Angewandte Differentialgleichungen: Band 3 Baudynamik 9783110684148, 9783110684131

Dieses 6-bändige Werk befasst sich mit den Anwendung von Differentialgleichungen in diversen Bereichen der Physik, Ingen

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Angewandte Differentialgleichungen: Band 3 Baudynamik
 9783110684148, 9783110684131

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Adriano Oprandi Angewandte Differentialgleichungen De Gruyter Studium

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Adriano Oprandi

Angewandte Differential­ gleichungen | Band 3: Baudynamik

Mathematics Subject Classification 2010 65L10 Author Adriano Oprandi Bartenheimerstr. 10 4055 Basel Schweiz [email protected]

ISBN 978-3-11-068413-1 e-ISBN (PDF) 978-3-11-068414-8 e-ISBN (EPUB) 978-3-11-068423-0 Library of Congress Control Number: 2020938220 Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.dnb.de abrufbar. © 2020 Walter de Gruyter GmbH, Berlin/Boston Umschlaggestaltung: dianaarturovna / iStock / Getty Images Plus Satz: le-tex publishing services GmbH, Leipzig Druck und Bindung: CPI books GmbH, Leck www.degruyter.com

Inhalt 1 1.1

Wellen | 1 Darstellung von (eindimensionalen) Wellen | 2

2 2.1 2.2

Die Wellengleichung der ungedämpft schwingenden Saite | 4 Die Lösung der Wellengleichung | 6 Kugelwellen | 8

3 3.1 3.2

Erzwungene Saitenschwingungen | 10 Die Energien der gespannten Saite | 16 Die verschiedenen Moden der schwingenden Saite | 19

4

Die Wellengleichung der gedämpft schwingenden Saite | 20

5 5.1

Die Wellengleichung für Longitudinalschwingungen eines Stabs | 22 Die Energien bei Longitudinalschwingungen | 23

6

Die Wellengleichung des gedämpft schwingenden Stabs | 24

7

Freie Longitudinalschwingungen eines Stabs | 25

8

Erzwungene Longitudinalschwingungen eines Stabs | 28

9 9.1

Die Wellengleichung für Torsionsschwingungen eines kreisrunden Stabs | 34 Die Energien bei Torsionsschwingungen | 35

10

Die Wellengleichung für Schubschwingungen eines Balkens | 36

11

Die Wellengleichung für Druckschwingungen von Gassäulen | 39

12 12.1 12.2 12.3 12.4 12.5

Die Wellengleichung für den ungedämpft schwingenden Balken | 42 Die Euler’sche DGL des Knickens | 43 Die Energie beim Knickstab | 48 Die DGL für freie Biegeschwingungen des homogenen Balkens | 49 Die Energien bei freien Biegeschwingungen des Balkens | 57 Die DGL für Biegeschwingungen des homogenen Balkens unter Normalkraft | 58

13

Die Wellengleichung für den gedämpft schwingenden Balken | 60

VI | Inhalt

14 14.1 14.2 14.3 14.4

Die Wellengleichung für den schwingenden Balken mit Streckenlast | 62 Die DGL für Biegelinien aufgrund von Eigen- oder Zusatzlast | 62 Die DGL der schwingenden Saite mit Streckenlast | 63 Die DGL für freie Biegeschwingungen mit Streckenlast | 65 Die DGL für gedämpfte Biegeschwingungen unter Normalkraft mit Streckenlast | 67

15

Erzwungene Biegeschwingungen des Balkens | 69

16 16.1

Übersicht Energien bei Biegeschwingungen | 78 Vergleich Energien bei Anregung – Saite, Stab, Balken | 79

17 17.1 17.2 17.3

Konzentrierte und verteilte Massen | 80 Konzentrierte Massen | 80 Verteilte Massen | 80 Übersicht modale Masse und modale Steifigkeit für die n-te Eigenfrequenz | 82 Übersicht modale Masse und modale Steifigkeit bei Einzelkraft (mittig oder Rand) | 87

17.4

18

Die allgemeine Lösung der Balkengleichung mit Anregungskraft | 92

19 19.1 19.2 19.3 19.4 19.5 19.6 19.7

Personeninduzierte Schwingungen von Fußgängerbrücken | 94 Abschätzung der Amplitude | 97 Gehen und Laufen | 98 Hüpfen | 101 Die Antwort des Systems bei statischer Last | 102 Die Antwort des Systems bei bewegter Last | 104 Einwirkung mehrerer Personen | 107 Abklärung für einen eventuellen Tilgereinbau bei Fußgängerbrücken | 110

20

Windinduzierte Schwingungen von Brücken | 112

21 21.1

Dynamische Belastungen von Eisenbahnbrücken | 116 Die Brückenantwort bei dynamischer Belastung mit einer Lokomotive | 117 Die Brückenantwort bei dynamischer Belastung mit modernen Zügen | 119 Bemessung von Eisenbahnbrücken | 121

21.2 21.3

Inhalt |

22 22.1 22.2

Unebenheiten von Fahrbahnen | 123 Bemessung von Fahrbahnen | 126 Der konkrete Fall der Messung von Unebenheiten | 128

23 23.1 23.2 23.3 23.4

Zweidimensionale partielle Differenzialgleichungen | 133 Freie Schwingungen der Rechtecksmembran | 133 Erzwungene Schwingungen der Rechtecksmembran | 135 Freie Schwingungen der Kreismembran | 138 Erzwungene Schwingungen der Kreismembran | 148

24

Biegeflächen einer dünnen Rechtecksplatte | 151

25 25.1

Lösung der Plattengleichung für Rechtecke, Biegeflächen | 157 Biegeflächen von Rechtecksplatten mit Randbedingungen auf zwei Seiten | 158 Biegelinien bzw. Biegeflächen als Sinus-Entwicklung | 160

25.2 26

Biegeflächen von Rechtecksplatten mit Randbedingungen auf drei Seiten | 163

27

Biegeflächen von Rechtecksplatten mit Randbedingungen auf allen Seiten | 169 Allgemeiner Ansatz für die Biegefläche von Rechtecksplatten mit Randbedingungen auf allen Seiten | 171

27.1

VII

28 28.1 28.2

Biegeflächen runder Platten | 177 Die Biegefläche der fest eingespannten Ellipse und Kreisplatte | 177 Die Biegefläche der gelenkig gestützten Kreisplatte | 182

29 29.1 29.2

Biegeschwingungen der Platte | 184 Freie Biegeschwingungen der Platte | 184 Erzwungene Biegeschwingungen der Rechtecksplatte | 191

30

Chladni’sche Klangfiguren | 193

Übungen | 195 Weiterführende Literatur | 205 Stichwortverzeichnis | 207

1 Wellen Eine Differenzialgleichung, die partielle Ableitungen enthält, heißt partielle DGL, kurz PDGL. Solche Gleichungen dienen der mathematischen Modellierung von physi­ kalischen Prozessen, bei denen die Veränderung einer betrachteten Größe bezüglich mehrerer voneinander unabhängiger Variablen abhängig ist. Fällt beispielsweise in regelmäßigen Abständen ein Wassertropfen auf eine Was­ seroberfläche, so entsteht eine Kugelwelle (Abb. 1.1 links). Die entstehende Welle hängt sowohl von der Zeitableitung, welche die Geschwindigkeit der Welle angibt, als auch von der Raumableitung in alle drei Richtungen, welche das Profil der Welle beschreibt, ab. Für partielle Ableitungen wird ein kursives ∂ verwendet. Ist die Funktion u von x und t abhängig, also u(x, t), dann ist sowohl die Ableitung ∂u nach x als auch nach t möglich: ∂u ∂x und ∂t . Höhere Ableitungen notiert man folgendermaßen: ∂2 u ∂ ∂u . ( )= ∂x ∂x ∂x2 Unter einer Welle versteht man eine sich in einem kontinuierlichen Medium ausbrei­ tende Störung. Bei einer Wasserwelle ist das kontinuierliche Medium offensichtlich die Flüssigkeit und die Störung ist eine lokale Verschiebung von Flüssigkeitsschich­ ten, die sich über die Oberfläche hinweg ausbreitet. Bei einer Seilwelle, die wir z. B. durch einen kräftigen Schlag auf ein Stück Seil erzeugen können, besteht die Störung in einer örtlich begrenzten Auslenkung von Seilelementen aus ihrer normalen Position. Eine solche Störung wandert das konti­ nuierliche Medium, also hier das Seil, entlang. Die zu einer Schallwelle gehörende Störung besteht aus einer Verschiebung von Atomen, Gruppen von Atomen oder auch von makroskopischen Schichten. Dies gilt auch für Schallwellen in Gasen. Mit der Verschiebung von Gasschichten geht auch eine wandernde Druckwelle, eine lokale Erhöhung oder Erniedrigung des Drucks, einher. Bei elektrischen Wellen in Kabeln, bei Licht und anderen elektromagnetischen Wellen besteht die Störung in zeitlich und örtlich veränderlichen elektrischen und magnetischen Feldern. Wichtige Begriffe für die Beschreibung von Wellen sind die Ausbreitungsgeschwindigkeit, die Größe der Störung, auch Erregung genannt, und die Richtung der Störung relativ zur Ausbreitungsgeschwindigkeit. Stehen Ausbrei­ tungsgeschwindigkeit und Richtung der Störung senkrecht aufeinander, so spricht man von transversalen Wellen. Sind beide parallel zueinander, so nennt man diese longitudinale Wellen. Beispiele für rein transversale Wellen sind Licht, Radiowellen, Röntgenstrahlen usw. Schallwellen in Gasen sind rein longitudinal, Schallwellen in festen Körpern können transversal, longitudinal oder beides gemeinsam sein.

https://doi.org/10.1515/9783110684148-001

2 | 1 Wellen

Abb. 1.1: Skizzen zu den Wellen

1.1 Darstellung von (eindimensionalen) Wellen Wir betrachten eine Welle, die zum Zeitpunkt t = 0 erzeugt wird (Abb. 1.1 rechts). Die eingenommene Form sei durch u(x, 0) =: g(x) beschrieben. Dann ist u(x, t) die Defor­ mation zur Zeit t und am Ort x senkrecht zur Seilrichtung. Die Welle sei ungedämpft, d. h., Höhe und Form bleiben erhalten. Im Gegensatz dazu wird die schwingende Saite mit der Zeit ihre Form ändern. Trotzdem sind für jede Welle, auch für die schwingende Saite, wenn man die Ausbreitung in x-Richtung mit der Zeit betrachtet, die Ausbrei­ tungsrichtung x und Zeit t verknüpft mit der Ausbreitungsgeschwindigkeit c = ∆x ∆t . Da nun die Form der Welle für alle Zeiten erhalten bleibt, folgt u(x, t) = u(x ± ∆x, t ± ∆t), je nachdem, in welche Richtung die Welle fortschreitet. ̃ ± ct, 0) =: f(x ± ct). Daraus ergibt sich zwangsweise u(x, t) = u(x Speziell für harmonische Wellen ist dann u(x, t) = u 0 ⋅ sin(kx ± kct). Dabei ist u 0 die Amplitude. Der Faktor k, die sogenannte Wellenzahl mit der Ein­ 1 heit [ m ], ist notwendig, damit kx bzw. kct dimensionslos werden. Man kann die harmonische Welle in zwei Bildern wiedergeben. Im Orts- oder Mo­ mentanbild wird die Deformation u als Funktion von x für festes t und im Zeitbild wird u als Funktion von t für festes x aufgetragen. Beide Graphen ergeben Sinus-Funktio­ nen, aber die physikalische Bedeutung ist verschieden. Ortsbild u(x, t0 ) = u 0 ⋅ sin(kx − kct0 ) (Abb. 1.2 links) Die Welle wiederholt sich nach der Strecke λ. Diese heißt Wellenlänge. Aufgrund der Formtreue u(x, t) = u(x + λ, t) folgt u 0 ⋅ sin(kx − kct) = u 0 ⋅ sin(kx + kλ − kct), woraus kλ = 2π resultiert (eigentlich sogar kλ = 2π ⋅ n). Daraus wird λ = 2π k . Die Einheit von λ ist also [m].

Abb. 1.2: Ortsbild und Zeitbild einer Welle

1.1 Darstellung von (eindimensionalen) Wellen | 3

Zeitbild u(x0 , t) = u 0 ⋅ sin(kx0 − kct) (Abb. 1.2 rechts) Die Welle wiederholt sich nach der Zeit T. Diese heißt zeitliche Periode. Aufgrund der Formtreue u(x, t) = u(x, t + T) folgt u 0 ⋅ sin(kx − kct) = u 0 ⋅ sin(kx − kct − kcT), woraus kcT = 2π resultiert. Daraus wird T = 2π kc . Die Einheit von T ist somit [s]. 2π Weiter definieren wir kc = T =: ω, die Kreisfrequenz. Für die harmonische Welle erhält man mit den obigen Bezeichnungen schließlich u(x, t) = u 0 ⋅ sin(kx − ωt). Bemerkung. Das dreidimensionale Bild von u(x, t) ergäbe dann eine „Verpackung“, wie wir sie von Eiern her kennen. Die Funktion wäre dann u(x, y, t).

2 Die Wellengleichung der ungedämpft schwingenden Saite Diese Wellengleichung, die eine PDGL sein wird, bildet das Kernstück für die Beschrei­ bung von Schwingungsvorgängen, die sowohl zeitlich als auch örtlich abhängig sind. Alle weiteren Wellengleichungen werden dieselbe Form wie die der schwingenden Saite besitzen. Wir betrachten eine Saite der Länge l mit einer konstanten Dichte ρ, die vollkom­ men elastisch und biegsam ist (im Gegensatz zu einem Balken mit Biegesteifigkeit E⋅I, den wir uns später vornehmen) (Abb. 2.1). Die Saite sei in den Endpunkten x = 0 und x = l fest eingespannt. Ihre konstante Spannung sei σ. Wir kommen später auf die Bedeutung der Spannung zurück. Nun wird die Saite senkrecht nach oben ein wenig ausgelenkt (die Art der Auslen­ kung wird, wie wir später sehen werden, eine Rolle spielen). Dann treten Rückstell­ kräfte auf, die jeden Punkt der Saite in die Ruhelage zurücktreiben wollen. Nach dem Newton’schen Gesetz ist die auf ein kurzes Stück ∆x der Saite wirkende Kraft gegeben 2 durch ∆F = ∆m⋅a = ρ⋅A⋅∆x⋅ ∂∂t u2 . Für diesen Fall schwinge die Saite noch ungedämpft. Die Kraft F muss nun mit der Spannung σ ausgedrückt werden. σ(x) und σ(x + ∆x) seien die tangentialen Spannungskomponenten im linken bzw. rechten Endpunkt des Saitenstücks. Andererseits ist ∆F = A ⋅ ∆σ = A ⋅ (σ(x + ∆x) sin β − σ(x) sin α) . Für die horizontalen Komponenten gilt σ(x + ∆x) cos β = σ(x) cos α = σ . Dann folgt σ (σ(x + ∆x) sin β − σ(x) sin α) σ σ(x + ∆x) sin β σ(x) sin α =A⋅σ⋅ − = A ⋅ σ(tan β − tan α) . σ(x + ∆x) cos β σ(x) cos α

∆F = A ⋅

Da tan β =

∂u (x + ∆x) ∂x ⏟⏟⏟⏟⏟⏟⏟⏟⏟⏟⏟⏟⏟⏟⏟⏟⏟⏟⏟⏟⏟

und

Steigung der Kurve z(x) an der Stelle (x + ∆x)

tan α =

∂u (x) ∂x ⏟⏟⏟⏟⏟⏟⏟⏟⏟⏟⏟

Steigung der Kurve z(x) an der Stelle x

gilt, folgt A ⋅σ(

∂u ∂x (x

+ ∆x) − ∆x

∂u ∂x (x)

)=ρ⋅A

∂2 u . ∂t2

Nach dem Mittelwertsatz der Differenzialrechnung gibt es ein ξ ∈ [x, x + ∆x]

mit

https://doi.org/10.1515/9783110684148-002

∂u ∂u ∂2 u (x + ∆x) − (x) = (ξ) ⋅ ∆x . ∂x ∂x ∂x

2 Die Wellengleichung der ungedämpft schwingenden Saite

|

5

Für ∆x → 0 ist dann ξ → x, woraus A⋅σ

∂2 u ∂2 u = ρ ⋅ A ∂x2 ∂t2

folgt. Damit erhalten wir die DGL der schwingenden Saite ∂2 u ∂2 u = c2 ⋅ 2 ∆u 2 ∂t ∂x (∆ = 2

mit

c := √

σ ρ

(D’Alembert 1746)

∂2 ∂2 ∂2 + + Laplace-Operator) ∂x2 ∂y2 ∂z2 2

Bedeutung von c: Aus ∂∂t u2 = c2 ⋅ ∂∂xu2 folgt c2 = einer Geschwindigkeit entspricht.

∂2 u ∂t 2



∂2 x ∂u2

=

∂2 x ∂t 2

und somit c =

∂x ∂t ,

was

Abb. 2.1: Skizze zur ungedämpft schwingenden Saite

Bei der Saite bildet sich zwangsläufig eine stehende Welle, weil die Enden einge­ spannt sind. Die Schwingungsenergie wird in der Saite hin und her transportiert. Über den Steg wird der Klangkörper zum Schwingen angeregt, bis die Energie aufgrund der Dämpfung verebbt. Jede Funktion der Form f(x ± ct) erfüllt die Wellengleichung. Dazu setzt man ein: 2 ∂2 f(x ± ct) 2 2 ∂ f(x ± ct) = c ⋅ f(x ± ct) = c ⋅ . ∂t2 ∂x2

Bevor wir in Kapitel 2.1 eine Darstellung für die Lösung der Wellengleichung finden, wollen wir diejenige von D’Alembert angeben, die eine Interpretation der stehenden Welle zulässt. Die allgemeine Darstellung der Lösung ist nach D’Alembert u(x, t) = f1 (x + ct) + f2 (x − ct). Damit kann man die stehende Welle als Überlagerung von einer nach links und einer nach rechts laufende Welle auffassen. Ist also u(x, t) = f1 (x + ct) + f2 (x − ct), dann haben wir folgende Anfangsbedin­ gungen: u(x, 0) = f1 (x) + f2 (x) =: g(x)

und

̇ 0) = cf1 (x) − cf2 (x) =: h(x) . u(x,

Die Integration der 2. Gleichung ergibt x

1 f1 (x) − f2 (x) = ∫ h(ξ) dξ c x0

mit

x0 ≠ x beliebig.

6 | 2 Die Wellengleichung der ungedämpft schwingenden Saite

Dann folgt x0

x

f1 (x) =

1 1 (g(x) + ∫ h(ξ) dξ ) 2 c

und

f2 (x) =

x0

1 1 (g(x) + ∫ h(ξ) dξ ) . 2 c x

Für f1 (x) ersetzen wir x durch x + ct und für f2 (x) ersetzen wir x durch x − ct: x+ct

󳨐⇒

1 1 ∫ h(ξ) dξ ) f1 (x + ct) = (g(x + ct) + 2 c x0

x0

1 1 f2 (x − ct) = (g(x − ct) + ∫ h(ξ) dξ ) . 2 c x−ct

Zusammen ist schließlich x+ct

1 1 ∫ h(ξ) dξ ) . u(x, t) = (g(x + ct) + g(x − ct) + 2 c x−ct

̇ 0) = h(x) = 0 gilt Speziell für eine anfangs ruhende Saite mit u(x, u(x, t) =

1 (g(x + ct) + g(x − ct)) . 2

Die Auslenkung an der Stelle x zur Zeit t kann bestimmt werden als Summe der An­ fangsauslenkungen an den Stellen x + ct und x − ct. Wir kommen später auf dieses Ergebnis zurück.

2.1 Die Lösung der Wellengleichung 2

2

Um die Gleichung ∂∂t u2 = c2 ⋅ ∂∂xu2 zu lösen, benutzen wir den Separationsansatz von D’Alembert: u(x, t) = v(x) ⋅ w(t). Dann ist ∂2 u ∂2 u ̈ = v(x) ⋅ w(t) und = w(t) ⋅ v󸀠󸀠 (x) . ∂t2 ∂x2 ̈ Eingesetzt erhält man v(x) ⋅ w(t) = c2 ⋅ w(t) ⋅ v󸀠󸀠 (x) oder schließlich ̈ v󸀠󸀠 (x) w(t) = c2 ⋅ . w(t) v(x) Die linke Seite hängt nur von t, die rechte Seite nur von x ab, trotzdem müssen beide für alle x und t übereinstimmen, also müssen sie konstant sein: v󸀠󸀠 (x) λ2 =− 2 v(x) c

und

(λ hat hier nichts mit der Wellenlänge zu tun).

̈ w(t) = −λ2 w(t)

2.1 Die Lösung der Wellengleichung |

Man muss also das DGL-System v󸀠󸀠 +

λ2 v c2

7

= 0 und ẅ + λ2 w = 0 lösen.

Ansatz für v: v(x) = C1 ⋅ sin( λc x) + C2 ⋅ cos( λc x) Randbedingungen: Die Saite ist in x = 0 und x = l eingespannt, also muss u(0, t) = u(l, t) = 0 für alle t, somit auch v(0) = v(l) = 0 sein. 󳨐⇒

0 = C1 ⋅ 0 + C2 ⋅ 1

󳨐⇒

λ sin ( l) = 0 c

󳨐⇒

⇐⇒

λ C2 = 0 und 0 = C1 ⋅ sin ( l) c

λ ⋅ l = n ⋅ π, n ∈ ℕ . c

Somit erhalten wir λ n = n⋅c⋅π l . λ n nennt man die Eigenwerte der Aufgabe und v n (x) = sin( n⋅π l x) sind die Eigen­ funktionen. In der Musik heißen diese die n-ten Obertöne oder n-ten Harmonischen. Die Lösung der Gleichung ẅ + λ2 w = 0 lautet dann w(t) = C∗1 ⋅ sin(λ ⋅ t) + C∗2 ⋅ cos(λ ⋅ t) . Für jedes n ∈ ℕ ist u n (x, t) = sin (

n⋅π ncπ ncπ x) ⋅ (a n ⋅ sin ( t) + b n ⋅ cos ( t)) l l l

eine Lösung der Saitengleichung. Somit bescheibt jedes u n (x, t) eine mögliche Schwingungsform der Saite, die so­ genannte n-te Oberschwingung. Die Saite ist also zu unendlich vielen Schwingungen 2l fähig. Die Periode T n des n-ten Obertons ist gegeben durch ncπ l ⋅ t = 2π 󳨐⇒ T n = nc . Daraus entstehen die Frequenzen fn =

σ n cn = ⋅√ . 2l 2l ρ

Insgesamt erhalten wir die Lösung der Saitengleichung ohne Einbezug der Anfangs­ bedingungen ∞



n=1

n=1

u(x, t) = ∑ u n (x, t) = ∑ sin (

nπ ncπ ncπ x) ⋅ (a n ⋅ sin ( t) + b n ⋅ cos ( t)) . l l l

Speziell für die zur Zeit t = 0 ruhende Saite bedeutet das

∂u ∂t (x, 0)

∞ ∂u nπ ncπ (x, 0) = ∑ sin ( x) ⋅ a n ⋅ =0, ∂t l l n=1

was nur möglich ist, wenn a n = 0 für alle n gilt.

= 0. Dies führt auf

8 | 2 Die Wellengleichung der ungedämpft schwingenden Saite

Somit haben wir die Lösung für die beidseitig eingespannte und anfangs ruhende Saite ∞

u(x, t) = ∑ b n ⋅ sin ( n=1

ncπ nπ x) ⋅ cos ( t) . l l

Dies kann man aufgrund von 2 sin α ⋅ cos β = sin(α + β) + sin(α − β) auch schreiben als ∞

u(x, t) = ∑ b n ⋅ sin ( n=1 ∞

= ∑ bn ⋅ n=1 ∞

= ∑ bn ⋅ n=1

nπ ncπ x) ⋅ cos ( t) l l

1 nπ ncπ nπ ncπ (sin ( x + t) + sin ( x − t)) 2 l l l l 1 (sin(k n x + ω n t) + sin(k n x − ω n t)) 2

(siehe dortige Notation).

1 Wir erhalten die Form u(x, t) = ∑∞ n=1 2 (g n (x + ct) + g n (x − ct)).

2.2 Kugelwellen Wie schon weiter oben gesagt, erfüllt jede zweimal stetig differenzierbare Funktion 2 2 der Form u(x, t) = f(x ± ct) die Wellengleichung ∂∂tu2 = c2 ⋅ ∂∂xu2 . Speziell gilt dies auch für die harmonischen Wellen u(x, t) = u 0 ⋅ sin(kx − ωt). Wir können das Ergebnis auf Kugelwellen erweitern. Diese entstehen, wenn man eine punktförmige Anregung vornimmt. Ein ins Wasser geworfener Stein z. B. löst frei­ lich keine Kugelwelle, aber auf der Oberfläche eine Kreiswelle aus. Eine zylinderförmi­ ge Welle würde übrigens entstehen, wenn man eine ebene Welle durch einen langen, schmalen Spalt schickt. Für die Kugelwelle sind Polarkoordinaten angebracht: x = r ⋅ sin φ ⋅ cos θ ,

y = r ⋅ sin φ ⋅ sin θ ,

z = r ⋅ cos θ

mit

x 2 + y2 + z2 = r2 .

Die Kugelwelle soll nicht von der Richtung, sondern nur vom Radius abhängen, also u(r,⃗ t) = u(r, t) . 2

2

2

∂ ∂ ∂ Zuerst muss der Laplace-Operator ∆ = ∂x 2 + ∂y 2 + ∂z 2 in Kugelkoordinaten umge­ schrieben werden. Hinge dieser nebst von r auch noch von φ und θ ab, wäre die Her­ leitung wesentlich komplizierter. In unserem Fall schreiben wir für die x-Koordinate ∂u ∂u ∂r ∂x = ∂r ⋅ ∂x .

2.2 Kugelwellen | 9

Die 2. Ableitung ist ∂2 u ∂ ∂u ∂r ∂ ∂u ∂r ∂u ∂2 r = ( ⋅ )= ( )⋅ + ⋅ 2 ∂x ∂r ∂x ∂x ∂r ∂x ∂r ∂x2 ∂x =

∂ ( ∂u ∂r ) ∂r



∂2 u ∂r 2 ∂u ∂2 r ∂r ∂r ∂u ∂2 r . ⋅ + ⋅ 2 = 2 ⋅( ) + ⋅ ∂x ∂x ∂r ∂x ∂x ∂r ∂x2 ∂r

Weiter ist ∂r 2x x = = ∂x 2r r =−

und

∂ ( 1r ) ∂ 1 ∂2 r 1 ∂x 1 ∂r 1 = ( ⋅ x) = ⋅x+ ⋅ =− 2 ⋅ ⋅x+ 2 ∂x r ∂x r ∂x ∂x r ∂x r

1 x 1 1 x2 ⋅ ) . ⋅ x + = ⋅ (1 − r r r2 r r2

Somit erhält man

x2 ∂2 u ∂2 u x2 ∂u 1 = 2 ⋅ 2 + ⋅ ⋅ (1 − 2 ) . 2 ∂r r ∂x ∂r r r

Für die Ableitungen nach y und z gilt Analoges. Zusammen ist dann ∆u = =

x2 + y2 + z2 ∂2 u x2 + y2 + z2 ∂u 1 ⋅ + ) ⋅ ⋅ (3 − ∂r r ∂r2 r2 r2 r2 ∂2 u 2 ∂u 1 ∂2 (ru) ∂2 u r2 ∂u 1 ⋅ ⋅ (3 − = ⋅ ⋅ + ) = + ⋅ . r ∂r r ∂r2 r2 ∂r r r2 ∂r2 ∂r2

Die zugehörige Wellengleichung lautet dann ∂2 u 1 ∂2 (ru) = c2 ⋅ ⋅ . 2 r ∂t ∂r2 Multiplikation mit r liefert schließlich 2 ∂2 (ru) 2 ∂ (ru) = c ⋅ . ∂t2 ∂r2

Vergleicht man die DGL mit derjenigen der ebenen Welle, so lautet die Lösung schlicht u(x, t) =

f1 (x + ct) f2 (x − ct) + r r

(Überlagerung einer vom Zentrum hin und einer vom Zentrum weg laufenden Welle). Speziell für eine harmonische Welle ist u(x, t) = u 0 ⋅

sin(kx − ωt) . r

Der Radius im Nenner beschreibt die Tatsache, dass die Energie der Welle entlang des gesamten Umfangs bzw. der gesamten Oberfläche gleichmäßig aufgeteilt wird. Mit wachsendem Radius wird die Amplitude zwangsweise kleiner.

3 Erzwungene Saitenschwingungen Das nächste Ziel ist es, die Koeffizienten a n und b n zu bestimmen. Diese ergeben sich aber erst aus der Form der Auslenkung. Damit wird die Saite zu Schwingungen er­ zwungen. Mit g(x) := u(x, 0) bezeichnen wir die Auslenkung zur Zeit t = 0. Vorbereitung. Wir zeigen zuerst, dass l

∫ sin ( 0

{= 0 , m⋅π n⋅π x) ⋅ sin ( x) dx = { l l ≠ 0 , {

für

m ≠ n

für

m=n

gilt. Beispiel. π

l=π, n=m=1

󳨐⇒

∫ sin2 (x) dx =

π , 2

0 π

l = π , n = 1, m = 2

󳨐⇒

∫ sin(x) sin(2x) dx = 0 . 0

a−b π Benutzen wir cos a − cos b = −2 sin( a+b 2 ) ⋅ sin( 2 ) und nehmen a = (n + m) l und π b = (n − m) l , dann ist

a+b n⋅π = 2 l

und

a−b m⋅π = . 2 l

Es folgt m⋅π 1 a+b a−b n⋅π ) ⋅ sin ( ) = (sin ( ) ⋅ sin ( )) l l 2 2 2 1 1 π π = (cos b − cos a) = (cos(n − m) − cos(n + m) ) 2 2 l l und daraus sin (

l

∫ sin (

l

m⋅π 1 π n⋅π π x) ⋅ sin ( x) dx = ∫ (cos(n − m) x − cos(n + m) x) dx . l l 2 l l

0

0

Für n = m haben wir

l

π 1 = ∫ (1 − cos(2n) x) dx 2 l 0 l 1 l π [x − sin (2n x)] 2 2nπ l 0 1 l = (l − sin(2nπ)) 2 2nπ 1 = l 2

=

https://doi.org/10.1515/9783110684148-003

3 Erzwungene Saitenschwingungen |

11

und für n ≠ m l π l π l 1 sin(n − m) x − sin(n + m) x] [ 2 π(n − m) l π(n + m) l 0 l sin(n − m)π sin(n + m)π − = ( ) 2π (n − m) (n + m) l = (0 − 0) 2π =0

=

Nun sollen die Koeffizienten a n und b n bei gegebener Auslenkung g(x) bestimmt wer­ den. Dazu müssen wir einen kurzen Exkurs über Fourierreihen einschieben: Als Fou­ rierreihe (nach Joseph Fourier) bezeichnet man die Reihenentwicklung einer periodi­ schen, abschnittsweise stetigen Funktion in eine Funktionenreihe aus Sinus- und Ko­ sinusfunktionen. Bereits im 18. Jahrhundert kannten Mathematiker wie Euler, Lagrange oder die Bernoullis Fourierreihen für einige Funktionen. Zu Beginn des 19. Jahrhunderts be­ hauptete nun Fourier, dass es für alle Funktionen, insbesondere für periodische, sol­ che Reihenentwicklungen gäbe. Wir springen ohne Beweis direkt zum Kriterium von Dirichlet: Punktweise Konvergenz. Ist g(x) 2π-periodisch und entweder an der Stelle x differen­ zierbar oder in x stetig und es existieren der linksseitige und der rechtsseitige Grenz­ wert, dann konvergiert die Fourierreihe (punktweise) gegen g(x). Gleichmässige Konvergenz. Ist g(x) 2π-periodisch und an der Stelle x stetig differen­ zierbar, dann konvergiert die Fourierreihe gleichmäßig gegen g(x). g(x) hat dann die Darstellung ∞

g(x) = ∑ (c n ⋅ sin(kx) + d n ⋅ cos(kx)) . n=1

Die Auslenkung zur Zeit t = 0 ist gegeben durch ∞

g(x) = u(x, 0) = ∑ sin ( n=1 ∞

n⋅π ncπ ncπ x) ⋅ (a n ⋅ sin ( ⋅ 0) + b n ⋅ cos ( ⋅ 0)) l l l

= ∑ b n ⋅ sin ( n=1

n⋅π x) . l

Nehmen wir an, dass die Saite zur Zeit t = 0 in Ruhe ist, dann bedeutet das Dies führt auf a n = 0 für alle n. n⋅π Aus g(x) = ∑∞ n=1 d n ⋅ sin( l x) folgt g(x) ⋅ sin (

∞ n⋅π m⋅π m⋅π x) = ∑ d n ⋅ sin ( x) ⋅ sin ( x) . l l l n=1

∂u ∂t (x, 0)

= 0.

12 | 3 Erzwungene Saitenschwingungen

Mit gliedweiser Integration erhält man l

l

0

0

∞ m⋅π m⋅π n⋅π x) dx = ∑ ∫ d n ⋅ sin ( x) ⋅ sin ( x) dx . ∫ g(x) ⋅ sin ( l l l n=1

Aufgrund der Vorbereitung ist dann l

l

∫ g(x) ⋅ sin (

n⋅π n⋅π l x) dx = d n ⋅ ∫ sin2 ( x) dx = d n ⋅ l l 2

0

0

und schließlich l

2 n⋅π x) dx . d n = ⋅ ∫ g(x) ⋅ sin ( l l 0 ∂2 u ∂t 2

Schlussergebnis. Die Gleichung der schwingenden Saite

2

= c2 ⋅ ∂∂xu2 mit der Aus­

breitungsgeschwindigkeit c = √ σρ (σ: Spannung, ρ: Dichte), die in x = 0 und x = l eingespannt ist, zur Zeit t = 0 die Form g(x) = u(x, 0) besitzt und die Anfangsge­ schwindigkeit Null hat, besitzt die Lösung l



n⋅π ncπ u(x, t) = ∑ d n ⋅ sin ( x) ⋅ cos ( t) l l n=1 Die Eigenfrequenzen sind f n =

n 2l

2 n⋅π d n = ⋅ ∫ g(x) ⋅ sin ( x) dx . l l

mit

0

⋅ √ σρ .

Eine typische Auslenkung einer Saite ist das „Zupfen“. Beispiel 1 (Abb. 3.1 links). Es gilt 2h { { { l x, g(x) = { { { 2h (l − x) , { l

󳨐⇒

{ { { { d n1 { { { { { { { { { { { { { { { { dn = { { { { { { { { d n2 { { { { { { { { { { { { {

für 0 ≤ x ≤ l 2

für

l 2

2h 2 nπ = ⋅∫ x ⋅ sin ( x) dx l l l

l 2

≤x≤l l 2

=

0

nπ 4h ⋅ ∫ x ⋅ sin ( x) dx l l2 0

nπ n cos ( nπ 2h 2 ) π − 2 sin ( 2 ) ) =− 2 ⋅( π n2 l 2

l

2h 2 nπ nπ 4h = ⋅∫ (l − x) ⋅ sin ( x) dx = 2 ⋅ ∫(l − x) ⋅ sin ( x) dx l l l l l l 2

=

2h ⋅( π2

n cos ( nπ 2 )π

+ 2 sin ( nπ 2 ) ) n2

l 2

3 Erzwungene Saitenschwingungen | 13

Nehmen wir nun h = 1, l = π, c = 1. Die Addition ergibt d n = Es folgt g(x) = (mit x =

π 2

folgt insbesondere u(x, t) =

8 π2

⋅(

sin( nπ 2 ) ). n2

8 ∞ sin ( nπ 2 ) ⋅∑( ) ⋅ sin(nx) 2 2 π n=1 n

π2 8

=1+

1 9

+

1 25

+

1 49

+ ⋅ ⋅ ⋅ ) und schließlich

8 ∞ sin ( nπ 2 ) ⋅∑( ) ⋅ sin(nx) cos(nt) . π2 n=1 n2

Die Frequenzen für n = 2k, k ∈ ℕ werden nicht erzwungen! Wir können diese Lösung mit der Darstellung u(x, t) = 12 (g(x + ct) + g(x − ct)) von D’Alembert vergleichen: Zuerst ist c = h = 1 und {2x , g(x) = { π 2 (π − x) , {π

für 0 ≤ x ≤ für

π 2

π 2

≤x≤π.

Dann wird u(x, t) = 12 (g(x + t) + g(x − t)), wobei man in dieser Darstellung immer hin und her springen muss, je nachdem, ob das Argument x ± ct entweder zwischen 0 und π π 2 oder zwischen 2 und π liegt. Für zwei Werte von x und t wollen wir die Gleichheit der beiden Darstellungen überprüfen, z. B. für x = 4π und t = 8π . Man erhält 1 π π π π 1 3π π π π u ( , ) = (g ( + ) + g ( − )) = (g ( ) + g ( )) 4 8 2 4 8 4 8 2 8 8 1π 1 1 2 3π 2 π + = . = ( )= 2 π 8 π8 π2 2 Für x =

π 3

und t =

π 5

folgt

π π 1 π u ( , ) = (g ( + 3 5 2 3 1 2 = ( (π − 2 π

π π π 1 8π 2π ) + g ( − )) = (g ( ) + g ( )) 5 3 5 2 15 15 8π 2 2π 1 7π 2π 3 )+ )= ( + )= . 15 π 15 π 15 15 5

Im Vergleich zu u(x, t) =

erhält man dieselben Werte.

8 ∞ sin ( nπ 2 ) ⋅∑( ) ⋅ sin(nx) cos(nt) π2 n=1 n2

14 | 3 Erzwungene Saitenschwingungen

Beispiel 2 (Abb. 3.1 rechts). Jetzt wählen wir den Auslenkpunkt nicht in der Mitte, sondern in einem beliebigen Abstand zum Ursprung. Dann gilt h { { {ax , g(x) = { { { h (l − x) , {l − a

󳨐⇒

{ { { d n1 { { { { { { { { { { { { { { { { { dn = { { { { { { { {d n2 { { { { { { { { { { { { {

für 0 ≤ x ≤ a für

a≤x≤l

a

=

2 h nπ ∫ x sin ( x) dx l a l

a

nπ 2h ∫ x sin ( x) dx la l

=

0

=−

0

2h ( aπ2

anπ an cos ( anπ l ) π − sin ( l ) l

n2

)

l

=

l

h 2 nπ nπ 2h ∫ ∫(l − x) sin ( x) dx (l − x) sin ( x) dx = l l−a l l(l − a) l a

=

a

(a − 2h ( 2 (a − l)π

l)n cos ( anπ l )π n2

+

2 sin ( anπ l )

Nehmen wir nun h = 1, l = π, c = 1. 2 Die Addition ergibt d n = a(π−a) ⋅ ( sin(an) ). Zusätzlich mit a = n2 dn =

)

l 4

ist dann

sin ( nπ 32 4 ) ⋅ ( ) . 2 2 3π n

Es folgt g(x) =

nπ 32 ∞ sin ( 4 ) ⋅ ∑ ( ) ⋅ sin(nx) 3π2 n=1 n2

und schließlich u(x, t) =

nπ 32 ∞ sin ( 4 ) ⋅ ∑ ( ) ⋅ sin(nx) cos(nt) . 3π2 n=1 n2

Die Frequenzen für n = 4k, k ∈ ℕ werden nicht erzwungen!

Abb. 3.1: Skizzen zu den Beispielen 1 und 2

3 Erzwungene Saitenschwingungen

| 15

Die beiden Beispiele zeigen, dass beim Auslenken der Saite gewisse, aber nicht alle Frequenzen erzwungen werden. Bei einer Auslenkung von x = 2l (Bsp. 1) werden nur diejenigen Eigenfrequenzen mit ungeraden n erzwungen. Somit können Oktave (2 : 1), Große Terz (5 : 4) nie mitschwingen. Der Klang ist hohl. Liegt die Auslenkung bei x = 4l (Bsp. 2), dann ist das Klangspektrum schon reicher (Abb. 3.2 links). Oktave und Quinte werden angeregt, aber mit entsprechend kleineren Amplituden als der Grundton. Weder die Große Terz noch die Quarte (4 : 3) schwingen mit, dafür die kleine Terz (6 : 5). Es fragt sich, wo die optimale Zupfposition liegt. Sie befindet sich etwa bei x = 5l . Nicht genau bei einem Fünftel, weil für diesen Fall keine Terzen mitschwingen. Bei einer Gitarre befindet sich das Loch des Korpus etwa bei x = 5l . Spezielles bei der Gitarre: Dem Ausdruck für die Frequenz fn =

σ F n n ⋅√ = ⋅√ 2l ρ 2l A⋅ρ

entnimmt man, dass drei Parameter F, A und μ (eigentlich sogar vier, wenn die Sai­ tenlängen verschieden wären) zur Verfügung stehen, um die einzelnen Saiten zu stim­ men. Beipsielsweise erzeugt ein vierfacher Querschnitt eine halbe Frequenz usw. Aufgabe Bearbeiten Sie die Übungen 1–3.

Spezialfall. Nehmen wir an, es gelänge uns die Saite anfangs so auszulenken, dass sie gerade eine der Eigenformen einnimmt: g(x) = C sin( mπ l x). Das mag hier etwas ko­ misch erscheinen. Für spätere Schwingungsarten bedeutet dies, dass die Anregungs­ form gerade eine Eigenform ist. Dann folgt

dn = C

l

l

0

0

2 m⋅π n⋅π n⋅π 2 2 l ⋅ ∫ sin ( x) ⋅ sin ( x) dx = C ⋅ ∫ sin2 ( x) = ⋅ = C l l l l l l 2

Abb. 3.2: Die Obertöne und die Spannungsenergie der Saite

16 | 3 Erzwungene Saitenschwingungen für m = n, ansonsten Null. Schließlich ist u(x, t) = C sin (

mcπ m⋅π x) ⋅ cos ( t) . l l

3.1 Die Energien der gespannten Saite Die Saite sei mit der Spannkraft (= Normalkraft) F ausgelenkt (Abb. 3.2 rechts). Wir betrachten ein Saitenstück dx im unausgelenkten Zustand. Um das Saitenstück dx um ∆s zu verlängern, muss Arbeit verrichtet werden. Es gilt dx + ∆s = √dx2 + du 2

∆s = √dx2 + du 2 − dx = dx√1 + (u 󸀠 )2 − dx .

󳨐⇒

Wir entwickeln die Wurzel nach Taylor: √1 + (u 󸀠 )2 = 1 +

(u 󸀠 )2 (u 󸀠 )4 − ±... . 2 8

Brechen wir nach dem zweiten Term ab, so hat man ∆s ≈ dx (1 +

(u 󸀠 )2 (u 󸀠 )2 ) − dx = dx . 2 2

Somit beträgt die potenzielle Energie der ausgelenkten Saite l

Epot = ∫ F∆s =

l

1 F ∫(u 󸀠 )2 dx . 2

0

Mit c = √ σρ folgt c2 ρ =

F A . Somit

0

ist l

Epot

1 = c2 ρA ∫(u 󸀠 )2 dx . 2 0

Die kinetische Energie eines kleinen Massenstücks an der Stelle x der Saite ist dEkin =

1 1 ̇ t))2 = ρA dx(u(x, ̇ t))2 dm(u(x, 2 2

l

󳨐⇒

Ekin =

1 ρA ∫(u)̇ 2 dx . 2 0

Natürlich ist nach dem Energiesatz l

l

0

0

1 1 F ∫(u 󸀠 )2 dx + ρA ∫(u)̇ 2 dx = konst. 2 2

3.1 Die Energien der gespannten Saite

| 17

Angewandt auf die Lösung ∞

u(x, t) = ∑ sin ( n=1

ist



u 󸀠 (x, t) = ∑ n=1

und



̇ t) = ∑ u(x, n=1

nπ ncπ ncπ x) ⋅ (a n sin ( t) + b n cos ( t)) l l l

nπ ncπ ncπ nπ cos ( x) ⋅ (a n sin ( t) + b n cos ( t)) l l l l

ncπ ncπ ncπ nπ sin ( x) ⋅ (a n cos ( t) − b n sin ( t)) . l l l l

Zuerst berechnen wir die Energie, die in der n-ten Oberschwingung gespeichert ist: l

E n pot =

1 2 c ρA ∫(u n 󸀠 )2 dx 2 0 l

2 ncπ ncπ nπ n2 π 2 2 c ρA (a n sin ( t) + b n cos ( t)) ∫ cos2 ( x) dx = 2 l l l 2l 0

n2 π 2

2

l ncπ ncπ c2 ρA (a n sin ( t) + b n cos ( t)) l l 2 2l2 2 ncπ ncπ n2 π 2 F (a n sin ( t) + b n cos ( t)) = 4l l l n2 π 2 2 ncπ n2 c2 π 2 ncπ = c ρA ⋅ c2n ⋅ sin2 ( t + φn ) = ρA ⋅ c2n ⋅ sin2 ( t + φn ) , 4l l 4l l =

wobei c n = √a2n + b 2n und φ n = arctan( AB nn ) und l

E n kin

1 = ρA ∫(u̇ n )2 dx 2 0

=

n2 c2 π 2 2l2

l

ρA (a n cos (

2 ncπ ncπ nπ t) − b n sin ( t)) ∫ sin2 ( x) dx l l l 0

2 l n2 c2 π 2 ncπ ncπ = ρA (a cos ( sin ( t) − b t)) n n l l 2 2l2 2 n2 c2 π 2 ncπ ncπ = ρA (a n cos ( t) − b n sin ( t)) 4l l l n2 c2 π 2 ncπ = ρA ⋅ c2n ⋅ cos2 ( t + φn ) , 4l l

wobei c n = √a2n + b 2n und φ n = arctan( AB nn ). Dies ist die bekannte Aufspaltung der Energien bei einer Schwingung. Die gesamte Energie, die eine Oberschwingung enthält, beträgt En =

n2 c2 π 2 ρA ⋅ (a2n + b 2n ) 4l

18 | 3 Erzwungene Saitenschwingungen

Die gesamte potenzielle Energie ist l

Epot =

2

∞ n2 π 2 1 2 nπ ncπ ncπ c ρA ∫ [ ∑ 2 cos ( x) ⋅ (a n sin ( t) + b n cos ( t))] dx . 2 l l l l n=1 0

Von allen möglichen Produkten werden nur diejenigen mit m = n einen von Null ver­ schiedenen Wert ergeben: l

Epot

∞ 2 n2 π 2 1 nπ ncπ ncπ = c2 ρA ⋅ ∑ 2 ∫ cos2 ( x) dx ⋅ (a n sin ( t) + b n cos ( t)) , 2 l l l n=1 l 0



Epot = ∑ n=1

∞ n2 c2 π 2 ncπ ρA ⋅ c2n ⋅ sin2 ( t + φ n ) = ∑ E n pot . 4l l n=1

Man erhält also genau die Summe der in den einzelnen Obertönen gespeicherten En­ ergie. Ebenso ist ∞

Ekin = ∑ n=1

∞ n2 c2 π 2 ncπ ρA ⋅ c2n ⋅ cos2 ( t + φ n ) = ∑ E n kin . 4l l n=1

Die totale Energie ergibt sich zu ∞

∞ n2 c2 π 2 ρA ⋅ c2n = ∑ E n . 4l n=1 n=1

Etotal = ∑

Für die ausgelenkte Saite aus Beispiel 1 ist an = 0 ,

c2n = b 2n =

sin2 ( nπ 16 2 ) ⋅( ) , 4 4 π n

c=1,

l=π.

Die totale Energie lautet dann ∞

Etotal = ∑ n=1

= ρA

2 sin2 ( nπ n2 c2 π2 16 4 ∞ sin ( nπ 2 ) 2 ) ) = ρA ∑ ( ) ⋅ 4 ⋅( 4 3 2 4π π n π n=1 n

4 1 1 1 4 π2 1 (1 + 2 + 2 + 2 + ⋅ ⋅ ⋅ ) = ρA 3 ⋅ = ρA . 3 8 2π π 3 5 7 π

Die Einheit ist nicht korrrekt, weil wir c = 1 ms als einheitslos gewählt haben. Wäre die Auslenkung der Saite, wie im Spezialfall erwähnt, gerade gleich einer Oberschwingung g(x) = sin( mπ l x), dann reduziert sich die Energie auf Etotal = E m =

m2 c2 π2 ρA ⋅ c2n . 4l

3.2 Die verschiedenen Moden der schwingenden Saite

| 19

3.2 Die verschiedenen Moden der schwingenden Saite Wir sind immer davon ausgegangen, dass die Eigenformen der schwingenden Saite lauten: nπ y n (x) = sin ( x) . l Zwangsweise erhält man dann die zugehörigen Eigenfrequenzen. Das ist richtig, falls die Saite beidseitig fest verankert ist. Dann muss sie an den Rändern Knoten besitzen, wie schon oben dargestellt. Ist die Saite nur an einem Ende fest eingespannt und am anderen lose, oder an beiden Enden lose, wie bei Luftsäulen in Pfeifen, dann gibt es andere Eigenformen. In Abb. 3.3 sind jeweils die ersten drei Eigenformen dargestellt. Eine Übersicht über die Moden von Saite, Stab und Balken geben wir am Ende von Kapitel 12.3.

Abb. 3.3: Die Eigenformen einer schwingenden Saite

4 Die Wellengleichung der gedämpft schwingenden Saite Nimmt man noch eine Dämpfung an, dann ändert sich die Wellengleichung leicht ab. Die Einheit einer Dämpfung μ ist Ns m . Man muss zur folgenden Herleitung die Einheit Ns der Dämpfung auf die ganze Länge der Saite umrechnen, also als μl angeben in m 2. ∂u Die auf die Saite wirkende Kraft ist dann gegeben durch ∆F − μ ⋅ A ⋅ ∆x ⋅ ∂t = ∆m ⋅ a oder ∂2 u ∂u ∆F = ρ ⋅ A ⋅ ∆x ⋅ 2 + μ ⋅ ∆x ⋅ . ∂t ∂t Analog zur ungedämpft schwingenden Saite folgt A⋅ σ(

∂u ∂x (x

+ ∆x) − ∆x

∂u ∂x (x)

)=ρ⋅A

∂u ∂2 u +μ⋅ . 2 ∂t ∂t

Für ∆x → 0 erhalten wir daraus die DGL der gedämpft schwingenden Saite ∂2 u ∂u ∂2 u + b2 ⋅ = c2 ⋅ 2 2 ∂t ∂t ∂x

c := √

mit

σ ρ

und

b := √

μ . ρA

Für Torsions- und Schubschwingungen gilt Entsprechendes. Wieder setzen wir zur Lö­ sung u(x, t) = v(x) ⋅ w(t) an. Eingesetzt erhält man v ⋅ ẅ + b 2 ⋅ v ⋅ ẇ = c2 ⋅ w ⋅ v󸀠󸀠 oder ̈ v 󸀠󸀠 λ2 ẅ 2 ẇ 2 v 󸀠󸀠 2 ẇ 2 schließlich w w + b ⋅ w = c ⋅ v . Weiter ist dann v = − c 2 und w + b ⋅ w = −λ . 2 λ Man muss also das DGL-System v󸀠󸀠 + c 2 v = 0 und ẅ + b 2 ẇ + λ2 w = 0 lösen. Für beide DGLen sind die Lösungen bekannt. n⋅π n⋅π Es ist einerseits v(x) = ∑∞ n=1 sin( l x) mit den Eigenwerten λ n = l und anderer­ seits 2

w(t) = e

μ − 2ρA ⋅t

⋅(C1 ⋅ cos (

2

μ √( ρA ) − 4 ( ncπ l )

2

2

t) + C2 ⋅ sin (

2

μ √( ρA ) − 4 ( ncπ l )

2

t)) ,

wobei hier b 4 − 4λ2n > 0 gewählt wurde, also eine starke Dämpfung, die durch die fallende Exponentialfunktion repräsentiert wird. Insgesamt folgt ∞

u(x, t) = ∑ sin ( n=1

μ n⋅π x) ⋅ e− 2ρA ⋅t l

2

⋅ (a n ⋅ sin (

2

μ √( ρA ) − 4 ( ncπ l )

2

https://doi.org/10.1515/9783110684148-004

2

t) + b n ⋅ cos (

2

μ √( ρA ) − 4 ( ncπ l )

2

t)) .

4 Die Wellengleichung der gedämpft schwingenden Saite

|

21

Speziell für b 2 = 0 ergibt sich die Lösung der ungedämpft schwingenden Saite zu ∞

u(x, t) = ∑ sin ( n=1

nπ ncπ ncπ x) ⋅ (a n ⋅ sin ( t) + b n ⋅ cos ( t)) . l l l

Bemerkung. Die obige Lösung entspricht der beidseitig eingespannten Saite mit den Randbedingungen u(0, t) = 0, u(l, 0) = 0. Für Torsions- oder Schubschwingungen z. B. des einseitig eingespannten Balkens werden die Randbedingungen angepasst.

5 Die Wellengleichung für Longitudinalschwingungen eines Stabs Wir gehen von einem einseitig fest eingelagerten Stab aus, wobei dies für die Herlei­ tung keine Rolle spielt (Abb. 5.1 links). Erst wenn man die die Eigenfrequenzen aus den Randbedingungen bestimmt, dann sind die Ränder entscheidend. Der Querschnitt des Stabs sei konstant A. μ(x) bezeichnet die (Massen)dichte, bei homogenem Material einfach μ. Es gilt wie immer das Newton’sche Gesetz (Abb. 5.1 mitte) dm ⋅ ü = dF (= −F + (F + dF)) oder ρ ⋅ A ⋅ dx ⋅ ü =

∂F ∂x

⋅ dx. Mit der Definition der Spannung σ = F=σ⋅A

Hooke’sches Gesetz

=

E⋅ε⋅A=E⋅A⋅

F A

folgt

du . dx

E ist das Elastizitätsmodul, ε ist die relative Längenänderung (vgl. 2. Band, Balken­ biegung). Somit ist dF d2 u d2 u ∂F =E⋅A⋅ ⋅ dx = E ⋅ A ⋅ 󳨐⇒ μ ⋅ A ⋅ dx ⋅ ü = ⋅ dx . 2 dx ∂x dx dx2 Schließlich folgt die Wellengleichung für Longitudinalschwingungen eines Stabs (Abb. 5.1 rechts) 2 ∂2 u 2 ∂ u = c ⋅ ∂t2 ∂x2

mit der Schallgeschwindigkeit c = √ Eρ (E: Elastizitätsmodul, ρ: Dichte).

Übersicht über die Randbedingungen bei Wellenausbreitung in Stäben Eingespannter Rand. u(xR , t) = 0 = 0. Freier Rand. u 󸀠 (xR , t) = 0 (= F = EAu 󸀠 (x), siehe Herleitung oben).

Abb. 5.1: Die Longitudinalschwingungen eines Stabes https://doi.org/10.1515/9783110684148-005

5.1 Die Energien bei Longitudinalschwingungen | 23

5.1 Die Energien bei Longitudinalschwingungen Im 2. Band wurde gezeigt: l

Epot =

1 EA ∫(y󸀠 )2 dx . 2 0

Für die Zeitabhängigkeit wird die Formel mit ẇ 2 (t) multipliziert (oder man ersetzt y(x) durch u(x, t) = y(x)w(t)) und erhält l

Epot

1 = EA ∫(u 󸀠 )2 dx 2

l

oder

Epot

1 = EA ∫(y󸀠 )2 dx ⋅ w2 (t) . 2

0

0

Weiter ist dEkin

1 1 ̇ t))2 = ρA dx(u(x, ̇ t))2 = dm(u(x, 2 2

l

󳨐⇒

Ekin

1 = ρA ∫(u)̇ 2 dx 2 0

oder l

Ekin

1 = ρA ∫ y2 (x) dx ⋅ ẇ 2 (t) . 2 0

6 Die Wellengleichung des gedämpft schwingenden Stabs Analog zur Saite kann man die DGL übernehmen, falls noch eine Dämpfung μ in hinzugenommen wird. Sie lautet 2 ∂2 u 2 ∂u 2 ∂ u = c + b ⋅ ⋅ ∂t ∂t2 ∂x2

mit

c := √

Ns m

E μ und b := √ . ρ ρA

Als Lösung erhält man (bei starker Dämpfung) im Fall des einseitig fest eingespannten Stabs ∞

u(x, t) = ∑ sin ( n=1

(2n − 1) ⋅ π − μ ⋅t x) ⋅ e 2ρA 2l 2

2

⋅ (a n ⋅ sin (

μ √( ρA ) − 4 ( (2n−1)c⋅π ) 2l

2

t) + b n ⋅ cos (

Die Koeffizienten werden durch die Randbedingungen bestimmt.

https://doi.org/10.1515/9783110684148-006

2

2

μ √( ρA ) − 4 ( (2n−1)c⋅π ) 2l

2

t)) .

7 Freie Longitudinalschwingungen eines Stabs Wirkt die Schwingung erzeugende Kraft einmalig, dann spricht man von freien 2 2 Schwingungen. Zur Lösung von ∂∂t u2 = c2 ⋅ ∂∂xu2 setzen wir wie bei der Saite u(x, t) = v(x) ⋅ w(t) an. ̈ ω2 2 v 󸀠󸀠 󸀠󸀠 2 ̈ Es entsteht v ẅ = c2 v󸀠󸀠 w und w w = c v . Weiter ist v + c 2 v = 0 und w + ω w = 0. Die Lösung des Ortsteils ist v(x) = C1 sin(kx) + C2 cos(kx)

mit

k=

ω . c

Für die Zeitlösung gilt w(t) = D1 sin(ωt) + D2 cos(ωt). Bevor wir die vollständige Lösung weiterbearbeiten, bestimmen wir zuerst Eigen­ funktionen und Eigenfrequenzen für die drei Lagerungsmöglichkeiten eines Stabs. 1. Beidseitig fest eingespannter Stab (Abb. 7.1 links) Die Randbedingungen sind I. u(0, t) = 0 und II. u(l, t) = 0. Aus I. folgt v(0) = 0 und daraus C2 = 0. Aus II. folgt v(l) = 0 und daraus sin(kl) = 0, was kl = nπ, was die Eigenkreisfrequenzen ω n = cnπ l nach sich zieht. Die zugehörigen Frequenzen lauten dann ωn cn n E = = √ . fn = 2π 2l 2l ρ Die Eigenfunktionen sind v n (x) = sin (

nπ x) . l

2. Einseitig fest eingespannt, anderseitig offenes Ende (Abb. 7.1 mitte) Die Randbedingung lauten I. u(0, t) = 0 und II. u 󸀠 (l, t) = 0. Wieder ist C2 = 0. Die Randbedingung II. erzeugt cos(kl) = 0, was zu kl = führt. Eigenfrequenzen und Eigenfunktionen haben dann die Gestalt fn =

(2n − 1) E √ 4l ρ

und

v n (x) = sin (

(2n − 1)π x) . 2l

Abb. 7.1: Eigenformen und Eigenfrequenzen eines longitudinal schwingenden Stabs https://doi.org/10.1515/9783110684148-007

(2n−1) 2 π

26 | 7 Freie Longitudinalschwingungen eines Stabs

3. Beidseitig offenes Ende (Balken, der an einer Schnur hängt) (Abb. 7.1 rechts) Die Randbedingung sind I. u 󸀠 (0, t) = 0 und II. u 󸀠 (l, t) = 0. Aus I. folgt diesmal v󸀠 (0) = 0 und daraus C1 = 0. Die Randbedingung II. erzeugt sin(kl) = 0. Man erhält die Eigenfrequenzen fn =

n E √ 2l ρ

und die Eigenfunktionen v n (x) = cos (

nπ x) . l

Die vollständige Lösung für den zweiten Fall Für den Fall eines einseitig fest eingespannten und anderseitig freien Stabs soll nun die vollständige Lösung berechnet werden. Dabei gehen wir von einem anfangs ru­ henden Stab aus, was bedeutet, dass D1 = 0 und somit der zeitliche Anteil w(t) = D2 cos(ωt) beträgt. Die Gesamtlösung erhält dann die Gestalt ∞

u(x, t) = ∑ c n sin ( n=1

(2n − 1)π (2n − 1)π x) cos ( ct) . 2l 2l

Nun muss die Anfangsbedingung vorgegeben werden. Der Stab erfahre dazu einen kurzen Hammerschlag der Kraft F0 am freien Ende. Für die relative Änderung an der F0 Stelle l erhält man ε(l) = Eσ = EA . Mit ε(l) = u(l,0) folgt l u(l, 0) =

F0 l := u l . EA

An der Stelle x beträgt die absolute Längenänderung u(x, 0) = Zeit t = 0. Eingesetzt ergibt sich ∞

g(x) = ∑ c n sin ( n=1

ul l x

(2n − 1)π x) . 2l

Wieder nutzen wir die Orthogonalität der Sinusfunktion aus: l

2 (2n − 1)π (2m − 1)π ∫ sin ( x) sin ( x) dx = 1 l 2l 2l 0

für m = n und Null sonst. Damit werden die Koeffizienten zu l

2 (2n − 1)π c n = ∫ g(x) ⋅ sin ( x) dx . l 2l 0

=

F0 EA x

:= g(x) zur

7 Freie Longitudinalschwingungen eines Stabs

Für unser Beispiel gilt es, l

2u l (2n − 1)π x) dx c n = 2 ∫ x ⋅ sin ( 2l l 0

zu berechnen. Man erhält dafür cn =

2u l 4l2 (−1)n+1 8u l (−1)n+1 ⋅ = . 2 2 2 l (2n − 1) π (2n − 1)2 π2

Damit lautet die gesuchte Lösung u(x, t) =

8u l ∞ (−1)n+1 (2n − 1)π (2n − 1)π ∑ sin ( x) cos ( ct) . 2l 2l π2 n=1 (2n − 1)2

|

27

8 Erzwungene Longitudinalschwingungen eines Stabs Gegeben sei der einseitig fest eingespannte Stab (Abb. 8.1 links). Man kann diesen auf verschiedene Arten zum Schwingen anregen. Beispielsweise schlägt man mit einem Hammer in gleichen Zeitabständen kurz auf eines der Enden. Will man mit einer gro­ ßen Frequenz arbeiten, umwickelt man den Stab mit einem Draht, durch den man einen Wechselstrom schickt. Das induzierte wechselnde Magnetfeld erzeugt seinerseits eine (Lorenz)-Kraft par­ allel zum Stab, welche diesen zum Schwingen anregt. Das ist die Funktionsweise einer Quarzuhr. Die allgemeine Lösung des Problems setzt sich aus einer partikulären Lösung der inhomogenen Gleichung und der allgemeinen Lösung der homogenen Glei­ chung zusammen. Die inhomogene Lösung beeinflusst nur den Einschwingzustand. Sie klingt aufgrund der immer vorhandenen Dämpfung mit der Zeit ab: u(x, t) = u p (x, t) + u h (x, t). Für die partikuläre Lösung machen wir den Ansatz u p (x, t) = v(x) ⋅ cos(φt) . Eingesetzt in die Wellengleichung

∂2 u ∂t 2

= c2 ⋅

∂2 u ∂x 2

ergibt das

−φ2 v(x) ⋅ cos(φt) = c2 ⋅ v󸀠󸀠 (x) ⋅ cos(φt) . Somit ist die DGL für die Ortsfunktion φ 2 v󸀠󸀠 (x) + ( ) v(x) = 0 mit c

c=√

E ρ

und der Lösung φ φ v(x) = (C1 ⋅ sin ( x) + C2 ⋅ cos ( x)) cos(φt) . c c Die Gesamtlösung inklusive der homogenen Lösung (mit Dämpfung) wäre eigentlich u(x, t) = (C1 ⋅ sin (

∞ φ φ (2n − 1) ⋅ π − μ ⋅t x) + C2 ⋅ cos ( x)) cos(φt) + ∑ sin ( x) ⋅ e 2ρA c c 2l n=1 2

2

⋅ (a n ⋅ sin (

μ √( ρA ) − 4 ( (2n−1)c⋅π ) 2l

2

2

2

t) + b n ⋅ cos (

μ √( ρA ) − 4 ( (2n−1)c⋅π ) 2l

2

a n und b n könnten aus den Anfangsbedingungen bestimmt werden. Uns interessiert nur die Lösung nach der Einschwingzeit: u p (x, t) = (C1 ⋅ sin ( https://doi.org/10.1515/9783110684148-008

φ φ x) + C2 ⋅ cos ( x)) cos(φt) . c c

t)) .

8 Erzwungene Longitudinalschwingungen eines Stabs

| 29

Abb. 8.1: Skizzen zu den erzwungenen Longitudinalschwingungen eines Stabs

Die Randbedingungen lauten (Anfangsbedingungen betreffen nur die homogene Lö­ sung) I. u(0, t) = 0 󳨐⇒ v(0) = 0 󳨐⇒ C2 = 0 und II. Es ist u 󸀠 (l, t) ≠ 0, denn die Kraft am Ende ist ja vorgegeben. Deswegen lautet die zweite Randbedingung F(l, t) = EA ⋅ u 󸀠 (l, t) = F0 ⋅ cos(φt) Eingesetzt erhält man C1 φc cos( φc l) cos(φt) = C1 =

u 󸀠 (l, t) =

󳨐⇒ F0 EA

cos(φt). Somit ist

F0 EA

φ c

F0 cos(φt) . EA

cos ( φc l)

.

Dann lautet die Lösung u p (x, t) =

F0 EA

φ c

φ cos ( c l)

⋅ sin (

φ x) cos(φt) . c

Insbesondere interessiert die Amplitude für x = l, also φ

v(l) =

F0 ⋅ sin ( c l) EA

φ c

cos ( φc l)

=

φ F0 c ⋅ tan ( l) . EAφc c φ

Diese Amplitude wird maximal, wenn der Nenner Null ist, d. h. für cos( c l) = 0 ⇔ φ π c π c l = (2n − 1) ⋅ 2 , n ∈ ℕ. Damit erhalten wir φ n = l (2n − 1) ⋅ 2 und schließlich für die Frequenzen (2n − 1) E √ , fn = 4l ρ was genau den Eigenfrequenzen dieses Stabs entspricht. Dies ist die bekannte Reso­ nanzkatastrophe. Für φ → 0 geht die Lösung wieder in die statische der freien Schwingung über: lim

φ→0

F0 EA

φ c

φ cos ( c l)

F0 φ F0 ul φ ⋅ sin ( x) = ⋅x= x. ⋅ sin ( x) cos(φt) = lim φ φ→0 EA c c EA l c

Nun gehen wir zum beidseitig freien Stab über (Abb. 8.1 rechts). Die Randbedingungen lauten I. u 󸀠 (0, t) = 0 und II. F(l, t) = EA ⋅ u 󸀠 (l, t) = F0 ⋅ cos(φt) Aus I. folgt diesmal v(0) = 0 󳨐⇒ C1 = 0. II. liefert abermals u 󸀠 (l, t) =

F0 EA

cos(φt).

30 | 8 Erzwungene Longitudinalschwingungen eines Stabs

Beides setzen wir in den Ansatz φ φ u p (x, t) = (C1 ⋅ sin ( x) + C2 ⋅ cos ( x)) cos(φt) c c φ

φ

ein, was zu −C2 c sin( c l) cos(φt) =

F0 EA

C2 = −

cos(φt) und schließlich F0 EA

φ c

sin ( φc l)

führt. Dann lautet die Lösung u p (x, t) =

F0 EA

φ c

φ sin ( c l)

φ ⋅ cos ( x) cos(φt) . c

Die sogenannten dynamischen Lösungen für eine in diesem Fall periodisch wirken­ de Kraft sind somit bekannt. Wir wollen dieselben Lösungen als Reihenentwicklung herleiten und sie mit der statischen Lösung vergleichen. Wir gehen aus von der DGL φ 2 v󸀠󸀠 (x) + ( ) v(x) = 0 . c

(8.1)

Für die Verschiebung multiplizieren wir diese DGL mit einer beliebigen Funktion z(x) mit z(0) = 0 und integrieren über die Stablänge: l

l

0

0

φ 2 ∫ zv󸀠󸀠 dx + ( ) ∫ zv dx = 0 . c Für das linke Integral benutzen wir partielle Integration: l

l

l

∫ zv󸀠󸀠 dx = [zv󸀠 ]0l − ∫ z󸀠 v󸀠 dx = z(l)v󸀠 (l) − z(0)v󸀠 (0) − ∫ z󸀠 v󸀠 dx . 0

0

0

Aufgrund der Voraussetzung z(0) = 0 wird daraus l

l

∫ zv󸀠󸀠 dx = z(l)v󸀠 (l) − ∫ z󸀠 v󸀠 dx . 0

Weiter gilt v󸀠 (l) =

dv dx (l)

0

= ε(l) =

σ(l) E

=

F0 AE .

Dann ist

l

∫ zv󸀠󸀠 dx = z(l)

l

F0 − ∫ z󸀠 v󸀠 dx . AE

0

0

Insgesamt erhält man l

l

φ 2 F0 ∫ z v dx − ( ) ∫ zv dx = z(l) . c EA 󸀠 󸀠

0

0

(8.2)

8 Erzwungene Longitudinalschwingungen eines Stabs

| 31

Dies bezeichnet man als schwache Formulierung (SF) der Gleichung (8.1). Jede Lösung z(x) von (8.2) ist auch Lösung von (8.1). In der SF erscheint nur die 1. Ableitung von v. Damit ist sie für numerische Verfahren einfacher zu handhaben als Gleichung (8.1). Im Fall einer freien Schwingung ist φ = ω und F0 = 0. Gleichung (8.2) reduziert sich dann zu l

l

∫ z󸀠 v󸀠n dx − (

ωn 2 ) ∫ zv n dx = 0 . c

0

0

Wird insbesondere z = v n gewählt, so ergibt sich l

l

∫(v󸀠n )2

l ωn 2 dx = ( ) ∫ v2n dx = k 2n . c 2

0

(8.3)

0

Dies gilt für jede der drei Eigenfunktionen v n (x) = sin (

nπ (2n − 1)π x) , sin ( x) , l 2l

cos (

nπ x) l

einer freien Stabschwingung. Weiter benutzen wir die Tatsache, dass sich jede Verschiebung v(x) mit z(0) = 0 in Eigenfunktionen um Null entwickeln lässt: v(x) = ∑∞ n=1 d n v n (x). Nimmt man speziell z(x) = v(x), setzt man dies in (8.2) ein, unter Benutzung von (8.3), dann folgt l



l

φ 2 F0 ∞ ∑ d n [∫(v󸀠n )2 dx − ( ) ∫ v2n dx] = ∑ c n v n (l) . c EA n=1 n=1 0 [0 ] Somit müssen die einzelnen Koeffizienten gleich sein: dn 󳨐⇒

l F0 ωn 2 φ 2 v n (l) [( ) − ( ) ] = 2 c c EA

dn =

2u l c 2 ( ) v n (l) l2 ωn φ 2 1 − ( ωn )

=

󳨐⇒

d n [ω2n − φ2 ] =

2u l 2 c v n (l) l2

2u l c 2 ( ) V(ω n )v n (l) . l2 ω n

φ

V(ω n ) := 1/(1 − ( ω n )2 ) heißt Vergrößerungsfaktor (vgl. 2. Band). Für den einseitig fest eingespannten Stab sind die Eigenfunktionen v n (x) = sin( (2n−1)π x) und die Eigenkreisfrequenzen ω n = (2n−1)cπ . 2l 2l Dann folgt dn =

2 2u l 2l 8u l (−1)n+1 ( (−1)n+1 V(ω n ) = V(ω n ) = c n V(ω n ) . ) 2 (2n − 1)π l (2n − 1)2 π2

Die c n sind aber nichts anderes als die Koeffizienten der statischen Lösung. Sie werden mit dem Vergrößerungsfaktor multipliziert. Dieser gibt für jede Mode den Beitrag zur Gesamtverschiebung an. (Für den beidseitig fest eingespannten Stab existiert keine erzwungene Schwingung dieser Art.)

32 | 8 Erzwungene Longitudinalschwingungen eines Stabs

Ränder fest, frei

frei, frei

v n (x) sin (

cos (

v n (l)

ωn

cn

(2n − 1)π x) 2l

(−1)n+1

(2n − 1)cπ 2l

8u l (−1) (2n − 1)2 π 2

8u l (−1)n+1 ⋅ (2n − 1)2 π 2

nπ x) l

(−1)n

ncπ l

2u l (−1)n n2 π 2

2u l (−1)n ⋅ n2 π 2

dn n+1

1 1−(

φ 2 ) ωn

1 1−(

φ 2 ) ωn

Die Gesamtlösungen besitzen damit die Gestalt

u(x, t) =

1 8u l ∞ (−1)n+1 (2n − 1)π x) cos(φt) ∑ sin ( 2l π2 n=1 (2n − 1)2 1 − ( φ )2 ωn ∞

(−1)n+1 (2n − 1)π x) cos(φt) sin ( 2 2 2l ((2n − 1)cπ) − (2lφ) n=1

= 8u l c2 ∑ bzw. u(x, t) =

1 2u l ∞ (−1)n nπ ∑ cos ( x) cos(φt) 2 2 2 φ l π n=1 n 1 − ( ) ωn ∞

(−1)n nπ cos ( x) cos(φt) 2 − (lφ)2 l (ncπ) n=1

= 2u l c2 ∑

Schließlich zeigen wir noch, dass die Reihenlösung mit der oben bestimmten Lösung übereinstimmt: ∞

(−1)n+1 (2n − 1)π sin ( x) cos(φt) 2 − (2lφ)2 2l ((2n − 1)cπ) n=1

8u l c2 ∑ =

F0 EA

φ c

cos ( φc l)

⋅ sin (

φ x) cos(φt) . c

φ

Beweis. Dazu entwickeln wir sin( c x) nach den Eigenfunktionen um x = 0: sin (

∞ φ (2n − 1)π x) = ∑ a n sin ( x) . c 2l n=1

Die Koeffizienten sind l

an =

(2n − 1)π 2 φ x) dx ∫ sin ( x) sin ( l c 2l 0

φ = 4(−1)n+1 cos ( l) φl c 1 1 + ⋅[ ] . (2n − 1)π[(2n − 1)cπ + 2lφ] (2n − 1)π[(2n − 1)cπ − 2lφ]

8 Erzwungene Longitudinalschwingungen eines Stabs

| 33

Somit erhält man φ

∞ 8(−1)n+1 cos ( l) cφl (2n − 1)π φ c sin ( x) . sin ( x) = ∑ 2 − (2lφ)2 c 2l ((2n − 1)cπ) n=1

Schließlich folgt die Behauptung: F0 EA

φ c

cos ( φc l)

⋅ sin (

∞ 4(−1)n+1 c2 (2n − 1)π φ sin ( x) = 8u l c2 ∑ x) . 2 − (2lφ)2 c 2l ((2n − 1)cπ) n=1

Dasselbe zeigt man für den beidseits freien Stab (siehe Übung 4). Aufgabe Bearbeiten Sie die Übung 4.

9 Die Wellengleichung für Torsionsschwingungen eines kreisrunden Stabs Dazu betrachten wir Abb. 9.1. Für das durch den Winkel φ(x, t) erzeugte zusätzliche Drehmoment dM gilt dJ ⋅ φ̈ = dM Man erhält ρ ⋅ Ip ⋅

󳨐⇒ ∂2 φ ∂t 2

=

ρ ⋅ Ip ⋅ dx ⋅ dM dx . Für

∂2 φ = dM ∂t2

(Ip : polares Flächenmoment).

dx → 0 folgt

ρ ⋅ Ip ⋅

∂2 φ = M 󸀠 (x, t) . ∂t2

Bei der Herleitung des Torsionspendels erhielten wir den Zusammenhang φ󸀠 (x) = mit G: Schub- oder Torsionsmodul und It : Torsionsträgheitsmoment.

M(x) G⋅I t

Abb. 9.1: Skizzen zur Torsionsschwingung eines kreisrunden Stabs

Für Kreise und Kreisringe stimmen It und Ip überein. Somit ist φ󸀠 (x) = folgt ∂2 φ M 󸀠 (x, t) = . G ⋅ Ip ∂x2

M(x) G⋅I p .

Daraus

Zusammen ergibt das ∂2 φ ∂2 φ = G ⋅ Ip ⋅ . 2 ∂t ∂x2 Schließlich folgt die Wellengleichung für Torsionsschwingungen eines kreisrunden Stabes ρ ⋅ Ip ⋅

∂2 φ ∂2 φ = c2 ⋅ 2 ∂t ∂x2 mit der Schallgeschwindigkeit c = √ Gρ (G: Schubmodul, ρ: Dichte).

Aufgabe Bearbeiten Sie die Übung 5.

https://doi.org/10.1515/9783110684148-009

9.1 Die Energien bei Torsionsschwingungen

| 35

Mit E = 2G(1 + ν) erhält man c=√

E . 2(1 + ν)ρ

9.1 Die Energien bei Torsionsschwingungen Im Gegensatz zum 2. Band geht es hier nur um die Energien des Stabs selber. Im 2. Band wurde gezeigt: l

Epot

1 = GIp ∫(y󸀠 )2 dx 2

(Ip : polares Flächenmoment).

0

Für die Zeitabhängigkeit wird die Formel mit ẇ 2 (t) multipliziert (oder man ersetzt y(x) durch u(x, t) = y(x)w(t)) und erhält l

Epot =

1 GIp ∫(u 󸀠 )2 dx 2

l

oder

Epot =

0

1 GIp ∫(y󸀠 )2 dx ⋅ w2 (t) . 2 0

Weiter wurde bewiesen l

Ekin Draht

1 = ρIp ∫(y)̇ 2 dx . 2 0

Analog ergibt sich l

Ekin =

1 ρIp ∫(u)̇ 2 dx 2 0

l

oder

Ekin =

1 ρIp ∫ y2 dx ⋅ ẇ 2 (t) . 2 0

10 Die Wellengleichung für Schubschwingungen eines Balkens Der Balken mit der Querschnittsfläche A stehe unter einer Schubspannung τ = (Abb. 10.1).

F A

Abb. 10.1: Skizze zur Schubschwingung eines Balkens

Es gilt das Newton’sche Gesetz dm ⋅ ü = dF. Daraus erhält man ρA ⋅ dx ⋅

∂2 u ∂F ⋅ dx . = ∂x ∂t2

Nach dem Hooke’schen Gesetz ist τ = G ⋅ φ, also φ = Andererseits gilt für die relative Auslenkung φ=

τ G

=

F GA .

∂u . ∂x

Somit erhält man ∂2 u ρ ∂2 u 1 ∂F ⋅ = ⋅ 2 = 2 GA ∂x G ∂t ∂x und schließlich die Wellengleichung für Schubschwingungen eines Balkens 2 ∂2 u 2 ∂ u = c ⋅ ∂t2 ∂x2

mit der Schallgeschwindigkeit c = √ Gρ (G: Schubmodul, ρ: Dichte). Bemerkungen. 1. Es ist E = 2G(1 + ν) und φ ≠ ε, denn das eine ist eine Dehnung, das andere ein Schub, eine Torsion oder Scherung des Materials. Für Stahl ist E = 2,1 ⋅ 1011 mN2 , G = 8,2 ⋅ 1010 mN2 . Es braucht also weniger Kraft, um einen Stab zu tordieren als ihn zu biegen. 2. Freie und erzwungene Schwingungen verlaufen exakt gleich wie beim Stab, weil allen dieselbe Bewegungsgleichung zugrunde liegt. https://doi.org/10.1515/9783110684148-010

10 Die Wellengleichung für Schubschwingungen eines Balkens | 37

Anwendung: Scherwellen an Gebäuden Wir betrachten das Modell eines mehrstöckigen Hauses, das in Schwingung versetzt wird (Abb. 10.2 links). Es seien nur die beiden Seitenwände vorhanden. Durch Bewe­ gung der Decken nehmen die Wände dann eine gewisse Biegelinie an. Die Wände be­ sitzen die Länge l und die Biegesteifigkeit EI.

Abb. 10.2: Skizzen zu den Scherwellen an Gebäuden

Die Decken haben alle die gleiche Masse m (Die Wände sind masselos!). Wirkt die Kraft F auf eine Decke, so nehmen die Wände eine Biegelinie in S-Form an (Abb. 10.2 mitte). An ihrem Wendepunkt gespiegelt, entspricht diese Form einem einseitig fest eingespannten Balken, an dessen Ende die Kraft F wirkt. ∆u ist die ge­ samte Auslenkung des Balkens. In der zugehörigen Biegelinie (Abb. 10.2 rechts) erhält man für die größte Durch­ Fl 3 biegung u Max = 3EI (siehe 2. Band, Übungsteil). In unserem Beispiel ist l → 2l . F l 3 Fl 3 Das ergibt ∆u 2 = 3EI ( 2 ) und schließlich ∆u = 12EI . Als Nächstes linearisieren wir die Querverschiebung ∆u und die Zunahme der ∂F ∂2 u ∂F Querkraft ∆F: ∆u = ∂u ∂x l, ∆F = ∂x l. Es gilt das 2. Newton’sche Gesetz m⋅ ∂t 2 = ∆F = ∂x l. Nach obiger Rechnung ist ∆u =

Fl 3 12EI .

Dann folgt

∂2 u l3 ∂F l2 ∂F ml2 ∂2 u ∆u = = l= ⋅ l= 2 dx 12EI ∂x 12EI ∂x 12EI ∂t2 ∂x 2

2

und schließlich die Wellengleichung ∂∂t u2 = c2 ⋅ ∂∂xu2 . Die Ausbreitungsgeschwindigkeit der Scherwellen für dieses Hausmodell beträgt c=√

12EI . ml

Dies ist kein allgemeines Ergebnis. Es gilt nur für dieses Haus. Schließlich ist c ja von materialunspezifischen Größen wie I, l und die Masse m der Decke abhängig. Will man ein zuverlässiges oder allgemeines Ergebnis der Ausbreitung von Scher­ wellen oder auch S-Wellen (Sekundärwellen) erhalten, muss man den Ausdruck der allgemeinen Ausbreitung c = √ Gρ nehmen. Für Beton gilt G = 1,2 ⋅ 1010 mN2 , kg ρ = 1,5 ⋅ 103 m 3. Das ergibt c = 2828 ms .

38 | 10 Die Wellengleichung für Schubschwingungen eines Balkens

Schubschwingungen treten z. B. im Zusammenhang mit Kupplungen auf, wenn die Scheiben der Kupplung nicht reibungsfrei aneinanderhaften. Dann kommt es zu wechselnden, periodischen Momentübertragungen an den Antriebsstrang (Rohr­ form). Damit können die Eigenfrequenzen dieses Rohrs angeregt werden. Es entstehen Longitudinalschwingungen, das Fahrzeug beginnt zu rupfen, die Karosserie schwingt vor und zurück. Typische Eigenfrequenzen sind 8−12 Hz, was einer Motorendrehzahl von U U 480 min − 720 min entspricht. Kupplungen sind die anfälligsten Bauteile eines Pkw. Aufgabe Bearbeiten Sie die Übung 6.

11 Die Wellengleichung für Druckschwingungen von Gassäulen Obwohl dieser Band eigentlich der Dynamik von Festkörpern gewidmet ist, soll die Wellengleichung für Gassäulen hier Platz finden. Genauere Ausführungen folgen im Zusammenhang mit der Wärmeleitung im 4. Band. Vorbereitung: Adiabatische Zustandsänderung, Poisson’sches Gesetz Zuerst einige Begriffe unter Verwendung des Modells „ideales Gas“, also konst.: – isochor: V = konst. 󳨐⇒ Tp = konst.

pV T

= Nk =

= konst.



isobar: p = konst.

󳨐⇒

V T



isotherm: T = konst.

󳨐⇒

pV = konst.

Nun fragt sich, ob und wie der Zusammenhang für eine adiabatische Zustandsände­ rung aussieht. Bei dieser Art wird keine Wärme mit der Umgebung ausgetauscht. Dies kann man durch gute Isolation erreichen, oder der Prozess läuft so schnell ab, dass die Zeit für einen Wärmeaustausch nicht ausreicht. Der 1. Hauptsatz der Thermodynamik lautet dU = ∆Q + ∆W (Energieerhaltung), Änderung der inneren Energie = Änderung der Wärme + Änderung der Arbeit (am System). Bei einem adiabatischen Prozess reduziert sich die Gleichung zu dU = ∆W. a. Adiabatische Expansion Das Gas dehnt sich aus, das Volumen wird größer. Dabei verringert sich die innere Energie des Gases. Die Temperatur und der Druck des Gases sinken. Die Änderung der inneren Energie ist gleich der vom System verrichteten Arbeit. Innere Energie geht verloren: dU = ∆W (∆W < 0) . b. Adiabatische Kompression Das Gas wird zusammengedrückt. Dazu wird innere Arbeit verrichtet, das Volumen verringert sich. Die Temperatur und der Druck des Gases steigen. Die dabei entstehen­ de Wärme wird vollständig in innere Energie des Gases umgewandelt. Innere Energie kommt hinzu: ∆W = dU (dU > 0) . Unter Verwendung des Modells „ideales Gas“ wird der adiabatische Übergang gedank­ lich in zwei Teilprozesse zerlegt, die beide natürlich gleichzeitig ablaufen, 1. isochor https://doi.org/10.1515/9783110684148-011

40 | 11 Die Wellengleichung für Druckschwingungen von Gassäulen

Abb. 11.1: Skizzen zur Wellengleichung einer Gassäule

und 2. isobar (Abb. 11.1 links). Für die Werte in den Punkten A und B gilt p1 ⋅V1κ = p2 ⋅V2κ (W = ∫ p dV gilt hier nicht, nur für T = konst.). 1. Druck und Temperatur ändern sich, somit auch die Wärme dU. Es gilt dU = c V ⋅ m ⋅ dT V , c V : Wärmekapazität bei konstantem Volumen. Für ein ideales Gas ist dp⋅V dT V = konst. = N ⋅ k, k: Boltzmann-Konstante, N: Teilchenzahl 󳨐⇒ 2.

dU = c V ⋅ m ⋅

dp ⋅ V . N⋅k

Volumen und Temperatur ändern sich, das Gas verrichtet (Volumen-)Arbeit. Es gilt ∆W = −c p ⋅ m ⋅ dT p , c p : Wärmekapazität bei konstantem Druck. Für ein ideales Gas ist p⋅dV dT V = konst. = N ⋅ k, k: Boltzmann-Konstante, N: Teilchenzahl 󳨐⇒

∆W = −c p ⋅ m ⋅

p ⋅ dV . N⋅k cp c V als dV V = 0.

Aus beiden Gleichungen folgt c V ⋅ dp ⋅ V + c p ⋅ p ⋅ dV = 0. Man definiert κ = dp p

den adiabatischen Koeffizienten. Dann schreibt sich die Gleichung als + κ ⋅ Daraus wird dp dV ∫ +κ⋅∫ =0. p V Das ergibt ln p + κ ⋅ ln V = konst. 󳨐⇒ ln(p ⋅ V κ ) = konst. und schließlich die Pois­ son’sche Gleichung p ⋅ V κ = konst. Nun zur Wellengleichung (Abb. 11.1 rechts): Im Ruhestand habe das Gas die Dich­ te ρ0 und den Druck p0 . Im ausgelenkten Zustand bezeichnet p(x) den Druck an der Stelle x. u(x, t) ist die Verschiebung der Säule. Zuerst vergleichen wir ρ(x) mit ρ 0 . Da die Masse erhalten bleibt, ist ρ 0 A ⋅ dx = ρ(x)A(dx + u(x + dx) − u(x)) . Daraus wird ρ 0 ⋅ dx = ρ(x) (dx +

∂u ∂u dx + ⋅ ⋅ ⋅ ) ≈ ρ(x) ⋅ dx (1 + ) ∂x ∂x

und schließlich ρ(x) = ρ 0 (1 +

∂u −1 ) . ∂x

11 Die Wellengleichung für Druckschwingungen von Gassäulen

| 41

Nach dem Newton’schen Gesetz erhalten wir dm ⋅ ü = −dF = −A ⋅ dp und demnach 2 ρ 0 A ⋅ dx ⋅ ∂∂t u2 = −A ⋅ ∂p ∂x dx. Nun vergleichen wir p(x) mit p0 . Aus der Poissongleichung p ⋅ V κ erhält man p0 ⋅ V0κ = p ⋅ V κ

oder

p0 ⋅ (

m0 κ m κ ) = p⋅( ) . ρ0 ρ

Da m = m0 ist, folgt p(x) = p0 (

ρ(x) κ ∂u −κ ) = p0 (1 + ) . ρ0 ∂x

Wir betrachten nur kleine Druckschwankungen, deswegen beachten wir in der Taylo­ rentwicklung nur noch den linearen Term: p(x) = p0 (1 − κ ∂u ∂x + ⋅ ⋅ ⋅ ). ∂2 u Dann ist ∂p = −κp . Dies setzen wir in die Bewegungsgleichung ein. 0 ∂x 2 ∂x 2

2

Es folgt ρ 0 ∂∂t u2 = κp0 ∂∂xu2 und schließlich die Wellengleichung für Druckschwin­ gungen von Gassäulen ∂2 u κp0 ∂2 u = ⋅ ρ 0 ∂x2 ∂t2 mit der Schallgeschwindigkeit c = √κ pρ00 = √κRs T, Rs = spez. Gaskonstante. Zum Beispiel wäre die Schallgeschwindigkeit von Luft bei 0 °C und den zugehörigen kg Werten ρ 0 = 1,293 m 3 , p 0 = 101.325 Pa, κ = 1,4, cSchall = 331,22

m . s

Als Zusatz noch eine Liste der Arbeitsbeträge für die vier Zustandsänderungen: 1. isotherm: V2

T = konst.

∆W = p ⋅ dV

󳨐⇒

W=∫ V1

2.

isochor: V = konst.

3.

dU = m ⋅ c V ⋅

dp ⋅ V N⋅k

󳨐⇒

U=

∆W = −m ⋅ c p ⋅

p ⋅ dV N⋅k

󳨐⇒

W =−

m ⋅ cV V(p1 − p2 ) N⋅k

isobar: p = konst.

4.

NkT V2 dV = NkT ⋅ ln ( ) V V1

m ⋅ cp p(V2 − V1 ) N⋅k

adiabatisch: p ⋅ V κ = konst. 󳨐⇒ W = U

Beispiele für Druckschwankungen sind Singen, Händeklatschen, Explosionen usw. Aber auch das Aufreißen der Wohnungstür lässt das leicht offene Fenster zuschlagen.

12 Die Wellengleichung für den ungedämpft schwingenden Balken Bei der Herleitung der schwingenden Saite wurde eine Biegesteifigkeit von EI = 0 vorausgesetzt. Dies ist beim Balken nun nicht mehr der Fall (Abb. 12.1).

Abb. 12.1: Skizzen zur Wellengleichung eines ungedämpft schwingenden Balkens

Es ist u(x, t): Verschiebung der Balkenmitte, q(x, t): Äußere orts- und zeitabhängige Streckenlast (als Kraft pro Längeneinheit), N: Normalkraft im Balken, Q: Querkraft am Balken, EI Biegesteifigkeit, A: Querschnitt und ρ: Dichte. Vergleich der Drehmomente. Es gilt dM = dM Q + dM N oder dM = Q ⋅ dx + N ⋅ du (Für kleine dm stehen Q senkrecht auf dx und N senkrecht auf du). Folglich ist ∂u ∂M ∂u ∂M dx = Q⋅dx + N ⋅ dx 󳨐⇒ Q = −N⋅ ∂x ∂x ∂x ∂x

󳨐⇒

∂Q ∂2 M ∂ ∂u − = (N ⋅ ). ∂x ∂x ∂x2 ∂x

Es gilt das 2. Newton’sche Gesetz: dm ⋅ ü = dQ + q ⋅ dx

(dm wird von Q und von der Streckenlast(kraft) beschleunigt).

Daraus wird ρA ⋅ dx ⋅

∂ 2 u ∂Q = dx + q ⋅ dx ∂x ∂t2

und

ρA ⋅

∂ ∂2 u ∂Q ∂2 M ∂u = − + q = (N ⋅ )+q . ∂x ∂x ∂t2 ∂x2 ∂x

Für den Balken gilt: ∂2 u M =− EI ∂x2

󳨐⇒

M = −EI ⋅

∂2 u ∂x2

󳨐⇒

∂2 M ∂2 ∂2 u = − 2 (EI ⋅ 2 ) . 2 ∂x ∂x ∂x

Schließlich folgt die Wellengleichungleichung für den ungedämpft schwingenden Balken ∂2 ∂2 u ∂ ∂u ∂2 u (EI ⋅ 2 ) + (N ⋅ ) + ρA ⋅ 2 = q . 2 ∂x ∂x ∂x ∂x ∂t https://doi.org/10.1515/9783110684148-012

12.1 Die Euler’sche DGL des Knickens | 43

Wir betrachten vorerst diejenigen Fälle ohne zusätzliche Streckenlast, also q = 0. 1. Fall. EI = 0 , N = konst. = −F , 󳨐⇒

∂2 u σ ∂2 u = ⋅ 2 =0, ρ ∂x ∂t2

∂u ≠ 0 , q = 0 ∂t

∂4 u F ∂2 u + =0, ⋅ 4 EI ∂x2 ∂x

EI

∂2 u ∂2 u + ρA ⋅ =0 ∂x2 ∂t2

∂u = 0 , q = 0 , keine Schwingung ∂t

Euler’sche DGL des Knickens. ∂u ≠ 0 , ρ = konst. , q = 0 ∂t

3. Fall. EI = konst. , N = 0 , 󳨐⇒

−F

Wellengleichung der schwingenden Saite.

2. Fall. EI = konst. , N = konst. = F , 󳨐⇒

󳨐⇒

∂4 u ∂2 u + ρA ⋅ =0, ∂x4 ∂t2

freie Biegeschwingungen des homogenen Balkens.

4. Fall. EI = konst. , N = konst. , ρ = konst. ,

∂u ≠ 0 , q = 0 ∂t

∂4 u ∂2 u ∂2 u + N ⋅ + ρA ⋅ =0, ∂x4 ∂x2 ∂t2 Biegeschwingungen des homogenen Balkens unter Normalkraft. 󳨐⇒

EI

12.1 Die Euler’sche DGL des Knickens 2. Fall

∂4 u ∂x 4

+

F EI



∂2 u ∂x 2

= 0. Dies ist die Euler’sche DGL des Knickens (Abb. 12.2 links).

Folgendes vorweg: Lässt man den Balken waagrecht, dann ist dieser spannungsfrei in Richtung der waagrechten Komponente. Stellt man den Balken aufrecht, erzeugt das Eigengewicht eine Spannung auf den Balken. Vorerst sehen wir aber davon ab und kommen später darauf zurück. Folgerung. Für das Drehmoment gilt weiterhin M = −EI ⋅ u 󸀠󸀠 . Aus Abb. 12.2 rechts entnimmt man Q y ⋅ cos φ ⋅ dx = dM z (Drehung um z-Achse). Da für kleine φ etwa cos φ ≈ 1 und sin φ ≈ tan φ gilt, erhält man Q y ⋅ dx = dM z oder kurz ∂M =Q ∂x

und

Q = F ⋅ sin φ ≈ F ⋅ tan φ = F ⋅

Abb. 12.2: Skizzen zur Euler’schen Knicklast

du = F ⋅ u󸀠 . dx

44 | 12 Die Wellengleichung für den ungedämpft schwingenden Balken

Übersicht über die Randbedingungen bei Knickproblemen Eingespannter Rand

I. II.

u(xR , t) = 0. u 󸀠 (xR , t) = 0.

Gelenkig gestützter Rand

I.

u(xR , t) = 0. u 󸀠 (xR , t) ≠ 0. M(xR , t) = 0.

II. Freier Rand

Neigung der Balkenachse ändert sich nicht.

Balkenachse neigt sich bei Kraft F. (= F ⋅ dx, dx = 0, für x R , Rand bewegt sich nicht).

u(xR , t) = 0. u 󸀠 (xR , t) ≠ 0. Balkenachse neigt sich bei Kraft F. M(xR , t) ≠ 0. (= F ⋅ dx, dx ≠ 0, für x R , Rand bewegt sich). Q(xR , t) = F ⋅ u 󸀠 (l).

I.

II. Zur Lösung der DGL

Keine Durchbiegung möglich.

∂4 u ∂x 4

+

F EI



∂2 u ∂x 2

= 0 machen wir den Ansatz

u(x) = A ⋅ e λx + Bx + C

mit

k=√

F . EI

Das ergibt A ⋅ λ4 e λx + A ⋅ k 2 λ2 e λx = 0

λ2 (λ2 + k 2 ) = 0

󳨐⇒

󳨐⇒

λ1,2 = ±i ⋅ k .

Für die Lösung gilt u(x) = Ae ikx + Be−ikx + C3 kx + C4 . Mit Hilfe der neuen Konstanten A = 12 (C1 − iC2 ) und B = 12 (C1 + iC2 ) folgt u(x) =

1 (C1 e ikx + C1 e−ikx − iC2 e ikx + iC2 e−ikx ) + C3 kx + C4 . 2

Damit erhält man insgesamt u(x) = C1 cos(kx) + C2 sin(kx) + C3 kx + C4 , u 󸀠 (x) = −k(C1 sin(kx) − C2 cos(kx) − C3 ) , M(x) = −EI ⋅ u 󸀠󸀠 = EIk 2 (C1 cos(kx) + C2 sin(kx)) Q(x) = −EI ⋅ u

󸀠󸀠󸀠

und

= −EIk (C1 sin(kx) − C2 cos(kx)) 3

Es gibt vier wesentliche Knickfälle: 1. Eulerfall: unten eingespannt, oben frei, 2. Eulerfall: unten gelenkig gestützt, oben gelenkig gestützt, 3. Eulerfall: unten eingespannt, oben gelenkig gestützt und 4. Eulerfall: unten eingespannt, oben eingespannt. Bemerkung. Da keine Zusatzlast q auf dem Stab liegt, kann man diesen auch aufrecht stellen.

12.1 Die Euler’sche DGL des Knickens |

1. Eulerfall (Abb. 12.3 links) Die Randbedingungen führen zu I. u(0) = 0, II. u 󸀠 (0) = 0, I.

C1 + C4 = 0

󳨐⇒

II. k(C2 + C3 ) = 0

󳨐⇒

III.

M(l) = 0

und

45

Q(l) = F ⋅ u 󸀠 (l).

IV.

C4 = −C1 . C3 = −C2 .

III. C1 cos(kl) + C2 sin(kl) = 0 . IV. − EIk 3 (C1 sin(kl) − C2 cos(kl)) = −kF(C1 sin(kl) − C2 cos(kl) − C3 ) . Aus IV. folgt C1 sin(kl) − C2 cos(kl) = C1 sin(kl) − C2 cos(kl) − C3 , F und daraus C3 = 0. Eingesetzt in II. folgt C2 = 0. denn k 2 = EI Aus III. ergibt sich dann C1 cos(kl) = 0, also cos(kl) = 0. π (2n − 1). Dies ist genau dann der Fall, wenn kl = 2π (2n − 1), also k = 2l Die Euler’sche Knicklast ist diejenige Kraft, bei der der Stab knickt, was gleichbe­ π deutend mit dem kleinsten n ist, also n = 1. Das bedeutet k = 2l . F 2 Für die Euler’sche Knicklast folgt aus k = EI , dass

FKnick = k 2 ⋅ EI = EI ⋅

π2 . 4l2

Für die Knickform ergibt sich mit I. die Gleichung u(x) = C1 (cos (

π x) − 1) . 2l

Die Konstante C1 kann nicht bestimmt werden, sie ist nicht eindeutig. 3. Eulerfall (Abb. 12.3 rechts) Die Randbedingungen führen zu I. u(0) = 0, II. u 󸀠 (0) = 0, I.

C1 + C4 = 0

󳨐⇒

III.

u(l) = 0

C4 = −C1 .

und

IV.

II. k(C2 + C3 ) = 0

M(l) = 0. 󳨐⇒

C3 = −C2 .

III. C1 cos(kl) + C2 sin(kl) + C3 kl + C4 = 0 . IV. EIk 2 (C1 cos(kl) + C2 sin(kl)) = 0 .

Abb. 12.3: Skizzen zum 1. und 3. Euler’schen Knickfall

46 | 12 Die Wellengleichung für den ungedämpft schwingenden Balken Aus IV. folgt −C1 = C2 tan(kl). III. ergibt C1 cos(kl) + C2 sin(kl) − C2 kl − C1 = 0 . Daraus entsteht C1 (cos(kl) − 1) + C2 (sin(kl) − kl) = 0. Das Ergebnis von IV. eingesetzt ergibt tan(kl)(cos(kl) − 1) = (sin(kl) − kl) . Somit folgt sin(kl) − tan(kl) = sin(kl) − kl und schließlich die charakteristische Glei­ chung tan(kl) = kl. Diese Gleichung lässt sich nur numerisch lösen. Man erhält als kleinste Lösung kl = 4,493 = 1,430 ⋅ π . . Damit ist k = 1,430⋅π l Für die Euler’sche Knicklast folgt mit k 2 = FKnick = k 2 ⋅ EI = EI ⋅

F EI ,

dass

2,046 ⋅ π 2 . l2

Aus IV. ergibt sich C2 = −

C1 C1 =− . tan(kl) kl

Für die Knickform gilt dann u(x) = C 1 (cos (

1,430 ⋅ π l 1,430 ⋅ π x x) − sin ( x) + − 1) . l 1,430 ⋅ π l l

Abermals kann die Konstante C1 nicht bestimmt werden, sie ist nicht eindeutig. Die kritischen Knickkräfte des Balkens wurden unter Vernachlässigung der Span­ nung aufgrund seines Eigengewichts bestimmt. Es gilt: σ(x) = GA (1 − xl ). Die gesamte (Gewichts-)Spannung ist l

σ=

x Gl G , ∫ (1 − ) dx = A l 2A 0

was eine durchschnittliche, auf den Balken wirkende Gewichtskraft von FG = G2 er­ gibt. Nun stellt sich die Frage, ob bei der Bestimmung der kritischen Last die Kraft FG = G2 miteinbezogen werden soll, oder doch die ganze Gewichtskraft FG = G, denn schließlich ist der Fußpunkt des Balkens offensichtlich die Stelle mit der größten Be­ lastung. π2 Für den 1. Eulerfall wäre dann FKnick = EI ⋅ 4l 2 − G, also etwas kleiner als vorhin, zu wählen. Aufgabe Bearbeiten Sie die Übungen 7–9.

12.1 Die Euler’sche DGL des Knickens | 47

Anwendung zum 4. Eulerfall Gegeben ist ein beidseitig eingespannter Balken, der sich erwärmt. Bei welcher kriti­ schen konstanten Temperaturänderung ∆T bricht er? kg −5 1 Es sei l = 10 m, h = 0,1 m, E = 2,1 ⋅ 1011 mN2 , ρ = 7,8 ⋅ 103 m 3 und α = 1,2 ⋅ 10 K σ der Wärmeausdehnungskoeffizient. Einerseits ist σ = ε ⋅ E 󳨐⇒ ε = E . Andererseits hat man ε=−

∆l l ⋅ α ⋅ ∆T =− = −α ⋅ ∆T . l l

Damit erhält man σ = −α ⋅ ∆T E Mit FKnick =

4EI⋅π 2 l2

und I =

1 2 12 Ah

󳨐⇒

∆T = −

σ F =− . α⋅E A⋅α⋅E

folgt

∆T =

−4I ⋅ π2 π2 ⋅ h2 =− . 2 A⋅α⋅l 3α ⋅ l2

Für unser Beispiel ist ∆T = −27,24 K. Für waagrechte Balken muss man also beachten, dass h groß und α und l klein sind. Stellen wir den Balken senkrecht, dann ist zusätzlich die (veränderliche) Span­ nung aufgrund des Eigengewichts zu berücksichtigen: σ(x) = GA (1 − xl ). Die gesamte (Gewichts-)Spannung beträgt l

x Gl G σ = ∫ (1 − ) dx = A l 2A 0

und damit durchschnittlich Die totale Spannung ist

G 2A .

F G = − αE ⋅ ∆T . A 2A Es ergibt sich dann E ⋅ π2 h2 G − αE ⋅ ∆T = 2A 3l2

󳨐⇒

∆T =

ρgl π2 ⋅ h2 − . 2αE 3α ⋅ l2

ρgl 2

Mit diesen Werten hat man 2αE = 0,15 K und total ∆T = −27,09 K. Geht man einmal von einem fest gewählten Material aus, dann bleiben wieder nur Länge l und Dicke h als entscheidende Größen, um ∆T möglichst groß zu halten. Unsinnig wäre natürlich ∆T = 0. Dieser Fall träte für 1

l=(

2 2Eπ 2 3 ) ⋅ h3 3ρg

ein. 2

Mit unseren Zahlenwerten ergäbe das l = 262,35 ⋅ h 3 .

48 | 12 Die Wellengleichung für den ungedämpft schwingenden Balken

Alle Ergebnisse fassen wir in folgender Übersicht zusammen (Abb. 12.4):

Abb. 12.4: Übersicht zu den Euler’schen Knickfällen

12.2 Die Energie beim Knickstab Dazu betrachten wir Abb. 12.5. Es gilt ∆s = dx − √d2 x − d2 u = dx − dx√1 − (u 󸀠 )2 ≈ dx − dx (1 +

(u 󸀠 )2 (u 󸀠 )2 dx . )= 2 2

Dann folgt l

s=∫

(u 󸀠 )2 dx . 2

0

Die verrichtete Arbeit beträgt l

W =F⋅s=

1 F ∫(u 󸀠 )2 dx . 2 0

Für den 2. Fall wäre u(x) = C sin( πl x). Nehmen wir an, wir würden bis zum Knicken 2 belasten, dann ist F = EI ⋅ πl 2 und für die verrichtete Arbeit folgt Epot

l

l

0

0

EIπ4 1 1 1 π4 π π4 l = F ∫(u 󸀠 )2 dx = C2 EI ⋅ 4 ∫ cos2 ( x) dx = C2 EI ⋅ 4 ⋅ = C2 3 . 2 2 l 2 2 l l 4l

Abb. 12.5: Skizzen zur Energie des Knickstabes

12.3 Die DGL für freie Biegeschwingungen des homogenen Balkens | 49

Die Knickkraft kann man auch noch anders herleiten. Im 2. Band haben wir die po­ tenzielle Energie eines gespannten Balkens zu l

Epot =

1 EI ∫(u 󸀠󸀠 )2 dx 2 0

bestimmt. Wirkt die Druckkraft F, dann sinkt die potenzielle Energie auf l

l

0

0

1 1 EI ∫(u 󸀠󸀠 )2 dx − F ∫(u 󸀠 )2 dx . 2 2

Epot =

Die potenzielle Energie beträgt im Knickfall Null. Damit folgt l

FKnick =

EI ∫0 (u 󸀠󸀠 )2 dx l

∫0 (u 󸀠 )2 dx

Für den 1. Knickfall ist u(x) = C (cos (

π x) − 1) , 2l

u 󸀠 (x) = −C

π π sin ( x) , 2l 2l

u 󸀠󸀠 (x) = −C

π2 π cos ( x) . 2l 4l2

Somit ist schließlich FKnick =

C2 EI C2

π4 16l 4 π2 4l 2

l

π ∫0 cos2 ( 2l x) dx l

π ∫0 sin2 ( 2l x) dx

=

π4 ⋅ 2l 16l 4 2 l π C2 4l 2 ⋅ 2

C2 EI

= EI ⋅

π2 . 4l2

Aufgabe Bearbeiten Sie die Übung 10.

12.3 Die DGL für freie Biegeschwingungen des homogenen Balkens 4

3. Fall EI ∂∂xu4 + ρA ⋅

∂2 u ∂t 2

= 0. Freie Biegeschwingungen des homogenen Balkens.

Diese Art von Balkenschwingung nennen wir „frei“, weil keine konstante Normalkraft auf den Balken wirkt. Ist der Balken einmal angeregt, dann vollführt er freie Schwin­ gungen. Im Zentrum des Interesses stehen hier nicht die Schwingungsmoden, sondern lediglich die Eigenfrequenzen. Analog zur Saitengleichung, wählen wir denselben Separationsansatz u(x, t) = v(x) ⋅ w(t). Dann ist ∂2 u ∂4 u ̈ = v(x) ⋅ w(t) und = w(t) ⋅ v󸀠󸀠󸀠󸀠 (x) . ∂t2 ∂x4

50 | 12 Die Wellengleichung für den ungedämpft schwingenden Balken ̈ oder schließlich Eingesetzt erhält man EI ⋅ w(t) ⋅ v󸀠󸀠󸀠󸀠 (x) = −ρA ⋅ v(x) ⋅ w(t) ̈ w(t) EI v󸀠󸀠󸀠󸀠 (x) =− ⋅ . w(t) ρA v(x) Die linke Seite hängt nur von t, die rechte Seite nur von x ab, trotzdem müssen beide für alle x und t übereinstimmen, also müssen sie konstant sein: −

EI v󸀠󸀠󸀠󸀠 (x) ⋅ = −ω2 ρA v(x)

Man muss somit das DGL-System v󸀠󸀠󸀠󸀠 − Die Lösung der zweiten DGL lautet

und

ρA 2 EI ω

̈ w(t) = −ω2 . w(t)

⋅ v = 0 und ẅ + ω2 w = 0 lösen.

w(t) = C∗1 ⋅ sin(ωt) + C∗2 ⋅ cos(ωt) mit Konstanten, die sich aus den Anfangsbedingungen ergeben. 2 󸀠󸀠󸀠󸀠 (x) − k 4 ⋅ v(x) = 0. Für die erste DGL setzen wir k 4 = ρA EI ω . Dann ist v λx Für u(x) machen wir den Ansatz v(x) = C ⋅ e . Das ergibt C ⋅ λ4 e λx − C ⋅ k 4 e λx = 0

󳨐⇒

λ2 − k 4 = 0

󳨐⇒

λ1,2 = ±k ,

λ3,4 = ±i ⋅ k .

Für die Lösungen gilt v(x) = Ae kx + Be−kt + Ce ikx + De−ikt . Mit Hilfe der neuen Konstanten A = 12 (C1 + C2 ), B = 12 (C1 − C2 ), C = 12 (C3 − iC4 ) und D = 12 (C3 + iC4 ) folgt 1 (C1 e kx + C1 e−kx + C2 e kx − C2 e−kx + C3 e ikx + C3 e ikx − iC4 e ikx + iC4 e−ikx ) . 2 Damit erhält man insgesamt u(x) =

v(x) = C1 cosh(kx) + C2 sinh(kx) + C3 cos(kx) + C4 sin(kx) , v󸀠 (x) = k(C1 sinh(kx) + C2 cosh(kx) − C3 sin(kx) + C4 cos(kx)) , M(x) = −EI ⋅ v󸀠󸀠 = −EIk 2 (C1 cosh(kx) + C2 sinh(kx) − C3 cos(kx) − C4 sin(kx)) Q(x) = −EI ⋅ u

󸀠󸀠󸀠

und

= −EIk (C1 sinh(kx) + C2 cosh(kx) + C3 sin(kx) − C4 cos(kx)) . 3

Übersicht über die Randbedingungen bei Biegeschwingungen Da u(x, t) = v(x)⋅w(t) übertragen sich die zeitunabhängigen Bedingungen von u auf v. Eingespannter Rand.

I. II.

u(xR , t) = 0 u 󸀠 (xR , t) = 0

󳨐⇒ 󳨐⇒

v(xR ) = 0. v󸀠 (xR ) = 0.

Gelenkig gestützter Rand.

I. II.

u(xR , t) = 0 M(xR , t) = 0

󳨐⇒ 󳨐⇒

v(xR ) = 0. v󸀠󸀠 (xR ) = 0.

Freier Rand.

I. II.

M(xR , t) = 0 Q(xR , t) = 0

󳨐⇒ 󳨐⇒

v󸀠󸀠 (xR ) = 0. v󸀠󸀠󸀠 (xR ) = 0.

12.3 Die DGL für freie Biegeschwingungen des homogenen Balkens | 51

Es gibt sechs Fälle, von denen jeweils zwei dieselben Eigenfrequenzen ergeben 1. Biegeschwingungsfall: links eingespannt, rechts frei, 2. Biegeschwingungsfall: links eingespannt, rechts eingespannt (= links frei, rechts frei), 3. Biegeschwingungsfall: links gelenkig gestützt, rechts gelenkig gestützt und 4. Biegeschwingungsfall: links eingespannt, rechts gelenkig gestützt (= links gelen­ kig gestützt, rechts frei) 1. Biegeschwingungsfall (Abb. 12.6 links) Die Randbedingungen lauten I. v(0) = 0, II. v󸀠 (0) = 0, III. M(l) = 0 Aus I.

C1 + C3 = 0 .

und

IV.

Q(l) = 0.

Aus II. C2 + C4 = 0 .

Aus III. C1 cosh(kl) + C2 sinh(kl) − C3 cos(kl) − C4 sin(kl) = 0 . Aus IV. C1 sinh(kl) + C2 cosh(kl) + C3 sin(kl) − C4 cos(kl) = 0 . Aus III. C1 cosh(kl) + C2 sinh(kl) + C1 cos(kl) + C2 sin(kl) = 0 . 󳨐⇒

C2 = −C1 ⋅

cosh(kl) + cos(kl) sinh(kl) + sin(kl)

Aus IV. ergibt sich C1 sinh(kl) + C2 cosh(kl) − C1 sin(kl) + C2 cos(kl) = 0 . Daraus entsteht C1 (sinh(kl) − sin(kl)) + C2 (cosh(kl) + cos(kl)) = 0 . Das Ergebnis aus III. eingesetzt ergibt (sinh(kl) + sin(kl))(sinh(kl) − sin(kl)) − (cosh(kl) + cos(kl))2 = 0 . Daraus wird sinh2 (kl) − sin2 (kl) − cosh2 (kl) − 2 cosh(kl) cos(kl) − cos2 (kl) = 0 oder −2 − 2 cosh(kl) cos(kl) = 0 󳨐⇒

cosh(kl) cos(kl) + 1 = 0

(charakteristische Gleichung).

Man erhält die Lösungen k 1 l = 0,597 ⋅ π, k 2 l = 1,494 ⋅ π, k 3 l = 2,500 ⋅ π und die Eigenfrequenzen fn =

1 EI ωn √ = ⋅ k2 . 2π 2π ρA n

52 | 12 Die Wellengleichung für den ungedämpft schwingenden Balken

Das ergibt f1 = 0,178 ⋅

π EI √ , l2 ρA

Mit l = 1 m, E = 2,1 ⋅ 1011

N , m2

f2 = 1,116 ⋅ ρ = 7,8 ⋅ 103 √

π EI √ , l2 ρA kg , m3

I=

f3 = 3,126 ⋅

1 2 12 Ah ,

π EI √ . l2 ρA

h = 0,05 m folgt

EI Eh3 =√ = 16,746 ρA 12ρ

und daraus f1 = 9,365 Hz, f2 = 58,714 Hz, f3 = 164,462 Hz. Eigenformen. Mit C1 + C3 = 0, C2 + C4 = 0 und C2 = −C1 ⋅ v n (x) = cos(k n x) − cosh(k n x) −

cosh(kl)+cos(kl) sinh(kl)+sin(kl)

folgt

cosh(k n l) + cos(k n l) (sin(k n x) − sinh(k n x)) . sinh(k n l) + sin(k n l)

Abb. 12.6: Skizzen zum 1. Biegeschwingungsfall

1. Biegeschwingungsfall mit Endmasse (Abb. 12.6 rechts) Am Ende des freien Endes wird eine Punktmasse angebracht. Die Randbedingungen lauten I. u(0) = 0, II. u 󸀠 (0) = 0 und III. M(l) = 0. Aus I.

C1 + C3 = 0 .

Aus II. C2 + C4 = 0 . Aus III. C1 cosh(kl) + C2 sinh(kl) − C3 cos(kl) − C4 sin(kl) = 0 , 󳨐⇒

C1 cosh(kl) + C2 sinh(kl) + C1 cos(kl) + C2 sin(kl) = 0 .

Man erhält C2 = −C1 ⋅

cosh(kl) + cos(kl) . sinh(kl) + sin(kl)

Die vierte Randbedingung ergibt sich aus dem Kräftevergleich am rechten Ende: ̈ t) + Q(l, t) = 0 m ⋅ u(l,

󳨐⇒

̈ t) − EIu 󸀠󸀠󸀠 (l, t) = 0 m ⋅ u(l,

󳨐⇒

̈ − EIv󸀠󸀠󸀠 (l)w(t) = 0 m ⋅ v(l)w(t)

󳨐⇒

− m ⋅ ω2 v(l)w(t) − EIv󸀠󸀠󸀠 (l)w(t) = 0

󳨐⇒

− m ⋅ ω2 v(l) − EIv󸀠󸀠󸀠 (l) = 0 .

12.3 Die DGL für freie Biegeschwingungen des homogenen Balkens | 53

Nun werden v(l) und v󸀠󸀠󸀠 (l) ausgewertet: − m ⋅ ω2 [C1 cosh(kl) + C2 sinh(kl) − C1 cos(kl) − C2 sin(kl)] − EIk 3 [C1 sinh(kl) + C2 cosh(kl) − C1 sin(kl) + C2 cos(kl)] = 0 . EI Mit ω2 = k 4 ρA und dem Massenverhältnis μ =

m ρAl

folgt

μlk[C1 cosh(kl) + C2 sinh(kl) − C1 cos(kl) − C2 sin(kl)] + [C1 sinh(kl) + C2 cosh(kl) − C1 sin(kl) + C2 cos(kl)] = 0 , C1 [μkl(cosh(kl) − cos(kl)) + sinh(kl) − sin(kl)] + C2 [μkl(sinh(kl) − sin(kl)) + cosh(kl) + cos(kl)] = 0 , μkl(cosh(kl) − cos(kl)) + sinh(kl) − sin(kl) =

cosh(kl) + cos(kl) ⋅ [μkl(sinh(kl) − sin(kl)) + cosh(kl) + cos(kl)] . sinh(kl) + sin(kl)

Folglich ist μkl(cosh(kl) − cos(kl))(sinh(kl) + sin(kl)) + sinh2 (kl) − sin2 (kl) = μkl(sinh(kl) − sin(kl))(cosh(kl) + cos(kl)) + cosh2 (kl) + 2 cos(kl) cosh(kl) + 1 󳨐⇒

μkl(2 sin(kl) cosh(kl) − 2 cos(kl) sinh(kl)) = 2 cos(kl) cosh(kl)

󳨐⇒

μkl(cos(kl) sinh(kl) − sin(kl) cosh(kl)) + cos(kl) cosh(kl) + 1 = 0 (charakteristische Gleichung).

Für μ = 0 geht die charakteristische Gleichung über in diejenige des rechts freien 1 die Werte Balkens: cos(kl) cosh(kl) + 1 = 0. Beispielsweise erhält man für μ = 10 k 1 l = 0,548 ⋅ π, k 2 l = 1,400 ⋅ π, k 3 l = 2,372 ⋅ π und die Eigenformen: v n (x) = cos(k n x) − cosh(k n x) −

cosh(k n l) + cos(k n l) (sin(k n x) − sinh(k n x)) . sinh(k n l) + sin(k n l)

Die Lösung ergibt sich dann für einen anfangs ruhenden Balken zu ∞

u(x, t) = ∑ a n v n (x) ⋅ cos (k 2n √ n=1

EI t) ρA

mit k 1 l = 0,548 ⋅ π , k 2 l = 1,400 ⋅ π , k 3 l = 2,372 ⋅ π, . . . Die Koeffizienten a n können über eine Anfangsbedingung bestimmt werden.

54 | 12 Die Wellengleichung für den ungedämpft schwingenden Balken

2. Biegeschwingungsfall (Abb. 12.7 links) Die Randbedingungen lauten I. v(0) = 0, II. v󸀠 (0) = 0, III. v(l) = 0 Aus I.

C1 + C3 = 0 .

und

IV.

v󸀠 (l) = 0.

Aus II. C2 + C4 = 0 .

Aus III. C1 cosh(kl) + C2 sinh(kl) + C3 cos(kl) + C4 sin(kl) = 0 . Aus IV. C1 sinh(kl) + C2 cosh(kl) − C3 sin(kl) + C4 cos(kl) = 0 . Aus III. C1 cosh(kl) + C2 sinh(kl) − C1 cos(kl) − C2 sin(kl) = 0 . Man erhält C2 = −C1 ⋅

cosh(kl) − cos(kl) . sinh(kl) − sin(kl)

Aus IV. ergibt sich C1 sinh(kl) + C2 cosh(kl) + C1 sin(kl) − C2 cos(kl) = 0 . Daraus wird C1 (sinh(kl) + sin(kl)) + C2 (cosh(kl) − cos(kl)) = 0 . Das Ergebnis von III. eingesetzt ergibt (sinh(kl) + sin(kl))(sinh(kl) − sin(kl)) − (cosh(kl) − cos(kl))2 = 0 . Dann entsteht sinh2 (kl) − sin2 (kl) − cosh2 (kl) + 2 cosh(kl) cos(kl) − cos2 (kl) = 0 , − 2 + 2 cosh(kl) cos(kl) = 0 . 󳨐⇒

cosh(kl) cos(kl) − 1 = 0 (charakteristische Gleichung).

Man erhält die Lösungen k 1 l = 1,506 ⋅ π, k 2 l = 2,500 ⋅ π, k 3 l = 3,500 ⋅ π. Das ergibt f1 = 1,133 ⋅

π EI √ , l2 ρA

Mit l = 1 m, E = 2,1 ⋅ 1011

N , m2

f1 = 59,608 Hz ,

f2 = 3,124 ⋅ ρ = 7,8 ⋅ 103

π EI √ , l2 ρA kg , m3

I=

f2 = 164,357 Hz ,

f3 = 6,125 ⋅

1 2 12 Ah ,

Aufgabe Bearbeiten Sie die Übungen 11–13.

h = 0,05 m folgt

f3 = 322,242 Hz .

Eigenformen. Mit C1 + C3 = 0, C2 + C4 = 0 und C2 = −C1 ⋅ v n (x) = cosh(k n x) − cos(k n x) −

π EI √ . l2 ρA

cosh(kl)−cos(kl) sinh(kl)−sin(kl)

folgt

cosh(k n l) − cos(k n l) (sin(k n x) − sinh(k n x)) . sinh(k n l) − sin(k n l)

12.3 Die DGL für freie Biegeschwingungen des homogenen Balkens | 55

Abb. 12.7: Skizzen zum 2. und 3. Biegeschwingungsfall

3. Biegeschwingungsfall (Abb. 12.7 rechts) Verglichen mit allen anderen Fällen ist es möglich, die vollständige Lösung, inklusive der Zeitabhängigkeit ohne großen Rechenaufwand, anzugeben. Der Grund dafür liegt in der Gestalt der Eigenfunktionen. Diese reduzieren sich zu v n (x) = sin( nπ l x). Damit ergibt sich die Lösung für die Biegeschwingung bis auf zu bestimmende Koeffizienten ∞ n2 π2 EI nπ t) , u(x, t) = ∑ c n sin ( x) ⋅ cos ( 2 √ l ρA l n=1 sofern wir von einem anfangs ruhenden Balken ausgehen. Als Nächstes soll die Anfangsauslenkung u(x, 0) = g(x) festgelegt werden. Dazu nehmen wir die Biegelinie für eine mittig wirkende Kraft g(x) = Dann ist

Fl3 x x 3 (4 ( ) − 3 ( )) . 48EI l l

∞ Fl3 x 3 x nπ (4 ( ) − 3 ( )) = ∑ c n sin ( x) 48EI l l l n=1

(Für t > 0 wirkt die Kraft nicht mehr). Benutzung der Orthogonalität der Sinusfunktion liefert l

cn =

2 n⋅π ⋅ ∫ g(x) ⋅ sin ( x) dx l l 0

oder l

cn =

F n⋅π ∫(4x3 − 3l2 x) ⋅ sin ( x) dx 24EI ⋅ l l 0

2 n2 π 2 − 6 F 2 n+1 l − 3l ⋅ (−1) ⋅ (4 ⋅ l4 (−1)n+1 ) = 24EI ⋅ l nπ n3 π 3

=

2 2 n2 π 2 − 6 3 Fl3 Fl3 n+1 n π − 24 − ( ) . (−1)n+1 (4 ⋅ ) = (−1) 24EI nπ 24EI n3 π 3 n3 π 3

Die gesamte Lösung lautet somit u(x, t) =

Fl3 ∞ n2 π2 − 24 nπ n2 π2 EI ∑ (−1)n+1 ( ) sin ( x) ⋅ cos (( 2 √ t) t) . 3 3 24EI n=1 l ρA n π l

56 | 12 Die Wellengleichung für den ungedämpft schwingenden Balken

Sämtliche Ergebnisse sind in nachfolgender Übersicht zusammengetragen (es gilt u n (x, t) = y n (x)w(t)):

Abb. 12.8: Übersicht zu den Eigenformen und den Eigenfrequenzen freier Biegeschwingungen

Anwendung zum 3. Biegeschwingungsfall Im Jahre 1940 wurde in den USA im Bundesstaat Washington über den Fluss TacomaNarrows eine Hängebrücke nach dem besten Stand des damaligen Ingenieurswissens gebaut. Aber um Material zu sparen, wurde die Brücke extrem schlank gehalten, was eine sehr niedrige Steifigkeit und ein niedriges Gewicht bedeutete. Schon vor der Öffnung für den Verkehr wurde beobachtet, dass sie bereits bei ei­ nem ganz moderaten Wind zu schwingen begann. Das gab ihr den Spitznamen „Gallo­ ping Gertie“. Dabei führte das Hauptsegment der Brücke von 853 m Länge eine Längs­ schwingung mit einer Frequenz von etwa 1,67 Hz (36 Schwingungen pro Minute) und einer Amplitude von etwa 60 cm aus. Am 7. November 1940 kam aus südwestlicher Richtung, quer zur Brücke, Stark­ wind auf. Dadurch geriet die Brücke in einen anderen Schwingungsmodus und führ­ te jetzt Torsionsschwingungen in zwei Segmenten mit einer Frequenz von 1,5 Hz aus (40 Schwingungen ). min Der Wind führte dabei dem sich verwindenden Fahrbahnträger immer weiter En­ ergie zu und verstärkte die Schwingung auf diese Weise. Hinter dem Träger bildete sich eine Kármán’sche Wirbelstraße.

12.4 Die Energien bei freien Biegeschwingungen des Balkens | 57

Die Wirbel besaßen eine Geschwindigkeit von etwa 60 km h und lösten sich mit an­ nähernd einer Eigenfrequenz der Brücke ab, so dass die Brücke in Resonanz geriet. Diese Art von Schwingungen war zwar theoretisch beschrieben, hinsichtlich ihrer Auswirkungen auf Fahrbahnträger aber noch kaum bekannt. Nach einer dreiviertel Stunde rissen bei einer Windgeschwindigkeit von 67 km h die Seile und die Fahrbahn stürzte zusammen. Die Brücke wurde in derselben Struktur, aber mit anderen Versteifungen, welche die Eigenfrequenz der Brückensegmente veränderten, wieder aufgebaut. Seit diesem Vorfall darf keine Brücke mehr ohne entsprechende Windkanaltests gebaut werden. Brücken sind an den Enden immer auf Rollen gelagert. In Übung 12 wird gezeigt, dass 2 EI die Eigenfrequenzen f n = n2l 2π √ ρA betragen. Für die Berechnung der Eigenfrequenzen bezüglich Vertikalschwingungen der Brücke nehmen wir l = 853 m, ρ = 1,25 ⋅ 103 mkg3 (Leichtbeton), E = 3,0 ⋅ 1010 mN2 , 1 Ah2 , h = 2,4 m (b = 11,9 m). I = 12 Dann ist n2 π EI n2 π Eh2 = 2√ ≅ n2 ⋅ 0,00733 Hz . fn = 2 √ ρA 12ρ 2l 2l Speziell für n = 9 folgt f9 = 81 ⋅ 0,00733 Hz = 0,59 Hz, was etwa dem Wert im Text entspricht. Mit den gegebenen Daten wäre also etwa die 9. Eigenfrequenz in Längs­ richtung durch Wind angeregt worden. Aufgabe Bearbeiten Sie die Übung 14.

12.4 Die Energien bei freien Biegeschwingungen des Balkens Im 2. Band wurde gezeigt: l

Epot =

1 EI ∫(y󸀠󸀠 )2 dx . 2 0

Für die Zeitabhängigkeit wird die Formel mit ẇ 2 (t) multipliziert (oder man ersetzt y(x) durch u(x, t) = y(x)w(t)) und erhält l

Epot =

1 EI ∫(u 󸀠󸀠 )2 dx 2

l

oder

Epot =

0

1 EI ∫(y󸀠󸀠 )2 dx ⋅ w2 (t) 2 0

Weiter ist dEkin =

1 1 ̇ t))2 = ρA dx(u(x, ̇ t))2 dm(u(x, 2 2 l

󳨐⇒

Ekin

1 = ρA ∫(u)̇ 2 dx 2 0

l

oder

Ekin

1 = ρA ∫ y2 (x) dx ⋅ ẇ 2 (t) . 2 0

58 | 12 Die Wellengleichung für den ungedämpft schwingenden Balken

12.5 Die DGL für Biegeschwingungen des homogenen Balkens unter Normalkraft 4. Fall. EI = konst. , N = konst. , ρ = konst. , 󳨐⇒

EI

∂u ≠ 0 , q = 0 ∂t

∂4 u ∂2 u ∂2 u + N ⋅ + ρA ⋅ =0, ∂x4 ∂x2 ∂t2

Schwingungen des Balkens unter Normalkraft. Separationsansatz u(x, t) = v(x) ⋅ w(t). Eingesetzt, erhält man EI ⋅ w ⋅ v󸀠󸀠󸀠󸀠 + N ⋅ w ⋅ v󸀠󸀠 + ρA ⋅ ẅ ⋅ v = 0 oder

ẅ EI v󸀠󸀠󸀠󸀠 N v󸀠󸀠 =− ⋅ − ⋅ = −ω2 . w ρA v ρA v

Man muss also das DGL-System v󸀠󸀠󸀠󸀠 +

N 󸀠󸀠 ρA v − ⋅ ω2 ⋅ v = 0 und EI EI

ẅ + ω2 w = 0

lösen. Die Lösung der zweiten DGL lautet w(t) = C∗1 ⋅sin(ωt)+C∗2 ⋅cos(ωt) mit Konstanten, N die sich aus den Anfangsbedingungen ergeben. Für die erste DGL setzen wir j2 = 2EI ρA 2 4 󸀠󸀠󸀠󸀠 2 󸀠󸀠 4 und k = EI ω . Dann ist v + 2j ⋅ v − k ⋅ v = 0. Für v(x) machen wir den Ansatz v(x) = B ⋅ e λx . Das ergibt B ⋅ λ4 e λx + B ⋅ 2j2 λ2 e λx − B ⋅ k 4 e λx = 0 󳨐⇒

λ4 + 2j2 λ2 − k 4 = 0

󳨐⇒

λ = ±√

2j2 ± √4j4 + 4k 4 = ±√±√j4 + k 4 − j2 . 2

Mit k 1 = √√j4 + k 4 − j2 ,

k 3 = √√ j 4 + k 4 + j 2

erhält man λ1,2 = ±k 1 , λ3,4 = ±i ⋅ k 3 und für die Lösungen gilt v(x) = Ae k1 x + Be−k1 x + Ce ik3 x + De−ik3 x . Man erhält v(x) = C1 cosh(k 1 x) + C2 sinh(k 1 x) + C3 cos(k 3 x) + C4 sin(k 3 x) v󸀠 (x) = k 1 (C1 sinh(k 1 x) + C2 cosh(k 1 x) − C3 sin(k 3 x) + C4 cos(k 3 x)) M(x) = −EI ⋅ v󸀠󸀠 = −EI(k 21 (C1 cosh(k 1 x) + C2 sinh(k 1 x)) − k 23 (C3 cos(k 3 x) − C4 sin(k 3 x))) Q(x) = −EI ⋅ u 󸀠󸀠󸀠 = −EI(k 31 (C1 sinh(k 1 x) + C2 cosh(k 1 x)) + k 23 (C3 sin(k 3 x) − C4 cos(k 3 x))) .

und

12.5 Die DGL für Biegeschwingungen des homogenen Balkens unter Normalkraft

|

59

Wir betrachten hierzu nur einen Fall. Der Balken sei beidseitig gelenkig gestützt (Abb. 12.7 rechts). Die vier Randbedingungen lauten I. v(0) = 0, II. M(0) = 0, III. v(l) = 0 und IV. M(l) = 0. Aus I.

C1 + C3 = 0 .

Aus II. C1 − C3 = 0

󳨐⇒

C1 = 0 , C3 = 0 .

Aus III. C2 sinh(k 1 l) + C4 sin(k 3 l) = 0 . Aus IV. C2 ⋅ k 21 sinh(k 1 l) − C4 ⋅ k 23 sin(k 3 l) = 0 . III. ⋅ k 21 − IV. ergibt (k 21 + k 23 ) ⋅ sin(k 3 l) = 0

󳨐⇒

sin(k 3 l) = 0

󳨐⇒

k3 =

nπ . l

Man erhält die Eigenwerte des entsprechenden freien Balkens. Weiter folgt k 23 = √j4 + k 4 + j2

󳨐⇒

k 4 = (k 23 − j2 )2 − j4 .

Daraus wird ω2n =

EI 4 1 nπ 2 (k 3 − 2k 23 j2 + j4 − j4 ) = (( ) EI − N) . ρA ρA l

Schließlich erhält man für die Eigenfrequenzen fn =

n √ nπ 2 ( ) EI − N . l 2l√ρA

Je größer die Normalkraft N ist, umso kleiner werden die Frequenzen! Aufgabe Bearbeiten Sie die Übung 15.

13 Die Wellengleichung für den gedämpft schwingenden Balken Man muss zur folgenden Herleitung die Einheit der Dämpfung auf die ganze Länge μ Ns des Balkens umrechnen, also als l angeben in [ m 2 ]. Analog zum ungedämpft schwingenden Balken folgt dM = dM Q + dM N 󳨐⇒ 󳨐⇒

oder

dM = Q ⋅ dx + N ⋅ du

∂u ∂M dx = Q ⋅ dx + N ⋅ dx 󳨐⇒ ∂x ∂x ∂ ∂Q ∂2 M ∂u − = (N ⋅ ) . ∂x ∂x ∂x ∂x2

Q=

∂M ∂u −N⋅ ∂x ∂x

Es gilt das Newton’sche Gesetz dm ⋅ ü = dQ + q ⋅ dx − μ ⋅ dx ⋅ 󳨐⇒

∂u ∂t

∂2 u ∂Q dx + q ⋅ dx − μ ⋅ dx ⋅ = ∂x ∂t2 2 ∂ u ∂Q ρA ⋅ dx ⋅ 2 = dx + q ⋅ dx − μ ⋅ dx ⋅ ∂x ∂t ρA ⋅ dx ⋅

∂u oder ∂t ∂u . ∂t

Man erhält ρA ⋅

∂2 u ∂Q ∂ ∂u ∂2 M ∂u ∂u = − +q−μ⋅ = (N ⋅ )+q−μ⋅ . 2 ∂x ∂t ∂x ∂x ∂t ∂t ∂x2

Für den Balken gilt M ∂2 u =− EI ∂x2

󳨐⇒

M = −EI ⋅

∂2 u ∂x2

󳨐⇒

∂2 M ∂2 ∂2 u = − (EI ⋅ ) . ∂x2 ∂x2 ∂x2

Man erhält die Wellengleichung für den gedämpft schwingenden Balken ∂2 ∂2 u ∂ ∂u ∂u ∂2 u (EI ⋅ 2 ) + (N ⋅ ) + ρA ⋅ 2 + μ ⋅ =q. 2 ∂x ∂x ∂t ∂x ∂x ∂t

Wir betrachten die freien Schwingungen genauer: ∂2 u ∂ ∂u ∂u ∂2 u ∂2 (EI ⋅ 2 ) + (N ⋅ ) + ρA ⋅ 2 + μ ⋅ =0. 2 ∂x ∂x ∂t ∂x ∂x ∂t Der Separationsansatz ist wie üblich u(x, t) = v(x) ⋅ w(t). Eingesetzt erhält man EIv󸀠󸀠󸀠󸀠 w + N ⋅ v󸀠󸀠 w + ρAv ⋅ ẅ + μ ⋅ v ẇ = 0 oder schließlich ẅ μ ẇ EI v󸀠󸀠󸀠󸀠 N v󸀠󸀠 + ⋅ =− ⋅ − ⋅ = −ω2 . w ρA w ρA v ρA v https://doi.org/10.1515/9783110684148-013

13 Die Wellengleichung für den gedämpft schwingenden Balken |

61

N 󸀠󸀠 2 2 ̇ 2 ̈ v − ρA Man muss also das DGL-System v󸀠󸀠󸀠󸀠 + EI EI ⋅ ω ⋅ v = 0 und w + b w + ω w = 0 μ 2 mit b = ρA lösen. Für beide DGLen sind die Lösungen bekannt. Für den beidseitig gelenkig gestützten Balken wären die Eigenwerte k 3 = nπ l . Es ist einerseits ∞ N 2 N nπ nπ 2 N v(x) = ∑ sinh (√√( − ) +( ) − ) x + sin ( ) x 2EI l EI 2EI l n=1

und andererseits w(t) = e−

μ ρA 2

⋅t

⋅ (C1 ⋅ cos (

√(

(

2

1 − 4 ( ρA (( nπ l ) EI − N))

2

2

+ C2 ⋅ sin ( wobei hier

μ 2 ρA )

t)

√( μ )2 − 4 ( 1 (( nπ )2 EI − N)) ρA ρA l

2

2

t)) ,

2 1 nπ 2 μ 2 ) − 4( (( ) EI − N)) > 0 ρA ρA l

gewählt wurde, also eine starke Dämpfung, die durch die fallende Exponentialfunk­ tion repräsentiert wird. Insgesamt hat man ∞ N nπ N 2 nπ 2 N u(x, t) = ∑ (sinh (√√( ) +( ) − − ) x + sin ( ) x) 2EI l EI 2EI l n=1

⋅ e−

μ ρA 2

⋅t

⋅ (C1 ⋅ cos (

√( μ )2 − 4 ( 1 (( nπ )2 EI − N)) ρA ρA l

+ C2 ⋅ sin (

2

2

t)

√( μ )2 − 4 ( 1 (( nπ )2 EI − N)) ρA ρA l

Speziell kann man N = 0 oder μ = 0 setzen.

2

2

t)) .

14 Die Wellengleichung für den schwingenden Balken mit Streckenlast Nun kommen wir zu denjenigen Fällen mit zusätzlicher Streckenlast, also q ≠ 0. Wir betrachten ausschließlich konstante oder streckenabhängige Eigen- oder Zu­ satzlasten. ∂u =0. ∂t die DGL des mit konstanter Streckenlast belasteten Seils.

1. Fall. a) q(x) = konst. = γ , N = konst. = W = T cos α , Dann ist

d2 u dx 2

=

γ W

Allgemein für q = q(x) lautet die DGL b) q(x) = γ ⋅ s(x) = γ√1 + (

d2 u dx 2

=

q(x) W

(siehe Übungsteil, 2. Band).

du 2 ∂u ) , N = konst. = W , =0, dx ∂t

q(x) ist die Gewichtsverteilung der Kette selber. Das ergibt die DGL der Kettenlinie d2 u γ√ d2 u 2 = 1+( 2) 2 W dx dx

(siehe Übungsteil, 2. Band).

∂u ∂4 u = 0 , EI 4 = q(x) ∂t ∂x Da sind Biegelinien mit Streckenlast (siehe 2. Band). 2. Fall. q = q(x) , EI = konst. , N = 0 ,

∂u ∂2 u ∂4 u = 0 , EI ⋅ 4 + F 2 = q(x) ∂t ∂x ∂x q bedeutet die aufgetragene Last. Bei den Eulerfällen (q = 0) wurde der Balken auf­ grund einer Normalkraft gebogen. In diesem Fall haben wir es mit der Einwirkung zweier Kräfte zu tun. Die DGL EI ⋅ u 󸀠󸀠󸀠󸀠 = q beschreibt Biegelinien unter Last. Dann beschreibt die DGL EI ⋅ u 󸀠󸀠󸀠󸀠 + Fu 󸀠󸀠 = q folglich Biegelinien aufgrund von Last mit einer zusätzlich wirkenden Kraft F. Somit sind die Balken schon gebogen und kön­ nen keinen Eulerfall beschreiben. Es gibt demnach auch keine kritische Knickkraft!

3. Fall. q = q(x) , EI = konst. , N = konst. = F ,

14.1 Die DGL für Biegelinien aufgrund von Eigen- oder Zusatzlast Wir zeigen den Fall q(x) = konst. = q0 ausführlich: F u 󸀠󸀠󸀠󸀠 +k 2 u 󸀠󸀠 = p0 mit k = √ EI und p0 = qEI0 . Wir setzen r = u 󸀠󸀠 . Dann ist r󸀠󸀠 +k 2 r = p0 . Eine partikuläre Lösung lautet p0 rp (x) = 2 . k Die allgemeine Lösung der DGL r󸀠󸀠 + k 2 r = 0 ist ra (x) = C1 cos(kx) + C2 sin(kx) . https://doi.org/10.1515/9783110684148-014

14.2 Die DGL der schwingenden Saite mit Streckenlast |

Insgesamt erhält man r(x) = C1 cos(kx) + C2 sin(kx) + Folglich ist

63

p0 . k2

u(x) = C1 cos(kx) + C2 sin(kx) + C3 x + C4 +

p0 x2 ⋅ k2 2

M(x) = −EI ⋅ u 󸀠󸀠 = EIk 2 (C1 cos(kx) + C2 sin(kx)) − EI

und p0 . k2

Wir betrachten nun speziell den beidseitig gelenkig gelagerten Balken (Abb. 12.7 rechts). Die Randbedingungen sind I. u(0) = 0, II. M(0) = 0, III. u(l) = 0 und IV. M(l) = 0. Aus I.

C1 + C4 = 0 .

Aus II. C1 =

p0 k4

󳨐⇒

C4 = −

p0 . k4

p0 l2 ⋅ =0. k2 2 p0 l C3 = − 4 . 2k

Aus III. C1 cos(kl) + C2 sin(kl) + C3 l + C4 + Aus IV. C2 =

p0 1 − cos(kl) ⋅ sin(kl) k4

󳨐⇒

Somit lautet die Biegelinie für diesen Fall p0 1 − cos(kl) p0 p0 x2 p0 p0 l cos(kx) + 4 ⋅ sin(kx) − 4 x − 4 + 2 ⋅ 4 sin(kl) 2 k k 2k k k q0 1 − cos(kl) k2 2 k2 l u(x) = 4 ( x − x − 1 + cos(kx) + sin(kx)) . 2 sin(kl) k EI 2 u(x) =

oder

d2 u ∂u ≠ 0 , ρA 2 = q(x) ∂t dt Das bedeutet ρA ⋅ u 󸀠󸀠 = ρAg und damit u 󸀠󸀠 = g (freier Fall). 4. Fall. q = q(x) , EI = 0 , N = 0 ,

14.2 Die DGL der schwingenden Saite mit Streckenlast 5. Fall. q = q(x) , EI = 0 , N = konst. = −F , (Schwingende Saite mit Streckenlast)

∂2 u ∂u ∂2 u ≠ 0 , −F 2 + ρA 2 = q(x) ∂t ∂x ∂t

Der Ausdruck q(x) bezeichnet die auf die Saite pro Längeneinheit wirkende Strecken­ last. Umgeformt ist u 󸀠󸀠 −

ρA q(x) ü = − F F

oder

1 ü − u 󸀠󸀠 = −p(x) c2

mit

c2 =

ρ q(x) , p(x) = − . σ σA

Der Separationsansatz für diese DGL lautet u(x, t) = v(x, t) + h(x). Eingesetzt erhält man 1 v̈ − v󸀠󸀠 + h󸀠󸀠 = −p(x) . c2

64 | 14 Die Wellengleichung für den schwingenden Balken mit Streckenlast Ist nun u(x, t) Lösung der inhomogenen DGL c12 ü − u 󸀠󸀠 = −p(x) und gilt h󸀠󸀠 (x) = −p(x), dann ist v(x, t) Lösung der homogenen DGL c12 v̈ − v󸀠󸀠 = 0. Die allgemeine Lösung der DGL lautet somit u(x, t) = v(x, t) − ∫ ∫ p(x) dx dx . Das Problem ist also auf bekannte DGLen zurückgeführt. Den Fall für q(x) = konst. = q0 führen wir im Einzelnen aus. Damit wollen wir uns aber, was diesen Fall angeht, begnügen. Es ist auch p(x) = konst. = p0 . Somit hat man h(x) = − (p0

x2 + C1 x + C2 ) . 2

Die DGL c12 v̈ − v󸀠󸀠 = 0 entspricht der unbelasteten Saitenschwingung. Mit dem Ansatz v(x, t) = z(x) ⋅ w(t) folgt z󸀠󸀠 +

λ2 z = 0 und c2

ẅ + λ2 w = 0 .

Die Randbedingungen sind u(0, t) = 0 und u(l, t) = 0. Aus u(0, t) = 0 folgt nacheinander v(0, t) = −h(0), z(0) ⋅ w(t) = −h(0) und h(0) = 0, sonst wäre w(t) = konst. und somit z(0) = 0. Analog folgt aus u(l, t) = 0, dass z(l) = 0 ist. Die Bedingungen z(0) = 0 und n⋅π z(l) = 0 führen wieder zu z(x) = C 1 ⋅ sin( n⋅π l x) mit den Eigenwerten l . Man erhält wie gehabt w(t) = C∗2 ⋅ cos (

n⋅π t) l

für die anfangs ruhende Saite. Dann ist



v(x, t) = ∑ b n ⋅ sin ( n=1

n⋅π ncπ x) ⋅ cos ( t) . l l

b n sind die Fourierkoeffizienten, abhängig von der Startauslenkung. Damit sieht die gesamte Lösung so aus: ∞

u(x, t) = ∑ b n ⋅ sin ( n=1

x2 n⋅π q0 ncπ x) ⋅ cos ( t) − (p0 + c1 x + c2 ) mit p0 = − . l l 2 σA

Mit der Anfangsbedingung u(0, t) = 0 folgt c2 = 0. Aus u(l, t) = 0 wird c1 = − p20 l . Damit lautet das Endergebnis ∞

u(x, t) = ∑ b n ⋅ sin ( n=1

n⋅π ncπ q0 x) ⋅ cos ( t) − x(x − l) . l l 2σA

14.3 Die DGL für freie Biegeschwingungen mit Streckenlast | 65

Im Beispiel 1, Kapitel 3 wurde die Höhe der Auslenkung h = 1, die Länge l = π und der Einfachheit halber c = 1 gesetzt. Die entsprechenden Lösungen sähen dann so aus: Ohne Streckenlast ist u(x, t) =

8 ∞ sin ( nπ 2 ) ⋅∑( ) ⋅ sin(nx) cos(nt) . 2 2 π n=1 n

Mit konstanter Streckenlast erhält man u(x, t) = p0 =

p0 8 ∞ sin ( nπ 2 ) ⋅∑( ) ⋅ sin(nx) cos(nt) − x(x − π) 2 2 2 π n=1 n

und

1 q0 G 1 mg ρAlg ρg = ⋅ = = = = 1,5 ⋅ 10−5 . σA l σA σAl σAl σ m

Die Saite wird durch den Zusatzterm etwas träger. Realistische Werte wären l = 0,65 m, d = 0,35 mm, F = 50 N, ρ = 8 ⋅ 103 mkg3 . ρg 1 Man erhält dann p0 = σ = 1,5 ⋅ 10−5 m . Graphisch sieht man eine Abweichung zur unbelasteten Saite, die mit der Last wächst (z. B. t = 0,5). Bemerkung. Die Eigenfrequenzen bleiben auch bei beliebiger Streckenlast dieselben. Die Schwingungsform ändert sich.

14.3 Die DGL für freie Biegeschwingungen mit Streckenlast ∂u ∂2 u ∂4 u ≠ 0 , EI 4 + ρA 2 = q(x) ∂t ∂x ∂t (Freie Biegeschwingungen des Balkens mit Streckenlast). 6. Fall. q = q(x) , EI = konst. , N = 0 ,

Der Ausdruck q(x) bezeichnet die auf die Saite pro Längeneinheit wirkende Strecken­ last. Umgeformt ist u 󸀠󸀠󸀠󸀠 +

ρA ü = p(x) EI

mit

p(x) =

q(x) . EI

Der Separationsansatz für diese DGL ist u(x, t) = v(x, t) + h(x). Eingesetzt erhält man v󸀠󸀠󸀠󸀠 + h󸀠󸀠󸀠󸀠 +

ρA v̈ = p(x) . EI

ρA Ist nun u(x, t) Lösung der inhomogenen DGL u 󸀠󸀠󸀠󸀠 + EI ü = p(x) und gilt h󸀠󸀠󸀠󸀠 (x) = p(x), ρA dann ist v(x, t) Lösung der homogenen DGL v󸀠󸀠󸀠󸀠 + EI v̈ = 0. Die allgemeine Lösung der DGL lautet somit

u(x, t) = v(x, t) − ∫ ∫ ∫ ∫ p(x) dx4 .

66 | 14 Die Wellengleichung für den schwingenden Balken mit Streckenlast Das Problem ist also auf bekannte DGLen zurückgeführt. Den Fall für q(x) = konst. = q0 führen wir im Einzelnen aus. Es ist auch p(x) = konst. = p0 und somit h(x) = p0

x4 x3 x2 + c1 + c2 + c3 x + c4 . 24 6 2

̈ Die DGL v󸀠󸀠󸀠󸀠 + ρA EI v = 0 entspricht der unbelasteten Balkenschwingung. Mit dem Ansatz v(x, t) = z(x) ⋅ w(t) folgt −

EI v󸀠󸀠󸀠󸀠 (x) ⋅ = −ω2 ρA v(x)

und

̈ w(t) = −ω2 w(t)

oder

ρA 2 ω . EI Für die Randbedingungen betrachten wir den beidseitig gelenkig gestützten Balken (Abb. 12.7 rechts). Die vier Randbedingungen lauten I. u(0) = 0, II. M(0) = 0, III. u(l) = 0 und IV. M(l) = 0. v󸀠󸀠󸀠󸀠 (x) − k 4 ⋅ v(x) = 0

ẅ + ω2 w = 0 mit

und

k4 =

Mit u(0, t) = 0 folgt aus denselben Gründen wie bei der Saite, dass z(0) = 0 gilt. Entsprechend ist z(l) = 0. Mit M(0) = 0 ist u 󸀠󸀠 (0, t) = 0

󳨐⇒

v󸀠󸀠 (0, t) = −h󸀠󸀠 (0)

󳨐⇒

h󸀠󸀠 (0) = 0 ,

󳨐⇒

z󸀠󸀠 (0) ⋅ w(t) = −h󸀠󸀠 (0) .

sonst wäre w(t) = konst. Somit gilt z󸀠󸀠 (0) = 0. Analog folgt aus M(l) = 0, dass z󸀠󸀠 (l) = 0. Das ergibt dann die bekannten Lösungen für z(x) (siehe Übung 12) z(x) = C4 sin (

n⋅π x) l

(C2 = 0). mit den Eigenwerten n⋅π l Für den anfangs ruhenden Balken ist w(t) = C∗2 ⋅ cos( n⋅π l t). Damit erhält man ∞

v(x, t) = ∑ b n sin ( n=1

ncπ n⋅π x) ⋅ cos ( t) . l l

b n sind die Fourierkoeffizienten, abhängig von der Startauslenkung. Somit sieht die gesamte Lösung so aus: ∞

u(x, t) = ∑ b n sin ( n=1

x4 x3 x2 ncπ n⋅π q0 x)⋅cos ( t)+p0 +c1 +c2 +c3 x+c4 mit p0 = . l l 24 6 2 EI

Aus der Anfangsbedingung u(0, t) = 0 folgt c4 = 0. Mit u(l, t) = 0 und den beiden Bedingungen M(0) = 0 und M(l) = 0 bzw. u 󸀠󸀠 (0) = 0 und u 󸀠󸀠 (l) = 0 folgt insgesamt c1 = −

p0 l , 2

c2 = 0 ,

c3 =

p0 l3 . 24

14.4 Die DGL für gedämpfte Biegeschwingungen unter Normalkraft mit Streckenlast | 67

Damit lautet das Ergebnis ∞

u(x, t) = ∑ b n sin ( n=1

n⋅π x 3 x ncπ q0 l4 x 4 x) ⋅ cos ( t) + (( ) − 2 ( ) + ( )) . l l 24EI l l l

Der Zusatzterm ist nichts anderes als die Biegelinie für diesen Fall (2. Band, Übungs­ teil), die sich bei Zusatzlast ergibt (statische Auslenkung). Der Balken dehnt sich bei Schwingung zusätzlich um diesen Betrag.

14.4 Die DGL für gedämpfte Biegeschwingungen unter Normalkraft mit Streckenlast ∂4 u ∂u ∂2 u ∂2 u ≠ 0, EI 4 +N 2 +ρA 2 = q(x) ∂t ∂x ∂x ∂t (Biegeschwingungen unter Normalkraft mit Streckenlast). 7. Fall. q = q(x), EI = konst. , N = konst.,

Umgeformt: u 󸀠󸀠󸀠󸀠 +

N 󸀠󸀠 ρA q(x) u + ü = , EI EI EI

Ansatz u(x, t) = v(x, t) + h(x). Eingesetzt erhält man N 󸀠󸀠 N 󸀠󸀠 ρA v + h + v̈ = p(x) EI EI EI N 󸀠󸀠 ρA v + v̈ = 0 v󸀠󸀠󸀠󸀠 + EI EI

v󸀠󸀠󸀠󸀠 + h󸀠󸀠󸀠󸀠 + 󳨐⇒

mit

p(x) =

q(x) EI

N 󸀠󸀠 mit der Bedingung h󸀠󸀠󸀠󸀠 (x) + EI h (x) = p(x). Wir nehmen speziell q(x) = konst. = q0 . N 󸀠󸀠 Die allgemeine Lösung von h󸀠󸀠󸀠󸀠 (x) + EI h (x) = p0 lautet

h(x) = C1 cos(kx) + C2 sin(kx) + C3 x + C4 +

p0 x2 ⋅ k2 2

mit

k=√

F . EI

Speziell betrachten wir den beidseitig gelenkig gestützten Balken (Abb. 12.7 rechts). Die vier Randbedingungen lauten I. u(0) = 0, II. M(0) = 0, III. u(l) = 0 und IV. M(l) = 0. Daraus folgt h(0) = 0, h󸀠󸀠 (0) = 0, h(l) = 0, h󸀠󸀠 (l) = 0 und h(x) =

q0 k2 l 1 − cos(kl) k2 x − 1 + cos(kx) + sin(kx)) ( x2 − 4 2 sin(kl) k EI 2

(siehe 3. Fall).

Ansatz für v: v(x, t) = z(x) ⋅ w(t). Es folgt v󸀠󸀠󸀠󸀠 (x) − λ4 ⋅ v(x) = 0 und ẅ + ω2 w = 0 mit ρA λ4 = EI ω2 .

68 | 14 Die Wellengleichung für den schwingenden Balken mit Streckenlast

Dann ist ∞

v(x, t) = ∑ b n sin ( n=1

ncπ n⋅π x) ⋅ cos ( t) l l

(siehe 3. Fall).

Zusammen hat man ∞

u(x, t) = ∑ b n sin ( n=1

+

ncπ n⋅π x) ⋅ cos ( t) l l

1 − cos(kl) k2 l k2 q0 x − 1 + cos(kx) + sin(kx)) . ( x2 − 4 2 sin(kl) k EI 2

Der Zusatzterm ist wieder die Biegelinie für diesen Fall, die sich bei Zusatzlast einstellt.

15 Erzwungene Biegeschwingungen des Balkens Wir betrachten dazu einen Balken mit örtlich verteilter Last und beliebiger Lagerung (Abb. 15.1 links). Die DGL lautet EI ⋅ u 󸀠󸀠󸀠󸀠 + ρA ⋅ ü = q0 (x) ⋅ cos(φt) .

(15.1)

Die allgemeine Lösung des Problems setzt sich aus einer partikulären Lösung der in­ homogenen Gleichung und der allgemeinen Lösung der homogenen Gleichung zu­ sammen. Die inhomogene Lösung beeinflusst nur den Einschwingzustand. Sie klingt aufgrund der immer vorhandenen Dämpfung mit der Zeit ab: u(x, t) = u p (x, t) + u h (x, t) 2

= u p (x, t) + e

μ − 2ρA ⋅t

⋅ (C1 ⋅ cos (

√( μ )2 − 4 ( n22π2 √ EI ) ρA ρA l 2

+ C2 ⋅ sin (

√(

μ 2 ρA )

2 2

t)

EI − 4 ( n l 2π √ ρA )

2

2

t)) .

Für die partikuläre Lösung machen wir den Ansatz u p (x, t) = v(x) ⋅ cos(φt) und finden EIv(x)󸀠󸀠󸀠󸀠 − ρAφ2 v(x) = q0 (x) . Analog zum Stab multiplizieren wir diese DGL mit einer beliebigen Funktion z(x) und integrieren über die Balkenlänge: l

l

l

EI ∫ z(x)v(x)󸀠󸀠󸀠󸀠 dx − ρAφ2 ∫ z(x)v(x) dx = ∫ z(x)q0 (x) dx . 0

0

0

Für das erste Integral benutzen wir zweimal partielle Integration: l

l

∫ zv

󸀠󸀠󸀠󸀠

dx =

[zv󸀠󸀠󸀠 ]0l

0

l 󸀠 󸀠󸀠󸀠

−∫z v

dx =

[zv󸀠󸀠󸀠 ]0l

− ([z󸀠 v󸀠󸀠 ]0l

− ∫ z󸀠󸀠 v󸀠󸀠 dx)

0

0 l

= [zv󸀠󸀠󸀠 ]0l − [z󸀠 v󸀠󸀠 ]0l + ∫ z󸀠󸀠 v󸀠󸀠 dx . 0

Beachtet man, dass EI ⋅ u 󸀠󸀠󸀠 = −Q0 (x) (Querkraft aufgrund der Streckenlast q0 (x)) und EI⋅u 󸀠󸀠 = −M0 (x) (Biegemoment aufgrund der Streckenlast q0 (x)) gilt, dann erhält man l

EI ∫ zv

l 󸀠󸀠󸀠󸀠

dx =

−[z(x)Q0 (x)]0l

0

https://doi.org/10.1515/9783110684148-015

+ [z

󸀠

(x)M0 (x)]0l

+ EI ∫ z󸀠󸀠 v󸀠󸀠 dx . 0

70 | 15 Erzwungene Biegeschwingungen des Balkens

Abb. 15.1: Skizzen zu den erzwungenen Biegeschwingungen eines Balkens

Insgesamt folgt l

l

l

EI ∫ z󸀠󸀠 v󸀠󸀠 dx − ρAφ2 ∫ zv dx = [z(x)Q0 (x)]0l − [z󸀠 (x)M0 (x)]0l + ∫ z(x)q0 (x) dx . (15.2) 0

0

0

Die Gleichung wird als schwache Formulierung (SF) der Gleichung (15.1) bezeichnet. Dies ist aber noch nicht die endgültige Fassung. Wirken zusätzlich zur Last noch Ein­ zelkräfte, so muss deren Wirkung gesondert formuliert werden. Ausgehend von einer Last q0 (x) der Breite 2s, kann man für ein hinreichend klei­ nes Intervall s die Last als konstant betrachten: q0 (x) = q0 (Abb. 15.1 rechts). Die zu­ gehörige Kraft ist dann Fk = 2sq0 ; sie wirke an der Stelle xk . l Aus dem Ausdruck p = ∫0 z(x)q0 (x) dx wird dann x k +s

x k +s

∫ z(x)q0 dx = ∫ z(x) x k +s

x k +s

Fk Z(xk + s) − Z(xk − s) Fk x +s dx = ⋅ [Z(x)]xkk −s = Fk ⋅ . 2s 2s 2s

Im Grenzfall für s → 0 wird daraus eine Punktkraft und man erhält p = Fk ⋅ Z 󸀠 (k k ) = z(k k ) ⋅ Fk . Die endgültige Fassung der SF lautet somit l

l 󸀠󸀠 󸀠󸀠

2

EI ∫ z v dx − ρAφ ∫ zv dx 0

0 l

m

= [z(x)Q0 (x)]0l − [z󸀠 (x)M0 (x)]0l + ∫ z(x)q0 (x) dx + ∑ z(k k ) ⋅ Fk . k=1

0

Im Fall einer freien Schwingung ist φ = ω, q0 (x) = 0 und somit auch Q0 (x) = M0 (x) = 0. Es verbleibt l

l

EI ∫ z󸀠󸀠 v󸀠󸀠n 0

dx =

ρAω2n

∫ zv n dx . 0

15 Erzwungene Biegeschwingungen des Balkens |

71

Wird insbesondere z = v n gewählt, so ergibt sich l

l

EI ∫(v󸀠󸀠n )2 dx = ρAω2n ∫ v2n dx . 0

(15.3)

0

Dabei ist l

{l , ∫ v2n dx = { 2 l, 0 {

für den beidseits gelenkig gelagerten Balken in allen anderen Lagerungsfällen .

Weiter benutzen wir die Tatsache, dass sich jede Verschiebung v(x) in Eigenfunktio­ nen entwickeln lässt: v(x) = ∑∞ n=1 d n v n (x). Nimmt man speziell z(x) = v(x), setzt diesen Ansatz unter Benutzung von (15.3) in die SF ein (15.2), dann folgt l

l

m

ρA(ω2n −φ2 )d n ∫ v2n dx = [v n (x)Q0 (x)]0l −[v󸀠n (x)M0 (x)]0l +∫ v n (x)q0 (x) dx+ ∑ v n (k k )⋅Fk . 0

0

k=1

Bezeichnet man analog zum Stab mit V(ω n ) :=

1 2

1 − ( ωφn )

den Verschiebungsfaktor, so kann diese Gleichung nach den dynamischen Koeffizien­ ten d n aufgelöst werden. Ergebnis. Ein Balken erfährt die dynamische Verschiebung v(x) = ∑∞ n=1 d n v n (x). Dabei sind d n = V(ω n ) ⋅ ds n die dynamischen Koeffizienten und l

dsn =

[v n (x)Q0 (x)]0l − [v󸀠n (x)M0 (x)]0l + ∫0 v n (x)q0 (x) dx + ∑m k=1 v n (k k ) ⋅ F k l

ρAω2n ∫0 v2n dx

die Koeffizienten der statischen Lösung. Über die SF kann man somit jede Krafteinwirkung in die dynamischen Koeffizienten einfließen lassen. Viele Fälle sind denkbar. Darüber hinaus gestattet es die SF, die Querkraft Q0 (0), Q0 (l) oder das Biegemo­ ment M0 (0), M0 (l) an den Rändern vorzugeben. Man muss aber darauf achten, dass nur bestimmte Kombinationen möglich sind. An einem festen oder gelenkig gestützten Rand ist der Wert der Eigenfunktion Null, so dass die Vorgabe der Querkraft am Rand aufgrund der Kopplung v n (x)Q0 (x) keinen Sinn macht. Bei einem freien Rand muss die Querkraft vorgeschrieben werden.

72 | 15 Erzwungene Biegeschwingungen des Balkens

Weiter ist an einem festen Rand der Ableitungswert der Eigenfunktion Null, so dass die Vorgabe des Biegemoments am Rand aufgrund der Kopplung v󸀠n (x)M0 (x) un­ möglich ist. Bei einem gelenkig gestützten Rand ist v󸀠n (x) ≠ 0, also unbekannt. Somit muss das Biegemoment am Rand vorgegeben werden. Für einen freien Rand ist das Biegemoment eh Null. Beispiel 1. (Beidseitig gelenkig gestützter Balken mit mittiger Anregung (Abb. 15.2 links)). Die Eigenfunktionen und Eigenkreisfrequenzen sind v n (x) = sin (

nπ x) l

und

n2 π2 EI √ . ρA l2

ωn =

Als Einzelkraft liefert nur v n ( 2l ) einen Beitrag zu den dynamischen Koeffizienten: l

n+1 . Zudem gilt ∫ v 2 (x) dx = l . v n ( 2l ) = sin( 2n−1 2 π) = (−1) 2 0 n Alles zusammen führt zu den statischen Koeffizienten

ds n =

2F0 l3 (−1)n+1 ⋅ . EIπ4 (2n − 1)4

Die dynamische Lösung besitzt damit die Gestalt u(x, t) =

1 2F0 l3 ∞ (−1)n+1 (2n − 1)π ∑ sin ( x) cos(φt) 4 4 2 φ l EIπ n=1 (2n − 1) 1 − ( ) ωn ∞

= 2F0 l3 ∑ n=1

(−1)n+1 (2n − 1)π sin ( x) cos(φt) . l EI((2n − 1)π)4 − ρA(l2 φ)2

Bemerkung. Eine direkte Lösung wie beim Stab ist in diesem Fall nicht möglich. Die vier Randbedingungen sind gesetzt und folglich kann auch die Querkraft am Rand nicht vorgegeben werden. Für φ = 0 erhält man die statische Lösung u(x) =

(2n − 1)π 2F0 l3 ∞ (−1)n+1 x) . ∑ sin ( 4 4 l EIπ n=1 (2n − 1)

Dies muss der Biegelinie u(x) =

F0 3 48EI (4x

− 3l2 x) entsprechen.

Beweis. Um dies einzusehen, entwickelt man x und x3 nach den Eigenfunktionen sin( (2n−1)π x). l Es gilt ∞

x = ∑ a n sin ( n=1

(2n − 1)π x) , l



x3 = ∑ b n sin ( n=1

(2n − 1)π x) . l

Die Koeffizienten sind l 2

4 (2n − 1)π a n = ∫ x sin ( x) , l l 0

l 2

4 (2n − 1)π b n = ∫ x3 sin ( x) l l 0

15 Erzwungene Biegeschwingungen des Balkens |

73

(Biegelinie zweigeteilt, deshalb Integration nur bis 2l ). Daraus folgt an =

4l(−1)n+1 , (2n − 1)2 π2

bn =

3l2 (−1)n+1 [(2n − 1)2 π2 − 8] (2n − 1)4 π4

und schließlich u(x) =

(2n − 1)2 π2 − 8 1 (2n − 1)π 12F0 l3 ∞ ∑ (−1)n+1 [ − ] sin ( x) 48EI n=1 l (2n − 1)4 π4 (2n − 1)2 π2

=−

(2n − 1)π 2F0 l3 ∞ (−1)n+1 ∑ sin ( x) . EI n=1 (2n − 1)4 π4 l

Dieses Ergebnis stimmt bis auf das Vorzeichen mit der obigen Lösung überein, was daran liegt, dass die Kraft F0 der Biegelinie die Reaktionskraft des Balkens bezeichnet, also in unserem Fall als −F0 hätte einfließen müssen. Ist die periodische Kraft viel größer als das Gewicht des Balkens, so kann man das System als Einmasseschwinger auffassen. Die größte Durchbiegung beträgt 󵄨󵄨 l 󵄨󵄨󵄨 F0 l3 󵄨󵄨 . 󵄨󵄨u ( )󵄨󵄨󵄨 = 2 󵄨󵄨 48EI 󵄨󵄨 Als EMS ist F0 = D ⋅ s

󳨐⇒

F0 = D ⋅

F0 l3 48EI

󳨐⇒

D=

48EI l3

(Federkonstante).

Dann schwingt das System (nach der Einschwingzeit) gemäß xp (t) =

F0 ⋅ ρAl

μ ρAl

1 √( 48EI4 ρAl



φ2 )

2

μ 2 + ( ρAl )

⋅ cos (φt − arctan ( 48EI φ2

und xp (t) =

F0 l3 ⋅ cos(φt) 48EI − ρA(l2 φ)2

dämpfungsfrei.

Abb. 15.2: Skizzen zu den Beispielen 1, 2 und 3

ρAl 4

⋅ω − φ2

))

74 | 15 Erzwungene Biegeschwingungen des Balkens

Beispiel 2. (Beidseitig gelenkig gestützter Balken mit mittiger Anregungslast der Breite 2s (Abb. 15.2 mitte)). Das Biegemoment ist gegeben durch M0 (x) = sq0 x 󳨐⇒ M0 (0) = M0 (l) = 0. Für die Querkräfte an den Rändern gilt Q0 (0) = Q0 (l) = sq0 ,

v n (x) = sin (

nπ x) , l

ωn =

n2 π2 EI √ . ρA l2

Damit werden auch die Klammerausdrücke zu Null: [v n (x)Q0 (x)]0l = [v󸀠n (x)M0 (x)]0l = 0 . Einzelkräfte gibt es nicht. Somit verbleibt l 2 +s

l

∫ v n (x)q0 (x) dx = 2sq0 ∫ sin ( 0

l 2 −s

2(−1)n+1 (2n − 1)π nπ x) dx = sin ( s) . l (2n − 1)π l

Damit lauten die statischen Koeffizienten ds n =

8sq0 l3 (−1)n+1 (2n − 1)π ⋅ sin ( s) . l EIπ5 (2n − 1)5

Die dynamische Lösung besitzt damit die Gestalt u(x, t) =

=

1 (2n − 1)π (2n − 1)π 8sq0 l3 ∞ (−1)n+1 s) sin ( x) cos(φt) ∑ sin ( l l EIπ5 n=1 (2n − 1)5 1 − ( φ )2 ωn 8sq0 l3 ∞ (−1)n+1 1 (2n − 1)π s) ∑ sin ( π n=1 (2n − 1) EI((2n − 1)π)4 − ρA(l2 φ)2 l ⋅ sin (

Speziell für s = u(x, t) =

=

l 2

(2n − 1)π x) cos(φt) . l

beträgt die Verschiebung

1 1 (2n − 1)π 4q0 l4 ∞ x) cos(φt) ∑ sin ( l EIπ5 n=1 (2n − 1)5 1 − ( φ )2 ωn 4q0 l4 ∞ 1 (2n − 1)π 1 ∑ sin ( x) cos(φt) . 4 2 2 π n=1 (2n − 1) EI((2n − 1)π) − ρA(l φ) l

15 Erzwungene Biegeschwingungen des Balkens |

75

Für φ = 0 erhält man die statische Lösung u(x) =

1 (2n − 1)π 4q0 l4 ∞ ∑ sin ( x) . l EIπ5 n=1 (2n − 1)5

q0 Dies muss der Biegelinie u(x) = − 24EI (x4 − 2lx3 + l3 x) entsprechen (siehe Übung 16).

Aufgabe Bearbeiten Sie die Übung 16.

Beispiel 3. (Einseitig fest eingespannter Balken mit periodischer Anregungskraft (Abb. 15.2 rechts)). Die charakteristische Gleichung für diese Lagerung ist cosh(kl) cos(kl) + 1 = 0. Weiter gilt ω n = k 2n √

EI , ρA

l

∫ v2n dx = l 0

und die Eigenfunktionen sind v n (x) = cos(k n x) − cosh(k n x) −

cosh(k n l) + cos(k n l) ⋅ (sinh(k n x) − sin(k n x)) . sinh(k n l) + sin(k n l)

Zur Bestimmung der statischen Koeffizienten muss, da nur eine Einzelkraft wirkt, le­ diglich v n (l) ausgewertet werden: v n (l) = 2

cos(k n l) sinh(k n l) − cosh(k n l) sin(k n l) . sinh(k n l) + sin(k n l)

1 Ersetzt man cosh(kl) durch − cos(kl) , so folgt

v n (l) = 2

cos(k n l) sinh(k n l) +

sin(k n l) cos(k n l)

sinh(k n l) + sin(k n l)

.

Es gilt zudem sinh2 (k n l) = cosh2 (k n l) − 1 = 󳨐⇒

1 1 − cos2 (k n l) sin2 (k n l) − 1 = = cos2 (k n l) cos2 (k n l) cos2 (k n l)

sinh(k n l) = ± tan(k n l) .

Damit erhält man v n (l) = 2

± sin(k n l) + tan(k n l) = 2(−1)n . ± tan(k n l) ± sin(k n l)

76 | 15 Erzwungene Biegeschwingungen des Balkens

Die statischen Koeffizienten sind dann ds n =

2F0 (−1)n k 4n ⋅

EI ρA

⋅ ρAl

=

2F0 l3 (−1)n . ⋅ EI (k n l)4

Die dynamische Lösung besitzt damit die Gestalt u(x, t) =

1 2F0 l3 ∞ (−1)n ∑ EI n=1 (k n l)4 1 − ( φ )2 ωn

⋅ [cos(k n x) − cosh(k n x) − =

cosh(k n l) + cos(k n l) (sin(k n x) − sinh(k n x))] ⋅ cos(φt) sinh(k n l) + sin(k n l)

(−1)n 2F0 ∞ ∑ 4 l n=1 k n EI − ρAφ2

⋅ [cos(k n x) − cosh(k n x) −

cosh(k n l) + cos(k n l) (sin(k n x) − sinh(k n x))] ⋅ cos(φt) sinh(k n l) + sin(k n l)

mit k 1 l = 0,597 ⋅ π, k 2 l = 1,494 ⋅ π, k 3 l = 2,500 ⋅ π. Die direkte Lösung Im Fall des 3. Beispiels lässt sich eine direkte Lösung herleiten. Ausgehend von der freien Schwingung EI ⋅ u 󸀠󸀠󸀠󸀠 + ρA ⋅ ü = 0 gesellt sich zu den drei Randbedingungen I. u(0) = 0, II. u 󸀠 (0) = 0, III. M(l) = 0 die RB IV. Q(l) = F0 ⋅ cos(φt) Für die partikuläre Lösung machen wir den Ansatz u p (x, t) = v(x) ⋅ cos(φt). Eingesetzt erhält man EI ⋅ v󸀠󸀠󸀠󸀠 ⋅ cos(φt) − ρA ⋅ φ2 v ⋅ cos(φt) = 0. Weiter folgt EI ⋅ v󸀠󸀠󸀠󸀠 − ρA ⋅ φ2 v = 0

󳨐⇒

v󸀠󸀠󸀠󸀠 −

ρA ⋅ φ2 v = 0 . EI

Daraus wird v󸀠󸀠󸀠󸀠 − k 4 v = 0 mit k 4 = φ2 ρA EI . Für v(x) lautet die Lösung v(x) = C1 cosh(kx) + C2 sinh(kx) − C1 cos(kx) − C2 sin(kx) . Aus I.

C1 + C3 = 0 .

Aus II. C2 + C4 = 0 .

Aus III. C1 cosh(kl) + C2 sinh(kl) + C1 cos(kl) + C2 sin(kl) = 0 . Aus IV. − EIk 3 (C1 sinh(kl) + C2 cosh(kl) − C1 sin(kl) + C2 cos(kl)) = F0 . Man erhält C2 = −C1 ⋅

cosh(kl) + cos(kl) . sinh(kl) + sin(kl)

Aus IV. ergibt sich C1 (sinh(kl) − sin(kl)) + C2 (cosh(kl) + cos(kl)) = −

F0 . EIk 3

15 Erzwungene Biegeschwingungen des Balkens |

77

Daraus wird C1 (

(sinh(kl) + sin(kl))(sinh(kl) − sin(kl)) − (cosh(kl) + cos(kl))2 F0 . )=− sinh(kl) + sin(kl) EIk 3

Es ergibt sich C1 = −

F0 sinh(kl) + sin(kl) ⋅ , 2EIk 3 cosh(kl) cos(kl) + 1

C2 =

F0 cosh(kl) + cos(kl) ⋅ . 2EIk 3 cosh(kl) cos(kl) + 1

Endlich ist v(x) =

F0 sinh(kl) + sin(kl) [ ⋅ (cos(kx) − cosh(kx)) 2EIk 3 cosh(kl) cos(kl) + 1 cosh(kl) + cos(kl) ⋅ (sinh(kx) − sin(kx))] + cosh(kl) cos(kl) + 1

oder v(x) =

(sinh(kl) + sin(kl)) ⋅ (cos(kx) − cosh(kx)) F0 ( cosh(kl) cos(kl) + 1 2EIk 3 (cosh(kl) + cos(kl)) ⋅ (sinh(kx) − sin(kx)) + ) . cosh(kl) cos(kl) + 1

Die Lösung lautet mit k 4 = φ2 ρA EI schließlich u(x, t) =

F0 (sinh(kl) + sin(kl)) ⋅ (cos(kx) − cosh(kx)) ( 3 cosh(kl) cos(kl) + 1 2EIk (cosh(kl) + cos(kl)) ⋅ (sinh(kx) − sin(kx)) ) ⋅ cos(φt) . + cosh(kl) cos(kl) + 1

Sie stimmt mit der Reihenlösung überein (ohne Beweis): u(x, t) =

2F0 ∞ (−1)n ∑ 4 l n=1 k n EI − ρAφ2

⋅ [cos(k n x) − cosh(k n x) −

cosh(k n l) + cos(k n l) (sin(k n x) − sinh(k n x))] ⋅ cos(φt) . sinh(k n l) + sin(k n l)

Schlussbemerkung. Im Kapitel 17 werden Untersuchungen von Brückenschwingun­ gen begonnen. In diesem Zusammenhang sollen nicht nur orts-, sondern auch zeitab­ hängige (vorbeifahrende Züge) schwingungserzeugende Kräfte betrachtet werden.

16 Übersicht Energien bei Biegeschwingungen (Für einen stationären Zustand ersetzt man u(x, t) = y(x)w(t) durch y(x).) Art der Schwingung

Potenzielle Energie

Kinetische Energie

l

1 F ∫(u 󸀠 )2 dx 2

Quer, Saite

1 ρA ∫( u)̇ 2 dx 2

0

l

1 EA ∫(u 󸀠 )2 dx 2

1 ρA ∫( u)̇ 2 dx 2

0

0 l

Torsion, Stab

E: Elastizitätsmodul A: Querschnitt, l: Länge

l

1 GIp ∫(u 󸀠 )2 dx 2

1 ρIp ∫( u)̇ 2 dx 2

0

0

l

Quer, Balken

F : Normalkraft

0 l

Longitudinal, Stab

Bemerkungen

l

G: Schubmodul, ρ Dichte Ip : Polares Flächenmoment

l

1 EI ∫(u 󸀠󸀠 )2 dx 2

1 ρA ∫( u)̇ 2 dx 2

0

I: Flächenträgheitsmoment

0

Es gilt zu beachten, dass die Lösung u(x, t) der DGL aus unendlich vielen Eigenformen ∞ besteht: u(x, t) = ∑∞ n=1 u n (x, t). Die potenzielle Energie ist E total = ∑ n=1 E n , wenn E n die potenzielle Energie der n-ten Oberschwingung bezeichnet. Wenn das System angeregt wird, dann schwingen unter Umständen alle Eigen­ formen mit, es sei denn die Anregungsfrequenz ist gerade gleich einer Eigenfrequenz ω n . In diesem Falle bleibt nur diejenige Eigenform übrig, die der Anregungsfrequenz entspricht: sin( nπ l x). Die Lösung lautet dann u(x, t) = C sin( nπ l x) cos(ω n t). C ist die Amplitude der An­ regung. Wir berechnen dazu einzeln: l 󸀠 2

∫(u ) dx = C

2n

l2

0

=C

2 π2

2

n2 π 2 2l

l

l 2

cos (ω n t) ∫ cos2 ( 0

n2 π 2 nπ l x) dx = C2 2 cos2 (ω n t) l 2 l

2

cos (ω n t) , l

∫(u 󸀠󸀠 )2 dx = C2 0

n4 π 4 n4 π 4 nπ l cos2 (ω n t) ∫ sin2 ( x) dx = C2 4 cos2 (ω n t) 4 l 2 l l 0

= C2

n4 π 4 cos2 (ω n t) , 2l3

l

l

∫(u)̇ 2 dx = C2 ω2n sin2 (ω n t) ∫ sin2 ( 0

=C

2 2 lω n

2

0 2

sin (ω n t) .

https://doi.org/10.1515/9783110684148-016

nπ l x) dx = C2 ω2n sin2 (ω n t) l 2

16.1 Vergleich Energien bei Anregung – Saite, Stab, Balken |

16.1 Vergleich Energien bei Anregung – Saite, Stab, Balken (Anregung mit der Eigenfrequenz ω n ) Art der Schwingung

Potenzielle Energie

Kinetische Energie

Anregung

Quer, Saite

C2

n2 π 2 F cos2 (ω n t) 4l

C2

lω 2n ρA sin2 (ω n t) 4

C cos(ω n t)

Longitudinal, Stab

C2

n2 π 2 EA cos2 (ω n t) 4l

C2

lω 2n ρA sin2 (ω n t) 4

C cos(ω n t)

Torsion, Stab

C2

n2 π 2 GIp cos2 (ω n t) 4l

C2

lω 2n ρIp sin2 (ω n t) 4

C cos(ω n t)

Quer, Balken

C2

n4 π 4 EI cos2 (ω n t) 4l3

C2

lω 2n ρA sin2 (ω n t) 4

C cos(ω n t)

79

17 Konzentrierte und verteilte Massen Tragwerke wie Gebäude oder Brücken verhalten sich unter statischer und dynami­ scher Belastung alles andere als gleich, wie wir noch sehen werden. Dabei spielen der Ort und die Größe der schwingenden Masse die zentrale Rolle. In einigen Fällen ist die Schwingmasse an einem Punkt konzentriert, so dass man die restliche mitbe­ wegte Masse vernachlässigen kann und das System als Einmasse-Schwinger betrach­ ten. Dies hatten wir schon beim Federpendel im 2. Band geltend gemacht, wenn die Federmasse gegenüber der angehängten Masse viel kleiner ist.

17.1 Konzentrierte Massen Bei kurzen Balken kann die Eigenmasse bei Vertikalschwingungen vernachlässigt werden, sofern die einwirkende Kraft viel größer ist (Abb. 17.1 links). Für die Feder­ konstante des Systems erhält man dann D = 48EI (vgl. 2. Band). l3 Bei einem Kragarm mit konzentrierter Masse am Ende ist die Eigenmasse vernach­ lässigbar (Abb. 17.1 mitte). Es ist dann D = 3EI (vgl. 2. Band). h3 In Hochhäusern kann oft die Masse in den Geschossdecken konzentriert ange­ nommen werden, während die Stützwände als masselos betrachtet gelten (Abb. 17.1 rechts). Dann erhält man D = 24EI (vgl. 2. Band). h3 Allgemein gesprochen kann man in obigen Fällen die Ergebnisse aus der Statik, mit entsprechenden Vereinfachungen, auf die Dynamik übertragen. Dabei muss berücksichtigt werden, dass einerseits die dynamischen Werte des E-Moduls größer sind als die statischen (bei Beton bis zu 20 %), dass aber im Ge­ genzug ein beanspruchter Stahlbetonquerschnitt viel weniger steif ist als ein unbe­ anspruchter (bis zu 50 %).

Abb. 17.1: Beipiele für konzentrierte Massen

17.2 Verteilte Massen Bei Brücken und Türmen muss die Masse als verteilt angenommen werden. Damit kann man das System nicht mehr als Einmasseschwinger behandeln. Wir betrachten als Modellverfahren die schon im 2. Band erwähnte Modalanalyse, um das dynami­ sche Verhalten solcher Systeme zu erfassen. Mit der Modalanalyse können die Eigen­ frequenzen und auch die Eigenformen ermittelt werden. Die Eigenform ist diejenige Verformung, die das Bauteil bei der Anregung mit der zugehörigen Eigenfrequenz ein­ https://doi.org/10.1515/9783110684148-017

17.2 Verteilte Massen |

81

nehmen würde. Abhängig von dieser Anregung ergibt sich dann eine Gesamtschwin­ gung des Bauteils, die sich im Wesentlichen aus den einzelnen Schwingungsformen zusammensetzt. Nehmen wir an, die Brücke schwingt in einer ihrer Eigenfrequenzen ω n . Um diese D∗ Frequenz als ω n = √ m ∗ zu schreiben, fassen wir das System für jede Eigenfrequenz als Einmasseschwinger mit einer Masse m∗ und Steifigkeit D∗ auf. Wir nennen sie modale Masse (MM) und modale Steifigkeit (MST). Ist y n (x) die exakte oder eine angenommene Eigenform, dann wird die Verschie­ bung u n (x, t) = y n (x)w(t). Wählt man nun y n (x) einheitslos und fasst w(t) als Ver­ schiebung auf, dann kann man einen Kontrollpunkt x0 nehmen und y n (x) so normie­ ren, dass y n (x0 ) = 1 wird. Dann ist u n (x0 , t) = y n (x0 )w(t) = 1 ⋅ w(t) = w(t) gerade die zeitliche Verschiebung im Kontrollpunkt. y n (x) wird dabei positiv abgetragen. Für die kinetische Energie gilt l

Ekin =

1 ρA ∫ y2 (x) dx ⋅ ẇ 2 (t) . 2 0

Daraus erhält man die MM bezogen auf die Normierung an der Stelle x0 : l ∗

l 2

m = ρA ∫ y (x) dx = μ ∫ y2 (x) dx , 0

0

falls die Dichte oder die Massenverteilung μ konstant ist. Ansonsten l

m∗ = ∫ μ(x)y2 (x) dx . 0

m∗ ist abhängig von der Normierungstelle. Die potenzielle Energie wurde berechnet zu l

Epot

1 = EI ∫(y󸀠󸀠 )2 dx ⋅ w2 (t) 2 0

mit der MST l

D∗ = EI ∫(y󸀠󸀠 )2 dx . 0

D∗ ist abhängig von der Normierungstelle. Aufgrund der Abhängigkeit von der Normierungsstelle wären die korrekten Be­ zeichnungen relative modale Masse und relative modale Steifigkeit. Mit Hilfe der MM und der MST kann man die Eigenfrequenz zur entsprechenden Eigenform berechnen: l

ω2n

EI ∫0 (y󸀠󸀠n )2 dx D∗ = ∗ = l m ρA ∫0 y2n dx

(Rayleigh-Quotient).

Die Eigenfrequenzen ergeben dabei recht gute Werte, auch wenn die Eigenformen nicht die exakten, sondern nur angenommene sind, wie wir später sehen werden.

82 | 17 Konzentrierte und verteilte Massen

17.3 Übersicht modale Masse und modale Steifigkeit für die n-te Eigenfrequenz Es gilt (u n (x, t) = y n (x)w(t), y n (x) auf Eins normierte Eigenform) Art der Schwingung

Modale Masse m∗

Saite, quer

ρA ∫ y 2n dx

Modale Steifigkeit D ∗

l

l

∫(y 󸀠n )2 dx

0

0

l

l

EA ∫(y 󸀠n )2 dx

ρA ∫ y 2n dx

Stab, längs

0

0

l

l

GIp ∫(y 󸀠n )2 dx

ρA ∫ y 2n dx

Stab, Torsion

0

0

l

l 2 EI ∫(y 󸀠󸀠 n ) dx

ρA ∫ y 2n dx

Balken, quer

0

0

Beispiel 1 (MM und MST des beidseitig gelagerten Balkens). a) Zuerst die Berechnung mit den genauen Eigenformen: y n (x) = sin ( (Kontrollpunkt x =

󳨐⇒ y n ( 2l ) = 1).

l 2

l ∗

m =

l

ρA ∫ y2n

dx = ρA ∫ sin2 (

0

=

nπ l 1 x) dx = ρA ⋅ = m , l 2 2

0 l

l

D∗n

nπ x) l

EI ∫(y󸀠󸀠n )2 0

nπ n4 π 4 l n4 π 4 n4 π 4 dx = EI 4 ∫ sin2 ( x) dx = EI 4 ⋅ = EI ⋅ . l 2 l l 2l3 0

Dieses Ergebnis erhält man auch so: 2

D∗n

=

mω2n

= 4π2

=

4π2 f n2

n2 π EI 1 ⋅ m = 4π ( 2 √ ) ⋅ m ρA 2 2l ∗

2

n4 π2 EI 1 n4 π4 EI 1 n4 π 4 ⋅ ⋅ . ⋅ m = ⋅ m = EI ⋅ ρA 2 4l4 ρA 2 l4 2l3

b) Anstelle der genauen 1. Eigenform nehmen wir die Biegelinie y1 (x) =

F (4x3 − 3l2 x) , 48EI

l l F l 3 Fl3 y1 ( ) = (4 ( ) − 3l2 ) = . 2 48EI 2 2 48EI

17.3 Übersicht modale Masse und modale Steifigkeit für die n-te Eigenfrequenz | 83

Normiert bei x = l 2



m =

ergibt das y1 (x) =

1 (4x3 l3

− 3l2 x).

l 2

2ρA ∫ y21 0

=2

l 2

l 2

ρA ρA dx = 2 6 ∫(4x3 − 3l2 x)2 dx = 2 6 ∫(16x6 − 24l2 x4 + l4 x2 ) dx l l 0

x7

0

x5

x3

l 2

l7

ρA l7 l7 34 ρA [16 − 24l2 + l4 ] = 2 6 ( −3 +3 )= ρAl 6 7 5 3 0 56 20 8 70 l l

= 0,4857 ⋅ m , l 2



D = 2EI

2 ∫(y󸀠󸀠 1) 0

l 2

l 2

0

0

l

EI EI EI x3 2 dx = 2 6 ∫(24x)2 dx = 1152 6 ∫ x2 dx = 1152 6 [ ] 3 0 l l l

48EI = 3 . l c) Schließlich nehmen wir noch eine Funktion 2. Grades y1 (x) = ax(x − l). Normiert bei x = 2l ergibt das y1 (x) = l42 x(x − l). l 2

l 2

32ρA 32ρA m∗ = ∫(x2 − lx)2 dx = ∫(x4 − 2lx3 + l2 x2 ) dx 4 l l4 0

0

l 2

x3 32ρA l5 x4 l5 l5 32ρA l5 32ρA x5 [ −l ( ⋅ + l2 ] = − + )= 4 4 5 2 3 0 160 32 24 60 l l l4 8 = ⋅ m = 0,53 ⋅ m , 15

=

l 2

32EI 32EI 64EI D∗ = 4 ∫ 22 dx = 4 2l = 3 . l l l 0

Natürlich ist nur bei a) eine Bestimmung der Eigenfrequenz für n > 1 möglich. Ver­ gleichen wir einmal alle ersten Eigenfrequenzen miteinander: a)

ω21

=

EI ⋅ ρA

π4 2l 3 ⋅ 2l

=

97,41 EI π4 EI = ⋅ ⋅ ρA l4 ρA l4

b) ω21 =

48EI l3 34 70 ρAl

=

98,82 EI ⋅ ρA l4

ω21 =

64EI l3 8 15 ρAl

=

120 EI ⋅ . l4 ρA

c)

Nun wiederholen wir dasselbe für die 2. Eigenfrequenz. a) Zuerst wieder mit der genauen Eigenform y2 (x) = sin( 2π l x) und den Ergebnissen m∗ =

1 m 2

und

D∗n = EI ⋅

16π4 . 2l3

84 | 17 Konzentrierte und verteilte Massen b) Zum Vergleich wählen wir die Biegelinie für 0 ≤ x ≤ Einfach l → 2l ersetzen. Dann ist y2 (x) =

l 2

und

l 2

≤ x ≤ l.

F l 2 (4x3 − 3 ( ) x) . 48EI 2

Weiter erhält man l F l 3 Fl3 l 2 l . y2 ( ) = (4 ( ) − 3 ( ) ⋅ ) = 4 48EI 4 2 4 8 ⋅ 48EI Normiert bei x = l 4



m =

l 4

ergibt das y2 (x) =

8 (4x3 l3



l 4

3l 2 4 x).

2

256ρA 3l2 dx = ∫ (4x3 − x) dx 6 4 l

4ρA ∫ y22 0

0

l 4

=

256ρA 9l4 2 6 2 4 x ) dx − 6l x + ∫ (16x 16 l6 0

l

5 9l4 3 4 256ρA l7 l7 x7 l7 256ρA 2x − 6l + x − 3 + 9 ) [16 ] = ( = 7 5 16 1024 2560 4096 l6 l6 0 41 m = 0,5125 ⋅ m , = 80 l 4



D = 4EI

2 ∫(y󸀠󸀠 2) 0

= 147.456

l 4

l 4

0

0

256EI EI dx = ∫(24x)2 dx = 147.456 6 ∫ x2 dx l6 l x3

l 4

768EI EI [ ] = . l3 l6 3 0

c) Schließlich nehmen wir noch zweimal eine Funktion 2. Grades von 0 ≤ x ≤ l l 2 ≤ x ≤ l der Form y 2 (x) = ax(x − 2 ). l Normiert bei x = 4 ergibt das y1 (x) = 16 x(x − 2l ). l2 l 4

l 2

l 4

1024ρA l 2 1024ρA l2 m = ∫ (x2 − x) dx = ∫ (x4 − lx3 + x2 ) dx 4 4 2 4 l l ∗

0

0

x5

x3

l 4

=

1024ρA l5 l5 l5 1024ρA 2 [ = ( − l + l ] − + ) 5 4 12 0 5120 1024 768 l4 l4

=

l5 8 1024ρA ⋅ = ⋅ m = 0,53 ⋅ m 4 1920 15 l l 4

x4

(wie oben).

1024EI 1024EI 1024EI 64EI ∫ 22 dx = l= (= 16 ⋅ 3 ) . D∗ = l4 l4 l3 l 0

und

17.3 Übersicht modale Masse und modale Steifigkeit für die n-te Eigenfrequenz | 85

Der Vergleich aller zweiten Eigenfrequenzen liefert: a)

ω21

=

16π 4 2l 3 ρA ⋅ 2l

EI ⋅

=

16π 4 EI 1558,55 EI ⋅ ⋅ = ρA ρA l4 l4

b) ω21 =

768EI l3 41 80 ρAl

=

1498,54 EI ⋅ ρA l4

ω21 =

1024EI l3 8 15 ρAl

=

1920 EI . ⋅ ρA l4

c)

Der Gebrauch des Rayleigh-Quotienten ist dann wertvoll, wenn die genauen Eigenfor­ men unbekannt sind. Beispiel 2 (Längsschwingung des einseitig fest eingespannten Stabs). Die genauen Eigenformen sind (2n − 1)π x) y n (x) = sin ( 2l (Kontrollpunkt x = Dann ist

l 2

󳨐⇒ y n ( 2l ) = 1).

l

ω2n

=

=

EA ∫0 (y󸀠n )2 dx l ρA ∫0

E

y2n dx

(2n−1)2 π 2 4l 2 ρ ⋅ 2l



l 2

=

=

E

(2n−1)2 π 2 l ∫0 cos2 ( (2n−1)π x) 2l 4l 2 l ρ ∫0 sin2 ( (2n−1)π x) dx 2l

E (2n − 1)2 π2 ⋅ . ρ 4l2

󳨐⇒

dx

fn =

(2n − 1) E √ , 4l ρ

was die genauen Eigenfrequenzen sind. Auch eine Mischung der MM und der MST ergibt für f1 etwas Brauchbares: l

ω21

󳨐⇒

2 EI ∫ 2 (24x)2 dx D∗ l6 0 = ∗ = = l m ρA ∫0 sin2 ( πl x) dx

f1 = √96 ⋅

EI 1 π , ⋅ 2√ 2 ρA π 2l 4 4

ω21 =

󳨐⇒

48EI l3 1 2 ρAl

=

96EI l4 ρA

√96 ⋅ 1 ≈ 0,9927 π2

l

4

oder

EI n l 4π ∫0 sin2 ( nπ EI πl 4 ⋅ 2l D∗ 70π4 EI l x) dx = = = l ∗ 34 7 m ρA 68l4 ρA 70 ρAl 2 l 6 ∫02 (4x3 − 3l2 x)2 dx

f1 = √

70 π EI √ ⋅ , 68 2l2 ρA



70 ≈ 1,0145 . 68

86 | 17 Konzentrierte und verteilte Massen

Beispiel 3 (Der einseitig fest verankerte und anderseitig gelagerte Balken). Die Eigenfrequenzen wurden oben mit Hilfe der charakteristischen Gleichung cosh(kl) cos kl − 1 = 0 bestimmt zu f1 = 0,781 ⋅

π EI √ , l2 ρA

f2 = 2,531 ⋅

π EI √ , l2 ρA

f3 = 5,281 ⋅

π EI √ . l2 ρA

Für die exakte Bestimmung von m∗ müsste man mit den Eigenformen rechnen. Wir begnügen uns mit einer Abschätzung und verwenden stattdessen die Biegelinien y11 (x) =

F (11x3 − 9lx2 ) 96EI

y12 (x) =

F (−5x3 + 15lx2 − 12l2 x + 2l3 ) für 96EI 5 − √5 7Fl3 mit y12 ( . ⋅ l) = 5 48√5EI

für 0 ≤ x ≤

l 2

Man muss aber y12 (x) ebenfalls an der Stelle x = wirkt. 7Fl 3 Also ergibt sich y12 ( 2l ) = 768EI . Somit ist y11 (x) =

8 (11x3 − 9lx2 ) und 7l3

y12 (x) =

mit

l 2

l 7Fl3 y11 ( ) = 2 768EI

0≤x≤

und

l 2

normieren, weil dort die Kraft F

8 (−5x3 + 15lx2 − 12l2 x + 2l3 ) . 7l3

Es folgt l 2

l



m = ρA ∫ y211 dx + ρA ∫ y212 dx 0

l 2 l 2

=

64ρA ∫(121x6 − 198lx5 + 81l2 x4 ) dx 49l6 0

l 2

64ρA + ∫(25x6 − 150lx5 + 345l2 x4 − 380l3 x3 + 204l4 x2 − 48l5 x + 4l6 ) dx 49l6 0

l

4 2 x6 64ρA 6 2x [121 + 81l − 33lx ] = 7 5 0 49l6 l

+

x6 64ρA [25 − 25lx6 + 69l2 x5 − 95l3 x4 + 68l4 x3 − 24l5 x2 + 4l6 x] 6 7 49l l 2

64ρA 563l7 64ρA 193l7 563 193 764 = ⋅ ⋅ + = m+ m= m = 0,4455 ⋅ m . 896 3430 686 1715 49l6 4480 49l6

17.4 Übersicht modale Masse und modale Steifigkeit bei Einzelkraft (mittig oder Rand) |

87

Es wird in diesem Fall weniger Masse aktiviert als beim beidseitig gelagerten Balken. 2

D∗1

π EI π 4 EI 764 = 4π (0,781 ⋅ 2 √ ) ⋅ m∗ = 4 ⋅ 0,7812 ⋅ 4 ⋅ ⋅ ⋅m ρA ρA 1715 l l 2

=

113,88EI , l3 2

D∗2

π EI π 4 EI 764 = 4π (2,531 ⋅ 2 √ ) ⋅ m∗ = 4 ⋅ 2,5312 ⋅ 4 ⋅ ⋅ ⋅m ρA ρA 1715 l l 2

=

1111,92EI l3

und 2

D∗3

π EI π 4 EI 764 ⋅ ⋅m = 4π (5,281 ⋅ 2 √ ) ⋅ m∗ = 4 ⋅ 5,2812 ⋅ 4 ⋅ ρA ρA 1715 l l 2

=

4840,83EI . l3

Verglichen mit dem beidseitig gelagerten Balken, D∗1 =

48,70EI , l3

D∗2 =

779,27EI , l3

D∗3 =

3945,07EI l3

ist die Steifigkeit beim beidseitig fest verankerten Balken immer größer.

17.4 Übersicht modale Masse und modale Steifigkeit bei Einzelkraft (mittig oder Rand) Dabei ist die Balkenmasse viel kleiner als F oder konzentriert bei F und für m∗ wurde die Biegelinie verwendet (Abb. 17.2).

Abb. 17.2: Übersicht zur modalen Masse und zur modalen Steifigkeit bei Einzelkraft

88 | 17 Konzentrierte und verteilte Massen

Aufgabe Bearbeiten Sie die Übungen 17 und 18.

Man kann Systeme von verteilten und konzentrierten Massen auch kombinieren. Eine Masse M an der Stelle x1 liefert den Beitrag m∗ = M ⋅ y n (x1 ). Wird der Kontrollpunkt dort gewählt, wo die Verschiebung gesucht ist oder eine Einzelkraft angreift, dann kann die Masse oder die Kraft direkt eingesetzt werden, weil sie mit y n (x0 ) = 1 multi­ pliziert wird. Beispiel 1. Gegeben sei derselbe Balken wie im Bsp. 1, Kapitel 12.3, aber zusätzlich soll der Balken mit einer Masse M im Zentrum belastet werden (Abb. 17.3). Die genauen l Eigenformen sind unbekannt. Wir wählen y n (x) = sin( nπ l x) (KP x = 2 ). Die gesamte potenzielle Energie von Balken und Masse im Moment, bevor sich die Masse auf dem Balken befindet, ist l

Epot 1

1 = EI ∫(u 󸀠󸀠 )2 dx + mgh . 2 0

Wird die Masse auf den Balken gelegt, dann verrichtet sie Arbeit am Balken und erhöht seine Spannungsenergie um 1 mg 1 1 mgs (= D∗ s2 = ( ) s) 2 2 2 s

l

auf

Epot =

1 1 EI ∫(u 󸀠󸀠 )2 dx + mgs . 2 2 0

Gleichzeitig sinkt die potenzielle Energie der Masse um mgs auf mg(h − s). Insgesamt liegt die potenzielle Energie von Balken und Masse somit bei l

Epot 2 =

1 1 1 EI ∫(u 󸀠󸀠 )2 dx + mgs + mg(h − s) = Epot 1 − mgs 2 2 2

mit

l s = yn ( ) . 2

0

Es wird also insgesamt W = 12 mgs an Arbeit verrichtet. Die potenzielle Energie ist gesunken! Dies hat Auswirkungen auf die MM und MST: Die MM ist dann l

m∗ = ρA ∫ y2n dx + M 0

Abb. 17.3: Skizzen zu Beispiel 1

mit

l My1 ( ) = M ⋅ 1 = M . 2

17.4 Übersicht modale Masse und modale Steifigkeit bei Einzelkraft (mittig oder Rand) |

89

Dies gilt aber nur für ungerade n. Für gerade n hat die Funktion y n (x) bei x = 2l ei­ l nen Knoten und die Masse M schwingt nicht mit. Deswegen ist m∗ = ρA ∫0 y2n dx für gerade n. Die MST ist aufgrund von l

1 l = (EI ∫(y󸀠󸀠 )2 dx − Mgy ( )) w2 (t) 2 2

Epot

0 l

l 2 D∗ = EI ∫(y󸀠󸀠 1 ) dx − Mgy 1 ( ) . 2 0

Dann folgt l

ω2n

=

EI ∫0 (y󸀠󸀠n )2 dx − Mg l

ρA ∫0 y2n dx + M 2 2

=

󳨐⇒

2

EI ( n l 2π ) − ρA +

=

2 2

2

l 2

ρA ⋅

l 2

+M

EI ( n l 2π ) ⋅

− Mg

=

l 2

2 2

2

(EI ( n l 2π ) − l 2

(ρA +

2Mg l )

2M l )

2Mg l

2M l

{ n2 π2 2 { { 1 √ EI ( l 2 ) − { { { { { 2π ρA + 2M l fn = { { { { 2 { n π EI { { { 2√ , ρA { 2l

2Mg l

,

für n ungerade

für n gerade .

Für M = 0 ist es die exakte Lösung, für M ≠ 0 ist es eine Näherung. Mit den Werten l = 100 m, b = 3 m, h = 0,5 m, E = 3,0 ⋅ 1010 mN2 , ρ = 2,5 ⋅ 103 mkg3 , 1 I = 12 Ah2 , M = 1000 kg erhält man f1 = 0,105 Hz. Im Gegensatz dazu: f1 = 0,111 Hz für M = 0. Die erste Eigenfrequenz kann man nicht mit der zugehörigen Biegelinie abschät­ zen, weil der Zähler im Ausdruck l

ω21

=

l 2 2EI ∫02 (y󸀠󸀠 1 ) dx − Mg ⋅ y 1 ( 2 ) l

2ρA ∫02 y21 dx + M

zu Null wird. Beispiel 2. Derselbe Balken wie im Bsp. 1, aber die zusätzliche konzentrierte Masse M befindet sich im Abstand a von einem Ende. Die genauen Eigenformen sind unbe­ kannt. y1 (x) = sin( πl x) (KP x = 2l ). Dann ist die MM l ∗

m =

ρA ∫ y21 0

l

π dx + My1 (a) = ρA ∫ y21 dx + M sin ( a) l 0

90 | 17 Konzentrierte und verteilte Massen

und l

ω21 =

π 2 EI ∫0 (y󸀠󸀠 1 ) dx − Mg sin ( l a) l

ρA ∫0 y21 dx + M sin ( πl a)

=√

EI

n4 π4 l4



l 2

ρA ⋅

l 2

+ M sin ( πl a)

− Mg sin ( πl a)

4 4

󳨐⇒

n π 2M π 1 EI l 4 − l g sin ( l a) √ . 2π ρA + 2M sin ( π a)

fn =

l

l

Man kann natürlich beliebig viele konzentrierte Massen auf dem Balken verteilen. Sind x1 , x2 , . . . , x m die Stellen mit den entsprechenden Massen M1 , M2 , . . . , M m , dann hat man m n4 π4 2 1 EI l 4 − l g ∑i=0 M i y n (x i ) √ fn = . 2π ρA + 2l ∑m i=0 M i y n (x i ) Mit steigender Masse sinken die Eigenfrequenzen. Bemerkung. In der Literatur findet sich auch die Näherung fn =

n2 π √ 2l2 ρA +

2 l

EI . ∑m i=0 M i y n (x i )

Beispiel 3. Mit Hilfe des Rayleigh-Quotienten kann man auch Eigenfrequenzen eines Balkens unter einer Normalkraft F bestimmen. Die potenzielle Energie beträgt Epot

l

l

0

0

1 1 = EI ∫(y󸀠󸀠 )2 dx ⋅ w2 (t) − F ∫(y󸀠 )2 dx ⋅ w2 (t) . 2 2

Weiter ist l ∗

l

l

󸀠󸀠 2

󸀠 2

D = EI ∫(y ) dx − F ∫(y ) dx 0

und

0

ω2n

l

󸀠󸀠 2 󸀠 2 m∗ EI ∫0 (y n ) dx − F ∫0 (y n ) dx . = ∗ = l D ρA ∫ y2 dx 0

n

Mit der Wahl von y n (x) = sin( nπ l x) folgt ω2n =

EI

n4 π4 l4



l 2

−F

ρA ⋅

l 2

n2 π2 l2



l 2

=

EI

n4 π4 l4

−F

n2 π2 l2

ρA

2 2

=

n π n2 π2 EI l 2 − F n2 π2 nπ 2 ⋅ = ) −F ⋅ EI ( ρA l l2 l2 ρA

(wie gehabt).

Aufgabe Bearbeiten Sie die Übungen 19 und 20.

󳨐⇒

fn =

n

2

√( nπ ) EI − F l 2l√ρA

17.4 Übersicht modale Masse und modale Steifigkeit bei Einzelkraft (mittig oder Rand) |

91

Die Eigenformen für den beidseitig gelagerten Balken sind Sinusbögen (Abb. 17.4 4 4 links). Wir haben oben die MST berechnet zu D∗n = EI ⋅ n2lπ3 , also abhängig von n. Dies erklären wir kurz am Lastmodell. Da die potenzielle Energie Epot n = 12 D∗n ⋅ w2 (t) beträgt, bedeutet die Abhängigkeit von n auch, dass es mehr Energie braucht, um den Balken in die 2. Eigenform zu bringen als in die 1. Eigenform (Abb. 17.4 rechts). Wenn es z. B. die Kraft F benötigt, um den Balken bei einem Hebelarm von 2l in der Mitte durchzubiegen, dann braucht es bei einem Hebelarm von 4l jeweils rechts und links von der Mitte die doppelte Kraft, um dieselbe Auslenkung zu erzwingen, insgesamt also 4F. Entsprechend 3F links und rechts bei der 3. Eigenform und einem Hebelarm von 3l , also 9F insgesamt. Somit ist die potenzielle Energie für die 1. Eigen­ form am kleinsten. Folglich ist auch die 1. Eigenfrequenz am einfachsten anzuregen, weil es am wenigsten Energie dazu bedarf. Die MM wurde immer zu m∗n = 12 m berechnet, unabhängig von der Eigenform. Die MM fasst man, ähnlich dem Trägheitsmoment J beim physikalischen Pendel, als die aktivierte Masse auf.

Abb. 17.4: Skizzen zu Beispiel 3

18 Die allgemeine Lösung der Balkengleichung mit Anregungskraft ̈ t) + μ ⋅ u(x, ̇ t) = q(x, t) gelöst werden. Es soll nun die DGL EIu 󸀠󸀠󸀠󸀠 (x, t) + ρA ⋅ u(x, Umformen ergibt μ EI 󸀠󸀠󸀠󸀠 q(x, t) ü + ⋅ u̇ + u = . ρA ρA ρA Für die Lösung wählen wir eine Entwicklung nach Eigenformen gemäß der Idee der modalen Analyse. Der Balken sei wie üblich beidseitig gelagert. Die Idee, die dahinter­ steckt, ist folgende: Man geht von einer gleichzeitigen Resonanz aller Eigenfrequen­ zen aus und diese beeinflussen einander nicht. Man erhält auf diese Weise die größt­ mögliche Antwort: ∞ nπx u(x, t) = ∑ u n (t) ⋅ sin ( ) , l n=1 wobei die Funktionen u n (t) ihrerseits gewichtet sein sollen wie im letzten Kapitel aus­ geführt: u n (t) = w n (t) sin( nπx l ) mit x = vt. w n (t) wird dann Lösung der rein zeitabhängigen DGL sein, wie wir anschließend sehen werden. Setzen wir den Ansatz in die DGL ein, dann erhalten wir ∞

∑ ẅ n (t) sin ( n=1

+

nπx nπx nπx μ ∞ nπx ∑ ẇ n (t) sin ( ) sin ( )+ ) sin ( ) l l ρA n=1 l l

nπx q(x, t) n4 π4 EI ∞ nπx ) sin ( )= . ∑ w n (t) sin ( l l ρA l4 ρA n=1

Jetzt entwickeln wir den Kraftverlauf von p(x, t) nach dessen Fourierreihe: ∞

p(x, t) = ∑ F ∗n (t) sin ( n=1

∞ nπx nπx nπx ) = ∑ F n (t) sin ( ) sin ( ) . l l l n=1

Der Vergleich zeigt, dass ẅ n (t) +

μ n4 π4 EI F n (t) ⋅ ẇ n (t) + 4 ⋅ w n (t) = ρA ρA l ρA

übrigbleibt. Kurz: ẅ n (t) + 2ξ n ω n ⋅ ẇ n (t) + ω2n ⋅ w n (t) =

F n (t) ρA

mit

ωn =

n2 π2 EI √ . ρA l2

Die zugehörige Antwort ist w n (t) =

αn G 1 π sin (ω n − ) , m∗ 2ξ 2

oder Kosinus, je nachdem, wie die Anregung verläuft. α n ist der entsprechende Fou­ rierkoeffizient der Kraft F n . https://doi.org/10.1515/9783110684148-018

18 Die allgemeine Lösung der Balkengleichung mit Anregungskraft |

m∗ =

ρAl 2

93

ist die modale Masse. Somit ergibt sich w n (t) =

2α n G 1 π sin (ω n − ) . ρAl 2ξ 2

Die Verschiebungsamplitude zur Zeit t in der Mitte bezüglich der n-ten Eigenfrequenz beträgt u n (t) = w n (t) sin (

nπx nπ π 2α n G 1 nπ ) = w n (t) sin ( vt) = sin (ω n t − ) sin ( vt) . l l ρAl 2ξ 2 l

Für die Amplitude zur Zeit t an der Stelle x bezüglich der n-ten Eigenfrequenz hat man u n (x, t) = u n (t) ⋅ sin (

nπx π 2α n G 1 nπ nπx )= sin (ω n t − ) sin ( vt) ⋅ sin ( ) . l ρAl 2ξ 2 l l

Schließlich ist die gesamte Amplitude zur Zeit t an der Stelle x gegeben durch ∞

u(x, t) = ∑ u n (t)⋅sin ( n=1

nπx π 2G 1 ∞ nπ nπx ∑ α n sin (ω n t − ) sin ( vt) ⋅sin ( )= ). l ρAl 2ξ n=1 2 l l

19 Personeninduzierte Schwingungen von Fußgängerbrücken Im Zusammenhang mit der Tacoma-Narrows-Brücke ist die Anregung von Brücken dramatisch in Erscheinung getreten. Aufgrund der großen Spannweite waren die be­ rechneten Eigenfrequenzen klein. Fußgängerbrücken sind dagegen kürzer. Die Eigen­ frequenzen steigen dann in den gefährlichen Bereich von 2 Hz, der durchschnittlichen Schrittfrequenz eines Menschen. Bei der Anregung von Fußgängerbrücken sind drei wesentliche Einflüsse für das Aufschaukeln von Schwingungen maßgebend: 1. Die Eigenfrequenzen. Das ist nichts Neues, da bei jedem Balken die Eigenfrequen­ zen eine Rolle spielen. 2. Die Steifigkeit. Auch das ist bekannt. Hier kann man hervorheben, dass eine Brü­ cke, die Eigenfrequenzen außerhalb des Gefahrenbereichs von 2 Hz besitzt, trotz­ dem anfällig sein kann, weil sie dünn gebaut ist, also ihre Steifigkeit niedrig ist. 3. Der Einfluss der Masse der Fußgänger. Dies ist ein neuer Sachverhalt: Untersu­ chungen haben gezeigt, dass gerade bei leichten Brücken die zusätzliche Masse der Fußgänger einen wesentlichen Einfluss auf die Eigenfrequenz der Brücke hat. Bei Einzelpersonen und Personengruppen ist dieser Einfluss vernachlässigbar. Bei Personenströmen hingegen sinken die Eigenfrequenzen deutlich. Das bedeu­ tet, dass auch höhere Eigenfrequenzen > 2 Hz bei Personenströmen in den Be­ reich < 2 Hz fallen. Maßgeblich für diesen Effekt ist das Verhältnis zwischen Masse des Brückendecks und Fussgängermasse und der Effekt ist umso größer, je leich­ ter das Brückendeck ist (siehe unten). Unbedeutend im Hinblick auf Anregung sind dagegen die Einwirkungen von Radfah­ rern. Beim Gehen treten durch die rhythmische Körperbewegung vertikale und hori­ zontale Kräfte auf. Die Anregungsfrequenz in vertikaler Richtung liegt im Bereich von 1,4 bis 2,4 Hz, im Mittel liegt sie bei 2,0 Hz. Die Werte der folgenden Tabelle sind in Hertz angegeben.

Gehen Laufen Hüpfen

langsam

normal

rasch

1,4–1,7 1,9–2,2 1,3–1,9

1,7–2,2 2,2–2,7 1,9–3,0

2,2–2,4 2,7–3,3 3,0–3,4

In horizontaler Richtung übt eine gehende Person sowohl in Längs- als auch in Quer­ richtung ebenfalls Kräfte auf den Boden aus, die auf das Pendeln des Massenschwer­ punktes zurückzuführen sind. Die Anregungsfrequenz ist demzufolge genau halb so groß wie in vertikale Richtung und liegt im Bereich von 0,7 bis 1,2 Hz. Quer zur Fort­ bewegungsrichtung treten dabei Verschiebungsamplituden des Massenschwerpunkts von etwa 1−2 cm auf. Dies entspricht bei einer Frequenz von 1,0 Hz im Durchschnitt https://doi.org/10.1515/9783110684148-019

19 Personeninduzierte Schwingungen von Fußgängerbrücken | 95

etwa 25 N als dynamische Anregungskraft einer Einzelperson bei einer Gewichtskraft von 60 kg. Bei Brücken kommt hinzu, dass die Auslenkung des Oberkörpers abhängig von der Bodenbewegung ist, so dass die dynamische Kraft einer Person auch größere Werte annehmen kann, aber dennoch relativ klein im Bezug zu den Vertikalkräften ist. Die Vertikalkomponente der Fußgängeranregung nimmt mit steigender Personen­ anzahl zu, da sie nur eine einzige Wirkungsrichtung besitzt. Im Gegensatz dazu muss die Horizontalkomponente nicht unbedingt mit steigender Personenanzahl automa­ tisch anwachsen. Die rein zufällig verteilten horizontalen Einwirkungen der Fußgän­ ger in zwei Richtungen werden sich in der Zeit zwar teilweise überlagern, aber auch kompensieren, so dass statistisch über die Zeit gemittelt sich die Kräfte der Personen gegenseitig aufheben. Selbst wenn der Takt vorgegeben wird, kann synchrones Gehen von einer grö­ ßeren Personengruppe nur schwer erreicht werden. Ein mutwilliges Aufschaukeln in horizontaler Richtung ist allerdings mit nur wenigen Personen möglich. Die genannten Zusammenhänge gelten für einen unbeweglichen bzw. sich na­ hezu in Ruhe befindenden Untergrund. Erfährt der Untergrund jedoch größere Be­ wegungen, so kann es zu einer Interaktion (Rückkopplungseffekt = „Lock-In-Effekt“) zwischen Fußgänger und Bauwerk kommen, da ein Fußgänger sich beim Gehen und Laufen den Bewegungen eines vertikal oder horizontal schwingenden Untergrundes automatisch anpasst. Eine Synchronisation des einzelnen Fußgängers an die Boden­ bewegung erfolgt, sobald ein bestimmter Schwellenwert der Schwingamplitude über­ schritten ist, bei dem kein unbeeinflusstes Gehen mehr möglich ist. Dieser Schwellenwert hängt von der Konstitution der betreffenden Person sowie der Einwirkungsrichtung ab. Bei der hier betrachteten Horizontalrichtung beginnt die Anpassung bereits bei Amplituden von 2−3 mm.

Beispiel Dreiländerbrücke Weil am Rhein Es soll kurz umrissen werden, wie bei einer Messreihe zur Bestimmung der maßgeben­ den Eigenfrequenzen, die als kritisch hinsichtlich Fußgängeranregung zu betrachten sind, vorgegangen wird. Bei besagter Brücke wurden dazu zwei verschiedenartige Ver­ suche durchgeführt. 1. Zunächst wurde ein mutwilliges Anregen der Brücke in vertikale und horizontale Richtung mit einer Gruppe von 14 Personen simuliert. Die Taktvorgabe erfolgte durch ein Metronom. Eine maximale Beschleunigung von 0,5 sm2 wurde zwar in horizontaler Richtung gerade erreicht, ein richtiges Aufschaukeln der Brücke war aber nicht möglich. 2. Im Anschluss fanden fünf Schwingungsversuche unter Beteiligung von mehr als 800 Testpersonen statt. Es wurde ein gleichmäßiger „Fußgängerstrom“ über die Brücke simuliert, indem nur eine Gehrichtung erlaubt war, es wurde aber bewusst kein Takt vorgegeben, so dass „normales“ Gehen mit unterschiedlichen Schritt­ frequenzen möglich war.

96 | 19 Personeninduzierte Schwingungen von Fußgängerbrücken

Die Brückenschwingung wurde dann über 30 min lang gemessen, so dass die Auflösung im Frequenzbereich groß genug war, um die eng zusammenliegenden Ei­ genfrequenzen unterscheiden zu können. Dabei kamen sogenannte Geophone zum Einsatz, die selbst kleinste Schwingungsamplituden im Bereich < 1 μm aufzeichnen können und für den Frequenzbereich 0,5−315 Hz kalibriert sind. Die kleinen verti­ kalen Eigenfrequenzen wurden somit nicht erfasst, aber beim Gehen werden solch kleine Frequenzen ja nie erzeugt. Die Messung ergab die nachstehenden ersten 11 Re­ sonanzfrequenzen (in Hertz): Frequenznummer 1 2 3 4 5 6 7 8 9 10 11 Ohne Verkehrslast (max. 5 Pers.) 0,53 0,70 0,90 0,95 1,00 1,38 1,47 1,65 1,94 2,19 2,27 Mit Verkehrslast (> 800 Pers.) 0,53 0,68 0,90 0,93 0,98 1,37 1,43 1,62 1,90 2,18 2,25

Aufgrund der Messungen während des Tests hat man Folgendes festgestellt: 1. Die Wahrscheinlichkeit, dass die Brücke unaufhaltsam in Resonanz gerät, ist ver­ schwindend klein. 2. Die Brücke schwingt zwar, und das bei 800 Personen, aber mit kleinen Amplitu­ den. Der Ausschwingvorgang ist nach höchstens einer Minute beendet. 3. Nur bei seltenen Großveranstaltungen wie ein Marathon (dann befänden sich et­ wa 800 Personen auf der Brücke), würde die Brücke etwas unangenehm schwan­ ken. 4. Folgen von Vandalismus konnten aufgrund von Versuch 1 ausgeschlossen wer­ den. Man hat deshalb in diesem Fall auf den Einbau jeglicher Tilger verzichtet. Dies ist eine absolute Ausnahme. Die Regel sieht anders aus: bis zu 50 oder mehr Tilger können oder müssen unter Umständen in eine solche Brücke eingebaut werden. Zusammenfassend kann man Folgendes zur Identifizierung kritischer Eigenfre­ quenzen sagen: Die Gebrauchstauglichkeit einer Brücke mit Fußgängerverkehr sollte untersucht werden, wenn Eigenfrequenzen f n in folgenden Bereichen liegen: a) bei Vertikal- und Längsschwingungen: 1,25 Hz ≤ f n ≤ 2,3 Hz und b) bei seitlichen Schwingungen: 0,5 Hz ≤ f n ≤ 1,2 Hz. Bei Fußgängerbrücken mit Eigenfrequenzen der vertikalen und Längschwingungen im Bereich von 2,5 Hz ≤ f n ≤ 4,6 Hz Hz ist es im Prinzip möglich, dass durch die 2. Harmonische der Fußgängerschrittfrequenz (z. B. für f1 = 2 Hz, also f2 = 4 Hz) Re­ sonanzeffekte auftreten. In diesem Fall vergrößert sich das Frequenzband für die kritischen Eigenfrequen­ zen der Vertikal- und Längsschwingungen auf 2,5 Hz ≤ f n ≤ 4,6 Hz.

19.1 Abschätzung der Amplitude | 97

Seitliche Schwingungen sind von diesem Effekt nicht betroffen. Es ist theoretisch ebenfalls möglich, dass vertikale Schwingungen durch die 2. Harmonische der Schritt­ frequenz erzeugt werden. Bis heute ist jedoch in der Literatur kein Hinweis darauf zu finden, dass aufgrund dieses Effekts wesentliche Schwingungen aufgetreten sind.

19.1 Abschätzung der Amplitude Die Bestimmung der Schwingungsamplituden kann für periodische Anregungskräfte nach einer vereinfachten Methode durchgeführt werden, sofern die Dämpfung klein ist (< 2 %). Es werden nur die Fälle betrachtet, bei denen eine Harmonische f der Anregung gerade mit einer Eigenfrequenz f n der Struktur zusammenfällt. Das heißt z. B. f n oder entsprechend ω n = 2πf n bei horizontal längs usw. Bei genügend langer 1 1 1 1 Anregung tritt der Resonanzfall mit dem Vergrößerungsfaktor mω 2 ⋅ 2ξ = D ⋅ 2ξ ein n n n n (f = f n , siehe 2. Band). Die Anregung durch andere Harmonische und bei anderen Eigenfrequenzen ist dabei vernachlässigbar. Für eine Struktur kann die Verschiebungsamplitude u für die­ se Harmonische mit der Amplitude F demnach berechnet werden zu wn =

F 1 F 1 = ⋅ . ∗ ⋅ 2 ∗ D n 2ξ n m ω n 2ξ n

Für einen Einmasseschwinger ist D∗n = m∗ ω2n , für einen Balken hat man l

m∗ = ρA ∫ y2n dx 0

l

und

D∗n = EI ∫(y󸀠󸀠n )2 dx . 0

Auch Geschwindigkeits- und Beschleunigungsamplitude folgen unmittelbar: F wn ωn F = ωn wn = ωn = , Tn 2ξ n D∗n 2ξ n D∗n ẇ n ω2n F 1 F 1 = = ∗ ⋅ = ∗ ⋅ = ω2n ⋅ w n . Tn D n 2ξ n m 2ξ n

ẇ Max n = ẅ Max n

Die Voraussetzung für diese vereinfachte Bestimmung der Amplituden ist, dass die Anregungszeit genügend lang ist. Die Zeit, die benötigt wird, um 96 % der maximalen T 1 Amplitude zu erreichen, ist t = 2ξ = 2ξf (siehe 2. Band). Bei einer Fußgängerbrücke mit 2 Hz und 0,0125 Dämpfung wird diese Zeit z. B. 40 s. Ein Fußgänger braucht aber vielleicht nicht so lange, bis er die Brücke überquert hat. Als Kriterium für den Komfort auf schwingenden Fußgängerbrücken wird übli­ cherweise die Beschleunigung verwendet. Es gibt vier Komfortklassen mit üblichen Bandbreiten für die Beschleunigung. Diese sind europäische Norm.

98 | 19 Personeninduzierte Schwingungen von Fußgängerbrücken

Komfortklasse

Grad des Komforts

Vertikal a limit in m/s2

Seitlich a limit in m/s2

CL 1 CL 2 CL 3 CL 4

Maximum Mittel Minimum Nicht akzeptabel

< 0,50 0,50–1,00 1,0–2,50 > 2,50

< 0,10 0,10–0,30 0,30–0,80 > 0,80

Im Weiteren wird für uns nur die Klasse CL1 maßgebend sein. Nun zum oben schon erwähnten Einfluss der Masse. Betrachten wir die Anregung durch eine Person mit der Gewichtskraft mg. Ist nun α n mP g der zugehörige FourierKoeffizienten zur Harmonischen, dann hat man für die Amplitude wn =

α n mP g 1 ⋅ , m∗ ω2n 2ξ n

eine direkte Abhängigkeit von der Personenmasse zur modalen Bauwerksmasse. Daher können leichte Fußgängerbrücken oft einfach durch Personen angeregt werden, während diese Anregungskraft für die viel schwereren Straßenbrücken ir­ relevant ist, selbst wenn sie die gleiche Eigenfrequenz haben. Zur Identifizierung eines Grenzwerts, ab dem die Fussgängermasse berücksichtigt werden sollte, kann die nachstehende Gleichung verwendet werden. Sie zeigt, dass ein Anstieg der modalen Masse um 5 % zu einer Verringerung der Eigenfrequenz von 2,5 % führt: f = C√

D∗ m∗

󳨐⇒

f = C√

D∗ 1 D∗ =√ C√ ∗ = 0,976f . ∗ 1,05m 1,05 m

Aufgabe Bearbeiten Sie die Übung 21.

19.2 Gehen und Laufen Gehen und Laufen unterscheiden sich dadurch, dass beim Laufen der Bodenkontakt unterbrochen ist. Hingegen ist beim Gehen der Kraftverlauf, der von der gehenden Person auf den Boden aufgebracht wird, kontinuierlich. Er lässt sich als Fourierreihe darstellen. Eine periodische Funktion F(t) der Periode T hat die Frequenz f = 1T und die Kreisfrequenz ω = 2π t = 2πf . Die Fourierreihe hat dann die Gestalt ∞



n=0

n=0

F(t) = ∑ (a n sin(nωt) + b n cos(nωt)) = ∑ (a n sin(n2πft) + b n cos(n2πft)) .

19.2 Gehen und Laufen | 99

Diese Darstellung soll etwas umgeschrieben werden: Es ist an bn , cos φ n = mit c n = √a2n + b 2n sin φ n = cn cn an an 󳨐⇒ tan φ n = 󳨐⇒ φ n = arctan ( ) . bn bn Es folgt ∞

F(t) = ∑ (a n sin(n2πft) + b n cos(n2πft)) n=0 ∞



n=0

n=0

= ∑ c n (sin φ n sin(n2πft) + cos φ n cos(n2πft)) = ∑ (c n sin(n2πft + φ n )) . Diese letzte Darstellung wollen wir benutzen, um die Kraftverteilung auf die Unterlage beim Gehen mit einer Fourierreihe zu erfassen. Für den periodischen Ablauf des Gehens ist c0 natürlich gleich der Gewichts­ kraft G. Die Werte der folgenden Tabelle stammen von Bachmann. Sie gelten für die vertikale Kraftverteilung zur Zeit t für Gehfrequenzen von 1,5−2,5 Hz. Im Weiteren werden nur Anteile der Gewichtskraft bis zur 3. Harmonischen berücksichtigt. n Messungen ergaben für die Anteile c n = ∆G G die Werte (Abb. 19.1 links): c1

c2

c3

c4

φ1

φ2

φ3

φ4

0,4

0,4

0,4

0

0

−0,5π

−0,5π

0

Die Fourierreihe für den vertikalen Kräfteverlauf für eine Frequenz von z. B. f = 2 Hz lautet mit F(t) = G + F1 (t) + F2 (t) + F3 (t) π π (19.1) F(t) = G (1 + 0,4 sin(4πt) + 0,1 sin (8πt − ) + 0,1 sin (12πt − )) . ⏟⏟⏟⏟⏟⏟⏟⏟⏟⏟⏟⏟⏟⏟⏟⏟⏟⏟⏟⏟⏟⏟⏟⏟⏟⏟⏟⏟⏟⏟⏟⏟⏟⏟⏟⏟⏟⏟⏟ ⏟⏟⏟⏟⏟⏟⏟⏟⏟⏟⏟⏟⏟⏟⏟⏟⏟⏟⏟⏟⏟⏟⏟ ⏟⏟⏟⏟⏟⏟⏟⏟⏟⏟⏟⏟⏟⏟⏟⏟⏟⏟⏟⏟⏟⏟⏟⏟⏟⏟⏟⏟⏟⏟⏟⏟⏟⏟⏟ 2 2 f

2f

3f

F(t) G

Wir tragen nach t auf (Abb. 19.1 rechts). Die beiden Maxima entsprechen dem Auftreten mit der Ferse und dem Abstoßen mit dem Ballen. Die maximale Amplitude für eine Person mit der Gewichtskraft G wird Fmax = 1,4G, also 140 % ihres Eigengewichts.

Abb. 19.1: Skizze zu den Frequenzanteilen beim Gehen und Graph von (19.1)

100 | 19 Personeninduzierte Schwingungen von Fußgängerbrücken

Nun betrachten wir die Kräfteverteilungen in horizontaler Richtung vorwärts und seitwärts. Dabei fällt die statische Komponente c0 = G weg. Zusätzlich gilt es zu beachten, dass der Schwerpunkt des Körpers beim Gehen so­ wohl längs als auch quer um etwa 1−2 cm hin und her pendelt. Die Pendelfrequenz entspricht also der halben Gehfrequenz. Wenn f weiterhin die Gehfrequenz ist, dann 5f müssen die Kraftanteile der Frequenzen 2f , f, 3f 2 , 2f, 2 usw. beachtet werden, weil man bei jedem Schritt eine horizontale Krafteinwirkung hat. Abbildung 19.2 enthält die absoluten Beträge für eine Versuchsperson mit G = 584 N und der Gehfrequenz f = 2 Hz.

Abb. 19.2: Skizze zu den Frequenzanteilen in Längs- und Querrichtung beim Gehen

Für die Kraftverteilung horizontal längs erhält man mit F(t) = G + F1 (t)+ F2 (t)+ F3 (t)+ F4 (t) F(t) = G (1+

22 120 15 49 π π sin(2πt) + sin (4πt − ) + sin (6πt − ) + sin(8πt)) . 584 584 2 584 2 584 ⏟⏟⏟⏟⏟⏟⏟⏟⏟⏟⏟⏟⏟⏟⏟⏟⏟⏟⏟⏟⏟⏟⏟⏟⏟⏟⏟ ⏟⏟⏟⏟⏟⏟⏟⏟⏟⏟⏟⏟⏟⏟⏟⏟⏟⏟⏟⏟⏟⏟⏟⏟⏟⏟⏟⏟⏟⏟⏟⏟⏟⏟⏟⏟⏟ ⏟⏟⏟⏟⏟⏟⏟⏟⏟⏟⏟⏟⏟⏟⏟⏟⏟⏟⏟⏟⏟⏟⏟⏟⏟⏟⏟⏟⏟⏟⏟⏟⏟⏟⏟⏟⏟ ⏟⏟⏟⏟⏟⏟⏟⏟⏟⏟⏟⏟⏟⏟⏟⏟⏟⏟⏟⏟⏟⏟⏟⏟⏟⏟⏟ f 2

f

3f 2

2f

(19.2) Wir tragen F(t) nach t auf (Abb. 19.3 rechts). G Die maximale Amplitude in Richtung horizontal längs für eine Person mit der Ge­ wichtskraft G beträgt Fmax = 1,55G, also 155 % ihres Eigengewichts.

Abb. 19.3: Graph von (19.2)

19.3 Hüpfen

| 101

Für die Kraftverteilung horizontal quer ergibt sich F(t) = G (1+

π π 6 25 7 23 sin(2πt) + sin (4πt − ) + sin (6πt − ) + sin(8πt)). 584 584 2 584 2 584 ⏟⏟⏟⏟⏟⏟⏟⏟⏟⏟⏟⏟⏟⏟⏟⏟⏟⏟⏟⏟⏟⏟⏟⏟⏟⏟⏟ ⏟⏟⏟⏟⏟⏟⏟⏟⏟⏟⏟⏟⏟⏟⏟⏟⏟⏟⏟⏟⏟⏟⏟⏟⏟⏟⏟⏟⏟⏟⏟⏟⏟⏟⏟⏟⏟ ⏟⏟⏟⏟⏟⏟⏟⏟⏟⏟⏟⏟⏟⏟⏟⏟⏟⏟⏟⏟⏟⏟⏟⏟⏟⏟⏟⏟⏟⏟⏟⏟⏟⏟⏟⏟⏟ ⏟⏟⏟⏟⏟⏟⏟⏟⏟⏟⏟⏟⏟⏟⏟⏟⏟⏟⏟⏟⏟⏟⏟⏟⏟⏟⏟ f

f 2

3f 2

2f

(19.3) Wir tragen F(t) nach t auf (Abb. 19.4 rechts). G Interessant bei der horizontalen Querbewegung ist, dass obwohl mit der Fre­ quenz f gelaufen wird, die Frequenzen 2f und 3f 2 stärker angeregt werden. Die maximale Amplitude in Richtung horizontal längs für eine Person mit der Ge­ wichtskraft G beträgt Fmax = 1,07G, also 107 % ihres Eigengewichts.

Abb. 19.4: Graph von (19.3)

19.3 Hüpfen Beim Hüpfen ist natürlich der Bodenkontakt für eine gewisse Zeit aufgehoben. Als Kontaktzeit wird durchschnittlich mK = 0,16 s gemessen. Als Hüpffrequenz nehmen wir f = 2 Hz. n Messungen ergaben für die Anteile c n = ∆G G die Werte (Abb. 19.5 links) c1

c2

c3

c4

φ1

φ2

φ3

φ4

1,8

1,3

0,7

0,3

0

−0,68π

−0,68π

0

Abb. 19.5: Skizze zu den Frequenzanteilen beim Hüpfen und Graph von (19.4)

102 | 19 Personeninduzierte Schwingungen von Fußgängerbrücken Die Phasendifferenzen berechnen sich mittels φ2 = φ3 = π(1 − f ⋅ mK ). Die Fourierreihe für eine Versuchsperson mit G = 584 N für eine Frequenz von z. B. f = 2 Hz lautet F(t) = G(1 + 1,8 sin(4πt) + 1,3 sin(8πt − 0,68π) + 0,7 sin(12πt − 0,68π) + 0,3 sin(16πt)) .

(19.4)

Wir tragen F(t) G nach t auf (Abb. 19.5 rechts). Häufig wird der Verlauf des Hüpfens durch das Modell einer Halbsinuskurve mit Breite 0,16s ersetzt.

19.4 Die Antwort des Systems bei statischer Last Nun wollen wir die Antwort des Systems betrachten, die sich in der Mitte der Brücke ergibt, wenn zum z. B. ein Fußgänger mit f = 2 Hz im Zentrum geht und diese vertikal belastet. Oben haben wir dafür die periodische Anregungskraft F(t) bestimmt zu F(t) = G (1 + 0,4 sin(4πt) + 0,1 sin (8πt −

π π ) + 0,1 sin (12πt − )) 2 2

(F(t) = G + F1 (t) + F2 (t) + F3 (t)) . Wir nehmen an, der Fußgänger bewege sich mit der Kraft F(t) mindestens so lange wie die benötigte Anregungszeit. Dann wird das Brückendeck die Anregung gemäß einer erzwungenen Schwingung übernehmen. Zur Erinnerung: Die Antwort eines gedämpften Schwingers mit Anregungskraft G und Anregung ω bei einer Eigenfrequenz ω n ist w n (t) = =

1 G 2ξ n ω n ⋅ ω ⋅ ⋅ cos (ωt − arctan ( )) m √ 2 ω2 − ω2n (ω − ω2n )2 + (2ξ n ω n )2 ω2 G 1 2ξ n ff n ⋅ ⋅ cos (2πft − arctan ( )) . m √ f 2 − f n2 (4π2 f 2 − 4π2 f n2 )2 + 64π 4 ξ n2 f n2 f 2

Anregung (mittig)

Antwort

G

G D

0,4G ⋅ sin(4πt)

0,4G m∗



1 √(4π 2 22 −4π 2 f12 )2 +64π 4 ξ12 f12 22

⋅ sin (4πt − arctan (

0,1G ⋅ sin (8πt − π2 )

0,1G m∗



1 √(4π 2 42 −4π 2 f22 )2 +64π 4 ξ22 f22 42

⋅ sin (8πt −

0,1G ⋅ sin (12πt − π2 )

0,1G m∗



1 √(4π 2 62 −4π 2 f32 )2 +64π 4 ξ32 f32 62

⋅ sin (12πt −

=

Gl3 48EI

statische Auslenkung

π 2

2ξ1 2f1 22 −f12

− arctan ( π 2

))

2ξ2 4f2 42 −f22

))

− arctan ( 2ξ23 6f23 )) 6 −f3

19.4 Die Antwort des Systems bei statischer Last

|

103

1 , ab. Diese ist für Wir schätzen die Amplitude durch die maximal mögliche, also 2ξ die Praxis wichtiger ist als die genaue Amplitude, das heißt, wir gehen von dreifacher Resonanz aus.

Anregung (mittig)

Antwort

G

Gl3 48EI

0,4G ⋅ sin(4πt)

0,4G π ⋅ sin (4πt − ) 2 D∗1 2ξ 1

0,1G ⋅ sin (8πt −

π ) 2

0,1G ⋅ sin (12πt −

π ) 2

statische Auslenkung

0,1G ⋅ sin(8πt − π) D∗2 2ξ 2

(f1 = 2) (f1 = 4)

0,1G ⋅ sin(12πt − π) D∗3 2ξ 3

Dabei ist D∗1 = 48,70EI , D∗2 = 779,27EI , D∗3 = l3 l3 Die Antwort des Systems lautet w(t) =

3945,07EI l3

(siehe modale Masse, Kapitel 14).

Gl3 π 0,4Gl3 0,1Gl3 sin (4πt − ) + sin(8πt − π) + 48EI 97,40EIξ1 2 1558,54EIξ2 +

w(t) =

(f3 = 6)

0,1Gl3 sin(12πt − π) 7890,14EIξ3

oder

Gl3 π 0,4 0,1 sin (4πt − ) + sin(8πt − π) (1 + 48EI 2,03ξ1 2 32,47ξ2 0,1 sin(12πt − π)) . + 164,38ξ3

Das Problem, das sich noch stellt, betrifft die Dämpfungen. Diese kann man nur schät­ zen oder messen. Gehen wir davon aus, dass zur optimalen Dämpfung drei Tilger ein­ gebaut werden könnten, dann wäre ξ n opt = √

3γ 8(1 + γ)

und

γ=

Weiter nehmen wir der Einfachheit halber an, dass hat man ξ n opt = √

m n Tilger . mBrücke

m n Tilger mBrücke

= 0,05 für alle n ist. Folglich

3γ = 0,134 . 8(1 + γ)

Das optimale Dämpfungsmaß haben wir nur zum Vergleich berechnet. Dämpfungs­ maße für Stahlbetonbrücken betragen etwa ξ = 0,017. Also ist ξ = ξ1 = ξ2 = ξ2 = 0,017.

104 | 19 Personeninduzierte Schwingungen von Fußgängerbrücken

Abb. 19.6: Graph von (19.5)

Insgesamt erhält man für die Auslenkung in der Mitte (w(t) = G + w1 (t) + w2 (t) + w3 (t)) (Abb. 19.6) w(t) =

π Gl3 (1 + 11,59 ⋅ sin (4πt − ) + 0,18 ⋅ sin(8πt − π) 48EI 2 + 0,04 ⋅ sin(12πt − π)) .

(19.5)

Man sieht, dass die statische und hauptsächlich die elfeinhalbmal größere dynami­ sche Auslenkung der ersten Eigenfrequenz maßgebend für die Systemantwort sind. Das wäre erst eine partikuläre Lösung. Man müsste für die allgemeine noch ansetzen: wallg (t) = w(t) + e−ξ ω n t (A cos(ω n t) + B sin(ω n t)) . Mit den Anfangsbedingungen wallg (0) = ẇ allg (0) = 0 ergibt sich mit den Werten des Gl 3 Gl 3 , B = 0,26 48EI . folgenden Beispiels A = −11,59 48EI Der Dämpfungsteil ändert am wesentlichen Verlauf von x(t) nur wenig. Als Beispiel wählen wir eine Brücke mit l = 40 m, b = 5 m, h = 0,5 m, E = 3,0 ⋅ 1 1010 mN2 , ρ = 2,5 ⋅ 103 mkg3 , I = 12 Ah2 und der Dämpfung ξ = 0,02, G = 700 N. Dann hat man z. B. für die 2. Eigenfrequenz f2 =

4π Eh2 √ = 1,96 Hz . 2l2 12ρ

Diese ist also im kritischen Bereich. Mit diesen Werten wäre die statische Auslenkung Gl 3 48EI = 0,60 mm. Die dynamischen Auslenkungen sind 11,59 ⋅ 0,60 mm = 6,95 mm, 0,18 ⋅ 0,60 mm = 0,11 mm bzw. 0,04 ⋅ 0,60 mm = 0,02 mm.

19.5 Die Antwort des Systems bei bewegter Last Die obigen Kraftverläufe F(t) und folglich auch die Antworten u(t) des Systems gelten für den Fall, dass die Person in der Mitte auf und ab geht. Im Allgemeinen wird sich der Fußgänger mit der Geschwindigkeit v fortbewegen. Gehen wir von einer Schrittfre­ quenz von f = 2 Hz aus, und nehmen für die Schrittlänge s = 0,9 m, dann ergibt sich

19.5 Die Antwort des Systems bei bewegter Last

| 105

bei einer Brückenlänge von l = 27 m eine Geschwindigkeit von v = Ts = s ⋅ f = 1,8 m/s und eine Überquerungszeit von t0 = vl = s⋅fl = 15 s. Betritt der Fußgänger die Brücke mit der Kraft F(0), dann wird die Kraft auf die Brücke in der Mitte Null sein. Da die Mitte der Brücke unser Bezugspunkt ist, wird die Kraft dort umso mehr anwachsen, je näher der Fußgänger dem Zentrum kommt. Und zwar gilt F ∗n (t) = F n (t) ⋅ y n (x), wenn y n (x) die n-te Eigenform bezeichnet. Mit nπ ∗ y n (x) = sin( nπ l x) folgt F n (t) = F n (t) ⋅ sin( l vt). Der vertikale Kräfteverlauf beim Gehen mit der Frequenz 2 Hz beträgt in der Mitte zur Zeit t F ∗ (t) = G (1 + 0,4 sin(4πt) ⋅ sin ( + 0,1 sin (12πt −

π 2π π t) + 0,1 sin (8πt − ) ⋅ sin ( t) 15 2 15

π 3π ) ⋅ sin ( t)) , 2 15

falls wir zusätzlich l = 27 m und folglich v = 1,8 ms wählen. Tragen wir nur den dynamischen Teil ohne den statischen auf, dann erhält man die Auslenkung des Systems in der Mitte zur Zeit t: (u(t) = w1 (t) ⋅ y1 (t) + w2 (t) ⋅ y2 (t) + w3 (t) ⋅ y3 (t), Abb. 19.7) u(t) =

Gl3 π π 2π (11,59 ⋅ sin (4πt − ) ⋅ sin ( t) + 0,18 ⋅ sin(8πt − π) ⋅ sin ( t) 48EI 2 15 15 + 0,04 ⋅ sin(12πt − π) ⋅ sin (

2π t)) . 15

(19.6)

Die Antwort des Systems erfolgt aber verzögert. T 1 = 2ξf abschätzen. Die Verzögerung können wir mit der Einschwingzeit t = 2ξ Für unser Beispiel sei ξ = 0,02 und wieder f = 2 Hz. Dann ergibt sich t = 12,5 s. Nach dieser Zeit hat man bekanntlich 96 % der maximalen Amplitude erreicht. Die Verzögerung wäre in unserem Fall 12,5 s − 7,5 s = 5 s. Demnach wäre die maximale Beschleunigung des Systems nach 12,5 s erreicht. Allgemein: Verzögerung t∗ = 2f1 ( 1ξ − sl ). Maximale Beschleunigung nach der Zeit t=

1 2ξf .

Abb. 19.7: Graph von (19.6)

106 | 19 Personeninduzierte Schwingungen von Fußgängerbrücken

Umgerechnet auf die Phasenverschiebung: φ=

1 1 l πsf πs 1 l 1 1 l πv ( − ) = ( − ) = ( − ) . 2f ξ s l 2f ξ s l 2l ξ s

π Für unser Beispiel ist φ = 3π und man erhält sin( 15 t − 3π ). Somit wäre die Schwingungsamplitude des Systems in der Mitte (Abb. 19.8):

u(t) =

Gl3 π (11,59 ⋅ sin (4πt − ) + 0,18 ⋅ sin(8πt − π) 48EI 2 + 0,04 ⋅ sin(12πt − π)) ⋅ sin (

π π t− ) . 15 3

(19.7)

Auf die Brücke wirkt während der Überquerung eines Fußgängers also nicht ständig die gleiche Kraft, sondern die Kraft l

Feff

G π 2 = ∫ sin ( x) dx = G ≈ 0,63 ⋅ G . l l π 0

Die maximale Beschleunigung wird ebenfalls nur zu einem Zeitpunkt erreicht. Für die effektive Beschleunigung auf die ganze Brücke in Bezug auf das Zentrum hat man l

ü eff

ü Max 2 π = ∫ sin ( x) dx = ü Max ≈ 0,63 ⋅ ü Max . l l π 0

Aufgrund von l

l n

0

0

nπ π n n 2l 2 1 ∫ sin ( x) dx = ∫ sin ( x) dx = ⋅ = l l l l l nπ π gilt obiges Ergebnis für jede Eigenform.

Abb. 19.8: Graph von (19.7)

19.6 Einwirkung mehrerer Personen |

107

19.6 Einwirkung mehrerer Personen Zur Modellierung mehrerer Fußgänger könnte man nun die Zeitfunktion u(t) eines ein­ zelnen Fußgängers nehmen, nach der Zeit t eine andere Person mit anderer Gewichts­ kraft folgen lassen usw. und alle Antworten superponieren. Die Wirklichkeit sieht aber anders aus, denn es entstehen Wechselwirkungen zwischen den Passanten. Wir unterscheiden folgende Fälle: a) regellose Einwirkung, b) synchronisierte Einwirkung und c) „Lock-In-Effekt“. a) Bei asynchroner Einwirkung gehen oder laufen n Personen mit verschiedenen Mas­ sen auf der Brücke. Wichtiger aber ist, dass die Phasenverschiebungen der 1. Harmo­ nischen der n Passanten eine rein zufällige Verteilung aufweist. Somit werden sich die möglichen Anregungen teils vergrößern und teils eliminieren. In der Literatur findet sich nur ein einziger Ansatz, der für praktische Zwecke offenbar genügt (Matsumoto, 1978). Befinden sich gleichzeitig n Personen auf einer Brücke, dann multipliziert man die für einen einzigen Fußgänger berechnete Schwin­ gungsamplitude in Brückenmitte mit der Zahl a = √ λ ⋅ t0 . Dabei bezeichnet λ die mittlere Passierrate in Personen pro Sekunde über die gan­ ze Breite des Brückendecks und über eine gewisse Zeitspanne gerechnet. Man kann dies auch als Personenstrom bezeichnen. Weiter ist t0 die erforderliche Zeit, um eine Brücke der Länge l mit der Geschwin­ digkeit v zu überqueren. Dann bezeichnet das Produkt λ ⋅ t0 die Anzahl der Personen, die sich bei mittlerer Passierrate λ gleichzeitig auf der Brücke befinden. In der Formel für a ist bereits berücksichtigt, dass eine gleichmäßige über die gan­ ze Brücke verteilte Kraft nur 2λ mal mehr pro Sekunde eine Durchbiegung in Brücken­ mitte erzeugt, verglichen mit der gleichen, aber in der Mitte einwirkenden Kraft. Nehmen wir als Zahlenbeispiel l = 27 m. Wir zählen 100 Personen min , also λ = 5 Personen . 3 s Wieder sei f = 2 Hz und s = 0,9 m die Spannweite. Dann erhält man t0 = s⋅fl = 15 s. Schließlich ist a = √λ ⋅ t0 = 5. Oder wir zählen beispielsweise 25 Personen, die sich gleichzeitig auf der Brücke befinden. Das ergibt dann ebenfalls a = √n = 5. b) Vorerst sei nur eine Synchronisierung bei vertikaler Schwingung des Brückendecks vorausgesetzt. Untersuchungen haben gezeigt, dass ab einer Untergrundbewegung von etwa 10 mm−20 mm Fußgänger ihren Gang anpassen. Eine weitere Erkenntnis ist, dass die Amplitudenvergrößerung der 1. Harmonischen linear mit der Personenzahl n auf der Brücke zunimmt. Der Faktor, mit dem man in diesem Fall die für einen einzigen Fußgänger berechnete Schwingungsamplitude in Brückenmitte multiplizieren muss, ist somit n.

108 | 19 Personeninduzierte Schwingungen von Fußgängerbrücken

c) Schwingt der Untergrund seitlich aus, dann liegt der Schwellenwert für den Beginn einerAnpassung schon bei Amplituden von etwa 5 mm. Der Fußgänger passt nicht nur seine Frequenz, sondern eben auch die Phase an. Man geht etwas breitbeiniger wodurch die Amplituden noch mehr zunehmen. Es entsteht ein „Lock-In-Effekt“. Ein fast absurdes Paradebeispiel dafür ist die im Jahre 2000 eröffnete Millenni­ um-Brücke über die Themse in London. Sie wurde so schlank gebaut, dass damit die Steifigkeit sank und außerdem hinsichtlich Resonanz weniger Masse aktiviert werden musste. Wahrscheinlich wurde die Brücke eher unter statischen Gesichtspunkten gebaut und die dynamischen Eigenschaften wurden unterschätzt. Nicht ein einziger Tilger war eingebaut worden. Da die 1. Eigenfrequenz der Brücke bezüglich seitlicher Schwingung ziemlich ge­ nau bei 1 Hz lag, begann sie schon am Eröffnungstag, seitlich so auszuschwingen, dass sie noch am selben Tag geschlossen und erst 2 Jahre später nach einer teuren Sanierung, die den Einbau von 58 Tilgern miteinbezog, wieder eröffnet wurde. Die darauf folgenden Untersuchungen (Daillard, 2001) kamen zu dem Schluss, dass bei seitlichen Anregungen die Personenzahl auf der Brücke entscheidend ist (Abb. 19.9).

Abb. 19.9: Skizze zur Anpassung des Gehens an seitliche Brückenschwingungen

Zuerst wurde getestet, wie die seitliche Kraft einer einzelnen Person mit der Verschie­ bung zur Mitte hin wächst. Es ergab sich ein einigermaßen linearer Zuwachs: F1 (x) = c ⋅ v(x) mit einer Konstanten c, die aufgrund der Messdaten zu c ≈ 300 Ns m bestimmt wurde (für Frequenzen von 0,5 Hz−1 Hz). Für die örtlich abhängige Geschwindigkeit v(x) selber, kann man den Zuwachs mit der n-ten Eigenform erfassen. Wir nehmen für die weitere Rechnung die 1. Eigenform: v(x) = v( 2l )y1 (x). Wir schreiben kurz v( 2l ) = vMax =: v. Mit y1 (x) = sin( πl x) ist v(x) = v ⋅ sin( πl x) und F1 (x) = c ⋅ v ⋅ sin( πl x). Nun betrachten wir n Personen. Jede Person übt abhängig von der Stelle x i , wo sie sich befindet, die Kraft F ∗i = F i (x) ⋅ sin( πl x i ) bezüglich der Normierungsstelle x = 2l auf die Mitte des Brückendecks aus. Dann gilt für die Gesamtkraft aller n Personen: n n n π π Ftotal = ∑ F ∗i = ∑ F i (x) ⋅ sin ( x i ) = cv ∑ sin2 ( x i ) . l l i=1 i=1 i=1

19.6 Einwirkung mehrerer Personen

| 109

Für ∑ni=1 sin2 ( πl x i ) kann man im Mittel auch l

n⋅

π 1 ∫ sin2 ( x) dx l l 0

schreiben. Dann ergibt sich l

Ftotal = cv ⋅ n ⋅

1 π 1 l cvn ∫ sin2 ( x) dx = cvn ⋅ = . l l l 2 2 0

Andererseits muss die Dämpfungskraft der Brücke mindestens so groß wie Ftotal sein: Fd = μ ⋅ v = 2ξω1 m∗ ⋅ v >

cvn 2

󳨐⇒

4ξπf1 m∗ >

cn . 2

8πξ m ∗ f

1 . Als kritische Personenzahl erhält man die Bedingung n < c Alternativ kann man auch experimentell eine Beschleunigung angeben, bei der mit einem „Lock-In-Effekt“ gerechnet werden muss: a < 0,10 sm2 . Dieser Wert wurde schon oben bei der Komfortklasse CL1 für seitliche Schwingungen angegeben. Als Beispiel wählen wir eine Brücke mit l = 21 m, b = 3 m, h = 0,5 m, E = 3,0 ⋅ kg 1 2 1010 mN2 , ρ = 2,5 ⋅ 103 m 3 , I = 12 Ah und der Dämpfung ξ = 0,017. Dann wird f1 = 1,99 Hz längs, also f1 = 0,995 Hz seitlich.

1 m = 31.500 kg , 2 8πξ m∗ f1 ≈ 44 Personen . n< c

m∗ =

Die Ergebnisse sind in der nachstehenden Tabelle unter der Zusatzbedingung für ei­ nen CL1 Komfort nochmals zusammengetragen: Auslenkung

1 Person in der Mitte gehend

u Max =

1 Person über Brücke gehend

ueff =

n Personen über Brücke gehend, asynchron

ueff = √ n ⋅ u Max

ü eff = √n ⋅ ω 2 ⋅ u Max < 0,5

– synchron vertikal

ueff = n ⋅ u Max

ü eff = n ⋅ ω 2 ⋅ u Max < 0,5

– synchron seitlich (Lock-In)

ueff = n ⋅ u Max

ü eff = n ⋅ ω 2 ⋅ u Max < 0,1

F 1 ⋅ D∗ 2ξ

2 u Max π

Beschleunigung in

m s2

Anregungsart

ü Max = ω 2 ⋅ u Max < 0,5 ü eff =

2 2 ω ⋅ u Max < 0,5 π

Kritische Personenzahl n
0 gerechnet.

128 | 22 Unebenheiten von Fahrbahnen

Beispiel. Φ H (Ω0 ) = 10−6 m3 , w = 2, α = 1, Ω 0 = 0,1. Φ H (Ω) = Wahrscheinlichkeit für die quadratische Amplitude: H 2 (Ω). ∞

E(h2 ) = ∫ Φ H (Ω) dΩ = 10−6 m3 [− 0

Φ H (Ω0 ) . (1 + Ω)2

∞ 1 ] = 10−6 m2 1+Ω 0

= Erwartungswert für die quadratische Amplitude .

22.2 Der konkrete Fall der Messung von Unebenheiten Eine beliebige Polynomfunktion p(x) = c n x n + c n−1 x n−1 + ⋅ ⋅ ⋅ + c1 x + c0 wird durch die Koeffizienten c n , c n−1 , . . . c1 , c0 eindeutig bestimmt, aber ebenso durch n + 1 Da­ tenpaare (xr , p(xr )). Sind mehr als n + 1 Daten gegeben, dann verwendet man eine Interpolation mit Hilfe der Methode der kleinsten Quadrate. Liegt ein periodischer Verlauf mit 2n + 1 gegebenen Werten zugrunde, dann ist f(x) = a0 + a1 cos(x) + b 1 sin(x) + a2 cos(2x) + b 2 sin(2x) + ⋅ ⋅ ⋅ + a n cos(nx) + b n sin(nx) die ursprüngliche Funktion. Sind es 2n Daten, die vorhanden sind, dann nimmt man als Ansatz f(x) = a0 + a1 cos(x) + b 1 sin(x) + a2 cos(2x) + b 2 sin(2x) + ⋅ ⋅ ⋅ + a n cos(nx) . Natürlich kann man weitere Glieder der Fourierreihe weglassen, so muss aber inter­ poliert werden. Bemerkung. In der Signaltechnik spricht man von Abtastwerten. Das ist das Grund­ prinzip der Digitalisierung von Signalen: Aus einem zeitkontinuierlichen Signal wird so ein zeitdiskretes Signal gewonnen, also mit 0 und 1 versehen. Beispielsweise wird bei der digitalen Telefonie (im Gegensatz zur analogen mit Kabel) das Sprachsignal mit einer Rate von 8 kHz abgetastet und die Daten dann übermittelt. Der Empfänger rekonstruiert aus den eingegangenen Daten das ursprüngliche Signal mit Hilfe der diskreten Fouriertransformation (DFT) oder noch effizienter mit der schnellen Fou­ riertransformation (FFT, „fast fourier transformation“) wieder zu einem zeitkontinu­ ierlichen (Sprach)signal. Allgemeines Problem Gegeben sind N = 2n äquidistante (es ist einfacher, mit einer geraden Anzahl von Abtastwerten zu rechnen) Stützstellen {x m = m 2π N | m = 0, . . . , N − 1} einer pe­ riodischen Funktion auf dem Intervall [0,2π) und die zugehörigen Funktionswerte {y m | m = 0, . . . , N − 1}.

22.2 Der konkrete Fall der Messung von Unebenheiten |

129

Gesucht ist diejenige trigonometrische Funktion n

n−1

f(x) = ∑ a k cos(kx) + ∑ b l sin(lx) , k=0

l=1

welche die Punkte {x m , y m } enthält. Setzt man die gegebenen Werte ein, so erhält man N Gleichungen f(x0 ) = a0 + a1 cos(x0 ) + a2 cos(2x0 ) + ⋅ ⋅ ⋅ + b 1 sin(x0 ) + b 2 sin(2x0 ) + ⋅ ⋅ ⋅ f(x1 ) = a0 + a1 cos(x1 ) + a2 cos(2x1 ) + ⋅ ⋅ ⋅ + b 1 sin(x1 ) + b 2 sin(2x1 ) + ⋅ ⋅ ⋅ .. . f(x N−1 ) = a0 + a1 cos(x N−1 ) + a2 cos(2x N−1 ) + ⋅ ⋅ ⋅ + b 1 sin(x N−1 ) + b 2 sin(2x N−1 ) + ⋅ ⋅ ⋅ Als Vektorgleichung geschrieben folgt f(x0 ) 1 cos(x0 ) cos(2x0 ) 1 f(x1 ) cos(x1 ) cos(2x1 ) ( . ) = a0 ( . ) + a1 ( ) + a2 ( ) + ⋅⋅⋅ . .. .. .. .. . 1 f(x N−1 ) cos(x N−1 ) cos(2x N−1 ) sin(x0 ) sin(2x0 ) sin(x1 ) sin(2x1 ) + b1 ( ) + b2 ( ) + ⋅⋅⋅ .. .. . . sin(x N−1 ) sin(2x N−1 ) Mit den entsprechenden Abkürzungen ist f ⃗ = a0 c0⃗ +a1 c1⃗ +a2 c2⃗ +⋅ ⋅ ⋅+b 1 s1⃗ +b 2 s2⃗ +. . . oder schließlich n

n−1

k=0

l=1

f ⃗ = ∑ a k c k⃗ + ∑ b l s l⃗ . Folgendes soll gezeigt werden: 1.

3.

a) c0⃗ ∘ c k⃗ = 0 für

0