Militärseelsorge: Verfassungs- und beamtenrechtliche Fragen der Kooperation von Staat und Kirche [1 ed.] 9783428486571, 9783428086573

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Militärseelsorge: Verfassungs- und beamtenrechtliche Fragen der Kooperation von Staat und Kirche [1 ed.]
 9783428486571, 9783428086573

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Staatskirchenrechtliche Abhandlungen Band 27

Militärseelsorge Verfassungs- und beamtenrechtliche Fragen der Kooperation von Staat und Kirche

Von

Jörg Ennuschat

Duncker & Humblot · Berlin

JÖRG ENNUSCHAT · MILITÄRSEELSORGE

Staatskirchenrechtliche Abhandlungen Herausgegeben von Alexander Hollerbach · Josef Isensee · Joseph Listi Wolfgang Loschelder · Hans Maier · Paul Mikat · Wolfgang Rüfner

Band 27

Militärseelsorge Verfassungs- und beamtenrechtliche Fragen der Kooperation von Staat und Kirche

Von

Jörg Ennuschat

Duncker & Humblot * Berlin

Schriftleitung der Reihe „Staatskirchenrechtliche Abhandlungen": Prof. Dr. Joseph Listi, LennéstraBe 15, D-53113 Bonn

Die Deutsche Bibliothek - CIP-Einheitsaufnahme

Ennuschat, Jörg: Militärseelsorge : verfassungs- und beamtenrechtliche Fragen der Kooperation von Staat und Kirche / von Jörg Ennuschat. Berlin : Duncker und Humblot, 1996 (Staatskirchenrechtliche Abhandlungen ; Bd. 27) Zugl.: Bochum, Univ., Diss., 1995 ISBN 3-428-08657-0 NE: GT

Alle Rechte vorbehalten © 1996 Duncker & Humblot GmbH, Berlin Fotoprint: Color-Druék Dorfi GmbH, Berlin Printed in Germany ISSN 0720-7247 ISBN 3-428-08657-0 Gedruckt auf alterungsbeständigem (säurefreiem) Papier entsprechend ISO 9706 ©

Meinen Eltern

Vorwort Die vorliegende Untersuchung wurde im Sommersemester 1995 von der Juristischen Fakultät der Ruhr-Universität Bochum als Dissertationsschrift angenommen. Die Entwicklung der Diskussion um die Ausgestaltung der evangelischen Militärseelsorge in der Bundeswehr wurde bis November 1995 berücksichtigt. Besonders danken möchte ich an dieser Stelle meinem Doktorvater, Herrn Prof. Dr. Peter J. Tettinger, für die stets wohlwollende Unterstützung meiner Arbeit. Mein Dank gilt ferner Herrn Prof. Dr. Wolfgang Loschelder für die Anregung zu dieser Thematik und Herrn Prof. Dr. Dr. h.c. mult. Knut Ipsen für die umsichtige Erstellung des Zweitgutachtens. Weiterer Dank gebührt Herrn Lindenbein und Herrn von Gilsa aus dem Bundesministerium der Verteidigung, Herrn Blaschke vom Evangelischen Kirchenamt für die Bundeswehr sowie Herrn Oberhem vom Katholischen Militärbischofsamt für die Erteilung zahlreicher Auskünfte aus der Praxis der Militärseelsorge. Schließlich sei den Herausgebern der "Staatskirchenrechtlichen Abhandlungen", namentlich Herrn Prof. Dr. Joseph Listi, für die Aufnahme der Untersuchung in diese Schriftenreihe gedankt. Die Drucklegung wurde durch einen großzügigen finanziellen Zuschuß des Katholischen Militärbischofsamtes gefördert; auch dafür habe ich zu danken.

Witten, im November 1995

Jörg Ennuschat

Inhaltsverzeichnis

1. Teil: Einleitung A. Militärseelsorge

29

in der Diskussion

30

B. Gegenstand der Untersuchung

2. Teil: Gegenwärtige Ausgestaltung der Militärseelsorge Λ. Rechtsgrundlagen I.

36

39 39

Rechtsgrundlagen der Militärseelsorge in Westdeutschland

39

1. Evangelische Militärseelsorge

40

a) Vertragliche Rechtsgrundlagen

40

b) Staatliche Rechtsgrundlagen

40

aa) Grundgesetz

40

bb) Bundesgesetze

40

cc) Bundeswehrinterne Verwaltungsvorschriften

41

c) Kirchliche Rechtsgrundlagen

42

d) Militärseelsorgeinterne Rechtsgrundlagen

43

2. Katholische Militärseelsorge

43

a) Vertragliche Rechtsgrundlagen

44

b) Staatliche Rechtsgrundlagen

44

c) Kirchliche Rechtsgrundlagen

45

d) Militärseelsorgeinterne Rechtsgrundlagen

46

3. Sonstige Religionsgemeinschaften

46

nsverzeichnis

Π. Rechtsgrundlagen der Militärseelsorge in den neuen Bundesländern und Berlin 47 1. Rechtslage in der DDR

48

2. Rechtslage im vereinigten Deutschland

49

a) Evangelische Militärseelsorge

49

aa) Geltungsbereich des Militärseelsorgevertrages

50

(1) Funktionale Beschreibung des Geltungsbereiches des Militärseelsorgevertrages 51 (2) Keine Festschreibung des Geltungsbereiches auf die westdeutschen Landeskirchen durch kirchliche Rechtsverwahrung 51 bb) Keine Geltung der EKD-Kirchengesetze zur Militärseelsorge

53

cc) Übergangsregelung

55

b) Katholische Militärseelsorge B. Struktur und Tätigkeitsbereich I.

der Militärseelsorge

55 in der Bundeswehr

Die Militärbischöfe und der Bundesminister der Verteidigung

58

1. Die Militärbischöfe

59

a) Rechtsstatus

59

b) Ernennung

61

c) Abberufung

61

d) Aufgaben und Tätigkeitsfeld

62

e) Kirchliche Anbindung und Kontrolle

63

aa) Evangelischer Militärbischof

64

bb) Katholischer Militärbischof

64

2. Bundesminister der Verteidigung

65

Π. Evangelisches Kirchenamt für die Bundeswehr und Katholisches Militärbischofsamt 66 1. Rechtsstatus

66

2. Die Leiter der Ämter: Militärgeneraldekan und Militärgeneralvikar

67

3. Aufgaben und Tätigkeitsfeld

68

4. Kirchliche Anbindung und Kontrolle

70

57

nsverzeichnis

11

a) Evangelisches Kirchenamt und Militärgeneraldekan

70

b) Katholisches Militärbischofsamt und Militärgeneralvikar

71

ΙΠ. Die Militärgeistlichen

72

1. Rechtsstatus

72

2. Zuordnung zur Zusammenarbeit

73

3. Ernennung, Ausscheiden und Abberufung

74

a) Ernennung

74

b) Ausscheiden und Abberufung

75

4. Aufgaben und Tätigkeitsfeld

76

a) Wehrbereichsdekane

76

b) Die übrigen Militärgeistlichen

76

5. Kirchliche Anbindung und Kontrolle

78

6. Die Soldatengemeinden

79

a) Personenkreis

79

b) Organisation und Struktur

79

aa) Evangelische Militärseelsorge

80

(1) Personale Seelsorgebereiche

80

(2) Militärkirchengemeinden

82

bb) Katholische Militärseelsorge

82

IV. Sonstige Mitarbeiter, Organe und Einrichtungen im Bereich der Militärseelsorge 83 1. Die Pfarrhelfer und Pastoralreferenten

83

a) Pfarrhelfer

83

b) Pastoralreferenten

84

2. Der Beirat für die evangelische Militärseelsorge und der Sonderhaushalt Evangelische Militärseelsorge 85 3. Die Katholische Soldatenseelsorge als Anstalt des öffentlichen Rechts .... 85 4. Die Evangelische und die Katholische Arbeitsgemeinschaft für Soldatenbetreuung (EAS und KAS) 86 V. Besonderheiten im Gebiet der neuen Bundesländer und Berlin 1. Evangelische Militärseelsorge

87 87

nsverzeichnis

2. Katholische Militärseelsorge

88

C. Lebenskundlicher Unterricht I.

Staatliche und kirchliche Konzepte

89 89

Π. Staatliche Vorgaben

91

1. Äußerer Rahmen

91

2. Unterrichtsziele

92

a) Individuelle Funktion

92

b) Gesellschaftliche Funktion

92

c) Militärspezifische Funktion

93

d) Nähe zur Inneren Führung

93

3. Unterrichtsgestaltung und -aufsieht

95

4. Staatlicher Charakter

96

ΙΠ. Kirchliche Umsetzung der staatlichen Vorgaben

96

1. Freiraum

96

2. Verkirchlichung

97

3. Der Lebenskundliche Unterricht - ein Chamäleon?

99

IV. Konvergenz staatlicher und kirchlicher Erwartungen

100

V. Besonderheiten des Lebenskundlichen Unterrichts im Bereich der neuen Bundesländer und Berlin 101 VI. Parallelität der Kritik an Militärseelsorge und Lebenskundlichem Unterricht 102 D. Finanzierung der Militärseelsorge I.

Staatliche Finanzierung

103 104

Π. Kirchliche Finanzierung

105

1. Evangelische Kirche

106

2. Katholische Kirche

107

3. Teil: Die Verfassungsmäßigkeit der Militärseelsorge A. Vorwurf

der Verfassungswidrigkeit

108 108

nsverzeichnis

I.

13

Verstoß gegen das Prinzip der Trennung von Staat und Kirche aus Art. 4, 140 GG i.V.m. Art. 137 Abs. 1 WRV 109 1. Verbot institutioneller Verbindungen zwischen Staat und Kirche

109

2. Gebote der Neutralität und Nichtidentifikation

110

3. Paritätsgebot

111

4. Gebot der Staatsfreiheit

112

Π. Verstoß gegen Art. 140 GG i.V.m. Art. 141 WRV ΙΠ. Verstoß gegen Art. 140 GG i.V.m. Art. 137 Abs. 3 WRV

112 ..113

IV. Verstoß gegen Art. 3 Abs. 3, 33 Abs. 2 und 3, 140 GG i.V.m. Art. 136 Abs. 2 WRV 114 V. Verstoß gegen Art. 4 Abs. 1 und 2 GG, Art. 140 GG i.V.m. Art. 136 Abs. 4, 141 a.E. WRV 114 B. Vorgaben des Art. 140 GG i.V.m. Art. 141 WRV. I. Bedürfnis nach Gottesdienst und Seelsorge im Heer

115 115

Π. Zulassung der Religionsgesellschaften zur Vornahme religiöser Handlungen 118 1. Religiöse Handlungen

118

2. Religionsgesellschaften

120

3. Zulassung

120

ΙΠ. Art. 141 WRV: Mindeststandard oder Obergrenze?

121

1. Grammatische Interpretation

121

2. Historische Interpretation

123

a) Grundgesetz

124

aa) Keine ausdrückliche Bejahung der staatlichen Mitwirkung im Bereich der Militär- und Anstaltsseelsorge 124 bb) Grundsätzliches Anknüpfen an den Weimarer Rechtszustand

125

cc) Keine Ausnahme von der Generalanknüpfung bei der Militärund Anstaltsseelsorge 127 (1) Keine ausdrückliche Ablehnung der staatlichen Mitwirkung im Bereich der Militärseelsorge 128 (2) "Heer" nicht nur zufällige und bedeutungslose Folge des Pauschal Verweises auf Art. 141 WRV 129

14

nsverzeichnis

(3) Anstaltsseelsorge

131

dd) Zusammenfassung: Keine Abweichung von den Weimarer Vorgaben 132 b) Weimarer Reichsverfassung

132

aa) Militärseelsorge in den Beratungen der Weimarer Nationalversammlung 132 (1) Keine verfassungsrechtliche Festschreibung aktiven staatlichen Engagements im Bereich der Militärseelsorge 133 (2) Zulässigkeit aktiven staatlichen Engagements im Bereich der Militärseelsorge 136 bb) Umsetzung der Verfassungsvorgaben durch die Weimarer Staatspraxis und Literatur 140 cc) Zusammenfassung: Weimarer Billigung aktiver staatlicher Vorkehrungen im Bereich der Militärseelsorge 141 c) Paulskirchenverfassung

142

d) Zusammenfassung der historischen Interpretation des Art. 141 WRV: Mindeststandard, nicht Obergrenze 144 3. Systematische Interpretation

144

a) Art. 141 WRV im staatskirchenrechtlichen Gesamtgefüge des Grundgesetzes 145 aa) Vergleich mit den übrigen grundgesetzlichen Handlungsanweisungen für staatliches Engagement im religiösen Bereich 145 (1) Normen mit Handlungsgeboten

145

(2) Normen mit Handlungsverboten

146

(3) Normbereiche ohne ausdrückliche Handlungsanweisungen... 147 bb) Verhältnis zu Art. 137 Abs. 1 WRV und zu Art. 4 GG

149

b) Vergleich des Art. 140 GG i.V.m. Art. 141 WRV mit den landesverfassungsrechtlichen Parallelnormen 149 aa) Landesverfassungen vor Erlaß des Grundgesetzes

151

bb) Landesverfassungen nach Erlaß des Grundgesetzes

154

cc) Landesverfassungen der neuen Bundesländer

156

dd) Zusammenfassung: Landesverfassungsrechtliche Billigung staatlichen Engagements im Bereich der Anstaltsseelsorge 158 4. Teleologische Interpretation des Art. 141 WRV

158

nsverzeichnis

15

5. Zusammenfassung der Interpretation des Art. 140 GG i.V.m. Art. 141 WRV 159 C. Vorgaben des Art. 140 GG i.V.m. Art. 137 Abs. 1 WRV I. Grammatische Interpretation

160 161

1. Analyse der grammatischen Struktur

161

2. Berücksichtigung der staatskirchenrechtlichen Terminologie

161

a) Staatskirchen tum i. e. S

162

b) Staatskirchenhoheit....»

163

c) Trennung von Staat und Kirche

164

Π. Historische Interpretation 1. "Staatskirche" in § 147 Abs. 2 2. Hs. PKV a) Beratungen der Paulskirchen Versammlung

165 165 165

aa) Divergierende Verständnisse von "Staatskirche"

165

bb) Divergierende Vorstellungen von Trennung

167

cc) Hinweise auf weitreichendes Verständnis von Trennung

169

b) Auswirkungen auf die einzelstaatliche Verfassungsgebung

170

c) Zusammenfassung: Absage an vormärzliches Staatskirchentum

172

2. "Staatskirche" in Art. 137 Abs. 1 WRV

173

a) Scheitern aller radikalen Trennungsforderungen in der Weimarer Nationalversammlung 173 b) Art. 137 Abs. 1 WRV nicht Ausdruck des Grundsatzes strenger Trennung mit fest umrissenen Ausnahmen 176 c) Absage an landesherrliches Kirchenregiment

177

3. "Staatskirche" in Art. 140 GG i.V.m. Art. 137 Abs. 1 WRV

179

a) Kirchenfreundlichkeit des Parlamentarischen Rates

179

b) Absage an Kirchenkampf im Dritten Reich

180

4. Zusammenfassung der historischen Interpretation des Art. 140 GG i.V.m. Art. 137 Abs. 1 WRV: Keine Anordnung (des Grundsatzes) strikter Trennung 181 ΙΠ. Systematische Interpretation

182

1. Art. 137 Abs. 1 WRV im staatskirchenrechtlichen Gesamtgefüge des Grundgesetzes 182

nsverzeichnis

16

2. Vergleich mit landes verfassungsrechtlichen Parallelnormen a) Landesverfassungsrechtliche Staatskirchen verböte

183 183

aa) Alte Bundesländer

183

bb) Neue Bundesländer

185

b) Landesverfassungsrechtliche Trennungsanordnungen

186

aa) Alte Bundesländer

186

bb) Neue Bundesländer

187

IV. Teleologische Interpretation

189

V. Zusammenfassung der Interpretation des Art. 140 GG i.V.m. Art. 137 Abs. 1 WRV 189 D. Vorgaben des Art. 4 Abs. 1 und 2 GG I.

191

Subjektiv-rechtliche Vorgaben der Religionsfreiheit für die Militärseelsorge 192 1. Religionsfreiheit der Soldaten

192

a) Militärgottesdienste und andere Veranstaltungen der Militärseelsorge 194 aa) Vereinbarkeit mit dem Zwangsverbot aus Art. 4, 140 GG i.V.m. Art. 136 Abs. 4, 141 a.E. WRV 194 bb) Vereinbarkeit mit dem religiösen Schweigerecht aus Art. 4, 140 GG i.V.m. Art. 136 Abs. 3 S. 1 WRV 195 b) Frage nach der konfessionellen Zugehörigkeit bei Eintritt in die Bundeswehr 199 c) Lebenskundlicher Unterricht und Gruppengespräche

202

aa) Vereinbarkeit mit dem Zwangsverbot aus Art. 4, 140 GG i.V.m. Art. 136 Abs. 4, 141 a.E. WRV 202 bb) Vereinbarkeit mit dem religiösen Schweigerecht aus Art. 4, 140 GG i.V.m. Art. 136 Abs. 3 S. 1 WRV 205 d) Befehl "Helm ab zum Gebet"

206

e) Religiöse Beteuerung des Diensteides

207

2. Religionsfreiheit der Militärgeisüichen und der an der Militärseelsorge beteiligten Kirchen 207 3. Religionsfreiheit der nicht an der Militärseelsorge beteiligten Kirchen und Religionsgemeinschaften 208

nsverzeichnis

4. Zusammenfassung: Beachtung der subjektiv-rechtlichen Vorgaben

17

209

Π. Objektiv-rechtliche Vorgaben der Religionsfreiheit für die Militärseelsorge 209 1. Bestimmung der objektiv-rechtlichen Vorgaben der Religionsfreiheit.... 211 a) Grammatische Interpretation b) Historische Interpretation c) Systematische Interpretation

212 .212 214

aa) Normen, die auf die unbefangene Nähe des Staates zu Religion und Religionsgemeinschaften hindeuten 215 (1) Präambel

215

(2) Art. 56, 140 GG i.V.m. Art. 139 WRV

220

(3) Art. 7 Abs. 3 - 5, 140 GG i.V.m. 137 Abs. 5 und 6, 138 Abs. 1 und 2 WRV 221 bb) Normen zur zusätzlichen Absicherung der individuellen und kollektiven Religionsfreiheit 222 cc) Normen mit Trennungsanordnungen

223

dd) Zusammenfassung: Unbefangene Nähe des Staates zu Religion und Religionsgemeinschaften 224 d) Teleologische Interpretation

224

aa) Strikte Trennung als logische Konsequenz der Religionsfreiheit? 225 bb) Mit dem Abwehrgehalt der Religionsfreiheit korrespondierende objektiv-rechtliche Vorgaben 227 cc) Über den Abwehrgehalt der Religionsfreiheit hinausreichende objektiv-rechtliche Vorgaben 228 (1) Notwendigkeit staatlicher Zurückhaltung im religiösen Bereich 228 (a)

Wettbewerb der Religions- und Weltanschauungsgemeinschaften 228

(b)

Staatliche Neutralität im religiösen Wettbewerb: nicht Enthaltsamkeit, sondern Zurückhaltung 230

(2) Heranziehung des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes zur Konkretisierung der Pflicht zur Zurückhaltung im religiösen Bereich 231

2 Ennuschat

nsverzeichnis

(a)

Staatliche Ingerenzen in andere gesellschaftliche Prozesse 232

(aa) Staatliche Ingerenzen im Bereich der Wirtschaft

232

(bb) Staatliche Ingerenzen in den Parteien Wettbewerb

235

(cc) Staatliche Ingerenzen in den Wettbewerb der Presse... 237 (dd) Staatliche Ingerenzen im Bereich der Kunst

237

(ee) Gemeinsamkeiten der beschriebenen Wettbewerbssituationen 238 (b)

Ausstrahlung des Verhältnismäßigkeitsprinzips in das Vorfeld von Grundrechtseingriffen 240

(aa) Im allgemeinen

240

(bb) Insbesondere im Staatskirchenrecht

244

e) Kein Verfassungswandel in Richtung strengerer Trennung

244

aa) Bedeutungswandel des Weimarer Staatskirchenrechts durch Inkorporierung in das Grundgesetz? 245 (1) In Richtung Koordination

245

(2) In Richtung Trennung

246

bb) Verfassungswandel des grundgesetzlichen Staatskirchenrechts?. 247 f)

Zusammenfassung: Objektiv-rechtliche Vorgaben der Religionsfreiheit 251

Vereinbarkeit des staatlichen Engagements im Bereich der Militärseelsorge mit den objektiv-rechtlichen Vorgaben der Religionsfreiheit 254 a) Achtung des Abwehrgehaltes der Religionsfreiheit

254

b) Verbot der Staatskirche und Verbot institutioneller Verbindungen zwischen Staat und Kirche 254 c) Gebot der Parität

256

d) Die in den Geboten der Neutralität und Nichtidentifikation wurzelnde Pflicht zur Zurückhaltung bei staatlichen Ingerenzen in den religiösen Bereich - Verhältnismäßigkeitsprinzip 256 aa) Legitimer Zweck

257

(1) Kompensation faktischer Verkürzungen der Religionsfreiheit 258 (2) Verfolgung staatlicher Interessen bb) Geeignetheit

259 262

Inhaltsverzeichnis

cc) Erforderlichkeit

19

263

(1) Staatliche Unterstützung als solche

264

(2) Ausmaß der staatlichen Unterstützung

265

(a)

Beschränkung der Unterstützung auf die Gewähr des Zutrittsrechts gem. Art. 141 WRV - Modellcharakter der Seelsorge an Zivildienstleistenden? 265

(b)

Beschränkung auf organisatorische Unterstützung im Einsatzfall ohne weiterreichende Finanzierung 267

(c)

Beschränkung auf Finanzierung der Militärseelsorge unter Verzicht auf deren staatliche Organisation 269

(d)

Beschränkung des Finanzierungsumfangs

(3) Lebenskundlicher Unterricht dd) Angemessenheit

269 270 272

(1) Militärseelsorge

272

(2) Lebenskundlicher Unterricht

273

e) Zusammenfassung: Beachtung der objektiv-rechtlichen Vorgaben der Religionsfreiheit 274 E. Vorgaben des Art. 140 GG i.V.m. 137Abs. 3 S. 2 WRV I.

274

Staatliche Vetorechte gegenüber der kirchlichen Ernennung der Militärbischöfe 275 1. Art. 27 Abs. 2 S. 2 RK 2. Art. 11 Abs. 1 S.2MSV

275 276

Π. Vetorecht als "Mitwirkung" i. S. d. Art. 140 GG i.V.m. Art. 137 Abs. 3 S. 2 WRV 277 ΙΠ. Vereinbarkeit des Vetorechts mit Art. 140 GG i.V.m. Art. 137 Abs. 3 S. 2 WRV 278 1. Keine Disponibilität des Mitwirkungsverbotes a) Grammatische Interpretation

280

b) Historische Interpretation

280

c) Systematische und teleologische Interpretation

281

2. Ausnahme von dem Mitwirkungsverbot aus der Natur der Sache IV. Staatliche Mitwirkung bei der Ernennung der Militärgeistlichen

2*

279

283 284

nsverzeichnis

F. Vorgaben des Art. 140 GG i. V.m. Art. 137 Abs. 3 S. 1 WRV

285

G. Vorgaben des Art. 140 GG i.V.m. Art. 138 Abs. 1 WRV

285

H. Vorgaben der Art. 3 Abs. 3, 33 Abs. 2 und 3, 140 GG i.V.m. Art. 136 Abs. 2 WRV 288 J. Zusammenfassung: Verfassungskonformität

der Militärseelsorge

4. Teil: Sonderfragen der Verbeamtung der Militärgeistlichen

290

291

A. Anwendbarkeit des Beamtenrechts auf Militär geistliche I.

292

Rechtlicher Anknüpfungspunkt der Heranziehung staatlichen Beamtenrechts für Militärgeistliche 292

II. Allgemeine Treuepflicht gem. Art. 33 Abs. 4 und 5 GG; Pflicht zur Verfassungstreue gem. § 52 Abs. 2 BBG 293 1. Allgemeines

293

2. Besonderheiten für Militärgeistliche

294

a) Zulässigkeit der Treueverpflichtung durch Militärgeistliche

294

b) Verfassungstreue als Einstellungsvoraussetzung

296

c) Konflikte

296

ΠΙ. Pflicht zur Mäßigung und Zurückhaltung bei politischer Betätigung gem. §53 BBG 298 1. Allgemeines

298

a) Politische Betätigung

298

b) Mäßigung und Zurückhaltung

299

c) Stellung gegenüber der Gesamtheit; Pflichten seines Amtes

299

d) Abwägung ("diejenige")

300

2. Besonderheiten für Militärgeistliche

300

a) Grundsätzliche Anwendbarkeit der Mäßigungsklausel für Militärgeistliche 300 b) Exkurs: Sonderregelungen für die politische Betätigung von Soldaten 301

nsverzeichnis

21

c) Konkretisierung der politischen Mäßigungspflicht für Militärgeistliche anhand typischer Konfliktsituationen 303 aa) Politische Betätigung im Dienst (1) Politische Betätigung im Lebenskundlichen Unterricht

304 304

(a)

Von § 53 BBG erfaßte Verhaltensweisen

304

(b)

Gebotenes Maß an Zurückhaltung

306

(aa) Politisch motivierte Äußerungen

306

(aaa) Inhaltliche Beschränkungen

307

(bbb) Werbungs- und Indoktrinationsverbot

308

(ccc) Beschränkungen aus dem Bundeswehrauftrag

309

(bb) Religiös motivierte Äußerungen politischen Inhalts.... 312 (aaa) Äußerungen mit Bundeswehrbezug

313

(bbb) Äußerungen ohne Bundeswehrbezug

315

(c)

Missionarische Betätigung

315

(2) Politische Betätigung im Militärgottesdienst

316

(a)

Politisch motivierte Äußerungen

(b)

Religiös motivierte Äußerungen politischen Inhalts.... 318

(3) Sonstige politische Betätigung im Dienst bb) Politische Betätigung außer Dienst IV. Pflicht zu Gehorsam gem. § 55 S. 2 BBG

317

318 319 320

1. Allgemeines

320

2. Besonderheiten für Militärgeistliche

320

a) Reichweite der Weisungsabhängigkeit im Lebenskundlichen Unterricht 322 aa) Unterrichtsziele

322

bb) Unterrichtsthemen

322

cc) Unterrichtsdidaktik und -methodik

324

b) Pflicht zur Begleitung von Auslandseinsätzen der Bundeswehr

325

c) Pflicht zur Befolgung militärischer Anordnungen

325

aa) Störungsabwehrrechte der Bundeswehr

326

bb) Zuordnung zur Zusammenarbeit

327

nsverzeichnis

22

V. Pflicht zur Amtsverschwiegenheit gem. § 61 Abs. 1 S. 1 BBG

329

1. Keine Besonderheiten für Militärgeistliche

329

2. Verbot der Flucht in die Öffentlichkeit

329

VI. Weitere Dienstpflichten

331

1. Pflicht zur Neutralität und Uneigennützigkeit gem. §§ 52 Abs. 1, 54 S. 2, 70 BBG

332

2. Pflicht zur vollen Hingabe gem. §§ 54 S. 1, 73 Abs. 1 BBG

332

3. Pflicht zu achtungswürdigem Verhalten gem. § 54 S. 3 BBG

333

4. Pflicht zur Leistung des Diensteides gem. § 58 Abs. 1 BBG VII. Rechtsfolgen der Verletzung von Dienstpflichten 1. Überblick

333 333 333

a) Strafrechtliche Sanktionen

334

b) Beamtenrechtliche Sanktionen

334

c) Kirchenrechtliche Sanktionen

335

2. Insbesondere: Beamtenrechtliches Sanktionsinstrumentarium a) Disziplinarmaßnahmen

335 335

b) Sonstige Sanktionsmöglichkeiten 336 c) Verbot der Führung der Dienstgeschäfte und vorläufige Dienstenthebung 337 3. Rücksichtnahme auf Interessen des kirchlichen Vertragspartners

337

a) Herleitung des Rücksichtnahmegebotes

338

b) Konkretisierung des Rücksichtnahmegebotes

339

aa) Staatliche Rücksichtnahmepflichten

339

bb) Kirchliche Rücksichtnahmepflichten

340

c) Institutionelle und verfahrensrechtliche Absicherung sowie Praktizierung des Rücksichtnahmegebotes 341 Vm. Zusammenfassung: Beamtenstatus mehr als leere Hülse ohne sachlichen Gehalt 343 B. Keine Notwendigkeit I.

der Verbeamtung

Völkerrechtliche Erfordernisse

344 344

nsverzeichnis

23

1. Sachlicher Schutzumfang der Rotkreuzabkommen von 1949 und der Zusatzprotokolle von 1977 für Militärgeistliche 345 2. Persönlicher Schutzumfang der Rotkreuzabkommen von 1949 und der Zusatzprotokolle von 1977 für Militärgeistliche 346 a) Grammatische Interpretation

347

b) Systematische Interpretation

348

c) Teleologische Interpretation

349

Π. Sicherheits- und Geheimhaltungsinteressen der Bundeswehr

350

1. Gewährleistung durch Verbeamtung der Militärgeistlichen

351

2. Gewährleistung ohne Verbeamtung der Militärgeistlichen

351

ΙΠ. Gleichbehandlung von evangelischer und katholischer Militärseelsorge

5. Teil: Zusammenfassung der Ergebnisse und Ausblick

354

355

A. Zusammenfassung der Ergebnisse

355

B. Ausblick

357

Literaturverzeichnis

359

Personenregister

386

Sachregister

393

Abkürzungsverzeichnis bay.Verf

Verfassung des Freistaates Bayern vom 02.12.1946 (GVB1. S. 333), zuletzt geändert durch Gesetz vom 20.06.1984 (GVB1. S. 223)

BBG

Bundesbeamtengesetz in der Fassung der Bekanntmachung vom 27.02.1985 (BGBl. I S. 479), zuletzt geändert durch Gesetz vom 14.09.1994 (BGBl. I S. 2325)

BDO

Bundesdisziplinarordnung in der Fassung der Bekanntmachung vom 20.07.1967 (BGBL I S. 751), zuletzt geändert durch Gesetz vom 27.12.1993 (BGBl. I S. 2378)

bd-wtt.Verf

Verfassung des Landes Baden-Württemberg vom 11.11.1953 (GBl. S. 173), zuletzt geändert durch Gesetz vom 15.02.1995 (GBl. S. 269)

BEK

Bund der evangelischen Kirchen in der Deutschen Demokratischen Republik

brandenb.Verf

Verfassung des Landes Brandenburg vom 20.08.1992 (GVB1.1 S. 298)

brem.Verf

Landesverfassung der Freien Hansestadt Bremen vom 21.10.1947 (GBl. S. 251), zuletzt geändert durch Gesetz vom 01.11.1994 (GBl. S. 289)

BT-Plenarprot.

Verhandlungen des Deutschen Bundestages, Stenographische Berichte, Plenarprotokolle

CDU

Christlich Demokratische Union Deutschlands

CSU

Christlich Soziale Union in Bayern

CVP

Christliche Volkspartei

DDP

Deutsche Demokratische Partei

DNVP

Deutschnationale Volkspartei

Dt.Verf.Gesch

E.R.Huber, Deutsche Verfassungsgeschichte seit 1789, acht Bände, 1957 ff.

DVP

Deutsche Volkspartei

Abkürzungsverzeichnis

25

EAS

Evangelische Arbeitsgemeinschaft für Soldatenbetreuung

EinigungsV

Vertrag zwischen der Bundesrepublik Deutschland und der Deutschen Demokratischen Republik über die Herstellung der Einheit Deutschlands - Einigungsvertrag - vom 31.08.1990 (BGBl. Π S. 889)

EKD

Evangelische Kirche in Deutschland

EMD

Evangelische Militärkirchliche Dienstordnung

EvKomm

Evangelische Kommentare

EvStL

Herzog/Kunst/Schlaich/Schneemelcher sches Staatslexikon, 3. Aufl., 1987

FDP

Freie Demokratische Partei

GG

Grundgesetz für die Bundesrepublik Deutschland vom 23.05.1949 (BGBl. S. 1), zuletzt geändert durch Gesetz vom 27.10.1994 (BGBl. I S. 3146)

GK

Genfer Konventionen zur Verbesserung des Loses der Verwundeten und Kranken der Streitkräfte im Felde (I.), zur Verbesserung des Loses der Verwundeten, Kranken und Schiffbrüchigen der Streitkräfte zur See (Π.), über die Behandlung der Kriegsgefangenen (ΙΠ.), zum Schutz von Zivilpersonen in Kriegszeiten (IV.) vom 12.08.1949 (BGBl. 1954nS. 783)

GrundO

Grundordnung der Evangelischen Kirche in Deutschland vom 13.07.1948 (ABl. EKD S. 233)

GSA-Steno

Parlamentarischer Rat, Verhandlungen des Grundsatzausschusses, Stenographische Berichte

HA-Steno

Parlamentarischer Rat, Verhandlungen des Hauptausschusses, Stenographische Berichte, Bonn 1948/49

HdbBayStKirchR

Voll, Handbuch des Bayerischen Staatskirchenrechts, 1985

HdbBremVerf

Kröning/Pottschmidt/Preuß/Rinken Bremischen Verfassung, 1991

HdbStKirchR

HdbStR

(Hrsg.), Evangeli-

(Hrsg.), Handbuch der

Friesenhahn/Scheuner (Hrsg.), 1. Aufl., 1974/75, Listi V Pirson (Hrsg.), 2. Aufl., 1994, Handbuch des Staatskirchenrechts der Bundesrepublik Deutschland Isensee/Kirchhof (Hrsg.), Handbuch des Staatsrechts der Bundesrepublik Deutschland, sieben Bände, 1987 ff.

26

Abkürzungsverzeichnis

hess.Verf

Verfassung des Landes Hessen vom 01.12.1946 (GVB1. S. 229), zuletzt geändert durch Gesetz vom 20.03.1991 (GVB1. S. 102)

KAS

Katholische Arbeitsgemeinschaft für Soldatenbetreuung

KG-MS

Kirchengesetz zur Regelung der evangelischen Militärseelsorge in der Bundesrepublik Deutschland vom 08.03.1957 (ABl. EKD 1957 Nr. 164, S. 257)

KMD

Katholische Militärkirchliche Dienstordnung

MDv

Marine-Dienstvorschrift

MSV

Vertrag der Bundesrepublik Deutschland mit der Evangelischen Kirche in Deutschland zur Regelung der evangelischen Militärseelsorge vom 22.02.1957 (BGBl. Π S. 1229), sog. Militärseelsorgevertrag

m-v.Verf

Verfassung des Landes Mecklenburg-Vorpommern vom 23.05.1993 (GVB1. S. 372)

Nat. Vers.-Steno

Stenographische Berichte der Verhandlungen der verfassungsgebenden Deutschen Nationalversammlung, Berlin 1920

NVA

Nationale Volksarmee

η w. Feiertag sG

Gesetz über die Sonn- und Feiertage (Feiertagsgesetz NW) in der Fassung der Bekanntmachung vom 23.04.1989 (GVB1. S. 222), zuletzt geändert durch Gesetz vom 17.04.1991 (GVB1. S. 200)

nw.Verf

Verfassung des Landes Nordrhein-Westfalen vom 18.06.1950 (GVB1. S. 127), zuletzt geändert durch Gesetz vom 24.11.1992 (GVB1. S. 448)

Pari. Rat

Parlamentarischer Rat

PDS/LL

Partei des Demokratischen Sozialismus/Linke Liste

PKV

Verfassung des Deutschen Reiches vom 28.03.1849 (RGBl. S. 101), sog. Paulskirchenverfassung

Prß.Verf.-Uiicunde

Die Verfassungs-Urkunde für den Preußischen Staat vom 31.01.1850 (Prß. Gesetzessammlung S. 17)

PS-Kath.MB

Päpstliche Statuten für den Jurisdiktionsbereich des Katholischen Militärbischofs für die Deutsche Bundeswehr vom 23.11.1989 (VOB1. des Katholischen Militärbischofs 1990, S. 1)

Abkürzungsverzeichnis

27

rh-pf.Verf

Verfassung für Rheinland-Pfalz vom 18.05.1947 (VOB1. S. 209), zuletzt geändert durch Gesetz vom 13.12.1993 (GVB1. S. 591)

RK

Konkordat zwischen dem Heiligen Stuhl und dem Deutschen Reich vom 20.07.1933 (RGBl. Π S. 679), sog. Reichskonkordat

saarl.Verf

Verfassung des Saarlandes vom 15.12.1947 (ABl. S. 1077), zuletzt geändert durch Gesetz vom 09.06.1993 (ABl.

S. 626) s-anh.Verf

Verfassung des Landes Sachsen-Anhalt vom 16.07.1992 (GVB1. S. 600)

sächs.Verf

Verfassung des Freistaates Sachsen vom 27.05.1992 (GVB1. S. 243)

SED

Sozialistische Einheitspartei Deutschlands

SG

Gesetz über die Rechtsstellung der Soldaten (Soldatengesetz) in der Fassung der Bekanntmachung vom 19.08.1975 (BGBl. I S. 2273), zuletzt geändert durch Gesetz vom 20.05.1994 (BGBl. I S. 1081)

SPD

Sozialdemokratische Partei Deutschlands

Steno. Bericht

StVollzG

Stenographischer Bericht über die Verhandlungen der deutschen constituirenden Nationalversammlung zu Frankfurt am Main 1848 Gesetz über den Vollzug der Freiheitsstrafe und der freiheitsentziehenden Maßregeln der Besserung und Sicherung vom 16.03.1976 (BGBl. I S. 581), zuletzt geändert durch Gesetz vom 17.12.1990 (BGBl. I S. 2847)

thür.Verf

Verfassung des Freistaates Thüringen vom 25.10.1993 (GVB1. S. 625)

USPD

Unabhängige Sozialdemokratische Partei Deutschlands

UZwGBw

Gesetz über die Anwendung unmittelbaren Zwanges und die Ausübung besonderer Befugnisse durch Soldaten der Bundeswehr und zivile Wachpersonen vom 12.08.1965 (BGBl. I S. 796), zuletzt geändert durch Gesetz vom 02.03.1974 (BGBl. IS. 469)

WRV

Die Verfassung des Deutschen Reichs vom 11.08.1919 (RGBl. S. 1383), sog. Weimarer Reichsverfassung

WStG

Wehrstrafgesetz in der Fassung der Bekanntmachung vom 08.03.1976 (BGBl. I S. 432), zuletzt geändert durch Gesetz vom 28.10.1994 (BGBl. I S. 3186)

28

Abkürzungsverzeichnis

wtt-bad.Verf

Verfassung für (RegBl. S. 277)

Württemberg-Baden

ZDG

Gesetz über den Zivildienst der Kriegsdienstverweigerer (Zivildienstgesetz) in der Fassung der Bekanntmachung vom 28.09.1994 (BGBl. I S. 2811)

ZDv

Zentrale Dienstvorschrift

ZP

Zusatzprotokolle zu den Genfer Konventionen vom 12. August 1949 über den Schutz der Opfer internationaler bewaffneter Konflikte (I.) und nicht internationaler bewaffneter Konflikte (Π.) vom 23.12.1977 (BGBl. 1990 Π S.1550)

Siehe im übrigen die Angaben bei Hildebert Kirchner, Rechtssprache, 4. Aufl., Berlin und New York 1993.

vom 24.11.1946

Abkürzungsverzeichnis der

1. Teil: Einleitung "So gebt dem Kaiser, was des Kaisers ist, und Gott, was Gottes ist."1 Die Scheidung des weltlichen vom geistlichen Bereich ist stets ein schwieriges Unterfangen gewesen. Die Vielschichtigkeit der Vernetzung beider Bereiche steht einer schlichten Trennung im Wege. Die Austarierung des Verhältnisses zwischen Staat und Kirche zählt so zu den fundamentalen Strukturprinzipien jedes Gemeinwesens. Zum traditionellen Kernbestand einer Verfassung gehören daher Aussagen zur Stellung der Kirchen und Religionsgemeinschaften im oder gegenüber dem Staatsgefüge.2 Nicht zuletzt durch diese verfassungsrechtlichen Aussagen unterscheiden sich Kirchen und Religionsgemeinschaften auch im pluralistischen Gemeinwesen der Gegenwart von anderen gesellschaftlichen Gruppen und Verbänden. Das Verhältnis zwischen Staat und Kirche in Deutschland ist das Ergebnis einer seit Jahrhunderten andauernden Entwicklung der Separierung von weltlicher und geistlicher Gewalt, die Perioden sowohl harmonischen Miteinanders als auch erbitterter Kontroversen kannte. In der Gegenwart sind die meisten Sträuße ausgefochten, somit die grundlegenden staatskirchenrechtlichen Fragestellungen geklärt3 und - damit verbunden - ein wenig aus dem Blickfeld von Öffentlichkeit und Rechtswissenschaft geraten. Konfliktträchtig sind derzeit Nebenfragen des Staatskirchenrechts, die gleichwohl den einzelnen 1

Matth. 22,21.

2

Etwa §§ 144 ff. der sog. Paulskirchenverfassung vom 28.03.1849, Art 11 ff. der preußischen Verfassungs-Urkunde vom 31.01.1850, Art. 135 ff. der Weimarer Reichsverfassung vom 11.08.1919, Art. 4, 140 GG; siehe ferner Art. 16 der belgischen Verfassung vom 07.02.1831, §§ 4, 6, 66 ff. der dänischen Verfassung vom 05.06.1953, Art. 2 der französischen Verfassung vom 04.10.1958, Art. 3, 13 der griechischen Verfassung vom 09.06.1975, Art. 44 der irischen Verfassung vom 01.07.1937, Art. 7 f. der italienischen Verfassung vom 27.12.1947, Art 41 der portugiesischen Verfassung vom 02.04.1976, Art 16 der spanischen Verfassung vom 29.12.1978. 3 Siehe dazu umfassend das Handbuch des Staatskirchenrechts der Bundesrepublik Deutschland, 1. Aufl. 1974/75 (hrsg. von Friesenhahn/Scheuner), 2. Aufl. 1994 (hrsg. von Ustl/Pirson); ferner die von v. Campenhausen und von Hollerbach bearbeiteten §§ 136 ff. im Handbuch des Staatsrechts der Bundesrepublik Deutschland, Band VI, 1989 (hrsg. von Isensee/Kirchhof); sowie aus der Kommentarliteratur vor allem v. Campenhausen, in: v. Mangoldt/Klein, GG, Komm., Art. 140. Aktuelle Fragen des Staatskirchenrechts werden jährlich in den Essener Gesprächen zum Thema Staat und Kirche (hrsg. von Marré et al.) behandelt.

30

Einleitung

durchaus nachhaltig berühren können, wie etwa die Kirchensteuer, das kirchliche Arbeitsrecht oder jüngst die Anbringung von Kreuzen in Schulräumen. Der Streit um diese Details verweist indessen auf die dahinter stehenden grundlegenden staatskirchenrechtlichen Fragestellungen. Dies gilt in besonderem Maße für die Militärseelsorge 4 in der Bundeswehr, wo sich die Kooperation von Staat und Kirche in einem für beide Seiten ausgesprochen sensiblen Bereich bewähren muß.

A. Militärseelsorge in der Diskussion Bald nach Aufstellung der ersten Bundeswehreinheiten im Januar 1956 bestellten evangelische und katholische Kirche die ersten Militärgeistlichen, die dann vom Staat verbeamtet wurden. Parallel dazu wurden das Evangelische Kirchenamt für die Bundeswehr und das Katholische Militärbischofsamt als staatliche, dem Bundesverteidigungsministerium unterstellte Behörden errichtet und die ersten Militärbischöfe ernannt.5 Vorangegangen waren schon beinahe sechsjährige Verhandlungen zwischen der sog. Dienststelle Blank6 auf staatlicher sowie der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD) und der Deutschen Bischofskonferenz 7 auf kirchlicher Seite, die erst am 22.02.1957 also etwa ein Jahr nach Beginn der Militärseelsorge - mit Unterzeichnung des Militärseelsorgevertrages zwischen Staat und evangelischer Kirche ihren Ab-

4 Die Seelsorge gilt freilich nicht dem "Militär", sondern den Soldaten. In jüngster Zeit wird daher vorgeschlagen, den Terminus "Militärseelsorge" durch "Seelsorge an Soldaten" zu ersetzen (etwa Bewersdorff, epd Dokumentation 25/92, 1 [3]). Nichtsdestotrotz soll in Anlehnung an den gesetzlichen und vertraglichen Sprachgebrauch im Rahmen dieser Untersuchung die herkömmliche Terminologie verwendet werden. 5 Dazu etwa W.Huber, Kirche und Öffentlichkeit, S. 256 f.; Steuber, Militärseelsorge, S. 68, 79; Müller-Kent, Militärseelsorge, S. 61. 6 Die Bezeichnung geht auf Theodor Blank zurück, Leiter einer Dienststelle, die u.a. den Wiederaufbau deutscher Streitkräfte vorbereiten sollte. Aus ihr ging 1955 das Bundesministerium der Verteidigung (mit Blank als erstem Verteidigungsminister) hervor. 7 Die katholische Kirche hatte sich bereits im Reichskonkordat vom 20.07.1933 mit dem deutschen Staat auf eine vertragliche Regelung der Militärseelsorge verständigt und war daher keine Vertragspartei des Militärseelsorgevertrages von 1957. Dennoch nahm sie an den Verhandlungen teil, da der Staat an einer einheitlichen Regelung der Militärseelsorge für beide Kirchen interessiert war. Zudem sollten die beamtenrechtlichen Vorschriften des Militärseelsorgevertrages auch für die katholischen Militärgeistlichen gelten; vgl. Art. 2 des Gesetzes über die Militärseelsorge vom 26.07.1957, BGBl. II S. 701.

Α. Militärseelsorge in der Diskussion

31

schluß fanden. 8 Diese Verhandlungen erwiesen sich als äußerst schwierig, da die von der Dienststelle Blank intendierte und von der katholischen Kirche gebilligte Ausgestaltung der Militärseelsorge innerhalb der evangelischen Kirche heftig umstritten war. Obwohl sich das westdeutsche Modell der Seelsorge an Soldaten nach Ansicht aller unmittelbar Beteiligten - namentlich der Soldaten und Militärgeistlichen - ausgesprochen bewährt hat,9 blieb die Militärseelsorge auch nach ihrer Errichtung in der Diskussion, wobei sich Kritiker sowohl auf Seiten des Staates, in Politik und Rechtslehre, als auch auf kirchlicher Seite - vornehmlich innerhalb der evangelischen Kirche - gefunden haben und finden. Die innerevangelische Diskussion während der Vertragsverhandlungen weist dabei zahlreiche Parallelen zur gegenwärtigen auf. Damals wie heute beklagen einige Stimmen, daß die Militärseelsorge finanziell und administrativ in der Abhängigkeit des Staates stehe und damit "im Prinzip unfrei" sei.10 Sie sei eine Militärkirche, 11 Erbin der Allianz von Thron und Altar, 12 in der die Freiheit der Verkündigung des Evangeliums nicht gewährleistet sei.13 Soweit die Militärseelsorger darauf verweisen, in ihrer Amtsführung vollkommen unabhängig zu sein,14 wird gerade darin ein besonders raffiniertes 8

Zu den Verhandlungen siehe Blaschke/Oberhem, Bundeswehr und Kirchen, S. 3 ff.; Bleese, Militärseelsorge, S. 192 ff.; Cremers, Militärseelsorge-Vertrag, S. 32 ff. mit ausführlicher Dokumentation im Anhang; Steuber, Militärseelsorge, S. 13 ff. 9

Für die Militärseelsorge siehe etwa: Binder, epd Dokumentation 47/94, 2 (Interview); Ottemeyer, epd Dokumentation 25/92, 17 (18); ders., EvKomm 1994, 661; von den Steinen, epd Dokumentation 22/93, 59 ff.; Janzen, Unsere Kirche Nr. 35 vom 21.08.1994, S. 7; sowie den Rat der Militärpfarrer, epd Dokumentation 47/94, 16. - Für den Staat: v.Gilsa, epd Dokumentation 4/93, 55; 35. Jahresbericht des Wehrbeauftragten 1993, BT-Dr. 12/6950, S. 14. - Die Zufriedenheit der Soldaten läßt sich u.a. daran ablesen, daß eine "Aktion pro Militärseelsorge" immerhin 63.000 Unterschriften sammeln konnte (dazu Unsere Kirche Nr. 35 vom 21.08.1994, S. 5; epd Dokumentation 39/94, 29); vgl. ferner Stöckmann, epd Dokumentation 25/92, 21, sowie den Deutschen Bundeswehrverband, Die Bundeswehr 8/94, S. 1, 4. 10

Reese, Junge Kirche 1982, 351 (355); Diestelmeier,

Unsere Kirche Nr. 35 vom 21.08.1994,

S. 7. 11

Linke, Stimme der Gemeinde 1965, 131. Vgl. auch Gollwitzer, 143 (144).

Stimme der Gemeinde 1965,

12 Vgl. Stüber, in: Orlt (Hrsg.), Militärseelsorge im Dialog, S. 173 (183), der insoweit von einem "Negativklischee" spricht. 13

linke, Stimme der Gemeinde 1965, 131; vgl. auch Niemöller,

epd Dokumentation 25/92,

26 (28). 14 So etwa die Militärgeneraldekane Gramm, Essener Gespräche 23 (1989), 151 - Diskussionsbeitrag, und Ottemeyer, epd Dokumentation 25/92, 17 (18); ders., EvKomm 1994, 661, sowie Militärgeneralvikar Niermann, epd Dokumentation 4/93, 40; ferner Krech, EvKomm 1992, 427.

Einleitung

32

Mittel repressiver Toleranz durch Staat und Bundeswehr gesehen, das systemstabilisierend wirken solle.15 Die Struktur der Militärseelsorge führe dazu, daß zumeist politisch konservativ orientierte und ausgesprochen obrigkeitstreue Geistliche ihren Dienst dort anträten, welche infolge der weitestgehenden Übereinstimmung mit der militärischen und politischen Führung der Bundeswehr in keine Konflikte gerieten und sich nur deshalb unabhängig fühlten. 16 Schon in den fünfziger Jahren bezog sich die Kritik an der geplanten Militärseelsorge deshalb zuvörderst auf den Beamtenstatus der Militärgeistlichen und den staatlichen Behördencharakter des Evangelischen Kirchenamtes für die Bundeswehr und damit auf eben jene Punkte, die Teile der evangelischen Kirche nunmehr revidieren wollen.17 Ferner gingen auch die seinerzeitigen Alternativvorschläge dahin, die seelsorgerische Betreuung der Soldaten im Rahmen der (zivilen) Ortsgemeinden durchzuführen, ohne eine gesonderte Militärseelsorge zu errichten. Die Kritik an der Militärseelsorge war ursprünglich zumeist mit dem Streit um die westdeutsche Wiederbewaffnung im allgemeinen und Atombewaffnung im besonderen, dem NATO-Beitritt sowie dem Korea-Krieg verbunden; sie wurde im Rahmen der auch von zahlreichen kirchlichen Gruppierungen getragenen sog. Friedensbewegung der späten siebziger und achtziger Jahre erneut aufgegriffen. In jüngster Zeit knüpft diese Kritik an den kirchlich begleiteten Auslandseinsätzen der Bundeswehr an. Die Diskussion um die Militärseelsorge war somit stets von der allgemein-politischen sowie der kirchlichen18 Friedensdiskussion überlagert - und wurde zu einem "brisanten Gemisch von Emotionen, Meinungen und Überzeugungen"19, zum "Stellvertreterkonflikt": Im Kern gilt die Kritik weniger der Militärseelsorge als vielmehr dem Militär. 20 So wird von manchen in der Militärseelsorge eine Form ideologischer Auf15

Vgl. zu diesem Vorwurf Stüber, in: Orlt (Hrsg.), Militärseelsorge im Dialog, S. 173 (180).

16

Vgl. Fechner, epd Dokumentation 4/93, 32; Noack, epd Dokumentation 4/93, 63 (67). Eine gewisse Milieuverhaftung dürfte zwar kaum zu leugnen sein; dieses Phänomen ist aber nicht auf die Militärseelsorge beschränkt; vgl. Binder, EvKomm 1991, 156 (157); Kamprad, EvKomm 1991, 154.

17 Aus der derzeitigen Diskussion siehe vor allem Martin, epd Dokumentation 25/92, 10; Noack, epd Dokumentation 25/92, 15 (16). 18 Zum aktuellen Stand der innerevangelischen Friedensdiskussion siehe etwa die Zusammenstellungen in epd Dokumentation 30a/93 und 33/93. 19 2 0

Ottemeyer, epd Dokumentation 4/93, 59 (60).

Grafi FAZ Nr. 253 vom 31.10.1994, S. 8; Binder, epd Dokumentation 47/94, 2 (Interview); dersEvKomm 1994, 659.

Α. Militärseelsorge in der Diskussion

33

rüstung gesehen,21 die dazu diene, den Militärdienst im Atomzeitalter zu rechtfertigen, 22 wodurch die Kampfkraft der Bundeswehr erhöht werden solle.23 Das kirchliche "Ja" zur Militärseelsorge sei ein Blankoscheck in den Händen der Armee, 24 zumal das Evangelische Kirchenamt für die Bundeswehr den amtlichen verteidigungspolitischen Kurs kritiklos unterstütze.25 Die Religion werde so zu militärischen Zwecken instrumentalisiert. 26 Schließlich wurde und wird bezweifelt, ob das seelsorgerische Engagement bei einer Berufsgruppe, die es nach Vorstellung weiter Kirchenkreise nicht mehr geben sollte,27 mit dem kirchlichen Friedensauftrag vereinbar sei. Jedenfalls lasse das kirchliche Friedenszeugnis sich nicht in Gestalt der Militärseelsorge institutionalisieren.28 Obwohl die Einrichtung der Bundeswehrseelsorge Auslöser der Absonderung der ostdeutschen Landeskirchen von der EKD war 29 und die Militärseelsorge für die westlichen Landeskirchen anfangs zur Zerreißprobe 30 wurde und auch in den folgenden Jahrzehnten ein ungeliebtes, wenn nicht sogar ungewolltes Kind der Kirche 31 , jedenfalls ein immergärendes Problem32 blieb, welches auf zahlreichen Synoden von EKD und einzelnen Landeskirchen diskutiert wurde, fand die innerevangelische Diskussion lange kaum Beachtung, da die EKD trotz innerkirchlicher Kritik stets an dem Militärseelsorgevertrag festhielt. Politische Relevanz erhielt die kirchliche Kritik erst durch den Beitritt der DDR zum Geltungsbereich des Grundgesetzes, wodurch zugleich die Natio21

Gollwitzer,

Stimme der Gemeinde 1965, 143 (144).

2 2

Drühe, Junge Kirche 1980, 429 (434); Gollwitzer, Stimme der Gemeinde 1965, 143 (144); Uedke, EvKomm 1977, 92 (93); Reese, Junge Kirche 1982, 351 (353 ff.). 2 3

Lübbert, Junge Kirche 1985, 463 (465)

2 4

Noack, Frankfurter Rundschau vom 07.11.1990, S. 15.

2 5

Bewersdorff,

epd Dokumentation 25/92, 1 (3).

2 6 W.Huber, Kirche und Öffentlichkeit, S. 262 f.; Drühe, Junge Kirche 1980, 429; Lübbert, Junge Kirche 1985, 463 (466); Meyer, epd Dokumentation 24a/91, 11 (13). 2 7

Vgl. dazu Heinrici, in: Orlt (Hrsg.), Militärseelsorge im Dialog, S. 189.

2 8

Falche , epd Dokumentation 24a/91, 5; ähnlich Ziegler, EvKomm 1991,158 (160).

2 9

Dazu unten 2. Teil A I I 2 a bb.

3 0

Stüber, in: Orlt (Hrsg.), Militärseelsorge im Dialog, S. 173 (175).

31

So der ev. Militärbischof Binder, epd Dokumentation 47/94, 1 (Interview). Siehe ferner Hennig, in: Orlt (Hrsg.), Militärseelsorge im Dialog, S. 187. 3 2

Niemöller, epd Dokumentation 25/92, 26.

3 Ennuschat

34

Einleitung

naie Volksarmee aufgelöst resp. in die Bundeswehr überführt wurde.33 Innerhalb der evangelischen Landeskirchen der ehemaligen DDR fehlt bislang die Bereitschaft, das mit der Ausdehnung der Bundeswehr verbundene westdeutsche Militärseelsorge-System zu übernehmen.34 Hintergrund dürfte zum einen die während der kirchenfeindlichen SED-Diktatur entstandene generelle Staatsskepsis sein. Hinzu tritt wohl der Wunsch nach Erhaltung ostdeutscher Identität innerhalb der nunmehr wiedervereinigten EKD: Sichtbare Eigenständigkeit gegenüber der westdeutsch geprägten EKD bewiesen die ostdeutschen Landeskirchen zunächst in den Bereichen Religionsunterricht, Kirchensteuer und Militärseelsorge. Der Religionsunterricht ist in Art 7 Abs. 3 GG soweit vorgegeben35 und die Kirchensteuer so evident vorteilhaft und zudem im Einigungsvertrag vom 31.08.1990 (Ani. II Kap. IV Abschn. I Nr. 5) angelegt, daß die Übernahme des westdeutschen Vorbildes geradezu zwangsläufig war. 36 Die Möglichkeit der Demonstration von Eigenständigkeit und Verarbeitung von "Vereinigungsfrust" 37 scheint somit vornehmlich im Bereich der Militärseelsorge zu bestehen.38 Damit wurde zugleich das Lager der westdeutschen innerevangelischen Gegner der gegenwärtigen Militärseelsorge verstärkt. 39 Der Rat der EKD hat daraufhin im März 1992 auf Verlangen der EKDSynode40 eine Arbeitsgruppe mit Vertretern aus EKD, Landeskirchen und Militärseelsorge eingesetzt, die eine gemeinsame Regelung der Bundeswehrseelsorge in Ost und West vorbereiten und gegebenenfalls die Reformierung des Militärseelsorgevertrages beraten sollte.41 Die Arbeitsgruppe schlug der

33

Ani. I Kap. X I X Sachgeb. B, Abschn. I I Nr. 2 EinigungsV (BGBl. 1990 II S. 1144).

3 4

Beschluß der VI. Synode des Bundes der Evangelischen Kirchen (der DDR) vom September 1990; vgl. Edelhoff, Shalom 1991, 28 (31). 35 Dies gilt freilich nur, soweit man die Anwendbarkeit des Art. 141 GG (der sog. Bremer Klausel) für die neuen Bundesländer verneint; so etwa v.Campenhausen, in: v.Mangol dt/Kl ein, GG, Komm., Art. 141 Rdnr. 7; Hemmrich, in: v.Münch/Kunig, GG, Komm., Art. 7 Rdnr. 29; Kremser, JöR n.F. 40 (1991/92), 501 (521); Winter, NVwZ 1991, 753 (755); a.A. Schlink, NJW 1992, 1008 (1012); Weber, ZevKR 36 (1991), 253 (269). 3 6

Dazu Weber, ZevKR 36 (1991), 253 (255 f., 267 ff.).

3 7

Noack, epd Dokumentation 25/92, 15 (16).

3 8

Paw las, Luth. Monatshefte 5/94, 38; Noack, epd Dokumentation 4/93, 63; Schmoll, FAZ Nr. 166 vom 20.07.1994, S. 12; FAZ Nr. 212 vom 12.09.1995, S. 1. 3 9

Schmoll, FAZ Nr. 212 vom 12.09.1995, S. 1.

4 0

Beschluß vom 07.11.1991; epd Dokumentation 25/92, 36.

4 1

epd Dokumentation 25/92, 37.

Α. Militärseelsorge in der Diskussion

35

Synode zwei Modelle vor: 42 Gemäß dem "Modell A" sollte die bisherige Militärseelsorge im wesentlichen beibehalten werden. "Modell B" sah vor, die Militärgeistlichen aus dem Staatsdienst in den kirchlichen Dienst zu überführen; das Evangelische Kirchenamt für die Bundeswehr sollte ebenfalls den staatlichen Behördencharakter verlieren und rein kirchliche Behörde werden. "Modell B" hätte im Gegensatz zu "Modell A" eine Änderung des Militärseelsorgevertrages vorausgesetzt. Die Mehrzahl der westdeutschen Landeskirchen sprach sich für "Modell A" aus. Obwohl es auch in den ostdeutschen Landeskirchen durchaus hochrangige Befürworter einer Übernahme der bisherigen westdeutschen Militärseelsorge gab 4 3 plädierten alle ostdeutschen Landeskirchen für "Modell B"; 4 4 dies empfahl im Juli 1994 auch der Rat der EKD. 45 Auf der EKD-Synode im November 1994 wurde schließlich ein Kompromiß formuliert: Es soll der freien Entscheidung jeder Landeskirche überlassen bleiben, ob die von ihr in den Militärseelsorgedienst entsandten Geistlichen als Staatsbeamte oder im kirchlichen Dienst tätig werden sollen.46 Bei Beschäftigung im kirchlichen Dienst sollen sie freilich in Rechten und Pflichten den verbeamteten Militärgeistlichen gleichgestellt sein.47 Inwieweit sich diese Position in der weiteren innerevangelischen Diskussion und vor allem im Verlaufe der Verhandlungen mit dem Staat noch verändern wird, bleibt abzuwarten. In den ersten Gesprächen mit der EKD bekräftigte die Bundesregierung jedenfalls ihre feste Absicht, uneingeschränkt am Militärseelsorgevertrag festzuhalten. Für die Soldatenseelsorge in den neuen Bundesländern schlug sie eine "Zwischenlösung" vor, nach der (nur) dort - also entgegen den EKD-Vorstellungen nicht in ganz Deutschland - die einzelne Landeskirche zwischen staatlicher und kirchlicher Verbeamtung der Militärgeistlichen

4 2 Zu den Modellen siehe den Bericht des Ausschusses zur künftigen Gestaltung der Militärseelsorge, epd Dokumentation 50/93, 7 ff. 4 3 Etwa der pommerische Bischof Berger, epd Dokumentation 50/93, 32 (Interview); ebenso auf der EKD-Synode am 09.11.1993 ders. % EvKomm 1992, 212; Kähne, epd Dokumentation 50/ 93, 33. 4 4 Zu den landeskirchlichen Beschlüssen siehe die Auflistungen in epd Dokumentation 39/94, 3 ff.; 47/94, 8 ff. 4 5

epd Dokumentation 39/94, 1 ff. Der Rat meinte, damit die zu erwartende Mehrheitsmeinung auf der Synode vorweg zu nehmen, was als voreilig kritisiert wurde; vgl. von den Steinen, FAZ Nr. 181 vom 06.08.1994, S. 6; Schmoll, FAZ Nr. 166 vom 20.07.1994, S. 12. 4 6 Beschluß der Synode vom 10.11.1994 (epd Dokumentation 49a/94, 16). Dazu FAZ Nr. 263 vom 11.11.1994, S. 6. 4 7 Siehe dazu Pflästerer, Deutsches Allgemeines Sonntagsblatt Nr. 46 vom 18.11.1994, S. 15. So schon "Modell B", epd Dokumentation 50/93, 11.



Einleitung

36

wählen könne.48 Die innerevangelischen Kritiker der bestehenden Militärseelsorge kündigten bereits an, sich darauf nicht einlassen zu wollen.49 Immerhin ist es den Befürwortern der Militärseelsorge innerhalb der evangelischen Kirche bereits gelungen, die Frage der seelsorgerischen Begleitung der Soldaten von den divergierenden friedensethischen Vorstellungen abzukoppeln.50 So ist das "Ob" einer besonderen Militärseelsorge unumstritten: Anfängliche Bestrebungen, die Soldatenseelsorge von den Ortspfarrern nebenamtlich durchführen zu lassen,51 fanden keine Mehrheit. In der Diskussion steht lediglich das "Wie" - und insoweit im Mittelpunkt der Beamtenstatus der Militärgeistlichen, der zum Symbol zu großer Staatsnähe geworden ist.

B. Gegenstand der Untersuchung Gegenstand dieser Untersuchung soll weder die theologische noch die (kirchen-)politische Kritik an der Militärseelsorge sein.52 Erörtert werden vielmehr ausschließlich rechtliche Aspekte. Im rechtswissenschaftlichen Schrifttum sind die mit der Militärseelsorge zusammenhängenden Probleme bislang kaum behandelt worden.53 Insbesondere die Frage der Verfassungs4 8 Dazu Schmoll, FAZ Nr. 211 vom 11.09.1995, S. 5; FAZ Nr. 212 vom 12.09.1995, S. 1; EKD-Pressemitteilungen vom 30.06.1995 und vom 09.09.1995. 4 9

Pressemitteilung des Dietrich-Bonhoeffer-Vereins vom 14.09.1995.

5 0

Darauf weist Pawlas, Luth. Monatshefte 5/94, 38, hin.

51

Vgl. Bewersdorff\

epd Dokumentation 25/92, 1 (6); Falche, epd Dokumentation 24a/1991,

5(6). 5 2 Immerhin ist diese Kritik zum Teil ausdrücklich mit dem Vorwurf der Verfassungswidrigkeit verbunden: so etwa Becker/Deise roth /Μα rtin/Niemöller/Schaefer/Sim on, epd Dokumentation 50/93, 18 (20). 5 3 Die sich mit der Militärseelsorge beschäftigenden rechtswissenschaftlichen Arbeiten (Blaschke/Oberhem, Bundeswehr und Kirchen, 1985 [= dies., Militärseelsorge - Grundlagen, Aufgaben, Probleme, 1985]; Bleese, Militärseelsorge und die Trennung von Staat und Kirche, 1969; Cremers y Staat und Evangelische Kirche im Militärseelsorge-Vertrag von 1957, 1973; Simon, Die katholische Militärseelsorge nach dem Codex Iuris Canonici, 1962) haben im wesentlichen deskriptiven Charakter. Zu nennen sind ferner die politikwissenschaftliche Dissertation von Steuber, Militärseelsorge, 1972, sowie die theologischen Dissertationen von Hoffmann , Evangelische Militärseelsorge, 1980, und Müller-Kent, Militärseelsorge im Spannungsfeld zwischen kirchlichem Auftrag und militärischer Einbindung, 1990, welche rechtliche Fragen allenfalls am Rande behandeln. Aus der Kommentarliteratur siehe vor allem v. Campenhausen, in: v. Mangoldt/Klein, GG, Komm., Art. 140/141 W R V Rdnrn. 12 ff.

Β. Gegenstand der Untersuchung

37

mäßigkeit der westdeutschen Militärseelsorge ist zwar seit Abschluß des Militärseelsorgevertrages von 1957 umstritten, wurde aber bislang nicht eingehend untersucht. Ohnehin hat sich das Umfeld der Militärseelsorge in den letzten Jahren geradezu dramatisch verändert: Zu nennen ist vor allem die Ausweitung der Bundeswehr auf die neuen Bundesländer, wo 40 Jahre real existierender Sozialismus und die damit verbundene Förderung des Atheismus beide große Kirchen in eine Diaspora-Situation gebracht haben.54 Somit ist die Militärseelsorge für ostdeutsche Soldaten nicht ohne weiteres mit der bisherigen Bundeswehrseelsorge zu vergleichen. Aber selbst die westdeutsche Militärseelsorge befindet sich angesichts der zunehmenden Säkularisierung der Gesellschaft und dem daraus resultierenden Verlust an sozialer Relevanz der Kirchen in einer anderen Situation als zum Zeitpunkt ihrer Errichtung 1956/57. Hinzu kommen neue internationale Verpflichtungen der Bundeswehr, die zugleich für die Militärseelsorge von Bedeutung sind. Die Untersuchung wird sich, nachdem zunächst ein Überblick über die gegenwärtige Ausgestaltung der Militärseelsorge gegeben wird, in ihrem Hauptteil den verfassungsrechtlichen Fragen der Militärseelsorge widmen. Die Militärseelsorge ist nur ein Steinchen im komplex angelegten staatskirchenrechtlichen Mosaik. Eine verfassungsrechtliche Beurteilung der Militärseelsorge wird daher zugleich das staatskirchenrechtliche Gesamtgefüge in den Blick nehmen müssen. Da Hintergrund des Vorwurfs der Verfassungswidrigkeit der Militärseelsorge vornehmlich die Prämisse strikter Trennung von Staat und Kirche ist, wird zu ermitteln sein, inwieweit das Grundgesetz eine entsprechende Trennungsanordnung enthält. Im Anschluß an die Erörterung der verfassungsrechtlichen Aspekte der Militärseelsorge soll die im bisherigen Schrifttum nahezu unbeachtete Frage55 beantwortet werden, ob und inwieweit die Normen des Beamtenrechts, namentlich die potentiell konfliktträchtigen beamtenrechtlichen Dienstpflichten, ihre Anwendung für die verbeamteten Militärseelsorger finden. Dies soll einmal ein Beitrag zur Versachlichung der Diskussion um den "Reizbegriff ,56 des Beamtenstatus der Militärgeistlichen sein. Im übrigen sollen nach Vorstellung der EKD die im kirchlichen Dienst verbleibenden Militärgeistlichen ihren verbeamteten Kollegen in Rechten und Pflichten gleichstehen57 - es

5 4

Etwa 11-12% der Soldaten in den neuen Bundesländern sind evangelisch, etwa 3% katholisch; so Ottemeyer, epd Dokumentation 25/92, 40. Schätzungen gehen 1995 von einem ca. 17%Anteil evangelischer Soldaten aus (epd ZA Nr. 125 vom 03.07.1995). 5 5

Bislang eingehendste Untersuchung: Loschelder, FS Hengsbach, 783 ff.

5 6

Vgl. den EKD-Arbeitskreis "Sicherung des Friedens", epd Dokumentation 39/94, 35.

5 7

Oben 1. Teil A Fuß η. 47

38

Einleitung

gälten also auch die beamtenrechtlichen Dienstpflichten, wenngleich in anderem Gewände.

2. Teil: Gegenwärtige Ausgestaltung der Militärseelsorge Ein Überblick über die Rechtsgrundlagen, die Struktur und das Tätigkeitsfeld sowie die Finanzierung der Militärseelsorge in der Bundeswehr sei vorangeschickt.

A. Rechtsgrundlagen Bis zur Vereinigung der beiden deutschen Staaten am 03.10.1990 gab es zwei deutsche Armeen; in Berlin (West) hingegen waren keine deutschen Streitkräfte stationiert. Eine Militärseelsorge gab es nur für die Soldaten der Bundeswehr, nicht für die Nationale Volksarmee. Nach der Vereinigung erstreckte die Bundeswehr ihren Stationierungsbereich zwar auf die neuen Bundesländer und Berlin. Das bedeutete indessen nicht, daß nunmehr auch in Ostdeutschland eine Militärseelsorge nach westlichem Vorbild errichtet wurde. Somit ist zwischen der Militärseelsorge auf dem Gebiet der alten Bundesländer (ohne Berlin) und der Militärseelsorge in den neuen Bundesländern und Berlin zu unterscheiden.

I. Rechtsgrundlagen der Militärseelsorge in Westdeutschland1 Für die Gewährleistung der seelsorgerischen Betreuung von Soldaten zeigen sich Staat und Kirchen gleichermaßen verantwortlich. Die Militärseelsorge zählt mithin zu den sog. gemeinsamen Angelegenheiten, für die zudem vertragliche Vereinbarungen getroffen wurden. Die Seelsorge in der Bundes-

Die wichtigsten Rechtsgrundlagen der Militärseelsorge sind abgedruckt in: Evangelisches Kirchenamt für die Bundeswehr/Katholisches Militärbischofsamt (Hrsg.), Dokumentation zur Katholischen und Evangelischen Militärseelsorge, 1991; Essener Gespräche 23 (1989), 169 ff.

40

Gegenwärtige Ausgestaltung der Militärseelsorge

wehr stützt sich daher auf vertragliche, staatliche und kirchliche Rechtsgrundlagen. Das von allen beteiligten Seiten - Staat, evangelischer und katholischer Kirche - ausgehandelte Modell der Bundeswehrseelsorge ist die im Militärseelsorgevertrag geregelte evangelische Militärseelsorge. Daher werden zunächst die Rechtsgrundlagen für die evangelische und dann die zum Teil abweichenden Rechtsquellen der katholischen Militärseelsorge dargestellt Im Anschluß daran ist kurz auf die Rechtslage hinsichtlich der seelsorgerischen Betreuung von Soldaten anderer Religionszugehörigkeit einzugehen. 1. Evangelische Militärseelsorge

a) Vertragliche

Rechtsgrundlagen

Wichtigste Rechtsquelle ist der Vertrag der Bundesrepublik Deutschland mit der Evangelischen Kirche in Deutschland zur Regelung der evangelischen Militärseelsorge vom 22.02.1957 (BGBl. II S. 702). Das Inkrafttreten des Vertrages wurde am 01.08.1957 bekanntgemacht, nachdem am Tage zuvor die Ratifikationsurkunden ausgetauscht worden waren (BGBl. II S. 1229). b) Staatliche Rechtsgrundlagen Auf staatlicher Seite finden sich rechtliche Aussagen zur Militärseelsorge im Verfassungsrecht, im einfachen Gesetzesrecht und in bundeswehrinternen Verwaltungsvorschriften. aa) Grundgesetz Auf Verfassungsebene ist die Militärseelsorge ausdrücklich in Art 141 WRV i.V.m. Art 140 GG genannt, wonach die Religionsgemeinschaften, soweit ein Bedürfnis nach Gottesdienst und Seelsorge im Heer besteht, zur Vornahme religiöser Handlungen zuzulassen sind, wobei freilich jeder Zwang fernzuhalten ist. Grundlage der seelsorgerischen Betreuung von Soldaten ist ferner die Religionsfreiheit gem. Art. 4 Abs. 1 und 2 GG. bb) Bundesgesetze Bedeutsamste Rechtsquelle auf der Ebene des einfachen Rechts ist das Gesetz über die Militärseelsorge vom 26.07.1957 (BGBl. II S. 701), mit dem der Bundestag dem am 22.02.1957 unterzeichneten Vertrag der Bundesrepublik Deutschland mit der Evangelischen Kirche in Deutschland zur Regelung der evangelischen Militärseelsorge zugestimmt hat (Art. 1). Hinzu kommt § 36

Α. Rechtsgrundlagen

41

S. 1 Soldatengesetz (SG), wonach jeder Soldat einen Anspruch auf Seelsorge und ungestörte Religionsausübung hat. Gem. § 36 S. 2 SG ist dabei die Teilnahme am Gottesdienst freigestellt. Für die verbeamteten Militärgeistlichen sind schließlich noch die verschiedenen beamtenrechtlichen Bundesgesetze als Rechtsgrundlage heranzuziehen, wobei im 4. Teil dieser Untersuchung zu ermitteln sein wird, inwieweit die Normen des Beamtenrechts im Einzelfall ihre Anwendung finden. cc) Bundeswehrinterne Verwaltungsvorschriften Schließlich gibt es eine Fülle bundeswehrinterner Verwaltungsvorschriften, welche die nähere Ausgestaltung der Militärseelsorge regeln. Zu nennen sind vor allem die vom Bundesminister der Verteidigung erlassenen Zentralen Dienstvorschriften (ZDv).2 Am wichtigsten sind -

die ZDv 66/1 "Militärseelsorge" vom 28.08.1956,3 die sich mit dem Aufbau der Militärseelsorge, den Aufgaben der Militärgeistlichen und den Aufgaben der Truppenführer befaßt, sowie

-

die ZDv 66/2 "Lebenskundlicher Unterricht" vom 05.11.1959 (zuletzt geändert am 14.12.1976).

Ferner beschäftigen sich u.a. folgende Zentrale Dienstvorschriften und Erlasse des Bundesministers der Verteidigung mit einzelnen Fragen, die Berührungspunkte zur Militärseelsorge aufweisen: -

ZDv 10/1 "Innere Führung" vom 16.02.1993, in deren Nrn. 340 ff. werden die wesentlichen Aussagen der ZDv 66/1 zusammengefaßt;

-

ZDv 10/8 "Militärische Formen und Feiern", u.a. mit Vorschriften für die Beteiligung der Militärseelsorger an der Abnahme von Diensteid und feierlichem Gelöbnis sowie an Trauerfeiern, ferner mit Anweisungen für die militärischen Formen bei offiziellen Besuchen und Visitationen der Militärbischöfe;

-

ZDv 10/13 "Besondere Vorkommnisse" vom 29.10.1984, wonach der Militärgeistliche bei Todesfällen, lebensgefährlichen Erkrankungen etc. von Soldaten unverzüglich zu benachrichtigen ist (Nr. 407);

2 3

Dazu näher Blaschke/Oberhem,

Bundeswehr und Kirchen, S. 136 ff.

Diese ZDv wurde also schon vor Abschluß des Militärseelsorgevertrages quasi im Vorgriff auf diesen erlassen; sie gibt freilich das sich bereits abzeichnende Verhandlungsergebnis wieder.

Gegenwärtige Ausgestaltung der Militärseelsorge

42

-

ZDv 14/3 "Wehrdisziplinarordnung und Wehrbeschwerdeordnung" vom 28.07.1972, wonach der Soldat auch während der Vollstreckung von Ausgangsbeschränkungen seelsorgerisch betreut werden darf (Teil Β 149);

-

ZDv 40/1 "Standortdienstvorschrift" vom 12.12.1986 zur Dienstbefreiung von Soldaten zwecks Gottesdienstbesuchs an Sonn- und Feiertagen;

-

ZDv 40/11 "Übungsplätze" von Dezember 1979, die die seelsorgerische Betreuung auf Truppenübungsplätzen regelt;

-

Erlaß vom 12.05.1972 (VR I 4 - Az 36-02-03) zur Zusammenarbeit der Kommandobehörden mit der Militärseelsorge;

-

Erlasse vom 03.03.1967 (VR 14 - Az 36-02-03) und vom 05.11.1969 (VR I 4 - Az 36-02-03) zur Zuordnung von Militärgeistlichen zu den Divisionsstäben und von Standortpfarrern zu Akademien und Offizierschulen der Bundeswehr;

-

Marine-Dienstvorschrift MDv 160/1 von Januar 1979 "Bestimmungen für den Dienst an Bord", welche u.a. die Seelsorge an Bord regelt (Nrn. 4401 ff.).

Schließlich finden sich umfassende Anordnungen für die Zusammenarbeit von militärischen Stellen und Militärgeistlichen in der von dem Generalinspekteur der Bundeswehr erlassenen "Weisung für die Zusammenarbeit mit den Militärgeistlichen" vom 12.11.1984 (Fü S 14 - Az 36-01-10). c) Kirchliche Rechtsgrundlagen Auf Ebene der Evangelischen Kirche in Deutschland gibt es zwei Kirchengesetze zur Militärseelsorge: Erstens ist das sog. Zustimmungsgesetz vom 07.03.1957 zu nennen, mit dem die Synode der EKD dem Militärseelsorgevertrag zustimmte.4 Zweite und wichtigste kirchliche Rechtsquelle ist das "Kirchengesetz zur Regelung der evangelischen Militärseelsorge in der Bundesrepublik Deutschland" (sog. Ergänzungsgesetz, im folgenden: KG-MS) vom 08.03.1957.5 Da Militärseelsorgevertrag und das Kirchengesetz vom 08.03.1957 Auswirkungen für die Gliedkirchen der EKD hatten, war nach Art 10 Buchst, b GrundO EKD das Einverständnis der beteiligten westdeutschen Landeskirchen erforderlich. Bis Anfang Juli stimmten alle westlichen Gliedkirchen den

4

ABl. EKD 1957 Nr. 162.

5

ABl. EKD 1957 Nr. 164, S. 257.

Α. Rechtsgrundlagen

43

beiden Kirchengesetzen zu, so daß diese am 20.07.1957 verkündet wurden und damit in Kraft traten.6 Neben den zwei Kirchengesetzen auf EKD-Ebene sind für die Einzelheiten der Militärseelsorge Durchführungsbestimmungen von gewisser Bedeutung, die zehn der neunzehn westdeutschen Landeskirchen erlassen haben.7 Andere Gliedkirchen haben zumindest Einzelregelungen getroffen. 8 Soweit für einzelne Landeskirchen Durchführungsbestimmungen oder Einzelregelungen fehlen, ist dadurch die Arbeit der Militärseelsorge indessen nicht in Frage gestellt. d) Militärseelsorgeinterne

Rechtsgrundlagen

Schließlich erlassen der Evangelische Militärbischof und das Evangelische Kirchenamt für die Bundeswehr militärseelsorgeinterne Vorschriften, so etwa -

die Richtlinien für die Zusammenarbeit der evangelischen und katholischen Militärseelsorge vom 17.03.1980, gemeinsam erlassen von Evangelischem und Katholischem Militärbischof,

-

die "Rüstzeitrichtlinien der Evangelischen Militärseelsorge" vom 01.12.1988 (EKA - V - Az 36-15-03-01), erlassen vom Evangelischen Kirchenamt für die Bundeswehr zur Durchführung von Soldatenrüstzeiten. 2. Katholische Militärseelsorge

Im folgenden sollen kurz die Rechtsgrundlagen für die katholische Militärseelsorge mit ihren Besonderheiten dargestellt werden.

6 Einzig die ev. Kirche in Hessen und Nassau stimmte zunächst lediglich dem Kirchengesetz zum MSV vom 07.03.1957 zu. Das Kirchengesetz vom 08.03.1957 wurde daher unter einem darauf bezogenen Vorbehalt in Kraft gesetzt, der sich erübrigte, als diese Landeskirche 1960 auch diesem Kirchengesetz endgültig zustimmte. Davon unberührt blieb die Ratifizierung des MSV. Zum innerkirchlichen Ratifizierungsprozeß siehe Blaschke/Oberhem, Bundeswehr und Kirchen, S. 12 f.; Steuber, Militärseelsorge, S. 122 f.; Evangelisches Kirchenamt für die Bundeswehr/ Katholisches Militärbischofsamt (Hrsg.), Dokumentation zur Katholischen und Evangelischen Militärseelsorge, S. 31, 45.

η Dazu Evangelisches Kirchenamt für die Bundeswehr/Katholisches Militärbischofsamt (Hrsg.), Dokumentation zur Katholischen und Evangelischen Militärseelsorge, S. 46; Meyer, ZevKR 26 (1981), 326 (329). 8

Meyer, ZevKR 26 (1981), 326 (329).

Gegenwärtige Ausgestaltung der Militärseelsorge

44

a) Vertragliche

Rechtsgrundlagen

Wichtigste Rechtsquelle für die katholische Militärseelsorge ist Art 27 des am 20.07.1933 zwischen der damaligen Reichsregierung und dem Heiligen Stuhl geschlossenen Reichskonkordats (RGBl. II S. 679). Das Reichskonkordat kam trotz der NS-Diktatur wirksam zustande, blieb auch nach Kapitulation und Einteilung Deutschlands in Besatzungszonen 1945 in Kraft und bindet seit 1949 die Bundesrepublik Deutschland.9 Ob das Reichskonkordat auf der Ebene des Bundesrechts oder des Landesrecht fortgilt, ist für jede Bestimmung gesondert zu ermitteln und richtet sich nach den Art. 123 f., 70 ff. GG. 10 Die Zuständigkeit zur Regelung der Militärseelsorge ist ein Annex11 zur ausschließlichen Kompetenz des Bundes für die Verteidigung gem. Art. 73 Nr. 1 GG. Somit ist für Art. 27 RK nicht Art. 123 Abs. 2 GG einschlägig 1 2 ; vielmehr sind die Art. 123 Abs. 1, 124 GG heranzuziehen.13 Die Vereinbarkeit mit dem Grundgesetz gem. Art. 123 Abs. 1 GG unterstellt, gilt Art. 27 RK damit als Bundesrecht fort. 14 Es gibt ferner eine Vereinbarung vom 06.04.1987 zwischen dem Bundesminister für Verteidigung und dem katholischen Militärbischof für die Deutsche Bundeswehr - mit Zustimmung des Heiligen Stuhles - über den Einsatz von Pastoralreferenten in der Katholischen Militärseelsorge. 15 b) Staatliche Rechtsgrundlagen Auf der Ebene des Verfassungsrechts gelten die Art 141 WRV i.V.m. Art. 140 GG, Art. 4 Abs. 1 und 2 GG für die katholische ebenso wie für die evangelische Militärseelsorge.

9

BVerfGE 6, 309 (334 ff.).

10

BVerfGE 6, 309 (343).

11

Vgl. Regierungsbegründung zum Militärseelsorgevertrag, BT-Dr. 2/3500, S. 9.

11 Art. 123 Abs. 2 GG bezieht sich zwar nach seiner Entstehungsgeschichte gerade auf das Reichskonkordat, aber eben nur auf Gegenstände, für die nach Art. 70 ff. GG die Länder zuständig sind. 13 Vgl. BVerfGE 6, 309 (345); Kirn, in: v. Münch, GG, Komm., Art. 123 Rdnr. 13. 14

Das Reichskonkordat trat innerstaatlich durch schlichte Bekanntmachung vom 12.09.1933 in Kraft. Es gab daher kein Zustimmungsgesetz des Reichstages - ein solches wurde wegen des Gesetzes zur Behebung der Not von Volk und Reich (sog. Ermächtigungsgesetz) vom 24.03.1933 (RGBl. I S. 141) für entbehrlich gehalten - , das nach 1949 als Bundesgesetz fortgelten konnte. Dazu BVerfGE 6, 309 (330 ff.). 15

VMB1. 1987,170. Dazu unten 2. Teil Β IV 1 b.

Α. Rechtsgrundlagen

45

Des weiteren sind gem. Art. 2 des Gesetzes über die Militärseelsorge vom 26.07.1957 auf die katholischen Militärgeistlichen die beamtenrechtlichen Bestimmungen des Vertrages über die evangelische Militärseelsorge sinngemäß anzuwenden. § 36 Soldatengesetz und die Normen des Bundesbeamtenrechts sind ebenfalls für die katholische Militärseelsorge einschlägig. Schließlich gelten die vom Bundesminister der Verteidigung oder dem Generalinspekteur der Bundeswehr erlassenen Zentralen Dienstvorschriften und sonstigen Verwaltungsvorschriften für beide Zweige der Militärseelsorge, also auch für die katholische. Zusätzlich gibt es einen Durchführungserlaß vom 06.04.1987 zu der oben genannten Vereinbarung über den Einsatz von Pastoralreferenten. 16 c) Kirchliche Rechtsgrundlagen Das kirchliche Gesetzbuch für die Lateinische Kirche von 1983, der Codex Iuris Canonici, befaßt sich nur in can. 569 mit der Militärseelsorge, wonach für Militärseelsorger besondere Gesetze gelten. Rahmengesetz für die Militärseelsorge im gesamten Bereich der katholischen Kirche ist die Apostolische Konstitution "Spirituali militum curae" vom 21.04.198617, welche die Instruktion der Konsistorialkongregation "Sollemne semper" vom 23.04.195118 ablöste. Die katholische Militärseelsorge für die Bundeswehr fand ihre besondere Regelung zunächst in den am 31.07.1965 erlassenen "Statuten für die Seelsorge in der Bundeswehr"19, die am 23.11.1989 durch an einigen Stellen modifizierte, aber im wesentlichen an die früheren Statuten anknüpfende, neue päpstliche "Statuten für den Jurisdiktionsbereich des Katholischen Militärbischofs für die Deutsche Bundeswehr" (im folgenden: PS-Kath.MB) ersetzt worden sind.20 Diese Statuten wurden durch das vom selben Tage stammende Apostolische Breve "Moventibus quidem" begleitet und traten am 01.01.1990 in Kraft. 21 Sie regeln den Aufbau der katholischen Militärseel16

V R 1 4 - Az. 36-25-02/01 (abgedruckt in: VMB1. 1987, 170).

17

Acta Apostolicae Sedis 78, 1986, S. 481 ff.; authentische deutsche Übersetzung in: Verordnungsblatt des Katholischen Militärbischofs 1987, S. 75 ff. Dazu Tammler, ArchKathKR 159 (1986), 47 ff. 18

Acta Apostolicae Sedis 43, 1951, S. 562 ff.

19

Acta Apostolicae Sedis 57, 1965, S. 704 ff.; authentische deutsche Übersetzung in: Verordnungsblatt des Katholischen Militärbischofs 1965, S. 1 ff. 2 0 21

Zu den Statuten siehe Hierold, ArchKathKR 159 (1990), 94 ff.

Die Statuten und das Breve sind abgedruckt in: Acta Apostolicae Sedis 81,1989, S. 1284 ff.; authentische deutsche Übersetzung in: Verordnungsblatt des Katholischen Militärbischofs 1990, S. I f f .

Gegenwärtige Ausgestaltung der Militärseelsorge

46

sorge und die Aufgaben von Militärbischof, Militärgeistlichen und Hilfskräften sowie die Verwaltung der Sakramente und das Verhältnis zur allgemeinen Seelsorge und sind damit neben Art 27 RK die wichtigste Rechtsgrundlage für die katholische Militärseelsorge in der Bundeswehr. Das gemäß dem Schlußprotokoll zu Art. 27 Abs. 4 RK erforderliche Benehmen mit der Bundesregierung wurde durch die Verbalnoten der Apostolischen Nuntiatur vom 10.01.1990 und des Auswärtigen Amtes vom 16.01.1990 hergestellt.22 Über das schlichte Benehmen hinaus gingen den Statuten, vor allem denen von 1965, intensive Verhandlungen zwischen Staat und Kirche voraus.23 d) Militärseelsorgeinterne

Rechtsgrundlagen

Daneben gibt es noch interne Vorschriften für die katholische Militärseelsorge, etwa die -

Ordnung für Pastoralreferenten im Jurisdiktionsbereich des katholischen Militärbischofs für die Deutsche Bundeswehr vom 06.04.1987,24

-

Verordnung des Katholischen Militärbischofs für die Deutsche Bundeswehr über die Jurisdiktion der Militärgeistlichen vom 15.01.1992,25

-

Verordnung des Katholischen Militärbischofs für die Deutsche Bundeswehr zur Regelung der Zusammenarbeit der Militärgeistlichen mit der örtlichen Seelsorge vom 06.09.1993.26 3. Sonstige Religionsgemeinschaften

Von den Soldaten der Bundeswehr (in Westdeutschland) gehörten im August 1994 etwa 85% der evangelischen oder katholischen Kirche und nur 15% (noch 1990 sogar nur 4%) einer anderen oder keiner Religionsgemeinschaft an.27 Angesichts der geringen Zahl besteht daher in der Bundeswehr keine

2 2

Verordnungsblatt des Katholischen Militärbischofs für die Bundeswehr 1990, S. 11.

2 3

Blaschke/Oberhem, Bundeswehr und Kirchen, S. 100; vgl. auch die Ansprache des Bundesministers der Verteidigung Stoltenberg anläßlich der Entgegennahme der Statuten von 1990, in: Kath. Militärbischofsamt (Hrsg.), Päpstliche Dokumente, S. 45 (46). 2 4

Verordnungsblatt des Katholischen Militärbischofs 1987, 79 f.

25

ArchKathKR 161 (1992), 158.

2 6

ArchKathKR 162 (1993), 526.

η Zahlen nach Angaben des Evangelischen Kirchenamtes für die Bundeswehr. Der Anteil der nicht der evangelischen oder katholischen Kirche angehörenden Soldaten wächst allerdings sehr schnell (nach Angaben des BundesVerteidigungsministeriums im August 1995 bereits ca. 27%). Es

Α. Rechtsgrundlagen

47

besondere Militärseelsorge für andere Religionsgemeinschaften. Auch für die kleineren Religionsgemeinschaften und deren Angehörige gelten indessen die Art. 141 WRV i.V.m. Art. 140 GG, Art. 4 Abs. 1 und 2 GG und § 36 SG. Der Staat hat daher in ZDv 66/1 Nr. 2 unterstrichen, daß auf Verlangen ihrer Religionsgemeinschaften 28 auch für die Angehörigen anderer Bekenntnisse eine ihrer Mitgliederzahl entsprechende Militärseelsorge eingerichtet wird und sie hinreichend Gelegenheit zur Erfüllung ihrer religiösen Pflichten erhalten. Ihnen kommen zudem diejenigen bundeswehrinternen Vorschriften zugute, die die individuelle Glaubensfreiheit schützen, wie etwa das Recht, Gottesdienste auch während der Dienstzeit außerhalb der Bundeswehreinrichtungen zu besuchen oder Besuch von Geistlichen der eigenen Konfession zu erhalten. Darüber hinaus unterstützt der Staat deren seelsorgerische Tätigkeit etwa durch Gewährung von Sonderurlaub und Übernahme der Transportkosten bei Rüstzeiten. Schließlich soll sich gem. Art. 9 MSV die Militärseelsorge auch der Soldaten annehmen, die anderen Religionsgemeinschaften angehören.29

IL Rechtsgrundlagen der Militärseelsorge in den neuen Bundesländern und Berlin Seit der Wiedervereinigung ist ein Prozeß der Angleichung der Rechtslage in den neuen Ländern an den bisherigen Rechtszustand der alten Bundesrepublik im Gange. Dieser Prozeß erstreckt sich auch auf die Rechtsgrundlagen der Militärseelsorge. Trotz der seit dem Beitritt verstrichenen Zeit ist das Ziel der Schaffung einheitlicher Rechtsverhältnisse jedoch nicht erreicht. Die noch bestehenden rechtlichen Abweichungen vom westdeutschen Vorbild haben im wesentlichen kirchenpolitische Gründe, zugleich aber historische Wurzeln. Daher soll, ehe die gegenwärtige Rechtslage der Militärseelsorge in den neuen Bundesländern und Berlin dargestellt wird, ein kurzer Blick auf den Rechtszustand vor der Vereinigung Deutschlands am 03.10.1990 geworfen werden.

liegen keine Angaben vor, ob die nicht den großen Kirchen angehörenden Soldaten einer anderen oder keiner Religionsgemeinschaft zugehörig sind. Zu vermuten ist letzteres. 2 8

Bislang ist keine weitere Religionsgemeinschaft an den Staat mit einem entsprechendem

Wunsch herangetreten.

9Q Primär zielt Art. 9 MSV indes auf Soldaten evangelischer Konfession, die nicht unter den in Art. 7 Abs. 1 MSV genannten Personenkreis fallen, etwa auf kurzfristig zu einer Wehrübung eingezogene Soldaten; vgl. Regierungsbegründung zu Art. 9 MSV, BT-Dr. 2/3500, S. 11. - Dessenungeachtet nimmt sich die Militärseelsorge auch Soldaten anderen Glaubens an; vgl. etwa Schwarz, epd Dokumentation 22/93, 45.

Gegenwärtige Ausgestaltung der Militärseelsorge

48

1. Rechtslage in der DDR

In der Verfassung vom 07.10.1949 fand sich in Art. 46 zwar eine Parallelnorm zu Art. 141 WRV, jedoch ohne Nennung der Armeeseelsorge. In den Verfassung vom 06.04.1968 und in der revidierten Fassung vom 07.10.1974 fehlte sogar die verfassungsrechtliche Verankerung der Anstaltsseelsorge. Damit wurde die tatsächliche Situation der Anstaltsseelsorge indessen nur wenig berührt, da schon unter der Geltung der DDR-Verfassung von 1949 eine geordnete Krankenhaus- und Gefängnisseelsorge angesichts staatlicher Hemmnisse und Restriktionen kaum möglich war. 30 Dessen ungeachtet trat die seinerzeit noch gesamtdeutsche EKD während der Verhandlungen und nochmals nach Abschluß des Militärseelsorgevertrages im Jahre 1957 an die Regierung der DDR heran, um die Ermöglichung der Seelsorge für Soldaten evangelischer Konfession auch innerhalb der Nationalen Volksarmee zu erreichen. 31 Der Minister für Nationale Verteidigung der DDR lehnte indessen alle Verhandlungen über die Einrichtung einer Militärseelsorge in einem Brief vom 04.03.1957 ab und verband dies mit der Bemerkung, seines Wissens werde von keinem Angehörigen der Nationalen Volksarmee eine "seelsorgerische Betreuung durch Wehrmachtspfarrer" gewünscht.32 In der DDR hat es daher nie eine institutionalisierte Militärseelsorge gegeben. Es gab lediglich Einzelfälle individueller Seelsorge für NVASoldaten durch die Heimatgemeinde oder Ortsgemeinde in der Nähe des jeweiligen Standortes, freilich - schon um staatlichen Repressalien vorzubeugen - nur in der Freizeit außerhalb der Kasernen und ohne Kenntnis der militärischen Vorgesetzten.33 Nach dem Ende des SED-Regimes gab es vereinzelte Ansätze zu seelsorgerischer Betreuung, wenn Ortspfarrer auf eigene

3 0

Es gab zwar von 1950 bis zum Ende des SED-Regimes bis zu drei verbeamtete evangelische Gefängnisgeistliche (seit 1967 nur einen), dazu einige nebenamtlich tätige Pfarrer. Die hauptamtlichen Gefängnispfarrer waren waren jedoch ohne offizielle Billigung und Anerkennung ihrer Kirchen allein im staatlichen Auftrag tätig. Von einer freien seelsorgerischen Betreuung konnte keine Rede sein, zumal auf die Gefangenen häufig Druck ausgeübt wurde, an den Gottesdiensten - Einzelseelsorge war ohnehin kaum möglich - nicht teilzunehmen. Viele Gefängnisleitungen verwehrten Geistlichen jeglichen Zutritt. Dazu Beckmann/Kusch, Gott in Bautzen, S. 60 ff.; Mampel, Sozialistische Verfassung der DDR, Komm., Art. 39 Rdnra. 2, 42; Rommel, Religion und Kirche im sozialistischen Staat der DDR, S. 83 f.; Winkel, ZevKR 30 (1985), 6 (88). O 1

Vgl. etwa den das Kirchengesetz zur Militärseelsorge begleitenden Beschluß der EKD-Synode vom 08.03.1957, abgedruckt in Kirchenamt der EKD (Hrsg.), Berlin-Spandau 1957, S. 640. 3 2 Der Brief ist wiedergegeben bei: Kirchenamt S. 316 f. 33

der EKD (Hrsg.), Berlin-Spandau 1957,

Dazu Schröder, epd Dokumentation 39/94, 49; Lemberger, Kompaß - Soldat in Kirche und

Welt Nr. 23 vom 01.11.1991, S. 5.

Α. Rechtsgrundlagen

49

Initiative oder Einladung hin das - nun nicht mehr heimliche - Gespräch mit den Soldaten der NVA suchten.34 2. Rechtslage im vereinigten Deutschland

Es ist wiederum zwischen vertraglichen, staatlichen und kirchlichen Rechtsgrundlagen zu unterscheiden. Jedenfalls der staatliche Rechtsrahmen gilt seit der Wiedervereinigung auch im Bereich der neuen Bundesländer. Für Art 4 Abs. 1 und 2 GG, Art. 141 WRV i.V.m. Art 140 GG ergibt sich dies aus Art. 3 EinigungsV, für das einfachgesetzliche Bundesrecht, d.h. insbesondere für das Gesetz über die Militärseelsorge vom 26.07.1957, § 36 SG und die Normen des Bundesbeamtenrechts, aus Art 8 EinigungsV, da die Anlagen zum Einigungsvertrag insoweit keine Ausnahmebestimmungen bereithalten. Für Berlin gilt im Ergebnis - ohne Rückgriff auf den Einigungsvertrag - nichts anderes.35 Die bundeswehrinternen Vorschriften sind nach der Eingliederung der Nationalen Volksarmee in die Bundeswehr grundsätzlich36 auch für die Einheiten anzuwenden, die in Ostdeutschland und Berlin stationiert sind. Größere Schwierigkeiten bereitet hingegen die Bestimmung der im Beitrittsgebiet heranzuziehenden innerkirchlichen und vertraglichen Rechtsgrundlagen. Dabei wirft insbesondere die evangelische Militärseelsorge in den neuen Bundesländern einige Probleme auf, wenngleich dies weniger rechtlich als vielmehr (kirchen-)politisch bedingt ist. Zunächst soll daher die Rechtslage der evangelischen Militärseelsorge dargestellt werden. a) Evangelische Militärseelsorge Die ostdeutschen Gliedkirchen der EKD weigern sich bislang, den Militärseelsorgevertrag der seelsorgerischen Betreuung von Soldaten zugrundezulegen. Damit fragt sich zum einen, ob der Geltungsbereich des Militärseelsorgevertrages sich auch auf das Gebiet der neuen Bundesländer und Berlin erstreckt Zum anderen stellt sich die Frage nach der innerkirchlichen Geltung der EKD-Kirchengesetze zur Militärseelsorge von 1957.

3 4

Graf, epd Dokumentation 4/93, 19.

3 5

Siehe § 1 des Gesetzes zur Überleitung von Bundesrecht vom 25.09.1990 (BGBl. I 2106).

3 6

Zu den Ausnahmen siehe unten 2. Teil A I I 2 a cc.

4 Ennuschat

Gegenwärtige Ausgestaltung der Militärseelsorge

50

aa) Geltungsbereich des Militärseelsorgevertrages Die Erstreckung des Militärseelsorgevertrages auf das Beitrittsgebiet und Berlin könnte sich zunächst aus Art. 11 des Einigungsvertrages ergeben. Voraussetzung ist das Vorliegen eines völkerrechtlichen Vertrages. Nun ist der Militärseelsorgevertrag zwar in der Form dem Völkerrecht angenähert.37 So bedurfte er etwa gem. Art. 28 MSV der Ratifizierung. Die EKD und die evangelischen Landeskirchen sind aber keine Völkerrechtssubjekte und können daher nicht Vertragspartner völkerrechtlicher Veträge sein. In materieller Hinsicht ist der Militärseelsorgevertrag mithin als staatsrechtlicher Vertrag zu qualifizieren. 38 Die direkte Heranziehung von Art. 11 EinigungsV scheidet somit aus. In Betracht käme allenfalls eine analoge Anwendung.39 Die Notwendigkeit einer Analogie entfiele freilich, wenn sich schon aus dem Militärseelsorgevertrag selbst die Ausdehnung seines Geltungsbereiches auf das Beitrittsgebiet und Berlin ergäbe. Der Wortlaut des Militärseelsorgevertrages verweist mehrfach auf die "Gliedkirchen": Art. 3 Abs. 2, 4, 6 Abs. 1-3, 17 Abs. 1, 18 Abs. 1 MSV. Gliedkirchen der EKD sind alle evangelischen Landeskirchen auf dem Gebiet der heutigen Bundesrepublik (vgl. Art. 21 Abs. 1 GrundO EKD). Sowohl beim Abschluß des Militärseelsorge Vertrages im Jahre 1957 als auch heute zählen damit alle ostdeutschen Landeskirchen zur EKD. Selbst die Abspaltung der ostdeutschen Landeskirchen in den Jahren von 1969 bis 1991 ließ ihre Mitgliedschaft in der EKD unberührt: Diese ruhte nur und wurde im Zuge der kirchlichen Wiedervereinigung am 27.06.1991 aktualisiert.40 Immerhin ist zu berücksichtigen, daß zum Zeitpunkt des Vertragsschlusses (22.02.1957) die Bundeswehr nur im Westen Deutschlands stationiert war. Seinerzeit dürften sich daher beide Vertragspartner unter den "Gliedkirchen" nur die westdeutschen Landeskirchen vorgestellt haben. Daraus könnte man Bedenken gegen die Geltung des Vertrages für ganz Deutschland herleiten 4 1 "XI Grund war die angestrebte Gleichstellung des Militärseelsorgevertrages mit dem Reichskonkordat, das ein völkerrechtlicher Vertrag ist oder zumindest entsprechend den völkerrechtlichen Vertragsgrundsätzen behandelt wird. Dazu Bleese, Militärseelsorge, S. 234, 236; Steuber, Militärseelsorge, S. 108 ff; Kremser, JöR n.F. 40 (1991/92), 501 (528). 3 8 v. Campenhausen, in: v. Mangoldt/Klein, GG, Komm., Art. 140 Rdnr. 50; Bleese, Militärseelsorge, S. 236; Depenbrock, ZevKR 38 (1993), 413 (418); Kremser, JöR n.F. 40 (1991/92), 501 (528). 3 9 So Kremser, 413 (417).

JöR n.F. 40 (1991/92), 501 (528); ähnlich Depenbrock, ZevKR 38 (1993),

4 0

Im einzelnen dazu M.Heckel NJW 1992, 1001 ff.; ders. % ZevKR 36 (1991), 166 ff.

4 1

So Rüfner, Essener Gespräche 26 (1992), 60 (67 Fußn. 22).

51

Α. Rechtsgrundlagen

Fraglich ist also, ob nach dem Willen der Vertragspartner der Geltungsbereich des Militärseelsorgevertrages auf den Stand des Jahres 1957 festgeschrieben sein sollte. (1) Funktionale Beschreibung des Geltungsbereiches des Militärseelsorgevertrages Zunächst fällt indes auf, daß im Militärseelsorgevertrag das Tätigkeitsfeld der Militärseelsorge nicht geographisch, sondern vielmehr funktional beschrieben wird. So heißt es in der Präambel, daß die Seelsorge "in der Bundeswehr" gewährleistet werden solle, und in Art 1 MSV, daß "für die Bundeswehr" eine evangelische Militärseelsorge errichtet werde. Daraus folgt, daß überall dort, wo Bundeswehreinheiten stationiert sind oder eingesetzt werden, es eine evangelische Militärseelsorge nach diesem Vertrag geben soll. Diese funktionale Beschreibung des Geltungsbereichs des Militärseelsorgevertrages - quasi akzessorisch zum Tätigkeitsbereich der Bundeswehr wird darüber hinaus dem Vertragszweck, der seelsorgerischen Betreuung von Bundeswehrsoldaten, am ehesten gerecht. (2) Keine Festschreibung des Geltungsbereiches auf die westdeutschen Landeskirchen durch kirchliche Rechtsverwahrung Man könnte allerdings daran denken, den Text der kirchlichen Ratifikationsurkunde zum Militärseelsorgevertrag "Nachdem der ... Vertrag ... die verfassungsmäßige Zustimmung der Synode der Evangelischen Kirche in Deutschland und der beteiligten Gliedkirchen gefunden hat, wird namens der Evangelischen Kirche in Deutschland erklärt, daß der Vertrag bestätigt wird." 42 als Rechtsverwahrung gegen jede Auslegung zu verstehen, die den vertraglichen Geltungsbereich des Militärseelsorgevertrages nicht auf den Bereich der beteiligten (= westlichen) Gliedkirchen beschränkt. Der Militärseelsorgevertrag ist zwar kein völkerrechtlicher Vertrag, aber doch in den äußeren Formen dem Völkerrecht angenähert. Eine Rechtsverwahrung im Sinne der völkerrechtlichen Terminologie43 ist mithin nicht schlechterdings ausgeschlossen.44

4 2

Hervorhebung vom Verfasser, Militärseelsorge, S. 111.

vollständiger Wortlaut der Ratifikationsurkunde bei Steuber,

4 3 Dazu etwa Ipsen, Völkerrecht, § 14 Rdnr. 2, S. 147; Seidl-Hohenveldern, Rdnr. 315.

4*

Völkerrecht,

Gegenwärtige Ausgestaltung der Militärseelsorge

52

Es ist indessen kaum anzunehmen, daß die EKD mit der Wortwahl der Ratifikationsurkunde eine Rechtsverwahrung intendierte. Es liegt vielmehr näher, darin lediglich einen Hinweis auf den innerkirchlichen Ratifizierungsprozeß (vgl. Art. 10 Buchst, b GrundO EKD) zu sehen. Vor allem aber ist die Beschränkung auf die "beteiligten" Gliedkirchen vor folgendem Hintergrund zu verstehen:45 Vertragspartner des Militärseelsorgevertrages war (und ist) die EKD, die auch 1957 sämtliche west- und ostdeutsche evangelischen Landeskirchen vereinte. Die innerkirchliche Zustimmung zum Militärseelsorgevertrag wurde von der seinerzeit gesamtdeutsch zusammengesetzten EKD-Synode unter Zustimmung der Kirchenkonferenz (Art. 23 Abs. 2 i.V.m. 26 Abs. 2 S. 3 GrundO EKD), der gleichfalls zahlreiche Vertreter aus den ostdeutschen Landeskirchen angehörten, beschlossen, wobei sogar die Mehrzahl der ostdeutschen Synodalen für den Militärseelsorgevertrag stimmte,46 obwohl die Gefahr bestand, damit gegen DDR-Strafrecht zu verstoßen 4 7 Schon angesichts der politischen Realität im geteilten Deutschland stand freilich außer Frage, daß die Gliedkirchen auf dem Gebiet der DDR nicht an den Militärseelsorgevertrag gebunden sein durften. Es galt somit, das Mißverständnis zu vermeiden, die in der DDR beheimateten Landeskirchen seien zur Militärseelsorge für die Bundeswehr verpflichtet, zumal zu erwarten war, daß der DDR-Regierung ein derartiges Mißverständnis höchst willkommen gewesen wäre, um damit Repressalien gegenüber der evangelischen Kirche zu rechtfertigen. Dieses Ziel wurde vor allem dadurch erreicht, daß die ostdeutschen Landeskirchen den beiden Kirchengesetzen zur Militärseelsorge vom 7./8.03.1957 nicht zustimmten.48 Ferner hat die EKD mehrfach ausdrücklich erklärt, daß der Militärseelsorgevertrag nur für die Gliedkirchen der Bundes-

4 4 Vgl. Kremser, JöR n.F. 40 (1991/92), 501 (528), und Depenbrock, ZevKR 38 (1993), 413 (471), die innerstaatlich die Kirchenverträge mit der ev. Kirche den Konkordaten mit dem Hl. Stuhl gleichstellen. 4 5 Zur innerkirchlichen Auseinandersetzung um den Militärseelsorgevertrag vor dem Hintergrund der drohenden Verschlechterung der Situation der ostdeutschen Landeskirchen in der DDR siehe Bester, Der SED-Staat und die Kirche, S. 216 ff. 4 6 Die Abstimmung war zwar geheim, aber die Mehrheit von 90 gegen 18 (bei 5 Enthaltungen) Stimmen wäre angesichts der ablehnenden Haltung vieler aus dem Westen stammender Synodaler (die westlichen Landeskirchen entsandten 78 Vertreter) anders nicht zustande gekommen; siehe Rommel, Religion und Kirche im sozialistischen Staat der DDR, S. 85 Fußn. 240. - Darauf weist im übrigen auch der Bundesminister der Verteidigung in einem Schreiben an die BEK vom 06.05.1991 hin (abgedruckt in L K V 1991, 338). 4 7

Meinecke, Die Kirche, S. 139 Fußn. 18.

4 8

Dazu näher sogleich unter bb.

Α. Rechtsgrundlagen

53

republik, nicht aber für die evangelischen Kirchen der DDR gelte.49 Dementsprechend wurden einige organisatorische Vorkehrungen getroffen. So übertrug der (gesamtdeutsch zusammengesetzte) EKD-Rat seine aus dem Militärseelsorgevertrag und dem Kirchengesetz zur Regelung der Militärseelsorge vom 08.03.1957 sich ergebenden Kompetenzen auf einen Ausschuß, der nur aus westdeutschen Ratsmitgliedern bestand. Ähnlich verfuhr die Kirchenkonferenz, die ihre Befugnisse auf die westdeutschen Mitglieder der Kirchenkonferenz delegierte.50 Die EKD unterrichtete von diesen Schritten die Bundesregierung, die dagegen keine Einwände hatte.51 Sinn und Zweck der Beschränkung der Ratifikation auf die "beteiligten" Gliedkirchen war also lediglich, einer weiteren Verschlechterung der Lage der evangelischen Christen in der DDR keinen Vorschub zu leisten. Daraus folgt jedoch gerade nicht, daß die Beschränkung der Bundeswehrseelsorge auf das Gebiet der westdeutschen Landeskirchen auch für den Fall der Wiedervereinigung gelten sollte. Eine explizite Wiedervereinigungsklausel kam dabei selbstverständlich nicht in Frage. Der Ratifikationsurkunde ist mithin keine Rechtsverwahrung und damit keine Festschreibung des Geltungsbereichs des Militärseelsorgevertrages auf den Stand des Jahres 1957 zu entnehmen. Die funktionale Beschreibung des vertraglichen Geltungsbereichs führt daher dazu, daß im Zuge der Erweiterung des Tätigkeitsbereichs der Bundeswehr sich zugleich der Anwendungsbereich des Militärseelsorgevertrages auf die neuen Bundesländer erstreckt, ohne daß es einer erneuten Vereinbarung der Vertragspartner bedarf. 52 Die (analoge) Heranziehung von Art. 11 EinigungsV ist zur Begründung dieses Ergebnisses somit nicht erforderlich. bb) Keine Geltung der EKD-Kirchengesetze zur Militärseelsorge Damit ist geklärt, daß sowohl die vertraglichen als auch die staatlichen Rechtsgrundlagen der bisherigen evangelischen Militärseelsorge im Bereich der neuen Bundesländer und Berlin gelten. Davon zu unterscheiden ist die Geltung der beiden EKD-Kirchengesetze zum Militärseelsorgevertrag und zur Regelung der Militärseelsorge vom 7./8.03.1957.

4 9

Vgl. den Beschluß der Kirchenkonferenz der EKD vom 29.04.1958 (ABl. EKD 1958 Nr. 70). Siehe auch Steuber, Militärseelsorge, S. 127. 5 0

Dazu Steuber, Militärseelsorge, S. 128.

51

So Hollerbach, Verträge zwischen Staat und Kirche, S. 42.

5 2

Im Ergebnis ebenso Kremser, JöR n.F. 40 (1991/92), 501 (528). - Diese Sicht teilte im übri-

gen bereits die SED-Diktatur, vgl. Dahlgren, Verhältnis von Staat und Kirche in der DDR, S. 120.

Gegenwärtige Ausgestaltung der Militärseelsorge

54

Zwar wurden diese Kirchengesetze unter Mitwirkung der Vertreter der ostdeutschen Landeskirchen beschlossen. Gem. Art 10 Buchst, b GrundO EKD wird ein EKD-Kirchengesetz im Bereich einer Landeskirche jedoch erst mit dessen Zustimmung wirksam. Die ostdeutschen Landeskirchen haben diese Zustimmung 1957 nicht erteilt. Aus diesem Grund trat das Kirchengesetz zur Regelung der Militärseelsorge vom 08.03.1957 durch Verordnung des Rates der EKD vom 04.07.1957 nur "für die Gliedkirchen der Evangelischen Kirche in Deutschland mit Ausnahme der Gliedkirchen außerhalb der Bundesrepublik Deutschland" in Kraft. 53 Ziel war, die EKD als gesamtdeutschen Kirchenbund trotz der staatlichen Teilung Deutschlands aufrechterhalten zu können. Dennoch erzwang der Druck der DDR-Regierung 1969 die Sezession der ostdeutschen Landeskirchen von der als "Nato-" oder "Atomkirche" 54 diffamierten EKD und die Bildung eines Bundes evangelischer Kirchen in der DDR (BEK). Der staatlichen Wiedervereinigung folgte zwar, wenngleich mit einiger Verzögerung, auch die kirchliche Wiedervereinigung am 27.06.1991, wodurch die ostdeutschen Landeskirchen den Weg zur EKD zurückfanden. Gleichwohl haben die ostdeutschen Landeskirchen den beiden EKD-Kirchengesetzen zur Militärseelsorge trotz der nunmehr geänderten politischen Verhältnisse nicht zugestimmt. Die Frage der Militärseelsorge wurde in den Verhandlungen zwischen EKD und BEK im übrigen ausdrücklich ausgeklammert. 55 Gem. Art. 10 Buchst, b GrundO EKD sind diese Kirchengesetze daher weiterhin nicht im Bereich der ostdeutschen Gliedkirchen wirksam. 56 Damit sind diese Landeskirchen innerkirchlich nicht.durch den Militärseelsorgevertrag verpflichtet. Diese innerkirchliche Frage ändert allerdings im Außenverhältnis zwischen der EKD und der Bundesrepublik nichts an der vertraglichen Bindung der EKD.

5 3 Verordnung über die Inkraftsetzung des Kirchengesetzes zur Regelung der evangelischen Militärseelsorge in der Bundesrepublik Deutschland vom 08.03.1957, ABl. EKD 1957 Nr. 165, S. 258, abgedruckt in: Evangelisches Kirchenamt für die Bundeswehr/Katholisches Militärbischofsamt (Hrsg.), Dokumentation zur Katholischen und Evangelischen Militärseelsorge, S. 31. 5 4 Dazu Dahlgren, Verhältnis von Staat und Kirche in der DDR, S. 123 ff. und Hermann, Kampf gegen Religion und Kirche in der SBZ, S. 67 ff. jeweils m.w.N. 5 5 5 6

Scholz, Essener Gespräche 26 (1992), 7 (19).

In der oben (Fußn. 53) genannten EKD-Verordung vom 04.07.1957 über die Inkraftsetzung des Kirchengesetzes zur Militärseelsorge sind zwar lediglich die Gliedkirchen außerhalb der Bundesrepublik ausgenommen; solche gibt es aber nicht mehr. Gemeint sind damit weiterhin die ostdeutschen Landeskirchen.

Α . Rechtsgrundlagen

55

cc) Übergangsregelung Die Bundesregierung verzichtet jedoch darauf, die EKD zur Vertragserfüllung anzuhalten. In einem Briefwechsel 57 zwischen Januar und Juni 1991 mit dem Leiter des Sekretariats des BEK unterstrich der Bundesminister der Verteidigung zwar den Wunsch, den Militärseelsorgevertrag auch in den neuen Bundesländern als Grundlage der seelsorgerischen Betreuung der Soldaten heranzuziehen. Angesichts der Vorbehalte der ostdeutschen Landeskirchen sei er aber bereit, für eine Übergangszeit eine pragmatische Regelung zu treffen. Der Verteidigungsminister und der BEK verständigten sich auf die Wahrnehmung der Seelsorge durch kirchlich beauftragte Zivilpfarrer. Daran anknüpfend hat der Bundesminister der Verteidigung am 06.09.1991 eine "Weisung für die Zusammenarbeit mit den für Seelsorge an Soldaten beauftragten Pfarrern der evangelischen Landeskirchen im Wehrbereich VII und VIII" (Fü S 14 - Az 36-01) erlassen, in der er die zugesagte pragmatische Regelung trifft. 58 In dem Erlaß wird klargestellt, daß der Militärseelsorgevertrag und das Bundesgesetz zur Militärseelsorge in den Wehrbereichen VII und VIII, d.h. in den neuen Bundesländern und Berlin, nicht heranzuziehen sind. Ferner wird die Anwendung der wichtigsten bundeswehrinternen Verwaltungsvorschriften zur Militärseelsorge für die evangelische Militärseelsorge vorerst ausgesetzt. Dies gilt insbesondere für die ZDv 66/1 (Militärseelsorge), ZDv 66/2 (Lebenskundlicher Unterricht) und die Weisung des Generalinspekteurs der Bundeswehr vom 12.11.1984 zur Zusammenarbeit mit den Militärgeistlichen. An die Stelle dieser Vorschriften tritt eine auf die Übergangssituation abgestimmte Regelung für die Tätigkeit der durch die ostdeutschen Landeskirchen mit der Soldatenseelsorge beauftragten Zivilgeistlichen.59 b) Katholische Militärseelsorge Anders als für die evangelische stand für die katholische Kirche nach der Wiedervereinigung niemals in Frage, das westdeutsche Militärseelsorgemodell auf die neuen Bundesländer zu übertragen. Voraussetzung dafür ist, daß Art. 27 RK nunmehr in ganz Deutschland anwendbar ist. Möglicherweise erfaßt der Geltungsbereich des Reichskonkordats schon deshalb das Gebiet der neuen Bundesländer, weil das Reichskonkordat auch nach Errichtung der Sowjetischen Besatzungszone und Gründung der DDR in diesem Gebiet fortgegolten hat. Dafür könnte seine Präambel sprechen, wo5 7

Abgedruckt in L K V 1991, 337 ff.

5 8

epd Dokumentation 25/1992, 31 ff.

5 9

Dazu unten 2. Teil Β V 1.

56

Gegenwärtige Ausgestaltung der Militärseelsorge

nach das Reichskonkordat "das Verhältnis zwischen der katholischen Kirche und dem Staat für den Gesamtbereich des Deutschen Reiches dauernd ... regeln" 60 sollte. Die Bundesregierung vertrat daher stets den Standpunkt, daß der Anwendungsbereich des Reichskonkordates sich nicht auf das Territorium der Bundesrepublik beschränkt, sondern auch das Gebiet der DDR erfaßt. 61 Der Heilige Stuhl teilte diese Rechtsansicht.62 Die DDR hat die Geltung des Reichskonkordates zwar niemals anerkannt, aber auch nicht explizit bestritten. In den siebziger Jahren hat sie gegenüber dem Heiligen Stuhl sogar den seit 1945 bestehenden, ursprünglich zwischen den sowjetischen Besatzungstruppen und der katholischen Kirche ausgehandelten modus vivendi einer faktischen Teilanwendung des Reichskonkordats - freilich ohne Anerkennung von Rechtspflichten - bestätigt.63 Aber selbst wenn das Reichskonkordat für das Gebiet der DDR nicht verbindlich gewesen wäre, könnte es nach dem völkerrechtlichen Grundsatz der beweglichen Vertragsgrenzen mit dem Beitritt der DDR zum Geltungsbereich des Grundgesetzes für die neuen Bundesländer wirksam geworden sein. Nun werden Konkordate zwar ganz überwiegend dem Völkerrecht zugeordnet oder zumindest entsprechend den völkerrechtlichen Grundsätzen behandelt.64 Die Anwendbarkeit des Grundsatzes der beweglichen Vertragsgrenzen auf Konkordate ist allerdings nicht unbestritten.65 Letztlich kann auch diese Frage dahingestellt bleiben. Nach Art 11 EinigungsV beziehen sich die Rechte und Verpflichtungen aus allen völkerrechtlichen Verträgen und Vereinbarungen, denen die Bundesrepublik Deutschland als Vertragspartei angehört, auch auf das Beitrittsgebiet, sofern der Vertrag nicht in Anlage I aufgeführt ist. Die Bundesrepublik ist identisch mit dem Deutschen Reich und damit Vertragspartei des Reichskonkordates. Die Be6 0

Hervorhebungen vom Verfasser.

61 Noch 1972 ging die Bundesregierung in einer Verbalnote der Deutschen Botschaft beim Heiligen Stuhl aus, daß das Reichskonkordat sogar in den Gebieten jenseits von Oder und Neiße gelte. Siehe dazu Jestaedt, in: Zieger (Hrsg.), Die Rechtsstellung der Kirchen im geteilten Deutschland, S. 73 (81 f.). 6 2 Jestaedt, S. 73 (76). 6 3

in: Zieger (Hrsg.), Die Rechtsstellung der Kirchen im geteilten Deutschland,

Dazu Depenbrock, NVwZ 1992, 736 (738).

6 4

Siehe dazu v. Campenhausen, in: v. Mangoldt/Klein, GG, Komm., Art. 140 Rdnr. 50; Höllerbach, Verträge zwischen Staat und Kirche, S. 106; Depenbrock, NVwZ 1992, 736; ders., ZevKR 38 (1993), 413 (415); Kremser, JöR n.F. 40 (1991/92), 501 (527); Robbers, Jura 1990, 567 (569). 6 5

Die Anwendbarkeit wird bejaht etwa von Depenbrock, NVwZ 1992, 736 (737), und verneint u.a. von Hollerbach, HdbStR VI, § 138 Rdnr. 79; ders., Verträge zwischen Staat und Kirche, S. 283.

Β . Struktur und Tätigkeitsbereich der Militärseelsorge

57

Stimmung des Art. 11 EinigungsV ist daher auf das Reichskonkordat anzuwenden, das in der Anlage I nicht aufgeführt ist. Wie schon bei dem Streit um die Gültigkeit des Reichskonkordates in der alten Bundesrepublik nach 1949 könnte man sich allenfalls fragen, ob der Bund die Fortgeltung von Konkordatsmaterien regeln darf, die der ausschließlichen Kompetenz der Länder unterliegen.66 In bezug auf die Regelung der Militärseelsorge in Art. 27 RK kann dies indessen offen bleiben, da insoweit keine Landeskompetenzen berührt sind. Damit gilt das Reichskonkordat zumindest seit der Wiedervereinigung auf dem Gebiet der ehemaligen DDR. 67 Sowohl Staat als auch die katholische Kirche gehen im übrigen davon aus, daß Art 27 RK Grundlage der katholischen Militärseelsorge auch in denjenigen Einheiten der Bundeswehr ist, die in den neuen Bundesländern stationiert sind.68 Für die katholische Militärseelsorge im Osten Deutschlands sind somit dieselben vertraglichen, staatlichen und kirchlichen Rechtsgrundlagen einschlägig wie in der alten Bundesrepublik.

B. Struktur und Tätigkeitsbereich der Militärseelsorge in der Bundeswehr Die Militärseelsorge "ist der von den Kirchen geleistete, vom Staat gewünschte und unterstützte Beitrag zur Sicherung der freien religiösen Betätigung in den Streitkräften". 69 Sie ist einerseits Teil der kirchlichen Arbeit und wird im Auftrag und unter der Aufsicht der Kirchen ausgeübt.70 Andererseits sorgt der Staat für ihren organisatorischen Aufbau und trägt die Kosten.71 Die 6 6

Dazu Depenbrock, NVwZ 1992, 736 (737); Kremser, JöR n.F. 40 (1991/92), 501 (528).

6 7

Hollerbach, HdbStKirchR I, 2. Aufl., 253 (264); Rüjher, Essener Gespräche 26 (1992), 60 (63); Depenbrock, NVwZ 1992, 736 (737); ders., ZevKR 38 (1993), 413 (415); Kremser, JöR n.F. 40 (1991/92), 501 (528). 6 8 Vgl. Scholz, Essener Gespräche 26 (1992), 7 (19); Rüfner, Essener Gespräche 26 (1992), 60 (67). Siehe auch den Erlaß des BMinVert vom 06.09.1991 (oben Fußn. 58) unter I 3. 6 9

ZDv 66/1 Nr. 1.

7 0

Art. 2 Abs. 1 MSV, ZDv 66/1 Nr. 1.

71

Art. 2 Abs. 2 MSV, ebenso die Verbalnote des Auswärtigen Amtes an die apostolische Nuntiatur vom 16.01.1990 im Rahmen des Notenwechsels anläßlich des Apostolischen Breves vom 23.11.1989 (abgedruckt in: Verordnungsblatt des Katholischen Militärbischofs für die Bun-

58

Gegenwärtige Ausgestaltung der Militärseelsorge

Militärseelsorge, eine partnerschaftlich wahrgenommene gemeinsame Aufgabe von Kirche und Staat, ist damit an der Schnittstelle von staatlichem und kirchlichem Bereich angesiedelt. Beide Partner verfolgen zwar dasselbe Ziel, die Gewährleistung der seelsorgerischen Betreuung der Bundeswehrangehörigen, ohne daß aber ihre Vorstellungen der optimalen Zielerreichung stets identisch sein müssen. Die sorgsame Austarierung der wechselseitigen Interessen in partnerschaftlichem Geiste ist somit die vornehmliche Funktion der institutionellen Ausgestaltung der Militärseelsorge. Dieser Aufgabenstellung trägt die komplexe Struktur der evangelischen und katholischen Bundeswehrseelsorge Rechnung. Der Aufbau der Militärseelsorge in der Bundeswehr gliedert sich in den staatlichen und die beiden kirchlichen Zweige; dabei sind drei Ebenen zu unterscheiden: An der Spitze steht auf kirchlicher Seite jeweils ein Militärbischof, auf der staatlichen Seite der Bundesminister der Verteidigung. Auf den beiden unteren Ebenen fallen die staatlichen und kirchlichen Funktionsträger institutionell und personell zusammen. Auf der Mittelebene des evangelischen Zweiges der Militärseelsorge ist das Evangelische Kirchenamt für die Bundeswehr unter Leitung des Militärgeneraldekans errichtet worden, dem auf katholischer Seite das katholische Militärbischofsamt entspricht, dem der Militärgeneralvikar vorsteht. Unterhalb dieser Ebene sind die Wehrbereichsdekane als dienstaufsichtsführende Militärgeistliche und die übrigen Militärgeistlichen angesiedelt, die gleichfalls sowohl staatliche als auch kirchliche Ämter innehaben. Im folgenden soll die institutionelle Struktur der Militärseelsorge in ihrer Vernetzung des staatlichen und des kirchlichen Bereichs näher beleuchtet werden. Dabei soll das bisherige westdeutsche Seelsorgemodell im Vordergrund stehen. Anschließend soll kurz auf die Besonderheiten für in den neuen Bundesländern und Berlin stationierte Bundeswehreinheiten eingegangen werden.

I. Die Militärbischöfe und der Bundesminister der Verteidigung An der Spitze der Militärseelsorge sind die beteiligten staatlichen und kirchlichen Stellen personell und organisatorisch voneinander geschieden. des wehr 1990, S. 11; Evangelisches Kirchenamt für die Bundeswehr/Katholisches Militärbischofsamt [Hrsg.], Dokumentation zur Katholischen und Evangelischen Militärseelsorge, S. 25) sowie ihre Vorgängerin, die Verbalnote vom 03.09.1965 (wiedergegeben bei Steuber, Militärseelsorge, S. 185).

Β. Struktur und Tätigkeitsbereich der Militärseelsorge

59

1. Die Militärbischöfe

Die rechtliche Stellung des jeweiligen Militärbischofs ist ausgiebig im Militärseelsorgevertrag und knapper im Reichskonkordat beschrieben. Die meisten Aussagen finden sich in den kirchlichen Vorschriften zur Militärseelsorge, d.h. im EKD-Kirchengesetz zur Regelung der evangelischen Militärseelsorge vom 08.03.1957 (KG-MS) und in den Päpstlichen Statuten für den Jurisdiktionsbereich des Katholischen Militärbischofs für die Deutsche Bundeswehr vom 23.11.1989 (PS-Kath.MB). Schließlich nennt die ZDv 66/1 in ihrer Nr. 10 einen Teil der Aufgaben und Funktionen der Militärbischöfe. a) Rechtsstatus Die Militärbischöfe stehen in keinem Dienstverhältnis zum Staat.72 Diese Stellung als sog. ausgebauter, also nicht in den Staatsapparat integrierter Militärbischof ist keineswegs selbstverständlich. So war der Vorläufer des Evangelischen Militärbischofs, der Feldpropst, die führende Stelle des Reichswehrministeriums in militärkirchlichen Angelegenheiten und damit Reichsbeamter, ernannt vom Reichspräsidenten.73 Noch zu Beginn der Verhandlungen über den Militärseelsorgevertrag strebte die EKD einen "eingebauten" Militärbischof an, dem sie größere Wirkungsmöglichkeiten zuschrieb.74 Die beiden anderen Verhandlungspartner, der Staat und vor allem die katholische Kirche 75 , präferierten jedoch eine nicht in den staatlichen Bereich eingebundene kirchliche Leitung. Schließlich ließ sich auch die EKD auf diese Position ein, zumal sie sich nunmehr gerade von der ausgebauten Stellung des Militärbischofs größere kirchliche Freiräume erhoffte. 76 Darüber hinaus wollten alle Beteiligten durch den ausgebauten Militärbischof sicherstellen, daß die Verbindung zwischen Kirche und Militärseelsorge nicht abreißt. Schließlich ging man davon aus, daß ein von staatlichen Verwaltungsaufgaben unbelasteter Militärbischof sich den 7 2

ZDv 66/1 Nr. 10. - Am Rande sei bemerkt, daß manche Kritiker der Militärseelsorge eine erstaunliche Unkenntnis offenbaren: Der nordrhein-westfälische Landtagsabgeordnete Appel (Grüne) hält es etwa für einen verfassungsrechtlichen Skandal, daß Militärbischöfe im Generalsrang verbeamtet würden (LT-Plenarprotokoll 11/6274). 73 Nrn. 5 f. der Evangelischen Militärkirchlichen Dienstordnung für das Reichsheer und die Reichsmarine (EMD) vom 28.02.1929 (RGBl. II S. 141) 7 4

Müller-Kent,

Militärseelsorge, S. 58 ff.

75

Die katholische Kirche war zwar nicht Vertragspartei des Militärseelsorgevertrages, aber an den Verhandlungen über die Militärseelsorge beteiligt. Siehe oben 1. Teil A. 7 6

Dazu Blees e, Militärseelsorge, S. 200; Müller-Kent,

Militärseelsorge, S. 60.

60

Gegenwärtige Ausgestaltung der Militärseelsorge

eigentlichen kirchlichen Aufgaben der Militärseelsorge besser widmen könne.77 Beide Militärbischöfe bekleiden ein kirchliches Hauptamt und nehmen die Funktion eines Militärbischofs nur nebenamtlich wahr. 78 Nach katholischem Kirchenrecht ist zwar vorgesehen, daß das Amt des Militärbischofs im Regelfall hauptamtlich wahrgenommen wird, "außer wenn die besonderen Umstände einer Nation etwas anderes anraten".79 Angesichts der Erfahrungen während der Zeit des Dritten Reichs wurde es auf katholischer Seite allerdings für ratsam gehalten, von dieser Ausnahmemöglichkeit Gebrauch zu machen.80 Im Rahmen der innerevangelischen Diskussion wird derzeit erwogen, die Stellung des Militärbischofs zu einem Hauptamt auszubauen.81 Während der katholische Militärbischof stets zugleich Diözesanbischof ist, 82 ist das Amt des evangelischen Militärbischofs nicht notwendig an ein Hauptamt als Landesbischof geknüpft. 83 Bislang fand sich kein Landesbischof, der bereit war, zugleich das Amt des Militärbischofs zu bekleiden, wobei neben kirchenpolitischen Erwägungen vor allem die befürchtete Arbeitsüberlastung Motiv gewesen sein mag.84 Wenn das Hauptamt des Militärbischofs indessen innerhalb der kirchlichen Hierarchie allzu niedrig angesiedelt ist, besteht die Gefahr einer Entwertung des Amtes des Militärbischofs. 85

7 7 So die Regierungsbegründung zum Abschnitt I I I des Militärseelsorgevertrages ("Militärbischof'), BT-Dr. 2/3500, S. 11. 7 8

§ 10 S. 2 KG-MS; Art. 2 PS-Kath.MB.

7 9

Vgl. Art. II § 3 der Apostolischen Konstitution "Spirituali militum curae".

8 0

Hierold, ArchKathKR 159 (1990), 94 (98). - Die Exemtion der katholischen Militärseelsorge diente dem NS-Regime als Vorwand, sie von den Ortsbistümern zu isolieren (dazu May, Militärseelsorge 1933-1945, S. 495). Die Verzahnung des Amtes des Militärbischofs mit einem regierenden Diözesanbischof sollte derartige Mißbrauchsmöglichkeiten zukünftig ausschließen. Zu weiteren Gründen der nebenamtlichen Ausgestaltung siehe Tammler, ArchKathKR 155 (1986), 49 (57). 81

Näher unten 2. Teil B 11 e aa.

82

Ait. 2 PS-Kath.MB.

83

Die bisherigen Militärbischöfe waren im Hauptamt zumeist Bevollmächtigte des Rates der EKD am Sitz der Bundesrepublik Deutschland (so auch der derzeit amtierende Militärbischof Löwe). 8 4

Vgl. Müller-Kent

%

Militärseelsorge, S. 268 Fußn. 172.

ÛC

So hat 1972 die Ernennung des Propstes des Kirchenkreises Pinneberg Lehming zum Militärbischof bei einigen Mitgliedern der Bundesregierung, u.a. dem Verteidigungsminister, zu einer

Β . Struktur u n d Tätigkeitsbereich der Militärseelsorge

61

b) Ernennung Beide Militärbischöfe werden von kirchlichen Stellen ernannt: der evangelische Militärbischof vom Rat der EKD unter Zustimmung der Kirchenkonferenz, 86 der katholische vom Heiligen Stuhl.87 Der Staat hat sich aber jeweils gewisse Mitspracherechte vorbehalten. So muß der Rat der EKD gem. Art. 11 Abs. 1 MSV vor der Ernennung mit der Bundesregierung in Verbindung treten, um sich zu versichern, daß vom staatlichen Standpunkt aus gegen den für das Amt des Militärbischofs vorgesehenen Geistlichen keine schwerwiegenden Einwendungen bestehen. Der Heilige Stuhl ist gem. Art. 27 Abs. 2 S. 2 RK gleichfalls verpflichtet, sich zuvor mit der Bundesregierung in Verbindung zu setzen, um im Einvernehmen mit ihr eine geeignete Persönlichkeit zu bestimmen. Diese dem Staat eingeräumten Mitspracherechte werfen mit Blick auf Art. 137 Abs. 3 S. 2 WRV i.V.m. Art. 140 GG einige Probleme auf, die im 3. Teil zu untersuchen sind.88 c) Abberufung Gem. Art. 11 Abs. 2 MSV kann der Rat der EKD den evangelischen Militärbischof jederzeit aus wichtigen kirchlichen Gründen abberufen. Innerkirchlich ist der Militärbischof gem. § 11 S. 2 KG-MS verpflichtet, sein Amt zur Verfügung zu stellen, wenn der Rat dies nach Anhörung der Kirchenkonferenz verlangt Im Falle einer Abberufung kommen dem Staat, anders als bei der Ernennung, keine Mitwirkungsbefugnisse zu. Der Rat der EKD ist allerdings gem. Art. 11 Abs. 2 S. 2 MSV gehalten, die Bundesregierung von seinem Vorhaben angemessene Zeit zuvor zu unterrichten und ihr die Person des in Aussicht genommenen Nachfolgers mitzuteilen. Die Abberufung des katholischen Militärbischofs ist weder im Reichskonkordat noch in den kirchlichen Spezialnormen zur Militärseelsorge geregelt. Heranzuziehen sind daher die allgemeinen Vorschriften des Corpus Iuris Ca-

gewissen Verstimmung geführt, die sich freilich nicht auf seine Person bezog; schwerwiegende Einwendungen gem. Art. 11 S. 2 MSV wurden nicht erhoben. 8 6

Art. 11 Abs. 1 MSV.

8 7

Art. I I § 2 der Apostolischen Konstitution "Spirituali militum curae" i.V.m Art. 2 PSKath.MB. 8 8

Siehe unten 3. Teil E.

Gegenwärtige Ausgestaltung der Militärseelsorge

62

nonici für das Ausscheiden aus dem Amt, insbesondere die cann. 184 ff. Danach kann der Papst den Militärbischof seines Amtes entheben.89 d) Aufgaben und Tätigkeitsfeld Den Militärbischöfen obliegt die kirchliche Leitung der Militärseelsorge. 90 Der evangelische Militärbischof ist nach Art. 12 Abs. 1 MSV zuständig für alle kirchlichen Angelegenheiten im Zusammenhang mit der Militärseelsorge, die in einem nicht abschließend zu verstehenden Zuständigkeitskatalog näher angeführt werden. Zu nennen sind vor allem die Einführung der Militärgeistlichen in ihr kirchliches Amt, die oberste kirchliche Dienstaufsicht, die Zuständigkeit für das religiöse Schrifttum, der Erlaß von Richtlinien91 für die Ausbildung der Militärgeistlichen und die Zusammenarbeit mit der zivilen Seelsorge sowie mit der katholischen und ausländischen Militärseelsorge. Ein besonderer Zuständigkeitskatalog für den katholischen Militärbischof besteht nicht. Seine Aufgaben, Pflichten und Rechte sind vielmehr mit denen eines Diözesanbischofs identisch, insbesondere kommt ihm die sog. Jurisdiktion über die ihm unterstellten Katholiken zu. 92 Darunter ist die aus dem Hirtenamt eines Bischofs abgeleitete Leitungsvollmacht zu verstehen, die sich sowohl auf den äußeren als auch auf den inneren (Gewissens-)Bereich erstreckt und Gesetzgebung, Rechtsprechung und Verwaltung umfaßt. 93 Darüber hinaus deckt sich das Tätigkeitsfeld des Katholischen Militärbischofs im wesentlichen mit den oben beschriebenen Tätigkeiten des Evangelischen Militärbischofs. 94 Die beiden Militärbischöfe sollen ferner staatliche Stellen in allen Fragen der Militärseelsorge von grundsätzlicher Bedeutung beraten (ZDv 66/1 Nr. 10). Letzterem Ziel dienen vor allem die gemeinsame Teilnahme an der jährlichen Kommandeurtagung der Bundeswehr und das einmal in einer

8 9

Dazu Hierold, ArchKathKR 159 (1990), 94 (106).

9 0

Art. 10 MSV; § 10 S. 1 KG-MS; Art. 27 Abs. 2 S. 1 RK; Art. 1 S. 2 PS-Kath.MB.

91

Soweit die Richtlinien auch staatliche Verhältnisse betreffen, bedürfen sie gem. Art. 13 S. 2 MSV der Zustimmung des Bundesministers der Verteidigung. 9 2

Art. 1 S. 3, Art. 3 PS-Kath.MB; Art. II § 1, Art. IV der Apostolischen Konstitution "Spirituali mi li tum curae". QO

Zur Bedeutung der Jurisdiktion siehe Blaschke/Oberhem, 9 4

Bundeswehr und Kirchen, S. 75.

Vgl. ZDv 66/1 Nr. 10 sowie Art. 15 (kirchliche Ernennung der Militärgeistlichen), Art. 8, 9 (Erlaß von Verordnungen, Richtlinien und Vorschriften) PS-Kath.MB.

Β . Struktur u n d Tätigkeitsbereich der Militärseelsorge

63

Legislaturperiode stattfindende Gespräch mit dem Bundesminister der Verteidigung.95 Gem. Art. 15 Abs. 3 MSV kann der evangelische Militärbischof den Militärgeneraldekan im Einzelfall mit der Wahrnehmung seiner Befugnisse beauftragen. Angesichts der Arbeitsbelastung des nebenamtlichen Militärbischofs wird von dieser Delegationsmöglichkeit auf den hauptamtlichen Militärgeneraldekan weitgehend - und über den Einzelfall hinaus - Gebrauch gemacht. Es besteht daher die Tendenz, daß die Tätigkeit des Militärbischofs zunehmend repräsentativen Charakter gewinnt, indem er etwa offizielle Besuchsund Visitationsreisen zu einzelnen Bundeswehreinheiten vornimmt (ZDv 10/8 Nrn. 554 ff.) oder Positionen der Militärseelsorge gegenüber dem Staat und der Bundeswehrführung, aber auch innerhalb der EKD vertritt. 96 Entsprechendes gilt für den katholischen Militärbischof, der gem. Art. 6 Abs. 3 PS-Kath.MB von einem Militärgeneralvikar unterstützt wird, dem im Bereich der kirchlichen Verwaltung dieselben jurisdiktionellen Vollmachten zukommen wie dem Militärbischof. 97 Auch dem Katholischem Militärbischof verbleiben somit in der Militärseelsorgepraxis vor allem repräsentative Funktionen. Für ihre Tätigkeit erhalten die Militärbischöfe vom Staat eine angemessene Dienstaufwandsentschädigung sowie Ersatz der Sachaufwendungen und Reisekosten.98 Für den evangelischen Militärbischof ergibt sich dies aus dem Schlußprotokoll zu Art. 10 MSV, für den katholischen Militärbischof aus Gründen der Parität, obwohl eine diesbezügliche vertragliche Vereinbarung fehlt. e) Kirchliche Anbindung und Kontrolle Es war das Bestreben aller Beteiligten, die Verselbständigung der Militärseelsorge zu einer von der Zivilkirche gelösten Militärkirche zu verhindern.

9 5

Dazu Blaschke/Oberhem,

9 6

Vgl. Blaschke/Oberhem,

Bundeswehr und Kirchen, S. 70. Bundeswehr und Kirchen, S. 68 ff.; Müller-Kent,

Militärseelsorge,

S. 267. 9 7

Blaschke/Oberhem, 94 (103). 9 8

Bundeswehr und Kirchen, S. 79; Hierolä, ArchKathKR 159 (1990),

Siehe unten 2. Teil D I .

Gegenwärtige Ausgestaltung der Militärseelsorge

64

aa) Evangelischer Militärbischof Um dieses Ziel zu erreichen, wurden auf evangelischer Seite zahlreiche Vorkehrungen getroffen, die Militärseelsorge mit der EKD und ihren Gliedkirchen zu verklammern. Insbesondere das Amt des Militärbischofs, der die kirchliche Leitung der Militärseelsorge "im Auftrage der Gliedkirchen" ausübt (§ 10 KG-MS), ist an die EKD und die Landeskirchen angebunden und deren Kontrolle unterworfen. Deshalb steht der Militärbischof in keinem Dienstverhältnis zum Staat, bleibt also außerhalb des staatlichen Bereichs und in der Kirche verwurzelt. Der Rat der EKD behält massiven Einfluß auf den Militärbischof, indem er ihn jederzeit von seinem Amt entbinden kann. Der kirchlichen Kontrolle dienen vor allem Informationspflichten des Militärbischofs, der den Rat der EKD laufend und die Gliedkirchen jährlich über seine Tätigkeit unterrichten muß (§ 12 Abs. 1 KG-MS). Für den Erlaß von allgemeinen Richtlinien und Vorschriften, der Feldagende und des Feldgesangbuches bedarf er der Zustimmung (zivil-)kirchlicher Organe (§ 14 Abs. 2 KGMS). Die weitgehend gewährleistete kirchliche Anbindung des Militärbischofs droht nach Auffassung der EKD-Synode jedoch dadurch entwertet zu werden, daß ihm zunehmend eine repräsentative Funktion zukommt. Richtung und Inhalte der Militärseelsorge werden weniger von ihm und vielmehr vom Evangelischem Kirchenamt für die Bundeswehr bestimmt. Daran knüpft der Vorschlag an, das Amt des Militärbischofs zu einem Hauptamt aufzuwerten, um der kirchlichen Leitung der Militärseelsorge mehr Gewicht zu verschaffen." Der Militärseelsorgevertrag enthält keine Festlegung auf die Nebenamtlichkeit des Militärbischofs. Eine Neuausgestaltung dieses Amtes ist damit rein innerkirchliche Angelegenheit; eine Änderung des Militärseelsorgevertrages wäre nicht erforderlich. bb) Katholischer Militärbischof Zwar ist die katholische Militärseelsorge gem. Art. 27 Abs. 1 RK eine sog. exemte Seelsorge. Dem Militärbischof kommt daher eine ordentliche, persönliche und eigenberechtigte, von jener der übrigen Bischöfe nicht abhängige Jurisdiktion zu. 100 Auch der katholischen Kirche war es jedoch ein Anliegen, die Bildung einer isolierten Militärkirche zu verhindern. 101 Die Jurisdiktion 9 9

Beschlüsse der EKD-Synode vom 11.11.1993 (epd Dokumentation 50/93, 2) und vom 10.11.1994 (epd Dokumentation 49a/94, 16). Vgl. auch Binder, EvKomm 1991, 156 (158) - Interview. 1 0 0

Art. 3 S. 1 PS-Kath.MB; Art. IV der Apostolischen Konstitution "Spirituali militum curae".

101

Vgl. Tammler, ArchKathKR 155 (1986), 49 (57).

Β. Struktur und Tätigkeitsbereich der Militärseelsorge

65

des Militärbischofs ist deshalb keine ausschließliche, d.h. sie entzieht die dem Militärbischof unterstellten Katholiken nicht der Gewalt des Ortsbischofs und des Ortspfarrers. Es handelt sich also um eine kumulative Jurisdiktion, wobei allerdings die des Militärbischofs den Vorrang hat. 102 Der Militärbischof ist jedoch zur Zusammenarbeit mit den Ortsbischöfen gehalten. Vor allem unterliegt der Militärbischof der Kontrolle der römischen Kurie, der er regelmäßig Bericht erstatten muß, und ist zur visitatio ad Limina beim Papst verpflichtet. 103 Darüber hinaus kann der Papst den Militärbischof seines Amtes entheben. 104 2. Bundesminister der Verteidigung

In Art. 2 Abs. 2 MSV hat sich der Staat verpflichtet, für den organisatorischen Aufbau der Militärseelsorge zu sorgen und ihre Kosten zu tragen. 105 Der Bundestag bewilligt daher vor allem im Kapitel 1406 ("Militärseelsorge") des jeweiligen Bundeshaushaltsplans Finanzmittel und Planstellen für die Militärseelsorge. Nach Maßgabe des Haushaltes errichtet der Bundesminister der Verteidigung Dienststellen und Ämter und stattet diese mit Personal sowie mit Sach- und Finanzmitteln aus. Ferner ergänzt und konturiert er durch Zentrale Dienstvorschriften und andere Erlasse den durch den Militärseelsorgevertrag vorgegebenen organisatorischen Rahmen der Militärseelsorge. Auf deren Inhalte nimmt er dagegen keinen Einfluß. Der Bundesminister der Verteidigung ist für die beamteten Militärgeistlichen die oberste Dienstbehörde.106 Er ist damit für alle mit dem Beamtenstatus zusammenhängenden Angelegenheiten zuständig, etwa für Ernennungen, Versetzungen und Beförderungen 107 sowie die Dienstaufsicht, die aber durch den Militärgeneraldekan und den Militärgeneralvikar wahrgenommen wird. Weitere Zuständigkeiten ergeben sich für die evangelische Militärseelsorge aus dem Militärseelsorgevertrag. So vereinbart er mit dem evangelischen 102

Art. 3 S. 2 PS-Kath.MB; Art. I V Nr. 3, Art. V der Apostolischen Konstitution "Spirituali

militum curae". Dazu Tammler, ArchKathKR 155 (1986), 49 (53).

10l

Art. 11 und 12 der Apostolischen Konstitution "Spirituali militum curae". Siehe auch Blaschke/Oberhem, Bundeswehr und Kirchen, S. 77,189. 1 0 4

Hier old, ArchKathKR 159 (1990), 94 (106).

105

Ebenso die Verbalnote des Auswärtigen Amtes vom 16.01.1990 anläßlich der Übergabe des Apostolischen Breves "Moventibus quidem" (oben 2. Teil A I 2 c). 106

Art. 22 Abs. 2 Nr. 1 MSV; vgl. auch Art. 27 Abs. 4 S. 2 RK.

1 0 7

Gem. Art. 20 Abs. 1 MSV ist insoweit das Einverständnis des Militärbischofs erforderlich.

5 Ennuschat

66

Gegenwärtige Ausgestaltung der Militärseelsorge

Militärbischof die Bildung, Errichtung und Änderung sowie - in gewissen Grenzen - die personelle Zusammensetzung der personalen Seelsorgebezirke (Art. 6 Abs. 3, 7 Abs. 3 MSV). Ferner hat er ein Zustimmungsrecht für militärbischöfliche Richtlinien und Vorschriften, soweit diese auch staatliche Verhältnisse betreffen (Art. 13 MSV). Schließlich ist die Einstellung von Geistlichen ohne Hochschulstudium oder ohne seelsorgerische Erfahrung an sein Einverständnis geknüpft (Art. 17 Abs. 3 MSV). Im Bereich der katholischen Militärseelsorge sind dem Bundesminister der Verteidigung bei formaler Betrachtung weniger Zuständigkeiten eingeräumt. Dies erklärt sich indes vor allem durch die weniger detaillierte vertragliche Regelung. Lediglich in Art. 27 Abs. 3 S. 1 RK heißt es, daß die kirchliche Ernennung der Militärgeistlichen "nach vorgängigem Benehmen" mit ihm erfolgt. In den Päpstlichen Statuten wird, ohne daß eine entsprechende vertragliche Verpflichtung gegenüber dem Staat bestünde, der Militärbischof mehrfach angehalten, sich ins Benehmen mit dem Bundesministerium der Verteidigung zu setzen.108 In der ohnehin durch partnerschaftliches Zusammenwirken von Staat und Kirchen geprägten Praxis haben sich die unterschiedlichen rechtlichen Vorgaben daher bislang nicht nennenswert ausgewirkt. IL

Evangelisches Kirchenamt für die Bundeswehr und Katholisches Militärbischofsamt

Staat und Kirchen haben gemeinsam Verantwortung für die Militärseelsorge übernommen, wobei sich die Verantwortlichkeitsfelder nicht decken, sondern ergänzen: Die staatliche Verantwortung erstreckt sich auf die Organisation und Finanzierung, die kirchliche auf die Inhalte. Diese Doppelstruktur der Militärseelsorge kennzeichnet die Ausgestaltung ihrer zentralen Dienststellen109 , d.h. des Evangelischen Kirchenamts für die Bundeswehr und des Katholischen Militärbischofsamts. 1. Rechtsstatus

Das Evangelische Kirchenamt für die Bundeswehr und das Katholische Militärbischofsamt haben den Status sowohl staatlicher als auch kirchlicher Behörden.

1 0 8

Art. 7 Abs. 1, 8 S. 2,16, 18 PS-Kath.MB.

1 0 9

ZDv 66/1 Nr. 17.

Β. Struktur und Tätigkeitsbereich der Militärseelsorge

67

Staatlicherseits sind sie Bundesoberbehörden, die dem Bundesministerium der Verteidigung unmittelbar nachgeordnet sind. 110 Der kirchliche Rechtsstatus des Katholischen Militärbischofsamts ergibt sich aus den Päpstlichen Statuten für den Jurisdiktionsbereich des Katholischen Militärbischofs für die Deutsche Bundeswehr. Gem. Art 6 Abs. 1 S. 1 PS-Kath.MB ist das Katholische Militärbischofsamt die Kurie des Militärbischofs. 111 Nach den cann. 469-471 CIC ist unter der Kurie die zentrale Behörde zu verstehen, in der der Beamtenstab des Bischofs zur Regierung seines Bistums zusammengefaßt ist. 112 Demgegenüber ist die kirchenrechtliche Einordnung des Evangelischen Kirchenamtes für die Bundeswehr schwieriger zu bestimmen, zumal es in den kirchlichen Rechtsgrundlagen der evangelischen Militärseelsorge nicht erwähnt wird. Eine Regelung findet sich lediglich im Militärseelsorgevertrag. So ergibt sich aus Art. 14 MSV, daß es die zentralen Verwaltungsaufgaben wahrnimmt. Damit ist indessen vorrangig seine staatliche Funktion angesprochen, da zugleich festgelegt wird, daß es dem Verteidigungsminister unmittelbar nachgeordnet ist. Ergiebiger ist Art 15 Abs. 2 S. 1 MSV, woraus folgt, daß der Militärgeneraldekan - und mit ihm das Kirchenamt - in kirchlichen Belangen dem Militärbischof untersteht. Dem Kirchenamt kommt mithin auch der Status einer kirchlichen Behörde zu. 2. Die Leiter der Ämter: Militärgeneraldekan und Militärgeneralvikar

Der Leiter des Evangelischen Kirchenamtes ist der Militärgeneraldekan; auf katholischer Seite wird das Militärbischofsamt von dem Militärgeneralvikar geleitet. Funktion und Stellung der Leiter spiegeln die Doppelnatur von Kirchenamt und Militärbischofsamt wider: Auch ihnen kommt gleichermaßen ein staatlicher wie ein kirchlicher Status zu. Ihre kirchliche Ernennung erfolgt auf katholischer Seite durch den Militärbischof (Art. 6 Abs. 3 PS-Kath.MB) und auf 1 1 0

Art. 14 MSV; ZDv 66/1 Nr. 17. Siehe auch Blaschke/Oberhem, Bundeswehr und Kirchen, S. 81, 84; Hierold, ArchKathKR 159 (1990), 94 (105). Zum staatlichen Charakter des Militärbischofsamtes siehe ausführlich Tammler, NZWehrr 1988, 106 ff. - Nach der Regierungsbegründung zum Abschnitt I V "Kirchenamt" des Militärseelsorgevertrages (BT-Dr. 2/3500, S. 12) werden die Dienstposten der dienstaufsichtsführenden und der übrigen Militärgeistlichen als Außenstellen der Ämter geführt. 111 Zur Kurie gehört ferner die "Katholische Soldatenseelsorge" (dazu unten 2. Teil Β IV 3) und ein Kirchliches Archiv (Art. 26 Abs. 2 PS-Kath.MB). 1 1 2

5*

Vgl. auch Blaschke/Oberhem,

Bundeswehr und Kirchen, S. 81 f.

Gegenwärtige Ausgestaltung der Militärseelsorge

68

evangelischer Seite durch den Rat der EKD unter Zustimmung der Kirchenkonferenz (§ 11 S. 1 KG-MS). Auf den Vorschlag der Militärbischöfe hin werden sie dann vom Bundesminister der Verteidigung zu Bundesbeamten auf Lebenszeit berufen. 113 In den Ämtern und in den Personen ihrer Leiter fallen die staatlichen und kirchlichen Funktionen innerhalb der Militärseelsorge zusammen. Diese Janusköpfigkeit bedingt eine zweifache Einordnung in die hierarchische Struktur der Militärseelsorge. Sie unterstehen in kirchlichen Angelegenheiten dem jeweiligen Militärbischof und, soweit sie mit der Militärseelsorge zusammenhängende staatliche Verwaltungsaufgaben wahrnehmen, dem Bundesminister der Verteidigung. 114 In Wahrnehmung staatlicher Aufgaben sind Militärgeneraldekan und Militärgeneralvikar die unmittelbaren Dienstvorgesetzten der übrigen verbeamteten Militärgeistlichen und mit der staatlichen Dienstaufsicht betraut. 115 Parallel dazu sind sie zugleich die kirchlichen Vorgesetzten der Militärgeistlichen, die auch in kirchlicher Hinsicht ihrer Dienstaufsicht unterstehen.116 3. Aufgaben und Tätigkeitsfeld

Zu den staatlichen Aufgaben der beiden Ämter und demzufolge ihrer Leiter zählt zum einen die Beratung des Bundesministers der Verteidigung und der Bundeswehrführung, etwa bei dem Erlaß von Zentralen Dienstvorschriften und sonstigen Erlassen mit Bezug zur Militärseelsorge. 117 Wie die Militärbischöfe nehmen daher auch Militärgeneraldekan und Militärgeneralvikar an den Kommandeurtagungen der Bundeswehr teil. Ferner sind die Leiter der Ämter zuständig für sämtliche Angelegenheiten, die mit der Verbeamtung der Militärgeistlichen zusammenhängen.118 Schließlich fällt ihnen die Aufgabe zu, die im Bundeshaushaltsplan bewilligten Mittel zu verteilen und den Mittelverbrauch zu überwachen.119

113

Art. 15 Abs. 1 MSV; Art. 15 S. 2 PS-Kath.MB.

1 1 4

Art. 15 Abs. 2 MSV; ZDv 66/1 Nr. 18; Regierungsbegründung zu Art. 15 MSV, BT-Dr. 2/3500, S. 12. Vgl. auch Art. 6 Abs. 3 PS-Kath.MB i.V.m. can. 480 CIC. 115

Art. 22 Abs. 2 Nr. 2 MSV; Regierungsbegründung zu Art. 22 MSV, BT-Dr. 2/3500, S. 14.

116

Art. 22 Abs. 1 MSV; cann. 479, 480 CIC i.V.m. Art. 6 Abs. 3 PS-Kath.MB. Dazu Blaschke/Oberhem, Bundeswehr und Kirchen, S. 83. 117

Blaschke/Oberhem,

Bundeswehr und Kirchen, S. 84.

118

Blaschke/Oberhem,

Bundeswehr und Kirchen, S. 85.

119

Blaschke/Oberhem,

Bundeswehr und Kirchen, S. 87.

Β. Struktur und Tätigkeitsbereich der Militärseelsorge

69

Das Gros der Funktionen der beiden Ämter und ihrer Leiter wurzelt jedoch im kirchlichen Bereich. Dies ist nicht zuletzt daran zu erkennen, daß die Leiter und die große Mehrzahl ihrer Referatsleiter Theologen sind. Die Ämter sind zuständig für alle kirchenrechtlichen Belange, für theologische Grundsatzfragen, soweit sie die Praxis der Militärseelsorge berühren, für den liturgischen und pastoralen Dienst sowie die Fortbildung der Militärgeistlichen, für die Vorbereitung des Lebenskundlichen Unterrichts und von Exerzitien, Rüstzeiten und Werkwochen, die Förderung des Gemeindelebens in den Soldatengemeinden und für die Darstellung der Militärseelsorge in der - inbesondere kirchlichen - Öffentlichkeit. 120 Darüber hinaus stellen die Ämter die Verbindung zu dem jeweils anderen Militärseelsorgezweig, zur Militärseelsorge anderer Staaten,121 zur Polizei- und Grenzschutzseelsorge122 und vor allem zu der zivilen Kirche her. Letzteres dient nicht zuletzt der Rekrutierung neuer Militärgeistlicher. Die Vielzahl der von ihnen wahrgenommenen staatlichen und kirchlichen Aufgaben verdeutlicht die wichtige Funktion der Ämter und ihrer Leiter innerhalb der Militärseelsorge. Hinzu kommt, daß die beiden - nebenamtlichen - Militärbischöfe angesichts der Arbeitsüberlastung einen Großteil der ihnen aus dem Militärseelsorgevertrag und den Päpstlichen Statuten zukommenden Kompetenzen auf den Generaldekan und den Generalvikar, die beide hauptamtlich tätig sind, übertragen haben.123 Die Rolle der Ämter reicht damit weit über die bloße verwaltungstechnische Unterstützung von Verteidigungsminister, Militärbischof und Militärpfarrern im Sinne des Art 14 MSV hinaus; von ihnen gehen vielmehr wesentliche Impulse für die gesamte Arbeit der Militärseelsorge aus.124 Insbesondere werden auch die Inhalte der Militärseelsorge zwar nicht im Detail verbindlich vorgeschrieben, aber immerhin doch in den Strukturen faktisch

1 2 0

Zu diesen Aufgaben der Ämter siehe Blaschke/Oberhem,

Bundeswehr und Kirchen,

S. 84 ff. 121 Zur Militärseelsorge anderer Streitkräfte siehe unten Fußn. 137, ferner Bock, epd Dokumentation 4/93, 43 ff., sowie die Auflistung in epd Dokumentation 24a/91,20a. 1 2 2

Zur Polizei- und Grenzschutzseelsorge siehe 3. Teil D II 2 d cc (2) (a), Fußn. 699, ferner Schwark, Polizeiseelsorge; Seiler, HdbStKirchR II, 1. Aufl., 685 (697 ff.); Steuber, Militärseelsorge, S. 206 ff., 215 ff.; v. Tiling , ZevKR 36 (1991), 109 ff. 123

Siehe oben 2. Teil B i l d .

1 2 4

Müller-Kent,

Militärseelsorge, S. 266.

Gegenwärtige Ausgestaltung der Militärseelsorge

70

vorgeprägt, etwa durch die Vorbereitung von Arbeitsunterlagen zum Lebenskundlichen Unterricht und die Pfarrerfortbildung 125. 4. Kirchliche Anbindung und Kontrolle

Die besondere Bedeutung der Ämter und ihrer Leiter bedingt die Notwendigkeit ihrer kirchlichen Anbindung und Kontrolle, soll nicht doch der Isolierung und Verselbständigung der Militärseelsorge Vorschub geleistet werden. Zu untersuchen ist daher, welche Einflußmöglichkeiten die Kirchen gegenüber den beiden Ämtern und ihren Leitern haben. a) Evangelisches Kirchenamt und Militärgeneraldekan Auf evangelischer Seite ist explizit lediglich angeordnet, daß der Generaldekan vom Rat der EKD unter Zustimmung der Kirchenkonferenz ernannt wird (§ 11 S. 1 KG-MS) und dem evangelischen Militärbischof untersteht (Art. 15 Abs. 2 S. 1 MSV). Der Generaldekan ist also gegenüber der EKD und ihrer Gliedkirchen nicht zur Information über die Arbeit der Militärseelsorge verpflichtet. Eine derartige Informationspflicht wäre indessen kaum sinnvoll, da bereits der Militärbischof den Rat der EKD und die Landeskirchen über seine Tätigkeit unterrichten muß (§ 12 Abs. 1 KG-MS). Ebensowenig ist der Militärgeneraldekan Weisungen der EKD oder einzelner Landeskirchen unterworfen. 126 Im Gegensatz zum Militärbischof (§ 11 S. 2 KG-MS) fehlt ferner eine ausdrückliche Vorschrift, wonach er sein Amt auf Verlangen der EKD zur Verfügung zu stellen hat. Allerdings ist gem. Art 23 Abs. 1 Nr. 2 MSV ein Militärgeistlicher auf Antrag des Militärbischofs aus dem Beamtenverhältnis zu entlassen, wenn seine Verwendung im Dienst der Kirche im wichtigen Interesse der Kirche liegt. Durch einen außervertraglichen Briefwechsel zwischen dem EKD-Rat und der Bundesregierung wurde klargestellt, daß diese Vorschrift auch anzuwenden ist, wenn die Fortsetzung des Dienstes als Militärgeistlicher dem kirchlichen Interesse nicht länger entspricht. 127 Der Generaldekan ist Militärgeistlicher; somit ist Art 23 Abs. 1 Nr. 2 MSV die Grundlage, ihn vorzeitig abzulösen. Dessen ungeachtet unterliegt der Generaldekan im wesentlichen lediglich der Kontrolle des Militärbischofs, der freilich seinerseits gegenüber der EKD verantwortlich ist. Möglichkeiten unmittelbarer zivilkirchlicher Einflußnahme

125

Zur Pfarrerfortbildung siehe Ottemeyer, in: Orlt (Hrsg.), Pflicht zum Frieden, S. 160 ff.

12 6

Müller-Kent,

1 2 7

Zu dem Briefwechsel siehe Hollerbach, Verträge zwischen Staat und Kirche, S. 41.

Militärseelsorge, S. 267 Fußn. 169.

Β. Struktur und Tätigkeitsbereich der Militärseelsorge

71

auf das Kirchenamt und seinen Leiter sind hingegen kaum gegeben.128 Da die Leitung durch den nebenamtlichen Militärbischof schon aus zeitlichen Gründen dem Generaldekan und dem Kirchenamt weite Spielräume läßt, besteht daher die Gefahr, daß die sorgsam konstruierte Einbindung des Militärbischofs in den zivilkirchlichen Bereich leerzulaufen droht. 129 Damit verbunden ist ein Verlust landeskirchlicher Einflußmöglichkeiten auf die Militärseelsorge. Vor diesem Hintergrund wird in der derzeitigen innerevangelischen Diskussion mit gewisser Sorge beobachtet, daß der - im Staatsdienst befindliche - Militärgeneraldekan faktisch die kirchliche Leitung der Militärseelsorge innehat. Daran knüpft zum einen der Vorschlag an, das - ausschließlich kirchliche - Amt des Militärbischofs zu einem Hauptamt aufzuwerten. 130 Zum anderen sollen dem Militärgeneraldekan und dem Evangelischen Kirchenamt für die Bundeswehr die kirchlichen Aufgaben entzogen und einer neuzubildenden Organisationseinheit unter Leitung des Militärbischofs zugewiesen werden. 131 Generaldekan und Kirchenamt verblieben dann die mit der Militärseelsorge zusammenhängenden staatlichen Aufgaben. Bei Abschluß des Militärseelsorgevertrages waren sich zwar beide Vertragspartner einig, daß eine derartige organisatorische Aufspaltung staatlicher und kirchlicher Aufgaben auf zwei verschiedene Behörden nicht praxisgerecht sei. 132 Dementsprechend ist Art. 15 MSV eher auf ein Kirchenamt mit dem Doppelcharakter einer staatlichen und kirchlichen Behörde ausgerichtet. Der Militärseelsorgevertrag steht einer Aufspaltung in eine staatliche und eine kirchliche Behörde aber nicht entgegen. Eine Ausgliederung der kirchlichen Aufgaben begründete daher nicht die Erforderlichkeit einer Vertragsänderung. b) Katholisches Militärbischofsamt

und Militärgeneralvikar

Nach katholischem Recht muß der Generalvikar den katholischen Militärbischof, der ihn ernannt hat, unterstützen (Art. 6 Abs. 3 PS-Kath.MB), ihn über alle wichtigeren Angelegenheiten informieren und darf niemals gegen dessen Willen und Absicht handeln (can. 480 CIC). Auch die Kontrolle des katholischen Militärbischofsamts und des Militärgeneralvikars erfolgt damit

12 8

Müller-Kent,

1 2 9

Dies betont etwa Müller- Kent, Militärseelsorge, S. 261 ff.

1 3 0

Siehe oben 2. Teil Β 11 e aa.

131

Militärseelsorge, S. 267.

Beschlüsse der EKD-Synode vom 10.11.1994 (epd Dokumentation 49a/94, 16) und vom 11.11.1993 (epd Dokumentation 50/93, 2); in diesem Sinne gleichermaßen "Modell A" und "Modell B" (epd Dokumentation 50/93, 10, 12). ι on Dazu Bleese, Militärseelsorge, S. 313.

72

Gegenwärtige Ausgestaltung der Militärseelsorge

nur durch den Militärbischof, der sich wiederum gegenüber der römischen Kurie verantworten muß. III.

Die Militärgeistlichen

Das Bild der Militärseelsorge wird im wesentlichen durch die Militärgeistlichen bestimmt, auf denen die Hauptlast der seelsorgerischen Betreuung der Soldaten ruht 1995 gibt es in Westdeutschland ca. 200 hauptamtliche, dazu etwa 60 nebenamtliche Militärgeistliche. 1. Rechtsstatus

Den Militärgeistlichen kommt, wie der gesamten Mililtärseelsorge, sowohl ein staatlicher als auch ein kirchlicher Status zu. Ihr staatlicher Status wird insbesondere durch die Art 16 ff. MSV bestimmt, die nicht nur für die evangelischen, sondern gem. Art 2 des Gesetzes über die Militärseelsorge i.V.m. Art 27 Abs. 4 S. 2 RK auch für die katholischen Militärgeistlichen gelten. Nach dem Militärseelsorgevertrag sind drei Gruppen von Militärgeistlichen zu unterscheiden:133 -

Im Regelfall sind die Militärgeistlichen Bundesbeamte auf Zeit. Ihr Beamtenverhältnis ist auf sechs bis acht Jahre angelegt und kann maximal um vier Jahre verlängert werden (Art. 19 Abs. 3 MSV).

-

Soweit sie dauernd für leitende Aufgaben in der Militärseelsorge verwendet werden sollen, werden sie gem. Art 19 Abs. 1 2. Hs. MSV in das Beamtenverhältnis auf Lebenszeit berufen. Lebenszeitbeamte sind außer dem evangelischen Militärgeneraldekan und dem katholischen Militärgeneralvikar auch die Wehrbereichsdekane.

-

Neben den verbeamteten und hauptamtlich mit der Militärseelsorge beauftragten Geistlichen gibt es nebenamtlich tätige Militärgeistliche, die im Hauptamt zumeist Ortspfarrer in der Nähe des jeweiligen Bundeswehrstandortes sind. 134 Letztere sind in den rechtlichen Vorgaben nur für besondere Fälle vorgesehen, etwa für abgesetzte kleinere Truppenteile. Angesichts der Schwierigkeiten, in ausreichendem Maße Geistliche für die hauptamtliche Betreuung von Soldaten zu gewinnen - vorgesehen ist je-

133 Hinzu kommen die - nicht vom Militärseelsorgevertrag erfaßten - mit der Seelsorge an Soldaten beauftragten evangelischen Pfarrer in den neuen Bundesländern, welche auch bei hauptamtlicher Tätigkeit im kirchlichen Dienst stehen; dazu unten 2. Teil Β V 1. 1 3 4

Art. 3 Abs. 2 MSV; Art. 18 PS-Kath.MB; ZDv 66/1 Nr. 11.

Β. Struktur und Tätigkeitsbereich der Militärseelsorge

73

weils ein Militärgeistlicher für 1500 Soldaten einer Konfession (Art. 3 Abs. 1 S. 2 MSV) - sind allerdings an vielen Standorten nur nebenamtliche Militärgeistliche tätig. Ihre Rechtsbeziehungen sind durch privatrechtliche Verträge zwischen dem Geistlichen und der Bundesrepublik geregelt. 135 Gegenstand der Untersuchung sollen zuvörderst die hauptamtlichen Militärgeistlichen sein. Diese bleiben auf evangelischer Seite Geistliche ihrer Gliedkirche (§ 16 S. 1 KG-MS); entsprechendes gilt für die katholischen Militärgeistlichen, die in ihrem Bistum inkardiniert bleiben (Art. 17 Abs. 1 S. 1 PS-Kath.MB) und die alle pfarrlichen Rechte und Vollmachten genießen (Art. 27 Abs. 3 S. 3 RK; Art. 23 Abs. 1 S. 1 PS-Kath.MB).136 Der doppelte Rechtsstatus schlägt sich zugleich darin nieder, daß die hauptamtlichen Militärgeistlichen einer zweifachen Dienstaufsicht unterworfen sind. Auf staatlicher Seite ist der Bundesminister für Verteidigung die oberste Dienstbehörde; die Dienstaufsicht üben der Generaldekan und der Generalvikar als unmittelbare Dienstvorgesetzte und die Wehrbereichsdekane aus. In kirchlichen Angelegenheiten unterstehen sie der Dienstaufsicht des jeweiligen Militärbischofs, des Generaldekans resp. -vikars und der Wehrbereichsdekane. 2. Zuordnung zur Zusammenarbeit

Hervorzuheben ist, daß die Militärgeistlichen im Unterschied zu den Streitkräften zahlreicher anderer Staaten keinen militärischen, sondern einen zivilen Status haben.137 Sie sind keiner militärischen Stelle untergeordnet oder zu Gehorsam verpflichtet. In Erfüllung ihres geistlichen Amtes sind sie darüber hinaus von allen staatlichen Weisungen unabhängig.138 Sie sind lediglich 135

Blaschke/Oberhem,

Bundeswehr und Kirchen, S. 103.

136

Dazu näher die Verordnung des Militärbischofs fur die Deutsche Bundeswehr über die Jurisdiktion der Militärgeistlichen vom 15.01.1992 (ArchKathKR 161 [1992], 158) sowie Tammler, ArchKathKR 155 (1986), 49 (62 f.). 1 3 7 Fast in allen anderen Staaten mit institutionalisierter Militärseelsorge sind die Militärgeistlichen Offiziere, so u.a. in Frankreich, im Vereinigten Königreich, in den USA, in Norwegen, Österreich und Finnland, oder zumindest Zivilisten mit militärischem Rang, so in Belgien und in den Niederlanden; zumeist befinden sich die Militärgeistlichen in einem militärischen Unterordnungsverhältnis (epd Dokumentation 24a/91, 20a; Bock, epd Dokumentation 4/93, 43 [451; ders., Religion im Militär, passim). 1 3 8

Art. 16 MSV; Art. 13 PS-Kath.MB; ZDv 66/1 Nr. 13; "Weisung für die Zusammenarbeit mit den Militärgeistlichen" des Generalinspekteurs der Bundeswehr vom 12.11.1984 (Fü S I 4 Az 36-01-10) Nr. II.

Gegenwärtige Ausgestaltung der Militärseelsorge

74

jeweils bestimmten Bundeswehrdienststellen zur Zusammenarbeit zugeordnet, worunter die personelle und organisatorische Maßnahme zu verstehen ist, die die besondere Form der Zusammenarbeit zwischen Militärseelsorge und den militärischen Dienststellen regelt (ZDv 66/1 Nr. 13). Der Begriff "Zuordnung zur Zusammenarbeit" beschreibt damit die Mittel der Koordination von militärischem Dienstbetrieb und der Tätigkeit der Militärseelsorge, wozu einerseits Informations- und Unterstützungspflichten der Truppenführer zählen und andererseits die Pflicht der Militärgeistlichen, mit den Dienststellen enge Verbindung zu halten.139 3. Ernennung, Ausscheiden und Abberufung

a) Ernennung Die Ernennung zum hauptamtlichen Militärgeistlichen hat einen kirchlichen und einen staatlichen Aspekt. Die kirchliche Ernennung der Militärgeistlichen erfolgt auf katholischer Seite durch den Militärbischof, der zuvor die Erlaubnis des zuständigen Diözesanbischofs eingeholt und sich mit dem Bundesministerium der Verteidigung ins Benehmen gesetzt hat (Art. 27 Abs. 3 RK; Art 15 S. 1 PS-Kath. MB). Evangelische Militärgeistliche werden vom Militärbischof oder einem Wehrbereichsdekan in ihr kirchliches Amt eingeführt (§ 13 Abs. 1 S. 1 KGMS); erforderlich ist die vorherige Zustimmung der Heimat-Gliedkirche des Geistlichen (Art. 18 Abs. 1 S. 1 MSV; § 19 KG-MS). Aus staatlicher Sicht wird auf Vorschlag des jeweiligen Militärbischofs und mit der Zustimmung des zuständigen Diözesanbischofs bzw. der zuständigen Gliedkirche der Geistliche zunächst für eine regelmäßig dreimonatige Probezeit als Angestellter in den Militärseelsorgedienst eingestellt (Art. 18 MSV). Bei erfolgreicher Erprobung werden die Militärgeistlichen in das Beamtenverhältnis berufen. In der Regel werden sie für sechs bis acht Jahre verbeamtet, um höchstens vier Jahre verlängerbar; nur die leitenden Militärgeistlichen sind Lebenszeitbeamte (Art. 19 MSV). Staat und Kirchen haben sich auf bestimmte Einstellungsvoraussetzungen festgelegt (Art. 17 MSV) 1 4 0 : Die Militärgeistlichen müssen ein mindestens dreijähriges Theologiestudium abgeschlossen haben, zur Ausübung des Pfarramtes berechtigt sein und eine mindestens dreijährige seelsorgerische Praxis

139 1 4 0

Näher siehe unten 4. Teil A IV 2 c bb.

Art. 17 MSV gilt nur für die evangelischen Militärgeistlichen; in Art. 14 Abs. 2, 27 Abs. 3 S. 1 RK haben Staat und katholische Kirche jedoch Ähnliches vereinbart.

Β. Struktur und Tätigkeitsbereich der Militärseelsorge

75

nachweisen können, wobei von der ersten und dritten Voraussetzung im Einverständnis zwischen Militärbischof und Verteidigungsminister abgesehen werden kann. 141 Ferner sollen sie im Zeitpunkt ihrer Einstellung nicht älter als 35 Jahre sein. Ob darüber hinaus auch die allgemeinen beamtenrechtlichen Einstellungsvoraussetzungen des § 7 BBG ihre Anwendung finden, wird noch zu klären sein.142 Im Rahmen der verfassungsrechtlichen Würdigung der Militärseelsorge ist zu untersuchen, inwieweit die staatliche Mitwirkung bei der Einstellung mit Art. 140 GG i.V.m. Art. 137 Abs. 3 S. 2 WRV vereinbar ist. 143 b) Ausscheiden und Abberufung Nach spätestens zwölf Jahren (Art. 19 Abs. 3 MSV) scheiden die Militärgeistlichen aus dem Militärseelsorgedienst aus; ihr Beamtenverhältnis endet und sie kehren in den Dienst ihrer Gliedkirche (§ 21 S. 1 KG-MS) bzw. ihres Bistums (Art. 17 Abs. 1 S. 2 PS-Kath.MB) zurück. Denkbar, wenngleich in der Praxis selten, ist auch die vorzeitige Abberufung, d.h. die Entlassung aus dem Beamtenverhältnis. Entlassungsgründe sind vor allem im kirchlichen Bereich angesiedelt, wenn die kirchenrechtlichen Voraussetzungen der Tätigkeit als Militärseelsorger entfallen: so bei Verlust der durch die Ordination erworbenen Rechte, bei (kirchen-)disziplinarischer Entfernung aus dem kirchlichen Amt (Art. 23 Abs. 1 Nr. 1 MSV) 144 und schließlich dann, wenn die Verwendung des Geistlichen im kirchlichen Dienst im wichtigen Interesse der Kirche liegt (Art. 23 Abs. 1 Nr. 2 MSV), wobei letzteres auch den Fall erfaßt, daß die Fortsetzung des Dienstes als Militärgeistlicher dem kirchlichen Interesse nicht länger entspricht. 145 Für die katholische Kirche gilt Entsprechendes wegen Art. 7 RK, wonach das für die staatliche Anstellung eines Geistlichen erforderliche Nihil obstat jederzeit aus wichtigen Gründen kirchlichen Interesses widerrufbar ist. 146 Inwieweit eine

141 So werden trotz fehlenden Theologiestudiums etwa auch Ordensgeistliche als Militärpfarrer berufen. 1 4 2

Dazu 4. Teil A II 2 b.

143

Unten 3. Teil E IV.

1 4 4

Art. 23 MSV gilt auch für die katholische Militärseelsorge (Art. 2 des Gesetzes über die

Militärseelsorge). 145

Siehe oben 2. Teil Β I I 4 a.

1 4 6

So auch die Regierungsbegründung zu Art. 23 MSV, BT-Dr. 2/3500, S. 14.

Gegenwärtige Ausgestaltung der Militärseelsorge

76

Entfernung aus dem Amt aufgrund des staatlichen Beamtenrechts möglich ist, soll im 4. Teil, untersucht werden. 147 4. Aufgaben und Tätigkeitsfeld

Hinsichtlich der wahrgenommenen Aufgaben ist zwischen den Wehrbereichsdekanen und den übrigen Militärgeistlichen zu unterscheiden. a) Wehrbereichsdekane Pro Wehrbereich gibt es jeweils einen auf Lebenszeit verbeamteten (Art. 19 Abs. 1 MSV) katholischen und evangelischen Wehrbereichsdekan. Hinzu kommt jeweils ein Dekan beim Flottenkommando für die schwimmenden und fliegenden Verbände der Bundesmarine. Ansonsten ist die Militärseelsorge einheitlich aufgebaut, also nicht in die einzelnen Waffengattungen untergliedert. Die Wehrbereichsdekane haben sowohl die staatliche als auch die kirchliche Dienstaufsicht über die übrigen Militärgeistlichen inne; sie sind ihrerseits in staatlichen und kirchlichen Belangen dem Generaldekan bzw. dem Generalvikar unterstellt. Sie sind damit die Bindeglieder zwischen den beiden Ämtern und den Geistlichen an der militärseelsorgerischen Basis. Neben der Wahrnehmung der Dienstaufsicht kommt ihnen die Aufgabe zu, den Kontakt einerseits zu den Militärs auf Wehrbereichsebene und andererseits zu den Landeskirchen und Diözesen zu pflegen. Letzteres dient auch dazu, (Zivil-) Geistliche für die Tätigkeit als Militärseelsorger zu gewinnen, worin eine der wichtigsten Aufgaben der Wehrbereichsdekane liegt. 148 b) Die übrigen Militärgeistlichen Die Militärgeistlichen wirken zwar im militärischen Bereich, nehmen aber keine militärischen Funktionen wahr. Im Vordergrund stehen ihre kirchlichen Aufgaben im Zusammenhang mit der seelsorgerischen Betreuung der Soldaten. Dabei betreuen sie die Soldaten im Dienst, in deren Freizeit, 149 im Kran-

1 4 7

4. Teil A VII.

1 4 8

Nach § 19 KG-MS sollen zwar die Landeskirchen von sich aus Geistliche für die Militärseelsorge abstellen; entsprechendes gilt für die Diözesen gem. Art. 27 PS-Kath.MB. In der Praxis fällt die Aufgabe der Pfarrerwerbung aber der Militärseelsorge - vor allem den Wehrbereichsdekanen - zu. Vgl. Blaschke/Oberhem, Bundeswehr und Kirchen, S. 95. 1 4 9

ZDv 66/1 Nr. 29.

Β. Struktur und Tätigkeitsbereich der Militärseelsorge

77

kenhaus und auch etwa im Arrest 150 . Die Militärgeistlichen werden daher über alle Vorkommnisse informiert, die seelsorgerische Relevanz aufweisen, wie etwa Todesfälle, schwere Erkrankungen oder Suizidversuche151. Ferner halten sie sowohl innerhalb militärischer Anlagen152 als auch auf Truppenübungsplätzen153 Militärgottesdienste ab, bieten Sprechstunden154 an und führen Rüstzeiten resp. Exerzitien 155 durch. Dabei ist der räumliche Tätigkeitsbereich der Militärgeistlichen nicht auf den Standort oder die Übungsplätze beschränkt. Vielmehr begleiten sie die Soldaten auch zu den verschiedenen Einsatzorten, wie jüngst in Kambodscha, im Persischen Golf, in Somalia und im ehem. Jugoslawien. Einige der kirchlichen Aufgaben der Militärgeistlichen weisen einen spezifisch militärischen Bezug auf und sind demzufolge in der kirchlichen Diskussion besonders umstritten. Dazu zählt vor allem ihre Mitgestaltung des äußeren Rahmens des feierlichen Gelöbnisses und Diensteides der Soldaten. So soll der Militärpfarrer im Lebenskundlichen Unterricht den Soldaten aus religiöser Sicht die Bedeutung von Gelöbnis und Eid darlegen.156 Zudem findet in aller Regel kurz vor Vereidigung und Gelöbnis ein Militärgottesdienst statt,157 der freilich nicht Teil der militärischen Feier ist. 158 Schließlich erteilen die Militärgeistlichen den Lebenskundlichen Unterricht. Von den Soldaten werden die Militärgeistlichen häufig als Vertrauensperson, sogar als "kleiner Wehrbeauftragter" verstanden, der ihnen als eine willkommene Anlaufstelle zwar innerhalb der Bundeswehr, aber außerhalb des Systems von Befehl und Gehorsam dient. 159 Vielfach kommt den Militärgeistlichen somit eine Brückenfunktion zwischen der Institution Bundeswehr

1 5 0

ZDv 14/3, Teil Β 149 Nrn. 1-4.

151

ZDv 10/13 Nrn. 407 f.

1 5 2

ZDv 66/1 Nr. 19.

153

ZDv 40/11 Nr. 633.

1 5 4

ZDv 66/1 Nr. 27.

155

ZDv 66/1 Nr. 26.

1 5 6

ZDv 10/8 Nr. 122.

1 5 7

ZDv 10/8 Nr. 123.

1 5 8

ZDv 66/1 Nr. 28.

1 5 9

Vgl. Schwarz, epd Dokumentation 22/93, 45.

78

Gegenwärtige Ausgestaltung der Militärseelsorge

und den militärischen Vorgesetzten einerseits und den Soldaten andererseits zu. 160 Zur Erfüllung ihrer Aufgaben stehen den Militärgeistlichen Räume161 und Dienstfahrzeuge 162 zur Verfügung. 5. Kirchliche Anbindung und Kontrolle

Zahlreiche Stimmen innerhalb der evangelischen Kirche plädieren für eine Überführung der Militärgeistlichen in den kirchlichen Dienst, um deren kirchliche Integration zu ermöglichen. In der Tat ist eine gewisse Isolierung der Militärgeistlichen innerhalb der evangelischen Kirche zu beobachten. Es spricht aber einiges dafür, daß dies eher in (kirchen)politischen Vorbehalten wurzelt denn in der formalen Ausgestaltung des Amtes eines Militärgeistlichen.163 Im übrigen gibt es auch bei Verbeamtung weitreichende Möglichkeiten kirchlicher Anbindung und Kontrolle. Diese ergeben sich zum einen aus dem bisher Ausgeführten: Die Militärgeistlichen dürfen nur mit Zustimmung der zuständigen (zivil-)kirchlichen Stellen ernannt werden. 164 Ihr Amt in der Militärseelsorge ist auf sechs bis höchstens zwölf Jahre befristet; 165 anschließend kehren sie in ihre Gliedkirche bzw. in ihr Bistum zurück. 166 Damit ist die personelle Verknüpfung von Militär- und Zivilseelsorge gewährleistet, zumal die Militärpfarrer Geistliche ihrer Gliedkirche bzw. ihres Bistums bleiben. 167 In Fragen der Lehrzucht und der Disziplinargewalt bleiben die Landeskirchen zuständig.168 Darüber hinaus muß jeder Militärpfarrer auf Verlangen seiner Kirche in den zivilkirchlichen Dienst zurückkehren. 169

16 0 Feige, Seelsorge und Soldat, S. 70, 277, 283, 288; v. Mutius, in: Orlt (Hrsg.), Pflicht zum Frieden, S. 150 (153 f.). 161

ZDv 73/1 Nr. 1821.

1 6 2

ZDv 43/2 Nrn. 333 ff.

163

Vgl. Müller-Kent,

1 6 4

Art. 18 Abs. 1 S. 1 MSV, § 19 Abs. 1 KG-MS, Art. 15 S. 1 PS-Kath.MB.

165

Art. 19 Abs. 3 MSV.

1 6 6

§ 21 S. 1 KG-MS, Art. 17 Abs. 1 S. 2 PS-Kath.MB.

1 6 7

§ 16 S. 1 KG-MS, Art. 17 Abs. 1 S. 1 PS-Kath.MB.

1 6 8

Art. 12 Nr. 2 MSV.

1 6 9

Art. 23 Abs. 1 Nr. 2 MSV, Art. 7 RK.

Militärseelsorge, S. 281.

Β . Struktur u n d Tätigkeitsbereich der Militärseelsorge

79

Zum anderen wird die kirchliche Anbindung der Militärgeistlichen - und damit der Militärseelsorge insgesamt - durch die spezifische Struktur der Soldatengemeinden gesichert, die in der Regel Teil der Ortsgemeinden sind. 6. Die Soldatengemeinden

Schwerpunkt des kirchlichen Lebens ist die Gemeinde. Auch die Militärseelsorge soll daher in Kirchengemeinden ausgeübt werden. Die Besonderheiten der Seelsorge an Soldaten bedingen jedoch eine besondere Struktur der Soldatengemeinden. Die Bezeichnung "Soldatengemeinde" ist indes nicht ganz zutreffend; die Militärseelsorge erfaßt einen darüber hinausreichenden Personenkreis. a) Personenkreis Der von den Militärgeistlichen betreute Personenkreis ist in den Rechtsgrundlagen der Militärseelsorge fest umrissen.170 Dazu zählen vor allem die Soldaten, d.h. die Berufs- und Zeitsoldaten sowie die Grundwehrdienstleistenden, ferner die im Verteidigungsfall auf unbestimmte Zeit einberufenen Soldaten, nicht aber die nur kurzfristig, insbesondere zu Wehrübungen einberufenen Soldaten.171 Darüber hinaus gehören aber auch Zivilisten zum Personenkreis der Militärseelsorge. Zum einen sind die in der Bundeswehr tätigen Beamten und Angestellten, soweit sie im Verteidigungsfall der Truppe zu folgen haben, zu nennen,172 zum anderen auch die Ehefrauen und die mindeijährigen Kinder der Berufs- und Zeitsoldaten sowie der genannten Beamten und Angestellten, sofern sie dem Hausstand des Mannes angehören. b) Organisation und Struktur Die evangelischen und katholischen Gemeinden unterscheiden sich zwar kaum in ihrem äußeren Erscheinungsbild, aber doch in ihrer Organisation und Struktur.

170

Art. 7 Abs. 1 MSV, Art. 27 Abs. 1 RK, Art. 4 PS-Kath.MB, ZDv 66/1 Nr. 5.

171

Die Militärseelsorge soll sich aber auch der letztgenannten Gruppe von Soldaten annehmen, Art. 9 MSV, ZDv 66/1 Nr. 8.

1 -το

Die Zugehörigkeit zum Personenkreis der Militärseelsorge entsteht erst im Verteidigungsfall; Hierold, ArchKathKR 159 (1990), 94 (101 Fußn. 21); Meyer, ZevKR 26 (1981), 326 (335 f.).

80

Gegenwärtige Ausgestaltung der Militärseelsorge

aa) Evangelische Militärseelsorge Bis 1919 bildete die evangelische Militärseelsorge eigene, von den Landeskirchen geschiedene Militärkirchen. Später wurden die Soldatengemeinden zwar in die landeskirchliche Organisation eingefügt, blieben aber weiterhin exemte, d.h. von den zivilen Ortskirchengemeinden gelöste, Militärkirchengemeinden.173 Mit dieser Tradition bricht der Militärseelsorgevertrag. Er statuiert in Art. 6 Abs. 1 MSV, daß die Militärseelsorge grundsätzlich in sog. personalen Seelsorgebereichen ausgeübt wird, die Teil der (zivilen) Ortskirchengemeinden sind. Nur ausnahmsweise sollen selbständige Militärkirchengemeinden gebildet werden (Art. 6 Abs. 2 MSV). ( 1 ) Personale Seelsorgebereiche Hintergrund der Ausübung der Seelsorge an Soldaten in personalen Seelsorgebereichen ist das Bestreben der evangelischen Kirche, die Militärseelsorge möglichst weitgehend in die übrige Seelsorge zu integrieren, um so das Entstehen einer eigenständigen Militärkirche zu verhindern: 174 Die Soldaten sollen nicht nur "Staatsbürger in Uniform", sondern auch "Gemeindeglieder in Uniform" sein. Gem. Art. 6 Abs. 1 S. 2 MSV werden die personalen Seelsorgebereiche von den Gliedkirchen aufgrund einer Vereinbarung mit dem Militärbischof und nach vorheriger Verständigung mit dem Bundesminister der Verteidigung (Art. 6 Abs. 3 MSV) gebildet. Die Vereinbarung zur Bildung eines personalen Seelsorgebereich wird bisweilen schriftlich getroffen. Zumeist ist sie konkludent in der Freistellung eines Pfarrers für den Dienst in der Militärseelsorge enthalten.175 Auf die nach Art. 6 Abs. 3 MSV erforderliche vorherige Verständigung mit dem Bundesminister der Verteidigung wird in der Praxis verzichtet; der Minister erhält lediglich nachträgliche Kenntnis durch Übersendung des Verordnungsblattes des Militärbischofs, in dem die Vereinbarungen laut Schlußprotokoll zu Art. 6 Abs. 3 MSV veröffentlicht werden. 176 Die Angehörigen der personalen Seelsorgebereiche bilden keine eigene Gemeinde, bleiben vielmehr Glieder der Ortskirchengemeinde (Art. 8 Abs. 1 173

Nrn. 1 ff. der E M D vom 28.02.1929 (RGBl. II S. 141); dazu Bleese, Militärseelsorge,

S. 149. 1 7 4 Vgl. die Regierungsbegründung, BT-Dr. 2/3500, S. 10. Siehe auch Blaschke/Oberhem, Bundeswehr und Kirchen, S. 15; Bleese, Militärseelsorge, S. 196 f.; Frost, Strukturprobleme evangelischer Kirchenverfassung, S. 123; Meyer, ZevKR 26 (1981), 326 (330). 175

Dazu Meyer, ZevKR 26 (1981), 326 (332).

17 6

Meyer, ZevKR 26 (1981), 326 (333).

Β. Struktur und Tätigkeitsbereich der Militärseelsorge

81

S. 1 MSV). 177 Im Unterschied zur restlichen Gemeinde werden sie aber vorrangig durch den Militärgeistlichen betreut, der an ihnen grundsätzlich auch die kirchlichen Amtshandlungen vornimmt. 178 Die Verbundenheit mit der (zivilen) Ortsgemeinde ist wiederum darin ersichtlich, daß diese Amtshandlungen in die Kirchenbücher der Zivilgemeinde eingetragen werden; die Militärgeistlichen führen nur Nebenkirchenbücher. 179 Ferner ist für die Gottesdienste und die Amtshandlungen die Ordnung der zuständigen Gliedkirche maßgebend (§ 4 KG-MS). Die Einbindung der personalen Seelsorgebereiche in die Zivilgemeinden dient auch dem Ziel, dem Militärgeistlichen eine kirchliche Heimat zu bieten. Er gehört im allgemeinen der Presbyterium der Zivilgemeinde an und nimmt häufig am gemeindlichen Predigtdienst teil. 180 Damit bieten die personalen Seelsorgebereiche den rechtlichen Rahmen einer weitreichenden Integration der Soldaten, ihrer Familienangehörigen und der Militärgeistlichen in die zivilen Ortsgemeinden. Gleichwohl stößt die Verwurzelung der Soldaten in den Ortsgemeinden auf einige Schwierigkeiten. Diese sind zum einen in bundeswehrspezifischen tatsächlichen Gegebenheiten begründet, etwa in den häufigen dienstlich bedingten Versetzungen. Zum anderen sind die schon erwähnten verbreiteten (kirchen-)politischen Vorbehalte gegenüber dem Militär zu nennen.181 Ob die Integrationsmöglichkeiten der personalen Seelsorgebereiche verwirklicht werden, hängt somit vor allem von den beteiligten Personen ab. Darüber hinaus besteht die nicht überall genutzte Möglichkeit kirchenrechtlicher integrationssichernder Kautelen, etwa durch landeskirchliche Ausführungsgesetze für die Militärseelsorge oder durch entsprechende Vereinbarungen bei der Bildung der personalen Seelsorgebereiche.182 177 Es gibt daher im Bereich der personalen Seelsorgebereiche keinen Kirchenvorstand, wohl aber örtliche Beiräte, in den Soldaten und deren Angehörige Mitverantwortung übernehmen, wodurch zugleich ein synodales Element in der örtlichen Militärseelsorge verankert wird. Dazu Blaschke/Oberhem, Bundeswehr und Kirchen, S. 105, 115 f. 1 7 8 Ausgenommen ist regelmäßig die Konfirmation, die aus Gründen der Zweckmäßigkeit der Ortspfarrer vornimmt - dem Militärpfarrer ist es zumeist angesichts seiner unregelmäßigen Dienstzeit nicht möglich, einen geordneten Konfirmationsunterricht durchzuführen. Dazu näher Meyer, ZevKR 26 (1981), 326 (340). 17 9

Blaschke/Oberhem, Bundeswehr und Kirchen, S. 105; Meyer, ZevKR 26 (1981), 326 (340). - Etwas anderes gilt für Soldatengemeinden an Auslands Standorten sowie für die Militärkirchengemeinden. 18 0

Meyer, ZevKR 26 (1981), 326 (337 ff.).

181

Binder, epd Dokumentation 47/94, 2 (Interview).

1 19 (21).

Kritisch zu diesem Desinteresse der Landeskirchen etwa Graf\ epd Dokumentation 4/93,

6 Ennuschat

Gegenwärtige Ausgestaltung der Militärseelsorge

82

(2) Militärkirchengemeinden Ausnahmsweise können die Gliedkirchen anstelle der personalen Seelsorgebereiche auch Militärkirchengemeinden als selbständige landeskirchliche Personalgemeinden errichten. 183 Die Angehörigen der Militärkirchengemeinden gehören den örtlichen Kirchengemeinden nicht an (Art. 8 Abs. 1 S. 2 MSV); mit den Militärkirchengemeinden sind Parochialrechte verbunden (Art. 8 Abs. 2 S. 2 MSV). Die Militärkirchengemeinden sind Teil der Landeskirchen, bilden also keine Militärkirche früheren Zuschnitts. Militärkirchengemeinden sollen nur errichtet werden, wenn personale Seelsorgebereiche nicht möglich sind. Das kann etwa bei abgelegenen größeren Truppenstandorten der Fall sein, möglicherweise auch dann, wenn sonst die Gefahr einer Majorisierung der (zivilen) Ortskirchengemeinde durch die soldatischen Gemeindeglieder bestünde. Eine Militärkirchengemeinde wurde schließlich gebildet, weil die örtliche Kirchengemeinde sich weigerte, die Soldatengemeinde aufzunehmen. 184 Bislang sind erst vier Militärkirchengemeinden errichtet worden, von denen 1995 lediglich drei bestanden. Selbständige Militärkirchengemeinden sind daher in der Militärseelsorgepraxis kaum von Bedeutung. In der innerevangelischen Diskussion wird die Institution Militärkirchengemeinde von vielen abgelehnt.185 bb) Katholische Militärseelsorge Auf katholischer Seite besteht nach Art. 27 Abs. 1 RK eine exemte Militärseelsorge. Dies kann jedoch - jedenfalls heute186 - nicht als eine von der zivilen Kirche losgelöste Seelsorge verstanden werden. Zwar kommt dem Militärbischof eine eigene Jurisdiktion zu, der die Soldaten und deren Familien sowie im Verteidigungsfall einige Beamte und Angestellte samt Familien unterstehen (Art. 3 S. 1 PS-Kath.MB). Aber die Soldaten etc. unterfallen zugleich, allerdings erst an zweiter Stelle, der Gewalt von Ortsbischof und Ortspfarrer (Art. 3 S. 2 PS-Kath.MB). Die Soldatengemeinden bilden also keine eigenen Ortspfarreien, sondern "Seelsorgebezirke" (vgl. Art 7 Abs. 1 PS-Kath.MB). Inwieweit die Soldatengemeinde in die örtliche Pfarrgemeinde 183 Einige Landeskirchen haben diese Möglichkeit kirchenrechtlich ausgeschlossen. Dazu Meyer, ZevKR 26 (1981), 326 (331). 1 8 4

Meyer, ZevKR 26 (1981), 326 (331).

185

Etwa Bevve rsdorff,

epd Dokumentation 25/92, 1 (6); Martin, epd Dokumentation 25/92,

10(11). 186

Zur Rechtslage im Dritten Reich unter Geltung der Päpstlichen Statuten vom 19.09.1935 siehe Blaschke/Oberhem, Bundeswehr und Kirchen, S. 45 f.

Β. Struktur und Tätigkeitsbereich der Militärseelsorge

83

integriert ist, hängt von den jeweiligen Umständen vor Ort ab. 187 Die Militärgeistlichen unterstehen den in der jeweiligen Zivilgemeinde geltenden allgemeinen und partikulären Kirchengesetzen (Art. 14 Abs. 1 PS-Kath.MB); sie sollen eine den örtlichen Gewohnheiten entsprechende Amtstracht tragen (Art. 14 Abs. 2 S. 1 PS-Kath.MB). Nach Art. 30 Abs. 1 PS-Kath.MB sind die Militärgeistlichen und die Ortspfarrer zur Zusammenarbeit und wechselseitigen Unterstützung verpflichtet; Meinungsverschiedenheiten sollen einvernehmlich beigelegt werden (Art. 32 PS-Kath.MB). IV.

Sonstige Mitarbeiter, Organe und Einrichtungen im Bereich der Militärseelsorge 1. Die Pfarrhelfer und Pastoralreferenten

Neben den Geistlichen sind eine Reihe von Laien im Bereich der Militärseelsorge tätig. Zu nennen sind zum einen die Pfarrhelfer und zum anderen die Pastoralreferenten. a) Pfarrhelfer Jedem Militärgeistlichen, mit Ausnahme der Militärgeistlichen im Evangelischem Kirchenamt für die Bundeswehr und im Katholischen Militärbischofsamt, wird ein Pfarrhelfer zugeteilt.188 Die Aufgaben der Pfarrhelfer sind teils kirchlicher, teils staatlicher Natur. Zu den kirchlichen Aufgaben zählen u.a. die Unterstützung des Militärgeistlichen bei Gottesdiensten, Rüstzeiten bzw. Exerzitien und bei der Gemeindearbeit sowie das Führen der (Neben-) Kirchenbücher. Staatliche Aufgaben sind etwa die Beratung des Militärgeistlichen in Verwaltungsangelegenheiten sowie der allgemeine Geschäftszimmerdienst. 189 Die Pfarrhelfer sind grundsätzlich (staatliche) Angestellte im öffentlichen Dienst. Lediglich die Hilfskräfte der dienstaufsichtsführenden Militärgeistlichen, d.h. die Pfarrhelfer der Wehrbereichsdekane, werden in das Beamtenverhältnis übernommen.190 18 7

Blaschke/Oberhem,

Bundeswehr und Kirchen, S. 105.

1 8 8

Art. 26 Abs. 1 MSV (siehe auch das Schlußprotokoll zu Art 26 MSV). Für katholische Militärgeistliche gilt schon aus Gründen der Parität Entsprechendes. - Vorgesetzter der Pfarrhelfer ist der jeweilige Militärgeistliche, OVG NW, RiA 1981, 159 (160). 1 8 9

Zu den Aufgaben siehe Art. 26 Abs. 1 MSV, Art. 20 Abs. 2 PS-Kath.MB sowie vor allem den Erlaß des Bundesministers der Verteidigung vom 17.09.1973 (VR I 4 - Az 36-25) "Richtlinien für die Pfarrhelfer in der Militärseelsorge" Nr. II. 1 9 0

6*

Art. 26 Abs. 2 MSV; Richtlinien für die Pfarrhelfer in der Militärseelsorge Nr. 11.

Gegenwärtige Ausgestaltung der Militärseelsorge

84

b) Pastoralreferenten Von den Pfarrhelfern sind die Pastoralreferenten im Bereich der katholischen Militärseelsorge zu unterscheiden. Pastoralreferenten sind Laien im pastoralen Dienst mit theologischem Hochschulabschluß und können aufgrund der "Vereinbarung zwischen dem Bundesminister der Verteidigung und dem Katholischen Militärbischof für die Deutsche Bundeswehr - mit Zustimmung des Heiligen Stuhls - über den Einsatz von Pastoralreferenten in der Katholischen Militärseelsorge" vom 06.04.1987191 dort eingesetzt werden, wo ein hauptamtlicher Militärgeistlicher mindestens einen weiteren Seelsorgebezirk zu betreuen hat (Art. 1 Abs. 1 der Vereinbarung). Der Einsatz von Pastoralreferenten ist somit eine Folge der Pfarrermangels innerhalb der katholischen Kirche. Die Zahl der Pastoralreferenten ist jedoch auf 10 v.H. der vorgesehenen Planstellen für katholische Militärgeistliche begrenzt (Art. 1 Abs. 2). Die Pastoralreferenten nehmen einen Teil der Aufgaben wahr, die an sich den Militärgeistlichen zugewiesen sind, so etwa die Durchführung von Exerzitien, die persönliche Beratung in Glaubens- und Lebensfragen und vor allem die Erteilung des Lebenskundlichen Unterrichts (Art. 2 Abs. 1 und 2). Um ihre Arbeit zu ermöglichen, haben die Pastoralreferenten Zugang zu den Dienststellen und Unterkünften der Soldaten und werden seitens der Bundeswehr durch Räume und weitere Sachmittel durch die Bundeswehr unterstützt (Art. 10 Abs. 2). Die Pastoralreferenten bleiben Angestellte ihres Bistums (Art. 3 Abs. 1) und werden regelmäßig bis zu fünf Jahren, maximal acht Jahre im Dienst der Militärseelsorge verwendet (Art. 4). Die Personalkosten werden dem Bistum jedoch vom Staat erstattet (Art. 10 Abs. 1). Die Pastoralreferenten sind damit nicht in den staatlichen Bereich integriert, sie verbleiben im kirchlichen Bereich und haben lediglich kirchliche Vorgesetzte: Unmittelbarer Vorgesetzter ist der Militärgeistliche, dem sie zugewiesen sind, weitere Vorgesetzte sind der Wehrbereichsdekan, der Militärgeneralvikar und der Militärbischof (Art. 6). Um staatlichen Sicherheitsinteressen Rechnung zu tragen, werden die Pastoralreferenten nicht zum Zugang von Verschlußsachen ermächtigt, sind aber gleichwohl Sicherheitsüberprüfungen unterworfen (Art. 8). Darüber hinaus wollen sich beide Vertragsparter freundschaftlich verständigen, wenn nach Auffassung des Bundesministers der Verteidigung die vorzeitige Abberufung eines Pastoralreferenten erforderlich ist (Art 9 Abs. 1).

191

Siehe oben 2. Teil A 12 a.

Β. Struktur und Tätigkeitsbereich der Militärseelsorge

85

2. Der Beirat für die evangelische Militärseelsorge und der Sonderhaushalt Evangelische Militärseelsorge

Gem. § 14 Abs. 1 KG-MS wird zur Beratung des EKD-Rates und des Evangelischen Militärbischofs in den Angelegenheiten der Militärseelsorge ein Beirat berufen, der je zur Hälfte aus Vertretern der beteiligten Landeskirchen sowie der Personalen Seelsorgebereiche und Militärkirchengemeinden besteht.192 Der Beirat tritt in der Regel dreimal im Jahr in Gegenwart des Militärbischofs zusammen.193 Zur Wahrnehmung seiner Beratungsaufgabe wird der Beirat an allen für die Militärseelsorge bedeutsamen Angelegenheiten beteiligt. Dies gilt insbesondere für wichtige Struktur- und Personalfragen sowie für die Aufstellung des Haushaltsplanes des Sonderhaushaltes Evangelische Militärseelsorge. 194 Der Sonderhaushalt Evangelische Militärseelsorge umfaßt die kirchlichen Finanzmittel für die Militärseelsorgearbeit. Zwar trägt der Staat gem. Art. 2 Abs. 2 MSV die Kosten der Militärseelsorge; die staatlichen Mittel genügen allerdings nicht, tatsächlich alle Kosten zu decken. Die an der Militärseelsorge beteiligten Gliedkirchen sind daher gem. § 8 Abs. 2 KG-MS verpflichtet, sich an der Finanzierung der Militärseelsorge zu beteiligen. Diese Landeskirchen stellen deshalb bis zu zwei Drittel des Kirchensteueraufkommens der Soldaten für den Sonderhaushalt Evangelische Militärseelsorge zur Verfügung.195 3. Die Katholische Soldatenseelsorge als Anstalt des öffentlichen Rechts

Am 01.07.1990 wurde aufgrund eines Beschlusses des Ständigen Rates der Deutschen Bischofskonferenz vom 23.04.1990 die "Katholische Soldatenseelsorge" als selbständige kirchliche Einrichtung auf dem Gebiet der Militärseelsorge errichtet. Die "Katholische Soldatenseelsorge" steht selbständig neben dem Katholischen Militärbischofsamt; beide sind Teile der Kurie des Militärbischofs. Während letzteres vornehmlich die staatlichen Verwaltungsaufgaben im Zusammenhang mit der Militärseelsorge wahrnimmt, fällt der "Katholischen Soldatenseelsorge" neben der seelsorglichen und außerdienstli1 9 2 Vgl. § 2 Abs. 2 der Ordnung für den Beirat für die evangelische Militärseelsorge (ABl. EKD 1974, S. 410). 193

§ 4 Abs. 1 S. 1, § 5 Abs. 1 der Ordnung für den Beirat für die evangelische Militärseel-

sorge. 1 9 4

§ 1 Abs. 1 der Ordnung für den Beirat für die evangelische Militärseelsorge.

195

Siehe unten 2. Teil D II 1.

Gegenwärtige Ausgestaltung der Militärseelsorge

86

chen Betreuung des dem Jurisdiktionsbereich des Katholischen Militärbischofs unterstehenden Personenkreises vor allem die Aufgabe zu, die dem Militärbischof für die Militärseelsorge zur Verfügung stehenden Kirchensteuermittel zu verwalten. 196 Der Katholische Militärbischof beantragte am 26.06.1990 beim Kultusminister des Landes Nordrhein-Westfalen die Anerkennung der "Katholischen Soldatenseelsorge" als rechtlich selbständige kirchliche Anstalt des öffentlichen Rechts gem. Art 140 GG i.V.m. Art 137 Abs. 3 und 5 WRV. Bis zur Zuerkennung dieses Status wurde vorläufig die Rechtsform einer "Soldatenseelsorge GmbH" gewählt. Bei dieser Organisationsform befürchtete man indes, ein unbefangener Beobachter könne hinter einer GmbH ein gewinnorientiertes Wirtschaften vermuten. Darüber hinaus sah man in einer öffentlich-rechtlichen Ausgestaltung die adäquatere Rechtsform der Verwaltung der gleichfalls öffentlich-rechtlich erhobenen Kirchensteuermittel. 197 Schließlich wurde durch nordrhein-westfälisches Gesetz vom 24.11.1992 der "Katholischen Soldatenseelsorge" mit Sitz in Bonn die Rechtsstellung einer Anstalt des öffentlichen Rechts verliehen. 198 Die Anstalt untersteht der Aufsicht des Katholischen Militärbischofs. 199 4. Die Evangelische und die Katholische Arbeitsgemeinschaft für Soldatenbetreuung (EAS und KAS)

Zur Betreuung der Soldaten außerhalb der Dienstzeit wurden eine evangelische und eine katholische Arbeitsgemeinschaft für Soldatenbetreuung (EAS resp. KAS) gegründet.200 Beide unterhalten ingesamt ca. 50 Soldatenheime, die den Soldaten, insbesondere den Wehrpflichtigen, Möglichkeiten sinnvoller Freizeitgestaltung nach Dienstschluß und am Wochenende bieten sollen. Die EAS versteht das Angebot ihrer Soldatenheime als notwendigen Bestandteil des Dienstes der Militärseelsorge. Die Arbeit der EAS beruht auf Richtlinien des Militärbischofs. Der Militärpfarrer wirkt an der Gestaltung des Heimlebens mit. Die Kosten der Soldatenheimarbeit werden zum Teil vom 196

Amtl.Begr., nw.LT-Dr. 11/3019, S. 5 f.

1 9 7

Vgl. den Bericht des Kulturausschusses, nw.LT-Dr. 11/4462, S. 3 f.

1 9 8

§ 1 S. 1 des Gesetzes über die Verleihung der Rechtsstellung einer Anstalt des öffentlichen Rechts an die kirchliche Einrichtung "Katholische Soldatenseelsorge", Sitz Bonn (nw.GVBl. 1992, S. 467). 1 9 9 § 5 S. 1 des Gesetzes über die Verleihung der Rechtsstellung einer Anstalt des öffentlichen Rechts an die kirchliche Einrichtung "Katholische Soldatenseelsorge", Sitz Bonn. 2 0 0

Zu EAS und KAS siehe Blaschke/Oberhem,

Bundeswehr und Kirchen, S. 124 ff.

Β. Struktur und Tätigkeitsbereich der Militärseelsorge

87

Bund getragen (insbesondere durch langfristige, zinslose Darlehen für den Bau und die bauliche Unterhaltung der Soldatenheime). Das Gros der Kosten wird aus dem Sonderhaushalt für die Evangelische Militärseelsorge, also aus kirchlichen Mitteln finanziert. 201 Auf katholischer Seite ist die KAS stärker von der Militärseelsorge getrennt als die E AS. So hat der Katholische Militärbischof zwar die Schirmherrschaft über die KAS übernommen, ihm kommt aber keine Richtlinienkompetenz hinsichtlich ihrer Arbeit zu. In der Praxis sind die Unterschiede zwischen KAS und EAS indessen gering. EAS und KAS haben sich zudem darauf verständigt, daß jeweils die Arbeitsgemeinschaft die Trägerschaft für ein Soldatenheim übernimmt, deren Konfession in der betreffenden Region am stärksten vertreten ist.

V. Besonderheiten im Gebiet der neuen Bundesländer und Berlin 1. Evangelische Militärseelsorge

Der Militärseelsorgevertrag sowie die wichtigsten bundeswehrinternen Vorschriften zur Militärseelsorge und zum Lebenskundlichen Unterricht 202 werden nicht angewendet.203 Vielmehr beauftragen die ostdeutschen Landeskirchen Zivilpfarrer mit der Betreuung der etwa 10.000 Soldaten evangelischer Konfession. 204 Der Bundesverteidigungsminister hat für deren Tätigkeit bis zur Einigung mit der evangelischen Kirche eine Übergangsregelung getroffen. 205 Derzeit (1995) gibt es über 50 beauftragte Pfarrer. 206 Zunächst präferierten die ostdeutschen Landeskirchen die Beauftragung des jeweiligen Ortspfarrers im Nebenamt. Es stellte sich jedoch heraus, daß der Lebensrhythmus der Sol-

2 0 1

Näher unten 2. Teil D i l l .

2 0 2

ZDv 66/1, ZDv 66/2, Weisung des Generalinspekteurs für die Zusammenarbeit mit den Militärgeistlichen vom 12.11.1984. 2 0 3

Siehe oben 2. Teil A II 2 a cc.

2 0 4

Dies entspricht etwa 17% (epd ZA Nr. 125 vom 03.07.1995).

2 0 5

Weisung für die Zusammenarbeit mit den für Seelsorge an Soldaten beauftragten Pfarrern der evangelischen Landeskirchen im Wehrbereich V I I und V I I I vom 06.09.1991 - Fü S I 4 Az. 36-01 (abgedruckt in: epd Dokumentation 25/94, S. 31 ff.). 2 0 6 Rückert, EKD-Informationen, Militärseelsorge II, Dok. VIII, S. 1 (Stand: Juni 1994); ähnliche Angaben in epd ZA Nr. 125 vom 03.07.1995.

Gegenwärtige Ausgestaltung der Militärseelsorge

88

daten sich derart grundlegend von dem der übrigen Gemeindeglieder unterscheidet, daß die Tätigkeit im Nebenamt nur ein Notbehelf sein kann. 207 Zunehmend werden daher auch Pfarrer im Hauptamt oder zur Hälfte ihres Amtes mit der Soldatenseelsorge betraut. 208 Die beauftragten Pfarrer bilden eine Arbeitsgemeinschaft "Seelsorge an Soldaten", deren Geschäftsführung in der Außenstelle des EKD-Kirchenamtes in Berlin erfolgt. Über diesen losen Zusammenschluß hinaus gibt es keine landeskirchenübergreifende Organisationseinheit.209 Die beauftragten Pfarrer können Seelsorge für Soldaten auch innerhalb der militärischen Einrichtungen wahrnehmen, etwa Gottesdienste während der Dienstzeit anbieten. Ihnen werden geeignete Räume zur Verfügung gestellt. Im Vergleich zu den westdeutschen Militärgeistlichen werden ihre Arbeitsmöglichkeiten aber beschränkt. So erfolgt keine ständige Begleitung der Truppe bei Übungen und Manövern, wobei Gottesdienste im zeitlichen oder räumlichen Zusammenhang mit einer Übung vereinbart werden können. Sie erhalten keinen Pfarrhelfer zu ihrer Unterstützung und keinen Dienst-PKW. Sie sollen immerhin bei ihrer Arbeit unterstützt werden und können etwa mit Bundeswehr-PKW befördert werden. Sie erteilen nicht den Lebenskundlichen Unterricht, können jedoch während der Dienstzeit Einzel- oder Gruppengespräche über vergleichbare Themen anbieten.210 2. Katholische Militärseelsorge

Für die katholische Militärseelsorge gelten in ganz Deutschland einheitliche Rechtsgrundlagen. Für Struktur und Tätigkeitsbereich sind somit keine Besonderheiten zu verzeichnen. Allein die relativ geringe Anzahl von Soldaten katholischen Glaubens führt dazu, daß in den neuen Bundesländern nur vier hauptamtliche Militärgeistliche tätig sind, hinzu kommt ein (hauptamtlicher) Wehrbereichsdekan. Das Schwergewicht der seelsorgerischen Arbeit wird von ca. 30 nebenamtlichen Pfarrern wahrgenommen.

2 0 7

Fritz, epd Dokumentation 4/93, 38; Graf\ epd Dokumentation 4/93, 19 (20); Ottemeyer, epd Dokumentation 25/92, 40. 2 0 8 Rückert, EKD-Informationen, Militärseelsorge, Anhang, S. 2; ders., EKD-Informationen, Militärseelsorge II, Dok VIII, S. 2. 1995 gab es drei hauptamtliche und zwei halbe Stellen (epd ZA Nr. 125 vom 03.07.1995). 2 0 9

Rückert, EKD-Informationen, Militärseelsorge, Anhang, S. 4.

2 1 0

Zu den Gruppengesprächen siehe näher unten 2. Teil C V.

C. Lebenskundlicher Unterricht

89

C. Lebenskundlicher Unterricht Die meisten Soldaten lernen ihren Militärgeistlichen zunächst - und häufig ausschließlich - im Rahmen des Lebenskundlichen Unterrichts kennen. Schon deshalb wird das Erscheinungsbild der Militärseelsorger, und damit der Militärseelsorge insgesamt, im wesentlichen durch den Lebenskundlichen Unterricht geprägt, dessen Erteilung im übrigen die bei weitem zeitintensivste Tätigkeit der Militärgeistlichen ausmacht: Etwa die Hälfte ihrer Arbeitszeit wird dadurch in Anspruch genommen.211 Dennoch ist der Lebenskundliche Unterricht weder im Militärseelsorgevertrag noch im Reichskonkordat oder in den Päpstlichen Statuten geregelt. Dem Lebenskundlichen Unterricht kommt somit eine Sonderrolle im Bereich der Militärseelsorge zu.

I. Staatliche und kirchliche Konzepte Die Sonderrolle des Lebenskundlichen Unterrichts ist insbesondere darauf zurückzuführen, daß sich die Dienststelle Blank und die beiden Kirchen nicht auf seine Funktion und seinen Charakter verständigen konnten. Der Staat präferierte zunächst eine Konzeption, wonach die Militärgeistlichen - bei Wahrung der alleinigen Verantwortung der militärischen Führer - einen überkonfessionellen berufsethischen Pflichtunterricht als Teil der soldatischen Gesamterziehung erteilen sollten.212 Die Kirchen zeigten zwar großes Interesse, an der Erziehung der Soldaten mitzuwirken. Die katholische Kirche wünschte sich indes einen Unterricht, der freiwillig und konfessionell getrennt von den Militärgeistlichen in eigener Verantwortung zur Ergänzung der seelsorgerischen Betreuung erteilt wird. 213 Die evangelische Kirche war zwar zunächst durchaus bereit, sich auf das staatliche Modell einzulassen, schloß sich dann jedoch der katholischen Position an. Die staatliche Konzeption hatte den als "character guidance" bezeichneten Dienstunterricht der US-Streitkräfte zum Vorbild, in dem neben Ärzten und Offizieren vor allem Militärpfarrer auf Basis des Dekaloges in überkonfessio-

21 1 Hoffmann, Evangelische Militärseelsorge, S. 149; Steuber, Militärseelsorge, S. 154; Kruse, in: Kruse/Bald, Lebenskundlicher Unterricht, S. 43 (84); Pirson, Essener Gespräche 23 (1989), 4 (18). 2 1 2 Blaschke/Oberhem, cher Unterricht, S. 17(31). 2 1 3

Blaschke/Oberhem,

Bundeswehr und Kirchen, S. 60; Bald, in: Kruse/Bald, Lebenskundli-

Bundeswehr und Kirchen, S. 60.

Gegenwärtige Ausgestaltung der Militärseelsorge

90

nellen Gruppen unterrichteten. 214 Dieses Modell wurde zudem auf deutsche bewaffnete Wacheinheiten unter amerikanischen Befehl, die sog. "labor service groups", übertragen, wo hauptamtlich angestellte deutsche Geistliche den Unterricht abhielten.215 Durch die Anlehnung an das amerikanische Modell brach man bewußt mit der Tradition des Heerwesenunterrichts, einem von Offizieren erteilten berufsethischen Unterricht in Reichswehr und Wehrmacht, da man diesen durch dessen nationalsozialistische Instrumentalisierung diskreditiert sah. Hinzu kam, daß man im bereits aufgestellten Bundesgrenzschutz die Erfahrung gemacht hatte, daß die Einheitsführer der Erteilung eines berufsethischen Unterrichts ihrer Vor- und Ausbildung nach nicht gewachsen waren. 216 Erwogen wurde auch der Einsatz weiterer Dozenten neben den Militärgeistlichen in diesem Unterricht; man meinte jedoch, daß bei Vertretern der Kirchen die Gefahr unerwünschter ideologischer Indoktrination der Soldaten sehr viel geringer sei. 217 Zudem erschienen die Militärpfarrer durch ihren Status als besonders geeignet: Sie stehen außerhalb der militärischen Hierarchie und kennen doch die Interna. 218 Demgegenüber erinnerte die kirchliche Konzeption in ihrer äußeren Ausgestaltung an die sog. Kasernenstunden von Reichswehr und Wehrmacht, betonte allerdings angesichts der Erfahrungen des Dritten Reichs die seelsorgerische Funktion des Unterrichts. 219 Die Kirchen fürchteten, daß bei Verwirklichung der staatlichen Vorstellungen die primäre Aufgabe der Militärpfarrer, die Seelsorge an Soldaten ihrer jeweiligen Konfession, erschwert werde, wenn die Geisüichen im Lebenskundlichen Unterricht unter der Verantwortung der Militärs und nicht länger konfessionell gebunden tätig seien, während sie im Rahmen der Seelsorge nur ihren Kirchen verantwortlich seien. Man sah darin

2 1 4

Dazu Bald, in: Kruse/Bald, Lebenskundlicher Unterricht, S. 17 (20); Bick, Lebenskundlicher Unterricht, S. 20; Blaschke/Oberhem, Bundeswehr und Kirchen, S. 61; W.Huber, Kirche und Öffentlichkeit, S. 273. 2 1 5

Bick, Lebenskundlicher Unterricht, S. 20; Kruse, in: Kruse/Bald, Lebenskundlicher Unterricht, S. 1 (4); Müller-Kent, Militärseelsorge, S. 37 ff. 2 1 6 Blaschke/Oberhem, Bundeswehr und Kirchen, S. 61; Hoffmann, sorge, S. 147; Bald, in: Kruse/Bald, Lebenskundlicher Unterricht, S. 17 (31). 2 1 7

Bald, in: Kruse/Bald, Lebenskundlicher Unterricht, S. 17 (35).

2 1 8

Bick, Lebenskundlicher Unterricht, S. 280.

2 1 9

Evangelische Militärseel-

Dazu Bick, Lebenskundlicher Unterricht, S. 20; Blaschke/Oberhem, Bundeswehr und Kirchen, S. 60; Kruse, in: Kruse/Bald, Lebenskundlicher Unterricht, S. 1 (4); Steuber, Militärseelsorge, S. 153.

C. Lebenskundlicher Unterricht

91

die Gefahr, daß der Militärgeistliche in einem militärisch verantworteten Unterricht andere Inhalte vertreten müsse als im Rahmen der Seelsorge.220 In den Verhandlungen über den Militärseelsorgevertrag konnten Staat und Kirche über die Ausgestaltung des Lebenskundlichen Unterrichts keine Einigung erzielen. 221 Der Unterricht fand deshalb keine Regelung im Militärseelsorgevertrag. Die EKD erstrebt nunmehr eine den Lebenskundlichen Unterricht betreffende Vereinbarung mit dem Staat; diese soll aber nicht Teil des Militärseelsorgevertrages sein.222

II. Staatliche Vorgaben Trotz fehlender Einigung erteilten Militärgeistliche sofort nach Aufstellung der Bundeswehr den Lebenskundlichen Unterricht. Nach weiteren Gesprächen und Auswertung der ersten Erfahrungen formulierte der Bundesminister der Verteidigung schließlich die ZDv 66/2, die, von den Kirchen stillschweigend akzeptiert, bis heute die wichtigste Rechtsgrundlage des Lebenskundlichen Unterrichts geblieben ist. Die ZDv 66/2 stellt einen Kompromiß zwischen den ursprünglichen staatlichen und kirchlichen Vorstellungen dar, indem sie Elemente sowohl der staatlichen als auch der kirchlichen Konzeption kombiniert. 223 Dies gilt gleichermaßen für den vorgegebenen äußeren Rahmen wie für die gesteckten Ziele des Lebenskundlichen Unterrichts. 1. Äußerer Rahmen

Der Unterricht findet während der Dienstzeit statt (ZDv 66/2 Nr. 4) und ist damit grundsätzlich ein Pflichtunterricht, wie es das staatliche Konzept vorsah. Die Soldaten können sich aber von der Teilnahmepflicht befreien lassen (Nr. 5), wodurch die kirchliche Forderung nach Freiwilligkeit der Teilnahme erfüllt wird. Für Mannschaften und Unteroffiziere wird der Lebenskundliche Unterricht entsprechend den kirchlichen Wünschen nach Konfessionen getrennt erteilt (Nr. 8). Bei den Offizieren findet der Unterricht in Form einer

2 2 0

Niermann, Essener Gespräche 23 (1989), 110 (120).

2 2 1

Zu den Verhandlungen siehe etwa Bald, in: Kruse/Bald, Lebenskundlicher Unterricht, S. 17 ff.; Blaschke/Oberhem, Bundeswehr und Kirchen, S. 64. 2 2 2

So Nr. 7 des Beschlusses der EKD-Synode vom 11.11.1993 (epd Dokumentation 39/

94, 2). 2 2 3 Kruse, in: Kruse/Bald, Lebenskundlicher Unterricht, S. 43 (46); Niermann, Essener Gespräche 23 (1989), 110 (121).

92

Gegenwärtige Ausgestaltung der Militärseelsorge

Arbeitsgemeinschaft statt (ZDv 66/2 Nr. 9); 2 2 4 hier fehlt die konfessionelle Trennung wegen der sonst zu geringen Teilnehmerzahl. 2. Unterrichtsziele

Die ZDv 66/2 beschreibt den Lebenskundlichen Unterricht zwar nicht länger als Teil der soldatischen Gesamterziehung, wie es staatlicherseits anfänglich intendiert war, aber auch nicht als Teil der Seelsorge, wie es der urspünglichen kirchlichen Konzeption entsprochen hätte: Obschon der Unterricht auf den Grundlagen christlichen Glaubens fußt (Nr. 3), ist er im Zusammenhang mit der Gesamterziehung des Soldaten zu sehen (Nr. 1). Dabei verfolgt der Unterricht aus Sicht des Staates ein dreifaches Ziel. 225 a) Individuelle

Funktion

Zunächst dient er der individuellen Persönlichkeitsentwicklung der zumeist sehr jungen Soldaten.226 Der Unterricht soll dem Soldaten individuelle Lebenskunde und Hilfen für sein tägliches Leben bieten. Er soll ein Beitrag sein, seine sittlichen, geistigen und seelischen Kräfte zu fördern, indem ihm Werte wie Verantwortung für die eigene Lebensführung, Selbstzucht und Maß sowie Pflichtbewußtsein vermittelt werden. Der Unterricht soll ferner dem einzelnen Soldaten die Quellen zeigen, die dem Leben Sinn geben (ZDv 66/2 Nr. 2). b) Gesellschaftliche

Funktion

Diese Erziehungsziele haben neben der individuellen zugleich eine gesellschaftliche Stoßrichtung, indem sie Werte vermitteln, die für jede Gemeinschaft von Bedeutung sind. 227 Dahinter steht die Hoffnung, daß die erzieherische Leistung der Bundeswehr auch nach Ende der Dienstzeit soziale Früchte trägt.

2 2 4

Es besteht die Möglichkeit, auch für Unteroffiziere - u.U. auch gemeinsam mit den

Offizieren - eine Arbeitsgemeinschaft einzurichten (ZDv 66/2 Nr. 9). 2 2 5

Dazu Bick, Lebenskundlicher Unterricht, S. 274 ff.

2 2 6

So die Weisung des Generalinspekteurs für die Zusammenarbeit mit den Militärgeistlichen vom 12.11.1984 (Fü S I 4 - Az 36-01-10) Nr. I I I 3 a; ähnlich das Bundesministerium der Verteidigung am 03.12.1993 im Rahmen einer Bundestagsfragestunde (BT-Dr. 12/6431, S. 37). 2 2 7 Vgl. auch eine Stellungnahme des Bundesministeriums der Verteidigung am 03.12.1993 (BT-Dr. 12/6431, S. 37).

C. Lebenskundlicher Unterricht

c) Militärspezifische

93

Funktion

Schließlich dient der Lebenskundliche Unterricht mittelbar spezifisch militärischen Interessen. Die Bundeswehr erhofft sich, daß durch den Unterricht der "Wert des Soldaten", der durch mehr als nur fachliches Können bestimmt sei, gefördert werde (ZDv 66/2 Nr. 1). So sind die Werte, die im Mittelpunkt des Unterrichts stehen sollen (Verantwortung, Selbstzucht, Maß, Pflichtbewußtsein), über ihre individuelle und soziale Nützlichkeit hinaus zugleich von Nutzen für die Institution Bundeswehr, wenngleich eine Verengung auf klassische soldatische Tugenden wie Tapferkeit, Härte und Disziplin bewußt vermieden wird. Der Unterricht soll dem Soldaten ferner vermitteln, daß die Ordnung unserer Gesellschaft lebenswert und damit verteidigungswert sei (Nr. 2). In diesem Zusammenhang soll der Lebenskundliche Unterricht den Soldaten, die aus einer Gesellschaft stammen, die in wichtigen Lebensfragen ein hohes Maß an Meinungs- und Einstellungsvielfalt aufweist, den für das Funktionieren einer Armee in der Demokratie unerläßlichen Konsens in Grundwerten vermitteln. 228 Darüber hinaus soll er die ethischen Fragen aufgreifen, die sich dem Soldaten in modernen Streitkräften angesichts ihres extremen Vernichtungspotentials stellen, um so die daraus resultierenden Spannungen ertragen zu helfen. 229 Diese Fragen werden durch jede Rekrutengeneration, insbesondere in Zeiten verbreiteter pazifistischer Einstellungen in der Gesellschaft, neu in die Bundeswehr hineingetragen. Im Bundeswehralltag mögen ethische Fragen häufig in den Hintergrund gedrängt werden. Verdrängte oder gar verbotene Fragen - letztlich geht es immerhin um die Legitimation der Bundeswehr - entfalten indes gerade in der Krisensituation eines Bundeswehreinsatzes ihre toxische Wirkung. Die Bundeswehr hat deshalb ein Interesse, die zentralen berufsethischen Fragen aufzuarbeiten. 230 d) Nähe zur Inneren Führung Die genannten Unterrichtsziele sind im Kontext mit den Vorgaben der Inneren Führung zu sehen.231 Der Terminus "Innere Führung" kennzeichnet das einem demokratisch-pluralistischen Gemeinwesen entsprechende Verständnis 2 2 8

Weisung des Generalinspekteurs für die Zusammenarbeit mit den Militärgeistlichen vom 12.11.1984 (Fü S I 4 - Az 36-01-10) Nr. I I I 3 a. 2 2 9

Bald, in: Kruse/Bald, Lebenskundlicher Unterricht, S. 17 (29).

2 3 0

Bick, Lebenskundlicher Unterricht, S. 275 f.

2 3 1

Bleese, Militärseelsorge, S. 212 f.; Hoffmann, und Öffentlichkeit, S. 275.

Militärseelsorge, S. 155; W.Huber,

Kirche

Gegenwärtige Ausgestaltung der Militärseelsorge

94

von militärischer Menschenführung, deren Leitbild der "Staatsbürger in Uniform" ist (ZDv 10/1 Nr. 203). Ziele der Inneren Führung sind u.a. -

die Förderung der Persönlichkeitsentswicklung, des Pflichtbewußtseins und der Verantwortungsbereitschaft der Soldaten (ZDv 10/1 Nrn. 202, 215),

-

die Integration der Bundeswehr und der Soldaten in Staat und Gesellschaft (ZDv 10/1 Nr. 202),

-

die ethische und politische Begründung des soldatischen Dienstes (ZDv 10/1 Nr. 202), sowie

-

die Schaffung einer menschenwürdigen inneren Ordnung der Streitkräfte, die der Bedeutung des einzelnen auch in einer hierarchisch aufgebauten und in hohem Maße technisierten und funktionalisierten Armee Rechnung trägt (ZDv 10/1 Nr. 212).

Die innere Struktur der Bundeswehr soll also nicht durch Untertanengeist und Kadavergehorsam geprägt sein, sondern durch die gemeinsame Übernahme von Verantwortung durch mündige Staatsbürger, die die Bedeutung ihrer Aufgabe erkannt haben, von ihrer Notwendigkeit überzeugt und auch im militärischen Bereich bereit sind, für die freiheitlich-demokratische Grundordnung einzutreten.232 Der Lebenskundliche Unterricht richtet sich ganz im Sinne der Inneren Führung gerade an den einzelnen und bietet ihm ein Forum, wo er nicht nur als winziges Rädchen im Getriebe der hochtechnisierten Bundeswehr, sondern als Individuum angesprochen wird, dessen Meinung außerhalb der Bindungen von Befehl und Gehorsam ernstgenommen wird. Der Unterricht trägt - neben dem staatsbürgerlichen Unterricht gem. § 33 SG 233 und anderen Maßnahmen der Bundeswehr - 2 3 4 daher dazu bei, daß der verantwortungsbewußte Staatsbürger in Uniform nicht nur Ideal bleibt, sondern auch zur Realität wird. Während der Lebenskundliche Unterricht so vor dem Hintergrund der Inneren Führung gesehen werden kann, ist die eigentliche Militärseelsorge davon zu unterscheiden: Deren Inhalte stehen in ausschließlich kirchlicher Verant2 3 2

Hoffmann , Militärseelsorge, S. 242. Vgl. ferner ZDv 10/1 Nrn. 201-203.

2 3 3

Zum Verhältnis vom Lebenskundlichen Unterricht zum Staatsbürgerlichen Unterricht siehe Kruse, in: Kruse/Bald, Lebenskundlicher Unterricht, S. 1 (8). 2 3 4

Dazu näher ZDv 10/1. Der Lebenskundliche Unterricht ist dort nicht ausdrücklich genannt, wohl aber die Militärseelsorge insgesamt (Nrn. 340 ff.). Der Zusammenhang zwischen dem Unterricht und der Inneren Führung ergibt sich zudem aus der Parallelität der jeweiligen Ziele. Auch verweist die ZDv 10/1 in Anlage 3 auf "die wichtigsten Zentralen Dienstvorschriften mit Bezug zur Inneren Führung". Dort ist u.a. die ZDv 66/2 (Lebenskundlicher Unterricht) genannt.

C. Lebenskundlicher Unterricht

95

wortung, also nicht im Zusammenhang mit der militärischen Ausbildung und (staatlichen) Gesamterziehung der Soldaten. Dies betont auch das Bundesministerium der Verteidigung: Die Militärseelsorge sei "kein Hilfsmittel der Inneren Führung". 235 3. Unterrichtsgestaltung und -aufsieht

Um die intendierten Wirkungen des Lebenskundlichen Unterrichts sicherzustellen, hat sich der Staat ein gewisses Maß an Einfluß auf die Unterrichtsgestaltung vorbehalten. Zwar soll der Lebenskundliche Unterricht nicht, wie ursprünglich noch erwogen, unter der alleinigen Verantwortung der militärischen Führer stehen. Aber die Themen sollen in Zusammenarbeit mit dem Bundesministerium der Verteidigung von dem Evangelischen Kirchenamt und von dem Katholischen Militärbischofsamt festgelegt werden (ZDv 66/2 Nr. 10), wobei beide Ämter als staatliche Behörden fungieren. 236 Im (hypothetischen) Falle fehlender Einigung entscheidet das Bundesverteidigungsministerium. 237 Während der Grundausbildung sollen Eid und feierliches Gelöbnis Thema sein (Nr. 11 i.V.m. ZDv 10/8 Nr. 122). Ferner soll der Militärgeistliche den Themenplan mit dem jeweiligen Truppenführer besprechen (Nr. 12). Erfahrungen aus der vorhergegangenen Offiziersarbeitsgemeinschaft zum selben Thema sollen im Unterricht bei den Mannschaften berücksichtigt werden (ZDv 66/2 Nr. 19). Schließlich enthält die ZDv 66/2 einige didaktische und methodische Vorgaben für den Unterricht (Nr. 14): Frontalunterricht soll vermieden, die Mitarbeit des einzelnen Soldaten mit allen Mitteln gefördert werden. Der Unterricht soll ein Forum sein, wo Soldaten frei von militärischen und hierarchischen Bindungen Meinungen austauschen, strittige Probleme diskutieren und Lösungen suchen können.238 Dazu gehört auch die kritische Reflexion der spezifisch militärischen Aspekte ethischer Fragen. Der Unterricht steht nicht unter militärischer (vgl. ZDv 66/2 Nr. 21), wohl aber unter staatlicher Aufsicht, die durch die Kirchenämter und die Wehrbereichsdekane (in deren staatlicher Funktion) wahrgenommen wird. 239

2 3 5

Militärseelsorge, Zeitschrift des Katholischen Militärbischofsamtes 1992, 401.

2 3 6

Bick, Lebenskundlicher Unterricht, S. 8; Krusenotto, (Diskussionsbeitrag). 2 3 7

Essener Gespräche 23 (1989), 157

Krusenotto, Essener Gespräche 23 (1989), 157 f. (Diskussionsbeitrag).

238 yg| w e i s u n g des Generalinspekteurs für die Zusammenarbeit mit den Militärgeistlichen vom 12.11.1984 (Fü S I 4 - Az 36-01-10) Nr. III 3 a. 2 3 9

Vgl. Bick, Lebenskundlicher Unterricht, S. 8.

96

Gegenwärtige Ausgestaltung der Militärseelsorge

4. Staatlicher Charakter

Die Militärseelsorge dient der seelsorgerischen Betreuung von Soldaten, also kirchlichen Zwecken. Daher kommt es dem Staat nicht zu, Vorgaben für die Ziele und Gestaltung der Militärseelsorge zu formulieren. Eben dieses Recht hat der Staat hinsichtlich des Lebenskundlichen Unterrichts für sich in Anspruch genommen. Schon daraus wird ersichtlich, daß der Lebenskundliche Unterricht nicht Teil der Militärseelsorge ist. 240 Vielmehr handelt es sich um einen staatlichen Unterricht, der "Teil der militärischen Ausbildung und ein Mosaikstein in der Gesamterziehung und Persönlichkeitsentwicklung der Soldaten" ist. 241 Der Unterricht verfolgt also staatliche - mittelbar sogar militärspezifische - Ziele und wird von den Militärgeistlichen in deren staatlicher Funktion erteilt. 242 Wegen der primär staatlichen Ziele kann der Lebenskundliche Unterricht auch nicht mit dem schulischen Religionsunterricht gleichgesetzt werden. III.

Kirchliche Umsetzung der staatlichen Vorgaben 1. Freiraum

Die staatlichen Vorgaben hinsichtlich der Unterrichtsziele und -gestaltung sind auf die Eröffnung eines Freiraumes gerichtet. Der Freiraum kommt einmal den Soldaten zu, denen eine Plattform freier Diskussion geschaffen wird, ferner den Militärgeistlichen und vor allem den Kirchen: Die Militärgeistlichen werden eben nicht nur als Staatsbeamte tätig, sondern zuvörderst als MiYxxäsgeistliche, d.h. als Geistliche ihrer Kirche. Zudem fußen die von ihnen im Unterricht vermittelten Werte nicht auf allgemein-nebulösen "Grundlagen christlichen Glaubens" (so aber ZDv 66/2 Nr. 3), sondern zwangsläufig auf den jeweiligen konfessionsgebundenen Glaubensaussagen. Somit wird der im

2 4 0 Bick, Lebenskundlicher Unterricht, S. 7; Kruse, in: Kruse/Bald, Lebenskundlicher Unterricht, S. 43 (48); Seiler, HdbStKirchR II, 1. Aufl., 685 (696). 2 4 1 2 4 2

So das Bundesministerium der Verteidigung am 03.12.1993, BT-Dr. 12/6431, S. 37.

Krusenotto, Essener Gespräche 23 (1989), 157 (Diskussionsbeitrag). - Allerdings halten auch die nicht in den Staatsdienst integrierten nebenamtlichen Militärgeistlichen und die Pastoralreferenten den Lebenskundlichen Unterricht; die beauftragten evangelischen Pfarrer in den neuen Bundesländern bieten immerhin Gesprächskreise an, die faktisch dem Lebenskundlichen Unterricht entsprechen.

C. Lebenskundlicher Unterricht

97

Lebenskundlichen Unterricht angebotene Freiraum im wesenüichen von den Kirchen mit Inhalten gefüllt. 243 Hinzu kommt, daß der Staat seine Zusammenarbeit bei der Themenfindung (ZDv 66/2 Nr. 10) in aller Regel auf die Kenntnisnahme der von dem Evangelischen Kirchenamt und dem Katholischen Militärbischofsamt vorgeschlagenen Themen244 beschränkt.245 Dabei ist der einzelne Militärpfarrer nur an die Themenvorgabe, nicht aber an deren Darstellung gebunden.246 Häufig wird unabhängig von der Themenstellung das besprochen, was die Soldaten gerade bewegt und von ihnen in den Unterricht eingebracht wird. 247 In der Praxis - gerade auch nach Einschätzung der Militärseelsorger - wird der Unterricht somit frei von staatlicher Reglementierung erteilt. 248 Insbesondere nehmen die Kirchenämter und Wehrbereichsdekane ihre Aufsichtsbefugnisse de facto als kirchliche Organe wahr. 249 2. Verkirchlichung

Schon um den innerkirchlichen Vorwurf zu entkräften, der Lebenskundliche Unterricht sei eine Instrumentalisierung der Militärpfarrer für militärische Zwecke, hat die Militärseelsorge den Unterricht stets als kirchliche Veranstaltung verstanden: Manche begreifen ihn als Teil christlicher Heilsverkündi-

2 4 3

Bick, Lebenskundlicher Unterricht, S. 44 ff.; Blaschke/Oberhem, Kirchen, Si 67.

Bundeswehr und

2 4 4 Themen 1994: u.a. Ausländerfeindlichkeit, Armut und Ungerechtigkeit, Sextourismus, Ehe, Umgang mit Behinderten, Tod und Auferstehung, Rambo-Mentalität; Themen 1995: u.a. Weltwirtschaftsordnung, Krise des Sozialstaats, Zehn Gebote, Sterbehilfe, Kult ums Auto, Vaterland-Nation-Patriotismus. Dazu Graf, FAZ Nr. 253 vom 31.10.1994, S. 8. 2 4 5

Kruse, in: Kruse/Bald, Lebenskundlicher Unterricht, S. 43 (60); Niermann, Essener Gespräche 23 (1989), 162; Gramm, Essener Gespräche 23 (1989), 161 (Diskussionsbeiträge). 2 4 6 Hintergrund der Festsetzung einheitlicher Themen ist im wesentlichen sicherzustellen, daß Soldaten im Falle ihrer Versetzung nicht mehrfach dasselbe Thema hören. Die Themenbindung ist im übrigen eher faktischer Natur, da mit der Themenvorgabe Unterrichtsmaterialien verbunden sind, die dem Militärpfarrer die Vorbereitung des Unterrichts erleichtern. In der Praxis wird der Militärpfarrer nicht gehindert, von der Themenvorgabe abzuweichen; ohnehin kann er andere Fragen innerhalb des Themenplanes mitbehandeln (ZDv 66/2 Nr. 10). 2 4 7

Wittenberg,

2 4 8

Bick, Lebenskundlicher Unterricht, S. 9, 30; Hoffmann , Militärseelsorge, S. 158.

2 4 9

Gramm, Essener Gespräche 23 (1989), 160; Niermann, aaO, 161 (Diskussionsbeiträge).

7 Ennuschat

epd Dokumentation 4/93, 27 (28).

98

Gegenwärtige Ausgestaltung der Militärseelsorge

gung oder sogar als Gelegenheit zur Missionierung. 250 In der Praxis hat sich indes erwiesen, daß der Unterricht als Mittel der Missionierung nicht taugt; allenfalls eine Steigerung des Bekanntheitsgrades des Militärpfarrers ist zu erreichen, 251 kaum aber die Begründung, Erneuerung oder Festigung kirchlicher Bindungen.252 Dies liegt nicht zuletzt daran, daß der Unterricht zwar einen Großteil der Arbeitszeit der Militärgeistlichen in Anspruch nimmt, mit zwei Stunden pro Monat im Dienstbetrieb der Soldaten aber nur eine bescheidene Rolle einnehmen kann.253 Dementsprechend wurde die Zielvorstellung reduziert. Heute handelt es sich weniger um einen kirchengebundenen Glaubensunterricht. Vielmehr wird der Unterricht als Ort allgemeiner Aussprache, Hilfe zu sozialem Verhalten und als Teil kirchlicher Erwachsenenbildung und Lebenshilfe verstanden.254 Jedenfalls gilt er innerhalb der katholischen Kirche als pastoraler Dienst255 , innerhalb der evangelischen als Form seelsorglicher Begleitung256, d.h. in beiden Kirchen als Ergänzung der Seelsorge an Soldaten. Dabei ist sogar eine gewisse Akzentverschiebung der Seelsorge vom Gottesdienst in den außerkultischen Bereich, namentlich in den Lebenskundlichen Unterricht, zu beobachten.257

2 5 0

Dazu Bick, Lebenskundlicher Unterricht, S. 26 ff.; W.Huber, Kirche und Öffentlichkeit, S. 275 f.; Fischer, Volkskirche ade! Trennung von Staat und Kirche, 4. Aufl., S. 149; Breyvogel, Club Voltaire IV, 312 (320). 2 5 1 Die Militärpfarrer schätzen den Lebenskundlichen Unterricht gerade wegen der dort gegebenen Möglichkeit, in Kontakt mit den Soldaten (insbesondere den Wehrpflichtigen) zu kommen; so Niermann, Essener Gespräche 23 (1989), 162; Ottemeyer, epd Dokumentation 25/92, 17 (19). 2 5 2 Vgl. Bick, Lebenskundlicher Unterricht, S. 60; Hoffmann, Militärseelsorge, S. 162; Kruse, in: Kruse/Bald, Lebenskundlicher Unterricht, S. 43 (95). Optimistischer Feige, Seelsorge und Soldat, S. 70, der (u.a.) im Lebenskundlichen Unterricht eine Chance zur positiv empfundenen Repräsentation des Christlichen und Kirchlichen sieht. 2 5 3 Viele Soldaten erhalten während ihrer gesamten Dienstzeit nur einige wenige Unterrichtsstunden, vgl. Feige, Seelsorge und Soldat, S. 280, 285; Hoffmann, Militärseelsorge, S. 149. 2 5 4 Blaschke/Oberhem, Bundeswehr und Kirchen, S. 67; Hoffmann, Militärseelsorge, S. 162 f.; Kruse, in: Kruse/Bald, Lebenskundlicher Unterricht, S. 43 (54, 86, 89); Katholisches Militärbischofsamt (Hrsg.), Hilfen für den pastoralen Dienst der Militärseelsorger, S. 99; Jung, EvStL, Sp. 2143 f.; Ottemeyer, epd Dokumentation 25/92, 17 (19). 2 5 5 So der ehem. katholische Militärbischof Hengsbach, zitiert nach Niermann, Essener Gespräche Bd. 23 (1989), 110 (137). Ebenso Kruse, in: Kruse/Bald, Lebenskundlicher Unterricht, S. 43 (86). 2 5 6

So Bick, Lebenskundlicher Unterricht, S. 3, 220; vgl. ferner Bewersdorff, tion 25/92, 1 (4). 2 5 7

epd Dokumenta-

So Pirson, Essener Gespräche 23 (1989), 4 (18); Hoffmann, Militärseelsorge, S. 118.

C. Lebenskundlicher Unterricht

99

3. Der Lebenskundliche Unterricht - ein Chamäleon?

Die Vorgaben der ZDv 66/2, die selbst schon einen Kompromiß zwischen den ursprünglichen staatlichen und kirchlichen Konzeptionen darstellen, verleihen dem Lebenskundlichen Unterricht zwar formal ein staatliches Gepräge. Gleichwohl nutzten die Kirchen die staatlich eingeräumten Freiräume im Sinne ihres anfänglichen Konzeptes: Der Unterricht wurde materiell verkirchlicht, 258 zum zusätzlichen seelsorgerischen Betätigungsfeld und damit de facto zum Teil der Militärseelsorge. 259 Somit scheint dem Lebenskundlichen Unterricht ein zwiegespaltener Charakter zuzukommen - den Vorgaben nach staatlich, der Praxis nach kirchlich. Innerhalb der Militärseelsorge wird daher der Unterricht häufig als ein Chamäleon beschrieben, das sich gegenüber dem Staat ein staatliches und gegenüber der Kirche ein kirchliches Erscheinungsbild gebe.260 Der Lebenskundliche Unterricht entziehe sich so einer endgültigen Zuordnung. 261 Demgegenüber ist zu betonen, daß es gerade Teil der staatlichen Vorgabe ist, den Kirchen Raum für inhaltliche Ausfüllung des Unterrichts zu belassen; auf diesem Wege sichert der Staat den erwünschten Beitrag des Lebenskundlichen Unterrichts zur Inneren Führung. Durch die kirchliche Ausfüllung wird im Unterricht ein nicht-militärischer Freiraum geschaffen, der die militärischtechnischen Fertigkeiten der Soldaten durch die Integration ziviler Elemente in den militärischen Dienstalltag ergänzt. Der Unterricht trägt somit, ganz im Sinne der Inneren Führung, dazu bei, ein militärisches Eigenleben und eine gesellschaftliche Isolation der Streitkräfte zu verhindern. Der staatliche Nutzen der kirchlichen Ausfüllung wird deutlich, wenn man sich die einzelnen kirchlich gesteckten Ziele des Unterrichts vor Augen hält: -

Hilfestellung im privaten Problembereich, 262

2 5 8

Gramm, Essener Gespräche 23 (1989), 160 (Diskussionsbeitrag).

2 5 9

Diesem Umstand trägt im übrigen auch der Bundeshaushaltsplan (Kap. 1406) Rechnung: Die Ausgaben für den Lebenskundlichen Unterricht einerseits und für Rüstzeiten, Exerzitien und Kultkosten andererseits sind in einer Titelgruppe zusammengefaßt. 2 6 0

Dazu Bick, Lebenskundlicher Unterricht, S. 29 ff. mw.N.; W.Huber, Kirche und Öffentlichkeit, S. 275; Gramm, Essener Gespräche 23 (1989), 160 (Diskussionsbeitrag). 26 1 Kruse, in: Kruse/Bald, Lebenskundlicher Unterricht, S. 43 (50); Niermann, Essener Gespräche 23 (1989), 110 (122). 2 6 2

7*

Näher Bick, Lebenskundlicher Unterricht, S. 257 ff.

100

Gegenwärtige Ausgestaltung der Militärseelsorge

-

Förderung der gesellschaftlichen Einbindung und des gesellschaftlichen Engagements der Soldaten,263

-

Erörterung berufsethischer und friedenspolitischer Fragen. 264

Damit entsprechen die kirchlich gesteckten Unterrichtsziele im wesentlichen den staatlichen Vorgaben der ZDv 66/2. Die kirchliche Ausfüllung der Unterrichtsinhalte dient mithin letztlich dem staatlichen Unterrichtsziel. Der Lebenskundliche Unterricht ist ungeachtet seiner faktischen Verkirchlichung damit eine staatliche Veranstaltung - und kein Chamäleon. IV.

Konvergenz staatlicher und kirchlicher Erwartungen

Auch wenn sich Staat und Kirchen über Funktion, Charakter und Ausgestaltung des Lebenskundlichen Unterrichts weder im Grundsatz noch im Detail formell verständigen konnten, haben sie doch einen beide Seiten zufriedenstellenden modus vivendi gefunden, der die Zusammenarbeit auf diesem Gebiet ermöglicht. Grundlage der Kooperation ist die beschriebene Konvergenz staatlicher und kirchlicher Erwartungen an den Unterricht, wobei die jeweiligen Motive zwar unterschiedlich sind, sich aber teilsweise decken und im übrigen ergänzen: Aus Sicht der Kirchen dient der Unterricht nicht etwa unreflektierter Gewissensberuhigung, sondern der am christlichen Glauben orientierten Gewissensschärfung; der Unterricht fügt sich so in das Konzept der "kritischen Solidarität" 265 der Militärseelsorge ein. Der Staat wiederum wünscht sich als Ergebnis die soldatische Identifikation mit dem Bundeswehrauftrag, die gleichfalls Produkt kritscher Reflexion sein muß, um in einer Krisensituation Bestand haben zu können. Dabei erwartet der Staat nicht, daß die Militärgeistlichen für die Bundeswehr direkt werben, erst recht fordert er keine psychologische oder geistliche Aufrüstung in Form einer Stärkung des Kampfgeistes. 266 Vielmehr verläßt er sich darauf, daß die gewünschte Identifikation mit dem Bundeswehrauftrag das zwangsläufige Ergebnis freier Diskussion und die erhoffte innere Festigung der Soldaten das Resultat der Wertvermittlung sind.

2 6 3

Bick, Lebenskundlicher Unterricht, S. 265 ff.; Kruse, in: Kruse/Bald, Lebenskundlicher Unterricht, S. 43 (95). 2 6 4

Bick, Lebenskundlicher Unterricht, S. 260 ff.

2 6 5

Dazu Bick, Lebenskundliche Unterricht, S. 32 ff., 47, insb. 241 ff. m.w.N.

2 6 6 Kruse, in: Kruse/Bald, Lebenskundlicher Unterricht, S. 1 (7). Dies schließt nicht aus, daß vereinzelt Offiziere das Unterrichtsziel derart mißverstanden haben.

C. Lebenskundlicher Unterricht

101

Die Konvergenz staatlicher und kirchlicher Erwartungen wird durch gemeinsame Wertvorstellungen ermöglicht. 267 Die im Unterricht vermittelten Werte sind zwar kirchlich begründet und leiten sich aus dem Evangelium ab, decken sich aber weitgehend mit den Grundwerten von Gesellschaft und Verfassung und demzufolge mit den Prämissen der Inneren Führung. So haben die Kirchen die Prinzipien der Inneren Führung stets unterstützt.268 Bei divergierenden Wertvorstellungen wären Konflikte freilich nicht ausgeschlossen. Im äußersten Fall bliebe dem Staat dann die Möglichkeit der Entbindung der Militärpfarrer von ihrer Aufgabe, den Lebenskundlichen Unterricht zu erteilen, da die Kirchen keinen Anspruch auf Mitwirkung an der soldatischen Gesamterziehung haben. Welche Konfliktlösungsmechanismen unterhalb dieser ultima ratio bestehen, soll im 4. Teil dieser Untersuchung dargestellt werden. Diese Konvergenz staatlicher und kirchlicher Erwartungen und Wertvorstellungen ist zugleich Voraussetzung partnerschaftlichen Zusammenwirkens im Bereich der eigentlichen Militärseelsorge. V.

Besonderheiten des Lebenskundlichen Unterrichts i m Bereich der neuen Bundesländer und Berlin

Für die Tätigkeit der von den evangelischen Landeskirchen mit der Seelsorge an Soldaten beauftragten Pfarrer gilt die ZDv 66/2 nicht; diese Pfarrer erteilen - anders als deren katholische Kollegen - keinen Lebenskundlichen Unterricht. 269 Der Bundesminister der Verteidigung betont jedoch, daß die Auseinandersetzung mit den sittlichen und religiösen Grundlagen unserer Lebensordnung sowie den ethischen und moralischen Aspekten des Wehrdienstes für den Soldaten und sein Selbstverständnis von Bedeutung sei. 270 Die beauftragten Pfarrer können daher aufgrund von konkreten Einladungen mit Soldaten in Form von Einzel- oder Gruppengesprächen auch innerhalb der Bundeswehrliegenschaften über den eben genannten Themenkreis sprechen. Bei entsprechender Übereinkunft mit dem zuständigen Truppenführer kann der beauftragte Pfarrer die Gruppengespräche während der Dienstzeit anbieten; die Gespräche werden dann in den Dienstplan aufgenommen. Die Solda-

2 6 7

Vgl. Ottemeyer, epd Dokumentation 4/93, 59 (60).

2 6 8

Hoffmann,

Militärseelsorge, S. 244; Kruse, in: Kruse/Bald, Lebenskundlicher Unterricht,

S. 1 (23). 2 6 9

Weisung für die Zusammenarbeit mit den für Seelsorge an Soldaten beauftragten Pfarrern der evangelischen Landeskirchen im Wehrbereich V I I und V I I I vom 06.09.1991 Nrn. III 5, V I I 1. 2 7 0 Weisung für die Zusammenarbeit mit den für Seelsorge an Soldaten beauftragten Pfarrern der evangelischen Landeskirchen im Wehrbereich V I I und V I I I vom 06.09.1991 Nr. III 5.

102

Gegenwärtige Ausgestaltung der Militärseelsorge

ten haben jedoch die Freiheit, über ihre Teilnahme an diesen Gruppengesprächen zu entscheiden. Im Falle der Nichtteilnahme ist Ausbildungsdienst durchzuführen. 271 Schon diese Vorgaben verdeutlichen, daß die Gruppengespräche letztlich den Lebenskundlichen Unterricht in etwas veränderter Gestalt fortführen. Zwar besteht in formaler Hinsicht ein grundlegender Unterschied, da der Lebenskundliche Unterricht eine staatliche und die Gruppengespräche kirchliche Veranstaltungen sind. 272 In der Praxis unterscheiden sich die Gruppengespräche und der Lebenskundliche Unterricht jedoch kaum. 273 Häufig werden die Gruppengespräche des evangelischen Pfarrers im Wechsel mit dem Lebenskundlichen Unterricht des katholischen Militärgeistlichen angeboten.274 Oftmals werden die Gruppengespräche sogar explizit als Lebenskundlicher Unterricht bezeichnet.275 Dies erklärt sich schon durch den Umstand, daß die meisten Kommandeure in den neuen Bundesländern aus dem Westen stammen und ihre Handhabung des Lebenskundlichen Unterrichts auf die Gruppengespräche übertragen. 276 VI.

Parallelität der K r i t i k an Militärseelsorge und Lebenskundlichem Unterricht

Der Lebenskundliche Unterricht ist rechtlich von der Militärseelsorge zu unterscheiden und nicht in deren Rechtsgrundlagen geregelt. Seine Sonderrolle resultiert aus seinem staatlichen Charakter. De facto ist er indes Teil der Militärseelsorge - und damit der ihr geltenden Kritik ausgesetzt. Da an den Unterricht ausdrücklich staatliche Erwartungen geknüpft werden, gilt vor allem ihm der innerkirchliche Vorwurf, die Militärseelsorge(r)

2 7 1

Weisung für die Zusammenarbeit mit den für Seelsorge an Soldaten beauftragten Pfarrern der evangelischen Landeskirchen im Wehrbereich V I I und V I I I vom 06.09.1991 Nr. I I I 5. 2 7 2 Die ostdeutschen Landeskirchen bemühen sich, diesen prinzipiellen Unterschied herauszustellen. Vgl. etwa die Interimsregelung für die Militärseelsorge der ev.-luth. Kirche in Thüringen, epd Dokumentation 47/94, 10. 2 7 3

Grafi epd Dokumentation 4/93, 19 (20).

2 7 4

Rücken, EKD-Informationen, Militärseelsorge II, Dok. VIII, S. 2.

2 7 5

Rücken, EKD-Informationen, Militärseelsorge II, Dok. VIII, S. 2.

2 7 6

Ottemeyer, epd Dokumentation 4/93, 59 (60).

D. Finanzierung der Militärseelsorge

103

würden für staatliche Zwecke instrumentalisiert. 277 Dagegen kann indes eingewandt werden, daß die Kirchen mit der Durchführung dieses Unterrichts primär eigene, originär kirchliche Anliegen verfolgen. Im übrigen handelt es sich insoweit in erster Linie um eine kirchenpolitische Frage, die nicht Gegenstand dieser Arbeit sein soll. Außer Betracht soll ferner die vereinzelt innerhalb der Bundeswehr geäußerte Kritik bleiben, der Lebenskundliche Unterricht sei ein "Trojanisches Pferd", durch das pazifistisches, wenn nicht sogar kommunistisches Gedankengut in die Bundeswehr eingeschleust werde. 278 Immerhin weist diese Polemik auf die Probleme hin, die sich bei divergierenden Wertvorstellungen von Staat und Kirche ergäben. Die Ausgestaltung des Lebenskundlichen Unterrichts stößt vor allem auf einige verfassungsrechtliche Bedenken. Dies gilt zum einen für die grundsätzlich gegebene Pflicht zur Teilnahme an einer Veranstaltung, die auf den Grundlagen christlichen Glaubens fußt (ZDv 66/2 Nr. 3) und konfessionell getrennt durch die Militärgeistlichen durchgeführt wird (ZDv 66/1 Nr. 30; ZDv 66/2 Nr. 8). Die Möglichkeit der Befreiung von der Teilnahmepflicht soll zwar zugleich dem Grundrecht auf (negative) Glaubensfreiheit gem. Art. 4 Abs. 1 und 2 GG, Art 140 GG i.V.m. Art 136 Abs. 4 WRV Rechnung tragen. Ob diese Vorkehrungen zur Wahrung der Verfassungskonformität genügen, bedarf jedoch näherer Untersuchung. Dies gilt namentlich für die Regelung der ZDv 66/2 Nr. 5, wonach der Soldat den Lebenskundlichen Unterricht durch einmalige Anwesenheit kennengelernt haben sollte, ehe er den Antrag auf Befreiung von der Teilnahmepflicht stellt. Entsprechende Bedenken gelten den Gesprächskreisen im Sinne der Übergangsregelung für die evangelische Militärseelsorge in den neuen Bundesländern. Diese Fragen sollen im 3. Teil näher erörtert werden. 279

D. Finanzierung der Militärseelsorge Gem. Art 2 Abs. 2 MSV sorgt der Staat für den organisatorischen Aufbau der evangelischen Militärseelsorge und trägt ihre Kosten. Auch gegenüber der katholischen Kirche hat sich der Staat verpflichtet, "mit den notwendigen 2 7 7

So vor allem W.Huber, Kirche und Öffentlichkeit, S. 262 f. Ebenso Bamberg, Militärseelsorge, S. 251 ff., 269 f.; Fischer, Volkskirche ade! Trennung von Staat und Kirche, 4. Aufl., S. 148 f; Kleine, Verfassungswidrigkeiten, S. 184 ff., 228. 2 7 8

v. Studnitz, Rettet die Bundeswehr, S. 122.

2 7 9

Siehe im einzelnen unten 3. Teil D 1 1 c.

104

Gegenwärtige Ausgestaltung der Militärseelsorge

organisatorischen Maßnahmen und finanziellen Leistungen dafür [zu] sorgen, daß der Anspruch der [katholischen] Soldaten auf Seelsorge und ungestörte Religionsausübung erfüllt wird". 280 Dies wird seit Abschluß des Militärseelsorgevertrages in Randbereichen von Literatur 281 , Politik 282 und Kirche 283 kritisiert. Im Rahmen der aktuellen innerevangelischen Diskussion um die Ausgestaltung der Militärseelsorge lehnen die Kritiker der jetzigen Militärseelsorge das finanzielle Engagement des Staates nicht grundsätzlich ab. Sie wünschen sich allerdings, daß die in der Bundeswehr tätigen Geistlichen als kirchlich Beschäftigte von den Kirchen bezahlt werden, wobei der Staat den Kirchen die entstehenden Personalkosten ersetzen soll. 284 Die staatlichen Mittel genügen nicht, sämtliche Kosten der Militärseelsorge zu tragen. Daher beteiligen sich die Kirchen in beträchtlichem Umfang (ca. 40-50%) an der Finanzierung. L

Staatliche Finanzierung

Die staatlichen Mittel für die Militärseelsorge werden überwiegend im Verteidigungshaushalt bereitgestellt. Zu nennen ist insbesondere das Kapitel 1406 ("Militärseelsorge") mit einem Volumen von ca. 52 Mio. DM (Bundeshaushaltsplan 1995). Den weitaus größten Posten machen die Personalausgaben aus: ca. 46 Mio. DM; hinzu treten die sächlichen Verwaltungsausgaben (ca. 4,3 Mio. DM), Investitionen (302 TDM) sowie Zuweisungen und Zuschüsse (1,25 Mio. DM). Im einzelnen sind folgende Posten von Interesse: Die Militärbischöfe stehen zwar in keinem Dienstverhältnis zum Staat, erhalten jedoch eine Dienstaufwandsentschädigung (600 DM/Monat) und Reisekostenvergütung (32 TDM). 285 Die Kosten des Lebenskundlichen Unter2 8 0

Zuletzt bestätigt durch die Verbalnote des Auswärtigen Amtes an die Apostolische Nuntiatur vom 16.01.1990 im Rahmen des Notenwechsels anläßlich des Apostolischen Breves vom 23.11.1989 (abgedruckt in: Evangelisches Kirchenamt fiir die Bundeswehr/Katholisches Militärbischofsamt [Hrsg.], Dokumentation zur Katholischen und Evangelischen Militärseelsorge, S. 25). 28 1 Bamberg, Militärseelsorge, S. 81 ff.; W. Huber, Kirche und Öffentlichkeit, S. 289; Fischer, Volkskirche ade! Trennung von Staat und Kirche, 4. Aufl., S. 146. 2 8 2

Beschluß der Landesdelegiertenversammlung der Grünen in Baden-Württemberg vom 21.10.1988; dazu Göbel, ZRP 1990, 189 (190 f.). Vgl. auch die kleine Anfrage von Kelly und der Fraktion der Grünen vom 14.09.1990, BT-Dr. 11/7894, wo immerhin vier von 24 Fragen zur "wirtschaftlichen Situation" und zum "Reichtum der Kirchen" sich auf die staatliche Finanzierung der Militärseelsorge bezogen. 2 8 3

Etwa Noack, epd Dokumentation, 25/92,15.

2 8 4

Martin, epd Dokumentation 25/92, 10 (11).

2 8 5

Schlußprotokoll zu Art. 10 MSV.

D. Finanzierung der Militärseelsorge

105

richts sowie der Rüstzeiten und Exerzitien werden mit ca. 2,3 Mio DM angesetzt; hinzu kommen die insoweit entstehenden Kosten für Transport und Unterbringung der Teilnehmer. Die Bundeswehr stellt ferner für die Soldatenwallfahrt nach Lourdes Transportmöglichkeiten zur Verfügung, auferlegt die entstehenden Kosten aber zum größten Teil den Teilnehmern; 286 der staatliche Anteil (etwa 25%) betrug 1993 ca. 384 TDM. 2 8 7 Für Soldatengebetsbücher, seelsorgerische Schriften, Verordnungsblätter, Merkblätter, Broschüren sowie Lehr- und Anschauungsmaterial sind 1995 1,1 Mio. DM bereitgestellt, für die Kultkosten (Kultkleidung, Abendmahls- und Meßwein, Kerzen etc.) 120 TDM. Für die Leistungsentgelte für Post- und Fernmeldedienstleistungen sowie die Rundfunkgebühren sind 202 TDM veranschlagt, für das Halten und Anschaffen von Dienstkraftfahrzeugen 502 TDM. Hinzu kommen Kosten für Aus- und Fortbildung der Militärgeistlichen, Reisekostenvergütungen, Geschäftsbedarf etc. Bei den in anderen Kapiteln des Bundeshaushaltsplanes bereitgestellten Mitteln wird der auf die Militärseelsorge entfallende Anteil nicht aufgeschlüsselt. Dazu zählt etwa die finanzielle Unterstützung der Soldatenheime (Kapitel 1412 Titel 81201). Darüber hinaus sind die geldwerten Vorteile zu berücksichtigen, die die Militärseelsorge durch unentgeltliche Nutzung von bundeswehreigenen Immobilien erlangt. Schließlich versorgt der Staat nach Pensionierung die Militärgeistlichen, soweit sie Beamte auf Lebenszeit sind (Art. 23 f. MSV), ferner die nichtgeistlichen Lebenszeitbeamten. Die Militärgeistlichen, die nur auf Zeit verbeamtet wurden und in den Dienst der Kirche zurückkehrten, werden im Ruhestand von den Kirchen versorgt, wobei Staat und Kirche die Kosten anteilig nach den ruhestandsfähigen Dienstzeiten, die der Geistliche bei ihnen abgeleistet hat, tragen (Art 25 Abs. 2 bis 4 MSV). IL

Kirchliche Finanzierung

Soldaten waren bis 1945 von der Kirchensteuer befreit. 288 Die entsprechende Normierung im Reichskonkordat289 ist zwar noch in Kraft, aber im 2 8 6

Soldaten haben keinen Anspruch auf kostenlosen Transport zur Wallfahrt, BVerwGE 46,

H (14). 2 8 7 Dazu die kleine Anfrage von Köppe (Bündnis 90/Die Grünen) und Antwort der Bundesregierung, BT-Dr. 12/6191, S. 19. 2 8 8

In diesem Sinne schon § 113 der Preußischen Militär-Kirchen-Ordnung vom 12.02.1832 CHuber/Huber, Staat und Kirchen I, Nr. 265); ebenso die jeweiligen § 1 der sie ablösenden Evangelischen und Katholischen militärkirchlichen Dienstordnungen für die preußische Armee vom 17.10.1902 CHuber/Huber, Staat und Kirchen II, Nrn. 101 f.) sowie die Verordnung über die Befreiung der Wehrmachtsangehörigen von der Kirchensteuer vom 30.07.1936.

106

Gegenwärtige Ausgestaltung der Militärseelsorge

Rahmen der Verhandlungen zum Militärseelsorgevertrag verständigten sich der Staat und die beiden Kirchen darauf, daß dieses Standesprivileg entfallen soll und fortan Soldaten als "Christen in Uniform" der allgemeinen Kirchensteuerpflicht unterworfen sein sollen.290 Für die evangelischen Soldaten ist dies im Schlußprotokoll zu Art. 7 MSV explizit normiert, für die katholischen Soldaten stillschweigend vorausgesetzt. Durch das Kirchensteueraufkommen der Soldaten steht den Kirchen daher eine beträchtliche Summe zur Verfügung, die sie zum erheblichen Teil zur finanziellen Unterstützung der Militärseelsorge verwenden. 1. Evangelische Kirche

Die am Militärseelsorgevertrag beteiligten Gliedkirchen, d.h. die westlichen Landeskirchen, sind gem. § 8 Abs. 2 KG-MS verpflichtet, zu den durch staatliche Mittel nicht gedeckten Kosten der Militärseelsorge beizutragen. Dieser Pflicht kommen sie dadurch nach, daß sie sich - jederzeit widerruflich - bereit erklärt haben, zwei Drittel der bei ihnen eingehenden Kirchensteuern von Soldaten der EKD zur Verfügung zu stellen, die diese Mittel in den Sonderhaushalt Evangelische Militärseelsorge einspeist.291 Aus dem Sonderhaushalt werden u.a. die Pfarrhäuser der Militärgeistlichen finanziert, die Rüstzeitheime errichtet und unterhalten, Soldatenheime finanziell unterstützt sowie Konferenzen und Tagungen der Militärgeistlichen ermöglicht. 292 Das Kirchensteueraufkommen evangelischer Soldaten in den westlichen Landeskirchen betrug 1993 60,5 Mio. DM. Davon flössen 25,5 Mio. DM (also - auch nach Abzug der Einziehungsgebühren durch den Staat - deutlich weniger als Zweidrittel!) in den Sonderhaushalt Evangelische Militärseelsorge. 293 Die übrigen Kirchensteuermittel verblieben bei den Landeskirchen zur Finanzierung allgemeiner kirchlicher Aufgaben. 294

2 8 9

Schlußprotokoll zu Art. 27 Abs. 1 RK.

2 9 0

Dazu Cremers, Militärseelsorge-Vertrag, S. 274 f.; Fischer, Volkskirche ade! Trennung von Staat und Kirche, 4. Aufl., S. 146 f.; W.Huber, Kirche und Öffentlichkeit, S. 289. 29 1 Blaschke/Oberhem, Bundeswehr und Kirchen, S. 72; Cremers, Militärseelsorge-Vertrag, S. 273. Zum Sonderhaushalt Evangelische Militärseelsorge siehe oben 2. Teil Β I V 2. 2 9 2 Clos, epd Dokumentation 25/92, 13; Wild, EKD-Informationen, Militärseelsorge II, Anhang, S. 3. Die Zuschüsse für Rüstzeiten betrugen 1993 etwa 7,4 Mio. DM, für die Soldatenheime etwa 6,6 Mio. DM. 2 9 3 2 9 4

Wild, EKD-Informationen, Militärseelsorge II, Anhang, S. 3.

Cremers, Militärseelsorge-Vertrag, S. 273; Wild, EKD-Informationen, Militärseelsorge II, Anhang, S. 3.

D . Finanzierung der Militärseelsorge

107

In den neuen Bundesländern tragen im wesentlichen die Landeskirchen die Kosten der seelsorgerischen Betreuung der Soldaten.295 Die thüringische Landeskirche veranschlagt dafür pro Jahr etwa 240 TDM (davon 175 TDM Personalkosten).296 Staatlicherseits gibt es lediglich punktuelle Unterstützung durch Mitnahme in Dienst-PKW u.ä. 2. Katholische Kirche

Gem. Art. 31 PS-Kath.MB regelt der Militärbischof im Einvernehmen mit den zuständigen Diözesen die Verwendung der von Soldaten entrichteten Kirchensteuern. Ähnlich wie bei der evangelischen Kirche werden im Grundsatz zwei Drittel des Kirchensteueraufkommens der Soldaten der Katholischen Soldatenseelsorge zur Verfügung gestellt.

2 9 5 2 9 6

Wild, EKD-Informationen, Militärseelsorge II, Anhang, S. 5.

Interimsregelung der ev.-luth. Kirche in Thüringen für die Militärseelsorge (epd Dokumentation 47/94, 11).

3. Teil: Die Verfassungsmäßigkeit der Militärseelsorge Einige Autoren stellen die Verfassungsmäßigkeit der bundesdeutschen Militärseelsorge in Abrede1 oder bezweifeln diese zumindest2. Im folgenden soll zunächst deren Argumentationslinie nachgezeichnet werden.3 Im Anschluß daran wird zu prüfen sein, ob der Vorwurf der Verfassungswidrigkeit berechtigt ist, wobei Fragen kirchlichen Verfassungsrechts ausgeklammert bleiben.

A. Vorwurf der Verfassungswidrigkeit Der Militärseelsorge wird vorgeworfen, gegen Art 3 Abs. 3 GG, Art 4 Abs. 1 und 2 GG, Art. 33 Abs. 2 und 3 GG sowie gegen Art 140 GG i.V.m. Art. 136 Abs. 2 und 4 WRV, Art 137 Abs. 1 und 3 WRV, Art 141 WRV zu verstoßen.

1 Obermayer, in: Bonner Kommentar, GG, Art. 140 Rdnrn. 78, 95; Jarass> in: Jarass/Pieroth, GG, Komm., 1. Aufl., Art. 4 Rdnr. 27 (fehlt seit Zweitauflage); Preuß, in: Alternativkommentar, GG, Art. 140 Rdnr. 71; Bamberg, Militärseelsorge, S. 73, 105; Fischer, Volkskirche ade! Trennung von Staat und Kirche, 4. Aufl., S. 144 ff.; W.Huber, Kirche und Öffentlichkeit, S. 264, 270; Kleine, Verfassungswidrigkeiten, S. 180 ff.; Breyvogel, Club Voltaire IV (1970), 312 (319); Czermak, ZRP 1990, 475 (478); Renck, BayVBl. 1988, 225 (228); Becker/Deiseroth/Martin/Niemöller/Schaefer/ Simon, epd Dokumentation 50/93, 18 (20 f.). Vgl. auch Mahrenholz, ZevKR 20 (1975), 43 (61) zum Bundesgrenzschutz. 2 Ridder, in: Staatslexikon der Görres-Gesellschaft, Sp. 1028; Frank, Essener Gespräche 10 (1976), 9 (20 f.); Müller, DuR 1976, 175 (177). Vgl. auch Krüger, Allg. Staatslehre, S. 561; v. Tiling , ZevKR 14 (1968/69), 238 (255) zum Bundesgrenzschutz. 3 Die Kritik der hier genannten Autoren zielt zumeist nur auf einzelne Punkte und erreicht daher bei keinem die nachfolgend angedeutete argumentative Geschlossenheit.

Α. Vorwurf der Verfassungswidrigkeit

109

I. Verstoß gegen das Prinzip der Trennung von Staat und Kirche aus Art. 4,140 GG i.V.m. Art 137 Abs. 1 WRV Insbesondere wird behauptet, das organisatorische und finanzielle Engagement des Staates im Bereich der Militärseelsorge verstoße gegen das Gebot der Trennung von Staat und Kirche. 4 Das verfassungsrechtliche Trennungspostulat wurzele zum einen in der Religionsfreiheit gem. Art 4 GG und zum anderen im Staatskirchenverbot des Art 140 GG i.V.m. Art 137 Abs. 1 WRV.5 Aus dem Trennungsgebot sei eine Reihe weiterer staatskirchenrechtlicher Grundsätze abzuleiten: So werde das Trennungsgebot in materieller Hinsicht durch die staatliche Verpflichtung zu weltanschaulich-religiöser Neutralität und Nichtidentifikation konkretisiert. 6 Den Geboten der Neutralität und Nichtidentifikation komme auch eine formelle Komplementärfunktion zu, die insbesondere durch das Verbot institutioneller Verbindungen zwischen Staat und Kirche ausgefüllt werde.7 Zugleich folge aus dem Trennungsgrundsatz das Gebot strikter Gleichbehandlung der Religionsgemeinschaften. 8 Die gegenwärtige Ausgestaltung der Militärseelsorge sei mit diesen Grundsätzen unvereinbar. 1. Verbot institutioneller Verbindungen zwischen Staat und Kirche

Aus dem Verbot institutioneller Verbindungen zwischen Staat und Kirche folge die Unzulässigkeit solcher organisatorischer Verbindungen, wie sie

4

Jarass, in: Jarass/Pieroth, GG, Komm., 1. Aufl., Art. 4 Rdnr. 27; Preuß, in: Alternativkommentar, GG, Art. 140 Rdnr. 71; Bamberg, Militärseelsorge, S. 68; W.Huber, Kirche und Öffentlichkeit, S. 264 ff.; Fischer, Trennung von Staat und Kirche, 3. Aufl., S. 250 ff.; Breyvogel Club Voltaire IV (1970), 312 (319); Renck, BayVBl. 1988, 225 (231). 5 Fischer, Trennung von Staat und Kirche, 3. Aufl., S. 51, 153; Renck, BayVBl. 1988, 225 (228). Vgl. auch Obermayer, in: Bonner Kommentar, GG, Art. 140 Rdnr. 78 (zu Neutralität und Nichtidentifikation). 6

Renck, BayVBl. 1988, 225 (228).

7

Obermayer y in: Bonner Kommentar, GG, Art. 140 Rdnrn. 76, 78; Preuß, in: Alternativkommentar, GG, Art. 140 Rdnr. 41; Goerlich, Grundrechte als Verfahrensgarantien, S. 88, 91; Renck, BayVBl. 1988, 225 (228). 8 Vgl. etwa Renck, BayVBl. 1988, 225 (228); Bamberg, Militärseelsorge, S. 68; Breyvogel, Club Voltaire I V (1970), 312 (318, 320). - Andere sehen in jeder Förderung resp. Unterstützung von Religionsgemeinschaften einen Verstoß gegen das Trennungsprinzip, so daß auch Parität die Verfassungskonformität nicht herstellen könne; vgl. Fischer, Trennung von Staat und Kirche, 3. Aufl., S. 177 ff.

110

Die Verfassungsmäßigkeit der Militärseelsorge

sonst nur innerhalb der Staatsverwaltung üblich seien.9 Die Militärseelsorge sei jedoch durch eine verfassungswidrige Verflechtung des staatlichen und kirchlichen Bereichs gekennnzeichnet.10 Ursache dieser Verflechtung sei die staatliche Organisation der Militärseelsorge. Dadurch habe sich der Staat an der Fesüegung kirchlicher Strukturen beteiligt, d.h. sich unzulässigerweise staatskirchlich betätigt. Darin sei im übrigen auch ein Verstoß gegen kirchliches Verfassungsrecht zu sehen.11 Besonders ausgeprägt sei die institutionelle Verbindung von Staat und Kirche bei dem Evangelischen Kirchenamt und Katholischen Militärbischofsamt. Eine unzulässige Verflechtung sei ferner in dem staatlich-kirchlichen Doppelstatus des verbeamteten Militärseelsorgepersonals zu sehen, angefangen bei dem Militärgeneraldekan und dem Militärgeneralvikar bis zu den übrigen Militärgeistlichen. Weniger im Blickfeld der Kritik, aber dem Vorwurf der Verfassungswidrigkeit gleichermaßen ausgesetzt, wären dann die - zum Teil sogar verbeamteten - Pfarrhelfer, denen ebenfalls sowohl eine staatliche als auch eine kirchliche Funktion zukommt. Zweifel an der Vereinbarkeit mit dem Grundsatz der Trennung von Staat und Kirche hat schließlich die "Katholische Soldatenseelsorge" ausgelöst: Deren staatliche Organisation als Anstalt des öffentlichen Rechts bei rein kirchlicher Aufgabe sei ein "typischer Fall der alten Verquickung von Thron und Altar". 12 2. Gebote der Neutralität und Nichtidentifikation

Die gegenwärtige Ausgestaltung der Militärseelsorge verstoße gegen die Gebote der Neutralität und Nichtidentifikation in mehrfacher Hinsicht:13 Dies 9

Jaras s, in: Jarass/Pieroth, GG, Komm., 1. Aufl., Art. 4 Rdnr. 27.

10

J aras s, in: Jarass/Pieroth, GG, Komm., 1. Aufl., Art 4 Rdnr. 27; Preuß, in: Alternati vkommentar, GG, Art. 140 Rdnr. 71; Bamberg, Militärseelsorge, S. 72; W.Huber, Kirche und Öffentlichkeit, S. 264 ff.; Fischer, Volkskirche ade! Trennung von Staat und Kirche, 4. Aufl., S. 145 ff.; Kleine, Verfassungswidrigkeiten, S. 228 ff. 11

W.Huber, Kirche und Öffentlichkeit, S. 271, 287; Niemöller, epd Dokumentation 25/92, 26

(27 f.). 12 So der nordrhein-westfälische Landtagsabgeordnete Appel (Grüne), Plenarprotokoll 11/52, S. 6273 B; vgl. auch LT-Dr. 11/4462, S. 4 und Vesper (Grüne), Plenarprotokoll 11/78, S. 9779. 13 Obermayer, in: Bonner Kommentar, GG, Art. 140 Rdnr. 95; Becker/Deiseroth/Martin/Niemöller/Schaefer/Simon, epd Dokumentation 50/93, 18 (21). Auch Bleese, Militärseelsorge, S. 260, bejaht eine Verletzung des Neutralitätsgebots und das Vorliegen einer staatskirchlichen Einrich-

Α. Vorwurf der Verfassungswidrigkeit

111

gelte vor allem für den Lebenskundlichen Unterricht. In einem gleichermaßen pluralistischen wie säkularen Gemeinwesen sei der Staat nicht berechtigt, ausschließlich die Kirchen um Wertevermittlung - auf christlicher Grundlage - zu bitten.14 Ebenso unzulässig sei es, die Freizeitbetreuung der Soldaten insbesondere den Kirchen anzuvertrauen, indem staatlich unterstützte Soldatenheime in kirchlicher Trägerschaft stehen.15 Unvereinbar mit den Grundsätzen der Neutralität und Nichtidentifikation ist nach Ansicht der Kritiker schließlich die staatliche Finanzierung der Militärseelsorge. 16 Die staatliche Kostentragung sei schon deshalb fragwürdig, weil die Soldaten der Bundeswehr kirchensteuerpflichtig seien, so daß den Kirchen ausreichende Finanzmittel die Durchführung der Militärseelsorge zur Verfügung stünden.17 Gerade die Finanzierung verdeutliche, daß der Staat die Religionspflege als eigene Aufgabe in die Hand genommen habe. Eine derartige positive Religionspflege sei jedoch mit dem Neutralitätsgebot nicht zu vereinbaren. 18 3. Paritätsgebot

Schließlich verstoße insbesondere das beträchtliche Ausmaß der staatlichen Finanzierung gegen das staatskirchenrechtliche Paritätsgebot, da lediglich die beiden Großkirchen, nicht aber die übrigen Religionsgemeinschaften in den Genuß dieses Privilegs kämen.19 Hinzu komme, daß den Großkirchen vor tung; mit Blick auf die Entstehungsgeschichte der Art. 140 GG, Art. 141 WRV bestätigt er gleichwohl die Verfassungsmäßigkeit der Militärseelsorge (S. 276). 14 Vgl. Mahrenholz, ZevKR 20 (1975), S. 43 (61) und v. Tiling , ZevKR 14 (1968/69), 238 (255) zum lebenspraktischen Unterricht des Bundesgrenzschutzes gem. § 7 Abs. 1 der Vereinbarung zwischen dem Bund und den zuständigen evangelischen Landeskirchen über die Seelsorge im Bundesgrenzschutz (Bekanntmachung des Bundesministers des Innern vom 18.10.1965, GMB1. S. 374). Zur Kritik am Lebenskundlichen Unterricht der Bundeswehr siehe auch Bick, Lebenskundlicher Unterricht, S. 68; Kruse, in: Kruse/Bald, Lebenskundlicher Unterricht, S. 43 (53). 15

Bamberg, Militärseelsorge, S. 109 ff.

16

Bamberg, Militärseelsorge, S. 71; W.Huber, Kirche und Öffentlichkeit, S. 289; Fischer, Volkskirche ade! Trennung von Staat und Kirche, 4. Aufl., S. 144 ff.; CzermaK ZRP 1990, 475 (478). 17 W.Huber, Kirche und Öffentlichkeit, S. 289; Fischer, Volkskirche ade! Trennung von Staat und Kirche, 4. Aufl., S. 146 f. 18

Bamberg, Militärseelsorge, S. 68, 71; Fischer, Volkskirche ade! Trennung von Staat und Kirche, 4. Aufl., S. 144. Vgl. auch Obermayer, in: Bonner Kommentar, GG, Art. 140 Rdnr. 95, und Preuß, in: Alternativkommentar, GG, Art. 140 Rdnr. 71. 19

Bamberg, Militärseelsorge, S. 68; Fischer, Volkskirche ade! Trennung von Staat und Kirche, 4. Aufl., S. 147.

112

Die Verfassungsmäßigkeit der Militärseelsorge

allem durch den Lebenskundlichen Unterricht eine Möglichkeit zur Festigung oder Herstellung kirchlicher Bindungen geboten werde, die anderen Religionsgemeinschaften gleichheitswidrig vorenthalten sei.20 4. Gebot der Staatsfreiheit

Eine Verletzung der Religionsfreiheit wird darüber hinaus schon in dem staatlichen Engagement als solchem gesehen, da Freiheit nur im staatsfreien Raum möglich sei. Im Bereich der Militärseelsorge engagiere sich der Staat finanziell und organisatorisch in erheblichem Maße und verfolge dabei ein höchst eigennütziges Ziel - die Instrumentalisierung der Religion für militärische Zwecke. Ein staatsfreier Raum sei also nicht gegeben, die Religionsfreiheit schon deshalb verletzt. 21

II. Verstoß gegen Art 140 GG i.V.m. Art 141 WRV Die Kritiker der Militärseelsorge konzedieren durchaus, daß sich die gegenwärtige Ausgestaltung der Militärseelsorge auf eine mindestens ein Jahrhundert lange Tradition berufen kann. Allein die Tradition rechtfertige jedoch keine Durchbrechungen des Trennungsgrundsatzes.22 Zwar gelte das Trennungsprinzip nicht ausnahmslos. Jede Ausnahme sei aber eine "verfassungsrechtliche Anomalie"23 und müsse sich daher auf einen ausdrücklichen verfassungsrechtlichen Ausnahmetatbestand stützen.24 Eine derartige Ausnahme2 0

Vgl. Breyvogel, Club Voltaire IV (1970), 312 (318, 320).

21

Fischer, Trennung von Staat und Kirche, 3. Aufl., S. 50, 59 ff., 255 f.; ders., KritJ 1989, 295 (298). Ähnlich Breyvogel, Club Voltaire IV (1970), 312 (318). 2 2 Jarass, in: Jarass/Pieroth, GG, 1. Aufl., Art. 4 Rdnr. 27; Obermayer, in: Bonner Kommentar, GG, Art. 140 Rdnr. 78; Bamberg, Militärseelsorge, S. 69; Fischer, Volkskirche ade! Trennung von Staat und Kirche, 4. Aufl., S. 146. So wohl auch Müller, DuR 1976,175 (177). 2 3 RencK BayVBl. 1988, 225 (229); ähnlich ders., NVwZ 1994, 544 (546). Schmidt-Eichstaedty Kirchen als Körperschaften des öffentlichen Rechts?, S. 107 ff., geht sogar noch einen Schritt weiter: Art. 137 Abs. 5 WRV sei mit dem Gebot religiöser Neutralität schlechthin unvereinbar und deshalb verfassungswidrig. In diese Richtung auch Fischer, Volkskirche ade! Trennung von Staat und Kirche, 4. Aufl., S. 122 f., in bezug auf Art. 7 Abs. 3 GG.; Kleine, Verfassungswidrigkeiten, S. 228, zu Art. 137 Abs. 6 WRV. 2 4

Jarass, in: Jarass/Pieroth, GG, Komm., 1. Aufl., Art. 4 Rdnr. 27; Preuß, in: Alternativkommentar, GG, Art. 140 Rdnr. 41; Fischer, Volkskirche ade! Trennung von Staat und Kirche, 4. Aufl., S. 146; ders., KritJ 1989, 295 (301); W.Huber, Kirche und Öffentlichkeit, S. 268, 270; Kleine, Verfassungswidrigkeiten, S. 149, 228. In diesem Sinne wohl auch Reich, S-Anh.Verf, Komm., Art. 32 Rdnr. 1; Kunzmann, in: Kunzmann/Haas/Bartlitz/Baumann-Hasske, Sächs.Verf, Komm., Art 109 Rdnr. 5.

Α. Vorwurf der Verfassungswidrigkeit

113

norm sei etwa Art 7 Abs. 3 GG, die den Religionsunterricht an staatlichen Schulen rechtfertige. 25 Eine entsprechende Rechtfertigung für das organisatorische und finanzielle Engagement des Staates auf dem Gebiet der Anstalts- und Militärseelsorge fehle hingegen. In Betracht komme allenfalls Art. 141 WRV. Nach dem völlig eindeutigen Wortlaut dieser Bestimmung sei der Staat aber lediglich verpflichtet, die Religionsgemeinschaften zur Betreuung ihrer Mitglieder "zuzulassen", sei also auf eine passive Rolle beschränkt. Eine über den Wöitlaut hinausreichende Auslegung des Art. 141 WRV sei mit Blick auf das Trennungspostulat unzulässig.26 Bei der gebotenen engen Auslegung decke Art 141 WRV daher kein positives Handeln des Staates im Bereich der Militär- und Anstaltsseelsorge, zumal auch kein Wille des Grundgesetzgebers erkennbar sei, eine dem Wortlaut des Art 141 WRV widersprechende Militärseelsorgetradition weiterhin zu dulden.27 Die staatliche Organisation und Finanzierung der Militärseelsorge, insbesondere der staatliche Charakter des Evangelischen Kirchenamtes und des Katholischen Militärbischofsamtes sowie der Beamtenstatus der Militärgeistlichen, reichten damit über die durch Art 141 WRV dem Staat gezogenen Grenzen weit hinaus und seien auch deshalb verfassungswidrig.

III. Verstoß gegen Art 140 GG i.V.m. Art 137 Abs. 3 WRV Dem Staat wird ferner vorgeworfen, durch seine Mitwirkung bei der Militärseelsorge die in Art 137 Abs. 3 WRV verankerte kirchliche Autonomie zu verletzen.28

25

Preuß, in: Alternativkommentar, GG, Art 140 Rdnr. 71; Fischer, Trennung von Staat und Kirche, 3. Aufl., S. 164; ders., NJW 1988, 879; W.Huber, Kirche und Öffentlichkeit, S. 270; Müller, DuR 1976, 175 (177); Renck, BayVBl. 1988, 225 (231); ders., NJW 1989, 2442 (2445); ders DÖV 1994, 27 (30). 2 6 Jarass, in: Jarass/Pieroth, GG, Komm., 1. Aufl., Art. 4 Rdnr. 27; Preuß, in: Alternativkommentar, GG, Art. 140 Rdnr. 71; Bamberg, Militärseelsorge, S. 69; Fischer, Trennung von Staat und Kirche, 3. Aufl., S. 251; Renck, BayVBl. 1988, 225 (231). Vgl. ferner Breyvogel, Club Voltaire I V (1970), 312 (319). Auch Bleese, Militärseelsorge, S. 259, 276, meint, daß nach dem Wortlaut des Art. 141 WRV die Institutionalierung der Militärseelsorge an sich gegen das grundgesetzliche Trennungsprinzip verstoße, aus Gründen der Entstehungsgeschichte der Art 140 GG, 141 WRV gleichwohl verfassungskonform sei. 2 7 Fischer, Volkskirche ade! Trennung von Staat und Kirche, 4. Aufl., S. 146; W.Huber, Kirche und Öffentlichkeit, S. 270. 2 8

Obermayer, in: Bonner Kommentar, GG, Art 140 Rdnr. 95; W.Huber, Kirche und Öffentlichkeit, S. 266; Bamberg, Militärseelsorge, S. 73; Fischer, Volkskirche ade! Trennung von Staat 8 Ennuschat

114

Die Verfassungsmäßigkeit der Militärseelsorge

Ein Verstoß gegen Art. 137 Abs. 3 S. 1 WRV liege in der staatlichen Ausgestaltung des äußeren Rahmens der Militärseelsorge. Dadurch präge der Staat zugleich die kirchlichen Strukturen der Militärseelsorge. Dies bedeute, daß die Kirchen auf dem Gebiet der Militärseelsorge ihre Angelegenheiten nicht länger selbständig ordnen und verwalten.29 Darüber hinaus verstoße der Staat gegen das ausdrückliche Verbot staatlicher Mitwirkung bei der Verleihung kirchlicher Ämter (Art. 137 Abs. 3 S. 2 WRV). 30 Kirchliche Ämter im Bereich der Militärseelsorge bekleiden zum einen die Militärbischöfe und zum anderen die Militärgeistlichen. Hinsichtlich dieser Ämter seien dem Staat jedoch unzulässigerweise erhebliche Mitwirkungsrechte eingeräumt.

IV. Verstoß gegen Art 3 Abs. 3,33 Abs. 2 und 3,140 GG i.V.m. Art 136 Abs. 2 WRV Der Beamtenstatus der Militärgeistlichen verstoße ferner gegen das verfassungsrechtliche Gebot, der Zugang zu öffentlichen Ämtern dürfe nicht von Religion und Weltanschauung abhängen (Art. 3 Abs. 3, 33 Abs. 2 und 3, 140 GG i.V.m. Art. 136 Abs. 2 WRV). 31

V. Verstoß gegen Art. 4 Abs. 1 und 2 GG, Art 140 GG i.V.m. Art. 136 Abs. 4,141 a.E. WRV Zum Teil wird vertreten, die gegenwärtige Ausgestaltung der Militärseelsorge verstoße nicht nur gegen die abstrakten staatskirchenrechtlichen Anordnungen des Grundgesetzes. Vielmehr verletze sie zugleich die individuelle Religionsfreiheit der Soldaten. So wird dem Staat vorgeworfen, er übe faktischen Druck auf die Soldaten aus, an den Veranstaltungen der Militärseelsorge teilzunehmen.32 Dies gelte gleichermaßen für den Lebenskundlichen Unterricht, zumal es sich insoweit um eine Dienstveranstaltung handele. Auch

und Kirche, 4. Aufl., S. 149; Becker/Deiseroth/Martin/Niemöller/Schaefer/Simon, tion 50/93, 18(21).

epd Dokumenta-

2 9 W.Huber, Kirche und Öffentlichkeit, S. 266; vgl. auch Fischer, Volkskirche ade! Trennung von Staat und Kirche, 4. Aufl., S. 149. 3 0

W.Huber, Kirche und Öffentlichkeit, S. 266; Bamberg, Militärseelsorge, S. 73.

31

Preuß, in: Alternativkommentar, GG, Art. 140 Rdnr. 37; Fischer, Trennung von Staat und Kirche, 3. Aufl., S. 104 f.; Müller, DuR 1976, 175 (179).

39 Bamberg, Militärseelsorge, S. 104.

Β . Vorgaben des Art. 140 GG i.V.m. Art. 141 W R V

115

wenn eine Befreiungsmöglichkeit bestehe, sei doch zumindest die Pflicht zu einmaliger Teilnahme gem. ZDv 66/2 Nr. 2 unzulässig.33 Im folgenden soll untersucht werden, ob der Vorwurf der Verfassungswidrigkeit berechtigt ist.

B. Vorgaben des Art. 140 GG i.V.m. Art 141 WRV Eine ausdrückliche Erwähnung findet die Militärseelsorge einzig in Art. 141 WRV: Soweit das Bedürfnis nach Gottesdienst und Seelsorge im Heer, in Krankenhäusern, Strafanstalten oder sonstigen öffentlichen Anstalten besteht, sind die Religionsgesellschaften zur Vornahme religiöser Handlungen zuzulassen, wobei jeder Zwang fernzuhalten ist. Durch Art 140 GG ist Art 141 WRV in das Grundgesetz inkorporiert und damit vollgültiges Verfassungsrecht geworden, das gegenüber anderen Verfassungsartikeln nicht auf einer Stufe minderen Ranges steht.34 Art 141 WRV i.V.m. Art 140 GG ist daher der normative Ausgangspunkt einer verfassungsrechtlichen Würdigung der Militärseelsorge. I.

Bedürfnis nach Gottesdienst und Seelsorge im Heer

Tatbestandliche Voraussetzung des Art 141 WRV ist ein Bedürfnis nach Gottesdienst und Seelsorge im Heer. "Heer" i. S. d. Art 141 WRV umfaßt, wie sich schon aus den Protokollen der Weimarer Nationalversammlung ergibt, 35 nicht nur das Heer als Teilstreitkraft, sondern die gesamte Armee, d.h. alle drei Teilstreitkräfte (Heer, Luftwaffe und Marine). 36 33

Fischer, Volkskirche ade! Trennung von Staat und Kirche, 4. Aufl., S. 148.

3 4

BVerfGE 19, 206 (219); 19, 226 (236); 53, 366 (400); Maunz, in: Maunz/Dürig, GG, Komm., Art 140 Rdnr. 2. So wurde die Notwendigkeit einer Militärseelsorge für die Marine ausdrücklich betont 0Gröber [Zentrum], Nat.Vers.-Steno, Bd. 336, S. 521). Ohnehin wurden die Begriffe "Heer" und "Wehrmacht" synonym verwendet (so etwa in den Anträgen von Kahl [DVP], Nat.Vers.-Steno, Bd. 336,176 und 521). 3 6 v. Campenhausen, in: v. Mangoldt/Klein, GG, Komm., Art. 140/141 W R V Rdnr. 12; Maunz, in: Maunz/Dürig, GG, Komm., Art. 140/141 WRV Rdnr. 5; Schwankhart, FS v. d. Heydte, 1193 (1196). Ebenso Anschütz, WRV, Komm., Art. 141 Eil. 1, S. 656.

8*

116

Die Verfassungsmäßigkeit der Militärseelsorge

Der Wortlaut des Art. 141 WRV läßt offen, wann das Bedürfnis nach religiöser Betreuung gegeben ist. So könnte man einerseits auf die Soldaten, andererseits aber auch auf die Kirchen und Religionsgemeinschaften abstellen. Stellt man auf die Soldaten ab, könnte man verlangen, daß diese von sich aus ein Bedürfnis nach seelsorgerischer Betreuung äußern.37 Diese Interpretation führt allerdings im Fall der gleichfalls von Art 141 WRV erfaßten Krankenhausseelsorge zu Schwierigkeiten, wenn gerade die besonders seelsorgebedürftigen Patienten wegen ihres Gesundheitszustandes nicht in der Lage sind, nach einem Geistlichen zu rufen. 38 Im übrigen birgt eine derart verengte Auslegung die Gefahr mißbräuchlicher Beschränkung der Anstalts- und Militärseelsorge in sich: So hat die nationalsozialistische Diktatur die seelsorgerische Betreuung im Krankenhaus an ein ausdrückliches Verlangen des einzelnen Patienten geknüpft und demzufolge untersagt, wenn der Patient besinnungslos war, selbst dann, wenn die Angehörigen etwa die Erteilung der Sterbesakramente wünschten.39 Diese Schwierigkeiten könnte man vermeiden, wenn man genügen läßt, daß die Soldaten bzw. Anstaltsinsassen die seelsorgerische Betreuung nicht explizit ablehnen.40 Aber auch dann wird nicht den Interessen der Religionsgemeinschaften Rechnung getragen, zu deren Selbstverständnis es vielfach gehört, sich gerade derjenigen Religionsangehörigen anzunehmen, die religiös desinteressiert sind.41 Da es dem Staat verwehrt ist, dieses Selbstverständnis zu bewerten, spricht vieles dafür, das Bedürfnis vorrangig auf die Religionsgemeinschaften zu beziehen. Ein Bedürfnis nach Gottesdienst und Seelsorge wäre dann zu bejahen, sobald sich Angehörige der jeweiligen Religionsgemeinschaft in der

3 7 So aus der Weimarer Zeit etwa Giese, VerwArch 35 (1930), 210 (214). Vgl. auch Art. 62 S. 1 brem.Verf.: Soweit in öffentlichen Krankenhäusern, Strafanstalten oder sonstigen öffentlichen Anstalten der Wunsch nach Gottesdienst und Seelsorge geäußert wird, sind die Kirchen, Religionsund Weltanschauungsgemeinschaften zuzulassen. 3 8

v. Busse, Gemeinsame Angelegenheiten, S. 253 Fußn. 105.

3 9

So Scholtissek (CDU) im nordrhein-westfälischen Verfassungsausschuß, VerfA, L D I I 1598, S. 796 B. Vgl. dazu auch Albrecht, HdbStKirchR II, 1. Aufl., 701 (713); v. Busse, Gemeinsame Angelegenheiten, S. 228; Listi , DÖV 1976, 274. 4 0 Vgl. v. Campenhausen, in: v. Mangoldt/Klein, GG, Komm., Art. 140/141 WRV Rdnr. 8; Meder, Bay.Verf, Komm., Art. 148 Rdnr. 1. 4 1

Vgl. BayVGH, JW 1926, 2550 (2551) = VerwArch 35 (1930), 205 (209), sowie Schwankhart, Anstaltsseelsorge in Bayern, S. 45.

Β. Vorgaben des Art. 140 GG i.V.m. Art. 141 W R V

117

Bundeswehr befinden. 42 Man könnte sogar daran denken, daß selbst ein bekundetes Desinteresse der (konfessionsangehörigen) Soldaten einem Bedürfnis i. S. d. Art. 141 WRV nicht ohne weiteres entgegensteht.43 Den Religionsgemeinschaften könnte dann zumindest die Gelegenheit eingeräumt werden, bei den Soldaten Interesse für ihre Gottesdienst- und Seelsorgeangebote zu wecken.44 Freilich dürfte bei weiterhin bestehendem Desinteresse die geistliche Betreuung, wie sich schon aus dem Zwangsverbot des Art 141 a.E. WRV ergibt, nicht aufgedrängt werden. Schließlich ist denkbar, daß eine Religionsgemeinschaft ein Bedürfnis nach Seelsorge sogar dann sieht, wenn sich unter den Soldaten keine Religionsangehörigen befinden. Ob der Tatbestand des Art 141 WRV auch das Bedürfnis nach Mission erfaßt, ist indes zu bezweifeln. 45 Sinn dieser Norm ist vor allem, die durch die spezifische Bundeswehroder Anstaltssituation gefährdete Verbindung zwischen der Religionsgemeinschaft und ihren Angehörigen zu sichern; die Herstellung neuer religiöser Bindungen ist wohl kaum intendiert. Hinsichtlich der katholischen und evangelischen Militärseelsorge können diese Fragen letztlich offen bleiben. Es ist davon auszugehen, daß sowohl auf Seiten der Soldaten, die zumindest im Westen Deutschlands überwiegend einer der beiden Konfessionen angehören und die seelsorgerische Betreuung wünschen oder jedenfalls nicht explizit ablehnen, als auch auf Seiten der Kirchen ein Bedürfnis nach Gottesdienst und Seelsorge besteht Dies gilt gleichermaßen für die neuen Bundesländer: Zwar ist dort nur eine Minderheit unter den Soldaten konfessionell gebunden. Gleichwohl finden sich auch dort an jedem Standort der Bundeswehr Angehörige der beiden großen Konfessionen, die ausdrücklich ihr Interesse an seelsorgerischer Betreuung bekunden.46

4 2

V. Campenhausen, in: v. Mangoldt/Klein, GG, Komm., Art 140/141 WRV Rdnr. 8; Voll, HdbBayStKirchR, S. 296; Albrecht, HdbStKirchR II, 1. Aufl., 701 (712); v. Busse, Gemeinsame Angelegenheiten, S. 253; in diesem Sinne ferner BVerfGE 46, 266 (267); BVerwG, DÖV 1976, 273 (274) und aus der Weimarer Zeit BayVGH, JW 1926, 2550 (2551) = VerwArch 35 (1930), 205 (209). 4 3

So etwa Pirson, Essener Gespräche 23 (1989), 4 (12); Schwankhart, Anstaltsseelsorge in Bayern, S. 45. A.A. v. Campenhausen, in: v. Mangoldt/Klein, GG, Komm., Art. 140/141 WRV Rdnr. 8; Albrecht, HdbStKirchR II, 1. Aufl., 701 (713); v. Busse, Gemeinsame Angelegenheiten, S. 253, und aus der Weimarer Literatur Anschütz, WRV, Komm-, Art 141 Erl. 1, S. 657. 4 4 BayVGH, JW 1926, 2550 (2551) = VerwArch 35 (1930), 205 ( 208 f.); a.A. Giese, VerwArch 35 (1930), 210 (214). 4 5 Verneinend Cremers, Militärseelsorge-Vertrag, S. 145; Voll, HdbBayStKirchR, S. 291; Held, Die kleinen öffentlich-rechtlichen Religionsgemeinschaften, S. 80; Schwankhart, Anstaltsseelsorge in Bayern, S. 23; ders., FS v. d. Heydte, 1193 (1195). 4 6

Kremser, JöR n.F. 40 (1991/92), 501 (530) m.w.N.

118

Die Verfassungsmäßigkeit der Militärseelsorge

Der Tatbestand des Art. 141 WRV ist mithin erfüllt.

IL Zulassung der Religionsgesellschaften zur Vornahme religiöser Handlungen Rechtsfolge des Art 141 WRV ist, daß die Religionsgesellschaften zur Vornahme reügiöser Handlungen zuzulassen sind. 1. Religiöse Handlungen

Der Begriff "religiöse Handlungen" wird zum Teil eng interpretiert Neben der individuellen Seelsorge in Form von Einzelgesprächen seien darunter die kultischen und liturgischen Handlungen zu subsumieren, die der religiösen Erbauung dienen und eine geistige Verbindung zu Gott eröffnen, wie etwa Gottesdienste, Sakramentsfeiern, Andachten, Gebets- und Bibelstunden.47 Darüber hinaus sollen dazu nur Veranstaltungen zählen, die der Glaubensunterweisung im Sinne einer Festigung des Glaubens dienen.48 Nicht geschützt seien z.B. die bloße Propagandatätigkeit49 der Religionsgemeinschaften oder nicht auf Glaubensfestigung gerichtete Gesprächskreise; letzteres gelte selbst dann, wenn sie Teil kirchlicher Bildungsarbeit oder Lebenshilfe seien.50 Nach diesem Verständnis wären zwar die Soldatengottesdienste sowie die individuelle geistliche Betreuung in Form von Sprechstunden oder Besuchen im Arrest oder im Krankenhaus von Art 141 WRV erfaßt. Problematischer wären schon Rüstzeiten, Exerzitien und Werkwochen, soweit sie nicht unmittelbar der Glaubensunterweisung und -festigung dienten. Die Verbreitung religiösen Schrifttums (vgl. Art. 12 Abs. 1 Nr. 7 MSV) schließlich könnte als religiöse Propaganda verstanden werden, die nicht unter den Begriff "religiöse Handlung" i. S. d. Art 141 WRV fiele. Der Wortlaut des Art 141 WRV legt eine solchermaßen enge Auslegung allerdings nicht nahe. Die "religiösen Handlungen" auf der Rechtsfolgenseite des Art 141 WRV beziehen sich zwar auf das tatbestandliche "Bedürfnis nach 4 7 OLG Koblenz, NStZ 1987, 525; 88, 47 (48); Anschütz, WRV, Komm., Art. 141 Erl. 1, S. 657; Schwankhart, Anstaltsseelsorge in Bayern, S. 23; ders., FS v. d. Heydte, 1193 (1194 f.). 4 8

OLG Koblenz, NStZ 1987, 525; 88, 47 (48).

4 9

Anschütz, WRV, Komm., Art. 141 Erl. 1, S. 657.

5 0

OLG Koblenz, NStZ 1988,47 (48). Eine gegen dieses Urteil gerichtete und auf Art. 4 Abs. 1 und 2 GG gestützte Verfassungsbeschwerde scheiterte, ohne daß das BVerfG Stellung zu der Begründung des OLG Koblenz Stellung beziehen mußte (BVerfG, ZevKR 33 [1988], 469; dazu Stein, ZevKR 33 [19881, 446 [449]).

Β. Vorgaben des Art. 140 GG i.V.m. Art. 141 WRV

119

Gottesdienst und Seelsorge", beschränken sich aber nicht darauf: Gottesdienst und Seelsorge sind nur zwei Unterfälle der religiösen Handlungen.51 Schon die Seelsorge erfaßt nach dem heutigen Verständnis der großen christlichen Kirchen den Dienst am ganzen Menschen zur Lebensorientierung und Lebenshilfe. 52 Das kirchliche Selbstverständnis ist im Rahmen der Auslegung des Art. 141 WRV zu berücksichtigen;53 der Begriff "Seelsorge" ist daher schon mit Blick auf Art. 4 Abs. 1 und 2 GG - weit auszulegen. Erst recht gilt dies für den noch darüber hinausreichenden Oberbegriff "religiöse Handlung". 54 Somit sind neben den kultischen, liturgischen und seelsorgerischen Handlungen im engeren Sinne auch die Veranstaltungen der kirchlichen Erwachsenenbildung oder Gesprächskreise zu Lebensfragen aller Art dazu zu rechnen.55 Dies bedeutet indes nicht, daß den Religionsgemeinschaften ein uneingeschränktes Recht eingeräumt ist, Handlungen rechtsverbindlich als religiös zu etikettieren.56 Aber schon die Tatsache, daß ein Militär- oder Anstaltsgeistlicher im Auftrage seiner Kirche eine Handlung vornimmt, indiziert deren religiöse Natur. 57 Im Zusammenhang mit der Militärseelsorge ist davon auszugehen, daß der kirchliche Tätigkeitsbereich der Militärgeistlichen - Anbieten von Gottesdiensten, Sprechstunden, Rüstzeiten, Werkwochen, Exerzitien, religiöse Schriften etc. - "religiöse Handlungen" i. S. d. Art. 141 WRV sind.

51 Robbers, NStZ 1988, 573 (574); Stein, ZevKR 33 (1988), 446 (448); a.A. wohl OLG Koblenz, NStZ 1988, 47 (48); Schwankhart, Anstaltsseelsorge in Bayern, S. 23. 5 2

Rassow, in: Schwind/Böhm, StVollzG, Komm., § 53 Rdnr. 2.

5 3

v. Campenhausen, in: v. Mangoldt/Klein, GG, Komm., Art. 140/141 WRV Rdnr. 7; MüllerDietz, NStZ 1987, 526 (527); Robbers, NStZ 1988, 573 (574); Sperling, NStZ 1987, 527; Stein, ZevKR 33 (1988), 446 (447). A.A. OLG Koblenz, NStZ 1987, 47 (48). 5 4

v. Campenhausen, in: v. Mangoldt/Klein, GG, Komm., Art. 140/141 W R V Rdnr. 7.

5 5

Rassow, in: Schwind/Böhm, StVollzG, Komm., § 54 Rdnrn. 14, 24; Callies/Müller-Dietz, StVollzG, Komm., § 54 Rdnr. 2; Albrecht, HdbStKirchR II, 1. Aufl., 701 (705); Sperling, NStZ 1987, 527. 5 6

Dazu näher Herzog, in: Maunz/Dürig, GG, Komm., Art. 4 Rdnr. 104; v. Campenhausen, in: v. Mangoldt/Klein, GG, Komm., Art. 140/141 W R V Rdnr. 7. 5 7 Rassow, in: Schwind/Böhm, StVollzG, Komm., § 54 Rdnr. 17; Müller-Dietz, 526 (527); Sperling, NStZ 1987, 527 (528).

NStZ 1987,

120

Die Verfassungsmäßigkeit der Militärseelsorge

2. Religionsgesellschaften 58

Ob über den Wortlaut des Art 141 WRV hinaus auch areligiöse Weltanschauungsgemeinschaften zur Vornahme vergleichbarer Handlungen zugelassen werden können, ist umstritten,59 kann in bezug auf die evangelische und katholische Militärseelsorge aber dahin gestellt bleiben. 3. Zulassung

Art 141 WRV gewährleistet, daß die Religionsgemeinschaften zur Vornahme religiöser Handlungen zuzulassen sind. Nach allgemeinem Sprachgebrauch hat "zulassen" zwei Bedeutungsgehalte: zum einen etwas gestatten, dulden, nicht verhindern, und zum anderen jemanden hereinlassen, Zugang gewähren.60 In Art 141 WRV wird der Begriff in beiden Bedeutungen verwendet - es wird den Religionsgemeinschaften der Zutritt in die Kasernen und Anstalten gewährt und ihnen gestattet, dort religiöse Handlungen vorzunehmen. Aus Art 141 WRV folgt daher jedenfalls ein Eintrittsrecht der Religionsgemeinschaften in die Kasernen und Anstalten, um dort die jeweiligen Religionsangehörigen seelsorgerisch zu betreuen.61 Insoweit beschränkt sich die Rolle des Staates lediglich auf die Duldung kirchlicher Seelsorge innerhalb der Bundeswehr. Wie oben dargestellt,62 engagiert sich der Staat jedoch weit über diese 5 8

In der Weimarer Reichs Verfassung werden religiöse Zusammenschlüsse als Religionsg^ye//schaften bezeichnet (Art. 136 Abs. 3 S. 2, 137 Abs. 2 bis 7, 138,141); das Grundgesetz verwendet die Bezeichnung "RtMQonsgemeinschaft" (Art. 7 Abs. 3 S. 2). In dieser Untersuchung wird der Sprachgebrauch des Grundgesetzes zugrundegelegt Unterschiede inhaltlicher Art sind mit der unterschiedlichen Terminologie freilich nicht verbunden. Zum Hintergrund der jeweiligen Bezeichnungen siehe Obermayer, in: Bonner Kommentar, GG, Art. 140 Rdnrn. 36 f. 5 9 Bejahend etwa v. Campenhausen, in: v. Mangoldt/Klein, GG, Komm., Art 140/141 WRV Rdnr. 11; Albrecht, HdbStKirchR II, 1. Aufl., 701 (704); v. Busse, Gemeinsame Angelegenheiten, S. 237; ders., in: Nawiasky/Schweiger/Knöpfle, Bay.Verf, Komm., 2. Aufl., Art 148 Rdnr. 8; in diesem Sinne auch § 55 StVollzG, Art. 54 S. 1 hess.Verf. und Art 62 S. 1 brem.Verf. - Verneinend u.a. die Bundesregierung, BT-Dr. 12/6194, S. 41; Voll, HdbBayStKirchR, S. 292; Schwankhart, FS v.d. Heydte, 1193 (1194), und aus der Weimarer Literatur Anschütz, WRV, Komm., Art 141 Erl. 1, S. 656; Schwankhart, Anstaltsseelsorge in Bayern, S. 20. 6 0

Duden, Deutsches Universalwörterbuch, 2. Aufl., 1989, S. 1794.

6 1

v. Campenhausen, in: v. Mangoldt/Klein, GG, Komm., Art 140/141 WRV Rdnr. 4; für die Kritiker der Militärseelsorge etwa Fischer, Volkskirche ade! Trennung von Staat und Kirche, 4. Aufl., S. 144. 6 2

Siehe oben 2. Teil Β und D.

Β . Vorgaben des Art. 140 GG i.V.m. Art. 141 W R V

121

passive Rolle hinaus und entfaltet erhebliche eigene organisatorische und finanzielle Aktivitäten im Bereich der Militärseelsorge. 63 Dieses aktive Engagement ist nach Meinung der Kritiker der Militärseelsorge verfassungswidrig, weil Art. 141 WRV die Obergrenze staatlichen Handelns beschreibe und den Staat auf eine passive Rolle bei der Militärseelsorge beschränke.64 Die Gegenansicht versteht die Gewährleistung des Art 141 WRV hingegen als Mindeststandard, ohne daß diese Norm darüber hinausreichenden staatlichen Vorkehrungen im Wege stünde.65

III· Art. 141 WRV: Mindeststandard oder Obergrenze? Im folgenden ist daher zu untersuchen, welche Grenzen dem Staat durch Art. 141 WRV gezogen sind. 1. Grammatische Interpretation

Erste Anhaltspunkte für das Verständnis des Art 141 WRV könnten sich aus einer Analyse seines Wortlautes ergeben. Zunächst ist den Kritikern der Militärseelsorge zuzugeben, daß die Formulierung "zuzulassen" im wesentlichen eine passive Rolle des lediglich zur Duldung kirchlicher Seelsorge gehaltenen Staates beschreibt.66 Bemerkenswert ist jedoch, daß der Verfassungsgeber eine die Passivität des Staates unterstreichende Formulierung ("Der Staat hat zu dulden, ...") vermieden und stattdessen einen eher aktiven Ausdruck verwandt hat.67 Dieser Umstand darf gewiß nicht überbewertet werden, zumal der Wortlaut ein über die Zulassung hinausreichendes (aktives) staatliches Engagement in organisatorischer und finanzieller Hinsicht nicht vorsieht. Freilich enthält Art 141 WRV auch kein explizites Verbot entsprechender staatlicher Tätigkeiten. Der Wortlaut ist daher mindestens offen. 6 3 Dies gilt im übrigen auch für die Anstaltsseelsorge, vgl. dazu etwa Albrecht, HdbStKirchR II, 1. Aufl., 701 ff. 6 4

Fischer, Volkskirche ade! Trennung von Staat und Kirche, 4. Aufl., S. 144 ff.; W.Huber, Kirche und Öffentlichkeit, S. 168. 6 5 Maunz, in: Maunz/Dürig, GG, Komm., Art 140 Rdnr. 5; Hemmrich, in: v. Münch, GG, Komm., Art. 140 Rdnr. 47; v. Busse, Gemeinsame Angelegenheiten, S. 249; Cremers, Militärseelsorge-Vertrag, S. 146; Hollerbach, HdbStR VI, § 139 Rdnr. 11; Seiler, HdbStKirchR II, 1. Aufl., 685 (689); Loschelder, FS Hengsbach, 783 (787); Illguth, NZWehrr 1972, 129 (135 ff.). 6 6

Illguth, NZWehrr 1972, 129 (135).

6 7

Schwankhart, Anstaltsseelsorge in Bayern, S. 31.

122

Die Verfassungsmäßigkeit der Militärseelsorge

Betrachtet man nun den einschränkenden Zusatz des Art 141 a.E. WRV, jeder Zwang sei fernzuhalten, lassen sich sogar in zweifacher Hinsicht Hinweise auf eine verfassungsrechtliche Billigung aktiver staatlicher Vorkehrungen auf dem Gebiet der Anstalts- und Militärseelsorge gewinnen. Einmal wird durch diesen Zusatz dem Staat immerhin eine Grenze zulässigen Handelns ausdrücklich gezogen. Man könnte daraus im Umkehrschluß entnehmen, daß seine Aktivitäten an weitere Grenzen eben nicht gebunden sind. Vor allem aber ist zu berücksichtigen, daß in Art. 141 a.E. WRV in erster Linie der staatliche Zwang gemeint ist. 68 Dafür sprechen schon die historischen Wurzeln der Zwangsverbotsklausel. Zum einen ist sie ein später Reflex des bayerischen Kniebeugungsstreits, als durch königlichen Erlaß im Jahre 1839 allen Soldaten der bayerischen Armee, auch den nichtkatholischen, der Besuch des katholischen Gottesdienstes und der Kniefall vor dem Allerheiligsten befohlen wurde; 69 in Preußen mußten Soldaten katholischen Glaubens bis 1845 dem lutherischen Gottesdienst beiwohnen.70 Zum anderen bestand in Preußen und in einer Reihe anderer deutscher Länder bis 1918 für Strafgefangene die Pflicht, den Gefängnisgottesdienst zu besuchen.71 Die Staatsgerichtetheit des Art. 141 a.E. WRV ergibt sich schließlich aus Art 1 Abs. 3 GG, da die Zwangsverbotsklausel sich lediglich als eine zusätzliche Konkretisierung der (negativen) Religions- und Bekenntnisfreiheit des Art 4 Abs. 1 und 2 GG darstellt. 72 Demgegenüber ist der Einsatz kirchlicher Zwangsmittel73 - außerhalb der Grenzen des Strafrechts - staatlich irrelevant. Dies wurde im übrigen bereits in den Beratungen der Weimarer Nationalversammlung mit Blick auf den Entwurf zu Art. 136 Abs. 4 WRV ausdrücklich festgestellt. 74 Wäre der Staat, wie die Kritiker der Militärseelsorge meinen, zu strikter Passivität verpflichtet, wäre die Ausübung staatlichen Zwanges nicht denkbar. Der Zusatz des Art 141 a.E. WRV erhält also nur dann einen rechtlichen Bedeutungsgehalt, wenn der Staat sich nicht völlig passiv verhält. Somit setzt 6 8 So schon Schwankhart, Anstaltsseelsorge in Bayern, S. 51; siehe ferner etwa WRV, Komm., Art. 136 Erl. 4, S. 628.

Anschütz,

6 9

Dazu näher unten 3. Teil Β I I I 2 c.

7 0

Bleese, Militärseelsorge, S. 97.

7 1

Brandt, Ev. Strafgefangenenseelsorge, S. 144, 176.

7 2

Vgl. v. Campenhausen, in: v. Mangoldt/Klein, GG, Komm., Art. 140/136 WRV Rdnr. 41.

73

Dazu etwa Neumann, Kath. Kirchenrecht, S. 123 ff.

7 4 Vgl. Kaas (Zentrum) und Haußmcmn (DDP), Nat.Vers.-Steno, Bd. 336, 195, sowie Mausbach (Zentrum), Nat.Vers.-Steno, Bd. 328,1644 B/C.

Β. Vorgaben des Art. 140 GG i.V.m. Art. 141 W R V

123

der Verfassungstext ein gewisses Maß an staatlicher Aktivität auf dem Gebiet der Militär- und Anstaltsseelsorge voraus. Den Kritikern der Militärseelsorge ist zwar zuzugeben, daß der Wortlaut eine Obergrenze staatlichen Handelns enthält. Diese ist aber nicht schon in der Formulierung "zuzulassen" zu sehen, sondern erst in dem Zwangsverbot des Art. 141 a.E. WRV. Die grammatische Interpretation legt mithin nahe, daß die Zulassung i. S. d. Art. 141 WRV nur den Mindeststandard staatlichen Verhaltens beschreibt, während die äußerste Grenze erst durch die individuelle Religionsfreiheit (Art. 4 Abs. 1 und 2, 140 GG i.V.m. Art 136 Abs. 4, 141 a.E. WRV) gezogen ist. 2. Historische Interpretation

Weitere Hinweise, wie der Wortlaut des Art 141 WRV zu verstehen ist, könnten sich aus seiner Entstehungsgeschichte ergeben. Zwar darf die Aussagekraft der historischen Interpretation nicht überbewertet werden, da es gilt, den objektiven Verfassungsinhalt zu ermitteln, der nicht ohne weiteres aus den (subjektiven) Vorstellungen der an der Verfassungsgebung Beteiligten gefolgert werden kann. Allerdings verleiten gerade die offenen Formulierungen der staatskirchenrechtlichen Bestimmungen dazu, die Verfassungsinterpretation an bestimmten, häufig eher behaupteten denn belegten, Prämissen auszurichten, wie etwa den Grundsatz strikter Trennung von Staat und Kirche. Wunschvorstellungen de lege ferenda werden so leicht zum vorgeblich objektiven Willen der Verfassung aufgewertet. Somit ist es angebracht, sich zunächst einmal des Willens des historischen Verfassungsgebers zu vergewissern.75 Dabei ist zu berücksichtigen, daß das Grundgesetz durch Art 140 GG die wesentlichen staatskirchenrechtlichen Normen der Weimarer Reichsverfassung vom 11.08.1919 inkorporiert, die wiederum sich schon dem Wortlaut nach eng an den Verfassungsentwurf 76 der Frankfurter Paulskirchenversammlung von 1848/49 anlehnen. Die Vorstellungen des Parlamentarischen Rates 75 Ebenso mit Blick auf das Staatskirchenrecht: BVerfGE 42, 312 (330). Zur Bedeutung des rechtsgeschichtlichen Hintergrundes zur Beurteilung aktueller staatskirchenrechtlicher Fragestellungen siehe ferner Isensee, Essener Gespräche 25 (1991), 104 (117); Mikat, FS Broermann, 755 (755 f.); Endrös, ZevKR 39 (1994), 45 ff. 7 6 Die Grundrechte, zu denen auch die staatskirchenrechtlichen Bestimmungen zählten, wurden durch ein Einführungsgesetz vom 27.12.1848 zwar in Kraft gesetzt; die Gesamtverfassung wurde am 28.03.1849 ausgefertigt und verkündet. Die Paulskirchenverfassung scheiterte jedoch am Widerstand der großen deutschen Einzelstaaten und erlangte daher niemals faktische Wirksamkeit. Die Grundrechte wurden durch Bundesbeschluß vom 22.08.1851 förmlich aufgehoben. Dazu E. R. Huber, D t VerfGesch II, S. 776, 821.

124

Die Verfassungsmäßigkeit der Militärseelsorge

sind daher auch vor dem Hintergrund der Beratungen von Weimarer Nationalversammlung und Paulskirche zu sehen. a) Grundgesetz Ausgangspunkt der historischen Interpretation ist die Entstehungsgeschichte des Grundgesetzes. aa) Keine ausdrückliche Bejahung der staatlichen Mitwirkung im Bereich der Militär- und Anstaltsseelsorge Der Herrenchiemseer Verfassungsentwurf von August 194877 enthielt zwar in Art 6 eine Gewährleistung der Glaubens-, Gewissens- und Religionsfreiheit, 78 darüber hinaus aber keine staatskirchenrechtlichen Bestimmungen und demzufolge auch keine Gewährleistung der Anstalts- oder Militärseelsorge. Ebensowenig wurden in den Beratungen des Verfassungskonvents der Aspekt der Anstalts- und Militärseelsorge oder andere Einzelfragen des Staatskirchenrechts erörtert. 79 Das Staatskirchenrecht war erstmals im Parlamentarischen Rat Beratungsgegenstand. Anlaß waren Eingaben der katholischen und evangelischen Kirche, die u.a. eine Sicherung ihrer Rechte wünschten.80 Den kirchlichen Wünschen Rechnung tragend stellten DP 81 sowie wenig später CDU/CSU, Zentrum und DP 82 Anträge auf eine Kodifikation des Staatskirchenrechts; diese Anträge enthielten allerdings keine Aussagen zur Militär- und Anstaltsseel-

77

Der Herrenchiemseer Verfassungskonvent war ein Sachverständigenausschuß, der im August 1948 im Auftrag der Ministerpräsidenten der drei westlichen Besatzungszonen einen Verfassungsentwurf zur Vorbereitung eines Grundgesetzes erarbeitet hatte. 7 8 Abs. 1: Glaube, Gewissen und Überzeugung sind frei. Abs. 2: Der Staat gewährleistet die ungestörte Religionsausübung. 7 9 Vgl. den Bericht über den Verfassungskonvent auf Herrenchiemsee, S. 20 ff., sowie v. Campenhausen, in: v. Mangoldt/Klein, GG, Komm., Art. 140 Rdnr. 4.

80 Dazu Otto, Staatsverständnis des Parlamentarischen Rates, S. 78 f.; Sörgel, Konsensus und Interessen, S. 180 ff., 315 ff. 81 Antrag vom 19.11.1948 im Grundsatzausschuß (wiedergegeben bei v. Campenhausen, in: v. Mangoldt/Klein, GG, Komm., Art. 140 Rdnr. 5; Schlief i Entwicklung, S. 67). 8 2

Antrag vom 29.11.1948 im Grundsatzausschuß (wiedergegeben bei v. Campenhausen, in: v. Mangoldt/Klein, GG, Komm., Art. 140 Rdnr. 6; Badura, HdbStKirchR I, 2. Aufl., 211 [237]; Schlief Entwicklung, S. 73 f., sowie im JöR n.F. 1 [1951], S. 899 f.).

. Vorgaben des Art. 140 GG i.V.m. Art. 1 1 WRV

1

sorge. Erst durch den auf den späteren Art. 140 GG zielenden Antrag des Abg. Süsterhenn (CDU),83 Die Bestimmungen der Artikel 137, 138 Absatz 2, 139 und 141 der Deutschen Verfassung vom 11. August 1919 werden aufrecht erhalten. welcher auch Art. 141 WRV in Bezug nahm, wurde die Militär- und Anstaltsseelsorge in die Beratungen einbezogen. Allerdings wurde der Aspekt der Militär- und Anstaltsseelsorge weder in den Plenar- noch in den Ausschußberatungen diskutiert. Man könnte zwar auf Art. 123 Abs. 2 GG verweisen. Nach seiner Entstehungsgeschichte bezieht sich Art 123 Abs. 2 GG vor allem auf das Reichskonkordat84, welches in Art. 27 eine Gewährleistung der staatlich finanzierten und organisierten Militärseelsorge und in Art. 28 die Gewährleistung der Anstaltsseelsorge enthielt, wobei in Art. 27 Abs. 4 S. 2, 28 S. 2 die Verbeamtung der Militärund Anstaltsgeistlichen vorausgesetzt wurde. Der Parlamentarische Rat diskutierte jedoch keine Einzelbestimmungen des Reichskonkordates. Aus der Entstehungsgeschichte des Art 123 Abs. 2 GG folgt daher nicht zwingend, daß der Grundgesetzgeber die Militär- und Anstaltsseelsorge in der Ausgestaltung der Art. 27, 28 RK guthieß. bb) Grundsätzliches Anknüpfen an den Weimarer Rechtszustand Im Parlamentarischen Rat wurden ohnehin weniger die staatskirchenrechtliche Details beraten; im Vordergrund der Beratungen stand vielmehr die Vorfrage, ob das Grundgesetz überhaupt eine Kodifikation des Staatskirchenrechts beinhalten sollte. Während dies CDU/CSU, Zentrum und DP forderten,85 lehnten dies FDP und SPD anfangs ab, da sie das Staatskirchenrecht zu den Länderkompetenzen rechneten.86 Die SPD hielt zudem eine besondere Sicherung kirchlicher Rechte in der Verfassung für unnötig, da diese bereits durch Art. 4 GG sowie auf landesverfassungsrechtlicher Ebene ausreichenden Schutz erführen und ohnehin von niemandem ernstlich in Frage gestellt wür-

83 Pari. Rat, HA-Steno, S. 259. Wiedergegeben auch im JöR n.F. 1 (1951), S. 902, sowie bei Badura, HdbStKirchR I, 2. Aufl., 211 (238); Schlief.i Entwicklung, S. 84. 8 4

JöR n.F. 1 (1951), S. 841, 902 ff.; Holtkotten, in: Bonner Kommentar, GG, Art. 123 Erl. I b.

85

Vgl. die Anträge von DP bzw. von CDU/CSU, Zentrum und DP (siehe oben Fußn. 81 f.) sowie Süsterhenn (CDU), Pari. Rat, HA-Steno, S. 257. 8 6 Eberhard (SPD), Pari. Rat, HA-Steno, S. 258; Bergsträßer (SPD), Pari. Rat, HA-Steno, S. 255 f.; Heuss (FDP), Pari. Rat, HA-Steno, S. 255; ders. in diesem Sinne zuvor schon im Grundsatzausschuß, GSA-Steno, S. 23 f., 64 (zitiert nach Schlief \ Entwicklung, S. 70, 77).

126

Die Verfassungsmäßigkeit der Militärseelsorge

den.87 Die FDP befürchtete, daß die Beratungszeit zu knapp bemessen sei, um der Kompliziertheit der Materie gerecht zu werden.88 Sie wollte vor allem verhindern, daß eine nicht genügend überdachte Kodifikation, soweit sie von den Weimarer Vorgaben abwich, zu unübersehbaren und nicht intendierten Konsequenzen führte. 89 Ähnliche Gefahren sah die SPD.90 Am Widerstand von SPD und FDP scheiterten daher die Anträge von DP bzw. CDU/CSU, Zentrum und DP zur Neukodifikation eines Staatskirchenrechts im Grundgesetz.91 Die FDP signalisierte jedoch mehrfach, daß sie sich einen Verweis auf die Weimarer Staatskirchenrechtsartikel vorstellen könne.92 Diese Kompromißbereitschaft nutzte der Abg. Süsterhenn (CDU) und stellte den oben genannten Antrag auf Inkorporation der Art. 137, 138 Abs. 2, 139, 141 WRV in das Grundgesetz. Auf diesen Kompromiß konnten sich CDU/CSU, Zentrum und DP einlassen, da sie sich mit ihren Anträgen ohnehin an den Weimarer Artikeln orientiert hatten.93 Einzig die SPD stimmte - neben der KPD - zunächst gegen diesen Antrag, 94 begründete ihre Ablehnung aber neben den kompetenziellen Bedenken vor allem mit gesetzestechnischen Erwägungen. So bezweifelte man die Zulässigkeit eines Verweises in eine andere Verfassung und hielt dies für eine "Überrumpelung des Mannes aus dem Volke", dem die Vorschriften der Weimarer Reichsverfassung im Zweifel unbekannt seien.95 Den Bedenken der SPD wurde offensichtlich ausreichend Rechnung getragen, indem der Verweis an unauffälliger Stelle ganz am Ende des Grundgesetzes 87 Eberhard (SPD), Pari. Rat, HA-Steno, S. 258; Bergsträßer (SPD), Pari. Rat, HA-Steno, S. 255 f. Ähnlich auch Heuss (FDP), Pari. Rat, GSA-Steno, S. 22 ff. (zitiert nach Schlief ; Entwicklung, S. 70). 8 8 Heuss (FDP), Pari. Rat, HA-Steno, S. 255; Höpker-Aschoff (FDP), Pari. Rat, HA-Steno, S. 258. Ebenso schon Heuss, Pari. Rat, GSA-Steno, S. 24 (zitiert nach Schlief Entwicklung, S. 70). 89

Heuss (FDP), Pari. Rat, HA-Steno, S. 255; Höpker-Aschoff

(FDP), Pari. Rat, HA-Steno,

S. 258. 9 0

Bergstraeßer (SPD), Pari. Rat, HA-Steno, S. 256.

91

Einzelheiten bei Schlief Entwicklung, S. 69 ff., 76 ff.

9 2

Heuss (FDP), Pari. Rat, HA-Steno, S. 255; Höpker-Aschoff

(FDP), Pari. Rat, HA-Steno,

S. 259. 93

Süsterhenn (CDU), Pari. Rat, HA-Steno, S. 255, 257.

9 4

Vgl. Pari. Rat, HA-Steno, S. 260: Der Antrag wurde mit 12 gegen 9 Stimmen angenommen; die SPD hatte acht Vertreter im Hauptausschuß, die KPD einen. Die zwölf Stimmen setzten sich aus den acht CDU/CSU-Vertretern, zwei Abgeordneten der FDP und jeweils einem Vertreter von DP und Zentrum zusammen. 95

Zinn (SPD), Pari. Rat, HA-Steno, S. 489, 599.

. Vorgaben des Art. 140 GG i.V.m. Art. 1 1 W R V

1

aufgenommen wurde; 96 jedenfalls stimmte die SPD schließlich dem Verweis zu. 97 Mithin ist erkennbar, daß CDU/CSU, Zentrum, DP und FDP - die zusammen im Parlamentarischen Rat die Mehrheit stellten - ausdrücklich eine grundsätzliche Anknüpfung an den staatskirchenrechtlichen Zustand der Weimarer Reichs Verfassung wünschten. Auch die SPD ließ sich schließlich darauf ein, ohne damit inhaltliche Vorbehalte zu verknüpfen. Nicht nur dem Buchstaben, auch dem Inhalt nach knüpft das Grundgesetz damit jedenfalls im Grundsatz an das Weimarer Staatskirchenrecht an.98 cc) Keine Ausnahme von der Generalanknüpfung bei der Militär- und Anstaltsseelsorge Dies bedeutet jedoch nicht, daß der Parlamentarische Rat ausnahmslos die Weimarer staatskirchenrechtliche Praxis fortsetzen wollte. Eine Ausnahme bildet etwa die Frage einer besonderen, über die allgemeine Rechtsaufsicht hinausreichenden, staatlichen Kirchenaufsicht. 99 Die deutschen Einzelstaaten der Weimarer Republik haben diese Staatsaufsicht über die Kirchen durchweg, wenngleich in verschiedener Intensität, in Anspruch genommen,100 gebilligt durch einige Stimmen schon in der Nationalversammlung101 sowie durch die Rechtsprechung102 und den überwie-

9 6

Vgl. Katz (SPD) und Süsterhenn (CDU) im Organisationsausschuß, Steno. Prot., S. 21 (zitiert nach Schlief \ Entwicklung, S. 88). 9 7

Vgl. Pari. Rat, HA-Steno, S. 682.

9 8

Weber, Religionsgemeinschaften, S. 29. Ebenso BVerfGE 88, 40 (49), zur Auslegung der schulrechtlichen Vorgaben des Grundgesetzes, die sich eng am Weimarer Schulkompromiß orientieren. 9 9

Zum folgenden siehe auch Jeand'Heur,

Der Staat 30 (1991), 442 (458 ff.).

1 0 0

In Preußen wurde eine besonders strenge Aufsicht ausgeübt, gelockert war sie in den süddeutschen Staaten Baden, Bayern und Württemberg; in Mecklenburg-Strelitz beschränkte sich die Aufsicht darauf, daß die Staats- und Landesgesetze eingehalten wurden. Dazu Anschütz, WRV, Komm., Art. 137 Erl. 5, S. 638 f.; Forsthoff,i Öffentliche Körperschaften, S. 118; Schoen, VerwArch 29 (1922), 1 (22); genaue Gesetzesnachweise bei Giese, JöR 13 (1925), 249 (267 ff.); 20 (1932), 116 (120 ff.). 101 So vor allem Kahl (DVP), Nat.Vers.-Steno, Bd. 328, 1647 D, Bd. 336, 195. Dagegen aber Naumann (DDP), Nat.Vers.-Steno, Bd. 328, 1652 D. 1 0 2

RGZ 103, 91 (94); prß. OVGE 82, 196 (204); 82, 231 (237); 83, 187 (191); sächs. OVGE 31, 266 ff. Dazu Anschütz, WRV, Komm, Art. 137 Erl. 5, S. 637.

12

Die Verfassungsmäßigkeit der Militärseelsorge

genden Teil der Literatur 103 . Begründet wurde die staatliche Kirchenaufsicht mit dem Grundsatz der Korrelativität von Recht und Pflicht: Die Staatsaufsicht sei Korrelat des Privilegs des öffentlich-rechtlichen Körperschaftsstatus gem. Art 137 Abs. 5 WRV. 1 0 4 Obwohl der Parlamentarische Rat durch Art. 140 GG auch auf Art 137 Abs. 5 WRV Bezug nahm, wollte er ausdrücklich nicht an die in Weimar damit verbundene Staatsaufsicht anknüpfen. Das ius circa sacra sei durch die Erfahrung des Kirchenkampfes im Dritten Reich dem Staat endgültig aus der Hand genommen.105 Somit ist es durchaus denkbar, daß auch die Militärseelsorge von der Generalanknüpfung an den Weimarer Rechtszustand ausgenommen werden sollte. (1) Keine ausdrückliche Ablehnung der staaüichen Mitwirkung im Bereich der Militärseelsorge Anhaltspunkte dafür könnten zum einen darin bestehen, daß in den ersten Anträgen von DP bzw. CDU/CSU, Zentrum und DP keine Gewährleistung der Militärseelsorge enthalten war, und zum anderen darin, daß Art 140 GG nicht auf Art. 140 WRV, Den Wehrmachtsangehörigen der Wehrmacht ist die nötige freie Zeit zur Erfüllung ihrer religiösen Pflichten zu gewähren. die zweite Weimarer Norm im Zusammenhang mit der Militärseelsorge, verweist. Möglicherweise ist darin eine Entscheidung des Grundgesetzes gegen Militärseelsorge zu sehen. Daß die Militär- und Anstaltsseelsorge keine Erwähnung in den Anträgen von DP bzw. CDU/CSU, Zentrum und DP gefunden hat, verwundert um so 103 Für Staatsaufsicht: Anschütz., WRV, Komm., Art 137 Eri. 5, S. 636; Bredt, Kirchenrecht, S. 151; Forsthoff\Öffentliche Körperschaften, S. 115; E.R.Huber, Verträge zwischen Staat und Kirche, S. 49; v. Frey tag- Loringhoven, Weimarer Verfassung, S. 341; Giese, AöR 7 n.F. (1924), 1 (63); Schoen, VerwArch 29 (1922), 1 (20); zahlreiche weitere Nachweise bei Kalle, Bedeutung, S. 60. - Gegen Staatsaufsicht: Ebers, Staat und Kirche, S. 311 ff.; Mausbach, Kulturfragen, S. 65, 70 f.; Hubrich, Verfassungsrecht, S. 232; weitere Nachweise bei Kalle, aaO, S. 59, sowie E. R. Huber, aaO, S. 35. 1 0 4 So vor allem Kahl (DVP), Nat.Vers.-Steno, Bd. 328, 1647 D; ferner Anschütz, WRV, Komm., Art 137 Eri. 5, S 637; E.R.Huber, Verträge zwischen Staat und Kirche, S. 49; Kalle, Bedeutung, S. 60; Schoen, Verfassungsrecht, S. 34. 105 So Seebohm (DP), Pari. Rat, HA-Steno, 489; ebenso der Berichterstatter v. Brentano (CDU), Pari. Rat, Entwürfe, S. 74; in diesem Sinne auch die Anträge von DP sowie von CDU/CSU, Zentrum und DP. Siehe ferner BVerfGE 18, 385 (387); v. Campenhausen, in: v. Mangoldt/Klein, GG, Komm., Art 140/137 WRV Rdnrn. 8, 229; Stern, StaatsR III/l, § 72 I V 4, S. 1215; Weber, Religionsgemeinschaften, S. 153; Quaritsch, Der Staat 1 (1962), 289 (317).

. Vorgaben des Art. 140 GG i.V.m. Art. 1 1 WRV

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mehr, als diese Fraktionen sich nach eigenem Bekunden in ihren Anträgen grundsätzlich an der Weimarer Reichsverfassung orientiert hatten106 und daher Anlaß gehabt hätten, zumindest die Gewährleistung der Anstaltsseelsorge aufzugreifen. Mit Blick auf die besondere Kirchenfreundlichkeit dieser Parteien ist jedoch kaum anzunehmen, daß sie mit ihren Anträgen die Weimarer Praxis der Anstalts- und Militärseelsorge in Frage stellen wollten. Auch aus dem Fehlen des Art 140 WRV in der Aufzählung des Art 140 GG kann nicht geschlossen werden, daß dadurch sich der Parlamentarische Rat gegen eine besondere Soldatenseelsorge ausgesprochen und insoweit nicht an den Weimarer Rechtszustand angeknüpft hätte. Mit einer derartigen Auslegung wäre kaum vereinbar, daß zusammen mit Art 141 WRV auch das Merkmal "Heer" Bestandteil des Grundgesetzes geworden ist. Bei einer intendierten Ablehnung der Militärseelsorge wären zudem entsprechende Äußerungen im Parlamentarischen Rat zu erwarten gewesen. Der Wegfall des Art. 140 WRV kann sich schließlich dadurch erklären, daß er angesichts der umfassenden Garantie der Religionsfreiheit in Art 4 Abs. 1 und 2 GG für überflüssig gehalten wurde. 107 Möglicherweise wollte man auch nur verhindern, daß über Art. 140 WRV der durch das Dritte Reich diskreditierte Begriff "Wehrmacht" Einzug in die neue Verfassung hielt. Dem Grundgesetz läßt sich daher keine dezidiert-ablehnende Aussage zur Militärseelsorge entnehmen. (2) "Heer" nicht nur zufällige und bedeutungslose Folge des Pauschal Verweises auf Art 141 WRV In Betracht kommt allerdings, daß der Verweis auf das Merkmal "Heer" in Art 141 WRV völlig zufällig und daher bedeutungslos ist. Auch dann könnte sich ein Verweis auf die Weimarer Praxis der Militärseelsorge verbieten. Für den Zufallscharakter ließe sich anführen, daß es 1948/49 noch keine westdeutsche Armee gab. Ohne Armee ist die Gewährleistung einer Militärseelsorge unsinnig. Dem Grundgesetzgeber könnte daher mit der Aufnahme der Heeresseelsorge in das Grundgesetz ein bloßes Redaktionsversehen unterlaufen sein, verursacht durch die pauschale Inbezugnahme des Art 141 WRV. 1 0 8 Nun ist es zwar kaum vorstellbar, daß keiner der Beteiligten im Par10 6

Süsterhenn (CDU), Pari. Rat, HA-Steno, S. 255.

1 0 7

Vgl. v. Campenhausen, in: v. Mangoldt/Klein, GG, Komm., Art. 140/141 WRV Rdnr. 13.

1 0 8

Ob der Verweis auf das Merkmal "Heer" lediglich ein Redaktionsversehen ist, wurde kontrovers diskutiert, als sich die Frage stellte, ob das Grundgesetz die Errichtung einer Armee - gegebenfalls nach entsprechender Verfassungsänderung - zuläßt. Ein Redaktionsversehen bejahten seinerzeit: Smenä, in: Kampf um den Wehrbeitrag, Bd. 1, S. 151; Scheuner, in: Kampf um den 9 Ennuschal

1

Die Verfassungsmäßigkeit der Militärseelsorge

lamentarischen Rat während der Verfassungsberatungen bemerkt haben soll, daß "Heer" eines der Tatbestandsmerkmale des Art 141 WRV ist. Ein schlichtes "Übersehen" dürfte mithin zu verneinen sein. Angesichts des Fehlens einer Armee könnte das Merkmal "Heer" aber für bedeutungslos gehalten worden sein, so daß sich eine Streichung erübrigte. Ohnehin kam nur ein Pauschalverweis in Frage, da man - im Bemühen, die staatskirchenrechtlichen Einzelprobleme aus den Verhandlungen auszuklammern - eine wörtliche Wiedergabe des Weimarer Verfassungstextes im Grundgesetz vermeiden wollte, um nicht Strittiges deutlicher zutage treten zu lassen.109 Gegen den Einwand der Zufälligkeit und Bedeutungslosigkeit läßt sich allerdings anführen, daß das Grundgesetz schon in der Fassung vom 23.05.1949 mehrere Artikel enthält, die auf eine bevorstehende Wiederbewaffhung hindeuten. Zu nennen ist vor allem das Recht auf Kriegsdienstverweigerung gem. Art. 4 Abs. 3 S. 1 GG. Ferner gingen die Mitglieder des Parlamentarischen Rates bei der Beratung des Art. 26 Abs. 1 GG (Verbot der Vorbereitung eines Angriffskrieges) davon aus, daß ein Defensivkrieg zulässig sei 110 - und damit auch ein deutscher Verteidigungsbeitrag. Schließlich wurde in Art 24 Abs. 2 GG die Möglichkeit eröffnet, einem Verteidigungsbündnis beizutreten, was eigene Streitkräfte bedingt oder zumindest nahelegt. Im Zuständigkeitsausschuß des Parlamentarischen Rates wurde im übrigen erwogen, die "Sicherung des Bundes nach außen" in den Katalog ausschließlicher Bundesgesetzgebungskompetenzen aufzunehmen. 111 Davon wurde freilich mit Rücksicht auf das Besatzungsstatut abgesehen.112 Der Parlamentarische Rat rechnete also damit, daß es in absehbarer Zeit neue deutsche Streitkräfte geben würde. 113 Vor diesem Hintergrund ist eine vorsorgliche Gewährleistung der Militärseelsorge ebenso sinnvoll wie die Sicherung des Rechts auf KriegsdienstverWehrbeitrag, Bd. 2, S. 103; Loewenstein, in: Kampf um den Wehrbeitrag, Bd. 2, S. 356; Wolgast, DÖV 1952, 33 (34); jeweils ohne weitere Begründung. Ebenso Bleese, Militärseelsorge, S. 222. 109 Vgl. Süsterhenn (CDU) im Organisationsausschuß, Steno. Prot., S. 21 (zitiert nach Schlief \ Entwicklung, S. 88). 110 v. Brentano (CDU), Pari. Rat, HA-Steno, S. 71; Dehler (FDP), JöR n.F. 1 (1951), S. 240. Schmid (SPD), Pari. Rat, HA-Steno, S. 72, ging zumindest von der Zulässigkeit kollektiver Selbstverteidigung der Völkergemeinschaft aus. 111

JöR n.F. 1(1951), S. 471 f.

112

JöR n.F. 1 (1951), S. 471 f.; vgl. auch Jellinek, DÖV 1951, 541 (542).

113

Vgl. Heuss (FDP), Pari. Rat, HA-Steno, S. 545; Schmid (SPD), Pari. Rat, HA-Steno, S. 546; Thoma, in: Kampf um den Wehrbeitrag, Bd. 2, S. 176. - Unzutreffend daher v. Campenhausen, in: v. Mangoldt/Klein, GG, Komm., Art. 140/141 WRV Rdnr. 13; Bleese, Militärseelsorge, S. 221; Cremers, Militärseelsorge-Vertrag, S. 6: 1949 habe sich niemand vorzustellen vermocht, daß Deutschland erneut aufgerüstet werden würde.

. Vorgaben des Art. 140 GG i.V.m. Art. 1 1 W R V

13

Weigerung. Das Merkmal "Heer" ist daher nicht nur zufällige und bedeutungslose Folge des Pauschal Verweises auf Art. 141 WRV. 1 1 4 (3) Anstaltsseelsorge Selbst wenn man den Verweis auf das Merkmal "Heer" für zufällig und bedeutungslos halten sollte, gilt dies nicht für die Krankenhaus- und Gefängnisseelsorge, die auch 1948/49 in einigen Ländern der wesüichen Besatzungszonen staatlich finanziert und organisiert war, wobei die Seelsorger in vielen Fällen Staatsbeamte waren. Damit setzten die Länder die Weimarer Praxis unter Beachtung der Verpflichtungen aus den verschiedenen Konkordaten und Kirchenverträgen fort. 115 Es gibt einige Anhaltspunkte dafür, daß dies den interessierten Mitgliedern des Parlamentarischen Rates bekannt war. 116 Der Grundgesetzgeber hätte daher sowohl Anlaß als auch die Möglichkeit einer korrigierenden Klarstellung gehabt. Gleichwohl wurde Art 141 WRV ohne Diskussion und Widerspruch in das Grundgesetz inkorporiert. Dies deutet daraufhin, daß der Parlamentarische Rat zumindest im Bereich der Anstaltsseelsorge keine Bedenken gegen die Anknüpfung an den Weimarer Rechtszustand hatte. Angesichts der Parallelität der Organisation von Anstaltsseelsorge und Militärseelsorge spricht dann nichts dagegen, dies auch auf die Militärseelsorge zu übertragen. 117

1 1 4

Vgl. aus der in Fußn. 108 genannten Kontroverse um die verfassungsrechtliche Zulässigkeit von deutschen Streitkräften, jeweils aber ohne Begründung: Jellinek, DÖV 1951, 541 (542); Kaufmann, in: Kampf um den Wehrbeitrag, Bd. 2, S. 48; Thoma, in: Kampf um den Wehrbeitrag, Bd. 2, S. 176; Wolff, in: Kampf um den Wehrbeitrag, Bd. 2, S. 209. 115 Z.B. Art. 28 des Reichskonkordates vom 20.07.1933 (RGBl. I I S. 679), Art. 11 Abs. 1 S. 1 des bayerischen Konkordats vom 29.03.1924 (GVB1. 1925 S. 53), Art 17 Abs. 1 S. 1 des bayerischen Kirchen Vertrages mit der ev.-luth. Kirche in Bayern rechts des Rheines vom 15.11.1924 (GVB1. 1925 S. 61), Art. 11 Abs. 1 S. 1 des bayerischen Kirchenvertrages mit der Pfälzischen Landeskirche vom 15.11.1924 (GVB1. 1925 S. 65). 1 1 6 So wies der Abg. Höpker-Aschof (FDP) darauf hin, daß die Länderkonkordate faktisch in Übung seien (Pari. Rat, HA-Steno, S. 491). Einige Abgeordnete forderten die Fortgeltung des Reichskonkordates für die Länder ohne Länderkonkordate (z.B. Süsterhenn [CDU], Pari. Rat, HASteno, S. 259, 260; Wessel [Zentrum], aaO, S. 260). Zu den in den Blick genommenen Bestimmungen dürften auch die praxisrelevanten Vereinbarungen über die Durchführung der Anstaltsseelsorge gezählt haben. 1 1 7

Nicht überzeugend daher W.Huber, Kirche und Öffentlichkeit, S. 268: Zwar habe sich die Weimarer Nationalversammlung 1919 nicht dafür entscheiden können, der mit den staatskirchenrechtlichen Grundsätzen der Weimarer Reichsverfassung an sich unvereinbaren militärkirchlichen Organisation der Militärseelsorge ein Ende zu bereiten. Man dürfe daraus jedoch nicht schließen, daß auch die Neubegründung einer Militärseelsorge in analoger Form nach 1945 durch die (Weimarer) Entstehungsgeschichte des Art. 141 W R V gedeckt sei, da die Militärseelsorge im Gegensatz 9*

Die Verfassungsmäßigkeit der Militärseelsorge

12

dd) Zusammenfassung: Keine Abweichung von den Weimarer Vorgaben Die Beratungen des Parlamentarischen Rates sind für die historische Interpretation des Art. 141 WRV i.V.m. Art. 140 GG zwar nicht sehr ergiebig. Insbesondere fehlt jede Erörterung der Militär- und Anstaltsseelsorge. Deutlich wird aber der Wille aller Beteiligten, grundsätzlich an die staatskirchenrechtliche Lage der Weimarer Zeit anzuknüpfen. Es bestehen keine Anhaltspunkte dafür, daß der Verfassungsgeber auf dem Gebiet der Anstalts- und Militärseelsorge von den Weimarer Verhältnissen abweichen wollte. b) Weimarer Reichsverfassung Damit stellt sich die Frage, welche Ausgestaltung der Militärseelsorge in der Weimarer Reichsverfassung vorgesehen war. Hinweise dafür finden sich zum einen in den Beratungen der Weimarer Nationalversammlung und zum anderen in der Umsetzung der Verfassungsvorgaben durch Staatspraxis und Literatur. aa) Militärseelsorge in den Beratungen der Weimarer Nationalversammlung Der vom Reichsamt des Innern Anfang 1919 ausgearbeitete und nach vorheriger Beratung im Staatenausschuß, der Vertretung der Einzelstaaten, am 28.02.1919 in die Weimarer Nationalversammlung eingebrachte Verfassungsentwurf enthielt keine Regelung der Militär- und Anstaltsseelsorge.118 Damit unzufrieden verlangte der Abg. Heinze in der ersten Lesung im Plenum namens der Fraktion der DVP "die Religionspflege im Heer" und erhielt dabei Bravorufe "rechts und im Zentrum". 119 Hier deutete sich schon der parteipolitische Meinungsstand bezüglich der Militärseelsorge an: Ihre Befürworter stammten aus den Reihen von Zentrum, DVP und DNVP; reserviert oder sogar ablehnend waren die Abgeordneten von DDP, SPD und USPD.

zum Jahr 1918 nach dem zweiten Weltkrieg zu bestehen aufgehört habe. - Dieser Einwand gilt jedoch allenfalls für die Militärseelsorge und nicht für die Anstaltsseelsorge. 1 1 8

Wiedergegeben bei Giese, JöR 13 (1925), 251; Triepel Quellensammlung, Nr. 14, S. 27 ff. Zu diesem Verfassungsentwurf (sog. Entwurf IV) sowie zu seinen Vorläufern siehe neben Giese, aaO, S. 250 ff., und Triepel aaO, Nrn. 7 ff., S. 6 ff., vor allem KR.Huber, Dt. VerfGesch V, S. 1178 ff. 1 1 9

Nat.Vers.-Steno, Bd. 326, 399 A.

. Vorgaben des Art. 140 GG i.V.m. Art. 1 1 WRV

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(1) Keine verfassungsrechtliche Festschreibung aktiven staatlichen Engagements im Bereich der Militärseelsorge Im Anschluß an die erste Lesung im Plenum wurde der Verfassungsentwurf dem sog. Verfassungsausschuß zur weiteren Beratung überwiesen. In dessen erster Lesung stellten Zentrum und DVP beinahe identische Anträge zur Militär· und Anstaltsseelsorge:120 In der Wehrmacht sowie in den öffentlichen Straf- und Bewahranstalten werden Einrichtungen für den Gottesdienst und die Seelsorge getroffen, wobei jeder Zwang fernzuhalten ist 1 2 1 . Soweit in Krankenhäusern oder ähnlichen Anstalten das Bedürfnis nach Gottesdienst und Seelsorge besteht, sind die Religionsgesellschaften zur Vornahme religiöser Handlungen zuzulassen. Bemerkenswert ist die differenzierte Ausgestaltung des staatlichen Engagements auf dem Gebiet der Militär- und Anstaltsseelsorge. Hinsichtlich Armee und Gefängnis sollte der Staat selbst aktiv werden und Einrichtungen für die religiöse Betreuung der betroffenen Personen bereitstellen. Im Unterschied dazu wurde dem Staat im Bereich der Krankenhausseelsorge eine passive Rolle zugedacht; er sollte lediglich die religiöse Betreuung von außen zulassen. Der Grund für diese Unterscheidung ist vermutlich darin zu sehen, daß die persönliche Freiheit in Armee und Gefängnis wesentlich stärker beschränkt wird als etwa in Krankenhäusern. Staatliche Vorkehrungen bei der Armee- und Gefängnisseelsorge schienen Zentrum und DVP daher dringlicher zu sein als in der Krankenhausseelsorge. Im Gegensatz zu den Anträgen von Zentrum und DVP schlugen SPD und DDP in einem gemeinsamen Antrag eine Formulierung vor, die weder eine Heeresseelsorge noch ein aktives staatliches Tätigwerden in der Anstalts-, insbesondere Gefängnisseelsorge vorsah: 122 Soweit das Bedürfnis nach Gottesdienst und Seelsorge in Krankenhäusern, Straf- oder sonstigen öffentlichen Anstalten besteht, sind die Religionsgesellschaften zur Vornahme religiöser Handlungen zuzulassen. Dieser Antrag setzte sich schließlich durch, wobei noch hinzugefügt wurde,

1 2 0

Antrag Nr. 91 - Gröber und Genossen (Zentrum), Nat.Vers.-Steno, Bd. 336, 175; Antrag

Nr. 92 - Kahl und Genossen (DVP), Nat. Vers.-Steno, Bd. 336, 176. 121

Diese Einschränkung fehlte im Antrag der DVP.

122

Antrag Nr. 96 - Meerfeld

(SPD) und Naumann (DDP), Nat.Vers.-Steno, Bd. 336,199.

Die Verfassungsmäßigkeit der Militärseelsorge

1

daß jeder Zwang fernzuhalten sei. 123 Ein anschließend gestellter Antrag des Abg. Kahl (DVP), Einrichtungen für den Gottesdienst und die Seelsorge auch für die Wehrmacht zu treffen, wurde mit Stimmengleichheit abgelehnt.124 Bei isolierter Betrachtung der ersten Lesung im Verfassungsausschuß könnte man meinen, der Verfassungsausschuß habe sich gegen jede Form der Militärseelsorge ausgesprochen - ist die Militärseelsorge in der zunächst gebilligten Fassung doch nicht erwähnt. Allerdings ist der Antrag von Kahl (DVP) nur mit Stimmengleichheit, also denkbar knapp gescheitert In der vorangegangenen Beratung wurde die Militärseelsorge zudem kaum behandelt; im Vordergrund der Diskussion standen andere Fragen des Staatskirchenrechts. Zur Militärseelsorge äußerten sich lediglich zwei Abgeordnete, die beide die Militärseelsorge befürworteten. 125 Ein die Heeresseelsorge dezidiert ablehnender Wortbeitrag fehlte hingegen. Später wurde daher nicht ohne Grund auf den Zufallscharakter dieser Abstimmung hingewiesen.126 Die endgültige Fassung des Art 141 WRV verdeutlicht ohnehin, daß es in der Weimarer Nationalversammlung keine Mehrheit gegen Militärseelsorge gab. Die Ablehnung der verfassungsrechtlichen Gewährleistung der Militärseelsorge in der ersten Lesung des Verfassungsausschusses hatte in der Öffentlichkeit zu einiger Unruhe geführt. 127 Das preußische Kriegsministerium sah sich daraufhin veranlaßt, in der Armee eine Erhebung durchzuführen, die ergab, daß von den Soldaten die Heeresseelsorge durchweg gewünscht werde. 128 Vor diesem Hintergrund war die Diskussion um die Militärseelsorge in der zweiten Lesung des Verfassungsausschusses wesentlich intensiver als in der ersten. Dabei bestand über alle Parteigrenzen hinweg Einigkeit darin, daß Soldaten - wie alle Staatsbürger - das Recht hätten, ihre Religion auszuüben, insbe-

123

Nat.Vers.-Steno, Bd. 336, 208.

1 2 4

Antrag Nr. 113, Nat.Vers.-Steno, Bd. 336, 208.

125

Gröber (Zentrum), Nat.Vers.-Steno, Bd. 336, 187; Kahl Bd. 336,190.

(DVP),

Nat.Vers.-Steno,

12 6 Mumm (DNVP) während der zweiten Lesung im Verfassungsausschuß, Nat.Vers.-Steno, Bd. 336, 521. 1 2 7

So schildern es zumindest die Abg. Mumm (DNVP), Nat.Vers.-Steno, Bd. 336, 521, und Mausbach (Zentrum), Nat.Vers.-Steno, Bd. 336, 522. 1 2 8 Davon berichtet Mumm (DNVP), Nat.Vers.-Steno, Bd. 336, 521. Der Abg. Davidsohn (SPD) wies indessen darauf hin, daß angesichts der Umstände, unter denen solchen Erhebungen zustande kämen, deren Ergebnissen nicht allzu viel Gewicht beigemessen werden könne, Nat.Vers.-Steno, Bd. 336, 521.

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sondere Gottesdienste zu besuchen.129 Ein Antrag des Abg. Gröber (Zentrum), Den Angehörigen der Wehrmacht ist die nötige freie Zeit zur Erfüllung ihrer religiösen Pflichten zu gewähren. der dem späteren Art. 140 WRV entspricht, wurde daher mit großer Mehrheit angenommen.130 Ein darüber hinausreichender Antrag des Abg. Düringer (DNVP), 131 Den Angehörigen der Wehrmacht ist kirchliche Versorgung und die nötige freie Zeit zur Erfüllung ihrer religiösen Pflichten zu gewähren. der eine aktive Rolle des Staates bei der Militärseelsorge sicherstellen sollte, 132 fand hingegen nicht die Zustimmung der Mehrheit. 133 Stattdessen folgte die Mehrheit einem Antrag 134 von Kahl (DVP) und fügte in die Fassung der ersten Lesung noch das Merkmal "Heer" ein: 135 Soweit das Bedürfnis nach Gottesdienst und Seelsorge im Heer, in Krankenhäusern, Strafanstalten oder sonstigen öffentlichen Anstalten besteht, sind die Religionsgesellschaften zur Vornahme religiöser Handlungen zuzulassen, wobei jeder Zwang fernzuhalten ist. Damit hatte sich der Verfassungsausschuß auf die späteren Art. 140, 141 WRV verständigt.136 Dabei ist auffällig, daß alle Anträge scheiterten, die auf 1 2 9

Vgl. etwa Gröber (Zentrum), Nat.Vers.-Steno, Bd. 336, 187, einerseits sowie Davidsohn (SPD), Nat.Vers.-Steno, Bd. 336, 521, und Haußmann (DDP), Nat.Vers.-Steno, Bd. 336, 522, andererseits. 1 3 0

Nat.Vers.-Steno, Bd. 336, 522.

131

Nat.Vers.-Steno, Bd. 336, 521.

1 3 2

Unter "kirchlicher Versorgung" verstand man die bestehende Form der Militärseelsorge, d.h. die staatliche Organisation und Finanzierung, vgl. Mausbach (Zentrum), Nat.Vers.-Steno, Bd. 328,1646 A. 133

Nat.Vers.-Steno, Bd. 336, 522.

1 3 4

Nat.Vers.-Steno, Bd. 336, 521; in den Protokollen wird dieser Antrag anschließend (S. 522) dem Abg. Heinze (ebenfalls DVP) zugeschrieben. Dieser Widerspruch kann anhand der Protokolle nicht aufgelöst werden. Da beide Mitglied derselben Fraktion waren, mag dies jedoch dahin gestellt bleiben. 135 1 3 6

Nat.Vers.-Steno, Bd. 336, 522.

Das Plenum stimmte der vom Verfassungsausschuß vorgeschlagenen Fassung der Art. 140 f. WRV in zweiter und dritter Lesung zu, vgl. Nat.Vers.-Steno, Bd. 337, 429; Bd. 329, 2160 D; Bd. 329, 2193 C (Schlußabstimmung).

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Die Verfassungsmäßigkeit der Militärseelsorge

die Festschreibung eines aktiven staatlichen Tätigwerdens im Bereich der Militärseelsorge zielten. (2) Zulässigkeit aktiven staatlichen Engagements im Bereich der Militärseelsorge Möglicherweise folgt daraus eine restriktive Auslegung des Art 141 WRV im Sinne einer Obergrenze zulässigen Staatshandelns, so daß dem Staat eigene Vorkehrungen auf dem Gebiet der Militär- und Anstaltsseelsorge untersagt wären. Zunächst ist zu berücksichtigen, daß im Verfassungsausschuß eine differenzierende Ausgestaltung des staatlichen Engagements - aktive Vorkehrungen im Bereich der Militär- und Gefängnisseelsorge, passive Rolle bei der übrigen Anstaltsseelsorge - zwar erwogen, aber schließlich verworfen wurde. 137 Die konsequente Ablehnung aller Anträge, die auf die Gewährleistung einer aktiven Rolle des Staates in der Militärseelsorge gerichtet waren, kann daher kaum als unbedacht und bedeutungslos abgetan werden. Die Ablehnung jener Anträge ist vor dem Hintergrund divergierender parteipolitischer Vorstellungen zur Militärseelsorge zu sehen. Diese Vorstellungen sind von maßgeblicher Bedeutung für die Interpretation des Art 141 WRV, dessen Fassung den mehrheitlich aktzeptablen Kompromiß darstellte. In der Diskussion um die verfassungsrechtliche Verankerung der Militärseelsorge läßt sich folgender Meinungsstand erkennen: Zahlreiche Abgeordnete, vornehmlich die Vertreter von Zentrum, DVP und DNVP, plädierten für die Verankerung einer staatlich organisierten und finanzierten Militärseelsorge in der Verfassung. 138 Dabei wies man darauf hin, daß auch in den Trennungsländern USA, Frankreich und Belgien eine derartige Militärseelsorge bestehe.139 Zudem werde diese Form der Soldatenseelsorge in der Öffentlichkeit gewünscht.140 Unterstützt wurden diese Abgeordneten vom Vertreter des preußischen Kriegsministeriums, der sich für den 1 3 7 Vgl. oben die Ausführungen zu den Anträgen von Zentrum und DVP in der ersten Lesung des Verfassungsausschusses (Nat.Vers.-Steno, Bd. 336,175, 208). 13 8 Heinze (DVP), Nat.Vers.-Steno, Bd. 326, 399 A; Gröber (Zentrum), Nat.Vers.-Steno, Bd. 336, 187; Kahl (DVP), Nat.Vers.-Steno, Bd. 336, 190; Mumm (DNVP), Nat.Vers.-Steno, Bd. 336, 521; Mausbach (Zentrum), Nat.Vers.-Steno, Bd. 336, 522. 1 3 9 Kahl (DVP), Nat.Vers.-Steno, Bd. 336, 190; Mumm (DNVP), Nat.Vers.-Steno, Bd. 336, 521; Semler (prß. Kriegsministerium), Nat.Vers.-Steno, Bd. 336, 522. 14 0

Mumm (DNVP), Nat.Vers.-Steno, Bd. 336, 521; Mausbach (Zentrum), Nat.Vers.-Steno, Bd. 336,522.

. Vorgaben des Art. 140 GG i.V.m. Art. 1 1 W R V

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Erhalt der bestehenden Militärseelsorge einsetzte, die sich besonders im Kriege bewährt habe.141 Die Abgeordneten von DDP, SPD und USPD hatten hingegen Vorbehalte gegenüber der Einrichtung einer besonderen Militärseelsorge. Motivation und Intensität der Vorbehalte waren jedoch sehr unterschiedlich. Zum Teil hatten die Bedenken eher pragmatischen Charakter. So lehnten einige Abgeordnete zwar eine verfassungsrechtliche Gewährleistung staatlicher Einrichtungen für die Heeresseelsorge ab. 142 Sie wollten allerdings weder die Militärseelsorge als solche abschaffen noch den Staat auf eine passive Rolle verpflichten. Vielmehr wollten sie - schon aus finanziellen Erwägungen - dem Staat die Entscheidung vorbehalten, ob er sich auf dem Gebiet der Militärseelsorge finanziell und organisatorisch engangiert oder sich darauf beschränkt, den Kirchen die religiöse Betreuung der Soldaten nicht zu verwehren. 143 Teilweise wurden jedoch auch grundsätzliche Bedenken gegen jede besondere Form der Soldatenseelsorge geäußert. Es genüge, wenn die Armeeangehörigen die Möglichkeit hätten, die (zivilen) Gottesdienste zu besuchen.144 Dagegen wurde freilich von den Befürwortern der Militärseelsorge eingewandt, daß die Soldaten "im Felde oder gar an Bord, wenn ein Kriegsschiff monatelang auf hoher See" sei, eben nicht Zivilgottesdienste besuchen könnten. 145 Der Vertreter des Kriegsministeriums ergänzte, daß auch in Friedenszeiten besondere Einrichtungen für das Heer nötig seien.146 Kompromißlos abgelehnt wurde die Militärseelsorge dabei nur von einer kleinen Gruppe von Abgeordneten, die zumeist am äußersten linken Rand des politischen Spektrums angesiedelt waren. 147 Die Vertreter von DDP und der Großteil der Abgeordneten der SPD waren hingegen zum Kompromiß bereit. Dies galt einmal für diejenigen, die ohnehin nur pragmatisch motivierte Vorbehalte gegenüber der verfassungsrechtlichen

141

Semler, Nat.Vers.-Steno, Bd. 336, 521.

14 2

Haußmann (DDP), Nat.Vers.-Steno, Bd. 336, 522.

143

Sojedenfalls die Einschätzung von Mumm (DNVP), Nat.Vers.-Steno, Bd. 336, 521.

1 4 4

Davidsohn (SPD), Nat.Vers.-Steno, Bd. 336, 521.

145

Gröber (Zentrum), Nat.Vers.-Steno, Bd. 336, 521.

146

Semler y NaLVers.-Steno, Bd. 336, 521.

147

Quarck (SPD), Nat.Vers.-Steno, Bd. 328, 1650 C; Kunert (USPD), Nat.Vers.-Steno, Bd. 328, 1659 B.

Die Verfassungsmäßigkeit der Militärseelsorge

1

Verpflichtung zu staatlicher Einrichtung der Militärseelsorge hatten, ohne jedoch dem Staat eine entsprechende Berechtigung versagen zu wollen. Kompromißbereit waren aber auch diejenigen Abgeordneten von SPD und DDP, die prinzipielle Bedenken gegen Militärseelsorge hatten. Die Kompromißbereitschaft läßt sich durch zwei Umstände erklären: Zum einen befanden sich DDP und SPD in einer Koalition mit dem Zentrum, 148 das mehrfach den Wunsch nach Fortsetzung der bestehenen Militärseelsorge geäußert hatte.149 Demgegenüber gab es kaum Wortbeiträge von SPD und DDP zu diesem Thema. Offensichtlich war also dem Zentrum die Gewährleistung der Militärseelsorge ein wichtigeres Anliegen als für SPD und DDP deren Ablehnung. Wenn es sich aus Sicht von SPD und DDP nur um eine Nebenfrage handelte, war es daher angebracht, auf dem Gebiet der Militärseelsorge dem Zentrum entgegenzukommen, schon um die Weimarer Koalition nicht mit unnötigem Streit zu belasten.150 Noch wichtiger war vermutlich ein anderer Umstand. Auch die Heeresführung hatte ihrem Verlangen nach Beibehaltung der bisherigen Militärseelsorge deutlichen Ausdruck verliehen. 151 Der SPD konnte angesichts der (nach-) revolutionären Wirren nicht daran gelegen sein, wegen der Marginalie Militärseelsorge die eben erst vereinbarte Zusammenarbeit mit dem Militär zu gefährden. 152 Komromißbereitschaft war so ein Gebot politischer Vernunft. Der Kompromiß bestand darin, daß zwar eine aktive Rolle des Staates im Bereich der Militär- und Anstaltsseelsorge nicht von Verfassungs wegen festgeschrieben, aber eben - ganz im Interesse von Zentrum und Armeeführung auch nicht ausgeschlossen wurde. Insbesondere die bestehende Form der Militärseelsorge sollte nicht getroffen werden. Auf diese Linie verständigte sich die Mehrheit im Verfassungsausschuß und im Plenum.153 Damit waren einer1 4 8

Dazu E.R.Huber, Dt. VerfGesch V, S. 1083.

1 4 9

Antrag Gröber und Genossen, Nat.Vers.-Steno, Bd. 336, 175; Gröber, Nat.Vers.-Steno, Bd. 336, 187; Mausbach, Nat.Vers.-Steno, Bd. 336, 522. Vgl. auch Nat.Vers.-Steno, Bd. 326, 399 A. 1 5 0

Vgl. Israel, Reichskirchenrecht, S. 48.

151

Semler, Nat.Vers.-Steno, Bd. 336, 521. Vgl. auch Mausbach, Nat.Vers.-Steno, Bd. 328,

1645 D. 152

Zu erinnern ist vor allem an die schon am 09./10.11.1918 geschlossene Übereinkunft zwischen dem Kanzler und Vorsitzenden des Rates der Volksbeauftragten Ebert (SPD) und dem Ersten Generalquartiermeister Groener für die Oberste Heeresleitung. Dazu ER.Huber, Dt. VerfGesch V, S. 751 ff. 153 Vgl. die Ausführungen des Berichterstatters Mausbach (Zentrum), Nat.Vers.-Steno, Bd. 328, 1646 A.

. Vorgaben des Art. 140 GG i.V.m. Art. 1 1 WRV

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seits die Befürworter der Militärseelsorge zufrieden, da aus ihrer Sicht mit den Art. 140, 141 WRV zumindest "das Minimum des absolut Notwendigen" gesichert war. 154 Andererseits konnten SPD und DDP darauf hoffen, in einer veränderten politischen Situation das staatliche Engagement im Bereich der Militärseelsorge zu reduzieren. 155 Aufschlußreich für die Bewertung des Kompromisses sind schließlich zwei Äußerungen von Gegnern der Militärseelsorge, die beklagten, daß auch in Zukunft die Militärseelsorge staatlich finanziert werden sollte und mit Zwang verbunden sei. 156 Ob letzteres zutraf, mag dahinstehen. Deutlich wird jedenfalls, daß die Mehrheit innerhalb der Weimarer Nationalversammlung an der bestehenden Form der Militärseelsorge festhalten wollte, wobei die seinerzeitige Militärseelsorge staatlich organisiert und finanziert 157 war und auch die Verbeamtung der Militärgeistlichen kannte.158 Nach dem Willen des Weimarer Verfassungsgebers sollte Art 141 WRV daher einem staatlichen Engagement über die bloße Duldung kirchlichen Zutritts in die Kasernen hinaus nicht entgegenstehen.159 Die Obergrenze zulässigen Staatshandelns wurde erst durch das Zwangsverbot des Art. 141 a.E. WRV gezogen.160 Folge der Verankerung des Zwangsverbotes war, daß wenig später den Strafgefangenen die zuvor obligatorische Teilnahme am Gottesdienst ausdrücklich freigestellt wurde. 161

1 5 4

Gröber (Zentrum), Nat.Vers.-Steno, Bd. 336, 521.

155

Vgl. Quarck (SPD), Nat.Vers.-Steno, Bd. 328, 1651 A.

15 6

Quarck (SPD), Nat.Vers.-Steno, Bd. 328, 1650 C; Kunert (USPD), Nat.Vers.-Steno, Bd. 328,1659 B. 1 5 7 Vgl. § § 2 3 Abs. 1, 24 der Evangelischen Militärkirchlichen Dienstordnung für die preußische Armee (EMD) vom 17.10.1902 (= prß.KMD vom 17.10.1902); Art. 2 des Badischen Kirchengesetzes, die evangelisch-militärkirchlichen Verhältnisse betreffend, vom 14.01.1905. Abgedruckt bei Huber/Huber, Staat und Kirche III, Nrn. 101 ff., S. 209 ff. 1 5 8 Vgl. §§ 52, 55 prß. EMD/KMD; § 12 Abs. 1 der Evangelisch-lutherischen Militärkirchlichen Dienstordnung für die Königlich-Sächsische Armee vom 02.04.1911; § 10 Abs. 2 der Katholischen Militärkirchlichen Dienstordnung für die Königlich Sächsische Armee vom 10.12.1912; Art. 2 des Badischen Kirchengesetzes, die evangelisch-militärkirchlichen Verhältnisse betreffend, vom 14.01.1905. 1 5 9

Vgl. auch Mausbach (Zentrum), in: Kulturfragen, S. 80.

1 6 0

Vgl. Mumm (DNVP), Nat.Vers.-Steno, Bd. 336, 521.

161

Etwa § 118 der Dienst- und Vollzugsordnung für die Gefangenenanstalten der Justizverwaltung in Preußen vom 01.08.1923 (zitiert nach Brandt, Ev. Strafgefangenenseelsorge, S. 176).

D i e Verfassungsmäßigkeit der Militärseelsorge

1

bb) Umsetzung der Verfassungsvorgaben durch die Weimarer Staatspraxis und Literatur In der Weimarer Republik wurde die bis zum Ende des Kaiserreichs bestehende Militärseelsorge in den Grundzügen unverändert fortgesetzt. Wichtigste Rechtsgrundlagen der Militärseelsorge in der Reichswehr waren zunächst die schon am 17.10.1902 erlassenen militärkirchlichen Dienstordnungen für die evangelische (EMD) und katholische (KMD) Militärseelsorge in der preußischen Armee. 162 Die Militärgeistlichen waren obere Militärbeamte im Offiziersrang (§ 52 EMD/KMD), die in die militärische Hierarchie eingebunden waren (§ 53 EMD/KMD). Grundsätzlich galten die allgemeinen beamtenrechtlichen Bestimmungen (§ 55 EMD/KMD). Die Kosten der Militärseelsorge wurde aus dem Staatshaushalt finanziert. 163 Nach mehrjährigen Verhandlungen mit der evangelischen Kirche erließ der Reichswehrminister am 28.02.1929 die "Evangelische Militärkirchliche Dienstordnung für das Reichsheer und die Reichsmarine" (EMD), 164 die die EMD von 1902 ablöste. Danach waren die Militärgeistlichen weiterhin verbeamtet (Nr. 11); die Kosten trug der Staat. Mit der katholischen Kirche konnte der Staat zunächst keine Einigung erzielen. Die Bestimmungen der EMD von 1929 wurden daher aufgrund eines Erlasses des Reichswehrminister vorerst entsprechend angewandt.165 Erst nach dem Scheitern der Weimarer Republik schloß die nationalsozialistische Reichsregierung am 20.07.1933 mit dem Heiligen Stuhl das Reichskonkordat, dessen Art 27 Abs. 4 S. 2 die Weimarer Militärseelsorgepraxis in bezug auf den Beamtenstatus der Militärgeistlichen und die staatliche Finanzierung fortsetzte. Über die gesamte Dauer der Weimarer Republik blieb es daher bei der staatlich finanzierten und organisierten Militärseelsorge. 166 Entsprechendes galt im übrigen auch für die Weimarer Praxis der Gefängnisseelsorge. § 12 Abs. 2 S. 1 der "Grundsätze für den Vollzug von Freiheitsstrafen" vom 17.6.1923167, auf die sich die Landesregierungen verständigt hatten, sah die Möglichkeit vor, die Gefängnisseelsorger zu verbeamten. Die wichtigsten 1 6 2

Abgedruckt bei Huber/Huber,

163

Vgl. §§ 23 Abs. 1, 24 E M D (= KMD) von 1902.

1 6 4

RGBl. I I S . 141 f.

165

Erlaß des Reichswehrministers vom 01.10.1929 (HVB1. 1929, S. 115), Nr. 115 - Heer,

Staat und Kirche III, Nrn. 101 f., S. 209 ff.

Nr. 262/29 RA. III, Marine B, Nr. 71 C 9 (zitiert nach Steuber, Militärseelsorge, S. 7). 166

Vgl. Ebers, Staat und Kirche, S. 281.

1 6 7

RGBl. II S. 263 ff.

. Vorgaben des Art. 140 GG i.V.m. Art. 1 1 WRV

11

Einzelstaaten, so Preußen, Bayern, 168 Sachsen, Hessen, Baden, Bremen und Anhalt, entschieden sich für Verbeamtung und staatliche Besoldung.169 Diese Form der Anstaltsseelsorge wurde schließlich auch in Art 28 S. 2 RK vorausgesetzt.170 Die Praxis aktiver staatlicher Vorkehrungen in organisatorischer und finanzieller Hinsicht auf dem Gebiet der Militär- und Anstaltsseelsorge wurde von der Weimarer staatsrechtlichen Literatur, soweit ersichtlich, einhellig gebilligt. Art. 141 WRV sehe zwar nur die staatliche Duldung kirchlichen Zutritts vor. Unberührt bleibe aber das staatliche Recht des Staates, die religiöse Versorgung der Soldaten und Anstaltsinsassen selbst in die Hand zu nehmen, indem er Geistliche amüich berufe und anstelle.171 Angemerkt sei, daß auch die evangelische172 und katholische173 Kirche diese Form der Militärseelsorge wünschten. cc) Zusammenfassung: Weimarer Billigung aktiver staatlicher Vorkehrungen im Bereich der Militärseelsorge Die Weimarer Nationalversammlung entschied sich zwar gegen die verfassungsrechtliche Verpflichtung des Staates zur Organisation und Finanzierung der Militärseelsorge. Die gewählte zurückhaltende Formulierung der Art 140, 141 WRV sollte aber keine Obergrenze zulässigen Staatshandelns markieren, sollte also freiwilligen Aktivitäten des Staates nicht im Wege stehen. Insbesondere sollte die bestehende Form der Militärseelsorge, die staatlich organi-

1 6 8 Vgl. Art. 11 Abs. 1 S. 1 des bayerischen Konkordats vom 29.03.1924 (GVB1. 1925 S. 53), Art. 17 Abs. 1 S. 1 des bayerischen Kirchenvertrages mit der ev.-luth. Kirche in Bayern rechts des Rheines vom 15.11.1924 (GVB1.1925 S. 61), Art. 11 Abs. 1 S. 1 des bayerischen Kirchenvertrages mit der Pfälzischen Landeskirche vom 15.11.1924 (GVB1. 1925 S. 65). 16 9

Alertz, Strafanstaltsseelsorge, S. 91, 113; Ebers, Staat und Kirche, S. 281.

1 7 0

Art. 28 RK: "In Krankenhäusern, Strafanstalten und sonstigen Häusern der öffentlichen Hand wird die Kirche im Rahmen der allgemeinen Hausordnung zur Vornahme seelsorgerischer Besuche und gottesdienstlicher Handlungen zugelassen. Wird in solchen Anstalten eine regelmäßige Seelsorge eingerichtet und müssen hierfür Geistliche als Staats- oder sonstige öffentliche Beamte eingestellt werden, so geschieht dies im Einvernehmen mit der kirchlichen Oberbehörde." Hervorhebung nicht im Original. 17 1 Anschütz, WRV, Komm., Art. 141 WRV Erl. 2, S. 657; Giese, WRV, Komm., Art. 141 Erl. II 1, S. 370; Ebers, Staat und Kirche, S. 281; Mausbach, Kulturfragen, S. 80; Schoen, Verfassungsrecht, S. 29; ders., VerwArch 29 (1922), 1 (12 f.). 1 7 2 Verhandlungen des 1. Deutschen Evangelischen Kirchentages 1919, S. 304 f.; Verhandlungen des 2. Deutschen Evangelischen Kirchentages 1921, S. 221. 173

Vgl. Mausbach, Kulturfragen, S. 80.

12

Die Verfassungsmäßigkeit der Militärseelsorge

siert und finanziert war und auch die Verbeamtung der Militärgeistlichen kannte, nicht angetastet werden. Dementsprechend wurde in der Weimarer Republik die Tradition aktiver staatlicher Mitwirkung an der Militär- und Anstaltsseelsorge mit Billigung der Staatsrechtslehre fortgesetzt. c) Paulskirchenverfassung Die Militärseelsorge führte nicht erst in der Weimarer Nationalversammlung zu verfassungsrechtlichen und -politischen Erörterungen; sie war schon Gegenstand der Beratungen der Frankfurter Paulskirchenversammlung 1848/49. Zwar fand sich in dem Verfassungsentwurf der Paulskirche keine ausdrückliche Regelung der Militär- und Anstaltsseelsorge. Aber ein Konflikt aus dem Bereich der Militärseelsorge, der Kniebeugungsstreit, war Anlaß zur Verankerung der negativen Religionsfreiheit in § 148 der Verfassung des Deutschen Reichs vom 28.03.1849 (sog. Paulskirchenverfassung [PKV]), 174 dessen Formulierung Niemand soll zu einer kirchlichen Handlung oder Feierlichkeit gezwungen werden. nahezu wortgleich von Art. 136 Abs. 4 WRV aufgegriffen wurde und damit über Art. 140 GG auch Bestandteil des Grundgesetzes geworden ist. Im sog. Kniebeugungserlaß des bayerischen Königs aus dem Jahre 1839 wurde auch den protestantischen Soldaten der bayerischen Armee der Besuch des katholischen Gottesdienstes und der Kniefall vor dem Allerheiligsten befohlen. Nach heftiger, in ganz Deutschland ausgetragener gleichermaßen theologischer wie juristischer Kontroverse wurde der Erlaß schließlich im 1 7 4

So jedenfalls Kühne, Reichsverfassung der Paulskirche, S. 486, ohne Begründung oder Beleg vermutlich im Anschluß an Lempp, Trennung von Kirche und Staat, S. 216, gleichfalls ohne Beleg. Den Protokollen sowie den allerdings nur verkürzt wiedergegebenen Ausführungen des Antragstellers Blum (in: Droysen, Verhandlungen, S. 12) läßt sich zwar nicht ohne weiteres entnehmen, daß § 148 PKV vor dem Hintergrund des Kniebeugungsstreits zu sehen ist Vielmehr knüpft dessen Formulierung vermutlich (auch) an Art. 15 der belgischen Verfassung von 1831 an ("Nul ne peut être contraint de concourir d'une manière quelconque aux actes et aux cérémonies d'un culte ni d'en observer les jours de repos"), so Dietrich, Verhältnis von Staat und Kirche, S. 68. Aber es ist doch erkennbar, daß die Fassung der Religionsartikel sich an denjenigen Beeinträchtigungen der individuellen Religionsfreiheit orientierte, die im Vormärz das größte Aufsehen in Deutschland erregt hatten (vgl. Lempp, aaO). So bezog sich die Gewähr der Gründungsfreiheit von Religionsgemeinschaften in § 147 Abs. 3 PKV auf die Schwierigkeiten, die die sog. Deutschkatholiken in den Jahren nach 1844 in vielen deutschen Einzelstaaten hatten (dazu E.R.Huber % Dt. VerfGesch II, S. 265); die Verankerung der Zivilehe in § 150 PKV hatte ihren Beweggrund in dem Mischehenstreit vor allem in Preußen (dazu Huber, aaO, S. 185 ff.). Daher steht zu vermuten, daß der mit Verve ausgefoditene Kniebeugungsstreit durchaus zumindest eine Wurzel des § 148 PKV war. Immerhin erläuterte Anschütz noch 1912 die negative Religionsfreiheit anhand der Kniebeugung (Prß. Verf.-Urkunde, Komm., Art. 12 Erl. 4, S. 195).

. Vorgaben des Art. 140 GG i.V.m. Art. 1 1 WRV

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Dezember 1845 aufgehoben. 175 Beinahe zeitgleich wurden in Preußen die Soldaten katholischen Glaubens endgültig von der Pflicht befreit, den evangelischen Militärgottesdienst zu besuchen.176 Derartige Beeinträchtigungen der Religionsfreiheit im Bereich der Militärund Anstaltsseelsorge wollte die Paulskirchenversammlung für die Zukunft ausgeschlossen wissen.177 Dies galt namentlich für den zwangsweisen Kirchgang der Strafgefangenen. 178 Bedenken grundsätzlicher Art, vor allem mit Blick auf das ausgiebig diskutierte Prinzip der Trennung von Staat und Kirche, wurden hingegen nicht geäußert, obwohl zumindest die Gefängnisseelsorge in den Beratungen erwähnt wurde. 179 Somit deutet einiges darauf hin, daß die Paulskirche das organisatorische und finanzielle Engagement des Staates im Bereich der Militär- und Anstaltsseelsorge - es gab im übrigen auch schon 1848/49 verbeamtete Militärgeistliche 180 und staatliche besoldete Anstaltsgeistliche181 - nicht in Frage stellen wollte. 182 Die Obergrenze des zulässigen Staatshandelns wurde vielmehr erst durch den Schutz der negativen Religionsfreiheit gem. § 148 PKV gezogen. Nun wird man dem § 148 PKV kaum besondere Relevanz für die Interpretation des heutigen Art. 140 GG i.V.m. Art. 141 WRV zuerkennen können, da dessen Nachfolgenorm, der Art. 136 Abs. 4 WRV, nicht vor dem Hintergrund von Mißständen auf dem Gebiet der Militär- und Anstaltsseelsorge diskutiert

175 Zum Kniebeugungsstreit siehe E.R.Huber, Dt. VerfGesch II, S. 437 mit Nachweisen des zeitgenössischen Schrifttums auf S. 435. 17 6

Bleese, Militärseelsorge, S. 97.

177

Vgl. Lempp, Trennung von Kirche und Staat, S. 216.

1 7 8

Vgl. den Abg. Mittermaier Droysen, Aktenstücke, S. 203. 1 7 9

Vgl. Mittermaier

im Verfassungsausschuß der Paulskirchenversammlung, in:

aaO.

180

§ 21 der Prß. Militär-Kirchen-Ordnung vom 12.02.1832 (abgedruckt bei Huber/Huber, Staat und Kirche I, Nr. 265, S. 587 ff.). Eine eigenständige katholische Militärseelsorge für die preußische Armee wurde durch die Kabinettsordre vom 04.02.1848 ermöglicht, dazu Pohl, Katholische Militärseelsorge Preußens, S. 153 ff. Zur Militärseelsorge in den vierziger Jahren des 19. Jh. siehe ferner Bleese, Militärseelsorge, S. 85 ff. 181

In Preußen übernahm der Staat ab 1832 die Besoldung der Anstaltsgeistlichen, die privatrechtlich von der Rheinisch-Westfälischen Gefängnisgesellschaft, einem freien Träger, verpflichtet waren. Nach 1852 wurden die Anstaltsgeistlichen als Staatsbeamte bestellt. Dazu Brandt, Ev. Strafgefangenenseelsorge, S. 100; siehe ferner Alerti , Strafanstaltsseelsorge, S. 92, 108, und Voigts, in: Kleinert (Hrsg.), Strafvollzug, S. 113 (115). 182 Eine ausdrückliche Gewährleistung der Militär- und Anstaltsseelsorge war nicht nötig, da deren Zulässigkeit und Legitimität 1848/49 - anders als 1919 - von niemandem bezweifelt wurde.

1

Die Verfassungsmäßigkeit der Militärseelsorge

wurde. Aber der Weimarer Verfassungsgeber knüpfte durch die Zwangsverbotsklausel des Art. 141 a.E. WRV an den Schutzgehalt des § 148 PKV an: Wie die Paulskirche billigte auch die Weimarer Nationalversammlung das staatliche Engagement, solange die (negative) Religionsfreiheit nicht beeinträchtigt wird. d) Zusammenfassung der historischen Interpretation des Art. 141 WRV: Mindeststandard, nicht Obergrenze Nach dem Willen des Weimarer Verfassungsgebers war die vorgefundene Form der Militär- und Anstaltsseelsorge trotz der zurückhaltenden Formulierung des ATL 141 WRV verfassungsmäßig. Der Staat sollte zwar nicht länger verpflichtet sein, sich in diesem Bereich finanziell und organisatorisch zu engagieren; einem freiwilligen Engagement sollte Art. 141 WRV aber nicht entgegenstehen. Die Obergrenze staatlichen Handelns wurde, wie schon in § 148 des Verfassungsentwurfs der Paulskirche, erst durch den Schutz der negativen Religionsfreiheit gem. Art. 141 a.E. WRV gezogen. Dementsprechend wurde in Weimar - mit Billigung der Staatsrechtslehre - die staatlich eingerichtete Militär- und Anstaltsseelsorge fortgeführt. Im Parlamentarischen Rat wurde der Aspekt der Militär- und Anstaltsseelsorge nicht erörtert Erkennbar ist jedoch der Wille, grundsätzlich in allen staatskirchenrechtlichen Belangen an den Weimarer Rechtszustand anzuknüpfen. Es bestehen keine Anhaltspunkte dafür, daß bei der Militär- oder Anstaltsseelsorge von diesem Grundsatz abgewichen werden sollte. Die historische Interpretation führt mithin zu dem Ergebnis, daß Art 140 GG i.V.m. Art. 141 WRV den Mindeststandard, nicht aber die Obergrenze zulässigen Staatshandelns beschreibt, somit aktiven staatlichen Vorkehrungen auf dem Gebiet der Militär- oder Anstaltsseelsorge, die über ein schlichtes "Zulassen" der Religionsgemeinschaften hinaus reichen, nicht im Wege steht. 3. Systematische Interpretation

Möglicherweise lassen sich im Wege der systematischen Interpretation weitere Anhaltspunkte zur Beantwortung der Frage gewinnen, ob Art 141 WRV restriktiv, d.h. im Sinne einer Obergrenze, oder extensiv, d.h. im Sinne einer Mindestgarantie, zu interpretieren ist. Von maßgeblicher Bedeutung ist dabei die Stellung des Art. 141 WRV im Gesamtgefüge des grundgesetzlichen Staatskirchenrechts. Daneben könnte ein Vergleich mit den landesverfassungsrechtlichen Parallelnormen zu Art 140 GG i.V.m. Art. 141 WRV aufschlußreich sein.

1

. Vorgaben des Art. 140 GG i.V.m. A r t 1 1 WRV

a) Art. 141 WRV im staatskirchenrechtlichen des Grundgesetzes

Gesamtgefüge

Das staatskirchenrechtliche System des Grundgesetzes setzt sich aus einigen Zentralnormen und einer Reihe von flankierenden Detailvorschriften zusammen. Da Art 141 WRV selbst eine staatskirchenrechtliche Detailfrage regelt, soll zunächst ein Blick auf andere konkrete staatskirchenrechtliche Anweisungen der Verfassung geworfen werden. aa) Vergleich mit den übrigen grundgesetzlichen Handlungsanweisungen für staatliches Engagement im religiösen Bereich Von besonderem Interesse ist dabei ein Vergleich des Art 141 WRV mit den übrigen verfassungsrechtlichen Handlungsanweisungen für staatliches Engagement im religiösen Bereich. Dabei kennt das Grundgesetz sowohl Gebots- als auch Verbotsnormen. ( 1 ) Normen mit Handlungsgeboten Zunächst gibt es eine Gruppe von ausdrücklichen Handlungsgeboten. Zu nennen sind vor allem die Einrichtungsgarantien 183 der Art 7 Abs. 3 - 5 GG und Art 138 Abs. 2 WRV, aus denen dem Staat gewisse Sicherungs- und Förderungspflichten erwachsen: -

Nach Art 7 Abs. 3 GG ist der Religionsunterricht in den öffentlichen Schulen mit Ausnahme der bekenntnisfreien Schulen ordentliches Lehrfach. Der Religionsunterricht ist deshalb in den Unterrichtsplan einzustellen; für seine Einrichtung, insbesondere für die Sach- und Personalkosten müssen die staatlichen Schulträger aufkommen. 184

-

Private Schulen gem. Art. 7 Abs. 4 und 5 GG stehen häufig in kirchlicher Trägerschaft. Der Staat ist bei Vorüegen bestimmter Voraussetzungen verpflichtet, derartige Schulen zuzulassen; darüber hinaus folgt aus den Art. 7 Abs. 4 und 5 GG eine staatliche Förderungspflicht. 185 183

Zum Begriff der Einrichtungsgarantie siehe Stern, StaatsR I I I / l , § 68 I I 4, S. 791.

18 4

Maunz, in: Maunz/Dürig, GG, Komm., Art. 7 Rdnr. 48c; Hemmrich, in: v. Münch/Kunig, GG, Komm., Art. 7 Rdnr. 28; Stern, StaatsR I I I / l , § 68 IV 3, S. 800 rnw.N. 185 BVerfGE 75, 40 (62, 65, 67 f.); NVwZ 1994, 886 f.; NVwZ 1994, 889 (890); Maunz, in: Maunz/Dürig, GG, Komm., Art. 7 Rdnr. 86a; Stern, StaatsR III/l, § 68 I V 3, S. 802 f. m.w.N.; Robbers, HdbStKirchR I, 2. Aufl., 867 (875); Zum Umfang der Förderungspflicht näher Müller, Das Recht der freien Schule nach dem Grundgesetz, S. 383 ff., insb. 429 ff.

10 Ennuschat

16

-

Die Verfassungsmäßigkeit der Militärseelsorge

Gem. Art. 138 Abs. 2 WRV sind das Eigentum und die anderen Rechte der Religionsgemeinschaften und religiösen Vereine an ihren für Kultus-, Unterrichts- und Wohltätigkeitszwecke bestimmten Anstalten, Stiftungen und sonstigen Vermögen gewährleistet.186

Neben den Einrichtungsgarantien sind noch Art. 137 Abs. 6 WRV und Art. 141 WRV anzuführen: -

Aus Art. 137 Abs. 6 WRV resultiert die Pflicht des Staates, die Voraussetzungen der hoheitlichen Beitreibung der Kirchensteuern durch Erlaß entsprechender Gesetze zu schaffen und dabei die Möglichkeit einer zwangsweisen Beitreibung vorzusehen.187

-

Aus Art. 141 WRV folgt über die Pflicht zur bloßen Duldung der religiösen Betreuung von Soldaten und Anstaltsangehörigen innerhalb des militärischen Bereichs bzw. Anstaltsbereichs hinaus zumindest die weitere Pflicht, diese Betreuung durch Bereitstellung von Räumlichkeiten etc. zu ermöglichen. 188 (2) Normen mit Handlungsverboten

Neben den Handlungsgeboten werden dem Staat im Grundgesetz auch einige ausdrückliche Handlungsverbote auferlegt: -

Gem. Art. 7 Abs. 3 S. 3 GG darf der Staat keinen Lehrer gegen dessen Willen verpflichten, Religionsunterricht zu erteilen.

-

Nach Art. 136 Abs. 3 S. 1 WRV ist dem Staat grundsätzlich die Frage nach der Religionszugehörigkeit verwehrt. 189

-

Gem. Art. 136 Abs. 4 WRV darf der Staat niemanden zur Teilnahme an einer kirchlichen Handlung oder Feierlichkeit oder religiösen Übung oder zur Benutzung einer religiösen Eidesform zwingen.190

186 Zur Einordnung des Art. 138 Abs. 2 WRV als Einrichtungsgarantie siehe Stern, StaatsR I I I / l , § 68 IV 10, S. 830 ff. mw.N. 187

v. Campenhausen, in: v. Mangoldt/Klein, GG, Komm., Art. 140/137 WRV Rdnr. 187. Die zumeist staatliche Kirchensteuerverwaltung, d.h. die Einziehung der Kirchensteuer durch die staatlichen Finanzämter wird nicht durch Art. 137 Abs. 6 WRV garantiert; der Staat läßt sich diese Verwaltungshilfe im übrigen vergüten. Dazu v. Campenhausen, aaO, Rdnr. 209; Marré , Kirchenfinanzierung, S. 42. 1 8 8 Dies konzedieren selbst diejenigen Autoren, die Art. 141 W^RV als Obergrenze zulässigen Staatshandelns verstehen, so etwa Fischer, Volkskirche ade! Trennung von Staat und Kirche, 4. Aufl., S. 146. 1 8 9

Siehe näher unten 3. Teil D 11 b.

. Vorgaben des Art. 140 GG i.V.m. Art. 1 1 WRV

1

-

Durch Art. 137 Abs. 3 S. 2 WRV ist es dem Staat untersagt, an der kirchlichen Ämterverleihung mitzuwirken. 191

-

Art 141 a.E. WRV enthält in Ergänzung zu Art. 136 Abs. 4 WRV ein Verbot, staatlichen Zwang im Bereich der Militär- und Anstaltsseelsorge auszuüben.192

-

Schließlich normieren die Art 3 Abs. 3, 33 Abs. 3 GG, Art 136 Abs. 1 und 2 WRV ein Differenzierungsverbot für den Staat: Er darf niemanden wegen seines Glaubens bevorzugen oder benachteiligen und staatsbürgerliche Rechte und Pflichten sowie den Zugang zu Staatsämtern nicht an eine Religionszugehörigkeit knüpfen. 193 (3) Normbereiche ohne ausdrückliche Handlungsanweisungen

Durch diese ausdrücklichen Handlungsanweisungen in Form von Geboten und Verboten werden dem Staat nur äußerste Grenzen gezogen, wird aber bei weitem nicht das gesamte Feld möglicher Staatsaktivitäten im religiösen Bereich erfaßt. Dies gilt insbesondere für die Militär- und Anstaltsseelsorge. Zwar enthält Art 141 WRV sowohl das Gebot, die kirchliche Betreuung innerhalb von Bundeswehr und Anstalten zu dulden, als auch das Verbot, insoweit irgendwelchen Zwang auszuüben. Zwischen diesen äußersten Grenzen könnte dem Staat aber ein beträchtlicher Handlungsspielraum eröffnet sein, der von der schlichten Duldung bis zur intensiven Förderung der Seelsorge in diesem Bereich reichen könnte. Fraglich ist daher, ob das Grundgesetz dem Staat in Bereichen mit religiösem Bezug einen Handlungsspielraum einräumt, wenn es weder ein ausdrückliches Gebot noch Verbot bereithält. Die Kritiker der Militärseelsorge verneinen dies. 194 Hintergrund dieser Ansicht ist die Prämisse strikter Trennung von Staat und Kirche: Jede staatliche Aktivität im religiösen Bereich sei eine Durchbrechung des Trennungsgrundsatzes und damit eine Verfassungsanomalie. Sie bedürfe mithin zu ihrer Rechtfertigung eines ausdrücklichen verfassungsrechtlichen Ausnahmetatbe-

1 9 0

Siehe näher unten 3. Teil D I a aa.

191

Siehe näher unten 3. Teil E.

1 9 2

Siehe oben 3. Teil Β III 1 und unten 3. Teil D 11 a aa.

193

Dazu unten 3. Teil H.

1 9 4

Vgl. die die folgenden Nachweise.

Die Verfassungsmäßigkeit der Militärseelsorge

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standes; anderenfalls sei sie unzulässig.195 Derartige Ausnahmen würden lediglich in den Art. 7 Abs. 3, 4 und 5 GG, Art. 137 Abs. 6 WRV angeordnet. 196 Während diese Normen ausdrücklich ein aktives staatliches Engagement im religiösen Bereich anordneten, reiche der Wortlaut des Art 141 WRV ersichtlich weniger weit; er beschreibe nur eine passive Rolle des Staates. Eine über den Wortlaut hinausreichende Auslegung sei mit Blick auf das Trennungsgebot nicht möglich. 197 Staatliche Aktivitäten im Bereich der Militär· und Anstaltsseelsorge könnten sich daher auf keinen verfassungsrechtlichen Rechtfertigungstatbestand stützen. Dieser Ansicht ist zuzugeben, daß die Reichweite des Handlungsgebotes in Art. 141 WRV in der Tat weit hinter der des Gebotes etwa in Art. 7 Abs. 3 GG zurückbleibt. Daraus folgt jedoch zunächst lediglich, daß die Verfassung für die Militär- und Anstaltsseelsorge, anders als für den Religionsunterricht, die Privatschulen und das kirchliche Vermögen, offenbar keine Einrichtungsgarantie bereithält. Dieses Ergebnis deckt sich im übrigen mit der Entstehungsgeschichte des Art. 141 WRV, wonach der Staat schon aus finanziellen Erwägungen nicht zur Einrichtung einer Militärseelsorge verpflichtet sein sollte. 198 Die weitergehende Folgerung der Kritiker der Militärseelsorge, Art 141 WRV rechtfertige, da er diesbezüglich ein ausdrückliches Gebot nicht enthalte, keine staatlichen Aktivitäten, begegnet indessen einigen Bedenken. Diese Auffassung gelangt zu einer Zweiteilung in bezug auf das staatliche Handeln auf religiösem Gebiet: Dieses sei generell verboten, soweit es nicht ausdrücklich geboten sei. Ob das Grundgesetz eine derartige Zweiteilung intendiert, ist allerdings zumindest zweifelhaft, da die genannten zahlreichen speziellen Verbotsnormen bei Annahme eines generellen Handlungsverbotes überflüssig wären und allenfalls deklaratorische Bedeutung hätten. Insoweit liegt eine Dreiteilung in folgendem Sinne näher: Soweit nicht ein ausdrückli-

195 So vor allem Fischer, Volkskirche ade! Trennung von Staat und Kirche, 4. Aufl., S. 146; Renck, BayVBl. 1988, 225 (229). Vgl. ferner Jarass, in: Jarass/Pieroth, GG, Komm., 1. Aufl., Art. 4 Rdnr. 27; Preuß, in: Alternativkommentar, GG, Art. 140 Rdnr. 41; W.Huber, Kirche und Öffentlichkeit, S. 268, 270; Müller, DuR 1976, 175 (177). 196 Preuß, in: Alternativkommentar, GG, Art. 140 Rdnrn. 41, 71; Fischer, Trennung von Staat und Kirche, 3. Aufl., S. 164; ders., NJW 1988, 879; W.Huber, Kirche und Öffentlichkeit, S. 270; Müller, DuR 1976, 175 (177); Renck, BayVBl. 1988, 225 (229, 231); ders., NJW 1989, 2442 (2445). 1 9 7

Siehe insbesondere Fischer, Trennung von Staat und Kirche, 3. Aufl., S. 251, 255; Renck, BayVBl. 1988, 225 (229). Vgl. auch Preuß, in: Alternativkommentar, GG, Art 140 Rdnr. 71; Bamberg, Militärseelsorge, S. 69; Breyvogel, Club Voltaire IV (1970), 312 (319). 1 9 8

Siehe oben 3. Teil Β III 2 b aa (2).

. Vorgaben des Art. 140 GG i.V.m. Art. 1 1 WRV

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ches Gebot (1.) oder Verbot (2.) vorliegt, ist dem Staat innerhalb dieser Grenzen ein Handlungsspielraum eröffnet (3.). Von vorneherein ausgeschlossen ist die Richtigkeit der Zweiteilung freilich nicht, zumal das Grundgesetz durchaus Normen enthält, denen unbestritten kaum eigenständige Bedeutung zukommt.199 Von maßgeblicher Bedeutung ist mithin die Frage, ob sich aus dem Grundgesetz ein generelles Handlungsverbot des Staates im religiösen Bereich ableiten läßt. bb) Verhältnis zu Art. 137 Abs. 1 WRV und zu Art. 4 GG Dies wäre der Fall, wenn die von den Kritikern der Militärseelsorge behauptete Prämisse strikter Trennung von Staat und Kirche zuträfe. Gestützt wird diese Prämisse vor allem auf das Staatskirchenverbot des Art 137 Abs. 1 WRV und die Religionsfreiheit gem. Art. 4 Abs. 1 und 2 GG. 200 Ob der Herleitung des Grundsatzes strenger Trennung zugestimmt werden kann, ist erst nach eingehender Analyse der beiden Artikel zu beantworten. Deren Auslegung dirigiert damit zugleich die Interpretation des Art. 141 WRV. Angesichts der besonderen Bedeutung, die die Art. 137 Abs. 1 WRV und Art 4 GG im staatskirchenrechtlichen System des Grundgesetzes einnehmen, soll deren Analyse nicht im Rahmen der (systematischen) Interpretation des Art. 141 WRV erfolgen, sondern Gegenstand einer gesonderten Untersuchung sein (unten C und D). b) Vergleich des Art. 140 GG i.V.m. Art. 141 WRV mit den landesverfassungsrechtlichen Parallelnormen Neben dem Grundgesetz enthalten auch die meisten Landesverfassungen staatskirchenrechtliche Festsetzungen einschließlich der Gewährleistung der Anstaltsseelsorge.201 1 9 9

So ist beispielsweise Art. 141 a.E. W R V angesichts von Art. 136 Abs. 4 WRV überflüssig, wobei der Inhalt von Art. 136 Abs. 4 WRV seinerseits bereits von Art. 4 Abs. 1 und 2 GG erfaßt ist (dazu v. Campenhausen, in: v.Mangoldt/Klein, GG, Komm., Art. 140/136 WRV Rdnr. 41). Entsprechendes gilt für Art. 136 Abs. 2 WRV im Verhältnis zu Art. 33 Abs. 3 GG (vgl. v. Campenhausen, aaO, Rdnr. 13). 2 0 0 So vor allem Fischer, Trennung von Staat und Kirche, 3. Aufl., S. 50, 169; RencK BayVBl. 1988, 225 (228). Vgl. ferner Jarass, in: Jarass/Pieroth, GG, Komm., 1. Aufl., Art. 4 Rdnrn. 3, 27; Preuß, in: Alternativkommentar, GG, Art. 140 Rdnr. 71; Bamberg, Militärseelsorge, S. 68; Breyvogel Club Voltaire I V (1970), 312 (319). 2 0 1

Die Verfassungen von Berlin vom 01.09.1950 (VOB1. S. 433), Hamburg vom 06.06.1952 (GVB1. S. 117), Niedersachsen vom 26.5.1993 (GVB1. S. 107; dasselbe galt für die "Vorläufige Verfassung" vom 13.04.1951 [GVB1. S. 103]) und Schleswig-Holstein vom 13.12.1949 (GVB1.

1

Die Verfassungsmäßigkeit der Militärseelsorge

Das Verhältnis dieser landes verfassungsrechtlichen Normen zu Art. 141 WRV i.V.m. Art 140 GG ergibt sich aus der Kollisionsregelung der Art 31, 142 GG: Danach werden inhaltsgleiche landesverfassungsrechtliche Verbürgungen von Grundrechten nicht nach Art. 31 GG gebrochen, sondern bleiben in Kraft. Dabei ist Art. 142 GG in dreifacher Hinsicht zu erweitern. Erstens betrifft seine Regelung nicht nur landesverfassungsrechtliche Grundrechte, sondern das gesamte Landesverfassungsrecht; 202 zweitens ist Art 142 GG über seinen Wortlaut ("bleiben") hinaus auch für nach Inkrafttreten des Grundgesetzes geschaffene Landesverfassungen anzuwenden;203 und drittens gilt dies nicht nur bei Inhaltsgleichheit, sondern auch für Landesverfassungsrecht, das ohne Widerspruch zum Grundgesetz einen weiterreichenden Schutz gewährleistet.204 Vor diesem Hintergrund können sich daher aus einem Vergleich der landesverfassungsrechtlichen Parallelnormen mit Art. 141 WRV Hinweise für die Interpretation letztgenannter Vorschrift ergeben. Dies gilt vor allem mit Blick auf Landesverfassungen, die erst nach Erlaß des Grundgesetzes geschaffen wurden. Insoweit ist zu erwarten, daß die Landesverfassungsgeber bei der Ausgestaltung der Anstaltsseelsorge nicht von zwingenden Vorgaben des Grundgesetzes abweichen wollten. Aufschlußreich können jedoch auch die vor dem 23.05.1949 erlassenen Landesverfassungen sein, da sie die vom Grundgesetzgeber vorgefundene Praxis der Anstaltsseelsorge normierten und darauf hinweisen, wie Art. 141 WRV in den Jahren nach 1945 interpretiert wurde.

1950 S. 3) enthalten keine staatskirchenrechtliche Regelungen, sieht man einmal von der Gewährleistung der Religionsfreiheit in Art. 20 Abs. 1 berl.Verf und in Art. 3 Abs. 2 nieders.Verf i.V.m. Art. 4 Abs. 1 und 2 GG ab. 2 0 2 Insoweit unstreitig seit BVerfGE 36, 342 (343, 367). Vgl. nur Pietzcker, HdbStR IV, § 99 Rdnr. 39; speziell für das Staatskirchenrecht siehe BayVerfGH, BayVBl. 1958, 144; Stern, StaatsR III/2, § 93 V 5, S. 1463; Meder, Bay.Verf, Komm., vor Art. 142 Rdnr. 1; Winkelmann, DVB1. 1991, 791 (793). Nach verbreiteter Ansicht wird darüber hinaus auch das einfache Landesrecht im Falle der Inhaltsgleichheit mit Bundesrecht nicht nach Art. 31 GG gebrochen; so etwa Maunz, in: Maunz/Dürig, GG, Komm., Art. 31 Rdnr. 14 und Stern, StaatsR I, § 19 III 7, S. 722. 2 0 3

Bd-wtt.StGH, VB1BW 1956, 153; v.Campenhausen, in: v.Mangoldt/Klein, GG, Komm., Art. 142 Rdnr. 5; Maunz, in: Maunz/Dürig, GG, Komm., Art. 142 Rdnr. 6. 2 0 4 Hess.StGH, ESVGH 32, 1 (9); BayObLG, BayVBl. 1970, 263 (264); Maunz, in: Maunz/Dürig, GG, Komm., Art. 142 Rdnr. 14; Stern, StaatsR I, § 19 III 7, S. 722 (Fußn. 487). Dies schließt freilich nicht aus, daß das Landesverfassungsrecht durch einfaches Bundesrecht gebrochen werden kann, vgl. BVerfGE 1, 264 (281); Stern, StaatsR III/2, § 93 V I 1, S. 1464 f.

. Vorgaben des Art. 140 GG i.V.m. Art. 1 1 WRV

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aa) Landesverfassungen vor Erlaß des Grundgesetzes Bemerkenswert ist die Gewährleistung der Anstaltsseelsorge in Art 48 der rheinland-pfälzischen Verfassung vom 18.05.1947 (VOB1. S. 209): (1) In Krankenhäusern, Strafanstalten und sonstigen öffentlichen Anstalten und Einrichtungen ist den Kirchen und Religionsgesellschaften Gelegenheit zur Vornahme von Gottesdiensten und Ausübung der geordneten Seelsorge zu geben. (2) Für die entsprechenden Voraussetzungen ist Sorge zu tragen. Anders als in Art. 141 WRV, wo dem Staat dem Wortlaut nach nur Duldungspflichten auferlegt werden, ist der Staat in Art. 48 Abs. 2 rh-pf.Verf zu gewissen Aktivitäten von Verfassungs wegen verpflichtet. Ähnliches gilt für Art. 33 Abs. 2 der württemberg-badischen Verfassung vom 24.11.1946 (RegBl. S. 277), der den Staat ausdrücklich zu förderndem Engagement anhält: Die freie Religionsausübung in den öffentlichen Krankenhäusern, Wohlfahrts- und Fürsorgeanstalten sowie in den Strafanstalten wird geschützt und gefördert. Art und Ausmaß der Förderung werden weder in Art. 48 Abs. 2 rh-pf.Verf noch in Art. 33 wtt-bd.Verf festgelegt. Deren Bestimmung sollte offenbar Zweckmäßigkeitserwägungen des Staates in Absprache mit den Kirchen überlassen bleiben. Beide Länder verständigten sich mit den Kirchen auf die Fortführung der staatlich finanzierten Anstaltsseelsorge und auf die weitere Verbeamtung der Anstaltsgeistlichen.205 Fraglich ist, was daraus folgt, daß sich die Landesverfassungsgeber in Rheinland-Pfalz, in Württemberg-Baden und ähnlich auch in Baden206 bei der Gewährleistung der Anstaltsseelsorge nicht an Art. 141 WRV orientierten, sondern das fördernde Engagement des Staates in diesem Bereich ausdrücklich festschrieben. Möglicherweise deutet dies daraufhin, daß sie den Art. 141 WRV als Sperre für staatliche Aktivitäten verstanden. Es liegt allerdings näher, daß sie weniger die Berechtigung des staatlichen Engagements durch die Formulierung des Art. 141 WRV in Frage gestellt sahen, sondern vielmehr 2 0 5 Vgl. Nebinger, Wtt-bd.Verf, Komm., Art. 33 Erl. 6. In Rheinland-Pfalz galt für Teile des Landes der (bayerische) Kirchenvertrag mit der pfälzischen Landeskirche vom 15.11.1924 (bay.GVBl. 1925 S. 65), dessen Art. 11 Abs. 1 S. 1 die Möglichkeit der staatlichen Anstellung der Anstaltsgeistlichen vorsah. Entsprechendes wurde in Art. 21 des rheinland-pfälzischen Kirchenvertrages vom 31.03.1962 vereinbart; dazu Schwarz, Rh-pf. Kirchenvertrag, S. 198. 2 0 6 Art. 35 Abs. 3 S. 2 der badischen Verfassung vom 22.05.1947 (RegBl. S. 129); dazu Hollerbach, FS Broermann, 773 (792).

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Die Verfassungsmäßigkeit der Militärseelsorge

eine über den Regelungsgehalt des Art. 141 WRV hinausreichende Verpflichtung in der Verfassung verankern wollten. Dafür spricht zudem, daß beide Verfassungen in einem ausgesprochen kirchenfreundlich gestimmten Umfeld geschaffen wurden und daher, schon angesichts der Erfahrungen des Kirchenkampfes im Dritten Reich, Wünschen nach Verfestigung kirchlicher Rechtspositionen in weitem Umfang nachkamen.207 Aufschlußreich ist ferner ein Vergleich mit Art 42 der saarländischen Verfassung vom 15.12.1947 (ABl. S. 1077), der mit Art 48 Abs. 1 rh-pf.Verf fast wortgleich übereinstimmt, ohne jedoch eine Art 48 Abs. 2 rh-pf.Verf entsprechende Verpflichtung zu normieren. 208 Aus der Entstehungsgeschichte ergibt sich allerdings, daß zunächst eine vergleichbare Regelung vorgesehen war. 209 Diese wurde später gestrichen, da man sie für überflüssig hielt. 210 Aus dem Fehlen einer ausdrücklichen verfassungsrechtlichen Verankerung der Berechtigung oder sogar Verpflichtung zu aktiven Vorkehrungen des Staates im Bereich der Anstaltsseelsorge kann daher nicht auf die Unzulässigkeit dieser Aktivitäten geschlossen werden. Dies gilt nicht nur für das Saarland, sondern, wie im folgenden gezeigt werden soll, auch für die übrigen Bundesländer. Besonders deutlich wird dies am Beispiel der bayerischen Landesverfassung vom 02.12.1946 (GVB1. S. 333). Art 148 bay.Verf entspricht bis auf das Fehlen des Merkmals "Heer" wörtlich dem Art 141 WRV. In den Beratungen wurde Art 141 WRV ausdrücklich als Regelungsvorbild hervorgehoben; die sachliche Kontinuität der Anstaltsseelsorge sollte betont werden. 211 Insbesondere knüpfte der bayerische Verfassungsgeber an die bayerischen Kirchenverträge von 1924 an, 212 die auch nach dem zweiten Weltkrieg in Kraft blieben. In diesen Verträgen hatte sich Bayern verpflichtet, 2 0 7

Vgl. Schwarz, Rh-pf. Kirchenvertrag, S. 33.

2 0 8

Art. 42: "In Krankenhäusern, Strafanstalten und sonstigen öffentlichen Anstalten und Einrichtungen ist den Kirchen und Religionsgemeinschaften Gelegenheit zu geben, Gottesdienste zu halten und eine geordnete Seelsorge zu üben." 2 0 9 "Die Leitung der Anstalten ist verpflichtet, im Einvernehmen mit den betreffenden Religionsdienern für die entsprechenden Voraussetzungen Sorge zu tragen."; wiedergegeben bei Stöber, Saarl. Verfassung, S. 34. 2 1 0

So das Mitglied der Verfassungskommission Levy, in: Stöber, Saarl. Verfassung, S. 271. Zuvor hatte der Vertreter der CVP die später gestrichene Regelung begrüßt, während der sozialdemokratische Vertreter lediglich stilistische Mängel rügte (Protokolle wiedergegeben bei Stöber, aaO, S. 233). 2 1 1 So der Berichterstatter Schwalber, Stenographische Berichte über die Verhandlungen des Verfassungsausschusses der Bayerischen Verfassungsgebenden Landesversammlung, Bd. I, S. 287 (zitiert nach v.Busse, Gemeinsame Angelegenheiten, S. 221). 2 1 2

Nawiasky/Leusser,

Bay.Verf, Komm., 1. Auflage, vor Art. 142 (S. 221), Art. 148 (S. 229).

. Vorgaben des Art. 140 GG i.V.m. Art. 1 1 W R V

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"... in seinen Straf-, Pflege-, Erziehungs- und Krankenanstalten, sei es durch Anstellung eigener Geistlicher oder auf andere zweckmäßige Weise auf seine Kosten eine entsprechende Seelsorge einzurichten". 213 Dieser Pflicht kam der Freistaat auch nach 1945 durch die Verbeamtung der (hauptamtlichen) Anstaltsgeistlichen nach, wodurch er die Praxis der Weimarer Zeit fortsetzte. Der bayerische Verfassungsgeber ging also 1946 davon aus, daß Art 148 bay.Verf und damit auch Art. 141 WRV die staatliche Finanzierung der Anstaltsseelsorge und die Verbeamtung der Anstaltsgeistlichen zuließen. Auch in Hessen214 und Bremen 215 , deren verfassungsrechtliche Gewährleistungen der Anstaltsseelsorge sich an die Formulierungen an Art 141 WRV anlehnen, wurden finanzielle und organisatorische Aktivitäten im Bereich der Anstaltsseelsorge als verfassungskonform betrachtet.216 Bis heute gibt es in Bayern, Bremen und Rheinland-Pfalz verbeamtete Gefängnisgeistliche. 217 In Hessen und im Saarland stehen die Anstaltspfarrer zwar im kirchlichen Dienst, jedoch zum Land in einem "Rechtsverhältnis besonderer Art" (so in Hessen) resp. "Beschäftigungsverhältnis besonderer Art" (so im Saarland); das Land trägt jeweils die Kosten.218

2 1 3 Art 11 Abs. 1 S. 1 des Konkordates mit dem Heiligen Stuhl vom 29.03.1924 (GVB1. 1925 S. 53); Art. 17 Abs. 1 S. 1 des Vertrages mit der ev.-luth. Kirche Bayerns rechts des Rheins vom 15.11.1924 (GVB1. 1925 S. 61); Art. 17 Abs. 1 S. 1 des Vertrages mit der Pfälzischen Landeskirche vom 15.11.1924 (GVB1. 1925 S. 65). 2 1 4 Art. 54 der hessischen Verfassung vom 01.12.1946 (GVB1. S. 229): "Soweit das Bedürfnis nach Gottesdienst und Seelsorge in Krankenhäusern, Strafanstalten und sonstigen öffentlichen Anstalten besteht, sind die Kirchen, Religions- und Weltanschauungsgemeinschaften zu religiösen Handlungen zuzulassen. Dabei hat jeder Zwang zu unterbleiben." 2 1 5 Art. 62 der bremischen Verfassung vom 21.10.1947 (GBl. S. 251): "Soweit in öffentlichen Krankenhäusern, Strafanstalten oder sonstigen öffentlichen Anstalten der Wunsch nach Gottesdienst und Seelsorge geäußert wird, sind die Kirchen, Religions- und Weltanschauungsgemeinschaften zuzulassen. Dabei hat jede Art von Nötigung zur Teilnahme zu unterbleiben." Diese Bestimmung ist trotz des etwas abweichenden Wortlauts inhalts- und deckungsgleich mit Art. 141 WRV; so Meyer-Arndt, HdbBremVerf, S. 254 (255); Spitta , BremVerf, Komm., Erl. zu Art 62, S. 133. 2 1 6

Vgl. Zinn/Stein,

Hess.Verf, Komm., Erstbearbeitung 1954, Art 54 Erl. 2.

2 1 7

Vgl. die Verwaltungsvereinbarungen über die katholische und die evangelische Seelsorge in den bayerischen Justizvollzugsanstalten (Essener Gespräche 23 [1989], 214) sowie die Richtlinien für den Dienst der evangelischen und katholischen Anstaltsseelsorge in den Justizvollzugsanstalten des Landes Rheinland-Pfalz vom 20.11.1975 (Essener Gespräche 23 [1989], 233). 91Ä Vgl. die Vereinbarungen über die evangelische und katholische Seelsorge in hessischen Justizvollzugsanstalten vom 19.10.1977 (JMB1. S. 709) i.d.F. vom 02.09.1986 (JMB1. S. 905 =

Die Verfassungsmäßigkeit der Militärseelsorge

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Eine Betrachtung der aus der Zeit vor Erlaß des Grundgesetzes stammenden landesverfassungsrechtlichen Gewährleistungen der Anstaltsseelsorge ergibt damit folgendes Bild: Zum Teil wird - abweichend von Art. 141 WRV - staatliches Engagement zur Förderung der Anstaltsseelsorge sogar ausdrücklich gefordert. Die übrigen Verfassungen lehnen sich zwar eng an die Formulierung des Art. 141 WRV an und teilen dem Staat dem Wortlaut nach lediglich eine passive Rolle zu. Aber es bestand kein Zweifel, daß der Staat zu darüber hinausreichenden Aktivitäten berechtigt sein sollte, zumal an die Weimarer Praxis der Anstaltsseelsorge angeknüpft werden sollte. Daraus wird ersichtlich, daß die Landesverfassungsgeber auch nach 1945 die Weimarer Interpretation des Art. 141 WRV bestätigten und sich diese zu eigen machten. Da unterstellt werden kann, daß dem Parlamentarischen Rat die landesverfassungsrechtlichen Regelungen der Anstaltsseelsorge sowie deren Umsetzung in der Praxis bekannt waren, 219 ist dies zugleich ein Indiz dafür, daß Art. 141 WRV auch unter der Geltung des Grundgesetzes im Sinne des Weimarer Verständnisses auszulegen ist. Anderenfalls wäre zu erwarten gewesen, daß in den Beratungen des Parlamentarischen Rates gegenteilige Hinweise zu finden wären. bb) Landesverfassungen nach Erlaß des Grundgesetzes Die meisten Länder hatten sich schon vor Erlaß des Grundgesetzes Verfassungen gegeben. 1950 folgten Berlin 220 und Nordrhein-Westfalen 221 , 1953 das neugebildete Bundesland Baden-Württemberg. 222 Während Art. 141 WRV primär auf die (Zulassungs-)Pflicht des Staates abstellt, stellt Art 20 der nordrhein-westfälischen Verfassung das (Zutritts-) Recht der Kirchen und Religionsgemeinschaften in den Vordergrund: 223 Die Kirchen und die Religionsgesellschaften haben das Recht, in Erziehungs-, Kranken-, Straf- und ähnlichen öffentlichen Anstalten gottesEssener Gespräche 23 [1989], 221) sowie für das Saarland die Vereinbarungen mit den Kirchen vom 22.07.1977/06.05.1982 (Essener Gespräche 23 [1989], 235). 2 1 9

Dafür spricht schon, daß einige Mitglieder des Parlamentarischen Rates zuvor bereits den Landesverfassungsgebern angehörten. 2 2 0

Verfassung vom 01.09.1950 (VOB1. S. 433), aber ohne staatskirchenrechtliche Bestim-

mungen. 2 2 1

Verfassung vom 28.06.1950 (GVB1. S. 127).

2 2 2

Verfassung vom 11.11.1953 (GBl. S. 173).

2 2 3

Durch die Inbezugnahme des Art. 140 GG in Art. 22 nw.Verf wird auch auf Art. 141 WRV verwiesen. Insoweit geht jedoch Art. 21 nw.Verf als lex specialis vor.

. Vorgaben des Art. 140 GG i.V.m. Art. 1 1 WRV

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dienstliche Handlungen vorzunehmen und eine geordnete Seelsorge auszuüben, wobei jeder Zwang fernzuhalten ist. In bezug auf den Wortsinn besteht jedoch kaum ein Unterschied zu Art. 141 WRV, da das kirchliche Zutrittsrecht mit der staatlichen Zulassungspflicht korrespondiert. Art. 20 nw.Verf ist so lediglich aus einem anderen Blickwinkel als Art. 141 WRV formuliert. Hintergrund sind die diktatorischen Beschränkungen der Anstaltsseelsorge im Dritten Reich, die den nordrheinwestfälischen Verfassungsgeber veranlaßten, das Recht der Kirchen zu betonen. 224 Wie ArL 141 WRV beschreibt auch Art 20 nw.Verf lediglich eine passive Rolle des Staates. Der nordrhein-westfälische Verfassungsgeber ging aber von der Zulässigkeit staatlich bestellter Anstaltsgeistlicher aus225 und wollte ohnedies an die Weimarer Rechtslage und Praxis sowie an Art. 28 RK anknüpfen. 226 Er teilte damit die Auffassung der Weimarer Staatspraxis, daß Art. 141 WRV staatliche Aktivitäten nicht verbiete. Zugleich war der nordrhein-westfälische Verfassungsgeber ausdrücklich der Ansicht, damit nicht im Widerspruch zur grundgesetzlichen Vorgabe des Art. 140 GG zu stehen.227 Dieser Einschätzung schloß sich drei Jahre später auch der baden-württembergische Verfassungsgeber an. Art. 5 bd-wtt.Verf verweist über Art 140 GG auf Art 141 WRV. Die Praxis der Verbeamtung der Anstaltsgeistlichen und der staatlichen Finanzierung der Anstaltsseelsorge aus der Weimarer Zeit, die in Württemberg-Baden, Württemberg-Hohenzollern und Baden fortgeführt wurde, wurde auch im neuen Land Baden-Württemberg nicht geändert. Offensichtlich hielt man diese Praxis also für vereinbar mit Art 140 GG i.V.m. Art. 141 WRV. 2 2 4 So der Abg. Scholtissek (CDU), VerfA, Steno. Berichte, S. 796 B. Die Fassung des Art. 20 nw.Verf geht auf einen Antrag der CDU-Fraktion vom 30.05.1950 zurück (LD Nr. 11-1777). Die SPD lehnte diesen Vorschlag zunächst ab und bevorzugte eine eng an Art. 141 WRV angelehnte Formulierung (Antrag vom 31.05.1950, L D Nr. 11-1803), um sicherzustellen, daß die Anstaltsseelsorge keinen Zwangscharakter erhält, zumal im Entwurf der CDU der Nachsatz, daß jeder Zwang fernzuhalten sei, zunächst fehlte (vgl. Jacobi, 1. Landtag, Steno. Berichte, S. 4892). Den Bedenken der SPD wurde durch die klarstellende (vgl. Hofmann [CDU], aaO, S. 4892) Einfügung jenes Passus Rechnung getragen. 2 2 5

Vgl. Abg. Hofmann (CDU), 1. Landtag, Steno. Berichte, S. 4879.

2 2 6

Vgl. Abg. Scholtissek (CDU), VerfA, Steno. Berichte, S. 796 B; Winkelmann, DVB1. 1991, 791 (795). 2 2 7

So insbesondere Scholtissek (CDU), VerfA, Steno. Berichte, S. 794 B; vgl. auch Menzel (SPD), aaO, S. 796 A, der meinte, ein Verzicht auf die Zwangsverbotsklausel verstoße gegen das Grundgesetz; im übrigen sah er im Entwurf der CDU zum späteren Art. 20 nw.Verf also keine Unvereinbarkeit mit Art. 140 GG. Ebenso Geller/Kleinrahm/Fleck, Verf. NW, Komm., 2. Aufl., Art. 20 Erl. 3 e.

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Die Verfassungsmäßigkeit der Militärseelsorge

Am Rande sei bemerkt, daß selbst die Verfassung der DDR vom 07.10.1949 (GBl. I S. 5) in Art. 46 eine Gewährleistung der Anstaltsseelsorge enthielt, die mit Ausnahme des Merkmals "Heer" sich fast wörtlich an Art. 141 WRV orientierte. Auch die DDR setzte die staatliche Anstellung und Finanzierung der Anstaltsgeistlichen fort, freilich mit zunehmenden Beschränkungen.228 Die beiden Landesverfassungen, die nach Erlaß des Grundgesetzes geschaffen wurden, bestätigten somit die Praxis der Anstaltsseelsorge der Weimarer Zeit und der ersten Jahre nach 1945. Dabei gingen die Verfassungsgeber davon aus, sich in Übereinstimmung mit der grundgesetzlichen Vorgabe des Art. 140 GG i.V.m. Art. 141 WRV zu befinden. Dies deutet darauf hin, daß Art 141 WRV unter der Geltung des Grundgesetzes weiterhin im Sinne der Weimarer Auslegung zu verstehen ist. Im übrigen gibt es in Nordrhein-Westfalen und in Baden-Württemberg bis heute verbeamtete Anstaltsgeistliche.229 cc) Landesverfassungen der neuen Bundesländer Die Landesverfassungen der neuen Bundesländer enthalten jeweils eine Gewährleistung der Anstaltsseelsorge. Überwiegend wird entweder auf Art. 140 GG 2 3 0 oder unmittelbar auf Art 141 WRV 2 3 1 verwiesen. Lediglich in Art 38 der brandenburgischen Verfassung vom 20.08.1992 (GVB1. I S. 298) wird eine von der textlichen Vorgabe des Art 141 WRV abweichende Fassung gewählt: In Heimen, Krankenhäusern, Strafanstalten und ähnlichen öffentlichen Einrichtungen sowie bei der Polizei sind Gottesdienste, Seelsorge und andere religiöse Handlungen der Kirchen und Religionsgemeinschaften nach Maßgabe der bestehenden Bedürfnisse zu ermöglichen. Der Staat ist in Brandenburg also zur Ermöglichung der Anstaltsseelsorge verpflichtet. Diese Pflicht kann sich in einem bloßen Nicht-Verhindern, d.h. in einem Zulassen im Sinne des Art 141 WRV, erschöpfen. Denkbar ist aber auch, daß dem Staat aus Art 38 brandenb.Verf darüber hinausgehende Pflich-

2 2 8

Siehe näher oben 2. Teil A I I 1.

990

Vgl. Allgemeine Richtlinien für den Dienst der evangelischen und katholischen Anstaltsseelsorger in den Vollzugsanstalten des Landes Baden-Württemberg (Essener Gespräche 23 [1989],211). 2 3 0

So in Art. 32 Abs. 5 der Verfassung von Sachsen-Anhalt vom 16.07.1992 (GVB1. S. 600) und Art. 40 der thüringischen Verfassung vom 29.10.1993 (GVB1. S. 625). ΛΟ 1

So in Art. 9 Abs. 1 der mecklenburg-vorpommerischen Verfassung vom 23.05.1993 (GVB1. S. 372) und Art. 109 Abs. 4 der sächsischen Verfassung vom 17.05.1992 (GVB1. S. 243).

. Vorgaben des Art. 140 GG i.V.m. Art. 1 1 WRV

1

ten zu aktiver Ermöglichung einer geordneten Anstaltsseelsorge erwachsen. Im letztgenannten Sinne wird Art. 38 brandenb.Verf in die Praxis umgesetzt: In Brandenburg wie in den übrigen neuen Bundesländern trägt der Staat die personellen und sachlichen Kosten der Seelsorge in den Justizvollzugsanstalten, wobei die Anstaltspfarrer im kirchlichen Dienst bleiben.232 Es darf unterstellt werden, daß den Landesverfassungsgebern in den neuen Bundesländern die gelegentlich geäußerten Zweifel an der Verfassungsmäßigkeit staatlichen Engagements im Bereich der Militär- und Anstaltsseelsorge bekannt waren, 233 zumal diese Zweifel im Gebot der Trennung von Staat und Kirche wurzeln. Gerade das Trennungsgebot war jedoch den neuen Bundesländern ein Anliegen: Es fand denn auch Eingang in die Verfassungen von Sachsen und Sachsen-Anhalt.234 Gleichwohl fehlt jede verfassungsgeberische Mißbilligung der von den neuen Ländern übernommenen westdeutschen Praxis der Anstaltsseelsorge. Daraus wird man schließen können, daß die Landesverfassungsgeber der neuen Bundesländer sich die Weimarer und Bonner Auslegung des Art 141 WRV zumindest in ihren Grundzügen zu eigen gemacht haben. Soweit sich die neuen Bundesländer gegen die Verbeamtung der Anstaltsgeistlichen entschieden, war dies nicht durch verfassungsrechtliche Erwägungen motiviert. 235 Schließlich sei noch auf Art. 14 Abs. 1 S. 3 und 4 der Verfassung von Berlin (Ost) vom 23.07.1990 (GVAB1. S. 1) hingewiesen: Einem Bedarf nach Gottesdienst und Seelsorge in öffentlichen Einrichtungen ist zu entsprechen. Es darf keinerlei Zwang auf die Freiheit der Wahl oder Ausübung einer Religion oder Weltanschauung stattfinden. Es ist freilich nicht Aufgabe des Staates, einem Bedarf nach Gottesdienst und Seelsorge zu entsprechen; dies ist ausschließlich Aufgabe der Kirchen und Religionsgemeinschaften.

2 3 2

Schreiben des Ministeriums der Justiz des Landes Brandenburg vom 03.01.1994, des Ministers für Justiz, Bundes- und Europaangelegenheiten des Landes Mecklenburg-Vorpommern vom 04.01.1994, des Sächsischen Staatsministeriums der Justiz vom 03.12.1993, des Ministeriums der Justiz des Landes Sachsen-Anhalt vom 24.11.1993, des Thüringer Justizministeriums vom 10.01.1994 an den Verfasser. - In diesem Sinne auch der Gefängnis-Seelsorge-Vertrag vom 24.03.1994 zwischen dem Land Sachsen-Anhalt und den betroffenen evangelischen Landeskirchen (ABl. EKD 1994 S. 480); dazu v.Campenhausen,, NVwZ 1995, 757 ff. 2 3 3

Dafür spricht schon, daß sich die Landes Verfassungsgeber des Beistandes westdeutscher Hochschullehrer der Rechtswissenschaft bedienten. 2 3 4

Art. 109 Abs. 2 S. 1 sächs.Verf; Art. 32 Abs. 1 S. 1 s. anh.Verf.

So ausdrücklich die in Fußn. 232 genannten Schreiben aus Brandenburg, Sachsen-Anhalt und Thüringen.

Die Verfassungsmäßigkeit der Militärseelsorge

1

dd) Zusammenfassung: Landesverfassungsrechtliche Billigung staatlichen Engagements im Bereich der Anstaltsseelsorge Die vor 1949 erlassenen Landesverfassungen machten sich die Weimarer Interpretation des Art 141 WRV zu eigen, d.h. sie billigten staatliche Aktivitäten auf dem Gebiet der Anstaltsseelsorge. Die Länder setzten die Weimarer Praxis der Anstaltsseelsorge daher fort. Der Parlamentarische Rat hat die Zulässigkeit dieser Praxis nicht in Frage gestellt. Die Landesverfassungsgeber nach Erlaß des Grundgesetzes mußten sich gem. Art. 31, 142 GG an die Vorgaben des Grundgesetzes halten. Gleichwohl bestätigten sie das staatliche Engagement auf dem Gebiet der Anstaltsseelsorge. Sie verstanden daher den Art. 141 WRV i.V.m. Art. 140 GG nicht als Sperre für staatliches Engagement. Dasselbe gilt schließlich für die Verfassungen der neuen Bundesländer. Dementsprechend unterstützen die weitaus meisten Bundesländer236 die Seelsorge in den Justizvollzugsanstalten durch Übernahme der Personal- und Sachkosten, sei es durch Verbeamtung der Geistlichen oder durch Zahlungen an die Kirchen für die im kirchlichen Dienst verbleibenden Anstaltsgeistlichen. Ein Vergleich des Art. 141 WRV mit den landesverfassungsrechtlichen Parallelnormen führt damit zu dem Ergebnis, daß die Landesverfassungsgeber die "Zulassung" gem. Art. 141 WRV i.V.m. Art. 140 GG nicht als Obergrenze zulässigen Staatshandelns verstanden. Vielmehr knüpften sie an das Weimarer Verständnis an, wonach dem Staat darüber hinausgehende Aktivitäten nicht untersagt seien. 4. Teleologische Interpretation des A r t 141 W R V

Art 140 GG i.V.m. Art 141 WRV dient der Sicherung der Religionsfreiheit in staatlich beherrschten Bereichen. Manche meinen, daß die individuelle Religionsfreiheit dann am besten gewährleistet sei, wenn sich der Staat in allen religiösen Angelegenheiten völlig zurückhalte.237 Dies spräche gegen aktive staatliche Vorkehrungen auf dem Gebiet der Militärseelsorge. Stellt 2 3 6 Neben des bisher genannten auch Schleswig-Holstein (Beamte) und Niedersachsen (z.T. Beamte, vgl. Nieders. Konkordat vom 26.02.1965 [GVB1. S. 91]; in jüngerer Zeit bleiben die Geistlichen zunehmend im kirchlichen Dienst, wobei die Kirchen die Personalkosten erstattet bekommen; Hintergrund sind aber primär finanzielle Erwägungen - der Staat spart die Kosten der Altersversorgung - und nicht etwa verfassungsrechtliche Bedenken). In Hamburg gab es sowohl verbeamtete als auch staatlich bezuschußte im Kirchendienst verbleibende Gefängnisgeistliche. 1975 sind die jährlichen Zuschüsse durch eine einmalige Zahlung abgelöst worden. 1983 ist schließlich der letzte verbeamtete Anstaltsgeistliche aus dem Dienst ausgeschieden. 2 3 7

So vor allem Fischer, Trennung von Staat und Kirche, 3. Aufl., S. 60, 62; ders., Volkskirche ade! Trennung von Staat und Kirche, 4. Aufl., S. 96, 98.

. Vorgaben des Art. 140 GG i.V.m. Art. 1 1 WRV

1

man hingegen darauf ab, daß der Staat - ohne daß er dies will, wie sich aus Art 17a Abs. 1 GG ergibt - im Bereich der Bundeswehr die freie Religionsausübung faktisch verkürzt, könnte man ihn zur Kompensation für den erlittenen Freiheitsverlust für verpflichtet halten.238 Dann wäre der Staat unter Umständen sogar zu finanziellem und organisatorischem Engagement verpflichtet - häufig wird insoweit von einer "Bringeschuld des Staates" gesprochen.239 Die teleologische Interpretation des Art. 141 WRV hängt damit letztlich von der Analyse des Art. 4 Abs. 1 und 2 GG ab. 5· Zusammenfassung der Interpretation des Art. 140 GG i.V.m. Art. 141 W R V

Der Wortlaut und die Entstehungsgeschichte deuten darauf hin, daß Art. 141 WRV als Mindeststandard und nicht als Obergrenze zulässigen Staatshandelns zu verstehen ist, so daß der Staat auf dem Gebiet der Militärund Anstaltsseelsorge durchaus eine aktive Rolle übernehmen kann. In systematischer Hinsicht ist zu berücksichtigen, daß Art. 141 WRV weder ein ausdrückliches Gebot staatlicher Aktivitäten (anders als etwa Art 7 Abs. 3 GG) noch ein explizites Verbot (anders als etwa Art. 137 Abs. 3 S. 2 WRV i.V.m. Art. 140 GG) enthält. Insofern liegt es nahe, daß es der Entscheidung des Staates überlassen bleibt, in welchem Maße er sich im Bereich der Militär- und Anstaltsseelsorge engagiert Auch die landesverfassungsrechtlichen Parallelnormen, die sich zumeist an Art. 141 WRV anlehnen, sind von den Landesverfassungsgebern nicht als Sperre für staatliche Aktivitäten verstanden worden. Insoweit bestätigt die systematische Interpretation die aus der Entstehungsgeschichte gewonnenen Ergebnisse. Entscheidend für die Auslegung des Art. 141 WRV ist jedoch seine Einordnung in das staatskirchenrechtliche Gesamtgefüge des Grundgesetzes und dabei vor allem sein Verhältnis zu Art. 137 Abs. 1 WRV und Art. 4 Abs. 1 und 2 GG, so daß es zunächst einer sorgfältigen Untersuchung dieser Artikel bedarf.

2 3 8

Etwa v. Campenhausen, in: v. Mangoldt/Klein, GG, Komm., Art. 140/141 WRV Rdnr. 3; Loscheläer, FS Hengsbach, 783 (785 ff.); Pirson, Essener Gespräche 23 (1989), 4 (15). 2 3 9 Im Anschluß an eine Denkschrift der Dienststelle Blank vom 29.09.1954 (wiedergegeben bei Steuber, Militärseelsorge, S. 17). Dazu auch Blaschke/Oberhem, Bundeswehr und Kirchen, S. 49; Loschelder, FS Hengsbach, 783 (785).

16

D i e Verfassungsmäßigkeit der Militärseelsorge

C. Vorgaben des Art 140 GG i.V.m. Art. 137 Abs. 1 WRV Art 140 GG i.V.m. Art. 137 Abs. 1 WRV ist in zweifacher Weise für die Beurteilung der Verfassungskonformität der Militärseelsorge in ihrer gegenwärtigen Ausgestaltung von Bedeutung. Zum einen erscheint seine offene und damit vielfältig interpretierbare Formulierung "keine Staatskirche" den Kritikern der Militärseelsorge 240 als ein geeigneter Anknüpfungspunkt für den Grundsatz strikter Trennung von Staat und Kirche. Dann wären staatliche Aktivitäten im religiösen Bereich, insbesondere solche mit fördernder Wirkung zugunsten einzelner Religionsgemeinschaften grundsätzlich von Verfassungs wegen verboten, sofern nicht das Grundgesetz einen ausdrücklichen Ausnahmetatbestand bereithält, wie dies etwa in Art. 7 Abs. 3, 4 und 5 GG der Fall ist. Art. 141 WRV müßte als einzig in Betracht kommende Ausnahmenorm eng ausgelegt werden und könnte dann die staatliche Unterstützung der evangelischen und katholischen Militärund Anstaltsseelsorge in finanzieller und organisatorischer Hinsicht nicht rechtfertigen. Zum anderen wird aus Art. 137 Abs. 1 WRV das Verbot institutioneller Verbindungen zwischen Staat und Kirche gefolgert. Der Beamtenstatus der Militärgeistlichen sowie der staatliche Behördencharakter von Evangelischem Kirchenamt und Katholischem Militärbischofsamt seien jedoch, so die Kritiker der Militärseelsorge 241, Beispiele institutioneller Verflechtungen und damit gegen Art 137 Abs. 1 WRV verstoßende staatskirchliche Einrichtungen. Zu untersuchen ist daher, ob die "offene" Norm des Art 137 Abs. 1 WRV verdichtet werden kann, 242 und ob Ergebnis einer Verdichtung die Vorgabe strikter Trennung sowie ein weitreichendes Verbot institutioneller Verbindungen ist.

2 4 0

Siehe oben 3. Teil A I .

2 4 1

Siehe oben 3. Teil A I I .

2 4 2

Zur Verdichtung "offener" Normen siehe Tettinger, Kontrolle im Wirtschaftsverwaltungsrecht, S. 22 ff.

Rechtsanwendung und gerichtliche

C. Vorgaben des Art. 140 GG i.V.m. Art. 137 Abs. 1 W R V

I.

161

Grammatische Interpretation

Art. 137 Abs. 1 WRV i.V.m. Art. 140 GG stellt in lapidarer Kürze fest, daß eine Staatskirche nicht besteht. Fraglich ist mithin, was unter einer Staatskirche zu verstehen ist. 1. Analyse der grammatischen Struktur

Schon die sprachliche Zusammensetzung der Begriffe "Staat" und "Kirche" weist darauf hin, daß die Bezeichnung "Staatskirche" eine enge Verbindung zwischen Staat und Kirche beschreibt. Stellt man darauf ab, daß die Begriffe "Staat" und "Kirche" zu einem Wort vereinigt werden, könnte dies darauf hindeuten, daß der Terminus "Staatskirche" einen Sachverhalt wiedergibt, in dem Staat und Kirche eine Einheit bilden. Dem Wortsinn nach wären verschiedene Varianten der Einheit denkbar. So könnte diese Einheit in dem Sinne bestehen, daß bei einer Staatskirche Staat und Kirche eine gemeinsame, nicht mehr differenzierte Identität angenommen haben. Möglich ist ferner, daß beide Elemente bei grundsätzlicher Gleichrangigkeit auf höherer Ebene zusammengefaßt werden, aber noch unterscheidbar sind. Berücksichtigt man, daß das Wort "Staatskirche" die sprachliche Verkürzung der Formulierung "Kirche des Staates" ist, könnte die Einheit auch darin bestehen, daß die Kirche unselbständiger und untergeordneter Teil des Staates ist. Schließlich könnte man daran denken, daß die "Kirche des Staates" zwar nicht Teil des Staates ist, also keine organisatorische Einheit mit diesem bildet, wohl aber dem Staat zu- und untergeordnet ist. Eine Analyse der grammatischen Struktur des Begriffes "Staatskirche" führt mithin zu dem Ergebnis, daß bei einer Staatskirche mindestens eine enge Verbindung, wenn nicht sogar Einheit zwischen Staat und Kirche besteht, wobei die Vorrangstellung dem Staat - im Gegensatz zum "Kirchenstaat" zukommt. Darüber hinausreichende Erkenntnisse lassen sich insoweit allerdings nicht gewinnen. 2. Berücksichtigung der staatskirchenrechtlichen Terminologie

Über die rein sprachliche Analyse hinaus ist zu berücksichtigen, daß der Begriff "Staatskirche" als ein Schlagwort dient, um einen bestimmten staatskirchenrechtlichen Zustand zu kennzeichnen. Allerdings ist auch in der staatskirchenrechtlichen Terminologie die Formulierung "Staatskirche" ver-

11 Ennuschat

Die Verfassungsmäßigkeit der Militärseelsorge

16

schiedener Auslegung fähig; 243 verwendet wird sie in der ganzen Bandbreite der schon in der grammatischen Struktur angelegten Bedeutungsgehalte. a) Staatskirchentum i. e. S. Als Staatskirchentum wird etwa die Einheit von weltlicher und geistlicher Gewalt im gemeinsam von Papst und Kaiser geleiteten corpus christianum bezeichnet.244 Diese Vorstellung einer universalen Einheit von Staat (Imperium) und Kirche (sacerdotium) entfernte sich zunehmend von der Wirklichkeit, als mit dem Machtverlust der Kaiser zunächst die staatliche und mit der Reformation auch die konfessionelle Einheit zerbrach. Dennoch wurde diese Einheit im Augsburger Religionsfrieden von 1555 und im daran anknüpfenden Westfälischen Frieden von 1648 bestätigt. Auf Reichsebene lief dies auf eine Fiktion hinaus.245 Die Einheit blieb aber vorerst Realität auf der Ebene der Territioralstaaten (sog. territoriales Staatskirchentum).246 Diese Formen der Staatskirche wurden im Absolutismus durch eine neue Form der Einheit von Staat und Kirche abgelöst: Die Kirche wurde als Staatsanstalt begriffen, war Teil des Staatsgebildes und damit dem Souverän untergeordnet (insbesondere im Josephinismus).247 Bezogen auf diese historischen Varianten des Staatskirchentums, die im Verlaufe des 19. Jahrhunderts überwunden wurden 248 und deren Erneuerung schon zur Zeit der Weimarer Nationalversammlung 1919 nicht zu befürchten war, wäre die Aussage des Art. 137 Abs. 1 WRV "Es besteht keine Staatskirche" freilich völlig bedeutungslos.

2 4 3

So bereits Anschütz, WRV, Komm., Art. 137 Erl. 1, S. 630.

2 4 4

Je nach Macht Verteilung zwischen geistlicher und weltlicher Gewalt wird das seinerzeitige Verhältnis zwischen Staat und Kirche auch als Kirchenstaatstum bezeichnet, vgl. etwa Dietrich, Verhältnis von Staat und Kirche, S. 8 ff.; Kalle, Bedeutung, S. 6; Scheffler, Staat und Kirche, S. 20 ff.; Schlief,\ Entwicklung, S. 8 ff.; Heckel, ZevKR 12 (1966/67), 1 (2); Scheuner, ZevKR 7 (1959/60), 225 (231 ff.). 2 4 5

v. Campenhausen, Staatskirchenrecht, S. 17.

2 4 6

Charakteristisch waren die Grundsätze "cuius regio, cuius religio" und "dux [...] est papa in territorio suo". Dazu ν. Campenhausen, Staats kirchenrecht, S. 11; Obermayer, in: Bonner Kommentar, GG, Art. 140 Rdnr. 5; Kalle, Bedeutung, S. 7; J.Heckel, ZevKR 12 (1966/67), 1 (16 f.). 2 4 7

v. Campenhausen, Staatskirchenrecht, S. 25; Scheffler, Staat und Kirche, S. 27 ff.; Kalle, Bedeutung, S. 9; Scheuner, ZevKR 7 (1959/60), 225 (235); Jeand'Heur, Der Staat 30 (1991), 442 (445 f.). 2 4 8 Abgesehen von einigen Rudimenten etwa in Mecklenburg, dazu Bredt, Kirchenrecht II, S. 138; Scheuner, ZevKR 7 (1959/60), 225 (238).

C. Vorgaben des Art. 140 GG i.V.m. Art. 137 Abs. 1 W R V

163

b) Staatskirchenhoheit Um dem Art 137 Abs. 1 WRV ein Minimum an Bedeutung zuzuerkennen, wird man daher zumindest die Kirche im System der Staatskirchenhoheit in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts als Staatskirche im Sinne des Art 137 Abs. 1 WRV zu verstehen haben. Im System der Staatskirchenhoheit war die Kirche in gewissen Grenzen rechtlich gegenüber dem Staat verselbständigt, aber aufgrund der staatlichen Oberhoheit weitreichenden staatlichen Aufsichtsbefugnissen unterworfen (iura circa sacra). 249 Darüber hinaus war der Landesherr häufig Oberhaupt der evangelischen Landeskirchen (sog. Summus Episcopus), dem die innerkirchlichen Leitungsbefugnisse (iura in sacra) zustanden (sog. landesherrliches Kirchenregiment). 250 Wie oben bei der Analyse der Wortstruktur angedeutet, handelt es sich insoweit um eine Kirche, die zwar nicht länger Teil des Staatsapparates, wohl aber diesem zuund untergeordnet ist. 251 Zugleich wurde sie gegenüber anderen Religionsgemeinschaften in weitreichendem Umfang privilegiert. 252 Allerdings verlor das System der Staatskirchenhoheit und des landesherrlichen Kirchenregiments, das immerhin bis 1918 bestand, seine Grundlage mit dem Sturz der Landesherren im Verlaufe der Novemberrevolution. Die Aussage des Art 137 Abs. 1 WRV hätte daher lediglich deklaratorischen Charakter. Man könnte allenfalls darauf hinweisen, daß die preußische Revolutionsregierung zunächst wesentliche Befugnisse des landesherrlichen Kirchenregiments für sich in Anspruch nahm, als sie drei protestantische Minister 253 mit

2 4 9 Scheffler, Staat und Kirche, S. 30 ff.; Schlief, Entwicklung, S. 34 f.; Scheuner, ZevKR 7 (1959/60), 225 (239). 2 5 0 J.Heckel, ZevKR 12 (1966/67), 1 (32). War der Landesherr nicht Oberhaupt der Kirche (insb. bei Konfessionsverschiedenheit oder in bezug auf die katholische Kirche), standen ihm zumeist aufgrund historischer Rechtstitel dennoch Teile der iura in sacra zu; dazu Kalle, Bedeutung, S. 10. 2 5 1 Die Zuordnung einer Kirche zum Staat findet sich noch in einigen Verfassungen europäischer Staaten: etwa in § 4 der dänischen Verfassung vom 05.06.1953 ("Die Evangelisch-lutherische Kirche ist die dänische Volkskirche und wird als solche vom Staat unterstützt.") oder in Art 3 Abs. 1 der griechischen Verfassung vom 09.06.975 ("Vorherrschende Religion in Griechenland ist die der Östlich-Orthodoxen Kirche Christi."). 2 5 2

Die Privilegierung kam zumeist der katholischen Kirche und den protestantischen Landeskirchen in gleichem Maße zu; Scheffler, Staat und Kirche, S. 32; Schlief, Entwicklung, S. 31 f. 2 5 3 Spöttisch als "drei heilige Könige" bezeichnet, so etwa Kunert (USPD), Nat.Vers.-Steno, Bd. 328, 1660 B.

11

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Die Verfassungsmäßigkeit der Militärseelsorge

der Wahrnehmung der königlichen Kirchenregimentsbefugnisse tragte. 254 Dies blieb jedoch eine historische Episode.

beauf-

c) Trennung von Staat und Kirche Mehr als bloß deklaratorische Bedeutung hätte Art. 137 Abs. 1 WRV, wenn man entweder in jeder Verbindung zwischen Staat und Kirche einen staatskirchlichen Zustand sähe oder sogar seine (negative) Aussage "keine Staatskirche" als (positives) Trennungsgebot deutete. Der Wortlaut des Art. 137 Abs. 1 WRV enthält indessen weder ein explizites Verbot institutioneller Verbindungen noch eine ausdrückliche Trennungsanordnung, etwa mit dem Zusatz "sofern diese Verfassung nicht ausdrücklich etwas anderes bestimmt".255 In diesem Zusammenhang ist darauf hinzuweisen, daß einige Landesverfassungen - und auch etwa die Verfassungen Frankreichs und Portugals - 2 5 6 insoweit deutlicher sind und immerhin feststellen, daß die Kirchen und Religionsgemeinschaften "vom Staat getrennt" sind. 257 Aber selbst wenn aus Art. 137 Abs. 1 WRV das Verbot institutioneller Verbindungen und das Gebot der Trennung von Staat und Kirche folgen sollten, wäre damit noch nicht geklärt, welche Reichweite Ver- und Gebot hätten. 258 Eine Verpflichtung zu strikter Trennung und ein Verbot jeglicher institutioneller Verbindungen lassen sich dem Wortlaut des Art. 137 Abs. 1

2 5 4

Vgl. § 5 S. 3 des Gesetzes zur vorläufigen Ordnung der Staatsgewalt in Preußen vom 20.03.1919 und Art. 82 Abs. 2 prß.Verf. vom 30.11.1920 (abgedruckt bei Giese, JöR 13 [1925], 249 [250]). Obwohl diese Praxis nur vorläufigen Charakter haben sollte, um ein Kompetenzvakuum zu vermeiden, wurde sie als Neubegründung einer Staatskirche und damit als eklatanter Verstoß gegen Art. 137 Abs. 1 WRV angeprangert; vgl. Giese, AöR n.F. 7 (1924), 1 (25 f.); Schoen, VerfR, S. 2, 4; ders., VerwArch 29 (1922), 1 (3, 5). 2 5 5

Siehe auch unten 3. Teil C III 1.

2 5 6

Art. 2 der französischen Verfassung vom 04.10.1958: "Frankreich ist eine ... laizistische ... Republik"; Art. 41 Abs. 4 der portugiesischen Verfassung vom 02.04.1976: "Kirchen und Religionsgemeinschaften sind vom Staat getrennt..." 2 5 7 Art. 59 Abs. 1 brem.Verf; Art. 109 Abs. 2 S. 1 sächs.Verf; Art. 32 Abs. 1 S. 1 s-anh.Verf; ebenso Art. 14 Abs. 3 der Verfassung von Berlin (Ost). Vgl. auch Art. 50 Abs. 1 hess.Verf: "Es ist Aufgabe von Gesetz oder Vereinbarung, die staatlichen und kirchlichen Bereiche klar gegeneinander abzugrenzen. Dazu näher unten 3. Teil C III 2 b. 2 5 8 So geht die Formel "keine institutionelle Verbindung zwischen Staat und Kirche" wohl auf Forsthoff\ Öffentliche Körperschaften, S. 112, 114, zurück, nach dessen Ansicht sich die "Staatskirche" nur auf die Landeskirchen in ihrer Gestalt bis zum Umsturz 1918/19 bezieht. Diese Auffassung zugrundegelegt, wäre Art. 137 Abs. 1 WRV also nicht im Sinne strikter Trennung zu verstehen.

C. Vorgaben des Art. 140 GG i.V.m. Art. 137 Abs. 1 WRV

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WRV jedenfalls nicht ohne weiteres entnehmen. Er steht einer derartigen Interpretation freilich auch nicht zwingend entgegen. Die grammatische Interpratation des Art. 137 Abs. 1 WRV bleibt so letztlich unergiebig. IL

Historische Interpretation

Möglicherweise läßt sich im Wege der historischen Interpretation ermitteln, was der Grundgesetzgeber unter einer Staatskirche verstanden hat. Durch die Verweisung des Art. 140 GG knüpft der Parlamentarische Rat an Art. 137 Abs. 1 WRV an, der wiederum seinen fast wortgleichen Vorläufer in § 147 Abs. 2 2. Hs. PKV fand. Art. 140 GG bildet so den Abschluß einer Entwicklung, die 1848/49 eingeleitet und 1919 fortgesetzt wurde. Zum Verständnis des grundgesetzlichen Staatskirchenverbotes ist daher ein Blick auf diese Entwicklung hilfreich. 1. "Staatskirche" in § 147 Abs. 2 2. Hs· PKV

Das Staatskirchenverbot und die Frage der Trennung von Staat und Kirche nahmen in den Beratungen der Frankfurter Paulskirchenversammlung breiten Raum ein. Die seinerzeit erkennbaren Grundpositionen wirken bis in die Gegenwart fort. a) Beratungen der Paulskirchenversammlung Innerhalb der Paulskirchenversammlung bestand zwar weitgehende Einigkeit darüber, daß die Staatskirche abzuschaffen sei. Diese Einmütigkeit bezog sich freilich nur auf die Ablehnung des staatskirchenrechtlichen Zustandes im Vormärz; 259 sie Schloß jedoch nicht aus, daß dem Terminus "Staatskirche" völlig unterschiedliche, sogar diametral entgegengesetzte Bedeutungsgehalte zugeschrieben wurden. aa) Divergierende Verständnisse von "Staatskirche" So verstand die clubübergreifende Gruppe der der katholischen Kirche nahestehenden Abgeordneten unter einer Staatskirche die unfreie, vom Staat 2 5 9 Das vormärzliche Staatskirchenrecht wurde auch in der damaligen Literatur nahezu einhellig als vernunftswidrig und sogar verwerflich kritisiert. So Murhard, in: v. Rotteck/Welcker, Staats-Lexikon, 1843, S. 813 ff. m.w.N.; ferner Blum, Volkstümliches Handbuch, Bd. I, 1852, S. 514, Bd. II, S. 196; Dahlmann, Politik I, 1847, S. 350, 352.

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Die Verfassungsmäßigkeit der Militärseelsorge

abhängige Kirche und forderte deshalb die Freiheit der katholischen Kirche vom Staat unter Beibehaltung ihrer erworbenen Rechte.260 Ähnliche Beweggründe hatten die Abgeordneten, welche als Interessenvertreter der evangelischen Landeskirchen fungierten. Diese hatten zwar keine Einwände gegen den vorherigen innerkirchlichen Staatseinfluß, etwa im Rahmen des landesherrlichen Kirchenregiments, solange nur Staat und Landesherr sich als christlich begriffen; bei einem auf die Volksherrschaft gestützten und womöglich atheistischen Staat forderten sie jedoch die Unabhängigkeit der evangelischen Landeskirchen vom Staat.261 Demgegenüber verwendeten andere Mitglieder der Paulskirche die Bezeichnung "Staatskirche" als Synonym für die herrschende bzw. privilegierte Kirche, die den Staat, andere Religionsgemeinschaften und deren Angehörige, aber auch innerkirchliche Dissidenten bedrohe.262 Die Staatskirche sei "von jeher die Pflegerin der Knechtschaft, die Vernichterin der Freiheit, die Teilhaberin oder die Dienstmagd der Gewaltherrschaft" gewesen;263 Ziel müsse es sein, "den Menschen aus seiner doppelten Knechtschaft zu befreien, aus der des Staates und der Kirche". 264 Diese Abgeordneten forderten daher weniger die Freiheit der Kirche, sondern vielmehr den Schutz vor der (katholischen) Kirche und die Beseitigung ihrer Privilegien. Ein von dieser Gruppe von Abgeordneten gestellter Antrag - das sog. vierte Minoritätserachten 265 - fand die Billigung der Mehrheit und führte schließlich zum Verbot der Staatskirche in § 147 Abs. 2 2. Hs. PKV: 266 Keine Religionsgesellschaft genießt vor andern Vorrechte durch den Staat; es besteht fernerhin keine Staatskirche.

2 6 0 So die Abg. Döllinger, Steno. Bericht ΙΠ, 1675; Knoodt, Steno. Bericht ΙΠ, 1729; v. Lassaulx, Steno. Bericht III, 1780. 26 1

Lempp, Trennung von Kirche und Staat, S. 113 f. In diesem Sinne auch die Ausführungen des Abg. Hoffmann , Steno. Bericht ΙΠ, 1701, der allerdings innerhalb der evangelischen Kirche isoliert war (Mann, Nationalversammlung, S. 164). 2 6 2

Behr, Steno. Bericht ΙΠ, 1725 f. Vgl. auch Lempp, Trennung von Kirche und Staat, S. 187, 195. 2 6 3

So der Abg. Blum einige Jahre zuvor in: Volkstümliches Handbuch, Bd. I, S. 513.

2 6 4

Wigard,

Steno. Bericht III, 1786.

2 6 5 Antrag der Abg. Wigard, Blum, Simon und Schüler, Steno. Bericht I, 688, der im federführenden Verfassungsausschuß zunächst keine Mehrheit fand und dem Mehrheitsvorschlag als Minoritätserachten beigefügt wurde. 2 6 6

Steno. Bericht III, 2305 (erste Lesung); VI, 4302 (zweite Lesung).

C. Vorgaben des Art. 140 GG i.V.m. Art. 137 Abs. 1 W R V

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Das Verbot der Staatskirche in § 147 Abs. 2 2. Hs. PKV bildet also keinen selbständigen Satz, ist vielmehr durch ein Semikolon mit dem - auf das von denselben Antragstellern gestellte dritte Minoritätserachten zurückgehenden ersten Halbsatz verbunden,267 dem es durch das "fernerhin" zu- und untergeordnet ist. Das Staatskirchenverbot erscheint so als Annex zum Privilegienverbot. Die der katholischen Kirche nahestehenden Abgeordneten stimmten deshalb gegen die auf § 147 Abs. 2 zielenden Anträge; 268 ihre Auffassung von der Abschaffung der Staatskirche unter Erhalt ihrer erworbenen Privilegien konnte sich mithin nicht durchsetzen. Daher spricht einiges dafür, den Terminus "Staatskirche" in § 147 Abs. 2 2. Hs. PKV im Sinne einer herrschenden und privilegierten Kirche zu verstehen. Die Freiheit der Kirche vom Staat sollte durch den § 147 Abs. 1 PKV sichergestellt werden. 269 bb) Divergierende Vorstellungen von Trennung Damit bleibt immer noch ungeklärt, was nach Auffassung der Paulskirche an die Stelle der Staatskirche treten sollte. Erkennbar ist zwar, daß die Mehrheit in der Paulskirche mit dem Privlegien- und Staatskirchenverbot die Trennung von Staat und Kirche verband. 270 Die Motive für das Trennungspostulat und die Vorstellungen, wie die Trennung auszugestalten sei, wiesen jedoch beträchtliche Unterschiede auf. So bezogen die radikalen Abgeordneten Vogt und Jordan, die mit dem späteren § 147 Abs. 2 2. Hs. PKV beinahe wortgleiche Anträge stellten,271 dezidiert religionsfeindliche Positionen: Man sei für die vollständige Trennung von Staat und Kirche, "allein unter der Bedingung, daß das, was Kirche genannt wird, vernichtet werde..., überhaupt spurlos verschwinde von der Erde, und sich dahin zurückziehe, wo es seine Heimat hat, und zwar in den Himmel". 272 2 6 7

Allerdings ist das Semikolon auf ein Redaktionsversehen zurückzuführen; ursprünglich handelte es sich um zwei selbständige Sätze, über die auch getrennt abgestimmt wurde. Vgl. die Äußerung des Abg. Deiters, Steno. Bericht VI, 4134. 2 6 8

Lempp, Trennung von Kirche und Staat, S. 94.

§ 147 Abs. 1 PKV: "Jede Religionsgesellschaft ordnet und verwaltet ihre Angelegenheiten selbständig, bleibt aber den allgemeinen Staatsgesetzen unterworfen." 2 7 0

Dazu Dietrich, Verhältnis von Staat und Kirche, S. 154 ff., 183.

2 7 1

Antrag Vogt: Steno. Bericht ΙΠ, 1955 f.; Antrag Jordan: vgl. Beseler, Steno. Bericht III,

1954. 2 7 2

Steno. Bericht III, 1668 (Vogt),

1646 (Jordan).

Die Verfassungsmäßigkeit der Militärseelsorge

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Die große Mehrheit in der Paulskirchenversammlung teilte diese areligiöse Einstellung nicht und bejahte vielmehr die Rolle von Kirche und Religion als Stützen der Sittlichkeit. Auch die Antragsteller des dritten und vierten Minoritätserachten waren zwar ausgesprochen antikatholisch, aber durchaus religionsfreundlich gestimmt.273 Zum Teil waren die Befürworter des Staatskirchenverbots sogar staatsfeindlich eingestellt So forderte der Abg. Hoffmann die Abschaffung der Staatskirche vor dem Hintergrund der in der Johannes-Offenbarung angekündigten und nunmehr angebrochenen Endzeit. Die Kirche sollte sich daher völlig vom Staat trennen, um für den apokalyptischen Entscheidungskampf gegen den Staat gerüstet zu sein. 274 Bei derart divergierenden Beweggründen für die Trennungsforderung verwundert es nicht, daß die Reichweite des Trennungsgebotes letztlich nicht geklärt wurde. So wurde insbesondere keine wirkliche Einigung erzielt, ob dem Staat weiterhin Aufsichtsbefugnisse über die Kirchen zustehen sollten.275 Viele bejahten dies, um die innerkirchliche Freiheit der einzelnen Religionsangehörigen vor der mächtigen Kirchenhierarchie zu schützen. Andere vertrauten insoweit auf die selbstreinigende Kraft der Freiheit, d.h. auf die von Staats wegen garantierte Möglichkeit des Kirchenaustritts und die staatliche Gewähr der Gründungsfreiheit von Religionsgemeinschaften. Auch die Reichweite des Privilegienverbotes, z.B. mit Blick auf staatliche Finanzzuwendungen,276 wurde nicht bestimmt. Vor allem aber blieb unklar, ob den Kirchen wegen § 147 Abs. 2 PKV der öffentlich-rechtliche Korporationsstatus entzogen werden müßte.277 Diese Diffusität erklärt sich durch eine Reihe von Umständen. Einmal verstanden viele Befürworter des § 147 Abs. 2 PKV das Staatskirchenverbot eher als Kampfansage an die als Bedrohung empfundene katholische Kirche, die in ihre Schranken verwiesen werden sollte, als daß sie damit dem Staat detaillierte Direktiven erteilen wollten. 278 Ferner ist zu berücksichtigen, daß die 2 7 3 Die Antragsteller gehörten zu den sog. Deutschkatholiken, die in erbitterter Opposition zur katholischen Kirche standen. Dazu Dietrich, Verhältnis von Staat und Kirche, S. 140 ff.; Lempp, Trennung von Kirche und Staat, S. 151 f. 2 7 4

Steno. Bericht III, 1701.

2 7 5

Dazu Kühne, Reichsverfassung der Paulskirche, S. 489 f.; Lempp, Trennung von Kirche und Staat, S. 171 f., 191,229 ff. 2 7 6

Vgl. etwa Behr, Steno. Bericht III, 1725 f.

2 7 7

Dazu Kühne, Reichsverfassung der Paulskirche, S. 499.

2 7 8

Siehe etwa Wigard, Steno. Bericht ΙΠ, 1787, 1789; Vogt, Steno. Bericht ΙΠ, 1668; Jordan, Steno. Bericht III, 1646; Nauwerck, Steno. Bericht III, 1692.

C. Vorgaben des Art. 140 GG i . V m . Art. 137 Abs. 1 W R V

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Paulskirche nur vergleichsweise lose Zusammenschlüsse von Abgeordneten (die Clubs) und noch nicht die strenge Scheidung in Fraktionen kannte. Damit fehlte die Bündelung der Interessen und Motive zu wenigen großen Meinungsblöcken. Stattdessen gab es in der Paulskirche gerade in den staatskirchenrechtlichen Fragen eine "Polyphonie" der Standpunkte,279 zumal insoweit die Meinungsfronten quer durch alle Clubs liefen. 280 Vielen Abgeordneten sollen zudem bei allem kurzlebigem Engagement doch Sachkenntis und häufig auch dauerhaftes Interesse gefehlt haben.281 Vor allem aber fand die entscheidende Beratung der staatskirchenrechüichen Fragen unter größtem Zeitdruck und namentlich unter dem Eindruck anderer dringlicherer Ereignisse statt, die das gesamte Verfassungsprojekt bedrohten.282 Daher blieb keine Zeit für die Erörterung staatskirchenrechtlicher Einzelheiten. cc) Hinweise auf weitreichendes Verständnis von Trennung Es gibt immerhin einige Hinweise, daß sich die Paulskirche in ihrer Mehrheit eine strenge Form der Trennung vorstellte. So lehnte der federführende, von gemäßigten Liberalen dominierte Verfassungsausschuß die Aufnahme eines ausdrücklichen Staatskirchenverbotes als überflüssig ab, da das "alte Gespenst Staatskirche" schon durch die Gewährleistung der individuellen Religionsfreiheit verscheucht sei. 283 Auch wollte man in die gewachsenen Strukturen des Staatskirchenrechts ohne Anhörung der beteiligten Kirchen möglichst wenig eingreifen, schon um die anstehende Einigung Deutschlands nicht mit der Hypothek eines kirchenpolitischen Streits zu belasten.284 Später schlug der Verfassungsausschuß vor, den § 147 Abs. 2 1. Hs. PKV zu streichen. Zwar stimmte man dem Privilegienverbot inhaltlich zu, befürchtete aber 2 7 9

Valentin, Geschichte der dt. Revolution, S. 15.

2 8 0

Zum Meinungsstand siehe etwa Brandenburg, Dt. Revolution, S. 119 ff.; Dietrich, Verhältnis von Staat und Kirche, S. 92 ff.; Lempp, Trennung von Kirche und Staat, S. 27 ff.; Strauss , Staat, S. 81 ff.; Wichmann, Denkwürdigkeiten, S. 179 ff. 28 1

Lempp, Trennung von Kirche und Staat, S. 150 f.

2 8 2

Die Nachricht vom gegen den Willen der Paulskirche geschlossenen Waffenstillstand zu Malmö erreichte die Nationalversammlung mitten in der ersten Lesung der staatskirchenrechtlichen Paragraphen am 31.08.1848, die erst einige Tage später ohne weitere Aussprache mit der sofortigen Abstimmung der einzelnen Anträge fortgesetzt wurde. Noch vor der Schlußabstimmung der ersten Lesung kam es am 18.09.1848 zum Frankfurter Aufstand gegen die Paulskirche. Bei der zweiten Lesung im Dezember zeichnete sich das Scheitern der Paulskirche bereits ab, zumal am 05.12.1848 in Preußen die Nationalversammlung aufgelöst und eine Verfassung oktroyiert worden war. Dazu KR.Huber, Dt. VerfGesch II, S. 673, 697 ff., 762 ff. 2 8 3

So der Berichterstatter des Verfassungsausschusses Beseler, Steno. Bericht III, 1954 f.

2 8 4

Begründung für den Mehrheitsentwurf im Verfassungsausschuß, Steno. Bericht 1,685.

D i e Verfassungsmäßigkeit der Militärseelsorge

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"Mißdeutungen" in dem Sinne, daß der öffentlich-rechtliche Korporationsstatus oder die staatliche Finanzleistungen an die Kirchen entfallen sollten.285 Zugleich sollte das Staatskirchenverbot entschärft werden, indem man vorschlug, es an den späteren Abs. 3 anzuhängen, der die von niemandem mehr in Frage gestellte Gründungsfreiheit von Religionsgemeinschaften garantierte. Der Verfassungsausschuß befürchtete offenbar, daß das Staatskirchen- und das Privilegienverbot zu Progammsätzen für eine Umwälzung des bisherigen Verhältnisses zwischen Staat und Kirche werden könnten, die über die bloße Korrektur eklatanter Mißstände hinausreichen sollte, zumal das das US-amerikanische Modell von vielen als nachahmenswert gepriesen wurde. 286 Die Vorschläge des Verfassungsausschusses wurden vom Plenum indessen abgelehnt. Der Abg. Venedey behauptete im übrigen, daß gerade die vorgeblichen "Mißdeutungen" intendiert seien.287 Die Vorgaben der Frankfurter Paulskirchenverfassung wurden denn auch von den Zeitgenossen zunächst im Sinne weitreichender Trennung von Staat und Kirche verstanden; insbesondere meinte man, daß durch den § 147 Abs. 2 PKV nach dem US-amerikanischen Vorbild die Religionsgesellschaften in das Privatrecht hinabgedrängt werden sollten.288 b) Auswirkungen auf die einzelstaatliche Verfassungsgebung Einige Anhaltspunkte sprechen allerdings dafür, daß schon in der Paulskirchenverfassung die Möglichkeit einer zurückhaltenderen staatskirchenrechtlichen Entwicklung angelegt war. Bemerkenswert ist etwa, daß schon während der Debatten der Paulskirchenversammlung von einigen Beobachtern erwartet wurde, daß die strengen Trennungsvorgaben entweder noch korrigiert oder nur in gemäßigter Form in die Wirklichkeit umgesetzt würden. 289 Wie sich die Paulskirchenverfassung auf die staatskirchenrechtliche Lage ausgewirkt hätte, ist angesichts ihres Scheiterns freilich eine hypothetische Frage. Greifbarer sind indes ihre mittelbaren Auswirkungen auf die einzelstaatliche Verfassungsgebung, die einige Hinweise dafür bieten, daß die Reichweite des Staatskirchenverbotes auf die Absage an die vormärzlichen Zustände begrenzt war.

2 8 5

Steno. Bericht V, 3875 f.

2 8 6

Dazu Roske, Entwicklung der Grundrechte, S. 45, 49.

2 8 7

Steno. Bericht V, 3891.

2 8 8

So etwa Mommsen, Grundrechte, 1849, S. 38 f.

2 8 9

So etwa "Schwäbischer Merkur" vom 13.09.1848 (bei Rümelin, Paulskirche, S. 92).

C. Vorgaben des Art. 140 GG i . V m . Art. 137 Abs. 1 WRV

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So entschied sich der Verfassungsgeber der oktroyierten preußischen Verfassungs-Urkunde vom 31.01.1850 zwar, keine dem § 147 Abs. 2 PKV entsprechende Norm in die Verfassung aufzunehmen, um den evangelischen Landeskirchen und der katholischen Kirche ihre mit dem Status als öffentlichrechtliche Körperschaft verbundenen Privilegien zu erhalten. 290 Zuvor waren die großen Kirchen mit entsprechenden Wünschen an die Staatsregierung herangetreten und sie konnten dort ihren Einfluß eher geltend machen als bei der Volksvertretung der Paulskirche.291 Im übrigen orientierte sich der preußische Verfassungsgeber jedoch bewußt an der Paulskirchenverfassung. Insbesondere wollte auch er die Staatskirche abgeschafft wissen.292 Zu diesem Zwecke wurde in Anlehnung an § 147 Abs. 1 PKV durch Art. 15 prß.Verf.-Urkunde der evangelischen und der katholischen Kirche sowie den sonstigen Religionsgemeinschaften die selbständige Ordnung und Verwaltung ihrer Angelegenheiten garantiert Anfänglich war unklar, ob sich daraus ein Verbot des landesherrlichen Kirchenregiments ergebe.293 Nach kurzer Zeit setzte sich aber die Auffassung durch, daß sowohl das staatliche Aufsichtsrecht (iura circa sacra) als auch das zwar nicht dem Staat, aber dem König zustehende landesherrliche Kirchenregiment (iura in sacra) davon unberührt blieben.294 Nach preußischem Verfassungsrecht wurde damit das System der Staatskirchenhoheit etabliert, wobei man meinte, dadurch die Staatskirche abzuschaffen. 295 Deutlicher noch war die Verfassung des Großherzogtums Oldenburg vom 22.11.1852,296 die in Art. 74 S. 2 ausdrücklich feststellte, daß keine Staatskirche bestehe. Dennoch fand in Art. 78 § 2 das landesherrliche Kirchenregiment

2 9 0 Anschütz·, Prß. Verf.-Urkunde, Art. 15, Erl. 1, S. 284; Ebers, Staat und Kirche, S. 45; Unk, BayVBl. 1966, 297 (298). 2 9 1

Lempp, Trennung von Kirche und Staat, S. 106 f.; Roske, Entwicklung der Grundrechte,

S. 120 ff. 2 9 2

Anschütz, Prß. Verf.-Urkunde, Komm., Art. 15 Erl. 2, S. 297.

2 9 3

Zum seinerzeitigen Streit siehe v. Rönne, Staats-Recht, S. 654,665, 669.

2 9 4

v. Rönne, Staats-Recht, S. 669; Anschütz, Prß. Verf.-Urkunde, Komm., Art. 15 Erl. III 2, S. 293. Dazu auch Jeand'Heur, Der Staat 30 (1991), 442 (455). 2 9 5 Anschütz, Prß. Verf.-Urkunde, Komm., Art. 15 Erl. III 2, S. 297. Unk, BayVBl. 1966, 297 (298) spricht insoweit von "Hofkirche". 2 9 6

Abgedruckt bei Schücking, Staatsrecht, S. 412.

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Die Verfassungsmäßigkeit der Militärseelsorge

seine explizite Verankerung. 297 Ferner nahm auch in Oldenburg der Staat die Rechte aus der Staatskirchenhoheit in Anspruch. 298 Obwohl die preußische und die oldenburgische Verfassung die Staatskirche abgelöst hatten, ermöglichten sie das System der Staatskirchenhoheit und das landesherrliche Kirchenregiment. Offensichtlich verstand man in Preußen und Oldenburg unter einer Staatskirche nur die vormärzliche, in den Staat als Anstalt integrierte Kirche. 299 Für die Annahme eines strengen Trennungspostulates der Paulskirchenverfassung bleibt so vor allem das Privilegienverbot des § 147 Abs. 2 1. Hs. PKV. Allerdings folgt aus einem Privilegienverbot nicht notwendig eine strengere Form der Trennung. So wurde durch Gesetz vom 17.02.1849, also im Anschluß an die Verkündung des Grundrechtskataloges der Paulskirche etwa in die badische Verfassung vom 22.08.1818 ein ausdrückliches staatskirchenrechtliches Parititätsgebot bzw. Privilegienverbot (§ 19) eingefügt. 300 Gleichwohl bestand auch in Baden das System der Staatskirchenhoheit und des landesherrlichen Kirchenregiments, verbunden mit der besonderen Nähe des Staates zu den öffentlich-rechtlich korporierten Großkirchen. 301 Mithin gibt es einige Hinweise, daß die Vorgaben der Frankfurter Paulskirche und insbesondere das Staatskirchenverbot im Zusammenhang mit dem Privilegienverbot dem System der Staatskirchenhoheit und dem landesherrlichen Kirchenregiment nicht zwingend entgegenstanden. Im übrigen unterschied die seinerzeitige staatsrechtliche Literatur gleichfalls zwischen der "Staatskirche" des Vormärz und den "Landeskirchen" im System der Staatskirchenhoheit. 302 c) Zusammenfassung: Absage an vormärzliches Staatskirchentum Die Reichweite des Staatskirchenverbotes und der übrigen staatskirchenrechtlichen Vorgaben der Paulskirchenverfassung ist bis heute nicht völlig

2 9 7

Im Anschluß an die Vorgaben der Paulskirche wurde in Oldenburg zunächst das landesherrliche Kirchenregiment abgeschafft. Innerkirchliche Schwierigkeiten verbunden mit reaktionären Bestrebungen des Staates führten jedoch wenig später zu seiner Wiedereinführung. Dazu Schücking, Staatsrecht, S. 398; Kühne, Reichsverfassung der Paulskirche, S. 491. 2 9 8

Schücking, Staatsrecht, S. 394 ff.

2 9 9

Vgl. Anschütz, Prß. Verf.-Urkunde, Komm., Art. 15 Erl. III 2, S. 297.

3 0 0

Abgedruckt bei Walz, Staatsrecht, S. 499.

30 1

Walz, Staatsrecht, S. 465 ff.

3 0 2

Bluntschli, Allg. Staatsrecht, 1852, S. 551; v. Mohl, Politik, 1862, S. 206.

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geklärt. Sicher ist nur, daß durch § 147 Abs. 2 2. Hs. PKV der vormärzliche staatskirchenrechtliche Zustand überwunden werden sollte. Ob damit weitergehend auch die Forderung nach strenger Trennung, womöglich mit der Anordnung privatrechtlicher Organisation aller Religionsgemeinschaften, verbunden war, läßt sich nicht eindeutig bestimmen.303 Einerseits finden sich in den Beratungen der Paulskirche einige Anhaltspunkte für eine intendierte striktere Form der Trennung von Staat und Kirche, ohne daß allerdings abschließend geklärt wurde, wie die Trennung im einzelnen ausgestaltet sein sollte. Andererseits verdeutlicht die Rezeption der Vorgaben der Paulskirche in späteren Verfassungen, daß man nach anfänglicher Unsicherheit schon wenig später unter einer Staatskirche wiederum nur die Kirche vor 1848 verstand, so daß selbst ein normiertes Staatskirchenverbot dem System der Staatskirchenhoheit und dem landesherrlichen Kirchenregiment nicht im Wege stand. Diese Ansicht teilte schließlich die zeitgenössische staatsrechtliche Literatur. 2. "Staatskirche" in Art. 137 Abs. 1 W R V

Während das Verbot der Staatskirche in § 147 Abs. 2 2. Hs. PKV an recht versteckter Stelle piaziert wurde, steht es siebzig Jahre später an der Spitze der staatskirchenrechtlichen Bestimmungen der Weimarer Reichsverfassung, bildet quasi die "einleitende Fanfare" 304. Allein dadurch scheint die besondere Bedeutung des Staatskirchenverbots unter der Geltung der Weimarer Reichsverfasssung indiziert zu sein. a) Scheitern aller radikalen Trennungsforderungen in der Weimarer Nationalversammlung Art. 137 Abs. 1 WRV geht auf einen Antrag der Abg. Katzenstein (SPD) und Ablaß (DDP) zurück. 305 Die SPD war seit ihrem Gothaer Programm von 1875 auf die Trennung von Staat und Kirche programmatisch festgelegt: Die 3 0 3

Für strikte Trennung einschließlich der Herabdrückung der großen Kirchen auf das Niveau von privatrechtlichen Vereinen etwa: Dietrich, Verhältnis von Staat und Kirche, 1969, S. 158 ff.; Herlitzius, Kirchliche Selbstverwaltung, 1932, S. 103 f.; Scharnagl, in: Staatslexikon der Görresgesellschaft, Bd. 3, 1919, S. 146 (164). Vgl. auch Lempp, Trennung von Kirche und Staat, 1913, S. 7 Fußn. 2. - Für gemäßigte Trennung unter Beibehaltung des öffentlich-rechtlichen Körperschaftsstatus jüngst Kühne, Reichs Verfassung der Paulskirche, 1985, S. 499; ähnlich Feine, Kirchliche Rechtsgeschichte, 1972, S. 639. - Für Staatskirchenhoheit Oncken, Zeitalter des Kaisers Wilhelm I, 1890, S. 211. 3 0 4

Kühne, Reichs Verfassung der Paulskirche, S. 497.

3 0 5

Nat.Vers.-Steno, Bd. 336, 205.

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Die Verfassungsmäßigkeit der Militärseelsorge

Religion sollte zur Privatsache erklärt, der öffentlich-rechtliche Status der Großkirchen abgeschafft und die staatlichen Finanzzuwendungen an die Kirchen eingestellt werden. 306 Dementsprechend forderten nach der Novemberrevolution einige der SPD-geführten revolutionären Landesregierungen die strikte Trennung von Staat und Kirche. 307 Dieser Forderung Schloß sich ein erheblicher Teil der DDP an. 308 Vor diesem Hintergrund könnte Art 137 Abs. 1 WRV im Sinne strenger Trennung von Staat und Kirche zu verstehen sein. Allerdings befleißigte sich die SPD auf Reichsebene kirchenpolitischer Mäßigung und verzichtete auf revolutionäre staatskirchenrechtliche Aussagen. 309 Die Trennungsforderung klang allenfalls in einem der vom Reichsinnenministerium ausgearbeiteten Vorentwürfe zur Reichsverfassung an: 310 Über die Auseinandersetzung zwischen Staat und Kirche wird ein Reichsgesetz Grundsätze aufstellen, deren Durchführung Sache der deutschen Freistaaten ist. Bezeichnenderweise fehlte jener Passus in dem Entwurf, der schließlich am 21.02.1919 als Regierungsvorlage in die verfassungsgebende Nationalversammlung eingebracht wurde. 311 In der Weimarer Nationalversammlung verzichtete die SPD zwar nicht darauf, radikale Positionen anzudeuten. So zollte man der USPD-Forderung, die Religion zur Privatsache zu erklären, Beifall, 312 machte diese sich in einigen Wortbeiträgen zu eigen und forderte nach dem Vorbilde anderer Staaten 3 0 6

Mommsen, Dt. Parteiprogramme, S. 352.

Vgl. etwa den Aufruf der preußischen Regierung vom 13.11.1918 (bei Huber/Huber, Staat und Kirche IV, S. 6) und den Aufruf der sächsischen Regierung an das sächsische Volk vom 18.11.1918 (,Huber/Huber, aaO, S. 8). In Hessen forderte der Arbeiter- und Soldatenrat in seinem Aufruf vom 10.11.1918 die Trennung von Staat und Kirche (Huber/Huber, aaO, S. 5). Ebenso die bayerische Revolutionsregierung sowie die Regierungen in Braunschweig und in den Hansestädten (dazu Huber/Huber, aaO, S. 5; Mausbach, Kulturfragen, S. 47). 3 0 8

Kalle, Bedeutung, S. 18; Schmitt, Verfassungslehre, S. 32 f.

3 0 9

So hieß es in der Nr. 5 des Aufrufs des Rates der Volksbeauftragten an das deutsche Volk vom 12.11.1918 (RGBl. 1303; Huber/Huber, Staat und Kirche IV, S. 2) lediglich: "Die Freiheit der Religionsausübung wird gewährleistet. Niemand darf zu einer religiösen Handlung gezwungen werden." 3 1 0 § 19 Abs. 3 S. 3 des Verfassungsentwurfs vom 20.01.1919 (abgedruckt bei Triepel, Quellensammlung, S. 10; Giese, JöR 13 [1925], 249 [250]). Dazu Badura, HdbStKirchR I, 2. Aufl., 211 (230 f.). 311

Giese, JöR 13 (1925), 249 (251).

3 1 2

Nat.Vers.-Steno, Bd. 326, 402 B.

C. Vorgaben des Art. 140 GG i.V.m. Art. 137 Abs. 1 W R V

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die Trennung, insbesondere die Beendigung des öffentlich-rechtlichen Korporationsstatus und die Einstellung der Staatsleistungen.313 Von dieser radikalen Rhetorik unberührt blieb freilich ihre Linie äußerster Zurückhaltung in kirchenpolitischen Fragen. Man anerkannte etwa ausdrücklich die Bedeutung der Religion und betonte, nicht die gewaltsame Trennung, sondern die schiedlichfriedliche Einigung anzustreben.314 Ohnehin müsse man sich nicht sklavisch an ausländische Trennungsvorbilder halten.315 Schließlich billigte die SPD den öffentlich-rechtlichen Status der Kirchen ebenso wie die Gewähr der staatlichen Finanzleistungen316 und stellte zusammen mit der DDP einen entsprechend formulierten Antrag, 317 der die Zustimmung der Mehrheit fand. 318 Hintergrund dieser äußerst nachgiebigen Haltung war die gebotene Rücksichtnahme auf den Koalitonspartner Zentrum, 319 der sich - aufgeschreckt durch die radikale und kirchenfeindliche Entwicklung in einigen der deutschen Einzelstaaten - auf Reichsebene vor allem die Sicherung kirchlicher Rechte zum Ziel gesetzt hatte, wobei das Zentrum insoweit von den bürgerlich-konservativen Parteien DVP und DNVP unterstützt wurde. 320 Bei dieser parteipolitischen Konstellation scheiterte ein auf strenge Trennung von Staat und Kirche gerichteter Antrag der USPD,321 Es besteht keine Staatskirche. Staat und Kirche sind staatsrechtlich und vermögensrechtlich voneinander zu trennen. 3 1 3

Meerfeld Bd. 336, 199.

(SPD), Nat.Vers.-Steno, Bd. 366, 188 f.; Quarck (SPD), Nat.Vers.-Steno,

3 1 4

Meerfeld

3 1 5

Quarck (SPD), Nat.Vers.-Steno, Bd. 336, 193.

3 1 6

Meerfeld

(SPD), Nat.Vers.-Steno, Bd. 336, 188.

(SPD), Nat.Vers.-Steno, Bd. 336, 206; Quarck (SPD), Nat.Vers.-Steno, Bd. 336,

193, 199. 3 1 7 Antrag Meerfeld (SPD)/Naumann (DDP), Nat.Vers.-Steno, Bd. 336, 199. Zuvor hatte die SPD (Antrag Quarck/Sinzheimer, Nat.Vers.-Steno, Bd. 336, 173) einen selbständigen Antrag gestellt, der gleichfalls durch große Zurückhaltung geprägt war und sich im wesentlichen an den §§ 144 - 148 PKV orientierte. 3 1 8

Nat.Vers.-Steno, Bd. 336, 207 f.

3 1 9

Israel, Reichskirchenrecht, S. 48: An die Stellung der Kabinettsfrage habe niemand

gedacht. 3 2 0 Siehe v. Delbrück (DNVP), Nat.Vers.-Steno, Bd. 326, 388 D; Mausbach, Kulturfragen, S. 47; Forsthoff\ Öffentliche Körperschaften, S. 111. Siehe ferner die Anträge von Gröber (Zentrum), Nat.Vers.-Steno, Bd. 336, 175, und Kahl (DVP), Nat.Vers.-Steno, Bd. 336, 176, sowie die Wortbeiträge von Mausbach (Zentrum), Nat.Vers.-Steno, Bd. 336, 191; Kahl (DVP), Nat.Vers.Steno, Bd. 336,189; Dünnger (DNVP), Nat.Vers.-Steno, Bd. 336, 194. 3 2 1

Antrag Agnes und Genossen, Nat.Vers.-Steno, Bd. 328, 1658 D.

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der mit großer Mehrheit abgelehnt wurde. 322 Die USPD beklagte daher, daß die übrigen die Parteien die restlose Trennung nicht wollten; 323 allein durch die Aufnahme des Staatskirchenverbots sei die Trennung von Staat und Kirche nicht vollzogen.324 Die Forderungen nach strikter Trennung haben sich in der Weimarer Nationalversammlung mithin nicht durchgesetzt. Auch Art. 137 Abs. 1 WRV kann daher nicht in diesem Sinne zu verstehen sein. Dementsprechend wurde in der Nationalversammlung ausdrücklich darauf hingewiesen, daß das Schlagwort von der Trennung von Staat und Kirche zum Verständnis des Staatskirchenverbotes nicht hilfreich sei. 325 b) Art. 137 Abs. 1 WRV nicht Ausdruck des Grundsatzes strenger Trennung mit fest umrissenen Ausnahmen Bemerkenswert ist, daß die Abg. Katzenstein und Ablaß den auf Art. 137 Abs. 1 WRV zielenden Antrag unmittelbar im Anschluß an die Abstimmung stellten, die zur Verankerung des öffentlich-rechtlichen Status der Kirchen und den weiteren Kirchenrechten führte. Den beiden Abgeordneten schien es "zweckmäßig" zu sein, diesen Bestimmungen das Staatskirchenverbot voranzustellen.326 Denkbar ist daher, daß sie mit dem Verbot der Staatskirche die Grenze des Entgegenkommens von SPD und DDP markieren und verdeutlichen wollten, daß ein weiteres Abrücken von den ursprünglichen Trennungsforderungen nicht in Frage käme. Dies spräche dafür, ganz im Sinne der Militärseelsorge-Kritiker, den Art. 137 Abs. 1 WRV als Grundsatz der strikten Trennung zu verstehen, von dem aufgrund gewisser politischer Notwendigkeiten eine begrenzte Zahl von Ausnahmen hingenommen werden mußte. Weitere Ausnahmen wären dann nicht zulässig; die Verfassung beschriebe die Obergrenze staatlicher Vergünstigungen für die Kirchen. Allerdings haben die beiden Antragsteller mit dem Staatskirchenverbot eine derartige Interpretation jedenfalls nicht explizit verbunden. Sie erwarteten sogar die Zustimmung der übrigen Parteien,327 also von Zentrum, DNVP 3 2 2

Nat.Vers.-Steno, Bd. 328, 1662 D.

3 2 3

Kunert (USPD), Nat.Vers.-Steno, Bd. 328, 1658 D.

3 2 4

Kunert (USPD), Nat.Vers.-Steno, Bd. 328,1659 C; ähnlich auch Quarck (SPD), Nat.Vers.Steno, Bd. 328, 1650 D/1651 A. 3 2 5 Kahl (DVP), Nat.Vers.-Steno, Bd. 328, 1647 B; Naumann (DDP), Nat.Vers.-Steno, Bd. 328, 1652 B/C. 3 2 6

Ablaß (DDP), Nat.Vers.-Steno, Bd. 336, 206.

3 2 7

Ablaß (DDP), Nat.Vers.-Steno, Bd. 336, 206.

C. Vorgaben des Art. 140 GG i . V m . Art. 137 Abs. 1 W R V

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und DVP, die gleichermaßen kirchenfreundliche wie trennungsfeindliche Positionen vertraten und sich auf die Festschreibung einer Obergrenze staatlicher Vergünstigungen für die Kirchen in der Verfassung niemals eingelassen hätten; ihnen ging es vielmehr stets um die Garantie des Mindestmaßes kirchlicher Rechte.328 Und tatsächlich stieß der Vorschlag auf keine Kritik. 329 Er wurde insbesondere vom Zentrum ausdrücklich gebilligt, das darauf hinwies, daß die katholische Kirche es auch schon früher abgelehnt habe, als Staatskirche bezeichnet zu werden. 330 An dieser Stelle tritt der Unterschied zwischen der Paulskirche und Weimar deutlich zutage. Während in der Paulskirche die der katholischen Kirche nahestehenden Abgeordneten gegen das Staatskirchenverbot stimmten, obwohl sie die Staatskirche - im Sinne einer staatlich gegängelten Kirche verurteilten, ließen sie sich in der Weimarer Nationalversammlung ohne Bedenken darauf ein: Offensichtlich befürchteten sie anders als siebzig Jahre zuvor keine den kirchlichen Interessen zuwiderlaufende Interpretation. Damit deckt sich, daß in der Weimarer Literatur dem Staatskirchenverbot zwar die Vermutung für die Trennung von Staat und Kirche entnommen wurde - aber im Sinne der Freiheit der Kirche vom Staat331 und damit ganz im Sinne der katholischen Kirche in der Paulskirchenversammlung. Angesichts der breiten Zustimmung kirchenfreundlicher Parteien kann dem Verbot der Staatskirche kaum eine letztlich kirchenunfreundliche Tendenz in Richtung strenger Trennung unter Minimierung staatlicher Begünstigungen für die Kirchen zugeschrieben werden. c) Absage an landesherrliches Kirchenregiment Welche Zwecke die beiden Antragsteller vor diesem Hintergrund mit dem Staatskirchenverbot verfolgten, läßt sich nicht völlig klären. Zu vermuten steht, daß sie, gerade weil die Weimarer Reichsverfassung es in weitem Umfang bei dem staatskirchenrechtlichen status quo beließ, festgestellt wissen wollten, daß gleichwohl etwas Neues geschaffen wurde. Dieses Bewußtsein, daß bei aller Kontinuität dennoch das Verhältnis von Staat und Kirche eine 3 2 8

Meerfeld

Vgl. Gröber (Zentrum), Nat. Vers.-Steno, Bd. 336, 521. So auch die Einschätzung des Abg. (SPD), Nat. Vers.-Steno, Bd. 336,188.

3 2 9 So der Berichterstatter Mausbach (Zentrum), Nat.Vers.-Steno, Bd. 328, 1644 C. Ebenso ders., Kulturfragen, S. 62. 3 3 0

Koos (Zentrum), Nat.Vers.-Steno, Bd. 336, 206.

3 3 1

Vgl. Kalle, Bedeutung, S. 26, 33, 34 f; Schoen, VerfR, 23; ders., VerwArch 29 (1922), 1 (4); Giese, AöR 7 (1924), 1 (42 f.); Bredt, Geist der Dt.Verf, S. 284; Ebers, Staat und Kirche, S. 131 f. 12 Ennuschat

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Die Verfassungsmäßigkeit der Militärseelsorge

andere Qualität erreicht hatte, wurde auch von anderen Abgeordneten geteilt. 332 Worin die Erneuerung bestehen sollte, wurde freilich nicht geklärt. 333 Einigkeit bestand lediglich darin, daß das Verbot der Staatskirche jedenfalls die für das landesherrliche Kirchenregiment charakteristische enge institutionelle Verbindung zwischen Thron und Altar abschaffen sollte, wie insbesondere der Berichterstatter des Verfassungsausschusses Mausbach (Zentrum) unwidersprochen ausführte: 334 "Abs. 1: 'Es besteht keine Staatskirche* spricht das Trennungsprinzip scharf aus gegenüber einer bestimmten engen Verbindung zwischen Staat und Kirche, wie sie bei der evangelischen Landeskirche bislang vorhanden war." Nun war dem Summepiskopat durch den Sturz der monarchischen Landesherren die Grundlage bereits entzogen worden. Die äußerst dezidierte Formulierung ("scharf') steht daher in einem eigentümlichen Kontrast zum sehr beschränkten Anwendungsbereich des Art. 137 Abs. 1 WRV. Die Weimarer Literatur hat sich der die Reichweite des Staatskirchenverbotes beschränkenden Interpretation des Berichterstatters Mausbach angeschlossen,335 Vor diesem Hintergrund ist auch die zur Interpretation des Staatskirchenverbotes von Forsthoff und Anschütz geprägte Formulierung "Verbot institutioneller Verbindungen" zu sehen: Dies richte sich "gegen jegliche Verwaltung innerkirchlicher Angelegenheiten durch Staatsorgane oder staatlich bestellte bzw. besetzte Kirchenorgane". 336 Die verfassungsrechtliche Zulässigkeit der Anstalts- und Militärseelsorge sah man durch das Verbot institutioneller Verbindungen nicht in Frage gestellt.337 3 3 2

Vgl. etwa Veidt (DNVP), Nat.Vers.-Steno, Bd. 328, 1656 D.

3 3 3

Zu dieser das gesamte Weimarer Verfassungswerk kennzeichnenden Spannung zwischen Kontinuität und Umbruch siehe Grawert, Der Staat 28 (1989), S. 48 ff. 3 3 4

Nat.Vers.-Steno, Bd. 328, 1644 C. Vgl. ferner Naumann (DDP), Nat.Vers.-Steno, Bd. 328,

1651 A. 3 3 5 Anschütz, WRV, Komm., Art. 137 Erl. 1, S. 631; Ebers, Staat und Kirche, S. 120; Forsthoffi Öffentliche Körperschaft, S. 112; Giese, AöR n.F. 7 (1924), 1 (43); G.Heckel, Staatskirche, S. 47; Hubrich, VerfR, S. 231; Mausbach, Kulturfragen, S. 62; Meißner, StaatsR, S. 302; BredU Kirchenrecht II, S. 126. Vgl. auch Kalle, Bedeutung, S. 35 f.: Art. 137 Abs. 1 WRV richte sich gegen das vormalige landesherrliche Kirchenregiment und gegen zukünftige vergleichbare staatskirchliche Formen. Zur Weimarer Interpretation siehe ferner Unk, BayVBl. 1966, 297 (300). 3 3 6

Anschütz., WRV, Komm., Art. 137 Erl. 1, S. 631; Forsthoff.\

S. 112. 3 3 7

Anschütz, WRV, Komm., Art. 141 Erl. 2, S. 657.

Öffentliche Körperschaft,

C. Vorgaben des Art. 140 GG i . V m . Art. 137 Abs. 1 W R V

179

3. "Staatskirche" in Art. 140 GG i.V.m. Art. 137 Abs. 1 W R V

Eine Detaildebatte über die Bedeutung des Art. 137 Abs. 1 WRV fand im Parlamentarischen Rat nicht statt; grundsätzlich ist daher davon auszugehen, daß an die Weimarer Interpretation angeknüpft werden sollte.338 Allerdings gab es 1948/49 keine Reste des landesherrlichen Kirchenregiments, so daß die einzig greifbare Weimarer Funktion des Staatskirchenverbotes leer liefe. Wenn das Verbot der Staatskirche nach 1949 nicht funktions- und bedeutungslos sein soll, könnte man daran denken, die auf strikte Trennung gerichtete Interpretation der Paulskirche wieder aufleben zu lassen. Durchaus denkbar ist somit, daß dem Verbot der Staatskirche unter der Geltung des Grundgesetzes eine über den Weimarer Stand hinausreichende Anordnung strengerer Trennung zwischen Staat und Kirche entnehmen läßt. a) Kirchenfreundlichkeit

des Parlamentarischen Rates

Gegen eine Auslegung des Art. 140 GG i.V.m. Art 137 Abs. 1 WRV im Sinne strengerer Trennung spricht indessen die kirchenpolitische Haltung der im Parlamentarischen Rat vertretenen Parteien. Die von kirchenfreundlichen Kräften getragenen Fraktionen von CDU/CSU, Zentrum und DP waren ohnehin gegen alle Trennungsbestrebungen, soweit damit ein Rechtsverlust für die Kirchen verbunden zu sein drohte. 339 Anders als 1848 und 1919 hatten aber auch die traditionell trennungsgeneigten Parteien der liberalen Mitte und des linken Spektrums keinerlei Forderungen nach möglichst weitreichender Trennung von Staat und Kirche erhoben, geschweige denn mit dem Verbot der Staatskirche verknüpft. 340 Von daher dürfte dem Art 140 GG i.V.m. Art 137 Abs. 1 WRV kaum eine derartige Trennungsanordnung zuzuschreiben sein. Hintergrund der ungewöhnlichen kirchenpolitischen Einmütigkeit im Parlamentarischen Rat war der fundamentale Wandel der Einstellung von Sozialdemokratie und Liberalismus gegenüber der Rolle der Kirchen. Im 19. Jahr3 3 8

Siehe oben 3. Teil Β III 2 a bb.

3 3 9

Vgl. insb. die Anträge von DP und CDU/CSU, Zentrum und DP vom 19./29.11.1948 (JöR n.F. 1 [1951], 899 f.). 3 4 0 Noch nicht einmal die KPD forderte die strenge Trennung von Staat und Kirche. Hintergrund war das Bestreben der SED, durch Zugeständnisse an die Kirchen in Ostdeutschland deren Einbindung in den neuen Staat, die letztlich auf eine Gleichschaltung hinauslaufen sollte, zu erleichtern. Die erste Verfassung der DDR war daher bewußt bürgerlich formuliert, um bei einem unbefangenen Betrachter den Eindruck einer demokratischen Verfassung im rechtsstaatlichen Gewände zu erwecken ÇKremser, JöR n.F. 40 [1991/92], 501 [509]; Zieger, AöR 94 [1969], 185 [190]); im Staatskirchenrecht lehnte sie sich eng an die Weimarer Reichsverfassung an. An diesen Vorgaben - d.h. an den Entwürfen zur ostdeutschen Verfassung - orientierte sich die KPD im Parlamentarischen Rat. Vgl. Renner (KPD), Pari. Rat, HA-Steno, S. 258.

12*

1

Die Verfassungsmäßigkeit der Militärseelsorge

hundert erschienen die Kirchen vielen aufgrund deren besonderer Nähe zum Staat, dem sog. Bündnis zwischen Thron und Altar, als Bedrohung individueller Freiheiten. Sozialdemokratie und Liberalismus sahen in der Stärkung oder Sicherung kirchlicher Rechte daher im Ansatz eine Gefährdung der Freiheit. Die Forderung nach Trennung zielte sowohl in der Paulskirche als auch in der Weimarer Nationalversammlung letztlich auf eine Reduzierung kirchlichen Einflusses; sie war so von einem kirchenskeptischen, bisweilen sogar dezidiert kirchenfeindlichen Moment motiviert. Nach 1945 hatte sich diese Kirchenskepsis weitgehend verloren. Die Kirchen, die als einzige gesellschaftliche Kraft die NS-Zeit ohne nennenswerten Ansehensverlust überstanden hatten und sogar bei vielen an Ansehen dazugewinnen konnten, galten den liberalen und sozialdemokratischen Politikern nunmehr nicht länger als Gefahr für die Freiheit, sondern umgekehrt als deren Garanten. Auslöser dieses Meinungsumschwungs waren die Erfahrungen des Kirchenkampfes im Dritten Reich und im seinerzeitigen Stalinismus Osteuropas, insbesondere Ostdeutschlands. Nach Aus- oder Gleichschaltung der Opposition verblieben sowohl in der NSDiktatur als auch nach 1945 jenseits des Eisernen Vorhanges lediglich die Kirchen als Verfechterinnen individueller Freiheiten gegenüber diktatorischen Übergriffen. CDU/CSU und DP versäumten auch nicht, auf die neue Rolle der Kirchen hinzuweisen.341 FDP und SPD schlossen sich dieser Sichtweise an, zumal letztere sich mit den Kirchen durch die Gemeinsamkeiten der Erfahrung der Verfolgung im Nationalsozialismus und der Ablehnung des Stalinismus verbunden fühlte. 342 Die kirchlichen Rechte wurden daher von niemandem in ihrem materiellen Gehalt ernstlich in Frage gestellt - schon um nicht mittelbar die Position der Kirche in Ostdeutschland zu schwächen; umstritten waren im wesentlichen formale Fragen. 343 Bei der ausgesprochenen Kirchenfreundlichkeit aller Parteien verlor die Trennungsforderung damit ihre historisch-politische Grundlage. b) Absage an Kirchenkampf im Dritten Reich Das Staatskirchenverbot unter der Geltung des Grundgesetzes richtet sich daher nicht - wie vielfach noch in der Paulskirchenversammlung - gegen die freiheitsbedrohende, "herrschende" Kirche. Vielmehr ging es dem Parlamentarischen Rat - bemerkenswert übereinstimmend mit den Vorstellungen der 3 4 1 Süsterhenn (CDU/CSU), Pari. Rat, HA-Steno, S. 255; Seebohm (DP), Pari. Rat, HA-Steno, S. 257, 489. 3 4 2 Eberhard (SPD), Pari. Rat, HA-Steno, S. 258; Bergstraeßer (SPD), Pari. Rat, HA-Steno, S. 256; Höpker-Aschoff (FDP), Pari. Rat, HA-Steno, S. 258; Heuss (FDP), Pari. Rat, GSA-Steno, S. 64. 3 4 3

Siehe oben 3. Teil Β III 2 abb.

C. Vorgaben des Art. 140 GG i.V.m. Art. 137 Abs. 1 WRV

11

der katholischen Kirche nahestehenden Abgeordneten in der Paulskirche - um den Schutz kirchlicher Freiheiten vor staatlichen Übergriffen, wobei dadurch zugleich individuelle Freiheiten gesichert werden sollten. Eine Konsequenz dieser Zielrichtung war etwa die endgültige Abschaffung des im System der Staatskirchenhoheit wurzelnden und durch den Mißbrauch in der NS-Zeit diskreditierten besonderen staatlichen Aufsichtsrechts über die Kirchen. 344 Auch das Verbot der Staatskirche ist unter diesem Blickwinkel zu betrachten. Es ist daher nicht im Sinne weitreichender Trennung von Staat und Kirche zu interpretieren. 4. Zusammenfassung der historischen Interpretation des Art. 140 GG i.V.m. Art. 137 Abs. 1 W R V : Keine Anordnung (des Grundsatzes) strikter Trennung

Die Bedeutung des Staatskirchenverbotes hat sich in den 100 Jahren zwischen 1848 und 1948 mehrfach gewandelt. Parallelen ergeben sich aber mit Blick auf die negative Aussage des Verbotes der Staatskirche. Es bestand jeweils weitgehende Einigkeit, daß zumindest der staatskirchenrechtliche Zustand vor der jeweiligen Verfassungsgebung reformiert werden sollte. 1848 richtete sich dies gegen die vormärzliche Staatskirche, 1919 gegen das Summepiskopat im Rahmen des landesherrlichen Kirchenregiment und 1948/49 gegen die letzten Überreste aus dem System der Staatskirchenhoheit, namentlich gegen die im Dritten Reich mißbrauchten staatlichen Aufsichtsbefugnisse. Schwieriger zu bestimmen sind die jeweiligen positiven Gehalte des Staatskirchenverbotes. In der Paulskirche zielte es bei aller Diffusität doch erkennbar gegen die als freiheitsbedrohend empfundene "herrschende" Kirche und wies einige Affinitäten zur Forderung nach strikter Trennung auf. In der Weimarer Nationalversammlung war sein Bedeutungsgehalt hingegen gerade nicht auf die strenge Trennung gerichtet, sondern im wesentlichen auf die negative Aussage, d.h. die Abschaffung des ohnehin nahezu beseitigten landesherrlichen Kirchenregiments reduziert 1948/49 lief diese Zielrichtung endgültig leer. Gleichwohl knüpfte der Parlamentarische Rat nicht an die Bedeutung von 1848/49 an. Vielmehr wurden die Kirchen, ganz anders als 100 Jahre zuvor, allseits als Garanten der individuellen Freiheit betrachtet. Die Notwendigkeit von Vorkehrungen gegen eine "herrschende" Kirche entfiel daher. Intendiert war vielmehr die Sicherung kirchlicher Freiheit vor 3 4 4 Dazu oben 3. Teil Β III 2 a cc. Auch insoweit ist im übrigen ein Bezug zur Paulskirche aufschlußreich: Seinerzeit wurde das Aufsichtsrecht u.a. mit der Notwendigkeit staatlicher Kontrolle gegenüber der freiheitsgefährdenden kirchlichen Machtfülle begründet. Näher oben 3. Teil C I I 1 a bb.

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Die Verfassungsmäßigkeit der Militärseelsorge

staatlichen Übergriffen, womit der Bogen zur Forderung der katholischen Vertreter in der Paulskirche geschlagen wäre. Dezidierte Trennungsforderungen wurden damit im Parlamentarischen Rat nicht verbunden, zumal sich dieser im Unterschied zur Paulskirche und deutlicher noch als die Weimarer Nationalversammlung durch eine durchweg kirchenfreundliche Haltung auszeichnete. Die historische Interpretation spricht somit gegen eine Auslegung des Verbotes der Staatskirche in Art. 137 Abs. 1 WRV i.V.m. Art. 140 GG im Sinne eines Grundsatzes strenger Trennung von Staat und Kirche. III.

Systematische Interpretation

Im Rahmen der systematischen Interpretation des Art 137 Abs. 1 WRV ist zunächst ein Blick auf dessen Stellung im staatskirchenrechtlichen Gesamtgefüge zu werfen. Einige Anhaltspunkte zum Verständnis des Staatskirchenverbotes lassen sich schließlich einem Vergleich des Art. 137 Abs. 1 WRV mit landesverfassungsrechtlichen Parallelnormen entnehmen. 1. Art. 137 Abs. 1 W R V im staatskirchenrechtlichen Gesamtgefüge des Grundgesetzes

Art. 137 Abs. 1 WRV wird häufig zu den Zentralnormen des grundgesetzlichen Staatskirchenrechts gezählt, dessen Aufgabe es sei, mit der Verankerung des Trennungsprinzips einen Eckpfosten des staatskirchenrechtlichen Gesamtsystems zu markieren. 345 Zweifel an der Einordnung als Zentralnorm ergeben sich freilich bereits aus dem Umstand, daß das Verbot der Staatskirche in den Beratungen sowohl der Weimarer Nationalversammlung als auch des Parlamentarischen Rates ein Schattendasein fristete. Wie sich im Rahmen der historischen Interpretation zeigte, kann dem Verbot der Staatskirche auch kaum die Anordnung des Grundsatzes strikter Trennung von Staat und Kirche zugeschrieben werden, von dem nur einige wenige Ausnahmen in der Verfassung ausdrücklich zugelassen werden. Dem Grundgesetz sind Regel-Ausnahme-Verhältnisse zwar keineswegs fremd. Entsprechende Anordnungen finden sich etwa in Art 30, 70/73 ff., 83/86 ff., 134, 31/142, 7 Abs. 3/141 GG. Das Regel-Ausnahme-Verhältnis schlägt sich jeweils schon in der gewählten Formulierung nieder, etwa "soweit dieses Grundgesetz keine andere Regelung trifft oder zuläßt" (Art. 30 GG,

3 4 5 Vgl. etwa Kleine, Verfassungswidrigkeiten, S. 149, 151: Art. 7 Abs. 3 GG, 137 Abs. 5 WRV seien leges speciales zur Grundnorm des Art. 137 Abs. 1 WRV.

C. Vorgaben des Art. 140 GG i.V.m. Art. 137 Abs. 1 WRV

1

ähnlich Art. 70 und 83 GG) oder "grundsätzlich" (Art. 134 GG). Demgegenüber enthält der Wortlaut des Art. 137 Abs. 1 WRV keinerlei Hinweise auf ein Regel-Ausnahme-Verhältnis.346 Auffällig ist vielmehr, daß das Staatskirchenverbot in unmittelbarem textlichen Zusammenhang mit den Gewährleistungen der religiösen Vereinigungsfreiheit (Art. 137 Abs. 2 WRV) und der kirchlichen Selbstbestimmung (Art. 137 Abs. 3 WRV) steht. Dies stützt das im Wege der historischen Interpretation gewonnene Ergebnis, daß eine wesentliche Funktion des Staatskirchenverbots im Schutz der Kirchen vor staatlichen Übergriffen liegt. Dies kann jedoch lediglich ein erstes systematisches Indiz sein. Für weitere Aussagen ist eine eingehendere Analyse der Stellung des Art 137 Abs. 1 WRV im staatskirchenrechtlichen Gesamtgefüge des Grundgesetzes erforderlich, die vor allem das Verhältnis des Staatskirchenverbotes zur Religionsfreiheit (Art. 4 GG) als dem Schlußstein des grundgesetzlichen Staatskirchenrechts in den Blick nimmt. 347 2. Vergleich mit landesverfassungsrechtlichen Parallelnormen

Vorab können sich einige weitere Hinweise zur Interpretation des Staatskirchenverbotes durch einen Vergleich mit den landesverfassungsrechtlichen Parallelnormen zu Art. 140 GG i.V.m. Art. 137 Abs. 1 WRV ergeben. Dabei sind zwei Gesichtspunkte von Bedeutung: Zum einen ist zu untersuchen, ob die Landesverfassungsgeber das Verbot der Staatskirche als Trennungsanweisung verstanden haben; zum anderen ist zu berücksichtigen, daß sich in einigen Landesverfassungen ausdrückliche Trennungsanordnungen finden. a) Landesverfassungsrechtliche

Staatskirchenverbote

Landesverfassungsrechtliche Staatskirchenverbote finden sich sowohl in vor als auch nach Erlaß des Grundgesetzes verkündeten Landesverfassungen der alten Bundesländer sowie in sämtlichen Verfassungen der neuen Bundesländer. aa) Alte Bundesländer Schon vor Erlaß des Grundgesetzes enthielten die Verfassungen von Bayern 3 4 8 , Hessen349 und Baden350 jeweils eine Parallelnorm zu Art. 137 Abs. 1 3 4 6

Siehe oben 3. Teil C I 2 c.

3 4 7

Dazu unten 3. Teil D i l l .

3 4 8

Art. 142 Abs. 1 der Verfassung vom 02.12.1946.

Die Verfassungsmäßigkeit der Militärseelsorge

1

WRV. Die Forderung nach möglichst weitreichender Trennung hat keiner dieser Verfassungsgeber damit verbunden;351 auf Trennung gerichtete Anträge der KPD scheiterten sowohl in Bayern 352 als auch in Hessen353 . Das Verbot der Staatskirche richtete sich vielmehr gegen die - 1946/47 freilich wenig wahrscheinliche - Neueinführung des landesherrlichen Kirchenregiments354 sowie gegen staatliche Bestrebungen, die Vorherrschaft über die Kirchen zu erlangen. 355 Angesichts der Erfahrungen des Kirchenkampfes im Dritten Reich sollte die besondere staatliche Kirchenhoheit abgeschafft werden. 356 Mit dieser Intention deckt sich, daß das Staatskirchenverbot in der bayerischen und in der badischen Verfassung jeweils in unmittelbarer Nähe zu den Gewährleistungen der religiösen Vereinigungsfreiheit und der kirchlichen Selbstbestimmung angesiedelt ist bzw. war. Die nordrhein-westfälische Verfassung vom 28.06.1950 verweist zwar in Art 22 auf Art. 140 GG und damit u.a. auf das Verbot der Staatskirche in Art. 137 Abs. 1 WRV. Besondere Bedeutung kommt dem Verweis auf Art. 137 Abs. 1 WRV freilich nicht zu, da diesem nur ein subsidiärer Anwendungsbereich zugeschrieben wird ("im übrigen"). Durch die Inbezugnahme auf Art. 140 GG wird immerhin deutlich, daß der Landesverfassungsgeber sich im Grundsatz die Bonner Vorgaben zu eigen gemacht und lediglich in den Art 19 - 21 nw.Verf sowie in Schulfragen noch darüber hinausreichende kirchcnfreundliche Akzente gesetzt hat. Auch in Nordrhein-Westfalen kann das Verbot der Staatskirche damit kaum als Programmsatz strikter Trennung verstanden werden.

3 4 9

Art 48 Abs. 3 der Verfassung vom 28.05.1947.

3 5 0

Art 34 Abs. 1 der Verfassung vom 01.12.1946.

3 5 1

Vgl. BayVerfGH 21, 153 (156); Meder, Bay.Verf, Komm., ArL 142 Rdnr. 1; Nawiasky/ Leusser, Bay.Verf, Komm., 1. Aufl., Art 142, S. 224 mit Nachweisen aus der Entstehungsgeschichte (.Schwalber, VerfA-Prot. I, 280); Zinn/Stein, Hess.Verf, Komm., Erstbearbeitung 1954, Art 48 Erl. 7 sowie Art. 50 Erl. 2. - Zur Besonderheit in Hessen, dessen Landesverfassung in Art. 50 Abs. 1 die ausdrückliche Anordnung trifft, daß die staatlichen und kirchlichen Bereiche klar gegeneinander abzugrenzen sind, siehe sogleich unter b aa. 3 5 2

VerfA-Prot. I I 366; Plenarprot. 56 (zitiert nach Nawiasky/Leusser,

3 5 3

Abg. Bauer, L V I I I 23, L V lila 210 (zitiert nach Zirmßtein, aaO, Art. 50 Erl. 2).

aaO, Art 142, S. 224).

3 5 4

So in der hessischen Landes Versammlung der Abg. Bergsträßer, L V lila 210 (zitiert nach Zinn/Stein, aaO, Art. 48 Erl. 7). Für Bayern siehe Nawiasky/Leusser, aaO, Art. 142, S. 224. 3 5 5

Für Bayern: Meder, aaO, Art. 142 Rdnr. 1 ; für Hessen: Zinn/Stein,

3 5 6

Vgl. Zinn/Stein,

aaO, Art. 49 Erl. 7.

aaO, Art 49 Erl. 7.

C. Vorgaben des Art. 140 GG i.V.m. Art. 137 Abs. 1 W R V

1

bb) Neue Bundesländer Die Verfassungen der fünf neuen Bundesländer haben sämtlich ein Verbot der Staatskirche normiert: Brandenburg durch eigenständige Regelung,357 Thüringen durch Verweis auf Art. 140 GG, 358 die übrigen neuen Länder durch Verweis unmittelbar auf Art. 137 WRV. 359 Art 36 brandenb.Verf lehnt sich eng an Aufbau und Wortlaut des Art 137 WRV an. Hier wie dort lautet der erste Absatz "Es besteht keine Staatskirche". Im übrigen entsprechen die Absätze 2 - 5 des Art 36 brandenb.Verf den Absätzen 3, 5, 6 und 7 des Art 137 WRV. Diese Ähnlichkeit in Struktur und Formulierung spricht dafür, daß auch die inhaltliche Aussage des Art 36 brandenb.Verf im wesentlichen mit dem Regelungsgehalt des Art 137 WRV übereinstimmt. Soweit Art 36 brandenb.Verf von der Vorgabe des Art 137 WRV abweicht, ist er kirchenfreundlicher: So anerkennt Art 36 Abs. 3 S. 1 brandenb.Verf anders als Weimarer Reichsverfassung und Grundgesetz ausdrücklich den Öffentlichkeitsauftrag der Kirchen und Religionsgemeinschaften. Vor diesem Hintergrund ist das brandenburgische Staatskirchenverbot mit Art. 137 Abs. 1 WRV deckungsgleich, also nicht als strikte Trennungsanordnung zu verstehen. Dies gilt um so mehr für die Staatskirchenverbote in Mecklenburg-Vorpommern und Thüringen. Die Landesverfassungsgeber wählten dort die Form des Verweises auf das grundgesetzliche resp. Weimarer Staatskirchenrecht. Trotz geäußerter Kritik seitens der PDS knüpfen sie bewußt an die damit verbundenen inhaltlichen Vorgaben an. 360 Die wenigen eigenständigen Akzente unterstreichen dieses Ergebnis oder zeichnen sich sogar durch über die Weimarer und Bonner Vorbilder hinausreichende Kirchenfreundlichkeit aus: In Thüringen wird etwa die Gemeinnützigkeit sozialer und karitativer Einrichtungen der Kirchen anerkannt, in beiden Ländern die Einrichtung theologischer Fakultäten gewährleistet.361 Im übrigen haben beide Landesverfas-

3 5 7

Art. 36 Abs. 1 brandenb.Verf.

3 5 8

Art. 40 thür.Verf.

3 5 9

Art. 9 Abs. 1 m-v.Verf; Art. 109 Abs. 4 sächs.Verf; Art. 32 Abs. 5 s-anh.Verf.

360 V g l den Abg. Schoenenburg (LL/PDS), in: Landtag Mecklenburg-Vorpommern (Hrsg.), Die vorläufige Verfassung, S. 406, sowie den Abschlußbericht der Kommission für die Erarbeitung einer Landesverfassung für Mecklenburg-Vorpommern, aaO, S. 75. 3 6 1

Art. 9 Abs. 3 m-v.Verf, Art. 28 Abs. 3, Art. 41 thür.Verf.

16

Die Verfassungsmäßigkeit der Militärseelsorge

sungsgeber Vorschläge auf Aufnahme einer ausdrücklichen Trennungsanordnung in die Verfassung verworfen. 362 Die Staatskirchenverbote in Brandenburg, Mecklenburg-Vorpommern und Thüringen reichen damit nicht weiter als Art. 137 Abs. 1 WRV i.V.m. Art. 140 GG. Bei Sachsen und Sachsen-Anhalt ist zu berücksichtigen, daß neben dem Staatskirchenverbot zugleich eine Trennungsanordnung in der Verfassung festgeschrieben worden ist; auf die Rechtslage in diesen Ländern soll daher vorrangig mit Blick darauf eingegangen werden. b) Landesverfassungsrechtliche

Trennungsanordnungen

Die Verfassung von Bremen sowie die Verfassungen von Sachsen und Sachsen-Anhalt enthalten ausdrückliche Aussagen zur Trennung von Staat und Kirche. 363 In Hessen ist immerhin von klarer Abgrenzung die Rede. aa) Alte Bundesländer Die Fassung des Art. 59 Abs. 1 brem.Verf Die Kirchen und Religionsgesellschaften sind vom Staate getrennt. geht auf § 87 der bremischen Verfassung vom 18.05.1920 zurück. 364 Inhaltlich entspricht Art 59 Abs. 1 brem.Verf der Weimarer Vorgabe des Art 137 Abs. 1 WRV, ohne eine darüber hinausreichende Trennung zu postulieren.365 In der hessischen Verfassung ist in Art. 50 Abs. 1 angeordnet: Es ist Aufgabe von Gesetz oder Vereinbarung, die staatlichen und kirchlichen Bereiche klar gegeneinander abzugrenzen. Allein die gesonderte Verankerung der Abgrenzungsanordnung indiziert ein über den Bedeutungsgehalt des Staatskirchenverbotes des Art 48 Abs. 3 hess.Verf (= Art. 137 Abs. 1 WRV) hinausreichendes Trennungspostulat. In 362 V g l fijj- Mecklenburg-Vorpommern: Abg. Schoenenburg (LL/PDS), in: Landtag Mecklenburg· Vorpommern (Hrsg.), Die vorläufige Verfassung, S. 406, sowie den Abschlußbericht der Kommission für die Erarbeitung einer Landesverfassung für Mecklenburg-Vorpommern, aaO, S. 75. - Für Thüringen etwa: Art. 107 Abs. 2 des Verfassungsentwurfs der LL/PDS (abgedruckt in: JöR n.F. 41 [1993], 305). 3 6 3

Ebenso Art. 14 Abs. 3 der Verfassung von Berlin (Ost).

3 6 4

Senatsbegründung zu Art. 56 (später 59) des Verfassungsentwurfs; Mitteilung des Senats vom 31.05.1946. 36 5

S. 129.

Meyer-Arndt,

HdbBremVerf, S. 254 (255); Spitta, Brem Verf, Komm., Erl. zu Art. 59,

C. Vorgaben des Art. 140 GG i.V.m. Art. 137 Abs. 1 W R V

1

der Tat findet der Trennungsgedanke in Art. 50 hess.Verf akzentuierteren Ausdruck als in Weimarer Reichsverfassung und Grundgesetz.366 Vor dem Hintergrund des zweiten Absatzes des Art. 50 hess.Verf Die Kirchen, Religion- und Weltanschauungsgemeinschaften haben sich, wie der Staat, jeder Einmischung in die Angelegenheiten des anderen Teils zu enthalten. scheint die Regelung zudem von einer gewissen kirchenskeptischen Grundhaltung geprägt zu sein - richtet sich das Einmischungsverbot doch primär an die Kirchen. Verfassungsgeberisches Motiv waren Befürchtungen, die Kirchen könnten durch Hirtenbriefe und dergleichen Einfluß auf politische Wahlen zu nehmen suchen.367 Der zweite Absatz zielte zunächst sogar auf Beseitigung des Öffentlichkeitsanspruchs der Kirchen; schließlich setzte sich beim Verfassungsgeber aber die Auffassung durch, daß der Öffentlichkeitsanspruch unangetastet bleiben sollte.368 Letztlich enthält Art. 50 Abs. 1 hess.Verf nur eine Selbstverständlichkeit: Schon die Unabhängigkeit der Kirchen vom und im Staat erfordert eine klare Scheidung beider Bereiche, um nicht staatlichen Übergriffen Vorschub zu leisten. Trotz der auf Trennung hindeutenden Verfassungsrhetorik und der kirchenskeptischen Motivation ist das hessische Abgrenzungsgebot daher nicht als Trennungspostulat zu verstehen, zumal auf Trennung von Staat und Kirche gerichtete Anträge der KPD scheiterten.369 Die Trennungs- bzw. Abgrenzungsanordnungen in Hessen und Bremen decken sich damit im wesentlichen mit dem Regelungsgehalt des Art. 137 Abs. 1 WRV. Soweit sie deutlicher im Sinne einer gegen die Kirchen gerichteten Trennung von Staat und Kirche akzentuiert sind, ist zu beachten, daß der Parlamentarische Rat diesem Vorbild gerade nicht gefolgt ist. bb) Neue Bundesländer In den Verfassungen von Sachsen und Sachsen-Anhalt ist neben dem Staatskirchenverbot zusätzlich eine ausdrückliche Trennungsanordnung enthalten.370 Wiederum scheint nahezuliegen, diesen Trennungsgeboten einen 3 6 6

Stein/Engelhardt,

in: Zinn/Stein, Hess.Verf, Komm., Nachtrag 1990, Art. 50 Erl. 1.

3 6 7

Stein/Engelhardt,

in: Zinn/Stein, Hess.Verf, Komm., Nachtrag 1990, Art. 50 Erl. 1.

3 6 8

Zinn/Stein,

Hess.Verf, Komm., Erstbearbeitung, Art. 50 Erl. 5.

3 6 9

Zinn/Stein,

Hess.Verf, Komm., Erstbearbeitung, Art. 50 Erl. 2. Siehe auch oben 3. Teil C

III 2 a aa. 3 7 0

Art. 109 Abs. 2 S. 1 sächs.Verf; Art. 32 Abs. 1 S. 1 s-anh.Verf.

Die Verfassungsmäßigkeit der Militärseelsorge

1

vom Staatskirchen verbot des Art. 137 Abs. 1 WRV abweichenden, womöglich darüber hinaus in Richtung verstärkter Trennung von Staat und Kirche reichenden Gehalt zuzuschreiben.371 Allerdings ist zu berücksichtigen, daß das Trennungsgebot in Sachsen in engem Zusammenhang mit der Gewährleistung kirchlicher Freiheit vom Staat steht (Art. 109 Abs. 2 S. 2 sächs.Verf). Auch im übrigen enthält die sächsische Verfassung eine Reihe kirchenfreundlicher Regelungen, etwa die Anerkennung der Bedeutung der Kirchen (Art. 109 Abs. 1), die Gewährleistung der diakonischen und karitativen Arbeit (Art. 109 Abs. 3) oder einen Anspruch auf (anteilige) Kostenerstattung für kirchliche gemeinnützige Tätigkeit (Art. 110 Abs. 1) und Baudenkmäler (Art. 112 Abs. 2). Wichtigste Stoßrichtung des sächsischen Staatskirchenrechts ist mithin die Absicherung kirchlicher Positionen gegenüber dem Staat. Dies war dem Landesverfassungsgeber angesichts der Bedrängnisse während der SED-Diktatur von besonderer Wichtigkeit. 372 Das Trennungsgebot in Sachsen steht inmitten der genannten Absicherungen. Somit spricht einiges dafür, es in diesem Kontext zu interpretieren - als Schutznorm vor staatlichen Übergriffen. Dann kommt dem sächsischen Trennungsgebot dieselbe Funktion zu wie in anderen Bundesländern dem Staatskirchenverbot. Für Sachsen-Anhalt gilt Entsprechendes: Soweit der Trennungsgedanke akzentuierter zum Ausdruck kommt als im Grundgesetz und in anderen Landesverfassungen, ist dies nicht im laizistischen Sinne gegen die Kirchen, sondern umgekehrt - vor dem Hintergrund der SED-Diktatur - gegen staatliche Übergriffe gerichtet. Anläßlich der Unterzeichnung eines Kirchenvertrages betonten so Landesregierung und evangelische Kirche, daß gerade die wechselseitige Unabhängigkeit das unverkrampfte Miteinander in freier Partnerschaft ermögliche. 373 Im Ergebnis kommen die Aussagen der staatskirchenrechtlichen Bestimmungen in Sachsen und Sachsen-Anhalt dem grundgesetzlichen Vorbild, auf das beide Verfassungen explizit verweisen, sehr nahe.374 Wie schon die Stellung des Art 137 Abs. 1 WRV im Umfeld der übrigen Absätze des Art. 137 WRV deutet auch ein Vergleich mit den landesverfas3 7 1

Dazu neigen wohl Mahnke, S-anh.Verf, Komm., Art. 32 Rdnr. 2; Kunzmann, in: Kunzmann/Haas/Bartlitz/Baumann-Hasske, Sächs.Verf, Komm., Art. 109 Rdnr. 5. 3 7 2 v. Mangoldt, Verfassungen der neuen Bundesländer, S. 55; ders., SächsVBl. 1993, 25 (31); Heitmann, SächsVBl. 1993, 2 (7). 3 7 3

Dazu Weber, NVwZ 1994, 759 (760).

3 7 4

v. Mangoldt, Verfassungen der neuen Bundesländer, S. 55.

C. Vorgaben des Art. 140 GG i.V.m. Art. 137 Abs. 1 WRV

189

sungsrechtlichen Parallelnormen darauf hin, das Staatskirchenverbot nicht als Anordnung (des Grundsatzes) strikter Trennung, sondern primär als Schutznorm kirchlicher Freiheit im und vom Staat zu verstehen. IV.

Teleologische Interpretation

Hinweise zur Bestimmung der ratio legis des Staatskirchenverbotes ergaben sich bereits im Wege der historischen Interpretation: Unter Geltung der Weimarer Reichsverfassung zielte Art. 137 Abs. 1 WRV auf die Überwindung des landesherrlichen Kirchenregiments. Diesem Zweck war 1948/49 spätestens die historische Grundlage entzogen. Es bestehen einige Anhaltspunkte dafür, daß stattdessen das Verbot der Staatskirche die Kirchen vor staatlichen Übergriffen schützen soll. Ob dem Art 137 Abs. 1 WRV darüber hinausgehende Zwecke zuzuerkennen sind - etwa die Normierung des Grundsatzes strikter Trennung von Staat und Kirche - , hängt erneut vor allem von seiner Funktion im Blick auf die Gewährleistung der Religionsfreiheit in Art. 4 Abs. 1, 2 GG ab. 375 V.

Zusammenfassung der Interpretation des A r t 140 G G i.V.m. A r t 137 Abs. 1 W R V

Das Verbot der Staatskirche gem. Art 137 Abs. 1 WRV steht der Verfassungsmäßigkeit der derzeitigen Militärseelsorge nur entgegen, wenn es im Sinne eines strengen Trennungsgrundsatzes und eines Verbotes aller institutionellen Verflechtungen von Staat und Kirche verstanden würde. Nun ist Art. 137 Abs. 1 WRV sicherlich Ausdruck einer gewissen Trennung von Staat und Kirche. Die Reichweite des Staatskirchenverbotes ist aber - wie schon die vom Verfassungsgeber gewählte Formulierung andeutet - beschränkt: Es zielt zunächst auf die Abschaffung der letzten Überbleibsel staatskirchlicher Verhältnisse. Dies betraf unter Geltung der Weimarer Reichsverfassung die Abschaffung des landesherrlichen Kirchenregiments; 376 dieser Zweck motivierte sogar nach 1945 noch einige Landesverfassungsgeber. Die zur Interpretation des Art 137 Abs. 1 WRV vielfach herangezogene Hilfsformulierung "Verbot aller institutionellen Verbindungen" wurde von ihren ur-

3 7 5

Unten 3. Teil D II.

3 7 6

Ebenso Jeand'Heur,

Der Staat 30 (1991), 442 (455 f.).

190

Die Verfassungsmäßigkeit der Militärseelsorge

sprünglichen Verfassern in eben diesem Sinne verstanden und verwendet.377 Untersagt ist danach lediglich die Verwaltung innerkirchlicher Angelegenheiten durch staatliche Organe. Unter Geltung des Grundgesetzes wird das Staatskirchenverbot über die mittlerweile obsolete Abschaffung des landesherrlichen Kirchenregiments hinaus auf das in Weimar ausgeübte und im Dritten Reich mißbrauchte staatliche Aufsichtsrecht über die Kirchen und damit auf die Überwindung letzter Rudimente des Systems der Staatskirchenhoheit ausgedehnt.378 Letzteres leitet auf die zweite Zielrichtung des Staatskirchenverbotes über - den Schutz kirchlicher Freiheit im und vom Staat.379 Dieser Zweck deutete sich bereits in Paulskirche und Weimarer Nationalversammlung an und wurde schließlich vom Parlamentarischen Rat in den Vordergrund der staatskirchenrechtlichen Bestimmungen gestellt. Auch den landesverfassungsrechtlichen Staatskirchenverboten wurde dieser Zweck beigelegt. Kirchliche Freiheit im und vom Staat erfordert eine klare Bereichsscheidung von Staat und Kirche in dem Sinne, daß die Kirche frei von staatlichen Eingriffen wirken kann. 380 Eine "Staatskirche" wäre insbesondere dann zu bejahen, wenn der Staat Einfluß auf die kirchlichen Inhalte zu nehmen versuchte. Im Gegenzug bedeutet dies, daß der Staat sich von der Religion insoweit löst, als er - anders als in Art 14 prß.Verf.-Urkunde 381 - sich jeglicher Staatsreligion entsagt.382 Darüber hinaus befreit sich der Staat von konfessionellen Fesseln, wie dies etwa in Art 3 Abs. 3, 33 Abs. 3, 140 GG i.V.m. 136 Abs. 2 und 3 WRV deutlicheren Ausdruck findet. 383 Das Staatskirchen verbot des Art. 137 Abs. 1 WRV läuft vor diesem Hinter-

3 7 7

Anschütz, WRV, Komm., Art. 137 Erl. 1, S. 631; Forsthoff,\

Öffentliche Körperschaft,

S. 112. 3 7 8

v. Campenhausen, in: v. Mangoldt/Klein, GG, Komm., Art. 140/137 WRV Rdnr. 8.

3 7 9

v. Campenhausen, in: v. Mangoldt/Klein, GG, Komm., Art. 140/137 WRV Rdnr. 9; Jeand'Heur, Der Staat 30 (1991), 442 (458). 3 8 0

v. Campenhausen, in: Nawiasky/Schweiger/Knöpfle, Bay.Verf, Komm., 2. Aufl., Art. 142

Rdnr. 3. 3 8 1 "Die christliche Religion wird bei denjenigen Einrichtungen des Staates, welche mit der Religionsausübung im Zusammenhang stehen, unbeschadet der im Art. 12 gewährleisteten Religionsfreiheit, zum Grunde gelegt." 3 8 2 3 8 3

Vgl. BVerfGE 19,1 (7 f.); Schiaich, Neutralität, S. 170, 172.

Dazu v. Campenhausen, in: v. Mangoldt/Klein, GG, Komm., Art. 140/137 WRV Rdnr. 7; ders., in: Nawiasky/Schweiger/Knöpfle, Bay.Verf, Komm., 2. Aufl., Art. 142 Rdnr. 8.

D. Vorgaben des Art. 4 Abs. 1 und 2 GG

191

grund mithin auf eine "Scheidung in der Wurzel" hinaus.384 Eine strikte Trennungsanordnung ist dem Staatskirchenverbot des Art 137 Abs. 1 WRV vorbehaltlich seines Verhältnisses zu Art. 4 GG - jedoch nicht zu entnehmen. 385

D. Vorgaben des Art. 4 Abs. 1 und 2 GG Maßgeblich für eine verfassungsrechtliche Beurteilung der Militärseelsorge ist letztlich die Gewährleistung der Religionsfreiheit in Art 4 Abs. 1 und 2 GG. Dabei kommt dem Grundrecht der Religionsfreiheit eine zweifache Funktion zu. Zum einen begründet es subjektive Rechte, d.h. die Gewähr der individuellen und kollektiven Religionsfreiheit. 386 Zum anderen ist die Religionsfreiheit Teil einer objektiven Wertordnung der Verfassung und normiert objektiv-rechtliche Vorgaben für staatliches Handeln im religiösen Bereich. 387 Zu prüfen ist daher zunächst, ob die derzeitige Militärseelsorge mit der individuellen und kollektiven Religionsfreiheit vereinbar ist. Anschließend ist zu untersuchen, ob die staatlichen Aktivitäten im Bereich der Militärseelsorge mit den objektiv-rechtlichen Vorgaben der Religionsfreiheit im Einklang stehen. Endlich dirigiert der objektive Gehalt der Religionsfreiheit die Interpretation des staatskirchenrechtlichen Gesamtgefüges und damit auch die Auslegung der Art. 141 und 137 Abs. 1 WRV.

3 8 4 V. Campenhausen, in: v. Mangoldt/Klein, GG, Komm., Art. 140/137 WRV Rdnr. 4; Hollerbach, HdbStR VI, § 138 Rdnr. 111; Unk, BayVBl. 1966, 297 (301). 3 8 5 Dementsprechend beklagte etwa der Abg. Ulimann (Bündnis 90/Die Grünen), daß Art. 137 Abs. 1 WRV vor der Klarlegung "Staat und Kirche sind getrennt" zurückschrecke; Gemeinsame Verfassungskommission, Steno. Bericht, 18. Sitzung vom 04.03.1993, S. 10. 3 8 6

Starck, in: v. Mangoldt/Klein, GG, Komm., Art. 4 Rdnrn. 30 f.; v. Campenhausen, HdbStKirchR I, 2. Aufl., 47 (59 f.); Jarass, in: Jarass/Pieroth, GG, Komm., Art. 4 Rdnr. 3; MüllerVolbehr, DÖV 1995, 301 ff. 3 8 7

Starck, in: v. Mangoldt/Klein, GG, Komm., Art. 4 Rdnr. 12; v. Campenhausen, HdbStKirchR I, 2. Aufl., 47 (60); Jarass, in: Jarass/Pieroth, GG, Komm., Art. 4 Rdnr. 4; Kluth, Jura 1993, 137 (140); vgl. ferner BVerfGE 19, 206 (216); 24, 236 (246); 32, 98 (106). Zu objektivrechtlichen Grundrechtsgehalten siehe umfassend Stern, StaatsR I I I / l , § 69, S. 890 ff.

Die Verfassungsmäßigkeit der Militärseelsorge

19

I.

Subjektiv-rechtliche Vorgaben der Religionsfreiheit für die Militärseelsorge

Im Bereich der Militärseelsorge muß der Staat den subjektiv-rechtlichen Vorgaben der Religionsfreiheit in mehrfacher Hinsicht Rechnung tragen. Einmal gilt es, die individuelle Religionsfreiheit der Soldaten und der Militärgeistlichen zu wahren. Darüber hinaus muß er die Religionsfreiheit der an der staatlich eingerichteten Militärseelsorge beteiligten Kirchen, d.h. der evangelischen und katholischen Kirche, achten. Schließlich darf auch die Religionsfreiheit der nicht beteiligten sonstigen Religions- und Weltanschauungsgemeinschaften nicht verletzt werden. 1. Religionsfreiheit der Soldaten

Nach heutigem Freiheitsverständnis war die Geschichte der Militärseelsorge von erheblichen Verletzungen der individuellen Religionsfreiheit der Soldaten begleitet. So waren bis in das zwanzigste Jahrhundert hinein Soldaten - und gleichermaßen etwa Gefängnisinsassen - zum Besuch des Militärbzw. Gefängnisgottesdienstes verpflichtet. 388 Bis in die Mitte des neunzehnten Jahrhunderts bestand sogar für Soldaten, die einer Minderheitenkonfession angehörten, die Pflicht, den Militärgottesdienst der jeweils herrschenden Glaubensrichtung zu besuchen, da nur für diese Konfession eine Militärseelsorge eingerichtet war. 389 Nicht zuletzt diese historischen Gegebenheiten veranlaßten den Weimarer Verfassungsgeber - und vor ihm schon die Frankfurter Paulskirche (§ 148 PKV) - , die Freiheit vom Zwang zur Teilnahme an religiösen Feierlichkeiten gleich zweifach zu sichern, allgemein in Art 136 Abs. 4 WRV und durch Art 141 WRV a.E. auch speziell für den Bereich der Militär- und Anstaltsseelsorge. Ein an die beschriebenen Traditionen anknüpfender Befehl, dem Militärgottesdienst beizuwohnen, wäre daher seit Geltung der Weimarer Reichsverfassung verfassungswidrig und heute kaum vorstellbar. Gleichwohl ist die Militärseelsorge mit Blick auf die individuelle Religionsfreiheit gem. Art. 4 Abs. 1 und 2 GG einigen Bedenken ausgesetzt. Dies gilt freilich kaum für den positiven Aspekt der Religionsfreiheit, wonach 3 8 8 Dies beklagt mit Blick auf die Militärseelsorge etwa Davidsohn (SPD), Nat.Vers.-Steno, Bd. 336, 521; siehe ferner Brandt, Ev. Strafgefangenenseelsorge, S. 144, 176. 3 8 9

Virulent wurde dieses Problem im Zusammenhang mit dem bayerischen Kniebeugungsstreit 1839, siehe dazu oben 3. Teil Β III 2 c. In der preußischen Armee wurden die katholischen Soldaten erst 1845 von der Pflicht, den evangelischen Militärgottesdienst zu besuchen, befreit; dazu Bleese, Militärseelsorge, S. 97.

D. Vorgaben des Art. 4 Abs. 1 und 2 GG

19

jedermann das Recht hat, einen Glauben390 zu bilden, zu haben, zu bekennen und (gemeinsam) auszuüben sowie seiner religiösen Überzeugung gemäß zu handeln,391 da die Militärseelsorge gerade dazu dient, die positive Religionsfreiheit, insbesondere auch die Religionsausübungsfreiheit (Art. 4 Abs. 2 GG) unter den im Vergleich zum Zivilleben ungünstigeren Bedingungen innerhalb einer militärischen Organisation zu gewährleisten. Problematisch kann die Militärseelsorge daher im wesentlichen nur in bezug auf die negative Religionsfreiheit deijenigen Soldaten sein, die nicht seelsorgerisch betreut werden wollen. Die negative Religions- und Bekenntnisfreiheit umfaßt das Recht zu schweigen, d.h. die Freiheit, nicht zu glauben, seinen (Nicht)-Glauben nicht bekennen zu müssen, und glaubensgeleitete Handlungen zu unterlassen.392 Dieser Aspekt der Religionsfreiheit hat in einer Reihe von Artikeln zusätzliche Konkretisierungen erfahren, so etwa in den Art 7 Abs. 3 S. 3 GG und in den Art 136 Abs. 3 S. 1, Abs. 4, 141 a.E. WRV i.V.m. Art 140 GG. Diese speziellen Gewährleistungen der negativen Religionsfreiheit haben weit in die Geschichte hineinreichende Wurzeln, 393 sind aber nunmehr vom Schutzbereich des Art. 4 Abs. 1 und 2 GG weitestgehend, wenn nicht sogar vollständig erfaßt. Man könnte sich daher fragen, ob sie als die spezielleren Vorschriften den Art. 4 GG verdrängen, 394 oder, weil neben ihm leerlaufend, hinter ihm zurücktreten 395 . Dieser Frage soll jedoch nicht nachgegangen werden, da sie jedenfalls im engsten Zusammenhang mit Art 4 Abs. 1 und 2 GG zu sehen sind. 396 Zu untersuchen ist also, ob diejenigen Soldaten, welche keine seelsorgerische Betreuung wünschen, durch die Militärseelsorge in ihrer negativen Reli3 9 0 Geschützt ist in gleicher Weise die Weltanschauungsfreiheit, die aber in diesem Zusammenhang keine Rolle spielt. 39 1 Herzog, in: Maunz/Dürig, GG, Komm., Art. 4 Rdnrn. 6-8; v. Münch, in: v. Münch/Kunig, GG, Komm., Art. 4 Rdnrn. 21 f.; Starck, in: v. Mangoldt/Klein, GG, Komm., ArL 4 Rdnrn. 4 f.; Pieroth/Schlink, StaatsR I I - Grundrechte, Rdnr. 562. 3 9 2

Herzog, in: Maunz/Dürig, GG, Komm., Art. 4 Rdnrn. 54 ff.; Starck, in: v. Mangoldt/Klein, GG, Komm., Art. 4 Rdnr. 13; Zippelius, in: Bonner Kommentar, GG, Art 4 Rdnrn. 77 ff.; Pieroth/ Schlink, StaatsR II - Grundrechte, Rdnr. 570. 3 9 3

Vorläufer des Art. 7 Abs. 3 S. 3 ist etwa Art. 149 Abs. 2 WRV; ArL 136 Abs. 3 S. 1 WRV findet seine Parallele in § 144 Abs. 2 PKV, Art. 136 Abs. 4 in § 148 PKV. 3 9 4

Vgl. Starck, in: v. Mangoldt/Klein, GG, Komm., Art. 4 Rdnr. 78.

3 9 5

In diesem Sinne etwa Maunz, in: Maunz/Dürig, GG, Komm., Art. 140/136 WRV Rdnr. 11.

3 9 6

So wohl auch BVerfGE 52, 223 (238); BVerwGE 9, 97 (99); 73, 247 (248). Siehe ferner v. Campenhausen, in: v. Mangoldt/Klein, GG, Komm., Art. 140/136 WRV Rdnr. 41; Hemmrich, in: v. Münch, GG, Komm., Art. 7 Rdnr. 31 und Art 140 Rdnr. 45; Preuß, in: Alternativkommentar, GG, Art. 140 Rdnr. 40. 13 Ennuschat

19

D i e Verfassungsmäßigkeit der Militärseelsorge

gions- und Bekenntnisfreiheit beeinträchtigt werden. Denkbar ist etwa, daß auch unterhalb der Befehlsschwelle unzulässiger Druck auf die Soldaten ausgeübt wird, Gottesdienste und andere Veranstaltungen der Militärseelsorge zu besuchen. Verfassungsrechtlich bedenklich könnten zudem die anläßlich der Musterung und später im Wehrdienst gestellte Frage nach der Konfessionszugehörigkeit der Soldaten sowie die dienstliche Pflicht zur Teilnahme am Lebenskundlichen Unterricht sein. Schließlich weisen auch die religiöse Eidesbeteuerung der Berufs- und Zeitsoldaten sowie der u.a. im Rahmen des sog. Großen Zapfenstreichs übliche Befehl "Helm ab zum Gebet" einen gewissen religiösen Bezug auf. Insoweit sind zwar keine Aspekte der Militärseelsorge berührt; wegen des Sachzusammenhangs soll gleichwohl die Verfassungskonformität kurz angesprochen werden. a) Militär gotte sdienste und andere Veranstaltungen der Militärseelsorge aa) Vereinbarkeit mit dem Zwangsverbot aus Art. 4, 140 GG i.V.m. Art. 136 Abs. 4,141 a.E. WRV Die Teilnahme an Militärgottesdiensten und anderen Veranstaltungen der Militärseelsorge, etwa Rüstzeiten und Exerzitien, ist freiwillig und kann nicht befohlen werden, vgl. § 36 S. 2 SG, ZDv 66/1 Nr. 1. Insoweit steht die Vereinbarkeit mit Art. 4 Abs. 1 und 2, 140 GG i.V.m. Art. 136 Abs. 4, 141 a.E. WRV außer Frage. Unter Zwang i.S. der Art. 136 Abs. 4, 141 a.E. WRV ist jedoch schon jeder nur tatsächliche oder mittelbare Druck auf die Soldaten zur Teilnahme zu verstehen.397 Mittelbarer Druck kommt insbesondere dann in Betracht, wenn der Gottesdienst oder die Veranstaltungen während der Dienstzeit angeboten werden und den sich weiterhin im Dienst befindlichen nichtteilnehmenden Soldaten die Verrichtung eines diskriminierenden Dienstes befohlen wird. Dies wird um so eher zu bejahen sein, wenn dieser Dienst sogar zum Zwecke der Willensbeeinflussung angekündigt wird. Allerdings ist letztlich nicht die subjektive Willensrichtung der militärischen Vorgesetzten entscheidend, sondern vielmehr die objektive Eignung der militärischen Maßnahme, die Soldaten bei ihrer Entscheidung für oder gegen die Teilnahme an der Veranstaltung der Militärseelsorge zu beeinflussen. 398

3 9 7 So bereits Anschütz, WRV, Komm., Art. 141 Erl. 1, S. 656 f. Siehe auch v. Münch, in: v. Münch/Kunig, GG, Komm., Art. 4 Rdnr. 39. 3 9 8

BVerwGE 73, 247 (249 f.).

195

D. Vorgaben des Art. 4 Abs. 1 und 2 GG

Nach Rechtsprechung des BVerwG 399 liegt ein unzulässiger Druck schon dann vor, wenn für die Nichtteilnehmer ein ungewöhnlicher Dienst festgesetzt wird, der aus der Sicht eines nicht überempfindlichen Soldaten gegenüber normalen Dienst besonders lästig ist. Die besondere Lästigkeit wurde etwa bei einem ABC-Selbstschutzlehrgang bejaht, obwohl die Einheit verpflichtet war, eine bestimmte Anzahl von Soldaten entsprechend ausbilden zu lassen.400 Ob man dieses recht weitreichende Verständnis von mittelbarem Zwang teilen kann, mag dahinstehen. Erkennbar ist jedenfalls, daß die Rechtsprechung bei der Überwachung der Einhaltung des Zwangsverbotes der Art 4, 140 GG i.V.m. Art 136 Abs. 4, 141 a.E. WRV einen sehr strengen Maßstab anlegt. Institutionell bedingte Verletzungen des Zwangsverbotes sind mithin nicht zu erwarten. Sollte im Einzelfall dennoch unzulässiger Druck ausgeübt werden, ist solchen Mißbräuchen auf rechtlichem Wege zu begegnen. bb) Vereinbarkeit mit dem religiösen Schweigerecht aus Art 4,140 GG i.V.m. Art. 136 Abs. 3 S. 1 WRV Trotz gewährleisteter Freiwilligkeit der Teilnahme an Veranstaltungen der Militärseelsorge könnte man die negative Religionsfreiheit der Soldaten beeinträchtigt sehen, wenn man nicht das Zwangsverbot, sondern einen anderen Aspekt der negativen Bekenntnisfreiheit in den Blick nimmt - das Recht zu schweigen, verankert in Art. 4,140 GG i.V.m. Art. 136 Abs. 3 S. 1 WRV. Das religiöse Schweigerecht schützt primär vor staatlicher Ausforschung des Inhalts von Glaubensüberzeugungen.401 Darüber hinaus verbinden manche damit die Freiheit, nicht in Situationen hineingedrängt zu werden, in denen man durch sein Verhalten eine abweichende religiöse Überzeugung bekunden muß. 402 Eine solche Situation könnte sich etwa bei während der Dienstzeit angebotenen Militärgottesdiensten anläßlich militärischer Feiern einstellen. So ist am Tag der Vereidigung oder des feierlichen Gelöbnisses den Rekruten vorher Gelegenheit zum Besuch eines Gottesdienstes zu geben (ZDv 10/8 Nr. 123). Dieser findet zwar getrennt von der militärischen Feier statt (ZDv 66/1 Nr. 28), ist aber in den Gesamtablauf integriert, zumal die Rekruten in der 3 9 9

BVerwGE 73, 247 ff.

4 0 0

Allerdings handelte es sich um eine Einheit des Militärmusikdienstes, welche dieser Verpflichtung in der gesamten Zeit ihres Bestehens (beinahe 25 Jahre) nicht nachgekommen war. 4 0 1

BVerfGE 52, 223 Art. 140/136 WRV Rdnr. 35. 4 0 2

Rdnr. 99. 13*

(246); v. Campenhausen, in: v. Mangoldt/Klein,

GG,

Komm.,

Hess.StGH, ESVGH 16, 1 (8 f.). Vgl. auch Zippelius, in: Bonner Kommentar, GG, Art 4

D i e Verfassungsmäßigkeit der Militärseelsorge

19

Regel geschlossen zum Gottesdienst geführt werden. 403 Schon dieser organisatorische Rahmen führt dazu, daß diejenigen Soldaten, die den Gottesdienst nicht besuchen wollen, eine Sonderrolle einnehmen. Nun wird man zwar bei Volljährigen davon ausgehen können, daß die letztlich im soziologischen Phänomen des Gruppenzwangs wurzelnde Furcht vor dieser Sonderrolle nicht die Schwelle zum rechtlich relevanten mittelbaren Zwang zur Teilnahme am Gottesdienst erreicht. Aber man könnte doch darauf abstellen, daß der organisatorische Rahmen der militärischen Feier die Soldaten nötigt, ihre abweichende Überzeugung gegenüber Vorgesetzten und Kameraden offen zu bekunden. Dementsprechend bejahte der Hessische Staatsgerichtshof 404 eine Verletzung des religiösen Schweigerechts, wenn Schulkinder, die nicht an einem vor Unterrichtsbeginn stattfindenden gemeinsamen Gebet teilnehmen wollen, gezwungen würden, ihre abweichende Überzeugung zu bekunden, indem sie erst nach dem Gebet das Klassenzimmer betreten. Da die negative Religionsfreiheit, namentlich das Recht zum Schweigen, nicht in fremde Rechtskreise eingreife, sei sie weder eingeschränkt noch beschränkbar. Ihr komme insbesondere der Vorrang vor der positiven Religions(ausübungs)freiheit zu, weil diese nur unter dem Vorbehalt der Schrankentrias des Art 2 Abs. 1 GG gewährleistet sei. Dem Schweigerecht könne daher nicht das Grundrecht der übrigen Schüler auf ungestörte Religionsausübung entgegengehalten werden. 405 Gegen diesen Ansatz ist allerdings schon einzuwenden, daß der behauptete Vorrang der negativen vor der positiven Religionsfreiheit dem Grundgesetz nicht zu entnehmen ist. Dem Hessischen Staatsgerichtshof ist zwar zuzugeben, daß die positive Religionsfreiheit verfassungsrechtlichen Schranken unterliegt, wenngleich nicht der Schrankentrias des Art 2 Abs. 1 GG, so doch der Schranke des kollidierenden Verfassungsrechts. 406 Aber auch die negative Religionsfreiheit ist von Verfassungs wegen beschränkt, wie sich im übrigen bereits aus Art. 136 Abs. 3 S. 2 WRV ergibt. Über diese spezielle Beschränkung hinaus ist die negative Komponente der Religionsfreiheit der Schranke des kollidierenden Verfassungsrechts in gleichem Maße unterworfen wie die

4 0 3

Vgl. ZDv 66/1 Nr. 19 sowie Nr. III 2 c der "Weisung für die Zusammenarbeit mit den Militärgeistlichen" vom 12.11.1984. 4 0 4

ESVGH 16, 1 (8).

4 0 5

Ebenso Renck, NJW 1989, 2442 (2444); NVwZ 1994, 544 (545 f.).

4 0 6

BVerfGE 23, 50 (55 f.); 32, 98 (107); 52, 223 (247); v. Münch, in: v. Münch/Kunig, GG, Komm., Art. 4 Rdnr. 54.

D. Vorgaben des Art. 4 Abs. 1 und 2 GG

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(positive) Religionsausübungsfreiheit. Beide Komponenten der Religionsfreiheit sind daher einander gleichwertig. 407 Ferner ist zweifelhaft, ob durch die Nichtteilnahme an einem Schulgebet resp. an einem Militärgottesdienst überhaupt eine religiöse Überzeugung i.S.d. Art. 136 Abs. 3 S. 1 WRV offenbart wird. Dies wäre nur dann der Fall, wenn die Nichtteilnahme zwingend auf den Inhalt oder auch nur das Vorliegen einer glaubensbedingten Überzeugung weist. Denkbar sind jedoch ohne weiteres etwa persönliche Beweggründe, die nicht religiös oder weltanschaulich begründet sind. Selbst bei religiös oder weltanschaulich motivierter Nichtteilnahme wäre allein durch das Fernbleiben vom Schulgebet resp. Militärgottesdienst kein eindeutiger Schluß auf Art und Inhalt der Überzeugung möglich. Schon vor diesem Hintergrund dürfte das religiöse Schweigerecht nicht berührt sein. Schließlich ist zu berücksichtigen, daß die Grundrechte gem. Art 1 Abs. 3 GG - jedenfalls im Grundsatz - lediglich vor staatlichem Verhalten schützen. 408 Die staatliche Rolle bei einem Militärgottesdienst beschränkt sich indessen darauf, den kirchlich (!) angebotenen Gottesdienst zu ermöglichen, indem Räumlichkeiten zur Verfügung gestellt werden und den Soldaten der Besuch auch während der Dienstzeit gestattet wird. Eben dieses Mindestmaß an organisatorischer Förderung wird der Bundeswehr durch Art 141 WRV aufgegeben. 409 Wenn der Staat aber eine Verfassungspflicht erfüllt, kann dies nicht als Verletzung von Grundrechten gewertet werden. Vielmehr setzt Art. 141 WRV sowohl das Angebot von Gottesdiensten als auch die Freiwilligkeit der Annahme voraus - und damit zugleich die Pflicht des Soldaten zu entscheiden, ob er das Angebot annehmen will oder nicht. Im Grundsatz stellt sich die Situation nicht anders dar als im Zivilleben, allenfalls mit dem Unterschied, daß die dort regelmäßig gewohnte Anonymität der Entscheidung in der überschaubaren Gruppe der Bundeswehreinheit nicht gegeben ist. So wenig im Zivilleben der einzelne Anspruch auf staatlichen Schutz vor der Konfrontation mit religiösen Angeboten hat, 410 ist er auch in der Bundeswehr 4 0 7

BVerfGE 41, 29 (49, 51); 52, 223 (247, 251); NStZ 1988, 400; NVwZ 1992, 52 (53); BVerwGE 44, 196 (200); Herzog, in: Maunz/Dürig, GG, Komm., Art. 4 Rdnr. 121; Starck, in: v. Mangoldt/Klein, GG, Komm., Art. 4 Rdnr. 17; Listi , FS Geiger, 539 (540); Müller-Volbehr, DÖV 1995, 301 (307). - So im Ansatz auch der mißverständliche sog. Kruzifix-Beschluß des BverfG, EuGRZ 1995, 359 (365). 4 0 8

Dazu näher Stern, StaatsR III/l, § 76, S. 1511 ff.

4 0 9

Insoweit unterscheiden sich Militärgottesdienst und Schulgebet, bei letzterem fehlt eine grundgesetzliche Verankerung. 4 1 0 BVerfGE 12, 1 (4); 24, 236 (245); EuGRZ 1995, 359 (363); Herzog, in: Maunz/Dürig, GG, Komm., Art. 4 Rdnr. 74.

Die Verfassungsmäßigkeit der Militärseelsorge

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nicht davor geschützt, in eine Lage gebracht zu werden, seine Ablehnung religiöser Vorgänge durch Nichtteilnahme an denselben nach außen kundzutun.411 Die extensive Ausdehnung der Reichweite der negativen Religionsfreiheit und des religiösen Schweigerechts, wie sie der Hessische Staatsgerichtshof vorgenommen hat, führte in letzter Konsequenz dazu, daß religiöse Veranstaltungen unterbleiben müßten, da stets jemand sich genötigt sehen könnte, seine Nichtteilnahme nach außen offen zu bekunden.412 Dies stünde offensichtlich nicht im Einklang mit der Gewährleistung der positiven Religionsausübungsfreiheit gem. Art 4 Abs. 2 GG. Im übrigen setzt gerade die Gewähr der negativen Religionsfreiheit in Art. 136 Abs. 4 WRV voraus, daß religiöse Feierlichkeiten stattfinden. 413 Sollte überhaupt die negative Religionsfreiheit mit der positiven kollidieren, müßte dieser Konflikt im Wege verfassungsrechtlicher Konkordanz, d.h. wechselseitiger Toleranz, aufgelöst werden. 414 Die Grundrechtsposition derjenigen Soldaten, die nicht am Militärgottesdienst teilnehmen wollen, ist dadurch zu wahren, daß ihnen eine zumutbare Ausweichmöglichkeit eröffnet wird 4 1 5 Maßstab der Zumutbarkeit ist dabei letztlich das Zwangsverbot des Art. 4,140 GG i.V.m. Art. 136 Abs. 4, 141 a.E. WRV. Der Rest einer Sonderstellung, die dem Soldaten aufgrund seines Fernbleibens bleibt, wird er ertragen müssen und können, zumal die Bundeswehr - zumindest in konfessioneller Hinsicht - lediglich ein Spiegelbild der pluralistischen Gesellschaft in einer Zeit ist, in der selbst ein Kirchenaustritt niemanden in eine diskriminierende Isolation zu treiben vermag. 416 Um so weniger wird dies für die Nichtteilnahme an einem Militärgottesdienst gelten.

4 1 1

Vgl. BVerfGE 52, 223 (246) zum Schulgebet; vgl. ferner BVerwG, NJW 1992, 773 (774).

4 1 2

Vgl. Herzog, in: Maunz/Dürig, GG, Komm., Art. 4 Rdnrn. 60, 121.

4 1 3

BVerfGE 52, 223 (246).

4 1 4

BVerfGE 52, 223 (247); BVerwGE 44, 196 (200); BayVGH, NVwZ 1991, 1099 (1100); Starck, in: v. Mangoldt/Klein, GG, Komm., Art. 4 Rdnr. 17; Usti HdbStKirchR I, 2. Aufl., 439 (441 ff.); MüUer-Volbehr, DÖV 1995, 301 (307); a.A. Renck, NJW 1989, 2442 (2444): Die Minderheit schulde der Mehrheit keine Toleranz. - Im Ansatz bestätigt das BVerfG im sog. KruzifixBeschluß seine bisherige Rspr., scheint im - freilich unausgegoren wirkenden - Ergebnis jedoch zu einem Vorrang der negativen Religionsfreiheit zu tendieren (EuGRZ 1995, 359 [365 f.]). 4 1 5

Vgl. BVerfGE 52, 223 (248); BVerwG, NJW 1992, 773 (774); BayVGH, NVwZ 1991, 1099 (1101); v. Busse, Gemeinsame Angelegenheiten, S. 248. 4 1 6

Vgl. BVerfGE 52, 223 (252) - Schulgebet. Dies gilt für den volljährigen Soldaten noch

mehr als für den minderjährigen Schüler.

D. Vorgaben des Art. 4 Abs. 1 und

GG

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Man könnte sich allenfalls fragen, ob die Sonderstellung des fernbleibenden Soldaten noch dadurch verstärkt werden muß, daß die übrigen Soldaten geschlossen zum Gottesdienst geführt werden. Die Anordnung eines gemeinsamen Hin- und Rückmarsches erweist sich jedoch zur Gewährleistung einer pünktlichen Durchführung des Dienstplans als tunlich, wenn, was regelmäßig der Fall ist, vor und/oder nach dem freiwilligen Kirchgang Dienst angesetzt ist. 417 Im übrigen führt die geschlossene Führung zu einem versorgungsrechtlichen Schutz der teilnehmenden Soldaten im Falle eines Unfalls auf dem Hin- oder Rückmarsch, was von besonderer Bedeutung ist, wenn der Gottesdienst außerhalb der Kaserne stattfindet. 418 Damit wird im Zusammenhang mit Militärgottesdiensten und anderen Veranstaltungen der Militärseelsorge die negative Religionsfreiheit der Soldaten weder mit Blick auf das Zwangsverbot der Art 136 Abs. 4, 141 a.E. WRV noch in bezug auf das religiöse Schweigerecht gem. Art. 136 Abs. 3 S. 1 WRV, jeweils i.V.m. Art. 4, 140 GG, verletzt. b) Frage nach der konfessionellen Zugehörigkeit bei Eintritt in die Bundeswehr Schon bei der Musterung und später bei Eintritt in die Bundeswehr werden die Rekruten nach ihrer konfessionellen Zugehörigkeit gefragt, wobei die Beantwortung der freien Entscheidung des Befragten anheimgestellt ist. 419 Gleichwohl könnte die Verfassungskonformität dieser Frage mit Blick auf das religiöse Schweigerecht aus Art. 4, 140 GG i.V.m. Art. 136 Abs. 3 WRV bezweifelt werden. Art 136 Abs. 3 S. 1 WRV schützt zunächst vor staatlicher Ausforschung des Inhalts einer religiösen Überzeugung. Darauf zielt die Befragung der Musterungsbehörde jedoch nicht. Wie sich aus Art. 136 Abs. 3 S. 2 WRV ergibt, bezieht sich das Schweigerecht allerdings auch auf die Frage nach der rechtlichen Zugehörigkeit zu einer Religionsgemeinschaft. Fraglich ist indessen, ob das religiöse Schweigerecht schon vor der Frage als solcher schützt oder nur davor, eine wahrheitsgemäße Antwort geben zu müssen. Folgte man der zweitgenannten Möglichkeit, wäre angesichts der Freiwilligkeit der Antwort eine Beeinträchtigung des Schutzbereichs des Art 136 Abs. 3 S. 1 WRV zu verneinen.

4 1 7

BVerwG, DÖV 1977, 449.

4 1 8

BVerwG, DÖV 1977, 449.

4 1 9

In der Weimarer Republik bestand noch Antwortpflicht, dazu Anschütz, WRV, Komm., Art. 136 Erl. 4, S. 627; Usti , DÖV 1976, 274 (275).

0

D i e Verfassungsmäßigkeit der Militärseelsorge

Eine Hilfe zur Bestimmung der Reichweite des Schutzbereichs des Art. 136 Abs. 3 S. 1 WRV ist die in Satz 2 enthaltene Schranke. Danach haben die Behörden nur soweit das Recht, nach der Religionszugehörigkeit zu fragen, als davon Rechte und Pflichten abhängen oder eine gesetzlich angeordnete statistische Erhebung dies erfordert. Bei flüchtiger Betrachtung des Wortlautes scheint also schon die Frage nur bei Vorliegen bestimmter Voraussetzungen zulässig zu sein. Bei eng am Wortlaut orientierter Auslegung würde allerdings dem Bürger lediglich die Pflicht zur Duldung der Befragung auferlegt. In den im Satz 2 genannten Fällen wird aber offensichtlich auch die wahrheitsgemäße Beantwortung erwartet. 420 Dies gilt etwa für die Eintragung der Konfessionszugehörigkeit auf der Lohnsteuerkarte 421 (insoweit hängt von ihr die Pflicht zur Entrichtung der Kirchensteuer ab) und ebenso für die Befragung im Rahmen einer Volkszählung.422 Wenn auf der Rechtfertigungsebene die Schranke über den Wortlaut hinaus in dem Sinne zu verstehen ist, daß der Bürger zur wahrheitsgemäßer Antwort verpflichtet wird, deutet dies daraufhin, auf der Ebene des Schutzbereichs die Reichweite des religiösen Schweigerechts auf die Freiheit vor eben dieser Antwortpflicht zu begrenzen. Gegen eine derartige Beschränkung des Schutzumfangs könnte man zwar einwenden, daß schon durch die Frage ein faktischer Druck zur Beantwortung ausgeübt wird. Dem wird aber durch den Hinweis auf die Freiwilligkeit entgegengewirkt, so daß die Verweigerung der Antwort in zumutbarer Form ermöglicht wird, ohne daß der Nichtantwortende nachteilige Folgen zu befürchten hat. 423 Von rechtlich relevantem faktischen Druck kann somit kaum die Rede sein. Man könnte allenfalls im Anschluß an die oben 424 genannte Entscheidung des Hessischen Staatsgerichtshofs darauf abstellen, daß die negative Religionsfreiheit davor schützen soll, in Situationen gedrängt zu werden, eine abweichende (a)religiöse Überzeugung bekunden zu müssen. Insoweit ist indessen erneut darauf hinzuweisen, daß die Nichtbeantwortung keine sicheren Rückschlüsse auf Art und Inhalt religiöser Überzeugungen erlaubt, und daß die negative Religionsfreiheit den einzelnen nicht schlechthin davor bewahrt, mit religiösen Fakten konfrontiert zu werden und darauf reagieren zu müssen. Der Rest an Behelligung, der von einer Frage nach der Konfessionszugehörigkeit ausgeht, dürfte insoweit eher als hinzunehmende Belästigung denn 4 2 0

So bereits Anschütz, WRV, Komm., Art. 136 Erl. 4, S. 626.

4 2 1

BVerfGE 49, 375 (376 f.).

4 2 2

BVerfGE 65, 1 (38 f.).

4 2 3

Vgl. BVerfGE 46, 266 (267); BVerwG, DÖV 1976, 273 (274).

4 2 4

Siehe Fußn. 404.

D. Vorgaben des Art.

Abs. 1 und 2 GG

1

als die Eingriffsschwelle erreichende Beeinträchtigung zu werten sein. Vor diesem Hintergrund spricht einiges dafür, daß das Schweigerecht des Art 136 Abs. 3 WRV nur vor der Antwortpflicht, aber noch nicht vor dem Befragtwerden schützt. Ein Eingriff in den Schutzbereich wäre dann zu verneinen. Aber selbst wenn schon die Frage nach der Konfessionszugehörigkeit als Eingriff in den Schutzbereich des Art. 136 Abs. 3 S. 1 WRV gewertet würde, fände sie doch eine verfassungsrechtliche Rechtfertigung. Zu denken ist zunächst an die in Satz 2 aufgeführte Schranke "soweit davon Rechte und Pflichten abhängen". Dies betrifft vor allem die Zeit- und Berufssoldaten, da deren Pflicht zur Entrichtung der Kirchensteuer von ihrer Konfessionszugehörigkeit abhängt Dies gilt gleichermaßen für Soldaten, welche etwa das Recht in Anspruch nehmen, im Dienst den Militärgottesdienst oder sogar den zivilen Sonn- und Feiertagsgottesdienst zu besuchen (Art. 4 Abs. 2 GG, § 36 S. 1 SG). 425 Problematisch ist es aber, ob die Duldungspflicht auch denjenigen trifft, der an die Religionszugehörigkeit anknüpfende Rechte nicht ausüben will. Bezeichnenderweise fehlt in Art. 136 Abs. 3 S. 2 WRV die Einschränkung, daß die "Rechte und Pflichten" an die Person des Befragten geknüpft seien. Nach dem Willen des (Weimarer) Verfassungsgebers sollten auch Rechte resp. Pflichten des Staates oder Dritter die Befragung rechtfertigen. 426 Darüber hinaus ist die Kenntnis von der Religionszugehörigkeit Voraussetzung für die Einteilung in den konfessionell getrennt durchgeführten Lebenskundlichen Unterricht, wobei grundsätzliche Teilnahmcpflicht besteht Den Lebenskundüchen Unterricht als verfassungskonform vorausgesetzt, bestünde insoweit eine weitere Pflicht i.S.d. Art 136 Abs. 3 S. 2 WRV, welche die Fragen nach der Konfessionszugehörigkeit rechtfertigte. Überdies besteht für die Befragung von Soldaten in Art 141 WRV eine besondere verfassungsunmittelbare Rechtfertigung. 427 Der Staat ist von Verfassungs wegen zur Zulassung einer Religionsgemeinschaft zur Vornahme religiöser Handlungen verpflichtet, wenn ein Bedürfnis nach Gottesdienst und Seelsorge besteht; damit korrespondiert das verfassungsmäßige Recht der Religionsgemeinschaft auf Zulassung. Ein Bedürfnis liegt vor, sobald sich 4 2 5 Dazu die "Weisung für die Zusammenarbeit mit den Militärgeistlichen" vom 12.11.1984 unter I I I 2 c. In der Weimarer Reichs Verfassung war dieses Recht in Art 140 ausdrücklich verankert. 4 2 6 Vgl. den Bericht des Berichterstatters Mausbach (Zentrum), Nat.Vers.-Steno, Bd. 328, 1644 B: Es habe Einigkeit bestanden, daß diese Formel weit auszulegen sei. Dazu Anschütz, WRV, Komm., Art. 136 Erl. 4, S. 626. 4 2 7 Vgl. BVerfGE 46, 266 (267); BVerwG, DÖV 1976, 273 (274); Listi , DÖV 1976, 274 (275) zur Befragung von Krankenhauspatienten.

Die Verfassungsmäßigkeit der Militärseelsorge

0

unter den Soldaten Angehörige dieser Religionsgemeinschaft befinden, jedenfalls solange diese nicht explizites Desinteresse bekunden.428 Der Staat kann die Bedürfnisfrage daher nur entscheiden, wenn er die Religionszugehörigkeit der Soldaten feststellt. Die dadurch erlangten Informationen ermöglichen erst eine geordnete Militärseelsorge. Die Frage nach der Konfessionszugehörigkeit trägt damit zugleich der (positiven) Religionsausübungsfreiheit der seelsorgerische Betreuung wünschenden Soldaten Rechnung.429 Im übrigen hat schon der Weimarer Verfassungsgeber die Befragung von Gefängnisinsassen nach ihrer Konfessionszugehörigkeit ausdrücklich für mit Art. 136 Abs. 3 WRV vereinbar erklärt 430 - für den Parallelfall der Militärseelsorge kann nichts anderes gelten. Soweit es im Zusammenhang mit der Frage überhaupt zu einem Spannungsverhältnis zwischen negativer (Art. 136 Abs. 3 S. 1 WRV) und positiver Religionsfreiheit (Art. 4 Abs. 1 und 2 GG) kommt, ist der Ausgleich in der verfassungsrechtlichen Gewährleistung der Militärseelsorge vorgegeben: Solange das Zwangsverbot des Art 141 a.E. WRV beachtet wird, ist die Frage zulässig. Da das SpannungsVerhältnis in der Verfassung selbst aufgelöst ist, wird man im übrigen die weitere Konkretisierung der verfassungsrechtlichen Rechtfertigung durch ein einfaches Gesetz für entbehrlich halten können.431 Die Frage nach der Konfessionszugehörigkeit verletzt nicht das religiöse Schweigerecht gem. Art. 4, 140 GG i.V.m. Art. 136 Abs. 3 S. 1 WRV. 432 c) Lebenskundlicher Unterricht und Gruppengespräche aa) Vereinbarkeit mit dem Zwangsverbot aus Art. 4,140 GG i.V.m. Art. 136 Abs. 4, 141 a.E. WRV Soldaten sind nach ZDv 66/2 Nr. 4 zur Teilnahme am Lebenskundlichen Unterricht verpflichtet, sind aber nach gründlicher Überlegung von der Teil4 2 8

Siehe oben 3. Teil Β I.

4 2 9

Vgl. BVerfGE 46, 266 (267); BVerwG, DÖV 1976, 273 (274); v. Busse, in: Nawiasky/Schweiger/Knöpfle, Bay.Verf, Komm., 2. Aufl., Art. 48 Rdnr. 11; ders., Gemeinsame Angelegenheiten, S. 248; Voll, HdbBayStKirchR, S. 297. 4 3 0

So der Berichterstatter des Verfassungsausschusses Mausbach (Zentrum), Nat.Vers.Steno, Bd. 328,1644 B. 4 3 1 4 3 2

BVerwG, DÖV 1976, 275.

Vgl. BVerfGE 46, 266 (267); BVerwG, DÖV 1976, 273 (274); v. Campenhausen, in: v. Mangoldt/Klein, GG, Komm., Art. 140/136 WRV Rdnr. 47; v. Münch, in: v. Münch/Kunig, GG, Komm., Art. 4 Rdnr. 39; Starck, in: v. Mangoldt/Klein, GG, Komm., Art. 4 Rdnr. 13; Listi, DÖV 1976, 274 (275).

D . Vorgaben des A r t . 4 A b s . 1 u n d 2 G G

nähme "grundsätzlich" zu befreien , wobei sie, um sich ein Urteil bilden zu können, den Unterricht durch einmalige Anwesenheit kennengelernt haben "sollten" (ZDv 66/2 Nr. 5). Diese Regelung könnte mit der Gewährleistung der negativen Religionsfreiheit unvereinbar sein, insbesondere gegen das Zwangsverbot gem. Art. 4, 140 GG i.V.m. Art. 136 Abs. 4, 141 a.E. WRV verstoßen. Zunächst ist jedoch zweifelhaft, ob die Art. 136 Abs. 4, 141 a.E. WRV überhaupt berührt sind. Das Zwangsverbot des Art 136 Abs. 4 WRV bezieht sich auf kirchliche Handlungen oder Feierlichkeiten oder auf religiöse Übungen, Art. 141 a.E. WRV auf Angebote der Militärseelsorge. Der Lebenskundliche Unterricht ist aber, jedenfalls seiner rechtlichen Grundlage nach, kein Teil der Militärseelsorge und erst recht keine religiöse Feierlichkeit, sondern Teil des Erziehungsprogrammes der Bundeswehr, d.h. nicht kirchliche, sondern staatliche Veranstaltung.433 Insoweit wären die auf kirchliche Veranstaltungen zielenden Vorgaben der Art 136 Abs. 4, 141 a.E. WRV nicht einschlägig. Allerdings wird der Unterricht von den Militärgeistlichen im Grundsatz konfessionell getrennt erteilt und fußt auf den Grundlagen des christlichen Glaubens (ZDv 66/2 Nrn. 3, 6), so daß er schon deshalb einen religiösen Bezug aufweist. Vor allem aber ist er, wie oben dargelegt, 434 de facto zum Bestandteil des Tätigkeitsfeldes der Militärseelsorge geworden. Seine Inhalte und Ziele werden im wesentlichen von kirchlichen Stellen bestimmt und von kirchlichen Interessen geleitet. Wenn der Staat diese Verkirchlichung des Lebenskundlichen Unterrichts billigend duldet, muß er bei seiner Durchführung die Vorgaben der Art. 136 Abs. 4, 141 a.E. WRV berücksichtigen. Aber selbst wenn diese Spezialnormen nicht einschlägig wären, wäre doch wegen des religiösen Bezuges die zwingende Beachtung der negativen Religionsfreiheit unmittelbar aus Art. 4 Abs. 1 und 2 GG herzuleiten. Wenn die Soldaten ausnahmslos zur Teilnahme am - faktisch verkirchlichten - Lebenskundlichen Unterricht verpflichtet wären, läge eine Verletzung der negativen Religionsfreiheit vor. Fraglich ist, ob die Befreiungsmöglichkeit gem. ZDv 66/2 Nr. 5 zur Herstellung der Verfassungskonformität des Unterrichts genügt. Freiheit vom Zwang i.S.d. Art 136 Abs. 4, 141 WRV besteht nur, wenn kein, auch nicht nur mittelbarer oder tatsächlicher, Druck zur Teilnahme ausgeübt wird. 435 Erforderlich ist also die völlige Freiwilligkeit der

4 3 3

Dazu näher 2. Teil C H 4.

4 3 4

2. Teil C H I 2.

4 3 5

Siehe oben 3. Teil D 1 1 a aa.

0

Die Verfassungsmäßigkeit der Militärseelsorge

Teilnahme. Mit Blick auf dieses Postulat löst die ZDv 66/2 Nr. 5 in zweifacher Hinsicht Bedenken aus: Dies gilt zunächst für die Maßgabe, die Soldaten "sollten" den Unterricht vor dem Befreiungsantrag durch einmalige Anwesenheit kennengelernt haben. Selbst die nur einmal erzwungene Teilnahme wäre mit der negativen Religionsfreiheit unvereinbar. Nicht ohne Grund kleidet daher der Normgeber die Anwesenheits- und Kennlernklausel nicht in eine zwingende Vorschrift, noch nicht einmal in eine "SolT-Bestimmung, sondern verwendet eine Formulierung eher appellativen Charakters ("sollte"). Die Klausel eröffnet damit die Möglichkeit, sie im Wege verfassungskonformer Auslegung als rechtlich unverbindlichen Appell an die Soldaten zu verstehen, von der Befreiung nicht leichtfertigen Gebrauch zu machen. Dementsprechend kann der einen Befreiungsantrag stellende Soldat zu "gründlicher Überlegung" i.S.d. ZDv 66/2 Nr. 5 nur ermahnt, aber nicht verpflichtet werden; die negative Religionsfreiheit kommt dem Kurzentschlossenen und Nicht-Überlegenden in gleichem Maße zugute wie dem gründlich Überlegenden. Bedenklich erscheint ferner die Einschränkung, die Befreiung sei "grundsätzlich" zu erteilen. Wenn im Ausnahmefall ein Soldat gegen seinen Willen zur Teilnahme am Lebenskundlichen Unterricht gezwungen würde, wäre er in seiner negativen Religionsfreiheit verletzt. Auch insoweit ist daher eine verfassungskonforme Auslegung dahingehend vorzunehmen, daß die Befreiung stets erteilt werden muß. Die 1984, also 28 Jahre nach Erlaß der ZDv 66/2 erlassene "Weisung für die Zusammenarbeit mit den Militärgeistlichen" 436 trägt den genannten Bedenken Rechnung und stellt nunmehr klar (III 3 c), daß der Soldat die Freiheit zu entscheiden habe, ob er am Lebenskundlichen Unterricht teilnehmen wolle. Der für die Befreiung zuständige Disziplinarvorgesetzte solle jedoch durch Erklärung von Sinn und Zweck des Unterrichts darauf hinwirken, daß nicht mangelndes Sinnverständnis und Gleichgültigkeit die Kriterien für die Entscheidung seien. Dieses Hinwirken darf freilich nicht den Charakter eines "Quasi-Zwanges" erreichen. 437 Die Freiwilligkeit könnte dann allenfalls in Frage gestellt sein, wenn durch die Art des Ersatzdienstes für die Nichtteilnehmer die Entscheidung mittelbar beeinflußt würde, was insbesondere bei diskriminierender Wirkung 4 3 6

Dazu siehe oben 2. Teil A I b cc.

4 3 7 Vor diesem Hintergrund ist es befremdlich, daß ein in den neuen Bundesländern stationierter, aus der N V A übernommener Offizier freimütig einräumt, sein Werben für die erstmalige Teilnahme an den den Lebenskundlichen Unterricht ersetzenden Gesprächsrunden über lebenskundliche Themen stelle sich den Soldaten als "Quasi-Zwang" dar; erst die weitere Teilnahme sei "rein freiwillig": Steinert, epd Dokumentation 4/93,16 (17).

D. Vorgaben des Art. 4 Abs. 1 und 2 GG

vorläge. 438 Schon die ZDv 66/2 Nr. 5 sieht nur eine dem Unterricht entsprechende Selbstbeschäftigung vor. In der Weisung (III 3 c) werden dafür die Lektüre von Schriften über Fragen des Welt- und Menschenbildes oder die Anfertigung von schriftlichen Arbeiten zu diesem Thema vorgeschlagen. Dabei seien Art und Thematik der Selbstbeschäftigung auf die Besonderheiten der jeweiligen Soldaten abzustimmen; mit ihr dürfe keine verletzende Wirkung verbunden sein. Ebensowenig wie die Beteiligung im Unterricht dürfe das Ergebnis der Selbstbeschäftigung nicht für die dienstlichen Beurteilungen verwertet werden. Durch diese Vorgaben wird dem Soldaten im Rahmen der Selbstbeschäftigung das Maß an Reflexion zugemutet, daß von ihm auch im Unterricht erwartet würde. Diskriminierende Wirkung ist daher zu verneinen. Mehr Probleme werfen die Vorgaben für die den Lebenskundlichen Unterricht ersetzenden Gruppengespräche im Bereich der evangelischen Militärseelsorge in den neuen Bundesländern auf. Diese können in den Dienstplan aufgenommen werden, wobei die Teilnahme freiwillig ist. Für die Nichtteilnehmer sei "Ausbildungsdienst" durchzuführen. 439 Militärischer Ausbildungsdienst dürfte von Soldaten häufig als unangenehmer empfunden werden als die Teilnahme am Gruppengespräch. 440 Diskriminierende Wirkung würde aber vermieden, wenn man den Ausbildungsdienst als Selbstbeschäftigung mit lebenskundlichen Themen i.S.d. ZDv 66/2 Nr. 5 ansetzt. Eine andere Möglichkeit bestünde etwa in politischer Bildung durch die militärischen Vorgesetzten als Alternative zum Gruppengespräch mit dem Pfarrer. Die in der Bundeswehr praktizierte Handhabung von Befreiung und Selbstbeschäftigung wird mithin den Erfordernissen des Zwangsverbotes aus Art 4, 140 GG i.V.m. Art. 136 Abs. 4, 141 a.E. WRV gerecht. 441 bb) Vereinbarkeit mit dem religiösen Schweigerecht aus Art. 4, 140 GG i.V.m. Art. 136 Abs. 3 S. 1 WRV Das religiöse Schweigerecht wäre vor allem dann tangiert, wenn der Soldat seinen Antrag auf Befreiung von der Teilnahme am Lebenskundlichen Unterricht in jedem Fall begründen müßte. Dann wäre er, wenn er religiöse Beweg-

4 3 8

Vgl. oben 3. Teil D I l a a a .

4 3 9

So Nr. I I I 5 der "Weisung für die Zusammenarbeit mit den für Seelsorge an Soldaten beauftragten Pfarrern der evangelischen Landeskirchen im Wehrbereich V I I und VHI" vom 06.09.1991; näher siehe oben 2. Teil C V. 4 4 0

Vgl. BVerwGE 73, 247 ff., und oben 3. Teil D 11 a aa.

4 4 1

Im Ergebnis ebenso Seiler, HdbStKirchR II, 1. Aufl., 685 (697).

0

D i e Verfassungsmäßigkeit der Militärseelsorge

gründe geltend machte, gezwungen, diese zu offenbaren. Nach den Vorgaben der ZDv 66/2 und der Weisung für die Zusammenarbeit mit den Militärgeistlichen wird eine Begründung jedoch nicht, jedenfalls nicht zwingend, erwartet. Insoweit ist das religiöse Schweigerecht mithin gewahrt. Allenfalls könnte man im Anschluß an die genannte Schulgebets-Entscheidung des Hessischen Staatsgerichtshofes darauf abstellen, daß schon der Umstand der Nichtteilnahme als solcher eine Offenbarung religiöser Überzeugungen bedingt.442 Dagegen ist indes wiederum einzuwenden, daß nicht nur religiöse oder weltanschauliche Erwägungen als Motiv der Nichtteilnahme in Betracht kommen. Selbst wenn es sich um Beweggründe religiöser Natur handeln sollte, wäre ihr Inhalt allein durch den Antrag auf Nichtteilnahme nicht zu erschließen. Somit werden keine religiösen Überzeugungen offenbart. Die negative Religionsfreiheit wird durch den Lebenskundlichen Unterricht auch nicht in bezug auf das religiöse Schweigerecht verletzt. d) Befehl "Helm ab zum Gebet" Wenngleich der Befehl "Helm ab zum Gebet", erteilt etwa im Zusammenhang mit dem militärischen Zeremoniell des Großen Zapfenstreichs oder beim Ehrengeleit im Rahmen der Bestattung eines Soldaten443, nicht zum Problemkreis der Militärseelsorge gehört, weist er doch einen religiösen Bezug auf und soll deshalb an dieser Stelle kurz erörtert werden. Zum Teil wird in ihm ein eklatanter Verstoß gegen die negative Religionsfreiheit in Form des Zwangsverbotes der Art. 4, 140 GG i.V.m. Art 136 Abs. 4 WRV gesehen.444 Diese Sicht beruht jedoch auf dem Mißverständnis, der Befehl enthalte eine verpflichtende Aufforderung zum Gebet In Wirklichkeit soll er lediglich die Achtung vor dem Beten anderer sicherstellen und überläßt das Mitbeten der freien Entscheidung des Soldaten.445 Diese Respektbezeugung folgt aus dem in Art. 4 Abs. 1, 2 GG wurzelnden Gebot der Toleranz gegenüber den (a)religiösen Überzeugungen anderer; sie wird insbesondere von demjenigen geschuldet, der nicht (mit)beten will. 4 4 6 Der

4 4 2

Dazu siehe oben 3. Teil D I 1 a aa.

4 4 3

ZDv 10/8, Kap. 3 II. 14.

4 4 4

Kiskalt, NJW 1986, 2479.

4 4 5

v. Campenhausen, in: v. Mangoldt/Klein, GG, Komm., Art. 140/136 WRV Rdnr. 44; Wolfi NJW 1987, 36. 4 4 6

Vgl. BVerfGE 52, 223 (247) zum Schulgebet.

D. Vorgaben des Art. 4 Abs. 1 und 2 GG

Befehl setzt also lediglich in militärische Formen um, was auch im Zivilleben geboten ist. Wird die Achtung erwiesen, folgt daraus im übrigen noch keine Stellungnahme für oder gegen eine religiöse Überzeugung, so daß das religiöse Schweigerecht (Art. 136 Abs. 3 S. 1 WRV) ebensowenig wie das Zwangsverbot des Art 136 Abs. 4 WRV verletzt ist. e) Religiöse Beteuerung des Diensteides Gem. § 9 Abs. 1 S. 1 SG haben Berufssoldaten und Soldaten auf Zeit einen Diensteid zu leisten, dem die religiöse Beteuerung "so wahr mir Gott helfe" beigefügt ist. Nach Satz 2 kann der Diensteid auch ohne religiöse Beteuerung geleistet werden, nach Satz 3 kann überdies die Formel "Ich schwöre" durch eine andere Beteuerungsformel ersetzt werden. 447 Damit ist den Anforderungen der Art 4, 140 GG i.V.m. Art 136 Abs. 4 WRV in ausreichendem Maße Rechnung getragen. Das feierliche Gelöbnis der Wehrpflichtigen kennt gem. § 9 Abs. 2 SG keine religiöse Beteuerung. 2. Religionsfreiheit der Militärgeistlichen und der an der Militärseelsorge beteiligten Kirchen

Die Religionsfreiheit der Militärgeistlichen und ihrer Kirchen wäre etwa verletzt, wenn der Staat entweder die seelsorgerischen Betätigungsmöglichkeiten innerhalb der Bundeswehr beschnitte oder Einfluß auf deren Inhalt zu nehmen suchte. Die Errichtung der Militärseelsorge dient jedoch gerade dem Zweck, kirchliches Wirken in der Armee zu ermöglichen. Ferner enthält sich der Staat ausdrücklich jeglicher inhaltlichen Einflußnahme. 448 Insoweit ist daher weder die Verletzung der Religionsfreiheit der Militärgeistlichen noch eine Verletzung kirchlicher Freiheit und Selbstbestimmung zu befürchten. Etwas anderes könnte sich allenfalls aus der Heranziehung staatlichen Beamtenrechts ergeben, soweit dieses die Grundrechte der Militärgeistlichen beschränkt. Auf diese Fragen soll im 4. Teil dieser Untersuchung eingegangen werden. Schließlich könnten die staatlichen Mitwirkungsrechte bei der Ernennung des jeweiligen Militärbischofs und der Militärgeistlichen Probleme in bezug auf die kirchliche Freiheit aufwerfen. 449 Maßstab für deren Zulässig4 4 7 Für Diensteide (die quasi freiwillig sind, da man ja nicht Beamter werden muß) anerkannte das BVerfG zunächst keinen Anspruch auf Ersetzung der Formel "Ich schwöre" (E 33, 23 [31 f.], wohl auch 47, 144 [145]). Anders aber nunmehr in E 79, 69 (76 f.); in diesem Sinne auch Starck, in: v. Mangoldt/Klein, GG, Komm., Art. 4 Rdnr. 24; v. Campenhausen, in: v. Mangoldt/Klein, GG, Komm., Art. 140/136 W R V Rdnr. 42. 4 4 8

Vgl. Art. 2 Abs. 1, Art. 4,10, 16 MSV.

4 4 9

Art. 11 Abs. 1 S. 2 MSV; Art 27 Abs. 2 S. 2 RK.

0

Die Verfassungsmäßigkeit der Militärseelsorge

keit ist vor allem Art. 140 GG i.V.m. Art. 137 Abs. 3 S. 2 WRV; dies soll in diesem Teil unter E. erörtert werden. 3. Religionsfreiheit der nicht an der Militärseelsorge beteiligten Kirchen und Religionsgemeinschaften

Vereinzelt wird die staatliche Einrichtung einer Militärseelsorge nur für evangelische und katholische Kirche als Verletzung der Religionsfreiheit der übrigen Religionsgemeinschaften gewertet. 450 Damit ist der Grundsatz der Gleichbehandlung der Religionsgemeinschaften angesprochen. Dieser wurzelt letztlich im allgemeinen Gleichheitsgrundsatz aus Art 3 Abs. 1 GG, 451 darüber hinaus in Art 4 Abs. 1 und 2 GG 4 5 2 und schlägt sich schließlich in zahlreichen speziellen staatskirchenrechtlichen Paritätsanordnungen nieder, so etwa in Art 3 Abs. 3, 33 Abs. 3 GG sowie in Art 140 GG i.V.m. Art 136 Abs. 2, 137 Abs. 1, 5 und 7 WRV. Der Gleichheitsgrundsatz gebietet jedoch auch im Staatskirchenrecht keine schematische Gleichbehandlung.453 Vielmehr sind Differenzierungen nach sachlichen Merkmalen, wie etwa Größe und Bedeutung einer Religionsgemeinschaft, zulässig.454 Unzulässig wäre allerdings die Tradition als Differenzierungskriterium. Sachlicher Grund für die Ungleichbehandlung auf dem Gebiet der Militärseelsorge ist das Ausmaß des "Bedürfnisses" i.S.d. Art 141 WRV, d.h. die Zahl der Konfessionsangehörigen unter den Soldaten. Der Staat bietet für je 1500 Soldaten evangelischen resp. katholischen Glaubens die Einrichtung der Stelle eines (hauptamtlichen) Militärgeistlichen an (Art. 3 S. 2 MSV). Er hat zudem seine Bereitschaft unterstrichen, auf Verlangen auch für die Angehörigen anderer Bekenntnisse eine ihrer Mitgliederzahl entsprechende Militärseelsorge einzurichten (ZDv 66/1, Nr. 2). Allerdings erreicht

4 5 0

Bamberg, Militärseelsorge, S. 68; Fischer, Volkskirche ade! Trennung von Staat und Kirche, 4. Aufl., S. 147. 4 5 1 BVerfGE 19, 1 (8); Maunz, in: Maunz/Dürig, GG, Komm., Art. 140 Rdnr. 48; v. Campenhausen, in: v. Mangoldt/Klein, GG, Komm., Art. 140 Rdnr. 31; Obermayer, in: Bonner Kommentar, GG, Art. 140 Rdnr. 87; M.Heckel, HdbStKirchR I, 2. Aufl., 589 (591); Mikat, FS Broermann, 755 (763). 4 5 2

Obermayer, in: Bonner Kommentar, GG, Art. 140 Rdnr. 87.

4 5 3

BVerfGE 19, 129(134).

4 5 4

BVerfGE 19, 1 (8 ff.); BVerwG, NVwZ 1991, 774 (777); BayVerfGH, BayVBl. 1980, 462 (464); Maunz, in: Maunz/Dürig, GG, Komm., Art. 140 Rdnrn. 46 f., 49; v. Campenhausen, in: v. Mangoldt/Klein, GG, Komm., Art. 140 Rdnrn. 29, 31; M.Heckel, HdbStKirchR I, 2. Aufl., 589 (599 ff.); Link, BayVBl. 1966, 297 (301); Mikat, FS Broermann, 755 (763); Weber, ZevKR 36 (1991), 253 (261); ders., NJW 1983, 2543.

D. Vorgaben des Art. 4 Abs. 1 und 2 GG

9

keine andere Religionsgemeinschaft das Quorum von 1500 Angehörigen unter den Soldaten. Im Einzelfall unterstützt die Bundeswehr Rüstzeiten kleinerer Religionsgemeinschaften durch Gewährung von Sonderurlaub und Fahrtkostenerstattung für die teilnehmenden Soldaten (so für die Kirche Jesu Christi der Heiligen der letzten Tage [sog. Mormonen]). Weiterreichende Wünsche sind bisher nicht an die Bundeswehr herangetragen worden. Rechte anderer Religionsgemeinschaften sind daher nicht verletzt. 455 4· Zusammenfassung: Beachtung der subjektiv-rechtlichen Vorgaben

Es mögen zwar Einzelfälle denkbar und bisweilen zu beobachten sein, daß auf Soldaten unzulässiger Druck zur Teilnahme an Veranstaltungen der Militärseelsorge oder am Lebenskundlichen Unterricht ausgeübt wird. Organisatorisch resp. institutionell bedingte Verletzungen der negativen Religionsfreiheit der Soldaten sind aber nicht gegeben. Mit Blick auf die individuelle Religionsfreiheit der Soldaten genügt daher die gegenwärtig praktizierte Form der Militärseelsorge den Erfordernissen des Art 4 Abs. 1 und 2 GG. Dies gilt gleichermaßen für die Religionsfreiheit der Militärgeistlichen wie für die kollektive Religionsfreiheit. Die staatliche Einrichtung der Militärseelsorge trägt mithin den aus dem subjektiven Gehalt der Religionsfreiheit resultierenden Erfordernissen Rechnung. II.

Objektiv-rechtliche Vorgaben der Religionsfreiheit für die Militärseelsorge

Die Gewähr der Religionsfreiheit gem. Art 4 Abs. 1 und 2 GG enthält nicht nur subjektiv-rechtliche, sondern auch objektiv-rechtliche Vorgaben für das Handeln des Staates. Zu letzteren zählen die Grundsätze der Neutralität, Nichtidentifikation und Parität, die neben Art 4 GG auch aus weiteren Verfassungsbestimmungen abgeleitet werden und im Kern unbestritten das staatskirchenrechtliche System des Grundgesetzes beschreiben 4 5 6 Bedeutung 4 5 5

Maunz, in: Maunz/Dürig, GG, Komm., Art. 140/141 WRV Rdnr. 3; v. Campenhausen, in: v. Mangoldt/Klein, GG, Komm., Art. 140 Rdnr. 29; Seiler, HdbStKirchR II, 1. Aufl., 685 (690); Illguth, NZWehrr 1972, 129 (141). Vgl. zur Anstaltsseelsorge auch Albrecht, HdbStKirchR II, 1. Aufl., 701 (708); M.Heckel, HdbStKirch I, 1. Aufl., 445 (520 ff.); v. Busse, in: Nawiasky/Schweiger/Knöpfle, Bay.Verf, Komm., 2. Aufl., Art. 148 Rdnrn. 8, 12; Solte, HdbStKirchR I, 2. Aufl., 417 (435), mit Hinweis auf vertraglich vereinbarte Unterstützung jüdischer Gefangenenseelsorge in Berlin. 45

^ Siehe für die vorherrschende staatskirchenrechtliche Lehre etwa v. Campenhausen, in: v. Mangoldt/Klein, GG, Komm., Art. 140 Rdnrn. 16 ff.; Maunz, in: Maunz/Dürig, GG, Komm., 14 Ennuschat

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Die Verfassungsmäßigkeit der Militärseelsorge

und Reichweite dieser Prinzipien sind freilich nicht eindeutig bestimmt, sondern abhängig von weiteren, in ihrem Inhalt ebenso unbestimmten Prämissen, etwa davon, ob das staatskirchenrechtliche System des Grundgesetzes als das der Trennung, 457 Koordination 458 oder Kooperation 459 von Staat und Kirche verstanden wird. 460 Das Hineinlesen derartiger Prämissen in das Grundgesetz stößt scheinbar auf wenig Schwierigkeiten, soweit man in Anlehnung an Carl Schmitt 461 unterstellt, das Bonner Staatskirchenrecht sei nur wenig mehr als das Verlegenheitsergebnis eines doppelten Formelkompromisses: 462 Schon das Weimarer Staatskirchenrecht sei nicht mehr als ein dilatorischer Formelkompromiß gewesen, welcher wiederum im Wege eines dilatorischen Formelkompromisses Einzug in das Grundgesetz gefunden habe. Ein ausdrücklicher Wille des Verfassungsgebers sei bei derartigen Formelkompromissen gerade nicht erkennbar. 463 Legte man dann die Prämisse strikter Trennung zugrunde, müßte der Staat "getrennt von jeder Religiosität sein". 464 Er geriete bei jeder Aktivität im religiösen Bereich in den Verdacht, sich mit derjenigen Religionsgemeinschaft zu identifizieren, der sein Tun zugute kommt; liefe also Gefahr, gerade nicht neutral zu sein. Jedes staatliche Handeln im religiösen Bereich wäre etwas verfassungsrechtlich grundsätzlich Unerwünschtes, gestattet nur bei ausdrücklicher verfassungsrechtlicher Rechtfertigung. Wäre dies der Fall, dann beschrieben die Art. 140 GG i.V.m. Art 137 ff. WRV den Höchstbestand staatlicher Verbürgungen zugunsten der Kirchen und Religionsgemeinschaften - mit der Folge, daß darüber hinausgehende Vergünstigungen wegen Art. 140 Rdnrn. 43 ff.; Mikat, FS Broermann, 755 (762), und für die Mindermeinung Obermayer, in: Bonner Kommentar, GG, Art. 140 Rdnrn. 76 ff.; Renck, BayVBl. 1988, 225 (228). 4 5 7

Siehe in jüngster Zeit namentlich Renck, BayVBl. 1988, 225 ff.; Fischer,

KritJ 1989,

295 ff. 4 5 8 So noch BayVerfGH, BayVBl. 1980, 462; vgl. auch Robbers, in: Zieger (Hrsg.), Die Rechtsstellung der Kirchen im geteilten Deutschland, 7 (17): "Modell der beschränkten Koordination". - Zur in den fünfziger Jahren vorherrschenden und im Laufe der sechziger Jahre überwundenen Koordinationstheorie siehe Weber, NJW 1983, 2553; JuS 1967,433. 4 5 9

Vgl. Aymans, ArchKathKR 159 (1990), 132 (142); Maunz, BayVBl. 1988, 231 ff. (gegen Renck, aaO). 4 6 0 Zu den Versuchen, durch Kurzbegriffe das komplexe System des deutschen Staatskirchenrechts zu kennzeichnen, siehe Bielitz, ZevKR 29 (1984), 103 ff. 4 6 1

Verfassungslehre, S. 32, 34 f. (zum Weimarer Staatskirchenrecht).

4 6 2

Vgl. Smend, ZevKR 1 (1951), 1 (11); Hollerbach, VVDStRL 26 (1968), 57 (59).

4 6 3

Schmitt, Verfassungslehre, S. 32, 34 f. (zum Weimarer Staatskirchenrecht).

4 6 4

So ausdrücklich Renck, BayVBl. 1988, 225 (230).

D. Vorgaben des Art. 4 Abs. 1 und 2 GG

1

Verstoßes gegen die Prinzipien der Trennung, Neutralität und Nichtidentifikation verfassungswidrig wären. 465 Aber schon Schmitt wies darauf hin, daß ein dilatorischer Formelkompromiß im wesentlichen auf die Beibehaltung des status quo hinauslaufe. 466 Eben dies entspricht dann dem Willen des Verfassungsgebers. Überdies hat sich im Rahmen dieser Untersuchung bereits gezeigt, daß trotz des Kompromißcharakters des Bonner und Weimarer Staatskirchenrechts wesentliche Eckpunkte der verfassungsgeberischen Intentionen durchaus markiert werden können. Jeglichen Prämissen sollte man daher mit großer Vorsicht begegnen. Die Termini Trennung, Neutralität und Nichtidentifikation sind ohnehin nicht mehr als Hilfsbegriffe zum Verständnis der verfassungsrechtlichen Aussagen. Angesichts der Gefahr der Verselbständigung derartiger Hilfsbegriffe bleibt aber zu betonen, daß die genannten Prinzipien weder Teil der Verfassung noch ihr vorgegeben sind. Sie können daher nicht die Verfassungsinterpretation dirigieren. Vielmehr bestimmt der Verfassungstext Inhalt und Umfang der daraus abgeleiteten (staatskirchenrechtlichen) Grundsätze.467 Zu untersuchen ist also (1.), welche objektiv-rechtlichen Vorgaben für das Verhältnis von Staat und Kirche und damit für das Maß zulässigen Staatshandelns im religiösen Bereich sich aus der Religionsfreiheit gem. Art 4 Abs. 1 und 2 GG ergeben. Wenn dies bestimmt ist, wird (2.) zu prüfen sein, ob die derzeitige Militärseelsorge den ermittelten Rahmen einhält. 1. Bestimmung der objektiv-rechtlichen Vorgaben der Religionsfreiheit

Aus Art 4 Abs. 1 und 2 GG folgt jedenfalls nicht eine strikte Trennung im Sinne völliger Beziehungslosigkeit von Staat und Kirche. Vielmehr enthält die Verfassung zahlreiche Verbindungspunkte: etwa die Gewähr des Religionsunterrichts an staatlichen Schulen durch staatliche Lehrer (Art. 7 Abs. 3 GG) oder die Zuerkennung des Status einer öffentlich-rechtlichen Körperschaft für

4 6 5 So vor allem Renck, BayVBl. 1988, 225 (229 ff.); siehe im übrigen die Nachweise oben 3. Teil A I, II. 4 6 6

Schmitt, Verfassungslehre, S. 33 f.

4 6 7 Angesprochen ist damit letztlich die "Rückkehr zur juristischen Methode", die in Anlehnung an Quaritsch (Der Staat 1 [1962], 175 ff.) oft beschworen (etwa Fischer, Volkskirche ade! Trennung von Staat und Kirche, 4. Aufl., S. 46; Kleine, Verfassungswidrigkeiten, passin), aber ungleich weniger beherzigt wird. Dazu v. Campenhausen, in: v. Mangoldt/Klein, GG, Komm., Art. 140 Rdnrn. 14, 16; HdbStKirchR I, 2. Aufl., 47 (54 f., 59); Weber, NJW 1983, 2553 (2554); JuS 1967, 433 (435).

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Die Verfassungsmäßigkeit der Militärseelsorge

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bestimmte Religionsgemeinschaften (Art. 140 GG i.V.m. Art. 137 Abs. 5 WRV). Denkbar ist immerhin, daß die Gewähr der Religionsfreiheit zumindest den Grundsatz strikter Trennung bedingt, dessen Ausnahmen ausdrücklicher verfassungsrechtlicher Rechtfertigung bedürfen. a) Grammatische Interpretation Nach Art. 4 Abs. 2 GG wird die freie Religionsausübung gewährleistet. Der Staat leistet also von Verfassungs wegen Gewähr, d.h. Sicherheit, für die Freiheit der Religionsausübung. Schon diese Wortwahl des Grundgesetzgebers indiziert den über die bloße Abwehr staatlicher Beeinträchtigungen hinausreichenden Schutzgehalt des Art. 4 Abs. 2 GG und damit die Zulässigkeit, sogar Notwendigkeit von freiheitssichernden Aktivitäten des Staates im religiösen Bereich: Freiheit ist danach nicht nur Vorgabe, sondern auch Aufgabe des Staates. Deutlicher noch hieß es in Art. 135 S. 2 WRV: Die ungestörte Religionsausübung wird durch die Verfassung gewährleistet und steht unter staatlichem Schutz [Hervorhebung vom Verfasser]. Der zweite Halbsatz stellt aber letztlich nur einen Pleonasmus dar, so daß Art. 135 S. 2 WRV sich insoweit nicht von Art. 4 Abs. 2 GG unterscheidet. Die grammatische Interpretation kann somit die Prämisse, daß staatliches Handeln auf diesem Gebiet etwas grundsätzlich Unerwünschtes sei, nicht belegen. Im Gegenteil, sie weist auf die prinzipielle Zulässigkeit staatlicher Aktivitäten hin, soweit diese die Freiheit der Religionsausübung sichern. So verstanden gebietet Art. 4 GG über den Abwehrgehalt hinaus "in positivem Sinn, Raum für die Betätigung der Glaubensüberzeugung und die Verwirklichung der autonomen Persönlichkeit auf weltanschaulich-religiösem Gebiet zu sichern". 468 b) Historische Interpretation Die Formulierung des Art. 4 Abs. 2 GG steht in der deutschen Verfassungstradition des Schutzes des exercitium religionis. 469 In der Verfassung der Frankfurter Paulskirche fehlte zwar eine ausdrückliche Zusage staatlichen 4 6 8 So das BVerfG mit Blick auf die Anstaltsseelsorge (ZevKR 33 [1988], 469), ebenso im sog. Kruzifix-Beschluß (EuGRZ 1995, 359 [363]). Siehe ferner Robbers, in: Zieger (Hrsg.), Die Rechtsstellung der Kirchen im geteilten Deutschland, 7 (9). 4 6 9

Dazu Starck, in: v. Mangoldt/Klein, GG, Komm., Art. 4 Rdnr. 34.

D. Vorgaben des Art. 4 Abs.

und 2 GG

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Schutzes für die Freiheit der Religionsausübung. Aber auch die Paulskirche verpflichtete den Staat nicht zur gleichgültigen Untätigkeit im religiösen Bereich. Vielmehr war das Frankfurter Staatskirchenrecht gerade darauf gerichtet, die Religionsfreiheit zu sichern, wobei man neben der Abwehr von staatlichen Übergriffen vor allem auch den kirchlichen Machtmißbrauch im Auge hatte, dem von Staats wegen zu wehren war. Schon dadurch wurde der Staat zu freiheitssichernden Aktivitäten berechtigt und verpflichtet, freilich ohne daß der Umfang von Aufgaben und Befugnissen geklärt wurde. Neben dieser - quasi negativen - Funktion ging die Paulskirche zumindest im Bereich der Strafgefangenenseelsorge auch von der Zulässigkeit - positiver - staatlicher Förderung der individuellen Religionsfreiheit aus.470 Die preußische Verfassungs-Urkunde von 1850 gewährleistete die Religionsfreiheit in Art 12 S. 1. Nach Art. 14 wurde die christliche Religion "bei denjenigen Einrichtungen des Staats, welche mit der Reügionsausübung im Zusammenhang stehen, unbeschadet der im Art 12 gewährleisteten Religionsfreiheit, zum Grunde gelegt". Offensichtlich hielt der Verfassungsgeber also staatliche Aktivitäten auf religiösem Gebiet für zulässig; dies galt im übrigen namentlich für die Militärseelsorge, wie sich aus Art 18 Abs. 2 ergab. 471 In der Weimarer Nationalversammlung gab es zwar auf Seiten der Linken manche, denen jede Verbindung zwischen Staat und Kirche politisch höchst unerwünscht war, die sie entweder strikt ablehnten oder nur aus taktischen Erwägungen bereit waren, in Kauf zu nehmen - in der explizit geäußerten Hoffnung, bei geänderten Mehrheitsverhältnissen die Trennung zu verschärfen. 472 Schon dies verdeutlicht, daß es sich insoweit um die Position der parlamentarischen Minderheit handelte. Die Mehrheit stellte, wie der Berichterstatter des Verfassungsausschusses unwidersprochen darlegte, auf den "fast unlöslichen Zusammenhang" zwischen der individuellen Religionsfreiheit und den kirchlichen Rechten ab. 473 Die institutionellen Verbürgungen des Staates zugunsten der Kirchen wurden mithin nicht als Gefährdung individueller Freiheiten betrachtet. Viele sahen in ihnen sogar nur das "Minimum des absolut Notwendigen", die darüber hinausreichendem staatlichen Engagement also gerade nicht im Wege stünden.474

4 7 0

Siehe oben 3. Teil Β III 2.

4 7 1

"Auf die Anstellung von Geistlichen beim Militär und an öffentlichen Anstalten ..."

4 7 2

Vgl. Quarck (SPD), Nat.Vers.-Steno, Bd. 328, 1651 A.

4 7 3

Mausbach (Zentrum), Nat.Vers.-Steno, Bd. 328,1644 A.

4 7 4

Gröber (Zentrum), Nat.Vers.-Steno, Bd. 336, 521.

1

D i e Verfassungsmäßigkeit der Militärseelsorge

Diese Einschätzung wurde schließlich auch vom Parlamentarischen Rat geteilt. Es gab lediglich vereinzelte Stimmen, die teils die Bundeskompetenz, teils die Notwendigkeit der verfassungsrechtlichen Verankerung staatlichen Engagements zugunsten der Religionsgemeinschaften und Kirchen bezweifelten, ohne damit den materiellen Gehalt der institutionellen Verbürgungen in Frage zu stellen.475 Mehrheitlich wurde jedoch auf die enge Verbindung von individueller Religionsfreiheit und dem Inhalt des späteren Art. 140 GG hingewiesen, die sich wechselseitig ergänzten und bedingten.476 Demgegenüber machte niemand geltend, daß zwischen der individuellen Religionsfreiheit auf der einen Seite und staatlichen Verbürgungen und sonstigen Aktivitäten zugunsten der Kirchen und Religionsgemeinschaften auf der anderen Seite ein Spannungsverhältnis bestehe. Ferner finden sich keine Anhaltspunkte dafür, daß die Religionsfreiheit mit der Forderung nach staatlicher Passivität resp. staatlichem Desinteresse in religiösen Belangen, kurz, mit der Forderung nach möglichst weitreichender Trennung von Staat und Kirche verknüpft wurde. Im Gegenteil, die Kirchenfreundlichkeit wurde von allen Fraktionen besonders hervorgehoben. 477 Demzufolge finden sich auch keine Hinweise, daß die staatskirchenrechtlichen Gewährleistungen des Art 140 GG als Maximalbestand verstanden wurden. Festzuhalten ist somit, daß keiner der Verfassungsgeber, von der Paulskirche bis zum Parlamentarischen Rat, staatliches Engagement im religiösen Bereich als Gefahrdung der individuellen Religionsfreiheit und damit eo ipso als etwas verfassungsrechtlich grundsätzlich Unerwünschtes betrachtete. Insbesondere läßt sich dem historischen Willen des Grundgesetzgebers nicht entnehmen, daß die Religionsfreiheit auf die strikte oder auch nur grundsätzliche Trennung von Staat und Kirche zielte. c) Systematische Interpretation Weitere Anhaltspunkte zur Bestimmung des vom Grundgesetz intendierten Verhältnisses zwischen Staat und Kirche lassen sich einer Gesamtschau der verschiedenen Verfassungsnormen mit staatskirchenrechtlichem Bezug entnehmen.

4 7 5

Siehe oben 3. Teil Β III 2 abb.

4 7 6

Vgl. Seebohm (DP), Pari. Rat, HA-Steno, S. 256 f.; Wessel (Zentrum), Pari. Rat, HA-Steno,

S. 256. 4 7 7

Siehe oben 3. Teil C I I 3 a.

D. Vorgaben des Art. 4 Abs. 1 und 2 GG

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aa) Normen, die auf die unbefangene Nähe des Staates zu Religion und Religionsgemeinschaften hindeuten Eine Reihe von Verfassungsnormen deutet auf eine gewisse Nähe des Staates zu Religion und Religionsgemeinschaften hin. (1) Präambel Zu nennen ist insbesondere die Einleitung der Präambel: "Im Bewußtsein seiner Verantwortung vor Gott und den Menschen". Der Rechtscharakter der Präambel ist zwar nicht unumstritten. Es hat sich jedoch, im Anschluß an die Rechtsprechung des BVerfG, die Ansicht durchgesetzt, daß sie Teil der Verfassung ist, daß ihr nicht nur ein politischer, sondern auch ein rechtlicher Gehalt zukommt und daß sie Anhaltspunkte für die Auslegung anderer Grundgesetznormen zu liefern vermag. 478 Hinsichtlich der Bezugnahme auf Gott werden diese Aussagen aber zumeist stark zurückgenommen. Es herrscht das Bestreben vor, deren Bedeutung zu relativieren: Sie sei nur Dekor, nicht einmal Programm, 479 lediglich ein Hinweis auf die seinerzeitige sehr persönliche Motivationslage der Mitglieder des Parlamentarischen Rates, die eine deutliche Abkehr vom gottlosen NS-Staat vollziehen und ausdrücken wollten, daß es überstaatliche Werte gebe, die nicht zur Disposition selbst eines demokratischen Verfassungsgebers stünden.480 Ihr rechtlichen Gehalt zuerkennen zu wollen, sei abwegig.481 Nun wollte der Parlamentarische Rat sich gewiß von der NS-Diktatur distanzieren, und es finden sich auch Anhaltspunkte dafür, daß man mit dem Terminus "Gott" einen Hinweis auf überpositive Werte verband. 482 Wenn der Bedeutungsgehalt der Bezugnahme auf Gott jedoch auf diese beiden Aussagen beschränkt gewesen sein soll, bleibt die Frage offen, warum der Parlamentarische Rat, statt seinen Ansichten deutlichen Ausdruck zu verleihen, die 4 7 8

BVerfGE 5, 85 (127); 36, 1 (16); BayVerfGH, NJW 1988, 3141 (3142); Maunz, in: Maunz/Dürig, GG, Komm., Prä Rdnr. 11; Starck, in: v. Mangoldt/Klein, GG, Komm., Prä Rdnr. 20; v. Münch, in: v. Münch/Kunig, GG, Komm., Prä Rdnrn. 2 ff.; Hofmann, ZRP 1994, 215 (216). 4 7 9

Obermayer, in: Bonner Kommentar, GG, Art. 140 Rdnr. 74; Renck, NJW 1989, 2442 (2443). 4 8 0 Maunz, in: Maunz/Dürig, GG, Komm., Prä Rdnr. 17; Starck, in: v. Mangoldt/Klein, GG, Komm., Prä Rdnr. 25; v. Münch, in: v. Münch/Kunig, GG, Komm., Prä Rdnrn. 7 ff.; Hofmann, ZRP 1994, 215 (216 f.). Vgl. auch Renck, NJW 1989, 2442 (2443). 4 8 1 Fischer, Trennung von Staat und Kirche, 3. Aufl., S. 47. Vgl. auch Zuleeg, in: Alternativkommentar, GG, Prä Rdnr. 14. 4 8 2

Süsterhenn (CDU), Pari. Rat, Plenar-Steno, S. 72. Vgl. auch Jahn, DVB1. 1994, 177 (186).

Die Verfassungsmäßigkeit der Militärseelsorge

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insoweit verklausulierte Formulierung "Gott" wählte. Im übrigen folgt das Grundgesetz, obwohl entsprechende Vorschläge diskutiert wurden, 483 gerade nicht dem Beispiel der Präambel der bayerischen Landesverfassung vom 08.12.1946, deren Bezugnahme auf Gott dem Wortlaut nach eher auf die Abkehr vom NS-Unrecht gerichtet ist: "Angesichts des Trümmerfeldes, zu dem eine Staats- und Gesellschaftsordnung ohne Gott (...) geführt hat..." Es spricht somit einiges dafür, daß die Mitglieder des Parlamentarischen Rates die Bezugnahme auf Gott nicht nur als Platzhalter für die beiden Aussagen - Absage an NS-Zeit, Hinweis auf überpositive Werte - , sondern auch wörtlich als Ausdruck ihrer entsprechend ihrer Glaubensüberzeugung wahrgenommenen Verantwortung vor Gott verstanden. Insoweit handelt es sich einerseits um ein höchstpersönliches Bekenntnis, dem andererseits weder die politische noch die rechtliche Relevanz ohne weiteres abgesprochen werden kann. 484 So bestand im Parlamentarischen Einigkeit darüber, daß die Präambel mehr als ein nur pathetischer Vorspruch sei, sondern die konstitutiven Faktoren aufzähle, also rechtlich erhebliche Feststellungen, Bewertungen, Rechtsverwahrungen und Ansprüche enthalte 4 8 5 Dabei wurde nicht zwischen der Bezugnahme auf Gott und den übrigen Aussagen der Präambel differenziert. 486 Für die nicht unerhebliche politische Relevanz487 spricht schon der Umstand, daß die Aufnahme einer Bezugnahme auf Gott in die Präambel zwar im Parlamentarischen Rat kaum umstritten war, aber dafür in der Gegenwart um so mehr in der Kritik steht.488 Dies schlug sich auch in der Verfassungsdiskussion im Zusammenhang mit den einigungsvertragsbedingten Grundgesetzän-

4 8 3

Vgl. etwa den Entwurf von Kroll (CDU), Pari. Rat, Drs. 215.

4 8 4

Vgl. Maunz, in: Maunz/Dürig, GG, Komm., Prä Rdnr. 17; Häberle, FS Broermann, 211 (242). 4 8 5 Schmid (SPD), Pari. Rat, Plenar-Steno, S. 171. Ähnlich ders., aaO, S. 70; v. Mangoldt (CDU), Pari. Rat, HA-Steno, S. 306. 4 8 6

Wenig überzeugend daher Zuleeg, in: Alternativkommentar, GG, Prä Rdnrn. 14 f.: Die Formulierung "Verantwortung vor Gott" führe in die Irre und sei rechtlich irrelevant; die "Verantwortung vor den Menschen" sei aber eine Auslegungsdirektive, die etwa für die Frage der verfassungsrechtlichen Zulässigkeit der Kernenergie fruchtbar gemacht werden könne. 4 8 7 Dazu auch Geiger, EuGRZ 1986, 121 (124): Die Anrufung Gottes sei von außerordentlicher politischer Bedeutung. 4 8 8

Dazu Hofmann, ZRP 1994, 215 ff.

D. Vorgaben des Art. 4 Abs. 1 und 2 GG

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derungen489 und vor allem in den Beratungen der Gemeinsamen Verfassungskommission von Bundestag und Bundesrat nieder. 490 Parallelen finden sich ferner in den jüngsten Verfassungsberatungen in den neuen Bundesländern und in Niedersachsen.491 Allein die offenkundige politische Relevanz der Bezugnahme auf Gott indiziert deren Rechtsrelevanz.492 Dies gilt um so mehr, als Hintergrund der Diskussion stets die Frage war, ob nicht eine weiterreichende Anordnung der Trennung von Staat und Kirche zeitgemäßer sei als die derzeitige Verfassungslage. In den jüngsten Verfassungsberatungen auf Bundes- und Länderebene wurde eine Bezugnahme auf Gott mit diesem Hinweis vielfach abgelehnt.493 Diese Ansicht setzte sich in drei der neuen Bundesländer494 und zunächst auch in Niedersachsen, nicht aber in Sachsen-Anhalt495 und Thüringen durch. 496 In Niedersachsen wurde aufgrund einer von evangelischen, katholischen und jüdischen Gläubigen angestrengten Volksinitiative nachträglich in die Präambel eine dem Grundgesetz nachgebildete Bezugnahme auf Gott eingefügt. 497 Für das Grundgesetz wurde mit den Stimmen von Union,

4 8 9 Häfner (Grüne), BT-Plenarprot. 11/17822 B, 17825 A, kritisierte, daß die Chance vertan wurde, endlich einmal wirklich liberale Verfassungspolitik zu praktizieren, die Trennung von Staat und Kirche herbeizuführen. 4 9 0

Dazu BT-Dr. 12/6000, S. 107 f.

4 9 1

Zur Diskussion in Sachsen-Anhalt etwa Kilian, Starck, NdsVBl. 1994, 1 (9). 4 9 2

JuS 1993, 536 (540); in Niedersachsen

Anders aber Geiger, EuGRZ 1986, 121 (124).

4 9 3

Vgl. etwa Ulimann (Bündnis 90/Die Grünen), Gemeins. Verf.kommission, Steno.Bericht, 18. Sitzung vom 04.03.1993, S. 10; BT-Dr. 12/6000, S. 108 f., sowie einen Antrag der PDS, BT-Dr. 12/6570. Ähnlich Verheugen (SPD), FAZ Nr. 296 vom 21.12.1993, S. 5, wobei die große Mehrheit innerhalb der SPD-Bundestagsfrakion für die Beibehaltung der Bezugnahme auf Gott plädierte. 4 9 4 In der sächsischen Präambel wurde mit dem Begriff "Schöpfung" immerhin bewußt eine Formulierung gewählt, die auch christliche Bezüge aufweist; so Heitmann, SächsVBl. 1993, 2 (7); a.A. Kunzmann, in: Kunzmann/Haas/Bartlitz/Baumann-Hasske, Sächs.Verf, Komm., Prä Rdnr. 6. 4 9 5 Präambel der sachsen-anhaltinischen Verfassung: "In freier Selbstbestimmung gibt sich das Volk von Sachsen-Anhalt diese Verfassung. Dies geschieht in Achtung der Verantwortung vor Gott...". 4 9 6 Präambel der thüringischen Verfassung: "... gibt sich das Volk des Freistaates Thüringen in freier Selbstbestimmung und auch in Verantwortung vor Gott diese Verfassung." - Dies sei als Bekenntnis zu historisch bewährten, der Rechtsordnung unverrückbar zugrundeliegenden Grandwerten zu verstehen; so Würtenberger, Verfassung des Freistaates Thüringen, S. 11 (Einführung); zurückhaltender Jutzi, in: Linck/Jutzi/Hopfe, Thür. Verf, Komm., Prä Rdnr. 15. 4 9 7 Dazu Starck, NdsVBl. 1994, 1 (9). Siehe ferner FAZ Nr. 281 vom 03.12.1993, S. 4; FAZ Nr. 298 vom 21.12.1993, S. 5.

Die Verfassungsmäßigkeit der Militärseelsorge

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SPD und FDP gegen die Stimmen von PDS und Bündnis 90/Die Grünen an der Bezugnahme auf Gott festgehalten. 498 Das Abstimmungsergebnis markierte zugleich den parteipolitischen Frontverlauf in bezug auf die Änderung des Art. 140 GG im Sinne verstärkter Trennung von Staat und Kirche. 499 Wenn die Ablehnung einer Bezugnahme auf Gott im Sinne weiterreichender Trennung - also rechtlich - motiviert ist, wird man umgekehrt der Entscheidung für ihre Beibehaltung ebenfalls ein Mindestmaß an Rechtsrelevanz zuerkennen müssen. Die Bejahung von Rechtserheblichkeit der Bezugnahme auf Gott bedeutet wiederum nicht, daß ihr eine allgemeine prochristliche oder anti-atheistische Auslegungsmaxime entnommen werden kann. 500 Dagegen spricht schon, daß die grundgesetzliche Präambel eine deutlich säkularisiertere Form der Bezugnahme auf Gott enthält als einige historische, ausländische501 oder landesverfassungsrechtliche Vorbilder. Anders als etwa in Rheinland-Pfalz wird Gott nicht als "Urgrund des Rechts und Schöpfer aller menschlichen Gemeinschaft" beschrieben; anders als im ehem. Bundesland Baden gibt die grundgesetzliche Präambel gerade keinen "Staat nach den Grundsätzen des christlichen Sittengesetzes" vor. 502 So wies auch die Gemeinsame Verfassungskommission von Bundestag und Bundesrat darauf hin, daß die Bezugnahme auf Gott keine invocatio dei im eigentlichen Sinne sei, also weder bedeute, daß die Verfassung im Namen Gottes ergehe, noch den einzelnen auf das Christentum verpflichte oder die Bundesrepublik als christlichen Staat charak-

4 9 8 BT-Dr. 12/6000, S. 110. Dazu Jahn, DVB1. 1994, 177 (186). - Die Mehrheit in der Bevölkerung ist laut einer Allensbach-Umfrage im übrigen für die Beibehaltung der Bezugnahme auf Gott, wobei in den neuen Bundesländern eine knappe Mehrheit für deren Streichung ist (WAZ Nr. 57 vom 09.03.1994, S. 2; ein ähnliches Ergebnis ergab eine Emnid-Umfrage, so Hofmann , ZRP 1994, 215 [216]). 4 9 9

Vgl. BT-Dr. 12/6000, S. 106 ff.

5 0 0

v. Münch, in: v. Münch/Kunig, GG, Komm., Prä Rdnr. 10; Jarass, in: Jarass/Pieroth, GG, Komm., Prä Rdnr. 3; Obermayer, in: Bonner Kommentar, GG, Art. 140 Rdnr. 74; Jutzi, in: Linck/ Jutzi/Hopfe, Thür.Verf, Komm., Prä Rdnr. 16. Anderer Ansicht aber Süsterhenn, in: Süsterhenn/ Schäfer, Verf. Rh-Pf, Komm., 1950, S. 62; Behrendt, in: Rechtsstaat und Christentum I, S. 163 (185 f.); v. Schlabrendorff,i abw.M. zu BVerfGE 33, 23 (35/39 f.); vgl. auch Boventer, in: Rechtsstaat und Christentum I, S. 89 (112). 5 0 1 Vgl. etwa die griechische Verfassung von 1975: "Im Namen der Heiligen, Wesensgleichen und Unteilbaren Dreifaltigkeit" oder die - noch gültige - irische Verfassung von 1937: "Im Namen der Allerheiligsten Dreifaltigkeit (...) unserem göttlichen Herrn, Jesus Christus". Dazu Häberle, FS Zeidler, 3 (4 f.). 5 0 2

Ähnlich heute noch Art. 1 bd-wtt.Verf, der freilich mit Blick auf Art. 4 GG (zugleich Landesrecht gem. Art. 2 Abs. 1 bd-wtt.Verf) einschränkender Auslegung bedarf; dazu Braun, Bdwtt.Verf, Komm., Art. 1 Rdnr. 5.

D. Vorgaben des Art. 4 Abs. 1 und 2 GG

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terisiere. 503 Die Bezugnahme auf Gott beugt immerhin jeder Verfassungsauslegung vor, welche den Atheismus oder Laizismus zur Staatsreligion erheben möchte.504 Die Präambel weist vor allem auf das grundgesetzliche Verständnis vom Verhältnis des Staates zur Religion hin. Auffällig ist zunächst die bemerkenswerte Unbefangenheit des Parlamentarischen Rates hinsichtlich einer verfassungsrechtlichen Bezugnahme auf Gott Von niemandem wurde grundsätzliche Kritik geäußert. Dies erstaunt um so mehr, wenn man sich vor Augen hält, daß die Weimarer Reichsverfassung, deren Staatskirchenrecht weitestgehend übernommen wurde, keine Bezugnahme auf Gott kannte. Im Parlamentarischen Rat wurde lediglich angemahnt, durch die anfänglich favorisierte Fassung "Im Vertrauen auf Gott" nicht "den lieben Gott für alle die Dummheiten, die hier gemacht werden, unmittelbar verantwortlich zu machen"505 ; diese Bedenken wurden durch die spätere Formulierung ausgeräumt. Offensichtlich ging man davon aus, daß der Staat von Verfassungs wegen keinerlei Berührungsängste gegenüber Kirche und Religion haben müsse. Diese Einstellung prägt nicht nur die Präambel, sie kennzeichnet zugleich das grundgesetzliche Staatskirchenrecht insgesamt.506 Vor allem ist zu berücksichtigen, daß die aktuellen Vorschläge zur Streichung der Bezugnahme auf Gott im Zusammenhang mit der Forderung nach weiterreichender Trennung von Staat und Kirche zu sehen sind. Umgekehrt bedeutet dies, daß die Beibehaltung der Bezugnahme auf Gott in der Präambel weiterhin für ein unbefangenes Miteinander von Staat und Kirche steht, frei von den Berührungsängsten einer laizistisch verstandenen Trennung. Der Staat des Grundgesetzes ist eben nicht "getrennt von aller Religiosität".507

5 0 3 BT-Dr. 12/6000, S. 110. Dazu Hofmann, ZRP 1994, 215 (217). - Die mit der Bezugnahme auf Gott in der Präambel angesprochenen Grundwerte dürften gleichwohl in der europäischchristlichen Tradition stehen; vgl. Tettinger, Essener Gespräche 19 (1985), 159; Isensee, aaO, 143 f. (Diskussionsbeiträge) sowie Würtenberger, Verfassung des Freistaates Thüringen, S. 11 (Einführung). 5 0 4

Aymans, ArchKathKR 159 (1990), 132 (136). - Dies war dem Verfassungsgeber in Sachsen-Anhalt angesichts der Erfahrungen der SED-Diktatur ein Anliegen; so Mahnke, S-anh.Verf, Komm., Prä Rdnr. 5; Reich, S-anh.Verf, Komm., Prä Rdnr. 3; Kilian, JuS 1993, 536 (540 f.). 5 0 5

Heuss (FDP), Pari. Rat, Plenar-Steno, S. 76.

5 0 6

Ähnlich für die bayerische Verfassung: BayVerfGH, NJW 1988, 3141 (3142); siehe ferner Robbers, in: Zieger (Hrsg.), Die Rechtsstellung der Kirchen, S. 7 (14). 5 0 7

So aber Renck, BayVBl. 1988, 225 (230).

0

Die Verfassungsmäßigkeit der Militärseelsorge

(2) Art. 56, 140 GG i.V.m. Art. 139 WRV Neben der Präambel gibt es noch weitere Grundgesetzartikel, welche auf die unbefangene Nähe des Staates zur Religion deuten. So enthält nach Art. 56 GG der Amtseid des Bundespräsidenten (ebenso gem. Art. 64 Abs. 2 GG für die Mitglieder der Bundesregierung) grundsätzlich die religiöse Beteuerung "So wahr mir Gott helfe", die ausgespart werden kann. Nun darf dieser Umstand gewiß nicht überbewertet werden. Völlig ohne Bedeutung ist er freilich auch nicht, wie ein Vergleich mit Art. 42 WRV zeigt: Seinerzeit war das umgekehrte Verhältnis von Regel und Ausnahme vorgesehen, die Beifügung einer religiösen Beteuerung war lediglich "zulässig"; die Formulierung "Gott" wurde damit bewußt vermieden.508 In jüngster Zeit ist auf Landesebene das Bestreben erkennbar, die Gleichwertigkeit der Eidesleistung mit oder ohne Beteuerung schon sprachlich zu dokumentieren, so etwa Art. 44 m-v.Verf, Art. 66 Abs. 2 s-anh.Verf: 509 "Der Eid kann mit der religiösen Bekräftigung 'So wahr mit Gott helfe* oder ohne sie geleistet werden." Vor diesem Hintergrund ist Art. 56 GG durchaus ein weiterer Hinweis dafür, daß die Verfassung keinerlei Berührungsängste gegenüber der Religion kennt Selbst wenn die rechtliche Auswirkung gering zu veranschlagen sein mag - wie bei der Bezugnahme auf Gott in der Präambel ist zumindest ein nicht unbeträchtlicher Symbolgehalt festzustellen. 510 Schließlich ist noch Art. 139 WRV anzuführen, wonach der Sonntag und die staatlich anerkannten Feiertage als Tage der Arbeitsruhe und der seelischen Erhebung gesetzlich geschützt werden. Der Wortlaut weist zwar kaum Bezüge zur Religion auf, aber schon die systematische Einordnung indiziert den religiösen Zusammenhang. In der Weimarer Nationalversammlung wurde der Sonn- und Feiertagsschutz vor allem mit Blick auf religiöse Interessen gefordert; 511 der SPD fiel die Zustimmung leicht, da damit zugleich "Tage der Arbeitsruhe" gewährleistet werden. 512 Bis in die Gegenwart werden ganz überwiegend Feiertage christlichen Ursprungs von Art 139 WRV erfaßt, 513 5 0 8

Häberle, FS Zeidler, 3 (7).

5 0 9

Reich, S-anh.Verf, Komm., Art. 66 Rdnr. 2.

5 1 0

Der Abg. Ullmann (Bündnis 90/Die Grünen) kritisierte so in der Gemeinsamen Verfassungskommission gleichermaßen die Bezugnahme auf Gott in der Präambel und die religiöse Beteuerung des Amtseides; Steno. Bericht, 18. Sitzung vom 04.03.1993, S. 10. 5 1 1

Vgl. Heinze (DVP), Nat.Vers.-Steno, Bd. 326, 398 D;

5 1 2

So Quarck (SPD), Nat.Vers.-Steno, Bd. 336,193. Dazu Kästner, NVwZ 1993, 148 (149).

5 1 3

Deutlicher insoweit etwa Art. 25 Abs. 1 nw.Verf: "Der Sonntag und die staatlich anerkannten Feiertage werden als Tage der Gottesverehrung ... anerkannt und geschützt." Vgl. ferner

D. Vorgaben des Art. 4 Abs. 1 und 2 GG

1

wenngleich die religiöse Zweckbestimmung zunehmend zurücktritt. 514 Dennoch, mit einer streng verstandenen Trennung wäre die staatliche Anerkennung kirchlicher Feiertage unvereinbar. 515 (3) Art. 7 Abs. 3 - 5,140 GG i.V.m. 137 Abs. 5 und 6, 138 Abs. 1 und 2 WRV Die von Verfassungs wegen vorgegebene Unbefangenheit gegenüber der Kirche erlaubt dem Staat, mit ihr das kooperative Miteinander zu suchen. Ihm ist - anders als etwa in Frankreich oder in den USA - gestattet, in seinen Schulen, auf seine Kosten und durch seine Beamte Religionsunterricht erteilen zu lassen (Art. 7 Abs. 3 GG). Ferner nimmt der Staat wohlwollend hin und unterstützt sogar, daß die schulische Ausbildung, die ihm ein wichtiges Anliegen ist (vgl. Art 7 Abs. 1 GG), in privater und damit häufig in kirchlicher Trägerschaft vorgenommen wird (Art. 7 Abs. 4 und 5 GG). Ferner erkennt er den Kirchen und einer Reihe weiterer Religionsgemeinschaften den Status einer öffentlich-rechtlichen Körperschaft (Art. 137 Abs. 5 WRV) und das Recht der Steuererhebung (Art. 137 Abs. 6 WRV) zu. Er muß darüber hinaus den Kirchen Staatsleistungen in beträchtlichem Umfang gewähren, da diese bis zur Ablösung (gegen Entschädigung!)516 gem. Art. 138 Abs. 1 WRV garantiert sind: Die Gewähr des Art 173 WRV 5 1 7 wurde zwar nicht in das Grundgesetz inkorporiert, gilt aber als Bestandteil des Art 138 Abs. 1

Art. 3 Abs. 1 S. 3 bd-wtt.Verf: Bei der gesetzlichen Festlegung staatlich anerkannter Feiertage ist die christliche Überlieferung zu wahren. Siehe im übrigen die Feiertagsgesetze der Bundesländer, etwa § 2 Abs. 1 nw.FeiertagsG. 5 1 4

Kunig, Schutz des Sonntags, S. 30.

5 1 5

So schon Giacometti, Geschichte der Trennung von Staat und Kirche, 1926, S XXI. - Zur Auswirkung der Trennung von Staat und Kirche auf das Feiertagsrecht siehe auch Spillner, ZRP 1994, 138. 5 1 6 v. Campenhausen, in: v. Mangoldt/Klein, GG, Komm., Art. 140/138 WRV Rdnr. 15. So im übrigen schon der Berichterstatter des Verfassungsausschusses Mausbach (Zentrum), Nat.Vers.Steno, Bd. 328, 1645 D. 5 1 7 "Bis zum Erlaß eines Reichsgesetzes gemäß Art. 138 bleiben die bisherigen auf Gesetz, Vertrag oder besonderen Rechtstiteln beruhenden Staatsleistungen an die Religionsgesellschaften bestehen."

Die Verfassungsmäßigkeit der Militärseelsorge

WRV. 5 1 8 Schließlich enthält Art. 138 Abs. 2 WRV ein ausdrückliches Säkularisationsverbot. 519 Der Bedeutungsgehalt dieser Normen reicht über das hinaus, was zur Gewährleistung der Religionsfreiheit erforderlich wäre. Dies gilt insbesondere für die mit dem Status einer Körperschaft des öffentlichen Recht verbundenen Rechte und auch für den Religionsunterricht an staatlichen Schulen. Daß letzterer nicht unabdingbarer Bestandteil der Religionsfreiheit ist, ergibt sich im übrigen aus Art. 141 GG (sog. Bremer Klausel). Dieser "staatskirchenrechtliche Überhang" 520 bestätigt erneut, daß es der Verfassung ein Anliegen ist, der Religionsfreiheit im Zusammenwirken mit den Kirchen in positivem Sinne Raum zu schaffen. bb) Normen zur zusätzlichen Absicherung der individuellen und kollektiven Religionsfreiheit Neben den Normen, die sogar eine gewisse Nähe des Staates zur Religion indizieren, enthält das Grundgesetz zahlreiche Artikel, die den subjektiven Gehalt der Religionsfreiheit absichern, jedoch angesichts von Art 4 Abs. 1 und 2 GG an sich überflüssig wären: Niemand darf wegen seines Glaubens oder seiner religiösen Anschauungen benachteiligt oder bevorzugt werden (Art. 3 Abs. 3 GG); dies gilt insbesondere für den Genuß bürgerlicher oder staatsbürgerlicher Rechte, die Zulassung zu öffentlichen Ämtern sowie die im öffentlichen Dienst erworbenen Rechte (Art. 33 Abs. 3 GG, Art. 136 Abs. 1 und 2 WRV). Die Erziehungsberechtigten entscheiden über die Teilnahme des Kindes am Religionsunterricht (Art. 7 Abs. 2 GG). Kein Lehrer darf gegen seinen Willen verpflichtet werden, Religionsunterricht zu erteilen (Art. 7 Abs. 3 S. 3 GG). Niemand ist verpflichtet, seine religiöse Überzeugung zu offenbaren (Art. 136 Abs. 3 S. 1 WRV), niemand darf zu einer kirchlichen Handlung oder Feierlichkeit oder zur Teilnahme an religiösen Übungen (Art. 136 Abs. 4, 141 a.E. WRV) oder zur Benutzung einer religiösen Eidesform (Art. 136 Abs. 4 WRV, Art 56 GG) gezwungen werden. Die Freiheit der Vereinigung zu Religionsgemeinschaften und deren Zusammenschluß sind gewährleistet (Art. 137 Abs. 2 WRV), ebenso das selbständige Ordnen und Verwalten ihrer Angelegenheiten 5 1 8 V. Campenhausen, in: v. Mangoldt/Klein, GG, Komm., Art. 140/138 WRV Rdnr. 7; Isensee, HdbStKirchR I, 2. Aufl., 1009 (1039); vgl. auch Maunz, in: Maunz/Dürig, GG, Komm., Art. 140/138 WRV Rdnr. 2. 5 1 9 Maunz, in: Maunz/Dürig, GG, Komm., Art. 140/138 WRV Rdnr. 13; v. Campenhausen, in: v. Mangoldt/Klein, GG, Komm., Art. 140/138 WRV Rdnr. 30. 5 2 0

Isensee, Essener Gespräche 25 (1991), 104 (112 f.).

D. Vorgaben des Art. 4 Abs. 1 und 2 GG

(Art. 137 Abs. 3 WRV). Auch Art. 137 Abs. 1 WRV ist als zusätzlich Absicherung der kollektiven Religionsfreiheit vor staatlichen Übergriffen in den innerkirchlichen Bereich zu verstehen.521 Zu erklären sind diese Normen, die entweder der Weimarer Reichsverfassung entnommen oder ihr bzw. noch älteren Vorbildern nachgebildet sind, durch die vormals geringere Reichweite der Religionsfreiheit, die in bestimmten Bereichen eine gesonderte Gewähr als angebracht erscheinen ließ. Zu erinnern ist namentlich daran, daß die Grundrechte noch in der Weimarer Verfassung eher als Programmsätze fungierten denn als gerichtlich durchsetzbare subjektive Rechte des einzelnen.522 cc) Normen mit Trennungsanordnungen Demgegenüber gibt es nur vereinzelt Verfassungsnormen, die den Staat zu einer über die Achtung der individuellen und kollektiven Religionsfreiheit hinausreichenden Distanz zu verpflichten scheinen. In diesem Zusammenhang wird zwar häufig Art 137 Abs. 1 WRV angeführt. Wie oben dargelegt, 523 gehört zu dessem gesicherten Gehalt jedoch nur die Überwindung der letzten Rudimente des landesherrlichen Kirchenregiments und des Systems der Staatskirchenhoheit, was auch ohne Staatskirchenverbot schon aus den Art. 4 GG und 137 Abs. 3 WRV folgt. Daher beschreibt Art. 137 Abs. 1 WRV lediglich eine Selbstverständlichkeit. Soweit man in ihm überhaupt eine Trennungsanordnung sehen will, ist die Reichweite jedenfalls sehr beschränkt. Eine weitere auf Trennung zielende Vorschrift findet sich in Art. 138 Abs. 1 WRV. Die Ablösung der Staatsleistungen sollte die organisatorische Entflechtung von Staat und Kirche in finanzieller Hinsicht flankieren und wurde in der Weimarer Nationalversammlung durchaus als Konsequenz der Trennung von Staat und Kirche verstanden. Ausfluß radikaler Trennung ist er freilich nicht - die Staatsleistungen sind eben nicht abzuschaffen, sondern abzulösen, d.h. gegen Entschädigung zu beenden.524 So galt Art 138 Abs. 1 WRV dem Weimarer Verfassungsgeber als Ausdruck der gemäßigten, der

5 2 1

Siehe oben 3. Teil C V.

5 2 2

Dazu etwa Stern, StaatsR I, § 6 II 1, S. 183.

5 2 3

3. Teil C II 2 c, V.

5 2 4

So schon der Berichterstatter Nat.Vers.-Steno, Bd. 328, 1645 D.

des Verfassungsausschusses

Mausbach

(Zentrum),

D i e Verfassungsmäßigkeit der Militärseelsorge

schiedlich-friedlichen Trennung. 525 Dementsprechend waren die Staatsleistungen bis zur Ablösung von Verfassung wegen garantiert (Art. 173 WRV). Im übrigen rechnete man schon in der Weimarer Nationalversammlung mit einem langen Fortbestand der Staatsleistungen.526 Und in der Tat wurden die Staatsleistungen bislang nicht abgelöst, allenfalls auf neue Rechtsgrundlagen gestellt, weil die Entschädigungssummen jeden Haushaltsrahmen sprengten. Damit ist auch diese Trennungsanordnung in den letzten 75 Jahren ohne jede praktische Bedeutung geblieben. dd) Zusammenfassung: Unbefangene Nähe des Staates zu Religion und Religionsgemeinschaften Im Vordergrund des grundgesetzlichen Staatskirchenrechts steht die umfassende Sicherung der individuellen und kollektiven Religionsfreiheit. Es gibt keine - in der Praxis relevante - dezidierte Trennungsanordnung, die über das zur Sicherung der (individuellen und kollektiven) Religionsfreiheit erforderliche Maß hinausgeht. Stattdessen enthält das Grundgesetz eine Reihe von Normen, die auf die unbefangene Nähe des Staates zu Kirche und Religion hinweisen; Signalcharakter kommt insoweit namentlich der Präambel zu. Es finden sich sogar zahlreiche staatliche Gewährleistungen zugunsten der Kirchen und Religionsgemeinschaften, die nicht unabdingbarer Bestandteil der Religionsfreiheit sind. Staatliches Engagement im religiösen Bereich ist mithin keineswegs von Verfassungs wegen grundsätzlich unerwünscht. Im Gegenteil, es herrscht das Bestreben vor, der Religionsfreiheit im Wege kooperativen Miteinanders von Staat und Kirche Raum in positivem Sinne zu schaffen. Der staatskirchenrechtlichen Systematik des Grundgesetzes ist somit nicht zu entnehmen, daß das Verhältnis von Staat und Kirche dem Postulat möglichst weitreichender Trennung unterworfen ist. d) Teleologische Interpretation Sinn und Zweck des Art. 4 Abs. 1 und 2 GG ist die umfassende und nachhaltige Sicherung der Religions-, Glaubens-, Gewissens- und Weltanschauungsfreiheit. Der Schutzumfang ist umfassend, wie sich zum einen aus der

5 2 5 Vgl. den Berichterstatter des Verfassungsausschusses Mausbach (Zentrum), Nat.Vers.Steno, Bd. 328, 1645 D. 5 2 6

Vgl. Kahl (DVP), Nat.Vers.-Steno, Bd. 328, 1649 A. Ähnlich v. Freytagh-Loringhoven, Weimarer Verfassung, 1924, S. 342.

D. Vorgaben des Art. 4 Abs. 1 und 2 GG

weitgefaßten Aufzählung des ArL 4 GG 527 und zum anderen aus dem Umstand ergibt, daß der Verfassungsgeber die Gewähr einzelner Aspekte der Religionsfreiheit in den Art. 7 Abs. 3 S. 3 GG, Art 56 a.E. GG, Art 140 GG i.V.m. Art. 136 Abs. 3 und 4, Art. 137 Abs. 2 und 3, 141 a.E. WRV besonders hervorgehoben hat. Auf die von Verfassungs wegen intendierte Nachhaltigkeit des Schutzes weist das Fehlen eines Gesetzesvorbehaltes in Art 4 Abs. 1 und 2 GG hin, so daß die Religionsfreiheit lediglich der Schranke des kollidierenden Verfassungsrechts unterliegt. 528 Insoweit ist jedoch nur die subjektiv-rechtliche Komponente der Religionsfreiheit beschrieben. Fraglich ist nunmehr, welche objektiv-rechtlichen Direktiven sich aus dem Schutzzweck des Art 4 GG für das staatliche Handeln im religiösen Bereich ergeben. aa) Strikte Trennung als logische Konsequenz der Religionsfreiheit? In Teilen der staatskirchenrechtlichen Literatur wird die Ansicht vertreten, aus der Anerkennung der Religionsfreiheit folge der (objektiv-rechtliche) Grundsatz strikter Trennung von Staat und Kirche. 529 Je folgerichtiger die Trennung durchgeführt werde, desto größer sei die Geltungskraft der Religionsfreiheit und umgekehrt. 530 Soweit die Vertreter dieser Auffassung nicht jede Begründung schuldig bleiben und allenfalls auf die vorgeblich zwingende Logik des Zusammenhangs von Religionsfreiheit und Trennung hinweisen,531

5 2 7 Dabei kann dahingestellt bleiben, ob Art. 4 Abs. 1 und 2 GG im Sinne eines einheitlichen Grundrechts zu verstehen ist (so BVerfGE 24, 236 [245 f]; Jarass, in: Jarass/Pieroth, GG, Komm., Art. 4 Rdnr. 1; v. Campenhausen, HdbStR VI, § 136 Rdnr. 36) oder in mehrere Schutzbereiche zerfällt (etwa Herzog, in: Maunz/Dürig, GG, Komm., Art. 4 Rdnrn. 63 ff; Starck, in: v. Mangoldt/ Klein, GG, Komm., Art. 4 Rdnr. 3; v. Münch, in: v. Münch/Kunig, GG, Komm., Art 4 Rdnr. 1; Kluth, Jura 1993,137 [138]). 5 2 8

Es ist allerdings umstritten, ob aus dem Fehlen eines (einfachen oder qualifizierten) Gesetzesvorbehalts auf den besonderen Rang resp. die besondere Schutzwürdigkeit eines Grundrechts geschlossen werden kann: bejahend etwa Herzog, in: Maunz/Dürig, GG, Komm., Art 4 Rdnr. 90; Pieroth/Schlink, StaatsR II - Grundrechte, Rdnr. 359; verneinend u.a. Hesse, Grundzüge des Verfassungsrechts, Rdnr. 316. 5 2 9

Fischer, Trennung von Staat und Kirche, 3. Aufl., S. 50 f., 59 ff., 153; ders., Volkskirche ade! Trennung von Staat und Kirche, 4. Aufl., S. 96 ff.; ders., KritF 1989, 295 (298); Renck, NJW 1989, 2442 (2444); ders., BayVBl. 1988, 225 (228 ff.). Vgl. auch Obermayer, in: Bonner Kommentar, GG, Art. 140 Rdnr. 78. 5 3 0 Klein, in: v. Mangoldt/Klein, GG, Komm., 2. Aufl., Art. 4 Anm. I I 2, S. 215; Fischer, Trennung von Staat und Kirche, 3. Aufl., S. 156. 5 3 1

So schon Giacometti, Geschichte der Trennung von Staat und Kirche, 1926, S. X V .

15 Ennuschat

Die Verfassungsmäßigkeit der Militärseelsorge

stellen sie dabei insbesonders auf das Wesen der Religionsfreiheit als Grundrecht ab: 532 Vollständige Freiheit sei nur im staatsfreien Raum denkbar.533 Vollständige Religionsfreiheit bestünde dementsprechend nur, wenn sich der Staat aus dem religiösen Bereich vollkommen zurückzöge, wenn also der Staat von Kirche und Religion konsequent getrennt würde. Sobald sich der Staat auf religiösem Gebiet betätige, entfalle die Staatsfreiheit und damit die Voraussetzung der Religionsfreiheit. Daher sei dem Staat selbst die paritätische Förderung der Religionsgemeinschaften verwehrt. Die Ansicht, Freiheit erfordere Staatsfreiheit, basiert auf der Unterscheidung von Staat und Gesellschaft, die letztlich auf vordemokratisch-liberale Vorstellungen des Konstitutionalismus vor 1919 zurückgeht. Hintergrund war der auf das monarchische Prinzip gestützte Obrigkeitsstaat, der dem Bürgertum die politische Mitwirkung verweigerte oder zumindest beschränkte. Das Bürgertum (= die Gesellschaft) forderte seinerzeit weniger die Teilhabe am Staat resp. an der staatlichen Hoheitsausübung, sondern zuvörderst die Freiheit vom Staat, d.h. die Respektierung einer staatsfreien Privatsphäre, insbesondere des Eigentums.534 Die spezifischen Voraussetzungen dieses Dualismus sind jedoch im demokratischen und sozialen Rechtsstaat der Gegenwart entfallen. Staat (= Herrscher) und Gesellschaft (= Beherrschte) stehen sich nicht länger als antagonistische Größen gegenüber. Stattdessen stützt sich der Staat auf die Gesellschaft, die sich wiederum durch ihn organisiert, ihn innehat und schöpft. 535 Vor allem aber ist Freiheit nicht mehr nur Vorgabe, sondern auch Aufgabe des Staates.536 Der Staat findet eben nicht in allen Fällen einen Freiheitsbereich vor, den er schlicht zu respektieren hat. Vielmehr ist Freiheit vielfach von staatlicher Leistung abhängig, wird erst durch den Staat ermöglicht. 537 Staatliche Ingerenzen in die gesellschaftliche Sphäre stehen der Freiheit demnach nicht schlechthin im Wege.

5 3 2 So vor allem Fischer, Trennung von Staat und Kirche, 3. Aufl., S. 50, 59 ff. Ähnlich Goerlich, Grundrechte als Verfahrensgarantien, S. 88; Krüger, Allg. Staatslehre, S. 49, 561. 5 3 3

Vgl. Fischer, KritJ 1989, 295 (297).

5 3 4

Dazu Rupp, HdbStR I, § 28 Rdnrn. 4 ff.; Böckenförde,

5 3 5

Isensee, Subsidiaritätsprinzip, S. 149 f.; Rupp, HdbStR I, § 28 Rdnr. 17. Vgl. auch BökFS Hefermehl, 11 (16).

kenförde, 5 3 6 5 3 7

FS Hefermehl, 11 (12 ff.).

Vgl. Ehlers, ZevKR 32 (1987), 158 (173).

Dazu etwa Stern, StaatsR III/l, § 69 IV 5, S. 945, 949; Schiaich, Neutralität, S. 251 f.; Hollerbach, VVDStRL 26 (1968), 57 (89 f.); Robbers, HdbStKirchR I, 2. Aufl., 867 (876); Scheuner, HdbStKirchR I, 1. Aufl., 5 (64).

D. Vorgaben des Art. 4 Abs. 1 und 2 GG

Allein das Wesen der Religionsfreiheit als Grundrecht bedingt daher noch nicht die völlige Staatsfreiheit des religiösen Bereichs - und demzufolge nicht die strikte Trennung von Staat und Kirche. 538 bb) Mit dem Abwehrgehalt der Religionsfreiheit korrespondierende objektiv-rechtliche Vorgaben Immerhin ist zu konstatieren, daß sich aus dem Wesen der Religionsfreiheit als Grundrecht bestimmte objektiv-rechtliche Grenzen zulässigen Staatshandelns im religiösen Bereich ergeben. So zieht schon der Charakter der Religionsfreiheit als subjektives Abwehrrecht den staatlichen Aktivitäten gewisse Schranken: Da der Staat zur Achtung der Religions- und Weltanschauungsfreiheit aller Bürger verpflichtet ist, ist es ihm verwehrt, einzelne Religionsgemeinschaften oder deren Angehörige zu bevorzugen oder zu benachteiligen, geschweige denn zu unterdrücken. Er ist die "Heimstatt aller Bürger" 539 gleich welchen Bekenntnisses und daher schon mit Blick auf Art 3 Abs. 1 und 3 GG zur Gleichbehandlung der einzelnen Religions- und Weltanschauungsgemeinschaften und ihrer (Nicht-) Anhänger gehalten. Daher muß der Staat in religiösen Fragen neutral bleiben und darf sich weder mit einer Religion oder Religionsgemeinschaft identifizieren noch eine Staatskirche oder -religion etablieren. Aus dem Abwehrgehalt des Art. 4 GG folgen mithin das Verbot der Staatskirche sowie die Gebote der Parität, Neutralität und Nichtidentifikation. Diese Ge- und Verbote implizieren zwar ein gewisses Maß an Trennung von Staat und Kirche, können jedoch nicht ohne weiteres im Sinne des Grundsatzes strikter Trennung abstrahiert werden. 540 Vielmehr haben das Staatskirchenverbot und die Gebote der Parität, Neutralität und Nichtidentifikation und damit auch das Trennungsgebot - in bezug auf den Abwehrcharakter der Religionsfreiheit zunächst nur die Reichweite, die zur Gewährleistung des (subjektiven) Grundrechts erforderlich ist. 541 Das Grundgesetz geht aber gerade nicht davon aus, daß die völlige Trennung zwingende Voraussetzung zur Sicherung der individuellen Religionsfreiheit ist. Dies ergibt sich etwa aus Art. 7 Abs. 2 und 3 S. 3 GG: Trotz der durch den Religionsunterricht bedingten punktuell engen Verbindung von Staat und Kirche wird der individuellen 5 3 8 Vgl. auch Mikat, FS Broermann, 755 (764); Scheuner, DÖV 1967, 585 (588); Link, BayVBl. 1966, 297 (300 f.).

15*

5 3 9

BVerfGE 19, 206 (216); ähnlich EuGRZ 1995, 359 (363).

5 4 0

Schiaich, Neutralität, S. 251.

5 4 1

Vgl. auch BVerfGE 7,198 (295); 24, 367 (389); 50, 290 (327).

Die Verfassungsmäßigkeit der Militärseelsorge

Religionsfreiheit der Schüler und Lehrer schon dadurch ausreichend Rechnung getragen, daß niemand gegen seinen Willen am Religionsunterricht teilnehmen oder diesen halten muß - die Verbindung als solche ist also nicht freiheitsschädlich. Als vorläufiges Zwischenergebnis kann somit folgendes festgehalten werden: Aus dem grundrechtlichen Abwehrgehalt der Religionsfreiheit folgt zugleich ein objektiv-rechtlicher Gehalt, der mit dem Verbot der Staatskirche sowie den Geboten der Neutralität, Nichtidentifikation und Parität umschrieben werden kann. Hinsichtlich der Reichweite des objektiven Gehaltes sind zwei Eckwerte bereits erkennbar. Zum einen korrespondiert die Mindestreichweite mit dem subjektiv-rechtlichen Schutzumfang der Religionsfreiheit. Zum anderen reicht der objektive Gehalt jedenfalls nicht so weit, daß er den Grundsatz strikter Trennung von Staat und Kirche impliziert. Zu untersuchen bleibt, ob der Religionsfreiheit gleichwohl ein eigenständiger, über ihre subjektive Komponente hinausreichender, objektiver Gehalt zukommt. cc) Über den Abwehrgehalt der Religionsfreiheit hinausreichende objektiv-rechtliche Vorgaben Damit stellen sich zwei Fragen: Zunächst ist zu klären, ob überhaupt ein Bedarf besteht, dem staatlichen Handeln im religiösen Bereich Grenzen schon unterhalb der grundrechtlichen Eingriffsschwelle zu ziehen. Bejahendenfalls ist zu ermitteln, worin diese Grenzen zu sehen sind. (1) Notwendigkeit staatlicher Zurückhaltung im religiösen Bereich Die Notwendigkeit staatlicher Zurückhaltung im religiösen Bereich über die ohnehin aus dem Abwehrgehalt der Religionsfreiheit folgende Grenzziehung hinaus ergibt sich aus folgender Überlegung: (a) Wettbewerb der Religions- und Weltanschauungsgemeinschaften Allein in Nordrhein-Westfalen sind neben den evangelischen Landeskirchen und der katholischen Kirche weiteren 11 Kirchen und Religionsgemeinschaften die Rechte einer Körperschaft des öffentlichen Rechts verliehen worden. 542 Hinzu kommen mehrere größere Religionsgemeinschaften (wie die verschiedenen islamischen Glaubensrichtungen, die Kirche Jesu Christi der Heiligen der letzten Tage [sog. Mormonen] oder die Zeugen Jehovas) sowie unzählige kleinere Glaubensgemeinschaften einschließlich der sog. (Jugend-)Sekten und die Weltanschauungsgemeinschaften. Die einzelnen 5 4 2

Siehe Auflistung in v. Hippel-Rehborn, Gesetze des Landes NW, Nr. 89d.

D. Vorgaben des Art. 4 Abs. 1 und

GG

9

Religions- und Weltanschauungsgemeinschaften befinden sich in einem ständigen Wettbewerb untereinander. Dabei handelt es sich um einen dynamischen gesellschafüichen Prozeß, in dem sich die soziale Bedeutung der jeweiligen Religionsgemeinschaft relativ zu den religiösen und areligiösen Konkurrenten ständig ändert. Schon in der Weimarer Nationalversammlung wurde daher insoweit vom "freien Geisteskampf' 543 und "freien Wettbewerb" 544 gesprochen. Dieser Wettbewerb wird besonders nachhaltig durch repressive Aktivitäten des Staates beeinträchtigt - Geschichte und (außerdeutsche) Gegenwart sind reich an Beispielen staatlicher Benachteiligung oder sogar verfolgender Unterdrückung einzelner Religionsgemeinschaften. Unter der Geltung des Grundgesetzes sind staatliche Repressionen freilich ausgeschlossen. Zumindest bietet das Grundrecht der Religionsfreiheit nötigenfalls per Verfassungsbeschwerde durchsetzbaren Schutz. Aber auch bei nicht repressiven, insbesondere bei fördernden Maßnahmen des Staates bleibt eine Beeinflussung des freien Wettbewerbes der Religionsgemeinschaften keineswegs aus. Zwar ist der Staat aus Art 3 Abs. 1 und 3, Art. 4 GG zu gewissenhafter Beachtung des Paritätsgrundsatzes gehalten. Dadurch können förderungsbedingte Verschiebungen im Gefüge der Religionsgemeinschaften jedoch nur gemildert, aber nicht gänzlich verhindert werden. Dies gilt gleichermaßen für eine formal-schematische wie für eine gestufte Anwendung des Paritätsgrundsatzes: -

Bei einer schematischen - die unterschiedliche Bedeutung der einzelnen Religionsgemeinschaften ignorierenden und damit nivellierenden - Förderung wird der Wettbewerb durch die relative Begünstigung der bislang weniger erfolgreichen (sprich: kleinen) Religions- und Weltanschauungsgemeinschaften verfälscht. 545

-

Näher liegt daher eine an die unterschiedliche Größe und gesellschaftliche Bedeutung der einzelnen Religionsgemeinschaften sachlich vertretbar anknüpfende gestufte Gleichbehandlung. Die Stufung bei der Förderung orientiert sich notwendigerweise an gegenwärtig festgestellten (Größen-) Unterschieden, die infolge der Dynamik der Entwicklung unmittelbar danach überholt sind - und führt damit ein Moment der Trägheit in den dy-

5 4 3

Quarck (SPD), Nat. Vers.-Steno, Bd. 336, 199.

5 4 4

Ders., Nat.Vers.-Steno, Bd. 328, 1651 A.

5 4 5

Anschaulich M.Heckel, HdbStKirchR I, 2. Aufl., 589 (599): Das Grundgesetz gewähre keine Planier-Parität, sondern die Freiheit zum Wettbewerb ohne Garantie gleichen Erfolges. Vgl. ferner BVerfGE 85, 264 (297) zur Parteienförderung.

0

Die Verfassungsmäßigkeit der Militärseelsorge

namischen Prozeß ein, welches eine gewisse, gleichfalls den Wettbewerb verzerrende Verfestigung bestehender Unterschiede bedingt. Nun gibt es zwar Korrekturmöglichkeiten durch regelmäßige Anpassung des jeweiligen Förderungsmaßes an die neuen Gegebenheiten. Auch mögen die mit der Verfestigung zusammenhängenden Verzerrungen, zumindest bei kurzen Anpassungsintervallen, eher gering sein. Dennoch bleibt als Zwischenergebnis, daß sich neben dem repressiven auch das fördernde und damit jedes Tätigwerden des Staates im religiösen Bereich auf den eingangs beschriebenen gesellschafüichen Prozeß auswirkt und in den freien Wettbewerb der Religionsgemeinschaften eingreift. (b) Staatliche Neutralität im religiösen Wettbewerb: nicht Enthaltsamkeit, sondern Zurückhaltung Der zu Neutralität und Nichtidentifikation in diesem Wettbewerb verpflichtete Staat ist jedoch gerade gehalten, die Wettbewerbslage nicht durch seine Aktivitäten zu verfälschen. 546 Neutralität - als objektive Komplementärkomponente zum subjektiv-rechtlichen Abwehrgehalt des Art 4 GG - 5 4 7 bedeutet zunächst die Achtung der individuellen und kollektiven Religionsfreiheit. Insoweit ist jedoch zu berücksichtigen, daß staatliche Aktivitäten zwar stets in den Wettbewerb eingreifen, dieser "Eingriff 1 aber regelmäßig unterhalb der Eingriffsschwelle im Sinne der Grundrechtsdogmatik bleibt und daher nicht den dort geltenden Rechtfertigungsanforderungen, namentlich nicht den sog. Schranken-Schranken unterworfen ist. Allein der Abwehrgehalt der Religionsfreiheit verhinderte damit nicht alle Wettbewerbsverzerrungen. (Wettbewerbs-)Neutralität verlangt daher mehr als lediglich die Achtung der Grundrechte. Dies bedeutet wiederum nicht, daß der Staat zur völligen Enthaltsamkeit verpflichtet wäre. 548 Vielmehr werden ihm durch die Verfassung eine Reihe von Pflichten auferlegt, die durchaus den Wettbewerb der Religions- und Weltanschauungsgemeinschaften berühren. Zu nennen ist etwa die Durchführung des Religionsunterrichts an staatlichen Schulen (Art. 7 Abs. 3 GG), der zwar grundsätzlich allen Religionsgemeinschaften zugute kommen kann,549

5 4 6

Vgl. OVG NW, NVwZ 1991,174; v. Campenhausen, HdbStKirchR I, 2. Aufl., 47 (77).

5 4 7

Siehe oben 3. Teil D II 1 d bb.

5 4 8

Link, BayVBl. 1966, 297 (300 f.). Vgl. auch BVerfGE 85, 264 (288) - Parteien.

5 4 9

Hemmrich, in: v. Münch/Kunig, GG, Komm., Art. 7 Rdnr. 24. - Zum Islamunterricht an

nordrhein-westfälischen Schulen siehe FAZ Nr. 14 vom 17.01.1995, S. 10.

D. Vorgaben des Art.

Abs. 1 und 2 GG

1

faktisch aber die beiden Großkirchen begünstigt, indem (nahezu) nur ihnen dieser Vorteil bei der Herstellung oder Festigung religiöser Bindungen der Jugendlichen verschafft wird. Auch die Zuerkennung des Status einer Körperschaft des öffentlichen Rechts (Art. 137 Abs. 5 WRV) und die staatliche Mitwirkung an der kirchlichen Steuererhebung (Art. 137 Abs. 6 WRV) kommen nicht allen Religions- und Weltanschauungsgemeinschaften zugute. Dies gilt in noch stärkerem Maße für die Gewähr der Staatsleistungen (Art. 138 Abs. 1 WRV), deren Ursprünge in den Säkularisationen der Reformationszeit und im Zuge der Auflösung der geistlichen Fürstentümer aufgrund des Reichsdeptutationshauptschlusses liegen, und die somit vor allem an die beiden Großkirchen gerichtet sind. Schließlich begünstigt die Gewähr christlicher Feiertage und des grundsätzlich arbeitsfreien Sonntags die traditionellen christlichen Kirchen (Art. 139 WRV), während anderen Glaubensgemeinschaften der Vorteil der Arbeitsruhe für deren Feiertage vorenthalten bleibt. 550 Gewisse Ingerenzen in den religiösen Wettbewerb - insbesondere durch fördernde Maßnahmen - sind dem Staat damit gestattet und sogar auferlegt. Wenn der Staat in bezug auf religiöse Belange also keinesfalls zu völliger Enthaltsamkeit gehalten ist, so bleibt er doch zur Enthaltung, d.h. zum Verzicht auf Parteinahme, eben zur Neutralität und Nichtidentifikation verpflichtet. Dieser Pflicht kann er nur nachkommen, wenn er sich bei allen Aktivitäten, die den religiös-sozialen Prozeß beeinflussen, einer gewissen Zurückhaltung befleißigt Die Pflicht zur Zurückhaltung beschreibt zugleich einen objektiv-rechtlichen Gehalt der Religionsfreiheit, der dem staatlichen Handeln über die schlichte Abwehrfunktion des Art. 4 GG hinaus Grenzen setzt. (2) Heranziehung des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes zur Konkretisierung der Pflicht zur Zurückhaltung im religiösen Bereich Im folgenden wird zu ermitteln sein, wie die Pflicht zur Zurückhaltung konkretisiert werden kann. Dabei geht es letztlich um die Frage, welchen Schranken das staatliche Handeln unterhalb der Schwelle von Eingriffen in Grundrechte unterworfen ist - oder konkreter: gilt das Übermaßverbot auch für staatliches Handeln ohne Eingriffsqualität? Eine vertiefende Antwort kann im Rahmen dieser Untersuchung freilich nicht gegeben werden. Immerhin soll versucht werden, das Problem in seinen groben Umrissen zu beleuchten. Dazu 5 5 0 Freilich kommt der religiös und weltanschaulich neutrale Staat diesen Glaubensgemeinschaften und deren Anhängern insoweit entgegen, als er sie an deren besonders geheiligten Tagen von der Arbeitspflicht auch gegenüber privaten Arbeitgebern - gegen Lohnfortfall — freistellt; näher dazu die Feiertagsgesetze, etwa §§ 8 f. nw.FeiertagsG.

Die Verfassungsmäßigkeit der Militärseelsorge

bietet es sich an, zunächst einen Blick auf andere gesellschaftliche Wettbewerbe zu werfen. Möglicherweise können anhand dieser Querverbindungen gemeinsame Strukturelemente für die Zulässigkeit staatlicher Ingerenzen in gesellschaftliche Wettbewerbsprozesse herausgearbeitet werden. (a) Staatliche Ingerenzen in andere gesellschaftliche Prozesse In unserer Gesellschaft gibt es zahlreiche Prozesse, die sich in Form eines Wettbewerbes vollziehen. Charakteristisch ist insoweit der Bereich der Wirtschaft. Auf dem Gebiet der gesellschaftlichen Meinungsbildung gibt es (u.a.) einen Wettbewerb der verschiedenen Presseunternehmen. Die gesellschaftliche Willensbildung kennt die einzelnen Parteien als Wettbewerber in diesem Prozeß. Schließlich könnte man auch die Kunst als Wettbewerb verstehen. Die Schranken, die staatlichen Ingerenzen in diesen gesellschaftlichen Bereichen gezogen sind, könnten Anhaltspunkte für die Konkretisierung der staatlichen Pflicht zur Zurückhaltung auf religiösem Gebiet bieten. (aa) Staatliche Ingerenzen im Bereich der Wirtschaft Der klassische Wettbewerb findet sich im Bereich der Wirtschaft. Das Grundgesetz ist zwar durch eine wirtschaftspolitische Neutralität in dem Sinne gekennzeichnet, daß sich der Verfassungsgeber nicht ausdrücklich für ein bestimmtes Wirtschaftssystem entschieden hat. 551 Dementsprechend enthält die Verfassung keine abstrakte Systemgarantie für die Marktwirtschaft. 552 Gleichwohl verbürgen die Grundrechte, namentlich die Art 12, 14, 9 Abs. 1, 2 Abs. 1 und 3 Abs. 1 GG, wirtschaftliche Freiheiten, die letztlich auf die Gewähr eines freien Marktes und Wettbewerbes hinauslaufen. 553 Der freie Wettbewerb ist damit funktionstypisches Ergebnis der Grundrechtsausübung.554 Auf die Sicherung eines funktionierenden und ausgeglichenen Wettbewerbes gerichtete Direktiven finden sich ferner etwa in Art 109 Abs. 2 und 4 GG. 555

5 5 1 BVerfGE 4, 7 (17 f.); 7, 377 (400); 50, 290 (338); BVerwGE 17, 306 (308); 39, 329 (336); Scholz, in: Maunz/Dürig, GG, Komm., Art. 12 Rdnr. 77; Schmidt, HdbStR III, § 83 Rdnr. 22. 5 5 2

Schmidt, HdbStR III, § 83 Rdnr. 25.

5 5 3

BVerfGE 32, 305 (317); Scholz, in: Maunz/Dürig, GG, Komm., Art. 12 Rdnr. 80; Schmidt, HdbStR III, § 83 Rdnr. 20; Tettinger, Rechtsanwendung und gerichtliche Kontrolle im Wirtschaftsverwaltungsrecht, S. 123. 5 5 4 5 5 5

Scholz, in: Maunz/Dürig, GG, Komm., Art. 12 Rdnr. 136.

Dazu Tettinger, recht, S. 187 f.

Rechtsanwendung und gerichtliche Kontrolle im Wirtschaftsverwaltungs-

D. Vorgaben des Art. 4 Abs. 1 und 2 GG

Jede wirtschaftliche Maßnahme des Staates greift gestaltend in den Ablauf des sozialen Lebens ein und beeinflußt damit das freie Spiel der Kräfte. 556 Soweit die Maßnahme dabei in Grundrechte der Marktteilnehmer eingreift, muß sie u.a. den Anforderungen des Verhältnismäßigkeitsprinzips genügen. Dies gilt zum einen für klassische wirtschaftslenkende Eingriffe durch Geund Verbote und zum anderen etwa für Subventionen, die einzelne Konkurrenten erheblich belasten, oder für die erwerbswirtschaftliche Betätigung des Staates, soweit diese monopolisierende Tendenz aufweist, also private Wettbewerber verdrängt. Je massiver der Eingriff in grundrechtlich geschützte Positionen ist, desto strengere Rechtfertigungsmaßstäbe gelten - von diesem Grundsatz geprägt ist vor allem die vom BVerfG entwickelte Drei-StufenTheorie zu Art. 12 GG. Problematischer ist die Bestimmung der Grenzen zulässigen Staatshandelns, wenn dieses die Eingriffsschwelle zur Beeinträchtigung subjektiver (Grund-)Rechte (noch) nicht erreicht. Relevant wird dies etwa bei staatlicher makroökonomischer Steuerung 557, bei den Wettbewerb nur marginal berührenden Subventionen558 oder bei erwerbswirtschaftlicher Betätigung der öffentlichen Hand, die keine verdrängende Wirkung gegenüber privaten Wettbewerbern hat 559 . Zum Teil wird die Problemlösung darin gesucht, die Eingriffsschwelle zu senken, um so vor allem das Übermaßverbot, wenngleich abgeschwächt durch Einräumung staatlicher Einschätzungsprärogativen hinsichtlich Geeignetheit

5 5 6

BVerfGE 4, 7 (19); 19, 101 (114); Schmidt, HdbStR III, § 83 Rdnr. 23.

5 5 7

Dazu Scholz, in: Maunz/Dürig, GG, Komm., Art. 12 Rdnr. 394; Tettinger, wendung und gerichtliche Kontrolle im Wirtschaftsverwaltungsrecht, S. 211 ff. 5 5 8

Vgl. Breuer, HdbStR VI, § 148 Rdnr. 75; Haverkate,

Rechtsan-

Rechtsfragen des Leistungsstaats,

S. 163. 5 5 9 Dazu Scholz, in: Maunz/Dürig, GG, Komm., Art. 12 Rdnrn. 403 ff.; Breuer, HdbStR VI, § 148 Rdnrn. 57 ff.; Ronellenfitsch, HdbStR ΙΠ, § 84 Rdnrn. 34 f.; Püttner, Die öffentlichen Unternehmen, S. 97.

Die Verfassungsmäßigkeit der Militärseelsorge

und Erforderlichkeit, heranziehen zu können.560 Dann besteht aber die Gefahr einer Überdehnung der Reichweite subjektiver Rechtspositionen.561 Dieser Ansatz weist immerhin darauf hin, daß schon die Vorfrage, wann das Staatshandeln die Eingriffsschwelle bereits erreicht und wann noch nicht, einiges an Problemen aufwirft. Dies wird gerade an den Beispielen der erwerbswirtschaftlichen Staatstätigkeit und der Subventionen deutlich. So genügt unter Umständen eine vergleichsweise geringfügige Steigerung des Umfangs der wirtschaftlichen Tätigkeit der öffentlichen Hand, um vom schlichten Wettbewerbsteilnehmer zum tendenziell marktbeherrschenden, private Konkurrenten verdrängenden Anbieter zu werden. Es ist im übrigen sogar denkbar, daß der Staat auch ohne Steigerung seiner Aktivitäten vom bloßen Wettbewerber zum marktbeherrschenden Anbieter wird, wenn sich die äußere Wettbewerbssituation - ohne sein Zutun - entsprechend ändert. Ähnliches gilt für Subventionen, wo es gleichfalls einen fließenden Übergang vom marktunerheblichen zum wettbewerbsverzerrenden Ausmaß gibt. Dementsprechend fließend sind die Grenzen zur grundrechtserheblichen Wettbewerbsverzerrung mit Eingriffsqualität. Wenn die Bestimmung der Eingriffsschwelle nicht unproblematisch ist, deutet dies daraufhin, daß staatliche Aktivitäten im Bereich der Wirtschaft, selbst wenn sie Grundrechte noch nicht beeinträchtigen, diese doch zumindest im Vorfeld schon berühren. Dann aber spricht einiges dafür, die Zulässigkeitsanforderungen für staatliche Eingriffe - freilich in abgeschwächter Form - schon unterhalb der Eingriffsschwelle anzulegen. Für die erwerbswirtschaftliche und subventionierende Staatstätigkeit unterhalb der Eingriffsschwelle wird daher verlangt, 562 -

daß sie wie jede andere die individuelle oder gesellschaftliche Freiheit berührende Staatstätigkeit einer Legitimation durch Zwecke des Gemeinwohls bedürfe, 563 5 6 0

So etwa für die erwerbswirtschaftliche Betätigung der öffentlichen Hand Ehlers, Verwaltung in Privatrechtsform, S. 103; Erìchsen , KommunalR NW, S. 248; Klüt h, Grenzen kommunaler Wettbewerbsteilnahme, S. 65 ff.; Zuleeg, Subventionskontrolle, S. 81, 87 f. (stellt auf Art. 2 Abs. 1 GG ab); wohl auch Ossenbühl, Bestand und Erweiterung des Wirkungskreises der Deutschen Bundespost, S. 117 ff. 5 6 1

Die Rechtsprechung hält daher etwa zu Recht an dem Grundsatz fest, daß aus Art. 12 GG sich kein Anspruch auf Schutz vor öffentlicher Konkurrenz ableiten läßt; vgl. BVerwGE 17, 306 (313); 39, 329 (336); NJW 1978, 1539 (1540). 5 6 2

Breuer, HdbStR VI, § 148 Rdnrn. 60 f., 75 ff.; Ronellenfitsch, HdbStR ΙΠ, § 84 Rdnrn. 34 f.; Püttner, Die öffentlichen Unternehmen, S. 97 f., 157, 384. Ähnlich Scholz, in: Maunz/Dürig, GG, Komm., Art. 12 Rdnrn. 403 f.

D. Vorgaben des Art. 4 Abs. 1 und 2 GG

-

im Falle der Subventionierung den Anforderungen des Gleichheitsgrundsatzes genügen müsse und

-

u. U. einer gesetzlichen Grundlage bedürfe, nämlich dann, wenn eine qualifizierte Grundrechtsberührung vorhege, z.B. bei Prägung der Marktstrukturen (aber noch unterhalb der Eingriffsschwelle).

Insoweit handelt es sich lediglich um objektiv-rechtliche Vorgaben für den Staat, die zwar aus den wirtschaftlichen Grundrechten abgeleitet werden, ohne aber subjektive (Grund-)Rechtspositionen zu begründen.564 (bb) Staatliche Ingerenzen in den Parteienwettbewerb Die Parteien wirken gem. Art 21 Abs. 1 S. 1 GG bei der politischen Willensbildung des Volkes mit. Ihnen kommt eine Mittlerrolle zwischen Bürgerwillen und parlamentarischem Mandat zu. Von entscheidender Bedeutung ist daher die Verwurzelung der Parteien in der Gesellschaft und deren prinzipielle Staatsfreiheit und Staatsferne. 565 Die Parteien stehen in einem ständigen Wettbewerb um die Zustimmung der Bürger und insbesondere um die Gunst des Wählers. 566 Regelmäßige Wahlen und noch häufigere Meinungsumfragen verdeutlichen in ungleich stärkerem Maße als bei dem Wettbewerb der Religionsgemeinschaften, daß die Kräfteverhältnisse steter Veränderung unterworfen sind. Dem Staat ist mit Blick auf die Staatsfreiheit der Parteien keineswegs völlige Enthaltsamkeit auferlegt; er darf aber die vorgefundene Wettbewerbslage nicht verfälschen. 567 Im Grundsatz unzulässig sind somit erhebliche Eingriffe in die Parteienfreiheit (etwa durch Verbote) und Parteiengleichheit (etwa durch gleichheitswidrige Subventionierung). Letztlich dürfte aber jede staatliche Parteienförderung die spontan entstehenden Größen-, Gewichts- und

5 6 3 BVerwGE 39, 329 (334). Legitimer konjunkturpolitischer Zweck wäre etwa die Abwehr einer Störung des gesamtwirtschaftlichen Gleichgewichts, vgl. Art. 109 Abs. 2, 4 GG. Dazu Tettingen Rechtsanwendung und gerichtliche Kontrolle im Wirtschaftsverwaltungsrecht, S. 187, 211 f. 5 6 4 Die in Fußn. 560 genannten Autoren unterscheiden sich mit Blick auf die objektivrechtlichen Vorgaben kaum von diesem Ansatz, bejahen aber darüber hinaus bei Verstößen gegen diese Direktiven die Beeinträchtigung subjektiver Rechte. - Auch bei Verneinung subjektiver Rechtspositionen ist eine verfassungsgerichtliche Überprüfung im Wege der abstrakten oder konkreten Normenkontrolle möglich; dazu Tettinger, Rechtsan wendung und gerichtliche Kontrolle im Wirtschaftsverwaltungsrecht, S. 325. 5 6 5

BVerfGE 85, 264 (283, 288).

5 6 6

BVerfGE 85, 264 (285); Tsatsos/Schmidt/Steffen,

5 6 7

BVerfGE 85, 264 (288, 313); Henke, in: Bonner Kommentar, GG, Art. 21 Rdnr. 333.

Jura 1993,194.

Die Verfassungsmäßigkeit der Militärseelsorge

Machtverhältnisse unter den Parteien verändern oder beeinflussen 568 : Bei nivellierender Förderung werden die kleinen Parteien begünstigt; die abgestufte Förderung knüpft an Größenverhältnisse an, die im Zeitpunkt der Förderung bereits überholt sind, und bedeutet ein Moment der Trägheit inmitten des dynamischen Prozesses. Das BVerfG hält deshalb die - direkte - 5 6 9 finanzielle Unterstützung von Parteien nur dann für statthaft, wenn die Finanzhilfen so gewährt werden, daß der politische Prozeß offen und unverfälscht sowie der Parteienwettbewerb und die Rückbindung der Parteien an die gesellschaftliche Basis erhalten bleiben.570 Im einzelnen verlangt das BVerfG, 571 daß -

der Gleichbehandlungsgrundsatz strikt und formal, aber nicht nivellierend zu handhaben sei,

-

die Finanzierung dem Zweck der Aufrechterhaltung der Funktionsfähigkeit der Parteien diene,

-

die Verteilung der Mittel sich nach dem jeweiligen Erfolg im Parteienwettbewerb - Indikatoren: Wahlergebnisse, Spendenaufkommen, Mitgliedsbeiträge - richte,

-

das Maß der Gesamtförderung auf das insoweit Unerläßliche beschränkt werde (absolute Obergrenze),

-

das Maß der Staatsfinanzierung der einzelnen Partei hinter der Selbstfinanzierung zurückbleibe (relative Obergrenze), um dadurch Staatsfreiheit und gesellschaftliche Verwurzelung zu wahren.

Bei Beachtung dieser Kautelen sieht das BVerfG die Gefahr gebannt, daß die staatliche Förderung die (Staats-)Freiheit der Parteien und des Parteienwettbewerbes beeinträchtigt.

5 6 8 Henke, in: Bonner Kommentar, GG, Art. 21 Rdnr. 333; ähnlich Hesse, Grundzüge des Verfassungsrechts, Rdnr. 181. 5 6 9

Nach früherer Rechtsprechung des BVerfG sowie nach h.L. war nur die indirekte Parteienfinanzierung - insbesondere die Wahlkampfkostenerstattung - zulässig. So etwa BVerfGE 20, 56 (97 ff.);. 52, 63 (82 ff.); 73, 40 (85 f.); Henke, in: Bonner Kommentar, GG, Art. 21 Rdnrn. 318, 328. Dazu Stern, StaatsR I, § 13 III 7, S. 451 ff. 5 7 0 BVerfGE 85, 264 (283 f., 287 f., Tsatsos/Schmidt/Steffen, Jura 1993, 194 ff. 5 7 1

BVerfGE 85, 264 (288 ff., 292, 297).

290);

dazu Hofmann,

NJW

1994,

691;

D. Vorgaben des Art. 4 Abs. 1 und 2 GG

(cc) Staatliche Ingerenzen in den Wettbewerb der Presse Ein weiterer Wettbewerb im gesellschaftlichen Raum findet sich im Bereich der Presse. Die Presseunternehmen stehen miteinander in freier geistiger und wirtschaftlicher Konkurrenz. 572 Der Staat ist zum einen an die subjektivrechtliche Komponente der Pressefreiheit gem. Art. 5 Abs. 1 S. 2 GG gebunden. Daneben hat die Pressefreiheit eine objektiv-rechüiche Seite.573 Der Staat ist zu inhaltlicher Neutralität verpflichtet und gehalten, Verzerrungen des publizistischen Wettbewerbs zu vermeiden. 574 Staatliche Vergünstigungen für die Presse sind nur zulässig - und dann keine Gefahr für die Staatsfreiheit der Presse - 5 7 5 , wenn diese auch den objektiv-rechtlichen Kriterien genügen, d.h. meinungs- und möglichst wettbewerbsneutral sind. 576 (dd) Staatliche Ingerenzen im Bereich der Kunst Auch der Bereich der Kunst ist durch das freie Spiel der Kräfte gekennzeichnet, aus dem sich ständig neue Kunstrichtungen entwickeln und traditionelle an Bedeutung verlieren. Staatliche Kunstförderung ist notgedrungen selektiver Natur - nach dem Gießkannenprinzip vorgenommen, liefe sie mangels ausreichender Ressourcen letztlich leer. In der auswählenden Förderung einzelner Künstler und Kunstrichtungen liegt regelmäßig kein Eingriff in die Kunstfreiheit der nicht geförderten Konkurrenten. 577 Gleichwohl bestünde bei einseitiger Förderung die Gefahr einer langsam fortschreitenden und daher kaum justitiablen Beeinflussung der Kunstszene.578 Daher sind dem Staat in bezug auf die Kunstförderung schon unterhalb der Eingriffsschwelle gewisse Schranken auferlegt. Freilich ist der sich als Kulturstaat verstehende Staat zur Kunstförderung legitimiert. 579 Dabei darf er aber nicht versuchen, ein herr5 7 2

BVerfGE 20, 162 (175); 52, 283 (296); Wendt, in: v. Münch/Kunig, GG, Komm., Art 5

Rdnr. 35. 5 7 3

BVerfGE 20, 162 (175); 80, 124 (133).

5 7 4

BVerfGE 80,124(134).

5 7 5

BVerfGE 80, 124(132).

5 7 6

Vgl. Starck, in: v. Mangoldt/Klein, GG, Komm., Art. 5 Rdnr. 55 f.; Wendt, v. Münch/Kunig, GG, Komm., Art. 5 Rdnr. 41. 5 7 7

Denninger, HdbStR VI, § 146 Rdnr. 34; Haverkate,

in:

Rechtsfragen des Leistungsstaats,

S. 168. 5 7 8 5 7 9

Vgl. Denninger, HdbStR VI, § 146 Rdnr. 35.

Scholz, in: Maunz/Dürig, GG, Komm., Art. 5 III Rdnr. 40; Starck, in: v. Mangoldt/Klein, GG, Komm., Art. 5 Rdnr. 198; Schiaich, Neutralität, S. 251; Stern, StaatsR III/l, § 69 I V 4, S. 939.

Die Verfassungsmäßigkeit der Militärseelsorge

sehendes Kunstverständnis zu fixieren, vielmehr muß er die Pluralität, Autonomie und Eigengesetzlichkeit der Kunst achten.580 Ihm obliegt damit eine Pflicht zur - kunstbejahenden - Neutralität und Nichtidentifikation. 581 Dies schließt wiederum nicht aus, die Entscheidung über Ob und Maß der Förderung nach sachlichen Kriterien, insbesondere nach staatlich - gegebenenfalls unter Hinzuziehung unabhängiger sachverständiger Gremien - festgesetzten Qualitätsmerkmalen auszurichten.582 (ee) Gemeinsamkeiten der beschriebenen Wettbewerbssituationen Die geschilderten Wettbewerbssituationen sind untereinander gewiß nur eingeschränkt vergleichbar. So ist die Pluralität von Presse und Parteien für eine Demokratie Wesensmerkmal und für diese von nicht zu übertreffender Wichtigkeit. Demgegenüber ist die Pluralität im Bereich der Kunst zwar typische Folge einer freiheitlichen Demokratie, ohne daß diese aber Schaden nähme, wenn sämtliche Staatsbürger denselben Kunstgeschmack hätten. Die Vergleichbarkeit dieser Wettbewerbe mit dem religiösen Wettbewerb unterliegt weiteren Einschränkungen. So muß dem Staat die Aufrechterhaltung und Förderung der Angebotsvielfalt von Presse und Parteien ein Anliegen sein. Ebenso ist ein funktionierender wirtschaftlicher Wettbewerb von unmittelbarer Bedeutung für das materielle Wohlergehen des Staates und seiner Bürger. Dementsprechend nimmt der Staat für sich in Anspruch, den Wettbewerb in den Bereichen von Wirtschaft (vgl. Art. 109 Abs. 4 GG), Presse und Parteien durchaus gezielt zu beeinflussen, um ungleiche Kräfteverhältnisse zu korrigieren. Eine derartige Wettbewerbssteuerung ist dem Staat im Bereich der Religion verwehrt, da es für ihn unerheblich ist, ob seine Staatsbürger sämtlich nur einer Religionsgemeinschaft angehören oder sich auf mehrere verteilen. Insoweit besteht eine Kohärenz zur kulturellen Pluralität, aber mit dem Unterschied, daß es nicht nur denkbar, sondern bei entsprechenden historischen Gegebenheiten durchaus nicht fernliegend ist, daß (beinahe) alle Staatsbürger derselben Religionsgemeinschaft zugehörig

5 8 0 Scholz, in: Maunz/Dürig, GG, Komm., Art. 5 III Rdnrn. 40, 79; Starck, in: v. Mangoldt/Klein, GG, Komm., Art. 5 Rdnr. 198; Wendt, in: v. Münch/Kunig, GG, Komm., Art. 5 Rdnr. 96; Jarass, in: Jarass/Pieroth, GG, Komm., Art. 5 Rdnr. 66; Schiaich, Neutralität, S. 259. 58 1 5 8 2

Denninger, HdbStR VI, § 146 Rdnr. 35.

Jarass, in: Jarass/Pieroth, GG, Komm., Art. 5 Rdnr. 71; Denninger, HdbStR VI, § 146 Rdnrn. 32 f.; Haverkate, Rechtsfragen des Leistungsstaats, S. 166 ff.

D. Vorgaben des Art. 4 Abs. 1 und 2 GG

9

sind, 583 so daß von einem nennenswerten Wettbewerb kaum die Rede wäre. Vor diesem Hintergrund ist eine Demokratie noch nicht einmal typischerweise mit einem religiösen Wettbewerb verbunden. Auch ist die Fluktuation zwischen den Religionsgemeinschaften viel geringer als etwa zwischen den Parteien, so daß der religiöse Wettbewerb sich mit entsprechend verminderter Dynamik vollzieht. All diesen gesellschaftlichen Bereichen gemein ist aber das freie Spiel der Kräfte, das durch staatliche Maßnahmen mindestens berührt, wenn nicht beeinträchtigt wird. Die vorstehend entwickelten Problemlösungen können daher durchaus erste Hinweise bieten, welche Zulässigkeitskriterien für staatliche Ingerenzen in das freie Spiel gesellschaftlicher Kräfte gelten. Bei einiger Vergröberung wird man zusammenfassend festhalten können: Wenn die Ingerenzen als Eingriffe in Grundrechte zu werten sind, unterliegen sie den dafür geltenden Schranken, namentlich dem Vorbehalt des Gesetzes und dem Übermaßverbot. Dabei sind die Rechtfertigungsanforderungen um so strenger, je gewichtiger die Grundrechtsbeeinträchtigung ist. Wenn die Ingerenzen unterhalb der Schwelle zum Grundrechtseingriff angesiedelt sind, sind sie gleichwohl nicht ohne alle Schranken. Vielmehr gelten folgende Anforderungen für eine wettbewerbsrelevante staatliche Maßnahme: -

Sie muß durch ein legitimes öffentliches Interesse motiviert sein.

-

Sie muß geeignet sein, diesem Interesse zu dienen.

-

Sie muß in gewissen Grenzen dem Grundsatz der Erforderlichkeit genügen. Dies gilt etwa für die absolute Obergrenze bei der staatlichen Parteienfinanzierung, wo die Gesamtsumme der staatlichen Finanzleistungen auf das zur Aufrechterhaltung der Funktionsfähigkeit der Parteien "Unerläßliche" beschränkt sein muß. Ferner wurde mehrfach verlangt, die Maßnahme solle möglichst wettbewerbsneutral sein.

Damit sind die wesentlichen Elemente des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes 584 genannt.

5 8 3 So sind etwa 89% (Stand: 1994, 1991 sogar 95%) der Schweden Mitglied der evangelischlutherischen Kirche; in Polen sind 97% katholisch (Fischer Weltalmanach 1995, Sp. 500, 546; 1992, Sp. 523). 5 8 4 Zu terminologischen Fragen siehe Stern, StaatsR I, § 20 IV 7, S. 861 f.; Dechsling, Verhältnismäßigkeitsgebot, S. 5; Hirschberg, Grundsatz der Verhältnismäßigkeit, S. 19 ff.

0

Die Verfassungsmäßigkeit der Militärseelsorge

(b) Ausstrahlung des Verhältnismäßigkeitsprinzips in das Vorfeld von Grundrechtseingriffen Soeben wurde in groben Zügen herausgearbeitet, daß Rechtsprechung und Literatur in bestimmten Einzelbereichen, die durch das freie Spiel gesellschaftlicher Kräfte gekennzeichnet sind, Elemente des Verhältnismäßigkeitsprinzips auch dann heranziehen, wenn das staatliche Verhalten die Eingriffsschwelle noch nicht erreicht. Somit stellt sich erstens die Frage, ob dieses bislang lediglich induktiv gewonnene Ergebnis eine deduktive Absicherung erhalten kann. Zweitens ist zu fragen, ob die zu ermittelnden Grundsätze auch auf das Staatskirchenrecht übertragen werden können. (aa) Im allgemeinen Der historische Ursprung des Verhältnismäßigkeitsprinzips findet sich im Polizeirecht, 585 mithin in einer Materie der klassischen Eingriffsverwaltung. Demgegenüber galt das Gebiet der leistungsgewährenden Verwaltung als besonders weit entfernt vom Bereich der Eingriffe in Freiheit und Eigentum liegend,586 so daß sich jede Heranziehung von Schranken für die staatliche Tätigkeit zu erübrigen schien. Später wurde zunehmend die Freiheitsrelevanz der Leistungsverwaltung erkannt, vor allem mit Blick auf das selektive (Nicht-)Gewähren von Leistungen. Damit einher ging die Ausweitung des Eingriffsbegriffs. Gleichwohl ist bei weitem nicht in jedem Handeln des Staates ein Eingriff in die Grundrechte (eines) seiner Bürger zu sehen. Fraglich ist mithin, inwieweit der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit dem staatlichen Handeln Schranken auferlegt, wenn dieses keine Grundrechte beeinträchtigt Die Antwort richtet sich letztlich nach der dogmatischen Einordnung dieses Grundsatzes. Freilich kann im Rahmen dieser Untersuchung die dogmatische Anknüpfung des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes nicht erschöpfend beleuchtet werden. Die folgenden Umrisse sind jedoch erkennbar: Sofern man den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit aus dem Wesen der Grundrechte 587 oder aus deren Prinzipiencharakter 588 ableitet und primär als Schranken-Schranke im Zusammenhang mit der Rechtfertigung von Grund-

5 8 5 Dazu Stern, StaatsR I, § 20 IV 7, S. 863; Haverkate, S. 16 ff.; Jacobs, DVB1. 1985, S. 97. 5 8 6

Rechtsfragen des Leistungsstaats,

Vgl. noch BVerfGE 8, 155 (167). Dazu Haverkate, Rechtsfragen des Leistungsstaats, S. 6.

5 8 7

Etwa BVerfGE 19, 342 (348); Schnapp, in: v. Münch/Kunig, GG, Komm., Art. 20 Rdnr. 27 m.w.N. 5 8 8

Dechsling, Verhältnismäßigkeitsgebot, S. 156.

D. Vorgaben des Art. 4 Abs. 1 und 2 GG

1

rechtseingriffen verortet, 589 wird häufig ein "gesetzgeberisches Eindringen in einen Rechtsbezirk" 590 verlangt. Dann stößt die Heranziehung des Übermaßverbotes im Vorfeld von Eingriffen auf Schwierigkeiten. Abhilfe bietet dann allenfalls die nochmalige Erweiterung des Eingriffsbegriffs. 591 Diese Lösung kann indes kaum überzeugen, da sie Gefahr läuft, die für die rechtliche, namentlich die gerichtliche Handhabung unverzichtbaren Konturen von subjektivem Recht und Eingriff zu verwässern. Will man nicht seine Zuflucht in der Ausdehnung des Eingriffsbegriffs suchen, müßte man die Anwendbarkeit des Übermaßverbotes im Eingriffsvorfeld verneinen. 592 Weniger Probleme ergeben sich, wenn man den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit aus dem Rechtsstaatsprinzip des Art 20 Abs. 3 GG ableitet.593 Das Verhältnismäßigkeitsprinzip gilt dann häufig als "übergreifende Leitregel allen Staatshandelns"594, so daß jedes staatliche Handeln dem Gebot der Verhältnismäßigkeit unterworfen ist. 595 Wichtigster Anwendungsfall bleibt zwar die Funktion als Schranken-Schranke. Dies schließt aber dessen Heranziehung für nicht-eingreifendes Staatshandeln nicht aus.596 Zu demselben Ergebnis gelangt man, wenn man zwar den Verhältnismäßigkeitsgrundsatz aus dem Wesen oder dem Prinzipiencharakter der Grundrechte ableitet, den erstgenannten Ansatz jedoch dahingehend modifiziert, daß 5 8 9

Schnapp, JuS 1983, 850 (851 f.).

5 9 0

Lerche, Übermaß und Verfassungsrecht, S. 22.

5 9 1

Siehe oben Fußn. 560.

5 9 2

Vgl. etwa Lerche, Übermaß und Verfassungsrecht, S. 261 (der freilich eine komplexere Anbindung des Übermaß Verbotes sucht als in dieser vergröbernden Übersicht dargestellt). 5 9 3

Etwa BVerfGE 81, 310 (338); Herzog, in: Maunz/Dürig, GG, Komm., Art. 20 V n Rdnr. 72; Stern, StaatsR I, § 2 0 I V 7, S. 861; Bleckmann, JuS 1994, 177 (178), jeweils m.w.N. Zum Teil wird das Verhältnismäßigkeitsprinzip gleichermaßen aus dem Wesen der Grundrechte und dem Rechtsstaatsprinzip abgeleitet, so etwa BVerfGE 76,1 (50 f.). 5 9 4

BVerfGE 23, 127 (133); 38, 348 (368); 76,1 (50).

5 9 5

So etwa BVerfGE 43, 242 (288), 38, 68 (70 f.); Stern, StaatsR I, § 20 I V 1, S. 862; Tettinger, Rechtsan wendung und gerichtliche Kontrolle im Wirtschaftsverwaltungsrecht, S. 123; Jarass, in: Jarass/Pieroth, GG, Komm., Art. 20 Rdnr. 57; Bleckmann, JuS 1994, 177 (179). - Die jüngste Rechtsprechung des BVerfG (E 81, 310 [338], E 79, 311 [342]) deutet auf eine etwas restriktivere Anwendung des Verhältnismäßigkeitsprinzips hin. Diesem komme eine die individuelle Rechtsund Freiheitssphäre verteidigende Funktion zu. Es sei daher nur bei staatlichen Einwirkungen in den Rechtskreis des einzelnen heranzuziehen, nicht aber im Bund/Länder-Verhältnis. Diese Restriktion läßt die Anwendung des Verhältnismäßigkeitsprinzips im Vorfeld eines Grundrechtseingriffs freilich unberührt. 5 9 6 Haverkate, Rechtsfragen des Leistungsstaats, S. 11; Hirschberg, Grundsatz der Verhältnismäßigkeit, S. 29; Bleckmann, JuS 1994,177 (179,181).

16 Ennuschat

Die Verfassungsmäßigkeit der Militärseelsorge

mindestens Grundrechtsrelevanz, aber nicht notwendig ein konkreter Grundrechtseingriff vorliegen muß. 597 Dann könnte man die Bindung staatlichen Handelns an das Übermaßverbot erreichen, ohne den Eingriffsbegriff über Gebühr auszudehnen. Schließlich könnte man das Gebot der Verhältnismäßigkeit aus dem Prinzip der Subsidiarität staatlichen Handelns herleiten. 598 Das Subsidiaritätsprinzip knüpft an die schon angedeutete Unterscheidung von Staat und Gesellschaft an. 599 Zwar stehen sich Staat und Gesellschaft nicht als antagonistische Größen gegenüber. Das historische Gegeneinander ist vielmehr in der Einheit des demokratischen Gemeinwesens aufgehoben. 600 Nicht jede staatliche Ingerenz in den gesellschaftlichen Bereich ist daher per se freiheitsbedrohend oder gar zerstörend. Dennoch ist der Staat um der gesellschaftlichen Freiheit willen, die zugleich die Quelle des gemeinschafts- und staatsbildenden Prozesses ist, an die Grenzen der Subsidiarität und Verhältnismäßigkeit gebunden. Beiden Prinzipien gemein ist ihre Zielrichtung: der Schutz vor staatlichem Eindringen in - vorstaatliche - Rechtsbezirke.601 Während der Verhältnismäßigkeitsgrundsatz den Individualschutz in den Vordergrund stellt, zielt das Gebot der Subsidiarität auf den (objektiven) Schutz gesellschaftlicher Lebensbereiche, der dem einzelnen nur mittelbar zugute kommt. 602 Die Subsidiarität bezieht sich dabei primär auf das "Ob" staatlichen Handelns. Der Staat darf nur tätig werden, wenn er erstens einen das Gemeinwohl konkretisierenden öffentlichen Zweck verfolgt, und zweitens die staatliche Intervention dem Grunde nach notwendig ist, d.h. die Aufgabe nicht (allein) von gesellschaftlichen Kräften gelöst werden kann. Die eingesetzten Mittel wiederum, das "Wie" der Intervention, müssen dem Übermaßgebot genügen.603 Gemeinsamer Hintergrund der vorstehend genannten Ansätze ist letztlich folgender: Die Heranziehung des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes ist jedenfalls geboten, wenn ein Eingriff in Grundrechte zu bejahen ist. Die exakte

5 9 7

Dechsling, Verhältnismäßigkeitsgebot, S. 90.

5 9 8

Isensee, Subsidiaritätsprinzip, S. 88 ff.

5 9 9

Zur freiheitssichernden Funktion dieser Unterscheidung siehe vor allem Böckenförde, FS Hefermehl, 11 (17); ders., Die verfassungstheoretische Unterscheidung von Staat und Gesellschaft als Bedingung der individuellen Freiheit, S. 31. 6 0 0

Isensee, Subsidiaritätsprinzip, S. 140 f.; Schiaich, Neutralität, S. 247 f.

60 1

Isensee, Subsidiariätsprinzip, S. 88.

6 0 2

Isensee, Subsidiariätsprinzip, S. 89 f.; ähnlich Lerche, Übermaß und Verfassungsrecht,

S. 202. 6 0 3

Isensee, Subsidiaritätsprinzip, S. 278 ff.

D. Vorgaben des Art. 4 Abs. 1 und 2 GG

Bestimmung der Eingriffsschwelle wirft keine nennenswerten Probleme auf, wenn es sich um einen klassischen Fall der Eingriffsverwaltung in der zweiseitigen Beziehung Staat-Bürger handelt. Schwierigkeiten ergeben sich indessen im Bereich der Leistungsverwaltung. Dort führt die staatliche Leistung an den einen häufig zu mittelbaren Beeinträchtigungen für den anderen. Dabei ist der Übergang von der grundrechtlich irrelevanten Belästigung zur erheblichen Beeinträchtigung mit Eingriffsqualität fließend. Dies gilt um so mehr für staatliche Ingerenzen in dynamische (Wettbewerbs-)Prozesse mit ihrem vielschichtigen Geflecht wechselseitiger Beziehungen.604 Von der Schwierigkeit, die Eingriffsschwelle exakt zu bestimmen, zeugt schließlich die stete Ausweitung des Eingriffsbegriffs in den letzten Jahrzehnten, wobei noch nicht abzusehen ist, wie sich diese Entwicklung in Rechtsprechung und Literatur fortsetzen wird. Wenn die Bestimmung der Eingriffsschwelle zwar nicht beliebig, so doch schwierig ist, deutet dies darauf hin, daß Grundrechts- und Freiheitsrelevanz nicht erst oberhalb, sondern schon unterhalb der Schwelle zum Eingriff zu bejahen ist. Staatliches Handeln mit Außenwirkung bewegt sich eben niemals im völlig freiheitsneutralen Raum.605 Auch unterhalb der Eingriffsschwelle sind daher bereits gegenläufige (staatliche und private) Interessen berührt, die einander zugeordnet und gewichtet werden müssen. Als Instrument zur Zuordnung und Gewichtung dient das Prinzip der Verhältnismäßigkeit.606 Der Kontrollumfang für staatliches Handeln ohne Eingriffsqualität ist aber in persönlicher und sachlicher Hinsicht verringert. 607 Insbesondere fehlen dem einzelnen Klage- und Beschwerdebefugnis. Er kann daher Verstöße gegen das Verhältnismäßigkeitsprinzip nicht gerichtlich geltend machen. Das Fehlen eines subjektiven Rechts impliziert freilich nicht das Fehlen objektivrechtlicher Vorgaben für den Staat, welche im Wege der Normenkontrolle gerichtlicher Kontrolle unterliegen können. So wie im Eingriffsbereich die Rechtfertigungsmaßstäbe um so strenger sind, je stärker die Freiheit beeinträchtigt ist, gilt umgekehrt, daß die sachlichen Anforderungen unterhalb der Eingriffsschwelle mit zunehmender Entfernung von dieser abnehmen.608 6 0 4 Charakteristisch ist das Beispiel erwerbswirtschaftlicher Betätigung des Staates; dazu oben 3. Teil D II 1 d cc (2) (a) (aa). 6 0 5

Haverkate, Rechtsfragen des Leistungsstaats, S. 14.

6 0 6

Vgl. Hirschberg, Grundsatz der Verhältnismäßigkeit, S. 73.

6 0 7

Denjenigen Autoren, die Vorbehalte gegenüber einer Anwendung des Verhältnismäßigkeitsprinzips anmelden (oben Fußn. 592), ist daher insoweit beizupflichten, als das Übermaßverbot unterhalb der Eingriffsschwelle jedenfalls nicht in gleichem Maße wie oberhalb gelten kann. 6 0 8

16*

Haverkate, Rechtsfragen des Leistungsstaats, S. 14 f.

Die Verfassungsmäßigkeit der Militärseelsorge

Kurz: Im Vorfeld von Grundrechtseingriffen fehlt es zwar an einem Eindringen in einen subjektiv-rechtlichen resp. individuellen Rechtsbezirk. Aber der Staat dringt doch in gesellschaftliche Bezirke und damit in das Vorfeld individueller Rechtsbezirke ein, was die - abgeschwächte - Anwendung des Verhältnismäßigkeitsprinzips rechtfertigt. (bb) Insbesondere im Staatskirchenrecht Dies gilt auch und gerade für den gesellschaftlichen Bezirk "Wettstreit der Religions- und Weltanschauungsgemeinschaften". In das freie Spiel der Kräfte wird durch staatliche Maßnahmen selbst dann eingegriffen, wenn den Anforderungen des Paritätsgrundsatzes Genüge getan ist. Dieser "Eingriff' bleibt zwar regelmäßig unterhalb der Eingriffsschwelle im Sinne der Grundrechtsdogmatik, ist gleichwohl nicht ohne Grundrechtsrelevanz. Zum einen handelt es sich auch hier um einen fließenden Übergang. Staatliche Förderungsaktivitäten können in einen Eingriff in die Religionsfreiheit umschlagen, etwa dann, wenn erforderliche Anpassungen des jeweiligen Förderungsmaßes nicht rechtzeitig vorgenommen werden. Zum anderen fußen die individuelle und die kollektive Religionsfreiheit auf der Freiheit des religiös-sozialen Prozesses, an dem die Religions- und Weltanschauungsgemeinschaften mitwirken. Staatliche Ingerenzen in diesen Prozeß berühren daher die Voraussetzungen der Religionsfreiheit - und sind daher bereits im Vorfeld von Grundrechtseingriffen am Verhältnismäßigkeitsgebot zu messen. Die Gebote der Neutralität und Nichtidentifikation sind somit spezifisch staatskirchenrechtliche Ausprägungen der allgemeinen staatlichen Pflicht zur Vermeidung von Verzerrungen gesellschaftlicher Wettbewerbe. Sie können durch eine (abgeschwächte) Heranziehung des Verhältnismäßigkeitsprinzips ausgefüllt werden. e) Kein Verfassungswandel

in Richtung strengerer Trennung

Die staatskirchenrechtlichen Aussagen des Grundgesetzes sind im wesentlichen der Weimarer Reichsverfassung entnommen, die sich wiederum auch in den Formulierungen häufig an der Paulskirchenverfassung von 1848/1849 orientiert hatte. Die sprachliche Anlehnung an die historischen Vorbilder begründet zunächst die Vermutung, daß der jüngere Verfassungsgeber sich auch inhaltlich die Aussagen der älteren Verfassung zu eigen machen wollte. 609 Andererseits liegt zwischen den Beratungen des Parlamentarischen Rates und der Paulskirche immerhin ein Jahrhundert; selbst das Inkrafttreten

6 0 9

Weber, Religionsgemeinschaften, S. 29.

D. Vorgaben des Art. 4 Abs. 1 und 2 GG

des Grundgesetzes liegt beinahe ein halbes Jahrhundert zurück. Allein die zeitliche Dimension scheint nahezulegen, daß trotz gleichbleibenden Wortlautes der staatskirchenrechtlichen Normen deren Bedeutungsgehalt sich gewandelt hat. Anknüpfungspunkt für einen Bedeutungswandel kann zum einen der Umstand sein, daß das Weimarer Staatskirchenrecht durch die Inkorporation in das Grundgesetz in einen neuen Zusammenhang gestellt worden ist. Selbst wenn 1949 sich der Bedeutungswandel noch in engen Grenzen gehalten haben sollte, ist zum anderen zu fragen, ob nicht die veränderte sozio-politische Situation und die fortschreitende Säkularisierung der Gesellschaft ein neues Verständnis der staatskirchenrechtlichen Bestimmungen bedingen. aa) Bedeutungswandel des Weimarer Staatskirchenrechts durch Inkorporierung in das Grundgesetz? ( 1 ) In Richtung Koordination In den fünfziger Jahren wurde, anknüpfend an Smends Aussage "Aber wenn zwei Grundgesetze dasselbe sagen, so ist es nicht dasselbe"610 ein durch die Inkorporation des Weimarer Staatskirchenrechts in das Grundgesetz verursachter Bedeutungswandel zugunsten der Kirchen angenommen. Betont wurde die Selbständigkeit der Kirchen bis hin zur strengen Koordinationslehre, welche Staat und Kirche als gleichgeordnete souveräne Partner in einem System gegenseitiger Zuordnung sah, in dem keiner der beiden Gewalten das Recht einseitiger Grenzziehung zukommen sollte.611 Dieser Ansicht ist zuzugeben, daß in der Tat der Grundgesetzgeber die Weimarer staatskirchenrechtliche Praxis nicht zur Gänze billigte und in einzelnen Punkten sich davon durch weitergehende Kirchenfreundlichkeit unterschied, so namentlich in der Frage des staatlichen Aufsichtsrechts über die Kirchen. 612 Ferner trifft es zu, daß der Staat in vielen Bereichen die vertragliche Übereinkunft mit den Kirchen sucht. Auf die Befugnis zu einseitiger Grenzziehung verzichtet er jedoch auch unter Geltung des Grundgesetzes nicht, 613 wie im übrigen in manchen Landesverfassungen ausdrücklich betont wird, so etwa in Hessen: Gem. Art 50 Abs. 1 hess.Verf ist es Aufgabe von

6 1 0

ZevKR 1 (1951), 1 (4).

6 1 1

Dazu Weber, NJW 1983, 2541 m.w.N.

6 1 2

Weber, Religionsgemeinschaften, S. 153. Siehe auch oben 3. Teil Β III 2 a cc.

6 1 3

So vor allem Quaritsch, Der Staat 1 (1962), 289 (307 f., 320). Dazu näher Weber, NJW 1983, 2541 f.

Die Verfassungsmäßigkeit der Militärseelsorge

Gesetz oder Vereinbarung, geneinander abzugrenzen.614

die staatlichen und kirchlichen Bereiche klar ge-

Die weit vorgeschobenen Positionen der Koordinationstheorie wurden schon wenige Jahre später zurückgenommen und man näherte sich in vielen Fragen der Weimarer Interpretation der Art 136 ff. WRV. 615 Soweit man einzelne Artikel neuinterpretierte, ist darin im übrigen weniger ein Bedeutungswandel zu sehen, sondern eher die Korrektur einer fehlerhaften Weimarer Auslegung.616 (2) In Richtung Trennung Bis in die Gegenwart hinein gibt es Stimmen, die einen Bedeutungswandel in die andere, kirchenunfreundlichere Richtung postulieren, einen Wandel in Richtung strengerer Trennung zwischen Staat und Kirche. Diese Auffassung beruft sich ebenfalls auf die Inkorporierung der Weimarer Kirchenartikel in das Grundgesetz und betont, daß Art. 135 WRV Alle Bewohner des Reichs genießen volle Glaubens- und Gewissensfreiheit. Die ungestörte Religionsausübung wird durch die Verfassung gewährleistet und steht unter staatlichem Schutz. Die allgemeinen Staatsgesetze bleiben hiervon unberührt. nicht übernommen worden sei. 617 Das Grundrecht der Religionsfreiheit sei in Art 4 GG gegenüber seinem Weimarer Vorläufer deutlich aufgewertet worden, zumal die Schranke der allgemeinen Staatsgesetze entfallen sei. Diese Stärkung gelte primär dem Individualgrundrechtsschutz, da die korporative Religionsfreiheit weiterhin der Schranke der allgemeinen Gesetze gem. Art. 140 GG i.V.m. Art 137 Abs. 3 S. 1 WRV unterliege. Daher komme der individuellen Religionsfreiheit - namentlich des Nicht-Kirchengläubigen der Vorrang vor der Kirchenfreiheit zu. Diesem Ansatz ist insoweit zuzustimmen, als die Grundrechte generell im Grundgesetz einen höheren Rang einnehmen als in der Weimarer Reichsver6 1 4 Siehe ferner Art. 9 Abs. 2 m-v.Verf; Art 32 Abs. 4 s-anh.Verf: Fragen von gemeinsamen Belangen können durch Vertrag geregelt werden. Möglich sind also auch einseitige staatliche Festsetzungen. 6 1 5

Dazu Weber, NJW 1983, 2541 ff.

6 1 6

Vgl. Weber, JuS 1967, 433 (439). - Häufig knüpft die herrschende Lehre nach 1949 an Positionen der Weimarer Mindermeinung an; so insbesondere in der Frage des staatlichen Aufsichtsrechts über die Kirchen; siehe dazu oben 3. Teil Β I I I 2 a cc. 6 1 7 Fischer, Trennung von Staat und Kirche, 3. Aufl., S. 160; ähnlich Obermayer, in: Bonner Kommentar, GG, Art. 140 Rdnr. 71.

D. Vorgaben des Art. 4 Abs. 1 und 2 GG

fassung, wo ihnen weithin kein Höchstrang zukam und sie gerichtlich kaum durchsetzbar waren, da sie im wesentlichen Programmcharakter hatten.618 An dieser Aufwertung nimmt auch das Grundrecht der Religionsfreiheit gem. Art. 4 Abs. 1 und 2 GG teil. Ein wesentlicher Aspekt dieser Aufwertung liegt aber darin, daß anders als in Weimar unter Geltung des Grundgesetzes der Grundrechtsschutz auch Personenmehrheiten zukommt.619 Der Schutz des Art. 4 GG gilt mithin gleichermaßen einzelnen wie den Religionsgemeinschaften, 620 ohne daß von einem Vorrangverhältnis gesprochen werden kann. 621 Konflikte sind vielmehr im Wege praktischer Konkordanz aufzulösen. Das vergrößerte Gewicht der Religionsfreiheit im Grundgesetz kann mithin einen Bedeutungswandel durch Inkorporation in Richtung strengerer Trennung nicht begründen. Im übrigen ist darauf hinzuweisen, daß die grundgesetzlichen Abweichungen von der Weimarer Vorgabe sich von dem Trennungsprinzip eher entfernten, denn sich ihm näherten: Erinnert sei etwa an die Präambel oder auch an die Fassung des Amtseides.622 bb) Verfassungswandel des grundgesetzlichen Staatskirchenrechts? Selbst wenn das Staatskirchenrecht sich 1949 noch weitgehend am Weimarer Vorbild orientiert hatte, wäre doch denkbar, daß nunmehr, beinahe ein halbes Jahrhundert später, die Auslegung dieser Normen einen Wandel erfahren hätte. So meinen in der Tat einige Autoren, einen derartigen Wandel - in Richtung strengerer Trennung von Staat und Kirche - feststellen zu können. Begründet wird dies mit dem "rechtserzeugenden Zeitgeist", dem "interpreta-

6 1 8 Dazu Stern, StaatsR I, § 6 II 1, S. 183; StaatsR III/l, § 61 II 3, S. 189; § 65 I 4, S. 491 ff.; § 7 2 1 3 , S. 1187 ff. 6 1 9

Die Geltung der Grundrechte für juristische Personen wurde in der Weimarer Literatur, soweit überhaupt erörtert - bei Anschütz, WRV, Komm., finden sich keinerlei Aussagen - , überwiegend abgelehnt. Dazu Stern, StaatsR l i m , § 71 II 5, S. 1093 f. 6 2 0

Dabei kann dahingestellt bleiben, ob der Schutz unmittelbar aus Art. 4 GG folgt (etwa Pieroth/SchlinK StaatsR II - Grundrechte, Rdnr. 571; wohl auch BVerfGE 24, 236 [245]; 83, 341 [354]) oder über Art. 19 Abs. 3 GG vermittelt wird (so BVerwGE 90, 112 [115]). 62 1

Mikat, FS Broermann, 755 (761, 767 f.).

6 2 2

Siehe oben 3. Teil D II 1 c aa (1) und (2).

Die Verfassungsmäßigkeit der Militärseelsorge

torische Kraft" zukomme, und der zu einer "Evolution des Verfassungsrechts" geführt habe.623 Nun ist ein Verfassungswandel nicht schlechterdings ausgeschlossen. Gesellschaftspolitische Realitäten können jedoch nicht mit Normänderungsakten gleichgesetzt werden. 624 Hinzu kommt, daß Kontinuität und Verläßlichkeit einer Verfassung eigene Werte sind, 625 die nicht zugunsten jeder Zeit- oder Modeströmung zurücktreten können.626 Soll ein Verfassungswandel daher nicht nur das Vehikel sein, politisch nicht durchsetzbare 627 Wünschbarkeiten de lege ferenda bereits in das geltende Recht hineinzulesen,628 ist er lediglich unter bestimmten Voraussetzungen anzunehmen: -

Im Normbereich müssen erhebliche Änderungen eingetreten sein,629 etwa ein Wandel der gesamten Rechtsordnung630 oder ein grundlegender Wertewandel.631

-

Die Änderung im Normbereich muß zur evidenten Unzulänglichkeit des bisherigen Normverständnisses führen. 632

-

Diesbezüglich muß breiter Konsens im Volk als dem pouvoir constituant 633 oder zumindest unter den beteiligten Verfassungsorganen 634 be-

6 2 3

Obermayer, in: Bonner Kommentar, GG, Art. 140 Rdnr. 70; Renck, BayVBl. 1988, 225 (229); nunmehr vorsichtiger ders., DÖV 1994, 27 (29). Vgl. ferner Müller-Volbehr, ZRP 1990, 345 (349). 6 2 4

Maunz, in: Maunz/Dürig, GG, Komm., Art. 140 Rdnr. 7.

6 2 5

Bryde, Verfassungsentwicklung, S. 262; Stern, StaatsR I, § 5 I I I 2, S. 161.

6 2 6

Bryde, Verfassungsentwicklung, S. 259; Larenz, Methodenlehre, S. 315.

6 2 7

Die Durchsetzung von Änderungen im grundgesetzlichen Staatskirchenrecht dürfte noch auf längere Sicht an dem Erfordernis einer Zweidrittelmehrheit gem. Art. 79 Abs. 2 GG scheitern. 6 2 8 Hesse, FS Scheuner, 123 (125); Lerche, FS Maunz I, 285 (290); Weber, JuS 1967, 433 (439). Vgl. auch Stern, StaatsR I, § 5 I I I 2, S. 162. 6 2 9

BVerfGE 2, 380 (401); 3, 407 (422); 7, 342 (351); Hesse, Grundzüge des Verfassungsrechts, Rdnr. 46; ders., FS Scheuner, 123 (138). 6 3 0

Larenz, Methodenlehre, S. 315, 352.

6 3 1

Bryde, Verfassungsentwicklung, S. 283; Larenz, Methodenlehre, S. 315.

6 3 2

Larenz, Methodenlehre, S. 350 f.

6 3 3

Bryde, Verfassungsentwicklung, S. 293.

6 3 4

Hesse, Grundzüge des Verfassungsrechts, Rdnr. 44.

D. Vorgaben des Art. 4 Abs. 1 und 2 GG

stehen. Eine schlicht verfassungswidrige Staatspraxis begründet freilich keinen Verfassungswandel. 635 -

Letzte Grenzen eines Verfassungswandels sind der Wortlaut und ausdrückliche Vorgaben des historischen Verfassungsgebers. 636

Diese Voraussetzungen liegen nicht vor. Es fehlt schon an der grundlegenden Änderung im Normbereich der grundgesetzlichen Staatskirchenartikel. So hat sich die staatskirchenrechtliche Ordnung in den letzten Jahrzehnten in ihren wesentlichen Punkten nicht geändert Im Gegenteil, sie wurde im Rahmen der einigungsbedingten Grundgesetzänderungen ausdrücklich bestätigt, indem alle auf Trennung zielenden Anträge mit großer Mehrheit abgelehnt wurden. 637 Der Inhalt der gescheiterten Trennungsvorschläge kann kaum allein unter Berufung auf einen ominösen "rechtserzeugenden Zeitgeist mit interpretatorischer Kraft" entgegen der expliziten Willensbekundung des Verfassungsgebers in die Verfassung hineingelesen werden. Die neuen Länderverfassungen weisen teils Aspekte stärkerer Trennung, teils Passagen besonderer Kirchenfreundlichkeit auf und bewegen sich insgesamt im Rahmen des Grundgesetzes und der Verfassungen der alten Bundesländer, ohne daß man in ihnen eine Entwicklung in Richtung weiterer Trennung von Staat und Kirche erkennen könnte.638 Im übrigen wurde die Kirchensteuer, ein Charakteristikum deutschen Staatskirchenrechts, im Rahmen des Einigungsvertrages sofort auf die neuen Bundesländer ausgedehnt.639 Ein gewisser Wertewandel ist sicherlich zu beobachten und führt auch durchaus zu einem erhöhten Legitimationsdruck des derzeitigen staatskirchenrechtlichen Systems.640 Noch handelt es sich aber nicht um einen fundamentalen Wandel. So gibt es innerhalb der Politik zwar gelegentliche Vorstöße in Richtung strikterer Trennung. 641 Die Mehrheit betont jedoch weiterhin die große Wert6 3 5

BVerfGE 45, 1 (33).

6 3 6

Bryde, Verfassungsentwicklung, S. 272; Hesse, FS Scheuner, 123 (139).

6 3 7

BT-Dr. 12/6000, S. 106 ff.

6 3 8

Näher oben 3. Teil C H I 2.

6 3 9

Ani. I I Kap. I V Abschn. I Nr. 5 EinigungsV; siehe dazu die Erläuterung der Bundesregierung, BT-Dr. 11/7817, S. 126 ff.; Weber, ZevKR 36 (1991), 253 (255). 6 4 0 6 4 1

Dazu Isensee, Essener Gespräche 25 (1991), 104 (116 ff.).

Zu nennen sind vor allem das seinerzeit Aufsehen erregende FDP-Kirchenpapier von 1974 (dazu Funcke, in: Kaack [Hrsg.], Geschichte und Programmatik der FDP, S. 201 ff.) sowie ähnliche Forderungen der Julis (dazu Göbel, ZRP 1990, 189 ff.), von Bündnis 90/Griine (dazu Göbel aaO;

Die Verfassungsmäßigkeit der Militärseelsorge

Schätzung, die man den Kirchen entgegenbringe.642 Auch die politische Praxis knüpft an die letzten Jahrzehnte an; bis in die Gegenwart werden etwa durchaus kirchen- und religionsfreundliche Kirchenverträge geschlossen.643 Im übrigen wurden die in der Verfassung angelegten Möglichkeiten verstärkter Trennung trotz entsprechender Forderungen bis heute nicht genutzt - weder die staatliche Einziehung der Kirchensteuer noch die staatliche Organisation von Anstalts- und Militärseelsorge noch die Fortführung der Staatsleistungen sind zwingende verfassungsrechtliche Vorgaben, und doch wird am status quo festgehalten. Die Rechtsprechung, namentlich das Bundesverfassungsgericht und die übrigen Bundesgerichte, hält an der bisherigen kirchenfreundlichen Linie fest. 644 Dies gilt auch für gesellschaftlich umstrittene Bereiche, wie etwa in der Frage kirchlichen Arbeitsrechts. 645 Das Bundesverfassungsgericht hat zwar in einem Fall einen Verfassungswandel auf dem Gebiet des Staatskirchenrechts bejaht:646 So lasse Art. 7 Abs. 3 GG es zu, Veränderungen der Lebenswirklichkeit Rechnung zu tragen. Wenngleich man früher davon ausgegangen sei, daß nur konfessionsangehörige Schüler am jeweiligen Religionsunterricht teilnähmen, bestehe nunmehr vor dem Hintergrund neuer von den Kirchen festgestellter religionspädagogischer Ansätze die Möglichkeit der Teilnahme konfessionsfremder Schüler, solange die Prägung des Religionsunterrichts als konfessionsgebundene Veranstaltung nicht verloren gehe. Dieser Häfher, BT-Plenarprot. 11/17822 B; Ulimann, BT-Dr. 12/6000, S. 108 f.) und der PDS (BT-Dr. 12/6570). 6 4 2

Vgl. etwa Schmude (SPD), BT-Plenarprot. 11/3317 D; Vogel (SPD), BT-Plenarprot. 11/13019 B; Wilms (CDU/CSU), BT-Plenarprot. 17523 C, D; Uniner (CDU/CSU), BT-Plenarprot. 11/6840 D; Blüm (CDU/CSU), BT-Plenarprot. 11/3683 A. 6 4 3

In Nordrhein-Westfalen etwa die "Düsseldorfer Verträge" vom 26. bzw. 29.03.1984 mit dem Heiligen Stuhl und den evangelischen Landeskirchen (GVB1. 583 ff.; dazu Dehnen/Winterhoff, ZevKR 39 [1985], 29 ff.) und ein Vertrag mit der jüdischen Gemeinde vom 01.12.1992 (LTDr. 11/4949), welche u.a. die staatlichen Leistungen bestätigen bzw. begründen. Zu weiteren Kirchenverträgen siehe Hollerbach, HdbStKirchR I, 2. Aufl., 253 (261 ff.), zu Kirchenverträgen der neuen Länder v. Campenhausen, NVwZ 1995, 757 ff. 6 4 4 Ob in dem gleichermaßen umstrittenen wie mißverständlichen sog. Kruzifix-Beschluß des BVerfG (EuGRZ 1995, 359 ff.) eine Trendwende zu sehen ist, bleibt abzuwarten. 6 4 5

Zwar gilt das staatliche Arbeitsrecht, aber die kirchlichen Besonderheiten sind wegen Art. 137 Abs. 3 WHV maßgeblich zu berücksichtigen; Verletzungen kirchlicher Loyalitätspflichten, deren Inhalt und Reichweite von den Kirchen festgelegt werden, sind Kündigungsgründe; es gibt keine Personalvertretung nach dem BetrVG und kein Zutrittsrecht für Gewerkschaften. So BVerfGE 46, 73 (74); 57, 220 (248); 70, 138 (139); BAG, NZA 1991, 977 (978), NJW 1994, 3032 (3033). Aus der Literatur etwa zustimmend Spengler, NZA 1987, 833 ff.; kritisch Struck, NZA 1991, 249 ff. 6 4 6

BVerfGE 74, 244 (254).

D. Vorgaben des Art. 4 Abs. 1 und 2 GG

251

punktuelle Verfassungswandel wurzelt damit letztlich in einem Wandel innerhalb des kirchlichen Bereichs. Er entzieht sich mithin jeder Verallgemeinerung und kann die These eines generellen Verfassungswandels im Staatskirchenrecht nicht stützen. Neben der ersten fehlen auch die weiteren der oben genannten Voraussetzungen für einen Verfassungswandel. Die inkorporierten Normen des Art 140 GG sind auch in ihrem bisherigen Verständnis in der Lage, die - ohnehin kaum vorhandenen - staatskirchenrechtlichen Probleme zu lösen, also nicht evident unzulänglich. Schließlich besteht auch kein Konsens in bezug auf das Vorliegen eines Verfassungswandels. Ein Bedeutungs- oder gar Verfassungswandel in Richtung strengerer Trennung von Staat und Kirche ist somit zu verneinen. f) Zusammenfassung: Objektiv-rechtliche der Religionsfreiheit

Vorgaben

Schon die grammatische und historische Interpretation deuten darauf hin, daß Art 4 GG nicht die strikte Trennung von Staat und Kirche als Grundsatz des grundgesetzlichen Staatskirchenrechts vorgibt, sondern vielmehr der Religionsfreiheit positiven Raum schaffen will. Diese Hinweise werden verstärkt durch das Ergebnis der systematischen Interpretation: Eine Reihe von Verfassungsnormen ist durch die unbefangene Nähe des Staates zur Religion 647 und die Vorgabe kooperativen Miteinanders mit den Religionsgemeinschaften geprägt (so z.B. die Präambel, Art 7 Abs. 3 und 4, Art 56, 140 GG i.V.m. Art 137 Abs. 5 und 6 WRV). Vor allem bietet die Verfassung den Religionsgemeinschaften Vergünstigungen, die über das zur Sicherung der Religionsfreiheit erforderliche Maß weit hinausreichen (etwa Art. 7 Abs. 3, Art 140 GG i.V.m. Art 137 Abs. 5 und 6 WRV). 648 Demgegenüber findet sich im Grundgesetz keine in der Praxis relevante Trennungsanordnung. Sinn und Zweck des Art. 4 GG ist die umfassende und nachhaltige Sicherung der Religionsfreiheit. Eine möglichst weitreichende Trennung von Staat und Kirche ist jedoch weder geeignet noch notwendig, die (individuelle) Religionsfreiheit zu optimieren. Die Sicherung der Religionsfreiheit verlangt vom Staat zuvörderst, die subjektiv-rechtlichen Verbürgungen der Verfassung 6 4 7

Wo diese unbefangene Nähe fehlt, führt eine mißverstandene Neutralität zu den ungewöhnlichsten Auswüchsen: In Kalifornien entschied ein Gericht entsprechend eines Antrages der Organisation "Amerikaner für die Trennung von Kirche und Staat", daß Gipfelkreuze auf Bergen die religiöse Neutralität des Staates verletzten und entfernt werden müßten; WAZ Nr. 87 vom 15.04.1993, S. 3. 6 4 8

Vgl. Isensee, Essener Gespräche 25 (1991), 104 (112 f.).

252

Die Verfassungsmäßigkeit der Militärseelsorge

zu achten. Der Abwehrgehalt des Grundrechts der Religionsfreiheit ist damit zugleich objektiv-rechtliche Vorgabe für den Staat und beschreibt die äußerste Grenze zulässigen Staatshandelns im religiösen Bereich. Mit dieser äußersten Grenze eng verknüpft ist das Verbot der Staatskirche. Um der individuellen und kollektiven Religionsfreiheit willen darf der Staat, der Heimstatt aller Bürger gleich welchen Bekenntnisses sein will, weder eine Staatskirche noch eine Staatsreligion etablieren, wie in Art 137 Abs. 1 WRV ausdrücklich hervorgehoben wird. Mit dem grundgesetzlichen Verständnis von Religionsfreiheit sind aber nur die historischen staatskirchlichen Formen, ferner das in den Zeiten der Staatskirchenhoheit wurzelnde und bis 1945 in Anspruch genommene staatliche Aufsichtsrecht in innerkirchlichen Angelegenheiten sowie jegliche staatliche Einflußnahme auf kirchliche Inhalte unvereinbar. 649 Gefordert ist die Scheidung der Zuständigkeiten von Staat und Kirche, 650 d.h. die Scheidung in der Wurzel. In diesem beschränkten Sinne ist daher - wie sich bereits in der historischen und systematischen Auslegung des Art 137 Abs. 1 WRV andeutete - das Staatskirchenverbot zu verstehen.651 Diese Restriktion gilt zugleich für den zur Interpretation des Art 137 Abs. 1 WRV herangezogenen Hilfsbegriff des "Verbotes jeglicher institutionellen Verbindungen von Staat und Kirche", der sich auf die für das landesherrliche Kirchenregiment charakteristischen Verbindungen bezieht. Im übrigen wird damit dieser Begriff, der in den letzten Jahrzehnten eine ungeheure Eigendynamik entwickelt hat, auf denjenigen Bedeutungsgehalt zurückgeführt, den ihm seine Erstverwender ursprünglich beigelegt haben.652 Durch den grundrechtlichen Abwehrgehalt dirigierte staatliche Passivität im Sinne eines Nicht-Eingreifens - genügt jedoch nicht zur optimalen Gewährleistung der Religionsfreiheit. Geboten und zum Teil in der Verfassung ausdrücklich angelegt sind bisweilen aktive freiheitssichernde und -fördernde Vorkehrungen im kooperativen Zusammenwirken mit den Kirchen. Aus dem Abwehrgehalt der Religionsfreiheit und des Gleichheitsgrundsatzes gem. Art. 3 Abs. 1 und 3 GG ist der Staat dabei zur Gleichbehandlung der einzelnen Religions- und Weltanschauungsgemeinschaften und ihrer (Nicht-) An6 4 9

Maunz, BayVBl. 1988, 231 (232).

6 5 0

BVerfGE 74, 244 (251).

6 5 1

Siehe auch BayVerfGHE 21,153 (156); Meder, Bay.Verf, Komm., Art. 142 Rdnr. 1.

6 5 2 Forsthoff,i Öffentliche Körperschaft, S. 112; Anschütz, WRV, Komm., Art 137 Eri. 1, S. 631. In diesem Sinne auch Hollerbach, der das Verbot institutioneller Verbindungen auf Verbindungen "im inneren Verfassungsrechtskreis" beschränkt und ausdrücklich gegen die Mißdeutung Stellung bezieht, die Militärseelsorge könnte von dem Verbot erfaßt sein ( W D S t R L 26 [1968], 57 [62]; HdbStKirchR I, 1. Aufl., 215 [254]; HdbStR VI, § 138 Rdnr. 112 Fußn. 245: gegen W.Huber, Kirche und Öffentlichkeit, S. 264).

D. Vorgaben des Art. 4 Abs. 1 und 2 GG

253

hänger gehalten. Die subjektiv-rechtliche Dimension der Religionsfreiheit bedingt damit zugleich den staatskirchenrechtlichen Grundsatz der Parität. Aber auch die sorgsame Beachtung des Paritätsgebotes verhindert nicht, daß jede staatliche Ingerenz in den religiösen Bereich, insbesondere durch Förderungsmaßnahmen, den freien Wettbewerb der Religionsgemeinschaften untereinander und gegen ihre weltanschaulichen oder laizistischen Gegenströmungen verzerren kann. Der Staat will und soll aber in diesem Wettbewerb neutral sein, ohne sich mit einer der Religions- oder Weltanschauungsgemeinschaften zu identifizieren. Dies schließt gleichermaßen eine Parteinahme zugunsten laizistischer Gegenströmungen aus: Neutralität bedeutet weder Indifferenz noch Laizismus.653 Ebensowenig führt jedes einer Religionsgemeinschaft zugutekommende staatliche Tun dazu, daß der Staat für sie Partei ergreift oder sich gar mit ihr identifiziert. 654 Immerhin ist der Staat zwecks Vermeidung von Wettbewerbsverzerrungen - schon bei Maßnahmen unterhalb der grundrechtlichen Eingriffsschwelle - zur Zurückhaltung verpflichtet, wobei das Gebot zur Zurückhaltung durch das Verhältnismäßigkeitsprinzip ausgefüllt werden kann. Damit lassen sich aus der Religionsfreiheit folgende objektiv-rechtliche Vorgaben für staatliches Handeln im religiösen Bereich ableiten: -

die Achtung des Abwehrgehaltes der Religionsfreiheit,

-

das eng zu verstehende Verbot der Staatskirche,

-

das Gebot der Parität,

-

die in den Geboten der Neutralität und Nichtidentifikation wurzelnde Pflicht zur Zurückhaltung auch bei Maßnahmen unterhalb der grundrechtlichen Eingriffsschwelle, welche durch das Verhältnismäßigkeitsprinzip ausgefüllt werden kann.

Da die genannten Ge- und Verbote der Terminologie nach im wesentlichen unbestritten sind, in der Reichweite ihrer Bedeutung aber eine enorme Eigendynamik entwickelt haben, sei nochmals betont: Ihr Bedeutungsgehalt reicht nicht weiter als der Abwehrgehalt der Religionsfreiheit und die beschriebene Pflicht zur Zurückhaltung. Sie lassen sich 6 5 3 Maunz, in Maunz/Dürig, GG, Komm., Art. 140 Rdnr. 52; v. Campenhausen, in: v. Mangoldt/Klein, GG, Komm., Art. 140 Rdnr. 25; Mikat, FS Broermann, 755 (765); Müller, DÖV 1969, 441 ff. 6 5 4 Maunz, in Maunz/Dürig, GG, Komm., Art. 140 Rdnr. 45; Schiaich, Neutralität, S. 168 f.; Robbers, HdbStKirchR I, 2. Aufl., 867 (873); Weber, ZevKR 36 (1991), 253 (258); ders., NJW 1983, 2543. Vgl. auch BVerfGE 45, 7 (57); EuGRZ 1995, 359 (363).

Die Verfassungsmäßigkeit der Militärseelsorge

254

nicht im Sinne eines Grundsatzes strikter Trennung von Staat und Kirche abstrahieren. Das Grundgesetz kennt einen derartigen Grundsatz, der nur eine beschränkte Zahl von ausdrücklich in der Verfassung vorgesehenen Ausnahmen zuließe, gerade nicht. 655 Vielmehr bilden sämtliche staatskirchenrechtliche Aussagen der Verfassung eine gleichermaßen komplexe wie einheitliche Gesamtregelung, die sich der Vereinfachung im Sinne einer Regel-AusnahmeStruktur entzieht.656 Auch ein anderslautender Verfassungswandel ist nicht zu verzeichnen. Dies bedeutet für die Auslegung des Art. 141 WRV: Die "Zulassung" ist - wie sich schon in der grammatischen, historischen und systematischen Interpretation des Art. 141 WRV abgezeichnet hat - nicht als Obergrenze, sondern als Mindeststandard zulässigen staatlichen Handelns im Bereich der Militär- und Anstaltsseelsorge zu verstehen. 2. Vereinbarkeit des staatlichen Engagements im Bereich der Militärseelsorge mit den objektiv-rechtlichen Vorgaben der Religionsfreiheit

a) Achtung des Abwehrgehaltes der Religionsfreiheit Wie bereits dargestellt, 657 trägt die Ausgestaltung der staatlichen Mitwirkung im Bereich der Militärseelsorge sowie des Lebenskundlichen Unterrichts den aus dem Abwehrgehalt der Religionsfreiheit resultierenden Erfordernissen Rechnung. b) Verbot der Staatskirche und Verbot institutioneller zwischen Staat und Kirche

Verbindungen

Der Vorwurf der Verfassungswidrigkeit der Militärseelsorge wurzelt häufig in der Verbeamtung der Militärgeistlichen und in dem (auch) staatlichen Charakter des Evangelischen Kirchenamtes für die Bundeswehr resp. des Katholischen Militärbischofsamtes: Darin sei eine unzulässige institutionelle Verflechtung zwischen Staat und Kirche und damit eine gegen Art 4, 140 GG

6 5 5

Maunz, in: Maunz/Dürig, GG, Komm., Art. 140 Rdnr. 52.

6 5 6

v. Campenhausen, in: v. Mangoldt/Klein, GG, Komm., Art. 140 Rdnr. 36; Hollerbach, HdbStR VI, § 138 Rdnr. 91; Scheuner, HdbStKirchR I, 1. Aufl., 5 (66); Link, BayVBl. 1966, 297 (301); Maunz, BayVBl. 1988, 231 (233). 6

Siehe oben 3. Teil

D .

D. Vorgaben des Art. 4 Abs. 1 und 2 GG

255

i.V.m. Art 137 Abs. 1 WRV verstoßende staatskirchliche Einrichtung zu sehen.658 Das Verbot der Staatskirche und das damit einhergehende Verbot institutioneller Verbindungen von Staat und Kirche zielen jedoch auf die staatliche Verwaltung innerkirchlicher Angelegenheiten, wie sie bis 1919 in Form des landesherrlichen Kirchenregiments und bis 1945 in Form der staatlichen Aufsicht innerkirchlichen Wirkens zu beobachten war. Gesichert werden soll die Scheidung von Staat und Kirche in der Wurzel. 659 Davon unberührt bleiben Felder zulässigen Zusammenwirkens von Staat und Kirche einschließlich ihrer organisatorischen Ausgestaltung, sofern nur staatlicher und kirchlicher Zuständigkeitsbereich voneinander geschieden bleiben. Einige Bereiche dieses Zusammenwirkens sind in der Verfassung ausdrücklich anerkannt: Zu nennen sind der Religionsunterricht an staatlichen Schulen oder die staatliche Einziehung der Kirchensteuer; auf landesverfassungsrechtlicher Ebene kommen etwa die theologischen Fakultäten hinzu. 660 Der Staat sorgt gem. Art. 2 Abs. 2 MSV für den organisatorischen Aufbau der Militärseelsorge und trägt ihre Kosten. Dies allein begründet freilich nicht die Etikettierung der Militärseelsorge als staatliche Einrichtung. Es fehlt jedes den historischen staatskirchlichen Formen entsprechende staatliche Hineinwirken in den innerkirchlichen Bereich, da weder Staatsbeamte in ihrer staatlichen Funktion kirchliche Aufgaben erfüllen noch der Staat Einfluß auf die Inhalte der Militärseelsorge nimmt. Die staatliche Organisation der Militärseelsorge steht somit im Prinzip neben der kirchlichen Organisation - verbunden lediglich durch die Personenidentität der jeweiligen Amtsinhaber. Dies bedeutet, daß sich die Verantwortungfelder von Staat und Kirche zwar ergänzen, nicht aber überschneiden. Die Scheidung beider Bereiche wird mithin nicht aufgehoben. 661

6 5 8

Siehe oben 3. Teil A I I .

6 5 9

v. Campenhausen, in: v. Mangoldt/Klein, GG, Komm., Art. 140/137 WRV Rdnr. 4; Höllerbach, HdbStKirchR I, 1. Aufl., 215 (252); ders., HdbStR VI, § 138 Rdnr. 111; Unk, BayVBl. 1966, 297 (301). 6 6 0 66 1

v. Campenhausen, in: v. Mangoldt/Klein, GG, Komm., Art. 140/137 W R V Rdnr. 4.

v. Busse, Gemeinsame Angelegenheiten, S. 233; Hollerbach, HdbStR VI, § 138 Rdnr. 112 Fußn. 245.

256

D i e Verfassungsmäßigkeit der Militärseelsorge

Der Beamtenstatus und die übrige staatliche organisatorische Mitwirkung im Rahmen der Militärseelsorge verletzen daher nicht das Verbot der Staatskirche gem. Art. 4, 140 GG i.V.m. Art. 137 Abs. 1 WRV. 6 6 2 c) Gebot der Parität Das staatskirchenrechtliche Gebot der Parität wurzelt im allgemeinen Gleichbehandlungsgrundsatz des Art 3 Abs. 1 GG sowie in Art 4 Abs. 1 und 2 GG. Danach ist nicht geboten, daß der Staat alle Religionsgemeinschaften schematisch gleichbehandelt. Vielmehr sind Differenzierungen zulässig, die durch tatsächliche Verschiedenheit der einzelnen Religionsgemeinschaften bedingt sind. Differenzierungskriterien sind insbesondere die Größe und die damit verbundene soziale Bedeutung der Religionsgemeinschaft, nicht aber die Tradition. Wie oben dargelegt, richtet sich das Ausmaß staatlicher Unterstützung nach der Anzahl der Religionsangehörigen innerhalb der Bundeswehr, worin ein zulässiges Differenzierungskriterium zu sehen ist. 663 d) Die in den Geboten der Neutralität und Nichtidentifikation wurzelnde Pflicht zur Zurückhaltung bei staatlichen Ingerenzen in den religiösen Bereich -Verhältnismäßigkeitsprinzip Vor dem Hintergrund der Gebote der Neutralität und Nichtidentifikation ist der Staat bei Ingerenzen in den religiösen Bereich zur Zurückhaltung verpflichtet, um den freien Wettbewerb der Religions- und Weltanschauungsgemeinschaften nicht zu verfälschen. Die Pflicht zur Zurückhaltung wird im wesentlichen durch das Verhältnismäßigkeitsprinzip ausgefüllt. Wettbewerbsvorteile können evangelischer und katholischer Kirche namentlich durch das beträchtliche Ausmaß der staatlichen finanziellen und (geldwerten) organisatorischen Unterstützung erwachsen, ferner durch die Betrauung ihrer Geisüichen mit der Durchführung des Lebenskundlichen Unterrichts, wodurch zusätzliche Möglichkeiten kirchlicher Einwirkung auf die Soldaten eröffnet werden. Aber nicht jede staatliche Maßnahme auf dem Gebiet der Militärseelsorge bedroht die Freiheit des religiösen Wettbewerbs. So dürfte etwa die rechtliche Qualifizierung des Anstellungsverhältnisses der Militärgeistlichen - anders als der Umstand ihrer staatlichen Finanzierung wettbewerbsneutral bleiben. Entsprechendes gilt für die Organisation der Militärseelsorge insgesamt: Die Wettbewerbsverzerrung wäre nicht geringer, 6 6 2 Vgl. V. Campenhausen, in: v. Mangoldt/Klein, GG, Komm., Art. 140/141 WRV Rdnr. 17; Seiler, HdbStKirchR II, 1. Aufl., 685 (690). 6 6 3

Siehe oben 3. Teil D I 3.

D. Vorgaben des Art. 4 Abs. 1 und 2 GG

257

wenn es sich um eine rein kirchliche Organisation handelte, die aber staatlich finanziert wäre. Daher sind vornehmlich die staatliche Finanzierung und der Lebenskundliche Unterricht an den Maßstäben des Verhältnismäßigkeitsprinzips zu messen. Dem Gebot der Verhältnismäßigkeit wohnen drei Teilinhalte inne: 664 Geeignetheit, Erforderlichkeit und Angemessenheit665 . Manche ordnen dem Verhältnismäßigkeitsgebot noch einen vierten, vorrangig zu überprüfenden Teilinhalt zu: die Legitimität des erstrebten Zieles.666 Andere Autoren meinen zwar, daß der Gedanke der Verhältnismäßigkeit die Legitimtät des Zwecks dahinstehen läßt. 667 Aber auch sie bestreiten nicht, daß dann vor der eigentlichen Verhältnismäßigkeitsprüfung eine Bewertung des Ziels vorzunehmen ist. 668 aa) Legitimer Zweck Jedes staatliche Handeln bedarf der Rechtfertigung durch einen das Gemeinwohl konkretisierenden Zweck. Hintergrund dieses Legitimationsdrucks ist letztlich Art 1 Abs. 1 S. 2 GG, der alle staatliche Gewalt zur Achtung und zum Schutz der Würde des Menschen verpflichtet. 669 Rechtfertigungsbedürftig sind insbesondere Eingriffe des Staates in Freiheit und Eigentum. Die Notwendigkeit der Legitimation staatlicher Maßnahmen besteht aber auch im Eingriffsvorfeld, wie dies bereits für die Bereiche von Wirtschaft, Parteien, Presse und Kunst angedeutet wurde. 670 Die staatliche Mitwirkung an der Militärseelsorge muß also durch Gemeinwohlzwecke legitimiert sein. 6 6 4 Stern, StaatsR I, § 20 I V 7, S. 861 f.; ders., StaatsR III/2, § 84 I I 1, S. 775; Jarass, in: Jarass/Pieroth, GG, Komm., Art. 20 Rdnr. 58. 6 6 5

Anstelle des Terminus "Angemessenheit" werden auch die Termini "Verhältnismäßigkeit (i.e.S.)", "Proportionalität" (z.B. Stern, StaatsR III/2, § 84 I I 4, S. 782; Dechsling, Verhältnismäßigkeitsgebot, S. 7) oder "Zumutbarkeit" (so v. Münch, in: v. Münch/Kunig, GG, Komm., Vorb. Art. 1 Rdnr. 55) verwendet. 6 6 6 v. Münch, in: v. Münch/Kunig, GG, Komm., Vorb. Art 1 Rdnr. 55; Pieroth/Schlink, StaatsR II - Grundrechte, Rdnr. 300. 6 6 7

Isensee, Subsidiaritätsprinzip, S. 91.

6 6 8

Isensee, aaO.; Degenhart, StaatsR I, Rdnr. 327. Vgl. auch Stern, StaatsR III/2, 84 Π 2,

S. 777. 6 6 9

Vgl. Isensee, Subsidiaritätsprinzip, S. 271, 278; Dechsling, Verhältnismäßigkeitsprinzip,

S. 98 f. 6 7 0

Siehe oben 3. Teil D II 1 d cc (2) (a) (ee).

17 Ennuschat

258

Die Verfassungsmäßigkeit der Militärseelsorge

( 1 ) Kompensation faktischer Verkürzungen der Religionsfreiheit Die Zielrichtung des staatlichen Engagements im Bereich der Militärseelsorge ist in der Präambel des Militärseelsorgevertrages vorgegeben: Es geht um die Gewährleistung der freien religiösen Betätigung der Bundeswehrangehörigen und die Sicherung der Ausübung der Seelsorge in der Bundeswehr.671 Militärseelsorge hat damit zuvörderst eine grundrechtliche Dimension - die Förderung der Religionsfreiheit. Dies lenkt den Blick zunächst auf die grundsätzliche Frage, inwieweit es dem Staat obliegt oder ihm zumindest gestattet ist, die Ausübung grundrechtlicher Freiheiten fördernd zu unterstützen.672 Insoweit ist die überwiegende Ansicht zwar sehr zurückhaltend, was die Bejahung staatlicher Pflichten betrifft. Noch größere Vorsicht gilt der Anerkennung korrespondierender subjektiver Rechtspositionen der Grundrechtsträger. 673 Davon unberührt bleibt nach vorherrschender Ansicht aber die staatliche Berechtigung zu fördernden Maßnahmen.674 Diese Form der Förderung bezieht sich quasi auf ein "Mehr" an Freiheit, das über den grundrechtlichen Mindeststandard hinausreicht. Demgegenüber dient die staatliche Unterstützung der Militärseelsorge dem Ziel, ein bundeswehrbedingtes "Weniger" an (Religions-)Freiheit durch staatliche Kompensationsmaßnahmen auszugleichen. So erfährt die Religionsfreiheit im Bereich der Bundeswehr einige faktische Beschränkungen. Zwar sind im Regelfall die Abende, Wochenenden und Feiertage dienstfrei, so daß dem privaten religiösen Engagement des Soldaten keine dienstlichen Hürden entgegenstehen. Überdies ist ihm im Falle von Wochenenddienst grundsätzlich Gelegenheit zu geben, die (zivilen) Gottesdienste zu besuchen.675 Darüber hinaus steht jedem Soldaten das Recht zu, sich auch im Dienst religiös zu betätigen.676 Gleichwohl bleibt eine faktische Verkürzung der Religionsfreiheit. Dies gilt schon für den normalen Dienst dem Gottesdienstbesuch während der Dienstzeit (insbesondere am Wochen-

6 7 1

In diesem Sinne auch ZDv 66/1 Nr. 1.

6 7 2

Dazu Schiaich, Neutralität, S. 216 f.

6 7 3

Dazu etwa v. Münch, in: v. Münch/Kunig, GG, Komm., Vorb. Art. 1, Rdnrn. 18 ff.

6 7 4

Etwa Starck, in: v. Mangoldt/Klein, GG, Komm., Art. 5 Rdnr. 183; Jarass, in: Jarass/ Pieroth, GG, Komm., Art. 5 Rdnrn. 66, 71; Wendt, in: v. Münch/Kunig, GG, Komm., Art. 5 Rdnr. 94; Schiaich, Neutralität, S. 186; Robbers, HdbStKirchR I, 2. Aufl., 867 (873 ff.); Weber, ZevKR 36 (1991), 253 (262). 6 7 5

Vgl. § 3 6 S . 1 SG; ZDv 66/1 Nr. 31.

6 7 6

§ 36 S. 1 SG; ZDv 66/1 Nr. 31.

D. Vorgaben des Art. 4 Abs. 1 und 2 GG

259

ende) können dienstliche Gründe, etwa Personalmangel, entgegenstehen. Vor allem aber sind die Möglichkeiten (ziviler) religiöser Betätigung im Manöver, auf hoher See, im Auslandseinsatz und namentlich im Ernstfall erheblich eingeschränkt. Darauf wurde im übrigen bereits in der Weimarer Nationalversammlung hingewiesen.677 Die faktische Verkürzung der Religionsfreiheit im Bereich der Streitkräfte ist von Verfassungs wegen nicht intendiert. 678 Zwar sind einige Grundrechte für Bundeswehrangehörige durch Art 17a Abs. 1 GG beschränkt. Die Religionsfreiheit ist in Art 17a Abs. 1 GG jedoch nicht genannt Auch das Sonderrechtsverhältnis, in dem sich die Soldaten befinden, rechtfertigt als solches nicht den Entzug oder die Beschränkung von Grundrechten. 679 Dies ergibt sich schon aus der umfassenden und ausnahmslosen Bindung der öffentlichen Gewalt an die Grundrechte gem. Art 1 Abs. 3 GG. Im übrigen verdeutlicht Art. 45b GG, wonach "zum Schutz der Grundrechte" ein Wehrbeauftragter berufen wird, daß die Grundrechte auch im Soldatenstatus gelten. Vor diesem Hintergrund könnte man sogar daran denken, daß dem Staat auferlegt ist, durch freiheitsausweitende Aktivitäten die faktische Verkürzung der Religionsfreiheit zu kompensieren.680 Gegen die Annahme einer derartigen Pflicht zur aktiven Mitwirkung an der Militärseelsorge spricht allerdings der historische Wille des (Weimarer) Verfassungsgebers, der sich gerade gegen eine verfassungsrechtliche Festschreibung staatlicher Aktivitäten entschieden hat. Letztlich kann diese Frage aber dahinstehen: Aus der - verfassungsrechtlich nicht intendierten - faktischen Verkürzung der Religionsfreiheit im Bereich der Streitkräfte folgt jedenfalls, daß (freiwillige) staatliche Aktivitäten, die der Kompensation unerwünschter Freiheitsverluste dienen, einen legitimen Zweck verfolgen. (2) Verfolgung staatlicher Interessen Gem. ZDv 66/1 Nr. 1 ist die Militärseelsorge der von den Kirchen geleistete, vom Staat gewünschte und unterstützte Beitrag zur Sicherung der freien

6 7 7

Gröber (Zentrum), Nat.Vers.-Steno, Bd. 336, 521.

6 7 8

Loschelder, Bes. Gewaltverhältnis, S. 435, 443.

6 7 9

Zur Geltung von Grundrechten in Sonderrechtsverhältnissen (bzw. nach früherer Terminologie: in besonderen Gewaltverhältnissen) siehe BVerfGE 33, 1 (9 ff.); 39, 334 (366); 47, 46 (80); v. Münch, in: v. Münch/Kunig, GG, Komm., Vorb. Art. 1 Rdnrn. 59 ff.; Stern, StaatsR I, § 11 I V 4, S. 378; ders., StaatsR III, § 74 III, S. 1376 ff. IÏLW.N. 6 8 0

17*

Etwa Loschelder, Bes. Gewaltverhältnis, S. 435 f., 443 f.; ders., FS Hengsbach, 784 f.

260

Die Verfassungsmäßigkeit der Militärseelsorge

religiösen Betätigung in den Streitkräften. 681 Der staatliche Wunsch mag primär der Sicherung der Religionsfreiheit gelten - gleichwohl liegt die Vermutung nicht völlig fern, daß der Staat nicht ganz uneigennützig handelt, vielmehr mit seiner Unterstützung für die Militärseelsorge, die ihm immerhin über 50 Mio. DM pro Jahr wert ist, sich auch eigene Wünsche erfüllen will. So halten Gegner der Militärseelsorge dem Staat vor, er verfolge mit der Einrichtung der Militärseelsorge zugleich den Zweck, die Kampfkraft der Bundeswehr zu erhöhen. 682 Die Bundeswehrführung hat dies stets bestritten. Aber selbst wenn der Staat insgeheim doch (auch) militärspezifische Zielvorstellungen im Sinn haben sollte, handelte es sich dabei durchaus um ein legitimes staatliches Interesse. Dies mag, gerade vor dem Hintergrund eines verbreiteten Pazifismus, auf politische Bedenken stoßen oder gar anrüchig klingen. Das staatliche Ziel, die Verteidigungsbereitschaft und Kampfkraft der Bundeswehr zu sichern, stößt eben nicht auf ungeteilte Zustimmung in der Gesellschaft. Der möglicherweise fehlende gesellschaftliche Konsens läßt die verfassungsrechtliche Legitimität - Art. 87a Abs. 1 S. 1 GG - jedoch unberührt. Im übrigen wird kaum jemand die Seelsorge in Justizvollzugsanstalten dadurch diskreditiert sehen, daß der Staat sich von ihr auch erhofft, die gesellschaftliche Wiedereingliederung von Straffälligen zu fördern. 683 Eingestandenermaßen verfolgt der Staat eigene Interessen im Bereich des Lebenskundlichen Unterrichts, der zwar von der eigentlichen Militärseelsorge zu unterscheiden, aber doch in ihrem Zusammenhang zu sehen ist. 684 Die Bundeswehr erhofft sich, daß durch den Unterricht der "Wert des Soldaten", der durch mehr als nur fachliches Können bestimmt sei, gefördert werde (ZDv 66/2 Nr. 1). Wenn der Staat schon nicht die Militärseelsorge insgesamt in den Dienst seiner (militärischen) Ziele stellt, so doch zumindest den Lebenskundlichen Unterricht. Ohnehin dient nicht jede Einzelmaßnahme auf dem Gebiet der Militärseelsorge primär der Förderung der Religionsfreiheit. So kommt die Verbeamtung der Militärgeistlichen in erster Linie dem staatlichen Interesse an deren rei6 8 1

Ebenso das vom Bundesministerium der Verteidigung herausgegebene "Weißbuch 1994"

Nr. 746. 6 8 2 Bamberg, Militärseelsorge, S. 269, 273; Fischer, Volkskirche ade! Trennung von Staat und Kirche, 4. Aufl., S. 149. 6 8 3

Zur kirchlichen Mitwirkung im Rahmen des Vollzugsziels "Resozialisierung" siehe etwa Koch, in: Schwind/Blau, Strafvollzug in der Praxis, S. 209; Peters, JR 1975, 402 (405); Walter, Strafvollzug, Rdnr. 218. 6 8 4

II, III.

Zur Einordnung und zu den Zielen des Lebenskundlichen Unterrichts näher oben 2. Teil C

D. Vorgaben des Art. 4 Abs. 1 und 2 GG

261

bungsfreier Einbindung in die militärischen Funktionsabläufe entgegen. Dies bedeutet freilich nicht, daß dieses Ziel notwendig zu Lasten der Religionsfreiheit verfolgt wird. Vielmehr meinen zumindest die Befürworter der derzeitigen Militärseelsorge, an deren Spitze nicht zuletzt die Militärgeistlichen selbst stehen, daß die mit der Verbeamtung verbundene verstärkte Integration den Arbeitsmöglichkeiten der Militärseelsorge zugute kommt. Damit stellt sich die Frage, wie es sich auswirkt, wenn der Staat mit seinem Engagement auf dem Gebiet der Militärseelsorge zugleich eigene Interessen verfolgt, die über das bloße Interesse an der Grundrechtsverwirklichung - an der im übrigen auch ein staatliches Interesse besteht (!) - hinaus reichen. Die Kritiker der Militärseelsorge stellen die Legitimität des staatlichen Engagements in diesem Bereich schon deshalb in Abrede, weil der Staat die Religion für eigene Zwecke instrumentalisiere. 685 Diese Ansicht kann kaum überzeugen. Zwar ist nicht zu verkennen, daß aus staatlicher Sicht der Tätigkeit der Militärseelsorger quasi eine Doppelfunktion zukommt, indem der Staat gewisse Wirkungen der seelsorgerischen Betreuung seiner Soldaten als erwünscht in Rechnung stellt. Darin liegt aber keine Instrumentalisierung der Religion. Dies setzte voraus, daß die Kirche bloßes Werkzeug des Staates wäre. Die Kirchen verfolgen jedoch mit der seelsorgerischen Betreuung ihnen wichtige eigene Anliegen und betrachten sich gewiß nicht als Werkzeuge des Staates. Vor allem aber ist folgendes zu berücksichtigen: Eingriffe in die Religionsfreiheit können im Wege kollidierenden Verfassungsrechts durch staatliche Interessen gerechtfertigt sein. Staatliche Interessen können also sogar Beschränkungen der Religionsfreiheit legitimieren. Im Bereich der Militärseelsorge geht es aber nicht um ein Gegeneinander staatlicher und kirchlicher Interessen, sondern um eine Interessenkonvergenz. 686 Somit findet das staatliche Engagement durch die staatlichen Nebeninteressen eine zusätzliche Legitimation.687 Die verfassungsrechtliche Legitimität der In-Rechnung-Stellung der Auswirkungen kirchlicher Tätigkeit findet im übrigen ihre Bestätigung in der Entstehungsgeschichte der Art 4, 140 GG. Alle Parteien (mit Ausnahme der KPD) würdigten im Parlamentarischen Rat die Rolle der Kirchen als Verteidigerinnen individueller Freiheiten im Dritten Reich und nach 1945 jenseits 6 8 5

W.Huber, Kirche und Öffentlichkeit, S. 264; Fischer, Staat und Kirche, 4. Aufl., S. 147 ff. 6 8 6 6 8 7

Volkskirche ade! Trennung von

Siehe oben 2. TeilC IV.

Vgl. Loschelder, FS Hengsbach, 783 (789); Pirson, Essener Gespräche 23 (1989), 4 (17); Isensee, aaO, 37; Gramm, aaO, 54 (Diskussionsbeiträge).

262

D i e Verfassungsmäßigkeit der Militärseelsorge

des Eisernen Vorhangs. Die institutionelle Absicherung der Kirchen sollte nicht nur den Kirchen und der individuellen Religionsfreiheit nützen, sondern zugleich der freiheitlich-demokratischen Grundordnung insgesamt, zumal in der Auseinandersetzung mit dem Stalinismus.688 Dann aber verfolgt(e) der Staat mit dem Staatskirchenrecht eben auch eigene Interessen. Die Legitimität der staatlichen Zwecke in bezug auf seine Mitwirkung an der Militärseelsorge ist mithin in jeglicher Hinsicht zu bejahen. bb) Geeignetheit Das vom Staat gewählte Mittel muß geeignet sein, das vorgegebene Ziel zu erreichen oder zumindest zu fördern. Dem Staat wird hinsichtlich der Mittelauswahl eine Einschätzungsprärogative eingeräumt Die (verfassungs)gerichtliche Kontrolle ist daher darauf beschränkt, ob die staatlichen Instrumente zur Erreichung und Förderung der gesetzten Zwecke schlechthin ungeeignet resp. objektiv untauglich sind. 689 Sofern man nicht den im demokratischen Rechts- und Sozialstaat anachronistischen Standpunkt einnimmt, jegliehe Staatstätigkeit sei prinzipiell freiheitsbedrohend,690 wird man die Eignung der staatlichen Mitwirkung im Bereich der Militärseelsorge zur Kompensation von faktischen Verkürzungen der Religionsfreiheit kaum bezweifeln können. Hinzu kommt, daß das staatliche Engagement lediglich ein Angebot an die Kirchen ist. Wenn die Kirchen als maßgebliche Mittler der Religionsfreiheit dieses Angebot annehmen, wird allein dadurch die (religions-)freiheitsfördernde Wirkung indiziert. Nun ist zwar zu beachten, daß es im Bereich der Militärseelsorge vor allem um die Eignung zur Kompensation individueller Freiheitsverluste geht. Die Kirchen können jedoch lediglich die Eignung zum Ausgleich ihrer eigenen Freiheitsverluste feststellen. 691 Ist letzteres der Fall, dürfte indes zugleich die Eignung zur Kompensation individueller Freiheitsverluste gegeben sein. Ob auch die Religionsfreiheit deijenigen Soldaten gefördert wird, die keiner der beiden großen Konfessionen zugehörig sind, kann dabei dahingestellt bleiben. Die Eignung ist jedenfalls für die Mehrzahl der Soldaten zu bejahen. Die staatlichen Maßnahmen im Bereich der Militärseelsorge sind somit geeignet, den Primärzweck - Förderung der Religionsfreiheit - zu erreichen. 6 8 8

Siehe oben 3. Teil C II 3 a.

6 8 9

Vgl. BVerfGE 16, 147 (181); 19, 119 (126 f.); Stern, StaatsR I, § 20 I V 7, S. 866; StaatsR III/2, § 84 I I 3, S. 778 f. 6 9 0

Vgl. oben 3. Teil D II 1 d aa.

6 9 1

Vgl. Düng, in: Maunz/Dürig, GG, Komm., Art. 17a Rdnr. 32.

D. Vorgaben des Art. 4 Abs. 1 und 2 GG

263

Soweit der Staat mit seinem Engagement im Bereich der Militärseelsorge auch eigene Interessen verfolgt - einzelne Maßnahmen dienen sogar vorrangig seinen Interessen, etwa die Verbeamtung der Militärgeistlichen - , kann die Frage der insoweit gegebenen Geeignetheit letztlich offen bleiben. Selbst bei fehlender Eignung insoweit bliebe die Eignung in bezug auf das Hauptziel unberührt. Die Geeignetheit der staatlichen Maßnahmen im Bereich der Militärseelsorge ist gegeben. cc) Erforderlichkeit Bei der Erforderlichkeit ist zu prüfen, ob der Staat nicht ein milderes Mittel hätte wählen können. Der Maßstab der Erforderlichkeit ist im Ansatz streng, in der praktischen Handhabung freilich in mehrfacher Hinsicht abgeschwächt. Einmal muß das "mildere Mittel" offensichtlich gleichermaßen geeignet sein.692 Hinsichtlich der Beurteilung der Geeignetheit ist dem Staat jedoch ein Beurteilungsspielraum eingeräumt. Ferner beläßt das Gebot der Erforderlichkeit dem Staat hinsichüich der Mittelauswahl einen Handlungsspielraum. Hinzu kommt, daß - anders als im nur zweiseitigen Verhältnis Staat/Bürger die Auswirkungen staatlicher Maßnahmen in durch komplexe Wirkzusammenhänge gekennzeichnete gesellschaftliche Wettbewerbssituationen nicht ohne weiteres abzuschätzen sind; welches Mittel in seinen (Neben-)Wirkungen "milder" ist, kann daher nicht stets zweifelsfrei geklärt werden, so daß dem Staat insoweit gleichfalls eine gewisse Einschätzungsprärogative einzuräumen ist. 693 Sofern die staatliche Maßnahme noch nicht einmal die Schwelle zu einem Grundrechtseingriff erreicht, ist der Kontrollmaßstab weiter abgeschwächt: So wie im Eingriffsbereich die Kontrolle desto strenger ausfällt, je gewichtiger der Eingriff ist, gilt umgekehrt, daß sie um so zurückhaltender bleibt, je weiter die staatliche Maßnahme von der Eingriffsschwelle entfernt ist. Maßstab sind eben nicht mehr die Kosten für die Freiheit, sondern lediglich kaum bezifferbare Wettbewerbsverzerrungen im Vorfeld von Freiheitsbeeinträchtigungen. Schon oberhalb der Eingriffsschwelle beschränkt sich die Überprüfung des Übermaßverbotes im wesentlichen auf eine Evidenzkontrolle. 694

6 9 2

Stern, StaatsR I, § 2 0 I V 7, S. 866.

6 9 3

Vgl. Stern, StaatsR III/2, § 84 I I 3, S. 781 f.

6 9 4

Vgl. Stern, StaatsR I, § 20 IV 7, S. 865 mit Nachweisen aus der Rspr. des BVerfG; Haverkate, Rechtsfragen des Leistungsstaats, S. 298.

264

D i e Verfassungsmäßigkeit der Militärseelsorge

Unterhalb der Schwelle zum Eingriff wird dieser Maßstab um so eher gelten müssen. Vor diesem Hintergrund gilt es nun, die Erforderlichkeit des staatlichen Engagements auf dem Gebiet der Militärseelsorge zu bewerten. (Zumindest Primär-)Zweck 695 der erheblichen staatlichen finanziellen und organisatorischen Förderung der kirchlichen Militärseelsorge ist die Kompensation faktischer Verkürzungen der Religionsfreiheit im Bereich der Bundeswehr. Damit stellen sich zwei Fragen: Ist (1.) die staatliche Unterstützung als solche erforderlich? Ist (2.) das Ausmaß der Unterstützung erforderlich? Eine Sonderrolle nimmt wiederum der Lebenskundliche Unterricht ein, da bei ihm staatliche Ziele im Vordergrund stehen (3.). (1) Staatliche Unterstützung als solche Man könnte die Notwendigkeit jeglicher Kompensationen bezweifeln, wenn man darauf abstellt, daß das Gros der Soldaten einen an das Zivilleben weitestgehend angeglichenen Berufsalltag in Form einer Fünf-Tage-Woche mit geregelter Freizeit hat. Kompensationen wären dann allenfalls für wenige Ausnahmen erforderlich, etwa beim Wochenenddienst, im Manöver oder im (Auslands-)Einsatz. Aber selbst insoweit könnte man darauf verweisen, daß im Zivilleben das arbeitsfreie Wochenende ebenfalls nicht selbstverständlich ist; im übrigen kennt auch das Zivilleben Arbeitseinsätze fern des jeweiligen Wohnortes und sogar im Ausland. Bei den durch Zivilberufe bedingten faktischen Erschwernissen der Religionsausübung gewährt der Staat keine Kompensationen - warum also sollte er solche für die Soldaten gewähren? Diese Fragestellung übersieht schon, daß ein beträchtlicher Teil der Soldaten aus Wehrpflichtigen besteht, die mit zivilen Arbeitnehmern nicht verglichen werden können. Aber auch die Freiwilligen innerhalb der Bundeswehr die Berufs- und Zeitsoldaten - können zivilen Arbeitnehmern nicht gleichgestellt werden. So sind etwaige faktische Verkürzungen der Religionsfreiheit im Zivilbereich regelmäßig auf private Arbeitgeber zurückzuführen, so daß der Staat schon deshalb nicht zu eigenen Kompensationsleistungen gehalten ist. Vor allem kann der Arbeitnehmer im Zivilleben letztlich nicht zur Arbeit am Wochenende oder im Ausland gezwungen werden; es steht ihm frei, den Arbeitsplatz zu wechseln. Eventuelle Erschwernisse der Religionsausübung sind damit stets durch seine konkrete Einwilligung gedeckt.696 Demgegenüber kann Soldaten der Wochenenddienst oder Auslandseinsatz gegen ihren Willen 6 9 5 6 9 6

Siehe oben 3. Teil D U 2 d a a ( l ) .

Selbst wenn man die tatsächliche Freiwilligkeit dieser Einwilligung durch die wirtschaftliche Lage beeinträchtigt sein mag - in rechtlicher Hinsicht ist sie jedenfalls gegeben.

D. Vorgaben des Art. 4 Abs. 1 und 2 GG

265

befohlen werden. Auch die Freiwilligkeit der Berufs- und Zeitsoldaten bezieht sich nur auf den Eintritt in die Bundeswehr, nicht aber auf die konkreten Einsätze und Aufträge. Man könnte zwar meinen, daß die Soldaten bei freiwilligem Eintritt in die Bundeswehr konkludent und generell in alle zukünftigen Verkürzungen der Religionsfreiheit einwilligen. Es ist jedoch zum einen sehr zweifelhaft, ob allein im Eintritt in ein Sonderrechtsverhältnis die Generaleinwilligung in sämtliche durch die Sonderrechtsbeziehung bedingten Grundrechtsverkürzungen zu sehen ist, 697 und zum anderen, ob eine derartige konkludente Generaleinwilligung überhaupt möglich und zulässig ist. Im übrigen durften die Berufs- und Zeitsoldaten sich bei ihrem Eintritt in die Armee darauf verlassen, daß dem Staat die Verkürzungen der Religionsfreiheit unerwünscht sind und er bereit ist, diese zu vermeiden und gegebenenfalls zu kompensieren. Es bestehen somit keine Anhaltspunkte für einen konkludenten Verzicht der Berufs- und Zeitsoldaten auf die Gewährleistung der vollen Religionsausübungsfreiheit. Ein Grundrechtsverzicht der Wehrpflichtigen entfällt schon deshalb, weil sie eben nicht freiwillig in die Bundeswehr eintreten. Es kann somit zunächst festgehalten werden: Wenn und soweit die Religionsfreiheit innerhalb der Bundeswehr gewisse faktische Verkürzungen erfahrt, kann die Notwendigkeit staatlicher Kompensationen als solche kaum bezweifelt werden. (2) Ausmaß der staatlichen Unterstützung Allein fraglich ist damit das erforderliche Kompensationsmaß. (a) Beschränkung der Unterstützung auf die Gewähr des Zutrittsrechts gem. Art. 141 WRV - Modellcharakter der Seelsorge an Zivildienstleistenden? Das staatliche Engagement für die Militärseelsorge reicht deutlich über den Verfassungstext hinaus. Man könnte meinen, daß schon das in Art 141 WRV garantierte Zutrittsrecht der Religionsgemeinschaften in Kombination mit dem aus Art 4 GG folgenden Recht jedes Soldaten, grundsätzlich auch während der Dienstzeit (zivile) Gottesdienste zu besuchen, genüge, die faktischen Beschränkungen der Religionsfreiheit auszugleichen. Eine auf dieses Maß reduzierte staatliche Unterstützung der Militärseelsorge dürfte zudem zu keinen Verzerrungen des Wettbewerbes der Religionsgemeinschaften führen und 6 9 7

Verneinend etwa Loschelder, Besonderes Gewaltverhältnis, S. 373 f.; unklar BVerwGE 14, 21 (25) zur Zölibatsklausel für Bereitschaftspolizisten. Siehe zum Ganzen Stern, StaatsR ΙΠ/2, § 861 5, I I 6, S. 900,912 f. m.w.N.

266

Die Verfassungsmäßigkeit der Militärseelsorge

wäre also ein milderes Mittel. Weitere Voraussetzung der Verneinung der Erforderlichkeit ist freilich die gleiche Eignung des milderen Mittels. Für die gleiche Eignung dieser beschränkten staatlichen Unterstützung könnte ein Vergleich mit der Seelsorge an Zivildienstleistenden sprechen. Gem. § 38 ZDG hat der Zivildienstleistende wie der Soldat einen Anspruch auf ungestörte Religionsausübung. Während der Staat zur Unterstützung der Seelsorge an Soldaten erhebliche finanzielle und organisatorische Vorkehrungen trifft, beschränkt er sich im Bereich der Zivildienstseelsorge darauf, etwa Rüstzeiten durch die Gewährung von Sonderurlaub und geringer finanzieller Zuschüsse zu unterstützen. Und in der Tat wurde in der innerevangelischen Diskussion die Gleichstellung der Seelsorge an Soldaten mit der Seelsorge an Zivildienstleistenden gefordert. 698 Es ist jedoch zweifelhaft, ob die Seelsorge an Zivildiensüeistenden Modellcharakter für die Soldatenseelsorge haben kann. Anders als ein Soldat ist ein Zivildienstleistender in aller Regel nicht aus seinem sozialen Umfeld herausgenommen, da er an seinem Heimatort eingesetzt wird. Selbst wenn dies nicht der Fall ist, bleibt der Zivildienstleistende in einem zivilen Umfeld, eingebettet in die zivilkirchlichen Strukturen. Seine Religionsfreiheit wird daher durch den Zivildienst kaum berührt. Etwaige Verkürzungen können durch die Möglichkeit, während der Dienstzeit Gottesdienste zu besuchen und Besuch von Geistlichen zu empfangen, ohne weiteres kompensiert werden. Demgegenüber sind Soldaten aus ihrem sozialen Umfeld herausgenommen und können von den zivilkirchlichen Angeboten keinen uneingeschränkten Gebrauch machen. Ähnliches gilt für die Insassen von Justizvollzugsanstalten und zum Teil auch für die Beamten der Polizei und des Bundesgrenzschutzes. Dementsprechend unterstützt der Staat die seelsorgerische Betreuung im Bereich der Gefängnis-, Polizei- und Grenzschutzseelsorge durch sein organisatorisches und finanzielles Engagement, insbesondere durch Finanzierung und Anstellung der Geisüichen.699 Je stärker die öffentlich-rechtliche Sonderbin6 9 8 So etwa Falcke, epd Dokumentation 24a/91, 5 (6); ähnlich Werner, epd Dokumentation 49a/94, 14 (Diskussionsbeitrag) und Kleine, Verfassungswidrigkeiten, S. 1%: Die Militärseelsorge sollte eine der Studentenseelsorge vergleichbare Struktur erhalten. 6 9 9 Zur Seelsorge in Justizvollzugsanstalten siehe oben 3. Teil Β I I I 3 b sowie Albrecht, HdbStKirchR II, 1. Aufl., 701 ff.; Gareis, Essener Gespräche 23 (1989), 58 ff.: Die Länder tragen in aller Regel die Personal- und Sachkosten; häufig sind die Anstaltsgeistlichen verbeamtet (nach Koch, ZStrVO 1989, 99 [100], beinahe die Hälfte aller Gefängnisgeistlichen). - Zur Polizeiseelsorge siehe ausführlich Schwark, Polizeiseelsorge, sowie knapp Steuber, Militärseelsorge, S. 215 ff.; v. Tiling , ZevKR 36 (1991), 109 (111): Die seelsorgerische Betreuung der Polizeiangehörigen ist im wesentlichen Aufgabe der örtlichen Kirchengemeinden. Zum Teil gibt es eine besondere Betreuung namentlich der kasernierten Angehörigen der Bereitschaftspolizei, wobei die seelsorgerische Betreuung im Regelfall durch Pfarrer im Nebenamt wahrgenommen wird, die von dem jewei-

D. Vorgaben des Art. 4 Abs. 1 und 2 GG

267

dung den einzelnen von seiner gewohnten Umgebung isoliert, desto intensiver gestaltet sich das staatliche Engagement. Soldaten werden - neben Strafgefangenen - am spürbarsten aus ihrem sozialen Umfeld herausgenommen. Das Zutrittsrecht der Religionsgemeinschaften und das Recht zum Gottesdienstbesuch der Soldaten sind zwar ohne nennenswerten Schwierigkeiten realisierbar, sofern sich die Soldaten in der Nähe einer zivilen Ortsgemeinde ihrer Religionsgemeinschaft befinden. Im Auslandseinsatz und im Ernstfall ist diese Nähe aber regelmäßig nicht gegeben. Häufig ist es den Religionsgemeinschaften schon aus tatsächlichen Gründen kaum möglich, ohne organisatorische Hilfe der Bundeswehr zu den jeweiligen Einheiten zu gelangen - erinnert sei nur an die unübersichtliche Lage im durch Bürgerkrieg geplagten Somalia. Zumindest in solchen Fällen liefe das Zutrittsrecht des Art 141 WRV leer, wenn nicht der Staat über die bloß passive Duldung des Zutritts aktive Unterstützung leistete. Die an dem Modell der Seelsorge an Zivildienstleistenden orientierte schlichte Beschränkung der staatlichen Unterstützung auf die Gewähr des Zutritts gem. Art 141 WRV ist daher nicht geeignet, die faktischen Verkürzungen der Religionsfreiheit auszugleichen. Die bloße Zutrittgewährung ist mithin kein milderes und ebenso effektives Mittel. 700 Insoweit ist die Erforderlichkeit des derzeitigen staatlichen Engagements nicht in Frage gestellt. (b) Beschränkung auf organisatorische Unterstützung im Einsatzfall ohne weiterreichende Finanzierung Zu erwägen ist eine Beschränkung der staatlichen Unterstützung auf organisatorische Hilfen für die Religionsgemeinschaften, wenn diese im Einzelfall - insbesondere bei Auslandseinsätzen oder im Ernstfall - darauf angewiesen sind. Dann entfiele sowohl die Einrichtung einer ständigen Militärseelsorge als auch deren staatliche Finanzierung. Verzerrungen des religiösen Wettbewerbes wären mit einzelnen (Transport-)Hilfen kaum verbunden.

ligen Land für die Erteilung des sog. berufsethischen Unterrichts, welcher dem Lebenskundlichen Unterricht ähnelt, häufig ein geringes Entgelt erhalten. Darüber hinaus leisten die Länder zumeist gewisse organisatorische Hilfeleistungen und tragen einen Teil der Sachmittel, vereinzelt sogar einen Teil der Personalkosten. In Bayern gibt es einen katholischen Polizeiseelsorger, der staatlicher Angestellter ist. - Zur Bundesgrenzschutzseelsorge siehe Schwark, Polizeiseelsorge, S. 258 ff.; Steuber, Militärseelsorge, S. 206 ff.; Seiler, HdbStKirchR II, 1. Aufl., 685 (697 ff.): Der Staat bestellt die Grenzschutzpfarrer als Angestellte des öffentlichen Dienstes; trägt mithin das Gros der entstehenden Personal- und Sachkosten. Von der fehlenden Verbeamtung abgesehen bestehen zahlreiche Parallelen zur Militärseelsorge. 7 0 0

Im Ergebnis ebenso Cremers, Militärseelsorge-Vertrag, S. 163.

Die Verfassungsmäßigkeit der Militärseelsorge

268

Gegen die Beschränkung der staatlichen Unterstützung auf einzelne Hilfeleistungen ist allerdings einzuwenden, daß erfahrungsgemäß im Einsatz- oder Ernstfall nur funktioniert, was im Friedensfall und im Bundeswehralltag bereits eingespielt ist. Aus staatlicher Sicht ist eine ständige Militärseelsorge daher zumindest hoch erwünscht, wenn nicht sogar erforderlich, um zu verhindern, daß die Geistlichen als Fremd- und Störkörper zu Reibungsverlusten im militärischen Betrieb führen. Im übrigen ist es kaum damit getan, bei Auslandseinsätzen oder im Ernstfall einige (Zivil)Geistliche zur Truppe zu entsenden. Die seelsorgerische Betreuung von Soldaten erfordert besondere Fähigkeiten der Geistlichen, da diese sich in eine zum Zivilleben völlig unterschiedliche Struktur einfügen müssen und mit anderen Problemen konfrontiert werden. Diese Besonderheiten gelten auch für den Bundeswehralltag. So ist innerhalb der Kirchen ganz überwiegend anerkannt, daß die Betreuung von Soldaten ständig eine besondere Seelsorgeorganisation erfordert. Selbst wenn eine ständig eingerichtete Militärseelsorge - in welcher Ausgestaltung auch immer - sowohl aus staatlicher als auch aus kirchlicher Sicht erforderlich ist, bleibt doch zu fragen, ob es notwendig ist, daß der Staat den Großteil der Kosten trägt. Dagegen wird eingewandt, daß die Soldaten nunmehr - im Gegensatz zu früheren Zeiten - der allgemeinen Kirchensteuerpflicht unterliegen, so daß den Kirchen genügend Mittel zur Finanzierung der Militärseelsorge zur Verfügung stünden.701 Dieser Einwand übersieht freilich, daß die Kirchen für die Soldaten, um diese in ihrer besonderen Situation in angemessenem Umfang seelsorgerisch betreuen zu können, eine doppelte Seelsorgestruktur bereithalten müssen: zunächst die allgemeine (Zivil-)Seelsorge 702 und zusätzlich eine besondere Militärseelsorge. Soldaten sind gleichwohl demselben Kirchensteuersatz unterworfen wie die übrigen Gemeindemitglieder. Ihr Kirchensteueraufkommen deckt somit allenfalls die Aufwendungen für die ihnen zukommende allgemeine Seelsorge, nicht aber den erheblichen Zusatzaufwand für die Militärseelsorge. Allein aus kirchlichen Mitteln wäre die Militärseelsorge mithin nicht - oder nur auf Kosten anderer Bereiche kirchlichen Wirkens - finanzierbar. Zöge sich der Staat aus seiner finanziellen Verantwortung für die Militärseelsorge zurück, wäre die seelsorgerische Versorgung entweder der Soldaten oder anderer Gemeindean-

7 0 1

Dazu oben 2. Teil D i l l .

7 0 2

Angemerkt sei, daß gerade die fortbestehende Einbindung der Soldaten in die Zivilge-

meinden - ermöglicht durch die personalen Seelsorgebereiche auf evangelischer und durch die kumulative Jurisdiktion auf katholischer Seite - ein wichtiges Anliegen aller Beteiligten ist; dazu oben 2. Teil Β I I I 6 b.

D. Vorgaben des Art. 4 Abs. 1 und 2 GG

269

gehöriger minimiert - in jedem Fall wäre dies mit einem Verlust an Religionsfreiheit verbunden. Die staatliche Finanzierung der Militärseelsorge ist daher dem Grunde nach erforderlich, um die faktischen Beeinträchtigungen der Religionsausübungsfreiheit innerhalb der Bundeswehr zu kompensieren. Sie trägt im übrigen dem Umstand Rechnung, daß die Notwendigkeit einer zweifachen Seelsorgestruktur - und damit die Kosten der Militärseelsorge - durch den Staat verursacht wird, der die Soldaten - z.T. gegen ihren Willen - aus dem Zivilleben herausnimmt, in eine militärische Organisation einfügt und dadurch zum einen die Inanspruchnahme der zivilen Seelsorgeangebote erschwert und zum anderen die Soldaten der Gefahr des Todes sowie des Tötenmüssens und damit Situationen aussetzt, die ein besonderes Bedürfnis nach seelsorgerischer Betreuung auslösen.703 (c) Beschränkung auf Finanzierung der Militärseelsorge unter Verzicht auf deren staatliche Organisation Selbst wenn man die Erforderlichkeit staatlicher Finanzierung dem Grunde nach zugesteht, kann man doch bezweifeln, ob es darüber hinaus notwendig ist, die Militärseelsorge staatlich zu organisieren. Wie bereits ausgeführt, geht die Gefahr von Wettbewerbsverzerrungen aber im wesentlichen von der Finanzierung als solcher und den damit ermöglichten Wirkungsmöglichkeiten der evangelischen und katholischen Kirche aus. Sie wäre nicht geringer bei kirchlicher Organisation unter Beibehaltung der staatlichen Finanzierung. Die organisatorische Ausgestaltung des staatlichen Engagements betrifft daher nicht die Frage der Erforderlichkeit. (d) Beschränkung des Finanzierungsumfangs Die Anerkennung der Erforderlichkeit der staatlichen Finanzierung dem Grunde nach läßt noch offen, inwieweit der Umfang der Finanzierung notwendig ist, faktische Beeinträchtigungen der Religionsfreiheit innerhalb der Bundeswehr zu kompensieren. Zweifel könnten sich sowohl hinsichtlich des Gesamtumfangs - über 50 Mio. DM pro Jahr - als auch in bezug auf einzelne Posten ergeben. Der weitaus größte Teil der Kosten wird freilich durch das Seelsorgepersonal verursacht. Dabei wird man davon ausgehen können, daß der in Art 3 Abs. 1 S. 2 MSV vereinbarte Personalschlüssel von einem Geistlichen für 7 0 3

Schon deshalb dürfte sich im übrigen jede Gleichstellung der Soldatenseelsorge mit der Seelsorge an Zivildienstleistenden oder Studenten verbieten.

270

D i e Verfassungsmäßigkeit der Militärseelsorge

1500 konfessionsangehörige Soldaten erforderlich ist, eine geordnete Seelsorge zu gewährleisten. Zumindest ist diese Quote nicht schlechthin überhöht. Die Erforderlichkeit dieser Kosten wird man daher kaum in Frage stellen können. Zweifelhafter mag sein, ob es zur Kompensation faktischer Beschränkungen der Religionsfreiheit tatsächlich notwendig ist, daß die staatliche Finanzierung soweit reicht, daß sie sogar den Wein für Abendmahl und Eucharistie oder die Transportkosten für die Wallfahrt nach Lourdes deckt. Insoweit könnte man an eine Überkompensation denken, die für die Religionsfreiheit der beteiligten Kirchen und der ihnen angehörenden Soldaten zwar nützlich, kaum aber unabdingbar sind. Wie oben dargestellt, zielt die Überprüfung der Erforderlichkeit jedoch lediglich auf eine Evidenzkontrolle. 704 Diesen Maßstab zugrundegelegt wird man die Erforderlichkeit auch der in ihrer Unabdingbarkeit möglicherweise zweifelhaften Posten nicht schlechthin abstreiten können. Im übrigen machen diese Kosten selbst in ihrer Summe nur einen vergleichsweise kleinen Betrag aus. Quantifizierbare Wettbewerbsverzerrungen sind insoweit nicht festzustellen. In bezug auf die Verhältnismäßigkeit können diese Kosten daher letztlich unberücksichtigt bleiben. Etwas anderes gilt nur dann, wenn man zur Prüfung der Verhältnismäßigkeit staatlicher Aufwendungen auch fiskalische Kriterien anlegt.705 Dann könnte man meinen, daß jede unnötige Ausgabe gegen das Verhältnismäßigkeitsgebot verstößt. Sinn des Übermaßverbotes ist jedoch der Freiheitsschutz, nicht der Schutz des Staatshaushaltes. Fiskalisch-ökonomische Kriterien sind daher zur Bestimmung der Erforderlichkeit nicht heranzuziehen.706 Somit bleibt festzuhalten: Das Ausmaß der staatlichen Unterstützung, insbesondere die Finanzierung der Militärseelsorge, genügt den Anforderungen der Erforderlichkeit. (3) Lebenskundlicher Unterricht Der Lebenskundliche Unterricht steht im Zusammenhang mit der Gesamterziehung des Soldaten (ZDv 66/2 Nr. 1), dient also - anders als die eigentliche Militärseelsorge - staatlichen (Erziehungs-)Zielen. Gleichwohl betrachten die Kirchen den Unterricht als Teil ihrer Erwachsenenbildung, als pastoralen Dienst oder als Form seelsorglicher Begleitung. De facto ist der Lebenskund7 0 4 7 0 5

Siehe oben 3. Teil D II 2 d cc.

So etwa Hirschberg, 177 (182).

Grundsatz der Verhältnismäßigkeit, S. 74; Bleckmann, JuS 1994,

706 Ygj e t w a Dechsling^ Verhältnismäßigkeitsgebot, S. 89; Haverkate, Leistungsstaats, S. 16.

Rechtsfragen des

D . Vorgaben des A r t . 4 A b s . 1 u n d 2 G G

271

liehe Unterricht mithin verkirchlicht worden, wobei dies durchaus die Billigung des Staates findet, der dadurch ganz im Sinne der Inneren Führung einen nicht-militärischen Freiraum innerhalb der Bundeswehr zu schaffen sucht.707 Die Verkirchlichung des Lebenskundlichen Unterrichts verschafft den beiden Großkirchen einen gewissen Wettbewerbsvorteil: Keine andere Religionsgemeinschaft erhält die Gelegenheit, im Rahmen einer dienstlichen Veranstaltung auf die grundsätzlich zur Teilnahme verpflichteten Soldaten einzuwirken. Damit stellt sich die Frage, ob dem Staat zur Erreichung der mit dem Lebenskundlichen Unterricht verfolgten Ziele nicht mildere Mittel ohne die Nebenfolge einer wettbewerbsverzerrenden Wirkung zur Verfügung stehen. Milderes Mittel wäre die Betrauung anderer Dozenten mit der Durchführung des Unterrichts. Dann wären Ingerenzen in den religiösen Wettbewerb ausgeschlossen. Zu denken ist zunächst an die Truppenführer. Deren gleiche Eignung ist aber zu bezweifeln. Dies liegt freilich weniger in deren persönlicher Qualifikation begründet. Zwar dürfte es ihnen im Vergleich zu den besser ausgebildeten und rhetorisch eher geschulten Militärgeistlichen häufig schwerer fallen, ethische Fragen zu formulieren, Diskussionen zu leiten etc. Immerhin halten die Truppenführer aber den staatsbürgerlichen Unterricht (ZDv 12/1), der an die Dozenten kaum geringere Anforderungen stellt als der Lebenskundliche Unterricht. Entscheidend ist vielmehr, daß bei einem Einsatz von Offizieren gerade das wichtigste Anliegen des Staates - die Schaffung eines nicht-militärischen Freiraums innerhalb der Bundeswehr - verfehlt würde. Auch besonders geschulte Offiziere außerhalb der Befehlshierarchie wären zumindest aus Sicht der Unterrichtsteilnehmer noch so weit in den militärischen Apparat eingebunden, daß sie einen zivilen Freiraum nicht bieten könnten. Ein Freiraums wäre allenfalls dann denkbar, wenn Zivilisten, etwa Zivilbeamte der Bundeswehr, mit dem Unterricht beauftragt würden. Ein Freiraum kann jedoch nur dann geschaffen werden, wenn der Unterrichtsteilnehmer darauf vertrauen kann, daß der Unterrichtende völlig unabhängig vom militärischen Bereich ist. Dieses Vertrauen dürfte einem Geistlichen, der eindeutig seiner Kirche und nicht der Bundeswehr zugeordnet wird, am ehesten entgegengebracht werden. Die Einschätzung des Staates, daß nur der Einsatz von Militärgeistlichen eine Trennlinie zwischen dem Freiraum "Lebenskundlicher Unterricht" und dem spezifisch-militärischen Bereich ziehen kann, ist daher nicht offensichtlich fehlsam. Die Erforderlichkeit ist auch in bezug auf die Betrauung der

7 0 7

Dazu näher 2. Teil C II, III.

272

Die Verfassungsmäßigkeit der Militärseelsorge

Militärgeistlichen mit der Durchführung des Lebenskundlichen Unterrichts zu bejahen. dd) Angemessenheit Im Rahmen der Angemessenheit ist zu prüfen, ob die (geeignete und erforderliche) Maßnahme außer Verhältnis zu den mit ihr verbundenen Nachteilen steht.708 Erneut ist zwischen der staatlichen Unterstützung für die eigentliche Militärseelsorge und dem Lebenskundlichen Unterricht zu unterscheiden. (1) Militärseelsorge Nachteil der Militärseelsorge kann eine Wettbewerbsverzerrung zugunsten von evangelischer und katholischer Kirche sein. Diese wäre insbesondere dann gegeben, wenn sich die Militärseelsorge als staatlich finanzierte zusätzliche Chance zur Missionierung, d.h. zur Herstellung neuer religiöser Bindungen darstellte. Dieser Wettbewerbsvorteil bliebe dann den übrigen Religionsgemeinschaften vorenthalten. Allerdings dürfen etwaige Wettbewerbsvorteile in ihrer Bedeutung nicht überschätzt werden. Selbst wenn der Staat den beiden Großkirchen im Bereich der Bundeswehr unverdiente Vorteile zukommen lassen sollte, dürfte der Wettbewerb der Religionsgemeinschaften insgesamt allenfalls peripher berührt sein. Vor allem ist zu berücksichtigen, daß der Staat sich bemüht, die Gefahr von Wettbewerbsverzerrungen zu minimieren. Anküpfungspunkt für das Ausmaß des staatlichen Engagements ist die Anzahl der Konfessionsangehörigen innerhalb der Bundeswehr, die - jedenfalls bei der rechtlich allein maßgeblichen formalen Betrachtung - nicht zu missionieren sind: Für je 1500 evangelische bzw. katholische Soldaten wird ein Militärgeistlicher berufen (vgl. Art 3 Abs. 1 S. 2 MSV). Dementsprechend wird im Zuge der Reduzierung der Mannschaftsstärke der Bundeswehr die Anzahl der Militärgeistlichen verkleinert. Das Ausmaß der staatlichen Unterstützung orientiert sich damit an der bestehenden Wettbewerbssituation. Wenn diese sich ändern - sprich: wenn das Quorum von 1500 Angehörigen auch von einer anderen Religionsgemeinschaft erreicht werden - sollte, hat sich der Staat ausdrücklich zur Anpassung bereit erklärt und angeboten, dieser Glaubensgemeinschaft ebenfalls finanzielle und organisatorische Hilfe zu leisten (vgl. ZDv 66/1 Nr. 2).

7 0 8

Stern, StaatsR I, § 2 0 I V 7, S. 866.

D. Vorgaben des Art. 4 Abs. 1 und 2 GG

273

Die mit der Militärseelsorge verbundenen Nachteile für die Unverfälschtheit des religiösen Wettbewerbs sind daher gering zu veranschlagen, zumal der Staat bestrebt ist, diese zu vermeiden. Wie oben dargelegt, beeinträchtigt die Militärseelsorge auch nicht die Religionsfreiheit deijenigen Soldaten, die nicht evangelischen oder katholischen Glaubens sind. 709 Ohne Militärseelsorge wäre die Religionsausübung innerhalb der Bundeswehr in zahlreichen Situationen erschwert, wenn nicht unmöglich.710 Der Vorteil für die individuelle Religionsfreiheit der Soldaten überwiegt daher bei weitem. Die Angemessenheit der staatlichen Unterstützung für die Militärseelsorge ist zu bejahen. (2) Lebenskundlicher Unterricht Auch die Betrauung der Militärgeistlichen mit der Durchführung des Lebenskundlichen Unterrichts kann zu einer gewissen Verzerrung des religiösen Wettbewerbes und damit zu einem im Rahmen der Angemessenheit zu berücksichtigenden Nachteil führen. Dies gilt sogar in stärkerem Maße als bei der Militärseelsorge als solcher, da auch konfessionslose und -fremde Soldaten grundsätzlich zur Teilnahme am Unterricht verpflichtet sind. Vor diesem Hintergrund kommt der Lebenskundliche Unterricht durchaus als Chance zur Missionierung in Betracht - und wurde von manchen Militärgeistlichen ursprünglich auch so verstanden.711 Vor der Wiedervereinigung war die Wettbewerbsverfalschung gleichwohl zu vernachlässigen. Der weitaus größte Teil der Soldaten gehörte ohnehin einer der beiden großen Kirchen an, so daß kein nennenswerter Missionsbedarf bestand. Problematischer wird es nunmehr mit Blick auf Bundeswehreinheiten mit überwiegendem Anteil ostdeutscher Soldaten: Nur ca. 2-3% von ihnen sind katholisch, nur etwa 11-12% evangelisch.712 Insoweit könnten die mit dem Unterricht bzw. den faktisch an die Stelle des Lebenskundlichen Unterricht tretenden Gruppengesprächen betrauten (Militär-)Geisüichen 713 durchaus die Gelegenheit zur Herstellung neuer religiöser Bindungen zu nut7 0 9

Siehe oben 3. Teil D i l .

7 1 0

Siehe oben 3. Teil D U 2dcc.

7 1 1

Siehe oben 2. Teil C H I 2.

7 1 2

Ottemeyer, epd Dokumentation 25/92, 40.

7 1 3

Katholischerseits wird wie im Osten wie im Westen Lebenskundlicher Unterricht durch die haupt- und nebenamtlichen Militärgeistlichen erteilt Die in den neuen Bundesländeren mit der Seelsorge an Soldaten beauftragten evangelischen Pfarrer bieten zwar keinen Lebenskundlichen Unterricht, wohl aber Gruppengespräche zu lebenskundlichen Themen an. Dazu oben 2. Teil C V. 18 Ennuschat

Die Verfassungsmäßigkeit der Militärseelsorge

274

zen versuchen. Dieser denkbare Nachteil wird allerdings dadurch in seiner Bedeutung verringert, daß nach dem Selbstverständnis der Kirchen der Unterricht nicht der Missionierung dienen - und dafür den bisherigen Erfahrungen zufolge auch kaum geeignet ist - , sondern im wesentlichen ein Ort freier Aussprache sein soll. 714 Der Vorteil, den sich der Staat von der Beteiligung der Militärgeistlichen erhofft, liegt in der Schaffung eines zivilen Freiraums inmitten eines militärischen Bereichs. Der Staat mißt diesem Freiraum gemäß den Vorgaben der am Leitbild des "Staatsbürgers in Uniform" orientierten Inneren Führung erhebliche Bedeutung bei. 715 Es besteht kein Anlaß, diese Einschätzung in ihrer Richtigkeit zu bezweifeln. Dieser Vorteil steht nicht außer Verhältnis zu dem Nachteil einer zwar denkbaren, aber kaum quantifizierbaren Wettbewerbs Verzerrung. Die Betrauung von Militärgeistlichen mit der Durchführung des Lebenskundlichen Unterrichts ist daher angemessen. e) Zusammenfassung: Beachtung der objektiv-rechtlichen der Religionsfreiheit

Vorgaben

Die gegenwärtige Ausgestaltung der Militärseelsorge achtet den Abwehrgehalt der Religionsfreiheit, das Verbot der Staatskirche sowie das Paritätsgebot. Sie entspricht ferner den Geboten der Neutralität und Nichtidentifikation, da der Staat bei seinem Engagement im Bereich der Militärseelsorge seiner Pflicht zur Zurückhaltung mit Blick auf etwaige Verzerrungen des Wettbewerbs der Religionsgemeinschaften angemessen Rechnung trägt.

E. Vorgaben des Art 140 GG i.V.m. 137 Abs. 3 S. 2 WRV Schon im Reichskonkordat und auch später im Militärseelsorgevertrag hat sich der Staat ein gewisses Maß an Mitwirkung bei der Ernennung des katholischen und evangelischen Militärbischofs gesichert. Dies wirft mit Blick auf die Vorgabe des Art. 137 Abs. 3 S. 2 WRV i.V.m. Art 140 GG

7 1 4

Siehe oben 2. Teil C I I I 2.

7 1 5

Siehe oben 2. Teil C I I 2 d.

E. Vorgaben des A r t 140 GG i.V.m. 137 Abs. 3 S. 2 W R V

275

Jede Religionsgesellschaft verleiht ihre Ämter ohne Mitwirkung des Staates oder der bürgerlichen Gemeinde. einige verfassungsrechtliche Zweifel auf. I . Staatliche Vetorechte gegenüber der kirchlichen Ernennung der Militärbischöfe 1. Art. 27 Abs. 2 S. 2 R K

Nach Art 27 Abs. 2 S. 2 RK erfolgt die kirchliche Ernennung des katholischen Armeebischofs durch den Heiligen Stuhl, "nachdem letzterer sich mit der Reichsregierung in Verbindung gesetzt hat, um im Einvernehmen mit ihr eine geeignete Persönlichkeit zu bestimmen". Im Gegensatz zu Art 27 Abs. 3 S. 1 RK, wo hinsichtlich der kirchlichen Ernennung der Militärpfarrer lediglich ein vorgängiges Benehmen mit der staatlichen Seite erforderlich ist, ist für den Militärbischof ein Einvernehmen vereinbart. Diese differenzierte Regelung legt nahe, daß Reichsregierung und Heiliger Stuhl an die im juristischen Sprachgebrauch übliche Unterscheidung zwischen Einvernehmen und Benehmen anknüpfen wollten. Ein Einvernehmen verlangt - anders als ein Benehmen - die Zustimmung beider Seiten. Durch Verweigerung der Zustimmung könnte der Staat mithin die kirchliche Ernennung des katholischen Militärbischofs verhindern. Nun ist im Schlußprotokoll, welches ein integrierender Bestandteil des Reichskonkordates ist, ausdrücklich festgestellt, daß "ein staatliches Vetorecht [...] nicht begründet werden" soll. Diese Feststellung bezieht sich jedoch lediglich auf Art. 14 Abs. 2 Ziffer 2 RK, wonach "die Bulle für die Ernennung von Erzbischöfen, Bischöfen [...] erst ausgestellt [wird], nachdem der Name des dazu Ausersehenen dem Reichsstatthalter in dem zuständigen Lande mitgeteilt und festgestellt ist, daß gegen ihn Bedenken allgemein politischer Natur nicht bestehen", und damit auf die Anwendung der politischen Klausel bei der Ernennung der zivilen Bischöfe. Die Ernennung des Militärbischofs ist gesondert in Art 27 Abs. 2 S. 2 RK geregelt. Das Schlußprotokoll zu Art 14 RK betrifft daher nicht die speziellere Vorschrift des Art. 27 Abs. 2 S. 2 RK.

18*

276

D i e Verfassungsmäßigkeit der Militärseelsorge

Folglich sollte der Reichsregierung gem. Art 27 Abs. 2 S. 2 RK ein Vetorecht hinsichtlich der Ernennung des katholischen Militärbischofs eingeräumt werden. 716 2. Art. 11 Abs. I S · 2 M S V

Gem. Art 11 Abs. 1 S. 1 MSV wird der evangelische Militärbischof vom Rat der Evangelischen Kirche in Deutschland ernannt Daran anschließend lautet Art. 11 Abs. 1 S. 2 MSV: Vor der Ernennung tritt der Rat der Evangelischen Kirche in Deutschland mit der Bundesregierung in Verbindung, um sich zu versichern, daß vom staatlichen Standpunkt aus gegen den für das Amt des Militärbischofs vorgesehenen Geisüichen keine schwerwiegenden Einwendungen erhoben werden. Dem Wortlaut dieser politischen Klausel ist ein staatliches Vetorecht nicht so eindeutig zu entnehmen wie dem insoweit klareren Art 27 Abs. 2 S. 2 RK. Vielmehr erinnert die gewählte Formulierung durchaus an den schon genannten Art 14 Abs. 2 Ziffer 2 RK, der nach dem Schlußprotokoll gerade kein Vetorecht begründen soll. 717 Das Schlußprotokoll zu Art 11 Abs. 1 MSV regelt indessen nur, daß die Bundesregierung "auf Wunsch die Gründe mitteilt, aus denen sie ihre Bedenken gegen den für die Ernennung zum Militärbischof vorgeschlagenen Geistlichen herleitet", enthält aber keine Hinweise für oder gegen ein Vetorecht. Aufschlußreicher sind die ZDv 66/1 ("Militärseelsorge"), wonach beide Militärbischöfe im Einvernehmen mit dem Staat ernannt werden (Nr. 10), und vor allem die Regierungsbegründung zum Militärseelsorgevertrag. Art 11 MSV wird als "ein auf schwerwiegende Einwendungen beschränktes Vetorecht" des Staates bei der Ernennung des Militärbischofs beschrieben.718 Die innerkirchliche Begründung schweigt zu diesem Punkt.719 Zumindest der Staat versteht also die politische Klausel des Art 11 Abs. 1 S. 2 MSV als, wenngleich eingeschränktes, Vetorecht. Ein Protest des kirchlichen Vertragspartners gegen diese Vertragsauslegung ist nicht ersichtlich, obwohl ihm die

7 1 6

Simon, Kath. Militärseelsorge, S. 100.

7 1 7

Vgl. auch v. Campenhausen, in: v. Mangoldt/Klein, GG, Komm., Art 140/141 WRV Rdnr. 17, im Anschluß an Pirson, Essener Gespräche 23 (1989), 4 (19). 7 1 8

BT-Dr. 2/3500, S. 12.

7 1 9

Hollerbach, Verträge, S. 136 Fußn. 1.

E. Vorgaben des Art. 140 GG V.m. 137 Abs. 3 S. 2 W R V

277

ein halbes Jahr vor Unterzeichnung des Militärseelsorgevertrages erlassene ZDv 66/1 Nr. 10 bekannt gewesen sein mußte. Daher ist davon auszugehen, daß der Bundesregierung auch bei der Ernennung des evangelischen Militärbischofs ein Vetorecht eingeräumt werden sollte. 720

II. Vetorecht als "Mitwirkung" i. S. d. Art. 140 GG i.V.m. Art. 137 Abs. 3 S. 2 WRV Man könnte bezweifeln, ob der in Reichskonkordat und Militärseelsorgevertrag vereinbarte staatliche Einfluß bei der Ernennung der Militärbischöfe schon die Schwelle zur "Mitwirkung" i.S.d. Art 137 Abs. 3 S. 2 WRV überschreitet. Dagegen könnte sprechen, daß der Staat den Militärbischof weder ernennen noch auch nur jemanden für dieses Amt vorschlagen kann. Die Ernennung bleibt ausschließlich kirchliche Angelegenheit; dem Staat kommt lediglich ein Einspruchsrecht zu. Die Rolle des Staates ist quasi negativer Natur, ohne daß ihm positive Mitwirkungsbefugnisse zukommen. Nach vorherrschender Auffassung in der Weimarer Lehre und Staatspraxis waren staatliche Einspruchsrechte noch keine "Mitwirkung" und verstießen schon deshalb nicht gegen Art 137 Abs. 3 S. 2 WRV. 721 Die staatlichen Einspruchsrechte bei der Besetzung kirchlicher Ämter galten als Ausfluß der von dieser Ansicht für zulässig gehaltenen staatlichen Aufsichtsbefugnisse. 722 Es gab freilich schon in der Weimarer Zeit eine Reihe von Gegenstimmen723 , welche diese Einflußmöglichkeiten des Staates als Relikte des Systems der Staatskirchenhoheit kritisierten und sich um Reduzierung des Staatseinflusses im kirchlichen Bereich bemühten. Diese Autoren lehnten daher die Staatsaufsicht generell ab und verstanden insbesondere das Mitwirkungsverbot des Art. 137 Abs. 3 S. 2 WRV extensiver. Unter der Geltung des Grundgesetzes besteht Einigkeit, nicht zuletzt angesichts der Erfahrung der Kirchenkämpfe im nationalsozialistischen Deutschland und kommunistischen Osteuropa, daß der Staat seinen Einfluß im inner7 2 0 Bamberg, Militärseelsorge, S. 72, 73; Bleese, Militärseelsorge, S. 304; Cremers, Militärseelsorge-Vertrag, S. 244 f. 72 1 Anschütz. WRV, Komm., Art. 137 Erl. 6, S. 640 f.; Bredt, Kirchenrecht II, S. 150 Anm. 1; Schoen, Neues VerfR, S. 26 f.; ders., VerwArch 29 (1922), 1 (11 f., 23). 7 2 2

So schon Anschütz, Prß. Verf.-Urkunde, Komm., Art. 18 Erl. 2, S. 352.

7 2 3 Vor allem Ebers, Staat und Kirche, S. 265 mit zahlreichen weiteren Nachweisen; Mausbach, Kulturfragen, S. 66 f.

278

Die Verfassungsmäßigkeit der Militärseelsorge

kirchlichen Bereich zugunsten verstärkter kirchlicher Autonomie weitestgehend verloren hat. Dies gilt einmal für die über die allgemeine Rechtshoheit hinausreichende staatliche Kirchenaufsicht, welche die kirchliche Autonomie besonders nachhaltig beeinträchtigt. 724 Dieser Wandel erstreckt sich zugleich auf das Verständnis des Art 137 Abs. 3 S. 2 WRV - staatliche Einspruchsrechte berühren ebenfalls die kirchliche Autonomie. Die Bonner Lehre und Staatspraxis Schloß sich damit der Weimarer Mindermeinung an: Mit der Kirchenaufsicht verlor der Staat auch die Einspruchsrechte bei der kirchlichen Stellenbesetzung. So ist heute allgemein anerkannt, daß ein staatliches Vetorecht eine "Mitwirkung" i.S.d. Art. 137 Abs. 3 S. 2 WRV darstellt. 725

III. Vereinbarkeit des Vetorechts mit Art 140 GG i.V.m. Art. 137 Abs. 3 S. 2 WRV Mit Art. 137 Abs. 3 S. 2 WRV ist es jedenfalls unvereinbar, wenn der Staat sich einseitig, etwa durch Gesetz, Mitwirkungsbefugnisse im kirchlichen Bereich anmaßt. Davon zu unterscheiden ist der Fall, daß eine Religionsgemeinschaft freiwillig, insbesondere durch vertragliche Vereinbarung, dem Staat gewisse Mitwirkungsrechte einräumt. Fraglich ist daher, ob das Verbot staatlicher Mitwirkung gem. Art. 137 Abs. 3 S. 2 WRV zur Disposition der Religionsgemeinschaften steht. Eine Reihe von Autoren bejaht diese Frage. 726 Andere meinen zwar, daß Art 137 Abs. 3 S. 2 WRV grundsätzlich eine nicht disponible Verbotsnorm sei. Ausnahmen könnten sich aber aus der Natur der Sache ergeben, wobei die staatliche Mitwirkung bei der Ernennung des Militärbischofs ausdrücklich zu den mit Art 137 Abs. 3 S. 2 WRV vereinbaren Ausnahmen gerechnet wird. 727 Nach einer dritten Ansicht schließlich verbiete Art 137 Abs. 3 S. 2 WRV ausnahmslos jede staatliche Mitwirkung bei der Ernennung, so daß die entsprechenden Vereinbarungen in Reichskonkordat und Militärseelsorge-

7 2 4

Siehe oben 3. Teil Β III 2 a cc.

7 2 5

Siehe nur v. Campenhausen, in: v. Mangoldt/Klein, GG, Komm., Art 140/141 WRV

Rdnr. 17. 7 2 6

So etwa Maunz, in: Maunz/Dürig, GG, Komm., Art. 140/137 WRV Rdnr. 18. Von den Vertretern der Mindermeinung in der Weimarer Literatur siehe etwa Ebers, Staat und Kirche, S. 268; die seinerzeitige h.L. verneinte, wie vorhin ausgeführt, schon die "Mitwirkung" i. S. d. Art. 137 Abs. 3 S. 2 WRV. 7 2 7 Hollerbach, Verträge, S. 135; ders., HdbStR VI, § 139 Rdnr. 21; Bleese, Militärseelsorge, S. 304; Seiler, HdbStKirchR II, 1. Aufl., 685 (690).

E. Vorgaben des Art. 140 GG i.V.m. 137 Abs. 3 S. 2 W R V

279

vertrag verfassungswidrig seien.728 In Betracht kommt dann allerdings noch, die Art. 27 Abs. 2 S. 2 RK und 11 Abs. 1 S. 2 MSV im Wege verfassungskonformer Auslegung dahingehend zu interpretieren, daß sie kein Vetorecht begründen, sondern nur ein folgenloses, unverbindliches Recht bedeuten, auf staatliche Bedenken hinzuweisen.729 Möglicherweise ist diese Einschränkung der Reichweite des staatlichen Einspruchsrechts nicht nötig; möglicherweise ist auch ein als Vetorecht verstandenes Einspruchsrecht durchaus verfassungskonform. Die Verfassungsmäßigkeit kommt unter zwei Gesichtspunkten in Betracht. Zum einen könnte der Rechtsgrundsatz "volenti non fit iniuria" seine Anwendung finden. Und zum anderen könnte, selbst wenn staatliche Einspruchsrechte grundsätzlich unzulässig sein sollten, für den Bereich der Militärseelsorge eine Ausnahme aus der Natur der Sache gelten. 1. Keine Disponibilität des Mitwirkungsverbotes

Voraussetzung für die Heranziehung des Rechtsgrundsatzes "volenti non fit iniuria" ist, daß das Mitwirkungsverbot des Art. 137 III 2 WRV disponibel ist. Im Rahmen der Grundrechtsdogmatik kommt ein Grundrechtsverzicht in Betracht, sofern es um die Verwirklichung der individuellen Freiheit geht: Grundrechtsverzicht als Grundrechtsgebrauch. 730 Wenn und soweit das in Frage stehende Grundrecht zugleich ein Element objekiver Wertordnung ist, steht es hingegen nicht zur Disposition des einzelnen.731 Da Art 137 Abs. 3 WRV eng mit Art 4 Abs. 1 und 2 GG verbunden, letztlich dessen Konkretisierung für die Religionsgemeinschaften ist, kann die Dogmatik zum Grundrechtsverzicht auf das kirchliche Selbstbestimmungsrecht übertragen werden, zumal Art. 137 Abs. 3 WRV von einigen Autoren als grundrechtsgleiches Recht qualifiziert wird. 732 Zu prüfen ist daher, inwieweit Art 137 Abs. 3 S. 2 WRV - grundsätzlich disponible - subjektive Rechtspositionen der Religionsgemeinschaften schützt 7 2 8 Obermayer, in: Bonner Kommentar, GG, Art. 140 Rdnr. 95; W.Huber, Kirche und Öffentlichkeit, S. 266; Bamberg, Militärseelsorge, S. 72. 7 2 9

Vgl. v. Campenhausen, in: v. Mangoldt/Klein, GG, Komm., Art. 140/141 WRV Rdnr. 17; Pirson, Essener Gespräche 23 (1989), 4 (21 f.). 7 3 0

Düng, AöR 81 (1956), 117 (152).

73 1

Stern, StaatsR III/2, § 86 II 4, III 1, S. 906, 917; Pieroth/Schlink,

StaatsR I I - Grundrechte,

Rdnrn. 146 f.; Robbers, JuS 1985, 925 (928). 7 3 2

Etwa Stern, StaatsR I I I / l , § 63 V 4, S. 375; Hollerbach, HdbStR VI, § 138 Rdnr. 145.

280

D i e Verfassungsmäßigkeit der Militärseelsorge

und inwieweit dieser Norm ein objektiv-rechtlicher Gehalt zukommt, über den weder Staat noch Religionsgemeinschaft verfügen können. a) Grammatische Interpretation Bei flüchtiger Lektüre scheint der Wortlaut des Art 137 Abs. 3 S. 2 WRV eine staatliche Mitwirkung bei der Besetzung kirchlicher Ämter ausnahmslos zu untersagen. Der Fall kirchlich eingeräumter Mitwirkungsbefugnisse des Staates ist allerdings in Art. 137 Abs. 3 S. 2 WRV nicht ausdrücklich geregelt. Anderenorts haben hingegen sowohl das Grundgesetz als auch die Weimarer Reichsverfassung die Disponiblität bestimmter Verfassungsgebote explizit verneint. So sind gem. Art. 9 Abs. 3 S. 2 GG Abreden, die das Koalitionsrecht einschränken oder zu behindern suchen, nichtig; hierauf gerichtete Maßnahmen sind rechtswidrig. Diese Norm hatte in Art 159 S. 2 WRV ihren Vorläufer. Wenn nun in Art 137 Abs. 3 S. 2 WRV die Disponibilität nicht ausdrücklich ausgeschlossen ist, spricht dies eher für als gegen die Annahme, daß das staatliche Mitwirkungsverbot zumindest in gewissen Grenzen zur Disposition von Staat und Kirche steht.733 Jedenfalls steht der Wortlaut kirchlicherseits eingeräumten Mitwirkungsbefugnissen des Staates nicht strikt entgegen. b) Historische Interpretation Weitere Anhaltspunkte könnten sich aus der Entstehungsgeschichte des Art 137 Abs. 3 S. 2 WRV ergeben. Bemerkenswert ist vor allem, daß die Weimarer Nationalversammlung nicht dem Vorbild des Art 18 Abs. 1 der preußischen Verfassungs-Urkunde von 1850 folgte, wonach staatliche Mitwirkungsrechte bei der Besetzung kirchlicher Ämter nur aufgehoben wurden, soweit sie sich auf staatskirchenhoheitliche Grundlagen stützten, aber bestehen blieben, soweit sie "auf dem Patronat oder besonderen Rechtstiteln" beruhten. Besondere Rechtstitel waren vor allem Konkordate und sonstige Vereinbarungen zwischen Staat und Kirche. 734 Diese Differenzierung fehlt in Art. 137 Abs. 3 S. 2 WRV. Im Weimarer Verfassungsausschuß wurde daher Art. 137 Abs. 3 S. 2 WRV zum Teil in dem Sinne verstanden, "daß in Zukunft die Kirchen nicht mehr berechtigt sein sollen, durch freie Vereinbarung dem Staate oder der bürgerlichen Gemeinde das Recht irgendeiner Mitwirkung an

7 3 3

Vgl. Robbers, JuS 1985, 925 (928): "In der Regel" seien Eingrenzungen hinsichtlich eines Grundrechtsverzichts bereits im Wortlaut enthalten. 7 3 4

Anschütz, Prß.Verf.-Urkunde, Komm., Art. 18 Erl. 3.2, S. 355.

E. Vorgaben des Art. 140 GG i.V.m. 137 Abs. 3 S. 2 W R V

281

der Besetzung einer geistlichen Amtsstelle einzuräumen".735 Andere hielten diese Interpretation "für irrtümlich" 736 , ohne daß dieses Problem weiter erörtert geschweige denn geklärt worden wäre. Ausgiebiger diskutiert wurde lediglich das Problem der Privatpatronate, die nach Anträgen von Zentrum 737 und DVP 738 von Art. 137 Abs. 3 S. 2 WRV unberührt bleiben sollten. Damit hätte man einen Teil der differenzierten Regelung des Art 18 Abs. 1 prß.Verf.-Urkunde aufgegriffen. Dieser Passus wurde indessen weggelassen, da man dieses komplexe Problem nicht in der Verfassung regeln, sondern späterer Landesgesetzgebung vorbehalten wollte. 739 Immerhin wurde deutlich, daß die Patronate nur entfallen sollten, soweit sie staatlicher Natur waren, d.h. auf staatskirchenhoheitlicher Grundlage beruhten, nicht aber dann, wenn sie kirchlicher Natur waren und sich auf kirchliche Rechtstitel stützten.740 Aus der Entstehungsgeschichte ergibt sich somit jedenfalls, daß Mitwirkungsrechte auf staatskirchenhoheitlicher Grundlage entfallen sollten. Manches deutet daraufhin, daß kirchlich eingeräumte Befugnisse des Staates von Art. 137 Abs. 3 S. 2 WRV nicht untersagt werden sollten, jedenfalls soweit es sich um Privatpatronate handelte. Völlige Klarheit bestand darüber in der Nationalversammlung freilich nicht. c) Systematische und teleologische Interpretation Bezugspunkte in systematischer Hinsicht sind auf der einen Seite Art 137 Abs. 3 S. 1 WRV und auf der anderen Art. 137 Abs. 1 WRV. Von Bedeutung ist vor allem die Nähe von Art 137 Abs. 3 S. 2 WRV zum kirchlichen Selbstbestimmungsrecht gem. Art 137 Abs. 3 S. 1 WRV. In den ursprünglichen Entwürfen wurde der enge Zusammenhang noch deutlicher, als beide Sätze in einem Satz zusammengefaßt waren, wobei der zweite über

7 3 5

So der bayerische Gesandte v. Preger, Nat.Vers.-Steno, Bd. 336, 204, der seinerseits forderte, die kirchliche Einräumung staatlicher Mitwirkungsbefugnisse nicht von Verfassungs wegen zu untersagen. 7 3 6

Naumann P D P ) , Nat.Vers.-Steno, Bd. 336, 205.

7 3 7

Antrag Nr. 91 - Gröber und Genossen, Nat.Vers.-Steno, Bd. 336,175.

7 3 8

Antrag Nr. 92 - Kahl und Genossen, Nat.Vers.-Steno, Bd. 336,176.

7 3 9

Mausbach, Kulturfragen, S. 66.

7 4 0

Naumann (DDP), Nat.Vers.-Steno, Bd. 336, 205. Vgl. auch für die Weimarer h.L. Anschütz, WRV, Komm., Art. 137 Erl. 6, S. 642, und für die Mindermeinung Ebers, Staat und Kirche, S. 271.

282

D i e Verfassungsmäßigkeit der Militärseelsorge

ein "insbesondere" an den ersten (Halb-)Satz angehängt war. 741 Art. 137 Abs. 3 S. 2 WRV ist somit als Ausfluß des Selbstbestimmungsrechts zu sehen. Das kirchliche Selbstbestimmungsrecht gem. Art. 137 Abs. 3 S. 1 und 2 WRV hat zunächst subjektiv-rechüichen Charakter. Es enthält das Recht der Religionsgemeinschaften gegenüber dem Staat auf Achtung ihrer Selbstbestimmung und insbesondere auf Nicht-Einmischung in ihre Stellenbesetzung und Ämterverteilung. Insoweit könnte man daran denken, daß es Gebrauch des Se/foibestimmungsrechts ist, in gewissem Rahmen eine Fremdbestimmung zuzulassen. So betrachtet, spräche nichts gegen die kirchliche Einräumung staatlicher Mitwirkungsbefugnisse; Art 137 Abs. 3 S. 2 WRV wäre dann disponibel. Allerdings ist diese Form staatlicher Fremdbestimmung der Kirche gerade ein Kennzeichen staatskirchlicher Ordnung, die durch Art 137 Abs. 1 WRV zugunsten kirchlicher Autonomie und verstärkter Trennung von Staat und Kirche überwunden werden sollte. Damit sind zugleich die zwei Eckpunkte der ratio legis des Art. 137 Abs. 3 S. 2 WRV umschrieben.742 Zum einen dient diese Norm zum Schutz vor staatlichen Übergriffen in die kirchliche Autonomie. Den Vertretern kirchlicher Interessen in der Weimarer Nationalversammlung war dies ein besonders wichtiges Anliegen, da der Staat sich seit der Revolution nicht länger als christlich begriff. Zum anderen ist Art 137 Abs. 3 S. 2 WRV Ausdruck der Trennung von Staat und Kirche. Diese zweite Zielrichtung des Art. 137 Abs. 3 S. 2 WRV markiert die Grenze der Dispositionsbefugnis, die Kirche und Staat zukommt. Zwar kennen weder Weimarer Reichsverfassung noch Grundgesetz die strikte Trennung von Staat und Kirche, aber doch deren Scheidung in der Wurzel. 743 Dazu gehört, daß beide Seiten ihre Ämter ohne Einflußnahme der anderen besetzen können. Bei formaler Betrachtung bleibt die Scheidung zwar selbst dann gewahrt, wenn die Kirche aus freien Stücken dem Staat - wieder entziehbare - Einflußmöglichkeiten einräumt. Es darf aber nicht verkannt werden, daß sich die Kirche auf staatliche Mitwirkung im kirchlichen Bereich nur einlassen wird, wenn sie gegenüber dem Staat die schwächere Verhandlungsposition innehat. Gerade dann wäre die Abwehr staatlicher Einflußnahmeversuche jedoch von besonderer Dringlichkeit. Art 137 Abs. 3 S. 2 WRV kann seine Schutz Wirkung für die kirchliche Autonomie also nur entfalten, wenn er nicht zur Disposition steht Dies mag während der Ver-

7 4 1 Nat.Vers.-Steno, Bd. 336, 208. Vgl. auch die Anträge von Gröber (Zentrum), Nat.Vers.Steno, Bd. 336, 175, und von Kahl (DVP), Nat.Vers.-Steno, Bd. 336, 176. 7 4 2

Dazu siehe Mausbach, Kulturfragen, S. 66.

7 4 3

Siehe oben 3. Teil D II 1 f.

E. Vorgaben des Art. 140 GG i.V.m. 137 Abs. 3 S. 2 W R V

283

fassungsberatungen 1919 noch nicht von besonderer Bedeutung gewesen sein. Die Erfahrungen der NS-Zeit und des Stalinismus haben jedoch den Grundgesetzgeber veranlaßt, trotz im wesenüichen gleichbleibenden Verfassungswortlauts die kirchliche Autonomie zu verstärken. Diese Grundentscheidung der Verfassung darf nicht unterlaufen werden. Staatliche Einspruchsrechte bei der Besetzung kirchlicher Ämter berühren die kirchliche Autonomie so wesentlich, daß die von der Verfassung vorgegebene Scheidung in der Wurzel in Frage gestellt werden kann. Das Mitwirkungsverbot des ArL 137 Abs. 3 S. 2 WRV beläßt daher Staat und Kirchen zumindest im Grundsatz keinen Dispositionsrahmen, der die Vereinbarung eines Vetorechts ermöglicht. 2· Ausnahme von dem Mitwirkungsverbot aus der Natur der Sache

Aber selbst wenn staatliche Einspruchsrechte auch bei kirchlicher Einwilligung grundsätzlich unzulässig sind, könnte doch für den Bereich der Militärseelsorge eine sich aus der Natur der Sache ergebende Ausnahme gelten. Schon in der preußischen Verfassungs-Urkunde von 1850 wurde gem. Art. 18 Abs. 2 "die Anstellung von Geistlichen beim Militär" von dem grundsätzlichen Verbot staatlicher Mitwirkung bei der Besetzung kirchlicher Ämter (Art. 18 Abs. 1 prß.Verf.-Urkunde) ausgenommen. Dies galt als Selbstverständlichkeit,744 zumal die damalige Militärseelsorge bis in die Spitze nur staatliche Ämter kannte.745 Die Weimarer Nationalversammlung stellte ausdrücklich fest, daß sie die vorgefundene Militärseelsorge unberührt lassen wollte. Daher ist davon auszugehen, daß der Weimarer Verfassungsgeber auch keine Einwände gegen die staatliche Ernennung des Feldpropstes,746 der in etwa dem späteren Militärbischof entspricht, hatte. Dann steht zu vermuten, daß aus Weimarer Sicht auch gegen das minus eines staatlichen Einspruchrechts bei kirchlicher Ernennung keine Einwände bestanden hätten.747 Auch unter der Geltung des Grundgesetzes zählt die Militärseelsorge zu den gemeinsamen Angelegenheiten von Staat und Kirche, wo das beidersei7 4 4

Anschütz, Prß.Verf.-Urkunde, Komm., Art. 18 Erl. 3.3, S. 356.

7 4 5

Zur Militärseelsorge im 19. Jahrhundert siehe oben 3. Teil Β III 2 c.

7 4 6

§ 6 E M D vom 17.10.1902 und § 6 K M D vom 17.10.1902.

7 4 7

Die h.L. der Weimarer Zeit (oben Fußn. 721) nahm Einspruchsrechte ohnehin von dem Mitwirkungsverbot des Art. 137 Abs. 3 S. 2 W R V aus.

284

D i e Verfassungsmäßigkeit der Militärseelsorge

tige Miteinander besonders eng ausgestaltet ist. Daraus ergibt sich die Notwendigkeit gegenseitiger Rücksichtnahme, wie sie z.B. in der Freundschaftsklausel des Art 27 MSV vereinbart ist. Insbesondere für den Staat ist mit der Bundeswehr ein höchst sensibler Bereich berührt, in den der nicht in den Staatsapparat eingebundene Militärbischof quasi von außen hineinwirkt. 748 Zu den sich aus dem Gebot freundschaftlicher Rücksichtnahme ergebenden Pflichten für die Kirche gehört daher, den Staat nicht mit einer Person für das Amt des Militärbischofs zu konfrontieren, die mit dessen legitimen Interessen schlechterdings unvereinbar ist. Für den Staat bedeutet Rücksichtnahme, grundsätzlich jede Person als Militärbischof zu akzeptieren, sofern sie nicht für ihn schlechthin unzumutbar ist. Eben diese Selbstverständlichkeiten beschreibt die Klausel der Art 27 Abs. 2 S. 2 RK und Art 11 Abs. 1 S. 2 MSV. Sie enthält mithin nur das, wozu beide Seiten aus Gründen wechselseitiger Rücksichtnahme ohnehin gehalten sind. Das Gebot wechselseitiger Rücksichtnahme steht nicht im Widerspruch zur Scheidung von Staat und Kirche in der Wurzel. Die Verfassung kennt eben nicht die strikte Trennung, sondern sieht ein auf Partnerschaft und verständige Kooperation angelegtes Miteinander von Staat und Kirche vor. Wenn das Einspruchsrecht des Staates als Konkretisierung der sich aus der Natur der Sache ergebenden Pflicht zur gegenseitigen Rücksichtnahme im Rahmen des partnerschaftlichen Miteinanders von Staat und Kirche auf dem Gebiet der Militärseelsorge verstanden wird, bewegt es sich im durch Art 4, 140 GG vorgegebenen staatskirchenrechtlichem Rahmen und ist damit auch mit Art. 137 Abs. 3 S. 2 WRV vereinbar.

IV. Staatliche Mitwirkung bei der Ernennung der Militärgeistlichen Weniger problematisch mit Blick auf Art 137 Abs. 3 S. 2 WRV ist die staatliche Mitwirkung bei der Ernennung der Militärgeistlichen. 749 Zwar liegt die Berufung in deren staatliches Amt selbstredend in staatlicher Hand. Art. 137 Abs. 3 S. 2 WRV schützt aber lediglich die Besetzung kirchlicher Ämter. Anders als bei den Militärbischöfen begründet die kirchliche Ernennung der Militärgeistlichen jedoch keine staatlichen Einspruchs-

7 4 8 Cremers, Militärseelsorge-Vertrag, S. 245 Fußn. 3 mit Hinweis auf eine unveröffentlichte Äußerung von Smend vor dem Militärseelsorgeausschuß der EKD. 7 4 9

Dazu Solte, HdbStKirchR I, 2. Aufl., 561 (570 ff.).

. Vorgaben des Art. 140 GG i.V.m.

13 Abs.

WRV

285

rechte. 750 Soweit die evangelischen Landeskirchen in den neuen Bundesländern die Verbeamtung ablehnen, können sie frei von staatlicher Mitwirkung Pfarrer mit der Soldatenseelsorge beauftragen.

F. Vorgaben des Art. 140 GG i.V.m. Art 137 Abs. 3 S. 1 WRV Vereinzelt wird die Ansicht vertreten, die staatliche Organisation der Militärseelsorge verhindere das selbständige Ordnen und Verwalten kirchlicher Angelegenheiten in diesem Bereich. 751 Die staatliche Organisation unterstützt jedoch lediglich die kirchliche Arbeit und wird von den Kirchen mit Inhalten gefüllt. 752 Die eigenverantwortliche Erledigung kirchlicher Angelegenheiten wird dadurch ermöglicht, nicht in Frage gestellt. Im übrigen findet sich eine Parallele im Religionsunterricht, wo gleichfalls kirchliche Inhalte in staatlichen Strukturen vermittelt werden. Die Verfassung sieht den Religionsunterricht gleichwohl in keinem Spannungsverhältnis zu Art 137 Abs. 3 S. 1 WRV. Dies gilt gleichermaßen für die Militärseelsorge.

G. Vorgaben des Art 140 GG i.V.m. Art. 138 Abs. 1 WRV Die finanzielle Komponente des staatlichen Engagements wird im Rahmen der derzeitigen innerevangelischen Diskussion um die Militärseelsorge nur vereinzelt kritisiert. 753 Gleichwohl wirft gerade dieser Aspekt die Frage nach der Verfassungskonformität auf. 754 Explizite Verfassungsaussagen über die

7 5 0

Vgl. Art. 15 S. 1 PS-Kath.MB; Art. 12 Abs. 1 Nr. 1, 18 Abs. 1 MSV. In Art 27 Abs. 3 S. 1 RK haben Staat und kath. Kirche lediglich ein vorheriges Benehmen, nicht jedoch ein Einvernehmen vereinbart. 75 1

W.Huber, Kirche und Öffentlichkeit, S. 266.

7 5 2

Vgl. Art 2 MSV.

7 5 3

Vgl. Noack, epd Dokumentation 25/92, 15.

7 5 4

Für Verfassungswidrigkeit etwa Bamberg, Militärseelsorge, S. 71; W.Huber, Kirche und Öffentlichkeit, S. 289; Fischer, Volkskirche ade! Trennung von Staat und Kirche, 4. Aufl.,

286

Die Verfassungsmäßigkeit der Militärseelsorge

finanzielle Ausgestaltung des Verhältnisses zwischen Staat und Kirche finden sich allerdings nur vereinzelt. So ist in Art 137 Abs. 6 WRV i.V.m. Art 140 GG die Kirchensteuer gewährleistet. Die Kirchensteuer wird zwar durch die staatlichen Finanzämter verwaltet Dennoch handelt es sich um eine innerkirchliche Finanzierung der Kirchen durch deren Mitglieder, also nicht um staatliche Finanzzuwendungen. Art 137 Abs. 6 WRV ist für eine verfassungsrechtliche Beurteilung der staatlichen Finanzierung der Militärseelsorge mithin unergiebig. Die Frage staatlicher Finanzzuwendungen an Kirchen und Religionsgemeinschaften ist ausdrücklich nur in einer Verfassungsbestimmung angesprochen. In Art. 138 Abs. 1 WRV (i.V.m. Art. 140 GG) heißt es: Die auf Gesetz, Vertrag oder besonderen Rechtstiteln beruhenden Staatsleistungen an die Religionsgesellschaften werden durch die Landesgesetzgebung abgelöst. Die Grundsätze hierfür stellt das Reich auf. Staatsleistungen i. S. d. Art. 138 Abs. 1 WRV sind vor allem die Leistungen des Staates, deren historischer Rechtsgrund aus der Zeit vor 1919 herzuleiten ist. 755 Auf evangelischer Seite reichen die historischen Wurzeln bis in die Reformationszeit zurück, als die ehemals katholischen Kirchengüter den nunmehr protestantischen Landesherren zufielen, die damit zugleich die Gewähr für die finanzielle Ausstattung der evangelischen Landeskirchen übernahmen. Entsprechendes galt für die katholische Kirche, die insbesondere im Zuge der mit dem Reichsdeputationshauptschluß im Jahre 1803 ausgelösten Säkularisation beinahe sämtliche geistliche Territorien und einen Gutteil ihres Vermögens an die deutschen Einzelstaaten verlor, die wiederum gem. § 35 RDH zu Dotationen an die katholische Kirche gehalten waren. 756 Die Finanzierung der Militärseelsorge steht in keinem Zusammenhang mit einem Ausgleich für die kirchlichen Säkularisationsopfer. Vielmehr handelt es sich um die Kosten für eine kirchliche Aufgabe, die sich der Staat hinsichtlich der Organisation - nicht der Inhalte - zu eigen gemacht hat. Die damit zusammenhängenden finanziellen Aufwendungen des Staates sind also keine

S. 146 f., 150; Czermak, ZRP 1990, 475 (478). Die Verfassungskonformität bezweifelt ferner Brauns, Staatsleistungen, S. 105 Fußn. 156. 75 5 v. Campenhausen, in: v. Mangoldt/Klein, GG, Komm., Art. 140/138 WRV Rdnr. 3; Isensee, HdbStKirchR I, 2. Aufl., 1009 (1011); ders., JuS 1980, 94 (97); Weber, Ablösung der Staatsleistungen, S. 47. 7 5 6

Isensee, HdbStKirchR I, 2. Aufl., 1009 (1019); Ziekow, DÖV 1985, 817 (819).

. Vorgaben des Art. 140 GG i.V.m.

13 Abs.

WRV

287

Staatsleistungen757 und unterfallen insoweit nicht dem Regelungsbereich des Art. 138 Abs. 1 WRV. 7 5 8 Etwas anderes könnte sich nur ergeben, wenn aus Art 138 Abs. 1 WRV über die Pflicht zur Ablösung historisch überkommener Staatsleistungen hinaus die Unzulässigkeit aller sonstigen staatlichen Leistungen zugunsten der Kirchen folgte. Dem Wortlaut ist ein derart weitreichendes Finanzierungsverbot jedoch nicht zu entnehmen.759 Ebensowenig bieten die Gesetzgebungsprotokolle von Weimarer Nationalversammlung und Parlamentarischen Rat dafür einen Anhaltspunkt. Im Weimarer Verfassungsausschuß galt Art 138 Abs. 1 WRV "als eine Folgerung des Trennungsgedankens (...) in seiner gemäßigten, relativen Form", als Ausdruck der intendierten "schiedlich-friedlichen Trennung". 760 Art 138 Abs. 1 WRV sollte zwar die organisatorische Entflechtung von Staat und Kirche in finanzieller Hinsicht flankieren. 761 Insoweit stellt Art. 138 Abs. 1 WRV die vermögensrechtliche Seite von Art. 137 Abs. 1 WRV dar. 762 Aber zugleich garantiert Art. 138 Abs. 1 WRV die Staatsleistungen bis zu ihrer Ablösung. In Weimar wurde diese Gewährleistung in Art. 173 WRV nochmals bekräftigt. Zwar fehlt im Grundgesetz eine vergleichbare Bestimmung. Dies ändert aber nichts an der fortbestehenden verfassungsrechtlichen Gewährleistung der Staatsleistungen, 763 deren Ablösung im übrigen auch langfristig kaum zu erwarten sein

7 5 7 Brauns, Staatsleistungen, S. 105; Isensee, HdbStKirchR I, 2. Aufl., 1009 (1011); ders., JuS 1980, 94 (95). 7 5 8

Damit erübrigt sich eine Stellungnahme zu der Streitfrage, ob Art 138 Abs. 1 WRV der Neubegründung von Staatsleistungen im Wege steht (bejahend etwa: Preuß, in: Alternativkommentar, GG, Art. 140 Rdnr. 68; Brauns, Staatsleistungen, S. 107; Fischer, Trennung von Staat und Kirche, 3. Aufl., S. 240; verneinend u.a.: v. Campenhausen, in: v. Mangoldt/Klein, GG, Komm., Art. 140/138 WRV Rdnr. 19; Isensee, HdbStKirchR I, 2. Aufl., 1009 [1057]). Ohnehin dürfte es sich bei den Kosten der Militärseelsorge weniger um eine Neubegründung denn vielmehr um die Fortführung staatlicher Finanzleistungen handeln. 7 5 9

Anders etwa in Art. 44 Abs. 2 Nr. 2 der irischen Verfassung vom 01.07.1937: "Der Staat garantiert, keiner Religion finanzielle Unterstützung zu gewähren." 7 6 0 So der Berichterstatter der Weimarer Verfassungsausschusses Mausbach (Zentrum), Nat.Vers.-Steno, Bd. 336,1645 C. 7 6 1

Vgl. Naumann (DDP), NatVers.-Steno, Bd. 336, 191.

7 6 2

Preuß, in: Alternativkommentar, GG, Art. 140 Rdnr. 60: Brauns, Staatsleistungen, S. 100.

76 3

v. Campenhausen, in: v. Mangoldt/Klein, GG, Komm., Art 140/138 WRV Rdnr. 7; W.Weber, Ablösung der Staatsleistungen, S. 18. Schon Anschütz, WRV, Komm., Art 173 Erl. 1, S. 755, hielt Art. 173 W R V für überflüssig.

288

Die Verfassungsmäßigkeit der Militärseelsorge

dürfte. 764 Im Sinne einer radikalen vermögensrechtlichen Trennung ist Art. 138 Abs. 1 WRV daher nicht zu verstehen. Mithin steht Art 138 Abs. 1 WRV der staatlichen Finanzierung der Militärseelsorge nicht entgegen.765

H. Vorgaben der Art. 3 Abs. 3,33 Abs. 2 und 3,140 GG i.V.m. Art 136 Abs. 2 WRV Das Amt eines Militärgeistlichen im Staatsdienst ist ein öffentliches Amt, zu dem man nur mit einer bestimmten Konfessionszugehörigkeit Zugang hat. Dies könnte gegen das Verbot konfessioneller Differenzierung - insbesondere bei der Zulassung zu öffentlichen Ämtern - verstoßen, das gleich mehrfach im Grundgesetz verankert ist: Art 3 Abs. 3, 33 Abs. 2 und 3, 140 GG i.V.m. Art 136 Abs. 2 WRV. Das Nebeneinander der partiell identischen Art 33 Abs. 3 GG und Art 136 Abs. 2 WRV ist eine redaktionelle Unebenheit, die durch den Pauschalverweis des Art 140 GG zu erklären ist. 766 Dabei enthält Art. 33 Abs. 3 GG die weitergehende Regelung, so daß Art 136 Abs. 2 WRV, ohne daß ihm ein eigener Bedeutungsgehalt zukommt, hinter Art 33 Abs. 3 GG zurücktritt. 767 Im Verhältnis zu den Art 3 Abs. 3 und 33 Abs. 2 GG ist Art 33 Abs. 3 GG zwar an sich überflüssig, aber doch die speziellere Norm. 768 Prüfungsmaßstab ist also Art. 33 Abs. 3 GG. Nun sind konfessionsgebundene Staatsämter nicht schlechterdings mit

7 6 4 Schon in der Weimarer Nationalversammlung rechnete man mit einem langen Fortbestand der Staatsleistungen: vgl. etwa Kahl (DVP), Nat.Vers.-Steno, Bd. 328, 1649 A; Meerfeld (SPD), Nat.Vers.-Steno, Bd. 336,206; Spahn (Zentrum), Nat.Vers.-Steno, Bd. 336, 205. Aus der Weimarer Literatur siehe etwa v. Freytagh-Loringhoven, Weimarer Verfassung, 1924, S. 342. 7 6 5 Zur Vereinbarkeit des finanziellen Engagements mit Art 4 GG, 137 Abs. 1, 141 WRV siehe oben B, C, D. 7 6 6

Maunz, in: Maunz/Dürig, GG, Komm., Art 33 Rdnr. 24; M.Heckel, HdbStKirchR I, 2. Aufl., 623 (624). 7 6 7 v. Campenhausen, in: v. Mangoldt/Klein, GG, Komm., Art 140/136 WRV Rdnr. 13; Hollerbach, HdbStKirchR 1,1. Aufl., 215 (230). 7 6 8

BVerwGE 19, 252 (261); Gubelt, in: v. Münch/Kunig, GG, Komm., Art 3 Rdnr. 94; Pieroth/Schlink, StaatsR I I - Grundrechte, Rdnr. 523.

. Vorgaben des Art.

Abs.

GG

289

Art. 33 Abs. 3 GG unvereinbar. 769 Wenn ein - zulässigerweise errichtetes Staatsamt mit einer bestimmten Konfession in einem untrennbaren Zusammenhang steht, weil der Inhaber verpflichtet ist, im Sinne und Dienst dieser Konfession seelsorgerisch tätig zu sein, dann ist die entsprechende Konfessionszugehörigkeit ein Merkmal der "Eignung" bzw. "Befähigung" für dieses öffentliche Amt gem. Art. 33 Abs. 2 GG. 770 Aus dem Sondercharakter 771 und der Natur 772 eines konfessionsgebundenen Amtes ergibt sich, daß Art 33 Abs. 3 GG der Konfessionsbindung in diesem Fall nicht entgegenstehen kann. Die verfassungsrechtliche Zulässigkeit der Errichtung eines konfessionsgebundenen Staatsamtes ist mithin nicht nach der Vorgabe des Art 33 Abs. 3 GG zu beurteilen. Entscheidend ist vielmehr, ob die Konfessionsbindung im Einklang mit den staatskirchenrechtlichen Grundaussagen der Art 4, 140 GG i.V.m. Art. 137 ff. WRV steht Bejahendenfalls ist die Konfessionsbindung zugleich mit Art. 33 Abs. 2 und 3 GG vereinbar. Einer Mindermeinung773 zufolge sind konfessionelle Staatsämter nur verfassungskonform, wenn deren Errichtung ausdrücklich in der Verfassung angeordnet oder zumindest zugelassen ist. Eine derartige Verfassungsbestimmung finde sich nur in Art 7 Abs. 3 GG für die Religionslehrer. Art 141 WRV rechtfertige demgegenüber nicht die konfessionsgebundenen Staatsämter auf dem Gebiet der Militärseelsorge. Wie oben dargelegt, ist jedoch das staatliche Engagement im Bereich der Militärseelsorge einschließlich der Übernahme der Militärgeistlichen in den Staatsdienst mit den Art. 4 Abs. 1 und 2 GG, Art 140 GG i.V.m. Art 137 Abs. 1, 141 WRV vereinbar. Die Einrichtung konfessioneller Staatsämter für die Militärseelsorge ist somit auch mit Blick auf Art. 33 Abs. 3 GG verfassungsgemäß. 774 760

Unstreitig; siehe nur einerseits v. Campenhausen, in: v. Mangoldt/Klein, GG, Komm., Art. 140/136 WRV Rdnr. 17, und andererseits Preuß, in: Alternativkommentar, GG, Art 140 Rn. 37, 42. 7 7 0 Matthey, in: v. Münch, GG, Komm., Art. 33 Rdnr. 27; M.Heckel, HdbStKirchR I, 1. Aufl., 445 (537); Pirson, Essener Gespräche 23 (1989), 46; Tilmann, Konkordatsprofessuren, S. 198. 77 1

M.Heckel, HdbStKirchR 1,1. Aufl., 445 (537).

7 7 2

Anschütz, WRV, Komm., Art. 136 Erl. 3, S. 624; Schmidt-Bleibtreu/Klein, GG, Komm., Art. 33 Rdnr. 8; v. Campenhausen, in: v. Mangoldt/Klein, GG, Komm., Art 140/136 Rdnrn. 12, 14; ders., HdbStR VI, § 136 Rdnr. 48; ders., FS Maunz II, 27 (29); Hollerbach, HdbStR VI, § 140 Rdnr. 48; listi, BayVBl. 1980, 468. 77 3

Preuß, in: Alternativkommentar, GG, Art. 140 Rdnrn. 37, 42, 71; Fischer, Trennung von Staat und Kirche, 3. Aufl., S. 104 f.; skeptisch auch Isensee, Essener Gespräche 23 (1989), 38 (Diskussionsbeitrag). 7 7 4

Ebenso Anschütz, WRV, Komm., Art 136 Erl. 3, S. 624; Matthey, in: v. Münch, GG, Komm., Art 33 Rdnr. 27; Schmidt-Bleibtreu/Klein, GG, Komm., Art 33 Rdnr. 8; v. Campenhau19 Ennuschat

290

Die Verfassungsmäßigkeit der Militärseelsorge

J. Zusammenfassung: Verfassungskonformität der Militärseelsorge Die Militärseelsorge trägt gleichermaßen den subjektiv-rechtlichen wie den objektiv-rechtlichen Vorgaben der Religionsfreiheit gem. Art 4 Abs. 1 und 2 GG Rechnung. Art 141 WRV beschreibt nicht die Obergrenze zulässigen Staatshandelns im Bereich der Militär- und Anstaltsseelsorge, so daß das staatliche Engagement mit Art. 141 WRV i.V.m. Art 140 GG vereinbar ist. Die Militärseelsorge ist keine staatskirchliche Einrichtung, so daß auch kein Verstoß gegen das Staatskirchen verbot gem. Art 137 Abs. 1 WRV i.V.m. Art. 140 GG vorliegt Schließlich steht die gegenwärtige Ausgestaltung der Militärseelsorge im Einklang mit den Vorgaben der Art 33 Abs. 3, 140 GG i.V.m. Art. 137 Abs. 3, 138 Abs. 1 WRV. Die Verfassungskonformität der Militärseelsorge in ihrer derzeitigen Organisation ist mithin zu bejahen.775

sen, in: v. Mangoldt/Klein, GG, Komm., Art. 140/141 WRV Rdnr. 17; ders., HdbStR VI, § 136 Rdnr. 48; Bleese, Militärseelsorge, S. 340; M.Heckel, HdbStKirchR I, 1. Aufl., 445 (536); Pirson, Essener Gespräche 23 (1989), 4 (21, 46). 77 5 v. Campenhausen, in: v. Mangoldt/Klein, GG, Komm., Art. 140/141 WRV Rdnr. 17; Maunz, in: Maunz/Dürig, GG, Komm., Art. 140/141 WRV Rdnr. 5; Hemmrich, in: v. Münch, GG, Komm., Art. 140 Rdnr. 47; Blaschke/Oberhem, Bundeswehr und Kirchen, S. 19 ff.; Bleese, Militärseelsorge, S. 254, 274, 348; Hautmann, Wehrverfassung, S. 113 ff.; Hollerbach, Verträge zwischen Staat und Kirche, S. 138; ders., HdbStR VI, § 139 Rdnrn. 11, 21; Scheffler, Staat und Kirche, S. 359; Voll, HdbBayStKirchR, S. 307 f.; Aymans, ArchKathKR 159 (1990), 132 (140 f.); Illguth, NZWehrr 1972, 129 (135 ff.); Loschelder, FS Hengsbach, 783 (787 f.); Pirson, Essener Gespräche 23 (1989), 4 (21); Seiler, HdbStKirchR II, 1. Aufl., 685 (689 f.); Weber, ZevKR 36 (1991), 253 (271). Ebenso zur Anstaltsseelsorge: v. Busse, in: Nawiasky/Schweiger/Knöpfle, Bay.Verf., Komm., 2. Aufl., Art. 148 Rdnr. 12; ders., Gemeinsame Angelegenheiten, S. 251; Albrecht, HdbStKirchR II, 1. Aufl., 701 (706 ff.); Schwankhart, FS v. d. Heydte, 1193 (1197). Aus der Weimarer Literatur: Anschütz, WRV, Komm., Art. 141 Erl. 2, S. 657.

4. Teil: Sonderfragen der Verbeamtung der Militärgeistlichen Die Militärseelsorge markiert eine der Schnittstellen zwischen staatlichem und kirchlichem Bereich. Dem Staat dient die Bundeswehr zur Gewährleistung seiner äußeren Sicherheit und damit letztlich seiner Souveränität. Den Kirchen geht es um Seelsorge an Soldaten. Die damit verbundene seelsorgerische Begleitung militärischer Tätigkeit wiederum stellt die Kirchen vor zentrale theologische und kirchenpolitische Fragen. Für beide Seiten ist mithin ein besonders sensibler Bereich berührt. Die Verzahnung von Staat und Kirche kulminiert im Beamtenstatus der Militärgeistlichen, denen gleichermaßen ein staatliches wie ein kirchliches Amt zukommt. Spannungen zwischen staatlichen und kirchlichen Interessen beträfen daher zuvörderst den einzelnen Militärgeistlichen. Hieran knüpft die derzeitige innerevangelische Kritik an der Verbeamtung der Militärpfarrer an:1 Der Beamtenstatus führe zu einer zu großen Staatsnähe und beeinträchtige die Unabhängigkeit kirchlicher Arbeit. Die Befürworter der bestehenden Militärseelsorge führen demgegenüber an, im Beamtenstatus sei nur eine "leere Hülse ohne sachlichen Gehalt" zu sehen.2 Die Verbeamtung sei darüber hinaus aus Gründen des Völkerrechts, der Geheimhaltung und Gleichbehandlung mit der katholischen Kirche zwingend geboten. Im folgenden soll daher zunächst untersucht werden, welche rechtlichen Konsequenzen sich aus der Verbeamtung der Militärgeistlichen ergeben (Α.). Im Anschluß daran soll der Frage nachgegangen werden, ob im Beamtenstatus eine rechtliche Notwendigkeit zu sehen ist (B.).

1 2

Dazu oben 1. Teil A.

Pirson, Essener Gespräche 23 (1989), 45 (Diskussionsbeitrag); ähnlich Castell-Rüdenhauseny EvKomm 1994, 662 (663). 19*

292

Sonderfragen der V e r b e a m t u n g der M i l i t ä r g e i s t l i c h e n

A. Anwendbarkeit des Beamtenrechts auf Militärgeistliche I. Rechtlicher Anknüpfungspunkt der Heranziehung staatlichen Beamtenrechts für Militärgeistliche Nach Art. 19 Abs. 1 S. 1 MSV werden die Militärgeistlichen in das Beamtenverhältnis berufen. Gem. Art 19 Abs. 2 und 3 S. 3 MSV finden auf sie die für Bundesbeamte geltenden Vorschriften Anwendung, soweit nicht im Militärseelsorgevertrag etwas anderes bestimmt ist. Diese auf die evangelischen Militärpfarrer bezogene Regelung ist gem. Art. 2 des Gesetzes zum Militärseelsorgevertrag i.V.m. Art. 27 Abs. 4 S. 2 RK zugleich für die katholischen Militärgeistlichen einschlägig. Die in Art 19 Abs. 2 und 3 MSV angesprochenen "anderen Bestimmungen" des Militärseelsorgevertrages beziehen sich vor allem auf das besondere Procedere bei der Einstellung (Art. 18 f. MSV), die Mitwirkungsrechte des Militärbischofs bei Ernennung, Beförderung, Versetzung und sonstigen wichtigen Entscheidungen in personellen Angelegenheiten der Militärgeistlichen (Art. 20 MSV) sowie auf das Versorgungsrecht (Art 23 bis 25 MSV). Diese Spezialregelungen sind nicht sonderlich konfliktträchtig; ihnen soll nicht weiter nachgegangen werden.3 Im folgenden wird vielmehr zu untersuchen sein, inwieweit die allgemeinen Vorgaben des Beamtenrechts für die Militärgeistlichen gelten. Zu fragen ist insbesondere, ob die beamtenrechtlichen Dienstpflichten Direktiven für die Tätigkeit der Militärseelsorger enthalten. Der Blick soll dabei namentlich auf diejenigen Dienstpflichten gelenkt werden, welche ihre Wirkungen gerade im Spannungsfeld zwischen staatlichen und kirchlichen Interessen entfalten und dabei auf verfassungsrechtliche Fragestellungen verweisen: die Pflichten zur (Verfassungs)Treue (§ 52 Abs. 2 BBG), zur politischen Mäßigung (§ 53 BBG) und zum Gehorsam (§ 55 BBG). Zwar sind mit diesen Pflichten verbundene Konflikte im Bereich der Militärseelsorge kaum zu verzeichnen. Sollten Probleme auftreten, werden diese von Staat und Kirche im Wege partnerschaftlichen Zusammenwirkens außerhalb des Beamtenrechts gelöst. Aber allein das Wissen um die Möglichkeit einseitiger Durchsetzung staatlicher Interessen im Wege des Beamtenrechts würde Vorwirkungen für die partnerschaftliche Konfliküösung entfalten. 4

3

Zur Versorgung siehe Cremers, Militärseelsorge-Vertrag, S. 224 ff.

4

Maurer, Essener Gespräche 23 (1989), 163 f. (Diskussionsbeitrag).

Α. Anwendbarkeit des Beamtenrechts auf Militärgeistliche

293

II. Allgemeine Treuepflicht gem. Art 33 Abs. 4 und 5 GG; Pflicht zur Verfassungstreue gem. § 52 Abs. 2 BBG 1. Allgemeines

Das Beamtenverhältnis ist gem. Art. 33 Abs. 4 GG, § 2 Abs. 1 BBG ein öffentlich-rechtliches Dienst- und Treueverhältnis. In Art 33 Abs. 4 und 5 GG wurzelnde Kernpflicht des Beamten ist daher die Treue gegenüber seinem Dienstherrn; Dienstherr der verbeamteten Militärseelsorger ist der Bund (vgl. § 2 Abs. 1 BBG). Aus der allgemeinen Treuepflicht werden sämtliche den Beamten treffenden Einzelpflichten abgeleitet. Aus ihr folgt insbesondere die Pflicht zur Verfassungstreue: Gem. § 52 Abs. 2 BBG muß der Beamte sich durch sein gesamtes Verhalten zu der freiheitlich-demokratischen Grundordnung im Sinne des Grundgesetzes bekennen und für deren Erhaltung eintreten.5 Bietet ein Bewerber nicht die Gewähr hierfür, darf er gem. § 7 Abs. 1 Nr. 2 BBG nicht in das Beamtenverhältnis berufen werden. Die Pflicht zur Verfassungstreue umfaßt das aktive Eintreten für den Staat. Sie reicht damit über die allgemeine staatsbürgerliche Pflicht zur Unterlassung von Angriffen auf die freiheitlich-demokratische Grundordnung hinaus.6 Hintergrund ist die Entscheidung des Grundgesetzes für die wehrhafte Demokratie (vgl. Art 2 Abs. 1, 9 Abs. 2, 18, 20, 21 Abs. 2, 79 Abs. 3, 91 Abs. 1, 98 Abs. 2 GG): Der Staat muß sich stets und besonders in Krisenzeiten darauf verlassen können, daß seine Beamten für ihn Partei ergreifen. 7 Der Beamte muß aber nicht für jede einzelne Regelung des Grundgesetzes und noch weniger für die jeweilige Regierungspolitik eintreten.8 Die Pflicht zur Verfassungstreue wird daher nicht verletzt, wenn etwa die Verteidigungspolitik kritisiert wird, wohl aber durch aktive Mitgliedschaft in einer verfassungsfeindliche Ziele verfolgenden Partei.9

5

Dazu etwa Plog/Wiedow/Beck, Teil C, § 55 Rdnr. 7.

BBG, Komm., § 52 Rdnr. 4; Schütz, Beamtenrecht, Komm.,

6 BVerfGE 39, 334 (348, 359); Schütz, Beamtenrecht, Komm., Teil C, § 55 Rdnr. 7; Hilg, Beamtenrecht, S. 320. 7 BVerfGE 39, 334 (348 f.); Schütz, Beamtenrecht, Teil C § 55 Rdnr. 7; Scholz, FS Broermann, 409 (414). 8

Plog/Wiedow/Beck,

9

BVerfGE 39, 334 (358 f.).

BBG, Komm., § 52 Rdnr. 3; Schütz, Beamtenrecht, Teil C § 55 Rdnr. 8.

294

Sonderfragen der Verbeamtung der Militärgeistlichen

2. Besonderheiten für Militärgeistliche a) Zulässigkeit der Treueverpflichtung

durch Militärgeistliche

In bezug auf die Zulässigkeit der Treueverpflichtung durch Militärgeistliche stellen sich zwei Fragen: Darf - erstens - sich ein Geistlicher zur Treue gegenüber einer weltlichen/irdischen Organisation verpflichten? Und zweitens: Darf der Staat von einem Geistlichen Treue fordern? Die erste Frage ist theologischer Natur. Es ist durchaus denkbar, daß sich jemand aus seinem Glauben heraus gehalten sieht, nur seinem Gott, nicht aber irdischen Herren Treue zu versprechen. In bezug auf die derzeitige Militärseelsorge stellt sich dieses Problem freilich nicht. Die katholische Kirche kennt seit langem den staatlichen Treueid ihrer Bischöfe. 10 Wenn sie sogar zuläßt, daß die Inhaber rein kirchlicher Ämter sich zur Verfassungstreue verpflichten können, dann steht dem Treueversprechen von Kirchenmitgliedern, die ein Staatsamt bekleiden, nichts entgegen. Die evangelische Kirche kennt zwar keinen Treueid ihrer Bischöfe, gleichwohl billigt auch sie die Verpflichtung ihrer Mitglieder zur Treue gegenüber dem Staat.11 Hintergrund ist für beide Kirchen Römer 13, 1: "Jedermann sei Untertan der Obrigkeit, die Gewalt über ihn hat." Im Treueversprechen eines Christen ist jedoch stets - ausdrücklich 12 oder stillschweigend13 - der Vorbehalt enthalten, Gott mehr gehorchen zu müssen als dem Menschen.14 Der Staat respektiert diese außerstaatliche Bindung seiner Beamten, indem er die religiöse Beteuerung des Diensteides vorsieht (§ 58 Abs. 1 BBG; vgl. auch Art 56, 64 Abs. 2 GG). Dies schließt allerdings nicht aus, daß der Staat im Konflikt zwischen Glaubensüberzeugung und Beamtenpflicht die Erfüllung letzterer u.U. einfordert und erzwingt. 15 Dies leitet zu der zweitgenannten Frage über: Darf der Staat von einem Geistlichen überhaupt die Treue zu Staat und Verfassung fordern? Dies wird 10

Z.B. Art 16 RK. Dazu Höllerbach, FS Obermayer, 193 ff.

11

V G Freiburg, NJW 1981, 2829 (2830); Hollerbach, FS Obermayer, 193 (198); Fertig, NJW 1981,2830. 12

Z.B. in der Anrufung Gottes in Dienst- und Amtseiden (Pieroth/Schlink, JuS 1984, 345 [346]); deutlicher noch beim staatlichen Treueid katholischer Bischöfe gem. Art. 16 RK: "...verspreche ich, so wie es einem Bischof geziemt,... Treue" (dazu Hollerbach, FS Obermayer, 193 [198]). 13

Fertig, NJW 1981, 2830.

14

Vgl. Apostelgeschichte 5, 29.

15

Pieroth/Schlink,

JuS 1984, 345 (347).

Α. Anwendbarkeit des Beamtenrechts auf Militärgeistliche

295

von der Staatspraxis und der ganz h.L. - vor allem mit Blick auf den politischen Treueid katholischer Bischöfe gem. Art. 16 RK - bejaht.16 In bezug auf die Militärgeistlichen kommt hinzu, daß das Treueverlangen nicht an sie als Geistliche, sondern als Staatsbeamte gerichtet ist. Die (Verfassungs-)Treue ist gem. Art. 33 Abs. 4 und 5 GG Wesensmerkmal des Beamten und Teil seiner "Eignung" gem. Art. 33 Abs. 2 GG. Schon diese verfassungsrechtlichen Vorgaben verlangen, daß die Verfassungstreuepflicht für jedes Beamtenverhältnis gilt. 17 Leitmotiv dieser Vorgaben ist zum einen die Sicherstellung einer ordnungsgemäßen Erfüllung der Staatsaufgaben18 und zum anderen das Prinzip der wehrhaften Demokratie, welches die Loyalität der Beamten voraussetzt. Nun erfüllen Militärgeistliche im Rahmen ihrer seelsorgerischen Tätigkeit gerade keine staatlichen, sondern kirchliche Aufgaben. Daher könnte man erwägen, der Sonderstatus der Militärgeistlichen rechtfertige eine Ausnahme von der Verfassungstreuepflicht. Anzuführen wäre etwa, daß Geisüichen anderer Religionsgemeinschaften, die außerhalb der staatlich organisierten Militärseelsorge ihre Religionsangehörigen unter den Soldaten betreuen, ebenfalls kein Verfassungstreueversprechen abgenommen werden darf - das schlichte Zutrittsrecht gem. Art. 141 WRV ist eben nicht an die Verfassungstreue gebunden. Den Militärseelsorgern obliegen aber nicht nur Aufgäben der Seelsorge, sondern auch die Durchführung des Lebenskundlichen Unterrichts. Letzterer steht im Zusammenhang mit der Gesamterziehung der Soldaten; er soll u.a. den Konsens an Grundwerten dartun, durch die unsere Gesellschaft lebensund damit verteidigungswert wird. 19 Der Unterricht ist mithin eine hoheitliche Aufgabe von nicht unbeträchtlicher staatspolitischer Bedeutung, die auch angesichts der noch nicht ausgereiften Persönlichkeitsstrukturen junger Soldaten nur erfüllt werden kann, wenn der Unterrichtende ein positives Verhältnis zu den unabdingbaren Grundprinzipien des Grundgesetzes hat.20 Von einem verbeamteten Militärseelsorger ist daher die uneingeschränkte Treue zur Verfassung i. S. d. § 52 Abs. 2 BBG zu erwarten. 21 16

Siehe nur Hollerbach, FS Obermayer, 193 (199); Solte, HdbStKirchR I, 2. Aufl., 561 (570).

17

BVerfGE 39, 334 (355); BVerwGE 47, 330 (340); 47, 365 (367); Scholz, FS Broermann, 409 (427 f.). 18

BVerwGE 47, 330 (340); 47, 365 (367).

19

ZDv 66/2 Nr. 2; Weisung für die Zusammenarbeit mit den Militärgeistlichen vom 12.11.1984 Nr. I I I 3 a; näher oben 2. Teil C II 2 c. 2 0

Vgl. BVerwGE 47, 330 (343); 47, 365 (369 f.): Unterrichtstätigkeit als Lehramtsreferendar.

21

Ebenso Loschelder, FS Hengsbach, 783 (797).

296

Sonderfragen der Verbeamtung der Militärgeistlichen

b) Verfassungstreue

als Einstellungsvoraussetzung

In Art 17 Abs. 1 MSV sind Einstellungsvoraussetzungen für Militärgeistliche aufgezählt: Theologiestudium, Berechtigung zur Ausübung des Pfarramtes, dreijährige seelsorgerische Berufserfahrung. Diese Aufzählung ist nicht abschließend. Sie bezieht sich lediglich auf die Vorbildung des Militärgeistlichen, nicht aber auf die übrigen Voraussetzungen für die Berufung in das Beamtenverhältnis. Art 17 Abs. 1 MSV ist somit nur in bezug auf § 7 Abs. 1 Nr. 3 BBG Spezialvorschrift und läßt die Berufungsvoraussetzungen der Nrn. 1 und 2 unberührt. Ein Militärgeistlicher muß daher - wie jeder andere Beamte auch - bei seiner Einstellung gem. § 7 Abs. 1 Nr. 2 BBG die Gewähr jederzeitigen Eintretens für die freiheitlich-demokratische Grundordnung bieten.22 c) Konflikte Das doppelte Loyalitätsverhältnis der Militärgeistlichen - Staat und Verfassung auf der einen, Kirche und Glauben auf der anderen Seite - birgt grundsätzlich die Gefahr von Konflikten in sich. Daran knüpft ein Teil der innerevangelischen Kritik an der Verbeamtung an.23 Die Gefahr von Loyalitätskonflikten ist freilich nicht auf die Militärseelsorge beschränkt. Sie beträfe auch einfache Kirchenmitglieder, sofern sie Staatsbeamte sind, ferner etwa Religionslehrer oder Theologieprofessoren, die zum Teil sogar ordinierte Pfarrer sind.24 Darüber hinaus sind doppelte Loyalitäten auch im staatlichen Beamtenrecht vorgesehen. So sieht etwa §'29 Abs. 1 Nr. 3 BBG im Ausnahmefall die Möglichkeit vor, daß ein Beamter in einem weiteren öffentlichrechtlichen Dienst- oder Amtsverhältnis zu einem anderen Dienstherrn steht; ferner sind die Oberfinanzpräsidenten zugleich Beamte des Bundes und des Landes.25 Keines dieser doppelten Loyalitätsverhältnisse führt zu unlösbaren Problemen. Mit Blick auf die allgemeine Treuepflicht und die Pflicht zur Verfassungstreue kommt hinzu, daß beide nicht sonderlich konfliktträchtig sind, da sich die Wertvorstellungen der beiden großen christlichen Kirchen und des grund-

2 2

So auch die Regierangsbegründung zu Art 17 MSV, BT-Dr. 2/3500, S. 13; Bleese, Militärseelsorge, S. 316; Cremers, Militärseelsorge-Vertrag, S. 219. 2 3

Niemöller, epd Dokumentation 25/92,26 (28).

2 4

v. Campenhausen, epd Dokumentation 50/93, 29; Graf,\ FAZ Nr. 253 vom 31.10.1994, S. 8; Ottemeyer, epd Dokumentation 25/92,17 (18). 2 5

Loschelder, FS Hengsbach, 783 (795).

Α . A n w e n d b a r k e i t des Beamtenrechts a u f M i l i t ä r g e i s t l i c h e

297

gesetzlichen Staates in ihrem wesentlichen Inhalt decken.26 Die sich jeweils ergebenden Pflichten ergänzen vielfach einander oder laufen parallel. 27 Im übrigen sei daran erinnert, daß etwa eine regierungskritische Einstellung oder die Ablehnung der jeweiligen Verteidigungspolitik nicht mit der Pflicht zur Verfassungstreue kollidiert. In der Praxis werden denkbare Konflikte zudem dadurch vermieden, daß die Kirchenleitungen davon absehen, gerade denjenigen Geistlichen für das Amt eines Militärgeistlichen vorzuschlagen, der sich aktiv für Ziele einsetzt, die mit der freiheitlich-demokratischen Grundordnung schlechterdings unvereinbar sind. Sollte es im Einzelfall dennoch zu einem Konflikt mit der Pflicht zur Verfassungstreue kommen, kann sich der Militärgeisüiche weder auf die Meinungs- noch auf die Religionsfreiheit berufen. Zwar gelten Grundrechte auch in Sonderrechtsverhältnissen und stehen daher Beamten zu. 28 Die Meinungsfreiheit findet jedoch gem. Art 5 Abs. 2 GG ihre Schranken in den allgemeinen Gesetzen, zu denen die Beamtengesetze und insbesondere § 52 Abs. 2 BBG zählen.29 Die Religionsfreiheit gem. Art 4 Abs. 1 und 2 GG enthält zwar keine ausdrückliche Schranke, kann aber durch kollidierendes Verfassungsrecht, d.h. durch andere Verfassungsgüter, beschränkt werden. Die freiheitlich-demokratische Grundordnung, verankert etwa in Art 2 Abs. 1, 9 Abs. 2, 18, 20, 21 Abs. 2, 79 Abs. 3, 91 Abs. 1, 98 Abs. 2 GG, ist ein Kernstück der Verfassung und damit kollidierendes Verfassungsrecht, welches durch die Pflicht zur Verfassungstreue gem. § 52 Abs. 2 BBG konkretisiert wird. 30 Die Abwägung zwischen der Meinungs- und Religionsfreiheit eines Beamten sowie der freiheitlich-demokratischen Grundordnung fällt - unter den Vorzeichen der wehrhaften Demokratie - zugunsten letzterer aus.

2 6 Fertig, NJW 1981, 2830; Simon, in: Schneider/Steinberg (Hrsg.), Verfassungsrecht zwischen Wissenschaft und Richterkunst, S. 87 (96). 2 7

Loschelder, FS Hengsbach, 783 (796).

2 8

BVerfGE 39, 334 (366); Stern, StaatsR I, § 11 I V 4, S. 378; ders., StaatsR ΙΠ/1, § 74 I I I 5, S. 1383 ff. 2 9

BVerfGE 39, 334 (367); BVerwGE 47, 330 (356); 47, 365 (372).

3 0

Vgl. BVerwGE 47, 330 (355); 47, 365 (371).

298

Sonderfragen der Verbeamtung der Militärgeistlichen

III. Pflicht zur Mäßigung und Zurückhaltung bei politischer Betätigung gem. § 53 BBG 1. Allgemeines

Wie jeder Staatsbürger genießt der Beamte den Schutz der Meinungs- und Vereinigungsfreiheit. 31 Ihm steht es frei, seine Meinung auch in der Öffentlichkeit mündlich oder schrifüich zu äußern, sich politischen Vereinigungen oder Parteien anzuschließen und dort Funktionen wahrzunehmen. Das Recht zur politischen Betätigung anerkennt auch § 53 BBG, verknüpft es aber mit einer allgemeinen Mäßigungs- und Zurückhaltungsklausel. Diese Klausel, Teil der hergebrachten Grundsätze des Berufsbeamtentums gem. Art 33 Abs. 5 GG, 32 betrifft somit weniger das "Ob" als vielmehr das "Wie" politischer Betätigung.33 Sie ist ein die Meinungsfreiheit zulässigerweise beschränkendes allgemeines Gesetz i.S.d. Art 5 Abs. 2 GG und konkretisiert die in Art 9 Abs. 2 enthaltene Schranke der Vereinigungsfreiheit. 34 Zwischen diesen Schranken und den Grundrechten aus Art 5 Abs. 1 und 9 Abs. 1 GG besteht freilich eine Wechselwirkung dergestalt, daß § 53 BBG im Lichte der genannen Grundrechte auszulegen ist. 35 Die Auslegung des § 53 BBG stößt angesichts seiner zahlreichen unbestimmten Rechtsbegriffe auf einige Schwierigkeiten. Daher soll zunächst ein kurzer Blick auf seine Tatbestandsmerkmale geworfen werden.36 a) Politische Betätigung "Politisch" i.S.d. § 53 BBG bezieht sich auf den gesamten öffentlichen Raum zwischen Staat und Gesellschaft jenseits der Privatsphäre. Unter gewissen Umständen kann mithin jeder Bereich "politisch" werden.37 "Politische" 31

BVerfG, NJW 1983, 2691; Schütz, Beamtenrecht, Komm., Teil C, § 56 Rdnr. 2.

3 2

BVerfG, NJW 1983, 2691.

33

Schmitt-Vockenhausen,

JuS 1985, 524.

3 4

BAG, NJW 1982, 2888 (2889); V G H Bd-Wtt., NJW 1983, 1216 (1217); Schütz, Beamtenrecht, Komm., Teil C vor § 55 Rdnrn. 9 ff., § 56 Rdnr. 2; Hilg, Beamtenrecht, S. 326. 3 5

BVerfG, NJW 1983, 2691; VG Berlin, NJW 1982,1113.

3 6

Zum folgenden siehe vor allem Weiß, ZBR 1988,109 ff., und Patunas, Politische Meinungsfreiheit der Lehrer, S. 98 ff. 3 7 Köhler/Ratz, BEK), Komm., B.II.2 Rn. 2; Weiß, ZBR 1988, 109 (114); zu eng Buth, NZWehrr 1981, 216 (220, 223): nur Ansichten, die einer Partei oder einer politischen Gruppe zuzurechnen sind.

Α. Anwendbarkeit des Beamtenrechts auf Militärgeistliche

299

Betätigung ist daher im weitesten Sinne zu verstehen und umfaßt nicht nur die parteipolitische, sondern auch die Verbands- und gesellschaftspolitische Betätigung wie gewerkschaftliche Arbeit oder Aktivitäten für die "Friedensbewegung" oder Bürgerinitiativen. 38 "Betätigung" setzt ein Mindestmaß an Aktivität voraus. Das bloße Haben einer politischen Überzeugung ist mithin keinesfalls als Betätigung zu werten.39 Selbst die schlichte Bekundung erreicht ohne Hinzutreten weiterer Umstände nicht die Schwelle zur Betätigung.40 b) Mäßigung und Zurückhaltung "Mäßigung und Zurückhaltung" beschreiben zwei Aspekte derselben Pflicht, wobei "Mäßigung" eher auf die Art und Weise und "Zurückhaltung" eher auf einen (Teil-)Verzicht politischer Betätigung hindeuten mag.41 Die Reichweite des Mäßigungs- und Zurückhaltungsgebot läßt sich nicht - wie sich schon aus dem Wortlaut des § 53 BBG ("diejenige", "seiner Stellung", "seines Amtes") ergibt - für alle Beamtenverhältnisse einheitlich bestimmen, sondern nur in Beziehung auf das jeweilige Amt. 42 c) Stellung gegenüber der Gesamtheit; Pflichten seines Amtes Maßstab ist jeweils "seine Stellung gegenüber der Gesamtheit", die zugleich "die Pflichten seines Amtes" dirigiert, auf die der Beamte "Rücksicht" zu nehmen hat. Dies schließt alle Beamten betreffende Gemeinsamkeiten nicht aus. Die "Stellung gegenüber der Gesamtheit" verpflichtet etwa jeden Beamten zu Regierungsloyalität und Parteineutralität, denn jeder Beamter dient dem ganzen Volk, nicht einer Partei (§ 52 Abs. 1 S. 1 BBG). 43 Die "Pflichten seines Amtes" sind zum einen die allgemeinen Beamtenpflichten, soweit diese die politische Betätigung berühren. Eine letzte Grenze der politischen Betätigung findet sich etwa in der Pflicht zur Verfassungstreue (§ 52 Abs. 2 BBG); dem Beamten sind Äußerungen und Aktivitäten gegen die 3 8

Köhler/Ratz,

BDO, Komm., B.II.2 Rdnrn. 2, 5; Weiß, ZBR 1988,109 (114).

3 9

Weiß, ZBR 1988, 109 (115). Vgl. auch BVerfGE 39, 334 (350): Das bloße Haben einer mit der freiheitlich-demokratischen Grundordnung unvereinbaren Überzeugung verstoße noch nicht gegen die Pflicht zur Verfassungstreue. 4 0

Siehe näher unten 4. Teil A III 2 c aa (1) (a).

4 1

So Weiß, ZBR 1988, 109 (117). Eine überschneidungsfreie Unterscheidung dürfte indes nicht möglich sein. 4 2

BAG, NJW 1982, 2888 (2889).

4 3

Patunas, Politische Meinungsfreiheit der Lehrer, S. 102; Weiß, ZBR 1988,109 (117 f.).

300

Sonderfragen der Verbeamtung der Militärgeistlichen

freiheitlich-demokratische Grundordnung untersagt.44 Unterhalb dieser Schwelle ist das Recht zur politischen Betätigung vor allem durch die Sicherstellung eines geordneten Dienstbetriebes und die ordnungsgemäße Erfüllung der dienstlichen Aufgaben des Beamten beschränkt.45 Ferner darf er durch seine politischen Aktivitäten nicht das Vertrauen der Öffentlichkeit in seine unparteiische und auf das allgemeine Wohl bedachte Amtsführung gefährden (vgl. § 52 Abs. 1 BBG). 46 Darüber hinaus sind mit dem einzelnen Amt besondere Pflichten verbunden, denen nur der jeweilige Amtsinhaber nachzukommen hat. d) Abwägung ("diejenige") § 53 BBG normiert einen flexiblen Maßstab für die Mäßigungs- und Zurückhaltungspflicht. Bei der Bestimmung des Pflichtenumfangs ist jeweils das konkrete Interesse des Beamten an der Betätigung der Meinungs- oder Vereinigungsfreiheit mit seinen besonderen Dienst- und Treuepflichten gegenüberzustellen und zu gewichten.47 Dabei beläßt die Pflicht zur politischen Mäßigung dem Beamten einen weiten Spielraum zulässigen politischen Wirkens. 2. Besonderheiten für Militärgeistliche

a) Grundsätzliche Anwendbarkeit der Mäßigungsklausel für Militärgeistliche Der Militärseelsorgevertrag enthält keine explizite Aussage, daß Militärgeistliche von der Pflicht zur Mäßigung und Zurückhaltung bei politischer Betätigung ausgenommen seien. Somit ist davon auszugehen, daß über die generelle Bezugnahme auf das allgemeine Beamtenrecht in Art 19 Abs. 2, 3 S. 4 MSV auch Militärgeistliche an die Mäßigungspflicht gebunden sind.48 4 4

Herzog, in: Maunz/Dürig, GG, Komm., Art. 5 I, I I Rdnr. 113. Zum Verhältnis zwischen § 52 Abs. 2 und § 53 BBG siehe Weiß, ZBR 1988,109 (110). 4 5 BVerwG, DVB1. 1990, 644 (645); V G Berlin, NJW 1982, 1113 (1114); Schütz, Beamtenrecht, Komm., Teil C, § 56 Rdnr. 5; Hilg, Beamtenrecht, S. 327; Patunas, Politische Meinungsfreiheit der Lehrer, S. 131. 4 6 BVerwG, DVB1. 1990, 644 (645); VG Berlin, NJW 1982, 1113 (1114); Köhler/Ratz, BDO, Komm., B. IL 2 Rdnr. 8; Schütz, Beamtenrecht, Komm., Teil C, § 56 Rdnr. 5; Behrendt ZBR 1979, 198 (199). 4 7 4 8

BVerwG, DVB1. 1990, 644 (645).

Loschelder, FS Hengsbach, 783 (798); Seiler, HdbStKirchR II, 1. Aufl., 685 (693); Bock, EvKomm 94, 536.

Α. Anwendbarkeit des Beamtenrechts auf Militärgeistliche

301

Bedenken gegen die grundsätzliche Anwendbarkeit des § 53 BBG für Militärgeistliche bestehen nicht: Zum einen sind sie ohnehin zur Beachtung der für alle Geistlichen geltenden kirchenrechtlichen Pflicht zur Mäßigung bei politischen Aktivitäten gehalten.49 Vor allem aber ist der Maßstab der gem. § 53 BBG gebotenen Zurückhaltung durch die Anknüpfung an die jeweilige Stellung des Beamten ("diejenige") derart flexibel, daß allen Besonderheiten des einzelnen Amtes ausreichend Rechnung getragen werden kann. Das Amt eines Militärgeisüichen birgt in zweifacher Hinsicht Besonderheiten in sich: Zum einen ist es das Amt eines Geisüichen; ein Militärgeistlicher unterscheidet sich schon deshalb vom Normalfall eines Beamten. Zum anderen ist es ein in der Nähe einer militärischen Organisation angesiedeltes Amt. Die Bestimmung der Schranken der politischen Betätigung von Militärgeistlichen orientiert sich mithin (auch) am militärischen Hintergrund seines Amtes. Eben dieser militärische Hintergrund veranlaßte den Gesetzgeber, die politische Betätigung von Soldaten einer besonderen Regelung zu unterwerfen. Daher bietet es sich an, zunächst einen Blick auf die für Soldaten geltenden Sonderregelungen zu werfen. b) Exkurs: Sonderregelungen für die politische Betätigung von Soldaten Soldaten, die wie Beamte in einem Treueverhältnis zum Staat stehen (§ 1 Abs. 1 S. 2 SG), genießen im Grundsatz die gleichen staatsbürgerlichen Rechte wie jeder andere Staatsbürger (§ 6 S. 1 SG), insbesondere die Grundrechte (arg. e Art 17a Abs. 1, 45b GG). Die Grundrechte der Soldaten binden gem. Art 1 Abs. 3 GG die Bundeswehr. Ihre Grundrechte werden aber im Rahmen der Erfordernisse des militärischen Dienstes, vor allem durch die Pflicht zur Kameradschaft gem. § 12 SG beschränkt (§ 6 S. 2 SG; Art 17a Abs. 1 GG). Die politischen Betätigung von Soldaten hat eine gestufte Regelung erfahren: 50 -

Im Dienst ist die Meinungsfreiheit am intensivsten eingeschränkt und politische Betätigung grundsätzlich untersagt. So darf der Soldat sich nicht zugunsten oder zuungunsten einer bestimmten politischen Richtung betätigen. Davon unberührt bleibt allerdings sein Recht, im Gespräch mit Kameraden seine eigene Meinung zu äußern (§ 15 Abs. 1 SG).

4 9 Diese Pflicht ist auf evangelischer Seite normiert in § 34 PfarrerdienstG: "Der Pfarrer hat bei allen Äußerungen zu Fragen des öffentlichen Lebens und bei politischer Betätigung zu bedenken, daß ihn sein Amt an die ganze Gemeinde weist und mit der gesamten Kirche verbindet und daß im Bewußtsein der Öffentlichkeit Person und Amt untrennbar sind." 5 0

Dazu Fürst/Arndt,

Soldatenrecht, Komm., § 15 SG Rdnrn. 2 ff.

302

Sonderfragen der Verbeamtung der Militärgeistlichen

-

Während der Freizeit, aber innerhalb dienstlicher Unterkünfte und Anlagen ist die poliltische Betätigung grundsätzlich erlaubt, findet ihre Schranken aber an den Grundregeln der Kameradschaft. Der Soldat hat sich so zu verhalten, daß die Gemeinsamkeit des Dienstes nicht ernstlich gestört und die gegenseitige Achtung nicht gefährdet wird. Er darf insbesondere nicht als Werber für eine politische Gruppe wirken (§15 Abs. 2 SG).

-

Außerhalb des Dienstes und dienstlicher Anlagen wird der Meinungsfreiheit noch größerer Raum gelassen. Beschränkungen finden sich in der Pflicht, das Ansehen der Bundeswehr sowie die Achtung und das Vertrauen, die seine diensüiche Stellung erfordert, nicht ernsthaft zu beeinträchtigen (§ 17 Abs. 2 SG). Soldaten dürfen ferner bei politischen Veranstaltungen keine Uniformen tragen (§ 15 Abs. 3 SG).51 Offiziere und Unteroffiziere haben stets bei ihren Äußerungen die Zurückhaltung zu wahren, die erforderlich ist, um das Vertrauen als Vorgesetzte zu erhalten (§ 10 Abs. 6 SG). Vorgesetzte dürfen im übrigen ihre Untergebenen niemals für oder gegen eine politische Meinung zu beeinflussen versuchen (§ 15 Abs. 4 SG).

Diese Vorschriften sind verfassungsgemäße allgemeine Gesetze i. S. d. Art. 5 Abs. 2 GG, die zugleich die weiterreichende Schranke des Art 17a Abs. 1 GG ausfüllen. 52 Ihr Zweck ist es, die Kameradschaft und gegenseitige Achtung als unerläßliche Voraussetzungen für die Sicherung der Disziplin und Schlagkraft der Truppe - auch um den Preis einer erheblichen Einschränkung der Meinungsfreiheit - unbedingt zu gewährleisten.53 Ferner soll jedes Verhalten ausgeschlossen werden, das einen Kameraden gegen seinen Willen in eine politische Auseinandersetzung drängt. 54 Hintergrund ist, daß Soldaten gem. § 18 SG zum gemeinsamen Wohnen verpflichtet werden können. Sie können ihre Privatsphäre dann nur unter wesentlich erschwerten Bedingungen schützen und wären damit politischen Aktivitäten anderer Soldaten ausge51 Dazu BVerfG, NZWehrr 1979,173; NJW 1981, 2112 f. (Verbot des Uniformtragens ist verfassungsgemäß); zustimmend Schock, AöR 108 (1983), 215 (217). 5 2

BVerfGE 28, 282 (289, 292); 44, 197 (201 f.); NVwZ 1994, 477; BVerwGE 73, 2'37 (242 f.), 86, 188 (190, 194). - Nach anderer Ansicht ist § 15 Abs. 1 und 2 SG zwar kein allgemeines Gesetz i. S. d. Art. 5 Abs. 2 GG, gleichwohl durch die spezielle Schranke des Art 17a Abs. 1 GG gerechtfertigt; so etwa Düng, in: Maunz/Dürig, GG, Komm., Art. 17a Rdnr. 27; K.Ipsen/J.Ipsen, in: Bonner Kommentar, GG, Art. 17a Rdnrn. 48 ff.; Pieroth/Schlink, StaatsR I I - Grundrechte, Rdnrn. 662 f. Diesem Streit soll hier nicht nachgegangen werden; dazu näher K.Ipsen/J.Ipsen, aaO; Buth, NZWehrr 1981, 216 (217); Schoch, AöR 108 (1983), 215 (224 ff.). 5 3 BVerfGE 44, 197 (203); KritJ 1979, 321 (322); BVerwGE 53, 327 (328); 73, 237 (242 f.); 86, 188 (190); Schoch, AöR 108 (1983), 215 (231 f.) 5 4

BVerfGE 44, 197 (203); BVerwGE 53, 327 (328); 73, 237 (242 f.).

Α. Anwendbarkeit des Beamtenrechts auf Militärgeistliche

303

setzt, ohne ihnen dauerhaft aus dem Wege gehen zu können.55 Die politische Betätigung eines Soldaten während des Dienstes oder zumindest innerhalb dienstlicher Anlagen kann gem. § 15 Abs. 1 und 2 SG schon dann untersagt werden, wenn die Kameradschaft und damit der Zusammenhalt der Truppe abstrakt gefährdet werden; eine tatsächliche Störung oder auch nur eine konkrete Gefährdung müssen nicht abgewartet werden.56 Adressaten dieser Pflichten sind lediglich Soldaten. Nur diese sind gem. § 12 SG zur Kameradschaft und zum gemeinsamen Wohnen verpflichtet; nur deren Meinungsfreiheit ist der weiterreichenden Schranke des Art 17a Abs. 1 GG unterworfen. Daher können die Sonderregelungen für die politische Betätigung von Soldaten nicht unbesehen auf im Bundeswehrbereich tätige Beamte übertragen werden.57 Dies berücksichtigt, können sie immerhin Anhaltspunkte für die Konkretisierung der Mäßigungspflicht für Militärgeistliche bieten. c) Konkretisierung der politischen Mäßigungspflicht für Militärgeistliche anhand typischer Konfliktsituationen Interessenskonflikte zwischen einem Militärgeistlichen und dem Staat sind durchaus denkbar und in seltenen (!) Einzelfällen auch zu beobachten, wenn ein Militärpfarrer Ansichten vertritt, welche die Bundeswehr unmittelbar betreffen (etwa Kritik an der Verteidigungspolitik oder an konkreten Bundeswehreinsätzen) oder zumindest mittelbar berühren (z.B. Äußerungen zur Asylpolitik oder zu § 218 StGB, welche zu kontoversen Diskussionen anregen und damit eine gewisse Unruhe unter den Soldaten erzeugen können). In derartigen Konfliktfallen ist die Reichweite der Mäßigungspflicht durch eine Abwägung der kollidierenden Interessen zu ermitteln. Dabei ist eine mehrfache Differenzierung erforderlich: Auf Seiten der berührten staatlichen Interessen ist zum einen zu unterscheiden, ob der Militärgeistliche sich im Dienst - etwa im Lebenskundlichen Unterricht oder im Gottesdienst - oder in seiner Freizeit äußert; zum anderen, ob die Äußerung einen unmittelbaren 5 5 BVerfGE 44, 197 (203); BVerwGE 53, 327 (328); 73, 237 (242 f.); Fürst/Arndt, recht, Komm., § 15 SG Rdnr. 6; Schoch, AöR 108 (1983), 215 (232). 5 6

Soldaten-

BVerfGE 44, 197 (203); BVerwGE 53, 327 (329); 73, 237 (243); Schoch, AöR 108 (1983),

215 (245); Steinkamm, FS v. d. Heydte, 1457 (1473). A.A.: BVerfGE 44, 205 ff. - abw.M.; Köhler/Ratz, BDO, Komm., B.II.2. Rdnr. 4; Beyer, BayVBl. 1981, 233 (237); Buth, NZWehrr 1981, 216 (224); Fromm, KritJ 1979, 322 (323); Usken, NJW 1980, 1503; Plander, DVB1. 1980, 581 (582 f., 586 ff). 5 7 ArbG Hamburg, NJW 1979, 2638 (2639); Schoch, AöR 108 (1983), 215 (245); offen gelassen von BVerwGE 73, 237 (246).

304

Sonderfragen der Verbeamtung der Militärgeistlichen

oder nur einen mittelbaren Bezug zur Bundeswehr aufweist. Das Gewicht der Interessen des Militärgeistlichen hängt davon ab, ob seine Äußerung Ausdruck lediglich seiner politischen oder auch seiner religiösen Überzeugung ist. Zu berücksichtigen sind schließlich auch die Interessen der Kirchen. Dies gilt insbesondere dann, wenn die Äußerung nicht (nur) die Privatmeinung des Militärgeistlichen, sondern zugleich/nur den offiziellen Standpunkt seiner Kirche wiedergibt. aa) Politische Betätigung im Dienst Der Militärgeistliche bekleidet ein staatliches Amt und ist daher dem Staat gegenüber zum Dienst verpflichtet Zu seinem (staatlichen) Dienst gehört jedoch vor allem die Erfüllung kirchlicher Aufgaben, etwa die Durchführung von Gottesdiensten, Rüstzeiten bzw. Exerzitien oder die individuelle seelsorgerische Betreuung der Soldaten. Im Ursprung staatliche Aufgaben nimmt er im Lebenskundlichen Unterricht wahr. (1) Politische Betätigung im Lebenskundlichen Unterricht (a) Von § 53 BBG erfaßte Verhaltensweisen Im Lebenskundlichen Unterricht sollen u.a. ethische und moralische Aspekte des Wehrdienstes sowie Grundfragen unserer Gesellschaftsordnung diskutiert werden. Der Unterricht hat daher zwangsläufig eine politische Dimension. Gleichermaßen unvermeidlich ist es, daß er durch die politischen Einstellungen des Unterrichtenden geprägt ist. Hierin ist jedoch noch keine politische "Betätigung" i.S.d. § 53 BBG zu sehen. Selbst die ausdrückliche Bekundung einer politischen Ansicht ist nicht ohne weiteres als politische "Betätigung" zu werten.58 Dies gilt sowohl für Äußerungen im Kollegenkreis als auch gegenüber Untergebenen oder Schülern.59 Der Staat ist im übrigen auch innerhalb der Bundeswehr zur Hinnahme der gesprächsweisen Kundgabe politischer Überzeugungen bereit, ohne dies als politische Betätigung zu werten (vgl. § 15 Abs. 1 S. 2 SG). Eine "Betätigung" i.S.d. § 53 BBG ist erst dann anzunehmen, wenn zu der

5 8 Vgl. BVerfGE 39, 334 (350): Die bloße Mitteilung, daß man eine mit der freiheitlich-demokratischen Grundordnung unvereinbare Überzeugung teile, sei kein Verstoß gegen die Pflicht zur Verfassungstreue. Dies zugrundegelegt, kann in einer derartigen Mitteilung ohne Hinzutreten weiterer Umstände auch nicht die Verletzung des Gebots politischer Zurückhaltung zu sehen sein; ebenso Weiß, ZBR 1988, 109 (115). 5 9 BAG, NJW 1982, 2888 (2889 f.); VG Berlin, NJW 1982, 1113 (1114); ArbG Hamburg, NJW 1979, 2638; Köhler/Ratz, BDO, Komm., B.II.2 Rdnr. 6; Weiß, ZBR 1988,109 (115).

Α . A n w e n d b a r k e i t des Beamtenrechts a u f M i l i t ä r g e i s t l i c h e

305

Meinungsäußerung eine werbendes oder sogar agitatorisches Element hinzutritt. 60 Die Abgrenzung, wann die Schwelle zur Betätigung erreicht wird, ist freilich schwierig. Kriterium ist folgende Unterscheidung: Wird der (allgemeine) Meinungsbildungsprozeß durch die eigene Stellungnahme lediglich bereichert oder im eigenen Sinne gesteuert? Generell dürfte die Schwelle zur politischen Betätigung niedrig anzusetzen sein: Mit der Einordnung eines Verhaltens als "politische Betätigung" ist weder dessen Unzulässigkeit festgestellt noch gar ein Unwertgehalt verbunden. Sie eröffnet nur den Weg zur Anwendung des Mäßigungs- und Zurückhaltungsgebotes. Eine politische Betätigung liegt vor, wenn für die eigene Ansicht etwa mit Buttons oder Aufklebern geworben wird. 61 Der Versuch der Steuerung des Meinungsbildungsprozesses kann aber auch ohne derartige Hilfsmittel unternommen werden - zu denken ist vor allem an den Einsatz von Autorität zur Verstärkung des Gewichts der eigenen Stellungnahme. Dies bedeutet zwar nicht, daß in jeder politischen Stellungnahme eines Vorgesetzten eine politische Betätigung liegt. Dessen Autorität bezieht sich lediglich auf dienstliche Belange und nicht auf seine politischen Ansichten, denen im Meinungsbildungsprozeß mithin kein gesteigertes Gewicht zukommt. Die Schwelle zur Betätigung wird daher erst dann erreicht, wenn die Autorität zum Zwecke der Meinungsbildung - und damit zweckentfremdet - eingesetzt wird (vgl. § 15 Abs. 4 SG). Ein Militärgeistlicher ist nicht Vorgesetzter der Soldaten; ihm wächst aber - wie auch dem Lehrer - die amtsbedingte Autorität des Unterrichtenden zu. Bei Lehrern führt dies dazu, daß Äußerungen politischen Inhalts gegenüber Schülern, die in ihren Ansichten noch vergleichsweise leicht beeinflußbar sind, in aller Regel wegen der in Anspruch genommenen Autorität die Schwelle zur "politischen Betätigung" erreichen. 62 Wegen der altersgemäß bedingten Beeinflußbarkeit der Schüler ist eine politische Betätigung und damit die Anwendbarkeit des Mäßigungsgebotes auch dann zu bejahen, wenn der Lehrer sich nicht in der Absicht äußert, den Meinungsbildungsprozeß in seinem Sinne zu steuern; entscheidend ist vielmehr die objektiv werbende bzw. steuernde Wirkung seiner Äußerung.63

6 0 BVerwG, DVB1. 1990, 645 (646); V G Berlin, NJW 1982, 1113 (1114); Weiß, ZBR 1988, 109(115). 6 1

BVerwG, DVB1. 1990, 645 (646); BAG, NJW 1982, 2888 (2889); Patunas, Politische Meinungsfreiheit der Lehrer, S 121; Weiß, ZBR 1988, 109 (115); a.A.: ArbG Hamburg, NJW 1979, 2638. 6 2

Vgl. BVerwG, DVB1.1990,645 (646); BAG, NJW 1982, 2888 (2889 f.).

6 3

Vgl. BAG, NJW 1982, 2888 (2890).

20 Ennuschat

306

Sonderfragen der Verbeamtung der Militärgeistlichen

Bei Militärgeistlichen ist zu berücksichtigen, daß zwar vor allem bei den jungen Soldaten die Persönlichkeitsentwicklung noch nicht abgeschlossen, aber doch schon weiter fortgeschritten ist. Man wird daher differenzieren müssen: Sofern er seine Ansichten bei Gelegenheit des Unterrichts - etwa in einer Unterrichtspause auf Frage eines Soldaten hin - äußert, fügt er der allgemeinen Diskussion lediglich einen weiteren Beitrag hinzu, worin ohne Hinzutreten weiterer Umstände, namentlich ohne Werbungsabsicht, keine "politische Betätigung" i.S.d. § 53 BBG gesehen werden kann.64 Etwas anderes gilt, wenn er sich in Ausübung des Unterrichts äußert, also seine politische Überzeugung in bezug auf den Unterrichtsgegenstand kundtut oder gar zum Unterrichtsgegenstand macht. In diesen Fällen wird seiner Ansicht durch die ihm als Unterrichtenden zukommende Autorität erhebliches Gewicht verliehen; er wirkt auf den Meinungsbildungsprozeß damit stärker als die übrigen Teilnehmer ein. Unabhängig von seiner Werbungsabsicht ist dann eine "politische Betätigung" anzunehmen, d.h. sein Verhalten ist der Mäßigungs- und Zurückhaltungspflicht des § 53 BBG unterworfen. (b) Gebotenes Maß an Zurückhaltung (aa) Politisch motivierte Äußerungen Die Geltung des Mäßigungs- und Zurückhaltungsgebotes bedeutet nicht, daß der Militärgeistliche seine eigene politische Meinung verbergen muß.65 Solange er sie nur als eine mögliche Ansicht darstellt, ohne sie als eigene zu kennzeichnen, liegt darin lediglich ein bloßer Anstoß zur Meinungsbildung der Soldaten und noch nicht einmal tatbestandlich eine "politische Betätigung". Aber auch die offene Bekundung der eigenen Ansicht im Unterricht ist zulässig, wenn er nur gem. § 53 BBG "Rücksicht auf die Pflichten seines Amtes" und "seine Stellung gegenüber der Gesamtheit" nimmt. Die Pflichten seines Amtes in bezug auf den Lebenskundlichen Unterricht sind in der ZDv 66/2 Nrn. 1 und 2 sowie in der Weisung des Generalinspekteurs der Bundeswehr für die Zusammenarbeit mit den Militärgeistlichen vom 12.11.1984 konkretisiert: Der Militärgeistliche soll u.a. die Grundlagen unserer Lebensund Gesellschaftsordnung sowie die ethischen und moralischen Aspekte des

6 4 Anders bei Lehrern: Zumindest bei jüngeren Schülern ist die natürliche Autorität des Lehrers regelmäßig so groß, daß auch in derartigen Äußerungen bei Gelegenheit des Unterrichts eine "politische Betätigung" zu sehen ist, die freilich bei entsprechender Objektivität und Ausgewogenheit zulässig i. S. d. § 53 BBG sein kann. Dazu Patunas, Politische Meinungsfreiheit der Lehrer, S. 123. 6 5

Vgl. etwa BVerfG, DVB1. 1970, 456 (457) - militar. Vorgesetzte; VGH Bd-Wtt., NJW

1985, 1661 - Lehrer; Meyer-Vorfelder,

Personalvertretung 1985,1 (3) - Lehrer.

Α. Anwendbarkeit des Beamtenrechts auf Militärgeistliche

307

Wehrdienstes behandeln, weil die Auseinandersetzung mit diesen Fragen von hoher Bedeutung für das Selbstverständnis des Soldaten sei. Der Militärgeistliche soll dabei im Unterricht Gelegenheit bieten, Meinungen auszutauschen, strittige Probleme zu diskutieren und Lösungen zu suchen. (aaa) Inhaltliche Beschränkungen Aus diesen Vorgaben folgt allerdings, daß gewisse Äußerungen schon ihrem Inhalt nach unzulässig sind. Dem Zurückhaltungsgebot wird dann nur genügt, wenn die Äußerung im Unterricht völlig unterlassen wird. 66 Dies gilt etwa für Äußerungen, welche sich nicht im Rahmen des gesellschaftlichen Grundkonsenses halten, denn eben diesen Grundkonsens an Werten soll der Militärgeistliche vermitteln. Der Grundkonsens ist in politischer Hinsicht mit der freiheitlich-demokratischen Grundordnung zu umschreiben. Auftrag der Bundeswehr ist es, diese freiheitliche Ordnung nach außen und u.U. auch nach innen (Art 87a Abs. 4 GG) zu verteidigen. Ein auf das Prinzip der wehrhaften Demokratie gegründetes Gemeinwesen kann es deshalb nicht dulden, daß seine freiheitliche Ordnung bei politischen Diskussionen innerhalb der Truppe und während des Dienstes in Frage gestellt, geschweige denn bekämpft wird. 67 Ferner dürfen Äußerungen die Berechtigung der Bundeswehr und das Verantwortenkönnen des Wehrdienstes nicht schlechthin in Abrede stellen; anderenfalls könnte der Lebenskundliche Unterricht nicht, wie intendiert, fördernd zum soldatischen Selbstverständnis beitragen.68 Entsprechendes gilt für politisch motivierte Aufforderungen zur Fahnenflucht oder Befehlsverweigerung. 69 Von diesen Ausnahmen abgesehen betrifft die Mäßigungs- und Zurückhaltungspflicht des § 53 BBG nicht den Inhalt politischer Äußerungen, sondern lediglich deren Form.

6 6 Etwas anderes gilt selbstverständlich, wenn der Militärgeistliche diese Äußerungen sich nicht zu eigen macht, sondern lediglich in den Raum stellt, um die Diskussion lebendiger zu gestalten. 6 7

BVerfG, DVB1.1970, 456 (458).

6 8

Davon unberührt bleibt die Möglichkeit von Kritik an einzelnen Punkten der Verteidigungspolitik etc., soweit der Mäßigungspflicht im übrigen genügt wird; dazu näher sogleich. 6 9 Insoweit kommt zudem eine Strafbarkeit des Militärgeistlichen wegen Anstiftung in Betracht (§§ 1 Abs. 4,15 f., 19 f. WStG, 26 StGB).

20*

308

Sonderfragen der Verbeamtung der Militärgeistlichen

(bbb) Werbungs- und Indoktrinationsverbot Unzulässig ist jeder Versuch, die Soldaten im Sinne bestimmter (partei-) politischer Ansichten zu beeinflussen. Dies ist den Soldaten (§ 15 Abs 1 S. 1 SG) und namentlich den militärischen Vorgesetzten (§ 15 Abs. 4 SG) ausdrücklich verboten. Zwar findet § 15 Abs. 1 und 4 SG auf den Militärgeistlichen, der weder Soldat noch Vorgesetzter der Soldaten ist, keine Anwendung. Aber seine im Sinne des § 53 BBG aus dem Amt folgende Pflicht ist es gem. ZDv 66/2 und der Weisung des Generalinspekteurs vom 12.11.1984, den freien Meinungsaustausch unter den Soldaten zu ermöglichen und zu fördern, nicht aber ihn kraft seiner Autorität als Unterrichtender im Sinne seiner für richtig befundenen Ansicht zu steuern.70 Gerade bei der Behandlung politischer Streitfragen sind daher Objektivität, Behutsamkeit und Ausgewogenheit in der Darstellung der Gründe und der Gegengründe für die eine oder andere Auffassung verlangt.71 Dabei darf er seine persönliche Ansicht mitteilen, nur muß er auch andere Auffassungen wiedergeben oder ihnen - wenn sie aus dem Kreis der Soldaten kommen - ausreichenden Raum lassen.72 Nur dann trägt der Militärgeisüiche seiner "Stellung gegenüber der Gesamtheit" in allgemein-politischen Fragen Rechnung; nur so kann verhindert werden, daß das Vertrauen der Öffentlichkeit in die politische Neutralität der Amtsführung (§ 52 Abs. 1 BBG) gefährdet oder auch nur in Zweifel gezogen wird. 73 Es ist freilich zulässig und wünschenswert, wenn nicht aus der Pflicht zur Verfassungstreue (§ 52 Abs. 2 BBG) sogar gefordert, 74 im Sinne des gesellschaftlichen Grundkonsenses und der freiheitlich-demokratischen Grundordnung gegen extremistische oder verfassungsfeindliche Ansichten und Parteien Stellung zu beziehen. Wann die Grenze zur unzulässigen Indoktrination überschritten ist, hängt u.a. von der jeweiligen Unterrichtssituation ab. Doziert der Militärseelsorger (Frontalunterricht), wird man zur Erfüllung der Mäßigungspflicht von ihm erwarten müssen, seine Ansicht und Argumente in den Kontext der Gegenan7 0

Vgl. auch BAG, NJW 1982, 2888 (2890) - Lehrer.

71

Vgl. BAG, NJW 1982, 2888 (2889) - Lehrer; Schütz, Beamtenrecht, Komm., Teil C, § 58

Rdnr. 7. 7 2

Vgl. Mayer-Vorfelder, Personalvertretung 1985,1 (3) - Lehrer. Ebenso ZDv 10/1 Nr. 359 in bezug auf den staatsbürgerlichen Unterricht: Themen, die in Politik und Gesellschaft strittig seien, müßten als strittig dargestellt und diskutiert werden. Dies stärke die Urteils- und Kritikfähigkeit der Soldaten und vermindere die Gefahr einseitiger Information oder parteipolitischer Beeinflussung der Soldaten. 7 3

Vgl. BVerwG, DVB1. 1990, 644 (645); Schütz, Beamtenrecht, Komm., Teil C, § 56 Rdnr. 5.

7 4

Siehe oben 4. Teil A I I I .

Α. Anwendbarkeit des Beamtenrechts auf Militärgeistliche

309

sichten und -argumente zu stellen sowie das Für und Wider ausgewogen und offen zu erörtern. Findet demgegenüber bereits eine lebendige Diskussion statt, erfüllt er seine Pflicht zur Zurückhaltung auch dann, wenn er seine Ansichten nicht zugleich selbst durch Gegenargumente in Zweifel zieht. In dieser Situation ist ihm auch die Werbung für die eigene Ansicht gestattet - allerdings nur in dem Umfang, wie er sich zwangsläufig aus der argumentativen Stützung der von ihm vertretenen Auffassung ergibt. Entscheidend ist jeweils die Frage, ob er lediglich zur selbständigen Meinungsbildung anregt, oder ob er bereits in unzulässiger Weise in den Meinungsbildungsprozeß steuernd und damit manipulierend eingreift. 75 Der Spielraum des Militärgeistlichen für politische Werbung kann schließlich nicht durch die Inanspruchnahme pädagogischer Freiheit vergrößert werden.76 Diese ist ihm nicht um seiner selbst willen eingeräumt, sondern allein zum Zwecke der Erfüllung seines Erziehungsauftrages, 77 so wie er in der ZDv 66/2 und in der Weisung des Generalinspekteurs vom 12.11.1984 konkretisiert ist. (ccc) Beschränkungen aus dem Bundeswehrauftrag Der Militärgeistliche ist nicht gehalten, sich mit der Bundeswehr und ihrem Auftrag zu identifizieren. 78 Er darf ihre Berechtigung im Unterricht zwar nicht schlechterdings verneinen.79 Er ist aber nicht zur Rechtfertigung des Bundeswehrauftrages oder gar zur psychologischen Zurüstung der Soldaten verpflichtet. 80 Ihm verbleibt somit selbstverständlich die Möglichkeit der Kritik an einzelnen Punkten der Verteidigungspolitik etc. Derartige Äußerungen können jedoch mit den Interessen der Bundeswehr kollidieren, da deren Funktionsfähigkeit darauf beruht, daß die Soldaten den Auftrag der Bundeswehr und ihr Mitwirken bei der Auftragserfüllung gutheißen oder zumindest billigen. Diese Interessenkollision ist vor ihrem verfassungsrechtlichen Hintergrund zu würdigen: Der besondere Wertgehalt des Grundrechts der freien Meinungsäußerung in der freiheitlichen Demokratie 7 5

BVerwG, DVB1. 1990, 644 (645).

7 6

Schütz, Beamtenrecht, Komm., Teil C, § 58 Rdnr. 7; Starck, DÖV 1979, 269 (273).

7 7

Zur pädagogischen Freiheit siehe näher unten 4. Teil A IV 2 a bb.

7 8 Anders bei Soldaten, von denen ein Mindestmaß an Identifikation verlangt wird, dazu BVerwG, NJW 1985,160 (161). 7 9 8 0

Siehe oben 4. Teil A III 2 c aa (1) (b) (aa) (aaa).

Strzebniok, Essener Gespräche 23 (1989), 43 (Diskussionsbeitrag). Dies war früher freilich anders; vgl. Vogt, Religion im Militär, S. 550 ff.; Isensee, Essener Gespräche 25 (1991), 104 (122).

310

Sonderfragen der V e r b e a m t u n g der M i l i t ä r g e i s t l i c h e n

führt zu einer grundsätzlichen Vermutung für die Freiheit der Rede in allen Bereichen.81 § 53 BBG als allgemeines Gesetz i.S.d. Art. 5 Abs. 2 GG beschränkt zwar die Meinungsfreiheit, ist jedoch seinerseits in deren Lichte auszulegen. Aber auch die Sicherheitsinteressen der Bundeswehr finden in Art 87a GG ihre verfassungsrechtliche Verankerung. 82 Dabei umfaßt Art. 87a Abs. 1 S. 1 GG das Gebot, das innere Gefüge der Streitkräfte so zu gestalten, daß sie ihren militärischen Aufgaben gewachsen sind.83 Die Auslegung des § 53 BBG hat sich daher gleichermaßen am Wertgehalt des Grundrechts der freien Meinungsäußerung und am Interesse an der Wirksamkeit der Streitkräfte zu orientieren. 84 Die Funktionsfähigkeit der Bundeswehr ist von existenzieller Bedeutung für das Gemeinwesen. Dies gilt nicht nur in Zeiten äußerer oder innerer Krisen, sondern jederzeit, zumal Krisen sich unvorhergesehen und innerhalb kürzester Frist entwickeln können. Im Kollisionsfall geht daher das Interesse an der Einsatzfähigkeit der Bundeswehr vor. Fraglich ist allein, wann dieser Kollisionsfall vorliegt Man könnte meinen, dies sei erst bei Vorliegen einer tatsächlichen Störung der Einsatzfähigkeit der Fall. Dies könnte jedoch zu einer irreparablen Beeinträchtigung der Sicherheitsinteressen führen. Ein Verstoß gegen die Mäßigungs- und Zurückhaltungspflicht ist somit schon dann anzunehmen, wenn durch die (Form der) Äußerung die Einsatzfähigkeit gefährdet wird. Wie oben dargelegt,85 kann die politische Betätigung eines Soldaten während des Dienstes oder zumindest innerhalb dienstlicher Anlagen gem. § 15 Abs. 1 und 2 SG schon dann untersagt werden, wenn die Kameradschaft und damit der Zusammenhalt der Truppe abstrakt gefährdet werden. Gesetzgeberisches Motiv ist die Erkenntnis, daß politische Streitigkeiten unter den Soldaten deren kameradschaftliche Verbundenheit, die unabdingbare Voraussetzung für die Einsatzfahigkeit der Bundeswehr ist, besonders gefährden können. Militärseelsorger sind nicht zur Kameradschaft verpflichtet Ihre politischen Äußerungen bedrohen die innere Geschlossenheit der Bundeswehr daher weniger von innen, sondern eher von außen. Das abstrakte Gefährdungspotential ist bei ihren Äußerungen mithin deutlich geringer. Ihr - von der Schranke des Art 17a Abs. 1 GG nicht erfaßtes - Grundrecht der Meinungsfreiheit tritt hinter den militärischen Sicherheitsinteressen deshalb erst dann zurück, wenn die Einsatzfähigkeit der Bun81

BVerfGE 28, 55 (63); 69, 315; BVerwGE 86,188 (189 f.).

8 2

BVerwGE 86, 188 (190).

83

BVerfG, DVB1. 1970, 456 (457); BVerwGE 86, 188 (194).

8 4

Vgl. BVerwGE 73, 237 (238 f.).

85

Siehe oben 4. Teil A I I I 2 b.

Α. Anwendbarkeit des Beamtenrechts auf Militärgeistliche

311

deswehr konkret gefährdet ist. 86 Nun dürfte die Funktionsfähigkeit der Bundeswehr insgesamt kaum durch einen einzelnen Militärseelsorger zu gefährden sein. Bezugspunkt für die konkrete Gefährdung ist somit die jeweilige (Teil-)Einheit, deren Soldaten Adressaten der Äußerung waren. Die Funktionsfähigkeit kann durch Äußerungen sowohl mit als auch ohne spezifischen Bundeswehrbezug gefährdet werden. Besonders konfliktträchtig sind kritische Stellungnahmen zu Bundeswehr und Verteidigungspolitik (etwa zur Frage der atomaren Abschreckung - "NATO-Doppelbeschluß"), die zu einer die Einsatzfähigkeit der Bundeswehr gefährdenden Verunsicherung der Soldaten führen können. Wie jeder Beamte darf auch der Militärgeisüiche den Dienstbetrieb nicht stören. Die Meinungsfreiheit eines Beamten wird daher um so stärker beschränkt, je enger der Bezug der Äußerung zu seinen dienstlichen Obliegenheiten ist. 87 Um die Einsatzfähigkeit der Bundeswehr nicht zu gefährden, muß er folglich um so behutsamere und sachlichere Formulierungen wählen, je dezidierter die Kritik dem Inhalt nach ist. Dabei dürfen einzelne spontane Meinungskundgaben, die sich als "Ausreißer" darstellen, nicht überbewertet werden.88 Die Reichweite der Mäßigungs- und Zurückhaltungspflicht hängt ferner davon ab, inwieweit die konkrete Einheit von der kritischen Äußerung betroffen ist. Besonders große Zurückhaltung wäre daher etwa geboten, sofern Legitimität und Nutzen eines Auslandseinsatzes in Frage gestellt werden, an dem die Unterrichtsteilnehmer selbst beteiligt werden sollen. Bei Beachtung dieser Vorgaben bleibt dem Militärseelsorger das Recht zur kritischen Stellungnahme unbenommen. Soweit es dadurch zu gewissen Irritationen unter den Soldaten kommen sollte, muß der Staat dies hinnehmen, wozu er im übrigen bereit ist, wie er in § 15 Abs. 1 S. 2 SG mit Blick auf Meinungskundgaben von Soldaten ausdrücklich klargestellt hat. Die Soldaten sind eben "Staatsbürger in Uniform" und damit in einer offenen Gesellschaft zwangs-

8 6 So wohl auch Schoch, AöR 108 (1983), 215 (245), für Beamte im Bereich der Bundeswehr. - Ein strengerer Maßstab könnte hingegen bei Lehrern zu bejahen sein: Das insoweit betroffene Schutzgut - die ungestörte Persönlichkeitsentwicklung der Schüler - ist angesichts des jugendlichen Alters der Schüler hochgradig gefährdet durch politische Äußerungen von Lehrern, so daß auch eine nur abstrakte Gefahr nicht hinzunehmen ist. Dazu Patunas, Politische Meinungsfreiheit der Lehrer, S. 118. 87 8 8

Meyer-Vorfelder,

Personal Vertretung 1985,1 (3) - Lehrer.

Vgl. BVerwGE 86, 188 (196). Insoweit handelt es sich allerdings weniger um eine Frage des Tatbestandes als vielmehr der Rechtsfolge.

312

Sonderfrage

der Verbeamtung der Militärgeistlichen

läufig mit verschiedenen Ansichten konfrontiert, die - auch ohne Zutun des Militärgeistlichen - vor den Toren der Kasernen nicht Halt machen.89 Regelmäßig geringere Brisanz weisen Äußerungen ohne Bundeswehrbezug auf. Aber selbst sie können unter Umständen die Einsatzfähigkeit gefährden, wenn sie zu den Dienstbetrieb und die Kameradschaft belastenden politischen Auseinandersetzungen unter den Soldaten führen. Zu denken wäre etwa an Stellungnahmen zu in der Öffentlichkeit kontrovers diskutierten Problemen (z.B. Ausländer- und Asylpolitik). Nun soll der Lebenskundliche Unterricht gerade ein Raum sein, in dem solche Themen, die zumeist "die Grundlagen unserer Lebensordnung"90 berühren, behandelt werden. Aufgabe des Militärgeistlichen ist es, zu diesen Themen freie und lebendige Diskussionen zu ermöglichen und zu fördern. Dieser Pflicht kann er letztlich nur nachkommen, indem er die Unterrichtsteilnehmer zu einem fairen und sachlichen Diskussionsstil anhält. Dann aber ist die Kameradschaft nicht gefährdet. 91 Das Mäßigungs- und Zurückhaltungsgebot verpflichtet ihn in bezug auf allgemeinpolitische Themen daher im wesentlichen dazu, in eigener Person sachlich aufzutreten und auf Indoktrinationen oder persönliche Anwürfe zu verzichten, wodurch er zugleich den übrigen Diskussiqpsteilnehmern zum Vorbild dient. (bb) Religiös motivierte Äußerungen politischen Inhalts Regelmäßig werden Äußerungen politischen Inhalts politisch motiviert sein. Gerade bei Inhabern konfessioneller Staatsämter ist jedoch an eine religiöse Motivation zu denken. Die religiöse Motivation einer Äußerung schließt deren Wertung als "politische" Betätigung freilich nicht aus. Fehlt jegliche politische Dimension, unterfällt die Äußerung schon tatbestandlich nicht dem Mäßigungsgebot des § 53 BBG. 92 Dann dürfte jedoch eine Kollision mit

8 9

Vgl. Bush, NZWehrr 1981, 216 (219); Schoch, AöR 108 (1983), 215 (220).

9 0

Vgl. die Weisung des Generalinspekteurs vom 12.11.1984; näher siehe oben 2. Teil C I I 2 c.

9 1

Vgl. BVerfGE 28, 55 (65) zu öffentlicher sachlicher Kritik eines Soldaten an während der Rede anläßlich eines feierlichen Gelöbnisses geäußerten politischen Ansichten seines Vorgesetzten. Z.B. bei rein theologischen Ausführungen - etwa zur Frage der Jungfrauengeburt. Etwas anderes gilt allerdings, wenn daraus Konsequenzen für die Rolle der Frau in der modernen Gesellschaft gezogen würden. Jeder Gegenstand kann somit zum Politikum werden und dann der Mäßigungspflicht des § 53 BBG unterfallen.

Α. Anwendbarkeit des Beamtenrechts auf Militärgeistliche

313

Interessen der Bundeswehr ohnehin nicht zu befürchten sein, so daß keine Notwendigkeit zur Mäßigung und Zurückhaltung besteht.93 Kollidiert eine religiös motivierte Äußerung politischen Inhalts eines Militärgeistlichen im Lebenskundlichen Unterricht mit Bundeswehrinteressen, ist im Rahmen der Abwägung neben Art. 5 Abs. 1 GG die individuelle Religionsfreiheit zu berücksichtigen. Sofern und soweit sich der Militärpfarrer zugleich in Übereinstimmung oder sogar auf Anweisung seiner Kirche äußert, tritt zusätzlich die kollektive Religionsfreiheit hinzu. Nun gilt zwar die Schranke der allgemeinen Gesetze i.S.d. Art. 5 Abs. 2 GG nicht für die Religionsfreiheit gem. Art 4 GG, wohl aber die Schranke des kollidierenden Verfassungsrechts. Die Funktionsfähigkeit der Bundeswehr hat gem. Art 87a Abs. 1 GG Verfassungsrang, kann daher die Religionsfreiheit beschränken. § 53 BBG ist eine dieses kollidierende Verfassungsgut konkretisierende Norm. Gleichwohl ist zu fragen, ob mit Blick auf die Verbürgung der Religionsfreiheit sich der Spielraum für Bundeswehrinteressen gefährdende Äußerungen vergrößert, wenn diese religiös motiviert sind. Dabei wird erneut zwischen Äußerungen mit und ohne spezifischen Bundeswehrbezug zu unterscheiden sein. (aaa) Äußerungen mit Bundeswehrbezug Die Militärseelsorge betrachtet es u.a. als ihre Aufgabe, die Gewissen der Soldaten zu schärfen. 94 Geeigneter Ort für dieses Anliegen ist - neben dem Standortgottesdienst - der Lebenskundliche Unterricht. Probleme können sich ergeben, wenn ein Militärpfarrer sich über die Gewissensschärfung hinaus um Gewissenserschwerung bemüht und versucht, den Soldaten das Soldatsein so schwer wie möglich zu machen.95 Konfliktträchtig sind ferner Äußerungen, die Kriegsdienstverweigerung sei das deutlichere - oder gar einzig mögliche - Zeichen christlicher Friedensliebe.96 Denkbar ist schließlich die direkte Aufforderung zur Verweigerung des Wehrdienstes. Äußerungen zur Frage der Kriegsdienstverweigerung, zumal wenn sie während des Dienstes in der Bundeswehr fallen, haben zwangsläufig - auch - eine politische Dimension und

9 3 Sollte in besonders gelagerten Fällen eine unpolitische Äußerung mit Bundeswehrinteressen kollidieren, wäre die Pflicht zur Zurückhaltung und Mäßigung aus der allgemeinen Treuepflicht abzuleiten. 9 4

v. Baudissin, FS Kunst, 299 (307); Bleese, Militärseelsorge, S. 217; Cremers, Militärseelsorge-Vertrag, S. 152; Jung, in: EvStL, Sp. 2137. 9 5 9 6

Vgl. ein von Müller-Kent,

Militärseelsorge, S. 339 ff., geschildertes Beispiel

Zu derartigen Positionen innerhalb der evangelischen Kirche siehe Müller-Kent, sorge, S. 357 f. m.w.N.

Militärseel-

314

Sonderfrage

der Verbeamtung der Militärgeistlichen

sind mithin als politische Betätigung i.S.d. § 53 BBG zu charakterisieren, 97 vorausgesetzt die Schwelle zur Betätigung ist überschritten. 98 Inwieweit derartige Äußerungen mit dem Mäßigungsgebot vereinbar sind, richtet sich gem. § 53 BBG nach den Pflichten des jeweiligen Amtes. Aufgabe des Militärgeistlichen im Lebenskundlichen Unterricht ist u.a. die Behandlung berufsethischer Fragen.99 Dabei erwartet der Staat, wie erwähnt, keine psychologische Zurüstung der Soldaten. Er vertraut vielmehr darauf, daß die Soldaten allein durch die Beschäftigung mit den ethischen und moralischen Aspekten des Soldatseins zu der Einsicht der Verantwortbarkeit militärischen Tuns gelangen. Diese Überzeugung ist für eine nicht auf Kadavergehorsam gegründete Armee von wesentlicher Bedeutung. Pflicht des Militärgeistlichen ist daher nur, ethische Fragen sachgerecht und ausgewogen zu erörtern, um die Soldaten zu freier und eigenverantwortlicher Reflexion zu befähigen. Die Gefahr, daß einzelne Soldaten anschließend den Wehrdienst ablehnen, geht der Staat bewußt ein, zumal es schon aus militärischen Erwägungen sinnvoller ist, wenn diese Soldaten vor ihrem Einsatz aus dem Wehrdienst ausscheiden. Der Militärgeistliche genügt daher dem Mäßigungs- und Zurückhaltungsgebot gem. § 53 BBG, solange er das Ergebnis der beschriebenen Reflexion nicht durch Werbung für die Kriegsdienstverweigerung vorwegnimmt. Zulässig wären demnach etwa die "Gewissenserschwerung" in Form eindringlicher Ermahnungen zu nochmaliger gründlicher Überlegung in bezug auf das Soldatsein oder der Hinweis auf die grundgesetzlich garantierte Möglichkeit der gewissensbedingten Kriegsdienstverweigerung (Art. 4 Abs. 3 GG). 100 Selbst die Bekundung, daß man für sich selbst den Wehrdienst ablehne, ist zulässig, sofern man die ethische Vertretbarkeit der entgegengesetzten Position anerkennt Unzulässig - und ein Verstoß gegen die Mäßigungspflicht - ist dagegen die pauschale Verurteilung des Wehrdienstes als ethisch unvertretbar oder die Aufforderung zur Verweigerung des Wehrdienstes.101 In diesen Fällen würde die Bundeswehr in ihrem durch Art 87a Abs. 1 GG geschützten Kern angegriffen, so daß die Religionsfreiheit zurücktreten müßte.

9 7

Zu eng Buth, NZWehrr 1981, 216 (219): Dies gelte nur dann, wenn zugleich die Unterstützung von KDV-Verbänden in Anspruch genommen werde, etwa durch Verteilung einschlägiger Flugblätter. 9 8

Siehe oben 4. Teil A I I I 2 c aa (1) (a).

9 9

Vgl. die Weisung des Generalinspekteurs für die Zusammenarbeit mit den Militärgeistlichen vom 12.11.1984 Nr. III 3 a. 1 0 0

Vgl. BVerwG, DVB1. 1970, 458 (459 f.).

101

Ebenso Seiler, HdbStKirchR II, 1. Aufl., 685 (693 f.).

Α . A n w e n d b a r k e i t des Beamtenrechts a u f M i l i t ä r g e i s t l i c h e

315

(bbb) Äußerungen ohne Bundeswehrbezug Bei religiös motivierten Äußerungen ohne spezifischen Bundeswehrbezug stellt sich vor allem die Frage, inwieweit das bei politischen Äußerungen geltende Werbungs- und Indoktrinationsverbot gelockert ist. Zu berücksichtigen ist, daß Geistliche ihre Kirchen repräsentieren, so daß von ihnen in vielen Punkten gerade keine Neutralität, sondern eine glaubensgeleitete entschiedene Stellungnahme erwartet wird. Dieser Erwartung tragen auch die staatlichen Unterrichtsvorgaben Rechnung, da der Unterricht gerade auf den christlichen Grundlagen fußen soll (ZDv 66/2 Nr. 3). Der Lebenskundliche Unterricht ermöglicht so einen Freiraum, der legitimerweise von den Kirchen mit Inhalten gefüllt wird. Grenze dieses kirchlichen Freiraums ist jedoch der staatlich gewünschte Freiraum der Soldaten, der auch durch die Kirchen nicht eingeengt werden darf. In allgemeinpolitischen Fragen mit ethischen oder religiösen Bezügen (z.B. § 218 StGB) wird man daher mit Blick auf Art 4 GG dem Militärgeistlichen zubilligen müssen, im Lebenskundlichen Unterricht dezidierte Positionen zu beziehen und für diese zu werben. Dies gilt um so mehr, wenn er sich im Einklang mit der Auffassung seiner Kirche befindet. 102 Grenze sind die Vorgaben zur Unterrichtsgestaltung: Ziel ist die Ermöglichung einer freien Diskussion unter den Soldaten.103 Geboten sind also die Toleranz gegenüber abweichenden Auffassungen sowie ein offener und fairer Diskussionsstil. Verboten ist jeder Versuch der Oktroyierung von Meinungen. Letzte Grenze ist wiederum die Achtung der freiheitlich-demokratischen Grundordnung. 104 Dieser erweiterte Spielraum zur Werbung für die eigene glaubensbedingte Ansicht gilt jedoch nur für allgemeinpolitische Einzelfragen. In parteipolitischer Hinsicht erwartet die Allgemeinheit vom Militärgeistlichen keine glaubensgeleitete Entscheidung. Seine "Stellung gegenüber der Gesamtheit" i.S.d. §§ 52 Abs. 1, 53 BBG verbietet ihm daher die Werbung zu(un)gunsten einzelner Parteien auch dann, wenn seine persönliche Entscheidung religiös motiviert ist. (c) Missionarische Betätigung Eine Sonderfrage ist, inwieweit den Militärgeistlichen gestattet ist, den Lebenskundlichen Unterricht als Missionsgelegenheit zu nutzen. Es ist allerdings zweifelhaft, ob die missionarische Betätigung überhaupt vom Normgehalt des 1 ΛΛ

103 1 0 4

Vgl. Niermann, Essener Gespräche 23 (1989), 167 (Diskussionsbeitrag). Siehe oben 2. Teil C II 3. Siehe oben 4. Teil A III 2 c aa (1) (b) (aa) (aaa).

316

Sonderfrage

der Verbeamtung der Militärgeistlichen

§ 53 BBG erfaßt ist. "Politische" Betätigung im Sinne dieser Bestimmung ist zwar im weitesten Sinne zu verstehen.105 "Politik" bezieht sich aber stets auf die Wahrnehmung staatlicher Aufgaben sowie den Erwerb und Gebrauch von (staatlicher) Macht. 106 Davon zu unterscheiden ist die religiöse Verkündungsund Missionstätigkeit, soweit sie keine weltlichen, sondern geistliche Ziele verfolgt. Die missionarische Betätigung unterfällt somit nicht dem Anwendungsbereich des § 53 BBG. Sollte eine missionarische Betätigung mit Bundeswehrinteressen kollidieren, ist der Interessenausgleich im Rahmen der allgemeinen Treuepflicht zu suchen. (2) Politische Betätigung im Militärgottesdienst Die Tätigkeit des Militärgeistlichen im Lebenskundlichen Unterricht unterscheidet sich nicht wesentlich von der (Unterrichts-)Tätigkeit anderer Beamter: Hier wie dort wird eine staatliche Aufgabe erfüllt. Vor diesem Hintergrund stößt es auf wenig Bedenken, seine Äußerungen im Unterricht der staatlichen Mäßigungsklausel des § 53 BBG zu unterwerfen. Größere Vorsicht bei der Heranziehung des § 53 BBG scheint mit Blick auf den Militärgottesdienst geboten zu sein. Für eine geringere Reichweite der Mäßigungspflicht könnte die größere Staatsferne des Gottesdienstes sprechen. Zwar zählt auch das Abhalten von Gottesdiensten zum (staatlichen) Dienst des Militärgeistlichen. 107 Der Staat schreibt dem Gottesdienst jedoch keine diensüiche Funktion zu. 108 Gem. Art. 2 Abs. 1 MSV wird damit vielmehr eine kirchliche und keine staatliche Aufgabe erfüllt. Der Gottesdienst steht - anders als der Lebenskundliche Unterricht - in alleiniger Verantwortung der Kirche und ihres Geistlichen. Aus diesem Grunde gibt es auch keine staatlichen Vorgaben für Gestaltung und Inhalt des Gottesdienstes. Schließlich befinden sich die Soldaten - wieder anders als im Lebenskundlichen Unterricht - während des Gottesdienstes nicht im Dienst, selbst wenn dieser während der allgemeinen Dienstzeit angeboten wird. Die Gottesdiensttätigkeit des Militärgeistlichen scheint somit einer außerdienstlichen Tätigkeit sehr nahe zu kommen. Nun unterscheidet der Wortlaut des § 53 BBG nicht zwischen politischer Betätigung innerhalb und außerhalb 105

Siehe oben 4. Teil A I I I 1 a.

10 6

Fürst/Arndt,

1 0 7

Vgl. ZDv 66/1 Nr. 19 sowie Loschelder, FS Hengsbach, 783 (797).

1 0 8

Insbesondere erwartet er vom Militärgottesdienst - anders als beim Lebenskundlichen

Soldatenrecht, Komm., § 15 SG Rdnr. 3; Weiß, ZBR 1988,109 (114).

Unterricht - keinen Beitrag zur Gesamterziehung der Soldaten.

Α. Anwendbarkeit des Beamtenrechts auf Militärgeistliche

317

des Dienstes. Aber das Gewicht der die Meinungsfreiheit beschränkenden staatlichen Interessen nimmt mit zunehmender Dienstferne ab; im gleichem Maß verringert sich der Umfang der Mäßigungspflicht. Gleichwohl unterscheidet sich die Reichweite der Mäßigungspflicht im Gottesdienst letztlich kaum von derjenigen im Lebenskundlichen Unterricht. Zunächst ist zu beachten, daß Beamte ebenso wie Richter und Soldaten sich auch außer Dienst so verhalten müssen, daß die ordnungsgemäße Erfüllung ihrer Dienstaufgaben und das Vertrauen der Allgemeinheit darauf gewahrt bleiben.109 Diese Anforderungen gelten für jegliches Verhalten (§ 54 S. 3 BBG, § 17 Abs. 2 SG) und im besonderen für die politische Betätigung (§ 53 BBG, § 10 Abs. 6 SG, § 39 DRiG). Freilich werden im Regelfall Dienstbelange durch außerdienstliches Verhalten kaum berührt und noch weniger beeinträchtigt. Anders bei der Gottesdiensttätigkeit der Militärgeistlichen: Diese kann sehr wohl Dienstbelange der Bundeswehr berühren, da die Teilnehmerkreise von Gottesdienst und Lebenskundlichen Unterricht (teil)identisch sind. 110 Dienstaufgabe des Militärgeistlichen ist die Durchführung des Lebenskundlichen Unterrichts unter den Prämissen von Sachlichkeit, Ausgewogenheit und Toleranz. Diese Aufgaben muß er auch nach dem Gottesdienst noch effektiv und glaubwürdig erfüllen können. Damit unvereinbar wäre ein Auftreten mit gespaltener Zunge - radikal im Gottesdienst, moderat im Unterricht, jeweils vor denselben Zuhörern. Sein Verhalten während des Gottesdienstes muß deshalb seiner Funktion im Lebenskundlichen Unterricht Rechnung tragen. (a) Politisch motivierte Äußerungen Ist eine Äußerung des Militärgeistlichen ausschließlich politisch motiviert, muß er auch im Gottesdienst die seiner politischen Betätigung im Lebenskundlichen Unterricht gezogenen Grenzen beachten. Diese Äußerung ist eine politische Betätigung bei Gelegenheit der Seelsorge. Sie wird daher nur vom Schutzbereich der Meinungsfreiheit gem. Art 5 Abs. 1 GG erfaßt, nicht aber von Art 4 GG. Den Interessen des Militärgeistlichen ist mithin kein größeres Gewicht beizumessen, als wenn er sich im Lebenskundüchen Unterricht poli1 0 9

Vgl. BVerfG, NJW 1983, 2691 und BVerwG, DVB1. 1988, 351 (352) - Richter; BVerwG,

NJW 1985, 160 (161) - Offiziere; V G H Bd-Wtt., NJW 1983, 1215 (1216) - Lehrer. 1 1 0

Für die Begründung des Mäßigungsgebotes ist dagegen nicht maßgeblich, daß dem Geistlichen im Gottesdienst die Möglichkeit beträchtlicher Einflußnahme auf die Soldaten eröffnet ist. Eine Bundeswehrinteressen abträgliche Beeinflussung wäre auch nicht der Mäßigungspflicht des § 53 BBG unterworfenen Geistlichen kleinerer Religionsgemeinschaften möglich, die außerhalb der staatlich organisierten Militärseelsorge ihre Religionsangehörigen gem. Art 141 WRV betreuen.

318

Sonderfrage

der Verbeamtung der Militärgeistlichen

tisch äußert. Eine Privilegierung allein durch den Umstand, daß er sich während des Gottesdienstes äußert, ist somit nicht gerechtfertigt. (b) Religiös motivierte Äußerungen politischen Inhalts Umgekehrt bei religiös motivierten Äußerungen politischen Inhalts: Diese werden mit Blick auf Art 4 GG schon im Lebenskundlichen Unterricht privilegiert. Im Gottesdienst ist diese Privilegierung um so berechtigter, als der Militärgeisüiche sich nunmehr in Ausübung seiner seelsorgerischen Aufgabe äußert. Der Staat darf und will die kirchliche Verkündigung nicht zu steuern suchen. Dennoch käme in einem unauflöslichen Konfliktfall zwischen der Verkündigungsfreiheit gem. Art 4 GG und dem durch Art 87a Abs. 1 GG geschützten staatlichen Interesse an der Einsatzfahigkeit der Bundeswehr letzterem der Vorrang zu. Entsprechendes gilt für die freiheitlich-demokratische Grundordnung. Der Militärgeisüiche hat gem. § 53 BBG deshalb diese letzten Grenzen auch in Ausübung der Seelsorge zu beachten. (3) Sonstige politische Betätigung im Dienst Zum Dienst des Militärgeistlichen gehören neben Lebenskundlichem Unterricht und Militärgottesdienst vor allem die Durchführung von Rüstzeiten resp. Exerzitien sowie die individuelle Betreuung von Soldaten in Sprechstunden und sonstigen Gesprächen. Diese Aufgaben sind - wie der Militärgottesdienst und im Unterschied zum Lebenskundlichen Unterricht - sämtlich Teil der Seelsorge und damit rein kirchlicher Natur. Für die Reichweite der politischen Mäßigungspflicht gem. § 53 BBG gelten somit die Ausführungen zur politischen Betätigung im Militärgottesdienst entsprechend. Als konfliktträchtig erwies sich in seltenen Ausnahmefällen die Frage des richtigen Umgangs mit Kriegsdienstverweigerern. So soll Anfang der siebziger Jahre eine gemeinsame Rüstzeit von Soldaten und Zivildienstleistenden auf die Mißbilligung der militärischen Vorgesetzten der Soldaten gestoßen sein.111 Ohne Hinzutreten weiterer Umstände verstößt eine derartige Veranstaltung nicht gegen das Gebot politischer Mäßigung und Zurückhaltung. Wie oben ausgeführt, darf ein Militärpfarrer sogar zur eingehenden Gewissensüberprüfung auffordern, solange er die Soldaten nicht zur Verweigerung des Wehrdienstes drängt. Wenn Soldaten sich mit dem Gedanken tragen, den Dienst mit der Waffe aus Gewissensgründen zu verweigern, wird häufig der Militärgeisüiche als

111

So Müller-Kent,

Militärseelsorge, S. 333.

Α. Anwendbarkeit des Beamtenrechts auf Militärgeistliche

319

Gesprächspartner gesucht.112 Wenn ihm der Soldat seine bestehenden Gewissensnöte offenbart und nur eine Kriegsdienstverweigerung ihn von diesen befreien kann, ist der Militärpfarrer aus seiner Beamtenstellung selbstverständlich nicht gehalten, den Soldaten von diesem Gedanken abzubringen. Die seelsorgerische Betreuung einschließlich der Aufklärung über Möglichkeit und Procedere einer Kriegsdienstverweigerung erreicht dann noch nicht einmal die Schwelle zur "Betätigung" und unterfällt schon tatbestandlich nicht dem Mäßigungsgebot des § 53 BBG. bb) Politische Betätigung außer Dienst Die Pflicht zu Mäßigung und Zurückhaltung bei politischer Betätigung gem. § 53 BBG trifft den Militärgeistlichen - wie jeden Beamten, Richter und Bundeswehr(unter)offizier - auch außerhalb seines Dienstes, d.h. in seiner Freizeit oder bei kirchlicher dienstlicher Tätigkeit außerhalb der Militärseelsorge, so etwa bei Predigten in zivilen Gottesdiensten.113 Dabei steht dem Militärgeistlichen ein weiterer Raum zu politischer Betätigung zu als im Dienst, da das Gewicht der die Meinungsfreiheit beschränkenden dienstlichen Belange verringert ist, zumal im Zivilgottesdienst regelmäßig ein anderer Zuhörerkreis betroffen ist. Gleichwohl muß er die möglichen Rückwirkungen seiner außerdienstlichen Betätigung auf seine Dienstaufgaben in Rechnung stellen.114 Er muß daher eine klare Trennung zwischen seinem Amt und der Teilnahme am politischen Meinungskampf einhalten. Er verletzt diese Pflicht, wenn er sein Amt ausdrücklich in Anspruch nimmt und einsetzt, um einer von ihm selbst geteilten politischen Auffassung größere Überzeugungskraft oder zumindest größere Beachtung zu verschaffen. 115 Ist die Trennung nicht in der erforderlichen Klarheit möglich, muß seine Äußerung dem Vertrauen gerecht werden, das ihm im Lebenskundlichen Unterricht - mit den Anforderungen an Sachlich-

112 Smidt, epd Dokumentation 22/93, 65, behauptet allerdings, daß die Kriegsdienstverweigerung erwägende Soldaten gerade nicht den Militärgeistlichen, sondern einen Zivilgeistlichen ihrer Heimatgemeinde, dem sie angeblich größeres Verständnis für ihre Gewissensnöte zuschrieben, ansprächen. Vgl. auch Bieber, KDV und Militärseelsorge, passim. 113 Die Militärgeistlichen nehmen häufig am Predigtdienst der benachbarten Zivilgemeinden teil; Meyer, ZevKR 26 (1981), 326 (327). 1 1 4 Köhler/Ratz, Lehrer, S. 137.

BDO, Komm., B.II.2 Rdnr. 8; Patunas, Politische Meinungsfreiheit der

115 BVerwG, DVB1. 1988, 351; NJW 1985, 160 (161); V G H Bd-Wtt., NJW 1983, 1215 (1217); Schütz, Beamtenrecht, Komm., Teil C, § 56 Rdnr. 5; Schmidt-Vockenhausen, JuS 1985, 524 (525); Weiß, ZBR 1988, 109 (119).

320

Sonderfrage

der Verbeamtung der Militärgeistlichen

keit und Ausgewogenheit - entgegengebracht wird. 116 Letzte Grenze seiner politischen Betätigung ist wiederum die Treue zur Verfassung, d.h. die Achtung vor der freiheitlich-demokratischen Grundordnung. 117 Bei Beachtung dieser Vorgaben ist ihm auch die Kritik an Verteidigungspolitik und Bundeswehr gestattet.118 Hinsichtlich der Reichweite der politischen Mäßigungspflicht außerhalb des Dienstes gelten für Militärgeistliche im Vergleich zu anderen Beamten somit keine nennenswerten Besonderheiten. IV.

Pflicht zu Gehorsam gem. § 55 S. 2 B B G 1. Allgemeines

Bereits aus Art 20 Abs. 3 GG folgt, daß ein Beamter im Rahmen seiner dienstlichen Tätigkeit zum Gesetzesgehorsam, d.h. zur Beachtung sämtlicher Gesetze im formellen und materiellen Sinne verpflichtet ist (vgl. auch § 55 S. 2 a.E. BBG). Er trägt daher gem. § 56 Abs. 1 BBG die volle persönliche Verantwortung für die Rechtmäßigkeit seiner dienstlichen Handlungen. Darüber hinaus ist er gem. § 55 S. 2 BBG verpflichtet, die von seinen Vorgesetzten erlassenen Anordnungen auszuführen und deren allgemeine Richtlinien zu befolgen. Der Beamte ist also an die Weisungen seiner Vorgesetzten gebunden. Die Gehorsamspflicht gehört zu den hergebrachten Grundsätzen des Berufsbeamtentums gem. Art. 33 Abs. 5 GG. 119 2. Besonderheiten für Militärgeistliche

Die Pflicht zum Gesetzesgehorsam trifft ausnahmslos jeden Beamten und damit auch den verbeamteten Militärgeistlichen. Da Militärgeistliche am Gesetzesvollzug nicht beteiligt sind, ist diese Pflicht nicht konfliktträchtig. Der Beamtenstatus führte jedoch zu unlösbaren Loyalitätskonflikten, wären Militärgeistliche in Ausübung ihres geistlichen Amtes zur Befolgung staatli-

1 1 6

Vgl. BVerfG, NJW 1983, 2691; V G H Bd-Wtt., NJW 1983, 1215 (1217); Patunas, Pohtische Meinungsfreiheit der Lehrer, S. 135 ff. 117

Schmidt-Vockenhausen,

1 1 8

Vgl. BVerwG, NJW 1985, 160 (161) - Engagement eines Bundeswehroffiziers (in seiner

JuS 1985, 524 (525).

Freizeit, in Zivil, ohne Hinweis auf seinen Beruf) gegen die ABC-Bewaffnung. 1 1 9

Schütz, Beamtenrecht, Komm., Teil C, § 58 Rdnr. 3.

Α. Anwendbarkeit des Beamtenrechts auf Militärgeistliche

321

eher Weisungen verpflichtet. 120 Nun sieht das Beamtenrecht in § 55 S. 2 a.E. BBG vor, durch Gesetz in bestimmten Fällen Beamte von der Weisungsgebundenheit auszunehmen. Von dieser Ausnahmemöglichkeit hat das Gesetz über die Militärseelsorge i.V.m. dem Militärseelsorgevertrag Gebrauch gemacht. Gem. Art 16 S. 1 MSV stehen die Militärgeistlichen in einem geistlichen Auftrag, in dessen Erfüllung sie von staatlichen Weisungen unabhängig sind. Es ist also zu unterscheiden: Im Rahmen ihrer seelsorgerischen Tätigkeit sind die Militärgeistlichen ausschließlich kirchlichen Weisungen unterworfen. 121 Nach kirchlichem Recht steht das Weisungsrecht dem Militärbischof und den vorgesetzten Militärgeistlichen zu. 122 Soweit die Militärgeistlichen staatliche Aufgaben erfüllen, kommt ihnen das Privileg der staatlichen Weisungsunabhängigkeit nicht zu. Zu beachten ist aber, daß keine Pflicht zum Gehorsam gegenüber militärischen Stellen besteht.123 Die Gehorsamspflicht bezieht sich auf die Vorgesetzten. Die Militärgeistlichen sind nicht in die militärische Hierarchie eingeordnet, haben also keine militärischen Vorgesetzten. Vorgesetzte der Militärgeistlichen sind vielmehr zunächst die Wehrbereichsdekane, dann - als unmittelbare Dienstvorgesetzte gem. Art 22 Abs. 2 Nr. 2 MSV - auf evangelischer Seite der Militärgeneraldekan und katholischerseits der Militärgeneralvikar und schließlich der Bundesminister der Verteidigung. 124 Diese Stellen nehmen die (staatliche) Gehorsamspflicht im Einzelfall durchaus in Anspruch. 125 Im folgenden sollen in diesem Zusammenhang drei Einzelfragen etwas näher beleuchtet werden: Wie wirkt sich die Weisungsabhängigkeit im Lebenskundlichen Unterricht aus? Kann einem Militärgeistlichen die Begleitung eines Auslandseinsatzes der Bundeswehr befohlen werden? Gibt es im Ausnahmefall doch eine Pflicht, militärische Weisungen zu befolgen?

1 2 0 In der Vergangenheit war dies nicht ungewöhnlich: So waren Militärgeistliche gehalten, in ihren Predigten auf die Soldaten im Sinne der militärischen Vorgesetzten einzuwirken. Dazu näher Vogt, Religion im Militär, S. 409 ff., 550 ff.; Isensee, Essener Gespräche 25 (1991), 104 (122). 121

Vgl. Art 4 S. 2 und 3 MSV; Art. 13 PS-Kath.MB; ZDv 66/1 Nr. 13; ZDv 10/1 Nr. 341.

1 2 2

§ 16 S. 2 KG-MS; Art. 19 Abs. 1 PS-Kath.MB.

123

So auch ausdrücklich die ZDv 66/1 Nrn. 13,15.

1 2 4

Siehe oben 2. Teil Β I U I .

125

Vgl. ein bei Müller- Kent, Militärseelsorge, S. 331 Fußn. 438, geschildertes Beispiel, wo der Militärgeneraldekan einen Militärpfarrer auf die Gehorsamspflicht hinweist. 21 Ennuschat

322

Sonderfrage

der V e r b e a m t u n g der M i l i t ä r g e i s t l i c h e n

a) Reichweite der Weisungsabhängigkeit im Lebenskundlichen Unterricht Die Durchführung des Lebenskundlichen Unterrichts zählt zu den staatlichen Aufgaben des Militärgeistlichen. Grundsätzlich ist er daher insoweit staatlichen Weisungen unterworfen. Der Unterricht nimmt immerhin die Hälfte seiner Arbeitskraft in Anspruch. Vor diesem Hintergrund gewinnt die Frage der Reichweite des staatlichen Weisungsrechts in diesem Bereich beträchtlich an Bedeutung. Die Weisungsgebundenheit bezieht sich auf drei Punkte: die Ziele, die Themen und die Methodik des Unterrichts. aa) Unterrichtsziele Die Unterrichtsziele des Lebenskundlichen Unterrichts sind in der ZDv 66/2, d.h. in einer bundeswehrinternen Dienstvorschrift ohne Gesetzesrang enthalten. Die ZDv 66/2 ist eine "allgemeine Richtlinie" i.S.d. § 55 S. 2 BBG. Unterrichts(nah)ziel ist die Schaffung eines Freiraums, von dem der Staat sich - quasi als Fernziel - die Vermittlung der Werthaftigkeit unserer Gesellschaftsordnung und damit einen wertvollen Beitrag zur Gesamterziehung der Soldaten erhofft. 126 An das Unterrichts(nah)ziel ist der Militärgeistliche gebunden. Eine nennenswerte Beschränkung ist damit freilich nicht verbunden. Der Freiraum, auf den die ZDv 66/2 zielt, kommt auch und gerade dem Militärgeistlichen zugute. Die Grenzen, die diesem Freiraum gezogen sind, resultieren letztlich aus den ihn ohnehin treffenden Pflichten zur Verfassungstreue sowie zur Mäßigung und Zurückhaltung bei politischer Betätigung. bb) Unterrichtsthemen Die Themen des Lebenskundlichen Unterricht werden in Zusammenarbeit mit dem Bundesministerium der Verteidigung von dem Evangelischen Kirchenamt für die Bundeswehr und von dem Katholischen Militärbischofsamt festgelegt (ZDv 66/2 Nr. 10). Gegen die Bindung der Militärgeistlichen an den vorgegebenen Themenplan könnte die sog. pädagogische Freiheit des Unterrichtenden sprechen. Dieser Terminus beschreibt nach Ansicht einiger Autoren eine aus Art. 5 Abs. 3 S. 1 GG herzuleitende subjektive Rechtsposition des Unterrichtenden, insbesondere des Lehrers. 127 Dagegen ist jedoch einzuwenden, daß die Lehrfreiheit des Art 5 Abs. 3 S. 1 GG nicht jedem Unterrichtenden, sondern lediglich dem wissenschaftlich Lehrenden zu126 12 7

Näher oben 2. Teil C H 2 c.

Kopp, DÖV 1979, 890 (892); Stock, RdJB 1986, 212 (220): zumindest in "vorsichtiger Analogie" zu Art. 5 Abs. 3 GG.

Α. Anwendbarkeit des Beamtenrechts auf Militärgeistliche

323

kommt. 128 Unabhängig davon ist die "pädagogische Freiheit" richtigerweise als objektives Rechtsprinzip zu verstehen.129 Sie umreißt den Freiraum für individuellen pädagogischen Einsatz, der erforderlich ist, um die vorgegebenen Unterrichtsziele zu erreichen. 130 Die pädagogische Freiheit ist dem Unterrichtenden also nicht um seiner selbst willen gegeben, sondern wurzelt im Unterrichtszweck und dient dem öffentlichen Interesse an einem guten Unterricht.131 Dem Unterrichtenden verleiht die pädagogische Freiheit mithin nur als Rechtsreflex eine Position tatsächlicher Art, ohne dadurch subjektive Rechte zu begründen.132 Die beamtenrechtliche Weisungsgebundenheit bleibt deshalb von der pädagogischen Freiheit unberührt, jedenfalls solange dem Unterrichtenden ein Restbestand an pädagogischer Verantwortung verbleibt. 133 Der pädagogischen Freiheit des Militärgeistlichen wird im Lebenskundlichen Unterricht breiter Raum gelassen. Schon in ZDv 66/2 Nr. 10 ist die Möglichkeit einzelner Abweichungen vom Themenplan angelegt: So sollen die Militärgeistlichen Wünsche der Soldaten nach Erörterung aktueller Fragen aufgreifen. Darüber hinaus sind weitere Abweichungen möglich, wobei dann die dienstaufsichtsführenden Militärgeistlichen informiert werden sollen.134 Vor allem aber ist der Militärgeistliche lediglich zur Behandlung der vorgegebenen Themen gehalten, nicht aber zu bestimmten Unterrichtsinhalten. Der Unterricht zielt auf die Schaffung eines Freiraums, der gerade durch die pädagogische Eigenverantwortung des Militärgeistlichen ausgefüllt werden soll. Die bundeswehreinheitlichen Themenvorgaben dienen im wesentlichen dazu, die Soldaten davor zu bewahren, im Falle von Versetzungen oder bei entspre-

1 2 8

OVG NW, RdJB 1992, 248 (249); Wendt, in: v. Münch/Kunig, GG, Komm., ArL 5 Rdnr. 103; Jarass, in: Jarass/Pieroth, GG, Komm., Art. 5 Rdnr. 79; Patunas, Politische Meinungsfreiheit der Lehrer, S. 72 f.; Hennecke, RdJB 1986, 233 (239); Starck, DÖV 1979, 269 (273). 12 9

Niehues, Schul- und Prüfungsrecht, Rdnr. 308. Vgl. ferner BVerfGE 58, 257 (271).

1 3 0

BVerfGE 47, 46 (83); Schütz, Beamtenrecht, Komm., Teil C, § 58 Rdnr. 7; Niehues, Schulund Prüfungsrecht, Rdnr. 310; Mayer-Vorfelder, Personalvertretung 1985, 1 (2 f.). 131 OVG NW, RdJB 1992, 248 (250); V G H Bd.Wtt, NJW 1985, 1661; Niehues, Schul- und Prüfungsrecht, Rdnr. 310; Patunas, Politische Meinungsfreiheit der Lehrer, S. 73; Starck, DÖV 1979, 269 (273). 1 3 2

OVG NW, RdJB 1992, 248 (250).

133

BVerfGE 47, 46 (85); BVerwG, RdJB 1994, 152 (153); OVG Lüneburg, RdJB 1994, 147 (150); V G H Bd.Wtt., DÖV 1988, 1017 (1018); Patunas, Politische Meinungsfreiheit der Lehrer, S. 73; Hennecke, RdJB 1986, 233 (238 f.); Mayer-Vorfelder, Personalvertretung 1985, 1 (2). Dazu kritisch Stock, RdJB 1994, 151. 1 3 4

2

Bick, Lebenskundlicher Unterricht, S. 8.

324

Sonderfrage

der Verbeamtung der Militärgeistlichen

chenden Vorlieben einzelner Militärgeistlicher ein Thema mehrfach zu hören. 135 Angemerkt sei schließlich, daß die Militärgeistlichen sich in ihrer pädagogischen Freiheit durch die Themenvorgaben nicht beeinträchtigt sehen. Im Gegenteil, die Themenvorgaben werden in aller Regel begrüßt, da sie mit die Vorbereitung und Durchführung des Unterrichts erleichternden Begleitmaterialien verbunden sind. cc) Unterrichtsdidaktik und -methodik Die ZDv 66/2 enthält in Nr. 14 einige Vorgaben für Unterrichtsdidaktik und -methodik: Frontalunterricht soll vermieden, die Mitarbeit der einzelnen Soldaten mit allen Mittel, insbesondere durch Lehrgespräch, Diskussion, Gruppenarbeit und ergänzende Kurzfilme, gefördert werden. Im Vordergrund steht die Schaffung eines Freiraums, den Soldaten frei von militärischen und hierarchischen Bindungen zum Meinungsaustausch nutzen sollen.136 Wie dieses Ziel erreicht wird, wird letztlich der pädagogischen Gestaltungsfreiheit des Militärgeistlichen überantwortet. Bindende Weisungen werden den Militärgeistlichen daher nicht erteilt. Die genannten methodischen "Soir'-Vorgaben der ZDv 66/2 Nr. 14 sind lediglich als Empfehlungen zu verstehen.137 Weitere Vorschläge in didaktischer und methodischer Hinsicht enthalten die jeweiligen Unterrichtsmaterialien. Zusammenfassend läßt sich feststellen, daß die Weisungsgebundenheit der Militärgeistlichen sich im wesenüichen auf die Beachtung der Zielvorgabe Schaffung eines Freiraums - und auf die grundsätzliche Einhaltung des Themenplanes beschränkt. Im übrigen wird ihm breiter Raum eigener pädagogischer Gestaltung belassen. Auch im Lebenskundlichen Unterricht sind die Militärgeistlichen daher im Ergebnis frei von staatlicher Bevormundung.138

135

Niermann, Essener Gespräche 23 (1989), 161 f.

1 3 6 Vgl. die Weisung des Generalinspekteurs für die Zusammenarbeit mit den Militärgeistlichen vom 12.11.1984; siehe oben 2. Teil C III 1. 1 3 7 Vgl. auch ZDv 3/1 - "Methodik der Ausbildung", auf die ZDv 66/2 Nr. 14 Bezug nimmt: Diese Dienstvorschrift enthalte "Anregungen" für die Methodik der Ausbildung. 138

Hoffmann, kussionsbeitrag).

Ev. Militärseelsorge, S. 158; Pirson, Essener Gespräche 23 (1989), 158 (Dis-

Α. Anwendbarkeit des Beamtenrechts auf Militärgeistliche

325

b) Pflicht zur Begleitung von Auslandseinsätzen der Bundeswehr In jüngster Zeit sieht sich die Militärseelsorge in der Bundeswehr vor eine völlig neue Aufgabe gestellt: die seelsorgerische Begleitung von Auslandseinsätzen der Bundeswehr. Die Soldaten haben die Betreuung durch die Militärgeistlichen bei den bisherigen Auslandseinsätzen wesentlich stärker in Anspruch genommen als im üblichen Dienst.139 Die Entscheidung für die Begleitung eines konkreten Einsatzes ist von beträchtlicher (kirchen-)politischer Brisanz - birgt sie doch die Gefahr der theologischen Rechtfertigung von militärischer Gewalt in sich; die Entscheidung gegen die Begleitung wäre nicht minder brisant. Innerhalb der Kirchen, vornehmlich der evangelischen Kirche, führte diese Frage daher zu kontroversen Diskussionen.140 Die Entscheidung, ob Militärgeisüiche die im Ausland eingesetzte Truppe begleiten sollen, trifft der jeweilige Militärbischof. Die innerkirchliche Personalauswahl wird vom Militärbischof in Zusammenarbeit mit dem jeweiligen Amt vorgenommen. Anschließend beantragt der Militärgeneraldekan/-vikar beim Bundesminister der Verteidigung die Zuordnung des benannten Geistlichen zur eingesetzten Truppe. 141 Die Entscheidung liegt mithin in kirchlicher Hand.142 Bei formaler Betrachtung könnte ein Militärgeistlicher von seinen kirchlichen Vorgesetzten gegen seinen Willen zur Begleitung des Auslandseinsatzes ausgewählt werden. Nach seiner staatlichen Zuordnung zur Truppe durch den Verteidigungsminister wäre er beamtenrechtlich zur Befolgung dieser Weisung verpflichtet. In der Praxis beruht die Teilnahme jedoch auf Freiwilligkeit. Seitdem mit Auslandseinsätzen der Bundeswehr zu rechnen ist, wird innerkirchlich schon vor Berufung eines Geistlichen in die Militärseelsorge dessen Bereitschaft zur Begleitung derartiger Einsätze abgeklärt. c) Pflicht zur Befolgung militärischer

Anordnungen

Im Ausnahmefall - gerade, aber nicht nur im Einsatz- oder gar Ernstfall kann es notwendig sein, daß ein Militärpfarrer die Anordnungen des für den jeweiligen Einsatz verantwortlichen Offiziers befolgt Die gegebenfalls erfor-

1 3 9

Dazu Lohse, FAZ Nr. 75 vom 30.03.1993, S. 6.

1 4 0

Vgl. Demke, epd Dokumentation 22/93, 55 (56); Noack, epd Dokumentation 4/93, 63 (64).

141

Vgl. Nr. I 4 des Erlasses vom 13.09.1965 "Teilnahme von Militärgeistlichen an Truppenübungen" (abgedruckt in: Kath. Militärbischofsamt/Ev. Kirchenamt fiir die Bundeswehr [Hrsg.], Dokumentation zur Katholischen und Evangelischen Militärseelsorge, S. 124). 14 2

Ottemeyer, EvKomm 1994, 661.

326

Sonderfrage

der Verbeamtung der Militärgeistlichen

derliche Weisungsunterworfenheit kann freilich nicht auf die beamtenrechtliche Gehorsamspflicht des § 55 S. 2 BBG gestützt werden, da der Militärgeistliche nicht in die militärische Hierarchie eingeordnet und daher den Militärs nicht zu Gehorsam verpflichtet ist. Damit stellt sich die Frage, wie die so entstehende "Lücke" 143 geschlossen werden kann. aa) Störungsabwehrrechte der Bundeswehr Der Bundeswehr sind einige Möglichkeiten eröffnet, Störungen des Dienstbetriebes abzuwehren. Wie alle Hoheitsträger, so kann auch die Bundeswehr bei akuten Störungen unter Beachtung des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes 144 die erforderlichen Abwehrmaßnahmen treffen, um so die Erfüllung ihrer hoheitlichen Aufgaben zu sichern. 145 Darüber hinaus können gem. § 2 Abs. 3 UZwGBw zur Wahrung der Sicherheit oder Ordnung in militärischen Sicherheitsbereichen 146 für das Verhalten von Personen Einzelweisungen erteilt werden. Werden Anordnungen nicht befolgt, stehen der Bundeswehr verschiedene Zwangsmaßnahmen, insbesondere die Anwendung unmittelbaren Zwanges gem. § 9 UZwGBw, zur Verfügung, um rechtswidrige Störungen der dienstlichen Tätigkeit der Bundeswehr zu beseitigen, sofern sie die Einsatzbereitschaft, Schlagkraft oder Sicherheit der Truppe gefährden. 147 Die Anordnungen sind primär an störende Dritte gerichtet, können aber auch Soldaten zum Adressaten haben.148 Militärgeisüiche nehmen quasi eine Mittelposition ein: Sie sind zwar nicht in die Bundeswehr eingegliedert, ste143

Loschelder, FS Hengsbach, 783 (792).

1 4 4

Also unter angemessener Berücksichtigung der Grundrechte des Störers einerseits und der Funktionsfähigkeit der Bundeswehr andererseits; dazu v. Busse, Gemeinsame Angelegenheiten, S. 244 (zur Anstaltsseelsorge). 145 Insoweit handelt es sich um den Restbestand der sog. Anstaltsgewalt, vgl. dazu Maurer, Allg. VwR, § 23 Rdnr. 54; Erbguth, VR 1982, 41 (43). - Daneben ist an die Ausübung des Hausrechts zur Abwehr von Störungen durch den Militärgeistlichen zu denken. Dies scheidet jedoch aus, soweit man der verbreiteten Ansicht folgt, das Hausrecht ziele lediglich auf externe Störer (etwa StGH BdWtL, DVB1. 1988, 632 [633]; a.A. BayVGH, WissR 1989, 83 [84]: Das Hausrecht umfasse auch die Ordnungsgewalt nach innen), da der Militärgeistliche der Bundeswehr zugeordnet und daher kein externer Dritter ist. 1 4 6 Militärische Sicherheitsbereiche sind gem. § 2 Abs. 2 UZwGBw zum einen militärische Anlagen, Einrichtungen und Schiffe und zum anderen auch sonstige Örtlichkeiten, die aus Gründen der militärischen Sicherheit zur Erfüllung dienstlicher Aufgaben der Bundeswehr für die Öffentlichkeit gesperrt wurden. 1 4 7 Inwieweit das UZwGBw im Einsatz- oder Ernstfall taugliches Instrument zur Störungsabwehr ist, ist freilich zu bezweifeln, vgl. Mußgnug, DÖV 1989, 917 (920). 1 4 8

Jess/Mann, UZwGBw, Komm., Einl. Rdnr. 35.

Α. Anwendbarkeit des Beamtenrechts auf Militärgeistliche

327

hen ihr aber doch näher als ein beliebiger Dritter. Es begegnet daher keinen Bedenken, bei Vorliegen der gesetzlichen Voraussetzungen entsprechende Anordnungen an Militärgeistliche zu richten. bb) Zuordnung zur Zusammenarbeit Gleichwohl wäre es mit Blick auf die Nähebeziehung der Militärgeistlichen zur Bundeswehr wenig sachgerecht, ihnen lediglich die genannten allgemeinen Nichtstörungs-Pflichten aufzuerlegen. Eine Pflichtenintensivierung könnte sich daraus ergeben, daß die Militärgeistlichen gem. ZDv 66/1 Nr. 13 militärischen Dienststellen zur Zusammenarbeit zugeordnet sind. Die "Zuordnung zur Zusammenarbeit" normiert für beide Seiten gewisse Pflichten. Im Vordergrund steht die Sicherung reibungsloser Zusammenarbeit von Truppe und Militärseelsorge. Eingehend ist die Regelung für die Truppenführer: Sie sollen Behinderungen der Arbeit des Militärgeistlichen vermeiden, ihn vielmehr nach Möglichkeit unterstützen. Dazu zählen organisatorische Hilfestellungen, die Zuteilung akzeptabler Unterrichtszeiten, Informations- und Anhörungspflichten etc. 149 Pflichten der Militärgeistlichen sind zwar nur punktuell genannt Erkennbar ist immerhin, daß die Militärgeistlichen sich möglichst in den allgemeinen Dienstbetrieb einfügen sollen: Sie müssen zu den Stabsabteilungen der ihnen zugeordneten Dienststellen enge Verbindung halten (ZDv 66/1 Nr. 13), den Zeit- und Themenplan des Lebenskundüchen Unterrichts mit den Einheitsführern besprechen (ZDv 66/2 Nr. 12). Sie sollen ferner an Übungen der Bundeswehr teilnehmen, um die Seelsorge im Einsatz- und Ernstfall zu üben.150 Regelungen für den Konfliktfall enthalten die Dienstvorschriften jedoch nicht. Man vertraut vielmehr auf die vom Verständnis für die Aufgabenstellung des anderen und für die gemeinsame Aufgabe geprägte Bereitschaft aller Beteiligten zum vernünftigen Miteinander. 151 Deutlich wird allerdings, daß im Falle einer unabwendbaren Kollision den Interessen des militärischen Dienstbetriebs der Vorrang gebührt. 152 Dieser Vorrang findet seine verfas-

1 4 9

Vgl. ZDv 66/1 Nrn. 31 ff., ZDv 66/2 Nrn. 16 ff., ZDv 10/1 Nr. 342, Weisung des Generalinspekteurs für die Zusammenarbeit mit den Militärgeistlichen vom 12.11.1984. 1 5 0 Weisung des Generalinspekteurs für die Zusammenarbeit mit den Militärgeistlichen vom 12.11.1984 Nr. I I I 1 b. 15 1

Loschelder, FS Hengsbach, 783 (792); Niermann, Essener Gespräche 23 (1989), 110 (139). 1 5 2 So muß die stetige Verfügbarkeit der zum Bereitschaftsdienst eingeteilten Soldaten jederzeit gewährleistet sein (Weisung des Generalinspekteurs vom 12.11.1984 Nr. I I I 2 b); in beson-

328

Sonderfrage

der Verbeamtung der Militärgeistlichen

sungsrechtliche Verankerung in dem Umstand, daß die durch Art 87a Abs. 1 GG geschützte Funktionstüchtigkeit der Bundeswehr im Wege kollidierenden Verfassungsrechts die Religionsfreiheit gem. ArL 4 Abs. 1 und 2 GG beschränken kann. Die sich aus der "Zuordnung" ergebende Pflicht zur vertrauensvollen Zusammenarbeit mit den Truppenführern ist Teil der beamtenrechtlichen Dienstpflichten des Militärgeistlichen. Sie konkretisiert seine allgemeine Treuepflicht und die Anforderungen an die Gewissenhaftigkeit seiner Amtsführung gem. § 54 S. 2 BBG. 153 Danach ist jeder Beamte gehalten, die Belange seines Dienstherm zu fördern und den Dienstbetrieb nicht zu behindern. 154 Der Militärgeisüiche schuldet die Erfüllung der Pflicht zur Zusammenarbeit zwar nicht den Militärs, sondern seinem Dienstherrn. Der aber verlangt von ihm, sich in den militärischen Dienstbetrieb einzufügen und Anweisungen der Truppenführern zu befolgen, sofern dies in besonders gelagerten Ausnahmefällen zur Sicherung eines geordneten Dienstbetriebes zwingend erforderlich ist. 155 Der Truppenführer kann einen Verstoß des Militärgeisüichen gegen seine Pflicht zur Zusammenarbeit nicht sanktionieren. Dies bleibt dem Dienstherrn im Wege des beamtenrechüichen Disziplinarrechts vorbehalten.156 Davon unberührt bleibt jedoch die Möglichkeit des Truppenführers, seine Anweisungen durch Anwendung unmittelbaren Zwanges gem. § 9 UZwGBw durchzusetzen, sofern die gesetzlichen Voraussetzungen vorliegen. 157

deren Ausnahmefällen muß der Lebenskundliche Unterricht zugunsten anderen Dienstes ausfallen (III 3 b). 15 3

Loschelder, FS Hengsbach, 783 (793).

1 5 4 Schütz, Beamtenrecht, Komm., Teil C, § 55 Rdnr. 5; Loschelder, 783 (794). 15 5

FS Hengsbach,

Loschelder, FS Hengsbach, 783 (794). Von der Weisungsgebundenheit in diesem Fall geht im übrigen auch Nr. 3.6 der vom Bundesminister der Verteidigung am 05.01.1981 erlassenen "Vorläufigen Richtlinien für die Teilnahme des Personals der Militärseelsorge an Übungen der Bundeswehr" (VR I 4 - Az 07-01) aus; dazu Blaschke/Oberhem, Bundeswehr und Kirchen, S. 146. Vgl. ferner MDv 160/1 Nr. 4102, wonach jedermann - also auch der Bordpfarrer - an Bord eines in Dienst gestellten Kriegsschiffes die Schiffsordnung zu befolgen hat. 1 5 6

Dazu unten 4. Teil A V I I 2.

1 5 7

Dazu Jess/Mam , UZwGBw, Komm., § 9 Rdnrn. 1 ff.

Α. Anwendbarkeit des Beamtenrechts auf Militärgeistliche

329

V. Pflicht zur Amtsverschwiegenheit gem. § 61 Abs. 1 S. 1 BBG 1. Keine Besonderheiten für Militärgeistliche

Beamte sind gem. § 61 Abs. 1 S. 1 BBG während und nach Beendigung des Beamtenverhältnisses verpflichtet, über die ihnen bei ihrer amtlichen Tätigkeit bekanntgewordenen Angelegenheiten Verschwiegenheit zu bewahren. Diese Pflicht gilt uneingeschränkt auch für Militärgeistliche. 158 Deren amtliche Tätigkeit umfaßt sowohl die Erfüllung staatlicher Aufgaben als auch die Seelsorge. Die Pflicht zur Geheimhaltung trifft den Militärgeistlichen somit ohne Rücksicht auf die Umstände der Kenntniserlangung und ohne ausdrückliche Verpflichtung zur Geheimhaltung. Eben darin wurzelt das staatliche Interesse an einer Verbeamtung der Militärgeistlichen. 159 Daneben ist der Militärgeistliche kirchlichen Verschwiegenheitspflichten unterworfen. 160 2. Verbot der Flucht in die Öffentlichkeit

Eng mit der Pflicht zur Amtsverschwiegenheit hängt das grundsätzliche Verbot der sog. Flucht in die Öffentlichkeit zusammen. Wenn ein Beamter Mißstände in seiner Behörde zu erkennen meint, darf er nicht versuchen, Druck auf die Behördenspitze dadurch auszuüben, daß er die Öffentlichkeit, insbesondere die Medien, auf die (vermeintlichen) Mißstände aufmerksam macht. Die Verwaltung ist im Interesse möglichst effektiver, objektiver und von sachfremden Erwägungen unbeeinflußter Wahrnehmung der ihr gegenüber der Allgemeinheit obliegenden Aufgaben auf einen von sachfremden Einflüssen freien Prozeß der Meinungs- und Entscheidungsbildung angewiesen. Jeder Beamter ist daher gehalten, diesen Meinungs- und Entscheidungsbildungsprozeß nach außen hin gegen Einflüsse möglichst abzuschirmen. Dies gilt auch dann, wenn die Angelegenheit keiner konkreten Geheimhaltungspflicht unterliegt Entdeckt er Mißstände, muß der Beamte schon wegen seiner Unterstützungs- und Beratungspflicht aus § 55 S. 1 BBG seine Vorgesetzten informieren. Helfen diese dem Mißstand nicht ab, muß er auf dem Dienstweg die höheren Stellen in Kenntnis setzen (vgl. § 171 BBG). Wenn der Dienstweg bis zum parlamentarisch verantwortlichen Minister erschöpft

15 8

Steuber, Militärseelsorge, S. 42; Loschelder, FS Hengsbach, 783 (798).

1 5 9

Siehe dazu unten 4. Teil Β II.

1 6 0

Dazu etwa Niemann, in: Seelsorgerliche Verschwiegenheit, S. 31 ff.; Grethlein,

S. 43 ff.

aaO,

330

Sonderfrage

der Verbeamtung der Militärgeistlichen

ist, bleiben die Möglichkeiten der Information einzelner Abgeordneter oder des Petitionsausschusses.161 Erst wenn auch dies fruchtlos blieb, kommt als ultima ratio die Flucht in die Öffentlichkeit in Frage. Nur bei Verstößen gegen die freiheitlich-demokratische Grundordnung darf er sich sofort an die Öffentlichkeit wenden (vgl. § 61 Abs. 4 BBG). 162 Mit einer vorschnellen Flucht verletzt er die genannten Dienstpflichten, insbesondere seine allgemeine Treuepflicht. 163 Die vorstehend genannten Grundsätze gelten auch für Soldaten 164 mit der Maßgabe, daß diese sich außerhalb des Dienstweges auch an den Wehrbeauftragten wenden können (§ 7 des Gesetzes über den Wehrbeauftragten des Bundestages). Das Verbot der Flucht in die Öffentlichkeit betrifft auch Militärgeisüiche. Dabei sind drei Situationen zu unterscheiden: Stellt ein Militärgeisüicher militärseelsorgeinterne Mißstände fest, muß er zunächst die Wehrbereichsdekane und dann den Generaldekan bzw. Generalvikar informieren. Sieht ein Militärgeisüicher seine Arbeit durch die Truppe behindert, ist er mit Blick auf die "Zuordnung zur Zusammenarbeit" gehalten, sich unmittelbar an den jeweiligen Truppenführer zu wenden. Fruchtet dies nichts, hat er den Wehrbereichsdekan und gegebenfalls den Militärgeneraldekan/-vikar zu informieren. 165 Diese finden ihre Ansprechpartner auf höherer militärischer Ebene. Die von ihnen angesprochenen Offiziere können dann im bundeswehrinternen Dienstwege auf den jeweiligen Truppenführer einwirken. Soweit eine Behinderung der Militärseelsorge zugleich eine Beschränkung der Religionsausübungsfreiheit der Soldaten bedeutet, steht es dem Militärgeisüichen frei, sich gegebenenfalls an den Wehrbeauftragten zu wenden.166 Zu beachten 161 Wird das Parlament unter Umgehung des Dienstweges direkt informiert, soll darin wiederum eine unzulässige Flucht in die Öffentlichkeit zu sehen sein; so Weiß, ZBR 1984, 129 (136); a.A. Beer, FS Schmid, 327 (340). 16 2 H il g, Beamtenrecht, S. 408. Aber noch nicht bei jedem schlicht verfassungswidrigem Verhalten seiner Behörde: vgl. BVerfGE 28, 191 (203 f.). 163 BVerfGE 28, 191 (203 f.); BVerwGE 76, 76 (80); KG, NJW 1995, 883 (884); Schütz, Beamtenrecht, Komm., Teil C, § 179 Rdnr. 15; Hilg, Beamtenrecht, S. 407 f.; Weiß, ZBR 1984, 129 ff.; vgl. dazu auch Beer, FS Schmid, 327 (332 ff.), sowie Patunas, Politische Meinungsfreiheit der Lehrer, S. 93 ff., 128 ff., der primär auf die politische Mäßigungspflicht abstellt. Die Treuwidrigkeit liegt vor allem in der Absicht, auf die Behördenspitze Druck auszuüben (Weiß, aaO, 132; Patunas, aaO, S. 95). 1 6 4

BVerwGE 86,188 (191 f.); vgl. auch BVerfGE 28, 55 (64).

16 5

Gramm, Essener Gespräche 23 (1989), 160 (Diskussionsbeitrag).

166

§ 7 des Gesetzes über den Wehrbeautragten des Bundestages regelt zwar lediglich das Eingaberecht von Soldaten, steht einer Eingabe eines Militärgeistlichen aber nicht im Wege. So

Α. Anwendbarkeit des Beamtenrechts auf Militärgeistliche

331

ist, daß schon die (zivile) Kirche außerhalb des Dienstweges liegt und damit "Öffentlichkeit" ist. 167 Es wäre daher als Flucht in die Öffentlichkeit zu werten, wenn ein Militärgeistlicher sich gegenüber seiner (zivilen) Kirche über konkrete Behinderungen beklagt.168 Aus der Natur der staatlich-kirchlichen Organisation der Militärseelsorge ergibt sich allerdings, daß der Militärbischof - obschon außerhalb des staatlichen Dienstweges - vom Generaldekan bzw. -vikar informiert werden kann. Schließlich ist denkbar, daß ein Militärgeistlicher Mißstände zu erkennen glaubt, die allein im militärischen Bereich angesiedelt sind, ohne spezifische Interessen der Militärseelsorge zu berühren. 169 Gelegentlich wird ein Militärgeistlicher als "kleiner Wehrbeauftragter vor Ort" von Soldaten auf vermeintliche Kritikpunkte angesprochen.170 Eine Einmischung in den militärischen Dienstbetrieb ist dem Militärgeistlichen grundsätzlich ebenso verwehrt wie den Militärs die Einmischung in die seelsorgerische Arbeit. Dementsprechend sieht die ZDv 66/1 Nr. 12 den Militärgeistlichen nur als ständigen Berater des Truppenführers "in allen Fragen der Militärseelsorge und in allgemeinen kirchlichen Angelegenheiten". Immerhin wird auch außerhalb dieses Bereichs die Vertrauensstellung des Militärgeistlichen von der Bundeswehr in Rechnung gestellt. Daher ist es zulässig und im Sinne der Inneren Führung u.U. sogar wünschenswert, daß sich der Militärgeisüiche in derartigen Fällen informell an den ihm zur Zusammenarbeit zugeordneten Truppenführer wendet. Führt dies nicht weiter, sind weitergehende Schritte jedoch nicht in Betracht zu ziehen, solange es sich um keine Angelegenheit der Militärseelsorge handelt. Dem Militärgeistlichen verbleibt allenfalls eine Eingabe an den Wehrbeauftragten. VI.

Weitere Dienstpflichten

Die weiteren beamtenrechtlichen Dienstpflichten gelten im wesentlichen auch für verbeamtete Militärgeistliche.

sieht § 1 Abs. 3 auch eine Kenntniserlangung "auf andere Weise" vor. Entscheidend ist lediglich, daß die Verletzung von Grundrechten der Soldaten gerügt wird. 1 6 7

Vgl. Weiß, ZBR 1984, 129 (131).

1 6 8

Etwas anderes gilt, wenn seine Schilderung so allgemein bleibt, daß keine Rückschlüsse auf konkrete Truppenteile und Vorkommnisse möglich sind. 1 6 9

Einen derartigen Fall schildert Müller -Kent, Militärseelsorge, S. 325 f.: Ein Militärpfarrer fordert die verantwortlichen Offiziere einer U-Boot-Einheit auf, für die U-Boot-Besatzungen ein bestimmtes seelisch-körperliches Ertüchtigungsprogramm durchzuführen. 1 7 0

Vgl. Schwarz, epd Dokumentation 22/93, 44 (45).

332

Sonderfrage

der Verbeamtung der Militärgeistlichen

1. Pflicht zur Neutralität und Uneigennützigkeit gem. §§ 52 Abs. 1,54 S. 2,70 BBG

Beamte sind nach § 52 Abs. 1 BBG verpflichtet, dem ganzen Volk und nicht nur einer Partei zu dienen. Sie müssen daher ihre Aufgaben unparteiisch und gerecht erfüllen und bei ihrer Amtsführung auf das Wohl der Allgemeinheit Bedacht nehmen. Sie müssen ferner gem. § 54 S. 2 BBG ihr Amt uneigennützig und nach bestem Gewissen verwalten. Gem. § 70 BBG dürfen sie grundsätzlich im Zusammenhang mit ihrer Amtsführung keine Geschenke annehmen. Diesen Anforderungen müssen grundsätzlich auch Militärgeistliche gerecht werden. Wer das ihm zur Verfügung gestellte Dienstfahrzeug für private Urlaubsreisen oder den dienstlichen Telephonanschluß für Privatgespräche mißbraucht, verstößt etwa gegen die Pflicht zur Uneigennützigkeit.171 Gewisse Einschränkungen gelten allerdings für die Neutralitätspflicht: In Ausübung ihres seelsorgerischen Amtes sind sie nicht neutral, sondern konfessionell gebunden. Dies gilt in abgeschwächter Form auch für die staatliche Aufgabenerfüllung im Lebenskundlichen Unterricht, soweit dieser gem. ZDv 66/2 Nr. 3 auf den Grundlagen christlichen Glaubens fußt Davon unberührt bleibt jeweils die Pflicht zu Neutralität in parteipolitischer Hinsicht. 2. Pflicht zur vollen Hingabe gem. §§ 54 S. 1,73 Abs. 1 BBG

Wie jeder Beamter hat sich auch ein Militärgeistlicher gem. § 54 S. 1 BBG mit voller Hingabe seinem Beruf zu widmen; gem. § 73 Abs. 1 BBG darf er seinem Dienst nicht fernbleiben. Dies gilt uneingeschränkt für die ihm aufgetragenen staatlichen Aufgaben, also etwa die Durchführung des Lebenskundlichen Unterrichts. In bezug auf seine seelsorgerische Funktion ist zu beachten, daß der Staat nur das Ob" seiner Tätigkeit einfordern kann, nicht aber das "Wie", da dem Staat gem. Art 16 S. 1 MSV jede Einflußnahme auf den Inhalt der Seelsorge verwehrt ist. Ein Verstoß gegen die Hingabepflicht läge etwa vor, wenn der Militärgeisüiche sich um seine seelsorgerischen Obliegenheiten überhaupt nicht kümmerte oder erheblich vernachlässigte, wobei der Zeitaufwand Maßstab sein mag. 172

171 Vgl. Schütz, Beamtenrecht, Komm., Teil C, § 57 Rdnr. 12; Köhler/Ratz, B.II. 10 Rdnr. 40. 17 2

Loschelder, FS Hengsbach, 783 (797).

BDO, Komm.,

Α. Anwendbarkeit des Beamtenrechts auf Militärgeistliche

333

3. Pflicht zu achtungswürdigem Verhalten gem. § 54 S. 3 BBG

Das Verhalten eines Beamten innerhalb und außerhalb des Dienstes muß der Achtung und dem Vertrauen gerecht werden, die sein Beruf erfordert. Diese Pflicht gilt auch für Militärgeistliche. 173 Achtungsunwürdiges Verhalten innerhalb des Dienstes läge etwa bei erheblichen Verstößen gegen die Pflicht zur Kollegialität vor, z.B. bei unprovozierten und ausfallenden Beschimpfungen von anderen Militärgeistlichen oder von Soldaten.174 Außerdienstliches Fehlverhalten kann insbesondere in Straftaten zu sehen sein.175 4. Pflicht zur Leistung des Diensteides gem. § 58 Abs. 1 BBG

Der Diensteid gem. § 58 BBG bekräftigt das Treueversprechen des Beamten und die sich daraus ergebenden Amtspflichten. Wie oben dargelegt,176 bestehen weder aus staatlicher noch aus kirchlicher Sicht Bedenken, daß sich Militärgeistliche dem Staat gegenüber zur Treue verpflichten. Dementsprechend entspricht es dem Status des verbeamteten Militärgeistlichen, daß auch er den Diensteid leistet.177 Wie jedem anderen Beamte auch, steht es ihm gem. § 58 Abs. 2 BBG frei, auf die religiöse Beteuerung zu verzichten. 178

VIL Rechtsfolgen der Verletzung von Dienstpflichten 1. Überblick Die Verletzung einer Dienstpflicht durch einen verbeamteten Militärgeistlichen kann auf drei Ebenen Sanktionen hervorrufen.

17 3

Loschelder, FS Hengsbach, 783 (797).

1 7 4

Vgl. Schütz, Beamtenrecht, Komm., Teil C, § 57 Rdnr. 7; Köhler/Ratz, B.II. 11 Rdnr. 6. 175

Vgl. Köhler/Ratz,

1 7 6

Siehe oben 4. Teil A I I 2 a.

17 7

Loschelder, FS Hengsbach, 783 (797).

1 7 8

BDO, Komm.,

BDO, Komm., B.II.12 Rdnr. 1.

Nach der jüngsten Rechtsprechung des BVerfG (E 79, 69 [76 f.]) ist auch im Falle eines Diensteides - zu dessen Ableistung anders als etwa beim Zeugeneid niemand gezwungen werden kann - die Möglichkeit zu eröffnen, die Formel "ich schwöre" durch eine eidesgleiche Bekräftigung zu ersetzen; ebenso Starck, in: v. Mangoldt/Klein, GG, Komm., Art 4 Rdnr. 24; v. Campenhausen, in: v. Mangoldt/Klein, GG, Komm., Art. 140/136 WRV Rdnr. 42; anders noch BVerfGE 33, 23 (31 f.) und wohl auch 47, 144 (145).

334

Sonderfrageii der V e r b e a m t u n g der M i l i t ä r g e i s t l i c h e n

a) Strafrechtliche

Sanktionen

Soweit der Militärgeistliche zugleich gegen Strafgesetze verstößt, muß er mit strafrechtlichen Konsequenzen rechnen. Das Strafrecht gilt für jedermann, somit auch für Militärgeistliche. Im Stehlen oder Unterschlagen von Büromaterial, eines Dienst-PKW, zur Verfügung gestellter Barmittel etc. ist beispielsweise eine Dienstpflichtverletzung (Uneigennützigkeit gem. § 54 S. 2 BBG) zu sehen, welche zugleich strafrechtliche Sanktionen nachsichzieht. Zu denken ist ferner an die Dienstpflicht der Amtsverschwiegenheit, die in Teilbereichen durch die §§ 93 ff., 203, 353b StGB strafbewehrt ist, oder an die Anstiftung zur Fahnenflucht resp. Gehorsamsverweigerung gem. §§ 26 StGB, 1 Abs. 4, 16, 20 WStG. b) Beamtenrechtliche Sanktionen Neben179 der strafrechtlichen Ebene kann ein seine Dienstpflichten verletzender Beamter im Wege des Beamtenrechts, insbesondere des Disziplinarrechts sanktioniert werden. Dies gilt auch für verbeamtete Militärgeistliche: Gem. Art. 19 Abs. 2 und 3 MSV finden auf sie die für Bundesbeamte auf Lebenszeit geltenden Vorschriften Anwendung, soweit im Militärseelsorgevertrag nichts anderes bestimmt ist. Wie oben dargelegt, sind die Militärgeistlichen den beamtenrechtlichen Dienstpflichten unterworfen. Eine das Disziplinarrecht ausnehmende Vorschrift findet sich im Militärseelsorgevertrag nicht. Im Gegenteil, dieser bietet sogar einige positive Hinweise auf die Anwendbarkeit des Disziplinarrechts. So heißt es in Art. 23 Abs. 1 MSV: Der Militärgeistliche ist auch zu entlassen 1. bei Verlust der durch die Ordination erworbenen Rechte oder bei dienststrafrechtlicher Entfernung aus dem kirchlichen Amt, 2. auf Antrag des Militärbischofs, wenn seine Verwendung im Dienst der Kirche im wichtigen Interesse der Kirche hegt. Wenn in Art. 23 Abs. 1 MSV zwei im kirchlichen Recht/Bereich wurzelnde Gründe vorzeitiger Enüassung genannt sind, kann das "auch" nur auf staatliche Entlassungsgründe deuten. In Parallele zur kirchenrechtlichen "dienststrafrechtlichen [= nach heutiger Terminologie disziplinarrechtlichen] Entfernung" ist mithin die staatliche Disziplinarmaßnahme "Entfernung aus dem Dienst" gem. § 11 BDO gemeint. Dieses Ergebnis wird bestätigt durch Art 20 1 7 9 Das Nebeneinander von Strafe und Disziplinarmaßnahme verstößt nicht gegen das Verbot der Doppelbestrafung (ne bis in idem) gem. Art. 103 Abs. 3 GG; Schmidt-Aßmann, in: Maunz/ Dürig, GG, Komm., Art. 103 Rdnr. 288.

Α. Anwendbarkeit des Beamtenrechts auf Militärgeistliche

335

Abs. 2 MSV, wonach vom Bundesverteidigungsminister vor sonstigen wichtigen Entscheidungen in personellen Angelegenheiten der Militärgeistlichen die Stellungnahme des Militärbischofs einzuholen ist. Wichtige personelle Entscheidungen sind zunächst Ernennung, Beförderung und Versetzung. Diese sind aber bereits in Art. 20 Abs. 1 MSV geregelt. Vom Anwendungsbereich des zweiten Absatzes sind daher insbesondere disziplinarische Entscheidungen erfaßt; anderenfalls wäre Art. 20 Abs. 2 MSV nahezu inhaltsleer. Im übrigen ist das staatliche Interesse am Beamtenstatus der Militärgeistlichen stets mit Erwägungen der Geheimhaltung begründet worden. 180 Dies ist jedoch nur dann sinnvoll, wenn das beamtenrechtliche Sanktionsinstrumentarium tatsächlich zur Verfügung steht. Schließlich geht auch § 22 Abs. 1 des EKD-Kirchengesetzes zur Regelung der Militärseelsorge vom 08.03.1957 von der Möglichkeit eines staatlichen Disziplinarverfahrens gegen Militärgeistliche aus. c) Kirchenrechtliche

Sanktionen

Soweit eine beamtenrechtliche Dienstpflicht sich (teilweise) mit kirchenrechtlichen Dienstpflichten deckt, muß der Militärgeisüiche zugleich mit kirchenrechüichen Sanktionen rechnen.181 Gem. § 22 Abs. 1 KG-MS kann das kirchliche Disziplinarverfahren bis zum Abschluß des staaüichen Verfahrens ausgesetzt werden. 2. Insbesondere: Beamtenrechtliches Sanktionsinstrumentarium

Verstöße gegen beamtenrechtliche Dienstpflichten können vor allem durch das Disziplinarrecht geahndet werden. Aber schon unterhalb dieser Schwelle hält das Beamtenrecht einige Maßregelungsinstrumente bereit. a) Disziplinarmaßnahmen Gemeinsame Voraussetzung aller Disziplinarmaßnahmen ist das Vorliegen eines Dienstvergehens, d.h. die schuldhafte Verletzung einer dem Beamten obliegenden Pflicht (§ 77 BBG). Werden Tatsachen bekannt, die den Verdacht eines Dienstvergehens rechtfertigen, muß der Dienstvorgesetzte Ermittlungen veranlassen (§ 26 Abs. 1 BDO). Bestätigen diese den Verdacht, steht die Verhängung einer Disziplinarmaßnahme im pflichtgemäßen Ermessen der zuständigen Behörde (§ 3 BDO).

1 8 0

Siehe unten 4. Teil Β II.

181

Dazu etwa Seiler, HdbStKirchR II, 1. Aufl., 685 (692).

336

Sonderfrage

der Verbeamtung der M i l i t ä r g e i s t l i c h e n

Mildeste Disziplinarmaßnahmen sind die sog. Dienstverfügungen gem. § 29 Abs. 1 BDO, d.h. Verweis und Geldbuße. Ein Verweis ist gem. § 6 Abs. 1 BDO der Tadel eines bestimmten Verhaltens. Zuständig ist gem. § 29 Abs. 2 BDO der Dienstvorgesetzte, somit der Militärgeneraldekan resp. der Militärgeneralvikar (Art. 22 Abs. 2 Nr. 2 MSV). Zur Verhängung einer Geldbuße sind gem. §§ 7, 29 Abs. 3 BDO das Bundesverteidigungsministerium als oberste Dienstbehörde gem. Art 22 Abs. 2 Nr. 1 MSV und der Generaldekan resp. -vikar als Dienstvorgesetze zuständig. Verweis und Geldbuße stehen gem. § 8 BDO einer Beförderung nicht entgegen. Genügt eine Dienstverfügung nicht zur Sanktionierung des Dienstvergehens, muß ein förmliches Disziplinarverfahren eingeleitet werden. Einleitungsbehörde ist gem. § 35 Abs. 1 Nr. 1 BDO das Bundesverteidigungsministerium. Die Disziplinarbefugnis (§ 15 BDO) wird dann von den Disziplinargerichten ausgeübt. Diese können eine Gehaltskürzung gem. § 9 BDO, die Degradierung gem. § 10 BDO und - als ultima ratio - die Entfernung aus dem Dienst gem. § 11 BDO anordnen. Die Verhängung einer Disziplinarmaßnahme ist eine wichtige Entscheidung in personellen Angelegenheiten der Militärgeistlichen i.S.d. Art 20 Abs. 2 MSV. Daher ist dem Militärbischof vor Erlaß einer Dienstverfügung bzw. vor Einleitung des förmlichen Disziplinarverfahrens Gelegenheit zur Stellungnahme zu bieten. Damit ist dem Militärbischof die Möglichkeit eröffnet, den Militärgeistlichen gem. Art 23 Abs. 1 Nr. 2 MSV aus dem Militärseelsorgedienst zurückzurufen - und damit einer Disziplinarmaßnahme zuvorzukommen.182 b) Sonstige Sanktionsmöglichkeiten Unterhalb der Schwelle zum Disziplinarrecht ist etwa an mißbilligende Äußerungen des Fach- oder Dienstvorgesetzten zu denken. Fachvorgesetzter ist der Wehrbereichsdekan, Dienstvorgesetzter der Militärgeneraldekan/vikar. Die mißbilligenden Äußerungen sind vom Verweis zu unterscheiden; sie sind keine Disziplinarmaßnahmen (§ 6 Abs. 2 BDO). 183 Sie sind daher nicht als wichtige personelle Entscheidung i.S.d. Art. 20 Abs. 2 MSV zu werten, so daß der Militärbischof nicht zuvor anzuhören ist. Sanktionscharakter kann ferner eine Um- oder Versetzung erhalten, soweit sie die Reaktion auf die Verletzung von Dienstpflichten ist. Diese Quasi18 2 183

Seiler, HdbStKirchR II, 1. Aufl., 685 (692).

Gegen eine schriftliche Mißbilligung, die dem Beamten ein Dienstvergehen zur Last legt, ist allerdings - wie bei einem Verweis - gern §§ 31, 124 BDO die Beschwerde möglich.

Α. Anwendbarkeit des Beamtenrechts auf Militärgeistliche

337

Sanktion kommt auch bei Militärgeistlichen in Betracht. 184 Gem. Art. 20 Abs. 1 MSV ist die Versetzung an das Einverständnis des Militärbischofs geknüpft. c) Verbot der Führung der Dienstgeschäfte und vorläufige Dienstenthebung Bei Verdacht eines Dienstvergehens kann einem Militärgeistlichen gem. § 60 BBG die Führung der Dienstgeschäfte verboten werden (sog. Zwangsbeurlaubung). Ist das förmliche Disziplinarverfahren eingeleitet, kann er gem. § 91 BDO vorläufig des Dienstes enthoben werden. Zuständig für diese Entscheidungen ist jeweils das Bundesverteidigungsministerium. Es muß gem. Art. 20 Abs. 2 MSV zuvor die Stellungnahme des Militärbischofs einholen. Damit ist dem Staat die Möglichkeit eröffnet, schon vor gerichtlicher Entfernung aus dem Dienst einen Militärgeistlichen vorläufig von seiner staatlichen Tätigkeit zu entbinden. Wenn die Kirche ihn gleichwohl zur Betreuung ihrer Religionsangehörigen unter den Soldaten bestimmt, kann der Staat wegen Art. 4 GG, 141 WRV freilich den Zutritt dieses Geistlichen in die Bundeswehranlagen nicht verbieten, wohl aber den unkontrollierten Aufenthalt auf bestimmte Bereiche - etwa auf ein Sprechzimmer - begrenzen. Dies gilt entsprechend für einen gem. § 11 BDO aus dem Dienst entfernten Militärgeistlichen. 3. Rücksichtnahme auf Interessen des kirchlichen Vertragspartners

Gem. §§ 3 S. 1, 27 Abs. 1 BDO steht es im pflichtgemäßen Ermessen des Dienstvorgesetzten (= Militärgeneraldekan/vikar), ob er bei Vorliegen eines Dienstvergehens das disziplinarische Einschreiten oder die Verfahrenseinstellung für angezeigt hält. Im Rahmen der Ermessensentscheidung ist zunächst das gesamte diensüiche und außerdienstliche Verhalten des Beamten zu würdigen (§ 3 S. 2 BDO). Darüber hinaus muß erneut seinen Grundrechten angemessen Rechnung getragen werden. Die Grundrechte wirken sich damit auf zwei Ebenen aus. Zum einen auf der Ebene des Tatbestands: Wie oben dargelegt,185 führt etwa der Schutz durch die Meinungsfreiheit in weitem Umfang dazu, daß eine Verletzung der politischen Mäßigungspflicht zu verneinen ist. Zum anderen auf der Rechtsfolgenseite im Rahmen des Übermaßverbotes: Selbst wenn eine Dienst1 8 4

Vgl. Müller-Kent,

185

Siehe oben 4. Teil A I I I 2 c.

22 Ennuschat

Militärseelsorge, S. 331.

338

Sonderfrage

der V e r b e a m t u n g der M i l i t ä r g e i s t l i c h e n

Pflichtverletzung zu bejahen sein sollte, ist es denkbar, daß wegen des Gewichts des für ihn streitenden Grundrechts von einer disziplinarischen Ahndung abgesehen wird und beispielsweise nur die Mißbilligung (mündlich oder schriftlich) ausgedrückt wird. Dies wird namentlich bei unbedachten Äußerungen ("Ausreißern") in Betracht kommen. Schließlich ist zu beachten, daß die disziplinarische Maßregelung eines Militärgeistlichen nicht nur diesen betrifft, sondern auch kirchliche Interessen berührt. Dies gilt insbesondere dann, wenn eine Dienstpflicht in Ausübung seines seelsorgerischen Amtes verletzt wurde, etwa durch eine Bundeswehrinteressen verletzende Äußerung, die zugleich den offiziellen Standpunkt seiner Kirche wiedergab. Aber auch bei einer Dienstpflichtverletzung bei Gelegenheit seiner geistlichen Tätigkeit, z.B. Mißbrauch des Dienst-PKW für private Zwecke, werden regelmäßig kirchliche Belange tangiert. Der Staat ist daher im Rahmen seiner Ermessensausübung gem. § 3 BDO zur Berücksichtigung der legitimen Interessen seines kirchlichen Vertragspartners verpflichtet. Die Pflicht zur Rücksichtnahme trifft freilich in gleichem Maße die Kirche. Im folgenden soll die wechselseitige Pflicht zur Rücksichtnahme etwas beleuchtet werden. a) Herleitung des Rücksichtnahmegebotes Das Rücksichtnahmegebot wurzelt in dem jedem Vertragsverhältnis innewohnenden Grundsatz von Treu und Glauben. Danach sind die Vertragspartner über die Erfüllung der Haupt- und Nebenleistungspflichten des jeweiligen Vertrages hinaus verpflichtet, die übrigen Rechte und Rechtsgüter der Gegenpartei zu achten.186 Dies gilt nicht nur im Zivilrecht, sondern auch für öffentlich-rechtliche 187 und internationale Verträge. 188 Bei Völkerrechtsverträgen schlägt sich das Rücksichtnahmegebot regelmäßig in sog. Freundschaftsklauseln nieder. Derartige Freundschaftsklauseln finden sich auch in den vertraglichen Rechtsgrundlagen der Militärseelsorge. So heißt es in Art 33 Abs. 2 RK, daß beide Vertragspartner bei Meinungsverschiedenheiten wegen Auslegung oder Anwendung des Reichskonkordates im gemeinsamen Einvernehmen eine freundschaftliche Lösung herbeiführen wollen. Die entsprechende Bestimmung im Militärseelsorgevertrag, Art 27 MSV, bezieht sich dem Wortlaut 18 6

Heinrichs, in: Palandt, BGB, Komm., Einl. v. § 241 Rdnr. 7.

1 8 7

Vgl. Kopp, VwVfG, Komm., § 62 Rdnr. 6.

1 8 8

Vgl. Ipsen, Völkerrecht, § 18 Rdnrn. 5 ff., S. 121, § 19 Rdnr. 4, S. 218; Seidl-Hohenveldern, Völkerrecht, Rdnrn. 383 ff.

Α . A n w e n d b a r k e i t des Beamtenrechts a u f M i l i t ä r g e i s t l i c h e

339

nach nur auf Divergenzen in bezug auf die Vertragsauslegung. Gleichwohl sind auch Meinungsverschiedenheiten wegen der Vertragsanwendung erfaßt, da die Anwendung immer eine bestimmte Auslegung voraussetzt. Im übrigen ist nicht erkennbar, daß die Vertragspartner des Militärseelsorgevertrages dieser Freundschaftsklausel eine im Vergleich zu ihrer Parallelvorschrift im Reichskonkordat geringere Reichweite zubilligen wollten. Außerdem sind die Termini "Auslegung" und "Anwendung" als pars pro toto zu verstehen. Die Freundschaftsklauseln der Art 33 Abs. 2 RK, 27 MSV erfassen damit die gesamte vertragliche Zusammenarbeit.189 Sie konkretisieren zugleich die grundgesetzliche Vorgabe kooperativen Miteinanders von Staat und Kirche. 190 b) Konkretisierung

des Rücksichtnahmegebotes

Das Gebot der Rücksichtnahme ist sowohl an den staatlichen als auch an die kirchlichen Vertragspartner gerichtet. 191 aa) Staatliche Rücksichtnahmepflichten Rücksichtnahme bedeutet für den Staat zunächst, im Rahmen der Vorermittlungen gem. § 26 BDO sorgfältig zu prüfen, ob überhaupt der Tatbestand eines Dienstvergehens erfüllt ist. Wie oben dargelegt, resultiert eine Dienstpflichtverletzung häufig erst aus einer zu Lasten des Militärgeistlichen ausfallenden Abwägung zwischen dessen Interessen (und denjenigen seiner Kirche) einerseits und den staatlichen Belangen andererseits. Insbesondere bei mittelbarer Berührung kirchlicher Interessen ist der Staat gehalten, die Wichtigkeit und Wertigkeit seiner Belange "rücksichtsvoll", d.h. zurückhaltend einzuschätzen. Bejaht der Staat bei loyaler Würdigung der betroffenen Interessen gleichwohl eine Dienstpflichtverletzung, wirkt sich das Rücksichtnahmegebot erneut aus und verpflichtet den Staat im Rahmen der Ermessensausübung gem. § 3 S. 1 BDO zu besonderer Zurückhaltung bei der Sanktionierung, wobei die Pflicht zur Mäßigung desto weiter reicht, je stärker die kirchlichen Interessen (mittelbar) tangiert werden. Zurückhaltung bedeutet in diesem Zusammenhang die Ermöglichung einer Lösung, die von partnerschaftlichem Zusammenwirken von Staat und Kirche geprägt ist. 1 8 9

Cremers, Militärseelsorge-Vertrag, S. 280 f.

1 9 0

Siehe oben 3. Teil D II 1 f.

191

Zum Gebot der Rücksichtnahme bei gemeinsamen Angelegenheiten von Staat und Kirche siehe Ehlers, ZevKR 32 (1987), 158 (183 f.). 22*

340

Sonderfrage

der V e r b e a m t u n g der M i l i t ä r g e i s t l i c h e n

Der Staat wird daher zunächst eine militärseelsorgeinterne Lösung suchen. Zu denken ist an alle Maßnahmen unterhalb der Disziplinarschwelle (Mißbilligung, Umsetzung etc.) und an die Dienstverfügungen (Verweis und Geldbuße), die von den Fach- und/oder Dienstvorgesetzten, d.h. von den Wehrbereichsdekanen und vom Militärgeneraldekan/-vikar verhängt werden können. 192 Es handelt sich insoweit zwar um staatliche Sanktionen. Ihr staatlicher Charakter wird aber dadurch gemildert, daß die die Sanktion verhängenden Fach- und Dienstvorgesetzten zugleich kirchliche Ämter bekleiden. Sollten diese Maßnahmen zur Maßregelung nicht genügen, ist das förmliche Disziplinarverfahren einzuleiten. Dieses ist zwar kirchlicher Mitwirkung entzogen. Immerhin wären es die (auch) kirchlichen Amtsträger Militärgeneraldekan und -vikar, welche - freilich in ihrer staatlichen Funktion - die Entscheidung treffen, daß mildere Sanktionen nicht ausreichen, und sodann die Einleitung durch das Bundesverteidigungsministerium veranlassen. Im übrigen ist gem. § 20 Abs. 2 MSV der Militärbischof vorher zu informieren, so daß die Kirche durch vorzeitige Rückberufung des Militärgeistlichen in ihren Dienst einer staatlichen Sanktion den Boden entziehen und damit einer rein kirchlichen Lösung Raum schaffen kann. bb) Kirchliche Rücksichtnahmepflichten Das Gebot der Rücksichtnahme verpflichtet die Kirche zuvörderst, schon im Vorfeld der Verbeamtung für die Auswahl geeigneter Militärgeistlicher Sorge zu tragen. Sie bewiese etwa mangelnde Rücksichtnahme gegenüber ihrem Vertragspartner, wenn sie für den Militärseelsorgedienst Geistliche vorschlüge, die sich erklärtermaßen zum Ziel gesetzt haben, jeden Soldaten von der Unchristlichkeit seines Tuns zu überzeugen.193 Nach der Berufung in das Beamtenverhältnis hat sie ihre Militärgeistlichen zur loyalen Erfüllung der Beamtenpflichten anzuhalten. Dies ist etwa bedeutsam für die Formulierung kirchlicher Standpunkte, welche von den Militärgeistlichen im Lebenskundlichen Unterricht und Militärgottesdienst vertreten werden sollen. Die Militärgeistlichen müssen die aus den Pflichten der Verfassungstreue und der Mäßigung bei politischer Betätigung folgenden Grenzen beachten. Vor diesem Hintergrund muß die Kirche auf die legitimen Interessen ihres staatlichen Vertragspartners angemessene Rücksicht nehmen. Auch sie darf mithin keine Positionen beziehen, die mit existenziellen Bundeswehrinteressen schlechthin unvereinbar sind. Die Beamtenpflichten entfal1 9 2 193

Siehe oben 4. Teil A V I I 2 a.

Pirson, Essener Gespräche 23 (1989), 4 (20); Seiler, HdbStKirchR II, 1. Aufl., 685 (693). Ähnlich Ehlers, ZevKR 32 (1987), 158 (184 Fußn. 143).

Α . A n w e n d b a r k e i t des Beamtenrechts auf M i l i t ä r g e i s t l i c h e

341

ten damit mit Blick auf das Rücksichtnahmegebot eine gewisse Fernwirkung für die Kirchen. 194 Wenn der Staat trotz der gebotenen Rücksichtnahme eine Dienstpflichtverletzung feststellt, ist die Kirche verpflichtet, daran mitzuwirken, daß sich Derartiges nicht wiederholt. Diese Mitwirkung kann zum einen darin liegen, daß sie die Maßregelung des Militärgeistlichen mitträgt. Dazu zählt auch die kircheninterne Einwirkung auf den Militärgeistlichen, die unter Umständen eine weitere staatliche Sanktionierung entbehrlich machen kann. Sie kann die Begehung weiterer Dienstvergehen ferner dadurch verhindern, daß sie ihren Geistlichen vorzeitig vom Militärseelsorgedienst in den kirchlichen Dienst zurückberuft. Das Gebot der Rücksichtnahme kann der Kirche schließlich in besonders gelagerten Einzelfällen die Rückberufung eines Militärgeistlichen sogar dann nahelegen, wenn diesem zwar kein Dienstvergehen zur Last fällt, der Staat ihn gleichwohl für untragbar erachtet. Der Staat wiederum ist aus Rücksicht gegenüber der Kirche gehalten, nur in Ausnahmefällen mit derartigem Ansinnen an diese heranzutreten. Ein durchsetzbarer Anspruch gegenüber der Kirche wächst dem Staat ohnehin - schon wegen des kirchlichen Selbstbestimmungsrechts gem. Art 137 Abs. 3 WRV - nicht zu. Letztlich handelt es sich dabei um das allgemeine kirchliche Problem, für jede Gemeinde den geeigneten Seelsorger zu finden. 195 c) Institutionelle und verfahrensrechtliche Absicherung sowie Praktizierung des Rücksichtnahmegebotes Das Rücksichtnahmegebot ist institutionell vor allem durch die Personalunion von staatlichem und geistlichem Amt abgesichert. Die staatliche Maßregelung erfolgt zunächst durch den Wehrbereichsdekan oder durch den Militärgeneraldekan/-vikar. Als Inhaber geistlicher Ämter und Vertreter der Kirche bieten diese die Gewähr für die angemessene Berücksichtigung kirchlicher Belange bei der staatlichen Sanktionierung von Dienstvergehen der Militärgeistlichen. Sollte der Staat seine Interessen im Rahmen der militärseelsorgeinternen Problemlösung nicht ausreichend beachtet sehen, kann das Bundesverteidigungsministerium einschreiten. Es kann etwa eine Einstellung des Disziplinarverfahrens rückgängig machen (§ 27 Abs. 2 BDO) oder eine seiner Ansicht nach zu milde Sanktion gem. § 32 Abs. 2 BDO aufheben und selbst in der 1 9 4

Vgl. Pirson, Essener Gespräche 23 (1989), 4 (20).

195

Vgl. dazu Gramm, Essener Gespräche 23 (1989), 164.

342

Sonderfrage

der V e r b e a m t u n g der M i l i t ä r g e i s t l i c h e n

Sache neu entscheiden oder das förmliche Disziplinarverfahren einleiten. Es muß sich aber vor Verhängung einer Disziplinarmaßnahme resp. vor Einleitung des förmlichen Disziplinarverfahrens ins Benehmen mit dem Militärbischof setzen (Art. 20 Abs. 2 MSV). Dieses Rückspracheerfordernis stellt zugleich die wichtigste verfahrensrechtliche Absicherung des Rücksichtnahmegebotes dar. Alle staatlichen Stellen sind gem. Art 20 Abs. 2 MSV vor Verhängung einer Disziplinarmaßnahme zur Einholung der Stellungnahme des Militärbischofs verpflichtet. Diese Pflicht trifft also auch Militärgenaraldekan und -vikar. Wenn diese einen Militärgeistlichen durch Versetzung sanktionieren wollen, bedürfen sie gem. Art 20 Abs. 1 MSV sogar der Zustimmung des Militärbischofs. Die vorgeschriebene Einschaltung des Militärbischofs auch bei der militärseelsorgeinternen Konfliktlösung bannt im übrigen die den staatlichen Ämtern von Militärgeneraldekan/-vikar möglicherweise innewohnende Gefahr vorauseilenden Gehorsams gegenüber dem Staat. Ernsthafte Konflikte zwischen Truppenführern und Militärgeistlichen blieben seltene Ausnahmen. Sämtliche Unstimmigkeiten konnten informell gelöst werden. Wurzeln die Konflikte in der Tätigkeit des Militärgeistlichen, genügten militärseelsorgeinterne Maßnahmen ohne disziplinarischen Charakter. Bisweilen greift man zu einer Versetzung zu einem anderen Standort oder zur vorzeitigen Rückberufung in den kirchlichen Dienst.196 Im übrigen beschränkt man sich darauf, von der Möglichkeit der Verlängerung des Beamtenverhältnisses Abstand zu nehmen.197 Staatliche Disziplinarmaßnahmen wurden bislang nicht verhängt. Soweit ersichtlich, findet sich überhaupt nur ein Beispiel der Anwendung staatlichen Disziplinarrechts im Bereich der Militärseelsorge: 1872 wurde der katholische Feldpropst der preußischen Armee vorläufig seines Amtes enthoben und gegen ihn ein Disziplinarverfahren eingeleitet.198 Hintergrund war der seinerzeitige "Kulturkampf' des Deutschen Reiches gegen die katholische Kirche. Grund für das reibungslose Zusammenwirken von Staat und Kirche im Bereich der Militärseelsorge ist der auf beiden Seiten bislang stets vorhandene Wille zur partnerschaftlichen Kooperation und freundschaftlichen Problembewältigung. Wenn dieser Wille fehlt, bietet die oben beschriebene Absicherung des Rücksichtnahmegebotes zwar institutionelle und verfahrensrechüiche

1 9 6

Vgl. Müller-Kent,

Militärseelsorge, S. 327, 331.

1 9 7

Vgl. Müller-Kent,

Militärseelsorge, S. 338, 341, 344.

1 9 8

Dazu umfassend Pohl, Kath. Militärseelsorge, S. 250 ff.; Vogt,

S. 97 ff.

Religion im Militär,

Α. Anwendbarkeit des Beamtenrechts auf Militärgeistliche

343

Möglichkeiten, an den guten Willen beider Partner zu appellieren; ersetzen kann sie ihn freilich nicht. VIII.

Zusammenfassung: Beamtenstatus mehr als leere Hülse ohne sachlichen Gehalt

Für verbeamtete Militärgeistliche gelten sowohl die beamtenrechtlichen Dienstpflichten als auch die disziplinarrechtlichen Vorschriften. Insoweit ist im Beamtenstatus der Militärgeistlichen mehr als eine "leere Hülse ohne sachlichen Gehalt" zu sehen.199 Dies bedeutet freilich nicht, daß dem Staat durch das Beamtenrecht Mittel der Einflußnahme auf die seelsorgerische Tätigkeit zur Verfügung stehen. Vielmehr dienen die beamtenrechtlichen Vorschriften nur dazu, das unerläßliche Mindestmaß der staatlichen Sicherheitsinteressen zu wahren. In der Praxis bedeutet dies keine Beschneidung der Wirkungsmöglichkeiten der Militärgeistlichen. Im übrigen müßte auch bei Verzicht auf die Verbeamtung diesem unabdingbaren Kern staatlicher Sicherheitsinteressen auf andere Weise Rechnung getragen werden. Die beamtenrechtlichen Vorgaben sind adäquate Mittel zur Austarierung staatlicher Interessen auf der einen sowie individueller Interessen des Militärgeistlichen und kirchlicher Interessen auf der anderen Seite. Die in Generalklauseln normierten beamtenrechtlichen Dienstpflichten führen zwar zunächst zu einer gewissen Unsicherheit hinsichüich Inhalt und Grenzen der Loyalitätsverpflichtung des Militärgeistlichen. 200 Diese Unsicherheit ist aber letztlich in der Natur der Sache begründet und stellt die Praxistauglichkeit der Verbeamtung der Militärgeistlichen nicht in Frage. Soweit manche der Kritiker der Verbeamtung eine "genaue Begrenzung" der den Militärgeistlichen treffenden Pflichten fordern und diese Begrenzung im Wege einer Vereinbarung zwischen Staat und Kirche vornehmen wollen, 201 ist dem entgegenzuhalten, daß die Komplexität der Zuordnung des Militärgeistlichen zur Bundeswehr sich einer exakten Beschreibung der Reichweite von Dienstpflichten für jedweden Einzelfall entzieht.202 Auch eine Festlegung der Pflichten von im kirchlichen Dienst verbleibenden Militärgeistlichen müßte sich in Generalklauseln erschöpfen.

1 9 9

Ebenso Loschelder, Essener Gespräche 23 (1989), 39; Battis , aaO, 50 (Diskussionsbei-

träge). 2 0 0

Pirson, Essener Gespräche 23 (1989), 4 (31).

20 1

Bock, EKD-Informationen, Militärseelsorge, Dok. Nr. 9, S. 22.

2 0 2

Zimmermann-Stock,

EKD-Informationen, Militärseelsorge, Dok 14, S. 7.

344

Sonderfrage

der Verbeamtung der Militärgeistlichen

B. Keine Notwendigkeit der Verbeamtung Die Verbeamtung der Militärgeistlichen steht im Einklang mit dem Grundgesetz - die Verfassungskonformität impliziert freilich noch nicht deren Notwendigkeit. Immerhin wird die Nützlichkeit und Bewährtheit der Verbeamtung der Militärgeistlichen für die Verwirklichung der Religionsfreiheit innerhalb der Bundeswehr vom Staat und den unmittelbar an der Militärseelsorge beteiligten kirchlichen Stellen - namentlich von den Militärgeistlichen selbst - stets betont Darüber hinaus stellt die Verbeamtung nach verbreiteter Ansicht zugleich eine rechtliche Notwendigkeit dar. 203 Angeführt werden völkerrechtliche Erfordernisse, Sicherheits- und Geheimhaltungsinteressen der Bundeswehr sowie Gründe der Gleichbehandlung von katholischer und evangelischer Militärseelsorge. Im folgenden soll daher der Frage nachgegangen werden, ob der Beamtenstatus der Militärseelsorger von Rechts wegen geboten ist. I.

Völkerrechtliche Erfordernisse

Der Schutz der Feldgeisüichen ist seit dem 17. Jahrhundert Gegenstand zahlreicher zwei- und mehrseitiger Völkerrechtsverträge. 204 Im modernen humanitären Völkerrecht wurde der Sonderstatus der Militärgeistlichen fortentwickelt. So bestimmte die Genfer Konvention von 1864, daß Feldgeistliche an der "Wohltat der Neutralität" teilnehmen, d.h. zu schützen und zu achten sind. Auch die Haager Konventionen von 1899 und 1907 für die Land- und Seekriegsführung enthielten Schutzbestimmungen für die Militärgeistlichen, ebenso die Genfer Konvention von 1906. Die Genfer Konvention von 1929 bestätigte, daß Feldgeistliche "unter allen Umständen zu schonen und zu schützen" und nicht als Kriegsgefangene zu behandeln sind. Eine umfassende Regelung des völkerrechtlichen Status der Militärgeistlichen findet sich in den vier Genfer Konventionen vom 12.08.1949 (sog. Rotkreuz-Abkommen; BGBl. II 1954 S. 781) und in den beiden Zusatzprotokollen vom 08.06.1977 (BGBl. II 1990 S. 1550).205

2 0 3

Blaschke/Oberhem, Bundeswehr und Kirchen, S. 18, 151; Bleese, Militärseelsorge, S. 203 f.; Simon, Kath. Militärseelsorge, S. 119; Steuber, Militärseelsorge, S. 42, 75, 104. Wohl auch v. Campenhausen, FS Maunz II, 27 (28); Hollerbach, HdbStR VI, § 140 Rdnr. 48. 2 0 4

Dazu Ipsen, in: Fleck (Hrsg.), Handbuch des humanitären Völkerrechts in bewaffneten Konflikten, S. 75 ff.; Rausch, HuV-11992,111 (112); Schollmeyer, NZWehrr 1966, 59 (60). 2 0 5 Das erste Genfer Abkommen (I.GK) betrifft die Streitkräfte im Felde; II.GK: Streitkräfte zur See; III.GK: Behandlung der Kriegsgefangenen; IV.GK: Schutz von Zivilpersonen in Kriegs-

Β . Keine Notwendigkeit der Verbeamtung

345

1. Sachlicher Schutzumfang der Rotkreuzabkommen von 1949 und der Zusatzprotokolle von 1977 für Militärgeistliche

Militärgeistliche werden nach den Generalklauseln der ArL 241.GK, 36, 37 Abs. 1 II.GK, 15 Abs. 5 I.ZP, 9 Abs. 1 II.ZP unter allen Umständen geschont und geschützt.206 Sie gelten insbesondere, wenn sie in die Hand des Gegners fallen, nicht als Kriegsgefangene, 207 genießen aber zumindest deren Schutz und Rechte.208 Sie sind grundsätzlich in den Heimatstaat zurückzusenden.209 Wenn sie, etwa aus militärischen oder gesundheitlichen Gründen oder zur Betreuung der kriegsgefangenen Angehörigen der eigenen Konfliktpartei zurückgehalten werden 210 oder freiwillig zurückbleiben, stehen ihnen zur Ausübung der seelsorgerischen Tätigkeit einige Erleichterungen zu. 211 Sie genießen z.B. eine gewisse Bewegungsfreiheit, um die zu betreuenden Soldaten erreichen zu können. Ihnen kommt zur Ausübung ihres religiösen Amtes grundsätzlich die Freiheit zu, mit kirchlichen Behörden und religiösen Organisationen zu korrespondieren. Ferner dürfen sie zu keinen Arbeiten gezwungen werden, die nicht im Zusammenhang mit ihrer seelsorgerischen Tätigkeit stehen. Sie können Gottesdienste für die Kriegsgefangenen abhalten und kirchliche Bestattungen vornehmen, bei denen sie von den am Konflikt beteiligten Staaten zu unterstützen sind. 212 Repressalien und Vergeltungsmaßnahmen ihnen gegenüber sind verboten. 213 Der Schutz gilt in gleichem Umfange für in neutralen Staaten internierte Geistliche214 und auch in nicht internationalen bewaffneten Konflikten. 215 Die Militärgeistlichen dürfen auf den gewährleisteten Schutz nicht verzichten. 216 Jeder Angriff auf einen Milizeiten. Die Genfer Abkommen werden durch das erste Zusatzprotokoll (I.ZP) für internationale und durch das zweite (II.ZP) für nicht internationale bewaffnete Konflikte ergänzt Dazu Ipsen, Völkerrecht, § 61 Rdnrn. 7 ff., S. 985 f. 2 0 6

Siehe zum folgenden auch Ipsen, in: Reck (Hrsg.), Handbuch des humanitären Völkerrechts in bewaffneten Konflikten, S. 75 ff. 2 0 7

Art. 28 Abs. 2 S. 1, 30 Abs. 2 S. 11.GK, 36 II.GK, 33 Abs. 1 S. 1 III.GK.

2 0 8

Art 28 Abs. 2 S. 2, 30 Abs. 2 S. 21.GK, 33 Abs. 1 S. 2 III.GK.

2 0 9

Art 30 Abs. 11.GK, 37 Abs. 1 S. 2 II.GK.

2 1 0

Vgl. Art 28 Abs. 1, 30 Abs. 11.GK, 37 Abs. 1 S. 2 II.GK.

2 1 1

Art 28 Abs. 2 S. 4 lit. a-c I.GK, 33 Abs. 2 S. 2 lit. a-c, 35, 36 III.GK.

2 1 2

A r t 17 Abs. 3 S. 1 I.GK, 34,120 Abs. 4 S. 1 III.GK.

2 1 3

Art 46 I.GK, 47 II.GK, 201.ZP.

2 1 4

A r t 4 I.GK, 93 Abs. 2 S. 1 IV.GK.

2 1 5

Ait. 9 Abs. 1 II.ZP.

2 1 6

Art. 7 I.GK, 7 II.GK.

Sonderfrage

346

der Verbeamtung der Militärgeistlichen

tärgeistlichen und jede Beeinträchtigung seiner Rechte stellt eine Völkerrechtsverletzung dar, die strafrechtlich verfolgt werden kann.217 2. Persönlicher Schutzumfang der Rotkreuzabkommen von 1949 und der Zusatzprotokolle von 1977 für Militärgeistliche

Es ist im Interesse aller Beteiligten, daß die Militärgeistlichen dem beschriebenen völkerrechtlichen Schutz unterfallen. Im Rahmen der aktuellen Diskussion hat die evangelische Kirche daher stets betont, daß ihr die völkerrechtliche Absicherung ihrer Geistlichen ein wichtiges Anliegen ist. 218 Eine bundeswehrinterne Dienstvorschrift interpretierte die vier Genfer Abkommen dahingehend, daß der völkerrechtliche Schutz für Militärgeistliche 219 nur durch deren Eingliederung in die Streitkräfte bewirkt werde. Die Eingliederung müsse auf einer Entscheidung der zuständigen Militärbehörde beruhen und ein öffentlich-rechtliches Rechtsverhältnis - d.h. entweder ein Soldaten-220 oder ein Beamtenverhältnis - begründen.221 Diese Einschätzung wird zwar von zahlreichen Stimmen geteilt, 222 begegnet gleichwohl mit Blick

2 1 7

Art. 49 I.GK, 50 II.GK.

2 1 8

Nr. 6 des Beschlusses der EKD-Synode vom 11.11.1993 (epd Dokumentation 50/93, 1).

2 1 9

Im folgenden wird nur auf die hauptamtlich tätigen Militärgeistlichen abgestellt Ob die nebenamtlich im Bereich der Militärseelsorge tätigen (Zivil-)Geistlichen in bezug auf den völkerrechtlichen Schutz den hauptamtlichen Militärgeistlichen gleichgestellt werden können, ist zweifelhaft (bejahend: Rausch, HuV-I 1992, 111 [114 Fußn. 34]; wohl auch Blaschke/Oberhem, Bundeswehr und Kirchen, S. 152; verneinend: ZDv 15/2 Nr. 803). Mit Blick auf Art. 8 lit k I.ZP dürfte die Gleichstellung eher abzulehnen sein; den nebenamtlichen Geistlichen kommt dann der Schutz für Zivilgeistliche nach dem IV. Genfer Abkommen zugute (vgl. Sandoz, in: Sandoz/Swinarski/ Zimmermann, Commentaire des Protocoles additionnels, Art 8 Rdnr. 638). Etwas anderes gilt freilich, wenn ein Zivilgeistlicher - vorübergehend - zur ausschließlichen seelsorgerischen Betreuung von Militärpersonen eingesetzt und dies seitens der Bundeswehr durch Austeilung einer entsprechenden Ausweiskarte und eines Schutzzeichens (Art 40 I.GK, 42 II.GK, 18 I.ZP) bestätigt wird - dann gilt er als hauptamtlich tätig (vgl. Art. 8 lit. d I.ZP). 2 2 0 Erinnert sei daran, daß außerhalb Deutschlands in (nahezu) allen Ländern, die eine institutionalisierte Militärseelsorge kennen, die Militärgeistlichen Offiziere oder zumindest einem Offizier gleichgestellt sind. Dazu oben 2. Teil Β I I I 2 Fußn. 137. 2 2 1 2 2 2

ZDv 15/15 (Kriegsvölkerrecht), Ausgabe März 1965, Nr. 12.

Blaschke/Oberhem, Bundeswehr und Kirchen, S. 151; Bleese, Militärseelsorge, S. 203; Gramm, Essener Gespräche 23 (1989), 148; Simon, Kath. Militärseelsorge, S. 119; Steuber, Militärseelsorge, S. 104; Schollmeyer, NZWehrr 1966, 59 (61); Schmoll FAZ Nr. 166 vom 20.07.1994, S. 12.

Β. Keine Notwendigkeit der Verbeamtung

347

auf Wortlaut, Systematik und ratio legis der Genfer Abkommen und der Zusatzabkommen einigen Zweifeln. 223 a) Grammatische Interpretation Dem Wortlaut der Genfer Rotkreuzabkommen von 1949 läßt sich die Notwendigkeit eines öffentlich-rechtlichen Rechtsverhältnis nicht entnehmen. In den meisten Bestimmungen ist lediglich von den "Feldgeistlichen"224, dem "Seelsorgepersonal" 225 oder den "Mitgliedern des Seelsorgepersonals"226 die Rede. Eine Legaldefinition, wer dem beschriebenen Personenkreis unterfällt, fehlt in den vier Abkommen von 1949. Anhaltspunkte finden sich allerdings in Art 4 I.GK, der die Formulierung "Seelsorgepersonal der Streitkräfte" 227 enthält. Nach Art 28 Abs. 2 S. 2 I.GK und Art 33 Abs. 2 S. 1 III.GK setzen vom Gegner zurückgehaltene Militärgeistliche ihre seelsorgerische Tätigkeit zu Gunsten der Kriegsgefangenen, vorzugsweise "der ihren eigenen Streitkräften" angehörenden, fort. 228 Am deutlichsten ist schließlich Art 24 I.GK formuliert, wonach "die den Streitkräften zugeteilten Feldgeistlichen" geschützt und geschont werden. 229 Im Gegensatz zu den Abkommen von 1949 enthält das erste Zusatzprotokoll von 1977 eine Legaldefinition des Begriffes "Seelsorgepersonal". Zum Seelsorgepersonal gehören danach gem. Art 8 lit. d I.ZP "Militär- oder Zivilpersonen, wie beispielsweise Feldgeistliche, die ausschließlich ihr geistliches Amt ausüben und den Streitkräften einer am Konflikt beteiligten Partei, (...), zugeteilt230 sind. Die Zuweisung231 des Seelsorgepersonals kann ständig oder nichtständig sein...". 2 2 3

Zur Auslegung völkerrechtlicher Verträge Ipsen, Völkerrecht, § 11 Rdnrn. 6 ff., S. 122 ff.

2 2 4 Etwa Art. 47 I.GK, 48 II.GK, 35, 37 III.GK; in der französischen Fassung "aumôniers", in der englischen "chaplains". 2 2 5 Z.B. Art. 15 Abs. 3 I.GK, 18 Abs. 2 II.GK, 4 C III.GK; in der französischen Fassung "personnel religieux", in der englischen "chaplains" oder "religious personnel". 2 2 6 Etwa Art. 6 Abs. 3, 7, 9, 10 Abs. 2, 11 Abs. 2 II.GK, 33 Abs. 1 III.GK; im Französischen "membres du personnel religieux", im Englischen "chaplains". 2 2 7 Im französischen Original "personnel religieux appartenant aux forces armées", im englischen "chaplains of the armed forces". 2 2 8 "Aux forces armées dont ils relèvent" bzw. "the armed forces to which they themselves belong" (Art. 28 Abs. 2 I.GK) und "armed forces upon which they depend" (Art. 33 Abs. 2 III.GK). 2 2 9

Im französischen Original heißt es "aumôniers attachées aux forces armées", im englischen "chaplains attached to the armed forces". 2 3 0

In der französischen Fassung "attachée", in der englischen "attached".

Sonderfrage

348

der Verbeamtung der Militärgeistlichen

Art 8 lit. d I.ZP stellt also - wie schon die Genfer Abkommen - erstens auf das geistliche Amt und zweitens auf eine gewisse Nähebeziehung und Zuordnung (= Zuteilung bzw. Zuweisung) zu den Streitkräften ab. Erforderlich ist dabei keine Eingliederung in die Streitkräfte. Es genügt vielmehr eine Angliederung, deren Rechtsnatur irrelevant ist: Sie kann militärischer oder ziviler Art, ständig oder vorübergehend sein. Eine öffentlich-rechtliche Ausgestaltung ist auch nach dem Wortlaut der Zusatzabkommen von 1977 nicht zwingend vorgeschrieben. 232 b) Systematische Interpretation Das Kriegsvölkerrecht unterscheidet mehrere Personengruppen. Zu nennen sind zunächst die nicht den Streitkräften angehörenden Zivilpersonen, insbesondere die Zivilbevölkerung. Die zweite Gruppe sind die Angehörigen der Streitkräfte, welche sich wiederum in Kombattanten und Nichtkombattanten gliedern. Die erstgenannten haben einen Kampfauftrag. Letztere dürfen sich nicht an bewaffneten Schädigungshandlungen beteiligen, werden im Falle ihrer Gefangennahme gleichwohl als Kriegsgefangene behandelt.233 Eine eigene Kategorie bildet schließlich - neben dem Sanitätspersonal das Seelsorgepersonal der Streitkräfte. Die Militärgeistlichen dürfen sich außerhalb von Selbstverteidigungsmaßnahmen nicht an Kampfhandlungen beteiligen. Obwohl ihre Stellung insoweit an die von Nichtkombattanten erinnert, sind sie von diesen zu unterscheiden.234 Anders als Nichtkombattanten haben sie einen neutralen Status, was u.a. dazu führt, daß sie, wenn sie in die Hände des Gegners fallen, nicht zu Kriegsgefangenen werden.

931 Δ

1

"Le rattachement" bzw. "attachment". Nun ist die deutsche Übersetzung zwar nicht maßgeblich. Aber auch die französische und englische Originalfassung besagen nur, daß die Militärgeistlichen den Streitkräften zugehörig, an diese angebunden, von ihnen abhängig und ihnen unterstellt sind, ohne daß die Rechtsnatur dieser Zuordnung festgelegt wird. 2 3 2

2 3 3 2 3 4

Vgl. ZDv 15/2 Nr. 313.

Dazu näher die grundlegende Neubestimmung des völkerrechtlichen Status der Militärgeistlichen durch Ipsen, in: Fleck (Hrsg.), Handbuch des humanitären Völkerrechts in bewaffneten Konflikten, S. 75 f.

Β . Keine Notwendigkeit der Verbeamtung

349

Wenn die Militärgeistlichen keine Nichtkombattanten235 sind, müssen sie auch den Streitkräften nicht angehören; einer öffentlich-rechtlichen Eingliederung bedarf es mithin nicht. c) Teleologische Interpretation Dieses Ergebnis wird durch die teleologische Auslegung der genannten Vereinbarungen bestätigt Sinn und Zweck der Zuordnung ist es, den Mißbrauch der geschützten Stellung der Militärgeistlichen zu verhüten. 236 Verantworüich dafür ist die jeweilige Konfliktpartei. Um diese Aufgabe wahrnehmen zu können, ist es notwendig, daß präzise festgelegt wird, wem der Schutz zukommen und wessen Mißbrauch verhindert werden soll. Die Zuordnung der Feldgeisüichen zu den Streitkräften muß daher in einer Entscheidung der zuständigen Militärbehörde wurzeln; 237 es muß sich um eine "offizielle Verbindung"238 handeln. Äußerlich wird die Zuordnung durch die Erteilung einer Ausweiskarte und eines Schutzzeichens (Armbinde) durch die entsprechende Behörde dokumentiert, die dem Militärgeistlichen im übrigen nicht weggenommen werden darf. 239 Der Beamtenstatus gewährleistet die eindeutige Zuordnung der Militärgeistlichen zur Bundeswehr. Diese Eindeutigkeit kann jedoch auch ohne Verbeamtung erreicht werden. Zwar genügt nicht schon die kirchliche Zuordnung eines Geistlichen zur Soldatenseelsorge, wohl aber die Bestätigung seitens der Bundeswehr, daß der Geistliche mit der (hauptamtlichen) Seelsorge an ihren Soldaten betraut ist. Diese Bestätigung findet ihren nach außen erkennbaren Niederschlag in der Austeilung von Ausweiskarte und Schutzzeichen. Aus völkerrechtlicher Sicht ist der Beamtenstatus der Militärseelsorger da-

2 3 5 Anders die ZDv 15/2 Nr. 314: "Nichtkombattanten sind auch die Soldaten des Sanitätsdienstes und das den Streitkräften zugeordnete Seelsorge-Personal." Dazu Ipsen, aaO, S. 74 ff. 2 3 6 Sandoz, in: Sandoz/Swinarski/Zimmermann, Commentaire des Protocoles additionnels, Art. 8 Rdnr. 637. 2 3 7

Sandoz, in: Sandoz/Swinarski/Zimmermann, Commentaire des Protocoles additionnels, Art. 8 Rdnrn. 636 f.; Pictet, Commentary - I. Geneva Convention, Art. 24, S. 220; ders., Commentary — II. Geneva Convention, Art 36, S. 201. 2 3 8 Sandoz, in: Sandoz/Swinarski/Zimmermann, Commentaire des Protocoles additionnels, Art. 8 Rdnrn. 636 f; Pictet, Commentary - 1 . Geneva Convention, Art. 24, S. 220; ders., Commentary - II. Geneva Convention, Art. 36, S. 201. 2 3 9

Art 40 I.GK, 42 II.GK, Art. 18 I.ZP.

350

Sonderfrage

der Verbeamtung der Militärgeistlichen

her nicht erforderlich. 240 Die jüngst erlassene Zentrale Dienstvorschrift der Bundeswehr für Kriegsvölkerrecht 241 verzichtet daher - im Unterschied zu ihrer Vorgängerin - darauf, eine öffentlich-rechtliche Eingliederung der Bundeswehrseelsorger zu postulieren. IL

Sicherheit- und Geheimhaltungsinteressen der Bundeswehr

Im Rahmen der Verhandlungen zum Militärseelsorgevertrag wurde von staatlicher Seite deutlich gemacht, daß ohne die Akzeptierung des Beamtenstatus für die Militärgeistlichen der Staat nicht zum Vertragsschluß bereit sei. Als Gründe wurden Gesichtspunkte der Geheimhaltung und Sicherheitsinteressen angeführt. Der Staat könne nicht zulassen, daß im äußerst sicherheitsempfindlichen Bereich der Bundeswehr Personen tätig seien, auf die er keinen dienstrechtlichen Einfluß ausüben könne.242 Das Geheimhaltungs- und Sicherheitsinteresse hat drei Aspekte: -

Der Staat muß zunächst ein Mitspracherecht bei der Auswahl der Militärpfarrer haben; d.h. ihm muß in begründeten Einzelfallen die Möglichkeit verbleiben, einzelne kirchlicherseits vorgeschlagene Personen von vornherein abzulehnen.

-

Der Staat muß zweitens die Möglichkeit haben, den Militärgeistlichen zur Verschwiegenheit und zur Achtung von sonstigen elementaren Bundeswehrinteressen zu verpflichten und ihn durch Androhung von Sanktionen vom Geheimnisverrat sowie von der Verletzung sonstiger wichtiger Bundeswehrinteressen abzuhalten.

-

Der Staat muß endlich in der Lage sein, einen die Sicherheit der Bundeswehr gefährdenden Militärgeistlichen aus dem Militärseelsorgedienst oder zumindest aus dem militärischen Bereich zu entfernen resp. entfernen zu lassen.

2 4 0 Ebenso Rausch, HuV-I 1992, 111 (117); Becker/Deiseroth/Martin/Niemöller/Schaefer/ Simon, epd Dokumentation 50/93,18 (21 f.). 2 4 1 ZDv 15/2 vom 17.08.1992 (Humanitäres Völkerrecht in bewaffneten Konflikten), Kapitel 8 - Seelsorgedienst. 2 4 2

Blaschke/Oberhem, Bundeswehr und Kirchen, S. 18; Bleese, Militärseelsorge, S. 202 f.; Simon, Kath. Militärseelsorge, S. 119; Steuber, Militärseelsorge, S. 42; v. Baudissin, FS Kunst, 299 (304);' Loschelder, FS Hengsbach, 783 (790); Gramm, Essener Gespräche 23 (1989), 148 (Diskussionsbeitrag).

Β. Keine Notwendigkeit der Verbeamtung

351

1. Gewährleistung durch Verbeamtung der Militärgeistlichen

Die Verbeamtung trägt allen drei genannten Aspekten Rechnung: Es bleibt - erstens - der Entscheidung des Staates vorbehalten, wer zum Beamten ernannt wird; vor der Verbeamtung erprobt der Staat die Militärgeistlichen (Art. 18 Abs. 1 MSV). Zweitens sind verbeamtete Militärgeistliche zur Verschwiegenheit (§61 BBG) verpflichtet, so daß das staatliche Geheimhaltungsinteresse gewahrt wird. Die Beachtung der übrigen staatlichen Sicherheitsinteressen wird insbesondere durch die beamtenrechtlichen Pflichten zur (Verfassungs-)Treue (§ 52 Abs. 2 BBG), zur Mäßigung und Zurückhaltung bei politischer Betätigung (§ 53 BBG) sowie durch die "Zuordnung zur Zusammenarbeit" (ZDv 66/1 Nr. 13 i.V.m. der allgemeinen Treuepflicht) sichergestellt. Die genannten Pflichten sind sanktionsbewehrt: Im Falle eines schuldhaften Verstoßes steht dem Staat die Möglichkeit eines Disziplinarverfahrens zu (§§ 77 ff. BBG, 5 BDO). Hinzu kommen die strafrechtlichen Sankionen. Drittens kann der Staat einen die Sicherheitsinteressen der Bundeswehr unerträglich gefährdenden Militärgeistlichen vom Dienst suspendieren (§ 60 BBG, § 91 BDO) oder aus dem Dienst entfernen lassen (§ 11 BDO). 2. Gewährleistung ohne Verbeamtung der Militärgeistlichen

Aber auch bei fehlender Verbeamtung und kirchlicher Anstellung der Militärgeistlichen spricht einiges dafür, daß der Staat die Achtung seiner legitimen Geheimhaltungs- und Sicherheitsinteressen sicherstellen kann: Er kann sich - erstens - bei der kirchlichen Ernennung des jeweiligen Militärgeistlichen ein Einspruchsrecht vorbehalten, wie dies etwa für den Militärbischof bereits vereinbart ist. 243 Im Bereich der Polizei- und Gefängnisseelsorge hat sich jüngst etwa Sachsen-Anhalt ausbedungen, daß die evangelischen Landeskirchen ihre dort tätigen Geisüichen nur im Einvernehmen mit dem zuständigen Landesminister bestellen.244 Zweitens kann der Staat auch nicht verbeamtete Militärgeisüiche zur Achtung seiner Geheimhaltungs- und Sicherheitsinteressen anhalten, zumal die Befürworter einer rein kirchlich ausgestalteten evangelischen Militärseelsorge

2 4 3 2 4 4

Art. 11 Abs. 1 S. 2 MSV, Art. 27 Abs. 2 RK. Näher oben 2. Teil Β 11 b, 3. Teil E.

Gefängnis-Seelsorge-Vertrag vom 24.03.1994 (ABl. EKD 1994 S. 480) und Polizei-Seelsorge-Vertrag vom 30.06.1994 (ABl. EKD 1994 S. 485) zwischen dem Land Sachsen-Anhalt und den evangelischen Landeskirchen in Sachsen-Anhalt.

352

Sonderfrage

der Verbeamtung der Militärgeistlichen

die Legitimität dieser Interessen anerkennen.245 Nun kann sich der Staat zwar nicht damit begnügen, daß der Geistliche schon nach kirchlichem Recht zur Verschwiegenheit gehalten ist, 246 da das kirchliche Amts- und Beichtgeheimnis nicht dem staatlichen Interesse zu dienen bestimmt ist und dem Staat gerade keine Einflußnahme ermöglicht. In Betracht kommt jedoch eine allgemeine Verpflichtung gem. § 1 Abs. 1 VerpflichtungsG oder eine auf konkrete Geheimnisse bezogene Verpflichtung. 247 Erfolgt gleichwohl ein Geheimnisbruch, sind die staatlichen Sanktionsmöglichkeiten zwar begrenzter als bei verbeamteten Militärpfarrern, da die beamtenrechtlichen Sanktionen entfallen. Immerhin verbleiben die in ihrer abschreckenden Wirkung ohnehin nachhaltigeren strafrechtlichen Sanktionen gem. §§ 93 ff. (Landesverrat, Offenbarung von Staatsgeheimnissen etc.), § 353b Abs. 1 Nr. 2, Abs. 2 Nr. 2 StGB (Verletzung von Dienstgeheimnissen) und u.U. gem. § 203 Abs. 2 Nr. 2 StGB (Verletzung von Privatgeheimnissen). Im übrigen kann der Staat mit der Kirche Umfang und Reichweite der Pflicht zur Verschwiegenheit vertraglich festlegen und vereinbaren, daß die Kirche auf sein Verlangen Verstöße gegen Verschwiegenheitspflichten ahndet. Darüber hinaus kann sich der Staat das Recht vorbehalten, auch nicht verbeamtete Militärgeistliche regelmäßigen Sicherheitsüberprüfungen zu unterwerfen. Letzteres ist mit der katholischen Kirche für deren Pastoralreferenten im Militärseelsorgedienst bereits vereinbart und wird zur beiderseitigen Zufriedenheit praktiziert. 248 Neben dem Geheimnisschutz kann der Staat auch von nichtbeamteten Militärgeistlichen die Achtung seiner sonstigen Sicherheitsinteressen einfordern. Er kann sich zwar wiederum nicht auf im kirchlichen Recht wurzelnde politische Mäßigungspflichten verlassen. Aber er kann die Zusammenarbeit mit der Kirche im Bereich der Militärseelsorge an die Bedingung knüpfen, daß Verfassung und ethische Vertretbarkeit des Soldatseins sowie die grundsätzliche Legitimität der Bundeswehr und ihres Auftrages vom kirchlichen Vertragspartner und seinen Geisüichen respektiert werden. 249 Mit diesem Ansinnen trat der Bundesverteidigungsminister im Mai/August 1991 an BEK und EKD 2 4 5

Vgl. "Modell B", epd Dokumentation 50/93,11.

2 4 6

Dazu Grethlein, in: Seelsorgerliche Verschwiegenheit, S. 43 ff; Niemann , aaO, S. 31 ff.; Raming, in: Schwind/Blau, Strafvollzug in der Praxis, S. 214 (219). 2 4 7

Becker/Deiseroth/Martin/Niemöller/Schaefer/Simon,

epd Dokumentation 50/93,18 (22).

2 4 8

Art. 8 S. 1 der Vereinbarung zwischen dem Bundesminister der Verteidigung und dem Katholischen Militärbischof für die Deutsche Bundeswehr über den Einsatz von Pastoralreferenten in der Katholischen Militärseelsorge vom 06.04.1987; siehe auch oben 2. Teil Β I V 1 b. 2 4 9 So die Weisung für die Zusammenarbeit mit den für Seelsorge an Soldaten beauftragten Pfarrern der evangelischen Landeskirchen im Wehrbereich V I I und VIII, Nr. I I 2 (vom 06.09.1991 Fü S 14 - Az. 36-01, abgedruckt in epd Dokumentation 25/92, S. 30 ff.).

Β. Keine Notwendigkeit der Verbeamtung

353

heran; EKD und BEK sagten ihm dies - freilich mit theologischen Vorbehalten - zu. 250 Des weiteren kann der Staat eine dem § 53 BBG vergleichbare Mäßigungsund Zurückhaltungspflicht des Militärgeistlichen mit der Kirche vereinbaren. Die kirchlichen Befürworter einer Abschaffung des Beamtenstatus sind hier zum Entgegenkommen bereit. 251 Schon jetzt hat der Bundesminister der Verteidigung den mit der Soldatenseelsorge beauftragten evangelischen Zivilpfarrern in den neuen Bundesländern jede Betätigung zu(un)gunsten einer bestimmten politischen Richtung innerhalb militärischer Einrichtungen untersagt.252 Drittens kann der Staat sich des Rechtes vergewissern, einen die Geheimhaltungs- und Sicherheitsinteressen gefährdenden Militärgeistlichen sofort aus dem Dienst innerhalb der Militärseelsorge entfernen zu lassen. So hat der Bundesverteidigungsminister mit dem katholischen Militärbischof vereinbart, sich freundschaftlich zu verständigen, wenn nach Auffassung des Ministers die vorzeitige Abberufung eines Pastoralreferenten erfolgen sollte.253 Sachsen· Anhalt hat sich in den Vereinbarungen zur evangelischen Polizei- und Gefängnis-Seelsorge sogar vorbehalten, die Abberufung eines dort tätigen kirchlich bestellten Geistlichen verlangen zu dürfen, wenn aus staatlicher Sicht schwerwiegende Bedenken gegen seinen weiteren Dienst in der Polizei- resp. Gefängnis-Seelsorge bestehen.254 Vor diesem Hintergrund dürfte die kirchliche Anstellung der Militärgeistlichen unter Verzicht auf die staatliche Verbeamtung mit den Sicherheits- und Geheimhaltungsinteressen der Bundeswehr vereinbar sein. Ohnehin werden die Aufgaben der Militärseelsorge zunehmend von nebenamtlichen Pfarrern wahrgenommen, die keine Staatsbeamten sind - 2 5 5 und dennoch kein unkal2 5 0 Briefwechsel und Gesprächsnotiz wiedergegeben in: epd Dokumentation 25/92, S. 29 ff.; LKV 1991,338 f. 2 5 1 Vgl. "Modell B", epd Dokumentation 50/93, 12: Die im kirchlichen Dienst verbleibenden MilitärgeisUichen sollen an Rechten und Pflichten den verbeamteten Militärgeistlichen gleichgestellt werden. 2 5 2 Weisung vom 06.09.1991 für die Zusammenarbeit mit den für Seelsorge an Soldaten beauftragten Pfarrern der evangelischen Landeskirchen im Wehrbereich V I I und VIII, Nr. Π 2.

Art 9 Abs. 1 der Vereinbarung zwischen dem Bundesminister der Verteidigung und dem Katholischen Militärbischof für die Deutsche Bundeswehr über den Einsatz von Pastoralreferenten in der Katholischen Militärseelsorge vom 06.04.1987; siehe auch oben 2. Teil Β I V 1 b. 2 5 4 Art 8 Nr. 3 des Gefängnis-Seelsorge-Vertrag vom 24.03.1994 (ABl. EKD 1994 S. 480); § 11 Abs. 3 des Polizei-Seelsorge-Vertrages vom 30.06.1994 (ABl. EKD 1994 S. 484). 2 5 5

Siehe oben 2. Teil Β I U I .

23 Ennuschat

354

Sonderfrage

der Verbeamtung der Militärgeistlichen

kulierbares Sicherheitsrisiko bilden, zumal einem Militärgeistlichen kaum wesenüiche Geheimnisse bekannt werden dürften. Festzuhalten bleibt somit: Der Beamtenstatus bietet dem Staat eine Reihe von Vorteilen. Die staatlichen Geheimhaltungs- und Sicherheitsinteressen vermögen jedoch kaum dessen zwingende Notwendigkeit zu begründen. III.

Gleichbehandlung von evangelischer und katholischer Militärseelsorge

Der Staat wies bei den Verhandlungen zum Militärseelsorgevertrag darauf hin, daß er sich in Art. 27 Abs. 4 S. 2 RK auf die Verbeamtung der katholischen Militärgeistlichen festgelegt habe. Aus Gründen der Gleichbehandlung, insbesondere auch mit Blick auf die besoldungs- und versorgungsrechtliche Gleichheit, müsse dies zugleich für die evangelischen Militärpfarrer gelten. Auch habe er ein berechtigtes Interesse an gleichartigen Strukturen für beide Zweige der Militärseelsorge. 256 "Parität" bedeutet indessen lediglich die Gleichheit des staatlichen Angebotes, nicht die Verpflichtung zur Nachahmung des katholischen Vorbildes. 257 Dies ergibt sich bereits aus dem Grundsatz, keine Verträge zu Lasten Dritter schließen zu können. Der Beamtenstatus für die Militärgeistlichen ist mithin keine zwingende Notwendigkeit.

2 5 6

Siehe dazu die Regierungsbegründung zu Art. 2 des Gesetzes zum MSV (BT-Dr. 2/3500, S. 10) und ferner Blaschke/Oberhem, Bundeswehr und Kirchen, S. 18; Bleese, Militärseelsorge, S. 203 f.; Simon, Kath. Militärseelsorge, S. 119; Steuber, Militärseelsorge, S. 42. 2 5 7

Vgl. BayVerfGH, BayVBl. 1980, 462 (466); v. Campenhausen, HdbStKirchR I, 2. Aufl., 47 (84); HeckeU HdbStKirchR I, 2. Aufl., 589 (605).

5. Teil: Zusammenfassung der Ergebnisse und Ausblick

A. Zusammenfassung der Ergebnisse 1. Dem Militärseelsorgevertrag vom 22.02.1957 fehlt die innerkirchliche Wirksamkeit im Bereich der evangelischen Landeskirchen in den neuen Bundesländern und Berlin. Davon unberührt bleibt im Außenverhältnis zur Bundesrepublik die vertragliche Bindung der EKD an den Militärseelsorgevertrag für das Gebiet der gesamten Bundesrepublik. Das Reichskonkordat, dessen Art 27 die katholische Militärseelsorge betrifft, gilt gleichfalls in ganz Deutschland. 2. Die gegenwärtige Ausgestaltung der Militärseelsorge gemäß dem Militärseelsorgevertrag und dem Reichskonkordat ist verfassungskonform. Dasselbe gilt für den Lebenskundlichen Unterricht. a) Das Grundgesetz kennt keinen Grundsatz strikter Trennung von Staat und Kirche, dessen Ausnahmen ausdrücklicher verfassungsrechtlicher Rechtfertigung bedürfen. Vielmehr ist dem Staat die unbefangene Nähe zu Religion und Religionsgemeinschften gestattet. Er ist gehalten, im kooperativen Zusammenwirken mit den Religionsgemeinschaften in positivem Sinne Raum für die Religionsausübungsfreiheit zu sichern. b) Art 141 WRV i.V.m. Art 140 GG beschreibt daher den Mindeststandard staatlicher Ermöglichung der Militärseelsorge, ohne darüber hinausreichendem staatlichen Engagement in finanzieller und organisatorischer Hinsicht im Wege zu stehen. c) Das Staatskirchenverbot des Art 137 Abs. 1 WRV i.V.m. Art 140 GG ist eng zu verstehen und richtet sich primär gegen historische staatskirchliche Zustände aus der Zeit vor 1919 sowie gegen die letzten Rudimente des Systems der Staatskirchenhoheit, namentlich gegen die besondere staatliche Kirchenaufsicht. Ferner dient es dem Schutz der Kirchen vor diktatorischen Übergriffen des Staates nach dem Beispiel 23*

356

Zusammenfassung der Ergebnisse und Ausblick

der Reichskirchenpolitik des Dritten Reiches. Die Verbeamtung der Militärgeistlichen und der staatliche Behördencharakter des Evangelischen Kirchenamts für die Bundeswehr sowie des Katholischen Militärbischofsamts sind somit keine staatskirchlichen Erscheinungsformen i.S.d. Art. 137 Abs. 1 WRV. d) Die derzeitige Militärseelsorge unter Einschluß des Lebenskundlichen Unterrichts trägt den subjektiv-rechüichen Anforderungen der Religionsfreiheit ausreichend Rechnung. Die objektiv-rechtlichen Vorgaben des Art. 4 Abs. 1 und 2 GG - Neutralität, Nichtidentifikation, Parität korrespondieren zunächst mit dem Abwehrgehalt der Religionsfreiheit. Darüber hinaus verpflichten sie - schon unterhalb der Schwelle zu einem Grundrechtseingriff - zur Zurückhaltung bei staatlichen Ingerenzen in den religiösen Bereich. Ähnliche Zurückhaltung ist dem Staat in bezug auf andere gesellschaftliche Wettbewerbssituationen auferlegt, so in den Bereichen von Wirtschaft, Parteien, Presse und Kunst. Dieser Pflicht zur Zurückhaltung, die durch das Verhältnismäßigkeitsprinzip ausgefüllt werden kann, genügt die Ausgestaltung der Militärseelsorge. e) Das staatliche Vetorecht bei der Ernennung der Militärbischöfe ist mit Art 137 Abs. 3 S. 2 WRV i.V.m. Art 140 GG vereinbar. Zwar steht das Mitwirkungsverbot des Art 137 Abs. 3 S. 2 WRV grundsätzlich nicht zur Disposition von Kirche und Staat. Für den Bereich der Militärseelsorge gilt jedoch eine in der Natur der Sache begründete Ausnahme. f) Schließlich steht die Militärseelsorge im Einklang mit den Art 3 Abs. 3, 33 Abs. 2 und 3,140 GG i.V.m. Art. 136 Abs. 2 bis 4,137 Abs. 3 S. 1, 138 Abs. 1 WRV. 3. Auf verbeamtete Militärgeistliche finden die beamtenrechtlichen Dienstpflichten und das Disziplinarrecht Anwendung. Dies gilt namentlich für die (Verfassungs-)Treuepflicht, die Pflicht zur Mäßigung und Zurückhaltung bei politischer Betätigung, die Gehorsamspflicht sowie die Pflicht zur Amtsverschwiegenheit. Insoweit ist im Beamtenstatus der Militärgeistlichen mehr als eine "leere Hülse ohne sachlichen Gehalt" zu sehen. Die Reichweite der potentiell konfliktträchtigen Dienstpflichten mit politischem Bezug ist jedoch im wesentlichen auf die Achtung der freiheitlichdemokratischen Grundordnung und das zur Sicherung der Funktionsfahigkeit der Bundeswehr Unerläßliche begrenzt In der Praxis engen sie die Wirkungsmöglichkeiten des Militärgeistlichen nicht ein. Die Gehorsamspflicht unterwirft den Militärgeistlichen nicht den Weisungen der Militärs. Für den Fall einer Dienstpflichtverletzung enthält der Militärseelsorgevertrag organisatorische und institutionelle Vorkehrungen, welche eine part-

Β. Ausblick

357

nerschaftliche Konfliktlösung bei maximaler Berücksichtigung kirchlicher Interessen ermöglichen. Im übrigen sind bislang keine nennenswerten Konflikte zwischen Staat und Kirche auf dem Gebiet der Militärseelsorge zu verzeichnen gewesen. Insbesondere das staatliche Disziplinarrecht ist niemals angewendet worden. 4. Die Verbeamtung der Militärgeistlichen ist weder zur Gewährleistung des völkerrechtlichen Schutzes der Militärgeistlichen oder des staatlichen Geheimhaltungs· und Sicherheitsbedürfhisses noch aus Gründen der Gleichbehandlung von evangelischer und katholischer Militärseelsorge - die katholische Kirche will jedenfalls am Beamtenstatus festhalten - zwingend erforderlich.

B. Ausblick In der Praxis hat sich die Verbeamtung der Militärgeistlichen nach Ansicht aller Beteiligten außerordenüich bewährt. Sie bietet dem Militärpfarrer eine die Akzeptanz erhöhende Zugehörigkeit zu seiner Gemeinde; er ist mehr als nur "ein Gast mit Passierschein für die Wache".1 Das Beamtenrecht in seiner Spezifizierung durch den Militärseelsorgevertrag gewährleistet eine angemessene und praxistaugliche Austarierung kirchlicher und staatlicher Interessen. Der Beamtenstatus der Militärgeistlichen birgt nicht die Gefahr zu großer Staatsnähe oder gar Staatsabhängigkeit kirchlichen Wirkens in sich. Soweit das Beamtenrecht Direktiven für die Tätigkeit des Militärgeistlichen entfaltet, beschränkt sich dies auf den unabdingbaren Kern staatlicher Interessen, deren Legitimität auch die kirchlichen Kritiker der Verbeamtung anerkennen. Dementsprechend soll das innerhalb der EKD als Wahlmöglichkeit neben der Verbeamtung ins Auge gefaßte Alternativmodell des im kirchlichen Dienst verbleibenden Militärgeistlichen diesen in Rechten und Pflichten seinem verbeamteten Kollegen gleichstellen.2 Das Alternativmodell soll also genau das erreichen, was ohnehin bereits erreicht ist.3 Letztlich geht es offenkundig mehr um Symbole denn um Inhalte.

1

V. Gilsa, epd Dokumentation 4/93, 55 (57).

2

Beschluß der EKD-Synode vom 10.11.1994 (epd Dokumentation 49a/94, 16); so schon das die kirchliche Anstellung der Militärgeistlichen favorisierende "Modell B" (epd Dokumentation 50/93,11). 3 Vgl. Bock, EvKomm 1994, 536; Pawlas, Luth. Monatshefte 5/94, 35 ff.; EKD-Arbeitskreis "Sicherung des Friedens", epd Dokumentation 39/94, 33 (35).

358

Zusammenfassung der Ergebnisse und Ausblick

Ob vor diesem Hintergrund der Militärseelsorgevertrag nach Abschluß der Verhandlungen zwischen EKD und Bundesregierung, zumal wenn diese sich ebenso lange hinzögen wie diejenigen vor Vertragsschluß 1957, tatsächlich nennenswerte Änderungen erfahren wird, bleibt abzuwarten. Schon wegen der Freundschaftsklausel des Art. 27 MSV ist der Staat zwar gehalten, sich auf ernsthafte Verhandlungen einzulassen - aber nicht auf jede Zielvorstellung der EKD. 4 In den ersten Gesprächen im Sommer 1995 bekräftigte die Bundesregierung ihre feste Absicht, am Militärseelsorgevertrag uneingeschränkt festzuhalten, stellte aber für die neuen Bundesländer eine bislang unbefristete "Zwischenlösung" in Aussicht, nach der die dortigen Landeskirchen zwischen staatlicher und kirchlicher Verbeamtung der Militärgeistlichen wählen könnten.5 Der Rat der EKD bedauerte das entschiedene Festhalten der Bundesregierung am Militärseelsorgevertrag, scheint dies allerdings akzeptieren und sich mit der Wahlmöglichkeit für die neuen Bundesländer begnügen zu wollen.6 Die staatliche Verhandlungsposition ist recht günstig:7 Die katholische Kirche unterstützt ihn in seinem Bemühen um die Beibehaltung des status quo. Auch innerhalb der evangelischen Kirche findet er einige Unterstützung, insbesondere innerhalb der Militärseelsorge. Selbst die EKD lehnt den Beamtenstatus - ein Wesensmerkmal des status quo - nicht völlig ab. Schließlich muß die EKD berücksichtigen, daß der Militärseelsorgevertrag ihr einziger Vertrag mit der Bundesrepublik ist. Sie wird daher bei Verfechtung ihrer Änderungsvorstellungen besondere Behutsamkeit beweisen müssen, um allen gleichermaßen unerwünschten wie unabsehbaren Fernwirkungen für das Verhältnis zwischen Staat und evangelischer Kirche insgesamt vorzubeugen.8

4 v. Campenhausen, in: v. Mangoldt/Klein, GG, Komm., Art. 140 Rdnr. 56; Cremers, Militärseelsorge-Vertrag, S. 283 f. 5 FAZ Nr. 211 vom 11.09.1995, S. 5; EKD-Pressemitteilungen vom 30.06.1995 und vom 09.09.1995. 6

Dazu die Rede des Vorsitzenden des Rates der EKD, Landesbischof Engelhardt, vor der EKD-Synode in Friedrichshafen am 05.11.1995 (epd Dokumentation 48/95, 1 [14]). Kritik daran äußerten nur wenige Synodale (FAZ Nr. 262 vom 10.11.1995, S. 6). 7

v. Campenhausen, Rheinischer Merkur - Christ und Welt Nr. 29 vom 22.07.1994, S. 18

(= epd Dokumentation 39/94, 46); Pawlas, Luth. Monatshefte 5/94, 38 (39). 8 Graf,i FAZ Nr. 253 vom 31.10.1994, S. 8, weist zu Recht auf den hohen politischen Symbolwert des Militärseelsorgevertrages hin.

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25 Ennuschat

Personenregister Ablaß, Β. 176 Agnes, L. 175 Albrecht, K. 116, 117, 119-121, 209, 266,290 Alertz, E. 141,143 Anschütz, G. 115, 117 f., 120, 122, 127 f., 141 f., 162, 171 f., 178, 190, 194, 199-201, 247, 252, 277, 280 f., 283,287,290 Appel, R. 59,110 Arndt, H. 301, 303,316 Aymans, W. 210,219,290 Badura, P. 124 f., 174 Bald, D. 89-91,93 Bamberg, H.-D. 103 f., 108-114, 148 f., 208,260,277,279,285 Battis, U. 342 Baudissin, W. Graf v. 313,350 Bauer 184 Beck, G. 293 Becker, P. 36, 108, 110, 114, 350, 352 Beckmann, A. 48 Beer, K. 330 Behr, W. J. 166,168 Behrend, 0.300 Behrendt, E. L. 218 Berger, E. 35 Bergsträßer, L. 126,180,184 Beseler, G. 167 f. Besier, G. 52 Bewersdorff, H. 30,33,36,82,98 Beyer, A. 303

Bick, R. 90,92 f., 95-100,111,323 Bieber, A. 319 Bielitz, K. 210 Binder, H.-G. 31-33,64, 81 Blank, Th. 30 f., 159 Blaschke, P. H. 31, 36, 41, 43, 46, 62 f., 65, 67-69, 73, 76, 80-83, 86, 89-91, 97 f., 106, 159, 290, 328, 344, 346,350,354 Bleckmann, A. 241,270 Bleese, J. 31, 36, 50, 59, 71, 80, 93, 110, 113, 122, 130, 143, 192, 277 f., 290, 296, 313, 344, 346, 350,354 Blum, R. 165 f. Blüm, N. 250 Bluntschli, J. K. 172 Bock, M. 69, 73 Bock, W. 300,343,357 Böckenförde, E.-W. 226,242 Boventer, H. 218 Brandenburg, E. 169 Brandt, P. 122,139,143,192 Braun, K. 218 Brauns, H.-J. 286 f. Bredt, J. V. 128,162,177 f., 276 Brentano, H. v. 128,130 Breuer, R. 233 f. Breyvogel, W. 98, 108 f., 112 f., 148 f. Bryde, B.-O. 248 f. Busse, F.-G. v. 116 f., 120 f., 152, 198, 202,209,255,290,326 Buth, M. 298,303,312,314

Personenregister

Callies, R.-P. 119 Campenhausen, A. Frhr. v. 29, 34, 36, 50, 56, 115 f., 119 f., 122, 124, 128-130, 146, 149 f., 157, 159, 162, 190 f., 195, 202, 206209, 211, 221 f., 225, 230, 250, 253-256, 276, 278 f., 286-290, 296, 333, 344,354,358 Castell-Rüdenhausen, R. Graf zu 291 Clos, R. 106 Cremers, A. 31, 106, 117, 121, 130, 267, 277, 284, 291, 296, 313, 339,358 Czermak, G. 108,111,286 Dahlgren, S. 53 f. Dahlmann, F. C. 165 Davidsohn, G. 134, 137,192 Dechsling, R. 239 f., 242,257,270 Degenhart, Chr. 257 Dehler, Th. 130 Dehnen, D. 250 Deiseroth, D. 36, 108, 110, 114, 350,352 Deiters, P. F. 167 Delbrück, C. v. 175 Demke, Chr. 325 Denninger, E. 237 f. Depenbrock, J. 50,52,56 f. Diestelmeier, H. 31 Dietrich, A. 142,162, 167-169,173 Döllinger, I. v. 166 Droysen, J. G. 142 Drühe, W. 33 Dürig, G. 262, 279, 302 Düringer, A. 135,175 Eberhard, F. 125 f., 180 Ebers, G. J. 128, 140 f., 171, 177 f., 277 f., 281 Ebert, F. 138 25*

387

Edelhoff, F. W. 34 Ehlers, D. 226,234, 339 f. Endrös, A. 123 Engelhardt, K. 358 Erbguth, W. 326 Erichsen, H.-U. 234 Falcke, H. 33,36,266 Fechner, C. A. 32 Feige, A. 78,98 Feine, H. E. 173 Fertig, F. 294,297 Fischer, E. 98, 103 f., 106,108-115, 120 f., 146, 148 f., 158, 208, 210 f., 215, 225 f., 246, 260 f., 285,287,289 Heck, H.-J. 155 Forsthoff, E. 127 f., 164, 175, 178, 190,252 Frank, J. 108 Freytagh-Loringhoven, A. v. 128, 224,288 Fritz, W. 88 Fromm, H. 303 Frost, H. 80 Funcke, L. 249 Fürst, W. 301,303,316 Gareis, B. 266 Geiger, W. 216 f. Geller, G. 155 Giacometti, Z. 221,225 Giese, F. 116 f., 127 f., 132, 141, 164, 174, 177 f. Gilsa, F.-W. v. 31,357 Göbel, G. 104,249 Goerlich, H. 109,226 Gollwitzer, H. 31, 33 Graf, E. 49, 81,102 Graf, F.W. 32,97,296,358 Gramm, R. 31, 97, 99, 261, 330, 341, 346,350

388

Personenregister

Grawert, R. 178 Grethlein, G. 329, 352 Gröber, A. 115, 133-136, 138 f., 175, 177, 213, 259, 281 f. Groener, W. 138 Gubelt, M. 288 Häberle, P. 216,218,220 Häfher, G. 217,250 Haußmann, K. 122, 135,137 Hautmann, G. 290 Haverkate, G. 233, 237 f., 240 f., 243, 263,270 Heckel, G. 178 Heckel, J. 162 f. Heckel, M. 50, 208 f., 229, 288290,354 Heinrichs, H. 338 Heinrici, H. 33 Heinze, R. 132,135 f., 220 Heitmann, S. 188,217 Held, G. 117 Hemmrich, U. 34, 121, 145, 193, 230,290 Hengsbach, F. 98 Hennecke, F. 323 Hennig, K. O. 33 Henke, W. 235 f. Herlitzius, C. E. 173 Hermann, F.-G. 54 Herzog, R. 119, 193, 197 f., 225, 300 Hesse, K. 225,236,248 f. Heuss, Th. 125 f., 130,180,219 Hierold, A. E. 45, 60, 62 f., 65, 67, 79 Hilg, G. 293,298, 300, 330 Hirschberg, L. 239,241,243,270 Hoffmann, Chr. 166,168 Hoffmann, K. 36, 89, 90, 93 f., 97 f., 101,324 Hofmann, H. 215 f., 218 f., 236

Hofmann, J. 155 Hollerbach, A. 29, 56 f., 70, 121, 151, 191, 210, 250, 252, 254 f., 276, 278 f., 288-290, 294 f., 344 Holtkotten, H. 125 Höpker-Aschoff, H. 126,131,180 Huber, E. R. 105, 123, 128, 132, 138-140,142 f., 169,174 Huber, W. 30, 33, 90, 93, 98 f., 103-106, 108-114, 121, 131, 140, 148, 174, 252, 261, 279, 285 Hubrich, E. 138,178 Dlguth, J. 121,209,290 Ipsen, J. 302 Ipsen, K. 51, 302, 338, 344 f., 347349 Isensee, J. 29, 123, 219, 222, 226, 242, 249, 251, 257, 261, 286 f., 289, 309,321 Israel, C. 138,175 Jacobi, W. 155 Jacobs, M. 240 Jahn, F.-A. 215 Janzen, H.-J. 31 Jarass, H. D. 108-110,112 f., 148 f., 191, 218, 225, 238, 241, 257 f., 323 Jeand'Heur, B. 127, 162, 171, 189, 190 Jellinek, W. 130 f. Jess, E. 326,328 Jestaedt, R. 56 Jordan, W. 167 f. Jung, H.-G. 98,313 Jutzi, S. 217 f. Kaas, L. 177 Kahl, W. 115, 127, 133-136, 175, 224, 282 f., 288

Personenregister

Kalle, H. 128,162 f., 174, 177 f. Kamprad, B. 32 Kästner, K.-H. 220 Katz, R. 127 Katzenstein 176 Kaufmann, E. 131 Kelly, P. 104 Kilian, M. 217,219 Kirn, M. 44 Kiskalt, H. 206 Klein, F. 225,289 Kleine, M. 103, 108, 110, 112, 182, 211,266 Kleinrahm, K. 155 Kluth, W. 191,225,234 Knoodt, F. P. 166 Koch, H. 260,266 Köhler, H. 298-300, 303 f., 319, 332 f. Kopp, F. O. 322,338 Köppe, 1.105 Krech, W.G.31 Kremser, H. 34, 50, 52 f., 56 f., 117,179 Kroll, G. 216 Krüger, H. 108,226 Kruse, H. 89-91,94,96-101,111 Krusenotto, H. G. 95 f. Kühne, J.-D. 142,168,172 f. Kunert, F. 137,139,163,176 Kunig, P. 221 Kunzmann, Β. 112,188,217 Kusch, R. 48 Larenz, K. 248 Lassaulx, E. v. 166 Lehming, S. 60 Lemberger, H. 48 Lempp, R. 142 f., 166-169, 171, 173 Lerche, P. 241 f., 248 Leusser, C. 152,184

Levy, Α. 152 Liedke, G. 33 Link, Chr. 171, 178, 191, 208, 227, 230,254 f. Linke, K. 31 Lintner, E. 250 Lisken, H. F. 303 Listi, J. 29, 116, 197-199, 201 f., 289 Loewenstein, K. 130 Lohse, E. 325 Loschelder, W. 37, 121, 159, 259, 261, 265, 290, 295-297, 300, 316,326-329,332 f., 343,350 Löwe, H. 60 Lübbert, K. 33 Mahnke, H. H. 188,219 Mahrenholz, E. G. 108,111 Mampel, S. 48 Mangoldt, H. v. 188 Mangoldt, Herrn, v. 216 Mann, B. 166 Mann, S. 326,328 Marré, H. 29,146 Martin, Κ. 32, 36, 82, 104, 108, 110, 114, 350,352 Matthey, F. 289 Maunz, Th. 115, 121, 145, 150, 193, 208-210, 215 f., 222, 248, 252-254,278, 288,290 Maurer, H. 292,326 Mausbach, J. 122, 128, 134-136, 138 f., 141, 174 f., 177 f., 201 f., 213,221,223 f., 277,281 f., 287 May, G. 60 Mayer-Vorfelder, G. 306, 308, 311, 323 Meder, Th. 116,150,184,252 Meerfeld, J. 133,175,177,288 Meinecke, W. 52 Meißner, 0.178

390

Personenregister

Menzel, W. 155 Meyer, F. 33 Meyer, H. G. 43,79-82,319 Meyer-Arndt, H. 153,186 Mikat, P. 123, 208, 210, 227, 247, 253 Mittermaier, K. 143 Mohl, R. v. 172 Mommsen, Th. 170 Mommsen, W. 174 Muckel, S. 228 Müller, F. 108, 112-114, 145, 148, 253 Müller-Dietz, H. 119 Müller-Kent, J. 30, 36, 59 f., 63, 70 f., 78,90,313,318, 331,337, 342 Müller-Volbehr, J. 191,197 f., 248 Mumm, R. 134, 136 f., 139 Münch, I. v. 193 f., 196, 202, 215, 218, 225, 257,259 Murhard, F. 165 Mußgnug, R. 326 Mutius, A. v. 78 Naumann, F. 127, 133, 175 f., 178, 281,287 Nauwerck, K. 168 Nawiasky, H. 152,184 Nebinger, R. 151 Neumann, J. 122 Niehues, N. 323 Niemann, H. 329,352 Niemöller, J. 33, 36, 108, 110, 114, 296, 350, 352 Niermann, E. 31, 91, 97-99, 315, 324,327 Noack, A. 32-34, 104, 285,325 Oberhem, H. 31, 36, 41, 43, 46, 62 f., 65, 67-69, 73, 76, 80-83,

86, 89-91, 97 f., 106, 159, 290, 328, 344, 346,350,354 Obermayer, K. 108-113, 120, 162, 208, 210, 215, 218, 225, 246, 248 Oncken, W. 173 Ossenbühl, F. 234 Ottemeyer, J. 31 f., 37, 70, 88, 98, 101 f., 273, 279,296, 326 Otto, V. 124 Patunas, Chr. 298-300, 305 f., 311, 319 f., 323,330 Pawlas, A. 34, 36,357,358 Peters, K. 260 Pflästerer, H.-A. 35 Pictet, J. S. 349 Pieroth, B. 193, 225, 247, 257, 279, 288, 294,302 Pietzcker, J. 150 Pirson, D. 29,89,98, 117,159, 261, 177, 279, 289-291, 324, 340 f., 343 Plander, H. 303 Plog, E. 293 Pohl, H. 143,342 Preger, K. v. 281 Preuß, U. K. 108-114, 148 f., 193, 287,289 Püttner, G. 234 Quarck, M. 137, 139, 175, 176, 178, 281, 287 Quaritsch, H. 128, 211,245 Raming, A. 352 Rassow, P. 119 Ratz, G. 298-300, 303 f., 319,332 f. Rausch, W. W. 344,346,350 Reese, G. 31, 33 Reich, A. 112, 219 f.

Personenregister

Renck, L. 108 f., 112 f., 148, 196, 198, 210 f., 215,219,225,248 Renner, H. 179 Ridder, H. 108 Robbers, G. 56, 119, 145, 210, 212, 219, 226, 253, 279 f. Rommel, K. W. 48,52 Ronellenfitsch, M. 233 f. Rönne, L. v. 171 Roske, R. 170 f. Rückert, D. 87 f., 102 Rüftaer, W. 50,57 Rümelin, G. 170 Rupp, H. H. 226

Sandoz, Y. 346,349 Schaefer, H. 36, 108, 110, 114, 350, 352 Scharnagl, A. 173 Scheffler, G. 162 f., 290 Scheuner, U. 129, 162 f., 226 f., 254 Schlabrendorff, F. v. 218 Schiaich, K. 190, 226 f., 237 f., 242, 253,258 Schlief, K.-E. 124-127,130,162 f. Schlink, B. 34, 193, 225, 247, 257, 279, 288, 294, 302 Schmid, C. 130,216 Schmidt, H.-R. 235 f. Schmidt, R. 232 f. Schmidt-Aßmann, E. 334 Schmidt-Bleibtreu, B. 289 Schmidt-Eichstaedt, G. 112 Schmitt, C. 174, 210 f. Schmitt-Vockenhausen, M. 298, 319 f. Schmoll, H. 34-36,346 Schmude, J. 250 Schnapp, F. E. 240 f. Schoch, F. K. 302 f., 311 f.

Schoen, P. 127 f., 141, 164, 177, 277 Schoenenburg 185 f. Schollmeyer, K.-J. 344,346 Scholtissek, H. 116,155 Scholz, R. 54, 57, 232-234, 237 f., 293,295 Schröder, R. 48 Schücking, W. 171 f. Schütz, E. 293, 298, 300, 308 f., 319 f., 323, 328, 330, 332 f. Schwalber, J. 152,184 Schwankhart, F. 115-122,290 Schwark, H. 69,266 f. Schwarz, G. 47, 77,331 Schwarz, R. 151 f. Seebohm, H.-Chr. 128,180,214 Seidl-Hohenveldern, 1.51,338 Seiler, R. 69, 96, 121, 205, 209, 256, 267, 278, 290, 300, 314, 335 f., 340 Semler 136-138 Simon, E. 36, 276, 344, 346, 350, 354 Simon, H. 36, 108, 110, 114, 297, 350,352 Simon, L. 166 Sinzheimer, H. 175 Smend, R. 129,210,284 Smidt, W.-U. 319 Solte, E.-L. 209,284,295 Sörgel, W. 124 Spahn, P. 288 Spengler, E. 250 Sperling, E. 119 Spillner, G. 221 Spitta, Th. 153,186 Starck, Chr. 191, 193, 197 f., 202, 207, 212, 215, 217, 225, 237 f., 258,309, 323,333 Steffen, P. 235 f. Stein, A. 118 f.

392

Personenregister

Stein, E. 153,184,187 Steinen, U. von den 31, 35 Steinert, H. H. 204 Steinkamm, Α. Α. 303 Stem, Κ. 145 f., 150,191, 197, 223, 226, 236 f., 239-241, 247 f., 257, 259, 262 f., 265, 272, 279, 297 Steuber, K. 30 f., 36, 43, 50 f., 53, 57, 69, 89 f., 140, 159, 266 f., 329, 344, 346, 350, 354 Stöber, 152 Stock, M. 323 Stöckmann, D. 32 Stoltenberg, G. 46 Strauss, Η. Α. 169 Struck, G. 250 Strzebniok, H.-J. 309 Studnitz, H.-G. ν. 103 Stüber, H.-M. 31-33 Süsterhenn, A. 125-127, 129-131, 180,215,218 Tammler, U. 45,60, 64 f., 67,73 Tettinger, P. J. 160, 219, 232 f., 235,241 Thoma, R. 130 f. Tiling, P. v. 69,108,111,266 Tilmann, Κ. 289 Triepel, Η. 132,174 Tsatsos, D. Th. 235 f. Ulimann, W. 191,217,220,250 Valentin, V. 169 Veidt, Κ. 178 Venedey, J. 170 Verheugen, G. 217 Vesper, M. 110

Vogel, H.-J. 250 Vogt, A. 309, 321, 342 Vogt, K. 167 f. Voigts, W. 143 Voll, O. J. 117,120,202,290 Walter, M. 260 Walz, E. 172 Weber, H. 34, 127 f., 188, 208, 210 f., 244 f., 248 f., 253, 258, 290 Weber, W. 286 f. Weiß, H.-D. 298-300, 304 f., 316, 319, 330,331 Wendt, R. 237 f., 258,323 Werner, H. 266 Wessel, H. 131, 214 Wichmann, W. 165 Wiedow, A. 293 Wigard, F. J. 166,168 Wild, W. 106 f. Wilms, D. 250 Winkel, B. 48 Winkelmann, M. 150,155 Winter, J. 34 Winterhoff, K. 250 Wittenberg, A. 97 Wolf, R. 206 Wolff, E. 131 Wolgast, E. 130 Würtenberger, Th. 217,219 Zieger, G. 179 Ziegler, M. 33 Ziekow, J. 286 Zimmermann-Stock, H. 343 Zinn, G. A. 126,153,184,187 Zippelius, R. 193,195 Zuleeg, M. 215 f., 234

Sachregister Amtsverschwiegenheit 329, 352 Anstaltsseelsorge - DDR 48, 156 - Gefängnisseelsorge 122, 139141, 192, 266 - Geschichte 116, 122, 131, 139143, 192 - Krankenhausseelsorge 116 - landes(verfassungs)rechtliche Ausgestaltung 149-158 - Reichskonkordat 125 Auslandseinsätze der Bundeswehr - Begleitung durch Militärgeistliche 77, 267 f., 325 Baden - Anstaltsseelsorge 151 - Präambel 218 - Staatskirchenverbot 183 f. Baden-Württemberg - Anstaltsseelsorge 155 - Präambel 218 Bayern - Anstaltsseelsorge 152 f. - Staatskirchenverbot 183 f. Beamtenstatus der Militärgeistlichen - Dienstaufsicht 65 - Dienstpflichten: siehe dort - Entlassung 75, 334 f. - Ernennung 65, 296 - innerkirchliche Kritik am B. 32 - verfassungsrechtliche Kritik am

B. 110

- Verletzung von Dienstpflichten: siehe dort - Versetzung 65, 336 f. - Versorgung 292 Beauftragte Pfarrer 55, 87 Beichtgeheimnis 329, 352 Beirat für die evangelische Militärseelsorge 85 Berlin - Militärseelsorge 87 f., 101 f. Berufsethischer Unterricht - beim Bundesgrenzschutz 266 f. Bezugnahme auf Gott siehe Präambel Brandenburg - Anstaltsseelsorge 156 f. - Staatskirchen verbot 185 Bremen - Anstaltsseelsorge 153 - Trennung von Staat und Kirche 186 f. Bremer Klausel 34,222 Bundesgrenzschutzseelsorge 266 Bundesminister der Verteidigung - Mitwirkung bei Themenfestlegung für den Lebenskundlichen Unterricht 95, 97 - Zuständigkeiten im Bereich der Militärseelsorge 65 f. - Zuständigkeiten im Disziplinarverfahren gegen Militärgeistliche 336 f. Bundeswehrauftrag

394

- Respektierung durch geisüiche 307, 309-312

Sachregister

Militär-

CDU/CSU - Militär- und Anstaltsseelsorge 155 - Staatskirchenrecht 250 DDP - Militär- und Anstaltsseelsorge 132 f., 137-139 - Staatskirchenrecht 174 - Staatskirchenverbot 176 Deutsche Bischofskonferenz 30 Deutsche Demokratische Republik - Anstaltsseelsorge 48,156 - Militärseelsorge 48 f., 52 Dienstaufsicht über Militärgeistliche - kirchliche D. 62, 68, 73, 76 - staatliche D. 65, 68, 73, 76 Dienstenthebung von Militärgeistlichen 337 Dienstpflichten der Militärgeistlichen - achtungswürdiges Verhalten 333 - allgemeine Treuepflicht 293-298 - Amtsverschwiegenheit 329 f. - Gehorsamspflicht 320-328 - kirchenrechüiche D. 301, 329, 352 - Leistung des Diensteides 333 - Neutralität 332 - politische Mäßigung 298-319 - Uneigennützigkeit 332 - Verfassungstreue 293-298 - Verletzung von D.: siehe dort - volle Hingabe 332 Dienststelle Blank 30 f., 89 Disziplinarmaßnahmen siehe Verletzung von Dienstpflichten

DNVP - Militär- und Anstaltsseelsorge 132,136 - Staatskirchenrecht 175 DP - Staatskirchenrecht 124 f., 127, 179 DVP - Militär- und Anstaltsseelsorge 132 f., 136 - Staatskirchenrecht 175 Eid - Amtseid des Bundespräsidenten 220 - Diensteid der Militärgeistlichen 333 - religiöse Eidesbeteuerung 207 - Treueid der Bischöfe 295 Einigungsvertrag - E. und Militärseelsorgevertrag 50 - E. und Reichskonkordat 56 f. Einsatzfähigkeit der Bundeswehr - Gefährdung durch politische Betätigung von Militärgeistlichen 310 f., 318 Entlassung von Militärgeistlichen - im Wege des Disziplinarrechts 334 f. Evangelische Arbeitsgemeinschaft für Soldatenbetreuung 86 f. Evangelische Kirche in Deutschland (EKD) - Absonderung der östlichen Gliedkirchen zur BEK 33, 54 - Diskussion um Militärseelsorge 31-36,71,358 - kirchliche Wiedervereinigung 50 Evangelisches Kirchenamt für die Bundeswehr - Aufgaben 68-70, 75 - kirchliche Anbindung 70

Sachregister

- Rechtsstatus 66 - Reform Vorschläge 71 Exemte Militärseelsorge 64, 80, 82 Exerzitien und Rüstzeiten 69, 118 f. Fahnenflucht - Aufforderung zur F. 307 FDP - Staatskirchenrecht 125-127, 180, 249 Feldpropst 59, 283, 342 Finanzierung der Militärseelsorge - kirchliche F. 105-107 - staatliche F. 104 f. - Umfang 104 - Verfassungsmäßigkeit 111, 269 f., 285 Flucht in die Öffentlichkeit - Verbot der F. 329-331 Frage nach der konfessionellen Zugehörigkeit - Vereinbarkeit mit negativer Religionsfreiheit 199-202 Freiheitlich-demokratische Grundordnung 94, 293, 297, 308, 318 Freundschaftsklausel 338 f. Friedensdiskussion 32 Gefängnisseelsorge siehe Anstaltsseelsorge Gehorsamspflicht der Militärgeistlichen - Allgemeines 320 - G. bei seelsorgerischer Tätigkeit 321 - G. gegenüber militärischen Anordnungen 325-328 - G. im Lebenskundlichen Unterricht 322 Geheimhaltung - Sicherheits- und G.sinteressen der Bundeswehr 350-354

Gemeinsame Verfassungskommission 217 f. Genfer Abkommen siehe Völkerrecht Gesellschaft - Verhältnis von Staat und G. 226 Gesetz über die Militärseelsorge 40, 49, 292 Gipfelkreuz 251 Gleichbehandlung - G. von evangelischer und katholischer Militärseelsorge 354 - Parität: siehe dort Gottesdienst siehe Militärgottesdienst Grundrechte - Beschränkung der G. der Militärgeistlichen 297, 310, 313 f., 318 - Kollision von G. 198 f., 202 Grüne - Staatskirchenrecht 249 f. Gruppengespräche siehe Lebenskundlicher Unterricht

Hamburg - Anstaltsseelsorge 158 Heerwesenunterricht 90 Herrenchiemseer Verfassungsentwurf 124 Hessen - Abgrenzung des staatlichen vom kirchlichen Bereich 186 f. - Anstaltsseelsorge 153 - Staatskirchenverbot 183 f. Indoktrinationsverbot 308 Innere Führung - und Lebenskundlicher Unterricht 93 f. - und Militärseelsorge 95

396

Sachregister

Invocatio dei siehe Präambel Iura circa sacra 128,163,171 Iura in sacra 163,171 Jurisdiktion 62,64 f. Kasernenstunde 90 Katholische Arbeitsgemeinschaft für Soldatenbetreuung 86 f. Katholisches Miliärbischofsamt - Aufgaben 68 f. - kirchliche Anbindung 71 f. - Rechtsstatus 66 Katholische Soldatenseelsorge - Anstalt des öffentlichen Rechts 85 f., 110 Kirchenrecht und Militärseelsorge - Beichtgeheimnis 329,352 - evangelische Kirche 42,53 f., 59 - katholische Kirche 45 f. - Pflicht zu politischer Mäßigung 301 Kirchensteuer - Kirchensteuerpflicht der Soldaten 105 f., 201,268 - verfassungsrechtliche Verankerung der K. 146, 221,231,286 Kniebeugungsstreit 122, 142 Kombattant siehe Völkerrecht Konfessionsgebundenes Staatsamt - Verfassungsmäßigkeit 288 f. Konflikte zwischen Staat und Kirche im Bereich der Militärseelsorge - Einzelfälle 296, 303 ff., 318, 331,342 - Konfliktlösungsmechanismen 337-343 Konkordat - Grundsatz der beweglichen Ver-

tragsgrenzen 56 - Rechtsnatur 56 - Reichskonkordat: siehe dort Kooperation von Staat und Kirche - als Vorgabe des grundgesetzlichen Staatskirchenrechts 221, 224,252 - im Bereich der Militärseelsorge 39, 58, 342 - im Lebenskundlichen Unterricht 100 Koordinationslehre 210,245 f. Kosten der Militärseelsorge siehe Finanzierung der Militärseelsorge KPD - Staatskirchenrecht 126,179 Kriegsdienstverweigerung - Aufforderung zur K. durch Militärgeistliche 313 f. - Betreuung von kriegsdienstverweigernden Bundeswehrangehörigen durch Militärgeistliche 319 Kriegsvölkerrecht siehe Völkerrecht Kulturkampf 342 Kunstfreiheit - K. und staatliche Kunstförderung 237 f. Labor Service Groups 90 Landesherrliches Kirchenregiment 163, 184,189 Lebenskundlicher Unterricht - Aufsicht 95 - Dienstpflichten des Militärgeistlichen im L. 304-315 - Erforderlichkeit 270-272 - Freiraum 96 f., 99 - Gestaltung 95 - Gruppengespräche 101 f., 205 - Konzeption 89

Sachregister

- Kritik 102 f. - L. und individuelle Religionsfreiheit 202-206 - Legitmität 260-262 - staatliche Vorgaben 91-96 - Ziele 92,99 f. Mecklenburg-Vorpommern - Anstaltsseelsorge 157 - Staatskirchenverbot 195 Milieuverhaftung der Militärgeistlichen 32 Militärbischof - Abberufung 61 f. - Aufgaben 62 f. - Beteiligung bei Versetzung und Sanktionierung von Militärgeistlichen 342 - Ernennung 61 - kirchliche Anbindung 63 f. - Politische Klauseln 61,275-283 - Rechtsstatus 59 f. Militärgeisüiche - Abberufung 75, 334 f. - Aufgaben 76 f. - Auswahl 340 - Beamtenstatus: siehe dort - beauftragte Pfarrer 87 - Dienstpflichten: siehe Beamtenstatus - Ernennung 74 - kirchliche Anbindung 78 - nebenamüiche M. 72 - Rechtsstatus 72 - Sanktionierung von Pflichtverletzungen: siehe Verletzung von Dienstpflichten - Versetzung 65, 336 f. - Versorgung 292 - völkerrechüicher Schutz 345-349 Militärgeneraldekan 67-72 Militärgeneralvikar 67-72

Militärgottesdienst - M. und feierliches Gelöbnis 77 - M. und negative Religionsfreiheit der Soldaten 194-198 - politische Betätigung im M. 316318 Militärkirchengemeinde 82 Militärkirchliche Dienstordnung 105, 139 f. Militärseelsorge - Finanzierung: siehe dort - innerkirchliche Kritik an der M. 31-33 - M. ausländischer Streitkräfte 73 - M. im Kaiserreich 139 f. - M. in den neuen Bundesländern und Berlin 49-56, 87 f. - M. in der Bundeswehr 39-46, 5788 - M. in der DDR 48 - M. in der Mitte des 19. Jahrhunderts 122,142 f. - M. in der Weimarer Republik 140 - M. und individuelle Religionsfreiheit 192-198 - parteipolitische Einstellungen zur M.: siehe einzelne Parteien - staatliche Interessen 259-262 - Verfassungskonformität 108-290 - verfassungsrechüiche Kritik an derM. 108-115 Militärseelsorgevertrag - Änderungsverhandlungen 34-36, 358 - Geltungsbereich 50-54 - Kritik: siehe Militärseelsorge - Politische Klausel 276 f. - Rechtsnatur 50 - Vertragsverhandlungen 30 f., 91 - Verweisung auf das Bundesbeamtenrecht 292

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Mission - durch Militärgeistliche 315 f. - im Lebenskundlichen Unterricht 98 Mormonen - M. und Militärseelsorge 209 Nebenamt - Militärbischof im N. 59 f. - Militärgeistliche im N. 72, 346 Neutralität - neutraler völkerrechtlicher Status des Militärgeistlichen 344 - N. des Staates im Bereich der Kunst 238 - N. des Staates im Bereich der Presse 237 - N. des Staates im religiös-weltanschaulichen Bereich 253 - Pflicht des Militärgeistlichen zu parteipolitischer N. 315, 332 Nichtidentifikation des Staates - im Bereich der Kunst 238 - im religiös-weltanschaulichen Bereich 253 Nichtkombattant siehe Völkerrecht Nordrhein-Westfalen - Anstaltsseelsorge 154 f. - Staatskirchenverbot 184 Niedersachen - Anstaltsseelsorge 159 - Präambel 217 Oldenburg - Staatskirchenverbot im Ghz. O. 171 f. Pädagogische Freiheit - P. im Lebenskundlichen Unterricht 322-324 Päpstliche Statuten 45 f., 59

Parität - gestufte P. 229 f. - nivellierende P. 229, 236 - P. und allgemeiner Gleichheitsgrundsatz 208 - schematische P. 229 Parlamentarischer Rat - Kirchenfreundlichkeit 179 - P. und Anstaltsseelsorge 124-131 - P. und Staatskirchenrecht 179 f. Parteien - Haltung zum Staatskirchenrecht: siehe einzelne Parteien - Haltung zur Militär- und Anstaltsseelsorge: siehe einzelne Parteien - Parteienförderung 235 f. Pastoralreferent 84,352 f. Paulskirche - Militär- und Anstaltsseelsorge 142 f. - Staatskirchenverbot 165-169 PDS - Staatskirchenrecht 250 Personaler Seelsorgebereich 80-81 Pfarrhelfer 83 Politische Betätigung von Militär geistlichen - Begriff 298 - Indoktrinationsverbot 308 - kirchenrechtliche Mäßigungspflichten 301, 352 - P. außer Dienst 319 f. - P. im Lebenskundlichen Unterricht 304-315 - P. im Militärgottesdienst 316-318 - Religiöse Motivierung 312-315, 318 Politische Betätigung von Soldaten 301-303 Politische Klausel - im Militärseelsorgevertrag 276

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- im Reichskonkordat 275 - Verfassungskonformität 278-284 Polizeiseelsorge 266 Präambel - im Grundgesetz 215-219 - in Landesverfassungen 217 f. Pressesubventionen 237 Preußische Verfassungs-Urkunde - Abschaffung der Staatskirche 171 - Ernennung der Militärgeistlichen 283 - Religionsfreiheit 213 - Staatliche Mitwirkung bei Besetzung kirchlicher Ämter 280 - Staatsreligion 190 Ratifizierung des Militärseelsorgevertrages 42 f., 52 f. Rechtsgrundlagen der Militärseelsorge - alte Bundesländer ohne Berlin 40-47 - neue Bundesländer und Berlin 47-57 Rechtsverwahrung 51-53 Religionsfreiheit - historische Verletzungen der R. im Bereich der Anstalts- und Militärseelsorge 122, 192 - kollektive R. 222 - Kompensation faktischer Verkürzungen der R. 258 f. - negative R. 193, 195-199,222 - objektiv-rechüiche Vorgaben der R. 209-274, insb. 251-254 - positive R. 193, 198 - R. der Militärgeistlichen 207 - R. der Religionsgemeinschaften 207-209 - R. der Soldaten 192-207 Religionsgemeinschaften

- kollektive Religionsfreiheit: siehe dort - Selbstbestimmungsrecht 282 f. - sonstige R. und Militärseelsorge 46 f., 228 - Wettbewerb der R. 228-230 Religionsunterricht 113, 145 f., 221, 285 Reichsdeputationshauptschluß 286 Reichskonkordat 44, 55-57, 125, 274-276 Rheinland-Pfalz - Anstaltsseelsorge 151, 153 - Präambel 218 Rotkreuzabkommen siehe Völkerrecht Rücksichtnahme - Absicherung des Gebotes der R. 341-343 - Herleitung des Gebotes der R. 338 - R. zwischen Staat und Kirche im Bereich der Militärseelsorge 284, 339-341

Saarland - Anstaltsseelsorge 152 f. Sachsen - Anstaltsseelsorge 157 - Trennung von Staat und Kirche 187 f. Sachsen-Anhalt - Anstaltsseelsorge 157 - Präambel 217 - Trennung von Staat und Kirche 187 f. Säkularisation - Staatsleistungen als Ausgleich für S.opfer 286 Schleswig-Holstein - Anstaltsseelsorge 158

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Schulgebet 196-198 Schweigerecht, religiöses 195,205 Seelsorgebezirk 82 Sicherheitsinteressen der Bundeswehr 310, 350-354 Soldatengemeinde 79-83 Soldatengesetz 41,45,49 Soldatenheim 86 f., 111 Sonderhaushalt Evangelische Militärseelsorge 85 Sonn- und Feiertagsschutz 220 SPD - Militär- und Anstaltsseelsorge 132 f., 137-139, 155 - Staatskirchenrecht 125-127, 173 f., 180 - Staatskirchenverbot 176 Staatsaufsicht 127 f., 181, 189, 277 Staatsfreiheit - S. als Bedingung der Religionsfreiheit? 225-227 - S. der Parteien 235 f. Staatskirche - Abschaffung der S. 172, 177, 180 f. - Begriff 161-164 - Staatskirchenverbot: siehe dort Staatskirchenhoheit 163, 171, 181, 189 Staatskirchenverbot - Anknüpfungspunkt für Postulat der Trennung von Staat und Kirche 109,160 - im Großherzogtum Oldenburg 171 - im Grundgesetz 223, 253-256 - in den Landesverfassungen 183186 - in der Paulskirchenverfassung 165-173 - in der preußischen VerfassungsUrkunde 171

- in der Weimarer Reichsverfassung 173-179 - parteipolitische Einstellungen zum S.: siehe einzelne Parteien Staatsleistungen - Ablösung 223 f., 286 - Begriff 286 - S. und Wettbewerb der Religionsgemeinschaften 231 Störungsabwehrrechte der Bundeswehr 326 Strafrecht - strafrechtliche Sanktionierung der Verletzung von Dienstpflichten 334 Subsidiaritätsprinzip 242 Thüringen - Anstaltsseelsorge 156 f. - Präambel 217 - Staatskirchenverbot 185 Trennung von Staat und Kirche - landesverfassungsrechtliche Trennungsanordnungen 186-189 - parteipolitische Einstellungen zur T.: siehe einzelne Parteien - Religionsfreiheit und die T. 225227 - Staatskirchenverbot und die T. 164, 181, 189 Übergangsregelung - Ü. für die ev. Militärseelsorge in den neuen Bundesländern 55 USPD - Militär- und Anstaltsseelsorge 132,137 - Staatskirchenrecht 174 - Staatskirchenverbot 175 f. Verbot institutioneller Verbindungen zwischen Staat und Kirche

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109 f., 160, 164, 178, 189, 254256 Verfassungstreue - als Einstellungsvoraussetzung für Militärgeistliche 296 Verfassungswandel - V. im Staatskirchenrecht 246 f., 250 - Voraussetzungen 248 f. Verhältnis von Staat und Kirche - grundgesetzliche Vorgaben 211253 - Neutralität und Nichtidentifikation: siehe dort - parteipolitische Einstellungen zum V.: siehe einzelne Parteien - Trennung von Staat und Kirche: siehe dort - Verfassungswandel: siehe dort - Zurückhaltung bei staatlichen Ingerenzen in religiös-weltanschaulichen Bereich 228-244 Verhältnismäßigkeitsgrundsatz - Angemessenheit der Militärseelsorge 272 f. - Anwendbarkeit im Eingriffsvorfeld 239-244 - Begriff 257 - Erforderlichkeit der Militärseelsorge 263-269 - Geeignetheit der Militärseelsorge 262 f. - Kontrollumfang 243, 263 f. - Legitimität der Militärseelsorge 257-262 - V. und Pflicht zur Zurückhaltung im religiösen Bereich 231, 240244,256-273 Verletzung von Dienstpflichten - beamtenrechtliche Sanktionen 334-337 - kirchenrechtliche Sanktionen 335 26 Ennuschat

- strafrechtliche Sanktionen 334 Versetzung von Militärgeistlichen - als Sanktionsmöglichkeit 336 Vetorecht siehe politische Klausel Volenti non fit iniuria 279 Völkerrechüicher Schutz der Militärgeistlichen - Genfer Rotkreuzabkommen 344350 - Geschichte 344 - Kombattanten und Nichtkombattanten 348 f. - Persönlicher Schutzumfang 346350 - Sachlicher Schutzumfang 345 f. - V. von nebenamtlichen Militärgeistlichen 346 - Zusatzprotokolle 344-350 Vormärz - vormärzliches Staatskirchentum 165 Wehrbereichsdekan 76, 88 Weimarer Nationalversammlung - W. und Militärseelsorge 132-141 - W. und staatliche Mitwirkung bei Besetzung kirchlicher Ämter 280 f. - W. und Staatskirchenverbot 173178 Wirtschaftsverfassungsrecht - Erwerbswirtschaftliche Betätigung des Staates 233-235 - Marktwirtschaft 232 - Subventionierung 233 - Wirtschaftslenkung 233 Württemberg-Baden - Anstaltsseelsorge 151 Zapfenstreich 206 f. Zentrale Dienstvorschriften 41 f.,

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45, 55, 62, 204 f. Zentrum - Militär- und Anstaltsseelsorge 132 f., 136, 138 - Staatskirchenrecht 124 f., 127, 175, 179 - Staatskirchenverbot 177 Zivildienstleistendenseelsorge 265267 Zivilgeistliche - beauftragte Geistliche 55, 87 - Militärpfarrer im Nebenamt 72 Zuordnung zur Zusammenarbeit 73 f., 325-328 Zurückhaltung

- Pflicht des Militärgeistlichen zur Z. bei politischer Betätigung 300, 303-319 - Pflicht des Staates zur Z. bei Ingerenzen in den religiös-weltanschaulichen Bereich 228-231, 244, 253 f., 256-273 - Pflicht des Staates zur Z. bei Sanktionierung von Militärgeistlichen 339 f. Zusatzprotokolle siehe Völkerrecht Zwangsverbot 122,139,194 f. Zwischenlösung 35, 358