Angewandte Differentialgleichungen: Band 5 Fluiddynamik 1 9783110684520, 9783110684513

Dieses 6-bändige Werk befasst sich mit den Anwendung von Differentialgleichungen in diversen Bereichen der Physik, Ingen

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Angewandte Differentialgleichungen: Band 5 Fluiddynamik 1
 9783110684520, 9783110684513

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Adriano Oprandi Angewandte Differentialgleichungen De Gruyter Studium

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Adriano Oprandi

Angewandte Differential­ gleichungen | Band 5: Fluiddynamik 1

Mathematics Subject Classification 2010 65L10 Author Adriano Oprandi Bartenheimerstr. 10 4055 Basel Schweiz [email protected]

ISBN 978-3-11-068451-3 e-ISBN (PDF) 978-3-11-068452-0 e-ISBN (EPUB) 978-3-11-068475-9 Library of Congress Control Number: 2020938225 Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.dnb.de abrufbar. © 2020 Walter de Gruyter GmbH, Berlin/Boston Umschlaggestaltung: dianaarturovna / iStock / Getty Images Plus Satz: le-tex publishing services GmbH, Leipzig Druck und Bindung: CPI books GmbH, Leck www.degruyter.com

Inhalt 1

Einleitung | 1

2 2.1 2.2 2.3 2.4

Reibungsfreie Rohrströmungen | 2 Kontinuitätsgleichung | 3 Die Euler- und die Bernoulli-Gleichung | 4 Der Stützkraftsatz | 13 Ausfluss- und Entleerungszeiten | 24

3 3.1 3.2 3.3 3.4 3.5 3.6 3.7 3.8

Strömungswirbel | 33 Starrer Wirbel | 33 Potenzialwirbel (Badewannenwirbel) | 33 Rankine-Wirbel | 34 Umrechnung eines Vektorfeldes von kartesischen in Polarkoordinaten | 34 Die Rotation einer Strömung | 36 Die Zirkulation einer Strömung | 38 Die Euler-Gleichung für normale Koordinaten | 42 Die Euler-Gleichung für Kreisbahnen | 43

4 4.1 4.2

Potenzialströmungen | 45 Stromlinien | 48 Stromfunktion | 48

5 5.1 5.2 5.3 5.4 5.5 5.6 5.7 5.8

5.10

Lösungen von Potenzialströmungen | 55 Die erste Grundlösung: die Translationströmung | 55 Die zweite Grundlösung: die Quellströmung | 56 Überlagerung von Translations- und Quellströmung | 56 Überlagerung von Translations-, Quell- und Senkeströmung | 60 Die dritte Grundlösung: die Dipolströmung | 63 Überlagerung von Translations- und Dipolströmung | 64 Die vierte Grundlösung: der Potenzialwirbel | 67 Überlagerung von Potenzialwirbel und Quellbzw. Senkeströmung | 68 Überlagerung von Translationsströmung und zwei Potenzialwirbeln | 69 Überlagerung von Zylinderumströmung und Potenzialwirbel | 71

6

Keil- und Eckströmungen | 77

5.9

VI | Inhalt

7 7.1 7.2 7.3 7.4 7.5 7.6

Räumliche Potenzialströmungen | 82 Räumliche Translationsströmung | 87 Räumliche Staupunktströmung | 87 Räumliche Quell- oder Senkeströmung | 90 Überlagerung von räumlicher Translations- und Quellströmung | 91 Räumliche Dipolströmung | 93 Umströmung einer Kugel | 93

8 8.1 8.2 8.3

Reibungsbehaftete Rohrströmungen | 95 Die Bernoulli-Gleichung für reibungsbehaftete Rohrströmungen | 95 Laminare Rohrströmungen | 99 Turbulente Rohrströmungen | 102

9

Lineare Wellenthoerie nach Airy | 105

10 10.1 10.2 10.3 10.4 10.5 10.6 10.7 10.8

Gerinneströmungen | 125 Energielinie und Wasserspiegel bei konstantem Abfluss | 126 Maximaler Abfluss bei konstanter Energie | 133 Minimaler benetzter Umfang | 133 Wehrüberströmungen | 137 Unterströmung eines Schützes | 142 Reibungsbehaftete Gerinneströmungen | 147 Instationäre Gerinneströmungen | 154 Das Spannungs- und Geschwindigkeitsprofil einer Gerinneströmung | 159

11 11.1 11.2 11.3 11.4

Strömungen von Gasen | 162 Die Isentropengleichungen | 162 Rohrströmungen von Gasen | 163 Die Energiegleichung für Gase | 165 Gasgeschwindigkeiten | 165

12 12.1 12.2 12.3 12.4 12.5

Die Laval-Düse | 171 Die Hugoniot-Gleichung | 171 Der senkrechte Verdichtungsstoß | 177 Änderung der Ruhegrößen beim Verdichtungsstoß | 182 Das Pitot-Rohr | 183 Fiktiver kritischer Querschnitt einer Unterschallströmung | 184

Übungen | 189 Weiterführende Literatur | 195 Stichwortverzeichnis | 197

1 Einleitung Große Siedlungen seit der Antike verlangten nach immer neueren Ideen und Fertigkei­ ten, um die Wasserversorgung der Bevölkerung zu gewährleisten. Ein beindruckendes Beispiel hierfür ist das Wassersystem des römischen Reichs. Aus bis zu 100 km Entfernung wurde das Wasser bis in die Nähe der Stadt geleitet und dann, um das Wasser sauber und kühl zu halten, in unterirdischen Kanälen ins Innere der Stadt geführt. Über weitere Kanäle und Rohre aus Blei oder Ton wurde das Abwasser entsorgt. Musste man Täler oder Senken überwinden, dann konnte man die beiden höchsten Talpunkte durch eine leicht fallende Leitung auf einem Aquädukt verbinden. Dabei durfte das Gefälle der Leitungen nicht zu klein sein, um ein Flie­ ßen zu gewährleisten, aber nicht zu groß, um nicht unnötig Höhe (Potenzialenergie) zu verschenken. Das Gefälle schwankte etwa zwischen 0,1 % bis 0,4 % (Das niedrigst mögliche Gefälle liegt bei 0,07 %). Oft führten die Leitungen steil einen Abhang hinab, um auf der anderen Seite des Tals wieder (fast gleich hoch) hinaufzusteigen. An den Knickstellen schoss das Was­ ser mit solch großer Geschwindigkeit heran, dass die Ingenieure die Leitung durch Becken erweiterten, um den Druck auf die Krümmungsstelle zu nehmen. Die Roh­ re besaßen kleine Löcher, Luft und Wasser konnten entweichen und so (durch eine Grenzschicht entstandene) Turbulenzen vermindern. Zudem war die Oberfläche des Rohrinneren nicht zu glatt, um beim Öffnen der Leitung keine (Schock)-Welle zu ver­ ursachen, aber auch nicht zu rauh, um Reibungsverluste geringer zu halten. Vieles, was die damaligen Ingenieure aus Erfahrung erkannten und umsetzten, werden wir im Folgenden mit unseren heutigen Begriffen und Modellen beschreiben können.

https://doi.org/10.1515/9783110684520-001

2 Reibungsfreie Rohrströmungen Normalerweise bestimmen vier Kriterien die Art einer Strömung. i) Dimension. Im Allgemeinen verlaufen Strömungen dreidimensional. Bei leicht ge­ krümmten oder geradlinigen Rohren kann man zwei der drei Geschwindigkeitskom­ ponenten gegenüber der Hauptstromrichtung vernachlässigen. Die Strömung ist dann eindimensional. ii) Zeitabhängigkeit. Bei Anlauf- und Anschaltvorgängen ist die Strömung zusätzlich instationär, also zeitabhängig. Eine stationäre Strömung liegt vor, wenn die charak­ dρ dp dT teristischen Zustandsgrößen zeitunabhängig sind: dv dt = dt = dt = dt = 0. iii) Dichte der Strömung. Dazu definieren wir: a) Ein Fluid heißt inkompressibel, wenn die Dichte ρ = konst. ist. b) Eine Strömung heißt inkompressibel, wenn sich die Dichte des Fluids mit der Zeit dρ(x,y,z,t) nicht ändert: = 0. Das bedeutet nicht, dass die Strömung dann stationär dt ist. Andere Größen wie die Geschwindigkeit können immer noch von der Zeit abhängen. Inkompressibilität bedeutet, dass z. B. jedes Tröpfchen, das durch einen Ort P(x, y, z) strömt, zu jeder Zeit dieselbe Dichte aufweist. Inkompressibel bedeutet aber nicht zwangsweise, dass die Dichte an jedem Ort konstant sein muss, diese kann immer noch ortsabhängig bleiben. Beispielsweise be­ steht die Meerströmung aus Lagen verschiedener Dichten (die dichteste unten). Ob die Kompressibilität berücksichtigt werden muss, hängt von der Machzahl Ma = vc (mit der Strömungsgeschwindigkeit v und der Schallgeschwindigkeit c) ab. Bei einer Machzahl von Ma2 ≪ 1 kann man die Strömung als inkompressibel betrachten. In der Praxis setzt man den Richtwert bei Ma = 0,3 an. Für Wasser wäre km dann v = 1600 km h und für Luft v = 360 h . Es gibt dazu drei Erhaltungssätze, die eine reibungsfreie Strömung mit den obigen drei Kriterien berücksichtigen: Die Kontinuitätsgleichung (Massenerhaltungssatz), die Euler-Gleichung (Impulserhaltungssatz) und die Bernoulli-Gleichung (Energieer­ haltungssatz). Speziell in Wandnähe müssen die Reibungskräfte berücksichtigt werden. iv) Reibung. Solche Strömungen nennt man viskos. Überwiegen Trägheitskräfte oder Druck- und Gewichtskraft, dann kann man näherungsweise von der Reibung abse­ hen. Wird die Reibung miteinbezogen, dann erhält man die Navier-Stokes-Gleichun­ gen (siehe 6. Band).

https://doi.org/10.1515/9783110684520-002

2.1 Kontinuitätsgleichung | 3

2.1 Kontinuitätsgleichung Wir betrachten eine dreidimensonale, instationäre, kompressible Strömung. Das be­ deutet, sowohl Geschwindigkeit als auch Dichte sind vom Ort und von der Zeit abhän­ gig: v(x, y, z, t), ρ(x, y, z, t). Dasselbe gilt folglich auch für die drei Raumkomponenten der Geschwindigkeit v x (x, y, z, t), v y (x, y, z, t) und v z (x, y, z, t). Wir greifen ein Volumenelement dV = dx dy dz zur Zeit t heraus (Abb. 2.1).

Abb. 2.1: Skizze zum Volumenelement

∆m Definition. In Analogie zum Wärmestrom bezeichnen wir mit ṁ = dm dt = lim∆t→0 ∆t den Massenstrom, die pro Zeiteinheit durch einen Querschnitt A fließende Masse.

m(t) sei die Masse zur Zeit t. Innerhalb des Zeitraums ∆t wächst diese Masse um den eindringenden Teil ∆mein und fällt um den austretenden Teil ∆maus auf den Wert m(t + ∆t). Insgesamt erhalten wir m(t + ∆t) = m(t) + ∆m ein − ∆maus . Im mehrdimensionalen Fall hat man m(t + ∆t) − m(t) = ∑ ∆mein − ∑ ∆maus . Die Division durch ∆t liefert m(t + ∆t) − m(t) ∆mein ∆maus =∑ −∑ . ∆t ∆t ∆t Der Grenzübergang führt zur Massenstrombilanz d ṁ = ∑(ṁ ein − ṁ aus ). Für ein kleines Kontrollvolumen dV wird daraus d ṁ = ∑(d(ṁ ein ) − d(ṁ aus )). Die gesamte Massen­ stromänderung aufgrund der Kompressibilität ist

d ṁ = ≈

(ρ +

∂ρ ∂t

(ρ +

∂ρ ∂t

dt +

1 2



∂2 ρ ∂t 2

dt2 + ⋅ ⋅ ⋅ ) dx dy dz − ρ dx dy dz dt

dt) dx dy dz − ρ dx dy dz dt

=

∂ρ dx dy dz ∂t

(1. Näherung) .

4 | 2 Reibungsfreie Rohrströmungen Für den Massenstrom d(ṁ ein )x des Volumenelements dV in x-Richtung gilt d(ṁ ein )x = ρ dx dy dz = ρv x dy dz. dt ∂(ρv ) Damit folgt wieder in 1. Näherung d(ṁ aus )x ≈ (ρv x + ∂x x dx)dy dz. Für die Differenz ist d(ṁ ein )x − d(ṁ aus )x = −

∂(ρv x ) dx dy dz . ∂x

Analoges ergibt sich für die beiden anderen Geschwindigkeitskomponenten. Zusammen erhalten wir Die Kontinuitätsgleichung für dreidimensionale, kompressible, instationäre Fluide ∂ρ ∂(ρv x ) ∂(ρv y ) ∂(ρv z ) + + + = 0 (Massenbilanz in einem Raumpunkt). ∂t ∂x ∂y ∂z Andere Schreibweisen sind

∂ρ ∂t

+ div(ρ v)⃗ = 0 oder

∂ρ ∂t

⃗ v)⃗ = 0 mit ∇⃗ = ( ∂ , + ∇(ρ ∂x

Spezialfälle I. Fluid kompressibel, Strömung stationär. Aus Letzterem folgt Geschwindigkeitskomponenten sind nur vom Ort abhängig:

dρ dt

∂ ∂ ∂y , ∂z ).

= 0. Dichte und

∂(ρv x ) ∂(ρv y ) ∂(ρv z ) + + =0. ∂x ∂y ∂z II. Fluid inkompressibel, Strömung instationär. Aus Ersterem folgt ρ = konst. Die Geschwindigkeitskomponenten bleiben vom Ort und der Zeit abhängig. Also ist ∂(v x ) ∂(v y ) ∂(v z ) + + = 0 oder div(v)⃗ = 0 . ∂x ∂y ∂z III. Fluid inkompressibel, Strömung stationär. Aus Letzterem folgt schwindigkeitskomponenten sind nur vom Ort abhängig:

dρ dt

= 0. Die Ge­

div(v)⃗ = 0 .

2.2 Die Euler- und die Bernoulli-Gleichung Vorweg wollen wir zwei Begriffe unterscheiden: Stromlinie und Bahnlinie (Abb. 2.2). Bahnlinien beschreiben den zurückgelegten Weg eines Teilchens. Dargestellt sind die Bahnlinien zweier Geschwindigkeitsteilchen 1 und 2 zu unterschiedlichen Zeiten t1 und t2 . Im Punkt A werden die Teilchen im Allgemeinen verschiedene Geschwindig­ keiten aufweisen.

2.2 Die Euler- und die Bernoulli-Gleichung |

5

Abb. 2.2: Skizze zu den Strom- und Bahnlinien

Stromlinien hingegen entstehen in einer Momentaufnahme zu einem bestimmten Zeitpunkt t. Im Punkt A wird ein Teilchen zu diesem Zeitpunkt den Geschwindigkeitsvektor v⃗ A besitzen. Im Punkt B wird der Geschwindigkeitsvektor des momentanen Strömungs­ feldes in Richtung v⃗ B zeigen usw., für jeden anderen Punkt. Stromlinien sind demnach Kurven, deren Tangentenrichtungen in jedem Punkt mit den Richtungen der Geschwindigkeitsvektoren des Strömungsfeldes übereinstim­ men. Theoretisch sind bei einer instationären Strömung unendlich viele Geschwin­ digkeitsvektoren durch einen Punkt A denkbar und folglich auch unendlich viele Bah­ nen, die ein Teilchen innerhalb einer Strömung zurücklegen kann. Es muss nicht ein­ mal durch einen bestimmten Punkt verlaufen. Im Mittel wird sich ein Teilchen entlang einer Stromlinie bewegen. Bei einer stationären Strömung fallen Stromlinie und Bahnlinie zusammen. Das­ selbe gilt für eine laminare Strömung. Mehrere (auch unendlich viele) Stromlinien (die einander ja nicht schneiden) können gedanklich zu einer Stromröhre zusammen­ gefasst werden. Für eine eindimensionale Strömung (beispielsweise in x-Richtung) durch eine solche Stromröhre soll die Massenbilanz noch einmal durchgeführt wer­ den. ̇ ̇ Es gilt ∂m ∂t = m ein − m aus = ρ 1 v 1 A 1 − ρ 2 v 2 A 2 für zwei Kontrollpunkte 1 und 2 in einem Abstand ∆x mit den entsprechenden Dichten, Geschwindigkeiten und Quer­ schnitten. −(ρvA)x Dann ist ∂(ρA∆x) = −(ρ 2 v2 A2 − ρ 1 v1 A1 ) und weiter ∂(ρA) = − (ρvA)x+∆x . Im ∆x ∂t ∂t Grenzfall ∆x → 0 erhalten wir ∂(ρA) ∂(ρvA) =− ∂t ∂x

(Massenbilanz für eine Stromröhre).

(2.1)

Speziell für eindimensionale, inkompressible, stationäre Fluide ist ρ = konst. und es folgt 0 = − ∂(vA) ∂x und daraus die Kontinuitätsgleichung A ⋅ v = konst. Für die Herleitung der Euler-Gleichung ist die Unterscheidung zwischen Stromli­ nie und Bahnlinie unerheblich. Wir stellen uns die gesamte Strömung in Stromlinien zerlegt vor. Dann erfolgt die Strömung immer tangential zur ausgewählten Stromli­ nie und nicht quer in diese hinein. Wir greifen ein beliebiges Volumen dV aus einer solchen Stromlinie heraus (Abb. 2.3).

6 | 2 Reibungsfreie Rohrströmungen

Abb. 2.3: Skizze zu den am Stromlinienelement wirkenden Kräfte

Mit d F⃗ a bezeichnen wir die Richtung der beschleunigenden Kraft. d F⃗ Gv ist derjenige Anteil der Gewichtskraft d F⃗ G , der die Bewegung begünstigt. Zusätzlich wirken die Druckkräfte d F⃗ p und d F⃗ p+dp auf die Stirnflächen dA, einmal in Bewegungsrichtung und einmal entgegengesetzt. Die Kräftebilanz lautet dF a = +dFGv + dF p − dF p+dp .

(2.2)

Ausgeschrieben ist dm ⋅ a = +dm ⋅ g ⋅ sin α + p ⋅ dA − (p + dp) ⋅ dA , dm ⋅ a = +dm ⋅ g ⋅ sin α − dp ⋅ dA dm ⋅ a = −dm ⋅ g ⋅

dm dh − dp ⋅ ds ρ ⋅ ds

und 󳨐⇒

a+g⋅

dh dp + =0. ds ρ ⋅ ds

Bei der Beschleunigung a = dv dt gilt es zu beachten, dass v = v(s, t) vom Ort und der Zeit abhängt. Also erhält man dv(s,t) mit Hilfe der allgemeinen Kettenregel dt ∂v dv(s, t) ∂v ds ∂v dt ∂v = ⋅ + ⋅ = ⋅v+ . dt ∂s dt ∂t dt ∂s ∂t Die gesamte Beschleunigung setzt sich aus einem örtlichen, in s-Richtung verlaufen­ den und einem lokalen, zeitabhängigen Teil zusammen. Dann lautet unsere DGL dh dp ∂v ∂v + +g⋅ + =0. v⋅ ∂s ∂t ds ρ ⋅ ds a=

Multiplikation mit ds führt zur Euler-Gleichung ∂v dp ⋅ ds + v ⋅ dv + + g ⋅ dh = 0 , ∂t ρ

v = v(s, t), ρ = ρ(s) .

Die Euler-Gleichung entspricht der Impulserhaltung.

(2.3)

2.2 Die Euler- und die Bernoulli-Gleichung |

7

Die bestimmte Integration ergibt s2

v2

p2

h2

s1

v1

p1

h1

∂v dp ds + ∫ v dv + ∫ + g ∫ dh = 0 . ∫ ∂t ρ

Es folgt die Bernoulli-Gleichung s2

∫ s1

p2

∂v dp 1 ds + (v22 − v21 ) + ∫ + g(h2 − h1 ) = 0 . ∂t 2 ρ p1

Dabei ist v = v(s, t), ρ = ρ(s). Dies ist die eindimensionale Gleichung der Energieer­ haltung. Spezialfälle I. Fluid kompressibel, Strömung stationär, p2

1 2 dp (v − v21 ) + ∫ + g(h2 − h1 ) = 0 . 2 2 ρ(p) p1

II. Fluid inkompressibel, Strömung instationär, s2

∫ s1

∂v p2 − p1 1 ds + (v22 − v21 ) + + g(h2 − h1 ) = 0 . ∂t 2 ρ

III. Fluid inkompressibel, Strömung stationär, 1 2 p2 − p1 (v − v21 ) + + g(h2 − h1 ) = 0 . 2 2 ρ In diesem Fall schreibt man die Gleichung in der Form 12 ρv2 + ρgh + p = konst. Mul­ tiplikation mit dem Volumen liefert 12 mv2 + mgh + pV = konst. Man erkennt die einzelnen Energieanteile: Ekin + Epot + EDruck = konst. In der Darstellung 12 ρv2 + ρgh + p = konst. besitzt die Konstante die Einheit eines Druckes und setzt sich zusammen aus dem Staudruck 12 ρv2 (Erhöhung des Drucks gegenüber dem statischen Druck aufgrund der kinetischen Energie), dem hydrosta­ tischen Druckanteil ρgh (hervorgerufen durch die potenzielle Energie), und dem Be­ triebsdruck p (als Form der inneren Energie). Dieser letzte Druck bezeichnet denjeni­ gen Anteil des statischen Drucks, der nicht aus dem Eigengewicht des Fluids resultiert.

8 | 2 Reibungsfreie Rohrströmungen Beispiel 1. Ein Gefäß mit dem Durchmesser 40 cm ist bis zu einer Höhe H = 1 m mit Wasser gefüllt (Abb. 2.4 links). Es wird am Boden über ein Rohr mit dem Durchmes­ ser 10 cm entleert. Damit der Ausfluss stationär ist, wird der Behälter stets bis zur ursprünglichen Höhe H aufgefüllt. Es soll zuerst die Ausfließgeschwindigkeit v2 des Wassers beim Öffnen des Ventils bestimmt werden. Wir setzen die Höhe der ausströmenden Röhre auf Null. Die Geschwindigkeit in­ nerhalb der Wassersäule ist aufgrund des gleichbleibenden Behälterquerschnitts nur dv zeitabhängig, v(s, t) = v(t) und nahezu konstant: ∂v ∂t = dt ≈ 0. Deswegen ist der in­ P 2 ∂v stationäre Teil ∫P ∂t ds Null. Auf beide Querschnitte wirkt derselbe Außendruck p0 . 1 Dann lautet die Bernoulli-Gleichung 12 ρ(v22 − v21 ) + p0 − p0 + ρg(0 − H) = 0 oder 1 2 2 2 (v 2 − v 1 ) − gH = 0. Mit Hilfe der Kontinuitätsgleichung gilt A 1 v 1 = A 2 v 2 . Es entsteht v22 −

A22 A21

v22 = 2gH

v2 = √2gH

󳨐⇒

A1 √A21



A22

≈ √2g ⋅ 1,002 = 4,57

m . s

Ist A1 ≫ A2 , dann wird daraus v2 ≈ √2gH (Ausflussformel von Torricelli). Aus beiden Formeln ist ersichtlich, dass die Geschwindigkeit am Boden nur von der Höhe der Wassersäule abhängt. Das Wasser bewegt sich so, als würden alle Tröpf­ chen aus der Höhe H im freien Fall absinken. Nun lassen wir den Behälter auslaufen und berechnen die Ausflusszeit. Die Ge­ schwindigkeit am Boden können wir als v2 (t) = √2g ⋅ h(t)

A1 √A21

− A22

ansetzen. In der Zeit dt sinkt der Wasserspiegel um dh = −v1 (t) dt. Aus der Kontinui­ tätsgleichung entnehmen wir v1 = AA 21 v2 . Eingesetzt erhält man dh = −√2gh

A2 √A21

dt .

− A22

Nach Variablen getrennt folgt dh A2 = −√2g dt . √h √A2 − A2 1

2

Die Integration führt zu 2√h(t) = −√2g

A2 √A21 − A22

t+C.

Mit der Anfangsbedingung h(0) = H erhält man C = 2√H.

2.2 Die Euler- und die Bernoulli-Gleichung | 9

Das ergibt 2

√h(t) = −√

g A2 t + √H 2 √A2 − A2 1

󳨐⇒

h(t) = (√H − √

2

g A2 t) . 2 √A2 − A2 1

2

Der Behälter leert sich in der Zeit t=√

2 2 2H √A1 − A2 = 7,21 s . ⋅ g A2

Beispiel 2. Gleiches Gefäß wie in Beispiel 1 mit dem Unterschied, dass sich das Was­ ser unter einer Glocke mit einem Überdruck ∆p befindet (Abb. 2.4 rechts). Die Ber­ noulli-Gleichung besitzt dann die Gestalt 12 ρ(v22 − v21 ) + (p0 + ∆p) − p0 − ρgH = 0, die in 12 (v22 − v21 ) + ∆p ρ − gH = 0 übergeht. Nehmen wir der Einfachheit halber an, es sei A1 ≫ A2 , dann ist v1 ≈ 0 und man erhält 12 v22 + ∆p ρ − gH = 0. Für die Ausfließgeschwin­ digkeit v2 folgt schließlich 2∆p . v2 ≈ √2gH − ρ

Abb. 2.4: Skizze zu den Beispielen 1 und 2

Beispiel 3 (Das Pitot-Rohr). Dieses Instrument dient der Geschwindigkeitsmessung von Fluiden (Abb. 2.5 links). Nach der Bernoulli-Gleichung pG = pS + pd setzt sich der Gesamtdruck pG aus dem statischen Druck pS und dem dynamischen Druck pd = 12 ρv2 zusammen (bei Vernachlässigung des hydrostatischen Teils). Der Druckvergleich in den Punkten A und B liefert pS,A + pd,A = pS,B + pd,B . Im Punkt B ist pd,B = 0, da v B = 0. Gemessen wird demnach der Druck pS,B := p0 . Es gilt pS,B > pS,A , da bei Re­ duktion der Geschwindigkeit der Druck steigt. pS,A wird über eine Bohrung gemessen. p0 heißt auch Staudruck. Insgesamt erhalten wir pS,A + 12 ρv2 = p0 und daraus v=√

2(p0 − pS,A ) . ρ

10 | 2 Reibungsfreie Rohrströmungen

Abb. 2.5: Skizzen zu den Beispielen 3 und 4

Beispiel 4. Gleiches Gefäß wie in Beispiel 1 mit dem Unterschied, dass das Wasser über eine schon mit Wasser gefüllte Röhre der Länge l entleert wird (Abb. 2.5 rechts). Damit haben wir es mit einer instationären Strömung zu tun, denn die Wassermasse m = ρA2 l muss beim Öffnen des Ventils beschleunigt werden. Geht man von einem durchgehend bis zur Höhe H gefüllten Gefäß aus, so kann die Absenkgeschwindigkeit v1 Null gesetzt werden. Dann lautet die Bernoulli-Gleichung P2



∂v 1 ds + v2 − gH = 0 mit ∂t 2

v2 = v .

P1

Der Weg von P1 bis P3 besteht (im Mittel) aus dem Teilstück P1 P2 , für das wir wie l ∂v bisher ∂v ∂t ≈ 0 annehmen können, und dem Rohrweg. Somit bleibt ∫0 ∂t ds übrig. Wir setzen eine konstante Beschleunigung ∂v ∂t ≈ konst. voraus, was zu l



∂v ∂v ds ≈ l ⋅ ∂t ∂t

0 1 2 gH ̇ 2l v − l = 0 führt. Die Lösung zusammen mit der Anfangsbedingung und der DGL v+ v(t = 0) = 0 lautet (Abb. 2.6 links)

v1 (t) = √2gH tanh (

√gH ⋅ t) . √2 ⋅ l

Der kinematische Druck auf die Rohrwand ist dann pk (t) =

√gH 1 2 ρv = ρgH ⋅ tanh2 ( ⋅ t) 2 √2 ⋅ l

(Abb. 2.6 links, vgl. auch 1. Band, Übungsteil). Speziell für den stationären Zustand (t → ∞) ist v(t) = √2gH. 2 5 Für kleine Zeiten benutzt man tanh x = x − 13 x3 + 15 x ∓ . . . und findet (Abb. 2.6 links) √gH gH ⋅t. v3 (t) ≈ √2gH ⋅t= l √2 ⋅ l

2.2 Die Euler- und die Bernoulli-Gleichung |

11

Diese lineare Strömung mit der Zeit findet man auch so: Zu Beginn der Anlaufströ­ gH 1 2 ̇ + 2l v (0) − gH mung v(t = 0) = 0 gilt v(0) l = 0. Also ist die Beschleunigung a(0) = l . Im stationären Zustand (t → ∞) muss die Beschleunigung Null sein: gH gH 1 1 − v2 (t → ∞) = − ⋅ 2gH = 0 . l 2l l 2l Wird die Reibung noch mitberücksichtigt, dann erhält man eine gegenüber v1 (t) fla­ cher verlaufende Kurve v2 (t) (siehe Kapitel 8.1). a(t → ∞) =

Abb. 2.6: Skizzen zu den Ergebnissen von Beispiel 4 und Skizze zu Beispiel 5

Beispiel 5 (Die Heberleitung). Ein Gefäß soll über eine sogenannte Heberleitung ent­ leert werden (Abb. 2.6 rechts). Als Bezugslinie wählen wir das Ende des Rohres. Die Höhe H des Wasserspiegels sei wieder konstant, was v A = 0 bedeutet. Zudem ist die Röhre wie in Beispiel 4 schon vollständig mit Wasser gefüllt. Den Weg des (mittleren) Stromfadens zerlegen wir in drei Teilwege und bestimmen zuerst C

∫ A

B1

B2

C

A

B1

B2

∂v ∂v ∂v ∂v ds = ∫ ds + ∫ ds + ∫ ds . ∂t ∂t ∂t ∂t

Das erste Integral der rechten Seite ist Null, weil v = v A = 0 für diesen Teilabschnitt gilt. Das zweite Integral verschwindet ebenfalls, weil ds ≈ 0. Übrig bleibt C

C



∂v ∂v ds = ∫ ds . ∂t ∂t

A

B2

Innerhalb der Röhre nehmen wir die Änderung von v entlang der Rohrlänge l als weg­ unabhängig an, was zu C



∂v dv ds = l ⋅ ∂t dt

A

führt. Die Bernoulli-Gleichung für die beiden Punkte A und C lautet demnach C

∫ A

∂v 1 1 pC − pA ds + v2C − v2A + + g(h C − h A ) = 0 . ∂t 2 2 ρ

12 | 2 Reibungsfreie Rohrströmungen Mit v A = 0, v C = v, h C − h A = H und p C = p A = p0 folgt l⋅

dv 1 2 + v − gH = 0 dt 2

󳨐⇒

v̇ +

1 2 gH v − =0. 2l l

Man erhält dieselbe DGL wie in Beispiel 4, weil die Form des Rohrs keine Rolle spielt. Im Unterschied zu Beispiel 4 verläuft die Röhre teilweise über dem Wasserspiegel des Behälters. Man muss also gewährleisten, dass der (minimale) Druck in der Höhe HR genügend groß ist, damit die Strömung nicht abreißt. Dazu formulieren wir die Ber­ noulli-Gleichung für die Punkte C und D: C



∂v 1 pC − pD 1 ds + v2C − v2D + + g(h C − h D ) = 0 . ∂t 2 2 ρ

D

Mit ∂v ∂t = a(t) ≈ konst., v C = v D im Abschnitt CD und p C = p0 folgt p D (t) = p0 − ρgHR + ρ ⋅ a(t) ⋅ HR . Zum Startpunkt ist p D (0) = p0 − ρgHR + ρ

gH H HR = p0 − ρgHR (1 − ) l l

und im stationären Fall erhält man p D (t → ∞) = p0 − ρgHR + ρ ⋅ 0 ⋅ HR = p0 − ρgHR (Luftdruck minus hydrostatischer Druck) Beispiel 6. In einem gekrümmten Rohr mit durchgehend gleichem Querschnitt befin­ det sich eine imkompressible Flüssigkeit der Länge l (Abb. 2.7 links). Der Außendruck ist an beiden offenen Enden gleich groß. In der Ruhelage steht die Flüssigkeit links und rechts gleich hoch. Aufgrund des gleichbleibenden Querschnitts entspricht eine Auslenkung x auf der linken Seite derselben Auslenkung im rechten Rohrstück. Zu­ dem sind die Geschwindigkeiten v1 und v2 an den beiden Rohrenden zu jeder Zeit gleich groß: v1 = v2 = v. Für die Höhen h1 und h2 , die zur potenziellen Energie ge­ hören, gilt: h1 = −x ⋅ sin α und h2 = x ⋅ sin β. Schließlich können wir wiederum die Beschleunigung ∂v ∂t der Wassersäule auf der gesamten Länge l als konstant vorausset­ zen. Somit lautet die Bernoulli-Gleichung l ⋅ ẍ +

p0 − p0 1 2 (v − v2 ) + + g(x ⋅ sin β + x ⋅ sin α) = 0 . 2 ρ

Abb. 2.7: Skizzen zu Beispiel 6 und zum Impuls

2.3 Der Stützkraftsatz

| 13

Die Schwingungsgleichung für dieses Rohr bekommt die Gestalt ẍ +

g (sin β + sin α)x = 0 . l

Als Frequenz ergibt sich g ω = √ (sin β + sin α) . l Wählt man speziell ein U-Rohr, dann ist α = β = 90° und es folgt ẍ +

2g x = 0 mit l

ω=√

2g l

(vgl. 1. Band, Übungsteil).

Aufgabe Bearbeiten Sie die Übungen 1 bis 5.

2.3 Der Stützkraftsatz Aus der Euler-Gleichung (Impulserhaltung) haben wir die Bernoulli-Gleichung (Ener­ gieerhaltung) hergeleitet. Die Impulserhaltung selber wird in Form des Stützkraftsat­ zes formuliert. Bei der Anwendung des Impulssatzes ist wichtig, dass alle äußeren Kräfte berück­ sichtigt werden, die auf die Strömung wirken. Dazu gehören sowohl die Kräfte, welche die Wand auf die Strömung ausübt, als auch die Druckkräfte an den Endquerschnitten und die Schwerkraft als normalerweise einzige Massenkraft. Der Impuls ist definiert als I ⃗ = m v⃗ und die Kraft als zeitliche Änderung des Im­ pulses: ⃗ ̇ v)⃗ d( v)⃗ ⃗ F⃗ = I ⃗ = ddtI = d(m dt . Für Festkörper ist m = konst., woraus F = m dt resultiert. Integration von einem Zustand 1 (t1 ) bis zu einem Zustand 2 (t2 ) ergibt t2

t2

I ⃗ = ∫ F⃗ dt = m ∫ v⃗ dt = m(v⃗2 − v⃗ 1 ) . t1

t1

Zur Bestimmung des Impulses ist es egal, wie der Kraftverlauf im Einzelnen verläuft (Abb. 2.7 rechts). Der zurückgelegte Weg der Masse ist ebenfalls belanglos. Beispiels­ weise ergibt sowohl der rechteckige als auch der dreieckige Kraftstoß denselben Im­ puls, solange der Flächeninhalt gleich groß ist. Bei Flüssigkeiten haben wir es nicht mehr mit einer bewegten, diskreten Einzel­ masse zu tun, sondern mit dem Durchfluss einer kontinuierlich fließenden Menge, das bedeutet, dass die bewegte Masse sich mit der Zeit ändert. Dann erhält man d(m v)⃗ dm d v⃗ F⃗ = = v⃗ + m. dt dt dt

14 | 2 Reibungsfreie Rohrströmungen Gehen wir von einer stationären Strömung aus, dann ist ∂v ∂t = 0. Zusätzlich denken ∂v ∂v wir uns die Strömung entlang von Stromlinien verlaufend, so dass ∂v ∂z = ∂y = ∂z = 0 gesetzt werden kann. Die totale Beschleunigung beträgt dann ddtv⃗ = 0. Übrig bleibt somit ρ dV dm v⃗ = v⃗ = ρ v⃗ ⋅ V̇ = ρ v⃗ ⋅ Q . F⃗ = dt dt Dabei ist Q der Volumenstrom und ρ wird als konstant vorausgesetzt. Soll nun eine Geschwindigkeitsänderung dv x der Masse dm entlang der Strecke dx erfolgen, dann ist dazu die Kraft dF x = ρ ⋅ Q x ⋅ dv x erforderlich. Summiert man über alle Kräfte von einem Zustand 1 bis zu einem Zustand 2, dann gilt v x2

2

vx

∫ dF x = ρQ x ∫ dv x = ρQ x [v x ]v x21 v x1

1 bis 2

󳨐⇒

∑ Fx = Alle Zustände von 1

ρQ x (v x2 − v x1 ) .

Analoges leitet man für die beiden anderen Koordinaten her. Daraus entsteht (Abb. 2.8 links) bis 2

∑ F⃗ = ρQ(v⃗2 − v⃗ 1 ) .

Alle Zustände von 1

An diesem Ergebnis erkennt man, dass es egal ist, welche Kräfte im Einzelnen zwi­ schen beiden Zuständen an der Fluidmasse angreifen und sich dann gegenseitig auf­ heben. Zusammen ergeben sie genauso viel wie die Änderung des Impulsstroms dieser Masse. Nun wollen wir die Summe dieser Kräfte etwas aufschlüsseln. Dazu betrachten wir den Abschnitt einer Rohrleitung begrenzt durch die Querschnitte A1 und A2 bei konstantem Durchfluss Q (Abb. 2.8 rechts). Auf das Fluid wirken folgenden Kräfte: 1. Die Gewichtskraft G⃗ der Fluidmasse des Rohrabschnitts. 2. Die Kraft K⃗ der Wand des Rohrs auf das Fluid aufgrund der Krümmung (keine Reibungskraft). Die Wand reagiert auf die Richtungsänderung mit einer rücktrei­ benden Kraft. 3. Druckkraft F⃗ p1 = p⃗ 1 ⋅ A1 auf die Fläche A1 und Druckkraft −F⃗ p2 = p⃗ 2 ⋅ A2 auf die Fläche A2 . Dabei ist F⃗ p2 eine Antwortkraft des Fluids auf die Druckkraft F⃗ p1 , also diejenige Kraft, die dem Fluid in Strömungsrichtung entgegen wirkt, deswegen −F⃗ p2 . Zusammen haben wir ∑ F⃗ = F⃗ p1 − F⃗ p2 + K⃗ + G.⃗

2.3 Der Stützkraftsatz

| 15

Abb. 2.8: Skizzen zum Stützkraftsatz

Da auf dem Weg vom Zustand 1 zum Zustand 2 keine Masse verloren geht, und das Rohr selber nicht beschleunigt wird, gilt ̇ ̇ ̇ dI ⃗ . F⃗ p1 − F⃗ p2 + K⃗ + G⃗ = ρQ(v⃗2 − v⃗1 ) = I2⃗ − I1⃗ = I ⃗ = dt Es folgt der Stützkraftsatz ρQ(v⃗2 − v⃗ 1 ) = F⃗ p1 − F⃗ p2 + K⃗ + G⃗ .

(2.4)

Bemerkung. Der Name leitet sich folgendermaßen ab: F⃗ p1 + ρQ v⃗1 := S⃗ 1 ,

F⃗ p2 + ρQ v⃗2 := S⃗ 2 .

S⃗ 1 und S⃗ 2 bezeichnet man als Stützkräfte. In kurzer Form lautet der Stützkraftsatz damit K⃗ + G⃗ + (−S⃗ 2 ) + S⃗ 1 = 0. Beispiel 1. Wir betrachten einen Springbrunnen, dessen Wasserstrahl eine Düse mit dem Querschnitt A1 im Punkt 1 verlässt (Abb. 2.9 links). In diesem Punkt ist der Rohr­ druck nicht mehr vorhanden. Gleiches gilt im Punkt 2, den wir auf einer Höhe h wäh­ len. Also gilt für die Stützkräfte S1 = p1 A1 + ρv1 Q = ρv1 Q, S2 = p2 A2 + ρv2 Q = ρv2 Q. Der Fluss beträgt Q = A1 v1 (für die Wassermenge außerhalb des Rohrs gilt die Kontinuitätsgleichung nicht mehr). Folglich ist S1 = ρA1 v21 , S2 = ρA1 v1 v2 . Der Stützkraftsatz lautet für diesen Fall K⃗ + G⃗ − S⃗ 2 + S⃗ 1 = 0. Da die Strömung keine Kraft auf das Rohr ausübt, ist K⃗ = 0. Übrig bleibt (Abb. 2.9 rechts) G⃗ + (−S⃗ 2 ) + S⃗ 1 = 0

󳨐⇒

|G|⃗ + | − S⃗ 2 | = | − S⃗ 1 | .

Abb. 2.9: Skizzen zu Beispiel 1

16 | 2 Reibungsfreie Rohrströmungen

Dann ist ρgV + ρA1 v1 v2 = ρA1 v21 󳨐⇒

V=

A1 v1 (v1 − v2 ) (= ausgeworfenes Wasservolumen) . g

Auf die Wassersäule wirkt nur der atmosphärische Druck p0 . Die Bernoulli-Gleichung erhält die Form 1 ρ(v21 − v22 ) + ρg(0 − h) = 0 󳨐⇒ v2 = √v21 − 2gh . 2 Eingesetzt entsteht A1 v1 V= (v1 − √v21 − 2gh) . g Das maximale Volumen wird für v2 = 0 erreicht und beträgt V =

A 1 v 21 g .

Es entspricht

v 21 g .

einer kompakten Säule mit der Grundfläche A1 und der Höhe Die Höhe ist dabei gerade halb so groß wie die maximal mögliche Höhe eines Tröpfchens, wie man aus dem Energiesatz entnimmt: 12 mT v2T = mT gH 󳨐⇒ H =

v 2T 2g .

Beispiel 2. Dies ist eine Variante zum 1. Beispiel (Abb. 2.10 links). Eine Pumpe wird in einer Tiefe h∗ zur Düse installiert. Der zu erzeugende Überdruck sei ∆p. Wir überlegen uns, mit welcher Geschwindigkeit v1 der Wasserstrahl aus der Düse tritt. Es ist Q = A0 v0 = A1 v1 . Die Bernoulli-Gleichung liefert in diesem Fall 12 ρ(v20 − v21 ) + (p0 + ∆p) − p0 + ρg(0 − h∗ ) = 0. Dann ist (

A21

v2 − v21 ) = 2gh∗ − 2 1

A0

2∆p ρ

󳨐⇒

v1 = √

2 ρ (∆p

− ρgh∗ )

1−

A 21 A 20

.

Mit Hilfe dieser Geschwindigkeit könnte man wie in Beispiel 1 weiterfahren und bei­ spielsweise das Volumen des ausströmenden Wassers in Abhängigkeit von v1 bestim­ men. Der Stützkraftsatz für unsere Pumpe lautet ρQ(v1 −v0 ) = (p0 +∆p)A0 −p0 A1 −K−G (Abb. 2.10 rechts). Damit kann die Mantelkraft K berechnet werden: K = (p0 + ∆p)A0 − p0 A1 − G − ρA1 v21 (1 −

A1 ) . A0

Abb. 2.10: Skizzen zu Beispiel 2

2.3 Der Stützkraftsatz

Es sei p0 = ∆p = 105 Pa, A0 = 0,12 m2 , A1 = 0,03 m2 , h∗ = 5 m, ρ = 103 ergibt sich v1 zu 2

v1 = √ 1000

(105 − 103 ⋅ 9,81 ⋅ 5) 1−

0,032 0,122

= 10,43

| 17

kg . m3

Dann

m . s

Für die Gewichtskraft gilt G = ρgV = ρg

h∗ (A0 + √A0 A1 + A1 ) = 3433,50 N . 3

Damit erhält man für die Mantelkraft K = 15.118,84 N. Diese Kraft kann noch in eine Komponente senkrecht und eine parallel zur Wand zerlegt werden. Bemerkung. Im 6. Band werden wir zeigen, dass die Wandreibung für eine turbulente Strömung sich mit FW,tur = 0,037 ⋅ b ⋅ ρ ⋅ ν0,2 ⋅ u 1,8 ⋅ l0,5 berechnen lässt. Für uns wäre das FW,tur = 0,037 ⋅ 2π ⋅ 103 ⋅ (1,5 ⋅ 10−6 )0,2 ⋅ (

13,87 + 55,48 1,8 ) ⋅ 1,010,5 = 9434,51 N . 2

Beispiel 3. Wir betrachten ein kurzes Teilstück eines horizontalen geraden Rohrs (Abb. 2.11 links). Den Einfluss der Gewichtskraft beachten wir vorerst noch nicht. Die Bernoulli-Gleichung liefert 12 ρ(v21 − v22 ) + p1 − p2 = 0 󳨐⇒ p1 = p2 + 12 ρ(v22 − v21 ). Des Weiteren gehen wir direkt zu einem Zahlenbeispiel über. Das betrachtete Rohrstück sei vollständig mit Wasser durchflossen und l = 1 m lang. Weiter wählen kg l m3 wir A1 = 0,12 m2 , A2 = 0,03 m2 , ρ = 103 m 3 , p 2 = 50 kPa, Q = 120 s = 0,12 s . Die Kontinuitätsgleichung Q = A1 v1 = A2 v2 liefert v1 =

Q m =1 , A1 s

v2 =

Q m =4 . A2 s

Weiter ist p1 = p2 + 12 ρ(v22 − v21 ) = 57.500 Pa. Der Stützkraftsatz ohne Gewichtskraft lautet K⃗ + (−S⃗ 2 ) + S⃗ 1 = 0 (Abb. 2.11 rechts). Dabei sind S1 = p1 A1 + ρv1 Q = 7020 N, S2 = p2 A2 + ρv2 Q = 1980 N. Mit K = S1 − S2 wird daraus K = 5040 N.

Abb. 2.11: Skizzen zu Beispiel 3

18 | 2 Reibungsfreie Rohrströmungen

Diese Mantelkraft wirkt in horizontaler Richtung. Sie kann zerlegt werden in ei­ nen Druckkraftanteil normal zur Wand und einen Zugkraftanteil parallel zur Wand (Abb. 2.12 links). Für ein kreisrundes Rohr wäre ∆l = r1 − r2 = √

A1 √ A2 − = 0,0977 m π π

und

α = tan−1 (

∆l ) = 5,58° . l

Weiter ist KW = K ⋅ cos α, KN = K ⋅ sin α. Es folgt KW = K ⋅ cos (tan−1 (

√A1 − √A2 l√π

−K −6040 N K⃗ = ( ) = ( ), 0 0

)) = 6011,37 N ,

2 KN = √ K 2 − KW = 587,43 N .

−5982,87 N −K ⋅ cos2 α )=( ), K⃗ W = ( K ⋅ sin α ⋅ cos α 584,65 N

−57,13 N −K ⋅ sin2 α K⃗ N = ( )=( ) K ⋅ sin α ⋅ cos α −584,65 N Schließlich kann noch die Gewichtskraft des Wassers berücksichtigt werden. Den größten Einfluss der gesamten Gewichtskraft des Wassers erfährt die Rohrwand an der tiefsten Stelle. Es ist ρg (A1 + √A1 A2 + A2 ) = 686,70 N . G = ρgV = 3 Aufgrund dieser Gewichtskraft wirkt längs des Rohrs eine rücktreibende Kraft von L = √G2 + K 2 = 6078,91 N, die um β = 6,49° geneigt, leicht abwärts gerichtet ist (Abb. 2.12 rechts oben). Quer zur Fließrichtung erfährt das Rohr aufgrund der Ge­ wichtskraft ebenfalls eine kleine Belastung B(h). Diese ist am tiefsten Punkt der Röhre am größten und sinkt bis zur Höhe des halben Durchmessers auf Null ab. Als Zusatz bestimmen wir noch den Schwerpunkt der gesamten Wassermasse, an dem wir uns die gesamte Gewichtskraft angreifend denken können (Abb. 2.12 rechts unten). Dazu fassen wir den Kreiskegelstumpf als einen Rotationskörper auf.

Abb. 2.12: Skizzen zur Mantelkraft von Beispiel 3

2.3 Der Stützkraftsatz

| 19

Für die Koordinaten des Schwerpunkts gilt V

xS =

1 ∫ x dV , V

yS = 0

0

󳨐⇒

l

l

0

0

1 π r1 − r2 2 xS = ∫ xπf 2 (x) dx = ∫ x (r1 − x) dx V V l l

=

2r1 (r1 − r2 ) (r1 − r2 )2 2 π ∫ x (r21 − x ) dx x+ V l l2 0

l

=

π 2 x2 2r1 (r1 − r2 ) x3 (r1 − r2 )2 x4 [r − + ] V 1 2 l 3 4 0 l2

=

π 2 1 2 2 2 2 1 1 1 πl2 r21 r1 r2 r22 l ( r1 − r1 + r1 r2 + r21 − r1 r2 + r22 ) = ( + + ) V 2 3 3 4 2 4 V 12 6 4

=

l2 πl2 2 (r1 + 2r1 r2 + 3r22 ) = (A1 + 2√A1 A2 + 3A2 ) . 12V 12V

Mit V = 3l (A1 + √A1 A2 + A2 ) folgt xS =

l A1 + 2√A1 A2 + 3A2 ) . ( 4 A1 + √A1 A2 + A2

In unserem Zahlenbeispiel ist A1 = 4A2

󳨐⇒

xS =

l 4A2 + 4A2 + 3A2 l 11A2 11 ( l. )= ⋅ = 4 4A2 + 2A2 + A2 4 7A2 28

Beispiel 4 (Vertikaler Rohrkrümmer, Sicht von der Seite, Abb 2.13). In diesem Fall kann man aus der Vektorgleichung des Stützkraftsatzes ρQ(v⃗2 − v⃗ 1 ) = F⃗ p1 − F⃗ p2 + K⃗ + G⃗ nicht unmittelbar eine Skalargleichung aufstellen. Wir schreiben zuerst v1 v⃗ 1 = ( ) 0

und

v2 cos α v⃗ 2 = ( ) . −v2 sin α

0 ) und K⃗ = ( K x ). Zudem gilt noch Weiter ist G⃗ = ( −G Kz

p1 A1 F⃗ p1 = p⃗ 1 A1 = ( ) 0

und

−p2 A2 cos α − F⃗ p2 = p⃗ 2 A2 = ( ) . p2 A2 sin α

Der Stützkraftsatz schreibt sich dann zu ρQ (

v2 cos α − v1 0 p1 A1 −p2 A2 cos α Kx )=( )+( )+( )+( ) . −G p2 A2 sin α −v2 sin α − 0 0 Kz

In Komponenten zerlegt: K x = ρQ(v2 cos α − v1 ) − p1 A1 + p2 A2 cos α K z = −ρQv2 sin α − p2 A2 sin α + G .

20 | 2 Reibungsfreie Rohrströmungen

Abb. 2.13: Skizze zu Beispiel 4

Bemerkung. Im Fall von α = 0 ist das Rohr gerade und die Gleichungen reduzieren sich gemäß Beispiel 3 zu K x = ρQ(v2 −v1 )−p1 A1 +p2 A2 , K z = G. Ist zusätzlich A1 = A2 , so hat man aufgrund des vernachlässigten Reibungsverlusts lediglich K x = 0, K z = G. kg Für unseren Rohrkrümmer wählen wir A1 = 0,12 m2 , A2 = 0,03 m2 , ρ = 103 m 3, m3 p2 = 50 kPa und Q = 0,12 s , l = 1 m, α = 60° (Abb. 2.14 links). Man erhält ∆h = 3 3 3 3 1 3 π − π cos 60° = π − π ⋅ 2 = 2π . Die Bernoulli-Gleichung liefert

󳨐⇒

1 ρ(v21 − v22 ) + p1 − p2 + ρg∆h = 0 2 1 p1 = p2 + ρ(v22 − v21 ) − ρg∆h = 52.816 Pa . 2

Damit folgt (Abb. 2.14 rechts) K x = 1000 ⋅ 0,12 ⋅ 1 (4 ⋅

1 1 − 1) − 52.816 ⋅ 0,12 + 50.000 ⋅ 0,03 ⋅ = −5467,93 N , 2 2

l G = ρgV = ρg (A1 + √A1 A2 + A2 ) = 686,70 N und 3 √3 √3 − 50.000 ⋅ 0,03 ⋅ + 686,70 = −1028,03 N . K z = 1000 ⋅ 0,12 ⋅ 4 ⋅ 2 2 Schließlich ist K = √K 2x + K 2z = 5563,73 N mit β = 10,65°. Dies ist die Reaktionskraft der Wand auf das Fluid. Der Schwerpunkt der Flüssigkeit befindet sich wieder bei xS = 11 11 28 l, was einem Winkel von α S = 28 ⋅ 60° = 23,57° entspricht.

Abb. 2.14: Skizzen zur Mantelkraft von Beispiel 4

2.3 Der Stützkraftsatz

| 21

Beispiel 5 (Horizontaler Rohrkrümmer, Abb. 2.15 links, Sicht von oben). Man kann praktisch alles aus Beispiel 4 übernehmen unter Beachtung, dass die Ge­ wichtskraft in die Blattebene hineinzeigt und erhält K x = ρQ(v2 cos α − v1 ) − p1 A1 + p2 A2 cos α , K y = −ρQv2 sin α − p2 A2 sin α

und

Kz = G . 3

kg m Mit den Werten A1 = 0,12 m2 , A2 = 0,03 m2 , ρ = 103 m 3 , p 2 = 50 kPa, Q = 0,12 s und l = 1 m, α = 60° folgt K x = −5467,93 N, K y = −1714,73 N, K z = 686,70 N und

damit K = √K 2x + K 2y + K 2z = 5771,49 N als Reaktionskraft der Wand auf das Fluid.

Abb. 2.15: Skizzen zu den Beispielen 5 und 6

Aufgabe Bearbeiten Sie die Übung 6.

Beispiel 6 (Das Borda-Carnot-Rohr). Wir betrachten die Strömung in einem Rohr mit dem Querschnitt A1 , das sich plötzlich zu einem Querschnitt A2 weitet (Abb. 2.15 rechts). Als Kontrollvolumen nehmen wir den Ort 1 unmittelbar nach der Weitung des Querschnitts und Ort 2 etwas weiter rechts davon. Die Kontinuitätsgleichung besagt, dass Q = A1 v1 = A2 v2 . Weiter gilt in Strömungsrichtung K⃗ = 0 und G⃗ = 0. Der Stützkraftsatz reduziert sich dann zu ρQ(v2 − v1 ) = F p1 − F p2 . Für Stelle 1 können wir annehmen, dass der Druck noch p1 beträgt, obwohl die Querschnittsfläche schon auf A2 angewachsen ist. Somit ist ρA2 v2 (v2 − v1 ) = p1 A2 − p2 A2 . Daraus folgt p2 = p1 + ρv2 (v1 − v2 ). Mit A2 > A1 ist auch v1 > v2 und somit p2 > p1 . Durch den Stoß von schnellen Teilchen mit langsameren entsteht ein Druckanstieg. Dieser kann aber aufgrund der Turbulenzen nicht genutzt werden, sondern wird als Wärme dissipiert. Zum Vergleich untersuchen wir, ob die Bernoulli-Gleichung auf dasselbe Ergebnis für den Druck p2 führt. Aus 12 ρ(v21 − v22 ) + p1 − p2 = 0 folgt p2 = p1 +

1 ρ(v21 − v22 ) . 2

Offensichtlich weicht dieses Ergebnis von demjenigen der Impulserhaltung ab.

22 | 2 Reibungsfreie Rohrströmungen

Deswegen bilden wir 1 ρ(v21 − v22 ) − ρv2 (v1 − v2 ) 2 1 1 1 = ρ ( v21 − v22 − v1 v2 + v22 ) = ρ (v21 − 2v1 v2 + v22 ) 2 2 2 1 1 A1 2 = ρ(v1 − v2 )2 = ρv21 (1 − ) ≥0. 2 2 A2

∆p = p2,Bernoulli − p2,Impuls =

Da es sich bei der Herleitung um eine Abschätzung für den Verlust handelt, wird dem Ausdruck noch eine Verlustziffer ξ hinzugefügt, so dass wir ∆pV = 12 ξρv21 (1 − AA 12 )2 schreiben können. Demnach ist p2,Bernoulli = p2,Impuls + ∆pV . Die Bernoulli-Gleichung gilt in diesem Fall nicht. Sie muss um einen Druckver­ lustterm ∆pV = 12 ξρv21 (1 − AA 12 )2 erweitert werden (1,0 ≤ ξ ≤ 1,2). Umgerechnet auf den Höhenverlust ergibt dies mit Hilfe von ∆pV = ρg∆hV den v2

Ausdruck hV = ξ 2g1 (1 − AA 12 )2 . Bei der Rohrerweiterung handelt es sich um einen lokalen Druckverlust. In Kapi­ tel 8 werden wir zusätzlich kontinuierliche Druckverluste formulieren. Ergebnis. Entgegen der immer geltenden Impulsgleichung ist die Bernoulli-Glei­ chung bei einer plötzlichen Rohrerweiterung verletzt, weil der Rohrverlauf nicht mehr differenzierbar ist. In Abb. 2.16 links werden die Terme der Bernoulli-Gleichung als Höhenanteile mit­ einander verglichen.

Abb. 2.16: Ergebnis von Beispiel 6 und Skizze zu Beispiel 7

Beispiel 7 (Die Heberleitung mit Rohrreibung). Die in Kapitel 2.2 besprochene Heber­ leitung soll nun um den durch die Reibung verursachten Druckverlust erweitert wer­ den (Abb. 2.16 rechts). Zuerst formulieren wir die Bernoulli-Gleichung für die beiden Punkte A und C und erhalten C

∫ B2

∂v 1 1 pC − pA ∆pV ds + v2C − v2A + + g(h C − h A ) + =0. ∂t 2 2 ρ ρ

2.3 Der Stützkraftsatz

|

23

Bei annähernd konstanter Geschwindigkeitsänderung im Rohr ergibt sich (v C = v) daraus l⋅

l v2 dv 1 2 + v − gH + λ ⋅ =0 dt 2 d 2

Zur Startzeit t = 0 ist a(0) = v̇ +

gH l . Die

󳨐⇒

a(t) =

λ⋅l gH 1 − v2 (1 + ) . l 2l d

DGL lautet

1 λ ⋅ l 2 gH (1 + )v − = 0 oder 2l d l

v̇ +

gH 1 1 ⋅ d v2 − =0. 2l l d+λl

Als Lösung erhält man (vgl. Kapitel 2.2) v(t) = √2gH ⋅ =√

√gH d + λl d ⋅ tanh ( ⋅ t) ⋅ d + λl ld √2

√gH(d + λl) 2gHd ⋅ tanh ( ⋅ t) . d + λl √2ld

Im stationären Fall wird daraus v(t → ∞) = √ 2gHd d+λl und a(t → ∞) =

λ⋅l gH 1 2gHd gH 1 2gHd − ⋅ − ⋅ =0, (1 + )= l 2l d + λl d l 2l d

weil lim tanh (

t→∞

√gH(d + λl) ⋅ t) = 1 . √2ld

Für eine Aussage des minimalen Drucks im Punkt D schreiben wir die Bernoulli-Glei­ chung für die Punkte C und D auf: ρ ⋅ a(t) ⋅ HR + p0 − p D (t) − ρgHR − λ

ρl v2 ⋅ =0. d 2

Für den Druck zur Zeit t = 0 ist p D (0) = p0 − ρgHR + ρ

gH H HR = p0 − ρgHR (1 − ) . l l

Dies ist derselbe Ausdruck wie bei der reibungsfreien Strömung, da die Reibung ja noch nicht wirksam ist. Im stationären Fall erhält man p D (t → ∞) = p0 − ρgHR − λ = p0 − ρgHR − λ

ρl v2 ⋅ d 2 ρl 2gHd λρlgH ⋅ = p0 − ρgHR − . 2d d + λl d + λl

24 | 2 Reibungsfreie Rohrströmungen Die Bedingung dafür, dass die Strömung nicht abreißt, lautet p D (t → ∞) > 0. Zur Startzeit bedeutet dies p0 > HR . ρg (1 − Hl ) Im stationären Fall ist hingegen p0 −

λρlgH d+λl

ρg

> HR .

Da λρlgH

p0 ρg (1 −

H l )

>

p0 p0 − d+λl > , ρg ρg

ist die zweite Bedingung stärker.

Aufgabe Bearbeiten Sie die Übungen 7 und 8.

2.4 Ausfluss- und Entleerungszeiten Wir wollen dazu drei verschiedene Theorien einander gegenüberstellen.

I. Torricelli (1644) Die Ausflussformel haben wir weiter oben hergeleitet. Wir erhielten für die Ausflussgeschwindigkeit v(t) = √2gh(t) und für die Füllhöhe 2

h(t) = (√H − √

g 2

t 2 √ A20 Aa

) . −1

Natürlich stand Torricelli die Bernoulli-Gleichung nicht zur Verfügung. Er fand seine Ausflussformel auf anderem Weg.

II. Bernoulli (1738) Er führt eine Energiebilanz an der gesamten Flüssigkeit zu zwei verschiedenen Zeiten durch (Abb. 2.17).

2.4 Ausfluss- und Entleerungszeiten |

25

Abb. 2.17: Skizzen zur Bernoulli-Theorie

Potenzielle Energie Epot1 = mghS = ρVghS = ρVghS = ρA0 hg =

1 ρgA0 h2 2

Aus A0 dh = A a ds folgt ds = Epot2b = −mg 󳨐⇒

A0 Aa

h 2

(hS = Höhe des Schwerpunkts).

dh. Dann ist Epot2a = 12 ρgA0 (h − dh)2 und

A2 1 1 hS 1 1 A2 = − ρVg ds = − ρgA a ds2 = − ρgA a 20 dh2 = − ρg 0 dh2 2 2 2 2 2 Aa Aa

1 1 A2 1 ρgA0 (h − dh)2 − ρg 0 dh2 + ρgA0 h2 2 2 Aa 2 1 1 A2 1 ≈ ρgA0 (h − dh)2 − ρg 0 dh2 − ρgA0 h2 2 2 Aa 2 1 1 2 2 = ρgA0 (h − 2h dh + dh ) − ρgA0 h2 2 2 1 1 2 2 ≈ ρgA0 (h − 2h dh + dh ) − ρgA0 h2 = −ρgA0 h dh . 2 2

∆Epot = Epot2a + Epot2b − Epot1 =

Kinetische Energie 1 2 1 1 mv = ρVv2 = ρA0 hv2 . 2 2 2 Dabei bezeichnet v die Absenkgeschwindigkeit. Ekin1 =

Ekin2a =

1 ρA0 (h − dh)(v − dv)2 , 2

v ist negativ, weil in Gegenrichtung zur Höhe gemessen. 1 ρA a dsv2a (v a bedeutet die Austrittgeschwindigkeit) 2 A2 A0 1 A3 1 dh 20 v2 = ρ 20 dh ⋅ v2 , = ρA a 2 Aa 2 Aa Aa

Ekin2b =

wegen A0 v = A a v a .

26 | 2 Reibungsfreie Rohrströmungen

∆Ekin = Ekin2a + Ekin2b − Ekin1 =

1 1 A3 1 ρA0 (h − dh)(v − dv)2 + ρ 20 dh ⋅ v2 − ρA0 hv2 2 2 Aa 2

=

A2 1 ρA0 ( 20 dh ⋅ v2 + (h − dh)(v − dv)2 − hv2 ) 2 Aa

=

A2 1 ρA0 ( 20 dh ⋅ v2 + hv2 − 2hv dv + h dv2 − dh ⋅ v2 + 2v dh dv − dh dv2 − hv2 ) 2 Aa



A2 1 ρA0 ( 20 dh ⋅ v2 − 2hv dv − dh ⋅ v2 ) . 2 Aa

Aus ∆Epot + ∆Ekin = 0 erhält man − ρgA0 h dh + 󳨐⇒

− gh +

A2 1 ρA0 ( 20 dh ⋅ v2 − 2hv dv − dh ⋅ v2 ) = 0 2 Aa

dv 1 A20 2 ( v − 2hv − v2 ) = 0 2 A2a dh

Weiter ist −2v

󳨐⇒

A20 A2a

v2 − 2hv

dv − v2 = 2gh . dh

A2 v2 dv = 2g + (1 − 20 ) . dh h Aa 2

2

v Mit Hilfe der Kettenregel folgt die DGL − dv dh = 2 g + γ h , wobei γ = 1 − wurde. 2 Die Substitution vh = u, v2 = hu 󳨐⇒ 2vv󸀠 = u + hu 󸀠 liefert

−(u + hu 󸀠 ) = 2 g + γu



oder

du = −∫ Separiert nach Variablen ist ∫ 2g+(γ+1)u Damit hat man

A 20 A 2a

gesetzt

du ⋅ h = 2 g + (γ + 1)u . dh

dh h .

1 ln |2 g + (γ + 1)u| = −lnh + C 1 γ+1 󳨐⇒

ln |2 g + (γ + 1)u| = lnh−(γ+1) + C2

󳨐⇒

|2 g + (γ + 1)u| = C ⋅ h−(γ+1) 󵄨󵄨 2 󵄨󵄨 󵄨󵄨󵄨2 g + (γ + 1) v 󵄨󵄨󵄨 = C ⋅ h−(γ+1) . 󵄨󵄨 󵄨 h 󵄨󵄨󵄨 󵄨󵄨

󳨐⇒

Mit v2 (H) = 0 entsteht 2 g = C ⋅ H −(γ+1) 󳨐⇒ C = 2gH γ+1 und folglich 󵄨󵄨 󵄨 v2 󵄨󵄨 󵄨󵄨 󵄨󵄨2 g + (γ + 1) 󵄨󵄨󵄨 = 2gH γ+1 ⋅ h−(γ+1) . 󵄨󵄨 h 󵄨󵄨󵄨 󵄨 Die Betragsstriche entfallen: 2 g + (γ + 1) vh = 2gH γ+1 ⋅ h−(γ+1) . Weiter aufgelöst ist 2

v2 =

2gh 2gH h h −(γ+1) h h −(γ+1) 2gH h −γ h − 1) = − )= (( ) ( ( ) (( ) − ) γ+1 H γ+1 H H H γ+1 H H

2.4 Ausfluss- und Entleerungszeiten |

27

und schließlich v2 = −

2gH h h −γ ( −( ) ) . γ+1 H H

Die Absenkgeschwindigkeit beträgt somit A2 0

A2 H h h A2a −1 v(h) = √2g ⋅ 2 a 2 ( − ( ) ). H A0 − 2A a H Mit Hilfe der Kontinuitätsgleichung A0 v = A a v a erhält man die Ausflussgeschwindig­ keit zu A2 0

h h A2a −1 ( ). − ( ) v a (h) = √2g ⋅ 2 H A0 − 2A2a H A20 H

(2.5)

Speziell für A a = A0 ergibt sich A2 0

h h h A20 −1 ( ) = √−2 g ⋅ H ( − 1) = √2g ⋅ (H − h) . − ( ) v a (h) = √2g ⋅ 2 2 H H A0 − 2A0 H A20 H

Offenbar erhält man mit der Bernoulli-Formel zwar dieselben Ausflussgeschwindig­ keiten wie bei Torricelli aber in umgekehrter Reihenfolge! Die Auswertung der Bernoulli-Theorie lässt erkennen, dass die Flüssigkeit eine gewisse Zeit benötigt, bis sich die zur Füllhöhe h gehörige Geschwindigkeit v a (h) ein­ stellt. Im Spezialfall A0 : A a = 1 zeigen Theorie und Praxis, dass das Fluid träge ist und beim Öffnen erst eine Bewegung aufgebaut werden muss. Für einige Querschnittsver­ hältnisse AA 0a = 6 : 1 (i), 3 : 1 (ii), 1,5 : 1 (iii), 1,1 : 1 (iv), 1 : 1 (v) sind die Geschwindig­ keitsverläufe v a mit H = 10 cm in Abb. 2.18 dargestellt.

Abb. 2.18: Graphen von (2.5)

28 | 2 Reibungsfreie Rohrströmungen

Für die Entleerungszeit betrachten wir die Absenkgeschwindigkeit v und separie­ ren A2 0

A2 H h h A2a −1 dh ). = −v(h) = −√2g ⋅ 2 a 2 ( − ( ) dt H A0 − 2A a H Wir wählen H = 10, A0 = 4A a . Dann folgt dh = −√

10 h h 15 g( − ( ) ) dt := −√f(h) dt . 7 10 10

Diskretisiert, geht diese DGL über in y i+1 − y i = −√f(h) dt oder für den TI-Nspire y i := y i − √f(h) dt. Wir wählen die Schrittweite dt = 0,01 und n = 559 Zeitschrit­ te (für n = 560 ist f(h) < 0). Dann lautet die Vorschrift y i := y i − 0,01√f(h). Das zugehörige Programm sieht so aus: Define Bernoulli(n) Prgm xa:= {xi} ya:= {yi} xi:= 0 yi:= 9.9999 (Anfangsbedingung y(0) = 9.9999) For i,1,n xi:= xi + 0.01 15

yi yi:= yi - 0.01√ 10 ⋅ 79.81 ( yi 10 − ( 10 ) )

xa:= augment(xa,{xi}) ya:= augment(ya,{yi}) End For Disp xa, ya End Prgm Bernoullis Theorie liefert tleer ≅ 5,60 s (Abb. 2.19). Bei Torricelli hat man 2

h(t) = (√10 − √

9,81 t) 30

und daraus tleer ≅ 5,53 s. Man erkennt, dass das Ergebnis von Bernoulli keine wesent­ liche Verbesserung zur Torricelli-Formel darstellt. Verglichen mit dem Messergebnis sind beide weit vom wirklichen Verlauf entfernt. Offenbar ist die Energieerhaltung verletzt. Ähnlich wie später beim Borna-CarnotDruckstoß muss, falls der Energiesatz allein betrachtet wird, ein Korrekturterm für den Reibungsverlust hinzugefügt werden.

2.4 Ausfluss- und Entleerungszeiten | 29

Abb. 2.19: Simulation von (2.5)

Auf der Suche nach einer plausiblen Erklärung für die Abweichung zur Messung und einer zwangsweisen Anpassung seiner Theorie, formuliert Bernoulli das Prinzip der „vena contracta“ (die zusammengezogene Stromlinie, Abb. 2.20 links). Da auf dem Weg zur Öffnung die Stromlinien zusammengepresst werden, muss man, so Bernoulli, einen kleineren Ausströmungsquerschnitt Avc verwenden. Nach einigen Messungen gibt er den Querschnitt zu Avc = √1 A a an. Es gibt weitere Verbes­ 2 serungen für diesen Ausflussbeiwert, beispielsweise 0,6272, usw. Ersetzt man also A a durch Avc = √1 A a , dann zeigt sich eine ausgesprochen gute Übereinstimmung 2

mit der Messung. Über die Jahrhunderte hinweg hat man die Notwendigkeit der vena contracta nicht in Frage gestellt. Erst kürzlich wurde ein neuer Anlauf unternommen, über die Impulserhaltung zu einem befriedigenderen Ergebnis zu gelangen.

III. Malcherek (2015) Die Kontinuitätsgleichung lautet Q = A0 v = A a v a . Dabei ist v a die Ausflussgeschwin­ digkeit, v die Absenkgeschwindigkeit und A a der Ausflussquerschnitt. Nun betrachten wir die Impulserhaltung in der Vertikalen (Abb. 2.20 rechts). Der Stützkraftsatz besagt (instationäre Strömung, dI dt ≠ 0): dI = −ρQ(v a ⏟⏟−⏟⏟⏟0⏟⏟) + F p1 − F p2 + G . dt keine einströmende Masse in das Kontrollvolumen

Auf die Wassersäule A a ⋅ h(t) wirkt von oben wie von unten der Luftdruck p0 , so dass wir uns auf die Säule (A0 − A a ) ⋅ h(t) beschränken können.

30 | 2 Reibungsfreie Rohrströmungen

Abb. 2.20: Skizzen zur vena contracta und zur Malcherek-Theorie

Von oben her wirkt die Kraft F p1 = (A0 −A a )p0 , von unten hingegen ist auf dieselbe Fläche der Druck p0 + ρgh(t) als Reaktionskraft der Wand auf das Fluid wirksam. Die rechte Seite lautet insgesamt ρQ(v⃗2 − v⃗ 1 ) + F⃗ p1 − F⃗ p2 + G⃗ = −ρA a v2a + (A0 − A a )p0 − (A0 − A a )(p0 + ρgh(t)) + ρgA0 h(t) = −ρA a v2a + ρgA a h(t) . Die linke Seite ist dI d(mv) dv dv dm = =m⋅ +v⋅ = ρA0 h(t) ⋅ − v ⋅ ⏟⏟⏟⏟⏟⏟⏟⏟⏟⏟⏟ ρv a A a . dt dt dt dt dt Aufgrund der Massenerhaltung ist

dm = −ρv a A a . dt

Zusammen hat man somit ρA0 h(t) ⋅

dv − ρvv a A a = −ρA a v2a + ρgA a h(t) . dt

Es folgt dv Aa Aa 2 Aa = vv a − v +g dt A0 h A0 h a A0

und

dv v a A a Aa = (v − v a ) + g . dt h A0 A0

Mit A0 v = A a v a erhält man dv a v a = (v − v a ) + g dt h

󳨐⇒

v2 Aa dv a = g − a (1 − ) . dt h A0

Diese DGL ist instationär, denn v a = v a (h(t))

und

dv a dv a (h(t)) dh(t) = ⋅ . dt dt dt

Die Lösung lässt sich nicht nach Variablen separieren. Man erhält lediglich v2 Aa dv a dh ⋅ = g − a (1 − ) dh dt h A0

oder

va ⋅

v2 Aa dv a = g − a (1 − ) . dh h A0

(2.6)

2.4 Ausfluss- und Entleerungszeiten | 31

Interessiert nur der stationäre Zustand, dann ist gh(t) = v2a (h(t)) (1 −

Aa ) A0

dv a (h(t)) dt

󳨐⇒

= 0 und es folgt

v a (h) = √

gh 1−

Aa A0

.

Nun gilt es, die Entleerungszeit zu berechnen. Für die Absenkgeschwindigkeit ist dh = −v dt. Verwendet man die Kontinuitätsgleichung und den eben berechneten Ausdruck für v a (h), so wird daraus dh = −v a

Aa gh gh Aa dt = −√ ⋅ dt = √ A A dt . A a 0 0 A0 1 − A0 A0 A a ( A a − 1)

Nach Variablen getrennt ist g dh =√A A dt . 0 0 √h A a ( A a − 1) Die Integration liefert 2√h(t) = √ A

g 0

Aa

( AA 0a − 1)

t+C.

Mit h(0) = H folgt C = 2√H und schließlich 2

h(t) = (√H −

√g 2√ AA 0a

( AA 0a − 1)

t) .

Für H = 10, A0 = 4A a erhält man tleer ≅ 6,99 s (Abb. 2.21).

Abb. 2.21: Simulation von (2.7)

(2.7)

32 | 2 Reibungsfreie Rohrströmungen

Den Grund für die kleine Abweichung muss man darin suchen, dass die Stromfä­ den auf ihrem Weg zur Öffnung auch eine horizontale Strecke zurücklegen und damit der Rohrboden mit einer rücktreibenden Kraft K⃗ antwortet (vgl. Stützkraftsatz). a Speziell für A a = A0 reduziert sich die DGL (2.6) zu dv dt = g. dv a dv a dh dh Mit dt = dt ⋅ dt = g wird daraus dv a ⋅ dt = g ⋅ dh oder dv a ⋅ v a = g ⋅ dh. v

h

Die Integration ∫v 2 v a ⋅ dv a = ∫h 2 g ⋅ dh führt zu 1

1

v

[

v2a 2 h ] = g[h]h21 . 2 v1

v (h) Daraus wird a2 − 0 = g(h − H) und schließlich v a (h) = √2g(h − H) analog zum Ergebnis von Bernoulli. 2

3 Strömungswirbel Wirbel entstehen, wenn eine Flüssigkeit oder ein Gas an einem Hindernis vorbeiströ­ men muss oder allgemein zu einer Richtungsänderung gezwungen wird. Aber auch bei geradliniger Strömung entstehen aufgrund der Rauheit der Rohre Wirbel an deren Wänden. Ab einer gewissen Geschwindigkeit (also nicht laminar) bilden sich seitlich und hinter dem Hindernis Wirbel aus. Diese befinden sich an den Stellen, wo die Ge­ schwindigkeit am kleinsten und die Reibung am größten ist, nämlich am Rand der Hindernisse wie beispielsweise bei Brückenpfeilern oder stark gekrümmten Rohren. Im Fall von Luft sind es die Enden von Tragflächen oder die seitlich angeströmten Brücken (Kàrmànsche Wirbelstraße), die zur Wirbelbildung beitragen. Wirbel treten ebenfalls dann auf, wenn Hindernisse plötzlich wegfallen und sich beispielsweise ein Loch bildet (Badewannenstrudel).

3.1 Starrer Wirbel Die Bezeichnung leitet sich aus der Tatsache ab, dass die Fluidteilchen wie entlang einer Stange gereiht immer zum Zentrum zeigen (Abb. 3.1 links). Ein solcher Wirbel er­ gibt sich auch, wenn man ein mit Wasser gefülltes zylindrisches Gefäß auf einen sich drehenden Teller stellt. Nach einer gewissen Zeit entsteht eine (für einen mitdrehen­ den Beobachter) ruhende Flüssigkeitssäule in Form eines Paraboloids. Weiter außen liegende Teilchen besitzen eine größere Geschwindigkeit als weiter innen liegende. Die Zunahme ist linear v(r) = ω ⋅ r.

3.2 Potenzialwirbel (Badewannenwirbel) Dieser Wirbel unterscheidet sich vom vorhergehenden dadurch, dass Teilchen, die nä­ her zum Zentrum liegen, auch schneller rotieren (Abb. 3.1 mitte). Das Zentrum wirkt für das Fluid wie ein Beschleunigungsmotor. Die Teilchen selber behalten aber ihre

Abb. 3.1: Skizzen zu den Wirbeln https://doi.org/10.1515/9783110684520-003

34 | 3 Strömungswirbel

räumliche Richtung bei. Man erhält ein völlig anderes Geschwindigkeitsprofil als beim 2 starren Wirbel. Es gilt näherungsweise v(r) = cr . Die Einheit von c wäre [ ms ].

3.3 Rankine-Wirbel Einen Tornado kann man sich als eine Kombination von Potenzialwirbel für r ≥ r0 und starren Wirbel für r ≤ r0 vorstellen (Abb. 3.1 rechts). Die wachsenden Scherkräfte hin zum Zentrum verhindern irgendwann, dass die Teilchen sich verformen können, sie „erstarren“. Die Geschwindigkeitsverteilung besitzt die dargestellte Form. In Wirklich­ keit verläuft der Übergang zwischen den beiden Wirbeln langsamer (lang gestrichelte Linie).

3.4 Umrechnung eines Vektorfeldes von kartesischen in Polarkoordinaten Im Zusammenhang mit Wirbeln, die sich um ein Zentrum drehen, ist es angebracht, dass das Geschwindigkeitsfeld auch in Polarform vorliegt (Abb. 3.2). Im Folgenden betrachten wir nur ebene Wirbel. Es gilt e⃗ r = cos θ ⋅ e⃗ x + sin θ ⋅ e⃗ y , e⃗ θ = − sin θ ⋅ e⃗ x + cos θ ⋅ e⃗ y

und damit

e⃗ x = cos θ ⋅ e⃗ r − sin θ ⋅ e⃗ θ , e⃗ y = sin θ ⋅ e⃗ r + cos θ ⋅ e⃗ θ . v

Nehmen wir irgendeinen Vektor v⃗k = ( vxy ) in kartesischen Koordinaten, dann ist v⃗ k = v x ⋅ e⃗ x + v y ⋅ e⃗ y = v x (cos θ e⃗ r − sin θ e⃗ θ ) + v y (sin θ e⃗ r + cos θ e⃗ θ ) = (v x cos θ + v y sin θ)e⃗ r + (−v x sin θ + v y cos θ)e⃗ θ = v r e⃗ r + v θ e⃗ θ . Man erhält somit v r = v x cos θ + v y sin θ , v θ = −v x sin θ + v y cos θ

und

v x = v r cos θ − v θ sin θ , v y = v r sin θ + v θ cos θ .

(3.1)

3.4 Umrechnung eines Vektorfeldes von kartesischen in Polarkoordinaten

Abb. 3.2: Skizze zur Umrechnung von kartesischen in polare Koordinaten

Beispiel 1 (Starrer Wirbel). 0 vr v⃗ = (ωr ) = (v θ ) . 0 vz Umrechnung in kartesische Koordinaten: v x = 0 ⋅ cos θ − ωr sin θ = −ωy v y = 0 ⋅ sin θ + ωr cos θ = ωx

󳨐⇒

−ωy v⃗ = ( ωx ) . 0

Beispiel 2 (Potenzialwirbel). 0 v⃗ = ( cr ) , 0

c = konst.

Umrechnung in kartesische Koordinaten: c cy cr sin θ =− 2 v x = − sin θ = − r r2 r vy =

cr cos θ cx c cos θ = = 2 r r2 r

󳨐⇒

− x2cy +y2 ⃗v = ( x2cx ) . +y2 0

| 35

36 | 3 Strömungswirbel

3.5 Die Rotation einer Strömung Im Allgemeinen erfährt ein Fluidteilchen innerhalb einer Strömung drei „Veränderun­ gen“. 1. Translation. Das Teilchen ändert bezüglich eines außenstehenden Beobachters den Ort. 2. Drehung um die Bezugsachsen. Das Teilchen vollführt (ohne Verformung) eine Drehung um eine oder mehrere Bezugsachsen. 3. Eigenrotation. Aufgrund der Drehung um seinen eigenen Schwerpunkt verformt sich das Teilchen, es schert. Eine solche Strömung nennt man auch Scherströ­ mung. Wir wählen ein Bezugsystem, das sich mit dem Fluidteilchen bewegt. Damit können wir den Bezugsort O des Koordinatensystems (bis auf Translation) am selben Ort be­ lassen. Zur Veranschaulichung stellen wir uns ein quaderförmiges Fluidteilchen mit den Kantenlängen dx, dy und dz vor. Der Geschwindigkeitsvektor sei v⃗ = (v x , v y , v z ). Vor­ erst blicken wir senkrecht auf die z-Achse und berechnen die Rotation ω z um diese Achse. Drehung um die Bezugsachse Da die Bezugsachsen mitströmen, kann man bei dieser Drehung einen Eckpunkt, z. B. A, als Fixpunkt auffassen (Abb. 3.3 links). Durch die Drehung erfahren die Punkte B und C in der Zeit ∆t eine Ortsänderung um ∆dy = dv y ⋅ ∆t für B und um ∆dx = −dv x ⋅ ∆t für C. ∂v Benutzt man die Taylorentwicklung v(x + dx) = v(x) + ∂x dx + . . . , dann ist v(x + dx) − v(x) = dv x =

∂v x dy + ⋅ ⋅ ⋅ , ∂y

bzw.

dv y =

∂v y dx . ∂x

Weiter folgt ∆dx ≈ −

∂v x dy ⋅ ∆t ∂y

und

∆dy ≈

∂v y dx ⋅ ∆t . ∂x

Eigenrotation, Scherung Die Winkeländerungen betragen (Abb. 3.3 rechts) tan α x ≈ α x ≈ Folglich ist α x =

∂v y ∂x

∆dy dx

und

x ⋅ ∆t und α y = − ∂v ∂y ⋅ ∆t.

tan α y ≈ α y ≈

∆dx . dy

3.5 Die Rotation einer Strömung

| 37

Abb. 3.3: Skizzen zur Rotation

∂v x Die Winkeldeformation pro Zeit ergibt sich dann zu α̇ x = ∂xy und α̇ y = − ∂v ∂y . Die Nettorotationsrate um die z-Achse ist die Summe beider Rotationsanteile: ∂v y ∂v x − . rot ω z = ∂x ∂y

Analog ergibt sich rot ω x = Insgesamt erhält man

∂v z ∂y



rot ω⃗ =

∂v y ∂z

∂v x ∂z

und rot ω y =

∂v z ∂y ∂v x ( ∂z ∂v y ∂x

− − −

∂v y ∂z ∂v z ∂x ) ∂v x ∂y



∂v z ∂x .

ξx =: (ξ y ) . ξz

rot ω⃗ wird als Wirbelstärke bezeichnet. Bemerkung. Eine Nullrotation kann auf zwei Arten zustande kommen (Abb. 3.4 links). Entweder beschreibt die Strömung eine geradlinige, reibungsfreie Bewegung oder die Fluidteilchen können die Drehung durch Scherung wieder aufheben. Beispiel 1 (Starrer Wirbel). −ωy v⃗ k = ( ωx ) , 0

ξx = ξy = 0 ,

ξz =

∂v y ∂v x − = 2ω ≠ 0 . ∂x ∂y

Die Teilchen sind immer zum Zentrum hin orientiert und vollführen bei einer Umdre­ hung ebenfalls eine Drehung um 360°. Beispiel 2 (Strömung vor Hindernis, Abb. 3.4 rechts). vx ⃗vk = ( 0 ) , 0

v x = v(y) = konst. ,

ξ =0.

Beispiel 3 (Strömung am Hindernis, Abb. 3.5 links). vx v⃗ k = ( 0 ) , 0

v x = v(y) ≠ konst.

󳨐⇒

ξz = −

∂v x . ∂y

38 | 3 Strömungswirbel

Abb. 3.4: Skizzen zur Nullrotation und zu Beispiel 2a

Abb. 3.5: Skizzen zu Beispiel 2b und zur Zirkulation

Die viskose Reibung erzeugt einen Wirbel. Beispiel 4 (Potenzialwirbel). − x2cy +y2 v⃗ k = ( x2cx ) , +y2

ξx = ξy = 0 ,

ξz =

0 󳨐⇒

ξz =

∂v y ∂v x − ∂x ∂y

c(x2 + y2 − 2x2 ) c(x2 + y2 − 2y2 ) + = 0 für (x2 + y2 )2 (x2 + y2 )2

r = √ x 2 + y 2 ≠ 0 .

ξ z ist für r = 0 unbestimmt.

3.6 Die Zirkulation einer Strömung Eine andere Möglichkeit, die Wirbelstärke des Geschwindigkeitsfeldes einer Strömung zu beschreiben, geschieht mit Hilfe der (lokalen) Zirkulation Z (Abb. 3.5 rechts). Man wählt ein beliebiges Flächenstück A aus und bildet für jeden Punkt P des Randes ∂A das Skalarprodukt aus dem Geschwindigkeitsvektor v⃗ im Punkt P und dem Tangenti­ alvektor d s⃗ des Randes. Dies summiert man über den gesamten Rand auf. Definition der Zirkulation. Z = ∫ v⃗ ∘ d s⃗ . ∂A

3.6 Die Zirkulation einer Strömung

|

39

Ist mit A eine Oberfläche gemeint (beispielsweise diejenige einer Halbkugel), dann entspräche ∂A dem Rand der Projektion der Oberfläche (in unserem Fall dem Grund­ kreis). Die Zirkulation ist im Allgemeinen wegabhängig, also örtlich verschieden. Es gibt aber eine Ausnahme, dann nämlich, wenn sich das Geschwindigkeitsfeld als Gra­ dient einer skalaren Funktion darstellen lässt. Diese sogenannten Potenzialströmun­ gen werden wir später genauer untersuchen. Satz. Ist v⃗ = grad ϕ, d. h. ∂ϕ(x,y,z,t)

vx ∂x ) , (v y ) = grad ϕ(x, y, z, t) = ( ∂ϕ(x,y,z,t) ∂y ∂ϕ(x,y,z,t) vz ∂z

dann ist die Zirkulation wegunabhängig und folglich konstant. Beweis. Es sei x = x(t), y = y(t), z = z(t) eine Parametrisierung (t meint nicht die Zeit). Dann ist v x (x, y, z) ⃗ ⃗ v⃗ = (v y (x, y, z) ) = v(x(t), y(t), z(t)) = : v(s(t)) . v z (x, y, z) Weiter gilt d ∂ϕ ∂x ∂ϕ ∂y ∂ϕ ∂z ⃗ ̇ . ϕ(x(t), y(t), z(t)) = ⋅ + ⋅ + ⋅ = grad ϕ = v(s(t)) ∘ s(t) dt ∂x ∂t ∂y ∂t ∂z ∂t Für die Zirkulation erhält man dann t 2 ,Wegende

Z = ∫ v⃗ ∘ d s⃗ = ∂A t2

=∫ t1



⃗ ̇ dt v(s(t)) ∘ s(t)

t 1 ,Weganfang

d ϕ(s(t)) dt = ϕ(s(t2 )) − ϕ(s(t1 )) = ϕ(x2 , y2 , z2 ) − ϕ(x1 , y1 , z1 ) . dt

Somit hängt die Zirkulation lediglich von Anfangs- und Endpunkt ab. Beispiel 1 (Starrer Wirbel). 0 v⃗ p = (ωr ) . 0 Zudem sei das Gebiet einfach zusammenhängend.

40 | 3 Strömungswirbel

Als Weg wählen wir beispielsweise einen Kreis mit Radius r. Z = ∫ v⃗ ∘ d s⃗ = ∫ v ds ∂A

⃗ s⃗ durchwegs) (da v⊥d

∂A

= v ⋅ 2πr = ωr ⋅ 2πr = 2πr2 ω . Die Zirkulation ist radius- und somit wegabhängig. Folglich kann es für dieses Geschwindigkeitsfeld kein Potenzial (v⃗ = grad ϕ) ge­ ben. Dies leuchtet auch ein. Damit ein Potenzial existiert, muss die Verschiebungsar­ beit zwischen zwei beliebigen Punkten wegunabhängig sein. Dies ist bei geschlosse­ nen Stromlinien unmöglich, denn sonst könnte man sich einfach in Stromrichtung auf einem Kreis bewegen und hätte, ohne Arbeit zu verrichten (Reibung vernachlässigt) Energie gewonnen. Ein weiterer Zusammenhang erschließt sich noch, wenn wir die Zirkulation als Z = πr2 2ω schreiben. Mit A = πr2 und rot v⃗ = 2ω folgt Z = rot v⃗ ⋅ dA. Tatsächlich gilt dies auch allgemein. Voraussetzung ist ein einfach zusammenhängendes Gebiet (ohne Löcher). Satz von Stokes. Z = ∫ v⃗ ∘ d s⃗ = ∫ rot v⃗ ∘ d A⃗ (= ∫ rot v⃗ ∘ n⃗ ⋅ dA) . ∂A

A

A

Beweis. Die ausgewählte Fläche A werde im Gegenuhrzeigersinn durchlaufen. Wir greifen ein kleines Flächenstück dA in Form eines Rechtecks mit den Seitenlängen dx und dy heraus (Abb. 3.6). Im Eckpunkt P seien die Geschwindigkeitskomponenten v x und v y .

Abb. 3.6: Skizze zum Satz von Stokes

Es gilt dZ z = v x ⋅ dx + v y (x + dx) ⋅ dy − v x (y + dy) ⋅ dx − v y ⋅ dy ∂v y ∂v x dx + ⋅ ⋅ ⋅ ) ⋅ dy − (v x + dy + ⋅ ⋅ ⋅ ) ⋅ dx − v y ⋅ dy ∂x ∂y ∂v y ∂v x ∂v y ∂v x dx dy − dx dy = ( − ) dx dy = ω z ⋅ dx dy . ≈ ∂x ∂y ∂x ∂y

= v x ⋅ dx + (v y +

3.6 Die Zirkulation einer Strömung

| 41

Analoges folgt für die anderen Komponenten. Zusammen ergibt sich dann

dZ = ω z dx dy + ω y dx dz + ω x dy dz

oder

ωz dx dy dZ = (ω y ) ∘ ( dx dz ) = rot v⃗ ∘ d A⃗ . dy dz ωx

Für die orientierte Fläche gilt d A⃗ = dA ⋅ n.⃗ Wird die Fläche dA mit der Geschwindig­ keit u⃗ durchflossen, dann beträgt der Fluss u⃗ ∘ d A⃗ = u⃗ ∘ n⃗ ⋅ dA. Als einfaches Beispiel kann man sich eine Rechtecksfläche parallel zur Grund­ ebene denken. Dann wäre 0 0 d A⃗ = ( 0 ) und n⃗ = (0) . dx dy 1 Schließlich erhält man dZ = rot v⃗ ∘ n⃗ ⋅ dA und somit Z = ∫A rot v⃗ ∘ n⃗ ⋅ dA. Beispiel 2 (Potenzialwirbel). 0 ⃗vp = ( cr ) 0

mit

c = konst. ,

r ≠ 0 .

Zur Berechnung der Zirkulation beginnen wir mit der Auswahl eines Weges, welcher das Zentrum nicht einschließt (Abb. 3.7 links). Das Gebiet ist dann einfach zusammen­ hängend. Die Rotation beträgt Null. Nach dem Satz von Stokes müsste dasselbe auch für die Zirkulation gelten. Der abgebildete Weg entspricht dem Rand ∂A und es gilt Z = ∫∂A v ⋅ ds = πr ⋅ cr − πr0 ⋅ rc0 = 0. Damit ist lediglich die Wirbelfreiheit außerhalb des Zentrums bestätigt, was ei­ gentlich die Voraussetzung für ein Potenzial darstellt. Zum gegebenen Geschwindig­ keitsfeld kann es kein Potenzial geben, denn die Geschwindigkeit würde gegen das Zentrum hin bis ins Unermessliche wachsen. Nimmt man also einen Weg, der das Zen­ trum miteinschließt, dann gilt der Satz von Stokes nicht mehr (Abb. 3.7 mitte). Es ist zwar immer noch rot v⃗ = 0, aber für einen Kreisweg mit Radius r um das Zentrum erhält man Z = ∫∂A v ⋅ ds = cr ⋅ 2πr = 2πc ≠ 0.

Abb. 3.7: Skizzen zur Zirkulation eines Potenzialwirbels

42 | 3 Strömungswirbel

Für einen (beliebigen) anderen Weg, der wiederum das Zentrum mit einschließt, ist (Abb. 3.7 rechts) Z = ∫ v ⋅ ds = πr ⋅ ∂A

c c = 2πc . + πr0 ⋅ r r0

man Z = Γ. Definiert man c := Unser Geschwindigkeitsfeld ist somit Γ 2π , dann hat

0 Γ ) v⃗ p = ( 2πr 0

oder

Γ ( v⃗k = 2π

y − x2 +y 2 y x 2 +y2

) .

0

Wir erhalten zwar eine wegunabhängige Zirkulation, aber das Gebiet ist dafür nicht mehr einfach zusammenhängend (Loch im Zentrum). Somit stellt das Geschwindig­ keitsfeld kein Potenzial dar. Dies leuchtet auch ein, ansonsten könnte man sich senk­ recht ins Zentrum begeben, Geschwindigkeit aufnehmen und daraufhin wieder senk­ recht hinauf und hätte auf diese Weise Energie gewonnen.

3.7 Die Euler-Gleichung für normale Koordinaten Stromlinien oder Bahnlinien können auf zwei Koordinaten reduziert werden, wenn man die eine Koordinate immer tangential zur aktuellen Bewegungsrichtung und die zweite Koordinate normal zur Bewegungsrichtung wählt. Verläuft die Bahn linear, dann existiert keine Normalkomponente. Ein Teilchen erfährt auf seiner Bahn somit eine tangentiale Beschleunigung in Bewegungsrichtung und eine Normalbeschleunigung, die dadurch herrührt, dass man sich die nichtlineare Bahn durch Kreisausschnitte mit ständig ändernden Krüm­ mungsmittelpunkten zusammengesetzt denken kann. Damit ist das Teilchen zu­ sätzlich einer Zentripetalbeschleunigung ausgesetzt. Die Euler-Gleichung lautet in kartesischen Koordinaten ∂v x ∂t ∂v y ( ∂t ) ∂v z ∂t

vx ⋅ + (vx ⋅ vx ⋅

∂v x ∂x ∂v y ∂x ∂v z ∂x

+ vy ⋅ + vy ⋅ + vy ⋅

∂v x ∂y ∂v y ∂y ∂v z ∂y

+ vz ⋅ + vz ⋅ + vz ⋅

∂v x ∂z ∂v y )+ ∂z ∂v z ∂z

∂p

gx ∂x 1 ∂p ( ∂y ) − (g y ) = 0 . ρ ∂p gz ∂z

Unserer Bewegungsrichtung geben wir die Koordinate s, die Normalkomponente habe die Koordinate η (Abb. 3.8 links). Es gilt zu beachten, dass s auf r senkrecht steht. Weiterhin muss die Fallbeschleunigung g weder zwangsweise in Richtung s noch η zeigen, so dass g = g(s, η). Dann folgt ∂v s ∂t ( ∂v )+( η ∂t

vs ⋅ vs ⋅

∂v s ∂s ∂v η ∂s

+ vη ⋅ + vη ⋅

∂v s ∂η ∂v η ) ∂y

+

∂p

∂g

∂η

∂η

1 ∂s ∂s )=0. ( ) + ( ∂g ρ ∂p

3.8 Die Euler-Gleichung für Kreisbahnen | 43

Abb. 3.8: Skizzen zur Euler-Gleichung für normale Koordinaten

Da v η = 0, erhalten wir ∂v s ∂t ( ∂v )+( η ∂t

vs ⋅ vs ⋅

∂v s ∂s ∂v η ) ∂s

Weiter ist vs ⋅ ∂v

+

∂p

∂g

∂η

∂η

1 ∂s ∂s )=0. ( ) + ( ∂g ρ ∂p

∂v s 1 ∂(v2s ) = ⋅ . ∂s 2 ∂s ∂v

Im Ausdruck v s ⋅ ∂sη wollen wir den Teil ∂sη bestimmen. dv Es gilt ds = r ⋅ dφ. Mittels Abb. 3.8 rechts ergibt sich dφ ≈ sin φ = v sη . Zusammen dv dv η η vs ist ds r = v s 󳨐⇒ ds = r . Daraus folgt ∂v η v2s = , vs ⋅ ∂s r was nichts anderes als die Normalbeschleunigung darstellt. Zusammen erhalten wir die Euler-Gleichung für normale Koordinaten ∂v s 1 ∂(v2s ) 1 ∂p ∂g + ⋅ + ⋅ + =0, ∂t 2 ∂s ρ ∂s ∂s ∂v η v2s 1 ∂p ∂g + + ⋅ + =0. ∂t r ρ ∂η ∂η

3.8 Die Euler-Gleichung für Kreisbahnen v2

Für eine stationäre, ebene Strömung geht die Euler-Gleichung über in rs + 1ρ ⋅ ∂p = 0. ∂η Zusätzlich sei die Strömung nun kreisförmig. Da der Normalenvektor zum Zen­ v 2s trum hin gerichtet ist, ersetzen wir ∂η durch −dr, was zu ∂p ∂r = ρ ⋅ r führt. Beispiel 1 (Starrer Wirbel). v s = ωr

󳨐⇒

∂p = ρω2 r ∂r

Diese Gleichung kann man auch über einen Vergleich der Zentripetalkraft mit der wirkenden Kraft aufgrund des Druckunterschieds an einem Massenelement herleiten

44 | 3 Strömungswirbel

(Abb. 3.9 links): dF z = dm ⋅ ω2 r = ρ dr ⋅ ds ⋅ dl ⋅ ω2 r , dF p = (p + dp) ⋅ ds ⋅ dl − p ⋅ ds ⋅ dl = dp ⋅ ds ⋅ dl . 2 Gleichsetzen ergibt ∂p ∂r = ρω r. Die Integration führt zu pa

ra

∫ dp = ρω2 ∫ r dr pi

󳨐⇒

pa = pi +

ri

ρω2 2 [r a − r2i ] . 2

Beispiel 2 (Potenzialwirbel). vs =

c r

c=

mit

pa

ra 2

∫ dp = ρc ∫ pi

ri

Γ 2π

1 dr r3

󳨐⇒ 󳨐⇒

∂p vs 2 ρc2 = ρω2 r = ρ ( ) r = 3 , ∂r r r pa = pi −

ρc2 1 1 [ 2 − 2] . 2 ra ri

Nun setzen wir die beiden Wirbel zusammen zum Beispiel 3 (Rankine-Wirbel). Für r ≤ r0 gilt die Druckverteilung des starren Wirbels, p(r) = p1 +

ρω2 2 [r0 − r2 ] , 2

ab r ≥ r0 diejenige des Potenzialwirbels (Abb. 3.9 rechts), p(r) = p1 −

ρc2 1 1 [ 2 − 2] . 2 r r0

Abb. 3.9: Skizzen zum Druckverlauf am starren Wirbel und am Rankine-Wirbel

4 Potenzialströmungen In Kapitel 2.2 hatten wir die Euler-Gleichung auf eine Dimension reduziert. Durch In­ tegration erhielten wir die (eindimensionale) Bernoulli-Gleichung, mit deren Hilfe wir die Geschwindigkeit an einer beliebigen Stelle v = v(x) oder für eine beliebige Höhe v = v(h) angeben konnten. Die Euler-Gleichung soll ausgehend von der Kräftebilanz (2.2) für den Fall einer inkompressiblen und instationären Strömung, auf drei Dimensionen erweitert wer­ den. Betrachten wir dazu nochmals Abb. 2.3. Dabei muss die in (2.2) gewählte s-Achse nicht mit einer der folgenden Koordinatenachsen übereinstimmen). Man erhält nach­ einander dF a x = dF Gv x + dF p x − dF(p+dp)x dF a y = dF Gv y + dF p y − dF(p+dp)y dF a z = dF Gv z + dF p z − dF(p+dp)z , dm ⋅ a x = dm ⋅ g x − dp x ⋅ dA x dm ⋅ a y = dm ⋅ g y − dp y ⋅ dA y dm ⋅ a z = dm ⋅ g z − dp z ⋅ dA z , dp x ρ ⋅ dx dp y ay = gy − ρ ⋅ dy dp z az = gz − ρ ⋅ dz

ax = gx −

und schließlich ∂v x ∂t ∂v y ρ ( ∂t ∂v z ∂t

+ vx ⋅ + vx ⋅ + vx ⋅

∂v x ∂x ∂v y ∂x ∂v z ∂x

+ vy ⋅ + vy ⋅ + vy ⋅

∂v x ∂y ∂v y ∂y ∂v z ∂y

+ vz ⋅ + vz ⋅ + vz ⋅

∂v x ∂z ∂v y ) ∂z ∂v z ∂z

∂p ∂x + ( ∂p ) ∂y ∂p ∂z

gx − ρ (g y ) = 0 gz

oder kurz ρ( ddtv⃗ + (v⃗ ⋅ ∇)⃗ v)⃗ + grad p − ρ g⃗ = 0. Den Term ddtv⃗ + (v⃗ ⋅ ∇)⃗ v⃗ := DDtv⃗ bezeichnet man als substantielle Beschleunigung. Die Gleichung wollen wir etwas umschreiben. Dazu zeigen wir folgende Identität: 1 󵄩 󵄩2 (v⃗ ⋅ ∇)⃗ v⃗ = ∇⃗ 󵄩󵄩󵄩v⃗ 󵄩󵄩󵄩 − v⃗ × (∇⃗ × v)⃗ . 2 ⃗ ⃗ Definitionsgemäß gilt zudem ∇ × v = rot v.⃗ Die einzelnen Seiten unserer Gleichungen lauten dann vx ⋅ (v⃗ ⋅ ∇)v⃗ = ( v x ⋅ vx ⋅

∂v x ∂x ∂v y ∂x ∂v z ∂x

+ vy ⋅ + vy ⋅ + vy ⋅

∂v x ∂y ∂v y ∂y ∂v z ∂y

+ vz ⋅ + vz ⋅ + vz ⋅

https://doi.org/10.1515/9783110684520-004

∂v x ∂z ∂v y ) ∂z ∂v z ∂z

und

vx ⋅

∂v y ∂v y ∂v y + vy ⋅ + vz ⋅ ∂x ∂y ∂z

46 | 4 Potenzialströmungen ∂v z ∂y − 1 ⃗ 󵄩󵄩 󵄩󵄩2 1 ∂v x 2 2 2 ⃗ ⃗ ∇ 󵄩v⃗ 󵄩 − v⃗ × (∇ × v)⃗ = ∇(v x + v y + v z ) − v⃗ × ( ∂z − 2 󵄩 󵄩 2 ∂v y ∂x −

∂v y ∂z ∂v z ∂x ) ∂v x ∂y

∂v x ∂v z − ∂z ∂x

∂v

∂v y ∂v x ∂v z x x v y ( ∂xy − ∂v 2v x ∂v ∂y ) − v z ( ∂z − ∂x + 2v y ∂x + 2v z ∂x 1 ∂v y ∂v z ) − ( v ( ∂v z − ∂v y ) − v ( ∂v y − x = (2v x ∂v z ∂y x ∂x ∂z ∂y + 2v y ∂y + 2v z ∂y 2 ∂v y ∂v x ∂v z ∂v x ∂v z z v x ( ∂z − ∂x ) − v y ( ∂v 2v x ∂z + 2v y ∂z + 2v z ∂z ∂y −

∂v z ∂x ) ∂v x ∂y )) ∂v y ∂z )

.

Ein Vergleich der Komponenten liefert das gewünschte Ergebnis. Somit erhält die Euler-Gleichung in 3D die endgültige Gestalt ρ(

d v⃗ 1 ⃗ 󵄩󵄩 󵄩󵄩2 ⃗ + grad p − ρ g⃗ = 0 . + ∇ 󵄩v⃗ 󵄩 − v⃗ × rot v) dt 2 󵄩 󵄩

(4.1)

Die fünf Terme dieser Gleichung entsprechen nacheinander der lokalen Beschleuni­ gung, der Konvektion (konvektive Beschleunigung), der Rotation, dem Druck und der Gravitation. Die letztgenannten vier Kräfte verändern die lokale Beschleunigung eines Fluidteilchens. Die Euler-Gleichung gilt für kompressible Fluide, auch Gase. Zudem erfasst sie sowohl instationäre wie auch Rotationsströmungen. Untersucht man ebene oder räumliche Strömungen und fragt nach der Geschwin­ digkeitsverteilung an einem bestimmten Ort P(x, y, z), dann stellt sich die Frage, ob man mittels der Euler-Gleichung ein entsprechendes Ergebnis wie im eindimensiona­ len Fall erzielen kann. Genauer wäre man dann an einem Vektorfeld interessiert, das in jedem Punkt P(x, y, z) den Geschwindigkeitsvektor v⃗ = (v x , v y , v z ) anzeigt. Dazu betrachen wir im Weitern die rotationsfreie Euler-Gleichung. Als Erstes er­ setzen wir 0 g⃗ = ( 0 ) −g durch grad(gz). Da weiter ‖v‖⃗ 2 = v2x + v2y + v2z eine skalare Funktion darstellt, können ⃗ v‖⃗ 2 = grad ‖v‖⃗ 2 . wir den Nabla-Operator auch als Gradienten schreiben ∇‖ Aus (4.1) entsteht dann ρ(

d v⃗ 1 + grad ‖v‖⃗ 2 ) + grad p + grad(ρgz) = 0 . dt 2

Man erkennt dass der Gradient überall bis auf den ersten Term erscheint. Was wäre, wenn wir den Geschwindigkeitsvektor v⃗ selber als Gradient einer skalaren Funktion, also als ∂ϕ vx ∂x v⃗ = ( v y ) = grad ϕ(x, y, z) = ( ∂ϕ ) ∂x ∂ϕ vz ∂x

4 Potenzialströmungen

| 47

ansetzten? Dies würde voraussetzen, dass ϕ stetig ist, damit die örtlichen Ableitun­ gen existieren. Die Strömung müsste sich somit auf Stromlinien bewegen, die keine unstetigen Richtungsänderungen zuließe. Die skalare Funktion, die das erfüllt, heisst dann Potential und die zugehörige Strömung Potentialströmung. Setzen wir die Existenz eines solchen Potentials voraus, dann erhält die EulerGleichung die Gestalt

󳨐⇒

d p 1 󵄩 󵄩2 (grad ϕ) + grad 󵄩󵄩󵄩v⃗ 󵄩󵄩󵄩 + grad + grad(gz) = 0 dt 2 ρ dϕ 1 󵄩󵄩 󵄩󵄩2 p dϕ 1 󵄩󵄩 󵄩󵄩2 p + 󵄩 v⃗ 󵄩 + + gz) = 0 󳨐⇒ + 󵄩v⃗ 󵄩 + + gz = C(t) grad ( dt 2 󵄩 󵄩 ρ dt 2 󵄩 󵄩 ρ

Das ist die (skalare) Euler-Gleichung für Potentialströmungen. Multiplizieren wir die Gleichung mit ρ, so besitzen beide Seiten die Einheit eines Drucks. Im Fall einer parallel angeströmten Platte entspricht das Produkt ρC(t) dem Anfangsdruck der Strömung und setzt sich zusammen aus Umgebungsdruck und sta­ tischem Druck: ρC(t) = p0 + 12 ρv2∞ . Damit folgt C(t) = pρ0 + 12 v2∞ = konst. Instationäre Potentialströmungen sind aber nicht Teil dieses Buches. Uns soll die stationäre Ge­ schwindigkeitsverteilung interessieren. In diesem Fall ist C(t) = konst. und es folgt wie schon bekannt, die die stationäre Bernoulli-Gleichung: 12 ‖v‖⃗ 2 + pρ + gz = konst. Nehmen wir an, wir bewegen uns auf einer Potentiallinie, also es sei ϕ = konst. Folglich muss dann dϕ = 0 und man erhält dϕ =

∂ϕ ∂ϕ dx + dy = v x dx + v y dy = 0 ∂x ∂y

󳨐⇒

(

dy vx =− . ) dx ϕ=konst. vy

Die Steigung der Tangente in einem Punkt der Potenziallinie berechnet sich somit über den Quotienten der Geschwindigkeitskomponenten in diesem Punkt. Weiter betrachten wir die Kontinuitätsgleichung. Setzen wir ein inkompressi­ bles Fluid und eine stationäre Strömung voraus, dann lautet die Bedingung dafür div(v)⃗ = 0. v⃗ = grad ϕ eingesetzt ergibt div(grad ϕ) = 0

oder

∂2 ϕ ∂2 ϕ ∂2 ϕ + + =0. ∂x2 ∂y2 ∂z2

Kurz ∆ϕ = 0. Dies nennt man die Laplace-Gleichung. Ergebnis. 1. Für jede Potenzialströmung v⃗ = grad ϕ muss ϕ Lösung der LaplaceGleichung ∆ϕ = 0 sein. 2. ϕ erfüllt zudem die Euler-Gleichung 3D. Folgerung 1. Aus 2. folgt, dass mit Kenntnis einer Lösung ϕ(x, y) auch die Druckver­ teilung p(x, y) über die Euler-Gleichung bestimmt werden kann.

48 | 4 Potenzialströmungen

Folgerung 2. Eine einfache, aber wichtige Eigenschaft der Laplace-Gleichung ist ihre Linearität. Sind ϕ1 und ϕ2 zwei Lösungen von ∆ϕ = 0, dann ist offensichtlich auch aϕ1 +bϕ2 eine Lösung davon. Dies wird uns gestatten, Strömungsarten aus sogenann­ ten Grundlösungen oder -strömungen zusammenzustellen.

4.1 Stromlinien Auf einer ausgewählten Stromlinie gilt y󸀠 = dy dx ≅ v y dx = 0. Dies kann man interpretieren als

vy vx

(Abb. 4.1 links). Dann folgt v x dy −

vx −dy ( )∘( ) = 0, dx vy was bedeutet, dass v⃗ und d n⃗ = ( −dy ) senkrecht aufeinander stehen. Gleichbedeutend dx dazu ist dx vx ( ) × ( ) = 0, dy vy was der Parallelität von v⃗ und d s⃗ = ( dx dy ) entspricht. Dreidimensional wäre ebenfalls ⃗v × d s⃗ = 0.

4.2 Stromfunktion Da die Bedingung v⃗ × d s⃗ = 0 für jede Stromlinie gilt, stellt sich die Frage, wie man Stromlinien voneinander unterscheiden kann. Dies geschieht über die Stromfunkti­ on ψ. Definition. Die skalare Funktion ψ(x, y) ist definiert durch vx =

∂ϕ ∂ψ (= ) ∂y ∂x

und

vy = −

∂ϕ ∂ψ (= ) . ∂x ∂y

Aus der Definition folgt unmittelbar, dass ψ (wie auch ϕ) entlang einer Stromlinie ∂ψ konstant bleibt. Dazu schreiben wir dψ = ∂ψ ∂x dx + ∂y dy = −v y dx + v x dy = 0 (für eine bestimmte Stromlinie). Also muss ψ = konst. sein. Somit wird jede Stromlinie (wie auch jede Potenzial­ linie) durch einen bestimmten Wert der Stromfunktion gekennzeichnet (vgl. Höhen­ vy linien = Potenziallinien einer Karte). Weiter ist ( dy dx )ψ=konst. = v x . Die Tangente zeigt somit immer in Richtung der Stromlinie. Damit ist auch gezeigt, dass es sich bei der so definierten Stromfunktion für jedes ψ = konst. um die früher definierte Stromlinie behandelt.

4.2 Stromfunktion

|

49

Abb. 4.1: Skizzen zu den Stromlinien und zur Stromfunktion

Der Wert der Stromfunktion Nun wollen wir klären, was der Wert einer Stromfunktion aussagt. Hierzu greifen wir zwei Stromlinien ψ1 und ψ2 heraus (Abb. 4.1 rechts). Wir untersuchen den Volumenstrom V̇ zwischen den beiden Stromlinien: 2

V̇ = ∫ v⃗ ∘ d A⃗ . 1

Der Volumenstrom gibt an, wieviel Fluidvolumen pro Sekunde zwischen den beiden Stromlinien hindurchkommt. In Abb. 4.2 links ist der Blickwinkel senkrecht auf eine Kante der Fläche gewählt. Die Breite ist mit b angedeutet. Stellen wir uns vor, die be­ trachtete Fläche dA stände nicht senkrecht auf den Stromlinien. Um die Orientierung der Fläche zu beschreiben, benutzt man bekanntlich den Normalenvektor n.⃗ Zum Volumenstrom trägt aber nur die Fläche dA ⋅ cos α bei. Also ist d V̇ = v ⋅ dA ⋅ cos α. v∘⃗ n⃗ Aus cos α = v⋅| folgt cos α ⋅ v = v⃗ ∘ n⃗ und somit d V̇ = v⃗ ∘ n⃗ ⋅ dA = v⃗ ∘ d A.⃗ Für eine n|⃗ konstante Breite b wird daraus ein Flächenstrom: 2

2

1

1

2

dy vx 1 V̇ ( )) ⋅ √d2 x + d2 y = ∫ v⃗ ∘ d l ⃗ = ∫ v⃗ ∘ n⃗ ⋅ dl = ∫ ( ) ∘ ( b vy √d2 x + d2 y −dx 1

2

2

2

1

1

1

vx dy = ∫( ) ∘ ( ) = ∫(v x dy − v y dx) = ∫ dψ = ψ2 − ψ1 −dx vy oder V̇ = b(ψ2 − ψ1 ). Die Einheit des Volumenstroms ist [ ms ]. Somit kann der Flächenstrom durch zwei Stromlinien aus der Differenz der bei­ den (konstanten) Stromlinienwerte bestimmt werden. Aus diesem Ergebnis können wir folgern, dass der Flächenstrom gleich groß bleibt, wenn die Stromlinien näher zueinander liegen, sofern die Geschwindigkeit zwischen den beiden Stromlinien an­ wächst. Damit lässt sich von der Dichte der Stromlinien auf die Zu- oder Abnahme der Strömungsgeschwindigkeit schließen. 3

50 | 4 Potenzialströmungen

Abb. 4.2: Skizzen zum Stromfunktionswert und zur Orthogonalität

Orthogonalität Potenzial- und Stromlinien bilden orthogonale Kurvenscharen (Abb. 4.2 rechts). Sei ∂ϕ

∂ψ

∂x ) grad ϕ = ( ∂ϕ

∂x grad ψ = ( ∂ψ ) ,

und

∂y

∂y

dann folgt grad ϕ ∘ grad ψ =

∂ϕ ∂ψ ∂ϕ ∂ψ ⋅ + ⋅ ∂x ∂x ∂y ∂y

= v x ⋅ (−v y ) + v y ⋅ v x = 0 . Schließlich zeigen wir noch, dass die Stromfunktion sowohl die Kontinuitätsglei­ chung als auch die Laplace-Gleichung erfüllt (Vertauschungsprinzip). Beweis. Aus v x =

∂ψ ∂y

=

∂ϕ ∂x

und v y = − ∂ψ ∂x =

∂ϕ ∂y

folgt

∂v x ∂v y ∂2 ψ ∂2 ψ + = − = 0 und ∂x ∂y ∂x∂y ∂x∂y ∂2 ψ ∂2 ψ ∂2 ϕ ∂2 ϕ ∆ψ = + =− + =0. 2 2 ∂x∂y ∂x∂y ∂x ∂y div(v)⃗ =

Zusammenfassung. Ist v⃗ = grad ϕ eine Potenzialströmung und ϕ(x, y) Lösung von ∆ϕ = 0, dann wird mit vx =

∂ψ ∂ϕ = ∂y ∂x

und

vy = −

∂ψ ∂ϕ = ∂x ∂y

eine Stromfunktion ψ(x, y) mit folgenden Eigenschaften definiert: i) ψ(x, y) ist ebenfalls Lösung der Laplace-Gleichung, ∆ψ = 0, ii) ϕ(x, y) und ψ(x, y) bilden orthogonale Kurvenscharen und iii) der Volumenstrom zwischen zwei Stromlinien ψ1 und ψ2 beträgt V̇ = b(ψ2 − ψ1 ) .

4.2 Stromfunktion

|

51

Polarkoordinaten Drehsymmetrische Potenzialströmungen sind einfacher durch Polarkoordinaten dar­ stellbar. Dazu bestimmen wir mit x = r ⋅ cos φ, y = r ⋅ sin φ, r = √x2 + y2 und θ = arctan( yx ) den Laplace-Operator. Es gilt ∂ϕ ∂ϕ ∂r ∂ϕ ∂θ ∂ϕ ∂ϕ sin θ = ⋅ + ⋅ = ⋅ cos θ + ⋅ (− ) ∂x ∂r ∂x ∂θ ∂x ∂r ∂θ r

(4.2)

∂ϕ cos θ ∂ϕ ∂ϕ ∂r ∂ϕ ∂θ ∂ϕ = ⋅ + ⋅ = ⋅ sin θ + ⋅ ∂y ∂r ∂y ∂θ ∂y ∂r ∂θ r

(4.3)

∂ ∂ sin θ ∂ϕ ∂ϕ sin θ ∂2 ϕ = ( ⋅ cos θ + ⋅ (− )) ( ⋅ cos θ + ⋅ (− )) 2 ∂r ∂θ r ∂r ∂θ r ∂x = cos2 θ ⋅ −

∂2 ϕ ∂2 ϕ 1 ∂ϕ 1 − sin θ cos θ ⋅ ( ⋅ − ⋅ ) ∂r∂θ r ∂θ r2 ∂r2

sin θ ∂2 ϕ ∂2 ϕ ∂ϕ ∂ϕ sin θ ( ⋅ cos θ + ⋅ (− sin θ)) + 2 ⋅ ( 2 ⋅ sin θ + ⋅ cos θ) r ∂r∂θ ∂r ∂θ r ∂θ

∂2 ϕ ∂ ∂ cos θ ∂ϕ ∂ϕ cos θ = ( ⋅ sin θ + ⋅ )( ⋅ sin θ + ⋅ ) 2 ∂r ∂θ r ∂r ∂θ r ∂y = sin2 θ ⋅ +

∂2 ϕ ∂2 ϕ 1 ∂ϕ 1 ⋅ − ⋅ ) + sin θ cos θ ⋅ ( 2 ∂r∂θ r ∂θ r2 ∂r

∂ϕ cos θ ∂2 ϕ ∂ϕ cos θ ∂2 ϕ ⋅ sin θ + ⋅ cos θ) + 2 ⋅ ( 2 ⋅ cos θ − ⋅ sin θ) ( r ∂r∂θ ∂r ∂θ r ∂θ

= cos2 θ ⋅

∂2 ϕ ∂2 ϕ 1 ∂2 ϕ sin θ cos θ ∂ϕ 1 − sin θ cos θ − ⋅ sin θ cos θ + ⋅ ⋅ ∂r∂θ r ∂θ r2 ∂r∂θ r ∂r2

+

∂ϕ sin2 θ ∂2 ϕ sin2 θ ∂ϕ sin θ cos θ ∂2 ϕ 2 ⋅ + + sin θ ⋅ ⋅ + ⋅ ∂r r ∂θ ∂θ2 r2 r2 ∂r2

+

∂2 ϕ sin θ cos θ ∂ϕ sin θ cos θ ∂2 ϕ sin θ cos θ ∂ϕ cos2 θ + ⋅ − ⋅ ⋅ + ⋅ ∂r∂θ r ∂θ ∂r∂θ r ∂r r r2

+

∂2 ϕ cos2 θ ∂ϕ sin θ cos θ ⋅ − ⋅ ∂θ ∂θ2 r2 r2

Zusammen folgt

∆ϕ =

∂2 ϕ 1 ∂ϕ 1 ∂2 ϕ + ⋅ ⋅ . + r ∂r r2 ∂θ2 ∂r2

(4.4)

52 | 4 Potenzialströmungen

Dies lässt sich auch als ∆ϕ =

∂ϕ 1 ∂2 ϕ 1 ∂ ⋅ (r ⋅ )+ 2 ⋅ r ∂r ∂r r ∂θ2

oder

∂ ∂ϕ ∂ 1 ∂ϕ (r ⋅ )+ ( ⋅ )=0 ∂r ∂r ∂θ r ∂θ

schreiben. Aus (4.2) und (4.3) erhält man mit Hilfe von (3.1) ∂ϕ ∂ϕ ∂ϕ = ⋅ cos θ + ⋅ sin θ = v x ⋅ cos θ + v y ⋅ sin θ = v r und ∂r ∂x ∂y ∂ϕ ∂ϕ ∂ϕ = ⋅ (−r sin θ) + ⋅ (r cos θ) = v x ⋅ (−r sin θ) + v y ⋅ (r cos θ) = r ⋅ v θ . ∂θ ∂x ∂y Damit ergeben sich die Geschwindigkeiten zu v r = nuitätsgleichung lautet

∂ϕ ∂r

und v θ =

1 r



∂ϕ ∂θ

und die Konti­

∂ ∂ (rv r ) + (v θ ) = 0 . ∂r ∂θ Die Laplace-Gleichung ∆ϕ = 0 ist erfüllt, wenn ∂ϕ ∂ 1 ∂ϕ ∂ (r ⋅ )+ ( ⋅ )=0 ∂r ∂r ∂θ r ∂θ gilt. Damit wählen wir die Stromfunktion ψ zu r⋅

∂ϕ ∂ψ = ∂r ∂θ

und



1 ∂ϕ ∂ψ ⋅ = . r ∂θ ∂r

Damit ist ψ automatisch Lösung der Kontinuitätsgleichung, nicht aber der LaplaceGleichung, d. h., das Vertauschungsprinzip gilt nicht mehr. Letzteres ist nicht weiter schlimm, denn für eine Potenzialströmung muss lediglich das Potenzial selber Lösung der Laplace-Gleichung sein. Um diejenige DGL zu finden, der die Stromfunktion genügt, setzen wir a⋅

∂2 ψ ∂ψ ∂ψ ∂2 ψ + b ⋅ +d⋅ + c ⋅ =0 2 2 ∂r ∂θ ∂r ∂θ

an und berechnen nacheinander ∂ψ 1 ∂ϕ =− ⋅ , ∂r r ∂θ ∂ψ ∂ϕ =r⋅ und ∂θ ∂r

∂ ∂2 ψ 1 ∂ϕ 1 ∂ϕ 1 ∂2 ψ = (− ⋅ )= 2 ⋅ − ⋅ , 2 ∂r r ∂θ ∂θ r ∂r∂θ ∂r r ∂ ∂2 ψ ∂ϕ ∂2 ψ = (r ⋅ )=r⋅ . 2 ∂θ ∂r ∂r∂θ ∂θ

4.2 Stromfunktion

Daraus entnimmt man a = 1, b = mungsgleichung

1 r,

c =

1 r2

| 53

und d = 0 und man erhält die Bestim­

∂2 ψ 1 ∂ψ 1 ∂2 ψ + ⋅ = 0 oder + 2 ⋅ r ∂r ∂r2 r ∂θ2

r2 ⋅

∂2 ψ ∂ψ ∂2 ψ + r ⋅ =0. + ∂r ∂r2 ∂θ2

Beispiel. Gegeben ist die Funktion ψ(x, y) = x2 − y2 . a) Zuerst zeigen wir, dass sie eine Stromfunktion darstellt. Dazu muss ψ die Konti­ nuitätsgleichung erfüllen: vx =

∂ψ = −2y , ∂y

vy = −

∂ψ = −2x ∂x

󳨐⇒

∂v x ∂v y + = 0+0=0. ∂x ∂y

b) Nun betrachten wir zwei ausgezeichnete Stromlinien dieser Stromfunktion mit beispielsweise ψ1 = 1 und ψ2 = 4, also 1 = x2 −y2 und 4 = x2 −y2 . Jede Stromlinie stellt eine Hyperbel dar (Abb. 4.3 links). Weiter wählen wir einen Punkt P1 (√2/1) auf ψ1 . Es gilt v x = −2 ⋅ 1, v y = −2 ⋅ √2, was zu |v⃗ 1 | = √12 ≈ 3,46 ms führt (falls 2 H =̂ 1 m). Im Vergleich dazu ergibt P1 (√5/1) auf ψ2 die Werte v x = −2 ⋅ 1, v y = −2 ⋅ √5 und schließlich |v⃗ 2 | = √24 ≈ 4,90 ms . Dasselbe mit den Punkten P∗1 (1/0), P∗2 (2/0) durchgeführt ergibt v x = 0, v y = −2, |v⃗ ∗1 | = 2 ms bzw. v x = 0, v y = −4, |v⃗ ∗2 | = 4 ms . Der Volumenfluss zwischen P∗1 und P∗2 berechnet sich mit b = 1 m zu V̇ = b(ψ2 − 3 ψ1 ) = 1 ⋅ (4 − 1) = 3 ms . Kontrolle: 2 m + 4 ms m3 v1 + v2 = 1 m2 ⋅ ( s )=3 . V̇ = A ⋅ 2 2 s

Abb. 4.3: Skizze und Graphen zum Beispiel

54 | 4 Potenzialströmungen

c) Schließlich bestimmen wir das zugehörige Potenzial, falls es existiert. v x = −2y =

∂ϕ ∂x

v y = −2x =

∂ϕ ∂y

󳨐⇒

∫ dϕ = −2y ∫ dx

󳨐⇒

∫ dϕ = −2x ∫ dy

󳨐⇒

ϕ = −2xy + C1 (y)

󳨐⇒

ϕ = −2xy + C2 (x) .

Der Vergleich liefert C1 (y) = C2 (x), also konstant. Die Konstante kann Null gesetzt werden, denn man erhält dieselben Potenziallinien und das identische Geschwin­ digkeitsfeld. Folglich existiert ein Potenzial und es lautet ϕ(x, y) = −2xy. Ergibt die Integration nicht dieselbe skalare Funktion, dann existiert kein Poten­ zial. Die Orthogonalität von ϕ und ψ stellen wir beispielsweise dar für ϕ = ±2, ±6, ±12, ±20 und ψ = ±1, ±4, ±9, ±16 (Abb. 4.3 rechts). Aufgabe Bearbeiten Sie die Übungen 9 und 10.

5 Lösungen von Potenzialströmungen In einem ersten Schritt sollen einige Grundlösungen hergeleitet und anschließend durch Überlagerung (Linearkombination) neue Strömungen erzeugt werden. Zuerst muss aber noch die Frage geklärt werden, wie sich die Strömung in Wandnähe ver­ hält. Da die Stromlinien den Verlauf der Strömung derart abbilden, dass mit dem Tan­ gentialvektor sowohl Geschwindigkeit als auch Richtung festgelegt sind, kann keine Stromlinie in das Hindernis hineinführen. Somit ist die Bedingung v⃗ ∘ n⃗ = 0 oder grad ϕ ∘ n⃗ = 0 nach Konstruktion von ϕ und ψ automatisch erfüllt, falls n⃗ der Norma­ lenvektor der Hinderniskrümmung bezeichnet.

5.1 Die erste Grundlösung: die Translationströmung Dazu betrachten wir Abb. 5.1 links. Potenzial und Stromfunktion Da die x-Achse in v∞ -Richtung gelegt wurde, ist ∂ϕ = v∞ ∂x ∂ϕ = vy = 0 ∂y

󳨐⇒

ϕ = v∞ x + C1 (y)

󳨐⇒

ϕ = konst. + C2 (x) .

und

Zusammen folgt ϕ(x) = v∞ x, falls die Konstanten Null gesetzt werden. ∂ψ Weiter ist ∂ψ ∂y = v ∞ und − ∂x = 0. Dies führt zu ψ(y) = v ∞ y. Somit ergeben ϕ = konst. senkrechte Geraden und ψ = konst. horizontale Gera­ den. Druckverteilung 1 2 1 ρv + p = ρv20 + p∞ . 2 2 Da v0 = v = v∞ , folgt p = p∞ .

Abb. 5.1: Skizzen zur Translations- und Quellströmung https://doi.org/10.1515/9783110684520-005

56 | 5 Lösungen von Potenzialströmungen

5.2 Die zweite Grundlösung: die Quellströmung Hierzu schauen wir uns Abb. 5.1 rechts an. Potenzial und Stromfunktion Radialkomponente v r ≠ 0, Tangentialkomponente v θ = 0. 2 Q Aus früheren Überlegungen setzen wir v r = 2πr an, mit der Einheit von Q [ ms ]. ∂ϕ

∂ϕ

Q Aus ∂r = 2πr und 1r ⋅ ∂θ = 0 folgt ϕ = Insgesamt lautet das Potenzial

ϕ(r) =

Q ln r 2π

oder

Q 2π

ln r + C1 (θ) bzw. ϕ = konst. + C2 (r).

ϕ(x, y) =

Q ln √x2 + y2 . 2π

Man kann noch prüfen, dass ∆ϕ = 0 erfüllt ist. ∂ψ Q Weiter hat man 1r ⋅ ∂ψ ∂θ = v r = 2πr und − ∂r = v θ = 0, was zu ψ = ψ = konst. + C2 (θ) führt. Gesamthaft ist dann ψ(θ) =

Q θ 2π

oder

ψ(x, y) =

Q 2π θ

+ C1 (r) und

Q y arctan ( ) . 2π x

Damit ergeben ϕ = konst. Kreise um das Zentrum und ψ = konst. Strahlen vom Zen­ trum aus. Druckverteilung 1 1 2 2 2 2 ρv + p = 2 ρv 0 + p∞ . Die Geschwindigkeit v 0 im Zentrum ist Null. Weiter ist v = 2 2 2 2 v x + v y = v r + v θ . In unserem Fall ist die tangentiale Komponente Null: v θ = 0. Damit verbleibt p = p∞ −

1 2 1 ρQ2 Q2 . ρv r = p∞ − ρ 2 2 = p∞ − 2 2 4π r 8π2 r2

5.3 Überlagerung von Translations- und Quellströmung Den Ursprung setzen wir zweckmäßig ins Quellzentrum. Die resultierende Strömung soll nun erläutert werden (Abb. 5.2).

Abb. 5.2: Skizze zur Umströmung des Rankine-Profils

5.3 Überlagerung von Translations- und Quellströmung

|

57

Potenzial und Stromfunktion Beide ergeben sich durch Addition zu ψ(r, θ) = v∞ r sin θ +

Q θ 2π

ϕ(r, θ) = v∞ r cos θ +

und

Q ln r . 2π

Weiter ist vr =

1 ∂ψ Q ⋅ = v∞ cos θ + r ∂θ 2πr

und

vθ = −

∂ψ = −v∞ sin θ . ∂r

Es gibt einen Staupunkt S, für den die Geschwindigkeit der Quelle von der Translati­ onsgeschwindigkeit aufgehoben wird: v r = 0, v θ = 0 󳨐⇒ θStau,1 = π und θStau,2 = 0 (ergibt den unteren Zweig mit negativem Radius) 󳨐⇒

rStau =

Q . 2πv∞

Das zugehörige, konstante ψStau ist Q θStau 2π Q Q sin π + π= . 2π 2

ψStau = v∞ rStau sin θStau + = v∞

Q 2πv∞

Nun zur Skizze. Aus ψkonst = v∞ r sin θ + r=

Q 2π θ

folgt

1 Q (ψkonst ⋅ π − θ) . πv∞ sin θ 2

Wir wählen sowohl den Wert Q2 als auch πv1∞ zu 1. Dann ist r = Für eine detaillierte Darstellung wählen wir

(5.1) ψ ∗konst −θ sin θ

für 0 ≤ θ ≤ π.

π π π π π 3π 7π 4π 3π ψ∗konst = − , − , − , 0, , , , π, , , . 2 3 6 4 2 4 6 3 2 Die elf Werte entsprechen den zugehörigen Kurven ψ1 bis ψ11 , die von unten nach oben mit nummeriert sind. Die entsehende Strömung kann man als Umströmung ei­ ner halbrunden Linie, dem Rankine-Profil interpretieren (Abb. 5.3). Druckverteilung entlang des Körpers 1 2 1 ρv + p = ρv2∞ + p∞ 2 2 Mit v2 = v2r + v2θ wird daraus p(r, θ) = p∞ +

󳨐⇒

p = p∞ +

1 ρ (v2∞ − v2 ) . 2

1 ρ (v2∞ − (v2r + v2θ )) . 2

Damit lässt sich in jedem Punkt P(r, θ) der wirkende Druck ermitteln. Anschaulich ist das nicht. Wir können stattdessen einen normierten Druck c p einführen. Dann erhal­ ten wir p − p∞ v 2 c p (r, θ) := 1 2 = 1 − ( ) mit 0 ≤ c p ≤ 1 . v∞ 2 ρv ∞

58 | 5 Lösungen von Potenzialströmungen

Abb. 5.3: Graphen von (5.1)

Bemerkung. c p bezeichnet man auch als Druckbeiwert. Dies wird klar, wenn man p = p∞ + c p ⋅ 12 ρv2∞ schreibt. Der normierte Druck gestattet es uns, die Druckänderung direkt über die Geschwin­ digkeitsänderung zu erfassen. Nun wählen wir eine beliebige Stromlinie aus, d. h. ψ = konst., lösen die Gleichung nach r = r(θ) auf und ersetzen diesen Ausdruck im Term von v. Damit erhalten wir für c p = c p (θ) eine von θ allein abhängige Funk­ tion, die wir darstellen können. Die wohl interessanteste Stromlinie ist diejenige, die entlang des halbrunden Körpers verläuft. Der zugehörige Wert ist ψStau = Q2 . Q Q π−θ θ und daraus r = 2πv ⋅ sin Somit folgt Q2 = v∞ r sin θ + 2π θ (für die Skizze war ∞ Q 2πv ∞ = 1). Damit lauten die Geschwindigkeitskomponenten v r = v∞ (cos θ +

sin θ ) π−θ

und v θ = −v∞ sin θ . Weiter ist v2 = v2r + v2θ = v2∞ (1 +

2 sin θ cos θ sin2 θ ) + π−θ (π − θ)2

und schließlich c p (θ) = −

sin θ sin θ (2 cos θ + ) . π−θ π−θ

5.3 Überlagerung von Translations- und Quellströmung

|

59

Die zugehörigen Werte sind vom Staupunkt (θ = π) bis zum Ende des Körpers (θ = 0) zu nehmen. Um die Reihenfolge der Winkel aufsteigend zu erhalten, betrachten wir den Druck sin(π − θ) sin(π − θ) (5.2) c p (θ) = − (2 cos(π − θ) + ) . θ θ Es ergibt sich der Verlauf in Abb. 5.4 links. Der Nulldruck wird, von O aus gemessen, für θ = 1,17 erreicht. Kartesisch ent­ Q Q spricht das x = r cos θ = 2πv ⋅ 0,84 und y = r sin θ = 2πv ⋅ 1,97. ∞ ∞ In unserem Beispiel ist somit N(0,84, 1,97). Der minimale Druck stellt sich von O aus gemessen für θ = 1,10 ein und beträgt −0,59. Der zugehörige Punkt lautet M(1,04, 2,04). M fällt auch mit dem Ort größter Ge­ schwindigkeit zusammen. Zusätzlich soll noch die Druckverteilung von links kommend auf der Linie θ = 0 bis hin zum Staupunkt bestimmt werden. Für θ = 0 gilt v r = v∞ + vθ = 0

Q 2πr

󳨐⇒

v2 = v2r = (v∞ +

Q 2 ) . 2πr

Der dimensionslose Druck erhält dann die Gestalt Q

2

2 v∞ + 2πr v 2 Q Q c p (r) = 1 − ( ) =1−( ) = −2 ( )−( ) v∞ v∞ 2πv∞ r 2πv∞ r

und schließlich c p (r) = −

Q 1 1 Q ⋅ (2 + ⋅ ) . 2πv∞ r 2πv∞ r

(5.3)

Q Der maximale Wert wird natürlich bei r = − 2πv erreicht und beträgt 1. ∞ Zusammen mit vorigem Druck erhält man Abb. 5.4 rechts. Links der c p -Achse ist der Druckverlauf eine Funktion von r und rechts abhängig von θ.

Abb. 5.4: Verlauf von (5.2) und (5.3)

60 | 5 Lösungen von Potenzialströmungen

5.4 Überlagerung von Translations-, Quell- und Senkeströmung Bringt man eine Quelle und eine Senke in einen endlichen Abstand zueinander, so kann man die Umströmung eines ovalen Körpers simulieren (Abb. 5.5 links). Dabei wird der Körper keine Unstetigkeitsstellen an den „Nahtstellen“ aufweisen, da die Stromfunktionen zu einer einzigen verschmelzen. Die maximale Höhe hmax , die der Körper erreichen kann, bestimmen wir über den Flächenstrom (eigentlich Volumenstrom mit Breite 1). Einerseits ist V̇ = 2(ψ8 − ψ4 ) = 2( Q2 − 0) = Q. Anderseits ist V̇ = v∞ ⋅ hmax . Der Vergleich liefert hmax = vQ∞ . Wir setzen die Quelle in den Ursprung und die Senke in einen Abstand a zur Quel­ le (zur Wahl von P in der folgenden Skizze, siehe Bemerkung am Schluss des Kapitels). Potenzial und Stromfunktion Es gilt Q y y (arctan − arctan ) 2π x x−a Q (ln √x2 + y2 − ln √(x − a)2 + y2 ) ϕ(x, y) = v∞ ⋅ x + 2π und folglich (Abb. 5.5 rechts) ψ(x, y) = v∞ ⋅ y +

∂ψ Q x−a x + ) = v∞ + ( ∂y 2π x2 + y2 (x − a)2 + y2 Q y ∂ψ y = vy = − − ) . ( 2 2 ∂x 2π x + y (x − a)2 + y2

vx =

Für die Lage der Staupunkte A und B muss v x = 0 und v y = 0 sein. Es folgt yStau = 0. Eingesetzt in die obere Gleichung erhält man 1 Q 1 v x = v∞ + ( + ) 2π x x − a

󳨐⇒

xStau =

a ± √a2 + 2

2aQ πv ∞

.

yStau = 0 in ψ eingesetzt, liefert den Wert ψkonst = 0 für die Stromlinie entlang des Körpers. Dies führt zu einer impliziten Gleichung für den Umriss: 0 = v∞ ⋅ y +

Q y y (arctan − arctan ) . 2π x x−2

Die Gleichung lässt sich weder nach x noch nach y auflösen.

Abb. 5.5: Skizzen zum ovalen Körper

5.4 Überlagerung von Translations-, Quell- und Senkeströmung |

61

Druckverteilung Diese muss punktweise bestimmt werden. Als Zahlenbeispiel wählen wir v∞ = 1, Q = 2 und a = 2. Die Staupunkte liegen dann bei xStau1 = −0,279 und xStau2 = 2,279. y Die Kurve für den Umriss erhält die Gestalt 0 = y + 1π (arctan xy − arctan x−2 ). Bei konstantem x liefert die Gleichung nur die Nulllösung. Deshalb müssen wir umformen: u−v Dazu benutzen wir arctan u − arctan v = arctan( 1+uv ), falls uv > −1. In unserem Fall ergäbe diese Bedingung y y y2 ⋅ = > −1 oder x 2 − x x(x − 2)

y2 > −x(x − 2) .

(5.4)

Benötigt werden nur Punkte auf der Kontur für −0,279 ≤ x ≤ 1. Der halbe Graph kann dann gespiegelt werden. Für x ≤ 0 ist (5.4) erfüllt. (Die Ungleichung bleibt darüber hin­ u−v aus bis zu x ≤ 0,2 gültig.) Für x > 0 würde man arctan u − arctan v = π + arctan( 1+uv ), 2 falls uv < −1 oder y < −x(x − 2) ist, verwenden. Die Fallunterscheidung ist aber unwichtig, denn man erhält arctan

y y 2y(1 − x) − arctan = arctan ( 2 ) x 2−x y + x(2 − x)

arctan

y 2y(1 − x) y − arctan = π + arctan ( 2 ) x 2−x y + x(2 − x)

bzw.

und daraus in beiden Fällen eine einzige Bestimmungsgleichung tan(−2y) =

2y(1 − x) . y2 + x(2 − x)

Damit können die Umrisspunkte numerisch bestimmt werden. Die Druckverteilung ergibt sich zu c p = 1 − ( vv∞ )2 = 1 − (v2x + v2y ). Für acht Punkte wird diese Rechnung durchgeführt.

P0 P1 P2 P3 P4 P5 P6 P7 P8

x

y

vx

vy

cp

−0,279 −0,2 −0,1 0 0,2 0,4 0,6 0,8 1

0 0,417 0,516 0,592 0,707 0,795 0,869 0,936 1

0 0,563 0,742 0,854 0,965 1,001 1,007 1,003 1

0 0,594 0,560 0,495 0,357 0,240 0,146 0,068 0

1 0,330 0,137 0,026 −0,058 −0,060 −0,036 −0,011 0

62 | 5 Lösungen von Potenzialströmungen Den Wert 2π kann man auch so einsehen: Er entspricht der halben Dicke des Körpers h max Q π 2 und diese ist gleich 2v ∞ , demnach 2 für unser Zahlenbeispiel. Der Verlauf ist in Abb. 5.6 dargestellt. Die Druckverteilung setzt sich symmetrisch ab dem Punkt P8 fort. Sie ist abhängig von a und Q.

Abb. 5.6: Umrissverlauf des ovalen Körpers

Beispiel. Ein U-Boot der eben beschriebenen Form soll 10 m lang und 2 m hoch wie breit sein und sich mit einer Geschwindigkeit von v∞ = 5 ms parallel zur x-Achse be­ wegen. Aus hmax = vQ∞ folgt Q = 10. Zur Bestimmung von a lösen wir die Gleichung 2xStau − a = 10 oder

√a 2 +

2aQ = 10 πv∞

und erhalten a = 9,38 m. Der Umriss des größten Querschnitts des Bootes liegt auf der Kurve y y 5 ) . 0 = 5y + (arctan − arctan π x x − 9,38 Für x = 0 erhält man y = 0,48 oder aufgrund der Drehsymmetrie einen Kreis mit Radius 0,48 m. Die Geschwindigkeitskomponenten auf diesen Kreispunkten betragen v x = 4,83 ms und v y = 3,28 ms , was zu einer örtlichen Geschwindigkeit v = 5,84 ms und zu einem spezifischen Unterdruckbeiwert von c p = −0,36 führt. Bemerkung. Man kann in Abb. 5.5 rechts P(x, y) auch so wählen, dass 0 < x < a ist und sowohl bei ϕ als auch bei ψ die Differenz x − a mit a − x austauschen. In diesem dϕ dψ Fall liefert der Rechner aber dx ≠ dy . Hier muss a − x durch |a − x| ersetzt werden und

5.5 Die dritte Grundlösung: die Dipolströmung

|

63

korrekt folgendermaßen differenziert werden: d y |a − x| (arctan )= dy |a − x| (a − x)2 + y2

und

d d (ln √|a − x|2 + y2 ) = (ln √|x − a|2 + y2 ) dx dx 2|x − a| |a − x| 1 ⋅ = . = 2 2 2 2 (a − x)2 + y2 √(a − x) + y 2√(a − x) + y Aufgabe Bearbeiten Sie die Übung 11.

5.5 Die dritte Grundlösung: die Dipolströmung Der Dipol entsteht dadurch, dass man den Abstand a zwischen Quelle und Senke ge­ gen Null gehen lässt. Bei einer endlichen Quellstärke Q löschen sich Quelle und Senke für a 󳨀→ 0 aus. Lassen wir hingegen beliebig große Werte für Q zu, dann können wir Q proportio­ 3 nal zu 1a wählen, also Q = Ma . M heißt Dipolmoment mit der Einheit [ ms ]. Die Strom­ funktion ohne Translation sieht dann so aus: y − arctan x−a ) . a Um den Grenzwert für a 󳨀→ 0 zu bestimmen, wechseln wir zum zugehörigen Poten­ zial:

ψ(x, y) =

ϕ(x, y) = lim

a󳨀→0

M 2π

(arctan

y x

M ln √x2 + y2 − ln √(x − a)2 + y2 ( ) 2π a

=

ln √x2 + y2 − ln √(x − a)2 + y2 M lim ( ) 2π a󳨀→0 a

=

M x M ∂ (ln √x2 + y2 ) . ⋅ = ⋅ 2π ∂x 2π x2 + y2

Folglich gilt für die Stromfunktion ψ(x, y) = −

y M ⋅ 2 . 2π x + y2

In Polarform erhält man M cos θ M sin θ ⋅ und ψ(r, θ) = − ⋅ . 2π r 2π r Für eine Skizze wählen wir M = 2π. Bei konstantem ψ sind die Stromlinien Kreise durch den Ursprung symmetrisch zur y-Achse. Konstantes ϕ liefert Kreise durch O symmetrisch zur x-Achse. Der gesamte Massenstrom geht vom Pol aus und verschwin­ det auch wieder im selben (Dipol, Abb. 5.7 links). ϕ(r, θ) =

64 | 5 Lösungen von Potenzialströmungen

Abb. 5.7: Stromlinien und Stromfunktionen der Dipolströmung und Graphen von (5.5)

Druckverteilung Mit vx = −

x2 − y2 M ⋅ 2 2π (x + y2 )2

und

vy = −

2xy M ⋅ 2π (x2 + y2 )2

folgt v2 = v2x + v2y = (

M 2 (x2 − y2 )2 + 4x2 y2 M 2 (x2 + y2 )2 1 M 2 ] = ( ⋅ [ ] = ( ) . ) ⋅[ ) 2π 2π (x2 + y2 )4 (x2 + y2 )4 r4 2π

Somit hat man p = p∞ −

ρ M 2 ( ) . 2r 4 2π

5.6 Überlagerung von Translations- und Dipolströmung Man erhält in diesem Fall offensichtlich die Umströmung eines Kreiszylinders. Potenzial und Stromfunktion x M ⋅ , ϕ(x, y) = v∞ x + 2π x2 + y2 M y , ψ(x, y) = v∞ y − ⋅ 2π x2 + y2

M cos θ ⋅ und 2π r M sin θ ψ(r, θ) = v∞ r sin θ − ⋅ . 2π r ϕ(r, θ) = v∞ r cos θ +

Weiter ist vx =

x2 − y2 ∂ψ M = v∞ − ⋅ 2 ∂y 2π (x + y2 )2

und

vy = −

M 2xy ∂ψ =− ⋅ . ∂x 2π (x2 + y2 )2

Für die Staupunkte gilt yStau = 0

󳨐⇒

0 = v∞ −

M 1 ⋅ 2π x2

󳨐⇒

R bezeichnet den Radius des umströmten Kreises.

xStau = ±√

M = ±R . 2πv∞

5.6 Überlagerung von Translations- und Dipolströmung

| 65

Die Stromfunktion kann man somit auch schreiben als ψ(x, y) = v∞ y (1 −

x2

R2 ) . + y2

Jede Stromlinie muss ψkonst = y (1 −

x2

R2 ) + y2

erfüllen (v∞ = konst.). Für eine Skizze wechseln wir ins Polarsystem. Es gilt R2 ) r2

ψkonst = r sin θ (1 −

󳨐⇒

r2 sin θ − r ⋅ ψkonst − R2 sin θ .

Folglich ist r1,2 =

ψkonst ± √ψ2konst + 4R2 sin2 θ 2 sin θ

.

(5.5)

Für eine Skizze wählen wir ψkonst = 0, ±0,25, ±0,5, ±0,75, ±1, R = 1 Druckverteilung Es gilt v x = v∞ [1 − R2 ⋅

x2 − y2 ] (x2 + y2 )2

und

v y = −v∞ [R2 ⋅

2xy ] . (x2 + y2 )2

Uns interessiert die Druckverteilung auf dem Kreis selber. Die zugehörige Bestim­ mungsgleichung ist natürlich schlicht x2 + y2 = R2 . Dann folgt v x = v∞ (1 −

x2 − y2 ) R2

und

v y = −v∞ (

2xy ) . R2

Mit x = R cos θ und y = R sin θ wird daraus v x = v∞ (1 − cos2 θ + sin2 θ) = v∞ (2 sin2 θ) v y = −v∞ (2 sin θ cos θ) . Weiter ist v2 = v2x + v2y = v2∞ (4 sin4 θ + 4 sin2 θ cos2 θ) = v2∞ [4 sin4 θ + 4 sin2 θ(1 − sin2 θ)] = 4v2∞ sin2 θ 󳨐⇒

c p (θ) = 1 − (

v 2 ) = 1 − 4 sin2 θ . v∞

(5.6)

66 | 5 Lösungen von Potenzialströmungen

Abb. 5.8: Verlauf von (5.6)

Der Nulldruck stellt sich für θ = 6π ein. (Abb. 5.8). Der minimale „Sog“ beträgt −3 und entspricht dem Ort größter Geschwindigkeit. Durch die zur x- und y-Achse symmetrische Druckverteilung wird auch klar, dass auf den Zylinder keine resultierende Kraft ausgeübt wird. Insbesondere wirkt keine Auftriebskraft. Einige spezielle Druckbeiwerte entnimmt man folgender Tabelle: θ

π 2

π 3

π 4

π 6

0

c p (θ)

−3

−2

−1

0

1

Die große Sogwirkung des Kreises an den Seiten (für θ = 2π ) ist erstaunlich. Der ovale Körper in 5.4 könnte mit einer Anpassung von a und der Quellstärke Q zu einem zu­ mindest von den Ausmaßen her mit einem Kreis vergleichbaren Körper geformt wer­ den. Und doch herrscht kein Druck an dessen Seiten. Beispiel. Ein kreisförmiger Brückenpfeiler mit dem Radius R = 2 wird von einem Fluss mit der Geschwindigkeit v∞ = 1 ms angeströmt. In genügender Entfernung zum Pfeiler betrage die Wassertiefe h∞ = 5 m. Da die Sohle geneigt ist, legen wir die Be­ zugshöhe entlang dieser Sohle (siehe Gerinneströmungen). Obwohl sich der Wasser­ spiegel entlang des Pfeilers mit veränderlichem Winkel θ ändern wird, behandeln wir

5.7 Die vierte Grundlösung: der Potenzialwirbel

| 67

das Problem als ebene Strömung. Entlang einer Stromlinie darf die Bernoulli-Glei­ chung (bei gleichem Luftdruck) benutzt werden: ρgh∞ +

1 2 1 ρv = ρgh(θ) + ρ(v2r + v2θ ) . 2 ∞ 2

Für r = R erhält man mit (5.5) h∞ +

1 2 2g v ∞

= h(θ) +

4 2 2g v ∞

sin2 θ und daraus h(θ) =

v2

h∞ + 2g∞ (1 − 4 sin2 θ). Die größte Erhöhung erhält man im Staupunkt mit θ = π bzw. Rückstaupunkt für θ = 0. v2 Man erhält dann hmax = h∞ + 2g∞ = 5,05 m. Der tiefste Wasserstand ergibt hmin = v2

h( π2 ) = h∞ + 2g∞ (1 − 4) = 4,85 m. Beim Rankine-Profil und beim ovalen Körper beträgt die Absenkung jeweils nur wenige Zentimeter. Hingegen würde der Wasserspiegel bei der Anströmung eines spitzen Keils mit wachsendem Abstand zur Ecke immer weiter anwachsen, was nicht sein kann. In diesem Fall macht die Annahme einer durchwegs ebenen Strömung auch keinen Sinn mehr.

5.7 Die vierte Grundlösung: der Potenzialwirbel Diesen Wirbel haben wir schon in Kapitel 3.2 kennengelernt. Er war dadurch gekenn­ zeichnet, dass der Geschwindigkeitsvektor für einen festen Radius senkrecht auf dem Γ Radiusvektor steht und vom Betrag her konstant ist: v r = 0, v θ = 2πr (Abb. 5.9 links). Potenzial und Stromfunktion Durch Integration von v θ = 1r ⋅ Kartesisch geschrieben ist ϕ(x, y) =

∂ϕ ∂θ

folgt ϕ(θ) =

y Γ arctan 2π x

und

Γ 2π θ

Γ und ψ(r) = − 2π ln r.

ψ(x, y) = −

Γ ln √x2 + y2 . 2π

Kontrolle: Es gilt ∆ϕ = 0. Druckverteilung Auch diese wurde schon in Kapitel 3.8 zu p = p∞ −

ρc2 1 1 ( 2 − 2) 2 r r0

für

r ≥ r0

mit

c=

Γ 2π

bestimmt. Lässt man r gegen Null laufen, dann entsteht ein unendlich hoher Druck mit der Geschwindigkeit Null.

68 | 5 Lösungen von Potenzialströmungen

Abb. 5.9: Skizze zum Potenzialwirbel und Graphen von (5.7)

5.8 Überlagerung von Potenzialwirbel und Quellbzw. Senkeströmung Betrachten wir zuerst die Kombination einer Senke mit einem Potenzialwirbel. Q Q Für die Senke ist ϕ(r) = − 2π ln r und ψ(θ) = − 2π θ. Potenzial und Stromfunktion Die Überlagerung liefert dann ϕ(r, θ) = −

Q Γ ln r + θ 2π 2π

∂ψ

und

ψ(r, θ) = −

Γ Q ln r − θ. 2π 2π

∂ψ

Q Γ Weiter ist v r = 1r ⋅ ∂θ = − 2πr und v θ = − ∂r = 2πr . Staupunkte gibt es natürlich keine. Für eine Skizze ist Γ Q ψ∗konst = ln r + θ 2π 2π Q Q Q 2π 󳨐⇒ ln r = (ψ∗konst − θ) = ψ∗∗ 󳨐⇒ r = ψkonst ⋅ e− Γ θ . konst − Γ θ Γ 2π

Dies entspricht graphisch einer logarithmischen Spirale. Kurz sagen wir auch „Stru­ del“. Parametrisiert mit θ = QΓ (ψ∗∗ konst − ln r) erhalten wir x(r) = r ⋅ cos (

Γ (ψ∗∗ − ln r)) Q konst

und

y(r) = r ⋅ sin (

Γ (ψ∗∗ − ln r)) . Q konst

Druckverteilung Diese wird schlicht aus den beiden bestehenden Drücken zusammengesetzt: p = p∞ +

ρQ2 ρc2 1 1 − ( 2 − 2) 2 8πr2 r r0

für

r ≥ r0 .

(5.7)

5.9 Überlagerung von Translationsströmung und zwei Potenzialwirbeln

| 69

Wieder bezeichnet r0 den Grenzradius, denn für r0 → 0 wäre wieder p → ∞. Ersetzt man die Quelle durch eine Senke, dann erhält man dieselbe logarithmi­ sche Spirale, der Strömungspfeil zeigt dann von der Quelle weg. Die Druckverteilung lautet entsprechend p = p∞ −

ρQ2 ρc2 1 1 − ( 2 − 2) 2 2 8πr r r0

für

r ≥ r0 .

Bemerkung. Die Überlagerung mit einer zusätzlichen Translation erzeugt ebenfalls keine Umströmung eines Körpers.

5.9 Überlagerung von Translationsströmung und zwei Potenzialwirbeln Den einen Potenzialwirbel mit der Zirkulation −Γ setzen wir in den Ursprung und den anderen mit der entgegengesetzten Zirkulation gleicher Größe Γ in einem Abstand a senkrecht zur Strömungsrichtung (Abb. 5.10, zur Lage des Punktes P siehe Bemerkung am Ende von Kapitel 5.4).

Abb. 5.10: Skizze zum Modell der Strömung durch eine Düse

Potenzial und Stromfunktion Es gilt

Γ y y−a (− arctan + arctan ) 2π x x Γ (ln √x2 + y2 − ln √x2 + (y − a)2 ) ψ(x, y) = v∞ ⋅ y + 2π

ϕ(x, y) = v∞ ⋅ x +

und folglich

Γ y−a y − ) ( 2π x2 + y2 x2 + (y − a)2 Γ x x − 2 ) . ( 2 vy = 2 2π x + (y − a) x + y2 v x = v∞ +

Im Fall der horizontalen Stromlinie lässt sich der zugehörige Wert ψkonst allgemein angeben. Er beträgt ψ = 2a v∞ , wenn y = 2a gesetzt wird.

70 | 5 Lösungen von Potenzialströmungen

Druckverteilung Diese geben wir nur für die horizontale Stromlinie an. Dazu setzen wir y = 1 1 2 2 was zu v x = v∞ + π(4x2aΓ 2 +a 2 ) führt. Aus p ∞ + 2 ρv ∞ = p + 2 ρv x folgt dann p = p∞ +

a 2

in v x ein,

2 1 1 2aΓ ρ (v2∞ − v2x ) = p∞ + ρ [v2∞ − (v∞ + ) ] . 2 2 2 2 π(4x + a )

Für eine Darstellung der Stromlinien wählen wir v∞ = 1, a = 1, Γ = 2π und ψkonst = 0,1k mit k = 1, 2, . . . 10, was zu einer impliziten Gleichung führt (Abb. 5.11 oben): 0,1k = y + (ln √x2 + y2 − ln √x2 + (y − 1)2 ) .

(5.8)

Zusätzlich wird noch die Geschwindigkeit in x-Richtung erfasst (Abb. 5.11 unten): vx = 1 +

4 . 4x2 + 1

(5.9)

Offensichtlich wird damit die Strömung einer konvergenten Düse simuliert. Die oberste, die horizontale und die unterste Stromlinie besitzen die Werte ψ2 = 1, ψH = 12 bzw. ψ1 = 0. Für x = 0 kann aus der zugehörigen Stromlinie 1 = y + ln y − ln |y − 1| der Wert y = 0,599 und daraus die Verengung im Zentrum zu d = 0,198 bestimmt werden. Schließlich nehmen wir an, die Düse habe die Breite b. Der Volumenstrom beträgt 3 dann V̇ = (ψ2 − ψ1 ) ⋅ b = (1 − 0) ⋅ b = b, beispielsweise in [ ms ]. Man könnte auf die Idee kommen, den Volumenstrom einer Düse mit kreisförmi­ gem Querschnitt mit Hilfe der beiden Stromlinien ψH und ψ2 zu berechnen. Es wäre falsch, den Wert für ψ2 − ψH mit 2π zu multiplizieren, das ergäbe 2π und der Wert wä­ re zu hoch. Es wäre ebenso falsch, den Schwerpunkt S(xs , ys ) einer endlichen Fläche zwischen ψ2 und ψH bestimmen zu wollen und diese mit 2πys zu multiplizieren.

Abb. 5.11: Graphen von (5.8) und (5.9)

5.10 Überlagerung von Zylinderumströmung und Potenzialwirbel

| 71

Den Volumenstrom oder Durchfluss bestimmt man hingegen mit Hilfe der Konti­ nuitätsgleichung A∞ v∞ = Av. Nehmen wir an, die Düse sei durch die oberste und die tiefste Stromlinie begrenzt. In genügend weiter Entfernung können wir die Stromlinie als parallel mit der Geschwindigkeit v∞ = 1 auffassen. 1 2 ) und für den Durchfluss V̇ = 4π . Dann erhält man v = 25, A∞ = π( 12 )2 , A = π( 10

5.10 Überlagerung von Zylinderumströmung und Potenzialwirbel Dies kann man interpretieren als einen sich drehenden, umströmten Zylinder. Folglich herrschen, im Gegensatz zum ruhenden Zylinder, an Unter- und Oberseite verschie­ dene Strömungsgeschwindigkeiten v y − y bzw. v y + y. Nach der Bernoulli-Gleichung resultieren daraus auch verschiedene Druckwerte. Aufgrund dieses Druckunterschieds erfährt der Zylinder eine Auftriebskraft. An­ ders ausgedrückt: Durch die Überlagerung einer Zylinderumströmung mit einem Po­ tenzialwirbel lässt sich die Auftriebskraft simulieren, die ein rotierender und beweg­ ter Zylinder in einem Medium erfährt. Dieser Effekt wird als Magnus-Effekt bezeichnet und kann in jeder Sportart, in der ein Ball mit Effet behandelt wird, beobachtet wer­ den. Als Beispiel nehmen wir Tennis (Abb. 5.12).

Abb. 5.12: Skizze zum Magnus-Effekt

Potenzial und Stromfunktion ∂ψ Γ und v r = 1r ⋅ Aus v θ = − ∂r = 2πr

∂ψ ∂θ

= 0 folgt durch Integration

Γ ln r + c1 (θ) und ψ = konst. + c2 (θ) . 2π Γ Die Konstante wählen wir in diesem Fall 2π R. Damit wird nachher für die Kreislinie Γ ln( Rr ) für den Potenzialwirbel. selber der Wert ψkonst = 0. Somit haben wir ψ(r) = − 2π Noch eines gilt es zu beachten: Dreht der Zylinder im Gegenuhrzeigersinn, dann würde der Auftrieb abwärts wirken. Weil dies etwas unnatürlich ist, ändern wir in der Stromfunktion für den Potenzialwirbel das Vorzeichen. Damit dreht der Zylinder im Uhrzeigersinn. Die Zirkulation Γ ist dabei, in Drehrichtung gemessen, weiterhin positiv. Zusammen mit der Zylinderumströmung resultiert die Stromfunktion ψ=−

ψ(r) = v∞ ⋅ r sin θ ⋅ (1 −

R2 Γ r )+ ln ( ) . 2π R r2

72 | 5 Lösungen von Potenzialströmungen

Kartesich geschrieben erhalten wir ψ(x, y) = v∞ y ⋅ (1 −

√x2 + y2 R2 Γ ) + ln ( ) . 2π R x2 + y2

Weiter ist v r = v∞ ⋅ r cos θ ⋅ (1 −

R2 ) r2

und

Γ R2 . )− 2 2πr r Für die Staupunkte muss v r = 0 und v θ = 0 sein. Die erste Gleichung liefert zwei Möglichkeiten: I. r = R und II. θ = ± 2π . I. r = R (Staupunkt auf dem Zylinderrand). Dazu gehört die Stromlinie ψkonst = 0. Γ Γ oder sin θ = − 4πRv < 0, da Γ > 0. Aus v θ = 0 folgt 2v∞ sin θ = − 2πR ∞ Damit liegt θ im 3. oder 4. Quadranten. Die zugehörigen Staupunkte befinden sich also an der Unterseite des Zylinders – ein weiteres Indiz für eine Auftriebskraft. Wir unterscheiden drei Fälle: Γ Γ i) 0 < < 1 , ii) = 1 und iii) Γ < 0 . 4πRv∞ 4πRv∞ v θ = −v∞ ⋅ sin θ ⋅ (1 +

Im Fall iii) erhält man die Umströmung des nicht rotierenden Zylinders. Zwei un­ terschiedliche Staupunkte liefert der Fall i), einen einzigen der Fall ii). 2 Γ Für eine Skizze setzen wir ψ∗konst = v∞ ⋅ r sin θ ⋅ (1 − Rr2 ) + 2π ln( Rr ), wählen als Zahlenbeispiel R = 1 und lösen nach θ auf: sin θ =

󳨐⇒

ψ ∗konst v∞



r⋅

Γ r 2πv ∞ ln ( R ) 2 (1 − Rr2 )

θ1 = arcsin [r ⋅

ψkonst −

θ2 = π − arcsin [r ⋅

Γ r 2πv ∞ ln ( R ) ] r2 − R2

ψkonst −

,

Γ r 2πv ∞ ln ( R ) ] r2 − R2

.

Γ Γ zu 1. Im Fall ii) beträgt 2πv somit 2. Für den Fall i) wählen wir 2πv ∞ ∞ Der „umgekehrten“ Polarform lässt sich mit einer Parametrisierung beikommen:

x(r) = r cos θ ,

y(r) = r sin θ

mit 0 ≤ θ ≤ 2π .

Schließlich gilt es noch zu beachten, dass sign(cos θ1 ) ⋅ sign(cos θ2 ) = −1 gilt, so dass x(r) = ±r cos θ gesetzt werden muss. Somit skizzieren wir, unter Benutzung von cos(arcsin x) = √1 − x2 (Abb. 5.13 oben) x(r) = ±r√1 − (r ⋅ mit

ψkonst − ln r 2 ) , r2 − 1

y(r) = r2 (

ψkonst = ±1, ±0,75, ±0,5, ±0,25, 0

ψkonst − ln r ) r2 − 1

(5.10)

5.10 Überlagerung von Zylinderumströmung und Potenzialwirbel

| 73

Abb. 5.13: Graphen von (5.10) und (5.11)

und (Abb. 5.13 unten) x(r) = ±r√1 − (r ⋅ mit

ψkonst − 2 ln r 2 ) , r2 − 1

y(r) = r2 (

ψkonst − 2 ln r ) r2 − 1

(5.11)

ψkonst ± 1, ±0,75, ±0,5, ±0,25, 0 .

II. θ = ± 2π . Es folgt ± v∞ (1 + 󳨐⇒

r2 −

R2 Γ )= 2πr r2

Γ r + R2 = 0 2πv∞

󳨐⇒

±(r2 + R2 ) =

󳨐⇒

r1,2 = −

Γr 2πv∞

2 Γ Γ ± √( ) − R2 . 4πv∞ 4πv∞

Γ Die Bedingung für die Existenz der Lösungen ist in diesem Fall 4πv ≥ 1. ∞ Γ Falls 4πv∞ = 1, dann ist r1 = r2 = R und das entspricht dem Fall ii). Γ Für 4πv > 1 verlassen die Staupunkte den Rand des Zylinders! Es gibt dann einen ∞ Staupunkt außerhalb und einen innerhalb des Zylinders. Den zugehörigen ψ-Wert erhält man durch Einsetzen von r1,2 und θ1,2 in die Stromfunktion. Als Beispiel Γ sei R = 1 und 2πv = 3 󳨐⇒ r1,2 = −1,5 ± √1,25. Der ψ-Wert für den unteren ∞ Staupunkt lautet

ψkonst = (−1,5 − √1,25) ⋅ (1 −

1 ) + 3 ln | − 1,5 − √1,25| ≈ 0,65 . (−1,5 − √1,25)2

Wir skizzieren (Abb. 5.14) x(r) = r√1 − (r ⋅ mit

ψkonst − 3 ln r 2 ) , r2 − 1

ψkonst = 0, 0,3, 0,65, 0,8, 1 .

y(r) = r2 (

ψkonst − 3 ln r ) r2 − 1

(5.12)

74 | 5 Lösungen von Potenzialströmungen

Abb. 5.14: Graphen von (5.12)

Druckverteilung Auf dem Rand des Kreises gilt mit r = R: v2 = v2r + v2θ = v2θ = (2v∞ sin θ +

Γ 2 Γ Γ 2 ) = 4v2∞ sin2 θ + 2v∞ sin θ ⋅ +( ) . 2πr πr 2πr

Weiter ist 2 v2 Γ Γ 2 = 4 sin θ + 8 sin θ ⋅ + 64 ⋅ ) ( 4πRv∞ 4πRv∞ v2∞

und es folgt cp = 1 − (

2 v 2 Γ Γ ) = 1 − [4 sin2 θ + 8 sin θ ⋅ +4⋅( ) ] . v∞ 4πRv∞ 4πRv∞

Man erkennt die Korrekturterme gegenüber Γ = 0. Γ Wir skizzieren (5.13) für die drei Fälle 4πRv = 0,5 (Abb. 5.15 links), ∞ Γ (Abb. 5.15 mitte) und 4πRv∞ = 1,5 (Abb. 5.15 rechts).

Abb. 5.15: Graphen von (5.13)

(5.13)

Γ 4πRv ∞

= 1

5.10 Überlagerung von Zylinderumströmung und Potenzialwirbel

| 75

Wirkende Kräfte Zuletzt berechnen wir noch die auf den Zylinder wirkenden Kräfte in x- und y-Richtung (Abb. 5.16). Der senkrecht auf dA wirkende Druck ist letztlich nur von θ abhängig. Es gilt dF = p ⋅ dA und dA = l ⋅ R ⋅ dθ. Für die Einzelkräfte ist dann dF x = p ⋅ l ⋅ R ⋅ cos θ ⋅ dθ und dF y = −p ⋅ l ⋅ R ⋅ sin θ ⋅ dθ. Mit p = p∞ + 12 ρ(v2∞ − v2 ) folgt 2π

F x = Rl ∫ [p∞ cos θ +

1.

1 ρ (v2∞ − v2 ) cos θ] dθ . 2

0

Das erste Teilintegral ist für beide Null. 2π

Fx =

1 ρRl ∫ (v2∞ − v2 ) cos θ dθ , 2



Fx =

0

1 ρRlv2∞ ∫ c p cos θ dθ 2

und

Fx = 0 .

0

Der Kosinus löscht alle Teilintegrale aus. Die Kraft in x-Richtung ist somit Null, egal ob der Zylinder rotiert oder nicht (D’Alembert’sches Paradoxon). Sobald die Reibung wieder berücksichtigt wird, ist dann F x ≠ 0. 2π

F y = −Rl ∫ [p∞ sin θ +

2.

1 ρ (v2∞ − v2 ) sin θ] dθ . 2

0

Man erhält in diesem Fall 2π

1 F y = − ρRl ∫ (v2∞ − v2 ) sin θ dθ , 2 0 2π

1 F y = − ρRlv2∞ ∫ c p sin θ dθ 2

und

0 2π

2 1 Γ Γ F y = − ρRlv2∞ ∫ (1 − [4 sin2 θ + 8 sin θ ⋅ +4⋅( ) ]) sin θ dθ . 2 4πRv∞ 4πRv∞ 0

Einzig die gerade Potenz sin2 θ liefert einen von Null verschiedenen Beitrag π. Es gilt 1 Γ F y = ρRlv2∞ ⋅ 8π ⋅ . 2 4πRv∞ Der maximale Auftrieb wird für 8π.

Γ 4πRv ∞

= 1 erreicht und beträgt F y,max = 12 ρRlv2∞ ⋅

76 | 5 Lösungen von Potenzialströmungen

Die tatsächlich angeströmte Fläche ist die Querschnittsfläche A = 2R ⋅ l

󳨐⇒

F y,max = 4π ⋅

1 ρAv2∞ . 2

Damit steht 4π als maximaler Auftriebswert cA fest. Dieser Wert ist um ein Vielfaches zu hoch. Grund dafür ist wiederum die vernachlässigte Reibung.

Abb. 5.16: Kräfte auf den sich drehenden, um­ strömten Zylinder

6 Keil- und Eckströmungen Eine weitere Familie von Strömungen finden wir bei der Untersuchung der LaplaceGleichung in Polarkoordinaten. Diese wurde schon weiter oben hergeleitet: ∆ϕ =

∂2 ϕ 1 ∂ϕ 1 ∂2 ϕ + + ⋅ ⋅ . r ∂r r2 ∂θ2 ∂r2

Eine offensichtliche Lösung ist ϕ(r, θ) = v∞ ⋅ r sin θ, was nichts anderes als die Trans­ lationsströmung ϕ(x, y) = v∞ ⋅ x in kartesischen Koordinaten darstellt. In diese Rich­ tung weitergedacht, springt auch die Lösungsschar ϕ(r, θ) = v∞ ⋅ r n cos(nθ) ins Auge. Weiter gilt 1 ∂ψ ∂ϕ vr = ⋅ = = v∞ ⋅ nr n−1 cos(nθ) und r ∂θ ∂r vθ = −

∂ψ 1 ∂ϕ = ⋅ = −v∞ ⋅ nr n−1 sin(nθ) . ∂r r ∂θ

Potenzial und Stromfunktion Durch Integration von v r = 1r ⋅

∂ψ ∂θ

resp. v θ = − ∂ψ ∂r folgt

ψ = v∞ ⋅ r n sin(nθ) + C1 (r) 󳨐⇒

resp.

ψ = v∞ ⋅ r n sin(nθ) + C2 (θ)

ψ(r, θ) = v∞ ⋅ r n sin(nθ) .

Kontrolle: ∆ψ = 0 und grad ϕ p ∘ grad ψ p = 0. Um zu zeigen, dass es sich um Eckströmungen handelt, setzen wir ψ = ψkonst und erhalten ψ∗ r = n konst . √sin(nθ) Damit sin(nθ) > 0, muss 0 < θ < πn sein. Die Werte von r sinken dann von r = ∞ bis π zum Minimum r = ψ∗konst für θ = 2n ab und steigen wieder bis r = ∞ an. Offenbar sind das Keil- oder Eckströmungen mit einem Öffnungswinkel von α = πn . Druckverteilung v2 = v2r + v2θ = v2∞ ⋅ n2 ⋅ r2n−2

und

cp = 1 − (

v 2 ) = 1 − n2 ⋅ r2n−2 . v∞

In Tab. 6.1 sind die vier Stromlinien mit ψkonst = 1, 2, 3, 4 dargestellt. Zudem wird v∞ = 1 gesetzt. Fazit. Die Stromlinien von ψ(r, θ) = v∞ ⋅ r n sin(nθ) beschreiben allesamt Keil- und Eckströmungen. Einziger Staupunkt ist jeweils (außer für n = 1) der Eckpunkt. https://doi.org/10.1515/9783110684520-006

78 | 6 Keil- und Eckströmungen

Tab. 6.1: Übersicht zu den Keilströmungen Stromlinien (v ∞ = 1) Druckbeiwert c p

n Winkel α Stromfunktion 4

π 4

ψ(r, θ) = v ∞ ⋅ r 4 sin(4θ)

ψ = 1,2,3,4

cp 1

c p = 1 − 16 r

ψ(x, y) = 4v ∞ xy(x 2 − y 2 )

r 1

2

π 2

ψ(r, θ) = v ∞ ⋅ r 2 sin(2θ)

ψ = 1,2,3,4

cp 1

cp = 1 − 4 r

ψ(x, y) = 2v ∞ xy

r 1 3 2

2 3π

3

ψ(r, θ) = v ∞ ⋅ r 2 sin ( 32 θ) − 12

ψ(x, y) = 2

v ∞ (x + 2

ψ = 1,2,3,4,5

cp 1

cp = 1 −

5 y 2 )− 12

16 r 9

r

⋅ [y √√ x 2 + y 2 + y

1

+ x √ √ x 2 + y 2 − y]

1 π

ψ(r, θ) = v ∞ ⋅ r sin(θ)

ψ = 1,2,3,4

cp = 1

ψ(x, y) = v ∞ y

3 4

4 3π

cp 1 r

3

ψ(r, θ) = v ∞ ⋅ r 4 sin ( 34 θ)

cp

ψ = 0.1,0.2,0.3,0.4

4 9

cp = 1 − r

ψ(x, y) =

1 2− 8

1

v ∞ [√ √x 2 + y 2 − x

r 1

⋅ √ √2√ √ x 2 + y 2 + √ √ x 2 + y 2 + x ] ] 1

+ 2− 8 v ∞ [√ √x 2 + y 2 + x ⋅ √ √2√ √ x 2 + y 2 − √ √ x 2 + y 2 + x ] ] 1 2



1

ψ(r, θ) = v ∞ ⋅ r 2 sin ( 12 θ)

cp

ψ = 0.1,0.2,0.3,0.4

cp = 1 − − 12

ψ(x, y) = 2

v∞ ⋅ √√ x2 + y 2 − x

1 4r

1 r 1

Beispiel 1. Es soll die Umströmung eines spitzen Keils mit dem Öffnungswinkel β = 8π und einer von rechts nach links führenden Strömung mit v∞ = 1 simuliert werden. a) Wie lauten Potenzial und Stromfunktion? b) In welcher Entfernung zum Staupunkt auf dem Umriss des Keils beträgt der Druckbeiwert c p = −0,5?

6 Keil- und Eckströmungen

| 79

π = Lösung. a) Der im Gegenuhrzeigersinn gemessene Winkel beträgt dann α = π − 16 15 16 π. Somit ist n = und Potenzial und Stromfunktion lauten 16 15 16

ϕ(r, θ) = r 15 cos (

16 θ) 15

bzw.

16

ψ(r, θ) = r 15 sin (

16 θ) . 15

2⋅( 15 )−2 2 = −0,5 folgt die Entfernung zu r = 7,95 m. b) Aus c p = 1 − ( 16 15 ) ⋅ r 16

Beispiel 2. Spiegelt man die Strömung im Fall n = 2 an der y-Achse so erhält man den Verlauf einer senkrecht angeströmten Wand, auch Staupunktströmung genannt. In der unmittelbaren Nähe des Staupunkts eines beliebig geformten Körpers verhält sich die Strömung wie eine Staupunktströmung. Da die Stromlinien Hyperbeln sind, lautet die Stromfunktion einfach ψ(x, y) = axy und das Potenzial folgt über Integration. Wir machen uns die Mühe und formen als Übung ϕ(r, θ) = a ⋅ r n cos(nθ) für n = 2 in kartesische Koordinaten um: Es gilt r2 = x2 + y2 und 2

y cos(2θ) = cos (2 arctan ( )) = ( x √ =

1 1

2 + ( yx )

2



( yx ) 1+

2 ( xy )

=

1 1 + ( xy )

2

) −(

y x

√1 + ( xy )2

2

)

x2 − y2 . x2 + y2

Zusammen also ϕ(x, y) = a(x2 − y2 ). Für die Staupunktströmung nimmt man aber ϕ(x, y) = 12 a(x2 − y2 ), was ebenfalls die Laplace-Gleichung erfüllt. In Abb. 6.1 sind einige Stromfunktionen dargestellt.

Abb. 6.1: Graphen einiger Stromfunktionen der ebenen Staupunktströmung

Die Geschwindigkeiten ergeben sich zu v x = ax und v y = ay.

80 | 6 Keil- und Eckströmungen

Wir wenden die Bernoulli-Gleichung auf die senkrechte Stromlinie ψ a an und ver­ gleichen einen genügend weit vom Staupunkt S entfernten beliebigen Punkt A(0, y) mit S. Es gilt p A + 12 ρa2 = pStau . Nun betrachten wir einen beliebigen Punkt B(x, y) auf einer anderen Stromlinie ψ b . Da A weit von S entfernt liegt, können wir mit einem kleinen Fehler A auf ψ b setzen und pA +

1 2 1 ρa = p B + ρv2 2 2

oder

pStau = p B +

1 2 2 ρa (x + y2 ) 2

schreiben. Damit lässt sich der Druck in einem beliebigen Punkt der Strömung über p = pStau − 12 ρa2 (x2 + y2 ) bestimmen. Interessant sind noch die Isobaren (p = konst.). Man erhält konzentrische Kreise um S mit dem Radius R=

1 2(pStau − pkonst ) √ . a ρ

Keil- bzw. Eckströmungen, die Umströmung des Zylinders oder die des Rankine-Kör­ pers sind nur einseitig begrenzt. Wählt man als weitere Begrenzung eine Stromlinie, dann bleibt der Strömungsverlauf natürlich bestehen. Problematisch wird es, wenn man das Gebiet innerhalb dessen die Strömung verlaufen soll, vorgibt. Dies könnte beispielsweise ein rechtwinklig abzweigendes Rohr sein. Man kann nun nicht etwa die Stromfunktion für die beiden Ablenkungen um 2π und 32 π zusammensetzen. Sol­ chen Fragestellungen kann man nur mit numerischen Methoden wie der Finite-Ele­ mente-Methode (FEM) beikommen. Programme wie beispielsweise „Maple“ erlauben es bei gegebenen Randbedingungen, ein Geschwindigkeitsfeld der Strömung zu er­ stellen. Der Umgang mit solchen Programmen ist nicht Teil dieser Reihe. Zumindest überlegen wir kurz, wie die Randbedingungen für das Potenzial ϕ(x, y) der gesuchten Strömung aussähen.

Abb. 6.2: Skizzen zu den Randbedingungen einer Strömung und zu den Kugelkoordinaten

Das Rohr bestehe aus vier geschlossenen und zwei offenen Rändern (Abb. 6.2 links). Das Fluid muss an den geschlossenen Rändern entlangfließen, d. h., es gilt v v⃗ ∘ n⃗ = 0 oder grad ϕ ∘ n⃗ = 0. An den Rändern ∂Ω1 , ∂Ω4 ist ( vxy ) ∘ ( 01 ) = 0, also v y = 0.

6 Keil- und Eckströmungen

|

81

An den Rändern ∂Ω2 , ∂Ω3 ist ( vvxy ) ∘ ( 10 ) = 0, also v x = 0. Für die offenen Ränder muss man die Eingangs- bzw. Ausgangsgeschwindigkeit kennen. 0 ) für ∂Ω (Reibung vernachlässigt). Beispielsweise sei v⃗ = ( 20 ) für ∂Ω5 und v⃗ = ( −2 6 Dann ist offensichtlich 2 = grad(2x) für ∂Ω5 und −2 = grad(−2y) für ∂Ω6 . Die Randbedingungen für ∂Ω5 und für ∂Ω6 lauten somit ϕ(x, y) = 2x bzw. ϕ(x, y) = −2y. Aufgabe Bearbeiten Sie die Übung 12.

7 Räumliche Potenzialströmungen Zur Beschreibung (drehsymmetrischer) räumlicher Potenzialströmungen benötigen wir den Laplace-Operator in Kugelkoordinaten (Abb. 6.2 rechts). Es gilt x = r sin θ cos φ , z = r cos θ ,

r = √x 2 + y 2 + z2 ,

θ = arccos (

y = r sin θ sin φ ,

z ) √ x2 + y2 + z2

y φ = arctan ( ) , x

und

∂ϕ

vx ∂x grad ϕ = ( v y ) = ( ∂ϕ ) . ∂y ∂ϕ vz ∂z

Wir berechnen nacheinander ∂ϕ ∂ϕ ∂r ∂ϕ ∂φ ∂ϕ ∂θ = ⋅ + ⋅ + ⋅ ∂x ∂r ∂x ∂φ ∂x ∂θ ∂x ∂ϕ ∂ϕ sin φ ∂ϕ cos θ cos φ = ⋅ sin θ cos φ + ⋅ (− )+ ⋅ , ∂r ∂φ r sin θ ∂θ r ∂ϕ ∂ϕ ∂r ∂ϕ ∂φ ∂ϕ ∂θ = ⋅ + ⋅ + ⋅ ∂y ∂r ∂y ∂φ ∂y ∂θ ∂y ∂ϕ ∂ϕ cos φ ∂ϕ cos θ sin φ = ⋅ sin θ sin φ + ⋅ + ⋅ , ∂r ∂φ r sin θ ∂θ r ∂ϕ ∂ϕ ∂r ∂ϕ ∂φ ∂ϕ ∂θ ∂ϕ ∂ϕ ∂ϕ sin θ = ⋅ + ⋅ + ⋅ = ⋅ cos θ + ⋅0+ ⋅ (− ) ∂z ∂r ∂z ∂φ ∂z ∂θ ∂z ∂r ∂φ ∂θ r und ∂ sin φ ∂ cos θ cos φ ∂ ∂2 ϕ = (sin θ cos φ ⋅ − ⋅ + ⋅ ) ∂r r sin θ ∂φ r ∂θ ∂x2 sin φ ∂ϕ cos θ cos φ ∂ϕ ∂ϕ − ⋅ + ⋅ ) ⋅ (sin θ cos φ ⋅ ∂r r sin θ ∂φ r ∂θ ∂ϕ sin φ ∂ϕ cos θ cos φ ∂ϕ ∂ (sin θ cos φ ⋅ − ⋅ + ⋅ ) ∂r ∂r r sin θ ∂φ r ∂θ ∂ ∂ϕ sin φ ∂ϕ cos θ cos φ ∂ϕ sin φ ⋅ − ⋅ + ⋅ − (sin θ cos φ ⋅ ) r sin θ ∂φ ∂r r sin θ ∂φ r ∂θ cos θ cos φ ∂ ∂ϕ sin φ ∂ϕ cos θ cos φ ∂ϕ + ⋅ (sin θ cos φ ⋅ − ⋅ + ⋅ ) r ∂θ ∂r r sin θ ∂φ r ∂θ

= sin θ cos φ ⋅

https://doi.org/10.1515/9783110684520-007

7 Räumliche Potenzialströmungen

| 83

∂2 ϕ sin2 φ ∂2 ϕ cos2 θ cos2 φ ∂2 ϕ + + ⋅ ⋅ 2 2 ∂r r2 ∂θ2 r sin2 θ ∂φ2 cos2 θ cos2 φ sin2 φ ∂ϕ +( + )⋅ r r ∂r

= sin2 θ cos2 φ ⋅

+

+(

sin φ cos φ cos2 θ sin φ cos φ sin φ cos φ ∂ϕ + + )⋅ ∂φ r2 r2 sin2 θ r2 sin2 θ

+(

cos θ sin2 φ 2 sin θ cos θ cos2 φ ∂ϕ )⋅ − ∂θ r2 sin θ r2

2 sin θ cos θ cos2 φ ∂2 ϕ 2 sin φ cos φ ∂2 ϕ 2 cos θ sin φ cos φ ∂2 ϕ ⋅ − ⋅ − , ⋅ r ∂r∂θ r ∂r∂φ ∂φ∂θ r2 sin θ

∂ cos φ ∂ cos θ sin φ ∂ ∂2 ϕ = (sin θ sin φ ⋅ − ⋅ + ⋅ ) ∂r r sin θ ∂φ r ∂θ ∂y2 ∂ϕ cos φ ∂ϕ cos θ sin φ ∂ϕ − ⋅ + ⋅ ⋅ (sin θ sin φ ⋅ ) ∂r r sin θ ∂φ r ∂θ ∂ϕ cos φ ∂ϕ cos θ sin φ ∂ϕ ∂ − ⋅ + ⋅ (sin θ sin φ ⋅ ) ∂r ∂r r sin θ ∂φ r ∂θ cos φ ∂ ∂ϕ cos φ ∂ϕ cos θ sin φ ∂ϕ − ⋅ (sin θ sin φ ⋅ − ⋅ + ⋅ ) r sin θ ∂φ ∂r r sin θ ∂φ r ∂θ ∂ϕ cos φ ∂ϕ cos θ sin φ ∂ϕ cos θ sin φ ∂ ⋅ (sin θ sin φ ⋅ − ⋅ + ⋅ ) + r ∂θ ∂r r sin θ ∂φ r ∂θ

= sin θ sin φ ⋅

∂2 ϕ cos2 φ ∂2 ϕ cos2 θ sin2 φ ∂2 ϕ + + ⋅ ⋅ 2 ∂r r2 ∂θ2 r2 sin2 θ ∂φ2 cos2 θ sin2 φ cos2 φ ∂ϕ +( + )⋅ r r ∂r

= sin2 θ sin2 φ ⋅

+

+(

sin φ cos φ cos2 θ sin φ cos φ sin φ cos φ ∂ϕ + + )⋅ ∂φ r2 r2 sin2 θ r2 sin2 θ

+(

∂ϕ cos θ cos2 φ 2 sin θ cos θ sin2 φ − )⋅ ∂θ r2 sin θ r2

2 sin θ cos θ sin2 φ ∂2 ϕ 2 sin φ cos φ ∂2 ϕ 2 cos θ sin φ cos φ ∂2 ϕ ⋅ + ⋅ + ⋅ r ∂r∂θ r ∂r∂φ ∂φ∂θ r2 sin θ

und ∂2 ϕ ∂ sin θ ∂ ∂ϕ sin θ ∂ϕ = (cos θ ⋅ − ⋅ ) (cos θ ⋅ − ⋅ ) 2 ∂r r ∂θ ∂r r ∂θ ∂z ∂ϕ sin θ ∂ϕ sin θ ∂ ∂ϕ sin θ ∂ϕ ∂ − ⋅ ⋅ − ⋅ = cos θ ⋅ (cos θ ⋅ )− (cos θ ⋅ ) ∂r ∂r r ∂θ r ∂θ ∂r r ∂θ ∂2 ϕ sin2 θ ∂2 ϕ sin2 θ ∂ϕ 2 sin θ cos θ ∂ϕ ⋅ + + ⋅ + ⋅ r ∂r ∂θ ∂r2 r2 ∂θ2 r2 2 sin θ cos θ ∂2 ϕ − ⋅ . r ∂r∂θ

= cos2 θ ⋅

84 | 7 Räumliche Potenzialströmungen

Zusammen folgt

∆ϕ =

∂2 ϕ 1 ∂2 ϕ 1 ∂2 ϕ 2 ∂ϕ cos θ ∂ϕ ⋅ ⋅ + + + 2 ⋅ + 2 ⋅ 2 2 2 2 r ∂r ∂r2 ∂φ r ∂θ r sin θ ∂θ r sin θ

oder ∆ϕ =

1 ∂ 1 ∂2 ϕ 1 ∂ϕ ∂ 2 ∂ϕ ⋅ ⋅ + 2 ⋅ (r ) + (sin θ ⋅ ) . ⋅ 2 2 2 ∂r ∂θ ∂θ r2 ∂r ∂φ r sin θ r sin θ

Für ein rotationssymmetrisches Strömungspotenzial legt man sinnvollerweise die ∂ϕ Strömungsachse in Richtung der z-Achse. Dann ist v φ = 0 und ∂φ = 0. Somit reduziert sich der Laplace-Operator zu

∆ϕ =

1 ∂ ∂ϕ 1 ∂ϕ ∂ ⋅ (r2 ⋅ )+ 2 (sin θ ⋅ ) . ⋅ ∂r ∂θ r2 ∂r r sin θ ∂θ

Räumliche Potenzialströmungen müssen somit die Laplace-Gleichung ∂ϕ 1 ∂ϕ 1 ∂ ∂ ⋅ (r2 ⋅ )+ 2 (sin θ ⋅ )=0 ⋅ ∂r ∂θ r2 ∂r r sin θ ∂θ erfüllen. Multiplikation mit r2 sin θ liefert sin θ ⋅

∂ϕ ∂ ∂ϕ ∂ (r2 ⋅ )+ (sin θ ⋅ ) = 0 oder ∂r ∂r ∂θ ∂θ

∂ ∂ ∂ϕ ∂ϕ (r2 sin θ ⋅ )+ (sin θ ⋅ )=0. ∂r ∂r ∂θ ∂θ Die Kontinuitätsgleichung folgt dann mit

∂ϕ ∂r

= v r und

1 r



∂ϕ ∂θ

= v θ zu

∂ 2 ∂ (r sin θ ⋅ v r ) + (r sin θ ⋅ v θ ) = 0 . ∂r ∂θ Bemerkung. Der Zusammenhang 1r ⋅ ∂ϕ ∂θ = v θ wird am Schluss dieses Kapitels gegeben. ∂ϕ

∂ψ

∂ϕ

∂ψ

Die Stromfunktion ψ wählen wir so, dass r2 sin θ ⋅ ∂r = ∂θ und −r sin θ ⋅ ∂θ = ∂r gilt. Die Kontinuitätsgleichung ist dann wieder erfüllt, nicht aber die Laplace-Gleichung, d. h., das Vertauschungsprinzip gilt nicht mehr.

7 Räumliche Potenzialströmungen

| 85

Um diejenige DGL zu finden, die ψ als Lösung besitzt, setzen wir unter Beachtung ∂2 ψ ∂ψ ∂2 ψ ∂ψ der Rotationsymmetrie an: a ⋅ ∂r2 + b ⋅ ∂r + c ⋅ ∂θ2 + d ⋅ ∂θ = 0 und berechnen ∂ϕ ∂ψ = − sin θ ⋅ , ∂r ∂θ ∂ψ ∂ϕ = r2 sin θ ⋅ ∂θ ∂r

∂2 ψ ∂ϕ ∂2 ϕ ∂ , = (− sin θ ⋅ ) = − sin θ ⋅ 2 ∂r ∂θ ∂r∂θ ∂r und

∂ ∂ ∂ψ ∂ϕ ∂ ∂ϕ ∂2 ψ = ( )= (r2 sin θ ⋅ ) = r2 (sin θ ⋅ ) ∂θ ∂θ ∂θ ∂r ∂θ ∂r ∂θ2 = r2 cos θ ⋅

∂ϕ ∂2 ϕ + r2 sin θ ⋅ . ∂r ∂r∂θ

Damit die Summe Null ergibt, muss a = r2 , b = 0, c = 1 und d = − cot θ gelten, was schließlich zur Bestimmungsgleichung r2

∂2 ψ ∂2 ψ ∂ψ =0 + − cot θ ⋅ 2 2 ∂θ ∂r ∂θ

führt. ∂ϕ Zum Schluss soll die Beziehung 1r ⋅ ∂θ = v θ erläutert werden. Beim Polarko­ ordinatensystem findet eine Koordinatentransformation von kartesischen Punkten P1 (x, y) in polare P1 (R, φ) statt. In Analogie dazu wandeln Kugelkoordinaten karte­ sische Punkte P2 (x, y, z) mit x2 + y2 = R2 in polare P2 (r, φ, θ) um. Im ebenen Fall bilden P1 zusammen mit P x (x, 0), P y (0, y) und O(0, 0) ein Rechteck in der xy-Ebene, im räumlichen Fall beschreiben PR (x, y, 0), P z (0, 0, z), PRz (x, y, z) und O(0, 0, 0) ein Rechteck senkrecht auf der xy-Ebene. Folgend wird noch der analytische Beweis erbracht. Beweis. Es gilt (vgl. Abb. 3.2 und Abb. 6.2 rechts) e⃗ r = sin θ cos φ ⋅ e⃗ x + sin θ sin φ ⋅ e⃗ y + cos θ ⋅ e⃗ z , e⃗ θ = cos θ cos φ ⋅ e⃗ x + cos θ sin φ ⋅ e⃗ y − sin θ ⋅ e⃗ z

und

e⃗ φ = − sin θ sin φ ⋅ e⃗ x + sin θ cos φ ⋅ e⃗ y . Die Vektoren a⃗ = sin θ cos φ ⋅ e⃗ x + sin θ sin φ ⋅ e⃗ y und b⃗ = cos θ ⋅ e⃗ z besitzen die Längen sin θ bzw. cos θ. Deswegen muss man beide wieder auf die Länge Eins normieren und sie mit cos θ bzw. − sin θ multiplizieren. Dann sind e⃗ r und e⃗ θ orthogonal mit der Länge Eins.

86 | 7 Räumliche Potenzialströmungen

Ein beliebiger Geschwindigkeitsvektor in Kugelkoodinaten besitzt dann die Dar­ stellung v r,φ,θ = v r ⋅ e⃗ r + v θ ⋅ e⃗ θ + v φ ⋅ e⃗ φ = v r (sin θ cos φ ⋅ e⃗ x + sin θ sin φ ⋅ e⃗ y + cos θ ⋅ e⃗ z ) + v θ (cos θ cos φ ⋅ e⃗ x + cos θ sin φ ⋅ e⃗ y − sin θ ⋅ e⃗ z ) + v φ (−v φ sin θ sin φ ⋅ e⃗ x + sin θ cos φ ⋅ e⃗ y ) = (v r sin θ cos φ + v θ cos θ cos φ − v φ sin θ sin φ) ⋅ e⃗ x + (v r sin θ sin φ + v θ cos θ sin φ + v φ sin θ cos φ) ⋅ e⃗ y + (v r cos θ − v θ sin θ) ⋅ e⃗ z . Daraus folgt v x = v r sin θ cos φ + v θ cos θ cos φ − v φ sin θ sin φ , v y = v r sin θ sin φ + v θ cos θ sin φ + v φ sin θ cos φ

und

v z = v r cos θ − v θ sin θ . Aufgelöst nach den Geschwindigkeiten in Kugelkoordinaten ergibt sich v r = v x sin θ cos φ + v y sin θ sin φ + v z cos θ , v θ = v x cos θ cos φ + v y cos θ sin φ − v z sin θ

und

(7.1)

v φ = −v x sin θ sin φ + v y sin θ cos φ . Für den letzten Beweisschritt bilden wir die totalen Ableitungen ∂ϕ ∂ϕ ∂x ∂ϕ ∂y ∂ϕ ∂z = ⋅ + ⋅ + ⋅ = v x ⋅ sin θ cos φ + v y ⋅ sin θ sin φ + v z ⋅ cos θ , ∂r ∂x ∂r ∂y ∂r ∂z ∂r ∂ϕ ∂ϕ ∂x ∂ϕ ∂y ∂ϕ ∂z = ⋅ + ⋅ + ⋅ ∂θ ∂x ∂θ ∂y ∂θ ∂z ∂θ = v x ⋅ r cos θ cos φ + v y ⋅ r cos θ sin φ − v z ⋅ r sin θ

und

∂ϕ ∂ϕ ∂x ∂ϕ ∂y ∂ϕ ∂z = ⋅ + ⋅ + ⋅ = −v x ⋅ r sin θ sin φ + v y ⋅ r sin θ cos φ . ∂φ ∂x ∂φ ∂y ∂φ ∂z ∂φ Der Vergleich mit den Gleichungen (7.1) liefert endlich vr =

∂ϕ , ∂r

Bei Drehsymmetrie ist v φ = 0.

vθ =

1 ∂ϕ ⋅ r ∂θ

und

vφ =

1 ∂ϕ ⋅ . r ∂φ

7.2 Räumliche Staupunktströmung |

87

7.1 Räumliche Translationsströmung Potenzial und Stromfunktion Die Strömung v∞ erfolgt in x-Richtung. Man hat v r = v∞ ⋅ cos θ, v θ = −v∞ ⋅ sin θ, ∂ϕ = v r = v∞ ⋅ cos θ ∂r 1 ∂ϕ ⋅ = v θ = −v∞ ⋅ sin θ r ∂θ 󳨐⇒

󳨐⇒

ϕ(r) = v∞ ⋅ r cos θ + C1 (θ)

󳨐⇒

ϕ(θ) = v∞ ⋅ r cos θ + C2 (r)

und

ϕ(r, θ) = v∞ ⋅ r cos θ .

konst Für ϕ = konst. erhält man r = ϕcos θ , senkrechte Geraden im Abstand ϕkonst zur z-Achse; durch Rotation also einen Geradenschar (Abb. 7.1 links). Weiter ist

1 r sin θ 1 ⋅ r2 sin θ −

∂ψ = v θ = −v∞ ⋅ sin θ ∂r ∂ψ = v r = v∞ ⋅ cos θ ∂θ



󳨐⇒

1 v∞ ⋅ r2 sin2 θ + C1 (θ) 2 1 ψ(θ) = v∞ ⋅ r2 sin2 θ + C2 (r) 2

󳨐⇒

ψ(r) =

󳨐⇒

ψ(r, θ) =

und

1 v∞ ⋅ r2 sin2 θ . 2

ψ

konst Für ψ = konst. erhält man r = sin θ , waagrechte Geraden im Abstand ψ konst zur x-Achse; durch Rotation also einen Zylindermantel (Abb. 7.1 rechts). Die Orthogonalität der Potenzial- und Stromlinien ist offensichtlich.

Abb. 7.1: Skizzen zur räumlichen Translations­ strömung

Druckverteilung 1 1 2 2 2 ρv + p = 2 ρv 0 + p∞ . Da v 0 = v = v ∞ , folgt p = p∞ .

7.2 Räumliche Staupunktströmung Eine räumliche Staupunktströmung ließe sich auch in Kugelkoordinaten beschreiben (Übung 13). Wir wählen aber Zylinderkoordinaten, damit der Laplace-Operator sowohl in kartesischen und polaren Koordinaten als auch in Kugel- und Zylinderkoordinaten hergeleitet ist (Abb. 7.2).

88 | 7 Räumliche Potenzialströmungen

Abb. 7.2: Skizze zu den Zylinderkoordinaten

Es gilt x = r cos φ ,

r = √x2 + y2 ,

y = r sin φ ,

y φ = arctan ( ) x

und

z=z.

Die Bestimmung des Laplace-Operators ist denkbar einfach. Die Vorbereitung dazu wurde schon beim Polarsystem getan. Da die Änderung in z-Richtung die Änderun­ ∂2 ϕ gen sowohl in r- und θ-Richtung nicht beeinflussen, kann man (4.4) einfach um ∂z2 erweitern zu

∆ϕ =

∂2 ϕ 1 ∂ϕ 1 ∂2 ϕ ∂2 ϕ + 2 ⋅ + ⋅ + . r ∂r ∂r2 r ∂φ2 ∂z2

Für ein rotationssymmetrisches Strömungspotenzial legt man sinnvollerweise die ∂ϕ Strömungsachse in Richtung der z-Achse. Dann ist v φ = 0 und ∂φ = 0. Somit reduziert sich der Laplace-Operator zu ∆ϕ =

∂2 ϕ 1 ∂ϕ ∂2 ϕ + + ⋅ . r ∂r ∂r2 ∂z2

(7.2)

Damit ∆ϕ = 0 erfüllt wird, multplizieren wir mit r und erhalten r⋅

∂2 ϕ ∂2 ϕ ∂ϕ + =0 + r ⋅ ∂r ∂r2 ∂z2

∂ ∂ϕ ∂ ∂ϕ (r ⋅ )+ (r ⋅ )=0. ∂r ∂r ∂z ∂z

oder

Die Kontinuitätsgleichung folgt dann mit

∂ϕ ∂r

= v r und

∂ϕ ∂z

= v z zu

∂ ∂ (rv r ) + (rv z ) = 0 . ∂r ∂z ∂ψ ∂ϕ ∂ψ Die Stromfunktion ψ wählen wir so, dass r ⋅ ∂ϕ ∂r = ∂z und −r ⋅ ∂z = ∂r gilt. Die Kontinuitätsgleichung ist dann wieder erfüllt, nicht aber die Laplace-Glei­ chung, d. h., das Vertauschungsprinzip gilt nicht mehr.

7.2 Räumliche Staupunktströmung

| 89

Um diejenige DGL zu finden, die ψ als Lösung besitzt, setzen wir unter Beachtung der Rotationsymmetrie an: a⋅

∂2 ψ ∂ψ ∂ψ ∂2 ψ +c⋅ =0 +b⋅ +d⋅ 2 ∂r ∂z ∂r ∂z2

und berechnen ∂ψ ∂ϕ = −r ⋅ , ∂r ∂z ∂ψ ∂ϕ =r⋅ und ∂z ∂r

∂2 ψ ∂ϕ ∂ϕ ∂2 ϕ ∂ (−r ⋅ )=− −r⋅ , = 2 ∂r ∂z ∂z ∂r∂θ ∂r ∂2 ψ ∂ϕ ∂2 ϕ ∂ (r ⋅ )=r⋅ . = 2 ∂z ∂r ∂r∂z ∂z

Damit die Summe Null ergibt, muss a = 1, b = − 1r und c = 1 gelten, was schließlich zur Bestimmungsgleichung ∂2 ψ 1 ∂ψ ∂2 ψ − ⋅ =0 + r ∂r ∂r2 ∂z2 führt. Beispiel 1. Ein Haartrockner mit kreisförmiger Düse und Radius 2 cm besitzt eine Aus­ blasgeschwindigkeit von 25 ms = 2500 cm s . Er wird in einem Abstand von 10 cm senk­ recht zu einer ebenen Fläche gehalten. a) Wie lauten Potenzial und Stromfunktion? b) Welche Gestalt besitzen die Projektionen der Stromlinien auf die drei Koordina­ tenebenen? c) Wie sieht die Druckverteilung in einem Raumpunkt P(r, z) aus und welche Form haben die Isobaren? d) Bestimmen Sie aus den Angaben die Zahl a. e) Durch welche Stromlinien wird der Luftstrom begrenzt? f) Schätzen Sie den Volumenstrom ab. a) Aufgrund der Drehsymmetrie kann man das Potenzial analog zum zweidimensio­ nalen Fall als ϕ(r, z) = 12 (ar2 − bz2 ) ansetzen. Die Erfüllung der Laplace-Glei­ chung (7.2) erfordert b + 2a = 0, was ϕ(r, z) = 12 a(r2 − 2z2 ) ergibt. Die einzelnen Geschwindigkeitskomponenten sind v r = ar und v z = −2az. ∂ϕ ∂ψ ∂ψ Die Stromfunktion erhält man beispielsweise aus r ⋅ ∂r = ∂z oder ar2 = ∂z zu ψ(r, z) = ar2 z. b) Die Projektionen der Stromlinien auf die xy-Ebene sind konzentrische Kreise, die Projektionen auf die xz- und die yz-Ebene ergeben Hyperbeln mit der Gleichung z = xC2 bzw. z = yD2 (Abb. 7.3). c) Da für die Geschwindigkeit in einem beliebigen Punkt einer Stromlinie v2 = a2 (r2 + 4z2 ) gilt, kann man analog zum zweidimensionalen Fall den Druck in einem beliebigen Punkt der Strömung als p = pStau − 12 ρa2 (r2 + 4z2 ) angeben. In diesem Fall ergeben die Isobaren Ellipsen mit dem Hauptachsenverhältnis r : z = 1 : 0,5 oder Ellipsoide mit x : y : z = 1 : 1 : 0,5.

90 | 7 Räumliche Potenzialströmungen

Abb. 7.3: Graphen projizierter Stromfunktionen der räumlichen Staupunktströmung

d) Die Geschwindigkeit beträgt v = √a2 (02 + 102 ) = 10a im Zentrum der Düse und v = √a2 (42 + 102 ) ≈ 10,2a am Rand. Wir sehen von diesem Unterschied ab und betrachten alle Stromlinien beim Austritt aus der Düse senkrecht nach unten ge­ richtet, so dass wir durchwegs v = 10a = 2500 setzen können und daraus a = 250 bestimmen. e) Aus ψ(r, z) = 250r2 z folgen die begrenzenden Stromlinien zu ψ1 = 0 und ψ2 = . 250 ⋅ 22 ⋅ 10 = 10.000. Dies entspricht der z-Achse und der Kurve z = 40 r2 f) Der Volumenstrom kann mit Hilfe der Kontinuitätsgleichung bestimmt werden. 3 Er beträgt V̇ = Av = π ⋅ 22 ⋅ 2500 = 10.000π = 0,03 ms .

Aufgabe Bearbeiten Sie die Übung 13.

7.3 Räumliche Quell- oder Senkeströmung Potenzial und Stromfunktion Die radiale Geschwindigkeitskomponente v r muss in jedem Punkt der Kugeloberfläche Q m3 4πr2 gleich groß sein. Somit ist v r = 4πr 2 mit der Einheit für Q: [ s ]. Zudem gilt v θ = 0. Aus

∂ϕ ∂r

= vr =

Q 4πr 2

Q folgt ϕ(r) = − 4πr + C1 (θ) und mit

ϕ(θ) = konst.

󳨐⇒

1 r



ϕ(r, θ) = ϕ(r) = −

∂ϕ ∂θ

= v θ = 0 ergibt sich

Q . 4πr

Für ϕ = konst. erhält man r = konst., was Kugeloberflächen entspricht.

7.4 Überlagerung von räumlicher Translations- und Quellströmung

| 91

Weiter ist ∂ψ 1 ⋅ = vθ = 0 r sin θ ∂r

󳨐⇒

ψ(r) = konst.

Q 1 ∂ψ = vr = ⋅ sin θ ∂θ 4πr2

󳨐⇒

ψ(θ) = −



r2

󳨐⇒

ψ(r, θ) = ψ(θ) = −

und

Q cos θ + C2 (r) 4π

Q cos θ . 4π

Für ψ = konst. erhält man θ = konst., was Strahlen von O aus entspricht. Druckverteilung 1 1 2 2 2 2 2 2 2 ρv + p = 2 ρv 0 + p∞ . Mit v = v r + v θ = v r und v 0 = 0 folgt p = p∞ −

1 2 Q 2 ρQ2 ) = p − . ρv0 ( ∞ 2 4πr2 32π2 r4

7.4 Überlagerung von räumlicher Translationsund Quellströmung Der umströmte Rankine-Körper wird rotationssymmetrisch zur z-Achse gelegt (Abb. 7.4 links). Potenzial und Stromfunktion ϕ(r, θ) = v∞ ⋅ r cos θ − ψ(r, θ) =

Q 4πr

v r = v∞ ⋅ cos θ +

1 Q v∞ ⋅ r2 sin2 θ − cos θ 2 4π

Q 4πr2

v θ = −v∞ ⋅ sin θ

Für den Staupunkt S muss v r = v θ = 0 sein. Dies gilt für θ = π. Daraus folgt Q Q v∞ = 󳨐⇒ r S = √ , 2 4πv∞ 4πr wobei Q, v∞ > 0 vorausgesetzt wird (Vergleich mit dem ebenen Fall: r S = Q 4π .

Q 2πv ∞ ).

Da­

zu gehört ψStau = Der räumliche Rankine-Körper entspricht nicht der rotierten ebenen Form. Für r → ∞ ist Q = v∞ ⋅ π ⋅ h2 max

󳨐⇒

hmax = 2√

Q πv∞

(ebener Fall: hmax =

Q ) . v∞

92 | 7 Räumliche Potenzialströmungen

Für eine Skizze ist ψkonst =

1 Q v∞ ⋅ r2 sin2 θ − cos θ , 2 4π

r = ±√

ψkonst + 1 2 v∞

Q 4π

cos θ 2

sin θ

.

Wir wählen Q = 4π und v∞ = 2. Dann ist r = ±√

ψkonst + cos θ sin2 θ



√ψkonst + cos θ sin θ

für

0≤θ≤π.

Druckverteilung Q Q 1 = v∞ ⋅ r2 sin2 θ − cos θ . 4π 2 4π Für die Radien, die von O auf die Körperoberfläche führen, gilt r2 =

Q 1 + cos θ ⋅ . 2πv∞ sin2 θ

Weiter ist c p (θ) = 1 − (

v 2 cos θ Q Q2 Q Q ) =− ⋅ − =− (4 cos θ + ) 2 v∞ v∞ 2πr 8πv∞ r2 2πv∞ r2 16π2 v2∞ r4

und c p (θ) = −

sin2 θ(1 + 3 cos θ) 4(1 + cos θ)

oder für aufsteigende Winkel: c p (θ) = −

sin2 (π − θ) (1 + 3 cos(π − θ)) 4 (1 + cos(π − θ))

Für die Skizze von π bis 0 ist wieder c p (θ) = −

sin2 (π − θ) [1 + 3 cos(π − θ)] . 4 [1 + cos(π − θ)]

Abb. 7.4: Skizze des umströmten Rankine-Körpers und Graphen von (7.3)

(7.3)

7.6 Umströmung einer Kugel |

93

7.5 Räumliche Dipolströmung Potenzial und Stromfunktion Analog zur 2D-Variante setzen wir Q = Ma , wobei a der Abstand von Quelle und Senke ist. Das Potenzial ist dann M 1 1 M ∂ 1 1 ϕ(x, y) = − − ]=− ) ⋅ lim [ ⋅ ( a→∞ 4π a √x2 + z2 √(a − x)2 + z2 4π ∂x √x2 + z2 =−

M −x ⋅( 3 ) 4π r

󳨐⇒

ϕ(r, θ) =

M cos θ ⋅ 2 . 4π r

Weiter gilt M cos θ M sin θ ∂ϕ 1 ∂ϕ =− ⋅ 3 =− ⋅ 3 . und v θ = ⋅ ∂r 2π r ∂θ 4π r r Für die Stromfunktion ergibt sich beispielsweise mit vr =

1 ∂ϕ 1 ∂ψ ⋅ =− ⋅ = vθ r ∂θ r sin θ ∂r M der Ausdruck ψ(r, θ) = − 4π ⋅

sin2 θ r . Für

r = ϕ∗konst ⋅ √cos θ

ϕkonst und ψkonst erhält man (Abb. 7.5 links) und

r = ψ∗konst ⋅ sin2 θ .

(7.4)

Druckverteilung Es ist M 2 cos2 θ M 2 sin2 θ +( ) ⋅ ) ⋅ 6 2π 4π r r6 M 2 cos2 θ M 2 sin2 θ = ⋅ + ⋅ 2 6 4π 16π2 r r6 2 M M2 2 2 = ⋅ (4 cos θ + sin θ) = ⋅ (4 − 3 sin2 θ) . 16π2 r6 16π2 r6 Weiter hat man p = p0 − 12 ρv2 und damit vθ = 0

󳨐⇒

v2 = v2r + v2θ = (

p = p0 −

ρM 2 ⋅ (4 − 3 sin2 θ) . 32π2 r6

7.6 Umströmung einer Kugel Potenzial und Stromfunktion Dazu überlagern wir Translations- und Dipolströmung: M cos θ ⋅ 2 4π r ∂ϕ M cos θ vr = = v∞ cos θ − ⋅ 3 ∂r 2π r ϕ(r, θ) = v∞ ⋅ r cos θ +

1 M v∞ ⋅ r2 sin2 θ − 2 4π 1 ∂ϕ M vθ = ⋅ = −v∞ sin θ − r ∂θ 4π ψ(r, θ) =

sin2 θ r sin θ ⋅ 3 r



94 | 7 Räumliche Potenzialströmungen Speziell auf der Kugeloberfläche muss v r = 0 sein. Das bedeutet R3 = Somit lässt sich die Stromfunktion auch schreiben als ψ(r, θ) =

M 2πv ∞ .

R3 sin2 θ 1 sin2 θ 3 1 v∞ ⋅ r2 sin2 θ − ⋅ = v∞ ⋅ (r − R3 ) . 2 2 r 2 r

Für eine Skizze sei ψ = ψkonst

󳨐⇒

θ = arcsin (±√

ψkonst ⋅ r ) . r3 − R3

Mit beispielsweise R = 1 wird daraus θ = arcsin (±√

ψkonst ⋅ r ) . r3 − 1

Schließlich parametrisieren wir noch und erhalten x(r) =

ψkonst ⋅ r2 r3 − 1

und

y(r) = ±r√

ψkonst ⋅ r . r3 − 1

Es ergeben sich ähnliche Stromlinien wie bei der Umströmung des Zylinders. Druckverteilung Auf der Kugeloberfläche ist v r = 0. Daraus folgt 0 = v∞ cos θ −

M cos θ ⋅ 2π R3

und

R3 =

M . 2πv∞

Übrig bleibt v θ = −v∞ sin θ −

M sin θ 3 ⋅ 3 = − v∞ sin θ 4π R 2

und

v2 = v2θ .

Dann folgt c p (θ) = 1 − (

v 2 9 ) = 1 − sin2 θ v∞ 4

(vgl. Zylinder: c p (θ) = 1 − 4 sin2 θ) .

Abb. 7.5: Graphen von (7.4) und Skizze zu Beispiel 1

8 Reibungsbehaftete Rohrströmungen Den bisherigen Potenzialströmungen liegt die Annahme einer idealen Flüssigkeit zu­ grunde. Ein solches Fluid besitzt keine Viskosität. Demnach gibt es weder eine Rei­ bung der Teilchen untereinander (innere Reibung) noch eine Reibung an den Begren­ zungsflächen der Strömung. Somit geht auch nie Energie verloren, weil kein Strö­ mungswiderstand existieren kann. Eine direkte Folge davon ist das D’Alembert’sche Paradoxon. Insbesondere gleitet eine solche Strömung reibungsfrei um ein Hinder­ nis und besitzt an der Wand selber die größte Geschwindigkeit. In Wirklichkeit ist das Gegenteil der Fall: die Teilchen haften an der Wand. Die Potenzialströmungen sind aber nicht völlig falsch, sie gelten nur in einem Außenbereich des umströmten Körpers. Diese Außenzone wird im 6. Band durch die sogenannte Grenzschichtdicke abgegrenzt werden. Bei einem realen Fluid hingegen geht mit der Bewegung zwangs­ weise ein Energieverlust und folglich ein Druckverlust einher. Dabei wird kinetische Energie in Reibungswärme dissipiert. Die Gründe dafür sind: – Reibung innerhalb des Fluids. Die Moleküle tauschen Impulse aus. – Reibung an der Wand. Die Moleküle geben die Impulse an die Wand weiter. – Beschaffenheit der Wand. Je rauher die Wand, umso größer ist die Reibung. So lange die Strömung laminar bleibt, spielt die Rauheit keine Rolle. – Art der Strömung. Beim Übergang von laminarer zu turbulenter Strömung erhöht sich ebenfalls die Reibung. – Form des Rohrs. Dies haben wir beim Borda-Carnot-Stoß (Kapitel 2.3) erkannt. Ändert sich die Form des Rohrquerschnitts, dann führt dies zu einem Druckabfall. Den Verlust bezeichnet man in diesem Fall als lokal. Im Gegensatz dazu ist der kontinuier­ liche Verlust ortsunabhängig.

8.1 Die Bernoulli-Gleichung für reibungsbehaftete Rohrströmungen Für einen lokalen bzw. ortsunabhängigen, konstanten Druckverlust schreiben wir v2 und 2 (8.1) l v2 v2 ∆pkonst = ξ ⋅ ρ ⋅ =λ⋅ ⋅ρ⋅ (Ansatz von Weisbach) 2 d 2 Dabei entsprechen l: Länge, d: Durchmesser, λ: Rohrreibungszahl und ξ : Verlustzahl. Die Bernoulli-Gleichung für reibungsbehaftete Strömungen lautet dann ∆plok = ξ ⋅ ρ ⋅

p1 +

u2 1 2 1 l u2 ρv1 + ρgh1 = p2 + ρv22 + ρgh2 + ξρ +λ ρ 2 2 2 d 2

https://doi.org/10.1515/9783110684520-008

mit

u=

v1 + v2 2

96 | 8 Reibungsbehaftete Rohrströmungen

Beispiel 1. Wasser von 15 °C wird in einem kreisrunden Rohr einen Berg hinauf ge­ pumpt (Abb. 7.5 rechts). In der zur Beschreibung dieses Sachverhalts verwendeten rei­ bungsbehafteten Bernoulli-Gleichung muss deshalb der Druckverlust der linken Seite zugeschrieben werden: p1 +

1 2 1 ρv1 + ρgh1 + ∆pkonst = p2 + ρv22 + ρgh2 . 2 2

Aufgelöst nach dem Druckverlust hat man ∆pkonst = p2 − p1 +

1 ρ(v22 − v21 ) + ρg(h2 − h1 ) . 2

3 Nehmen wir an, der Volumenstrom betrage V̇ = 5 ms und die Dichte ρ 15°C = 990,10 Nach der Kontinuitätsgleichung gilt

V̇ m = 6,37 A1 s

v1 =

und

v2 =

kg . m3

V̇ m = 4,42 . A2 s

Dann erhält man ∆pkonst = 106 − 5 ⋅ 106 +

1 ⋅ 990,10 ⋅ (4,422 − 6,372 ) + 990,10 ⋅ 9,81 ⋅ 425 = 1,17 bar . 2 2

Mit Gleichung (8.1) ist ∆pkonst = λ dl ρ u2 . Damit ergibt sich λ=

2d∆pkonst lρu

2

= 0,009

mit

u=

v1 + v2 . 2

Den Wert von λ erhalten wir auch auf andere Weise. Wir bestimmen zuerst die Rey­ nolds-Zahl: Re =

ρ⋅d⋅u = 5.161.868 η

mit

d = 1,1 m

und

η15°C = 1138,0 ⋅ 10−6

kg ⋅ m2 . s

Für hydraulisch raue Rohre der Rauheit k lautet die Iterationsformel von ColebrookWhite (Beweis 6. Band) 2k 18,7 1 + = 1,74 − 2 ⋅ log10 ( ) . d √λ Re√λ Nimmt man k = 5 mm, dann folgt λ = 0,016. Ist das Rohr hydraulisch glatt, also k = 0, dann liefert die Lösung der Gleichung λ = 0,009 in Übereinstimmung mit oben. Aufgabe Bearbeiten Sie die Übung 14.

8.1 Die Bernoulli-Gleichung für reibungsbehaftete Rohrströmungen

| 97

Beispiel 2. Wir kehren zum 2. Beispiel von Kap. 2.3 zurück. Wir hatten die Reibungs­ kraft der Rohrwand auf die Strömung vernachlässigt. Diese Kraft soll jetzt einbezo­ gen werden (Abb. 8.1 links). Die gegebenen Größen waren p0 = ∆p = 105 Pa, A0 = kg 0,12 m2 , A1 = 0,03 m2 , h∗ = 1 m und ρ = 103 m 3 . Wir erhielten ohne Reibung m v1 = 13,87 s . Die erweiterte Bernoulli-Gleichung mit Druckverlust lautet dann 1 h∗ u2 ρ(v20 − v21 ) + (p0 + ∆p) − p0 + ρg(0 − h∗ ) − λ ρ =0. 2 d 2 Den Durchmesser setzen wir als Mittelwert zwischen Einlauf- und Auslaufdurchmes­ ser an. Dann folgt A2 1 u2 h∗ ρ ( 12 v21 − v21 ) − λ d +d ρ + ∆p − ρgh∗ = 0 0 1 2 2 A0 2

und schließlich u2 h∗ √π 1 2 A21 ρ ρv1 ( 2 − 1) − λ + ∆p − ρgh∗ = 0 . 2 √A0 + √A1 2 A0

(8.2)

Da die Rohrreibungszahl eine Funktion der Reynolds-Zahl ist und diese von der Dich­ te und der dynamischen Viskosität abhängt, muss zu den gegebenen Größen die ki­ nematische Viskosität beigefügt werden. Für kühles Wasser beträgt sie ν = 1,30 ⋅ 2 10−6 ms . Zudem bezeichnet u die mittlere Geschwindigkeit aus Eingangs- und Aus­ gangsgeschwindigkeit v0 bzw. v1 . Wir starten die Iteration mit einer geschätzten Geschwindigkeit von v1 = 10 ms . Aufgrund des Flächenverhältnisses von A1 : A0 = 1 : 4 muss wegen der Kontinui­ 1 tätsgleichung v0 = v41 = 2,5 ms und damit u = v0 +v = 6,25 ms sein. Damit folgt die 2 Reynolds-Zahl zu Red =

u⋅

d0 +d 1 2

ν

=

u ⋅ (√A0 + √A1 ) 6,25 ⋅ (√0,03 + √0,12) = = 1,409 ⋅ 106 . ν ⋅ √π 1,30 ⋅ 10−6 ⋅ √π

Dies setzen wir in die Formel von Colebrook-White ein. Zusätzlich sei das Rohr glatt. Dies liefert λ = 0,0110. Damit und dem Wert u = 6,25 ms gehen wir in die Glei­ chung (8.2) und erhalten v1 = 10,35 ms . Wir wiederholen die Iteration und finden nacheinander v0 = 2,59 ms , u = 6,47 ms , Red = 1,4059 ⋅ 106 , λ = 0,0109 und schließ­ lich v1 = 10,35 ms , eine Bestätigung des vorigen Ergebnisses. Ebenso muss in der Impulsbilanz die hemmende Reibungkraft einfließen. Sie lau­ tet dann ρQ(v1 − v0 ) = (p0 + ∆p)A0 − p0 A1 − K − FR − G .

98 | 8 Reibungsbehaftete Rohrströmungen ∗

2

Zur Berechnung von FR muss der Druckunterschied ∆pV = λ hd ρ u2 zuerst mit der Wir­ 1 multipliziert werden: kungsfläche A = A 0 +A 2 FR = ∆pV ⋅ A = λ = 0,0109 ⋅

h∗ d1 +d 2 2

ρ

u2 A0 + A1 ⋅ 2 2

5√π 6,472 0,03 + 0,12 ⋅ = 292,77N . ⋅ 1000 ⋅ 2 2 √0,03 + √0,12

Aufgelöst nach der Mantelkraft erhält man K = 24.000 − 3000 − 3433,50 − 2410,26 − 292, 77 = 14.863,47 N .

Abb. 8.1: Skizze zu den Beispielen 2 und 3

Beispiel 3. Wir betrachten einen Kamin in der Form eines Zylinders mit 10 m Höhe und 0,8 m Durchmesser (Abb. 8.1 rechts). Die Abgasluft erreicht eine Temperatur von 100 °C und die Außentemperatur sei 20 °C. Dies ist ein Beispiel für eine natürliche Konvektion. Der Druck am Boden (auf der Höhe des Feuers) ist p0 + ρ a gh, wenn ρ a die Dichte der Außenluft bezeichnet. Im Inneren des Kamins lastet die Luftsäule mit der Dichte ρ i der erwärmten Luft auf dem Boden, so dass gesamthaft der Bodendruck p0 + ρ i gh beträgt. Der Druckunterschied ∆p = (ρ a − ρ i )gh ist der treibende Druck. Nun formulieren wir die Bernoulli-Gleichung inklusive Reibungsterm für die beiden einge­ zeichneten Höhen 1 und 2. Uns interessiert zudem die maximal mögliche Geschwin­ digkeit v der Abgasluft; wir setzen deshalb die Geschwindigkeit am Boden vB = 0. 2 Es gilt dann ρ a gh + p0 = 12 ρ i ⋅ v2 + ρ i gh + (≈ p0 ) + λ hd ρ i u2 . (Die Höhenabhängigkeit des Luftdrucks wird vernachlässigt.) Weiter erhält man (ρ a − ρ i )gh =

1 2 h u2 ρi v + λ ρi 2 2d 2

und

(

1 h u2 ρa − 1) gh = v2 + λ ⋅ . ρi 2 2d 2

Für ein ideales Gas gilt p0 = ρ a Rs Ta = ρ i Rs Ti . Daraus entsteht ρa Ti = ρi Ta

und

(

Ti 1 h u2 ⋅ . − 1) gh = v2 + λ Ta 2 2d 2

(8.3)

8.2 Laminare Rohrströmungen

| 99

Vernachlässigt man die Reibung, so reduziert sich (8.3) zu ( TTai − 1) gh = 12 v2 und man erhält Ti m − 1) = 7,32 . v = √2gh ( Ta s Wird die Reibung einbezogen, benötigen wir die kinematische Viskosität für die be­ 2 vorstehende Iteration. Es gilt ν = 2,135 ⋅ 10−5 m2 bei einer Bezugstemperatur von a TB = Ti +T = 80 °C. Wir starten diesmal mit einem offensichtlich zu tiefen Wert, um zu 2 zeigen, dass das Verfahren trotzdem schnell konvergiert. Es sei v = 5 ms und folglich 2,5⋅0,8 m u⋅d 4 B u = v+v = 5+0 2 2 = 2,5 s . Dann folgt Red = ν = 2,135⋅10−5 = 9,368 ⋅ 10 und mit der Formel von Colebrook-White für ein glattes Rohr λ = 0,0183. Dies und u = 2,5 ms m in (8.3) eingesetzt ergibt v = 7,23 ms . Im nächsten Schritt ist dann u = 7,23 2 = 3,61 s m 5 und es folgen Red = 1,353 ⋅ 10 , λ = 0,0169 und vmax = 7,13 s . Ein zusätzlicher Iterationsschritt liefert die Bestätigung dieses Werts. Wir sind bei der Berechnung von einer Bodengeschwindigkeit von Null ausgegan­ gen, um einen maximalen Wert für v angeben zu können. Aufgrund der Kontinuitäts­ gleichung müsste eigentlich ρ a vB = ρ i v oder Ti vB = Ta v erfüllt sein. Damit führen wir die Rechnung nochmals durch. Wieder starten wir mit v = 5 ms . Nach der eben genann­ v+v B m m ten Gleichung ist dann vB = TTai v = 293,15 353,15 ⋅ 5 = 4,15 s und damit u = 2 = 4,58 s . Es folgt m . Red = 1,714 ⋅ 105 , λ = 0,0161 und v = 7,02 s Im nächsten Schritt ist dann vB = 5,83 ms , u = 6,43 ms und es ergeben sich Red = 2,408 ⋅ 105 , λ = 0,0151

und

v = 6,76

m . s

Ein weiter Schritt liefert vB = 5,61 ms , u = 6,19 ms , Red = 2,319 ⋅ 105 , λ = 0,0152 und v = 6,80 ms . Der anschließende Schritt liefert die Bestätigung dieses Werts. Die Ge­ schwindigkeit unterscheidet dabei sich nur wenig von der maximal möglichen vmax = 7,13 ms .

8.2 Laminare Rohrströmungen Wir betrachten die stationäre Strömung eines inkompressiblen Newton’schen Fluids mit einer Reynolds-Zahl Re < 2300 in einem waagrechten Rohr. Aus der Inkompres­ sibilität folgern wir, dass sowohl Geschwindigkeit als auch Massenstrom zeitlich un­ verändert bleiben. Die zeitliche Impulsänderung ist damit Null. Da die Gewichtskraft aufgrund der horizontalen Strömung keine Rolle spielt, entspricht die Nullsumme der Impulserhaltung (in waagrechter Richtung) der Nullsumme aller angreifenden Kräfte (in waagrechter Richtung) ∑i F⃗ i = 0. Wir denken uns die Wassersäule in Hohlzylinderschichten („Laminare“) der Di­ cke dr zerlegt (Abb. 8.2). Die ineinandergeschachtelten Schichten erzeugen eine Rei­ bungskraft ∆FR = ∆A ⋅ τ(r) = 2πr ⋅ ∆x ⋅ τ(r). Setzen wir ein Newton’sches Fluid voraus,

100 | 8 Reibungsbehaftete Rohrströmungen

Abb. 8.2: Skizze zur laminaren Rohrströmung

dann beträgt die Oberflächenspannung τ(r) = η ⋅ du dr . Dabei bezeichnet η die dynami­ sche Viskosität. Damit hat man ∆FR = 2πr ⋅ ∆x ⋅ η ⋅ du dr . Die Strömung wird durch die Druckkraftdifferenz ∆F p = [p(x + ∆x) − p(x)] ⋅ πr2 = −∆p ⋅ πr2 aufrecht erhalten. Der Druckunterschied ∆p ist dabei negativ, da p(x + ∆x) < p(x). Folglich ist ∆FR + ∆F p = 0. Man erhält weiter 2πr ⋅ ∆x ⋅ η ⋅

du = ∆p ⋅ πr2 dr

oder

du(r) = (

∆p r )⋅ ⋅ dr . ∆x 2η

(8.4)

Bevor wir diese Gleichung integrieren, ergibt sich die Spannungsverteilung: τ(r) = r ( ∆p ∆x ) ⋅ 2 . Die Spannung wächst somit linear mit dem Abstand zum Zentrum (Abb. 8.3 links). Aufgrund der Rotationssymmetrie führt die Darstellung der Spannung zu einem Hohl­ kegel. Da ∆p < 0, ist τ(r) rückwärts gerichtet. r2 Die Integration der Gleichung (8.4) liefert u(r) = ( ∆p ∆x ) ⋅ 4η + C. Für r = R haftet das Fluid an der Wand: u(R) = 0. Es folgt C = −( ∆p ∆x ) ⋅ Geschwindigkeitsprofil u(r) = − (

R2 4η .

Damit erhält man für das

∆p R2 r 2 )⋅ (1 − ( ) ) . ∆x 4η R

(8.5)

Es entspricht dem Rand eines Paraboloids. Die größte Geschwindigkeit wird bei r = 0 R2 erreicht (Scheitelpunkt) und beträgt u max = −( ∆p ∆x ) ⋅ 4η . Damit kann man auch schrei­ ben: r 2 u(r) = u max (1 − ( ) ) . (8.6) R

Abb. 8.3: Skizzen zur Spannung und dem Volumenstrom einer laminaren Rohrströmung

8.2 Laminare Rohrströmungen

| 101

Als Nächstes bestimmen wir den Volumenstrom V̇ = dV dt , die Volumenmenge des Flu­ ids, die pro Sekunde durch das Rohr strömt (Abb. 8.3 rechts). Sei 2πr ⋅ dr die Fläche des Ringspalts, dann ist d V̇ = u(r) ⋅ 2πr ⋅ dr der Volumenstrom durch diesen Ringspalt und gesamthaft erhält man R

V̇ = ∫ u(r) ⋅ 2πr ⋅ dr 0

(allgemein gilt V̇ = ∫A u(r) ⋅ dA). Setzt man den Geschwindigkeitsverlauf (8.5) ein, dann ergibt sich R

r 2 ∆p R2 V̇ = − ( ) ⋅ ∫ (1 − ( ) ) 2πr ⋅ dr ∆x 4η R 0 R

= −(

R

∆p r3 ∆p πR2 πR2 r2 r4 ∫ (r − 2 ) dr = − ( ) ⋅ ] )⋅ [ − ∆x 2η ∆x 2η 2 4R2 0 R 0

und schließlich das Gesetz von Hagen-Poiseuille: πR4 ∆p . V̇ = − ( ) ⋅ ∆x 8η Für die mittlere Geschwindigkeit des Fluids erhält man u = gilt u max = 2 ⋅ u (Gesetz von Hagen-Poiseuille).

V̇ πR 2

= −( ∆p ∆x ) ⋅

R2 8η

und es

Bemerkung. Die mittlere Geschwindigkeit aus dem Mittel des Geschwindigkeitspro­ fils zu bestimmen ist falsch, weil dieses nur das Profil eines Längsschnitts des Para­ boloids darstellt. Für den Druckverlust ∆pV = |∆p| entlang der Rohrstrecke l gilt ∆pV = 8η⋅l⋅u . R2 4 π⋅∆p⋅R 2 folgt 8πη ⋅ l ⋅ u = ∆p ⋅ πR = FR . Die Reibungskraft auf ein Aus A ⋅ u = V̇ = 8η⋅l

Fluid entlang einer Rohrwand der Länge l beträgt FR = 8π ⋅ η ⋅ l ⋅ u .

(8.7)

(Dies erinnert an die Stokes’sche Reibung eines Teilchens mit Radius r in einem Fluid: FR = 6π ⋅ η ⋅ r ⋅ u). Schließlich lässt sich noch die Rohrreibungszahl bestimmen. Aus ∆pV =

8 ⋅ η ⋅ l ⋅ u 32 ⋅ η ⋅ l ⋅ u 64 ⋅ η lρ u 2 64 lρ u 2 ⋅ = = ⋅ = ⋅ ⋅ Re d 2 ρ⋅u⋅d d 2 R2 d2

erhält man durch Vergleich mit Gleichung (8.1) λ = 64 Re . Die laminare Strömung besitzt somit eine Rohrreibungszahl, die nur von der Rey­ nolds-Zahl abhängt. Auf diese Weise kann das Hagen-Poiseuille-Gesetz für laminare Strömungen in die Weisbach-Formel für beliebige Strömungen implementiert werden.

102 | 8 Reibungsbehaftete Rohrströmungen Bemerkung. Ist man an der Reibungskraft im Abstand r0 vom Zentrum mit 0 ≤ r0 ≤ R interessiert, dann kann man dieselbe Rechnung nochmals durchführen. Dabei wird zuerst der Volumenstrom vom Zentrum bis zum Radius r0 bestimmt: r0

r

∆p r 2 ∆p R2 πR2 r2 r4 0 ∫ (1 − ( ) ) 2πr ⋅ dr = − ( ) ⋅ ] [ − V̇ r0 = − ( ) ⋅ ∆x 4η R ∆x 2η 2 4R2 0 0

= −(

πr20

πr2 ∆p ∆p )⋅ (2R2 − r20 ) = − ( ) ⋅ 0 (2R2 − r20 ) . ∆x 8η ∆x 8η

Die mittlere Geschwindigkeit u r0 bezieht sich auf diesen Volumenstrom: u r0 =

V̇ ∆p 1 = −( ) ⋅ (2R2 − r20 ) 2 ∆x 8η πr0

mit

u max = − (

∆p R2 2R2 ur . )⋅ = ∆x 4η (2R2 − r20 ) 0

Die Reibungskraft in einem Abstand r0 vom Zentrum beträgt F r0 = τ(r0 ) ⋅ 2πr0 l. Dabei ist A0 = 2πr0 l wieder die benetzte Fläche. Man erhält F r0 = (

∆pV r0 )⋅ ⋅ 2πr0 l = ∆pV ⋅ πr20 , l 2

was nichts anderes als das Kräftegleichgewicht ∆FR +∆F p = 0 bedeutet. Die Reibungs­ kraft folgt zu 2

F r0 = λ ⋅

l u r0 ρ ⋅ πr20 = 2r0 2

64 ρ⋅ur0 ⋅2r 0 η



l 2 ρu ⋅ πr0 = 8π ⋅ η ⋅ l ⋅ u r0 . 4 r0

Man erhält denselben Ausdruck wie vorhin. Anstelle von u = u R tritt einfach u r0 . Für r0 → R geht die Formel in Gleichung (8.7) über.

8.3 Turbulente Rohrströmungen Turbulente Strömungen sind dadurch gekennzeichnet, dass ihre Reynolds-Zahl grö­ ßer als 2300 ist. Wir wollen, wie bei der laminaren Strömung, das Geschwindigkeits­ profil in einem kreisrunden Rohr mit Radius R bestimmen. Dazu betrachten wir wieder eine Hohlzylinderschicht mit Radius r und Dicke dr. R Der gesamte Volumenfluss beträgt V̇ = ∫0 u(r) ⋅ 2πr ⋅ dr. Messungen zeigen, dass man die Geschwindigkeit u(r) approximieren kann durch 1

u(r) = u max (1 −

r n ) . R

n = n(Re, dk ) ist dabei eine Funktion der Reynolds-Zahl, dem Durchmesser d und der Rauheit k des Rohrs. (Die Herleitung des Geschwindigkeitsfeldes holen wir im 6. Band nach.)

8.3 Turbulente Rohrströmungen

|

103

Es gilt dabei folgende Näherungstabelle: Re

1 ⋅ 105

6 ⋅ 105

1,2 ⋅ 106

2 ⋅ 106

n

7

8

9

10

Der Volumenstrom berechnet sich dann zu R

1

r n V̇ = 2π ⋅ u max ∫ r (1 − ) ⋅ dr . R 0

Mit x =

r R

folgt dr = R ⋅ dx und somit 1 1 V̇ = 2πR2 ⋅ u max ∫ x(1 − x) n ⋅ dx .

0

Partielle Integration liefert 1

1

1

∫ x(1 − x) n ⋅ dx = x 0

n+1 󵄨 n+1 n n 󵄨1 ∫(1 − x) n ⋅ dx ⋅ (1 − x) n 󵄨󵄨󵄨 − 󵄨0 n + 1 n+1

0

1

=−

n+1 2n+1 1 n n2 n n ∫(1 − x) n ⋅ dx = − ⋅ [(1 − x) n ] = 0 n+1 n + 1 2n + 1 (n + 1)(2n + 1)

0

Insgesamt erhalten wir V̇ = 2πR2 ⋅ u max ⋅

n2 (n+1)(2n+1)

und damit u = u max ⋅

2n2 (n+1)(2n+1) .

Beispiel. Durch eine horizontale Stahlrohrleitung von 2 km Länge und 50 cm Durch­ messer fließen pro Minute 80 m3 Wasser von 15 °C. Die Rauheit der Rohrinnenwand beträgt k = 0,1 mm. Die Stoffwerte seien ρ 15°C = 999,10 mkg3 und η15°C = 1138,0 ⋅ 2

10−6 kg⋅m s . Es soll die maximale Geschwindigkeit des Wassers abgeschätzt werden. Es gilt V̇ 80 m u= = = 1,70 . s πR2 60 ⋅ π ⋅ 0,252 Weiter ist ρ ⋅ d ⋅ u 999,10 ⋅ 0,5 ⋅ 1,70 = = 745.222 Re = η 1138,0 ⋅ 10−6 und die Strömung turbulent. Mit Colebrook-White, 1 2 ⋅ 10−4 18,7 = 1,74 − 2 ⋅ log10 ( ) , + 0,5 √λ 745.222√λ erhält man λ = 0,0150. Den Druckverlust findet man mit Weisbach (Gleichung (8.1)) zu lρ u 2 2000 ⋅ 999,10 1,702 ⋅ = 0,015 ⋅ ⋅ = 0,86 bar . ∆pV = λ ⋅ d 2 0,5 2

104 | 8 Reibungsbehaftete Rohrströmungen Da die Reynolds-Zahl 7,45 ⋅ 105 einem Exponenten zwischen n = 8 und n = 9 ent­ spricht, kann man durch lineare Interpolation der Werte (Re = 6 ⋅ 105 /n = 8) und (Re = 1,2 ⋅ 106 /n = 9) etwa n = 16 ⋅ 10−5 ⋅ Re + 7 angeben. Für unsere Reynolds-Zahl erhalten wir dann n = 16 ⋅ 10−5 ⋅ 7,45 ⋅ 105 + 7 ≈ 8,24. Schließlich folgt 1,70 = u max ⋅

2 ⋅ 8,242 (8,24 + 1)(2 ⋅ 8,24 + 1)

und endlich u max ≈ 2,02 ms . Aufgabe Bearbeiten Sie die Übung 15.

Bemerkung. Im Moment begnügen wir uns mit der Angabe dieses Geschwindigkeits­ profils der turbulenten Strömung. Es stellt auch nur eine Näherung dar. Die Erfassung einer turbulenten Strömung in all ihren Aspekten wird auf den 6. Band verschoben.

9 Lineare Wellenthoerie nach Airy Die räumliche und zeitliche Bewegung von Wasserwellen kann man mit Hilfe der li­ nearen oder der nichtlinearen Wellentheorie untersuchen. Im Weiteren soll nur die erste, die Theorie nach Airy besprochen werden. Wasserwellen sind eigentlich Ober­ flächenwellen: Sie entstehen an der Grenzfläche zwischen dem Wasser und der Luft. Jede Oberflächenwelle ist eine Kombination aus transversaler und longitudinaler Wel­ le. Die beschleunigenden oder hemmenden Kräfte sind dabei die Oberflächenspan­ nung und die Gewichtskraft. Bei kleinen Wellenlängen ist die Oberflächenspannung maßgebend, bei großen Wellenlängen überwiegt die Gewichtskraft. Die Form der Wasseroberfläche sei durch eine noch unbekannte Funktion s(x, t) gegeben (Abb. 9.1). Es bezeichnen H : Wassertiefe, λ : Wellenlänge, ω : Kreisfre­ quenz, T : Periodendauer, c : Phasengeschwindigkeit, s(x, t) : Auslenkung der Was­ seroberfläche aus der Nulllage z = 0 und u, w: Geschwindigkeitskomponenten der Wasserteilchen.

Abb. 9.1: Skizze zur Wasseroberflächenform

Für die weitere mathematische Beschreibung setzen wir ein inkompressibles Fluid voraus. Zudem verlaufe die Strömung reibungsfrei. Dann können wir von einer rotati­ onsfreien Strömung ausgehen und das Geschwindigkeitsfeld als Potenzial schreiben: v⃗ = grad ϕ. Unsere Welle sei zudem in y-Richtung weit ausgedehnt. Die Lösung wird bestimmt durch die Euler-Gleichung für die Potententialströmung und die LaplaceGleichung: ρ

∂ϕ 2 ∂ϕ 1 ∂ϕ 2 + ρ [( ) +( ) ] + p + ρgz = 0 , ∂t 2 ∂x ∂z

(9.1)

∂2 ϕ ∂2 ϕ + =0. (9.2) ∂x2 ∂z2 Nehmen wir an, die Auslenkung A sei etwa von derselben Größenordnung wie die Wellenlänge λ und die Tiefe H. In diesem Fall würden die Wasserteilchen während einer Periode große Bahnen beschreiben (Abb. 9.2 links, die genaue Form bestimmen wir später). https://doi.org/10.1515/9783110684520-009

106 | 9 Lineare Wellenthoerie nach Airy

Abb. 9.2: Skizzen zur Auslenkung der Welle und den Bahnlinien der Teilchen

Demnach wären ∂ϕ ∂t

∂ϕ ∂x

=u=

∂x ∂ϕ ∂t , ∂z

=w=

∂z ∂t

und erst recht die Quadrate zu groß,

zu vernachlässigen. um sie gegenüber Ist hingegen A klein gegenüber λ und H, so sind die Bahnlinien klein (Abb. 9.2 ∂ϕ ∂ϕ ∂ϕ ∂ϕ rechts). Damit sind sowohl ∂t als auch ∂x und ∂z klein, so dass die Quadrate ( ∂x )2 ∂ϕ

und ( ∂z )2 nun weniger ins Gewicht fallen. Sie können gegenüber werden. Damit lautet unsere Voraussetzung für alles Weitere: A≪λ

und

∂ϕ ∂t

vernachlässigt

A≪H.

(9.3)

Nun vergleichen wir die Wasseroberfläche während zweier Zustände: dem allgemei­ nen Fall und dem ruhenden Fall, wenn die Geschwindigkeit der Wasserteilchen Null ist und die Gewichtskraft keine Wirkung erzeugt. Man erhält ρ

∂ϕ 1 ∂ϕ 2 ∂ϕ 2 + ρ [( ) +( ) ] + p + ρgs = p ∂t 2 ∂x ∂z

oder

∂ϕ 1 ∂ϕ 2 ∂ϕ 2 + [( ) +( ) ] + gs = 0 . ∂t 2 ∂x ∂z Treffen wir die Voraussetzungen von (9.3), dann verbleibt nur der lineare Term (was der Theorie ihren Namen verleiht) und es ergibt sich ∂ϕ 󵄨󵄨󵄨󵄨 󵄨 + gs = 0 . ∂t 󵄨󵄨󵄨z=s

(9.4)

Potenzial und Stromfunktion Für das Potenzial setzen wir getrennt nach Variablen ϕ(x, z, t) = sin(kx − ωt) ⋅ f(z) an. Der trigonometrische Faktor bezeichnet das Fortschreiten der Welle in x-Richtung, die Veränderung der Wellenhöhe wird durch f(z) beschrieben. Den Ausdruck für ϕ setzen wir in die Laplace-Gleichung (9.2) ein und erhalten −k 2 sin(kx − ωt) ⋅ f(z) + sin(kx − ωt) ⋅

∂2 f = 0 oder ∂z2

− k 2 ⋅ f(z) + f 󸀠󸀠 (z) = 0 .

Mit dem Ansatz f(z) = C ⋅ e mz erhält man Cm2 ⋅ e mz − k 2 ⋅ e mz = 0 󳨐⇒ m2 = k 2 . Daraus ergibt sich m1,2 = ±k und somit f(z) = C1 ⋅ e kz + C2 ⋅ e−kz .

(9.5)

9 Lineare Wellenthoerie nach Airy

|

107

Nun formulieren wir eine Randbedingung für die Geschwindigkeit. In der Tiefe z = −H muss die Geschwindigkeit in z-Richtung der Wasserteilchen zum Erliegen kommen (Wasser soll den Boden nicht durchdringen): w| z=−H =

∂ϕ 󵄨󵄨󵄨󵄨 =0. 󵄨 ∂z 󵄨󵄨󵄨z=−H

(9.6)

Angewandt auf das Potenzial erhält man 󵄨 sin(kx − ωt) ⋅ [kC1 ⋅ e kz − kC2 ⋅ e−kz ]󵄨󵄨󵄨󵄨z=−H = 0 . Da die Bedingung für alle Zeiten gilt, folgt C1 ⋅ e−kH − C2 ⋅ e kH = 0 oder C2 = C1 e−2kH . Eingesetzt in (9.5) ist f(z) = C1 ⋅ e kz + C1 e−2kH ⋅ e−kz = C1 e−kH ⋅ [e kH e kz + e−kH e−kz ] = C[e k(H+z) + e−k(H+z) ] = D ⋅ cosh[k(H + z)] . Damit erhält das Potenzial die Gestalt ϕ(x, z, t) = D ⋅ sin(kx − ωt) ⋅ cosh[k(H + z)] .

(9.7)

Zur Bestimmung der Konstanten D setzen wir (9.7) in (9.4) ein und erhalten eine impli­ zite Gleichung für s(x, t): −Dω ⋅ cos(kx − ωt) ⋅ cosh[k(H + s)] + gs = 0. Diese kann nur durch die getroffene Vorraussetzung (9.3) explizit gelöst werden. Mit A ≪ H ist auch s ≪ H und man kann H + s ≈ H setzen, was zu s(x, t) = D ⋅ ωg ⋅ cosh(kH) ⋅ cos(kx − ωt) führt. Offenbar beschreibt s(x, t) eine Welle mit der Amplitude A = D ⋅ ωg ⋅ cosh(kH). Ag . Insgesamt kann man für das Potenzial Damit lautet die Konstante D = ω⋅cosh(kH) schreiben: ϕ(x, z, t) =

Ag ⋅ sin(kx − ωt) ⋅ cosh[k(H + z)] . ω ⋅ cosh(kH)

Bestimmen der Oberflächenfunktion s(x, t) Benutzen wir Gleichung (9.4) und lösen nach s auf, so erhalten wir s = − 1g ⋅ setzen wir das Potenzial (9.8) ein, was s=−

(9.8)

∂ϕ ∂t .

Nun

1 Ag ⋅ [−ω cos(kx − ωt) ⋅ cosh[k(H + s)]] g ω ⋅ cosh(kH)

ergibt. Mit der Vereinfachung H + s ≈ H folgt s(x, t) = A ⋅ cos(kx − ωt) .

(9.9)

Für kleine Wellenhöhen kann damit die Wellenoberfläche mit einer Kosinusfunktion angenähert werden.

108 | 9 Lineare Wellenthoerie nach Airy

Skizze der Potenzial- und Stromlinien Dazu bestimmen wir ∂ϕ Ag = ⋅ k ⋅ cos(kx − ωt) ⋅ cosh[k(H + z)] . ∂x ω ⋅ cosh(kH) Mit

∂ψ ∂z

=

∂ϕ ∂x

erhält man ψ(x, z, t) =

Ag ⋅ cos(kx − ωt) ⋅ sinh[k(H + z)] . ω ⋅ cosh(kH)

Die Werte H = 1, λ = 1 und t = 0 liefern nacheinander ϕ∗konst Ag = cosh[k(H + z)] , ω ⋅ cosh(kH) ⋅ sin(kx − ωt) ψ∗konst Ag = sinh[k(H + z)] ω ⋅ cosh(kH) ⋅ cos(kx − ωt) und z(λ) =

1 ϕkonst ⋅ arcosh ( )−1, 2π sin(2πx)

z(λ) =

1 ψkonst ⋅ arsinh ( )−1. 2π cos(2πx)

(9.10)

Für eine Skizze wählen wir (Abb. 9.3) ϕkonst = {±0,2, ±0,5, ±1, ±5, ±25, ±75, ±200} , ψkonst = {±0,5, ±2, ±5, ±20, ±75, ±200, ±500}

und

s(x, t) = 0,2 ⋅ cos(2πx) . Unter den Wellenbergen verlaufen die Strömungsgeschwindigkeiten in Richtung der Phasengeschwindigkeit und unter den Tälern stets in Gegenrichtung der Phasenge­ schwindigkeit. Am Verlauf der Stromlinien kann man bekanntlich die Momentange­ schwindigkeiten der Wasserteilchen auf ihren Bahnlinien ablesen.

Abb. 9.3: Graphen von (9.10)

9 Lineare Wellenthoerie nach Airy

109

|

Frequenz der Wellen Für die Berechnung der Frequenz betrachten wir das vollständige Differenzial dz = ∂s dz ∂s dx ∂s ⋅ dx + ∂s ds = ∂x ∂t ⋅ dt oder dt = ∂x ⋅ dt + ∂t . Mit Gleichung (9.3) ist A ≪ λ, somit auch ∂s ∂s s ≪ λ und folglich ∂x ≪ 1. Man erhält als Näherung dz dt ≈ ∂t und unter Verwendung von w =

dz dt

=

∂ϕ ∂z

die Gleichung

∂ϕ ∂z



∂s ∂t

und insbesondere

∂ϕ 󵄨󵄨󵄨󵄨 ∂s . 󵄨󵄨 = 󵄨 ∂z 󵄨z=s ∂t

(9.11)

Die Gleichung besagt, dass es genügt, die Oberflächenfunktion nur nach der Zeit, aber nicht nach dem Ort abzuleiten, um die Vertikalgeschwindigkeitskomponente zu be­ stimmen. Leiten wir Gleichung (9.4) nach der Zeit ab und setzen das Ergebnis (9.11) ein, dann führt dies auf den Zusammenhang ∂2 ϕ ∂ϕ 󵄨󵄨󵄨󵄨 +g⋅ 󵄨 =0. 2 ∂z 󵄨󵄨󵄨z=s ∂t

(9.12)

Angewandt auf das Potenzial von Gleichung (9.8) folgt Ag ω ⋅ cosh(kH) ⋅ [−ω2 sin(kx − ωt) ⋅ cosh[k(H + s)] + gk ⋅ sin(kx − ωt) ⋅ sinh[k(H + s)]] = 0 oder −ω2 ⋅ cosh[k(H + s)] + gk ⋅ sinh[k(H + s)] = 0 . Da die Gleichung auch für dasjenige s im Ruhestand gilt, kann man s = 0 setzen und erhält ω = √gk ⋅ tanh(kH) . (9.13) Mit ω = ck folgt die Phasengeschwindigkeit zu c(H, λ) = √

g ⋅ tanh(kH) . k

(9.14)

Gleichung (9.13) oder (9.14) nennt man die Dispersionseigenschaft der (Airy)-Wasser­ wellen. Sie besagt, dass die Phasengeschwindigkeit eine Funktion der Wellenlänge ist. Eine bekannte Erscheinung dazu ist der Regenbogen. Aus (9.13) folgt zudem, dass bei gegebener Wassertiefe eine Welle mit der Periode ω nur eine Wellenlänge λ annehmen kann. 1. Tiefwasser. Ist die Wellenlänge klein gegenüber der Wassertiefe, also hat man kH = 2π λ ⋅ H ≫ 1 und folglich tanh(kH) ≈ 1 und

c(λ) ≈ √

g √ gλ = . k 2π

λ H

≪ 1, dann

110 | 9 Lineare Wellenthoerie nach Airy Diese Tiefwasserapproximation gilt für Tiefen H ≥ 2λ . Die Phasengeschwindigkeit c ist somit nur von der Wellenlänge abhängig, was bedeutet, dass lange Wellen schneller wandern als kurze. 2. Flachwasser. In diesem Fall ist Hλ ≪ 1, kH = kH. Die Phasengeschwindigkeit ergibt sich zu

2π λ

⋅ H ≪ 1 und folglich tanh(kH) ≈

g c(H) ≈ √ kH = √gH . k

(9.15)

1 zulässig. Im Flachwasser dominiert somit die Tiefe Diese Näherung ist für Hλ ≤ 20 gegenüber der Wellenlänge und es gibt praktisch keine Dispersion. Gleichung (9.14) kann auch über den Energiesatz hergeleitet werden. Bei Tiefwas­ ser beschreiben die Teilchen an der Wasseroberfläche Kreisbahnen mit dem Radius r0 . 2πr 0 c λ Dann ist vBahn = ω⋅r0 = 2π T ⋅r0 = λ mit c = T . Die Geschwindigkeit in einem Wellen­ berg beträgt vBerg = c−vBahn = c−ωr0 , im Wellental hingegen vTal = c+vBahn = c+ωr0 . Die totale kinetische Energie ist dann

1 1 1 ∆m ⋅ v2Tal − ∆m ⋅ v2Berg = ∆m [(c + ωr0 )2 − (c − ωr0 )2 ] 2 2 2 1 = ∆m(2cωr0 + 2cωr0 ) = 2∆mcωr0 . 2

∆EKin =

(9.16)

Dies muss der potenziellen Energie entsprechen: ∆Epot = ∆mg ⋅ 2r0 . Zusammen erhält man 2∆m ⋅ c ⋅ ωr0 = 2∆mg ⋅ r0 und daraus c=

gλ g gλ g = = =√ . ω ck c ⋅ 2π 2π

Dieses Ergebnis gilt, wie auch Gleichung (9.15), für Schwerewellen, also für diejenige Art von Wellen, bei denen die Gewichtskraft die rücktreibende Kraft darstellt. Sind die Wellenlängen klein, etwa < 1 cm, dann spricht man von Kapillarwellen. Oberflächenspannung Bei Kapillarwellen übernimmt die Oberflächenspannung die Rolle der rücktreiben­ den Kraft. Der Begriff ist etwas missverständlich, weil es sich nicht um eine Span­ nung im üblichen Sinn mit der Einheit mN2 handelt, sondern vielmehr um eine Kon­ N stante mit der Einheit m , analog zur Federkonstanten. Soll eine Feder um die Strecke ds ausgelenkt werden, dann ist dafür eine Kraft dF notwendig. Die Federkonstante ist demnach D = dF ds . Will man eine Wasserhaut der Fläche A um die Fläche dA ver­ größern, dann muss die Arbeit dW aufgebracht werden. Die Oberflächenspannung σ p K ⋅A⋅dr F⋅dr lautet dann σ = dW dA = dA = dA . pK heißt Kapillardruck. Gehen wir von einer kleinen (kugelförmigen) Blase aus, dann ist der hydrostati­ sche Druck auf der Unter- und Oberseite gleich groß, also pK = konst. Es folgt σ=

pK ⋅ πr2 ⋅ dr pK ⋅ r = 8πr ⋅ dr 2

und

pK =

N 2⋅σ mit σ [ ] . r m

9 Lineare Wellenthoerie nach Airy

|

111

Mit Voraussetzung (9.3) kann die Kapillarwelle durch eine Kosinusfunktion zu einen beliebigen Zeitpunkt dargestellt werden (9.9): s(x) = B ⋅ cos(kx). An der Oberfläche beschreiben die Teilchen unabhängig von der Wassertiefe Kreisbahnen mit dem Ra­ dius B. Also können wir s(x) = r0 ⋅ cos(kx) ansetzen. Der Krümmungsradius r berech­ net sich gemäß 󵄨󵄨 󵄨󵄨 1 󵄨󵄨 󵄨󵄨 1 1 󵄨󵄨 󵄨 󵄨 󵄨 . r = 󵄨󵄨󵄨 󸀠󸀠 󵄨󵄨󵄨 = 󵄨󵄨󵄨 󵄨= 󵄨󵄨 s (0) 󵄨󵄨 󵄨󵄨 r0 ⋅ k 2 ⋅ cos(0) 󵄨󵄨󵄨 r0 ⋅ k 2 2 Dann gilt für den Kapillardruck pK = 2⋅σ r = 2σr0 ⋅ k . Der Unterschied in der potenzi­ ellen Energie zwischen Berg und Tal ist ∆Epot = Epot,Berg − Epot,Tal = pK ⋅ ∆V = pK ⋅

∆V ∆V = 2σr0 ⋅ k 2 ⋅ . ρ ρ

Dies setzen wir der kinetischen Energie (9.16) gleich und erhalten 2σr0 ⋅ k 2 ⋅ 2 2∆m ⋅ c ⋅ ωr0 oder σkρ = cω. Endlich ergibt sich die Phasengeschwindigkeit zu c=

∆V ρ

=

σk σk 2 =√ . ρω ρ

Unser allgemeines Ergebnis, das sowohl Oberflächenspannung als auch Gewichts­ kraft berücksichtigt, lautet damit c = √(

g σk + ) tanh(kH) k ρ

und

ω = √(gk +

σk 3 ) tanh(kH) . ρ

Die entsprechenden Näherungen für Tief- bzw. Flachwasser sind damit ctief = √

g σk + k ρ

und

ωtief = √gk +

σk 3 ρ

bzw. cflach = √gH +

σk 2 H ρ

und

ωflach = √(gk +

σk 3 ) kH . ρ

Bahnlinien Weil die Strömung instationär ist, unterscheiden sich die weiter oben bestimmten Stromlinien von den Bahnlinien. Nehmen wir an, ein Teilchen befinde sich zur Startzeit am Ort (x0 , y0 ). Wir setzen ̃ ̃ z0 + z(t)) an. Die Ortsver­ die Änderung der Ausgangslage als (x(t), z(t)) = (x0 + x(t), ̃ ̃ ∂ϕ d z(t) ̃ und z(t) ̃ seien jeweils so klein, dass wir d x(t) schiebungen x(t) mit dt ∂x |(x 0 ,z0 ) und dt mit

∂ϕ ∂z |(x 0 ,z0 )

identifizieren können. Wir berechnen

∂ϕ 󵄨󵄨󵄨󵄨 Agk ⋅ cos(kx0 − ωt) ⋅ cosh[k(H + z0 )] = 󵄨󵄨 󵄨 ∂x 󵄨(x0 ,z0 ) ω ⋅ cosh(kH) ∂ϕ 󵄨󵄨󵄨󵄨 Agk = ⋅ sin(kx0 − ωt) ⋅ sinh[k(H + z0 )] . 󵄨 ∂z 󵄨󵄨󵄨(x0 ,z0 ) ω ⋅ cosh(kH)

und

112 | 9 Lineare Wellenthoerie nach Airy

Für den Weg des Teilchens in der Zeit von 0 bis t folgt α

⏞⏞⏞⏞⏞⏞⏞⏞⏞⏞⏞⏞⏞⏞⏞⏞⏞⏞⏞⏞⏞⏞⏞⏞⏞⏞⏞⏞⏞⏞⏞⏞⏞⏞⏞⏞⏞⏞⏞⏞⏞⏞⏞⏞⏞⏞⏞⏞⏞⏞⏞⏞⏞⏞⏞⏞⏞⏞⏞⏞⏞⏞⏞⏞⏞ ∂ϕ Agk ̃ =∫ x(t) dt = 2 ⋅ cosh[k(H + z0 )] ⋅ [− sin(kx0 − ωt) + sin(kx0 )] ∂x ω ⋅ cosh(kH) t

und

0

t

̃ =∫ z(t) 0

∂ϕ Agk dt = 2 ⋅ sinh[k(H + z0 )] ⋅ [cos(kx0 − ωt) − cos(kx0 )] . ∂z ω ⋅ cosh(kH) ⏟⏟⏟⏟⏟⏟⏟⏟⏟⏟⏟⏟⏟⏟⏟⏟⏟⏟⏟⏟⏟⏟⏟⏟⏟⏟⏟⏟⏟⏟⏟⏟⏟⏟⏟⏟⏟⏟⏟⏟⏟⏟⏟⏟⏟⏟⏟⏟⏟⏟⏟⏟⏟⏟⏟⏟⏟⏟⏟⏟⏟⏟⏟ β

Umgeformt ergibt sich 1 ̃ − α ⋅ sin(kx0 )] = − sin(kx0 − ωt) [x(t) α

und

1 ̃ + β ⋅ cos(kx0 )] = cos(kx0 − ωt) [z(t) β und schließlich ̃ + β ⋅ cos(kx0 )]2 ̃ − α ⋅ sin(kx0 )]2 [z(t) [x(t) + =1. α2 β2

(9.17)

Dies ist die Gleichung einer Ellipse mit den Hauptachsen α und β. Da sich die Teilchen somit auf geschlossenen Bahnen bewegen, wird nach dieser Theorie zwar Energie, aber keine Masse transportiert. Ein Massentransport kann nur mit einer nichtlinearen Wellentheorie beschrieben werden. i) Wir betrachten im Speziellen zuerst die Wasseroberfläche. In diesem Fall gilt z0 → 0. a) Bei Tiefwasser ist tanh(kH) ≈ 1, ω2 = gk und folglich α → Agk = A und β → ω2 Agk = A. Die Teilchenbahnen entsprechen somit Kreisen. ω2 b) Bei Flachwasser erhält man aus tanh(kH) ≈ kH, ω2 = gk 2 H im Grenzfall 2 H A α → Agk = kH und β → Agk = A. Die Bahnen beschreiben dann Ellipsen. ω2 ω2 ii) Am Boden ist z0 → −H. Agk A = cosh(kH) und β → 0. a) Bei Tiefwasser ergibt sich α → ω2 ⋅cosh(kH) Agk b) Bei Flachwasser folgt α → ω2 ⋅cosh(kH) = beschreiben in jedem Fall Ellipsen.

A kH⋅cosh(kH)

und β → 0. Die Bahnen

Insgesamt kann man festhalten, dass bei Tiefwasser sich die Teilchenbahnen von Kreisbahnen an der Oberfläche allmählich zu Ellipsen verformen. Im Flachwasser sind die Trajektorien schon ellipsenförmig und flachen mit zunehmender Tiefe weiter ab (Abb. 9.4).

9 Lineare Wellenthoerie nach Airy

|

113

Abb. 9.4: Teilchenbahnen im Tiefwasser, im Übergangsbereich und im Flachwasser

Teilchengeschwindigkeit Dazu betrachten wir die Momentangeschwindigkeit zur Zeit t = 0 am Ort (x, z) und berechnen ∂ψ u= = Dk ⋅ cos(kx) ⋅ cosh[k(H + z)] und ∂z ∂ϕ w= = Dk ⋅ sin(kx) ⋅ sinh[k(H + z)] . (9.18) ∂z Die Geschwindigkeit nimmt mit zunehmender Tiefe ab, weil beide hyperbolische Funktionen monoton sind. Graphisch kann man dies auch aus dem Verlauf der Strom­ linien erkennen. Die größten horizontalen Geschwindigkeiten innerhalb einer Wellenperiode tre­ ten unter den Wellenbergen und -tälern für x = 0 und x = 2λ auf. Sie betragen u 0 (z) = Dk ⋅ cosh[k(H + z)]

bzw.

u λ (z) = −Dk ⋅ cosh[k(H + z)] . 2

Unter dem Wellental sind die Geschwindigkeitskomponenten der Strömung entge­ gen gerichtet, unter dem Wellenberg hingegen in Strömungsrichtung. Interessant ist, dass die größten Geschwindigkeitsänderungen an der Oberfläche vonstattengehen. Das Profil ist konkav. Im Vergleich dazu ist das Geschwindigkeitsprofil einer Gerinn­ eströmung parabolisch und konvex, d. h., gegen die Oberfläche hin ändert sich die Geschwindigkeit kaum (vgl. Kapitel 10.8). Am Boden erhält man dafür u 0 (−H) = Dk und u λ (−H) = −Dk. Auf der Wasser­ 2 oberfläche ergibt sich u 0 (A) = Dk ⋅ cosh[k(H + A)] und u λ (−A) = Dk ⋅ cosh[k(A − H)]. 2 Die horizontalen Geschwindigkeiten an der Oberfläche sind gegenüber allen an­ deren Bahngeschwindigkeiten im Wasser am größten. Aus der Monotonie der Funkti­ on folgt insbesondere |u 0 (A)| > |u λ (−A)|. Durch einen Wellenberg tritt somit eine grö­ 2 ßere Wassermenge als durch ein Wellental. Insbesondere ist auch die Kontinuitätsglei­ chung für jede Höhe z in den Punkten mit x = 0, 4λ , 2λ und 3λ 4 verletzt. Dieser Mangel ist eine Konsequenz der getroffenen Vereinfachungen und lässt sich auch mit Hilfe einer nichtlinearen Wellentheorie nicht beheben. Für x = 4λ und x = 3λ 4 erreichen die verti­ kalen Geschwindigkeitskomponenten ihre größten Werte: w λ (z) = Dk ⋅ sinh[k(H + z)] 4

114 | 9 Lineare Wellenthoerie nach Airy und w 3λ (z) = −Dk ⋅ sinh[k(H + z)]. Diese besitzen an der Oberfläche in Ruhewas­ 4 serspiegelhöhe z = 0 der Welle ihr globales Maximum: w λ (0) = Dk ⋅ sinh(kH) und 4 w 3λ (0) = −Dk ⋅ sinh(kH). 4 Am Boden sind die vertikalen Komponenten durchwegs Null, was der Randbedin­ gung (9.6) entspricht. Druckverteilung Dazu schreiben wir die Bernoulli-Gleichung für einen Zustand 1 in der Tiefe z und einen Zustand 2 auf der Nulllinie z = 0 auf. Wieder vernachlässigen wir die Geschwin­ digkeitsänderungen. ρ⋅

∂ϕ + p(z) + ρgz = 0 + ρg ⋅ 0 = 0 ∂t

󳨐⇒

p(z) = −ρ ⋅

∂ϕ + p(z) − ρgz ∂t

oder p(z) =

ρAg ⋅ cos(kx − ωt) ⋅ cosh[k(H + z)] − ρgz . cosh(kH)

(9.19)

Am Boden gilt p(−H) =

ρAg s(x, t) ⋅ cos(kx − ωt) + ρgH = ρg [H + ] . cosh(kH) cosh(kH)

(9.20)

Daraus folgt, dass die Druckänderungen am Boden phasengleich zu den Bewegun­ gen der Wasseroberfläche erfolgen (Abb. 9.5). Die Gleichung besagt lediglich, dass der ρAg Druck periodisch um den statischen Druck ρgz in der Tiefe z um höchstens cosh(kH) schwankt. Dies gilt für jede Tiefe, somit auch für z = −H. Man kann daraus aber keine Aus­ sage über den absoluten Druck in der Tiefe z gewinnen.

Abb. 9.5: Skizze zu den Druckänderungen am Boden

Zur Lösung des Problems gibt es beispielsweise zwei Möglichkeiten. Man kann den Druck als linearen, quasistatischen in der Form p(x, z, t) = ρg[s(x, t) − z] ansetzen. Für den i) höchsten, ii) auf Wasserspiegelhöhe befindlichen und iii) tiefsten Punkt der Welle lautet der Druck dann i) p(z) = ρg(A − z), ii) p(z) = ρgz bzw. iii) p(z) = ρg(−A − z).

9 Lineare Wellenthoerie nach Airy

|

115

Eine andere, etwas genauere Vorgehensweise beinhaltet alle vorhandenen Randbe­ dingungen, nämlich I.

p|z=0 = ρg ⋅ s(x, t) ,

II.

p|z=s(x,t) = 0

III.

und

am Boden entspricht der Druck p|z=−H = ρg [H +

s(x, t) ] . cosh(kH)

A A Die zugehörigen Höhenänderungen sind i) H + cosh(kH) , ii) H und iii) H − cosh(kH) . Mit Hilfe der drei Randbedingungen können wir eine quadratische Funktion p(z) = az2 + bz + c ansetzen. Es ergibt sich das Gleichungssystem

I.

c = ρgs ,

II.

as2 + bs + ρgs = 0 und

III.

aH 2 − bH + ρgs = [H +

s ] ρg . cosh(kH)

Die zweite Gleichung wird durch s dividiert, nach b aufgelöst und in die dritte Glei­ chung eingesetzt. Dann folgt aH 2 + (as + ρg)H + ρgs = [H +

s ] ρg . cosh(kH)

Aufgelöst ist a = αsρg

mit

α :=

1 1 ⋅( − 1) . H(H + 1) cosh(kH)

Für b hat man b = −as − ρg = −αs2 ρg − ρg. Damit lautet unsere Druckfunktion p(z) = αsρgz2 − αs2 ρgz − ρgz + ρgs = ρg[s − z] ⋅ [1 − αsz]

oder

1 s(x, t) ⋅( − 1) z] . p(z) = ρg[s(x, t) − z] ⋅ [1 − H(H + 1) cosh(kH) Für große Wellenlängen mit k = 2π λ ≈ 0 geht das Ergebnis über in p(z) = ρg[s(x, t)− z]. An den Stellen mit s = 0 stimmt der quadratische mit dem linearen Druckver­ lauf überein (Abb. 9.6). Die gestrichelten Linien weisen auf den linearen bzw. linear fortgesetzten Druckverlauf hin. Die Höhen sind die zum entsprechenden Druckver­ lauf gehörenden Druckhöhen. Wellenenergie Die gesamte Wellenenergie besteht aus einem kinetischen und einem potenziellen An­ teil. Im Volumen dV = dx ⋅ dz ⋅ b sind die Energieanteile dEkin und dEpot gespeichert. Zur Berechnung der Energie im gesamten Volumen integrieren wir sowohl über die Tiefe, als auch über die Wellenlänge und erhalten nach Division durch λ die mittlere

116 | 9 Lineare Wellenthoerie nach Airy

Abb. 9.6: Skizze zum Druckverlauf

Energiedichte E∗ für eine Wellenlänge mit der Einheit Energiedichte bedeutet das E∗kin

N m

λ 0

λ 0

0 −H

0 −H

oder

J . m2

Für die kinetische

1 Ekin 1 ρ = ∫ ∫ (u 2 + w2 ) dz dx . = ∫ ∫ ρ(u 2 + w2 ) dz dx = b λ 2 2λ

(9.21)

Nach Gleichung (9.18) gilt u 2 + w2 = D2 k 2 [cos2 (kx − ωt) ⋅ cosh2 [k(H + z)] + sin2 (kx − ωt) ⋅ sinh2 [k(H + z)]] = D2 k 2 [cos2 (kx − ωt) ⋅ cosh2 [k(H + z)] + sin2 (kx − ωt) ⋅ (cosh2 [k(H + z)] − 1)] = D2 k 2 [cosh2 [k(H + z)] − sin2 (kx − ωt)] . Zuerst führen wir die Integration nach z aus. 0 Dazu muss das Integral ∫−H cosh2 [k(H + z)]dz gelöst werden. Partielle Integration liefert 0

0

1 ∫ cosh [k(H + z)]dz = sinh[k(H + z)] cosh[k(H + z)]|0−H − ∫ sinh2 [k(H + z)]dz , k 2

−H

−H

0

0

2 ∫ cosh2 [k(H + z)]dz = −H

1 sinh(kH) cosh(kH) + ∫ 1 dz k

und

−H

0

∫ cosh2 [k(H + z)]dz = −H

1 [sinh(kH) cosh(kH) + kH] . 2k

(9.22)

Die zusätzliche Integration nach x führt schließlich zu λ 0

∫ ∫ cosh2 [k(H + z)]dz dx = 0 −H

λ [sinh(kH) cosh(kH) + kH] . 2k

(9.23)

9 Lineare Wellenthoerie nach Airy

|

117

λ

Weiter muss das Integral ∫0 sin2 (kx − ωt)dx bestimmt werden. Man erhält λ

λ

1 ∫ sin (kx − ωt)dx = − cos(kx − ωt) sin(kx − ωt)|0λ + ∫ cos2 (kx − ωt)dx , k 2

0

0

λ

λ

2 ∫ sin2 (kx − ωt)dx = −

1 sin [2(kx − ωt)]|0λ + ∫ 1 dx 2k

0

und

0

λ

∫ sin2 (kx − ωt)dx = −

1 λ λ sin [(4π − 2ωt) − sin(−2ωt)] + = . 2k 2 2

0

Die Integration über z ergibt schließlich λ 0

∫ ∫ sin2 (kx − ωt)dz dx = 0 −H

λH . 2

(9.24)

Einsetzen von (9.23) und (9.24) in (9.21) ergibt: E∗kin =

ρ 2 2 λ λH D k ( [sinh(kH) cosh(kH) + kH] − ) . 2λ 2k 2

Den Ausdruck kann man weiter vereinfachen zu E∗kin = =

ρ 2 2 λ D k sinh(kH) cosh(kH) 2λ 2k 1 ρkA2 g2 A2 g2 1 ρ 2 1 sinh(kH) cosh(kH) = k ⋅ ⋅ tanh(kH) = ρgA2 . 2 2k ω2 cosh2 (kH) 4 4 ω2

Für den potenziellen Anteil berechnen wir E∗pot

λ

λ

0

0

1 1 ρg 2 = ∫ s2 dx = A ∫ cos2 (kx − ωt)dx λ 2 2λ =

ρg 2 λ 1 A ⋅ = ρgA2 = E∗kin . 2λ 2 4

Die totale mittlere Energiedichte beträgt somit E∗ =

1 ρgA2 2

und für die gesamte mittlere Energie erhält man E = 12 ρgbA2 .

(9.25)

118 | 9 Lineare Wellenthoerie nach Airy

Energietransport Aufgrund der Wellenbewegung wird eine Druckkraft aufgebaut. Diese verrichtet Ar­ beit der Größe dW an einem senkrecht stehenden Flächenelement dA der Höhe dz und Breite b auf einer Lauflänge dx während der Periodendauer T. Es gilt dW = p ⋅ dA ⋅ dx = p ⋅ b ⋅ dz ⋅ dx. dW ∗ dW ∗ Bezogen auf die Breite b ist dW ∗ = dW b ; dP = dt = b⋅dt wird als Leistungsdichte dx ∗ bezeichnet. Es gilt dP = p ⋅ dz ⋅ dt = p ⋅ u ⋅ dz. Die mittlere Leistungsdichte berechnet sich zu T 0

P∗ =

1 ∫ ∫ pu ⋅ dz dt . T 0 −H

Benutzen wir Gleichung (9.18) und (9.19), so folgt T 0

1 ρgA P = ∫∫[ cos(kx − ωt) cosh[k(H + z)] − ρgz] T cosh(kH) ∗

0 −H

⋅ [Dk cos(kx − ωt) cosh[k(H + z)]] dz dt

und

T 0

A ρgDk { cos2 (kx − ωt) cosh2 [k(H + z)]dz dt P = ∫∫ { T cosh(kH) { 0 −H ∗

T 0

} − ∫ ∫ z ⋅ cos(kx − ωt) cosh[k(H + z)]dz dt} . 0 −H } Zuerst führen wir die Integration nach t aus. Das zweite Integral ziehen wir vor: T

T

∫ z ⋅ cos(kx − ωt) cosh[k(H + z)]dt = z ⋅ cosh[k(H + z)] ∫ cos(kx − ωt)dt . 0

0

Dieses Integral ist Null, denn T

∫ cos(kx − ωt)dt = −

1 1 [sin(kx − ωt)]0T = − [sin(kx − 2π) − sin(kx)] ω ω

0

=−

1 [sin(kx) − sin(kx)] = 0 . ω

Nun bestimmen wir T

T 2

2

2

∫ cos (kx − ωt) cosh [k(H + z)]dt = cosh [k(H + z)] ∫ cos2 (kx − ωt)dt . 0

0

9 Lineare Wellenthoerie nach Airy

|

119

Das auftretende Integral können wir wie bei der Berechnung der Energiedichte mit partieller Integration lösen. Es gilt T

T

∫ cos2 (kx − ωt)dt = −

1 sin(kx − ωt) cos(kx − ωt)|0T + ∫ sin2 (kx − ωt)dt , ω

0

0

T

T

2 ∫ cos2 (kx − ωt)dt = −

1 sin [2(kx − ωt)]|0T + ∫ 1 dx 4ω

0

und

0

T

∫ cos2 (kx − ωt)dt = 0 +

T T = . 2 2

0 0

Es fehlt noch das Integral ∫−H cosh2 [k(H + z)]dz. Dieses beträgt nach Gleichung (9.22) 1 [sinh(kH) cosh(kH) + kH] . 2k Damit erhalten wir insgesamt ρg ADk T 1 ⋅ ⋅ ⋅ [sinh(kH) cosh(kH) + kH] T cosh(kH) 2 2k

P∗ = =

ρg2 A2 4ω ⋅ cosh2 (kH)

[sinh(kH) cosh(kH) + kH] .

Unter Benutzung von sinh(2x) = 2 sinh(x) cosh(x) erhält man P∗ = =

ρg2 A2 sinh(kH) cosh(kH) 1 [ sinh(2kH) + kH] 2 4ω ⋅ cosh2 (kH) ρg2 A2 tanh(kH) 2kH [1 + ] . 4ω sinh(2kH)

Mit Gleichung (9.14) und (9.15) folgt schließlich P∗ =

ρgA2 c 2kH [1 + ] . 4 sinh(2kH)

Ersetzt man im Ausdruck noch die mittlere Energiedichte nach Gleichung (9.25), so ergibt sich c 2kH ] . P∗ = ⋅ E∗ ⋅ [1 + 2 sinh(2kH) Daraus entnehmen wir die Gruppengeschwindigkeit cGr =

c 2kH ⋅ [1 + ] . 2 sinh(2kH)

120 | 9 Lineare Wellenthoerie nach Airy

Sie bezeichnet diejenige Geschwindigkeit, mit der die Energie eines Wellenpakets be­ stehend aus Wellen mit (geringfügig) unterschiedlichen Wellenlängen senkrecht zur Ausbreitungsrichtung übertragen wird. Sie unterscheidet sich offenbar von der Pha­ sengeschwindigkeit c. Der Grund dafür liegt in der Tatsache, dass die Wellenlänge im Allgemeinen kleinen Schwankungen gegenüber einer mittleren Wellenlänge λm im Sinne einer Gaußverteilung unterliegt. Wir leiten die Gruppengeschwindigkeit an­ schließend noch anders her. Zuvor übertragen wir die Ergebnisse auf die beiden Spe­ zialfälle: Für Tiefwasser ist kH ≫ 1 und somit 2kH ≈0. sinh(2kH) Es folgt P∗ = 2c ⋅ E∗ und cGr = 2c . Bei Flachwasser hat man k≪1,

2kH ≈1, sinh(2kH)

P∗ = c ⋅ E∗ und folglich cGr = c. Im Flachwasser wird die Energie mit Phasengeschwindigkeit, im tiefen Wasser nur mit halber Phasengeschwindigkeit transportiert. Im flachen Wasser ist die Welle damit praktisch monochromatisch, d. h. λm = λ. Beispiel 1. Am Boden eines 5 m tiefen Gewässers wird im Intervall von jeweils 2 Se­ kunden der größte Bodendruck von insgesamt 49,1 kPa gemessen. Die Wellenlänge kg beträgt 6 m und die Dichte des Wassers 103 m 3. Als Erstes bestimmen wir daraus unter Verwendung von Gleichung (9.25) die Am­ plitude der Welle. Aus 49,1 kPa = 1000 ⋅ 9,81 ⋅ [5 +

A⋅1 cosh ( 2π 6 ⋅ 5)

]

erhalten wir A = 47,89 cm. 2π 2π π Mit ω = 2π T = 2 = π und k = 6 = 3 wird die Funktion für die Wasseroberfläche bestimmt zu s(x, t) = 0,479 ⋅ cos( 3π x − πt). Beispiel 2. Eine Welle rollt auf eine flach ansteigende Böschung zu (Abb. 9.7 links). Es soll die Änderung der Amplitude untersucht werden. Reibungsverluste wie z. B. die Strömungsstörung durch den Rückfluss sollen ververnachlässigt werden. Für Tiefwasser gilt c2 = gk , im seichten Wasser hingegen c21 = kg1 ⋅ tanh(k 1 H1 ). Damit ist

󳨐⇒

c21 k ω c1 c1 = ⋅ tanh(k 1 H1 ) = ⋅ ⋅ tanh(k 1 H1 ) = ⋅ tanh(k 1 H1 ) 2 k c ω c c 1 c1 = tanh(k 1 H1 ) . c

9 Lineare Wellenthoerie nach Airy

|

121

Unter der gemachten Voraussetzung bleibt die Transportdichte (bei konstanter Brei­ te b) erhalten, so dass wir schreiben können: ρgA2 c ρgA21 c1 2k 1 H1 = ⋅ [1 + ] . 4 4 sinh(2k 1 H1 ) Aufgelöst erhalten wir A21 c [ 1 ] = cosh(k 1 H1 ) ⋅ 2 ⋅ sinh(k 1 H1 ) ⋅ cosh(k 1 H1 ) = ⋅ 2k1 H 1 sinh(k 1 H1 ) 2k 1 H1 + sinh(2k 1 H1 ) A2 c1 1 + sinh(2k1 H1 ) ] [ 2 ⋅ cosh2 (k 1 H1 ) = . 2k 1 H1 + sinh(2k 1 H1 ) Damit ist (Abb. 9.7 rechts) cosh (2π ⋅ Hλ 11 ) cosh(k 1 H1 ) A1 = . = H A 1 H1 ) sinh(4π⋅ λ 1 ) √k 1 H1 + sinh(2k H 1 √ 1 2 2π ⋅ λ 1 + 2

(9.26)

Überwiegt die Tiefe gegenüber der Wellenlänge, so verändert sich die Amplitude kaum. Bei kleiner werdenden Tiefen im Vergleich zur Wellenlänge sinkt die Amplitu­ de zunächst auf ein Minimum mit A1 ≈ 0,2A, um dann immer weiter bis zum Brechen anzusteigen. Dies verdeutlicht das Auftürmen der Welle an der Böschung. Die Be­ 1 dingung für das Brechen einer Welle gab Stokes für Tiefwasser mit Max( 2A λ ) = 7 an. 2A Das Verhältnis λ nennt man die Steilheit der Welle. Wird die Tiefe H des Gewässers 1 H berücksichtigt, so muss die Formel zu Max( 2A λ ) = 7 ⋅ tanh(2π ⋅ λ ) angepasst werden. H 2A Je kleiner das Verhältnis λ , umso tiefer liegt das Maximum λ , das zum Brechen der Welle führt.

Abb. 9.7: Skizze zu Beispiel 2 und Graph von (9.26)

Gruppengeschwindigkeit Bevor wir die allgemeine Herleitung durchführen, soll das Ergebnis zuerst an zwei Wellen mit leicht unterschiedlichen Wellenlängen plausibel gemacht werden. Gege­ ben sei eine Welle sm (x, t) = A ⋅ cos(k m x − ωm t), nennen wir sie Ausgangswelle. Nun

122 | 9 Lineare Wellenthoerie nach Airy

betrachten wir zwei sich in x-Richtung ausbreitende Wellen mit derselben Amplitude, deren Frequenzen ω1 und ω2 und Wellenzahlen k 1 und k 2 sich nur geringfügig von 2 den Mittelwerten ωm und k m unterscheiden. Dann gilt insbesondere ω1 +ω ≈ ωm und 2 k1 +k2 ≈ k . m 2 Nun setzen wir diese beiden neuen Wellen zusammen und erhalten mit Hilfe der Additionstheoreme s(x, t) = A ⋅ cos(k 1 x − ω1 t) + A ⋅ cos(k 2 x − ω2 t) = 2A ⋅ cos ( ≈ 2 ⋅ cos (

ω1 − ω2 k1 + k2 ω1 + ω2 k1 − k2 x− t) ⋅ cos ( x− t) 2 2 2 2

ω1 − ω2 k1 − k2 x− t) ⋅ A ⋅ cos(k m x − ωm t) . 2 2

= B ⋅ A ⋅ cos(k m x − ωm t)

mit

B = 2 ⋅ cos (

k1 − k2 ω1 − ω2 x− t) . 2 2

Aus dieser Darstellung erkennt man, dass die Amplitude der Ausgangswelle gestört oder moduliert wird. Die neue Welle breitet sich mit der sogenannten Gruppenge­ schwindigkeit cGr =

ω1 −ω2 2 k1 −k2 2

=

ω1 − ω2 δω = k1 − k2 δk

aus. Für kleine Differenzen ist dann cGr =

dω . dk

(9.27)

Bevor wir dieses Ergebnis für ein ganzes Wellenpaket zeigen, vergleichen wir (9.27) mit c 2kH 1 g 2kH cGr = ⋅ [1 + ] = √ ⋅ tanh(kH) ⋅ [1 + ] 2 sinh(2kH) 2 k sinh(2kH) (unter Verwendung von (9.14)). Anderseits ist mit Hilfe von (9.13) cGr =

H dω 1 1 ⋅ √tanh(kH) + √k ⋅ ⋅ ) . = √g ( dk 2√k 2√tanh(kH) cosh2 (kH)

Gleichsetzen ergibt √tanh(kH) ⋅ [1 + tanh(kH) ⋅ [1 +

2kH k H , ] = √tanh(kH) + ⋅ sinh(2kH) √tanh(kH) cosh2 (kH) kH 2kH , ] = tanh(kH) + sinh(2kH) cosh2 (kH)

und daraus die Bestätigung der Identität.

kH 2

cosh (kH)

=

kH cosh2 (kH)

9 Lineare Wellenthoerie nach Airy

|

123

Die Gültigkeit von (9.27) soll nun für eine beliebige Welle gezeigt werden. Beweis. Dazu betrachten wir eine beliebige Welle oder Störung. Diese wird aus ver­ schiedenen Frequenzanteilen bestehen, die sich teils auslöschen können. Das bevor­ stehende Integral kann am einfachsten durch eine komplexwertige Wellenfunktion gelöst werden. k0 + ∆k 2

s(x, t) = ∫ A(k) ⋅ e i(kx−ωt) dk . k0 − ∆k 2

Die Amplitudenverteilung A(k) des Wellenpakets ist unbekannt. Man kann dafür ei­ ne Gaußverteilung ansetzen, die Lösung für s(x, t) ist dann selber eine Gaußfunkti­ on. Uns interessiert eh nur die Gruppengeschwindigkeit und dafür benötigen wir A(k) nicht. Wir müssen lediglich fordern, dass sowohl das Frequenz- als auch das Wellen­ zahlintervall klein ist und um einen Wert ω0 bzw. k 0 schwankt: ω0 −

∆ω ∆ω ≤ ω ≤ ω0 + 2 2

und

k0 −

∆k ∆k ≤ k ≤ k0 + . 2 2

(Dabei muss k 0 nicht dem Mittelwert k m entsprechen.) Dann kann man ω(k) um ω(k 0 ) = ω0 entwickeln und erhält ω(k) ≈ ω(k 0 ) + (

dω ) ⋅ (k − k 0 ) + O([k − k 0 ]2 ) . dk k0

Aufgrund der eben gemachten Annahme werden alle höheren Differenzen von (k − k 0 ) vernachlässigt. Beachtet man aus demselben Grund, dass k ≈ k 0 , kann man A(k) ≈ A(k 0 ) setzen, was zu k0 + ∆k 2

s(x, t) = ∫ A(k 0 ) ⋅ e

i(kx−[ω0 +( dω ) ⋅(k−k0 )]t) dk k 0

dk

k0 − ∆k 2

führt. Es ergibt sich nacheinander k0 + ∆k 2

s(x, t) = ∫ A(k 0 ) ⋅ e

i(kx+k0 x−k0 x−ω0 t−( dω ⋅(k−k0 )t) dk ) k 0

dk

k0 − ∆k 2 k0 + ∆k 2

= A(k 0 ) ⋅ e

i(k0 x−ω0 t)

∫ e

i((k−k0 )x−( dω ⋅(k−k0 )t) dk ) k 0

dk

k0 − ∆k 2 k0 + ∆k 2

= A(k 0 ) ⋅ e i(k0 x−ω0 t) ∫ e i(k−k0)z dk k0 − ∆k 2

(9.28)

124 | 9 Lineare Wellenthoerie nach Airy

mit z = x−(

dω ) ⋅t dk k0 k0 + ∆k

= A(k 0 ) ⋅ e

i(k0 x−ω0 t)

2 e iz 2 − e−iz 2 e i(k−k0)z ⋅[ = A(k 0 ) ⋅ e i(k0 x−ω0 t) [ ] ] iz i⋅z k0 − ∆k ∆k

∆k

2

= 2⋅[

e

iz ∆k 2

−iz ∆k 2

−e 2i ⋅ z

] ⋅ A(k 0 )e i(k0 x−ω0 t) = 2 ⋅ [

sin ( ∆k 2 z) z

] ⋅ A(k 0 ) ⋅ e i(k0 x−ω0 t) .

Die Amplitude der neuen Welle beträgt 2A(k 0 ) ⋅ [

sin ( ∆k 2 z) z

]

und deren Geschwindigkeit entnimmt man aus (9.28) zu cGr =

( dω dk ) k ⋅ (k − k 0 ) 0

(k − k 0 )

=(

dω ) . dk k0

Der Ausdruck in der eckigen Klammer erinnert an den Sinus Kardinalis (vgl. 2. Band, Fouriertransformation). Aufgabe Bearbeiten Sie die Übung 16.

10 Gerinneströmungen Unter einem Gerinne versteht man eine Strömung, die allein unter Einfluss der Schwerkraft in einem oben offenen natürlichen Bett, einem künstlich angelegten Kanal oder einer teilweise gefüllten Röhre aufrecht erhalten wird. Dabei werden Rei­ bungsverluste erst in Kapitel 10.6 beachtet. Antriebsdrücke wie bei der Rohrströmung gibt es nicht. Der Hauptunterschied einer Gerinneströmung gegenüber den bisheri­ gen Rohrströmungen mit voll gefülltem Rohr besteht darin, dass der Strömungsverlust veränderlich ist. Beim voll gefüllten Rohr hat eine Geschwindigkeitsänderung eine Druckänderung zur Folge und umgekehrt. Beim Gerinne bedeutet ein Geschwindig­ keitsunterschied zwar ebenfalls einen Druckunterschied, aber dieser ist gleichbedeu­ tend mit einer Änderung des Wasserspiegels. Somit können Druck- und Wasserspiegellinie miteinander identifiziert werden, weil die Wassersäule den (hydrostatischen) Druck hervorruft. Zudem können wir den Luftdruck an beiden Stellen als konstant voraussetzen (Abb. 10.1). So lange die Strö­ mung horizontal verläuft, hat der Luftdruck keinen Einfluss auf das Strömungsverhal­ ten. Der Einfachheit halber legen wir die Bezugshöhe auf Sohlhöhe und identifizieren die Energie mit der spezifischen Energie: hE = h +

v2 = konst. 2g

Ein Teilchen auf der Sohle besitzt nur die potenzielle Energie ∆mgz 1 bzw. ∆mgz2 , aber keine kinetische Energie, denn am Boden ist die Geschwindigkeit Null. Die BernoulliGleichung ergibt in diesem Fall lediglich z1 = z2 . Auf der Wasseroberfläche hinge­ gen erhalten wir die Bernoulli-Gleichung in „voller Form“: ∆mg(z1 + h1 ) + 12 ∆mv21 = ∆mg(z2 +h1 )+ 12 ∆mv22 . (Aufgrund der Reibung zwischen Wasseroberfläche und Umge­ bungsluft, wird die maximale Geschwindigkeit etwas unterhalb der Wasseroberfläche erreicht.) Wir schreiben also v1 und v2 , meinen aber die von der Sohle bis zur Wasser­ oberfläche gemittelten Geschwindigkeiten v1 und v 2 .

Abb. 10.1: Skizze zur Gerinneströmung https://doi.org/10.1515/9783110684520-010

126 | 10 Gerinneströmungen

Bis auf Weiteres betrachten wir dissipationsfreie Strömungen, so dass die Ener­ gielinie parallel zum Boden gezeichnet werden kann und die Pfeile des Geschwindig­ keitsdrucks bis zur Energielinie führen. Der eingezeichnete Verlauf in Abb. 10.1 für den Wasserspiegel stimmt nur, falls nach der abschüssigen Sohle das Wasser aufgestaut wird. Ansonsten müsste der Wasserpiegel fallend skizziert werden. Abbildung 10.2 zeigt die Verringerung bzw. Vergrößerung der Wassertiefen h1 , h2 und h3 bei zunehmender bzw. abnehmender Geschwindigkeit.

Abb. 10.2: Veränderung der Wassertiefe einer Gerinneströmung

10.1 Energielinie und Wasserspiegel bei konstantem Abfluss Betrachten wir ein rechteckiges Flussbett der Breite b. Der Fluss beträgt Q = A ⋅ v = Q b ⋅ h ⋅ v 󳨐⇒ v = bh . Eingesetzt in die Energiegleichung erhalten wir h E (h) = h +

1 Q2 ⋅ 2 2 . 2g b h

(10.1)

Es soll untersucht werden, für welche Tiefe die Energie minimal wird: Man erhält 2 3 Q hGr = √ . gb 2

dh E dh

Diese nennt man Grenztiefe. Die zugehörige Grenzgeschwindigkeit berechnet man mittels vGr = chung wird quadriert, sich nacheinander hGr = √ 3

v2Gr ⋅ h2Gr g

Q2 b2

󳨐⇒

=

v2Gr ⋅ h2Gr , und in den Ausdruck für

h3Gr =

v2Gr ⋅ h2Gr g

󳨐⇒

hGr =

v2Gr g

2

= 1 − gbQ2 h3 .

Q bh Gr .

Die Glei­

hGr eingesetzt. Es ergibt

und

vGr = √g ⋅ hGr .

Die letzte Formel kennen wir bereits. Sie entspricht der Gleichung (9.15) für Flachwas­ ser c = √gH.

10.1 Energielinie und Wasserspiegel bei konstantem Abfluss |

127

Die minimale Energie beträgt h E,min = hGr +

v2Gr g ⋅ hGr = hGr + = 1,5 ⋅ hGr . 2g 2g

Um den Abfluss Q zu gewährleisten, benötigt man die Mindestenergie h E,min . Dazu gehört eine Mindesthöhe hGr und die Mindestgeschwindigkeit vGr . Bei gegebenem Ab­ fluss sind auch höhere Energiezustände möglich. Diese ergeben sich immer paarweise für zwei verschiedene Wassertiefen. Bei einer Tiefe von h > hGr und folglich v < vGr heißt die Fließart strömend und der Zustand unterkritisch. Für h < hGr und folglich v > vGr nennt man die Fließart schießend und den Zustand überkritisch (Abb. 10.3). Der Ausdruck für die Grenztiefe lässt sich auch über den Stützkraftsatz herleiten. Die Stützkraft setzt sich aus der Druckkraft F p und dem Impuls I zusammen. Für die Druckkraft betrachten wir eine Fläche der Breite b und der Höhe dh senkrecht zur Strömungsrichtung. Die Kraft dF p in der Tiefe h beträgt dann dF p = p⋅dA = ρg⋅h⋅dh⋅b. Integriert über die gesamte Höhe erhält man F p = 12 ρgbh2 . Der Impuls lautet I = 2 Q ρQv = ρQ ⋅ bh = ρ Qbh . Zusammen folgt S = Fp + I =

1 ρQ2 ρgbh2 + . 2 bh

Da die Stützkraft entlang der betrachteten Strömung konstant ist, muss die Änderung ρQ2 dS = ρgbh − bh2 . Nullsetzen ergibt eine Wassertiefe von Null sein: dh 3 h=√

Q2 = hGr gb 2

für ein Stützkraftminimum.

Abb. 10.3: Skizze zum Zusammenhang zwischen Energieline und Wassertiefe

128 | 10 Gerinneströmungen

Trennung der Fließarten Dies geschieht über die sogenannte Froude-Zahl. Sie vergleicht die Geschwindigkeit der Strömung mit ihrer Grenzgeschwindigkeit. Fr :=

v v = . vGr √g ⋅ vGr

Es gilt Fr < 1, strömender Abfluss: Der Normalfall bei den meisten natürlichen Flussläufen, Fr = 1, Grenzzustand und Fr > 1, schießender Abfluss: Wildbäche, Wasserfall. Die Art der Strömung lässt sich auch ohne Messung der zwei Größen v und hGr be­ stimmen. Man erzeugt irgendeine Störung der Wasseroberfläche, am einfachsten von oben her, indem man beispielsweise einen Stein ins Wasser wirft (Abb. 10.4). i) Breitet sich die Oberflächenwelle etwa kreisförmig aus, dann hat man es mit ei­ nem stehenden Gewässer zu tun und es ist Fr = 0. ii) Die Welle wandert (auf Kreis- oder Ellipsenbahnen, je nach Wassertiefe) vorwie­ gend stromabwärts, aber auch stromaufwärts. In diesem Fall ist die Strömungs­ geschwindigkeit v kleiner als die Wellengeschwindigkeit vGr und es gilt Fr < 1. iii) Im Grenzfall bewegt sich die Welle (z. B. ellipsenförmig) nur stromabwärts mit v = vGr , Fr = 1. Die Wellenringe berühren sich alle im Punkt der Erregung. iv) Im letzten Fall breitet sich die Welle (z. B. ellipsenförmig) nur stromabwärts aus. Es ist v > vGr , Fr > 1 und die Strömung ist schießend.

Abb. 10.4: Skizzen zu den Fließarten

Veränderung von Wassertiefe und Geschwindigkeit bei einer Sohlschwelle Schwankungen der Sohlhöhe können die Strömungseigenschaften eines Gerinnes verändern (Abb. 10.5) Dasselbe gilt für die Breite des Gerinnes, doch bis auf Weiteres sei diese konstant. Je nach Art der An- und Abströmung der Sohlerhebung lassen sich vier Fälle unter­ scheiden. I. Die Anströmung ist strömend (Abb. 10.6 links). Die Wassertiefe sinkt von h A auf v2 h B , der Betrag von 2g steigt von A󸀠 A auf B󸀠 B (Abb. 10.5). Insgesamt sinkt der Was­ serspiegel und die Abströmung verläuft strömend.

10.1 Energielinie und Wasserspiegel bei konstantem Abfluss |

129

Abb. 10.5: Skizzen zur Schwankung der Sohlhöhe

Abb. 10.6: Skizzen zu den Fällen I. und II. der Sohlhöhenschwankung

II. Der Zulauf ist schießend (Abb. 10.6 rechts). Die Tiefe des Wassers steigt von h C v2 auf h D , der Betrag von 2g sinkt von C󸀠 C auf D󸀠 D (Abb. 10.5). Insgesamt steigt der Wasserspiegel und die Abströmung verläuft schießend. III. Die Anströmung ist strömend (Abb. 10.7 links). An der Bodenwelle wird die Grenz­ v2

v2

tiefe erreicht, h A sinkt auf h E = hGr , 2gA steigt auf 2gE . Die Strömung geht kontinu­ ierlich ohne Reibungsverluste in Schießen über. IV. Der Zulauf ist schießend (Abb. 10.7 rechts). An der Bodenwelle tritt die Grenztiefe v2 v2 ein. h A steigt auf h E = hGr , 2gC sinkt auf 2gE . Die Abströmung geht in Strömen über. Dabei wird ein Teil der Energie dissipiert. Man nennt dies einen Wechselsprung, ähnlich der plötzlichen Änderung des Durchmessers eines Rohrs.

Abb. 10.7: Skizzen zu den Fällen III. und IV. der Sohlhöhenschwankung

Beispiel. Bei einem Rechteckgerinne der Breite b = 10 m und der Tiefe h1 = 3 m wird 3 der Durchfluss Q = 60 ms gemessen. Für die Strömung gilt v1 =

Q 60 m = =2 b ⋅ h1 10 ⋅ 3 s

Somit ist die Fließart strömend.

und Fr =

v1 √g ⋅ h1

=

2 = 0,37 < 1 . √9,81 ⋅ 3

130 | 10 Gerinneströmungen

Abb. 10.8: Skizze zum Beispiel

Das Wasser trifft auf eine Sohlerhebung d (Abb. 10.8). Damit der Fluss Q weiter­ hin konstant bleibt, darf d einen gewissen Wert nicht überschreiten. Die maximale Höhe dmax ergibt sich, wenn im Punkt 2 gerade die Grenztiefe erreicht wird. Es gilt dann Q2 602 3 3 h2 = hGr = √ =√ = 1,54 m und 2 g⋅b 9,81 ⋅ 102 m v2 = vGr = √g ⋅ hGr = √9,81 ⋅ 1,54 = 3,89 . s Die Bernoulli-Gleichung liefert h1 + ist dmax = h1 − hGr +

v 21 2g

= dmax + hGr +

v 2Gr 2g

und für die maximale Höhe

v21 v2Gr 22 3,892 − = 3 − 1,54 + − = 0,89 m . 2g 2g 2 ⋅ 9,81 2 ⋅ 9,81

Die Wasserspiegelhöhe im Punkt 2 beträgt dmax + hGr = 2,43 m < h1 . Für d < dmax verläuft die Abströmung nach Punkt 2 strömend (Fall I.) und für d > dmax schießend (Fall II.) weiter.

Aufgabe Bearbeiten Sie die Übungen 17 und 18.

Wechselsprung Unter einem Wechselsprung versteht man üblicherweise die plötzliche Änderung der Fließart von schießend zu strömend. Der Übergang geht mit einem großen Energie­ höhenverlust einher. Die entstehende Verwirbelung beim Fließartwechsel nennt man auch eine Deckwalze (Abb. 10.9). (Mit Wechselsprung bezeichnet man ebenfalls die sprunghafte Änderung der Wassertiefe wie bei einer plötzlichen Verengung oder Auf­ weitung des Querschnitts. Dies betrachten wir aber nicht.) Beispiele für einen Wech­ selsprung können sein: 1. Wasser staut sich abrupt vor einem hohen Wehr auf, 2. Wasser schießt ein Wehr hinunter und verwirbelt sich am Fuß des Wehrs oder 3. Wasser schießt unter einem (von oben her) geöffneten Schütz hindurch.

10.1 Energielinie und Wasserspiegel bei konstantem Abfluss |

131

Abb. 10.9: Skizze zum Wechselsprung

Zur Berechnung des Energiehöhenverlusts wenden wir den Stützkraftsatz an (2.4). Dabei behandeln wird die (stationäre) Gerinneströmung wie eine Stromröhre. Wir wählen den einen Kontrollpunkt kurz vor und den andern kurz nach dem Wechsel­ sprung. Als Kontrollvolumen nehmen wir einen Quader der Breite b. In der Stützkraftgleichung wird die rücktreibende Kraft K⃗ auf die Sohle und die Seitenwände aufgrund der kleinen Distanz zwischen den Kontrollpunkten vernach­ lässigt. Zudem spielt die Gewichtskraft für die als durchwegs horizontal betrachte­ te Strömung keine Rolle. Es gilt demnach (die Pfeile können weggelassen werden): ρQ(v2 − v1 ) = F p1 − F p2 . Es folgt ρA2 v22 − ρA1 v21 =

1 1 ρgbh21 − ρgbh22 , 2 2 h2 v22 − h1 v21 =

bh2 v22 − bh1 v21 =

1 1 gbh21 − gbh22 2 2

und

1 2 1 2 gh − gh . 2 1 2 2

Aufgelöst nach der Differenz der Höhenquadrate erhält man Kontinuitätsgleichung

h22



h21

2 h1 2 A 1 v 1 =A 2 v 2 ⇒ h 1 v 1 =h 2 v 2 2 = (h2 v22 − h1 v21 ) = (h2 ( v1 ) − h1 v21 ) g g h2

=

2 v2 2 v2 h2 2 2 h21 − h1 ) = ⋅ 1 (h21 − h1 h2 ) = ⋅ 1 1 (h1 − h2 ) . v1 ( g h2 g h2 g h1 h2

Division durch h1 − h2 führt auf h1 + h2 = v2 wasser Fr21 = gh11 folgt h1 + h2 = 2Fr21 ⋅ und schließlich

h22 h21

+

h21 , h2

2 g



v 21 h 21 h1 h2 .

Mit der Froude-Zahl für das Ober­

h2 h1 + 1 = 2Fr21 ⋅ 12 h2 h2

h2 − 2Fr21 = 0 . h1

Dies ist eine quadratische Gleichung für das Wassertiefenverhältnis. Man erhält 2 h2 −1 ± √1 + 8Fr1 1 = ⋅ (√8Fr21 + 1 − 1) . = h1 2 2

(10.2)

132 | 10 Gerinneströmungen

Als Nächstes schreiben wir die Bernoulli-Gleichung unter Berücksichtigung des Hö­ henverlusts in der Höhenform. Dabei wird der kleine geodätische Druckunterschied vernachlässigt: v2 v21 + h1 = 2 + h2 + ∆hV 2g 2g

oder

∆hV = h1 − h2 +

v2 v21 − 2 . 2g 2g

Benutzt man die Kontinuitätsgleichung, dann ergibt sich ∆hV = h1 − h2 + Mit Fr21 =

v 21 gh 1

v21 h2 (1 − 12 ) . 2g h2

erhält man weiter ∆hV = h1 − h2 +

Fr21 h1 h2 (1 − 12 ) . 2 h2

Gleichung (10.2) nach der Froude-Zahl aufgelöst ergibt Fr21 =

2 2h2 1 [( + 1) − 1] . 8 h1

Folglich ist ∆hV = h1 − h2 +

2 h2 h1 2h2 + 1) − 1] ⋅ (1 − 12 ) [( 16 h1 h2

= h1 − h2 +

h2 − h2 h1 (2h2 + h1 )2 − h21 ]⋅( 2 2 1) [ 2 16 h1 h2

= h1 − h2 +

1 [(2h2 + h1 )2 − h21 ] (h22 − h21 ) 16h1 h22

1 [4h22 + 4h1 h2 + h21 − h21 ] (h22 − h21 ) 16h1 h22 1 = h1 − h2 + (h1 + h2 )(h22 − h21 ) 4h1 h2 (h1 + h2 )2 (h2 − h1 )2 − 1] = (h2 − h1 ) ⋅ = (h2 − h1 ) ⋅ [ 4h1 h2 4h1 h2

h1 − h2 +

und endlich ∆hV = Aufgabe Bearbeiten Sie die Übung 19.

(h2 − h1 )3 . 4h1 h2

10.3 Minimaler benetzter Umfang |

133

10.2 Maximaler Abfluss bei konstanter Energie Dazu wird Gleichung (10.1) nach Q aufgelöst. Man erhält Q(h) = √2gb 2 (h E − h)h2 = √2g ⋅ b ⋅ √h E ⋅ h2 − h3 . Weiter ist

dQ 2h E ⋅ h − 3h2 . = √2g ⋅ b ⋅ dh 2√h E ⋅ h2 − h3

Nullsetzen ergibt 2h E − 3h2 = 0 und hGr = 23 h E . Es folgt v2Gr = g ⋅ hGr = 2g 3 h E und v2 daraus 2gGr = 13 h E . Auch in diesem Fall gibt es bei gegebener Energie zwei Wassertiefen, eine mit schießendem (h1 < hGr ) und eine mit strömendem (h1 > hGr ) Abfluss (Abb. 10.10). Verringert man den Abfluss, so führt dies zu einer Abnahme der Wassertiefe im schie­ ßenden und einer Zunahme der Wassertiefe im strömenden Bereich. Den maximalen Abfluss erhält man im Grenzfall. Er beträgt 2 3 4 8 2 2 2 Qmax ( h E ) = √2g ⋅ b √h E ⋅ ( h E ) − ( h E ) = √2g ⋅ b √ h3E = √ g ⋅ h3E ⋅ b . 3 3 3 27 27

Abb. 10.10: Skizze zum maximalen Abfluss bei konstanter Energie

10.3 Minimaler benetzter Umfang Der hydraulische Durchmesser dH wurde im 4. Band als dH = 4 ⋅ UA eingeführt. Dabei bezeichnet U den Umfang der benetzten Fläche und A die Querschnittsflä­ che des Strömungskanals. Für eine vollständig durchströmte Kreisröhre erhält man πr 2 dH = 4 ⋅ 2πr = 2r, also gleich dem Durchmesser der Röhre. Während die Rohrrei­ bungszahl λ ein Maß für den Druckabfall ist und die Rauheit k die Oberflächenbe­ schaffenheit des Kanals erfasst, vereinigt der hydraulische Durchmesser dH in sich die

134 | 10 Gerinneströmungen

Geometrie des Kanals. Für einen möglichst kleinen Reibungsverlust müssen λ und k klein sein. Zusätzlich gilt es, den benetzten Umfang U zu minimieren oder dH zu ma­ ximieren. Die drei Größen λ, k und dH werden in der empirischen Formel von Cole­ brook-White, 1 2k 18,7 = 1,74 − 2 ⋅ log10 ( ) , + dH Re√λ √λ berücksichtigt (Kapitel 8.1). Für einige Kanalformen soll der minimale benetzte Umfang berechnet werden. 1. Rechteckrinne. Der Querschnitt A = bh sei konstant (Abb. 10.11 links). Gesucht ist das Seitenverhältnis des Rechtecks, so dass der benetzte Umfang minimal wird. Es gilt du 2A u(b) = b + 2A b . Weiter ist db = 1 − b 2 . Nullsetzen ergibt A b A =√ = . 2 2 √2A Der Querschnitt besteht aus zwei Quadraten. b = √2A

und

h=

2. Trapezrinne. Wir führen die Steigungen m1 = dh1 und m2 = dh2 der beiden Bö­ schungen ein (Abb. 10.11 mitte). Der konstante Flächeninhalt lautet damit A=(

2c + d1 + d2 2c + m1 h + m2 h 2c + (m1 + m2 )h )h = ( )=h=[ ]h . 2 2 2

Als Nebenbedingung erhalten wir m2 = Der benetzte Umfang ist

2A h2



2c h

− m1 .

U = c + √h2 + d21 + √h2 + d22 = c + √h2 + h2 m21 + √h2 + h2 m22 = c + h√1 + m21 + h√1 + m22 . Einsetzen der Nebenbedingung führt auf die Funktion U(m1 ) = c + h√1 + m21 + h√1 + ( Weiter ist

2 2A 2c − m − . ) 1 h h2

− 2c 2 ( 2A dU 2m1 h − m1 ) h2 =h⋅ −h⋅ . dm1 2 2A 2c 2√1 + m21 √ 2 1 + ( h2 − h − m1 )

Abb. 10.11: Skizzen zur Rechtecks-, Trapez- und Kreisrinne

10.3 Minimaler benetzter Umfang |

135

Die Quadratur nach dem Nullsetzen ergibt m21 [1 + (

2 2 2A 2c 2A 2c − m1 ) ] = (1 + m21 ) ⋅ ( 2 − − m1 ) . − 2 h h h h

− 2c Ausmultiplizieren und Zusammenfassen hinterlässt lediglich m1 = 2A h − m 1 , was h2 A c zu m1 = h2 − h und m2 = m1 führt. Als erstes Zwischenergebnis erhalten wir somit ein gleichschenkliges Trapez. In einem zweiten Schritt soll die Steigung selbst bestimmt werden. Dazu wieder­ holen wir dieselben Rechenschritte. Zusätzlich kann jetzt c ersetzt werden: A=(

2c + 2mh ) h = (c + mh)h 2

Der benetzte Umfang ist U(m1 ) =

A h

󳨐⇒

c=

A − mh . h

− mh + 2h√1 + m2 . Die Ableitung ergibt

dU 2m = −h + 2h ⋅ . dm1 √ 2 1 + m2 Nullsetzen und quadrieren führt auf 1 + m2 = 4m2 und schließlich m = ± √1 . Der 3 Böschungswinkel beträgt damit beidseitig α = 60°. Für das Trapez soll noch die Grenztiefe bestimmt werden. Aus

Q=A⋅v=[

2c + (m1 + m2 )h ]h ⋅ v 2

folgt

v=

2Q . [2c + (m1 + m2 )h]h

Die Energiehöhe lautet hE = h +

v2 2Q2 1 4Q2 =h+ . =h+ ⋅ 2 2 2 2g 2g [2c + (m1 + m2 )h] h g [2ch + (m1 + m2 )h2 ]

Weiter ist 2Q2 2 ⋅ [2ch + (m1 + m2 )h2 ] ⋅ [2c + 2(m1 + m2 )h] dh E =1− ⋅ 4 dh g [2ch + (m1 + m2 )h2 ] =1−

8Q2 c + (m1 + m2 )h ⋅ . 3 gh [2c + (m1 + m2 )h]3

Die Bestimmungsgleichung für die Grenztiefe ist damit [2c + (m1 + m2 )hGr ]3 h3Gr 8Q2 = . c + (m1 + m2 )hGr g Sie kann nur numerisch gelöst werden. 3 Beispielsweise für m1 = m2 = √13 , c = 10 m und Q = 100 ms erhält man hGr = 2,02 m und daraus vGr =

2Q m = 4,43 . [2c + (m1 + m2 )hGr ]hGr s

136 | 10 Gerinneströmungen

3. Kreisrinne. In diesem Fall bestimmen wir den minimalen Zentriwinkel α (Abb. 10.11 rechts). Die Sektorfläche beträgt AS = 12 br = 12 2αr ⋅ r = αr2 und für die Dreicksfäche 2 gilt AD = r sin α ⋅ r cos α = r2 sin(2α). Die Querschnittsfläche des Strömungskanals 2 bestimmt sich zu A = AS − AD = αr2 − r2 sin(2α). Somit erhalten wir als Nebenbedin­ gung r=√

2A . 2α − sin(2α)

Aus dem benetzten Umfang U = 2αr wird dann die Zielfunktion U(α) = 2√2A ⋅

α . √2α − sin(2α)

Weiter ist dU = 2√2A ⋅ dα

√2α − sin(2α) − α ⋅

2−2 cos(2α) 2√2α−sin(2α)

2α − sin(2α)

.

Nullsetzen führt zur Gleichung 2 ⋅ (2α − sin(2α)) = α ⋅ (2 − 2 cos(2α)). Man erhält 2α − 2 sin(2α) = −2α cos(2α) 󳨐⇒

α(1 − sin2 α) − sin(2α) + α = 0

󳨐⇒

α cos2 α − sin α ⋅ cos α = 0

󳨐⇒

󳨐⇒

󳨐⇒

α cos(2α) − sin(2α) + α = 0 2α − 2 sin2 α − 2 sin α ⋅ cos α = 0

cos α(α − sin α) = 0 .

Die erste Lösung ist α = 0 und die zweite α = 2π . Somit besitzt das halb gefüllte Kreis­ rohr den minimalen benetzten Umfang. 2 Für die Grenztiefe lösen wir die Gleichung Q = A ⋅ v = [αr2 − r2 sin(2α)] ⋅ v nach 2Q v auf, v = r2 [2α−sin(2α)] , ersetzen die Höhe h durch r(1 − cos α) und erhalten für die Energiehöhe 2Q2 1 h E (α) = r(1 − cos α) + 4 ⋅ . gr [2α − sin(2α)]2 Weiter ist dh E 2Q2 2 ⋅ [2α − sin(2α)] ⋅ [2 − 2 cos(2α)] = r sin α − 4 ⋅ dα gr [2α − sin(2α)]4 = r sin α −

8Q2 1 − cos(2α) 16Q2 sin2 α ⋅ = r sin α − ⋅ . gr4 [2α − sin(2α)]3 gr4 [2α − sin(2α)]3

Nullsetzen ergibt die Gleichung gr4 sin α Gr = . 16Q2 [2α Gr − sin(2α Gr )]3

10.4 Wehrüberströmungen | 137

3

Beispiel. r = 1 m, Q = 2 ms . Man erhält α Gr = 1,23 󳨐⇒ hGr = r(1− cos α Gr ) = 0,67 m. Daraus folgt auch die Grenzgeschwindigkeit zu vGr =

m 2Q = 2,18 . s r2 [2αGr − sin(2α Gr )]

Aufgabe Bearbeiten Sie die Übung 20.

10.4 Wehrüberströmungen Wehre und Schütze dienen zur kurzfristigen Abflussregulierung eines Gerinnes. Lang­ fristig werden beide Konstruktionen überlaufen. Sofern die Wasserzufuhr nicht ab­ reißt, kann die Tiefe des Oberwassers damit gesteuert werden. Es sollen drei Theorien zur Beschreibung einer Wehrüberströmung vorgestellt werden. Wir beschränken uns auf eine bestimmte Wehrüberströmung: den senkrech­ ten, abgerundeten und vollkommenen Wehrüberfall (Abb. 10.12 links). Dabei soll das Wehr senkrecht zur Anströmung stehen und die Wehrkrone abgerundet, also nicht scharfkantig sein. Ein vollkommener Wehrüberfall bleibt vom Unterwasser unbeein­ flusst: das Wasser staut sich auf dem Weg über das gesamte Wehr nicht. Insbesondere entsteht ein eventueller Wechselsprung frühestens am Fuß des Wehrs.

I. Poleni (1717) und Weisbach (1841) Auf der Wehrkrone geht die Strömung in Schießen über. Die Wasserlinie beginnt sich etwa bei einem Abstand von 3 − 4hGr abzusenken. Man nennt den Höhenunter­ schied hü der Wasserlinie zur Wehrkrone vor dem Absinken die Überfallhöhe. w ist die Wehrhöhe. Die Situation für den Atmosphärendruck im eingezeichneten Kreis (Abb. 10.12 rechts) muss etwas genauer unter die Lupe genommen werden. Im höchsten Punkt A

Abb. 10.12: Skizzen zur Wehrüberströmung

138 | 10 Gerinneströmungen

herrscht Luftdruck. Durch die Strömung entsteht aufgrund des Bernoulli-Effektes Unterdruck, weswegen die Druckpfeile in Gegenrichtung zeigen. Hin zum tiefsten Punkt B steigt der Umgebungsdruck leicht an, um dann wieder etwa auf Luftdruck abzufallen. Vor dem Absenken des Wasserspiegels, in einem Punkt 1, herrscht etwa Luftdruck, falls v0 vernachlässigbar klein ist. Ansonsten steigt der Atmosphärendruck mit wach­ sender Geschwindigkeit an, nicht so stark wie im Punkt 2 oder Punkt 3, da v0,1 < v0,2 < ⋅ ⋅ ⋅ < vGr . Weisbach und früher Poleni fassen die Überströmung als eine Gefäßausströmung mit unendlich vielen Löchern entlang der Höhe hGr auf. Um die Abhängigkeit der Ge­ schwindigkeit mit der Tiefe zu erfassen, vernachlässigt Poleni die Anströmgeschwin­ digkeit v0 und setzt das Profil nach Torricelli als v(z) = √2gz an. Weisbach benutzt die Bernoulli-Gleichung und vergleicht die Drücke in den Punkten 1 und 2 oder auch 1 und 3: v2 patm,1(z=0) v(z)2 patm,2(z) hü + 0 + = hz + + . 2g ρg 2g ρg Nach den eben gemachten Überlegungen kann man im besten Fall patm,1 ≈ patm,2 ≈ p0 setzen und erhält v2 v(z)2 hü + 0 = h z + . (10.3) 2g 2g Das Geschwindigkeitsprofil ergibt sich dann zu v(z) = √2g(hü − z) + v20 . Im Weite­ ren wird das Profil über die Überfallhöhe integriert. Eigentlich müssten die Geschwin­ digkeitsanteile bis zur Sohle berücksichtigt werden. Diese sind aber verhältnismäßig klein (siehe Skizze). Bemerkung. Die Verwendung der Bernoulli-Gleichung ist eigentlich unzulässig. Sie gilt nur entlang einer Strom- oder Bahnlinie. Gleichung (10.3) liegt aber eine „Bahnli­ nie“ zugrunde, die an der Oberfläche startet, und dann auf eine Tiefe z absinkt. Kein Wasserteilchen wird einen solchen Weg über das Wehr nehmen. Zudem bildet sich auf der Wehrkrone ein starrer Wirbel aus (höher gelegene Teilchen bewegen sich schneller als tiefer gelegene). Damit ist die Strömung nicht rotationsfrei und die Bernoulli-Glei­ chung gilt nicht. Weiter bestimmen wir nun die mittlere Geschwindigkeit hü

1 v= ∫ √2g(hü − z) + v20 dz hü 0



3



v2 v2 2 √2g 2 √2g [ = ∫ √hü − z + 0 dz = − ⋅ (hü − z + 0 ) ] hü 2g 3 hü 2g 0 [ ]0 3

3

v2 2 v2 2 2 √2g =− ⋅ ([ 0 ] − [hü + 0 ] ) . 3 hü 2g 2g

10.4 Wehrüberströmungen | 139

Da die Formel schlechte Werte liefert, wird sie mit einem Überfallbeiwert μ versehen und der Fluss beträgt dann 3

3

v2 2 v2 2 2 Q = μAv = μbhü v = √2g ⋅ μ ⋅ b ⋅ ([hü + 0 ] − [ 0 ] ) . 3 2g 2g Ist

v 20 2g

≪ hü , dann wird daraus die nach Poleni benannte Formel Q=

3 2 √2g ⋅ μ ⋅ b ⋅ hü2 . 3

Für abgerundete Wehre schwankt der Beiwert zwischen μ = 0,78 und μ = 0,81. Die Verwendung der Bernoulli-Gleichung ist in diesem Fall also etwa um 20 % falsch. Die Poleni-Formel erhält man auch auf andere Weise. Auf der Wehrkrone bildet sich eine schießende Strömung aus. Wir wenden die Bernoulli-Gleichung (diesmal korrekt) auf die oberste Bahnlinie an (in der Skizze zwischen den Punkten 1 und 3) und finden v2 v2 patm,1 patm,3 hü + 0 + = hGr + Gr + . 2g 2g 2g 2g Für

v 20 2g

≪ hü ist etwa patm,1 ≈ patm,3 ≈ p0 und man erhält hü = hGr +

und daraus

8 3 27 h ü

=

v2Gr g ⋅ hGr 3 3 3 Q2 = hGr + = hGr = ⋅ √ 2g 2g 2 2 gb 2

Q2 . Aufgelöst gb 2

Q=

nach dem Fluss folgt

3 3 2 2 2 1 √ √g ⋅ b ⋅ hü2 = √2g ⋅ ⋅ b ⋅ hü2 . 3 3 3 √3

Es stellt sich ein theoretischer Beiwert von μ =

1 √3

(10.4)

≈ 0,57 ein.

Beispiel. Gegeben ist eine Rechteckrinne der Breite b = 10 m und ein abgerundetes Wehr derselben Breite und der Höhe w = 2 m. Die Überfallhöhe beträgt hü = 0,75 m. v2 Wir nehmen an, dass 2g0 ≪ hü gilt. Gleichung (10.4) liefert Q=

3 2 1 m3 √2g ⋅ ⋅ b ⋅ hü2 = 11,07 . 3 s √3

Als Grenztiefe stellt sich hGr = 23 hü = 0,5 m ein und für die Anströmgeschwindigkeit v2 erhält man v0 = b(hQü +w) = 0,4 ms . Kontrolle: 0,008 = 2g0 ≪ hü = 0,75.

140 | 10 Gerinneströmungen

II. Du Buat (1779) v2

In einem ersten Schritt vernachlässigt auch du Buat 2g0 gegenüber hü . Da der Was­ serspiegel bis zur Krone von hü auf einen Wert αhü absinkt, integriert er das (nach Poleni) angesetzte Geschwindigkeitsprofil v(z) = √2gz von h2ü bis hü . Dabei ist α = 12 ein reiner Schätzwert. Bemerkung. Eigentlich müsste das Profil v(z) = √2g(hü − z) lauten, aber bei der fol­ genden Integration spielt das keine Rolle. hü

v=

3

3 3 hü 1 1 2 1 2 hü 2 ∫ √2gz dz = ⋅ ⋅ √2g [z 2 ] hü = ⋅ ⋅ √2g (hü 2 − [ ] ) . hü hü 3 hü 3 2 2 hü 2

3

Für den Fluss ergibt sich Q = bhü v = 23 √2g ⋅ 0,646 ⋅ b ⋅ hü 2 . Umgestellt nach der Überfallhöhe ist hü = (

3Q 2b ⋅ 0,646 √2g

)

2 3

.

Im zweiten Schritt berücksichtigt du Buat die Fließgeschwindigkeit v0 und damit den kinetischen Energiehöhenanteil in der Bernoulli-Gleichung. Somit beträgt die gesam­ te Höhenenergie H=(

3Q 2b ⋅ 0,646 √2g

)

2 3

und sie setzt sich zusammen aus H = hü +

v20 Q2 . = hü + 2g 2g(hü + w)2 b 2

Insgesamt erhält man (

3Q 2b ⋅ 0,646 √2g

2 3

) = hü +

Q2 . 2g(hü + w)2 b 2

(10.5)

Beispiel. Das überströmte Wehr habe eine Höhe von w = 2 m und dieselbe Breite b = 10 m wie das Rechteckgerinne. Als Überfallhöhe misst man hü = 0,75 m. Die Glei­ 3 3 chung (10.5) liefert Q = 12,66 ms . (Es gibt zwar eine zweite Lösung, Q = 278,32 ms , aber weil in diesem Fall hGr = 4,29 m wäre, geht das nicht). Weiter ist 3 hGr = √

Q2 = 0,55 m , gb 2

vGr = √ghGr = 2,32

m s

und

v0 =

Q m = 0,46 . b(hü + w) s

10.4 Wehrüberströmungen |

141

Zusätzlich bestimmen wir noch die Höhe h2 der Strömung am Fuß des Wehrs. Es gilt w + hGr +

v2Gr v2 = h2 + 2 2g 2g

󳨐⇒

w+

Q2 3 . hGr = h2 + 2 2gh22 b 2

Es folgt 2+

12,662 3 3 12,662 = h2 + ⋅√ 2 2 9,81 ⋅ 10 2 ⋅ 9,81 ⋅ h22 ⋅ 102

und man erhält h2 = 0,18 m und v2 =

Q bh 2

= 7,20 ms .

Aufgabe Bearbeiten Sie die Übung 21.

III. Malcherek (2017) Es soll der Stützkraftsatz auf das eingezeichnete Kontrollvolumen des Wehrs (Abb. 10.13) angewandt werden. Da die Strömung stationär ist, gilt dI dt = 0. Wir nehmen an, dass die Wassermenge mit gleichbleibender Geschwindigkeit ins Kontrollvolumen hineinfließt. Diese Menge ist dann ρQv0 . Aus dem Kontrollvolumen fließt die Men­ ge μρQvü . Obwohl die Wassersäule im Punkt 1 nicht ruht, können wir trotzdem die Druckkraft als rein hydrostatisch ansetzen: F p1 = 12 ρgbh2ü (dies werden wir in Kapi­ tel 10.8 mit Gleichung (10.17) beweisen). Auf der Wehrkrone gibt es keine hemmende Druckkraft auf die Stromröhre F p2 , weil die Strömung nicht mehr horizontal aufrecht erhalten werden muss und in eine vertikale übergeht: F p2 = 0. Bemerkung. Man kann das Kontrollvolumen bis auf den Boden ausdehnen. Als zu­ sätzliche antreibende Druckkraft käme F ∗p1 = 12 bw(ρg(hü + w) + ρghü ) hinzu (Trapez­ fläche). Diese wird aber durch die auf das Wasser wirkende Wehrwand −F ∗p1 aufgeho­ ben.

Abb. 10.13: Skizze zur Anwendung des Stütz­ kraftsatzes auf die Wehrüberströmung

142 | 10 Gerinneströmungen

Übrig bleibt demnach ρQ(v0 − μvü ) +

Q2 μQ2 1 + gbh2ü = 0 . − b(hü + w) bhü 2

1 ρgbh2ü = 0 oder 2

Es folgt nacheinander Q2 (

μ 1 1 − ) = gb 2 h2ü , hü hü + w 2

Q2 ⋅

μ(hü + w) − hü 1 2 2 = gb hü hü (hü + w) 2

und Q = b⋅√

gh3ü (hü + w) 1 ⋅ 2 μ(hü + w) − hü

oder

Q = b⋅√

gh3ü 2 (μ −

hü h ü +w )

. 3

Für unser obiges Beispiel mit w = 2 m, b = 10 m, hü = 0,75 m und Q = 12,66 ms ist μ = 1,56.

10.5 Unterströmung eines Schützes Der gestaute Wasserkanal wird durch Heben des Schützes (Hubschütze) teilweise ent­ leert (Abb. 10.14). Das Wasser fließt dann unter dem Schütz hindurch. Da die Stromli­ nien etwas zusammengeschnürt werden, sinkt die Höhe des Wasserstrahls von a auf δa (vena contracta). Berücksichtigte man die Kontraktion nicht, dann wäre die Strom­ linie im Punkt A unstetig und die Bernoulli-Gleichung für diese „oberste“ Bahn un­ gültig.

Abb. 10.14: Skizze zur Unterströmung eines Schützes

Für die beiden Kontrollpunkte gilt entlang einer beliebigen Stromlinie h0 +

v20 v2 = δa + a 2g 2g

oder

h0 +

Q2 Q2 = δa + . 2gδ2 a2 b 2 2gh20 b 2

Es folgt Q2 1 1 ( 2 2 − 2 ) = h0 − δa , 2 2gb δ a h0

Q2 h20 − δ2 a2 = h0 − δa , 2gb 2 δ2 a2 h20

und somit Q = δah0 b ⋅ √

2g . h0 + δa

Q2 h0 + δa ⋅ =1 2 2gb δ2 a2 h20

10.5 Unterströmung eines Schützes | 143

Die Ausströmgeschwindigkeit v a ergibt sich zu va =

2g h0 Q = h0 √ =√ ⋅ √2gh0 . b ⋅ δa h0 + δa h0 + δa

0 Fasst man √ h0h+δa zu einem Beiwert μ zusammen, dann kann man v a in der TorricelliAusflussform v a = μ √2gh0 schreiben. 3

Beispiel. Gegeben: b = 2 m, h0 = 3 m, Q = 5 ms , δ = 0,9. Wir fragen nach der Hubhöhe a, damit der Fluss Q gewährleistet ist. Mit Q = δah0 b ⋅ √

2g h0 + δa

erhält man a = 0,38 m. Weiter ist Q 5 m va = = = 7,27 = 0,94 ⋅ √2 ⋅ 9,81 ⋅ 3 . b ⋅ δa 2 ⋅ 0,9 ⋅ 0,38 s Der Wert μ = 0,95 ist dabei viel zu hoch. Zusätzlich ist noch v0 =

Q b⋅h 0

=

5 2⋅3

= 0,83 ms .

Für das Schütz soll der Stützkraftsatz (nach Malcherek) formuliert werden (Abb. 10.15). Insbesondere erhalten wir einen theoretisch bestimmten Beiwert μ. Das Kontroll­ volumen muss hier bis zum Boden erstreckt werden. Die Druckkräfte sind dabei we­ sentlich komplizierter als beim Wehr. Wieder gilt für eine stationäre Strömung dI dt = 0. Zuerst geben wir die Massenströme an. Der einfließende beträgt unter Benutzung der Kontinuitätsgleichung ρQv0 = ρAv20 = ρAv20 = ρh0 bv20 = ρh0 b ⋅

a2 v2a h20

= ρa2 b ⋅

a2 v2a h0

und der ausströmende −ρQv a = −ρδabv2a

(vena contracta) .

Abb. 10.15: Skizze zur Anwendung des Stützkraftsatzes auf die Unterströmung des Schützes

144 | 10 Gerinneströmungen

Die Druckkraft F p1 kann wie beim Wehr als hydrostatisch betrachtet werden: F p1 =

1 ρgbh20 . 2

Für die Druckkraft F p2 argumentieren wir wie folgt: Am obersten Punkt des Schützes herrscht Luftdruck. Die potenzielle Energie der Wasserteilchen sinkt mit zunehmen­ der Tiefe z auf dem Weg zur Öffnung, gleichzeitig steigt ihre kinetische Energie entlang dieses Weges. Den größten Druck auf das Schütz können wir als denjenigen „Punkt“ angeben, in welchem die Wasserteilchen „im Mittel“ ihre Richtung hin zum Ausgang ändern. Die Summe aller horizontalen Geschwindigkeitskomponenten ist dann am größten. Auf der Höhe A erzeugt die Strömung einen kleinen Druck, der praktisch wie­ der dem Luftdruck entspricht. Das Druckprofil p(z) auf das Schütz (h0 − a ≤ z ≤ h0 ) v(z)2 entspricht ziemlich genau einer Kurve der Form p(z) ρg = z + 2g (Messungen bestäti­ gen dies). Die zugehörige Druckkraft können wir als Vielfaches des hydrostatischen Drucks einer Wassersäule der Höhe h0 − a ansetzen: 1 F p2 = α ρgb(h0 − a)2 2

mit

1 1 zu beschleunigen.

12.1 Die Hugoniot-Gleichung Die Euler-Gleichung u ⋅ du + wird daraus u ⋅ du + c2 ⋅

dρ =0, ρ

dρ ρ

= 0 schreiben wir als u ⋅ du +

u ⋅ du +

c2 dρ ⋅ = 0 und Ma2 ρ

dρ dρ



dρ ρ

= 0. Mit (11.12)

du dρ = −Ma2 ⋅ . ρ u

2 du dA Dies setzen wir in Gleichung (11.11) ein und erhalten du u + A − Ma ⋅ u = 0 oder 2 dA du A = (Ma − 1) ⋅ u . Dies ist die Hugoniot-Gleichung. Wir untersuchen bei verschiedenen Machzahlen, was beispielsweise eine Zunahme der Geschwindigkeit du > 0 bewirkt. Ma < 1: Damit ist Ma2 −1 < 0. Für du > 0 erfordert dies dA < 0. Der Querschnitt muss sich verringern. Ferner sinken für wachsende Machzahlen sowohl Druck, Dichte und Temperatur. Dies erkennt man auch aus Abb. 12.1. Folglich sinkt auch der Massenstrom (vgl. Abb. 12.2). Ma = 1: Für diesen Wert ist der Querschnitt A am kleinsten und der Massenstrom wird am größten. Ma > 1: Nun ist Ma2 − 1 > 0. Mit du > 0 muss der Querschnitt anwachsen: dA > 0. Dabei verringern sich sowohl Druck, Dichte, Temperatur und der Massen­ strom (vgl. Abb. 11.3 und Abb. 11.4).

Kurz: Zur Beschleunigung und Drucksenkung einer Strömung im Unterschallbereich muss die Querschnittsfläche des Rohrs verringert, im Überschallbereich erweitert wer­ den. ∗ Ziel ist es nun, eine Formel für das Verhältnis AA als Funktion sowohl des Druck­ verhältnisses pp0 als auch der Machzahl anzugeben. Dazu stellen wir noch einige neue Zusammenhänge her. Mit (11.4), (11.13) und den Beziehungen für die kritischen Zu­ standsgrößen ergeben sich die Gleichungen 1

κ−1

√κRs T c T 2 p 2κ = =( ) =( ) , c0 √κRs T0 T0 p0 und ebenfalls

1

1

ρ κ + 1 κ−1 =( . ) ρ∗ 2

Mit der Kontinuitätsgleichung gilt auch ρuA = ρ ∗ u ∗ A∗ = ρ ∗ c∗ A∗ (Ma = ∗ 1 = uc ∗ ). https://doi.org/10.1515/9783110684520-012

1

c0 √κRs T0 T0 2 κ+1 2 = = ( ∗) = ( ) ∗ ∗ c T 2 √κRs T

(12.1) u c

ergibt

172 | 12 Die Laval-Düse

Es folgt A∗ ρu ρ 0 c0 c0 ρ 0 ρ c0 ρu ⋅ = ⋅ ⋅ ⋅ ⋅ Ma . = ∗ ∗ = ∗ ∗ ⋅ A ρ c ρ c ρ0 c0 c∗ ρ∗ ρ0 c0 Wir verrechnen die Gleichung auf zwei verschiedene Arten unter Benutzung von (11.5), (11.18) und (12.1) weiter. Man erhält 1

κ−1

2 p A∗ c0 ρ 0 p κ p 2κ = ∗ ∗( ) ( ) √ [( ) A c ρ p0 p0 κ−1 p0

1.

1

2 p p κ A∗ c0 ρ0 = ∗ ∗√ ( ) √( ) A c ρ κ − 1 p0 p0

κ−1 κ

[(

1

A∗ c0 ρ0 2 p p κ = ∗ ∗√ ( ) √1 − ( ) A c ρ κ − 1 p0 p0

1−κ κ

p ) p0

1−κ κ

− 1]

κ−1 κ

1

A∗ p 2 κ + 1 2(κ−1) p p κ √ ( )=( ) ( ) √1 − ( ) A p0 2 κ − 1 p0 p0 κ+1

− 1]

κ−1 κ

.

(12.2a)

1−κ A∗ c0 ρ0 κ−1 κ − 1 2 −2 = ∗ ∗ (1 + Ma2 ) (1 + Ma ) Ma A c ρ 2 2 1

2.

1

2(1−κ) κ−1 A∗ c0 ρ0 Ma = ∗ ∗ (1 + Ma2 ) A c ρ 2 κ+1

2(1−κ) 2(1−κ) κ−1 2 A∗ (1 + Ma =( ) Ma2 ) A κ+1 2 κ+1

κ+1

κ+1

A∗ 2 + (κ − 1)Ma2 2(1−κ) . (Ma) = Ma ( ) A κ+1 Die Verläufe von

A∗ A

(12.2b)

und der bereits dargestellten Massenstromdichte

sich bis auf einen Faktor. Nun stellen wir system dar. Dazu wird (11.16) zu



p u A p 0 ( umax ) und A

γ̇ γ̇ max

entsprechen

(Ma) im selben Koordinaten­

κ

p u u 2 κ−1 ( ) = [1 − ( ) ] p0 u max u max

(12.3)

umgeformt. Das Problem ist, dass die Achsen verschieden skaliert sind. Deswegen soll u ebenfalls als Funktion von umax angegeben werden. Aus Ma =

2 u u T u u max = = ⋅ ⋅ ⋅√ c u max c u max κ − 1 T0

A∗ A

12.1 Die Hugoniot-Gleichung

| 173

Abb. 12.1: Graphen von (12.3), (12.4) und (12.5)

entsteht unter Benutzung von (11.18) Ma =

2 κ−1 u ⋅ (1 + ⋅ Ma2 ) . ⋅√ u max κ−1 2

Setzen wir nun kurzfristig z := Ma2 = z2 ⋅ [

u umax ,

so erhalten wir

2 κ−1 ⋅ (1 + ⋅ Ma2 )] , κ−1 2

Ma2 (1 − z2 ) =

2 ⋅ z2 κ−1

und

Ma2 = z2 ⋅ (

Ma = √

2 + Ma2 ) , κ−1

2 x . ⋅ κ − 1 √1 − x 2

174 | 12 Die Laval-Düse

Demnach ist κ+1

2(1−κ) A∗ 2 2 u x κ−1 2 x2 )=√ ( ) ( ⋅ + ⋅ ⋅ 2 2 A u max κ − 1 √1 − x κ+1 κ+1 κ−1 1−x κ+1

=√

κ+1

2(1−κ) 2(1−κ) 2 x 1 2 ⋅ ( ) ⋅( ) 2 κ−1 κ+1 √1 − x2 1 − x κ+1

=√

2(1−κ) 2 x 2 ⋅ ⋅( ) 1 κ+1 κ−1 κ+1 2 (1 − x ) 2 + 2(1−κ)

und schließlich 1

2(1−κ) 2 u u 2 κ−1 u 2 A∗ )=√ ⋅ ⋅ (1 − ( ) ) . ( ⋅( ) A u max κ−1 κ+1 u max u max κ+1

(12.4)

In der oberen Skizze von Abb. 12.1 wird zudem A∗ = 1 gesetzt und gezeichnet wird u u ) = 1 + log2 [A ( )] , (12.5) A° ( u max u max u gegen 0 und 1 sehr groß werden. Verglichen mit dem relativen weil die Werte für umax ∗ u Querschnittsverhältnis AA ( umax ), das wir in die untere Skizze von Abb. 12.1 überneh­ u ° men, stellt A ( umax ) den absoluten Querschnitt dar, falls A∗ = 1 gewählt wird. Wieder ist κ = 1,4. Die speziellen eingezeichneten Werte beziehen sich auf das folgende Beispiel.

Beispiel. An einem Druckbehälter, indem sich Luft unter einem Druck p0 und der Temperatur T0 = 25 °C befindet, ist eine Lavaldüse angeschlossen, deren kleinster Querschnitt A∗ = 1 cm2 beträgt. Der Außendruck ist pu = 1 bar. Am Austrittsort soll die Geschwindigkeit Ma = 2 erreicht werden. Die Stoffwerte seien κ = 1,4 und Rs = J 287,2 kgK . Als erstes berechnen wir das Verhältnis der Endgeschwindigkeit und der maximal möglichen: Es gilt Ma2 4 uE 2 4 ) = 2 = ( = 2 u max 5 + 4 9 κ−1 + Ma und folglich

uE umax

= 23 . Die größtmögliche Geschwindigkeit beträgt

u max = √2 ⋅

2 ⋅ 1,4 ⋅ 287,2 ⋅ 298,15 m κ ⋅ Rs ⋅ T0 = √ = 774,21 . κ−1 0,4 s

Demnach erreicht das Gas am Ende der Düse die Geschwindigkeit u E = 23 u max = 516,14 ms . Das Verhältnis von kritischem Querschnitt und demjenigen am Austrittsort berechnet sich mit (12.2) zu κ+1

2,4

A∗ 2 + (κ − 1)Ma2 2(1−κ) 2 + 0,4 ⋅ 4 −0,8 = Ma ( =2⋅( = 0,593 . ) ) AE κ+1 2,4

12.1 Die Hugoniot-Gleichung

| 175

Damit ist AE = 1,6875 cm2 . Weiter folgt das Temperaturverhältnis κ − 1 2 −1 5 TE = (1 + Ma ) = (1 + 0,2 ⋅ 4)−1 = T0 2 9 und daraus die Temperatur am Ende der Düse, TE = 165,64 K. Der herrschende Druck im Behälter wird mit dem Außendruck verglichen: κ

1,4 pu κ − 1 2 1−κ = (1 + Ma ) = (1 + 0,2 ⋅ 4) −0,4 = 0,128 , p0 2

1 bar = 7,82 bar entspricht. Zusätzlich bestimmen was einem Behälterdruck von p0 = 0,128 wir noch die kritischen Größen (im kleinsten Querschnitt A∗ ). Es gilt κ

p∗ = p0 ⋅ (

κ−1 2 = 4,13 bar , ) κ+1

u ∗ = u max √

T ∗ = T0 ⋅

2 = 248,46 K κ+1

und

κ−1 m = 316,07 , κ+1 s

was Ma = 1 entspricht. Schließlich soll noch der Massenstrom ermittelt werden. Dazu benötigen wir die Dichte im Behälter: ρ0 =

p0 7,82 ⋅ 105 kg = = 9,14 3 . Rs ⋅ T0 287,2 ⋅ 298,15 m

Daraus folgt auch noch 1

ρ∗ = ρ0 ⋅ (

κ−1 2 , ) κ+1

ρ ∗ = 5,79

kg . m3

Damit ist ṁ = A∗ ρ ∗ u ∗ = 10−4 ⋅ 5,79 ⋅ 316,07 = 0,18 kg lässt s . Der Massenstrom ∗ sich beispielsweise auch mit Hilfe des bekannten Verhältnisses γγ̇ max = 0,259 (vgl. Abb. 12.2) berechnen: ṁ = A∗ γ∗ = A∗

γ∗ γ∗ ρ 0 u max = A∗ ρ 0 u max = A∗ ⋅ 0,259 ⋅ ρ 0 u max γ̇ max ρ 0 u max

= 10−4 ⋅ 0,259 ⋅ 9,14 ⋅ 774,21 = 0,18

Aufgabe Bearbeiten Sie die Übung 25.

kg . s

176 | 12 Die Laval-Düse

Abb. 12.2: Skizze zur Querschnittszunahme der LavalDüse

Die im Beispiel beschriebene Laval-Düse beschleunigt die Gasströmung auf Über­ schallgeschwindigkeit, und zwar so, dass der Druck pE am Ende der Düse dem Umgebungsdruck pu entspricht: pE = pu . Dies erreicht man durch den passenden Querschnitt AE am Austritt der Düse. Man sagt, dass das Gasdruckverhältnis ppu0 dem ∗

Flächenverhältnis AA E „angepasst“ ist. Sind drei der vier Größen p0 , pu , A∗ und AE ge­ geben, dann ist die vierte bestimmt, sofern der Enddruck pE dem Umgebungsdruck pu entsprechen soll. Damit ist auch gewährleistet, dass die erreichte Geschwindigkeit u E aufrecht erhalten wird. Wird beispielsweise der Druck p0 im Behälter erhöht und werden pu , A∗ sowie AE unverändert belassen, dann ist der Gasdruck am Ende der Düse größer als der Umge­ bungsdruck pE > pu . Es kommt am Austritt zu einer Nachexpansion des Gases. Dies geschieht nicht mehr isentrop. Die hergeleiteten Gleichungen sind dann ungültig. Wird p0 zu klein gewählt, dann ist pE < pu und eine Nachkompression am Ende der Düse ist die Folge. Es kann auch sein, dass ein Verdichtungsstoß des Gases hin bis zum engsten Querschnitt A∗ eintritt, so dass am Düsenende wieder Druckausgleich, pE = pu , herrscht. Die in der oberen der beiden Skizzen mit p1 und A1 bezeichneten Größen be­ ∗ schreiben den Fall, dass ppu0 oberhalb des kritischen Werts pp0 = 0,528 liegt. Es herrscht dann in der gesamten Düse Unterschall. Die Geschwindigkeit steigt bei sinkendem Querschnitt, erreicht zwar im kleinsten Querschnitt höchstens Schallgeschwindigkeit ∗ (je näher ppu0 gegen pp0 gewählt wird), aber bei zunehmendem Querschnitt sinkt die Geschwindigkeit auch wieder auf Ma < 1. Die Düse wirkt in diesem Fall als Diffusor. Beispiel. Ma = 0,5

󳨐⇒

p0 = 1,19 bar 2

󳨐⇒

AE = 1,34 cm

󳨐⇒

TE = 283,95 K

(bei pu = 1 bar) (bei A∗ = 1 cm2 ) (bei T0 = 298,15 K)

m . s Die Strömung könnte man als Venturi-Rohrströmung, 󳨐⇒

u E = 168,95

u=√

2 ⋅ ∆p A2

,

ρ ( A 02 − 1) 1

mit ρ = konst. (vgl. Übung 3) auffassen. Wir überprüfen dies, verwenden die beiden kg kg Dichten 1,230 m 3 bei 10 °C und 1,118 m3 bei 20 °C und bilden den Mittelwert ρ =

12.2 Der senkrechte Verdichtungsstoß

1,174

kg , den m3

| 177

wir in obige Formel einsetzen:

u=√

2 ⋅ 0,19 ⋅ 105 1,174 ⋅

2 ( 1,34 12

− 1)

= 201,70

m . s

Man erkennt, dass der Vergleich mit einer Venturi-Rohre hinkt, da die Dichte eben nicht konstant ist. Für die Praxis ist zu beachten, dass die Zunahme des Querschnitts von A∗ auf AE −A ∗ vorzugsweise einer S-Form wie in Abb. 12.2 folgt. Es gilt tan( α2 ) = A E2l . Dabei sollte der Winkel α < 10° sein, damit sich die Strömung nicht ablöst (vgl. Grenzschichttheo­ rie, 6. Band). Aus dieser Bedingung ergibt sich eine Vorgabe für die Länge der Düse: l = 12 tan( 2α ) ⋅ (AE − A∗ ).

12.2 Der senkrechte Verdichtungsstoß Der Stoß heißt deswegen senkrecht, weil er normal zur Angriffsfläche der Düse erfolgt. Der Verdichtungsstoß ist eine Besonderheit von Überschallströmungen kompressibler Fluide. Wie schon bei der Laval-Düse erwähnt, treten in einem kleinen Bereich, übli­ cherweise von der Größenordnung dx = 10−5 , sprunghafte Änderungen der Zustands­ größen auf. Wärme wird von außen zwar nicht zugeführt, somit bleibt die Strömung adiabatisch. Hingegen führen die auftretenden Strömungsverluste dazu, dass die En­ tropie ansteigt und die Strömung nicht mehr als isentrop betrachtet werden kann. Alle hergeleiteten Isentropengleichungen gelten somit nicht mehr. Da die Lauflänge dx der Verdichtung sehr klein ist, kann man die Querschnittsfläche A als konstant betrach­ ten. Dies ist aber nicht zwingend. Die Zustandsgrößen nach der Verdichtung erhalten ein Dach (Abb. 12.3). Zur Beschreibung muss nun auch die Impulserhaltung beispielsweise in Form des Stützkraftsatzes hinzugezogen werden. Es gilt die Massenerhaltung:

ρ ⋅ u ⋅ A = ρ̂ ⋅ û ⋅ A ,

die Impulserhaltung:

das Gasgesetz:

p ⋅ A + ρ ⋅ A ⋅ u = p̂ ⋅ A + ρ̂ ⋅ A ⋅ u , 1 2 1 u + c p T = û 2 + c p T̂ , 2 2 p = ρ ⋅ Rs ⋅ T , p̂ = ρ̂ ⋅ Rs ⋅ T̂

und die Formel für die spezifische Wärme:

cp =

die Energieerhaltung:

2

κ ⋅ Rs . κ−1

(12.6) ̂2

(12.7) (12.8) (12.9) (12.10)

Insgesamt stehen uns fünf Gleichungen zur Verfügung, um aus den Größen Ma, u, ρ, p, T die entsprechenden Größen nach der Verdichtung ̂ Ma, u,̂ ρ,̂ p,̂ T̂ zu ermitteln.

178 | 12 Die Laval-Düse

Abb. 12.3: Skizze zum Verdichtungsstoß

Bemerkung. Im Fall isentroper Strömung könnte man für die Lösung desselben Pro­ blems die Gleichungen (12.6), (12.8)–(12.10) und eine entsprechende Isentropenglei­ chung verwenden. Zur Herleitung neuer Beziehungen für den Verdichtungsstoß schreibt sich (12.8) mit Hilfe von (12.9) und (12.10) zu 1 2 κ ⋅ Rs κ ⋅ Rs ̂ 1 u + T = û 2 + T, 2 κ−1 2 κ−1 und schließlich

Aus (12.6) wird û = u ⋅

p̂ κ κ 1 2 p 1 u + ⋅ = û 2 + ⋅ 2 κ−1 ρ 2 κ − 1 ρ̂

p̂ κ−1 2 p κ−1 2 u +κ⋅ = û + κ ⋅ . 2 ρ 2 ρ̂ ρ ρ̂

= u ⋅ ε mit ε := ρρ̂ . Eingesetzt in (12.7) folgt nacheinander

p + ρ ⋅ u 2 = p̂ + ρ̂ ⋅ u 2 ⋅ ε2 , ρ̂ p̂ u2 2 2 =1+ p − p ⋅u ⋅ε p ρ ⋅ ρ ρ Der Term κ ⋅

p ρ

(12.11)

und

p̂ =1+ p p̂ =1+ p

ρ 2 ⋅u − p κ ⋅ u2 − κ ⋅ pρ

ρ̂ 2 2 ⋅u ⋅ε , p ρ̂ κ ⋅ ⋅ u 2 ⋅ ε2 . ρ κ ⋅ pρ

wird durch c2 ersetzt: p̂ κ ⋅ u2 κ 1 − ⋅ 2 ⋅ u 2 ε2 . =1+ p ε c c2

Mit Ma =

u c

folgt p̂ = 1 + κ ⋅ Ma2 − κ ⋅ Ma2 ⋅ ε . p

Weiter wird Gleichung (12.11) durch c2 = κ ⋅ 1+

κ − 1 u 2 p̂ ρ κ − 1 û 2 ⋅ 2 = ⋅ + ⋅ 2 2 p ρ̂ 2 c c

p ρ

dividiert und man erhält

und 1 +

p̂ κ−1 κ−1 ⋅ Ma2 = ⋅ ε + ⋅ Ma2 ⋅ ε2 . 2 p 2

Einsetzen von (12.12) führt zu κ−1 κ−1 ⋅ Ma2 = [1 + κ ⋅ Ma2 − κ ⋅ Ma2 ⋅ ε] ⋅ ε + ⋅ Ma2 ⋅ ε2 , 2 2 κ+1 κ−1 1+ ⋅ Ma2 = [1 + κ ⋅ Ma2 ] ⋅ ε + ⋅ Ma2 ⋅ ε2 2 2

1+

(12.12)

12.2 Der senkrechte Verdichtungsstoß

|

179

und der quadratischen Gleichung ε2 −

2 1 + κ−1 1 + κ ⋅ Ma2 2 ⋅ Ma ⋅ ε + =0. 2 2 κ+1 κ+1 2 ⋅ Ma 2 ⋅ Ma

Wir schreiben diese Gleichung nacheinander als ε2 −

2 + 2κ ⋅ Ma2 (κ + 1) ⋅ Ma

2

⋅ε+

κ−1 2 2 ⋅ Ma 2 κ+1 2 ⋅ Ma 2

1+

=0,

2 + (κ − 1) ⋅ Ma −2 2κ ]ε+ − = 0 und 2 κ+1 (κ + 1) ⋅ Ma (κ + 1) ⋅ Ma2 −2 2κ κ−1 2 − + ]ε+[ ]=0. ε2 + [ 2 2 κ + 1 κ +1 (κ + 1) ⋅ Ma (κ + 1) ⋅ Ma ε2 + [

Dies führt auf die Form ε2 + α ⋅ ε + β = 0 mit β = −α − 1 und den Lösungen ε1,2 =

−α ± √α 2 − 4β

=

−α ± √α 2 + 4α + 4 −α ± √(α + 2)2 −α ± √(α + 2)2 = = 2 2 2

2 −α ± |α + 2| . = 2 Die Fallunterscheidung ergibt beide Male dasselbe Ergebnis: i) α + 2 > 0

󳨐⇒

ρ ρ̂

=1 −α ± (α + 2) { −α+α+2 ={ 2 −α−α−2 2 =β { 2

=β −α ± (−α − 2) { −α−α−2 ={ 2 −α+α+2 2 =1. { 2 = 1 bedeutet keinerlei Dichteänderung. Hingegen ist ii) α + 2 < 0

ε=

ε1,2 =

󳨐⇒

ε=

ε1,2 =

κ−1 2 ρ + =β= 2 κ+1 ρ̂ (κ + 1) ⋅ Ma

unser gesuchtes Ergebnis, das wir als ρ̂ (κ + 1) ⋅ Ma2 = ρ 2 + (κ − 1) ⋅ Ma2 schreiben. Aus (12.6) folgt

û u

=

2+(κ−1)⋅Ma2 . Insbesondere (κ+1)⋅Ma2 ∗ ̂∗

ist

û ∗ u∗

(12.13)

=

2+(κ−1) (κ+1)

= 1, also

u =u .

Setzen wir (12.13) in (12.12) ein, so entsteht p̂ 2 κ−1 + = 1 + κ ⋅ Ma2 − κ ⋅ Ma2 ⋅ [ ] p (κ + 1) ⋅ Ma2 κ + 1 =

(κ + 1)(1 + κ ⋅ Ma2 ) − κ [2 + (κ − 1) ⋅ Ma2 ]

κ+1 κ + κ 2 Ma2 + 1 + κMa2 − 2κ − κ 2 Ma2 + κMa2 κ + 1 + 2κMa2 − 2κ = = κ+1 κ+1

(12.14)

180 | 12 Die Laval-Düse

und demnach

p̂ p

2κ = 1 + κ+1 (Ma2 − 1). Mit Hilfe von (11.1) folgt das Temperaturverhältnis

(κ + 1) ⋅ Ma2 p̂ 2κ Rs ⋅ ρ p̂ ρ T̂ = = ⋅ = [1 + (Ma2 − 1)] ⋅ ⋅ T Rs ⋅ ρ̂ p κ+1 ρ̂ p 2 + (κ − 1) ⋅ Ma2 =

[2κ ⋅ Ma2 − (κ − 1)] [2 + (κ − 1) ⋅ Ma2 ] (κ + 1)2 ⋅ Ma2

.

Für die Schallgeschwindigkeiten gilt nach (11.13) √[2κMa2 − (κ − 1)] [2 + (κ − 1)Ma2 ] ĉ √ T̂ = = . c T (κ + 1) ⋅ Ma Schließlich ist ̂ (κ + 1) ⋅ Ma Ma û c 2 + (κ − 1) ⋅ Ma2 ⋅ = ⋅ = 2 Ma u ĉ 2 (κ + 1) ⋅ Ma √[2κMa − (κ − 1)] [2 + (κ − 1)Ma2 ] =

2 + (κ − 1)Ma2 1 √ . Ma 2κMa2 − (κ − 1)

Zum Schluss bestimmen wir noch den Grenzwert der Machzahl nach dem Stoß für Ma → ∞ und Luft (κ = 1,4). 2 κ−1 2 + (κ − 1) = 0,378 . Ma = lim √ Ma =√ lim ̂ Ma→∞ Ma→∞ 2κ 2κ − (κ−1) Ma 2

Das bedeutet, dass in jedem Fall die Geschwindigkeit nach dem Stoß auf Unterschall sinkt. Die übrigen Verhältnisse folgen zu ρ̂ κ + 1 û κ−1 1 = =6, lim = = Ma→∞ ρ Ma→∞ u κ−1 κ+1 6 p̂ ĉ T̂ lim = lim = lim =∞. Ma→∞ p Ma→∞ T Ma→∞ c lim

̂

̂

̂

̂

und

Für eine Skizze der sechs Verhältnisse pp , ρρ , TT , cĉ , uû und Ma Ma sei wiederum κ = 1,4 (Abb. 12.4). Ist die Entropie Null, dann wird die gesamte am Gas verrichtete Arbeit zur Er­ höhung der inneren Energie verwendet. Bei einem Verdichtungsstoß müssen wir mit Wärmeverlusten rechnen, was dS > 0 bedeutet. Die Kombination der beiden Haupt­ sätze der Thermodynamik führt zu T ⋅ dS = dE + p ⋅ dV (vgl. 4. Band oder Kapitel 11.3 dieses Bandes). Die innere Energie schreibt sich bekanntermaßen als dE = c V ⋅ m ⋅ dT p dV dT und zudem ist pV = m⋅Rs ⋅T nach (11.1). Insgesamt folgt dS = dE T + T = c V ⋅m⋅ T +m⋅ Rs ⋅ dV V . Aus der Definition der Masse ρV = m erhalten wir dρ ⋅V + ρ ⋅dV = 0 und daraus dρ dρ p dV dV dE dT V = − ρ . Damit schreibt sich die Entropie als dS = T + T = c V ⋅ m ⋅ T − m ⋅ Rs ⋅ ρ .

12.2 Der senkrechte Verdichtungsstoß

| 181

Abb. 12.4: Graphen der sechs Verhältnisse

Es soll die Änderung der Entropie vor und nach dem Verdichtungsstoß miteinander verglichen werden. Dazu integrieren wir die DGL: Ŝ



ρ̂

S

T

ρ

dT dρ − m ⋅ Rs ⋅ ∫ . ∫ dS = c V ⋅ m ⋅ ∫ T ρ Es folgt nacheinander T̂ ρ̂ Ŝ − S = c V ⋅ m ⋅ ln ( ) − m ⋅ (c p − c V ) ⋅ ln ( ) , T ρ ̂S − S ̂ ̂ T ρ̂ T ρ κ−1 = ln ( ) − (κ − 1) ⋅ ln ( ) = ln [ ⋅ ( ) ] , cV ⋅ m T ρ T ρ̂ κ−1 Ŝ − S 2κ (κ + 1) ⋅ Ma2 2 + (κ − 1) ⋅ Ma2 = ln ([1 + (Ma2 − 1)] ⋅ ⋅ ] ) [ cV ⋅ m κ+1 2 + (κ − 1) ⋅ Ma2 (κ + 1) ⋅ Ma2

und schließlich κ 2κ Ŝ − S 2 + (κ − 1) ⋅ Ma2 = ln ([1 + (Ma2 − 1)] ⋅ [ ] ) . cV ⋅ m κ+1 (κ + 1) ⋅ Ma2 ̂

(12.15)

Für Ma = 1 ist cS−S = 0. Wir folgern, dass bei Unterschallströmung keine Stöße auf­ V ⋅m treten. Zusätzlich kann man bei niedriger Überschallströmung, etwa Ma ≤ 0,3, den Energieverlust vernachlässigen und die Strömung als isentrop betrachten. In Abb. 12.5 ̂ wird noch der Quotient pp00 (12.16) übernommen. Die Bedeutung dieses Verhältnisses klären wir gerade anschließend.

182 | 12 Die Laval-Düse

Abb. 12.5: Graphen von (12.15) und (12.16)

12.3 Änderung der Ruhegrößen beim Verdichtungsstoß Wir haben vorhin bestimmt, wie sich die Zustandsgrößen nach einem Stoß ändern. Die Ruhegrößen vor dem Stoß seien p0 , T0 , ρ 0 und u 0 = 0. Für die Ruhegrößen nach dem Stoß denken wir uns die Strömung isentrop bis zur Ruhe abgebremst, also p̂ 0 , T̂ 0 , ρ̂ 0 und û 0 = 0 (Abb. 12.6).

Abb. 12.6: Skizze zur Änderung der Ruhegrößen beim Verdichtungsstoß

u û Aus dem Energiesatz c p T0 + 20 = c p T̂ 0 + 20 folgt c p T0 = c p T̂ 0 und damit T̂ 0 = T0 . Dann ist aufgrund von c = √κ ⋅ Rs ⋅ T (11.13) auch ĉ 0 = c0 . Da nicht zwischen Ruheund statischer Entropie unterschieden wird, gilt S0 = S, Ŝ 0 = Ŝ und damit 2

2

Ŝ 0 − S0 T̂ 0 ρ 0 κ−1 = ln [ ⋅( ) ] . cV ⋅ m T0 ρ̂ 0

12.4 Das Pitot-Rohr

|

183

Mit T̂ 0 = T0 wird daraus κ Ŝ 0 − S0 ρ 0 κ−1 2κ 2 + (κ − 1) ⋅ Ma2 = ln = ln ([1 + (Ma2 − 1)] ⋅ [ , ] ) ( ) cV ⋅ m κ+1 ρ̂ 0 (κ + 1) ⋅ Ma2

was

κ

1

κ−1 1−κ 2κ (κ + 1) ⋅ Ma2 ρ̂ 0 = [1 + ] (Ma2 − 1)] ⋅ [ ρ0 κ+1 2 + (κ − 1) ⋅ Ma2

(12.16)

ergibt. Abermals mit p0 = ρ 0 ⋅ Rs ⋅ T0 und p̂ 0 = ρ̂ 0 ⋅ Rs ⋅ T̂ 0 (11.1) folgt aufgrund von T̂ 0 = T0 die Identität p̂ 0 ρ̂ 0 = . (12.17) p0 ρ 0 Ruhedruck und Ruhedichte ändern sich damit. Dieses Verhältnis wurde in die vorhe­ rige Skizze übernommen, um etwas Platz zu sparen.

12.4 Das Pitot-Rohr Im Überschallflug kann über ein Pitot-Rohr die Machzahl eines Flugzeugs bestimmt werden. In Abb. 12.7 links ist Ma die Anström-Machzahl, pu und pu0 der Umgebungs- bzw. Ruhedruck. Mit p̂ bezeichnen wir den Stoßdruck unmittelbar hinter der Verdichtungs­ stelle und mit p̂ 0 den zugehörigen Ruhedruck. Das Messinstrument stellt ein Hindernis dar. Demnach tritt vor der Rohröffnung ein Verdichtungsstoß auf. Gemessen werden pu und p̂ 0 (mit û 0 = 0). Der Druck p̂ 0 entspricht in diesem Fall dem Staudruck (wie bei den Potenzialströmungen, wo am betreffenden Ort die Geschwindigkeit ebenfalls Null ist). Unter Verwendung von (11.18) und (12.16) gilt pu pu p0 = ⋅ p̂ 0 p0 p̂ 0 κ

κ

1

κ−1 1−κ 1−κ κ−1 2κ (κ + 1) ⋅ Ma2 ⋅ Ma2 ] ⋅ [1 + (Ma2 − 1)] ⋅ [ = [1 + ] 2 2 κ+1 2 + (κ − 1) ⋅ Ma

κ

κ

1

κ−1 2κ 2 + (κ − 1) ⋅ Ma2 = ([ ] ⋅ [1 + ] ) (Ma2 − 1)] ⋅ [ 2 2 κ+1 2 + (κ − 1) ⋅ Ma (κ + 1) ⋅ Ma

2

2κ 1 = (2 ⋅ [1 + (Ma2 − 1)] ⋅ κ) κ+1 [(κ + 1) ⋅ Ma2 ]

1 κ−1

κ

und schließlich 2 2κ pu [ 1 + κ+1 (Ma − 1) ] = κ+1 2 κ p̂ 0 [ ( 2 ⋅ Ma ) ]

1 κ−1

.

(12.18)

184 | 12 Die Laval-Düse

Abb. 12.7: Skizze zum Pitot-Rohr und Graph von (12.18)

Für Ma = 1 gibt es keinen Verdichtungsstoß. In diesem Fall ist p̂ 0 = p0 und folglich (Abb. 12.7 rechts) pu pu p∗ = = = 0,528 . p0 p̂ 0 p0

12.5 Fiktiver kritischer Querschnitt einer Unterschallströmung Nachdem die Strömung den Verdichtungsstoß erfahren hat, kann sie bis zum Austritt als isentrop betrachtet werden. Der Ort der Verdichtung und der zugehörige Querschnitt bleiben dabei aber unbe­ kannt. Um die bestehenden Formeln einer isentropen Strömung anzuwenden, behan­ delt man diese so, als würde die Strömung bis zum fiktiven Querschnitt  ∗f auf Ma = 1 beschleunigt, um erst anschließend dem Ausgang zuzusteuern (Abb. 12.8).

Abb. 12.8: Skizze zum fiktiven Querschnitt

Die Kontinuitätsgleichung schreibt sich zu ρ ∗ u ∗ A∗ = ρ̂ ∗ û ∗  ∗f . Mit Gleichung (12.14) ∗ ̂∗ wird daraus ρ ∗ A∗ = ρ̂ ∗  ∗f oder  ∗ = ρρ∗ . Da die Strömung nach der Verdichtung isen­ Af

trop verläuft, gilt sowohl die Gleichung κ−1 ρ∗ 2 =( ) ρ0 κ+1 1

als auch

κ−1 2 ρ̂ ∗ =( . ) κ+1 ρ̂ 0 1

(11.19)

12.5 Fiktiver kritischer Querschnitt einer Unterschallströmung

Damit erhält man

| 185

1

κ−1 2 ρ̂ 0 A∗ ρ̂ 0 ( κ+1 ) = = 1 ∗ ρ0 2 Â f ρ 0 ( κ+1 ) κ−1

und schließlich nach (12.16)

A∗ Â ∗ f

=

p̂ 0 p0 .

Mit p0 > p̂ 0 (vgl. Abb. 12.5) ist auch  ∗f > A∗ . Für die kritischen Drücke folgt ∗ p̂ f < p∗ , denn es gilt p̂ ∗ p̂ ∗ p∗ = 0,528 = f > f . p0 p0 p̂ 0 Wir fassen zum Schluss die Änderung der kritischen Zustandsgrößen vor und nach dem Stoß in einer Tabelle zusammen. Vergleich der Zustandsgrößen vor dem Stoß und nach dem Stoß

Vergleich der kritischen Zustandsgrößen vor dem Stoß und der fiktiven, kritischen Zustandsgrößen nach dem Stoß

p < p,̂ p 0 > p̂ 0 ρ < ρ,̂ ρ 0 > ρ̂ 0 T < T ̂ , T 0 = T ̂0 c < c,̂ c 0 = ĉ 0 u > û ̂ Ma > Ma

p̂ ∗f < p ∗ ρ̂ ∗f < ρ ∗ Tf̂ ∗ = T ∗ û ∗ = u ∗ = c ∗ = ĉ ∗ Â ∗f > A∗ ̂ ∗ > Ma∗ Ma f

Damit sind wir in der Lage, den Strömungsverlauf in einer unangepassten Laval-Düse zu beschreiben. Beispiel 1. Wir geben den Ort bzw. den zugehörigen Querschnitt des Verdichtungssto­ ßes an: Avs = 2 cm2 . Weiter ist p0 = 2 bar, A∗ = 1 cm2 und der Austrittsquerschnitt AE = 3,5 cm2 . Gesucht ist der Umgebungsdruck am Austritt pE = pu . ∗ Aus AAvs = 12 folgt die Machzahl mit κ+1

A∗ 2 + (κ − 1)Ma2 2(1−κ) = Ma ( ) Avs κ+1 (12.2) zu Ma = 2,197. Weiter ergibt (12.16) κ

κ−1 1−κ A∗ p̂ 0 2κ (κ + 1) ⋅ Ma2 (Ma2 − 1)] ⋅ [ = = [1 + = 0,629 ] p0 κ+1 2 + (κ − 1) ⋅ Ma2 Â ∗f 1

und daraus  ∗f = 1,589 cm2 , p̂ 0 = 1,259. Schließlich gilt mit (12.2) 1 κ−1 κ+1  ∗f 2 pE κ κ + 1 2(κ−1) pE κ √ ⋅ ( ) √1 − ( ) =( = 0,949 , ) AE 2 κ−1 p̂ 0 p̂ 0

woraus pE = 0,949 ⋅ p0 = 1,194 bar folgt.

186 | 12 Die Laval-Düse

Beispiel 2. Im Unterschied zum ersten Beispiel soll der Druck am Austritt gegeben sein: pE = pu = 1 bar. Die Lage des Verdichtungsstoßes ist hingegen unbekannt. Weiterhin gilt p0 = 2 bar, A∗ = 1 cm2 und AE = 3,5 cm2 . Es entsteht in diesem Fall ein Gleichungssystem mit den beiden Unbekannten  ∗f und p̂ 0 : A∗ p̂ 0 =  ∗ p0

und

f

1 κ−1 κ+1 Â ∗f 2 κ + 1 2(κ−1) pE κ pE κ √ =( ) ⋅ ( ) √1 − ( ) . AE 2 κ−1 p̂ 0 p̂ 0

Die Größe  ∗f wird ersetzt, woraus 1

κ+1

AE ⋅ (

2 κ + 1 2(κ−1) pE pE κ √ ) ⋅ ( ) √1 − ( ) 2 κ−1 p̂ 0 p̂ 0

κ−1 κ

= A∗ ⋅

p0 pE ⋅ p̂ 0 pE

entsteht. Wir setzen zur Abkürzung κ+1

α := AE ⋅ (

2 κ + 1 2(κ−1) √ ) 2 κ−1

und

α :=

pE p̂ 0

und erhalten α ⋅ z κ √1 − z 1

Zudem sei β=

κ−1 κ

= A∗ ⋅ z ⋅

p0 . pE

1 κ−1 A∗ ⋅ p0 = z κ −1 √1 − z κ , α ⋅ pE

was zu z

1−κ κ

√1 − z− 1−κ κ =β

γ √1 − z−γ = β, √z2γ − z γ = β und führt. Setzen wir noch γ = 1−κ κ , so ergibt dies z 2γ γ 2 schließlich z − z − β = 0. Mit Hilfe einer letzten Substitution, z = u γ , folgt die Lösung zu

u 1,2 =

1 ± √1 + 4β 2 2

oder pE ( ) p̂ 0

1−κ κ

1 A∗ ⋅ p0 2 ] = [1 + √ 1 + 4 ( ) , 2 α ⋅ pE ] [

1 A∗ ⋅ p0 2 ] pE = ( [1 + √1 + 4 ( ) ) 2 α ⋅ pE p̂ 0 ] [

und schließlich 1[ [ p̂ 0 = pE ( [1 + √1 + 4 ( 2[ [

κ 1−κ

2

A∗ ⋅ p0 ( κ+1 2 )

κ+1 2(κ−1)

2 √ κ−1 ⋅ AE ⋅ pE

] ] ) ]) ] ]

= 1,077 bar .

κ 1−κ

12.5 Fiktiver kritischer Querschnitt einer Unterschallströmung

Letztlich folgt aus κ

1

κ−1 1−κ p̂ 0 2κ (κ + 1) ⋅ Ma2 (Ma2 − 1)] ⋅ [ = [1 + ] = 0,538 2 p0 κ+1 2 + (κ − 1) ⋅ Ma

die Machzahl Ma = 2,404 und aus κ+1

2 + (κ − 1)Ma2 2(1−κ) A∗ = Ma ( = 0,415 ) Avs κ+1 der Verdichtungsquerschnitt Avs = 2,412 cm2 .

| 187

Übungen 1.

kg In einem Spritzrohr befindet sich Benzin (Dichte ρ = 780 m 3 ) und darunter ein Gas unter einem Überdruck von ∆p = 4 bar (Abb. 9 links). Die Höhe der Flüssigkeits­ säule beträgt H = 0,2 m. Der Durchmesser am Ende des Rohrs ist d2 = 10 mm. Der Durchmesser in der Grenzschicht zwischen Gas und Benzin beträgt d1 = 10 mm. Leiten Sie zuerst einen Ausdruck für die Geschwindigkeit v2 her und berechnen Sie dann den Wert von v2 .

2.

Am 20.9.1911 kollidierte der Kreuzer RMS Hawke mit dem transatlantischen Oze­ anriesen RMS Olympic in einem Seitenarm des Ärmelkanals, als die Schiffe in derselben Richtung fahrend, lediglich einen Abstand von 100 m zueinander be­ saßen. Der Kreuzer muss in den Sog des größeren Schiffs geraten sein, als jener eine Wendung nach Steuerbord vollzog. Zeigen Sie, dass der Bernoulli-Effekt eine mögliche Erklärung für das Unglück liefert (Abb. 9 rechts). va,1 und va,2 seien die Geschwindigkeiten des Wassers an der jeweils abgewandten Schiffseite. vi ist die Geschwindigkeit des Wassers zwischen den Schiffen. Nach dem Gesetz von Ber­ noulli ist vi > va,1 und vi > va,2 . Zeigen Sie, dass dann pa,1 > pi,1 bzw. pa,2 > pi,2 folgt und damit die Schiffe sich zwangsweise „anziehen“ mussten.

Abb. 9: Skizze zu den Übungen 1 und 2

3.

Das Venturi-Rohr dient der Messung von Volumenströmen von Flüssigkeiten und Gasen (Abb. 10 links). Dabei wird eine Verengung eingebaut und die Druckdif­ ferenz gegenüber dem unverengten Rohr gemessen. Nehmen wir einen Wasser­ strom mit ρ = 1000 mkg3 . Die Rohrdurchmesser betragen d1 = 8 cm und d2 = 6 cm. An einem Quecksilbermanometer wird ein Druckunterschied von ∆p = 500 Torr gemessen. Bestimmen Sie den Volumenstrom V.̇

4.

Ein Gefäß mit dem Durchmesser 40 cm ist bis zu einer Höhe H = 1 m mit Wasser gefüllt (Abb. 10 rechts). Es wird am Boden über ein Rohr mit dem Durchmesser 10 cm entleert. Gleichzeitig werden dem Tank 6 Liter pro Sekunde zugeführt. a) Wie lautet die Gleichung für die Füllstandshöhe h(t)? b) Wann und bei welcher Höhe h(t) wird der Tiefststand erreicht? c) Wann entspricht der Füllstand der ursprünglichen Höhe? d) Wieviel Liter pro Sekunde dürfte man höchstens einfüllen, damit der Tank sich bis zu einer Füllhöhe von 1 cm entleert?

https://doi.org/10.1515/9783110684520-013

190 | Übungen

Abb. 10: Skizze zu den Übungen 3 und 4

5.

In der besprochenen Heberleitung wird das Wasser des Behälters bei konstant bleibender Füllhöhe H über eine Röhre der Länge l abgeleitet (Abb. 11 links). Im Punkt D ist der Druck innerhalb der Röhre minimal. a) Welche Bedingung muss HR erfüllen, damit der Wasserfluss im Punkt D nicht abreißt? Beantworten Sie die Frage für den Fall i) t = 0 und ii) t → ∞. b) Welche Bedingung aus a) ist stärker, i) oder ii)?

6.

Ein Rohrkrümmer mit überall gleichem Querschnitt A hat die Form eines Viertel­ torus (Abb. 11 rechts). Wasser strömt horizontal in die Röhre und vertikal aus der Röhre. a) Bestimmen Sie die auf die Rohrwand wirkenden Komponenten K x und K z der Mantelkraft für diesen Fall. kg m3 b) Es sei A = 0,12 m2 , ρ = 103 m 3 , p 2 = 50 kPa, Q = 0,12 s und l = 1 m. Bestimmen Sie die Beträge von K x und K z und die daraus enstehende Mantelkraft K auf den Krümmer.

Abb. 11: Skizze zu den Übungen 5 und 6

7.

Ein Fluid der Dichte ρ fließe mit der Geschwindigkeit von v1 durch ein Rohr. a) Welchem Druckverlust entspricht eine plötzliche Erweiterung des Durchmes­ sers um die Hälfte ausgedrückt mit ρ und v1 (Verlustziffer ξ = 1)? b) Wie groß ist die zugehörige Druckänderung ∆p = p2 − p1 ausgedrückt mit ρ und v1 ?

Übungen |

191

Abb. 12: Skizze zur Übung 8

8. Ein Fluid erfährt an einer Stelle eine plötzliche Verengung (Abb. 12). Die Stromfä­ den ziehen sich bis zu einem kleinsten Querschnitt A3 zusammen, um sich dann in einiger Entfernung wieder an die Rohrwand anzulegen. Der Druckverlust bei der Einschnürung ist gering. Erheblicher ist der Verlust bei erneuter Erweiterung. Diesen Vorgang kann man in der Borda-Carnot-Form ∆pV = 12 ρ(v3 −v2 ) darstellen. a) Benutzen Sie μ = AA 32 für das Verhältnis des Kontraktionsquerschnitts zum kleineren Rohrquerschnitt und drücken Sie ∆pV mit ρ, A1 , A2 und v1 aus unter Verwendung der Kontinuitätsgleichung und der Näherungsformel von Weisbach: μ = 0,63 + 0,37( AA 21 )3 . Wieder sei der Einfachheit halber die Verlustziffer ξ = 1. b) Nehmen Sie wie in der vorhergehenden Aufgabe dd12 = 1,5 und drücken Sie ∆pV mit ρ und v1 aus. Vergleichen Sie das Ergebnis mit Übung 7. 9.

Gegeben ist die Funktion ψ(x, y) = x + 2xy + y. a) Zeigen Sie, dass ψ eine Stromfunktion definiert. b) Bestimmen Sie das zugehörige Potenzial, falls es existiert. c) Skizzieren Sie einige Strom- und Potenzialfunktionen. Welche Strömung wird durch ψ beschrieben?

10. Gleiche Fragestellung wie bei 9. für die Funktion ψ(x, y) = √√x2 + y2 − x. 11. Es soll die Umströmung eines mit v∞ = 1 ms angeströmten ovalen Körpers, wie in Kapitel 5.4 beschrieben, simuliert werden. Wie müssen die Größen a und Q gewählt werden, damit der Körper gleich lang wie breit wird? 12. In Kapitel 6 wird eine Übersicht über die Keilströmungen gegeben. Bestimmen Sie die Stromfunktion in kartesischen Koordinaten der sechs genannten Polarformen. 13. Geben Sie die räumliche Staupunktströmung in Kugelkoordinaten an. 14. Eine horizontale Wasserleitung mit dem Durchmesser 0,1 m verläuft durch einen Erdhügel (Abb. 13). Da die Druckmessungen in den Punkten 1 bis 4 nicht gleich­ mäßig abnehmen, vermutet man ein Leck zwischen den Punkten 2 und 3. Nehmen 2 Sie ρ = 1000 mkg3 und ν = 10−6 ms . a) Bestimmen Sie die mittlere Strömungsgeschwindigkeiten u 12 und u 34 in den entsprechenden Abschnitten. Verwenden Sie für den Druckverlust den An­ 2 satz von Darcy-Weisbach ∆pkonst = λ dl ρ u2 und die Formel von Colebrook) (k = 0). White √1 = 1,74 − 2 ⋅ log10 ( 18,7 √ λ

Re λ

192 | Übungen

Abb. 13: Skizze zur Übung 14

b) Bestimmen Sie den Volumenstrom für den Wasserverlust an der Leckstelle. c) An welcher Stelle befindet sich das Leck? 15. Durch eine horizontale Leitung von 1 km Länge und 20 cm Durchmesser fließen pro Minute 4500 Liter Wasser von 15 °C. Die Dichte sei ρ 15°C = 999,10 mkg3 . Mit Hil­ fe eines Pitot-Rohrs wird praktisch am Anfang der Strömung die Geschwindigkeit u max = 2,85 ms in Rohrmitte gemessen. a) Bestimmen Sie die durchschnittliche Geschwindigkeit u. b) Welchem Exponenten n entsprechen die Werte u und u max ? c) Wie groß ist demnach die zugehörige Reynolds-Zahl? Bestätigen Sie auch die Turbulenz der Strömung. d) Bestimmen Sie die Rohrreibungszahl λ. e) Wie groß ist der Druckverlust entlang der gesamten Rohrlänge? 16. In einem 5 m tiefen Gewässer wird jede zweite Sekunde die maximale Amplitude von 0,5 m der Oberfläche einer Wasserwelle gemessen. a) Bestimmen Sie die Wellenlänge. b) Wie groß ist die maximale Geschwindigkeit an der Oberfläche und am Boden? 17. Sie werfen einen Stein in einen Fluss (Abb. 14 links). Aus dem entstehenden Wel­ lenbild schätzen Sie etwa b ≈ 2a. Bestimmen Sie daraus die Froude-Zahl.

Abb. 14: Skizzen zu den Übungen 17 und 22

18. Ein Rechteckgerinne der Geschwindigkeit v1 = 3 ms fließt über eine Bodenschwel­ le (Abb. 15). Die Erhebung sei gerade so groß, dass die Fließart von strömend zu schießend übergeht (Kapitel 10.1, Fall III.). Danach fließt das Wasser die Böschung hinab. Die Höhe des Wasserspiegels beträgt dann h2 = 0,5 m. Die Breite des Ge­ rinnes ist b = 10 m. a) Berechnen Sie h1 , Q und v2 . b) Bestimmen Sie die Höhe d der Schwelle. c) Zeigen Sie, dass die Strömung weiterhin schießend bleibt.

Übungen | 193

Abb. 15: Skizze zur Übung 18

2 −h 1 ) 19. a) Drücken Sie sowohl den Druckverlust ∆hV = (h4h als auch die Höhenen­ 1 h2 v 21 ergie des Oberwassers ∆E1 = h1 + 2g beim Wechselsprung durch die Froudev2 Zahl Fr21 = gh11 der Anströmung und der Höhe h1 aus. V b) Schreiben Sie das Verhältnis ∆h ∆E 1 als Funktion von Fr1 alleine und stellen Sie den Verlauf dar. 3

20. Gegeben ist eine Dreiecksrinne der Höhe h. Die Steigungen der Böschungen seien m1 = dh1 und m2 = dh2 . a) Zeigen Sie in einem ersten Schritt, dass der minimale benetzte Umfang für m1 = m2 erreicht wird. b) Beweisen Sie mit Kenntnis des Ergebnisses aus a), dass m1 = m2 = m = 1 ist. c) Bestimmen Sie die Grenztiefe hGr zuerst in Abhängigkeit von m1 und m2 , dann für m1 = m2 = m und schließlich für m = 1. d) Bestimmen Sie eine Formel für die Grenzgeschwindigkeit vGr als Funktion von hGr . 21. Gegeben ist ein Rechteckgerinne der Breite b = 10 m und ein abgerundetes Wehr mit der Tiefe w = 2 m und derselben Breite. Nach einem vollkommenen Überfall erreicht die Strömung am Fuß des Wehrs eine Höhe von h2 = 0,3 m. a) Stellen Sie die Bernoulli-Gleichung für die höchste Bahnlinie der Strömung in einem Punkt 1 auf der Wehrkrone und einem Punkt 2 am Fuß des Wehrs auf und bestimmen Sie daraus den Fluss Q und die Geschwindigkeit v2 am Fuß des Wehrs. b) Benutzen Sie die Gleichung (10.5) von du Buat und berechnen Sie daraus die Überfallhöhe hü und die Anströmgeschwindigkeit v0 . c) Bestimmen Sie zum Vergleich noch hGr und vGr . 22. Gegeben ist eine Dreiecksrinne mit optimalen Abmessungen, d. h., der Böschungs­ winkel ist α = 45° (Abb. 14 rechts). a) Bestimmen Sie den hydraulischen Durchmesser. b) Welche Wassertiefe stellt sich mit Hilfe der Formel von GMS bei folgenden 3 Werten ein? Q = 0,2 ms , J = 0,005 und k Str = 40. c) Wie lang müssen demnach die Seitenwände der Rinne gewählt werden, damit das Wasser nicht überläuft?

194 | Übungen

23. Gegeben ist eine gleichschenklige Trapezrinne mit optimalen Abmessungen, d. h., die Steigung der Böschung beträgt m = √13 . a) Bestimmen Sie den hydraulischen Durchmesser. 3 b) Gegeben seien Q = 0,2 ms , J = 0,005, c = 1 m und k Str = 50. Welche Wasser­ tiefe stellt sich ein, wenn Sie b1 ) die Formel nach GMS, b2 ) die Formel nach Weisbach und die Colebrook-White-Gleichung in der ) benutzen? Form √1 = 1,74 − 2 log10 ( d2k H,0 λ0

24. Durch eine 1 km lange horizontale Leitung mit unbekanntem Durchmesser strö­ men pro Sekunde 10 m3 Wasserdampf bei einem Eingangsdruck von 50 bar hin­ kg und k = 0,1 mm. Die Strömung durch. Weiter sei ρ 1 = 16,4 mkg3 , η = 26 ⋅ 10−6 ms verlaufe isotherm. a) Wie groß muss der Radius der Leitung gewählt werden, wenn der Druckver­ lust höchstens 10 bar betragen soll? b) Bestimmen Sie die Größen ρ, u 1 und u. 25. An einem Druckbehälter, in dem sich Luft unter einem Druck von p0 = 8 bar und einer Temperatur von T0 = 25 °C befindet, ist eine Laval-Düse angeschlossen, deren Querschnitt am Austritt AE = 1,5 cm2 beträgt. Bei Inbetriebnahme soll ein Massenstrom von ṁ = 0,15 kg s fließen. Berechnen Sie nacheinander die Größen u max , ρ 0 , A∗ , Ma, TE und pu .

Weiterführende Literatur N. A. Adams. Fluidmechanik I. Vorlesungsskript, TU München, Sommersemester 2008. N. A. Adams. Fluidmechanik II, Einführung in die Dynamik der Fluide. Vorlesungsskript, TU München, Wintersemester 2014/15. A.-M. Chiavetta. Lineare Wasserwellen. Hauptseminar, Johannes Gutenberg Universität Mainz, 2016. H. Czichos und M. Hennecke. Das Ingenieurwissen. Springer, 32. Auflage, 2004. ISBN 3-540-20325-7. R. Freimann. Hydraulik für Bauingenieure. Carl Hanser, 3. Auflage, 2014. ISBN 978-3-446-43740-1. W. H. Hager. Abwasserhydraulik. Springer, 1995. ISBN 13: 978-3-642-77430-0. P. Hakenesch. Fluidmechanik, Version 3.0. Vorlesungsskript, Technische Hochschule Nürnberg, 2012. G. H. Jirka und C. Lang. Einführung in die Gerinnehydraulik. Univerlag Karlsruhe, 2014. ISBN 978-3-86644-363-1. S. Mai, C. Paesler und C. Zimmermann. Wellen und Seegang an Küsten und Küstenbauwerken. Vorle­ sungsergänzungen Heft 90a, Universität Hannover, 2004. A. Malcherek. Fließgewässer – Hydromechanik und Wasserbau, Version 3.0. Vorlesungsskript, Uni­ versität München, 2000. A. Malcherek. Vorlesungsvideos auf youtube: Ästuar 1, Gerinnehydraulik 2, 4–6, 8, 14, Hydraulik 8–10, Hydrodynamik 6, 14, Kontrollstrukturen 1, 3, 4, 6, 8, 10, 11. Universität der Bundeswehr, München, 2015–2020. A. Malcherek. Gezeiten und Wellen. Springer, 2. Auflage, 2018. ISBN 978-3-658-19302-7. I. Neuweiler. Strömungsmechanik für Bauingenieure. Gesamtausgabe 10/2010, Universität Hanno­ ver, 2010. H. Patt. Hochwasser-Handbuch. Springer, 2001. ISBN 978-3-642-63210-5. C. Rapp. Hydraulik für Ingenieure und Naturwissenschaftler. Springer, 2017. ISBN 978-3-658-18618-0. V. Schröder. Übungsaufgaben zur Strömungsmechanik 1. Springer, 2. Auflage, 2018. ISBN 978-3-662-56053-2. K. Strauss. Strömungsmechanik für Bio- und Chemieingenieure. Vorlesungsskript, Universität Dort­ mund, 1987–2004. D. Surek und S. Stempin. Angewandte Strömungsmechanik. Teubner, 2007. ISBN 978-3-8351-0118-0. http://www.aia.rwth-aachen.de/vlueb/vl/technische_stroemungslehre/assign/uebung9.pdf. http://www.grentz.ch/files/potentialstroemung_magnuseffekt_grentz_2010_2_14.pdf. http://hakenesch.userweb.mwn.de/aerodynamik/K4_Folien.pdf. http://www.hollow-cubes.de/Rep_Kuestening/Kw02.pdf. https://krene.ch/krene/wp-content/uploads/2010/09/HS08-SiwaII.pdf. https://tu-dresden.de/ing/maschinenwesen/ilr/ressourcen/dateien/tfd/studium/dateien/ Aerodynamik_V.pdf?lang=de. https://www.unikassel.de/fb10/fileadmin/datas/fb10/physik/oberflaechenphysik/exp2/Lehre/ ExpPhysI/Hydrodynamik.pdf.

https://doi.org/10.1515/9783110684520-014

Stichwortverzeichnis Abminderungsfaktor 145 Absenkgeschwindigkeit 10, 25, 27–29, 31 Adiabatisch 162, 177 Angepasst 121, 150, 162, 176 Auftriebskraft 66, 71, 72 Ausströmgeschwindigkeit 143 Bazin 133, 150, 161 Borda-Carnot 21, 95, 191 Böschung 120, 121, 192, 194 Brechen 121 Colebrook-White 96, 103, 134, 152–154, 164, 192, 194 D’Alembert 75, 95 Darcy 150, 192 De Chézy 147 Diffusive Welle 157 Diffusor 176 Dipolmoment 63 Drehung 36, 37 Druckbeiwert 58, 78 Druckverlust 22, 95, 96, 101, 103, 149, 163, 164, 190–194 Du Buat 140, 193 Düse 15, 16, 69–71, 89, 90, 174–177, 185, 194 Dynamisch 9 Eigenrotation 36 Einfach zusammenhängend 39, 41, 42 Energiedichte 116, 117, 119 Energieerhaltung 7, 13, 28, 166, 177 Energietransport 118 Enthalpie 165 Entropie 162, 177, 180, 182 Flachwasser 110–113, 120, 126 Froude 128, 131, 132, 192, 193 Gauckler/Manning/Strickler 150, 152 Geodätisch 132, 155, 159 Grenzschichttheorie 160, 177 Grenztiefe 126, 127, 129, 130, 135, 136, 139, 193 Haartrockner 89 Hagen-Poiseuille 101 https://doi.org/10.1515/9783110684520-015

Heberleitung 11, 22, 190 Höhenverlust 22 Hydraulisch 133, 151–153 Hydrostatisch 7, 9, 125, 144, 145, 149, 155 Hyperbel 53 Impulserhaltung 6, 13, 21, 29, 99, 159, 177 Inkompressibel 2, 4, 7, 168 Instationär 2, 4, 7, 30, 111 Isentrop 162, 176, 177, 181, 182, 184 Kamin 98 Kapillardruck 110, 111 Kapillarwellen 110 Kàrmàn 33 Kinematische Welle 113, 154, 156, 157 Kompressibel 4, 7 Kontrollvolumen 131 Kreisrinne 134, 136, 150, 151, 153 Kritische Zustandsgrößen 169 Laminar 100, 102, 147, 154, 160, 161 Laval 176, 177, 185, 194 Mach’scher Winkel 168 Magnus 71 Malcherek 29, 30, 141, 143, 145 Mantelkraft 16–18, 20, 98, 190 Massenbilanz 4, 5, 154 Massenstrom 3, 4, 63, 99, 145, 164, 170, 171, 175, 194 Massenstromdichte 170, 172 Mittlere Leistungsdichte 118 Navier 2, 154, 159 Newton 99, 160 Normalabfluss 148, 149, 160 Normalenvektor 43, 49, 55 Nulldruck 59, 66 Oberflächenfunktion 107, 109 Oberflächenspannung 99, 105, 110, 111 Orthogonalität 50, 54, 87 Parabolische Lösung 158 Phasengeschwindigkeit 105, 108–111 Pitot 9, 183, 184, 192 Poisson 165

198 | Stichwortverzeichnis

Poleni 137–140 Pumpe 16 Rankine 44, 56, 57, 67, 80, 91, 92 Rauheit 95, 96, 102, 103, 133, 148, 150, 153 Rechteckrinne 134, 139, 152 Reynolds 96, 99, 101, 102, 104, 148, 192 Ringspalt 100 Rohrkrümmer 19–21, 190 Rohrreibungszahl 95, 133, 152, 192 Rückstau 145–147 Ruhedruck 183 Saint-Venant 155, 159 Scherung 36, 37 Schütz 130, 142–145, 147 Schwerewellen 110 Sog 66, 189 Sohlhöhe 125, 128, 129 Sohlschubspannung 161 Spannung 100, 110, 160 Springbrunnen 15 Stationär 3, 4, 8, 144 stationär 46 Statisch 7, 9, 114 Staudruck 7, 9, 183 Staupunkt 57, 59, 67, 72, 73, 77, 78, 80, 91 Stokes 2, 40, 41, 121, 154, 159 Strickler-Beiwert 150 Strudel 68 Taylor 36 Tiefwasser 109, 110, 112, 113, 120, 121 Torricelli 8, 24, 27, 28, 138, 143, 147 Totale Beschleunigung 14 Trapezrinne 134, 152, 194 Turbulent 17, 147, 154, 160, 161 Überfallbeiwert 139 Überfallhöhe 137–140 Überkritisch 127 U-Boot 62 Umgebungsdruck 138, 176, 185 Unterkritisch 127 Unvollkommener Abfluss 145 U-Rohr 13 Vena contracta 29, 30, 142, 143, 145 Venturi 176, 177, 189

Verlustzahl 95 Verlustziffer 22, 190, 191 Viskos 38, 147 Volumenstrom 14, 49, 50, 60, 70, 71, 89, 90, 96, 100–103, 189, 192 Wasserspiegel 8, 12, 66, 67, 126, 128, 129, 140 Wechselsprung 129–131, 137, 193 Weisbach 95, 101, 103, 137, 138, 149, 152, 153, 161, 191, 192, 194 Wellenenergie 115 Wirbelstärke 37, 38 Zentripetalkraft 43 Zustandsgrößen 2, 166, 169, 171, 177, 182, 185