Angewandte Differentialgleichungen: Band 2 Elastostatik, Schwingungen 9783110683820, 9783110683813

Dieses 6-bändige Werk befasst sich mit den Anwendung von Differentialgleichungen in diversen Bereichen der Physik, Ingen

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Angewandte Differentialgleichungen: Band 2 Elastostatik, Schwingungen
 9783110683820, 9783110683813

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Adriano Oprandi Angewandte Differentialgleichungen De Gruyter Studium

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Adriano Oprandi

Angewandte Differential­ gleichungen | Band 2: Elastostatik, Schwingungen

Mathematics Subject Classification 2010 65L10 Author Adriano Oprandi Bartenheimerstr. 10 4055 Basel Schweiz [email protected]

ISBN 978-3-11-068381-3 e-ISBN (PDF) 978-3-11-068382-0 e-ISBN (EPUB) 978-3-11-068407-0 Library of Congress Control Number: 20202020938221 Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.dnb.de abrufbar. © 2020 Walter de Gruyter GmbH, Berlin/Boston Umschlaggestaltung: dianaarturovna / iStock / Getty Images Plus Satz: le-tex publishing services GmbH, Leipzig Druck und Bindung: CPI books GmbH, Leck www.degruyter.com

Inhalt 1

Einführende Beispiele | 1

2

Kettenlinien | 6

3

Die Raketengleichung | 10

4 4.1 4.2 4.3

Die Verformungen eines Festkörpers | 13 Dehnung und Stauchung am Stab | 15 Längs- und Querdehnung eines Stabs | 17 Die Energien beim gespannten Stab | 19

5 5.1

Balkenbiegungen | 22 Die Energien beim gespannten Balken | 23

6 6.1 6.2 6.3 6.4 6.5

Biegelinien | 26 Übersicht über die Randbedingungen bei Biegelinien | 27 Biegelinie unter veränderlicher Last | 30 Biegelinie unter Teillast | 31 Biegelinie unter veränderlicher Steifigkeit | 39 Übersicht | 43

7 7.1

Die lineare homogene DGL 2. Ordnung mit Konstanten | 44 Wronski-Determinante | 44

8 8.1

Die elastischen Konstanten eines isotropen Körpers | 48 Der Zusammenhang zwischen den elastischen Konstanten | 48

9 9.1 9.2 9.3 9.4 9.5

Schwingungen | 52 Das ungedämpfte Federpendel | 52 Die Energien des Federpendels | 53 Die effektiv schwingende Federmasse | 54 Das gedämpfte Federpendel | 55 Das gedämpfte Federpendel mit Gleitreibung | 58

10

Numerisches Lösen von Differenzialgleichungen 2. Ordnung | 60

11 11.1

Das Fadenpendel | 63 Die Energien des Fadenpendels | 65

VI | Inhalt

12 12.1 12.2

Das physikalische Pendel | 67 Die Energien des physikalischen Pendels | 68 Der Satz von Steiner | 68

13

Das Rollpendel | 72

14 14.1

Verdrehungen und das Torsionspendel | 75 Die Energien des Torsionspendels | 79

15

Elektrische Schwingkreise | 82

16 16.1 16.2 16.3 16.4

Erzwungene Schwingungen | 85 Abschätzen der Einschwingzeit | 90 Die Übertragungsfunktion | 91 Verschiedene Arten erzwungener Schwingungen | 92 Vergleich zwischen elektrischen Schwingkreisen und mechanischen Schwingern | 98

17

Die lineare inhomogene DGL 2. Ordnung mit konstanten Koeffizienten | 99

18 18.1 18.2 18.3 18.4 18.5

Kurze Anregungen | 105 Sprungfunktion | 105 Rechtecksanregung (Erdrutsch, Ruck) | 106 Dreiecksanregung (Explosion, Erdrutsch) | 107 Halbsinusanregung (Hammerschlag) | 109 Dirac-Stoß | 113

19 19.1 19.2 19.3 19.4

Das Duhamel-Integral und die Fourier-Transformation | 116 Das Duhamel-Integral | 116 Fourier-Transformation | 117 Von der Fourierreihe zur Fourier-Transformation | 120 Die Fourier-Transformation als Lösung für die allgemeine Anregung eines EMS | 126

20

Die Laplace-Transformation | 128

21 21.1 21.2

Zwei neue Zeitschrittverfahren | 132 Das schrittweise exakte Verfahren | 132 Das Newmark-Verfahren | 135

22

Schockspektren, Antwortspektren, Bemessungspektren | 137

Inhalt |

23

Energiebetrachtungen | 142

24

Dissipierte Energien | 146

25 25.1 25.2

Elastische und viskose Materialien | 151 Ideal elastische Stoffe | 151 Ideal-viskose Stoffe | 153

26 26.1 26.2 26.3 26.4 26.5

Viskoelastische Modelle | 156 Viskoelastische Stoffe | 156 Das Maxwell-Modell | 156 Das Kelvin-Modell | 157 Das Zener-Modell vom Typ Maxwell | 159 Periodische Belastungen eines viskoelastischen Stoffes | 160

27 27.1

Gekoppelte Pendel | 164 Schwebung | 166

28

Dämpfungsarten | 168

29

Schwingungstilger ohne Dämpfung | 172

30

Schwingungstilger mit Dämpfung | 176

31

Mehrmassensysteme und Modalanalyse | 180

Anhang: Beweis Schwingungstilger mit Dämpfung | 185 Übungen | 195 Weiterführende Literatur | 213 Stichwortverzeichnis | 215

VII

1 Einführende Beispiele Bei DGLen 2. Ordnung geht es meistens darum, den Ort eines Körpers zur Zeit t, d. h. seine Bewegungsgleichung herzuleiten. In diesem Zusammenhang versehen wir Ab­ d ̇ leitungen nach der Zeit ab jetzt mit einem Punkt: dt x(t) : = x(t). Beispiel 1. Freier Fall im Vakuum. Die beschleunigende Kraft ist dann die Gewichts­ ̈ = mg. Daraus wird x(t) ̈ = g. kraft, FB = FG , also m ⋅ x(t) ̇ ̇ = g ⋅ t und x(t) = 12 g ⋅ t2 . Mit x(0) = 0 und x(0) = 0 ist x(t) Beispiel 2. Beschleunigung eines Fahrzeugs aus dem Stand mit Gleitreibung. Die be­ schleunigende Kraft ist die des Motors. Diese sei konstant F. Für das Kräftegleichge­ ̈ = mF − μg. wicht gilt dann m ⋅ ẍ = F − FR , also m ⋅ ẍ = F − μmg. Daraus wird x(t) ̇ Mit x(0) = 0 und x(0) = 0 ist ̇ =( x(t)

F − μg) t m

und

x(t) =

1 F ( − μg) t2 2 m

oder, wenn a die konstante Beschleunigung des Motors ist: x(t) = 12 (a − μg)t2 . Beispiel 3. Ein Körper der Masse m gleitet auf einer schiefen Ebene mit der Neigung α hinunter (Abb. 1.1 links) Der Gleitreibungskoeffizient ist μ. Wieder interessiert uns der zurückgelegte Weg x(t) zur Zeit t. Aus der Skizze entnimmt man die Kräfte FH = mg sin α, FN = mg cos α, FR = μmg cos α. Damit sich der Körper in Bewegung setzt, muss FH > FR sein. Für α folgt dann die Bedingung, dass tan α > μ gilt. Ist dies gegeben, dann lautet die Bewegungsgleichung ̈ = mg ⋅ sin α − μ ⋅ mg ⋅ cos α m ⋅ x(t)

󳨐⇒

̈ = g ⋅ (sin α − μ ⋅ cos α) . x(t)

̇ Mit den Anfangsbedingungen x(0) = 0 und x(0) = 0 erhält man die Lösung x(t) =

1 g ⋅ (sin α − μ ⋅ cos α) ⋅ t2 . 2

Beispiel 4. Zwei Massen m1 und m1 sind über eine Rolle mit einem dünnen Seil ver­ bunden und befinden sich auf einer schiefen Ebene. (Abb. 1.1 rechts). Die Reibung an der Rolle soll vernachlässigt werden. Die Reibung mit der Unterfläche ist überall gleich groß. Damit sich der Körper in Bewegung setzt, muss F H1 − F H2 − F R1 − F R2 > 0 gelten. Es müssen also α und/oder das Verhältnis der Massen m1 und m2 so gewählt wer­ 1 +m 2 den, dass Folgendes gilt: (m1 − m2 )g ⋅sin α > μ(m1 + m2 )g ⋅cos α oder tan α > μ ⋅ m m1 −m 2 . Ist dies gegeben, dann lautet die Bewegungsgleichung ̈ = (m1 − m2 ) ⋅ g ⋅ sin α − μ ⋅ (m1 + m2 ) ⋅ g ⋅ cos α . (m1 + m2 ) ⋅ x(t) https://doi.org/10.1515/9783110683820-001

2 | 1 Einführende Beispiele

Abb. 1.1: Skizzen zu den Beispielen 3 und 4

Wir nehmen als Zahlenbeispiel m1 = 5 ⋅ m2 , α = 45°, μ = 0,5. Man erhält nacheinan­ der ̈ = 4m1 ⋅ g ⋅ sin α − μ ⋅ 6m1 ⋅ g ⋅ cos α , 6m1 ⋅ x(t) ̈ = 4 ⋅ g ⋅ sin α − 3 ⋅ g ⋅ cos α , 6 ⋅ x(t) √2 √2 ̈ = ⋅ (4 ⋅ g − 3 ⋅ g) 󳨐⇒ x(t) ⋅g. 2 12 ̇ Mit den Anfangsbedingungen x(0) = 0 und x(0) = 0 lautet die Lösung ̈ = 6 ⋅ x(t)

x(t) =

1 √2 ( g) ⋅ t2 2 12

󳨐⇒

x(t) ≅

1 1 ( g) ⋅ t2 . 2 10

Das System bewegt sich mit einer durchschnittlichen Beschleunigung von

1 10 g.

Beispiel 5. Beschleunigung eines kugelförmigen Körpers in Wasser aus der Ruhe mit Auftrieb. Die viskose Reibung wird vernachlässigt. Die beschleunigende Kraft ist die Gewichtskraft. Für das Kräftegleichgewicht gilt dann m ẍ = FG − FA ,

also

m ẍ = mg − ρ Fl. Vg .

Es folgt ρK V ẍ = ρ K Vg − ρ Fl Vg ,

ẍ = g

(ρ K − ρ Fl ) . ρK

Diese DGL ist schon etwas schwieriger zu lösen. Wir werden diese und ähnliche DGLen später ebenfalls antreffen. Wir bedienen uns eines simplen Tricks und schreiben v̇ = g −

μ v m

mit

v = ẋ =

dx μ oder v̇ + v = g . dt m

Dies ist eine inhomogene DGL. Wie bei den DGLen 1. Ordnung betrachten wir zuerst die zugehörige homogene μ DGL v̇ + mμ v = 0. Diese wird durch v(t) = C1 ⋅ e− m t mit einer noch zu bestimmenden Konstante C1 gelöst. Für die Lösung der inhomogenen DGL könnten wir mit der Varia­ tion der Konstanten weiterfahren. Da das Störungsglied lediglich aus der Konstanten g besteht, finden wir die Lösung auch durch Probieren: μ

v(t) = C1 ⋅ e− m t + Dann ist x(t) = −C1

mg . μ

m − μ t mg e m + t + C2 . μ μ

1 Einführende Beispiele | 3

Abb. 1.2: Graph von (1.1)

̇ Mit den üblichen Anfangsbedingungen x(0) = 0 und x(0) = 0 erhalten wir C1 = − mμ g m2 g und C2 = − μ2 . Zusammen ist dann x(t) =

m2 g − μ t mg m m2 g mg m − μ t m + e = t − ( e m +t− ) . μ μ μ μ μ2 μ2

Nehmen wir zur Darstellung

m μ

= 1, dann ist (Abb. 1.2) x(t) = g(e−t + t − 1) .

(1.1)

Dabei tragen wir die fallende Höhe positiv ab.

Aufgabe Bearbeiten Sie die Übungen 1 und 2.

̈ In den Beispielen 1–5 war die Beschleunigung des Systems x(t) = a, also konstant. Dies deswegen, weil die beschleunigende Masse immer konstant bleibt. In den nächs­ ten beiden Beispielen werden sich von der Zeit t abhängige Beschleunigungen erge­ ben. In Beispiel 6 durch Massenänderung und in Beispiel 7 durch Änderung der Lage der beschleunigenden Masse. Beispiel 6. Zwei Eimer mit den veränderlichen Massen m1 (t) und m2 (t) sind über eine Rolle mit einem dünnen Seil verbunden (Abb. 1.3 links). Die Reibung an der Rolle soll vernachlässigt werden. Der linke Eimer ist mit Wasser gefüllt, der rechte ist leer. Die Anfangsmasse beider Eimer beträgt m1 (0) = m2 (0) = m0 . Aus dem linken Eimer fließt gleichmäßig Wasser heraus. Es gilt m2 (t) = m0 −m0 ⋅0,1⋅t = m0 ⋅(1−0,1t). Dem rechten Eimer wird diese Menge gleichmäßig zugeführt: m1 (t) = m0 ⋅ (1 + 0,1t). Dann lautet die Bewegungsgleichung ̈ = (m1 − m2 ) ⋅ g . (m1 + m2 ) ⋅ x(t) Es folgt nacheinander ̈ = m0 (1 + 0,1t − 1 + 0,1t) ⋅ g , m0 (1 + 0,1t + 1 − 0,1t) ⋅ x(t) 1 1 1 ̇ = ̈ = ̇ ⋅ gt 󳨐⇒ x(t) ⋅ gt2 mit x(0) ⋅ gt3 mit x(0) = 0 . x(t) = 0 󳨐⇒ x(t) = 10 20 60

4 | 1 Einführende Beispiele

Legt man für die ersten 4 s eine Parabel über den Graph, so erhält man etwa x∗ (t) ≅

1 1 ( g) ⋅ t2 2 9

(1.2)

Daraus entnimmt man die ungefähre durchschnittliche Beschleunigung (Abb. 1.4 links). Beispiel 7. Ein homogenes, vollständig biegsames Seil ohne Biegesteifigkeit (was be­ deutet, dass es sich ohne rücktreibende Kraft biegen lässt) der Masse m und der Län­ ge l, wird über eine Rolle geführt, so dass das Stück rechts länger als das Stück links ist (Abb. 1.3 rechts).

Abb. 1.3: Skizzen zu den Beispielen 6 und 7

Anfangs soll rechts ein Stück der Länge l0 überhängen. Wir wollen die Länge x(t) des Seilstücks auf der rechten Seite der Rolle zur Zeit t bestimmen. Die Reibung mit der Rolle soll vorerst vernachlässigt werden. Die Gewichtskräfte der Seilstücke betragen x(t) auf der linken und rechten Seite respektive FG links = l−x(t) l ⋅ mg und F G rechts = l ⋅ mg. Als resultierende Kraft für die Bewegung bleibt übrig: FG rechts − FG links =

2 ⋅ x(t) − l 2 ⋅ x(t) ⋅ mg = ( − 1) ⋅ mg . l l

Die ganze Masse des Seils wird dabei in Bewegung gesetzt. Also ergibt sich die Bewe­ gungsgleichung 2 ⋅ x(t) ̈ =( − 1) ⋅ mg . m ⋅ x(t) l ̈ − 2gl ⋅ x(t) = −g. Dies ist wieder eine inhomogene DGL. Abermals Schließlich ist x(t) ̈ − 2gl ⋅ x(t) = 0. betrachten wir zuerst die zugehörige homogene DGL x(t) Diese wird durch x(t) = C 1 ⋅ e

√ 2gl ⋅t

+ C2 ⋅ e−

√ 2gl ⋅t

mit noch zu bestimmenden Konstanten C1 und C2 gelöst. Für die Lösung der inho­ mogenen DGL könnten wir auch hier mit der Variation der Konstanten weiterfahren.

1 Einführende Beispiele |

5

Abb. 1.4: Graphen von (1.2) und (1.3)

Da das Störungsglied lediglich aus der Konstanten −g besteht, finden wir die Lösung ebenfalls durch Probieren. Es ergibt sich x(t) = C1 ⋅ e

√ 2gl ⋅t

+ C2 ⋅ e−

√ 2gl ⋅t

+

l . 2

Für die Bestimmung der Konstanten setzen wir die Anfangsbedingung x(0) = 0 ein und erhalten C1 + C2 + 2l = l0 . ̇ Mit x(0) = 0 folgt weiter √ 2gl (C1 − C2 ) = 0, also C1 = C2 . Somit hat man 2C1 +

l = l0 2

󳨐⇒

C1 = C2 =

1 l (l0 − ) . 2 2

Die Lösung lautet x(t) =

l 1 l √ 2g √ 2g (l0 − ) ⋅ (e l ⋅t + e− l ⋅t ) + 2 2 2

x(t) =

2g l 1 l (l0 − ) ⋅ cosh (√ ⋅ t) + . 2 2 l 2

oder auch kurz

Zahlenbeispiel: l = 3m ,

l0 = 2 m ,

x(t) =

1 3 ⋅ cosh(√g ⋅ t) + 4 2

(1.3)

Wir fragen schließlich noch nach der Zeit, wann das gesamte Seil abgerutscht ist. Das ist genau dann der Fall, wenn x(t) = 3 m beträgt. Aus der Gleichung 3 = 14 ⋅ cosh(√g ⋅ t) + 32 ergibt sich t = 0,59 s (Abb. 1.4 rechts) Aufgabe Bearbeiten Sie die Übungen 3–6.

2 Kettenlinien Wir betrachten eine homogene Kette oder ein Seil ohne Biegesteifigkeit (Abb. 2.1 links). Die Aufhängepunkte A und B seien in unserem Fall gleich hoch. Für verschieden hohe Aufhängepunkte ist die Herleitung nahezu identisch. Mit C bezeichnen wir den tiefs­ ten Punkt. Damit wird die Kurve vollständig achsensymmetrisch. P(x, y) sei ein beliebiger Punkt auf der Kette. Mit s = s(x) bezeichnen wir die Bogenlänge von CP. γ sei das konstante Gewicht der Kette pro Längeneinheit. W ist die waagrechte Kraft der Kette im Punkt C, die sich aus dem Gewicht des Teilstücks CP ergibt. T ist die Tangential­ kraft in P. (In der Lösung wird das Verhältnis a : = Wγ auftreten, was bedeutet, dass man nur eine der Größen W oder γ vorgeben kann.) Es gilt T W = T ⋅cos α, T S = T⋅sin α. T wächst mit der Länge von CP, und ist gleich W im Punkt C. T W ist aber immer kon­ stant! Das Kettenstück CP ist im Gleichgewicht, wenn T⋅cos α = W und T⋅sin α = γ⋅s gilt. 󸀠 (γ ⋅ s ist gerade das Gewicht der Kette von CP). Es folgt tan α = γs W . Mit y (x) = tan α hat γs dy man dx = W . Als Nächstes muss die Bogenlänge s durch x und y ausgedrückt werden. 2 ds Wir differenzieren obige Gleichung nach x und erhalten ddxy2 = Wγ ⋅ dx . Weiter benutzen wir die Formel für die Bogenlänge x

s(x) = ∫ √1 + (

dy 2 ) du . du

0

Schließlich folgt die DGL für die Form der Kettenlinie a ⋅ y󸀠󸀠 (x) = √1 + y󸀠 (x)2

mit

a: =

W . γ

Um die allgemeine Lösung der DGL zu finden, erinnern wir uns an folgende Tatsachen: 1.

d d cosh(x) = sinh(x) , 2. sinh(x) = cosh(x) und 3. cosh(x) = √1 + sinh2 (x) . dx dx

Dann folgt für die allgemeine Lösung y(x) = a ⋅ cosh (

x − C1 ) + C2 . a

Mit den Anfangsbedingungen y(0) = a, y󸀠 (0) = 0 erhält man y󸀠 (0) = sinh (−

C1 )=0 a

󳨐⇒



C1 =0 a

󳨐⇒

C1 = 0 .

Weiter ist y(0) = a ⋅ cosh(0) + C2 = a https://doi.org/10.1515/9783110683820-002

󳨐⇒

a ⋅ 1 + C2 = a

󳨐⇒

C2 = 0 ,

2 Kettenlinien |

7

Abb. 2.1: Skizzen zu den Kettenlinien

also

x y(x) = a ⋅ cosh ( ) . a Um die Zahl a zu bestimmen, berechnen wir zuerst die Gesamtlänge L der Kette. Neh­ men wir B(x0 , y(x0 )), dann ist die Länge der Kette x0

L = 2 ⋅ ∫ √1 + (

dy 2 ) dx dx

0

in Abhängigkeit von a und x0 . Wir erhalten x0

x0

x0

0

0

0

x 2 x 2 x L = 2 ⋅ ∫ √1 + (sinh ( )) dx = 2 ⋅ ∫ √(cosh ( )) dx = 2 ⋅ ∫ cosh ( ) dx a a a x x0 x0 = 2a [sinh ( )] = 2a sinh ( ) . a 0 a Bei Vorgabe von x0 und L kann a berechnet werden. Nehmen wir x0 = 4 m, L = 10 m, dann erhält man aus der Gleichung 10 = 2a sinh( 4a ) den Wert a = 3,382 und die x zugehörige Gleichung der Kettenlinie ist y(x) = 3,382 ⋅ cosh( 3,382 ). Vom Boden aus gemessen, liegt der tiefste Punkt somit bei 3,382 m Höhe und der höchste Punkt auf der Höhe 6,036 m. Interessant ist nun folgende Variante (Abb. 2.1 rechts). Die Kette trage nun auf ihrer gesamten Länge eine homogene Brücke mit konstantem Gewicht γ pro Längen­ einheit. Die Masse des Seils können wir vernachlässigen, wenn die Masse der Brücke viel größer ist. Wieder wird ein beliebiger Punkt P(x, y) auf der Kette herausgegriffen. Das Kettenstück CP ist im Gleichgewicht, wenn T ⋅ cos α = W und T ⋅ sin α = γ ⋅ x gilt (γ ⋅ x ist das konstante Gewicht der Brücke von OP∗ ). T wächst mit der Länge von CP und ist gleich W im Punkt C. T W ist aber immer konstant. Es folgt tan α = γx W . Mit dy y󸀠 (x) = tan α hat man dx = γx . W Wir differenzieren die obige Gleichung nach x und erhalten folgt die DGL für die Form der Kettenlinie a ⋅ y󸀠󸀠 (x) = 1 mit

a: =

W . γ

d2 y dx 2

=

γ W.

Schließlich

8 | 2 Kettenlinien Aufgelöst ist y󸀠󸀠 (x) =

1 a

und folglich y(x) =

1 2 x + C1 x + C2 . 2a

Die Kettenlinie ist demnach von parabolischer Form. Mit den Anfangsbedingungen 1 2 x + a. Für y(0) = a, y󸀠 (0) = 0 wird C1 = 0 und C2 = a. Insgesamt hat man y(x) = 2a die Länge L der Kette in Abhängigkeit von a und x0 finden wir x0

x0

x0

0

0

0

dy 2 x 2 2 L = 2 ⋅ ∫ √1 + ( ) dx = 2 ⋅ ∫ √1 + ( ) dx = ⋅ ∫ √a2 + x2 dx . dx a a Für die Berechnung dieses Integrals müssen wir etwas ausholen. Wir lösen die Defi­ x −x nition sinh(x) = y = e −e nach x auf: 2y = e x − e−x und setzen e x = z 2 󳨐⇒

2y = z−

1 z

󳨐⇒

z2 −2yz−1 = 0

󳨐⇒

z1,2 =

2y ± √4y2 + 4 = y± √y2 + 1. 2

Die Rücksubstitution liefert x = ln(y + √y2 + 1). Die Umkehrfunktion von y = sinh(x) ist somit y = ln(x + √x2 + 1) = arsinh(x). Für die Ableitung berechnen wir 1 + √2x2 d d 2 x +1 arsinh(x) = ln(x + √x2 + 1) = dx dx x + √x 2 + 1 =

√ x 2 +1+x √ x 2 +1

x + √x2 + 1

=

1 . √x2 + 1

Folglich ist ∫

1 dx = arsinh(x) + C = ln(x + √ x2 + 1) + C . √x 2 + 1

Das unbestimmte Integral I = ∫ √a2 + x2 dx soll nun ermittelt werden. Wir schreiben es um zu a2 ∫ √1 + ( ax )2 dx und substituieren x =u a

󳨐⇒

dx

1 = du . a

Dann folgt I = a2 ∫ √1 + u 2 du. Nun betrachten wir das Integral J = ∫ √1 + u 2 du und integrieren partiell: J = ∫ √1 + u 2 ⋅ 1 du = u ⋅ √1 + u 2 − ∫

u2

√1 + u 2 +1 1 = u √1 + u 2 − ∫ du + ∫ du √1 + u 2 √1 + u 2 1 du . = u √1 + u 2 − ∫ √1 + u 2 du + ∫ √1 + u 2 u2

du = u ⋅ √1 + u 2 − ∫

u2 + 1 − 1 du √1 + u 2

2 Kettenlinien | 9

Folglich ist 2 ⋅ ∫ √1 + u 2 du = u ⋅ √1 + u 2 + ∫

1 √1 + u 2

du = u ⋅ √1 + u 2 + ln (u + √1 + u 2 )

und somit I = a 2 ∫ √1 + u 2 =

a (u ⋅ √1 + u 2 + ln (u + √1 + u 2 )) + C1 . 2

Die Rücksubstitution führt auf I=

x 2 x x 2 a2 x √ ( ⋅ 1 + ( ) + ln ( + √1 + ( ) )) + C1 2 a a a a

1 x 1 (x ⋅ √a2 + x2 + a2 ln ( + √a2 + x2 )) + C1 2 a a 1 1 2 2 2 √ = (x ⋅ a + x + a ln ( ) + ln(x + √a2 + x2 )) + C1 2 a 1 2 2 √ = (x ⋅ a + x + ln (x + √ a2 + x2 )) + C . 2 =

Nehmen wir abermals x0 = 4 m, L = 10 m, dann erhält man aus der Gleichung 10 =

1 (4 ⋅ √a2 + 16 + ln (4 + √a2 + 16) − ln a) 2

1 x2 + 2,967. den Wert a = 2,967 und die zugehörige Kettenlinie y(x) = 5,934 Da im Vergleich zur unbelasteten Kettenlinie nur x0 und nicht auch y0 vorgegeben wurde, hängen die beiden Seile auf verschiedenen Höhen. Bringt man die Punkte A und B auf gleiche Höhe, so sind beide Graphen fast deckungsgleich.

3 Die Raketengleichung Eine Rakete besitzt zu einem gewissen Zeitpunkt die Masse m und die Geschwindig­ keit v (Abb. 3.1 links). Ein außenstehender Beobachter sieht, wie die Rakete Treibstoff­ masse der Größe dm verliert und diese mit der Geschwindigkeit v + va ausgestoßen wird. va bezeichnet die Ausstoßgeschwindigkeit relativ zur Rakete. Durch diesen Vor­ gang wächst die Geschwindigkeit der Rakete auf v+dv und ihre Masse sinkt auf m−dm. Es gilt m ⋅ v = (m − dm) ⋅ (v + dv) + dm ⋅ (v + va ) . Man erhält nacheinender m ⋅ v = m ⋅ v + m ⋅ dv − dm ⋅ v − dm ⋅ dv + dm ⋅ v + dm ⋅ va , 0 = (m − dm) ⋅ dv + dm ⋅ va , wobei m − dm = mRakete ist. Die DGL für die Gesachwindigkeit der Rakete lautet: dv = − vma ⋅ dm. Die Integration von m0 bis m führt zu mR

v

∫ dv − va ∫ v0

󳨐⇒

m0

1 ⋅ dm m m

v − v0 = −va ⋅ [ln(m)]mR0

󳨐⇒

v = v0 + va ⋅ ln (

m0 ) . mR

m0 bezeichnet dabei die Anfangsmasse, d. h., es ist m0 = mleere Rakete + mBrennstoff . Nun führen wir die Zeitabhängigkeit der Massenänderung ein. Dabei gehen wir von einem konstanten Brennstoffausstoß aus, also m(t) = m0 − α ⋅ m0 ⋅ t = m0 ⋅ (1 − αt). Dann folgt v(t) = v0 + va ⋅ ln (

m0 1 ) = v0 + va ⋅ ln ( ) = v0 − va ⋅ ln(1 − αt) . m0 (1 − αt) 1 − αt

Die Integration von 0 bis t liefert t

t

t

x(t) = ∫ v(t) dt = ∫ v0 dt + va ∫ ln(1 − αt) dt 0

0

0

und t 1 va x(t) = v0 t − va [ (αt − 1) ⋅ ln(1 − αt) − t] = (v0 + va )t − (αt − 1) ⋅ ln(1 − αt) α α 0

Beispiel. Für eine senkrecht vom Boden aus startende Rakete ist v0 = 0 ms und die Funktionen für v(t) und x(t) ändern sich entsprechend zu v(t) = v0 − va ⋅ ln(1 − αt) − gt

und

x(t) = (v0 + va )t −

Von der Luftreibung wollen wir absehen. https://doi.org/10.1515/9783110683820-003

va 1 ⋅ (αt − 1) ⋅ ln(1 − αt) − gt2 . α 2

3 Die Raketengleichung |

11

Als Beispiel nehmen wir va = 1000

m , s

mleer = 100 kg ,

mBrennstoff = 1000 kg ,

α=

1 . 110

Wir fragen uns, nach welcher Zeit der Brennstoff verbraucht ist. Dazu muss m(t) = mleer sein. mleer = m0 ⋅ (1 − αt)

󳨐⇒

100 = 1100 ⋅ (1 −

1 t) 110

󳨐⇒

t = 100 s .

Für die Endgeschwindigkeit der Rakete erhalten wir vEnd = v0 − va ⋅ ln(1 − αt) − gt m 100 ) − 9,81 ⋅ 100 = 1416,90 . = 0 − 1000 ⋅ ln (1 − 110 s Die erreichte Höhe ist xEnd = (v0 + va )t −

1 va ⋅ (αt − 1) ⋅ ln(1 − αt) − gt2 α 2

und somit xEnd = 1000 ⋅ 100 − 110 ⋅ 1000 ⋅ (

100 100 1 − 1) ⋅ ln (1 − ) − 9,81 ⋅ 1002 = 26.971 m . 110 110 2

Die Endgeschwindigkeit der Rakete reicht bei Weitem nicht aus, um das Gravitations­ feld der Erde vollständig zu verlassen. Die dafür notwendige Geschwindigkeit nennt man zweite kosmische Geschwindigkeit. Dazu müsste die kinetische Energie der Ra­ kete mindestens so groß wie die an der Gravitationskraft verrichtete Arbeit sein, also Ekin = FG (r) ⋅ r (vgl. Übung 1). Folglich gilt ∞

1 1 ∞ mR ⋅ mE mR ⋅ mE mR ⋅ v2 = ∫ G ⋅ dr = −G ⋅ mR ⋅ mE [ ] = G ⋅ 2 2 r RE RE r R Erde

und demnach 1 mR ⋅ mE mR ⋅ v2 = G ⋅ 2 RE Letztes gilt, da m ⋅ g = G ⋅

󳨐⇒ m⋅m E . R 2E

1 2 mE v =G⋅ 2 RE

󳨐⇒

v k2 = √

2G ⋅ mE = √2g ⋅ RE . RE

Für unser Zahlenbeispiel ist v k2 = 11.179

m s.

Schließlich betrachten wir eine Sonde, die aus einer gewissen Höhe H mit der An­ fangsgeschwindigkeit v0 = 0 ms auf den Mond gelassen werden soll. Die Fallbeschleu­ nigung des Mondes ist etwa 16 g. Die Ausstoßgeschwindigkeit der Sonde sei va = 100 ms 1 mit α = 150 . Das Massenverhältnis zwischen leerer und mit Treibstoß gefüllter Sonde sei so, dass der Brennstoff für 135 s ausreiche. Die Landung soll „sanft“ erfolgen, das

12 | 3 Die Raketengleichung

Abb. 3.1: Skizze zur Raketengleichung und Graph von (3.1)

heißt, es soll x󸀠 (t) = 0 gelten. In diesem Fall haben die Bewegungsgleichungen die Gestalt v(t) = v0 − va ⋅ ln(1 − αt) + gt und va 1 ⋅ (αt − 1) ⋅ ln(1 − αt) + gt2 x(t) = (v0 + va )t − α 2

(v0 und va sind jetzt negativ) .

Zuerst fragen wir nach der Zeit, die für die Landung bei sanftem Aufsetzen benötigt wird. Dazu muss die Gleichung 0 = v0 − va ⋅ ln(1 − αt) + gt = 0 + 100 ⋅ ln (1 −

1 t ) + ⋅ 9,81t 150 6

gelöst werden. Man erhält t∗ = 132,93 s (Es stehen 135 s zur Verfügung). Folglich muss das Triebwerk in folgender Höhe gezündet werden: H = −100 ⋅ 132,93 + 150 ⋅ 100 ⋅ (

132,93 132,93 − 1) ⋅ ln (1 − ) 150 150

1 9,81 ⋅ 132,932 12 = 4862 m . +

Die Ortsfunktion nach Zünden des Triebwerks lautet somit (Abb. 3.1 rechts) x(t) = 4862 + 100 ⋅ t − 15.000 ⋅ (

t t 1 − 1) ⋅ ln (1 − )− 9,81 ⋅ t2 . 150 150 12

(3.1)

4 Die Verformungen eines Festkörpers Die bisher betrachteten Kräfte waren allesamt sogenannte Massenkräfte, wie z. B. Ge­ wichtskraft, Reibungskraft, Auftriebskraft, Gravitationskraft usw. Sie sind proportio­ nal zur Masse des Körpers, greifen im Schwerpunkt desselben an und verschieben ihn. ohne ihn zu verformen. Diese Formkonstanz ist aber nur ein idealisierter Fall, wie z. B. die Behandlung der Stoßgesetze zeigt: Beim elastischen Stoß handelt es sich um einen idealisierten Grenzfall, denn wahrscheinlicher ist ein inelastischer Stoß, bei dem die äußeren Kräfte nicht nur Bewegungsänderungen des Körpers hervorrufen, sondern ein Teil der Energie verloren geht, weil sich die Körper deformieren. Neben den Massenkräften gibt es Kräfte, die an der Oberfläche des Festkörpers angreifen. Diese bewirken eine Verformung. Körper bestehen aus vielen Atomen, die nicht starr miteinander verbunden sind, sondern sich wie untereinander wechselwir­ kende Massepunkte verhalten. Die Ursache für den Zusammenhalt sind Wechselwir­ kungskräfte. Diese sind hauptsächlich elektrischer Natur. Es zeigt sich aber, dass diese Kräfte mit einer höheren als der zweiten Potenz (Newton) zur Entfernung abnehmen. Um die Wirkung dieser Kräfte auf zwei benachbarte Atome zu beschreiben, be­ trachtet man ihr Potenzial (= Kraftfeld) als Funktion des Abstands (wie bei Gravitation der F(r)⃗ = |Cr|⃗ r3⃗ ). Dieses wird durch das Lennard-Jones-Potenzial beschrieben, das sich aus Über­ lagerung zweier Potenziale ergibt. Dabei sieht man, dass sich die Wechselwirkungs­ kräfte zwischen Atomen aus zwei Anteilen zusammensetzen: einer Abstoßungskraft, die mit der Entfernung stark abnimmt und einer Anziehungskraft, die weniger stark abnimmt. Nähern sich zwei Atome einander zu stark, dann kommt es zu einer Abstoßung der positiv geladenen Kerne. Zudem überlappen dann die Gebiete mit hoher Elektro­ nenaufenthaltswahrscheinlichkeit; es können sich nicht mehr alle Elektronen in den niedrigsten Energiezuständen befinden, sondern müssen teilweise auf höhere Ener­ gieniveaus ausweichen. Die Gesamtenergie steigt stark an. Das ist das Pauli-Prinzip der vollbesetzten Orbitale. Es ergibt sich F(r) = rA12 . Der anziehende Term entsteht durch die Van-der-Waals-Kräfte zwischen den Ato­ men: durch Verschiebungen der Elektronenverteilung in den Atomhüllen werden po­ sitiver und negativer Ladungsschwerpunkt getrennt, es entstehen zwei Dipole, die sich anziehen. Im anderen Fall verschiebt ein Dipol durch seine Wirkung die Ladun­ gen der Hüllen eines anderen Atoms, was wieder zu einer Anziehung führt (Abb. 4.1 links). Man erhält F(r) = − rB6 . Überlagern sich diese Potenziale, dann findet man ein Potenzialminimum im Ab­ stand r = r0 , wobei r0 der mittlere Radius zweier Atome ist, da dieser Zustand offen­ bar der energetisch günstigste ist. Durch die Anbindung der Atome an diese Gleich­ gewichtslage hat ein Festkörper eine feste Gestalt und damit ein definiertes Volumen. Zusammen erhält man F(r) = rA12 − rB6 (Abb. 4.1 rechts). https://doi.org/10.1515/9783110683820-004

14 | 4 Die Verformungen eines Festkörpers

Abb. 4.1: Skizzen zum Lennard-Jones-Potenzial

Im Festkörper sind die Atome aber eben nicht fest an diese Gleichgewichtslage gebunden, sondern können um diese Lage oder um diese „Mulde“ schwingen. Das zugehörige Potenzial kann in Form einer Parabel angenähert werden. Die potenzielle Energie, welche die Schwingung um die Gleichgewichtslage vollführt, ist dann Epot = 1 2 2 ks , wobei s = x − x 0 die Auslenkung um die Gleichgewichtsposition bezeichnet. Mit dE

dieser Näherung erhält man eine elastische Rückstellkraft F = − dspot = −ks. Diese ist proportional zur Auslenkung aus der Ruhelage. Der Ausdruck entspricht dem eines Masse-Feder-Pendels. In einem Festkörper kann die Wechselwirkung eines Atoms mit seinem Nachbarn in Form eines Feder-Masse-Modells veranschaulicht werden, in dem die Atome durch Federn verbunden sind, die sie in ihrer Gleichgewichtslage halten. Innerhalb der Elastizitätsgrenze kann man einen Festkörper durch eine Spannung derart verformen, dass er nach Wegfall dieser Spannung wieder in seinen Ausgangs­ zustand zurückkehrt. Nur solche Verformungen sollen im Weiteren betrachtet werden. Der Werkstoff soll somit nicht gebrochen oder zerstört werden (Abb. 4.3 links). Man kann fünf grundlegende Verformungen unterscheiden (Abb. 4.2):

Abb. 4.2: Verformungsarten

Ein Stab der Länge l habe einen konstanten Querschnitt A und sei an seinem linken Ende fest eingespannt (Abb. 4.3 mitte). Die Spannung σ. Sie ist definiert als σ = körpern).

F A

(analog zum Druck von Gasen oder Fest­

Die Dehnung ε. Damit sind Dehnungen (ε > 0) oder Stauchungen (ε < 0) gemeint. Ein Maß dafür ist die Längenänderung ∆l. Man definiert die Dehnung ε als relative Längenänderung ε = ∆ll .

4.1 Dehnung und Stauchung am Stab

| 15

Abb. 4.3: Skizzen zur Elastizität

Versuche zeigen, dass σ proportional zu ε ist. Dies leuchtet insofern ein, dass man bei doppelter Kraft und gleicher Querschnittsfläche die doppelte Dehnung und bei doppelter Querschnittsfläche und gleicher Kraft die halbe Dehnung erhält. Man schreibt σ = E ⋅ ε. Dies ist das Hooke’sche Gesetz. Es gilt für viele Metalle innerhalb elastischer Grenzen, aber z. B. nicht für Gummi (Abb. 4.3 rechts).

4.1 Dehnung und Stauchung am Stab Der Ausdruck ε = ∆ll beschreibt eine über den ganzen Stab hinweg konstante Deh­ nung. Die absolute Längenänderung ist dann ∆l = ε ⋅ l. Eine örtlich veränderliche Deh­ nung liegt dann vor, wenn sich entweder der Querschnitt oder die Normalkraft mit dem Ort ändert. Dann ist σ = σ(x), folglich ε(x) = σ(x) E und schließlich l

l

0

0

1 ∆l = ∫ ε(x) dx = ∫ σ(x) dx . E Beispiel 1. Der Körper habe die Breite a (Abb. 4.4 links). Für die Querschnittsfunktion macht man den Ansatz A(x) = mx + q mit q = 2a2

󳨐⇒

A(4a) = 4am + 2a2 = a2

Also folgt A(x) = − 4a x + 2a2 . Damit ist die Spannung im Stab σ(x) =

F . a(2a − 0,25x)

Im Vergleich: σ(0) = 2aF 2 , σ(4a) = aF2 . Die Spannung ist an der Stelle x = a am größten. Für die relative Längenänderung gilt ε(x) =

F . aE(2a − 0,25x)

󳨐⇒

m=−

a . 4

16 | 4 Die Verformungen eines Festkörpers Die relative Längenänderung ist bei x = 4a am größten, nämlich ε(4a) =

F F . = aE(2a − a) Ea2

Die gesamte Längenänderung beträgt 4a

F 1 4F 4F ∆l = ∫ dx = − [ln(8a − x)]4a (ln(4a) − ln(8a)) 0 =− aE (2a − 0,25x) aE aE 0

4 ln 2 4F F. = − (ln(4a) − ln(4a) − ln 2) = aE aE Bezeichnet y(x) die absolute Längenänderung an der Stelle x, dann gilt der zu erwar­ tende Zusammenhang: d∆x ∆x + d∆x − ∆x y(x + ∆x) − y(x) = = = y󸀠 (x) . ∆x ∆x ∆x

ε(x) =

Daraus folgt y(x) = ∫ ε(x) dx + C. Für unser Beispiel 1 ist y(x) =

1 4F F ∫ dx + C = − ⋅ ln(8a − x) + C . aE (2a − 0,25x) aE

Mit y(0) = 0 folgt C = Insgesamt ist y(x) = −

4F aE

⋅ ln(8a).

4F 4F 4F 8a ⋅ ln(8a − x) + ⋅ ln(8a) = (ln ( )) . aE aE aE (8a − x)

Die absolute Längenänderung ist bei x = 4a am größten: y(4a) = Übereinstimmung mit obigem Ergebnis.

4 ln 2 aE F

= ∆l in

Beispiel 2. Ein zylindrischer Stab der Länge l rotiert um seinen Endpunkt (Abb. 4.4 mitte). In diesem Fall ist die Normalkraft aufgrund der Fliehkraft veränderlich. Dies gilt aufgrund der Tatsache, dass jedes Masseteilchen im Stab sich mit unterschiedlicher Geschwindigkeit bewegt. Den Querschnitt wählen wir in diesem Fall konstant. Beachtet man, dass der Schwerpunkt der Masse bis zur Stelle x bei 2x liegt, dann beträgt die Fliehkraft an der Stelle x damit 2

F(x) =

( x ω) mv2 x2 = ρAω2 = ρAx 2 x . r 2 2

Für die Spannung erhält man dann σ(x) =

x2 F(x) = ρω2 . A 2

4.2 Längs- und Querdehnung eines Stabs

|

17

Abb. 4.4: Dehnung und Stauchung am Stab

Die größte Spannung liegt am Ende des Stabs vor: σ(l) = ρ Längenänderung gilt ε(x) = 2E ω2 x2 . Die absolute Längenänderung ist

1 2 2 2 ρω l .

Für die relative

l

ρl3 2 ρ 2 ∆l = ω ∫ x2 dx = ω . 2E 6E 0

Für die absolute Längenänderung wäre wieder y(x) = ∫ ε(x) dx + C. Die Integration führt zu ρω2 ρω2 3 y(x) = ∫ x2 dx + C = x +C. 2E 6E 2

3 Mit y(0) = 0 folgt C = 0, also y(x) = ρω 6E x . Der Maximalwert wird bei x = l erreicht:

y(l) =

ρl3 2 ω = ∆l . 6E

4.2 Längs- und Querdehnung eines Stabs Dehnt man einen Körper der Länge l um ∆l, so verändert sich die Anordung der Ato­ me und somit das Volumen des Körpers. Bei allen Metallen wächst das Volumen mit der Dehnung, bei gewissen Holzarten sinkt es leicht. Dies liegt daran, dass sich die Elastizitätsmoduln in den drei Achsenrichtungen aufgrund des Verlaufs der Holzfa­ sern unterscheiden. Um das Verhalten bei Dehnung zu zeigen, betrachten wir einen Stab mit quadratischem Querschnitt mit ε = ∆ll und δ = ∆a a . Ausgehend von einer Volumengleichheit gilt dann (l + ∆l)(a − ∆a)2 = a2 l

󳨐⇒

(l + ∆l)(a2 − 2a∆a + ∆a2 ) = a2 l .

Weiter ist a2 l − 2la∆a + l∆a2 + a2 ∆l − 2a∆a∆l + ∆l∆a2 = a2 l . 󳨐⇒

(l + ∆l)∆a2 − 2a(l + ∆l)∆a + a2 ∆l = 0 .

󳨐⇒

∆a =

2a(l + ∆l) − √4a2 (l + ∆l)2 − 4a2 ∆l(l + ∆l) 2(l + ∆l) √ a(l + ∆l) − a (l + ∆l)2 − ∆l(l + ∆l) a(l + ∆l) − a√(l + ∆l)√l = . = (l + ∆l) (l + ∆l)

18 | 4 Die Verformungen eines Festkörpers

Für die relative Verkürzung folgt δ=

l ∆a 1 = 1−√ =1− a (l + ∆l) √1 + ε

oder schließlich δ 1 1 = (1 − ) . ε ε √1 + ε Für 0 ≤ ε < ∞ ist 0 ≤

δ ε



1 2

und

√1 + ε − 1 1 1 ) = lim (1 − ε→0 ε ε→0 ε√1 + ε √1 + ε lim

BernoulliL’Hôspital

=

lim

ε→0

1 2√1+ε

√1 + ε +

ε 2√1+ε

=

1 . 2

Das Verhältnis δε := ν heißt Querkontraktionszahl. Für Metalle liegt die Zahl etwa zwischen 0,3 und 0,4, bei Kunststoffen zwischen 0,4 und 0,5. Diese Werte zeigen nochmals deutlich, dass sich das Volumen bei Dehnung vergrößert. Wie oben schon erwähnt, erhält man für gewisse Holzarten Werte um 0,55. Vernachlässigt man in der Gleichung (l + ∆l)∆a2 − 2a(l + ∆l)∆a + a2 ∆l = 0 den quadratischen Term, dann erhält man 2a(l + ∆l)∆a = a2 ∆l

󳨐⇒

∆a =

a∆l . 2(l + ∆l)

Daraus wird δ=

∆l ε ∆a = = a 2(l + ∆l) 2(1 + ε)

und schließlich δ 1 = . ε 2(1 + ε) Für 0 ≤ ε < ∞ ist ebenfalls 0 ≤

δ ε

≤ 12 .

Bemerkung. Betrachtet man die Querkontraktion in eine Querrichtung, dann erhält 1 man genau δε = (1+ε) , wie folgende Rechnung zeigt: (l + ∆l)(a − ∆a) = al 󳨐⇒

− l∆a + a∆l − ∆l∆a = 0

󳨐⇒

ε = δ(1 + ε)

󳨐⇒

󳨐⇒

a∆l = ∆a(l + ∆l)

󳨐⇒

∆l ∆l ∆a = (1 + ) l a l

δ 1 = . ε (1 + ε)

1 für beide Querrichtungen zwar zu erwarten, aber eben nicht Dann wäre δε = 2(1+ε) ganz exakt. Wir kommen in Kapitel 6 wieder auf die Querkontraktionszahl zurück.

4.3 Die Energien beim gespannten Stab

| 19

4.3 Die Energien beim gespannten Stab Nun sollen noch die Energien eines unter Spannung stehenden Stabs bestimmt wer­ den. Dehnen wir den Stab um die Strecke ∆l, dann erhöht dies die Spannungsenergie. Für die Kraft F gilt d∆l F = σA = EAε = EA = D ⋅ d∆l . ∆l Somit ist EA ∆l die Ersatzfederkonstante des Systems. Die potenzielle Energie eines um d∆l verlängerten Stabstücks der Länge ∆l beträgt dEpot =

d∆l 2 1 EA 1 1 ⋅ ⋅ (d∆l)2 = EA ( ) ∆l = EAε2 ∆l . 2 ∆l 2 ∆l 2

Dann gilt für die gesamte potenzielle Energie des um ∆l verlängerten Stabs l

Epot =

1 1 1 1 EA EAε2 ∫ ∆l = EAε2 l = EVε2 = ⋅ (∆l)2 , 2 2 2 2 l 0

wobei V das ausgedehnte Volumen bezeichnet. Ist V das Volumen vor der Dehnung, dann ist Epot =

1 ε2 EV , 2 1+ε

denn

∆a = a (1 −

1 ) . √1 + ε

Somit gilt A = (a − ∆a)2 = a2 (

1 √1 + ε

2

) =

a2 1+ε

󳨐⇒

Epot =

ε2 1 ε2 1 EV = EV . 2 1+ε 2 1+ε

Weiter ist 1 1 dm ⋅ v2 (x) = ρA dx ⋅ v2 (x) 2 2 vl 2 1 mit v l : Ende des Stabs . = ρA dx ⋅ ( x) 2 l

dEkin =

󳨐⇒

Ekin

l

l

0

0

v2 v2 v2 l3 1 1 1 1 1 = ρAlv2l = mv2l = ρA 2l ∫ x2 dx = ρA 2l ∫ x2 dx = ρA 2l ⋅ 2 2 2 3 6 6 l l l 1 1 = ( m) v2l . 2 3

Die relative Masse ist mrel = 13 m. Das heißt, man kann die Bewegung so auffassen, als ob sich ein Drittel der Masse mit der Geschwindigkeit v l bewegt. Man erhält 1 1 EVε2 = mv2l 2 6

󳨐⇒

3E 2 ε = v2l ρ

󳨐⇒

v l = ε√

3E ρ

20 | 4 Die Verformungen eines Festkörpers

für das maximal ausgelenkte Ende. Die restlichen lokalen Geschwindigkeiten sind v s = vll s = sεl √ 3E ρ . Die Durchschnittsgeschwindigkeit v ist bei einem linearen Geschwindigkeitsver­ lauf natürlich v2l , nämlich das arithmetische Mittel l

l

1 vl v l l2 v l v l x2 ∫ ( x) dx = 2 [ ] = 2 = . l l 2 0 l 2 2 l

v=

0

Die relative Masse bei einer Geschwindigkeit v s = Ekin

s

s

0

0

vl l s

berechnet sich wie folgt:

v2 v2 s3 1 v2l s3 1 vl 2 1 1 = ρA ∫ ( x) dx = ρA 2l ∫ x2 dx = ρA 2l ⋅ = m 3 ⋅ 2 l 2 2 3 2 l 3 l l 1 1s = ( m) v2s , 2 3l

also mrel =

1s 3 l m.

Natürlich gilt für die durchschnittliche relative Masse wieder l

mrel =

l

1 1x x2 1 1 ∫( m) dx = 2 m [ ] = m , l 3l 2 0 6 3l 0

das arithmetische Mittel. Die gesamte, aber mit verschiedenen Geschwindigkeiten be­ wegte Masse, ist natürlich m. Wir können obige Formeln für die Energien auch verall­ gemeinern, falls die Dehnung ε(x) eine Funktion des Ortes ist. Die potenzielle Energie eines um d∆x verlängerten Stabstücks der Länge ∆x beträgt dEpot =

d∆x 2 1 EA 1 1 ⋅ ⋅ (d∆x)2 = EA ( ) ∆x = EAε2 (x)∆x 2 ∆x 2 ∆x 2 l

Epot =

󳨐⇒

1 AE ∫ ε2 (x) dx . 2 0

Die Formel gilt nur für ein konstantes Volumen. Für die obigen zwei Beispiele erhält man: ε(x) =

F Ea(2a − 0,25x) 4a

󳨐⇒

Epot

1 1 AF 2 16 4a AF 2 2 AF 2 AF 2 = ∫ [ = ⋅ = dx = ] 2 Ea2 (2a − 0,25x) 2Ea2 8a − x 0 2Ea2 a Ea3 0

Also ist ρ 2 2 ε(x) = ω x 2E

l

󳨐⇒

Epot

ρ 2 Aω4 Aρ 2 l5 ω4 = ∫ x4 dx = 8E 40E 0

4.3 Die Energien beim gespannten Stab

| 21

oder mit der absoluten Längenänderung l

Epot

1 = AE ∫(y󸀠 )2 dx . 2 0

Weiter ist dEkin

1 1 = dm ⋅ v2 (x) = ρA dx ⋅ v2 (x) 2 2

l

󳨐⇒

Ekin

1 = ρA ∫ ẏ 2 dx . 2 0

Die letzte Formel ist erst sinnvoll, wenn man es mit einer zeitlich veränderlichen Ge­ schwindigkeit zu tun hat, zum Beispiel einer Schwingung. ẏ 2 kann man nicht ohne Weiteres vor das Integral setzen, y kann auch von x abhängen. Wir kommen darauf zurück.

5 Balkenbiegungen Die grundlegendste Theorie der Balkentheorie geht von folgenden Annahmen aus: 1. Der betrachtete Balken ist schlank in dem Sinne, dass die Länge wesentlich größer als die Abmessungen seines Querschnitts ist. 2. Balkenquerschnitte stehen vor und nach der Verformung normal auf der jeweili­ gen Balkenachse. 3. Querschnitte bleiben auch nach der Verformung in sich eben. 4. Die Biegeverformungen sind klein im Vergleich zur Länge des Balkens. 5. Der Balken besteht aus gleichartigem Material. Dies zusammen mit Punkt 4 ge­ stattet die Verwendung des (linearen) Hooke’schen Gesetzes. Gegeben ist ein Balken mit einer senkrecht zur Längsachse wirkenden Kraft. Dazu schauen wir uns einzelne „Fasern“ genauer an (Abb. 5.1 links). Im oberen Teil sind die Fasern gestaucht, im unteren gestreckt. In der Mitte können wir eine Schicht anneh­ men, die weder gestaucht noch gestreckt ist. Diese heißt neutrale Faser. Wir gehen von einer gleichmäßigen Biegung aus. Deswegen können wir eine kon­ stante Krümmung annehmen. Das bedeutet aber, dass alle Fasern, insbesondere die neutrale, die Form einer Kreislinie besitzen. Wir betrachten ein kleines Balkenstück der Dicke y (Abb. 5.1 mitte). ρ sei der Krüm­ mungsradius. Für ein kurzes Stück der Länge ds gilt ∆s ∆s + d∆s = . ρ ρ+y Daraus wird ρ ⋅ ∆s + y ⋅ ∆s = ρ ⋅ ∆s + d∆s ⋅ ρ

y d∆s = . ρ ∆s

und

Die rechte Seite ist gerade die Dehnung ε. Also folgt

y ρ

= ε. Mit ε =

σ E

ergibt sich

σ(y) = ⋅ y. Das bedeutet, dass die auf eine Faser wirkende Spannung proportional mit dem Abstand (= y) dieser Faser zur neutralen wächst. Nun betrachten wir die Wirkung dieser Spannung (Abb. 5.1 rechts). E ρ

Abb. 5.1: Skizzen zur Balkenbiegung https://doi.org/10.1515/9783110683820-005

5.1 Die Energien beim gespannten Balken |

23

Es ist σ(y) =

dF dA

󳨐⇒

dF = σ(y) ⋅ dA

󳨐⇒

dF =

E ⋅ y ⋅ dA . ρ

Die Kraft dF bewirkt ein Drehmoment dM um den Punkt P. Für einen Balken nennt man es Biegemoment und es gilt dM = dF⋅y = Eρ ⋅y2 ⋅dA. Für das gesamte Biegemoment ergibt sich A

E M = ⋅ ∫ y2 ⋅ dA , ρ 0 A

wobei über die gesamte Fläche von A zu integrieren ist. Der Ausdruck I = ∫0 y2 ⋅ dA ist offensichtlich nur durch die Form des Balkenquerschnitts bestimmt und heißt Flächenträgheitsmoment gegenüber der x-Achse. Das Biegemoment M ist nur bei konstantem Krümmungsradius ρ konstant. Dies trifft nur für eine Gerade (ungebogener Balken) oder einen Kreis zu. Allgemein ist das Biegemoment kleiner, je größer der Krümmungsradius ist, und umgekehrt. Schließ­ lich wird die Krümmung 1ρ durch die Kurve y(x) der neutralen Faser bestimmt. Mit 1 y󸀠󸀠 = ρ (1 + y󸀠 (x)2 ) 32 folgt endlich die Biegegleichung y󸀠󸀠 (x) (1 +

3

y󸀠 (x)2 ) 2



M(x) . E⋅I

Das Vorzeichen wird dadurch bestimmt, ob die Drehung nach oben oder nach un­ ten erfolgt. Für die folgenden Beispiele betrachten wir nur sehr kleine Auslenkungen, wodurch wir y󸀠 (x) ≈ 0 setzen können. Ansonsten könnte man die DGL nur numerisch lösen. Somit lautet unsere Biegegleichung y󸀠󸀠 (x) = ±

M(x) E⋅I

und

1 = y󸀠󸀠 (x) . ρ

Daraus ergeben sich weitere Zusammenhänge, z. B. ist ε = y ⋅ y󸀠󸀠 . Das Produkt EI heißt Biegesteifigkeit und ist ein Maß für die Verformbarkeit.

5.1 Die Energien beim gespannten Balken Biegen wir den Balken um ε = zum Stab ist dEpot =

d∆s ds ,

dann erhöht dies die Spannungsenergie. Analog

1 1 1 E dVε2 = Eε2 dx dA = Ey2 (y󸀠󸀠 )2 dx dA . 2 2 2

24 | 5 Balkenbiegungen

Daraus wird Epot =

A

l

l

0

0

0

1 1 E ∫ y2 dA ∫(y󸀠󸀠 )2 dx = EI ∫(y󸀠󸀠 )2 dx . 2 2

Weiter ist dEkin =

1 1 dm ⋅ v2 (x) = ρA dx ⋅ v2 (x) 2 2

l

󳨐⇒

Ekin =

1 ρA ∫ ẏ 2 dx . 2 0

Diese Formel findet im Moment noch keine Anwendung, weil wir es mit Biegelinien zu tun haben, wo y nur von x abhängt. Im 3. Band werden wir Biegeschwingungen betrachten, wo y vom Ort und von der Zeit abhängt. Dann wird y(x, t) = z(x) ⋅ w(t) sein, und es ergibt sich l

Ekin =

1 ρA ẇ 2 ∫ z2 dx , 2 0

wobei z(x) die eingenommene Form des Balkens ist. Man kann aber auch so argumen­ tieren: Im tiefsten Punkt der Biegelinie wird die Geschwindigkeit v l bei Entlastung am größten sein. Dann wird die Geschwindigkeit zu den Aufhängepunkten hin im Sinne der Biegelinie abnehmen: v(x) = v l ⋅ |y(x)| |y(l)| . Es braucht die Normierung, damit v(l) = v l x ist. Für den Stab war y(x) = . Folglich ist die Einheit von |y(x)| y(l) l |y(l)| dimensionslos. Wir gehen von nun an von schon normierten Biegelinien aus. Aus dEkin = 12 ρA dx⋅ 2 v (x) folgt l

Ekin

1 = ρAv2l ∫ y2 (x) dx 2 0

(y(x) normiert bezüglich x = l). Hieraus entnimmt man auch die relative Masse, die sich mit der Geschwindigkeit v l bewegt: l

mrel = ρA ∫ y2 (x) dx 0

(y(x) normiert bezüglich x = l). Die relative oder auch generalisierte Masse ist immer bezogen auf die Stelle, be­ züglich der normiert wurde. Deswegen heißt die Masse ja auch „relativ“. Nehmen wir kurz ein späteres Ergebnis vorweg, um einen Energievergleich durch­ zuführen. Wir werden dann erst im 3. Band auf weitere Energiefragen zurückkommen. Für den einseitig fest eingespannten Balken der Länge l, der am freien Ende mit der Kraft F belastet wird, ergibt sich die Biegelinie y(x) =

F (x3 − 3lx2 ) . 6EI

5.1 Die Energien beim gespannten Balken |

25

Normiert für x = l erhält man y(x) =

F 1 3EI ⋅ (x3 − 3lx2 ) = 3 (x3 − 3lx2 ) . Fl3 6EI 2l

Die potenzielle Energie im gespannten Balken ist

Epot

l

l

0

0

1 9EI = EI ∫(y󸀠󸀠 )2 dx = 6 ∫(x − l)2 dx 2 2l l

=

l

9EI 9EI x3 9EI l3 3EI 2 2 2 2 ∫ (x − 2lx + l ) dx = [ + l x] = ( − l3 + l3 ) = 3 . − lx 6 3 2l 2l6 2l6 3 2l 0 0

Weiter ist Ekin = = =

ρAv2l 8l6 ρAv2l 8l6 ρAv2l 8l6

l

∫(x3 − 3lx2 )2 dx =

ρAv2l 8l6

0

[

x7 7

− lx6 +

9l2 5

l

∫(x6 − 6lx5 + 9l2 x4 ) dx 0

l

x5 ] 0

ρAv2l 33l7 l7 9l7 1 33 33 ( − l7 + ⋅ )= = mv2l = ( ) mv2l . 7 5 35 280 2 140 8l6

Die maximale Geschwindigkeit am Ende des Balkens wäre dann v l = 2l √ 35EI 11m . Für die relative Masse erhält man l

mrel = ρA ∫ 0

y2 (x) 2 33 m≈ m. dx = 140 9 y2 (l)

Beispiel. Sprungbrett: l = 3 m, b = 0,4 m, h = 0,05 m, I = 4,2 ⋅ 10−6 m3 , ρ = 0,7 ⋅ kg 10 N , F = 700 N. Man erhält v = 44,49 m . 103 m l 3 , E = 1,4 ⋅ 10 s m2 Sozusagen bewegt sich somit 29 der Masse mit der Geschwindigkeit v l = 44,49 ms . Bemerkung. Es ist sinnvoll, die Normierung bezüglich desjenigen Punktes durchzu­ führen, an dem die Kraft F angreift.

6 Biegelinien Da wir im Folgenden nur Balken der Länge l, der Breite b und der Höhe h betrach­ ten, berechnen wir das Flächenträgheitsmoment auch nur für solche Balken (Abb. 6.1 links). b 2

A

h 2

h

2

I = ∫ y ⋅ dA = ∫ ( ∫ y2 dy) dz = b ⋅ [ 0

− b2

− 2h

h3 h3 b 2h3 bh3 y3 2 b ] = ⋅[ + ]= ⋅ = . 3 −h 3 8 8 3 8 12 2

2

Oder auch so: I = Ah 12 . Dies besagt Folgendes: Die Biegesteifigkeit eines Balkens mit demselben Querschnitt A nimmt quadratisch mit der Höhe h zu. Deshalb legt man ein Sprungbrett flach, einen Balken hingegen hochkant hin. Bemerkung. Der Elastizitätsmodul E kann nicht mit der Biegesteifigkeit EI gleichge­ setzt werden, was schon aus dem Formelausdruck hervorgeht. Die Steifigkeit ist von der Geometrie des Körpers abhängig, wogegen E nur matarialabhängig ist. M Folgerung. Aus der Biegegleichung u 󸀠󸀠 = − EI folgt M = −EI ⋅ u 󸀠󸀠 für das Drehmo­ ment. Weiter gilt Q y ⋅ cos φ ⋅ dx = dM z (Drehung um z-Achse, Abb. 6.1 rechts). Da für kleine φ etwa cos φ ≈ 1 gilt, erhält man Q y ⋅dx = dM z oder kurz ∂M ∂x = Q. Ist der Balken mit einer Streckenlast q belastet, dann gilt dQ ⋅ cos φ = −q ⋅ dx und für cos φ ≈ 1 folgt ∂Q ∂x = −q, wobei q das Gewicht auf den Balken beispielsweise in Newton pro Meter be­ zeichnet. Insgesamt folgt, dass die Biegelinie u(x) durch eine viermalige Integration bestimmt wird:

u(x) = ∫ ∫ ∫ ∫

q(x) dx dx dx dx EI

Bemerkung. Die Last q (pro Meter) kann entweder das Eigengewicht qG (pro Meter) des Balkens, die konstante Zusatzlast q0 (pro Meter) oder die Summe beider bezeich­ nen. Wirkt eine Zusatzlast, dann wird dies mit kleinen parallelen senkrecht nach un­ ten zeigenden Pfeilen gekennzeichnet.

Abb. 6.1: Skizzen zu den Biegelinien

https://doi.org/10.1515/9783110683820-006

6.1 Übersicht über die Randbedingungen bei Biegelinien |

6.1 Übersicht über die Randbedingungen bei Biegelinien Eingespannter Rand I. u(xR , t) = 0 󳨐⇒ 󸀠

II. u (xR , t) = 0

󳨐⇒

v(xR ) = 0 v󸀠 (xR ) = 0

Gelenkig gestützter Rand I. u(xR , t) = 0 󳨐⇒ v(xR ) = 0 II. M(xR , t) = 0

󳨐⇒

v󸀠󸀠 (xR ) = 0

Freier Rand I. M(xR , t) = 0

󳨐⇒

v󸀠󸀠 (xR ) = 0

II. Q(xR , t) = 0

󳨐⇒

v󸀠󸀠󸀠 (xR ) = 0

Für die Biegeform unter Eigengewicht gibt es vier Fälle. 1. Fall: links eingespannt, rechts frei, 2. Fall: beidseitig eingespannt, 3. Fall: links eingespannt, rechts gelenkig gestützt und 4. Fall: beidseitig gelenkig gestützt.

Beispiele 1. Biegefall unter gleichmäßig verteilter Last Die Last pro Meter sei konstant q0 (Abb. 6.2 links). Dann ist EI ⋅ u 󸀠󸀠󸀠󸀠 = q0 . Nacheinander gilt EI 󸀠󸀠󸀠󸀠 u q0 EI − u 󸀠󸀠󸀠 q0 EI − u 󸀠󸀠 q0 EI − u󸀠 q0 EI − u q0 Die Randbedingungen lauten I. u(0) = 0 , II. u 󸀠 (0) = 0 , III. M(l) = 0 , IV. Q(l) = 0 .

=1, = x + C1 , x2 + C1 x + C2 , 2 x2 x3 + C1 + C2 x + C3 , = 6 2 x3 x2 x4 = + C1 + C2 + C3 x + C4 . 24 6 2 =

27

28 | 6 Biegelinien

Abb. 6.2: Skizzen zu den speziellen Biegelinien

C4 = 0

Aus I.

Aus II. C3 = 0

(

Drehmoment

M(x) = − q20 (x2 − 2lx + l2 ) = − q20 (x − l)2

gestrichelt - - - - - -

l2 l2 + C1 l + C2 = 0 󳨐⇒ − l2 + C2 = 0 2 2 Aus IV. l + C1 = 0 󳨐⇒ C1 = −l Aus III.

󳨐⇒

C2 =

)

l2 2

Für die Biegelinie folgt u(x) = −

q0 x4 x 3 x 2 x3 l2 x2 q0 l4 x 4 ( −l + )=− (( ) − 4 ( ) + 6 ( ) ) . EI 24 6 2 2 24EI l l l

Die größte Durchbiegung erhält man für x = l. Also ist 󵄨 󵄨󵄨 1 1 󵄨󵄨 q0 l4 1 q0 l4 󵄨 q0 l4 1 u Max = 󵄨󵄨󵄨󵄨− − + )󵄨󵄨󵄨󵄨 = ⋅ = . ( 8EI 󵄨󵄨 2EI 12 3 2 󵄨󵄨 2EI 4 Für einen Balken mit l = 5 m, I = und ρ = 7,8 ⋅

kg 103 m 3

1 2 12 Ah , h

= 0,1 m, E = 2,1 ⋅ 1011 mN2 , q0 = ρ ⋅ A ⋅ l

erhält man

3ρ ⋅ A ⋅ l5 = 1,74 cm . 2E ⋅ h2 Anwendung: Frei tragende Wendeltreppe u Max =

3. Biegefall unter gleichmäßig verteilter Last Die Last pro Meter des Balkens sei konstant q0 (Abb. 6.2 mitte). Dann ist EI ⋅ u 󸀠󸀠󸀠󸀠 = q0 . Nacheinander gilt EI 󸀠󸀠󸀠󸀠 u q0 EI − u 󸀠󸀠󸀠 q0 EI − u 󸀠󸀠 q0 EI − u󸀠 q0 EI − u q0

=1, = x + C1 , x2 + C1 x + C2 , 2 x2 x3 + C1 + C2 x + C3 , = 6 2 x3 x2 x4 = + C1 + C2 + C3 x + C4 . 24 6 2 =

6.1 Übersicht über die Randbedingungen bei Biegelinien |

Die Randbedingungen lauten I. u(0) = 0 , II. u 󸀠 (0) = 0 , III. u(l) = 0 , IV. M(l) = 0 . Aus I.

C 4 = 0 (Drehmoment

M(x) = −

q0 (4x2 − 5lx + l2 ) 8

- - - - - gestrichelt) ,

Aus II. C3 = 0 , l4 l3 l2 + C1 + C2 = 0 󳨐⇒ l2 + 4C1 l + 12C2 = 0 , 24 6 2 l2 Aus VI. + C1 l + C2 = 0 󳨐⇒ l2 + 2C1 l + 2C2 = 0 . 2 Aus III.

Daraus wird −5l2 − 8C1 = 0

󳨐⇒

C1 = −

5l 8

󳨐⇒

C2 =

l2 . 8

Für die Biegelinie folgt u(x) = −

x 3 x 2 q0 l4 x 4 q0 x4 5l x3 l2 x2 ( − + )=− (2 ( ) − 5 ( ) + 3 ( ) ) . EI 24 8 6 8 2 48EI l l l

Für die größte Durchbiegung muss man zuerst die zugehörige Stelle berechnen: u 󸀠 (x) = 0

󳨐⇒

x3 5lx2 l2 − + x=0 6 16 8

󳨐⇒

x3 5lx2 l2 − + x=0. 6 16 8

Daraus wird x1,2 =

15 ± √33 l 16

󳨐⇒

x=

15 − √33 ⋅l. 16

Eingesetzt erhält man u Max =

q0 l4 15√33 + 39 ⋅ . 8EI 8192

Das ist etwa doppelt so viel wie bei dem beidseitig eingespannten Balken. Aufgabe Bearbeiten Sie die Übung 7a)–d).

29

30 | 6 Biegelinien

6.2 Biegelinie unter veränderlicher Last Die Last sei homogen und parabelförmig (Abb. 6.2 rechts). Die Gleichung lautet f(x) = ax(l − x). Dann ist f(x) = a xl ( l−x l ). Daraus wird l2 q(x) = q0

x x (1 − ) . l l

q0 heißt Scheitelwert. Die größte Last hat man natürlich für x = 2l und zwar q( 2l ) = q40 . Ist z. B. die gesamte Last G gegeben, etwa G = 1,5 kN, dann kann man daraus q0 bestimmen: l

G = q0 ∫ ( 0

l

x x2 x2 l2 l x3 l3 l q0 l − 2 ) dl = q0 [ − 2 ] = q0 ( − 2 ) = q0 ( − ) = . l 2l 3l 0 2l 3l 2 3 6 l

kN Somit ist q0 = 6G l . Für unser Zahlenbeispiel wäre für l = 10 m q0 = 0,9 m . Nun zur Biegelinie: Nacheinander gilt

l2 EI 󸀠󸀠󸀠󸀠 u q0 l2 EI 󸀠󸀠󸀠 u − q0 l2 EI 󸀠󸀠 u − q0 l2 EI 󸀠 u − q0 l2 EI u − q0

= −x2 + l ⋅ x , x3 x2 +l + C1 , 3 2 x4 x3 =− +l + C1 x + C2 , 12 6 x2 x4 x5 +l + C1 + C2 x + C3 , =− 60 24 2 x3 x2 x5 x6 +l + C1 + C2 + C3 x + C4 . =− 360 120 6 2 =−

Die Randbedingungen lauten I. u(0) = 0 , II. M(0) = 0 , III. u(l) = 0 , IV. M(l) = 0 . Aus I.

C4 = 0

Aus II. C2 = 0 l6 l3 l6 + + C1 + C3 l = 0 360 120 6 l3 l6 + C1 + C3 l = 0 󳨐⇒ 󳨐⇒ 180 6

Aus III. −

l3 l5 + C1 + C3 = 0 180 6

6.3 Biegelinie unter Teillast | 31

l4 l4 + + C1 l = 0 12 6 l4 󳨐⇒ + C1 l = 0 12

Aus IV. −

󳨐⇒

C1 = −

l3 12

󳨐⇒

C3 =

l5 . 120

Für die Biegelinie folgt u(x) = − u(x) =

lx5 l3 x3 l5 x x6 1 + − + ) (− 360 120 72 120 l2 EI

oder

x 5 x 3 x x 6 l4 (( ) − 3 ( ) + 5 ( ) − 3 ( )) . 360EI l l l l

Die größte Auslenkung beträgt 󵄨󵄨 61 ⋅ l4 l 󵄨󵄨󵄨 󵄨󵄨 . 󵄨󵄨u ( )󵄨󵄨󵄨 = u Max = 󵄨󵄨 2 󵄨󵄨 23.040 ⋅ EI Aufgabe Bearbeiten Sie die Übungen 8 und 9.

6.3 Biegelinie unter Teillast 2. Biegefall unter mittiger Einzelkraft (Abb. 6.3 links) Nacheinander gilt EIu 󸀠󸀠󸀠󸀠 = 0 , EIu 󸀠󸀠󸀠 = C1 , EIu 󸀠󸀠 = C1 x + C2 , x2 + C2 x + C3 , 2 3 x x2 EIu = C1 + C2 + C3 x + C4 6 2

EIu 󸀠 = C1

Die Randbedingungen lauten I. u(0) = 0 , II. u 󸀠 (0) = 0 .

Abb. 6.3: Skizzen zum 2. Biegefall

32 | 6 Biegelinien Die Biegelinie muss in zwei getrennte Funktionen u 1 (x) und u 2 (x) zerlegt werden: u 1 (x) für 0 ≤ x ≤

l 2

und

u 2 (x) für

l ≤x≤l. 2

Die Reaktionskräfte an den Rändern sind jeweils 2F (Abb. 6.3 mitte). Aus EIu 󸀠󸀠 = C1 x + C2 = −M(x) ersieht man, dass die Momentfunktion von x = 0 bis zu x = 2l linear ansteigen muss (Abb. 6.3 rechts). Es gilt M(x) + M A − 2F x = 0. Weiter ist M(0) = 2F ⋅ 4l und somit M(x) =

F Fl F l x− = (x − ) = EIu 󸀠󸀠 (x) . 2 8 2 4

Zweifache Integration ergibt EIu 󸀠 (x) =

F 2 Fl x − x + C3 4 8

und

F 3 Fl 2 x − x + C3 x + C4 . 12 16 Die Randbedingungen führen zu C3 = C4 = 0. Für die Biegelinie folgt EIu(x) =

u 1 (x) =

F x3 x 2 x2 Fl3 x 3 ( −l )= (4 ( ) − 3 ( ) ) EI 12 16 48EI l l

für

0≤x≤

l . 2

Die größte Auslenkung beträgt 󵄨󵄨 Fl3 l 󵄨󵄨󵄨 󵄨󵄨 . 󵄨󵄨u ( )󵄨󵄨󵄨 = u Max = 󵄨󵄨 2 󵄨󵄨 192EI 3. Biegefall unter mittiger Einzelkraft (Abb. 6.4 links) Nacheinander gilt EIu 󸀠󸀠󸀠󸀠 1 =0,

EIu 󸀠󸀠󸀠󸀠 2 =0,

EIu 󸀠󸀠󸀠 1 = C1 ,

EIu 󸀠󸀠󸀠 2 = D1 ,

EIu 󸀠󸀠 1 = C1 x1 + C2 ,

EIu 󸀠󸀠 2 = D1 x2 + D2 ,

EIu 󸀠1 = C1

x21 + C2 x1 + C3 , 2

x31 x2 + C2 1 + C3 x1 + C4 , 6 2 Randbedingungen I. u 1 (0) = 0 , EIu 1 = C1

II. u 󸀠1 (0) = 0 , l III. u 2 ( ) = 0 . 2

EIu 󸀠2 = D1

x22 + D2 x2 + D3 , 2

EIu 2 = D1

x32 x2 + D2 2 + D3 x2 + D4 . 6 2

6.3 Biegelinie unter Teillast

| 33

Abb. 6.4: Skizzen zum 3. Biegefall

Die Biegelinie muss in zwei getrennte Funktionen u 1 (x1 ) und u 2 (x2 ) zerlegt werden: u 1 (x1 ) für 0 ≤ x1 ≤

l 2

und

u 2 (x2 ) für 0 ≤ x2 ≤

l . 2

Die Ermittlung derselben gestaltet sich schwieriger als bisher, weil die Reaktionskräf­ te F A und F B unbekannt sind. Die Drehmomentbilanz wird über die gesamte Länge erhoben. 1. Kräftegleichgewicht: F A + F B = F. 2. Drehmomentgleichgewicht (um A): MA + F 3.

l − FB l = 0 2

󳨐⇒

M A = l (F B −

F F ) = l ( − FA ) . 2 2

Die Momentfunktionen von M1 (x) und M2 (x) sind linear (Abb. 6.4 rechts). M1 (x1 ) − M A − F A x1 = 0

󳨐⇒

M1 (x1 ) = F A x1 + M A

l − x2 ) = 0 2

󳨐⇒

M2 (x2 ) = F B (

−M2 (x2 ) + F B (

l − x2 ) , 2

insbesondere M2 ( 2l ) = 0 Also folgt EIu 󸀠󸀠 1 = F A x1 + M A ,

EIu 󸀠󸀠 2 = −F B x 2 +

EIu 󸀠1 = F A

x21 + M A x1 + C1 , 2

EIu 󸀠2 = −F B

x22 F B l + x2 + D1 , 2 2

EIu 1 = F A

x31 x2 + M A 1 + C1 x1 + C2 6 2

EIu 2 = −F B

x32 F B l x22 + + D1 x2 + D2 6 2 2

Die Randbedingungen I. und II. ergeben C1 = C2 = 0. Nun wird die Übergangsbedingung verwendet: l IV. u 1 ( ) = u 2 (0) 2

󳨐⇒

FA

l3 l2 + M A = D2 48 8

l u 󸀠1 ( ) = u 󸀠2 (0) 2

󳨐⇒

FA

l2 l + M A = D1 8 2

V.

FB l , 2

34 | 6 Biegelinien Die Randbedingung u 2 ( 2l ) = 0 führt zu l3 l + D1 + D2 = 0 24 2 Eingesetzt in IV. folgt FB

󳨐⇒

D2 = −F B

l3 l − D1 . 24 2

l3 l2 l3 l l3 l2 l3 + M A = −F B − D1 󳨐⇒ F A + M A = −F B − D1 l . 48 8 24 2 24 4 12 Gleichung V. wird mit l multipliziert und man erhält FA

l3 l2 + M A = D1 l . 8 2 Die Addition beider Gleichungen ergibt FA

FA

l3 3l2 l3 + MA = −F B . 6 4 12

Nun werden M A und F B ersetzt: FA

l3 3l3 l3 F + ( − FA ) = −(F − F A ) . 6 2 4 12

Man erhält F 2F A +9⋅( − F A ) = −(F −F A ) 2

󳨐⇒

2F A +

9F −9F A = −F +F A 2

󳨐⇒

11F = 8F A . 2

D2 = −

Fl3 . 768

Schließlich folgt 11 5 F , FB = F, 16 16 Für die Biegelinien ist FA =

u 1 (x) =

MA = −

3Fl , 16

D1 = −

Fl2 , 128

F 11 x3 3l x2 x 2 Fl3 x 3 ( − )= (11 ( ) − 9 ( ) ) EI 16 6 16 2 96EI l l

für

F 5 x3 5l x2 l2 7l3 (− + − x− ) EI 16 6 32 2 128 768

0≤x≤

und u 2 (x) =

Mit der Verschiebung x → x − u 2 (x) =

l 2

für

0≤x≤

l 2

l . 2

folgt

Fl3 x 2 x x 3 (−5 ( ) + 15 ( ) − 12 ( ) + 2) 96EI l l l

für

l ≤x≤l. 2

Für die größte Auslenkung muss die Stelle des Minimums zuerst bestimmt werden. Diese befindet sich auf u 2 (x). u 󸀠2 (x) =

Fl3 x 12 x2 (−15 3 + 30 2 − )=0 96EI l l l

10l ± √20l2 10 Eingesetzt erhält man x1,2 =

󳨐⇒

u Max =

x=

󳨐⇒

15x2 − 30lx + 12l2 = 0 .

5 − √5 ⋅l. 5

Fl3 Fl3 2√5 . ⋅ = 96EI 5 48√5EI

6.3 Biegelinie unter Teillast

| 35

Anwendung: Sprungbrett Ein Brett ist in zwei Punkten A und B gelenkig gestützt (Abb. 6.5 links). Am offenen Ende wird es mit einer Kraft F belastet. Das Brett wölbt sich von A bis B und senkt sich von B bis C. Die Biegelinie muss in zwei getrennte Funktionen u 1 (x1 ) und u 2 (x2 ) zerlegt wer­ den. 1. u 1 (x1 ) für 0 ≤ x1 ≤ a Nacheinander gilt EIu 󸀠󸀠󸀠󸀠 1 =0, EIu 󸀠󸀠󸀠 1 = C1 , EIu 󸀠󸀠 1 = C1 x1 + C2 , x21 + C2 x1 + C3 , 2 x3 x2 EIu 1 = C1 1 + C2 1 + C3 x1 + C4 . 2 2 Die Randbedingungen lauten EIu 󸀠1 = C1

I.

u 1 (0) = 0 ,

II. M1 (0) = 0 , III. u 1 (a) = 0 . Aus I. und II. folgen C4 = 0 und C2 = 0. Die Kräftebilanz lautet F A + F B = F. Drehmomentgleichgewicht (um B, Abb. 6.5 mitte): F A a + 2aF = 0 󳨐⇒

F A = −2F

󳨐⇒

F B = 3F .

Für das Moment am linken Ende gilt M1 (x1 ) − F A x1 = 0 󳨐⇒ M1 (x1 ) = −2Fx1 . Also folgt EIu 󸀠󸀠 1 = −2Fx 1 , Mit III. ist −2F

EIu 󸀠1 = −2F

x21 + C3 , 2

a3 + aC3 = 0 6

󳨐⇒

EIu 1 = −2F C3 =

x31 + C3 x1 . 6

a2 F . 3

Für die Biegelinie folgt u 1 (x) =

1 x3 a2 F F (−2F + ⋅ x) = (−x3 + a2 x) EI 6 3 3EI

Abb. 6.5: Skizzen zum Sprungbrett

für

0≤x≤a.

36 | 6 Biegelinien

2.

u 2 (x2 ) für 0 ≤ x2 ≤ 2a Nacheinander gilt EIu 󸀠󸀠󸀠󸀠 2 =0, EIu 󸀠󸀠󸀠 2 = D1 , EIu 󸀠󸀠 2 = D1 x2 + D2 , x22 + D2 x2 + D3 , 2 x3 x2 EIu 2 = D1 2 + D2 2 + D3 x2 + D4 . 2 2 EIu 󸀠2 = D1

Die Randbedingungen lauten I. u 2 (0) = 0 , II. M2 (2a) = 0 Für das Moment am rechten Ende erhält man (Abb. 6.5 rechts) −M2 (x2 ) − F(2a − x2 ) = 0

󳨐⇒

M2 (x2 ) = F(x2 − 2a) .

Also folgt EIu 󸀠󸀠 2 = Fx 2 −2aF ,

EIu 󸀠2 = F

x22 −2aFx+D3 , 2

EIu 2 = F

x32 x2 −2aF 2 +D3 x2 +D4 . 6 2

Aus I. erhält man D4 = 0. Die Übergangsbedingung u 󸀠1 (a) = u 󸀠2 (0) liefert noch −2F

a2 a2 F + = D3 2 3

󳨐⇒

D3 = −

2a2 F . 3

Für die Biegelinie folgt u 2 (x) =

F (x3 − 6ax2 − 4a2 x) 6EI

mit 0 ≤ x ≤ 2a .

Mit der Verschiebung x → x − a ist u 2 (x) =

F (x3 − 9ax2 + 11a2 x − 3a3 ) 6EI

für

a ≤ x ≤ 3a .

Die größte Auslenkung beträgt |u 2 (3a)| = u Max =

F 4Fa3 (x3 − 9ax2 + 11a2 x − 3a3 ) = . 6EI EI

Für ein Sprungbrett mit a = 1 m, I = und F = 600 N erhält man u Max =

1 3 12 bh ,

h = 4 cm, b = 40 cm, E = 1011 mN2

48a3 F = 1,125 cm . E ⋅ bh3

6.3 Biegelinie unter Teillast

| 37

Balken unter mittiger Teillast Der Balken wird im Zentrum mit dem Gewicht 2sq0 belastet (Abb. 6.6 links). Aufgrund der Kräftebilanz 2sq0 = F A + F B und der Symmetrie ist F A = F B = sq0 . Die Biegelinie muss in zwei getrennte Funktionen u 1 (x1 ) für 0 ≤ x1 ≤ 2l − s und u 2 (x2 ) für 2l − s ≤ x2 ≤ 2l zerlegt werden. Für das Moment am linken Ende gilt (Abb. 6.6 mitte) M1 (x1 ) − F A x1 = 0 󳨐⇒ M1 (x1 ) = sq0 x1 . Also folgt EIu 󸀠󸀠 1 = sq0 x 1 , EIu 󸀠1 = sq0

x21 + C1 , 2

EIu 1 = sq0

x31 + C1 x1 + C2 6

Die Randbedingung lautet I.

u 1 (0) = 0 .

Für das Moment am rechten Ende erhält man (Abb. 6.6 rechts) M2 (x2 ) + q0 x2 ⋅

l x2 − ( − s + x2 ) sq0 = 0 oder 2 2

M2 (x2 ) = −q0 x2 ⋅

x2 sq0 + sq0 x2 − (2s − l) . 2 2

Also folgt EIu 󸀠󸀠 2 = q0 [

x22 s − sx2 + (2s − l)] , 2 2

EIu 󸀠2 = q0 [

x32 x2 s − s 2 + (2s − l)x + D1 ] , 6 2 2

EIu 2 = q0 [

x42 x3 s x2 − s 2 + (2s − l) 2 + D1 x + D2 ] . 24 6 2 2

(Die Vorzeichen wurden schon verrechnet.)

Abb. 6.6: Skizzen zum Balken mit Teillast

38 | 6 Biegelinien

Die Randbedingung lautet II.

u 󸀠2 (s) = 0 .

Aus I. folgt C2 = 0 und aus II. wird s3 s3 s2 − + (2s − l) + D1 = 0 . 6 2 2 Dazu kommen noch die beiden Übergangsbedingungen: u 1 (a) = u 2 (0) : u 󸀠1 (a) = u 󸀠1 (0) : Man erhält

a3 + C 1 a = q0 D2 , 6 a2 sq0 + C1 = q0 D1 2 sq0

a :=

l −s 2

sq0 (28s2 − 24ls + 3l2 ) , 24 s2 s D1 = (3l − 4s), D2 = (2s − l)(12s2 − 10ls + l2 ) . 6 24

C1 = −

Für die Biegelinien folgt u 1 (x) =

sq0 (4x3 − (28s2 − 24ls + 3l2 )x) 24EI

für

0≤x≤

l −s 2

und sq0 4 (x −4sx3 +6s(2s−l)x2 +4s2 (3l−4s)x+s(2s−l)(12s 2 −10ls+l2 )) 24EI

für

0 ≤ x ≤ s.

Spezialfälle 1. s = 0, aber 2sq0 = konst. = F. Dann geht die Biegelinie über in diejenige mit mittiger Einzelkraft: u 1 (x) = 2.

2sq0 Fl3 x x 3 (4x3 − 3l2 x) = (4 ( ) − 3 ( )) . 48EI 48EI l l

s = 2l . Dann erhält man die Biegelinie für Gleichlast: u 2 (x) =

q0 q0 l4 x 3 x x 4 (x4 − 2lx3 + l2 x) = (( ) − 2 ( ) + ( )) . 24EI 24EI l l l

6.4 Biegelinie unter veränderlicher Steifigkeit |

39

6.4 Biegelinie unter veränderlicher Steifigkeit Wir wollen dies an zwei Beispielen darstellen, wobei wir E = konst. belassen und nur den Querschnitt des Balkens verändern. Beispiel. Gegeben ist ein einseitig fest eingespannter Keil mit konstanter Breite b (Abb. 6.7 links). Die Höhe des Querschnitts fällt von der gegebenen Höhe h0 linear bis auf Null ab. Die zugehörige Gleichung lautet h(x) = h0 (1 − xl ). Für die Biegesteifigkeit 1 bh3 (x). eines Balkens gilt I(x) = 12 Somit hat man I(x) =

1 x 3 x 3 bh30 (1 − ) = I0 (1 − ) . 12 l l

Nacheinander gilt 󸀠󸀠 EI0 x 3 ((1 − ) u 󸀠󸀠 ) = 1 , q0 l



󸀠 x 3 EI0 ((1 − ) u 󸀠󸀠 ) = x + C1 , q0 l



(−

dQ = q0 ) dx

EI0 x 3 x2 (1 − ) u 󸀠󸀠 = + C1 x + C2 . q0 l 2

Die Randbedingungen lauten I. u(0) = 0 , II. u 󸀠 (0) = 0 , III. M(l) = 0 ,

IV. Q(l) = 0 .

Aus IV. C 1 = −l Aus III.

l2 + C1 l + C2 = 0 2

󳨐⇒

l3 x2 1 l3 EI0 󸀠󸀠 l2 l3 2 u = ( − lx + ) = = (x − l) . q0 2 2 (l − x)3 2 (l − x)3 2(l − x)



󳨐⇒

l2 − l2 + C2 = 0 2

󳨐⇒

C2 =

Weiter ist −

EI0 󸀠 l3 u = − ln(l − x) + C3 q0 2

und −

EI0 l3 u = − ∫ ln(l − x) dx + C3 x + C4 . q0 2

l2 2

40 | 6 Biegelinien

Die Integration liefert ∫ ln(l − x) dx = ∫ ln(l − x) ⋅ 1 dx = x ⋅ ln(l − x) + ∫

x dx l−x

l dx l−x l dx = x ⋅ ln(l − x) − x − l ⋅ ln(l − x) = x ⋅ ln(l − x) + ∫ −1 dx + ∫ l−x = x ⋅ ln(l − x) + ∫ −1 +

= (x − l) ⋅ ln(l − x) − x . 󳨐⇒



EI0 l3 u = − ((x − l) ⋅ ln(l − x) − x) + C 3 x + C4 . q0 2

l3 ln l 2 l4 C4 = − ln l 2

Aus II. C3 = Aus I.

Es ergibt sich u(x) =

q0 l3 x q0 l3 ((x − l) ⋅ ln(l − x) − x − ln l ⋅ (x − l)) = ((x − l) ⋅ ln (1 − ) − x) . 2EI 2EI l

Die größte Durchbiegung erhält man für x = l. Dazu zuerst folgender Grenzwert: lim ((x − l) ⋅ ln (1 − x→l

ln (1 − xl ) x )) = lim 1 l x→l x−l = lim x→l

d dx

(ln (1 − xl )) d dx

1 ( x−l )

Somit ist u Max = Aufgabe Bearbeiten Sie die Übungen 10 und 11.

Abb. 6.7: Verschiedene Biegelinien

q0 l4 . 2EI

1 x−l 1 x→l (x−l)2

= lim

= lim(x − l) = 0 . x→l

6.4 Biegelinie unter veränderlicher Steifigkeit

|

41

Beispiel 1. Gegeben ist ein einseitig fest eingespannter Balken der Länge l und kon­ stanter Biegesteifigkeit EI1 , an dessen Ende ein gleich breiter, paralleler Balken derselben Länge l, konstanter Biegesteifigkeit EI2 , aber mit halber Höhe fixiert ist (Abb. 6.7 mitte). Einerseits ist also h1 = 2h2 . Dadurch gilt auch für die Streckenlasten, dass q1 = 2q2 . 1 1 Durch die Halbierung der Höhe ist I1 = 12 b(2h2 )3 = 8 ⋅ 12 bh32 = 8I2 . Es gilt EI2 󸀠󸀠󸀠󸀠 u =1, q1 2

EI1 󸀠󸀠󸀠󸀠 u =1, q1 1 EI1 󸀠󸀠󸀠 u = x + C1 , q1 1





EI1 󸀠󸀠 x2 u = + C1 x + C2 , q1 1 2



EI2 󸀠󸀠 x2 u = + D1 x + D2 , q1 2 2



x2 EI1 󸀠 x3 + C1 + C2 x + C3 , u1 = q1 6 2



x2 EI2 󸀠 x3 + D1 + D2 x + D3 , u2 = q1 6 2



x3 x2 x4 EI1 + C1 + C2 + C3 x + C4 , u1 = q1 24 6 2



x3 x2 EI2 x4 + D1 + D2 u2 = q1 24 6 2



EI2 󸀠󸀠󸀠 u = x + D1 , q1 2

+ D3 x + D4 . Die Randbedingungen lauten II. I. u 1 (0) = 0 , III. M2 (2l) = 0 ,

u 󸀠1 (0) = 0 ,

IV. Q2 (2l) = 0 .

Die Übergangsbedingungen lauten V. u 1 (0) = u 2 (0) , VI. u 󸀠1 (0) = u 󸀠2 (0) , VII. M1 (l) = M2 (l) , Aus I.

C4 = 0.

Aus IV. D1 = −2l.

VIII. Q1 (l) = Q2 (l) . Aus II.

C3 = 0 .

Aus III.

D2 = 2l2 .

Aus VIII. 2q2 (l + C1 ) = q2 (l + D1 )

󳨐⇒

C1 = −

3l . 2 C2 =

5l2 . 4

Aus VI.

l2 l2 q2 l3 2q2 l3 ( + C1 + C2 l) = ( + D1 + D2 l + D3 ) 8EI2 6 2 EI2 6 2

󳨐⇒

Aus V.

l3 l2 l3 l2 l4 l4 q2 2q2 ( ( + C1 + C2 ) = + D1 + D2 + D3 l + D4 ) . 8EI2 24 6 2 EI2 24 6 2

Aus VII. 2q2 (

󳨐⇒

l2 l2 + C 1 l + C 2 ) = q2 ( + D1 l + D2 ) 2 2

C4 =

38l4 . 96

󳨐⇒

C3 = −l3 .

42 | 6 Biegelinien

Für die Biegelinien gilt dann

u 1 (x) = −

2q2 x4 3l x3 5l2 x2 ( − + ) , 8EI2 24 2 6 4 2

u 1 (x) = −

x 4 q2 l4 x 3 x 2 (( ) − 6 ( ) + 15 ( ) ) , 96EI2 l l l

u 2 (x) = −

x2 x3 q2 x4 38l4 − 2l + 2l2 − l3 x + ) , ( EI2 24 6 2 96

u 2 (x) = −

q2 l4 x 4 x 3 x 2 x (4 ( ) − 32 ( ) + 96 ( ) + 96 ( ) + 38) 96EI2 l l l l

für

0≤x≤l,

für

l ≤ x ≤ 2l .

Bemerkung. Wirkt auf einen Balken zusätzlich zur gleichmäßig verteilten Last q0 noch eine Einzelkraft F, dann werden die Biegelinien addiert. Beispiel. Fest eingespannter Balken (Abb. 6.7 rechts) Für die Biegelinie mit gleichmäßig verteilter Last gilt

u G (x) = −

q0 l4 1 x 4 1 x 3 1 x 2 ( ( ) − ( ) + ( ) ) 2EI 12 l 3 l 2 l 4

G 0l und der maximalen Durchbiegung u Max = q8EI . Für die Biegelinie unter Krafteinfluss allein ergibt sich

u F (x) =

x 3 Fl3 x 2 (( ) − 3 ( ) ) 6EI l l

F = mit der maximalen Durchbiegung u Max Zusammen haben wir

Fl 3 3EI .

u T (x) = u G (x) + u F (x) =−

Fl3 x 2 x 3 q0 l4 1 x 4 1 x 3 1 x 2 ( ( ) − ( ) + ( ) )+ (( ) − 3 ( ) ) . 2EI 12 l 3 l 2 l 6EI l l

Die maximale Durchbiegung ist

G F + u Max = u Max = u Max

q0 l4 Fl3 + . 8EI 3EI

6.5 Übersicht

6.5 Übersicht Biegelinien bei gleichmäßig verteilter Last q0 pro Meter

Abb. 6.8: Übersicht der Biegelinien mit gleichmäßig verteilter Last

Biegelinien bei Einzelkraft (mittig oder Rand)

Abb. 6.9: Übersicht der Biegelinien mit Einzelkraft

| 43

7 Die lineare homogene DGL 2. Ordnung mit Konstanten Zugrunde liegt die DGL ẍ + a ẋ + bx = 0 mit a, b ∈ ℝ. Der Ansatz lautet x(t) = C ⋅ e k⋅t 󳨐⇒

k 2 C ⋅ e k⋅t + akC ⋅ e k⋅t + bC ⋅ e k⋅t = 0

󳨐⇒

k 1,2 =

⇐⇒

k 2 + ak + b = 0

−a ± √a2 − 4b . 2

Wir wollen zuerst ein Kriterium angeben, wann die beiden Basislösungen x1 und x2 der DGL ẍ + a ẋ + b = 0 linear unabhängig sind, also ein sogenanntes Fundamental­ system bilden, womit wir die allgemeine Lösung der DGL erfassen können.

7.1 Wronski-Determinante Die Größe

󵄨󵄨 󵄨x1 W(t) = 󵄨󵄨󵄨󵄨 󵄨󵄨ẋ 1

󵄨 x2 󵄨󵄨󵄨 󵄨󵄨 = x1 ẋ 2 − ẋ 1 x2 ẋ 2 󵄨󵄨󵄨

heißt Wronski-Determinante. Es gilt folgender Satz: Satz. Zwei Lösungen x1 und x2 sind genau dann linear unabhängig, wenn ihre WronskiDeterminante nicht verschwindet. Gilt also einerseits x2 = cx1 , dann ist ẋ 2 = c ẋ 1

und

x1 ẋ 2 − ẋ 1 x2 = x1 c ẋ 1 − ẋ 1 cx1 = 0 .

d x2 ( x1 ) = 0. Somit wäre xx21 = c, und Wäre andererseits x1 ẋ 2 − ẋ 1 x2 = 0, dann ist dt x2 = cx1 . Man kann diesen Satz auch über die besondere Eigenschaft der Wronski-Determi­ nante beweisen:

̇ W(t) = ẋ 1 ẋ 2 + x1 ẍ 2 − ẍ 1 x2 − ẋ 1 ẋ 2 = x1 ẍ 2 − ẍ 1 x2 = x1 (−a ẋ 2 − bx2 ) − x2 (−a ẋ 1 − bx1 ) = −ax1 ẋ 2 − bx1 x2 − a ẋ 1 x2 + bx1 x2 = −ax1 ẋ 2 − a ẋ 1 x2 = −a ⋅ W(t) . Also ist W(t) = C ⋅ e−at und folglich stets Null oder nie Null (nämlich C(a = 0) oder Ce −at ).

https://doi.org/10.1515/9783110683820-007

7.1 Wronski-Determinante |

45

Für die Lösung der DGL ẍ + a ẋ + bx = 0 ergeben sich drei Fälle. Mit Hilfe der Wronski-Determinante kann man zusätzlich noch die lineare Unabhängigkeit sicher­ stellen. Beweis für I. a2 − 4b > 0. a2 − 4b > 0

󳨐⇒

x1 (t) = e k1 t ,

x2 (t) = e k2 t ,

󵄨 x2 󵄨󵄨󵄨 󵄨󵄨 = k 2 e k1 t e k2 t − k 1 e k1 t e k2 t ẋ 2 󵄨󵄨󵄨

󵄨󵄨 󵄨x 1 W(t) = 󵄨󵄨󵄨󵄨 󵄨󵄨ẋ 1

= (k 2 − k 1 )e(k1 +k2 )t = √a2 − 4b ⋅ e−at ≠ 0 . Beweis für II. a2 − 4b < 0. a2 − 4b < 0 k 1,2 = −

mit

x1 (t) = e ik1 t = e(α+i⋅β)t ,

󳨐⇒

x2 (t) = e−ik2 t = e(α−i⋅β)t

√4b − a2 a ±i⋅ := α ± i ⋅ β . 2 2

Die Lösung schreibt sich als x(t) = C1 ⋅ e(α+i⋅β)⋅t + C2 ⋅ e(α−i⋅β)⋅t oder x(t) = C1 ⋅ e α⋅t e iβ⋅t + C2 ⋅ e α⋅t e−iβ⋅t = e α⋅t ⋅ (C1 ⋅ e iβ⋅t + C2 ⋅ e−iβ⋅t ) = e α⋅t ⋅ ((C1 + C2 ) ⋅ cos(βt) + i ⋅ (C1 − C2 ) ⋅ sin(βt)) . Da sowohl Realteil wie auch Imaginärteil Lösung der DGL sind, ist es auch ihre Sum­ me: x(t) = e α⋅t ⋅ (C1 ⋅ cos(βt) + C2 ⋅ sin(βt)) = C1 ⋅ e α⋅t cos(βt) + C2 ⋅ e α⋅t sin(βt) . Somit bildet x1 (t) = e− 2 ⋅t ⋅ cos ( a

√4b − a2 2

t) ,

x2 (t) = e− 2 ⋅t ⋅ sin ( a

√4b − a2 2

t)

oder x1 (t) = e

(

k1 +k2 2

)⋅t

⋅ cos (

ein Fundamentalsystem.

k2 − k1 t) , 2

x2 (t) = e

(

k1 +k2 2

)⋅t

⋅ sin (

k2 − k1 t) 2

46 | 7 Die lineare homogene DGL 2. Ordnung mit Konstanten 󵄨 x2 󵄨󵄨󵄨 󵄨󵄨 ẋ 2 󵄨󵄨󵄨

󵄨󵄨 󵄨x1 W(t) = 󵄨󵄨󵄨󵄨 󵄨󵄨ẋ 1

= e− 2 ⋅t ⋅ cos ( a

√4b − a2 2

√4b − a2 a a t) (− e− 2 ⋅t ⋅ sin ( t) 2 2 +e− 2 ⋅t ⋅ a

− e− 2 ⋅t ⋅ sin ( a

√4b − a2 2

√4b − a2 2

cos (

√4b − a2 t)) 2

√4b − a2 a a t) (− e− 2 ⋅t ⋅ cos ( t) 2 2 −e− 2 ⋅t ⋅ a

√4b − a2 2

sin (

√4b − a2 2

t))

= e−c⋅t ⋅ cos(dt)(−ce−c⋅t ⋅ sin(dt) + e−c⋅t ⋅ d cos(dt)) − e−c⋅t ⋅ sin(dt)(−ce−c⋅t ⋅ cos(dt) − e−c⋅t ⋅ d sin(dt)) = e−c⋅t ⋅ (−ce−c⋅t ⋅ sin(dt) cos(dt) + e −c⋅t ⋅ d cos2 (dt) + ce−c⋅t ⋅ sin(dt) cos(dt) + e −c⋅t ⋅ d sin2 (dt)) = e−c⋅t ⋅ e−c⋅t ⋅ d = d ⋅ e−2c⋅t =

√4b − a2 −a⋅t e ≠ 0 . 2

Beweis für III. a2 − 4b = 0. a2 − 4b = 0

󳨐⇒

x1,2 (t) = e− 2 t . a

Wir brauchen eine zweite Basislösung. a a Man findet x1 (t) = e− 2 t , x2 (t) = t ⋅ e− 2 t . Wir setzen k = − 2a . Für die Ableitungen gilt ẋ 2 = e kt + kt ⋅ e kt ,

ẍ 2 = ke kt + k(e kt + kt ⋅ e kt ) .

Einsetzen in die DGL ergibt ke kt + ke kt + k 2 t ⋅ e kt + ae kt + akt ⋅ e kt + bte kt = (a + 2k)e kt + (k 2 + ak + b)t ⋅ e kt = (a − a)e kt + (

a2 a2 a2 − + ) t ⋅ e kt = 0 . 4 2 4

Weiter folgt 󵄨󵄨 󵄨x1 W(t) = 󵄨󵄨󵄨󵄨 󵄨󵄨ẋ 1

󵄨 x2 󵄨󵄨󵄨 󵄨󵄨 = e kt (e kt + kt ⋅ e kt ) − ke kt (t ⋅ e kt ) = e2kt = e−at ≠ 0 . ẋ 2 󵄨󵄨󵄨

Damit ist x1 (t) = e kt , x2 (t) = t ⋅ e kt ein Fundamentalsystem.

7.1 Wronski-Determinante

Beispiel zu Fall II. ẍ + 2ẋ + 2x = 0 x1 (t) = e

−t

⋅ cos t ,

󳨐⇒

k 2 + 2k + 2 = 0

x2 (t) = e

−t

󳨐⇒

k 1,2 = −1 ± i ,

⋅ sin t .

Die allgemeine Lösung lautet demnach x(t) = e−t (C1 cos t + C1 sin t). Aufgabe Bearbeiten Sie die Übung 12.

| 47

8 Die elastischen Konstanten eines isotropen Körpers Wir betrachten einen isotropen Stoff, also ein Material, das gegenüber allen Richtun­ gen dieselben Eigenschaften aufweist. Speziell wird das bedeuten, dass sich der Kör­ per infolge einer Spannung in allen Richtungen gleich verhält. Unter der Einwirkung einer äußeren Kraft verformt sich ein Festkörper. Je nach­ dem, wie diese Kraft bezüglich der Normalen der Angriffsfläche gerichtet ist, unter­ scheidet man Normalspannung σ = FAn (Fn normal, Ft tangential), Schub- oder Tor­ sionsspannung τ = FAt und Druckspannung p = AF . Die mit diesen Spannungen ge­ koppelten relativen Verformungen sind, wie schon bekannt: relative Längenänderung ε = ∆ll n , Schub- oder Torsionswinkel γ = ∆ll t und Relative Volumenänderung ∆V V re­ spektive. Diese hängen mit den auf den Festkörper wirkenden Spannungen wie folgt zusammen (Abb. 8.1 links): Betrachten wir einen Massenwürfel (Abb. 8.1 rechts). Bei der Dehnung gibt es nun zusätzlich eine zur Längenänderung ε proportionale Verringerung von Breite und Hö­ he, die Querkontraktion. Die Querkontraktionszahl ν ist das negative Verhältnis von Querstauchung zu Längsdehnung: ν = − εεnt . Somit hat man insgesamt vier elastische Konstanten: E, G, K, ν.

Abb. 8.1: Skizze zu den elastischen Konstanten

8.1 Der Zusammenhang zwischen den elastischen Konstanten a) Komprimiert oder dekomprimiert man (immer in alle drei Richtungen) z. B. einen Würfel, dann hat man 󵄨󵄨 p 󵄨󵄨 ∆V (l + ∆l)3 − l3 l3 − 3l2 ∆l − 3l∆2l + ∆3l − l3 ∆l ∆l 2 ∆l 3 󵄨󵄨 󵄨󵄨 = = = 3 +3 ( ) +( ) . = 󵄨󵄨 K 󵄨󵄨 3 3 V l l l l l 󵄨 󵄨 ∆l σ Für kleine Längenänderungen ∆l ist dann | Kp | = ∆V V ≈ 3 l = 3ε = 3 E . Da die Spannung in allen drei Raumrichtungen gleich groß ist, p = σ folgt E = 3K. Man erwartet vielleicht gerade das Umgekehrte, dass der Kompressionsmodul doch größer sein müsste. Eine Erklärung kann auch in Worten gegeben werden: https://doi.org/10.1515/9783110683820-008

8.1 Der Zusammenhang zwischen den elastischen Konstanten |

49

Kompression und Dekompression bezeichnen eine Volumenänderung (mit K). Um den gleichen Effekt zu erzielen, müsste man in allen drei Raumrichtungen dehnen oder stauchen (mit E = 3K). Berücksichtigt man nun die Querkontraktion, dann ergibt sich genauer p ∆V 3σ = ≈ 3ε = 3( ⏟⏟⏟⏟⏟⏟⏟⏟⏟⏟⏟⏟⏟⏟⏟ ε n − 2εt ) = 3(ε n − 2νε n ) = 3ε n (1 − 2ν) = (1 − 2ν) . K V E Durch die Kompression wäre die relative Längenänderung zu groß

Mit p = σ folgt E = 3K(1 − 2ν). Kurz: „Dekompression = Dehnung minus zweifache Querkontraktionskorrektur“. b) Nun gehen wir von einer Scherdeformation unseres Würfels aus mit einer Span­ nung tangential zur Fläche: τ = aF2t (Abb. 8.2 links und mitte). Die Scherung kann man auffassen als eine Dehnung mit der Spannung σ = τ entlang der Flächendia­ gonalen. Die Spannung bleibt natürlich konstant, nur die entsprechenden Kräfte und Flächen sind verschieden (Abb. 8.2 rechts): σ=

F F t √2 F t √2 Ft = = =τ. = A ad a ⋅ a √2 a 2

Dreht man die Diagonale d in Richtung der verlängerten Diagonale d󸀠 , so ist etwa ∆a ∆d ≈ √ . 2 Dies kann man auch ohne eine Skizze einsehen, denn es gilt ∆d = d − d󸀠 = √(a + ∆a)2 + a2 − √2a2 . Weiter betrachten wir Bernoulli

2(a+∆a)⋅1

√(a + ∆a)2 + a2 − √2a2 L’Hôspital ∆d 2√(a+∆a)2 +a 2 = lim = lim −0 lim ∆a→0 ∆a ∆a→0 ∆a ∆a→0 1 2(a + ∆a) ⋅ 1 1 2a 2a = . = = = lim ∆a→0 2√(a + ∆a)2 + a2 2√2a2 2a√2 √2 1 ∆a Für kleine ∆a ist ∆d ∆a ≈ √2 , also ∆d ≈ √2 . Daraus folgt für die relative Längenänderung längs der Flächendiagonale d:

∆d ∆a 1 ∆a = . = d √2 ⋅ a √2 2 a

Abb. 8.2: Skizze zu den Zusammenhängen zwischen den elastischen Konstanten

50 | 8 Die elastischen Konstanten eines isotropen Körpers

Die Scherung in Richtung der Flächendiagonale ist halb so groß wie die Scherung 1 1 τ tangential zur Fläche und sie beträgt ∆d d = 2γ = 2 G. σ Für kleine Änderungen ∆d längs der Diagonalen hat man dann 12 Gτ ≈ ∆d d = ε = E. Da die Spannungen gleich sind, τ = σ, folgt E = 2G. Berücksichtigt man nun die Querkontraktion, dann ergibt sich genauer: σ ∆d 1τ ≈ = ε = ⏟⏟⏟⏟⏟⏟⏟⏟⏟⏟⏟ ε n + εt = ε n + νε n = ε n (1 + ν) = (1 + ν) . 2G d E Querkontraktion trägt hier zur relativen Längenänderung bei

Mit τ = σ folgt E = 2G(1 + ν). Kurz: „Scherung = Dehnung längs Diagonale plus einfache Querkontraktionskor­ rektur“ (Die Kontraktion in die dritte Richtung kann auf beiden Seiten der Glei­ chung addiert werden, sie fällt aber weg). c) Schließlich kann man noch die Dekompression mit einer Scherung vergleichen: ∆d Aus ∆V V = 3ε n (1 − 2ν) und d = ε n (1 + ν) folgt Relative Längenänderung durch Scherung

⏞⏞⏞⏞⏞ ∆V 3 (1 − 2ν) ⏞⏞∆a = ⏟⏟⏟V ⏟⏟⏟⏟ 2 (1 + ν) a Relative Volumenänderung durch Dekompression

oder auch ∆V 1 + 4ν ∆a = 3 (1 − ) . V 2(1 + ν ) a ⏟⏟⏟⏟⏟⏟⏟⏟⏟ Querkontraktionskorrektur

Dadurch erhält man ohne Beachtung der Querkontraktion G = achtung der Querkontraktion G=

3 2K

und mit Be­

3K(1 − 2ν) . 2(1 + ν)

Die drei Moduli lassen sich in eine Gleichung unterbringen. Aus E = 2G(1 + ν) und E = 3K(1 − 2ν) wird jeweils ν=

E − 1 und 2G

ν=

1 E (1 − ) . 2 3K

Dann folgt E 1 E − 1 = (1 − ) 2G 2 3K 󳨐⇒

E(3K + G) = 9GK

󳨐⇒

E E =3− G 3K 9GK . E= 3K + G

󳨐⇒

󳨐⇒

3EG = 9GK − EG

Die Querkontraktionszahl ist folgendermaßen beschränkt: Aus E = 3K(1 − 2ν) > 0 folgt (1 − 2ν) > 0 und daraus 0 < ν < 12 .

8.1 Der Zusammenhang zwischen den elastischen Konstanten |

51

Somit erhält man 0
1. μ < 2√Dm μ = 2√Dm μ > 2√Dm

Schwache Dämpfung. Das ergibt eine exponentiell fallende Kosinusfunktion. Kritische Dämpfung. Kritisch deswegen, weil man hier gerade keine Schwingung mehr erhält, sondern eine fallende Exponentialfunktion. Starke Dämpfung. Das entspricht wieder einer fallenden Exponentialfunktion.

̇ Bemerkung. Mit der Anfangsbedingung x(0) = v0 ist es möglich, dass die Amplitude eine Zeit lang über x0 liegt. Eine andere Schreibweise mit der Phasenverschiebung lautet μ

x(t) = e− 2m ⋅t ⋅

x0 √μ 2 + (2mωd )2 2mωd

⋅ cos (ωd t − arctan (

μ )) . 2mωd

Speziell für μ = 0 erhält man das bekannte Ergebnis x(t) = x0 ⋅ cos(ωt). Die Bewegung mit Dämpfung hinkt der Schwingung ohne Dämpfung mit einer Zeitverschiebung von δ hinterher. N Wir wählen: m = 2 kg, D = 150 m , μ = 2 Ns m , x 0 = 0,1 m (schwache Dämpfung). Dann ist x(t) = e− 2 ⋅t ⋅ 1

0,1√1200 1 ⋅ cos (√74,75t − arctan ( )) . 4√74,75 2√74,75

Aufgabe Bearbeiten Sie die Übung 16.

58 | 9 Schwingungen

9.5 Das gedämpfte Federpendel mit Gleitreibung Ein Körper gleitet auf einer festen Unterlage hin und her (Abb. 9.2). Verlangsamt sich ein Körper durch Reibung, z. B. an einer Unterlage, dann beträgt die Reibung wie be­ kannt FR = μ ⋅ mg. Aufgrund des Richtungswechsels ändert die Geschwindigkeit ihr Vorzeichen. Deswegen muss der Betrag der Reibung in der Rechtsbewegung negativ und in der Linksbewegung positiv in die Kräftebilanz aufgenommen werden.

Abb. 9.2: Skizze zum gedämpften Federpendel mit Gleitreibung

Daraus ergeben sich zwei DGLen für jede Teilbewegung Nach rechts

m ⋅ ẍ = −D ⋅ x − μ ⋅ mg , ẍ +

D ⋅ x = −μg . m

Nach links m ⋅ ẍ = −D ⋅ x + μ ⋅ mg , ẍ +

D ⋅ x = μg . m

Das Pendel wird beim Start um −l ausgelenkt. Als Lösung ergibt sich x1 (t) = C1 ⋅ sin (√

D D μmg t) + C2 ⋅ cos (√ t) − m m D

und x2 (t) = C3 ⋅ sin (√

D D μmg t) + C4 ⋅ cos (√ t) + . m m D

Aus den Anfangsbedingungen x1 (0) = −l und ẋ 1 (0) = 0 der ersten Rechtsbewegung folgt μmg μmg 󳨐⇒ C2 = −l + . −l = C2 − D D Aus D D D D ẋ 1 (t) = C1 ⋅ √ cos (√ t) − C2 ⋅ √ sin (√ t) m m m m mit ẋ 1 (0) = 0 ergibt sich C1 = 0.

9.5 Das gedämpfte Federpendel mit Gleitreibung |

59

Gesamthaft für die erste Rechtsbewegung ist x1 (t) = (−l +

D μmg μmg ) ⋅ cos (√ t) − . D m D

Die Distanz nach der ersten Rechtsbewegung ist gleich der Startdistanz der ersten Linksbewegung nach halber Periode: x2 (0) = x1 (√

m μmg μmg 2μmg ⋅π) = (−l + ) ⋅ cos π − =l− . D D D D

Das Pendel verliert nach halber Periode den Anfangsbedingungen x2 (0) = l −

2μmg D

2μmg D

an maximal möglicher Auslenkung. Aus

und

ẋ 2 (0) = 0

der ersten Linksbewegung folgt l−

μmg 2μmg = C4 + D D

󳨐⇒

C4 = l −

3μmg . D

Aus ẋ 2 (t) = C3 ⋅ √

D D D D cos (√ t) − C4 ⋅ √ sin (√ t) m m m m

mit ẋ 2 (0) = 0 ergibt sich C3 = 0. Gesamthaft für die erste Linksbewegung gilt x2 (t) = (l −

D 3μmg μmg ) ⋅ cos (√ t) + . D m D

Die erreichte Auslenkung beträgt x 2 (√

m 3μmg μmg 4μmg ⋅π) = (l − = −l + , ) ⋅ cos π + D D D D

usw.

Nach jeder halben Periode verliert das Pendel 2μmg D an Auslenkung. Die Distanzände­ rung erfolgt also im Sinne einer arithmetischen Folge und nicht exponentiell. Aufgabe Bearbeiten Sie die Übung 17.

10 Numerisches Lösen von Differenzialgleichungen 2. Ordnung In unseren Anwendungen haben wir teils Modelle betrachtet, bei denen Einflüsse ver­ nachlässigt wurden. Damit waren die entstandenen DGLen immer geschlossen lösbar. Nimmt man in das Modell zur genaueren Beschreibung eines Sachverhalts noch wei­ tere Effekte hinzu, dann wird die zugehörige DGL unter Umständen sehr schwer oder nicht mehr geschlossen lösbar sein. Die dazu vorgenommene Diskretisierung im 1. Band für DGLen 1. Ordnung übertragen wir auf DGLen 2. Ordnung. Beispiel 1. Gegeben: ÿ = 14 y. Gesucht: y = y(t) Die genaue Lösung lautet y(t) = C1 ⋅ e 2 t + C2 ⋅ e− 2 t . 1

1

̇ Nehmen wir als Anfangsbedingungen y(0) = 1 und y(0) = 0, dann folgt C1 = C2 = 12 . Die genaue Lösung ist dann y(t) =

1 1 1 1 ⋅ (e 2 t + e− 2 t ) = cosh ( t) . 2 2

(10.1)

Für DGLen zweiter Ordnung wenden wir einen einfachen Trick an und setzen ẏ 1 = y2 . Dann ist ÿ 1 = ẏ 2 = 14 y1 . Gesamthaft haben wir dann folgendes DGL-System zu lösen: ẏ 1 = y2 ẏ 2 =

1 y1 . 4

Aus physikalischer Sicht ist dann y1 (t) die Ortsfunktion und y2 (t) die Geschwindig­ keitsfunktion. Um die DGLen zu diskretisieren, schreiben wir dy1 = y2 dt und dy2 = 1 4 y 1 dt. Als Schrittlänge wählen wir dt = 0,1. Dann wird daraus y1i+1 − y1i = y2i ⋅ 0,1 und

y2i+1 − y2i =

1 y1i ⋅ 0,1 . 4

Bemerkung. Die Diskretisierung entspricht dem Euler-Verfahren, das für kleine Schrittlängen genügend genau ist. Für den TI-Nspire CX CAS lauten diese Vorschriften übersetzt so: y1i := y1i + 0,1 ⋅ y2i

https://doi.org/10.1515/9783110683820-010

und

y2i := y2i + 0,025 ⋅ y1i .

10 Numerisches Lösen von Differenzialgleichungen 2. Ordnung

|

61

Das zugehörige Programm für die numerische Lösung bekommt die Gestalt: Define DGL(n)= Prgm xa:= {x1i} ya:= {y1i} xb:= {x2i} yb:= {y2i} x1i:= 0 x2i:= 0 y1i:= 1 ̇ }(Anfangsbedingungen für y(0) und y(0)) y2i:= 0 For i,1, x1i:= x1i + 0.1 x2i:= x2i + 0.1 y1i:= y1i + 0.1 ⋅ y2i y2i:= y2i + 0.025 ⋅ y1i xa:= augment(xa,{x1i}) ya:= augment(ya,{y1i}) xb:= augment(xb,{x2i}) yb:= augment(yb,{y2i}) End For Disp xa, ya, xb, yb End Prgm Wir führen das Programm für n = 200 aus. Es ergibt sich eine sehr gute Übereinstimmung mit der exakten Lösung y(t) = cosh(0,5t) (Abb. 10.1).

Abb. 10.1: Simulation von (10.1)

62 | 10 Numerisches Lösen von Differenzialgleichungen 2. Ordnung Beispiel 2. Gegeben: ÿ = ( t+2 t ) ⋅ y. Gesucht: y = y(t). Mit den Anfangsbedingungen ̇ y(0) = 0 und y(0) = 1 lautet die genaue Lösung y(t) = t ⋅ e t

(10.2) t+2 ) ⋅ y1 . 󳨐⇒ ẏ 1 = y2 , ẏ 2 = ( t Das zugehörige Programm für die numerische Lösung mit der Schrittweite dt = 0,1 sieht so aus: Define DGL(n)= Prgm .. . Einzige Änderungen sind: y1i:= 0 y2i:= 1 .. . y2i.= y2i+0.1( x1i+2 x1i )y1i Wir führen das Programm für n = 200 aus. Die Übereinstimmung mit der exakten Lösung y(t) = t ⋅ e t ist wiederum sehr gut (Abb. 10.2). Die Genauigkeit kann beliebig verbessert werden, indem man kleinere Schrittweiten wählt. Dafür muss dann natürlich die Schrittzahl erhöht werden, um denselben Zeitbereich zu erfassen.

Abb. 10.2: Simulation von (10.2)

Aufgabe Bearbeiten Sie die Übungen 18–24.

11 Das Fadenpendel Eine Masse m hängt an einem dünnen, masselosen Faden der Länge l (Abb. 11.1 links). Der Auslenkwinkel beträgt φ und wird im Bogenmaß gemessen. Zur Zeit t hat die Mas­ se das Bogenstück b(t) = φ(t) ⋅ l durchlaufen. Es gilt: beschleunigende Kraft = rück­ treibende Kraft. Die rücktreibende Kraft ist die Tangentialkomponente der Gewichtskraft und zeigt in Gegenrichtung zur Bewegung. ̈ = −mg ⋅ sin φ(t) m ⋅ b(t)

󳨐⇒

̈ b(t)

̈ ⋅ l = −g ⋅ sin φ(t) φ(t)

󳨐⇒

̈ φ(t)

̈ + φ(t)

g ⋅ sin φ(t) = 0. l

= −g ⋅ sin φ(t) , g = − ⋅ sin φ(t) , l

Das ist die DGL des Fadenpendels. Diese ist nur für kleine Winkel φ geschlossen lös­ ̈ + gl ⋅ φ(t) = 0. Mit den bar, denn dann kann man sin φ ≈ φ setzen und erhält φ(t) ̇ Anfangsbedingungen φ(0) = φ0 und φ(0) = 0 ergibt sich die Lösung φ(t) = φ0 ⋅ cos (√

g ⋅ t) . l

Die Periode erhält man mittels √ gl ⋅ t = 2π zu T = 2π√ gl . Die Periode ist abhängig von der Länge des Fadens. Für eine genauere Lösung nehmen wir in der Taylor-Entwicklung für sin φ einen Term dazu: 3 sin φ ≈ φ − φ6 , was zu folgender DGL führt: φ̈ +

φ3 g ⋅ (φ − )=0, l 6

oder

φ̈ + ω20 φ −

ω20 3 φ =0, 6

wobei ω0 = √ gl . Ist φ(t = 0) = φ0 die größte Auslenkung, dann muss φ(t) eine ungerade Funktion sein. In erster Näherung machen wir deshalb den Ansatz φ(t) = φ0 cos(ωt) + ε ⋅ φ0 cos(3ωt)

mit unbekanntem ω .

Dabei ist ε ≪ 1 und somit ε ⋅ φ0 eine kleine Amplitudenänderung gegenüber φ0 . Den Ansatz entnehmen wir aus der Fourierentwicklung jeder beliebigen periodi­ schen Funktion ∞

f(t) = a0 + ∑ (a n sin(ωt) + b n cos(ωt)) . n=1

https://doi.org/10.1515/9783110683820-011

64 | 11 Das Fadenpendel

Abb. 11.1: Skizzen zum Fadenpendel

Natürlich kann man auch die neue DGL nicht geschlossen lösen, aber mit einigen Ver­ einfachungen ist ein Vergleich mit der harmonischen Lösung möglich. Den Ansatz für φ(t) setzen wir nun in die DGL ein. Zur besseren Übersicht schreiben wir die entste­ henden drei Terme untereinander auf: I.

φ̈

= −φ0 ω2 cos(ωt) − 9ε ⋅ ω2 φ0 cos(3ωt) ,

II. ω20 φ = φ0 ω20 cos(ωt) + ε ⋅ φ0 ω20 cos(3ωt) III. −

und

ω2 ω20 3 3 2 φ = − 0 (φ30 cos3 (ωt) + 3εφ ⏟⏟⏟⏟⏟⏟⏟⏟⏟⏟⏟⏟⏟⏟⏟⏟⏟⏟⏟⏟⏟⏟⏟⏟⏟⏟⏟⏟⏟⏟⏟⏟⏟⏟⏟⏟⏟⏟⏟⏟⏟⏟⏟⏟⏟⏟⏟ 0 cos (ωt) cos(3ωt) 6 6 vernachlässigen

2 3 + 3ε φ0 cos(ωt) cos2 (3ωt) + ⏟⏟⏟⏟⏟⏟⏟⏟⏟⏟⏟⏟⏟⏟⏟⏟⏟⏟⏟⏟⏟⏟⏟⏟⏟⏟⏟⏟⏟⏟⏟ ε3 φ30 cos3 (3ωt)) . ⏟⏟⏟⏟⏟⏟⏟⏟⏟⏟⏟⏟⏟⏟⏟⏟⏟⏟⏟⏟⏟⏟⏟⏟⏟⏟⏟⏟⏟⏟⏟⏟⏟⏟⏟⏟⏟⏟⏟⏟⏟⏟⏟⏟⏟⏟⏟⏟⏟⏟⏟ vernachlässigen

vernachlässigen

Weiter verwendet man noch cos(3x) = 4 cos3 x − 3 cos x

󳨐⇒

cos3 x =

cos(3x) cos x + . 4 4

Damit lautet die 3. Gleichung III. −

ω2 ω2 ω20 3 φ = − 0 φ30 cos(ωt) − 0 φ30 cos(3ωt) . 6 8 24

Addiert man alle drei Gleichungen, so ergibt die linke Seite Null, die Summe stellt ja gerade die zu lösendene DGL dar. Die rechte Seite wird (für alle t) Null, wenn die Koeffizienten von cos(ωt) und cos(3ωt) gleichzeitig Null werden. Das führt auf die zwei neuen Gleichungen ω20 3 φ = 0 und 8 0 ω2 − 9ε ⋅ ω2 φ0 + ε ⋅ ω20 φ0 − 0 φ30 = 0 . 24

IV. − ω2 φ0 + ω20 φ0 − V.

11.1 Die Energien des Fadenpendels | 65

Aus IV. folgt −ω2 + ω20 −

ω20 2 φ =0 8 0

󳨐⇒

ω2 = ω20 (1 −

󳨐⇒

ω = ω0 √1 −

φ20 ) 8

φ20 φ2 ≈ ω0 (1 − 0 ) , 8 16

wenn man noch √1 − x ≈ 1− 2x für |x| < 1, also eine weitere Linearisierung, verwendet. Insgesamt erhält man für die Frequenz ω(φ0 ) ≈ √

φ2 g ⋅ (1 − 0 ) l 16

oder

ω(φ0 ) ≈ √

φ2 g √ ⋅ 1− 0 . l 8

ω2

Aus V. folgt −9ε ⋅ ω2 + ε ⋅ ω20 − 240 φ20 = 0. Um ε zu bestimmen, stände uns jetzt das Ergebnis für ω zur Verfügung. Trotzdem wählen wir die etwas gröbere Näherung ω ≈ ω0 , was zu −8ε ⋅ ω20 + und schließlich ε =

φ 20 192

ω20 2 φ =0 24 0

führt. Unsere Lösung lautet somit

φ(t) = φ0 (cos (√

φ2 φ2 φ2 g g ⋅ (1 − 0 ) t) + 0 ⋅ cos (3√ ⋅ (1 − 0 ) t)) . l 16 192 l 16

Eine Unabhängigkeit der Frequenz von der Amplitude hat man sozusagen nur für φ0 = 0. Somit gilt: Je größer die Auslenkung, umso kleiner ist die Frequenz und umso größer ist die Schwingungsdauer T. Man sieht an diesem Beispiel, dass man bei den vielen Vereinfachungen und Li­ nearisierungen bald den Überblick verliert. Untersucht man Schwingungen qualita­ tiv, so genügt als Beschreibung die harmonische Lösung. Sind exakte Lösungen für Anwendungszwecke gefragt, die eine genaue Kenntnis der Frequenz erfordern, dann braucht es numerische Verfahren.

11.1 Die Energien des Fadenpendels Es gilt Epot = mgh = mg(l−l cos φ) = mgl(1−cos φ). Bricht man die Taylorentwicklung von cos φ nach dem 2. Term ab, dann ist cos φ ≈ 1 − Für kleine Winkel hat man dann Epot =

φ2 2 .

g 1 1 mglφ2 = mglφ20 cos2 (√ t) . 2 2 l

Weiter ist Ekin =

g 1 1 1 mv2 = m(l ⋅ φ)̇ 2 = mglφ20 sin2 (√ t) . 2 2 2 l

66 | 11 Das Fadenpendel

Dies ist wieder die übliche Zerlegung der Energien einer periodischen Bewegung. Schließlich beträgt die gesamte Energie E=

1 mglφ20 . 2

Ergänzung Stellt man das Gerüst eines Fadenpendels auf eine rotierende Scheibe, dann hat man das Modell des Foucault’schen Pendels, mit dessen Hilfe die Rotation der Erde ge­ zeigt werden kann (Abb. 11.1 rechts). Am Nordpol aufgestellt, wird die Rotation der Erde über das Pendel am deutlichsten. Am Äquator ist die Rotation über die Pendel­ schwingung nicht sichtbar. Ohne Ablenkung ist φ(t)l = φ0 l ⋅ cos(ωt)

oder

y(t) = y0 ⋅ cos(ωt) .

Mit der Ablenkungswinkelgeschwindigkeit φ hat man x∗ (t) = y0 ⋅ cos(ωt) sin(φt)

und

y∗ (t) = y0 ⋅ cos(ωt) cos(φt) .

Nehmen wir y0 = 1 m, l = 9,81 m 󳨐⇒ ω = √ gl = 1. Weiter ist T = 86.400 s, somit 2π und man erhält φ = 86.400 x∗ (t) = cos(t) sin ( Der Graph ist eine Rosette. Aufgabe Bearbeiten Sie die Übung 25.

2π t) , 86.400

y∗ (t) = cos(t) cos (

2π t) . 86.400

12 Das physikalische Pendel Beim Fadenpendel wird die Masse des Fadens vernachlässigt und es schwingt ledig­ lich die angehängte Masse. Beim physikalischen Pendel wird die gesamte Masse in Schwingung versetzt und der Drehpunkt befindet sich auf dem Körper selbst (Abb. 12.1 links). Die kinetische Energie Ekin eines Körpers der Masse m und der Geschwindigkeit v beträgt Ekin = 12 mv2 . Dreht sich ein Körper um eine feste Achse, so haben seine Mas­ seteilchen unterschiedliche Geschwindigkeiten aber eine konstante Winkelgeschwin­ digkeit ω. Ist r der Abstand des Masseteilchens dm zur Drehachse, so hat dieses Teil­ chen die Geschwindigkeit v = r⋅ω und seine kinetische Energie, oder Rotationsenergie in diesem Fall, beträgt dErot = 12 r2 ω2 dm. Die gesamte Rotationsenergie des Körpers m ist dann Erot = 12 ω2 ∫0 r2 dm, wobei über die ganze Masse zu integrieren ist. Vergleicht man die Formel für die kinetische Energie mit derjenigen der Rotati­ onsenergie, so sieht man, dass die Masse m im letzteren Fall durch das sogenannte m Massenträgheitsmoment J = ∫0 r2 dm ersetzt wird. Die Einheit von J beträgt [kg ⋅ m2 ]. Das Trägheitsmoment J muss für jeden Körper einzeln berechnet werden. J entspricht der bewegten Masse. Auf den Körper wirkt das rücktreibende Drehmoment M = −mg ⋅ s ⋅ sin α. M lässt sich aber auch anders ausdrücken: Der Drehimpuls beträgt L = J ⋅ ω = J ⋅ φ.̇ Dann gilt für das Drehmoment M = J ⋅ φ.̈ Insgesamt erhält man die DGL J ⋅ φ̈ = −mg ⋅ s ⋅ sin φ

oder

φ̈ +

mg ⋅ s ⋅ sin φ = 0 . J

Das ist die DGL des physikalischen Pendels. Dabei ist das Trägheitsmoment J definiert als (Abb. 12.1 mitte) m

J = ∫ r2 dm . 0

Abb. 12.1: Skizzen zum physikalischen Pendel https://doi.org/10.1515/9783110683820-012

68 | 12 Das physikalische Pendel

Bei konstanter Dichte ρ folgt V

J = ρ ⋅ ∫ r2 dV . 0

Als Beispiel nehmen wir einen dünnen Stab der Länge l (Abb. 12.1 rechts). V

l −s 2

l +s 2

0

0

m m J = ρ ⋅ ∫ r dV = ⋅ ∫ r2 dr + ⋅ ∫ r2 dr l l 2

0

3 3 l l m l l m −s +s ⋅ ([r3 ]02 + [r3 ]02 ) = ⋅ (( − s) + ( + s) ) = 3l 3l 2 2

=

m l3 l3 l2 l l2 l ⋅ ( − 3 s + 3 s2 − s3 + + 3 s + 3 s2 + s3 ) 3l 8 4 2 8 4 2

=

l3 l2 + 12s2 m 2 m m ⋅ ( + 3ls2 ) = ⋅( )= (l + 12s2 ) 3l 4 3 4 12

(bewegte Masse)

Daraus folgt, dass die Schwingungsdauer massenunabhängig ist: T = 2π√

12s g. (l2 + 12s2 )

12.1 Die Energien des physikalischen Pendels Es gilt Epot = mgh = mg(s − s cos φ) = mgs(1 − cos φ) ,

Ekin =

1 J(φ)̇ 2 . 2

Mit denselben Überlegungen wie beim Fadenpendel erhält man Epot =

g 1 mgsφ20 cos2 (√ t) , 2 l

Ekin =

g 1 mgsφ20 sin2 (√ t) , 2 l

E=

1 mgsφ20 . 2

12.2 Der Satz von Steiner Bevor wir zu weiteren Pendeln fortschreiten, beweisen wir kurz einen Satz, der uns er­ laubt, Massenträgheitsmomente eines Körpers zu bestimmen, dessen Drehachse par­ allel zum Schwerpunkt des Körpers verläuft. Wir setzen den Ursprung unseres Koordi­ natensystems in den Schwerpunkt des Körpers und denken uns den Körper in dünne Scheiben senkrecht zur Drehachse zerlegt. Dargestellt ist eine davon (Abb. 12.2). Durch den Punkt A verlaufe die parallele Drehachse.

12.2 Der Satz von Steiner

| 69

Abb. 12.2: Skizze zum Satz von Steiner

Der Abstand eines beliebigen Massenstückchens dm im Punkt P(x i , y i ) zur Achse durch A ist gleich dem Abstand PA = √(x i − x A )2 + (y i − y)2 . Dann gilt für das Massenträgheitsmoment bezüglich A für die Scheibe m

J A = ∫(x i − x A )2 + (y i − y)2 dm . 0

Man erhält nun denselben Ausdruck, wenn man über alle Massestückchen integriert, denn entsprechende Abstände werden mit entsprechenden Vielfachheiten derjenigen Massestückchen gezählt, die denselben Abstand zur Drehachse durch A haben. Dann folgt für das gesamte Trägheitsmoment m

J A = ∫(x2i − 2x i x A + x2A + y2i − 2y i y A + y2A ) dm 0 m

=

∫(x2i

m

+

y2i ) dm

m

− 2x A ∫ x i dm − 2y A ∫ y i dm

0

0

0

+ (x2A

+

m 2 yA ) ∫

dm

0

= J S − 0 − 0 + m ⋅ a2 . Der erste Term ist das Trägheitsmoment bezüglich des Schwerpunkts. Die beiden mitt­ leren Terme sind Null, weil diese der Definition des Massenmittelpunkts der x- und y-Koordinate entsprechen. Dies ergibt gerade die Schwerpunktskoordinaten, die Null sind. x2A + y2A ist der quadratische Abstand von A zu S. Schließlich folgt J A = J S + ma2 , wobei a = AS ist. Beispiel. Ein dünner Halbkreis mit dem Radius R schwingt um den Punkt D (Abb. 12.3 links). Zuerst berechnen wir die Lage des Schwerpunkts S. Für eine Fläche A unter einer Kurve y = f(x) gilt xs =

A 1 x dy dx , A 0

summiert über alle möglichen Rechtecke.

70 | 12 Das physikalische Pendel

Abb. 12.3: Skizzen zum Beispiel des physikalischen Pendels

Man erhält xs =

b b b A 1 1 1 1 y ⋅ ∫ xy dx = ⋅ ∫ xf(x) dx und y s = y dy dx = ⋅ ∫ y dx A A A A 2 a

0

a

a

b

=

1 ⋅ ∫ f 2 (x) dx . 2A a

Für den Halbkreis gilt f(x) = √R2 − x2 und x S = 0. Folglich hat man R

b

1 2 ys = ∫ f 2 (x) dx = ∫(R2 − x2 ) dx 2A πR2 a

0

x3

R

2 2 R3 2R3 4R 2 2 3 [R x − = (R − ⋅ ] ) = = . 3 0 πR2 3 3 3π πR2 πR2

=

Als Nächstes bestimmen wir das Trägheitsmoment bezüglich D (Abb. 12.3 rechts): m

A 2

2

J = ∫ a dm = ρ ⋅ ∫ a dA = 0

0

m πR 2 2

R

=

π R

⋅ ∫ ∫ r2 ⋅ r ⋅ dφ dr 0 0 R

2m 2m r4 2m R4 1 3 = mR2 . ⋅ π r ⋅ dr = ⋅ = ⋅ ∫ ] [ 4 0 2 πR2 R2 R2 4 0

Damit lautet die DGL φ̈ +

mg ⋅

4R 3π 1 2 2 mR

⋅ sin φ = 0

󳨐⇒

Für die Näherungslösung mit φ0 = φ(t) =

φ̈ + π 6

16g ⋅ sin φ = 0 , 3π

falls

R=0,

erhält man

16g π cos (√ t) 6 3π

mit

T=

π 3π √ ≈ 1,54 s . 2 g

5m .

12.2 Der Satz von Steiner

| 71

Die Bewegung des Schwerpunkts S beschreiben wir mit Hilfe der Parameterform x(t) = s ⋅ cos φ =

16g ] π 4R ⋅ cos [ cos (√ t) , 3π 6 3π [ ]

y(t) = s ⋅ sin φ =

16g ] 4R π ⋅ sin [ cos (√ t) . 3π 6 3π [ ]

Die Gleichung des Kreises für den Schwerpunkt ergibt sich aus x2 + y2 = s2 . Man erhält y = −√ 9π4 2 − x2 , wobei −

π 2 π 2 ⋅ sin ≤ x ≤ ⋅ sin 3π 6 3π 6

Aufgabe Bearbeiten Sie die Übung 26.

oder



1 1 ≤x≤ . 3π 3π

13 Das Rollpendel Als solches bezeichnet man einen beliebigen Teil eines wippenden Zylinders. Vorerst stellen wir uns den Teil einer dünnen Kreisscheibe mit Radius R vor, die um den Win­ kel φ0 ausgelenkt wird und hin und her wippt (Abb. 13.1 links). Wie bekannt beschrei­ ben die Koordinaten des Schwerpunkts eine Zykloide. Es gilt x S (t) = R ⋅ φ(t) − a ⋅ sin φ(t)

und

y S (t) = R − a ⋅ cos φ(t) . Dabei ist a der Abstand vom Mittelpunkt M der Kreisscheibe zum Schwerpunkt S. Für die Geschwindigkeitskoordinaten folgt ̇ − a ⋅ φ(t) ̇ ⋅ cos φ(t) = φ(t) ̇ ⋅ (R − a ⋅ cos φ(t)) ẋ S (t) = R ⋅ φ(t)

und

̇ ⋅ sin φ(t) . ẏ S (t) = −a ⋅ φ(t) Durch die Auslenkung nimmt die Energie zu und zwar sowohl die kinetische Energie, als auch die Rotationsenergie und die potenzielle Energie (bezogen auf den Schwer­ punkt, Abb. 13.1 mitte, Abb. 13.1 rechts). Man erhält Ekin = = = Erot = Epot =

1 2 1 mv = m ⋅ (ẋ 2s (t) + ẋ 2s (t)) 2 2 1 2 m φ̇ ⋅ (R2 − 2aR ⋅ cos φ + a2 cos2 φ + a2 sin2 φ) 2 1 m φ̇ 2 ⋅ (R2 + a2 − 2aR ⋅ cos φ) , 2 1 2 und J φ̇ 2 mg ⋅ (R − a ⋅ cos φ) .

Insgesamt ergibt sich Etotal =

1 2 φ̇ (J + m ⋅ (R2 + a2 − 2aR ⋅ cos φ)) + mg(R − a ⋅ cos φ) . 2

Abb. 13.1: Skizzen zum Rollpendel https://doi.org/10.1515/9783110683820-013

13 Das Rollpendel | 73

Die Energie bleibt erhalten, also Etotal = konst. Deswegen muss

dE total dt

= 0 sein. Es folgt

1 ⋅ (2φ̇ φ̈ ⋅ (J + m ⋅ (R2 + a2 − 2aR ⋅ cos φ)) + φ̇ 2 ⋅ 2maR ⋅ φ̇ sin φ) + mga ⋅ φ̇ sin φ = 0 2 󳨐⇒ (J + m ⋅ (R2 + a2 − 2aR ⋅ cos φ)) ⋅ φ̈ + maR ⋅ sin φ ⋅ φ̇ 2 + mga ⋅ sin φ = 0 . Dies ist die DGL des Rollpendels mit noch unbestimmtem Trägheitsmoment J. Das nächste Problem ist die Berechnung des Massenträgheitsmomentes J (Abb. 13.2). Dazu muss man beachten, dass der Drehpunkt D beim Abrollen auf dem Umfang des Kreises wandert. Der Abstand SD ist dann nicht mehr konstant, sondern eine Funktion von φ, also SD(φ). Es ist SD(φ) = √(Rφ − x s )2 + y2s = √(a ⋅ sin φ)2 + (R − a ⋅ cos φ)2 = √R2 + a2 − 2aR ⋅ cos φ. Dies ist nichts anderes als der Kosinussatz im Dreieck MDS. Nach dem Satz von Steiner gilt J D = J S + m ⋅ SD(φ)2 = J S + m ⋅ (R2 + a2 − 2aR ⋅ cos φ) . Setzt man dieses Ergebnis oben ein, so folgt schließlich die DGL des Rollpendels für den beliebigen Teil einer Kreisscheibe mit Schwerpunkt S: (J S + 2m ⋅ (R2 + a2 − 2aR ⋅ cos φ)) ⋅ φ̈ + maR ⋅ sin φ ⋅ φ̇ 2 + mga ⋅ sin φ = 0 . Als Beispiel betrachten wir jetzt einen Halbkreis. Somit liegt M auf dem oberen Rand 1 2 und nach Übung 29 ist a = 4R 3π und J M = 2 mR . Wieder gilt nach dem Satz von Steiner J M = J S + m ⋅ a2 . Daraus wird JS = JM − m ⋅ (

4R 2 R2 4R 2 ) = m⋅( −( ) ) 3π 2 3π

(das ist die bewegte Masse) .

Setzt man dieses Ergebnis in die DGL ein, so folgt m⋅(

R2 4R 2 − ( ) + 2(R2 + a2 − 2aR ⋅ cos φ)) ⋅ φ̈ + maR ⋅ sin φ ⋅ φ̇ 2 + mga ⋅ sin φ = 0 . 2 3π

Die Lösung der DGL ist nur numerisch möglich. Deswegen beschränken wir uns auf kleine Auslenkungen des Winkels φ. Dann folgt nacheinander i) sin φ ≈ φ, ii) cos φ ≈ 1 und iii) φ̇ ≈ 0.

Abb. 13.2: Skizzen zum Massenträgheitsmoment des Roll­ pendels

74 | 13 Das Rollpendel

Die obige DGL reduziert sich dann zu m⋅(

4R 2 R2 − ( ) + (R − a)2 ) ⋅ φ̈ + mga ⋅ φ = 0 2 3π

oder schließlich φ̈ = −

ga 2 ( R2



2 ( 4R 3π )

+ (R − a)2 )

⋅φ.

Dies ist die DGL einer Halbkreisscheibe als Rollpendel für kleine Auslenkungen. Aufgabe Bearbeiten Sie die Übungen 27–32.

14 Verdrehungen und das Torsionspendel Als Erstes betrachten wir einen Stab, der durch eine Kraft verschoben oder verdreht (tordiert) wird (Abb. 14.1). Wir definieren die Torsions- oder Schubspannung zu τ := AF (analog zur Biegespannung eines Balkens, Übung 10). Es gilt tan φ = ∆x l . Für kleine Auslenkungen kann man tan φ ≈ φ setzen, ansonsten müsste man 2 5 weitere Terme der Entwicklung tan φ = φ + 13 φ3 + 15 φ + ⋅ ⋅ ⋅ hinzunehmen.

Abb. 14.1: Skizze zur Definition der Torsion

Versuche zeigen, dass τ prop φ ist. Man erhält so das Hooke’sche Gesetz τ = G ⋅ φ. G heißt Torsions- oder Schubmodul und ist eine Materialkonstante, analog zum Elasti­ zitätsmodul beim Balken. Wir beschränken uns im Folgenden auf einen dünnen Draht in Form eines Zylinders (Abb. 14.2). Dieser sei an einem Ende fest eingespannt, habe die Länge l, den Radius R und werde am freien Ende mit einem Drehmoment M senk­ recht zu seiner Längsachse belastet. Wir denken uns den Draht in unendlich feine Hohlzylinder der Dicke dr zerlegt. Durch die Torsion werden die dünnen Querschnit­ te gegeneinander verdreht. Ist der Draht homogen gebaut, so wird die Änderung von φ entlang der x-Richtung linear zunehmen, also φ󸀠 (x) = konst. Ansonsten, wenn der Draht z. B. unten weicher als oben ist, wird φ󸀠 (x) ≠ konst. sein.

Abb. 14.2: Skizzen zur Torsion https://doi.org/10.1515/9783110683820-014

76 | 14 Verdrehungen und das Torsionspendel

Abb. 14.3: Skizzen zur Torsionsspannung und zum polaren Flächenmoment

Wir betrachten ein Drahtstück mit der Länge dx und einem Radius r < R etwas genauer (Abb. 14.3 links). Uns interessieren folgende drei Größen als Funktion der Stel­ le x < l: Der Torsionswinkel φ(x), der Verdrillungswinkel α(x) und das Torsionsmo­ ment MT (x). Die Verdrehung um dφ verursacht eine Verschiebung des Punktes A nach A∗ , bei schon bestehendem φ(x). Dies entspricht einer Verdrehung der Mantellinie um den Winkel α(x). Es gilt dφ = r ⋅ φ󸀠 (x) . r ⋅ dφ = α(x) ⋅ dx 󳨐⇒ α(x) = r ⋅ dx Für die Torsionsspannung an der Stelle x hat man τ(x) = G ⋅ α(x) = G ⋅ r ⋅ φ󸀠 (x). Sowohl die Torsionsspannung als auch das Torsionsmoment sind am Rand am größten. Beide Größen sind eigentlich eine Funktion von x und r. Für ein kleines Dreh­ momentstück an der Stelle x gilt dMT (x) = dF ⋅ r = τ(x) ⋅ r ⋅ dA = G ⋅ r2 ⋅ φ󸀠 (x) ⋅ dA . Für das gesamte Torsionsmoment an der Stelle x erhält man A 󸀠

MT (x) = G ⋅ φ (x) ⋅ ∫ r2 dA

oder

MT (x) = G ⋅ Ip ⋅ φ󸀠 (x) .

0 A

Ip = ∫0 r2 dA heißt polares Flächenmoment. Zuerst berechnen wir Ip für einen Kreis mit Radius R (Abb. 14.3 rechts). A

2π R

R

Ip = ∫ r2 dA = ∫ ∫ r2 ⋅ r ⋅ dφ dr = 2π ∫ r3 ⋅ dr 0

0 0 R

0

r4 R4 π 4 = 2π ⋅ [ ] = 2π ⋅ = R . 4 0 4 2 Ist unser Draht homogen, dann ist also φ(x) = φl x und φ󸀠 (x) = φl . Es folgt π φ G π M T = G ⋅ R4 ⋅ = ⋅ R4 ⋅ φ = D ⋅ φ . 2 l l 2

14 Verdrehungen und das Torsionspendel | 77

D heißt Direktionsmoment. Die Abhängigkeit des Torsionsmomentes von Länge l und Radius R ist deswegen bemerkenswert, weil der Radius mit der 4. Potenz gewichtet ist. Nun betrachten wir das Torsionspendel (Abb. 14.4 links). Der Draht sei am oberen Ende fest verankert. Am unteren Ende hängt eine zylindrische Masse m mit Radius R M . Diese wird um den Winkel φ0 ausgelenkt und vollführt Torsionsschwingungen. Der Draht reagiert auf das äußere Drehmoment mit einem Rückstellmoment MR = −J ⋅ φ.̈ Für kleine Verdrillungen ist das Rückstellmoment proportional zum Verdrillungswin­ kel φ, nämlich −Dφ. Damit erhält man die DGL des Torsionspendels φ̈ + DJ φ = 0 mit der Lösung D φ(t) = φ0 ⋅ cos (√ t) . J 1 √J Die Periodendauer ist T = 2π D. Als Nächstes wollen wir einige Trägheitsmomente bestimmen. Zuerst für eine Kreisscheibe (Abb. 14.4 rechts): V

h 2π R

m J = ρ ∫ a dV = ∫ ∫ ∫ r2 ⋅ r ⋅ dφ dr dh πR2 h 2

0

0 0 0

R

=

R

m 2m r4 2m R4 1 = mR2 . 2πh ∫ r3 ⋅ dr = 2 ⋅ [ ] = 2 ⋅ 2 4 0 4 2 πR h R R 0

Man erhält also dasselbe Trägheitsmoment wie für eine dünne Scheibe. Auch ein dün­ ner Kreissektor oder ein Teilzylinder hätten immer dasselbe Massenträgheitsmoment. Zusammen mit Obigem folgt die DGL eines Torsionspendels mit zylindrischem Draht der Länge l, Radius RD und Torsionsmodul G und zylindrischer Masse m und Radius RM : 1 G π mR2M ⋅ φ̈ = ⋅ ⋅ R4D φ 2 l 2

Aufgabe Bearbeiten Sie die Übungen 33–39.

Abb. 14.4: Skizzen zum Torsionspendel

oder

φ̈ +

G ⋅ π ⋅ R4D l ⋅ m ⋅ R2M

⋅φ=0.

78 | 14 Verdrehungen und das Torsionspendel

Abb. 14.5: Skizzen zur Federkonstanten

Mit Hilfe der Herleitung des Torsionsmomentes eines Drahts sind wir auch in der La­ ge, eine Schraubenfeder genauer unter die Lupe zu nehmen (Abb. 14.5 links). Bisher hatten wir eine solche Feder mit der Federkonstanten D charakterisiert. Diese ist aber keine Materialkonstante, sondern vereint in sich die Abhängigkeit folgender Größen: Radius RD des Drahtes, Radius RF der Federwindung und die Anzahl n der Windun­ gen (oder die Länge der Feder, was gleichwertig wäre). Unser Ziel ist es, aus F = D ⋅ y (y ist die Auslenkung), die Federkonstante D = Fy zu bestimmen. Wir betrachten ein kleines Federringstück dx (Abb. 14.5 rechts). Die Verdrehung um dφ bewirkt ein Absenken des Federrings um die Strecke dy. Es gilt dy dφ dy = RF ⋅ dφ 󳨐⇒ = RF ⋅ . dx dx Mit der Definition des Drehmomentes MT = F ⋅ RF und MT (x) = G ⋅ Ip ⋅ φ󸀠 (x) folgt R2 ⋅ F dy dφ MT = F = RF ⋅ = RF ⋅ dx dx G ⋅ Ip G ⋅ Ip y

󳨐⇒

l

∫ dy = ∫ 0

0

R2F ⋅ F dx G ⋅ Ip

󳨐⇒

Das polare Flächenmoment Ip = D=

y= π 4 2 RD

R2F ⋅ F R2 ⋅ F 2πn ⋅ R3F ⋅ F ⋅l= F ⋅ 2πRF ⋅ n = . G ⋅ Ip G ⋅ Ip G ⋅ Ip

führt zur Federkonstanten

G ⋅ 2π R4D G ⋅ R4D G ⋅ Ip F = = . = y 2πn ⋅ R3F 2πn ⋅ R3F 4 ⋅ n ⋅ R3F

Die Federkonstante einer Schraubenfeder ist also abhängig vom Radius des Drahtes, dem Windungsradius der Feder und der Anzahl der Windungen. Somit hat man drei Parameter, um die Feder je nach Bedürfnis herzustellen. Eine Randbedingung könnte

14.1 Die Energien des Torsionspendels |

79

beschränkter Platz sein, dann würde man eine dicke Feder nehmen. Die Windungs­ zahl würde man wohl grundsätzlich klein halten, weil die Feder sonst schnell kippen und ausbrechen würde. Bemerkung. Für ein Prisma kann man folgenden Zusammenhang herleiten: m

V

A

2

h

2

2

J = ∫ r dm = ρ ∫ r dV = ρ ∫ r dA ∫ dx = ρIp h . 0

0

0

0

Voraussetzung dafür ist, dass man das Volumenintegral in ein Flächen- und ein Hö­ henintegral zerlegen kann. Speziell für eine Kreisscheibe ist 1 π mR2 = ρ ⋅ R4 ⋅ h 2 2

⇐⇒

m = ρ ⋅ πR2 ⋅ h

⇐⇒

m=ρ⋅V ,

was richtig ist.

14.1 Die Energien des Torsionspendels Zuerst die Verallgemeinerung: Die potenzielle Energie rührt von der Verdrehung des Drahtes her und entspricht der potenziellen Energie der angehängten Masse. Aus der Herleitung ist bekannt: MT (x) = GIp φ󸀠 (x) = GIp

dφ = D dφ . dx

Dann hat man dEpot =

1 1 GIp 1 dφ 2 D dφ2 = ⋅ dφ2 = ⋅ GIp ( ) dx . 2 2 dx 2 dx

Für die gesamte potenzielle Energie gilt l

Epot =

1 ⋅ GIp ∫(φ󸀠 )2 dx 2

(Ip des Drahtes) .

0

Weiter ist dEkin =

1 1 dmv2 = dmr2 (φ)̇ 2 2 2 m

󳨐⇒

Ekin =

m

1 1 1 ∫ r2 dm(φ)̇ 2 = ∫ r2 dm(φ)̇ 2 = J(φ)̇ 2 2 2 2 0

0

Speziell für einen homogenen Draht ist φ(x) =

φ l x.

(J der angehängten Masse) .

80 | 14 Verdrehungen und das Torsionspendel Man kann direkt Epot = meinerung:

Epot

1 2 2 Dφ

benutzen. Dasselbe erhält man mit der Verallge­

l

l

l

0

0

0

φ 2 1 1 1 GIp 1 GIp 2 1 φ = Dφ2 . = ⋅ GIp ∫(φ󸀠 )2 dx = ⋅ GIp ∫ ( ) dx = ⋅ 2 φ2 ∫ dx = ⋅ 2 2 l 2 l 2 l 2

Auf alle Fälle hat man dann Epot =

D 1 Dφ20 cos2 (√ t) . 2 J

Weiter ist Ekin =

1 J(φ)̇ 2 2

󳨐⇒

Ekin =

D 1 Dφ20 sin2 (√ t) 2 J

und

E=

1 GIp 2 1 Dφ20 = ⋅ φ . 2 2 l 0

Wir haben in den obigen Energien die Mitbewegung des Drahtes vernachlässigt. Dafür muss man die Abhängigkeit von φ von Ort und Zeit berücksichtigen: φ(x, t) =

D φ0 φ x= cos (√ t) ⋅ x . l l J

Deswegen schreibt man hier l

1 = ρIp ∫(φ)̇ 2 dx . 2

Ekin Draht

0

Die kinetische Energie des Drahtes wäre: m

Ekin Draht =

V

0

0 l

l

D 1 1 1 = ρIp ∫(φ)̇ 2 dx = ρIp ∫(φ)̇ 2 dx = ρIp 2 2 2 J 0

=

A

l

0

0

1 1 1 ∫ r2 dmDraht (φ)̇ 2 = ρ ∫ r2 dVDraht (φ)̇ 2 = ρ ∫ r2 dADraht ∫(φ)̇ 2 dx 2 2 2

1 D ρIp 2 J

J=ρI p l

=

0

φ20 l2

φ20

φ20 l2

l

D sin (√ t) ∫ x dx J 2

D D D l2 1 sin2 (√ t) ⋅ = ρIp sin2 (√ t) J 2 2 J 2 J

D 1 D φ20 sin2 (√ t) . 2 l 2 J

0

14.1 Die Energien des Torsionspendels |

Die vollständige Energiebilanz sieht so aus: Epot =

D 1 Dφ20 cos2 (√ t) , 2 J

Ekin =

D D 1 1 D φ20 Dφ20 sin2 (√ t) + sin2 (√ t) 2 J 2 l 2 J =

E=

D 1 1 φ2 D (1 + ) 0 sin2 (√ t) 2 l 2 J

und

1 GIp 1 1 1 D (1 + ) φ20 = ⋅ (1 + ) φ20 . 2 l 2 l l

81

15 Elektrische Schwingkreise Damit man den elektrischen Schwingkreis versteht, müssen zuerst die einzelnen Bau­ steine erklärt werden. Wir betrachten als Erstes einen Kondensator (elektrischer Ener­ giespeicher), der schon bis zu einer Spannung U0 aufgeladen ist (Abb. 15.1 links). Nun wird der Stromkreis unterbrochen, so dass sich der Kondensator über einen Wider­ stand entlädt. (Eine Anwendung wäre das Blitzlicht. Die Aufladung des Kondensators erfolgt dann über die Batterie. Die Batterie selber könnte in solch kurzer Zeit die er­ forderliche Energie nicht liefern, der Kondensator schon.) Wir wollen berechnen, wie sich die Spannung im Kondensator mit der Zeit ändert. Nach der Maschenregel gilt U R (t) + U C (t) = 0

oder

R ⋅ I(t) + U C (t) = 0 .

(15.1)

Außerdem ist UC =

Q Ladung = C Kapazität

󳨐⇒

dU(t) 1 dQ(t) 1 = ⋅ = ⋅ I(t) dt C dt C

󳨐⇒

I(t) = C ⋅ U̇ C (t) .

Dieses Ergebnis setzen wir in die Gleichung (15.1) ein und erhalten die DGL RC ⋅ U̇ C (t)+ t U C (t) = 0 mit dem Lösungsansatz U C (t) = C1 ⋅ e− RC . Sei U0 die Spannung zu Beginn der Entladung, dann folgt U C (0) = U0 = C1 . Dies führt zu U C (t) = U0 ⋅ e− RC , t

U R (t) = −U C (t) .

Im Vergleich dazu soll der Kondensator nun von der Spannung U = 0 mit einer kon­ stanten Spannung U1 aufgeladen werden (Abb. 15.1 rechts). Wieder wollen wir berech­ nen, wie sich die Spannung im Kondensator mit der Zeit ändert. Es gilt U R (t) + U C (t) = U1 . Wie eben folgt RC ⋅ U̇ C (t) + U C (t) = U1 . Abgeleitet nach der Zeit führt dies auf die DGL RC ⋅ Ü C (t) + U̇ C (t) = 0 mit dem Lösungsansatz t U̇ C (t) = C1 ⋅ e− RC . t Daraus erwächst U C (t) = −RC ⋅ C1 ⋅ e− RC + C2 . Die Anfangs- und „Endbedingung“ lauten U C (0) = 0 und U C (∞) = U1 . Daraus folgen 0 = −RC ⋅ C1 + C2 und U1 = C2 . Zusammen also U C (t) = U1 ⋅ (1 − e− RC ) , U R (t) = U1 ⋅ e− RC . t

Abb. 15.1: Skizzen zum Entladen und Aufladen eines Kondensators https://doi.org/10.1515/9783110683820-015

t

15 Elektrische Schwingkreise

| 83

Jetzt betrachten wir einen Stromkreis, bei dem der Kondensator schon aufgeladen ist und sich vorerst noch verlustfrei über eine Spule entlädt (Abb. 15.2 links). Dabei fließt ein Strom, durch dessen Änderung sich ein Magnetfeld in der Spule aufbaut. Durch Änderung des Magnetfeldes wiederum wird eine Spannung erzeugt (Induktion), bis die gesamte elektrische Energie des Kondensators in magnetische Energie umgewan­ delt wird. Durch die Selbstinduktion fließt der Strom in die andere Richtung und lädt den Kondensator wieder auf. Dieser Prozess wiederholt sich in unglaublich kurzer Zeit. Es wird also ein Wechselstrom erzeugt (Anwendung: Abstimmen eines Senders bei Radio- und Fernsehempfang oder Filtern und Unterdrücken einer Störung). Wir wollen berechnen, wie sich der Stromfluss I(t) sowie die Spannungen U L (t) und U C (t) in der Spule und im Kondensator mit der Zeit ändern. ̇ Nach der Maschenregel gilt U L (t) + U C (t) = 0. Für eine Spule ist U L (t) = L ⋅ I(t). Somit folgt ̇ + U C (t) = 0 (L: Induktivität; Einheit Henry) . L ⋅ I(t) Die zeitliche Ableitung führt zu ̈ + U̇ C (t) = 0 L ⋅ I(t) ̈ + Die entstehende DGL I(t)

I(t) LC

󳨐⇒

̈ + L ⋅ I(t)

I(t) =0. C

= 0 hat die Lösung

I(t) = I0 ⋅ cos (√

1 ⋅ t) , LC

̇ = 0 sein soll. Für die Periode T gilt T = 2π√LC. wobei I0 = I(0) und I(t) Die Spannung U C (t) ergibt sich durch Integration: t

U C (t) = ∫

I(t) L 1 dt = I0 √ ⋅ sin (√ ⋅ t) . C C LC

0

Es gilt der Zusammenhang U L (t) = −U C (t). Natürlich tritt ein Energieverlust auf. Diesen Verlust simulieren wir durch den Ein­ bau eines Widerstands R (Abb. 15.2 rechts). Nach der Maschenregel gilt U R (t) + U L (t) + U C (t) = 0. Die zeitliche Ableitung führt zu U̇ R (t) + U̇ L (t) + U̇ C (t) = 0.

Abb. 15.2: Skizzen zum Wechselstrom mit und ohne Kondensator

84 | 15 Elektrische Schwingkreise

Daraus folgt ̇ + L ⋅ I(t) ̈ + R ⋅ I(t)

I(t) =0 C

̈ + R ⋅ I(t) ̇ + 1 ⋅ I(t) = 0 . I(t) L LC

󳨐⇒

Diese DGL vergleichen wir mit derjenigen des gedämpften Federpendels aus Kapi­ tel 9.4: μ D ẍ + ⋅ ẋ + ⋅x=0. m m Die zugehörige Lösung lautete μ

x(t) = e− 2m ⋅t ⋅ (C1 ⋅ cos (

√4Dm − μ2 2m

t) + C2 ⋅ sin (

√4Dm − μ2 2m

t)) .

Die Entsprechungen sind m = ̂ L, μ = ̂ R, D = ̂ 1C . Dann erhalten wir als Lösung I(t) = e− 2L ⋅t ⋅ (C1 ⋅ cos ( R

√4 CL − R2 2L

t) + C2 ⋅ sin (

√4 CL − R2 2L

t)) ,

R 4L − CR 4L − CR t) + C2 ⋅ sin (√ t)) I(t) = e− 2L ⋅t ⋅ (C1 ⋅ cos (√ 2 4CL 4CL2

2

t

U R (t) = R ⋅ I(t), U C (t) = ∫ 0

I(t) dt , C

U L (t) = −U R (t) − U C (t)

2

und

16 Erzwungene Schwingungen Jedes schwingungsfähige System mit der Eigenfrequenz ω0 kann man folgenreich „stören“, indem man es mit einer anderen Frequenz ω anregt, sofern die Erregung nicht einmalig oder kurz, sondern dauernd erfolgt. Betrachten wir dazu das freie ungedämpfte oder das freie gedämpfte Federpendel. Wie wir wissen, bestimmt die Masse m des angehängten Körpers die Federkonstante D und die Reibung μ entschei­ det über die Art der Schwingung. D D x(t) = (C1 ⋅ cos (√ t) + C2 ⋅ sin (√ t)) m m ist die Lösung für das ungedämpfte Pendel. D Der Ausdruck ω0 = √ m (= 2π T ) bezeichnet die Eigenkreisfrequenz. μ

x(t) = e− 2m ⋅t ⋅ (C1 ⋅ cos (

√4Dm − μ2 2m

t) + C2 ⋅ sin (

√4Dm − μ2 2m

t))

ist die Lösung für das gedämpfte Pendel mit ω0 =

√4Dm − μ2 2m

(=

2π ) T

als Eigenkreisfrequenz. In beiden Fällen ist das Pendel bei einer Auslenkung nur zu der Frequenz ω0 fähig. Was geschieht, wenn man die Feder periodisch mit einer anderen Frequenz ω anregt? Wird sie nach einiger Zeit ihre Frequenz beibehalten, oder in einer Frequenz zwischen ω0 oder ω schwingen, oder sogar die neue Frequenz übernehmen? Und wenn Letzte­ res gilt, mit welcher zeitlichen Verschiebung (= Phase φ0 ) bezüglich der Anregung schwingt sie dann? Beispiele. – Das Anschlagen einer Klaviersaite versetzt diese in Eigenschwingungen. – Eine Glocke wird durch Anschlagen in Eigenschwingungen versetzt. – Unser Trommelfell schwingt aufgrund der Druckwellen der Luft. – Durch ständiges Zupfen oder Streichen einer Saite wird der Klangkörper in Schwingung versetzt. Dabei spielt es eine Rolle, an welcher Stelle der Saite man streicht oder zupft. – Der Schallkörper eines Blasinstruments wird durch Hineinblasen von Luft in Schwingung versetzt. Hier spielt die Länge der Luftsäule eine Rolle, die verändert werden kann. – In einer Quarzuhr befindet sich eine Ministimmgabel oder ein kleiner Stift, die oder der durch einen Elektromagneten Schwingungen oder Biegeschwingungen vollführt. https://doi.org/10.1515/9783110683820-016

86 | 16 Erzwungene Schwingungen

– –





In einem Radio/Fernsehempfänger wird der Schwingkreis, bestehend aus Spule und Kondensator, durch den eingehenden Impuls in Schwingungen versetzt. Das Sonnenlicht regt die Elektronen der Moleküle der Erdatmosphäre zu erzwun­ genen Schwingungen an, die dann ihrerseits Licht abstrahlen. Hierbei wird das kurzwellige blaue Lichtspektrum etwa 16-mal stärker gestreut als das rote Licht. Deshalb überwiegt die blaue Farbe im Licht unserer Atmosphäre. Eine mechanische Uhr wird durch eine Spiralfeder, eine Pendeluhr durch ein Ge­ wicht in Schwingungen versetzt. Steigrad und Anker sorgen dafür, dass dieselbe Energie zur Anregung zur Verfügung steht. Unwuchten rotierender Maschinen erzeugen neue Schwingungen.

Eine Apparatur, die eine erzwungene Schwingung simuliert, sieht etwa folgenderma­ ßen aus (Abb. 16.1): Die schwingende Masse besteht aus einer Feder, dem Körper, ei­ nem Exzenter und einem Seitenarm. Der Exzenter, an dem eine kleine Masse hängt, schwingt, von einem Elektromotor angetrieben, mit der Frequenz ω. Die Dämpfung wird über einen Seitenarm erreicht, der in einem mit Wasser gefüllten Behälter ein­ taucht. Die Dämpfung ist aufgrund der langsamen Bewegung proportional zur Ge­ schwindigkeit x,̇ was in Ordnung ist.

Abb. 16.1: Skizze zum gedämpften Federpendel

Die homogene DGL für die freie gedämpfte Schwingung lautet m ⋅ ẍ + μ ⋅ ẋ + D ⋅ x = 0. Wird das Pendel nun mit der Kraft F(t) angeregt, so erhält man die inhomogene DGL der erzwungenen Schwingung m ⋅ ẍ + μ ⋅ ẋ + D ⋅ x = F(t). Überlegen wir uns zuerst, was passiert, wenn wir einen beliebigen Kräfteverlauf F(t) nehmen, also nicht notwendig periodisch. Beispielsweise könnte das sein: i) F(t) = sin t (periodisch), ii) F(t) = 1, für t = 1, 2, 3, . . . (periodisch, sekündliches Anstupsen), iii) F(t) = 1, für t = 1, 2, 4, 8, . . . (nicht periodisch) oder iv) F(2t) = 0,1 ⋅ t, für t = 1, 2, 3, 4 . . . (nicht periodisch). Je nach Anfangsbedingungen wird das System viele Teilschwingungen durchlaufen, bis es einheitlich mit einer Frequenz schwingt. Seien x1 (t), x2 (t) zwei solcher Bewe­

16 Erzwungene Schwingungen |

87

gungen, also Lösungen der inhomogenen DGL m ⋅ ẍ + μ ⋅ ẋ + D ⋅ x = F(t), das heißt m ⋅ ẍ 1 + μ ⋅ ẋ 1 + D ⋅ x1 = F(t)

und

m ⋅ ẍ 2 + μ ⋅ ẋ 2 + D ⋅ x2 = F(t) . Dann folgt, dass x∗ (t) = x1 (t) − x2 (t) Lösung der homogenen DGL ist, weil offensicht­ lich m ⋅ (ẍ 1 − ẍ 2 ) + μ ⋅ (ẋ 1 − ẋ 2 ) + D ⋅ (x1 − x2 ) = 0 gilt. Die Amplitude von x∗ (t) geht aufgrund der Dämpfung in diesem Fall gegen Null, limt→∞ x∗ (t) = 0. Daraus folgt aber, dass x1 (t) → x2 (t) oder x2 (t) → x1 (t) ist. Dies bedeutet, dass nach einer gewissen Zeit, dem Einschwingvorgang, die Lösung von m ⋅ ẍ + μ ⋅ ẋ + D ⋅ x = F(t) einer stationären Lösung X(t) zustrebt. Der Einschwingvorgang erfolgt im Allgemeinen asymptotisch. Als Einschwingzeit bezeichnet man dabei häufig die Zeitdauer, die vergeht, bis die betrachtete Größe den Bereich von ±10 % um den Endwert nicht mehr verlässt. In der Akustik und Musik ist es oft der Einschwingvorgang, z. B. der Bogenanstrich einer Saite, der den Klang eines Instruments für unser Ohr eindeutig identifiziert. Alle Experimente zeigen folgenden Sachverhalt: Das System schwingt nach dem Einschwingvorgang mit der konstanten Erreger­ frequenz ω. Aufgrund der Massenträgheit schwingt das System natürlich nicht gleich­ zeitig, sondern mit einer Phasenverschiebung φ0 , wobei 0 ≤ φ0 < 2π gilt. Im Weiteren setzen wir für die Anregung eine periodische Kraft F(t) = F0 ⋅ cos ωt an. Auch F(t) = F0 ⋅ sin ωt wäre möglich, aber in unserem Fall ist dann F(0) = F0 ≠ 0. (Für beliebige Kräfte wie z. B. Einzelimpulse müsste man diese über eine Fourierana­ lyse zerlegen, diese Kräfte erzeugen aber eh keine periodische Schwingung.) Wir haben demnach die DGL m ⋅ ẍ + μ ⋅ ẋ + D ⋅ x = F0 ⋅ cos ωt

oder

ẍ + a ⋅ ẋ + b ⋅ x = c ⋅ cos ωt

mit den Abkürzungen a :=

μ , m

b :=

D , m

c :=

F0 m

zu lösen. Für die stationäre Lösung setzen wir x(t) = A(ω) ⋅ cos(ωt − φ0 (ω)) := A ⋅ cos φ . A(ω) ist die von ω abhängige Amplitude und φ0 (ω) die Phasendifferenz zur Erreger­ frequenz. x(t) hinkt der Anregung hinterher. Eingesetzt in die DGL erhält man −ω2 A ⋅ cos φ − ωaA ⋅ sin φ + bA ⋅ cos φ = c ⋅ cos ωt 2

A(b − ω ) ⋅ cos φ − ωaA ⋅ sin φ = c ⋅ cos ωt .

oder

88 | 16 Erzwungene Schwingungen

Mit den Additionstheoremen folgt A(b − ω2 ) ⋅ (cos ωt ⋅ cos φ0 + sin ωt ⋅ sin φ0 ) − ωaA ⋅ (sin ωt ⋅ cos φ0 − cos ωt ⋅ sin φ0 ) = c ⋅ cos ωt oder cos ωt ⋅ (A(b − ω2 ) ⋅ cos φ0 + ωaA ⋅ sin φ0 − c) + sin ωt ⋅ (A(b − ω2 ) ⋅ sin φ0 − ωaA ⋅ cos φ0 ) = 0 . Da diese Gleichung für alle t gelten muss, ist dies nur möglich, wenn die Klammer­ ausdrücke beide Null sind: I.

A(b − ω2 ) ⋅ cos φ0 + ωaA ⋅ sin φ0 − c = 0 und

II. A(b − ω2 ) ⋅ sin φ0 − ωaA ⋅ cos φ0 0 . Aus II. ergibt sich tan φ0 =

a⋅ω ω20 − ω2

󳨐⇒

φ0 (ω) = arctan (

a⋅ω ) , ω20 − ω2

D = √b die Eigenfrequenz des ungedämpften Federpendels ist. wobei ω0 = √ m Aus I. folgt A cos φ0 ⋅ (b − ω2 + ωa ⋅ tan φ0 ) = c. 1 Benutzt man nun cos φ0 = , dann erhält man 2 √1+tan φ 0

A(ω) = =

c ⋅ √1 +

c ⋅ √1 + tan2 φ0 ω20 − ω2 + ωa ⋅ tan φ0 c √(ω20 − ω2 )2 + a2 ω2

=

a2 ω2 (ω20 −ω2 )2

ω20 − ω2 +

a2 ω2 ω20 −ω2

=

c ⋅ √(ω20 − ω2 )2 + a2 ω2 (ω20 − ω2 )2 + a2 ω2

.

Als Ergebnis erhält man ausgeschrieben

φ0 (ω) = arctan (

F0 ⋅ xp (t) = m

μ m ⋅ω ) D 2 m −ω

,

A(ω) =

1 2

2

D √( m − ω2 ) + ( mμ ) ω2

F0 ⋅ m

1 2

2

√( D − ω2 ) + ( μ ) ω2 m m

⋅ cos (ωt − arctan (

μ m ⋅ω )) D 2 m −ω

(16.1) .

Die Verschiebung xp (t) hinkt der Erregungsfrequenz aufgrund der Dämpfung ωt um φ0 nach. xp (t) ist erst eine partikuläre Lösung der inhomogenen DGL.

16 Erzwungene Schwingungen

| 89

Für die allgemeine Lösung der inhomogenen DGL muss man die allgemeine Lö­ sung der homogenen DGL zur partikulären Lösung addieren. Letztere klingt mit der Zeit ab, so dass nur die partikuläre Lösung übrigbleibt: x(t) =

F0 ⋅ m

1 2

⋅ cos (ωt − arctan (

2

D √( m − ω2 ) + ( mμ ) ω2

x0 √4Dm

μ

+ e− 2m ⋅t ⋅

√4Dm − μ2

⋅ cos (ωd t − arctan (

μ m ⋅ω )) D 2 m −ω

μ √4Dm − μ2

))

= Schwingung in der Erregerfrequenz + Schwingung in der Eigenfrequenz ωd √4Dm−μ 2

mit ωd = . 2m Betrachten wir nun den Resonanzfall ω = ω0 , dann wird x(t) = F0 ⋅

1 ⋅ sin(ω0 t) μω0 x0 √4Dm

μ

+ e− 2m ⋅t ⋅

√4Dm −

μ2

⋅ cos (

√4Dm − μ2 2m

t − arctan (

An dieser Stelle führen wir eine neue Variable ein. ξ = und ist dimensionslos. Dann hat man ωd =

√4Dm − μ2 2m

= √ω20 − (

μ 2ω0 m

μ √4Dm − μ2

)) .

heißt Dämpfungsmaß

2 μ 2 μ ) = ω 0 √1 − ( ) = ω 0 √1 − ξ 2 2m 2ω0 m

und es ist

x(t) = F0 ⋅

1 1 ξ ⋅sin(ω0 t)+e−ξ ω0 ⋅t ⋅ ⋅cos (ω0 √1 − ξ 2 t − arctan ( )) . μω0 √1 − ξ 2 √1 − ξ 2

Die Amplitude zur Zeit t setzt sich also aus einem mit konstanter Amplitude schwin­ genden und einem mit exponentiell fallender Amplitude schwingenden Anteil zusam­ men. Nach einer Einschwingzeit wird die Schwingung verlaufen gemäß x(t) =

F0 ⋅ sin(ω0 t) . μω0

Skizze für F0 = μ = ω0 = 1 und ξ = 0,05 (Abb. 16.2).

(16.2)

90 | 16 Erzwungene Schwingungen

Abb. 16.2: Graph von (16.2)

16.1 Abschätzen der Einschwingzeit Der für die Einschwingzeit verantwortliche Term ist lediglich e−ξ ω0 t , da 1/√1 − ξ 2 konstant und der Kosinus-Term vom Betrag kleiner als 1 ist. Wir müssen ein t be­ stimmen, so dass der Exponentialterm kleiner als eine vorgegebene Schranke ist. Für ξω0 ⋅ t = π ergibt sich e−π = 0,04, das bedeutet, dass ab dieser Zeit mindestens 96 % T der vollen Amplitude erreicht wird, was der übliche Wert ist. Also t ≈ ξωπ 0 = 2ξ , wenn T = 2π ω0 die Schwingungszeit des ungedämpften Systems ist (ist ξ groß, dann ist der Exponentialterm schnell unbedeutend). Eine andere Schreibweise der partikulären Lösung (16.1) Mit der Definition Ω = ωω0 hat man für die Amplitude A(Ω) =

F0 ⋅ m

1 2

2

√( D − ω2 ) + ( μ ) ω2 m m

=

1 F0 F0 1 ⋅ = ⋅ m √(ω2 − ω2 )2 + (2ξω )2 ω2 mω20 2 2 0 √(1 − ( ω ) ) + 4ξ 2 ( ω )2 0 ω0 ω0

=

F0 1 ⋅ . 2 mω0 √(1 − Ω2 )2 + 4ξ 2 Ω2

Für die Phasenverschiebung ergibt sich μ 2ξω0 ω m ⋅ω ) = arctan ( 2 ) D 2 2 ω − ω 0−ω m 2ξ ωω0 2ξΩ ) = arctan ( ) . arctan ( ω2 1 − Ω2 1 − ω2 0

φ0 = arctan ( =

(16.3)

16.2 Die Übertragungsfunktion

|

91

Zusammen erhält man xp (t) =

F0 1 2ξΩ ⋅ ⋅ cos (ωt − arctan ( )) . 1 − Ω2 mω20 √(1 − Ω2 )2 + 4ξ 2 Ω2

(16.4)

16.2 Die Übertragungsfunktion Als solche bezeichnet man das Verhältnis der Amplituden von Antwort und Erregung: U(Ω) =

1 1 A(Ω) ⋅ . = F(Ω) mω20 √(1 − Ω2 )2 + 4ξ 2 Ω2

Normiert man diese Funktion mit D = mω20 , dann heißt V(Ω) = D ⋅ U(Ω) =

1 √(1 − Ω2 )2 + 4ξ 2 Ω2

(16.5)

Vergrößerungsfunktion, wobei Ω = ωω0 . Darstellung für ξ = 0, 0,2, 0,4, 1. Die Übertragungsfunktion ist umso größer, je kleiner die Dämpfung ist (Abb. 16.3).

Abb. 16.3: Graphen von (16.5)

Interessant ist, für welches Ω das Maximum erreicht wird: Wir können dazu das Qua­ drat von V(Ω) ableiten: dV 2 −4Ω(Ω2 + 2ξ 2 − 1) = D2 ⋅ =0 dΩ Nenner 󳨐⇒

Ω = √1 − 2ξ 2

oder

󳨐⇒

Ω2 + 2ξ 2 − 1 = 0

ω = ω0 √1 − 2ξ 2 .

Vergleicht man dies mit den Eigenfrequenzen ω0 des ungedämpften und ω d = ω 0 √1 − ξ 2

92 | 16 Erzwungene Schwingungen

des gedämpften Systems, so sieht man, dass das Maximum für eine Frequenz erreicht wird, die tiefer als ωd liegt: ω0 √1 − 2ξ 2 < ω0 √1 − ξ 2 < ω0 . Für ξ = 0, oder μ = 0 stimmen alle drei Werte überein. Für eine schwache Dämpfung ist Ω ≈ 1. In (16.5) eingesetzt erhalten wir dann Q = V(1) =

1 √(1 − 1)2 + 4ξ 2 ⋅ 1

=

1 . 2ξ

Q heißt Qualitätsfaktor (maximaler Vergrößerungsfaktor) und ist ein Maß für die Dämpfung. 1 Die Amplitude wird sich somit um den Faktor D⋅2ξ verkleinert haben. Vergleicht man Q mit der Einschwingzeit, so hat man auch t ≈ QT. Bemerkung. Diese Formeln gelten nur für das System des sogenannten Einmasse­ schwingers. Für Schwingungen anderer Massen wie Balken oder Brücken, gelten zwar dieselben Phänomene, aber die Formeln kann man nicht alle übernehmen.

Aufgabe Bearbeiten Sie die Übung 40.

16.3 Verschiedene Arten erzwungener Schwingungen Bisher sind wir von einer Erregerkraft ausgegangen, die unmittelbar auf den Körper einwirkt. Es sind aber auch andere Anregungsarten denkbar. Bei einer Fußpunktan­ regung, wie sie beim Erdbebenverhalten von Gebäuden vorkommt, wird eine Masse durch eine horizontale oder vertikale Bewegung des Untergrunds in Bewegung ver­ setzt. Betrachten wir dazu folgende Skizzen (Abb. 16.4 links): Wird die Masse in Richtung x(t) ausgelenkt, so wirken entgegengesetzt die Rück­ stellkräfte der Feder und des Dämpfers. Bei einer Verschiebung y(t) aufgrund einer Fußpunktanregung, hängen diese Kräfte vom Relativweg x(t) − y(t) und von der Re­ ̇ − y(t) ̇ ab. Schließlich kann eine anregende Kraft F(t) die Be­ lativgeschwindigkeit x(t) wegung zusätzlich unterstützen. Man erhält als Kräftegleichgewicht m ẍ = F(t) − FFeder − FDämpfung oder m ẍ + μ(ẋ − y)̇ + D(x − y) = F(t) . Geordnet nach der unangeregten freien Schwingung (links) und den Störungen (rechts) wird m ẍ + μ ẋ + Dx = F(t) + μ ẏ + Dy .

16.3 Verschiedene Arten erzwungener Schwingungen |

Nach Division durch m und mit ξ =

μ 2ω0 m

ẍ + 2ξω0 ẋ + ω20 x =

und

D m

93

= ω20 folgt

F(t) + 2ξω0 ẏ + ω20 y . m

Grundlegend kann man folgende Fälle unterscheiden: 1) Kraftanregung der Masse, 2) Fußpunktanregung der Masse über Feder, 3) Fußpunktanregung der Masse über Dämpfung, 4) Fußpunktanregung der Masse über Feder und Dämpfung und 5) Unwuchtanregung der Masse. Mit den Ansätzen F(t) = F0 cos(ωt) bzw. y(t) = Y cos(ωt) ergeben sich respektive die DGLen F0 cos(ωt) , 1. ẍ + 2ξω0 ẋ + ω20 x = m 2.

ẍ + 2ξω0 ẋ + ω20 x = ω20 Y cos(ωt) ,

3.

ẍ + 2ξω0 ẋ + ω20 x = −2ξω0 ωY sin(ωt) ,

4.

ẍ + 2ξω0 ẋ + ω20 x = Y(−2ξω0 ω sin(ωt) + ω20 cos(ωt)) und

5.

Diese DGL muss gesondert betrachtet werden.

Fall 1. Dieser Fall wurde auf den letzten Seiten eingehend behandelt. Fall 2 und 3. Siehe Fall 4. Fall 4. Die rechte Seite der DGL lässt sich mit Ω =

ω ω0

schreiben als

Y(−2ξω20 Ω sin(ωt) + ω20 cos(ωt)) = Yω20 (−2ξΩ sin(ωt) + cos(ωt)) = Yω20 √1 + 4ξ 2 Ω2 ⋅ cos(ωt − arctan(2ξΩ)) . Die DGL lautet somit ẍ + 2ξω0 ẋ + ω20 x = Yω20 √1 + 4ξ 2 Ω2 ⋅ cos(ωt − arctan(2ξΩ)) . Wir definieren φ1 := 2ξΩ. Die Anregung ist selber mit einer Phase gegenüber ω verschoben (sie besteht aus zwei Teilschwingungen, −2ξΩ sin(ωt) und cos(ωt)). Da wir nur eine partikuläre Lösung xp (t) brauchen (die gesamte Lösung ist die partikuläre plus die allgemeine Lösung der homogenen DGL), machen wir den Ansatz x(t) = X ⋅ cos(ωt − φ1 ) .

94 | 16 Erzwungene Schwingungen Es ist nun wesentlich einfacher, mit einer komplexen Erweiterung x(t) = X ⋅ e i(ωt−φ1) zu rechnen. Ebenso wird die Störfunktion zu Yω20 √1 + 4ξ 2 Ω2 ⋅e i(ωt−φ1) erweitert. Beides in die DGL eingesetzt ergibt −ω2 X ⋅ e i(ωt−φ1) + 2iξω0 ωX ⋅ e i(ωt−φ1) + ω20 X ⋅ e i(ωt−φ1) = Yω20 √1 + 4ξ 2 Ω2 ⋅ e i(ωt−φ1) , X(−Ω2 ω20 + 2ξΩω20 ⋅ i + ω20 ) = Yω20 √1 + 4ξ 2 Ω2 . Für die Amplitude gilt dann X=Y

√1 + 4ξ 2 Ω2 1 − Ω2 + 2ξΩ ⋅ i

.

Die komplexe Zahl ist von der Gestalt (bc − ad) a + ib a + ib c − id (ac + bd) +i 2 . = = 2 c + id c + id c − id c + d2 c + d2 Dann ist 󵄨󵄨 a + ib 󵄨󵄨2 (ac + bd)2 (bc − ad)2 󵄨󵄨 󵄨󵄨 + 2 󵄨󵄨 󵄨 = 2 󵄨󵄨 c + id 󵄨󵄨󵄨 (c + d2 )2 (c + d2 )2

󳨐⇒

=

a2 c2 + 2abcd + b 2 d2 + b 2 c2 − 2abcd + a2 d2 (c2 + d2 )2

=

a2 (c2 + d2 ) + b 2 (c2 + d2 ) (a2 + b 2 )(c2 + d2 ) a2 + b 2 = = 2 (c2 + d2 )2 (c2 + d2 )2 c + d2

󵄨󵄨 a + ib 󵄨󵄨 󵄨󵄨 󵄨󵄨 √ a2 + b 2 . 󵄨󵄨 󵄨= 󵄨󵄨 c + id 󵄨󵄨󵄨 c2 + d2

Für die Beträge gilt somit X=Y

√1 + 4ξ 2 Ω2 √(1 − Ω2 )2 + 4ξ 2 Ω2

.

2ξΩ Der Phasenwinkel φ0 ist gemäß (16.3) gegeben durch φ0 = arctan( 1−Ω 2 ). Die gesamte Phasenverschiebung beträgt dann

φ T = φ0 − φ1 = arctan (

2ξΩ ) − arctan(2ξΩ) 1 − Ω2 2ξΩ 2

= arctan ( 1−Ω 1+

− 2ξΩ 4ξ 2 Ω 2 1−Ω 2

) = arctan (

2ξΩ3 ) . 1 − Ω2 + 4ξ 2 Ω2

16.3 Verschiedene Arten erzwungener Schwingungen |

95

Abb. 16.4: Skizze zur Fußpunktanregung und Graphen von (16.6)

Aus tan(x ± y) =

tan x±tan y 1∓tan x⋅tan y

folgt mit x → arctan x und y → arctan y

arctan x ± arctan y = arctan (

x±y ) 1∓x⋅y

Die partikuläre Lösung lautet somit

xp (t) = Y ⋅

√1 + 4ξ 2 Ω2 √(1 − Ω2 )2 + 4ξ 2 Ω2

⋅ cos (ωt − arctan (

2ξΩ3 )) . 1 − Ω2 + 4ξ 2 Ω2

Für die Vergrößerungsfunktion erhält man V(Ω) =

√1 + 4ξ 2 Ω2 X = . Y √(1 − Ω2 )2 + 4ξ 2 Ω2

(16.6)

Darstellung für ξ = 0, 0,2, 0,4, 1 (Abb. 16.4 rechts). Interessant ist, dass ab einem gewissen Frequenzverhältnis Ω0 kleinere Dämpfungen auch kleinere Antworten her­ vorrufen und umgekehrt. Berechnung von Ω0 : Wähle z. B. ξ = 0 und ξ = ∞. Man erhält 1 = 1. |1 − Ω 20 | Für die rechte Seite gilt lim

ξ→∞

√1 + 4ξ 2 Ω20 √(1 − Ω20 )2 + 4ξ 2 Ω20

= lim

ξ→∞

√ ξ12 + 4Ω20 √ (1−Ω2 0 ) + 4Ω20 ξ 2 2

=1

Es folgt ±1 = 1 − Ω20

󳨐⇒

Ω20 = 2

󳨐⇒

Ω 0 = √2 .

96 | 16 Erzwungene Schwingungen Bemerkung. ξ = 1 wäre auch möglich gewesen und ergäbe den Term √1 + 4Ω20 √(1 − Ω20 )2 + 4Ω20 mit demselben Ergebnis für Ω0 . Fall 5. Die Unwuchtanregung ist die häufigste Anregungsart (Abb. 16.5 links). Kein Bauteil kann so gebaut werden, dass seine Drehachse genau durch den Schwerpunkt des aufgesetzten Bauteils verläuft. Eine rotierende Masse mu der Frequenz ω be­ schleunigt die Masse m0 in alle Richtungen (Beispiel: Schleudervorgang bei einer Waschmaschine). Es soll nur die dabei resultierende vertikale Verschiebung betrach­ tet werden. Die Bewegung xu (t) der Unwuchtmasse setzt sich aus der Bewegung x(t) der Masse m0 und der Rotation von mu zusammen: xu (t) = x(t) + r cos(ωt). Für die vertikale Beschleunigungskraft gilt Fu = −mu ẍ u = −mu (rω2 cos(ωt) − x)̈ . Im Kräftegleichgewicht hat man m0 ẍ + FFeder + FDämpfung = Fu , m0 ẍ + μ ẋ + Dx = mu (rω2 cos(ωt) − x)̈ (m0 + mu )ẍ + μ ẋ + Dx = mu rω2 cos(ωt) Sei m = m0 + mu die gesamte Masse. Dann folgt nacheinander μ D mu 2 ẋ + x = rω cos(ωt) und m m m mu 2 2 rω0 Ω cos(ωt) . ẍ + 2ξω0 ẋ + ω20 x = m ẍ +

Abb. 16.5: Skizze zur Unwuchtanregung und Graphen von (16.7)

oder

16.3 Verschiedene Arten erzwungener Schwingungen

| 97

Gemäss (16.4) lautet die partikuläre Lösung

xp (t) =

Ω2 rmu 2ξΩ ⋅ ⋅ cos (ωt − arctan ( )) m √(1 − Ω2 )2 + 4ξ 2 Ω2 1 − Ω2

Für die Unwuchtanregung ist der Begriff der statischen Auslenkung verglichen mit den bisherigen Fällen nicht sinnvoll, weil erst durch die mit ω kreisende Unwucht u eine Erregerkraft entsteht. Als Amplitude wird deshalb die Größe rm m verwendet. Als Vergrößerungsfunktion kann man dann V(Ω) =

Ω2

(16.7)

√(1 − Ω2 )2 + 4ξ 2 Ω2

definieren. Darstellung für ξ = 0, 0,2, 0,4, 1 (Abb. 16.5 rechts). Für kleine Frequenzverhält­ nisse Ω schwingt das System kaum mit. Rotiert also die Unwucht mit niedriger Fre­ quenz, dann treten nur kleine Schwingungsamplituden auf. Für große Rotationsfre­ quenzen geht die Vergrößerungsfunktion gegen 1: lim V(Ω) = lim

Ω→∞

Ω→∞

Ω2 √(1 −

Ω2 )2

+

4ξ 2 Ω2

= lim

Ω→∞

Ω2 Ω2 2 2 √ (1−Ω4 ) Ω

+

4ξ 2 Ω2

=

1 =1. 1

Für kleine Ω schwingen m0 und mu in Phase: φ = lim arctan ( Ω→0

2ξΩ ) = arctan(0) = 0 . 1 − Ω2

Für Ω = 1 gilt φ = lim arctan ( Ω→1

2ξΩ π ) = arctan(∞) = . 2 2 1−Ω

Für große Ω schwingen m0 und mu in Gegenphase: φ = lim arctan ( Ω→∞

2ξΩ ) = arctan(0) = π . 1 − Ω2

Bei Maschinen muss man Drehzahlen mit Ω = 1 natürlich vermeiden (Resonanz), Drehzahlen mit Ω < 1 sind zwar ungefährlich, aber unproduktiv. Deshalb wählt man Ω > 1, aber genügend weit weg von Ω = 1. Beim Abschalten der Maschine muss man für das kurzzeitige Verharren im Bereich der Resonanz Dämpfer einbauen.

98 | 16 Erzwungene Schwingungen

16.4 Vergleich zwischen elektrischen Schwingkreisen und mechanischen Schwingern Wir betrachten einen Schwingkreis mit der Wechselspannung U(t) = U0 cos ωt an ̇ gemäß der DGL (Abb. 16.6 links). Dann ändert sich die Ladung Q(t) 1 L Q̈ + R Q̇ + Q = U0 cos ωt . C Die Analogien zum mechanischen Schwinger sind in der folgenden Tabelle festgehal­ ten (Abb. 16.6 rechts):

Abb. 16.6: Analogien zwischen elektrischen Schwingkreisen und mechanischen Schwingern

17 Die lineare inhomogene DGL 2. Ordnung mit konstanten Koeffizienten Wir wollen ein Verfahren entwickeln, um die allgemeine Lösung der folgenden DGL ̈ + a x(t) ̇ + bx = f(t), wobei a, b ∈ ℝ und f(t) eine „Störfunktion“ zu berechnen: x(t) ist. Diese Gleichung entspricht der erzwungenen Schwingung eines gedämpften Fe­ der-Masse-Systems, wie wir es eben für die Störfunktion f(t) = F0 ⋅ cos ωt betrachtet haben. ̈ + a x(t) ̇ + bx = 0 haben wir in Die allgemeine Lösung der homogenen DGL x(t) Kapitel 7.1 behandelt und gezeigt, dass es in jedem Fall ein Fundamentalsystem gibt, also zwei Lösungen x1 und x2 , die linear unabhängig sind. Die allgemeine Lösung hat dann die Form x(t) = C1 x1 (t) + C2 x2 (t) mit C1 , C2 ∈ ℝ. ̈ + a x(t) ̇ + bx = f(t) versuchen wir Für die Lösung der inhomogenen Gleichung x(t) denselben Ansatz nach Lagrange, die Methode der Variation der Konstanten: x(t) = C 1 (t)x1 (t) + C2 (t)x2 (t)

(vgl. 1. Band a ẋ + bx = f(t)

mit

x(t) = C 1 (t)x(t)) .

Dann ist ẋ = Ċ 1 x1 + C1 ẋ 1 + Ċ 2 x2 + C2 ẋ 2 . Da wir nur eine partikuläre Lösung der inhomogenen DGL benötigen, können wir eine sinnvolle Bedingung an C1 und C2 vorgeben. Wir fordern, dass Ċ 1 x1 + Ċ 2 x2 = 0 ist. Somit haben wir ẋ = C1 ẋ 1 + C2 ẋ 2 . Weiter ist ẍ = Ċ 1 ẋ 1 + C1 ẍ 1 + Ċ 2 ẋ 2 + C2 ẍ 2 . Setzen wir beide Ausdrücke in die DGL ein, dann erhalten wir Ċ 1 ẋ 1 + C1 ẍ 1 + Ċ 2 ẋ 2 + C2 ẍ 2 + a(C1 ẋ 1 + C2 ẋ 2 ) + b(C1 x1 + C2 x2 ) = f , C1 (ẍ 1 + a ẋ 1 + bx1 ) + C2 (ẍ 2 + a ẋ 2 + bx2 ) + Ċ 1 ẋ 1 + Ċ 2 ẋ 2 = f und schließlich Ċ 1 ẋ 1 + Ċ 2 ẋ 2 = f . Daraus resultiert ein Gleichungssystem für C1 und C2 : I.

Ċ 1 x1 + Ċ 2 x2 = 0

II. Ċ 1 ẋ 1 + Ċ 2 ẋ 2 = f . Es ergibt sich f ⋅ x2 ̇ f ⋅ x1 Ċ 1 = − , C2 = W W

mit

W = x1 ẋ 2 − ẋ 1 x2

(Wronski-Determinante) .

Somit ist C1 = − ∫

https://doi.org/10.1515/9783110683820-017

f ⋅ x2 f ⋅ x1 dt, C2 = ∫ dt . W W

100 | 17 Die lineare inhomogene DGL 2. Ordnung mit konstanten Koeffizienten

Für die partikuläre Lösung hat man xp (t) = −x1 (t) ∫

f(t) ⋅ x2 (t) f(t) ⋅ x1 (t) dt + x2 (t) ∫ dt . W(t) W(t)

Die allgemeine Lösung der inhomogenen DGL erhält damit die Form x(t) = c1 x1 (t) + c2 x2 (t) + xp (t) . Mathematisch gesehen, könnte man alle möglichen Vorzeichen für a und b zulassen. Physikalisch gesehen, sind nur die Schwingungsformen ẍ + a ẋ + bx = f(t), a, b > 0 und ẍ + bx = f(t), b > 0 sinnvoll. √ 2 Nochmals zur Erinnerung: ẍ + a ẋ + bx = 0, k 1,2 = −a± 2a −4b . Es entstehen drei Fälle a2 − 4b > 0 ,

Fundamentalsystem :

x1 (t) = e k1 t , x2 (t) = e k2 t ,

II. a2 − 4b < 0 ,

Fundamentalsystem :

x1 (t) = e− 2 ⋅t ⋅ cos (

I.

a

x2 (t) = e− 2 ⋅t ⋅ sin ( a

III. a2 − 4b = 0 ,

Fundamentalsystem :

√4b − a2 t) , 2 √4b − a2 2

t)

und

x1 (t) = e kt , x2 (t) = t ⋅ e kt

Zudem sind bei einem schwingungsfähigen System nur periodische Funktionen für f(t) von Interesse. Somit ergeben sich zwei Fälle, die wir auch im Einzelnen durch­ rechnen wollen, deren Ergebnis wir zwar schon kennen, aber mit dieser neuen Theorie bestätigen können. Es sind dies ẍ + bx = sin t, b > 0 (Erzwungene, periodische Schwingung ohne Dämpfung) und ẍ + a ẋ + bx = sin t, a, b > 0 (Erzwungene, periodische Schwingung mit Dämpfung). Zuerst geben wir ein Zahlenbeispiel. Beispiel 1. ẍ + 3ẋ + 2x = sin t. Homogene DGL: ẍ + 3ẋ + 2x = 0, charakteristische Gleichung: k 2 + 3k + 2 = 0. Lösungen: k 1 = −1, k 2 = −2. Die Basislösungen sind x1 (t) = e−t ,

x2 (t) = e−2t .

Für die Wronski-Determinante ergibt sich W(t) = −2e−t e−2t + e−t e−2t = −3e−3t .

17 Die lineare inhomogene DGL 2. Ordnung mit konstanten Koeffizienten | 101

Damit ist C1 (t) = − ∫ und C2 (t) = ∫

sin t ⋅ e−2t dt = ∫ sin t ⋅ e t dt −3e−3t

sin t ⋅ e−t dt = − ∫ sin t ⋅ e2t dt . −3e−3t

Für C1 (t): ∫ sin t ⋅ e t dt = − cos t ⋅ e t + ∫ cos t ⋅ e t dt = − cos t ⋅ e t + sin t ⋅ e t − ∫ sin t ⋅ e t dt 󳨐⇒

∫ sin t ⋅ e t dt =

1 t e (sin t − cos t) . 2

Für C2 (t): − ∫ sin t ⋅ e2t dt = cos t ⋅ e2t − 2 ∫ cos t ⋅ e2t dt = cos t ⋅ e2t − 2 sin t ⋅ e2t + 4 ∫ sin t ⋅ e2t dt 󳨐⇒

∫ sin t ⋅ e2t dt =

1 2t e (cos t − 2 sin t) . 5

Damit lautet die partikuläre Lösung xp (t) =

1 t 1 e (sin t − cos t)e−t + e2t (cos t − 2 sin t)e−2t 2 5

=

1 1 (sin t − cos t) + (cos t − 2 sin t) 2 5

=

3 1 sin t − cos t . 10 10

Die allgemeine Lösung ist x(t) = c1 e−t + c2 e−2t +

3 1 sin t − cos t. 10 10

Beispiel 2. Wir betrachten nun den allgemeinen Fall eines gedämpft schwingenden Systems mit einer periodischen Anregung der Frequenz ω. Die inhomogene DGL hat die bekannte Form ẍ + a ⋅ ẋ + b ⋅ x = c ⋅ cos ωt

mit

a :=

μ , m

b :=

D , m

c :=

F0 . m

102 | 17 Die lineare inhomogene DGL 2. Ordnung mit konstanten Koeffizienten

Wir wollen uns die Mühe machen, die partikuläre Lösung dieser Gleichung auf die neue Weise herzuleiten und damit die Lösung (16.1) bestätigen. Das Fundamentalsys­ tem der homogenen DGL ẍ + a ⋅ ẋ + b ⋅ x = 0 lautet x1 (t) = e k1 t ,

x2 (t) = e k2 t

mit

k 1,2 =

−a ± √a2 − 4b . 2

Für die Wronski-Determinante erhält man W(t) = k 2 e k1 t e k2 t − k 1 e k1 t e k2 t = (k 2 − k 1 )e(k1 +k2 )t . Weiter ist C1 (t) = − C2 (t) =

c cos ωt ⋅ e k2 t c ∫ dt = − ∫ cos ωt ⋅ e−k1 t dt k2 − k1 k2 − k1 e(k1 +k2 )t

und

c cos ωt ⋅ e k1 t c ∫ dt = ∫ cos ωt ⋅ e−k2 t dt . k2 − k1 k2 − k1 e(k1 +k2 )t

Es folgt ∫ cos ωt ⋅ e−k1 t dt =

sin ωt −k1 t k 1 + e ∫ sin ωt ⋅ e−k1 t dt , ω ω

∫ sin ωt ⋅ e−k1 t dt = − ∫ cos ωt ⋅ e−k1 t dt =

cos ωt −k1 t k 1 e − ∫ cos ωt ⋅ e−k1 t dt ω ω

und

sin ωt −k1 t k 1 cos ωt −k1 t k 21 − − 2 ∫ cos ωt ⋅ e−k1 t dt . e e ω ω ω ω

Damit haben wir ∫ cos ωt ⋅ e−k1 t dt = (

ω2 sin ωt −k1 t k 1 cos ωt −k1 t e e − ) 2 ω ω ω ω + k 21

=(

ω2 sin ωt −k1 t k 1 cos ωt −k1 t e e − ) ω ω ω ω2 + k 21

=

e−k1 t (ω sin ωt − k 1 cos ωt) . ω2 + k 21

Somit ist C1 (t) = − C2 (t) =

c ⋅ e−k1 t (ω sin ωt − k 1 cos ωt) (k 2 − k 1 )(ω2 + k 21 )

c ⋅ e−k2 t (ω sin ωt − k 2 cos ωt) . (k 2 − k 1 )(ω2 + k 22 )

und

17 Die lineare inhomogene DGL 2. Ordnung mit konstanten Koeffizienten |

103

Die partikuläre Lösung lautet c (ω sin ωt − k 1 cos ωt) (k 2 − k 1 )(ω2 + k 21 ) c + (ω sin ωt − k 2 cos ωt) (k 2 − k 1 )(ω2 + k 22 )

xp (t) = −

=−

(ω sin ωt − k 1 cos ωt) (ω sin ωt − k 2 cos ωt) c ( − ) (k 2 − k 1 ) (ω2 + k 21 ) (ω2 + k 22 )

=−

(ω sin ωt − k 1 cos ωt)(ω2 + k 22 ) − (ω sin ωt − k 2 cos ωt)(ω2 + k 21 ) c ( ) (k 2 − k 1 ) (ω2 + k 21 )(ω2 + k 22 )

=−

ω3 sin ωt + ωk 22 sin ωt − ω2 k 1 cos ωt − k 1 k 22 cos ωt − ω3 sin ωt c ( (k 2 − k 1 ) (ω2 + k 2 ) (ω2 + k 2 ) 1

− =−

2

ωk 21 sin ωt + ω2 k 2 cos ωt + k 21 k 2 cos ωt (ω2 + k 21 ) (ω2 + k 22 )

)

ω(k 22 − k 21 ) sin ωt + ω2 (k 2 − k 1 ) cos ωt − k 1 k 2 (k 2 − k 1 ) cos ωt c ( ) (k 2 − k 1 ) (ω2 + k 21 )(ω2 + k 22 )

= −c (

ω(k 1 + k 2 ) sin ωt + (ω2 − k 1 k 2 ) cos ωt ) (ω2 + k 21 )(ω2 + k 22 ) k 1 + k 2 = −a , k 1 k 2 = b , k 21 + k 22 = a2 − 2b

mit = −c (

−aω sin ωt + (ω2 − b) cos ωt −aω sin ωt + (ω2 − b) cos ωt ) ) = −c ( (ω2 + k 21 )(ω2 + k 22 ) ω4 + ω2 (k 21 + k 22 ) + k 21 k 22

= −c (

−aω sin ωt + (ω2 − b) cos ωt −aω sin ωt + (ω2 − b) cos ωt ) = −c ( ) 4 2 2 2 ω + ω (a − 2b) + b ω4 − 2bω2 + b 2 + a2 ω2

= c( =

aω sin ωt + (b − ω2 ) cos ωt ) (ω2 − b)2 + a2 ω2

aω c√(b − ω2 )2 + a2 ω2 cos (ωt − arctan ( )) . (ω2 − b)2 + a2 ω2 b − ω2

Schließlich ergibt sich xp (t) =

c √(b −

ω2 )2

+

a2 ω2

cos (ωt − arctan (

aω )) . b − ω2

in Übereinstimmung mit dem Ergebnis (16.1). Der letzte Schritt folgt aus folgender Überlegung: Man setzt c := aω, d := ω2 − b. Erstens ist d c c c , cos α = 󳨐⇒ tan α = , arctan ( ) = α d d √c2 + d2 √c2 + d2 aω c c = . sin (arctan ( )) = sin α = d √c2 + d2 √(b − ω2 )2 + a2 ω2

sin α = 󳨐⇒

104 | 17 Die lineare inhomogene DGL 2. Ordnung mit konstanten Koeffizienten

Zweitens haben wir

󳨐⇒

b − ω2 d c = cos (arctan ( )) = cos α = 2 2 d √c + d √(b − ω2 )2 + a2 ω2 aω cos (ωt + arctan ( )) b − ω2 aω aω = cos ωt ⋅ cos (arctan ( )) − sin ωt ⋅ sin (arctan ( )) b − ω2 b − ω2 aω ω2 − b − sin ωt ⋅ . = cos ωt 2 2 2 2 √(b − ω ) + a ω √(b − ω2 )2 + a2 ω2

Insgesamt folgt √(b − ω2 )2 + a2 ω2 ⋅ cos (ωt + arctan (

aω )) = −aω sin ωt + (b − ω2 ) cos ωt . b − ω2

18 Kurze Anregungen Bisher haben wir nur periodische Anregungen betrachtet. Generell teilt man die An­ regungsarten in drei Gruppen ein: A. periodische Anregungen, B. transiente Anregungen und C. stochastische Anregungen. Bei den stochastischen Anregungen (Zufallsschwingungen) ist die Erregerkraft nicht zu jedem Zeitpunkt eindeutig bestimmt, sondern nur durch statistische Größen be­ schreibbar. Beispiele dafür sind Fahrbahnunebenheiten, böiger Wind, Erdbeben und Seegang. Transiente Anregungen sind kurzzeitige, stoßartige, impulsförmige Anregungen, bei denen die Anregungszeit viel kleiner als die Periodendauer der sich ergebenden Schwingung ist. Es findet eine kurzeitige Beschleunigung statt. Solche Erregungen nennt man auch Schockstöße. Beispiele sind Schläge, Stöße von Körpern, Einschaltoder Anfahrvorgänge von Maschinen, im Extremfall eine Explosion wie beim Start ei­ ner Rakete oder ein Erdbeben.

18.1 Sprungfunktion Wir untersuchen, was passiert, wenn auf einen Einmasseschwinger zur Zeit t = 0 plötzlich eine Kraft wirkt (Abb. 18.1 links). Die partikuläre Lösung des Systems ẍ + 2ξω0 ẋ + ω20 x = F(t) m ist eine Konstante und die statische Lösung lautet xp = −

F0 F0 . := k mω20

Der Einfachheit halber betrachten wir ein ungedämpftes System ẍ + ω20 x = F(t) m . F0 Die gesamte Lösung addiert sich zu x(t) = k + A cos(ω0 t) + B sin(ω0 t).

Abb. 18.1: Skizze zur Sprungfunktion und Graph von (18.1) https://doi.org/10.1515/9783110683820-018

106 | 18 Kurze Anregungen ̇ Mit den Anfangsbedingungen x(0) = x(0) = 0 erhalten wir A = − Fk0 und B = 0. Daraus wird (Abb. 18.1 rechts) x(t) =

F0 (1 − cos(ω0 t)) k

für

t>0.

(18.1)

18.2 Rechtecksanregung (Erdrutsch, Ruck) Diese wird beschrieben durch (Abb. 18.2 links) {F0 , F(t) = { 0, {

0 < t < t1 t ≥ t1 .

Bis zur Zeit t = t1 haben wir die Lösung (18.1). Im Zeitpunkt t = t1 hört die Kraft auf und es bleibt die homogene Lösung x(t − t1 ) = A cos(ω0 (t − t1 )) + B sin(ω0 (t − t1 ))

für

t > t1

̇ = t1 ) = Bω0 . bestehen mit den Anfangsbedingungen x(t = t1 ) = A und x(t Diese sind gleich den Endbedingungen von (18.1) und lauten x(t1 ) =

F0 (1 − cos(ω0 t1 )) k

Daraus erhält man die Konstanten A = Die Lösung wird dann zu

und F0 k (1

̇ 1) = x(t

F0 ω0 sin(ω0 t1 ) . k

− cos(ω0 t1 )) und B =

F0 k

sin(ω0 t1 ).

F0 F0 (1 − cos(ω0 t1 )) cos(ω0 (t − t1 )) + sin(ω0 t1 ) sin(ω0 (t − t1 )) fürt > t1 k k F0 = [cos(ω0 (t − t1 )) − cos(ω0 t1 ) cos(ω0 (t − t1 )) + sin(ω0 t1 ) sin(ω0 (t − t1 ))] k F0 F0 [cos(ω0 (t − t1 )) − cos(ω0 (t1 + t − t1 ))] = [cos(ω0 (t − t1 )) − cos(ω0 t)] . = k k

x(t − t1 ) =

Da diese Funktion nur für t > t1 gilt, kann man auch x(t) =

F0 (cos(ω0 (t − t1 )) − cos(ω0 t)) , k

t > t1

schreiben. Für 0 < t < t1 benutzt man weiterhin x(t) =

F0 (1 − cos(ω0 t)) . k

(18.2)

Die dicke Linie entspricht der Verschiebung in folgender Sprungfunktion (18.1), sie bleibt bis t = t1 wirksam. Erst wenn die Dauer der Anregung endet, zweigt die Kurve an den Stellen t11 = 0,0625, t12 = 0,125 und t13 = 0,25 ab und geht in die freie Schwingung über. Skizze: Fk0 = 1, ω0 = 4π (Abb. 18.2 mitte).

18.3 Dreiecksanregung (Explosion, Erdrutsch) | 107

Abb. 18.2: Skizzen zur Rechtecksanregung und Graph von (18.2)

Ist die Anregungszeit t1 > xmax =

2F0 k

T 2,

dann beträgt das Maximum der Amplitude

(= Max (

F0 2F0 F0 (1 − cos(ω0 t))) = (1 + 1) = ) . k k k

Für eine Anregungszeit von t1 ≤ T2 , zweigt die Funktion vor dem obigen Maximum ab, die Amplitude wird kleiner und ist gleich der Amplitude der sich einstellenden freien Schwingung: xmax = √A2 + B2 = =

F0 √ F0 √2(1 − cos(ω0 t1 )) (1 − cos(ω0 t1 ))2 + sin2 (ω0 t1 ) = k k

ω t 2F0 ω0 t1 2F0 2π t1 2F0 t1 F0 √4 sin2 ( 0 1 ) = sin ( sin ( sin ( π) . )= )= k 2 k 2 k T 2 k T

Der Maximalwert ist somit nur abhängig vom Verhältnis tT1 . Dem Verhältnis entspricht die Anregungszeit t1 = T2 usw. (Abb. 18.2 rechts).

18.3 Dreiecksanregung (Explosion, Erdrutsch) Diese wird beschrieben durch (Abb. 18.3 links oben) {F0 (1 − F(t) = { 0, {

t t1 )

Eine partikuläre Lösung der DGL ẍ + ω20 x = Die gesamte Lösung lautet dann x(t) =

,

0 < t < t1 t ≥ t1 .

F0 m (1



t t1 )

ist xp (t) =

F0 k (1

F0 t (1 − ) + A cos(ω0 t) + B sin(ω0 t) . k t1



t t 1 ).

t1 T

=

1 2

108 | 18 Kurze Anregungen

Abb. 18.3: Skizzen zur Dreiecksanregung und Graph von (18.3)

̇ Mit den Anfangsbedingungen x(0) = x(0) = 0 folgt A = − Fk0 und B = Damit lautet die Lösung x(t) =

F0 kω0 t 1 .

F0 t F0 F0 cos(ω0 t) + sin(ω0 t) (1 − ) − k t1 k kω0 t1

oder x(t) =

t F0 sin(ω0 t) − cos(ω0 t) + 1 − ) ( k ω0 t1 t1

für

0 < t < t1 .

Im Zeitpunkt t = t1 hört die Kraft auf und es bleibt die homogene Lösung x(t − t1 ) = A cos(ω0 (t − t1 )) + B sin(ω0 (t − t1 ))

für

t > t1

̇ = t1 ) = Bω0 . bestehen mit den Anfangsbedingungen x(t = t1 ) = A und x(t Diese sind gleich den Endbedingungen der obigen Funktion und lauten F0 sin(ω0 t1 ) − cos(ω0 t1 )) und ( k ω0 t1 cos(ω0 t1 ) ω F 1 ̇ 1) = 0 0 ( + sin(ω0 t1 ) − ) . x(t k ω0 t1 ω0 t1

x(t1 ) =

Daraus erhält man die Konstanten A=

F0 sin(ω0 t1 ) − cos(ω0 t1 )) ( k ω0 t1

und

B=

F0 cos(ω0 t1 ) 1 + sin(ω0 t1 ) − ) . ( k ω0 t1 ω0 t1

18.4 Halbsinusanregung (Hammerschlag) | 109

Die Lösung wird dann zu x(t − t1 ) =

=

F0 sin(ω0 t1 ) − cos(ω0 t1 )) cos(ω0 (t − t1 )) ( k ω0 t1 1 F0 cos(ω0 t1 ) + sin(ω0 t1 ) − ) sin(ω0 (t − t1 )) ( + k ω0 t1 ω0 t1 F0 [sin(ω0 t1 ) cos(ω0 (t − t1 )) − ω0 t1 cos(ω0 t1 ) cos(ω0 (t − t1 ))] kω0 t1 F0 + [cos(ω0 t1 ) sin(ω0 (t − t1 )) + ω0 t1 sin(ω0 t1 ) sin(ω0 (t − t1 )) kω0 t1 − sin(ω0 (t − t1 ))]

=

F0 [sin(ω0 t) − ω0 t1 cos(ω0 t) − sin(ω0 (t − t1 ))] kω0 t1

oder x(t) =

sin(ω0 (t − t1 )) F0 sin(ω0 t) − cos(ω0 t) − ) ( k ω0 t1 ω0 t1

für

t > t1 .

(18.3)

Die Abzweigungsstellen nach Ende der Anregung (18.1) befinden sich wiederum bei t11 = 0,0625, t12 = 0,125 und t13 = 0,25. Das Maximum lässt sich nur numerisch angeben. Skizze: Fk0 = 1, ω0 = 4π, t1 = 0,0625, 0,125, 0,25 (Abb. 18.3 rechts). Für diese Werte betragen die maximalen Antworten 0,386, 0,733, 1,185 respektive (graphisch bestimmt). Die Maxima für Dreiecksanregung liegen etwa halb so hoch wie die einer Rechtecksanregung gleicher Zeitdauer. Bemerkung. Die rechte Dreiecksanregung liefert einen leicht anderen Kurvenverlauf, aber dieselben maximalen Antworten wie vorhin (Abb. 18.3 links unten).

Aufgabe Bearbeiten Sie die Übung 41.

18.4 Halbsinusanregung (Hammerschlag) Diese wird beschrieben durch (Abb. 18.4 links oben) {F0 sin ( tπ t) , 1 F(t) = { 0, { Eine partikuläre Lösung der DGL ẍ + ω20 x = x(t) = A sin( tπ1 t). Eingesetzt erhält man A

F0 m

0 < t < t1 t ≥ t1 . sin( tπ1 t) findet man mit dem Ansatz

π π π F0 π2 sin ( t) . sin ( t) + ω20 A sin ( t) = 2 t t m t t1 1 1 1

110 | 18 Kurze Anregungen

Mit ω :=

π t1

und Ω =

ω ω0

A=

ergibt sich F0 F0 F0 = = 2 2 2 − ω ) mω0 (1 − Ω ) k(1 − Ω2 )

m(ω20

und also für die partikuläre Lösung xp (t) = Die gesamte Lösung lautet dann x(t) =

F0 k(1−Ω 2 )

sin(ωt).

F0 1 sin(ωt) + A cos(ω0 t) + B sin(ω0 t) . k (1 − Ω2 )

Ω ̇ Mit den Anfangsbedingungen x(0) = x(0) = 0 folgt A = 0 und B = − Fk0 (1−Ω 2 ) und somit F0 1 Ω F0 x(t) = sin(ωt) − sin(ω0 t) k (1 − Ω2 ) k (1 − Ω2 )

oder x(t) =

1 F0 (sin(ωt) − Ω sin(ω0 t)) k (1 − Ω2 )

für

0 < t < t1 .

Im Zeitpunkt t = t1 hört die Kraft auf und es bleibt die homogene Lösung x(t − t1 ) = A cos(ω0 (t − t1 )) + B sin(ω0 (t − t1 ))

für

t > t1

̇ = t1 ) = Bω0 . bestehen mit den Anfangsbedingungen x(t = t1 ) = A und x(t Diese sind gleich den Endbedingungen der obigen Funktion und lauten x(t1 ) = −

F0 Ω sin(ω0 t1 ) und k (1 − Ω2 )

̇ 1) = − x(t

F0 ω (1 − cos(ω0 t1 )) . k (1 − Ω2 )

Daraus erhält man die Konstanten A=−

Ω F0 sin(ω0 t1 ) k (1 − Ω2 )

und

B=−

Ω F0 (1 + cos(ω0 t1 )) . k (1 − Ω2 )

Die Lösung wird dann zu Ω F0 sin(ω0 t1 ) cos(ω0 (t − t1 )) k (1 − Ω2 ) F0 Ω − (1 + cos(ω0 t1 )) sin(ω0 (t − t1 )) k (1 − Ω2 )

x(t − t1 ) = −

=

F0 Ω (− sin(ω0 t1 ) cos(ω0 (t − t1 )) − sin(ω0 (t − t1 )) k (1 − Ω2 ) − cos(ω0 t1 ) sin(ω0 (t − t1 )))

oder x(t) =

F0 Ω (− sin(ω0 (t − t1 )) − sin(ω0 t1 )) k (1 − Ω2 )

für

t > t1 .

18.4 Halbsinusanregung (Hammerschlag) | 111

Die maximalen Antworten für t1 = 0,625, 0,125, 0,25 lauten 0,493, 0,943 für die ersten zwei Anregungszeiten (graphisch bestimmt). Im dritten Fall hat man Resonanz. Diesen müssen wir gesondert betrachten. Ausgehend von der DGL ẍ + ω20 x = F0 F0 m sin ω 0 (t) lautet eine partikuläre Lösung x p (t) = − 2mω0 t ⋅ cos(ω 0 t) (siehe Übung 40). Die gesamte Lösung ist dann x(t) = −

F0 t ⋅ cos(ω0 t) + A cos(ω0 t) + B sin(ω0 t) . 2mω0

̇ Mit den Anfangsbedingungen x(0) = x(0) = 0 folgt A = 0 und B = x(t) = − oder x(t) =

F0 2mω20

und somit

F0 F0 t ⋅ cos(ω0 t) + sin(ω0 t) 2mω0 2mω20

F0 sin(ω0 t) cos(ω0 t) ( − ω0 t ⋅ ) k 2 2

0 < t < t1 .

für

Im Zeitpunkt t = t1 hört die Kraft auf und es bleibt die homogene Lösung x(t − t1 ) = A cos(ω0 (t − t1 )) + B sin(ω0 (t − t1 ))

für

t > t1

̇ = t1 ) = Bω0 . bestehen mit den Anfangsbedingungen x(t = t1 ) = A und x(t Diese sind gleich den Endbedingungen der obigen Funktion und lauten x(t1 ) =

F0 sin(ω0 t1 ) cos(ω0 t1 ) ( − ω0 t1 ⋅ ) k 2 2

und

̇ 1) = x(t

und

B=

F0 2 sin(ω0 t1 ) ω0 t1 ⋅ . k 2

Daraus erhält man die Konstanten A=

cos(ω0 t1 ) F0 sin(ω0 t1 ) ( − ω0 t1 ⋅ ) k 2 2

sin(ω0 t1 ) F0 ω0 t1 ⋅ . k 2

Die Lösung wird dann F0 sin(ω0 t1 ) cos(ω0 t1 ) ( − ω0 t1 ⋅ ) cos(ω0 (t − t1 )) k 2 2 sin(ω0 t1 ) F0 + ω0 t1 ⋅ sin(ω0 (t − t1 )) k 2 F0 sin(ω0 t1 ) cos(ω0 t1 ) cos(ω0 (t − t1 )) − ω0 t1 ⋅ cos(ω0 (t − t1 )) = ( k 2 2 sin(ω0 t1 ) sin(ω0 (t − t1 ))) + ω0 t1 ⋅ 2

x(t − t1 ) =

oder x(t) =

ω0 t1 F0 1 ( sin(ω0 t1 ) cos(ω0 (t − t1 )) − cos(ω0 t)) k 2 2

und

t > t1 .

112 | 18 Kurze Anregungen Speziell für t1 = 0,25 und ω :=

π t1

x(t) = −

= ω0 = 4π ist π cos(4πt) 2

für

t > t1

(18.4)

(Abb. 18.4 rechts). Das Maximum wird dabei schon am Ende der Anregung für t1 = 0,25 erreicht und beträgt 2π = 1,571. Damit können wir nun drei Anregungsarten bei gleicher Anregungszeit vergleichen: Anregungszeit t1

Rechtecksanregung xmax

Halbsinusanregung xmax

Dreiecksanregung xmax

0,0625 0,125 0,25

0,765 1,414 2

0,493 0,943 1,571

0,386 0,733 1,185

Es scheint offensichtlich, dass ein kleinerer Impuls (Impulsfläche unter Kraftfunktion) auch eine kleinere maximale Antwort zur Folge hat. Das ist richtig bis auf einen Punkt. Es kommt auch auf die Entwicklung des Impulses während der Impulsdauer an. Betrachtet man nämlich den Kraftverlauf des Dreiecks {2F0 (1 − F(t) = { 0, {

t t1 )

,

0 < t < t1 t ≥ t1 ,

(Abb. 18.4 links), so ist die Fläche zwar gleich groß wie diejenige des Rechtecks, näm­ lich F0 t1 , aber die maximalen Antworten für dieselben Anregungszeiten liegen, wie man leicht zeigt, genau doppelt so hoch wie diejenigen des durchgerechneten Drei­ ecks, 0,772, 1,466, 2,370.

Abb. 18.4: Skizzen zur Halbsinusanregung und Graph von (18.4)

18.5 Dirac-Stoß

| 113

18.5 Dirac-Stoß Die Idee hinter dem Dirac-Stoß ist folgende: Unter all den möglichen Anregungen hät­ te man gerne eine Anregungsart, die sozusagen allen zugrunde liegt, eine Art Grund­ stoß. Wie wir oben gesehen haben, ist die Antwort des Systems vom Impuls abhängig. Gibt es somit einen Impuls, der für alle Anregungszeiten und alle Kräfte immer gleich groß ist, nämlich 1, und somit als Repräsentant für alle Impulse gelten kann? Stellen wir uns einen kurzzeitigen Stoß mit der Kraftverteilung F(t) vor (Rechteck, Dreieck, Halbsinus usw., Abb. 18.5 links oben). Für eine solch kurze Zeit wird die Ver­ schiebung x = 0 und die Dämpfung vernachlässigbar sein. Damit reduziert sich die Bewegungsgleichung zu m ẍ = F(t). Integriert man über die Zeit, dann hat man t

t

̈ dτ = ∫ F(τ) dτ m ∫ x(τ) 0

oder

̇ = p(t) . m ⋅ x(t)

0

̇ Speziell für t = 0 ist x(0) = p(0) m . Dem System wird also, unabhängig von der Anre­ gung, die Geschwindigkeit v0 = pm0 verliehen. Die Fläche unter der Kraftkurve heißt Impulsfläche. Um nun den Dirac-Stoß zu verstehen, betrachten wir zuerst eine Recht­ ecksanregung der Form (Abb. 18.5 mitte) { 1 , |t| < t21 F(t) = { t 1 0 , sonst . { Die Fläche unter F(t) ist gleich Eins, egal wie t1 variiert. Im Falle t1 = 0 hätten wir einen unendlich hohen Stoß. Natürlich ist diese Kraft nicht realisierbar. Es gibt aber Funktionenfolgen, die als Näherung dienen: δ a (x) =

1 − x22 e a . √πa

Für a → 0 wird die Funktion bei x = 0 immer höher und sonst immer glatter. Es gilt ∞ aber jederzeit ∫−∞ δ a (x) dx = 1. Wichtig für den Dirac-Stoß ist die Tatsache, dass der Impuls p = F(t) ⋅ t1 endlich ist. Er ist in jedem Fall Eins. Der Dirac-Stoß repräsentiert also den Einheitsimpuls I, und das in der kleinstmöglichen Zeitspanne.

Abb. 18.5: Skizzen zum Dirac-Stoß und Graph von (18.5)

114 | 18 Kurze Anregungen

Beispiele wären: Stromstoß, Klatschen. Der Dirac-Stoß müsste einem Einmasse­ 1 geben, eigentlich v0 = mI , damit die schwinger also die Stoßgeschwindigkeit v0 = m Einheiten stimmen. Wir wollen dies beweisen und außerdem die Stoßantwort bestim­ men. Wir setzen somit den Dirac-Stoß an als {0 , δ(t) = { ∞ ∫ δ(t) dt = 1 , { −∞

t ≠ 0 sonst .

Da der Wert nicht überall definiert ist, sprechen wir hier von einer Distribution. Wir behandeln δ(t) gleichsam wie eine Funktion und verwenden bei x = 0 einfach das Integral. Nun gilt es, die DGL ẍ + 2ξω0 ẋ + ω20 x = δ(t) m zu lösen. Wir verwenden dazu die Bezeichnungen −ε für die Zeit kurz vor Null und ε für die Zeit kurz nach Null. Integrieren wir über diesen Zeitraum, dann haben wir ε

ε

ε

ε

̈ dt + ∫ 2ξω0 x(t) ̇ dt + ∫ ω20 x(t) dt = ∫ ∫ x(t) −ε

−ε

−ε

−ε

δ(t) 1 dt = . m m

Das erste Integral ergibt ε ε ̈ dt = [x(t)] ̇ −ε ̇ ⏟⏟−⏟⏟⏟0⏟⏟ = x(ε) ̇ ∫ x(t) = x(ε) . −ε

Körper ruht für x = −ε

Für das zweite gilt ε ε ̇ dt = [2ξω0 x(t)]−ε ∫ 2ξω0 x(t) = 2ξω0 x(ε) ⏟⏟−⏟⏟⏟0⏟⏟ .

Körper ruht für x = −ε

−ε

Jetzt vollziehen wir den Grenzübergang ε → 0. Wir beachten, dass x(t) stetig ist. Man erhält ε

̇ lim x(ε)

ε→0

+

lim 2ξω0 x(ε) ⏟⏟⏟⏟⏟⏟⏟⏟⏟⏟⏟⏟⏟⏟⏟⏟⏟⏟⏟⏟⏟⏟⏟⏟⏟⏟⏟ ε→0

Körper ist für x = 0 in Ruhe

̇ x(0)

+0

lim ∫ ω20 x(t) dt −ε ⏟⏟⏟⏟⏟⏟⏟⏟⏟⏟⏟⏟⏟⏟⏟⏟⏟⏟⏟⏟⏟⏟⏟⏟⏟⏟⏟⏟⏟⏟⏟

+

ε→0

=

1 m

=

1 . m

Integrationsintervall wird Null

+0

̇ Als Anfangsbedingung bleibt wie vermutet x(0) = m1 übrig. Außerdem ist x(0) = 0. Da δ(t) = 0 ist bis auf x = 0, haben wir nun eine homogene DGL ẍ + 2ξω0 ẋ + ω20 x = 0 vor uns, deren inhomogener Teil lediglich in der Anfangsbedingung liegt. Der Lösungsansatz lautet demzufolge x(t) = e−ξ ω0 t (A cos(ω0 √1 − ξ 2 t) + B sin(ω0 √1 − ξ 2 t)) .

18.5 Dirac-Stoß

̇ Aus x(0) = 0 wird A = 0 und aus x(0) = B=

1 m

|

115

erhält man 1

mω0 √1 − ξ 2

.

Schließlich lautet die Stoß-Antwort des Dirac-Stoßes x(t) =

e−ξ ω0 t mω0 √1 −

ξ2

sin(ω0 √1 − ξ 2 t) .

Skizze mit ω0 = m = 1, ξ = 0,1 (Abb. 18.5 rechts).

(18.5)

19 Das Duhamel-Integral und die Fourier-Transformation Die besondere Eigenschaft des Dirac-Stoßes und der Stoßantwort liegt darin, dass dar­ aus die Lösung für eine beliebige Anregung hergeleitet werden kann. Wir hatten zwar schon im Kapitel 17 einen Lösungsweg über die Wronski-Determinante vorgestellt. Die Schreibweise mit dem folgenden Duhamel-Integral ist etwas kompakter.

19.1 Das Duhamel-Integral Man kann sich eine beliebige Kraft F(t) aus vielen Stössen zusammengesetzt denken. Während einer kurzen Zeit dτ ist dann die Kraft F(τ) konstant. Da die Anregungszeit sehr kurz ist, hängt die Antwort vom Impuls ab, also von F(τ) dτ. Eine kurze Kraft mit dem Impuls Eins entspricht aber dem Dirac-Stoß, sie kann also geschrieben werden als F(t) = δ(t) und hat die Stoßantwort h(t). Eine kurze Kraft mit dem Impuls F(τ) dτ ⋅ 1 wird im kleinen Intervall t − τ als Stoßantwort F(τ) dτ ⋅ h(t − τ) besitzen. Integriert über einen ganzen Zeitraum 0 < τ < t erhält man die Stoßantwort t

t

x(t) = ∫ F(τ)h(t − τ) dτ = ∫ F(τ) 0

0

e−ξ ω0 (t−τ) mω0 √1 − ξ 2

sin(ω0 √1 − ξ 2 (t − τ)) dτ .

Zum Beispiel ergibt sich für F(t) = konst. = F0 und ξ = 0 die Antwort t

F0 1 F0 F0 ∫ sin(ω0 (t − τ)) dτ = (1 − cos(ω0 t)) = (1 − cos(ω0 t)) , x(t) = mω0 mω0 ω0 k 0

was einer Rechtecksanregung entspricht. Die Formulierung mit dem Duhamel-Integral erlaubt es, eine Lösung für eine be­ liebige Anregung hinzuschreiben. Dies kann für verschiedene Herleitungen nützlich sein. Nur in speziellen Fällen ist das Integral auch geschlossen lösbar. Für die numerische Berechnung ist es weniger geeignet, da es viel aufwendiger ist als ein entsprechendes Zeitschrittverfahren, das wir später behandeln. Für das Duha­ mel-Integral muss für jeden neuen Zeitschritt das ganze Integral berechnet werden. Die Rechnungen werden immer länger, je weiter man fortschreitet. Bei einem Zeitschrittverfahren (siehe Newark-Verfahren) berechnet man aus der gegenwärtigen Verschiebung und Geschwindigkeit eine neue Verschiebung und Ge­ schwindigkeit. Diese Operation ist für jeden Zeitschritt gleich aufwendig, sodass ein Zeitschrittverfahren im Allgemeinen viel effizienter ist als das Duhamel-Integral. Trotzdem wollen wir zur Übung ein Beispiel lösen. Im letzten Kapitel haben wir die Anregung durch eine Sinusschwingung betrachtet: ẍ + ω20 x = Fm0 sin(ωt). https://doi.org/10.1515/9783110683820-019

19.2 Fourier-Transformation

| 117

1 Also Lösung erhielten wir x(t) = Fk0 (1−Ω 2 ) (sin(ωt) − Ω sin(ω 0 t)). Dies wollen wir mit dem Duhamel-Integral bestätigen. t

xp (t) =

F0 ∫ sin(ωτ) sin(ω0 (t − τ)) dτ mω0 0

−2 sin α⋅sin β= cos(α+β)−cos(α−β)

=

t



F0 ∫(cos((ω − ω0 )τ + ω0 t) − cos((ω + ω0 )τ − ω0 t)) dτ 2mω0 0

F0 =− 2mω0 F0 =− 2mω0 F0 =− 2mω0 F0 =− 2mω0

sin((ω − ω0 )τ + ω0 t) sin((ω + ω0 )τ − ω0 t) t − [ ] ω − ω0 ω + ω0 0 sin(ωt) sin(ωt) sin(ω0 t) sin(−ω0 t) − − + ( ) ω − ω0 ω + ω0 ω − ω0 ω + ω0 1 1 1 1 − + (sin(ωt) ( ) − sin(ω0 t) ( )) ω − ω0 ω + ω0 ω − ω0 ω + ω0 2ω0 2ω ( sin(ωt) − sin(ω0 t)) ω2 − ω20 ω2 − ω20

Ω 1 F0 sin(ωt) − sin(ω0 t)) ( m ω2 − ω20 ω2 − ω20 1 Ω F0 sin(ωt) − 2 sin(ω0 t)) =− ( Ω −1 mω20 Ω2 − 1 =−

=

1 F0 (sin(ωt) − Ω sin(ω0 t)) . k (1 − Ω2 )

Aufgabe Bearbeiten Sie die Übung 42.

19.2 Fourier-Transformation Im 3. Band wird die Fourierreihe im Reellen im Zusammenhang mit der schwingen­ den Saite eingeführt werden. Wir wollen daraus kurz die exponentielle Fourierrei­ he herleiten. Dazu benutzen wir die Eulerrelationen cos(ωt) = 12 (e iωt + e−iωt ) und sin(ωt) = − 2i (e iωt − e−iωt ). Die reelle Fourierreihe für eine Funktion f(t) lautet f(t) =

∞ a0 ∞ + ∑ a n cos(nωt) + ∑ b n sin(nωt) 2 n=1 n=1

=

∞ 1 i a0 ∞ + ∑ a n (e inωt + e−inωt ) − ∑ b n (e inωt − e−inωt ) 2 n=1 2 2 n=1

=

∞ a0 ∞ 1 + ∑ (a n − ib n )e inωt − ∑ (a n + ib n )e−inωt . 2 n=1 2 n=1

118 | 19 Das Duhamel-Integral und die Fourier-Transformation Mit c n = 12 (a n − ib n ) und c−n = 12 (a n + ib n ) folgt die komplexe Fourierreihe ∞

f(t) = ∑ c n e inωt . n=−∞

Die Koeffizienten bestimmt man wie folgt: Im Reellen (3. Band) zeigt man, dass T

an =

2 ∫ f(t) cos(nωt) dt T

T

bn =

und

2 ∫ f(t) sin(nωt) dt T

0

0

sind. Dann erhält man T

T

0

0

1 12 c n = (a n − ib n ) = (∫ f(t) cos(nωt) dt − i ∫ f(t) sin(nωt) dt) 2 2T =

T

T

0

0

1 1 ∫ f(t)[cos(nωt) − i sin(nωt)] dt = ∫ f(t)e−inωt dt . T T

Es gilt ∞

T

f(t) = ∑ c n e

inωt

n=−∞

,

1 c n = ∫ f(t)e−inωt dt , T

n∈ℤ.

0

Beispiel. Rechtecksimpuls (Abb. 19.1 links). {a , f(t) = { 0, {

0 0. Dann lautet die Laplace-Transformation ∞

L(s) = ∫ 1e−st dt = [ 0



e−st 1 ] = . −s 0 s

Beispiel 3. f(t) = cos(ωt) für t > 0. Dann lautet die Laplace-Transformation ∞



L(s) = ∫ cos(ωt)e

−st

0

sin(ωt) −st ∞ s dt = [ e ] + ∫ sin(ωt)e−st dt ω ω 0 0





cos(ωt) −st ∞ s s s e ] − ∫ cos(ωt)e−st dt) = ∫ sin(ωt)e−st dt = ([− ω ω ω ω 0 0

0



=

s s2 1 s s ( − ∫ cos(ωt)e−st dt) = 2 − 2 L(s) . ω ω ω ω ω 0

Daraus folgt L(s)(1 +

2

s ) ω2

=

s ω2

und schließlich L(s) =

s . s 2 +ω2

Das soll genügen. Wir wollen eh nur zwei DGLen lösen und dann die Grenzen die­ ses Verfahrens aufzeigen. Zuerst brauchen wir aber noch einige Vorbereitungen. Die Linearität der Laplace-Transformation ist offensichtlich: ∞





L(c1 f1 +c2 f s ) = ∫ (c1 f1 +c2 f s )e−st dt = c1 ∫ f1 e−st dt+c2 ∫ f2 e−st dt = c1 L(f1 )+c2 L(f2 ). 0

0

0

̇ Betrachten wir nun eine Funktion x(t) mit den Anfangsbedingungen x(0) = x0 , x(0) = ∞ v0 und ihre Transformierte X(s) = ∫0 x(t)e−st dt. ̇ ̈ Wie sehen dann die Ableitungsfunktionen X(s) und X(s) aus? ∞



−st −st ̇ ̇ dt = [x(t)e−st ]∞ dt = 0 − x0 + sX(s) = sX(s) − x0 , X(s) = ∫ x(t)e 0 + s ∫ x(t)e 0

0





−st −st ∞ −st ̈ ̈ ̇ ̇ dt = [x(t)e ]0 + s ∫ x(t)e dt = 0 − v0 + s(sX(s) − x0 ) X(s) = ∫ x(t)e 0

= s2 X(s) − sx0 − v0 .

0

130 | 20 Die Laplace-Transformation

Nun betrachten wir zwei alte Anregungsarten eines EMS ohne Dämpfung und berech­ nen die Antwort mit Hilfe der Laplace-Transformation. 1. Wir nehmen als Anregung die Sprungfunktion zur Zeit t = 0: F(t) = F0 für t > 0. Die zugehörige DGL lautet dann ẍ + ω20 x = Fm0 . Wir wenden die Transformation an. ̇ Weil x(0) = x(0) = 0 gilt, entsteht die Gleichung s2 X(s) + ω20 X(s) =

F0 1 . m s

Aufgelöst erhält man X(s) = =

1 F0 2 m s(s + ω20 ) F0 1 1 F0 1 s s ( − )= ) ( − m ω20 s s2 + ω20 k s s2 + ω20

Gesucht sind nun zwei Funktionen, deren Transformierte mäss den Beispielen 2 und 3 erhält man x(t) = 2.

mit 1 s

und

k = mω20 . s s 2 +ω20

sind. Ge­

F0 (1 − cos(ω0 t)) . k

Zum Schluss betrachten wir die erzwungene Schwingung mit harmonischer An­ regung ẍ + 2ξω0 ẋ + ω20 x = Fm0 cos(ωt). Wir wenden die Transformation an. Man erhält s2 X(s) − sx0 − v0 + 2ξω0 (sX(s) − x0 ) + ω20 X(s) = oder (s2 + 2ξω0 s + ω20 )X(s) =

F0 s m s2 + ω2

F0 s + (s + 2ξω0 )x0 + v0 . m s2 + ω2

̇ Wir betrachten weiter nur den Spezialfall, dass ξ = 0 und x(0) = x(0) = 0 ist. Die Gleichung reduziert sich zu (s2 + ω20 )X(s) =

s F0 . 2 m s + ω2

Aufgelöst erhält man X(s) =

s s s 1 F0 F0 ( − ) . = m (s2 + ω2 )(s2 + ω20 ) m ω2 − ω20 s2 + ω20 s2 + ω2

Die Rücktransformation ergibt 1 F0 (cos(ω0 t) − cos(ωt)) m ω2 − ω20 F0 1 1 F0 =− (cos(ω0 t) − cos(ωt)) = (cos(ωt) − cos(ω0 t)) . 2 1 − Ω2 2 1 − Ω2 mω0 mω0

x(t) =

20 Die Laplace-Transformation |

Den Term

131

F0 1 cos(ω0 t) mω20 1 − Ω2

kann man als Teil der homogenen Lösung weglassen. Als partikuläre Lösung erhält man dann xp (t) =

1 F0 cos(ωt) . 2 1 − Ω2 mω0

Die Grenzen des Verfahrens sind offensichtlich: Was macht man, wenn bei der Rück­ transformation die zur Transformierten gehörende Lösungsfunktion nicht tabella­ risch vorliegt? Man müsste mit der Rücktransformationsformel (nicht hergeleitet), ein fast identisches Integral wie bei der Fourier-Transformation, weiterarbeiten. Wieder würden sehr schwierige Integrale entstehen, die im Nu trigonometrische, exponen­ tielle und gebrochene Funktionen im Integranden beinhalten. Damit sind wir vor dasselbe Problem wie bei der Fourier-Transformation gestellt. Die Laplace-Transfor­ mation ist also ebensowenig effizient einsetzbar.

21 Zwei neue Zeitschrittverfahren Alle bisher numerisch gelösten DGLen basieren auf dem Euler-Verfahren. Dieser Al­ gorithmus und auch verfeinerte Algorithmen wie beispielsweise das Heun-Verfahren funktionieren nur, wenn die Störfunktion oder Anregung durch eine Funktion gege­ ben ist. Falls die Größe der Anregung nur für gewisse Stützwerte vorliegt, kann man die Lösung der Antwort aus den Lösungen der Rechtecksanregung zusammensetzen. Das ist die Idee des folgenden Verfahrens.

21.1 Das schrittweise exakte Verfahren Wir setzen einen konstanten Zeitschritt ∆t voraus. Für jedes Intervall t i < t < t i+1 muss man die enstehende DGL lösen. Innerhalb des Zeitintervalls definieren wir die Variable als τ = t − t i . Die Kraft in diesem Intervall betrachten wir als konstant mit i+1 ) dem Wert (F i +F (Abb. 21.1). 2

Abb. 21.1: Skizze zum schrittweise exakten Verfahren

Damit wird die partikuläre Lösung xp (t) =

(F i + F i+1 ) := z i . 2k

Für die gesamte Lösung hat man dann x(t) = e−ξ ω0 τ (A cos(ωd τ) + B sin(ωd τ)) + z i . Die entsprechende Geschwindigkeit ergibt v(t) = −ξω0 e−ξ ω0 τ (A cos(ωd τ) + B sin(ωd τ)) + e−ξ ω0 τ ωd (−A sin(ωd τ) + B cos(ωd τ)) = e−ξ ω0 τ ((ωd B − ξω0 A) cos(ωd τ) − (ωd A + ξω0 B) sin(ωd τ)) . Aus den Anfangsbedingungen x(0) = x i und v(0) = v i folgen die Konstanten A = xi − zi Daraus wird B=

und

ξω0 vi + A ωd ωd

https://doi.org/10.1515/9783110683820-021

B=

vi ξω0 + (x i − z i ) . ωd ωd

und

ωd B − ξω0 A = v i .

133

21.1 Das schrittweise exakte Verfahren |

Weiter ist dann ωd A + ξω0 B = ωd (x i − z i ) + ξω0 ( =

vi ξω0 + (x i − z i )) ωd ωd

ξ 2 ω20 + ω2d ξ 2 ω20 ξω0 v i ξω0 v i +( + ωd ) (x i − z i ) = +( ) (x i − z i ) ωd ωd ωd ωd

ξ 2 ω20 + ω20 (1 − ξ 2 ) ξω0 v i ω20 ξω0 v i +( ) (x i − z i ) = + (x i − z i ) ωd ωd ωd ωd 1 (ξω0 v i + ω20 (x i − z i )) . = ωd =

Somit kann man für die Verschiebung und die Geschwindigkeit am Ende des Intervalls [t i , t i+1 ] schreiben: x i+1 = e−ξ ω0 ∆t ((x i − z i ) cos(ωd ∆t) + v i+1 = e−ξ ω0 ∆t (v i cos(ωd ∆t) −

1 (v i + ξω0 (x i − z i )) sin(ωd ∆t)) + z i ωd

1 (ξω0 v i + ω20 (x i − z i )) sin(ωd ∆t)) . ωd

Speziell für ξ = 0: x i+1 = (x i − z i ) cos(ω0 ∆t) +

vi sin(ω0 ∆t) + z i ω0

v i+1 = v i cos(ω0 ∆t) − ω0 (x i − z i ) sin(ω0 ∆t) . Als Beispiel betrachten wir ein ungedämpftes System(ξ = 0) bei einer Dreiecksanre­ gung. Die genaue Lösung betrug x(t) =

t F0 sin(ω0 t) − cos(ω0 t) + 1 − ) ( k ω0 t1 t1

für

0 < t < t1 .

Wir nehmen m = 1, k = 4π2 , t1 = 1, ∆t = 0,1, ω0 = 2π, F0 = 4π2 , x0 = 0, v0 = 0. Dann lautet die genaue Lösung x(t) =

sin(2πt) − cos(2πt) + 1 − t 2π

Wir erhalten F i = F0 (1 − t i ) mit t i = 0,1i und zi =

4π2 1 (1 − 0,1i + 1 − 0,1(i + 1)) = (1,9 − 0,2i) . 2 2 2 ⋅ 4π

Mit ξ = 0 ist ωd = ω0 √1 − ξ 2 = ω0 .

(21.1)

134 | 21 Zwei neue Zeitschrittverfahren

Die Auswertung ergibt eine sehr gute Übereinstimmung zur exakten Lösung (Abb. 21.2): i

t

x i exakt

x i numerisch

v i numerisch

z i numerisch

0 1 2 3 4 5 6 7 8 9 10

0 0,1 0,2 0,3 0,4 0,5 0,6 0,7 0,8 0,9 1

0 0,185 0,642 1,160 1,503 1,5 1,115 0,458 −0,260 −0,803 −1

0 0,181 0,637 1,156 1,499 1,5 1,119 0,463 −0,255 −0,799 −1

0 3,509 5,308 4,710 1,944 −1,934 −5,442 −7,241 −6,644 −3,878 0

0,95 0,85 0,75 0,65 0,55 0,45 0,35 0,25 0,15 0,05

Abb. 21.2: Graph von (21.1) und zugehörige numerisch berechnete Werte

Das Verfahren beruht darauf, dass man die exakte Lösung geschlossen angeben kann. Die Größe des Zeitschritts ist deshalb zweitrangig. Das Verfahren ist nur für lineare Probleme und für Systeme mit einem Freiheitsgrad zu gebrauchen.

135

21.2 Das Newmark-Verfahren |

21.2 Das Newmark-Verfahren Bedeutungsvoller als der vorhin behandelte Algorithmus sind Verfahren, bei denen die zeitliche Diskretisierung direkt aus der DGL und nicht aus der allgemeinen Lösung erfolgt. Das wichtigste ist das Newmark-Verfahren. Dieser Algorithmus kann auch für nichtlineare Systeme mit mehreren Freiheitsgraden (Verschiebungsrichtungen) ver­ wendet werden. Wir zeigen nur den Algorithmus für einen Freiheitsgrad. Wir bezeichnen die numerische Approximation von Verschiebung, Geschwindig­ ̇ n ), a n = x(t ̈ n ), wobei t n die Zeit beim keit bzw. Beschleunigung mit x n = x(t n ), v n = x(t n-ten Zeitschritt ist. Bei Kräftegleichgewicht hat man ma n+1 + μv n+1 + Dx n+1 = F n+1 .

(21.2)

Verschiebung und Geschwindigkeit werden diskretisiert als ∆t2 [(1 − 2β)a n + 2βa n+1 ] 2 = v n + ∆t[(1 − γ)a n + γa n+1 ] .

x n+1 = x n + ∆tv n + v n+1

und

Je nach Wahl der Parameter β und γ beschreiben diese Gleichungen verschiedene Al­ gorithmen. Wir entscheiden uns für die Trapezregel und wählen β = 14 und γ = 12 . Das führt zu den Diskretisierungen x n+1 = x n + ∆tv n +

∆t2 [a n + a n+1 ] 4

∆t [a n + a n+1 ] . 2 Diese Gleichungen erinnern stark an die Taylorreihen

und (21.3)

v n+1 = v n +

∆t2 ̈ + ⋅ ⋅ ⋅ und x(t ̇ + ∆t) = x(t) ̇ + ∆t x(t) ̈ + ⋅⋅⋅ x(t) 2 Der Unterschied liegt darin, dass die Beschleunigungen zwischen dem Anfang und dem Ende des Intervalls gemittelt werden. Eingesetzt in die Gleichgewichtsbedingung (21.2) erhält man ̇ + x(t + ∆t) = x(t) + ∆t x(t)

(m +

∆t ∆t2 ∆t2 ∆t μ+ D) a n+1 = −μ (v n + a n ) − D (x n + ∆tv n + a n ) + F n+1 . 2 4 2 4

Bei dieser Gleichung stehen auf der linken Seite alle Terme mit der noch unbekannten neuen Beschleunigung a n+1 . Auf der rechten Seite befinden sich nur Größen, die zum Zeitpunkt t n bekannt sind. ∆t 2 Den Faktor m∗ = m + ∆t 2 μ + 4 fassen wir als äquivalente Masse auf. Die Grö­ 2 ßen x̃ n+1 = x n + ∆tv n + ∆t4 a n und ṽ n+1 = v n + ∆t 2 a n nennt man Prediktor-Größen, die nur von alten, bekannten Werten abhängen. Mit diesen Größen entsteht die Gleichung m∗ a n+1 = −μ ṽ n+1 − D x̃ n+1 + F n+1 , woraus man die Beschleunigung a n+1 berechnen kann.

136 | 21 Zwei neue Zeitschrittverfahren Mit Hilfe der Gleichungen (21.3) werden die Prediktor-Größen x̃ n+1 und ṽ n+1 kor­ 2 rigiert und man erhält x n+1 = x̃ n+1 + ∆t4 a n+1 und v n+1 = ṽ n+1 + ∆t 2 a n+1 . Damit ist ein Algorithmus geschaffen, der es erlaubt, von einem Zeitschritt zum nächsten fortzuschreiten. Dieses Verfahren ist stark vom Zeitschritt abhängig. Im Einzelnen sieht das Vorgehen so aus: 1. Gegeben sind F(t), x0 und v0 ; m∗ wird berechnet. 2. Die Anfangsbeschleunigung a0 zur Zeit t = 0 wird aus den Anfangsbedingungen und der Gleichung m∗ a0 = −μv0 − Dx0 + F(0) bestimmt. 2 ̃ ̃ 3. Aus x̃ n+1 = x n + ∆tv n + ∆t4 a n und ṽ n+1 = v n + ∆t 2 a n werden x 1 und v 1 berechnet. 4. Mittels m∗ a n+1 = −μ ṽ n+1 − D x̃ n+1 + F n+1 bestimmt man a1 . 2 5. Mit x n+1 = x̃ n+1 + ∆t4 a n+1 und v n+1 = ṽ n+1 + ∆t 2 a n+1 erhält man x 1 und v 1 . ̃ ̃ 6. Zurück zum Punkt 3, x2 und v2 bestimmen usw. Als Beispiel nehmen wir wieder ungedämpfte System (μ = 0) des vorhergehenden Zeitschrittverfahrens mit m = 1, t1 = 1, ∆t = 0,05, ω0 = 2π, F0 = 4π2 , D = ω20 m = 4π2 , x0 = 0, v0 = 0. Es gilt F i = 4π2 (1 − 0,05i), m∗ = 1 + (0,05)2 π2 ≅ 1,025 und man erhält die nachstehende Tabelle. i

t

x i exakt

x ̃1

v ̃i

ai

x i numerisch

vi

0 1 2 3 4 5 6 7 8 9 10 11 12 13 14 15 16 17 18 19 20

0 0,05 0,1 0,15 0,2 0,25 0,3 0,35 0,4 0,45 0,5 0,55 0,6 0,65 0,7 0,75 0,8 0,85 0,9 0,95 1

0 0,048 0,185 0,391 0,642 0,909 1,160 1,367 1,503 1,550 1,5 1,352 1,115 0,809 0,458 0,091 −0,260 −0,567 −0,803 −0,950 −1

0 0,024 0,161 0,370 0,625 0,896 1,154 1,368 1,512 1,569 1,528 1,387 1,157 0,853 0,501 0,130 −0,230 −0,548 −0,799 −0,964 −1,031

0 0,963 2,747 4,170 5,095 5,432 5,151 4,276 2,894 1,137 −0,827 −2,807 −4,613 −6,071 −7,040 −7,428 −7,197 −6,368 −5,023 −3,290 −1,337

38,528 35,674 28,456 18,497 6,757 −5,635 −17,483 −27,648 −35,149 −39,265 −39,599 −36,119 −29,160 −19,392 −7,756 4,626 16,563 26,905 34,655 39,068 39,717

0 0,046 0,179 0,381 0,629 0,893 1,143 1,350 1,490 1,545 1,503 1,365 1,139 0,841 0,496 0,133 −0,220 −0,532 −0,778 −0,940 −1,006

0 1,855 3,458 4,632 5,263 5,291 4,714 3,585 2,015 0,155 −1,817 −3,710 −5,342 −6,555 −7,234 −7,312 −6,783 −5,696 −4,157 −2,314 −0,344

Die Werte für die numerisch berechneten Verschiebungen x i unterscheiden sich nur unmerklich von denjenigen des exakten Verfahrens.

22 Schockspektren, Antwortspektren, Bemessungspektren Zuerst geben wir eine kleine Klassifizierung der verschiedenartigen Anregungsformen an (Abb. 22.1).

Abb. 22.1: Verschiedene Anregungsformen

Wir unterscheiden periodische Anregungen (Fußgänger), stochastische Anregungen (Fahrbahnunebenheiten) und transiente Anregungen (Erdbeben). Letztere sind somit für Erdbebenbeschreibungen von Interesse. Ist man nicht direkt am Zeitverlauf der Verschiebung durch Anregung interessiert, sondern nur am Maximalwert, dann spricht man von einem Schockspektrum. In Ka­ pitel 15 haben wir für ein System mit gegebener Periode T die maximale Antwort für verschiedene transiente Anregungen (Rechteck, Dreieck, Dirac) bestimmt. Trägt man die maximale Antwort eines Systems mit gegebener Periode T für verschiedene Anre­ gungen der Dauer t1 in Funktion des Verhältnisses tT1 auf, so erhält man ein Schock­ spektrum, also ein Spektrum der maximalen Antworten für die Anregungsarten. Umgekehrt kann man die Anregung der Dauer t1 als konstant betrachten und die maximale Antwort als Funktion der Frequenz f = T1 auftragen. Dies führt zum Ant­ wortspektrum. Vor allem im Umgang mit Erdbeben wird es benutzt. Das Antwortspek­ trum gibt bei einem gegebenen Verlauf der Bodenbeschleunigung die maximale Ant­ wort (relativ zur absoluten Verschiebung oder zur absoluten Beschleunigung) eines EMS als Funktion der Eigenfrequenz dieses EMS an. Der Erste, der sich mit solchen Antwortspektren befasste war Maurice Biot. In sei­ ner Doktorarbeit erstellt er einen Apparat zur Aufzeichnung von Maximalantworten. An fünf Drähten gleicher Federkonstanten befestigt er fünf verschiedene Massen und erhält so ebensoviele verschiedene Eigenfrequenzen. Die Schwingungen und de­ ren maximale Amplitude werden auf Papier aufgezeichnet. Auf diese Weise erhält er das Antwortspektrum dieser fünf Eigenfrequenzen (Abb. 22.2 links). https://doi.org/10.1515/9783110683820-022

138 | 22 Schockspektren, Antwortspektren, Bemessungspektren

Abb. 22.2: Skizze zum Antwortspektrum von Biot und Beschleunigungsspektrum der Gegend X

In erdbebengefährdeten Gebieten ist es natürlich absolut zwingend, dass Gebäu­ de und andere Konstruktionen den auftretenden Beschleunigungen standhalten kön­ nen. Nehmen wir an, es liegt wie in Abb. 22.2 rechts der zeitliche Verlauf der Boden­ beschleunigung (in Nord-Süd-Richtung als Vielfache der Erdbeschleunigung) einer erdbebegefährdeten Gegend X vor. Um nun im Nachhinein ein Antwortspektrum zu berechnen, diskretisiert man dieses zeitlich, z. B. mit ∆t = 0,1 s und liest die entspre­ chenden 300 Werte für die Beschleunigung ab. Die maximale Beschleunigung betrug a = 2,94 sm2 (Abb. 22.2 rechts). Nun muss man die DGL ẍ + 2ξω0 ẋ + ω20 x = −ag (t) (ag stückweise gegeben) für verschiedene Dämpfungen (meistens ξ = 0 %, 1 %, 5 %) und verschiedene Eigenfre­ quenzen lösen. Dazu kann man das eben besprochene Newmark-Verfahren heranzie­ hen. Man muss es kurz anpassen: (m +

∆t ∆t ∆t2 μ+ D) a n+1 = −μ (v n + a n ) 2 4 2 − D (x n + ∆tv n +

(1 +

∆t2 a n ) + F n+1 | : m 4

∆t ∆t2 2 ∆t 2ξω0 + ω ) a n+1 = −2ξω0 (v n + a n ) 2 4 0 2 − ω20 (x n + ∆tv n +

(1 +

∆t2 a n ) + a g(n+1) 4

∆t ∆t2 2 2 ∆t 4πξf + 4π f ) a n+1 = −4πξf (v n + an ) 2 4 2 − 4π2 f 2 (x n + ∆tv n +

∆t2 a n ) + a g(n+1) . 4

22 Schockspektren, Antwortspektren, Bemessungspektren |

139

Da die Verschiebung x(t) in obiger Gleichung die Relativverschiebung bezeichnet, ̈ der Beschleunigung in der Newmark-Tabelle noch muss man von den Werten von x(t) jeweils die aktuelle Beschleunigung ag (t) subtrahieren und erhält so den Spektralwert ̈ − ag (t)|). Natürlich der absoluten Beschleunigung für diesen Fall S a,ξ,ω0 = max(|x(t) kann und muss man die DGL nicht für alle Frequenzen lösen. Wie aus Abb. 22.3 er­ sichtlich ist, sind die Frequenzen im Bereich von 0 Hz bis 10 Hz die wichtigsten. Der Grund dafür liegt in der Tatsache, dass bei Gebäuden und Brücken die ersten beiden Eigenfrequenzen in diesem Bereich liegen. Diese zu unterdrücken, um Schäden zu vermeiden, ist absolute Priorität (vgl 3. Band). Für ein Zahlenbeispiel sei f = 2 Hz (typische 1. Anregungsfrequenz von Brücken), ξ = 1 % und x0 = v0 = 0. Weiter wählen wir m = 1 und ∆t = 0,1 s. Dann ent­ nimmt man aus den Messungen von Abb. 22.2 rechts etwa die Beschleunigungsfolge ag (0,1i) ≈ 0,1, −0,2, 0,3, 0, 0,1, −0,5 usw. Der Algorithmus hierzu besitzt dann folgenden Gestalt: 1. Vorgegeben sind ag (0,1i), x0 und v0 ; m∗ wird berechnet. 2. Die Anfangsbeschleunigung a0 zur Zeit t = 0 wird aus den Anfangsbedingungen und der Gleichung (1 + 2πξf∆t + π2 f 2 ∆t2 )a0 = −4πξfv0 − 4π2 f 2 x0 + ag (0)

3.

bestimmt. Aus x̃ n+1 = x n + ∆tv n +

4.

5.

und

ṽ n+1 = v n +

∆t an 2

werden x̃ 1 und ṽ 1 berechnet. Mittels m∗ a n+1 = −4πξfm ṽ n+1 − 4π2 f 2 m x̃ n+1 + a g(n+1) bestimmt man a1 . Mit x n+1 = x̃ n+1 +

6.

∆t2 an 4

∆t2 a n+1 4

und

v n+1 = ṽ n+1 +

∆t a n+1 2

erhält man x1 und v1 . Zurück zum Punkt 3, x̃ 2 und ṽ 2 bestimmen usw.

Für die ersten drei Antwort-Beschleunigungen ergeben sich a0 = 0,07 sm2 , a1 = −0,16 sm2 und a3 = 0,34 sm2 . Zieht man davon die entsprechenden Anregungs-Beschleu­ nigungen a g0 = 0,1 sm2 , a g1 = −0,2 sm2 und a g2 = 0,3 sm2 ab, so erhält man schließlich die Werte a∗0 = −0,03 sm2 , a∗1 = 0,04 sm2 und a∗2 = 0,44 sm2 . Führt man diese Rechnung bei einem Zeitschritt von 0,1 s also 300-mal durch, so erhält man ein maximales a∗ . Dies entspricht dem Spektralwert S ξ=1 %,f =2 Hz = max(|a∗n |). Dieser beträgt etwa S ξ=1 %,f =2 Hz = 11 sm2 (Abb. 22.3 rechts, Punkt S1,2 ). Führt man obige Rechnung für Frequenzen f im Intervall [0 Hz, 30 Hz] bei fester Dämpfung ξ = 1 % durch, so erhält

140 | 22 Schockspektren, Antwortspektren, Bemessungspektren

Abb. 22.3: Skizze zum Antwortspektrum

man ein sogenanntes Antwortspektrum (Abb. 22.3 rechts). Üblicherweise besteht ein Antwortspektrum aus drei Kurven, eine für die jeweilige Dämpfung. Das Spektrum für ξ = 0 % entspricht der maximal möglichen Antwort des Systems. Wie erstellt man aber ein Antwortspektrum für eine Zone, in der (glücklicherwei­ se) noch keine Aufzeichnungen über Erdbeben existieren, man aber trotzdem mögli­ che maximale Beschleunigungsantworten abschätzen will? In diesem Fall muss man ein Beschleunigungsspektrum künstlich herstellen. Wie soll eine solches sinnvoll aus­ sehen? Welche Eigenfrequenzen soll man zulassen? Wenn man nur eine Brücke oder ein Gebäude im Auge hat, dann kann man mit einer Frequenzanalyse die Eigenfre­ quenzen bestimmen und den Frequenzbereich einschränken. Für ganze Städte oder Gegenden ist das natürlich viel zu ungenau. Man teilt deswegen eine Stadt in Erdbebenzonen und zudem die Gebäude in Bau­ klassen ein. Für jede Erdbebengefährdungszone und jede Bauklasse stehen genormte Anre­ gungsspektren zur Verfügung. Das Spektrum sollte dabei alle entscheidenden (die ers­ ten paar Eigenfrequenzen) generieren können. Die gesamte Länge der Zeitverläufe beträgt beispielsweise 10 s. Sie setzt sich zu­ sammen aus einer kurzen Anschwellphase von 1 s, gefolgt von der eigentlichen Stark­ bebenphase von 6 s und endet mit einer Ausschwingphase von 3 s. Die Annahme einer Durchschnittsdämpfung von 5 % hat sich bewährt. Mit diesem generierten Beschleu­ nigungsverlauf führt man im gewählten Frequenzbereich die oben beschriebene Rech­ nung durch und erhält so ein Antwortspektrum.

22 Schockspektren, Antwortspektren, Bemessungspektren |

141

Abb. 22.4: Skizze zum Bemessungsspektrum

Hat man mehrere solcher Antwortspektren einer Gegend zusammengetragen, dann werden diese zu einem sogenannten Bemessungsspektrum zusammengefasst, meist in Form einer vereinfachten glatten Kurve, die einen Mittelwert verschiedener Zeitläufe darstellt. Es gibt Bemessungsspektren für jedes Zonengebiet (Abb. 22.4).

23 Energiebetrachtungen Wir kommen im Zusammenhang mit Energiefragen auf viele bekannte Bewegungen und Schwingungen zurück. Der Umgang mit dem Arbeitsintegral ist bei Energiebe­ rechnungen wichtig. Man kann vier Fälle unterscheiden. Konstant meint hier zeit- und wegunabhängig. 1. Fall: Kraft und Weg sind beide konstant. 2. Fall: Die Kraft ist nicht konstant, der Weg ist konstant. 3. Fall: Die Kraft ist konstant, der Weg ist nicht konstant. 4. Fall: Kraft und Weg sind beide nicht konstant. Beispiel 1 (Fall 2). Eine Feder wird um die Strecke x2 −x1 gespannt (x2 > x1 ) (Abb. 23.1 links). F(x) = Dx. Die Arbeit an der Rückstellkraft der Feder erhöht die potenzielle Energie der Feder (Spannungsenergie). Es gilt x2

Epot = ∫ Dx dx = x1

1 D(x21 − x22 ) . 2

Über den Energiesatz 12 Dx22 = 12 Dx21 + 12 mv2 können Berechnungen durchgeführt wer­ den.

Abb. 23.1: Skizzen zu den Arbeitsdiagrammen 1

Beispiel 2 (Fall 1). Ein Körper wird bei konstantem g um die Höhe h2 − h1 gehoben (x2 > x1 ) (Abb. 23.1 rechts). F = mg. Die Arbeit an der Gewichtskraft erhöht die poten­ zielle Energie des Körpers. Man hat h2

Epot = ∫ mg dx = mg(h2 − h1 ) . h1

Über den Energiesatz mgh2 = mgh1 + 12 mv2 können Geschwindigkeiten oder mit Ekin (t) = 12 mv2 (t) = 12 mg2 t2 vestrichene Zeiten berechnet werden. Die Zunahme der kinetischen Energie entspricht der Abnahme der potenziellen Energie und kann auch über ein Arbeitsintegral bestimmt werden (Fall 3). https://doi.org/10.1515/9783110683820-023

23 Energiebetrachtungen | 143

Es ist h(t) = ergibt sich

1 2 2 gt

(von der Starthöhe aus wird der Weg positiv gemessen). Dann

h(t)

t

Ekin (t) = ∫ mg dh(τ) = mg ∫ 0

0 t

= mg ∫ gτ dτ = mg2 [ 0

t

t

0

0

dh(τ) ̇ dτ = mg ∫ v(τ) dτ dτ = mg ∫ h(τ) dτ

τ2 2

t

] = 0

1 mg2 t2 . 2

̇ dτ auch deshalb, weil die Abstände dh(τ) mit der Bemerkung. Es ist dh(τ) = h(τ) ̇ Geschwindigkeit h(τ) breiter werden. Beispiel 3 (Fall 3). Ein Körper wird mit konstanter Kraft auf ebener Fläche aus dem Stand gezogen (Abb. 23.2 links). m ẍ = F

󳨐⇒

x(t) =

F 2 t , 2m

falls

̇ x(0) = 0 , x(0) =0.

Die Kraft dient auschließlich dazu, die kinetische Energie des Körpers zu erhöhen: Ekin (t) =

F 2 1 2 1 F2 2 mv (t) = m ( t) = t 2 2 m 2m

oder kurz

Ekin (t) = F ⋅ x(t) =

F2 2 t . 2m

Auch ein ausführlich berechnetes Arbeitsintegral ergibt dasselbe: x(t)

t

t

t

̇ dτ = F ∫ v(τ) dτ = F ∫ Ekin (t) = ∫ F dx(τ) = F ∫ x(τ) 0

0

0

F F2 2 t dτ = t . m 2m

0

Abb. 23.2: Skizzen zu den Arbeitsdiagrammen 2

Beispiel 4 (Fall 3). Ein Körper wird um die Strecke r2 − r1 im Gravitationsfeld gehoben (r2 > r1 ) (Abb. 23.2 rechts): m1 m2 F(r) = G . rr Die Arbeit an der Gewichtskraft erhöht die potenzielle Energie des Körpers: r2

Epot = Gm1 m2 ∫ r1

1 1 r2 1 1 dr = Gm m [− ] = Gm1 m2 ( − ) . 1 2 rr r r1 r1 r2

144 | 23 Energiebetrachtungen

Über den Energiesatz können Berechnungen durchgeführt werden: Gm1 m2 (

1 1 1 1 1 − ) = Gm1 m2 ( − ) + mv2 R r2 R r1 2

󳨐⇒

Gm1 m2 (

1 1 1 − ) = mv2 . r1 r2 2

R 2 R 2 Es gilt aber zu beachten, dass g = g0 ( R+r ) ist und die DGL m2 r ̈ = m2 g0 ( R+r ) nicht 1 2 2 geschlossen gelöst werden kann. Deswegen ist auch Ekin (t) ≠ 2 m2 g t und das Ar­ beitsintegral r(t)

W(t) = Gm1 m2 ∫ r(0)

t

dr(τ) 1 dr(τ) dτ = Gm1 m2 ∫ 2 r2 (τ) r (τ) dτ 0

führt zu keinem Ziel für Ekin (t), da r(t) nicht zur Verfügung steht. Hier muss man sich mit numerischen Methoden begnügen (siehe Übungen 21–23). Beispiel 5 (Fall 4). Wir betrachten das ungedämpfte Federpendel mit der DGL m ẍ + D ̇ Dx = 0 oder ẍ + m x = 0 und der Lösung x(t) = x0 cos ωt, falls x(0) = x0 , x(0) = 0 und D ist. Die Energie steckt nur in der Feder, wie folgende Rechnung zeigt: ω = √m

Epot (t) = Maximal für t1 = 0 und t2 = T = Ekin (t) =

1 2 1 Dx (t) = Dx20 cos2 ωt . 2 2

2π ω .

1 2 1 1 mv (t) = mx20 ω2 sin2 ωt = Dx20 sin2 ωt . 2 2 2

Maximal für t1 = 14 T und t2 = 34 T. Gesamthaft hat man Etotal (t) = Epot (t) + Ekin (t) =

1 2 Dx . 2 0

Diese potenzielle Energie wird innerhalb eines Zyklus vollständig in Bewegungsen­ ergie umgewandelt. Als Zusatz berechnen wir die kinetische Energie noch mit einem Arbeitsintegral. Dabei dient die Rückstellkraft (darum −D) der Feder dazu, die kineti­ sche Energie zu vergrößern: x(t)

t

t

̇ dτ = −D ∫ x0 cos ωτ(−x0 ω sin ωτ) dτ Ekin (t) = −D ∫ x(τ) dx(τ) = −D ∫ x(τ)x(τ) 0

0 t

= Dx20 ω ∫ cos ωτ ⋅ sin ωτ dτ = 0

0 t

1 2 1 Dx ω ∫ sin(2ωτ) dτ = − Dx20 [cos(2ωτ)]0t 2 0 4 0

1 1 = Dx20 (1 − cos(2ωt)) = Dx20 sin2 ωt . 4 2

23 Energiebetrachtungen |

145

Folgendes Arbeitsdiagramm soll die gegenseitige Umwandlung von potenzieller und kinetischer Energie veranschaulichen. Dabei variieren die Abstände dx(t).

Abb. 23.3: Skizze zur Umwandlung potenzieller und kinetischer Ener­ gie des ungedämpften Federpendels

24 Dissipierte Energien In den Beispielen 1–5 aus Kapitel 23 steht die durch Arbeit erhöhte (potenzielle) Ener­ gie vollständig zur Verfügung und kann in Bewegungsenergie umgewandelt werden. Wird die Bewegung durch eine Reibungskraft gebremst, dann geht dadurch Ener­ gie in Form von Wärme verloren. Wir nennen dies die dissipierte Energie. Beispiel 6. Die Bewegung des Körpers von Bsp. 3 aus Kapitel 23 wird durch Gleitrei­ bung gebremst. DGL: m ẍ + μmg = F

󳨐⇒

x(t) =

1 F ( − μg) t2 , 2 m

̇ x(0) = 0 , x(0) =0.

falls

Die kinetische Energie des Körpers beträgt Ekin (t) =

2 F 1 2 1 mv (t) = m ( − μg) t2 . 2 2 m

Für die dissipierte Energie ist μmg F ( − μg) t2 . 2 m

Ediss (t) = F ⋅ x(t) =

Mit einem Arbeitsintegral berechnet (die Reibungskraft verrichtet Arbeit): x(t)

t

t

̇ dτ = μmg ∫ ( Ediss (t) = μmg ∫ dx(τ) = μmg ∫ x(τ) 0

0

F − μg) τ dτ m

0

μmg F = ( − μg) t2 . 2 m Für das Verhältnis gilt Ediss (t) = Ekin (t)

μmg 2

( mF − μg) t2

1 F 2m(m

2

− μg) t2

=

μmg . (F − μmg)

Beispiel 7. Ein Körper gleitet aus der Höhe h eine schiefe Ebene mit der Neigung α hinab. Die zugehörige DGL ist

󳨐⇒

m ẍ + μmg ⋅ cos α = mg ⋅ sin α g x(t) = (sin α − μ cos α)t2 , falls 2

https://doi.org/10.1515/9783110683820-024

̇ x(0) = 0 , x(0) =0.

24 Dissipierte Energien | 147

Nach dem Energiesatz ist Etotal (t = 0) = mgh und Etotal (t) = mgh1 + 12 mv2 . Dann gilt Ediss (t) = mg(h − h1 ) +

1 2 1 mv = mgx(t) sin α − mv2 (t) 2 2

=

1 1 mg2 sin α(sin α − μ cos α)t2 − mg2 (sin α − μ cos α)2 t2 2 2

=

1 mg2 (sin α − μ cos α)t2 (sin α − sin α + μ cos α) 2

=

1 μm cos αg2 (sin α − μ cos α)t2 2

oder kurz Ediss (t) = F ⋅ x(t) =

1 μm cos αg2 (sin α − μ cos α)t2 . 2

Auch ein ausführlich berechnetes Arbeitsintegral ergibt dasselbe: x(t)

t

t

̇ dτ = μmg ∫ g(sin α − μ cos α)τ dτ Ediss (t) = μmg cos α ∫ dx(τ) = μmg ∫ x(τ) 0

=

0

0

1 μm cos αg2 (sin α − μ cos α)t2 . 2

Beispiel 8. Ein Körper fällt mit konstantem g aus der Höhe h unter Beachtung der Luftreibung. Die zugehörige DGL ist m ẍ + μ ẋ = mg 󳨐⇒

ẍ + a ẋ = g

mit mit

μ= a=

1 cW ρL A 2

(vgl. 1. Band, Übungsteil)

μ cW ρL A = . 2m m

Die Lösung beträgt v(t) = √ ag tanh(√agt), falls v(0) = 0 und x(t) = falls x(0) = 0 gilt. Nach dem Energiesatz gilt (Abb. 24.1 links) Ediss (t) = mg(h − h1 ) −

1 a

1 2 1 mv = mgx(t) − mv2 (t) 2 2

1 mg = [ln(cosh(√agt)) − (tanh(√agt))2 ] a 2

ln(cosh(√agt)),

(24.1)

148 | 24 Dissipierte Energien

Die Funktion ist monoton steigend (Abb. 24.1 links). Mit einem Arbeitsintegral berech­ net (die Reibungskraft vermindert die kinetische Energie, Arbeitsintegral Fall 4): x(t)

t

t

̇2

̇ dτ Ediss (t) = ∫ FR (τ) dx(τ) = μ ∫ x (τ) dx(τ) = am ∫ ẋ 2 (τ)x(τ) 0

0 t

0 t

= am ∫ ẋ 3 (τ) dτ = mg√ 0

g ∫ tanh3 (√agt) dτ a 0

=

mg mg mg 1 − ⋅ ln(e√agt + e−√agt ) + ⋅ ⋅ (2 ln 2 + 1) a a cosh2 (√agt) 2a

=

mg 1 e√agt + e−√agt 1 [ln ( ) + ln 2 + (1 − tanh2 (√agt)) − ln 2 − ] . a 2 2 2

Aufgabe Bearbeiten Sie die Übung 43.

Beispiel 9. Wir betrachten die erzwungene Schwingung des gedämpften Federpen­ dels. Die zugehörige DGL lautet m ẍ + μ ẋ + Dx = F0 cos ωt. Die Lösung ist F0 { x(t) = C ⋅ cos(ωt − δ) C= { { { { √(D − mω2 )2 + μ2 ω2 { { { { {v(t) = −ωC ⋅ sin(ωt − δ) δ = arctan ( μω ) . { D − mω2 Für die Energieanteile gilt Epot (t) =

1 2 1 Dx (t) = DC2 cos2 (ωt − δ) 2 2

Ekin (t) =

1 2 1 mv (t) = mC2 ω2 sin2 (ωt − δ) . 2 2

und

Somit ist Etotal (t) = E(t) =

1 mC2 (ω20 cos2 (ωt − δ) + ω2 sin2 (ωt − δ)) 2

mit

ω0 = √

Für die Berechnung der dissipierten Energie lauten Reibungskraft und Weg: FR (t) = μ ẋ = −μωC ⋅ sin(ωt − δ) und

x(t) = C ⋅ cos(ωt − δ) .

D . m

24 Dissipierte Energien |

μωC

Ediss(t)

149

FR(t) C

x (t)

t Abb. 24.1: Graph von (24.1) und Skizze zum Arbeitsdiagramm von Beispiel 9

Dies ist die Parameterdarstellung einer Ellipse mit den Halbachsen a = C und b = μωC. Der Flächeninhalt der ganzen Ellipse (A = πab) entspricht der dissipierten En­ 1 2 ergie für einen Zyklus t = 2π ω : E diss = πμωC . Die dissipierte Energie für 0 ≤ t ≤ 4 T ist in der Skizze schraffiert (Abb. 24.1 rechts). Denselben Ausdruck erhält man über ein Arbeitsintegral (die Reibungskraft ver­ mindert die kinetische Energie). Auf diese Weise leitet man überhaupt den Flächen­ inhalt einer Ellipse oder Teile davon her: x(t)

t

Ediss (t) = ∫ FR (τ) dx(τ) = μ ∫ ω2 C2 sin2 (ωt − δ) dτ = 0

sin(2ωt) μω2 C2 (t − ) . 2 2ω

0

Speziell für t =

2π ω

ist dann wieder Ediss (t) =

μω2 C2 2π ⋅ = πμωC2 . 2 ω

Beispiel 10. Wir betrachten die freie Schwingung des gedämpften Federpendels. Die zugehörige DGL lautet m ẍ + μ ẋ + Dx = 0. ̇ = 0 ist, erhält man x(t) = Ce−at cos(ωd t − δ) mit Falls x(0) = x0 , x(0) a=−

x0 √μ 2 + (2mωd )2 μ , ,C = 2m 2mωd

δ = arctan (

μ ) 2mωd

und

ωd =

√4Dm − μ2 2m

Für die Geschwindigkeit gilt v(t) = −Ce−at (cos(ωd t − δ) + ωd sin(ωd t − δ)) . Somit folgt 1 2 1 Dx (t) = DC2 e−2at cos2 (ωd t − δ) , 2 2 1 2 1 Ekin (t) = mv (t) = mC2 e−2at (cos(ωd t − δ) + ωd sin(ωd t − δ))2 2 2 Etotal (t) = Epot (t) + Ekin (t) . Epot (t) =

und

Es ist sin(ωd (t + Td ) − δ) = sin(ωd t − δ) wenn Td =

2π ω

und

cos(ωd (t + Td ) − δ) = cos(ωd t − δ) ,

die Zeit für eine Periode bedeutet.

.

150 | 24 Dissipierte Energien

Dann folgt Etotal (t + Td ) =

1 2 −2a(t+Td ) 1 cos2 (ωd t − δ) + mC2 e−2a(t+Td ) (cos(ωd t − δ) DC e 2 2 + ωd sin(ωd t − δ))2

= e−2aTd Etotal (t) . Für das Verhältnis hat man (Abb. 24.2 links) Etotal (t + Td ) = e−2aTd . Etotal (t)

(24.2)

Die dissipierte Energie beträgt verglichen mit Etotal (t) Ediss (t) Etotal (t) − Etotal (t + Td ) = = 1 − e−2aTd . Etotal (t) Etotal (t) Die rechnerische Bestätigung mit dem Arbeitsintegral führen wir nicht aus. Hingegen wollen wir nicht auf die Darstellung des Arbeitsdiagramms verzichten. Es gilt FR (t) = μ ẋ = −μCe−at (cos(ωd t − δ) + ωd sin(ωd t − δ)) = e−at (c1 cos t + c2 sin t) x(t) = Ce

−at

cos(ωd t − δ) = e

−at

und

(c3 cos t + c4 sin t) .

Ohne den Exponentialterm würde die Parameterdarstellung eine schiefe Ellipse be­ schreiben, denn nehmen wir z. B. x∗ (t) = e ⋅ cos t, y∗ (t) = f ⋅ cos t und drehen das Koordinatensystem um einen entsprechenden Winkel α, dann hat man x cos α x∗ ( ) = ( ∗) ⋅ ( y y − sin α

sin α e ⋅ cos α ⋅ cos t − f ⋅ sin α ⋅ sin t )=( ) . cos α −e ⋅ sin α ⋅ cos t + f ⋅ cos α ⋅ sin t

Somit erhält man für das Arbeitsdiagramm eine schräge elliptische Spirale. Darstel­ lung z. B. für μ = C = δ = ωd = 1, a = 0,1 und 0 ≤ t ≤ 6π (Abb. 24.2 mitte). Der schraffierte Flächeninhalt entspricht der dissipierten Energie für einen Zyklus (Abb. 24.2 rechts). Ediss(t) Etotal (t)

FR(t)

1

x (t) t

Abb. 24.2: Graph von (24.2) und Skizzen zum Arbeitsdiagramm von Beispiel 10

25 Elastische und viskose Materialien Die drei Aggregatszustände fest, flüssig und gasförmig sind die drei klassischen Grundtypen für einen Stoff, abhängig von Temperatur und Druck. Neben diesen Aggregatzuständen gibt es einen weiteren: das Plasma. Diesen Zu­ stand erreicht Materie, wenn man so viel Energie in Form von Druck und Temperatur zuführt, dass den Elektronenhüllen der Atome einzelne oder alle Elektronen entris­ sen werden. In der Folge entsteht ein Gebilde aus freien, negativ geladenen Elektronen und positiven Ionen. Materie in diesem Zustand verfügt über völlig neue physikalische Eigenschaften. So sind zum Beispiel Plasmen in der Regel elektrisch sehr leitfähig und durch Magnetfelder stark beeinflussbar. Es gibt aber auch Stoffe, die sowohl Festkörpereigenschaften als auch Eigenschaf­ ten eines Fluids (flüssig oder gasförmig) zeigen. Diese können sichtbar gemacht wer­ den, wenn man das Material einer Kraft aussetzt und die Reaktion auf die Formverän­ derung untersucht.

25.1 Ideal elastische Stoffe Als solche bezeichnet man Festkörper, die bei Krafteinwirkung ihre Form ohne zeitli­ che Verzögerung verändern und bei Wegfall der Kraft wieder in ihre Ursprungsform zurückkehren. Die Deformation ist dann bei einer begrenzten Verformung vollständig reversibel. Ist die Verformung zusätzlich proportional zur Belastung, dann nennt man das Material ideal-elastisch. Dies sind die Eigenschaften eines idealen Festkörpers und können durch eine Feder, das sogenannte Hooke-Element, modelliert werden. Es gilt dann das Hooke’sche Gesetz: σ = AF = E ⋅ ε, wobei σ die Spannung, ε = ∆L L die rela­ tive Längenänderung und E den Elastizitätsmodul bei Dehnung, Kompressionsmodul bei Stauchung oder Schermodul bei Scherung oder Torsion bezeichnet. Beispiele sind Metalle, Glas, Keramik. Wir vergleichen einen Stab mit einer metallischen Feder. An beiden greife die Spannung σ an. Die charakteristischen Parameter für jeden Körper entnimmt man aus Abb. 25.1.

Abb. 25.1: Die charakteristischen Größen beim Stab und bei der Feder

Dehnen wir den Stab oder die Feder um die Strecke ∆l, dann erhöht dies die Span­ nungsenergie. Für die Feder ist wie bekannt (vgl. Kapitel 14) Epot =

1 1 G ⋅ R4D (∆l)2 . D(∆l)2 = ⋅ 2 2 4 ⋅ n ⋅ R3F

https://doi.org/10.1515/9783110683820-025

152 | 25 Elastische und viskose Materialien

Für den Stab ist dEpot =

1 1 d∆l 1 d∆l 2 1 1 F d∆l = EAε ⋅ d∆l = EA d∆l = EA ( ) dl = EAε2 ∆l 2 2 2 ∆l 2 ∆l 2 l

󳨐⇒

Epot

1 1 1 = EAε2 ∫ ∆l = EAε2 l = EVε2 . 2 2 2 0

Der Federkonstanten D entspricht bei einem Stab somit die Größe EA l . Diese Spannungsenergie steht zur Erhöhung der kinetischen Energie zur Verfü­ gung, wenn der Körper entspannt wird. Nur das Ende des Stabs (der Feder) erreicht dabei die Endgeschwindigkeit v0 . Für die Geschwindigkeitsverteilung innerhalb des Stabs kann man einen linearen Verlauf annehmen: dv = vl0 dx. Somit ist dEkin =

v0 2 1 1 1 dm ⋅ v2 = ρA dx ⋅ v2 = ρA dx ⋅ ( x) 2 2 2 l l

󳨐⇒

Ekin =

v2 v2 l3 1 1 1 1 1 1 ρA 20 ∫ x2 dx = ρA 20 = ρAlv20 = mv20 = ( m) v20 . 2 2 6 6 2 3 l l 3 0

1 3m

ist die relative Masse, die bewegt wird. Dasselbe Ergebnis erhielten wir für die Eigenbewegung der Feder (vgl. Kapitel 9.3). Setzen wir obigen Stab oder die Feder einer sich periodisch ändernden Kraft aus, dann entspricht die Bewegung einer erzwungenen Schwingung und die berechneten Energien erhält man bei maximaler Auslenkung. Für den Stab heißt das: ∆l(t) = ∆l0 cos ωt 󳨐⇒

∆l(t) = ∆l0 cos (√

mit

ω=√

D 3EA =√ mrel ml

3EA t) . ml

Für die Energien erhält man dann 1 1 3EA 1 EA D(∆l(t))2 = D(∆l0 )2 ⋅ cos2 ωt = (∆l0 )2 ⋅ cos2 ωt 2 2 ml 2 l 1 = EVε2 ⋅ cos2 ωt , 2

Epot (t) =

1 1 3EA 1 EA 2 ̇ = m(∆l0 )2 ⋅ mrel (∆l(t)) sin2 ωt = (∆l0 )2 ⋅ sin2 ωt 2 6 ml 2 l 1 = EVε2 ⋅ sin2 ωt und 2

Ekin (t) =

Etotal =

1 EA 1 (∆l0 )2 = EVε2 . 2 l 2

Die Energie wandert hin und her (vgl. Bsp. 5, Kapitel 23).

25.2 Ideal-viskose Stoffe

| 153

Als Ergänzung noch die Berechnung der kinetischen Energie mit dem Arbeitsin­ tegral: ∆l(t)

∆l(t)

Ekin (t) = ∫ −F(τ) d∆l(τ) = −F0 ∫ cos ωτ(−∆l0 ω sin ωτ) dτ 0

0 t

1 = F0 ∆l0 ω ∫ cos ωτ ⋅ sin ωτ dτ = − F0 ∆l0 ω[cos(2ωτ)]0t 4 0

1 1 EA = F0 ∆l0 ω(1 − cos(ωt)) = (∆l0 )2 sin2 ωt . 4 2 l

25.2 Ideal-viskose Stoffe In diesem Zusammenhang muss zuerst der Begriff der Viskosität, also der Zähflüs­ sigkeit eines Fluids (Flüssigkeit oder Gas) eingeführt werden. Dazu folgen wir dem Gedankenexperiment von Newton. Er stellt sich die Frage: Welchen Widerstand setzt ein Fluid einer Bewegung entgegen? Dazu nimmt man eine Fluidschicht der Höhe h zwischen zwei parallelen Platten (Abb. 25.2). Die untere Platte ruht, während an der oberen eine Kraft F angreift, was zur Bewegung der Platte mit der Geschwindigkeit v0 führt. Das Fluid behindert nun diese Bewegung. Innerhalb des Fluids stellt sich im v0 v0 Idealfall ein lineares Geschwindigkeitsprofil der Form dv dy = h oder dv = h dy ein. Ein Beispiel dazu: Gleitet Wind über das Wasser eines Ozeans, erzeugt dies eine Bewegung der Wasserschicht an der Oberfläche. Je tiefer man taucht, umso ruhiger wird das Wasser, bis man einen Punkt erreicht, wo keine Strömung herrscht. Je größer die Fläche A ist, umso größer wird auch die Kraft F sein müssen. Und je größer F ist, umso länglicher wird das Profil sein, d. h. umso größer ist dv dy . Zusammen ergibt sich F = ηA

dv dy

󳨐⇒

F dv =η A dy

󳨐⇒

η heißt dynamische Viskosität.

Abb. 25.2: Skizze zur Viskosität

σ=η

dv . dy

154 | 25 Elastische und viskose Materialien

Durch die Bewegung der oberen Platte wird jedes Volumenelement des Fluids zu einer Deformation gezwungen. Es gilt tan ε = dx dy . Für kleine ε hat man tan ε ≈ ε; ε=

dx dy

heißt Scherwinkel (Abb. 25.3 links). Entscheidend für das Fließverhalten eines Fluids ist die Geschwindigkeit, mit der sich die Deformation einstellt. Die Deformationsgeschwindigkeit nennt man auch Scherrate. Uns interessiert somit die Größe ε.̇ d dx dv ̇ Es ist ε̇ = dε dt = dt ( dy ) = dy . Somit bekommt das Gesetz die Form σ = η ε. Diese Formel gilt also nur für ideal-viskose Fluide oder Newton’sche Fluide. Aus der Formel entnimmt man auch, dass das Fluid mit einer zeitlich verzögerten Defor­ mation reagiert. Das Fluid wird durch einen flüssigkeitsgefüllten Dämpfungszylinder und einen darin enthaltenen Kolben, das Newton-Element, modelliert. Eine entscheidende Eigenschaft ist, dass die Viskosität unabhängig von der Scher­ rate oder der Schergeschwindigkeit ist. Solche Fluide sind z. B. Wasser, Luft, Lösemit­ tel, dünnflüssige Öle. Es gibt Substanzen, bei denen die Viskosität stark von der Schergeschwindigkeit abhängt. Man mische z. B. Wasser und Mehl im Verhältnis 1:1 und verrühre alles lang­ sam, bis man eine homogene Suspension erhält. Rührt man nun langsam, dann ver­ hält sich die Suspension wie eine relativ dünne Flüssigkeit. Versucht man hingegen schnell zu rühren, dann wird das Material fast fest. Um eine Flüssigkeit in Bewegung zu versetzen, muss Arbeit gegenüber der Rei­ bungskraft FR = Aη ε̇ verrichtet werden (Abb. 25.3 rechts). Zusätzlich muss Energie für die Bewegung an sich aufgwendet werden. Zur Berechnung der kinetischen Energie bewegen wir ein Massenstück dm um die Geschwindigkeit v. Je nachdem, auf welcher Höhe y sich die kleine Massenschicht befindet, wird es mit einer entsprechenden Ge­ schwindigkeit v = vh0 y bewegt. Es gilt

dEkin =

1 1 1 v0 2 dm ⋅ v2 = ρA dy ⋅ v2 (y) = ρA dy ⋅ ( y) 2 2 2 h h

󳨐⇒

Ekin =

v2 v2 h3 1 1 1 1 1 1 ρA 02 ∫ y2 dy = ρA 02 = ρAhv20 = mv20 = ( m) v20 . 2 2 6 6 2 3 h h 3 0

Abb. 25.3: Skizzen zur Scherung

| 155

25.2 Ideal-viskose Stoffe

(In Analogie zur Dehnung eines Stabes oder einer Feder mit der relativen Masse mrel = 1 3 m.) Für eine zeitabhängige Geschwindigkeit ist v(t) =

v0 cos ωt y h

󳨐⇒

Ekin (t) =

1 2 mv cos2 ωt . 6 0

Aufgrund der viskosen Reibung bedarf es eines zugehörigen Energieaufwands. Diese Energie wird dissipiert. Wir unterscheiden zwei Fälle: a) Kraft und Scherung sind zeitunabhängig: dv dW = FR dx = Aη dx dy

s

󳨐⇒

Ediss = Aη ∫

v0 Aηv0 s ds = h h

(falls

dv dy

linear) .

0

b) Kraft und Scherung sind zeitabhängig: x(t)

x(t)

ε(t)

̇ ̇ dx(τ) = Aη ∫ ε(τ)h dε(τ) Ediss (t) = ∫ FR (τ) dx(τ) = ∫ Aη ε(τ) 0

0 t

0 t

̇ = Ahη ∫ ε(τ)

dε(τ) 2 ̇ dτ . dτ = Vη ∫(ε(τ)) dτ

0

0

Speziell für einen periodischen Verlauf ε(t) = ε0 cos ωt gilt t

Ediss (t) =

Vηε20 ω2

∫ sin2 ωτ dτ =

Vηε20 ω2 sin(2ωt) (t − ) . 2 2ω

0

Für einen Zyklus mit T =

2π ω

ist

Ediss = Vηε20 ω2

π = Vηε20 ωπ . ω

Zum Schluss noch einige Bemerkungen. Es soll hervorgehoben werden, dass alle her­ geleiteten Formeln nur dann gelten, wenn die Viskosität erstens unabhängig von der Scherrate und zweitens temperaturunabhängig ist. Gilt die erste Bedingung nicht, al­ ̇ dann hat man keinen linearen Zusammenhang zwischen Spannung und so η = η(ε), Scherrate, sondern es ist σ = η(ε)̇ ⋅ ε,̇ was zu Modellen der Art σ = a + b ⋅ (ε)̇ k führt. Wenn die zweite Bedingung nicht erfüllt ist, dann kann man für die Temperatur­ b abhängigkeit etwa η(t) = a ⋅ e t ansetzen.

26 Viskoelastische Modelle Zeigen Materialien sowohl elastische wie auch viskose Eigenschaften, dann nennt man sie viskoelastisch. Beispiele sind Silikon, Teflon, Lacke und Harze. Ein beein­ druckendes Beispiel liefert ein als Springkitt bekanntes Silikonpolymer. Formt man es zu einer Kugel und lässt sie zu Boden fallen, springt die Kugel zurück. Legt man die gleiche Kugel auf den Tisch, zerfließt sie wie eine viskose Flüssigkeit. Bei kurzen Belastungszeiten beobachtet man elastisches Verhalten, während die Eigenschaften bei längeren Zeiträumen viskoser Natur sind.

26.1 Viskoelastische Stoffe Bei einem viskoelastischen Stoff stellt sich die zentrale Frage, wie man den entspre­ chenden elastischen Anteil (Elastizitätsmodul E) und den viskosen Anteil (Viskosität η) eines Stoffes bestimmen kann. Es gibt dazu zwei Langzeitversuche: Kriechmessung Beim Kriechversuch wird die Probe einer vorgegebenen Span­ nung σ 0 unterworfen und die Dehnung ε(t) bestimmt. Relaxationsmessung Diese heißt auch Entspannungsmessung. Hierbei wird die Probe um eine vorgegebene Strecke ε0 gedehnt und anschließend in dieser Posi­ tion gehalten. Dadurch wird an der Probe eine Spannung σ(t) hervorgerufen, die mit der Zeit t relaxiert. Periodische Belastung Darauf kommen wir später zurück. Um die beiden erstgenannten Versuche durchzuführen, bedarf es zuerst einmal geeig­ neter Modelle, um das Verhalten der Substanz zu erfassen. Es gibt dazu zwei Grund­ modelle: Das Maxwell-Modell und das Kelvin-Modell.

26.2 Das Maxwell-Modell In diesem Modell sind Feder und Dämpfungszylinder in Reihe angeordnet (Abb. 26.1 links). Die Feder repräsentiert die augenblickliche Dehnung, während der Dämpfer das viskose Fließen wiedergibt. Bei Dehnung verformt sich die Feder sofort, danach beginnt die zeitabhängige und unbegrenzte viskose Verformung. Nach Entlastung be­ wegt sich nur die Feder zurück, die viskose Deformation bleibt bestehen. Es liegt al­ so eine zeitabhängige, unbegrenzte, irreversible Verformung wie bei einer Flüssigkeit vor, allerdings gibt es auch einen zeitunabhängigen und reversiblen elastischen Anteil wie bei einem Festkörper. Die angelegte Spannung ist in jedem Element gleich groß: σ = σ el = σ v . https://doi.org/10.1515/9783110683820-026

26.3 Das Kelvin-Modell |

157

Abb. 26.1: Skizzen zum Maxwell- und Kelvin-Modell

Die Gesamtdehnung ε besteht aus der elastischen Dehnung εel und der viskosen Dehnung εv , also ε = εel + εv . Dann hat man nacheinander εel =

σ , E

ε̇v =

σ η

󳨐⇒

ε̇ = ε̇el + ε̇v =

σ̇ σ + . E η

Daraus erhält man die DGL des Maxwell-Modells zu σ̇ + Eη σ = E ε.̇ 1. Kriechversuch: E σ(t) = konst. = σ 0 󳨐⇒ σ 0 = E ε̇ . η

2.

Mit ε(0) = 0 ist dann ε(t) = ση0 t. Ein linearer und damit unbegrenzter Anstieg der Dehnung ε(t) bei fester und da­ mit endlicher Spannung σ 0 kann nicht sein. Weiter müsste bei Wegfall der Span­ nung (σ 0 = 0) die Dehnung zurückgehen, hingegen hat man 0 = E ε̇ und daraus ε(t) = konst., was ebenfalls unsinnig ist. Relaxationsversuch: ε(t) = konst. = ε0 −Et

󳨐⇒

σ̇ +

E σ=0. η

−Et

Aus σ(0) = σ 0 folgt σ(t) = σ 0 e η = Eε0 e η . Mit der Zeit sinkt die Spannung trotz vorhandener Dehnung ε0 , auf Null ab, was nicht sein kann. Eine Grundspannung muss vorhanden bleiben, die durch das Hooke-Element charakterisiert ist.

26.3 Das Kelvin-Modell Feder und Dämpfungszylinder sind parallel geschaltet (Abb. 26.1 rechts). Bei Deh­ nung, wird die Verformung durch den Dämpfungszylinder gebremst und durch die Feder in ihrem Ausmaß begrenzt. Nach einer Entlastung geht der Körper bedingt durch die Feder wieder in seine Ausgangsposition zurück. Der Kelvin-Körper verformt sich also zeitabhängig wie eine Flüssigkeit, aber begrenzt und reversibel wie ein Festkörper. Die angelegte Spannung führt zu gleicher Dehnungsrate: ε = εel = εv .

158 | 26 Viskoelastische Modelle

Die Gesamtspannung σ besteht aus der elastischen Spannung σ el und der visko­ sen Spannung σ v , also σ = σ el + σ v . Aus σ = Eε + η ε̇ folgt die DGL des Kelvin-Modells zu ε̇ + Eη ε = ση . 1. Kriechversuch: σ(t) = konst. = σ 0

󳨐⇒

ε̇ +

E σ0 ε= . η η

Die Lösung der homogenen Gleichung ε̇ + Eη ε = 0 ist ε(t) = Ce der inhomogenen DGL mit ε(0) = 0 ergibt sich ε(t) =

2.

− Eη t

. Für die Lösung

σ0 −Et −Et (1 − e η ) = ε∗ (1 − e η ) . E

Die Dehnung entspricht für große Zeiten der Federdehnung allein. Bei Wegfall der −Et Spannung hat man ε̇ + Eη ε = 0, also ε(t) = ε∗ e η und somit eine Kriecherholung mit einer Dehnung, die auf Null zurücksinkt, was sinnvoll ist. Relaxationsversuch: ε(t) = konst. = ε0

󳨐⇒

E σ ε0 = η η

und daraus σ(t) = Eε0 = σ 0 . Da die Spannung mit der Zeit konstant bleibt, kann die Dehnung nicht ebenfalls konstant bleiben, sondern muss sich verringern. Das Ergebnis entspricht einfach dem Hooke’schen Gesetz. Man sieht insgesamt, dass das Maxwell-Modell nur das Verhalten der Relaxation in et­ wa beschreibt, wobei die Spannung auf Null herabsinkt, was mit dem realen Verhalten von viskoelastischen Materialien nicht übereinstimmt. Beim Kelvin-Modell bildet nur der Kriechversuch das wirkliche Verhalten des Materials ab. Praktisch könnte man nun einen Versuch über einen längeren Zeitraum durch­ führen, bei Beton z. B. über mehrere Jahre(!), denn da Wasser im Material enthal­ ten ist, hat Beton auch eine viskose Komponente und solche Kriechversuche zeigen erst nach langer Zeit eine Wirkung gegenüber der konstant wirkenden Spannung. Die Messdaten könnte man also je nach Versuch mit der Kelvin’schen Kriechkurve ε(t) = − Eη t −Et σ0 ) und der Maxwell’schen Relaxationskurve σ(t) = Eε0 e η vergleichen. E (1 − e In beiden Fällen weiß man aber, dass der Verlauf der Messungen nicht mit dem Graphen des Modells übereinstimmt. Außerdem werden die Messungen nicht unbe­ dingt einen regelmäßigen exponentiellen Verlauf einnehmen. Solche Langzeitversu­ che bedürfen somit einer Anpassung des Modells. Es gibt Verfeinerungen aus mehr­ fachen Kombinationen der beiden Grundmodelle. Als einzige Verbesserung untersu­ chen wir das folgende Modell.

26.4 Das Zener-Modell vom Typ Maxwell

| 159

26.4 Das Zener-Modell vom Typ Maxwell Für die Gesamtdehnung ist: ε = ε2 = ε1 + ε η (Abb. 26.2). Die Gesamtspannung beträgt σ = σ 1 + σ 2 , wobei für die Einzelspannungen σ 2 = E2 ε, σ 1 = E1 ε1 = η ε̇ η gilt.

Abb. 26.2: Skizze zum Zener-Modell vom Typ Maxwell

Dann folgt ε̇ = ε̇1 + ε̇ η = 󳨐⇒

σ̇ 1 σ 1 σ̇ − σ̇ 2 σ − σ 2 + + = , E1 η E1 η

σ̇ − E2 ε̇ σ − E2 ε + E1 η

E1 η ε̇ = η(σ̇ − E2 ε)̇ + E1 (σ − E2 ε)

Daraus wird E1 ε̇ = σ̇ − E2 ε̇ + Eη1 σ − E1ηE2 ε. Schließlich folgt die DGL des Modells: σ̇ + 1.

E1 E1 E2 σ = (E1 + E2 )ε̇ + ε. η η

Kriechversuch: σ(t) = konst. = σ 0

󳨐⇒

ε̇ +

E1 E2 E1 ε= σ0 . η(E1 + E2 ) η(E1 + E2 )

Die Lösung ist ε(t) = Ce Mit ε(0) = 0 folgt ε(t) =

E E 1 2

− η(E 1 +E2 ) t

+

σ0 . E2

E E σ0 − 1 2 t (1 − e η(E1 +E2 ) ) . E2

Da ε = ε2 ist hat man auch ε(t) = ε∗2 (1 − e Bei Wegfall der Spannung entsteht ε̇ +

E E 1 2

− η(E 1 +E2 ) t

E1 E2 η(E 1 +E 2 ) ε

ε(t) = ε∗ e

) .

= 0, also

E E 1 2

− η(E 1 +E2 ) t

und somit eine Kriecherholung mit einer Dehnung, die auf Null zurücksinkt.

160 | 26 Viskoelastische Modelle

2.

Relaxationsversuch: ε(t) = konst. = ε0 Die Lösung ist ε(t) = Ce−

E1 η

t

󳨐⇒

σ̇ +

E1 E2 E1 σ=+ ε0 . η η

+ E2 ε0 . Mit σ(0) = σ 0 folgt

σ(t) = (σ 0 − E2 ε0 )e



E1 η

t

+ E2 ε0 .

Die Spannung sinkt mit der Zeit auf eine Spannung zurück, die nur von der An­ fangsspannung und dem Hooke-Element 2 abhängt: σ 0 − E2 ε0 . Eine einzige Exponentialfunktion genügt nicht, um Spannung und Dehnung von vis­ koelastischen Materialien zu beschreiben. Die Modelle werden deshalb, wie schon oben erwähnt, vielfach verfeinert. Für das Zener-Modell Typ Kelvin siehe folgende Übung. Aufgabe Bearbeiten Sie die Übung 44.

26.5 Periodische Belastungen eines viskoelastischen Stoffes Für langfristiges Verhalten sind Kriech- und Relaxationsversuch unentbehrlich, weil Elastizitätsmodul und Viskosität zeit- und temperaturabhängige Größen sind. Ist man nur an einer Momentaufnahme interessiert, also an momentanen Werten von E und η, dann bietet sich der Versuch der periodischen Spannungsbelastung an. Über eine Messung der sogenannten Retardationszeit (zeitliche Verzögerung) wird sich aber nur das Verhältnis Eη bestimmen lassen, nicht die Werte selber. 1. Periodische Spannungsänderung an einem ideal-elastischen Material Solche Festkörper reagieren ohne zeitliche Verzögerung auf die Spannungsänderung. Ist σ(t) = σ 0 cos ωt, dann folgt mit σ(t) = Eε(t), dass ε(t) = σE0 cos ωt = ε0 cos ωt. Man sagt, das Material schwingt in Phase zur Anregung. Ist keine Dämpfung vorhan­ den, so ist auch die dissipierte Energie Null. 2. Periodische Spannungsänderung an einem ideal-viskosen Material ̇ Hier ist die Reaktion zeitverzögert. Ist σ(t) = σ 0 cos ωt, dann folgt mit σ(t) = η ε(t), dass t

σ0 σ0 σ0 π σ0 ∫ cos ωτ dτ = ε(t) = [sin ωτ]0t = sin ωt = sin (ωt − ) . ε(t) = η ηω ηω ηω 2 0

26.5 Periodische Belastungen eines viskoelastischen Stoffes

| 161

Das Material schwingt mit einer Retardationszeit von 2π , was einer Viertelschwingung entspricht. Die dissipierte Energie wurde schon oben berechnet: Ediss (t) =

Vηε20 ω2 sin(2ωt) (t − ) . 2 2ω

Für einen Zyklus bedeutet dies Ediss = Vηε20 ωπ. 3. Periodische Spannungsänderung an einem viskoelastischen Material Es sei F(t) = F0 cos(ωt) und die Dehnung hinkt um δ nach: ε(t) = ε0 cos(ωt − δ) = ε0 (cos ωt ⋅ cos δ + sin ωt ⋅ sin δ) . Diese Ansätze fügen wir in die DGL des Kelvin-Modells für Fluide ein: ε̇ + Eη ε = folgt ε0 (−ω sin ωt ⋅ cos δ + ω cos ωt ⋅ sin δ) + =

σ η.

E ε0 (cos ωt ⋅ cos δ + sin ωt ⋅ sin δ) η

σ0 cos ωt . η

Da die Gleichung für alle t gelten muss, erhält man durch Vergleich: I.

E − ωε0 ⋅ cos δ = − ε0 sin δ η

und

II.

ωε0 ⋅ sin δ +

E σ0 ε0 ⋅ cos δ = . η η

ηω

Damit wird aus I. tan δ = E . Die Retardationszeit beträgt folglich δ = arctan( ηω E Mit sin δ = und cos δ = entsteht aus II. √E 2 +η2 ω2

√E 2 +η2 ω2

ωε0

󳨐⇒

ηω E ).

ηω √E2

ε0 (

+

η2 ω2

η2 ω2 √E2 + η2 ω2

und somit ε0 =

E E σ0 = ε0 η √E2 + η2 ω2 η

+

+

E2 √E 2 + η 2 ω 2

σ0 √E2 + η2 ω2

) = σ0

.

Damit hat man für die Dehnung ε(t) = ε0 cos(ωt − δ) =

σ0 √E2

+ η2 ω2

cos(ωt − δ)

oder zerlegt in einen elastischen und einen viskosen Dehnungsteil: ε(t) = ε0 (E ⋅ cos ωt + ηω ⋅ sin ωt) = εSpeicher (t) + εVerlust (t) . Die absolute Längenänderung ist dann ∆l(t) = ε(t)l = ε0 l(E ⋅ cos ωt + ηω ⋅ sin ωt).

Es

162 | 26 Viskoelastische Modelle

E heißt auch Speichermodul und ist proportional zur Deformationsenergie, die im Material gespeichert wird und nach der Entlastung wieder zur Verfügung steht. ηω heißt auch Verlustmodul und steht für den Anteil der Energie, die durch innere Reibung in Wärme umgewandelt, also dissipiert wird. Je nachdem, ob nun der elastische oder der viskose Anteil des Materials ausge­ prägter ist, hat dies Einfluss auf die Retardationszeit δ. Dass der Verlustmodul auch von der Frequenz ω abhängt, liegt daran, dass sich mit der Frequenz auch die Scher­ rate ändert. Feststoffe Materialverhalten Verlust- und Speichermodul Verlustfaktor Stoffgesetz

ideal-elastisch ηω ≪ E tan δ ≪ 1 σ = Eε

Übergang

Flüssigkeiten

viskoelastisch ηω < E ηω = E ηω > E tan δ < 1 tan δ = 1 tan δ > 1 σ = f(ηω, E, ε, ε)̇

ideal-viskos ηω ≫ E tan δ ≫ 1 σ = η ε̇

Die gespeicherte Energie im viskoelastischen Modell liegt nur in der Feder, bzw. im elastischen Teil. Deswegen berechnet sich die Spannungsenergie zu ∆l(t)

x(t)

t

Eelast (t) = ∫ −F(τ) dx(τ) = −F0 ∫ cos(ωτ) d∆l(τ) = −F0 ∫ cos(ωτ) 0

0

d∆l(τ) dτ dτ

0

t

= −F0 ε0 l ∫ cos(ωτ)(−ωE ⋅ sin ωt) dτ

(nur elastischer Teil von ∆l(t))

0 t

=

E2 ε20 V E2 ε20 V F0 ε0 lωE ∫ sin(2ωτ) dτ = − [cos(2ωτ)]0t = (1 − cos(2ωt)) 2 4 4 0

1 = E2 Vε20 sin2 ωt . 2 Der maximale Wert der elastischen Energie ist Eelast = 12 E2 Vε20 (vgl. mit Stab, Feder!). Für die dissipierte Energie ist der viskose Anteil von ∆l(t) verantwortlich: ∆l(t)

x(t)

t

Ediss (t) = ∫ F(τ) dx(τ) = F0 ∫ cos(ωτ) d∆l(τ) = F0 ∫ cos(ωτ) 0

0

0

t

t

= F0 ε0 l ∫(cos(ωτ) ⋅ ηω cos ωt) dτ = 2

0

Eε20 Vηω2 sin(2ωτ) t = [τ + ] 2 2ω 0 =

d∆l(τ) dτ dτ

Eε20 Vηω2 sin(2ωt) (t + ) . 2 2ω

Eε20 Vηω2

∫ cos2 (ωτ) dτ 0

26.5 Periodische Belastungen eines viskoelastischen Stoffes

Für einen Zyklus mit T =

2π ω

| 163

folgt Ediss = πηωEVε20 und das Verhältnis Ediss ηω = 2π ⋅ tan δ . = 2π Eelast E

Das Arbeitsdiagramm für die dissipierte Energie schließlich stellt eine Ellipse dar: F(t) = Eε0 A ⋅ cos ωt ,

∆l(t) = ε0 lηω ⋅ sin ωt

Als Kontrolle: Der Flächeninhalt der Ellipse ist πEε0 Aε0 lηω = πηωEVε20 . Alle Formeln aus den vorangehenden zwei Kapiteln lassen sich entsprechend än­ dern: Je nachdem, ob Dehnung, Scherung oder Kompression vorhanden ist, ersetzt man E durch G oder K. Zum Beispiel wird der Speichermodul angepasst zu G und die dissipierte Energie bei Scherbeanspruchung wäre Ediss = πηωGVε20 = πηω usw.

E Vε2 2(1 + ν) 0

27 Gekoppelte Pendel Wir betrachten zwei Fadenpendel mit gleich langer Schnur l und gleicher angehängter Masse m (Abb. 27.1 links). Die Pendel seien durch eine Feder der Konstanten D mitein­ ander verbunden. Die Feder ist so vorgespannt, dass sie nicht durchhängt. Pendel 1 wird um x10 , Pendel 2 um x20 ausgelenkt und sodann losgelassen. Gesucht sind die zurückgelegten Strecken x1 (t) und x2 (t). Wir betrachten nur kleine Auslenkungen von φ, bzw. von x. Die rücktreibenden Kräfte F1 und F2 für die Pendelmassen sind einerseits die Gewichtskräfte, also F1 = −mg ⋅ sin φ1 = mg ⋅

x1 l

und

F2 = −mg ⋅ sin φ2 = mg ⋅

x2 . l

Andererseits wirkt auch die Kraft der um x1 −x2 ausgedehnten Feder: FF = −D(x1 −x2 ). Insgesamt ergeben sich die DGLen d2 x1 = −mg ⋅ dt2 2 d x2 m⋅ = −mg ⋅ dt2

m⋅

x1 − D(x1 − x2 ) l x2 + D(x1 − x2 ) l

(Die Feder zieht das Pendel 1 zurück) und (Die Feder treibt das Pendel 2 voran) .

Um die Gleichungen zu lösen, führen wir folgende Substitutionen durch: xS = 12 (x1 + x2 ) für die Lage des Schwerpunkts und xR = x1 − x2 für die relative Verschiebung. Dann ergibt die Addition beider Gleichungen m⋅( Daraus folgt

d2 xS dt 2

d2 x1 d2 x2 mg + )=− ⋅ (x1 + x2 ) . 2 2 l dt dt

= − gl xS mit der Lösung g xS (t) = xS0 ⋅ cos (√ t) l

und der Eigenfrequenz ωs = √ gl . Subtraktion beider Gleichungen ergibt m⋅( Daraus folgt

d2 xR dt 2

mg d2 x1 d2 x2 ⋅ (x1 − x2 ) − 2D(x1 − x2 ) . − )=− l dt2 dt2

= −( gl +

2D m )x R

mit der Lösung

xR (t) = xR0 ⋅ cos (√ und der Eigenfrequenz ωR = √ gl + https://doi.org/10.1515/9783110683820-027

2D m .

g 2D + t) l m

27 Gekoppelte Pendel | 165

Abb. 27.1: Skizzen zu den gekoppelten Pendel

Verwendet man x1 = xS + 12 xR und x2 = xS − 12 xR , dann entsteht

x1 (t) =

g g 2D 1 ((x10 + x20 ) cos (√ t) + (x10 − x20 ) cos (√ + t)) 2 l l m

x2 (t) =

g g 2D 1 ((x10 + x20 ) cos (√ t) − (x10 − x20 ) cos (√ + t)) . 2 l l m

Betrachten wir dazu zwei Spezialfälle: 1. Die Pendel schwingen gleichphasig mit gleichgroßer Amplitude, d. h., die Aus­ 2 lenkungen sind gleich: x1 = x2 (xR = 0) (Abb. 27.1 mitte). Dann ist ddt 2x = − gl x. Das Doppelpendel schwingt wie ein (Ersatz-)Pendel mit der Frequenz ω1 = √ 2.

g . l

Die Pendel schwingen gegenphasig mit gleichgroßer Amplitude, d. h., für die Aus­ lenkungen hat man x2 = −x1 (xS = 0) (Abb. 27.1 rechts). Dann ist d2 x g 2D = −( + )x . 2 l m dt Das Doppelpendel schwingt wie ein (Ersatz-)Pendel mit der Frequenz ω2 = √ ω1 und ω2 bzw. f1 = 2π ω1 und f 2 = kreisfrequenzen des Systems.

Aufgabe Bearbeiten Sie die Übung 45.

2π ω2

g 2D + . l m

sind die Eigenfrequenzen, bzw. die Eigen­

166 | 27 Gekoppelte Pendel

27.1 Schwebung Der interessanteste Fall gekoppelter Pendel, der in der Praxis eine herausragende Rol­ le spielt, tritt dann ein, wenn die beiden Eigenfrequenzen nahe beieinander liegen, wenn also ω1 = √ gl ≈ ω2 = √ gl + 2D m gilt. Dies kann man für große Massen oder durch schwache Kopplung D ≈ 0 erreichen. Dazu betrachten wir folgende Anfangssituation: Pendel 1 sei um x10 ausgelenkt, während Pendel 2 ruht. Zur besseren Interpretation, schreiben wir den zugehörigen Ausdruck für x1 (t) etwas um: ω1 + ω2 ω1 − ω2 x10 x10 t) ⋅ cos ( t)) (2 ⋅ cos ( (cos(ω1 t) + cos(ω2 t)) = 2 2 2 2 ω1 + ω2 ω1 − ω2 = x10 (cos ( t) ⋅ cos ( t)) 2 2 ⏟⏟⏟⏟⏟⏟⏟⏟⏟⏟⏟⏟⏟⏟⏟⏟⏟ ⏟⏟⏟⏟⏟⏟⏟⏟⏟⏟⏟⏟⏟⏟⏟⏟⏟

x1 (t) =

Schwingungsfrequenz

Amplitudenfrequenz α+β

α−β

unter Verwendung des Additionstheorems: cos α + cos β = 2 cos( 2 ) cos( 2 ). Der Ausdruck x1 (t) kann nun aufgefasst werden als Schwingung mit der Fre­ ω1 −ω2 ω1 −ω2 2 quenz ω1 +ω 2 , deren Amplitude mit der Größe cos( 2 t) und mit der Frequenz 2 schwankt. 2 2 ωR = ω1 +ω heißt Überlagerungsfrequenz und ωS = ω1 −ω heißt Schwebungsfre­ 2 2 quenz. Die Amplituden der beiden Frequenzen summieren sich in einigen Zeitpunkten, in anderen löschen sie sich gegenseitig aus. Diesen Effekt nennt man Schwebung. Die Schwebungsfrequenz ωS ist eine Hilfsgröße und dient der besseren Vorstellung. Das System schwingt aber weiterhin mit einer Überlagerung der beiden Eigenfrequenzen ω1 und ω2 . Für die Schwingungsdauern der beiden Frequenzen erhält man (Abb. 27.2) TR =

2π 4π = ωR ω1 + ω2

und

TS =

2π 4π = . ωS ω1 − ω2

Von ganz besonderem Interesse ist die Tatsache, dass zu bestimmten Zeiten eines der Pendel in Ruhe ist, während das andere die gesamte Energie übernommen hat. Die­ se Situation kehrt sich nach der Zeit T2S derart um, dass dann das andere Pendel die

Abb. 27.2: Skizze zur Schwebung

27.1 Schwebung | 167

Energie übernommen hat. Die Kopplung der beiden Pendel bietet also die Möglich­ keit, Energie vollständig von einem Oszillator auf einen benachbarten Oszillator zu übertragen! Aufgabe Bearbeiten Sie die Übungen 46 und 47.

28 Dämpfungsarten Die Gesamtdämpfung eines Systems setzt sich im Normalfall immer aus mehreren An­ teilen zusammen: 1. Materialdämpfung = innere Dämpfung des Materials = Werkstoffdämpfung Diese ist abhängig vom verwendeten Baustoff und dessen Bearbeitung. Z. B. ist die Dämpfung von Stahlbeton (1 %) größer als die von Stahl (0,25 %). Die Mate­ rialdämpfung wird durch die innere Umordnung verursacht, welche thermischer und atomarer Natur sein kann. Sie ist abhängig von a) Temperatur oder b) Art der Beanspruchung. Diese wiederum kann i) statisch, also zeitlich konstant. ii) quasistatisch sein, also so langsam ablaufend, dass man zu jedem Zeitpunkt die Belastung als konstant betrachten kann. In beiden statischen Fällen kann die Energiedissipation vernachlässigt werden. iii) dynamisch sein, speziell bei periodischer Belastung. Hier ist die Deformatio­ nen stets mit Energiedissipation verbunden (siehe viskose Reibung). Den Begriff Eigendämpfung für die Materialdämpfung zu gebrauchen, wäre miss­ verständlich, denn es wird ja nicht die Eigenfrequenz gedämpft. Materialdämp­ fung darf auch nicht mit der Steifigkeit EI verwechselt werden, die nur von der geometrischen Form abhängt. 2. Systemdämpfung. Sie ist abhängig von der konstruktiven Gestalt des Systems, z. B. Verbindungsmitteln: Eine Nietverbindung hat i. Allg. eine höhere Dämpfung als eine Konstruktion mit einer Schweißnaht. Es gibt mehrere Möglichkeiten, um die Systemdämpfung zu erhöhen. – Durch konstruktive Maßnahmen kann die Tragfähigkeit eines Bauwerks ver­ bessert werden. Dabei werden in das bestehende Bauwerk zusätzliche Trag­ elemente eingebaut oder die Massenverteilung optimiert. Dadurch können gezielt kritische Eigenfrequenzen eines Bauwerks geändert werden! – Bei schon eingebauten Federn kann man die Federkonstante erhöhen, indem man z. B. mehrere Blattfedern übereinander stapelt (Eisenbahn) (Abb. 28.1 links oben). – Bei einer Betonkonstruktion kann man ein viskoelastisches Material, z. B. Si­ likon, in die Fugen zweier Platten füllen, damit durch Scherung Energie so­ wohl durch vertikale wie auch durch horizontale Verschiebungen dissipiert wird (Abb. 28.1 links unten).

Abb. 28.1: Skizzen zur Systemdämpfung https://doi.org/10.1515/9783110683820-028

28 Dämpfungsarten |

3.

4.

169

Lagerdämpfung. Diese besteht vor allem aus Reibungsdämpfung und ist abhängig von der Beschaffenheit der verwendeten Lager. Ein solches Rolllager, hat man z. B. beim Fahrrad, aber auch an den Enden einer Brücke (Abb. 28.1 rechts oben und unten). Umgebungsdämpfung: Wenn das System nicht in einem Vakuum schwingt, tritt Umgebungsdämpfung auf.

Reichen die Dämpfungsarten 1.–4. nicht aus, um eine Struktur hinreichend bei Anre­ gung zu dämpfen, dann muss gezielt die Anregungsfrequenz mit Hilfe eines Schwin­ gungstilgers gedämpft werden. Es gibt Massenschwingungstilger und Flüssigkeits­ schwingungstilger. 1. Massenschwingungstilger bestehen entweder aus einem Einmasseschwinger al­ lein oder einer Tilgermasse zusammen mit einem viskoelastischen Material, meistens auf Silikonbasis (plus eventuell eine Feder). Das ergäbe modellhaft (Abb. 28.2)

Abb. 28.2: Skizzen zur Zusammensetzung von Schwingungstilgern

Diese Art von Tilger dämpft vertikal und horizontal angeregte Eigenfrequenzen z. B. von Brücken oder Hochhäusern, indem die Tilger vertikal und/oder horizon­ tal eingebaut werden (Abb. 28.3 links). a. Beim Einbau eines Hooke-Elements allein wird die kinetische Energie auf den mechanischen Zusatzschwinger übertragen. Dies kann in einigen Fäl­ len schon genügen, um die Anregung mit Hilfe der Material- und Struktur­ dämpfung der Konstruktion zu tilgen (zur mathematischen Ausführung siehe Kapitel 29). b. Wird zusätzlich zur Tilgermasse noch ein Dämpfer eingebaut, dann wird die kinetische Energie auf den mechanischen Zusatzschwinger übertragen, der seinerseits mit einer abgestimmten Frequenz schwingt, und die Energie über die Dämpfung in unschädliche Wärme dissipiert (Ausführung folgt in Kapi­ tel 30).

170 | 28 Dämpfungsarten

Abb. 28.3: Skizzen zu verschiedenen Tilgern

In Hochhäusern werden auch Tilgerpendel installiert (Abb. 28.3 mitte). Die kine­ tische Energie wird auf eines solches Pendel übertragen und kann entweder über viskoelastische Dämpfung oder über Coulomb’sche Reibung mit gestaffelten Reib­ platten dissipiert werden. Modale Masse Bei einem Hochhaus oder einer Brücke schwingt nicht die gan­ ze Masse um die Strecke x(t), sondern nur die sogenannte modale Masse, die in der jeweiligen Mode (Eigenfrequenz) schwingt. Zur Berechnung siehe 3. Band, Balkenschwingungen. Brückenpfeiler Die Brückenenden stehen auf Gelenklagern. Bei den Pfeilern kann das Brückendeck entweder auf Rollen oder auf Isolatormaterial liegen (Abb. 28.3 rechts). Im ersten Fall hat man bei Anregung Energiedissipation durch Rollreibung, im anderen Fall Dissipation durch Kompression (Modul K) oder Scherung (Modul G). Auch an den Enden der Brücke kann man nebst der durch die Rolllager hervorge­ rufenen Reibung eine zusätzliche viskose Dämpfung anbringen (Abb. 28.4). Die Dämpfer können dabei vertikal oder horizontal eingebaut werden.

Abb. 28.4: Skizzen zu den Tilgern an Brücken

2.

Flüssigkeitstilger werden in Brückenquerschnitten und in bestimmten Stockwer­ ken von Hochhäusern eingebaut. Sie sind in der Lage, nicht nur vertikale und horizontale, sondern auch Torsionsschwingungen zu dämpfen (zur mathemati­ schen Beschreibung siehe 3. Band). Die Idee beruht auf dem vor über 100 Jahren entworfenen Schlingertank, wie er seither zur Dämpfung von Rollschwingungen in Schiffen eingebaut wird. Durch die Wasserwellen wird ein Schiff zu Schwingungen angeregt, man sagt, es „rollt“ um seine Längsachse, kippt also nach links (Backbord) und rechts (Steu­

28 Dämpfungsarten | 171

erbord) und „stampft“ um seine Querachse, neigt sich also nach vorne (zum Bug) und hinten (zum Heck). Zumindest die Rollbewegung um die Längsachse lässt sich unter Zuhilfenahme gekoppelter Schwingungen sehr effektiv verringern. Da­ zu wird künstlich eine zweite Resonanz erzeugt, um die Wirkung der Hauptreso­ nanz zwischen Welle und Schiff zu zerstören. Man baut einen sogenannten Schlin­ gertank ein. Dieser ist U-förmig und besteht aus zwei großen Wasserbehältern an Steuerbord und Backbord, sowie einem Verbindungsrohr. Man füllt so viel Wasser ein, bis die Eigenfrequenz des zwischen den Wasserbehältern hin und her schwingenden Wassers gerade mit der Eigenfrequenz der Rollbewegung des Schiffes überein­ stimmt. Da sich bei der Resonanz zwischen Wellenimpulsen und Schiffsschwin­ gungen bald eine Phasenverschiebung von 2π zwischen Schiffs- und Wellen­ schwingung einstellt, das Gleiche aber auch zwischen den Schiffsschwingungen und den Schwingungen der Tankwassersäule gilt, entsteht zwischen den Wellen­ impulsen und den Tankwasserschwingungen eine Gesamtphasenverschiebung von π und die Letzteren wirken den Wellenimpulsen direkt entgegen. Das Schiff führt nur noch kleine Schwingungsausschläge aus, die auf 16 der ursprünglichen Ausschläge abfallen.

29 Schwingungstilger ohne Dämpfung Das Zweimasse-Federsystem soll durch eine periodische Auslenkung x(t) = x0 ⋅cos ωt mit der Frequenz ω angeregt werden (Abb. 29.1 links). Nach einer gewissen Einschwingphase werden die Massen die Frequenz ω ange­ nommen haben und alle schwingen in Phase. Es herrscht Resonanz: x1 (t) = A ⋅ cos ωt ,

x2 (t) = B ⋅ cos ωt .

Wie sehen dann die Amplituden A und B aus? Das zugehörige DGL-System hat die Gestalt m1 ẍ 1 = D1 (x − x1 ) − D2 (x1 − x2 ) , m2 ẍ 2 = D2 (x1 − x2 ) . Bewegt sich m1 nach unten, dann drückt Feder 1 mit D1 (x − x1 ) nach unten, weil die Feder gestaucht ist. Feder 2 hemmt diese Bewegung mit −D2 (x1 − x2 ). Bewegt sich m2 , dann zieht Feder 2 mit x1 − x2 ebenfalls nach unten, weil die Feder durch m1 gestaucht wurde. Wir setzen die Ansätze in die DGLen ein und erhalten I.

− m1 Aω2 ⋅ cos ωt = D1 (x0 ⋅ cos ωt − A ⋅ cos ωt) − D2 (A ⋅ cos ωt − B ⋅ cos ωt)

II.

− m2 Bω2 ⋅ cos ωt = D2 (A ⋅ cos ωt − B ⋅ cos ωt) .

Weiter folgt I.

− m1 Aω2 = D1 x0 − D1 A − D2 A + D2 B

II.

− m2 Bω2 = D2 A − D2 B

󳨐⇒

A(D1 + D2 − m1 ω2 ) = D1 x0 + D2 B

󳨐⇒

AD2 = B(D2 − m2 ω2 )

󳨐⇒

B=

D2 ⋅A. D2 − m2 ω2

Eingesetzt in I. entsteht A(D1 + D2 − m1 ω2 ) = D1 x0 +

D22 ⋅A D2 − m2 ω2

󳨐⇒

A(

(D1 + D2 − m1 ω2 )(D2 − m2 ω2 ) − D22 ) = D1 C D2 − m2 ω2

󳨐⇒

A=

D1 (D2 − m2 ω2 )x0 . (D1 + D2 − m1 ω2 )(D2 − m2 ω2 ) − D22

Das Ergebnis wäre so in Ordnung, wir wollen es aber mit Frequenzen allein schreiben. D1 D2 2 = ω21 , m = ω22 , m Dazu verwenden wir die Abkürzungen m m1 = μ. 1 2 https://doi.org/10.1515/9783110683820-029

29 Schwingungstilger ohne Dämpfung |

173

Abb. 29.1: Skizzen zu den Zweimasse-Federsystemen

Folglich hat man D1 μD2 D1 + D2 = + = ω21 + μω22 . m1 m1 m2 Dann ist D1 (D2 − m2 ω2 )x0 A= (D1 + D2 − m1 ω2 )(D2 − m2 ω2 ) − D22

1 m1 m2 1 m1 m2

=

D1 (D2 −m 2 ω2 ) x0 m1 m2 (D1 +D2 −m 1 ω2 ) (D2 −m 2 ω2 ) m1 m2



D22 m2 m1 m2 m2

.

Es folgt A= 󳨐⇒

B=

ω21 (ω22 − ω2 )x0 (ω21 + μω22 − ω2 ) (ω22 − ω2 ) − μω42 D2 D2 − m2 ω2

1 m2 1 m2

=

ω21 ω22 x0 (ω21 + μω22 − ω2 ) (ω22 − ω2 ) − μω42

und schließlich x1 (t) = x2 (t) =

ω21 (ω22 − ω2 )x0 (ω21 + μω22 − ω2 )(ω22 − ω2 ) − μω42 ω21 ω22 x0 (ω21

+

μω22

− ω2 )(ω22 − ω2 ) − μω42

cos ωt , cos ωt .

Man sieht, dass die Masse m2 nie in Ruhe ist. Erstaunlich ist aber, dass die Masse m1 D2 zum Stillstand kommt, dann nämlich, wenn ω = ω2 = √ m ist! 2 Das Phänomen kann man nutzen, indem man z. B. an einer Brücke (m1 ), die durch die Frequenz ω erregt wird (z. B. Fußgänger mit Frequenz ω = 2πf, 1,5 ≤ f ≤ 2,5), ei­ D2 nen Tilger der Masse m2 und der Eigenfrequenz ω2 = √ m = ω anbringt. Das erreicht 2 man durch geeignete Wahl von m2 und D2 . Damit nun die Auslenkung x0 nicht ein­ fach auf m2 übertragen wird, muss D2 sicher größer als D1 gewählt werden. Wie groß wird nun die Amplitude von m2 , wenn ω = ω2 ist? Es gilt A2 (ω2 ) =

ω21 x0 μω22

=

D1 x0 . D2

Man müsste also die Federkonstante D2 des Tilgers sehr groß wählen, aber nicht be­ liebig groß, denn bei großer Steifigkeit würde das Material stark beansprucht werden.

174 | 29 Schwingungstilger ohne Dämpfung

Es gibt aber noch die Möglichkeit eine Dämpfung für m2 einzubauen. Damit ändern sich alle Ergebnisse. Diesen Fall sehen wir uns anschließend an. Praktisch gesehen kann unsere Brücke mit dem einen Tilger nur die Resonanz für die eine Gehfrequenz ω2 verkleinern. Wie groß wird nun die Amplitude von x1 (t) für den ganzen restlichen Frequenzbe­ reich – kleiner oder größer als ω2 ? Dazu untersuchen wir die Amplitude als Funktion von ωω1 . Wir nehmen dazu folgenden Größen: m1 = 2m2 , D2 = 2D1 . Die Auslenkung sei x0 = 1 m. Daraus wird ω22 = 4ω21 , μ = 0,5 und A1 (ω) =

ω21 (4ω21 − ω2 ) (3ω21 − ω2 )(4ω21 − ω2 ) − 8ω41

.

Der Nenner wird Null, wenn ω4 − 7ω21 ω2 + 8ω41 = 0 gilt. Das ergibt zwei Werte für die Resonanzkatastrophe: ω = 1,20ω1 und ω = 2,36ω1 . Es gibt also links und rechts von ω = 2ω1 = ω2 zwei kritische Frequenzen, mit denen das System auf keinen Fall schwingen darf. Die kritischen Frequenzen sind dann 1,20 Hz und 2,34 Hz (bei einer durchschnitt­ lichen Gehfrequenz von 2 Hz). Um nun sicher zu gehen, dass die Brücke auch bei diesen beiden Frequenzen nicht in Resonanz gerät, müsste man Tilger einbauen, die die Resonanz für das ganze Fre­ quenzband von etwa 1,20 Hz bis 2,34 Hz verkleinern. In der Praxis wird dies zum Teil getan, aber auch bewusst nicht. Letzeres aufgrund der Tatsache, dass bei einer Brü­ ckenüberquerung sowohl die niedrige als auch die hohe Frequenz beide sehr unwahr­ scheinlich sind. In unserem Modell sind wir von ungedämpften Massen ausgegangen. Jede Struk­ tur besitzt aber eine natürliche Dämpfung, sei sie auch sehr klein. Deswegen genügt ein Fußgänger mit der Erregerfrequenz noch lange nicht, um die Brücke in Resonanz­ schwingung zu versetzen. Zudem wird bei Zunahme der Dämpfung die Resonanzfre­ quenz der Brücke nicht genau ω = ω2 sein. Schließlich, und damit entscheidend, wird der Tilger bewusst mit einer ganz bestimmten Eigenfrequenz (Wahl von D2 ) und einer bestimmten Dämpfung versehen werden, damit seine Amplitude klein bleibt. Eine Brücke als Einmasse-Schwinger aufzufassen, ist natürlich eine Vereinfa­ chung. Eine Brücke wird nicht nur eine Eigenfrequenz ω1 besitzen, sondern eine ganze Fülle von Eigenfrequenzen, wie wir im 3. Band sehen werden (Balkenschwin­ gungen). Vor allem müssen die Eigenfrequenzen im Bereich der Gehfrequenzen 1, 2 Hz und 2,4 Hz beachtet werden. Aufgabe Bearbeiten Sie die Übung 48.

29 Schwingungstilger ohne Dämpfung |

175

Schwingungen an Wolkenkratzern Windinduzierte Schwingungen von modernen Hochhäusern mit mehreren hundert Metern Höhe können in den obersten Stockwerken Amplituden von einigen Metern erreichen. Sie lassen sich durch Resonanztilger reduzieren. Massen in der Größenord­ nung von 1 % der Gebäudemasse sind im obersten Geschoss über Federn und Dämpfer mit dem Gebäude gekoppelt. Die Tilgermasse bildet zusammen mit einer eigenen Til­ gerfeder ein Pendel, dessen Eigenfrequenz auf die zu eliminierende Schwingfrequenz (beispielsweise des Gebäudes) eingestellt wird. Bei dieser Frequenz kann der Tilger große Auslenkungen ausführen. Der Tilger entzieht bei dieser Frequenz der Struktur Schwingungsenergie für sei­ ne eigenen Schwingbewegungen. Das berühmteste Beispiel befindet sich in Taipei in Taiwan. Das 508 m hohe und damit höchste Bürogebäude der Erde wurde 2004 fer­ tiggestellt. Zuoberst ist der Tilger, ein 800 t schweres Pendel in Form einer Kugel, das sich über mehrere Stockwerke erstreckt, eingebaut. Das zugehörige Modell des Zwei­ massen-Systems würde aussehen wie in Abb. 29.1 mitte. Alle Formeln von oben bleiben dieselben. Unter Vernachlässigung der Masse des Stabes ist ω2 = √ gl . ω2 ist den lokalen Windverhältnissen angepasst.

30 Schwingungstilger mit Dämpfung Das Zweimasse-Federsystem soll durch eine periodische Auslenkung x(t) = x0 ⋅ e iωt mit der Frequenz ω angeregt werden (Abb. 29.1 rechts). Zusätzlich sind beide Mas­ sen m1 und m2 gedämpft. Nach der Einschwingphase herrscht Resonanz: x1 (t) = A ⋅ e iωt , x2 (t) = B ⋅ e iωt . Uns interessiert der Verlauf von x1 (t) und x2 (t). Das zugehörige DGL-System sieht so aus: I. m1 ẍ 1 + μ 1 ẋ 1 + μ 2 (ẋ 1 − ẋ 2 ) = D1 (x − x1 ) − D2 (x1 − x2 ) II. m2 ẍ 2 + μ 2 (ẋ 2 − ẋ 1 ) = D2 (x1 − x2 ) Umgeformt wird daraus nacheinander I. m1 ẍ 1 + μ 1 ẋ 1 + μ 2 (ẋ 1 − ẋ 2 ) + D1 x1 + D2 (x1 − x2 ) = D1 x II. m2 ẍ 2 + μ 2 (ẋ 2 − ẋ 1 ) + D2 (x2 − x1 ) = 0 , I. m1 ω2 x1 + μ 1 ωx1 + μ2 (ωx1 − ωx2 ) + D1 x1 + D2 (x1 − x2 ) = D1 x II. m2 ω2 x2 + μ 2 (ωx2 − ωx1 ) + D2 (ωx2 − ωx1 ) = 0 , I. [−ω2 m1 + iω(μ 1 + μ 2 ) + D1 + D2 ]x1 − [iωμ2 + D2 ]x2 = D1 x II. − [iωμ2 + D2 ]x1 + [−ω2 m2 + iωμ 2 + D2 ]x2 = 0 , I. II.

| : D1 | : D1

m1 μ1 + μ2 D2 μ2 D2 + iω ( )+1+ ] x1 − [iω + ] x2 = x D1 D1 D1 D1 D1 m2 μ2 D2 μ2 D2 + ] x1 + [−ω2 + iω + ] x2 = 0 . − [iω D1 D1 D1 D1 D1

[−ω2

Wir verwenden die Abkürzungen: ω2

1.

m1 ω2 = 2 := Ω2 D1 ω1

Verhältnis der Anregungsfrequenz zur Eigenfrequenz des Hauptsystems 2.

μ1 ω ω2ξ1 ω1 m1 = = 2ξ1 = 2ξ1 Ω D1 D1 ω1 mit der neuen Variablen μ1 μ1 ξ1 = = . 2ω1 m1 2√D1 m1 ω

Diese heißt Dämpfungsmaß. 3.

ω

D D m μ2 2ξ2 √D2 m2 ω ω1 2ξ2 √D2 m2 √ 1 = 2ξ2 Ω√ 2 2 = 2ξ2 Ω√Dγ , = =Ω D1 D1 ω1 D1 m1 D1 m1

wobei

D2 D1

=: D und

m2 m1

=: γ ist.

https://doi.org/10.1515/9783110683820-030

30 Schwingungstilger mit Dämpfung | 177

4.

ω2

m2 m2 m1 = ω2 = γΩ2 D1 D1 m1

Alles eingesetzt, entsteht daraus das System I.

[1 + D − Ω2 + 2iΩ(ξ1 + ξ2 √Dγ)]x1 − [D + 2iξ2 Ω√Dγ]x2 = x

II.

− [D + 2iξ2 Ω√Dγ]x1 + [D − γΩ2 + 2iξ2 Ω√Dγ]x2 = 0 .

Die Lösung dieses Systems ist ausgesprochen aufwendig und kompliziert, weswegen wir ausnahmsweise den Beweis in den Anhang verlegen und an dieser Stelle nur das 3γ Ergebnis festhalten. Man erhält ξ2 opt = √ 8(1+γ) . Dieses Dämpfungsmaß ξ2 opt tilgt beide Maxima zusammen am besten. Jeder Wert für sich würde nur jeweils das Maximum an den Stellen Ω2 bzw. Ω1 am besten tilgen. Die hergeleiteten optimalen Parameter gelten für ein ungedämpftes Hauptsystem mit ξ1 = 0. Lässt man nun eine leichte Dämpfung zu, etwa ξ1 < 2 %, dann ändern sich die Ergebnisse so geringfügig, dass sie sich in der Praxis anwenden lassen. Bei gegebenen m1 und D1 des Hauptsystems sind 7 Schritte zur Festlegung der optimalen Tilgungsparameter durchzuführen (Bestimmung von D1 siehe 3. Band): 1. Die Dämpfung des Hauptsystems kann man nur schätzen oder messen. Sie sollte kleiner als 2 % sein. Für reine Tragstrukturen gilt: Stahlbeton 1 %, vorgespann­ ter Beton und Verbundstrukturen 0,5 %, Stahl 0,25 %. Nichttragende Elemente können die Dämpfung wesentlich erhöhen. 2. Wahl des Massenverhältnisses (typischer Bereich 0,01 ≤ γ ≤ 0,05). Zu geringes Massenverhältnis γ: Für kleine Massenverhältnisse (ca. γ < 0,04) ist die wirk­ same Bandbreite des Schwingungstilgers herabgesetzt. D. h., verändert sich auf­ grund von Temperaturdifferenzen, Bauwerksermüdung usw. die Eigenfrequenz des Hauptsystems, wird die Effizienz des Tilgers bei kleinen γ unter ca. 4 % stärker beeinflusst als bei größeren γ über 4 %. 3. Bestimmen der Tilgermasse m2 = γm1 , wobei für m1 die modale Masse Mmod bei 2 Anregung mit der Frequenz ω genommen werden muss, d. h. γ = Mmmod (siehe 3. Band). 1 1 4. Berechnung von β gemäß β opt = 1+γ 󳨐⇒ f2 opt = 1+γ f1 . Abweichung zur optimalen Verstimmung bzw. Frequenz: Die richtige Verstim­ mung hat den größten Einfluss auf die Wirksamkeit eines Schwingungstilgers. Hierzu muss die Eigenfrequenz des Bauwerks und auch die modale Masse des Hauptsystems bekannt sein. Es ist oftmals schwierig, die zu dämpfende Eigenfre­ quenz des Hauptsystems rechnerisch zu bestimmen. Die Bauwerke können zum einen sehr komplex sein und zum anderen sind meist die Steifigkeitsverhältnisse nicht ausreichend bekannt (Untergrund, Lagerung usw.). Beträgt die Abweichung von β opt wenige Prozent, dann ist schon mit einer mehrfach höheren Amplitude zu rechnen.

178 | 30 Schwingungstilger mit Dämpfung γD1 . (1+γ)2

5.

Berechnung der Federkonstanten D2 = β 2 γD1 =

6.

Berechnung der Dämpfungskonstanten μ2 = 2ξ2 opt √D2 m2 . Die Dämpfungskonstante muss im Labor abgestimmt werden, wobei eine Abwei­ chung im Vergleich zu einer Abweichung der optimalen Verstimmung einen we­ sentlich geringeren Einfluss auf die Gesamtwirksamkeit des Schwingungstilgers besitzt. Liegt also die Dämpfungsabweichung bei etwa 25 %, wirkt sich dies nur gering auf die Effizienz des Schwingungstilgers aus! Generell ist erkennbar, dass signifikante Amplitudenveränderungen des Hauptsystems erst bei Dämpfungsab­ weichungen von mehr als 50 % auftreten. Aufschwingversuche durchführen, Feinjustierung, eventuell noch ein Aufschwingversuch.

7.

Besser ist D2 = 4π2 m2 f22 .

Zusammenfassung Nehmen wir an, eine Brücke wird mit einer ihrer Eigenfrequenzen angeregt, die im Bereich der üblichen Gehfrequenzen liegt, ω = ω1 mit 9,42 Hz ≤ ω1 ≤ 15,71 Hz oder 1,5 Hz ≤ f1 ≤ 2,5 Hz. Sinnvollerweise nehmen wir gerade f1 = 2 Hz. Für die Tilgermasse sei m2 = 0,05Mmod , also γ = 0,05. Um nun die Amplituden aller Eigenfrequenzen links und rechts von f1 zu verklei­ nern, stimmt man die Frequenz der Tilgermasse fast auf f1 ab, aber eben nicht genau. 1 1 Optimal ist β = 1+γ oder f2 = 1+γ f1 = 1,905 Hz. Warum dies so ist, leuchtet ein, denn das Maximum in P liegt höher als dasjenige in Q. Diese Frequenz muss genau sein und wird im Labor vorbereitet, bevor sie eingebaut wird. Damit sind insbesondere die beiden größtmöglichen Amplituden erfasst, die zu den beiden Frequenzen 1 γ ω (1 ± √ ) = Ω1,2 = √ ω1 1+γ 2+γ gehören. Das heißt also ω a = 0,90ω1 und ω b = 1,05ω1 oder f a = 1,79 Hz und f b = 2,10 Hz. Zuletzt muss noch die Dämpfung der Tilgermasse justiert werden. Dazu zuerst die Federkonstante des Tilgers: D2 =

γD1 = 0,045D1 (1 + γ)2

(Bestimmung von D1 schwierig) oder besser (weil von D1 unabhängig): D2 = m2 ω22 = 4π2 m2 f22 = 143,23m2 , dann die Dämpfung μ2 = 2√

3γ √D2 m2 = 3,20m2 . 8(1 + γ)

Der Tilger muss so konstruiert werden, dass eine Abstimmumg der Frequenz mög­ lich ist. Meist geschieht dies durch kleinere Zusatzmassen, die nach Bedarf hinzuge­ fügt oder weggenommen werden können. Die Abstimmung der Dämpfung ist weniger

30 Schwingungstilger mit Dämpfung |

179

wichtig, wie wir gesehen haben. Viskose Dämpfer haben oft auch einen elastischen Anteil, der wie eine Feder wirkt, und können damit ebenfalls die Eigenfrequenz be­ einflussen. Die genaue Abstimmung eines Tilgers kann nur experimentell erfolgen. Sowohl die Eigenfrequenz der Struktur als auch die des Tilgers kann durch Aufschwingversu­ che bestimmt werden. Am einfachsten ist die Abstimmung des Tilgers, bevor er an die Struktur befestigt wird. Der Einbau eines Schwingungstilgers ist heute eine weit verbreitete Maßnahme, um die Schwingungsamplituden von Fußgängerbrücken zu begrenzen. Ein typischer Tilger sieht in etwa wie folgt aus: Meistens nimmt man zur Dämpfung ein viskoelastisches Material auf Silikonba­ sis. Elastisch natürlich deswegen, weil es nach jeder Schwingung wieder in seinen Anfangszustand zurückkehren muss. Der viskose Anteil sorgt, wie wir wissen, für die Energiedissipation. Die Aufgabe des Tilgers ist es, dem Bauwerk möglichst viel Schwingungsenergie zu entziehen und diese im Dämpfer zu dissipieren oder zu zerstreuen. Was dies genau bedeutet, haben wir bei der Funktionsweise eines viskosen Dämpfers beschrieben. Eine Verminderung der Funktionstüchtigkeit kann eintreten, indem Rostbildung an Führungen die Beweglichkeit der Tilgermasse einschränkt, eine Alterung oder ein Auslaufen der Dämpferflüssigkeit eine Verminderung der Energiedissipation verur­ sacht oder Veränderungen am Bauwerk eine Verstimmung des Tilgers hervorrufen. Beobachtet wurde hingegen ein bedeutender Einfluss der Temperatur auf die Fre­ quenz und Dämpfung der Tilger, wobei mit abnehmender Temperatur sowohl die Til­ gerfrequenz wie auch die Tilgerdämpfung zunehmen. Dies lässt sich dadurch erklä­ ren, dass die Viskosität des Silikonöls der Dämpfer temperaturabhängig ist und bei kalten Temperaturen zu einer höheren Steifigkeit und Dämpfung des Tilgers führen. Die bedeutende Änderung der Tilgerparameter mit der Temperatur hat folgende prak­ tische Konsequenz: Die Einhaltung eines gleichbleibenden Wirkungsgrades des Til­ gers während eines vollständigen Jahreszyklus ist nicht möglich. Aufgrund der unver­ meidlichen Verstimmung des Tilgers sollte daher bei seiner Planung eine Reduzierung des Wirkungsgrades auf 50 %–70 % berücksichtigt werden.

31 Mehrmassensysteme und Modalanalyse Wir betrachten das Modell eines dreistöckigen Hauses, das in Schwingung versetzt wird (Abb. 31.1). Es seien nur die beiden Seitenwände vorhanden. Die Wände erset­ zen wir durch Federn mit verschiedenen Konstanten, zweckshalber mit jeweils halber Federkraft links und rechts. Die Decken haben ebenfalls verschiedene Massen. x1 , x2 und x3 sind die Auslenkungen zur Zeit t. – Die Kraft auf die Masse m1 wird bestimmt durch die Federn 1 und 2. – Die Kraft auf die Masse m2 wird bestimmt durch die Federn 2 und 3. – Die Kraft auf die Masse m3 wird bestimmt durch die Feder 3. Daraus ergeben sich folgende DGLen: m1 ẍ 1 = −D1 x1 − D2 (x1 − x2 ) m2 ẍ 2 = D2 (x1 − x2 ) − D3 (x2 − x3 ) m3 ẍ 3 = D3 (x2 − x3 ) Bewegt sich m1 , dann zieht Feder 1 mit D1 x1 zurück und Feder 2 zieht mit D2 (x1 − x2 ) zurück. Bewegt sich m2 , dann zieht Feder 2 mit D2 (x1 − x2 ) vorwärts und Feder 3 zieht mit D3 (x2 − x3 ) zurück. Bewegt sich sich m3 , dann zieht Feder 3 mit x2 − x3 vorwärts. Als Vereinfachung nehmen wir nur zwei Stockwerke mit gleicher Masse m und zwei verschiedenen Federkonstanten D2 := D, D1 = 1,5 ⋅ D. Dann reduziert sich das DGL-System zu: m ẍ 1 = −1,5Dx1 − D(x1 − x2 )

󳨐⇒

m ẍ 1 = −2,5Dx1 + Dx2

m ẍ 2 = D(x1 − x2 )

󳨐⇒

m ẍ 2 = Dx1 − Dx2

oder ẍ 1 = −2,5ω20 ⋅ x1 + ω20 ⋅ x2

mit

ω20 =

D m

ẍ 2 = ω20 ⋅ x1 − ω20 ⋅ x2 .

1. Lösungsmethode Ansatz: x1 (t) = a ⋅ e λt , x2 (t) = b ⋅ e λt . Eingesetzt ergibt das λ2 ⋅ a ⋅ e λt = −2,5ω20 ⋅ a ⋅ e λt + ω20 ⋅ b ⋅ e λt 2

λ ⋅b⋅e

λt

=

ω20

λt

⋅a⋅e −

ω20

und

λt

⋅b⋅e .

Daraus wird λ2 ⋅ a = −2,5ω20 ⋅ a + ω20 ⋅ b 2

λ ⋅b=

ω20

⋅a−

ω20

⋅b

https://doi.org/10.1515/9783110683820-031

󳨐⇒ 󳨐⇒

a(λ2 + 2,5ω20 ) − ω20 ⋅ b = 0 −ω20

2

⋅ a + b(λ +

ω20 )

=0.

und

31 Mehrmassensysteme und Modalanalyse | 181

Abb. 31.1: Skizze zu den Mehrmassesystemen

Als Matrixgleichung geschrieben ist (

λ2 + 2,5ω20 −ω20

−ω20 a )( ) = 0 . + ω20 b

λ2

Die Gleichung ist richtig für alle a, b, wenn die Determinante gleich Null ist. Das ergibt die charakteristische Gleichung für λ: λ4 + 3,5ω20 λ2 + 1,5ω40 = 0 . Die Lösungen sind λ2 =

−3,5ω20 ± 2,5ω20 {−0,5ω20 ={ 2 −3ω20 . {

Also ist λ1,2 = ±i ⋅ √ 12 ω0 und λ3,4 = ±i ⋅ √3ω0 . Eingesetzt in die Matrix ergibt das ω20 (

2 −1

−1 a 1 ) ( ) = 0 und b 2

ω20 (

− 21 −1

−1 a )( ) = 0 . −2 b

Daraus erhält man b = 2a und a = −2b. Für die Lösungen gilt x1 (t) =

c1 e i√ 2 ω0 t + c2 e−i√ 2 ω0 t

+ c3 e i √3ω0 t + c4 e−i √3ω0 t

x1 (t) =

2c1 e i√ 2 ω0 t + 2c2 e−i√ 2 ω0 t ⏟⏟⏟⏟⏟⏟⏟⏟⏟⏟⏟⏟⏟⏟⏟⏟⏟⏟⏟⏟⏟⏟⏟⏟⏟⏟⏟⏟⏟⏟⏟⏟⏟⏟⏟⏟⏟⏟⏟⏟⏟⏟⏟⏟⏟⏟⏟⏟⏟⏟⏟

1 1 − c3 e i √3ω0 t − c4 e−i √3ω0 t ⏟⏟⏟⏟⏟⏟⏟⏟⏟⏟⏟⏟⏟⏟⏟⏟⏟⏟⏟⏟⏟⏟⏟⏟⏟⏟⏟⏟⏟⏟⏟⏟⏟⏟⏟⏟⏟⏟⏟⏟⏟⏟⏟⏟⏟⏟⏟⏟⏟⏟⏟⏟⏟⏟⏟⏟⏟ 2 2

1

1

1

1

oder reell: ⏞⏞⏞⏞⏞⏞⏞⏞⏞⏞⏞⏞⏞⏞⏞⏞⏞⏞⏞⏞⏞⏞⏞⏞⏞⏞⏞⏞⏞⏞⏞⏞⏞⏞⏞⏞⏞⏞⏞⏞⏞⏞⏞⏞⏞⏞⏞⏞⏞⏞⏞⏞⏞⏞⏞⏞⏞⏞⏞⏞⏞⏞⏞⏞⏞⏞⏞⏞⏞⏞⏞⏞⏞⏞⏞ 1 1 x1 (t) = C1 cos (√ ω0 t) + C2 sin (√ ω0 t) 2 2

⏞⏞⏞⏞⏞⏞⏞⏞⏞⏞⏞⏞⏞⏞⏞⏞⏞⏞⏞⏞⏞⏞⏞⏞⏞⏞⏞⏞⏞⏞⏞⏞⏞⏞⏞⏞⏞⏞⏞⏞⏞⏞⏞⏞⏞⏞⏞⏞⏞⏞⏞⏞⏞⏞⏞⏞⏞⏞⏞⏞⏞⏞⏞⏞⏞⏞⏞⏞⏞ + C3 cos(√3ω0 t) + C4 sin(√3ω0 t)

1 1 1 1 x2 (t) =2C1 cos (√ ω0 t) + 2C2 sin (√ ω0 t) − C3 cos(√3ω0 t) − C4 sin(√3ω0 t) . 2 2 2 2

182 | 31 Mehrmassensysteme und Modalanalyse Als Anfangsbedingungen nehmen wir x1 (0) = c, ẋ 1 (0) = 0, x2 (0) = 0, ẋ 2 (0) = 0. x1 (0) = c

󳨐⇒

III. x2 (0) = 0

󳨐⇒

II. ẋ 1 (0) = 0

󳨐⇒

IV. ẋ 2 (0) = 0

󳨐⇒

I.

C1 + C3 = 0 } } c 4c 1 } C1 = 5 , C3 = 5 , 2C1 − C3 = 0} 2 } C2 + C4 = 0 } } 1 } C2 = C4 = 0 . 2C2 − C4 = 0} 2 }

Schließlich lautet die Lösung x1 (t) =

1 c (cos (√ ω0 t) + 4 cos(√3ω0 t)) 5 2

x2 (t) =

1 c (2 cos (√ ω0 t) − 2 cos(√3ω0 t)) . 5 2

2. Lösungsmethode Wir benutzen folgenden Satz: Ist A eine diagonalisierbare Matrix (alle Eigenwerte ein­ fach) und D diese Diagonalmatrix, dann gibt es eine Matrix M, so dass M −1 AM = D ist. Die Matrix D besteht aus den Eigenwerten von A und die Matrix M besteht aus den Eigenvektoren von A. M nennt man auch die Modalmatrix und das Vorgehen Modal­ analyse. Unser DGL-System lautet ẍ = Ax

mit

yA = (

−2,5ω20 ω20

ω20 ) . −ω20

Schreiben wir die Lösung für x als x = My, dann ist ẍ = M y.̈ Eingesetzt folgt ẍ = AMy und weiter M ÿ = AMy. Schließlich ist ÿ = M −1 AMy. Dies entspricht der Gleichung des obigen Satzes. Damit ist das Vorgehen zur Lösung von x gegeben: Zuerst die Eigenwerte der Matrix A bestimmen. Die Gleichung 󵄨󵄨 󵄨 ω20 󵄨󵄨󵄨 󵄨󵄨−2,5ω20 − λ 󵄨󵄨 󵄨󵄨 = 0 󵄨󵄨 ω20 −ω20 − λ 󵄨󵄨󵄨 󵄨 ergibt λ2 + 3,5ω20 λ + 1,5ω40 = 0 mit den Lösungen λ1 = − 12 ω20 und λ2 = −3ω20 . Somit ist 0 − 1 ω2 D=( 2 0 ) und ÿ = M −1 AMy = Dy 0 −3ω20 oder

1 2 ω ⋅ y1 = 0 2 0 ÿ 2 + 3ω20 ⋅ y2 = 0 .

ÿ 1 +

31 Mehrmassensysteme und Modalanalyse | 183

Die zugehörigen Lösungen sind 1 y1 (t) = A ⋅ cos (√ ω0 t) 2 y2 (t) = B ⋅ cos(√3ω0 t) . Die Sinusterme können weggelassen werden, da sie aufgrund der Anfangsbedingun­ gen ẋ 1 (0) = 0 und ẋ 2 (0) = 0 wegfallen. −2 1 Der Eigenvektor zu λ1 folgt aus ω20 ( 1 − 1 ) ( ab ) = 0 mit b = 2a zu v⃗1 = ( 12 ). 2

1

Der Eigenvektor zu λ2 folgt aus ω20 ( 2 1 ) ( ab ) = 0 mit a = −2b zu v⃗ 2 = ( −2 1 ). 1 2 1 −2 Die Eigenvektoren ergeben die gesuchte Matrix M = ( 2 1 ). Die Lösungen lauten x = My oder einzeln 1 x1 (t) = y1 − 2y2 = A ⋅ cos (√ ω0 t) − 2B ⋅ cos(√3ω0 t) 2

und

1 x2 (t) = 2y1 + y2 = 2A ⋅ cos (√ ω0 t) + B ⋅ cos(√3ω0 t) . 2 Die Anfangsbedingungen sind wieder x1 (0) = c, x2 (0) = 0 und man erhält x1 (0) = c

󳨐⇒

III. x2 (0) = 0

󳨐⇒

I.

A − 2B = c

c 2c }A = ,B = − 5 5 2A + B = 0

Es folgt x1 (t) =

1 c (cos (√ ω0 t) + 4 cos(√3ω0 t)) 5 2

x2 (t) =

1 c (2 cos (√ ω0 t) − 2 cos(√3ω0 t)) . 5 2

und

Die Lösung über die Modalmatrix kann man auf größere Massensysteme verallgemei­ nern. Aufgabe Bearbeiten Sie die Übung 49.

Ausblick auf den 3. Band Resonanz kann positive und negative Auswirkungen haben. Meistens ist sie uner­ wünscht, weil durch sie zerstörerische Energie frei wird. Menschliches Einwirken, aber vor allem Naturgewalten wie Wind, Erderschütte­ rungen, aber auch etwas Unsichtbares wie der Schall sind gefährliche Kräfte, wobei die Einwirkung verhältnismäßig klein sein kann, doch mit verheerenden Wirkungen. Windkräfte können die Eigenfrequenzen in Hochhäusern zum Schwingen anre­ gen, so dass sie wanken und im schlimmsten Fall einstürzen. Dabei braucht der Wind nicht einmal sturmartig zu sein, es genügt auch ein konstant anhaltender Luftstrom.

184 | 31 Mehrmassensysteme und Modalanalyse

Passanten können durch ihre periodische Schrittfolge Brücken in einen gefährli­ chen Schwingungszustand versetzen. Auch hier können einige Jogger im Gleichschritt dieselbe Wirkung haben wie eine Vielzahl von im Gleichschritt marschierenden Sol­ daten. Es gibt dokumentierte Fälle über eingestürzte Brücken. Auch der Schall ist eine nicht zu unterschätzende Kraft. Es ist möglich, Glas über Resonanz zu zersprengen und Beton oder Metall zu verformen. Mit dem Schall der menschlichen Stimme Glas zu zerstören, ist praktisch unmöglich, weil es nicht auf die Höhe der Frequenz ankommt, hingegen müsste man einen Sinuston ohne Frequenz­ schwankung erzeugen können. In der Medizin kann man den Schall einsetzen, um Nieren- oder Blasensteine zu zerstören. Aus diesen Beispielen erkennt man die Notwendigkeit, die für jedes Material cha­ rakteristischen Eigenfrequenzen zu kennen, entweder durch Berechnung oder Mes­ sung. Nur bei Kenntnis der Eigenfrequenzen kann man diese entweder bewusst anre­ gen, vermeiden, oder durch Überlagerung anderer Frequenzen entschärfen. Natürlich kann man in all den genannten Beispielen von vornherein Gegenmaß­ nahmen ergreifen, damit es nicht zur Katastrophe kommt. Die Erfahrung zeigt aber, dass man den Schwingungsphänomenen nie ganz beikommen kann. Es ist auch erstaunlich, und vielleicht mit der unsichtbaren Kraft der Schwingung an sich verbunden, dass deren Wirkung in unserem Bewusstsein größtenteils nicht gegenwärtig ist.

Anhang: Beweis Schwingungstilger mit Dämpfung Es soll das System I.

[1 + D − Ω 2 + 2iΩ (ξ1 + ξ2 √Dγ)] x1 − [D + 2iξ2 Ω√Dγ] x2 = x

II.

− [D + 2iξ2 Ω√Dγ] x1 + [D − γΩ2 + 2iξ2 Ω√Dγ] x2 = 0

gelöst werden. Aus der zweiten Gleichung erhält man x2 =

D + 2iξ2 Ω√Dγ D − γΩ 2 + 2iξ2 Ω√Dγ

x1

und damit für das Verhältnis D − γΩ 2 + 2iξ2 Ω√Dγ x1 = . x [1 + D − Ω2 + 2iΩ(ξ1 + ξ2 √Dγ)] ⋅ [D − γΩ2 + 2iξ2 Ω√Dγ] − [D + 2iξ2 Ω√Dγ]2 Zuerst wird der Nenner ausmultipliziert und man erhält = (1 + D − Ω2 )(D − γΩ2 ) + (1 + D − Ω2 )2iξ2 Ω√Dγ + (D − γΩ 2 )2iΩ (ξ1 + ξ2 √Dγ) − 4ξ2 Ω2 (ξ1 + ξ2 √Dγ) √Dγ − D2 − 4Diξ2 Ω√Dγ + 4ξ22 Ω2 Dγ = D − γΩ 2 + D2 − γDΩ2 − DΩ2 + γΩ4 − 4ξ1 ξ2 Ω2 √Dγ − 4ξ22 Ω2 Dγ − D2 + 4ξ22 Ω2 Dγ + (1 + D − Ω 2 )2iξ2 Ω√Dγ + (D − γΩ2 )2iΩ (ξ1 + ξ2 √Dγ) − 4Diξ2 Ω√Dγ = D − γΩ 2 − γDΩ2 − DΩ2 + γΩ4 − 4ξ1 ξ2 Ω2 √Dγ + 2iξ2 Ω√Dγ + 2iξ2 DΩ√ Dγ − 2iξ2 Ω3 √Dγ + 2iξ1 DΩ + 2iξ2 DΩ√Dγ − 2iξ1 Ω3 γ + −2iξ2 Ω3 γ√Dγ − 4iξ2 DΩ√Dγ = (1 − Ω2 )(D − γΩ 2 ) − Ω2 (Dγ + 4ξ1 ξ2 √Dγ) + 2iξ1 Ω(D − γΩ2 ) + 2iξ2 Ω√Dγ(1 − Ω2 (1 + γ)) . Eingesetzt entsteht [D − γΩ 2 ] + i[2ξ 2 Ω√Dγ] x1 = . 2 2 2 x [(1 − Ω )(D − γΩ ) − Ω (Dγ + 4ξ 1 ξ 2 √Dγ)] + i[2iξ 1 Ω(D − γΩ 2 ) + 2ξ 2 Ω√Dγ(1 − Ω 2 (1 + γ))]

Die komplexe Zahl ist von der Gestalt a+ib c+id . Dann hat man 󵄨󵄨 a + ib 󵄨󵄨2 a2 + b 2 󵄨󵄨 󵄨󵄨󵄨 󵄨󵄨 c + id 󵄨󵄨󵄨 = c2 + d2 󵄨 󵄨 wie schon früher berechnet und es ergibt sich 󵄨󵄨 a + ib 󵄨󵄨 󵄨󵄨 󵄨󵄨 √ a2 + b 2 󵄨󵄨 󵄨= 󵄨󵄨 c + id 󵄨󵄨󵄨 c2 + d2 https://doi.org/10.1515/9783110683820-032

186 | Anhang: Beweis Schwingungstilger mit Dämpfung

Damit wird 󵄨󵄨 x1 󵄨󵄨 [D − γΩ 2 ]2 + [2ξ 2 Ω√Dγ]2 󵄨󵄨 󵄨󵄨 = √ . 󵄨󵄨 󵄨󵄨 2 2 2 x 󵄨 󵄨 [(1 − Ω )(D − γΩ ) − Ω (Dγ + 4ξ 1 ξ 2 √Dγ)]2 + [2iξ 1 Ω(D − γΩ 2 ) + 2ξ 2 Ω√Dγ(1 − Ω 2 (1 + γ))]2

Betrachten wir des Weiteren ein ungedämpftes Hauptsystem, das heißt ξ1 = 0. Dann ist |

[D − γΩ2 ]2 + [2ξ2 Ω√Dγ]2 x1 . |=√ 2 x [(1 − Ω )(D − γΩ 2 ) − Ω2 Dγ]2 + 4ξ22 Ω2 Dγ(1 − Ω2 (1 + γ))2

Für eine Darstellung beachten wir, dass D= ω22 = ω21 Ausdruck | xx1 |:

Dann wählen wir speziell wir damit den

D2 ω22 m2 ω22 = = γ. D1 ω21 m1 ω21

1. Es ist D = γ und wir nehmen γ = 0,05. Vereinfachen

󵄨 󵄨󵄨 x1 γ2 (1 − Ω2 )2 + 4ξ22 Ω2 γ2 󵄨󵄨 (Ω)󵄨󵄨󵄨 = √ 󵄨󵄨 󵄨󵄨 󵄨 󵄨x ((1 − Ω2 )(γ − γΩ2 ) − Ω2 γ2 )2 + 4ξ 2 Ω2 γ2 (1 − Ω2 (1 + γ))2 2

=√ =√

γ2 (1 − Ω2 )2 + 4ξ22 Ω2 γ2 (γ(1 − Ω2 ) − Ω2 γ2 )2 + 4ξ22 Ω2 γ2 (1 − Ω2 (1 + γ))2 0,052 (1 − Ω2 )2 + 4ξ22 Ω2 0,052 (0,05(1 − Ω2 )2 − Ω2 0,052 )2 + 4ξ22 Ω2 0,052 (1 − 1,05Ω2 )2

Diese Funktion wollen wir für ξ2 = {0, 0,1, 0,3, ∞} darstellen (Abb. 1):

Abb. 1: Skizze der Fixpunkte beim Tilger mit Dämpfung

.

Anhang: Beweis Schwingungstilger mit Dämpfung | 187

Man erkennt, dass es unabhängig vom gewählten ξ2 immer zwei Fixpunkte P und Q gibt! Die optimale Dämpfung ξ2 opt wäre dann erreicht, wenn die beiden Maxima auf gleicher Höhe zu liegen kämen. Da der Rechenaufwand dafür noch größer sein wür­ de, als er eh schon ist, man weiter nicht davon ausgehen kann, dass entstehende Glei­ chungen sich geschlossen lösen lassen, und schließlich die beiden Fixpunkte nahe an den Maxima liegen, begnügt man sich mit der etwas schwächeren Bedingung, dass P und Q auf gleicher Höhe zu liegen kommen. Sinnvollerweise wählt man zu deren Be­ rechnung zwei Funktionen | xx1 (Ω)| mit einfachen Werten für ξ2 , nämlich ξ2 = 0 und ξ2 = ∞. Man erhält dann, egal ob die komplexe oder reelle Schreibweise für | xx1 (Ω)| gewählt wird, D − γΩ 2 1 =± . 2 (1 − Ω )(D − γΩ2 ) − Ω2 Dγ 1 − Ω2 (1 + γ) Für ξ2 = ∞ schreibt man γ 2 (1−Ω 2 )2 ξ 22 ((1−Ω 2 )(γ−γΩ 2)−Ω 2 γ 2 )2 ξ 22

+ 4Ω2 γ2

+ 4Ω2 γ2 (1 − Ω2 (1 + γ))2

.

Das Plus-Zeichen führt auf Ω = 0. Mit dem Minuszeichen hat man dann (D − γΩ2 )(1 − Ω2 (1 + γ)) = Ω2 Dγ − (1 − Ω 2 )(D − γΩ 2 ) . Weiter ist (D − γΩ2 )(2 − 2Ω2 − γΩ2 ) − γDΩ2 = 0 , 2D − 2DΩ2 − γDΩ2 − 2γΩ2 + 2γΩ4 + γ2 Ω4 − γDΩ2 = 0 , γ(2 + γ)Ω4 − 2(γD + γ + D)Ω 2 + 2D = 0 und Ω21,2 = =

2(γD + γ + D) ± √4(γD + γ + D)2 − 8γD(2 + γ) 2γ(2 + γ)

(γD + γ + D) ± √(γD + γ + D)2 − 2γD(2 + γ) γ(2 + γ)

(γD + γ + D) ± W = γ(2 + γ)

mit

W := √(γD + γ + D)2 − 2γD(2 + γ) .

Eingesetzt in die rechte Seite folgt 1 1 − (1 +

γ) (γD+γ+D)+W γ(2+γ)

=−

1 1 − (1 + γ) (γD+γ+D)−W γ(2+γ)

,

γ(2 + γ) − (1 + γ)(γD + γ + D + W) = (1 + γ)(γD + γ + D − W) − γ(2 + γ) und 2γ(2 + γ) = 2(1 + γ)(γD + γ + D) . Jetzt substituieren wir zurück: D = β=

ω2 ω1

D2 D1

=

ω22 m2 ω21 m1

der Tilgermasse zum Hauptsystem.

= β 2 γ und definieren das Verhältnis

188 | Anhang: Beweis Schwingungstilger mit Dämpfung

Dann geht die Gleichung über in γ(2 + γ) = (1 + γ)(β 2 γ2 + γ + β 2 γ) , γ(2 + γ) − γ = β 2 γ(1 + γ) 1+γ 󳨐⇒

γ(2 + γ) − γ(1 + γ) = β2 (1 + γ)2

2−γ−1−γ (1 + γ)2

󳨐⇒

= β2

󳨐⇒

1 = β2 (1 + γ)2

1 1 und schließlich β opt = 1+γ oder f2 opt = 1+γ f1 . Für γ = 0,05 wäre f2 = 0,9523f1 . Der Tilger müsste also 4,76 % weniger schwin­ gen als das Hauptsystem. Somit ist eine Größe optimiert, nämlich D oder mit D = β 2 γ, also β. γ Mit Hilfe von D = β 2 γ = (1+γ) 2 kann man noch die Lage der Punkte P und Q angeben: Zuerst noch als Vorbereitung:

γD + γ + D = β 2 γ2 + γ + β 2 γ = β 2 γ(1 + γ) + γ = = 󳨐⇒

Ω21,2 =

γ(1 + γ) γ 2γ + γ2 + γ = + γ = (1 + γ) (1 + γ) (1 + γ)2

γ(2 + γ) (1 + γ) 1 γ(2 + γ) √ γ(2 + γ) 2 2γ2 (2 + γ) ) ⋅( ± ( ) − γ(2 + γ) 1+γ 1+γ (1 + γ)2

=

1 γ2 (2 + γ)2 2γ2 (2 + γ) γ(2 + γ) − ) ⋅( ±√ γ(2 + γ) 1+γ (1 + γ)2 (1 + γ)2

=

1 γ3 (2 + γ) γ(2 + γ) ) ⋅( ±√ γ(2 + γ) 1+γ (1 + γ)2

=

1 γ(2 + γ) γ√γ(2 + γ) 1 √γ ⋅( ± )= ± γ(2 + γ) 1+γ 1+γ 1 + γ (1 + γ)√2 + γ

=

1 γ (1 ± √ ) 1+γ 2+γ

󳨐⇒

Ω1,2 = √

1 γ (1 ± √ ). 1+γ 2+γ

Die maximale Ordinate ergibt sich dann zu 󵄨󵄨 x1 󵄨 󵄨󵄨 (Ω )󵄨󵄨󵄨 = 1,2 󵄨󵄨 󵄨󵄨 󵄨x 󵄨 󵄨󵄨󵄨󵄨1 − 󵄨󵄨

1 1 1+γ

(1

γ ± √ 2+γ ) (1

2+γ 1 1 󵄨󵄨 = √ γ . 󵄨󵄨 = 󵄨󵄨 󵄨󵄨 = 󵄨󵄨 γ γ + γ)󵄨󵄨󵄨 󵄨󵄨󵄨1 − (1 ± √ 2+γ )󵄨󵄨󵄨 󵄨󵄨󵄨±√ 2+γ 󵄨󵄨󵄨 󵄨 󵄨 󵄨 󵄨 󵄨

In der Funktion | xx1 | ist jetzt noch das Dämpfungsmaß ξ2 =

μ2 2√D1 m1

oder die Dämpfung μ 2 zu optimieren. Um die Amplitude von | xx1 | weiter abzuflachen, fordert man sinnvollerweise, dass die Tangenten in P und Q waagrecht sind.

Anhang: Beweis Schwingungstilger mit Dämpfung | 189

Das ergibt zwei Gleichungen d dΩ

󵄨󵄨 x1 󵄨 󵄨󵄨 (Ω)󵄨󵄨󵄨 = 0 und 󵄨󵄨 󵄨󵄨 󵄨x 󵄨 Ω=Ω1

d dΩ

󵄨󵄨 x1 󵄨 󵄨󵄨 (Ω)󵄨󵄨󵄨 =0. 󵄨󵄨 󵄨󵄨 󵄨x 󵄨 Ω=Ω2

Der Rechenaufwand zur Berechnung von ξ2 opt ist enorm. Natürlich könnte man leis­ tungsfähige Großrechner zur Hilfe nehmen. Dem Autor steht ein CAS-Rechner zur Ver­ fügung, der aufgrund der Speicherkapazität nur an einer späteren Stelle eingesetzt werden kann. Es folgt demnach eine sehr lange (Hand-)Rechnung. d x1 Aus dΩ | x (Ω)|Ω=Ω1,2 = 0 wird mit der Quotientenregel d d |x1 (Ω)||x(Ω)| = |x1 (Ω)| |x(Ω)| , dΩ dΩ |x1 (Ω)| = (D − γΩ 2 )2 + 4ξ22 Ω2 Dγ = D2 − 2DγΩ2 + γ2 Ω4 + 4ξ22 Ω2 Dγ =

2Ω2 γ2 2 γ2 2 4 + γ Ω + (ξ − 1) (1 + γ)4 (1 + γ)2 2

= γ2 [Ω4 +

2Ω2 1 (ξ 2 − 1) + ] (1 + γ)2 2 (1 + γ)4

und

(ξ22 − 1) d 4Ω 2 2 2 (ξ − 1)) = 4γ Ω [Ω + ] . |x1 (Ω)| = γ2 (4Ω3 + 2 dΩ (1 + γ)2 (1 + γ)2 Es gilt |x(Ω)| = (D − γΩ 2 − DΩ2 + γΩ4 − Ω2 γD)2 + 4Ω2 ξ22 Dγ(1 − Ω2 (1 + γ))2 = (D − (γ + D + γD)Ω 2 + γΩ4 )2 + 4Ω2 ξ22 Dγ(1 − 2Ω2 (1 + γ) + Ω4 (1 + γ)2 ) = D2 − 2D(γ + D + γD)Ω 2 + 2γDΩ4 + (γ + D + γD)2 Ω4 − 2γ(γ + D + γD)Ω6 + γ2 Ω8 + 4Ω2 ξ22 Dγ − 8Ω4 ξ22 Dγ(1 + γ) + 4Ω6 ξ22 Dγ(1 + γ)2 = D2 + Ω2 (−2D(γ + D + γD) + 4ξ22 Dγ) + Ω4 (2γD + (γ + D + γD) − 8ξ22 Dγ(1 + γ)) + Ω6 (−2γ(γ + D + γD) + 4ξ22 Dγ(1 + γ)2 ) + γ2 Ω8 =

γ2 2γ2 (2 + γ) γ2 2 2 + Ω + 4ξ (− ) 2 (1 + γ)4 (1 + γ)3 (1 + γ)2 + Ω4 (

γ2 2γ2 γ2 (2 + γ)2 + − 8ξ22 ) 2 2 1+γ (1 + γ) (1 + γ)

+ Ω6 (−

2γ2 (2 + γ) + 4ξ22 γ2 ) + γ2 Ω8 1+γ

= γ2 [Ω8 + 2Ω6 (2ξ22 − +

Ω4 6 + 4γ + γ2 2+γ − 8ξ22 ) )+ ( 1+γ 1+γ 1+γ

2+γ 1 2Ω2 (2ξ22 − ] )+ 1+γ (1 + γ)2 (1 + γ)4

190 | Anhang: Beweis Schwingungstilger mit Dämpfung d 2+γ 4Ω2 6 + 4γ + γ2 |x(Ω)| = γ2 Ω [8Ω6 + 12Ω4 (2ξ22 − )+ ( − 8ξ22 ) dΩ 1+γ 1+γ 1+γ 2+γ 4 )] (2ξ22 − + 2 1+γ (1 + γ) Dann ist 4(ξ22 − 1) d ] |x1 (Ω)||x(Ω)| = γ4 Ω [4Ω2 + dΩ (1 + γ)2 ⋅ [Ω8 + 2Ω6 (2ξ22 − +

2+γ Ω4 6 + 4γ + γ2 )+ ( − 8ξ22 ) 1+γ 1+γ 1+γ

2Ω2 2+γ 1 (2ξ22 − ] )+ 1+γ (1 + γ)2 (1 + γ)4

und |x1 (Ω)|

d 2Ω2 1 |x(Ω)| = γ 4 Ω [Ω 4 + (ξ 2 − 1) + ] dΩ (1 + γ)2 2 (1 + γ)4 2+γ 4Ω2 6 + 4γ + γ 2 )+ ( − 8ξ22 ) 1+γ 1+γ 1+γ 2+γ 4 (2ξ22 − )] . + 2 1+γ (1 + γ)

⋅ [8Ω6 + 12Ω4 (2ξ22 −

Dividiert mit γ4 Ω und ausmultipliziert (wir nennen die Seiten trotz der Division gleich) ist d |x1 (Ω)||x(Ω)| dΩ = 4Ω 10 + 8Ω8 (2ξ22 −

8Ω4 4Ω6 6 + 4γ + γ2 2+γ 2+γ − 8ξ22 ) + (2ξ22 − )+ ( ) 1+γ 1+γ 1+γ 1+γ (1 + γ)2

+

4Ω8 (2ξ22 − 1) 8Ω6 (2ξ22 − 1) 2+γ 4Ω2 + + (2ξ22 − ) 2 1+γ (1 + γ) (1 + γ)2 (1 + γ)2

+

8Ω2 (2ξ22 − 1) 4(2ξ22 − 1) 4Ω 4 (2ξ22 − 1) 6 + 4γ + γ2 2+γ 2 2 ( ) + (2ξ − − 8ξ ) + 2 2 1+γ 1+γ (1 + γ)3 (1 + γ)4 (1 + γ)6

= 4Ω10 + 16Ω8 ξ22 − 8Ω8

2 + γ 4Ω6 (6 + 4γ + γ2 ) 32Ω6 ξ22 16Ω4 ξ22 8Ω4 (2+γ) + + − − 1+γ 1+γ (1 + γ)2 (1 + γ)2 (1 + γ)3

+

8Ω8 ξ22 32Ω6 ξ24 16Ω6 ξ22 (2 + γ) 16Ω6 ξ22 4Ω2 4Ω8 + − + − − (1 + γ)4 (1 + γ)2 (1 + γ)2 (1 + γ)2 (1 + γ)3 (1 + γ)2

+

8Ω6 (2 + γ) 8Ω4 ξ22 (6 + 4γ + γ2 ) 64Ω4 ξ24 4Ω4 ξ22 (6 + 4γ + γ2 ) 32Ω4 ξ22 + − − + (1 + γ)3 (1 + γ)4 (1 + γ)3 (1 + γ)4 (1 + γ)3

+

32Ω2 ξ24 16Ω2 ξ22 (2 + γ) 16Ω2 ξ22 8Ω2 (2 + γ) 8ξ22 4 − − + + − . 4 5 4 5 6 (1 + γ) (1 + γ) (1 + γ) (1 + γ) (1 + γ) (1 + γ)6

Anhang: Beweis Schwingungstilger mit Dämpfung |

191

Weiter ist |x1 (Ω)|

d |x(Ω)| dΩ

= 8Ω 10 + 12Ω8 (2ξ22 −

4Ω4 4Ω6 6 + 4γ + γ2 2+γ 2+γ − 8ξ22 ) + (2ξ22 − )+ ( ) 1+γ 1+γ 1+γ 1+γ (1 + γ)2

+

16Ω8 (2ξ22 − 1) 24Ω6 (2ξ22 − 1) 2+γ + (2ξ22 − ) 2 2 1+γ (1 + γ) (1 + γ)

+

8Ω2 (2ξ22 − 1) 8Ω4 (2ξ22 − 1) 6 + 4γ + γ2 2+γ 8Ω6 2 ( ) + (2ξ22 − − 8ξ )+ 2 3 4 1+γ 1+γ (1 + γ) (1 + γ) (1 + γ)4

+

6 + 4γ + γ2 4 4Ω2 12Ω4 2+γ 2+γ − 8ξ22 ) + (2ξ22 − ( (2ξ22 − )+ ) 4 5 6 1+γ 1+γ 1+γ (1 + γ) (1 + γ) (1 + γ)

= 8Ω10 + 24Ω8 ξ22 − 12Ω8

8Ω4 ξ22 2+γ 4Ω 6 (6 + 4γ + γ2 ) 32Ω6 ξ22 − + + 2 1+γ 1+γ (1 + γ) (1 + γ)2



96Ω6 ξ24 48Ω6 ξ22 (2 + γ) 48Ω6 ξ22 4Ω4 (2 + γ) 32Ω8 ξ22 16Ω8 + − + − − (1 + γ)3 (1 + γ)2 (1 + γ)2 (1 + γ)2 (1 + γ)3 (1 + γ)2

+

24Ω6 (2 + γ) 16Ω4 ξ22 (6 + 4γ + γ2 ) 128Ω4 ξ24 8Ω4 (6 + 4γ + γ2 ) 64Ω4 ξ22 + − − + (1 + γ)3 (1 + γ)4 (1 + γ)3 (1 + γ)4 (1 + γ)3

+

32Ω2 ξ24 16Ω2 ξ22 (2 + γ) 16Ω2 ξ22 8Ω2 (2 + γ) 24Ω4 ξ22 8Ω6 − − + + + (1 + γ)4 (1 + γ)5 (1 + γ)4 (1 + γ)5 (1 + γ)4 (1 + γ)4



8ξ22 12Ω4 (2 + γ) 4Ω2 (6 + 4γ + γ2 ) 32Ω2 ξ22 4(2 + γ) + − + − . 5 5 6 6 (1 + γ) (1 + γ) (1 + γ)7 (1 + γ) (1 + γ)

Alles auf die rechte Seite gebracht ergibt 4Ω10 + 8Ω8 ξ22 − 4Ω8

24Ω8 ξ22 8Ω4 ξ22 2+γ 4Ω4 (2 + γ) 4Ω2 12Ω8 + − + − − 1 + γ (1 + γ)2 (1 + γ)3 (1 + γ)4 (1 + γ)2 (1 + γ)2

+

64Ω6 ξ24 32Ω6 ξ22 (2 + γ) 32Ω6 ξ22 16Ω6 (2 + γ) 8Ω4 ξ22 (6 + 4γ + γ2 ) − − + + (1 + γ)2 (1 + γ)3 (1 + γ)2 (1 + γ)3 (1 + γ)4



64Ω4 ξ24 4Ω4 (6 + 4γ + γ2 ) 32Ω4 ξ22 24Ω4 ξ22 4 8Ω6 − + + + + (1 + γ)3 (1 + γ)4 (1 + γ)3 (1 + γ)6 (1 + γ)4 (1 + γ)4



12Ω4 (2 + γ) 4Ω2 (6 + 4γ + γ2 ) 32Ω2 ξ22 4(2 + γ) + − − =0. (1 + γ)5 (1 + γ)5 (1 + γ)7 (1 + γ)6

Das ist eine biquadratische Gleichung aξ24 + bξ22 + c = 0 mit a=

64Ω4 64Ω6 − , 2 (1 + γ) (1 + γ)3 8Ω4 24Ω8 32Ω6 (2 + γ) 32Ω6 8Ω4 (6 + 4γ + γ2 ) + − − + 2 2 3 2 (1 + γ) (1 + γ) (1 + γ) (1 + γ) (1 + γ)4 32Ω4 24Ω4 32Ω2 + + − und 3 4 (1 + γ) (1 + γ) (1 + γ)5

b = 8Ω8 −

192 | Anhang: Beweis Schwingungstilger mit Dämpfung

c = 4Ω10 − 4Ω8

2 + γ 4Ω4 (2 + γ) 4Ω2 12Ω8 16Ω6 (2 + γ) + − − + 3 4 2 1+γ (1 + γ) (1 + γ) (1 + γ) (1 + γ)3



4Ω4 (6 + 4γ + γ2 ) 4 8Ω6 12Ω4 (2 + γ) + + − 4 4 6 (1 + γ) (1 + γ) (1 + γ)5 (1 + γ)

+

4Ω2 (6 + 4γ + γ2 ) 4(2 + γ) − . (1 + γ)7 (1 + γ)6

Nun kommt der CAS-Rechner zum Einsatz. Berechnet wird ξ22 = Ergebnis Ω22 =

−b±√b 2 −4ac 2a

und im

γ 1 (1 + √ ) 1+γ 2+γ

ersetzt. Der Rechner bietet nur folgendes Ergebnis an, was uns leider weitere Arbeit be­ schert: ξ22 =

γ√2√2 + γ√√2 + γ(2γ + 1) + 2γ√γ + 3√γ 8(1 + γ)√√2 + γ + √γ −

=

γ(√2 + γ(2γ − 1)(1 + γ + √γ√2 + γ) + √γ) 4(1 + γ)√2 + γ(√2 + γ + √γ)2

γ√2√2 + γ√√2 + γ(2γ + 1) + 2γ√γ + 3√γ √√2 + γ − √γ ⋅ √√2 + γ − √γ 8(1 + γ)√√2 + γ + √γ −

γ(√2 + γ(2γ − 1)(1 + γ + √γ√2 + γ) + √γ) 8(1 + γ)√2 + γ(1 + γ + √γ√2 + γ)

.

Der erste Term ist = γ√2√2 + γ ⋅

=

√4γ + 2 + 2γ2 + 2γ√γ√2 + γ + 3√ γ√2 + γ − 2γ√γ√2 + γ − √γ√2 + γ − 2γ2 − 3γ 8(1 + γ)√2

γ√2 + γ√2 + 2γ + 2√γ√2 + γ 8(1 + γ)

=

γ√2√2 + γ√1 + γ + √γ√2 + γ 8(1 + γ)

.

Wir versuchen folgenden Ansatz für die Doppelwurzel: √1 + γ + √γ√2 + γ = k 1 √2 + γ + k 2 √γ . Dann ist 1 + γ + √γ√2 + γ = γk 21 + (2 + γ)k 22 + 2k 1 k 2 √γ√2 + γ. Durch Koeffizientenvergleich hat man 1 + γ = γk 21 + (2 + γ)k 22 und 1 = 2k 1 k 2 .

Anhang: Beweis Schwingungstilger mit Dämpfung | 193

Die erste Gleichung wird zu 1 + γ = γk21 +

(2 + γ) 4k 21

󳨐⇒

4γk 41 − 4(1 + γ)k 21 + (2 + γ) = 0

mit k 21 =

4(1 + γ) ± √16(1 + γ)2 − 16γ(2 + γ) 8γ

=

1 + γ ± √1 + γ + γ2 − 2γ − γ2 2γ

1+γ±1 = 2γ 󳨐⇒

{±√ 2+γ 2γ k1 = { 1 ± { √2

󳨐⇒

γ {±√ k 2 = { 2(2+γ) ± 1 . { √2

Beides führt zu √1 + γ + √γ√2 + γ = 1 (√2 + γ + √γ) . √2 Damit haben wir für den ersten Term die Darstellung γ√2 + γ(√2 + γ + √γ) . 8(1 + γ) Insgesamt ist ξ22 =

(√2 + γ(2γ − 1)(1 + γ + √γ√2 + γ) + √γ) γ ] [√ 2 + γ(√2 + γ + √γ) − 8(1 + γ) √2 + γ(1 + γ + √γ√2 + γ)

=

(2 + γ)(√2 + γ + √γ)(1 + γ + √γ√2 + γ) − √2 + γ(2γ − 1)(1 + γ + √γ√2 + γ) − √γ γ ] [ 8(1 + γ) √2 + γ(1 + γ + √γ√2 + γ)

=

(1 + γ + √γ√2 + γ)[(2 + γ)(√2 + γ + √γ) − √2 + γ(2γ − 1)] − √γ γ ] [ 8(1 + γ) √2 + γ(1 + γ + √γ√2 + γ)

=

(1 + γ + √γ√2 + γ)[2√2 + γ + 2√γ + γ√2 + γ + γ√γ − 2γ√2 + γ + √2 + γ] − √γ γ ] [ 8(1 + γ) √2 + γ(1 + γ + √γ√2 + γ)

=

(1 + γ + √γ√2 + γ)[3√2 + γ + (2 + γ)√γ − γ√2 + γ] − √γ γ ] [ 8(1 + γ) √2 + γ(1 + γ + √γ√2 + γ)

=

√2 + γ(1 + γ + √γ√2 + γ)[3 − γ + √γ√2 + γ] − √γ γ ] [ 8(1 + γ) √2 + γ(1 + γ + √γ√2 + γ)

=

√2 + γ[3 − γ + √γ√2 + γ + 3γ − γ 2 + γ√γ√2 + γ + 3√γ√2 + γ − γ√γ√2 + γ + γ(2 + γ)] − √γ γ ] [ 8(1 + γ) √2 + γ(1 + γ + √γ√2 + γ)

=

3 + 4γ + 4√γ√2 + γ − √ 2+γ √2 + γ[3 + 4γ + 4√γ√2 + γ] − √γ γ γ ] [ ]= [ ] [ 8(1 + γ) 8(1 + γ) √2 + γ(1 + γ + √γ√2 + γ) (1 + γ + √γ√2 + γ) ] [

=

γ γ (1 + γ) 3 + 4γ + 3√γ√2 + γ + √γ√2 + γ − √ 2+γ 3 + 4γ + 3√γ√2 + γ + √ 2+γ γ γ ] ] [ [ ]= ] [ [ 8(1 + γ) 8(1 + γ) (1 + γ + √γ√2 + γ) (1 + γ + √γ√2 + γ) ] ] [ [

=

γ ) (1 + γ + √γ√2 + γ) (3 + √ 2+γ γ ] [ ] . [ 8(1 + γ) (1 + γ + √γ√2 + γ) ] [

γ

194 | Anhang: Beweis Schwingungstilger mit Dämpfung

Somit hat man endlich ξ22 =

γ γ (3 + √ ) . 8(1 + γ) 2+γ

Auf dieselbe Weise erhält man für Ω21 =

γ 1 (1 − √ ) 1+γ 2+γ

das Ergebnis ξ22 =

γ γ (3 − √ ) . 8(1 + γ) 2+γ

Es bietet sich an, das arithmetische Mittel der beiden Werte zu nehmen: ξ22 opt = (

3γ 6γ )= 8(1 + γ) 8(1 + γ)

󳨐⇒

ξ2 opt = √

3γ . 8(1 + γ)

Übungen 1.

Ein Körper der Masse m befindet sich in sehr großer Höhe h0 über der Erdober­ fläche. Wir gehen von einem Vakuum aus und schließen den Luftwiderstand aus. Durch die Anziehungskraft gilt für den Abstand x(t) zum Erdmittelpunkt nach Erde ̈ = −G ⋅ m⋅m ̈ ⋅ x2 = −G ⋅ mErde = konst. dem Newton’schen Gesetz m ⋅ x(t) oder x(t) x2 n a) Nehmen Sie als Ansatz zur Lösung x(t) = k ⋅ t . Wie groß muss n sein? b) Bestimmen Sie k. c) Wie lautet die Ortsfunktion x(t) mit der Anfangsbedingung x(0) = RErde + h0 ? d) Stellen Sie x(t) dar und bestimmen Sie v(t).

2.

Wir betrachten ein Flugzeug in 10 km Höhe (Abb. 2 links). Es herrschen folgende Kräfte: FS : Schubkraft, FG: Gewichtskraft, FR : Reibungskraft, FA : Auftriebskraft. Die Fall­ beschleunigung g, die Dichte der Luft ρ L , wie auch die Temperatur sollen für diese kg Aufgabe als konstant angesehen werden. Es sei m = 3 ⋅ 105 kg, ρ L = 0,37 m 3 . Die m Anfangsgeschwindigkeit betrage v0 = 250 s . Für die Bewegung in x-Richtung sind die Kräfte FS und FR maßgebend, hingegen für die Bewegung in y-Richtung nur die Kräfte FG und FA . Der Auftrieb in Luft ist in diesem Fall gegeben durch FA = 12 cA ⋅ ρ L ⋅ AG ⋅ v2 , wobei AG die Grundrissfläche und cA der Auftriebsbeiwert ist, der sich aus Messungen ergibt. Für uns ist AG = 800 m2 und cA = 0,4. Für den Luftwiderstand erhält man bekanntlich FR = 12 cW ⋅ ρ L ⋅ AR ⋅ v2 , wobei AR nicht die ganze Grundrissfläche ist. Messungen zeigen, dass man etwa AR = 14 AG nehmen kann. cW = 0,1 ist der zugehörige Widerstandsbeiwert. a) Stellen Sie die DGL für x(t) der Bewegung in x-Richtung und die DGL für y(t) der Bewegung in y-Richtung auf. b) Lösen Sie die DGL für x(t). ̇ in die DGL für y(t) ein und lösen Sie sie. c) Setzen Sie die Lösung für v(t) = x(t) d) Stellen Sie x(t) und y(t) für die ersten 15 s dar. e) Stellen Sie y(x) für die ersten 15 s dar.

Abb. 2: Skizze zu den Übungen 2 und 3

https://doi.org/10.1515/9783110683820-033

196 | Übungen

3.

Ein homogenes, vollständig biegsames Seil ohne Biegesteifigkeit der Masse m und der Länge l hängt teils über eine Tischkante (Abb. 2 rechts). Anfangs soll ein Stück der Länge l0 überhängen. Die Reibung mit der Unterlage soll vernachläs­ sigt werden. x(t) sei die Länge des überhängenden Seils zur Zeit t. Bemerkung: Eine Bedingung herzuleiten, damit sich das Seil überhaupt bewegt, führt unter Vernachlässigung der Reibung lediglich auf l0 > 0, was natürlich unsinnig ist (vgl. Übung 4). a) Wie groß ist die Gewichtskraft des überhängenden Seilstücks? b) Stellen Sie die DGL für x(t) auf. c) Benutzen Sie zur Lösung den Ansatz x(t) = C ⋅ e kt mit den Anfangsbedingun­ gen x(0) = 0 und v(0) = 0. d) Nehmen Sie als Zahlenbeispiel ein Seil der Länge l = 2 m, das anfangs zur Hälfte überhängt und sich aus der Ruhelage heraus in Bewegung setzt. Be­ stimmen Sie x(t) und berechnen Sie die Zeit, wann das Seil vollständig abge­ rutscht ist.

4. Gleiche Situation wie in Übung 3. Zusätzlich soll nun die Reibung mit der Unter­ lage berücksichtigt werden. a) Wie groß ist die Gewichtskraft des sich noch auf der Unterlage befindenden Seilstücks und demnach dessen Reibungskraft? b) Unter welcher Bedingung bewegt sich das Seil überhaupt? c) Stellen Sie die DGL für x(t) auf. d) Benutzen Sie zur Lösung den Ansatz x(t) = C ⋅ e kt + D mit den Anfangsbedin­ gunge x(0) = 0 und v(0) = 0. e) Nehmen Sie als Zahlenbeispiel ein Seil der Länge l = 2 m, das anfangs zur Hälfte überhängt und sich aus der Ruhelage heraus in Bewegung setzt. Der Reibungskoeffizient sei μ = 0,05. Bestimmen Sie x(t) und berechnen Sie die Zeit, wann das Seil vollständig abgerutscht ist. 5.

Eine Masse m 2 hängt 2 m über einem mit Sand gefüllten Sack der Masse m1 (Abb. 3 links). Beide sind mit einem dünnen Seil, das über eine reibungsfreie Rolle führt, verbunden. Da der Sack ein Loch hat, fließt gleichmäßig Sand aus. m0 ist die An­ fangsmasse von m1 . Es gilt m1 (t) = m0 ⋅ (1 − 0,05t). Außerdem ist m2 = 1,1 ⋅ m0 . a) Wie lautet die DGL für die Höhe x(t) des Sacks? b) Wie groß wäre die Beschleunigung a, wenn der Sack kein Loch hätte? c) Integrieren Sie die DGL aus a) zweimal und bestimmen Sie die Lösung für x(t) ̇ mit den Anfangsbedingungen x(0) = 0, x(0) = 0. d) Stellen Sie den Verlauf von x(t) dar und berechnen Sie, mit welcher Durch­ schnittsbeschleunigung sich das System bewegt.

Übungen |

197

Abb. 3: Skizze zu den Übungen 5 und 6

6.

Ein leerer Eimer der Masse m1 befindet sich 2 m über dem Boden (Abb. 3 rechts). Er hängt an einer dünnen Schnur, die über eine reibungsfreie Rolle führt und mit einer Masse m2 verbunden ist, welche mit der Reibungszahl μ = 0,5 auf einer Unterlage gleitet. Es gilt m2 = 1,8 ⋅ m1 . a) Stellen Sie die DGL für die Höhe x(t) des Eimers auf und berechnen Sie die ̇ Lösung mit den Anfangsbedingungen x(0) = 0, x(0) = 0. b) Gleiche Ausgangssituation wie bei a), aber der Eimer wird nun gleichmäßig mit Wasser gefüllt. m0 ist die Anfangsmasse von m1 . Es gilt m1 (t) = m0 ⋅ (1 + 0,05t). Stellen Sie auch hier die DGL für die Höhe x(t) des Eimers auf und lösen Sie sie mit denselben Anfangsbedingungen. c) Stellen Sie den Verlauf x(t) dar und berechnen Sie, mit welcher Durch­ schnittsbeschleunigung sich das System bewegt.

7.

a) 2. Biegefall unter gleichmäßig verteilter Last (Abb. 4 links). Ein beidseitig fest verankerter Stab wird durch die Last q0 etwas gebogen. i) Gehen Sie von der Gleichung EI ⋅ u 󸀠󸀠󸀠󸀠 = q0 aus und integrieren Sie die Gleichung viermal. ii) Stellen Sie die vier Randbedingungen für u(x) auf und bestimmen Sie die vier Koeffizienten C1 , C2 , C3 und C4 . iii) Wie lautet die Biegelinie für u(x)? iv) Geben Sie einen Ausdruck für die größte Durchbiegung an. b) 4. Biegefall unter gleichmäßig verteilter Last (Abb. 4 rechts). Ein beidseitig gelenkig gestützter Stab wird durch die Last q0 etwas gebogen. i) Gehen Sie von der Gleichung EI ⋅ u 󸀠󸀠󸀠󸀠 = q0 aus und integrieren Sie die Gleichung viermal. ii) Stellen Sie die vier Randbedingungen für u(x) auf und bestimmen Sie die vier Koeffizienten C1 , C2 , C3 und C4 . iii) Wie lautet die Biegelinie für u(x)? iv) Geben Sie einen Ausdruck für die größte Durchbiegung an.

198 | Übungen

Abb. 4: Skizze zu den Übungen 7a und 7b

c) 1. Biegefall unter Einzelkraft (Abb. 5 links). Ein fest verankerter Stab aus Alu­ minium hat die Länge l. Er wird am freien Ende mit einer Kraft F belastet. i) Gehen Sie von der Gleichung EI ⋅ u 󸀠󸀠󸀠󸀠 = 0 aus und integrieren Sie die Gleichung viermal. ii) Stellen Sie die vier Randbedingungen für u(x) auf und bestimmen Sie die vier Koeffizienten C1 , C2 , C3 und C4 . iii) Wie lautet die Biegelinie für u(x)? iv) Geben Sie einen Ausdruck für die größte Durchbiegung an. d) 4. Biegefall unter mittiger Einzelkraft (Abb. 5 rechts). Gleicher Alustab der Länge l. Dieser liegt in den beiden Punkten A und B auf. In der Mitte wir­ ke eine Kraft von F = 10 N. Dadurch ergeben sich Reaktionskräfte in A und B von jeweils 2F . Das Eigengewicht des Balkens soll vernachlässigt werden. Die Biegelinie wird in zwei Teile zerlegt: in eine Funktion u 1 (x) für 0 ≤ x < 2l und eine Funktion u 2 (x) für 2l ≤ x < l. i) Gehen Sie von der Gleichung EI ⋅ u 󸀠󸀠󸀠󸀠 = 0 (keine Eigenlast) aus und inte­ grieren Sie die Gleichung viermal. ii) Stellen Sie die vier Randbedingungen für u 1 (x) auf und bestimmen Sie die vier Koeffizienten C1 , C2 , C3 und C4 . iii) Wie lauten die Biegelinien u 1 (x) und u 2 (x)? iv) Geben Sie einen Ausdruck für die größte Durchbiegung an.

Abb. 5: Skizze zu den Übungen 7c und 7d

8. Wir betrachten einen beidseitig gelenkig gelagerten Stab der Länge l, der durch die Druckkraft F geknickt wird (Abb. 6 links). Es genügt, den Stab von einem Ende her zu stauchen, das andere Ende reagiert mit derselben Kraft. Für das Biegemo­

Übungen | 199

ment ist M b (x) = −F ⋅ y(x) (F ist senkrecht auf y, im Gegensatz zur Biegung, wo F senkrecht zu x wirkt). i) Stellen Sie die DGL für die Durchbiegung von y(x) auf. ii) Integrieren Sie die DGL zweimal und bestimmen Sie mit den Anfangsbedin­ gungen y(0) = 0 und y(l) = 0 die Lösung für y(x). iii) Welches ist die Mindestkraft F, die zum Durchknicken des Stabs benötigt wird?

Abb. 6: Skizze zu den Übungen 8 und 9

9.

Auf einem einseitig fest verankerten Stab liegt eine parabelförmige Last (Abb. 6 rechts). a) Stellen Sie die Gleichung für die Streckenlastverteilung q(x) auf, wenn q0 der Scheitelwert ist. b) Das Gewicht der Konstruktion ist 1,5 kN, l = 5 m. Wie groß ist q0 ? c) Stellen Sie die vier Randbedingungen für u(x) auf und bestimmen Sie die vier Koeffizienten C1 , C2 , C3 und C4 . d) Wie lautet die Biegelinie für u(x)? e) Geben Sie einen Ausdruck für die größte Durchbiegung an.

10. Gegeben ist ein Keil mit konstanter Breite b (Abb. 7 links). Der zur x-Achse sym­ metrische Querschnitt A fällt von gegebener Höhe h0 bis auf Null ab. a) Es soll erreicht werden, dass für die Steifigkeit I(x) = I0 (1 − xl )2 gilt. Dafür muss die Höhe h(x) eine bestimmte Funktion sein. Welche? b) Stellen Sie die vier Randbedingungen für u(x) auf und bestimmen Sie die vier Koeffizienten C 1 , C2 , C3 und C4 . c) Wie lautet die Biegelinie für u(x)? d) Geben Sie einen Ausdruck für die größte Durchbiegung an.

Abb. 7: Skizze zu den Übungen 10 und 11

200 | Übungen

11. Eine einseitig fest eingespannte Blattfeder der Länge l trägt am anderen Ende ei­ ne Masse m und wird durch Auslenken in Biegeschwingungen versetzt (Abb. 7 3 F rechts). Nach Übung 7c) lautet die Biegegleichung für diesen Fall y(x) = EI ⋅ ( x6 − 2 l x2 ). Bemerkung: Das System wird als ein Einmasseschwinger aufgefasst, was be­ deutet, dass die mitschwingende Masse der Blattfeder vernachlässigt wird (siehe Biegeschwingungen 3. Band, EI ⋅ u 󸀠󸀠󸀠󸀠 + ρA ⋅ ü = 0). F⋅l 3 . Dann folgt für die Auslenkung y(0) bei einer Kraft F: y(l) = − 3⋅EI a) Für die Rückstellkraft FR gilt FR = − 3⋅EI ⋅ y. Wie lautet die DGL für y(t)? 3 l b) Bestimmen Sie die Lösung für y(t) mit den Anfangsbedingungen y(l) = ̇ = 0 und geben Sie auch die Periodendauer T an. y(l)

F⋅l 3 3⋅EI ,

12. a) Berechnen Sie die allgemeine Lösung der Gleichung ẍ + bx = sin t. b) Berechnen Sie eine partikuläre Lösung der Gleichung ẍ + bx = c ⋅ cos ωt, D wobei b = m , c = Fm0 . Dies ist die DGL für eine erzwungene Schwingung ohne Dämpfung. Berechnen Sie das Ergebnis neu, ohne im vorgerechneten Beispiel a = 0 einzusetzen. 13. Ein Eisenstab mit quadratischem Querschnitt 1 cm2 ist an einem Ende einge­ spannt und wird am anderen Ende mit einer Kraft von F = 1000 N zusammen­ gedrückt. Der Elastizitätsmodul beträgt E = 1,8 ⋅ 1011 mN2 . Die Poissonzahl ist ν = 0,2. a) Wie groß sind relative Verkürzung ∆ll und relative Verbreiterung ∆b b ? ∆V b) Wie groß ist die relative Volumenänderung V ? c) Bestimmen Sie die Kompressibilität des Eisenstabes. 14. Die in Kapitel 9.4 hergeleitete Gleichung für das gedämpfte Federpendel soll für N die konkreten Werte m = 0,5 kg, μ = 1 Ns m , D = 50,5 m berechnet werden. Die ̇ Anfangsbedingungen sind x(0) = −1 m, x(0) = 0. Bestimmen Sie die Ortsfunktion x(t) und stellen Sie den Verlauf für die ersten 4 s dar. 15. Die in Kapitel 9.5 hergeleitete Gleichung für das gedämpfte Federpendel mit Gleit­ N reibung soll für die konkreten Werte m = 1 kg, μ = 0,1 Ns m , D = 25 m , l = 1 m ̇ berechnet werden. Die Anfangsbedingungen sind x(0) = −1 m, x(0) = 0. a) Bestimmen Sie die ersten vier Ortsfunktionen x n (t) und stellen Sie den Verlauf dar. b) Unter welcher Bedingung bleibt das Pendel stehen? 16. In einem U-Rohr mit dem Querschnitt A befindet sich eine Flüssigkeit der Län­ ge l (Abb. 8 links). Durch kurzes Hineinblasen wird sie in Schwingung versetzt. Es entsteht ein Höhenunterschied von 2x gegenüber der Ruhelage. Die überstehende Flüssigkeitssäule wirkt als Rückstellkraft FRS . a) Wie groß ist FRS ? b) Stellen Sie die DGL für die Auslenkung x(t) auf und bestimmen Sie die Lösung ̇ mit den Anfangsbedingungen x(0) = x0 , x(0) = 0.

Übungen | 201

c) Bestimmen Sie die Lösung mit l = 0,5 m und den Anfangsbedingungen x(0) = ̇ 0,1 m, x(0) = 0. Stellen Sie auch den Verlauf von x(t) dar und geben Sie die Periodendauer T an. 17. Gleiches U-Rohr wie in Übung 16. Durch die Reibung an den Wänden erhält man eine gedämpfte Schwingung. Nach dem Gesetz von Stokes ist die verursachte Rei­ bung FR proportional zur Geschwindigkeit v. Es gilt FR = 6πηlv. η ist die Viskosi­ tät von Wasser, l ist die Länge der Flüssigkeitssäule. a) Stellen Sie die DGL für die Auslenkung x(t) auf. b) Bestimmen Sie die Lösung für x(t). Vergleichen Sie mit Übung 16. c) Wählen Sie nun folgende konkreten Werte: l = 0,5 m, A = 10−4 m2 , ρ Fl = 103 mkg3 , η = 10−3 kg⋅m s . Bestimmen Sie x(t) mit den Anfangsbedingungen ̇ x(0) = 0,1 m, x(0) = 0 und stellen Sie die Kurve dar. 18. Wir betrachten einen schwimmenden Bootsteg in Form eines Quaders mit der Grundfläche A und der Masse m (Abb. 8 rechts). Dieser wird in Schwingung ver­ setzt, indem er ruckartig 10 cm nach unten gedrückt wird. Von der Dämpfung se­ hen wir in diesem Fall ab. Die Rückstellkraft FR ist der Auftrieb, der gleich dem verdrängten Wasservolumen ist. a) Wie groß ist FS ? b) Stellen Sie die DGL für die Auslenkung x(t) auf und bestimmen Sie die Lösung ̇ mit den Anfangsbedingungen x(0) = x0 , x(0) = 0. kg c) Bestimmen Sie die Lösung mit A = 5 m2 , ρ Fl = 103 m 3 , m = 200 kg, und den ̇ Anfangsbedingungen x(0) = −0,1 m, x(0) = 0 und berechnen Sie auch die Periodendauer T.

Abb. 8: Skizze zu den Übungen 16 und 18

19. Eine Holzkugel mit Radius r = 1 m schwimmt im Wasser (Abb. 9), ρ Holz = 0,7 ⋅ kg 3 kg 103 m 3 , ρ Wasser = 10 m3 . Eine Rechnung ergibt die in der Skizze für eine Holzku­ gel spezifischen Abmessungen für den Ruhestand. Nun wird die Kugel um 0,5 m nach unten gedrückt und losgelassen. a) Berechnen Sie aus den Abmessungen das Volumen der schraffierten Kugel­ schicht in Abhängigkeit von x(t). b) Stellen Sie die DGL für x(t) auf. c) Bestimmen Sie die Lösung von x(t) numerisch, Schrittlänge 0,05 und n = 200. d) Stellen Sie den Verlauf von x(t) dar und bestimmen Sie die Periodendauer.

202 | Übungen

Abb. 9: Skizze zur Übung 19

20. Zum Zeitpunkt t = 0 fährt ein Fahrradfahrer auf ebener Straße mit der Geschwin­ digkeit v0 = 10 ms . Er hört dann auf in die Pedale zu treten und rollt aus. Der Rollreibungskoeffizient ist μ = 0,05. a) i) Stellen Sie DGL für x(t) auf (vorerst ohne Luftwiderstand) und lösen Sie sie. ii) Nach welcher Zeit kommt der Radfahrer zum Stillstand? b) Jetzt wird der Luftwiderstand miteinbezogen. Der Radfahrer habe eine Masse von 70 kg. Seine Widerstandsfläche sei A = 0,5 m2 . i) Bestimmen die Lösung für x(t) numerisch. ii) Stellen Sie den Verlauf dar. Wie weit kommt der Radfahrer? Bestimmen Sie etwa die Zeit bis zum Stillstand. c) Jetzt nehmen wir zusätzlich einen Gegenwind mit konstanter Geschwindig­ keit von 10 ms . Beantworten Sie alle Fragen von b) für diesen Fall. 21. Ein mit 700 m3 Helium gefüllter Ballon startet vom Boden aus. Die gesamte auf­ steigende Masse beträgt 895 kg und setzt sich zusammen aus dem Korb, den Pas­ sagieren, den Gasflaschen, der Hülle des Ballons und der Masse des Gases im Ballon. Die Dichte von Helium beträgt 0,1785 mkg3 , die Dicht der Luft am Boden

kg 1,293 m 3. a) Im ersten Fall betrachten wir alle Größen einschließlich der Fallbeschleuni­ gung als konstant. Stellen Sie die DGL für die Höhe x(t) auf und lösen Sie sie. b) Im Laufe des Aufstiegs ändern sich in Wirklichkeit folgende Größen: die Fall­ beschleunigung g, die Temperatur T, die Dichte ρ L der Luft und das Volu­ men V des Heliums aufgrund der fallenden Temperatur und des abnehmen­ den Drucks. Es mag erstaunen, aber der Auftrieb VGas ⋅ ρ L bleibt während die­ sem Prozess (so lange man kein Helium ablässt) konstant! Fällt z. B. ρ L auf die Hälfte, dann wächst dadurch VGas auf das Doppelte. Bemerkung: Am Start ist der Ballon alles andere als rund und prall, sondern ein langgezogener Schlauch, in dem nur zuoberst das Helium gefüllt ist. Der Rest des Stoffes dient dazu dem Helium Platz zu gewähren, wenn es sich mit der Höhe ausdehnt. Lässt man nicht künstlich Helium entweichen oder sogar den Verschluss unten zugedrückt, würde der Ballon steigen, bis er platzt. Des­ halb wird die Einfüllöffnung unverschlossen belassen und, sobald die Dichte der Luft gleich der Dichte des Heliums ist, entweicht automatisch Gas aus dem Ballon. Der Auftrieb beträgt in diesem Fall Null. Bestimmen Sie die maximale Steighöhe des Ballons (vgl. Übungsteil 1. Band).

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c) Bei kleiner Geschwindigkeit und laminarer Strömung, wie in diesem Fall, kann man die Luftreibung ebenfalls vernachlässigen. Beweis: Die Stoke’sche Reibung beträgt FR = 6πηlv. Nähme man für den Radius r des Ballons so­ gar den voll aufgeblasenen, so ergäbe das r = 5,5 m, die Viskosität von Luft −3 ⋅ v. In der DGL ist η = 1,8 ⋅ 10−5 kg⋅m s . Zusammen hat man F R = 1,9 ⋅ 10 müsste man noch durch die Masse m = 900 kg dividieren, das ergäbe einen Anteil an der Beschleunigungsänderung von FmR = 2 ⋅ 10−6 ⋅ v, also völlig zu vernachlässigen. Somit ist nur die Änderung der Fallbeschleunigung mit der Höhe zu berücksichtigen. Stellen Sie die DGL für x(t) auf. Lösen Sie sie numerisch, stellen Sie den Verlauf dar und schätzen Sie ab, mit welcher durchschnittlichen Beschleunigung der Ballon steigt. 22. Eine Kugel aus Stein mit dem Querschnitt A = 60 cm2 und der Masse 1 kg fällt aus einer Höhe von 5000 m. a) Stellen Sie die DGL für die Höhe x(t) auf und lösen Sie sie exakt bei konstanter Fallbeschleunigung und unter Vernachlässigung des Luftwiderstands. b) Zusätzlich wird jetzt die Veränderlichkeit von g berücksichtigt. Stellen Sie die neue DGL für x(t) auf und bestimmen Sie die Lösung numerisch. Stellen Sie den Verlauf der Kurve zusammen mit derjenigen aus a) dar. c) Jetzt soll auch der Luftwiderstand, vorerst noch bei konstanter Dichte, mitein­ bezogen werden. Wie lautet die neue DGL für x(t)? Bestimmen Sie die Lösung numerisch und stellen Sie deren Verlauf dar. d) Zuletzt wird jetzt noch die Veränderlichkeit der Dichte der Luft einschließlich der Temperaturänderung eingebaut. i) Bestimmen Sie zuerst eine Gleichung für die Dichte ρ(h) (vgl. Übungsteil 1. Band). ii) Stellen Sie die neue DGL für x(t) auf und bestimmen Sie die Lösung nu­ merisch. Stellen Sie den Verlauf der Kurve zusammen mit allen anderen dar. Legen Sie zusätzlich eine Funktion der Art x∗ (t) = 5000 − 12 a ⋅ gt2 über den Graphen von ii). Wie groß ist a etwa? 23. Täglich dringen Milliarden von kleinen Meteoriden durch die Atmosphäre auf die Erde. Erreichen Sie die Erdoberfläche, dann spricht man von Meteoriten. Diese haben etwa einen Durchmesser von 0,1 mm. Es verglüht also nicht alles in der Atmo­ sphäre. Die Masse der Erde wächst durch diesen Weltallstaub täglich um etwa 40 t. Wir betrachten einen Eisenmeteoriden in einer Höhe von 120 km. Er befindet sich also in der Thermosphäre. Seine Geschwindigkeit betrage 10 km s . Sein kugel­ förmiges Volumen ist 1 cm3 , seine Masse 7,874 g und seine Querschnittsfläche folglich A = 1,21 ⋅ 10−4 m2 . Die Veränderlichkeit aller Größen mit der Höhe soll in Betracht gezogen werden: Fallbeschleunigung, Luftwiderstand, Dichte der Luft. Nur die Temperatur betrachten wir als konstant (etwa 1000 °C). a) Stellen Sie die DGL für die Entfernung x(t) zur Erdoberfläche auf (vgl. 1. Band, Übungsteil).

204 | Übungen b) Bestimmen Sie die Lösung numerisch mit der Schrittweite 0,5 und für n = 200. Stellen Sie den Verlauf dar. 24. In einer gewissen Höhe bildet sich ein Hagelkorn. Die Startmasse sei annähernd Null. Das Hagelkorn wachse bis zu einer Kugel mit Radius r = 1 cm. a) Stellen Sie die DGL für die Masse m(t) auf, wenn g als konstant angenom­ men und der Luftwiderstand bei konstanter Dichte betrachtet wird (ρ L = kg 1,293 m 3 ). b) Für die zeitliche Veränderung der Masse nehmen wir an, dass diese umso schneller wächst, je mehr schon vorhanden ist, das heißt je größer die Ober­ fläche wird. Wir wählen deshalb m(t) = k ⋅ x(t) mit k = 0,039 mg . Wie lautet die DGL für x(t)? c) Mit der Masse wächst auch die Oberfläche und somit der Querschnitt A. Wel­ cher Zusammenhang besteht zwischen A(t) und x(t)? d) Stellen Sie die neue DGL für die Höhe x(t) auf. e) Lösen Sie die Gleichung numerisch und stellen Sie den Verlauf von x(t) dar. Schätzen Sie auch ab, wie groß die durchschnittliche Beschleunigung a wäre, wenn man für diesen Fall eine Funktion der Form x∗ (t) = 12 a ⋅ gt2 annimmt. 25. Lösen Sie die exakte DGL des Fadenpendels numerisch für l = 1 m und stellen Sie den Verlauf für φ(t) zusammen mit der Näherungslösung für sin φ ≈ φ für eine Auslenkung von φ0 = 3π dar. 26. a) Stellen Sie die exakte DGL für die Schwingung eines dünnen Stabes der Länge l = 1 m um den Drehpunkt D mit DS = 0,25 m auf. b) Wie groß wäre die Schwingungsdauer für kleine Winkel bei einer Auslenkung von φ0 = 3π ? c) Bestimmen Sie den exakten Schwingungsverlauf numerisch einschließlich der zugehörigen Schwingungsdauer. 27. a) Stellen Sie die DGL einer Halbkreisschiebe als Rollpendel für kleine Auslen­ kungen des Winkels φ und einen Radius von R = 0,5 m auf. π b) Bestimmen Sie die Lösung und die Periode für eine Auslenkung von φ0 = 12 . 28. Ein Holzstamm in Form eines halben Zylinders mit Radius R und Länge H treibt im Wasser und wird in Kippschwingungen versetzt (Abb. 10 links). Er vollführt Schwingungen in Form eines Rollpendels. Wieder betrachten wir nur kleine Aus­ lenkungen, so dass wir annähernd die Achse durch D∗ und D als konstante Dreh­ achse verwenden können. a) Wie groß ist das Massenträgheitsmoment des halben Zylinders verglichen mit dem Halbkreis aus dem Beispiel? b) Stellen Sie die DGL für kleine Auslenkungen des Winkels φ und einen Radius von R = 0,5 m und eine Länge von H = 1 m auf. Bestimmen Sie die Lösung π und die Periode für eine Auslenkung von φ0 = 12 .

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Abb. 10: Skizzen zu den Übungen 28 und 29

29. Ein Zylinder mit Radius R rollt vorerst reibungsfrei eine schiefe Ebene mit der Neigung α hinunter (Abb. 10 rechts). x(t) ist der zurückgelegte Weg des Schwer­ punkts. Die Gewichtskraft erzeugt ein Drehmoment M um den Auflagepunkt D. M = F ⋅ r = mg ⋅ R ⋅ sin α. Andererseits ist M = J ⋅ φ.̈ a) Leiten Sie aus der Gleichheit der beiden Drehmomente eine DGL für x(t) her. b) Bestimmen Sie die Lösung und vergleichen Sie die Beschleunigung dieser­ Rollbewegung mit einer Gleitbewegung desselben Körpers. 30. Gleiche Fragestellung wie Übung 29, aber für eine Kugel. 31. Gleiche Fragestellung wie Übung 29, aber jetzt soll zusätzlich die Rollreibung des Zylinders mit der Unterlage berücksichtigt werden (Abb. 11 links). Im Unterschied zur Gleitreibung verformt sich bei der Rollreibung entweder die Unterlage oder der abrollende Körper, oder beide. Durch die Verformung entsteht ein neuer Dreh­ punkt D mit dem Hebelarm e. Das zugehörige Drehmoment ist M = FN ⋅ e. Entge­ gengesetzt wirkt das Moment M = FR ⋅ a = FR ⋅ √R2 − e2 ≈ FR ⋅ R, wenn man nur kleine Einsenktiefen betrachtet. Für die Rollreibung erhält man FR = μ ⋅ FN , mit μ = Re . Typische Werte: μ = 0,011−0,015 für einen Pkw-Autoreifen auf Asphalt, μ = 0,001−0,002 für ein Eisenbahnrad auf Schiene. 32. Eine Kugel mit Radius R rollt reibungsfrei entlang einer kreisförmigen Mulde mit Radius s hin und her (Abb. 11 rechts). a) Schreiben Sie das auf die Kugel wirkende Drehmoment auf zwei verschiedene Arten und formulieren Sie dazu eine Gleichung. b) Stellen Sie für φ(t) eine DGL auf. c) Lösen Sie die DGL für kleine φ(t) und bestimmen Sie die Periode für s = 1 m, R = 5 cm.

Abb. 11: Skizzen zu den Übungen 31 und 32.

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33. a) Stellen Sie die DGL für das im Beispiel in Kapitel 14 beschriebene Torsions­ pendel für kleine Auslenkungen des Winkels φ und folgenden Werten auf: l = 1 m, RD = 0,75 mm, RM = 5 cm, m = 2,5 kg, GStahl = 82 ⋅ 109 mN2 . π b) Bestimmen Sie die Lösung und die Periode für eine Auslenkung von φ0 = 12 . 34. Gleiche Situation wie in Übung 33. Anstelle des Zylinders tritt jetzt aber ein Hohl­ zylinder derselben Dichte (Abb. 12 links). Es gilt R1 = √R , R2 = R. Die Querver­ 2 strebung Hohlzylinder-Draht kann vernachlässigt werden. a) Berechnen Sie das Massenträgheitsmoment dieses Hohlzylinders. b) Bestimmen Sie das Massenverhältnis und das Verhältnis des Trägheits­ momentes dieses Hohlzylinders verglichen mit dem vollen Zylinder aus Übung 33. c) Stellen Sie die DGL auf und bestimmen Sie das Verhältnis der Perioden dieses Hohlzylinders verglichen mit dem vollen Zylinder aus Übung 33. 35. Gleiche Situation wie in Übung 33. Der Zylinder wird aber quer hingelegt und am Draht befestigt (Abb. 12 mitte und rechts). Die Höhe des Zylinders sei RM . Zuerst muss das Massenträgheitsmoment berechnet werden. Es ist nicht genauso groß wie dasjenige des aufrechten Zylinders. m

V

J = ∫ a2 dm = ρ ⋅ ∫ a2 dV 0

0 H 2

=

R 2π

m ⋅ 2 ⋅ ∫ ∫ ∫ ((r ⋅ sin φ)2 + h2 ) ⋅ r ⋅ dφ dr dh πR2 H 0 0 0

H 2

=

R 2π

2m ⋅ ∫ ∫ ∫ (r3 ⋅ sin2 φ + r ⋅ h2 ) dφ dr dh πR2 H 0 0 0 2π R

2m H H3 3 2 = ∫ ∫ (r sin φ ⋅ + r ) dφ dr ⋅ 2 24 πR2 H 0 0



=



R4 R2 m 2m H R2 H 3 H2 sin2 φ ⋅ + ⋅∫( sin2 φ + ⋅∫( ) dφ = ) dφ 2 4 2 2 24 π 4 24 πR H 0

=

R2

0





0

0

H2

R2

m m H2 R2 H 2 ∫ sin2 φ dφ + ∫ ⋅( dφ) = ⋅ ( π + 2π )= m⋅( + ) π 4 24 π 4 24 2 12

a) Bestimmen Sie das Trägheitsmoment des Zylinders für H = 2R. b) Stellen Sie die DGL auf und bestimmen Sie das Verhältnis der Perioden die­ ses Hohlzylinders verglichen mit dem aufrecht angehängten Zylinder aus Übung 33.

Übungen | 207

Abb. 12: Skizzen zu den Übungen 34 und 35

36. Gleicher Draht wie in Übung 33. An diesem hängt jetzt eine Hantel, bestehend aus zwei Kugeln mit Radius 2,5 cm und einer Masse mK = 0,5 kg (Abb. 13). Die beiden Kugeln sind durch einen dünnen Stab der Länge 2a = 10 cm und der Masse mS = 0,05 kg miteinander verbunden. Zuerst müssen wir das Massenträgheitsmoment einer Kugel bestimmen. m

V

π 2

R 2π

m J = ∫ a2 dm = ρ ⋅ ∫ a2 dV = 4 ⋅ 2 ⋅ ∫ ∫ ∫ r2 ⋅ cos2 θ ⋅ r cos θ dφ ⋅ r dθ dr 3 3 πR 0

=

0

2m 4 3 3 πR

R

0 0 0

π 2

⋅ 2π ∫ ∫ r4 ⋅ cos3 θ ⋅ r dθ dr 0 0 π 2

=

3m R5 3mR2 2 2 3 ⋅ = mR2 . ⋅ cos θ dθ = ∫ 5 3 5 R3 5 0

a) Bestimmen Sie mit dem Satz von Steiner das Massenträgheitsmoment dieser Hantel. b) Stellen Sie die DGL auf und bestimmen Sie die Periode.

Abb. 13: Skizzen zur Übung 36

208 | Übungen

Abb. 14: Skizzen zur Übung 37

37. Das Maxwell’sche Rad (= Jojo, Abb. 14 links). Als idealisiertes Modell stellen wir uns zwei Zylinder vor, die durch einen kurzen zylindrischen Stab miteinander ver­ bunden sind. Im Folgenden soll das Massenträgheitsmoment des Stabes vernach­ lässigt werden. Es seien RZyl = 3 cm, RStab = 1 cm, Abstand der beiden Zylinder 2a = 0,5 cm, Höhe der Zylinder 1,5 cm. Durch das Abrollen des Fadens und das Absenken der Masse entsteht ein Drehmoment M = mg ⋅ RStab . Andererseits ist ebenfalls M = J ⋅ φ,̈ wobei φ der Abrollwinkel ist. Wir betrachten ein infinitesimal kleines Winkelstück dφ (Abb. 14 rechts). Dann können wir dh mit dem Bogenstück identifizieren, also dh = RStab ⋅ dφ. a) Integrieren Sie diese Gleichung zweimal nach der Zeit und leiten Sie daraus die Gleichung für h(t) her. b) Berechnen Sie aus den Abmessungen und dem Satz von Steiner das Trägheits­ moment J für dieses Jojo. c) Setzen Sie das Ergebnis für J in die Lösung für h(t) ein. Mit welcher Beschleu­ nigung g∗ bewegt sich das Jojo? 38. Eine Kugel der Masse m befindet sich auf einem um den Punkt D drehbaren Brett (Abb. 15 links). Die Kugel wird losgelassen und gleichzeitig dreht sich das Brett π gleichmäßig in 2 Sekunden von der Auslenkung α 0 = 18 abwärts bis zur Auslen­ π kung α 1 = − 18 , wieder zurück und periodisch weiter. Da die Rollreibung sehr klein ist, wollen wir sie hier vernachlässigen. Damit sich die Kugel nun nicht unkontrol­ π liert und weit fortbewegt, ist der Winkel mit 18 , was 10° entspricht, klein gewählt. Will man außerdem eine Schwingung der Kugel um den Punkt D erreichen, dann muss man die Kugel in einer bestimmten Entfernung d zu D positionieren, und zwar so, dass sie sich bei horizontaler Lage des Bretts genau in D befindet. a) Wie lautet die Winkelabhängigkeit α(t)? b) Stellen Sie über einen Drehmomentvergleich die DGL für die Entfernung x(t) der Kugel zum Drehpunkt D auf. c) Bestimmen Sie die Lösung unter Berücksichtigung der Anfangsbedingungen, ̇ dass x(0) = 0, x(1) = 0 ist. d) Stellen Sie den Verlauf von x(t) für die ersten 2 s dar. Wie weit muss man die Kugel somit von D aus halten, damit die Schwingung um D erfolgt? e) Wie lautet die Funktion für die rückwärtige Bewegung?

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Abb. 15: Skizzen zu den Übungen 38 und 39

39. Gleiche Situation wie Übung 38. Die Masse gleitet nun aber (Abb. 15 rechts). Es bedarf einiger Vorbemerkungen zur Reibung: Damit der Körper sich bewegt, muss tan α > μ Haft sein. Wir wählen den zugehörigen Winkel αHaft = 6π , was μHaft ≈ 0,58 entspricht. Wenn der Körper erst einmal gleitet, dann soll die Gleitreibung kleiner als die Haftreibung sein. Wir wählen μGleit derart, dass sie einem Neigungswinkel π π entspricht, was μ Gleit = tan 12 ≈ 0,27 bedeutet. Damit der Körper nicht von 12 sekundenlang regungslos verharrt, sondern sich ständig bewegt, wählen wir die π periodische Bewegung derart, dass der Gleitreibungswinkel nicht kleiner als 12 ist. Als Simulation setzen wir den Körper zum Zeitpunkt t = 0 in den Punkt D. Das π Brett ist dann gerade um den Winkel 12 geneigt und neigt sich nun regelmäßig in π π usw., periodisch. 1,5 s bis zum Winkel 3 und in der gleichen Zeit zurück auf 12 π Damit sich der Körper beim Startwinkel von 12 schon zu bewegen beginnt, stup­ sen wir ihn kurz an. Wir fragen nach dem zurückgelegten Weg x(t) bezüglich D. a) Bestimmen Sie die Winkelabhängigkeit α(t) und die Hangabtriebskraft FH . b) Stellen Sie die DGL für die Entfernung x(t) zu D auf. c) Bestimmen Sie die Lösung für die ersten 1,5 s unter Berücksichtigung der An­ ̇ fangsbedingungen x(0) = 0, x(0) = 0. d) Stellen Sie den Verlauf für die ersten 1,5 s dar. Wie weit bewegt sich die Mas­ se? e) Stellen Sie den Verlauf für die ersten zwei Perioden (6 s) dar. N 40. Erzwungene Schwingung. Wir nehmen konkrete Werte: m = 1 kg, D = 25 m . μ D 2 Weiter ist ja a = m , ω0 = m . a) Untersuchen Sie die Abhängigkeit der Phasenverschiebung von der Erreger­ frequenz: a⋅ω φ0 (ω) = arctan ( 2 ) . ω0 − ω2

Nehmen Sie nacheinander μ = 1, 2, 3, 4, . . . Stellen Sie den Verlauf für 0 ≤ ω ≤ 15 dar und interpretieren Sie. b) Stellen Sie das Verhältnis der Amplituden A(ω) A(0) für ω 0 = 5 und a = 1, 2, 3, 4, dar. c) Für welche Frequenz wird der Ausdruck A(ω) A(0) maximal? Bestimmen Sie ω als Funktion von ω0 und a.

210 | Übungen d) Setzen Sie das Ergebnis von c) in A(ω) A(0) ein und bestimmen Sie die Kurve, auf der alle Resonanzmaxima liegen. e) Bestimmen Sie i) lima→0 A(ω) A(0) oder, was gleichwertig ist, ii) limωMax →ω0

A(ω) A(0)

und interpretieren Sie, was geschieht.

41. Betrachten Sie die dargestellte Dreiecksanregung eines ungedämpften EMS (Abb. 16 links). F0 a) Suchen Sie eine partikuläre Lösung der DGL ẍ + ω20 x = mt t. 1 ̇ b) Bestimmen Sie mit den Anfangsbedingungen x(0) = 0 und x(0) = 0 die allge­ meine Lösung für den Zeitraum 0 < t < t1 . c) Bestimmen Sie die allgemeine Lösung des Systems für t > t1 . 42. Betrachten Sie die DGL des ungedämpften EMS für Resonanz ẍ + ω20 x F0 m cos(ω 0 t). Eine partikuläre Lösung lautet xp (t) =

=

F0 t ⋅ sin(ω0 t) . 2mω0

Zeigen Sie, dass man dieselbe Lösung mit Hilfe des Duhamel-Integrals erhält: t

F0 xp (t) = ∫ cos(ω0 τ) sin(ω0 (t − τ)) dτ . mω0 0

43. Ein Körper sinkt in einer Flüssigkeit mit viskoser Reibung und wirkendem Auftrieb (vgl. Übungsteil 1. Band). Die zugehörige DGL lautet m ẍ + μ ẋ = mg − ρ Fl VK g. Als Lösung erhält man x(t) =

(m − m spez )g m m μ ⋅ ( e− m t + t − ) , μ μ μ

falls

̇ x(0) = 0 , x(0) =0.

Berechnen Sie die dissipierte Energie nicht über den Energiesatz, sondern über ein Arbeitsintegral, denn der entstehende Ausdruck wird mit Letzterem kompak­ ter. 44. Betrachten Sie das viskoelastische Modell von Zener, Typ Kelvin (Abb. 16 rechts). Es gilt ε = ε1 + ε2 = ε1 + ε η , σ = σ 2 = σ 1 + σ η und σ 1 = E1 ε1 = η ε̇ η , σ = E2 ε2 . a) Stellen Sie die zugehörige DGL für die angelegte Spannung σ auf. b) Führen Sie den Kriechversuch mit σ(t) = konst. = σ 0 durch und bestimmen Sie die Lösung von ε(t) mit der Anfangsbedingung ε(0) = 0. c) Führen Sie den Relaxationsversuch mit ε(t) = konst. = ε0 durch und bestim­ men Sie die Lösung von σ(t) mit der Anfangsbedingung σ(0) = σ 0 . 45. Gegeben sind zwei gleiche Fadenpendel der Länge l = 1 m, die durch eine Fe­ N der mit der Konstanten D = 5 m miteinander gekoppelt sind. An beiden Pendeln

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211

Abb. 16: Skizzen zu den Übungen 41 und 44

hängt eine Masse von m = 1 kg. x10 und x20 sind die Anfangsauslenkungen des jeweiligen Pendels. Bestimmen Sie für jede Teilaufgabe die Gleichungen für x1 (t) und x2 (t) und stellen Sie den Verlauf für 0 ≤ t ≤ 10 dar. a) x10 = 0,2 m, x20 = 0, b) x10 = 0,2 m, x20 = 0,1 m. 46. Um die Schwebung darzustellen, betrachten wir die zwei Pendel aus Übung 45 mit den Anfangsauslenkungen x10 = 0,2 m, x20 = 0. Die Kopplung sei nun so klein gewählt, dass sich folgende zwei Eigenfrequenzen ergeben: ω1 = √10 und ω2 = √9,5. Verwenden Sie für die Schwebung folgenden Ausdruck für die Bewegung von Pendel 1: x1 (t) = x10 ⋅ cos (

ω1 + ω2 ω1 − ω2 t) ⋅ cos ( t) . 2 2

a) Bestimmen Sie aus den gegebenen Werten die Gleichung für x1 (t) und stellen Sie den Verlauf für 0 ≤ t ≤ 100 dar. b) Wie lautet die Gleichung xS (t) der Schwebungskurve? Darstellung. c) Bestimmen Sie die Periodendauer von TR und TS . 47. Anstelle zweier Fadenpendel betrachten wir nun zwei identische physikalische Pendel der Länge l, gleicher Masse m und gleichen Trägheitsmoment J, die eben­ falls durch eine Feder der Konstanten D miteinander gekoppelt sind. Die Auslen­ kungen seien φ1 bzw. φ2 respektive. a) Stellen Sie die zugehörigen DGL auf. b) Bestimmen Sie die Lösungen für φ1 (t) und φ2 (t). 48. Betrachten Sie das Zweimasse-Federsystem mit der Resonanzfrequenz ω. Es ist m2 = 1 kg, D2 = 100 N, m1 = 2 ⋅ m2 , D1 = 0,5 ⋅ D2 . Die Auslenkung sei C = 1 m. D1 D2 2 a) Bestimmen Sie daraus folgende Größen: ω21 = m , ω22 = m ,μ= m m1 . 1 2 b) Stellen Sie die beiden Funktionen x1 (t) und x2 (t) für die Auslenkungen der Massen m1 und m2 in Abhängigkeit der Erregerfrequenz ω auf. c) Speziell sei jetzt die Erregerfrequenz f = 1,4 Hz, was z. B. einer Gehfrequenz entspricht. Dann ist ω = 2πf = 8,80, sagen wir 9 Hz. Wie lauten jetzt die Funktionen x1 (t) und x2 (t)? d) Stellen Sie x1 (t) und x2 (t) aus c) für die ersten zwei Sekunden dar.

212 | Übungen

e) Die Amplitude für die erste Masse lautet allgemein A1 (ω) =

ω21 (ω22 − ω2 )C (ω21 + μω22 − ω2 )(ω22 − ω2 ) − μω42

.

Berechnen Sie die beiden kritischen Frequenzen (Nenner = 0) in Abhängigkeit von μ und a, falls ω22 = aω21 ist. 49. Betrachten Sie das letzte Beispiel in Kapitel 31 mit dem dreistöckigen Modell eines Hauses. Für die Decken nehmen wir m1 = m2 = m3 = m und für die Federkonstanten gelte D3 = D, D1 = 2D, D2 = 35 D. a) Stellen Sie für diesen Fall das DGL-System auf. b) Schreiben Sie das obige System als Matrixgleichung ẍ = Ax und bestimmen Sie die Eigenwerte von A. c) Geben Sie zu jedem Eigenwert einen Eigenvektor an. d) Schreiben Sie die Lösungen für x i (t) auf und berücksichtigen Sie, dass als Anfangsbedingungen ẋ 1 (0) = 0, ẋ 2 (0) = 0 und ẋ 3 (0) = 0 gewählt werden. e) Bestimmen Sie die Konstanten aus den zusätzlichen Anfangsbedingungen x1 (0) = c, x2 (0) = 0 und x3 (0) = 0. f) Sind die Schwingungen periodisch?

Weiterführende Literatur E. Brommundt und D. Sachau. Schwingungslehre mit Maschinendynamik. Springer, 2. Auflage, 2014. ISBN 978-3-658-06547-8. A. Ettemeyer, O. Wallrappa und B. Schäfer. Technische Mechanik. Teil 2: Elastostatik. Fachhochschu­ le München Fachbereich 06 – Feinwerk- und Mikrotechnik, Version 2.02, 2006. H. Irretier. Schwingungstechnik. Institut für Mechanik, Universität Kassel, 6. Auflage, 2006. S. Kolling und H. Steinhilber. Technische Schwingungslehre. Technische Hochschule Mittelhessen, 2. Auflage, 2013. D. Kraft. Kompendium der Maschinendynamik. Fachbereich Maschinenbau Fachhochschule Mün­ chen, 5. Auflage, Wintersemester 1999/2000. M. Krakow. Differentialgleichungen für Ingenieure. 12. Vorlesung, TU Berlin, Wintersemester 2006/2007. L. Nasdala. FEM-Formelsammlung Statik und Dynamik. Vieweg+Teubner, 1. Auflage, 2010. ISBN 978-3-8348-0980-3. T. Ranz. Elementare Materialmodelle der Linearen Viskosität im Zeitbereich. Universität München, 2007. ISSN 1862-5703. H. A. Richard und M. Sander. Technische Mechanik. Vieweg+Teubner, 2. Auflage, 2008. ISBN 978-3-8348-0454-9. H. Sager. Fourier-Transformation. VDF-Verlag, 1. Auflage, 2012. ISBN 978-3-7281-3393-3. E. Schuler. Tragwerkslehre II. Festigkeitslehre. Vorlesungsskript, Universität Liechtenstein, Februar 2017. E. Schuler. Tragwerkslehre 1. Vorlesungsskript, Universität Liechtenstein, Wintersemester 2019/2020. F. Stussi und P. Dubas. Grundlagen des Stahlbaues. Springer, 2. Auflage, 1971. ISBN 978-3-642-95194-7. M. Wagner. Lineare und nichtlineare FEM. Springer, 2. Auflage, 2019. ISBN 978-3-658-25051-5. https://www.bau.uni-siegen.de/subdomains/baustatik/lehre/bachelor/bst3/arbeitsblaetter/ materialgesetze_festigkeitshypothesen_ss_2017.pdf. https://www.bau.uni-siegen.de/subdomains/baustatik/lehre/bachelor/bst3/arbeitsblaetter/ einfuehrung_in_die_baudynamik_ss2018.pdf. https://www.math.uni-hamburg.de/home/oberle/skripte/diffgln/dgl1-09.pdf. http://wandinger.userweb.mwn.de/LA_Dynamik_2/v6_2.pdf. http://wandinger.userweb.mwn.de/LA_TMET/v4_3.pdf. http://wandinger.userweb.mwn.de/TM2/v3_3.pdf. https://www.wmi.badw.de/teaching/Lecturenotes/Physik1/Gross_Physik_I_Kap_3.pdf.

https://doi.org/10.1515/9783110683820-034

Stichwortverzeichnis Absolute Längenänderung 15 Amplitudenfrequenz 166 Anfangsbedingung 1–3, 6, 8, 56–63, 86, 106, 108, 110, 111, 129, 132, 136, 139, 182, 183, 196, 197, 199–201, 208–210, 212 Antwortspektrum 137, 138, 140 Äquivalente Masse 135 Arbeitsdiagramm 142, 143 Arbeitsintegral 142–144, 146–150, 153, 210 Balkentheorie 22 Bauklasse 140 Bewegungsgleichung 1, 3, 113, 126 Biegefall 27, 28, 31–33, 197, 198 Biegelinie 24, 28–33, 35–38, 42, 197–199 Biegemoment 23, 199 Biegesteifigkeit 4, 6, 23, 26, 39, 41, 196 Biot 137, 138

Fundamentalsystem 44–46, 99, 100, 102 Fußpunktanregung 92, 93, 95 Gleichgewichtslage 13, 14 Gleitreibung 1, 58, 146, 200, 205, 209 Halbsinusanregung 112 Hauptsystem 177, 186–188 Heun-Verfahren 132 Homogen 79, 87, 89, 93, 99, 102, 131, 158 Hooke 15, 22, 75, 151, 157, 158, 160, 169 Ideal-elastisch 160 Ideal-viskos 160 Impuls 86, 112, 113, 116 Impulsdauer 112 Inhomogen 2, 4, 87–89, 99, 100, 158 Integralsatz von Fourier 122

Dämpfungsmaß 89, 176, 177, 188 Dehnung 14, 15, 17–20, 22, 48–50, 151, 155–161, 163 Direktionsmoment 77 Dirichlet-Bedingung 128 Drehmoment 23, 27, 29, 67, 75, 77, 205, 208 Druckspannung 48 Dynamisch 168

Kelvin 156–158, 160, 161, 210 Kinetische Energie 1, 4, 19, 54, 57, 63, 66, 71, 86, 92, 96, 146, 152–154, 172, 195, 196, 208, 209, 211 Kompressionsmodul 48, 151 Kondensator 82, 83, 86 Kriechversuch 156–159, 210 Krümmungsradius 22, 23

Effektive Federmasse 55 Eigenfrequenz 52, 85, 88, 89, 137, 164, 168, 170, 171, 173–177, 179 Einschwingvorgang 87 Elastizität 15 Elastizitätsmodul 17, 26, 75, 151, 156, 160, 200 Endbedingung 106, 108, 110, 111 Erdbeben 105, 137, 140 Erregerfrequenz 87, 89, 174, 209, 211 Eulerrelation 117 Euler-Verfahren 60, 132

Lennard-Jones-Potenzial 13, 14

Faser 22, 23 Federpendel 53, 55, 58, 85, 86, 144, 200 Flächenträgheitsmoment 23, 26 Foucault 66 Fourierreihe 117–121, 123 Fourier-Transformierte 121, 128 Frequenzspektrum 123 https://doi.org/10.1515/9783110683820-035

Maschenregel 82, 83 Massenänderung 3, 10 Massenträgheitsmoment 67, 69, 73, 77, 204, 206–208 Materialdämpfung 168 Maxwell 156–159, 208 Modale Masse 170 Newton 13, 26, 153, 154, 195 Normalspannung 48 Normierung 24, 25 Partikulär 88, 93, 95, 97, 99–103, 105, 107, 109–111, 131, 132, 200, 210 Pauli-Prinzip 13 Periodische Anregung 105, 137 Phasendifferenz 87

216 | Stichwortverzeichnis

Polares Flächenmoment 76 Potenzial 13, 14 Potenzielle Energie 14, 19, 20, 25, 72, 79, 142–144 Prediktor 135, 136

Verlustmodul 162 Viskoelastisch 156, 158, 160–162, 169 Viskosität 153–156, 160, 179, 201, 203

Qualitätsfaktor 92 Quasistatisch 168 Querkontraktionszahl 18, 48, 50

Zusatzlast 26

Reaktionskräfte 32, 33, 198 Relative Längenänderung 14–17, 49, 151 Relative Masse 19, 20, 24, 25, 152 Relaxationsversuch 157, 158, 160, 210 Resonanz 97, 111, 171, 172, 174, 176, 183, 184, 210 Retardationszeit 160–162 Schermodul 151 Schwebungsfrequenz 166 Schwingungsfrequenz 166 Sinus Kardinalis 123 Spannungsenergie 19, 23, 142, 151, 152, 162 Speichermodul 162, 163 Spektralfunktion 121–123 Spektralwert 139 Sprungbrett 25, 26, 35, 36 Sprungfunktion 105, 106, 129, 130 Statisch 168 Stauchung 17, 151 Steifigkeit 26, 168, 173, 199 Stochastische Anregung 105, 137 Störfunktion 94, 99, 132 Störungsglied 2, 5 Streckenlast 26 Systemdämpfung 168 Taylor 63 Torsionsmodul 77 Torsionspendel 77, 206 Torsionsspannung 48, 76 Transiente Anregung 105, 137 Trapezregel 135 Überlagerungsfrequenz 166 Übertragungsfunktion 91, 127 Unwuchtanregung 93, 96, 97 Variation der Konstanten 2, 4, 99 Vergrößerungsfunktion 91, 95, 97

Wronski-Determinante 44, 45, 99, 100, 102, 116