Apophoreta. Festschrift für Ernst Haenchen zu seinem 70. Geburtstag am 10.12.1964

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Apophoreta. Festschrift für Ernst Haenchen zu seinem 70. Geburtstag am 10.12.1964

Table of contents :
Verzeichnis der Veröffentlichungen
Interpolation, Redaktion und Komposition in der Sicht der neutestamentlichen Textkritik
Stephen and the Son of Man
Critical and exegetical notes on three New Testament texts Hebrews xi. 11, Jude 5, James i. 27
Lobpreis, Bekenntnis und Opfer
Ist die Apokalyptik die Mutter der christlichen Theologie ? Eine Auseinandersetzung mit Ernst Käsemann
Der Erstgeborene Satans und der Vater des Teufels (Polyk. 71 und Joh 844)
Der Tod Jesu in der Verkündigung des Paulus
La parabole du semeur dans la version du Luc
Der Logos und sein Prophet, Fragen zur heutigen Erklärung des johanneischen Prologs
Abfassungszeit und Ziel des Galaterbriefes
Der gottesdienstliche Schrei nach der Freiheit
Christologie und Ethik im Kolosserbrief
Erwägungen zur neutestamentlichen Begründung der Taufe
Le sens du verbe πορθεῖν (Gal 113.23 Act 921)
Lukas und die Anfänge der Kindertaufe
Die Hodajot-Formel in Gebet und Hymnus des Frühchristentums
Die Apostelgeschichte des Lukas und die Acta Pauli
Evangelienzitate in Oxyrhynchus-Logien und im koptischen Thomas-Evangelium
Die „geöffneten Himmel“ in der Offenbarungsvision des Apokryphons des Johannes
Ἀνάπαυσις, zum gnostischen Hintergrund des Thomas-Evangeliums

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APOPHORETA F E S T S C H R I F T FÜR E R N S T H A E N C H E N ZU S E I N E M S I E B Z I G S T E N G E B U R T S T A G AM 10. D E Z E M B E R 1964

1964 VERLAG ALFRED TÖPELMANN · BERLIN

B E I H E F T ZUR Z E I T S C H R I F T FÜR D I E N E U T E S T A M E N T L I C H E WISSENSCHAFT U N D D I E K U N D E DER Ä L T E R E N KIRCHE H E R A U S G E G E B E N V O N WALTHER ELTESTER B E I H E F T 30

© 1964 by Alfred Töpelmann, Berlin 30, Geothiner Straße 13 Alle Rechte einschl. der Herstellung τοη Photokopien und Mikrofilmen, von der Verlagshandlung vorbehalten Printed in Germany Satz und Druck: Walter de Gruyter & Co., Berlin 30 Archiv-Nr. 3825643

Verehrter Herr Haenchen! Zu Ihrem siebzigsten Geburtstag am 10. Dezember 1964 versammeln wir uns, um Ihnen mit unsern herzlichen Wünschen für Ihre Gesundheit und für die Erhaltung Ihrer Schaffenskraft die nachstehenden „Apophoreta" zu überreichen. Wir vollziehen damit eine Rückerstattung, denn diese Mitbringsel nahmen wir mit von Ihrem Tisch, an dem Sie uns mit Ihrer gelehrten Arbeit bewirteten. Gerade die ganz ohne Planung sich einstellende gemeinsame Thematik unserer Beiträge kann als Beweis dafür gelten, daß wir Ihnen einen Dank für Empfangenes abstatten wollen. Denn es ist kein Zufall, daß es sich um Arbeiten über das Neue Testament, im weitesten Sinne, handelt. Vielmehr zeigt sich hier die natürliche Wirkung der ungemein fruchtbaren Tätigkeit, die Sie selbst auf diesen Gebieten in den letzten beiden Jahrzehnten entfaltet haben. So hoffen wir, daß Sie sich auf den folgenden Seiten hier und dort wiedererkennen, daß Sie bemerken, wie wir an Ihre Ergebnisse anknüpfen und Ihre Forschungen fortzuführen suchen. Wir hoffen aber vor allem, daß Sie den Geist der Verehrung und Freundschaft verspüren, den dieses Buch Ihnen auszudrücken bestimmt ist. Im Namen der Mitarbeiter die Herausgeber W. Eltester

F. H. Kettler

Tübingen

Münster

INHALTSVERZEICHNIS Sate

Verzeichnis der Veröffentlichungen von Ernst Haenchen zusammengestellt von Ute Eickelberg und Volkhart Lorentzen K U R T ALAND,

Glosse, Interpolation, Redaktion und Komposition in der Sicht der

neutestamentlichen Textkritik C.

KINGSLEY BARRETT,

Stephen and the Son of Man

Hebrews xi. 11, Jude 6, James i. 27 GÜNTHER BORNKAMM,

Lobpreis, Bekenntnis und Opfer

Ist die Apokalyptik die Mutter der christlichen Theologie ? Eine Auseinandersetzung mit Ernst Käsemann

R U D O L F BULTMANN,

und Joh 844) Der Tod Jesu in der Verkündigung des Paulus

La parabole du semeur dans la version du Luc

des johanneischen Prologs

64

85 97 109

Abfassungszeit und Ziel des Galaterbriefes

135

Der gottesdienstliche Schrei nach der Freiheit

142

WERNER FOERSTER,

MARXSEN,

46

Der Logos und sein Prophet, Fragen zur heutigen Erklärung

WALTHER ELTESTER,

E R N S T KÄSEMANN,

39

70

GERHARD D E L L I N G ,

EDUARD LOHSE,

32

Der Erstgeborene Satans und der Vater des Teufels (Polyk. 7l

N I L S A L S T R U P DAHL,

J A Q U E S DUPONT,

7

Critical and exegetical notes on three New Testament texts

MATTHEW BLACK,

WILLI

1

Christologie und Ethik im Kolosserbrief

157

Erwägungen zur neutestamentlichen Begründung der Taufe 169

P H I L I P P E H . MENOUD, W I L H E L M MICHAELIS, J A M E S Μ . ROBINSON,

Le sens du verbe ττορθεΐν (Gal 1 ΐ 8 . 3 8 Act 9ai)

Lukas und die Anfänge der Kindertaufe Die Hodajot-Formel in Gebet und Hymnus des Frühchristen-

tums W I L H E L M SCHNEEMELCHER,

178 187

194 Die Apostelgeschichte des Lukas und die Acta Pauli 236

Evangelienzitate in Oxyrhynchus-Logien und im koptischen Thomas-Evangelium 261

WOLFGANG SCHRÄGE,

Die „geöffneten Himmel" in der Offenbarungsvision des Apokryphons des Johannes 269

W I L L E M CORNELIS VAN U N N I K ,

PHILIPP VIELHAUER,

Evangeliums

Ανάπαυση, zum gnostischen Hintergrund des Thomas281

Der Mitherausgeber dieser Festschrift Herr Prof. Dr. FRANZ H E I N R I C H K E T T L E R erkrankte kurz vor Vollendung seines Beitrages „Zur theologischen Arbeitsweise des Origenes" schwer. Der Aufsatz muß daher leider an anderer Stelle erscheinen.

VERZEICHNIS DER VERÖFFENTLICHUNGEN VON ERNST HAENCHEN Zusammengestellt von U t e E i c k e l b e r g und V o l k h a r t L o r e n t z e n

1921 1 Den heiige Thomas (Legende), Församlingsbladet Arg 18, Evangeliskt Veckoblad Arg 60, Nr. 21 (26. 5.) S. 5—6. 1926 2 Die Aufstellungen und Verhandlungen über den Urfall seit Julius Müller sind darzustellen und zu beurteilen, Inauguraldissertation zur Erlangung der Doktorwürde der Ev.-theol. Fakultät der Universität Tübingen. Dipl. 16. 1. 26; Coli. 15. 1. 26. (Maschinenschrift) 200 S. 1927 Β Die Waage der Gerechtigkeit (Legende), Die Zeitwende 3, 2, S. 343 bis 346. 1928 4 Der verlorene Sohn (Legende), Die Zeitwende 4, 2, S. 109—112. 5 Und vergib uns unsere Schuld! (Legende), DieZeitwende 4, 2, S. 397 bis 401. 6 Zeit und Ewigkeit. Zu dem gleichnamigen Buch von H. W. Schmidt, Die Furche 14, 2, S. 97—102. 1931 7 Rezension: Hocedez, E.: Aegidii Romani theoremata de esse et essentia 1930, ThLZ 56, Sp. 422—423. 1932 8 Die Frage nach der Gewißheit beim jungen Augustin, Stuttgart: Kohlhammer, 101 S. (Tübinger Studien zur systematischen Theologie, 1). 9 Deutscher Gottglaube oder Christusglaube? AELKZ 65, Sp. 218—224 u. 242—244. 10 Christusglaube oder Deutscher Gottglaube ?, 2. umgearb. u. verm. Aufl. [von Nr. 9] Tübingen: Oslander, 20 S. 11 Rezension: Schütz, P.: Säkulare Religion 1932, Missions-Bücherwart 8, S. 47. 12 Rezension: Köberle, Α.: Die Seele des Christentums 1932, MissionsBücherwart 8, S. 47. 13 Rezension: Eberhard, O.: Evangelischer Religionsunterricht an der Zeitwende 1932, Missions-Bücherwart 8, S. 54. Festschrift Haenchea 1

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Ε. H a e n c h e n

1933 14 Volk und Staat in der Lehre der Kirche, in: Volk, Staat, Kirche. Gießen: Töpelmann, S. 53—72. 15 Rezension: Holsten, W.: Christentum und nichtchristliche Religion nach der Auffassung Luthers 1932, Missions-Bücherwart 9, S. 39. 1934 16 Rechenschaft, Glaube und Volk 3, S. 20—25. 17 Götter der Heiden, Glaube und Volk 3, S. 141—153. 18 Vom deutschen Glauben, Württembergische Hochschul-Zeitung Nr. 53 (1. 3.), S. 2. 19 Anselm und Barth, Zur Frage der Apologetik, in: Wort und Geist, Festgabe für K. Heim zum 60. Geburtstag, S. 181—205. 20 Die völkische Aufgabe des Theologen, in: Deutsche Theologie [ = DTh] 1, S. 167—175. 21 Glaubensersatz?, DTh 1, S. 250—263. 22 Die Weihnachtsbotschaft, Gießener Anzeiger Jg. 184, Nr. 300 (24. 12.), S. 1—2. 23 Rezension: Althaus, P.: Die letzten Dinge 1933, Missions-Bücherwart 10, S. 29. 24 Rezension: Preisker, H.: Das Telos-Ethos des Urchristentums 1933, Missions-Bücherwart 10, S. 29. 1935 25 Das Schicksal und der Gott, DTh 2, S. 131—140. 26 27 28 29 30

1936 Das neue Bild Kierkegaards I, DTh 3, S. 273—287. Das neue Kierkegaardbild II, Der Denker, DTh 3, S. 298—329. Das neue Kierkegaardbild III, DTh 3, S. 376—394. Kampf um Kierkegaard, Deutsches Volkstum 2. Halbjahr, S. 670—678. Rezension: Hübner, Α.: Herman Wirth und die Ura-Linda-Chronik 1934, Literaturblatt für germ. u. röm. Philologie 57, Sp. 228.

1937 31 Schwedische Hirtenbriefe, DTh 4, S. 265—300. 32 Zur Auslegung des Alten Testaments, DTh 4, S. 345—390. 33 Apostolikumstreit, in: Calwer Kirchenlexikon Bd. 1, Sp. 94. 1940 34 Die Macht des Evangeliums und das Evangelium der Macht, Die Wartburg 39, S. 174—179. 35 Rezension: Lindström, M.: Philipp Nicolais kristendomstolkning (1937), ThLZ 65, Sp. 155—157. 36 Rezension: Lindström, M.: Philipp Nicolais Verständnis des Christentums 1939, ThLZ 65, Sp. 157—158. 1941 37 Gottes Wort deutsch, DTh 8, S. 120—131.

3

Veröffentlichungen

38 Rezension: Althaus, P. u. Knolle, Th.: Luther und das Probetestament von 1938, 1940; Kittel, G.: Dichter, Bibel und Bibelrevision (o. J.); Strathmann, H.: Probe des Probetestaments, Kritik und Dank 1940, in: Theol. Literaturblatt [ = ThLBl] 62, Sp. 28—32. 39 Rezension: Mückshoff, M.: Die quaestiones de fide des Bartholomäus von Bologna OFM. 1940, ThLBl 62, Sp. 77—78. 40 Rezension: Borchert, E.: Der Einfluß des Nominalismus auf die Christologie der Spätscholastik 1940, ThLBl 62, Sp. 83—84. 41 Rezension: Holmquist, H. u. Norregaard, J . : Kristendommens Historie i Romantikens, Liberalismens och Realismens Tidsalder 1939, ThLZ 66, Sp. 52—54. 42 Rezension: Pleijel, H.: Hermann Schröders levernesbeskrivning 1940, ThLZ 66, Sp. 273. 43 Rezension: Holmquist, H.: Kirkehistorie I I I 1940, ThLZ 66, Sp. 273 bis 274. 44 45 46 47 48 49 50 51 52 53 54

1942 Frühgeschichte des Evangeliums, ThLZ 67, Sp. 129—136. Ein Augenzeugenbericht vom Leben Jesu? (Zur Auseinandersetzung mit dem 1. Band von E. Hirschs »Frühgeschichte des Evangeliums«), DTh 9, S. 105—118. Rezension: Scholastik, Viertel]ahrsschrift für Theologie und Philosophie Jg. 14, H. 4 1939, ThLBl 63, Sp. 55—56. Rezension: Scholastik, Vierteljahrsschrift für Theologie und Philosophie Jg. 15, H. 1—4 1940/41, ThLBl 63, Sp. 145—151. Rezension: Bendfeld, B.: Grundlegung und Beweisführung der Unsterblichkeitslehre der beginnenden Hochscholastik 1940, ThLBl 63, Sp. 159—160. Rezension: Straßer, E.: Alfonsus Tostatus und seine Gnadenlehre im Kommentar zu dem 19. Kapitel des Matthäusevangeliums 1941, ThLBl 63, Sp. 164. Rezension: Decker, B . : Die Entwicklung der Lehre von der prophetischen Offenbarung von Wilhelm von Auxerre bis zu Thomas von Aquin 1940, ThLBl 63, Sp. 180—181. Rezension: Brun, L.: Jakobs Brev 1941, ThLZ 67, Sp. 315—316. Rezension: Fridrichsen, Α.: Krig och fred i Nya Testamentet 1940, ThLZ 67, Sp. 316. Rezension: Kamiah, W.: Christentum und Selbstbehauptung 1940, Deutsche Literaturzeitung 63, Sp. 103—104. Rezension: Sandblad, H.: De eskatologiska föreställningarna i Sverige under Reformation och Motreformation 1942, Archiv für Reformationsgeschichte [ = ARG] 39, S. 279—281.

1943 55 Rezension: Cnattingius, H.: Uppsala möte 1593, konturer av en kyrkokris 1943, ARG 40, S. 284—285. 56 Rezension: Schmücker, R.: Propositio per se nota, Gottesbeweis und ihr Verhältnis nach Petrus Aureoli 1941, ThLBl 64, Sp. 23. 1*

4

E. H a e n c h e n

57 Rezension: Pleijel, Η.: Vir kyrkas bekännelse 1941, ThLZ 68, Sp. 19 bis 20. 58 Rezension: Pleijel, H.: Bibeln i svenskt fromhetsliv 1941, ThLZ 68, Sp. 295—296. 59 Rezension: Petersson, F.: Olaus Svebilius intill ärkebiskopstiden 1940, ThLZ 68, Sp. 296. 1944 60 Rezension: Junglas, J . P.: Die Lehre der Kirche 1940, ThLZ 69, Sp. 35—36. 61 Rezension: Festskrift utgiven av teologiska fakulteten i Uppsala 1941, ThLZ 69, Sp. 82—83. 62 Rezension: Schmidt, W.: Finlands kyrka genom tiderna 1940, ThLZ 69, Sp. 83—84. 63 Rezension: L0gstrup, Κ. E.: Den erkendelsesteoretiske Konflikt mellem den transcendental-filosofiske Idealisme og Teologien 1942, ThLZ 69, Sp. 91. 1948 64 Rezension: Strömberg, B.: Magister Mathias och fransk Mendikantpredikan 1944, ARG 41, S. 190—191. 65 Rezension: Lundin, H.: Joannes Baazius' kyrkliga reformprogramm 1944, ARG 41, S. 191—192. 1951 66 Matthäus 23, ZThK 48, S. 38—63. 67 Anselm, Glaube und Vernunft, ZThK 48, S. 312—342. 1952 68 Gab es eine vorchristliche Gnosis?, ZThK 49, S. 316—349. 1953 69 Das Buch Baruch, ein Beitrag zum Problem der christlichen Gnosis, ZThK 50, S. 123—158. 1954 70 Schriftzitate und Textüberlieferung in der Apostelgeschichte, ZThK 51, S. 153—167. 1955 71 Aus der Literatur zum Johannesevangelium 1929—1956, ThR NF 23, S. 295—335. 72 Tradition und Komposition in der Apostelgeschichte, ZThK 52, S. 205 bis 225. 73 Rezension: Conzelmann, H.: Die Mitte der Zeit 1954, ZKG 66, S. 157 bis 160. 1956 74 Die Apostelgeschichte, 10. Aufl. Göttingen: Vandenhoeck & Ruprecht, 12*, 665 S. (Krit.-exeget. Kommentar über das NT. Abt. 3.) 75 Apostolikumstreit, in: EKL Bd 1, Sp. 186—187. 76 Aufbau und Theologie des »Poimandres«, ZThK 53, S. 149—191.

Veröffentlichungen

5

1957 77 Die Apostelgeschichte, 11 Aufl. Göttingen: Vandenhoeck & Ruprecht, 12*. 665 S. (Krit.-exeget. Kommentar über das NT. Abt. 3.) [vgl. Nr. 741. 78 Apollos, in: RGG 3. Aufl. Bd 1, Sp. 476. 79 Apostelgeschichte, in: RGG 3. Aufl. Bd 1, Sp. 501—507. 80 Barnabas, in: RGG 3. Aufl. Bd 1, Sp. 879—880. 81 Zum Text der Apostelgeschichte, ZThK 54, S. 22—55. 82 Rezension: Adler, N.: Taufe und Handauflegung 1951, ThLZ 82, Sp. 35—36. 83 Rezension: Easton, B. S.: Early Christianity 1955, ThLZ 82, Sp. 509—510. 84 Rezension: Trocme, E. : »Livre des Actes« et l'Histoire 1957, ThLZ 82, Sp. 914—916. 85 86 87 88

1958 Gnosis I I : Gnosis und NT, in: RGG 3. Aufl. Bd 2, Sp. 1652—1656. Rezension: Perk, P. L.: Die Apostelgeschichte (1954), ThLZ 83, Sp. 355. Rezension: Williams, C. S. C.: A Commentary on the Acts of the Apostles (1957), ThLZ 83, Sp. 841—842. Rezension: Reicke, B . : Glaube und Leben der Urgemeinde 1957, ZKG 69, S. 182.

1959 89 Die Apostelgeschichte, 12. neubearb. Aufl. Göttingen: Vandenhoeck & Ruprecht, 16*, 661S. (Krit.-exeget. Kommentar über das NT. Abt. 3.) [vgl. Nr. 74. 77]. 90 Johanneische Probleme, ZThK 56, S. 19—54. 91 92 93 94 95 96

1960 Quellenanalyse und Kompositionsanalyse in Act. 15, in: Judentum, Urchristentum, Kirche, Festschrift für J . Jeremias, S. 153—164. Jesus vor Pilatus (Joh. 18, 28—19,15), ThLZ 85, Sp. 93—102. Neuere Literatur zu den Johannesbriefen, ThR NF 26, S. 1—43 u. 267—291. Rezension: Conzelmann, H.: Die Mitte der Zeit, 3. Aufl. 1960, ZKG 71, S. 376—377. Rezension: Torrey, CC.: The Apocalypse of John 1958, Gnomon 32, S. 370-371. Rezension: Stauffer, Ε . : Jerusalem und Rom im Zeitalter Jesu (1957); Ders.: Jesus, Gestalt und Geschichte (1967); Ders.: Die Botschaft Jesu damals u. heute (1969), in: Gnomon 32, S. 552 —656.

1961 97 Die Apostelgeschichte, 13. durchges. u. erw. Aufl. Göttingen: Vandenhoeck & Ruprecht, 16*, 694 S. (Krit.-exeget. Kommentar über das NT. Abt. 3.) [vgl. Nr. 74. 77. 89]. 98 Die Botschaft des Thomas-Evangeliums, Berlin: Töpelmann, 76 S. 99 Petrus-Probleme, NTS 7, S. 187—197.

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Ε. H a e n c h e n

100 Literatur zum Thomasevangelium, ThR NF 27, S. 147—178 u. 306—338. 101 Das »Wir« in der Apostelgeschichte und das Itinerar, ZThK 58, S. 329 bis 366. 102 Rezension: Wiles, Μ. F.: The Spiritual Gospel 1960, ThLZ 86, Sp. 505—506. 103 Rezension: Guilding, Α.: The Fourth Gospel and Jewish Worship 1960, ThLZ 86, Sp. 670—672. 104 Rezension: New Testament Sidelights (Festschrift für A. C. Purdy) 1960, ThLZ 86, Sp. 746—748. 105 Rezension: Birdsall, J . N.: The Bodmer Papyrus of the Gospel of John (1960), ThLZ 86, Sp. 923. 1962 106 Spruch 68 des Thomasevangeliums, Le Museon 75, S. 19—29. 107 Statistische Erforschung des Neuen Testaments? ThLZ 87, Sp. 487 bis 498. 108 Rezension: Dupont, D. J . : Les sources du Livre des Actes (1960), ThLZ 87, Sp. 42—43. 109 Rezension: Beyer, H. W.: Die Apostelgeschichte (1959), ThLZ 87, Sp. 116—117. 110 Rezension: Schulz, S.: Komposition und Herkunft der Johanneischen Reden (1960), ThLZ 87, Sp. 209. 111 Rezension: Bieder, W.: Die Apostelgeschichte in der Historie (1960), ThLZ 87, Sp. 274. 112 Rezension: Origenes: Das Evangelium nach Johannes, übers, u. eingef. von R. Gögler (1959), ThLZ 87, Sp. 604f. 113 Rezension: Grundmann, W.: Zeugnis und Gestalt des Johannesevangeliums (1961), ThLZ 87, Sp. 929/ 114 115 116 117 118

1963 Hamanns Galgen und Christi Kreuz, in: Wahrheit und Glaube, Festschrift für E. Hirsch, S. 113—133. Judentum und Christentum in der Apostelgeschichte,' ZNW 54, S. 155 bis 187. »Der Vater, der mich gesandt hat«, NTS 9, S. 208—216. Probleme des johanneischen »Prologs«, ZThK 60, S. 305—334. Rezension: Müller, Th.: Das Heilsgeschehen im Johannesevangelium (o. J.), ThLZ 88, Sp. 116—118.

1964 119 Die Komposition von Markus 8, 27—9,1 und par., Novum Testamentum 6, 1963, S. 81 — 109, auch in: Χάρις καΐ Σοφία, Festschrift Karl Heinrich Rengstorf, Leiden 1964 [mit derselben Paginierung]. 120 Rezension: De resurrectione (Epistula ad Rheginum) (hrsg. von M. Malinine u. a.) 1963, Gnomon 36, S. 359—363. 121 Rezension: Vanhoye, Α.: La structure litteraire de l'fipitre aux H6breux 1963, Gnomon 36, S. 36—40. 122 Acta 27, in: Zeit und Geschichte, Dankesgabe an Rudolf Bultmann zum 80. Geburtstag, Tübingen 1964, S. 235—254.

GLOSSE, INTERPOLATION, REDAKTION UND KOMPOSITION IN DER SICHT DER NEUTESTAMENTLICHEN TEXTKRITIK Eine Randbemerkung von K u r t A l a n d (44 Münster i. W., Schützenstr. 6)

Daß es alle die in der Überschrift genannten Erscheinungen: Glosse, Interpolation usw. und noch anderes mehr im NT gibt, wird durch das Johannesevangelium bewiesen. Zwar bestehen lebhafte Kontroversen darüber, wo und wie sie anzusetzen sind, über ihre Existenz dagegen ist man sich grundsätzlich einig, und zwar bis weit in den »rechten Flügel« der neutestamentlichen Wissenschaft hinein. Hier wendet man zwar oft ein, daß die vom Verfasser des Johannesevangeliums benutzten schriftlichen Vorlagen von diesem so umgeschmolzen und mit dem von ihm Hinzugebrachten so zu einem neuen Ganzen zusammengearbeitet seien, daß Vorlage, Glosse, Interpolation, Redaktion usw. nicht mehr sicher voneinander unterschieden werden könnten. Aber die Existenz all der einzelnen Kompositionsbestandteile wird dadurch doch nicht grundsätzlich in Frage gestellt. Und selbst wo das geschieht, bleibt das Problem des Kapitels 21 bestehen, das im Normalfall als redaktioneller Zusatz angesehen wird: »So kann doch Joh 21 nicht als Werk des Verfassers von Joh 1—20 gelten«, es ist »als Nachtrag von anderer Hand angefügt worden«, erklärt selbst BEHM 1 , dem sich das Johannesevangelium als ein einheitliches Werk darstellt2, bei dem »keiner der sehr subjektiven und am Formalen haftenden Versuche, in dem überlieferten Bestände des Evangeliums Quellen oder Einschübe mannigfacher Art nachzuweisen« »der Prüfung auf historische Wahrscheinlichkeit, geschweige denn Stichhaltigkeit« standhält3. Wenn auf diese Weise die Möglichkeit der Existenz von redaktionellen Eingriffen in den Text von neutestamentlichen Schriften nahezu von allen Seiten zugestanden wird, so ist mit der Erledigung der Grundsatzfrage leider sehr viel weniger erreicht, als auf den ersten Blick scheint. Daß damit für den Einzelfall nichts präjudiziert ist und 1

2

FEINE-BEHM, Einleitung in das N T , 9. Aufl. S. 119. Mit Ausnahme der Perikope von der Ehebrecherin und »Einzelheiten in 5 3 b. 4 s vor καΐ δ ττατήρ αύτοϋ in 44e macht dagegen unzweideutig klar, daß hier von zwei Personen die Rede ist; Zeugen sind codd. ψ, 850 und 157, altlateinische, koptische, syro-palästinische und georgische Manuskripte; auch Evangelium des Philippus, Spr. 42, und Ps. Ignatius Philad. 6 i . 23 Als Philologe unübertroffen blieb Origenes, Johanneskommentar X X , 21—29, mit Zitaten aus Herakleon in 23, 198—201 und 28, 252—55. — Eine kurze Übersicht über die Auslegungsgeschichte gab ich in meinem Aufsatz »Manndraperen og hans far«, N T T 64, 1963, 129—62. Die Ergebnisse jenes Aufsatzes habe ich hier zusammengefaßt und ζ. T. weitergeführt oder stillschweigend korrigiert.

Der Erstgeborene Satans

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welcher nicht der Teufel, sondern Kain als der Vater der Juden bezeichnet wäre. In dem oben angeführten Text des Philippusevangeliums, Spr. 42, wird die Kain-Haggada mit Joh 8 44 kombiniert. Afrahat paraphrasiert: »Ihr seid Söhne Kains und nicht Abrahams Söhne« (Horn. 16 β, ed. Wright 331). »Er nennt Kain den Vater der Juden,« heißt es in der Corderius-Katene (MPG 85, 1453). Der Verfasser des Ambrosiaster gibt in seinem »Liber Quaestionum« eine exegetische Begründung: »Salvator hoc loco Cain diabolum appelauit, quia operum eius aemulus« (98 2, CSEL 50, 187). Auch Epiphanius und Cyrill von Alexandrien kennen diese Auslegungstradition und versuchen sie in verschiedener Weise mit dem überlieferten Text abzugleichen 24 . In neuerer Zeit hat zuerst WELLHAUSEN gesehen, daß in Joh 8 44 ursprünglich von Kain die Rede gewesen sein muß25. Er sah sich dabei zur Annahme einer tiefgreifenden Bearbeitung des Abschnittes genötigt, aber zu Unrecht26. Von v. 44b (έκεΐνος) an liest sich der Text ohne Schwierigkeit als eine Aussage von Kain — so wie er in jüdischer Haggada dargestellt wurde. Schon das Wort άνθρωττοκτόυος weist auf Kain, er ist der Mörder. Er ist aber zugleich Sophist und Erzketzer, Widersacher der göttlichen Wahrheit; die Lüge ist ihm das Eigene, das er von seinem Vater, dem Teufel, geerbt hat. Daß von Kain mit Verbalformen der Gegenwart geredet wird, ist recht natürlich, denn Kain ist ein Typus; Philo nennt ihn τό κακίας σύμβολον (De fuga 64). Er ist sogar darin Melchisedek gleich, daß die Schrift nicht sagt, daß er gestorben sei27. Daß nun wirklich Kain gemeint sein muß, geht aus dem Kontext in Joh 8 hervor. Es ist hier vorausgesetzt, daß Söhne tun, was sie bei ihrem Vater gelernt haben28. Aus den Werken der Juden ist demnach zu erkennen, wer ihr Vater ist. Sie tun nicht, was Abraham tat, sondern 24

Epiphanius, Pan. haer. 38, 4—5; 40, 6; 66, 63. — Cyrill, Kommentar z. St., MPG 73, 89. — In Ps. Justin, Cohortatio ad Graecos 21, und Ps. Ignatius, Philad. 61, werden Wendungen aus Joh 8 44 mehr generalisierend auf Vertreter von Polytheismus und Irrlehre appliziert. 28 Erweiterungen und Änderungen im vierten Evangelium, Berlin 1907,19—24. — Das Evangelium Johannis, Berlin 1908, 42—44. — Ähnlich E. HIRSCH, Studien zum vierten Evangelium (BHTh 11), Tübingen 1936, 78—80. 26 Vgl. schon Α. B. DRACHMANN, ZU Joh. 8 44 (ZNW 12, 1911, 84—85). 27 Zu Melchisedek vgl. Hebr 7 1-3. — Philo kennt eine Uberlieferung, wonach Kain damit gestraft wurde, daß er nicht sterben durfte. Quod det. pot. 178; De post 45; De conf. ling. 122; De praem. 70. 28 8 3 7F.; vgl. 519 und dazu C. H. DODD, Une parabole cachöe dans le quatriöme ßvangile (RHPhR 44, 1962, 107—16). — Der Gedanke, daß Abrahams Kinder an ihren Taten zu erkennen sind, ist an sich gut jüdisch. Vgl. Abot 519; bab. Be?a (Jom tob) 32b.

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suchen Jesus zu töten 29 . Daraus ist zu folgern, daß ihr Vater der prototypische Mörder war. In v. 38 und v. 4i muß Kain und nicht der Teufel gemeint sein, denn die Juden verhalten sich zu Jesus wie Kain zu Abel, nicht wie der Teufel zu Adam. Im Johannesevangelium wie in der haggadischen Auslegung von Gen 4 geht das Streitgespräch dem Todesanschlag voraus. Nach alledem muß in Joh 8 44a ein Textfehler stecken; hier muß Kain irgendwie genannt gewesen sein. Wie der Text ursprünglich lautete, läßt sich nur vermuten. Einiges läßt sich aber sagen. Der überlieferte Text muß sich aus dem supponierten Urtext ableiten lassen können; ein klarer und einfacher Text wie ύμεΐς έκ τοΰ (πατρός) Κάιν έστέ kommt deshalb kaum in Frage. Ferner muß wegen v. 44c nicht nur Kain, sondern irgendwie auch der Teufel als sein Vater genannt sein. Die einfachste Lösung, in 44a τοΰ διαβόλου als falsches Interpretament zu streichen, ist deshalb kaum möglich. In Frage kommt dagegen etwa ύμείς έκ τοΰ πρωτοτόκου (bzw. υΐοϋ) τοΰ διαβόλου έστέ oder έκ τοΰ πατρός τοΰ έκ τοΰ διαβόλου. Die letztere Konjektur würde das Aufkommen des überlieferten Textes besonders leicht erklären. Man wird gegen meine Hypothese wie gegen W E L L H A U S E N S einwenden können, daß von 8 41 an nicht mehr die Abstammung von Abraham, sondern die Gotteskindschaft der Juden zur Debatte steht; dem entspreche nur die Behauptung, daß der Teufel ihr Vater sei. Das ist aber nicht zutreffend. Auch in v. 41 wird nämlich auf die targumische Kain-Haggada angespielt. In 837f. und 4of. hat Jesus gesagt, nicht Abraham, sondern einer, den mörderische Taten kennzeichneten, sei Vater der Juden. Die Juden erwidern, daß sie nicht in Ehebruch gezeugt sind; Gott sei ihr einziger Vater (vgl. Mal 2 19). Jesus antwortet in 8 42-47: Die Juden irren sich. Ihr Verhalten zu Jesus und seinem Wort beweist, daß Gott nicht ihr Vater ist. Ihre Voraussetzung, daß sie nicht in Ehebruch geboren seien, trifft nicht zu, denn sie sind Nachkommen des in Ehebruch geborenen Kains, dessen Vater der Teufel war 30 . 29

840; Vgl. 856 und dazu NTT 64, 1963, 146—48. Der Wunsch, Jesus zu töten, ist ein durchgehendes Thema in dem ganzen Abschnitt von 7 l an bis 8 59. Nach Pseudo-Jonathan Gen 5 3 und Pirqe Rabbi Eliezer 22 5 brachten Kain und Abel am 14. Nisan ihr Opfer dar. Am selben Tag, müssen wir denken, wurde Abel von Kain getötet, wie Jesus nach Johannes von den Juden am 14. Nisan getötet wurde. Ich wage nicht zu sagen, ob dies mehr als ein zufälliges Zusammentreffen ist. Nach Pseu do-Jonathan zu Gen 4 8, und weitverbreiteter Haggada, tötete Kain seinen Bruder mit einem Stein; darf man damit Joh 8 59 10 31 und 11 8 vergleichen ? 30 Die Sündhaftigkeit der Nachkommen Kains war ein verbreitetes Thema, vgl. ζ. Β. 1 Henoch 22 7; TestBenj 7 s; Josephus, Ant. I 60ff.; Philo, De post.; Ps. Clem. Horn. III 25 8f.; PREliezer 22. — Die Einsicht, daß Joh 8 41 auf Kain und seine Nachkommen anspielt, macht die Annahme unnötig, 8 8 0 - 4 0 und 41-47 seien ursprünglich nicht zusammengehörende Fragmente; gegen BULTMANN, Das Evangelium des Johannes (MeyerK II 1 0 ), 237f.

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Sie tragen Kains und damit auch des Teufels Art. Damit ist indirekt auch gesagt, daß sie als geistige Nachkommen Kains nicht Gott, sondern wie Kain den Teufel zum Vater haben. Insofern könnte der Anfang von v. 44 etwa auch gelautet haben: »Ihr stammt von dem Vater Kains, dem Teufel» = έκ του πατρός τοϋ Κάιν, του διαβόλου, έστέ. »Die Begierden eures Vaters« werden aber nicht die des Teufels, sondern die Kains sein; vgl. Gen 4 7, worauf schon Joh 834 angespielt sein mag. Es bleibt unsicher, wie der Text ursprünglich lautete. Offen bleibt auch die Frage, wann und wie der Fehler entstanden ist, ob bei einer Übersetzung einer etwaigen aramäischen Quelle, ob bei einer kirchlichen Redaktion des Evangeliums oder durch einen frühen Abschreiber. Ich halte die letzte Möglichkeit für die wahrscheinlichste. Denn der Fehler muß seine Urasche in fehlender Kenntnis der targumischen Kainlegende haben; innerhalb der johanneischen Schule scheint sie aber bekannt gewesen zu sein. III. Im ersten Johannesbrief wird — als einzige Gestalt des AT — Kain genannt (3 12 vgl. auch 3 15, άνθρωποκτόνος!). Die Behauptung, Kain habe seinen Bruder deshalb totgeschlagen, weil seine eigenen Taten böse, die seines Bruders aber gut waren, entstammt dabei nicht dem Genesistext, sondern einem Targum oder Midrasch31. Man wird deshalb die Aussage, daß Kain dem Teufel entstammte (έκ τοϋ πονηρού ή ν), als Anspielung auf die targumische Auslegung von Gen 4 1 verstehen dürfen. Dabei mag der Verfasser die Legende entmythologisiert und als Ausdruck einer geistigen Wahrheit verstanden haben: Wie die Kinder Gottes von Gott gezeugt sind, so war Kain als Kind des Teufels vom Teufel gezeugt32. Im I. Johannesbrief dient die Erwähnung Kains zur Warnung vor Haß gegen den christlichen Bruder. Damit will aber der Verfasser nicht nur im allgemeinen zur Bruderliebe ermahnen. Wie im ganzen Brief, so steckt auch hinter 3 5-15 eine polemische Tendenz. Die Irrlehrer haben bestritten, daß der himmlische Christus mit dem irdischen Jesus identisch sei33. Zugleich scheinen sie gelehrt zu haben, sie hätten keine Sünde, und sündige Taten würden ihr eigentliches, inneres Selbst nicht affizieren34. Der Verfasser sieht in ihrem Verhalten eine Verletzung der Gemeinschaft und der Bruderliebe35. Eine direkte 31

Vgl. zu diesem Punkt bes. das von des palästinischen Targums. 82 Zur Alternative, vom Teufel oder 3 8-12, und ferner 3 lf. 4 iff. 6 1. 4.18f. 33 2 22 4st. 5 i . e . 85 1 6 2 4.9-11 3 4-15. — Zur Häresie NAUCK, Die Tradition und Charakter des

KAHLE a. a. O. edierte Geniza Fragment von Gott (gezeugt) zu sein, vgl. I Joh 34

Vgl. 1 8 . 1 0 2 it. 3 4.8. und Situation des I Johannes vgl. W . ersten Johannesbriefes ( W U N T 3) Tü-

bingen 1957, 1 2 2 f f . — E . HAENCHEN, Gnosis: I I . 11 ( R G G 2, 1968 3 , 1 6 6 6 ) .

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Ν. Α. Dahl

Anspielung auf die Vorstellung vom Kain als Gegner der Wahrheit, Sophist und Erzketzer, liegt im I Joh nicht vor. Die Lehre der Häretiker wird aber als die des Antichrist bezeichnet und ihr praktisches Verhalten mit demjenigen Kains gleichgesetzt. Insofern darf man auch hier ein Zeugnis dafür finden, daß Kain als Prototyp der Irrlehrer betrachtet wurde. In der Ketzerpolemik des I Joh finden wir demnach die Trias Antichrist, Teufel und Kain, die wir auch bei Polykarp vermutet haben. Bemerkenswert ist dabei, daß Polyk. 7 ι eigentlich die einzige Stelle ist, an der bei Polykarp eine enge Berührung mit dem johanneischen Schrifttum vorliegt. Wenn aber »Erstgeborener Satans« eine Bezeichnung Kains ist, dann ist die sachliche Berührung enger als die terminologische; es erhebt sich die Frage, ob Polykarp von der Ketzerpolemik der johanneischen Schule abhängig sein sollte, vielmehr als vom Evangelium und ersten Brief des Johannes. Im Blick auf die Polykarptradition des Irenäus ist diese Frage nicht uninteressant, ich muß sie aber unbeantwortet stehen lassen. Auch vom I. Johannesbrief und Polykarp aus bestätigt sich die Vermutung, daß in Joh 8 44 ursprünglich nicht vom Vater des Teufels, sondern von Kain als Vater der Juden und Sohn des Teufels die Rede war. In Joh 8 wird freilich nicht gegen Ketzer, sondern vielmehr gegen Juden polemisiert. Die Juden beurteilen ihre eigene Lage falsch und verkennen deshalb nicht nur Jesus, sondern auch Gott, der ihn gesandt hat. Dabei werden sie nicht in Gegensatz zu anderen Völkern gestellt. Der Widerstand der Welt gegen Gott radikalisiert sich aber bei den Juden, weil nur sie sich in ihrem Widerspruch zu Jesus auf Abraham und Mose, auf das Gesetz und die Ehre Gottes berufen können36. Die Welt in ihrem Widerspruch zu Gott und seinem Gesandten existiert jedoch nicht nur außerhalb der Kirche, sondern auch im Kreis der Jünger Jesu. Dafür ist im vierten Evangelium Judas das typische Beispiel37. In Joh 8 31 heißt es nun, daß Jesus »zu den Juden, die an ihn gläubig geworden waren« sprach. Das muß aber doch heißen, daß der Evangelist seinen Lesern zu verstehen gibt, daß Jesu Urteil über die Juden auch »Gläubige«, Glieder der Kirche, trifft, falls sie nicht in seinem Worte bleiben, um dadurch wahrhaftig seine Jünger zu sein. Der Evangelist will also sagen: Wer nicht in dem Worte Jesu bleibt, gerät in dieselbe Lage wie diejenigen Juden, die einst Jesus zu töten suchten und die dadurch zeigten, daß nicht Abraham, sondern Kain ihr Vater war. Dann liegt aber die Annahme nahe, daß 36

Vgl. dazu Ν. A. DAHL, Kristus, jödene og verden etter Johannesevangeliet (NTT 60, 1959, 189—203). — Ders., The Johannine Church and History (Current Issues in New Testament Interpretation. Essays in honor of Otto Α. Piper, New York 1962, 124—142). 37 Vgl. 6 64. 7Of. 12 4ff. 13 lOf. 18ff.

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wir es in Joh 8 dennoch mit einer versteckten Polemik gegen Irrlehrer zu tun haben. Die gläubigen Juden irren sich ja genau wie die Häretiker des I Joh darin, daß sie meinen, keine Befreiung von der Sünde nötig zu haben und nicht einsehen, daß jeder, der Sünde tut, Sklave ist38. Doketen, die zwischen »Christus« und Jesus unterscheiden, sind den Juden von Joh 8 darin ähnlich, daß sie zwar in einer Weise gläubig geworden sind, aber dennoch an dem irdischen Jesus Anstoß nehmen und ihn nicht als den von Gott gekommenen Offenbarer der Wahrheit und Geber der Freiheit und des Lebens anerkennen39. Der Evangelist zeigt auch sonst eine gewisse Skepsis gegenüber Juden, die gläubig werden40. Das mag durch seine eigene Erfahrungen motiviert gewesen sein. Die Irrlehrer in den johanneischen Gemeinden dürften zum Teil aus dem Judentum gekommen sein. Von jüdisch-mystischer Lehre über das höchste Engelwesen zu einer doketischen Christologie war der Weg nicht sehr weit. Die Schrift erzählte ja an manchen Stellen davon, daß der Engel in Gestalt eines Menschen erschienen war41. In einigen gnostischen Texten liegen offenbar mehr oder weniger durchgreifend christliche Bearbeitungen jüdisch-synkretistischer Traditionen vor42. Das weist darauf hin, daß jüdische oder judaisierende »Gnostiker« sich dem Christentum angeschlossen haben, um später als Häretiker wieder abgestoßen zu werden. Ich vermute, ihr Anschluß an das Christentum war mit dadurch bedingt, daß sie aus der Synagoge herausgedrängt wurden. Das geschah zu der Zeit, als das Judentum nach der Katastrophe im Jahre 70 unter rabbinischer Leitung neu konsolidiert wurde. Damals wurde die Verwünschung der Häretiker und Nazoräer (birkat hammintm) in dem jüdischen Hauptgebiet festge38

Joh 8 34, vgl. I Joh 3 4 u. 7t. Man könnte Joh 8 34 als Anspielung auf

Gen 4 7 verstehen; die Stelle ist von NESTLE am Rande notiert. 39

I Joh 2 18-27 4 i - e ; vgl. Joh 8 42f. 49f. 54f. 58. — Daß die johanneische D a r -

stellung von Jesu Auseinandersetzung mit den Juden antidoketisch ausgerichtet ist, scheint mir aus Joh 6 recht klar hervorzugehen, vgl. bes. 6 4if. 51-58. elf., mit Joh 19 35, I Joh 4 2 und 5 β verglichen. 40

Vgl. 2 23-25 7 31 11 45f. 12 lOf. 18f. 42f.

41

Vgl. ζ. B. Gen 32 25 Jos 5 12 Ri 13 β. 8 D a n 8 I5f. 10 5.18 L X X

(άνθρωπο*);

Gen 18 2 Ri 13 lof. Sach 1 8 . 1 0 2 l Ez 8 2 9 2 D a n 8 I5f. 9 2 1 10 5 12 βί. Theod. (άνήρ). W i e weit die Vorstellung vom himmlischen »Menschen« innerhalb des jüdisch-christlichen Bereiches an diese Terminologie anknüpft, wäre noch zu untersuchen. — Zur »Engelchristologie« vgl. J. DANIÄLOU, Theologie du Judeo-Christianisme, Tournai 1957, 167 ff. 42

Vgl. etwa Apokryphon des Johannes, Justin's Baruchbuch, Naasenerpre-

digt. In diesem Zusammenhang wichtig sind E. HAENCHENS Aufsätze: G a b es eine vorchristliche Gnosis? und: Das Buch Baruch ( Z T h K 49, 1952, 316—49, und 50, 1963, 123—58).

Festschrift Hacnchtn

β

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Ν. Α. D a h l

setzt43). Für Häretiker — Juden, Proselyten und »Gottesfürchtige« —, die dadurch aus der Synagoge ausgeschlossen wurden, muß es nahe gelegen haben, in der Kirche einen neuen Anhalt zu suchen, bei den von derselben Verwünschung getroffenen Christen. Von da aus lassen sich die Bedenken des vierten Evangelisten gegenüber gläubig werdenden Juden verstehen, so wie überhaupt seine Frontstellung gegenüber rabbinischem Judentum und gnostischen Tendenzen zugleich. IV. R O B E R T M . G R A N T hat dem Untergang Jerusalems eine entscheidende Bedeutung für die Entstehung des Gnostizismus beigemessen; enttäuschter apokalyptischer Enthusiasmus sei in eine gnostische Denkweise umgeschlagen44. Den religionswissenschaftlichen Begriff »Gnosis« wird man besser phänomenologisch als historisch definieren. Die historische Frage nach dem Ursprung des häretischen Gnostizismus der ersten nachchristlichen Jahrhunderte bleibt dennoch bestehen, und G R A N T S Erklärung mag ein Element der Wahrheit enthalten. Ich würde aber denken, der Untergang Jerusalems habe hauptsächlich in indirekter Weise mit den Ursprüngen des Gnostizismus etwas zu tun. Die nationale Katastrophe führte zur Konsolidierung eines »normativen« Judentums und damit zur Ausscheidung heterodoxer, synkretistisch-mystischer Kreise, die dadurch in Opposition gerieten und in gnostischer Richtung radikalisiert wurden45. Man opponierte gegen den Schöpfer, in dessen Namen man verwünscht wurde, und solidarisierte sich mit den von ihm Verfluchten; dafür ist die gnostische Übernahme und Umdeutung der Kainlegende die beste Illustration. Die antihäretischen Kirchenväter kennen eine gnostische Sondergruppe namens Kainiten oder Kaianer. Sie sollen gelehrt haben, daß Kain einer stärkeren Kraft als Abel entstammte, einer Gewalt von oben46. Dieser Auffassung kann nur die angelologisch-satanologische Auslegung von Gen 4 ι zugrunde liegen47. Diese ließe sich ja leicht zu Ehren Kains umdeuten; vielleicht war sie gerade deshalb den Rabbinen zu gefährlich und wurde verschwiegen. Ich würde denken, es ist 43

Bab. Berakot 28b. Vgl. I . E L B O G E N , Der jüdische Gottesdienst, FrankfurtMain 19313, 36—39; 51f. — BILLERBECK I 406f.; IV 218f. 44 a. a. O. (s. Anm. 8 oben), bes. 27—38. 45 Diese Hypothese trägt sowohl GRANTS Beobachtungen als den Gegenargumenten Rechnung, die VAN U N N I K anführt in dem Aufsatz, Die jüdische Komponente in der Entstehung der Gnosis (VigChr 15, 1961, 66—82). 48 Irenäus, Adv. haer. I 30, 4: »Cain a superiore principalitate dicunt.« — Ps. Tertullian, Adv. omn. haer. 2, 5: »Magnificant Cain, quasi ex quadam potenti virtute conceptum.« — Epiphanius, Pan. haer. 38, 1, 2: φασί τόν Κάιν έκ τής ίσχυροτέρσς δυνάμεως ίπτάρχειν καΐ της άνωθεν αυθεντίας. 47 Besonders deutlich ist das bei Filastrius, De haer. 2: »Dicentes ex altera virtute, id est diaboli, Cain factum.«

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folgendes geschehen: Synkretistisch-mystische Kreise am Rande des Judentums wurden als geistige Nachkommen des Erzketzers Kain bezeichnet. Einige haben sich das gefallen lassen und gestanden, dem Geschlechte Kains anzugehören, um Kain zu rehabilitieren und gegen den jüdischen Gott samt seinen Verehrern und seiner ganzen Welt zu revoltieren48. Daß man neben Kain auch Judas Iskariot zum Heros gemacht hat, scheint einem späteren, christianisierten Stadium in der Geschichte der krausen Sekte anzugehören49. Die Hochschätzung Kains war aber nicht auf die Sekte der Kainiten beschränkt. Die Peraten sagten z.B., daß es der Gott dieser Welt war, dem das Opfer Kains nicht gefiel50. Aber auch Marcion ist hier zu erwähnen. Er lehrte, daß der Herr bei seiner Niederfahrt zur Hölle Kain und seinesgleichen rettete, während Abel, Abraham und alle Lieblinge des Schöpfergottes nicht des Heils teilhaftig wurden51. Sollte Marcions Sympathie für Kain vielleicht damit zusammenhängen, daß er einst selbst von Polykarp der Erstgeborene Satans genannt worden war ?52 Der Leser mag sich zu diesem Zeitpunkt fragen, ob die Beschäftigung mit kühnen exegetischen Kombinationen mich dazu veranlaßt habe, auch meinerseits gewagte Interpretationen und Kombinationen vorzutragen. Das mag sein. Für meine Exegese der beiden Texte, Polyk. 7 Ι und Joh 8 44, meine ich freilich gute Argumente beigebracht zu haben. Was ich darüber hinaus geboten habe, sind Fragen und Erwägungen. Ich meine aber dennoch, zwei Konklusionen mehr prinzipiellen Charakters ziehen zu dürfen: 1. Rabbinisches und sektiererisches Judentum, kirchliches und gnostisches Christentum sind nicht nur durch gemeinsame historische Voraussetzungen, sondern auch durch Kreuz- und Querverbindungen miteinander verbunden; man darf deshalb nicht »jüdische«, »gnostische« oder »kirchliche« Interpretation etwa des Johannesevange48

Irenäus a. a. O.: »Cain . . . et omnes tale cognatos suos confitentur.« — Epiphanius, 381. 3: Σεμνύονται γάρ συγγενείς είναι τοΰ Καιν. 49 MORITZ FRIEDLÄNDER, Der vorchristliche jüdische Gnosticismus, Göttingen 1898, 19—24, wollte die Kainiten auf eine jüdische Sekte zurückführen, freilich mit unzureichender Begründung. — Zu dem den Kainiten zugeschriebenen »Evangelium des Judas« vgl. PUECH bei HENNECKE, I s , 298f. 50

Hippolyt, Ref. V 16, 9. Irenäus, Adv. haer. I 27, 3; Epiphanius, Pan. haer. 42, 4, 3. — Vgl. A. v. HARNACK, Marcion (TU III. 16), Leipzig 1921, 117; 160f. 52 Die notwendige Voraussetzung, daß Marcions Lehre erst in Rom voll ausgebildet wurde, scheint mir recht wahrscheinlich zu sein; beweisen läßt sich die Richtigkeit der psychologischen Vermutung natürlich nicht. Sehr zu bemerken ist aber auf alle Fälle, daß die bei den Kainiten so starke Anknüpfung an jüdische KainHaggada bei Marcion völlig fehlt, 51



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liums als einander ausschließende Möglichkeiten betrachten. 2. Man rechnet allgemein damit, daß der Kampf gegen den Gnostizismus dazu beitrug, die katholische Kirche »katholisch« zu machen. Man sollte sich aber sehr überlegen, ob nicht auch die Ketzerpolemik des frührabbinischen Judentums und der frühkatholischen Kirche dazu beitrug, die Gnostiker »gnostisch« zu machen. Die alte Erklärung war nicht ohne Tiefsinn: Rechtgläubigkeit und Ketzerei sind Brüder — wie Kain und Abel.

D E R TOD J E S U IN D E R V E R K Ü N D I G U N G D E S PAULUS Von Gerhard D e l l i n g

(Halle/Saale, Fischer-von-Erlach-Str. 45) Eine Fülle Paulinischer Aussagen steht im Zusammenhang mit dem Tod Jesu. Zwar begegnet das Wort »Kreuz« nur 9mal, das Wort »kreuzigen« nur 7mal in der Beziehung auf den Tod Jesu innerhalb der im allgemeinen als Paulinisch anerkannten Briefe (einschließlich des Col) — in Rm gebraucht Paulus beide nicht —; unmittelbar auf Christus bezogen findet sich das Wort »sterben« in ihnen immerhin 14mal, das Wort »Tod« wenigstens 7mal (zu dem Wort »Blut« s. unten). Aber die Bezugnahmen der Paulinischen Verkündigung auf den Tod Jesu sind mit dieser Wortstatistik nicht erfaßt. Es braucht nur eben das Stichwort Rechtfertigung genannt zu werden (vgl. Rm 3 25f.). Weil wir im Folgenden gelegentlich darauf zurückkommen, sei hier wenigstens angedeutet, daß die Wendung »in Christus« bzw. »in Christus Jesus« (aufs Ganze gesehen im Unterschied zu »im Herrn«, »im Herrn Jesus Christus« usw.) an nicht wenigen Stellen eine Beziehung auf den Gekreuzigten — bzw. auf den Gekreuzigten und Auferstandenen — in sich birgt, so wie überhaupt die Bezeichnungen Christus und Christus Jesus öfters in Zusammenhängen begegnen, die inhaltlich auf den Gekreuzigten — oder auf den Gekreuzigten und Auferstandenen — Bezug haben. — So müssen wir angesichts der gebotenen Begrenzung bemüht sein, das Entscheidende an Hand der hervorragenden Stellen (die ζ. T. unter mehreren Gesichtspunkten wichtig werden) herauszuheben. Dazu sei bemerkt, daß wir hier nicht mehr anstreben, als die Aussagen des Paulus in sich und in ihrem Zusammenhang untereinander recht zu fassen — das erscheint uns schon als ein hohes Ziel. Wir setzen ein bei einer gefüllten und beziehungsreichen Aussage: Gott ist der im Kreuzesgeschehen Handelnde. Gott sandte seinen Sohn in das Menschsein, um die Sünde in ihrem Machtbereich zu überwinden (Rm 83); Gott »gab« seinen Sohn »für uns alle preis« in den Tod (v. 32); Gott machte den Sündlosen »für uns zur Sünde«, richtete in ihm die Sünde (II Cor 5 21); Gott stellte ihn als Sühn- bzw. Gnadenzeichen öffentlich hin (Rm 3 25); Gott erzeigte in Christi Sterben »für uns« seine Liebe (5 s), erwies sich darin als »unser Vater« (II Thess 2ie). Gott war es, so stellt Paulus in I I Cor 510 heraus, der in Christus

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— und d. h. im Kreuzesereignis — die Menschheit mit sich versöhnte (entsprechend schon in v. is). Das Kreuz Christi ist Gottes Liebestat schlechthin (Rm 839). Es wird in dieser Satzreihe bereits sichtbar, daß die Heilsbedeutung des Todes Jesu bei Paulus unlöslich verbunden ist mit bestimmten christologischen Gegebenheiten (christologisch im eigentlichen Sinn des Wortes). Gerade in den Sätzen über Gottes Handeln im Kreuz Christi begegnet mehrfach die Sohnesbezeichnung (Rm 510 83. 32 Gal 4 4f., sonst vgl. Gal 2 20), die für Paulus die Einmaligkeit der Beziehung zwischen Gott und Christus, die völlige Nähe Christi zu Gott, und damit zugleich die hohe Würde Christi ausdrückt und deutlich auch die Präexistenzaussage in sich schließt (Rm 83, vgl. Gal 4 4). Daß Gott »seinen Sohn«, d. h. den Sohn schlechthin, sendet und ans Kreuz gibt, darin wird im äußersten Tun der Liebeswille Gottes in seiner Ganzheit kund: »Wie wird er uns mit ihm zugleich nicht« schlechthin »alles schenken?« (Rm 832). Vom Sohnesnamen her wird sichtbar, wie nahe uns Gott in Christus kommt, wie er in ihm ganz und gar »Gott für uns« wird (Rm 8 3if.). — Bedeutsam ist für Paulus offenbar ebenso die christologisch bestimmte Aussage, daß Gott den Sohn sendet in der Gestalt — dem Gleichbild — »des Sündenfleisches«, d. h. in der gleichen irdischen Existenzweise, in der die Menschheit der Sklaverei der Sünde verfallen war: im Tode Jesu wird die Sünde genau da wirksam verurteilt, wo sie ihre Macht erwiesen hatte, έν Ttj σαρκί, im irdisch-natürlichen Bereich (Rm 8 3, vgl. έν -reo σώματι της σαρκός αύτοΰ Col 122). Und Bedeutung hat für das Kreuzesverständnis des Paulus sichtlich auch die christologische Aussage der Sündlosigkeit des Menschgewordenen (II Cor 5 21). Gottessohnschaft, vorirdisches Dasein und Sündlosigkeit des Heilsmittlers werden damit entscheidend für das Heilsgeschehen, christologische Sätze werden von Gewicht für die Soteriologie. In Phil 2 e-8 wird neben der Präexistenz und der Menschwerdung Christi Jesu die Freiwilligkeit des Kommens und der Hingabe des Menschgewordenen an das Kreuz hervorgehoben (im Anschluß, wie man heute meist annimmt, an einen vorpaulinischen Hymnus). Paulus sagt das letzte entsprechend anderswo mit anderen Worten, in einer geprägten Wendung: er gab sich »für unsere Sünden« (Gal 14), lieferte sich liebend aus »für mich« (220). Die Sätze widersprechen nicht der von uns an den Anfang gestellten Aussage, nach der Gott den Sohn preisgab: in dem Miteinander beider Aussagen wird die Einheit des Handelns des Vaters und des Sohnes sichtbar; Gott handelt in Christus, dem Sohn (die beiden Aussagen stehen ihrerseits in einem christologischen Zusammenhang untereinander), bzw. Christus vollzieht in seinem Gang an das Kreuz einen Akt des Gehorsams (Phil 2 8 Rm 519; vgl. Gal 14a. c).

Der Tod Jesu bei Paulus

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Aus den bisher besprochenen Sätzen über das Sterben Jesu war bereits zu sehen, daß Paulus die spezifische Heilsbedeutung des Kreuzes vor allem in zwei Aussagengruppen herausstellt, die sachlich zusammengehören und ζ. T. auch formal ineinander übergehen. Mehrfach begegnete uns das bei Paulus nachdrücklich auf den Tod Christi bezogene »für uns« usw. Paulus gebraucht in den hierher gehörigen Sätzen gelegentlich περί (περί ήμών I Thess 5io) und διά (δι'όν I Cor 811); am häufigsten verwendet er jedoch ύττέρ, und zwar in mehreren Verbindungen: für uns (Rm 5 s Gal 3 13, vgl. II Cor 521), für uns alle (Rm 8 32), für alle (II Cor 5 14.15), für Gottlose (Rm 5 β), vgl. die Wendung »der Bruder, für den . . .« (Rm 14 15). Die drei Präpositionen sind wohl durch den gemeinsamen Gedanken des »um . . . willen« verbunden; geläufig ist für Paulus aber das ύττέρ, das ihm offenbar von der Urchristenheit vor ihm überkommen ist — darauf weist u. a. die als übernommen bezeichnete Fassung »für unsere Sünden« in I Cor 15 3, die Paulus auch in der geprägten Aussage in Gal 1 4 aufgreift, wozu in außerpaulinischen Schriften zu vergleichen sind »um unserer Sünden willen« (I Joh 2 2 410), »um der Sünden willen« (I Ptr 3 is) u. ä. Wahrscheinlich steht insbesondere der Ausdruck »für alle« (II Cor 5 i4f.) in einem Zusammenhang mit der Jesustradition, in der in Mc 10 45 par. das Sterben Jesu ausdrücklich als umfassend stellvertretendes bezeichnet wird (άντί πολλών), im Anklang an Jes 53 10-12 (nicht nach L X X ) ; der Gedanke der Stellvertretung ist wohl auch von dem ύπέρ πολλών der Einsetzungsworte nicht zu trennen (Mc 14 24, περί πολλών Mt 26 28); die Paulinische Wendung »für alle« übersetzt sachgemäß das »für viele« der Jesuslogien. Daß für Paulus in dem »für uns«, »für alle« usw. der Gedanke der Stellvertretung bedeutsam ist, wird mehrfach sichtbar. Er steht offenbar hinter II Cor 5 21: den Sündlosen machte Gott zur Sünde ύπέρ ήμών, an unserer Statt. Die gleiche Vorstellung des Tausches findet sich in Gal 313: Christus wurde zum Fluch, zum Verfluchten, an unserer Statt (ύπέρ ήμών) und kaufte uns dadurch los von dem Fluch des Gesetzes, unter dem wir standen. Eine entsprechende Aussage liegt in Gal 14 vor: daß Christus sich »für unsere Sünden« gab, besagt, daß er den Tod starb, den wir hätten sterben sollen (um unserer Sünden willen). Stellvertretend ist der Tod Jesu offenbar ebenfalls verstanden, wenn er als »für Gottlose« geschehen bezeichnet wird (Rm 5 β) — Gottlose haben das Leben verwirkt —, auch wenn in den anschließenden Sätzen (v. 7f.) in ύττέρ die Bedeutung »zugunsten«mitschwingen wird. Nicht zuletzt wird die Folgerung des Paulus in II Cor 5 14 erst vom Gedanken der Stellvertretung her verständlich: weil einer für alle gestorben ist, sind sie alle gestorben — dieser Schluß ist nur gültig, wenn das Sterben Christi »für alle« ein Sterben »anstatt aller« ist; nur dann kann sein Tod als ihr Tod begriffen werden.

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Der Gedanke des stellvertretenden Sterbens Jesu hat bei Paulus spezifische Bedeutung für das Verständnis des Kreuzes. Er schließt zunächst die Tatsache in sich, daß Gott die Schuld des Menschen ernst nimmt. Der Mensch hat durch den Ungehorsam gegen Gottes Willen, durch den Ungehorsam, der aus seiner Auflehnung gegen Gott selbst erwächst, durch das Verfallensein an die Macht der Sünde das Leben verwirkt (Rm 1 32 5 12.14 6 ie. 21. 23 usw.). Christus stirbt den Tod des Ungehorsamen, des Sünders (Rm 5 6. 8 II Cor 5 21). Im Kreuz Christi erweist Gott seine Gerechtigkeit als Richter der Schuld der Menschheit; sonst könnte es so scheinen, als übersähe Gott die Schuld (Rm 3 25f.). Im Kreuz Christi wird die Schuld als Schuld vor Gott offenbar, als Widerspruch gegen Gottes Anspruch. Im Kreuz vollzieht Gott das Gericht über den Sünder, vollzieht es in aller Öffentlichkeit an — Christus (Rm 3 25), an dem Sohn, der seinerseits das Gericht auf sich nimmt anstatt der Schuldigen (Gal 2 20). Christus ist den Tod gestorben, den wir sterben sollten. Von dieser Aussagenreihe, die den Tod Jesu — im stellvertretenden Sterben — als Gericht versteht, ist die andere nicht zu trennen, die ihn als Tat der Liebe begreift. Paulus faßt das Kreuz Jesu in eins als Erweis der Liebe Christi (Rm 835.37), der sich ans Kreuz gibt (Gal 14 2 20), und der Liebe Gottes (II Thess 2 ie), der den Sohn ans Kreuz gibt (Rm 5 s 839). Das Sterben Jesu wird ebenfalls als Tat der Liebe verstanden, wenn damit die Forderung des liebenden Verhaltens gegenüber dem Bruder begründet wird, »für den doch Christus starb« (Rm 1415, vgl. I Cor 8 11). Und das Kreuz Christi wird als Tat der Liebe Gottes verstanden, wenn von ihm her die Totalität des »Gott für uns« begründet wird (Rm 8 31 f.). Auf das liebende Handeln Gottes im Kreuzesgeschehen ist wohl letztlich auch die Anrede der Christen als »von Gott Geliebte« bezogen (I Thess 1 4, s. Col 3 12). Von der Liebe Gottes weiß der Christ nur durch den Tod Christi (Rm 5 5f.) — und das liebende Handeln Gottes im Kreuz ist ein so unfaßbares Wunder, daß es dem Menschen nur durch den heiligen Geist erschlossen werden kann (ebd.; I Cor 2 7 - 1 0 ) . In besonderer Weise wird der Tod Jesu als Tat der unbegreiflichen Liebe Gottes gefaßt in den Aussagen über die Versöhnung in II Cor 5 I8-20. Paulus sieht — das ist der Hintergrund dieser Sätze — das gesamte Sein des Menschen ohne Christus bestimmt durch die Auflehnung gegen Gottes Anspruch. Der Mensch will Gottes Gottsein nicht anerkennen — er ist Gott feindlich gesinnt (Rm 5 10 Col 1 21; »die Sinnesart des Ichwillens ist Feindschaft gegen Gott«, Rm 87). Und nun ereignet sich das Unfaßbare: Gott geht dem ihm gegenüber feindlich gesonnenen Menschen nach. Er redet ihm zu: laß dich versöhnen. Er redet ihm zu durch die Tat, durch das Kreuz, durch den Gekreuzigten, der seinerseits den Menschen bittet: laß dich ver-

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söhnen m i t G o t t (v. 20). E s ist unbegreiflich, w a s hier geschieht. W i e e r n s t es i h m ist m i t seiner B i t t e , d a s t u t G o t t k u n d d u r c h d a s Ä u ß e r s t e : d u r c h die H i n g a b e seines Sohnes in d e n T o d . I m K r e u z Christi w i r d d a s Bereitsein G o t t e s f ü r d e n Menschen in einer ä u ß e r s t e n K u n d m a c h u n g o f f e n b a r . D a s V e r k ü n d i g e n der C h r i s t u s b o t s c h a f t w i r d schlechthin z u m Dienst der V e r s ö h n u n g (zum Dienst, d e r z u r Vers ö h n u n g f ü h r t ) , z u m W o r t v o n d e r V e r s ö h n u n g ( w . 18.19). V e r s ö h n t w i r d — i m W i d e r s p r u c h zu allem, w a s m a n e r w a r t e n k ö n n t e — n i c h t G o t t , s o n d e r n d e r Mensch; G o t t r u f t — in e i n e m unbegreiflichen E n t g e g e n k o m m e n — d e n Menschen, sich v e r s ö h n e n zu lassen, r u f t i h n d u r c h d a s K r e u z : in seinem Vergeben i m K r e u z e s t o d J e s u zeigt G o t t an, wie sehr er f ü r d e n Menschen d a ist (v. 19). D u r c h d a s Kreuzesgeschehen w i r d n i c h t G o t t ü b e r w u n d e n , s o n d e r n der G o t t feindliche Mensch wird, so sagt P a u l u s i n R m 5 iof., »versöhnt m i t G o t t d u r c h d e n T o d seines Sohnes«, so d a ß er sich n u n G o t t e s r ü h m e n k a n n »durch« den, in d e m er »die V e r s ö h n u n g e m p f a n g e n « h a t , des G o t t e s r ü h m e n k a n n , der d u r c h seine L i e b e s t a t d e n Menschen ü b e r w i n d e t . D a ß die V e r s ö h n u n g d u r c h d e n T o d Christi d e n Menschen a u s seiner G o t t e n t f r e m d e t e n , feindlichen G e s i n n u n g h e r a u s h o l t , w i r d in Col l 2 i f . n o c h e i n m a l herausgestellt. D e r v o r a n g e h e n d e v. 20 s a g t ausdrücklich die a l l u m f a s s e n d e W e i t e des v e r s ö h n e n d e n , F r i e d e n s t i f t e n d e n H a n delns G o t t e s aus, d a s a u c h »die i m Himmel« einbezieht. U n d in R m 1115 bezeichnet P a u l u s d a s H i n e i n g e n o m m e n w e r d e n d e r H e i d e n s c h a f t in d a s Heilsgeschehen als »Versöhnung d e r W e l t (der Menschheit)«. E s b r a u c h t k a u m n o c h ausgesprochen zu werden, d a ß die P a u l i nischen Aussagen ü b e r die V e r s ö h n u n g ihrerseits n i c h t s m i t der Vorstellung d e r S ü h n e zu t u n h a b e n . Die b e i d e n W o r t g r u p p e n klingen wohl i m D e u t s c h e n a n e i n a n d e r a n ; i m Griechischen b e s t e h t zwischen i h n e n keine Beziehung. D e r G e d a n k e d e r Sühne k a n n bei P a u l u s i n d e r g e d r ä n g t e n Aussage R m 3 25 a n g e d e u t e t sein, i n d e r d e r G e k r e u zigte als ίλαστήριου bezeichnet w i r d ; m a n k a n n v o m sonstigen S p r a c h g e b r a u c h h e r d a s W o r t m i t »Sühnzeichen« wiedergeben, doch ist d u r c h i h n ebenso die Ü b e r s e t z u n g »Gnadenzeichen« b e g r ü n d e t . Auf j e d e n F a l l ist es a u c h hier G o t t selbst, der i m Kreuzesgeschehen öffentlich k u n d m a c h t (προέθετο), d a ß die Schuld d e r Menschheit a u f gehoben ist. I n der Paulinischen I n t e r p r e t a t i o n des T o d e s J e s u w i r d z u m a l der O p f e r g e d a n k e allenfalls n u r a n g e d e u t e t — i m R a h m e n einer P a r ä n e s e —, in e i n e m b i l d h a f t e n Hinweis auf d a s a l t t e s t a m e n t l i c h e P a s s a l a m m (I Cor 5 7). Die wenigen Sätze des P a u l u s endlich, die i m Z u s a m m e n h a n g v o n Aussagen ü b e r d a s S t e r b e n J e s u selbst v o m B l u t Christi sprechen, legen keine sakrifizielle D e u t u n g n a h e , s o n d e r n c h a r a k t e r i s i e r e n d e n T o d J e s u als einen g e w a l t s a m e n ( R m 3 25 5 9 Col 1 20), wohl v o n d e r a l t t e s t a m e n t l i c h e n Redeweise her, in d e r d ä m h ä u f i g d a s g e w a l t s a m e S t e r b e n bezeichnet. I n d e n Aussagen d e s

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Paulus über das Heil sind ja ganz allgemein rechtliche Begriffe weit bedeutsamer als kultische. Weil Gott die zerstörte Gemeinschaft mit den Menschen wiederherstellen will, erbringt er den äußersten Erweis seiner Liebe in der Hingabe des Sohnes an das Kreuz, in dem er die Schuld der Menschheit richtet. Das Verhältnis zwischen Gott u n d den Menschen k a n n nicht in Ordnung kommen, ohne d a ß deren Schuld getilgt wird. Die Schuld ist getilgt im Sterben J e s u : Jesus stirbt den Tod des Sünders (so sahen wir), d. h. den Tod, den der Sünder sterben m u ß t e , den Tod, der die Folge der Sünde ist (Rm 5 12 6 ie. 21.23 7 s), den Tod des Sünders, auf den die Herrin Sünde auf G r u n d der Übertretungen des Menschen einen Anspruch h a t t e ( R m 6 7 ) ; eben diesen Anspruch h a t Christus aufgehoben, er »starb der Sünde« (Rm 610). I n d e m dieser Anspruch der Sünde auf den Menschen im stellvertretenden Tode Jesu abgetan ist, sind zugleich die Vergehen des Menschen abgetan, u n d das bedeutet, von Gott her gesehen: die Schuld ist vergeben, u n d zwar durch Gott vergeben, der der im Kreuzesereignis Handelnde ist (der Mensch k a n n nichts dazu tun, d a ß seine Schuld beseitigt wird). Gott rechnet die Vergehen (παραπτώματα) nicht an (II Cor 5 19), er verzeiht die Verfehlungen (Col 2 13, vgl. R m 4 25; Paulus gebraucht f ü r die Schuld des Menschen insbesondere den Ausdruck »Verfehlungen«, s. noch R m 5i5-is). Der von Christus Jesus (dem Gekreuzigten) her bestimmte Mensch ist der Verurteilung enthoben ( R m 8 1. 34); der Tod J e s u r e t t e t aus dem künftigen Zorngericht (I Thess 110 mit 5 9f.). Bildhaft k a n n Paulus sagen, d a ß Christus die U r k u n d e unserer Schuld ausgelöscht, sie ans Kreuz geheftet h a t , Col 2 14; v. 13 m a c h t die Beziehung des Bildes auf die Vergebung sichtbar. Die Vergebung k a n n auch als Auslösung bezeichnet werden (Col 114). Auf Grund der Auslösung, die »in Christus Jesus«, in seinem T o d (Rm 3 25), geschehen ist, rechtfertigt Gott den Menschen (v. 24). Die Auslösung ist, wie gesagt, u n t r e n n b a r verbunden mit der Befreiung von dem Anspruch der Herrin Sünde auf den Sünder, u n d auf diese Befreiung beziehen sich die Wörter »Auslösung« usw. bei Paulus vor allem 1 . Mit dem W o r t gebraucht Paulus ein Bild, dessen Aussage f ü r den antiken Menschen o. w. anschaulich ist; es ist das Bild v o m Loskauf sei es eines Sklaven, sei es eines Gefangenen, insbesondere eines Kriegsgefangenen (Eiert), dessen Weg nach d e m üblichen Verfahren der Zeit in der Sklaverei endete. Von daher wird deutlich, was Paulus m i t d e m W o r t »Auslösung« meint. Das Sterben Jesu m a c h t die Menschheit los aus der Gefangenschaft der Sünde — Paulus beschreibt das Verhaftetsein des Menschen a n die Sünde ja als einen Sklavendienst (Rm 6 β. i6f. 20). Auslösung ist Befreiung aus der Ge1

Die Wiedergabe des Wortes άττολύτρωσις danke ich Fritz Neugebauer.

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wait des Feindes, der der Mensch verfallen war durch seine Auflehnung gegen Gottes Anspruch. So kann Paulus in I Cor 130 in einer knappen Formulierung sagen: Christus wurde für uns zur Auslösung (»Christus Jesus« ist auch hier eine Sigle für den Gekreuzigten; ά τ τ ο λ ύ τ ρ ω σ ί ζ ist an der Stelle parallel gebraucht mit δ ι κ α ι ο σ ύ ν η und ά γ ι α σ μ ό ξ ) . Es ist von diesen Aussagen her deutlich, daß im Kreuz dem Menschen nicht nur die Aufhebung der Schuld zuteil geworden ist, sondern auch die Befreiung aus der Macht der Sünde (Rm 6 i7f. 22). Sachlich entsprechend wird der Satz in Gal 1 4 zu verstehen sein: Christus gab sich »für unsere Sünden, damit er uns herausreiße, befreie aus dem gegenwärtigen bösen Äon«. In Gal 313 (vgl. 4 s) wendet Paulus übrigens das Bild des Loskaufs auf die Befreiung aus der Gewalt des Gesetzes an, das den Menschen unter das Gericht und damit unter die Macht des Todes stellt (s. Rm 75f., vgl. I Cor löse). Die Aussage wird (bezüglich des Gesetzes) ergänzt durch die andere: Christus — und damit ist wiederum insbesondere der Gekreuzigte gemeint — ist das Ende des Gesetzes, im Kreuz ist das Gesetz als Heils weg aufgehoben (Rm 10 4, s. Gal 2 21, vgl. ν. ie, s. ferner II Cor 3 14), so wie das Kreuz Christi das Ende aller Religion bedeutet (Gal. 4 3 — hier ist übrigens bereits das Bild vom Loskauf im Blickfeld, s. v. 5 — ; Col 2 20). Die Paulinischen Aussagen über die Freiheit des Christen heben sich öfters vom Hintergrund des hier besprochenen Bildes ab. Die völlige Wandlung der Existenz des Christen, die mit der Auslösung aus der Macht der Sünde verbunden ist, begründet Paulus zuerst unmittelbar im Geschehen von Golgatha selbst. Das »für uns« des Todes Jesu schließt das »wir mit ihm« in sich (II Cor 514). Paulus faßt die Aussage der Stellvertretung so streng (wir deuteten das schon an), daß das dem Stellvertreter Widerfahrene auch für den durch ihn Vertretenen voll gültig ist. Christus ist nicht nur unseren Tod gestorben ; wir sind in seinem Tod mit ihm gestorben. In den Tod Christi am Kreuz waren alle Menschen eingeschlossen. Darum kann Paulus von dem Christen, dem das Mitgestorbensein mit Christus am Kreuz in der Taufe zugeeignet wurde, sagen: wer gestorben ist, auf den hat seine frühere Herrin keinen Rechtsanspruch mehr (Rm 6 7); er ist tot für sie (v. 11). Das ist ein Satz, der zwar im Zusammenhang Paränese begründet, aber zuerst eine gegebene Tatsache feststellt — in dem Indikativ, der erst den Imperativ möglich macht. Weil der Mensch zugleich mit Christus starb, darum ist der Anspruch der Sünde auf ihn abgetan — und das wirkt sich in seiner gesamten Existenz aus, sofern das Gestorbensein mit Christus (das am Kreuz geschehen war) an ihm vollstreckt wurde, vollstreckt in der Taufe (Rm 64). Für die Ausführungen des Paulus in Rm 6 ist dieses Gestorbensein mit Christus bestimmend. Er bezeichnet es (in ν. β) ausdrücklich als ein Mitgekreuzigtsein — damit wird bestätigt, daß es sich im Tod Jesu selbst er-

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eignet hat —, als Mitgekreuzigtsein des alten Menschen, und d. h. des Menschen schlechthin; denn der alte Mensch ist für Paulus nicht irgend etwas am Menschen, nicht ein Teil des Menschen, sondern der Mensch als ganzer, als er selbst. In diesem Mitgekreuzigtsein ist der der Sünde verhaftete Leib vernichtet (ν. β). Paulus meint das Eingeschlossensein der Menschheit in den Tod Jesu so präzis, daß er in Rm 7 4 sagen kann: ihr wurdet »durch den Leib Christi« getötet, d. h. im leiblichen Sterben Christi, durch die Kreuzigung seines Leibes, an der ihr teilhabt (wirksam teilhabt von der Taufe her). Diese folgerichtige Durchführung des Gedankens des stellvertretenden Sterbens, des »für uns« in dem »wir mit ihm«, ist für das Verständnis des Heilsgeschehens bei Paulus überhaupt sichtlich bestimmend. Von ihr her sind offenbar auch die sonstigen Aussagen des Paulus über das Mitgestorbensein des Christen mit Christus (Col 2 20), über das Mitgekreuzigtsein mit ihm zu begreifen (Gal 2 19, vgl. 614). Wie übrigens durch das Mitgestorbensein mit Christus der Anspruch der Herrin Sünde auf den Menschen erloschen ist, der Mensch für die Sünde tot ist (Rm 6 2.11), so ist von daher auch der Anspruch des Gesetzes an ihn aufgehoben (Gal 2 19, vgl. die umständlichen Sätze in Rm 7 1-4). Aus den Stellen der Paulusbriefe, in denen von Leiden des Apostels bzw. der Christen in irgendeiner Verbindung mit dem Namen Christi (Rm 817 II Cor 1 5 Phil 3 10 Col 1 24) bzw. Jesu (II Cor 410) die Rede ist, läßt sich jedenfalls erschließen, daß Paulus eine bestimmte sachliche Verbindung zwischen Christseiw und Leiden überhaupt gesehen hat; von daher ergeben sich Formulierungen, die an eine gewisse Entsprechung zwischen den Leiden Christi und denen der Christen denken lassen (Phil 3 10; man beachte die zurückhaltende Fassung der analogischen Aussage in II Cor 13 4). Auf das Mitsterben mit Christus am Kreuz werden die Leiden der Christen nirgends zurückgeführt; vollends kommt ihnen bei Paulus keinerlei Heilsbedeutung zu.

Von der Bedeutung des Kreuzes Christi bei Paulus kann nicht gesprochen werden, ohne wenigstens in aller Kürze, aber mit vollem Nachdruck darauf hinzuweisen, daß das Kreuz für Paulus nicht zu trennen ist von der Auf erweckung Christi. Wenn Paulus in I Cor l f . betont, daß er in Korinth nichts anderes zu verkündigen gewußt habe als den Gekreuzigten (I23 2 2), so unterstreicht er im gleichen Brief, daß ohne die Auferweckung Christi Verkündigung und Glaube leer, ohne Wirkung sind (15 14), daß sich ohne sie in der Existenz der Adressaten nichts geändert hat (»so seid ihr noch in euren Sünden«, v. 17). Die Auferweckung ist nicht nur das Siegel unter das Handeln Gottes im Kreuz Christi (vgl. Rm 8 34); sie zielt vielmehr ihrerseits ab auf die Rechtfertigung (Rm 4 25), auf die neue Existenz des Christen (64 Col 2 12), auf die Vollendung des Heilshandelns Gottes auch am einzelnen (Rm 811.17-23 — der Empfang der neuen Leiblichkeit ist Vollendung der Sohnschaft —; I Cor 6 14 15 16. 20 II Cor 414 usw.).

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Ist es für die Auferweckung Jesu o. w. augenfällig, daß sie eschatologisches Handeln Gottes — im herkömmlichen Sinn des Wortes eschatologisch — ist, so versteht Paulus das Kreuz Jesu ebenfalls als solches. Das Heilsgeschehen in Christus ist Anfang des endzeitlichen Geschehens von der Sendung des Sohnes an (Gal 4 4), die ja auf das Kreuz hinauswill (v. 5a). Paulus unterscheidet deutlich Epochen in der Geschichte Gottes mit der Menschheit (Rm 3 25f. 5 12ff.),die abzielen auf das Handeln Gottes in Christus (I Cor 10 11 II Cor 62), das in Kreuz und Auferweckung Jesu den neuen Äon einleitet. Im Christusgeschehen ereignet sich das verheißene (Rm 1 2 Gal 3 19 [s. ν. ie]. 22 II Cor 1 20) endgültige Heilshandeln Gottes. Dieses Handeln Gottes, durch einen urzeitlichen Plan bestimmt (I Cor 2 7, vgl. Col 126), ereignet sich in der Geschichte, in einem bestimmten Volk und in einer bestimmten Zeit (έν τω νΰν καιρώ, Rm 3 26), in geschichtlicher Einmaligkeit. Die Wörter Kreuz und Gekreuzigter bezeichnen für Paulus nicht ein zeitloses Symbol; sie beziehen sich auf den Verbrechertod (das Kreuz ist das Fluchholz, Gal 3 13) eines bestimmten Nachkommen der davidischen Dynastie (Rm 1 3). Die beiden Wörter unterstreichen in I Cor If. (123 2 2. 8) und Gal 5f. (5 11 6 12.14) gegenüber bestimmten Versuchen, um das Skandalon des Kreuzes herumzukommen, nachdrücklich die Anstößigkeit des Sklaventodes Jesu, den Paulus als entscheidendes Heilshandeln Gottes kundmacht (vgl. auch II Cor 13 4 Phil 2 s 3 18). Das historisch ihm und seinen Hörern noch durchaus nahe, seiner und ihrer Zeit angehörende Ereignis der Kreuzigung eines Juden bei Jerusalem am 7. April 30 (oder an welchem Datum auch immer) gibt Paulus überall öffentlich bekannt. Das letzte meint das προγράφει ν von Gal 3 1 ebenso wie das κηρύσσει ν in I Cor 1 23 usw. und das Wort κήρυγμα in I Cor 121 2 4 (alle vier genannten Stellen beziehen sich ausdrücklich oder nach dem Kontext insbesondere auf das Kreuz bzw. den Gekreuzigten), κηρύσσει ν bezeichnet das Tun des Herolds, der gültiges Geschehen amtlich ansagt. Der grundlegende Vorgang der Verkündigung des Paulus ist amtliche Ansage, offizielle Mitteilung über das entscheidende Heilshandeln Gottes im Ereignis von Golgatha2. Im κήρυγμα bzw. im κηρύσσειν des Paulus wird dieses Handeln Gottes als geschehenes Ereignis proklamiert, als vollzogene Tatsache, die per se gültig ist3. Der Tod Jesu erscheint wie in einer aktenmäßigen Darstellung in der Aufzählung der Vorgänge des »gestorben . . ., begraben, auferweckt«, die an Paulus als Urtatsachen des Heilsge2

Die Ausdrücke Απόστολος und κήρυγμα bzw. κηρύσσειν sind offenbar sachlich zusammengehörige Begriffe; in Rm 1015 sind übrigens άττοστέλλεσθαι und κηρύσσειν, in I Tim 2 7 II Tim 1 n κήρυξ und