬ züge verdunkelte. blaue Angeil, wurden meistens von langbewimperten Lidern verschleiert. Die junge Dame saß lange Zeit, ihre schlanken Finger ineinander gefaltet, inmitten des Zimmers. Nach einer Weile hörte sie den festen Tritt einer Dienerin zum Giebel hinauf¬ stapfen uitd dann anch wieder ebenso polternd herunterkommen. Nun erhob sie sich zögernd, um an ihr Blttmenfenster zu treten.

Der Rosenstock trug halberblüht, weiße Knospen, ein Mprtenbaum grünte in üppiger Blattfülle, und Topfveilchen hauchten aromatische Düfte aus zahlreichen blauen Blüten¬ Ati Dorels Fenster, wo Goldlack und Levkoyen farben¬ kelchen. prächtig blühten, sah es lebhafter aus. Naemi schnitt jedoch, trotzdem sie wußte, wie gern die Schwester von ihren Schätzen beisteuern würde, einen Strauß ihrer eigenen Gewächse ab. Nachdem sie die Blumen anmutig geordnet, nahm sie das silberne Cruzifix von ihrem Betpult und begab sich hinaus. Als sie die Treppe zum Giebel erklomm, vernahm sie den heiteren Gesang ihrer jüngeren Schwester. Dorel war gewohnt, munter und fröhlich bei der Arbeit zu singen, wie ein nimmer¬ müder, kleiner Vogel. Ernst und beinahe

ihr Verlobter

scheu

betrat Naemi den Raum, welchen

seit seiner Kindheit bewohnt.

Dort an jenem

oft mit heißen Wangen über seinen Büchern gesessen, wenn die kleinen Schwestern mit einem Teller Obst herein gehuscht waren oder den Bruder zu bitten kamen, Tische hatte der Knabe

daß er im Garten

Zart

mit ihnen spielen möge. glitt die Hand der Braut über die viel¬

streichelnd

zerschnitzte Eichenplatte.

fach

Zwischen die kleinen Andenken

an verflossene Kinderjahre, die auf dem Tische aufgestellt waren, legte sie ihr liebstes Kleinod, das Bild des Erlösers, sowie den duftigen Strauß nieder.

Dann trat

um in der Richtung nach Beide Hände aus ihr stürmisch pochendes Herz gedrückt, stand sie, von dem Vorhang verborgen, in gespannter Erwartung da. Bei jedem zufälligen Geräusch schrak sie heftig zusammen und machte Miene vom Fenster zuriickzufliehen, gleich als begehe sie durch ihr Ausschauen nach dem Verlobten ein Unrecht. Endlich kam er daher. Hocherhobenen Hauptes und schnellen Schrittes näherte er sich dem Hause. Naemi, anstatt ihm freudig entgegenzuwinken, eilte hastig aus dem Zimmer und flüchtete die Treppe hinab in ihr und sie an das Fenster,

dem Lustgarten auszuspähen.

Dorels Gemach.

Dort stand sie und lauschte atemlos, bis Lachen und Jubeln, kräftige Begrüßungsworte und auch ihr Name an ihr Ohr drangen. Nachdem sie wiederholt gerufen worden, schritt sie hinaus.

Als

die Treppe herabkam, langsam und totenbleich, allen, die in der Flurhalle ihrer warteten, nichts weniger als eine glückliche Braut. Eginhard, welcher soeben noch mit brüderlicher Zärtlichkeit Dorels dunkelblondeir Kopf zwischeir seinen Händen gehalten und freudig geplaudert hatte, wurde plötzlich ebenfalls blaß und verstummte. Die schmerzliche Enttäuschtmg, welche ihm Naemis Anblick bereitete, prägte sich jedoch nicht in seinen Zügen aus. Mit freundlichem Lächeln und herzlich ausgestreckten Händen eilte er der Verlobten entgegen. Nur eine Einzige hatte die plötzliche Veränderung seines heiteren Gesichts wahrgenommen: Naemi. Ihre Haltung wurde Sie wagte nicht, die Augen zu erheben, und noch unsicherer. „Willkommen, Eginhard!" ihre kalte tonlosen: mit eitlem als sie Rechte in seine lebenswarme Hand legte, durchfröstelte es ihn so sehr, daß er nur fliichtig ihre blaße Stirn küßte. „Zu Tische, zu Tische! Zärtlich könnt Ihr noch oft genug thun! Jetzt ist keine Zeit dazu! Das Warten einander mit hat uns hungrig gemacht!" rief der Admiralitätsrat mit seiner gewohnten Rauheit aus. Ohne Umstände schob er das Brautpaar mitsamt Muhme Katharina, welche soeben unter strömenden Thränen ihren Segenspruch beginnen wollte, vor sich her, dem Speisezimmer schien

zu.

sie

sie



„Im Juli

geht's nach der Goldküste!

Gröben hat den

Antrag des Kurfürsten angeitommen, Ohm Peter!" Der erste Gang war kaum vorüber, als Eginhard, in gezwuitgen lebhaftem Tone sich so an den Admiralitätsrat wandte! „Hurra!" rief der Alte, freudig sein Glas erhebend. „Hoch lebe der Abgesandte des großen Kurfürsten!" „Seine Durchlaucht hat mir allergnädigst angeboten, von der Gröben zu begleiten. Ohm Peter."



»mit

51

Eginhard warf diese Worte hin, während er angelegentlich

Du Dich

seinem Hühnerflügel beschäftigt war.

unter unsere Flügel, armes Küchlein!" „So laßt sie doch in Frieden!" tadelte Frau Katharina heftig, als sie gewahrte, daß sich die Augen ihres Lieblings von krampfhaft zurückgehaltenen Thränen zu röten begannen. Ihren Arm um die sich verlegen Erhebende schlingend, ge¬ leitete sie dieselbe vom Tische. „Heda, erst Mahlzeit geboten, nichtsnutziges Weibervolk!" schalt der alte Marwitz erbost. Seine Schwester winkte als Erwiderung nur hoheitsvoll mit der Rechten, während sie die Aufschluchzende hinausgeleitete.

„Ei, ehrenwert! Du

hast aber

wohl unterthänigst dankend

„Noch nicht! Die Aussicht war mir zu lockend. khabe ich mich nicht entschieden."

Noch

„So —? So —

Man hat wohl Lust, sich der Heimat »ganz zu entfremden?" „Das könnte nie geschehn, Ohm Peter! Je weiter man vom Vaterlande entfernt ist, um so viel inniger schlägt ihm das Herz entgegen. Wäre es nicht schön, wenn ein Marwitz s Eure Wünsche verwirklichen hälfe? „Hm, hm — sehr schön gesagt, in der That !" Der alte s

Mann blickte seinem Neffen forschend ins Antlitz. „Frage Deine Braut, was sie dazu sagt, daß Du kaum angelangt, uns wieder verlassen willst!"

Eginhard gab sich den Anschein, den bittern Klang in Worten des Oheims zu überhören. „Ja, in der That, was meinst Du dazu, liebe Naemi?" So herzlich die Frage auch klang, so hörte das mißtrauische Ohr des jungen Mädchens doch Gezwungenheit aus ihr hervor. „Ich finde Deinen Wunsch begreiflich, Eginhard", erwiderte sie leise, während ihre ernsten Augen sekundenlang in diejenigen des Verlobten tauchten. „Da hörst Du's, teurer Ohm, daß meinem Fortgange nichts im Wege steht! — den

Nun, vorläufig haben mir ja noch eine Frist von zwei Monaten vor uns, ehe es weiterziehen heißt." Eginhard versuchte heiter zu sprechen, ohne daß es ihm recht gelingen wollte.

„Ich

habe einen lieben Freund an dem heutigen Tage

wiedergefunden, teure Naemi, Philipp Blonk. Dessen junger Gattin möchte ich Dich zuführen. Wenn es Dir recht ist, suchen wir die Freunde morgen auf." Naemi schüttelte abwehrend ihr Haupt. Um den blassen Mund hatte sich ein herber Zug eingegraben. „Ich besuche niemand, Eginhard, frage Muhme Katharina!" „Sie ist ein gottesfürchtig und häuslich erzogenes Kind, das keinen Gefallen an weltlichen Freuden findet", warf die

Muhme in salbungsvollem Tone ein. Peter von Marwitz preßte eine halblaute Verwünschung durch seine Zähne, während Dorel mit der Miene drolliger Betrübnis herüberrief: „Wir leben wie die Beghinen unter Jobst von Mähren, Eginhard. So leid es mir ist, daß Du aufs neue in ferne Länder gehen willst, am Ende ist es das beste für Dich, denn bald der reine Kalandsbruder!" meinem „Ich hatte mich auf den Familienverkehr mit Aus¬ eine einmal nicht Freunde gefreut. Naemi, willst Du mir hat Philipp nahme von Deiner Gewohnheit machen? bei uns würdest

Du

seine Elisabeth sehr

doch

vorteilhaft geschildert."

Freundin der lebenslustigen Prinzessin Ludwig?" warf die Muhme in scharfem Tone hin. „Das klingt ja gerade, als ob Ihr das für einen Fehler hieltet!" lachte Dorel auf. „Ach, wäre glückselig, von der Prinzessin Radziwill

„Ist

fürchtest, nehmen

wir

beide, Eginhard und ich, Dich

schützend

k abgelehnt?"

!

&~

sie nicht eine

ich

nur einmal angesprochen zu werden. Naemi, sei doch nicht thöricht. Laß uns miteinander Frau Elisabeth besuchen! Wenn

Peinlich berührt blickte Eginhard auf seinen Teller nieder. Der Admiralitätsrat klopfte ihm gutmütig und ermunternd auf die Schulter: „Im Anfang wird's eine harte Nuß zu knacken geben, armer Bursche!" lachte er grimmig. „Wenn Du es gut mit Dir und ihr meinst, nimm sie so bald wie möglich aus den Händen der alten Betschwester! Ich verspreche mir das beste

davon." „Naemi ist sehr verändert, Ohm Peter. Verzeiht; aber es muß gesprochen werden: Hat sie denn überhaupt freiwillig ihr Jawort zu einer Verbindung mit mir gegeben?" „Junge, bist Du toll? So viel Bescheidenheit geht über meinen Verstand. Schau doch in den Spiegel, dann wirst Du mir wohl glauben, daß das Mädel keinen Mucks gethan hat! Sie ist Dir bestimmt, und damit basta! Ihre ganze Verrücktheit besteht darin, daß sie glaubt, wahre Frömmigkeit bestände in Kasteiungen und im Gebete plärren, worin ihr die Muhme in gutem Beispiel vorangegan¬ gen ist. Lehre sie erst einmal erkennen, daß „den Nächsten glücklich machen, so viel in unserer Macht liegt", allein Reli¬ gion ist, so wird sie die alten Narrheiten bald vergessen!" „Da hätte sie an Euch ja das allerbeste Vorbild gehabt, Ohm Peter." „Hm hm — bei mir kommt es auch wohl vor, daß ich dem lieben Nächsten mit dem Stock aus der Ecke helfe, wo's Not thut. Weißt Dorel? Den Valentin?" „Aber Vater, das war ja ein Saufaus, dem das gebührte. Habt Ihr nicht dafür dem armen Weibe und ihren Kindern die Kate vor dem Stralauer Thor geschenkt?" „Ach was! Man kann doch das Volk nicht

elend

auf

offenem Markte umkommen lassen. Nein, Eginhard, meine Arr paßt nicht für die Naemi. Kaum anzufassen trau ich mir das Mädel. Sie ist eben anders

als Dorel. Am liebsten würde ich die Kathrine aus dem Hause schaffen; aber das bringe ich wieder nicht über's Herz. Meine ganze Hoffnung hatte ich auf Dich gesetzt, und nun kommst Du daher und willst nach Afrika gehen. Fast scheint es, als sollten meine alten Wünsche nichts als Unheil bringen," „Nicht so, teurer Ohm!" Sagt selber: was ist des Brandenburgers Pflicht? Oft habt Ihr es ausgesprochen: Für das Vaterland soll er seine ganze Kraft einsetzen! Jetzt herrscht Friede im Reiche. Als Kriegsstürme das Land durchbrausten, war ich ein Knabe, der unthätig zuschauen mußte, ob er gleich vor Ingrimm darüber die Faust ballte. Waffeuruhm wurde mir vorweggenommen, so wandte ich mich der Wissenschaft zu, in der Hoffnung, auf diese Weise dereinst meinen Landsleuten nützen zu können.

-S

52

Ihr

ließet mir die Freiheit, durch Bücher und auch Reisen zu stildiereil, wonach immer nur mein Herz verlangte. Ich war froh und glücklich darüber; aber der Thatendurst, den ich von meinen Ahnen geerbt, erstarb nimmer in der Gelehrsamkeit. Als der Kurfürst mir heute den Vorschlag machte, als Begleiter seines Abgesandten nach Afrika zu gehen, da jauchzte es

in mir auf:

Mit

p.

in der Jünglingsbrust gesehen und nun das Sinnen eines werdenden Mannes gewahren sollte. Gedankenvoll blickte der Heimgekehrte zu dein geöffneten Fettster hinaus. Am duitkelblauen Nachthimmel funfelten Millionen Sterne. Wie von golddurchranktem Hintergründe hoben sich die altehrwürdigen Türme und Dächer seiner Vater¬ stadt ab.

tausend Freuden, gleichviel ob Tod oder Gefahr

mir

entgegen drohen sollten."

„Dennoch zögertest Du, eilte entscheidende Antwort zu geben, bevor Du Naemi wiedergesehen. Jetzt plötzlich hält Dich nichts mehr im Vaterlaude. Ist diese Entscheidung wirk¬ lich so heiligen Eifers wen?" Peter von Marwitz blickte strafend in das Antlitz des Neffen.

Gleich einer Vision stieg aus den verschlungenen, dunklen Straßen und Gäßchen eine sonnige Frauengestalt empor. Dort drüben, in jener Stadtgegend weilte sie, die Holde. Wie war Freund Blonk um solchen Besitz zu beneiden! Mit dem frohen Gedanken, die Gattin des Kapitäns ain nächsten Tage leimen zu lernen, suchte Eginhard sein Lager auf. An dem duftigen Blumen¬ strauß, der gleich einer keusch ausgestreckten

Eginhard sprang ungestüm auf imd ergriff beide Hände des alten Mannes: „Ihr thut mir unrecht, Ohm Peter! Wohl habe ich die Entscheidung von meiner Braut abhängig ge¬ macht; aber nur. weil sie Euer Kind ist, die Tochter desjenigen Mannes, dem ich alles verdanke, was ich bin und habe. Hätte sie mich gebeten — und wäre es nur mit dem früheren schwesterlichen Ton geschehen: Egin¬ hard bleibe daheim! — ich würde das stürmische Drängen in meiner Bricht beschwichtigt haben; kein Mensch hätte ahnen sollen, wie

winken schien, vorüber.

Mädchenhand zu ging er achtlos

(Fortsetzung folgt.)

Das Idyll voll Rheillsllcrg und fein Gndr. Von £. A. twm Mintorfold. (Fortsetzung.)

Dem Hofe der Prinzessin stand der Hofmarschall v. Wülknitz

vor;

ihre Kavaliere waren die Kammer¬ herren v. Rohwedel und v. Bredow. Oberhofmeisterin war die Gräfin Katsch. Die erste Hofdame, Fräu¬ lein v. Schack, war äußerst eitel auf ihren reizenden kleinen Fuß und verstand es, trotz des un¬ geheuren Umfanges der damaligen

gern ich dem Wunsche des Kur¬ fürsten gefolgt wäre. Naemi wütischt mein Hier¬ bleiben nicht. Ich gehe nun. Es sei denn mein zweiter Barer, daß Ihr es mir verbietet. Euch würde

Reifröcke, ihn vorteilhaft bemerkbar „Mehr als einmal ist zu machen.

ich gehorchen."

er meinen kühnen Blicken aitsgesetzt gewesen," schreibt Bielefeld, „und

„Das sei ferne von mir, mein Sohn. Du bist meines Bruders

ich habe ihn meiner Bewunderung würdig gefunden." Von der zweiten

Hofdame, Fräitlein v. Wallmoden, uitd ihn kannte und „steter? gfdjlcmiljl“. als Adcrldort (£ljtmtilTo v. einer schönen Blondine, sagt er, liebte ich mehr als mich selber. Aus der Fcrd. Meycrschen Sammlung. sie besitze alle Eigenschaften, die sie Ziehe hin! Mein Segen soll Dir einst zu einer ausgezeichneten Frau nicht fehlen. Der Himmel wird ja wohl die letzte Hoffnung des alten Marwitz vor dem und guten Mutter machen würden. An der Spitze des Hofes des Kronprinzen stand der Scheitern bewahren!" Hofmarschall v. Wolden, von Friedrich „Don Silva" oder Eginhard sah seine Braut an dieseni Tage nicht wieder, genannt, ein sehr höflicher, etwas gra¬ Dorel brachte die „Monsieur Le Grand" auch Muhme Katharina blieb unsichtbar. vitätischer Mann, der sich in seiner oft nicht leichten Stellung Botschaft, daß Naemi heftig fiebere. mit vieler Sicherheit und Würde bewegte. Seine junge, schöne Ohne Guleitachtgruß von der Verlobten erhalten zu haben, und geistreiche Gemahlin, geb. v. Borke, gehörie zu den weib¬ stieg Marwitz an dem ersten Abend in der Heimat zu seiner lichen Zierden des Rheinsberger Kreises. Giebelstube empor. Zum Intendanten des Schlosses hatte Friedrich den Schöpfer Rosen- und Veilchenduft wehte ihm entgegen, indem er desselben, den ihm befreundeten genialen Baron v. Knobels¬ die Thür öffnete. dorf ernannt, welcher sich später noch durch die Erbattung des Das Herz wurde ihm weich, als er den trauten Raum Berliner Opernhauses irnd anderer hervorragender -Gebättde

Ebenbild,

betrat, der seine Kindheit,

seine erste

Jugend, das Stürmen

berühmt machen sollte.

Er war ein ernster, zurtickhaltender.

mit seinen Plänen und Entwürfen beschäftigter Mann. Laufbahn hatte er aufgegeben, um sich ganz militärische Die der Malerei widmen zu können. Von seiner und der Architektur Begabung für die letztere Kunst legen noch heute zwei Wand¬ gemälde im Rheinsberger Schlöffe, ländliche Feste darstellend. Zeugnis ab. Eitte ganz entgegengesetzte Natur war der IngenieurOberst v. Senning, Friedrichs Lehrer in der Mathemathik und in den Kriegswissenschaften. Obgleich er im flandrischen Kriege ein Bein verloren hatte, so that dies doch seiner sprudelnden Lebhaftigkeit und Uitterhaltungsgabe nicht den geringsten Eintrag.

ftet§

den übrigen Kavalieren, denen ich bereits vorgestellt war,

plötzlich Kayserlingk stürmisch und geräuschvoll, wie

Ballet „die „Rose", hereintrat. Er kam von der Jagd und hatte die Flinte auf der Schulter. Seine Begrüßung war so liebenswürdig, als wenn ich sein langjähriger Freund wäre. Er nahm mich unter den Arm und zog mich in sein Zimmer. Während er sich umkleidete, recitierte er Stücke aus der „Henriade" und Stellen aus deutschen Dichtungen, sprach vott Jagd¬ pferden. machte dazwischen einige Entrechats unb unterhielt mich von Politik, Mathemathik, Architektur, Malerei, Litteratur und Militürwesen. Ich staunte über die glückliche Leichtigkeit, mit

in

dem

Dorr leiste Deelirrorr Zeichnung von

des Kronprinzen gehörte ferner der Frei¬ Königs¬ herr v. Keyserling!, ein Kurländer, wecher, nachdem er in aufge¬ Paris in studiert und sich längere Zeit

Zur Umgebung

berg und Jena

Albrecht halten hatte, in das Kürassierregiment des Markgrafen vielseitig als Lieutnant eingetreten war. Als äußerst begabter, Sprachen niehrere vollkommen gebildeter Weltmann beherrschte er eine Parforce¬ und war ebenso geschickt, eine Ouadrille oder einzu¬ Lustspiel jagd anzuführen, als eine Tragödie oder ein studieren. schildert Bielefeld sein erstes Zusammen¬

Sehr charakteristisch treffen mit Kayserlingk in Rheinsberg: sogettannlen Bilderzimmer mit „Ich befand mich in dem

als

„Boreas"

Pfahlbau.

Arthur Jensen.

welcher er von einem auf das andere Thema überzugehen ver¬

stand".

Es läßt sich denken, daß ein so vielfach anregender Mann Friedrich anziehen mußte. Zu Keyserlingks Vermählung dichtete er ein Lustspiel: „L’ecole du monde, comedie en trois actes et en vers par Mr. Satyrion“. Nicht übergangen darf werden Franz Jsac von Chasot aus der Normandie, ebenfalls ein Gefährte und Liebling Friedrichs aus eigener Wahl, den er 1734, als er sich in das Lager zu Wiesenthal, zu dem die Reichsarmee gegen Frank¬ reich befehligenden Prinzeit Eugen begeben, kennen gelernt hatte. Da ein unglückliches Duell den jungen Chasot zwang, die

54 französische Armee und Frankreich zu verlassen, wurde er gro߬

mütig von Friedrich aufgenommen, der ihm später eine Offizier¬ in dem damaligen Regiment „Baireuth-Dragoner" —

stelle

Kürassierrcgiment (Königin) — verschaffte. Seine Dankbarkeit hat Chasot in den späteren Kriegen Friedrichs durch glänzende Reiterthaten dargethan. Der Kronprinz schätzte die geistvolle Lebhaftigkeit, die un¬ erschöpflich gute Laune und die inatinigfachen, auch musikali¬ schen Talente des jungen Franzosen, dem er sogar selbst Unterricht auf der Flöte erteilte. Chasot war ein altsgezeichneter Gesellschafter, dem alle Waffen des Witzes und der Satire zu Gebote standen, und seine Neckereien, namentlich mit Jordan, von welchem noch die Rede sein wird, bildeten das Ergötzen Friedrichs und des ganzen Hofes. Friedrich nennt ihn „Le fin Norman“ und bemerkt von ihm in seinen Briefen, er gehöre zu den „gens nes moqueurs et tres peu cliaritables“, die weder Freund noch Feind jetzt

das

zweite

verschonen.

Der Prinz scheint Chasot anfänglich als Sekretär ver¬ wandt zu haben; wenigstens deutet ein Vorfall daraus hin, den Friedrich mehrfach brieflich erzählt. Er beschäftigte sich damals sehr eifrig mit der Wolffschen Philosophie. Sein Freund und Korrespondent, der sächsische Gesandte in Petersburg, v. Suhm, hatte Wolffs Metaphysik für ihn ins Französische übersetzt und die Uebersetzung nach Rheinsberg geschickt. Da Suhms französische Schrift ebenso undeutlich als Chasots deutlich und leicht lesbar war, so hatte Friedrich diesen beauftragt, die ganze Uebersetzung Suhms abzuschreiben, eine nlühevolle Arbeit, die ihm wohl wenig behagt haben inag. Nachdem sie vollendet war, inachte sich Friedrich an das Studium des Werkes. Eines Abends saß er, ganz verlieft darin, in seinem Turmzimmer, in welchem sich außer ihm nur noch sein Lieblingsäffcheu Minii befand, als er zum Nachtessen abgerufen wurde. Er ging und ließ die brennen¬ den Kerzen auf dem Schreibtisch zurück. Als er wiederkehrt, sieht er zu seinem Schrecken die Abschrift in Hellen Flammen. Mimi hat in seiner Abwesenheit mit den Bogen gespielt, sie dem Lichte zu nahe gebracht und angezündet, vielleicht aus Rache dafür, daß Wolff in seinem Werke das Geschlecht der Affen sehr niedrig gestellt hatte. Friedrich und der ganze Hof lachte über Minus Streich; nur Chasot nicht, der die ganze Abschrift noch einmal fertigen mußte.

Zu den Bewohnern des Schlosses gehörten auch noch einige Offiziere vom kronprinzlichen Regiment: der Hauptmann v. Wylich, die Lieutenants v. Kleist, v. Buddenbrock und von Rathenow, welche sich nicht nur durch militärische Talente und Kenntnisse, sondern auch durch wissenschaftliche und gesellschaft¬ liche

Bildung auszeichneten.

Außerdem brachten häufige Besuche von auswärts Frische und Abwechselung in den Rheinsberger Kreis. Ein stets mit Freude begrüßter Gast war der ehemalige Prediger, nunmehrige

kronprinzliche Bibliothekar, spätere Geheimrat Jordan, den Friedrich seiner Freundschaft würdigte, und dem er in der Unterhaltung sowie brieflich seine innersten Gedanken über die höchsten Probleme der Menschheit rückhaltlos mitteilte.

fr-

Vertrauens im höchsten Maße würdig, sowohl durch seinen Charakter wie durch seine ausgezeichnete Begabung und hohe Bildung. Bielefeld schreibt über ihn: „Man kann sagen, daß das Genie und das Wissen seinen Lippen entströmen; aber noch höher zu schätzen find die Güte seines Herzens, seine Sicherheit und Anmut im Umgang und die Reinheit seiner Sitten." Ferner gehörten zu den gern gesehenen Gästen: der ehe¬ malige sächsische Minister Graf Manteuffel, der Kammerherr der Königin v. Brandt, der sich beim Einstudieren von Theater¬ stücken mit seiner geistreichen Gemahlin sehr nützlich machte. — „Herr v. Brandt ist angekommen", schreibt Friedrich der Mark¬ gräfin, „er gehört zu uttserer Truppe, und nun können wir wieder neue Tragödien aufführen" — sodann Herr und Frau v. Kanneberg — „die Zierde unseres Kreises nnd für die Gesellschaft geschaffen." — Friedrichs bewährter Freund, der General v. Fouque, der Oberst v. Camas mit Gemahlin, an welche beide Friedrich so viele liebenswürdige Briefe gerichtet hat, die lebhafte Baronin v. Morion, der Marquis d'Argens und der geistvolle französische Gesandte, Marquis de 1a Ohetardi, von welchem Friedrich an Camas schreibt: Le

Jordan war

dieses

marqnis viendra; c’est du bonbon pour nous.“ Auch Baron Pöllnitz, der Verfasser der „Saxe galante“, darf nicht vergessen werden, obgleich Friedrich

famer Kerl, dem nicht zu trauen ist; aber nachher einsperren."

von ihm sagt: „Ein in¬ divertissant beim Essen,

Große Freude erregte es stets, wenn der Kapellmeister Ouanz aus Dresdeir eintraf, wo er iir der kurfürstlichen Ka¬ pelle angestellt war, um die Konzerte in Rheinsberg durch sein ausgezeichnetes Flötenspiel zu verschönern und um seinen hohen Schüler, den Kronprinzen, auf diesem Instrument zu unterrichten. Erst nach Friedrichs Thronbesteigung trat er ganz in dessen Dienste. Schon in Rheinsberg hatte sich Friedrich eine Kapelle geschaffen, die, wie Ouanz äußerte, jeden Kenner befriedigen uitd reizen konnte und zu deren ausgezeichitetsten Mitgliedern die beiden Graun und die beiden Benda gehörten. Die Konzerte in Rheinsberg, an welchen sich Friedrich stets selbst ausübend beteiligte, gehörten zu dortigen aus¬ erlesenen Genüssen.

Bielefeld sagt über Friedrichs Spiel: „Er hat einen bewmtderungswürdigen Ansatz, sehr viel Fertigkeit und ein tiefes musikalisches Verständnis. Sein Vortrag des Adagio ist durch Simplizität und Innigkeit des Ausdrucks hinreißend und ohne gleichen; er übertrifft hierin die größten Virtuosen." Aehnlich haben sich andere sachverständige Beurteiler ausgesprochen. Zu den Konzerten wurden nur wenige aitserwählte Kenner zugelassen. Der schöne, ovale, mit weißlackierten Holz¬ schnitzereien und versilberten Stuckaturen verzierte Konzertsaal ist heute, infolge eines später stattgefnndenen Umbaues, nicht mehr vorhanden. Jeder, wes Ranges nnb Standes, war willkommen auf Rheinsberg, wenn er Geist, Kenntnisse, Kiutstfertigkeit und Bildung mitbrachte; nur leere Köpfe und enge Herzen wurden ferngehalten.

(Schluß folgt.)

■hS

Der Schulmeister von Wusterhausen. Von

G. Ktrrvnrl7öfel.

IV. Auf das Senkte

schlichte Wusterhausen

sich

die Nacht hernieder.

Nur die Fröschlein quakten gellend, Nur ein alter Hofhund heulte, Und der Turmuhr ehrne Stimme Sprach von dem Verlauf der Stunden. Doch in dem Bereich der Lüfte Ward ein Schauspiel vorbereitet: Mächtig reckten sich uub dehnten Dunkle Wolken wie Giganten; Stiegen auf vom Horizonte, So im Westen wie im Norden, Drohend schnell in keckem Ansturm; Und in meilemveiter Ferne Zuckte schon des Blitzes Zickzack Durch die drückend-schwüle Nachtluft. Voll Besorgnis sah der Landmann, Wetterkundig, aus die Zeichen Eines nahen Ungewitters, Nahm die Bibel, als die Tröstrin In dem Unheil, vom Gesimse. Doch das bängliche Erwarten Schien umsonst. Es kam die Mittnacht,

Und die arbeitmüden Menschen Sanken in des Schlafes Arme. Gegen Morgen erst erdröhnte Machtvoll laut des Donners Rollen: In dem Schloß und in der Hütte

Ward es rege. Wilder schollen Nie der Luftdämoneu Stimmen. Auch der Herrscher fuhr vom Schlaf auf von dem Lager. des Schlosses ungefügen, Ellendicken, alten Mauern War ein länglich-schmal Gewölbe

Und erhob

In

Mit Das

sich

Und der König trat ans Fenster, Sah den Park, das Dorf, die Waldung Oft vom grellen Blitz erleuchtet. Er entsann sich seines Traunies, Der ihn in die fernen Jahre

Seiner Knabenzeit entrückte. Aus der Treiberschar der Hofjagd Hatte er ein Heer gebildet. Stand davor und kommandierte. Und die langen Bauern trugen

Langen Kerls in spätren Jahren.*)

Nichts auf Gottes weiter Erde Stand des Fürsten Herzen näher, Als das traute Wusterhausen. Er entsann sich jetzt zur Stunde, Wie sein Herz hier hochgeschlagen Von Begeistrung für sein hohes, Heilges Amt, das Gott verliehen. Auch des Ehelebens stille, Reine Freuden hatte selig Er an diesem Ort gekostet. Doch der finstre Gram des Herrschers Wollte nicht dem Lichte weichen. Des Gemaches feste Mauern Wurden ihm zu eng; er schlüpfte In die grüne Jagdgewandung, Um das stille Schloß zu meiden. Durch die regenfeuchten Wiesen, Durch die harzesduft'gen Wälder Ging sein Weg. Er sah die Sonne Glühend überm Walde aufgehn, Lauschte auf den Sang der Vögel Und verfolgte dann ein Eichhorn, Das mit weiten, tollen Sprüngen Ihn von Baum zu Baume lockte. Endlich wandte er die Schritte Nach dem stillen Wusterhausen.

Auf dem Wassersteg des Teiches Bei der Mühle sah er eben Einen steinen, drallen Knaben

Bei der Morgentoilette. Hänschen war's. „Nun, kleine Krabbe, Willst du schon so früh bei Tage Frösche greifen?" rief der König. Hänschen wär' beim lauten Rufen Fast vor Schreck vom schwanken Stege

In

den Teich hinabgeglitten. er nach dem Westchen,

Das am Ufer lag und sagte: „Heute muß ich Balgen treten; Guten Morgen auch, Herr König!" „Guten Morgen, kleiner Schlingel! — Sag. was heißt das: Balgentreten." „Nun, Ihr wißt doch, daß die Orgel Balgen hat — die muß ich treten, Weil der Herr Magister Sonntags Wenn bei Jagden die Treiber antraten oder wenn die weckt zu werben. Jagd abgeblasen war, dann pflegte der Kur-, spätere Kronprinz, diese Burschen auS den Orten der Umgegend zu sammeln; darauf stellte er sie in Reih und Glied und machte militärische Evolutionen m t ihnen. An Stelle der Waffen begnügte man sich mit Stöcken, dann kamen hölzerne Flinten, dann Picken, zuletzt Flinten. Nach und nach erschien eine Act Uniform dazu, blaue Röcke, rote Hosen unv Westen; letztere gingen auf da? spätere Königsregiment lvas Riesenregiment) über. Diese Jagdgarde betrug dreißig Mann und war in Grenadiere, Musketiere und Pikeniere 'lange Kerls, diese bekamen eingeteilt. Unter ihnen befanden sich sünf Grenadiermützen — sie sind als der Stamm des Riesenregiments zu beJedesmal, wenn König Friedrich I. und die Königin Sophie trachten. Charlotte nach Wusterhausen kamen, wurden sie dem Könige als Parade¬ schildwache an die Thür gestellt. Mit der Zeck jedoch nahm das Gefallen des Kronprinzen an langen Soldatenexemplaren derart zu, daß er einen großen Teil seiner Revenuen auf die Erwerbung solcher Enakssöhne ver¬ wandte, nicht gerade zur Zufriedenheit seines Vaters, der diese Liebhaberei zur Leidenschaft anwachsen sah und damit die Anzahl der großen „Kerrels". Die Folge war, daß sie bei späteren Besuchen des Königs in Wusterhausen sich in Ställen und Scheunen verstecken mußten." :



..Wettermanns Monatsheften heißt *) In dem erwähnten Aufsatz in Kurprinz, dar Schlotz Muster hierüber: „Als Friedrich Wilhelm, als --obert erstm« er zehn Jahre alt war erhielt, Geschenk zum hausen) neuen Besitze seinem hslrmif erlaubte iüm der Vater, m seinem der Jagdpaflion erwuchs Lieblingsoergnügcn, der Jagd, nachzugehen. Aus sie brauchte nur geBlute, im diese lag Jedenfalls die Soldatenpassion. es



Eilig lief

dem Meißel ausgestemmet, zum Schlafgemach ihm diente.

Rote Röcke, blaue Hosen, Wie das Regiment der lieben.

55

--s Ju

der Frühe musizieret." „Sechs Uhr morgens quält dein Kantor Schon die Orgel? Träumst du, Junge?" Fragte der erstaunte König; Und er hörte die Erwidrung:

„Ist die Uhr schon sechs? Da Eilig gehn! Ade, Herr König!"

mutz ich

Hänschen lies durch die Gebüsche,

Und der Herrscher folgte langsam, Hörte bald das Orgelrauschen, Das Lei jedem weitren Schritte Voller anschwoll und ihn lockte.

In

die sonnenhelle Kirche

Frommen Sinnes einzutreten. Von dem weiten Weg ermüdet, Nahm er Platz in dem Gestühle, Und ihn dünkte, datz der Orgel Niemals solch ein Klang entlockt ward. Hohe, helle Töne schwangen Aus des Basses dumpfem Rauschen Sich empor in freudigem Jauchzen, Um datm weich und leis zu flüstern, Leis und linde, wie das Trostwort Einer liebevollen Mutter. Sonsten schalt der rauhe König Auf des Kantors Präludieren: Heut kam's seinem Herzen nahe, Löste sanft die düstre Stimmung, Führte längst vergangne Zeiten Freundlich wieder vor die Seele. Und im Schoß die Hände faltend Saß er schweigend, schloß die Augen. Dachte, wie er einst vor Jahren Hier im Kirchlein dagesessen. Tags und nachts sah seine Seele Damals blaue Kindesaugen Groß und klar auf sich gerichtet; Und ein mildes Lächeln spielte Jetzt um seine strengen Lippen, Als ihm einfiel, wie die alte, Würdge Kammerfrau von Roccoulles Bangend ihm den Sohn entrissen, Weil sie allen Ernstes annahm, Daß er bei des Vaters Kosen Um das Leben kommen werde. Später war sein kleiner Friedrich Hier zur Seite ihm gesessen, Harte frühgeweckten Geistes

Auf

des

Pfarrers Wort gelauschet,

Einst auch eines Kandidaten Ueberschnelle, erste Rede Kecken

Sinnes unterbrochen,

Weil er nichts verstehen konnte. Aber mehr mit jedem Jahre Band der Liebe Zwischen ihm und seinem Sohne, Dessen Geist von feinrem Stoffe, Mehr zum Zarten und Graziösen, Als zur Männlichkeit geneigt schien. Löste sich das

56

s-

Trutzig-vornehm sah der Knabe Auf des Hofes derbe Sitten; Jedes rauhe Wort verletzte Tief und schwer die junge Seele; Und das Kind ward scheu, verschlagen, Suchte bald des Vaters Vorschrift Schlart und heimlich zu umgehen.

Bis die erste strenge Strafe Völlig das Vertraun verscheuchte. „Dem Vertraun erwächst die Liebe!" Sprach der König leisen Tones Vor sich hin. — Ja, Liebe fehlte

In

dem Kreise der

Familie! —

Jhnr, dem redlich-treuen Manne, Der das Beste stets erstrebte, Ihm, dem Mächtgen, dem Gewaltgen, Dessen Wille schwer und wuchtig Tausend trutzge Herzen beugte, Kam in Liebe nichts entgegen,

An Vertraun rvar er ein Bettler! —

In

des Orgeltones Brausen

Mischte sich ein schwerer Seufzer,

Und des Königs Herz beklemmte Unversehns die bange Frage: Ob er schuldlos? — Liebe fehlte!

Und sie ist die allererste Grundbedingung der Erziehung! — Nachsicht fördert das Vertrauen

War er nachsichtsvoll

Zu



gewesen

den Seinen, zu dem Sohne?



Nein! rief» laut in seinem Innern. — Doch das Unheil war geschehen; Die Erkenntnis seines Fehlers Kam zrr spät, und auch die Neue. — Aber konnte er nicht heul' noch Seinem schwer gebeugten Sohne Nachsicht und Vertraun erweisen Und ihm rückhaltlos verzeihen? — Er erhob sich schnell vom Sitze: „Ja, ich will ihn wiedersehen!" Sprach er laut. — Da schwieg die Orgel Eine kurze Frist und stimmte Voll und rein dann den Choral an: „Wach auf mein Herz, und singe Dem Schöpfer aller Dinge, Dem Geber aller Güter, Deut treuen Menschenhüter!" Kräftig sang der fromme König Gerhardts tiefgefühlte Worte; Und als nach der zweiten Strophe Schon die Orgelklänge schwiegen. Rief er barsch: „Na weiter! Wird's bald?" Auf dem hohen Chor erdröhnte Ein Gepolter hastger Schritte, Und der Lehrer sah von oben Voll Erstaunen auf den Fürsten, Um dann mit gewandten Händen Den Choral zu End' zu spielen. AIs er drauf die steilen Stiege

—«

e>—

57

Er will dumm Gezeuge schitacken — Hab dafür nicht Zeit. — Doch soll Er Künftig mir in Wahrheit sagen, Was Er recht in seinem Innern Von mir hält, und was auch andre So von ihrem König halten. Wenn er Wahrheit spricht — ich meine, Daß Er dafür stark beanlagt —

Von dem Orgelchor herabkam, Rief der König ihm entgegen: „He, will Er die frechen Spatzen

Auf dem Kirchendach bekehren, Er lahmbeinger Federfuchser? Was nur plagt Ihn, zu so früher Morgenstunde hier zu lärmen?" Der Magister gab bescheiden, Doch bestimmten Tons die Antwort: „Die Musik ist seit der Kindheit Eine Freundin mir gewesen, Und ich weiß den Tag des Herrn nicht Reiner, würdger zu beginnen, Als mit einem frommen Spiele, Gott zum Lob und mir zur Freude." „So, aus Liebe zu der Sache, Rein sich selbst zur Freude spielt Er? — Weiß Er auch, Er Tintenklexer,

wahrlich Ihm nicht schaden. Jetzo fahr ich — Er ist Schuld dran — Möge der Pastor, Rach Küstrin. Dem Er meinen Gruß bestelle, Kraftvoll zu den Bauern sprechen, Daß es ihnen durch das Herz gehl!

Soll

es

Daß ich wahrlich wollt', es möchte Vieles noch aus solchem Anlaß Hier im Königreich geschehen?

Mur

von Forckenbeck, Oberbürgermeister von Berlin. Zu seinem siebzigjährigen Geburtstage.

Denn Er hat mich keinesweges Mit dem schönen Spiel geärgert; Muß es öfters noch so machen. Aber spar' Er für das Künftge Das Gedudel vorm Chorale, Weil ich nichts davon verstehe. Heute war das etwas andres — Dank Ihm auch; und hier — der König Bohrte mit den starken Fingern In der tiefen Westentasche —

Von

licher und geistiger Rüstigkeit erreichen, besonders nach einem Leben voll Arbeit und Mühen im Dienste des öffentlichen Wohls, des Staats und der Gemeinde.

Max von Forckenbeck ist eine solche Kernnatur: ein Sohn der roten Erde,

Oberbürgermeister von Berlin.

Mutter Natur als

Intelligenz und ihre rastlosen Bemühungen das bewirkten, nimmt der oberste Verwaltungs¬ Städte Aufblühen der beamte der Stadt Berlin einen der ersten Plätze ein. Wie ein Jürgen Wullenweber, ein Otto von Guericke, wird auch sein Name in der Nachwelt mit Ruhni genannt werden, als

durch ihre hohe

Um des strengen Fürsten Lippen, Stechend schauten seine Augen den stolzen, trutzgen Kantor. Und er schritt nach leichtem Gruße

Auf

derjenige eines „Städleerbauers", durch dessen zielbewußte und energische Thätigkeit die beiden hervorragendsten Slädte der preußischen Monarchie in unglaublich schneller Zeit zu wahren

Zu der Thüre; kam indessen Flugs zurück und sprach die Worte: ist ein Phantast, ein Narre.

entwickelten und nicht nur alle übrigen deutschen Residenzen überflügellen, sondern auch im Ausland mit größter Anerkennung, oft mit Neid genannt wurden. Erst

Mustermetropolen

Taugt nur wenig für den Posten Hier im Ort; denn jeder Tölpel Klopft der Buben Hosen besser,

lahmer, zahmer Schwarmgeist.

Wo Er

j

nächstens überlegen,

passend zu placieren.

Remonstrier' Er nicht! —

ich merke,

Geschenk erhalten,

und so sehen wir, daß der Jubilar einer bewunderungswürdigen Frische sich erfreut, so daß die sieben Jahrzehnte ihm nichts von seiner Arbeitslust unb Energie rauben konnten. Unter den großen Leitern des kommunalen Wesens, welche

Ein erstauntes Lächeln spielte

Will's mir

hat er die Zähigkeit und Thatkraft, Widerstandsfähigkeit und die unverwüst¬ liche Gesundheit des Westfalen von der

Mase von Fovrkondork,

Wie von oben her gesendet Kommen mir die Melodien; Doch ich weiß nicht, ob ich fürder Unbefangen spielen könnte, Wenn ich an Bezahlung dächte."

solch

Adolph Kohut.

Am 21. Oktober d. I. wird der Oberbürgermeister Berlins, Max von Forckenbeck, 70 Jahre alt: ein bib¬ lisches Alter, welches nur wenige Aus¬ erwählte und Berufene in voller körper¬

„Wenn es mir durch Zufall glückte, Sires Herz mit meinem Spiele Zu erfreuen, bin ich reichlich Schon belohnt, verlang nichts weiter!

Als

vr.

(Mit Abbildung.)

„Hat Er einen Kronenthaler!" Des Magisters ernstes Antlitz Wurde rot, und hastig sprach er:

„Er

Kantor!-

auch? Ade, Herr Eine halbe Stunde später Fuhr der König von dem Orte. —

Hört Er

!

-

sich

Jahre werden es 20 Jahre, daß Max von Forckenbeck als Oberbürgermeister sein Verwaltungsgenie zu bethätigen Gelegenheit hat, denn 1872 wurde er als solcher — von der Stadtverordnetenversammlung zu Breslau gewählt

im

nächsten

-s aber welche ungeheuren Fortschritte haben Breslau und

unter seiner Leitung

'Berlin

Wie hat sich namentlich das Gemeinwesen der Neichshauptstadt innerhalb der 13 Jahre, während deren er an der Spitze der Kommune steht, in seiner ganzen Fülle und Slärke entwickelt! Welche Verdienste hat er sich um die Gesundheit der Bevölkerung, die Verschönerung der Residenz, die Erziehung und Bildung des Volkes, um die Armenpflege u. s. w. erworben! gemacht!

Es wäre thöricht, wollte nian behaupten, daß die glänzen¬ imb bahnbrechenden Errungenschaften auf kommunalem Gebiete ausschließlich auf die Initiative des Oberbürgermeisters zurückzuführen seien. Der Magistrat und die Stadtverordneten und die städtischen Beamten, welche ihn die ganze Zeit hindurch mir Rat und Thar so lebhaft unterstützten, verdienen nicht minder uneingeschränkte Anerkennung; aber es ist unleugbar, daß sein Geist, sein riesiger Fleiß, sein klarer und scharfer Blick, sein begeistertes Wollen, sein reiner, uneigennütziger und hochherziger Charakter die Körperschaften und die einzelnen, welche mit ihm zusammen arbeiteten, anfeuerten und mit sich fortrissen, und daß sein Beispiel allenthalben Nacheiferung weckte; denn er hatte in Breslau wie hier einen ganz merkwürdigen Zauber¬ stab, welcher geradezu elektrisierend wirkte — die Idee der den

Selbstverwaltung.

Er verfuhr nicht

nach bureaukratischer Schablone, sondern bemühte sich, die sittlichen und intellektuellen Kräfte des Bürgertums in selbständiger und freier Weise sich

entfalten zu lassen. An dem Programm, welches er vor 20 Jahren bei der Uebernahme seines Amtes als Oberbürger¬ meister entwickelte, hat er getreulich bis zum heutigen Tage festgehalten. „Das deutsche Reich", sagte er damals in seiner Ansprache u. a., „ist glorreich wieder errichtet; diese Wieder¬ errichtung aber des deutschen Reiches, die Pflichten, welche Preußen in demselben übernommen hat, werden nach meiner Ueberzeugung zu einer Erweiterung aller Gebiete der Selbst¬ verwaltung führen müssen; den Gemeinden werden neue Rechte beigelegt, aber auch neue Pflichten auferlegt werden müssen. Die großen Fragen der Gegenwart, an welchen mehr, als je früher, alle Schichten des Volkes lebendig teilnahmen, der ge¬ waltige Aufschwung und Umschwung in den gewerblichen und industriellen Verhältnissen, die Verleihung neuer Rechte indivi¬ dueller Freiheit bereiten namentlich in großen Gemeinden nicht leichte Sorgen. Wenn ich dessen ungeachtet mit festem Mute mein neues Amt übernehme, so thue ich das in der sicheren Hoffnung auf die umsichtige und energische Unterstützung meiner Herren Kollegen im Magistrat und in unerschütterlichem Ver¬ trauen auf den bewährten Gemeinsinn der Bürgerschaft, eines Gemeinsinns, der in ernstesten Zeiten immer die Pflichten gegen den Staat und gegen das Vaterland vorangestellt hat, eines Gemeinsinns — ich bin dessen sicher — der jetzt und in aller Zltkunft den Verlockungen des Materialismus widerstehen wird." Als sich Forckenbeck, nach Ablauf von 6 Jahren, von Breslau verabschiedete, um dem ehrenvollen Rufe nach Berlin zu folgen, sprach er aufs neue den Grundsatz aus, daß er die Hilfe für die kommunalen Aufgaben der Stadt nicht so sehr von der Gesetzgebung als vielmehr von der bewährten Kraft der Selbstverwaltung erwarte. Als freier Mann schaltet und walte: er unter freien Männern, und sein freiheitlicher, unab¬ hängiger Sinn hat nicht wenig dazu beigetragen, Bürgerstolz und Biirgersinn wachzurufen und zu erhöhen. Erwähnen wir noch, daß Max von Forckenbeck auch als

58

&>•

Politiker und Staatsmann während seines langen, parlamen¬ tarischen Wirkens sich als ein gewissenhafter, besonnener und überzeugungstreuer Parlamentarier und Denker bewiesen, der

das Vertrauen seiner Monarchen und das weiter Kreise deutschen Volkes errungen, so wird man nicht umhin können, zu behaupten, daß der Jubilar zu jenen Männern sich

des

zählt, auf welche unsere Stadt mit Fug und Recht stolz sein darf.

Geboren wurde Max von Forckenbeck am 21. Oktober 1821 zu Münster in Westfalen. Sein Vater war dort Justiz¬ beamter. Ueber denselben berichtet D. H. Temme in seinen „Erinnerungen" u. a.: „Die Freiheitskriege waren gekämpft. Die ganze deutsche Jugend hatte daran teil genommen, selbst Knaben, die sich kräftig genug fühlten, die Waffen zu tragen. Das Jahr 1815 sah Deutschland frei. Im Jahre 1813 waren alle die mutigen Kämpfer zu ihrer bürgerlichen Beschäftigung zurückgekehrt, die Studenten zu ihren Universitäten: wie mancher noch, der die Schule verlassen hatte, um an den Freiheits¬ kämpfen teil zu nehmeu, zu seinem Gymnasium! Eine un¬ gewöhnliche Menge dieser Freiheitskämpfer hatte sich gerade in Göttingen eingefunden, und eine große Anzahl bestand aus Westfalen. Mit einem von diesen wurde ich unterwegs bekannt, im Postwagen, Franz von Forckenbeck war sein Name. Er war ein Münstersches Kind. Er fuhr mit der Post von Münster nach Göttingen, diese ging über Wiedenbrück, dort war ich eingestiegen. Wir wurden Freunde und blieben es bis §u seinem Tode. Er starb als Vicepräsident des Oberlandesgerichls zu Glogau. Franz von Forckenbeck hatte an den beiden Feldzügen teil genommen: in dem ersten als frei¬ williger Jäger, in dem zweiten als Offfzier der Landwehr. Das Soldatenleben sagte ihm nur zu, sofern und so lange es sich um die Freiheit des Vaterlandes handelte." Auf roter Erde verlebte Max von Forckenbeck seine erste Jugend- und Studienzeit; hier stählte sich sein Charakter, hier erstarkten seine Grundsätze. Nachdem er in seiner Vaterstadt das Gymnasium besucht, bezog er die Universität zu Gießen, wo er 3 Semester hindurch studierte, und begab sich dann nach Berlin, wo er bis 1842 der Rechts- und Staatswissen¬ schaft mit großem Eifer oblag. Mit der Ueberstedelung seines Vaters als Vicepräsident des Oberlandesgerichts nach Glogau kam auch er dahin, und dort war es auch, wo er sein Aus¬ kultator-Examen machte. 1847 vollendete er seine juristischen Studien, wurde Oocwor suris und Stadtrichter zu Glogau. Es ist zu vermuten, daß, wenn das „tolle" Jahr 1848 nicht ge¬ wesen und den feurigen Jüngling nicht in seinen Strudel ge¬ rissen hätte, dieser wohl die Laufbahn seines Vaters ein¬ geschlagen hätte; aber indem er sich den Demokraten,- der sogenannten „Volkspartei", anschloß und den demokratischkonstitutionellen Verein in Glogau gründete, kompromittierte er sich und machte seine Carriere unmöglich! Es blieb ihni nichts anderes übrig, als „seinen Benlf zu verfehlen" und — Rechtsanwalt zu werden. Er ließ sich in Mohrungen in Ost¬ preußen nieder, praktizierte dort fast 10 Jahre lang und er¬ warb sich eine solche Beliebtheit, daß ihn bereits 1850 die Bürgerschaft zu ihrem Stadtverordneten wählte, so daß Forckenbeck über 4 Jahrzehnte seine Kraft bereits dem kom¬

I.

munalen Leben widmet. 1854 sandte ihn die Stadt als ihren Vertreter in den Kreistag, ebenso wählte ihn 1853 der Wahlkreis Mohrungen

-8

59

ins Abgeordnetenhaus, unb er blieb bis 1873 ununterbrochen Dtiiglied desselben. Seine Laufbahn als Parlamentarier ist also auch alten Datums. Während der „neuen Aera" gehörte er zu der Fraktion der sogenannten „Junglitauer", aus welcher Fortschrittspartei hervorging, und zu der Männer wie Virchow, Mommsen, Schulze-Delitzsch, Delbrück zählten. Alle diese Politiker waren der Ueberzeu¬ gung, daß die Begründung eines verfassungsmäßigen Rechts¬ staates in Preußen und die große Aufgabe der Einigung Deutschlands auf wirklich nationaler Grundlage auf dem Wege der bisherigen Majorität des Abgeordnetenhauses nicht zu erwarten sei. Es ist eigentümlich, daß die meisten der Gründer dieser hartnäckigen Oppositionspartei Westfalen waren. 1859 siedelte Forckenbeck nach Elbing über als Rechts¬ anwalt; auch dort wurde er Stadtverordneter. Seine Thätig¬ keit als Landtags- und Reichstagsabgeordneter können wir als bekannt voraussetzen, utid so erwähnen wir nur, daß er von 1866 bis 1873 als Präsident des Abgeordnetenhauses thätig später

die

deutsche

fiK

sident beibehalten.

Ich lege hiermit mein Amt nieder." — Auch

hier zeigte

außerordentliche, peinliche Gewissenhaftigkeit

sich die

Forckenbecks!

Im Jahre 1866 gehörte er zu den Stiftern und Gründern der nationalliberalen Partei, bewerkstelligte 1880 mit noch anderen Politikern die „Secession", um eine „große liberale Partei" ins Seitdem er der deutsch - freisinnigen Partei Leben zu rufen. angehörte, ergriff er im Parlament nur das Wort, wenn es galt, die Kommune gegen Angriffe welcher Art immer zu ver¬ teidigen; und er that dies mit großer Schneidigkeit. In seiner Eigenschaft als Oberbürgermeister ist Forckenbeck auch Mitglied Wir müßten ein dickes Buch schreiben, wollten wir hier alle Verdienste des Jubilars auf kommunalem Gebiete auch nur andeutungsweise skizzieren. Seine Thätigkeit hängt mit der Blüte Berlins der letzten 13 Jahre zusammen. des Herrenhauses.

war und von seiner glänzenden parlamentarischen Tüchtigkeit ein rühmliches Zeugnis ablegte. Seine Ruhe, Besonnenheit, Würde, Entschiedenheit, sein taktvolles Auftreten befähigten ihn in hohem Maße für diese Stelle. Im Jahre 1867 wurde er von den Wählern des 5. Magdeburger Wahlkreises, Wolmierstedt-Neuhaldensleben, zum Abgeordneten in den norddeutschen, späteren deutschen Reichstag gewählt, dem erseitherangehört. 1884 übernahm er das Mandat für den zweiten Liegnitzer Wahl¬ kreis, Sagan-Sprottau, das er noch heute besitzt. Von 1874 bis 1879 war er erster Präsident des Reichstages; er legte jedoch im letztgenannten Jahre sein Amt nieder, weil er durch den vom Reichstag bewilligten neuen Zolltarif mit der Mehr¬ heit dieser Körperschaft in Widerspruch geriet. Er sagte in seinem Schreiben an das hohe Haus u. a.: „Bei dem Gegen¬ satze, in welchem ich in Bezug ans liefgreifende Fragen mit der Majorität des Hauses gekommen bin, darf ich nicht länger im Interesse der Geschäfte des Reichstages das Amt als Prä¬

Die städtischen Wasserwerke zu Tegel, die Kanalisation, die Volksbäder, zahlreiche Krankenhäuser, Siechenanstalien, Anstalten für Geisteskranke und Epileptische, Sanitätswachen, Asyl für Obdachlose, der Eentralviehhof, die Markthallen, die Anlage der Kaiser Wilhelmstraße mit der gleichnamigen, herr¬ lichen Brücke, die Regulierung der Spree, die Gründung zahl¬ reicher Schulen — alle diese Großthaten gehören der Verwaltungszeit Forckenbecks an. Einem so vielseitig begabten, rastlos thätigen Manne, der seine Kräfte unausgesetzt in bcn Dienst des öffentliches Wohles stellte, konnte die Anerkennung, der Beifall der weitesten Kreise nicht versagt bleiben. Die hochseligen Kaiser Wilhem I. und Friedrich HL beehrten ihn stets mit ihrem Vertrauen. Er hat sich jederzeit als ein treuer Patriot, als ein gesinnugsvoller Vorkämpfer des nationalen Gedankens, als ein wackerer Möge er dem Vater¬ Kämpe für Kaiser und Reich erwiesen. lande und der deutschen Reichshauplstadt noch lange erhalten bleiben nub in voller Rüstigkeit noch viele Jahre an seiner hohen Stelle wirken!

Kleine Mitteilungen. Kchlomit,l". Adakbort v. ©IjamilTo crls „Potor als zweite Heimatstadt em

Der bedeutende deutsche Lyriker, welchem Berlin Gedächtnis durch die Denkmal errichtet und außerdem seines Namens Thor verewigt hat, Benennung des „Chamisio-Platzes" vor dem Halleschen zurückgekehrt, nachdem er, hierher Male zweiten zuni 1812 war im Jahre Wilhelms II., als kriegsder frühere Edelknabe der Gemahlin Friedrich Uebergabe Hamelns gefangener preußischer Offizier bei der unrühmlichen und damit leine Be¬ an die Franzosen einen Paß nach Frankreich erhalten widmete sich der bereits freiung vom Militärdienst erlangt hatte. Mit Eifer dem Studium der griechi¬ Hochschule hiesigen der an Zweiunddreitzigjährige insbesondere der Botanik. Auf schen Sprache und der Naturforschung, sein Freund Sch lech tendat er¬ wie er, war seinen botanischen Wanderungen In einer absonderlichen voran. anderen zählt, der Eifrigste und allen Sammet- oder Tuchmutze Kleidung, das lockige Haupt mit einer schwarzen lBotanisiertrommel) an ledernem bedeckt, eine mächtige grüne Kapsel und einen schmucklosen Taback Munde im Pfeife kurze Riemen, dazu eine aus und kehrte er abends unS mit er zog beutel irgendwo umgehängt, und oft noch ein krauterverschönert nicht zurück, durch Schweiß und Staub die Zelt der ^Hebung dann Als gefülltes Taschentuch in der Hand. . . für Chamisso^eine Zeit der gegen den Erbfeind hereinbrach, war dieselbe Schwert , 1 Verzweiflung, denn „nur für ihn hatte sie kein Geburt und ihn das an Vaterland, weder gegen sein Freunde S» ka'npfen knüpften, noch mit demselben gegen seine verinochte^ ein seme Freunde
a )a

von

lassen,

Reiner, lautrer näher,

Berlin

Je

«wl*

/£,

Da der Alltag, die

Ge¬

wohnheit

Bald

berliner Eluartrevrottcl vorn 12. Mar 1808, ausgoftoUt Soldatou. auf ritten franjöltfdunt JllnftratiouLprobe ans: Berner, Geschichte

Berlin. Nach einem Exemplar im Kgl. Kupferstichkablnetl in des preußische» Staates.

„Hat Er

es denn nicht erfahren,

Was

vorhab?

den Reiz der Neu¬

heit streifen.

(Verlagsanstalt Bruckniann, München.)

Und ich mnß auch wieder¬

holen: Ohne

mein

geliebtes

Mädchen

Dünkt mich alles schal und nichtig, Was mir Gnad und Huld gewähren." Des Gebieters Blicke ruhten Eine Weile scharf und drohend Auf des kühnen Mannes Zügen ;

ich

ich

sou en 0 erL»rm e e,

zu

schaftsbunde

armer Dorfschulmeister, Wenn der Liebsten holde Augen Freundlich mir entgegenstrahlen! Sie nur kann mich voll beglücken. Mehr als hundert Ehrenämter. Und sie muß mir angehörett!" „Muß?!" rief heftig der Gebieter;

Als

1

degradiert

werden,

jnitr

wohl Quelle

suite de I’aonee ?.«Mrh

Kläglich

Vom gewagten Freund¬

Deren tiefer Herzensadel Ihres Ursprungs Makel aufwägt! Auf dem weiten Erden¬

des Glückes

et^tn^pai.sNillkair, bis Employ^s und

dreit au logemenf e{ auk. s.nl.^- s)t?i>ptUvundNahrungsmttlel stances, doivcm Iso jyiemUjp-jjHfai k-e.r'ti-bcred)tiger find, fostot

Luise

runde Weilet niemand

Sires, Fürcht ich, in der schweren Rolle Des Vertrauten bald zum

Er!" „Sire,

dienen! Und, bei aller Ehr und Achtung Vor dem hohen Sinne

-

ein Bastard?

Augenblicklich

in der

ich

Lage, Meinem Fürsten als ein

’HmpFfetaire de Jp Friedrichsstadt

fitchser

Will mir

ich anders

sprechen,

Endlich sprach er streng und schneidend:

„Gut, so hoff Er auf die Affin, Bis Er hier im Amt verschimmelt!" (Fortsetzung folgt.)

Seine Dirne

Kleine Mitteilungen. nnh der? ‘ffltavh* AUcrler aus d>ov RoicUslparrptUadt 1890, deren definitive Resultate,

Volkszählung vom 1. Dezember worden sind, hat er¬ soweit Berlin in Betracht kommt, jetzt veröffentlicht geborene Berlinerinnen 325 336 und Berliner geben, daß es 306308 geborene in Berlin geboren giebt; es sind daher unter 1000 Personen nur 407 übrigen» Die

1885:424, 1880:434). — Die Fläche von Berlin

bedeckt

nur 6453 ha. (Köln dagegen 11105, Frankfurt a. M. 7435, Straßburg i. E. 7820 ha). Groß-Berlin, d. h. Berlin mit den Vororten ini Umkreis von Rummelsetwa einer deutschen Meile um die vormalige Ringmauer, also mit

Pankow, burg, Weißensee, Stralau, Lichtenberg, Frievrichsseloe, Reinickendorf, Grunewald, Schöneberg, Treptow, Tempelhof, Schmargendorf, Wilmersdorf, 1690 Rixdorf, Steglitz, Friedenau und Charlottenburg umfaßte am 1. Dezember

e

106

1890 ca. 1849000 Einwohner, wovon auf die bezeichnete Umgegend ca. 368792 kommen. — In betreff der Höherlegung des Mühlendammes ist der Magistrat auch dem Anschreiben des Ministers gegenüber bei seinem früheren Beschlusse geblieben (Erhöhung auf nur 3,80 in). — Die Entwürfe

für die Friedrichs-, Kottbuser- und Fischerbrücke werden gegenwärtig bearbeitet, der Neubau der Waisen-, Eberts- und Potsdamer-Brücke scheint noch in weiter Ferne zu liegen; namentlich der letztere ist außer¬ ordentlich dringlich, da die vorhandene Holzbrücke geradezu eine Kalamität für die dortige Gegend ist. Projektiert wird eine Brückenanlage über den Landwehrkanal, die in der Verlängerung der Köthener Straße gedacht ist; diese Brücke soll die Potsdamer Straße entlasten. — Die Anlage einer elektrischen Hochbahn im Süden der Stadt nimmt nunmehr greifbarere Formen an; sie soll unter Berührung des Wasserlhors den Zoologischen Garten mit der Warschauer Brücke verbinden. Die Firma Siemens und HalSke hat mit den beteiligten Behörden eine Einigung bereits erzielt und wird demnächst einen detaillierten Bauplan einreichen. — Die Dombauund Camposanto-Ruinen werden, soweit sie in das Flußbett hinein¬ reichen, gegenwärtig entfernt; eine gänzliche Beseitigung derselben, welche die ganze Gegend am Lustgarten verunzieren, scheint leider noch lange auf

warten zu lassen. — Der unter Stadtsyndikus Eberty stehende Verein hat am 8 . November in der Wörtherstraße 48 seine sechste Anstalt eröffnet. — Prof. D. Franz Ludwig Steinmeyer, der Nestor der theologischen Fakultät der Berliner Universität, feierte am 15. November die Vollendung seines 80. Geburtstages; er gehörte seit 1858 ununterbrochen dem Lehrkörper der Universität an. — Der Bau einer Eisenbahn von Berlin über Reinickendorf, Dalldorf, Tegel und Velten nach Cremmen ist nunmehr endlich in Angriff genommen worden; die¬ selbe ist schon seit einer Reihe von Jahren projektiert worden. L. G.

sich

„Mädchenhort"

„Wndenprotnonado.

Diese ist im Sommer sehr angenehm und erquickend, man hat alles angewandt, um diesen Spaziergang bequem zu machen, und die Berliner sind den Männern vielen Dank schuldig, die Schade, daß die schönsten von es so weit brachten, worin sie jetzt ist. diesen Bäumen meistens absterben, woran vermutlich der Kalkstaub Man setzt zwar immer der neu erbauten Häuser Schuld sein mag. junge Bäume an ihre Stelle, aber sie kommen nicht fort, und verdorren, wenn Es wäre zu beklagen, wenn diese schöne sie eine Zeitlang gestanden haben. Promenade eingehen sollte. Berlin würde da eine große Annehmlichkeit verlieren, und das Vergnügen der Einwohner würde sehr darunter leiden." Wenn man diese Jeremiade über die Straße Unter den Linden, die schönste boulevardartige Straße Berlins, hört, so möchte man meinen, jene Worte seien erst kürzlich geschrieben; sie rühren aber vom Jahre 1785 her, aus dem Buch „Freye Bemerkungen über Berlin, Leipzig und Prag, Original und Kopie". Der alte joviale Direktor des Botanischen Gartens Link, nach welchem die Querstraße der Potsdamer Sraße heißt, pflegte zu sagen, die Bäume Unter den Linden sterben, weil sie nie zur Ruh' kommen, weil sie niemals schlafen! Er meinte damit das unablässige Rütteln der Wagen auf dem schlechten Pflaster in den dreißiger und vierziger Jahren dieses Jahrhunderts. Sein Amtsnachfolger, Alexander Braun, schrieb den Mißwuchs der Bäume auf die Undichtbeit der Gasrö-hren. Jetzt klagt man außerdem noch dietzunde an! Kurz um, die Klagen überdas mangelhafte Gedeihen der Bäume „Unter den Linden" sind gerade so alt, wie die Bebauung dieser Avenue mit Wohngebäuden. Hoffen wir, daß die Ausführung der vereinigten Projekte unserer städtischen Park- und BauDeputation hier recht bald eine wirkliche und 'vor allem eine andauernde E. E. Wandlung und Besserung schaffen wird.

Alto @rabinfdjriften ane der Marienkirdie. 1. Georg Prunner man mich nandt, Von Deckendorf im Bayerlandt, Zu Döbeln wohnt: Von da mich wend Kegen Berlin, nahm da mein End. Mit Ehren trugt mein grames Haar Bis in mein einundachtzigst Jahr. Starb aimo 1585, den 26. Martii. Dessen

&.—

Thlr in einem Schein auf die Staatsanleihe, 3 Laub¬ thaler, 4 Zweidrittelthaler, lU Kronenthaler, 1 goldene Halskette mit Futteral. Aus dem Böhmischen Kirchbezirk durch Stadtv. Schauer: 35 Tresor¬ Tresorscheine, 20

scheine, 2

Pistolen und 1 silberne Dose. Ersparnisse einer, armen Familie: 20 Thaler.

Durch Stadtverordneter Seeger: 5 Lire-Stücke,

1

Säbel und 30 Piken

für die Landwehr, für 1 Thlr. Einquartierungs-Billets, 4 Thlr. KasernenSublevationS-Billets und 2 Speziesthaler. Durch Stadtv. Schäfer: 1 Dukaten, 61 silberne Medaillen und Münzen, 7 silberne Theelöffel, 1 Paar silb. Hemdknöpfe, 1 Strickscheide und

1

silb. Frauenmütze.

Vom Schulhalter MoseS Hirsch Bock 18 Thlr. 12 Gr., eine silb. zweigehäusige Uhr und 1 holl. Dukaten. Aus dem Spittelmarkl-Bezirk: 1 silb. Becher, eine silb. Taschenuhr, 1 Paar silb. vergoldete Ohrringe mit Steinen, 1 goldenes Petschaft mit Carneol, 1 Pistole, 1 Paar neue Stiefeln, 30 Stück Bürsten, 2 schwarz¬ lederne Jägertaschen, 2 „Chakots", 12 Korbflaschen, 1 Bürgergardistenrock. Durch Stadtv. Pfeffer: 2 Rubel, 3 Trauringe, 6 Paar Strümpfe, 1 Hirschfänger. Sonst: 21 Loth altes Silber, 1 silb. Gabel, 25 Thlr. GehaltS-BonS. B. B. 2 silberne Sparbüchsen u. s. w. Von der Entstehung des Namens Die deselben wird folgende Geschichte erzählt: Als Berlin den um ihres Glaubens willen vertriebenen reformierten Franzosen gastlich seine Thore öffnete, wurden vielen derselben, namentlich den Kunsthandwerkern, große Buden an der Friedrichsgracht als Verkaussstätten überwiesen. Einer dieser Fran¬ zosen, Namens Blanchet, erwarb sich bald eine gewiffe Berümtheit; er war im Besitz von 9 unverheirateten Töchtern, die ebenso durch die Kunstfertig¬ keit ihrer Hände, wie durch ihre spitzen Zungen bekannt waren. „Und wünschte jemand eine Neuigkeit, Entstellt durch Bosheit und durch Tücke, So hieß eS in Berlin gleich weil und breit: Geht zu den Jungfern an der Brücke! — Ob jene Jungfern später sich vermählt? — Die Chronik hat hier eine Lücke — Doch glaub' ich's nicht, denn sie erzählt: Von ihnen kommt die Jungfernbrücke." P. B.

Inngferndriidte.

für

Kerlins.

11 er ein In der General¬ Me (Sefdjidite ist Amtsrichter Dr. Beringtster, versammlung vom 14. November d. der bisherige 3. Vorsitzende, zum 2. Vorsitzenden gewählt worden. Von den übrigen Vorstandsmitgliedern haben Stad'trat Friedet (1. Vorsitzender), Generalkonsul Goldberger (Pfleger der Louis Schneider-Stiftung, Magistratssekretär Ferdinand Meyer (Hauptschriftwart), Bankier Ritter (Schatzmeister) und Magistrats-Büreauvorsteher Weber (Archivar) ihre Aemter niedergelegt. Die Besetzung dieser Vorstandsstellen bleibt einer im Januar stattfindenden Generalversammlung vorbehalten. — Von der stüheren königl. Hofschaujpielerin Charlotte von Hagn , späteren Baronin von Oven, ist dem Verein ein Legat von 30000 Mark für die vom Verein verwaltete Louis Schneider-Stiftung ausgesetzt worden. Das Kapital ist nunmehr, nach Abzug von 8 pCt. — 2400 Mark Erbschaftssteuer, zur Auszahlung an den Verein gelangt und dadurch mit einem Schlage die Louis Schneider-Stiftung in den Stand gesetzt, zur statutenmäßigen Wirk¬ samkeit zu gelangen, da deren Bestand die dazu erforderliche Summe von 30000 Mark bisher noch nicht ganz erreicht hatte. Jetzt können auS diesem Fond jährlich an 2000 Mark für wissenschaftliche oder künstlerische Unternehmungen, welche für die Geschichte Berlins von Bedeutung sind, oder für Veranstaltungen zum Gedächtnis verstorbener Mitglieder, Unter¬ stützungen an hilfsbedürftige Nachkommen derselben rc. verwendet werden. Da die sonstigen Einnahmen deS Vereins jährlich gegen 8000 Mark be¬ tragen, so kann auf dem Geschichtsforschungsgebiet finanziell viel geleistet B. G. werden. Noch zu Anfang Der Fifdq dieses Jahrhunderts befand sich am Berliner Rathause und zwar an der Seite, welche der Spandauer Straße zugekehrt ist, ein eiserner Fisch. Manche meinten, derselbe zeige die Höhe des Wasserstandes bei einer der großen Ueberschwemmungen an; Jakob Schmidt {Collect, memorab. Bereitn. Decas I) dagegen belehrt uns, daß dieser eiserne Fisch von alters her den Fischern Berlins und der Umgegend die Größe angab, unter welcher sie keine Fische mit dem Garn fangen und zur Stadt bringen durften.

I.

ant berliner llatljattfe.

Gattin:

2. WalpurgiS Tentzerin mein Nahm, Zu Walkheim mein Ursprung! bekahm, Lebt ehlich ganzer vierzigck Jahr, Und vierzehn Kinder Mutter wahr, Sechzig Jahr alt nam ich mein Endt,

Befahl mein Seel in Gottes Hendt. Starb auuo 1577 in der Christ-Nacht. 8 . Elias Francke, der allhier begraben liegt. Hat seinen Untergang vom kalten Brande kriegt, Das Feuerwerk, von dem er sonst ein Meister war, Must ihm gehorsam seyn so manches liebes Jahr, Und dennoch konnt er nicht dem kalten Brand entgehn, Drumb, Menschenkind, wer weiß fürm Tode zu bestehn?

p. b.

Aus Von Korlinor llerteidprrillen der Fiolrosßabrn tm Frühlinge 1818. Am 14. April 1813 gingen ein: Durch den Stadtverordneten Herter: u. A. ein Tresorschein, 5 Me¬ daillen, 3% Loth schwer. Durch Bezirksvorsteher Leckler: 50 Thaler Gehaltsschein, 20 Thlr. Kurmärkische Koupons, 25 Thlr. Berliner Stadtzins-KouponS, 39 Thlr.

P. B.

Annstlorifehor §«djmndt des Reidjstagsgedändes.

Atelier des Bildhauers Pros. Reinhold BegaS arbeitet man zur Zeit an dem Hilfsmodell der Gruppe, welche hinter dem westlichen Giebel auf der Attika deS Bauwerkes stehen wird. Während alle anderen Skulp¬ turen, die den Außenbau schmücken, bekanntlich in Sandstein ausgeführt werden, soll dieses das Ganze gleichsam krönende plastische Werk in Kupfer getrieben werden. Der Entwurf von Begas, für den Meister Wallot die Idee gegeben hat, zeichnet sich durch edlen Schwung der Linien und durch kraftvolle Eleganz der Formengebung aus; daß der ganzen Gruppe eine überaschend maßvolle monumentale Wirkung innewohnt, die Begas oft über das Ziel hinausschießender malerisch freier Behandlung der Plastik sonst ftemd ist, muß dem Einfluß deS Architekten zugeschrieben werden, der bei allen Arbeiten für das RcichStagSgebäude den schaffenden Künstlern zwar genügenden Spielraum für das Entfalten ihrer Kräfte giebt, dabei jedoch fest an den Maßen und Konturen hält, welche für eine harmonische

Im

-S

107

Den Ausgestaltung des gesamten Bauwerkes durchaus notwendig sind. Mittelpunkt der Gruppe bildet die im Sattel sitzende ..Germania". Das gepanzerte, heldenhafte Weib, dessen Haupt die lorbergeschmückte Kaiser¬ krone trägt, stützt sich mit der Linken auf den Schild, während ihre Rechte das Banner des Reiches hoch emporhält; von ihre» Schultern wallt der Herrschermantel herab; ihr gewaltiges Streitroß wird von dem „Frieden" und dem „Ruhm" geführt. Zur Rechten schreitet eine kräftige JünglingSgestall: der „siegende Friede"; er trägt dasReichSschwert, um welches sich die Friedenspalme schlingt; den Ruhm verkörpert zur Linken eine ideale Frauenfigur mit wallenden Gewändern, ihre Rechte hält den Zügel und die Linke umfaßt die hocherhobene Tuba, durch welche ihr Mund den Ruhm verkündet. — Um einen ungefähren Begriff von den Grötzenverhältnissen der Skulptur zu geben, erwähnen wir, daß die einzelnen Figuren 4 Meter hoch sind, während die Höhe der reitenden Germania 6'/2 Meter beträgt. Das Giebelfeld dieser westlichen Hauptfront des Reichstagsgebäudes zeigt eine von Professor Fritz Sch aper geschaffene Gruppe, deren Mittelpunkt das von zwei Kriegern beschützte Reichswappen bildet; zur Rechten und Linken, beschützt von jener Kriegsmacht, sind Gruppen gelagert, welche das Gedeihen von Handel, Kunst und Wiffenschaft personifizieren. Während an den übrigen Bildwerken des Reichstagsgebäudes zur Zeit in den nord- und süddeutschen Werkstätten fleißig geschaffen wird, tritt nun bald die Frage an die ReichStagSbaukommission heran, in welcher Weise die malerische Ausschmückung des inneren Bauwerkes zu verteilen sein wird. Schon jetzt steht als Prinzip fest, daß gleich wie bei den Aus¬ führungen des plastischen Schmuckes auch bei den malerischen die fünft lerischen Kräfte von ganz Deutschland, soweit er irgend thunlich ist, herbei¬ gerufen werden. Schon jetzt lehrt ein flüchtiger Durchgang, daß gerade der zeitgenössischen Malerei hier ein reiches Feld zur Bethätigung winkt, denn nicht nur die westliche große — leider in Stuck auszuführende — Wandel¬ halle harrt der dekorativen Wand- und Deckenmalerei, auch die Treppen¬ häuser bieten de-selben weite Flächen dar. Die Lese- Schreib- und Er¬ frischungsräume verlangen malerischen Wandschmuck; der Sitzungssaal des Bundesrats wird eines solchen bedürfen und im großen Sitzungssaal, deffen Ausschmückung und Einrichtung schon durch treffliche, bis ins Detail aus¬ geführte Skizzen Wallot's ersichtlich ist, harrt jene mächtige Breitwand die sich über den Sitz des Präsidenten und den Sitzen der BundeSrateS erhebt der Ausschmückung durch drei große Historien gemälde. Jedenfalls werden die nächsten Monate ein eingehendes Programm für die gesamte malerische H. V. Ausschmückung deS deutschen Reichstagsgebäudes bringen.

Unser Knchertisch. (Sesctjictjtc dos preußischen Staates. Von vr. (fnifl

tzcrncr.

Reich illustriert mit 17 Tafeln und Kgl. Prcuß. Hausarchivar. Beilagen in Farbendruck, 92 Buchdruckbeilagen, etwa 400 Ab¬ bildungen im Text und 7 Karten. München und Berlin 1891. Verlagsanstalt für Kunst und Wissenschaft. Preis geh. 16 M, gbd. 20 M.; in 2 Halbfranzbänden 24 M. In ungemein feffelnder Darstellung führt uns der Verfaffer in obigem Werke die Entwickelung der brandenburgisch - preußischen Staates von den Kämpfen deS Markgrafen Gero gegen die Wenden bis zur Wiederaufrichtung des deutschen Kaisertumes vor. Zur Darstellung dieser mehr als elf Jahrhunderte umfassenden Epoche, welche eine Geschichte ohne gleichen in sich schließt, hat sich der Verfaffer auf einen Raum von 750 Oktav-Seiten

Diese Beschränkung macht eine knappe, prägnante Ausdrucksund Darstellungsweise erforderlich, welche dem Verfaffer überaus gut ge¬ lungen ist: alles Nebensächliche, Episodische tritt in den Hintergrund; die mächtigen Persönlichkeiten hingegen, welche bestimmend auf die Geschichte unseres Vaterlandes eingewirkt haben, bilden den Kern des Textes und treten gleichsam plastisch vor unser geistiges Auge. Die Kriegsgeschichte steht nur dort im Vordergrund, wo sie thatsächlich den Mittelpunkt der Ereigniffe bildet, so daß den kulturgeschichtlichen Momenten jeder Zeitalters Die Entwicklung des gebührende Beachtung geschenkt werden konnte. preußischen Staates in ihren markanten Hauptzügen für die weitesten Kreise darzustellen, war die Aufgabe, die sich der Verfasser gestellt hatte, und diese Aufgabe hat er in überaus glänzender Weife gelöst. Sein Werk beruht überall auf Quellenforschung, zu welcher sich ihm als Kgl. Preuß. Haus¬ archivar die beste Gelegenheit bot, und vereinigt wiffenschaftlichen Ernst meister¬ haft mit volkstümlicher Darstellung. Zu diesen textlichen Vorzügen gesellt sich die überaus glänzende illustrative Ausstattung, welche die Verlagshandlung dem Werke gegeben hat. Bereits in voriger Nummer brachte der „Bär" zwei Jllustrationsproben auS demselben; auch unsere heutige Nummer bringt S. 105 eine solche Um ein ungefähres Bild der illustrativen Reichhaltigkeit des Werkes zu geben, taffen wir hier beispielsweise ein Verzeichnis der Illustrationen aus der Zeit der Befreiungskriege folgen: „Ansicht der Linden in Berlin nach zu Anfang des 19. Jahrhunderts"; „König Friedrich Wilhelm dem Gemälde von Franz Krüger"; „Freiherr vom Stein nach einer Zeich¬ nung von Schnorr von Karoisfeld"; „Königin Luise nach dem Gemälde von Nikolaus Lauer"; ferner Porträts von Hardenberg, Schrotter, Scharn¬ „Luisenwahl bei horst, Gncisenau, Fichte, Schleiermacher, Schill und Jork; Familie m Weißende Königlichen der „Empfang Königsberg in Preußen"; »Eiserner Trau¬ bei ihrer Rückkehr nach Berlin, am 23. Dezember 1809 ; ring vom Jahre 1813"; „Empfang Friedrich Wilhelms III. durch Alexander I. am vor St. Petersburg am 7. Januar 1809"; „Friedrich Wilhelm Sterbebette der Königin Luise"; „Einzug Friedrich Wilhelms 11t. in Ber¬ lin 1809"; Eigenhändiger Brief der Königin Luise an den Freiherrn beschränkt.

III;

III.

&■

„Schlesische privilegierte Zeitung vom 20. März 1813" (Faksimiledruck mit dem Auftus „An mein Volk") u. s. w. u. s. w Diese Angaben werden zur Charakteristik der glänzenden illustrativen Ausstattung genügen. Zu rügen i>t, daß die Illustrationen vielfach nur im losen Zusammenhange mit dem Texte stehen: hier hätten Verfaffer und Verleger mehr Hand in Hand gehen sollen. Eigentümlich ist auch der Lapsus, dessen sich der Verfasser (oder der Korrektor?) auf S. 749 schuldig macht, wo der 23. Juni als Todestag Kaiser Friedrichs angegeben wird. Diese Ausstellungen betreffen jedoch nur Dinge nebensächlicher Art und können den Gesamtwert des Werkes nicht beeinträchtigen; denn Berners

vom Stein";

Geschichte des preußischen

werk

allerersten

Ranges,

Staates welches

Völker seinesgleichen sucht.

nationales Pracht¬ in der Litteratur der fremden 1i. G. ist ein

Die norbfricftftijcn Inseln Sylt, i-äljr. glntrunt ntxh die Halligen fönst und jetzt. Mit besonderer

Berücksichtigung der Sitten und Gebräuche der Bewohner bearbeitet von Christian Iciisen. Mit einigen 60 Abbildungen im Tert, einer Karte und 27 vielfarbigen Kostümbildern aus 7 Tafeln. Ham¬ burg 1891. Verlagsanstalt und Druckerei-Aktien-Gesellschaft (vormals F. Richter). 392 S. 12 Mk. Der selbst auf Föhr wohnende Verfasser deS vorliegenden Buches hat eS verstanden, in höchst geschickter Weise dar von ihm gesammelte reiche Material über die nordfriesischen Inseln und das Leben und Treiben der Inselbewohner zu bearbeiten. Das intereffante Werk beginnt mit Bildern vom Wattenmeer; wir erhalten ein wohl annähernd richtiges Bild von den Zerstörungen, welche die Fluten in den letzten 260 Jahren im Bereiche der nordfriesischen Inseln angerichtet haben. Dann folgen topo¬ graphische Beschreibungen deS im schleswigschen Wattenmeer belegenen Jnsellandes, welches den Gesamtnamen: die friesischen Uthlande führt, und lebendige Schilderungen der Nordseebäder auf Sylt, Föhr und Amrum. Im zweiten Abschnitt wird sodann das Leben der nordfriesischen Insel¬ bewohner dargestellt, und zwar zunächst ihre Beschäftigung alz Seefahrer und Fischer, ihre Landwirtschaft und Industrie, die Vogelkojen und der Entenfang, die Austernbänke und der Austernfang; sodann ihre National¬ tracht, Sitten und Gebräuche; Häuserbau, Hauseinrichtung, Speise und Trank, das Kind in Brauch und Sitte, das vorehelichcILeben jder Mädchen und jungen Männer, Hochzeitsgebräuche, Tod und Leichenbestattung und Sitten und Gebräuche, welche mit dem Kreislauf des Jahres wieder¬ kehren. Das Schlußwort endlich bringt noch statistische Angaben über die Umgangssprache. Alle Teile des Bücher, namentlich aber^(diejenigen des zweiten Abschnittes, sind feffelnd geschrieben; besonders interessant sind die eingeflochtenen volkstümlichen Reime. Das vornehm ausgestattete und in jeder Beziehung empfehlenswerte Buch wird besonders den vielen Bade¬ gästen willkommen sein, welche im Sommer die nordfriesischen Inseln auf¬ suchen und sich auch für die Geschichte, die Sitten und Bräuche deS gast¬ lichen Volkes interessieren. K. H.

I.

Dio liede Darel.

Von Armin Stein (H. Uietschmnnn). Halle a. S. G. Schwetkescher Verlag. 2. Aufl. Preis/geh. 1,65 Mk., geb 2,25 Mk.

Die Familie der Hohenzollern ist durch eine Reihe edler Frauen¬ gestalten ausgezeichnet, die ihrerseits viel dazu beigetragen haben, das Band zwischen dem Volke und der Dynastie zu einem so innigen zu machen. Die liebe Dorel ist die Tochter des Kurfürsten Johann Georg, spätere Herzogin Dorothea Sibylla zu Liegnitz und Brieg, eine der edelsten und hehrsten Frauengestalten, die jemals einen Thron geziert haben. Was sie ihren Unterthanen, ihren Kindern und ihrem Gemahl war, wie auch sie des Leidens Kelch leeren mußte, daS alles erzählt schlicht und innig nach den Aufzeichnungen eines alten Ratsherrn der Verfasser. Möge daS Buch, das der Frau Erbprinzessin von Sachsen-Meiningen gewidmet ist, recht viele Leser finden. Die Damenwelt wird namentlich daS Leben und Wirken einer ihrer edelsten Genossinnen von berufener Feder geschildert — I—

finden.

Feldzugserrnnerungon eine» 4mnfunfcbt‘ct)fitxcr» ' 1870/71.

Von kjllgli Chrcnbcrg. 2. Aufl. Rathenow. Verlag von Max Babenzien. Mit 3 Karten. Preis 3 Mk., kartonnierl 3,50 Mk. Es ist nun schon eine stattliche Reihe von Büchern erschienen, welche Erlebnisse einzelner Mitkämpfer wiedergeben und welche so ein eigenartiges, buntes Mosaikbild jenes Weltdramas liefern. Nicht alle sind aber in solcher anschaulichen, soldatisch-ftöhlichen Weise geschrieben, wie hier, wo selbst die düsteren Schlachtenbilder durch einen kecken Humor durchsonnt, erscheinen. In frischem Erzählerton schildert der gewandte Verfaffer den Verlauf des gewaltigen Ringens, wie es sich vor den Augen des Mit¬ kämpfers abrollte. Das 35. Regiment, das sich ja bekanntlich meist aus Berliner Jungen rekrutiert, sammelte namentlich in den Kämpfen von Metz und an der Loire seine blutigen Lorbeeren, die darum hier in den Vorder¬ grund treten. Diese reichbewegten Schilderungen werden aber auch außer¬ halb des Kreises der Angehörigen jenes Regiments gern gelesen werden.

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Victor Ottmann.

fr-

108

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Für die Redaktion verantwortlich: Richard George in Berlin X. 58. — Abdruck ohne eingeholte Erlaubnis ist untersagt. Verlag: Fr. ZiUessen, Berlin N., Schönhauser Allee 141. — Druck: Buchdruckerei Gutenberg, Berlin N., Schönhauser Allee 141a.

»kl* Unter Mitwirkung

(Oevirtfmicr , Dr. H. Drendrckro, «KljcuDor Fcrntcrno, Stadtrat G. Fviod-ok, Fovd. Merzen, Gymnasialdirektor Dr. M. gtdjnmrli und Gvnst tr. Milden Druck)

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herausgegeben von

Friedrich Liilcssen

Richard George.

Erscheint wöchentlich am Sonnabend und ist direkt von der Geschäftsstelle (Berlin N., Schönhauser Allee W, — Ferntprechstelle 8yso), sowie durch alle Postanstalten (No. 709 ) Buchhandlungen und Zeitungssxeditionen für Mk. 50 pfg. vierteljährlich zu beziehen.

XVIII.

m,

Iabraang.

io.

M

und

I

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5. Dttcmbrr 1891.

MvüHvat geankert. Grzüftlung non

M.

Fror).

(Fortsetzung.)

IX. j^gfoeftctabcnb in Afrika. Eginhard v. Marwitz lehnte an der äußeren Zeltwand von Gröbens luftiger Behausung, welche im Laufe des Tages auf dem Berge Mamfort errichtet worden war. Neben ihm stand Philipp Blonk, ebenfalls sinnend zu deni mit fremd¬ artigen Sternbildern vergoldeten Nachthimmel emporschauend.

Ein Hauch von Schwermut lag in dieser Stunde auf den Zügen beider Männer. „Nicht einmal ein gleiches Himmels¬ über uns und den daheimgebliebenen Teuren „O, wie weit von der Heimat entfernt sprach er trübe. feiern wir diese Nacht." dach

spannt

sich

aus!"

„Und dennoch auf brandenburgischem Grund und Boden! Unter Friedrich Wilhelms Schutz und Schirm!" rief Grüben in frohem Tone, indem er zu den Freunden trat. „Obgleich unter Palmen und jenseits der Linie sind wir dennoch daheim. Dort unten in Pokeson wehen unsere Landesfahnen, und dieser Berg wird morgen auf den Rainen unseres erhabenen Fürsten getauft, dessen Eigentum er ist.

Nun kommt, Freunde, wir wollen uns den heimischen Sylvesterpunsch keineswegs entgehen lassen. Tretet nur dreist ein, Lila hat die Schwelle gegen böse Geister gefeit!" lächelte

mit einladender Bewegung zurück¬ schlagend. „Ueber ein Jahr hoffe ich, wird sich festeres Dach über unseren Häuptern wölben. Ich sihe bereits die Burg Grüben,

die Zeltwand

vor meinen Augen, deren Grundriß wir heute aufgenommen haben. Ich sehe, wie ihre hohen Zinnen, der schlanke Wart¬ turm sich erheben, und schwarzweiße Fahnen in den Lüften wehen, zum Wahrzeichen, daß allhier gut Brandenburg.

Glück und Heil dem Vaterlande, stetes Wachsen und Blühen seines Wohlstandes! Hoch lebe unser große Kurfürst, der Anker Brandenburgs!" „Hoch, hoch!" hallte es von allen Stimmen wieder, wäh¬

rend die meingefüllten Becher aneinander klangen. — Das Jahr 1683 war erst wenige Stunden alt, als die

Schläfer in den Zelten durch die Klänge eines marschähnlich geblasenen Morgenliedes erweckt wurden. Weihevoll und er¬ haben hallten die Töne durch die reine, sonnige Morgenluft. Grüben trat mit entblößtem Haupte an der Seite der Genossen auf den freien Bergesgipfel hinaus und schaute er¬ griffen dem Zuge entgegen, der sich die Anhöhe heraufbewegle. Voraus, an der Spitze schritt der majestätisch gewachsene Schiffshauptmann von Voß, der Befehlshaber des „Kurprinz." In seiner Rechten hielt er die große, sich stolz blähende, kur¬ fürstlich brandenburgische Landesfahne. Dann folgten in langer wohlgeordneter Reihe 70 brandenburgische Soldaten und Schiffszimmerleute, welche, von einer Anzahl Neger unterstützt, die schweren Geschütze zum Berge hinaufzogen. Unter klingen¬ dem Spiel und wehenden Flaggen machte der Zug vor dem Gouverneur Front. Grüben ergriff die Fahne, schwang sie hoch empor

„Zur

und rief begeistert: Ehre unseres

glorreichen Landesfürsten sei dieser

Berg der Große Friedrichsberg genannt!" Mit lautem Jubel bekräftigten Pauken und Posaunen Fünf Kanonenschiisse wurden abgefeuert, Gröbens Worte. deren Donnergruß in gleich starker Weise von den vor Anker liegenden Schiffen erwiedert wurde. an demselben Tage begannen die Bauleute ihr während der Gouverneur, voit Blonk, Eginhard und Werk, unterstützt, neu hinzukommende Ansiedler Prediger dem jungen Noch

-s 110 s-

in der Colonie aufnahm.

Ueber den Berg führte eine belebte

Straße und die

des Weges

zeigten Lust,

sich

meisten

unter

kommenden Zieger be¬

brandenburgische Schutzherrschaft

zu

begeben.

Die holländische Regierung machte

hier den Versuch, allein vergebens. Gröben bestand als erster auf seinem Recht, wie er in Accoda das ihrige geachtet hatte. Die Gesandtschaft der Holländer er¬ reichte nichts, als daß die Neger ängstlich wurden, der neue Gouverneur könne ihnen untreu werden, und deshalb eifrig darauf drangen, einen schriftlichen Vertrag abgefaßt zu sehen. Atto und Eginer, die beiden vornehmsten Negerhäupt¬ linge, sandten eines Tages die junge Lila, deren Einfluß auf den Gouverneur ihren Slammesgenossen als Mittel zum Zweck dienen sollte, in das Zelt Gröbens. In der einen Hand eine Schale Branntwein, in der anderen ein Pulverhorn tragend, trat das Mädchen vor den eifrig mit seinen Plänen beschäftigten Major. „Wenn der weiße Mann mit meinen Brüdern Fetisch trinken will, werden sie seinen Worten trauen!" sprach sie ein¬ dringlich, ihn mit ihren funkelnden Augen bittend ansehend. „Nun wohl, auch ich bedarf des Eidschwures Deiner Brüder, führe sie zu mir herein, mein liebes Kind!" erwiderte Gröben in wohlwollendem Tone. In Gegenwart seiner Freunde tauschte der Gouverneur mit den Negerfürsten den Eidestrunk, mit Pulver untermischten Branntwein aus, während die schöne Lila mit einem Kruge durch die Reihen des farbigen Volkes schritt, das sich rings um das Zelt aufgestellt hatte, um mit dem seltsamen Getränk die Lippen der Kabusier zu befeuchten. Dies war ein Zeichen, daß der große Schirncherr der Brandenburger alle unter seinen Schutz genommen, wogegen sie ihm Blut und Leben in Kriegs- und Friedenszeiten gelobten. Philipp Blonk setzte hierauf in portugiesischer Sprache den Vertrag auf, nach welchem Friedrich Wilhelm von Branden¬ burg sich verpflichtete, die neuen Unterthanen nie zu verlassen und gegen ihre Feinde zu verteidigen. Ein Festmahl beschloß die Feierlichkeit. Gröben lud die Häuptlinge nebst ihren Familien zur Tafel, und es gewährte ein eigenartiges Bild, die brandenburgischen Offiziere, die Baumeister und den jungen Geistlichen inmitten der festlich ge¬ den Besitz

des Berges

an

sich

auch

Nach Landessitle führten die Negermädchen nach beendigter

Tafel einen lärmenden Tanz auf, worauf die Häuptlinge die jungen Schönheiten zum Zeichen ihrer Freundschaft den Brandenburgern zum Weibe anboten. Eginer führte die schöne Lila ohne Zögern dem Gouver¬ neur entgegen.

„Die Kabusierprinzen werben alle um Sophonies Tochter; der weiße Mann,

des großen Fürsten Bote,

der uns bringt, soll das Vorrecht haben über alle Häuptlinge!" sprach er mit der Leutseligkeit eines Königs, der dem verdienstvollen Diener einen Orden erteilt. Schutz und Frieden

Die Offiziere machten, obgleich betroffen, gute Miene zum bösen Spiel, als sie gewahrten, daß ihr Gouverneur bereit¬ willig die Hand Lilas entgegennahm. Nur Blonk und Egin¬ hard wichen sehr entschieden zurück, als Eginer auch ihnen zwei Bräute aufdrängen wollte, trotzdem ihnen Gröben einen Wink gab, dem Begehren des Negerfürsten zu willfahren.

der That blitzte es

in

dem wilden Auge der ver¬

Sie wandten

sich

beide verächtlich ab, als der Abessinier Jzo sich bereit erklärte, für seinen Gebieter und dessen Freund in der eigenen Person Ersatz zu leisten.

In

zu reißen,

schmückten Eingeborenen zu gewahren.

aber

In

schmähten Negerinnen unheilverkündend auf.

lauter Fröhlichkeit verfloß der Tag.

gerische Gesänge der Eingeborenen wechselten

Tänze und krie¬

mit den Musik¬

klängen der Brandenburger ab. Als der glutrote Sonnenball im Westen verschwand, er¬ schienen eine große Anzahl Weiber und Kinder aus Pokeson, um die Bräute der neuen Freunde zur Hochzeit zu schmücken,

wofür von Gröbens Seite reiche Geschenke gespendet wurden. Unter wunderlichen Hochzeitsgebräuchen, bei loderndem Fackelschein, verfloß der erste Teil der Nacht. Erst als die Neuvermählten sich in die Zelte zurückgezogen hatten, fanden Eginhard und Blonk nach dem lärmenden Tage Gelegenheit, wie

allabendlich thaten, von den daheim gebliebenen Lieben zu plaudern. Auch Prediger Wendland, welcher während des Tages meistens unsichtbar geblieben, gesellte sich zu ihnen. Nun klang auch Dorels Name wiederholt durch die Tropen¬ sie

nacht.

Die drei Männer bewohnten gemeinsam eine Baracke, Sie wollten sich zu gleicher Zeit zur Ruhe begeben. Eginhard war soeben im Begriff, als letzter die Schwelle zu überschreiten, als er plötzlich über den Gipfel des Berges eine Gestalt schlüpfen sah. in welcher er sogleich die von ihm verschmähte Braut erkannte, welche sich durch originellen Kopf¬ welche während der letzten Tage errichtet worden war.

hatte. Nichts Gutes ahnend und in der Absicht, sich zu über¬ zeugen, ohne den Genossen etwas zu sagen, blieb er unter einem Vorwände vor der Thür zurück, wo er sich, von dem Schatten des Vorbaues gedeckt, niederließ. schmuck ausgezeichnet

Ringsumher war es traumhaft still. Die Wachtposten an allein tauschten hin und wieder ein Zeichen ihres Wachseins aus; sonst war nur das Rauschen des Nacht¬ windes in dem hohen Grase und den Wipfeln des nahen Feigenwaldes, sowie der Ruf des Käuzchens und hin und wieder ein Schrei des Königsadlers zu vernehmen. Marwitz spähte aufmerksam umher. Schon glaubte er, sich getäuscht zu haben, als plötzlich die Gestalt der Negerin in seiner unmittelbaren Nähe auftauchte. Ohne daß er sie kommen gehört, stand sie plötzlich vor der Thür des Hauses, ein hell blinkendes Jagdmesser in ihrer den Geschützen

Rechten.

Im

war Marwitz an ihrer Seite. und die Waffe lag am Boden, umschlossen hielt. seines Verkehrs mit den Afri¬ kanern bereits so viel Kenntnisse von deren Landessprache er¬ langt, um zornig die Worte ausstoßen zu können: Augenblick Ein kurzes, kräftiges Ringen, während er das Mädchen fest Eginhard hatte während nächsten

„Wen wolltest Du töten, wütende Katze?" „Den weißen Mann, der die Tochter des Kabusierprinzen Eginer verachtet."

Es lag so viel Groll und Haß, aber auch Trauer in den wenigen Worten ausgedrückt, daß Marwitz sich mitleidig zu der Negerin niederbeugte.

„Tröste Dich, armes Kind, Du wirst einen besseren Ge¬ mahl erhalten, als ich bin. Geh heim — doch sage mir, galt

—«

Dein Anschlag nur meinem Leben oder wolltest Du Dich etwa auch an meinem weißen Bruder rächen?" Die Negerin lachte kurz auf. „Die wilde Rose von Pokeson weiß den allein zu treffen, der sie verschniäht." „So geh und sage ihr, der weiße Mann sei gut bewacht, damit sie sich nicht vergeblich herbemühe." Marwitz gab die Negerin frei und schritt zur Thür der Baracke.

Mit einem Sprung, anstatt zu enteilen, wie Marwitz ver¬ mutet, war das Mädchen au seiner Seite. Derselbe glühende Blick, aber in anderem Allsdruck, fun¬ kelte ihm entgegen. mich mit Dir, die wilde Rose ist giftig, sie wird Männer alle verderben, wenn des Kabusierprinzen

„Nimm die weißen

Eginers Tochter nicht wacht." Halb erstaunt, halb mißtrauisch, blickte er auf die Negerin. „Was willst Du im Hause des weißen Mannes, der Dich verschmäht? Er bedarf Deines Schutzes nicht, gehe heim." Sie schüttelte trotzig das Haupt. „Laß mich Deine Dienerin sein, Dir die Palmölsuppe kochen, welin Du hungrig von den Jagdzügen heimkehrst!" flehte sie. Abwehrend den Kopf schüttelnd, schritt Marwitz an ihr

vorüber.

Als

er den Jnnenraum der Baracke indessen erreichte, benrerkte er zil seinem Verdruß, daß sich die Negeriil lieben ihm befand und ihn unausgesetzt mit ihren funkelnden Augen an¬ blickte.

fähig erwies. Seit dem 17. Oktober 1806 gab er den „Tele¬ graph" heraus; in den ersten Nummern desselben wird in Patriotismus förmlich geschwelgt. Sobald jedoch die Franzosen ihren Einzug in Berlin gehalten, schlägt der erbärmliche Heraus¬ geber, der sich jedenfalls in ihren Sold stellte, einen ganz anderen Ton an und wetteifert mit dem officiellen „Moniteilr" in Schmähungen auf den Prinzen Louis Ferdinand, den General Rüchel und die edle Königin Luise; König Friedrich Wilhelm Hl. wird als ein Pantoffelheld hin¬ gestellt, der sich von seiner Frau zum Kriege habe hinreißen lassen.

Dieser empörende Cynismus machte die Berliner doch und führte zuerst die Reaktion herbei. Es muß über¬ haupt zur Ehre der ersteren gesagt werden, daß sie in der Liebe und Verehrung, die sie dem Königspaare entgegen¬ Dem Könige brachten, stets unwandelbar gewesen waren. stutzig

niemand die Schuld an dein großen nationalen Unglück In ihm sah man mit Recht nur das Opfer unfähiger Ratgeber und untüchtiger Feldherren. Der König stand gleich¬ sam wie im konstitutionellen Staate über den Parteien. Jeder liebte ihn, er hatte noch nie jemand ein Unrecht zuge¬ fügt, er war allen ein Muster als Gatte und Vater. Die Königin, in der fich Lieblichkeit und Majestät in so seltenem Maße vereinigten, wurde ihrerseits fast angebetet und ver¬ göttert, und das tiefe Unglück, welches über das Herrscherpaar hereingebrochen, umschwebte dasselbe gleichsam als ein ver¬ schob

zu.

klärender Nimbus.

So der

Philipp

Blank und Johannes Wendland, in wollene

Decken gehüllt, schlummerten bereits auf ihrem Lager.

Eine

brennende Laterne erhellte den kahlen Raum, zigen Schmuck Waffen und einige erbeutete Raubtierfelle bildeten. Er konnte sich Eginhard überlegte, was zu thun sei. nicht entschließen, die Genossen zweier rachedurstigen Mädchen

dessen ein¬

trüb

halber zu wecken. Ebensowenig gewann er es über sich, die Negerin gewaltsam hinauszuweisen. Während sich die Kabusierin auf dem in einer Ecke be¬ findlichem Pantherfell niederkauerte, trat Marwitz an den roh geschnitzten Holziisch und begann vor den Augen des eifrig be¬ obachtenden Mädchens mehrere Schußwaffen zu laden. Dann ließ er sich vor dem Lager des ruhig schlafenden Blonk nieder, während

&

111

seine

scharfen Blicke

die Negerin unausgesetzt

be¬

obachteten. (Fortsetzung.)

Berlin

m

Verächter

Napoleon

der

seiner Sache unendlich, als er,

„hohlen Ideologie"

der

Deutschen,

im

Königsschlosse der Hohenzollern seine unflätigen Schmähungen Im 9. Bülletin, das der gegen die Königin Luise schrieb.

„ans personne assez jolie de figur, mais de peu d’esprit“; er bemüht sich, sie „Moniteur" veröffentlichte, nennt

er sie

als die Urheberin des Krieges hinzustellen und fragt: »Rar quel etrange mystere cette femme, jusque-lä absorbee dans les graves occupations de la toilette, en etait-elle vemie ä se meler des affaires d’Etat, ä infiuencer le roi, ä susciter partout ce feu dont eüe etait possedee?“ Auch dafür wußte der brutale Sieger eine Erklärung; er fand in einem damals sehr verbreiteten Bilde: „oü Ton

sie

voyait d’un cote le bei empereur de Russie, pres de lui la reine, et de l’autre cote le roi qui leve la main sur le tombeau du grand Frederic, La reine, drapee d’un cbäle, appuie la main sur son coeur et a l’air de regarder l’empereur de Russie. L’ombre de Frederic a du s’indigner de cette sofene scanda-

Im 19. Bulletin spricht der (17. Bulletin). kaiserliche Lügner höhnisch von der „entrevue fatale avec l’empereur Alexandre“ und teilt spöttisch mit, daß mau in den Zimmern der Königin im Schlosse zu Potsdam ein Bild des Zaren gefunden habe! leuse“

FrmyosenM (1806-1809,)

Von

Rirhavd George. (Mit

1

Abbildung.)

(Schluß.)

Den Gipfel der Erbärmlichkeit erstieg unzweifelhaft Karl Julius Lange*) (alias Davidsohn). Dieser, ein geborener Braunschweiger, war schon früher übel berüchtigt. Durch den Minister vonHardenberg!804nach Berlin versetzt, wußte derProselyt Lange, sich Zutritt in die besten Kreise zu verschaffen. Er redigierte verschiedene Zeitschriften, von denen sich keine lebensMannes findet (Berlin 1808.)

*) Eine Biographie linischer Charaktere".

schadete

dieses

fich

im „Kabinett Ber¬

Sehr erbärmlich handelte namentlich auch der Geschichts¬ schreiber

Johannes von Müller,

der nach

einer Unter¬

redung mit dem Franzosenkaiser eine förmliche Verklärung „Der Kaiser redet wie das Genie selbst", sagte der zeigte. Verblendete, der ehemalige Lobredner altdeutscher und schwei¬ zerischer Freiheit, welcher am 29. Januar 1807 in der Aka¬ demie der Wiffenschaften in schwülstigen Perioden Napoleon und Friedrich als die Heroen der modernen Welt feierte und

«

112

„Uebrigens 25. September desselben Jahres schrieb: habe ich mich allzeit wohl befunden und von dem Sieger geHoffen, was ich von seiner Großmut erwarten konnte: Exem¬ tion von Einquartierung, Fortbezahluug meines Gehaltes." Der einstige Vertraute der Königin Luise trat in den Dienst des nen begründeten Vasallenstaates Westfalen und schrieb in einem für die Oeffentlichkeit bestimmten Briefe: „Wie Ganymed nach dem Sitze der Götter, bin ich vom Adler nach Fontainebleau entführt worden, um einem Gotte zu dienen." In einer Rede nennt er Napolson „den, vor dem die Well schweigt, weil Gott die Welt in seine Hand ge¬ geben." Dieser Servilismus zog dem einst hochgeschätzten Ge¬ lehrten die allgemeinste Verachtung zu. In noch höherem Maße traf jenen Lange, der in seinem „Telegraphen" alle Schmähungen Napoleons abdruckte und vor demselben in Wonne schwamm, der allgemeine Haß.

fr¬

Appendix angebunden; ebendort findet sich noch eine andere Karikatur: Lange, auf dem Scheiterhaufen stehend und au den Marterpfahl gebunden, auf dem ein Rabe sitzt, hat in der Hand ein Blatt mit der Inschrift: „Matthäi am letzten." Die einzelnen Holzstücke endigen in menschlichen Gesichtern. Als Ueberschrist liest man: „Fidibus für rechtliche Leute"; als Unterschrift: „So gehe jede Erinnerung an Undank. Habsucht, Feigheit und Dummheit in Rauch auf."*)

ont

In dieser Weise machte sich die Erbitterung^ gegen die Vaterlandsverräter während der Franzosenzeit und nach dem Abzug der fremden Machthaber geltend. Dieser Umschwung vollzog sich jedoch sehr allmählich, und die edelsten Geister blieben zunächst noch verzagt. Sogar der große Wilhelm von Humboldt schrieb noch im November 1807 au seine Freundin Henriette Herz: „Jetzt ist nichts zu thun, als zu leiden und zu retten, was noch zu retten ist." Zur Herbeiführung dieses Umschwunges trugen die Fran¬ zosen selbst am

Ludwig Rellstab schreibt darüber in seinen Erinnerungen:

„Bis

zu

meisten bei. Die Kontributionen, die fortwährenden Ein¬ quartierungen wur¬

welchem

Grade aber ein Mann gehaßt und verachtet werden

Handel

konnte, den Eigen¬

werbe

den schuld

gerade¬

zu unerträglich.

ein

und Ge¬ lagen nach vorübergehender Blüte vollständig darnieder; die Kaufläden stan¬ den leer; die Werk¬ stätten tvaren ver¬ ödet; der Beamte erhielt keine Be¬ soldung; die

Journal im Sinne

preußischen Tresor¬

nutz

oder

Vorteil

auf die Seite des Gegners zog, davon ist mir be¬ sonders ein Beispiel erinnerlich. Es gab einen Menschen

in Berlin, Lange hieß

er,

der

der Franzosen

herausgab; ob direkt oder indirekt von ihnen besoldet,

scheine

Empfang der Königlichen Familie in Meisten fee frei ihrer Rückkehr nach Derlin am 23. De;emker 1809. JllnstratiouSprobe aus: Berncr, Geschichte des preußischen Staates (Verlagsanstalt Bruckmann, München.)

mir nicht erinnerlich. Gegen diesen richtete sich der äußerste Haß, Wut möchte mau sagen, nnb die schwerste Verachtung. Jeder Schulknabe kannte seilten Namen und bezeichttetc mit ihm das äußerste Maß des Nichtswürdigen. Er durfte sich, wie sehr ihn die französische Gen¬ darmerie in Schutz ttahm, kaum auf der Gasse sehen lassen, ohne insultiert zu werden. Ich erinnere mich, daß ich ihn eines Tages in der Friedrichstraße, mit einem dreieckigen Hut bedeckt (ich glaube, er trug eine Art französische Civil-Uniform) gehen sah, während ein Schwarm von Knaben ihn höhnend verfolgte. Lange Zeit hindurch hing eine, trotz der strengen Ueberwachuug durch die französischen Behörden, erschienene Karikatur auf ihtl in meinem Zimmer. Sie stellt ihn dar, mit einem Strick um den Hals, den der Teufel mit einer Zange gefaßt hatte, um sich nicht an ihm zu besudeln; als Unterschrift las man die Worte des Teufels: „Nah! der ist

waren wert¬

die Zinsen der

Siaatspapicre wurden nicht be¬ zahlt. So sanken

viele Familien in die tiefste Armttt. Dazu scheute die rohe Schadenfreude des Eroberers nichts, was geeignet war, gegen ihn aufzureizen. Die Censur ließ er aufs strengste handhaben; das Briefgeheimnis wurde ohne jede Scham von ihm verletzt. Und wie der Sieger sich nicht gescheut hatte, die Grabesruhe des großen Friedrichs zu stören, wie er den Invaliden in Paris den Rock und Degen des¬ selben geschickt, so ließ er auch Schad ows Meisterwerk, die Quadriga mit der Victoria vom Brandenburger Thor herab¬ reißen und dieselbe zu Paris in einen Schuppen stellen.**) Das Regiment der Gensdarmes ließ er entwaffnet, abgerissen nnb halbverhungert, in jammervollem Zustande wie eine Vieh¬ herde die Linden hinabtreiben nnb ließ die Besiegten über¬ haupt in jeder Weise seinen Uebermut fühlen. Am 19. No¬

wird mir bett ganzen Höllenpfuhl verstänkern!" Diese Karikatur auf Lange ist dem Exemplar, welches die hiesige Kgl. Bibliothek von dem „Telegraphen" besitzt, als

los;

*) Die schen

Iulius

„zoologische Elegie", welche von Voß auf seinen litterari¬ Tod veröffentlichte, ist im „Bär" 17. Jahrg. S. 624 abgedruckt.

-

*

**) Die Quadriga wurde am 21. Dezember 1806 in 12 Kisten über Hamburg nach Paris geschickt.

-a

113

vember erschien eine Deputation des französischen Senates im Schlosse zu Berlin und überreichte dem Imperator eine Glückwunsch-Adresse. Dieser Deputation übergab Napoleon

340 eroberte preußische Fahnen und Standarten und die in Potsdam gestohlenen Erinnerungen an Friedrich den Großen. Diese^Fahnen und Standarten wurden bei der Rückkehr der Deputation in ihre Wohnung von 340 Grenadieren getragen, die geraubten Reliquien von Unteroffizieren. Geradezu schamlos wurden die Kunstsammlungen Berlins auf Napoleons Befehl beraubt. Der Direktor des

Markgraf Alkrecht

»-

Berthier und Vandamme erwiesen, daß sie aus den Auswahl trafen — fürwabr ein Treiben, welches eines Volkes nicht würdig ist, das sich schon damals mit Vorliebe la grande nation nannte. Das waren Brutalitäten, welche dem besseren Teile der Berliner Bevölkerung die Röte der Scham, des Zornes schällen

reichen Schätzen des königlichen Schlosses ihre

Langsam, aber desto und der Reue ins Gesicht trieben. Erbitterung in den und die Ingrimm kräftiger erwachten der Der Leichtsinn und die Frivolität Herzen der Berliner. schwanden aus demselben und an ihre Stelle traten die Liebe

Achilles 1chlieftd455 Frieden mit den Uärakergern nnd wird bei dem Besuche ihrer Stadt mit desnnderen Festlichkeiten empfangen.

Fresko-Gcmäldchnach deniSnlwürfen des Professors

Wanderer

Pariser Museums, Denon, wählte das Wertvollste von Ge¬ mälden, Statuen. Münzen aus den kgl. Schlössern und In¬ stituten. In welchem Umfange dieser Railb getrieben wurde, beweist die Thatsache, daß am 21. Dezember 96 Kisten nach Paris mit 116 Gemälden, 32 antiken Bildsäulen. 74 antiken Büsten und allen möglichen Dingen aus den kgl. Schlössern abgesandt wurden. Die verschiedenartigsten Gegenstände ver¬ schwanden spurlos: Bücher. Karten. Kupferstiche, sogar die 8 goldenen Troddeln von dem Bette des Kaisers, da die Diener¬ schaft und das Gefolge desselben natürlich nicht hinter diesem zurückstehen wollte. So ist es beispielsweise von den Mar-

am Hause der

von Tücher,'chcn Brauerei (Friedrichstrabc

180).

zum Vaterlande, der glühende Wunsch, die dem letzteren zu¬ gefügte Schmach wieder abzuwaschen und die Schuld zu sühnen. Durch Unglück mußten das preußische Volk und vor allem die Berliner geläutert werden, und dies war der Segen der Leidenszeit, die auf Jena und Auerstädt folgte. der Nacht zum 25. November 1806 verließ der Im¬

In

perator endlich Berlin, um sich nach Posen zu begeben und den Krieg gegen Preußen und die jetzt mit ihm vereinigten Erleichtert atmeten die Berliner auf, Russen fortzusetzen. wenngleich ihnen die Geißel der französischen Besatzung noch atmete vor allem auch das Erleichtert lange blieb.

-e

114

Hofmarschallamt auf. Es hatte für die Verpflegung des französischen Kaisers in 30 Tagen 67 000 Thlr. verbraucht, die es sich hatte leihen müssen. Von dieser Summe erhielt es

nur 11 684 Thlr. durch Duroc zurück. —

Im

Jahre 1807 erwachte in Berlin mehr und mehr der welcher zur Wiedergeburt des Vaterlandes, zur herrlichen Begeisterung des Befreiungskampfes führen sollte. Als am 9. Juli dieses Jahres der schmachvolle Friede zu Tilsit geschlossen worden, forderte der französische Komman¬ dant die Bürger zur Illumination auf, ohne Näheres über den Frieden mitzuteilen.

Ein Gewürzkrämer in der Friedrichstraße hatte folgendes Transparent aufgestellt : kenne zwar den Frieden nicht,

Doch aus Gehorsam und befohlner Pflicht

Verbrenne ich mein letztes Licht."

In

der Zimmerstraße stellte ein Tischler einen Sarg mit

einigen Lichten und dem Verse aus: „Hier findet ihr den cinz'gen, wahren Frieden, Der so dem Kaiser, wie dem Bettler ist beschieden."

Der Umschwung in der Stimmung der Berliner äußerte auch darin, daß die Siadlvcrvrdueleu an den König ein sich Beileidsschreiben richteten, in welchem sie ihn gleichzeitig drin¬ gend baten, er möge doch recht bald liach

Friedrich Wilhelm

III.

Berlin

antwortete

am

zurückkehren.

6 . Septem¬

ber 1807:

„Die Herzlichkeit, womit die Stadtverordneten von Berlin Mich in in der Eingabe vom 14. v. Mts. über den Verlust so vieler treuer Unterthanen zu trösten suchen, rührt Mich un¬ endlich. Den verlorenen Kindern bleibt Mein Andenken mit Wehmut und Wohlwollen gemischt; dagegen wendet sich die Liebe ungeteilt zu den mir erhaltenen Kindern. Ich sehne Mich nach der Zeit des Wiedersehens und thue, was in Meinen Kräften steht, solche möglichst zu beschleunigen. Dar¬ auf mögen Meine guten Berliner vertrauen, bis ich Mich persönlich ihnen zeigen kann als ihren gnädigen König

Friedrich Wilhelm." Noch am Geburtstage des Königs, am 3. August 1807, jede Feierlichkeit unterbleiben, lind wer sich die ge¬ ringste Anspielung erlaubte, erhielt stärkere Einquartierung.

mußte

Der patriotische Umschwung in den Gemütern zeigte sich namentlich Ende 1807. Die Gebildeten hörten, wie uns

Henriette Herz

berichtet,

auf,

französisch

zu sprechen und

legten die französische Literatur stillschweigend bei Seite. An ihre Stelle ließ man nunmehr die altdeutsche treten, und der Sinn für dieselbe wurde nicht wenig gefördert durch das

Marionelten-Theater von Dreher und Schütz,

das alte Sagen darstellte und von den besseren Ständen besucht wurde.

In

zog jedoch während der Vorstellintg einen bisher versteckt gehaltenen Blumenstrauß hervor und führte denselben an seine

Das Publikum, das im Theater anwesend war, ver¬ in Beifall aus. Jffland wurde ins Gefäitgnis geworfen und ihm mit Füsilade gedroht. Im August 1807 kam der große Fichte nach Berlin und hielt im Akademiegebäude seine berühmten „Reden an die Seine deutsche Nation" während des Winters 1807—1808. Stimme wurde häufig von französischen Trommeln, die durch die Straßen zogeit, übertäubt, und zu seinem Auditorium ge¬ Lippen.

stand diese zarte Huldigttng und brach

neue Geist,

„Ich

s-—

tapferer Weise brach auch Jffland eine Lanze für seine Königin und die Sache des Vaterlandes. Jffland hatte in der Direktion des Kgl. Theaters eine schwere Stellung während der Franzosenzeit, die er mit großem Takt ausfüllte. Am 10 . März 1808, dem Geburtstage der Königin, war ihm nun seitens der französischen Behörde verboten worden, ja jede Anspielung auf diesen Festtag mährend der Vorstellung zu unterlassen. Jffland, der im „Essighändler" selbst auftrat,

Doch ließen die allgemein bekannte Aufpasser. französischen Behörden den kühnen Redner unbehelligt, was man sich nur durch die Annahme erklären kann, daß sie ihn nicht verstanden. Stand doch auch im „Moniteur", ein berühmter Professor der Deutschen halte in Berlin Vorträge über Pädagogik. In Wirklichheil enthielten seine Reden einen Plan zur Wiedergeburt des deutschen Volkes, durchglüht von der heißesten Vaterlandsliebe, dem höchsten Idealismus, der in dem Schlußgedaitken gipfelte, daß jeder innerhalb des ihm zugewiesenen Wirkungskreises so arbeiten müsse, als ob auf

hörten

oft

ihm das Heil der künftigen Geschlechter beruhe.

„Seit Luther", deutschen Geschichte,

sagt

HI. Bande seiner zur deutschen Nation nicht ge¬

Häusser im

„war

so

redet worden, wie inmitten oer zum

Teil freiwilligen

Knecht¬

der Großen und der Unterdrückung der Kleinen, unter der Herrschaft der feindlichen Bajonette und umspürt von der fremden Polizei, Fichte zu ihr sprach." Theodor Heinsius, Lehrer am Grauen Kloster, erzählt uns: „Alle edlen schaft

Geister Berlins waren seine Zuhörer; denn er verkündete in gewaltiger Rede den Kampf des guten Prinzips mit dem bösen und seine kräftigen Gedanken entflammten die Gemüter

aller zu einer höheren Reinheit und Veredelung des Sinnes. Es war ein seltner Genuß ihn zu hören; man mußte ihn bewundern."

für die gute Sache fand Fichte auf der Kanzel. So ermahnten die Prediger Gottfr. Aug. Ludwig Haustein und Ribbeck das Volk zur Vaterlands¬ liebe. Vor allem that dies jedoch Schleiermacher, der am 7. Dezember 1807 von Halle nach Berlin übersiedelte. Aus dem stillen Denker war ein Mann des öffentlichen Lebens ge¬ Wackere Mitkämpfer

aus dem mystischen Romantiker auf der Kanzel ein praktischer Volksredner. Gewaltig war seine Predigt; er for¬ derte Regeneration, Arbeitsamkeit, Sparsamkeit, Gleichheit von Glaubens- und Gewissensfreiheit. dem Gesetze. Denk-,

worden,

Schleiermacher

schloß sich

eng

an

Scharnhorst, Gnei-

senau und deren Gesinnungsgenossen an, es entstand jene Vereinigung patriotischer Männer, über welche er sagt: „Man trat nicht hinein und nicht heraus, da war keine Aufnahme, keine Obern, keine Form, keine Statuten, die man aufheben, keilte Insignien, die matt verbrennen, keine Papiere, die man vernichten konnte, damit sie nicht in unrechte Hände kämen. Das Band. welches die Befreundeten zusammenhielt, war die Vaterlatidsliebe und das gegenseitige Vertrauen." Im August 1808 reiste Schleiermacher nach Königsberg, um sich mit Am 27. November den dortigen Patrioten zu besprechen. 1808 mußten sich Haustein und Schleiermacher vor Mar¬ schall Davoust verantworten, der den letzteren einen „hitzigen Kopf und Unruhstifter" nannte. Schleiermacher, dev das Amt des Dolmeischers übernahm, und sein Amtsbruder gingen

-s

115

I.

straffrei aus; ebenso war am 12 . November d. Professor Schmalz vorgeladen worden, der jedoch ebenfalls mit einer Warnung davon kam. Dem Wirken dieser Männer ist es zuzuschreiben, daß die geistige und sittliche Regeneration des Volkes das Losungs¬ wort wurde. Der Glaube an die vorherbestimmte welthisto¬ rische Mission Napoleons wurde in das Gebiet^der Märchen verwiesen; Steins Edikt von 1807, die Städteordnung von

1808 rüttelten das deutsche Volk aus seiner Apathie ans. Man gab wieder Hoffnungen auf die Zukunft Raum. Der Haß gegen die Unterdrücker erwachte allgemein und in nie ge¬ ahnter Kraft. Am 8 . Dezember 1808 verließen die letzten französischen

Truppen Berlin; einen Tag vorher hörte der „Telegraph" aus

zu

zösische

erscheinen;

am 6 . Dezember erreichte auch die fran¬

Civilverwaltung ihr Ende; am 10. Dezember erfolgte

der Einmarsch der ersten preußischen Truppen und zwar durch

s-

So wurde Jffland mit dem roten Adlerorden dekoriert; er ist der erste Schauspieler, welchem eine solche Auszeichnung zu teil wurde. Zu dem .greisen Erman sagte die Königin Luise auf dem Ordensfeste 1810, indem sie ihr Glas erhob: „Ich kann mir die Genugthuung nicht versagen, mit dem Ritter auf sein Wohl anzustoßen, der den Mut hatte, eine letzte Lanze für die Ehre seiner Königin zu brechen, als alle andern schwiegen!" — So wurde in der tiefsten Leivenszeit unseres Volkes, als jede Hoffnung zur Wiedergeburt desselben erloschen schien, doch der Keim zu der letzteren zum Wachstnm gebracht, und Henriette Herz hat Recht, wenn sie in ihren Erinnerungen sagt: „Wer 1813 erlebt hat, braucht sich nicht zu scheuen, die Erinnerung an 1806 zu fördern. Sie kann für jede Zu¬ kunft, wie sich diese auch gestalten möge, dazu dienen, das Vertrauen ans die Elastizität des preußischeit Volkes wie seine Regierung aufrecht zu erhalten." besondere Ehren aus.

das Königsthor, (damalige Bernauer Thor), die Neue Königsstraße (damalige Bernauer Straße), die Königsstraße zum

Lustgarten.

Es zogen das 2 . Brandenburgische Husaren-

Schillschen Jäger in Berlin ein. Namentlich der Major von Schill wurde mit einem unge¬ Griebenow sagt darüber heuren Enthusiasmus empfangen.

Regiment und

in seinen Erinnerungen:

„Alles drängte

sich

zu

Schill,

tausende waren glücklich,

nur seine Hand, seinen Fuß, seinen Steigbügel zu berühren. Bei seinem Anblick steigerte sich der Ausdruck des Enthusias¬ mus bis zur Raserei, das Schwingen und Schwenken der Hüte nahm kein Ende und Hunderte von Kopfbedeckungen sah man hoch in die Lüfte steigen, um von da ans deit geliebten und Es war eine bewunderten Mann wieder herabzuflattern. Schill, ein stattlicher Scene nie gesehenen Paroxismus! Reitersmann und hübscher Soldat, wie er war, nahm alle diese Huldigungen mit ernster Freundlichkeit an; denn sie ab¬ wehren wäre bei dem Volksgedränge unmöglich gewesen, und so ward er fast buchstäblich samt seinem Pferde auf den

Schultern des Publikums durch die Straßen getragen."

Das war das Jahren hatte.

erste

welches

Freudenfest,

Deshalb ließ die Stadt

sein, die heimkehrenden Truppen

es sich

in der

Berlin

seit

auch angelegen

gastlichsten Weise zu

bewillkommnen. Im Koncertsaale des Schauspielhauses gab sie dem Offizierkorps ein Diner, bei welchem Toaste auf den König, die Königin, das Königliche Haus und das preußische

An dieses Diner schloß sich die AuWhrung von Engels „dankbarer Sohn", in welchem, als Vater Rode den König leben ließ, das ganze Haus mitwirkte; der Schauspieler ließ hierauf unter gleichem Beifall nun auch

Militär

ausgebracht wurden.

den General-Gouverneur Lestocq und

Schill

Die von der Bevölkerung Berlins

so

leben.

sehnlichst herbei¬

gewünschte Rückkehr des Königspaares verzögerte sich bis zum und die Königin 23. Dezember 1809. Friedrich Wilhelm

III.

kamen über Freienwalde und Weißensee (s. Abbildung S. 112) durch das Königsthor und die neue Königstraße. welche damals diese neuen Bezeichnungen erhielten. Der Empfang, der ihnen bereitet wurde, war begeistert und wirklich aufrichtig: die Zeit der schweren Not hatte die Berliner geläutert

Luise

hatte wirkliche Vaterlandsliebe in ihre Herzen ge¬ pflanzt. Das Königspaar zeichnete nunmehr diejenigen, welche durch sich in der Leidenszeit als ivackere Männer bewährt, und

Der Schulmeister von Mustechmisrn.

die

Von

K.

Stuvmhöfol.

vm.

Nicht wie sonst scholl nächsten Tages

Vor

dem Schulhaus lauter Frohsinn, Eh' der Unterricht begonnen; Sondern wie die armen Sünder Standen Jungen da und Mädchen: Eine unerhörte Kunde Ging von einein Ohr zum andern,

Brachte Schrecken und Bestürzung. Hänschen hatte rote Augen,

Und er ballte jetzt die Hände, Rief: „Ich würg Dich ohn Erbarmen, Roter Dieter, wenn Du schwätzest!" Dietrich sagte: „Der Herr König Will uns schlagen, wenn wir schweigen." „Mög er's doch!" schrie Hans dagegen; „Denkst, Herr Lehrer wird uns streicheln, Wenn wir's sagen?" „Doch wir kriegen Einen Groschen!" sprach der andere. „Hast zunächst hier eine Ohrfeig!"

-

Knirschte Hänschen in Erbittrimg,

Warf sich wütend auf den Rotkopf. — Da erscholl des Lehrers Pfeife. Durch des Weinlaubs Grün am Fenster Zwängten sich die Sonnenstrahlen In die stille, kleine Schulstub, Blinkten hell in goldnen Schnörkeln An den weißgetünchten Wänden. Und auf dem erhöhten Platze Saß der ernste, junge Lehrer; Sprach den frominen Morgensegen, Sprach von Glauben, Hoffen, Lieben Und von Gottes großer Güte. Ihm that's Not, die volle Seele Zu erleichtern, von den Sorgen, Von den Zweifeln reinzubaden, Die um der Geliebten willen Lang' ihn quälten. — Warum kam sie

-8

Niemals jetzt hinaus zum Parke? War sie krank? War's ihr verboten? — Und des Königs schlimme Worte Klangen nach in seinem Herzen, Mehrien Sorge und Befürchtung. — Aber hier bei seinen Schülern, Die ihn liebten, ward's ihm wohlig, Bis er scharfen Auges wahrnahm, Daß der gute Geist der Ordnung, Des Gehorsams heule fehlte. Und er stellte prüfend Fragen Nach dem

Inhalt

seiner Rede;

Niemand gab die rechte.Antwort. Schlimmer ging es noch beim Rechnen. Das in zweiter Stunde folgte. Denn als der Magister eben Auf der Tafel Zahlen vorschrieb, Hörte er ein lautes Lärmen, Wandle sich und schaute Hänschen An des roten Dietrichs Halse.

Eilig schritt

er zu den Wilden,

116

&-

Fiel der Lehrer ein, als Hänschen Bei dem letzten Worte stockte. „Ach, es ist doch gar zu schrecklich Vom Herrn König!" rief der Knabe Und ergriff die Hand des Lehrers, Führte sie an seine Lippen. In des ernsten Mannes Wangen Stieg die Nöte der Erregung, Doch bezwang er sich zur Ruhe. „Also war's ein schlimmes Scheltwort? Hast

Du

es auch recht verstanden.

„O, zil gut nur! Mehrmals sprach's zu uns der König Und befahl, ihm heute abend Lieber Junge?"

In

dem Schloß Bericht zu geben. Welche Miene gezogen.

Ihr

Als wir Euch das Scheltwort sagten. Damit ging er schnell von dannen, Und die hohen Herren lachten. — Ich indes warf meinen Pfennig In den Mühlenteich und weinte. —

Und der Stock kam aus dem Winkel;

Doch ein weißgelockter, hoher

Hänschen aber traf die Strafe,

Offizier verweilte länger, AIs die andern, und trat zu mir. „Weshalb heulst Du, dummer Junge? Und was soll das Geld im Bache?" „'s ist ein Sündenlohn!" so rief ich, „Und Herr Lehrer ist kein Esel, Eher wohl jedweder andre!" „Ei!" sprach der und that vertraulich, Sagte, daß er heute abend

An dem Ofen mußt' er stehn„Du bleibst nach!" schalt der Magister!

Als der Unterricht beendet Ward es in der Schulstub' einsam. Nur der arme Sünder lehnte Stumm und traurig an dem Ofen. Und der Mentor trat ihm nahe. „Hans, Du bist nicht so wie sonsten; Fehlt Dir was?" Der Kleine wandte Scheu den trüben Blick zur Seite.

„Nein,

ich bin gesund, Herr Lehrer." „Doch warum bist Du so wütend Dietrich an den Hals gefahren? Hatte er Dich so geärgert?" „Mich? O nein?" „Und wen denn sonst wohl?" „Ach, ich kann's und darf's nicht sagen, Lieber, guter Herr Magister!" „Sei nicht eigensinnig, -Junge! Soll ich Dich mit einer Bürde Auf der Seele heimwärts senden? Denn daß etwas ganz Besondres Dir das Herz belastet/seh ich.

Sag es offen, voll Vertrauen!" „Ach, es wird Euch schwer betrüben, Was Herr König uns befohlen." „Wie, der König, sagst Du, Hänschen? Hat er denn mit Euch geredet?" „Ja, heut inorgen erst. Er winkte Karl, und mich und Dietern zu sich, Sprach: Da habt ihr einen Pfennig. Das ist Haitdgeld; könnt bis Abend Einen Groschen noch verdienen, Wenn ihr meinem Willen nachkommt. sollt heute in der Schule Allesamt auf einmal rufen: „Nun, was denn?" Unser Lehrer ist . . ."

Ihr

Auch zur Tafel sitzen werde, Und ich möge furchtlos kommen, Um die Wahrheit festzustellen." — Hast'gen Schrittes ging der Lehrer In dem Zimmer auf und nieder, Blieb dann vor dem Knaben stehen, Küßte ihn, und traulich sprachen Lang die beiden mit

einander.-

(Fortsetzung folgt.)

Charakterbild Friedrichs des Großen. Von vr. R. Wlahrnrrhrkltz. ist die Zahl der großen Männer der Ge¬ zu-gleicher schichte, welche Zeit als Feldherren und Staats¬ männer, wie als Dichter und Denker sich unbestrittenen Ruhm erworben haben und deshalb von den Späterlebenden mit fast einstimmiger Begeisterung gefeiert worden sind. Zu diesen wenigen gehört in erster Linie der geniale Begründer der Großmachtstellung Preußens, der „Sieger von Leuthen" und „Philosoph von Sanssouci." Mehr als drei Jahrzehnte nach seinem Tode pries Napoleon I. in den düsteren Tagen von St. Helena den „großen Friedrich, den Einzigen, Unvergleich¬ lichen", für dessen Sieg bei Leuthen er die Hälfte seiner glän¬ Und wie zu einem zendsten Triumphe dahingeben wolle. Jdealbilde des Wellweisen und Vorkämpfers der Humanität haben zu ihm bei seinen Lebzeiten die namhaftesten Schrift¬ steller Frankreichs, die Voltaire und d'Alembert, die Diderot

Nur gering

--9 Aild La Mettrie, ja

eigenwillig abgeschlossene JeanJacques Rousseau emporgeblickt. Das innerste Wesen und selbst der

die tiefsten Herzensneigungen des großen Herrschers haben die letzteren weit richtiger erkannt, als der gewaliige Korse, welcher nur seinesgleichen zu schätzen wußte. Denn von Jugend au war es Friedrichs Sehnsuchtsziel, .als gefeierter Schriftsteller und Dichter in der Sprache seines großen Vor¬

bildes Voltaire zu glänzen, als Beglücker der Menschheit, als Vorkämpfer der Glaubens- und Denkfreiheit, als Schirmer der Segnungen des Friedens sich einen unsterblichen Namen zu machen. Nur der Ge¬ danke an Preußens Größe und an seines Hauses Ruhm und das eherne Pflichlbewußtsein des echten Hohenzollern zwangen ihm den Degen statt der Feder in die Hand. Aber mitten in den Kämpfen der beiden schlesischen Kriege und sogar unter den Gefahren und Sorgen des sieben¬ jährigen Ringens um seines Staates Zukunft, fand er Stimmung und Zeit zu tief empfundenen Klagen über der Schlachten Gräuel und des Krieges Barbarei,

unterhielt

er mit

französischen

der

für die Rechte der lange diese nicht durch unlautere Mittel sich auszubreiten suche und nicht den Bekenner» der StaatsReligion „Abbruch thue." Unter der Voraussetzung der Duld¬ samkeit gegen die Protestanten gestattet er den Berliner Kacholiken auch den Bau einer Kirche, duldete er selbst die aus Oesterreich vertriebenen Jesuiten als Volksschullehrer und ge¬ währte er den verschiedenen Sekten der Landeskirche Schutz Auch das Recht der freien gegen die kirchlichen Behörden. Wahl der Geistlichen hat er den Gemeinden zu wahren ge¬ sucht, den frommen Stif¬ tungen Freiheit und Selb¬ ständigkeit gewährt, dem seelsorgerischen Wirken orrhodoxer Geistlichen, so lange sie nicht die Kanzel zum Verketzern und Ver¬ unglimpfen Andersdenken¬ der mißbrauchten, nichts in den Weg gelegt. Aber sehr irrig würde es sein, ihn der Gleichgültigkeit stanten zum römischen Glauben, daß er so

Minderzahl eintrat,

so

gegen

christliche

und

Brief¬

Von dem

die

heran¬

schönen

Trailine,

Bekämpfung des Glaubenshasses den Men¬ schen vom religiösen Fanatismus heilen werde, war der vielerfahreue Welt- und Menschenkenner noch weiter entfernt als selbst der scharfsichtige Vol¬ Darum begnügte taire. daß die

die Litteratur des

|Utprtja Krrhe, Mitglied des Berliner Theaters. Nach einer photographischen Aufnahme von

Eine Reihe „geflügelter Worte" aus dem Munde des großen Königs haben sich bis auf unsere Tage fortgeerbt, aber, aus dem geschichtlichen Zusammenhange gerissen, geben einseitiges, ja ent¬ sie von Friedrichs Weltanschauung ein nur

Dahin gehört z. B. das schöne Wort, welches Glaubenser in einer Zeit der Religionsverfolgungen und

Bild.

alle tolerieret haben, darauf Auge werden und muß der Fiskal nur das einer infolge daß keine der andern Abbruch thue." Es war Gründung katho¬ Beschwerde höherer Staatsbeamten über die einzelner Prote¬ Uebertritt lischer Schulen in Berlin und den aufzeichnete:

auf

wachsende Jugend, betont!

um der Menschheit willen herbei. Den regsten Anteil an den großen Gedanken,

kämpse

sich

wirkung

sehnte den Friedensschluß

stelltes

scharfblickend hat er

über die Grund¬ ansichten des Christentums auseinandergesetzt, wie nachdriicklich den Religions¬ unterricht der Volksschulen, namentlich die ethische Ein¬

bert

höchsten

vorigen Jahrhunderts be¬ wegten, hat er von den fröhlichen Tagen zu Rheinsberg bis zu. den trüben Zeiten des siechen Greisenalters genommen, philo¬ als seine auch sophischen Freunde fast alle dahingeschieden waren.

Sittenlehre zu Wie eifrig

mit Voltaire und d'Alem-

Fragen des Diesseits und Jenseits berührte und

welche

oder

beschuldigen.

Gesinnungs¬ die

die Religion

der Feindschaft gegen die

seinen

genossen einen regen

wechsel,

s.-

117

„Die Religionen

müssen

I.

sten

(S.

Schaarwiichtcr in Berlin.

Folgen der

Wohl der Ge¬ vor den schlimm¬ samtheit Parteiun¬ kirchlichen der Sektenkämpfe und er sich, das

gen zu schützen.

Aehnlich mißverstanden, wie der Ausspruch von dem Seligwerden eiites jeden „nach seiner Fayon" ist die Bemer¬ kung Friedrichs des Großen. „Gazetten (Zeitungen) dürfen nicht genieret werden." Wohl ließ er Schmähschriften gegen seine eigene Person tiefer hängen, damit sie jedermann be¬ quemer lesen könne, oder ließ sie auch öffentlich versteigern, aber er trat alleit Publikationen scharf entgegen, welche die günstige Meinung des Auslandes von Preußens Wohlstand uitd Größe beeinträchtigen, dem kühn emporstrebenden Staat

« Nachteil bringen konnten. stellungen über Preußens

118

Selbst die statistischen Zusammenwirtschaftliche Verhältnisse sah er

nicht gern.

Sein bekanntes Wort, er sei „der erste Diener des Staates" will durchaus nicht bedeuten, daß er der hie und da sich regenden öffentlichen Meinung irgendwelche Bedeutung für seine Regierungshandlungen zugestanden oder Beamten und Günstlingen besonderen Einfluß eingeräunit habe. Viel¬ mehr überwachie seine unermüdliche Arbeitskraft, sein auch im Kleinsten großes Pflichtbewußtsein jede Thätigkeit der Beamten. Unablässig prüfte er selbst Eingaben und Beschwerden, versah sie mit jenen schtteidigen Randbemerkungen, denen die Feder seiner Sekretäre

mußte,

die

und gestattete

Worlfülle auch

des

amtlichen

Stiles

geben

den geringsten Unterthanen,

sich

unmittelbar an ihn zu wenden. Was er aber verfügte und entschied, war sein eigenstes Werk, selbst die höchsten Staats¬ beamten mußten sich der Richtung anbequemen, welche der Königliche Wille vorschrieb. Dabei war er zugleich bestrebt, die Verwaltungsbehörden zu selbständigem Vorgehen in gering¬ fügigeren Dingen anzuhalten. Besonders untersagte er ihnen die bequeme welche

Formel des

„rescribatur ad regem“,

durch

ängstliche Beamten alle Verantwortung auf den König

abzuwälzen suchten.

Alle Stände des Landes

in gleicher Weise Sehr thöricht ist es, in Friedrich dem Großen einen einseitigen Begünstiger des Adels zu erblicken und ihm beit Vorwurf zu machen, daß er durch die ausschließliche Besetzung aller höheren Offizierstellen mit Junkern die Niederlage von Jena verschuldet habe. Da der Bürger- und Bauernstand damals über die nächsten wirtschaftlichen Interessen nicht hinausstrebte, und seine Bil¬ dung eine eng abgeschlossene, höchst lückenhafte war, so konnten die Kenntnisse und Fähigkeiten zum militärischen Berufe nur innerhalb der adligen Kreise sich finden. Wenn Friedrich also durch Begründung von Ritterakademien und Kriegsschulen, durch Hebung der großen Erbgüter des Adels, durch die Erschwerung des Ueberganges der letzteren in bürgerlichen Besitz für seine Armee und somit für die festeste Grundlage seiner Monarchie sorgen mußte, so hat er doch allen Unterthanen gleiches Recht gegeben, manche Vorrechte der Edelleute auf¬ gehoben, Bürger und Bauern stets gegen die Willkür der Be¬ amten und Adligen geschützt. Wer weiß nicht, wie leiden¬ schaftlich der rechtliebende Herrscher aufbrauste, als falsche Be¬ richte ihn zu der Ansicht verleiteten, daß die höchsten Richter eines vornehmen Herrn wegen, einem armen Müller sein Recht versagt hätten! Und wer kennt nicht die Geschichte von dem Wtndmühlenbesitzer bei Sanssouci, um dessen Besitz¬ ansprüche willen der König auf die ungehinderte Aussicht von erfreuten

sich

seiner umsichtigen und unermüdlichen Fürsorge.

seinem Schlosse verzichtete!

Ein Vorurteil mag es genannt werden, daß Friedrich der Anschauung huldigte, die Söhne müßten in der Regel dem Stande des Vaters folgen, es daher nicht gern sah, wenn Bürger und Bauern ihre Söhne zu Gelehrten machen wollten und die staatliche Unterstützung meist nur an Studierende aus vornehmen Familien gab. Hierin schloß sich der sonst so vor¬ urteilsfreie Herrscher der Lieblingsansicht seines Lehrmeisters Voltaire an, der die geistige Aufklärung für ein besonderes Vorrecht der höheren Stände ansah und mit spöttischer Gering¬ schätzung auf die große, dumpfe Masse herabblickte.

fr-

Dem Beispiele seines Vaters, des leidenschaftlichen und gewaltigen, aber int Herzensgründe volksfreundlichen Königs Friedrich Wilhelms I. folgend, sorgte er für das wirtschaftliche Gedeihen der Kleinbürger und Landleute, indem er nach den Leiden des siebenjährigen Krieges zinsfreie Darlehen und große Geldgeschenke an die Verarmten gab, indem er Straßen und Kanäle baute, sumpfige Gegenden austrocknen ließ, die Boden¬ kultur durch verständige Anweisungen und Unterstützungen förderte. Aber auch für die Bildung und Erziehung wirkte er namentlich durch die Verbesserung des Volksschulunterrichtes, in dem er die Grundlage des Staatswohles sah. Was er auch für die Hebung der Wissenschaft durch die Neuschöpfung der Berliner Akademie, durch die Herbeiziehung einheimischer und französischer Gelehrten that, wie er auch für die Kunst durch Erbauung des Opernhauses und Anstellung fremder Sänger und Sängerinnen sorgte, wie er auch seine Hauptstadt durch Denkmäler und Bauten schmückte, alles dies wird durch seine unausgesetzte Thätigkeit für die höheren und niederen Schulen überboten. Eine Schädigung der letzteren war es ohne Zweifel, daß der König die zahlreichen Invaliden des siebenjährigen Krieges oft nur durch Verleihung von Schul¬ meisterstellen versorgen konnte, aber, von der Pflicht gegen seine alten Soldaten abgesehen, hätte ihm der Mangel an geeigneteren Lehrkräften ohnehin eine bessere Besetzung dieser Posten meist unmöglich gemacht. Schwer versündigt hat man sich an Friedrichs Andenken dadttrch, daß man ihm den wahrhaft deutschen Sinn absprach und seine Vorliebe für die französische Litteratur und die fremden Geistesgrößen, wie Voltaire, übertreibend schilderte. Allerdings fehlte dem großen Herrscher, der von Jugend an

mit der französischen Sprache und Litteratur aufs engste ver¬ traut war, eine vollkommene Kenntnis und Beherrschung der eigenen Muttersprache und demzufolge eine richtige Würdigung des hohen Aufschwunges,

welchen

die deutsche Dichtung und

Kunst seit den Tagen Lessings und Winckelmanns genommen hatte. Das Deutsche lernte er in der Amtsstube und auf dem Exerzierplätze, deutsche Dichterwerke las er daher meist in französischer Uebersetzung und beurteilte sie nach dem Ma߬ stabe, den ihm die sehr überschätzten Tragödien eines Racine und Voltaire gaben. Unter den zahllosen Sorgen nnd Ge¬ schäften seiner Regierung konnte er nicht nachholen, was er in der Jugend versäumt hatte, zudem war er bereits ein Greis mit völlig abgeschlossener Bildung, als Goethes Göetz den Anstoß einer neuen Litteraturrichtung gab. Um so mehr müssen wir die Vielseitigkeit seines Geistesbewundern, wenn er durch die Schrift „De la litterature alleman.de“ seiner Nation vor¬ aussagt, daß sie einst die Franzosen in der Führerschaft der Dichtung und Philosophie ablösen werde. Daß die hier vor¬ ausgekündete Blütezeit unserer Dichtung und Wissenschaft be¬ reits üppig prangte, mußte dem verborgen bleiben, der Lesfing nur als werdenden Schriftsteller kannte, von Goethe nur das Gären und Ringen seiner Sturm- und Drangzeit, nicht die künstlerische Reinheit und Ebenmäßigkeit seines späteren — Schaffens erlebt hatte. Friedrichs deutsche Gesinnung tritt aber in seiner Abneigung gegen das frivole Treiben am Versailler Hofe, gegen die ränkevolle Staatskunst der französi¬ schen Günstlinge und Maitressen und gegen die unlauteren, zum Teil echt französischen Schwächen seines Lieblings Voltaire zu Tage. In dem Zwiste mit diesem gastfreundlich in Pots-.

-S

119

Manne und in der späteren nie völlig Abneigung gegen seinen Lehrmeister in der Dichtung und Wissenschaft, zeigt Friedrich sogar Spuren echt germanischer Derbheit und Schroffheit.

ge¬

barn aufgenommenen

Schwächen eines siechen und geistig gebrocheueit Greisenalters

ausgeglichenen

wußte er bei seinem geliebten Keilh und seinem treu bewährten Fouquö zu ertragen; die Anhänglichkeit, welche er dem greisen Ziethen bewies, ist oft von der Geschichte und Legende ver¬ herrlicht worden Aber von Jugend an halte Friedrich zu viel Trübes und Böses erfahren, um das Leben im heileren Sonnenglanze an¬

Auch in seiner deutschen und auswärtigen Politik hat er vaterländische Interesse wahrgenommen, soweit es bei der das unglücklichen Zerrissenheit des „heiligen römischen Reiches

Nation" möglich ivar. Das gefahrbringende Unheil siebenjährigen Krieges beschwor er zumeist dadurch über Preußen, daß er Norddeuischland nicht zum Kampfplatze Frank¬ reichs und Eirglands werden lassen wollte, daß er das britische Hannover gegen französische Angriffe 311 schirmen sich anschickte. Am Ende seiner Regierung hat er durch die Begründung des deutscher des

deutschen

Fürstenbundes

der

späteren

nationalen

Richtung

den Weg gezeigt.

Zu den schönsten Zügen des deutschen Charakters gehören Pietät gegen die Vorfahren, die Liebe zu den nächsten Fainilienangehörigen. Auch diese Tugenden dürfen wir Friedrich auch die

dem Großen nachrühmen.

Nicht nur den Großen Kurfürsten,

Begründer der Machtstellung Brandenburg-Preußens, und seinen Großvater, der dem Hohenzollernhanse den Glanz des Königstitels verlieh, sondern auch seinen strengen, harten Vater hat er als Regenten gepriesen, als Menschen entschul¬ digt. Mit inniger Zärtlichkeit hing er au seiner hochsinnigen Schwester Wilhelmine von Baireuih; als sie frühzeitig starb, warb er Voltaires Dichiertalent zur Verherrlichung ihres An¬ Mit dieser Hingabe an seine Familie geht die Dank¬ denkens. Selbst die barkeit gegen seine treuen Diener zusammen. den ersten

über den Menschen mit dem Wohlwollen des Optimisten zu urteilen. Sein Mißtrauen gegen die Fernerstehenden und das Gefühl der Vereinsamung steigerten sich in ihm, je älter und leidender er wurde, je mehr die Sorge um Preußens Schicksal nach seinem Tode ihiu schwere Gedanken bereitete. Häufiger noch, als sonst, verschloß er sich in der Einsamkeit seines geliebten Sanssouci, machte einsame Spazier¬ gänge durch den stillen Park, seine ihm unentbehrlich geworde¬ nen Windspiele mußten ihm oft den näheren Umgang der Menschen ersetzen. Kam er nach Berlin, so wurde ihm die Neugierde der Menge zur Last, iin Theater suchte er sich den Blicken der Beobachter möglichst zu entziehen. Als Einsiedler, zuschauen und

der mit den Menschen und der Well abgeschlossen, seine engsten Freunde vor sich hatte ins Grab steigen sehen, unablässig aber

mit den Sorgen der Regieriliig bis zum Schwinden des Be¬ wußtseins beschäftigt, ist er in dem selbstgeschaffenen Heim von Sanssouci gestorben. Er hat die Grundlage der preußischen Macht ltnd Größe geschaffen, auf der sich der umfassendere und herrlichere Bau deutscher Einheit nach schweren Wechsel¬ fällen und ausdaiterndem Ringen erhob.

Kleine Mitteilungen. Das Dllarrdgerniilde am TrrcfferPeffon Hause,

Friedrichstr. 180 (s. Abb. S. 113). Schon seit einigen Jahrzehnten ist man be¬ strebt gewesen, der eigentlichen Freskotechnik wieder Eingang in Berlin zu schaffen, nackdem sie in den süddeutschen und italienischen Städten einst eine hohe Blüte erlebt Hane. Leider war fast alles vergessen, war ihr hätte als Grundlage dienen können, und nur dem Eifer der DreigestirnS Veit, Overbeck und Cornelius bei der Ausmalung der Casa Bartholdy in Rom ist eS zu danken, daß man der vergeffenen Technik wieder gedachte. Wenn auch die ersten Versuche noch vieles zu wünschen übrig ließen, so waren ffe doch die Beranlaffung, daß sich die Künstlerwelt dauernd mit ihr beschäftigte. Neben dieser Schwierigkeit war auch unser nordisches Klima dem Fresko feindlich gesinnt, und es bedurfte unablässiger Bemühungen seitens der Farbenchemiker, um eine dauernde Freskomalerei zu ermöglichen. Wir scheinen jetzt in den Keimschen Mineralfarben ein Ma¬ terial gefunden zu haben, das den klimatischen Einflüffen zu trotzen vermag, wenigstens lassen die Fresken am Sedlmayrischen Bierpalast das Beste iür die Zukunft hoffen. In dieser Technik ist nun auch der Tuchersche Neubau, der nebenbei gesagt mit Aufwendung von fast 4 Millionen Mark erbaut ist, von den Malern Eisgruber und Kreling bemalt worden. Der Erfinder des Entwurfes, Professor Wanderer in Nürnberg, ließ sich mit seinem Slilempfinden nicht von den zügellosen, barocken Mustern der Neu¬ zeit blenden, sondern suchte im Anschluß an süddeutsche Vorbilder, be¬ sonders an die berühmte Fassade des jüngeren Holbein in Basel, durch eine leichte Architektur und mit geschicktem Hineinziehen der Mauerösfnungen in dieselbe für die Dekoration einen Rahmen zu schaffen. Er hat damit er¬ reicht, daß die Komposition sich ungezwungen der gegebenen Flachenentwickelung einfügt, ein Vorzug, den z. B. die Lessing'schen Entwürfe am Equitable-Palast nicht besitzen, dessen Fehlen auch die Fresken am Sedlmayrschen Hause so dürftig erscheinen läßt. Eine leichte, ungemein graciöse Bogenarchitektur verbindet die Fenster und schließt an beiden Seiten mit offenen Lauben ab. Die Felder über den Fenstern sind mit dem hohenzollcrnschen, brandenburgischen und Nürnberger Wappen geziert, wahrend die linke Laube das „Gänsemännchen" von dem bekannten Brunnen in Nürnberg und die rechte einen ähnlichen Wafferspender zeigt. In den Bogen zwischen den Fenstern erblicken wir das alte Nürnberg: links die 13a1 wahrscheinlich das cr.^ Sebalduskirche. in der Milte die Burg, rechts «taute HauS Nassau und vor demselben den berühmten „schönen Brunnen . DaS ^anze giebt einen trefflichen Hintergrund zu dem historischen Vorgänge, den die Faffade verherrlicht: Einzug des Markgrafen Albrecht Achilles in deS mach Nürnberg. Der Fürst, seiner ganzen Gesinnung nach ein Gegner besitzenden Bürgertums, suchte in jahrelanger Fehde die stolze Republik zu

demütigen, bis der Friede von 1435 dem Blutoergießen zwischen den Nach¬ barn eine Ende machte. Bor dem Mittelfelde steht neben seiner Gemahlin der kühne Hohenzoller, dem man dar stolze Wort nachsagt: Ein „Kurfürst von Brandenburg ist der nächste nach dem Kaiser und Könige, und möchten wir's auch dazu bringen, daß wir uns Könige und Kaiser schreiben". Hinter ihm ist sein reisiger Gefolge, während dem rechten Bogen die Bürgerschaft entströmt, an ihrer Spitze die Ratsherren mit prachtvollen Ge¬ schenken. Auf dem Bilde kommt das glückliche Kompositionstalent Prof. Wanderers zum schönsten Ausdruck, das diese Gruppen zwangSloS in die gegebene Bildfläche einordnet, ohne die Darstellung in ihre Bestandteile aufzulösen, war bei solcher Fensterarchitektur sehr nahe lag. Vielmehr zeichnet sich die Komposition durch ihre geschloffene Einheitlichkeit ganz be¬ sonders aus, so daß wir wünschten, sie bahnbrechend in Berlin wirken zu sehen.

R. Jl.

Schauspielerin des „Berliner Theaters", deren Porträt wir auf S. 117 bringen, ist eine der ersten,' wenn nicht die erste Zierde,* deren die deutsche Schauspielkunst sich rühmen kann. „Unter den jüngeren Talenten der deutschen Bühne", schrieb Rudolf von Gottschall schon anfangs der achtziger Jahre, „ist Nuscha Butze zweifellos daS hervorragendste." Diesem AuSspruche wird jeder zu¬ stimmen, der nur einmal dem bestrickenden Reiz ihres wunderbaren Spieles gelauscht, der nur einmal die markoollen, herzerschütternden Töne ihrer Stimme im Schauspiel oder der Tragödie vernommen hat. Nuscha Butze ist trotz ihrer fremdartig klingenden NamenS ein Berliner Kind. Am 22. Februar 1860 erblickte sie in Spree-Athen das L.cht der Welt. Das Schicksal entriß ihr frühzeitig den Vater. Die un¬ gewöhnlichen geistigen Gaben, die sie schon in ihrer Kindheit verriet, wur¬ den von der hochgebildeten Mutter auf dar sorgfältigste gepflegt. Ihr an¬ geborenes Darstellungstalent zeigte sich schon in der Kindheit. Bereits im vierzehnten Lebensjahre betrat Nuscha Butze die weltbedeutenden Bretter. Sie debütierte in Augsburg als Lehrjunge Franz in der bekannten Kosta¬ schen Posse „Das Mädel ohne Geld" und gefiel durch ihr natürliches Wesen. Von Augsburg kam die vielverheißende Novize nach Bozen, Inns¬ Von hier aus engagierte sie Direktor Steiner vom bruck und Laibach. Theater an der Wien als erste Liebhaberin. Ihre Glanzzeit begann in Leipzig, wo sie seit 1880 am Stadttheater unter Dr. August Försters Lei¬ tung wirkte. Von ihren dortigen Glanzrollen seien hier genannt: die Lorle in Birch-Pfeiffers „Dorf und Stadt," die Titelheldinnen in Lubliner» „die Frau ohne Geist" und SardouS „Dora", die Jlka in MoserS „Krieg im Frieden", die Dorine in MoliöreS „Tartüsfe" und die Cyprienne in Sarallen diesen Rollen gehörte sie za den Lieblingen douS „Divor^onS".

NrrUha Duffe,

In

die

geniale

B--

120 von „Klein-Paris" unv rief bei jedem Auftrelen einen Sturm der Begei¬ sterung hervor. AIS Dr. August Förster die Direktion in Leipzig niederlegte, folgte Nuscha Butze einem Engagements-Anlrage an dar königliche Hoftheater in Wiesbaden, an welchem sie vom 1. September 1882 bis zum 1. September 1888 wirkte — eine Epoche, welche für ihre ganze künstlerifche Laufbahn von großer Bedeutung war. In Wiesbaden entfaltete sich, was ihr an Talent und äußeren Mitteln verliehen war, zur höchsten Blüte; sie gelangte da¬ selbst zu ihrer künstlerischen Reife und war nunnichr den höchsten Aufgaben Viel verdankt unsere Künstlerin in der darstellenden Kunst gewachsen. diesem Reifcprozeß den Eindrücken, welche sie in der kunstverständigen und kunstbegeisterten Familie A. Wilhelms in Wiesbaden empfing, deren Haus Dort verkehrte Nuscha der Mittelpunkt höherer, geistiger Gcnüsie war. Butze mit dem Geigerkönig August Wilhelmj, der ausgezeichneten GesangSmeisterin Marie Wilhelmj, dem begeisterten Kunstkenner Dr. für. Albert Wilhelmj, dem genialen Kapellmeister Wilhelm Iahn u. v. a. Während der Enthüllungs-Feier des Nationaldenkmals aus dem Niederwald wirkte sie in den Festvorstcllungen vor einem „Parkett von Fürsten": Kaiser Wil¬ helm I., Kaiser Friedrich als Kronprinz, Prinz Wilhelm, die Könige von Spanien und Sachsen gehörten dort zu ihren begeisterten Zuhörern. Im Sommer 1888 gastierte Ludwig Barnay, welcher damals für sein im Entstehen begriffenes „Berliner Theater" Mitglieder sammelte, in Wiesbaden. Ihm gelang es, Nuscha Butze für die ReichSyauptstadt zu ge¬ winnen. Die Huldigungen, welche ihr bei ihrem Fortgange von Wiesbaden zu teil wurden, sind geradezu beispiellos; so erhielt sie alS Ehrengabe, die auS Beiträgen aller Schichten der Bevölkerung hervorgegangen war, einen silbernen Lorbeertranz und einen reichen groben Stern auS Diamanten. Begeistert nahm Friedrich von Badenstedt, der Sänger „der Lieder des Mirza Schaffy", bei der Ileberreichung dieser Ehrengabe mit folgenden Versen von ihr Abschied: „Chorführer soll ich sein der langen Reihe Verehrer, die ein freundliches Vermächtnis — Das ihren Wünschen sichtbar Ausdruck leihe — Dir widmen möchten: sie Dir tn’S Gedächtnis Zurückzureisen, wenn in müßigen Stunden Du an die Jahre denkst, Die hier entschwunden, — Bald wirst Du in der Hauptstadt Glanz Dich sonnen, WaS hier verloren geht, wird dort gewonnen; lind wer wie Du, weiß spielend zu erheitern, Kann der Verehrer Kreise schnell erweitern. Natur und Kunst kommt Dir dabei zu Nutze, D runi wird das Glück Dir treu sein, Nuscha Butze."

Am „Berliner Theater" trat Nuscha Butze zum ersten Male am 20. September 1888 als Helene von Budowitz in Hans Owens „Ilse" auf. Ihre Berliner Wirksamkeit glich einem unaufhörlichen Siegeszuge; von ihren Glanzrollen erwähnen wir: ihre „Minna von Barnhelm", ihre Porzia im „Kaufmann von Venedig", Gräfin Terzky im „Wollenstem", Porti« ini „Cäsar", Hortense im „Probepfeil", Claire im „Hüttenbesitzcr" u. s. w. u. s. w. In jeder dieser Rollen legt sie vom tiefsten Verständnis des Dichters, vom fleißigsten Studium, von einem gottbegnadeten Talent Zeug¬ nis ab. Diese Eigenschaften im Verein mit dem Zauber ihrer Persönlich¬ keit, der Liebenswürdigkeit und Bescheidenheit ihres Wesens haben sie zum erklärten Liebling der Berliner Gesellschaft, zu einem Stern allerersten Ranges am Berliner Tühnenhimmel gemacht. Sie darf sich ein gut Teil von dem Glanze zuschreiben, dessen sich das „Berliner Theater" rühmen kann; spielt sie deck) an demselben eigentlich alles aus dem Gebiete der

Inserate

Giri Keitrag zu

Unser Snchertisch. 1813. Die Delagorirrig der Festung

Kpcrndau. Mit

Plänen und Beilagen versehen und bearbeitet GaeH. ß. Graf von Littbcrg. Graudenz, Verl. v. bels Buchh. Preis 9.. 0 M. der Regel weift man auf die süddeutschen Städte als Schauplätze einer reichen, inneren Geschichte hin und betont dabei die Spärlichkeit der Nachrichten unserer märkischen Städte; wer aber auf dieser geschichtlich so spröden Erde geboren ist, und die ernste Poesie der verwitterten Ziegelbauten, den schwermütigen Ernst unserer Nadelwälder kennt, oder in das unergründliche Blau unserer Seen geschaut hat, der weiß, daß auch auf diesem Boden eine reiche eigene Geschichte keimt, die uns um so trauter ist, je näher sie der Gegenwart liegt. Ein jedes Blatt dieser Geschichte ist mit Kämpfen um den eignen Herd beschrieben, und diese sind die edelsten, die ein Geschlecht zu verzeichnen hat. So entrollt uns der Verfasser in seiner Monographie einen Detailausschnitt aus dem Drama der Befreiungs¬ kriege ; aber was wir hier lesen, ist typisch für jene Zeit, und so gewinnt das ganze Land aus dieser Schilderung, die notgedrungen oft aus dem knappen Rahmen der Ortsgeschichte heraustreten muß'e. Ist zunächst der Spandauer Lokalpatriot und der Milstär durch das Buch interessiert, so ist dasselbe dock auch jedem Geschichlsfreunv' zu empfehlen. —Ist. von Carl

I.



a.

D.

Einleitung. Das Recht, zur eigenen Sicherheit Waffen zu tragen, hatte in den frühesten, unruhigen und unsicheren Zeiten unserer brandenburgisch-preußischen Geschichte jeder freie Mann. in den Städten jeder Bürger. Dies Waffenrecht übertrug der Bürger als zierendes Privileg auf seine zu den verschiedensten Zwecken gegründeten friedlichen Vereine; es wurde aber auch der Ge¬ samtheit der Bürger zur heiligen Pflicht, sich für den wichtigsten Zweck zu einen, als „Bürgerschaft" — später „Bürgerausschuß", „Bürgerwehr" genannt — für den Schutz des heimatlichen Herdes, für die Sicherung der Vaterstadt gegen innere und äilßere Friedensstörer zusanunenzutreten. Wir werden auf Grund von Archivakten und in der zu¬ verlässigen historischen Litteratur zerstreut aufgefundenen An¬ gaben versuchen, Berlin in seiner Wehrhaftigkeit, nach allen drei, im Laufe der Jahrhunderte oft recht verschiedenartigen Richtungen hin zu zeigen, die Wehrhaftigkeit des einzelnen. Bürgers, der Bürgervereine uiib der Bürgerwehr, letztere nach ihrer Bedeutung, Wehrpflicht. Bewaffnung, Ausrüstung und

Thätigkeil zu schildern. Es ergeben sich hierbei, wie ich vorweg bemerken will, 4 Perioden ungleichartigen Charakters, von denen die erste, bis zur Besetzung Berlins durch Friedrich II. 1442 reichend, durch die unbeschränkte Ausübung des Waffenrechts charakterisiert Wird, die zweiie bis zur Einrichtung eines stehenden Heeres durch die Kontrolle und Förderung der bürgerlichen Wehrhaftig¬ keit seitens des Landesherrn, die drille bis zur Besetzung

eigene

Zeughäuser und eigene Befestigungen besaß. Dem Landesherrn leisteten sie nur Heerfolge, wenn sie ihn als legitim anerkannten. Das ihnen von einzelnen Historikern zugeschriebene Recht daß die Bürger vom Landesherrn zu keinem Aufgebol heran¬ Berlin keine gezogen*) und ohne Einwilligung des Rats in wie ich die Stadt, Truppen gehalten**) werden sollen, hat die Ueberzeugung gewonnen habe, überhaupt niemals ausgeübt,

ja thatsächlich niemals

besessen.

Doch erfreute sich die Stadl Dank ihrer Wehrkraft in vielen andern Beziehungen einer beachtenswerten Unabhängig¬ keit. So befand sich Berlin vielfach z. B. 1308. 1321, 1323, 1393—94, 1399, in der Notlage, ohne Rücksicht auf den Landesherrn nach Art der freien Reichsstädte selbständig mit

andern Städten wie Bernau, Eberswalde, Köpenick, Wrietzen, Oderberg Schutz- und Trutzbündnisse abzuschließen. Den so gebildeten Verband, in dem Berlin eine führende Rolle ein¬ nahm, nannte man die „Sprache" oder das „Gespräch" Berlins. Zeitweise trat Berlin sogar mit der mächtigen, meerbeherrschenden Hansa in Verbindung, wenn es auch derselben wegen der weiten Entfernung bis zu ihren Hauptorten, den Küftenstädten der Nord- und Ostsee, nicht als Mitglied bei¬

treten konnte. Diese in der Zeiten Not privilegierten oder angemaßten Rechte der freien Reichsstädte suchten Berlin und Cölln, stolz auf ihre Wehrkraft, auch nach Uebernahme der Mark durch die Hohenzollern noch zu behaupten. Ja, noch 1431 schlossen sie mit Frankfurt und Brandenburg ein Bündnis zu dem ausge¬ sprochenen Zweck, ihre Rechte gegen die Gewalt eines „Mächtigen", *) K lüden, „Erläuterung einiger Abschnitte Abschnitte des Berliner III.", S. 50. **) Fidicin, „Beiträge" pp. S. 62 und Heidemann, „Jobst von

Stadtbuchs

Mähren", S.90.

■fl

jedenfalls ihres Kurfürsten, Friedrichs I., zu ver¬ teidigen. Daß sie aber jemals Friedrich dem Ersten — wie Nicolai und andre ohne Angabe zuverlässiger Quellen behaupten — das Oeffnungsrecht verweigert hätten, ist wohl urkundlich kaum nachzuweisen. Mit seinem Gefolge nach dem alten Schlosse in der Klosterstraße oder seinen Besitzungen am Mühlendamm zu kommen, konnten sie dem Kurfürsten ohne offnen Kriegszustaitd gar nicht verwehren.. Thatsächlich ist der Kurfürst auch, wie zahlreiche von Berlin datierten Ver¬ ordnungen*) bezeugen, häusig hier gewesen, hat hier die Hul¬ digung der Städte 1415 entgegengenommen und vielfach die öffentlichen Angelegenheiten derselben und die privaten der Bürger entschiedeti. Vielleicht ist die erwähnte Behauptung auf Schwierigkeiten zurückzuführen, die Berlin itnd Cölln dem Kurfürsten, wenn sie seine Truppen einquartieren sollten, machten, wie sie

124

also

dies seinen

S--

Bürgerschaft, wieder die Verwaltung beider Städte, sicherte sich verschiedene, landesherrliche Rechte, verbot alle Bünd¬ nisse mit andern Städten und bestimmte in Cölln einen Platz zum Burgbau. Gegen letzteren versuchten sich die Schwester¬ städte nach Möglichkeit zu wehren; doch vergeblich! 1448 war ihr Widerstand, der sogenannte „Berliner Unwille", unterdrückt, das übermütige Patriziat gedemütigt; der Burgbau wurde durchgeführt und die Burg durch eine Besatzung gesichert. Die Städte sahen sich genötigt, das Waffenrecht des Kurfürsten in¬ nerhalb ihrer Mauern anzuerkennen, ihre eigenen Truppen fortan nur zilr Bewachung und Verteidigung der Stadl gegen die Feinde des Landesherrn zu verwenden oder ihm für äußere Kämpfe zur Verfügung zu stellen. Die Wehrhaftigkeit der Bürger trat unter die Aufsicht des Landcsherrn; Berlin ver¬ tauschte den Charakter einer freien Handelsstadt mehr und mehr mit dem einer aufblühenden

itl ihr

!

Nachfolgern

Residenz.

gegenüber noch

Die Wehrhaftig¬ keit der Bürger

sehr oft thaten.

— wie

Und in der

brachte

Thal

bereits Ein¬ gangs erwähnt

scheinen

beide Städte



bis 1442 nie¬ mals längere Zeit eine

in den

Zeilen eine Wehrpflicht

kurfürstliche

Truppe

schon

ältesten

mit

beher¬

sich.

Die

erste Be¬

bergt zu haben; die bewaffitete

stimmung über diese Wehr¬ pflicht findet

Bürgerschaft war ihr einziger

sich

in dem

Schutz.

wahrscheinlich

Der Kurfürst halle auch vor¬

aus dem Jahre 1397 stam-

läufig

der

nienden „Ber¬ linischen Stadt¬

Bekämpfung widerspenstiger

Sammlung der

noch

genug mit

buche", einer

Vasallen und ältesten un¬ Die Srhrvanonbrrvg;tt Glorie. mit der Her¬ datierten Gesetze stellung von und Urkunden Ruhe und Ordnung im Lande zu thun und wartete die Berlin's. Es heißt dort: „Borger und borgerscben scolen Zeit zur Wiederaufrichtung der landesherrlichen Autorität in in oren busen wapen bebben, eyn islicb nacb syner den Städten ruhig ab. Erst 1442 wurden Berlin und Cölln macbt*) bi**) der stat broke. Wen des nod is, so scolen di durch inneren Zwist und Parteihader über die wirtschaftliche borger selbengan by der innren and vor dat dor sitten, Vereinigung beider Städte veranlaßt, den Krtrfürsten, jetzt bi VI penninge u , d. h Bürger und Bürgerinnen sollen in Friedrich H., als Schiedsrichter anzurufen und ihm, als er ihren Häusern Waffen haben, ein jeder nach seinem Vermögen, in richtiger Benutzung des günstigen Augenblicks überraschend bei Strafe der für Bruch des Stadtrechts angedrohten Buße mir 600 Reitern vor dem Spandauer Thore erschien, dieses zu (36 Schillinge). Wenn es Not ist, sollen die Bürger selbst öffnen und die Reiter einzuquartieren. Jede der sich be¬ gehen zu den Mauern und vor dem Thor auf Wache sitzen, kämpfenden, inneren Parteien, — das Patriziat einerseits, die bei Strafe von 6 Pfennigen. „Vierwerke", d. die Gewandmacher, Schuhmacher, h. Diechy wahrscheinlich nach Vereinigung der Verwaltung Bäcker und Fleischer, andrerseits — hatte gehofft, vom Landes¬ beider-Städte 1308 erlassene und im Prinzip wohl schon herrn recht zu bekommen. früher gütige Grundgesetz blieb Jahrhunderte lang in

Bei Schlichtung des Streites trennte der Kurfürst nach dem Grundsatz „divide et impera", jedoch mit Zustimmung der *) Fidicin, „Diplomatische Beiträge", xx. Band

III.

S. 291.

Kraft. Die in ihm ausgesprochene Wehrpflicht war ursprünglich nicht eine persönliche; sondern sie lastete auf dem Bürgerhause; doch

* Vermögen. **) Bei Strafe für

Bruch des Stadtrechts.

-8

lief beides im allgemeinen auf

125

gewicht über die Ritterschaft, die dieselben noch Jahrhunderte lang als unritterlich, unredlich und heimtückisch verabscheute,

dasselbe hinaus,

und wenn auch 1440 ein kurfürstliches Aufgebot gegen Sachsen alle Bürger, „soweit sie vor Jugend oder vor Alters dazu taugen" einberuft, 1450 dagegen von jedem Hause ein Bewaffneter ge¬

fordert wird,

mit ihnen, wie Leonhard Fronsperger noch 1557 klagt, schwach dem starken, der jung dem alten, der thor dem weisen und vernünftigen, ein loser, fauler Knecht seinem eigenen, unverzagten, ritterlichen Herrn schändlich das leben stilt, und allda alle tapferfeit , sterck, redlichkeit, tugend rmd mannherst aufhört". da

„der

beides wohl dasselbe,

da eben in jedem Hause nur eine Bürgerfamilie zu wohnen pflegte. Doch mußten die „borgerschen" d. h. die Bürgerswitwen einen so

bedeutet

brauchbaren Vertreter stellen und mit ihren Waffen ausrüsten.

Zu der im Stadtbuche verlangten Bewaffnung

des

Bürgers,

dem „Hergewetle", das nach alb berlinischem Erbrecht stets der

erstgeborene Sohn zu erben hatte, gehörte Harnisch und Schwert,

bei den reichern noch ein völlig ausgerüstetes Pferd. Niemand

konnte das Bürgerrecht erwerben, ohne Harnisch und Schwert

8-

|

Der Bürger praktischer Sinn kehrte sich an solche Vor¬ urteile nicht, sondern wehrte sich seiner Haut mit allen Waffen, Doch erschien noch lange eine die ihm vorteilhaft dünkten. geringe Zahl von „Büchsen" in der Schlachtlinie ausreichend, und der Kampf mit der blankeir Waffe Mann gegen Mann

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Plan des Deelinor Urreart - Uorlroffrs oder sich von der städtischen Rüstkammer gekauft zu haben. Von letzterer wurden außer¬ dem, wenn die Bürgerschaft auf Kriegsfuß gesetzt werden

in gutem Zustande zu

besitzen

Streitäxte, Streilhämmer, Je nach der Art ihrer Hellebarden und Spieße verabfolgt. Ausrüstuitg wurden die Bewaffneten in Schützen, Hellebardierer und Spießer eingeteilt. Außer ihnen gehörten zum städtischen Fußvolk noch die „Zimmerleute", die zusammen mit deir nach Bedarf angenommenen „Schauzbauern" die Stelle der heutigen sollte,

an sie Bogen,

Armbüchse,

Pioniere vertraten. Schon im 14. Jahrhundert hatten die Städte Berlin unb Cölln, wie aus dem erwähnten Stadtbuche hervorgeht, gemein¬ Die Benutzung der same Geschütze. Büchsen und Pulver. neuerfundenen Feuerwaffe gab ihnen ein entschiedenes Ueber-

blieb ttoch Jahrhunderte lang im Gefecht die Hauptsache.

Unter „Büchsen" verstand man längere Zeit überhaupt Feuerwaffen, auch Geschütze verschiedener Konstruktion. Leider habe ich über die Berliner Artillerie dieser Periode gar keine Angaben auffinden können. Eine Beschreibung der gebrauchten Waffen und eine Schilderung der Entwickelungsgeschichte ihrer Konstruktion würde mich hier zu weit führen. So interessant beides auch ist, muß ich doch darauf für diese wie für die späteren Perioden ver¬ zichten. Das vorzügliche, eingehende Werk des Oberstlieutenaut Dr Jähns „Handbuch einer Geschichte des Kriegswesens" u. s. w. sowie die Sammluugen unseres Märkischen Provinzial-Mitseums und des Zeughauses ermöglichen auch jedem, der sich dafür interessiert, eine Orientierung in reichem Maße.

126

Die wohlhabenden Bürger, die sich Reitpferde hielten und bei der Uufahrbarkeit der meisten Landstraßen ihre Reisen ge¬ wöhnlich zu Pferde machten, bildeten zusammen mit berittenen Söldnern, angeworbenen Rittern mit ihren Knechten und mit Als solche den städtischen Vasallen im Stadtheer die Reiterei. lehnspflichtigen Vasallen, denen „von undenklichen Zeiten her beide Städie Afterlehne gegeben hatten", wurden 1599 die Wynse, Röbeln, Reichen und Blankenfelden genannt.*) Für kürzere Fehdezüge und bei Verfolgung räuberischer

Ritter auf den nahe der Stadt bessern Straßen sogen die im 14. Jahrhundert bequem und behäbig gewordenen Bürger das Fahren auf Wagen dem Reiten vor. Zu je 6 saßen sie, wie Jähns in seinem erwähnten „Handbuch einer Geschichte des Kriegswesens" erzählt, auf einem sogenannten „Wurstwagen" und traten nicht eher in Reih ilnd Glied als bis es zum Gefecht kam.

größeren Feldzügen spielte der Train eine be¬ deutende Rolle. Hier waren es die mit Sturmpfählen, Brettern, Hürden und anderm Material beladenen „Streitwagen", die etwas größeren „Schießwagen" mit Plattform und darauf be¬ findlicher Hütte, durch deren verschiebbare Thür eine große Auch

in

„die Speiswagen" und die leichtern „Renn¬ wagen" für Proviant und Gepäck, die sämtlich ihre bestimmte Besatzung hatten und auf diese Weise oft das Skelett für die taktische Gliederung des Heeres, beim Marsch wie beim Biwak den Schutz für das Fußvolk abgabeu. Beim Halt wurden die Wagen dicht an einander und um eilten in der Mitte frei bleibenden Raum herum in ca. 5 Gliedern hinter einander aufgefahren, die an ihnen befind¬ lichen Seiten-Schirmbretter herunter gelassen, um ein Durch¬ Büchse feuerte,

kriechen des Feindes zu verhüten, und dann die Wagen

unter

Die so einander mit starken, eisernen Ketten verbunden. gebildete „Wagenburg", eine altgermanische, seit der Nomaden¬ zeit her beibehaltene Einrichtung, wurde im 14. und 15. Jahr¬ hundert sehr viel verwandt. Eigentümlicher Weise errichtete Friedrich I. 1419 mitten auf dem Markte in Angermünde eine Wagenburg, während die Thore der Stadt unbesetzt und offen blieben. Hier werden wohl auch Berliner mitgeholfen haben, die Angriffe der stürmischen Pommern zu brechen. (Fortsetzung folgt.)

Der Schulmeister von Wusterhausen. Von

D. grturmljöfel. (Fortsetzung.)

sechste Stunde König mit den Freunden Saß der Unterm Zeltdach auf dem Hofe. Aus den hohen, weißen Krügen Floß der gute Stoff des Bieres Durch die immer durst'gen Kehlen.

Abends um die

Fidibusse, Kohlenbecken Waren jedem leicht zu Händen, Um die thöner'n, weißen Pfeifen Flott im Brande zu erhalten; Und in flachen, offnen Körben Stand der holländ'sche Kanaster. Für des Herrschers Rauchbedürfnis,

Das nicht *)

Geh.

St. Archiv.

eben groß zu nennen,

S>Sorgte treulich Thomas Fuhrmann, Ging mit steifen Hahnenschritten Hinterm Stuhle auf uud nieder, Nahm mit großer Seelenruhe Manches Scheltwort stumm entgegen

Für

zu festes Pfeifenstopfen. Oberzeremonienmeister

Gründling gab Divertissantes Der Gazett' vom fernen Welschlaud Just zum Besten. Doch der König Unterbrach ihn, als sich endlich Hänschen Ruthenschläger zeigte.

An der hohen Herren Reihe Schlich mit glühend heißen Wangen Hin der Knabe zu dem Fürsten. „Nun, laß Dich nicht perplexieren!" Rief derselbe ihm entgegen; „Komm, Du Schelm, und laß mich wissen, Wo denn Deine Freunde stecken! Fehlte ihnen die Courage? 's Sind rechte Ja? Du nickst? — Dummköpf'. Und sie kriegen keinen Groschen. Du indes wirst nun berichten,

Was der strenge Herr Magister Zu dem „dummen Esel" sagte. Na, was ziehst Du für ein Mäulchen?

Ist

Fall Dir

der

Oder blitzen

Dir

schlecht bekommen?

die Sterne

Au den Röcken dieser Herren Gar zu helle in die Augen? Laß Dich dadurch nicht genieren, Dummer Tropf, und künde deutlich. Was der stolze Lehrer sagte,

Als

er Euer Rufen hörte!"

„Keiner hat's gethan, Herr König!" War des Knaben scheue Antwort.

„Was, Ihr miserablen Memmen Konntet nicht die Mäuler öffnen?" Ries der König barschen Tones.

„Einer wollte", sagte Hänschen. „So, er wollte — und doch schwieg er?"

„Ja,

ging ihm au die Kehle." selbst, vertrackte Krabbe? Willst Dich dessen wohl noch rühmen. Feiger Schlingel! Und weshalb denn Hast Du mir den Scherz vereitelt Und den „Esel" nicht gerufen?" ich

„Was, Du

„Weil

es

— weil's

nicht an der Wahrheit:

Mein Herr Lehrer ist kein Esel." „Höre einer diesen Schlingel!" Rief der Fürst verdroßnen Mutes,

Als die

Tischgenossen lachten. Doch der Ceremouienmeister Zog die breite Stirn in Falten,

Sprach gewicht'gen Tons die Worte:

„Sire, wie's mich will bedünken, Hat der Knabe die Mission nicht Recht capiert, weil ihm dubiös blieb, Was als Esel nominiert ist.

9 127

s--

Und mit Ihrer allerhöchsten Permission möcht ich tentieren, Dem Scholaren das Sekretnm

Lrsvibsr

Eilten Schltick aus meinem Krttge Auf das Wohl des wackren Mannes, Der in Deine junge Seele Das Gefühl des Rechtes senkte!" Und zum König sprach der Alte: „In dem Gnom steckt sonder Frage Disziplin, und sein Magister Scheint mir wahrlich respektabel." Ernst und mürrisch sah der Herrscher Vor sich hin. In seiner Seele Gärte die Erbittrung weiter Ueber des Magisters Freimut. — „Meine Gunst zurückzuweisen War ein tölpelhafter Schalksstreich," Grollte er in grimmem Mute, „Und ich will dem lahmen Schwarmgeist Seine Dummheit klar erweisen,

zu enodieren.

Komm, vaou crller, ich will saus phrase Diesen Casus demonstrieren." Und er zog den Kleinen an sich, Nahm ihn zwischen seine Kniee Und begann im Ton der Salbung:

Dir

„Also, mon enfant, ein Esel

Ist

zunächst ein viergebeintes

Tierlein, das

des

Müllers

Säcke

Langsam auf dem Rücken fortschleppt. Er ist friedsam und geniigsam. Doch die bösen Menschen reden

Vieles Schlimme von dem Braven, Und sein ehrlich treues Aussehn Hat bereits vor grauen Zeiten Hohn und Spott herausgefordert. Also spukt bei den Hellenen

Will die Ihm vor

allem vorenthalten Und sie meinem Thomas geben, Schon, um nicht mein Wort zu brechen."

Schon ein mythisch Ungeheuer, Der Onocentaur benamset.

Halb als Mensch und halb als Esel Uns im Abbild noch erhalten. Dunimheit soll das Monstrum künden, Die sich frech mit Grobheit brüstet. Auch mit einem Borstenschweine Brachte man das graue Freundchen Verbindung. In Abdera

In

War ein Eselschatten Anlaß Jahrelangen Prozessierens. — Vieles könnt' ich noch erwähnen. Doch genügt das Vorgetragne, Dir, mein lieber Sohn, zu zeigen, Daß Dein werter Herr Magister, Wie ein Menschenkind gestaltet, Gehen, stehen, schnupfen, rauchen, Reden, schelten, und trotz allem Doch ein rechter Esel sein kann,

obstinate Dirne

(Fortsetzung folgt.)

Graf Karl Friedrich

von

Krlihl.

General-Intendant der König!. Schauspiele und Museen in Berlin. (Mit Abbildung.) Von

Paul SeUardi.

Die ersten Jahrzehnte nach den Freiheitskriegen wurden für die Berliner Theater eine Blütezeit, die sie weder vorher Da glänzten Sterne erster noch nachher wieder gehabt haben. Größe, wie sie selten erscheinen: Devrient, Rott, Mantius, die Crelinger, Charlotte v. Hagn, Löwe, die Schwestern Bertha und Klara Stich, Marie nnd Paul Taglioni, und am König¬ städtischen Theater (dem einzigen in Berlin außer den König¬ lichen) Holtei, Beckmann, Geuse, Schmelka, Frl. Höltzl, Limbach u. a.

Hänschen hatte, vor Entrüstung Bebend, zugehört und riß sich

Ein nicht geringes Verdienst an dem Erscheinen dieses goldenen Zeitalters gebührt jenem Manne, der damals zur Leitung der Königlichen Theater berufen worden war, dessen Name eng verknüpft ist mit der Berliner Kunstgeschichte: Karl Friedrich Moritz Paul Graf v. Brühl. Er war als Sohn des Grafen Hans Moritz Brühl, „Königlich Preußisch. General-Intendanten der Chansseen", Seine 1772 zu Pförlen in der Niederlausitz geboren. i. väterlichen Gute Seifersdorf verlebte er auf dem Jugendjahre

Jetzo jäh aus Gründlings Armen. Rief: „Fragt nur die Leut im Dorfe!

bei Dresden, wo er die sorgfältigste Erziehung genoß. 1785 begleitete er seine Eltern nach Weimar und sah am Hofe der

Solch ein hochgelehrter Esel Seid Ihr selber, nicht mein Lehrer: Wer den schilt, der kennt ihn schwerlich!"

geistvollen Herzogin Amalie, „jene Geistesheroen, deren Gestirn Goethe nahm sich des hochbegabten sich im Aufgehen befand". Knaben an und unterwies ihn in den Naturwissenschaften, be¬

Utld der Ceremonienmeister Wurde blaß vor Zorn und Aerger Und erhob sich von dem Stuhle, Um den dreisten Hans zu zücht'gen. Diesen aber nahm der alle General von Pennewitz in Schutz: „Komm' her, mein Kleiner", rief er, Komm' und trinke auf den Schrecken

sonders der Mineralogie; Herderund Wieland verkehrten häufig im Hause seiner Eltern. 17 Jahre alt. ward er als „Eleve beim Berg- und Hüttenwesen" in Berlin angestellt, trat aber bald zur forstivissenschaftlichen Laufbahn über und erhielt 1791 1794—1796 erlernte er in die Anstellung als Jagdjunker. Thale a. H. das Forstfach praktisch, wurde Forstreferendar und machte weite Reisen, um sich in seinem Berufe zu vervoll¬

Wie Herr Köitig konstatierte Und zwar ist er, wie ich meine, Einer der gelehrten Esel: Denn es giebt verschiedne

Arten."-

I.

kommnen.

--s

128

Bis dahin war die Kunst — schon im Elternhause mit Liebe gepflegt — nur Gegenstand der Erholung während der Mußestunden gewesen; besonders gern beschäftigte er sich mit Musik. Fasch, der Gründer der Sing-Akademie, war sein Lehrer in der Komposition, Türrschmidt. der ausgezeichnete WaldHorn-Virtuos, gab ihm Unterricht auf diesem Instrument. Unter Genelli zeichnete und radierte er mit Geschick und Talent. Im Jahre 1798 kam Brühl zum zweitenmal nach Weimar und blieb nun ein volles Jahr dort; er ward Mitglied des Herzoglichen Privattheaters, dessen Aufführungen Goethe lei¬ tete. In dieser Zeit entstand des Letzteren Drama „Paläophron und Neoierpe"; Goethe teilte dem Grafen die Rolle des Palü-

Verehrung und ophron zu und studierte sie ihm selbst ein. Liebe fesselten Brühl an den Meister, und dieser bewahrte seinem Schüler lebhafte Zuneigilng bis zu seinem Ende. Während der Zeit von 1800 bis 1813 bekleidete Graf Brühl nacheinander die Stellungen als Kammerherr beim Prinzen Heinrich in Rheinsberg, bei der Mutter Friedrich Wil¬ helms III. und dann bei der Königin Luise. 1813 trat er als Freiwilliger in das Heer ein und war zuletzt Militär¬ kommandant von Reufchatel, welche Stadt ihm bei seinem Scheiden das Bürgerrecht verlieh. — In jene Zeit fällt seine Bekanntschaft mit dem als Diplomaten und Geschichtsschreiber vielgenannten österreichischen Hofrat Gentz, mit dem er in ver¬ Nach geschlossenem Frieden traulichem Briefwechsel stand. ging Brühl im Gefolge Friedrich Wilhelms III. itach Paris und London. Tie französische Hauptstadt hatte er 1802 zum erstenmal besucht; damals wurde er mit Kotzebue zusanunen

Napoleon vorgestellt.

Im Februar 1816 berief ihn der König als Nachfolger Jsflands zum General-Intendanten der Königlichen Schau¬ Nachdem er Drevient in demselben Jahre für seine spiele. Bühne gewonnen, gelang es seinen Bemühungen, das in Gocthescher

Berlin zil

Schule

trefflich

gebildete Wolffsche Ehepaar

an

fesseln.

Nun brach eine Blüte-Zeit, mit welcher sich nur die GoethePeriode in Weimar vergleichen läßt, für das Berliner Theater Calderons Dramen wurden preist gegeben; Goethe an. schrieb eigens für die Königliche Bühne „Epimenides Erwachen", dann wurde der Kreis der Shakespeareschen Dramen erweitert: Heinrich IV., König Johann, Was ihr wollt, die lustigen Weiber von Windsor wurden gegeben. Daran reihte sich der 24. Februar v. Werner — Brühl kannte den Dichter seit Jahren persönlich — Kleists Käthchen von Heilbroun u. a., denen sich die besten Werke der neueren Autoren anschlössen: Körner, Müllner, Raupach, Grillparzer u. s. w.

Mozarts Zauberflöte eröffnete den Reigen der musikalischen Schinkel und sein genialer Schüler auf dem Gebiete der Dekorationsmalerei zu leisten vermochten; es folgte Beethovens Fidelio und die lange Reihe der französischen und italienischen Opern, in welchen besonders die Milder ihre glänzenden Erfolge errang. Feste, und hier

Gropius, was

zeigten

sie

Jnsbesonders aber war Graf Brühl bestrebt, alle neu hervortretenden Talente zu unterstützen; ein Zeitgenosse be¬ merkt anerkennend: „Kein dichterisches dramatisches Produkt von entschiedenem Werte, insofern es nur irgend darstellbar

war, blieb dem schauenden Publikum fern". Hollei, Wilibald Alexis, Michael Beer, Uechtritz, Bernhard Klein wurden freund¬ lich begrüßt und auf die Bühne gebracht.

ge-

Nach dem Brande, welcher 1817 das Schauspielhaus in Asche legte, entstand die neue

Schöpfung Schinkels.

Um das

würdig zu begehen, schrieb Goethe auf Brühls Einladung den Prolog, dem seine Iphigenie folgte. Auch im Opernhause fand ein außerordentliches Er¬ eignis statt. Karl Maria von Weber, mit Brühl innig be¬ freundet, hatte den „Freischütz" für die Königliche Bühne ge¬ schrieben und dirigierte die erste Aufführung persönlich; steine „Eurpanthe" folgte und bald auch sein Schwanengesang: „Oberon". — Den neu geschaffenen Konzertsaal weihte Graf Brühl zu einem Pantheon; die Büsten aller berühmten deutschen Kom¬ ponisten wurden darin aufgestellt. — Endlich rief er die noch Heine bestehenden Subskriplionsbälle ins Leben, lange Zeit nach Fest der Einweihung

ihm „Brühlsche Bälle" genannt. Allen Festen, die unter seiner Leitung bei Hofe gegeben wurden, war er ein fein- und kunstsinniger Ordner. Dies bewies er insbesondere bei der großartigen Festlichkeit, welche während der Anwesenheit der Großfürstin Alexandra, späteren Kaiserin von Rußland, im Berliner Schlosse stattfand und an Glanz und Schönheit ihresgleichen nicht hatte. Chateaubriand, damals Gesandter Frankreichs am preußischen Hofe, schrieb begeistert: „Wenn man alles zusammenstellt, was von Festen in Frankreich in der glorreichen Zeit der Ludwige durch Kunst¬ werke uns in Erinnerung ist, so haben wir doch nichts auf¬ sich neben dieses Fest stellen ließe!" — Die Wahl der aufzuführenden Stücke, die Berufung und zweckmäßige Beschäftigung so vieler hervorragender Kräfte be¬ kundeten den geläuterten Geschmack des Grafen. Hiermit eng verbunden war sein Sinn für schöne Form und historische Korrektheit des Kostüms. Oft wandten sich hervorragende Maler, um Rat bitiend, an ihn; selbst der große Talma ersuchte um die Zeichnungen zu den Kostümen des Wilhelm Tell, der im

zuweisen, was

Tlieätre francais ausgeführt werden sollte. Brühls Ideal war „die allgemeine Erhebung geschlechts zitr Begeisterung und Befähigung für

des Menschen¬ schönen Kunst¬

genuß", und sein Streben ist nicht umsonst gewesen. Im Jahre 1818 verlor der Graf, der sich 1814 zu Neufchatel mit Jenin) v. Pourtalis vermählt halle, seinen ältesten Der Vater verfiel in schwere Sohn, den Stolz der Eltern. Krankheit, von der er sich nur langsam erholte. Er bat den König um Enthebung von seinem Amte, die ihm unter den schmeichelhaftesten Ausdrücken der Anerkennung auch gewährt wurde; bei dieser Gelegenheit zeigte es sich, mit welcher Liebe ilnd Verehrung alle seine Untergebenen ihm zugethali waren. Nach seiner völligen Genesung ernannte ihn der König 1830 zum General-Intendanten der Museen. Auch in i. dieser Stellung bewährte sich sein Kunstsinn glänzend. Den wüsten Platz vor dem Museum schuf er durch schöne Anlagen

I.

zu einem „Lustgarten" um.

Am 9. August 1837 starb er nach kurzem Leiden und wurde in der Kirche zu Seifersdorf bei Dresden begraben. — Ein Zeitgenosse sagt von ihm: „Unter allen Orden, die seine Brust schmückten, war sein Herz der schönste. Im Wohl¬ thun unermüdlich, war sein Streben dahin gerichtet, soweit an ihm war. die Menschen zufriedener und durch die hehre Kunst edler und besser zu machen." —

-S

129

Eine Schmähschrift auf -ie Kanigin Luise. Mitgeteilt von

In Nr.

10 des

„Bär"

Rädert MieUro. erwähnt der Verfasser des Aufsatzes

jenes Bildes, das die Königin mit dem Könige Friedrich Wilhelm und dem Kaiser Alexander am Sarge Friedrichs des Großen darstellt. Jene Begebenheit ist auch noch in anderer Weise in gehässigen Schmähungen gegen die edle Königin ausgebeutet worden; namentlich erregte eine angeblich geheimnisvolle Stimme aus dem Grabe, ein zweites Vaticinium Lehniense gewaltiges Aussehen, deren Wortlaut gerade zilr Zeit der französischen Invasion eifrig kolportiert und glossiert wurde. Ich bin heute in der Lage, den Lesern des „Bär" jenes Machwerk mitzu¬

„Berlin zur Franzosenzeil"

Luise

das die Quelle der Beschimpfungen ist. Es späteren bildet den Anfang einer kleinen

teilen,

Schrift, die 1814 ohne An¬ gabe des Druckortes erschien und den

Titel führt: „Politischer

Wechselgesang

des

Grafen

Fontanes*) und eines teutschen Patrioten oder kritische Zer¬ gliederung der Rede des Grafen Fontanes. Nebst einer Jntroduclion, worinnen keine Vaudevilles gepfiffen, und einem Anhang* **) wichtiger Doku¬ mente, in welchem Napoleons Ehre und Gewissen zu Grabe Germanien, geläutet werden. im Jahre der Wiedergeburt." AIs Verfasser nennt sich im Der Text H. G. Pannus. Text lautet wörtlich: „Getreue Erzählung der er¬

9-

von heiligen Empfindungen, vermischt mit einer nicht zu be¬ schreibenden Beklemmung hingerissen, als Kaiser Alexander, der König und die Königin die Schwelle dieses einfachen, zu Alles war in ehrfurchts¬ bescheidenen Monuments betraten. voller Erwartung, als man endlich das Gelübde vernahm, welches die beiden Monarchen ablegten, und wodurch sie sich gegenseitig verbindlich machten, nicht eher die Waffen nieder¬

zulegen.

bis sie die Franzosen überwunden haben wür¬

den. Die schöne Königin selbst trat diesem Kriegs-Gelübde bei, aber durch eine unwillkürliche Bewegung sah man ihre Hand auf ihrem Herzen liegen, ihr Auge ruhte auf Alexander,*) und schien mehr den Schmerz einer nahen Trennung auszudrücken, als sich mit den Verpflichtungen, die an dieser heiligen Stätte beschlossen wurden, zu beschäftigen. Der größte Teil des Hofes hielt sich in einer gewissen Entfernung, nur einige Ver¬ traute durften sich dem Grabe nähern, und ich befand mich unter ihnen. Eine tiefe Schwer¬ mütigkeit bemächtigte sich meiner, als ein Wunder mich mit Schrecken und Erstaunen füllte. Was ich hier erzählen will, davon war ich selbst ein Augen¬ zeuge. Meine Vernunft sträubte sich es zu glauben; ich habe die Erzählung davon einigen Personen anvertraut, die meine Unruhe über das Schicksal meines Vaterlandes mit mir theilten. Jetzt, da die Besorg¬ nisse in einem hohen Grade erfüllt sind, darf ich meine Stimme) erheben, und dein großen Manne huldigen, der halb ein Gott, der Schöpfer

habenen Zeremonie bei Gelegen¬

heit des Gelübdes zwischen dem Kaiser Alexander, dem Könige und der Königin von Preußen. Am Sarge Friedrichs II. Den Von einem 4. Nov. 1805.

®>vaf fitttrl Friedrich

Der Kaiser Alexander^war im Begriff, sich^ zu seiner angekommen Armee, welche bereits in den Ebenen von Mähren war, zu begeben. Indem er ausIdem^Schlosse zu Potsdam trat, reichte er der schönen Königin von Preußen die Hand, folgte voran gingen zwanzig Pagen, die Fackeln trugen; ihnen Rich¬ seine nahm der König und der ganze Hof. Dieser Zug Personen tung nach der Garnisonkirche. Die drey erhabenen

mit religiöser Andacht dem Sarge des unsterb¬ des lichen Friedrichs, als die Thüren dieses letzten Asyls wurden Anwesenden Helden sich ihrem Blicke öffneten. Alle sich

-

*J Graf Fontanes hielt am 27. Tez. 1813 im Senat zu Paris 7 M versuchte, die furchtbaren eine Rede, in der et mit allen^Diplomatenkniffen verkleinern, und durch Unglücksschläge, welche Frankreich getroffen hatte, zu machen, denselben spitzfindige Sophistereien den Senat Napoleon geneigt zu Senat, der diesen nach einigen Wochen aus Frankreich verbannte. unglück¬ aus der obigen Erzählung, einem Briese des lichen Admirals ViUemann und einem Nachtrag.

**)

Bestehend

Krüht.

General-Intendant der Kgl. Schauspiele.

Augenzeugen.

näherten

vc-rr

unsrer Macht und unsres Ruhms war. Der Schwur war kaum geschehen,

als die erhabenen

Personagen, die ihn abgelegt, in einem tiefen Still¬ hingezogen, Gefiihlen verschiedenen von

Erholung suchten. Der Tod schien schon sein Reich über alle diejenigen, die in diesem heiligen Tempel

schweigen gleichsam

sich eine schwache und dumpfe Stimme aus der Tiefe des Grabes. Ihre Töne konnten in einer mäßigen Entfernung kaum vernommen werden, sie gebot die religi¬ öseste Aufmerksamkeit; wir hörten ganz vernehmlich folgende Worte: „Ich nehme Euer Gelübde nicht an; es ist kaum euren Lippen entfahren, und ihr habt Euch schon dem Meineid übergeben. Mein Ruhm wird unabhängig von den Handlungen der Menschen fortleben; Eure Verirrungen können ihm seinen Glanz Aber das Schicksal, welches nieiner Nation, nicht rauben. meiner Armee, meiner Familie, bevorsteht, kann mir nicht gleichgültig seyn. Ihr habt der Gegenwart die Augen ver¬ Friedschlossen; hört nun, was euch die Zukunft vorhersagt.

atmeten, auszuüben. Plötzlich erhob

*) Man brachte die Aehnlichkeit des Wortlautes mit dem französischen Text unter dem S. 111 des „Bär" erwähnten Bilde.

-e

130

Wilhelm! Dein Vaier hat in den Ebenen van Cham¬ pagne die Hälfte der schönen Armee verloren, die ich mit so rich

großer Anstrengung errichtet hatte. Durch einen eitlen unb lächerlichen Aufwand hat er die Hälfte des Schatzes ver¬ schwendet, den ich als ein Mittel zur Erhaltung ihrer Macht zusammengehänft habe. Du warst es, auf den ich die Hoff¬ nung meiner Nation setzte; Du warst in Deiner Jugend der Gegenstand meiner Vorliebe; als Du den Thron bestiegst, versnchtest Dil den Tresor wieder zu füllen, die Armee wieder herzustellen. Aber ach! warum ist die Zukunft nicht lieberein

Geheimnis für uns? Friedrich Wilhelm! Die Schwäche, mit Du Deine Selbständigkeit der Willkühr eines Weibes aufopferst, wird bcn Rest meiner Generale vernichten, wird Zerstörung und Schatide in Deine Armee bringen, und wird viel schrecklicher für die Monarchie seyn, als eine zehnjährige Pest und Hitngersnot, Friedrich Wilhelm! Ich halte einen festen Willen, und dennoch wollte ich mich gegen die Täu¬ schungen des Herzens schützen; ich habe mit großer Vorsicht den Einfluß der Weiber zurückgestoßen, und ich habe es nie erlaubt, daß sie sich meinen Beratschlagungen näherten, Du hast einen gradeu Sinn, einen gesunden Verstand, aber Du bist schwach, und dieser einzige Fehler wird Dein Volk mit Unglück bedecken, und wird es in ein Meer von Leiden und Bitterkeit stürzen. Der erste, der den Eid, den ich soeben mit Schreckeit gehört habe, brechen wird, wirst Dn sein, Alexander! Du wirst in den Ebenen von Mähren Deincit Sieger finden, in ihm wirst Du Deinen Meister in der Kunst erkennen, die ich seil 30 Jahren gelehrt und von dem großen Gustav ge¬ erbt habe; Du wirst den Frieden von der Nation erhalten, die Du verachtest. Ein Volk, das sich seit fünfzehn Jahren durch Anstrengungen und Siege zu einem kriegerischen Volke erhoben hat, überwinden zu wollen, ist eine Unternehmung, die der Verstand zurückstößt. Den Sturz des Thrones von Napoleoit bewirken zil wollen, ist ein Unternehmen, das die Kraft der Menschen übersteigt. Friedrich Wilhelm! die über¬ wundenen Russen werden Dich verlassen, und Du wirst Dich welcher

sp¬

der Gnade von Frankreich überlassen sehn.

Wehe

Dir, wenn

Du einem Weibe erlaubst, ihren Einfluß über Deinen Verstand und über Deiit Kabinet auszuüben. Wehe Dir, wenn Du diese jungen, unbedachtsamen Leute, welchen die Weiber immer geneigt sind, wie Orakel anzuhören, und wie Genies zu be¬ trachten, nicht zu ihrer Pflicht wieder zurückführst. Luise . . . durch Gefühle, die ich kaum glauben kann, rmd die ich erröten würde, Dir zu sagen, nach Rußland hingezogen, Luise wird Deinen Hof beunruhigen. Du wirst nicht mehr Herr seyn. und Du wirst Dich mit Deiner kriegerischen Nation, ohne es gewollt zu haben, in einem Kriege befinden. Möllendorf, Braunschweig, Schmettau, ihr werdet in den künftigen Gefechten nichts als Verwirrung und Schande finden, und Du

Berlin.und

Potsdam."

Du

— Hier

erweichte sich die Stimme, sie schien zu sprechen aufgehört zu haben, man horchte noch in schauderhafter Stille und matt hörte noch folgende Worte: einem Jahre um diese

„In

Stunde, Napoleon.werden meine gekränkten Manen Dich nahe bei diesem Grabe sehen." Der König brachte einige Tage

in tiefer Melancholie zu,

er beeiferte sich,

der Allianz mir Rußland zu entsagen, und mit Frankreich den

Frieden zu schließen. Abrr bald waren auch diese feurigen Lehren vergessen, Rtißlands Einfluß nahm seine vorige Gewalt wieder ein und man sah mir Erstaunen, daß eine Königin, so vollkommen in mancher Hinsicht, auch so durstig nach Blut und Krieg seyn konnte. Von diesem Augenblicke an haue ich keine Ruhe mehr, ich zog mich auf nieine Güter zurück, ich beobachtete den Gang der Begebenheiten, ich sahe, daß jeder Tag die Prophezeiungen Friedrichs, und den Willen des Schicksals der Erfüllung näher brächte und ich rufe mit dem Schatten dieses großen Mannes aus: „Schreck¬ liche Reise! schreckliche Zusanimenkunfl! dreymal schön

und

so

..

schrecklicher

Einfluß, tausendmal mehr bejammerns¬

wert für Preußen, als eine zehnjährige Pest- und Hungersnoth!"

Kleine Mitteilungen Dio Kclpvnnvnl'irvg irr Glevo.

Unser Bild auf S. 124 uns in die freundliche Stadl der Rheinlande, welche ini Jahre 1609 unter Johann Sigismund mit dem gleichnamigen Herzogtum an Brandenburg fiel. Die Schwanenburg, das vormalige Residenzschloß der Herzoge, erhebt sich in der Mitte der Stadt auf einer malerischen An¬ höhe. Der 56 in hohe Schwanenturm, den Herzog Adolf I. 1493 an der Stelle eines damals eingestürzten, angeblich von Caesar e> bauten TurmeS ausführen ließ, wie eine alte Inschrift an demselben meldet, gewährt esnc weite Aussicht über die Rheinniederung und die reizende Umgebung Clever, das an einem ivaldbekränzten Bergrücken liegt, welcher daS ursprüngliche Ufer des Rheins bildet. An die hier lokalisierte Sage vom Schwanenritter, welche durch Richard Wagner allgemeiner bekannt geworden ist, erinnert seit 1883 ein Denkmal am Kleinen Markt, wo sich auch ein Standbild de§ Kurfürsten Johann Sigismund (von Bayerle errichtet 1859) befindet. Die Schwanenburg ist gegenwärtig Sitz des Landgerichts und Gefängnis. versetzt

R.

Gr.

Devlinev Usvovtvovkefiv

I.

ist am 1. Oktober d. Dev (gleichzeitig mit der Eröffnung der Wann seebahn) einer Neuregulierung unterzogen worden, welche folgende Bahnstrecken umfaßt (;. den Plan

auf S. 125):

1. Berlin-Werder (Potsdamer Bahn) -Groß -Lichterfelde (Anhalter Bahn) 2. „ -Zossen (Dresdener Bahn) 3- „ -Königs-Wusterhausen (Görlitzer Bahn) 4. „ -Fürstenwalde (Nielerschlesische Bahn.) 5. „

42,9 km 9,2 „ 32,7 „ 27,7 „ 47,2

6.

Berlin-Straußberg und) ..

7. 8. 9.

Für

„ „ „

^stbahn) -Rüdersdorf ) - Bernau (Stettiner Bahn) -Oranienburg (Nordbahn) -Nauen (Hamburger u. Lehrter Bahn)

diese Bahnstrecken

Art Zonentarif

ist eine

28,0 km 22,7 „ 29,3 35,6 „ eingeführt worden,

auf Grund dessen der Fahrpreis beträgt: für die Entfernungen bis 7,5 km in II. KI. 15, in III. KI 10 Pfg. 30, „ „ 20 „ ii ii ii ^ Ich ii ii it 20 30 „ Bei Entfernungen, die über 20 km hinausgehen, wird für jedes Kilo¬ meter in II. Wagenklaffe 4,5 Pfg., in III. Klaffe 3 Pfg. zugerechnet. Beispielsweise berechnen sich demnach die Preise:

45.

H. in. Kl. km Entfernung 0,90 0,60 Mark 1,30 0.90 .. 40 „ „ „ 1,80 1,20 „ „ 50 .. „

bei 30

u.

s.

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Der Betrieb auf diesen Vorortstrecken ist nach dem Muster der Stadtbahn eingerichtet worden und geschieht im wesentlichen nach folgenden Grundsätzen, die wir nach einer Zasammensaffung der „deutschen Bau zeitung" wiedergeben: Die Bahnsteige sind gegen Vorzeigung einer Fahrkarte betret-'und verlaßbar, welche beim Zugang durchlocht und beim Abgang dem Reisenden abgenommen wird. Die Fahrkarten haben für daS Kalendeijahr Giltigkeit; es werden außer denselben zur Bequemlichkeit der Reisenden auf den Berliner Bahnhöfen sogenannte Fahrscheinblocks, welche aus je 30

■fl

131

s--

Blättern bestehen, ausgegeben, wovon einzelne (nicht losch Blätter für j: eine Fahrt gelten. Bei Fahrten über dar ursprüngliche Ziel hinaus, sowie zum Uebergang in die Höhere Wagenklaffe werden von den Zugführern

und den StationSbeamten Zuschlagkarten ausgegeben. Neben den Einzelkarten werden Zeitkarlen, Schülerkarten, Militärkarten, ArbeiterWochenkarten und Arbeiter-Rücksahrtkarten verkauft. Signale mit der Stationsglocke werden nicht gegeben. Ocffnen der Wagen durch den Schaffner und Anweisung der Plätze findet nicht statt; Unterbrechung der Fahrt auf einer Station ist nicht erlaubt. — ES bestehen nur 2 Wagenklassen (II. u. HI.) und in beiden gesonderte Abteilungen für Raucher und Nicht¬ raucher, aber keine Frauenabtcilungen. Für einen Hund, den ein Reisender mit sich sührt, ist eine Personen-Fahrkarte zu lösen; kleine aus dem Schoße zu tragende Hunde dürfen in die Wagenabteilungen mitgenommen werden; größere sind an besondere Wagenabteilungen oder an den Ge¬ päckwagen abzugeben. — Für jedes aufzugebende Gepäckstück muß, ohne Rücksicht auf das Gewichtj, eine (Personen-) Fahrkarte III. Klaffe ge¬ löst werden. Für in Verlust geratene Gepäckstücke wird als Höchstbetrag eine Entschädigung von 100 M. gewährt; Wert- und Interesse-Deklaration ist auSgeschloffen. Einzelne Züge führen Wagen IV. Klaffe; in solchen ist die frachtfreie Mitsührung von Krügen, Körben u. s. w im gleichen Umfange wie im gewöhnlichen Bahnverkehr erlaubt. — Bei Vorortzügen, welche über die Gleise der Stadt- und Ringbahn geführt werden, ist Gepäck-Abfertigung ausgeschlossen, und es übernimmt die EisenbahnVerwaltung für das in der Schutzwagen-Abteilung zugelassene Gepäck keine Gewähr. Am stärksten ist der Verkehr auf der neuen Wannseebahn (Stationen: Groß-Görschenstraße, Friedenau, Steglitz, Lichterseide. Zehlen¬ dorf, Schlachtensee, Wannfee, Neu-Babelsberg, Neuendorf und Potsdam), auf welcher täglich in jeder Richtung 80 Züge verkehren; auf der Stamm¬ bahn verkehren zwischen Berlin und PotSbamm täglich 25 Züge, durch die Stadtbahn findet eine 13 malige Verbindung mit Potsdam statt, so daß zwischen Berlin und Potsdam in jeder Richtung eine 108 fache, tägliche Fahrgelegenheit besteht — ein Verkehr, der in Europa wohl kaum seinesgleichen haben dürfte. E. 61. Angorenrüulle. Zu den historischen Denkmälern, welche aus Angermündes Vergangenheit noch erhalten sind, ist in diesem Jahre ein neues hinzukommen, das seinen Standort auf dem geräumigen Marktplatze gefunden hat. Die feierliche Enthüllung, derselben fand am Sonntag, den 13. September, Mittags 12 Uhr bei dem prächtigsten Wetter und unter Beteiligung einer zahlreichen Menschenmenge von Stadt und Land statt. Dasselbe ist ein Doppeldenkmal, das den beiden unvergeßlichen Kaisern Wilhelm I. und seinen! edlen Sohne Friedrich III., die ein einiges und großes Deutschland geschaffen, sowie den tapferen Söhnen des Angermünder Kreises, die in den ruhmreichen Kriegen von 1864, 1866 und 1870/71 ihr Blut für König und Vaterland vergossen haben, gewidmet ist. Auf hohem, mit Trophäen reich geschmücktem Sandsteinpostamenle erheben sich die beiden Herrschergestalten. Kaiser Wilhelm, in der Generalsuniform mit dem Bande des schwarzen Adlerordens, den Mantel umgehängt, auf dem Hauple den Helm mit dem Busch von Adlerfedern, blickt, etwas gebeugt, herab zu seinem Sohne, dem Kronprinzen Friedrich Wilhelm, der rechts vom Vater, ein wenig niedriger dastehend, zu letzterem emporschaut, ihn mit der Linken Abgebildet ist der Sohn in der ihm umfaßt und ihm die Rechte reicht. kleidsamen Kürasstertracht, den Stahlhelm auf dem Haupte, die Großkreuze des Ordens pour le merite und dez eisernen Kreuzes um den Hals und Band und Stern des schwarzen AdlerordenS auf der Brust. Während in dem Antlitze des Vaters sich Milde, gepaart mit Weisheit und Ruhe, ausspricht, erscheint der Sohn in seiner Fülle und Kraft ganz als eine Sirgftiedsgestalt. Die Vorderseite des Postamentes ziert die Inschrift: „Ein Zeichen märkischer Treue und Dankbarkeit errichtet 1891 vom Kreise Anger¬ münde", während auf den übrigen 3 Seiten die Namen der in den 3 Kriegen Gefallenen oder an den Wunden Verstorbenen eingemeißelt sind. Entworfen ist das Denkmal von dem Bildhauer Manthe in Berlin, einem geborenen Angermünder. Die Steinmetzarbeiten hat der Bildhauer Schubert in Angermünde ausgeführt und der Guß der Bronzefiguren ist in der Gießerei von Marlin u. Piltzing in Berlin, Chauffeestraße 24 vollzogen worden. Ganz besonderes Verdienst haben sich um die Errichtung des Denk¬ mals erworben der Militairbegräbnißverein, der den ersten Anstoß zu dem¬ selben gegeben hat und der Landrat deS Kreises, Herr von Riffelmann. Zur Aufbringung der Kosten für das Denkmal haben beigesteuert: der Angermünder Militairbegräbnisverein 591,20 M., die Stadt Angermünde 6000 M., Ertrag der Hauskollekle im Kreise, an welcher sich sämtliche Ortschaften mit Ausnahme einer einzigen beteiligt haben 8313,73 M., Kreistag 13000 M.

Dr. M.

Uiculaus $Icuhcv, ein „bcx-üljmtcr Dichter",

war

KammergerichtSadvokat und Stadt-Richter in Berlin; er gab eine Samm¬ lung von 100 „sinnreicken Scherzgedichten" unter dem Titel heraus: „Die wohlklingende, lustige Pauke". Er starb im Jahre 1675 und hatte sich durch seine Gelegenheitsgedichte viele Gönner und Freunde, auch bei Hose, erworben. — Peuker hatte nun einst einer Jagd, die der Große Kurfürst 1671 im Grunewald veranstaltete, mit beigewohnt und darauf in Versen Der Kurfürst nahm die Bitte gnädig um ein wildes Schwein gebeten. auf und befahl, die Antwort ebenfalls in Versen aufzusetzen; sie lautete: „Der große Nimrod giebt Befehl: Actäon, das ist der von Oppen,*

(* Ober-Jäg.rmeister.

Soll Niclas Peukern seine Kehl' Mit einem wilden Schweine stoppen. Er wird dafür, wenn Dorothee, Die Kursürstin, nach Kindesweh' Sich wohl und glücklich wird befinden, Ein Wiegenlied zusammenbinden. —'

P. B.

Unsere Dccrnen der Kalle. „Der Teutsche Merkur" vom Jahre 1788 enthält in den „Briefen eines Reisenden aus Berlin" (August S. 172) folgende Schilderung unserer Fischweiber: „Linker Hand des Schlaffes (zu Potsdam) geht eme lange Brücke über die Havel, die teils darum, weil über sie die Passage nach Sachsen zu geht, teils deswegen lebhaft ist, weil sich unter ihr eine Menge ganz kleiner Kähne aushalten, in denen Fische verkauft werden. Der mittelste Theil .-ieser Kähne ist so eingerichtet, daß das Waffer eindringen kann, damit die Fische frisch er¬ halten werden. Es ist ein Vergnügen dem kleinen Gewühle — dem ein¬ zigen, das man in Potsdam antrifft — zuzusehen, das eS immer hier herum giebt, und die hiesigen Fisch reiber, sowie die Berliner, unterscheiden sehr sich von allen andern Fischweibern in der Welt dadurch, daß sie DaS Sprüchreinlich sind und wie andere vernünftige Menschen reden. wort, nach dem man anderwärts die groben Leute auf den Fischmarkt verweißt, findet hier und in Berlin nicht statt." Ein seltenes Lob, von dem zu wünschen, daß es heute noch zutrifft. E. E.

Miouiol Millionäre

irr Kerlirr?

Diese Frage grollt es beantwortet, soweit der Warenhandel in Betracht kommt, der „Kon¬ fektionär" durch folgende Mitteilungen: „In Berlin existieren 25 Mit¬ glieder des Warenhandels, deren Vermögen auf zwei bis fünf Millionen Mark geschätzt wird. Man zählt deren 18, deren Vermögen die Höhe von fünf bis zehn Millionen Mark erreicht. ES können 10 Mitglieder de? Warenhandels namhaft gemacht werden, die auf 10—20 Millionen Mark Außerdem finden wir hier mindestens 300 Firnien, welche geschätzt werden. 1—2 Millionen Mark im Vermögen besitzen. Es handelt sich hierbei nicht um ererbte Vermögen, sondern um selbstgeschaffene Reichtümer in den letzten 20 Jahren. Seitdem Berlin Reichshauptstadt geworden ist, hat sich Berlin ist eine Handelshier der Handel des ganzen Reicher konzentriert stadt ersten Ranges geworden, welche jetzt 348 Millionäre aufweist, die dem hiesigen Warenhandel gehören." Diese stattliche Zahl vermehrt sich noch um die gewiß mindestens gleiche au? dem Gebiete deS BankfacheS, so daß Berlin eine erstaunliche Reihe von Millionären aufzuweisen hat." Professor Gu. der berühmte Maler, der Schöpfer deS Bildes „der Zug des Todes" (Nationalgalerie) ist am 19. November an der Influenza gestorben. — Professor Christian Leopold Karl Lim ann, der als Arzt, Staatsbeamter und Universitätslehrer eine vielseitige Thätigkeit entfaltet hat, ist am 22. November gestorben. — Die nächstjährige akademische K,unstausstellung wird am 15. Mai geöffnet und am 31. Juli geschloffen werden. — Der Nationalgalerie sind eine Reihe von Bereicherungen Wir heben aus denselben hervor: ein Reiterbildnis des zu teil geworden Kaisers von Werner Schuch; „Schichtwechsel beim Bau des Gotthardtunnels" von Ph. Fleischer; Brustbildnis der Kaiserin Augusta von B. Plockhorst; Hildebrandt; „der Königin Luise aus der Flucht nach Memel von Untergang der Fahne des 2. Bataillons vom 61. Regiment vor Dijon am 23. Januar 1871" von Erich Matschaß. (Diese Fahne ist die einzige, welche die Franzosen 1870/71 erbeutet haben; sie ging erst verloren, als keiner mehr am Leben war, der sie verteidigen konnte.) Ferner erwarb die Nationalgalerie an Skulpturen eine getönte Bronzestatuette „Schlafende Sirene" von A. Gommer. Die Gesamtsumme, die für Erwerbungen ver¬ wendet wurde, beträgt 61 700 M. — Die zum Berliner Dombau neu aufgestellten Pläne sind zum Abschluß gelangt und der n-it der Prüfung beauftragten Baubehörde übergeben worden. Sie werden vermutlich zu Be¬ ginn des nächsten Jahres dem Abgeordnetenhause zugehen. — Dos Hotel Bristol (Architekt Gause), ein weltstädtischer Monumentalbau in Sanestein an der Südseite der Linden, ist soeben dem Fremden-Verkehr übergeoen worden; die künstlerische Ausstattung deS Aeußeren und Inneren macht — Gleichfalls in Sand¬ dasselbe zu einer Sehenswürdigkeit der Hauptstadt. stein ausgeführt ist das von Ende und Böckmann entworfene Prachtgcbäude der Bank für Handel und Industrie am Schinkelplatz, deffen stattliche Front jetzt von den Gerüsten befreit wird und eine würdige Nachbarschaft der Bauakademie bildet. —

AUovloi aus der Noici)s1)auptflad>t.

stau

Spangenberg,

I.

Die städtischen Gasanstalten speisen zur Zeit 20 284 öffentliche und 852 624 Privatflammen. Die Gasproduktion beziffertesich auf 16 904000 Kubikmeter während des vergangenen Vierteljahres. — Das Kommando des Landwehr-Bezirks Bernau wird am 1. April 1892 unter Bei¬ II. 61. behaltung seiner bisherigen Bezeichnung nach Berlin verlegt.

Unser Küchertisch. gesammelte Vorträge von A. frank. Band II. Leipzig, Verlag von H. Oesterwitz Nachflg. Preis 3,60 Mark. Leider kenne ich den ersten Band dieser Vorträge nicht, bin aber über¬ zeugt, daß er inhaltlich aus derselben Höhe steht wie der vorliegende. Es vereint sich hier ein reicher Wissen, Adel der Gesinnung, Vornehmheit der Sprache und reicher Geist zu einem schönen Ganzen, das allen, die bei den Trivialitäten der Zeitungslektüre den Sinn für edlere Genüffe nicht ver-

Kunst und Kittovature,

132 soren haben, viel Freude bereiten wird. Don den 5 größeren Aufsätzen, die das deutsche Volkslied, Paracelsus, den Lateran und Vatikan, Kunst und Genre und Dante behandeln, will ich besonders auf den eisten Hinweisen; es wäre zu wünschen, daß durch ihn das Verständnis für das deutsche — ke. Volkslied in möglichst weite Kreise getragen würde. —

Seit Jahren

schon

steht

Kunst"

die

Meihnaditsnnnrrner

dorr

(Berlin W. 57, Verlag von Richard Bchng „Me>d>ernen aus dem deutschen Weihnachtsbüchermarkte als eine eigenartige, völlig konkurrenzlose Erscheinung da, die durch den reichen Bilderschmuck, die wertvollen Kunstbeilagen und den interessanten, auf daS Fest bezüglichen Inhalt das allgemeine Interesse des Publikums auf sich lenkt. Die dies¬ jährige Weihnachlsnummer der „Modernen Kunst" übertrifft nun wiederum alle bisher gebotenen Leistungen. Ein stattliches Heft von 72 Seiten tritt in originellem Umschlage uns entgegen. Aus dem reichen Inhalt heben wir hervor „Salve Regina", von O. von Overkamp, und ein „Debüt" von Heinz Tovote; beide Weihnachtserzählungen sind aufs reichste und an¬ mutigste mit schwarzen und bunten Illustrationen von Carl Zopf und W. Gause geschmückt. Einen prächtigen Bilderschmuck, (von F. Stahl), weist Pietsches auch die „Schilderung des Berliner Subkciptionsballes" aus, die L. kundiger Feder entstammt. Die Kunstbeilagen enthalten sechs vorzügliche Schwarzdrucke, darunter das herrliche Bild „Madonna" von R. Barabino, das im Original unsere Berliner Ausstellung schmückte, ferner eine interessante Schilderung aus dem Highlife: „Ein Concert," von Lopez, sowie Bilder von Kiesel, Koppay, E. Tito, Cipolla. Als Extrabeilage finden wir endlich eine doppesieilige Aquarell-Reproduktion vor: „Indiskret" von Rud. Rössler Diesen Reichtum an Text und Bildern erhält der Abonnent für den geringen Preis von 1 Mark, der Einzelpreis beträgt 8 Mark.

Aus dom Krstusto der Zeit.

in Bildern von Berlin 1892. Verlag von Slruppe u. Winckler, Dorotheenstr. 82. 160 S. brach. 4 M., eleg. geb.-5 M. (Musikalisch-dramatisch bearbeitet von Fritz

Julius Conrad. Mit

dem

Bildnis

Dichtung

des Verfassers.

Volbach.s der Neuzeit, die oft als arm an Idealen bezeichnet wird und übersättigt wird durch Schundromane und Mordgeschichten, ist ein

In

fast

Sonettenkranz von ethischem Gehalt und vollendeter Form mit freudigem Gefühl aufzunehmen. Der seil Jahren erblindete Verfasser macht es sich zur Aufgabe, die „Macht der Liebe" in allen Sphären der Natur und des menschlichen Lebens nachzuweisen, einen innigen Zusammenhang zwischen den verschiedenartigsten Bethätigungen dieser Großmacht darzuthun und das ganze Weltgetriebe, „Verschwiegene Rot" und „die Millionen-Aera", „Krieg Und Völkerfrieden", „Kapital und Arbeit" aus diesem Gesichtspunkte zu betrachten. Die „schöne Zeit der jungen Liebe" ist ja oft genug von jung und alt besungen worden, aber ein blinder Sänger, dem das Volk stets gern zuschreibt, daß ihm ganz besonders des „Lichtes Himmelfackel" ver¬ liehen ist, unternimmt eS hier, das All der Liebe zu umfassen und in 12 Abschnitten ein wohlgegliedertes Gemälde zu schaffen, das sich auch zu dramatischer Ausführung eignet. Der Verfasser beginnt mit der „Liebe in der Schöpfung" (8 Sonette), läßt „Gold", „Verschwiegene Not" und „Aus der Millionen-Aera" folgen. Der Hymnus „Gold" hat bereits in engeren Kreisen begeisterte Aufnahme gefunden und verdient die vollste Anerkennung. „Menschenhandel in New-Uork" und „Am Strande der Themse" enthalten lebenswarme Schilderungen aus dem modernen Leben. In 4 Sonetten^ ist die „Heuchelei" charatteristisch wiedergegeben. DaS Loblied der „Arbeit'' ist nicht ein Plagiat, wie dasjenige von Meyer-Thom, sondern eine selbst' ständige, frische Leistung in ,7 Sonetten. Die Sonette sind durchgehends richtig und glücklich gebaut, zeigen meist reine Reime und niemals gespreizte Ausdrücke. Hochpoetisch erschei¬ nen uns Bilder wie „der Blitze Feuerfluß," „Zeitenfittig", die „Welt¬ gorgonen", während „dem Saft der Zelle lauschen", „saftige Aeste" (nicht saftige ^Früchte), der „Lüste Vibrionen" S. 14 u. a. uns minder glücklich erscheinen. Auch die Betonung Altar — S. 10 und das Wort „behänden" S. 89, Buchstabe — *-> — S. 41 ist ungewöhnlich; „laurt" einsilbig ist hart. Die Ausstattung ist vornehm, der Druck sorgfältig und fast ohne Fehler, so daß das Werk im ganzen nach Inhalt und Form eine wertvolle und angemessene Weihnachtsgabe für Freunde der Poesie, für die erwachsene, tdealsrohe Jugend und für den engeren Kreis der Familie ist.

Dr.

jplemoiren eines alten Dtplanratorr. t Richard

Eckstein Nachf.

-Br.

Berlin 1891.Verlagvon

3^M.

Memoiren schreiben gehört heute eigentlich zum guten Ton. So haben uns chic letzten Jahre eine wahre Flut davon gebracht, bei welcher das Hegeische Wort, daß das Wirkliche vernünftig sei, zu Schanden wird. Umsomehr freuen wir uns, daß das vorliegende Werk nicht zu jener Art gehört, für deren Existenz man absolut keinen Grund sieht. ES erscheint vielmehr wohl geeignet, über manche Punkte, die die nachfolgenden Ereigniffe verdunkelt haben, oder die nicht offen vor ,den Augen der Zeitgenosien liegen, Licht, zu verbreiten. DaS ist z B. der Fall bei den Aufsätzen, welche dem Untergang Hannovers und Hessens gewidmet sind. Der Autor zeigt auf jedem Blatt, daß er den Ereignissen,nicht allzufern gestanden hat. Zu bedauern ist eS, daß derselbe nicht auS seiner Anonymität heraus¬ getreten ist; denn bei der delikaten Natur mancher Sachen ist es doch wichtig, wenn man seinen Gewährsmann kennt. Ist auch manches als be¬

s-

kannt vorauszusetzen, so ist doch die lichtvolle Darstellung wohl geeignet, die Memoiren für einen späteren Geschichtsschreiber als ein nicht unwichtiges Quellenwerk erscheinen zu lassen; zu den wichtigen Memoirenwerken der letzten 2 Jahrzehnte bilden sie wenigstens einen guten Kommentar. E. M.

Gdhrns U-adjc.

Erzählung von Felix Dahn. 2. Aufl. 142 S. Verlag von Breitkopf u. Härtel in Leipzig. 1892. Hätte Felix Dahn nur diese eine Erzählung geschrieben, schon dann wäre sein Ruhm als Dichter und Erzähler gesichert. Es ist ein bedeuten¬ des Dichterwerk dieses kurze Büchlein, ergreifend durch den Inhalt, über¬ wältigend in der vollendeten Form, in welcher es unS geboten wird. Der Kampf des Rechts mit der Liebe ist der Vorwurf. Das Recht siegt, ob¬ gleich es daS Herze bricht. Und die Rache ist Heilung, dadurch auch Be¬ glückung der Geliebten und eigenes schmerzvolles Dulden und Tragen. Das Buch ergriff den Rezensenten, wie selten eines, und wird jeden Leser ergreifen und vielleicht manchen heilen. Einer weiteren Empfehlnng bedarf das Büchlein nicht. 8. oder der leiste jdcr 'Tzins. Roman aus Die IjcJjrc der Zeit der Eroberung des Aztekenreichs von Komis Mallaoe. Ins Deutsche übertragen von Paul Heichen. Berlin, Heichen und Skopnik. 1891. Zwei Bände, 230 und 242 Seiten. Broschiert 5 Mark, in elegantem Leinwandband 6,50 Mark. Der berühmte Dichter des in alle Kultursprachen der Welt über¬ setzten Romans „Ben Hur" schildert in dem vorliegenden Werke den Sieg des Christentums über das aztekische Heidentum mit all seinen Menschen¬ opfern und sonstigen Greueln. Die lebendige, malerische Darstellung und poetischer, allerdings oft phantastischer Schwung verdienen besonders heroorgehoben zu werden. Sowohl die christlichen als die heidnischen Hauptgestallen dieses spannenden Romans sind mit der dem amerikanischen hervorragendem Maße eigentümlichen genialen Schä fe Dichter in charakterisiert. Der Roman ist seines belehrenden Inhalts wegen auch als Geschenk für die reifere Jugend zu empfehlen und man darf ihm wohl die¬ selbe günstige Ausnahme in der gebildeten Welt Europas prophezeien, die „Ben Hur" seiner Zeit erfahren hat, zumal die weltbezwingende Macht des Christentums hier in einem seiner, wenn auch blutigsten, doch größten X. Li. Siege gefeiert wird. Geb. 4 M.

©attljcit

(SeneralfclbmarftliaU ©ras tmn Maltiro

Von Dr. H. Zweiie bis auf die Gegenwart sorigesührte Auflage. Mit Porlrait. Leipzig 1891. Rengersche Buchhandlung. Gebhardt 6 Wilisch. 224 Seiten. Preis 1,50 Mark, gebunden 2 Mark. Der durch seine im gleichen Verlag früher erschienenen Biographien: Kaiser Wilhelm I.Kaiser Friedrich III. Fürst Bismarck rühmlichst bekannte Ver¬ fasser giebt in dem angezeigten Buche ein schlichtes, volksthümlicheS aber mit warmer Liebe und palriotischer Begeisterung geschriebenes Lebensbild des großen Schweigers und Schlachtendenkers. Die markige, kernige und musterhafte Darstellung dieses Lebensganges lassen daS Buch nicht nur als Lektüre für den Erwachsenen, sondern auch besonders als Lesebuch für die reifere Jugend empfehlenswert erscheinen, um den patriotischen Sinn K. H. zu^beleben und zu stärken.

Miemrann

Disrnarrk - Anthalagie.

Eine systematisch geordnete Blütenlese aus Bismarcks Reden und Briefen. Stuttgart, Verlag von Otto Weisert 1891. 340 Seiten Preis 6 M. Zur rechten Zeit ist noch für den Weihnachtstisch der zahlreichen Freunde unseres ersten Reichskanzlers eine „Bismarck-Anthologie" er¬ schienen, die sich durch ihre ganze Anlage, gediegene Ausstattung und sorg¬ fältige Auswahl gewiß allseitigen Beifall erringen wird. Die Verlags¬ buchhandlung hat auS dem Goldschatz seiner Worte daS genommen, was besonders groß und gewaltig ist, was Glauben und Hoffen am besten charakterisiert, damit das deutsche Volk stets daran erinnert werde, wer eS von dem unseligen Fluch der Uneinigkeit und Zersplitterung befreit und zur Einigkeit und Größe geführt hat, wie Bismarck sein ganzes, arbeits¬ volles Leben in den Dienst seines Vaterlandes gestellt hat und mutig und surchllos gegen alle Angriffe allezeit auf seinem Posten stand. Die Blüten¬ lese aus den Reden Bismarcks ist sachlich nach folgenden Gesichtpunkten geordnet: Preußen und Deutschland; Deutschland und Frankreich; Im diutschen Reich; Minister und Reichskanzler; Deutsche Politik; Krieg und Frieden; Staat und Gesellschaft; Welt und Leben; Rom und die römische L. H. Kirche; Demokraten und Freisinnige; die Sozialdemokratie.

Inhalt:

Im Frührot geankert, Erzählung von M. Frey Das wehrhafte Berlin von Conrad Stählet, Major a. D.; Der Schulmeister von Wusterhausen, von B. Sturmhöfel. IX.; Graf Karl Friedrich von Brühl von PaulBellardi (mit 1 Abbildung). — Kleine Mitteilungen: Die Schwanenburg in Cleve; Der Berliner (Fortsetzung);

Vorortverkehr; Angermünde; Nicolaus Peuker, ein berühmter Dichter; Unsere Damen der Halle; Wievtel Millionäre giebt es in Berlin; Allerlei aus der Reichshauptstadt. — Büchertisch. — Anzeigen.

Hierzu eine Inseraten-Beilage; einem

Teil

dieser Nummer liegt ein Prospekt der Verlagsbuch¬ Lüstcnöder in Berlin W. 35 bei, auf welchen

handlung H.

wir hiermit

besonders aufmerksam machen.

Für die Redaktion verantwortlich: Richard George in Berlin X. 58. —; Abdruck ohne eingeholte Erlaubnis ist untersagt. Verlag: Fr. Zillessen, Berlin X.. Schönhauser Allee 141. — Druck: Buchdruckerei Gutenberg, Berlin X., Schönhauser Allee 141a.

Unter Mitwirkung

Dr.

R. göfinguirr,

Ferd. Nlorzor,

Dr.

A. ÖrcnMckc, Tlzcodorr Frrntano, Stabtrat G. Friodol Dr. M. Scliwarj; unb Grrnst V. Mildrnbvirciz

Gyinnasialbirektor

herausgegeben von

Friedrich Miessen

XVIII.

Der

Jahrgang.

M 12.

„Bär"

unb

Richard George.

erscheint wöchentlich am Sonnabenb unb ist burch jebe Postanstalt (No. ?og), Buchhanblung unb Zeitungsspebition für 3 lNk. 50 Pfg. vierteljährlich zu beziehen.

18. drikmiikr 1881.

Unecht Ruprecht. Ein Berliner Weihnachtsbild von

^ie

P^

schnell die

Zeit herangekommen — übermorgen

be-

ginnt der Weihnachtsmarkl! Eine ältliche Frau war es, die diese Worte mit merk¬ würdig schwerem Ausdruck sprach. Hoffen und Zagen, Freude und Sorge mischten sich darin, und während sie es sagte, setzte Schoße lag, einen sie einer Puppe, die angekleidet auf ihrem und ordnete die Flachshaar blonde das blauseidenen Hut auf Pappkopfes, billigen des nicht eben sehr natürlichen Locken damit sie in wahrer Anmut bis in die kornblau gemalten Augen fielen.

Es war eine „elegante" Puppe, an welche die Frau so¬ Stühlen und eben die letzte Hand gelegt hatte. Was da auf sonst an Kisten Tischen, auf Wandbrettern und in offenen mit Puppenvolk herumstand und lag, war einfacher, oft nur — billige Ware, für den einigen bunten Lappen bekleidet Monaten hatte sie daran, Seit Weihnachtsmarkt bestimmt. seit Monaten meist bis in die späte Nacht hinein gearbeitet,

ihre gedarbt, geliehen, um das nötige Material für den Er¬ Arbeiten zu erschwingen und seit Monaten auch auf eine auf kann hoffen Arme lös derselben gehofft, wie nur der lange ganze, fürs soll Nahrungsquelle, die Segen spenden

gesorgt,

Jahr hindurch. Beamten, den Frau Kühn war die Witwe eines kleinen beiden Kinder nun seit vielen Jahren die Erde deckte. Ihre

Krankheit und waren in zartem Alter dem Vater gefolgt. eben an Geld Begräbnis der Drei hatten aufgezehrt, was vor¬ Winschaft oder entbehrlichem Hausrat in der bescheidenen die Jahre hin¬ handen gewesen, und die Frau hatte sich all — in den recht und durch von Näharbeiten ernährt, schlecht Aber eine Zeit war in jedeni meisten Fällen recht schlecht. Lebens¬ Jahr gekommen, wo sie alle Rückstände an Miete und

D.

M.

Doli.

bedarf erledigen, ihre Garderobe aufbessern, das Nötige im kleinen Hausstand ergänzen konnte — die Weihnachtszeit und der Puppenverkauf auf dem Christmarkt.

Freilich, von Jahr zu Jahr war es auch damit schlechter geworden. Die Krammärkte waren nun einmal eine Einrich¬ tung, die sich selber längst überlebt und in der Großstadt be¬ sonders überflüssig. Da entstand Palast ans Palast und in ihnen mehr als zuviel der eleganten Spielwaren- und Puppengeschäfie — was brauchten sich da die Käufer der Unbequem¬ lichkeit auszusetzen, in Wind und Wetter auf den Weihnachts¬ markt zu wandern und dort ihren Bedarf an den zugigen Buden zu erstehen! Niemand fiel das ein, dem seine Mittel erlaubten, in den großen, teten,

so

großen Geschäften zu

bequem und glänzend eingerich¬ nur „kleine" Leute

kaufen, und

waren es, die alljährlich ihren traditionellen Gang zum Weihnachtsmarkt antraten, um dort ihre Einkäufe zu bewerk¬ stelligen. Auch dies Stammpublikum war leider in den letzten Jahren bedenklich zusammengeschmolzen, denn die Fünfzig¬ pfennigbazare, die wie Pilze aus der Erde wucherten, zogen ein gut Teil der alten Kundschaft vom Weihnachlsmarkt ab. Diese Bazare! Sie waren ein Ruin des Kleingewerbes, und Frau Kühn haßte sie eigentlich. Trotz aller niedrigen Verhältnisse aber war und blieb der

Weihnachtsmarkt das Eldorado tausender von kleinen Gewerbtreibenden, und auch Frau Kühn hatte in diesem Jahr mehr Hoffnung als je auf ihn gesetzt. Weshalb, wußte sie eigentlich nicht — vielleicht nur, weil ihre Notlage jetzt drängender als je war. Sie war im Frühjahr wochenlang krank

und arbeitsunfähig gewesen, und dieser Ausfall machte

nur zu bitter fühlbar. Seit sechs Monaten war kein Mietzins für ihr kleines Stübchen entrichtet, sondern der karge

sich

--g

134

Erlös ihrer Näharbeiten nach Abzug der unenibehrlichsten Lebensfristung zum Ankauf vou Puppenbälgen und -Köpfen und -Arnien und -Beinen, sowie den nötigen Stoffen zur Be¬ kleidung derselben verwendet worden. Und wieviel Stoffreste und Lappen hatte sie erst bei gutmütigen Geschäftsinhabern auf ihre Bitte hin geschenkt erhalten! Trotzdem schuldete sie dem Puppenfabrikanten eine für ihre Verhältnisse recht erheb¬ liche Summe, die auch vom Verkauf auf dem Weihnachlsmarkt gedeckt werden sollte und — mit angstvollem Stöhnen fuhr Frau Kühn hier aus ihrem schmerzlichen Sinnen auf und preßte die Hände verzweifelnd gegen die Stirn. Der Weihnachtsmarki — das war ja eben das Trostlose — sie hatte noch nicht die nötige Summe herschaffen können, dem Buden¬ verleiher das Aufstellen der Verkaufsbude und der Stadt den Zins für den Platz auf dem Markt zu entrichten. Das hieß mit anderen Worten: Der Weg zu der Gold- und Hilfsquelle, welche für sie auf dem Weihnachtsmarkte entsprang, war ihr vorläufig noch verschlossen. Was hatte sie alles versucht, die Summe von zwanzig Mark irgendwie zu beschaffen. Zu verkaufen hatte sie nichts mehr und zu verpfände» auch nicht. Sie war zu den wenigen Bekannten gegangen, hatte aber auf ihre Frage nur ein Achsel¬ zucken zur Antwort erhallen — wer von ihnen hatte die große Summe von zwanzig Mark liegen, um sie bis Weihnachten verleihen zu können! Den besten Willen fand sie bei all diesen Leuten, nur nicht die Macht, ihr beizuspringen. Bei den Nachbarn im armseligen Hinterhause dasselbe Unvermögen zu helfen.

Und da hatte

sie

eines Tages ihren ganzen

Mut

zusammengenommen und war mit ziiternden Knien und stocken¬

Hauswirt gegangen, einem schwer reichen Manne Der aber hatte schier getobt, als sie endlich ihre Bitte hervorgestammelt. Sechs Monate Miete schuldig und den Pulsen

zum

Geld dazu borgen wollen? Eine derartige Frech¬ ihm denn doch noch nicht vorgekommen, sie sei aber eine natürliche Folge seiner unerhörten Gutmütigkeit. Und das eine könne er ihr nur sagen: Wenn nicht zu Neujahr die schuldige Miete bis auf den letzten Heller gedeckt sei, werde er unverzüglich von seinem Hausrechl Gebrauch machen und sie samt ihrem Puppenkram auf die Straße setzen. Weshalb sie sich übrigens nicht nach lohnenderer Arbeit umthue und ihre Zeit mit dergleichen Spielereien vertrödele? Solchen Luxus dürften sich arme Leute nicht erlauben, und er sei jedenfalls nicht geneigt, ihre Passionen mit seinem guten Gelde zu be¬ zahlen. Frau Kühn zitierte noch, wenn sie an jene Scene dachte. Uitd übermorgen Weihnachlsmarkt und sie noch keine Ahnung, woher sic die Mittel tiehmen sollte, ihn mit ihren Puppen zu beziehen! Sie sann und grübelte, bis die erschöpfte Natur ihr Recht verlangte, und ein mildthätiger Schlaf die Aennste ihren bitteren Sorgen entzog. noch bares

heit

sei

Und es ward diesmal noch Rat — in der letzten Stunde. Wieder eiitmal half der Arme dem Armen. Die Gemüse¬ händlerin unten im Keller, ein unermüdlich fleißiges, gutes Weib, ging — als ihr Frau Kühn am nächsten Tage unter Schluchzen ihre Not klagte, ohne daran zu denken, daß ihr hier Hilfe werden könne — stillschweigend an ihre Kommode und entnahm daraus ein wohlverpacktes Goldstück, das sie der Weiiu'nden in die Hand drückte. „Na, Frau Kühn! Ich hab's gespart, um meinem Alien

s--

Weihnachten werdet um es

Ihr

einen guten Nock zit kaufen — aber bis dahin doch soviel Puppenzeugs losgeschlagen haben,

ja

mir zurückzugeben. Was soll's da verpackt liegen, wenn ich Euch damit Helsen kann? Und nun sputet Euch und bestellt die Bude, sonst bekommt Ihr keinen guten Platz mehr auf dem Markt." Worte hatte da die Ueberraschte, Beglückte, anfangs nicht finden können. Aber die brave Gemüsehändlerin wartete aitch nicht, bis sie sich einstellten, sondern schob die Witwe einfach zur Thür hinaus, noch nachrufend: „Marsch jetzt, auf deit Markt! Und morgen sollen meine Jöhren kommen um Euch eine warme Suppe zu bringen und Eure Puppen zu bewundern." Und als am nächsten Mittag die Kinder wirklich mit dem Suppentopf anrückten, waren in der kleinen Verkaufsbude, welche Frau Kühn erstanden, bereits alle Puppen in Reih und Glied aufgestellt. Vorn in der Mitte die mit dem blauseidenen Hut, umgeben von einigen gleich „fein" ausstaffierten Ge¬ nossinnen, an den Seiten in allmählicher, nach dem Preise ge¬ ordneter Abstufung die einfachen und billigen, deren man schon eine

für wenige Groschen

erstehen konnte.

Freilich, am ersten Tage war an ein Geschäft noch nicht zudenken. Da ward ja der Weihnachtsmarkt erst „aufgebaut", und die Käufer wußten das und ließen sich nicht blicken. Auch in den folgenden Tagen ward's nicht viel belebter, obschon es heiteres, klares Wetter gab, das eigentlich dem Geschäft hätte günstig sein müssen. Lärm und Geschrei, Drängen und Schieben, Blasen und Tuten und Knarren gab's allerdings genug auf dem Weihnachtsmarkt, und namentlich des Abends stellte sich das sogenannte Radaupublikum in Scharen ein. Die Käufer aber, die ließen noch immer auf sich warten. Es war ja noch länger als eine Woche bis zum Fest, weshalb Viele mochten auch erst auf den Wochenlohti sich so beeilen! warten, der Sonnabends ausgezahlt wurde, ehe sie kaufen konnten und so kam es, daß gar wenig vom Geschäft auf dem Markt zu spüren war. und Frau Kühn in den ersten drei Tagen kaum Handgeld gemacht hatte. Unter den Marklleuten war denn auch des Klageus und Iammerns kein Ende und die „schlechten Zeiten" mußten es sich wieder einmal gefallen lassen, für allen Mißerfolg verantwortlich gemacht zu werden. Noch trostloser aber war es, als nach drei Tagen das übliche Weihnachtsmarktwetter eintrat, und endlose Regengüsse vom Himmel niederstürzten, der Sturm heulend durch die endlosen Budenreihen fuhr, alles durcheinanderwirbelnd, was nicht niet- und nagelfest war. Hier und da ward auch ein schützendes Zeltdach abgedeckt, und die Waren vom herein¬ stürzenden Regen wurden durchweicht und verdarben, was lautes Zetern oder grollendes Wettern und Schimpfen von seiten der Betroffenen zur Folge hatte. Dann eilten die Nachbarn und halfen in Hast das flatternde Dach wieder befestigen, bis sie, ganz und gar durchnäßt, im nächsten Moinent vielleicht vom gleichen Schicksal betroffen wurden. Und immer noch hoffte man, daß die Goldquelle endlich flüssig werden möge. Das Wetter mußte doch endlich um¬ schlagen, und der „goldene Sonntag", der letzte vor dem Fest, konnte mit seinen von Kauflust beseelten Menschenmaffen, die an diesem Tage, den Wochenlohn in der Tasche, den Weih¬ nachlsmarkt alljährlich besuchen, den Ausfall der bisherigen Geschäftsstille in Stunden decken. Und der Sonntag kani und klares Wetter und die Menschen. Zu Tausenden und Aber-

—7. 14. Märzenschnee. 15. Birkenftand im Winter. 16. Waidinneres. Schloß Bellevue. 18. Zur Weihnachtszeit. 19. Im Rauhfrost. 20. Am Goldfischteich. — Hoffentlich findet dieses Prachtwerk den ihm gebührenden Absatz; eS ist so recht ein Weihnachtsgeschenk für daS Berliner Haus!

III.

R. G.

An unsere Leser rückten ruir die ergedenv Kitte,

die nnrogolrn listige Zustellung des ,.Kär" rulihrend der letzten Msripen gütigst zu entstipuldigen. Der

_

Druckerei Ktrilr e der Kurtid rucker strrt es unserer‘ reckt;eitig

leider unnrdglick genrackt, den „Kür fertig zu stellen, duck stoffen wir, düst dies Zukunft wieder geststegen wird.

für die

B. in Gnadenfrei. 1) Ihre Frage ist in dieser Faffung unverständ¬ lich. — 2) Fidicin, Territorium der Mark Brandenburg oder Geschichte der einzelnen Kreise, Rittergüter und Dörfer. O. B. in Oderbcrg i. M. Für Ihr freundliches Jntereffe herzlichen Dank! Ihre Frage soll in nächster Nummer ausführlich beantwortet werden. W. V. in Leipzig. Der Lapsus ist durch einen Schreibfehler ent¬ standen. Das Denkmal des alten Dessauers stand 1806 selbst¬ verständlich im Lustgarten; so heißt es auch S. 89 von dem letzteren, „in der Mitte erhob sich daS Denkmal des alten Dcffauers." Wie Sie richtig bemerken, erfolgte die Versetzung der Statue erst 1828 gelegentlich des Museumbaues. Eine eingehende Geschichte derselben finden Sie '„Bär" XV. Jahrgang, S. 44 — 46. La vache. der Bild-Unterschrift auf S. 100 ist leider durch ein Versehen der Druckerei die Pointe weggelassen worden; die Waschfrau antwortet: „Jott hab' er sich doch nich so — la vache!“ wie im Text R. G. S. 103 auch richtig steht.

In

Instalt:

Knecht Ruprecht.

Ein Berliner Weihnachtsbild von von Conrad Stähler, Major a. D. Der Schulmeister von Wusterhausen, von B. Fortsetzung); Sturmhösel. IX.; Die letzten vom Weihnachtsmarkt, Original¬ zeichnung von W. Zehme; Moltke im Spreewalde von Max Bittrich.— Kleine Mitteilungen: DaS Königliche Schloß von der Schloßsreiheit aus gesehen (m. Abb.); Robert Zelle (m. Abb.); Prinz Friedrich Karl und die Bäuerin: Allerlei aus der Reichshauptstadt —Büchertisch —Anzeigen. B. W. Zell; Das wehrhafte

Berlin

Las schönste der christlichen Feste vor der Thür, die Zeit der Gaben und Geschenke hält unS moderne Kulturmenschen in Atem, und die alles bewegenden Fragen: was schenke ich zum Feste? und wo kaufe ich ein? bereiten uns die Qual der Wahl. Vielleicht ist es unseren Lesern angenehm, wenn wir aus dem Erfahrungs¬ schätze eines alten Praktikus in Weihnachts-Einkäufen einige Ratschläge zum besten geben. Die erste Mahnung lautet: Wart mit deinen Einkäufen nicht bis in die letzte Woche, sondern mache sie so zeitig, als Zeit und Mittel cs dir irgend gestatten. Zweitens: Geh stet; zum Schmied und nie zum Schmiedchen, d. h. suche ein renommierter Geschäft auf, das in Aus. Wahl und Güte der Waren die Garantieen eines altgefesteten Rufes giebtDrittens: Hast du keinen festumriffenen P'an, was du schenken willst, dann geh' in einen großen Bazar, in ein Allerweltskaufhaus, wie sie das großstäblische Bedürfnis der Neuzeit erstehen ließ, mache einen Rundgang durch alle Abteilungen, und du wirst so viel Neues, Anregendes und Originelles finden, daß sich dir die Qual der Wahl in Wohlbehagen und Befriedigung auflösen wird. Einer der elegantesten und eistungsfähigsien dieser Bazare ist der Geschäftspalast von Mey u. Edlich, Ecke Friedrich- und Taubenstr Die Riesenlager dieses bekanntlich in Leipzg domicilierten Verkaufshauses bieten in ihrer hiesigen, glänzend ausgestatteten Filiale die denkbar reichste Auswahl in Gebrauchs- und Luxus-Gegeinständen, und der Ruf dieses Welthauses als einer soliden und ehrenfesten Firma bietet zugleichsdiesbeste Gewähr für reelle Bedienung und preiswerte Ware Sehen wir uns aus den unerschöpflich scheinenden Vorräten einige Weihnachts-Neuheiten an. Eine kleine Ecketagere in Gußeisen und vernickelt, ein Notenständer auS Bambusrohr, eine Hausapotheke in Form eines zierlichen Wandschränkchen?, eine Staffelei mit eichengeschnitztem Niesenalbum zur Aufbewahrung illu¬ strierter Blätter, ein Cigarrenbeyälter in Form eines Schweizerhäuschens mit Musik, originelle Muster in Wanddekorationen für Speise-, Jagd- und Rauchzimmer, allerliebste Sächelchen in Wiener und Münchener kleinen Kunst-Bronzen, kostbare Präsent-Neuheiten in Albums und Necessaires, neue und praktische Küchen- und Wirtschafts-Gegmstände — da? ist so, was uns für Haus und Wirtschaft bei einem flüchtigen Rundgang in die Augen fällt. In der Bijouterie-Abteilung findet sich Kostbarstes und Billigstes, immer aber Geschmackvolles: desgleichen beiden Neuheiten für)deMToilettentisch der Damen. WaS kann man Eleganteres und Preiswerteres erstehen, als einen großen geschliffenen Krystallflacon mit einem viertel Liter Parfum gefüllt — für Mark? Und was ist in Tüchern und Spitzen, in Schirmen und Handschuhen alles aufgebaut! In der Pelzabteilung ist das Pelz- und Raubgetier aller Zonen vertreten — eine verblüffend reiche Auswahl in Pelzwaren aller Art für Damen und Herren. Auch die letzteren find reich bedacht — alles was zur Adjustierung des eleganten Mannes gehört, findet Im Confektions-Bazar ist alles vertreten, was sich in lückenloser Fülle. „zum Glück dec Damen" dient, Kleiderstoffe und Mäntel, Cabs und Jaquets, und was hier für Wäscheschrank und für Möbelschmuck in Leinen, Seide und Stickerei vor dem Besucher ausgebreitet liegt, muß jedes Frauenund Mädchenherz höher schlagen machen. Und darunter sind Sächelchen von staunenswerter Billigkeit! Also, wer um ein Festzeschenk verlegen ist, der mache seine Weihnachtswanderung durch die Geschäftsräume von Mey u. Edlich, der greife hinein in die unerschöpflichen Festvorräte — Geschmack volles und Preiswertes wird immer zum Vorschein kommen. steht

l

Hierzu eine Inseraten - Beilage.

Für die Redaktion verantwortlich: Richard George in Berlin X. 58. — Abdruck ohne eingeholte Erlaubnis ist unter,agt. Verlag: Fr. Zillefsen, Berlin X., Schönhauser Allee 141. — Druck: Buchdruckerei Gutenberg, Berlin X., Schönhauser Allee 141a.

Feird. Morzov,

Gymnasialdirektor

Dr.

M. Krtirvarl;

und

®nt|l V. MilderrKrnrctz

herausgegeben von

Friedrich LMeffen L-VIll.

Der

IaKraang.

„Bär"

M 13.

Ujchard George.

und

', erscheint wöchentlich am Sonnabend und ist durch jede Postanstalt sNo. 709 Buchhandlung und beziehen. vierteljährlich zu Zeittttigsspediiion für 2 !Nk. 80 Pfg.

2t».

Ptjtiulitt 1891.

RnechL Ruprecht. K. M. Zell.

Ein Berliner Weihnachtsbild von (Schluß.)

Frau Kühn

sagte nichts mehr.

Das Körbchen, welches die

enthielt, stand vor ihr; sie reichte es, ohne den Der schüttete Blick zu erheben, dem harten Gläubiger dar. — zwölf — — acht fünf den Inhalt um und zählte: „Eins — siebzehn — wirklich nur zweiundzwanzig, fünfzig — meine Tageskasse

Forderung also lange nicht gedeckt. Das kann doch nicht die ganze Tageskasse sein?" „Es ist die ganze," entgegnete die Witwe dumpf. Der Mann brummte noch allerlei mit unwirscher Miene in den Bart, nahm die zweiundzwanzig Mark, schob fünfzig Pfennig zurück und ging fast ohne Gruß davon.

Frau Kühn den Heimweg an. Nur mühsam schleppte sie sich weiter. Schwer lag es ihr in den Gliedem, und das in Sorgen und Grübeln zermarterte Hirn versagte gleichfalls den Dienst. Nur der eine Gedanke kreiste

Bald trat

auch

darin: In drei Tagen ist Weihnachten — und die Gemüse¬ händlerin hatte noch nicht ihr Geld!

Am nächsten Tage waren die Straßen und Plätze Berlins mit Glatteis bedeckt; die nasse Witterung war urplötzlich in scharfen Frost umgeschlagen, der sich von Stunde zu Stunde steigerte. Die Pelzhändler und Wollwarenfabrikanten auf dem Weihnachtsmarkt frohlockten, die Verkäufer von Spielzeug und Puppenkram machten lange Gesichter. Bei der Kälte blieben die Marktschlenderer, die so einen gemütlichen Bummel über den Weihnachtsmarkt aus alter Gewohnheit unternahmen und dabei allerlei Tand, auf den das Auge gerade fiel, einheimsten, gewiß zu Eilig, bis zur Nasenspitze vermummt, kamen

Haus.

die Käufer, um an den vorderen Buden so schnell wie möglich

ihren Bedarf zu wählen kaufstand

nicht

— leider

zu den vorderen.

gehörte Frau Kühns Ver¬ Die Tageseinnahme war

mithin kleiner als je, die Ausgaben aber bedeutend vergrößert.

denn bei so strenger Kälte mußte das Kohlenbecken, das die kleine Bude notdürftig wärmte, öfter als sonst gefüllt und auch öfter als sonst von den fliegenden Händlern eine Schale wär¬

menden Kaffees erstanden werden — sonst war man in Ge¬ fahr zu erstarren. Zusammengekauert, mit bleichem Gesicht und

gramvollen Augen, saß die Frau hinter ihrem Kram. Der mechanische Ruf: „Schöne Puppen, billig, kauft, kauft!" war längst leiser und leiser geworden, jetzt wollte er nicht mehr über die Lippen. Noch zwei Tage — die Miete zusammenzubringen, daran war nicht mehr zu denken! Aber die zwanzig Mark für die Gemüsefrau, die mußten herbeigeschafft werden, mußten! Puppe hier, liebe Frau?" tönte da eine milde Stimme und weckte sie aus ihrem dumpfen Noch nie¬ Hinbrüten. Sie fuhr auf — die große Puppe! vor ihr ein stand nun und gefragt, darnach mand hatte bisher recht blickte und gehüllt, ältlicher Herr, in einen großen Pelz

„Was

kostet denn die große

freundlich erst die Puppe und dann sie selber an.

— mit dem blauseidenen Hut, die meinen sie ungläubig, verwirrt. stammelte der Herr doch?" — ich sehe keine große weiter," entgegnete „Nu freilich

„Die

große

der vornehme Källfer gemütlich. „Die — ja die sollte eigentlich fünf Mark kosten" — „So. Nun, dann wickeln Sie mir das Ding ein bischen

— ein, denn anders kann ich doch tiicht gut mit losziehen" Weise langte behäbigen freundlich und immer in der gleichen, er die Geldtasche hervor und legte ein Fünfinarkstück auf den Tisch.

Frau Kühlt glaubte zu träumen.

Er nahm

sie,

nahm sie

und zahlte den hohen Preis, ohne zu handeln. — nun mochten mit der übrigen Kasse zusammen Fünf Mark

wirklich —

'S

146

ihr auf der Seele brannten, ja wohl — und mit zitternden Händen, ohne noch ein

die zwanzig Mark, die

letzter Stunde ihre Einkätlfe, die meisten aber, fast ausnahms¬

erreicht

los Angehörige der niederen Stände, kamen, um hier auf ihre Weise durch harmlos übermütiges Radaumachen Christabend

sein

Wort hervorbringen zu können, hüllte sie die Puppe ein und Käilfer hiit, mit einem Blick, der diesen stutzig

reichte sie dem

zil feiern.

machte.

nicht atr Frau Kühns Bude.

„Wohl schlecht Geschäft diesmal auf dem Weihnachts¬ markt?" fragte er teilnehmend.

Von bben umzog

Sie

zuckte die Achseln.

„Die Kälte

machts

und

'

die

Zeiten und die sollte Weihnachtsmarkt Der schlechten

Fünfzigpfennigbazare, lieber Herr. aufhören, denn es ist nichts mehr damit." „Aber wo wollt Ihr Eure Puppen dann feilbieten?" Sie schallte mit starrem Blick ins Leere. „Weiß ich's? Vielleicht gar nicht mehr — es wäre auch

das beste!" Der alte Herr sah mit zusammengekniffenen Lidern for¬ schend zu

ihr hinüber.

„So, so! Na, verzagt nicht, Frau! Immer frisch zuge¬ griffen — geht's mit dem einen Erwerb nicht, muß sich ein anderer finden. Gott befohlen!" Er ging, und sie blickte ihm müde nach. „Frisch zugreifen — andern Erwerb!" murmelte sie bitter nach. „Ja, wenn man alt und stumpf und abgehetzt ist, ohne Mittel und Hülfsquellen, ohne Obdach — denn Neujahr wird's mir doch genommen — frisch zugreifen — das sagt sich leicht!" Dann zählte sie ihre Kasse, es waren nun wirklich zwanzig Mark darin, der Erlös von drei Tagen. Gott sei Dank! Die Gemüsefrau wollte ja heut ihre Arlteste schicken, dann konnte sie ihr gleich das Geld mitgeben. Bald darauf kam auch das Kind, froh uiib trotz der Kälte mit glühenden Wangen, ein Körbchen am Arm, in dem es die kleinen Geschenke für Ellern und Geschivistern geborgen. Die Sparbüchse war aller¬ dings zu diesem Zwecke geleert worden, aber was that das? Dafür würde es heut abend auch Freude und Jubel im Kellerstübchen geben.

Frau Kühn versenkte die zwanzig Mark sorgsam in die Tiefe des Korbes und schenkte dann dem Kind die besten Puppen, welche noch auf Lager waren, für sich selbst und die Geschwister daheim. Das Mädchen, froh überrascht, wollte sie erst tiicht nehmen, obgleich die strahlenden

Augen die hübschen

Puppen gleichsam liebkosten.

„Die Mutter wird schelten — ich darf nichts Geschenktes heimbringen," meinte sie. „Sag nur Deiner Mutter, daß die Puppen keinen Wert mehr für mich haben," beruhigte Frau Kühn das Kind. „Es ist Christabend, was bis jetzt nicht verkauft wurde, bleibt auf Lager und ist bis zum nächsten Jahre verwittert. Zudem — ja, ja, ich gedenke das Ptippengeschäft ganz aufzugeben. Und nun geh nach Haus und sag Deiner Mutter noch einmal tausend Dank für die Hülfe und feiert frohe Weihnachten." Sie küßte das Kind, das, nun aller Skrupel ledig,'selig davon sprang.

Die Witwe füllte das Kohlenbecken frisch,

sachte die

Glut

und kauerte wieder auf dem Holzstuhl nieder. Die Dämmerung brach an, all die tausend Lichter in Buden und Laternen flammten auf, vom nahen Dom tönten vier Schläge — Christabend! Das Getümmel auf dem Markt ward größer und geräuschvoller denn je. Viele besorgten noch jetzt in an

Nach Puppen wurde nicht mehr gefragt, wenigstens sie

Die Witwe

saß

und träumte.

erstarrende Kälte, von unten her stieg

Wie das Tosen der frische Kohlendunst empor. einer fernen, fernen Brandung klang das Lärmen um sie her an ihr Ohr, und ein eigenartig wohliges, dämmerndes Empfin¬ den beschlich die Träumende und spann sie ein. Sie saß nicht mehr in der zugigen Bude auf dem Weihnachtsmarkt und bot ihre Puppen zum Verkauf, die niemand mochte, sondern sie sah sich im behaglichen Stübchen vor brennendem Christbaum,

betäubend

niit Mann und Kindern frohe Christtiacht feiernd. Und die Kleinen umhalsten sie und schmeichelten: „Wo warst Du denn lange. Mütterchen? Wir haben uns so nach Dir gesehnt! Und nun mußt Du immer bei uns bleiben und nie mehr Puppet! verkaufen in Sturin und Regen und Kälte auf offenem Markt." Und ihr Gatte nickte dazu ernsthaft und bestätigte: „Nein, nie mehr Puppen verkaufen." „Aber der Wirt — die Miete" — bebte es von den blassen Lippen der Träumenden. so

„Ach, der

Wirt",

lachten die Kinder, und die Frau

be¬

Flügel an den Schultern hatten. „Wenn Du bei uns bist, kann er Dir nichts mehr thun — wir tragen Dich fort, weit, weit" — und sie hoben sie empor, und deutlich fühlte die halb Bewußtlose die schwingende Be¬ wegung, als ob sic auf Flügeln sanft davongetragen würde — wohin? Ins unbekannte Land, zu den Kindern — und schwächer und schwächer tönte das Brausen des Marktes in ihr Ohr — natürlich, sie flog ja fort, weiter und weiter. — „Ist es möglich — sieht denn wirklich niemand, daß die merkte jetzt erst, daß sie große

Frau hier dem Erfrieren oder Ersticken nahe? Schafft Hülfe, Leute! Die Thür zur Bude auf — die Aermste rührt sich nicht mehr." Ein ältlicher Herr im Pelz rief's vor Frau Kühns Bude und veranlaßte dadurch, daß sich sofort ein dichter Menschenknättel um ihn staute. Die Verkäufer aus den Nachbarbuden kamen herbei und versuchten über den Verkaufstisch

hinweg, auf dem die Puppen zusammengeworfen lagen, mit kräftigen Armen die Frau zu rütteln — nichts weckte sie aus ihrer Er¬ starrung. Dann sprengte man die Thür der Bude, und der alte Herr war der erste, der sich durch das Gedränge Teil¬ nehmender und Neugieriger Bahn brach, ein wollenes Tuch vom Halse riß und damit Antlitz und Hände der Bewußtlosen zu reiben begann, während andere ihr Wasser ins Gesicht sprengten und die Lippen mit Branntwein feuchteten. Und damit ward der Witwe Flug ins unbekannte Land jäh unterbrochen und sie etwas unsanft zur Erde zurückgeführt. Mit tiefem Seufzer schlug sie die Augen auf. „Mein Mann — die Kinder" — lispelte sie. „Ach was, Dummheiten habt Ihr gemacht!" fuhr sie der alte Herr nicht eben glimpflich an. „Ahnte ich doch so etwas, als ich heut die Puppe für mein Enkelkind kaufte und Euer verstörtes Gesicht sah. Es ließ mir keine Ruhe, und vom brennenden Christbaum und aus dem Kreis der Meinen stahl ich mich heimlich fort, nach Euch zu sehn — Thörin, die Ihr seid!" „Wen geht's was an?" fragte die Frau trotzig zurück.

147

„Wer wird

mir fragen, wenn mich Neujahr mein Wirt — ob ich dann oder jetzt erfriere, gilt

auf die Straße Sie freilich sind gut, Herr —" fügte sie doch wohl gleich. „Sie haben mir die teure Puppe abgekauft, weicher hinzu, so daß ich endlich der Gemüsefrau die geliehenen zwanzig

über eine sehr geringe Trefffähigkeit zu klagen hatte. Jeder Büchsenmeister konstruierte anfangs seine besondern Feuerwaffen und sein besonderes Pulver und hiitete die sich ihm aus der Erfahrung ergebenden Konstruknonsgrundsätze als sein Privatgeheimnis, dem er sein räglich Brot, seine

Mark" —

Existenz verdankte.

nach

setzt

„Ach was." rief der alte Herr dazwischen, „hört auf mit Eurem Puppenkram, der nichts einbringt, wie ich nun schon sattsam von Euch heraus habe. Müssen's denn gerade Puppen keine andere Arbeit? Und mit Wirt und Miete sei», giebl's

Ihr Euch auch nicht plagen, falls Ihr allein steht, wie vermute — nehmt irgend einen Posten an, der Euch Woh¬ nung und Kost und Lohn bringt, dann seid Ihr aus aller

braucht ich

Not." „Das sagt

sich

leicht

— wer nimmt

eine schwächliche

Person von fünfzig Jahren in Lohn und Kost frische, junge



da giebl's

Kräfte" —

„Nein, scharwerken und waschen und scheuern werdet Ihr allerdings nicht mehr können. Aber nähen und flicken, wie mir scheint — ich habe ein großes Hotel und brauche eine Schaffnerin, welche die Wäsche in Ordnung hält — könnt Ihr das leisten? Ja — nun gut. Dann macht aber auch sofort Eure Bude zu und kommt." Staunend, zweifelnd, betäubt stand die Frau da. Dann stürzten Thränen aus ihren Augen, und sie haschte nach der Hand des alten Herrn. „Mein Wohlthäter — ein Wunder!" stammelte sie. In

her natürlich

auch

Heutzutage machen es ja die Staaten noch

ähnlich!

Als mau später infolge der Fortschritte der Technik die Armbrust verwarf, rüstete mau doch noch lange nicht jeden mit Feuerwaffen ans. Noch 1570 bestand nach dem Beschluß des Reichstags zu Speyer, der auch für Berlin maßgebend war, ein Fähnlein von 500 Fußkuechten aus 50 Mann mir langen Spießen, 50 Mann mit Schlachtschwerteru unb kurzer Büchse am Gürtel, 100 Mann mit langen Spießen und kurzem Feuerrohr, 100 Mann mit ganzer Rüstung, Armschienen und Panzerärmeln, 200 Hakenschützeu. Noch 1508 war ein Teil der BerlinerBürger mit Streithämmern und noch 1623 bei einer Musterung von dem 1163 Mann starken Bürgercorps der Städte Berlin uild Cölln außer 41 Ziminerleilten 498 Mann mit Feuer¬ waffen, 269 Mann mit Piken, 355 Mann mit Hellebarden bewaffnet.

In demselben Jahre

wurden statt der Hellebarden Musketen

beschafft, die Pike dagegen blieb noch zur Zeit des Großen Kurfürsten die Waffe von einem Drititeil des Fußvolkes, da Die Pikeniere, der Kern des sie sich vorzüglich bewährte.

demselben Augenblick tönten vom

schweren Fußvolks, gebrauchten die sehr — beim Leibregimenl m — lange Waffe, indem sie, wie der Kurfürstin über 4

klänge, die Christmesse begann.

ich etwas abschweifend bemerken möchte,

Dom hernieder feierliche Glocken¬ „Vom Himmel hoch, da komm ich her", klang es in machtvollen Tönen hervor bis ins Ge¬ tümmel des Weihnachtsmarktes hinein. Und die Menschen vor Frau Kühns Bude warfen die Mützen in die Luft und ließen den alten Herrn hoch leben, der eben mit einer Droschke kam, die erschöpfte Frau mitzunehmen. Die Mühe ließ er sich nicht nehmen, sie bis ins Gefährt hineinzutragen. Als der Schlag zufiel, rief eine frische Knabenstimme: „Hurra, det Männeken im Pelz soll leben! Knecht Ruprecht hat sich heurige Weih¬ nachten nobel als Hotelbesitzer rausstaffiert, aberst wir kennen



ihn doch Knecht Ruprecht soll leben und seine olle Puppenfran daneben!"

Das wehrhafte Derlin. Von

©mtrctb Staostterr,

Major

a.

D.

(Fortsetzung.)

Wie hinsichtlich der Wehrpflicht, so ist auch in Bezug auf die Bewaffnung, Ausrüstung und Zusammensetzung der Stadttruppen bis zur Einrichtung des stehenden Heeres nur eine sehr langsame Entwickelung der maßgebenden Grundsätze be¬

merkbar.

Trotzdem die Bürgerschaft die Vorzüge der Feuerwaffen

ivohl erkannt hatte, behielt man doch neben ihnen im 13. und 16. Jahrhundert noch die Armbrüste bei. Nicht mit Un¬ recht hielt man damals die letzteren für sicherer treffend, da man es noch nicht verstand, die. Zusammensetzung des. Pulvers, sehr

der Pulverladung, die Gestalt und Schwere der die Konstruktion der Feuerwaffen so genau gleich¬ mäßig und richtig herzustellen wie in späteren Zeiten, und da¬ die Größe

„das untere Ende der Pike an den zurückgestellten, rechten Fuß, zugleich aber mit der linken Hand an das vorgebeugte, linke Knie fest an¬ stemmten, während die rechte Hand dem andringenden Feind Bei der Mannig¬ den gezogenen Pallasch entgegen*) hielt." faltigkeit der Waffen mußten seil 1623 jedem Bürger die von ihm zu führenden und zu beschaffenden genalt vorgeschrieben

werden. Im Rathaus-Archiv befinden artige Bewaffnungsverzeichnisse.

sich

noch mehrere der¬

nach der die Bürger in Händen hatten, Heergeivetle, Schwert, das nur Rüstung und die andern Waffen aber von der städtischen Rüstkammer im Bedarfsfälle empfingen, war — wohl nach Einführung der kostspieligeren Feuerwaffen zur Entlastung der Kämmerei-Kasse — verlassen worden. So bestimmte Joachim I. am 18. Juli 1515, daß jeder Bürger „seinen Harnisch, Langrohr und

Die ursprüngliche Ausrüstungsweise,

Wehr rüstig halten solle und alle Zeit zur Wehr geschickt sei." Diese Selbftbeschaffung der Waffen blieb von jetzt an Jahr¬ hunderte lang im Brauch, und noch am 7. Mai 1705 machte Friedrich I. der Bürgerschaft zur Pflicht, „daß jeder, der Bürger werden will, sich eine Flinte, Degen und Degengehenk anschaffen und sich damit präsentieren, auch sonst nicht zum Bürgerrecht verstattet werden soll."

Die Vollständigkeit und Brauchbarkeit der Waffen wilrde von Zeit zu Zeit durch Ratmannen und Büchseiuneister sowie von kurfürstlichen Musterungs-Kommissarien revidiert und vor¬ gefundene Mängel scharf geahndet. Auf den Rüstkammern verblieben jetzt noch die Trommeln, Pfeifen,^Fahnen und für den Notfall bedeutende Vorräte an

Geschosse,

*) v. Gansauge

d

brandenb.-preuß. Kriegswesen pp.

-€

148

Niistuiigeil und Waffen aller Arl, deren Beschaffung und In¬ standhaltung ebenso wie die der Geschütze und Munition all¬ jährlich bedeutende Summen beanspruchten und die Besoldung zahlreicher Zeugwärter, Büchseumeister und Handwerker not¬ wendig machte. Die alten Kämmerei-Rechnungen des StadtArchivs legen hiervon beredtes Zeugnis ab. Eine Uniformierung der Bürgermiliz hielt man nicht für notwendig. Eine gewisse Gleichmäßigkeit wurde ja durch Harnisch und Eisenhui erzielt und sonst unterschied sich Freund und Feind im Kampf durch Banner und Feldgeschrei. In den Feldzügen des Landesherrn trug vom Ende des 16 Jahr¬ hunderts ab das Berliner Kontingent mit dem übrigen Heer eine durchschnittene Uniform in den Hohenzollernfarbeu, auf der einen Körpechälfie schwarz, ans der andern weiß. Von 1627 ab erhielten die Brandeitbitrgischeu Truppen auf Ver¬ anlassung des Ministers Graf Schwarzenberg blaue Bekleidung. Blau ist seit dieser Zeit die Hauplfarbe der brandenburgischpreußischen-Uniform geblieben. Die Organisation der Bürgermiliz blieb bis zum 30jährigen Kriege die schon erwähnte, höchst einfache: Die Bürgerschaft jeder Stadt bildete ein Fähnlein unter einem Sladlhauplinann und 1—2 Fähnrichen und war in Viertel und Rotten unter Vierlelsmeistern und Rollmeistern eingeteilt. Nach der Tumultordnung von 1618 existierten damals Oberviertelsmeister, Viertelsmeister und Führer. Erst im 30jährigen Kriege machte die Verstärkung der Miliz die Bildung mehrerer Fähnlein, später Kompagnien ge¬ nannt, unter je einem Haupliuann und mehreren Officieren nötig. So werden schon 1623 drei Stadlhaupileute erwähnt. 1656 erhielt jede der formierten 6 Kompagnien je einen Hauplmaun, Lieutenant, Fähnrich, Sergeanten und Unter¬ offiziere, die sämtlich der Rat ernannte. Nur der von ihm erwählte höchstkümmaudierende Stadlhauplinann wurde vom Kurfürsten besonders bestätigt. War, wie wir gesehen haben, infolge der Selbstbeschaffung der Waffen und Ausrüstung durch die Bürger die Aufstellung des Fußvolks dem Rar erleichtert, so wurde ihm die Stellung des Reiierkonlingents mit der Zeit immer schwieriger, da die städtischen Vasallen sich ihrer Pflicht zur Gestellung von Reit¬ pferden immer mehr zu entziehen suchten. Nach vielen des¬ wegen geführten Prozessen beschwerte sich schließlich der Rat 1599 beim Kurfürsten; doch dieser erklärte, daß die Vasallen wegen ihrer Stadtgüter und Lehen dem Landesfürsteu ein „Reysig Pferd sammt einem Reysigeu Knecht und aller zuge¬ höriger Kriegsrüstung" zu stellen hätten, mehr aber voit lhneu nicht zu verlangen sei. Während Berlin uitd Cölln 1478 gegen Pommern 100 Mann zu Roß gestellt hatten, konnten sie gegen Ende des 16. Jahrhunderts nur 15 Pferde auf¬ bringen. Zu der Musterung 1588 erschien Berlin*) nur mir 8 , Cölln mit 4 Pferden statt 10. bezw. 5 Pferden, 1627 brachte ersteres gar nur 5, letzteres 3 Pferde auf, und zur Zeit des Großen Kurfürsten kauften sie sich auch von dieser Verpflichtung durch Geldabgaben frei. Aehnliche Schwierigkeiten machte die Stadt allmählich mit der Gestellung der 4spännigen Rüstwagen, die in den landes¬ herrlichen Feldzügen des 15. und 16. Jahrhunderts noch viel¬

im 16. Jahrhundert den immer zahlreichern Geschützen gegenüber sich nicht mehr halten fach zu Wagenburgen urid,

als

*) Riedel. Mark. Forsch. Bd.

diese

I. S.

365 u. ff.

)>

zur Fortschaffung Bagage benutzt wurden. konnten,

von

Heergerät,

Proviant und

Die Instandhaltung dieser Planwagen beanspruchte nach den Kämmerei-Rechnungen des 16. Jahrhunderts durch Er¬ neuerung der Wagenkörbe und Neubeziehen mit schwarzem Tuch, so wie die zu ihrer Bespamiung nötigen Pferde nicht unbedeutende Ausgaben. Es ist sehr erklärlich, daß die Stadt Und mit sich letzteren nach Möglichkeit zu entziehen suchte. Erfolg! 1588 stellte Berlin zur Musterung nur uoch einen 4 spännigen Rüstwagen, Cölln gar keinen*). Mit dem Begimi des 30jährigen Krieges verschwinden die Rüstwagen ganz aus den städtischen Rechnungen; man scheint sie durch Requisition

von Vorspannwagen ersetzt zu haben. Von der städtischen Artillerie erfährt man zuerst mit dem Jahre 1478 etwas näheres, in welchem unsere beiden Städte dem Kurfürsten zum Kriege gegen Pommern „2 Haubitzen und einen Büchsenmeister, der damit schießen kann," zu stellen hatten. Die späteren Musterungs-Protokolle des 16. und 17. Jahrhunderts führen dann unter anderem auch die städtischen Ge¬ schütze immer mit auf und zwar ein altes Kammerstück und 12 Kanonen, die Kugeln von 12 Loth bis 2 Pfd. 2 Loth schossen. Im 30jährigen Kriege hatte Berlin bei der Musterung im Jahre 1623 noch 4 große, 2 kleine Geschütze und 1 Kammerstück (Orgelgeschütz). Im späteren Verlauf des Krieges und nach demselben gab die Siadt ihre Stücke zum größten Teil dein Kurfürsten auf seilten Wunsch. Hierfür erbat sie sich in einem Schreiben vom 24.^November 1655**) Ersatz^aus

Spandau. Dies ist die letzte, von mir aufgefundene, aktenmäßige Erwähnung der Berliner Artillerie. Nach Einrichtung des stehenden Heeres ist von

Berliner

Doch erinnerte sich die Regierung geeigneten Zeiten der Verpflichtung

Geschützen keine Rede mehr. auch

später

Berlins,

noch

zu

Geschütze zu stellen.

der Armee ein großes Geschütz kasse

So hatte es z. B. noch 1716 zu liefern und die Kämmerei¬

für dasselbe 2717 Thlr. zu bezahlen. — Fragt man nun nach der Thätigkeit der bewaffneten

Bürgerschaft, so entsprach sie im allgemeinen wohl dem Gesetz des alten Stadtbuches. Die Bürger saßen in Notfällen vor den Thoren auf Wacht. Meistens reichte das zur Sicherheit der Stadt aus. Nach Unterdrückung der „Berliner Unwillens" Nur durch Friedrich IL waren ruhigere Zeiten gekommen. Albrecht mußte Berlin und Cölln 1478 unter vorübergehend sich Achilles mit 600 Mann zu Fuß und zu Roß, 2 Haubitzen, Rüstwagen und Knechten am Kriege gegen Pommern beteiligen,

und für kurze Zeit gelangte auch das Fehdewesen wieder zur

Blüte, als die Ritter nach dem Regierungsantritt des noch nicht 15jährigen Joachim I. um 1500 mit einem so jungen Herrscher schon fertig werden zu können glaubten; doch die Der junge Hohenzoller schritt mit unnach¬ sichtiger Strenge gegen die Fehder ein, und er wurde mit ihnen fertig. Nachdem er unbekümmert um die Rache¬ drohungen des Adels mehr als 70 Ritter und Knechte hatte hinrichten lassen, war wieder Ruhe und Frieden im Lande — wenigstens verhältnismäßig. — Sache kam anders.

Abgesehen von dem später zu besprechenden Unwesen der

Landskltechte und der Balger,

sowie von kleineren,

inneren Unruhen und Tumulteit wurden die Verhältnisse immer fried-

*) Riedel a. a. O. **) Stadt-Archio „Acta Militaria" Nr.

1220.

€ 150

S-

lidjer. Namentlich kann man dies der letzten Hälfte des 16. Jahrhunderts nachrühmen. Der Adel war unterworfen und beruhigt, die „letzten Fehder" und Mordbrenner, der Cöllner Bürger Hans Kohlhase und der Sachse Hans von der Drossel waren 1540 bezw. 1545 zum heilsamen Schrecken ihrer Spie߬ gesellen hingerichtet. Mit der Ordnung stellte sich eifrige Pflege

Aus des Königs strengen Mienen, Als er in dem Arbeitszimmer Vor der Staffelei verweilte. Nicht der Muße sanfte Nötigung, Die Natur in holder Schöne

von Künsten und Wissenschaften ein, Gewerbe, Handel und Verkehr standen in Blüte. Die das übrige Deutschland durchwühlenden Religionskämpfe und die Tiirkengefahr berührten die Mark direkt wenig. Für Uebung im Waffengebrauch sorgten nur noch die Fechischulen, Schützengilden und Waffenbrüderschaften; der von den Vorfahren ererbte kriegerische Sinn aber, der von der Ritterschaft noch in prunkvollen Kampfspielen, Lanzenstechen und Rennen gepflegt murde, der nur in Gefahren zu erprobende und zu stählende persönliche Mut ging der Bürgerschaft mehr und mehr verloren.

In

Daß dies den Landesvater, den persönlich so tapfern und ritterlichen Joachim II., mir einer gewissen Besorgnis erfüllen mochte, scheint mir sehr wohl glaublich Hauptsächlich wohl die Befürchtung, daß die zu behäbig gewordenen Stadttruppen seines Kriegsheeres ernsten Gefahren nicht gewachsen sein könnten, nicht, wie behauptet wird, nur Vergnügungssucht war es, die den Kurfürsten zu einer ganz eigenartigen Friedens¬ übung, zur Veranstaltung des sogenannten „Knüttelkriegs" veranlaßte. Die Bürgerschafl Berlins sollte in voller Rüstung, etwa nach Art unserer Manöver, aber mit Stangen und Knütteln bewaffnet, Spandau erobern. Drei Tage lang fochten auf der einen Seile die Bürger Berlins, aus der andern die von Spandau auf Kähnen gegeneinander. Ununterbrochenes Ge¬ schützfeuer von den Wällen Spandaus und die Pauken und Trompeten mehrerer Musikcorps mußten den kriegerischen Lärm erhöhen, zahlreiche Rettungskähne die infolge ihrer Ungeschick¬ lichkeit ins Wasser Gefallenen auffischen. Am dritten Tage hatten sich die Spandauer zurückzuziehen und beide Parteien die Kähne zu verlassen; am vierten sollten dann die Berliner die Spandauer in ihre Stadt zurücktreiben. Doch das Ehrgefühl' der Spandauer mochte sich dieser Spezialidee nicht fügen. Sie brachten unter Anführung ihres listigen und schneidigen Bürger¬

Bier die Berliner durch verstellte Flucht aus ihrer Schlachtordnung und fielen ihnen unerwartet in den meisters Barthel

Rücken. Diese nichl programmmäßige Ueberraschung erregte beide Parteien aufs höchste und veranlaßte sie zu einer gro߬

artigen, fürchterlichen. Prügelei. Vergeblich waren alle Be¬ mühungen, Frieden zu stiften, vergebens sprengte der Kurfürst selbst unter die Kämpfenden, um sie zu beruhigen; er wurde in der Verwirrung nichl beachtet. Sein Pferd, auf das un¬ barmherzigste geschlagen, warf ihn ab, und er entging selbst nur mit genauer Not den gewaltigen Streichen der sich prügelnden

Parteien.

(Fortsetzung folgt.)

Der Schulmeister von Wusterhausen. Von

D. Strrrrnhöfol. (Fortsetzung.)

X. Podagra, gestörte Nachtruh, Sorgen, Aerger über Undank, Menschenhaß und auch -Verachtung:

Alles dies sprach nächsten Tages

Nachzubilden, sie verklärend ein Kunstwerk umzuwandeln, Trieb den Fürsten an, den Pinsel Mehr mit Kraft als Kunst zu schwingen — Nein, es galt die Langeweile Eines trüben Regentages Durch Hantierung zu verscheuchen Und zugleich dem Wohlgefallen Am Monströsen nachzuhängen.

.

Vieles war ails solchem Anlaß Schon geschehen. An den Wänden Hingen wunderliche Bilder: Nackte Leiber, rot wie Krebse, Schwülstig, mit verzerrten Zügen, Meist Kopien, die das Urbild . Grausam *u verhöhnen schienen. Doch in allerschlimmster Laune Schuf der Herrscher ellenlange Grenadiere nach deni Leben. Thomas Fuhrmann stand ihm heute Als Modell. „Was lachst Du wieder?" Rief der Herrscher rauhen Tones; „Essigsauer sollst Du dreinschaun, Sollst nicht einen Finger rühren Und die Larve seitwärts drehen! weil nun: Thomas Fuhrmann mit Sich aller Kraft bemühte, Deni Gebote nachzukommen, Reute den Gebieter, baldig Seine Härte. „Diesmal hast Du Den Zinnober gut gerieben, Langer Laban," sprach er gnädig, Während er mit wahrer Wollust Brennend rote Farbentöne Seinem Bildnis ins Gesicht strich. Aber warum lachst Du wieder, Dummer Tölpel?" „Mein Herr König. Muß. sich lachen, denn die Nele

So!"-Und

Half'ja

den Zinnober reiben!" „Nele? Was ist Nele? Grimmig Sollst Du aus den Augen blicken! Was hat Nele mit deni Reiben Des Zinnoberrots zu schaffen?

Und wer ist sie?" „Na, die Nele, Die Herr König gestern abend An der Küchenthüre stehn sah,

Als

sich auch

„So, Du

dabei gewesen."

meinest diese plumpe,

Rote, fette Küchenpflanze? Doch was ist dabei zu lachen? Und Du scherst Dich, will ich raten, Um kein andres Frauenzimmer, Als um das für Dich bestimmte."

„Zu Befehl!"

sprach

Thomas Fuhrmann/



151

Starrte stumpf und blöde lächelnd Vor sich hin in dumpfem Sinnen.

Zweck- und ziellos hinzuleben. Und des Mannes Stolz und Würde

Und der mißgelaunte König

Ist

Schickte grollend ihn von dannen,

Saß dann in gedrückter Stimmung,

Mit

In

sich

selber unzufrieden.

dem Sorgenstuhl am Fenster,

Fluchte auf das Regenwetter. Fluchte auf die ganze Menschheit, Die aus Dummheit und aus Tücke Ihm Verdruß und Aerger machte. Plötzlich blitzten seine Augen Funkelnd Helle auf: wahrhaftig. Der Magister Wilhelm Wendstein Nahte festen Schritts dem Schlosse! Als der greise Kammerdiener

Meldung brachte, daß der Kantor Um Audienz gebeten habe, Gab der Fürst in böser Streitlust Scharfen Tones die Erwidrnng: „Gut, der Esel möge kommen!" „Nun, was bringt Er?" rief er mürrisch Seinem frühen Gast entgegen; „Will Er gnädig sich bequemen, Mein Gebot zu acceptieren? Denkt wohl, daß die Occasion sich Jeden Tages bieten werde? Der Calcül hat Ihn betrogen!" „Nicht der gnäd'ge Vorschlag Sires Führt mich her," sprach voller Ruhe Sich verneigend der Magister; „Hab in langen, trüben Stunden Reiflich hin und her erwogen. Was mein Recht und was mir Pflicht ist, Und ich stehe nun vor Sire Und erkläre: Die Behandlung. Die mir gestern widerfahren, War ein Unrecht, nicht noch einmal Möcht ich in die Lage kommen, Vor den eignen, lieben Schülern Als ein Narre dazustehen!" Hoch im Sessel aufgerichtet Saß der König, hörte staunend Diese stolz-bewußten Worte, Und der beiden Männer Blicke Kreuzten sich wie Schwertesklingen. Endlich sah der Fürst zur Seite, Und der andre nahm die Rede Wieder auf. „Wie Sire wissen, Ist mein Amt mir wert und teuer,

Und obwohl ich nur bescheiden Von dem eignen Können denke, Glaub ich. daß der Ernst des Strebens. Den ich offenkundig zeigte. Wenn nicht Lob und Preis, doch schlichte Anerkennung wohl verdiene. Denn in jeder Menschenseele Muß ein fester Schwerpunkt liegen: Das Bewußtsein, nicht vergeblich,

das Amt, das ihm verliehn ward. Des Erfolgs, den er errungen, Darf er frohen Muts sich rühmen.

Sire aber machten

gestern

Den Versuch, mein Selbstbewußtsein Zu vernichten, mich der Ehre Und der Achtung meiner Schüler Zu berauben, und ich glaube Recht zu thun, wenn ich fürs Küuft'ge, Mehr des Amts als meinetwillen, Größre Rücksicht mir erbitte!" Langsam hatte

sich

der Herrscher

Von dem Sorgenstuhl erhoben, Trat nun drohend vor den Kantor, Fragte mit verbissnem Lächeln: „Ist Er jetzt mit sich im Klaren, Wen Er vor sich hat, Herr Lehrer? Glaubt Er, daß ich Federfuchsern Rechenschaft zu leisten schuldig?

Heut noch pack Er Seine Sachen!" Festen Blickes sah der andre, Vornehm schier, auf den Gewaltigen, Dessen Zorn ihn Schwäche dünkte. Schritt alsdann, sich leicht verneigend, Nach der Thüre. Seine Haltung Reizte jäh den stolzen Fürsten, Und des wilden Hasses Dämon Blitzte hell aus seinen Augen.

„Halt!" gebot er rauh; „der Abschied Geht Ihm wohl nicht sehr zu Herzen? Habe Eines Ihm zu sagen Will fürs Künft'ge

Noch vergessen!

Nichts mit Ihm zu schaffen haben, Wen'ger noch mit seiner Buhlin.

Darum geht dieselbe heute So wie Er von diesem Orte, Und Er kann sie noch begleiten. Wenn's Ihm Spaß macht — bis zum Spinnhaus! Hört Er wohl: bis zu dem Spinnhaus!Ei, was steht Er denn und gaffet In das Blaue? Wird Ihm unpaß?

Ihm den Ausgang weisen, pomadigen Dem Philosophen?" „Sire!" rief der Lehrer bebend, „Was vernehm ich? Täuscht mein Ohr mich? Wie, mein liebes, gutes Mädchen Soll so harte Strafe treffen? O, mein Gott, das ist unfaßbar! Wohl vernahm ich von Luisen Soll

ich

Wirre Reden, als

ich gestern

Abend sie zuletzt gesprochen. O, die traurige War es denn so schweres Unrecht, Daß die Liebste meiner Bitte,

Begegnung-

Meiner heißen Bitte nachkam? Ach, seit langen, langen Tagen

War ihr Anblick mir entzogen!

■«

152

S-

Oder war es schweres Unrecht, Daß der Ceremonienmeister

Rief der andre, sich vergessend, „Daß Sie mir mit Schlägen drohe»?

Meines Armes Kraft verspürte?

Wagen Sie's! Doch gutes Recht ist Nicht die Macht, die Gottes Wille In des Fürsten Hand gegeben, Wenn der Untergebnen Rechte, Mannesstolz und Menschenwürde In den Staub getreten werden!" „Er Rebell soll jetzo schweigen Und sofortig mich verlassen!" Klang des Herrschers Donnerstimme.

Uebersiel er doch das Mädchen

Wie ein lüstern frecher Schurke!" „Ah!" rief der Gebieter polternd, „Komnit die Wahrheit so durch Zufall An den Tag? Er Federfuchser Skandalierte hier zur Nachtzeit, Hat den Gründling durchgeprügelt? Gönn dem Schelme das von Herzen! Aber Seiner dreisten Dirne Hatt ich strengstens ordonnieret, Nicht von Hause fortzuschleichen, Und für diese letzte Frechheit Soll ihr flugs die Birkenrute Auf dem glatten Rücken tanzen!" „Gott, was that Luise Schönlein?" Fragte der Magister angstvoll; Uitd der Fürst rief voller Ingrimm: „Denkt Er, daß man sonder Rüge Seinen gnädigen Herrn und Fürsten Frech verklatschet und schändieret,

Wie's im Erlenbusch geschehen? Ward Tyrann, Despot betitelt, Und obskure Hofgeschichten Wurden schamlos ausgeplappert! Ja, ein Spruch nach dem Gesetze Würd auch Ihn ins Zuchthaus bringen, Weil Er schlaffen Sinns gelitten, Daß der Hochverrat verübt ward. Schon daß Seine dreiste Dirne Meinem Willen widersprochen Und trotz ihres Vaters Bitten Ihm, dem lahmen Tintenklexer Nachgelaufen, war verwerflich. Und sie soll es jetzo büßen Nach dem Recht!/|—

Er aber

scher sich,

Weiß nun alles!" „Leider Sire!" Sprach der Lehrer, seine Stimme Bebte merklich vor Erregung; „Ob ich je begreifen werde, Daß solch überstrenges Urteil Mit dem guten Recht vereinbar,

Glaub ich nicht!" „Er soll sich scheren! Was weiß Er vom guten Rechte?" „Sire, jeder trägt — der König Wie der Bettler — tief im Herzen Das Gefühl für Recht und Wahrheit. Unsre Thaten und Gedanken Liegen wie auf feiner Wagschal Vor dem Blick des Unsichtbaren, Der die Stimme des Gewissens

In

die Menschenbrust gesenket.

.

."

„Schweig Er still!" gebot der König, „Ward als Pastor Er berufen? Soll ich Ihm das Deklamieren Mit dem Krückstock abgewöhnen?" „Bin ich denn ein Hund, ein Sklave,"

Doch den Kantor riß der Eifer

Vollends hin, und trutzig stand er, Rief die schnellen, dreisten Worte: „Gott im hohen Himmel richtet Ueber Recht und über Unrecht. Und ich will und muß hier künden, Was die Seele heiß erreget! War's doch einmal mir vergönnet,

Ihrem Herzen nah

zu treten, Und ich sah dort menschlich Fühlen, Sorge, Not und Pein und Reue, Wie beim ärmsten Mann des Landes! In der Stunde, die ich meine, Dachten Sie des eignen Sohnes, Dessen trauerschweres Schicksal

Tausend Herzen noch beklagen. —

Sire, kein Befehl, kein Machtspruch Wird auch des Gewissens Stimme Ob des ungerechten Urteils Wider meine Braut beschwichtigen! Reue wird Ihr Herz erfaffen; Vor dem Streit in Ihrem Innern Werden Ruhe Sie ersehnen! Und wenn eine solche Stunde Schmerzlich-schwerer Selbstanklage Auch vielleicht noch lange säumet:

Sicher wird sie einmal kommen, Und der Pfarrer und der Doktor Wissen schließlich nicht zu raten, Wenn es gilt, das gut zu machen, Was der helle Zorn verbrochen.

Das sind Ihre eignen Worte; Sie enthalten herbe Wahrheit! Sire werden einsam stehen, Ohne eines Freundes Trostwort, Weil Sie nur den eignen Willen Gellen lassen und die Willkür Frevelnd zum Gesetz erheben. Selbst die gute, beste Absicht Wirkt zum Nachteil, wenn die Herrschsucht Nur den Zwang kennt und Befehl übt. Gott beschütze Sie, mein König! Doch des Höchsten weises Walten Lenke bald Ihr Herz zur Einsicht, Lasie deutlich Sie erkennen, Daß Sie widerrechtlich grausam Gegen mein geliebtes Mädchen, Grausam gegen mich verfahren!"

Inr Tiergarten zur Meihnartitsreit. Nach einer

Photogravüre'auS: „Rau, AuS dem Tiergarten'

154

-H3

Umritt in 8er Beujahrsnacht.

Nes Broken Kurfürsten

Ein Berliner Neujahrsmärchen von

eim

Grrst. Aornr. Sciinordorir.^) Ebell hob die Uhr auf dem nahen Nathaufe zum Schlagen alls, da langte ich in der Mitte der Brücke an. Die Nacht war sternenklar, nur wenige Wolken zogen am Himmel dahin, und eben verdeckte eine von ihnen den Mond, da hörte ich hinter mir ein Geräusch und drehte mich um. Dort, wohin ich blickte, erhob sich auf verwittertem Marmorsockel das Stand¬ bild des Großen Kurfürsten. Aber täuschte ich mich oder waren meine Augen geblendet? Auf dem Sockel war nichts zu sehen; gerade als die Uhr zwölf schlug, glitt ein mächtiger Schatten von ihm herab, und gleich darauf sah ich einen über¬ menschlich großen Reiter auf schnaubendem Roß aus dem Gitter heraus aus den Brückendamm einbiegen. Mein erster Schreck ivar nicht gering, aber als erfahrener Geisterseher faßte ich mich rasch und begriff, was hier vorging. Ich hatte immer gehört, daß in der Neujahrsnacht der Große Kurfürst von seinem Sockel herabstieg und einen Umritt durch die Stadt hielt. Ei. das traf sich prächtig für mich, und ich beschloß, dem Reiter zu folgen. Welch' eine majestätische Gestalt war das! Hell glänzte der Mondschein auf dem Panzer und ließ die mächtige Allongeperücke wie frischen Schnee schimmern. Ja, das waren die stolzen, gebieterischen Züge des Hohenzollernfürsten, die ich so oft im Bilde bewundert hatte, jetzt gewannen sie Leben, und das große, flammende Auge leuchtete herrlich unter den grauen Augenbrauen hervor. Der Gaul schien sich der Würde seines Reiters bewußt zu sein, denn er¬ hielt den Kopf hoch und setzte stolz ein Bein vor das andere.

Sonntags¬ kind wärest wie ich, so würdest bii gewiß aller¬ hand schöne Dinge zn du

ein

sehen bekommen, welche

anderen Menschen borgen bleiben, so das Leuchten eines Baumes, soviel bedeutet, daß unter ein Schatz vergraben liegt. ist

mir

schon ost

fehlte es mir im rechten Augenblick immer Spaten, um den Schatz zu heben.

ver¬

B. was ihm Das widerfahren, leider z.

gerade an einem

So brauchte man nur in der Nacht zum Totensonntag Marienkirche heranzugehen, als noch alle die alten

an die

grauen Hänschen um sie herumstanden, und es hübsch spukhaft ans dem Kirchhof war. Da konntest du gegen 12 Uhr nachts einen Lichtschein durch die Thür fallen sehen, und dann that sich diese auf: der Totentanz, der im Vorraum an die Wände gemalt ist, wurde lebendig und zog heraus; in langer Reihe ging es paarweise, um die Kirche herum und ein uraltes Sterbelied wurde dabei gesungen. Nun hat man die Kirche freigelegl, die Pferdebahnwagen rasseln in nächster Nähe vor¬ über, das gefüllt den Geistern nicht mehr, und die hohe

Der Kurfürst lenkte in die Burgstraße ein und blickte auf die alte Hohenzollernburg, in deren Fenstern der Mond silberne

Lichter entzündete. Dann bog der Reiter auf die KaiserWilhelmsbrücke ein. Ich folgte ihm heimlich und war ge¬ spannt auf die Wunderdinge, die da kommen sollten. Und fürwahr,, es schien, als regte sich etwas unter den grauen Mauern des Doms, dort in den Grüften, wo die Särge der allen Kurfürsten stehen. Das Wasser der Spree stieg rasch aus und warf Wellen empor, die sich kurz überschlugen und hell im Licht erglänzten: die Schwäne, die auf den Fischer¬ kähnen schliefen, erwachten, flogen auf, umkreisten lautlos den stummen Reiter und kehrten dann wieder an ihre Richeplätze zurück. Ueber den weiten Platz am Lustgarten ritt der Kur¬ fürst, und ich sah deutlich, wie er nach rechts herübcrgrüßte. Dort hält Friedrich Wilhelm III. hoch zu Roß, und ich be¬ merkte. wie er die rechte Hand an den Federhut führte, um dem erlauchten Ahnen für seinen Gruß zu danken.

Polizei würde solchen Unfug ohne vorher eingeholte Konzession So begnügr sich der Totentanz mit einem Umzug durch die dämmrige Kirche/ wozu die Orgel leise spielt. Wenn du ein Sonntagskind bist rind durch das Schlüsselloch auch kaum dulden,

guckst, so kannst du das

sprechen, sonst

alles sehen, darfst aber bei Leibe nicht

wird dein Haar schloweiß.

Aber von alledem will ich dir heute uichr erzählen, es würde dich neidisch machen, und der Neid ist eine reiht häßliche Eigenschaft. Wovon ich berichten will, das ist ein merk¬ würdiger Vorgang in der Neiljahrsnacht. Früher gab es solcher Wunder mehr in Berlin, aber da man all' die alten Häuser und Spukwinkel abreißt, wird dergleichen immer seltener. In den hohen, fünfstöckigen Häusern, wo das Gaslicht oder die elektrische Lampe die größte Helligkeit verbreitet, da fühlen sich die Geister und Kobolde nicht mehr wohl, nur in den alten Teilen der Stadt giebt es noch so einige wunderliche Dinge. Komm nun mit mir auf die lange Brücke, wenn es um die Jahreswende von den Türmen schlagen will! Du magst nicht? Du fürchtest dich? Nun gut, daun will ich allein hin¬ gehen, denn einem Sonntagskinde kommt das Gruseln nicht an. Nun höre, was ich darüber gu berichten habe.

*) Aus

Leipzig.

dem Werke

Verlag von

des Verfaffers:

„Neue Berliner Märchen" Preis 3 M.

Wilhelm Friedrich.

&•-

Weiter ging der Ritt über die Schloßbrücke, und mir als verneigteli sich die Figuren, die Krieg und Sieg darstellen, vor dem alten Helden. Jetzt hielt er vor dem Zeughause, dessen Thür sich wie mir einem Zauberschlage öffnete. Ich sah, wie der Kurfürst vom Pferde stieg und zu Fuß durch die weiten Räume schritt, die urplötzlich von einem geheimnisvollen Licht taghell erleuchtet waren. Da schritt er hin, der Sieger in so manch ruhmreicher Schlacht, vorbei an den Siegeserinnerungen glorreicher Nachkommen. Die Fahnen begannen leise zu rauschen, und ganz gedämpft klang, von einer unsichtbaren Kapelle gespielt, der Preußenmarsch durch das prächtige Gebäude. Oben in der Ruhmeshalle verweilte der schien,



-lg

155

Fürst längere Zeit, sprach mit seinen Feldherren, deren Büsten dort aufgestellt sind, und betrachtete das Gemälde, welches ihn auf seiner Fahrt über das Kurische Haff darstellt. Es mußte ihm das alles Wohlgefallen, denn er nickte zufrieden mit dem Kopf; dann bestieg er wieder sein Roß und setzte seinen Um¬ zug fort.

Als er hinüber

blickte nach Kaiser Friedrichs Palais, in wenige Fenster erleuchtet waren, glitt ein Zug welchem nur stiller Trailer über sein Antlitz. Viele Hundert Menschen wanderten in den breiten Straßen auf und ab, sich mit lauter Stimme ein vergnügtes Neujahr wünschend, aber niemand bemerkte den Reiter, der für alle unsichtbar war, nur nicht für mich. Jetzt ritt er an den Standbildern der Helden aus

huldvoll erhob er die Hand zum wie die Generale den Degen zogen und zum Salut vor dem erhabenen Kriegshelden senkten. Nur wenige Schritte noch, und er hielt vor dem Palais des alten Kaisers Wilhelm, das mit seinen weißen Vorhängen still da¬ lag, als ginge ein Traum vergangener Zeiten darüber hin. Als der Kurfürst vor dem Standbild des Großen Friedrichs hielt, da zog der alte Fritz seinen Dreispitz und rief ein ver¬ gnügtes: „Bon soir, eher bisaieul! u Und alle die be¬ rühmten Männer, die um den Sockel postiert sind, wie eine Schar Frierender um einen geheizten Ofen, zogen die Hände von den wärmenden Platten hinweg und streckten sie gleich¬ falls zum Gruß aus. Der Kurfürst ritt weiter durch die lärmenden Massen, welche das geisterhafte Roß behutsam teilte, ohne jemand zn verletzen. Reiter gab es am Kreuzuugspunkt der Linden und der Friedrichstraße genug, aber es waren keine Kurfürsten, sondern ehrliche preußische Schutzleute, welche vom hohen Pferd herab die Staatsraison vertraten, zuweilen in die Menge hineingriffen und regelmäßig gerade die unschuldigsten Fu߬ gänger erwischten. Der Kurfürst halte seinen Spaß daran, daß die guten Berliner noch gerade so lustig waren, wie zu seiner Zeit. Sicher trug ihn sein edles Tier durch das Getümmel zum Pariser Platz vor das Brandenburger Thor; als die vier Rosse dort oben den stolzen Rappen erblickten, bäumten sie sich hoch auf. und die Siegesgöttin hatte ihre Mühe damit, sie den Freiheitskriegen vorbei,

Gruß, und

ich sah,

zu bändigen.

Draußen lag der Tiergarten im hellen Moudenschein; die bereiften Zweige glänzten, als mären sie mit zerstampften Edelsteinen bestreut, aus der Ferne hörte man den klagenden Schrei der Käuzchen. Der einsame Reiter lenkte in die Frie¬ densallee ein und hielt geradeswegs auf das Siegesdenkmal zu, das sich scharf gegen den hellen Nachthimmel abhob. Die Viktoria da oben schien dem erlauchten Ankömmling entgegenfliegen zu wollen; bei ihren starken Leibesverhältnifsen kam

Sk

Flattern nicht hinaus. Das Roß klomm gewandt die steinernen Stufen hinauf, uitd der Fürst ritt um den mächtigen Sockel herum, die bildlichett Darstellungen betrachtend. Aber sie gewannen Leben unter seinen Blicken, die Gruppen bewegten sich, man sah alles, wie es in der Wirklichkeit gewesen war: Das Schlachtfeld glomm im Scheine brennender Dörfer, deren Flammen sich in dem Blut der Gefallenen widerspiegelten; man hörte das Aechzen der Sterbenden, die Fanfaren der Kavallerie, das Knattern der Gewehrsalven. Dann aber sah man die stolzen Sieger heimkehren, den Kaiser Wilhelm mit den Prinzen und Paladinen des Reichs, dem Generalfeldmarschall Moltke und dem eisernen Reichskanzler. Denen beiden winkle der Kltrfürst besonders huldvoll zu, tiachdem er den siegreichen Kaiser be¬ grüßt hatte. Dann lenkte er sein Roß über den weiten Platz, über den der eine jener gewaltigen Männer zum letzten Male gefahren, als er die Reichshauptstadt für immer verließ, und über den man unlängst den andern zur letzten Ruhe trug. Vor dem Generalstabsgebäude hielt der Kurfürst, wandte sein Pferd so, daß es die Front nach dem Hause nahm, zog sein Schwert, und es schien, als ließe er ein ganzes Regiment in Parade vorbeidefilieren, zu Ehren für beu greisen Helden, dessen geisterhafte Gestalt dort oben auf dem Altan sichtbar ward und sich bescheiden vor dem Fürsten verneigte. Jetzt schlug es in der Stadt dreiviertel auf eins; die Geisterstunde näherte sich ihrem Ende, der Reiter drehte sein Roß und setzte es in gelinden Trab. Ich hatte große Mühe, ihm so rasch zu folgen, und kam erst wieder zu Atem, als der Fürst, der einet! anderen Weg genommen, über den Mühlen¬ damm ritt. Dort hielt er einen Augenblick, besah sich die beiden häßlichen Steinklumpen, ivelche angeblich eine Zierde der Stadt bilden und deswegen stehen bleiben sollen, und als sie aber über ein unbeholfenes

er sie kopfschüttelnd betrachtet hatte, hörte ich, wie er ärgerlich

brummte:

„0

sancta simplicitas!

Was seynd

Vätter Quos ego! Der Himmel sey bedanket, daß Ich diesem affrösen Gerüinpele Meine schönste Seite zudrehe." Dann ritt er durch die Poststraße auf die Brücke zurück. Eben krähte in einem der vorsündflntlichen Gärten am Mühlen¬ damm ein Hahn, da hielt der Kltrfürst vor seinem Sockel. doch die

dieser guten Haubtstadt vor erloosete Schildbürger.

Hochaufgerichtet schaute er nach dem Schlosse, an dessen Fenster er eine in ernste Gedanken versunkene Gestalt erblickte, hob segnend die Hand gegen sie empor und schwang sich dann mit einem mächtigen Ansatz auf den Sockel. Laut schlug es von der Nicolaikirche eins, nnd starr und unbeweglich hielt wieder

das Reiterstandbild, eine eherne Wache der altenHohenzollernburg. Ich aber schüttelte mich frostig und eilte nach Hause, um die Erlebnisse dieser Nacht niederzuschreiben.

Kleine Mitteilungen.

Im Tiergarten

ftxv Mkeihnarfftsreit

betitelt

sich

die

wir mit gütiger Erlaubnis des Herrn Ver¬ leger? Robert Oppenheim dem in voriger Nummer besprochenen Werke von Otto Rau nach einer Photogravüre für den «Bär" haben in Zink ätzen lasten. Wir hoffen, daß unsere Leser beim Anblick dieser stimmungs¬

Illustration (S. 153),

welche

vollen, herrlichen Winterlandschast aus unserem Tiergarten unserm UNeil auf S. 144 voll und ganz beistimmen werden. Die photographischen Studienblätter Raus sind thatsächlich ein Prachtwerk, wie es sich das Berliner Haus nicht bester und wohlfeiler wünschen kann. Besonders wollen wir noch einmal darauf aufmerksam machen, daß dre Studienblätter auch einzeln für 1,50 M. käuflich sind.

In

Altertet aus der deutsirffen Rvilffshauptstadt.

der öffentlichen Sitzung der Stadtverorvneten-Versammlung erfolgte die feierliche Einführung des vom 17. Dezember d. Bürgermeisters Zelle durch den Oberbürgermeister v. Forckenbeck; gleichzeitig wurde der neu gewählte Stadtrat Heller feierlich eingeführt; in betreff der Höherlegung der Schleusenbrüche im Zuge des Mühlen¬ damms stellte sich die Stadtoerordneten-Versammlung auf Len Standpunkt des Magistrats und beharrte bei der DurchfahrtS-Höhe von 3,50 m. — der Vorhalle des Magistratssitzungssaales des Berliner Rat¬ hauses hat Prof. Hugo Vogel sein drittes großes Wandgemälde vollendet, welches die Besichtigung der Bauten in der Friedrichstadt durch

In

I.

König Friedrich Wilhelm I. darstellt. Im Hintergründe des Bildes, welches uns in die Mauerstraße, nahe bei der Leipzigerstraße, versetzt, erhebt sich die 1737 — 1739 aus königliche Kosten erbaute Dreifaltigkeitskirche. — Die Eröffnung der Tucherschen Brauerei in der Friedrichstraße erfolgte wir werden in einer der nächsten Nummern ein¬ am 15. Dezember d. gehend auf den eigenartigen Bau zurückkommen, der mit Einschluß der Baustelle rund 4 Millionen Mark gekostet hat. — Die früher Päpkesche, sog. Gehcimra tskneipe in^der Jerusalemerstraße, in welcher viele Jahr¬ zehnte hindurch Weißbier ausgeschenkt worden, ist jetzt zu einer Wärmehalle eingerichtet worden. E. G-.

I.;

Weihnachten 1812. Der Sonne letzte Strahlen Zucken im schmerzlichen Schein. Es fallen schon die fahlen Schatten der Nacht herein. Rings liegen Rußlands Felder Begraben in Eis und Schnee,

Kein Dorf und keine Wälder, Kein Weg und keine Höh'. Mit bleichem Silberschimmer

Zieht leise der Mond herauf, Er sicht nur zerschlagene Trümmer Beglänzt des Todes Laus. Wohl glühen Frankreichs Waffen Und Adler durch die Nacht: Die Träger sind entschlafen, — Zerschellt die stolze Macht. Die Geister indessen drangen Hinaus aus irdischem Weh, Und Engclckiüre sangen: „Ehre sci'Gottun der Höh'!" Wer ist's mit preußischen Farben, Der aus dem Feld dort wankt? Er trägt der Ehrff Narben, Hat nie im Streit geschwankt. Des Eises Todeswaffen Turchdringcn das Heldenherz. Er sinkt,"als wollt er schlafen; Matt blickt er himmelwärts. Es tauchen ihm auf die Bilder Bon Moskaus gewaltigem Brand Und von so mancher, wilder Schlacht in dem russischen Land. Er denkt an goldene Tage, An Lieb' und Ehr' und Glück, An seines WeibeS Klage: Wann kehrest du zurück?

Sie fallet dem Knaben die Hände, Sie fleht zu Gott empor: Herr, unsre Schmerzen wende. Du, in der Ew'gen Chor!" Das Kind mit frommem Lallen

Tie Hände zum Himmel hebt,

Inder

aus Kirchenhallen Sich der Choral erhebt.

Der Sterbende hört süße Und sel'ge Melodei'n: Das mögen die letzten Grüße Der treuen Gattin sein. — „Kommt, Herr Major, ich bitte! Steht auf, kommt bort hinein!

In

der verlass'nen Hütte,

Da mögt Ihr sicher sein!" Ein treuer Krieger hebet Tod'matt ihn in die Höh'. „Kommt, Herr Major! Ihr lebet Nicht länger im tiefen Schnee! Besteigt dies Pferd. Gegeben

Hat's mir ein Kürassier. Er hauchte aus sein Leben, Und ließ die Zügel mir. Steht auf, daß ich Euch halte! Steht aus, mein teurer Herr!" — — „Laß ab, mein Sohn! Gott walte

Mil mir! Ich

kann nicht mehr.

Sag' meiner Feau, begraben Läg' ich ins Rußlands Eis, Sag' ihr, daß sie den Knaben

Und Licht umfloß die Wangen — Vollendet war sein Weh.

In

Tie Engelchöre sangen: „E,hre sei Gott in der Höh'!"

Unser Knchertisch. Die moderne Kühne und die Sittlirhüeit. Friedrich Jordan. Berlin 1891.

Preis

1

Von Dr. Karl

Verlag von Rehtwisch & Seelcr.

M.

welche hier insofern eine eingehende Besprechung vorzugsweise Berliner Verhältnisse berührt, erfreut durch den tiefen, sittlichen Ernst des Verfasseis. Seine Ausführungen gegen die sckilüpsrigen Stücke von Sardou und Genoffen, welche, wie Breslauer Bürger sich in einer Eingabe ausgedrückt haben, „das Gewissen abstumpfen, das Sckamgesühl ertöten und die Volksseele bis ins Innerste vergisten," sind uns aus der Seele geschrieben. Der Standpunkt, den der Verfasser jedoch Sudermann, Gerhart Hauptmann und vor allem Ibsen gegenüber einnimmt, ist sehr einseitig; er verkennt die sittlichen Grundtendenzen dieser Autoren, welche zweifellos die Morgenröte einer neuen Blüicperiode der dramatischen Dichtkunst sind; er verkennt vor allem das Wesen der Bühne, welche wohl eine moralische, jedoch keine moralisierende Anstalt ist. Backfische und unreife Jünglinge gehören überhaupt nicht ins Theater, und es darf dem Dichter nicht zu¬ gemutet werden, daß er nur Werke schaffe, welche von diesen gesehen D>ese Broschüre,

verdient,

als

sie

lichen Standtpunkt urteilt.

llcuc Öcrliner Jrtilärdjim. Leipzig.

Verlag von

E. Von

Gicht»!

Wilhelm Friedrich.

CK

Heinrich Schneidelll. Preis 3 M.

Diese Märchen für Erwachsene sind jedem Berliner aufs wärmste zu warme Vaterlandsliebe, fesselnde Dar¬ empfehlen. Tiefe des Gemüts, stellungsweise vereinigen sich in ihnen zu einem harmonischen Ganzen. Das einleitende Märchen „Kaiser Wilhelms Tod" wird jeden Leser aufs tiefste erschüttern. Zur Charakteristik deS Werkes haben wir mit gütiger Erlaubnis des Verlegers „des Großen Kurfürsten Umritt in dir Neujahrs¬ nacht" in unserer heutigen Nummer wiedergegeben. Es sollte uns freuen, wenn diese Besprechung recht viele Leser zur Anschaffung des billigen Werkes anregen würde: dasselbe verdient in der That die weiteste Ver¬

breitung.

Das HohenroUern-Museunr in Kerlin.

E.

Gr.

Von Paul kindm-

Iicrg. Berlin 1892. Verlag von Dr. F. Mertens L Co Dieses elegant ausgestattete Werk entbält in vorzüglichen Licht¬ drucken Ansichten aus dem Hohenzollern Museum: 2 Ansichten des Schlosses Monbijou, 2 vom Kaiser Wilhelm-Zimmer, das Kaiser FriedrichZimmer, die Zimmer König Friedrich Wilhelms L, u König Friedrichs I. u. II., des Großen Kurfürsten, der Königin Luise und die Porzellan-Gallerie. Der Text von Paul Lindenberg informiert in gedrängter Kürze, doch erschöpfend, über den Inhalt und die Geschichte des Museums. E. ß. Deutsche Heldensage für Jugend und Volk. Erzählt von Gu'st. Schalk. Illustriert von Herm. Vogel. Verlag von Fclir Lage!, Düsseldorf, Preis gbd. 8 M. Daß die deutsche Heldensage, jener reiche, unvergängliche Schatz, aus welchem unserm Volke eine unversiegbare Quelle belebender, Geist uno Gemüt befruchtender Lebenskrast strömt, bis heute noch immer eines wahrhaft volkstümlichen Interpreten ermangelte, der diese herrlichen Dichtungen für die Jugend, wie für die gesamten Schichten der Nation in einer wirklich genußreichen Form darzubieten Geschmack und poetische Gestaltungskraft besaß, eines fein empfindenden Erzählers, der aus diesem Jungbrunnen deutschen Gemütes ein Volksbuch in des Wortes wahrster Bedeutung zu schassen verstand, ist oft beklagte Thatsache. Um so freudiger ist die vorliegende „Deutsche Heldensage" zu begrüßen, die unserer Litteratur zur Zierde gereicht und bald ein Lieblingsbuch des deutschen Bolkes sein wird. Mit liebevollem Ernst und richtigem Verständnis für die gestellte Ausgabe hat sich der Verfasser in den Stoff versenkt, den er jetzt sorg ältig gesichtet, umgeschmolzen, geläutert und völlig neu umgeprägt Unsere großartigen epischen in poesieerhellter Gestaltung wiedergiebt. Nationaldichtungen, auf die der Deutsche mit Recht stolz sein darf:

II.

III.,

Walther und Hildegunde. — Nibelungen. — König Rother. — Gudrun. — König Ortnit. — Hugdietrich. — Wolsdi etrich. — Wieland der Schmied. — Dietrich von Bern. — Beowulf. — Roland. — Parzival. — Lohengrin. — Tann Häuser. — Herzog

Ernst — haben in dem Werke eine markige, jchönheitsvolle, echt volks¬ — r. — tümliche Darstellung gefunden.

Erzieh' nach der Vater Weis'!

DieSterneFrankreichssinkcn, Ich seh' zum Sieg Euch gehn. Seh' Deutschlands Waffen blinken, DerFrciheit Banner wehn!"—

In ärmlicher Stube sitzet Derweil sein'junge? Weib. ihrem Auge blitzet 'ne Thräne vor herbem Leid.

werden dürfen. Der Verfasser hätte seine sehr lesenswerte Broschüre die moderne Bühne und das Christentum nennen sollen, da er in derelben weniger vom künstlerisch-ästhetischen als vom ausgesprochen christ¬

Briefkasten. Die Fortsetzung der Erzählung „Im Frührot geankert!" von M. Frey, erscheint im „Bär" No 14. O. B. in Odcrbcrg i. M. Die Quadriga ans dem Brandenburger Thor hat in der That bis zum Jahre 1806 mit der Front nachCharlotlenburg zu gestanden, was zu der SpotlredeAnlaß gab, die Pferdeder-elben zögen den Sieg aus der Stadt. Erst bei ihrer Wiedcrausstellung im Jahre 1814 Der Widerspruch-wischen dieser That¬ wurde sie der S ladt zuge kehrt. sache und unserem Bilde auf S. 89 in No. 8 läßt sich nur dadurch er¬ klären, daß der Zeichner desselben, Ulrich Ludwig Wolf (1772 — 1832) kein Augenzeuge des Einzuges Napoleons in Berlin am 27. Oktober 1806 war oder denselben nur aus der Erinnerung zeichnete, ohne den geschicht¬ lichen Vorgang der Umkehrung der Quadriga zu berücksichtigen. Man findet Gleiches und Aehnliches oft bei zeitgenössischen Zeichungcn, und ein Blick in unsere illustrierten Zeitungen, namentlich ein Vergleich verschiedener Blätter, die denselben Vorgang darstellen, lehrt, daß auch unsere heutigen Zeichner es nicht sehr genau mit der geschichtlichen Wahrheit nehmen und ihrer Phantasie oft großen Spielraum lassen. Der „Bär" hat die be¬ treffende Zeichnung, wie aus der Unterschrift hervorgeht, aus Berners Geschichte des preußischen Volkes entnommen. — Eine eingehende Geschichte der Quadriga finden Sie in „Bär" XI. Jahrgang S. 70 von

R. ß.

Ferd Meyer.

Inhalt:

Knecht Ruprecht. Ein Berliner Weihnacht-bild von B. W. Zell, (Schluß); Das wehrhafte Berlin von Conrad Stähler,

Major a. D. (Fortsetzung); Der Schulmeister von Wusterhausen, von B. Sturmhösel. X.; DeS Großen Kurfürsten Umritt in der Neujahrsnacht von Gust. Heinr. Schneideck. — Kleine Mitteilungen: Im Tiergarten zur Weihnachtszeit (m. Abb.) Allerlei aus der Reichrhauptstadl; Weihnachten 1812. (Gedicht.)— Büchertisck — Anzeigen.

Hierzu eine Inleratm Beilage.

Für die Redaktion verantwortlich: Richard George in Berlin X. 58. — Abdruck ohne eingeholte Erlaubnis ist umcrzagl. Verlag: Fr. Zillessen, Berlin X., Schönhauser Allee 141. — Druck: Buchdruckerei Gutenberg, Berlin X., Schönhauser Allee 141a.

Unter Mitwirkung

Dr.

R. g er mattier, Dr. K. KrondicKo, Thoo-dor Fontano, Stadtrat G. Friodol, Ford. Uioaor, Gyiiinasialdirektor Dr. M. Sclitvarlz und Grttst tr. Mtidottt'rtrri) herausgegeben von

Friedrich Lilleffen

XVIll.

Der

^abraang.

„Sär"

M 14.

Richard George.

und

Buchhandlung und erscheint wöchentlich am Sonnabend und ist durch jede Postanstalt (No. 709 ), Zeitungsspedition für 2 INk. 50 Pfg. vierteljährlich zu beziehen.

2. Januar

1892.

Mrühroi geankeri. Wrzälzltma rrorn

M.

Frotz.

(Fortsetzung.)

Seit der brandenburgisch-preußische Adler auf der schwarz¬ weißen Landesfahne von den vollendeten Warttürmen der neu errichteten Feste herniederdrohte, hieß der große Friedrichsberg Groß-Friedrichsburg, und nicht mit Unrecht hatte der Gouver¬

neur den Namen umgewandelt.

Stolz und hehr, ein Bürge brandenbnrgischer Größe und Stärke, ragten, von südlich-üppiger Vegetation umgeben, die stattlichen Türme, Mauern und Zinnen an der afrikanischen Küste empor — ein Warnungszeichen für alle die, welche meinten, geringschätzend auf die kleine Macht Herabschauen zu dürfen.

war. brach eine schwere Prüfung über Groß-Friedrichsburg herein. Der Gouverneur erkrankte lebensgefährlich an einem ebenso bösartigen wie lang¬

Als der Bau der

Feste vollendet

wierigen Fieber und mit ihm ein großer Teil der brandenburgischen Besatzung.

Die

kaum

der

Taufe

enthobene

Burg

sah

schlimme

Zeiten.

Philipp Blonk mußte in aller Form

den

Oberbefehl

übernehmen, da Grüben nicht allein körperlich auf dem Siech¬ bett lag, sondern wochenlang auch sein Geist völlig umnachtet war — eine Eigentümlichkeit der schweren Seuche, welcher die

Brandenburger ratlos und entsetzt gegenüberstanden. Lila oder vielmehr Frau Maria von der Grüben, wie die Gemahlin des Gouverneurs seit ihrem Uebertritt zur christlichen

ehe sie sich dessen versehen, den braven Branden¬ burgern siedendes Gift in die Adern tröpfelte. Die Gattin des Gouverneurs allein besaß einige Gewalt über die entsetzliche Krankheit, deren Natur den Eingeborenen nicht unbekannt war, und welcher sie von Jugend auf in heil¬

heimlich,

XI.

Religion genannt wurde, war in dieser Zeit der

einzige Trost der verzweifelnden Besatzung, welche zuin ersten¬ male im Leben vor einem Feinde mutlos die Waffen streckte. Es war ein tückischer Angreifer, der versteckt heranschlich und

samen Tränken siegreich begegneten.

Da

die junge

Frau

jedoch selbstverständlich dem Gemahl

Sorgfalt zuwendete, so mußte sie, um die übrigen nicht hilflos schmachten zu lassen, einige ihrer Landsmänninen für den Krankendienst gewinnen. Das ivar eine schwere Auf¬ gabe. Die Kabusierweibcr, von der ältesten bis zur jüngsten, lagen im Banne dumpfen Aberglaubens, was im Verein mit die größte

ihrem uncivilisierten Auftreten den armen Leidenden manche Pein bereitete, so daß sie Lilas Erscheinen am Krankenbette stets wie eine Erlösung begrüßten. — Infolgedessen rastete die junge Frau wochenlang weder Tag noch Nacht in auf¬ opfernder Pflege. Als Belohnung für ihre edle Hingabe ward ihr die Freude beschieden, endlich, nach langer Zeit, bei dem Gemahl und dem größten Teil der erkrankten Besatzung die Wut des pestartigen Fiebers gebrochen zu sehen. Noch während der Rekonvalescenz drohte den Bewohnern von Groß-Friedrichsburg eine neue Gefahr. Heddp, der König zu Argpn, und die Bevölkerung von Adom halten sich von Anbeginn dem Bau der Feste, bei welchem ein Teil ihrer Landsleute sich willig beschäftigen ließ, sowie überhaupt der Gründung einer europäischen Kolonie auf Grüben ließ bisher dem Berge Mamfort lebhaft widersetzt. unbeachtet, aber als Drohungen versteckten und offenen ihre Groß-Friedrichsburg gelangte, daß nunmehr die Kunde nach ein Heer von drei bis viertausend Eingeborenen nach der brandenburgischeu Feste attfbreche, um dieselbe zu zerstören, da

---s

158

blickten sich Marwitz und Blank doch einen Augenblick bedeu¬ tungsvoll in die Augen.

mar der Gouverneur und die halbe Mannschaft kampfunfähig. Der Schiffshauptmann zählte sorgenvoll seine Streiter. „In beiden Schiffen und aus der Burg befinden sich zu¬ sammen kaum fünfzig brandeuburgi'che Soldaten!" äußerte er Noch

ernst gegen Eginhard. welche uns Treue geschworen erwiderte mutig der Freund. „Sei ruhig, Blonk, die prächtige Feste soll uns nicht entrissen werden. Bis zum Laß uns letzten Blutstropfen wollen wir sie verteidigen. diesen habgierigen Afrikanern gegenüber das Wort ergreifen, welches sie in die gehörigen Schränken zurückweist, die mächtige Sprache unserer scchspfündigen Kanonen, und Du wirst sehen, wie bald sie verstummen." Philipp Blonk war zwar weniger kampfbegierig und be¬ geistert als Eginhard; aber er traf nichtsdestoweniger mutig und entschlossen seine Vorbereitungen zur Verteidigung. Der in der Genesung begriffene Gouverneur raffle sich ebenfalls auf, um seine militärischen Kenntnisse in die Wag¬ schale zit werfen, und eine Anzahl der noch leidenden Krieger

„Aber zweihundert Neger,

haben!"

folgte dem Beispiele des tapferen Befehlshabers. Dennoch war die Anzahl der Verteidiger Groß-Friedrichsburgs verschwindend klein im Hinblick auf die wimmelnde, schwarze Blasse, welche, unfern vor einem kleinen Gehölz Halt machend, mit ihren Musketen zu feuern begann. Was der Besatzung jedoch an Zahl gebrach, ersetzte dieselbe durch Gewandtheit und kluge Berechnung, — Waffen, deren sich die Neger trotz ihrer ungeheuren Kopfzahl nicht im geringsten zu bedienen wußten. Unter fortwährendem, sinnlosen Gewehrfeuer rückten die dunklen Scharen gegen Groß-Friedrichsburg vor, so daß die Feste wie ein von Ameisen umworbener Baumstamm erschien. Da ließ Grüben in das dichteste Gewühl der unter wil¬ dein Geschrei Anstürmenden sein schwerstes Geschütz richten; Tod und Verderben sprühend, öffneten die metallenen Ungeheuer ihre feurigen Rachen. Voll Angst und Entsetzen aufheulend, wichen die Neger Bald verstummten sie ganz, wie Eginhard voraus¬ zurück. gesagt, und wenige Kanonenschüsse genügten, ihre wilden Scharen in toller Flucht auf Nimnierwiedersehen davonzujagen. Bei den neidischen Eingeborenen hieß die brandenburgische Feste auf dem Berge Mamfort fortan die „Zauberburg." — Grüben erholte sich von seiner schweren Krankheit sehr langsam und mühevoll. Als verschiedene Rückfälle seine voll¬ ständige Genesung in Frage stellten, da entschloß er sich mit schwerem Herzen, sein Werk im Stich zu lassen, um nach der Heimat zurückzukehren. Vorher jedoch knüpfte er trotz seines leidenden Zustandes noch Verhandlungen mit den Bewohnern von Accoda an, welche ihn wiederholt an sein Versprechen, sich ihrer erinnern zu wollen, mahnten. Für ein Pfund Goldes erkaufte der Gouverneur im Namen des Kurfürsten von ihnen einen kaum zwei Meilen ostwärts belegenen Berg, um daselbst von dem Kriegsbaumeister Schnitter die Dorotheeuschanze errichten zu lassen.

Diese, für den Mittelpunkt des Handelsverkehrs be¬ stimmt, wuchs bald schön und stattlich empor; sie bestand aus

s--

einem

festen

Hause

mit zwei Batterien, in welchen zwölf

Kanonen und ebensoviel Bemannung Aufnahme fanden. Desgleichen erteilte Grüben noch Befehl, zum Schutze des auf deni Vorgebirge der drei Spitzen belegeneu Waffen¬ platzes ein mit Geschützen umgebenes, starkes Gebäude zu er¬ richten. Der Ort hieß Tairann und war zwischen Groß-

Friedrichsburg und dem Dorfe Accoda gelegen. Weitere Pläne überließ der Gouverneur dem nunmehrigen Befehlshaber der Feste, Philipp Blonk, der sich voll Pflicht¬ eifer, seine Sehnsucht nach Weib und Kindern der Vaterlands¬ liebe unterordnend, den neuen Aufgaben unterzog. Eginhard von Marwitz blieb freie Wahl überlassen, bei dem Freunde auszuharren oder mit dem früheren Reisegenossen Heimat zurückzukehren. Nach kurzem Kampfe entschloß er sich zu ersterem. Er wollte sein Versprechen Elisabeth Blonk gegenüber bis zum letzten Augenblick treu erfüllen. Johannes Wendland war genötigt, auf Groß-Friedrichs¬ nach der

burg zu bleiben, bis der Kurfürst ihn zurückrief. Mit der Zusage, bei dem Landesherru um Ablösung der Freunde zu bitten, schiffte sich Grüben in Gesellschaft seiner Gemahlin und einer prächtig ausstaffierten Negerdeputation nach der Heimat ein.

Blonk, Eginhard und der Prediger gaben den Scheiden¬ den Geleit bis zum Hafen, wo sich auch Schiffshauptmauu von Voß zur selben Zeit in entgegengesetzter Richtung zur Weiter¬

fahrt

anschickte.

Auf der Kommandobrücke

des

„Mohrian",

an Lilas Seile

stehend, ließ Groben seine Blicke hinaufschweifen nach Groß-

Friedrichsburg.

Auf demselben Berge, wo bei ihrer Ankunft die Branden¬ burger starre Felsengipfel, Luschige Wälder und einzelne Palmengruppen, ein Bild wilder südlicher Landschaft gewahrt, erglänzte heute in goldenem Sonnenlicht das herrlich stolze Bauwerk, auf dessen schimmernden Zinnen die Landesfarben der Heimat winkten und grüßtet!.

In

Majors malte sich tiefe Be¬ wie Trennungsweh leuchtete aus seinen Bedeutungsvoll drückte er Blonk die Rechte. feuchten Augen. „Auf meines Landesherrn Geheiß habe ich den Anker ausgeworfen, und es ist mir mit des Höchsten Hülfe gelungen, Möge nun jeder, der über diese festen Grund ju fassen. prächtige Feste die Oberbefchlshaberschaft erlangt, den erhaben¬ sten Gedanken der Alleinherrschaft zum Ausdruck bringen. und

wegung.

den leidenden Zügen des

Etwas

er daneben bedenken, daß Ordnung, die Mutter des Gedeihens, und Liebe, der segnende Genius menschlichen Lebens, ihm alle Zeit auf seinem Wege nötig sind."

möge

Die Männer umarmten sich. Grüße und Wünsche für die Lieben in der Heimat nahm das Ehepaar von der Grüben bereitwillig von den Zurückbleibenden entgegen. Dann rauschte der schlanke „Mohrian," mit geblähten Segeln, von günstigem Winde getrieben, dem offenen Meere zu. Während die auf dem Schiffe Befindlichen mit den am Ufer Stehenden Grüße und Winke austauschten, erklang von der Zinne Groß-Friedrichsburgs ein erhebender Choral her¬ nieder. In die weihevollen Töne mischten sich die Kanonen¬ schüsse des enteilenden Fahrzeuges, denen ein letzter Gruß aus ehernem Munde von afrikanischer Küste antwortete. (Schluß sorgt.)

■«

159 !~

Das wehrhafte Berlin. Von

Cc»rrrrrd Staosilov, Major

a.

D.

(Fortsetzung.)

Bald darauf

setzte

die Nacht dem

Kampf und dem un¬

erwarteten Sieg der Spandauer ein Ziel. Doch ihre Siegesfrende war nur von kurzer Dauer. nicht beabsichtigte Jmprovision

Der gewaltig

Kurfürst nahm die übel und ließ Herrn Bier noch in der derselben Nacht arre¬ tieren. Nach einigen Monaten jedoch hatte sich sein im Grunde sehr wohlwollendes Gemüt wieder besänftigt; er ließ den ge¬ nialen Bürgermeister wieder frei, die anderen Spandauer Uebelthäter mit dem Schrecken davon kommen. Eine ähnliche Schlacht zur Belebung von Mut und Tapferkeit der Bürgerschaft ist jedoch nie wieder veranstaltet worden.

Die Kriegstüchtigkeit der letzteren scheint in der nächsten Zeit eine recht mangelhafte, ihre Ausbildung im Schießen be¬ sorgniserregend gewesen zu sein. Einen recht hübschen Be¬ lag hierfür liefert die kurze, trockene Notiz, die sich in der Cöllner Chronik (Heft 1 der „Schriften des Vereins für die Geschichte Berlins") über eine Inspizierung der Bürgerschaft im Jahre 1573 findet. Sie. lautet: „Am 24. August feint die Bürgere beider Städte gemustert und der Berlinische Haubtmaitn mit einem Ladstecken durch beide Backen geschossen worden." Bei so gemeingefährlicher Wehrhaftigkeit wurde es wohl dringend nötig, daß später vom Landesherrn für die Bürgerschaft Waffenübungen unter Anleitung und Oberaufsicht der Musterungs-Kommissare angeordnet wurden. So heißt es in einer im „Geheimen Staats-Archiv" aufbewahrten Bestallungsurknnde vom 19. Febr. 1598 für den Hauptmann der „Guardi" in Spandau, von Schönaich, daß er in mehreren Städten das „Muster-Ambt" übernehmen und der dortigen Bürgerschaft „Anweisung geben solle, wie sie sich ufn Fall der Nodt gegen den Feinde m die ordnnng schicke und Ire Rüstung, Wehre und Waffeit nützlich uitd zur errettitng Ihres leibes und lebens gegen den Feinde gebrauche." Auch der kurfürstliche Kanzler Distelmeyer sagt 1610 in einer Art von Vorschrift über die Abhaltung der Musterungen, die bei seinem Nachlaß im Geh. Staats-Archiv aufbewahrt wird,*) daß die in den Musterrollen aufgeführten bei der Musterung von denen, die sie geübt hatten, vorexerziert werden sollten.

Die hierbei gestellten Anforderungen waren nach der Vor¬ schrift außerordentlich bescheiden. „Anfangs," sagt Distelmeyer, „bringett man sie in ordnnng, fürett sie legen einander, machett bisweilen Pogen (?) und will auf die Seiten in die ordnung fallen. Vom exercitius" ist nicht mehr gebrauchet als halb herumb auf die rechte Handt, halb herumb auf die linke Handt, ganz herumb, Kerett euch zu mir. Wenn nian sie wieder ab¬ führen will, bringett man sie in Kreis und thutt aldo die abdankung."

Die Art, in welcher damals das Exerzieren der Miliz stattfand, geht hervor aus einem noch im Geh. Staats-Archiv**) vorhandenen, 1610 dem Kurfürsten von einem höheren Offi¬ zier***) eingereichten „Unvorgreiflichen Entwurff, wie das Land¬ *t

Rep. 25.

L.

t kr

so'. 49.

**) Rep. 24 B. 1b. ***) Dr. Meinecke, „Resormpläne

.

rettungswerk in der Chur Brandenburg dies- und jenseits der Oder anzufangen." Es wird darin vorgeschlagen, daß immer je 30 Mann allwöchentlich wechselnd von der Landesmiliz nach Berlin ein¬ beordert werden uitd täglich vormittags von 8—10 und nach¬ mittags von 2 —4 Uhr unter dem Trabantenhauptmann auf dem großen Saale oder in der Hofstube des Schlosses Griffe üben sollten. „Wann es aber 4 Uhr schlägt," heißt es dann, „soll er die Trummel rühren und sich alle zumal auf dem vordersten Platze versammeln lassen, hernach in guter Ordnutig erstlich 10 Muskel in 5 Paaren und dann 10 Pieker, endlich die übrigen 10 Muskel hinter einander fein nach dem Trummerschlag in den innersten Platz des Schlosses einziehen und sie einmal herummer gehen lassen, (also Parademarsch!) sie auch in Schlachtordnung stellen (die 30 Manu!) und etliche Stücke derselben Ordnung mit ihnen üben, auch wofern es der Herrschaft oder den jungen Herren oder Fräulein oder sonsten einigen Kranken utt zuwider, sollen sie eins, zwei oder drei mal mit Pulver, doch ohne Kugeln abschießen und so wieder in ihrer Schaarwacht ordentlich gehen." Für die Nacht sollten daun Posten vor den Zimmern des Kurfürsten und des Statthalters, sowie vor dem Stadtthor, dem Gartenthor und dem Thor bei der Apotheke nach dem Wasser zu ausgestellt und bei Tagesanbruch wieder die „Trummel" gerührt und die Posten eingezogen werden. Für das Scheibenschießen wird vorgeschlagen, daß der Kurfürst wöchentlich 1—2 Thlr. zur Aufmunterung aussetzt. Allen solchen Verbesserungsvorschlägeu setzten die Stände So wurde auch stets die größten Schwierigkeiten entgegen. aber vielleicht in mancher Hin¬ dieser Entwurf nicht eingeführt, Jedenfalls fand sicht bei der Berliner Bürgerschaft erprobt. 1610 ein regelmäßiges Exerzieren der Bürger statt, das ihnen gar nicht behagte. Der Kurfürst Johann Sigismund schrieb den 11 . November 1610 an seinen Kanzler,*) er habe mit Mißfallen erfahren, daß die Bürger der Residenzstädte, „wenn sie zu der ihnen selbsteu zum besten angestellten Uebung des Drillens beschieden würden, in gar geringer Anzahl kämen und sich auch insgemein also widersätzlich imö unartig erzeigen thäten, daß Sich die Befehlighaber in solcher gestaldt ferner nichts vorzustellen getraueten." Der Kanzler berichtete darauf am 17. November, daß die Bürger sich darüber beklagten, sie versäumten infolge des Exerzierens und der Verpflichtung, fremden Herrschaften auf¬ zuwarten, d. h. Ehrenposten zu stellen, ihr Geschäft, könnten bei der Teurung so schon nicht auskommen, nun sollten sie noch die „neuen wehre" bezahlen, und die Capilaine bedrohten „Etzliche wären bei den Uebungen sie noch mit Geldstrafen. Todt davon gehabt und lahm gedrillet, daß sie den also worden. Wie es auch mit dem schießen sehr gefehrlich, indeme etliche Weiber aus erschrecknuß gestorben. Zudem wehren sie nunmehr ziemlich darinnen geübt, daß man des wöchent¬ lichen exerziereus wohl nicht bedürffe. Bitten darumb, sie dessen ztl entheben." Diesen augenscheinlich übertriebenen Vorstellungen fügte der Rat der Stadt noch Klagen darüber bei, „daß er von denen, so die Wehren haben, kein schoß erlangen könnte, sondern sie würden dadurch wieder ihn, den Rat armiere: und animieret, und möchte einmahl, wie es denn unlängst ziemlich

*)

Geh. St.-Arch.

-6

160

St¬

etwas gefehrliches daraus entstehen." wöchentlich nur ein Viertel um das Er nach vollbrachter Uebung — zur lassen und zu aitdre üben Verhütung von Waffenmißbranch — die Wehren abzunehmen und an einen sichern Ort zu verwahren. Der Kanzler spricht sich auch gegen die bisherige Art des Exerziereits ans und sagt, „daß es mit den exerciis sich nicht thun lasse noch rathsamb sey. Auch dahin müsse gesehen werden, daß die, welche nichl gebraucht werden, den andern zu guttem kontribuirelen, die Muskerirer das Pulver bezahlen konnten, und wie bißweilen den exercirenden eine collation verreichet werde, damit sie desto mehr liebe dazu trügen

Diakonus Stiller veranlaßten nächtlichen Aufruhrs, bei dem vom Pöbel die rohesten Gewaltthaten verübt, der kurfürstliche Statthalter, Markgraf Johann Georg, durch einen Steinwurf am Bein verletzt, der Bürgermeister verhöhnt, die Sturm- und Alarmglocke der Peterskirche gezogen wurde, glänzte die Bürgertruppe durch Abwesenheit; ja sie versäumte sogar die bei gewöhnlichen Diebstählen sonst stets sofort angeordnete Maßregel, die Thore zu schließen, um fremdes Diebsgesindel an der Flucht zn hindern. Die völlige Unthätigkeit der Bür¬ gertruppe scheint die bereits erwähnte Annahme von neuen Soldaten**) für die „Tage- oder Thorwachen" und von 12 Nachtwächtern***) für Berlin und 6 für Cölln veranlaßt zu

und bey gutem willeit blieben." Die Uebungen scheinen dann bald wieder eingestellt und die Thätigkeit der Bürgermiliz auf den Wachldienst beschränkt

haben.

aus

der bahn gewesen, schlägt daher vor,

worden zu sein. Ueber die Art, in welcher der Wachldienst betrieben wurde, klärt uns eine im Distelmeyerschen Nachlaß gefundene Vor¬ schrift über die Bestellung der Wacht*) auf: Der 270 Maiiti starke Ausschuß der Stadt**) war zur Hälfte mit Musketen, zur Hälfte mit Spießen bewaffnet und

in 5 Korporalschaflen unter je einem Korporal oder Rotttneister, jede Korporalschaft wieder für den Wachtdienst in 6 Teile eingeteilt. Von letzteren zogen immer je 3 auf Wache, und zwar ein Teil unter dem Korporal für die Thore, zwei Teile unter „Befehlichshabere" für das Schloß. Die Wachtmanttschaflen sammelten sich abends 7 Uhr oder bei Sonnen¬ untergang vor der Wohnung des Fähnrichs, wurden dort vom Wachtmeister revidiert, mit der durch ihn vom Schloßhailpimann oder regierenden Bürgermeister erbetenen Losung bekannt gemacht und dann von einem Weibel oder Sergeanten „in guter Ordre mit Pfeiffen und trommel für das Rathaus

geführel," wo sie auf die einzelnen Wachen verteilt wurden. Die Wachthabenden hatten die Posten auszusetzen und Fremde, Die Thore die das Thor passieren wollten, zu examinieren. wurden abends vom Wachtmeister mit 2 Mann der Rathaus¬ mache geschlossen und morgens

geöffnet.

Nach Oeffnung der¬

selben konnte die eine Hälfte der Wachlmannschaften bis 12 Uhr nach Hause gehen, um dann die andre abzulösen.

Die

Re¬

vision der Wachen war bei Tage und bei Nacht vom Wacht¬ meister vorzunehmen, zur Aufrechterhaltuiig der Ordnung einbis zweimal eine Patrouille von 2 Mann durch die Stadt zu schicken. Bei Eintreffen der neuen Wache sollten schließlich „diejenigen, so die Wacht gehabt haben, sich ordentlich mit Jrer Wehr für die Cor de gnarde oder Wachlhaus presentiren und nachdem sie abgelöst worden, nacher Hauß gehen und ihre Wehre in giltter bereitschaft halten." Wir sinden hier ähnliche Grilndsätze, wie sie noch heute gelten. Die Vorschrift klingt ganz hübsch, aber in Wirklichkeit wurde der Wachtdienst in Berlin außerordentlich nachlässig be¬ triebet,, und bei inneren Unruhen scheint der Bürgerausschuß mehr an eigene persönliche Sicherheit als an das Allgemein¬ Während des 1615 durch den wohl gedacht zu haben. *1 Geh. Sk. Arch. Rep. 24. B. 1. a. fol. 50. Hier ist von andrer Hand und mit dunklerer Tinte das Wort „Crossen" eingeschaltet. Wenn die Vorschrift, was hiernach anzunehmen ist, auch nickt sür Berlin ausgestellt ist, so ist es doch sehr wahrscheinlich, daß der Dienst hier nach gleichen Grundsätzen gehandhabt ist, da es die einzige derartige in dem Nachlaß des Kanzlers gefundene Vorschrift über den Wachldienst ist.

**j

Die 1616 angeordneten „Artikelsbriefe und Eidesformeln" für diese Soldaten, die Nachtwachen und die Wachtmeister beider machen den Eiudruck. als ob die Leute in der nächsten Zeit einer etwas besseren Ordnung und Disziplin wie sonst üblich, unterworfen worden wären. 1618, am 17. April, wurde dann wohl eine neue, sorg¬ fältig ausgearbeitete Tumultordnung erlassen, in der die Alar¬ mierung und Verwendung des Bürgercorps genau vorgeschrieben wurde. Während des jetzt beginnendeti, in jeder Hinsicht de¬ moralisierend wirkenden 30jährigen Krieges aber verfielen doch Disziplin und Ordnung sehr bald wieder. Schon im Juni 1620 zeigte die Bürgerschaft keine Spur von militärischer Ausbildung und Disziplin mehr. Der Kurfürst Georg Wilhelm hielt sich damals in Preußen wurde in Berlin dilrch ein Geheimrats-Kollegium unter Vorsitz des Kanzlers Prnckmann vertreten. König Frie¬ ans und

von Böhmen hatte im Reiche seines Schwiegervaters Jacob I. voir England, ca. 3000 Mann, größtenteils in den Kerkern, den bequemsten Werbeplätzen, für sich anwerben und Der Haufe war auf seinem nach Deutschland schaffen lassen. Marsche von den Elbmündungen nach Böhmen Ende Juni in Spandau angekommen und schickte sich am 30. Juni an, um Berlin herum weiter südwärts zn rücken. Sie hatten bereits vielfach eine „auffallende Formlosigkeit in Anschaffung oder vielmehr in Beitreibung der für den Lebensunterhalt nötigen drich

Rohstoffe, sowie auch bearbeiteter Gegenstände" bewiesen und wenige Wochen vorher hatten noch die Plünderungen eines durchmarschierenden niederländischen Regiments den Märkern Als daher am die Freude an allen Durchzügen benommen. 30. Juni beim Aufbruch der Engländer ans Spandau infolge einer Anordnung des zweiten Landes-Kollegiums, der „Amts¬

kammer", die Lärmtrontinel die Bürgerschaft zusammenrief, be¬ mächtigte sich derselben eine ungeheure Aufregung; Haufen be¬ waffneter Bürger strömten nach dem Hause des Kanzlers Pruckmann und schimpften mit lautem Geschrei darüber, daß Hans Jürge von Jägerndorff, der frühere Statthalter der Mark, sich für die Steinwurfe von 1615 räche, ihnen ihre lutherische Religion tiehmen und darum die refonnierten Eng¬ länder auf sie loslassen wolle. Gleichzeitig wurden die Wachen verstärkt besetzt. Ueber diese Wachen berichtet der Kanzler*) sehr humorvoll: „Die Wache in Cölln wär von zween besetzt, die ihr Lebtage wohl keinen toten Menschen im Felde gesehen. Da war ein Trommelschlagen, Platzen und Schießen, auch

**) Geh. St. A. Rep. 21—24a. Berlin ***) My ius Tl. VI. I. 271.

und Cölln—1659,

-3

161

in beiden Städten di^ ganze Nachts durch, daß ihrer wohl wenige dieselbe Nacht werden geschlafen haben. Denn es war alles besoffen, was da?war! Der eine schoß die Lunte mit hinweg, dem andern entfiel derjLadestecken, dem dritten die Forchette, dem vierten versagte die Muskete zwei- bis dreimal, der fünfte steckte die Nase gar in den Aermel, wann er schießen wollte. Die damals geschossen hatten, konnten zu keiner Ladung wieder kommen; also voll waren sie. Die Pikenire trugen ihre Piken auch gar musterlich, zu geschweigen, daß sie solche sonsten zu gebrauchen sollten gewußt haben; Summa: man hat nur lauten Schimpf gehabt." „Wie es des Morgens drey schlug, liefen sie von der Wache ganz ungeberdig weg und die wiederum an die Wache sollten, waren nicht vorhanden. Da rannte der Kerl über eine Stunde herum und machte auf dem Kalbfell ein Gerassel, ehe er andre wieder zu Hauffe bringen schreien

Ek-

alltäglichen, spießbürgerlichen Gleichgewichte geratene Bürgerschaft zu beruhigen. Doch machten sich die Wachen des Gertraudschen und Leipziger Thores einen ehrenvollen „Abzug mit gerührtem Spiel, so wie sie ausgezogen weren", zur aus¬ drücklichen Bedingung dafür, daß jeder wieder zu seiner fried¬

dem

Beschäftigung zurückkehrte. Natürlich ging es auch hierbei nicht ohne neuen Lärm ab. Die Wachen zogen mit gewaltigem Getrommel vor das Rathaus und schossen hier vor dem Auseinandergehen gegen das ausdrückliche Verbot erst lichen

noch ihre Gewehre ab.

Die Engländer hatten sich inzwischen in ihren Quartieren Britz, Tempelhof und Schöneberg infolge des furchtbaren Lärms in der Stadt ebenso sehr vor den Berlinern, wie diese vor ihnen gefürchtet. Da sie aber dort auf Anordnung des Geheimen Rats gut verpflegt waren,

gAjUJAH #S

so

verhielten

sie sich

ruhig

1

.

Bübbabsssa

Am Oberen Mneirt nt Konstanz. Nach einer photographUchenMufnahmc von

konnte." Nachdem die Aufregung und der Lärm der Bürger drei Tage gedauert hatte, wußte das Geheimrats-Kollegium den Bürgermeister von Cölln davon zu überzeugen, daß „es ja aller dieser Anstalten gar nicht bedürfe, da die Engländer gar nicht nach Berlin kommen wollten, und daß der Ruhm, den die Bürger von ihren Wachen davontrugen, gar schlecht sein möchte." Auf Vorftelluug des Bürgermeisters beruhigte 'ich dann

Cölln soweit, daß nur hin und wieder noch aus den Häusern heraus in die Luft geschossen wurde. — Die Berliner aber glaubten trotz aller Vorstellungen, die günstige Gelegen¬ heit zu einem Volksfest noch länger ausnützen zu müssen; man schoß mit den alten verrosteten Doppelhaken der Sradtj, die man auf den öffentlichen Plätzen aufgestellt hatte, trommelte, spielte auf dem „Dudeldey" (Dudelsack) und — raisonnierte, bas größte Vergnügen der damaligen Berliner. Endlich gelang es dem Bürgermeister Pasche, auch in Berlin die aus

!

i

F.

Albert Schwartz

in

Berlin.

und zogen anfangs Juli weiter — ihrem Unglück entgegen. Die meisten fielen Seuchen, ausgeplünderten Bauern ilnd den Nationalstrcitigkeilen zwischen Schotten und Engländern zum Opfer, ehe sie böhmischen Boden betraten. Eine kleine Zahl nur kam dis an den Feind und wohl sehr wenige, die der Schlacht am Weißen Berge entrannen, kehrten auf ihre

Insel

zurück.

Aehnliche Jndisziplin zeigte die Bürgerschaft im April 1620. Der Kurfürst Georg Wilhelm hatte auf die Mitteilung Wallensteins, daß er seine Truppen in Schlesien und in dem

von ihm dazu gerechneten Crossen Winterquartiere beziehen lassen würde, vor Weihnachten 1626 Berlin verlassen und Die Kaiserlichen hatten, wie sich nach Preußen begeben. nicht nur Crossen, sondern auch Teile der Mark besetzt. Da sollte zur Besatzung und zum Schutze der Stadt Brandenburg Coelln 50 und Berlin 100 Mann ab

vorauszusehen,

**)

-«3

162

Coelln warb unter dem Murren der Bürgerschaft 50 Dtann au und sandte sie am 5. April 1627 ab; die ber¬ liner Bürgerschaft aber weigerte sich unter heftigstem Toben und Schinipfen auf den Kurfürsten hartnäckig, die befohlene Mannschaft zur Verfügung zu stellen. Ein im Geh. StaatsArchiv*) vorhandener, höchst origineller*) Bericht der Geheimen Räte, die in Berlin den Kurfürsten zu vertreten hatten, sagt, als der Rat der Gemeinde die bezügliche Verfügung mitge¬ theilt habe, „hilf Gott, da wird ein solcher tmnult, ein solches geschrey, dabey auch sehr anzügliche und weil aus¬ sehende reden geführet und ausgespien worden, daß es zu verwundern. Wie sie nicht bedacht wären, gleich E. Chur¬ fürstliche Durchlaucht land und leuie, weib und lind zu ver¬ lassen; ire weib und lind weren ihnen so lieb, als E. Chursürstlichen Durchlaucht die ihrigen, darumb würden sie von den ihrigen nicht also ziehen. Ire Hütten und heuserlein wären ihnen so lieb als E. Churfürstliche Durchlaucht das land und dgl. vielmehr." Endlich ließ der Rat doch vom Heiligen Geist- und Marieu-Viertel aus der Bürgerschaft und aus angeworbenen die 100 Mann zusammenbringen. Als diese aber am 6 . abmarschieren sollten, verweigerten sie auf das Gerücht hin, daß statt ihrer 400 Söldner zur Besatzung herangezogen würden, den Gehorsam. Der genannte Bericht sagt: „Da gehet der allerme von neuem an und wollen sie rtind nicht fort, Sie wollten E. Churfürstliche Durchl. hauß und den mühlentamb bewachen, ihene aber sollen draus bleiben. Ja, sie haben auch bei dem rathe instendig angehalden, das geschütze, so sie heilen, vors rarhaus zu rücken und wann diese zum thore Hereinkähmen, Feuer ns sie zu geben, und was des ungereimten Dinges viel mheer wahr." In Wirklichkeit sollten nur 60 Mann der Spandauer Garnison zur Bewachung der kurfürstlichen Gebäude heran¬ gezogen werden, da man diese mit Recht der indisziplinierten Bürgermiliz nicht anvertrauen wollie, deren Wachldienst ja, wie die Räte ihr vorwarfen, bekannt war, „wie sie den ganzen summer hindurch morgens und abends toll und voll gewossen", und „allerhand bernheuter uf die wache schickten," anstatt „in persona des Nachts daar zu sein, wann sie sich des tages wohl senden.

(Fortsetzung folgt.)

abgemergelt."

Der Schulmeister von Wusterhausen. Von

S. Sturmhösel. (Fortsetzung.)

XI. Wie von einem Traum umfangen, Stand der strenge, mächtige König, Als der Lehrer ihn verlassen. Doch wie er den Trutz'gen jetzo Von dem Fenster aus bemerkte, Faßte jäh ihn die Erbittrung, Daß der unberufne Redner Gar das letzte Wort behalten. Wie ein schneller, wilder Gießbach,

**)

SybellS Historische Zeitschrift. Bd. Cf. A. Zimmermann Städteoerfassungen.

Cs. v.

öl. S.

Grollte der Gebieter finster, „Und sein unverschämt Geschwätze Muß einmal gedämpfet werden, Die Obstination gedeihet Sonst zu üppig. Doch der Einfall, Ihn in seiner Dirn zu strafen, Ist charmant, denn sie verdient es!" Aber trotz der sichren Rede Quälten sonderbare Zweifel Noch das Herz des strengen Mannes

Das Gemach ward ihm zu

;

enge,

Und trotz Gichtschmerz und Ermüdung Stieg er in den Schloßhof nieder drolligen Bären. den zahmen,

Zn

Und die braunen, zott'gen Burschen,

Die sonst keinen respektierten. Schienen ihren hohen Fürsten

Zu erkennen, denn

sie kamen

Täppisch, schier vertraulich nahe,

Tanzren um ihn her im Kreise. Und nach einer kleinen Weile Sah der König Liese Schönlein Hastig aus dem Hause treten, Um dem Schloßthor zuzueilen. „Heda, halt!" erklang sein Machtwort. Tieferschrocken, zagen Schrittes Kam das schlanke Mädchen nahe. „Nun, wo geht es hin, Sie Steffin? Hat Sie Permission vom Vater?" —

„Vater liegt in

schwerer Ohnmacht,

Und ich eile zum Chirurgen." „Ha, Sie hat den kranken Alten Schlecht gepflegt. Sie frecher Nichtsnutz Ihre buhlrisch-wind'ge Sinnsart

Taugt zu nichts! Sie ist mir lange Ans der Seele schon zuwider: Geht geputzt einher, verhutzelt. Modisch, närrisch, contra Vorschrift! Hat Sie sich des Fuhrmanns wegen Jetzt besonnen, Hochverraten?"

Und es sprach das bleiche Mädchen: ich mir selber Untreu werden, nie und nimmer! Und ich glaube, daß der Herrgott

„Niemals werde

Der der Menschen Leiden abwägt, Gnädig mir es wird verzeihen. Wenn Verzweiflung mich noch antreibt, Schmach und Schande jäh zu enden!"

Eilig wandte

sich

Luise,

Schritt von dannen.

Trat ihr nahe,

Doch der König-.

schwang den Krückstock.

„Will die freche Komödiantin Mir sogar mit Selbstmord drohen?

Welchen Regenfluten schwellen. Hatten >sich des Kantors Worte Laut und lauter stets ergossen. ,,s' Ist ein widerspenst'ger Trotzkopf!" *1

8-

230.

Was

Ist Als

geschah

ihr denn an Unrecht?

nicht Fuhrmanns Name besser, der

Ihre?

Was verlangt Sie,

Sündensproß? Ich will Sie lehren!" „Sire!" rief das Mädchen bebend,

„Meine Zeit gehört

dem Kranken,

■H3

Dem ich's nie vergessen werde, ich seiner Güte schulde,

Was

Ich erkenn's als eine ernste,

Heilige Pflicht, ihm jetzt zn helfen. Aber er ist nicht mein Vater, Und ich darf ihm nicht gehorchen. Denn mein Herz giebt andre Weisung!" „Hexe!" sprach der König grimmig,

Als Luise schnell enteilte, „Hat den Wuchs und auch

die Augen

Der Mama, des stolzen Fräuleins, Das bei Hofe allbeliebt war. Ja, der Leichtsinn erbt sich weiter, Und ich that nicht recht, der Dirne Hohe Gnade zu erweisen:

Hat sie doch dem Schönlein schändlich Mitgespielt und den Magister Mir von Grunde aus verdorben. Doch sie soll und muß parieren,

Soll

den langen, dummen Fuhrmann,

Den

ich jetzt schon seit

Minuten

Dort am Prellstein stehen sehe, Für sein Ungemach entschädigen, Weil ich's ihm verheißen habe! Nun, was treibst Du, langer Laban?" Rief der Fürst im Weiterschreiten. „Was studierst Du an dem Prellstein, Der nicht wie die andern weiß ist, Während der infame Regen Leis auf dich herniederträufelr? Ah, der Stein trägt gar ein Signum, 's ein Buchstab, wenn mir recht ist,

Ist

Macht Dir der so viel zu schaffen? Was bedeutet wohl das Zeichen, Dieses N hier?" Jener seufzte, Sagte: „Nele." „Dümmer Tölpel, Weshalb thust Du jetzt aufs neue Dieser Küchenfee Erwähnung?" „Ja, weshalb — weiß nicht — Herr König." „Ei zum Henker, Antwort will ich! Weshalb stehst Du hier und glotzest Vor Dich hin, ein Bild des Jammers?"

„Hab das N ja

selbst geschrieben."

„Was, Du hast's geschrieben, Thomas?" „Na gewiß doch!" „Du kannst schreiben?" Jener nickte. „Das ist wahrlich Unerhört," rief der Gebieter. „Folgte Mademoisell Luise Dem Gebot, gab Dir Lektionen?" „Jeden Morgen," sagte Fuhrmann. „Und nach Deiner Leichenmiene

Ist

zu schließen, daß

Dir

kläglich

Oft dabei zu Mut gewesen," Meinte lachend der Gestrenge. „Kann's mir denken, wie die Spröde Dich impertinent behandelt. Nahm sie Dich auch 'mal beim Ohre?" „Als sie mich zog aus dem Graben; Wär sonst wie ein Hund ersoffen!"

163

E»„Was, Du wärst ersoffen?" „Freilich; Bären kamen, fiel ins Wasser Von der Brück; doch das Mamsellchen Schmiß die Waschlein'"-„Nun. was weiter? Gieb Bericht! Du wardst gerettet?"

„Ja —

weiß sonst nix mehr zu sagen." „Aber bei dem Unterrichte War sie sonsten streng und spröde? So erzähle^doch!" „Weiß garnix — — Schön war's nicht." „Da trägst Du selber '

Doch die Schuld!

Es könnte alles

Besser stehn, wenn

Du

die Kecke,

Die Dir oft so nahe weilte. Die Dich gar vom Tod errettet, Wie ich mit Erstaunen höre, Dir erobert." Fuhrmann kraute Hinterm Ohr sich, sagte langsam: „Ja, da war doch nix zu machen-Bei der Nele ist das anders." „Wiederum die dumme Nele! Sag, wo stecken Dir die Augen? Willst Du etwa den Vergleich ziehn Zwischen dem von mir in Gnaden

Dir

bestimmten, seinen Kätzchen

Und dem strupp'gen Küchenbesen?" „Gnade — nix" sprach darauf Fuhrmann; „Soll's sein, muß sein — wollen — niemals!" „Heißt das etwa, daß Dir wenig Dran gelegen, was ich sorglich

Für Dein Glück zu thun^ gedachte?" Fragte polternd der Gebieter. „Kerl, ich laß Dich gassenlaufen!" Und der Riese rief in Aengsten: „O, da kann ja doch nix werden! Das Mamsellchen hat

so schrecklich

Dunkle, schwarze, große Augen, Schaut so traurig habe Angst davor, kann mir nicht helfen. — Bei der Nele ist das anders." In Gedanken schritt der König Nach dem Schlosse, und das Lächeln Ob des Bombardieres Einfall Schwand dahin, denn tief im Herzen Stiegen Zweifel auf, und Trübsinn Faßte seine müde Seele. „Alles war verfehlt und närrisch, Was ich neulich da geplant hab," Sprach er vor sich hin; „die Menschen Gehen ihre eignen Wege Nach dem Glücke, und mein Thomas Weiß es besser als ich selber, Wo sein Paradies gelegen. —

drein-da

Gar die gute, beste Absicht Wirkt zllin Nachteil, wenn die Herrschsucht Nur den Zwang kenm und Befehl übt, Sagte mir der Tinteilklexer. Daß mir diese dreisten Worte Nicht aus der Erinnrung wollen!" Also sprach der König grollend,

-g

Während er mit müden Schrittes Aufwärts stieg zu seinem Zimmer. Eine lange Weile stand er Tief erschöpft im Korridore, Lehnte müd' an einen Pfeiler. Er war krank! Ihm fehlte Ruhe, Da das Podagra ihm lange Schon den Schlaf vom Lager scheuchte, Und ihm fehlte dann vor allem

Seelenfriede: das Vergangne Kam iir der Eriinrrung wieder. Und ihn quälten schwere Zweifel, Ob sein Wollen und fein Handeln Jederzeit gerecht gewesen. Was der Kantor heute morgen Freigemut ihm zugerufen, War wie eine scharfe Antwort Auf die strenge Selbstbetrachtung. Denn die Liebe, die das höchste Ist und bleibt auf dieser Erde, Was ein Menschenherz beglücket. Fehlte ihm. Und schweren Trittes Ging er durch des Schlosses Gänge Zum Gemache der Gemahlin, Die mit ein'gen ihrer Damen Iir vertrauter Unterhaltung Sich erging, doch nun verstummte, Als er unversehens eintrat. Und die chohe, stolze Königin Hatte Ursach zu erschrecken! Ach, es wareit schwere Stunden Hier am Orte hingeflossen! Zeugeit wild erregter Scenen, Die den Rest der Gattenliebe Aus dem stolzen Herzen bannten, Waren einstmals diese Räume. Zu der liebevollen Mutter Flohen die bedrängten Kinder Vor dem Donnerwort des Vaters, Und die edle Welfentochter, Adlig, fürstenstolzen Sinnes, Trat dein derben, rauhen Gatten Oft mit freier Stirn entgegen. — Heut indes schien des Gestrengen Scharfes Auge keinen Altlaß Für ein hartes Wort zu suchen; Ja, er übersah es gnädig, Daß Prinzessin Wilhelminens Zarte, feingeformte Hände Ein verbotnes, welsches Büchlein

Auf dem Schoße überdeckten; Und mit einem zahmen Scherzwort Wandte er sich an die Gattin. Sie verstand ihn nicht und schaute Fragend, scheu in seine Augen, Und aus ihren bleichen Zügen Sprachen Kälte und Befremdung Ob der ungewohnten Güte. — Bald verließ der Fürst das Zimmer,

164

»Und es blieb den Fxau'n Geheimnis, Was er im Moment an herbem, Tiefem Seelenleid erduldet: Eine Schranke, die kein Machtwort Jemals niederreißen konnte. Trennte ihn von der Und so saß er, leidumnachtet. In dem Sorgenstuhl am Fenster Seines schlichten Arbeitszimmers, Grollte mit sich selbst und fluchte Auf das trübe Regenwetter, Auf das Podagra und alles, Was ihn quälte und verstimmte. Endlich aber wich die Spannung Seiner Seele der Erschöpfung, Und ein Traum umfing den Müden, Führte wieder, wie schon oftmals Mit entsetzlich greller Wahrheit Seines Lebens trübste Stunde Jäh vor seines Geistes Blicken. Vor ihm stand der schlanke Jüngling Mit den flammend hellen Augen, Stand sein Sohn, der junge Friedrich, Der dem Joch, dem unerträglich Schweren Joch des harten Vaters Heimlich zu entfliehn getrachtet.

Familie!-

An dem Fluchtversuch verhindert. Suchte er mit kecken Worten Sein Benehmen zu entschuldigen, Sprach von unverdienter Kränkung, Sprach von Recht und Menschenwürde. Und den heißerregten Vater Riß der Jähzorn hin, es blitzte Hell ein Schwert in seinen Händen, Um den Flüchtling zu durchbohren! Doch mit hohem Heldenmute Trat ein Mann herzu, der wackre Generalmajor von Mosel,

Fiel dem Zorn'gen in den Arm: „Sire, wenn Sie Blut verlangen, Möge dann das meine fließen, Aber schonen Sie den Prinzen!" Uitd des Schläfers Wangen glühten, Tiefes Schaudern und Entsetzen Faßten ihn! — Da schuf der Traumgott Eine Wandlung jener Scene: Aus dem Retter seines Sohnes Ward der arme Dorfschulmeister, Und der kleine Fröschejäger Stand mit seinen krausen Locken Und erzählte Wunderdinge Von des Storchkinds großem Hunger. Auch Luise Schönlein nahte, Und der lange Thomas Fuhrmann Kam zuletzt mit seiner Nele; Und sie allesamt begannen Um den König herzutanzen, Daß er endlich lachen mußte. (Schluß folgt.)

Außer dem sog. Roten Schlosse sollen aber auch noch einige andere Häuser niedergelegt werden, deren Fort¬ bestand außer für den Abschluß des Schloßplatzes auch tioch aus praktischen Gründen wünschenswert ist. Auf einem dieser Grundstücke befindet sich nämlich eine sogenannte Zwischenpilmpstaiion der Kanalisation, deren Beseitigung bezw. Verlegung wegen der dadurch beditigten Aenderungen an den Zuführungsleitungen ganz erhebliche Kosten verursachen würde. 4. Die Herstellung einer festen Brücke an Stelle der jetzigen aufklappbaren Schleusenbrücke ist mit Rücksicht auf die

3.

Zur Platz-Frage

für

das Kaiser Miltzelm-Deickmal. (Mit

Lageplan.)

In

Nr. 55 der „Deutschen Bau-Zeitung" ist ein Vor¬ schlag des Herrn Martin Haller in Hamburg zur Lösung dieser Frage veröffentlicht, welcher sich aus gar mancherlei Gründen einer besonders günstigen Aufnahme auch an ma߬ gebender Stelle kaum erfreuen dürfte. Gegen die Wahl des dort in Vorschlag gebrachten Stand¬ ortes*) sprechen folgende teils ästhetische, teils praktische Gründe:

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_Königlichen Krhloffes.

.

Januar 1882.

8em Wrirükegrum Mpoll§. Eine Federzeichnung in Chodowicckis Manier von

Julius R- Kaarsiarrs.

Die letzten Takte des Adagio waren verklungen, unb der Virtuos verneigte sich gegen den Komponisten, den

königliche

Hofkapellmeister Ouantz,

der von dem Rechte,

seines großen Schülers durch

die Leistungen

Beifallrufe auszeichnen zu bürfen,

Gebrauch gemacht hatte. Er schlug das Notenhefl zu und legte die Flöte aus Ebenholz mit dem zierlichen Silberbeschlag in das blauseidene Etui.

„Mein lieber Winterfeldt", wandte er sich an den General „hat Er wohl die Güte, die Kerzen am Flügel auszulöschen? Ich denke, wir gehenzu Tisch. Allons, messieurs! Die Poularden warten!" Der König legte seinen Arm in den des Marquis d'Argens und schritt voran. sich

Plötzlich blieb er stehen und sah

um.

„Ach — Pöllnitz will uns verlassen", sprach er lächelnd; „wie wäre es, Messieurs, wenn wir ihn wieder zur Tafel zögen?"

Der lustige Baron hatte

sich durch sein dreistes

die allerhöchste Ungnade zugezogen und

Betragen

war drei Monate lang

von der Tafelrunde ferngehalten worden. „Ich will Ihm Amnestie gewähren, mein lieber Baron," fuhr der König fort, „aber nur unter der Condition, daß Er verspricht, innerhalb dreier Tage ein gutes Werk zu thun!" Pöllnitz verneigte sich. „Majestät", erwiderte er, „wie könnte ich ein guies Werk thun, ohne einen Heller m der Tasche?" „Hat er wieder toll gelebt, Baron? was kann ich dafür, wenn Er kein Geld hat? Aber Er ist ein Genie und wird llch zu helfen wissen. Will er also unsere Bedingung annehmen?"

Der Baron mußte einwilligen und, den König parodierend, was er mir Vorliebe that, rief er dem Lakai zu: „Serviere eine Poularde mehr!" Alle lachten. Da trat Voltaire auf

„Sire" sprach er, und ein verbindliches Lächeln um seinen ebenso häßlichen wie geistreichen Mund, „Ihre Bedingung ist nicht leicht, Sie thun soviel Gutes, daß für andre nichts mehr übrig bleibt!" Man hatte sich zu Tisch gesetzt. „Herr von Voltaire," begann der König, „ich muß gestehen, daß ich bisher den Beschreibungen, die Sie mir so oft mit beredter Zunge von Madame de Chütelet gemacht haben, nicht recht traute; Sie wissen ja, die Liebe macht blind. Aber heute habe ich eine Bestätigung Ihrer Aussagen erhalten, wie Sie sich keine besiere wünschen können." Voltaire legte Messer und Gabel aus der Hand und blickte den König erwartungsvoll an. Auch die andern schienen überrascht, nur Maupertuis, der gelehrte Physiker, - einst Vol¬ taires Rival in der Gunst der „göttlichen Emilie," gab sich den Anschein, als ob alles Interesse für die schöne Frau gänz¬ lich in ihm erkaltet sei und musterte mit ironischem Lächeln das Bruststück einer Poularde. „Denken Sie sich," fuhr derMonarch fort, „Baron Kayser¬ ling, mein Gesandter am Hofe meines allerchristlichsten Bruders, hat auf meinen Befehl Madame de Chütelet besucht, er schreibt mir unter anderem, er sei, sobald sie geschwiegen habe, von ihrem Körper, sobald sie gesprochen habe, von ihrem Geiste den König zu.

spielte

entzückt gewesen. Mit solch einem Urteil können Sie doch zufrieden sein!" „Es scheint," begann La Mettrie, der Arzt, der einen lebhaften Verkehr mit seinen Freunden in Paris unterhielt, „daß Madame de Chätelet ebenso schön und geistreich wie ge¬ lehrt ist, die Akademie hat, wie man mir schreibt, ihre Arbeit über die Wärme durch Verleihung der goldenen Medaille aus¬ gezeichnet. Um so mehr wunden es mich," setzte er mit

-s

ironischem Lächeln hinzu, „daß

sich

Herr

de

182

Chatelet über die

fr-

Sie wissen, daß ich fast allabendlich mit Hofprediger Cochius Schach spiele."

noch nicht zu Ende.

anhaliende Kälte seiner Gemahlin beklagt."

dem

Eilt Blick von Maupertius ermutigte ihn zu weiteren Ausfällen. „Uebrigens begreife ich nicht," fithr er fort, „wie man wegen einer Frau so viele Worte verlieren kann; ich bin überzeugt, Sire," — jetzt wandte er sich an den König —

Partie?" warf der Marquis dazwischen, der in jüngeren Jahren ein leidenschaftlicher Spieler ge¬

„daß Sie meine Meinung in diesem Punkte teilen. Jenes Gefühl, welches wir „Liebe" nennen, sollte der Philosoph ver¬ abscheuen, denn unter allen Gefühlen ist die Liebe, im Grunde genommen, das einzige, das wir mit dem Tiere gemeinsam haben und das uns von der Höhe, die wir dank unserer geistigen Arbeit erstiegen, wieder hinabzieht."

„Sie irren, mein lieber La Meltrie," „ich teile Ihre Ansicht durchaus bitten, Ihre Theorie von der Maschine

ernst,

entgegnete der König

und muß Sie nicht immer wieder

nicht

So angenehm Sie mir als Mensch Die Herren sind, so fatal sind Sie mir als Philosoph! werden mir beistimmen, obschon ich glaube, daß außer Herrn von Voltaire auf Sanssouci keiner zu lieben versteht."

ins

Tressen

zu

führen.

Pöllnitz, der bis jetzt geschwiegen hatte, stellte sein Glas, das er grade zum Munde führen wollte, hin. „Verzeihung, Majestät" sagte er, „das dürfte doch nicht der Fall sein; Herr von Voltaire ist nicht der einzige!"

„Liebt Er selber etwa noch, Baron?" Der König lachte. „Aber Er hat die Bouteillen wohl immer mehr verehrt als die Weiber!" setzte er hinzu.

„Gott behüte! von meiner unbedeutenden Person

rede

Es ist ein aitderer. Gestern früh, ehe Jhro Mastät zur Parade ritten, ging ich im Garten spazieren. Bei dem Asternbeete Himer der großen Fontaine gewahrte ich eine Gestalt, die sich bei den Blumen zti schaffen machte. Ich trat näher und erkannte einen Herrn aus Eurer Majestät Um¬ gebung." Pöllnitz schwieg einen Augenblick und weidete sich an dem Erstaunen der Tafelrunde. „Nein, Nsssisnrs, fassen Sic feinen falschen Verdacht, keiner von Ihnen war dieser ein¬ same Blumenfreund!" fuhr er lächelnd fort. „Aber hören Sie iveitcr! Ich sprach den Herrn an. „So früh schon munter, mein Verehrter?" fragte ich ihn. „Und welch' schöne Blumen Er gepflückt hat!" Es waren lauter weiße und rote Astern, die er zu einem Strauße im Geschmack des vierzehnten Ludwigs vereint hatte. „Er ist wohl ein großer Blumenfreund?" „Ja, Baron," entgegnete er, ohne eine Spur von Ueberraschung, „ich liebe die Blumen, als ob ich Holländer wäre, aber vor allen schätze ich die Rose!" „Für Rosen ist jetzt freilich die Zeit vorüber," wandte ich ein. „Ich wüßte wohl noch eine," sagte er mit dem ehrlichsten Gesicht von der Welt, aber es steht ein Gärtner dabei, der sie hütet und der mir nicht wohl will. Doch kann Er mir sagen, was die Uhr ist?" Ich mußte lachen. „Mein Verehrter," erwiderte ich, „ich habe meine Uhr im — Hause gelassen" — und damit sagte ich durchaus nicht die Unwahrheit — aber eben hat's auf der Garnisonkirche sechs geschlagen." Sie hätten ihn springen sehen sollen! „Potz Blitz." rief er, „in einer halben Stunde muß ich deti König zur Parade begleiten!" Er grüßte und ich

nicht.

fort war er!"

„Nun. lieber Pöllnitz. will Er uns

„Wie

war.

wesen

„Wer gewinnt, erhält ein — Gläschen Danziger Golddas lhut nichts zur Sache; hören Sie weiter, Uebrigens würde Cochius nie um Geld spielen schon der Moral wegen nicht, und dann weil er, unter uns gesagt, ein — Geizhals ist!"

wasser,

aber

Ns88reur8!

„Stimmt!"

unterbrach ihn der König. „Hat mich im vorigen Jahre um Erhöhung seines Salairs gebeten; ich habe ihm aber gesagt, die Apostel härten umsonst gepredigt und die

Güter dieser Welt vor nichts geachtet!"

„Wie

den Namen des

Herrn

ich

nun gestern abend in seiner Staatsstube biir,"

fuhr Pöllnitz fort, „und die Figuren aufstelle, indes er sich die Thonpfeife mit Kanaster stopft, fällt mir der Blumengeruch auf. der den Raum füllte. Ich sehe mich um und gewahre einen Blumenstrauß, der in einer Vase von Porzellan stehr. Es war ohne Zweifel derselbe Srrauß, den am Morgen der Offizier gepflückr Halle. Der Hofprediger zieht den Springer an, da sag' ich zu ihm: „Verzeihen, Hochwürden, wer ist doch das junge Mädchen, das ich vorhin in der Küche sah?" „Nun, meine Nichte, die mir die Wirtschaft führt", sagte er und schob die Dame vor. „Gardez!“ sag' ich und fahr' fort: „Ei, ei! Eurer Hochwürden Nichte! Und wie heißt das Mädchen?" „Rosa heißt sie," erwidert er und bringt die Dame in Sicherheit, „es ist die Tochter meiner seligen Schwester." „Ein hübsches Mädchen." forschte ich weiter, „wird sicherlich bald unter die Haube kommerl!" „Mach' Er sich deshalb keine Sorge," entgegnete der Hofprediger und schlug meinen Läufer, „das wollen wir schon zu verhindern wissen! Wer sollte mir die Wirtschaft führen, wenn sie fort¬ ginge?" Ll688rsur8, wie ich über des alten Cochius' Selbstsucht indigniert war! Mit meiner Aufmerksamkeit war es vorbei. Ich verlor nach einander beide Springer, deir einen Turm und meine Dame. Dennoch blieb die Partie unentschieden. Cochius legte die Figuren wieder in ihren Kasten, lachte und sagte: „Ich bin Dann nahm neugierig, wer das nächste mal siegen wird." er seinen Klopstock zur Hand und las mir ein paar Seiten vor. Ich wollte ihn ärgern, lehnte mich in den Sessel zurück uird stellte mich, als ob ich schliefe. „Er ist kein übler Mensch, Pöllnitz," sagte er, als ich mich verabschiedete, „aber für Poesie hat Er kein Verständnis; es scheint, daß Apollo Ihn nicht sonderlich begünstigt!"" „Den Klopstock haben Sie mir auch einmal gebracht," sagte der König mit überlegenem Lächeln, „aber solch enriuyantes Zeug lese ein andrer!" „Lieutenant von Schmettwitz!" meldete der Lakei. „Er bringt die Post aus Sachsen und birtet vorgelassen zu werden." „Soll eintreten!" befahl der König. Pöllnitz beeilte sich das Gespräch auf ein anderes Thema Nun wußte

zu bringen.

nicht nennen?" fragte Winterfeldt. „Das geht vorläufig nicht; ich bin mit meiner Erzählung

hoch die

Er

ich genug.

Sie können

sich denken,

sprach plötzlich von der Befestigung Magde¬

burgs. Schmettwitz trat ein, überreichte dem König die Mappe und verweilte, während dieser las, schweigend hinter seinem

•5

183

Der Monarch legte die Briefe in die Mappe zurück und gab diese dem Adjutanten wieder. „Morgen früh an Cocceji zu geben!" sagte er, „und nun, lieber Schmettwitz, setze Er sich! Den Tag soll Er mit uns feiern. Weiß Er noch, heut' vor fünf Jahren?" Der Adjutant sann nach. „Jhro Majestät werden mir schon sagen müssen, was ich in Höchstdero Gesellschaft feiern soll, ich habe für Data ein schlechtes Gedächtnis." Sessel.

Pour le merite nicht angesehen, Ihn Seine Blessur nicht? LlkZsisuis!" wandte

„Hat Er heute und schmerzt

seinen

der König an die Gesellschaft, „heute vor fünf Jahren war die Bataille bei Sorr, es war ein heißer Tag, dem unser Schniettwitz einen Musketenschuß durch den Arm verdankt." „Ja, einen Musketenschitß durch ben Arm, und die Gunst meines Königs!" fiel Schmettwitz lebhaft ein. Er hatte sich als blutjunger Fahnenjunker beim Regiment Bayreuth vor des Königs Augen ausgezeichnet und war durch Friedrichs Gnade am Abend nach der Schlacht mit dem LieutenantsPatent beschenkt und zum persönlichen Dienste bei Sr. Majestät sich

Der Knabe ging und

kam bald darauf mit einer verdeckten vor den König hinstellte. „Messieurs“, sprach der Monarch, „noch etwas zum Dessert! Greifen Sie zu, Marquis!" Alle blickten verwundert auf die Serviette, welche das Gericht ihren Augen verbarg, nur Voltaire lächelte überlegen; er schien in das Geheimnis eingeweiht; d'Argens griff be¬ hutsam in die Schüssel und brachte ein Buch hervor, ein zier¬ liches Bändchen in braunes Kalbsleder gebunden, mit schmalem Goldrande. Er schlug es auf und las: „Gedichte des Philosophen von Sanssouci. Mit dem Privilegium Apolls. Au donjon du chäteau. „Ah — Sire wissen in der That die Welt zu beglücken!" sagte er mit verbindlichem Lächeln. „Sie sorgen für unsere leibliche und geistige Nahrung! Man kann Preußen nicht ge¬ nug um seinen König beneiden, der noch Zeit findet, neben

Schüssel wieder, die er

dem nützlichen und notwendigen mich noch das schöne und edle zu

pflegen!"

„Es

ist

eine überaus glückliche Fügung der Vorsehung,

Windspiels. Durch die geöffneten Flügelthüren fiel das Mondlicht, und der Hauch der Herbstnacht lispelte in den Kronen der Oraitgenbäume, die in gleichen Abständen die Terrasse vor

Sie, der Sie dazu berufen sind, dies bedeutende Land zu regieren, auch ein König unter seinen Dichtern und Denkern sind, Sire! Seit den Tageit Mark Aitrels sind Sie der erste, bei dessen Anblick man sich fragen muß, ob in Ihnen der Herrscher größer als der Philosoph oder der Philosoph größer als der Herrscher sei!" fügte Maupertius hinzu, wäh¬ rend er in einem Exemplare blätterte. „In der That, Sire, die französische Sprache kann von Ihnen lernen," begann Voltaire, indem er einen goldenen Schreibstift hervorzog, „verzeihen Sie jedoch, wenn ich es dennoch wage, Sie auf einen geringfügigen Fehler aufmerksam zu machen: man schreibt j’ose und nicht j’ause!" Er unter¬ strich die Stelle mit rücksichtsloser Hand und reichte das Buch

dem Schlößchen schmückten.

deni Könige hinüber.

kommandiert worden. Er rückte einen Sessel an die Tafel uitd nahm Platz. „Es war ein Tag wie heute," begann der König, in Erinnerung versunken, „die Sonne schien inild, aber ein kühler Herbstwind fegte über die Stoppeln. Als die Bataille zu Ende war, ritt ich über das Schlachtfeld, da ging der Mond auf uitd zeigte mir die Toten imd Blessierten. Ja, Llsssisurs, es war ein heißer Tag, er hat mich 3000 Mann und 62 Offiziers gekostet!" Er seufzte und streichelte den Kopf seines

„Er

sieht krank aus, meiit lieber Schmettwitz," unterbrach

der König die plötzlich eingetretene Stille; „fühlt Er sich un¬ wohl, oder hat Er keine guten Zeitungen von Hause?" „Ich bin gesund wie der Fisch im Wasser, Jhro Maje¬

stät, und soviel ich weiß, steht auch zu Hause alles wohl." Des Königs und des Barons Blicke begegneten sich.

„Ei,

mein Lieber", sagte ersterer und hob drohend den „Er wird doch nicht etwa verliebt sein?" Der Lieutenant spielte verlegen mit den Franzen des Tafeltuches und lächelte. „Ich weiß in der That nicht, Jhro Majestät, womit meine unbedeutende Person Höchstdero aller¬ gnädigste Teilnahme verdient hat!" Dann schwieg er, leerte ei,

Krückstock,

sein

Glas und bat um die Erlaubnis,

sich

zurückziehen zu

Ihn

nicht inkommo¬

dürfen.

„Nun," dieren, geh'

sprach der

Er

König, „ich will

und pflücke er

Astern!"

Der Lieutenant warf einen strafenden Blick auf ben Baron, der sich grade mit dem Zerlegen einer Melone be¬ schäftigte, verbeugte sich vor den Herren der Tafelrunde, salu¬ tierte und verließ den Saal. Der König sah ihm nach. „Er hat recht gesehen, Pöll¬ nitz, der Lieutenant ist verliebt! Nun mag Er zeigen, daß Er ein Genie ist. sorg' Er, daß Schmettwitz das Mädchen bekommt!" Zu

Dann klingelte er und befahl dem Pagen, die Schüssel holen, welche im Bibliothekzimmer aus dem Tische stehe.

daß

Friedrich der Große lächelte. „Ich bin Ihnen dankbar, Herr von Voltaire," sagte er, „Sie wissen, ich falle noch oft in meineit alten Fehler, die Gleichgültigkeit gegen den Buchstaben! Hat Er schon Sein Exemplar, Pöllnitz?" fuhr er zum Baron gewandt fort, „nun gut! aber trag' Er es nur nicht gleich zum türkischen Ambassadeur!" Er spielte auf Pöllnitzens Indiskretion den Gesandten fremder Höfe gegenüber an, die diesem schon oft die aller¬ Der König warf einen höchste Ungnade zugezogen hatte. Blick auf die Stutzuhr über dem Kamin ttnd erhob sich. „Messieurs,“ sagte er, „gehen wir zur Ruhe, es ist gleich Mitternacht. Und Er, lieber Pöllnitz, vergesse Er mir Sein gutes Werk nicht!" „Jhro Majestät," erwiderte Pöllnitz. „ich will es nicht vergessen und werde es mit Ihrer Unterstützung vollbringen!" „Nein, Pöllnitz, Sein König hilft Ihm nicht, such' Er sich

einen andren

„Nun," rief

Alliierten!" der Baron und hielt die Gedichte empor,

„wenn mich Friedrich der König verläßt, so muß mir Fried¬ rich der Dichter helfen!" Der Monarch weckte die Windspiele, die auf deni Leder¬ polster eines Sessels eingeschlafen waren, ergriff einen Leuchter und verließ, von Vültaire und dem Marquis d'Argens bis an die Thür seines Schlafgemaches begleitet, den Speisesaal. (Schluß folgt.)

•5

Das wehrhafte Berlin. Von

Crrnvttd Stacl7lor7,

Major a. D.

lFortsetzung.)

Wie über die Sladttruppen, so finden sich anch hinsichllich der Wehrhaftigkeit der Bürgervereine für die Zeit vom 16. Jahrhunderl ab schon bedeutend mehr Nachrichten in den Akten und der Litteratur als für den zuerst behandelten Zeitabschnitt. Namentlich für die Geschichte des vornehmsten der Bürger¬ vereine, der Schützengilde, fließen schon recht ergiebige Quellen.

Die ältesten, mir und wohl überhaupt bekannt gewordenen zeigen sie bereits in voller Blüte. Es sind dies eine neue Ordnung des Rats für die Cöllner Gilde vom Jahre 1524 und aus dem Jahre 1558 ein von Joachim I. für sie unterzeichnetes, neues Privilegium. Das letztere er¬ wähnt schon die Gilden beider Städte und bezeichnet ihr Vogelschießen als „ein Allherkommen, löbliche Gewohnheit und ehrliche, riltermäßige Uebung, welche nicht allein von den Vornehmsten, Ehrbaren und Geschlechtern und Bürgern in den Städten, sondern auch von den Hähern Sländeil tu deutschen Landen jeden Orts rühmlich gezieret, gefördert und gebräuch¬ Urkunden

wird." diesem Privilegium bürsten zur Cöllner Gilde nur

lich gehalten Nach eingesessene

Bürger und das „geschworene Hofgesinde" mit

eigenem Hausstand

zugelassen werden. Grundsätzlich traten der Gilde die Mitglieder des Rats und der Ratsgeschlechrer

von Alters her bei.

gilde," der

sie

Daher der ihr beigelegte Name „Rats¬ als vornehmste Gilde kennzeichnete. — Den

Söhnen von Schützen wurde genommen durften werden liche". Als solche galten Scharfrichter und bis 1 . Aug. lich gesprochen.wurden, auch

der

Zutritt erleichtert.

Nicht auf¬ unehelich Geborene und „Unehr¬ u. a. auch die Hirten, Abdecker,

1468, wo

sie

vont Kurfürsten ehr¬

die Leiniveber.

Die Gilde hatte ihre eigne Disziplinar-Gerichtsbarkeit und Siltenreinheil und Unbescholtenheil ihrer Mit¬ glieder mit größter Strenge. Für Fluchen, Gotteslästerung, Unzucht wurden Geldbußen oder die Lieferung von Bier auf¬ wachte über die

erlegt.

„Bescholtene," darunter auch diejenigen, die eine Hunde¬ oder Katzenleiche berührt hatten, wurden ausgestoßen und erst nach Erlegung einer hohen Geldstrafe wieder aufgenommen. —

Bei fleißiger Waffenübung, guter Leistung und Führung der „Geselle" zum „Meister", dieser zum „Gilden¬ meister" auf. Nur die Meister hatten eine Stimme im Rate der Gilde und konnten zum Beamten, zum Altmeister oder für 1 Jahr zum Vorsitzenden Gildemeister gewählt werden. Der letztere hatte die Rechnungslegung, die „Lade". „Briefe," Register und das Vermögen der Gilde zu bewahren. Die gemeinsamen Schießübuitgen fanden alljährlich von rückte

der Woche nach Georgi, d. h. vom 23. April ab wöchentlich 1—2 mal statt, das Prüfungsschießen, das Hauptfest, in Cölln zu Pfingsten, in Berlin am Montage nach Jacobi, d. h. am

25.

Juli, und

schießen

am Fronleichnamstage ein gemeinsames Vogel¬ beider Gilden. Dies Vogelschießen wurde immer

2 Jahre auf dem berliner Schießplätze vor dem Oderberger Thore, in der Gegend der alten Schützenstraße, veranstaltet und 1 Jahr

auf dem „Cöllnischen Platz", der an der Einmündung der jetzigen Schützenstraße in die Lindenstraße vor dem Teltower Thore lag.

184

Bei diesen Schützenfesten wurde stets großer Prunk ent¬ Die Schützenbrüder und deren Familien versammelten sich in der Petrikirche, wo die Cöllner Gilde, bezw. in der Marienkirche, wo die Berliner einen dem heiligen Sebastian geweihten Altar besaß, und marschierten dann in pomphaftem Aufzuge mit Wehr und Waffen, Musik und Fahnenschwenkern unter dem Jubel der Bevölkerung nach dem Schießplätze, wo darauf mit dem Bogen, später der Armbrust das Königs- und Meisterschießen nach Scheiben, zum Schluß ein Preisschießen nach der Vogelstange, dem Papageien, veranstaltet wurde. wickelt.

Die Kurfürsten schätzten im 16. und 17. Jahrhundert für die Wehrkraft ihrer Sladttruppen damals so wichtigen rittermäßigen Uebungen sehr hoch und förderten sie nach Möglich¬ keit. Häufig besuchten sie daher, wenn sie in Cöln waren, mir ihren Prinzen ttnd dem Hofe die Schützeitfeste ttnd wurden dort von dem Rate der Stadl bewirtet, wie dies noch ein alles Wochenbuch des Berliner Rats vom Jahre 1504 bekundet, in welchem sich als Ausgaben findet: „1 Schock und 22 Groschen für Wein zur Bewirtung des Kurfürsten Joachim und seines Hofgesindes bei dem Schützenbome, da man nach dem Vogel diese

hat geschossen." Anderseits spendeten auch die Herrscher und der Rat häufig Geld und andere Geschenke für gute Schüsse. Im 16. und 17 Jahrhundert pflegte letzterer hierfür alljährlich 1 Ochsen ttnd 24, zeitweise 30 Hosentücher zu geben. Der Schützenkönig erfreute sich in dieser Zeit außer anderer Vorteile der Befreiung von Staatssteuern. Mitunter übernahmen sogar die Prinzen die Würde des obersten Gildemeisters, so 1593 Markgraf Christian in Coelln und Markgraf Joachim Ernst in Berlin. Dies rege Interesse des kurfürstlichen Hauses und der Sladtbehörden erlahmte erst unter den Plagen und dem Jammer des 30 jährigen Krieges. Die allgemeine Verarmung des Landes und das auch in Berlin herrschende, unsägliche Elend veranlaßte den Kurfürsten Georg Wilhelm wiederholt zum Verbot von Festen und zu ernsten Hinweisen an Rat und Bürgerschaft, daß jetzt wahrlich keine Zeit zu Tanz und Lust¬ barkeiten sei. Trotzdem erhielten sich die regelmäßigen Schie߬ übungen beider Gilden und die Schützenfeste itoch erstaunlich lange — ein Beweis von der Lebenskraft und der Bedeutung der Gilden. Erst von 1624 ab zahlte der Rat keine Gelder für Schießpreise mehr und von 1632 ab ruhte das Schützen¬ wesen in beideit Städten vollstäitdig. Der damalige Bürger¬ meister von Berlin, Reichart, ließ dem Schützeilkönige, Adam Kraßen, die goldene Königskette abnehmen und mit allen daran hängenden fürstlichen Kleinodien einschmelzen. 1637 und 1638 wurden dann die Schießhäuser in Pest¬ lazarette verwandelt und, als der in Berlin kommandierende, brandenburgische Oberst von Kracht am 17. Januar 1641 beim Anrücken der Schweden die Vorstädte niederbrannte, gingen auch sie in Flammen auf.*) Kaum war jedoch der schreckliche Krieg vorbei, da lebte auch die Freude an den Waffenübungen und den Vergnügungen der Schützengildeu wieder auf. Der Große Kurfürst, der die Förderung der Wehrkraft durch die Schießübungen, die Vorteile der Feste für Hebung von Handel, Gewerbe und öffentlichen Verkehr, den günstigen Einfluß des ganzen Schützenwesens für Belebung der Fürsten-

*)

Schwebet, Fest-Zeitg. d. 10. deutschen BundeSschiegenr.

No. 3.

|| /-E M

M S$: 4^-;

Gisfte McrrrdelhcrUe des Rerctzshlrirses irr KevUn. Paul Wallot. Zeichnung von Otto Rieth.

Architekt: Nach einer

--8

186

Moral sehr wohl erkannte, interessierte lebhaft für die Gilden, unterstützte sie 1650 beim Wiederaufbau ihrer Schießhäuser, ordnete gleichzeitig an, daß hinfort nicht mehr, wie bis dahin noch statthaft, Uebungen mit der Armbrust stattsinden durften, sondern nur mit Feuer¬ waffen, erteilte den Gilden 1651 und 1661 neue Privilegien, gewährte den Schützenkönigen von Cölln und Berlin statt der mit Einführung der Accise in Fortfall kommenden Steuerfrei¬ heit 1661 eine Präniie von je 200 Thlr. aus der Accisenkasse und veranlaßte direkt oder indirekt den Rat zum Schadenersatz für die abgenommene goldne Kette. Außer voii den Schützengilden wurden, wie bereits im I. Abschnitt erwähnt, Waffeuübuugen in alten Zeilen auch von andern, minder vornehmen Vereinen und von Zünften ge¬ trieben. Uni auch ihnen wie überhaupt jedem waffenfähigen Bürger Gelegetiheit zur Erringung eines Lohnes für feine ge¬ meinnützigen Uebungen zu geben und zu erhöhtem Eifer anzu¬ spornen, wurde alljährlich im Herbst auf dem Cöllnischen Schießplätze vom Rate ein sogenanntes „Freischießen" veranstaliet, für das er 1 bis 2 Ochsen spendete. Mit diesem Freischicßen nach der Vogelstange wurden auch Wettkämpfe im Laufen, Stechen und Schlagen und Volksbelustigungen auf der benachbarten Mecklingswiese, der Stelle des heutigen Kammergerichts, verbunden. Keitie der Waffenbrüderschaften kam — außer der Schützengilde in unserm Jahrhundert — jemals als geschlossene Körper¬ schaft zur Sicherung der Stadt gegen innere oder äußere Feinde zur Verwendung. Ihre Mitglieder traten vielmehr einzeln iin Bürgerkorps ein und wirkten hier durch ihre bessere Schießfertigkeit, höheres Selbstvertrauen und gutes Beispiel aneifernd auf die Masse der andern. Wie den Vereinen so blieb im allgemeinen bis zum Ende des 17. Jahrhunderts auch dem einzelnen Bürger das Tragen von Waffen unbenommen. Nur atis der Mitte des 16. Jahr¬ hunderts findet sich im Staatsarchiv ein undatierter „Bericht des Rats zum Berlin und Cölln wegen der Ordnung, wonach man in den Residentzen Sich zu achten," aus dem hervorgeht, daß der Kurfürst befohlen hatte, „daß dem vefuglicheu Zangk, Hader, Zwietracht, ausfurdern, Weglagern und veziemlichen, friedebrüchigen, Vergewaltigungen könnte oder möchte vorge¬ kommen werden, und daß darum „hinfurder keiner in Beiden siebten, denn Sr. f. G. Hofgesinde und andre mehr von Adel, so allhier durchmüssen oder zu thundt haben, und die Stadt¬ knechte oder Skadtdiener in Beiden Stedten ausznnehmen. Einige lange oder kurtze Wherr bey tage oder nachts solle an Doch die Räte stellten hiergegen vor, daß die sich tragen." Bürger, wenn ihnen das Degentragen verboten würde, von deit Hofjuitkerit und deren Bedienung überfallen werden könnten, wie dies schon vorgekommen, daß ferner die Räte sich gegen die, die sich an ihnen wegen einer verhängten Strafe rächen wollten, nicht verteidigen könnten und daß auch im Lattde sich eilt grausamer Haufe voit Landsknechten umheririebe, die gewiß in die Stadt eindringen und Gewalt treiben würden, wenn sie wüßten, daß man ohne Waffen gehe. In diesen Worten kommt so recht das ganze Elend der Zeit zum Ausdruck: das Unwesen der Landsknechte, der Balger und die Machtlosigkeit der Behörden. Joachim II. scheint der Wahrheit sein Ohr nicht verDie Bürger trugen ihre Waffen unbe¬ schloffen zu haben. treue, Vaterlandsliebe, Lch

persönlich

fr-

Nur das Tragen von Pirschbüchsen wurde zur Schonung des Wildes 1574, 1582 und später wiederholt Bürgern und Bauern verboten, und für die Ge¬ werksauflagen, bei denen wohl in der Trunkenheit oft ein Waffenmißbrauch vorkam, wurde die Führung irgend welcher Waffen untersagt. So bestimmt z. B. die „Confirmation" des Maurer-Privilegs*) von 1574: „zum 23.: „Sollt keiner, ehr sey Meister, geselle oder Junge, in den Pfingsten oder wann Meister und gesellen bey einander sein würden, kein lange gewehr, kurtze packe, beil oder Hammer, nichts bey sich tragen. Sondern so lange von sich abthun, das man zu Haus gehen helligt weiter wie früher.

will." Das in dem vorher besprochenen Ratsbericht berührte Landsknecht-Unwesen war in der That eine harte Plage. Nach jedem Kriege wurden Tausende von Söldnern entlassen, die nun brotlos und zum Teil bewaffnet, „gartend" das Reich

und bis zu einer neuen Anwerbung durch Betteln, Stehlen und Rauben ihr Leben fristeten. Vergeblich wurden wiederholt gegen sie scharfe Verord¬ nungen**) erlassen, so Montags nach Margarethen 1665 von Joachim II. besohlen, „alle fremden, gartenden Landsknechte Buben und Bettler gefenglich einzuziehen und über die Grenzen zu bringen oder, da sie nicht weichen wollten, mit peitzschen ausstreichen zu lassen," daun Mittwoch nach Urbani 1573 von Johann George das Herbergen und Beschenken solcher Bettler verboten und bestimmt, daß „wer ihnen, wenn sie was thätliches fürnehmen, nicht nacheylen und zur Gefengniß bringen helfen würde, der solle, so oft es geschieht, einen Winspel Hävern verfallen seyn und noch darüber mit Gefeng¬ niß etliche Tage gestraffet werden," und, daß, „wo ihr aber solches zu vollbringen, nicht genug gefast, Euch wie gewöhn¬ überschwemmten

lich

das Glockenschlagen dermalsen sterket,

durch

könnet

in Haftung bringen."

„Wer aber auf

daß

ihr

sie

den Glocken¬

Polizei Ersuchen zu Hülfe zu kommen säume, solle strengstens bestraffet werden." Aehnliche Edikte erschienen dann Mittwoch im heiligen Ostern 1574, Montags nach Conversiouis Pauli 1284, Sonn¬ abend nach Bartholomäi 1589 u. s. w. Am 25. Juli 1606 bestimmte ein Reskript, daß „umbstreichend, herrenlose Landsknechte, Müßiggenger, Teichgräber und Bettler, so unterm Schein ehrlicher Kriegsleute und nothdürftiger Hausarmen nicht allein entzeln, sondem auch hauffenweise herumbliefen, die Leute vergewaltigen, das ihrige stehlen und abbetteln, innerhalb 14 Tage die Lande zu räumen schlag oder der Nachbarn oder der

haben pp."

Im

30jährigen Kriege wurde infolge der Erschöpfung das angeworbene Kriegsvolk vielfach von ihren Hauptleuten bis zur Einberufung auf Betteln ausge¬ schickt. Da sie sich hierbei eine unerträgliche Zudringlichkeit, ja sogar die größten Gewaltthaten zu Schulden kommen ließen, so wurde dies Betteln am 5. Mai 1620 gesetzlich durch bteBestimmung geregelt, daß jedem Trupp von 10 Mann 3 Groschen gegen Vorzeigen ihrer „Kundschaften," der Bettelpässe, zu geben sei oder einzelnen vom Bauer 2 , vom Gärtner 1 Pfennig, und wenn sie dann noch nicht zufrieden wären, dürften sie mit Schlägen fortgewiesen werden. Natürlich ließen sich aber die Landsknechthaufen solche der Staatskaffen

*) Stadt-Archiv.

**)

Cs.

MyliuS, „Repers. Constit. March." V. V.

—« 187 liebevolle Behandlung nicht immer gefallen. Sie wurde nur Veranlassung zu Schlägerei, Mord und Totschlag.

Alle die erwähnten und ähnlichen spätern, für die Schrecken

St-

wir uns zuvörderst die örtlichen Verhältnisse, welche bei dieser Schöpfung in Betracht kamen. Doch vergegenwärtigen

Teltower Thore bei der heutigen Gertrandlenlief der Heerweg längs den Gärten der Bürger über den späteren Spittelmarkt, und weiter durch die Aecker, im Vom

der Landsknechtnot recht charakteristischen Verfügungen zeigen uns. wie nötig damals das Waffenrecht für jeden war. Alle

brücke

jene Bestimmungen aber über die Selbsthülfe der Einwohner

Zuge der Lindenstraße, nach Tempelhof. Eine zweite Land¬ straße bog sogleich bei dem vorgenannten Thor über den nördlichen Teil der heutigen Friedrichstadt, die zwischen der Kronenstraße und den Linden das mit Bäumen bestandene sogenannte Heide¬ land bildete. Dann folgte der Weg der Richtung der Linden¬ allee, welche als damals schon vorhandene Landstraße durch die bis zur später errichteten „Hunde"(Schloß-) Brücke reichende, von sandigem Acker und Spreewiesengrund durchzogene Waldung über Lielzen nach Spandau führte. Der nördlich vor Cölln gelegene Werder war größtenteils ein wüstes, zur Stadtfreiheit gehöriges Terrain, dem sich südlich Heideland und Wiesen, und dahinter das waldige Terrain des heutigen Tier¬ gartens anschlössen. Gänzlich isoliert lag die Gegend der jetzigen Dorotheenstadt mit ihren Acckenl, Wiesengründen und einigen Hopfengärten.

mußten ihren Zweck verfehlen, so lange die Staatsgewalt nicht mächtig genug war, ihren Worten Nachdruck gu verschaffen, und so lange man nicht das Uebel an seiner Wurzel anfaßte, das System der Anwerbung von Kriegssöldnern aufgab.

Erst die Einrichtung des stehendetl Heeres und dank der¬ selben die Stärkung der Staatsgewalt durch Einsetzung einer

ausreichenden Landespolizei und unbestechlicher Gerichte, inachle dem Landsknechlwesen ein Ende.

Auf

ja selbst in den Vorstädten noch schreckreit den friedlichen Bürger die Landsknechte; viel schlim¬ mer aber spielten ihm in den Straßen der Stadt selbst im 16. und 17. Jahrhundert die „Schnarcher" und „Balger" mit. den Landstraßen,

(Schluß folgt.)

Der Berliner Tiergarten. Von

In

Ferdinand Moyor.

vorgeschichtlicher Zeit durchfloß die Oder das heutige

Spreethal, bis sie.

nach der Annahme unserer Geologen,

in-

llicht wieder zu bewältigender Hemmnisse gezwungen wurde, von ihrem itrsprünglichen Lauf abzulenken und sich ein neues Bett auszugraben.

solge

selbstgeschaffener

und

Hiernach erhebt sich der jetzige Stadtteil Moabit auf einer der alten Oderdünen, und die Jungfernheide auf der höheren Sandfläche eines abgelaufenen Landsees von ungemessner Ausdehnung, als dessen Ueberreste hier die schönen Havelseen zu betrachten find.

entsprechend,

Auch unser herrlicher

Tiergarten

ist dem

als eine der jüngsten Bildungen im Spreethal,

auf einer der mittelhoch gelegenen Sandschichten jenes abgelaufenen Landsees entstanden, nachdem diese Schichten von den anfänglich lioch hochgehenden Fluten der Spree mit viel Humus enthaltenden und daher eine üppige Vegetation fördernden Diluviälsand angesetzt worden waren. Auf dem realen Boden der Geschichte erscheint diese alte Forstung als ein wildes und zum Teil noch sumpfiges Dickicht, das in der Niederung zwischen der Spree, den Feldmarken von Lietzow, Schöneberg und der Stadl Cölln sich ausdehnte, bis dann Jahrhunderte später die Umgestaltung desselben zu einem

Wild- und Jagdrevier erfolgte. Seitdem Kurfürst Johann Cicero das Schloß zu Cölln „an der Sprew" als dauernden Herrschersitz bezogen hatte, begann

ein

regeres Leben

in

den

beiden

Schwesterstädten

entwickeln; Bankette und Turniere wechselten bei Hofe miteinander ab; auch wissen wir von diesem Fürsten, daß er mü großer Vorliebe dem Weidwerk nachging und auf dem Umwege durch die Stadt mir Spieß und Falk zum frischen fröhlichen Jagen nach der Jungfernhaide hinaus zog. . . Hatte es bereits in der Absicht dieses Fürsten gelegen,

sich zu

für sich und seine Nachfolger ein Jagdrevier in unmittelbarster Nähe des Schlosses zu schaffen, so verwirklichte erst sein Enkel, der nachmalige Kurfürst Joachim II., diesen Plan.

Mit Einwilligung seines ebenfalls jagdliebenden Vaters halle der Kurprinz die Gemeinde der Stadl Cölln, auf „gnädiges und gütiges Ansuchen" zur Abtrettung eines Platzes (des Wer¬ ders), zunächst behufs „Anrichtung eines Thier- und Lustgartens," vermocht. Die darüber ausgefertigte Urkunde lauter:

„Wir Joachim, von Gottes Gnaden Marggraff zu Branden¬ burg, der Jüngere, zu Stettin, Pommern, der Cassuben und Wenden Herzog!. Burggraff zu Nürenbergk und Fürst zu Rügen, Bekennen und thun kund öffentlich mit diesem Briefe für Unß, unsere Erben undt Nachkommen und sonst aller münnigklich

die ihn sehen,

hören oder

lesen. Nachdem

unß

Unser lieben gelrewen Burgemeister. Rath. Gewerck undt gantz Gemeinde der Stadt Collen allhier auß Unlerthenigen geneigten

willen off unser gnädig und gütlich ansuchen, zu sondern gefallen, für Unß, Unser Erben undt Nachkommen ein Platz und Raum, dahinden bey der freyen Arch, zu einem Thier- undt Lust¬ garten auffzurichlen undt zu machen vorgünt undt gutwilliglich zu eigen eingeräumet undt abgetreten, daß Wir Ihn dan in Gunst undt Gnaden billich dankbar sein. Also gereden und aussprechen wir hieranff für Unß, Unser Erben und Nachkonnnen in gegenwertiger Krafft und Macht dieses Brieffes, ob sich in künftiger Zeit begeben, das Wir oder Unsere Erben und Nach¬ kommen solchen Platz und Raum zum Thier- ilnd Lustgarten ferner nicht haben, sondern denselben wieder vergehen lassen würden und walten, das Wir oder Unsere Erben undt Nach¬ kommen alßdann den vermelten Platz und Raum, so viel sie unns daran gegeben, Niemants ander, dan dem gedachten Bürgemeistern. Rath, gewerken undt Gemeinder zu Jederzeit Ihren Nachkommen wiederumb einräumen, zustellen und zu¬ eignen sollen, ohn einig hinder oder Gefehr. Darzu sollen und wollen Wir bei Unserm Lieben Herrn und Vaier, dem Churfürsten zu Brandenburg von solcher Zusielluug wegen des Platzes zum forderlichsteir darob undt an sein, das Ihnen daßelbe zu keinen Ungnaden oder Nachtheil gereichen soll. Getreulich Ungefehrlich. Zu Urkund mit Unserm hierunten uffgedruckten Secret besiegelt und gegeben Collen an der Spree, am Sontage Cantate Anno VXXYII“. (13. Mai 1527). Dann erwarb der Kurprinz im folgenden Jahre voir der

—»i

188

Witwe Heyse einen Acker für 40 Groschen, und 1530 von den Bürgern Merten Thurike, Thewes Marense, Tho¬ mas Linden de rg u. a. ihre an der „kortzm" (kurzen) Heide in der südlicheren Gegend der heutigen Friedrichstadt gelegenen Diesen Erwerbungen folgten später Aecker für 125 Gulden. noch Einverleibungen von eöllnischen Parzellen und der zu den Dörfern Schöneberg, Wilmersdorf und Liehen gehörigen Ländereien. Einen „bei der Lutzen" gelegenen Wiesenwachs, welcher der „alte Tiergarten" genannt wurde, läuteten Eu¬ stachius v. Schlieben und Adam Trotts im Jahre 1557 zu des Kurfürsten „Hofhaltung und Nahrung," gegen gewisse Zinsverschreibnngen ein. So halte denn der Kurfürst seine Besitzungen in der Gegend des heutigen Tiergartens auch gegen Lietzow hin ver¬

größert. Nebenbei werfen die Kämmereirechnuugeu der Stadl Cölln manch interessantes Streiflicht auf die damaligen Verhältnisse. Sv finden wir beispielsweise hinter einer im Jahre 1572 ge¬ leisteten Zahlung für das Zusammenbringen der Steine vom

Damm hinter dem Tiergarten, eine solche über 2 Schock 15 Gr. „Zehriingskosten" für Nickel Hartmann und Georg Otte, als sie dem Kurfürsten wegen des „abgepfändelen -Ochsen und neuen Ackerbaues hinter dem Tiergarten ans der Jagd nachgezogen." Dabei wird zugleich erwähnt, daß jener Acker hinter dem Tiergarten abgeteilt worden und vier Zug¬ Es scheint also, daß die ochsen zum Pflügen angeschafft seien. Stadt einen von ihr beanspruchten Weideplatz in der Gegend der heutigen Friedrickfftadt unter den Pflug genommen, und der darüber entrüstete Kurfürst auf seinem Jagdznge nach dem Grnnewald die Pfändung des Zugochsens befohlen habe. Wie das „Nachziehen" des besagten Nickel und seines Kum¬ pans verlaufen, ist leider nicht ersichtlich. Das weile Areal des Tiergartens umgab bis auf die natürlichen, durch Wasserläufe gebildeten Grenzen desselben, ein Stackenzann. Durch diese Sperrung der über den Werder und die heutige Friedrichstadt, hinlaufenden Wege war eine wesemliche Verkehrsänderung entstanden, und so halte denn Joachim II. einen offenen Fahrweg anlegen lassen, der vom Teltower Thore aus, zwischen der jetzigen Kronen- und Leip¬ zigerstraße an der Grenze des Tiergartens entlang, bis zur Gegend des Potsdamer Thores sich hinzog, sich dort teilte und nördlich über Lietzow nach Spandau, südlich aber über den Schafgraben nach Schöneberg und Potsdam führte. Zur Verbindung des von Caspar Theiß neuerbauten Residenzschlosses mit dem Tiergarten diente eine über die Spree nach dem Werder angelegte Brücke — vermutlich die heutige

fr—

heutigen „Deutschen Reichsbank" auf dem 1527 erworbenen „Lustgarten"-Terrain, erbaut worden. Dem Glanze des angestaunten Joachimischen Hofes mit seinen 430 Personen entsprechend, wird auch das Jagdpersonal

vertreten gewesen sein. Als der Fürst im Jahre 1542 nach Speyer aufbrach, begleiteten ihn der Jägermeister, 9 Jäger, ein Knecht, 7 Jägerjnngen und ein gewisser Moses. Dieser bekleidete eine besondere Hofmeisterstelle, denn unter seiner Obhut stand der „Englische Hund," des Fürsten Lieb¬ lingstier; doch erfreuten auch die Packer, Wind- und Hühner¬ hunde sich einer sorgfältigen Behandlung. Moses und die Jäger gehörten übrigens zu den 285 Personen, welche täglich aus der Hofküche an einem besondern Tische gespeist wurden. zahlreich

Kurfürst Johann George, als Kurprinz ein leiden¬ schränkte bei seinem Negierungsuntritt das Nachdem dann aber glänzende Hofwesen seines Vaters ein. die erschöpften Finanzen durch mehrjährige Sparsamkeit einiger¬ maßen wieder geordnet waren, erfolgte ein plötzlicher Um¬ Neben Turnieren und Ringelstechen, geistlichetl schwung. Komödien und den prächtigen, erst unter diesem Kurfürsten Jörn schaftlicher Jäger,

Hofe beliebt gewordenen Feuerwerken, stellte sich bei dem Kur¬ fürsten die frohe Lust an der Jagd wieder ein. So mag denn auch, wenn Johann Georg nicht sein entferntes Jagdschloß Zechlin in der Priegnitz aussuchte, der Tiergarten von neuem in Aufnahme gekommen sein. Uebrigens scheint das Wildern hier und in den übrigen landesherrlichen Forsten bei den „ungedrewen, eidvergessenen" Unterthanen damals recht überhand genommenzu haben; denn in einem Edikt vom Jahre 1574 verordnete der Kurfürst eine „hohe und ernste Straff" gegen die Diebe seines „gehegten und befriedeten Wildprets", sowie gegen diejenigen, welche sie „hausen, hegeti, auch einigergleich Weise Uiiterschleiff geben würden" — nämlich die Strafe des Galgens. Jeder Eiuzel¬

fall des Schießens nach Enten oder anderem „Feder-Wildprei" sollte mit einer Geldbuße von 10 Thalern geahndet werden.

Als Johann Georg im Jahre 1573 den wüsten Raum Himer seinem Schloß am Tier¬

des heutigen Lustgartens

garten,

welcher sich also bis zum jetzigen Kupfergraben er¬ streckte, durch den gräflich Schönbnrg'schen Gärtner Desiderins Corbianns zu einem neuen Lust-, Obst- und Ge¬ müsegarten Herrichten ließ, entstand auch die „Neue," dann

„Hundebrücke,"

die

in ihren mehrfachen Wandlungen als

heutige Schloßbrücke zu einer der schönsten emporgestiegen ist. Von hier aus führte ein neuer Weg auf die ältere, früher versperrt gewesene Straße (der Linden) durch den Tiergarten

Ließen.

Schlensenbrücke.

nach

Es war eine herrliche alte Forstung, in der die jagd¬ liebenden Herren pürschten, wenn sie es nicht vorzogen, das weile Revier der Spandaner Forst mit ihren ewig grünen Föhren, den üppigen Farrenkräntern und schilfnmkränzten Seen zu durchstreifen, seitdem der Kurfürst 1442 sein Schloß

Wenig bemerkenswertes läßt sich aus der Geschichte unseres Tiergartens während der Regierungszeit des Kurfürsten Joachim Friedrich (1598—1608) melden. Beim Antritt desselben bereits im 52. Lebensjahre stehend, liebte der Fürst mehr ein einfaches, bürgerliches Leben. So kamen denn die höchstens daß-' kostspieligeren Vergnügungen in Wegfall; „Mummereien," Schlittenfahrten und Jagden veranstaltet wur¬ den. Bei den letzteren bevorzugte der Kurfürst indes- das un¬ weit Eberswalde von ihm erbaute und nach seinem Namen

zum „grünen Wald" sich hatte erbauen lassen. Damals er¬ die Waldung auf dem Höhenzuge sich noch bis gen Köpenick hin, welchen Teil Joachim I. sich auserkoren hatte, streckte

um der Jagdpasfion zu huldigen. Jedenfalls war zur forstmätzigen Benutzung des Tier¬ gartens, zur Unterbringung dcr Jagdpferde, der Hunde und des Jagdzeugs schon zu jener Zeit ein Jägerhaus unweit der

benannte Jagdschloß

Joachimsthal. (Fortsetzung sotgt.)

«

Berlin tu einem Von

französischen

189

Urteil.

ehrliche Bestreben

Richavd Gesrgo. I.

Die

sich

eingehend über unsere Vater¬

Plailderei weist er den Gedanken zurück, daß er

Kriege von 1870/71 gewaltig empor¬ strebende Hauptstadt unseres wiedergeeinten Vaterlandes ist als sichtbares Zeichen der Herrlichkeit des neu erstandenen Reiches unseren Nachbarn jenseits der Vogesen naturgemäß ein Dorn im Auge. Während der Franzose München, Stuttgart und an¬ dem

nach

gehabt,

stadt zu informieren; gleich im Anfange seiner feuilletonischen sich

einbilde,

Berlin für die Franzosen entdeckt zu haben. „Berlin ist," sagt er, „heute von Paris nicht weiter entfernt, als Bayonne oder Nizza:

Pariser kann heute an den Boulevards und morgen linier den Linden. Aber trotz dieser schnellen und bequemen Reise-Gelegenheit besucht der Franzose Berlin fast

zu

Mittag

ein

essen

deren süddeutschen Me¬

nur zu Handelszwecken

tropolen mit einer wissen Sympathie

und hat dann weder Zeit noch Lust, Land und Leute zit stu¬ dieren. Man hält

ge¬ ge¬

genübersteht, die Aus¬

stellungen dieser Städte beschickt und die letz¬ teren auf seinen Reisen

Berlin

Tirol

nach

Stadt

und der vielfach be¬

Schweiz

mit

vollem

für eine

nicht

Recht

Vergnü¬ gens; überdies macht des

rührt. verbinden ihn mit Berlin und dem

seine

deutschen Norden fast

sches Reiches

ausschließlich Handels¬

Franzosen nicht sym¬ pathisch. und die we¬ nigen, welche es als

Es ist

beziehungen.

verhältnismäßig

Eigenschaft

als

Hauptstadt des deut¬

sel¬

es den

ten, daß ein Franzose Berlin um seiner selbst

Tourist auf einer Reise

willen und nicht als Kaufmann besucht und noch viel seltener, daß

besuchen,

er

für

durch Norddeutschland

halten mit ihrem Reisebuch einen viertägigen Aufenthalt

Reiseein¬

seine

genügend. Es kommt daher nicht oft vor, daß einer unserer

vorurteilsfrei

drücke

empfängt und unsere Vaterstadt nicht durch die getrübte Brille des Chauvinismus be¬

Landsleute

Berlin

Franzosen

Mut

den

seinen

Lands¬

über

Berlin

Wein

einzu¬

ist

schenken,

Prövost, Artikel deutsche

wie über

auch einen tieferen Eindruck von

den

einen

den künst¬

den

politischen

sichten empfängt,

die

Die Dueg

ju S«l;,vodel.

Nach einer photographischen Aufnahme von

jüngst

im

„Gil Blas"

veröffentlicht hat. 28. Oktober 1891) Derselbe hat, mit Empfehlungen ausgerüstet, welche ihm Zu¬ den

Sillen,

lerischen Bestrebungen,

die

Reichshaupt¬

(Nr. 430,

sondern

Marcel

stadt darthun, welche dieser französische Journalist

tritt

Absicht,

studieren,

sich

Einer jener vorur¬ teilsfreien Touristen, welcher gleichzeitig im Gegensatze zu vielen

leuten reinen

zu

dort einige Zeit aufhält und nicht nur die Straßen, die Deitkmäler, die Um¬ gebung kennen lernt,

trachtet.

hat,

mit der

bestimmten

vom

zu den ersten Gesellschaftskreisen verschafften, Berlin in Monaten September und Oktober des vorigen Jahres

fünfwöchigen Besuch abgestattet und sich bemüht, sich während dieser Zeit ein klares Bild von der deutschen ReichsHauptstadt zu verschaffen, und dies ist ihm gelungen — soweit es überhaupt einem Franzosen gelingen konnte. Er scheint die deutsche Sprache genügend zu beherrschen und har das

zit

F.

allen

....

Die zufällig in Paris

Albert Schwartz fast

An¬

angeknüpfteti

in Berlin.

Gesellschaften

Zutritt

Be¬

ziehungen haben mir verschafft. Ich reiste

mit der berufsmäßigen Wißbegier des Journalisten und der des Touristen. Ich habe mich durch Beobachtung und Erkundigungen informiert, so gut es anging. Der Zeit¬ punkt war für diesen Zweck besonders günstig gewählt: die Ereignisse von Kronstadt und Portsmouth waren noch neu; die Erregung und Entrüstung über dieselben öffneten die Lippen und klärten mich über vieles sicher und eingehend auf, was mir früher dunkel und unklar war." Nach diesen einleitenden Worten schildert Marcel Prsvost nach dorr

....

-3 den Eindruck, welchen ans ihn gemacht hat.

190

Berlin in seiner äußeren Erscheinung „Es ist eine von den Berlinern, welche

stolz ans das schnelle Wachsen ihrer Hauptstadt sind, allgemein in Deutschland verbreitete Ansicht, daß Berlin im Begriffe sei, Einige gehen sogar noch weiter schöner als Paris zu werden. und behaupten, daß Berlin Paris schon überflügelt habe. Eine derariige Behauptung kann dem Unparteiischen nur ein Lächeln abnötigen, doch begreife ich, wie sich ein Berliner im

Ernst zu derselben versteigen kann. Wenn die Schönheit einer Stadl in der Geradheit ihrer Straßen, in ihrem großen Flächeninhalt, in der Architektur ihrer Häuser liegt, dann bleibt Paris sicherlich nicht nur hinter Berlin, sondern hinter vielen ausländischen, besonders deutschen Städten zurück. Unsere Boulevards sind zweifellos einzig in der Welt, durch ihre Länge, ihre Bewegung, den Glanz ihrer Schaufenster; die Häuser, welche sie einfassen, können jedoch nach meinem Ermessen keinen Anspruch auf architektonische Schönheit erheben. Man ivird mir einwenden, daß sie schon ult sind. Tragen jedoch die neuen, zum Beispiel im Quartier Marbeuf, ein künstlerischeres Gepräge? Es sind dieselben monotonen Fassaden mit langen Fensterreihen; ein eiserner Balkon ist die höchste Anstrengung, zu welcher die Pariser Architektur sich erhebt. Sie ist geradezu eine Nützlichkeits-

Architektur."

„In nicht

.

Berlin liegt

die Sache ganz anders, es bestehen dort

wie in Paris. Der Platz kostet leichter, die Baumaterialien sind eben¬ Berlin ist aus Ziegelsteinen gebaut, und Kaiser

die Einschränkungen

weniger, er findet

sich

falls billiger. Wilhelm II. wird viel zu thun haben, als ein neuer Augustus eine Stadt aus Stein zu hinterlassen." Im Gegensatz zu der Pariser Architektur sind Prevost die zahlreichen Erker, Säulen und Karyatiden aufgefallen, welche unseren Privatgebäuden ein reicheres Gepräge verleihen und den Berliner Straßen ein monumentales Ansehen geben. Entgangen ist dem französischen Beobachter jedoch nicht, daß diese reichere Architektur meist aus Stuck hergestellt ist. Er erklärt sich jedoch durch sie, daß in den Augen vieler Berliner Berlin schöner als Paris er¬ scheint, was angesichts der einfachen Fassaden der Pariser Häuser verzeihlich sei. Prevost hat jedoch auch Worte des Tadels für die

Berliner Architektur.

„Unglücklicher Weise," sagt er, „ist der Häuser, obgleich er monumental ist, doch zwar sowohl in der Gesamtkonzeption als auch in der allzu häufigen Anwendung einer Stilart, nämlich eines vereinfachten Rokokos. Durch den Stuck verliert der monumentale Eindruck, Berlin erinnert deshalb lebhaft an das Ephemere einer Weltausstellung; es liegt etwas Flüchtiges. Sparsames, etwas Provisorisches in den Berliner Bauten, was die einfachen Pariser Fassaden nicht haben. Monumental und provisorisch, dies sind die beiden Worte, welche die moderne Berliner Architektur charakterisieren. Berlin ist eben die junge Hauptstadt eines jungen Kaiserreiches, eine Stadt in Eile mit Siegen gebaut, die noch nicht lange hinter uns liegen, in einem Zeitraum von 25 Jahren, eine Stadt, die von 800 000 Einwohnern auf fast zwei Millionen stieg." „Tritt eine nationale Niederlage, eilte Handelskrisis ein, wie die, welche über Italien hereinbrach, so wird Berlin nach zwei Jahren dasselbe Aussehen haben, wie das neue Rom: große Gebäude aus Ziegelsteinen, welche durch den losgelösten

Stil der Berliner einförmig, und

&

erscheinen. . . . Aber zur Stunde läßt Handelskrisis in Berlin ahnen, und niemand zieht die Möglichkeit einer nationalen Niederlage auch nur im Entferntesten in Betracht; denn Berlin ist voll Leben und in steter Vergrößerung. Was von den alten Vierteln übrig bleibt, verschwindet allmählich unter den mächtigen modernen Gebäuden. Die Stadl dehtlt sich nach Westen aus, wie alle großen Haupt¬ städte. Da in der weiten Spree-Ebene nichts ihre Ausdehnung hemmr, so wird Berlin am Ende des Jahrhunderts bevölkerter sein, als Paris, wenn über Deutschland kein militärisches Unglück hereinbricht. Das Dasein Berlins ist mit dem Schick¬ sal der preußischen Waffen verknüpft; das ist eine charakteristische Eigenschaft dieser Hauptstadt." „Wenn aber Berlin sich auch stetig vergrößert, vielleicht Paris, vielleicht sogar London an Ausdehnung und Ein¬ wohnerzahl übertrifft, so kommt es diesen Städten doch nicht gleich, welche nicht allein Städte, sondern „Welten" sind. Die Berliner nahmen es übel, wenn ich sagte: „Ihre Stadt ist sehr schön, aber sie geht auf eine Hand. Ziehen Sie ein Dreieck, dessen Spitze auf dem Belle-Alliance-Platz liegt und das die Linden zwischen dem Pariser Platz und dem König¬ lichen Schlosse zur Basis hat, so befindet sich alles, was es in Berlin Sehenswertes giebt, in diesem Dreieck, und dieses Dreieck ist nicht groß." In diesem Dreieck liegen die histo¬ rischen Denkmäler der kurzen Geschichte Berlins, und an dem Punkte, wo sie besonders vereinigt sind, zwischen dem schönen Reiterdenkinal Friedrichs des Großen von Rauch und dem Schloßplatz, macht Berlin den glänzendsten Hauptstädten den Rang streitig. In demselben Dreieck befinden sich auch die schönsten Straßen der Stadt mit luxuriösen Kaufgeschäften, welche bis spät in die Nacht von Passanten ^belebt sind. Wagen sieht man verhältnismäßig wenige in Berlin, und außerhalb dieses Dreiecks giebt es eigentlich weiter nichts als Straßen, von denen die eine der anderen gleicht. Eine Aus¬ nahme bildet der Tiergarten, ein hübscher Park, der aber viel zu klein ist." Ein eigentümliches Urteil fällt Prsvost über den Grunewald, welchen er den schwermütigsten Ort nennt, der ihm je vorgekommen ist. Es erscheint ihm unbegreiflich, wie sich die Berliner dort Villen bauen können. Ec erklärt ihn ge¬ radezu für einen Ort, an dem man melancholisch werden müsse und sagt von ihm: „S’il est quelque part des gens trop

Stuck wie Gerippe

noch nichts eine

gais, ils ne sauraient mienx clioisir qu’une villegiature au Grunewald pour faire une eure de spieen.“ Pre vost bezeichnet zum Schluß als Hauptmerkmale der architektonischen Erscheinung Berlins: „zugleich dekorativer uird provisorischer Charakter der Häuser, Einförmigkeit und Bedeu¬ tungslosigkeit innerhalb eines eng begrenzten Centrums." Diese Fehler legt er jedoch nicht den Berlinern zur Last, welche ihr Bestes thun, um die Stadt zu verschönern, er er¬ klärt sie vielmehr durch die Jugend Berlins. „Berlin ist zu Wohlstand und Größe zu einer Zeit gekommen, wo es eigent¬ lich keine Baukunst mehr gab. Nähme man von Paris die alten Bauwerke fort, so bliebe noch weniger als in Berlin; denn die Börse, das Hotel des festes u. s. w. in Paris können uninöglich Monumentalbauten genannt werden." — Mag diese Beurteilung der deutschen Reichshauptstadt von Seiten des französischen Journalisten auch in den Einzelheiten vielfach nicht den Thatsachen entsprechen, mag sie hier und da

•=

191

es wagt, selbst an Paris, dem oeiitre, dein cerveau du monde, wie Victor Hugo es nennt, Kritik zu üben — eine

den oberflächlichen Beurteiler verraien, dem eine liefere Sach¬

kenntnis abgehl, im allgemeinen erweist sich Prsvost als ein wohlwollender Beurteiler, der die Dinge nicht durch die ge¬ trübte Brille des fanatischen Deutschenhasses ansieht und der

Unbefangenheit, welche bei einem Franzosen anzuerkennen ist.

Kleine Mitteilungen. Dio gvoHo MandrllpaUo dos Reidishanscs,

welche

wir auf S.

18 > in ihrer künftigen Erscheinung im Bilde vorführen, ist neben den beiden Sitzungssälen des Reichstags und Bundesrats der Haupt¬ raum der Meisterschöpfung Paul Wallots, welche sich nunmehr in ab¬ sehbarer Zeit ihrer Vollendung nähert. Leider hat sich seiner Zeit im Reichstage eine Mehrheit gesunden, welche sich sür die Ausschmückung dieser Wandelhalle in gewöhnlichem Sluckmarmor entschied — entgegen den Wünschen der künstlerischen Autoritäten, vor allem Paul Wallots selbst, der die Wandbekleidungen und das architektonische Gerüst in dem schönen, marmorähnlichen istrischcn Kalkstein herstellen wollte. An Stelle dieser edleren Materials ist nunmehr ein von dem Wiener Fabrikanten Matscheko aus sogenanntem Sorelschen Cement hergestellter Stoss getreten, mittels dessen die ursprünglichen Absichten des Architekten annähernd ver¬ wirklicht werden.

Die „Deutsche Bauzeitung", welcher wir düse Einzelheiten und unser vom Architekten Otto Rieth gezeichneter Bild entnehmen, schreibt über die Wandelhalle: Die gesamte hintere Hälfte des WestslügelS einnehmend, ist die große Wandelhalle dazu bestimmt, den Mittelpunkt für den Verkehr der Ab¬ geordneten innerhalb des Hauses zu bilden. Während auf ihre Schmal¬ seiten die beiden zur Verbindung der Geschäftsräume in den 3 Geschossen dienenden Haupttreppen münden, öffnet sich in ihrer Queraxe einerseits der Haupizugang zum großen Sitzungssaale, andererseits der Ausgang nach der am Königsplatze liegenden repräsentativen Vorhalle. In den Seitenteilen sind nach Osten die Verbindungen mit den Geschäftsräumen des Reichs¬ tags-Vorstandes und des Bundesrats angeordnet, während sich ihnen auf der dem Königsplatze zugtkehrten Westseite die Schreib- und Lesesäle, sowie die Erfrischungsräume vorlegen. Dementsprechend ist auch die GrundrißGliederung dls Raumes erfolgt. Inder Mitte eine quadratische, an den Ecken abgeschrägte und ausgenischte Halle, deren Flachkuppel-Gewölbe von einer Oberlicht-Oefsnung durchbrochen wird. Seitlich je eine rechteckige Halle, von einem Tonnengewölbe mit Stichkappen überdeckt. Rach Osten hin werden diese Seitenhallen, welche hier von den Höfen her durck je 3 Fenster ihr Lickt empfangen, von schmalen, zweigeschossigen Nebenschlsfen begleitet; von Säulen getragene Gallerten an den äußeren Enden und ensprechende brückenartige Verbindungs-Gallerien zwischen dem Mittelraum und den Seitenhallen bringen die zweigeschossige, auch zu dem oberen Stockwerk des Hauses in Beziehung gesetzte Anlage der letzteren zur weiteren Geltung. Daneben verfolgen jene Verbindungs-Gallerien, über welche man schon von den Endpunkten her einen Einblick in den Kuppelraum gewinnen kann, noch den ästhetischen Zweck, die perspektivische Wirkung des Gesamtraums zu steigern und dem Beschauer seine mächtige Länge zum vollen Bewußtsein zu bringen. Die letztere beträgt zwischen den Stirnwänden gemessen 86,17 m. Die Quadratseite der Mittelhalle mißt 20,97 m, während daS Hauptschiff der Seitenhallen zwischen den Pfeilerstellungen 10,17 m breit ist, und die Entfernung zwischen den Fenslerwänden und der gegenüber¬ liegenden Westwand 13,50 m beträgt. Der Scheitel der Zeitlichen Tonnen¬ gewölbe liegt 16,70 m, derjenige der Tonnen in den Zwischenstücken 17,80 m, der Oberlichtring der mittleren Flachkuppel 23,50 in über dem Fußboden. Daß der Eindruck der Wandelhalle nicht nur zufolge dieser Ab¬ messungen, sondern auch vermöge der ihr seitens des Architekten gegebenen künstlerischen Ausbildung ein gewaltiger, wahrhaft vornehmer und monu¬ mentaler sein wird, dürfte von keiner Seite in zweifel gezogen werden. Vielmehr dürfte, wie durch die ganze Gestaltung des Reichshauebaues so insbesondere auch durch diejenige dieses Raums, der Beweis erbracht sein, daß sür die größte Aufgabe, welche Deutschland seinen Baukünstlern zu bieten hatte, in Wirklichkeit der richtige Mann gefunden worden ist, und daß das vielgeschmähte Verfahren der öffentlichen Wettbewerbung in diesem Falle wieder einmal glänzend sich bewährt hat. Ueber die der Halle zugedachte dekorative Ausstattung wären ins einzelne gehende Mitteilungen noch verfrüht. Wie unser Bild zeigt, wird im allgemeinen der Grundsatz durchgeführt, die Wände mit Werken der Plastik zu schmücken, bei denen — wie im ganzen Reichshause — ornamental umrahmte Wappen eine wesentliche Rolle spielen werden, während die gewölbten Decken, sowie die Untersichten der großen Gurt¬ bögen und Stichkappen, erstere mit figürlichen, letztere mit ornamentalen Malereien versehen werden sollen. Neben diesen Malereien werden die teppichartige Verglasung der Fenster, der bunte Marmor-Fußboden und die in Marmor herzustellenden Thür-Umrahmungen in Verbindung mit den kräftigen Holztönen der Thüren selbst, dem Mobiliar an Sitzen u. s. w. das farbige Element des RaunieS vertreten, während die Wände mit ihrem plastischen Schmuck und der architektonischen Gliederung den Ton einer

i

j

hellen Steinfarbe erhalten und nur durch sparsam angewendete Vergoldung einzelner Teile belebt werden sollen.

Dnrg

zn Salxrrredel wurde um 780 von Karl dem Die Großen gegründet, war Sitz der Markgrafen der Nordmark und seit Ende des 11. Jahrhunderts der Mark „Soltwedel". 1131 belagerte Kaiser Lothar die Burg, welche er 1134 Albrecht deni Bär als erbliches Besitz¬ tum überließ. Dieser große Fürst aus dem Hause der Askanier legte 1157 den Titel Markgraf von Salzwedel ab und gab sich den Namen Markgraf von Brandenburg. Salzwedel kann somit als Wiege des brandenburgiich/preußischen Staates betrachtet werden. Der an¬ sehnliche Turm der alten Burg, dessen Abbildung wir auf S. 189 bringen, ist der Spitze beraubt (seit 1736); derselbe zeichnet sich durch seinen Um¬ fang und seine Festigkeit aus; seine Mauer ist zwölf Fuß dick. Der Turm diente als Citadelle, aus welcher man bis zur Erfindung des Schießpulvers und der Kanonen den andringenden Feind zurückhalten und ihm kräftigen Widerstand leisten konnte. Die Bekänipfung der Wenden gab die erste Veranlassung zur Entstehung der Markgrasschasl Salzwedel und der Burg. Albrecht der Bär scheint sich nur vorübergehend in Salzwedel aufgehalten zu haben. Von seinen Nachkommen nahmen Johann 1. (1220—1266) (1220 —1267) dauernd und mit Vorliebe ihren Aufenthalt und Otto in der Burg. Die letztere gelangte im Jahre 1667 in Privatbesitz, nach¬ dem sie zuletzt den kurfürstlichen Hauptieuten als Aufenthaltsort gedient hafte. Im Jahre 1864 kam sic durch Kauf wieder in den Besitz deS R. G. Königs von Preußen.

III.

Dello-Allianoe und Muteuloo.

— Blücher halte ge¬ wünscht, daß die Schlacht des 18. Juni 1815 nach dem Meierhose BcllAlliance. wo er sich mit Wellington getroffen hatte, genannt würde, aber letzterer war eS von Indien und Spanien her gewohnt, seine Siege nach seinem Hauptquartier zu bezeichnen, welches in diesem Falle weit hinter dem eigentlichen Schlachtfelde zurücklag. Die Franzosen wiederuni nennen Einen Doppelnamen hat auch sie die Schlacht von Mont-Saint-Jean. die Schlacht bei Königgrätz, welche bei Engländern und Franzosen jeden¬ falls wegen der ihnen schwer fallenden Aussprache dieses Namens die von I). Sadowa heißt.

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Genuß nicht, denn die Aufgabe, zwei so seltsame Menschenkinder, wie sie durch obenerwähnte Personen repräsentiert werden, unserm deutschen Em¬ pfinden verständlich zu machen, verlangt von dem Autor außerordentliche — 1k — Begabung und ein voll Sichversenken in den Stoff.

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192

*3

Sammlungen begrüßen.

Auch sind so manche Perlen darunter, die auf das Kindesgemüt einen erzieherischen Einfluß ausüben können und sie zu einer hübschen Geburtstagsgabe machen. Wir wünschen, daß die Sammlung nicht allein recht viele Abnehmer finden möge, sondern daß auch die Lokalsagen anderer Bezirke in dieser mustergiltigen Weise wieder dem Volke zu¬ R. II. gänglich gemacht werden möchten.

Spuren alter Ansiedelungen wieder zurückgegeben ha!. Der Verfasser bleibt nicht nur bei dem Litteratur-Nachweis stehen, sondern teilt den Inhalt der in den verschiedenen Zeitschriften und Broschüren niedergelegten Arbeiten auszugsweise mit, und erhöht die Handlichkeit durch ein systematisches Sach— lk — und Örts-Verzeichnis.

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23. lamme 1892.

rt Lern Wrjmkegmm Wlxalls. Eine Federzeichnung in Chodowieckis Manier

Julius R- Hanrstaus. (Schluß.)

Am Abend des nächsten Tages konnte Pöllnitz kaum die Stunde der gewohnten Schachpartie erwarten. Er betrat das Haus des Hofpredigers zeitiger als sonst und benutzte die Ge¬

„Wie will Er das machen?" fragte sie zögernd. „Sie wird's früh genug erfahren, Jungfer! laß Sie

mich

„Hat Sie schon gehört, Jungfer," begann er, „daß der König das Regiment Bayreuth nach Königsberg verlegen will?" Das Mädchen stutzte. „Ei, Herr Baron," entgegnete sie keck, „Er scherzt, das müßt' ich besser wissen als Er! Oder hat Ihn des Königs Majestät zum Kriegsrat ernannt?" „Sie hat wohl nicht viel Vertrauen zu mir. Jungfer Röse?" fuhr Pöllnitz fort, „nun, frag' Sie einmal den Gärtner, von dem Sie Ihre Astern bezieht!" Er stemmte die Arme in die Seite und blickte das Mädchen mit prüfendem Auge an. Sie war nicht so erstaunt, als er vermutet hatte, sondern faßte sich schnell und trat dicht vor ihn hin. „Weiß Er von der Geschichte, Herr Baron?" fragte sie leise. Ihr hübsches Gesichtchen nahm plötzlich einen traurigen

nur sorgen! Jetzt aber fein still, der Herr Oheim kommt!" Röschen floh in die Küche, und Pöllnitz begab sich in die Stube. Dort musterte er mit gut geheuchelter Gleichgiltigkeit die Bilder an den Wänden. Es waren alte, holländische Stiche nach Rubens, die der Hofprediger von einem Ver¬ wandten, der vor Jahren in Amsterdam verstorben war, geerbt hatte. Sonst wären sie wohl nicht in die Staatsstube eines geistlichen Herrn gelangt. Der Hofprediger trat ein. Er, schüttelte dem Freunde mit kurzem Gruße die Hand, stellte sein spanisches Rohr in die Ecke und vertauschte das schwarze Gewand mit dem be¬ quemen Schlaftock. Dann hängte er die Perücke behutsam über den gedrechselten Zierknopf des Bücherschrankes und be¬ Während er sich deckte sein Haupt mit einem Samtkäppchen. die Pfeife stopfte, stellte Pöllnitz die Figuren des Schachspieles auf. So war es seit jeher gehalten worden. Heute wollte die Pfeife nicht brennen; sie zog nicht, aber Cochius konnte

Ausdruck an.

sich

legenheit,

da

von seinem Abendspaziergang noch nicht

dieser

zurückgekehrt war,

mit

dessen hübscher Nichte ein Gespräch an¬

zuknüpfen.

„Nun, ich muß wohl, Jungfer Röschen! Möchte Sie Ihren Lieutenant wohl recht bald heiraten?" „Ach, Herr Baron, daran dürfet! wir noch gar nicht denken! Der Herr Oheim giebt's nicht zu. Er kann die Offiziere nicht leiden! Ach Gott, wie manche Thräne hab' ich

geweint!" „Tröste Sie sich, Jungfer, Sie soll Ihren Lieutenant kommen. Auf Kavalierswort, ich helf' Ihr!"

schon deswegen

Das Mädchen Blickes an.

sah

den

be¬

hilfebereiten Baron zweifelnden

doch nicht entschließen,

eine andere zu nehmen.

Er

ver¬

mit einer Stricknadel Luft zu machen. Während er so noch beschäftigt war, nahm Pöllnitz ein Buch aus der Tasche und blätterte darin, anscheinend um sich die Zeit zu vertreiben, bis der Hofprediger zum Spiele bereit sei. „Was hat Er da, Baron?" fragte dieser. „Nichts von Bedeutung, Euer Hochwürden," entgegnete Pöllnitz gleichgiltig, „nur ein Bändchen Gedichte, das mir der König geschenkt hat." suchte

Er steckte das Buch wieder ein und that, als wolle er mit der Partie beginnen. Seines Partners Neugier war ge-

-—ls bedeutend ausgedehnt haben, in lichterem Rot angelegt sind. Die S tuat on, wie Straßen, Namen, Hausnummern, öffentliche Gebäude, Parkanlagen sind in vorzüg¬ licher Schärfe und Genauigkeit darg-stellt. Die Anschaffung des Planes ist inSb sondere allen denen zu empfehlen, welche sich nicht alljährlich ein neues Adreßbuch zuzulegen gewillt sind. Der Preis für Straubes Verkehrs¬ plan mit vollständigem Straßenverzeichnis u. s. w, in fl xiblen Leinwand¬ band gebunden, beträgt nur 1,50 Mk, broschiert 1 Mk., für Komtoirbedarf auf Pappe oder auf Leinwand (32teilig zum Zusammenlegen) gezogen, 3 Mark.

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Seif

30. Januar 1892.



Eine Berliner Humoreske von

®. V.

ODorKarnp.

Es gab keinen besseren, alten Knabetl, feinen urgemüt¬ licheren Kauz als den Rat Mutzelheimer. Zehn Jahre mit einander politisieren und mit einander kneipen und in diesem ganzen, langen Decennium kein einziger Streit — ich bitte mir ein ähnliches Beispiel aufzustellen. Mutzelheimer war nun auch freilich physisch und moralisch ein Normalmensch.

Er hatte nur zwei Fehler.

Er trank erstens, trotzdem

daß er wenig vertragen konnte, dennoch gern eins über den

Durst — und er verfiel zweitens, wenn er dies gethan, in einen Zustand geistiger Hilflosigkeit, in welchem er, wenn man es ihm plausibel zu tnachen verstand, den Mond für eine

neuen Zeit, wie zwischen zwei Töchtern, von denen die eine sein verhätscheltes Schoß- und die andere sein verfehmtes Stiefkind war. Nichts Bestehendes fand Gnade vor seinen Augen; alles, was der Neuzeit entstammte, wurde nieder¬

der

gemacht. niedergetreten, niedergedonnert zu gunsten der guten,

alten Zeit. Hatte der Rat indes auf diese Weise das ganze Gebäude der modernen Einrichtungen in Trümmer gelegt, so brach er selbst gleichsam über den letzteren zusammen, um über dem großen Trümmerhaufen, den er gehäuft, zu weinen, wie einst Scipio Afrikanus über die Ruinen von Karthago geweint.

Ein kläglicher Zustand!

In

mit Fug itnd Recht annehmen,

Laterne ansah.

diesem Zustand durfte inan

daß Mutzelheimers Verstand

der dann ein wahrhaft revolutionärer Umsturzgeist sich gesellte, kam in der Regel des Abends in der Stammkneipe beim vierten oder fünften Seidel über den Rat. Er wackelte dann mit dem Kopf, bewegte sich

Man durfte die ge¬ nunmehr gänzlich Schiffbruch gelitten. wagtesten Hypothesen aufstellen, der Rat hielt sie für unanfecht¬ bare Dogmas; man durfte ihm sämtliche Bären der kau¬ kasischen Wälder aufbinden; er ließ sie sich aufbinden und

wie ein perpetuum mobile auf feinem Stuhle hin und her, nahm alles für bare Münze an. was immer man ihm auch erzählen mochte, und begann jeden Satz, den er in diesem Stadium zum Besten gab, mit der bei so vielen Leuten üblichen Redeweise: „Ja, in der guten, alten Zeit." „Ja. in der guten, alten Zeit, da las man den Verdienst noch auf der Gasse auf." Oder: „Ja, in der guten, alten Zeit, da gab's noch keine Steuern; da zahlten sie einem noch etwas zn und waren froh, wenn man's annahm." Oder: „Ja, in der guten, alten Zeit,

alte Zeit," von deren Geschichte und von deren Mißständen er auch nicht eine blasse Idee hatte, noch einmal gründ¬ lich aus Kopf und Seele heraus zu experimentieren. Wie aber dieses gewagte Experiment in Scene setzen? Ich hatte mir damals, in einer mir unerklärlichen Jung¬

Diese

geistige Hilsslofigkeit,

— flogen

zu

einem die gebratenen Tauben noch in den Mund." —. Wer aber „die gute, alte Zeit" zu seinem Steckenpferd macht, der ist natürlich schlecht auf die Neuzeit , zu sprechen. Also auch Mutzelheimer. Er saß, wie gesagt, wenn er's bis zum sechsten Seidel gebracht hatte, zwischen der alten und da

lächelte dazu. Der Rat besaß, in diesem letzten Stadium an¬ gelangt, einen Glauben, der Berge zu versetzen vermochte. Einen kindlichen, vertrauensseligen Glauben, auf den ich denn auch. unter uns gesagt, die Hoffnung baute, ihm „seine

gute,

gesellengrille, eine Wohnung von drei Zimmern in Friedenau gemietet.

Diese Wohnung, die ich schon anfing satt zu bekommen, erschien mir jetzt mit ihren zwei Eingängen wie geschaffen zu der

Kur, die

ich an

Mutzelheimer zu vollziehen gedachte.

-8

gut, altes Haus, und komm heut abend zu mir heraus zu einer Flasche Chateau Lafitte", — hatte ich dem Rat geschrieben, und der Rat, den der Chateau Lafitte

„Sei

so

bereits in der Kehle kitzelte, hatte angenommen. Nun aber ans Experiment!

Pro primo zwölf Flaschen Chateau Lafitte statt

der

einen!

Pro secundo.

Vollkommene Demolierung meiner soge¬ guten Stube. Der Teppich wurde aufgewühll au den vier Enden, um einem noch zu sicheren Fuße zum Fallstrick zu dienen; die Albums, die Sophakissen wurden

nannten

großen

auf den Boden geworfen; die Stühle und Tische wurden auf den Kopf gestellt. Und als ich nun das Chaos dieser ver¬ störten Welt um mich her betrachtete, lächelte ich wohlgefällig — dann ließ ich noch die eisernen Rolljaloufien an den Fenstern herunter und sprach bedächtig: „Es werde Nacht!" Und es ward Nacht, und mit ihr kam Mutzelheimer.

Er läutete an der Thüre, von der aris ein kleiner Gang in die große gute Stube führte; ich aber — mir wohlüber¬ legter List — ließ ihn zur zweiten Thüre herein, die in mein Arbeitszimmer mündete. — „Grüß Dich Gott, altes Haus!" — der Kork von der ersten Flasche flog auf den Bodeit, und

wir

saßen uns gegen¬

über an dem runden Sophatisch, lächelten uns selig an und sprachen vom „Wetter!" — Der Kork von der zweiten und dritten Flasche flog in die Ecke — Mutzelheimer lächelte nicht mehr, er tvackelte mit dem Kopf; ließ mehrere sehr verschieden modulierte „Hms" vernehmen, begann endlich weidlich über die Wahlen in den Reichstag zu schimpfen und sagte zu guter¬

ieht: „Ja, in der guten, alten Zeit, wußte man nichts von einem Parlament, wußte mau nichts von Bismarck, Windthorst und Richter, und alles ging doch ivie am Schnürlein!" Vierte und fünfte Flasche Chateau Lafitte — die Dis¬ kussion wurde Heftiger. „Was meinst Du, wenn sie in der guten, alten Zeit, einen Bismarck gehabt hätten?" sagte ich. „Mit dem jahrhunderte allen Schlendrian wäre daitn aufgeräumt worden, aber gründlich!" Jetzt schillerten Mutzelheimers Augen grün vor Wut. Seine Reden überstürzten sich förmlich, er gestikulierte mit Hand itiid Fuß, stürzte ein Glas Wein nach dem anderen hinunter und merkte gar nicht, daß ich ihnt das Weitertrinken schon längst allein überlassen hatte und mich nur noch an dem immer heftiger werdenden Wortstreit beteiligte, der erst in etwas gemäßigtere Bahnen geriet, als Mutzelheimer, bei der neunten Flasche angelangt, sich wie ein Fisch, der nach Luft schnappt, in seinen Stuhl zurücklehnte, um aufseufzend zu sagen: „Es war alles anders in — der — guten — alten — Zeit — alles anders!"

....

Jetzt waren mir au dem gewünschten Ziel angelangt. Mutzelheimer befand sich glücklich in dem letzten Stadium voll¬ ständiger geistiger Hilfslosigkeit, in dem Stadium, wo man ihm den größten Bären aufbinden konnte.

Ich, von dieser geistigen Hilfslosigkeit zweifellos überzeugt, beugte mich über den Tisch zu Mutzelheimer hinüber und sah

ihn an. „Was nennst Du denn die gute, alte Zeit?" frug ich so von ungefähr. „Na, alles — was — dahinten — liegt," brummte der

206

Sk

Gefragte, indem er mit dem Daumen der rechten Hand über die Schulter nach rückwärts zeigte.

„Was dahinten liegt?" murmelte ich — „Nun. ich bitte Dich — was dahinten liegt, ist noch nicht so gar viel über aitderihalbtausend Jahre hinaus. Was meinst Du denn, was für eine Jahreszahl wir gegenwärtig schreiben?" Mutzelheimer sah mich groß an, als wäre ihm eine solch außerordentliche Frage noch nie in seinem Leben gestellt wor¬ den, und dann das

den Händen

Glas, das er

eben

mit verdächtig zittern¬

zum Munde führen wollte, wieder perplex auf

den Tisch zurückstellend, sagte er, nur mühsam seine Begriffe

sammelnd: „Na, ich bitte Dich — ich habe mir doch erst un¬ längst beim Buchbinder einen neuen Kalender gekauft, und daraus . . . steht doch . . . wenn ich mich anders . . . recht entsinne, in großen Zahlen 1891." „1891!? rief ich erstaunt — das ist unmöglich — da muß entschieden ein Druckfehler vorliegen!" „Ein Druck — fehler?!" stotterte Mutzelheimer, bei dem der Wein inehr und mehr seine Wirkung zu thun anfing, mit aufgerissenem Munde.

„Allerdings, eilt Druckfehler!" erklärte ich energisch, „und das kommt daher, weil die Buchdruckerei doch erst eine neite Erfindung ist und noch in den Windeln liegt."

„Die

Buchdruckerei eine neue Erfindung?" stammelte der Rat. seine Strrne mit beiden Händen reibend . . . „aber, zum Kuckuck, Mensch, in welcher Zeit leben wir denn nach Deiner

Meinilng?" „Nach meitler und anderer Leute Meinung," begann ich nun mit erhobener Stimme zu docieren, „leben wir zu Berlirt im sechzehnten Jahrhundert, zur Zeit des Kurfürsten Joachim." „Kurfürst Joachim?" — wiederholte der Rat, „na, da brate mir doch gleich einer eitlen Storch . Wo ist denn dann unser Kaiser Wilhelm geblieben?" „Der regiert nur in Deinem Kopfe, mein lieber Freund." — „In meinem Kopfe. Mensch! Erst gestern tioch — las ich von den neuen Reisen, die unser Kaiser zu unternehmen ge¬ denkt." „Irrtum, lieber Mutzelheimer! Du verwechselst nur die Thatsachen. Unser gnädiger Kurftirft Joachim ist's, der eine Reise ilach Nauen zu unternehmen gedenkt, und der infolge dessen an die Ratmannen zu Berlin folgendes, allerhöchstes Schreiben erlassen hat; — und nun neigte ich mich zu Mutzel¬ heimer hinüber und begann den kurfürstlichett Erlaß zu ci¬ tieren: — „Joachim, von Gottes Gnaden Margraffe zu Branden¬ denburg und Churftirst, zu Stettin, Pommern rc. Herzog, unseren Grusz zuvor. Lieben Getreuen, unser gütliches Begeren ist an euch, ihr wollet uns ohne alles Seumen ein Pferd, sampt Sattel, Zaun und Halfter, llicht weiter als bis gen Nauen zu gebrauchen, leihen und solch Pferd von Stund herauf schicken; daran beschiecht (darin besteht) unsere Meinunge und Gefallen. Datum Cölln an der Spree am Sonnabend nach Bartholomei anno 1529." Ich hatte dieses kurfürstliche Schreiben feierlichst zu Ende citiert. Mutzelheimer aber sah mich au§ großen, runden Augen völlig enlgeistet an: „Kannst Du beschwören, daß dies Schreiben allthentisch ist?" fragte er. „Vollständig authentisch!" entgegnete ich. Daraufhin seufzte Mutzelheimer, daß es einen Stein hätte .

.

--e

207

fio—

können. „Na, wahrhaftig, schöne Zustände das!" auf; „da schlage doch regierender Herr, der die Berliner Räte um ein Pferd bitten muß, und mir Esel träumte von einem kaiserlichen Marstall! — Unbe¬ greiflich!" —

„Geniere Dich nicht," sagte ich. „Du hast höchstens ein schlummerndes Schwein aus seiner Ruhe aufgescheuchl" — „Ein schlummerndes Schwein?" wiederholte der Rat,

Und setzt richtete sich Mutzelheimer auf. tastete nach seinem ich muß machen, Hut und sagte: „Du, bei mir spukr's daß ich in meine Koje gelange — sonst komme ich heute noch vom Pferd auf den Esel." Mir aber kam der Aufbruch meines lieben Rats ganz gelegen. Ich zog seinen Arm durch den meinen, und nun ging die Reise los. Wir wanderten aus meinem Arbeitszimmer, dessen Thür ich hinter mir offen ließ, in mein Schlafgemach, und von diesem, das matt zu meiner Orientierung durch eine Nacht¬ lampe erleuchtet war, in die große gute Stube. Erster Zusammenstoß! Mutzelheimer. der seine fünf Sinne ganz zu verlieren anfing, rannte gegen einen umge¬ stürzten Stuhl an, blieb verblüfft stehen und sagte: „Ver¬ dammter Mangel an Ortskenntnis! Wenn mir einer hundert Thaler schenken wollte . . . ftir . . . die Auskunft; ich weiß wahrhaftig nicht zu sagen — wo . . wir uns befinden!" „Wir befinden uns aus der Gaffe, in unserem kurfürst¬ lichen Berlin, Mutzelheimer," improvisierie ich keck. . . „Ans der Gasse, im kurfürstlichen Berlin? Hm „Neue Nummer das!" machte Mutzelheimer. hm . „Nein, alte Nummer, lieber Freund, sehr alte, und ich muß Dich daher ersuchen, Deine Beine etwas hoch zu nehmen, denn Dil kennst ja das Berliner Sprüchwort: — Wenn eener det Been jebrochen hat — hernach will's teuer jewesen find —" Jetzt hob Mutzelheimer ängstlich den Fuß wie zum Parademarsch empor. „Ist denn hier Gefahr, daß man sich die Beine bricht?" — fragte er ängstlich. „Und ob. mein Freund! Unsere Stadtchronik hat jeden Tag ein paar Dutzend Beinbrüche zu verzeichnen, sintemalen und alldieweile unsere guten Bürger im kurfürstlichen Berlin die Gewohnheit haben, die Märkte, item die Straßen, item die Kirchenplätze zur Aufschüttung des Kehrichts, der Küchen-

gläser.

erbarmen schrie er

gleich-Ein

indeni er mich mit Augen ansah, die in diesem Augenblick so groß waren und funkelten wie zwei große Rathenower Brillen¬

...

.

abfätle und anderen Unrats zu benutzen." Mutzelheimer schrak'heftig zusammen, um so mehr, da er bei jedem Schritt, den er that, über meine künstlichen Hinder¬ nisse stolperte. „Erstens, was ich höre — knurrte er grimmig; „laß uns aufs Trottoir gehen!" „Trottoir!?" rufe ich erstaunt. — „Was ist denn das?" —

„Na, hör einmal," lallte Mutzelheimer blieb stehen . . „Du bist noch weit zurück. gegen die Stirn deutend, „Trottoir nennt man die Pflastersteine, die sich längs den Häusenr hinziehen, und die nur für Fußgänger bestimmt sind." — sagte Ich schüttelte das Haupt: „Du phantasierst" ich; „so etwas wie Deine Pflastersteine ftir Fußgänger giebt .

er,

in ganz Berlin nicht." „Aber, das ist ja eine Schande!" grollte der Rat . „so laß uns wenigstens an den Häusern entlang gehen."

— entgegnete ich unwillig. „Stelle Dich dumm! Du mußt doch so gm wissen, wie ich,

„Nun, ja nur nicht

so

doch"

und da die lieben Tierchen ihre Koben in der Regel vorn heraus zu ebener Erde haben, so kann man nicht umhin, manchmal mit den Schweineställen oder gar mit den Schweinen

in Konflikt zu geraten." „Verdammte Mode das!" gestikulierte Mutzelheimer. „Wenn die Stadtverwaltung nicht mit dieser Schweinewirt¬ schaft aufhört, dann soll sie der „Um Golteswillen, nichl so laut," raunte ich, diese wohl¬ gemeinte Verwünschung jäh unterbrechend, dem Rai ins Ohr — „oder Du redest Dich um den Kopf, denn noch im fünf¬ zehnten Jahrhundert, mußt Du wissen, wurde hierorts ein Kupferschläger wegen Beleidigung eines Ratsherrn geköpft."

selbst

Teufel.".

doch-," —

„Na, da soll aber — „da wird einem ja ganz übel

„Meinetwegen, wenn Du aus der Scylla in die Charybdis gelangen willst!" — erwiderte ich. indem ich den Rat nun bei dem matten Lichtschein, der aus der Schlafstube in die gute Stube hineinfiel, in das Labyrinth der umgestürzten Stühle leitete, woselbst er sofort sehr bedenklich gegen eine Tischplatte anrannle, um kopfschüttelnd stehen zu bleiben. —

Mut

in die Pferdebahn steigen!" „Haltestelle? Pferdebahn?!" rief ich. den Erstaunten spie¬ lend. — „Wenn ich nur wüßte, was Du unter Pferdebahn verstehst! Bei uns giebt's im Winter wohl eine Schlittenbahn, aber eine Pferdebahn?" Nun taumelte der Rat gegen die Wand, und, mit der Hand an die Stirne fahrend, sagte er pathetisch: „Einer von einer von uns ist verrückt, . uns ist verrückt, das ist klar itnd zu dieser Verrücktheit in meinem Schädel komnit auch noch die verdammte Finsternis um einen her! — — Warum .

.

zünden sie denn noch immer keine Laternen an?" „Laternen?" entgegnete ich. — „Außer Handlaternen Vor den Rat¬ kennen wir keine Laternen bei uns zu Land. häusern, item vor einigen Eckhäusern, stehen zur nächtlichen

Orientierung unserer Bürger Licht- oder Feuerpfannen ans." — „Daß mir einer einen Storch brate in Euren Feuer¬ pfannen!" — rief jetzt der Rat. „Ich weiß ganz genau, daß es außer Euren verpfluchten Lichtpfannen auch noch Laternen¬ pfähle giebt, denn erst gestern beim Nachhausegehen rannte ich noch mit dein Kopf gegen einen solchen Laternenpfahl, und zwar just, als die Uhren der Stadt mit lautem Glockenschlag die Mitternachtsstunde verkündigten." Ich schüttelte das Haupt: „Die Uhreu der Stadt haben nur in Deinem Kopf geschlagen, lieber Mutzelheimer," sagte ich; „denn bei uns giebt es keine schlagenden Uhren. Die Zeit wird von den Türmen herab durch Blasen verkündet.

So ist's Usits bei uns!" —

„Dann hole der .

zu

brummte der Rat laß uns an der

nächsten Haltestelle

es

.

fast Sache jeden Bürgers ist;

daß das Mästen der Schweine

Kukuck Eure Ususse," schrie der

Rat —

„mich aber, mich habt Ihr gesehen für alle Zeiten. Ich bleibe mehr in Euerem verfluchten Berlin. Ich gehe durch, und wenn ich mir's Geld dazu pumpen müßte." „Pumpen!? Um Gotteswillen, nur das nicht," stöhnte ich — oder sie machen Dir einen Prozeß, wie sie dem auf

nicht

Ouitzow einen gemacht haben."

„Dem Ouitzow!?" stammelte der Rai. einen Prozeß geniacht?"

„Haben

sie dem

-Hg „Natürlich!" erwiderte

ich.

208

„Der Quitzow, mußt Du

das war auch so einer, der gern pumpte; na, und weil er nicht so gern zahlte, wie er pumpte, ließen seine Gläubiger Schmähbriefe gegen ihn vom Stapel, die zur öffentlichen Lektüre ausgehängt wurden." Jetzt fuhr sich Mutzelheimer, den ich mittlerweile wohl zwölfmal unter immer neuen Hindernissen, gleich einem Karusselgaul, die Runde in meiner guten Stube hatte machen lassen, mit dem Taschentuch über das in Schweiß gebadete wissen,

Gesicht.

„Ich hatte vor,

bei meinem Schneider einen Anzug

vorläufig auf Pump —



bestellen," ächzte er kleinlaut, „jetzt aber werde ich das schönstens bleiben lassen und mich mit nieiner alten Hose und meinem alten Rock schleunigst — Berlin entfernen und aufs Land flüchten!" zu

-aus

Krtltstz Krrichorrtrrrrg irr

lbov

Sndermalen Mörder und Räuber und „kotloses Volk" — wie sich der Rat ausdrücki, die Menge herum, und wer bei uns sein Lebeil

hin und herwindend — begann er mit kläglicher Stimme nach dem Doktor zu rufen. Ich aber kniete zu ihm nieder. — „Thut mir leid, Mutzelheimerchen, sagte ich, — „aber einen Doktor kann ich Dir nicht verschaffen, auch nicht mit dem Du mußt Dich schon bemühen, allein wieder besten Willen.



nickte sehr ernsthaft.

„Dein

sich

zu Verstand zu kommen, denn, wenn auch kurfürstliche Gnaden

Ilclrornravtr: Arrstcht «um dov Itordwost Porte.

Nach einer photographischen Aufnahme von

Ich

los sein will, der darfs nur vor die Thore Berlins

tragen, herein trägt ers gewiß nicht mehr." Er hatte Jetzt wars alle mit dem Rat Mutzelheimer. sich vor mich auf den Boden gesetzt und war nicht mehr zu „Wenn ich nur . . . wüßte, bewegen, sich zu erheben. . . wer verrückt ist — Du oder ich!?" stammelte er, und dann

erster Vorsatz ist löblich,"

erwiderte ich. „Dein zweiter aber will wohl überlegt sein. Denn bedenke doch nur, wenngleich es hier in Berlin auch noch keine Lebensversicherung giebt fiir den einzelnen Bürger, und wenngleich ihre kurfürstlichen Gnaden ein sehr unlieb¬ sames Ediki erlassen mußten, um den zahlreichen, nächtlichen Tumulten zu steuern, die Hochdero Nachtruhe gefährden, und wenngleich die Bevölkerung sich bei den Ratmannen bitterlich beschwerte über allerhand Unfug und Schabernack, so die gott¬ losen Bürger den tugendsamen angedeihen lassen; und wenn¬ gleich die Hartsbesitzer sich beklagen, weil beim Scheibenschießen die Kugeln in die Stuben ihrer Mieter flögen, so sind wir hier in unserem Berlin doch noch immer geschützter, als draußen auf dem Lande. Denn auf dem Lande draußen, mein Bester, mußt Du wissen, ist es durchaus nicht geheuer, da treiben sich

F.

Albert Schwartz

in Berlin.



für uns andere Sterbliche sind Medici zu erreichen, und, wenn sie zu erreichen wären, so ist die einzige Apotheke in Berlin doch so weit entfernt, daß unsere Kranken in der Regel bereits den Geist aufgegeben haben, ehe die Medicin herbeigeschafft werden konnte." Jetzt, von all diesen unvorhergesehenen Mißständen seinerguten, alten Zeit fast erdrückt, fing Mutzelheimer zu weinen an, und, die Hände zu mir empor streckend, ließ er die zwei krampfhaft hervorgeschluchzten Silben: „Wasser!" — Wasser!" ihre Leibmedici haben, keine

vernehmen.

„Wasser!?" entgegnen ich, indem ich nun dem alten Knaben vom Boden half, um ihn nach der grausamen Kirr zur Ruhe auf mein eigenes Lager zu bringen. „Wasser!? Ja, das sollst Du haben, mein alter Freund; aber Du mußt's eben nehmen, wie Drr's kriegst. — denn sieh, es kann schon

209

■*«

»

-

vorkommen, daß Du. da die Brunnen in unseren« Kurfürsten¬ tum nur sehr übel verwahret und beschaffen find, etliche kleine Bacillen oder Bakterien oder Pilze mit verschluckst!"

Und merkwürdig, — die Kur ist vollständig gelungen. Der Rat ist bekehrt. Die Schrecken jenes Abends sind in seinem Gedächtnis haften geblieben. Er spricht nie mehr von

Ob Mutzelheimer diese ineine letzten Argumente noch ver¬ nommen hatte? — Ich vermochte es nicht mehr mit Gewi߬ heit zu sagen. Er war fort — vollständig fort et sah mich nur noch aus einem Auge an, fuchtelte mit den Händen über der Decke, als hätte er allerlei Ungeheuer von sich ab¬ zuwehren und ivandte sich dann mit einem letzten, gebrochenen — „Wenn ich nur wüßte, wer von uns — beiden verrückt ist —" nach der Wand; um — einem neuen Morgen und einer neuen Aera entgegenzuträumen. Ja, einem neuen Morgen und einer neuen Aera! — Denn: Ist das noch Mutzelheimer, der begeisterte Liebhaber

der guten, alten Zeit in

...

Schlntz gtnljcnbuvß

in der Urkerrnavk:

Berliner geworden,

mir gegenüber im Bett erhebt?

Der alte Knabe fährt .

sich

alles

er

ist eilt enragierker Neu-

vortrefflich

finbet

in seiner

Der Berliner Tiergarten. Von

Fevbinanb Merzer. (Fortsetzung.)

Seitdem der unsterbliche Hohenzoller den kurfürstlicheit Thron seines Vaters bestiegen, und der wilde Kampf zwischen der alten und neuen Glaubenslehre bereits 22 Jahre die deutschen Lande durchtobt hatte, bezeichnet ein unaufhörliches

Ansteht »un bei* Seite bes grnsten Srhlosthr'fes.

der guten, alten Zeit, der sich jetzt, nach der Schreckensnacht

die Stirne.

Berlin;

Vaterstadt.

Nach einer photographischen Aufnahme von

erwachend,

der

sorgenvoll mit der Rechten an

.

„Fünfzehnhundert . . . Fünfzehnhundert" — brummt er kummervoll, als wolle er seinem immer noch brummenden Schädel eine Gewissensfrage vorlegen; dann aber, mit einemmal, erweitern sich seine Augen wie in frettdigem Schreck: er hat schräg gegenüber an der Wand einen Wandkalender entdeckt, und er schlägt die Bettdecke zurück, springt aus dem Bett, rennt an den Kalender — stürzt dann plötzlich auf mich zu, fällt mir um den Hals, daß ich glaube, er wolle mich er¬ würgen, und schreit laut, ein um das anderemal: „Gottlob! Es ist doch kein Druckfehler! Wir schreiben 1891! Und das gute, neue Jahr soll leben und noch einmal leben!"

F.^Alberl Schwartz

in Berlin.

Fortschreiten unter riesenhaften Anstrengungen die mit Seiner glorreichen Regierung sich entwickelnde Periode.

Um in den Grenzen des^uns Nächstliegenden zu beginnen, ließ

der würdigen Wiederherstellung

gesteckten

Zieles mit dem

Friedrich Wilhelm, des

neben

Joachimischen Schlosses,

1645 durch seinen Hofgärtner Michael Hanns vor der HofApotheke einen Blumengarten anlegen und denselben mit Kirschund Mandelhecken einfassen. Der während des dreißigjährigen Krieges verwilderte Lustgarten wurde durch einen Teil des köllnischen Weidendammesenveitert, und 1650 legte der berühmte Baumeister Memhard auf einer bisherigen Sumpfstelle. da wo jetzt das alte Börsengebäude steht, ein zweistöckiges, mit einer Muschelgrotte, mit Türmchen, Kuppel und Gallerte geschmücktes Lusthaus an, das mit seiner weiten Ausschau über die Stadt und bereit Umgebung dem Hofe während der Somuter-

--s zeit zum Aufenthalt diente.

So führte der Lustgarten, dem

210 sich

außerdem noch mannigfache künstliche Anlagen, ein kolossaler,

liegender Neptun und mehrere Springbrunnen hinzugesellten, mit Recht diesen Namen. Den zum Vergärten gehörigen sumpfigen Platz zwischen dem Kupsergraben und der Spree ließ der Fürst ebenfalls zu dem sogenannten Hintergarten umgestalten, und da wo das

heutige

Bildermuseum

sich

erhebt,

mit einem großen

Wasserbehälter zur Trockenlegung versehen.

Inzwischen war auch die früher abgebrochene Hundebrücke als „Neue" Brücke erstanden, von der aus seit 1647 eine „Gallerie" von je eintaitsend Linden- und Nußbäumen — sie sollten eine Haupt-Avenue des Schlosses bilden — in den Tiergarten führte. Wir werden später noch bei derselben verweilen. In der Forstung selbst hatten sich während der Jahrzehnte zahlreiche Sümpfe gebildet, zu veren Ableitung mittels Gräben der Kurfürst täglich 20 Mann des Regiements Ribbeck abkommandiren ließ, deren jeder 2 Groschen erhielt. Damals lagen noch immer mehrere Bürgerwieseu im Bereiche des Tiergartens, wie aus einer Beschwerde der Hospitalvorsteher (1645) hervorgeht. Es heißt in derselben: das Wild und das zahme Vieh fresse und hüte ihre Wiesen im Tiergarteit ab, und der Hofjäger Ernst Burchard sowie die Stackennähmen außer deni kurfürstlichen Vieh auch fremdes zur Weide in den Tiergarten auf. Friedrich Wilhelm dekretierte von Königsberg aus: er erkenne es für billig, jedem das Seine setzer

zu lassen, und

so

könne er diesen Unfug nicht gutheißen; der

Jäger Puchert und der Holzförster v. Brandt sollten den Unfug abstellen rmd kein fremdes Vieh im Tiergarten dulden. Zehn Jahre später (1655) erwarb der Kurfürst zur Ver¬ größerung seines Jagdreviers die der Stadt gehörige Waldung auf dem rechten Spree-Ufer, welche bis gegen das alte Spandauer Thor (zwischen den Häusern Nr. 1 und 81 der gleichnamigen Straße) sich vorschob, in ihren Hauptmassen aber zwischen der Panke und Jungfernheide sich ausdehnte und nunmehr als der „hintere" (dann „kleine") Tiergarten bezeichnet wurde. Wie es im „Corpus Bonorum“ der Stadt Berlin heißt, halle „Kurfürstl. Durchlaucht für diese Abtretung ein Aequivalent zu geben versprochen, auch deshalb beu damahligen Ingenieur Meinhard mittelst Decreii vom 20. Juni 1655 anbefohlen, solches auszumeßen und hiernächst dem Herrn Ober-Forst-Meister von Brand aufgegeben, dem Rat dagegen so viel Holz von der Jungfernheyde wieder anzuweisen, als derselbe zum Behuf des Thiergartens überlaßen. Es ist zwar ein gewisses Revier ausgeschalmet, aber nicht angewiesen, obwohl dieserhalb oft allenulterthältigste Ansuchung geschehen." Aus einem Bericht des Hofjägers Puchert, vom Jahre 1661, gehl hervor, daß auf den Wiesen im Bereiche des hiirteren Tiergartens 21 Stuten und Fohlen des Kurftirsten, 4 Klepper der Kurftirstin und 8 Klepper des jungen Herzogs von Kurland, ferner 40 Stück Rindvieh aus dem im vorderen Tiergarten beim Uuterbaum gelegenen Vonverk der Kurfürstin weideten.

Mittlerweile hatte

Innern

der Städte BerlinCölln eine mächtige Umwandlung sich vollzogen, als der Große Kurfürst itunmehr beschloß, seiner Residenz eine gleich imposante Festigkeit zu geben: wirkliche Festungswerke sollten an Stelle der alten Stadtmauern und einiger Schanzen' erstehen. Die aitch im

S--

Ausführung dieses, durch die Natur des Bodens

noch schwieriger

gemachten Unternehmens wurde dem damaligen Repräsentanten der Baukunst, dem schon genannten Meinhard, 1658 über¬

tragen, und es ging auf köllnischer Seite zunächst der vordere Teil des Tiergartens sowie die vom Kurfürsten angelegte Linden-Allee bis zum heutigen Akademiegebäude, wo die Esplanade

vor dem neuen Festungs- dann „Neustädtischen" Thore bei der jetzigen Neuen Wache sich entlang zog, für den Tiergarten verloren. Hier waren auf dem Werder bereits Anfänge der Bebauung vorhanden, zu denen das im Jahre 1655 von Memhard für sich selbst erbaute ansehnliche Wohnhaus gehörte, auf dessen Stätte die heutige Kommandantur sich erhebt. Nachdem dairn das köllnische Festuitgswerk vollendet war. begann die Kurfürstin auf dem Ackergrunde ihres bereits er¬ wähnten, bis an den nördlichen Teil der Linden reichenden Vorwerks die Dorotheenstadt zu erbauen, deren Befestigung im Jahre 1681 durch ein aus Wall, Graben und Pallisaden bestehendes Hornwerk erfolgte. Dasselbe lief von der Spree aus woselbst die kurfürstliche Schiffbauerei lag (später und noch heut der Royal Dork-Logengarten mit dem von Schtziter 1712 für denOberhofmeister v. Kamecke umgestalteten Danckelmann' scheu Gebäude), im Zuge der „Kleinen Wall" (Schadow-) Straße bis hinter die Mauerstraße. Von dort aus, zog es sich, unter Benutzung eines bereits vorhandenen Grabens, fast im rechten Winkel die Behrenstraße entlang bis zur köllnischen Befestigung.

Beim Entstehen der neuen Stadt hatte es in der Absicht gelegen, ans der südlichen Seite der Linden, gehörigen Tiergarten-Terrain, die spätere dem ihm also auf Friedrichstadt zu erbauen, und so soll denn Dorothea 1679 jene Allee angelegt haben, welche die Seite ihres Stadtteils von derjenigen des fürstlichen Gemahls abgrenzte, bevor die Vereiniglmg der südlichen Lindenseite mit der Dorotheenstadt er¬ des Kurfürsten

folgte. zu welcher sie noch gehört. Wie Pöllnitz berichtet, hätte Dorothea dort den ersten Baum zu der vierfachen Lindenreihe mit eigener Hand gepflanzt. Es mag dies aber nur eine Nachpflanzung in der durch den Großen Kurfürsten 1647 von der Hundebrücke aus bis in den Vergärten hinein angelegten sechsreihigen Allee gewesen sein, deren Länge auf dem Memyardschen

Plan mir 270 Ruten (6240 Fuß) bestimmt angegeben Auch

Nicolai

Residenzstädte

hat

in seiner

ist.

„Beschreibung der Königlichen

Berlin uub Potsdam" jene Rutenzahl

beibe¬

halten; nur nimmt er irrtümlich an, daß die Linden sich bis zum Akademiegebäude erstreckten, wo der Tiergarten begonnen. Dieser Irrtum liegt auf der Hand, denn jene Rutenzahl deckt sich genau mit der Entfernung zwischen Schloßbrücke ilnd Von Nicolai hat dann dessen Angabe Schadowstraße. Georg v. Raumer in seiner 1840 anonym erschienenen Schrift über den Tiergarteit, der wir zum Teil bei unseren Schilde¬ rungen gefolgt sind, auch zu der seinigen gemacht. Anfänglich also war die Lindenreihe eine sechsfache. 1679 eine vierfache und 1698 wiederum eine sechsfache, bis nach den Befreiungskriegen die beiden Reihen zunächst den Häusern fortgenommen ivurden. Bott den ersten Anpflanzungen ist nichts mehr vorhanden, da ihr größter Teil in der Nacht zum 26.

Mai 1705

durch den Frost vernichtet wurde. (Fortsetzung folgt.)

-8 211 6—-

Mitteilungen aus der Mappe eines Freundes über den Feldmarschall u. Steinmetz von

G. G. tTon ilrtljmcx*.

I. General

^Nachdruck verboten.)

v. Conrady ein Lebens¬ verdanken dem bild des Feldmarschalls v. Steinmetz, eine biographische Skizze, von welcher er selbst sagt, „daß sie, weil lückenhaft, dazu beitragen solle, alle diejenigen der noch lebenden Zeit¬

Wir

in seinen verschiedenen bestimmen, das, was sie von nahegestanden, zu Stellungen ihm wissen, kund zu geben." Dieser Anregung glauben wir hier entsprechen zu dürfen, da wir zu dem General frühzeitig in persönlicher Beziehung gestanden, in seiner Familie gastliche Aufnahme geftlnden, ihn selbst zu verschiedenen Zeiten gesehen und gesprochen, mit ihm korrespondiert haben und einige seiner Briefe mitteilen können. genossen (seines

Helden),

welche

ihm

uns treibt dabei das „Geftihl der Dankbarkeit", dem Löwen von Nachod zu den ungezählten Bewunderern Freunde zu erwerben, „deren er im Leben nur zu wenige hatte." Es decken sich dabei unsere Eindrücke mir eineni Urteil, welches uns erst kürzlich von berufenster Seile zuging: „Der Feldmarschall vereinigte so viele verschiedene Eigenschaften in seinem Charakter, daß es für jeden schwer war, ihn stets zu verstehen, mit einer äußeren Schroffheit, die manchmal zur Härte werden konnte, eine wunderbare Weichheit des Gemüts. In seinen Briefen tritt dieser Gegensatz oft auffallend zu tage." Auch

Die Richtigkeit dieser Anschauung kann man schon an den Briefen wahrnehmen, welche Conrady aus der Kriegszeit des Jahres 1848 in Schleswig in dem Militärwochenblatt bekannt Die nachfolgenden schließen sich denselben der gemacht hat. Zeitfolge nach an. Meine Erinnerungen führen mich zunächst nach Düssel¬ dorf, wo Sleinmetz im Beginne des Jahres 1839 zum Major und Kommandeur des 3. Bataillons 4. Gardelandwehrregiments ernannt, bis zum Frühjahr 1841, wo er ins Garde-ReserveRegiment nach Spandau versetzt wurde, mit meinem Vater, der Kommandeur eines Kavallerie - Regiments war, die Garnison teilte. Leben in Düsseldorf wurde für den Unermüdlichen", mit Conrady zu reden, „ein von dem bisherigen verschiedenes, da die Dienstgeschäfte ihm hier Zeit ließen, sich der Ausbildung

„Das

seiner 1828

geborenen Tochter Selma,

die ihm

(von allen

sehr ans Herz

Kindern, die er hatte, allein übrig geblieben), Er konnte auch nun seine nie gelvachsen war, zu widmen. unterbrochenen wissenschaftlichen Beschäftigungen mit Muße belreibeu, und sehen wir ihn sich thätig an den Vorträgen be¬ teiligen, welche im Kreise der Offiziere der Garnison im Minier gehalten wurden." Steinmetzens wohnten itns auf dem damaligen Steinwege gegenüber.

Vier Jahre jünger als Selnia, fühlte

ich mich zu dem ver¬

ständigen und doch freundlichen Mädchen, so oft wir uns sahen, in ritterlicher Weise hingezogen. Schaute sie aus der im

2., Stock des Hauses belegenen Wohnung ihrer Eltern auf uns Knaben wie von einem Balkon herab, wurde ihr zu Ehren auf den damals beliebten kurzen Stelzen mit Handgriffen, auf

mir das Laufen zu großer Fertigkeit brachten, ein Wettrennen oder Springen produciert. In wie weil unsere Familien mit einander verkehrten, lasse ich dahingestellt; jedenfalls bekam mein Vater, wie er mir erzählte, schon in Düsseldorf einen Eindruck von der un¬

welchen

und der wissenschaftlichen und militärischen Bedeutung unseres Gardelandwehr-Kommandeurs, der überall an sich selbst die höchsten Ansprüche stellte. Persönlichkeit

gewöhnlichen

In

der Revolutionszeit, wo mein Vater zurückgezogen in

Erfurt lebte, hörten wir alsdann mit Interesse von den

militärischen Erfolgen

unseres alten Bekannten, als er sich im Berliner Straßenkampf von ihrem Kommandeur, dem Grafen Schulenburg, verwaisten Bataillone 2. Infanterie-Regiments den pour le merite verdiente, als Kommandant in Brandenbllrg, die Sitzungen der dorthin ver¬ legten Nationalversammlung sicherstellend, die Mannschaft eines demokratisierten Gärdelandwehrbataillons zur Besinnung brachte, in Magdeburg das zu dem Feldzug in Baden einge¬ zogene Berliner Landwehrbataillon „mit so furchtbarem Ernste entwaffnete, daß kein Widerstand versucht, uud die Excedenlen zur Verurteilung gebracht wurden."

an

der Spitze

der

2

Als Kommandeur des ihm schon 1848 anverlranlen 32. Infanterie-Regiments hat er sich dazu den Ruf eines vor¬ züglichen Haushalters erworben, der nicht nur mit eiserner Konsequenz die in der Revolutionszeit gelockerte Disziplin her¬ zustellen, sondern auch die verwahrloste Bekleidung der Mann¬ schaft, wenn auch durch ungewöhnliche Sparsamkeit, auf einen solchen Stand zu bringen wußte, daß die Feldausrüstung in dem Kriege gegen Kurhessen eine vorzügliche tvar und es „keinen Offizier im Regimente gab, der nicht, als Steinmetz im April des Jahres 1851 als Kommandeur des KadettenKorps nach Berlin versetzt wurde, seinen Abgang auf das tiefste beklagte". Zu den Eigentümlichkeiten von Steinmetz gehörte, wenn wir recht berichtet sind, daß er es liebte, sich jugendliche

Adjutanten zu nehmen.

Ein kurzes Zusammensein in Erfurt haue genügt, die freundlichen Düsseldorfer Beziehungen meines Vaters mit dem nunmehrigen Obersten v. Steinmetz aufzufrischen, der in seiner neuen Stellung ein ungewöhnliches Talent zur Leitung der Jugenderziehung bethätigte. „Es hat kaum eine Dienststellung gegeben", äußert sich in dieser Beziehung Conrady, „die seinen Neigungen und Fähigkeiten so entsprach wie diese, und er hat Unerwartetes geleistet."

Da

ich

mich

behufs Vorbereitung

zum Offizier-Examen

zu einem längeren Aufenthalte in Berlin anschickte, suchte mein Vater für mich nach diesen Vorgängen nach einem Familien¬ anschluß im Hause des Kommandeurs des Kadetten-Korps. Dieser beantwortete ein bezügliches Schreiben desselben:

„Berlin, 10. Oktober 1852. Werlgeschätzter Herr Oberst. Euer Hochwohlgeboren bitte ich es meiner großen Inanspruchnahme durch Geschäfte zuzuschreiben, wenn ich Ihr vertrauensvoll an mich gerichtetes Schreiben vom 7. nur kurz beantworte und daher gleich zur Sache übergehe. Ich finde Ihre Sorgen hinsichtlich Ihres G. wohlbegründet daher auch recht gern bereit, soweit es mir möglich bin und ist, Ihrem Wunsche zu entsprechen. Damit Sie aber sehen, in wie fern ich es kann, teile ich Ihnen mit, daß ich am 16. zur

212

Inspizierung

des Bensberger Kadettenhauses

von hier abreise

und erst am 31. d. M. oder 1. k. M. zurückkehre. In derselben Zerr wird die ganze Familie meines Schwagers,

Sydow, welcher von Strelitz versetzt und zum Kommandeur des 8. Infanterie - Regiments ernannt ist, bestehend aus Mann, Frau. Kind. Gouvernante solange bei mir wohnen, bis der Umzug bewirkl und ihre hier zu neh¬ mende Wohnung eingerichtet ist. Sie sehen, daß ich in diesem Monat das Haus ganz voll habe und daher auch beim besten Willen mich Ihres G. nicht annehmen kann; braucht derselbe dagegen erst im nächsten Monal hier zu sein, so weisen Sie ihn nur an uns, dann wollen wir ihn gern bevatern und bemuttern." Ich wohnte eine Zeitlang bei einem Vetter vom AlexanderRegiment, der bei den, von dem späteren Intendanten von Hülsen geleiteten Theater-Vorstellungen den beliebten Zulu¬ kaffer auch zum Ergötzen der hohen Herrschaften darstellte, als ich von meinem Vater den Befehl erhielt, mich bei dem Obersten v. Steinmetz, unter Beobachtung aller militärischen Formen, zu melden und diese auch späterhin nicht außer Acht zu lassen, da der Oberst auf sie halte. Ich wurde freundlich, aber kurz empfangen und mir, der des Oberstlieumant v.

S-—

einzige Erholung während des Essens suchte. Lernte doch der nun 56jährige Mann noch — seinen Beruf um so besser zu erfüllen — die lateinische und englische Sprache bei einem

Professor! Unter solchen Umständen verbrachte ich die meisten Abende allein mit den Damen. Daß Frau v. Steinmetz eine vortreffliche Frau und Multei war, ist bekannt. Bei dem täglichen Zusammensein lernte ich beide Dainen in ihrer natürlichen Freundlichkeit, welche sie auszeichnete, kennen.

Das mir angewiesene Zinwter, welches ich eine Reihe bewohnte, war die mit allen Bequemlichkeiten ausgestattete Eckstube des Kommandeurhauses, von der aus man die ganze Front des Hauptgebäudes der Kadettenanstalt

Einen Eindruck von ihrer Herzensgüte bekam ich. als ich Lektüre von Onkel Toms Hütte, welches Buch da¬ mals en vogue war, über die Leiden der Sklaven helle Thränen vergießen sah. Selma bewährte sich die ganze Zeit über als Freundin; sie stand mir überall mit gutem Rat und freundlichem Zu¬ spruch zur feite. Als ich einen Abend, in der Gesellschaft eines alten, seitdem zum Präsideiiten einer Regierung beförderten Schul¬ kameraden, in dessen Wohnung bei einer Tasse Thee ver¬ brachte, beim Plaudern die Zeit verpaßte, wo ich heimkehren mußte, wenn ich das Kommandeurhaus, in welchem ich wohnte, offen finden wollte und vergeblich klingelte, so daß ich zu meinem Freunde zurückkehren und bei ihm auf einem improvi¬ sierten Lager nächtigen mußte, wartete ich am anderen Morgen, wo ich in aller Frühe, wie ich hoffte, unbemerkt heimkehrte, auf dem Zimmer vergeblich auf den mir sonst mit großer Sorgfalt servierten Kaffee. Bei Tische, wozu diesmal mehrere Gäste geladen wareit, nahm Selma mich bei feite und hielt mir in schwesterlicher

übersehen konnte

Weise die nachstehende kleine Rede:

Eine Aufforderung, mich zu den Mahlzeiten in der Familie einzufinden, hatte ich nicht erhalten. Um in keiner Weise anzustoßen, wartete ich das weitere in meinem Zimmer ab. Der Nach längerer Zeit wurde ich zu Tische gerufen.

gestern abend nicht nach Hause gekommen,

ich

von der geführten Korrespondenz nichts wußte, vollkommen

überraschend aufgefordert, im Laufe des folgenden Vormittages die

im Parterre des Hauses

belegene Fremdenstube zu be¬

ziehen.

von Wochen

väterlichen Ermahnung eingedenk, trat ich mit dem Helme auf dem Kopf, im Ordonnanzanzuge, in den mir zum Empfang be¬ zeichneten Salon und hatte das Glück, von meinem hohen Vorgesetzten dieserhalb belobt, für die Zukunft aber von deni

Dienstanzuge dispensiert zu werden. Bei Tische beschäftigte sich der Oberst mit mir in liebens¬ würdigster Weise. Augenscheinlich machte es ihm Spaß, mich Dabei gab durch allerlei Fragen in Verlegenheit zu setzen.

auf, wie: „in welchen Kleidungsstücken geht die Sonne unter." „wie gehen 3 und 4 in einander auf." Zur Lösung des letzten Rätsels öffnete er mit schelmischem Ver¬ gnügen die Flügel einer Thür, auf deren jede er eine der Zahlen geschrieben hatte. Sehr interessierte mich, was er bei solchem Zusammensein von den Eindrücken erzählte, welche er gehabt hatte, als er das Jahr zuvor, auf eine Einladung des Kaisers Nikolaus, in Rußland gewesen. Er äußerte sich von den Fähigkeiten und der noch dazu deutschen Bildung des damaligen Großfürst-Tronfolgers sehr er Rätsel

eingenommen. Auch zu den übrigen Mahlzeiten geladen, konnte ich wahr¬

nehmen, daß der Oberst für seine überaus angestrengte amt¬ liche Thätigkeit, welche ihn, wenn er nicht außer deni Hause in Anspruch genommen war, an den Schreibtisch fesselte, seine

sie bei der

feinen

Kaffee

bekommen.

„Herr Fähnrich. Sie sind Sie haben deshalb

Wenn Sie nochinals

ausbleiben,

muß ich es dem Vater sagen."

Ich habe nie erfahren, ob Frau v. Steininetz von der Meine Verehrung für Selma konnte durch das kleine Geheimnis nur gesteigert werden. Wer weiß, ob ich nicht die Gunst des Vaters, deren ich mich erfreute, verscherzt Sache wußte.

hätte, wenn er um mein Ausbleiben wußte. Nach

meinem

Fortgang von Berlin schrieb Steinmetz

meinem Vater:

„Berlin,

1.

Januar

1853.

Wenn nicht wirklich zahl¬

reiche Geschäfte mich abgehalten hätten, so hätte ich Euer Hoch¬

wohlgeboren schon gleich durch Ihren Sohn in ein paar Zeilen ausgesprochen, wie viel Freude es uns allen gemacht hat, den von Düsseldorf uns liebgewordenen Stelzenläufer eine zeitlang bei uns haben aufnehmen zu können. Ich kann Ihnen die Versicherung geben, daß bei der großen Aufmerksamkeit, die Ihr Sohn uns stets bewiesen hat, und da es uns jetzt glücklicher¬ weise nicht an Platz zu seiner Auftiahme gebrach, wir dadurch in keiner Weise geniert gewesen sind, ja, wir hatten uns alle so an den lieben Besuch gewöhnt, daß wir ihn förmlich nach¬ her vermißt haben. Sie haben also wenigstens nicht mehr Grund, uns Dank zu sagen, als wir Ihnen, uns diese Freude bereitet zu haben. Und daß ich außerdem Ihre väterliche Sorge um den jungeil Sohn ganz gewürdigt und Ihnen gem abgenommen habe, habe ich Ihnen bereits früher ausgesprochen. Ich wünsche nun nur noch, daß Sie recht bald durch die

■•e

vor sich liegen. Ein geradezu über¬ raschend schönes Panorama breitet sich vor seinen erstailnten Blicken aus: Berg und Thal, Wald und Flur, fruchtbare

von dem glücklich bestandenen Examen erfreut Unlängst hatte ich noch Gelegenheit, den werden mögen. Major Witte dieserhalb vertraulich zu befragen und erhielt die sichere Nachricht

Antwort, daß

Ihr

des Fleckens Boitzenburg

Sohn ganz ruhig sein könne.

Auen, die von einem Bache durchflossen werden, zur Linken die Ruinen vom Kloster Marienpforte, im Hintergrund der Turm der auf dem höchsten Punkte des Ortes erbauten Kirche — dies alles vereinigt sich zu einem harmonischen, ungemein lieblichen Ganzen und macht Boitzenburg zu einem der schönsten Punkte unserer mit Naturschönheiten so gesegneten Mark.

Heute ist auch ein Brief Ihres lieben Sohnes an meine Frau voll Dank und Entschuldigungen über große Verschul¬ dungen eingegangen, dessen Beantwortung ich gleich mit über¬ nehmen will. Meine Frau hat sich über den Brief und die

Anhänglichkeit des Schreibers sehr gefreut und sagt ihm vielen Dank; ich füge hinzu, daß wenn Ihr Sohn sich so schuldbeladen fühlt, so muß er doch wohl den Schelm hinter dem Ohr ge¬ habt haben, wenn ich auch nicht im stände bin, ihm dies saknsch nachzuweisen. Ich nehme daher Anstand, ihn ohne nochmalige Berichte zu absolvieren, fürchtet er diese nicht, nun, so

sehen

wir Ihren Sohn wohl

bei

seiner Rückkehr

Er findet bei uns alles, wie er

Stettin wieder. und braucht nur einzuziehen.

©■—

213

Eine prachtvolle Allee schattiger Bäume führt mitten durch Ort, der überall den Eindruck der Ordnung Sauberkeit Bon der hochliegenden Kirche biegen und macht. wir zum Thalgrunde ab, überschreiten den Wasserlauf, welcher den freundlichen

letzteren durchzieht und erblicken jenseits desselben den schönsten

Herrensitz, dessen die Mark, ja vielleicht ganz Nord-Deutschland

nach

das Schloß Boitzenburg. Dasselbe macht mit seinen Türmen und Giebeln, hinter denen sich die

es verlassen,

Sri) lost Dsilrrnburg

sich

in

bet: lUitccmcxrh. Stüter in Berlin

Nach feinem Ausbau durch den Hofbaurat A.

Erlauben Sie, daß ich mit den Meinen die Gelegenheit ergreife, mich Ihnen und Ihren verehrten Angehörigen aufs angelegentlichste zu empfehlen und mit wahrer Hochschätzung (Forts, folgt.) zu zeichnen."

(Mit

j

!

3 Abbildungen.)

Ein Waldidyll, ein Kleinod märkischer Naturschönheit ist Boitzenburg in der Uckermark. Abgeschieden von der Welt, unberührt von dem geräuschvollen Eisenbahn-Verkehr, liegt dieser stolze Herrensitz, auf welchem das edle Geschlecht derer von Arnim seit mehr als drei Jahrhunderten haust, in dem schönsten Teile der Uckermark, inmitten einer Natur, welche lebhaft an Thüringen erinnert. Der Wanderer, welcher von

Prenzlau, der altehrwürdigen Hauptstadt der Uckermark, kommt, sieht plötzlich von einem Hügel die freundlichen Dächer

1838—1842.

Kronen herrlicher Baumriesen erheben, einen geradezu über¬ wältigend schönen Eindruck; wir haben nicht die Wohnung einer adeligen Gutsherrschaft vor uns, sondern ein wirkliches Schloß, den Sitz eines der erlauchtesten Geschlechter unserer Monarchie, eines Geschlechtes, welches von jeher den Hohenzollern aufs treuste ergeben war und von jeher sich als eine der festesten Stützen des Thrones erwiesen hat. —

|

Schloß Doitzenburg, ein märkischer Gdelßtz. fflon *Udjcxr£r Geor ge

rühmen kann:

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!

|

|

j

|

Schloß Boitzenburg, auf welches wir später eingehend zurückkommen, liegt auf einer Insel, welche im Mittelalter den Namen Tytzeu hatte. Schon in grauer Vorzeit, jedenfalls schon im 5. Jahrhundert unserer Zeitrechnung, wohnten dort Germanen — lud doch die örtliche Page unwillkürlich zur

Einrichtung eines Waffenplatzes, einer Zufluchtsstätte , inmitten Diese Germanen — vermutlich dieser uralten Wälder ein. Burgunder — wanderten aus. dem allgemeinen Zuge der Völker folgend, immer von Osten nach Westen vorzudringen; für ihren Aufenthalt in und bei Boitzenburg sprechen die

--s

214

Waffen, Aschenkrüge, Opsergeräte, welche man in dortigen Grabdenkmälern gefunden hat. Den germanischen Auswan¬ derern rückten wiederholt slavische Stämme nach, vermischten sich mit Resten der zurückgebliebenen Germanen und zwangen Zur Zeit Karls diesen ihre Religion und ihre Sitten aus. des Großen bildeten die Slaven das herrschende Volk in der Uckermark, und es ist höchst wahrscheinlich, daß die älteste, in ihrer Gestalt und Allsdehnung lins unbekannte Burg im See Tytzen an Stelle des heutigen Schlosses Boitzenburg slavi¬ Diese ursprünglich slavische Feste wurde schen Ursprungs war. später in eine christliche Burg verwandelt. Wann dies ge¬ schehen ist, läßt sich init Bestimmtheit nichl feststellen; doch dürfte es wahrscheinlich in die Zeil Albrechts des Bären (1142—1170) fallen, weil in ihr der endliche Triumph des Christentums in der Mark Brandenburg herbeigeführt wurde, und weil das Beispiel des großen Markgrafen in hervorragendenl Maße and; auf die von ihm bekehrten benachbarten Fürsten einwirkte. Pribislaus I. war der letzle ObotritenFürst, welcher in der Uckermark itnb somit in Boitzenburg herrschie. Er und seine Gemahlin Petrussa waren eifrige Anhänger des Christentums. Als Pribislaus 1141 starb, verheimlichte Petrussa den Tod ihres Galten drei Tage lang, um Albrecht ben Bären herbeizurufen. Die Eroberung der denl Pribislaus gehörenden Länder gelang dem tapferen Askanier jedoch nur teilweise. Zu den nicht eroberten Läildern gehörte die Uckermark, welche jetzt in den Besitz der Pommern überging. Während der vielfachen Kämpfe, die im Laufe des folgeilden Jahrhunderts zwischen dem Herzog Heinrich dem Löweil von Sachsen und den Obolriten im heutigen Mecklenburg, sowie zwischen Brandeilburg und Pommern in der Uckermark tobten, hätte die nunmehr christliche Burg im See Tytzen, falls sie von irgend welcher Bedeutung gewesen wäre, berührt werden und in den Urkunden Erwähnung finden müssen. Die letzteren schweigen jedoch über sie während der. ganzen pommerschen Herischafl über die Uckermark (1142—1250), und auch als die letztere von den Markgrafen Johann I. und Otto III.

&-•

im Jahre 1250 für Brandenburg erworben war, blieb Boitzenburg noch weitere 21 Jahre völlig unerwähnt. Die Burg hat daher bis dahin zweifellos einen anderen uns un¬ bekannten Namen geführt. Das erste unbestreitbare Vorhandensein des Wortes Boitzenburg für unsern Ort finden wir 1271, wo Gerhard von Bopceneburch dem kurz vorher (1269) gestifteten Nonnenkloster Marienpforte 10 Hufen, die er von den Markgrafen Johann II., Otto IV. und Konrad I. zil Lehen getragen, aufließ, und welche diese dem Kloster vereigneten. Dieser Gerhard von Boitzenburg war also der erste, urkuildlich erwähnte Besitzer des gleichnainigen Ortes, welcher ihm Namen verdankt. Was bedeuter nun dieser Name? Der Hauptteil desselben ist offenbar slavischen Ursprungs; die ältesten urkundlichen Formen lauten Bojce oberBojcin; in ihnen liegt die Wurzel: boj, d. h. Kampf, Krieg, mit der für Ortsnamen üblichen End¬ silbe los (wovon sich i mit j in boj assimilierte). Wir hätten

höchst wahrscheinlich seinen

Kampf-, Kriegsplatz, oder wenn wir von bojsa, Kämpfer ableiten, Kämpferplatz. Für den Pleonasmus, der somit in dem Worte Boitzen¬ demgemäß

burg durch Hinzufügung der deutschen Schlußsilbe liegt, lassen Es lag sich eine Reihe von analogen Ortsnamen anführen. ja auch nahe, daß die zum Christentum bekehrteil Slaven, nachdem sie ihre Feste nach germanischer Art angelegt halten, ihr auch die deutsche Bezeichnung Burg beilegten. Eine andere Frage ist die, ob irgend ein sprachlicher oder geschicht¬ licher Zusammenhang zwischem unserem uckermärkischen und dem mecklenburgischen Boitzenburg besteht. Wir glauben die¬ Die urkundlichen Beweise sprechen selbe bejahen zu müssen. dafür, daß das mecklenburgische Boitzenburg viel früher in der Geschichte hervortrat und wichtig wurde, als das ucker¬ märkische, daß das erstere von einem mecklenburgischen Geschlechte seinen Namen erhielt, und es liegt die Wahr¬ scheinlichkeit nahe, daß ein Edler dieses Geschlechtes, der in Brandenburg Kriegs- und Vasallendlenste geleistet hat, mit der Burg ans der Insel im See Tytzen belehnt wurde und (Forts, folgt.) dieser den Namen Boitzenburg gab.

Der Segen -er Unter. Zum 27 . Januar. Die bleiche Wintcrsonne ging lange schon zur Ruh, Des Abends Schatten deckten die Erde friedlich zu; Es schweigt der Lärm der Straßen; des lauten Treibens satt, Hüll! sich in Nacht und Schweigen die weite Kaiserstadt. Mondstrahlen spiegeln funkelnd und zitternd sich im Strom Und huschen leise, leise empor zum alten Dom. Vom Turme droben künden die Glocken Mitternacht, Und, horch, im hohen Dome regt sich ein Flüstern sacht.

Es wird die Nacht gelichtet, die düster unS unifing. Und war auf seinen Namen er stolz, der deutsche Mann, So soll er nun auck lernen, warum er stolz sein kann Und der die Nacht gelichtet, die düster uns umschloß, Das war der Deutsche Kaiser, das war ein Zollernsproß. Wacht auf, für ihn zu beten, ihr alle ringS im Land, Die sich dereinst im Leben zum Zollernstamni bekannt!

Da steigt

Es zieht wie leises Raunen dahin durch Schiff und Chor, Es öffnet sich das hohe, das altersgraue Thor. Den Kurhut auf dem Haupte, umwallt voni Hermelin, Tritt er heraus, der Sieger, der Held von Fehrbellin. „Wacht auf", so ruft er donnernd hinaus ins stille Land, „Wacht auf, wer je im Leben ein Zoller ward genannt! Wacht auf, wir wollen beten heut vor des höchsten Thron! Wacht aus. wir wollen beten, für unsern Enkelsohn! Wir mußten lange schlafen, in Grabes Nacht gebannt. Und, was wir einst geschaffen für Volk und Vaterland, Das war verweht, vergessen; allein der Forscher nur. Der durch Folianten grübelnd verfolgt der Vorzeit Spur, Wußt noch von unserm Ringen und Kämpfen früh und spat. Im Volk, da war vergessen der Väter Brauch und That; Vergeffen und verklungen, jetzt ist's ein ander Ding,

es wie ein Murmeln hervor aus tiefer Gruft, kommen, ja wir kommen", ertönt es durch die Luft. Und drin im hohen Dome erglühn die Kerzen all, Es wehen Weihrauchsdüfte, es tönt der Orgel Schall, Es füllen sich die Stühle vor Kanzel und Altar Mit einer wunderbaren, gespenstigen Beterschar. Das klirrt wie Schwert und Schilder, das rauscht wie Seide bald, Es blitzen Königskronen, verblaßter Purpur wallt; Holdscl'ge Frauen kommen, und riesige Recken nahn: Bei Friederich von Nürnberg steht Friedrich Eisenzahn; Die schöne Else gleitet zur Pforte stumm herein, Albrecht Achill, der Kühne, kniet hin im Kerzenschein; Hans Cicero, der Weise, Joachim Nestor naht, sein Bruder ihm zur Seite im wallenden Ornat; Es stützt Joachim Hektar mit seiner Rechten stark Die Mutter bleich, die Tochter des fernen Dänemark;

„Wir

-a 215 Luise von Dramen steigt auS der

Der

Gruft empor,

König schreitet vorauf dem düstern Chor; Mit dem Soldatenkönig, aus seinen Stock gestützt, Naht sich der große Friedrich, sein Flammenauge blitzt; Und dann noch zwei, die letzten, in Purpur eingehüllt. In ihrer Mitte schreitet ein hehrer Frauenbild: Still an Luisens Seite sich Kaiser Wilhelm schmiegt, Um Kaiser Friedrichs Stirne ein Glorienschimmer liegt. erste

Mit dumpfem Ton verhallend, zieht hin der Ehorgesang, Und leiser, leiser werdend, erstirbt der Orgelklang.

Dorothea Goebeler.

Kleine Mitteilungen. In

Alto G v a ln ufrl) v ist c vt irr Kovlirror Kivrstcrr.

der alten Petrikirche fand sich folgende Inschrift: Empfehlung der Seelen in die treue Hand Gottes wollte ihrem liebsten Ehegatten auch nach dem Tode an der Seite ruhen: Justina, geb. Hagen, verehelichte Lichtscheidin; Dieweil in dieser Jammerwelt Sie sonstens nichts so sehr gelabt. Als daß sie einen solchen Gott Und einen solchen Mann gehabt!" 2) Im Jahre 1680 am 30. Dezember entstand im Hause des Herrn v. Somnitz in der Heiligengeiststraße eine große Feuersbrunsj. Unter den 9 Personen, welche dabei ums Leben kamen, war eine Mutter mit ihren 3 Kindern, der man folgende Grabschrifl setzte: „Ich mühte mich, die Welt zu mehren, Brunst zu mindern, Die Brunst behielt den Sieg, hier lieg ich mit den Kindern. Ach wär' ich Phönix Art, nachdem ich muß verstieben. So wär' aus meiner Glut die Brut noch übrig blieben." 3) Der Kantor und Lehrer am grauen Kloster, Dithmar, erhielt in der Nikolaikirche folgende Grabschrist: „Allhier hat seine irdische Hütte vorangeschickt der wohledle und wohlgelahrte Herr Jakob Dithmar. Poltpin in Pommern gab ihm das Leben 1665, Berlin nahm ihm dasselbe jedoch 1728. Dieser Kirche und dem Kloster-Gymnasio diente er zugleich, diesem im Lehren, jener im Singen, beiden fast in die 33 Jahre. Hier sang er vor der hiesigen Gemeinde, dort singet er noch mit den Engeln. Hier sang er oft aus der Tiefe, nun singet er: Ehre sei Gott in der Höhe! Leser, singe hier dem Herrn in deinem Herzen, so wirst du dort P. B, das neue Lied mitsingen. Text: Psalm 13,6."

„Mit

Die Königin Kni je sprach, am liebsten:

wöhnlich:

„Mein

bester

„Mein Engel." —

Als der Drrof. Isst

nannte ihren Gemahl, wenn sie von ihm Freund", und er seine Gemahlin ge¬

Pb. U.

Aoirrstsld Förster

zu Halle TOTO einst nach Berlin kam und Friedrich dem Großen vorgestellt wurde und diesem über seine Reise um die Welt berichtete, fragte ihn der König: „Wie viele Könige hat Er gesehen und gesprochen?" und Förster antwortete: „Zehn wilde und sechs zahme; von den zahmen sind Ew. Majestät der größte." Friedrich lachte und hatte seine Freude an dem originellen

Pb. II.

Gelehrten.

Unser Knchertisch. Girr

illustriertes Farnilienblatt

Die Anwendung deS farbigen Aquarelldrucks und die Fülle an künstlerischen Illustrationen geben „Zur Guten Stunde" eine ganz besonders ausge¬ prägte Eigenart, die in den Salonheflen sich in erhöhtem Maße aus¬ sprechen wird. Von den Salonhesten erscheinen jährlich 18 Hefte L 60 Pf. Dovstorrs Dcrrnonkalondov Berlin. R. v. Deckers Verlag. Preis 2 Mark. DaS elegante Merkchen, ein alter Freund der deutschen Damenwelt, zeigt in Ausstattung und Inhalt die Vorzüge der rühmlichst bekannten früheren Jahrgänge, so daß wir hier kein Wort deS Lobes weiter zu ver¬

füvl893.

Und jetzt, in tiefen Tönen erbraust der Orgel Klang, Durch hochgewölbte Hallen zieht dumpfer Chorgesang: Du mächtger Herr des Himmels, o woll uns'gnädig schaun! E§ soll der Väter Segen den Kindern Häuser baun; So hast du einst verheißen, o höre unser Flehn, Laß Demes Schutzes Flügel um Kaiser Wilhelm wehn! Er, der als weiser Wächter das deutsche Reich regiert, Der Frömmigkeit in Worten, doch auch im Herzen führt. Der treu der Väter Wege und ihr Gedenken ehrt. Er ist der Väter Segen und ihrer Bitten wert; Dem Wohle seines Volkes allein sein Streben gilt, Von herrlichen Gedanken das Herz ihm überquillt. Laß ihn Genossen finden, die seinen Geist verstehn, Die treu und thatenkräftig ihm stets zur Seite geh'n! Laß Kunst und Handel blühen um ihn und seinen Thron! Es ist das Glück des Volkes für ihn der schönste Lohn. Laß seine Knaben wachsen, die Kinder hold und zart, Als Erben seines Geistes und seiner Heldenart! Denn wo der Geist lebendig, der seinen Sinn erfüllt. Da bleibt das Reich, beständig des Glücks, der Wohlfahrt Bild."

1)

&—

erscheint unter rrsrros dem Titel: „Salon-Heft" Zur guten Stunde. Die glanzvolle Ausstattung, welche der gegenwärtige Verlag von „Zur Guten Stunde" (Deutsches Verlagshaus Bong & Co., Berlin W.) dem Blatte gegeben hat, dürfte auch dieser neuen Ausgabe rasch die größte Beliebtheit verschaffen. Wie uns die Verlagshandlung mitteilt, soll die Reichhaltigkeit der „Salon Hefte" in künstlerischer und litterarischer Hinsicht sehr bedeutend sein. Auch sollen nur Arbeiten erster Auroren und Künstler zur Veröffentlichung gelangen.

lieren brauchen. B C dee Dstilosdpstio, 5>. i. die (ÜBinleitung nt denrMeeste „Pstilo-söpstie im Urneist"

Dcrs goldene A von

Adolf Steudel.

versehen

Neu herausgegeben und mit Bemerkungen von Max Schneidewin. Berlin. Verlag von Friedrich

Stahn. Preis 4 M. Dem Leser wird der 1887 in Stuttgart verstorbene Philosoph Steudel wahrscheinlich ebenso fremd sein wie dem Rezensenten. Deshalb seien nach dem Vorwort folgende Daten vorausgeschickt: Adolf Steudel ist 1805 in Eßlingen geboren, studierte am evangelisch-theologischen Stift in Tübingen, und ging auS innerem Drange zur Rechtswissenschaft über. Neben seiner Thätigkeit als Advokat fand er Muße zu philosophischen Studien. Während seines langen Lebens war er nicht produktiv thätig, sondern erst am Abende desselben fand er sich veranlaßt, die Resultate seines Studiums in dem oben angezeigten Werke niederzulegen, ohne jedoch bei seinen Zeitgenossen die erwartete Beachtung zu finden. Und daS ist schade. Nicht das staunenswerte Vertrautsein mit den modernen Philosophie - Systemen läßt daS allein bedauern, sondern die scharfe, vorurteilslose Denkkrast, der klare Blick und die Redlichkeit des Wollen?, welche Vorzüge dem Autor eigen sind. Steudel läßt sich nicht durch Schlagworte (Hegel) blenden; er geht unbeirrt weiter auf dem Wege nach der Wahrheit. Er wird darum, vermöge seines Gleichmaßes in der Denkart, zu einem strengen, aber räch tigen Kritiker in der Welt der Philosophen. So wird auch der seltsame Titel verständlich: Aus dem manchmal stark individuell gefärbten Systemen aller Philosophen, wenn man diese Einzelbestrebungen so nennen darf, sondert Steudel das heraus, was er al§ das Wahre, Bleibende, für alle Menschen und Verhältnisse gleich Bestehende erkannt hat. Er definiert in der Einleitung, die der Neuherausgeber unter dem Titel „das goldene A B 0 ber Philosophie" als Hinweis auf das ganze Werk Steudels, hat erscheinen lassen, den Begriff der Philosophie nach streng logischen Grund¬ sätzen; er trennt darin da§ Menschlich-Individuelle von dem Ewig-Wahren. ES würde zu weit führen, hier aus die Resultate seines Denkens näher einzugehen; sie kommen darauf hinaus, daß er dem menschlichen Ich keine Substanlialität zubilligt, sondern nur dem „Einen sich in der Welt dies¬ seitig auswirkenden und differenzierenden absoluten, sich mit Selbstbewußt¬ Pier sich mit philosophischen sein besitzenden, geistigen Prinzip, Gott." Problemen beschäftigt, wird, wenn er auch in dem Banne eines anderen Denkers steht, durch daS Studium Steudels nicht unberührt bleiben können; wer jedoch an der Schwelle desselben steht, der versäume nicht, diese Ein¬ leitung zu lesen, die ihn am besten in die Philosophie als Wissenschaft eiü-

_

B. M. Stendal. Verlag von R. Schindlers Buchh. (L. Schulze) Preis 1,50 Mark. In gedrängter Kürze und doch anschaulichen Bildern entrollt der Ver¬ fasser auf 92 Seiten die Geschichte des ältesten Bestandteils der brandenburgischen Lande. Steht die Altmark a-ich nicht außerhalb der Gesamt¬ geschichte der Mark, so entwickelt sich doch auf ihrem Boden soviel indivi¬ duelles Leben, daß daS Bestreben des Verfassers, dieses Leben in seiner geschichtlichen Entwickelung zu schildern, eine dankbare Aufgabe in sich schließt. Gern hätten wir gesehen, wenn der Autor auf die Besiedelung der Altmark durch die Niederländer etwas näher eingegangen wäre, denn in diesem Faktum liegt ohne Zweifel der Kern für die spätere Bedeutung derselben in kultureller Beziehung. Ueberhaupt will es uns scheinen, als ob die kulturelle Mission nicht in dem Maße berücksichtigt sei. als es zu Dennoch bleibt aber die vorliegende Schrift wertvoll, wünschen wäre. und wünschen wir ihr eine recht weite Verbreitung, vorzugsweise aber bei den altväterische Erinnerungen so hochschätzenden Bewohnern der Allmark — 1k — selbst. führt.

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G. v. Oberkamp; Der (Fortsetzung);

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den Feldmarschall v. Steinmetz. Von G. E. von Natzmer; Schloß Boitzenburg, ein märkischer Edelsitz. Von Richard George. (Mit 3 Abbildungen).

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Berichtigung. In

dem

Ferd. Meyerschen

Aufsatz über den

Tiergarien sind durch ein Versehen der Redaktion in No. 17 auf S. 200, 25. Zeile von unten, die sieben Zeilen: „die hier beigegebene Abbildung — bis dienen," stehen geblieben. Dieselben bezogen sich auf eine Ab¬ bildung des Jägerhauses aus dem Jahre 1631, deren Reproduktion nicht gelang. Das Jägerhaus auf Seite 201 gehört, wie auch die Unterschrift angiebt, dem Jahre 1690 an. Eine ausführliche Beschreibung dieses Jägerhauses giebt Ferdinand Meyer später in seinem interessanten Aufsatz; wir werden an der betreffenden Stelle nochmals auf die Abbildung R. 6-. S. 201 verweisen.

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Wkn

1892.

Hallllaiaj.

Eine Geschichte aus märkischer Vergangenheit von

-D.

I.

P

|it

ihren harzduftigen Armen umgrenzte die märkische Heide damals noch im engen Ring die kräftig empor¬ blühenden Schwesterstädte Berlin und Cölln an der Spree. Der Thorschreiber und der kleine graue Bettelvogt vor de» Thoren durften im Schatten ihrer schlankeli Nadelbäume, zierlichen Birken und weitaufragenden Eichen des „Bruder Straubingers" warten, um den Ahnungslosen barsch nach Wanderbuch und Zehrpfennig artszuforschen; heimlich, von den breiten Stämmen verborgen, konnten sie ebensowohl das gebrechliche Leitergefährt sorgsam besichtigen, welches, von zottigen Polackenpferdchen gezogen, Schmuel von Meseritz oder Falkales von Krotoschin zur Leipziger Messe brachte, als auch den haushoch beladenen Frachtwagen, der den Güterverkehr zwischen den Großstädten K

vermittelte.

Auf den breiten, wohlgehaltenen Straßen, welche das mächtige Waldgebiet durchschnitten, herrschte reges Leben. Das helle Geläute der Mesfingzierraten am Geschirr des friesischen Hengstes mischte sich mit dem fröhlichen Lied des eilig einher¬ trabenden Musterreiters und dem frischen Klang aus dem Hörnlein des Postillons. Doch seitwärts des Weges, in dem grüngoldigen Dunkel, wurde es stiller und stiller.. Ertönte nicht das Hifthorn von den Stämmen nieder, schallte nicht das Geheul der jagdgierigen Meute, so schien jeder Laut wie

Ann. riesen krachend barst und,

im

schweren

Fall

die

jüngeren

Generatioilen niederschmetternd, breite Lücken im dichten Be¬ stand riß. Ueber den schmalen Pfad, der zur Försterswohnung bei

führte, jagten schon die ersten gelben Blätter, wenn auch die Krone der Linde, die sich wie schützend über das Häuschen streckte, noch voll und dichtbelaubt erschien. der Rodung

Das kleine Gebäude war in Fachwerk aufgebaut, mit verwittertem Stroh bedeckt, zwischen dem reichlich hellgrünes Moos wuchs. An den Enden des Forsthauses zeigten sich vielendige Hirschgeweihe, während man an den Giebelflächen Eulen und anderes Raubzeug mit weitausgebreileten Flügeln angeheftet hatte.

Unter der niedrigen Thür stand ein junges, goldhaariges Mädchen, die Hände lässig gefaltet. Sie sah mit fröhlichem Lachen dem Treibeil der jungen Hunde zu, welche von einem blassen, finsterblickenden Jägerburschen

mit Peitsche und Stachel¬

halsband zu brauchbaren Weidwerksgenossen erzogen zu wer¬ den schienen.

„Den kleinen gelbohrigen dort könntet Ihr mir fürs Haus lassen, Melchior." meinte sie nach einigem Besinnen, in¬ dem sie mit kundigem Griff einen aus der Herde festhielt. „Gelt, Sellmann, wir könnten gute Freunde werden?" Ohne weitere Worte löste der Jäger die Schnur, welche

junge Tier mit seinen Genossen verband.

„Ihr

thut

erstorben im ungeheueren Bereich des Grunewalds.

das

Heut aber schienen allerorten tausend und abertausend Stimmen entfesselt. Das wilde Heer jagte mit gellendem Ein mächtiger Jauchzen über den brausenden Wald hin. Sturmwind bog mit gewaltiger Faust die Wipfel der Bäilme nieder, so tief, daß oft genug der eine oder andere der Waldes-

recht, Euch den besten heraus zu suchen," sagte er anerkennend, indem er freundlich den glatten Kopf des jungeil Hundes

streichelte.

„Man

merkt, daß

Ihr

hättet nur sehen sollen, wie die Fuchs dort stellte!"

es versteht,

kecke

Margret!

Ihr

Kreatur vorhin unseren

■«a

218

„Spaß! Der liegt ja an der Kette!" lachte das Mädchen geringschätzig.

„Als

unvernünftige Tier das wüßte! Klug ist es, klüger als alle von dem Wurf," eiferte Melchior, „es war ja auch das letzte, das sehen lernte, und dann stand ich selbst dabei, wie es die Alte zuerst im Maul aus dem Bau trug, als derselbe ihr voll Wasser gelaufen war. Giebt es denn sichere Zeichen seines Wertes als diese?" Bei dem lebhaften Reden war ihr der junge Mann näher getreten, ihr voll in die Augen zu sehen, jetzt, da er geendet, suchten seine Blicke wieder eifrig den Boden, und ohne auf ihre Gegenrede einzugehen, wandte er sich mit der altgewohn¬

immer hatte der seltsame Geselle nicht zugegriffen. er wohl zögerte?

ob das

ten Ruhe, die fast einen Schein scheuer Bedrücktheit an sich hatte, seiner vorherigen Thätigkeit wieder zu. Mit leichtem Stirnrunzeln wartete Margret auf weiteres Gespräch, doch als sie erkennen mußte, daß der Jäger wieder seine alle Schweigsamkeit verfiel, warf sie schmollend die roten Lippen aus und trat verstimmt ins Haus zurück. Im Flur hingen Scheiben, Netze und Fallen. An ihnen machte sich das junge Mädchen zu schaffen, doch nur, um heimlich hinauslugen zu können. Nun ja, da folgten ihr wieder Melchiors warme, zärtliche Blicke. Wo sie ging und stand, mußte sie seine Augen auf sich ruhen fühlen. Aber was nützte ihr die Augensprache, wenn kein zärtliches Wort den Weg über seine Lippen fand; seufzend blinzelte sie nach dem seltsamen Menschen hinaus, der nun schon zwei Jahre lang der Gehilfe ihres Bruders war, und ihnen doch fremd gegenüber stand wie am ersten Tage. „Schon zurück?" hörte sie ihn jetzt draußen wieder sprechen, und der Unterbrechung froh, lief sie dem Bruder entgegen, der in den letzten Tagen zur Sauhatz nach dem Jagdschloß befohlen gewesen war Der Förster, ein stattlicher, sonst allezeit frisch und fröh¬ lich blickender Mann. begrüßte die Schwester heut nicht so zärtlich wie sonst. Er hatte augenscheinlich nur Augen für seinen Hund, den er, schwer verletzt, auf seinen Armen heim¬ wärts getragen hatte. Erst, nachdem er ihn sorgsam verbun¬ den, llnd im Winkel weich und warm gebettet, dachte er an sich und die anderen, kramte alle Taschen aus und warf vieler¬ lei Gekräut in Margrets Schürze, Bresenkraut und seltene Kranewittstauden, die gedörrt, gepulvert und mit Salz ver¬ mischt, das Wild der Nachbarschaft herbeizulocken verstanden. Nachdeni er dann sorgsam die Büchse au die Wand gehängt und den blanken Sauspieß hinter den Kachelofen in seine Ecke gelehnt hatte, ließ er sich breit am plumpen Eßtisch des Wohn¬ zimmers nieder, den Schüsseln zuzusprechen, welche die Schwester

in

eilig herbeischleppte. Melchior war dem Förster gefolgt, hatte sich aber in seiner scheuen Art auf der bunten Truhe niedergelassen, welche seitwärts an der Wand stand, und die Wäsche und Kleider Margrets enthielt. Nachdem er dem Schmausenden vom Ver¬ lauf der letzten Tage berichtet, verstummte für ein Weilchen jedes Gespräch, da der weite Weg Gottfried hungrig und durstig gemacht halte. Während dieser seinen Hunger stillte, blieben seine hellen Augen aber nicht müßig. Unennüdlich forschken sie von einem zum andern seiner Smbengenossen, ob es denn noch immer nicht richtig wäre zwischen den beiden. Zwei Jahre kannten sie sich schon, zwei lange Jahre mochten sie sich gern, und noch

8Warum

Kopfschüttelnd holte er endlich, nachdem er satt geworden, seine Büchse herbei, zerlegte und reinigte sie aufs sorgsamste,

und erzählte der neugierigen Schwester, was er draußen vom Treiben in der Welt vernommen hatte. Die Wunde des leise winselnden Weidmannes ging ihm näher, als man dem wetterharten Manne zugetraut hätte.

Die Leute der fürstlichen Gäste hatten viel Erzählens¬ wertes mitgebracht, doch eines beherrschte vor allem das Ge¬ spräch. mit wem Gottfried auch Unterhaltung gepflogen hatte. In den Niederlanden wütete wieder die Pest und mähte die Menschen wie Garben nieder. Würde sie ihren furchtbaren Zug gen Osten richten? Grausige Gerüchte umschwirrten noch Sollte doch ein verwünschter Jude, der hochdiese Thatsache. gelahrte Medikus des verstorbenen Königs, Ben Sabbataj. die Brunnen Amsterdams vergiftet haben, daß ein ekler Brodem aus allen Wassern gen Himmel stieg und die Menschen ver¬ seuchte. Als das Volk hinter sein frevles Thun gekommen, — es sollte Zeugen geben, die es auf die Hostie geschworen, daß sie es selbst mit ihren Augen gesehen, wie er zur heimlichen Nachtstunde weiße Pulver in alle Quellen geschüttet — war es, um den Unhold zu strafen, einmütig ausgezogen, doch' spurlos, wie ein Schalten, hatte er und sein Weib sich ihnen zu entziehen gewußt, gleich als habe die Erde sie aufgesogen. Kein Wunder, da er, wie alle Well es wußte, mit dem Bösen

im Bunde stand.

Die Bewohner des einsamen Försterhauses waren

jetzt



welcher ihrem liebsten Gesprächtsthema angekommen Grünrock hielte es nicht ein wenig mit der schwarzen Kunst! Sogar Melchior ließ sich aus seiner Schweigsamkeit aufrütteln und warf da und dort sein Wort ins Gespräch. Freilich hatte sich Margret schon lange zuvor im behaglichen Gruseln mit der Kunkel hinter den Kachelofen geflüchtet, lugte aber trotzdem immer wieder von ihrer Arbeit nach dem Fenster hin, hinter dessen kleinen runden Scherben allerlei Kräuterbündel in der zunehmenden Dämmerung schwankten.

bei

Seitdem das Mädchen in der Mittsommernacht aus der Schlucht die Zwerglein ganz deutlich hatte lachen hören, war sie sehr furchtsam geworden — jetzt kam zudem auch die Zeit, wo aus der blauen Ferne, zwischen den Stämmen des Hoch¬

waldes her, das Wehgeschrei des gespenstigen Moosweibchens erklingt, das der grausige, wilde Jäger mit Hussa und Hallo verfolgt! Nur jetzt nicht hinausmüssen vors Thor, nicht hin¬ über ins Gärtchen oder zum Ziehbrunnen im Gebüsch.

Mit

verdichtenden Dämmerung waren sie alle stiller und stiller geworden, bis Margret plötzlich mit einem leisen Schrei vom Sitz empor fuhr. „Was war das? Stöhnen, — habt Jhr's gehört?" Als in demselben Augenblick alle Hunde der

sich

im Rüdenstall in ein ohrenzerreißendes Gekläff ausbrachen, sprangen schon die Männer auf, nach der Ursache dieser Un¬ ruhe zu forschen. Gottfried kannte keine Furcht, doch als er vor die Thür tretend, einen Mann auf sich zu schwanken sah, weit über das gewohnte Menschenmaß hinaus gewachsen, in einen weiten, faltigen Mantel gehüllt, einen Mann. dessen Anilitz in der Umrahmung tiefschwarzen, verwilderten Haares, in seiner Blässe geradezu leuchtete, da stockte doch sein Fuß und — ein

—*8

unfehlbares

Mittel

gegen den bösen Blick



219

sein Daumen

drückte sich behende in die linke Hand. „Der Friede Israels sei mit Euch!" sagte indessen eine liefe, wunderbar wohllautende Stimme in fremdländisch klingen¬ „Wollt Ihr Euch eines Verirrten annehmen, dem Demsch. in Hunger und Durst?" verschmachtet der fast Aengstlich fragend, voll Mitleid, aber auch voll Grauen, sah Margret, die doch in ihrer Neugier den Männern bis unter die Hausthür gefolgt war, zum Bruder empor, in dessen Mienen sich deutlich ein Kampf zeigte. Gutherzig durch imb durch, war er doch ganz der Mann seiner Zeit, voll von Aberglauben an Unholde und Schlimmere. Er fürchtete sich vor keinem Lebewesen auf der Welt! Aber der Mann da vor ihin, war er denn von Fleisch und Blut? Als er immer noch schwieg, lehnte sich der Fremde mit tiefem Seufzen an den Stamm der Linde, ein Bild tiefster Ermattung, während ein unsäglich wehes Lächeln seinen Mund umzitterte. „Wenigstens einen Schluck Wasser gönnet mir. einen Bissen Brot, meinen Hunger zu stillen, ehe ich weiter wandern muß. Dankt aber Adonaj auf Knien, daß Ihr nicht ahm, wie mir zu Mut ist!" stieß er von Schwäche fast über¬ wältigt hervor. Ueber Melchiors Antlitz flog liefe Blässe, und entgegen seiner sonstigen scheuen Zurückhaltung, haschte er nach Gott¬ frieds Hand. „Gieb ihm Herberge. Klopfte er nicht im Namen Gottes au Deine Thür?" Doch als Gottfried auch jetzt noch keinen Entschluß fassen konnte, stieg es ihm feucht in die flehenden Augen. „Ich will ja gen: mein Nachtessen mit ihm teilen, mein Lager in der Kammer! Bittet Ihr für

ihn, Margret," wandte er sich plötzlich an das näher hinzu¬ tretende Mädchen. „Es ist ja so furchtbar, von den Menschen ausgestoßen zu werden, gleich einem räudigen Hund!" Es klang etwas dilrch Melchiors Billett, das Margret zwang, ihm zu willfahren, und dem zärtlichen Zlireden des Mädchens konnte der Bruder nicht lauge widerstehen. Bald faßte er selbst, wenn mich init gerunzelter Stirn, den Er¬ schöpften unter den Arm. ihn über seine Schwelle zu geleiten. Ohne Stocken war der Gast über das Kreuz von Nagel¬ werk geschritten, das man sorglich in das Holz der

Dielung

Margret atmete auf, von banger Angst befreit. Es gab für sie fein besseres Zeichen, nächst Melchiors warmer Fürbitte, einen Würdigen in ihr Haus ausgenommen zu haben! Die Nägel mußten ja zu Blutstropfen werden, wagte es ein Unhold, dem Zeichen zu trotzen! Mit wachsender Freundlich¬ keit begann sie, nunmehr für den Fremden zu sorgen, der

geschlagen, und

müde am Tisch niedergesltnken war.

»

dem Blick auf das trotz seiner Schmerzen leise wedelnde Tier-

entfernte er mit zarter Hand die Bedeckung der Wunden, welche dem Hunde von einem wütenden Eber geschlagen worden waren. Sorgsam, und dennoch schonend, prüfte er des Tieres Zustand. „Er wird geheilt werden," sagte er endlich mit voller Ueberzeugung. „Schafft mir frisches Laub — der andere mag kühles Wasser vom Brunnen holen, das Mägde¬ sein Einverständnis

lein aber

suche nach

ausdrückte,

altem, weichen Linnen, daß ich den Hund

kunstgerecht verbinde."

Gottfrieds Augen leuchteten hell auf bei dieser Ver¬ Er hatte Weidmann, seinen treuen Jagdgenossen, bereits verloren gegeben, und nun diesen so sicher klingenden Trost. Eilfertig lief er. das Gewünschte herbeizuschaffen, gleich ihm auch Margret und Melchior. sicherung.

Allein gelassen, horchte der Fremde noch einen Augenblick Tritte, dann holte er schnell aus den Fallen des weiten Gewandes eine Holzbüchse hervor, einen kleinen Teil des in ihr enthaltenen Pulvers in die Wunde des Tieres zu stäuben und verbarg mit einem Lächeln Hier würde der Befriedigung wieder das kleine Behältnis. ihm kein finsterer, folgenschwerer Aberglaube hindern, mit seiner in Jahren rastlosen Fleißes entstandenen Entdeckung,

dem sich entfernenden Schall der

dem leidenden Geschöpf Genesung zu bringen.

Wohl fand

sich

im Zimmer kein Zeuge

dieses Vorganges,

wie der Fremde angenommen, doch hatten Melchiors Augen den ganzen Hergang beobachtet, als er mit dem gefüllten Kübel vonl Brunnen kommend, am Fenster vorüber schritt. Doch seltsam, trotz des geheimnisvollen Treibens, schreckte es Wer so zärtlich den Kopf des un¬ den ernsten Jäger nicht. vernünftigen Tieres liebkosen, seiner Schmerzen schonen kann, in dessen Hand die unvernünftige Kreatur sich so willig schmiegt, Vertrauensvoll, wie zuvor, der trägt kein Falsch in sich. schritt er somit weiter, dem Manne offenen Blickes das kühle

Naß darzureichen. Nicht lange, nachdem der Jude das Tier verbunden, wurde es ruhiger und ruhiger. Immer seltener flog sein rührender Klagelaut ditrchs Gemach, eine von dessen In¬ wohnern sorglich beachtete Thatsache. Eine herzliche Dankbar¬ keit begann sich schon jetzt Gottfrieds zu bemächligen, eine achtungsvolle Bewunderung des weisen Mannes, die mit jeder

weiteren Stunde sichtbarer Besserung sich steigerte. So fiel sein Händedruck warm genug aus, als die Stunde der Nacht¬ ruhe gekommen war, und der Gast mit Melchior in dessen (Fortsetzung folgt.) Kammer schritt.

Auf den ersten Blick — nun, da die Oellampe entzündet worden war, konnte man erkennen, daß sie einen Juden be¬ herbergten, doch ein wunderbar sprechendes, tief durchgeistigtes scheuchte bald jede Mißstimmung fort, einen der ver¬ achteten Kaste aufgenommen zu haben. Hastig aß der Fremde

Zur

Antlitz

Brot und trank in langen Zügen von der Milch, Margret für ihn gebracht hatte, doch plötzlich, als das Winseln Weidmanns sein Ohr berrührte, unterbrach er seine Mahlzeit, wie hungrig er auch noch sein mochte.

Von

„Ist

er krank, Euer treuer Jagdgenosse?" fragte er teilnehnlend. dabei erhob er sich schon und trat an das Lager des Hundes. „Wollt Ihr mir erlauben, seine Gebrechen in Augenschein zu nehmen?"

Als Gottfried

nach scharfbeobachten¬

G. Fichtnor,

RegierungS- und Stadt-Baumeister.

(Mit 2 Abbildungen.)

ein Stück welche

Kaugeschichte der Mottlrebrücke.

zum Jahre 1865 wurde die das innere Berlin um¬ gürtende Bahnhofs-Verbindungsbahn mittels einer leichten Holzbrücke, etwa 70 m oberhalb der jetzigen Molrkebrücke, über

Bis

die Spree geführt. Der mittlere Teil dieser „Unterspreebrücke" genannten Brücke bestand aus einer eisemen Gitter-Drehbrücke, um den Schiffen die nötige Durchfahrt zu gestatten.

Da

dieses Bauwerk

äußerst baufällig

war, mußte ein

hS

220

HKBehörden mit der Bearbeitung von neuen Brückenentwürfen vor. Um den äußerst regen Verkehr von dem

Neubau geplant werden, der imMai1864 begonnen und in demselben Monat 1865

Die Inbetriebnahme wurde. erfolgte August 1865. beendet

Die

neue

Unterspreebrücke

lag

Stadtteil Moabit

und derartig gefördert, daß dieselbe bereits am 1. April 1886 dem Verkehr übergeben werden zernen Notbrücke begonnen

konnte.

Drittel ihrer Breite

Sodann wurde zum Abbruch der alten

ein Eisenbahngeleise trug und dem Eisen¬ bahnverkehr diente, während der Rest

Brücke geschritten, der über Wasser leicht und schnell vonstatten ging, unter Wasser

Jeder aufnahm. der eisernen .Bogen bestand aus zwei Teilen, die sich in ihrem Scheitel gegen¬ seitig und an ihrem Fuße gegen die Pfeiler mittels eines Charniers stützten. Straßenverkehr

jedoch erhebliche Schwierigkeiten bot und

erst, nachdem diese Fundamentteile

dürfte nun wohl erklärlich sein, daß, wenn durch irgend eine Belastung der Eisenkonstruktion der Scheitel der¬ selben sich außergewöhnlich senkt, dies nur dadurch möglich ist, daß einer oder

Pfeiler seitlich

der

erheblich geändert.

Der Stadtteil Moabit war emporgeblüht, prächtige Straßen waren entstanden. geringer Entfernung steht der monumentale Lehrter Bahnhof, in der Achse

ausweichen.

In

Ebenso klar ist es dann aber auch, daß

im Nebenbogen, infolge der zu eng werdenden Pfeilerstellung, der Scheitel sich heben muß.

Dies

der Brücke sichtbar das mächtige Kriminal¬ gericht, westlich die neue Packhofsanlage, nicht weit entfernt der Ausstellungspalast. Die Einwohnerzahl betrug 80000 Seelen

bald, nachdem die Briicke in Benutzung genommen war.

Im

geschah auch

und war in stetem Wachsen. Vor allem aber war es der Name Moltke, der veranlaßte, daß die Brücke aufs höchste monumental ausgestaltet werden sollte. Als Breite wurde ihr diejenige der Moltkestraße von 26 m ge¬

Jahre 1871 wurde die Brücke

allein für Wagen und Fußgängerverkehr umgebaut, und kam, nachdem ein Vor¬ schlag der städtischen

Bauverwaltung,

„Rendsburger Brücke"

zu

sie

nennen,

nicht angenommen, sondern ihr mittels Allerhöchsten Erlasses vom 14. Mai 1875 der Name

m auf den Fahrdamm und je 5,5 m auf die beiderseitigen Bürger¬ steige kommen. Ihre Monu¬ mentalität konnte überdies erhöht werden, da infolge günstiger Veränderung der geben, wovon 15

Moltkebrücke beigelegt war,

mit sämtlichen übrigen Brücken 1876 in den Besitz der Stadt Berlin. Genaue Untersuchungenund Messungen, seitdem vorgenommen waren,

welche

daß bis zum Jahre 1882 Scheitel der mittleren Stromöffnung der sich um 11 cm gesenkt, der daneben

stellten fest,

linksseitige Strompfeiler am Charnier um etwa 9 mm aus dem Lot gewichen, der Scheitel der linksseitigen Stromöffnung sich um etwa 12 cm gehoben hatte. Ebenso wurde ein Aus¬ weichen des linksseitigen Landpfeilers und ein Senken des Bogenscheitels über der deranstoßenden Uferstraße konstatiert.

Wasserverhältnisse der Unter¬ spree es nicht

nötig war, eine

Eisenkonstrukion in Anwen¬

liegende

Da noch weitere Deformationen er¬ folgten. erschien der Abbruch der Brücke unvermeidlich, und gingen die städtischen

mittels

Dtznamitsprengungen zerkleinert worden waren, durch Priestmannschen Greifbagger bewerkstelligt werden konnte. Im Laufe der Jahre hatte sich die Gegend in unmittelbarer Nähe der Brücke

Es

beide

Tiergarten

und umgekehrt, von dem südlichen und westlichen Berlin zum Ausstellungs¬ park nicht zit hemmen, wurde zutlächst etwas oberhalb der vorhandenen Brücken im Winter 1885/86 der Bau einer höl¬

öffnungen von je 16,7 in, und zwei auf beiden Seilen, der Spree gelegene Ufer¬ straßen mit je 12,7 m weiten Oeffnungen. Die Fahrbahn war derartig eingerichtet,

den

dem

hin

an

derselben Stelle, an welcher die jetzige Moltkebrücke sich befindet, und über¬ spannte den Fluß mit drei Bogen¬

daß sie auf etwa ein

nach

dung zu bringen, um den Schiffen die nötige Durch¬ fahrtshöhe zu lassen. Sie konnte vielmehr in Stein hergestellt werden und wurden hierzu^ beste Klinker mit roter

Kandelaber auf bcv MaMrebrücke. Modelliert von R. Begas. Nach einer photographischen Aufnahme von

in Berlin.

F.

Albert Schwartz

Sandstein-Verblendung ge¬ wählt. Auch das Geländer und die Postamente sind roter Sandstein.

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Mollke-Seiicke

in

Devlin.

Architekt:

Stadt-Baural

Hobrccht.

Nach

einer

photographischen

Aufnahme

von

F.

Albert

Schwartz

in

Berlin.

-8 222

s-

Da infolge der Packhofsanlage der Teil der nördlichen von der Brücke abwärts in Fortfall kommen konnte, hierzu also auch keine Brückenöffnung nötig war, welche das Hindurchfahren ermöglichte, übersetzt nunmehr die Molikebrücke die Spree mittels nur vier Bögen. Die mittlere der drei Siromöffnungen har 17 m, jede der beiden seitlichen 16,3 in lichte Weite. Die lichte Weite der Oeffnung über der Ladestraße am Kronprinzenufer beträgt 10,4 m. Die Form der einzelnen Bögen ist eine sogenannte Korblinie. Ueber den Pfeilervorköpfen treten in kräftigstem Relief kriegerische Trophäen hervor. Die drei den Strom übersetzenden Bögen sind stark ge¬ il uaderl mit liefen, die Quaderwirkung erhöhenden Fugen. Der Schlußstein des Bogens der mittleren Oeffnung zeigt uns stromauf- und stromabwärts Moltkes Antlitz. Bei der Besichtigung seiner steinernen Nachbildung kurz nach der Aus-

fertiggestellt, und in einen der Pfeiler ein Urkundenkasten ver¬ mauert werden konnten. Nunmehr mußte, um die von der Brücke zu den darunter¬ liegenden Uferstraßen führenden Treppen ausführen zu können, die provisorische Holzbrücke abgebrochen werden. Zu diesem Behufe war es nötig, den Verkehr über die neue Brücke zu leiten. Dies geschah, nachdem die neuen den Bürgersteig begrenzenden Bordschwellen und Pferdebahnschienen verlegt, und die Straße asphaltiert, auch abschließende Bauzältne zu beiden Seiten errichtet und schmale Laufstege von je 2 m Breite hergestellt waren. Inzwischen wurden die granitenen Bürgersteige hergestellt, ebenso die Balustergeländer nebst architektonischen Aufbauten, und mit bestimmtester Zuversicht konnte man den 1. Mai 1891 als Eröffnungstag in Aussicht nehmen, als am 24. April 1891 Graf Moltke seinen Geist aushauchte. Er, auf dessen Er¬ scheinen bei der Eröffnung man sicher gerechnet hatte, war

sührung äußerte der Held, er wäre zufrieden. Sieht man die Brücke mit dem Gesicht nach dem Lehrter Bahnhof gewendet an, also so, wie sie unsere Abbildung zeigt, so erkennt man, rechts von Moltke als Schlußstein Derff-

Unter angestrengter Nachtarbeit gelang es, bis zum 28. die Brücke fertig zu stellen und in düstern Trauer¬ schmuck zu hüllen, um die irdischen Ueberreste des großen Strategen über sie hinweg den letzten Weg nehmen zu lassen. Dieser Tag kann somit als Eröffnungstag gelten. Es bleibt nunmehr noch übrig, die Namen der an dem Bauwerk Beteiligten aufzuzählen: Die Fundierungs- und Maurerarbeiten, sowie Lieferung des roten Mainsandsteins waren der Firma Ph. Holzmann & Co. übertragen. Die Klinker wurden geliefert von den Ziegeleien Bitterfeld undBirkenwerder. Das Geländervon rotem Main¬ sandstein nebst Material fertigte und lieferte Steinmetzmeister O. Plöger. Granitbürgersteigplatten lieferte Hofsteinmetzmeister Metzing. Die Greife sind modelliert vom Bildhauer Piper. Ihre Ausführung in Stein, sowie die der Kandelabersockel und zweier Mittelaufsätze erfolgte durch die Firma Wimmel & Co. Die Wappenschilde sind vom Ciseleur Lind modelliert. Die Kandelaber, Schaft aus Gußeisen, Gruppe aus Bronze, sind vom Professor R. Begas modelliert und in Lauchhammer her¬

Userladcstraße

lingers, links Blüchers Bildnis. Beiden gegenüber auf der andern Seite der Brücke sind zwei antike Köpfe wieder¬ gegeben.

Auf

vier Greife, je ein haltend, welche die Wappen von Moltke, seiner Vaterstadt Parchim, von Preußen und der Hauptstadt Berlin tragen. den Eckpostamenten erheben sich

Wappenschild vor

sich

Die beigefügte Abbildung eines der Kandelaber läßt den künstlerischen Wert dieser Arbeit erkennen. Aus dem reich modellierten Rotsandsteinstockei ragt kräftig emporstrebend der die Laterne tragende Schaft hervor, umstanden von drei wirkungsvoll modellierten, die Heldentilgenden des Kriegers versinnbildlichenden Knaben. Hierbei mag folgendes erwähnt werden. Es sind im ganzen acht Kandelaber vorhanden, und der nicht sehr aufmerksame Betrachter wird ebenso acht verschiedene

Figurengruppen vor sich zu sehen glauben. Es einspricht dies jedoch nicht der Wirklichkeit, da that¬ sächlich nur zwei völlig verschiedene Gruppen vorhanden sind, während die Verschiedenheit des Anblickes durch eine Drehung der Gruppe uni 45 Grad hervorgerufen wird. Es ist dadurch nicht nur erzielt worden, daß jede einzelne der Figuren zur Geltung kommt, sondern daß auch die Modellkosten wesentlich verringert wurden. Wegen der schwierigen Beseitigung der alten Brücken¬ fundamente konnte, da die neue Brücke an dieselbe Stelle kam, mit den Fundierungsarbeiten erst im Herbst 1887 be¬ gonnen werden. Der harte Winter 1887/86 ließ sie erst Mitte 1888 beendigen. lJnfvlge der Verhandlungen, welche zwischen den städtischen und den königlichen Behörden statt¬ fanden, um, wegen der seitens des Staates geplanten Ver¬ tiefung des Spreebettes, Nonnen für die Höhenlage des Brückenscheiiels aller hierbei inbetracht kommenden Brücken festzustellen, konnte der Bau erst 1889 fortgesetzt werden, wurde aber derartig gefördert, daß bereits im Herbst desselben Jahres die Gewölbe geschlossen, die Rotsandsteinverkleidungeu bis zum Hauptgesims, sowie die Hinterfüllung der Widerlager

nicht mehr.

April

gestellt.

Die Kosten für die ganze Brücke betrugen rund 1200000 Mark.

Die Oberleitung bei Entwurf und Ausführung hatte Herr Stadt-Baurat Dr. Hobrecht, unter rhm Herr Stadt-Bau¬ inspektor Pinkenburg. Der architektonische Entwurf rührt Mit der Aus¬ her von dem Regierungsbaumeister St ahn. führung waren nacheinander betraut die Regierungsbaumeister

Eiselen, Ottmann und Branke.

Der Berliner Tiergarten. Von

UxvMmmb Meiner. (Fortsetzung.)

Unmittelbar vor dem Spandauer Thore lagen an der großen, im Zuge der heutigen Oranienburgerstraße nach Spandau führenden Heerstraße linker Hand einige Privatgärten, die bis zu dem alten, während des dreißigjährigen Krieges verwilderten kurfürstlichen Garten (dem späteren „Monbijou") Diesen halte Friedrich Wilhelm im Jahre sich erstreckten. 1657 von niederländischen Kolonisten für seine erste Gemahlin Luise neu anlegen lassen, und die Fürstin errichtete daneben

*9

ern neues Vorwerk,

223

welches sie durch den Erwerb des Rent¬

Michael Matthiasscheu und des dahinter gelegenen, bis zur Ziegelstraße reichenden Gartens des Advokaten Prüfer erweiterte. Im demnächstigeu Besitze der zweiten Gemahlin Friedrich Wilhelms, vergrößerte Dorothea das Vorwerk durch Gärten, Aecker und Wiesen über die Pauke hinaus bis in die Gegend der Charit«. Im Jahre 1670 fügte der Kurfürst diesem umfangreichen Besitztum noch den Weinberg im Tier¬ garten hinzu, welcher am „Sandkmge" unweit des Jnvalidenhauses lag und später als der Menardiesche bekannt war.

meister

Ein zweiter, durch den aus Holstein hierher berufenen Kunstgärtner Michelmann 1659 angelegter Garten, in welchem der Kurfürst die in seiner Jugend in Holland erlernte Gärtnerkunst ausübte und sich zu diesem Behufe durch seine Gesandten die seltensten Pflanzen und Sämereien einschicken ließ, gehörte Es war dies ebenfalls zum Territorium des Tiergartens. das nasse, bis nach Wilmersdorf mnd Lietzow reichende Hopfen¬

bruch, von welchem ein aus 26 Morgen und 30 Quadrat¬ ruten bestehender Teil mit einem Zaun umgeben wurde. Zur Arbeitsleistung erhielt Michelmann drei Kossäten aus Schöneberg überwiesen. Damals der „Kurfürstliche Hopfen¬ garten" genannt, kann demselben, bezüglich seiner vielfachen Wandlungen bis zur Umgestaltung in den noch jetzigen „Botanischen Garten" kein anderes preußisches Institut an die Seite gestellt werden.

Verfolgen wir nun die damalige Umhegung des Tier¬ gartens, so lief der Plankenzaun vom Unterbaum, woselbst Bäume durch die Spree gezogen waren, um diese zu verschließen und wohl auch das Entweichen des Wildes zu verhüten, zwischen dem Fluß und der Straße nach Spandau bis gegen „Martinicke" hin. Hier, wo der vordere und hintere Tier¬ garten ebenfalls zusammenstießen, war wiederum eine Pfahl¬ reihe durch die Spree gezogen und ein Haus für den Stackensetzer und den Aufseher des hinteren Tiergartens erbaut. Nördlich davon lag die Juugfernheide, an der Südseite nahm der Plankenzauu seine Richtung längs der Feldmark des Dorfes Lietzow bis gegen den Kurfürstendamm und den heutigen Zoologischen Garten, von wo aus unzugängliches Bruch bis zu dem späteren „Hofjäger-Etablissement" die natürliche Um¬ währung bildeten. Dort setzte der Zaun wieder ein, die Richtung der heutigen Tiergarten- und Leuns-Straße verfolgend, dann weiter über das unbebaute Terrain der Friebrichstraße. und endlich im Zuge der Kronenstraße bis zum Jägerhofe sich Von hier aus endigte seine letzte Strecke, vor hinziehend. Anlegung der Besestigungswerke. bei dem im Zuge der späteren Linden durch den Tiergarten führenden Wege nach Lietzow.

Damals lag der Jägerhof auf dem offenen Viereck zwischen Wall-, der Kleinen Jäger- und Kurstraße. bis wohin das im Jahre 1646 zu einem „Baumgarten" gcmachle und von einer ansehnlichen Mauer umgebene Vorwerk sich Dann in die neuen Festungswerke gezogen, wurde erstreckte. dieser Garten bis auf wenige, das Jägerhaus umschattende Bäume abgeholzt; vor demselben erstand ein Bastion auf dem heutigen Hausvogtei-Platz. ein zweites vor dem kurfürstlichen der Jäger- und

Reithause da, wo jetzt die St. Hedwigskirche steht. Betrachten wir nunmehr das in verkleinertem Maßstabe

S. 196 und 197 im „Bär" No. 17 wiedergegebene Meriansche Gesamtbild der kurfürstlichen Haupt- und Residenz¬

ei¬

städte

Berlin und Cölln,

insoweit dasselbe für unsern Tier¬

garten von Bedeutung ist. Vor der neu errichteten

hölzernen Hundebrücke zieht

sich, längs des hügeligen Terrains mit weidenden Viehherden zur Rechten, die 1647 angelegte dreifache Linden- und Nußbaum-Allee her. Im Schatten derselben rollt — die Meute mit dem Führer vorauf — ein dreispänniger Jagdwagen, dessen Pferde hintereinander laufen, dem Thiergarten zu, begleitet von einem Jäger und einem Reiter. Hat der Künstler in dem mit knappen Umrissen kizzierten, außerhalb der Allee auf reichgeschirrtem Rosse dahinsprengenden Reiter mit wallendem Federschmuck am breitkrämpigen Hut — ein Charakterbild des Großen Kurfürsten, des gewaltigen „Nimrod" darstellen wollen, wie Nicolaus Peucker ihn angesungen hat . . ? Immerhin bildet die ganze, aus unmittelbarer Anschauung hervorgegangene Staffage ein Zeitbild aus den Tagen jener

großen Vergangenheit.

Den Abschluß zur Rechten des vorderen Stadtbildes macht das langgestreckte Reithaus mit seinem turmartigen Anbau. Seitwärts ragt am Horizonte, über den Wipfeln des Baum¬ gartens, der schmale Giebelbau des Jägerhauses wie ein still verklingendes Stück Weidmannssage vor unsern Blicken auf, und in den Rahmen des Bildes schiebt sich von hier aus der Plankenzaun des Tiergartens. Nur einzelne Einlässe gewährte derselbe in die üppig bestandene Waldung. Den Haupteingang bildete anfänglich eine Pforte in dem vom Schlosse aus über die Hundebrücke führenden Wege. Nach Herstellung des Festungswerkes gelangte man auf ihm über die „Neustädtische Brücke" zum „grünen" oder „Tiergarten-Thor" — ein einfacher, ungewölbter Durch¬ laß im Wall hinter dem, die neue (Dorotheen-) Stadt vom Daher auch der Name Tiergarten trennenden Graben. „Tiergartenbrücke", welche der Große Kurfürst zu passieren pflegte, wenn er auf die Jagd in den Tiergarten sich begab. Ein zweiter Eingang war unweit des Jägerhofes; er Die diente lediglich zur Herbeischaffung des Jagdzeugs. „weiße Pforte" endlich lag an der Ecke der heurigen Lenneeinem hölzernen und bestand aus und Tiergartenstraße hinausziehende Grunewald den Gitterthor, durch welches die in Jagdgesellschaft auf den

Kurfürstendamm

gelangte.

Von den Hauptwegen im Tiergarten ist bereits des¬ jenigen Erwähnung gethan, welcher im Zuge der Linden und der Charlottenburger Chaussee nach Lietzow führte. Ein zweiter lief, von der „weißen Pforte" her jenen durchschneidend, quer durch die Waldung bis zur Spree unweit des Unterbaums. Er verband die zu Anfang des 17. Jahrhunderts von dem Werder hierher verlegte Meierei der Kurfürstin mit dem Hause des Stackensetzers an jener Pforte und bildet die jetzige „Kleine Quer-Allee". Der dritte und letzte Hanptweg zweigte führte im Zuge der heutigen sich vom Lietzower Wege ab und erst später angelegten Zelten. Orte der „Zelten-Allee" nach dem Außer diesen Hauptwegen waren nur wenige Prospekte und Wildgefälle durch die alte Forstung gehauen; hagegen ließ der Große Kurfürst im Jahre 1659, namentlich bei der nach ihm benannten Allee, jene schönen Eichen pflanzen, die mit ihren markigen Formen und den mächtigen, weitgespannten Kronen das Auge entzücken. Was nun den Wildstand anbetraf, so hatte der Große Kurfürst, welcher schon vor seinem Regierungsantritt mit be-

-s

224

»►

soliderer Vorliebe der Auerhahnjagd obgelegen, dies edle Geflügel in größerer Anzahl aus Preußen herbeischaffen lassen, während

erfreute, wurde ihm ein hoher, mit Jagdbildern und Emblemen geschmückter Cylinder-Pokal über¬

die Zossener Umgebung Kapilalhirsche liefern mußte, und auch

reicht, dessen Inschrift lautet:

übrigen kurfürstlichen Forsten eingefangenes Wild herbeigeschafft wurde. Es kann daher nicht verwundern, wenn nach Vehses Berichten der Jagd-Etal die damals bedeutende Summe von jährlich 54,000 Thalern, nach andern Angaben sogar 600,000 Franken erforderte, zumal auch neben der großen Menge von Pferden gegen 3000 Menschen in Anspruch genominen wurden. Die ofl wochenlang andauernden Jagden erstreckreu sich nament¬ lich auf die Reviere bei Lehnin, Kapur und den Grunewald; die iiiedere Jagd fand bei Potsdam statt. Als Nicolaus Peucker, der bereits genannte Kammer¬ gerichts-Advokat, Stadtrichter und Ratskämmerer zu Cölln a. d. Spree, der begeisterte Sänger des Großen Kurfürsten, einer Jagd im Grunewald beigewohnt hatte, richtete er au den Fürsten, dessen besonderen Wohlwollens er sich erfreute, ein gereimtes Bittgesuch um Zuwendung eines wilden Schweines: aus

auch an

der Jagd

.Ihr edle Jäger allzumahl Seid mir Willkomm' in diesem Sahl. Diana eure Göttin hier Versambelt hat allerley thier. Wer Sie liebt, trinkt mich aus dabey — Es schall ein fröhliches Jäger-Geschrey."

den

„-

Wär'

von den Reichen, Sofern vermocht' ich auch so viel, daß ich mir ein hauend Schwein, Eine Sau, und sollt' es auch endlich nur ein Frischlein sein. Schasst' in meine Küch und HauS! aber was ist hier zu sagen? Giebt nicht Friedrich Wilhelm mir auch einmal von seinem Jagen EtwaS ab, so krieg ich nichts von Wild-Braten in den Mund."

Pvkal hatte der verewigte Kaiser Wilhelm I. Gläsersammlung auf Schloß Babelsberg einverleibt und hoch in Ehren gehalten. Auch uns erinnerte er lebhaft an den von Nikolaus Peucker besungenen „großen Nimrod" — den Neugestalter des Berliner Tiergartens. . . Diesen

seiner

(Fortsetzung folgt.)

Mitteilungen aus der Mappe eines Freundes über den Feldmarfchall o. Steinmetz von

ich einer

Der Kurfürst bedeutete ihn, die Gewährung dieser seiner Bitte in Form eines an den Oberjägermeister gerichteten Befehls ebenfalls in Versen zil verfassen, den er dann unterschreiben würde. Im übrigen hoffe er bald glücklicher Vater zu werden, und so möge denn Peucker zur rechten Zeit mit einem „Wiegenliede" sich einfinden. Der drastische „Befehl" des Dichters erfolgte umgehend zur höchsteigenhäudigen Vollziehung des Fürsten; sein Wortlaut ist im „Bär" mehrfach (zuletzt S. 131 dieses Jahrgangs) mitgeteilt worden. Und als dann der Kurprinz Karl Aemil am 6. Februar 1655 das Licht der Welt erblickt hatte, fand Peucker mit seinem „Wiegenliede" sich ein, das, nach erfolgter Schilderung des Lustgariens, den neu geborenen Prinzen auch dem Tier¬

garten zuführt: „Man

weiset

Dir

den

Reiher-Stand,

Unlängst hier angelegt; Und wie bald hier, bald dort ein Land Das Wild mit Heu verpflegt. Man führt Dich auf den neuen Berg Uud zeigt Dir Hirsch und Wild, Die neue Spree, das Schleusenwerk Und war noch sonst viel gilt". . .

Der „unlängst angelegte Reiherstand" lag zwischen dem Jägerhof und der „weißen Pforte", welcher Raum mit „hohem Holz" bestanden war, in dessen Nähe auch das „Reiherhaus" bei der damals im Entstehen begriffenen „Jungfern"-(Großen Quer-) Allee errichtet war. Wo aber der „neue Berg" sich befand, bleibt unerwiesen; jedenfalls nicht in der heutigen Neuen -Grünstraße, die nach Nicolais irriger Annahme zum Tiergarten gehört hätte. Auch der Große Kurfürst sah sich zu strengen Verordnungen gegen den Wildfrevel genötigt; so sollten die „Jagdbedienten" jeden Wildschützen,

dessen

sic nichl

habhaft werden konnten,

ohne weiteres erschießen.

G. G. t«m Urrhrrrer. (Nachdruck verboten.)

n.

Der Tod meines Vaters, allerlei Versetzungen und andere Umstände haben meinen Verkehr mit der Familie meines im folgenden Jahre zum Kommandanten von Magdeburg ernannten und zum General beförderten Gastfreundes unterbrochen, ich weiß wenigstens von den nächsten Jahren nichts zu erzählen, als daß ich den ihm so bitteren Verlust seiner Tochter von Herzen mitempfunden habe. Bei einer kurzen Begegnung in Stettin bei einer Parade, wohin ihn. ich weiß nicht welche Umstände brachten, fand ich den teuren Mann unter dem Eindrücke der Visionen, welche ihn seit Selmas Tode quälten, weniger teilnahmsvoll, als hätte er eine Ahnung von dem ihm hier drohenden Unglück gehabt; verlor er doch daselbst als Kommandierender des 2. Armeekorps, nach 30jähriger Ehe, seine geliebte Julie, die, ivie selten eine Frau, es verstanden hat. seinen Interessen zu leben (1863). Steinmetz machte bei ihrem Scheiden seinem gepreßten Herzen durch den Ausruf

Luft: „Nun habe

ich

nur

Gott und den Dienst." ich ihn, der ich inzwischen von Stettin nach dem Rhein und Hannover versetzt war, kurz vor dem Ausbruch des französischen Krieges in Berlin, als den gefeierten Löwen von Nachod wiedersah, fand ich ihn gealtert, nicht mehr wie bis¬ her elastischen Geistes. Das allgemeine Vertrauen, welches sich der vom Könige mit dem Schwarzen Adlerorden und dem dankbaren Volke mit einer Dotation ausgezeichnete General im österreichischen Kriege erworben hatte, war aber so groß, daß man ihn bei dem neuen Waffentanze unter den Heerführem nicht missen konnte. Auch fand sich die frühere Frische des alten Helden unter den großen Aufgaben der neuen Zeit noch

Als

wieder.

Der General war als

Mitglied

des norddeutschen frühen Morgen

Reichstags in Berlin, als

ich mich an einem

bei seiner Umgebung nach

der Stunde

des Empfanges er¬

kundigen wollte, und mich ihm an der Thür seiner Wohnung, er auf mein Klingeln öffnete, gegenübergestellt fand. einen Schlafrock gehüllt, forderte er mich auf. ihm in sein

welche

Als Friedrich Wilhelm 1656 behufs Durchführung der Annee-Reorganisation in Königsberg

sich

verweilte und dort

In

Arbeits-Kabinett zu folgen, und plauderten wir hier unter

•« 225 La¬

vier Augen über unsere beiderseitigen Familien, über unsere ge¬ meinsamen Erinnerungen an Düsseldorf, Berlin und Stettin und vom österreichischen Kriege, in welchem ein Bruder von mir mit Auszeichnung unter dem Befehle des Generals ge¬ fallen. Dieser, von dessen Härte gegen Zurückbleibende und Gleichgiltigkeit für Menschenleben Neider seines Ruhmes re¬ deten, weinte dabei über die Verluste, welche seine, nach den eigenen Worten des Königs für die gesamte Armee entschei¬ denden Ehrentage verursacht hatten.

Er erzählte dabei An¬

ziehendes und führte mich schließlich seiner zweiten Gemahlin,

mit welcher er seit mit Brachvogel zu 1867 vermählt war, zu, reden, nicht'nur den Ersatz für die verlorene Gattin, sondern einer Tochter

des Generals v. Krossigk,

in welcher er,

auch

für

die so heiß geliebte Tochter verehrte.

Bevor wir Berlin verließen, schrieb mir der General in einer Verwendungsangelegenheit: Berlin, 10. März 1870. Mein lieber, junger Freund! Sollte sich die Möglichkeit ergeben, daß auch ich Gelegenheit bekäme, mich über Sie äußern zu können, so würde ich, davon können Sie sich überzeugt halten, gern in Ihrem Interesse es thun. Fahren Sie also fort, Ihre Schuldigkeit zu thiln, und sich die Anerkennung Ihrer Vorgesetzten zu erwerben, dann werden Sie ernten, was Sie gesäet haben, darüber hinaus, das ist besonderes Glück und das läßt sich nicht verheißen, Möge es Ihnen aber zu teil das muß abgewartet werden. werden. Ihr alter Freund v. Steinmetz. — Steinmetz wurde mit dem Ober-Kommando der 1. (Nord-) Armee betraut und räumte diese Stellung demnächst infolge der Ernennung des Prinzen Friedrich Karl zum Oberbefehls¬ haber vor Metz und der Verleihung von selbständigen ArmeeAbteilungen an den König von Sachsen und den Großherzog v. Mecklenburg. Der Umstand, daß das Ober-Kommando der ersten Armee mit der neuen Gruppierung der Korps thatsächlich erloschen war, und nach der Kriegslage eine besondere Verwendung von Steinmetz nicht mehr zu erwarten war, ließ ihn um so mehr den Entschluß, zu resignieren, fassen, als er der Senior des Der König betraute ihn mit dem ganzen Heeres war.

General-Gouvernement von Posen. Man sprach von Konflikten des Generals mit der obersten Heeresleititng und dent Prinzen Friedrich Karl, als Ursachen „seiner Enthebung von dem Kommando vor Metz." Richtig hieran ist, daß der Löwe von Nachod, welcher zu ersprießlicher Wirksamkeit einer gewissen Freiheit in der Aktion bedurfte, sich im Laufe des Feldzuges mehrfach in seinen Entschlüssen ge¬ hemmt fand. Ihm schwebten in dieser Beziehung die Ver¬ hältnisse bei der schlesischen Armee des Jahres 1813 als Ideal vor. Als im Frühjahr des folgenden Jahres das GeneralGouvernement aufgelöst wurde, beantwortete der König das Gesuch des Generals, in ben Ruhestand treten zu dürfen, unter Versicherung der fortdauernden gnädigen Anerkennung seiner großen Verdienste mit der Verleihung des Charakters als General-Feldmarschall, Versetzung zu den Offizieren von der Armee und Bewilligung eines Gehaltszuschusses. Noch votl Posen aus beantwortete Steinmetz die Dedi¬ kation einer kleinen vor dem Kriege geschriebenen, nach dem¬ selben veröffentlichen, militärischen Schrift: Posen, 13. Mai 1871. Mein lieber, junger Freund! Besten Dank für das überschickte kleine Merkchen, und noch

mehr für die gute Erinnerung,

die Sie mir bewahrt haben. Erhalten Sie mir dieselbe auch fernerhin. Da ich im vollen Packen bin, um meinen Wegzug von hier vorzubereiten, so habe ich nur einen flüchtigen Blick in Ihre Arbeit werfen können, ich lobe es aber von vornherein, daß Sie das An¬ denken Ihres tüchtigen Vorfahren geehrt haben.*) Es ist nur schade, daß Sie nicht auch Kavallerist geworden sind, um dem Vorbilde selbst nachstreben zu können;**) doch das können Sie im wesentlichen ja auch als Infanterist,' und werden dazu in diesem Kriege wohl auch reiche Gelegenheit gefunden haben. Daß Sie mir über diese Zeit und überhaupt über Ihr Ergehen nichts geschrieben, habe ich vermißt; aus der Rang¬ liste habe ich aber ersehen, daß Sie in den Hauptleuten ziemlich hoch schon standen als es zum Kriege ging, und das wird sich nun wohl noch gesteigert haben. Nicht recht begriffen habe ich daß Sie mir aus Frankreich geschrieben haben; die Zusen¬ dung ist mir von Hannover zugekommen. Von mir kann ich Ihnen kaum mehr schreiben, als Sie schon wissen; meine Beförderung und die Gnade des Königs

hat mich sehr beglückt. Wo ich mich fernerhin bleibend etablieren werde, steht noch nicht fest, es will dies doch sehr überlegt sein, und ich habe nicht geglaubt, daß dies auch dann noch so schwer sein kann, wenn man volle Freiheit des Entschlusses utld auch die Mittel zur Ausführung hat. Meine Frau dankt Ihnen für Ihre Erinnerung, ich aber

bleibe auch ferner

Ihr

alter Freund Steinmetz. (Schluß folgt.)

Schloß Koitzentmrg, ein märkischer G-elßtz. Bon Rirtiavd &eorgc. sFortsetzung.)

Als Geschlechtsname

verschwindet

Boitzenbnrg

sehr

Als nächster urkundlich bald aus der märkischen Geschichte. nachweisbarer Lehnsträger des Schlosses Boitzenburg und der zugehörigen Umgegend ist Dietrich von Kerkow bekannt. Dieser empfing 1276 für sich, seine und seines Bruders Söhne das „Schloß Boyceneborch" mit 10 Dörfern, wofür er den Markgrafen Johann II., Otto IV. mit dem Pfeile und Konrad I., den Söhnen Johanns I., Schloß und Stadt Schildberg, jetzt ein bedeutendes Gut in der Neumark, abtrat. Diese 10 Dörfer waren wahrscheinlich: Crewitz, Cervelyn, Wichmannsdorf, Mittenwalde, Claushagen. Hardenbeck. Warthe, Herzleben (jetzt Haßleben). Malendorf und Weggun. Im erb¬ lichen Lehnsbesitz der Familie von Karkow blieb Boitzenburg Um jene Zeit scheint diese Familie in Schulden geraten zu sein, wie aus einer Reihe von Urkunden hervorgeht. Schon 11 Jahre vorher war der große Waldemar, der Kampfe fast aller seiner Nachbarn erwehrte sich im blutigen und das Askanische Banner hochhielt, zu Bärwalde in der Neumark gestorben (1319). Mir seinem jungen Neffen, Hein¬ rich dem Jüngeren, erlosch das einst so prächtige und glänzende Haus der Askanier (1320). Die unglückliche Mark

bis zum Jahre 1330.

*) Anm. Steinmetz hielt in der militärischen Gesellschaft in Berlin in den 40 er Jahren einen Vortrag über die Thätigkeit seines Onkels, des Generals in den Jahren 1813 u. 14. **) Anm. ES spricht aus diesen Zeilen die durch Conradi bekannt gewordene Vorliebe des Generals für diese Waffe; von Anfang an Husar werden.

nach

Steinmetz wollte

hier¬

-8

226

Brandenburg wurde nun herrenloses Gut, über welches die Nachbarn — Mecklenburg, Braunschweig, Pommern und Sachsen und besonders die dem alten Regentenhanse ent¬ stammenden Anhaltiner — von allen Seilen herfielen; die Uckermarck und Boitzenburg fielen den Herzögen von Pommern zu. Da zog Kaiser Ludwig der Baier, welcher durch die Schlacht von Mühlberg Herr im Reiche geworden war, die Marken als eröffnetes Reichslehen ein und verlieh sie seinem Sohne, dem noch unmündigen Ludwig (der Baier oder der Aeltere genannt, 1324—1351). Die Herzöge von Pommern weigerten

sich jedoch

hartnäckig, die Uckermark herauszugeben,

Zahlung von 6000 Mark Silbers räumten. Unter den vielfachen Verwirrungen, welche durch die Verheiratung des Markgrafen Ludwigs mit Margarete Maultausch und das Auftreten des falschen Waldemars

welche sie erst 1338 gegen

hat namentlich auch die Uckermark zu leiden gehabt. Der Herzog Barnim von Stettin trat an¬ fänglich auf Seite des falschen Waldemars und unterwarf sich die Uckermark. Einzelne Teile -derselben (Brüssow, Zichow, Schwedt, Angermünde, Gramzow, Kerkow) blieben auch in seinem Besitze, nachdem Ludwig der Aeltere die Marken wie¬ der an sich gerissen und sie freiwillig an seine beiden jüngeren Brüder, Ludwig II. den Römer (1351—1365) und Otto den Fiuner (den Faulen, 1365—1378) abgetreten hatte. Auch Preuzlau und Templin kamen damals nicht wieder an Ludwig, sondern blieben in den Händen von Anhält, welches dieselben als Unterpfand für gewisse Entschädigungssummen behielt, die erst 1370 gezahlt wurden. Ausdrücklich wird uns dagegen in einer besonderen, zu Oderberg am Palm-Abende 1354 ausgestellten Urkunde bestätigt, daß Barnim der Aeltere dem Markgrafen Ludwig dem Römer gelassen habe die Festen: das Haus zu Greifenberg, das Haus zu Boitzenburg, den Neuen-Sund, Haus und Stadt Jagow und Verkwitz, wobei ihm Ludwig gelobt, daß niemand aus diesen Festen, Landen und Schlössern sein Feind werden solle. Es war dies jene trübe Zeit, in welcher sich in den Marken alle Bande der Ordnung lösten, die Ritterschaft über¬ mütig und räuberisch wurde, Handel, Gewerbe und Ackerbau völlig darnieder lagen. Unter Ludwig dem Römer blieb die Uckermark frei von auswärtigen Erschütterungen und atmete endlich wieder erleichtert auf. Die Edlcu von Kerkow, die Herren von Boitzenburg, hielten in allen diescit Wirren treu zu den Markgrafen, wie aus zahlreichen Urkunden hervorgeht, in denen sie als Zeugen fungieren. Die Kerkows erwiesen sich ferner mehrfach als Wohlthäter des Klosters Marienpforte, namentlich der jüngere Dietrich, wie es überhaupt ein charakteristisches Merk¬ mal dieser rvildbewegten Zeit ist, daß die polischen Wirren die Fürsten und den Adel nicht abhielten, der Kirche und den Klöstern ihre Fürsorge durch Schenkungen zu beweisen. Die Boitzenburger Kerkows scheinen ein tüchtiges Geschlecht ge¬ wesen zu sein, welches nur unter der Ungunst der Zeiten in Schulden geriet. Den letzten Rest ihres Besitzanrechts auf Boitzenburg traten sie 1337 an den Markgrafen ab. der nun für eine Zeitlang) im Besitz des Schlosses blieb, von dem sich jedenfalls viele Güter der 10 Dörfer bereits losgelöst hatten. Unter Ludwig dem Aelteren wurden viele Edle aus Baiern und Oestreich in der Mark belehnt. Zu diesen fremden Vasallen gehörte auch der Riiter Friedrich v. Lochen, welchen

(1348)

sich

ergaben,

»

-

wir von

1356 —1365

als Herrn

von Boitzenburg finden-

Diesem Ritter scheinen

die bairischen Marggrafen, die stets geldbedürftig waren, arg verschuldet gewesen zu sein, wie derselbe überhaupt in den Wirren der damaligen Zeit eine hervorragende Rolle spielte. So gehörte er 1350 zu denen, welche auf Kaiser Karls IV. Veranlassung von dem zum Schiedsrichter erwählten Ruprecht, Pfalzgraf bei Rhein und Herzog zu Baiern, auf ihren Eid und ihre Pflicht befragt wurden, wie es sich mit demjenigen verhalte, der sich Walde¬ mar, Markgraf zu Brandenburg, nenne, worauf Karl IV. die Mark wieder Ludwig dem Aeltereu zusprach. Nach dem Tode Friedrichs von Lochen verkaufte dessen Sohn Ulrich am 30. Juli 1365, im Todesjahre des Vaters, das Schloß, Städtchen und Land Boitzenburg an den „hochgeborenen Fürsten Otto, Marggrafen zu Brandenburg und Lausitz, seinen lieben, gnädigen Herrn", mit allem Zubehör, wie auch zugleich alle Güter, die er innerhalb der Mark hatte, samt allen etwaigen Ausfällen für 3710 Mark lötigen Silbers. Das Geld sollte nächste Weihnachten bezahlt werden — wer aber zunächst nicht zahlen konnte, war Otto der Finnige, der erst 1367 seinen Zahlungsverpflichtungen Ulrich von Lochen gegenüber nachkommen konnte. In dem genannten Jahre stellte der letztere unter dem 14. Dezember eine Urkunde aus, daß er dem Markgrafen Otto Haus und Stadt Boitzenburg mit allen Gütern, mit Zöllen und Mühlen, und was er und sein Vater in der Mark gehabt hätten, mit allen Mannschaften und mit allen Rechten für 137% Schock Groschen und für 8000 kleiner guter Gulden, wie sie in der Stadt Nördlingen gang und gäbe sind, verkauft habe. Die 137% Schock zahlte der Markgraf sogleich; die andere Hälfte sollte er auf Purüicatioms Mariae oder spätestens auf Ostern zahlen oder die erste Summe sollte verloren sein. Erwähnt werden in dieser Urkunde ein gewisser Heinrich Musheym und Hermann von Lp ne, welche, wie es scheint, während der Uebergangszeit als Untervögte fungiert hatten; es heißt von ihnen, daß sie das Schloß Boitzenburg „von des Markgrafen und Ulrichs wegen" inne halten. Diese beiden Untervögte wurden in der Urkunde angewiesen, nach Zahlung des Geldes dem Markgrafen das Schloß auszuantworten, der dann Macht haben solle, es zu geben, wem er wolle; sonst sollten sie es dem Ulrich selbst ausantworten. Otto der Finne wurde nunmehr vorübergehend Besitzer Boitzenburgs. Die Regierung dieses verschwenderischen und ausschweifenden Fürsten über die Marken ist eine fortlaufende Kette von Demütigungen von seiten Kaiser Karls IV., der ihm zwar 1369 seine Tochter Katharina zur Gattin gab, ihn jedoch durch Ränke systematisch aus der Mark Branden¬ burg zu verdrängen suchte. Die Auflehnung, welche der schwache Fürst 1371 gegen seinen Schwiegervater versuchte, erwies sich als vergeblich; nach Einnahme der Stadt Fürsten¬ berg an der Oder erzwang der Kaiser zu Fürstenwalde 1373 den Verzicht auf die Mark Brandenburg zu Gunsten des Hauses Luxenburg. Olto der Finne erhielt eine Abfindungs¬ summe von 3000 Schock böhmischer Groschen und 12 Städte und Schlösser in der Oberpfalz. Karl IV. aber ließ sich und seinem Sohne Wenzel in der Mark huldigen, und auch Boitzenburg trat nunmehr unter die Herrschaft des Hauses

Luxenburg.

(Forsetzung folgt.)

-8

227

Kronprinz und spätere Kaiser Friedrich. So erzählte dem Schreiber dieses die Enkelin jener Matrone, die ihren Sohn noch in selbiger Nacht in ihren Armen sterben sah und wenige Wochen später selbst das Zeitliche segnete. 21. M.

Dir Sage von -er Dürgerglocke m Kernau. Kennst

Im

Du die Bürgerglocke

Turme zu Bernau, Die mit gewalt'gem Klange Ertönt durch Feld und Au'? Und kennst

Du

auch die Sage

Von dieser Glocke hier? Sie ist aus alten Zeiten, Laß sie erzählen

Dir:

Einst wollten die Bernauer Nach frommer Väter Weis' Sich eine Glocke gießen

Zu Gottes Lob und Preis. Und nach Gebrauch und Sitte Lud man die Bürger ein.

Daß sie bei dieser Glocke

Die Paten möchten sein. Da kamen die Bewohner, Sie kamen freudig all' Und schenkten ihrem Paten Helltönendes Metall.

Nur eine Witwe stehet Ohn' Scherflein ganz allein: Sie hat nichts, was sie werfe Zur Glockenspeis' hinein.

Da kam ihr der Gedanke: Du eilst zum nahen Wald Und suchst heilsame Kräuter, Die du verkaufest bald.

Und den Erlös am Gelde Bringst du der Glocke her; Dann hast auch du gegeben Zu Gottes Lob und Ehr'! —

Im

Wald

zischt eine Schlange

mit gift'gem Blick. Sie faßt sie in die Schürze Und eilt zur Stadt zurück,-

Auf

sie

Königin

Die L irr so war eine große Kinderfteundin; das Herz ging ihr auf und ihre Augen glänzten, wenn sie Kinder im Schmuck frischer, blühender Gesundheit und fröhlicher Unschuld erblickte. Dann hörte man Th. U. sie oft sagen: „Die Kinderwelt ist meine Welt."

Und wirft sie mit den Worten Zur Glockenspeis' hinein: „Uns allen soll zum Segen Auch diese Gabe sein!"

Königin

Als die Sophie Charlotte, Friedrichs I. Ge¬ mahlin, auf dem Sterbebette lag, zerfloß eine ihrer Hofvamen vor Schmerz in Thränen. Da sagte die Königin: „Beklagen Sie mich nicht, denn ich gehe jetzt, meine Wißbegierde zu befriedigen über die Urgründe der Dinge, die mir Leibniz nie hat erklären können, über Zeit und Raum, das Unendliche, Th. U. das Sein und Nichtsein."

Die Glocke wird gegossen Von kunstgeübter Hand, Und „Unsere Bürgerglocke" Wird sie alsdann genannt. Wie nun ihr mächt'ges Läuten Durch Wald und Felder dringt,

Friedrich Milhclrrr

III. pflegte öfter zu sagen: „Wenn ich die Groschen nicht spare, dann haben meine Unterthanen keine Thaler."

Verziehn sich alle Schlangen Soweit der Ton erklingt!

Th.

Denn früher gab's viel Schlangen In dieser Gegend hier; Es hieß: das Städtchen habe Viel Schlangen und gut Bier!

Patriotismus.

Pkrerrhischvr

Selten hat sich die Liebe Fürst und Vaterland in so hohem Grade gezeigt, als 1757 nach der unglücklichen Schlacht bei Collin, wo Friedrich der Große der fast doppelten Uebermacht der Oesterreicher nach harten Kämpfen unterlag. Die Land¬ stände in der Mark Brandenburg, in Pommern und dem Herzogtum Magdeburg warben Truppen für die Armee, und errichteten außerdem noch ein Korps von 12 000 Mann Landmiliz. Im Kriegsdienste grau gewordene Edelleute, welche bisher in ruhiger Erinnerung an die Heldentage der Ver¬ gangenheit auf ihren Landgütern gelebt batten, ergriffen mit verjüngten Kräften daS Schlachtschwert unv stellten sich freiwillig als Anführer an die Spitzen der neuerrichteten Truppen. Landleute wetteiferten, die Söhne schnell bei den Armeen ihres Königs zu haben. Zu Stettin errichtete man sogar eine kleine Flotte, die aus 2 Fregatten von 20 Kanonen und 3 Ga¬ — Um leeren von 10 und 0 anderen Fahrzeugen von 6 Kanonen bestand. die königlichen Stutereien in Preußen zu sichern, verteilten die Bauern die Pferde unter sich. In Minden, Ravensburg rc. verheimlichten die Ein¬ wohner dem Feinde die königlichen Einkünfte, wo sie nur konnten, und — Die Einwohner von schickten dann heimlich dem Könige das Geld. Magdeburg und Halberstadt, der Adel, die Domherren, die Bürger und Bauern lieferten freiwillig ihre Pferde zum Dienste der Kavallerie; ihre Dieser erhabene Patriotismus hatte einen Zahl betrug über 4000. wohlthätigen Einfluß auf die Armee und imponierte dem Feinde. Fried¬ rich, welcher bei Collin zwar geschlagen, aber nicht besiegt worden war, konnte bald darauf die glorreichen Siege bei Roßbach und Leuthen er¬

Doch ach, — nach hundert Jahren brach die Glock' entzwei, Und sieh — die Schlangen kamen Dann wieder gleich herbei!

Da

Schnell ward sie umgegossen

Die Glocke mit Geschick. Die Schlangen schwanden wieder Und kehrten nie zurück! — — Dies ist die Bürgerglocke Turme zu Bernau, Die mit gewalt'gem Klange Ertönt durch Feld und Au'.

Im

kämpfen.

Auch heißt sie „Schlangenglocke", Und dem geübten Ohr

M. M.

Die Grundsteinlegung dos Kaiser Milhelmge> Denkmals aus dem Kgffhärrsor findet, wie uns derTage

Kommt manchmal ihr Geläute Wie heis'res Zischen vor.

Ewald,

ü.

gegen

Nun waren sie vertrieben Tief in das Land hinein. Man schaut voll Dank zur Glocke! Man preist das Mütterlein! —

A.

ge-

I.,

dem fchäftSführende Ausschuß desselben mitteilt, am 10. Mai d. des Frankfurter Friedens 1871, statt. DaS Protektorat über das Denkmal bat bekanntlich Se. Durchlaucht der regierende Fürst zu Lchwarzburg-

Bernau.

Rudolstadt.

Verein sür die

Keozerrsgüto dos Kaisers Friedrichs. Es war im Winter 1865/66, als ein altes Mütterchen unter Thränen die Charitö ver¬

ließ, und von den Straßenpasianten nach der Ursache ihres Kummers be¬ fragt, den mitleidigen Seelen erzählte, daß man sie der Vorschrift gemäß, nach Ablauf der Sprechstunde, von ihrein daselbst internierten Sohne, der jeden Augenblick in ein besieres Jenseits abberufen werden könne, gewalt¬ sam entfernt habe. Die Klage der Greisin war auch von einem stattlichen, jungen Herrn gehört worden, der, sich der Alten nähernd, freundlich fragte, was ihr Sohn sei, und was ihm denn eigentlich fehle. „Er hat im Kriege gegen Dänemark einen HackS an die Lunge wegjckriecht, und liegt nun in die Charite an die Schwindsucht im Sterben, ober sogar der Direktor sagt, daß er mir nicht länger bei ihm lasten kann, weils det Gesetz nicht zu¬ stattet," seufzte die echte Berlinerin. „Nun, nun," begütigte der Unbe¬ kannte die Frau, „ich kenne den Herrn Direktor zufällig persönlich und will mal sehen, ob er nicht in diesem Falle eine Ausnahme von der Vorschrift machen kann. Bitte, kommen Sie mit!" Sprach's, bahnte sich und der ihm folgenden Alten den Weg durch die immer mehr anwachsende Menge, die dem vornehmen Herrn ehrfurchtsvoll Platz machte, und verschwand bald darauf hinter der Eingangspforte des Krankenhauses. Vor der Wohnung des Direktors der Charitö angelangt, ließ sich dann der fremde Herr anmelden und wurde sofort vorgelasten. Nach wenigen Minuten kehrte er zu der draußen seiner Wartenden, in Begleitung des Herrn Charite-Direktor¬ zurück und eröffnete der unglücklichen Mutter, daß sie mit Genehmigung des Leiters der Anstalt bei ihrcni sterbenskranken Sohne so lange ver¬ bleiben könne, wie es ihr beliebe. Freudigen Herzens wollte die Alte die Hand ihres Fürsprechers küssen, dieser aber entzog ihr dieselbe und verab¬ schiedete sich, indem er dem Herrn Direktor, wie seinem hochbetagten Schütz¬ ling herzhaft die Hand drückte. Ein Bureaubeamter führte die Frau nach dem Krankenzimmer ihres Kindes, und diese erfuhr nun erst, daß der freundliche Herr, der ihr das Verbleiben am Sterbelager ihres Einzigen aus¬ gewirkt halte, kein geringerer war als — „unser Fritz," der damalige

Kerlins.

In

— der ordent¬ Geschichte wurde zunächst die Er¬ lichen Hauptversammlung vom 23. Januar d. gänzungswahl des Vorstandes vorgenommen, dessen ausgetretene Mit¬ glieder eine Wiederwahl abgelehnt hatten. Es wurden gewählt die Herren: Geh. Archivrat Reuter (erster Vorsitzender), Architekt Wallö

Kleine Mitteilungen.

Brendicke (Hauptschriftwart), Kaufmann Karl Banquier Alexander Cohn (Pfleger der Louis Stiftung), und Kanzleirat Seyler (Archivar). Die ge¬

(dritter Vorsitzender),

Gerold

Schneider

I.

vr.

(Schatzmeister), -

hoffentlich gelingen wird, den Frieden im nannten Herren, denen er'nahmen die Wahl dankend an. — Von Seiten Verein wieder herzustellen, über de? SchriftiührerS und des Bibliothekars wurde sodann der Bericht die Thätigkeit des Vereins im Jahre 1891 und über die Sammlungen desselben erstattet. Der neu gewählte Herr erste Vorsitzende verlas ferner einen Bericht über den Stand der Kasse und der Louis SchneiderStiftung. — Am 26. Januar feierte der Verein im Hotel Imperial sein

Stiftungsfest in der üblichen Weise.

Unser Kücherlisch.

MarkRavrnskerg. Historische Erzählung vonArthur Freese.Jena, Hermann Costenoble. Preis 6 M. Mittelpunkte deS Romans steht unser großer Kurfürst Friedrich Wilhelm, der mit seiner markigen Persönlichkeit schon manchen Dichter begeistert hat. Er geht selbst unter der Maske eines Junker« Mark Ravens¬ berg als Mitglied einer Gesandtschaft nach Stockholm, um für den br.ndenburgischen Kurfürsten um die Hand der jugendlichen Königin Christine zu werben. Beide, der Kurfürst und die Königin sind psychologisch hoch interessante Persönlichkeilen, die der Verfasser mit großem Geschick und vieler Hingabe geschildert hat. Tritt bei dem ersteren der kühne, weitblickende Held in den Vordergrund, der auch das menschlich schöne Verlangen nach einer hin¬ gebenden, edlen Frauenseele in sich spürt, so zeichnet uns der Verfaster in der Schwedenkönigin eine cntschlostene, männlich denkende, aber doch weib-

Im

!

--s

228

lichen Empfindungen nicht ganz entsagende Figur. Daß zwei solche selbst¬ ständigen Geister nicht dauernd in der Ehe neben sich einhergehen können, erkennen sie beide, die sich am Hofe verstehen gelernt haben, und so zer¬ schlägt sich das Projekt. Es ist Freese gelungen, uns von der Wahrheit seiner Personen zu überzeugen; er verbindet die Geschichte mit der Poesie, ohne den einheitlichen Aufbau des Ganzen zu zerstören. Neben dem Haupt¬ paare stehen noch zwei andere psychologisch anziehende Personen: das liebens¬ würdige Kammerfräulein Ebba Sparre und der schlasse, verweichlichte, un¬ männliche, aber leidenschaftliche Landgraf von Heften. Der Roman ist nicht nur wegen seines historischen Hintergrunds empfehlenswert, sondern er ge¬ hört auch zu den besseren seines Genres.

&-

— Der Roman enthält ein gut Teil Kulturgeschichte, .'das auf sorg¬ fältigem Studium von Ort und Zeit sich aufbaut; in ethischer Beziehung gehört „Zwing und Bann" zum Besten, was Jenseit geschrieben; er zeigt sich, wie immer, als Meister jener Kleinmalerei, die dem leisesten Atemzuge der Natur, den innersten Regungen des Gemütes lauscht; erschütternd ins¬ besondere wirkt der Konflikt des Bruders Wunibald zwischen seinem Herzen, seiner Liebe und seinem Ordenskleide. — Es giebt nicht vieles auf dem Gebiete der neueren Romanlitteratur, was sich dieser Dichtung an die Seite

raste.

zu stellen vermöchte.

P. B.

— ke —

Inr Zrving

rrrrd Kann.

und Leipzig.

Roman von iüiüjrhu Jenseit. Dresden E. Piersons Verlag. 2 Bände. Preis 10 M.

Inhalt:

Ben Sabbataj. Eine Geschichte aus märkischer Ver¬ gangenheit von S. Kyn; Zur Baugeschichte der Moltkebrücke. Von E. Fichtner, Regierungs- und Stadt-Baumeister; Der Berliner Tier¬ garten. Von Ferdinand Meyer. (Fortsetzung): Mitteilungen aus derMappe eines Freundes über den Feldmarschall v. Steinmetz. Von G. E. von Natzmer. (Fortsetzung); Schloß Boitzenburg, ein märkischer Edelsitz. Von Richard George. (Fortsetzung); Die Sage

Jensens neuer Roman versetzt uns in die Zeit des Bauernkrieges; der Mittelpunkt seines Schauplatzes ist das Alpthal im südlichen Schwarz¬ wald mit der mächtigen Abtei St. Blasien. „Zwing und Bann" hieß von von der Bürgerglocke zu Bernau. — Kleine Mitteilungen: alters her eine Landschenkung Kaiser Ottos I. an das Kloster, welche aus 4 Vogteien bestehend, einen großen Teil des AlpthalS einnahm; „Zwing Herzensgüte des Kaisers Friedrichs. Königin Sophie Königin Luise. und Bann" bezeichnet aber auch jenen unmenschlichen Druck, der auf den Charlotte. Friedrich Wilhelm HI. Preußischer Patriotismus. Die Grund¬ leibeigenen Bauern lastete und mit Naturnotwendigkeit in dem ungeheuren steinlegung des Kaiser Wilhelm - Denkmals auf dem Kyfshäuser. Verein Aufstande sich Raum schaffte, der verheerend über halb Deutschland dahin¬ ' für die Geschichte Berlins. — Büchertisch. — Anzeigen.

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Für die Redaktion verantwortlich: Richard George in Berlin N. 68. — Abdruck ohne eingeholte Erlaubnis ist unier,agt. Zilleffen, Berlin X.. Schönhauser Allee 141. — Druck: Buchdruckerei Gutenberg. Berlin N., Schönhauser Allee 141a.

Verlag: Fr.

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Unter Mitwirkung

N- Ksvinguicr, Dr. H. DrendicKo, Thec>d>c>v Fontane, rtabtrat G. Friedvl Ferd. Wierser, Gymnasialdirektor Dr. W. Seisrnart; »nd Grnst n. Wildendruris

Df.

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XVIII.

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50

Eedtlln 1892.

Wen SaöKalaj. Eine Geschichre aus märkischer Vergangenheit

iiimi.

von Fs.

(Fortsetzung.)

^Werrissenes Gewölk flog noch in rasender Eile über die volle ° Mondscheibe, sonst ließ die Natur nichts mehr von dem Ausruhr spüren, der sie zuvor beherrscht. In schnellem Wechsel nel Lichr llnd Schatten durchs offne Kammerfenster und um¬ grenzte die regungslose Gestalt des Fremden, die im Rahmen desselben lehnte, mit silbernem Schimmer oder hüllte sie in tiefes Dunkel ein.

„Du bist gm. Du wirst mich nicht hindern, Adonaj mein Gebet darzubringen," wandte er sich endlich doch an seinen Schlafgenossen, der begonnen hatte, sich zögernd zu entkleiden. „Sieh, muß ich dem Gotte meiner Väter nicht danken, in über meinem Haupte zu wissen,, ruhigen Herzens znm Schlummer niederlegen darf?" Dabei war er ihm langsam näher getreten und legte ihm die schmalen, blassen Hände auf die Schultern. „Du weißt es ja, was es heißt, recht- und friedlos durch die Wildnis streifen zu müssen, Du weißt, wie es thut. von der dieser Nacht ein friedliches Dach

einen

Ort,

da

ich

mich

Menschheit ausgestoßen zu sein."

Grenzenlose,

furchtbare Bestürzimg malte

sich

im Antlitz

er atem¬ Jägers. „Wer hat es Dir verraten?" Gedanken, los in tiefster Bewegung. Dann plötzlich, in wilden wich er scheu vor ihm zurück bis in den fernsten Winkel des Gemaches. „Oder weißt Du alles — alles?" drängle es sich über die zuckenden Lippen. „Du denkst jetzt, daß ich ein Herr der schwarzen Kunst bin?" lächelte der Fremde mild. „O Menschen — Menschen, könnt Ihr denn nicht begreifen, daß man den Stein der Weisen hat, sobald man versteht, in Euch zu lesen! Sei überzeugt, Melchior, daß Deine eigenen Worte, Dein reges Mitleid es allein waren, welche mir einen Teil Deiner Vergangenheit entschleierten. Als Du am Hausthor Dich fiir den Verirrten des

keuchte

ich erkennen, daß aud) Du einmal wie ein Wild durch die Heide flohest, zu Adonaj schriest. Dir wie dem Bär eine Höhle zu geben, einen Tropfen Wasser,

oerwaitdleft. mußte '

gehetztes

von seinen Peinigern gehetzten Hirsch. Du hast es gewiß gefühlt, wie der blinde, thörichte Menschenhaufe zu quälen vermag, bis aufs Blut, daß er den Nächsten vor sich her scheuchen kattn wie einen tollen Hund,— ohne daß er schuldig wäre vor sich selbst und Jisrael!" Melchior war, während der Fremde so auf ihn einsprach, schwer auf seine Lade gesunken, die Stirn in den Händen bergend, während ein lautloses Schluchzen an seinem Körper Erst als die Hand des Sprechers sanft über rüttelte. seinen Scheitel glitt, hob sich sein Antlitz wieder empor. „Allezeit fühlte ich, daß mir ein Kainsmal auf der Stirn brennt — was Wunder, wenn Ihr es beim ersten Blick erkanntet," murmelte er dumpf, „und doch ist es die Wahr¬ heit, ich weiß von keiner Schitld vor mir noch vor Gott!" Liebreich legte der Fremde die Hände Melchiors m die seinen, indem er sich au seiiter Seite niederließ. „Armer, aufgescheuchter Vogel! Willst Du nicht einmal Dein Herz frei machen, Melchior? Es ihm iticht gut, alle Bitternis in sich hinein zu schlucken. Ein Unglücklicher wird das Elend des anderen wohl verstehen. Und dann, bedenke nur. geteiltes

wie dem

verschmachtenden,

Leid wird halbes Leid!" Stoßweise, heftige Atemzüge hoben und senkten des Jägers Brust. Jahre, lange Jahre hatte ihm ein Siegel den Mund verschlossen, daß er fast erstickte in seinem starren Jammer,

und

nun genügten die wenigen Worte des fremden Mannes,

sein Herz zu öffnen, daß er den hervorbrechenden Strom nicht mehr zu dämmen vermochte. Ach ja, sprechen, einmal sein Leid klagen dürfen vor Ohren, die ihn verstanden, das mllßte

-< schon

Seligfeit

sein

für

den znm Schweigen Verdammten

230



ein unaussprechliches Glück! Ohne zu drängen, das lockige Haupt Melchiors an seine Brust gezogen, liebevoll wie ein Vater, verharrte der Fretnde neben ihm, bis der Arme nicht mehr widerstehen konnte. Mit

heftiger Geberde entzog er sich der Umschlingung, während ein kurzes Stöhnen von seinen Lippen kam. „Weißt Du auch, Jude, daß Du einen Unehrlichen in Deine Arme nahmst, einen Geächteten ?" Der fremde Mann ntckle langsam, ohne jede Ueberraschung. „Bist Du das Kind eines Wasenmeisters oder gar des Scharf¬ richters Sohn?" fragte er sanft. „Warum ruckst Du davon — denkst Du, daß ich Dich darum weniger achte?" Ein Mondstrahl erhellte das Gemach und beleuchtete das bleiche Gesicht des Sprechenden.

Melchior konnte den Blick nicht von ihm wenden. Mußten milden Augen nicht Trost sind Frieden bringen, wenn das Leid auch noch so groß war? Beruhigt wie ein Kind schloß er die Hände ineinander. „Ich will Euch alles sagen, dann muß es mir. ja leichter ums Herz werden, gewiß!" Vertraulich rückte er ganz nahe zu ihm herau, daß seine Lippen fast das Ohr des Zuhörers berührten. „Ich bin weit von hier daheim, in Ritzebüttel. Vier Jahre sind es her, daß dort ein armer Sünder gerichtet werden sollte. Wir hatiett aber keinen Nachrichter, und man schrieb daher nach Hamburg, den Meister und seine Knechte kommen zti lassen. Ich wußte wohl um das alles, doch nichts genaueres; wer sollte auch in den Wald kommen, uns des langen nnd breiten zu erzählen? Am Tage vor dem Gericht machte ich mich aber aus, hinein zu wandern, mir das seltene Schauspiel anzusehen. Dieweil ich die Straße entlang marschiere, überhole ich einen anderen, einen feinen Stadtherrn, wie ich meinte, und ehe wir uns versehen, find wir in ein Gespräch mit einander gekommen über Land und Leute. Er sprach ein kluges Won, das könnt Ihr mir glauben! Der Seewind und das Plaudent hatte mir die Kehle ausgedörrt, und als wir auf die erste Schenke vor dem Thor stoßen, meinen wir, daß ein frischer Schluck uns beiden gut thun müßte. Er sah mich wohl eigen an, als ich ihm den Vorschlag machte, doch weil niemand im Gastzimmer war, that er’s doch. Vielleicht hat es ihm auch wohl gethan, einmal wie ein anderer Mensch behandelt zu werden! Genug, wir setzten uns an einen Tisch zusammen nieder und tranken nach dem ersten Schluck bald den zweiten und auch den dritten. Mein Genosse ließ dann einen feinen Tropfen bringen und lud mich zu Gaste ein, und ich — ich nehme es an! Die Gläser klingen hell zusammen, der schwere Trank steigt mir zu Kopf, und ehe ich mich versehe, gehts „Du" auf „Du". Wie Feuer lief es mir durch die Adern — hei, wie der Wein mir die Kehle hinabrann, bis sich plötzlich die Thür öffnete, neue Gäste einzulassen. Ich achte ihrer nicht, sie aber meiner und plötzlich da — da schrieen sie es mir ins Ohr, daß ich mit diese klaren,

dem Henker Brüderschaft getrunken hatte,

unehrlich

geworden

war wie er, ein Ausgestoßener von Amt, Genossenschaft und Familie — friedlos und rechtlos auf der Welt." Unsäglich mitleidig blickten die leuchtenden Augen auf den Armen nieder, dessen letzte Worte im Schluchzen erstickten. „Ist denn der Henker nicht auch ein Mensch, wie Du, vom Höchsten erschaffen?" fragte er eindringlich. „Doch traure nicht länger.

ich kann Dir gute Botschaft künden. Wisse, daß man im letzten Jahre ein Reichsgesetz verfasset, worin ausdrücklich und strengstens verboten wird, die, „so unwissentlich oder unversehens mit

Abdeckern getrunken,

gefahren

oder gegangen,

für unehrlich

zu halten."

„Ist

das die Wahrheit?" forschte hoch aufgerichtet der Jäger bald genug sein Kinn

doch trotz der erneuten Versicherung sank

wieder tief auf die Brust. „Als ob das der Leute Simt ändern wird!" klagte er tonlos. „Ich bliebe ihnen doch un¬ ehrlich, unehrlich mit Weib und Kind " „Meinst Du, daß es ein Weib bekümmern könnte, so sie Dich lieb hat?" „Ich könnte es ihr nicht verschweigen, und darum würde sie früher oder später dem Ausgestotzenen doch den Rücken kehren", flüsterte er mutlos. „Melchior, dann kennst Du rechte Weibesliebe noch nicht!" sprach der Fremde mit schwerer Betonung und sein Antlitz schien aufzustrahlen in leuchtendem Glück. „Ob Not, ob Tod — sie wird es mit Dir teilen — und wenn sich die ganze Welt gegen Dich verschwöre, sie wankt und weichet nimmer!" Er beugte sich nieder, einen Kuß auf Melchiors Stint zu drücken. „Möchte der Gott meiner Väter diesen Stern über Dir aufgehen lassen. Ich will ihn darum bitten!" Und seine Gebetriemen aus dem Gewände ziehend, legte er sie um und Arm.

Stirn

II. Eine strahlende Sonne vergoldete am nächsten Tage die Wipfel der Bäume, ein reiner, milder Herbstmorgen folgte dem stürmischen Abend. Gottfrieds Antlitz schien das freundliche Gestirn wiederzuspiegeln, als er aus dem Rüdenstall kommend, zwischen den schmalen, von Thymian begrenzten Beeten seines kleinen Gartens hinschritt. Weidmanns Wunde begann sich ja schon zu schließen, und das ganze Aussehen des Tieres be¬ rechtigte zu den schönsten Hoffnungen, mußte er da nicht ganz besonders fröhlich ins Leben schauen? Als ihm bald darnach die alte Kräuterliese in den Weg lief, wurde ihr heut auch ein ganz besonders freundlicher Empfang, vor allem konnte er ihr nicht genug den Wunder¬ doktor loben, den er unter seinem Dache beherbergte. Ge¬ duldig wie selten ließ er das alte Weiblein auf der Bank uttter der Linde niedersitzen und lieh ihrem Geschwätz, das gleich dem murmelnden Bächlein aus dem zahnlosen Munde quoll, ein williges Ohr. Der Gevatter Köhler vom nächsten Meiler, die alte Liese, dann und wann ein Vogelhändler, noch seltener ein Hausierer mit seinem Kleinkram, das waren Jahr aus, Jahr ein, so ziemlich ihre einzigen Gäste; mußte man detten gegenüber nicht ein Auge zudrücken, sie nicht zu ver¬ scheuchen?

Noch saßen die beiden zusammen, als sich in der offenen

Thür der Försterei der Fremde zeigte, von dem sie soeben ge¬ Als er die Alte bemerkte, schien er zurück¬ sprochen hatten. weichen zu wollen, doch war es schon zu spät, sie hatte ihn bereits ins Auge gefaßt, und so trat er in hoheitsvoller Ruhe näher, einen guten Morgen zu wünschett. Betroffen erwiederte das Paar seinen Gruß. Im hellen Tageslicht konnte man erst die ganze Eigenheit seiner Erscheinung empfinden, er¬ messen, wie unsäglich blaß er war, und daß quer durch Hauptund Barthaar sich ein silberweißer Streifen zog.

^ Dennoch drückre ihm Gottfried herzlich die Hand.

231

Mochte

ge-

Mann nie gewillt

gewesen

Das Liebste umdroht zu

war.

er sein, wer und was er wollte, er hatte sich selbstlos seines Tieres angenommen, und das sollte ihm nicht vergessen sein.

sehen, hatte jede mühsam aufgerichtete Schranke niedergerissen.

Willig

zwischen sichtbar, die

rückte er zur feite, ihm Platz zu machen, und ehe sie

waren sie mitten im Gespräch über die heil¬ Kräuter und Friichte des Waldes.

es sich versahen,

samen

Der Alten

scharfe Augen

„Ihr

dem Fremden.

seid

ein

hingen immer forschender an

Arzt?"

sagte

sie

einem Ton. der die Antwort schon in sich schloß. Ihr nur hierher und so — verschlissen?"

endlich

in

„Wie kommt

Ein tiefer Schatten flog über des jüdischen Mannes Antlitz, „Die Wege Adonajs sind wunderbar," sagte er langsam, voll tiefen Ernstes. „Wer wüßte, ehe sich der Tag geneigt, wo der Abendstern ihn dennoch neigte er bejahend das Haupt.

finden wird?"

„Ein Deutscher seid Ihr auch nicht, man hörLs Euch an," examinierte die Alte in ihrer kecken Art weiter, doch ver¬ hinderte Melchior vom geöffneten Fenster her eine Antwort. Er hatte dem gütigen Mann das Morgenmahl zurecht gestellt, und nur zu gern entwich dieser den listig forschenden Augen des Weibes, das, sobald er hinter der Thür verschwunden war, kein sonderliches Gefallen mehr am Gespräch Gottfrieds zu finden schien, sondern kopfschüttelnd ihre Kiepe voll Gekräut aufnahm und

sich

Auf Bitten

der nächsten Minute schon war er umringt, doch in

dem Wust von Fragen, Fluchen und Erklärungen kehrte nur immer eins vernehmlich wieder: „Wo ist der Jude, der Gift¬ Gieb uns Sabbalaj heraus! Willst Du die Pest mischer? in Haus und Land schleppen lassen?" (Schluß folgt.)

Mitteilungen aus -er Mappe eines Freundes über den Fet-marfchall v. Steinmetz. Von G. G. von Mahnrer. (Nachdruck verboten.)

des Försters nahm der jüdische

(Schluß.)

Mann nur in Anspruch.

Augenscheinlich verursachte ihm dieser Ruhetag tiefes Behagen. Schuhzeug und Gewand, die wunden Füße erzählten von einer

langen, beschwerlichen Wanderung, die hinter ihm lag, so wenig es sich auch die Förstersleute erklären konnten, was den körperlicher Anstrengung augenscheinlich ungewohnten Ge¬ lehrten, auf die Heerstraße getrieben haben konnte. Weder Gottfried noch Margret kümmerte das aber sonderlich, sie ge¬ nossen ohne vieles Nachdenken das Gespräch des weitgereisten, wellerfahrenen Mannes, der es so wohl verstand, seine Er¬ zählungen dem bescheidenen Verständnis seiner Gastgeber an¬ zupassen.

Wollte man jeden, der an die Thüre klopfte, nach Ver¬ gangenheit und Sippe ausforschen, wo käme man hin in jener Zeit, die durch schlimme Kriege gar seltsame Schicksale hervor¬



Wieder neigte sich die Sonne zum Untergange. Schon hatte der Gast, Ruhe und Pflege auszukosten, das Lager auf¬ gesucht, als die anderen, sich der linden Luft unter der Linde freuend, durch ein seltsames, fernes Getöse aufmerksam gemacht wurden. Immer stärker schwoll das Brausen an, mit jeder Minute sich nähernd, bis sich endlich einzelne Menschenstimmeu aus der Allgemeinheit lösten, wirre Ausrufe, gelle Schreie und ein sich im Forst lang hinziehendes, fürchterliches Geheul. Melchior gürtete den Hirschfänger fester um die Lenden.

Was gab es nur? Doch ehe er irgend welche Klarheit ge¬ wonnen, bat er, der ahnungsvollen Stimme seines Herzens folgend, Margret in beweglichen, sorgenvollen Worten, ins Haus zurückzutreten. Sie kannte ja nicht die wilde Zügel¬ einer erregten Menge, welche zweifellos näher und näher kam. Der Gedanke, daß ihr ein Leid geschehen könnte, trieb ihm schon jetzt das Blut mächtig zum Herzen, drängte ihm Worte auf die Zunge, die auszusprechen der unehrliche losigkeit

In

davon machte.

zu gern die Gastfreundschaft desselben noch länger

brachte?

dann immer mehr Menschen wurden in¬ fraglos die. Richtung aus das friedliche Försterhaus hielten. Als auch Gottfried sich das eingestehen mußte, eilte er ihnen kopfschüttelnd entgegen; wie er aber allen voran die alte Liese auf den Schultern eines riesenhaften Mannes sich nähern sah, die mit der knöchernen Hand den Weg zu weisen schien, blieb er doch betroffen stehen. Halten sie es wirklich auf sein Haus abgesehen? Den Mienen nach zu urteilen, brachten sie kauni etwas Gutes. Erst einzelne,

Die An¬ sich in Görlitz nieder. Bitte, Palenstelle bei die eine Beförderung und einer zeige einer Tochter zu übernehmen, beantwortete er: Görlitz, 16. August 1872. Bester Herr Major!

Der Feldmarschall ließ

Empfangen Sie meinen Glückwunsch zu Ihrer Beförderung und meinen Dank für Ihre Anzeige, die mir ein Beweis ist, daß Sie mir auch heute noch Ihre freundliche Erinnerung be¬ wahren. Möge es Ihnen in dem neuen Verhältnis recht gur gehen und Sie auch ferner gern gedenken Ihres alten Freundes. Görlitz. 6. Januar 1875. Sie haben mir eine Palen¬

Ihrem jüngst geborenen Töchtercheir zugedacht, ob¬ gleich der alte Mann und bei so weiter Entfernung Ihnen nicht nützlich sein und Patenstelle liichl erfüllen kann. Ich stelle bei

deshalb in einem früheren Falle geglaubt, die Ehre dankbar ablehnen zu dürfen, und würde es auch in diesem thun, wenn Sie auf meine Zusage nicht einen größeren Werl legten, als sie verdienen kann. Ich sage Ihnen aber, ich fühle mich geehrt durch Ihr Anerbieten und erfreut, daß Sie in diesem Falle meiner alten Zuneigung für Sie gedacht haben, habe

und lege es ganz in Ihre Hand, ob Sie mich gu den Palen Ihres lieben Kindes zählen wollen, welchem Gottes reicher Segen für sein ganzes Leben zuteil werden möge. Leben Sie wohl, empfehlen Sie mich unbekannter Weise Ihrer Frau Gemahlin, und seien Sie auch ferner versichert der Zuneigung Ihres alten Freundes. Das Töchterchen erhielt unter anderen den Manien Selma. Als ich bald darauf versetzt wurde, bekam ich auf eine desfalsige Meldung das nachstehende Schreiben des mit der Welt nun grollenden, und doch innerlich so liebenswerten, alten

Herren:

Görlitz, 31. März

1875.

Ich benutze

diese Gelegen¬

heit, um Ihnen auszusprechen, daß ich hoffe, Sie haben sich in Ihr neues Verhältnis bereits eingelebt, und es geht Ihnen

darin gut.

——>«

Sic haben an Jhreni Regiments-Kommandeur einen

232

ge¬

bildeten, und soweit ich weih, auch praktischen Vorgesetzten, Bitte, empfehlen Sie mich ihm und auch dem Offizier-Korps, welches mir leider bei der großen Entfernung mehr und mehr

Dies hat indes keinen Einfluß auf das Interesse,

fremd wird.

welches ich an meinem Regimeme nehme und ihm unverändert

bewahren werde,

Ihnen

diesen Sommer

stehi

ein Königsmanöver bevor,

was für Sie sicherlich recht lebhafte Vorbereitungen mit sich führen wird. Ich wünsche, daß das Regiment sich dem aller¬ höchsten Kriegsherrn atifs nette, wenn auch nur durch Friedensleistungeu, empfehlen möge.

Da werde

für

ich

den Sommer

wieder Reisepläne

habe,

so

von den großen Manövern wohl in keiner Weise iverden, wie dies ja auch meiner kommandolosen

ich

berührt

Stellung entspricht.

Die Manövergegend es läßt

sich

steht zwar

nur im allgemeinen fest,

indes daraus doch schließen, daß Reminiscenzen

aus dem Kriege von 1813 iverden wachgerufen, werden.

Die Thaten von damals stehen denen von heule in keiner die strategische Leitung ist heute noch so mustergiltig, daß sie der beste Maßstab zur Beurteilung der

Weise »ach und

heutigen Heeresleitung ist, die ihr überdies bei der ihr zu Gebote gestandenen Ueberlegenheit an Streilkräflen in einer viel günstigeren Lage im Vergleich zu den Jahren 1813—1815 Dies wird erst in der Zukunft sich klar sich besllnden hat. herausstellen, heute schweigt die Kritik begreiflicher Weise noch, die Resultate genügen der Gegenwart vollkommen, es wäre aber nicht gut, wenn sie urteilslos machten. Doch es sei genug raisonniert, es ist Zeit, Ihnen Lebe¬ wohl zu sagen. Empfehlen Sie mich unbekannter Weise Ihrer Frau Gemahlin und halten Sie selbst sich der warnten Teilnahme versichert Ihres alten Freundes Feldmarschall von

Steinmetz.

Görlitz,

31.

Ihrer wohl öfters

Mai

1875,

gedenken, da ich

Ich werde in diesen Tagen

Ihnen

eine zufriedenstellende

Balaillonsvorstellung wünsche.

In Berlin, von wo ich kürzlich zurückgekehrt bin, war inan auch sehr fleißig, aber schon weiter in der Ausbildung, Ich habt nichts davon zu sehen bekommen, höchstens hier und da einmal durch die Straßen marschierende Truppen, denn meine Zeit gehörte dem Herrenhause, zuletzt war ich auch krank, da ich mich sehr stark — ich weiß zwar nicht wo — erkältet haue. Dies war auch der Grund, warum ich früher hierher zurückgekehrt war,

Für

den

Sommer

nach

ich

schließe,

Als der Feldmarschall von der Mißstimmung, welche die Nichtberücksichtigung hervorrief, durch mich hörte, entschuldigte sich derselbe

vor dem hierzil auf dem nächsten Rendezvous ver¬

sammelten Offizier-Korps damit auf das freundlichste, daß er

nur bei den Anstrengungen, welchen wir unterworfen gewesen, nicht habe lukouimodieren wollen, er bedaure nur, daß in¬ zwischen die Zeit, das Versäumte nachzuholen, verstrichen sei. Er erkuudigre sich alsdann mit einem komischen Hinblick auf Nachzügler,

etwaige

nach

Gesundheitszustand

dem

des

Re¬

giments, rmd wünschte einem jeden von uns das beste, indem er daraus hinwies, daß der eine in dem Generalstabe, der andere in der Adjutantur, der dritte sich im Truppendienst hervorzuthun streben müsse.

In

dem darauf folgenden

Winter beantwortete

der Feld¬

marschall meinen. Glückwünsch zu seinem Geburtstage:

Görlitz,

30. Dezember 1875,

Sie haben zwar

schon

an dem Danke teilgenommen, welchem ich den Offizier-Korps für meine Beglückwünschung telegraphisch ausgesprochen habe;

Ihnen denselben aber gern noch einmal, als Be¬ weis, wie sehr ich die Erinnerung schätze, welche Sie meiner Familie und einer früheren Zeit bewahren; nur muß ich mich kurz fassen, da ich so vielen Dank schulde, die sich gleich Ihnen, nreiner vom Schauplatz abgetretenen Person noch immer freund¬ Es ist eigentlich das Gegenteil — nämlich das lich erinnern. Vergessenwerden — der Lauf der Welt. Jeder erfährt dies, atlch ich habe es erfahren, fühle mich aber um so reicher in dem, was mir verblieben ist. ich erneuere

sich, bester Herr Major, überzeugt, daß es wird, wenn Sie mir auch fernerhin eine gute Erinnerung bewahren, Bitte, empfehlen Sie mich Ihrer Frau

Halten Sie freuen

mich

Gemahlin und grüßen Sie die kleine Familie, der eine

Art

zu meiner Bekanntschaft noch nicht geboten

aber ivarmen Anteil

Ihnen

ich

wohl

mystischer Person sein werde, da sich die Gelegenheit

auch

hat.

Ich nehme

an Ihrem Glück und wünsche, daß es

in dem neuen Jahre nach Wunsch gehen möge.

jetzt nicht schnell nach

Jünglingsart,

wie es meinen Jahren entspricht, reisen. Dazu ist nun noch viel zu erledigen, was mich entschuldigen möge, wenn ich diese Mitteilungen nicht weiter ausdehne, son¬ dern dieselben mit ineineln freundlichen Grtlß für Sie und Patchen

sellig, und auch nicht zu einer Ansprache zu versammeln.

Dankbarkeit, Refrain an:

bedächtig,

Ihre Frau Gemahlin

Idee, dem Frontdienst keinen Offizier zu entziehen, nicht einen dazu in Aussicht genommeneu Lieutenant des Regiments, son¬ dern einen Landwehr-Hauplmann zum Adjutanten genommen, und dieser ihn in dem Vorhaben bestärkt, die Offiziere deS Regiinenls in keiner Weise in Anspruch zu nehmen, nicht ge¬

habe

Kissingen

Natürlich werde sondern

Ter König bestiminre den Feldmarschall, dem Manöver beizuwohnen, und dieser begrüßte mich, als er mich hier sah, auf das herzlichste. Leider hatte der General, wohl in der

Es war nicht das letzte Lebens- und Liebeszeichen, welches von dem edlen Manne und väterlichen Freunde empfangen Ein Jahr habe. Zuletzt schrieb er am 21, Februar 1876. später (2. Aitgust 1877) ist er zu Landeck, wo er mit seiner Gemahlin im Bade war, heimgegangen.

als ursprünglich von mir beabsichtigt war.

ich zunächst eine 4 wöchige in Aussicht. Von da werde ich vielleicht zu einer l 4 tägigen Ruhe nach Görlitz zurückkehren, und dann eine wohl 3monalige Reise nach der Schweiz machen, welche sich nach Ober-Italien erstrecken dürfte.

Badereise

»-—

und

herzlichen

Wünschen

für mein

Gott wolle fenier mit Ihnen sein.

ich

Wir

gedenken seiner allezeit

und stimmen gern

in herzlicher Verehrung und sein Ruhmeslied mit dem

Wenn die Trompeten klingen.

Soll das Sieinmetzlied man singen Bei jedwedem guten Stoß,

Marktflecken Doisienkneg in der Ilckerrnark. 1891.

Riiier Otto von Holtzendorf als Hauptmann von

Boitzen¬

ihm erhielten die Pommern dasselbe als Pfand, wurden aber bald wieder daraus vertrieben und Es mußten brandenburgischen Vasallen den Platz räumen. waren zunächst die Gebrüder Lippolt, später Henning und Peter von Bredow. Diese versetzten 1393 Schloß, Städtchen und Mühle nebst den zugehörigen Dörfern auf 4 Jahre für 400Schock böhmischer Groschen an Lüdecke von Malzahn. Im Jahre 1398 begann die Zwischenherrschafl der Pommern, welche dem schwachen Jobst von Mähren Boitzenburg entrissen, wo wir bis 1416 keinen brandenburgischen Pfand-Inhaber finden. Der Mark Brandenburg war indessen in Friedrich I., dem großen Hohenzollern, in tiefster Not ein Retter erstanden. Kaiser Sigismund hatte ihn nach dem Tode des mährischen Markgrafen (1411) unter Zustimmung des Königs Wenzel burg.

Schock böh¬

mischer Groschen

Nach

zum Generalstatthalter und Verweser der Mark eingesetzt. Jnbezug auf die Uckermark schloß der erste Hohenzover am 16. Dezember 1415 zu Neustadt-Eberswalde folgenden Ver-

mit den Pom¬

mern

uni

Uckermark

führen

die zu

hatte.

Gerade im Jahre 1420 fand in Angermünde sein heißes Ringen mit ihnen statt, welches nicht allein die Einnahme dieser Stadt, sondern auch die Boitzenburgs, Greifenbergs, Zehdenicks und Prenzlaus zur Folge hatte. Erst im Jahre 1427 kam es zum Frieden von Neustadl-Eberswalde, in welchem der Kurfürst sich fast im Besitze der ganzen Uckermark behauptete.

Jahre 1429 treten zum ersten Male einige Glieder des von Arnimschen Geschlechtes als Pfand-Inhaber in Boitzenburg auf. Die Edlen von Arnim hatten zu den wenigen gehört, welche dem ersten Hohenzollern gleich anfangs gehuldigt hatten und die ihnen verpfändeten Burgen und Ort¬ Unter dem 29. Januar des genannten schaften ablösen ließen. Jahres beurkundet nun Markgraf Johann, der Sohn Friedrichs I., zu Berlin „für sich und seinen lieben Vater, daß er den Brüdern Hans und Jaspar von Arnim und ihren Erben 2200 rheinische Gulden, gut genug an Golde und schwer an Gewicht, und 1500 Mark Finkenaugen, wie sie in der Ucker gang und gäbe sind, schuldig geworden." Hierfür

Im



238

giebt er ihnen das Schloß Boitzenburg mit der Vogtei daselbst mit allen Rechten. Hans von Arnim blieb eine Reihe von Jahren auch noch nach dem Tode seines Bniders im Pfandbesitz von Boitzenburg; urkundlich wird er noch 1439 als

Lehnsträger genannt. Es würde zu weit sichren, wenn wir hier näher auf seine Nachfolger eingehen würden. Unter Friedrich II. (1440—1470) finden wir um 1448 Paul von Cunersdorf als Vogt von Boitzenburg genannt; von 1454—1464 waren die kurfürst¬ lichen Räte nnd Landvögte Hans von Bredow und Lüdecke von Arnim im Pfandbesitze des Schlosses für 2000 rheinische Gulden, welche der Kurfürst ihnen schuldete; dieselben erhielten außer Boitzenburg auch Lychen nnd die Vogtei daselbst zum Pfande. Unter denselben Bedingungen finden wir von 1464—1483 den Landvogl Hans von Bredow und seinen Bruder Berndt aus der Linie Cremmen für eine Schuld von 2800 rheinischen Gulden als Pfand-Inhaber in Boitzen¬ burg; unter dem 31. Dezember 1483 erlaubt der Markgraf Johann zu Cölln Hans dem Aelteren und Hans dem Jüngeren von Waldow, den halben Teil des Amtes und Schlosses Boitzenburg der Witwe des Ritters Berndt von Bredow für die halbe Pfandsnmme abzukaufen; es bleibt dabei unklar, ob Hans von Bredow seine Hälfte noch besessen hat. Etwas später war Boitzenburg im Pfyndbesitz des Ritters Nikolaus von Hahn. Im Jahre 1486 erhielt Henning von Arnim dasselbe vom Kurfürsten Johann Cicero (1486—1499) mit den Urbeden von Prenzlau, Straßburg und Templin pfandweise für eine Schuld von 2800 rheinischen Gulden. Dieser Henning von Arnim, der auch die Vogtei und Stadt Lychen erhielt, war gleichzeitig Vogt im Uckerlande. Nach ihm scheinen seine Söhne, Henning der Jüngere und Berndt von Arnim im Pfandbesitz von Boitzenburg gewesen zu sein. Unter Joachim I. Nestor (1499—1535) finden wir den kurfürstlichen Rat und Hauptmann im Uckerlande Christoph von Krummensee von 1507—1515 als Besitzer von Boitzenburg; er erhieli Schloß und Amt auf Wieder¬ kauf und Ablösung für 3350 Gulden, doch für sich selbst auf Lebenszeil. Von 1515—1518 ist Hans von Alvensleben Lehnsträger von Boitzenburg uub Landvogt der Uckermark. Nach ihm ging das Schloß wieder in den Besitz des Kur¬ fürsten Joachims I. über, der es von seinen Beamten auf seine Rechnung verwalten ließ. Joachim I., ein Freund des edlen Weidwerks, dessen er sich gern in den ausgedehnten Waldungen der Grimnitz er¬ freute, wünschte nun zu jener Zeit das Schloß Zehdenick, welches seit 1506 dem kurfürstlichen Rat Hans von Arnim gehörte, zu besitzen. Der letztere trat es seinem Landesherrn 1528 ab und erhielt dafür als erbliches Manneslehn das

kurfürstliche Schloß Boitzenburg mit allen nnd jeglichen Gnaden, Rechten, Freiheiten und Gerechtigkeiten. Vorwerken, Schäfereien. Aeckern, Wiesen, Weiden, Dörfern und Dorf¬ stätten, obersten und niedersten Gerichten, Holzungen, Büschen, Grenzen, Seen, Mühlen u. s. w. Der Kurfürst bedingt sich sich nur den Aufenthalt ohne Kost auf dem Schlosse aus. ferner sollte dasselbe ihm und seinen Leuten in gefährlichen Zeiten offen stehen, doch so, daß die hinein gelegten Leute auf des Kurfürsten Kosten erhalten wurden. Die von Arnim sollten aber, wie alle Burgsassen, im Frieden und Unftieden sich zum Kurfürsten halten, und wenn Landbede nnd Hilfe vom Lande

S-

gefordert

würde,

sollten auch Dörfer dazu verpflichtet sein.

die

zum

Schlosse

gehörigen

Zeitpunkt sind nunmehr die Edlen von ununterbrochenen Besitz des Schlosses Boitzenburg; es dürfte daher am Platze sein, kurz auf die Geschichte dieses so mannigfach mit den Schicksalen von Brandenburg-Preußen

Seit

diesem

Arnim im

verknüpften erlauchten Geschlechtes einzugehen. Wir folgen dabei den Ausführungen Kirchners, dessen umfangreicher, auf Quellenstudien beruhender Monographie über Schloß Boitzen¬ burg sich dieser Aussatz überhaupt anschließt. Es ist nicht wahrscheinlich, daß die Edlen von Arnim mit dem nieder¬ ländischen Geschlecht von Arnheim, das 1190 zuerst ur¬ kundlich erwähnt wird, verwandt find. Das Dorf Arnim bei Stendal in der Altmark (jetzt gewöhnlich Ahrend genannt) scheint der Stammsitz des Geschlechtes von Arnim zu sein. Als Aeltester dieses Namens wird 1229 Alard von Arnem in einer Urkunde genannt. Das Dorf scheint bis ins 15. Jahr¬ hundert der Stammsitz der Familie geblieben zu sein. In der Uckermark finden wir zuerst 1286 einen Hennekinus von Arnim, dessen nächste Nachkommen die Gebrüder Nikolaus und Wichard waren. Von den Söhnen dieses Nikolaus von Arnim, der 1329 als Hauptmann in Angermünde starb, ist nurBerndt (ca. 1350) namentlich bekannt, dessen ältester Sohn Ebel der Stammvater der biesenthalfchen Haupt¬ linie wurde. Als Sohn jenes Wichard wird nur Henning und als dessen Sohn Jancke von Arnim genannt, welcher derStammvater derZehdenickschenHauptlinie wurde. Söhne dieses Jancke von Arnim waren Hans und Jaspar, die von uns bereits erwähnten Pfand-Inhaber von Boitzenburg um 1429. In erster Linie interessiert uns hier jedoch die biesenthalsche Hauptlinie, da aus ihr die alte boitzenburgische Linie hervorging. Jener Ebel von Arnim hatte nämlich 5 Söhne, von denen wir die drei ältesten Klans, Wilke nnd Otto auf Biesenthal finden. Klaus wurde der Stamm¬ vater der sächsischen Linie und der zichow-löhmischen Linie. Die beiden Söhne Wilke von Arnims, Lüdecke und Henning der Aeltere, haben wir bereits als Pfand-Inhaber von Boitzenburg (1454, bezw. 1486) kennen gelernt. Der Sohn des letzteren. Henning der Jüngere, war ebenfalls Lehns¬ träger des Schlosses, und auf seinen Sohn, Hans von Arnim, ging Boitzenburg im Jahre 1528 durch Tausch gegen das Schloß Zehdenick als erbliches Lehen über, wie wir bereits erwähnt haben. Dem neuen Besitzer des Schlosses wurde, wie dies schon bei den Pfand-Inhabern gewöhnlich geschehen war, auch das

Amt des Landvogts in der Uckermark anvertraut, und zwar erhielt er es 1537 von Joachim II. für die Zeit seines Lebens, was gewiß für das große Vertrauen, dessen er sich bei seinem Landesfürsten zu erfreuen hatte, bezeichnend ist. Sehr wichtige Dienste leistete er seinem Vaterlande bei der Einführung der Reformation nnd der Saecularisation der Klöster. Die Klöstergürer zu Boitzenburg erwarb er selbst 1539 käuflich von Joachim II.; auch die Güter des Klosters Himmelpforte sind vorübergehend in seinem Besitz gewesen. Seine Finanz-Verhältnisse scheinen überhaupt für jene Zeit überaus glänzend gewesen zu sein. Er starb, von seinem Landesfürsten hoch geehrt, im Jahre 1552 und hinterließ Boitzenburg seinen noch unmündigen Söhnen Kurt und

Berndt von Arnim.

___

(Forts, folgt.)

239



Sk

Kleine Mitteilungen. Roste des Wendischen

int Kerliner Dialekt. Im

bei seinem Regimente dienenden Sergeanten Charrier, einem das Anerbieten, daß er wegen seines hohen Alters zurückbleiben möchte. „Nein, Herr Oberst!" sagte der ehrwürdige Krieger, „meine bisherigen Kräfte haben mich noch nicht daran erinnert, um eine leben dem

72 jährigen Greise,

darf, sind nur wenige Reste des Wendischen. Wem ist nicht schon die Bezeichnung „Latschen" in ihrer drei¬ fachen Bedeutung aufgefallen r Der in den großen „Latschen latschende Schusterjunge hat seinen Gegner eine gelatscht, und wat for eene!" —Die Ohrfeige heißt im Wendischen iaoa (laischaft ohrfeigen lacnus, lienus und wulacowas; schlendern lazys; schleppen, schleifen lac und locys; "sich der unschlüssige Mensch lacak. Mit diesen Hilfsmitteln kann man — wohl durch das Latschen hindurchwinden. „Du sollst nicht kokeln!" ruft die besorgte Mutter dem mit einem glimmenden Stäbchen spielenden Kinde entgegen. Kolk lspr. kohk) heißt das Stäbchen, das Streichhölzchen. Ob nun der Ausdruck „kokeln," d. h. also mit Stäbchen spielen, aus jener Zeit stammt, wo das Feuer auf die primitivste Art dem Holze entlockt wurde, oder ob er neueren Datums und somit importiert ist, vermag ich nicht zu entscheiden. — In Berlin wird oft „ein Fluntsch" gemacht. Die heidnischen Wenden halten einen Götzen mit unschönen, aufgeworfenen Lippen und häßlichem Gesicht, namenS Flins, an den ein in der Niederlausitz beliebtes Gebäck, der Plinz, zu erinnern scheint. Im Branitzer Park bei Cottbus befand sich vor Jahren an einem alten Baume eine Tafel mit der Inschrift: „Hier wurde dem Götzen Flins geopfert." Manche behaupten nun, eS habe üverhaupt keinen wendischen Gott Flins gegeben. Das soll uns aber nicht abhalten, die Ansicht auSzusvrechen, daß „einen Fluntsch machen" soviel beiagen mag als „einen FlinS machen," oder gar einen Pluto, der ja sprachlich und nach indogermanischem Begriff mit ihm nahe verwandt ist.

Berliner Dialekt, wenn man

so sagen

Civilversorgung anzuhalten, die mir ruhige Tage verlchafft hätte. Ich will daher noch einmal zu Felde gehen, um meine jungen Kameraden durch mein Beispiel zur Erfüllung ihrer Pflicht aufzumuntern." Gras v. Wartensleben reichte dem Braven, der mit ihm unter dem hochseligen großen Friedrich in unzähligen Schlachten und Gefechten gekämpst, schweigend die Hand und gab seden weiteren Versuch, den alten Veteranen umzustimmen,

Untgeld. Im „Verein für Berliner Geschichte" wurden vor einiger Zeit einige Stücke des Notgeldes vorgezeigt, welches die belagerten Kolberger i. 1807 herstellten. Dasselbe besteht aus viereckigen, länglichen Gouvernementsstempel mit dem den Pappstückchen, deren Rückseite preußischen Adler zeigt. Die Vorderseite trägt zunächst die Wertbezeichnung (eS wurden Stücke zu 2, 4 und 8 Groschen ausgegeben), dann z. B.: „No 5524 Kolberg 1807 unter Königlicher Garantieft darauf folgen die Unter¬ schristen: Lenz. Julius. Mützelburg. — Der Staat hat später nur einen kleinen Teil des Notgeldes einzulösen brauchen; dasselbe wurde meist als P. B „Erinnerungszeichen an des Vaterlandes Gefahr" aufbewahrt.

I.

Unser Bnchertisch.

Müschner.

Eine Anekdote »om JJreiljerrn »cm Stein.

schrift vor, goß aber, nachdem dies geschehen, aus Versehen anstatt des Präsident der Wütend sprang darüber. Streusandes die Tinte auf und rieb ihm mit dem so beschmutzten Papier das Gesicht. Nach acht Tagen trat derselbe Diener in sein Zimmer: er eitle ihm entgegen, drückte seine Freude darüber aus, ihn wiederzusehen und gab ihm ein Papier in O. die Hand, in dem der Ueberraschle einen Doppel-Friedrichsdor fand. .

Gras Otto Wilhelm tum Königsrnark,

alten,

märkischen Geschlechts, wurde im Jahre 1687 alS schwedischer Gesandter an König Ludwig XIV. nach Paris geschickt. Während des Vortrags verlor er plötzlich den Faden seiner sonst gut gelernten schwedischen An¬ Er fable sich aber schnell rede und war nahe daran, stecken zu bleiben. und sagte mit würdevollem Ton das schwedische Vaterunser her. Da niemand am Hofe der schwedischen Sprache kundig war, so merkte es niemand außer seinem Gefolge, welches sich wegen dieser sonderbaren, biblischen Th. TJ. Anrede kaum das Lachen verbeißen konnte.

Anfrnff dos Fürsten tum Ajenlmrg 1806. — Welchen

Grad die innere Zeriittung der preußischen Armee in vielen ihrer Glieder nach der Schlacht bei Jena und Auerslädt erreicht hatte, davon giebt nach¬ stehender erfolgreicher Auftuf deS Fürsten Karl von Isenburg (vom 18. November 1806) Zeugnis: „Nachdem Seine Majestät, der Kaiser von Frankreich und König von Italien, mir die Errichtung eines Infanterie-Regiments von vier Bataillons, so aus lauter Individuen, so in preußischen Diensten ge¬ standen, zusammengesetzt werden soll, gnädigst zu übertragen geruhet haben; so wird hiermit allen denjenigen Herrn OsfizierS der preußischen Armee, so mit Capitulation in französische Kriegsgefangenschaft gerathen sind, und welche den Wunsch hegen, aus dieser unangenehmen Lage herauszutreten, indem Sie ihre bisherigen Dienste quitieren, um ihre Thätigkeit und militärischen Talente dem Dienst unseres unüberwind¬ lichen Kaisers zu widmen, eine Anstellung in ihrem vorher in der Armee bekleideten Rang in diesem Regimente angeboten. Diese ehrenvolle Anstellung sichert denjenigen, so dieselben zu erlangen wünschen, den Schutz und die väterliche Fürsorge des angebeteten Helden, der Seine Krieger nre Seine Kinder liebt, im vollsten Maaße zu, und dieselben werden in Allem den Offizieren der französischen Armee gleichgehalten werden, und ebenfalls alle die Vorteile des französischen Soldaten genießen. Welcher Soldat ist glücklicher als dieser? Sold, Kleidung und Verpflegung im reichsten Maaße über¬ treffen die jeder andern Armee; der französische Soldat lebt bester, als der Unteroffizier andeiswo, und genießt eines Ucberfluffes, der ihm die Last der Dienstes zum leichtesten Geschäfte macht. Eilt herzu, tapfere Krieger! Tretet unter die Fahnen Napoleons des Groben und gehet mit ihm dem Siege und unsterblichem Ruhni^ent¬ — gegen. Der Sammelpunkt dieses Regiments wird Leipzig sein."

Dieser Ausruf war in Berlin

©Jjarricr.

worden; zahlreiche „tapfere eine rühmliche Rolle den Franzosen wurde es all¬

erlassen

Krieger, und Offiziers" meldeten sich zum hat das Regiment nicht gespielt, selbst von gemein verachtet.

Der alte Raäe.



Der berühmte Gegner Napoleons I., Freiherr von Stein sprach sich selbst von einer gewissen Heftigkeit nicht frei, bereute aber seinen Jähzorn bald wieder. AIS er Präsident der Märkischen Kriegs- und Domänenkammer war, legte ihm einmal ein Kanzleidiener eine wichtige Urkunde zur Unter¬

Eintritt;

P B.

AIs im Jahre 1793 das Regiment Sergeant . Prinz Heinrich von Preußen die Ordre erhielt, nach Cleve in Westfalen zu marschieren, machte der menschenfreundliche Oberst Graf von Wartens-

M. M.

auf.

,

Stimmungsbilder von Heinz Hoffmeister. Berlin Verlag von Max Schildberger. Preis 4 Mk. Ein Rabe erzählt seine Erlebniffe und Beobachtungen, die er auf seinen weiten Reisen macht; Raum und Zeit sind für das wunderbare Geschöpf nicht vorhanden — so berichtet er seine Erfahrungen in einer „Künstlerkneipe" aus Capri, kommt darauf nach Rom und sieht dort Nero und bewundert dann die Ruinen einer Arena in Spanien, die „vor fast Am Toten zwanzigtausend Jahren durch ein Erdbeben zerstört wurde." Meere wohnt er dem Ueberfall eines Engländers bei, der, durch Beduinen der Kleider beraubt, seine Blöße mit einem Blatte der Times deckt — und was dergleichen Geschmacklosigkeiten mehr sind Unerfindlich bleibt, wie das Wort „Stimmungsbilder" in den Titel des Buches kommt — oder sollen sie durch die poetischen Versuche des Verfassers dargestellt werden?

Probe: „Und wie schmeckt ein Kuß Der Mädchen vom Rhein, O welch' ein Genuß In, Rheinland zu sein!"

Sehr störend wirken auch die zahlreichen orthographischen und JnterP. B. punktionsfehler. Roman aus der heutigen Gesellschaft von Boris von Bielsky Verlag von Carl Ulrich u. Co. Preis 3 Mk. Wie schon der Titel sagt, bewegt sicb der Roman aus dem Boden der heutigen Gesellschaft, das heißt, der Elemente, die in den heutigen Kulturcentren sich mit Vorliebe als die Repräsentanten der Ordnung, der Sitte und der Achtung selbstgewordener Institutionen betrachtet. Daß auch bier vieles faul ist, sagt auch der Verfasser in seinem ehrlichen Bestreben, Er bewegt sich diese Zustände in dem Schicksal einer Ehe zu schildern. hier offenbar auf bekanntem Felde und weiß den Leser mit tiefem Mit¬ gefühl für da? Opfer der Leidenschaften eines aus dem high life zu er¬ füllen. Daß er aber die Handlung nicht anders als durch einen selbst» mörderischen Pistolenschuß zu entwirren weiß, daß er gerade in dem Selbst¬ mord eine Sühne erblickt, läßt sich weder menschlich, noch künstlerisch ent¬ schuldigen. Das ist einfach ,ine gewa.tsame Lösung der Problems, wenn Eine angehängte sich der Verfasser überhaupt ein solches gesetzt hat. R. 31. Noveleite „Ihr Kavalier" ist ganz unbedeutend.

Glück!

Berlin.

Maria Anrora, Gräfin non Königsrnark von Corvin.

Verlag von A. Bock. schon zu ihren Lebzeiten die Wandel¬ barkeit der Zeiten kennen gelernt, noch mehr aber ist ihre wirk.iche Er¬ scheinung von den Zeiten nach ihrem Tode verzerrt worden. Es ist noch i ichl allzulange her, seit man ihre Mumie den Fremden in Quedlinburg Nach den Ausführungen Corvins ist die als „Merkwürdigkeit" zeigte. Gräfin aber besser als ihr Ruf, und daß der Verfasser eher zu schwarz als WaS hätte die zu bell zeichnet, verbürgt seine politische Vergangenheit. Gräfin ihrer Zeit werden können, wenn sie nicht in die Hände des Dresdener Wüstlings geraten wäre. Wir legen das Buch mit dem Bedauern weg, wieder ein Opfer einer Zeit kennen gelernt zu haben, die nationale und — 1k — menschliche Würde mit Füßen trat. 2. Auflage.

Rudolstadt.

Die berühmte Maitresse hat

Betrachtungen und Erinnerungen von Joseph Schrattenholz. Düffeldocf. Verlag von C. Kraus

ffibnarb Dendernann.

(Ed. Lintz). Preis 0,75 Mk. Die Verehrer des verewigten Meisters werden die kleine, anspruchslose Schifft willkommen heißen; werden sie doch in derselben auf so manchen rein menschlichen Zug stoßen, der für das Verständnis der Bendemannfchen Künstlerindividualität von großem Nutzen ist. Der Verfaffer

6

240

erzählt fließend und gewandt, und so bildet diese Gabe eine sinnige Er¬ gänzung zu dem Bilde, das wir auS dem Studium der hinterlassenen Werke, die vor Jahresfrist in der National-Galerie ausgestellt waren, gewonnen N, M hatten,

S-

wegung, ist Leben, In der That, dieser Roman ist ein hochbedeutendes Werk; interessant durch und durch und lehrreich, weil ein treues Bild der behandelten Zeit. Das war ein Griff ins volle Menschenleben des 16. Jahrhunderts, Mehr brauchen wir zur Empfehlung nicht zu sagen.

ph.

Die He^e,

Bon Joseph Laufs, Eine Regensburger Gesch chte aus dem Jahrhundert. 348 S. Verlag von Albert Ahn in Köln und Leipzig 1892. Preis 5 Mk,, gbd 6 Mk. Wir kennen die drei Erstlingswerke nicht, welche der Verfasser in ge¬ bundener Rede geschaffen hat. Sind sie aber diesem, seinen ersten Roman in Prosa, gleich, so ragen sie weit hervor über vieles Geschreibsel der Jetztzeit. Denn der vorliegende Roman ist eine Leistung ersten Ranges, Die Schreibart ist eigentümlich, doch glänzend, osl hinreißend und bezaubernd, der Inhalt hochpoetisch und voller Handlung. Der mächtige deutsche Kaiser, wie die Vorläuser eines Renz, das verachtete, fahrende Volk, der fromme Priester und der fanatische Mönch, der Rich'er und der Nachrichter, der reiche Patrizier mit seinem vornehmen Haus, wie der arme Schacherjude mit seiner Rebekka, sie alle werden lebendig vor unseren Augen In allen pulsiert warmes, in vielen glühend heißes Menschenblut, Ueberall ist Be¬ 16,

Irr (errate

Ben Sabbataj.

Eine Geschichte aus märkischer Ver¬

Mitteilungen aus der Mappe eines Freundes über den Feldmarschall von Steinmetz, Von G. E, von Ratzmer (Schluß); Die Hohenzollern-Galerie in Berlin.

Von H. Vollmar (mit Ilbbildung); Der Berliner Tiergarten, Von Ferdinand Meyer (Fortsetzung); Schloß Boitzenburg, ein märkischer Edelsitz Von Richard George, (Mit 2 Abbildungen.) (Fortsetzung). — Kleine Mitteilungen: Reste des Wendischen im Berliner Dialekt. Eine Anekdote vom Freiherrn von Stein. Graf Otto Wilhelm von KönigSmark Ausruf des Fürsten von Isenburg 1806. Sergeant Charricr. Notgeld. — Büchertisch, — Anzeigen.

III

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50

1892. 1>

Eine Geschichte aus märkischer Vergangenheit von J5 . Lrun. (Schluß.)

^

^Rin

tiefes Entsetzen überfiel den Förster. Sein Gast, dem edle Weisheit und Güte wie ein Demant von der Stirn leuchteten, erfüllte Sabbataj sein, der holländische Medikus, der die Brunnen vergiftete? Es konnte ja nicht sein, es konnte nicht sein, und lebhaft begann er den Leuten die Unmöglichkeit darzuthun, ohne sich aber in dem Lärm verständlich machen zu können. Das schrie, lachte, fluchte und johlte durcheinander, ohne Sinn und Verstand — die Berliner wollten nicht einen Tag lang dem Flüchtigen die kreuz und quer gefolgt sein,

Skandal zu habeit. Melchior hatte indessen ihren Entschluß in seiner ganzen Tragweite erkannt und sprang mit weiten Sätzen dem Hause zu, die Pforte schmetternd ins Schloß zu werfen, damit Margret im Innern den schweren Riegel davor schieben konnte. Mochte der Mann drinnen sein, wer und was er wollte — schlecht war er nicht, darauf war er bereit, den heiligsten Schwur ab¬ zulegen. Er hatte ihm beigestanden in seiner Not, Melchior

ohne nun ihren

zögerte nicht einen Augenblick, gleiches

mit gleichem zu

ver¬

gelten! Stämmige Arme hielten Gottfried zurück, der sich jetzt zu wehren begann. Ihm wollte man ja kein Leid anthun, bei Leibe nicht. Friedrich Wilhelm I. ließ nicht spaßen mit seinem Landfrieden, der Sicherheit seiner Landeskinder, das wußte ein leder; aber den Weg durfte er der alten Kräuterliese nicht veriegen, den Giftmischer aufzustöbern. Daran durfte man ihn unter allen Umständen verhindern.

Den kühn und entschlossen um sich schauenden Melchior wagte indessen keiner zu berühren. „Weg da, Grüner!" riet ihm nur einer der stämmigsten Gesellen, dem der Mut des einzelnen Mannes zum mindesten wohlgefiel. „Wir wolleil nichts

als den Juden.

Wir

wissen genau,

daß er

in

dem

Bau dort

— Gott hat ihn nicht umsonst im Haar ge¬ Doch als auch darauf hin Melchior nicht wich oder

steckt

zeichnet." wankte, lachte er belustigt auf. „Als ob wir viele nicht schnell genug mit Dir fertig werden könnten, wenn wir nur wollten! Zwei, drei halten Dich fest, wie dort Deinen Kumpan, die anderen aber zünden die Höhle an allen vier Ecken an. Willst Du, daß Dein Schützling gradewegs im Gestank und Rauch

in die Hölle fahren soll?" Ein jäher Schreck durchfuhr Melchior in der Aussicht auf einen gewaltsatnen Angriff auf das Haus, das ja auch Mar¬ gret in sich barg. Noch hatte er kein Wort, keinen Ausweg gefunden, als sich unversehens die Thür hinter ihm öffnete, tmd der Fremde in ehrfurchtgebietendem Ernst langsain über die Schwelle trat. Ein warmer Schmerzensruf quoll aus Melchiors Brust. Blitzschnell hatte er sich an die Seite des Mannes gedrängt, „Warum? dem er für seine Güte tiefsten Dank schuldig war. Warum sich gradewegs hinein in den Rachen der wilden Bestien

werfen?" klagte er, ohne daß sich seine Stimme in dem nun urplötzlich ausbrechenden Geheul Bahn zum Ohre desjenigen Dennoch hätte brechen können, für den sie bestimmt war. mußte der Fremde sein Mitgefühl empfinden, denn unendlich gütig strich er wieder in seiner linden Weise über Melchiors Scheitel. Dann hob er langsam den Arm, und vor dieser machtvollen, gebieterischen Geste, dem leuchtend über die Menge hingleitenden Blick, schwieg das wahnsinnige Toben, und tiefes, schwüles Schweigen legte sich auf die betroffene Menge. „Ihr sucht Sabbataj? Ich bin es. Was wollt Ihr von mir?" funkelnden Augen uxib erhobenen, mit Stöcken und alten Waffen bewehrten Fäusten, drängte schon im nächsten

Mit

-s

242

&•

Augenblick der Haufe auf ihn zu. Doch wie von einer unfichlbaren Schranke zurückgehalten, wagte ihn doch keiner zu

scharf sich alle die beobachtenden Augen in ihre Züge einbohrten, kein Zeichen wollte sich finden, das von der eintretenden

Quoll nicht der giftige Pesthauch aus

Wirkung des Giftes Kunde gab. Noch leuchteten die Blicke in heller Jugendlust, noch glühten die Wangen im purpurnen Schein der Gesundheit, auch nicht ein Zug ihres Antlitzes

berühren.

dem zer¬

wallenden Gewand, trug ihn sein Atem nicht dem Verderben bringend entgegen, glühte er nicht, das Schwarm Hirn entzündend aus diesen mächtigen Augensternen, die so seltsam den wilden Haufen im Zaune hielten? Wer wollte auch dieser Begegnung zum Opfer fallen? schlissenen,

Langsam

der

zog

Niederländer eine

Büchse

aus

der

Tasche seines Gewandes und öffnete sie; doch wie vom Entsetzen

Da war ja das Gift, das die furchtbare Seuche geboren. „Hier, seht und prüft, was mich aus der Heimat trieb." Sabbataj mit tiefer Trauer im Ton. „Es sollte zum

gepeitscht, wichen die Menschen eiligst zurück.

weiße Pulver, jenes sagte

Segen der Menschheit dienen, die verderbenschwangeren Dünste ihr allein ließet es zum Fluche

der Tiefe reinigen und klären,

werden!" „Höllenspeise!" „Nehmt ihm das Gift, oder verbrennt es mit ihm zugleich." „Ja, laßt ihn an seinem eigenen Arcanum krepieren," gellte es aus den hinteren Reihen seiner Widersacher, während die vordereit noch immer in wilder Furcht zurückhielten. Plötzlich aber sauste ein Stein dicht am Haupte des

sich

Arztes vorüber und prasselte in das kleine Fenster hinein. Zahllose Hände griffen zum Boden, dem heimtückischen Beispiel zit folgen, ohne daß Sabbataj nur mit einer Wimper zuckle. Noch ehe aber der Steinregen eröffnet worden war. riß Melchior im plötzlichen Entschluß die Büchse aus der Hand seines Wohlthäters und schüttete sich blitzschnell einen Teil des Pulvers auf die Zunge. „Nun mögt Ihr prüfen, ob ich Gift nahm!" „Melchior! O Gott, erbarme Dich!" schrie jetzt Margrets Stimme, und ehe er es noch fassen konnte, stand sie neben ihm und schlang ohne Scheu ihre Arme um seinen Hals. „Stirbst Du, so will ich mit Dir sterben, denn ich habe Dich lieb wie nichts sonst auf der Erde," stammelte sie erglühend, und ehe er es zu hindern vermochte, drückte sie ihreti Mund auf den seinen, im langen Kuß Tod oder Leben zit nehmen. Sabbataj blickte liefbewegr auf das junge Paar, das sich wortlos umschlungen hielt. „Hast du es gehört, daß sie alles mit dir teilen will, Melchior? Tod und Leben, Glück und Pein? Der Gott meiner Väter hat dir bald Erhörung geschenkt. Gebenedeiter. Besseres giebt es ja nicht, als die Liebe eines guten Weibes!" Dann trat er leise zur Seile, nicht länger den hochherzigen Mann zu gefährden.

Ihn

täuschte nicht die atemlose

Stille der Leute,

mit klopfendem Herzen und einer gewissen grausamen Neugier eine furchrbare Katastrophe erwarteten. Thorheit, die richten und verdammen will, läßt ihren Sinn nicht durch Beweise wandeln. Wehe dem Schwachen der ihr entgegen tritt; die ungezügelte, rohe Kraft des Stärkeren wird ihn unfehlbar zu Boden schmettern! Dennoch konnte er sich in diesem Augenblick noch des jungen Paares freuen, das sich endlich gefunden hatte. Er wußte es ja am besten, welcher Schatz ein treues Weib war. „Ich grüße dich, Esther!" seufzte er aufleuchtenden Auges, sehn¬ süchtig den Wolken nachblickend, die im Abendsonnengolde rosig erglühten. So geduldig die Menge auch wartete, das junge, toll¬ kühne Paar bezahlte sein Wagnis nicht mit dem Leben. So die

von den furchtbaren Schauern der Verständigen konnte diese Thatsache nicht unbemerkt bleiben. Doch der große Haufe wollte sich nicht einschüchtern lassen. Wer stand denn dafür ein, daß das Pulver grave das rechte war? Desto besser, wenn er das verderbliche Mittel nicht bei sich trug, so brauchte man nicht länger vor seiner Berührung zurückzuschrecken nnd mit wildem Gejohle drangen die Gesellen jetzt vor. Gottfried, der die vorangegangene Scene benutzt hatte, aus den Händen der Leute zu befreien, stand unentschlossen sich zur Seite. Seit der Fremde zugegeben hatte, Sabbataj zu sein, war ihm ganz verworren zu Sinn. Im Grunde ver¬ wünschte er die Stunde, die den unheimlichen Gast über seine Schwelle führte. Melchior und Margret dagegen waren sich Sie drängten sich ganz und voll ihrer Pflicht bewußt. wieder vor den Bedrohten. Sie wollten nicht unthätig zu¬ sehen, wie eine unzurechnungsfähige Menge ein unberechtigtes, kopfloses Gericht hielt. Die Begeisterung für das gute Werk, ihre Liebe und Jungfräulichkeit umgaben das blonde Haupt Margrets wie ein Glorienschein, ganz allein ihr holdseliger Anblick hinderte noch den rohen Haufen, auf den Arzt einzudringen. Unaus¬ gesprochen fürchtete ein jeder, die reine, weiße Stirn, die auf der Schulter Sabbatajs lag, mit Blut zu besudeln. Das Mädchen mußte fort von dem Giftmischer, daß man ihn nicht sprach vom Schmerz oder

und

Seuche

bei

den

länger zu schonen brauchte. ein Wort

verlieren, umklammerte das junge Paar den Verfolgten, als rohe Fäuste sich ausstreckten, um sie zur Seite zu zerren. Gewiß, sie waren ja machtlos der wilden Horde gegenüber, dennoch zögerten sie nicht, bei ihm auszuharren, und dieser Mut gab auch Gottfried einen Teil Mir fahlen Wangen lief er in dem Haufen des seinen wieder. hin und her und mahnte zur Besonnenheit und Mäßigung; doch wer hörte ihn in dieser Stunde höchster, hoffnungsloser Gefahr? Schon meinte die schlimme, ungezügelte Gewalt gewonnen zu haben, als ein greller, schneidender Schrei durch das Toben gellte, und in der nun folgenden Stille der dumpfe Klang zahlreicher Hufe vernehmlich wurde, welche sich aus dem Waldgrund näherten. Einem Trupp Bewaffneter voran jagte ein Weib auf schlankem Renner, die langen, schwarzen Flechten Ohne

gelöst,

zu

Stirn vom

die

Geäst

der

Bäunce

zerrissen.

Jeder

Blutstropfen schien aus ihrem Antlitz gewichen zu sein, auf dem sich starre Verzweiflung malte; nur in den suchenden, dunklen Augen glühie noch Leben und Willenskraft. Während ihre Rechte sich in die Mähne des Tieres klammerte, hielr die andere Hand ein Blatt Papier über ihrem Haupte.

„Für Ben Sabbataj

freies Geleit!" schrie sie mit über¬ Kraft, ihr Pferd tollkühn durch die Menge leitend. Namen des Königs, gebt Raum!" Dann neben dem

menschlicher

„Im

Gesuchten

anlangend,

glitt

sie

vom Pferde und umschlang

seine Kniee.

Sabbataj atmete tief auf.

„Mein Weib!"

leise und zog sie empor an seine Brust.

*

*

.

*

sagte er

nur

--s 243 Der Menschenhaufe wich scheu zurück. Vielleicht war es rein menschliches Gefühl, daß dieses rief erschütternde Wiedersehen nicht zu stören wagte. Jedenfalls that aber auch

doch ein

der Anblick der Polizisten das seine, die Widerspenstigen zu

zwingen, da sie unter dem strengen Regiment des gerechten Königs eine gefiirchtete Macht bildeten, der man nicht entgegen handeln mochte, noch konnte. Als einzelne Einblick in das von Friedrich Wilhelm I. selbst unterzeichnete Dekret genommen, »ach welchem dem hochgelehrten Arzte, dem Hofmedikus weiland Wilhelms von Oranien, ausdrücklich Ehre und Reputation zu¬ gesprochen wurde, jener die Erlaubnis erhielt, sich nach eigner Wahl in den Landen des Königs niederzulassen, der Aber¬ glaube des blinden Volkes aber mit harten Worten belegt wurde — da mußte auch der Widerspenstigste das Verlangen nach dem Richteramt fahren lassen/ Einer nach dem anderen verlor sich hinter den Stämmen des Waldes. Wer wollte sich eine Anklage auf Landfriedensbruch zuziehen? Jetzt, da die furchtbare Spannung der letzten Stunde der Ruhe Platz machte, senkten sich die jüngsten Ereignisse wie Zentnerlast auf Melchior nieder. Wenn Margret erfuhr, daß sie einen Unehrlichen, einen Ausgestoßenen lieb hatte? Was ihn zuvor beseligt, wie mit Himmelskraft durchflutet, wurde ihm jetzt zur unsäglichen Dual. Er konnte — durfte das Opfer von Margret nicht annehmen, selbst wenn sich das Mädchen im Rausch der Liebe bereit erklärte, sein Weib werden Er kannte zu wohl die Todesangst, die Tag und zu wollen. Nacht vor dem Verrat — dem Zufall zittert, der ihn seinen Genossen gegenüber vogelfrei, freud- und ehrlos machte — un¬ geachtet aller Reichsdekrete und hochherzigen Königlichen Er¬ lasse. Er durfte das friedliche Dasein Margrets nicht mit diesem Fluch belasten

— grade, weil

er sie

so

unaussprechlich

lieb hatte!

„Herr, nehmt mich mir in die Fremde," flehte er, einer verzweifelten Eingebung suchten

folgend,

und seine traurigen Augen

mit herzerschütternder Bitte die Sabbatajs. das Mädchen aus der Heimat fortführen, wo glücklich zusammen sein könntet?" fragte der Arzt

„Du willst

Ihr

so

staunend. schüttelte mit hoffnungsloser Miene das Haupt. „Ach, Herr, Ihr wißt ja," stammelte er. „Ich darf kein Weib haben, kein Kind! Wer recht- und friedlos ist aus

Doch Melchior

der

Welt —" Sabbatajs Augen leuchteten auf.

„Wenn morgen die Sonne wieder untergeht, sollst Du noch einmal das Begehren an mich richten, wenn Du willst, dann werde ich nicht „nein" Zu sagen! Bis dahin warte, Melchior, mir zu Liebe." warmem Druck umspannte seine Rechte die schwielige des Jägers, dann winkte er den Reiter heran, der für ihn noch Dann schwang ein zweites lediges Pferd am Zügel führte. gesellte er sich auf den Rücken des Tieres und sich seinem mit heller Stimme, „zum Hofe meines gnädigen Schirmherrn, Friedrich Wilhelms von Preußen, der meinem Weibe ein gnädiges Ohr lieh, er wird es vor mir nicht verschließen." Und bald verschwand auch der Weibe

zu.

„Auf denn," rief

er

letzte der Kavalkade den Blicken der Zurückbleibenden.

Als um die Mittagsstunde des nächsten Tages ein Zug der Schloßwache vor das Försterhaus zog, um auf Befehl des Königs den Jägergehilfen Melchior mit sich fort zu führen,

8-

erfaßte die Bewohner desselben tiefer Schmerz. Wohl hatte ihnen der gestrige Abend noch die Aufklärung gebracht von Melchiors scheuem, gedrücktem Wesen, wohl war das Ge¬ schwisterpaar im ersten Schrecken vor dem Ausgestoßenen zurück¬ gewichen, doch die freien Kinder des freien Waldes konnten sich nicht lange durch die engherzige Anschauung von dem treuen, braven Gefährten zurückhalten lassen. Fiel auch ein

Schatten in das sonnige Glück ihres Bundes, so stand doch ihr Entschluß fest, alles beim alten zu lassen. Und nun dieser Eingriff von außen! Konnte er anderes als Schlimmes bedeuten unter diesen Verhältnissen? Gottfried wie Margret zögerten nicht, den Armen zu ge¬ leiten. Ein gutes Zeugnis für die letzten Jahre konnte ihm gewiß nicht schaden. Doch schlichen sie recht trübselig imb bange hinter dem Soldatentrupp her. der Melchior in seine Mitte genoinmen hatte; immer scheuer drückte sich Margret an

Bruder, je mehr Volk sich aitschloß, uni den erwarteten Skandal mit anzusehen. Als sie die Thore Berlins durch¬

den

schritten, wagte sie kaum noch die Augen aufzuschlagen.

Erst vor dem Schloß hielt der Haufe inne, wo ein Ge¬ richtsaktuar Melchior in Empfaiig nahni und ihn in die Amts¬ kanzlei führte. Hier wurde ihm auch zur Gewißheit, daß man den Henkersgenossen zur Rechenschaft ziehen wollte, der es ge¬ wagt haue, sich einem seit Jahrhiinderten bestehenden Volks¬ Nahm doch der Bürgermeister in höchst¬ recht zu widersetzen. Verhör mit ihm vor, das der Aktuar eigener Person ein sorglich zu Papiere brachte, aus welchem Melchior nur zil deutlich erkennen mußte, wie genau man über sein Vorleben Draußen im Schloßhof war indessen ein Bescheid wußte. ganzes Bataillon mit seinen Offizieren uub der Fahne auf¬ marschiert. Grund genug, so viel Volk herbeizuziehen, als der Hof nur zu fassen vermochte. In Todesangst verfolgten die Geschwister alle diese Vor¬ gänge. Margret glaubte nicht anders, als mit eigenen Augen zusehen zu müssen, wie man den Geliebten verurteilte und am Ende gar erschoß. Kanin konnte Gottfried sie zurückhalten,

auf Melchior hinter dem Amtsbürger Guter Gott,

zuzustürzen, als er endlich bleich, gesenkten Hauptes Bürgermeister, einer stattlichen Anzahl ehrbarer

und dem Gerichtspersonal, wieder im Hofe erschien. ging es ihm wirklich ans Leben? Auf ein Zeichen des Stadtoberhauptes hin las der alte Aktuarius ernsten Tones das soeben verfaßte Protokoll vor, aber auch das Erkenntnis, daß der Mann wohl eines un¬ würdigen Verkehres mit dem Henker schuldig sei, doch mildernde Umstände wie sinnverwirrenden Rausch zur seile habe, daher Pardon erwerben könne und durch Fahnenschwenken wieder ehrlich zu machen sei.

Melchior begriff nicht das mindeste von dem, was mit ihm vorging. Auch ihn hatte Todesangst gefaßt; so schwer bisher das Leben auf ihm lastete, es hergeben ;u müssen, jetzt gerade — der Gedanke raubte ihm jede Besonnenheit und Ueberlegung! Er hörte nur. wie man ihm „Knie nieder" ins Ohr schrie und glaubte sein letztes Stündlein gekommen. Indem er die Augen schloß und dem Befehl nachkam, sank es aber wundersam über ihn nieder, weich und lind. wie Engelsfittiche. War das der Tod? Die Lider öffnend, sah er, wie der Fähndrich langsam und feierlich dreimal über ihm die Fahne Aber schwenkte, tief und schwer, das die Seide ihn streifte. noch immer verstand er nicht, was mit ihm vorging.

-8

244

„Steh auf, mein Sohn," sagte ihm jetzt endlich der Bürgermeister, Du stehest auf als ein ehrlicher Mann! Bleibe fortan der Ehre treu, die Dir jetzo wiederfahreu ist, daß Du dermaleinst als ehrlicher Mann vor Gottes Thron treten kannst!" Dabei reichte der alte Herr ihm die Hand. welchem Beispiel zu folgen, sich alles herbeidrängte. — „Nun, Melchior, wollt Ihr ttoch mit mir gehen?" weckte ihn jetzt eine bekannte Stimme ans seinem starren Staunen.

wir

Deutschen

Arztes

abend eine Dotation zu ver¬

„Wie soll

ich Euch

Auge beugte sühnte über

„Mir

jenige eines tüchtigen Künstlers ivar, auf den

der Ent¬

Ihr

in das lächelnde Gesicht laßt es jetzo wohl bleiben," er

im Tone des Scherzes. dicken Tropfen im

danken,

war, dem depoffedierten Künstler an seinem Lebens¬ Die in den Räumen Feckert-Ausstellung der Akademie eröffnete hat denn auch vom 9. bis zum 25. Januar Hunderte von Besuchern Überzeugt, daß Feckerts Lebenswerk — denn ein solches stellten die zahl¬ reichen, sorgfältig geordneten wertvollen Blätter dar — das¬ es

abend neue Würdigung zu verschaffen.

des

sah

schloß derselbe

Hand.

Ziel

-

vollen Grund haben stolz zu sein, da besseres auf gleichem Gebiet selbst von seinem berühmten franzöfischen Kollegen Monilleron nicht erreicht worden ist. Neben diesem idealen Gewinn der Ausstellung wird sich hoffentlich auch der reale Zweck erfüllen, dem greisen Künstler für seinen Lebens¬

Als der Jäger ausblickte, Sabbalajs. „Ich denke,

Mil

»

sich

sich

wird Mitteilung

hoffentlich

schaffen;

Ben Sabbataj?"

die

auch

dem

beivahrheiten, daß Feckerts

dort oben ein braver UnterIhan!" Sabbataj zog seine Kappe vom Haupt und wies nach dem Fenster hinaus, in dessen Rahmen lächelnd der König stand. „Die Hohenzollern ver¬ dienen treue Landeskinder!

Arbeiten als geschlossene Sammlung für die Königl. Museen erworben sind und so vor jeder Zersplittrnng bewahrt bleiben.

nicht,

seit

Der

Dir Feckert-Aussteüung

kennung der Besten seiner

in der

Zeit fand.

Akademie der Künste. Von K. UsUrnar. 2 Abbildungen.)

„Die eilige Maffenreproduktion der Photo¬ graphie mit ihrein Reiz der Neuheit hat den Blick der Zeitgenossen von den Meisterwerken der Stein¬ zeichnung abgelenkt" — diese Worte des AkademiePräsidenten E. Becker, welche

der

er

dem

72 jährige

Künstler Gustav Feckert hat mehr als^vier Jahr¬ zehnte rüstig gearbeitet und die Freude erlebt, daß sein rastloses Streben nach Vervollkontmnung die Aner¬

Denke allezeit daran!"

(Mit

jetzt

Kours gattjne, Nach dem Gemälde von L.

KnauS.

Katalog

Feckert-Ansstellnng

Lithographiert von G. Feckert (1859).

Von frühester Jugend an beseelte ihn ein Hang nach künstlerischen Dingen; den Wunsch der Mutter, daß ihr Sohn Theologie studieren möge, konnte er nicht erfüllen, da die Mittel zum Studium fehlten. Er mußte aus diesem Grunde das Hand¬ werk des Vaters, der Schneidernieister war, er¬ lernen, jedoch die Frei¬ stunden benutzte der Jüng¬

vorausschickte, geben eine Erklärung

dafür, daß die Werke eines noch lebenden, tüchtigen Künstlers den Augen des Publikums schon seit Jahrzehnten entrückt sind. Die Lithographie wurde aber nicht allein durch die Photographie und alle Abarten des Lichtdrucks verdrängt, auch die wieder erblühte Kunst des Radierens trägt einen Teil der Schuld, daß nicht nur das große Publikum, sondert! auch die Kunst¬ freunde jene einst so hoch geschätzten Sleinzeichnungen über der Fülle des gebotenen Neuen vergessen haben. Die tragische Thatsache, daß ein Kunstzweig abstirbt, während derjenige, welcher ihm znm herrlichen Blühen verhals, noch unter den Leben weilt, ist nur ein neuer Beweis für unsere schnell produzierende, entwicklungsreiche Zeit. Dankbar aber muß es anerkannt werden, daß gerade in dieser schnelllebigen Zeit von den Kunstgenossen Feckerts eine Veranstaltung ausging, deren

ling zum Zeichnen und Kolorieren und der immer stärker werdende Drang, sich ganz der Kunst zu widmen, fand schließlich eine Unterstützung in der Thatsache, daß Feckert linkshändig arbeitete. Das war ein Grund, welcher den Vater schließlich bestimmte, ihn vom Schneidertisch ans Zeichenbrett treten zu lassen. Glücklich, nun endlich dem ihm vorschwebenden Zukunftsplan einen Schritt näher zu sein, wurde Feckert 1836 Lehrling des Lithographen Remy. Die Lehrzeit in der Werkstatt dieses viel¬ beschäftigten Steinzeichners war auf drei Jahre bemessen; jedoch Feckerts schnelle Fortschritte verkürzten dieselbe, so daß Remy dem jungen Zeichner schon nach zwei Jahren erklären mußte, er könne ihn nichts mehr lehren; es begann nun eine Zeit, in welcher der junge Künstler zahlreiche Bildnisse nach der Natur und eine Reihe von Lithographien nach Kupferstichen englischer und französischer Meister auf Stein zeichnete. Um

•■a

245

jedoch in seiner Kunst zu vervollkommnen, trat er 1840 als Schüler in die von Schadow geleitete Akademie ein. Die von Feckert schon erlangte technische Fertigkeit wurde auch hier von älteren Kollegen anerkannt ttnd veranlaßte, daß der damals sehr geschätzte Lithograph Wilde ihm das Anerbieten machte, gemeinschaftlich mit ihm zu arbeiten. Nach sieben Jahren eifrigen Schaffens gab Feckert diese Thätigkeit auf und eröffnete seine eigene Werkstatt, in welcher er als erstes größeres Bild eine Kopie von Ritters „Ertrunkenem Fischersohn" schuf. Das figurenreiche, ergreifeitde Gemälde war im Besitz des kunst¬ sinnigen Kaufmanns Ravens und bildete den Grundstock seiner später so berühmt gewordenen Galerie, die noch heute unter Berlins Kunstsammlungen eine ehrenvolle Stelle einnimmt. Gerade die Reproduktion des Niiierschen Bildes wurde be¬ deutungsvoll für Feckerts Talent, denn stes)

fit¬

gründete Freundschaft die beiden Männer. Als Feckert im Jahre 1857 das Genrebild „Schmerzvergessen" nach Gallair gearbeitet hatte, sprach ihm auch der belgische Meister für diese vollendete

Nachbildung seines Werkes die wärmste Anerkennung aus. Aber der Schwerpunkt von Feckerts Thätigkeit blieb dennoch immer das Porträt; seine nach Gemälden oder auch nach der Natur auf Stein gezeichneten Bildnisse wurden all¬ gemein geschätzt, ein ganzes Stück der Geschichte der vierziger, fünfziger und sechsziger Jahre spiegelt Feckerts Porträtgalerie wieder. Männer und Frauen aller Gesellschaftskreise Berlins haben sich von dem Künstler abkonterfeien lassen, und all diese Bilder zeichnen sich durch Lebendigkeit der Auffassung neben feinsinnigem Eingehen auf die geistige Eigenart jeder Persönlich¬ keit aus Daß Feckert als Drucker der erfahrene, in Paris gebildete Koen zur Seite stand, war

nachdem er den

eine besonders glück¬

er¬

liche Fügung, denn

greifenden Kompo¬ sition ausgestellt, fand derselbe allge¬ meinen Beifall; er

bei allen graphischen

Probedruck der

Künsten ist ja noch heilte der Drllcker eine den Ansschlag

wurde die Ursache, daß Ravens den noch unbekannten Künstler kennen lernte, den derKaufherr von nun an durch Aufträge förderte, und dessen

keit,

den

Blattes

Zahl, nach des Künst¬ lers eigenem Wort, nur eiilige Bruchteile dessen, was er in

wirkung, welche diese Feckertsche

Komposition erzielte, wurde infolgedessett

dieser Richtung

Familien glück.

durch

weit über¬ troffen; er begnügte

des

Mehr als zwei¬ hundert Porträts ent¬ hielt die'Feckert-Ausstellung, uild doch repräsentierte diese

Bild¬

spätere Ar¬ beiten des Künstlers

ihr

wesentlich bedingt.

Kreises wesentlich ver¬

genannte

durch

künstlerischen

Wert

Anschauungsweise er durch persönliche An¬ regungen seines

Die

die

mehr oder minder sorgfältiges Arbeilen

künstlerische

tiefte.

Persönlich¬

gebende

Nach dem Gemälde von E.

Meyerheim.

noch

sich nicht mit Zeichenstift, sondern vervollkommnete sein Werkzeug: er ersaitit die Tablette, eine vertausendfacht geschlossene Spitze, mit der er imstande war, breite, malerische Töne herzustellen, welche die

dem spitzen,

mühsamen

Pinselführung der ihm vorliegenden Originale noch treuer wiedergaben. Eine Musterleistung nach dieser Richtung war die Reproduktion von Eduard Meyerheims „Familienglück", welches unser Blatt als Illustration bringt; dieses leben¬ atmende, liebenswürdige Bild ließ in jeder Linie den ge¬ förderten Künstler erkennen, es erregte allseitiges Staunen und stellte mit einem Schlage den berliner Steinzeichner als gleich¬ berechtigt neben die besten schaffenden Künstler, welche nicht umhin koilnten, neidlos Feckerts Bedeutung anzuerkennen; selbst der Franzose Monilleron, welcher in Paris den ersten Platz in gleicher Kunstübung einnahm, hielt mit seiner Bewunderung

für die Leistungen des deutschen Kollegen nicht zurück, und von jener Zeit an verbaild eine auf gegenseitige Achtung ge¬

Lithographiert von

arbeitet 5.

Feckert. (1847).

große

har.

Anzahl

ge¬

Eine von

Probedrucken war mehr aufzufinden, oder zu schwierig, herbeizuschaffeil. Alle diese Gestalten verkörpern Jahrzehnte der Zeitgeschichte, welche zu den bedeutsamsten des Jahrtausends gehörten, nebelt den Bildnissen Kaiser Wilhelm I. und seiner Gemahliit nach Winterhalter, fesselte das liebliche Jugendbild der Großherzogin von Baden, das männlich schöne Porträt Kaiser Friedrichs und das der Prinzessin Friedrich Karl den Blick. Die Hof¬ gesellschaft war zahlreich vertreten; wir begnügen uns neben dem Feldmarschall Wrangel, Grafen Brandenburg, die Fürsten Stolberg und Carolath, die Herzöge von Ratibor nnlüSagan, Ein reiches Graf Lehndorf und Graf Lynar zu nennen. Stück Berliner Vergangenheit zog an dem Blick des Be¬ schauers vorüber; man sah hier Henriette Sonntag, die gefeierte Sängerin, den weitgereisten Maler Eduard Hildebrandt, ben Superintendenten Dryander, Vater des jetzigen Schloßpfarrers, die pikante, vielumschwärmte Tänzerin Pepita, den unvergeßlichen Felix Mendelssohn, und neben ihm seine geniale Schivester

nicht

--S

246 s-

F-anny Heiisel, neben vielen weniger bekannten Gesichtern, die jedoch alle charakteristisch und durch ihre Lebendigkeit fesselnd wirken. Als künstlerisch abgestimmtes Gemälde leuchtete jene Lithographie heraus, die Feckerts Gönner, Herrn Louis Ravens, darstellt, so wie ihn Meister Knaus malte. Unsere Illustration giebt dies vortreffliche Bildnis wieder, welches in Ton und Behandlung niarkige Kraft mit zartem Schmelz vereint. Die lithographische Technik hat in diesen, wie in vielen anderen Arbeiten Feckerts eine Höhe erreicht, welche seine Stein¬ zeichnungen den besten Radierungen gleichwertig macht. Die Tiefe der Töne, das Helldttnkel, die weiche Modellierung, welche wir an bcn Erzeugnissen der Radiernadel bewundern, finden wir schon hier in seltner Vollendung. Der Gesantieindruck von Feckerts Schaffensbild ist der, das; wir hier einer Kunstnbnng gegenüber stehen, die, obgleich jetzt übersehen und vergessen, dennoch in Zukunft ihre. Wert¬ Diese völlig ausgereiflen schätzung wiedergewinnen wird. Kunstiverke werden noch itach Jahren die Freude aller Kenner bilden und entschieden in Jahrzehnten sich als begehrte Kauf¬ objekte für die Sammler erweisen. Daß fortan in unseren öffentlichen Samnilllngen der Name Fecker! als der eines der herrorragendsten deutschen Meister auf diesem Gebier weiter leben wird, ist die dankenswerte Folge dieser Feckert-Ausstellung, um deren feinsinnige Anordnung sich Ernst Mileter, der einzige Schüler des großen Künstlers, ganz besonders verdient gemacht hat.

Der Berliner Tiergarten. Von

Ferdinand Merier. (Fortsetzung.);

Wiederum war es an einem Geburtstage des Königs, als die Prunkgemächer der Lietzenbnrg im Kerzenglanz erstrahlten: Sophie Eharlotte hatte ihrem Gemahl ein glänzendes Nacht¬ mahl veranstaltet. Hofdamen servierten die Speisen, kredenzten den Wein und trugen selbst das Wasser zum Waschen der Hände herbei. Es sollte die letzte Geburtstagsfeier zu Lebzeiten der Königin sein, denn während eines Besuches bei ihrer Mutter, der Kurfürstin Sophie von Hannover, verschied sie in der Nacht zum 2. Februar 1705. . . . Still war es im Lietzenbnrger Schlosse geworden. . . Am 5. April begab der König sich dorthin, um in wehmütiger Erinnerung an den Stätten zu verweilen, die einst der Fuß seiner lebensfrohen, philosophischen Gemahlin betreten hatte. Dort auch erließ er an jenem Tage die Kabinetts-Ordre, durch welche der Ort den Namen Charlottenburg und, „zum Andenken wepland Seiner hoch- und herzgeliebten Gemahlin, der Königin Majestät," die Stadtgerechtigkeit verliehen erhielt. Dann wurde Eosander v. Göthe mit der weiteren Aus¬ führung des Schloßbaues beauftragt, nach dessen Vollendung König Friedrich mit großem Gepränge die Einweihung voll¬ zog. und am 13. Juli 1707 in der dortigen Schloßkapelle ein Ordenskapilel des Schwarzen Adlerordens abhielt. Damit verblich für lange Zeit der Glanz des Schlosses, und auch die Hanptallee durch den Tiergarten verlor ihre frühere

Bedeutung. Eine nicht unwesentliche Einschränkung hatte derselbe im Jahre 1705 durch die Leitung des Landwehrgrabens nach der

Spree erlitten, indem dieser Wasserlauf, nach Beseitigung des dortigen Plankenzannes, nunmehr gegen Westen hin die natürliche Grenze bildete. Der darüber hinaus gelegene Teil der Waldung wurde ausgerodet und zu Aeckern umgeschaffen. In dieselbe Zeit fällt auch die erste Bebauung der Tier¬ gartenstraße durch eingewanderte französische Gärtner.

Auf

dem

Teil

des

Hinteren Tiergartens legten ebenfalls

französische Kolonisten längs der alten Spandauer Allee Gärten

Maulbeerplantagen an. Sie nannten diese Kolonie u — Moabiterland, „pays de Moab das auch „terre maudite," wie Nicolai anführt, und weil nach v. Räumers Meinung das Land der Moabiter in der Bibel als ein steriles Den diesseits der Spree gelegenen Teil des vorkommt. vorderen Tiergartens — das heutige „Bellevue" — erhielten Refngiss zn gleichem Zweck überwiesen. und

Wenden wir uns nun dem Tiergarten-Vorwerk beim Unterbaum zn, so war demselben durch die Anlegung des Treckschupten-Dammes, des Schönhausener Grabens und der Brücke am Nnterbaum ein beträchtlicher Wiesenwachs enzogen ivorden. Auf dem andern, vom Spandauer Thore bis in die Gegend der Charits sich erstreckenden Vorwerk der Königin erfolgte dagegen die Bebauung der Oranienburger- und der „Damm" (Heilligen Friedrich-) Straße bis zum Oranienburger Thor, während aus dem Territorium der jetzigen Friedrich Wilhelmsstadl größere Privatgärten entstanden, von denen namentlich der Gräflich Reußsche eine Berühmtheit erlangte. Seit dem Jahre 1790 waren auch seine Tage gezählt, als hier die Ecole veterinaire — die königliche Tierarzneischule, erstand. Und schließlich noch kennzeichnete ein öder Sandhügel die Stätte, wo vordem der in Berlin zu hoher Kultur gelangte Weinbau auch auf dem bereits genannten Menardieschen Weinberge bei der Charits gepflegt wurde.

Das übrig gebliebene Gartenterrain

dieses Vorwerks ver¬

äußerte der König 1706 an den Reichsgrafen v. Wartenberg für 676 Thaler. Dieser ließ hier einen Lustgarten nach da¬

mals englischem Geschmack für seine Gemahlin anlegen und darin ein Lustschloß durch Eosander erbauen. Doch nicht lange Zeit sollte die Gräfin dieses schönen Besitztums sich erfreuen; denn nachdem in Folge ihres Hochmuts der Rück¬ tritt des Reichsgrafen erfolgt war, erwarb es der König zurück. Das stille „Somnrerschloß im Spreegarten" hatte sich dann Zar Peter der Große zum Aufenthalt während seiner vier¬ tägigen Anwesenheit in Berlin, vom 17. bis 22. September 1717, ausersehen. Jetzt erhebt sich dasselbe, nach mehrfachem Bestimmungswechsel, als „Hohenzollern-Museum" inmitten eines nur noch kleinen Ueberrestes jener Garten-Anlage. (Fonsetzung folgt.)

Berlin

und der märkische Städtetmnd. Von

Robert Miollro.

Die Bevorzugung, die Berlin nicht allein seiner günstigen Lage, sondern auch zum großen Teil dem besonderen Wohl¬ wollen der Askanier verdankt, blieb nicht ohne Einwirkung auf seine inneren Verhältnisse: das Selbstgefühl der Einwohner wuchs, und die Ratmannen und einflußreichen Bürger erkannten als die Anfgabe ihrer Vaterstadt, anderen märkischen Städten nicht allein gleichzukommen, sondern über dieselben eine domies

-—-e 247 s-—wichtig genug ist, hier mitgeteilt zu werden. Sie lautet: „Wir Ralmannen der Stadt Berlin und Cölln bekennen vor

liierende Stellung zu erringen. Die nächste Folge davon mar eine stets sich steigernde Rivalität mit der Nachbarstadt Cölln.

sie

Diese machte zwar Anspruch ans ein höheres Alter, doch die sichtliche Bevorzugung Berlins seiiens der Fürsten uub der

„allen, die diesen Brief sehen, daß wir zugleich mit dem Rat „aller Städte unseres Herrn Markgrafen Johann von „Brandenburg, eine feste und zuverlässige Einigung der „Art abgeschlossen haben, daß, wenn freche Gewaltthat oder „Ungerechtigkeit einer von den besagten Städten widerfahren „sollte, wir dann derselben nach unserer Macht mit Rat gleicher „Weise wie init Kosten beistehen wollen. Damit aber hierüber „niemandem ein Zweifel entstehe, haben wir diesen Brief mit Gegeben zu „dem Siegel unserer Stadt bekrästigen lassen. „Berlin, am Sonntag, da man singet Jnvocavit, im Jahre „des Herrn 1308. Berlin-Cölln war also beauftragt, den thatsächlich ge¬ schlossenen Bund den Städten und Fürsteil anzuzeigen und es wird diese Urkunde, was Festigkeit der Sprache anbelangt, ihre Wirkung nicht verfehlt haben. Auch war die Bildung eines Die solchen Bundes zur Zeit durchaus ein Bedürfnis. trugen uub ihre Macht großen Thaten der Hansa, ihr Einfluß nicht wenig dazu bei, den märkischen Städten Anregung .zu geben, durch Bündnisse ihre sonst vereinzelten und schwachen Kräfte zu einem starken Bitiid zusammen zu fassen, der nicht allein seine Spitze gegen den trotzigen Landadel, gegen Wege¬ lagerei und Beunruhigung des Handels richtete, sondern auch wenn es nötig war, seine drohende Macht gegen die Eingriffe der

damals schlimme Ruf Cöllns als Wendenstadt, den eine auch noch so kräftige deutsche Kolonisation nicht vernichten konnte, trug wesentlich zu dem Wachsen des Einflusses Berlins bei. Schon 1280 tagte hier ein großer Landtag und zeugte von dem Es blieb daher dem Ansehen der Stadt in der Mark. wendischen Cölln, wenn es nicht gewaltsam von der auf¬ strebenden Schwesterstadl unterdrückt werden wollte, nur ein freiwilliger, enger Anschluß an dieselbe übrig. Daß derselbe auf beiden Seiten aufrichtig gutgeheißen wurde, ist wohl sicher. Halte er ja doch für beide Städte überaus wichtige Vor¬ teile. Berlin, das vielleicht schon durch vielfache Familien¬ verbindungen mit Cölln verbunden war, fand in dem Zu¬ sammenschluß nicht allein eine Vermehrung seiner eigenen Kräfte, sondern auch ein gesteigertes Ansehen bei den anderen Städten, was natürlich auch Cölln zugute kam, bei dem da¬ durch der Ruf wendischer Abstammug verwischt wurde und dem nun die vielen Freiheiten Berlins zufielen. Die dilrch die verschiedene Verfassung*) beider Städte sich ergebenden Schwierigkeiten wurden durch die bereitwillige Hilfe Am des Markgrafen Hermann des Langen überwunden. 20. März 1307 bestätigte er die geschlossene Vereinigung. Von nun an sollten beide Gemeinden als eine einzige gelten, und nur in untergeordneten, lokalen Fragen war der eigene Rat thätig. Berlin wählte jährlich ein Drittel des gemeinschaftlichen Rats aus Cöllner Bürgern, während Cölln zwei Drittel des¬ Ebenso wurden die vier Berliner selben aus Berlin wählte. und drei Cöllner Schöffen gegenseitig gewählt. Der gemein¬ same Rat bestand aus 18 Ratmannen, welche in dem beiden Städten gehörigen Rathaus an der laugen Brücke tagte. Dse Güter beider Städte wurden zusammengelegt und auch die finanzielle Verwaltung so geordnet, daß Gewinn und Verlust nach dem Größenverhältnis beider Gemeinden verteilt wurde. Gleiches gegenseitiges Bürgerrecht befestigte den Verband. Dennoch darf man nicht glauben, daß Berlin und Cölln jetzt ein Herz und eine Seele waren. Beide hatten noch kleine Eifersüchteleien, und mehr als einmal war das gemeinsame Rathaus Zeuge von blutigen Prügeleien, aber nach außen hin waren sie einig und hatten in der Folge genug Gelegenheit, dies zu beweisen.

Durch seine Lage im Herzen der Mark, wie durch seine Macht wurde Berlin das Haupt aller märkischen Slädtegenossenschaften**) und wurde auch von den führenden Hansa¬ städten als das politische Oberhaupt über dieselben angesehen. Schon aus dem nächsten Jahr zeigt uns eine Urkunde, wie Berlin-Cölln in solcher Stellung von dem Bund an¬ erkannt wurde. Dieselbe leitet eine Reihe von so folgen¬ schweren und wichtigen diplomatischen Verhandlungen ein, daß *) Cölln hatte seine Verfassung von Spandau, seinige von Brandenburg erhalten hatte.

während Berlin die

andere Ver¬ **) Er bildeten sich nach dem Vorgehen Berlins viele bindungen in der Mark. Durch gegenseitiges Interesse waren die kleineren Städte an die nächst größere gekettet, und es hatten auf diese Weise größere Städte kleinere Schutzstädte um sich, doch überflügelte Berlin-Cölln sie alle mit seinen 10 Städten. So zählte Brandenburg 6, Stendal 6, Perleberg 4, Prenzlau 3, Frankfurt 2, Ruppin 2 Schutzstädte.

eigenen Fürsten und die der äußeren Feinde kehren konnte. Aus dem Jahre 1309 liegt uns eine Urkunde vor, in

Schöffen und Gemeinde von Dahme den Rat¬ mannen von Berlin-Cölln ihren Beitritt zu dem von den Edlen und Landesverwesern, dem Herrn Herr mann von Barby, dem Herrn Bernhard von Plotzke und dem Herrn Conrad von Redern, ausgegangenen Gebot über den Landfrieden er¬ Jedenfalls ist auf Veranlassung des Bundes von klären.

welcher Rat,

den Ständen die allgemeine Sicherheit durch denselben befestigt. Es ist in demselben der Friedensstörer und Verbrecher aus dem Gebiete

der Markgrafen und Städte geächtet.

merken ist dabei,

daß

Dahme damals zur Lausitz

(Zu

be¬

gehörte

und trotzdem schon Anschluß an den Bund suchte.) Näher bestimmt wird die Aechtung und Bestrafung von Verbrechern in 2 Schreiben an Brandenburg und Salzwedel. In jedem derselben wurde festgesetzt: Wenn dilrch der einen Stadt ein Geächteter ergriffen würoe, sollte die betreffende Stadt die Kosten tragen. Gemeinsam trugen die Städte dieselben, wenn Bürger vor das Landding, (Landgericht) gezogen würden, und wenn eine Gewatlhat bind) die Bürger so

irgend einen Mächtigen in einer Stadt vollzogen werden sollte. Es erübrigt noch, die Regierung zu erwähnen, unter welcher der Städtebund sich bilden und erstarken konnte. Wir haben gesehen, daß die Vereinigung von Berlin und Cölln

unter dem Markgrafen Herrmann, einem starken und klugen Fürsten erfolgte, der bei seinem Tode 1308 das Land seinem Wenn auch die unmündigen Sohne Johann hinterließ. gerichtet war, so lag außen gegen nicht Einigung beider noch nahe, daß die die Gefahr Herrmanns doch nach dem Tode Jugend Johanns die Ursache zu Erbstreitigkeiten geben würde, was vielleicht der hauptsächlichste Antrieb zum Anschluß der anderen Städte an Berlin-Cölln war. Wohl ließ die kräftige Regierung Waldemars, des Vormundes des jungen Fürsten, keine der angedeuteten Gefahren aufkommen, doch

-8

wurde von demselben der Festigung des Bundes kein Hindernis in den Weg gelegt. Er hatte vielleicht erkannt, daß für den Thron eines Fürsten starke Stävle die besten Stützen sind; er versprach sogar seinen Einfluß bei seinem unmündigen Schwager aufzubieten, damit derselbe später die Privilegien der Städte Berlin und Cölln anerkenne, woraus man schließen darf,

Politik derselben billigte.

daß er die

Neben

der

äußerlichen

Machtzunahme

erstarkten

-

248

die

Schwesterstädte auch innerlich; sie envarben immer mehr Rechte

auszubauen; zwischen

1322

erfolgte" ein

Berlin-Cölln

einerseits

wichtiger Handels-Vertrag und Alt- und Neustadt

Brandenburg andererseits über die Münzeinheit*). Indessen hatte der Kaiser Ludwig mit seinem Gegner Friedrich dem Schönen Frieden geschlossen und wendete sich jetzt der Mark zu. Er erklärte dieselbe als ein Reichslehen für erledigt und belehnte mit Bewilligung der Reichsstände seinen Sohn Ludwig damit. Agnes hatte sich unterdessen mit Herzog Otto von Braunschweig vermählt und brachte demselben die Altmark

Nach dem Tode des letzten Askaniers, der schon 1320 ins Grab sank, brach für die Mark eine Zeit des Jammers und des Elends an, welche beinahe ein volles Jahrhundert währte: Von gierigen Nachbarn, als Sachsen, Meißen,

Städten Tangermünde, Stendal, Gardelegen, Osterburg, Salzwedel als Lehen von Brandenburg mit. was Ludwig auch am 4. Mai 1323 bestätigte, wogegen sie ihre anderen Ansprüche fallen ließ. Wir wissen nun nicht, was die verbündeten Städte zu der Sinnesänderung bewog, daß sie Rudolf von Sachsen fallen ließen und sich dem Baieni zuwandten; doch huldigten sie ihm bald darauf, nachdem sie mit Ausnahme von Görtzke der Stadt Stendal neben einigen allgemeiiieii Rechtsverordnungen mitgeteilt hatten, „wenn ein Fürst oder mächtiger Herr wäre, welcher in unsere „vorgenannten Städte mit Gewalt eindringen ivolle, so sollen „die andereii Städte für ihre Erhaltung eintreten, beim Herrn „selbst, und für jene Stadt bitten, daß er davon abstehe; und „wenn er das nicht thun ließe, so soll ihm keine Zufuhr an „Lebeiismittelii aus den anderen vorbenannten Städten geleistet

Magdeburg, Mecklenburg, Polen, Dänemark

„werden."

von Waldemar, ihr Landbesitz vergrößerte sich zusehends, dabei wurde die Vereinigung fester, besonders durch die Ver¬ schmelzung der.Parochien Berlin und Cölln zu der Probstei Berlin, was für uns das letzte offizielle Zeichen der Gunst .

Waldemars

Wie sehr beide Gemeinwesen als ein einziges betrachtet wurden, geht auch daraus hervor, daß seil dieser Zeit sämtliche Urkunden an den gemeinsamen Rat ge¬ ist.

richtet waren.

Als Waldemar 1319 gestorben war, begann die Zeit, wo der Bund seine eigentliche,

schützende

Thätigkeit beginnen

sollte.

verheert, ivurde in kurzer Zeit die Saat, welche in der glorreichen Zeit der kräftigen Ballenstädter aufgegangen war, fast vollends wieder vernichtet. Daß damals die Mark Brandenburg nicht aus der Liste der selbständigen Staaten gestrichen wurde, war nur ein Verdienst der Städte. bereits ihre Diese hatten

Stärke erkannt, hatten Freiheiten und Reichtümer sich zu er¬ werben gewußt und ivaren durch Fühlung mit der mächtigen Hansa voll starken, stolzen Selbstbewußtseins, was sich auch bald äußerte.

Agnes,

unmündigen Heinrich, beeilte bei besten im Tode Bunde mit ihrem Vormund, Rudolf sich von Sachsen, die Lande*) fiir sich in Anspruch zu nehmen. Nachdem dieselbe Berlin und Cölln viele Privilegien be¬ willigt hatte, erreichte sie es, daß selbige ihr und dem Herzoge Rudolf huldigten, und nun folgten die anderen Städte nach. Ihre Ansprüche wurden jedoch auch noch bestritten; Mecklen¬ burg nahm sich ungehindert die Priegnitz, Pommern die Uckermark, und die Aebtissin von Quedlinburg beanspnichte die Zauche und den Teltow, womit sie den Herzog von Sachsen belehnte. Der letztere hatte zunächst die größte Aussicht; denn am 24. August 1321 verbanden sich fol¬ gende Städte demselben treu zu bleiben: Alt- und Neustadt die

Mutter

des

Brandenburg. Rathenow, Nauen, Spandow, BerlinCölln, Mittenwalde, Cöpenick, Bernau, Eberswalde, Landsberg, Straußberg, Müncheberg, Fürstenwalde, Sommerfeld. Guben. Beeskow, Luckau, Görtzke, Belitz und Brietzen. Schritt für Schritt ging nun Berlin vor, um den Bund *) Dieselben bestanden jetzt aus Alt-, Mittel-, Ucker-, Neumark, Land Lebus, Mark Landsberg mit Sangcrhausen, beiden Lausitzen, einzelnen Teilen der Mark Meißen, der Schirmherrschaft über

Priegnitz,

Stift Quedlinburg und Verden, der Schutzhoheit über das Herrenmeisterlum Sonnenburg, der Lehnsoberhoheit über Pommern, Mecklen¬ burg und Wernigerode, sowie vereinzelten Besitzungen im Erzstift Magdeburg, Stift Verden und in Franken.

mit

den

(Fortsetzung folgt.)

Schloß Soitzenburg, Von

rin märkischer

Gdelsitz.

Rirhard Geovge. (Fortsetzung.)

von

Nach erlaugter^Großjährigkeit schien es^Kurt und Berndt Arnim notwendig, ihre sämtlichen „Häuser und^Schlösser

zu Boitzenburg,

desgleichen

ihr Kloster und ihren Klosterhof

daselbst, ihre Vorwerke, Scheunen, Schäfereien. Acker, Wein¬ berge, Hebungen an Pächten, Zinsen. Diensten" u. s. w. zu

teilen, welche Teilung in den Jahren 1570—1578 erfolgte. Das eigentliche Schloß (später Oberhaus genannt) fiel dem älteren Kurt, die Vorburg (später Unterhaus genannt) dem jüngeren Berndt zu. Kurt von Arnim, geboren 1540, widmete sich in seiner Jugend deti Wissenschaften und den ritterlichen Uebungen. Am Hofe des Kurfürsten August von Sachsen diente er einige Jahre als Kammerjunker. In den Jahren 1564 bis

1566 unternahin er zu feiner weiteren Ausbildung umfang¬ reiche Reiseit nach Frankreich. England, Italien bis Sicilien und Malta. Er biente als Freiwilliger in Deutschland, Frank¬ reich und den Niederlanden; so focht er gegen die Türken, bei St. Denys 1567 gegen die Hugenotten, in den Jahren 1568 bis 1571 unter dem^Prinzen Wilhelm von Orauien. Sein Landesherr, der Kurfürst Johann George, ernannte ihn zum Ober-Hofmarschall und Geheimen Rat. Er war zweimal ver¬ mählt: in erster^Ehe mit Anna von der Schulenburg, in zweiter mit Anna von Kotzen, welche ihm einen Sohn, *] Die MarkZwar im Distrikte. Münzyser"gennnnt, eingeteilt,

jeder eine Münzstadt halte,

in der für den Kreis geprägt wurde.

deren Solche

Städte waren: Berlin, Brandenburg, Prenzlau, Königsberg, Kyritz, Stendal, Salzwedel. Beeskow und Schwedt. Die Münz¬ beamten waren

Einwilligung

markgräflich, mußten also zu vorstehendem Vertrag ihre

gegeben haben.

--

249

Leonhard,

Im

Jahre 1586 starb Karl von Arnim Wie hoch geehrt der wackere Ritter zu Cölln an der Spree. war, gehr aus der Thatsache hervor, das; der Kurfürst in eigner Person der Leiche folgte. Philippus Agricola ans Eisleben hat in Reime gebrachi: „mit was herzlichen und christlichen Ceremonien und schönem Gepränge er am 26. No¬ vember 1586 zu Berlin in der Donikirche bestattet wordeit, zu Ehren und Lobe des ganzen löblichen Geschlechts von Arnim." Berndl von Arnim verlebte seine Jugend in ähnlicher Weise wie sein Bruder Kurt. Nach dem Tode des letzteren bewohnte er Boitzenburg allein, da seine Schwägerin und sein in dem Neste Leonhardt Plauen Schlosse ihren gebar.

4000 Thalern und die Verschreibluig eines Angefälles von etwa 15 000 Thalern an Wen. Seit 1586 führte Berndt von Arnim auch das Amt eines Ober-Hofmarschalls. Auch bei den benachbarten Fürsten stand derselbe in Hoheit Ehren, Christian I. von Sachsen und dem Herzog Karl von Mecklenburg; 1592 übernahm der Kurprinz Joachim Friedrich Pateustelle bei einer seiner jüngeren Töchter. In demselben Jahre erhielt er unter dem 7. Februar von dem Kurfürsten ein Gnadengeschenk von 10 000 Thalern, „welches er dann empfangen solle, wenn der Kaiser Rudolf II. eine Schuld von 20000 Thalern dem Kurfürsten so

\ !

;

bei

dem Kurfürsten

bezahlt haben würde." Unter dem

hatten. Nachdem „seine Wohnung im Kloster" verbrannt war, baute er das Unterhaus iteu auf. Im Jahre 1574 vermählte er Wohnsitz

Beritdr von Arnim Landvogt in der Uckermark und treuer Berater seiner Landesherrn. Noch kurz vor seinem Tode ver¬ war

ebenfalls

mit Sophie von der Schulenburg, die ihm

sich

2 Söhne schenkte.

und

6

mählte er

Töchter

Berndl von Arnim

hinterließ er feine Güter in arg verschuldetem Zustande. Sein ältester Kurt, harte in Sohn, jüngeren Jahren das Unglück gehabt, einen Gegner im

der Uckermark lind im Lande Stolpe. „Er soll", heißt der Urkunde,

„mit

acht

gerüsteten Pferden dem Kur¬ fürsten zu Dienst gewärtig sein, der Unterthanen Sachen und Irrungen auf ihr An¬ suchen zu jeder Zeit gut¬ willig hören und dieselben durch Vorbescheid und Verhör, auch durch persönliche Be¬

Duell zu erstechen; er hatte 1606 landesflüchtig werden müssen und starb 1616 im Auslande. Bei dem Tode des Vaters übernahm daher

Hans George von Arnim (geboren 1581) die Güter Es ist dies der desselben.

sichtigung und Erkllndigtmg gütlich von einander zu setzen

und zu entscheiden allen möglichen Fleiß anwenden, die Frömmelt gegen der Unge¬ rechten Gewalt schützen, und die Frevler, die

berühmte Sproß des Arnimschen Geschlechtes, welcher

während des dreißigjährigen Krieges als Feldherr und

Gin UlegeUnrr-Dontrrnal trmt 1688.

Mutwilligen

so

bedeu¬

Auf die

im sechzigsten Lebensjahre; sein wild bewegtes Leben, seine beschränkten ökonomischen Verhältnisse ließen ihn nnverniähli Seine Güter hinterließ er sehr verschuldet; das bleiben. Unterhaus starb mit ihm in der ersten Generation aus.

er auch im Ouarialgericht, welches vom Kurfürsten zu Prenzlau zur Beförderung der Justiz verordnet war, Präsident sein und

Auch das

Statt sitzen."

Als Besoldung erhielt Berndt von Arnim für sein Amt jährlich 500 Thaler, ferner „auf 8 Personen Hoskleidung, so oft der Hof gekleidet ward. 60 Thaler für sein und 40 Thaler für seines Knechtes Pferd, notdürftige Zehrung, wenn er außer Landes geschickt ward," endlich ein Gnadengeschenk von

Staatsmann eine tende Rolle spielte.

näheren Schicksale dieser überaus sympathischen Heldengestalt brauchen wir hier nicht einzugehen, da der „Bär" bereits im 17. Jahrgang (S. 530) eine Lebensskizze und ein Porträt des be¬ rühmten Mannes gebracht hat. Er starb am 28. April 1641

und Ungehorsamen strafen. In denjenigen Sachen, wo dem Kur¬ fürsten die Strafe gebührt, soll er demselben seilte Strafe vor¬ behalten und daher solche Sachen dem kurfürstlichen Fiskal anmelden. Er soll darauf ernstlich halten, daß durch den kurfürstlichen Land- und Hofrichler den Parteien gleichmäßig und unparteiisch Recht werde. Gleicher Gestalt sollte er den Unterthanen ihr Recht widerfahren lassen. Zu dem Ende solle

an des Kurfürsten

zum zweiten

starb,

George zum Laudvogt in

iit

sich

Male mit Frau Gertrud, geborene vonRosenhagen. Als Berndl von Arnim 1611

diente drei Kurfürsten in der hingebendsten Weise. 1585 ernannte ihn Johann

es

Joachim

Kurfürsten

Friedrich (1598—1608) und Johann Sigismund

j

|

Oberhaus war

nach der ersten

Teilung (1570)

nicht von langem Bestände. Kurt von Arnim hatte, wie wir erwähnt haben, bei seinem Tode (1586) einen minder¬ jährigen Sohn Leonhardt hinterlassen. Derselbe wurde 1606 mündig und vermählte sich 1612 mit Anna Elisabeth von Alvensleben. Als .sein Vetter Hans George, der nachherige Feldmarschall, 1614 in ftemde Länder ging, versprach