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German Pages 93 [104] Year 1898
Table of contents :
Sozialdemokratie und Christentum
Sozialdemokratie und Kirche
Die soziale Stellung des evangelischen Geistlichen
Die soziale Stellung der Diakonissen
Eigentum und Arbeit
Soziale Bewegungen in einem jungen Kaufmannsherzen
Inhalt
Vertag bet A. Atcker'sche« Avch-aabtaag in Hieß««. Die Zeit- und Streitfragen sind in 4 Teilen erschienen, von denen der 4. und letzte Teil hier vorliegt; die anderen ent halten:
I. Auf alttrstamrntlichrm Gebiete. Bedenken und Wünsche für eine zukünftige Verdeutschung des Alten
Testaments. — Gegenwart und Zukunft im Licht alttestamentlicher Prophetenworte. — Das Alte Testament im christlichen Religions
unterricht.
II.
Zur christlichen Glaubenslehre. Christus und der Glaube. — Die heilige Schrift und der Glaube. — Die Erlösung int Sinne Jesu und seiner Apostel. — Für das Apostolikum.
III.
Aus dem praktischen Christentum. Pietismus und Methodismus. — Der moderne Pessimismus und
der christliche Glaube. — Freude und Freuden im Lichte der christlichen Ethik.
Jeder Teil ist einzeln zum Preise von ca. Mk. 1,50 bis Mk. 2.— käuflich.
Soeben ist in unserem Verlag erschienen:
Einleitung in das Buch Jesaja von T. rc. Lherne, Professor der Exegese ZU Oxford, Kanonikus der Kathedralkirche zu Rochester.
Deutsche Uebersetzung unter durchgängiger Mitwirkung des Verfassers.
Herausgegeben von Julius Böhmer. gr. 8°. M. 12.—. Gebunden M. 13.50.
Brennende
Zeit- und Streitfragen der Kirche. Gesammelte Abhandlungen von
Julius Böhmer.
IV. Sorialr Fragen. Sozialdemokratie und Christentum. Sozialdemokratie und Kirche. Die soziale Stellung des evangelischen Geistlichen. Die soziale Stellung der Diakoniffen. Eigentum und Arbeit. Soziale Bewegungen in einem jungen Kaufmannsherzen.
K, Otrtzen Ricker'sche Verlags-Buchhandlung
1898,
Meinem Bruder Otto
in Gemeinsamkeit sozialen Denkens, Strebens und Rümpfens zugeergnet.
Ksrialdemskratir und Christentum. Illftenn in den Zeiten der Verfolgung durch die römischen
Kaiser die Christen bis aufs Blut gequält und gemartert
wurden, wenn man sie nötigen wollte, ihre angeblichen geheimen Schandthaten einzugestehen, so blieb ein Jeder dabei: „ich bin ein Christ, und unter uns wird nichts Böses vollbracht". Die Rolle der
Christenverfolger haben heutzutage unsere eigenen Mitchristen über nommen. Und wenn sie gleich nicht mit Folter und Tod, Schwert und Kreuz hantieren,
so haben sie feinere, viel giftigere Waffen
in Händen. Und wer die Wahl hat, ob ihm mit einem Ruck das Haupt vom Rumpf getrennt werden soll, oder ob er lieber durch
Nadelstiche viele Jahre hindurch gepeinigt und also langsam aber sicher zu Tode befördert werden soll, der wird sich nicht erst zu
besinnen brauchen.
Die Sozialdemokratie kämpft mit Worten, in
der Presse, in ihren Schriften, in ihren Versammlungen, sie kämpft durch Vorbild und praktische Anleitung, mit Gewalt und Zwang gegen das Christentum. Alle erdenkbaren, teuflischen Mittel wendet
sie an, dem Christentum den Garaus zu machen. Das ist gerade der Vorzug der Sozialdemokratie, daß sie
mit offenem Visir gegen das Christentum kämpft. Wird uns angst und bange, wenn unsere sozialdemokratischen Brüder voll wütenden
Hasses, mit grimmer Feindschaft, in wildem Trotz gegen das Christentum anstürmen? Nein, nimmermehr. Denn erstlich ist
solch offener Kampf besser als versteckte, heimliche Feindschaft, besser
als Gleichgiltigkeit und Kälte, besser gar als Heuchelei. Ein offener
Feind wird am leichtesten überwunden und giebt am meisten Hoffnung, daß man sich ihn zum Freunde gewinne. Zum zweiten ist es unsere unerschütterliche Überzeugung, unsere feste Hoffnung und gewisser Trost, daß, ob sie das Vaterland zu Grunde richten, ob
sie unsere Wirtschaftsordnung über den Haufen werfen, ob sie die IV
1
2 sozialen Verhältnisse von oben nach unten verkehren; doch müssen die Sozialdemokraten vor dem Christentum Halt machen, ihm werden sie nie den Todesstoß geben. Wenn überhaupt Menschen und Mächte dieser Welt das Christentum zu Grunde richten könnten, hätten sie es längst
vollendet.
Denn von Anfang an ist alles ersonnen worden,
das Christentum auszurotten:
der Heiden Feindschaft und der
Christen Gottlosigkeit hat in den vergangenen neunzehn Jahr hunderten alles dazu versucht. Nicht bloß haben Heiden die Anhänger des Christentums mit Feuer und Schwert verfolgt, nicht bloß ihre Häupter und Vorsteher ihnen entrissen, nicht bloß ihre heiligen Bücher und Gotteshäuser geraubt und verbrannt, sondern die Christen selbst haben ihre eigene Religion mit Waffen menschlicher
Weisheit unb weltlicher Wissenschaft, mit Eitelkeit und Hochmut, mit falschen Kompromissen zwischen Christentum und weltlichem Wesen bestritten. Christliche Gelehrte und Laien haben sich in der Untergrabung des Christentums zu allen Zeiten die Hände gereicht, und dennoch steht das Christentum heutiges Tages ebenso
mächtig und siegreich in der Welt wie vor 1800 Jahren.
Es
ist wie ein Wunder vor unseren Augen. Wie ist es möglich? fragen wir. Hier ist ein ewiger Inhalt,
im Christentum ist ein lebendiger, unvergänglicher Kern verborgen; was göttlich ist, kann man auf keine Weise totschlagen. Daß es aber ewig, lebendig und göttlich ist, wer will das nicht mit Händen
greifen?
Man muß nur die Welt kennen, wie sie war, ehe das
Christentum kam und wie sie durch das Christentum geworden ist.
Man muß nur vergleichen, wie es bei uns und wie es in
den vom Christentum unberührter! Ländern zrrgeht. Alle, die Sozialdemokraten auch, stehen unter den Segrrurrgen des Christen-
tums, trotzdenr sie es verkennen oder gar sich selbst rauben wollen. Der Heide kennt nur nackte Selbstsucht, er verfolgt sein persönliches Interesse und nicht mehr und lebt ganz und gar für
diese Welt und ihre Güter, Freuden und Ehren. Das Christentum macht den Menschen liebevoll, auf das Wohl seiner Mitmenschen bedacht, lehrt ihn mit hohem Sinn über sich und die Welt hinaus trachten nach dem Himmel und ewigen Gütern, Freuden und Ehren. Der Heide braucht seine Götter, um seine eigenen Zwecke
3 zu verfolgen und meint sie dazu zwingen zu können, oder er betet
sie an aus Furcht, schaden.
sie könnten ihm sonst mit ihrer Allgewalt
Der Christ empfängt von Gott lauter gute Gaben und
unterwirft sich Gottes Willen gern, weil er Gott als seinen besten
Freund erkennt, der ihm allezeit nahe, ja
der Allernächste ist.
Das Heidentum schätzt blos das männliche Geschlecht als voll,
das Weib ist ein Mensch zweiten Ranges, wird als Ware be handelt, für Geld gekauft und verkauft, muß in den innersten Räumen des Hauses verborgen bleiben, darf sich unter Männern, selbst im eigenen Hause, geschweige in der Öffentlichkeit nicht sehen
lassen, muß geknechtet sein bis an sein Ende.
Das Christentum
hat dem Weibe dieselbe Stellung, Achtung und Ehre zuerteilt wie
dem Manne, hat das Weib emporgehoben aus der Sklaverei, in
seine Menschenrechte eingesetzt und ihm den gleichen Anspruch auf die Erde, ihre Güter, Freuden und Ehren, ja auch auf den Himmel
und seine Herrlichkeit zuerkannt. Das Heidentum stellt noch unter
das weibliche Geschlecht den Stand der Sklaven als Menschen sozusagen dritten Ranges: dieselben werden dem Vieh gleichgeachtet und nicht einmal als Sache wert gehalten, sie sind ihren Herren auf Gnade und Ungnade übergeben, verdanken ihr Leben und
Wohlsein nur
ihren Herren, die gegen sie unbedingte Gewalt,
selbst über Leben und Tod haben, die Sklaven sind daher ihren Willkürlichkeiten und Launen preisgegeben, ohne Schutz, Recht und
Ehre, selbst vor dem Gericht.
Das Christentum weiß, daß auch
die dienenden Klassen der Menschen denselben Herrn und Helfer
im Himmel haben und er der Rächer über alle ihnen zugefügte
Unbill sein wird.
Darum ist hier die Sklaverei abgeschafft,
und
jeglicher Mensch hat seine Freiheit und seine Sicherheit, die von Behörden und Gerichten gleichermaßen für Reich und Arm geschützt wird.
Das Heidentum kennt nichts Höheres in der Welt als den
Staat.
Das Vaterland und die Mitbürger sind außer ihm selbst
die einzigen, die den Heiden kümmern. Alle, die jenseits der Grenze
wohnen, heißen Barbaren,
gelten als rechtlos, schutzlos, ehrlos,
auf die nian keine Rücksicht nimmt, über die man sich selbst un endlich erhaben dünkt, die höchstens zürn Dienen und Gehorchen gut genug sind. Das Christentum weiß, daß alle Staaten und Völker auf Erden gleichberechtigt sind, daß alle ihre Stelle im
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4 Völkerganzen und ihren Plan in Gottes Ratschluß auszufüllen Das deutsche Reich verhandelt nicht blos mit Russen und
haben.
Portugiesen, sondern auch mit Häuptlingen Afrikas und Australiens.
So hat das Christentum überall, wo es seine Segmlngen ausbreitet, die Welt umgestaltet.
Vaterland, Klassen und
Himmel und Erde, Volk und
Stände,
Gott imb Mensch, wie ganz
anders werden sie im Christentum,
als
im Heidentum ange
Wärmn? Weil im Christentum der Mensch als Gottes
sehen!
Ebenbild gilt, weil alle Menschen zu derselben Freiheit und Gleich heit und höchsten Würde göttlicher Vollkommenheit und Heiligkeit
berufen sind.
Daher hat hier jedes Menschenleben einen größeren
Wert als alle Welt und was
Darum wird der
drinnen ist.
Arme, Kranke und Notleidende nicht verstoßen, wie im Heidentum, sondern ausgesucht, versorgt, gehütet; daher wird dem Verführten
zurecht geholfen und selbst der verworfenste Verbrecher in den Sonnenglanz
fördernder
Nächstenliebe
gestellt.
Wo
giebt
es
Armen- und Krankenpflege, wo giebt es Anstalten für Blinde, Taube, Stumme, Epileptische, Gefallene, Gefangene, wo kommt der
Gedanke,
für
kranke,
arbeitsunfähige,
alte
Arbeiter
eine
sichere Beihülfe in Zeiten der Not zu gewähren, vor, wo gibt
es Predigten desseben Evangeliums für alle, wo gibt es Vereine, Mahlzeiten, an denen Hoch und Niedrig, Vornehm und Gering gleichermaßen teilnehmen, wo kommt es vor, daß Fürsten und einfache Leute herzlich befreundet werden, als im Christentum?
Und ist nicht alles in der Christenheit so, wie es sein soll: nun durch Klagen und
Verurteilen des Christentums bessert man's
nicht, sondern da helfe ein jeder mit an seinen: Teil, daß es besser
werde.
Gewiß steckt noch viel Heidentum in den Christen, in den
Herzen und Häusern, in den öffentlichen und privaten Verhältnissen.
Aber Gott sei Dank,
geht vorwärts, und es ist vieles, vieles
besser geworden und wird noch inuner besser werden.
Eine voll-
konunene Welt wird Gottes Allmacht mii) Gnade erst am Ende
aller Dinge bringen. Aber die Sozialdemokratie hat bis heute noch gar nichts gethan, als die Unzufriedenheit geschürt, alle positiven Vorschläge zur Besserung der Lage der Hülfsbedürftigen abgelehnt, zur Auf lehnung und Empörung gegen die Obrigkeit und zur Uneinigkeit
5 und
Zwietracht
aller
untereinander
aufgehetzt.
Und
was die
Sozialdemokratie Berechtigtes, Gutes und Großes in sich trägt, das verdankt sie lediglich dem Christentum, welches sie nun in
schnöder Undankbarkeit haßt und verfolgt. Der sozialistische Gedanke
als solcher und die Weltverbrüderung, der eifrige Kampf für die Sonntagsruhe, Schutz des Arbeiters wider Ausbeutung seiner Kraft lind Verurteilung der eigennützigen, herzlosen Arbeitgeber,
Bestrebungen, die soziale Lage rind das Ehrgefühl des Arbeiter
standes zu heben und vieles Andere sind Gedanken, welche das Christentum zllerst und allein in die Welt gebracht hat.
Aber
freilich werden auch diese guteil Gedanken zltmeist verzerrt, ja bis zur Unkenntlichkeit entstellt wiedergegeberr: der Sozialismlls tritt
das Jndividurim und feine persönlichen Rechte tot, die Weltver brüderung vernichtet die Vaterlandsliebe, die Sonntagsruhe soll zu tollen Lustbarkeiten rind Erniedrigung der Menschenwürde dienen,
der Arbeiter wird vor aller Selbsthülfe gewarnt, und uneigen
nützige, von edler Selbstlosigkeit eingegebene Bestrebungen einiger Arbeitgeber ignoriert, belacht oder verworfen; und die unbeschränkte Macht des Arbeiterstaildes und seine führende Stellung in allen
öffentlichen Fragen verlangt. Gewiß sagt die Sozialdemokratie, so wollen wir es, und mit Recht. „Denn was hat das Christentum mit allen diesen Dingen zu thun? Religion ist Privatsache, jeder kann es damit
halten ivie er will; aber den Staat und die Gesellschaft geht die Religioir gar nichts an."
In der That, ein unverständiges Urteil,
das nur abgeben kann, wer von Religion nichts versteht, weil er feine hat.
Denn Religion bedeutet Band oder Gemeinschaft, und
Religion ist ihrem Wesen nach eine Verbindung des Menschen mit Gott und des Menschen mit dem Menschen.
nicht mit Gott
verbunden
sein,
d.
Ein Mensch kann
h. Religion
haben,
ohne
dadurch verpflichtet zu werden, nach feinem Verhältnis zu Gott seine Stellung zu den Mitmenschen und zur Welt und allen Ver hältnissen in der Welt zu regeln. Die Religion ist die Allherscherin,
welche die rechte Gesinnung pflanzt, und die rechten Grundsätze gibt, nach denen das Leben der Einzelnen, der Gesellschaft uttb der Völker einzurichten ist. Daß sie nicht alle ihre Ziele erreicht, noch keinen Weltfrieden hergestellt hat, noch nicht alle bestehenden
6 Nöte und Notstände gehoben hat, liegt nicht an der Religion, sondern an dem Widerstande der Menschen gegen die Segnungen
der Religion, mit einem Worte: an der Sünde.
Je mehr die
Sünde überwunden ist, um so mehr wird Friede in den Herzen und in der Welt hergestellt sein. Die Sozialdemokratie selbst rückt das Ziel des Christentums ferner, aber mit Gottes Hülfe
und nach des Herrn Verheißungen wird es doch erreicht werden, und zwar durch die Kirche, die jetzt auf Erden ist.
Durch die Kirche.
Denn die Kirche ist die irdische Gemein
schaftsform mit ihren Satzungen und Rechten, welche als Trägerin
des Christentums und seiner Segnungen unter den Kulturvölkern dasteht. Es ist eine leere Ausrede, wenn die Sozialdemokratie vorgiebt, sie wolle bloß die bestehende Kirche bekämpfen, das Christentum aber unbehelligt lassen.
Die Thatsachen reden gar
anders, und was sie vom Christentum stehen läßt, ist kein Christen tum mehr.
Jesus ist ihr der große Volksfreund und Retter der
Armen und Bedrängten, neben Lassalle und Marx auch ein Messias. In der That und Wahrheit ist er der Erlöser von Sünde und Heiland der Welt, wahrer Gottessohn von Ewigkeit zu Ewigkeit, um unsertwillen Mensch geworden. Wohl hat die
Kirche viele Fehler und Gebrechen infolge der Schwachheiten und Thorheiten
und Sünden
ihrer
Glieder.
Aber
mit schwachen,
thörichten, sündhaften Werkzeugen hat Gott seine großen Thaten in der Welt ausgerichtet.
Und trotz Kampfessturm und Wogen
drang wird es wahr bleiben, was der erste christliche Kaiser im Kriege gegen die heidnische Weltmacht in das Kreuz auf seinen
Fahnen schrieb: in hoc signo vinces (in diesem Zeichen sdes
Kreuzes) wirst du siegen), auch über alles, was an der Sozial
demokratie nicht von Gott und was an ihr gegen Gott ist.
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Ss?isldrmokrstie und Kirche. -4hie Frage nach dem Verhältnis zwischen der Kirche und der
Sozialdemokratie ist eins der schwierigsten Probleme der
Gegenwart. Zu ihrer Beantwortung gehört nicht blos eine Erkenntnis der Wege, Absichten und Ziele der beiden, sondern auch die Liebe,
die auf beiden Seiten das Gute erkennt, und zu verstehen sucht, was an beiden von Gott gewollt oder zugelassen ist.
Vor allem
gilt es von vornherein, zwischen Theorie und Wirklichkeit scharf zu
unterscheiden.
In der Theorie mag bei den Sozialdemokraten
manches noch so gut gedacht und geplant sein: der Wirklichkeit müssen wir Rechnung tragen. Die Kirche mag in der Theorie, in der Beurteilung sozialdemokratischer Gedanken und Ausführungen sehr oft irre gehen: die Hauptsache ist, daß sie durch die That sich
als Kirche, als die von Gott selbst gestiftete Macht zur Bekämpfung
der Sünde und Herbeiführung des Himmelreichs auf Erden erweist. Wir würden uns in unfruchtbare Erörterungen verlieren, wollten wir feststellen, ob mit den Sozialdemokraten von Seiten der Kirche
unter gewissen nicht gegebenen Bedingungen eine Verständigung möglich wäre, oder ob unter gewissen nicht vorhandenen Bedingungen die Sozialdemokratie von vornherein sich besser zur Kirche gestellt
hätte, und wollten wir dann auf das Ergebnis solcher Untersuchungen, wie es häufig geschieht, Hoffnungen bauen.
Die Frage, um die
es sich gut Zeit vor allem handelt, lautet, ob zwischen den Sozial
demokraten, wie sie gegenwärtig sind und voraussichtlich bleiben werden, und der Kirche, wenn sie auf ihren bisherigen von Gott
gewiesenen Bahnen weiter wandelt,
eine Verständigung herbeige
führt werden könne.
Ohne Zweifel ist die Kirche vor der Sozialdemokratie dage wesen. Weil sie den Beruf hat, allen Menschen ohne Ausnahme das Heil in Christo darzubieten» so hat sie es auch den Sozial
demokraten gebracht.
Man kann sagen:
die Kirche habe ihre
Pflichten, namentlich auf dem Gebiet der speziellen und häuslichen
Seelsorge nicht mit der gebührenden Treue erfüllt; wäre sie von
Anfang an auf dem Posten gewesen,
dann wären viele Seelen
errettet worden, die jetzt in den Schlingen des sozialdemokratischen Atheismus gefangen sind. Aber das kann der Kirche darum nicht
8 zum bleibenden Vorwurf gemacht werden, weil es nicht ihr, sondern
einzelnen oder auch zahlreichen ihrer Diener gilt, und weil diese
wiederum größtenteils bald ihren Fehler erkannt und auch nach Kräften versucht haben, ihn wieder gut zu machen.
ohne großen Erfolg geblieben.
Indes ist es
Nur wenige Seelen, die einmal
in den Armen der Sozialdemokratie gefangen waren, sind für das
Heil in Christo gewonnen worden. Andererseits hat die Sozialdemokratie es sich zur Aufgabe gestellt, eine neue Wirtschaftsordnung herbeizuführen. Das ist eine
derartige Aufgabe, wie sie an und für sich zur Aufgabe der Kirche in keiner Beziehung steht.
Wirtschaftsordnungen.
Die Kirche ist älter als unsere jetzigen
Doch ohne auf die Frage einzugehen, ob
merkantilistische oder liberalistische oder andere national-ökonomische Theorien mehr berechtigt sind, muß doch so viel gesagt werden, daß das socialistische Prinzip das erste gewesen ist, welches sich in
bewußte, radikale Feindschaft zur Kirche und zu aller Religion
gestellt hat. Dennoch müssen wir festhalten: ob jemand Einzel wirtschaft oder Gemeinwirtschaft für besser hält, das thut zur Frage seines Verhältnisses zur Kirche ebenso wenig, als es einen Unterschied für die Erlangung des christlichen Heils bildet, ob
jemand in einer Monarchie oder in einer Republik lebt. Aber, heißt vornherein ihren
es, die Sozialdemokratie hat in der Kirche von
Gegner erkannt.
Hier handelt es sich freilich
nicht um den göttlichen Beruf der Kirche auf Erden, sondern um die irdische Seite, welche der Kirche eigen ist, eben weil sie auf
Erden sich eine
sichtbare Gestalt gegeben hat.
Als die
Sozial
demokratie auftrat, stand ihr die alte Wirtschaftsordnung entgegen, und mit derselben war auch die Kirche oerquüft. Die Kirche besaß
und besitzt bis heute Kapitalien aller Art, Grundbesitz, Stiftungen und Abgaben: das alles darf im sozialdemokratischen Staate nicht sein und muß daher bekämpft werden.
Daher konnte es nicht
ausbleiben, so sagt man, daß nut den der bestehenden Wirtschafts ordnung angehörigen Seiten der Kirche diese selbst getroffen wurde.
Man wollte ja von sozialdemokratischer Seite der Kirche nicht ent gegentreten, und daher erklärte man: Religion ist Privatsache, das
soll heißen: es macht jeder Einzelne mit sich aus, wie er zum Christentum stehen will. Das Ganze hingegen, das Volk, der
9 Staat haben mit der Kirche nichts
zu thun.
Daß später die
Sozialdemokratie die Kirche im Ganzen bekämpft hat und in der
Kirche selbst den christlichen Glauben angegriffen hat, das war nicht Schuld der Sozialdemokratie, sondern der Kirche. Denn diese trat ja nicht blos unbedingt für die alte Wirtschaftsordnung gegen die neue, sozialistische ein, sondern erklärte sogar den Besitz der
Reichen und Wohlhabenden für Gottes Gaben, während sie der
Armen Elend als ebenfalls von Gott gewollt zu verewigen suchte. Die Kirche vergaß ihren Beruf, Gerechtigkeit und Liebe auf Erden anzurichten, stärkte nicht blos dadurch, daß einzelne ihrer unwürdigen Diener sich zu Anwälten des irdischen Besitzes aufwarfen, sondern
im Allgemeinen durch ihr Festhalten an der kapitalistischen Wirth schaftsordnung die Reichen in ihrem Uebermut, während sie für die
Armen nichts Besseres wußte als sie auf ein besseres Jenseits zu vertrösten.
So stehen sich Kirche und Sozialdemokratie gegenüber. Wer will Wahrheit und Unrecht, Licht und Schatten vertheilen? Ohne Zweifel hat die Kirche keinen Anlaß, gut Sozialdemokratie als
solcher Stellung zu nehmen: sie steht über den Parteien und hat mit den Ordnungen des diesseitigen Lebens nichts zu thun, so lange dem Evangelium freier Lauf bleibt.
Aber die Sozial
demokraten, auch unsterbliche Seelen, sind der Kirche anbefohlen. Und wie stellt sich die Kirche zu den Sozialdeinokraten, um sich
mit ihnen zu verständigen, d. h. in diesem Fall: sie zu gewinnen?
Es ist wahr, daß die Kirche dem Entstehen und Treiben der Sozialdemokratie lange müßig zugesehen hat. Sie achtete nicht
genug (iitf die Zeichen der Zeit. Es bedurfte der erschütternden Attentate auf den ersten deutschen Kaiser, um zuerst in Berlin eine ernstliche Aufmerksamkeit gegenüber der Sozialdemokratie wachzu rufen. Vorher hatte man sich im Großen und Ganzen wenig um
sie gekümmert, und wenn es geschehen war, nur verdammende und vernichtende Urteilssprüche für sie gehabt. Man besaß kein Ver ständnis für irgend ein berechtigtes Moment in ihr, und wer es
besaß und aussprach, lief Gefahr, selbst für einen Aufrührer zu gelten. Vor allem hatte es an Liebe zu den Sozialdemokraten gefehlt. Und aus beiden Gründen mangelte es an Mannesmut, um mit Sachkenntnis erfüllt und von Liebe gedrungen, freimütig
10 den Sozialdemokraten entgegenzutreten. So stand die Sache, als vor bald zwanzig Jahren Hofprediger Stöcker in Berlin auf den Kampfplatz trat und die christlich-soziale Bewegung einleitete. Da
mals wurde offenbar, von wie fanatischem Haß gegen Gott und Bibel, gegen Kirche und Vaterland die Führer der Sozialdemokraten
erfüllt waren,
und wie ihnen Tausende
blindlings nachliefen.
Zugleich aber ward kund, wie Unzählige heimlicher Weise ihr Gewissen und ihre Frömmigkeit sich gerettet hatten. Doch bedurfte es erst der Befreiung aus den sozialdemokratischen Banden, damit
sie ihr Christentum wieder offen bekennen konnten. Heutzutage steht die Sache von Seiten der Kirche ganz anders. Die Kirche ist redlich bemüht Fast möchte man sagen: zu redlich),
Verständnis für die Sozialdemokratie zu erlangen und den Sozial demokraten suchende Liebe für Leib und Seele entgegenzutragen.
Schon geht man so weit, eine national-ökononrische Bildung als die conditio sine qua non des theologischen Studiums hinzustelleir.
Es werden nicht nur soziale Kongresse, sondern sogar national«
ökonomische Kurse gehalten, sowohl in der katholischen wie in der evangelischen Kirche, um die Einsicht in das Wesen der sozialen Frage und der Sozialdemokratie insonderheit zu erschließen.
In
der Predigt, im Konfirmandenunterricht, in der Seelsorge, in Vor
trägen, in der Presse, allenthalben, so wird in weiten Kreisen der
Kirche verlangt, muß die soziale Frage behandelt werden. Ja, die Kirche wird von einigen Sozialpolitikern für berufen erachtet, die
Fragen der Wirtschaftsordnung und damit die Berechtigung der sozialistischen Partei,
soweit ihre wirtschaftlichen Forderungen in
Frage kommen, zu beurteilen. Das Bestreben geht deutlich dahin,
durch
Entgegenkommen
gegen
die Sozialdemokratie
bis
auf's
Aeußerste die der Kirche von jener Seite gemachten Vorwürfe zu
widerlegen.
Und wenn es so fortgeht, dann möchte man wohl
sagen: es ist von jenem Wort, das auf einem evangelisch-sozialen Kongreß zu Berlin fiel: die Sozialdemokratie sei die erste christliche Härese, kein allzugroßer Sprung mehr bis zu der Behauptung: die Kirche müsse in der sozialdemokratischen Partei aufgehen. Auf der anderen Seite steht die Sozialdemokratie und jubelt
laut, daß ihr nicht mehr bloß die Massen zufallen, sondern je länger, je mehr auch die Einsichtsvollen unter den „Bourgeois".
Die
11 Monatsschrift „der sozialistische Akademiker" macht unter den Stu-
direnden nicht ungeschickt Propaganda.
Wiederholt sind „sogar"
Theologen innerlich oder and) äußerlich zu ihr übergetreten.
Bro
schüren und Bücher selbst von positiv-kirchlichen Theologen erregen in ihr zeitweilig die Hoffnung, daß noch einmal ohne blutige
Revolution durch die bloßen Machtmittel des Geistes alle fähigen und leitenden Köpfe zu ihnen herübergezogen werden.
Neuerdings
will man es manchmal als einen ganz zufälligen Umstand erscheinen
lassen, daß die Führer der Sozialdemokraten von jeher größtenteils Kirchenverächter gewesen sind.
Das beweise eben nur, wie schon
gesagt, daß die Kirche nichts tauge, sondern lediglich durch Geld und andere weltliche Mittel ihre Macht aufrechl erhalte.
in Wahrheit liegt die Sache wesentlich anders.
Allein
Die sozialdemo
kratischen Führer erstreben anerkanntermaßen einen Zukunftsstaat der Gemeinwirtschaft.
Die Gesamtheit soll gleichberechtigter Be
sitzer von allen Wirtschaftsgütern sein.
Es ist aber auch dem
blöden Auge offenbar, daß dabei irgend eine, wenn auch mit noch so geringen Befugnissen ausgestattete Regierungsgewalt oder Ver
waltungsbehörde vorhanden sein muß.
Selbstverständlich haben
die gegenwärtigen sozialdemokratischen Führer stets gehofft,
Zukunftsstaat die leitende Rolle zu spielen.
im
Daß von hier aus
betrachtet die rein volkswirtschaftlichen Ideen einen starken politischen Hintergrund gewinnen und aus der volkswirtschaftlichen Partei der Sozialdemokraten eine politische mit Notwendigkeit werden muß, liegt auf der Hand.
Ebensowohl aber haben die Führer
auf jener Seite instinktiv herausgefühlt, daß sie mit solchen Ideen gegen die Lehren und Einrichtungen, gegen den ganzen Sinn und Geist
aller bestehender: Kirchengemeinschaften anrennen.
Die römische
Kirche kann ihr Oberhaupt in Rom und ihre hierarchische Ver fassung nicht aufgeben, um sich in irgend welchen Dingen unter
die Regierung eines sozialistischen Komitees, oder wie man sonst
die zukünftige sozialdemokratische Zentralverwaltung nennen mag, zu beugen; und das um so weniger, als die römische Kirche ja den Anspruch erhebt, alle Gebiete des Lebens, auch die national ökonomischen und die sozial-politischen,
von sich aus zu gestalten.
Die evangelische Kirche aber, welche nach Sinn und Vorbild des Heilandes als höchste Pflicht des Christen den Dienst der Liebe
12 befiehlt, welche Gehorsam gegen jede Obrigkeit, die Gewalt über einen hat, predigt, und die Revolution verabscheut, verurteilt schon durch ihre Existenz den Ehrgeiz der sozialdemokratischen Führer
und nötigt diese, um zum Ziel zu gelangen, der evangelischen Kirche in erster Linie den Krieg zu erklären, weil sie am meisten Widerstandskraft und Eroberungslust gegen die sozialdemokratischen
Irrlehren in's Feld zu führen hat.
Denn daß nicht eine wissenschaftliche Theorie des Sozialismus, sondern einzig und allein die jeweiligen Führer der Partei be
stimmen, was es heißt: Sozialdemokrat sein, und wie ein Sozial demokrat leben und handeln muß, das ist bei wiederholten Anlässen
aller Welt offenbar geworden, wiewohl auf sozialdemokratischer Seite stets das Gegenteil versichert wird und keineswegs von uns geleugnet werden soll, daß manche Sozialdemokraten ihre Kraft
einer großen Idee opfern wollen und in der That viel Wahrheits momente in ihren Urteilen und Bestrebungen enthalten sind. Wer
macht aber die Theorie? Einzelne Männer» die als Führer gelten,
machen sie.
Diese sind keine gelehrten Stubenhocker, keine großen
Geister, obwohl ihr Eifer und ihre Geschicklichkeit im Interesse
ihrer Sache alle Anerkennung verdient, sondern es sind lauter agitatorische Kräfte, inmitten des Volks wirksame Männer. Dem
nach heißt mit den Sozialdemokraten sich verständigen soviel als: mit den Führern sich auseinandersetzen. Und hier ist, menschlich geredet, jegliche Hoffnung von vornherein abgeschnitten. Ehrgeizige
Fanatiker sind kaum zu überzeugen, kaum zu gewinnen. ihre ihnen blindlings ergebenen Anhänger,
Aber
die millionenweise
nicht wissen, was sie wollen, die in blinder Knechtschaft unter der
Parteileitung gehalten werden, die im Grunde genommen weder wissen, was Sozialdemokratie, noch was Kirche ist, sondern von
jener ein hoffnungsreiches Phantasiegemälde, von dieser ein teuf lisches Zerrbild im Herzen tragen, sie gilt es von ihren Führern frei machen.
Sollte das gelingen, dann ist die Verständigung zwischen der Sozialdemokratie und der Kirche da. Aber hier liegt die Schwierigkeit. Die Masse hat stets den Verführern ein aufmerk sames Ohr geliehen, und zwar um so mehr, je höher die ver sprochenen goldenen Berge waren. Wer aller materiellen Not
13 ein Ende zu machen verspricht, wer Haß, Neid, Schadenfreude,
Habsucht predigt, wer dem großen Haufen die Herrschaft und alle Machtmittel in Aussicht stellt, der hat gewonnenes Spiel.
Wie
jämmerlich nimmt sich dagegen die Kirche aus, die immer nur
Sünde und Buße, Zufriedenheit und Hoffnung, Gottes Liebe und Gerechtigkeit predigen kann: so sagen die sozialdemokratischen Partei
führer.
Es ist ihr ausgesprochener Grundsatz, nichts gelten zu
lassen als ihre eigenen Ideen: nicht blos solche, die sich aus sozialistischen Wirtschaftsideen ergeben, sondern auch ihre kirchen feindlichen atheistischen Bestrebungen gehen ihnen über alles Andere.
Es ist ja wahr, daß Christen in den Reihen der Sozial demokraten zu allen Zeiten gewesen sind, nicht nur Menschen mit
s. g. christlicher Weltanschauung, sondern auch solche, denen auf richtige persönliche Frömmigkeit nicht abzusprechen war. Ja, sie haben manchmal den Versuch geinacht, das Verhältnis der Sozial
demokratie zur Kirche neutral oder gar freundschaftlich zu gestalten.
Allein bis zur Stunde sind ihre Bemühungen gescheitert und müssen scheitern. Abgesehen davon, daß mancher „christliche" Sozialdemokrat, wenn man ihn erst näher besah, gar nicht so sehr
christlich war — hier braucht blos an den Namen Theodor von Wächter erinnert zu werden — so sind die kirchenfeindlichen Tendenzen der Sozialdemokratie so deutlich in ihrem Programm,
ob auch hinter allerhand Verklausulirungen, ausgesprochen, daß es unter den bestehenden Verhältnissen (man beachte dies wohl,
nicht grundsätzlich) hieße, die sozialdemokratische Partei auflösen, wollten jene den christlichen Glauben und die Lehren des Christen
tums als berechtigt oder auch nur als gleichgültig anerkennen. Schon der Satz: Religion ist Privatsache, beruht auf der Feind schaft gegen die Kirche, was auch die Sozialdemokraten in schönen Reden gegen diese Behauptung sagen mögen. Denn die Religion
ist ihrem Wesen nach ein verbindendes Element, wie ja auch der Name besagt.
Sie verbindet nicht blos den Menschen mit Gott,
sondern auch den Menschen mit seinem Mitmenschen.
Und wenn
Religion ein vom Verhältnis gu Gott abhängiges Verhältnis zum Mitmenschen einschließt, so muß sie auch die bestimmende Macht im Staatsleben und im Wirtschaftsleben sein. Das ist der alte gefährliche Irrtum der Sozialdemokraten, daß sie meinen, ein
14 System der Volkswirtschaft und ein Staatsleben ohne jede Be
ziehung zur Religion aufbauen zu können.
Und nicht weil die
Kirche den sozialistischen Plänen als Verbündete des Kapitalismus gegenübertritt, nicht darum wird sie von der Sozialdemokratie als
Feindin bekämpft, sondern weil die Kirche das aufhaltende Element gegen die auf eine (blutige oder unblutige) Umwälzung aller Dinge
gerichteten Bestrebungen der Sozialdemokratie bildet (vgl. 2. Thess. 2,7). Die Kirche, welche die Proletarier im Stich lasse (auch das Beispiel
eines Bodelschwingh wird nicht anerkannt), wird genannt: gemeint ist die Kirche, welche das Bollwerk der bestehenden Ordnung bildet. Die Kirche in ihrer verfassungsmäßigen Gestalt, rote sie in
die
Ordnungen dieser Welt eingetreten ist, die rechtlich organisirte Aber die Kirche, welche ist die Gemeinschaft
Kirche wird befehdet.
der Heiligen, der Glieder, welche durch den Glauben mit dem Haupte Christus verbunden sind, wird von den Pforten der Hölle nicht überwältigt werden. Hier liegt der Grund, warum aus den von beiden Seiten
gemachten Annäherungsversuchen nichts geworden ist und nichts werden kann. Die Kirche komint den Sozialdemokraten entgegen: sie kämpft thatsächlich für die Arbeiter durch ungezählte Anstalten der Inneren Mission, durch viele tausend
Vereine,
durch
die
Forderung staatlicher Fürsorge für alte, kranke, erwerbsunfähige Arbeiter.
Aber die Soizaldemokratie will von alle dem nichts
wissen, kann nur bemäitgeln und klammert sich um so mehr an sich selbst.
Die Sozialdemokratie begehrt, daß gegen die Gewalt
that der Reichen und für die Nöte der Armen von der Kirche gezeugt und mit der That eingetreten werden solle.
Sie beruft
sich mit frommem Schein auf Stellen der Bibel, welche die Kirche
zu sehr dahinten lasse.
Aber wo die Bibel Buße und Glauben
predigt, wo sie mit der Unzufriedenheit und der Begehrlichkeit und
der Halsstarrigkeit
ins
Gericht geht,
wo
sie die
himmlischen
Gnadengüter über alle Schätze der Welt stellt und die Seele mehr
als den Leib erlösen will, da hört die Bibelkenntnis der Sozial
demokratie auf. Sie will nichts von Gott und Bibel und Kirche, nichts von Jesus, der ihr tticht einmal ein Jdealmensch ist, wie das neuere und neueste Broschüren („Die Bibel in der Westen tasche" u. ä.) erschreckend deritlich beweisen.
16 Wie soll also zwischen der Sozialdemokratie und der Kirche eine Verständigung herbeigeführt werden, da beide in ihrer Weise denselben Anspruch machen, nämlich das ganze Leben des Menschen
und der Gesellschaft mit ihren Ideen zu durchdringen?
Wer mit
gegebenen Verhältnissen und Thatsachen rechnet, dem ist der bloße Gedanke unvollziehbar. Wenn in unsern Tagen aus den Reihen der evangelischen Theologen den Sozialdemokraten warme Freunde
und Verteidiger erwachsen sind — wir denken an Namen wie Schall, Göhre und Naumann — so haben sie sich von einer allzu idealistischen Auffassung der Sozialdemokratie
bestimmen lassen.
Wir dürfen nicht über die Sozialdemokratie um ihrer undurchführ
baren volkswirtschaftlichen Ideen willen als über eine Thorheit einfach aburteilen und sie gewähren lassen.
Wir können in ihr
nur eine christentumfeindliche Macht erkennen, welche sich grundsätz lich vorgenommen hat, die Kirche auf Leben und Tod zu bekäinpfen;
eine Macht, gegen die es gilt, mit starker Energie und mit feu rigem Liebeseifer sich wehren.
Einzelne Seelen herumholen von
dem Wege des sozialdemokratischen Verderbens, mit der in jedem Sinn verwahrlosten großen Masse ihr Elend mitfühlen und mit tragen, es zu lindern und abzustellen suchen; rechten Ernst mit dem Christentum im Einzelleben und im häuslichen Leben und im öffentlichen Leben und im Staatsleben machen; nicht müde werden, wenn Gelegenheit ist, die sozialdemokratischen Brüder zu bitten, zu ermahnen, zu warnen; nicht verzagen beim Abfall großer Scharen,
sondern auf den Herrn vertrauen, der dem Abraham aus den Steinen Kinder zu erwecken vermag und selbst den Judas bis zum letzten Augenblick mit Geduld getragen hat, kurz, daß die Kirche
ihre Pflicht und Schuldigkeit an den Sozialdemokraten ebensowohl, nicht mehr und nicht weniger, als an allen anderen ihrer Glieder thut, das wird der einzig mögliche, gerade und zum Ziele führende
Weg der Zukunft sein.
16 Vir soziale Stellung des evangelischen Geistlichen. *1fn unserer Zeit der sozialen Verwirrung, wo Ideen und
Bestrebungen hin und her in den Landen die Köpfe erfüllen und das Leben umgestalten möchten, wird kaum ein anderer Stand
mehr in Mitleidenschaft gezogen als der des evangelischen Geist
lichen. Einerseits soll er schuld an aller Not und an allem Elend sein, weil er nicht zur rechten Zeit und nicht energisch genug dem
überhandnehmenden Geist der Sozialdemokratie entgegengetreten sei:
während er von anderer Seite beschuldigt wird, daß er durch sein Bestehen und durch seine Thätigkeit das Herannahen des goldenen
Zeitalters äufhalte.
Einmal wird von ihm alle Hülfe und alle
'Rettung wider die drohende Umwälzung aller Dinge erwartet: und wiederum können oft dieselben Kreise, die solche Erwartungen
an ihn richten, sich kaum genug thun, ihn der Verachtung und dem Haß, der Ohnmacht und der Unfreiheit preiszugeben.
selbst wohlwollende Beurteiler sind derart irre gegangen,
Aber
daß sie
die bisherige soziale Stellung des evangelischen Geistlichen für
unhaltbar geworden erklären. Und es ist eins der ernstesten Zeichen der Zeit, daß jene Richtung, die immer an den Sachen und an den Verhältnissen, selten an den Personen und in den Herzen
Wandlungen und Fortschritte herbeiführen will, auch vor dem Stand
des evangelischen Geistlichen nicht Halt macht, sondern geradeswegs erklärt: der Stand des evangelischen Geistlichen muß seine soziale
Stellung zeitgemäß ändern. Nicht blos: der evangelische Geistliche
muß sozial werden, Sozialpolitik studiren, soziale Thätigkeit in der Gemeinde und für die Kirche üben, sondern: der Stand der Geist
lichen überhaupt muß sich der sozialen Arbeit der Kirche anpassen. Was soll denn am Stand der evangelischen Geistlichen fehlerhaft sein und der Wandlung bedürfen? Es wird von den sozial gerichteten Kreisen ernster Christen,
die es mit der Kirche und mit unserm Volk wohl meinen, folgen
des ausgeführt und allen ehrlichen Volksfreunden, insonderheit allen treuen Dienen: am Wort zur Erwägung anheimgegeben: „Was dem heutigen evangelischen Geistlichen seine Arbeit an den sozialdemokratisch durchseuchten Massen so sehr erschwert, oft unmöglich macht, ist, von anderen dem Individuum anhängenden
17 Mängeln abgesehen, vor allem seine soziale Stellung.
Der mit
der Not des Lebens ringende kleine Mann kann niemals Zutrauen zu einem Pastor gewinnen, von dem er weiß, daß er Brots die
Fülle und Ueberfluß hat. Und der Pastor selbst kann sich nicht Hineinoersetzen in die materielle Lage von Tausenden und Zehn tausenden, an denen seelsorgerlich zu wirken er berufen ist, weil ihm die persönliche Erfahrung ihrer Nöte fehlt.
Die römische
Kirche hat hier durch ihre Orden vor der evangelischen wenigstens
den Vorzug, daß zahlreiche Mitglieder derselben aus dem niederen Volke hervorgegangen sind und seine Sprache und seine Bedürf nisse aus eigener Erfahrung verstehen und in allen Dingen den
Armen und Aermsten als ihresgleichen gegenübertreten können. Ueberhaupt sind die römischen Kapläne zur sozialen Arbeit um vieles geschickter, sie halten sich in jeder Weise, auch in der äußeren Haltung, worauf es hier ankommt, herunter zu den Niedrigen, und ihre
Popularität
übersteigt im
allgemeinen
evangelischen Geistlichen um ein bedeutendes.
diejenige der
Wenn erst die
evangelische Kirche sich entschließen kann, ihre Diener oder wenigstens einen Teil ihrer Diener in der Arbeiterblouse und mit der kurzen
Pfeife, den Dialekt des gemeinen Mannes im Munde» unter die Leute zu schicken, und wenn die Kirche zu diesem Zweck ihre Diener
gründlich vorbereitet hat, dann möchte wohl die Arbeit des geist
lichen Amtes nicht mehr so unfruchtbar sein, sondern das Herz der Kirche und das Herz des Volkes würden aneinander die Kirche würde
schlagen,
mehr Aussicht haben, wieder Volkskirche zu
werden, und die Massen würden wieder unter die Macht des Christentums, christlicher Sitten und christlicher Weltanschauung
sich zu beugen anfangen. Aber bis jetzt hat die evangelische Kirche kaum mehr als einen Göhre, als einen Kandidaten Wangemann gehabt, und auch diese haben ihren Aufenthalt unter den Kämpfern
des ehernen Lohngesetzes nur nach Wochen und Monaten berechnet. Sonst führt der geistliche Stand ein Leben, das von der materiellen Not nichts weiß, ein Leben, das ihn mit den s. g. besseren und besten Kreisen in gesellschaftliche Beziehungen bringt, während von einem eigentlichen, mehr als vorübergehenden Verkehr zwischen ihm und den Leuten des Volkes keine Rede sein kann. Also muß
die evangelische Kirche dahin trachten, daß sie wieder Männer, IV
2
18 wie Paulus, der als Zeltarbeiter bei der Nacht sein täglich Brot verdiente, daß sie Männer mit Schwielen an den Händen, Männer,
denen des Lebens Sorge und Gram auf dem Angesicht geschrieben
steht, zu ihren Dienern ausbilde; daß alle Geistlichen, im Schulfach,
sei's auf dem Seminar
so gut sie
oder durch unterrichtliche
Thätigkeit, sich 'auf ihre Stellung als Schulinspektor vorbereiten,
auch durch einen je nach Erfordernis längeren oder kürzeren Zeit raum hindurch in den Hütten der Armen sich zum Seelsorger der unteren Volksklassen heranbilden. Kurz: der Stand des evangelischen
Geistlichen und die Vorbereitung der Geistlichen muß — wie alles in der Gegenwart — mehr sozial gestaltet werden". Wer wollte leugnen, daß in diesen Gedanken, welche weite
sozial gerichtete Kreise unserer Kirche bewegen, welche von Pro fessoren,
Pastoren und
Laien emsig
verfochten werden,
welche
namentlich durch den Hinweis auf die Thätigkeit römischer Priester
in Vieler Augen bestechend sind, berechtigte Momente liegen- Es ist gewiß richtiger, solche Meinungen, die auf den ersten Blick
wunderlich erscheinen, zu prüfen und
sie bis auf ihren letzten
Grund zu verfolgen, als mit einigen billigen Schlagwörtern, wie der historisch gewordenen Stellung des geistlichen Standes und der
in erster Linie von seinen Vertretern 31t fordernden Amtstreue und ähnlichen sie abzuthun, als ob immer das als gut nachgewiesen
sei, was bisher bestanden und sich bewährt hat. wer
versucht unbefangen zu wägen und
zu
Aber freilich,
urteilen und die
Gegengründe erst nach Feststellung der berechtigten Momente bei bringt, der wird am besten gethan haben.
Und Gottes Wort und
die Geschichte mögen entscheiden. Gewiß ist das Mißtrauen der s. g. unteren Volksklassen gegen
die Geistlichen nicht ganz gegenstandslos. Es gibt Massengemeinden, in denen selbst der treueste Pastor, auch beim besten Willen, nicht
alle seine Gemeindeglieder erreichen kann,
in denen er sich dar
auf beschränken muß, den Familien näherzutreten, welche Gott ihm durch vorliegende Krankheit, oder durch eine Amtshandlung,
oder durch sonst einen besonderen Anlaß auf die Seele gebunden
hat.
Es gibt auch Arme und Aermste, die von ihrem Seelsorger
darum nichts wissen wollen, weil er ihnen ja kein Brot und kein
Geld bringe, weil er nur schöne Worte, Hinweise auf den Himmel
19 und andere leere Versprechungen für sie habe: sie geben dem
Geistlichen keinen Eingang zu ihren Herzen, manchmal nicht ein mal zu ihrer Thüre.
Aber es gibt doch auch Pastoren, die sich
vor den engen Stuben und Dachkämmerlein, vor übelriechenden Krankenzimmern und vier hohen Treppen scheuen, während sie
andererseits in den Salons wohl zu Hause sind und an einer
Geselligkeit nach der anderen teilzunehmen kein Bedenken tragen; Pastoren, die mit den wohlhabenden Bürgern am Wirtshaustisch zusammen trinken und sich gemein machen, die aber niemals mit den Handwerksburschen und Arbeitern an derselben Tafel zu finden
sind; Pastoren, die für die Sünden, Schanden und Laster des „Volkes" nie genug zahlreiche
und harte Worte finden können
und diese Missethäter ernstlich ins Gesicht strafen, während sie Sünden,
Schanden und Laster
der Vornehmen nur
sehr zart und andeutender Weise tadeln,
jedenfalls sie milder
dieselben
beurteilen, sie zu bedecken suchen, wenn nicht gar beschönigen.
Solche Diener am Wort können freilich nicht sozial wirken. Ohne Zweifel fehlt es auch manchem an der Gabe, mit den
Armen im Lande umzugehen.
Denn das ist sicher: wer nicht
aus den unteren Ständen des Volkes emporgewachsen ist, dem wird es oft sehr schwer, mit einfachen Leuten natürlich zu reden und natürlich umzugehen.
Das will gelernt sein, und die Liebe allein
reicht hier nicht immer aus, wenn sie auch die wichtigste Vor
bedingung ist.
Ohne sie kann auch der Geistliche, der in einfachen
Verhältnissen groß geworden ist, bei aller äußeren Gewandtheit nichts ausrichten. Eine eingehende Kenntnis von den Sitten und Gebräuchen, von den Gefühlen und Anschauungen der einfachen Leute muß hinzukommen, und es gilt hier,
klug sein wie die
Schlangen, aber ohne Falsch wie die Tauben.
Mancher kann bei
allem redlichen Willen die Weise nicht finden, welche zum Umgang
mit dem s. g. großen Haufen gehört. Alle diese Erwägungen und Thatsachen lassen es wohl be greiflich erscheinen, daß die soziale Stellung des Geistlichen als die Ursache des mangelhaften Erfolges seiner Wirksamkeit unter
dem Volk angesehen wird. Dennoch aber bringt auch hier keine Aenderung äußerer Verhältnisse das Heil, sondern von innen heraus muß die Wandlung geschehen.
Blicken wir zuerst und 2*
20 vor allem einmal hin auf den großen Hirten der Schafe, das
Urbild des geistlichen Standes.
Jesus wird in der Schrift arm
genannt und gilt nach gewöhnlicher Anschauung als ein Mann aus dem Volk, einer von den s. g. kleinen Leuten.
Abgesehen
davon, daß es Standesunterschiede im modernen Sinn des Wortes
in Israel nicht gab, ist so viel gewiß, daß an eine Armut nach unseren Begriffen, als habe Jesus zum Proletariat gehört, nicht zu denken ist.
Der Pflegevater Joseph wird uns als ein Zimmer
mann, d. h. als ein Handwerksmeister, dessen Geschäft war Häuser zu bauen, beschrieben. Während der Lehrthätigkeit Jesu trug
einer seiner Jünger den Beutel, und es war immer so viel darin,
daß selbst den Armen zu geben eine feststehende Gewohnheit war. Die Apostel stammten z. T. aus wohlhabenden Familien, die im Besitz mehrerer Schiffe waren.
Vornehme Frauen begleiteten den
Herrn und konnten ihm so'kostbare Geschenke, wie einen ungenähten Rock, von oben an gemittet durch und durch, darbringen.
Mit
einem Wort: Jesus war nicht arm und galt nicht für arm in dem Sinn, als habe er irgendwie mit Nahrungssorgen zu kämpfen
gehabt, sondern er hatte sein täglich Brot, sein gut Auskommen.
Dennoch kann Armut im vollen Sinn des Wortes von ihm aus gesagt werden, insofern er die göttliche Herrlichkeit verlassen und mit dem Elend des menschlichen Lebens vertauscht hatte.
Zu weit
würde es von unserem Gegenstand wegführen, wollten wir hier
alle Mißverständnisse, die sich an gewisse Worte und Thatsachen
aus dem Leben unseres Herrn angehängt haben und auf seine
materielle Armut gedeutet werden, anführen und richtigstellen. Jedenfalls wissen wir so viel aus dem Leben des Herrn, daß er mit jedermann, ob hoch oder niedrig, arm oder reich, Fürst oder Bettler umzugehen wußte, daß er überall mit den: gehörigen
Takt den rechten Ton traf, und von niemandem für unebenbürtig
angesehen wurde.
Die Vornehmsten des Volkes, Pharisäer und
Obersten, luden ihn ein und würdigten ihn, sozial betrachtet, als
Andererseits gewannen die Zöllner und Sünder gerade darum ein Herz zu ihm, weil er, der gefeierte Rabbi, es ihresgleichen.
nicht für unter seiner Würde hielt, sich mit ihnen abzugeben: waren sie bisher von den Pharisäern und Angesehenen in Israel verächtlich behandelt oder verstoßen worden, Jesus/ der Prophet
21
und Heilige, kümmerte sich um sie, ging zu ihnen und pries ihnen das väterliche Erbarmen Gottes, der auch die geringsten
und verworfensten Menschen um des ihnen einwohnenden göttlichen Ebenbildes willen aus freiem Herzenstriebe zu sich zieht.
Jesu soziale Stellung war also, wenn man so sagen darf, keineswegs die eines Mannes im Arbeitsrock, sondern eines wohl? habenden Bürgers, der mit den gebildeten und leitenden Kreisen
seines Volkes auf derselben sozialen Rangstufe stand.
Was unsern
Herrn zum Freund der Armen und Geringen machte, war nicht seine leiblich-irdische Armut, war nicht sein täglicher Kampf mit
des Lebens Not, den er gar nicht führte, sondern es war die göttliche Liebe des Vaters, die in seinem Herzen und Wesen sich
widerspiegelte. Wohl gab es damals kein Proletariat wie in unserer Zeit: dafür hatte die wenigstens im Verhältnis zur Lage der Dinge bei gesorgt.
den Heiden
humane
Armengesetzgebung in Israel
Aber Arme gab es allezeit, Leute, die auf Wohlthaten
angewiesen waren, wenn sie ihr Leben fristen wollten.
Jesus ist
durchaus in seinem Stande geblieben und hat aus seinem Stande
heraus sich zu ihnen gestellt. Das sonnte er nur, indem er allen alles wurde, indem sein Herz voll Gottesliebe ihn trieb, sich zu jedermann als zu seinesgleichen zu stellen.
Der Herr hat an den
sozialen Verhältnissen seiner Zeit und seines Volkes und vor allem
auch seiner eigenen Person so wenig eine Aenderung vorgenommen oder für wünschenswert erachtet, daß er vielmehr einfach mit den
gegebenen Verhältnissen und Personen rechnete.
Aber indem er
mit der Liebe von oben die Weisheit von oben paarte, überwand er alle sozialen Schwierigkeiten.
Wir hören auch nicht, daß Jesus seinen Jüngern Weisungen gegeben hätte, als sollten sie sich mit den Aermsten des Volkes
auf eine Stufe stellen.
Mahnungen zur Bedürfnislosigkeit, welche
er ihnen gibt, daß sie nicht Gold noch Silber mit sich führen, keine Tasche, nicht zwei Röcke bei sich haben sollten u. ä. (Matth. 10), sind aus der damaligen Zeit zu
verstehen.
Denn
allerdings
konnten Israeliten unter Israeliten Gastfreundschaft erwarten und brauchten nicht für ihr leibliches Fortkommen Sorge zu tragen. Aehnlich ist es noch heute bei den Orientalen, daß der Einheimische ohne alles durchs Land reist und für sein Essen und Trinken und
22 für- alle leiblichen Bedürfnisse auf das Entgegenkommen seiner
Stammesgenossen angewiesen ist.
Daher ist die Berufung
der
römischen Mönchsorden auf hierher gehörige Anordnungen des Herrn gegenstandslos, utib umsomehr sollte sich die evangelische
Kirche hüten, in einen ähnlichen Irrtum zurückzufallen.
Denn
auf der anderen Seite betont Jesus ebenso deutlich: ein Arbeiter
ist seiner Speise wert.
Und der Apostel beruft sich auf dies Wort
des Herrn, wenn er als Regel ausspricht, daß die das Evangelium verkündigen, sich vom Evangelium nähren sollen. Jesu Wille ist, daß die das Amt des Evangeliums führen, so viel Lohn empfangen, daß
sie sich ohne Sorgen um die irdische Existenz lediglich ihren: geistlichen
Berufe widmen könnten.
Er hat in keiner Weise den Auftrag
gegeben, daß seine Diener körperliche Arbeiten, wie der gemeinste Mann, auch nur eine Zeit lang, verrichten sollen, sondern wie
er selbst nur eins hatte, so hat er auch nur ein statutarisches Gebot den Seinen gegeben, nänllich Liebe zu haben, und dazu
verheißen, daß der heilige Geist die Weisheit geben werde. Was in außerordentlichen Zeiten möglich und richtig ist, das braucht darum durchaus nicht für alle Zeiten das Richtige
zu sein.
Was hervorragend von Gott begnadete Persönlichkeiten
leisten, kann und soll ihnen nicht jedermann nachmachen wollen. Paulus hat seinerzeit bei Tage das Evangelium gepredigt und in der Nacht sein Brot verdient: wir wissen aber, daß er dafür
hatte. Dagegen wird es heutzutage niemand mehr einfallen, auch nur Missionare in Heidenländer seine besonderen Gründe
auszusenden und sie anzuweisen, daß sie wegen ihres Lebensunter haltes selbst zusehen sollten:
das hieße Gott versuchen und die
Wege ihrer geistlichen Wirksamkeit von vornherein untergraben. Für unsere Zeit gilt wie für jede Zeit, daß Liebe haben die richtige soziale Stellung des Pastors ist.
Sein Amt ist, zu zeugen
von dem Heil, das in Christo erschienen ist, zu bekennen seinen Namen, zu dulden um seiner Herrlichkeit willen, und das alles
in der Liebe, in der Liebe zu jedermann. Mit der Liebe wird er an
alle herankommen: damit hat er zu Hoch und Niedrig, zu Gerechten
und Sündern, zu den Glücklichen und Notleidenden zu gehen. Man kann nicht sagen, daß der Mensch aus niederem Stande zu seinesgleichen unbedingt mehr Vertrauen hat als zu einem über
23 ihm Stehenden.
In gewissem Sinne ist das ja wahr: ein Armer,
der den Verdienst des täglichen Brotes sich
sauer werden lassen
muß, wird am ehesten Tröstungen von dem hinnehinen, welcher mit ihm in derselben Lage ist.
Ein von den Mächtigen dieser Welt
Verfolgter glaubt am meisten denen, die, wie er, verfolgt sind. Gemeinsame Not ist ein mächtiges Band.
Allein was in einzel
nen Fällen geschehen kann und geschehen ist, darf nicht als allge
meiner Erfahrungssatz
aufgestellt werden.
Im Gegenteil pflegt
gerade der gemeine Mann dem ^Pastor, der aus niedern Verhält nissen stammt, einige Mißachtung entgegenzubringen, und Achtung ist doch wohl der Grund des Vertrauens.
Die s. g. besseren
Gesellschaftskreise handeln oft ähnlich. Doch das kommt hier nicht in Betracht.
Der gemeine Mann will im Pastor einen Mann
sehen, der möglichst in allen Beziehungen über ihm steht.
Er
erwartet bei ihm nicht nur Rat und Trost des Geistes, sondern auch materiellen Besitz und irdisches Glück zu finden: in wie weit
er dazu ein Recht hat, ist eine andere Frage. Wenn sonst niemand auf Erden mehr helfen kann, so erinnert sich auch das Gemeinde glied, welches bis dahin nach der Kirche nicht gefragt hat, daß es einen Pastor Hut und geht hin zu ihrn. Das würde nicht geschehen,
wenn der Pastor in bürgerlicher und gesellschaftlicher Beziehung ihm gleichstände.
Das Pfarramt ist heutzutage mehr als je ein
Amt des persönlichen Vertrauens geworden. Nicht das Amt trägt die Person, sondern die Person trägt das Amt.
Darum will
jedermann, der mit dem Pfarramt überhaupt zu thun hat — und dazu sollen doch alle herangezogen werden — in irgend einer Weise zum Pfarrer mit Hochachtung emporsehen: einen gleichstehenden oder untergeordneten Menschen pflegt der gemeine Mann nicht zu achten.
Ich kann »aber jeden Menschen achten, wenn ich ttur
irgend ein Etwas an ihm erkenne, in dem er mich übertrifft. Der
Reiche oder Wohlhabende, welcher einen Pastor braucht, wünscht, daß dieser ihm an Bildung und Geist überlegen sei. Wer zu den
gebildeten und leitenden Kreisen des Volkes gehört, erwartet von seinem Pastor irgend eine Gabe, irgend eine Fertigkeit, deren er
selbst ermangelt, zu der er aber mit Hochachtung emporschauen muß: sonst kommt die Stellung des geistlichen Amtes nicht zu ihrem Recht. Der Mann des Volkes legt einen anderen Maßstab
24 er rechnet von seinem Gesichtskreis aus nach materiellem Maßstabe. Der Bauer und der ländliche Tagelöhner sieht es als an:
selbstverständlich an, daß sein Pastor „ein feineres Haus" habe und führe als er selbst. Der Arbeitsmann in der Stadt empfindet
gerade das wohlthuend, daß er beim Pastor einmal in einer „guten Stube" sitzen kann und doch durch das ihm entgegenkommende
seelsorgerliche Verhalten seines Pastors hier in die Lage kommt, in der Liebe gleichsam mit seinesgleichen zu verkehren, während er sonst, etwa in der guten Stube des Fabrikherrn oder eines
Beamten, als der Untergeordnete behandelt zu werden gewohnt ist. Gerade die häusliche Einrichtung des Pfarrhauses erinnert den
Mann aus einfachen Verhältnissen daran, daß Geld und Gut nicht notwendig eine Schranke zwischen den Herzen der Menschen auf
richten; daß eine solche Schranke nicht vom Geld und Gut ver ursacht ist, sondern von dem Verhältniß bedingt ist, in dem das
Herz zu Geld und Gut steht.
Die soziale Stellung des Pastors
hat also in diesem Sinn geradezu ihren Segen: es wäre dem Proletariat selber am wenigsten damit gedient und würde von ihm selber am unangenehmsten empfunden werden, wenn ihr Pastor
auch ein Proletarier wäre.
Aber auch das Amt selbst erfordert für seinen Inhaber eine gewisse Höhe der sozialen Stellung." Der Geistliche hat den Beruf, Verkündiger des Wortes und Verwalter der Sakramente zu sein: in seine Hände ist nach Gottes Willen und Auftrag der Segen
gelegt.
Obwohl vor Gott alle Berufsarten gleich sind, insofern
eine jede als rechter Gottesdienst geübt, zur Seligkeit führt, so ist doch, recht betrachtet, in Ansehung der Ehre, welche die verschiedenen
Berufsarbeiten zu beanspruchen haben, keine über dem geistlichen Amt. Denn was kann es Höheres geben, als amtlich verordnete Zeugen
des lebendigen Gottes und seiner Gnade zu sein? Es würde dem Wesen und der Bedeutung des geistlichen Amtes um des Herrn selber willen, der das Amt gegeben hat, widersprechen, wenn seine Träger oder
auch einige seiner Träger auf eine niedere gesellschaftliche Stufe herabgedrückt werden sollten.
In der That hält die soziale Stellung des evangelischen Geistlichen, wie sie gegenwärtig ist, die rechte Mitte innerhalb der verschiedenen Gesellschaftskreise im Volk.
Im Allgemeinen kann
25 man wohl sagen: er hat an materiellen Gütern nicht zu viel, nicht zu wenig, sondern gerade genug. Er gehört nicht zu den Reichen,
die Geld und Gut im Ueberfluß haben, die behaglich und ohne zu rechnen durch die Welt kommen.
Er gehört auch nicht zu den
Armen, die täglich fragen müssen: woher nehmen wir Brot zu essen?
Er ist keiner von den oberen Zehntausend, die vor dem
Besuch im Armenhäuslern und in der Handwerkerwerkstätte zurück
schrecken.
Er ist keiner von den Geringsten, welchen um ihrer
Kleidung und Bildung willen der gesellschaftliche Zutritt zum
Millionär und Minister versagt wird. Den Oberen ist der Geist liche nahe genug durch allseitige Bildung und den Niederen durch
härrsliche Nöte und Sorgen, auch pekuniärer Art, die mancher Pastor, ohne daß die Außenwelt es ahnt, gründlich durchzumachen
hat. Von jeher ist es der Ruhm des evangelischen Pfarrerstandes gewesen, daß er, wie er sich aus allen Kreisen der Bevölkerung zusammensetzt, sowohl die kleinste Hütte im Lande als den höchsten
Palast offen findet.
Die römische Kirche mag es anders halten:
dem bischöflichen Rang bleiben die Schlösser vorbehalten, der Kaplan muß zu den kleinen Leuten gehen. Andere Stände, wie der ärzt
liche, mögen es ebenso machen: der Medizinalrat und Professor
behandeln den Fürsten, während der junge Assistent zu der unver mögenden Bevölkerungsklasse gesandt wird. Die evangelische
Kirche soll und darf nicht zweierlei Pastoren haben, solche für die
Armen und solche für die Reichen.
Und wo es doch so ist, daß
in einer Stadt der eine Geistliche vorwiegend von den Armen, der andere mehr von den Reichen begehrt wird, da ist das nicht
Grundsatz der evangelischen Kirche, sondern es liegt an den Gaben,
die beiden verschieden zugeteilt sind, und zur Königlichen Tafel wird unter Umständen der Eine so gut wie der Andere befohlen.
Ist das Wort Gottes für alle Menschen dasselbe, ein Evangelium für König und Knecht, empfangen alle dasselbe Gnadenbrot und denselben Segenswein, so muß es auch nur eine Pastorenart geben, nicht für die Reichen, nicht für die Armen, sondern für alle.
Und wenn nach dem bekannten schönen Vorbild des preußischen
Königshofes bei Abendmahlsfeiern die Herrschaften mit. den Diener
schaften sich vereinigen,
so hat doch niemand gehört, daß die
Diener aus anderen Händen das Sakrament empfingen, als der
26 König und die Prinzen.
Ebenso sehr würde es dem geistlichen
Amt widerstreben, allgemein einen Unterschied in bet Richtung zu machen, daß einige Pastoren insbesondere für die einfachen Volks klassen, für die Arbeitermassen angestellt würden, während andere mehr
unter dem Bürgerstande ihre geistliche Wirksamkeit ausüben sollten. In der That und Wahrheit liegt es nicht an der gesellschaft
lichen Stellung des Pastors, sondern es liegt an dem Ackerboden des Herzens, ob Frucht der Seelsorge sowohl an dem sozialdemokratisch gesinnten Tagelöhner, als an dem pietistisch erzogenen Grafen offen bar wird. Die Kirche muß von den Arbeitern, welche ihr dienen
wollen, eine gründliche theologische Vorbildung erwarten und die Folge des dazu erforderlichen Bildungsganges ist die gegenwärtige soziale Stellung des Pastors.
Stadtmissionare gibt es seit einigen Jahr
zehnten in manchen großen Städten: man hat aber nicht erlebt, daß sie, mit dem ordentlichen Amt des Wortes verglichen, infolge ihrer einfacheren Lebensstellung bessere Erfolge in ihrer Seelsorge
an den Arbeitermassen aufzuweisen hätten.
Und ist die Seelsorge
an diesen schwer, so ist die Seelsorge unter den Reichen mindestens
ebenso schwer. Soll man darum auch für diese wieder eine besondere
Klasse von Pastoren anstellen?
Nein, nicht die soziale Stellung
des geistlichen Amtes muß geändert werden: dadurch würde der Wirksamkeit des geistlichen Amtes kein Vorschub geleistet, sondern der Träger des Amtes muß in die Liebe und Weisheit je länger je mehr hineinwachsen.
Das allein wird seinen Erfolg nach oben
und unten — menschlich geredet — verbürgen.
Gottes Wort
wird darum kein anderes, ob es aus dem Munde eines Blusen mannes oder eines befrackten Herrn vorgetragen wird.
Und nach
allem, was wir aus dem Leben beobachtet und angeführt haben,
ist es das Beste, wenn die soziale Stellung des geistlichen Amtes als solche unangetastet bleibt.
Daß dabei rnanche nicht unberechtigte
Wünsche mit unterlaufen und auch verhandelt werden sollen, geben wir wohl zu. Eine bessere Pfründenverteilung z. B. möchte ja
wohl ihren Segen haben, wenn nur einer angeben könnte, wie es wirklich nach allen Seiten hin dem Recht und der Billigkeit gemäß zu machen ist. Indessen ist es Nebensache: die soziale Stellung des Pastors wird von der Durchführung dieser und ähnlicher Pläne kaum berührt werden.
27 Doch eben weil es für das Wort Gottes gleichgültig ist,
wer sein Träger ist, insbesondere welche soziale Stellung derselbe
einnimmt, wenn es nur aus dem Glauben und zum Glauben verkündigt wird, so steht auch nichts im Wege, daß ebensowohl der Arbeitsmann wie der Freiherr Gehülfen des evangelischen Pfarramts werden. Nein, vielmehr alle Christen sind dazu be rufen. Kann man auch nicht sagen, wie z. B. Rade will, daß jeder Christ, der den rechten evangelischen Glauben hat, dadurch zum Lehramt in der Kirche legitimirt sei, so ist er doch jedenfalls zum Gehülfen des Lehramts vollkommen befähigt und wohl geeignet, unter der Anleitung, welche ihm das rechte evangelische Amt des Wortes gibt, im Dienst der Gemeinde Verwendung zu
finden.
Zunächst allerdings wird er nur im Stande sein, ein Amt
der christlichen Bruderliebe auszufüllen.
Zum Amt des Wortes
gehört doch mehr. Aber wenn ihm die Gabe verliehen ist, so kann er dahin kommen, in kleinerem oder größerem Kreise auch
das Wort zu verkündigen.
In gewissem Maße ist solche Gabe
jedem Christen gegeben: die Mutter muß befähigt sein, nach ihrer Weise ihren Kindern Jesum als den Helland zu bezeugen. Daher
Paulus seinen Schüler Timotheus ermahnt: erwecke die Gabe, die in dir ist!
Es ist ja unter den heutigen geordneten kirchlichen Ver
hältnissen nicht mehr so wie in der ältesten Missionskirche. Damals
empfing jeder das kirchliche Amt, je nachdem er die Gabe hatte. Allerlei Aemter waren einzig und allein von der Begabung ab hängig.
Jetzt kann es geschehen, daß ein nur in sehr beschränktem
Sinn für sein Amt Begabter ein Amt erlangt, nicht blos in allen
anderen Zweigen des menschlichen Lebens, sondern auch im Dienst der Kirche.
Das ist unter dem Zwang der gültigen Rechtsformen
nicht zu ändern.
Und wollen wir hier, wo es nicht zur Sache
gehören würde, deshalb von den Dienern des Wortes schweigen, die für ihr Amt sich als unbegabt erweisen, so kommen doch die
gesetzlich geordneten Gehülfen des Pfarramtes, die Kirchenältesten in Betracht. Wie manche kleine und große Gemeinde hin und
her im Lande hat Kirchenälteste, die auch nicht die geringste oder nur sehr geringe Begabung zu ihrem Amte beweisen. Dienlicher wäre es dem Besten der Gemeinden und der Kirche, wenn in
28 solchen Fällen die Gemeinden ohne die Mitwirkung bez. Hinderung
solcher Aeltesten von dem Pfarrer allein in Christo erbaut werden könnten.
Andererseits hat auch
der Spruch
seine Richtigkeit:
wem Gott ein Amt gibt, dem gibt er auch den Verstand.
Denn
vielfach sind Männer, deren Begabung man anzweifelte, wenn sie
erst in ihrem Amte standen, recht tüchtig geworden, und es traten Gaben zu Tage, die gar nicht vermutet worden waren, und wuchsen
von Tag zu Tage mit den größeren Anforderungen des Amts.
In der Einrichtung des Kirchältestenamts ist die kirchen gesetzlich vorgeschriebene Form gegeben, welche mit dem Inhalt
der von uns besprochenen Forderungen erfüllt werden mich.
Die
Kirchenältesten sind diejenigen Träger des Wortes, oder sie sollen
diejenigen Träger des Wortes werden,
Gemeinden das Wort hineintragen helfen.
die in alle Kreise der
Ist das Kollegium der
Kirchenältesten eine rechte Vertretung der Gemeinde, so muß es aus allen Ständen und Berufsarten zusammengesetzt sein.
Und
wo dem Pastor thatsächlich um sozialer Schwierigkeiten willen der Zutritt versagt ist, oder doch erschwert wird, da wird der Aelteste
eine offene Thüre finden. Ein Anfang zu diesem Ausbau des Aeltestenamtes ist in vielen Gemeinden gemacht. Selbst in einer wenig kirchlichen größeren Gemeinde besteht die Einrichtung, daß einem
jeden von den zwölf Aeltesten ein gewisser Bezirk der Gemeinde zugeteilt ist, in welchem er die Eltern ungetaufter Kinder, un getraute Ehepaare und andere der Seelsorge am offenkundigsten bedürftigen Personen aufzusuchen und durch das Wort zu ihren kirchlichen und christlichen Pflichten anzuhalten hat.
In weiter
fortgeschrittenen Gemeinden gibt es Aelteste genug (neben anderen
Laien),
die am Krankenbett und Sterbelager, in verwahrlosten,
armen, notleidenden Familien, selbst in Bibel- und Befftunden in beschränktem Sinn als Träger des Wortes wirksam sein und so
unter Aufsicht und Anleitung des kirchlich geordneten Amtes Dienste an
der
Christengemeinde thun
können
und
thun.
Es
giebt
sogar hier und da eine Gemeinde, in der alle nur denk baren Funktionen im Dienst der christlichen Gemeinde außer der Predigt des Wortes und der Verwaltung der Sakramente von den Aeltesten versehen werden.
Es gilt, solche Männer in der christlichen Gemeinde finden
29 und gewinnen und heranbilden, welche in freier Weise das Evan
gelium an alle, auch die niederen Kreise des Volkes heranbringen. Sie werden zumeist bald den Kirchenältesten zugezählt werden.
Sonst sind sie auch von dieser amtlichen Stellung unabhängig. Wenn ein Gemeindekirchenrat da ist und die Aeltesten taugen nicht zum Dienst des Worts und der Bruderliebe, es sind aber Kräfte
in der Gemeinde vorhanden, die wohl dazu geeignet wären, dann
wird der Pastor nicht säumen, diese mit heranzuziehen.
Das letzte
und höchste Ziel wäre ja, wenn möglichst jedes Gemeindeglied dazu fähig und tüchtig würde, und so eines dem anderen mit dem
Da es aber in jeder Gemeinde nur allzu viele
Worte diente.
Glieder gibt, die vom Evangelium innerlich nicht berührt sind,
sollen wenigstens die Genannten nicht von Amts wegen, sondern auf Grund ihrer allgemeinen Christenpflicht das Wort zu andern bringen.
Es
ist
nicht
die Meinung,
daß
lungen gehen und Evangelisation treiben.
sie
in
Versamm
Sie sollen natürlich
nicht systematisch auf den Gassen oder in den Wirtshäusern mit dem Worte Gottes
hantiren.
Sondern vom Geiste der Liebe
Christi erfüllt, werden sie gelegentlich — und wo findet die Liebe Christi keine Gelegenheiten? — und ungezwungen auf dem Weg
zur Arbeitsstätte oder in den Fabrikräumen oder in den einfachen
Wohnungen von dem zeugen, was sie gehört und gesehen und in ihrem Herzen erfahren haben.
Sie werden, kurz gesagt, dasselbe
thun können, was der Pastor in der s. g. speziellen Seelsorge treibt,
daß sie Christum der einzelnen Seele, dem einzelnen Christenhause nahe bringen. Einige besonders Begabte mögen auch dahin kommen, in kleineren oder größeren Versammlungen Gottes Wort zu bezeugen
und auszulegen.
Es hängt von den Gaben, von der Gemeinde,
von dem Pastor und von manchen Umständen ab, wie weit das nötig und möglich ist.
Freilich ist es wichtig zu beachten, daß die Grenzlinien zwischen dem geistlichen Amt und der Mitarbeit seiner Gehülfen nicht ver
wischt werden. Das geordnete Amt desWortes(Pfarramt) ist und bleibt doch das Amt xa? e£aß er es überhaupt wagen konnte, die Geschichte der Menschheit zu meistern und die Welt anders haben zu wollen als sie ist. Und diese gesegnete Erkennt nis macht nicht etwa sittlich schlaff und träge, im Gegenteil: sie spornt zur Einsetzung aller Kräfte an. Gerade weil ich weiß, daß ich einzelner Mensch in der Welt nur so wenig ausrichten kann,
und doch meinem Gott schuldig bin, alles dranzusetzen, was ich bin und habe, gerade darum arbeite ich mit aller Kraft, aber nun nicht mehr mißmutig über die Mißerfolge, sondern mit der Selbst
tröstung: es kann nicht anders sein, ich kämpfe immer weiter, ein jeder möge sich sebst vor Gott und seinem Gewissen verantworten,
Gott sei Dank, daß ich bloß für mich allein einzustehen habe. Denken Sie also ja nicht, teurer Freund, daß der Zwiespalt in Ihrer Brust gerade Ihnen eigentümlich sei. Denselben Kampf haben alle aufrichtigen Charaktere mit mehr oder weniger bedeut
samen Variationen durchzukämpfen. Meinen Sie nicht, daß die Geldgier und die Sucht zu haben gerade Ihrem Stande eigentümlich
sei.
Ich könnte der Beispiele genug aus änderen Ständen, selbst
aus den mit ideellem Handwerkzeug arbeitenden, beibringen. Es ist der Zug der Zeit, den Sie beklagen. Nur auf eins von
Tausenden will ich Sie aufmerksam machen: selbst in der Kirche gilt bei den Wahlen der Mann nichts, der kein eigen Anwesen hat oder von Almosen lebt. Es ist gesetzlich so geordnet: er darf
57 nicht mitwählen.
Wahrhaftig, ein Hohn auf die Kirche unseres
Herrn Jesu Christi, der seine Jünger nach allem eher, als nach
dem Gelde taxierte.
In den ältesten Zeiten haben Sklaven am
Altar ihren Herren das heilige Abendmahl gereicht, und jetzt?
Nun, ich wäre ein Thor, wenn ich darum, weil's jetzt nicht so
ist, und aus anderen Gründen an der Kirche verzweifeln wollte. Nein, es ist nicht meine Sache, das zu ändern.
Aber wenn
Gottes Stunde gekommen ist, dann trete ein jeder ein für das als
richtig erkannte Ziel! Vorläufig heißt es für uns alle, mit den uns verliehenen Gaben und unter den obwaltenden Umständen
das unsere thun mit aller Treue und nicht verzagen.
Es ist das
Ende gut: das ist eine ewige Verheißung.
Für diesmal bin ich in Einzelheiten Ihres Briefes nicht eingegangen.
Es lag mir vor allem daran, mehr in großen
Strichen einen Grundriß zu geben, um eine gemeinsame Unter lage zu schaffen, von der wir weiter gemeinsam operieren können.
Ist durch diese Zeilen Klarheit zuwege gebracht, so wird sie auch tausend Einzelfragen, die Ihr Herz bewegen, beleuchten. Daß damit zu weiteren fruchtbaren und Ihnen heilbringenden Erörterungen
Anlaß gegeben werde, ist der herzliche Wunsch
Ihres
III. Hochgeehrter Herr Pastor! Soeben erhielt ich Ihre lieben Zeilen
und beeile mich darauf zu antworten, um zunächst einige Gedanken klarzustellen bez. mehr auszuführen, die ich in meinem vorigen
Schreiben nur kurz streifen konnte. Was Sie von idealen und Idealen huldigenden Menschen, ihrem
Kampf und endlichen Sieg in der Ruhe des eigenen Herzens, in dem Bewußtsein, ihre Pflicht gethan zu haben, sagen, wenn Sie dem den nagenden Wurm und die bei äußerer Fülle vorhandene innere Hohlheit entgegensetzen, dasselbe habe ich schon anderen Auffassungen
gegenüber lebhaft verteidigt — zuweilen mit Erfolg, zuweilen ein Achselzucken dafür geerntet. Ich habe auch gesagt, daß ich, trotzdem
ich schon den Gedanken gefaßt hatte, den Idealen für immer den Abschied zu geben, über den Gedanken noch nicht hinausgekommen bin, denn ich kann nicht anders. Freilich ist es Ihnen auch nicht
68 möglich gewesen, den Kernpunkt meiner Ausführungen zu entdecken, ich hatte ihn über allen Nebengedanken nicht klar
ausgedrückt.
Der Kernpunkt ist dieser, daß man ohnmächtig zusehen muß, wie
hier einer unterdrückt, dort einer verdorben wird; daß man dabei
nicht helfen kann, wenn man auch will; daß man andererseits diesem Bestreben der Menschen, ihre Angestellten und Arbeiter als Lohnsklaven zu taxieren (wie viel bringt jeder ein?) ein Gegenstück
gegenüberstellen kann,
nämlich auch in
dem Untergebenen den
Menschen, den Bruder zu sehen und ihn als seinesgleichen zu
behandeln.
Dies Gefühl der Ohnmacht ist es in erster Linie, das mich drückt,
und dazu die ziemlich feststehende Gewißheit — denn ein
Glücksfall kann ja nicht in Berechnung gezogen werden — daß es
überhaupt
nie anders werden wird,
denn mir fehlt eben
Grund, der zu jedem Geschäft erforderlich ist, das Kapital.
der Für
mich wäre es lächerlich, auch nur an die Möglichkeit zu glauben,
daß hierin je eine Aenderung eintreten könne. Auch ist es eigentlich jesuitisch gedacht, erst dem Materialis mus huldigen zu wollen, um dann, wenn man das Ziel erreicht
hat, idealistisch zu denken und zu handeln, ganz abgesehen davon,
ob man dann
dazu
überhaupt noch
imstande
ist.
Das wäre
gerade so, als wollte man jemand absichtlich verwunden, nur um
ihm dann ein Pflaster auf die Wunde legen zu
können mit der
Bemerkung: es ist nun alles gut. Und dann ist noch eins zu berücksichtigen. ganz allein, ich habe niemand,
Ich stehe allein,
der mir auch nur das Geringste
darreicht, wenn ich einmal brotlos werden sollte.
Ich kann dann
einfach verhungern, wenn ich nicht der Kommune zur Last fallen
will.
Daher erkenne ich es
immer wieder als eine harte Not
wendigkeit an, daß meine Stellung im Leben eine solche ist, die
mich zwingt, mehr als einmal fünf gerade sein zu lassen und gegen meinen Willen mitzuhelfen, die Leute zu hintergehen; manches
nicht zu sagen und nicht zu wissen,
das ich laut hinausrufen
möchte, um meine Seele von dem Druck zu befreien, der auf ihr lastet.
Oft zuckt es mir in den Fingern, und ich möchte mit eiserner
Faust die Pestbeulen der Welt aufhauen, unbekümmert um das
59 Geschrei der großen Menge.
Aber ach, ich kann es nicht, ich
muß schweigen, warum? bloß um Brot zu haben, und muß alles seinen Weg gehen lassen, um nicht mich für jetzt und immer
um mein Glück zu betrügen.
Ganz anders wäre es, hätte ich Vermögen und brauchte
nicht um das tägliche Brot mir Gedanken zu machen, sondern könnte, wenn auch mit schwachen Kräften, da ein Alleinstehender
nie viel ausrichtet, rettende und helfende Hand an diesem und jenem wunden Punkt mit anlegen.
Aber das sind ja müßige
Gedanken und Worte, wenn man mit „hätte" „wäre" „könnte" sich abgiebt. Es gilt nur das „hat" „ist" „kann", und da es hier fehlt, fällt alles zusammen. Sie weisen Baratts hin, daß manche, heute großgewordene
Geschäfte auf Redlichkeit allein gegründet sind, doch vergessen Sie, daß seitdem schon eine Reihe von Jahren vergangen ist, und heute
das geschäftliche Leben auf ganz anderen Grundlagen ruht als ehedem. Mundus vult decipi ist heute in viel höherem Maße Wahrheit als je zuvor, und wer auf den niedrigen Sinn der Leute spekuliert, kommt immer am weitesten. Ich habe es mehr wie einmal beobachtet, daß ein junger strebsamer Anfänger, der ganz gut vorwärts •fam, vom kapital kräftigen Konkurrenten einfach erdrückt wurde.
Daher wäre es ein
doppelt großes Wagnis, wollte ich mich auf eigene Füße stellen.
Sie mögen sagen, was Sie wollen: Charakter ist ein Wort,
das man im heutigen Geschäftsleben nicht kennt.
Wenn Sie mir
auch hundertmal erwidern: man kennt es, so würde ich zum
hundertundeinten Male, auf meine zahlreichen Erfahrungen gestützt,
wiederholen: nein.
Doch füge ich die Einschränkung hinzu: unter
denen, die fremder Leute Brot essen. Ich habe selbst mehr als einmal von Freunden Vorwürfe einstecken müssen, wenn ich notorischen Lumpen, die Geld haben, nach Gebühr entgegengetreten bin, weil diese Leute doch in geschäftlicher Hinsicht von Vorteil
sein könnten.
Man darf eben, so lange man Angestellter, Unter
gebener im Geschäft ist, keine eigene Meinung haben, mindestens
sie nicht aussprechen. Und wenn ich es mir auch nicht nehmen lasse, hier und da meine abweichende Ansicht zu betonen, so hat das eben gar keinen Wert, trägt mir nur manchmal scharfe und
60
barsche Behandlung ein.
Im Geschäft bin ich eben nicht ich,
sondern nur ein Rad in der Maschine, die von einem fremden
Willen gelenkt wird.
Will ich mich diesem Willen nicht fügen,
dann werde ich als unbrauchbar entfernt, und ein gelenkigeres Rad wird an meiner Statt eingeschoben. Ich bin eben als solcher
eine Null, und Nullen zählen bekanntlich nicht.
Sie stehen in dieser Hinsicht ungleich freier da.
Niemand
kann Sie brollos machen, so lange Sie Ihre Pflicht erfüllen. Sie dürfen und müssen sogar Ihren Idealen leben, das ist Ihre Pflicht. Mein Arbeiten zielt in erster Linie darauf, meine Chefs zu bereichern, in deren Gutdünken es dann liegt, ob etwas für mich abfällt. Gerade so wie der Jagdhund die Beute aufjagt,
sie dem Jäger schußgerecht macht, sie ihm zuträgt und dann
warten muß, bis ihm sein Herr einen Knochen zuwirft als Lohn seiner Thätigkeit — das ist meine Stellung.
Und ebenso wie der
Jagdhund in 9999 unter 10000 Fällen durch eine Kugel oder
im Wasser endet, wenn er alt und nicht mehr leistungsfähig ist,
so wird unser einer auf die Straße gesetzt, wenn die Kräfte ver
sagen — dann mag er auf der Straße sein Brot suchen. Jst's nicht manchem alten Mann so ergangen? Wer gibt einem Arbeiter» einem Comptoiristen etwas dafür, wenn er 30,
40, 50 Jahre lang seinen Chefs alles treu behütet hat, und diese sitzen lediglich durch jener Mühen und Verdienste im Vollen?
Alte Leute müssen buchstäblich um Beschäftigung betteln, und er fahren zumeist harte Abweisung. Ob sie sich auch ein gutes Ge
wissen bewahrt, jedermann frei ins Auge schauen können und auf ihren guten, ehrlichen Namen stolz sein dürfen: aber davon kann man nicht essen, und das tägliche Brot ist doch am Ende die erste Sorge eines jeden Menschen.
Liegt es unter allen diesen Umständen, wenn man eine klare Erkenntnis der Dinge hat, wie sie sind, nicht allzu nahe,
über anderer Elend gleichgiltig hinwegzusteigen und blos für sich zu sorgen, nur an sich zu denken?
Oft, recht oft habe ich gewünscht, über dies alles gleichgiltiger denken zu können. Niemand kann es mir verargen, wenn solche Gedanken bisweilen kommen.
Aber ein ander Ding ist, den
Wunsch zu haben; ein ander Ding ihn zur That zu machen.
61 Wollte ich die idealen Gedanken, die mich bewegen, aus sprechen, so würde ich mich in der Welt lächerlich machen. Aber
mit tausend Freuden wollte ich diese Lächerlichkeit auf mich nehmen, wenn ich meine Gedanken zur Ausführung bringen könnte. Denn ich bin gewiß, der Erfolg würde mir Recht geben.
Aber ich
würde mich in der That lächerlich machen, wenn ich ohne die
Möglichkeit der Ausführung meinen Gedanken auch nur Worte leihe. So ist die Lage der Dinge.
Sie werden mir zugeben, daß
es nicht angenehm ist, mit diesen Erkenntnissen weiter zu leben und zu streben, ein Streben, das eben gänzlich aussichtslos ist.
Und einen Kampf kämpfen ohne Aussicht auf Erfolg, mit Ein setzung seines ganzen Ichs, das kann nicht, wer mutterseelenallein
steht, wie ich. So lange man anderer Leute Brot essen muß und es im
Belieben dieser Leute steht, einem jederzeit das Brot zu nehmen,
so lange darf man nur in seinen Gedanken ideal sein, im Thun und Wirken aber muß man so sein, wie es dem Brotgeber gefällt. Sie meinen, daß ich meine Beobachtungen vorzugsweise in
der Geschäfts- und Handelswelt mache, daß ich mich aber nicht darin verschließen, sondern den Blick mehr erheben und auch in anderen Kreisen umschauen solle, wo neben dem Häßlichen auch manches Gute und Schöne blühe und gedeihe.
Ich will das gar nicht bestreiten, aber ich bezweifle, ob Sie die Verhältnisse kennen, in denen unsereiner steht, Verhältnisse, die
den unselbständigen Kaufmann von vornherein aus allen Kreisen, außer dem seiner Kollegen, ausschließen.
Denn wie sagt der junge
Mühlingk in Sudermanns „Ehre" so recht bezeichnend: „Ich kann doch meinen Kommis meinen Freunden nicht vorstellen", und dabei der wegwerfende Ton, in dem das gesprochen zu denken ist!
Aber es ist in der That so.
Wo man dem Besitzer eines Geschäfts
seines Geldbeutels wegen bereitwillig beide Thüren öffnet, würde
man sie zwiefach verschließen, wenn der — vielleicht kenntnis
reichere und tüchtigere — Angestellte es wagen wollte, seinen Fuß
in diese Gesellschaft zu lenken, man würde ihn mit Schimpf und Schande davon jagen. Es
ist
eine offenkundige Thatsache,
daß
die wohlunter
richteten, tüchtigen Kaufleute, soweit sie sich nicht auf einen Geld-
62 sack stützen können, die Parias der Gesellschaft sind, sie sind von allem ausgeschlossen.
Jeder,
selbst der geringste Handarbeiter,
dünkt sich heutzutage mehr zu sein als so ein armer Kommis.
In
die „besseren Kreise" darf er keinesfalls hinein und könnte es auch nicht einmal, denn meist muß er noch im Geschäft weilen, wenn
es lehrreiche Vorträge, öffentliche Diskussionen u. dgl. gibt. Und außer bei solchen Gelegenheiten in die anderen Kreise einzudringen,
ist ihm ja verwehrt.
Sie drücken auch Ihre Meinung wieder dahin aus, daß man doch Gelegenheit habe, dem Gegner, von dem man abhängig ist,
auch hier und da einmal ein deutliches Wort zu sagen, wenn er es herausfordert.
Auch ist es hier mir klar geworden, daß Sie die Verhältnisse doch nicht so ganz kennen.
Es gibt nämlich mehr als einen Chef,
ja es ist die Mehrzahl, die sagen: Ich habe immer Recht, und
wenn ich auch Unrecht habe, dem Untergebenen gegenüber habe
ich immer Recht, und die auch demgemäß handeln.
Denken Sie nur nicht, daß die Chefs mit ihren Angestellten ein Wort mehr reden als durchaus zum Geschäftsbetrieb notwendig ist.
Ja, es gibt sogar der Firmen einige (und sie werden neuer
dings immer zahlreicher), in denen die Chefs mit ihren Angestellten
nur auf schriftlichem Wege verkehren, weil sie es für unter ihrer Würde halten, mit ihren Kommis zu reden. Wenn ein
Angestellter mit seinem Chef redet und diesem paßt nicht, was jener sagt, so macht er einfach Kehrt oder bricht das Gespräch ab,
gibt keine Antwort oder stellt eine rein geschäftliche Frage, womit jede persönliche Annäherung oder auch nur menschliche Berührung
abgeschnitten ist.
Die Ideale gedeihen auf geschäftlichem Boden nicht, hier blüht nur der Materialismus.
Denn Ideale, die nur im Kopfe bestehen und nicht in die Wirklichkeit umgesetzt werden, verkümmern bald.
Damit ist eigentlich den großen Idealen der Stab gebrochen: denn wenn der Mensch so ohnmächtig ist, wie er ist, wie soll er
dann helfen und retten können, wenn es gleich notwendig scheint, wenn es einem auch im Herzen wehe thut, zu sehen, wie manche Menschen leiden. Und wenn man sieht, wie Hunderte und Tausende
63 in der Welt unter dem Willen eines Einzelnen seufzen, wenn man
sieht, wie dieser Eine hier eine blühende Blume knickt und dort
eine andere nach Willkür ausreißt, um daran zu riechen und sie wegzuwerfen — und man muß schweigen und darf sich nichts
merken lassen — o glauben Sie mir, es ist bitter, daran blos zu denken und keine Hoffnung zu haben, daß es je sich ändere.
Und was nützt es, wenn man so in seinem Herzen gewühlt hat? Was hat man davon, daß man sich das alles klar macht? Oder ist es ein Trost zu wissen, daß sich Hunderte in gleicher
Lage befinden? Ist es eine Beruhigung, viele zu kennen, die helfen
wollen, aber nicht können? Mit allem aber will ich nicht gesagt haben, daß ich mich besser dünke als die andern,
Das ist mir nicht in den Sinn gekommen — Sie scheinen
wollte.
es so anzunehmen. stillen
daß ich mich über jemand erheben
Stunden
Ich weiß sehr wohl davon, wenn man in
über
sich nachdenkt,
wie man dann sich selber
als die erbärmlichste Kreatur ansehen muß; wie dann das Unrecht,
das andere gethan haben, so klein, so winzig klein wird, und das eigene Unrecht so riesengroß anwächst, daß es einen schier erdrückt,
und man sieht, wie man unmöglich alles verantworten kann, was man je
begangen; wie man zuerst
einmal an
sich
selbst die
reformierende Hand anlegen muß, ehe man es wagen darf, zum Tadel eines anderen auch nur den kleinsten Finger zu heben. Wir leiden alle unter dem Fluch, Menschen zu sein,
das
Gute zu wollen, aber nicht git können, das Böse zu hassen und
es doch zu thun.
Wenn man sich dann selbst sagen muß, wie
erbärmlich man ist, so greift man schließlich zu dem Mittel, das
schon Adam benutzte, und man sucht sich zu entschuldigen, und damit ist erst die ganze Erbärmlichkeit vollendet.
Denn wer sich
entschuldigt, macht seine Schuld nur noch größer. Was soll ich noch sagen? Habe ich mir nicht schon selber das Urteil gesprochen? Wenn ich das nun alles einsehe und erkenne
und mir im Gebet Rat und Hilfe hole,
neue Kraft schöpfe durch
meinen Gott und in meinem Gott, bin ich dadurch auch nur einen
Schritt vorwärts gekommen auf der Bahn, die zu durchlaufen ich so heiß ersehne?
kann
ich,
menschlich geredet, um zum Thema
zurückzukehren, auch nur einem helfen, wie ich es gerne möchte?
64
Wenn Sie als Seelsorger 25 Jahre in Ihrer Gemeinde gewirkt haben und Sie haben nur eine Seele gewonnen und auf den rechten Weg geleitet, daß sie es, nächst Gott, Ihnen dankt,
gerettet zu sein, dann haben Sie in dieser einen Seele reichen
Lohn.
Habe ich dagegen 25 Jahre an einer Stelle gewirkt, mein
bestes Wissen und Können eingesetzt und alles treu verwaltet, so setzt man mir den Stuhl vor die Thüre — was dann? Oder
meinen Sie, es gebe Prinzipale, die sich eines Angestellten an nehmen, oder auch nur das geringste persönliche Interesse an
ihren Leuten, seis, daß sie auf dem Comptoir, seis, daß sie in den Arbeitsräumen thätig sind, nehmen? Dazu ist unser einer jenen
Herren nicht wichtig genug, sie finden ja zu leicht Ersah. Unsere soziale Stellung ist, solange wir unselbständig sind, keine angenehme: viel Pflichten und wenig Rechte, viel Wissen
und Können und wenig Ansehen, damit ist eigentlich alles gesagt. Zum großen Teil kommt das ja auch daher, daß jeder schmutzige Judenjunge, der einige Jahre die Elle geschwungen und gemauschelt hat, sich ebenso gut Kaufmann nennt wie ein Mann,
der Jdhre lang gelernt hat, hier und im Ausland, 4—5 Sprachen
redet und gründlich gebildet, kenntnisreich und unterrichtet ist. Bei uns gibt es nicht wie in anderen Ständen ein gewisses Maß von Kenntnissen, das man haben muß, um sich Kaufmann nennen zu dürfen.
Hier waltet die schrankenlose Freiheit, die auch ihre
Schattenseiten hat.
Doch wozu davon reden, wozu Dinge erörtern, die sich nicht ändern lassen, wozu sich in Fragen vertiefen, die nicht zu lösen
sind? Cs ist unnütz; damit ist die Sache erledigt.
Was ich also sagen will, ist kurz dies: ich möchte gerne helfen und ändern und kann nicht; ich fühle aufs furchtbarste
meine Ohnmacht dem gegenüber, was ich für Unrecht ansehe, und
muß es geschehen lassen; ich erkenne voll und ganz die Nichtigkeit des eigenen Ichs gegenüber dem großen Ganzen und leide unter dieser Erkenntnis aufs furchtbarste.
Wenn Sie mir hier eine Lösung zeigen könnten, wäre ich Ihnen
über die Maßen dankbar. Vorläufig wage ich so Großes nicht zu hoffen. Leben Sie wohl und empfangen Sie herzliche Grüße
von Ihrem getreuen ....
66 IV. Lieber Freund! Es freut mich herzlich, daß wir nach Ihren Ausführungen
im vorigen Brief über den Grundgedanken, was den Idealismus angeht, einig sind.
Das Uebrige wird, hoffe ich, sich nach und nach
auch ergeben.
Sie sagen, Sie können nicht anders und möchten auch gerne so handeln —
niemand, mehr als Sie können.
als idealistisch denken mehr verlangt ja auch
Ultra posse nemo obligatur
sagt ein bekannter Spruch, d. h. mehr als er kann, zu thun wird niemand gezwungen (verpflichtet). Es ist ja wunderschön, daß Sie in löblichem Drang und Eifer die Welt, vor allem die Geschäfts
welt reformieren möchten oder doch reformiert sehen möchten, daß Sie im Untergebenen und Geringen den Bruder anerkannt wissen
wollen.
Aber ist es hier nicht ein Grundsatz der Weisheit: thue,
was du kannst, mehr verlangt niemand!
Aber was du thust,
das thue ganz! Thun andere nicht, was du für recht hältst, so thue du's allein, ja ganz allein, wenns sein muß, und laß dich
von niemand und nichts zurückhalten.
Des großen Philosophen
Kant oberster Grundsatz in der Sittenlehre lautet: Handle so, daß die Maxime deines Willens zugleich als Prinzip einer allgemeinen
Gesetzgebung gelten kann.
Besser und verständlicher ausgedrückt:
Handle so, daß bei deinem Handeln das Glück und Wohlsein deiner
Mitmenschen heraus kommt.
Thuns andere nicht, so laß sie —
thu du deine Pflicht nicht um des Menschen willen, nicht um deines Glücks willen, sondern einfach um der Pflicht selber willen.
Das ist genug. Daß mit solchen Grundsätzen und einer entsprechenden Hand
lungsweise ein niederdrückendes Gefühl sittlicher Ohnmacht ver bunden ist, wird kein sittlich denkender in Abrede stellen.
es heißt, sich in die Umstände schicken.
Aber
Gott hat einem jeden von
uns seine Gaben gegeben und erwartet deren treue Benutzung. Trotz treuer Benutzung können sie sich vermindern, ja verloren gehen. Hat aber der Inhaber keine Schuld, so braucht er sich
fortan keine Vorwürfe zu machen, wenn er im Kampf des Lebens
weniger leistet als vorher. Und wenn ein junger Kaufmann vor läufig keine Möglichkeit sieht, eine eigene geschäftliche Existenz zu IV
5
66 gründen, aus Mangel an Kapital, so mag das recht bitter sein, gewiß um so bitterer, je lieber er ins Große, Weite und Ideale
hinein arbeiten möchte.
Aber da ist nun der gottgewiesene Weg
einfach der, daß er sich in den gegebenen Schranken halte, in
ihnen sein Wohlsein finden lernt und dennoch das Streben darüber hinaus beibehält.
Sich genügen lassen an dem, was da ist, und
dabei doch sich strecken nach dem, was vorne ist (Ideale), das
beides zu vereinigen, ist die ganze Lebenskunst des Christentums. Was hilft es mir, ob ich denke: ich bin zu einer höheren, besseren
Stellung berufen, ich möchte und könnte sehr wohl mehr und besser arbeiten, und nun mache ich mir darüber Gedanken und Sorgen, wie ich das erreichen soll.
Damit erreiche ich ja nichts, im Gegen
teil, ich mache mir nur das Leben noch bitterer, ohne alle Not,
ja ich thue sogar Unrecht daran.
Vorläufig will ich meine Wünsche
und Ziele ein wenig zurückstellen, ich will mich in den mir von
Gott gezeigten Grenzen halten; entsagen, ja entsagen.
Das ist
ein Gedanke, den Goethe in seinen Dichtungen so herrlich durch führt, daß unser Leben aus einer Kette von Entsagungen besteht;
das ists, was das Evangelium Selbstverleugnung nennt.
Denn
sich selbst, sein Meinen und sein Wollen in den Tod geben,
das
ist not, ehe ein Mensch auf Gottes Winke und Weisungen achten lernt.
Und wenn der Christ alsdann nach Gottes Winken und
Weisungen sein erst in den Tod
gegebenes Meinen und Wollen
wieder ausgenommen hat, so ist es nur dem Anschein nach dasselbe Meinen und Wollen, in der That doch ein anderes, nämlich ver
klärt in den» Licht von oben und darum von allen Zuthaten des Eigensinns,
der
Anspruchsseligkeit und des hochfliegenden,
nüchternen Strebertums
gereinigt.
Das ist
freilich
un
ein hart
Ding, ein schwerer Kampf, ein heißes Feuer, in dem Sie jetzt stehen und in dem Sie — gestatten Sie mir,
es offen zu sagen
— sich selbst verzehren und ihre Kräfte unnütz vergeuden.
Und
bei aller Hochachtung vor Ihrem hochfliegenden Idealismus scheint mir eins sehr wohlgethan, wenn Sie Ihre ganze Lebenshaltung
recht einfach und bescheiden einrichteten.
Sonst wehe, wenn zu
spät einmal eine Ernüchterung erfolgen sollte.
Dann können Sie
auch viel, viel Gutes thun schon mit dem, was Ihnen jetzt zu Gebote
steht.
Und
mehren sich
einmal
die Einnahmen,
gibt
Ihnen Gott der Herr Ihres Herzens Wunsch, eine selbständige Stellung, in fünf, zehn, zwanzig Jahren, dann mögen Sie auch Ihre Lebenshaltung steigern.
Bis dahin aber gilt es sich ein
schränken, um Freiheit zu haben, Gutes zu thun, zu helfen.
Nur
wo der inwendige Mensch entsagen, sich beschränken, sich einengen gelernt hat, kann alles gedeihen, auch das äußere Glück.
Lernen
Sie vor allem Ihre Ziele und Ansprüche zurückstecken, soweit wie
möglich, mindestens so weit es nach vernünftiger Erwägung aller in Betracht kommenden Umstände sein muß.
Spannen Sie Ihre
idealen Aussichten immerhin so hoch wie Sie wollen. Sie Ihr Glück mehr im inneren «Leben.
Aber suchen
Im äußeren Leben,
in Geld und Gut, in Selbständigkeit und sogenannter Unabhängig
keit ist das Glück nicht zu finden. Vielleicht sagen Sie, das ist ja kolossal nüchtern und prosaisch gesprochen.
Erst bekomme ich einen so idealistisch gehaltenen Brief
und nun, von demselben Freunde, einen so prosaischen, so gerade entgegengesetzten. Wie reimt sich das zusammen? Das kann weniger
selbständiges
Nachdenken als Lebenserfahrung lehren.
In der
That, unser ganzes Leben ist aus Widersprüchen zusammengesetzt. Sie allezeit zu lösen ist unsere Aufgabe.
Mit Widersprüchen sich
zufrieden geben kann ein denkender und sittlich strebender Mensch nimmermehr.
Das ist, was Ihnen so viel Not macht, und der
Ernst, mit dem Sie sich mühen, nötigt mir volle Hochachtung ab. Darin nämlich irren Sie gewaltig, wenn Sie meinen, Ihre
Lebensstellung zwinge Sie, manchmal fünf gerade sein zu lassen, um nur das Brot zu haben.
Nein, das nicht: niemals dürfen
Sie mit Wissen und Willen schuld daran sein, daß Leute hinter gangen und geschädigt werden.
Vielmehr haben Sie nach Kräften
und nach bestem Gewissen zu helfen, daß solches verhindert werde. Das ist freilich andererseits wahr: vieles dürfen Sie scheinbar nicht sehen und nicht wissen, was Sie am liebsten in die Welt hinaus rufen möchten. Aber es gehört viel Ruhe und Besonnenheit und Erfahrung dazu, um dergleichen am rechten Ende anzufassen. Nicht
die Furcht vor eigenem Schaden und dem Untergang darf uns hier bestimmen, sondern die Erwägung ist maßgebend, ob es wirklich zu des Nächsten Heil, Nutzen und innerer Ueberführung dient, wenn wir seinem Unrecht entgegentreten, und dazu der Gedanke,
5*
68 ob es unsere Sache ist, hier einzugreifen, ob nicht viel eigener
fleischlicher Eifer mit unterläuft, den wir verwechseln mit Eifer für Gottes Ehre, für die Gerechtigkeit in der Welt und die Not der
Elenden.
Mose wollte in seiner Jugend den Reformator spielen;
er schlug den Aegppter tot und schalt den Israeliten hart.
Aber
vierzig Jahre lang führte ihn Gott in die Stille: nun hatte er
erst die Ruhe, Besonnenheit und Weisheit gelernt, um Reformator
sein zu können.
Als er aber jetzt Reformator werden sollte, war
er so bescheiden und klein geworden, daß er nicht mehr das ihm von Gott übertragene Amt ergreifen wollte. (2. Mose 2—4.)
Es ist nicht richtig, daß Sie zu vielem schweigen müßten, um Brot zu haben — was wäre das für eine Moral? Sondern
Sie haben zu schweigen, weil Sie im allgemeinen zum Dreinreden,
in dem Sinn, wie sie es meinen, gar nicht berufen sind, und
weil auf jeden Fall der Prinzipal für die in seinem Geschäft herrschende Praxis allein die Verantwortung trägt.
Mit der
Weisheit, die wir von oben erbitten, werden wir nie zu Schanden.
Wir dürfen uns weder fremder Sünden teilhaftig machen noch aber auch sie ohne Beruf ans Licht ziehen, immer aber haben
wir im gegebenen Fall ein kräftig Wörtlein für Recht und Gerechtigkeit, Liebe und Milde zu reden, doch wohlgemerkt mit Besonnenheit und Bescheidenheit, die der Jugend und Unreife
wohl ansteht. Halten Sie sich darnach, heißt nicht schon das: rettende und
helfende Hand anlegen?
Oder sollten
Sie das
nicht können?
Warum denn nicht? Freilich, wie oben gezeigt, nicht in dem Sinn,
wie Sie es meinen.
Aber wer das Ganze nicht retten und helfen
kann (das können selbst große Geister nicht nach eigenem Vorsatz, sondern nur unter besonderen Verhältnissen, wie sie jeweilen von Gott Da kann es Ins Große zu arbeiten ist uns nicht geboten,
gefügt werden), wohlan, er versuche es im Kleinen.
ein jeder, auch Sie.
aber im Kleinen treu zu sein und liebend zu helfen, das
ist
unsere Pflicht. Einen hungrigen Menschen, der Ihren Prinzipal um Arbeit anspricht und barsch abgewiesen wird, können Sie freilich nicht retten, indem Sie ihm zu einer Arbeitsgelegenheit
verhelfen, das steht nicht in Ihrer Gewalt.
Aber Sie können
ihm Ihre Hilfsbereitschaft erweisen, in dem Sie ihm je nach
69 Bedürfnis 10 bis 50 Pfennige schenken und vor allem ihn einer
freundlichen Ansprache würdigen.
Letzteres ist dem Armen unter
Umständen viel mehr wert, thut mehr wohl und bringt mehr Segen
als Geld und eine augenblickliche Arbeitsgelegenheit.
Ob Sie noch
obendrein bei Ihrem Chef für den Bittsteller ein gutes Wort einlegen können, hängt von den Umständen ab.
Freilich, Sie wünschen sogar, womöglich ohne Sorge ums
tägliche Brot zu leben, um dann erst recht helfen zu können. Das mag ideal gedacht sein, aber ich fürchte, es käme bald anders.
Wenn einer retten und helfen will, hat er keine bessere Grundlage dazu als den täglichen Kampf ums eigene liebe Brot. Da bleibt sein Herz offen und empfindlich für fremdes Leid.
Aber wenn
ein Mensch selber frei von allen materiellen Sorgen steht, dann
ist Gefahr vorhanden, daß sein Herz unvermerkt hart und härter wird. Ich kann Ihnen versichern, daß in jedem Jahre zweioder dreimal in meinem Hause eine Zeit einkehrt, wo ich buch stäblich kein Geld im Hause habe.
Das hängt mit den Einnahme-
Verhältnissen eines Landgeistlichen zusammen, mit denen es in vieler Beziehung unsagbar traurig bestellt ist.
Strömt dann ein
mal eine größere Geldsumme ins Haus, so ist sie nach wenigen Wochen für längst anstehende oder anderweitig notwendige Aus
gaben verbraucht.
Wollte ich mir Sorgen machen, ich hätte allen
Anlaß dazu, so lange ich nur die äußeren Umstände ins Auge fasse. Dennoch mache ich mir in diesem Punkte niemals Sorgen. Aber ich danke meinem Gott dafür, daß ich die von Ihnen so verachtete Sorge ums tägliche Brot aus eigener Erfahrung
kennen
lerne.
Gerade in
solchen Zeiten des vorübergehenden
Mangels bin ich mehr als sonst geneigt, für gute Zwecke zu geben
und zu opfern und von dem Wenigen, was da ist, zu helfen und zu retten.
Ja, wohnte jemand in den bescheidensten Verhältnissen,
in der ärmsten Hütte; Gelegenheit, rettende und helfende Hand
anzulegen hätte er tausendfach, wofern nur das Auge offen und das Herz empfänglich ist für fremde Not, und der Mensch sich bescheidentlich an der Thätigkeit im Kleinen und Verborgenen genügen läßt („und dein Vater, der in das Verborgene siehet, wird
dirs vergelten öffentlich" Matth. 6,4). Darnach überlegen Sie sich die Frage recht genau, ob es
70 wirklich so unbedingt geboten und erforderlich scheint, daß Sie um
jeden Preis ein eigenes Geschäft begründen, da Ihnen die Gefahren solcher Neugründung so groß erscheinen. Gewiß, daß Sie nicht ihr Lebenlang letzter Kommis bleiben möchten, finde ich ganz begreiflich. Indes, wenns nicht anders ist, was dann? So nehmen Sie es
aus Gottes Hand also hin.
Es geht im Leben zumeist nicht
nach unserem eignen Willen, und das wäre auch gar nicht gut. Wer sich das nicht sagen will, muß es in der Regel durch sehr
bittere Erfahrungen lernen.
Sie fragen: soll ich Kommis bleiben,
damit ich eines Tages, jung oder alt, falls ich unbrauchbar ge worden bin, vor die Thüre gesetzt werde? Ja, lieber junger Freund, was denken Sie denn, daß Sie von vornherein für Ihr ganzes Leben
eine feste Stellung beanspruchen?
Wollen Sie im Ernst eine
Garantie dafür verlangen, wie Ihr zukünftiges Leben verläuft?
Wer soll denn alle die möglichen Umftänbe in Ihrer Zukunft
vorhersehen und voraussagen und abwenden? Nein, wir wollen wenn wir heute versorgt sind, und kommt das
zufrieden sein,
Schlimmste, was wir befürchten können, so wird unser Vater droben schon Rat und Wege wissen.
Wozu sollen wir uns schon jetzt
alle Eventualitäten, und hätten sie noch so viel für sich, vorstellen und mit ihnen rechnen? Thorheit! Ich dachte einst auch, ich wäre
in einer Großstadtgemeinde am rechten Platz und malte es mir aus, wie schön ich da im Vollen wirken könnte. Aber nach dem ich sechs Jahre in der Millionenstadt gewesen, sitze ich nun schon
über zwanzig in einer kleinen Landgemeinde, die aus lauter einfachen Leuten besteht, nnb bin doch zufrieden, daß mich Gott also geführt hat. Wenn es sein Wille gewesen wäre, so könnte es ja längst anders gekommen sein, und es kann immer noch einmal, vielleicht kann
es ja auch plötzlich wieder anders werden.
Darum nur keine
Sorge: wir wollen uns bescheiden, wie es vom Herrn gefügt wird. Summa: stehen Sie auch ferner Ihren Mann, sagen Sie Ihre Meinung, und wenn es etwas einzustecken gibt, so stecken
Sies ein.
Um Gottes willen, für Wahrheit und Recht leiden ist
die höchste Ehre, die einem in dieser Welt widerfahren kann.
Nur noch in einem Punkt lassen Sie mich Ihnen zum Schluß recht kräftig widersprechen. Sie behaupten mit Nachdruck, daß das tägliche Pxot die erste Sorge eines jeglichen Menschen
71 sei.
Ich
halte
einfach
dagegen
das Wort unseres Heilandes
Matth. 6, 33: „Trachtet am ersten nach dem Reiche Gottes und
nach seiner Gerechtigkeit!"
Das Brot ist allerdings
die
erste
irdische Sorge, darum findet es auch in der vierten Bitte des Vaterunsers einen Hauptplatz.
Aber die Sorge, vor Gott zu
bestehen und mit gutem Gewissen bis ins Alter zu kommen und
aus Gnade ein selig Sterbestündlein zu gewinnen, ist doch mehr.
Vom guten Gewissen und ehrlichen Namen kann man nicht essen, sagen Sie. Ich sage — es mag seltsam klingen — ja doch. Der Christ
lebt und ißt von der Gnade Gottes, die ein gutes Gewissen und einen ehrlichen Namen verleiht. Das wäre wohl ein Punkt, der noch einmal einer ganz besonderen Auseinandersetzung bedürftig wäre. Von Ihrer Sache und von geschäftlichen Angelegenheiten über
haupt verstehe ich vielleicht doch etwas mehr als Sie ahnen, so daß mich nichts von dem, was Sie mir erzählen, besonders in Erstaunen
setzt.
Genau dieselben Gedanken und Stimmungen habe ich bei
mehreren meiner alten Konfirmanden, soweit sie Kaufleute geworden sind, bei vielen anderen meiner jungen Freunde gefunden und ost genug bekämpft, meist nicht ganz vergebens. Hoffentlich ist es auch beiJhnen so! Mit Freude und Spannung sehe ich Ihrer baldigen Rück äußerung entgegen, die hoffentlich wieder recht eingehend wird.
Sie können wirklich nie genug schreiben
Ihrem Ihnen treulich verbundenen .... V.
Hochverehrter Herr Pastor! Im Eingang Ihres letzten Schrei bens sprechen Sie die Hoffnung aus, daß, nachdem ich bezüglich
des Idealismus Ihnen zugestimmt, das andere sich nach und nach
ergeben würde. Ich will das ja nicht direkt verneinen, im Gegen teil, ich würde mich freuen, wenn es so käme, vorläufig aber kann ich daran noch nicht glauben: ich fürchte, daß mein armes Herz viel zu sehr im Finstern sitzt und nur im denkenden Verstand
einigermaßen Klarheit waltet. Der Grundgedanke der Ausführungen Ihres ersten Teils sieht mir ein wenig nach Fatalismus aus und erinnert etwas an den Moslem, der bei allem, was ihm begegnet, einfach sagt:
Allah hat es gewollt, ergo sei es so.
72 Allerdings wäre ich thöricht, wollte ich mir einbilden, etwas von dem ändern zu können, was ich als Unrecht in der Welt er kannt habe.
So vernünftig bin ich ja auch, daß ich weiß, wie
eine Fliege keinen Löwen aus seiner Bahn zu bringen vermag.
Ich füge mich ja auch (ob gutwillig oder nicht, ist arn Ende gleich) in die bestehenden Verhältnisse und ich thue meine Pflicht, weil ich eben muß, wenn ich Geld verdienen will.
Denn aus Liebe zum
Beruf, aus Eifer für das Geschäft, aus Freude an der Arbeit, die ich für andere thue, kann ich sie nicht erfüllen: der Trieb
dazu wird im Geschäftsleben systematisch ertötet und stirbt all
mählich ab.
Im Geschäft gibt es eben keinen Idealismus, den
kann ich nur privatim pflegen, und das genügt ja eigentlich auch.
Dabei will ich aber stets aufmerksam darauf sein, wie und wo
sich eine Gelegenheit bieten niöchte, daß die Fesseln fallen, die mich halten, daß ich selbständig werde und dann ganz meinen Idealen
gemäß handle. Sie bestreiten es mir energisch, daß man seine Pflicht thun dürfe um des Geldes willen. Ich werde mich auch sehr hüten, eine Verteidigung dieses Satzes zu versuchen. Weiß ich doch ganz
genau, daß er unrichtig ist.
Aber ich habe die Erfahrung reichlich
gemacht, daß man dabei am bestell fährt, wenn man sich ganz genau auf das beschränkt, was man unbedingt thirn muß. Ich habe in hundert Fällen gefunden, daß gerade dann am meisten
genörgelt wurde, wenn man nicht mir seine Pflicht gethan, sondern in besonders sorgsamer Weise alles zusammengehalten hatte, was für das Geschäft Nutzen brachte. Vielleicht wurde einmal in einem Augen
blick anerkannt, was man gethan, aber unmittelbar darauf gleich,
als müsse der Eindruck jener kleinen Anerkennung sofort ausgelöscht
werden, war die Nörgelei der Vorgesetzten am schlimmsten. Seitdem ich das gemerkt habe, bin ich auch nicht einen Mil limeter über das hinausgegangen, was ich unbedingt thun muß.
Ich habe anderen nach rechts rmd links Teile meiner Arbeit ab
getreten und führe nun ein einigermaßen gemütliches Leben, was die mir obliegende Arbeitslast angeht. Nie zuvor habe ich es so
gut gehabt und werde fortan nie mehr so angestrengt arbeiten, wie ich in der ersten Zeit meines Geschäftslebens, als ich noch voller Ideale war, bei diesem und jenem meiner früheren Chefs gethan habe.
73 Fast kommt es mir vor, als ob meine Chefs immer gefühlt hätten, daß sie mich für meine Leistungen nicht genügend ent schädigten.
Da sie aber doch keine Dankesschuld anerkennen oder
sie irgendwie von sich abladen wollten, so scheinen sie ihres Gewissens Stimme dadurch haben zum Schweigen bringen wollen, daß sie bei mir an allen Ecken und Enden nörgelten. Die meisten Chefs (wenigstens dachten alle so, die ich kennen gelernt, in Breslau wie in Frankfurt a. O., in Köln wie in Straß burg) meinen, sie vereinigten alle Weisheit in sich, und wollen
bloße Maschinen, die ihre Befehle ausführen und damit basta.
Sie bezahlen sie ja dafür, das ist alles. Sie meinen: „Lieber etwas be
schränkte, aber folgsame Leute haben, als solche, die widersprechen,
die manches auch selber wissen wollen." Es ist aber doch nun natürlich, daß ein denkender Mensch, wie unser einer es doch schließ lich auch sein will, seine eigne Meinung hat und sie gelegentlich zum Ausdruck bringt.
Aber im Geschäft soll das nicht sein.
Man muß sich also in die Verhältnisse fügen, ob's einem
schwer wird oder nicht, das ist ganz gleich: man muß eben.
In einem Punkt bin ich gezwungen, Ihnen auf's allerentschiedenste zu widersprechen, oder lieber Sie aufzuklären, weil Sie sich eine total falsche Ansicht von meiner Lebenshaltung machen.
Freilich, Sie haben mich seit über einem Jahrzehnt nicht mehr ge
sehen und gesprochen, und daher ist das Mißverständnis ganz be greiflich: in diesen Jahren ändert man doch seine Meinungen und seine Handlungsweise ein wenig. Ich bin alt genug, um mich vor einem
Mißklang zwischen Einnahmen und Ausgaben zu hüten, von den:
ich ja übrigens selber die schwersten Folgen zu tragen hätte. Ich werde niemals den Boden der 'Wirklichkeit verlassen und nie einen
Schritt vorwärts gehen, ehe ich inich nicht überzeugt habe, daß der Stein, auf den ich treten will, ganz fest und sicher liegt.
Wenn ich das nicht aus meiner eigenen Einsicht wüßte, so würde,
mein kaufmännischer Beruf es mich lehren. Ich könnte mich ja jetzt und jederzeit selbständig machen. Mein Einkommen und mein Alter berechtigen mich dazu. Aber so sehr ich mich darnach sehne, so weit zu sein, so bin ich doch so ver nünftig mir zu sagen: ich will erst noch warten und meine Er sparnisse so groß machen, daß ich gegen Schicksalsschläge geschützt
74 bin, soweit es in menschlicher Macht liegt. Ich muß darin umsomehr Vorsicht üben, als meine Stellung nicht wie die eines Beamten absolut sicher ist, und nicht die Pension ein bringt, wenn ich meine Kräfte einst in der Erfüllung meiner Pflicht verzehrt habe. Und gerade darum, weil ich jeden Tag befürchten muß, durch irgend eine Verkettung von Umständen meine Stellung nnb mein Brot zu verlieren, so bin ich für diesen Fall um so besser daran, je mehr ich habe. Wenn ich also meine Selbständigkeit erstrebe, so thue ich das lediglich um meiner selbst willen, im eigenen Interesse. Sie haben ganz recht, wenn Sie sagen, daß unser Leben aus lauter Widersprüchen zusammengesetzt sei, und schwer oder unmöglich sei es, diese Widersprüche zusammenzureimen. Wahr haftig, es ist sehr schwer. Sehr oft kommt man in die Lage, daß man trotz alles redlichen Bemühens sie nicht zusammenreimen kann, in Zweifel gerät und dann die stärksten Anstrengungen machen muß, sich aus den Banden des Zweifels loszureißen und sich wieder auf den nackten Boden der Thatsachen zu stellen. Sie bestreiten es direkt, daß mein Beruf mich bisweilen in die Lage bringe, fünf gerade sein zu lassen. Sie sind so fest von dem Gegenteil überzeugt, wie man es sein muß, wenn man nicht weiß, was das Geschäftsleben mit sich bringt. Gestatten Sie, daß ich Ihnen ein Beispiel erzähle, wie es nicht einmal, sondern hundertmal vorkommt: ein Kaufmann setzt auf einer Geschäftsreise in einem großen Hause zu X. einen neuen Artikel 30 Prozent teurer ab als der eigentlich festgesetzte Preis war. Einige Zeit später macht ein Reisender derselben Firma in Y. für ein anderes Haus, das er gleichfalls vertritt, Geschäfte. Dabei nimmt er auch die Muster der ersten Firma mit und kommt auch zu jenem Hause in X. Hier fällt das Muster des besagten 30 Prozent zu teuer verkauften Artikels dem Käufer auf, weil ganz zufällig das hier nicht zur Vorlage bestimmte Musterbuch sich öffnet und ebenso zufällig des Käufers Blick darauf gerät. Es wird nach dem Preis gefragt. Er erfährt, daß derselbe 30 Prozent niedriger sei, als ihm gesagt worden. Natürlich wird er darüber ungehalten und bittet die Firma um Aufklärung. Darauf großes Erschrecken, denn der erste Reisende hat sein „Geschäftchen" bei der Heimkehr offen
75 erzählt und ist darüber vom Inhaber der Firma belobigt worden.
Jetzt handelte es sich darum, erstens den Schaden, der durch nach träglichen Preisnachlaß entstanden wäre (es kamen hier 800 M. in Betracht), zu vermeiden; ferner, den Mann als guten Kunden zu behalten.
Wäre ihm der Wahrheit gemäß geschrieben worden:
die Sachen sind ihnen zu teuer verkauft worden, so hätte jener Mann niemals mehr ein Stück bei jener Firma gekauft, und
die 800 M. wären verloren gewesen.
Da setzt sich denn auf
Befehl irgend so ein junger Mann hin und schmiedet für den Mann ein langes Märchen zurecht, und wenn er fertig ist, sagt er
sich selber: dieser ganze Brief ist eine einzige Lüge. In diesem Fall Hat er also doch mit Wissen und Willen
gelogen, indem er ein möglichst glaubwürdiges Märchen erfinden und aufschreiben mußte. Sie werden einwenden, von müssen sei hier keine Rede,
selbst der jüngste Lehrling hätte hier die Pflicht gehabt, seinem Chef gegenüber
die Ansicht zu vertreten, daß dem betrogenen
Kunden die Wahrheit einzugestehen sei, oder er hätte sich mindestens der Ausrede bedienen sollen, er wisse nicht,
herausziehen könne.
wie man sich da
Beides läßt sich in der Theorie ausgezeichnet
verteidigen, in der Praxis es auszuführen ist unmöglich. Solch junger Mann hat also (und wie oft bin ich in der selben Lage gewesen) wissentlich hilfreiche Hand zum Betrüge geliehen; ob mit völlig freiem Willen, das will ich nicht ent scheiden.
Jedenfalls ist es ein gräßlich Ding, eine wohlgeplante
Lüge schwarz auf weiß in die Welt hinausgehen zu lassen. Ein anderes Beispiel.
Da ist ein Kunde, der ganz hübsch
kauft, aber — eine ganz dumme Marotte — stets einen ExtraRabatt beansprucht. Vielleicht läßt' man sich das erste Mal
einen kleinen Verlust gefallen, weil man den Kunden nicht ver lieren möchte; man gibt ihm den Rabatt, den er begehrt. Das nächste Mal aber setzt man die Preise einfach um so viel höher als der Rabatt sie kürzt. Der Mann bildet sich also ein, um so viel billiger zu kaufen: man täuscht ihn mit Ueberlegung. Würde man aber dem Kunden den verlangten Extrarabatt zuerst nicht
bewilligt haben, so wäre er zum Konkurrenten gegangen — man muß also täuschen um der Selbsterhaltung willen.
76 Eine
bekannte
kaufmännische Zeitung
veröffentlichte
darin aus, daß derselbe Chef,
vor
und führte
einigen Jahren einen Artikel über Geschäftslügen
der sich mit vollem Recht stets
einen Ehrenmann nenne, keinen Anstand nehmen würde, einem Lieferanten gegenüber, blos der Konkurrenz wegen, einen billigeren
Preis vorzuschreiben, als er thatsächlich bezahle,
natürlich um
später einmal um so größere Vorteile für sich zu erzielen.
Nicht wahr, der Verfasser spricht hier mit vollster Ueberlegung eine ganz krasse Lüge aus.
Nach heutigen Geschäftsbegriffen
aber begeht er damit kein Unrecht, sondern zeigt sich gerade hierin als gewiegter Kaufmann. — Eben, da ich vom Abendessen komme, um diesen Brief fort
zusetzen,
fällt mein Blick auf den von Ihnen zitierten Grundsatz
Kants: „Handle so, daß die Maxime deines Willens zugleich als
Prinzip einer allgemeinen Gesetzgebung gelten kann."
Dabei fällt
mir ein, daß ich im Eingang dieser Zeilen sagte: ich thäte meine Pflicht um des Geldes willen, das ich damit verdiene, wobei ich allerdings zugab, daß ich diesen Satz nicht verteidigen könne.
Sie
werden mir nun, und zwar mit Recht vorwerfen, daß ich damit
einen Grundsatz des krassesten Materialismus aufstelle, daß ich
damit meinen zuerst so gerühmten Idealismus verleugne, so daß Sie mit einem Schein des Rechts mich auf der Seite der
Materialisten vermuteten. Allein Sie können sich eben nicht vor stellen, wie im Geschäft alsbald die Blüte des Idealismus verwelkt. Nur außerhalb des Geschäfts ist man ein ganzer selbständiger
Mensch, aber innerhalb des Geschäfts nichts als das leblose und
willenlose Rad an einer Maschine.
Wenn hier von allen Seiten
einander widerstrebende Luftzüge und Strömungen wehen, so wird
man eben mit Notwendigkeit ein gieriger Geldjäger und erschrickt
schließlich in ruhigen Augenblicken über sich selber. Ich möchte — mit Verlaub zu sagen — Sie an meiner
Stelle sehen, jeden Tag mit der unseligen passiven Widerstandskraft, die einem noch geblieben ist, kämpfen! Ich kämpfe ja stets noch, ob
wohl es nicht sein sollte und ich mirs nicht eingestehen will. O, es ist in der That der lächerliche Kampf Don Quixotes gegen die Wind mühlen, völlig nutzlos. Ja, wozu kämpft man nur noch? Man wird
von diesem aussichtslosen passiven Widerstand so müde, ach so müde.
77 Noch auf einige Einzelheiten Ihres Briefes lassen Sie mich zum Schluß
kommen,
obwohl es
eigentlich an
dem Ergebnis
nichts ändert. Sie sagen, Sie hätten jährlich zweimal oder dreimal eine
Zeit, wo Sie kein Geld im Hause haben, und wenn welches ein
kommt, dann seien der Ausgaben so viele, daß recht bald nichts mehr da ist.
Ich erkenne es an und bewundre es,
dabei ohne Sorge sein können.
daß Sie
Allein vergessen Sie auch nicht,
daß Ihnen die Sorge ums tägliche Brot nie in der Gestalt ent
gegentreten kann wie mir.
Sie können einfach nicht nach Willkür
aus Ihrer Stellung entfernt werden, Ihnen kann unter keinen
Umständen das tägliche Brot entzogen werden. die Sache bei mir.
Einzelnen ab,
Ich
Ganz anders liegt
hänge stets von dem Willen eines
mein Brot kann mir jederzeit durch den Willen
dieses Einzelnen genommen werden.
Und sollte ich einmal krank
werden, so bin ich lediglich auf mich selbst angewiesen und habe keinerlei Unterstützung zu erwarten, während Geistliche und Beamte
überhaupt eine jährliche Pension beziehen, die sie mindestens vor den äußersten Nahrungssorgen schützt. Meine Sorge ums tägliche Brot ist also doch wohl ganz anderer Art als die Ihre. Es ist darum meine erste Sorge im Irdischen, und ich habe
mich gewundert,
daß Sie meine Worte anders verstanden und
etwas Atheismus dahinter vermutet
haben,
es ist meine erste
irdische Sorge, mein täglich Brot und sicheres Durchkommen zu haben. —
Ueberschaue ich noch einmal, was ich geschrieben, so tritt darin meine ganze innere Zerfahrenheit und Zerrissenheit zu Tage,
eine Zerfahrenheit, die ich mir nicht erklären kann, die ich aber fühle, die mich um so stärker drückt, je klarer ich sie erkenne.
Sie werden mir hierauf wahrscheinlich wieder von Ihrem theologischen Standpunkt aus
nicht vorgreifen.
antworten und — doch ich will
Schließlich würde eben nichts geändert, uitb so
bin ich denn glücklich nach einem großen Kreisläufe wieder am Ausgangspunkt angelangt und genau so klug wie zuvor. Wollen Sie mich bitte nicht mißverstehen. Es thut wohl, wenn man sich einmal alles so recht von der Seele herunterge sprochen oder geschrieben hat, wenn man sich für einen Augenblick
78 in die Vorstellung hineinträumt, als könne man alles abschütteln.
Muß auch nachher das alte Lied weiter gesungen werden, so thut
das nichts:
die Erinnerung
an die
verlebten
schönen
Augenblicke begleiten einen beim Weitertreten in der gewohnten Mühle, und man fühlt doch das Wehe nicht so wie vorher.
Einzelne Dinge gibts ja auch, die ich, Dank Ihrer treuen
Beratung, in Zukunft mit anderen Augen anschauen werde: davon bin ich schon jetzt überzeugt. Und einen, wenn auch noch so kleinen Schritt auf der Bahn der Erkenntnis vorwärts gekommen zu sein, ist auch ein Gewinn, den Sie mir verschafft haben. Lassen Sie mich damit für heute schließen, und wenn nicht
im alten Jahre, so doch im neuen Jahre Ihre Antwort haben.
Ich sage das, weil ich weiß, wie sehr Sie in der bevorstehenden Festzeit von den Pflichten des Amtes in Anspruch genommen sind.
Mit den herzlichsten Grüßen Ihr dankbarer ....
VI. Teurer Freund! Wiewohl das Weihnachtsfest vor der Thüre
steht, habe ich doch unter dem Drang anderer Arbeiten ein Stündchen zur Erholung erübrigt, das ihnen gewidmet sein soll.
Es ist am
Ende für die Sache selbst recht günstig, wenn wir sie im Licht
des seine Strahlen weit vorauswerfenden Weihnachtsfestes be trachten.
Denn
es
ist
gewiß:
aller Idealismus
hat
seine
Wurzeln in der transcendenten Sphäre, oder religiös gesagt: in
der Ewigkeit.
Und diese Transcendenz oder Ewigkeit wird für
uns und alle Menschen in der Krippe zu Bethlehem offenbar. Der Mensch Jesus Ehristus ist das Ideal, und in ihm, welcher
Gott und Welt, den Menschen und was droben ist, zur Einheit verbindet, in ihm können wir finden, was unser Herz stillt, alle unsere Fragen beantwortet und uns unvergängliche Hoffnung ver
leiht, sodaß wir alsdann mit Freuden und im Frieden unsere
Straße ziehen, der Liebe Gottes des Vaters gewiß und der felsen festen Ueberzeugung lebend, daß im§ alles zum Besten dienen nnch.
Das Leben, welches in Jesus erschienen ist und von, Jesus aus geht, macht Eindruck auf jeden, der ihm seines Herzens Pforten öffnet. Je mehr wir hineintauchen in die Erkenntnis und Gemein-
79 schäft Jesu Christi, um so mehr schlagen wir in der Ewigkeit
Wurzel und sind in der That befriedigt, erhaben über alle Nöte, Sorgen, Kümmernisse und Plagen des Lebens, obwohl wir noch
mitten darin stehen.
Es liegt alles daran, daß ein Mensch Jesum
kennt, recht kennt. Ach wenn ich nur Jesum recht kenne und weiß, So hab ich der Weisheit vollkommensten Preis.
Leider kennen ihn die allermeisten Christen nicht.
Sie kennen
wohl Geschichten, die von ihm handeln, den äußeren Gang seines Lebens, auch was von ihm imb über ihn gelehrt wird, sei's nach
Bibel, Gesangbuch und Katechismus oder in theologischen Schriften.
Aber sie kennen ihn selbst nicht.
Denn man muß ihn kennen, wie
man seinen besten Freund kennt.
Ihm muß man ins Herz sehen:
an seinen Gedanken, an seinem Wesen und Leben teilnehmen, im Innersten mit ihm eins sein, so daß wir in ihm die Wurzel und
den Quell und die Kraft all unseres Lebens und Thuns, unseres
Denkens und Wollens haben, das heißt, ihn kennen, oder wie' der
gebräuchliche Ausdruck lautet: an ihn glauben. Jesus in die Welt geboren ist,
Daß der Mensch
ein Heiliger und Gerechter, die
Liebe und das Leben in eigener Person, das ist der Mittelpunkt
der Welt- und Menschengeschichte, und soll der Mittelpunkt jeglichen
Menschenlebens sein, damit ihm zur Vollendung geholfen werde. Daß Jesus uns und allen, die sein begehren, das Geheimnis seiner
Persönlichkeit aufgeschlossen hat und denen,
die seines Vaters
Willen thun wollen, verspricht: sie sollen erfahren, daß meine Lehre von Gott sei, das ist wahre Hoffnung, die einzige und zu
gleich vollkommene Hoffnung für alle gequälten, suchenden, ehrlich strebenden Menschenkinder.
Freilich, in seiner Gegenwart erblaßt zunächst aller Schein
unserer eigenen Bemühungen.
Hier wird mein eigen Elend und
meine ganze Verworfenheit mir klar, entsetzlich klar in dem Bilde
des Menschensohnes ohnegleichen. Aber seine heilige Liebe hat es an sich, daß sie mich nicht wieder losläßt, nachdem ich einmal in Ihre Nähe gekommen bin. Hab ich einmal den Quell des Lebens, welcher Jesus heißt, so kann ich mich nie satt daran trinken. Die Größe seines Berufs, der Welt das Heil zu bringen, die Schwierigkeiten und die Hindernisse, die ihn: in der Feindschaft
80 seiner Obrigkeit, in der Sinnlichkeit der Menge, in der Ehrsucht der Pharisäer, in der Unbeständigkeit und Verständnislosigkeit seiner
Jünger entgegentraten, die Treue, mit der er gleichwohl jedermann liebend, suchend, helfend, tröstend nachging, der Ernst, mit dem er die übelwollenden Widersacher zurückwies, die Heuchler nieder
schmetterte, die Geduld, Demut und Sanftmut, womit er die ihm auferlegten Leiden, die ihm zugefügten Kränkungen und Martern
bis zum Tode ertrug, ob er gleich die höchste Ehre, dankbarste Anerkennung und innigste Liebe verdient hätte: das alles zusammen
macht es gewiß, daß er, obwohl er zum Schein vergeblich, in der That doch zum höchsten Segen aller Welt gelebt hat,
daß er in
einer Welt der Sünde, der Not, des Kampfes durch Tragen dieser bösen Mächte ihnen den Stachel ausgerissen, sie überwunden hat,
gerade weil er gebrochen unter ihnen zusainmensank; daß er nicht
aus dieser Welt stammte, sondern vom Vater kam und ausgerüstet mit der Kraft aus der Höhe sich in dieser Welt als wahrhaftiger Gott darstellte. Nachdem seines Lebens äußeres Gerüst zerschlagen, blieb der Geist, der in ihm war, Sieger und ist bis auf diesen
Tag Sieger und Herr über die ganze Erde.
Nach fernem Tode fuhr er gen Himmel und herrscht nun in der Herrlichkeit, real und
wesenhaft verbunden mit einem jeden, der auf seinen Namen
getauft, täglich mit ihn: sein Leben führt, aus seinem Reichtum
sich Kraft und Beistand holt und immer besser an ihn glauben lernt, glauben in dem vorhin erklärten Sinn des Worts. Das ist die Meinung, wenn die Kirche sagt: er ist der wahrhaftige Gott,
und allein im Glauben an ihn ist Seligkeit.
Das ist der Jesus,
dessen Geburt wir Weihnachten feiern, und daß Ihnen von dieses Jesu Erkenntnis durch Sinnen und
Gebet, durch
aufrichtiges
Trachten einiges Licht aufgehe und Ihnen in Ihrer besonderen Lage des Ringens und Wägens zur Klarheit und zum Frieden
diene, das ist mein herzlichster Weihnachtswunsch für Sie.
Es
ist wahr: nur wer Jesu«: nicht kennt, schlecht kennt, halb kennt, mag ihn verachten, gleichgiltig ihn vergessen, nicht anders als gelegentlich
ihn ins Herz aufnehmen. Aber wer ihn kennt ganz und gar, so weit es Menschen im Gewände der Sterblichkeit und im Staub
der Sünde vermögen, der kann nicht anders als von Herzen sich
freuen, daß solch Heiland geboren ist, und das Kind in Bethlehems
81 Krippe ist seines Herzens höchste Freude, die ihm ewiglich genügt, so daß ihm nichts mehr fehlt.
Sie merken, daß es nur ein Mißverständnis sein kann, wenn Sie aus
meinem vorigen Brief die Beschuldigung
des
Dennoch kann ich nicht leugnen, daß ich vor Augen sehe, wie Sie unter dem Bann einer WeltAtheismus herausgelesen haben.
und Lebensanschauung stehen, die Sie, wie gerne Sie es möchten, nicht zur Befriedigung, geschweige zum Frieden kommen läßt. Sie
empfinden das auch und geben es gewiß zu.
Aber auch eine
neue Welt- und Lebensanschauung will erarbeitet und erkämpft, anderseits geschenkt von oben und demütig angenommen sein.
Nicht von heute auf morgen geht das, sondern es gehört Zeit
dazu, oft viel Zeit, wie Gott es ordnet.
Ihm vertrauen Sie nur
und lassen Sie nicht ab, zu streben und zu beten, dann wird das Ende gut, und nach dem Kampf folgt der Sieg.
Auch das ist Mißverstand, wenn Sie in meinen Aus führungen
etwas
Fatalismus
entdecken.
Allerdings
Moslem: Allah hats gemeint, ergo es sei so.
sagt
der
Und Allah handelt
nach Willkür; blindlings beugt sich der Mensch und thut nichts dazu, nichts dafür, nichts dawider.
Wenn ich aber als Christ den
scheinbar gleichlautenden Satz gegenüberstellte: Gott hats gemeint und gemacht, ergo es sei so, dann ist zwischen diesem Satz und
dem des Moslem ein himmelweiter Unterschied.
Als Christ weiß
ich durch die Erkenntnis Jesu Christi (f. o.), daß dieser Gott mein Vater ist, der mich lieb hat und mich zu meinem höchsten Ziele, zur Vollkommenheit und zum Glück (zur Seligkeit, sagt die Schrift)
leiten will, der ganz genau weiß, was er thut, und der es thut zu meinem Besten und Heil. Ich bin es ganz gewiß durch den Glauben an Christum, daß ob ich zwar selbst nicht die Zusammen
hänge des Lebens in dieser Welt durchschaue, Gott alle Fäden der Weltregierung in seinen Händen zusammenlaufen und sie nicht
nach Willkür spielen läßt, sondern in Liebe zu meinem und zugleich zu aller Heil lenkt. Dabei hat Gott mir nicht ruhiges Zusehen, müßige Bewunderung seiner Pläne geboten oder auch nur erlaubt,
sondern er hat mir sittlich-religiöse Bethätigung in diesem Welt getriebe mittels meines Berufs aufgetragen. Er verlangt von mir Arbeit und Anspannung aller meiner Kräfte und dereinst in seinem
IV
6
82 Gericht Rechenschaft von all meinem Thun; er führt gerade durch mein Thun und aller Menschen Werk (nach menschlicher Be trachtungsweise auch trotz meines Thuns und aller Menschen Werk)
seinen Liebesplan
und Heilsrat zu meinem und aller
Menschen Besten aus. Welch ein Unterschied! Dort Allah, der Allgewaltige nach Willkür schaltende, hier Gott, der Vater unseres
Herrn Jesu Christi, der allmächtige, heilige Liebe ist: dort blinde
Ergebung, hier feste Zuversicht zu dem guten Heilsgedanken Gottes;
dort die nötigste Arbeit, sonst aber und am liebsten Müßiggang, hier die Arbeit als sittliche Pflicht, von Gott aufgetragen. Sieht eine moslemitische Menschenmenge am Bosporus einen Ertrinkenden mit dem Tode ringen, so fällt es niemandem ein, zu Hilfe zu
eilen; denn ist es Allahs Wille, so hilft er dem Aermsten auch ohne das. Und was thäte man im Christenlande? — Doch das nebenbei. Sie werden erkennen, daß ich nicht rate, in Müßiggang
und blinder Ergebung alles über sich ergehen zu lassen, sondern das sage ich: Thu was du kannst. Steck dein Ziel so hoch wie immer Und das alles mit Gott und zu Gott, und das Ende und den Erfolg überlaß ihm, der alles herrlich regiert und es gut macht, auch wenns ganz und gar nicht des Menschen Meinen möglich.
und Wünschen entspricht. Wir arbeiten, thun und streiten, wir stecken uns ein Ziel und hoffen auf Erfolge. Aber was aus
unseren Gedanken und Arbeiten wird, das steht allein in Gottes Ihm wollen wirs auch überlassen, weil ers besser weiß
Hand.
als wir, und besser macht als wir.
Das ist nicht Fatalismus,
sondern Demut, christliche Demut, die Demut Christi (denken Sie an Jesus in Gethsemane, der nach seinem Gebet „nicht, wie ich will, sondern wie du willst" seine Leidens- und Todeslaufbahn
als Held und Sieger betritt).
Eben diese Demut ist der Grund
unseres Friedens, der Born einer zuversichtlichen Hoffnung und
christlicher Freude.
In solcher Demut fügt man sich auch gut-
willig im Vertrauen auf Gottes Liebe, die zum guten Ende leitet,
und nimmt sein bescheiden Teil Arbeitsertrag hin, ohne zu zweifeln,
daß es besser werden könne und besser sein müßte.
Gott sei Dank,
sagen Sie, daß mein Leben nicht im Geschäft aufgeht, daß mein
Leben im Geschäft nicht mein Ein und alles in der Welt ist, daß es Pflichten und Aufgaben außerhalb des Geschäfts gibt, groß
genug und wert, sich darüber zu freuen.
Da gibts auch Segnungen,
die Gott zuerteilt.
Darf ich Ihnen einen Rat erteilen, so machen Sie sich über Geschäft und Geschäfts-Praxis nicht zu viel Skrupeln.
Sie
werden mir zutrauen, daß ich Ihr Gewissen nicht im Entferntesten
abstumpfen will.
an, daß Ihr Streben
Ich erkenne es gerne
Aber vergessen
dahin geht, im Geschäft Ideale zu verwirklichen.
Sie auch nicht ganz, das Leben zu nehmen, wie es ist. Ueberlassen
Sie denen die Verantwortung, welche sie zu tragen haben.
Sie
sind nicht das Geschäft, sondern im Geschäft, ein Rad oder ein
Rädchen in der Maschine, wie Sie so
oft sagen.
Sie möchten
mehr sein, aber es ist die Wahrheit: Sie sind blos Rad. Darum
wenn
also:
es
Sie
Ihnen
ihn
der
Chef
verantworten.
einen
In
Auftrag
diesem
Maschine, thatsächlich nicht mehr.
Fall
gibt, so
sind
Sie
lassen eine
Schließlich ist ein jeder manch
mal in der Lage, unbewußt oder bewußt etwas thun zu müssen,
was ihm nicht richtig scheint,
auch jeder Beamte bei mancherlei
Es ist schwer, hier allgemein zu
Anordnungen zu seiner Behörde.
entscheiden, wie weit der Gehorsam gehen soll, wo das Gewissen zum passiven oder
muß.
aktiven Widerstand gegen die Oberen treiben
Die Hauptsache ist, thun Sie das Ihre mit Redlichkeit und
Treue, nach Pflicht und Gewissen, protestiren Sie gegen das Un recht, für
wo
Ihre
und
wie Sie können.
Prinzipale und alle
Vor allem aber beten Sie
unredlichen Geschäftsleute,
daß
Gott ihnen einen geraden Sinn der Wahrheit gebe, ernst und anhaltend.
Im Uebrigen aber lassen Sie das Geschäft laufen,
wie es läuft und einen Jeden das, Seine, den Chef aber das Ganze verantworten.
Bist du nur ein Rädchen an der Maschine,
wohlan, so wolle auch nicht mehr sein.
Gelegenheit, Ihren recht
lichen Sinn zu bethätigen, werden Sie immer genug haben.
Verzeihen Sie, wenn ich
schließen muß.
Mache ich aber
jetzt kein Ende, so fürchte ich, würde es doch noch nach Weihnachten werden, ehe der Brief abgeht.
Es grüßt bestens
Ihr treulich verbundener ....
84 VII. Sehr verehrter Herr Pastor! Sie fassen die Ausführungen
des ersten Teils Ihres letzten Briefes in den Satz zusammen: „Eine neue Welt- und Lebensanschauung muß erarbeitet und
erkämpft sein."
Mit Absicht lasse ich an dieser Stelle den Nach
satz: „andererseits geschenkt von oben und angenommen" bei Seite, weil ich später darauf zurückkommen möchte. Sie haben recht, „will erarbeitet und erkämpft sein". Aber wie schwer das ist, wenn man so mitten im Leben steht, das ist gar nicht zu sagen.
Sie sind auch hier in einer ganz anderen Lage wie ich.
In erster Linie ist Ihnen, wie ich im KonfirmandenUnterricht aus Ihrem eigenen Munde gehört zu habeu mich er innere, nie der Kinderglaube abhanden gekommen, vielmehr hat er sich stets geradlinig entwickelt.
allerlei
Lebenslagen
gestanden
Wohl haben Sie bisweilen in und mit
mancherlei
Menschen
zu thun gehabt, die Sie sich anders gewünscht hätten, allein Sie
hatten doch stets den lieben Beruf, der Ihnen auch Ihr Brot gab.
Wenn Sie auch in Ihrer amtlichen Stellung an den ver
schiedensten Orten stets mit den verschiedensten Leuten in Berührung kamen und sich eine große Menschenkenntnis seit mehr als drei Jahrzehnten erwarben, so haben Sie doch nie die Menschen so bis ins Kleinste hinein verfolgen können, wie es mir in Hunderten von Fällen möglich war, so daß
es Ekel an den Menschen in
mir erregte und großzog.
Mein Lebensweg in den letzten elf Jahren (so lange ist es
her, daß ich die Schule verlassen) war darnach angethan.
meiner Lehrzeit zu Berlin hatte ich einen
In
Chef, welcher der
Meinung war: Der eigentliche Mensch fängt erst beim Akademiker
an.
Einen anderen lernte ich in Straßburg kennen, der meinen
Guten-Morgen-Gruß im Comptoir zurückwies mit den Worten: Lassen Sie das, thun Sie nur Ihre Pflicht! Ich versuchte es auch mit mehr als einem christlichen Verein, war in Jünglingsver
einen, Missionsvereinen u. dgl. Mitglied: dort lernte ich die „Frommen" kennen, die ihren Worten nach Engel, ihren Thaten nach aber — nur Menschen waren, um nichts anderes zu sagen.
Sogenannte hochgebildete Leute, anerkannt christliche Charaktere, sah ich aus nächster Nähe, von denen ich mich mit Abscheu abwandte,
85 die aber doch vielfach eine maßgebende Rolle spielten.
Ach wenn
ich in ihr alltägliches Leben, in ihre Häuslichkeit nie hinein geschaut hätte! So erkaltete hier mein Interesse an der Kirche und am
Christenglauben, der mir einst so teuer gewesen. Ich wandte mich nach der entgegengesetzten Seite. Dann kam der Druck, den gewisse wohlmeinende Freunde auf mich ausübten; ein Druck, der in allerlei Bemerkungen und Handlungen sich kundgab und letztlich
auf meine „Bekehrung" abzielte. Es schien mir, nach den Personen zu schließen,
die ich als „Fromme" „Gläubige"
„Gotteskinder"
kennen lernte, als wenn die Quintessenz der Frömmigkeit das Geldverdienen, das reichliche Geldverdienen sei; so klang es wenig stens aus vielen Wendungen heraus.
Man versuchte mich mit
Gewalt zum Kirchengehen zu bewegen: Vertreter der „Heils
armee" und des „Jugendbundes für entschiedenes Christentum" bestürmten mich eine Zeit lang täglich.
Inzwischen wurde in
mir die Erkenntnis immer klarer, was eigentlich mein Beruf sei
und in sich fasse. Das alles kam zusammen und machte mir das Leben schwer. Und als ich dann gar eines Tages von einem „Christen" das Wort hören mußte, ich sei nicht wert, daß Gottes
Sonne über mir scheine — ach das vergißt man sein Leben
nicht.
Kurz, um keinen Preis möchte ich diese Jahre des Hastens
und Jagens, die mich schließlich aus dem Vaterland verjagten, noch einmal durchkämpfen: in Brasilien, in Chile, in Neu-Guinea
versuchte ich mein Glück und hielt doch überall nur wenige Monate aus.
Ich war nahe daran, völlig zu verbittern, und nur einen
oder zwei treuen Freunden habe ich es nächst meinem Gott und der Erinnerung an die längst entschlafenen Eltern und Ihre Person zu verdanken, daß meine Lebenslust, ich meine, meine Lust zu
leben, nicht vernichtet wurde. Einer meiner Freunde, in ähnlicher Bedrängnis, ging eben
falls in die Welt, er brachte es glücklich bis Mannheim, wo er
in zweijähriger Thätigkeit (er wollte sich dort gründlich fortbilden) so weit kam, daß er mit einem Portier, einem Schlosser und dem
Maschinisten eines Rheindampfers Bekanntschaft schloß. Nun, dazu hätte er am Ende nicht zwei Jahre in die Fremde zu gehen brauchen. Ich will damit nichts weiter gesagt haben, als daß
86 jener mein guter Freund die Vorteile nicht erkannte, die ihm die
Stellung in einer fremden Stadt bot, daß er daher auch seine Weltpläne bald aufgab.
Es ist vielleicht begreiflich, daß solche
Erfahrungen und Vorkommnisse, alle zusammen genommen, auf
mich einen tiefen Eindruck machten. Kurz, durch dies alles, was ich beim Aufenthalt in mehreren
Ländern und Weltteilen, nicht am wenigsten aber im eigenen Vater land, in Geschäft und Leben vor Augen sah, ward mein harmloser Kinderglaube völlig vernichtet, und an seine Stelle trat vorläufig ein wüstes Chaos. Wenn in jenen Jahren die Frage an mich
gerichtet wurde, wie ich zu den Dingen der Religion stehe, lehnte ich regelmäßig eine direkte Antwort ab, mit der Begründung, ich
sei mit mir selber darüber nicht im Reinen.
Nichtsdestoweniger
habe ich manchmal eine Gelegenheit, die sich bot, ergriffen und in
Disputationen meinen Gegnern gegenüber je nachdem den christ lichen oder atheistischen Standpunkt vertreten.
Immer kam ich
dabei auf neue Gedanken, warf Fragen auf, ohne Antwort zu erhalten, hörte natürlich auch manche Fragen, auf welche ich die Antwort schuldig bleiben mußte.
Sie werden mir vielleicht Recht geben, wenn ich sage, daß ich eine reine Null hätte sein müssen, wenn alle diese Umstände nicht mein inneres Leben einer radikalen Umgestaltung unter
worfen hätten.
Soweit ging diese Umgestaltung, daß ich aus dem
blinden Kinderglauben in völligen Atheismus geriet.
Ich habe
damals manche gute und viele schlechte Schriften gelesen, solche, die vom streng-gläubig christlichen Standpunkt aus geschrieben
waren, und solche aus dem gegnerischen Lager. Eine Klärung meiner Seele fand erst statt, als ich mit der Zeit doch auch in manche Familie eingeführt wurde, wo ich ein wirklich glückliches
Familienleben fand trotz des christlichen Standpunktes der Familienglieder, wie ich urteilen mußte. Bisher nämlich hatte ich gesundes, einträchtiges Familienleben nur
in
solchen
Häusern
gefunden, die nicht zu den christlich gesinnten gehörten.
Es trat
eine innere Heilung ein, eine zehnjährige Krisis hatte ich über standen, aber Sie werden demgemäß einsehen, daß es nach allein
für mich furchtbar schwer ist, sich zu der Anschauung durchzuringen, die Sie in Ihrem .....
87 Mehr als zwei Monate sind vergangen, seit ich diese Zeilen niederschrieb.
Erst heute komme ich dazu, fortzufahren.
Die Auseinandersetzungen, die ich in diesem Brief gegeben,
fasse ich darin zusammen, daß ich nur in zwei Punkten mit Ihnen völlig zusammengehen kann, erstlich im Glauben an Gott, den Schöpfer und Erhalter, sodann in der Erkenntnis der Erbärmlich keit aller Menschen und der eigenen Erbärmlichkeit. Ich kann
mich nicht mit den Lehren der Kirche einverstanden erklären, ich
kann mich ihnen nicht beugen.
Hoffenüich verlangen Sie das
nicht von mir und behaupten nicht, daß es notwendig sei. Damit
will ich aber nicht gesagt haben, jene Lehren seien an sich über flüssig. Auch werde ich sie niemals bekämpfen. Ich meine: dem Einen ist nötig, was dem Andern ganz unnötig ist.
hoffentlich nicht engherzig
genug,
Sie sind
daß Sie diesem Standpunkt
nicht auch sein Recht gewähren sollten. Für einen Pastor denke ich es mir sehr schwer, in einer s. g. kirchlichen oder orthodoxen Gemeinde ein Amt zn führen, weil die
Gemeindeglieder oft so fürchterlich eng sind.
In England und
selbst in einigen Gegenden Deutschlands habe ich wahrgenommen, wie es als Todsünde gebrandmarkt wurde, wenn am Sonntag musiziert, ja gar weltliche Musik getrieben ward.
Bei sehr vielen,
wenn nicht bei den meisten Leuten ist das Christentum nur Form
sache.
Sie tragen es äußerlich zur Schau, ohne den erhabenen
Lehren des Christentums irgend einen Einfluß auf ihr alltägliches Leben und auf ihren Verkehr mit ihren Mitmenschen und Unter gebenen zu gestatten, lassen hierin vielmehr nur, was dem Geld beutel frommt, entscheiden.
Das ist auch nach meiner Meinung der Grund des über raschenden Wachstums der Sozialdemokratie in Deutschland wie in den umliegenden Industrieländern, daß nicht allein die freier
denkenden, sondern auch die als fromm und kirchlich bekannten Arbeitgeber so vielfach im Verkehr mit ihren Untergebenen aus schließlich die Interessen des Geldbeutels sprechen lassen. Alle Sozialpolitik des Staates aber bringt keine Förderung, wenn nicht die Arbeitgeber ihre bisherigen Wege verlassen und ernstlich an
fangen, ihre Arbeiter als Menschen zu behandeln .... Um nun noch einmal nach einer neuen unfreiwilligen Pause
88 von 14 Tagen zur Sache zurückzukehren, so möchte ich nur noch
einmal betonen, daß es mir trotz alles Nachdenkens und redlichen
Willens nicht möglich ist, die Heilslehren der Kirche als absolute Wahrheit anzunehmen.
Daß ich Gott im Himmel und meinen
Wohlthätern auf Erden im weitesten Sinn des Worts, vor allem meinen Eltern bis über das Grab hinaus und selbstverständlich
auch Ihnen von Herzen dankbar bin, ist eine so natürliche Sache, daß ich darüber kein Wort verlieren will.
Im Uebrigen soll über
mein Thun und Lassen nur mein Gewissen richten.
Wenn mein
Gewissen mir sagt: hier hast du deine Pflicht gethan, dort hast du gefehlt, dies mußtest du thun, was du unterlassen, und das lassen, was du gethan hast, so meine ich, daß das als Welt- und Lebens
anschauung genügend ist. Tie Lehren Christi sind so erhaben,
daß
es gewiß
eine
schöne und hohe Aufgabe für den Menschen ist, ihnen und Christi Leben nachzueifern.
Leider ist damit stets das drückende Gefühl
verbunden, daß es niemals einen Menschen gegeben hat noch geben
wird, der dies Vorbild erreicht. von seiner
Geburt
und
Eine Disputation über die Lehre
ähnliches
lehne
ich
ab,
weil
hier
keine Ueberführung möglich ist, sondern allein der Glaube reden kann. Ich werde gegen die Wunder niemals einen Zweifel äußern, allein meine Ansicht in dieser Sache muß mir auch unbenommen
bleiben.
Gerne will ich mich aber eines Besseren belehren lassen.
Cristi Lehren sind ideale Lehren: nach ihnen muß der Mensch leben, so muß er sein, wenn er Frieden im Herzen haben will» Und wenn der Mensch in allen Stücken sich ernsthaft bestrebt,
diesen: Vorbilde nachzueifern, so wird die Gottheit mit ihm gewiß
darin Nachsicht haben, daß er dennoch oft gegen sein Vorbild
verstieß und wider seinen Willen handelte, der doch der beste war. Zeit und Gelegenheit, Verhältnisse und Umstände spielen dabei eine so große Rolle, daß sich allgemeine Vorschriften nicht auf stellen lassen.
Nur soll sich der Christ bei allem, was er thut
und läßt, über die Frage klar sein: „was würde unser Meister
Christus in diesem Fall gethan haben?" Damit möchte ich für diesmal meine Ausführungen schließen,
doch da fällt mir gerade etwas ein, was ich eigentlich vorhin einflechten wollte, was mir aber durch eine Störung, die dazwischen kam, entfiel.
89 Als Christus das Abendmahl einsetzte und Brot und Wein
als Sinnbilder seines Fleisches und Blutes seinen Jüngern dar reichte, wollte
er
ihnen
ein
für ihre
Schwachheit
verständ
liches Bild dafür geben, wie sie mit ihm ganz eins werden sollten, ein Sinnbild der geistigen Gemeinschaft mit ihm.
Denn wie das
Brot und der Wein durch den Mund in den Magen gelangen und von dort aus (früher begünstigt durch das vor dem Genuß
des heiligen Abendmahls übliche Fasten) in den ganzen Körper dringen, so soll Christus mit dem ganzen Menschen eins werden. Christus setzte also im heiligen Abendmahl ein Sinnbild ein, um
uns zu verstehen zu geben, wie er ganz in uns aufgehen muß,
um uns in Stand zu setzen, seinen Lehren gemäß zu handeln. Und nun lassen Sie mich bitte wissen, ob Sie auf Grund dieser meiner Auffassung vom Abendmahl mir gegebenen Falls das heilige Abendmahl geben oder verweigern würden, wenn ich
zur Begründung meines Verlangens
hinzusetzte, daß ich fühle,
wie ich dieser sinnbildlichen Stärkung bedürfe, um auf meinem
Wege in der Nacheiferung meines Vorbildes Christi fortschreiten zu können.
Bitte geben Sie mir (namentlich des letzteren Punktes wegen)
ohne
Verzug
(der meinige war unfreiwillig)
Antwort und
empfangen Sie inzwischen die herzlichsten Grüße
von Ihrem dankbar verbundenen
.....
VIII. Liebster Freund. Was lange währt, wird gut: das sieht man wieder einmal
an Ihrem Brief.
Oft schon hatte mich abwechselnd tiefe Traurig
keit und heftige Verzweiflung gepackt, als seit Weihnachten bis in die ersten Apriltage hinein keine Antwort von Ihnen kommen wollte. Nun endlich ist sie da und hat mir am zweiten Osterfest
tag nach beinahe überstandener schwerer Festtagsarbeit große Freude, sehr große Freude bereitet. Warum? Sie sollen es bald hören. Zuerst bin ich Ihnen sehr dankbar für die Grundrisse Ihres Lebensganges und die Zeichnung Ihrer inneren Entwicklung in den letzten zehn Jahren. Ich begreife, warum Sie so handelten,
wie Sie handelten, auch wie es dadurch zu den heftigsten Konflikten
90 in Ihrer Brust kommen mußte.
Das Beste wäre freilich ge
wesen, Sie hätten sich schon vor Jahren an einen erfahrenen Freund, etwa an mich gewandt: wie von Herzen gern hätte ich Sie beraten! So hätten Sie eine ruhigere Entwicklung gehabt und es wäre für
Sie Segen und Gewinn gewesen. Auch jetzt geht meine Meinung und mein Rat dahin: bleiben Sie, wo Sie sind und was Sie
sind, lassen Sie nicht ab, ehrlich zu streben, dem Aufrichtigen läßt es Gott doch endlich gelingen.
Doch lassen wir die Vergangenheit.
Ohne Segen wird auch sie nach Gottes Willen nicht bleiben. Noch kämpfen und ringen Sie, suchen und streben nach
einem Standpunkt, der Ihnen Ruhe und Herzensfrieden, der Ihnen wahre Freudigkeit zur Arbeit und unfehlbaren Trost in aller eigenen und fremden Misere gewährt. Wohlan! Ich nannte Ihnen
einen Namen, in dem aller Rätsel Lösung liegt, in dem alles beschlossen ist, was Ihnen fehlt: Jesus Christus. Sie antworten:
ich kann mich nicht mit sämtlichen Lehren der Kirche einverstanden erklären, mich ihnen nicht beugen.
Wer hat denn davon ge
sprochen? Ich doch nicht. Vor den Lehren der Kirche sich beugen, so wie Sie es meinen, wäre römisch-katholisch.
Gott sei Dank,
daß Luther uns die teure Freiheit des Glaubens wieder erworben
hat.
Von den Lehren der Kirche hatte ich bis dahin absichtlich
nicht geredet, das liegt auf einem anderen Felde.
Es kann einer
alle Lehren der Kirche annehmen, sich mit ihnen völlig einverstanden erklären, sich davor beugen, und ist doch kein rechter Christ, nicht einmal ein sittlich denkender und handelnder Mensch. Ueber die
Geburt Jesu zu disputieren, möchten Sie ablehnen? Ich auch. Mit wem wollten Sie denn darüber disputieren, oder wer mit
ihnen? Ich merke überall, daß Sie noch unter dem Bann einer
Menge von Vorurteilen stehen, sofern es sich um Fragen des Christentums handelt.
Es sind das allerdings weit verbreitete
Vorurteile, an denen Sie selber unschuldig sind.
Ich könnte das
an einer Menge von Einzelheiten nachweisen, will aber vorläufig darauf verzichten, weil es jetzt ein fruchtloses Bemühen wäre, will
nur das noch einmal sagen und mit Nachdruck behaupten: beim Christentum kommt es einzig und allein auf die Person Jesu an, auf keine kirchliche Lehre über Jesus, auf keine übernatürliche,
unverständliche Enthüllung über ihn, nicht einmal auf die Lehren,
91 die er uns gegeben hat.
Das alles kommt erst in zweiter Linie,
die Hauptsache ist die Person Jesu selber.
Sehen Sie doch zunächst einmal Jesum nur als eine Gestalt
an, die in der Weltgeschichte ihren Platz hat.
Tritt da vor bald
1900 Jahren in dem kleinen Israel ein Mann auf, der auf alle einen gewaltigen, tiefen Eindruck macht, daß sie sich entweder ihm
in Todesfeindschaft gegenüberstellen, oder sich mit Leib und Seele Der Mann behauptet nichts mehr
bis in den Tod ihm ergeben.
und nichts weniger, als daß er mit Gott im Bunde stehe, daß er
Gott ganz auf seiner Seite habe,
und gar eins sei.
daß er mit Gott selber ganz
Was sage ich? er behauptet das? Nun, ähn
liches haben auch andere von sich behauptet.
Aber er lebt es
vor, er handelt so, er leidet so, sein ganzes Leben und Wesen entspricht dem.
Eine rastlose Thätigkeit hebt er an, um in seinem
Volk hier und da Seelen an sich zu ziehen und durch sich mit Gott in die innigste Gemeinschaft zu
versetzen.
unergründlich, er gönnt sich selber keine Ruhe.
Gleichgiltigkeit, nicht der bitterste Haß,
Seine Liebe ist
Nicht die kälteste
nicht die süßeste Lockung
können ihn irre machen an seinem Beruf, zu dem er sich von innen getrieben fühlte, Menschenseelen mit Gott einig zu machen,
ihnen Frieden zu geben in allen Nöten des Lebens, ihnen Hoffnung in die Brust zu senken, die nie versagt.
Alles andere ist ihm
gleich, daß nur Gott und die Menschen bekannter werden, zur Einheit verbunden werden.
Die Not des Lebens, die Unruhe des
Herzens, das Bewußtsein der Schuld soll niemand mehr von Gott trennen, soll nicht mehr das stille Glück im Innern des Menschen stören.
Das alles
muß aufgehoben sein durch ihn.
macht es dieser Mann? Thun
ausschließlich,
Und wie
Nicht durch seine Rede, nicht durch sein
sondern
durch
seine
Person.
In
seiner
Persönlichkeit gewann ein jeder, der aus Not und Sünde weg strebte, den Eindruck: hier ist jemand, an dem ist erfüllt, was ich suche, hier ist Glück und Friede, trotz Kampf und Leid.
Die
Fischer und Bauern aus Galiläa, die sich zuerst zu seinen Anhängern
machen ließen, die Zöllner und groben Sünder und Verbrecher, welche sich ihm mit allem ihrem Schmerz offen aussprachen, die Elenden und Kranken, welche sich durch ihr liederliches Leben ihr
Leiden selber zugezogen hatten, fühlen sich alle durch dasselbe zu
92 ihm hingezogen.
Sie fühlten nämlich, hier ist ein Herz, das für
uns schlägt, das uns lieb hat.
Wohl steht er hoch über uns —
welch eine Ruhe und Erhabenheit in seinem Wesen, welch eine
Kraft in seinem Auftreten; wahrhaftig, etwas Göttliches, viel Gött
liches, lauter Göttliches ist in ihm.
Dennoch aber neigt er sich
zu uns herab, nennt sich unseren Freund, stellt sich zu uns auch wirklich als unser bester Freund. So gewannen sie durch seine
Persönlichkeit, wie sie in Wort, Werk und allem Wesen ihnen entgegentrat, Vertrauen zu ihm, ließen sich willig von ihm ziehen
und konnten nicht mehr von ihm loskonnnen, wie ein Kind von
seinen Eltern nicht loskommen kann (selbst wenn es sich darüber nicht klar ist).
Und dann war es seine Nähe, seine Worte, sein
ganzes Wesen voll Liebe und Macht: es gab ihnen Frieden ins
.Herz,. Trost im Leid, Kraft wider die Not, Ruhe und Seligkeit. Bei ihm fühlten sie sich wohl.
Jetzt fehlte ihnen nichts.
Person Jesu hatte es ihnen angethan für ihr Leben.
Die
Wohl traten
sie hernach in die Alltagsarbeit wieder ein, wohl hatten sie mit
vielen erbärmlichen Menschen zu thun, wohl mußten sie noch oft
kämpfen mit Leiden und Schmerzen, äußerlich und innerlich. Wer
seit sie Jesus kannten und an ihm gesehen und gelernt hatten, daß mit Gott sich alles machen, mit Gott sich alles überwinden läßt, daß wer mit Gott sich eins weiß durch Jesum, durch nichts in
aller Welt in diesem Verhältnis gestört werden kann, seitdem thaten sie ihre Arbeit mit Freuden, hatten mit allen erbärmlichen Menschen das tiefste Mitgefühl (weil sie nämlich wußten: früher
sind wir auch in unseres Herzens Sinn solche erbärmlichen Leute gewesen, erst durch den Herrn Jesus ist es besser mit uns ge worden) und hatten die Gewißheit, daß sie über Leiden und Schmerzen siegen müßten, und daß der vorerst innerliche Sieg
auch einmal durchbrechen, und sie nach diesem Erdenleben in einen
vollkommenen, herrlichen Zustand eintreten würden. An Jesus lernten seine Anhänger und Freunde beides: ein jeder seine eigene Erbärmlichkeit, ein jeder merkte, wie unlauter seine Gesinnung,
an derjenigen Jesu gemessen, war, wie hochmütig er selbst gegen
Jesu Demut, wie selbstsüchtig er gegen Jesu aufopfernden Sinn, wie materiell und auf alles Niedere gerichtet er gegen Jesu himmlische, hohe Gesinnung, birg, wie unvollkommen er gegenüber
93 Jesu Vollkommenheit, wie sündig er neben dem heiligen Jesus
stand.
Andererseits aber wußte ein jeder aus Jesu Freundschaft
und Gemeinschaft, daß sein eigenes Trachten nach Vollkommenheit
und Glück nicht vergeblich sei, daß er durch Jesus und um Jesu Hatte er doch die Erfahrung
willen das Ziel erreichen werde.
gemacht, daß seit seiner ersten Bekanntschaft mit Jesu sein Sinn
ein ganz anderer geworden,
die von Jesu erweckte Hoffnung auf
sittliche Vervollkommnung ihn nicht betrogen, daß es in der That mit ihm besser geworden, und was er früher bei ernstem sittlichen
Streben als unrnöglich erkannt, worüber er verzweifelt war, daß das jetzt ihm alles in den Schoß falle.
Petrus und vor allem Paulus,
Solche Erfahrungen haben
ein Luther .gemacht.
Daß wir
jetzt diesen Jesus nicht mehr leibhaftig unter uns haben, das ändert
an dem allen nichts,
setzt
uns
sogar in
noch günstigere Lage.
Sobald Jesus, seinem Heilandsberuf getreu, im Gehorsam gegen
Gott und die Obrigkeit, in der herzlichsten Liebe zu seinen Freunden
und Feinden, die Augen am Marterpfahl geschlossen, wurden die
Jünger allerdings eine Weile irre an ihm,
gleichwie öfter bei
seinen Lebzeiten Perioden gekommen waren, in denen sie ihn nicht verstanden
und
sein Glück verloren.
Am schlimmsten war es
mit ihnen von der Todesstunde an bis Ostern.
Sie waren schier
entsetzt über seinen Verlust und meinten, nun sei alles aus.
Und
als man ihnen sagte, Jesus sei noch im Leben, wollten sie nichts davon wissen.
Viel Mühe,
viel Zeil hat es gekostet, bis Gott
selbst sie durch leibhaftige Bezeugungen des auch im Tode lebendigen
Christus sie überzeugt hatte, ihr Meister, den ihnen Gott geschenkt
und durch
den sie mit Gott in den innigsten Bund gekommen,
dieser Meister sei wirklich und wahrhaftig lebendig, und was sie
von ihm empfangen, das bleibe ihnen ewiglich, und sie sollten es
weiter austeilen.
Aber dann waren sie auch und blieben seitdem
fest dabei und sind keinen Augenblick mehr daran irre geworden:
dieser Jesus lebt und gibt uns seine Kraft und führt uns durch
Arbeit, Not und Kampf zum seligen Ziel.
Und weil sie selbst in
sich die Kraft und das Leben Jesu trugen und die Welt ihnen
abmerkte: hier ist mehr als ein Mensch hat und kann, solche Liebe,
solche Treue, solcher Ernst, so lernten sie in den Jüngern des
Meisters Kraft und Art schätzen
und
wurden
auch
von Jesu
—
94
—
Persönlichkeit ergriffen und erfuhren dasselbe, was die Jünger erfahren hatten, daß Jesus ihnen ihre Erbärmlichkeit zum Bewußt sein gebracht, aber ihnen auch Mut und Gewißheit gab, aus dieser Erbärmlichkeit herauszukommen, ja sie eben durch seine Bekannt
schaft und Gemeinschaft aus ihrer Erbärmlichkeitschon herausgehoben Und so ist es bis zum heutigen Tag.
hatte.
Nur von Personen,
von Menschen, die etwas von Jesus Art und Kraft in sich haben, geht Leben aus auf andere, daß sie auch Jesum erkennen und Vertrauen zu ihm fassen und von ihm Friede für das Herz und
Heilung ihrer Schäden und Mut zu allem, was im Leben kommen
mag, gewinnen.. Das alles freilich ist nichts weiter als eine
Ahnung von Jesu Art und Kraft. Wer sie hat, sucht ihn dann in den Evangelien und Episteln des neuen Testaments auf und gibt sich ganz dem Eindruck hin, den seine hehre Gestalt auf ein -gequältes, ringendes Menschenherz macht. Nur in Jesus kann ein Mensch lernen, wer Gott ist, nämlich die allmächtige, heilige
sündenvergebende Liebe. Und das ist mehr als der Schöpfer, mehr als das eigene Gewissen, das ist eine ewige Persönlichkeit und Kraft, die durch Jesus in den Seinen lebt und webt, die nicht fragt: willst du mich haben? willst du dich mir beugen? Nein, sondern ehe wir uns versehn, hat uns der lebendige Gott durch Und wir fühlen uns so wohl und so glücklich und so zufrieden dabei, wenn wir also Jesum kennen und haben.
Jesum Christum zu sich gebracht.
Vielleicht darf ich hier vorläufig absetzen.
Ich wollte nichts
weiter als ihnen ein Bild davon, wenn auch nur ganz im Kleinen,
geben, was ein Christ ist und wie er wird; nicht durch Lehren, nicht durch die Kirche, nicht durch Menschen, nicht durch sich selbst,
sondern allein durch Jesus, den die Evangelien uns erzählen.
Ich sagte, daß es Menschen gibt, die etwas von Jesu Art und
Kraft in sich haben, solche heißen Christen im rechten Sinne des Worts.
Ob einer je Jesu ganze Art erreicht hat, davon wissen
wir nichts, wenigstens nicht für diese Erdenzeit.
Daß aber Jesu
Aehnlichkeit oder Gleichheit von ihm erreicht werden wird, das weiß ein jeder, der nur etwas von Jesu Art und Kraft in sich hat. Doch das ist eine .alte Erfahrung; die Außenstehenden hängen sich bei allen Christen so gern an das, was nicht, was noch nicht Jesu
95 Art und Kraft hat, und sagen: seht, die Frommen sind auch nicht besser als wir, während sie die wirklich Jesu gleiche Art, die Liebe,
Gerechtigkeit und Selbstverleugnung, den wahrhaft himmlischen Sirm verkennen, bezw. dem Handeln aus diesen Kräften der Ewigkeit falsche
Beweggründe unterschieben.
Damit soll nicht gesagt sein, daß es
nicht viel gemachte Frömmigkeit, viel Heuchelei-Christentum gibt, Christen, bei denen der äußere Schein nur die innere Hohlheit verdecken muß.
Und die Neigung zu solchem Wesen ist besonders
in solchen Gegenden groß, wo, wie in England und manchen Gegenden
Deutschlands,
selbst
Berlin nicht ausgenommen,
die
Frömmigkeit noch in weiten Kreisen einen guten Klang hat und sich mit ihr auch allerlei äußere Vorteile erwerben lassen.
Niemand
aber kann das mehr bedauern und beklagen, wenn auf solche Weise Jesu Name unter den Menschen stinkend gemacht wird, als die,
welche Jesus wirklich kennen und in seiner Liebe Kraft leben. Das ist also ein wenig von Jesus: mehr als seine Lehren, mehr als Erzählungen von ihm, mehr als alles, was andere von
ihm sagen.
Nur Jesus selbst kann einem Menschen helfen, zum
höchsten helfen, für immer und ewig. Ich verkenne keineswegs, daß Ihnen der Weg zu diesem
Jesus bisher durch viele Umstände verbaut gewesen ist,
daß Sie
vielleicht wenige oder keinen der Menschen mögen kennen gelernt haben, wie ich sie oben zu zeichnen versucht.
Aber Sie werden
es mir glauben, wenn ich sage, daß es sehr viele solcher Christen gibt, und sie nötigen zur Achtung und Ehrfurcht, erzwingen Liebe
und Zuneigung.
Es thut mir leid, daß Sie durch so viele schlechte
Christen, die Sie je und je kennen gelernt haben, am Christentum überhaupt irre werden mußten, wenn ich gleich nach allem, was
Sie mir sonst geschrieben. Sie herzlich bitten muß: vergessen Sie
nicht, daß auch in jenen der Herr Jesus eine Macht ist und auf
richtiges, wenn auch geringwertiges, unerkanntes Christentum in ihnen wohnt; unterscheiden Sie aber dieses von den mancherlei
Schwachheiten, Uebereilungen und Unklarheiten, die vom natür lichen Wesen geblieben sind.
Es ist doch wohl auch ein recht
bedenkliches (mir völlig unbegreifliches) Vorurteil, wenn Sie so
einseitig und ausschließlich gerade in diesem und jenem Hause das christliche und ein wahrhaft glückliches Familienleben gefunden
96 haben
wollen,
wenn Sie ein
Familienleben glücklich nennen,
trotzdem es Christen führen. Daß diese und jene Art der Frömmigkeit manches häßliche an sich hat, mag wohl sein. Ich
sage aber wieder: lassen Sie nur Jesum und das neue Testament, das von ihm zeugt, Maßstab und Richtschnur sein, das Andere ist
Nebensache.
Gewisse Aeußerlichkeiten und Regeln thun zum Frieden
der Seele und zum Heil der Menschheit wenig oder nichts.
So viel erkennen Sie also, daß es sich hier zunächst nicht im geringsten darum handelt, Heilslehren der Kirche als absolute Wahrheit anzunehmen. Ja nicht. Wer Ihnen das vorredet, führt Sie irre.
Die Art und Weise, die ich oben gemalt, wie eine
Seele Jesum findet, ist der Anfang des Glaubens, das Geheimnis
des Glaubens selbst ist freilich noch viel, viel mehr. Auf Ihre anderweitigen Anschauungen gehe ich mit Ab sicht nicht ein: sie sind übrigens schon durch das eben Gesagte in das rechte Licht gestellt.
Für jetzt möchte ich bei der großen
Hauptsache bleiben. Nur auf Ihre Schlußfrage will ich Ihnen zum Schluß noch
eine Antwort geben.
Wenn sich jemand mit der von Ihnen vor
getragenen Auffassung vom heiligen Abendmahl bei mir anmeldete und den Wunsch äußerte, an der Feier dieses Sakraments teilzu nehmen, so würde ich ihn als suchende Seele je nach dem Ein
druck, den ich von der persönlichen Unterredung mit ihn: gewinne,
zum heil: Abendmahl wohl zulassen.
Zugleich aber würde ich, wie
es meine seelsorgerliche Pflicht erheischt, mit ihm eine eingehende Besprechung über Sinn und Zweck des heil. Abendmahls halten
und versuchen ihn etwa zu folgender Erkenntnis anzuleiten: In
Christi Tod ist die Gewißheit seines Sieges über alle Sünden,
Not und Tod gegeben, wiewohl Christus scheinbar unterliegt. Das
ist geschichtliche Thatsache, von Gott geordnete Heilsthat.
Wenn
der Christ im heil. Abendmahl diese göttliche Heilsthat dankbar
und im Glauben feiert, mit dem herzlichen Begehr, dadurch zu seiner Lebensaufgabe, dem Kampf wider Sünde, Not und Tod,
gestärkt zu werden (mit anderen Worten: er begehrt Vergebung der Sünden und die Aneignung der in Christi Tod gestifteten
Versöhnung),
so
empfängt er
durch
Christum die gewünschte
Stärkung, und zwar nicht blos wie sonst durch das Wort, sondern
97 in der (zugleich) sinnbildlichen Form einer Mahlzeit mit Brot und
Diese Form ist aber nicht bloße Form, sondern die that
Wein.
sächliche Darreichung der himmlischen Gnade und Kräfte, die in Christo vorhanden und zu der Seinen Empfang bestimmt sind. Wo das aufrichtige, heiße Verlangen, Jesu ähnlicher zu werden, Jesu näher zu kommen, in einer Seele vorhanden ist, da ist die
genügende Vorbedingung zum gesegneten Empfang des Sakraments gegeben.
Gott der Herr wird die Seele schon weiter führen, daß
sie vollkommene Erkenntnis gewinnt. — Lassen Sie mich schließen.
Hoffentlich fügt es sich über kurz
oder lang, daß Sie Ihre ländliche Heimat wiedersehen.
Haben
Sie auch keine Eltern und Verwandte mehr weder hier am Ort noch sonstwo, so haben Sie doch Ihren alten Pastor, der sich
herzlich freuen würde, wenn Sie ihn einmal besuchten und sein Haus für einige Tage oder Wochen — ich weiß, daß Kaufleute nicht leicht längeren Urlaub haben — als Ihr Heim ansähen.
Dann wird sich, wills Gott, in mündlicher Besprechung der rechte Schlußstein auf unser Gebäude setzen lassen.
Alle Unklarheiten
werden beseitigt, und die jetzt vorhandenen guten Anfänge und
Ansätze werden fortgeführt werden können.
Ich hoffe und erbitte
von Gott, daß Sie wie ich von diesem Zusammensein gerade jetzt reichen Segen haben werden.
durch Ihren Besuch
Je eher, je lieber erfreuen Sie
Ihren Ihnen treulich verbundenen ....
Inhalt: Seite Sozialdemokratie und Christentum .... 1 Sozialdemokratie und Kirche...................................... 7 Die soziale Stellung des evangelischen Geistlichen . . 16 Die soziale Stellung der Diakonissen............................ 31 Eigentum und Arbeit................................................................. 36 Soziale Bewegungen in einem jungenKaufmannsherzen 44
Vertag bet I. Iticker'sche« Auchhandtung in Hießen.