Angewandte Differentialgleichungen - Band 6 Fluiddynamik 2 [1 ed.] 9783110684544

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Angewandte Differentialgleichungen - Band 6 Fluiddynamik 2 [1 ed.]
 9783110684544

Table of contents :
Inhalt......Page 5
1. Einleitung......Page 7
2. Die Navier-Stokes-Gleichung......Page 8
3. Die Grenzschichtgleichungen......Page 47
4. Die Energieerhaltung reibungsbehafteter Strömungen......Page 90
5. Freie Konvektion......Page 126
6. Turbulente Strömungen......Page 145
7. Turbulente Gerinneströmungen......Page 210
Anhang: Umwandlung der Navier-Stokes-Gleichung in Zylinderkoordinaten......Page 243
Übungen......Page 251
Weiterführende Literatur......Page 259
Stichwortverzeichnis......Page 261

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Adriano Oprandi Angewandte Differentialgleichungen De Gruyter Studium

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Adriano Oprandi

Angewandte Differential­ gleichungen | Band 6: Fluiddynamik 2

Mathematics Subject Classification 2010 65L10 Author Adriano Oprandi Bartenheimerstr. 10 4055 Basel Schweiz [email protected]

ISBN 978-3-11-068453-7 e-ISBN (PDF) 978-3-11-068454-4 e-ISBN (EPUB) 978-3-11-068471-1 Library of Congress Control Number: 2020944934 Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.dnb.de abrufbar. © 2020 Walter de Gruyter GmbH, Berlin/Boston Umschlaggestaltung: dianaarturovna / iStock / Getty Images Plus Satz: le-tex publishing services GmbH, Leipzig Druck und Bindung: CPI books GmbH, Leck www.degruyter.com

Inhalt 1

Einleitung | 1

2 2.1

Die Navier-Stokes-Gleichung | 2 Analytische Lösungen der Navier-Stokes-Gleichung | 4

3 3.1 3.2 3.3

Die Grenzschichtgleichungen | 41 Die Grenzschicht einer parallel angeströmten Platte | 44 Die Herleitung der Grenzschichtgleichungen | 49 Die Lösung der Grenzschichtgleichungen für eine parallel angeströmte Platte | 53 Die Lösung der Grenzschichtgleichungen für Keilströmungen | 64 Grenzschichtablösungen | 70 Die Grenzschichtgleichungen in integraler Form | 74 Näherung des Geschwindigkeitsprofils durch eine Polynomfunktion | 76 Das Pohlhausen-Profil für Keilströmungen | 79

3.4 3.5 3.6 3.7 3.8 4 4.1 4.2 4.3 4.4 4.5 4.6 4.7 4.8

5 5.1 5.2 5.3

Die Energieerhaltung reibungsbehafteter Strömungen | 84 Die Herleitung der Energieerhaltung | 84 Die Herleitung der Temperaturgrenzschichtgleichung bei erzwungener Konvektion | 90 Die Dicke der Temperaturgrenzschicht bei erzwungener Konvektion | 94 Die Lösung der Temperaturgrenzschichtgleichung für Pr = 1, TW = konst. | 97 Die Lösung der Temperaturgrenzschichtgleichung für Pr > 1, TW = konst. | 101 Die Lösung der Temperaturgrenzschichtgleichung für Pr < 1, TW = konst. | 107 Die Temperaturgrenzschicht bei veränderlicher Wandtemperatur | 109 Die Nusselt-Zahl als Funktion der Reynolds- und Prandtl-Zahl für die Platte | 117 Freie Konvektion | 120 Die Grenzschichtgleichungen bei freier Konvektion | 120 Die Lösung der Grenzschichtgleichungen für die Platte | 122 Näherung des Geschwindigkeits- und Temperaturprofils durch Polynomfunktionen | 127

VI | Inhalt

6 6.1 6.2 6.3 6.4 6.5 6.6 6.7 6.8 6.9 6.10 6.11 6.12 7 7.1 7.2 7.3 7.4 7.5 7.6 7.7

Turbulente Strömungen | 139 Die Stabilität einer laminaren Strömung | 140 Die Beschreibung der Turbulenz | 149 Die Reynolds-Gleichungen | 151 Der Mischungsweg von Prandtl | 154 Geschwindigkeitsprofile einer Plattenströmung | 155 Geschwindigkeitsprofile einer Rohrströmung | 164 Reibungswiderstand und Grenzschichtdicke der Rohrströmung | 165 Reibungswiderstand und Grenzschichtdicke der Plattenströmung | 171 Die Mittelung der Energierhaltung | 183 Die Nusselt-Zahl bei laminarer und turbulenter Strömung | 184 Die Aufteilung der Energieerhaltung | 189 Gasströmungen in Rohren | 200 Turbulente Gerinneströmungen | 204 Die Wirbelviskosität und Sohlschubspannung einer Gerinneströmung | 205 Die universelle Fließformel einer Gerinneströmung | 210 Die Windschubspannung | 215 Die Wassertiefe einer Gerinneströmung unter Windeinfluss | 218 Das Geschwindigkeitsprofil einer Gerinneströmung unter Windeinfluss | 221 Der Windstau an Ufern und Küsten | 225 Das Querprofil der Geschwindigkeit | 230

Anhang: Umwandlung der Navier-Stokes-Gleichung in Zylinderkoordinaten | 237 Übungen | 245 Weiterführende Literatur | 253 Stichwortverzeichnis | 255

1 Einleitung Sämtliche im 5. Band behandelten Strömungen waren, bis auf die turbulente Gerinne­ strömung einschließlich ihrer Fließformeln, laminar. Die Art der Strömung wurde an­ fangs lediglich hinsichtlich der viskosen Reibung unterschieden. Zuerst behandelten wir ideale Flüssigkeiten, bei denen das Fluid reibungsfrei entlang einer Begrenzung oder um ein Hindernis herum strömt. Diese Fluide waren allesamt nicht viskos. Die Theorie der Potentialströmungen ging beispielsweise von einem idealen Fluid aus: Bei einer stationären Strömung bleiben die Teilchen auf ihren Stromlinien. Ein auftreten­ des Hindernis würde das Teilchen also nur senkrecht zu seiner Bewegungsrichtung abgelenkt, aber nicht so, dass es hinter ein anderes Teilchen fällt. Allen Strömungen, die mit Hilfe des Stützkraftsatzes behandelt wurden, lag eben­ falls das Konzept einer reibungsfreien Strömung zugrunde. Die dabei auftauchende Mantelkraft bezeichnete keine Reibungskraft, sondern eine Antwortkraft des Rohrs auf die Druckkraft des Fluids. Erst mit Berücksichtigung der Viskosität konnten wir reale laminare Rohrströ­ mungen beschreiben. Das Schichtenmodell von Newton veranschaulichte die Wir­ kung der Reibung eines Fluids an einer Begrenzungsfläche auf die Fluidteilchen un­ tereinander. Die (innere) Reibung wurde entweder über die dynamische Viskosität, die Rohrreibungszahl oder den De-Chézy- bzw. Stricklerbeiwert wie bei den Gerinne­ strömungen erfasst. Das Gesetz von Hagen-Poiseuille lieferte uns die Möglichkeit, das Geschwindig­ keitsprofil einer laminaren Rohrströmung herzuleiten und für die turbulente Rohr­ strömung eine Näherung des Profils, vorerst ohne genauere Begründung, anzugeben. Für eine laminare Gerinneströmung gelang es uns ebenfalls, eine Geschwindigkeits­ verteilung aus der Theorie abzuleiten. Bei einer turbulenten Gerinneströmung ist das zugehörige Geschwindigkeitsprofil noch ausstehend (siehe Kapitel 6.7). Die stationäre Form der Euler-Gleichungen, das Fundament zur Beschreibung aller bisherigen reibungsfreien Strömungen, führte zur Bernoulli-Gleichung. Diese musste mit einem Korrekturterm versehen werden, um den Einfluss der Reibung zu erfassen. Weitreichender wäre es, die instationäre Euler-Gleichung selber um einen die Vis­ kosität beschreibenden Term zu erweitern. Damit könnte man nicht nur die bereits er­ wähnten Rohr- und Gerinneströmungen, sondern alle möglichen viskosen Strömun­ gen beschreiben. Die Gleichungen, die das leisten, heißen Navier-Stokes-Gleichungen und beinhal­ ten den verlangten Reibungsterm. Zudem sollen die zugehörigen gemittelten NavierStokes-Gleichungen zur Beschreibung turbulenter Strömungen hergeleitet werden.

https://doi.org/10.1515/9783110684544-001

2 Die Navier-Stokes-Gleichung Für die Erweiterung der Euler-Gleichung um den Viskositätsterm betrachten wir die Kräfte aufgrund der viskosen Reibung an einem Volumenelement mit den Abmessun­ gen dx, dy und dz im Strömungsfeld (Abb. 2.1).

Abb. 2.1: Skizze zur Navier-Stokes-Gleichung

Mit u z (x) bezeichnen wir die Geschwindigkeit in z-Richtung an der Stelle x. O. B. d. A. sei das Strömungsfeld auf der gesamten Länge dx konvex, d. h. u z (x + dx) > u z (x). An der Stelle x + dx erfährt das Volumenelement damit gegenüber der Stelle x eine kleinere Kraft, weil die Strömungsgeschwindigkeit größer ist. z Für ein Newton’sches Fluid gilt der Ansatz FRz = η ⋅ A ⋅ du dx . Damit haben wir z z − FR,x = η ⋅ dy dz ⋅ ( FRz = FR,x+dx

= η ⋅ dx dy dz ⋅

du z 󵄨󵄨󵄨 dx 󵄨󵄨 x+dx



dx

du z 󵄨󵄨󵄨󵄨 du z 󵄨󵄨󵄨󵄨 − 󵄨󵄨 󵄨 ) dx 󵄨󵄨x+dx dx 󵄨󵄨󵄨x

du z 󵄨󵄨󵄨 dx 󵄨󵄨 x

= η ⋅ dV ⋅

d2 u z . dx2

Das Ergebnis stellt aber erst den Anteil in z-Richtung dar, der sich bei Änderung in x-Richtung ergibt. Berücksichtigt man die Veränderungen in y- und z-Richtung eben­ falls, dann erhält man z FR,total = η ⋅ dV ⋅ (

∂2 u z ∂2 u z ∂2 u z + + ) . ∂x2 ∂y2 ∂z2

x = η ⋅ dV ⋅ ( FR,total

∂2 u x ∂2 u x ∂2 u x + + ) , ∂x2 ∂y2 ∂z2

Analog ergibt sich

y

FR,total = η ⋅ dV ⋅ ( https://doi.org/10.1515/9783110684544-002

∂2 u y ∂2 u y ∂2 u y + + ) ∂x2 ∂y2 ∂z2

2 Die Navier-Stokes-Gleichung | 3

und schließlich für die gesamte Reibung F⃗ R = η ⋅ dV ⋅ ∆ u⃗

ux ∂2 ∂2 ∂2 u⃗ = (u y ) und ∆ = + 2 + 2 . 2 ∂x ∂y ∂z uz

mit

Die Euler-Gleichung aus dem 5. Band besaß, als Kraftbilanz an einem Massenelement dm formuliert, die Gestalt dm ⋅ (

d u⃗ grad p ⃗ + dm ⋅ + (u⃗ ⋅ ∇)⃗ u) − dm ⋅ g⃗ = 0 . dt ρ

Berücksichtigt man nun zusätzlich die Viskosität, so entsteht aus dm ⋅ (

d u⃗ grad p dm ⃗ + dm ⋅ + (u⃗ ⋅ ∇)⃗ u) − dm ⋅ g⃗ − η ⋅ ⋅ ∆ u⃗ = 0 dt ρ ρ

die Navier-Stokes-Gleichung

ρ⋅(

d u⃗ ⃗ + grad p − ρ g⃗ − η ⋅ ∆ u⃗ = 0 . + (u⃗ ⋅ ∇)⃗ u) dt

(2.1)

Die fünf Terme bezeichnen in dieser Reihenfolge die lokale Geschwindigkeitsände­ rung, die Konvektion, die Druckänderung, die Volumenkraft und die Viskosität oder Diffusion. Lokale und konvektive Beschleunigung fasst man zur sogenannten substantiellen Beschleunigung zusammen. Gleichung (2.1) ist eine Impulserhaltungsgleichung. Die Abhängigkeit der fünf ge­ nannten Größen fasst folgender Satz zusammen: Ein Teilchen ändert seine Geschwindigkeit [ ddtu⃗ ], wenn es in ein Gebiet mit ande­ rer Geschwindigkeitsverteilung [(u⃗ ⋅ ∇)⃗ u]⃗ gelangt, in ein Gebiet anderer Druckvertei­ lung kommt [grad p], von gravitationeller, magnetischer oder auch elektrischer Kraft ⃗ oder von anderen Teilchen mitgerissen wird [∆ u]. ⃗ Benutzt man die beschleunigt [g], η kinematische Viskosität ν = ρ , so lauten die Navier-Stokes-Gleichung in Vektorform ∂u x ∂t ∂u ρ ( ∂ty ∂u z ∂t

∂u x ∂u x x + u x ∂u ∂x + u y ∂y + u z ∂z ∂u y ∂x z u x ∂u ∂x

+ uy

+

+

2



∂u y ∂y z u y ∂u ∂y

+ ux

∂ ux ∂x 2 ∂2 uy η ( ∂x2 ∂2 uz ∂x 2

+ + +

2

∂ ux ∂y2 ∂2 uy ∂y2 ∂2 uz ∂y2

+ + +

+ +

∂p ∂x ∂u ) u z ∂zy ) + ( ∂p ∂y ∂u z ∂p u z ∂z ∂z

gx − ρ (gy ) gz

2

∂ ux ∂z2 ∂2 uy ) ∂z2 ∂2 uz ∂z2

=0.

(2.2)

4 | 2 Die Navier-Stokes-Gleichung

Dazu gesellt sich die schon im 5. Band hergeleitete Kontinuitätsgleichung ∂u x ∂u y ∂u z + + =0. ∂x ∂y ∂z

(2.3)

Viele Anwendungen beinhalten drehsymmetrische Strömungen. Deswegen ist es not­ wendig, dass die Kontinuitätsgleichung und die Navier-Stokes-Gleichung in Zylinder­ koordinaten vorliegen. Die vollständige Herleitung verlegen wir in den Anhang. Das Ergebnis lautet ∂p u2θ ∂u r ∂u r u θ ∂u r ∂u r ∂r ∂t + u r ⋅ ∂r + r ⋅ ∂θ − r + u z ⋅ ∂z ρ ( ∂u θ + u r ⋅ ∂u θ + u θ ⋅ ∂u θ + u r u θ + u z ⋅ ∂u θ ) + ( 1r ⋅ ∂p ) ∂θ r r ∂t ∂r ∂θ ∂z ∂p ∂u z u θ ∂u z ∂u z ∂z ∂z ∂t + u r ⋅ ∂r + r ⋅ ∂θ + u z ⋅ ∂z ∂u r ur 1 ∂ 1 ∂2 ur 2 ∂u θ gr r ⋅ ∂r (r ⋅ ∂r ) + r 2 ⋅ ∂θ 2 − r 2 − r 2 ⋅ ∂θ + uθ 1 ∂ 1 ∂2 uθ 2 ∂u r θ − ρ (g θ ) − η ( r ⋅ ∂r (r ⋅ ∂u ∂r ) + r 2 ⋅ ∂θ 2 − r 2 + r 2 ⋅ ∂θ + 2 ∂u z ∂2 uz 1 ∂ 1 ∂ uz gz r ⋅ ∂r (r ⋅ ∂r ) + r 2 ⋅ ∂θ 2 + ∂z2

∂2 ur ∂z2 ∂2 uθ ) ∂z2

=0

(2.4)

Für die Kontinuitätsgleichung zeigen wir ebenfalls im Anhang 1 ∂(ru r ) 1 ∂u θ ∂u z ⋅ + ⋅ + =0. r ∂r r ∂θ ∂z Die Existenz und Eindeutigkeit globaler Lösungen von (2.1) oder (2.2) ist eines der un­ gelösten Millenniums-Probleme. Es folgen viele Beispiele, die eine analytische Lösung gestatten.

2.1 Analytische Lösungen der Navier-Stokes-Gleichung Beispiel 1. Eine viskose Flüssigkeit der Dicke 2h befindet sich zwischen zwei ruhen­ den parallelen Platten. Die Strömung wird durch einen Druckgradienten ∂p ∂x parallel zur x-Achse aufrecht erhalten (Abb. 2.2). Die x-Achse selber legen wir auf halber Höhe. Gesucht ist das stationäre Geschwindigkeitsprofil innerhalb der Platten. Als Erstes ist ∂p d u⃗ dt = 0 und ∂y = 0. Weiter folgt u y = u z = 0 und damit u x = u x (z). Der Konvektions­ term (u⃗ ⋅ ∇)⃗ u⃗ reduziert sich zu u x ⋅ ∂u x . Die Unkenntnis über das Geschwindigkeitsfeld ∂x

x erlaubt es uns nicht direkt auf ∂u ∂x = 0 zu schließen. Hingegen führt die Kontinui­ x tätsgleichung (2.3) für ein inkompressibles Fluid auf ∂u ∂x = 0. Der Gravitationsvektor schließlich beträgt g⃗ = (0, 0, −g). Damit reduziert sich Gleichung (2.2) zum System

∂p ∂2 u x (z) =0. −η⋅ ∂x ∂z2 dp + ρg = 0 dz

(2.5) (2.6)

2.1 Analytische Lösungen der Navier-Stokes-Gleichung |

5

Abb. 2.2: Skizze zu Beispiel 1

Zuerst bestimmen wir das Geschwindigkeitsprofil aus (2.5). Man erhält u x (z) =

z2 ∂p ⋅ + C1 z + C2 . 2η ∂x

z x (z) = ∂p Die vom Fluid erzeugte Scherspannung beträgt τ zx (z) = η ∂u∂z ∂x ⋅ η + C 1 und ist somit linear. In der Mitte der Strömung, für z = 0, ist sie wirkungslos, was C1 = 0 ergibt. h 2 ∂p Die Randbedingung u x (h) = 0 führt zu 0 = 2η ⋅ ∂x + C2 und dem parabelförmigen Profil h2 ∂p z 2 (2.7) ⋅ u x (z) = − [1 − ( ) ] . 2η ∂x h

Die Integration von (2.6) ergibt p(z) = −ρgz + f1 (x). ∆p Für einen entlang der Strecke l konstanten Druckgradienten kann man ∂p ∂x = l ∂p p 2 −p 1 schreiben, der Druck ∂x lässt sich damit integrieren und es gilt p(x) = l x + p1 + f2 (z). Da der Druck eine skalare Größe ist, kann man (wie bei den Potentialströmungen im 5. Band) beide Druckfunktionen zu einer einzigen zusammensetzen und erhält p(x, z) =

∆p x + p1 − ρgz + C . l

Für die Konstante C wertet man den Druck in einem beliebigen Punkt der Strömungs­ röhre, beispielsweise für x = 0 und z = h, aus. In dieser Höhe besteht der Druck einzig aus dem treibenden p1 . Aus p1 = p1 − ρgh + C erhält man C = ρgh und damit die Druckverteilung ∆p x + p1 + ρg(h − z) . p(x, z) = l Schließlich kann man noch den Volumenstrom oder Durchfluss Q = V̇ = dV angeben. dt

Es gilt dQ = dz dt dA = u x (z) dA und damit Q = ∫A u x (z) dA. In unserem Fall ist dA = b ⋅ dz mit einer Breite b. Man erhält h

h

0

0

∂p bh2 z 2 Q = 2b ∫ u x (z) dz = − ∫ [1 − ( ) ] dz ⋅ ∂x η h h 2 ∂p ∂p bh2 ⋅ ⋅ ⋅ bh3 . − (h − ) = − ∂x η 3 3η ∂x

6 | 2 Die Navier-Stokes-Gleichung

Man kann auch zuerst die mittlere Geschwindigkeit u (auf der gesamten Breite kon­ stant) bestimmen und diese mit b multiplizieren, um Q zu erhalten: h

∂p h2 1 z 2 2 ∂p 2 u=− ∫ [1 − ( ) ] dz = − ⋅ ⋅ ⋅ ⋅h ∂x 2η 2h h 3η ∂x

und

Q = bhu .

−h

Beispiel 2. Das Fluid soll durch ein horizontales, kreisrundes Rohr der Länge l mit dem Radius R hindurchfließen. Wir wählen zylindrische Koordinaten und legen nun die Strömungsrichtung in Richtung der z-Achse (Abb. 2.3 links). Dann ist ∂p ∂z ≠ 0 der treibende Druck für die Strömung. Wieder suchen wir das stationäre Geschwindig­ keitsprofil innerhalb der Röhre. Es ist ddtu⃗ = 0 und u r = u θ = 0, u z = u z (r). Weiter ∂u z z erhalten wir für (u⃗ ⋅ ∇)⃗ u⃗ lediglich u z ⋅ ∂u ∂z und finden über Gleichung (2.3) ∂z = 0. Der Gravitationsvektor beträgt jetzt g⃗ = (0, −g, 0) in kartesischen oder g⃗ = (g r , g θ , 0) = (−g ⋅ sin θ, −g ⋅ cos θ, 0) in Zylinderkoordinaten. Gleichung (2.4) besteht dann aus ∂p + ρg ⋅ sin θ = 0 ∂r 1 ∂p ⋅ + ρg ⋅ cos θ = 0 r ∂θ ∂p η ∂ ∂u z (r) − ⋅ (r )=0. ∂z r ∂r ∂r

(2.8) (2.9) (2.10)

Für das Geschwindigkeitsprofil aus (2.10) erhält man nacheinander ∂ ∂u z r ∂p ⋅ = (r ) , η ∂z ∂r ∂r ∂u z r2 ∂p ⋅ + C1 = r , 2η ∂z ∂r r ∂p C1 ∂u z ⋅ + = 2η ∂z r ∂r

und

u z (r) =

r2 ∂p ⋅ + C1 ln r + C2 . 4η ∂z

Da u z (0) endlich sein muss, folgt C1 = 0. Die Randbedingung u z (R) = 0 führt zu C2 = R 2 ∂p ⋅ ∂z und damit zum Geschwindigkeitsprofil von Hagen-Poiseuille (vgl. 5. Band) − 4η u z (r) = −

R2 ∂p r 2 ⋅ ⋅ [1 − ( ) ] . 4η ∂z R

(2.11)

Auch in diesem Fall ist die Scherspannung linear: τ rz (r) = η

∂u z (r) ∂p r = ⋅ ∂r ∂z 2

Nun wenden wir uns der Druckverteilung zu. Da keine seitlichen Geschwindigkeiten existieren, beschreiben (2.8) und (2.9) reine hydrostatische Druckverläufe in r- und θ-Richtung. Beide Gleichungen kann man sich auch nochmals plausibel machen: Bei einer Änderung des Radius um dr wächst die Höhe um dr ⋅ sin θ und der hydrosta­

2.1 Analytische Lösungen der Navier-Stokes-Gleichung |

7

tische Druck fällt um dp = −ρg ⋅ dr ⋅ sin θ, was (2.8) ergibt. Dreht man einen Punkt T(r cos θ, r sin θ) um den Winkel dθ im Uhrzeigersinn, so vermindert sich die x-Ko­ ordinate um r dθ ⋅ sin θ und die y-Koordinate wächst um r dθ ⋅ cos θ. Damit fällt der hydrostatische Druck um dp = −ρg ⋅ r dθ ⋅ cos θ, was zu (2.9) führt. Die Integration von (2.8) und (2.9) ergibt p(r) = −ρgr ⋅ sin θ + f1 (θ) bzw. p(θ) = −ρgr ⋅ sin θ + f2 (r). Wieder setzen wir die Druckfunktionen zusammen zu p(r, θ) = −ρgr ⋅ sin θ + f(r, θ) .

(2.12)

Dieses Ergebnis hätte man freilich auch einfacher erhalten können. Ein Wechsel ins ∂p kartesische System liefert ∂p ∂x = 0, aber ∂y + ρg = 0. Die Integration ergibt p(y) = −ρgy + f(x) und in Zylinderkoordinaten (2.12). ∆p Nehmen wir einen entlang der Strecke l konstanten Druckgradienten ∂p ∂z = l an, p 2 −p 1 dann kann man p(z) = l z + p1 + h(r, θ) schreiben. Gesamthaft erhält man p(r, θ, z) = ∆p l z + p1 − ρgr ⋅ sin θ + f(r, θ). Wir werten die Funktion in einem beliebigen Punkt T der Strömungsröhre, beispielsweise für z = 0, aus: T(r cos θ, r sin θ, 0). In T herrscht zuerst einmal der Druck p1 . Zudem befindet sich über dem Punkt T eine Wassersäule der Höhe h = √R2 − r2 cos2 θ − r sin θ. Damit erhält man p1 + ρg (√R2 − r2 cos2 θ − r sin θ) = p1 − ρgr ⋅ sin θ + f(r, θ) und daraus

f(r, θ) = ρg√ R2 − r2 cos2 θ .

Schließlich lautet die Druckfunktion ∆p p(r, θ, z) = z + p1 + ρg (√R2 − r2 cos2 θ − r ⋅ sin θ) . l Für den Durchfluss gilt dA = 2πr ⋅ dr (Kreisring) und man erhält R

Q = ∫ u z (r) dA = − A

πR2 ∂p r 2 π ∂p 4 ⋅ ⋅ ⋅R . ∫ [1 − ( ) ] r dr = − 2η ∂z R 8η ∂z 0

Die mittlere Geschwindigkeit u folgt dann aus u =

Abb. 2.3: Skizzen zu den Beispielen 2 und 3

Q πR 2

2

R = − 8η ⋅

∂p ∂z .

(2.13)

8 | 2 Die Navier-Stokes-Gleichung

Beispiel 3. Als Variante zum 2. Beispiel neigen wir das Rohr um den Winkel α ge­ genüber der Vertikalen. Das Kooordinatensystem drehen wir ebenfalls um denselben Winkel (Abb. 2.3 rechts). Im Unterschied zu oben lautet der Gravitationsvektor nun kartesisch g⃗ = (0, −g ⋅ cos α, g ⋅ sin α) und zylindrisch g⃗ = (−g ⋅ sin θ ⋅ cos α, −g ⋅ cos θ ⋅ cos α, g ⋅ sin α). Dies führt zum System ∂p + ρg ⋅ sin θ ⋅ cos α = 0 ∂r

(2.14)

1 ∂p ⋅ + ρg ⋅ cos θ ⋅ cos α = 0 r ∂θ

(2.15)

η d ∂u z (r) ∂p − ρg ⋅ sin α − ⋅ (r )=0. ∂z r dr ∂r

(2.16)

Führt man dieselben Integrationsschritte wie im 2. Beispiel durch, so erhält man aus (2.16) u z (r) = −

R2 ∂p r 2 ⋅( − ρg ⋅ sin α) ⋅ [1 − ( ) ] . 4η ∂z R

Zur Druckberechnung mittels (2.14) und (2.15) findet man p(r, θ, z) = (

dp − ρg ⋅ sin α) z + p1 − rρg ⋅ sin θ ⋅ cos α + f(r, θ) = 0 . l

Ein beliebiger Punkt innerhalb der Stromröhre für z = 0 besitzt aufgrund der Neigung die Koordinaten T(r cos θ ⋅ cos α, r sin θ ⋅ cos α, 0). Wertet man den Druck in diesem Punkt aus, so entsteht p1 + ρg (√R2 − r2 cos2 θ cos2 α − r sin θ ⋅ cos α) = p1 − rρg ⋅ sin θ ⋅ cos α + f(r, θ) = 0 und daraus p(r, θ, z) = (

∆p − g sin α) z + p1 + ρg (√R2 − r2 cos2 θ cos2 α − r sin θ cos α) . l

Beispiel 4. Eine viskose Flüssigkeit fließt aufgrund der Gravitation allein, stationär eine rechteckige Rinne mit gleichbleibender Höhe h hinab (Abb. 2.4). Dies entspricht einem Normalabfluss, wie wir es im 5. Band bei den Gerinneströmungen formuliert haben. Die Umgebungsluft soll sich in Ruhe befinden und die Scherwirkung der Luft mit dem Fluid wird vernachlässigt. Wie im 3. Beispiel soll die Rinne um den Winkel α geneigt sein. Die Breite des Gerinnes wählen wir so groß, dass wir die Änderung der x Geschwindigkeit u x in y-Richtung hin zum Rand vernachlässigen können: ∂u ∂y ≈ 0. Folglich ist u x = u x (z). Anders als bei der Rohrströmung existiert in keiner Richtung ∂p ⃗ ein treibender Druck: ∂p ∂x = ∂y = 0. Der Gravitationsvektor ist in diesem Fall g = (0,

2.1 Analytische Lösungen der Navier-Stokes-Gleichung | 9

−g ⋅ cos α, g ⋅ sin α) und Gleichung (2.2) führt zum System −ρg ⋅ sin α − η ⋅

∂2 u x =0 ∂z2

(2.17)

∂p + ρg ⋅ cos α = 0 . ∂z

(2.18)

Zwei Integrationen von (2.17) führen zu ∂u x (z) z = −ρg ⋅ sin α + C1 ∂z η

u x (z) = −ρg

und

z2 ⋅ sin α + C1 z + C2 . 2η

Eine erste Randbedingung erwächst aus der Tatsache, dass die Geschwindigkeit am Boden Null ist, u x (0) = 0, was C2 = 0 nach sich zieht. Weiter beachten wir, dass auf der Höhe z = h die Scherspannung verschwindet: ∂u x (z) 󵄨󵄨󵄨󵄨 =0. η⋅ 󵄨 ∂z 󵄨󵄨󵄨z=h Daraus gewinnt man C1 =

ρg η h

⋅ sin α und schließlich das parabolische Profil

u x (z) =

ρg ⋅ sin α ⋅ z(2h − z) . 2η

(2.19)

Integriert man (2.18), so folgt p(z) = −ρgz ⋅ cos α + C. In diesem Fall ist der Luftdruck am Gesamtdruck beteiligt. Als Randbedingung können wir auf der Höhe z = h den Luftdruck p0 ansetzen, was zu C = p0 + ρgh ⋅ cos α und p(z) = p0 + ρg ⋅ cos α(h − z) führt. Die Druckverteilung ist damit rein hydrostatisch. Der Durchfluss auf einer Breite b berechnet sich in diesem Fall zu h

ρgb ρg Q = ∫ u x (z) dA = ⋅ sin α ∫ z(2h − z) dz = ⋅ sin α ⋅ bh3 2η 3η 0

A

ρg bei einer mittleren Geschwindigkeit von u = 3η ⋅ sin α ⋅ h2 . Speziell für eine senkrechte ρg 3 Platte beträgt der Fluss Q = 3η ⋅ bh und die mittlere Geschwindigkeit

u=

ρg 2 ⋅h 3η

Abb. 2.4: Skizze zu Beispiel 4

(2.20)

10 | 2 Die Navier-Stokes-Gleichung

Beispiel 5. Eine Variante zum 4. Beispiel besteht darin, dass man die Platte durch ei­ nen langen Zylinder ersetzt, entlang dessen Mantelfläche die viskose Flüssigkeit hin­ ab fließen soll. Für einen überall gleichmäßigen Abfluss stellen wir den Zylinder in eine vertikale Position (Abb. 2.5 links). Uns interessiert nur das stationäre Geschwin­ digkeitsprofil. Man erhält ρg −

∂u z (r) η d ⋅ (r )=0. r dr ∂r

Die zweimalige Integration führt zu u z (r) = Die Randbedingungen sind I. I. führt zu

ρg 2η

τ rz (R + h) = η

⋅ (R + h) +

C1 R+h

ρg 4η

⋅ r2 + C1 ln r + C2 .

∂u z (r) 󵄨󵄨󵄨󵄨 = 0 und II. 󵄨 ∂r 󵄨󵄨󵄨r=R+h

u z (R) = 0 .

= 0 und somit C1 = −

ρg ⋅ (R + h)2 . 2η

Aus II. erhält man C2 = −

ρg ρg ⋅ R2 − C1 ln R = [2(R + h)2 ln R − R2 ] . 4η 4η

Insgesamt lautet das Profil u z (r) =

ρg r ⋅ [R2 − r2 + 2(R + h)2 ln ( )] 4η R

Im Gegensatz zur Platte enthält u z (r) neben dem quadratischen Term noch einen loga­ rithmischen Korrekturterm. Es soll der Fluss berechnet werden und daraus die mittlere Geschwindigkeit. R+h

R+h

Q = ∫ u z (r)2πr dr = R

πρg r ∫ [R2 r − r3 + 2(R + h)2 ⋅ r ⋅ ln ( )] dr 2η R R

R+h

=

πρg 3 r h 2 r r 3 r R ∫ [ − ( ) + 2 (1 + ) ln ( )] dr . 2η R R R R R R

Mit ρ =

r R

und γ =

h R

folgt 1+γ

πρg 4 R ∫ [ρ − ρ 3 + 2(1 + γ)2 ρ ⋅ ln ρ] dρ Q= 2η 1

πρg 4 = R [4(1 + γ)4 ⋅ ln(1 + γ) − (4γ + 14γ2 + 12γ3 + 3γ4 )] . 8η

2.1 Analytische Lösungen der Navier-Stokes-Gleichung |

11

Abb. 2.5: Skizzen zu den Beispielen 5 und 6

Das wäre der genaue Wert für den Durchfluss. Diesen wollen wir für sehr dünne Schichten γ ≪ 1 abschätzen und entwickeln dazu den Logarithmus in eine TaylorReihe, konsequenterweise bis zur 4. Potenz von γ. 2 3 4 Es gilt ln(1 + γ) = γ − γ2 + γ3 − γ4 ± . . . und damit Q=

πρg 4 γ2 γ3 γ4 R [4(1 + γ)4 ⋅ (γ − + − ± . . . ) − (4γ + 14γ2 + 12γ3 + 3γ4 )] 8η 2 3 4

γ2 γ3 γ4 πρg 4 R [4(1 + γ)4 ⋅ (γ − + − ± . . . ) − (4γ + 14γ2 + 12γ3 + 3γ4 )] 8η 2 3 4 52 3 25 4 πρg 4 R [4γ + 14γ2 + γ + γ ± ⋅ ⋅ ⋅ − (4γ + 14γ2 + 12γ3 + 3γ4 )] = 8η 3 3 πρg 4 16 3 16 4 R [ γ + γ ±...] . = 8η 3 3 =

Vernachlässigt man zusätzlich die 4. Potenz, so verbleibt die Näherung Q≈

πρg 4 16 3 ρg R ⋅ γ = (2πR)h3 8η 3 3η

und

u≈

Q ρg 2 = h 2πRh 3η

in Analogie zu (2.20). Für dünne Schichten kann man die Strömung wie eine ebene Strömung behan­ ρg deln und folglich auch das Geschwindigkeitsprofil durch (2.20), u z (r) ≈ 2η ⋅ r(2h − r), ersetzen. Beispiel 6. Als Nächstes untersuchen wir stationäre drehsymmetrische Strömungen, die durch Rotation einer kreisringförmigen zylindrischen viskosen Flüssigkeitssäule der Länge l erzeugt werden. Die Strömung bewege sich zwischen einem inneren Zy­ linder mit Radius R1 und einem äußeren mit Radius R2 (Abb. 2.5 rechts). Dies nennt man die zylindrische Couette-Strömung. Die ebene Couette-Strömung zwischen zwei parallelen ebenen Platten folgt später.

12 | 2 Die Navier-Stokes-Gleichung

Die zugehörigen Stromlinien beschreiben somit konzentrische Kreise senkrecht zur Drehachse, die mit der z-Achse zusammenfallen soll. Bei einer ausgebildeten Strömung ist damit u r = u z = 0 und u θ ≠ 0. Soll die θ Strömung stationär sein, dann ändert sich die Kreisbahngeschwindigkeit nicht: ∂u ∂θ = 0. Die Kontinuitätsgleichung ist offensichtlich erfüllt. Von (2.4) verbleibt dann u 2θ ∂p + =0 r ∂r 1 ∂ ∂u θ uθ ⋅ (r ⋅ )− 2 =0 r ∂r ∂r r ∂p + ρg = 0 ∂z −ρ

(2.21) (2.22) (2.23)

Gleichung (2.23) beschreibt die hydrostatische Druckänderung in vertikaler Richtung. Aus (2.20) erkennt man, dass der Druck auf ein Fluidteilchen in radialer Richtung von der Zentrifugalkraft herrührt. Mit (2.23) erhält man p(r, z) = −ρgz + f(r). Dann folgt von z unabhängig ist und dass mit (2.21) u θ eine Funktion von r alleine aber, dass ∂p ∂r ist. Damit kann man u θ direkt über (2.22) bestimmen, weil man die partiellen Ablei­ d 1 d tungen durch normale ersetzen kann. (2.22) lässt sich auch als dr ( r ⋅ dr (ru θ )) = 0 schreiben. Dann folgt nacheinander d (ru θ ) = Cr , dr

ru θ = C

r2 + C2 2

und

u θ (r) = C1 r +

C2 . r

Die Funktion f(r) und damit die gesamte Druckfunktion bestimmt sich mit Hilfe von (2.21) zu p(r, z) = ρ ∫

C2 2 1 (C1 r + ) dr − ρgz + C r r

= ρ ∫ (C21 r + = ρ (C21

2C1 C2 C22 + 3 ) dr − ρgz + C r r

C2 r2 + 2C1 C2 ln r − 22 ) − ρgz + C . 2 2r

Weiter berechnet sich der Kreisfluss zu R2

Q = l ∫ u θ (r) dr = l [ R1

C1 2 R2 ] . (R2 − R21 ) + C2 ln 2 R1

Schließlich soll noch die Scherspannung τ rθ zwischen zwei Zylinderschichten im Ab­ stand ∆r bestimmt werden. Auf der Kreisbahn mit Radius r betrage die Winkelge­ schwindigkeit Ω und damit die Bahngeschwindigkeit u θ = Ωr. Aufgrund der vorhan­ denen Viskosität wird sich die Winkelgeschwindigkeit auf einer Bahn mit Radius r+∆r um ∆Ω und die Bahngeschwindigkeit um ∆u θ = ∆Ω(r + ∆r) ändern. Damit erhält man

2.1 Analytische Lösungen der Navier-Stokes-Gleichung | 13

im Grenzfall mit dem Newton’schen Ansatz ∆u θ ∆Ω(r + ∆r) ∆Ω = η ⋅ lim = η ⋅ ( lim ⋅ r + lim ∆Ω) ∆r→0 ∆r→0 ∆r ∆r→0 ∆r ∆r dΩ dΩ d uθ = η ⋅ (r ⋅ + 0) = η ⋅ (r ⋅ ) = η ⋅ (r ⋅ ( )) . dr dr dr r

τ rθ = lim η ∆r→0

Angewandt auf unser Profil folgt τ rθ = η ⋅ (r ⋅

d C2 2C2 C2 (C1 + 2 )) = η ⋅ (r ⋅ (− 3 )) = −2η 2 . dr r r r

Die beiden Zylinder mit Radius R1 und R2 sollen mit den konstanten Winkelgeschwin­ digkeiten Ω1 und Ω2 respekive rotieren. Die beiden Randbedingungen I. u θ (R1 ) = Ω1 R1 und II. u θ (R2 ) = Ω2 R2 führen zum Gleichungssystem Ω 1 R1 = C 1 R1 +

C2 R1

und

Ω 2 R2 = C 1 R2 +

C2 R2

mit den Konstanten C1 =

R22 Ω2 − R21 Ω1 R22 − R21

und

C2 = −

R21 R22 R22 − R21

(Ω2 − Ω1 ) .

Damit liegen alle wesentlichen Größen vor: u θ (r) =

R22

p(r, z) =

τ rθ = 2η Q = l[

1 1 [(R22 Ω2 − R21 Ω1 ) r − R21 R22 (Ω2 − Ω1 ) ] , 2 r − R1 ρ

(R22 −

2 R21 )

R21 R22 R22 − R21

1 2 [ (R22 Ω2 − R21 Ω1 ) r2 − 2R21 R22 (R22 Ω2 − R21 Ω1 ) (Ω2 − Ω1 ) ln r 2 1 1 − ⋅ R41 R42 (Ω2 − Ω1 )2 ⋅ 2 ] − ρgz + C 2 r

(Ω2 − Ω1 )

1 r2

und

R2 R2 R2 1 ] . ⋅ (R22 Ω2 − R21 Ω1 ) − 2 1 2 2 (Ω2 − Ω1 ) ln 2 R1 R2 − R1

Wir betrachten einige Spezialfälle: I. Ω1 = Ω2 = Ω. Es gilt u θ (r) = Ωr, τ rθ = 0 und p(r, z) = 12 ρΩ2 r2 − ρgz + C. Um die Konstante C zu bestimmen, überlegen wir uns, dass die freie Oberfläche der Flüs­ sigkeit aufgrund der wirkenden Gravitation nicht eben bleiben wird. Auf irgendeiner Höhe z0 erreicht die Flüssigkeit für r = R1 ihren tiefsten Stand. Angenommen, ent­ lang der Oberfläche sei der Druck konstant, beispielsweise gleich dem Luftdruck p0 , dann können wir p(R1 , z0 ) auswerten und erhalten p0 = 12 ρΩ2 R21 − ρgz0 + C, C = p0 − 12 ρΩ2 R21 − ρgz0 und damit p(r, z) =

1 2 2 ρΩ (r − R21 ) − ρg(z − z0 ) + p0 . 2

14 | 2 Die Navier-Stokes-Gleichung Entlang der freien Oberfläche ist aber p(r, z) für jedes Paar (r, z) gleich dem Luftdruck, was zu p0 = 12 ρΩ2 (r2 − R21 ) − ρg(z − z0 ) + p0 und schließlich zu einem parabolischen Profil führt: Ω2 2 (r − R21 ) + z0 . z(r) = (2.24) 2g Fehlt der innere Zylinder ganz, dann folgt z(r) =

Ω2 2 r + z0 . 2g

II. Der innere Zylinder ist in Ruhe, Ω1 = 0. Man erhält u θ (r) = p(r, z) = und

Ω2 R22 R22 − R21

[r −

R21 ] , r

ρΩ22 R42

R41 1 2 2 [ − 2R ln r − ] − ρgz + C r 1 2 2r2 (R22 − R21 ) 2

τ rθ = 2η

R21 R22 R22 − R21



Ω2 . r2

Speziell greift am inneren Zylinder die Spannung τW1 = τ rθ |r=R1 = 2η

R22 Ω2 R22 − R21

an. Die Schubspannung an der inneren Zylinderwand des äußeren Zylinders hingegen beträgt R2 Ω 2 τW2 = −2η 2 1 2 . R2 − R1 Das Minuszeichen rührt daher, dass die Spannung entgegen der Drehrichtung wirkt. Mit Hilfe dieser Formel lässt sich die Viskosität über ein Rotationsviskosimeter experimentell bestimmen. Gemessen wird dabei das Drehmoment D entlang einer be­ liebigen Kreislinie der Zylindermantelfläche. Also misst man ein Drehmoment M pro Zylinderlänge l. Es gilt somit D=

R2 R2 Ω 2 M F ⋅ R A ⋅ |τ| ⋅ R2 2πR2 l ⋅ |τ| ⋅ R2 = = = = 2πR22 ⋅ |τ| = 4πη 12 2 2 . l l l l R2 − R1

Für die freie Oberfläche folgt analog zu I. aus p(R1 , z0 ) = p0 die Konstante C=−

ρΩ22 R42

R41 1 2 2 [ − 2R ln R − ] + ρgz0 + p0 R 1 1 1 2 2r2 (R22 − R21 ) 2

und daraus die Druckfunktion p(r, z) =

ρΩ22 R42

R41 1 1 2 r 1 2 2 [ − R ) − 2R ln − (r ( 2 − 2 )] − ρg(z − z0 ) + p0 . 1 1 2 2 2 2 R 2 r R1 1 (R2 − R1 )

2.1 Analytische Lösungen der Navier-Stokes-Gleichung | 15

Die freie Oberfläche ist z(r) =

Ω22 R42 g (R22 −

2 R21 )

R4 1 r 1 1 − 1 ( 2 − 2 )] + z0 . [ (r2 − R21 ) − 2R21 ln 2 R1 2 r R1

(2.25)

Man kann noch die Geschwindigkeit u θ (r) =

Ω2 R22 R22



R21

R21 ] r

[r −

für eine dünne Spaltströmung untersuchen. Es sei also ∆R = R2 − R1 ≪ R1 . Dann hat ∆r man ∆R R 1 ≪ 1 und folglich erst recht R 1 ≪ 1 für R1 ≤ r ≤ R2 . Den ersten Faktor von R 22 R2 R2 = R2 +R1 ⋅ R2 −R1 kann man schreiben als R 2 −R 2 2

1

R2 = R2 + R1 Der Term r −

R 21 r

1 R 2 +R 2 −∆R R2

=

1 2−

∆R R2



1 . 2

wird zu r2 − R21 (R1 + ∆r)2 − R21 2R1 ∆r + (∆r)2 = = r R1 + ∆r R1 + ∆r ∆r 2 + R1 2R1 + ∆r = ∆r ≈ 2∆r . ∆r = R1 + ∆r 1 + R∆r1

Zusammen entsteht daraus 1 Ω 2 R2 Ω 2 R2 2∆r = ∆r . 2 R2 − R1 ∆R

u θ (r) ≈

Dies entspricht einer ebenen Couette-Strömung mit der Geschwindigkeit Ω2 R2 zwi­ schen zwei parallelen Platten im Abstand ∆R. III. Der äußere Zylinder ist in Ruhe, Ω2 = 0. In diesem Fall gilt u θ (r) = p(r, z) = τ rθ =

Ω1 R21 R22 − R21

[−r +

ρΩ21 R41

R22 ] , r

R4 1 [ r2 − 2R22 ln r − 22 ] − ρgz + C 2 2r

2 (R22 − R21 ) R2 R2 −2η 2 1 2 2 R2 − R1



und

Ω1 . r2

Die Spannung auf die Innenseite des ruhenden äußeren Zylinders berechnet sich mit­ tels R2 Ω 1 τW2 = τ rθ |r=R2 = 2η 2 1 2 R2 − R1 und diejenige auf den inneren Zylinder τW1 = − τ rθ |r=R1 = −2η

R22 Ω1 R22 − R21

.

16 | 2 Die Navier-Stokes-Gleichung Die freie Oberfläche bestimmt sich nach bekanntem Muster. Es gilt p(R1 , z0 ) = p0 . Daraus folgt C=− p(r, z) =

und

ρΩ21 R41

R42 1 2 2 [ − 2R ln R − ] + ρgz0 + p0 , R 1 1 2 2 2R21 (R22 − R21 ) 2 ρΩ21 R41

R42 1 1 2 r 1 2 2 [ − R ) − 2R ln − (r ( 2 − 2 )] − ρg(z − z0 ) + p0 1 2 2 2 2 2 R 2 r R1 1 (R2 − R1 )

z(r) =

Ω21 R41

R42 1 1 2 r 1 2 2 [ − R ) − 2R ln − (r ( 2 − 2 )] + z0 . (2.26) 1 2 2 2 2 2 R 2 r R 1 g (R2 − R1 ) 1

Auch in diesem Fall entspricht das Geschwindigkeitsprofil für eine dünne Spaltströ­ mung etwa einer ebenen Couette-Strömung. Aus u θ (r) = schreibt sich der erste Faktor von



R 22 r

R22

R 21 R 22 −R 21

R1 = R2 + R1 Der Term −r +

Ω1 R21

[−r +



R21

=

R1 R 2 +R 1

1 R 1 +R 1 +∆R R1

=



R22 ] r

R1 R 2 −R 1

1 2+

∆R R1

als ≈

1 . 2

wird zu

−2 + R∆r2 r2 − R22 (R2 − ∆r)2 − R22 −2R2 ∆r + (∆r)2 −2R2 + ∆r ∆r ≈ −2∆r = = = ∆r = r R2 − ∆r R2 − ∆r R2 − ∆r 1 − R∆r2

umgeformt. Zusammen entsteht u θ (r) ≈

1 Ω 1 R1 Ω 1 R1 2∆r = ∆r . 2 R2 − R1 ∆R

Fehlt der äußere Zylinder, und stellt man sich die Flüssigkeitssäule beliebig breit vor, so muss man zur weiteren Berechnung wieder zurück zum Profil u θ (r) = C1 r + Cr2 . Da u θ → 0 für r → ∞ sein muss, folgt C1 = 0. Weiter hat man u θ (R1 ) = Ω1 R1 , woraus man C2 = Ω1 R21 entnimmt und damit u θ (r) = Ω1 R21 1r entsteht. Die Spannung am inneren Zylinder beträgt dann C2 󵄨󵄨󵄨 τW1 = − τ rθ |r=R1 = −2η 2 󵄨󵄨󵄨 = −2ηΩ1 . r 󵄨󵄨r=R1 Die Druckfunktion lautet p(r, z) = −ρ

ρΩ21 R41 C22 − ρgz + C = − − ρgz + C . 2r2 2r2

Wieder folgt mit p(R1 , z0 ) = p0 zuerst C = p(r, z) =

ρΩ 21 2

+ ρgz0 + p0 und dann

R4 ρΩ21 (1 − 21 ) − ρg(z − z0 ) + p0 . 2 r

2.1 Analytische Lösungen der Navier-Stokes-Gleichung | 17

Die Funktion für die freie Oberfläche lautet damit z(r) =

Ω21 R4 (1 − 21 ) + z0 . 2g r

(2.27)

Die Graphen von (2.24), (2.25), (2.26) und (2.27) sollen miteinander verglichen werden. Wir nummerien Sie neu von 1 bis 4. Dazu wählen wir z0 = 0, R1 = 1, R2 = 2 und tragen z+ (r) =

z(r) Ω2 g

gegenüber r auf. Dabei ist je nach Fall mit der jeweiligen die Strömung erzeugenden Winkelgeschwindigkeit Ω, Ω1 oder Ω2 zu normieren. Die vier freien Oberflächen ge­ hen dann über in 1 2 (r − 1) , G 2 16 1 2 1 z+2 (r) = [ r − 2 ln r − 2 ] , 9 2 2r 1 1 8 z+3 (r) = [ r2 + 7,5 − 8 ln r − 2 ] 9 2 r 1 1 z+4 (r) = (1 − 2 ) . 2 r

z+1 (r) =

und

Aus dem Verlauf der Graphen (Abb. 2.6) entnimmt man: 1. Dreht nur der äußere Zylinder, so fällt das Profil z+2 flacher gegenüber demjenigen Profil bei gemeinsamer Zylinderdrehung z+1 aus. 2. Dreht nur der innere Zylinder und vergrößert man den Abstand des äußeren Zy­ linders gegenüber dem inneren, so wird das anfängliche Profil z+3 steiler und ent­ spricht im Grenzfall der Form z+4 .

Abb. 2.6: Graphen von (2.24), (2.25), (2.26) und (2.27)

18 | 2 Die Navier-Stokes-Gleichung

Beispiel 7. Es soll das stationäre Geschwindigkeitsprofil einer Poiseuille-Strömung für ein rechteckförmiges Rohr der Breite 2a und der Höhe 2b bestimmt werden. Der treibende Druck wirke in Richtung der x-Achse und aufgrund der Symmetrie können wir uns auf den ersten Quadranten beschränken (Abb. 2.7). Gleichung (2.2) vereinfacht sich zu ∂2 u x (y, z) ∂2 u x (y, z) 1 ∂p + = ⋅ . (2.28) η ∂x ∂y2 ∂z2 Wäre das Rohr in y-Richtung beliebig ausgedehnt, dann entspräche das Problem dem 1. Beispiel mit der Lösung (2.7) u x (z) = −

b 2 ∂p z 2 ⋅ [1 − ( ) ] . 2η ∂x b

Deswegen erscheint es sinnvoll, u x (y, z) als Summe von (2.7) und einer Korrektur v x (y, z) anzusetzen, wobei wir zudem die Funktion v x (y, z) separieren: u x (y, z) = −

b 2 ∂p b 2 ∂p z 2 z 2 ⋅ [1 − ( ) ] + v x (y, z) = − ⋅ [1 − ( ) ] + r(y) ⋅ s(z) . (2.29) 2η ∂x b 2η ∂x b

Diesen Ansatz setzen wir in (2.28) ein und finden r󸀠󸀠 s +

1 ∂p 1 ∂p ⋅ + rs󸀠󸀠 = ⋅ , η ∂x η ∂x

r󸀠󸀠 s󸀠󸀠 + =0 r s

oder schließlich

r󸀠󸀠 s󸀠󸀠 = μ 2 und = −μ 2 mit μ ∈ ℝ . r s Die erste DGL wird durch r(y) = Ae μy + Be−μy gelöst. Mit Hilfe der neuen Konstanten A=

1 (C1 + C2 ) 2

und

B=

1 (C1 − C2 ) 2

folgt 1 [C1 ⋅ e μy + C1 ⋅ e−μy + C2 ⋅ e μy − C2 ⋅ e−μy ] 2 r(y) = C1 cosh(μy) + C2 sinh(μy) .

r(y) =

oder

Die Lösung der zweiten DGL ist hingegen s(z) = C3 cos(μy) + C4 sin(μz) . Vorerst erhalten wir v x (y, z) = [C1 cosh(μy) + C2 sinh(μy)] ⋅ [C3 cos(μy) + C4 sin(μz)]. Wir benötigen vier Randbedingungen. Auf dem rechten, bzw. oberen Rand ist die Geschwindigkeit Null. Auf den Symmetrieachsen sind die Geschwindigkeitskompo­ nenten maximal also die Änderung in jeweils senkrechter Richtung Null (vgl. Abb. 2.7). Das bedeutet ux = 0

für

y=a,

III. u x = 0

für

z=b

I.

∂u x = 0 für ∂y ∂u x IV. = 0 für ∂z

II. und

y=0, z=0.

2.1 Analytische Lösungen der Navier-Stokes-Gleichung | 19

Abb. 2.7: Skizze zu Beispiel 7

Damit folgt u x (y, z) = −

b 2 ∂p z 2 ⋅ [1 − ( ) ] 2η ∂x b

+ [C1 cosh(μy) + C2 sinh(μy)] ⋅ [C3 cos(μz) + C4 sin(μz)] . Die Bedingung IV. führt zu C4 = 0. Mit Bedingung III. erhalten wir cos(μb) = 0 oder μn =

2n − 1 π 2b

für

n∈ℕ.

Werten wir weiter II. aus, so folgt C2 = 0. Schließlich liefert I. die Bestimmungsglei­ chung 0=−

∞ 2n − 1 2n − 1 b 2 ∂p ⋅ (1 − ξ 2 ) + cosh ( πa) ⋅ ∑ a n cos ( πξ ) , 2η ∂x 2b 2 n=1

wenn man noch ξ = bz setzt. Die Orthogonalitätsbedingung des Kosinus verwendet, führt zu 1

b 2 ∂p 2n − 1 ⋅ πξ )] dξ ∫ [(1 − ξ 2 ) ⋅ cos ( 2η ∂x 2 0 1

= a n ⋅ cosh (

2n − 1 2n − 1 πa) ∫ cos2 ( πξ ) dξ . 2b 2 0

Das linke Integral beträgt an =

16(−1)n+1 (2n−1)3 π 3

und das rechte 12 , was zu einem Koeffizienten von

b 2 ∂p 32(−1)n+1 1 ⋅ ⋅ ⋅ 2η ∂x (2n − 1)3 π3 cosh ( 2n−1 πa) 2b

führt. Insgesamt lautet die Lösung damit u x (y, z) = −

b 2 ∂p z 2 ⋅ {(1 − ( ) ) 2η ∂x b −

2n−1 32 ∞ (−1)n+1 cosh ( 2b πy) 2n − 1 ∑ ⋅ cos ( πz)} (2.30) 2b π3 n=1 (2n − 1)3 cosh ( 2n−1 πa) 2b

20 | 2 Die Navier-Stokes-Gleichung

Gleichung (2.30) wird normiert und für eine Skizze tragen wir u + (y, z) =

u x (y, z) 2

b − 2η ⋅

∂p ∂x

für z = 0,1 ⋅ k, k = 1, 2, . . . , 10 auf. Dabei wählen wir einmal a = b = 1 (Quadrat, Abb. 2.8 links) und einmal a = 2, b = 1 (Abb. 2.8 rechts). In den Darstellungen ent­ sprechen die obersten Graphen z = 0 und die tiefsten Graphen z = 1.

Abb. 2.8: Graphen von (2.30)

Die höchste normierte Geschwindigkeit wird dabei im Zentrum für y = z = 0 erreicht und beträgt u + = 0,589 für das Quadrat und u + = 0,914 für das Rechteck. a b Für den Fluss durch ein Rechtecksrohr berechnen wir Q+ = 4 ∫0 ∫0 u + (y, z) dy dz. Die Integration von u + nach z ergibt u +1 (y, z) = {(z −

2n−1 2n − 1 z3 64b ∞ (−1)n+1 cosh ( 2b πy) ⋅ sin ( ) − ∑ ⋅ πz)} 2 4 4 2n−1 2b 3b π n=1 (2n − 1) cosh ( 2b πa)

und die Auswertung cosh ( 2n−1 1 2b 64b ∞ 2b πy) . ⋅ − 4 ∑ u +1 (y) = 3 π n=1 (2n − 1)4 cosh ( 2n−1 πa) 2b Die Integration nach y liefert u +2 (y) =

sinh ( 2n−1 2b 1 128b 2 ∞ 2b πy) ∑ ⋅ y− 5 5 2n−1 3 π (2n − 1) cosh ( n=1 2b πa)

und nach Auswertung u +2 =

2n−1 2ab 128b 2 ∞ tanh ( 2b πa) ∑ . − 3 π5 n=1 (2n − 1)5

2.1 Analytische Lösungen der Navier-Stokes-Gleichung | 21

Nimmt man noch den Faktor 4 hinzu und macht die Normierung rückgängig, so folgt Q=− =−

2n−1 4b 2 ∂p 2ab 128b 2 ∞ tanh ( 2b πa) ∑ ) ⋅ ( − 2η ∂x 3 π5 n=1 (2n − 1)5 2n−1 192b ∞ tanh ( 2b πa) 4ab 3 ∂p ) ⋅ (1 − 5 ∑ 3η ∂x π a n=1 (2n − 1)5 4

∂p Speziell für ein quadratisches Rohr beträgt der Fluss Q = − 4a und für das 3η ⋅ ∂x ⋅ 0,422 4 π ∂p 4 Kreisrohr gilt Q = − 8η ⋅ ∂x ⋅ R (2.14). Bei gleichem Fluss ergibt sich 4a3 ⋅ 0,422 = 8π ⋅ R4 und daraus R = 1,094 ⋅ a. Der Durchmesser des Kreisrohrs müsste etwa 9,4 % größer als die Seitenkante des Quadrats gewählt werden.

Beispiel 8. Wir betrachten eine quaderförmige viskose Flüssigkeit der Höhe h zwi­ schen zwei parallelen ebenen Platten, wobei die obere Platte in Ruhe verharrt. Das Fluid soll durch die horizontale, periodische Bewegung der unteren Platte in Schwin­ gung versetzt werden. (Die viskose Flüssigkeit haftet also an beiden Platten und löst sich nicht ab.) Treibende Drücke gibt es in dieser Fragestellung nicht. Die Gravitation ist für die horizontale Bewegung unerheblich. Weiter vernachlässigen wir seitliche Ef­ fekte und setzen u y = u z = 0. Die Geschwindigkeit der Platte sei beispielsweise durch u(z = 0, t) = u 0 cos(ωt) gegeben. Gesucht wird das Geschwindigkeitsprofil des Fluids u x = u = u(z, t) als Funktion der Höhe und der Zeit im eingeschwungenen Zustand, wodurch eine Anfangsbedingung entfällt. Aus der Kontinuitätsgleichung wird zudem ∂u x ∂x = 0 ersichtlich. Diese instationäre Aufgabe heißt auch Stokes-Problem. Die Gleichung (2.2) reduziert sich DGL ∂u ∂2 u =ν⋅ 2 . ∂t ∂z

(2.31)

Auf der Höhe z wird das Fluid phasenverschoben zur Anregung schwingen. Außerdem nimmt die Amplitude mit steigender Höhe ab. Deshalb enthält unser Ansatz beide Winkelfunktionen und lautet u(z, t) = u 0 [f1 (z) ⋅ cos(ωt) + f2 (z) ⋅ sin(ωt)]. Es ist weniger aufwendig, mit komplexwertigen Funktionen zu rechnen. Nehmen wir als Ansatz u(z, t) = u 0 ⋅ f(z) ⋅ e−iωt mit f(z) = f1 (z) + if2 (z) und bestimmen f(z) ⋅ e−iωt = [f1 (z) + if2 (z)] ⋅ [cos(ωt) − i sin(ωt)] = f1 (z) ⋅ cos(ωt) + f2 (z) ⋅ sin(ωt) + i[f2 (z) ⋅ cos(ωt) − f1 (z) ⋅ sin(ωt)] , so erkennt man, dass u(z, t) als Realteil von f(z) ⋅ e−iωt interpretiert werden kann, also u(z, t) = R (u 0 ⋅ f(z) ⋅ e−iωt ) . Diesen Ansatz in (2.31) eingesetzt, erzeugt −i

ω u 0 f ⋅ e−iωt = u 0 f 󸀠󸀠 ⋅ e−iωt ν

oder

−i

ω f(z) = f 󸀠󸀠 (z) . ν

(2.32)

22 | 2 Die Navier-Stokes-Gleichung Mit f(z) = Ce λz entsteht die charakteristische Gleichung λ2 = −i ων , deren Lösung λ = ±√−i

ω ν

beträgt. Die Zahl √−i schreiben wir um als √−i = a+ib. Daraus folgt −i = a2 −b 2 +2abi, durch Vergleich b = −a mit a = √1 und somit √−i = √1 (1 − i). Weiter definieren wir 2

2

k := √

ω 2ν

und erhalten f(z) = A ⋅ e(1−i)kz + B ⋅ e−(1−i)kz . Mit Hilfe der neuen Konstanten A=

1 (C1 + C2 ) 2

und

B=

1 (C1 − C2 ) 2

folgt f(z) = C1 ⋅ cosh[(1 − i)kz] + C2 ⋅ sinh[(1 − i)kz] . Eine Randbedingung unseres Problems lautet I. u(0, t) = u 0 cos(ωt). Gleichbedeutend damit ist f(0) = 1, wie man (2.32) entnimmt. Genauer bedeutet I. eigentlich f(0) = 1 + 0 ⋅ i, was f1 (0) = 1 und f2 (0) = 0 entspricht. Zudem gilt die Haftbedingung II. f(h) = 0. Daraus folgen 1 = C1 und 0 = cosh[(1 − i)kh] + C2 ⋅ sinh[(1 − i)kh]. Weiter verrechnet, ergibt sich C2 = −

cosh[(1 − i)kh] sinh[(1 − i)kh]

und daraus nacheinander f(z) = cosh[(1 − i)kz] − =

=

sinh[(1 − i)kh] ⋅ cosh[(1 − i)kz] − cosh[(1 − i)kh] ⋅ sinh[(1 − i)kz] sinh[(1 − i)kh] 1 2

[e(1−i)kh − e−(1−i)kh ] ⋅

1 2

[e(1−i)kz + e−(1−i)kz ]

sinh [(1 − i)kh] −

=

cosh[(1 − i)kh] ⋅ sinh[(1 − i)kz] sinh[(1 − i)kh]

1 4

1 2

[e(1−i)kh + e−(1−i)kh ] ⋅

1 2

[e(1−i)kz − e−(1−i)kz ]

sinh [(1 − i)kh] [e(1−i)k(h+z) + e(1−i)k(h−z) − e−(1−i)k(h−z) − e−(1−i)k(h+z)] sinh [(1 − i)kh]



1 4

[e(1−i)k(h+z) − e(1−i)k(h−z) + e−(1−i)k(h−z) − e−(1−i)k(h+z)] sinh [(1 − i)kh]

2.1 Analytische Lösungen der Navier-Stokes-Gleichung |

23

und schließlich f(z) = f(z) =

1 4

[2e(1−i)k(h−z) − 2e−(1−i)k(h−z) ] sinh [(1 − i)kh]

=

sinh[(1 − i)k(h − z)] sinh[(1 − i)kh]

oder

e(1−i)k(h−z) − e−(1−i)k(h−z) . e(1−i)kh − e−(1−i)kh

(2.33) (2.34)

Wir erweitern Gleichung (2.34) und berechnen weiter f(z) =

e(1−i)k(h−z) − e−(1−i)k(h−z) e kh e ikh − e−kh e−ikh ⋅ kh ikh . e(1−i)kh − e−(1−i)kh e e − e−kh e−ikh

Den Nenner von (2.34) fasst man zusammen zu e2kh + e−2kh − (e2ikh + e−2ikh ) = 2[cosh(2kh) − cos(2kh)] . Der Zähler von (2.34) wird zu [e kh−kz−ikh+ikz − e−kh+kz+ikh−ikz] ⋅ [e kh e ikh − e−kh e−ikh ] = e2kh−kz+ikz − e kz+2ikh−ikz − e−kz−2ikh+ikz + e−2kh+kz−ikz . Gleichung (2.32) verlangt noch die Multiplikation mit e−iωt , was e−iωt+2kh−kz+ikz − e−iωt+kz+2ikh−ikz − e−iωt−kz−2ikh+ikz + e−iωt−2kh+kz−ikz ergibt. Endlich können wir davon den Realteil entnehmen und erhalten gesamthaft u(z, t) =

u0 {e−k(z−2h)[cos(ωt − kz)] + e k(z−2h)(cos(ωt + kz)) 2[cosh(2kh) − cos(2kh)] − e−kz [cos(ωt − kz + 2kh)] − e kz [cos(ωt + kz − 2kh)]} .

Gleichung (2.33) besagt, dass das Geschwindigkeitsprofil von den drei Größen ω, ν und h abhängig ist. Deswegen führt man die Womersley-Zahl W = h√ ων ein. Bei Roh­ ren wird h durch den halben Durchmesser d ersetzt. Die Zahl W enthält dieselben Grö­ ßen wie die Reynolds-Zahl: eine charakteristische Länge, eine spezifische Stoffgröße und die Geschwindigkeit (hier in Form der Frequenz). Man nennt deshalb W auch die Reynolds-Zahl für instationäre Strömungen. Betrachten wir als ersten Spezialfall kleine Womersley-Zahlen W ≪ 1. Zuerst ve­ rifizieren wir den Zusammenhang W = √2kh und schreiben (2.33) als f(z) = =

z sinh[(1 − i)k(h − z)] sinh [(1 − i)kh (1 − h )] = sinh[(1 − i)kh] sinh[(1 − i)kh]

sinh [(1 − i) √W (1 − hz )] 2

sinh [(1 −

i) √W ] 2



(1 − i) √W (1 − hz ) 2

(1 − i) √W

2

=1−

z . h

24 | 2 Die Navier-Stokes-Gleichung

Dabei wurde die lineare Näherung des Sinus Hyperbolicus für kleine Argumente be­ nutzt. Insgesamt folgt u(z, t) = u 0 cos(ωt)(1− hz ), was bedeutet, dass das Profil zu jeder Zeit praktisch linear ist und einer ebenen Couette-Strömung gleichkommt. In diesem Fall ist entweder die Frequenz oder die Höhe klein oder die Viskosität sehr groß. Für große Womersley-Zahlen findet die Bewegung praktisch nur in der Nähe der bewegten Wand statt. In diesem Fall überwiegt die Trägheit gegenüber der Viskosität. Dazu dividieren wir Zähler und Nenner von (2.34) zuerst mit e(1−i)kh und erhalten f(z) =

e−(1−i)kz − e−2(1−i)kh e(1−i)kz e−(1−i)kz − e−√2(1−i)W e(1−i)kz = . 1 − e−2(1−i)kh 1 − e−√2(1−i)W

Es folgt f(z) ≈ e−(1−i)kz und weiter u(z, t) = u 0 ⋅ f(z) ⋅ e−iωt = u 0 ⋅ e−iωt e−(1−i)kz = u 0 ⋅ e−iωt−kz+ikz = u 0 ⋅ e−kz e−i(ωt−kz) = u 0 ⋅ e−kz [cos(ωt − kz) − i sin(ωt − kz)] und schließlich u(z, t) = u 0 ⋅ e−kz ⋅ cos(ωt − kz)

(von h unabhängig) .

(2.35)

Für eine Skizze tragen wir uu0 nach z für die Zeiten t = 0, 16 , 13 , 12 , 23 und 56 auf und 2 wählen als Frequenz f = 1 Hz und ν = 10−3 ms , ein typischer Wert für Gelatine oder Pudding (Abb. 2.9).

Abb. 2.9: Graph von (2.35)

2.1 Analytische Lösungen der Navier-Stokes-Gleichung |

25

Die Abbildung enthält zudem, gestrichelt markiert, die alle Profile einhüllende Kurve 󵄨󵄨 u(z) 󵄨󵄨 −√ ω z 󵄨󵄨 󵄨󵄨 󵄨󵄨 = e 2ν . 󵄨󵄨 󵄨󵄨 u 0 󵄨󵄨 Es gibt Schichten, die in Phase schwingen, dann nämlich, wenn √

ω z = 2nπ 2ν

gilt. Die zugehörigen Schichten befinden sich in einem Abstand von d = 2π√ 2ν ω und π für unseren Pudding ergäbe das d = √ 250 ≈ 11,2 cm. Beispiel 9. Eine viskose Flüssigkeit befindet sich zwischen zwei parallelen Platten. Die obere wird aus der Ruhe auf die konstante Geschwindigkeit u 0 beschleunigt, wäh­ rend die untere Platte in Ruhe verharrt (Abb. 2.10).

Abb. 2.10: Skizze zu Beispiel 9

Die entstehende Strömung nennt man ebene Couette-Strömung. Nach einiger Zeit wird sich das dargestellte stationäre lineare Geschwindigkeitsprofil ausbilden. Dies liegt daran, dass aufgrund des fehlenden Druckgradienten lediglich eine in z-Richtung sich verändernde Geschwindigkeit u x = u x (z) und damit die Gleichung ∂2 ux = 0 verbleibt. ∂z2 Die zweimalige Integration liefert u x (z) = C1 z + C2 . Mit den Randbedingungen u x (0) = 0 und u x (h) = u 0 folgt u x (z) = uh0 z. Nun lösen wir den instationären Fall. Die DGL ist diejenige von (2.31): ∂u ∂2 u =ν⋅ 2 . ∂t ∂z Nun knüpfen wir den Zusammenhang mit der Wärmeleitungsgleichung aus dem 4. Band. Sie lautete: ∂2 T ∂T . (2.36) = β2 ⋅ ∂t ∂x2 Im gleichen Band lösten wir (2.36) für drei verschiedene Randbedingungen: eine kon­ stant gehaltene Wandtemperatur, eine unveränderliche Umgebungstemperatur und

26 | 2 Die Navier-Stokes-Gleichung

einen zugeführten, konstanten Wärmestrom. In den beiden ersten Fällen strebte der Temperaturausgleich mit der Zeit einer innerhalb der Wand konstanten Endtempera­ tur zu. Im letzten Fall hingegen näherte sich das Ausgleichstemperaturprofil schnell der Form einer gleichbleibenden Parabel an. Die Temperaturverteilung für diesen letzten Fall bestimmten wir durch Superposition eines quasi-stationären und eines instatio­ nären Teils. Im Fall der instationären Couette-Strömung wird das Profil mit der Zeit die lineare Form u x (z) = uh0 z einnehmen. Deswegen setzen wir die Lösung von (2.31) als u(z, t) = C1 z + C2 + Z(z) ⋅ T(t) an. Es wird sich unter anderem zeigen, dass C1 = uh0 , C2 = 0, limt→∞ T(t) = 0 und damit limt→∞ u(z, t) = uh0 z ist. Setzen wir den Ansatz in (2.31) ̇ = ν ⋅ Z 󸀠󸀠 (z) ⋅ T(t). ein, so erhält man die übliche Separationsgleichung Z(z) ⋅ T(t) Nun führen wir dimensionslose Größen ein. Dies ist nicht zwingend, aber verein­ facht die Schreibweise. Es ist ξ = hz , u ∗ = uu0 und τ = hν2 t und wir berechnen nachein­ ander ∂u ∗ ∂u ∗ ∂t 1 ∂u h2 ∂u h2 ⋅ = ⋅ = ⋅ = ⋅ , ∂τ ∂t ∂τ u 0 ∂t ν ∂t u 0 ν 1 ∂u ∂u h ∂u ∗ ∂u ∗ ∂z ⋅ und = ⋅ = ⋅h= ⋅ ∂ξ ∂z ∂ξ u 0 ∂z ∂z u 0 ∂ ∂u h h ∂2 u ∂z ∂2 u h2 ∂2 u∗ = )= ⋅ ⋅ ⋅ . ( ⋅ = 2 ∂ξ ∂z u 0 u 0 ∂z2 ∂ξ ∂ξ ∂z2 u 0 Damit geht (2.31) über in ∂u ∗ u 0 ν u0 ∂2 u∗ ⋅ 2 =ν⋅ 2 ⋅ ∂τ h h ∂ξ 2

oder

∂u ∗ ∂2 u ∗ = ∂τ ∂ξ 2

mit u ∗ (ξ, τ) = C1 hξ + C2 + s(ξ) ⋅ w(τ). Eingesetzt führt dies zu ̇ s󸀠󸀠 (ξ) w(τ) = := −μ 2 w(τ) s(ξ)

mit

μ∈ℝ

mit den beiden Gleichungen s󸀠󸀠 (ξ) + μ 2 s(ξ) = 0 .

̇ w(τ) + μ 2 w(τ) = 0 und Die zugehörigen Lösungen sind w(τ) = Ae−μ oder schließlich

2

τ

und s(ξ) = B1 ⋅ sin(μξ) + B2 ⋅ cos(μξ)

u ∗ (ξ, τ) = C1 hξ + C2 + (C3 ⋅ sin(μξ) + C4 ⋅ cos(μξ))e−μ

2

τ

.

(2.37)

Nun gehen wir zu den Bedingungen über. Am Boden ist die Geschwindigkeit zu jeder Zeit Null und auf der Höhe h beträgt sie u 0 . Das führt zu den Randbedingungen I.

u ∗ (0, τ) = 0

und II.

u ∗ (1, τ) = 1 für beliebige τ .

2.1 Analytische Lösungen der Navier-Stokes-Gleichung |

27

Zur Startzeit beträgt die Geschwindigkeit auf der gesamten Höhe Null. Dies ist die An­ fangsbedingung III.

u ∗ (ξ, 0) = 0 .

Schließlich ergeben sich noch zwei Endbedingungen für t → ∞: Am Boden bleibt die Geschwindigkeit Null und auf der Höhe h beträgt ihr Wert u 0 . Dies ergibt IV.

u ∗ (0, τ → ∞) = 0 und V.

u ∗ (1, τ → ∞) = 1 .

Zuerst werten wir IV. und V. an (2.37) aus. Das führt zu C2 = 0 bzw. C1 = 1h . Das bestätigt die Vermutung, dass C1 hξ + C2 = ξ schlicht die stationäre Lösung in dimensionslosen Größen ergibt. Die Bedingungen I. und II. erzeugen C4 = 0 und sin(k) = 0, was μ = nπ mit n ∈ ℕ nach sich zieht. Damit erhält man insgesamt ∞

u ∗ (ξ, τ) = ξ + ∑ a n e−n

2 2

π τ

sin(nπξ) .

n=1

Mit Hilfe der Startbedingung III. folgt ∞

0 = ξ + ∑ a n sin(nπξ) .

(2.38)

n=1

Daraus bestimmt man die Fourier-Koeffizienten a n . Dazu wird (2.38) mit sin(mπξ) multipliziert und über das Intervall von Null bis Eins integriert. Mit Hilfe der aus dem 3. Band bekannten Orthogonalität der Sinus­ funktion verbleibt nur im Fall von m = n ein von Null verschiedener Beitrag. Es entsteht 1

1

− ∫ ξ ⋅ sin(nπξ) dξ = a n ∫ sin2 (nπξ) dξ 0

0

n

und daraus a n = 2(−1) nπ . Schließlich erhält unsere gesuchte Lösung die Gestalt u ∗ (ξ, τ) = ξ +

2 ∞ (−1)n −n2 π2 τ ∑ sin(nπξ) . e π n=1 n

Die Rücktransformation ergibt z u(z, t) z 2 ∞ (−1)n −n2 π2 ν2 t h = + ∑ sin (nπ ) . e u0 h π n=1 n h Wir stellen (2.39) für die Zeiten τ = 0,001; 0,01; 0,05; 0,15; 1 dar (Abb. 2.11). Die Achsen sind im Vergleich zu Abb. 2.8 vertauscht!

(2.39)

28 | 2 Die Navier-Stokes-Gleichung

Abb. 2.11: Graph von (2.39)

Beispiel 10. Wir betrachten die viskose Flüssigkeit der Dicke 2h zwischen zwei ru­ henden parallelen Platten des 1. Beispiels. Der anfangs ruhenden Flüssigkeit wird ein Druckgradient ∂p ∂x parallel zur x-Achse angebracht. Es soll die Anlaufströmung bis zur ausgeprägten stationären Strömung bestimmt werden. Dazu wird Gleichung (2.5) um den instationären Term erweitert zu 1 ∂p ∂2 u x (z) ∂u x (z) . =− ⋅ +ν⋅ ∂t ρ ∂x ∂z2 Die Transformationen sind dieselben wie im vorigen Beispiel: ξ = hz , u ∗ = Hinzu gesellen sich noch λ = hx und p∗ = ηuh 0 p. Mit ∂p∗ ∂p∗ ∂x ∂p h2 = ⋅ = ⋅ ∂λ ∂x ∂λ ∂x ηu 0

u u0 , τ

=

ν t. h2

folgt dann ∂u ∗ ∂p∗ ∂2 u ∗ . =− + ∂τ ∂λ ∂ξ 2 ⋅ Die stationäre Lösung (2.7), u(z) = − ∂p ∂x u ∗ (ξ) = −

h2 2η [1

(2.40)

− ( hz )2 ] erhält dann die Gestalt

1 ∂p∗ ⋅ (1 − ξ 2 ) . 2 ∂λ

In Anlehnung an das 9. Beispiel wird der Ansatz der instationären Lösung direkt als Summe aus stationärem und einem instationären Produktansatz zusammengesetzt: u ∗ (ξ, τ) = −

1 ∂p∗ ⋅ (1 − ξ 2 ) + s(ξ) ⋅ w(τ) . 2 ∂λ

2.1 Analytische Lösungen der Navier-Stokes-Gleichung | 29

Setzt man den Ansatz in (2.40) ein, so entsteht daraus ̇ s(ξ) ⋅ w(τ) =−

∂p∗ ∂p∗ + + s󸀠󸀠 (ξ) ⋅ w(τ) , ∂λ ∂λ

̇ s󸀠󸀠 (ξ) w(τ) = := −μ 2 w(τ) s(ξ)

und entsprechend u ∗ (ξ, τ) = −

2 ∂p∗ 1 ⋅ (1 − ξ 2 ) + (C3 ⋅ sin(μξ) + C4 ⋅ cos(μξ))e−μ τ . ∂λ 2

Es genügen die zwei Endbedingungen und die Anfangsbedingung in dimensionslosen Größen (vgl. 1. Bsp. und Abb. 2.2). Sie lauten I.

du ∗ (0, τ → ∞) = 0 , dξ

II.

u ∗ (1, τ → ∞) = 0

und III.

u ∗ (ξ, 0) = 0 .

Wertet man I. aus, so folgt C3 = 0 und die Bedingung II. führt zu cos(μ) = 0 und damit μ = (2n−1) 2 π. Schließlich erhält man mit III. die Bestimmungsgleichung für die Fourierkoeffizienten: 0=−

∞ ∂p∗ 1 (2n − 1)π ⋅ (1 − ξ 2 ) + ∑ a n cos ( ξ) . ∂λ 2 2 n=1

Multiplikation mit cos( (2m−1)π ξ) und Benutzung der Orthogonalität des Kosinus führt 2 zu (2n − 1)π (2n − 1)π 2 ∂p∗ 1 ⋅ (1 − ξ 2 ) ⋅ cos ( ξ ) = a n ⋅ cos ( ξ) ∂λ 2 2 2 und endlich an =

(2n−1)π 2 ∂p∗ (1 − ξ ) cos ( 2 ξ ) ∂p∗ 16 ⋅ (−1)n+1 = . ⋅ ⋅ 2 ∂λ ∂λ (2n − 1)3 π3 2 ⋅ cos ( (2n−1)π ξ ) 2

Zusammen erhält man u ∗ (ξ, τ) = −

2 (2n−1) 1 ∂p∗ 32 ∞ (−1)n+1 (2n − 1)π cos ( ⋅ ⋅ [1 − ξ 2 − 3 ∑ ξ ) e−( 2 π) τ ] 3 2 ∂λ 2 π n=1 (2n − 1) (2.41)

oder u(z, t) = −

2 h2 ∂p (2n − 1)π z z 2 32 ∞ (−1)n+1 −( (2n−1) π) ν2 t 2 h cos ( ] ⋅ ⋅ [1 − ( ) − 3 ∑ ⋅ ) e 2η ∂x h 2 h π n=1 (2n − 1)3

Wir normieren (2.41) und stellen u + (ξ, τ) =

u ∗ (ξ, τ) − 12 ⋅

∂p ∗ ∂λ

für die Zeiten τ = 0,01; 0,1; 0,25; 0,5; 2 dar (Abb. 2.12).

30 | 2 Die Navier-Stokes-Gleichung

Abb. 2.12: Graph von (2.41)

Beispiel 11. Nun untersuchen wir die instationäre Poiseuille-Strömung in einem kreisrunden Rohr mit Radius R. Die dimensionslosen Größen lauten entsprechend ξ = Rr , u ∗ = uu0 , τ = Rν2 t, λ = Rz und p∗ = ηuR 0 p. Die stationäre Lösung (2.11) schreibt sich zu u ∗ (ξ) = − 14 ⋅ ρ

∂p ∗ ∂λ (1

− ξ 2 ) und (2.10) erhält einen instationären Term:

∂u ∂p η ∂ ∂u(r) =− + ⋅ (r ) ∂t ∂z r ∂r ∂r

oder

ρ

∂u ∂p ∂2 u 1 ∂u =− +η( 2 + ⋅ ) . ∂t ∂z r ∂r ∂r

Mit Hilfe der Umrechnungen ∂u ∗ ∂u R2 = ⋅ , ∂τ ∂t u 0 ν

∂u ∗ ∂u R ∂2 u ∗ ∂2 u R2 , = 2 ⋅ = ⋅ ∂ξ ∂r u 0 ∂ξ 2 u0 ∂r

und

∂p∗ R2 ∂p ⋅ = ∂λ ηu 0 ∂z

entsteht ρ

∂p∗ ηu 0 ∂2 u∗ u0 1 ∂u ∗ u 0 ∂u ∗ u 0 ν ⋅ + ⋅ 2 =− ⋅ 2 + η( ⋅ ⋅ ) ∂τ R ∂λ R R ∂ξ 2 R2 Rξ ∂ξ

und daraus ∂p∗ ∂2 u ∗ 1 ∂u ∗ ∂u ∗ + ⋅ =− + . ∂τ ∂λ ξ ∂ξ ∂ξ 2

(2.42)

Dies ist eine Bessel’sche DGL der Ordnung Null. Sie entspricht der instationären Wär­ meleitung in einem Zylinder mit zusätzlicher innerer Wärmequelle (vgl. 4. Band). Unser bekannter Ansatz lautet u ∗ (ξ, τ) = −

1 ∂p∗ ⋅ (1 − ξ 2 ) + s(ξ) ⋅ w(τ) . 4 ∂λ

2.1 Analytische Lösungen der Navier-Stokes-Gleichung | 31

Den Ansatz in (2.42) eingesetzt führt zu 1 1 ∂p∗ ∂p∗ 1 ∂p∗ + ⋅ + s󸀠󸀠 (ξ) ⋅ w(τ) + ⋅ ( ⋅ ξ + s󸀠 (ξ) ⋅ w(τ)) , ∂λ 2 ∂λ ξ 2 ∂λ 1 ̇ s(ξ) ⋅ w(τ) = s󸀠󸀠 (ξ) ⋅ w(τ) + s󸀠 (ξ) ⋅ w(τ) ξ ̇ s(ξ) ⋅ w(τ) =−

und schließlich

̇ s󸀠󸀠 (ξ) 1 s󸀠 (ξ) w(τ) = + ⋅ := −μ 2 . w(τ) s(ξ) ξ s(ξ)

Die Lösung des Zeitteils beträgt w(τ) = Ae−μ τ . Die Lösung des örtlichen Teils wurde schon im 4. Band ausführlich diskutiert. Man schreibt die Gleichung als ξ 2 s󸀠󸀠 (ξ) + ξs󸀠 (ξ) + μ 2 ξ 2 s(ξ) = 0, substituiert γ = μ ⋅ ξ und erhält mit Hilfe von 2

∂s ∂s 1 = ⋅ ∂γ ∂ξ μ

und

∂2 s ∂2 s 1 = ⋅ ∂γ2 ∂ξ 2 μ 2

die Bessel’sche Gleichung in ihrer charakteristischen Form: γ2 s󸀠󸀠 + γs󸀠 + γ2 s = 0 oder μ 2 ξ 2 s󸀠󸀠 (μξ) + μξs󸀠 (μξ) + μ 2 ξ 2 s(μξ) = 0 . Ihre Lösung lautet s(μξ) = B1 ⋅ J 0 (μξ) + B2 ⋅ N0 (μξ). Dabei heißen J 0 bzw. N0 die Besselund Neumann-Funktion nullter Ordnung. Im 4. Band wurden die beiden Funktionen als unendliche Potenzreihen hergeleitet. Sie lauten ∞

(−1)k x 2k ( ) (k!)2 2 k=0

J 0 (x) = ∑

und



(−1)k x 2k ( ) + f(x) (k!)2 2 k=0

N0 (x) = ln x ⋅ ∑ ∞

mit

(−1)k 1 1 1 x 2k (1 + + + ⋅ ⋅ ⋅ + )( ) . 2 2 3 k + 1 2 (k!) k=0

f(x) = ∑

Die Graphen beider Funktionen oszillieren um die γ-Achse und besitzen demnach un­ endlich viele Nullstellen. Der Ansatz lautet somit u ∗ (ξ, τ) = −

2 1 ∂p∗ ⋅ (1 − ξ 2 ) + (C1 ⋅ J 0 (μξ) + C2 ⋅ N0 (μξ))e−μ τ . 4 ∂λ

Analog zum 10. Beispiel ergeben sich dieselben Bedingungen I.

du ∗ (0, τ → ∞) = 0 , dξ

II.

u ∗ (1, τ → ∞) = 0

und III.

u ∗ (ξ, 0) = 0 .

Man kann anstelle von I. auch u ∗ (0, τ → ∞) < ∞ fordern, mit demselben Ergebnis.

32 | 2 Die Navier-Stokes-Gleichung ∗ Aus I. folgt − 41 ⋅ ∂p ∂λ + C 2 ⋅ N 0 (0) < ∞. Dies kann nur für C 2 = 0 erfüllt werden. Die Bedingung II. ergibt J 0 (μ) = 0. Demnach sind die Nullstellen der Bessel-Funktion gesucht. Sie wurden schon im 4. Band ermittelt zu

n

1

2

3

4

5

6

7

8

9

10

μn

2,405

5,520

8,654

11,792

14,931

18,071

21,212

24,352

27,493

30,634

Bis hierhin erhalten wir u ∗ (ξ, τ) = −

∞ 2 1 ∂p∗ ⋅ (1 − ξ 2 ) + ∑ a n ⋅ J 0 (μ n ξ) ⋅ e−μ n τ . 4 ∂λ n=1

Die Anfangsbedingung schließlich führt zu 0=−

∞ 1 ∂p∗ ⋅ (1 − ξ 2 ) + ∑ a n ⋅ J 0 (μ n ξ) . 4 ∂λ n=1

Multipliziert man die Gleichung mit ξ ⋅ J 0 (μ m ξ), so folgt ∞ 1 ∂p∗ ⋅ (1 − ξ 2 ) ξ ⋅ J 0 (μ m ξ) = ∑ a n ⋅ ξ ⋅ J 0 (μ n ξ) ⋅ J 0 (μ m ξ) 4 ∂λ n=1

Die Orthogonalitätsbedingung der Bessel-Funktion haben wir schon im 3. Band ermit­ telt. Es gilt 1

1

∫ ξ ⋅ J 0 (μ m ξ) ⋅ J 0 (μ n ξ) dξ = 0 für m ≠ n

∫ ξ ⋅ J 02 (μ n ξ) =

und

0

2

J 02 (μ n ) + J 0󸀠 (μ n ) . 2

0

In unserem Fall sind alle μ n Nullstellen von J 0 , so dass 1

2

∫ ξ ⋅ J 02 (μ n ξ) =

J 0󸀠 (μ n ) 2

0

verbleibt. Damit lauten die Koeffizienten 1

2 ∂p∗ ∫0 ξ(1 − ξ ) ⋅ J 0 (μ n ξ) dξ . an = ⋅ 2 ∂λ 2J 0󸀠 (μ n )

(2.43)

Es gilt noch, das Integral des Zählers zu bestimmen. Es besteht aus zwei Teilintegra­ len. Beide wurden im 4. Band hergeleitet: 1

∫ ξ ⋅ J 0 (μ n ξ) dξ = − 0

J 0󸀠 (μ n ) μn

1

∫ ξ 3 ⋅ J 0 (μ n ξ) dξ = − 0

und

1 J 0 (μ n ) 2J 0󸀠 (μ n ) [J 0󸀠 (μ n ) − 2 ( + )] . μn μn μ 2n

2.1 Analytische Lösungen der Navier-Stokes-Gleichung | 33

Mit J 0 (μ n ) = 0 vereinfacht sich dieser Ausdruck und es verbleibt im Zähler von (2.43) −

4J 󸀠 (μ n ) J 0󸀠 (μ n ) 4J 󸀠 (μ n ) 1 + . [J 0󸀠 (μ n ) − 0 2 ] = − 0 3 μn μn μn μn

Schließlich schreiben sich die Koeffizienten als an = −

∂p∗ 2 ⋅ ∂λ μ 3n ⋅ J 0󸀠 (μ n )

und die instationäre Lösung lautet u ∗ (ξ, τ) = − u(r, t) = −

∞ 1 ∂p∗ 8 2 ⋅ J 0 (μ n ξ) ⋅ e−μ n τ ] ⋅ ⋅ [1 − ξ 2 + ∑ 3 󸀠 4 ∂λ n=1 μ n ⋅ J 0 (μ n )

oder

(2.44)

8 r r 2 ∞ R2 ∂p −μ 2 ν t ⋅ J 0 (μ n ⋅ ) ⋅ e n R2 ] . ⋅ ⋅ [1 − ( ) + ∑ 3 󸀠 4η ∂z R R n=1 μ n ⋅ J 0 (μ n )

Man kann anstelle von J 0󸀠 (μ n ) auch −J 1 (μ n ) schreiben. Dies folgt aus der Eigenschaft J 󸀠p (x) = −J p+1 (x) + px ⋅ J p (x) einer Bessel-Funktion der Ordnung p (vgl. 3. Band). Die ersten fünf Koeffizienten cn =

8 μ 3n

⋅ J 0󸀠 (μ n )

entnimmt man nachstehender Tabelle. n

1

2

3

4

5

cn

−1,108

0,140

−0,045

0,021

−0,012

Gleichung (2.44) wird normiert, u + (ξ, τ) =

u ∗ (ξ, τ) − 14 ⋅

∂p ∗ ∂λ

und unter Hinzunahme der ersten fünf Koeffizienten c n für die Zeiten τ = 0,01; 0,05; 0,1; 0,2; 1 dargestellt (Abb. 2.13). Verglichen mit der Platte wird das annähernd stationäre Profil etwa in halber Zeit erreicht. (Natürlich dauert es theoretisch in jedem Fall unendlich lange bis zum Errei­ chen des exakt stationären Profils.) Wir können den Wert für ein hinreichend ausge­ bildetes normiertes stationäres Profil beispielsweise mit 0,99 ansetzen. 2 Als Beispiel stellen wir uns ein Getränk mit der Viskosität ν = 10−6 ms vor, das über einen Trinkhalm mit 0,5 cm Durchmesser aufgesogen wird. Die vorige Simula­ tion liefert den Wert u + (ξ, τ) = 0,99 bei einer normierten Zeit von etwa τ = 0,085. 2 Damit ergibt sich die absolute Zeit zu t = Rν τ = 0,5 s.

34 | 2 Die Navier-Stokes-Gleichung

Abb. 2.13: Graph von (2.44)

Beispiel 12. Wir betrachten die instationäre zylindrische Couette-Strömung für den fehlenden inneren Zylinder. Der äußere Zylinder mit Radius R soll aus der Ruhe auf die konstante Winkelgeschwindigkeit Ω gebracht werden. In diesem Fall erhält (2.22) einen zusätzlichen Zeitterm und besitzt die Gestalt ρ

1 ∂ ∂u θ uθ ∂u θ = η[ ⋅ (r ⋅ )− 2] ∂t r ∂r ∂r r

oder

∂u θ ∂2 u θ 1 ∂u θ u θ = ν[ 2 + ⋅ − 2] . ∂t r ∂r ∂r r

uθ Die Transformationen lauten in diesem Fall ξ = Rr , u ∗ = uu0θ = ΩR und τ = Rν2 t. Im stationären Fall wird die gesamte Flüssigkeit wie ein starrer Körper rotieren und es gilt dann u θ (r) = Ωr. Die Umrechnungen sind

∂u ∗ ∂u θ R2 ∂u θ R = ⋅ = ⋅ , ∂τ ∂t u 0 ν ∂t Ων

∂u θ 1 ∂u ∗ ∂u θ R = = ⋅ ⋅ ∂ξ ∂r u 0 ∂r Ω

und

∂ 2 u ∗ ∂ 2 u θ R2 ∂ 2 u θ R = ⋅ = ⋅ . ∂ξ 2 ∂r2 u 0 ∂r2 Ω Daraus entsteht ∂2 u∗ Ω Ω ∂u ∗ u ∗ ΩR ∂u ∗ Ων ⋅ + ⋅ = ν[ ⋅ − 2 2] ∂τ R ∂ξ 2 R Rξ ∂ξ ξ R

oder

∂u ∗ ∂2 u ∗ 1 ∂u ∗ u ∗ + ⋅ = − 2 . ∂τ ξ ∂ξ ∂ξ 2 ξ

(2.45)

Den Separationsansatz u ∗ (ξ, τ) = ξ + s(ξ) ⋅ w(τ) setzen wir in (2.45) ein und erhalten ̇ s(ξ) ⋅ w(τ) = s󸀠󸀠 (ξ) ⋅ w(τ) +

1 + s󸀠 (ξ) ⋅ w(τ) ξ + s(ξ) ⋅ w(τ) − ξ ξ2

̇ w(τ) s󸀠󸀠 (ξ) 1 s󸀠 (ξ) 1 = + ⋅ − 2 := −μ2 . w(τ) s(ξ) ξ s(ξ) ξ

oder

2.1 Analytische Lösungen der Navier-Stokes-Gleichung | 35

Für den Zeitteil erhält man wie anhin w(τ) = Ae−μ τ . Die Ortsfunktion schreibt sich als ξ 2 s󸀠󸀠 (ξ) + ξs󸀠 (ξ) + (μ 2 ξ 2 − 1)s(ξ) = 0. Dies ist die Bessel’sche DGL 1. Ordnung. Substituiert man wieder γ = μ ⋅ ξ , so lautet ihre übliche Form μ 2 ξ 2 s󸀠󸀠 (μξ) + μξs󸀠 (μξ) + (μ 2 ξ 2 − 1)s(μξ) = 0 . 2

Wie schon im 3. Band besprochen, wird sie durch J 1 (μξ) = −J 0󸀠 (μξ) gelöst. Dabei ist ∞

J 1 (x) = ∑ k=0

(−1)k x 2k+1 . ( ) k!(k + 1)! 2

Für die dimensionslose Geschwindigkeit erhält man somit vorerst u ∗ (ξ, τ) = ξ + (C1 ⋅ J 1 (μξ) + C2 ⋅ N1 (μξ))e−μ

2

τ

.

Zu jeder Zeit, insbesondere im stationären Zustand, muss die Geschwindigkeit der Flüssigkeit im Zentrum endlich bleiben und am Rand derjenigen des rotierenden Zy­ linders entsprechen. Zu Beginn ruht die gesamte Geschwindigkeit. In die Formelspra­ che übersetzt, erhalten wir die Bedingungen I. u ∗ (0, τ → ∞) = 0, II. u ∗ (1, τ → ∞) = 1 und III. u ∗ (ξ, 0) = 0. Die Bedingung I. liefert C2 = 0 und aus II. folgt J 1 (μ) = 0. Die ersten zehn Null­ stellen von J 1 (x) entnimmt man folgender Tabelle. n

1

2

3

4

5

6

7

8

9

10

μn

3,832

7,016

10,173

13,324

16,471

19,616

22,760

25,904

29,047

32,190

Schließlich liefert III. die Bestimmungsgleichung für die Fourier-Koeffizienten. Aus ∞

0 = ξ + ∑ a n ⋅ J 1 (μ n ξ)



folgt

− ξ 2 ⋅ J 1 (μ m ξ) = ∑ a n ⋅ ξ ⋅ J 1 (μ n ξ) ⋅ J 1 (μ m ξ) .

n=1

n=1

Im 3. Band hatten wir die Orthogonalitätsbedingung für eine Bessel-Funktion p-ter Ordung J p bewiesen. Damit folgt 1

an = −

∫0 ξ 2 ⋅ J 1 (μ n ξ) dξ 1

∫0 ξ ⋅ J 12 (μ n ξ) dξ

.

(2.46)

Zuerst soll der Zähler bestimmt werden. 1

1

1 2

2

∫ ξ ⋅ J 1 (μ n ξ) dξ = − ∫ ξ ⋅ 0

J 0󸀠 (μ n ξ) dξ

0

1 { } 1 2 = − {[ξ 2 J 0 (μ n ξ)] − ∫ ξ ⋅ J 0 (μ n ξ) dξ } . μn μ n 0 0 { }

Der Wert dieses neuen Integrals wurde schon im 11. Beispiel angegeben. Es folgt 1

∫ ξ 2 ⋅ J 1 (μ n ξ) dξ = − { 0

da

J 0󸀠 (μ n )

= −J 1 (μ n ) = 0.

J 󸀠 (μ n ) J 0 (μ n ) 2 J 0 (μ n ) − (− 0 )} = − μn μn μn μn

36 | 2 Die Navier-Stokes-Gleichung

Es fehlt noch das Integral im Nenner von (2.46). Dessen Berechnung kann man beispielsweise folgendermaßen bewältigen. Aus dem 3. Band sind drei Eigenschaften einer beliebigen Bessel-Funktion J p (x) der Ordnung p gezeigt worden: 1.

J 󸀠p (x) = −J p+1 (x) +

2.

J 󸀠p (x) = J p−1 (x) −

p ⋅ J p (x) , x

p ⋅ J p (x) x

1

3. ∫ ξ ⋅ J 2p (μ n ξ) dξ = −

und

J p−1 (μ n ) ⋅ J p+1 (μ n ) , falls μ n Nullstelle von J p (x) für alle n ist. 2

0

Aus 3. folgt speziell für p = 1, dass 1

∫ ξ ⋅ J 12 (μ n ξ) dξ = −

J 0 (μ n ) ⋅ J 2 (μ n ) 2

0

gilt. Aus 1. und 2. erhält man für p = 1 und x = μ n sowohl J 1󸀠 (μ n ) = −J 2 (μ n ) als auch = J 0 (μ n ), falls J 1 (μ n ). Somit ist J 2 (μ n ) = −J 0 (μ n ) und das gesuchte Integral vereinfacht sich zu J 1󸀠 (μ n )

1

∫ ξ ⋅ J 12 (μ n ξ) dξ =

J 02 (μ n ) . 2

0

Der Koeffizient lautet dann an = −

J 0 (μ n ) μn



J 02 (μ n ) 2

=

2 μ n J 0 (μ n )

und man erhält schließlich ∞

2 2 ⋅ J 1 (μ n ξ) ⋅ e−μ n τ μ n J 0 (μ n )

u ∗ (ξ, τ) = ξ + ∑ n=1

oder



u θ (r, t) = Ωr + ΩR ⋅ ∑ n=1

(2.47)

2 r −μ 2 ν t ⋅ J 1 (μ n ⋅ ) ⋅ e n R2 . μ n J 0 (μ n ) R

Die ersten zehn Koeffizienten sind in nachstehender Tabelle aufgeführt. n

1

2

3

4

5

6

7

8

9

10

an

−1,296

0,950

−0,787

0,687

−0,618

0,566

−0,526

0,493

−0,460

0,452

Unter Einbezug der ersten zehn Koeffizienten c n stellen wir (2.47) für die Zeiten τ = 0,005; 0,02; 0,05; 0,1; 0,5 dar (Abb. 2.14).

2.1 Analytische Lösungen der Navier-Stokes-Gleichung | 37

Abb. 2.14: Graph von (2.47)

Beispiel 13. Eine sehr breite Platte wird in einer ruhenden viskosen Flüssigkeit ruck­ artig von der Ruhelage auf die Geschwindigkeit u 0 beschleunigt und mit dieser Ge­ schwindigkeit gleichförmig weiterbewegt (Abb. 2.15 links). Dieses instationäre Pro­ blem trägt auch den Namen „Rayleigh-Problem“. Die in Gegenrichtung zeigenden Pfeile des Geschwindigkeitsprofils sind Relativgeschwindigkeiten zur Geschwindig­ keit u 0 . Die Gravitationseinwirkung soll vernachlässigt werden. Dann ist der gesamte Druckgradient Null. Es gilt u = u x = u x (z, t) und (2.2) besteht nur aus einer Gleichung: du ∂2 u =ν⋅ 2 . dt ∂z Man könnte meinen, dass dies eine Art „Umkehrung“ zum 9. Beispiel ist, da die Rol­ len der beiden Platten bloß vertauscht sind. Dem ist aber nicht so, denn im stationären Fall ist das Geschwindigkeitsprofil nicht linear, sondern konstant. Ein Separationsan­ satz muss deswegen scheitern. Dies zeigen wir kurz. Beweis. Der Ansatz führt wiederum zu u + (ξ, τ) = C1 hξ + C2 + (C3 ⋅ sin(kξ) + C4 ⋅ cos(kξ))e−k

2

τ

.

Die fünf Bedingungen lauten entsprechend I. IV.

u + (0, τ) = 1 ,

II.

u + (1, τ) = 0 ,

u + (0, τ → ∞) = 1 und V.

III.

u + (ξ, 0) = 0 ,

u + (1, τ → ∞) = 1 .

IV. und V. ergeben C2 = 1 und C1 = 0. I. erzeugt C4 = 0, aber Bedingung II. führt lediglich zu C3 sin(k) = 1, woraus nichts entnommen werden kann. Zur Lösung dieses Problems, müssen wir das zugehörige Ergebnis in Zusammenhang mit der Wärmeleitungsgleichung (2.36) bringen. Wir vergleichen die damals formu­ lierten Bedingungen mit unserem jetzigen Problem.

38 | 2 Die Navier-Stokes-Gleichung

Abb. 2.15: Skizze zu Beispiel 13 und Graph von (2.48)

In unserem Fall schreibt sich die (Dirichlet-)Randbedingung als u(z = 0, t) = 0 re­ lativ zur Bezugsgeschwindigkeit u 0 (bei der Wärmeleitung entsprach dies T(x = 0, t) = TWand ). Als Anfangsbedingung hat man u(z, t = 0) = −u 0 , d. h., anfangs bewegen sich alle Fluidteilchen entlang der Vertikalen mit der Geschwindigkeit u 0 von der Platte weg (bei der Wärmeleitung war T(x, t = 0) = T0 ). In großer Entfernung z zur Platte bleibt die Flüssigkeit von der Bewegung der Plat­ te zu jeder Zeit praktisch unberührt, d. h., die Geschwindigkeit ist an dieser Stelle −u 0 (relativ zu u 0 ). Dafür schreibt man limz→∞ u(z, t) = −u 0 (limx→∞ T(x, t) = T0 bei der Wärmeleitung) und als Lösung kann diejenige des halbunendlichen Körpers aus dem 4. Band herbeigezogen werden. W Dabei hatten wir die dimensionslose Temperatur ϑ(ξ) = T(x,t)−T T 0 −T W zusammen mit der Ähnlichkeitsvariablen x ξ= 2√β 2 t eingeführt. Als Lösung ergab sich ϑ(ξ) = erf(ξ), die Euler’sche Fehlerfunkton und so­ mit T(x, t) = erf(ξ)(T0 − TW ) + TW . Übertragen auf unser Problem lautet die Lösung u(z, t) = erf(ξ)(−u 0 − 0) + 0 = −u 0 ⋅ erf(ξ) und in dimensionsloser Form z 2√νt



u 2 2 = ∫ e−s ds u 0 √π

mit

0

ξ=

z . 2√νt

(2.48)

Aus x = u 0 t gewinnt man auch ξ=

z u0 √ . 2 xν

Diese Ähnlichkeitsvariable ist bis auf den Faktor Zwei im Nenner identisch mit derje­ nigen, die wir im Zusammenhang mit der Grenzschicht einer angeströmten Platte in

2.1 Analytische Lösungen der Navier-Stokes-Gleichung |

39

einem späteren Kapitel antreffen werden. (Der Faktor Zwei ist bloß ein Zugeständnis, um die Lösung von (2.36) mit Hilfe der Fehlerfunktion elegant zu schreiben.) In Abb. 2.15 rechts ist das dimensionslose Geschwindigkeitsprofil festgehalten. Dabei sind die Geschwindigkeitspfeile positiv abgetragen. Für eine Interpretation wählen wir einen beliebigen Zeitpunkt t1 . Dann ist u 1 (z1 ) = also abhängig von

z1 . 2√νt 1

u z1 ( ) , u 0 2√νt1

Nehmen wir hingegen t2 = 4t1 , so erhalten wir u 2 (z2 ) =

u z2 ( ) . u 0 4√νt1

Die Werte von u 2 (z2 ) stimmen im Fall von z2 = 2z1 mit denjenigen von u 1 (z1 ) überein. Die Folgerung ist, dass die Profile zu einer bestimmten Zeit und an einem bestimmten Ort mit der Zeit und mit größerer Entfernung zum Ursprung steiler werden und im stationären Fall auf der gesamten Höhe den Wert Eins annehmen. Die Bewegung der Platte beeinflusst die Geschwindigkeit des Fluids in einer wandnahen Schicht, der sogenannten Grenzschicht. Es ist dabei gleichbedeutend, ob eine Flüssigkeit eine ruhende Platte anströmt oder eine Platte in einer ruhenden Flüs­ sigkeit bewegt wird. Tatsache ist, dass an der Wand die Teilchen still stehen und ihre Geschwindigkeit mit wachsendem Abstand zur Platte zunimmt. Wir eilen der Theorie etwas voraus und bestimmen die Grenzschichtdicke δ der vorliegenden Strömung. Sie wird üblicherweise als diejenige Schicht bezeichnet, bei der u = 0,99u 0 gilt (siehe Abb. 2.4 rechts). Aus δ

2√νt 󵄨󵄨 u 󵄨󵄨 2 2 󵄨󵄨 󵄨󵄨 ∫ e−s ds = 0,99 󵄨󵄨 󵄨󵄨 = 󵄨󵄨 u 0 󵄨󵄨 √π

0

erhält man etwa 1,82 =

δ , 2√νt

δ = 3,64√νt

oder

δ(x) = 3,64√

νx u0

(2.49)

Man erkennt das Anwachsen der Grenzschicht mit der „Lauflänge“: δ(x) ∼ √x. Weiter kann man δ(x) = 3,64 xxu0 bilden, woraus √

ν

δ(x) 3,64 = x √Rex

(2.50)

folgt. Dabei bezeichnet Re x die mit der Lauflänge gebildete Reynolds-Zahl. Die Grenz­ schichtdicke wächst somit im Verhältnis zur Lauflänge proportional zu 1/√Rex . Die grundlegende Annahme der folgenden Grenzschichttheorie ist nun, dass man die charakteristische Länge l, beispielsweise einer angeströmten Platte, als viel größer

40 | 2 Die Navier-Stokes-Gleichung gegenüber der Grenzschichtdicke voraussetzt: δ ≪ l. Daraus folgt aber mit (2.50) δ 1 ≪1. ∼ l √Rel

(2.51)

Die letzte Gleichung bedeutet, dass wir es innerhalb der Grenzschicht mit großen Rey­ nolds-Zahlen zu tun haben, eine Tatsache, die es uns ermöglichen wird, die NavierStokes-Gleichungen für die Grenzschicht zu vereinfachen.

Aufgabe Bearbeiten Sie die Übungen 1 bis 5.

3 Die Grenzschichtgleichungen In der Potentialtheorie (5. Band) haben wir die Umströmung von Körpern mit Hilfe von Stromlinien beschrieben. Da in diesem Modell kein Reibungswiderstand existiert, findet auch kein Energieverlust statt und das Fluid strömt widerstandsfrei am Körper vorbei. Deswegen liefert die Theorie auch Geschwindigkeiten, die außer in den Stau­ punkten auf der gesamten Körperoberfläche von Null verschieden sind. Das Gegenteil ist aber der Fall: an der Oberfläche haften die Fluidteilchen. Eine weitere Eigenheit der Potentialströmung ist das Paradoxon von d’Alembert. Aufgrund der fehlenden Reibung kann die Strömung jeder beliebigen Kontur folgen, ohne sich von der Oberfläche abzulösen. Deshalb kompensieren sich die Druckkräfte insofern, dass der Körper zwar eine Kraft senkrecht zur Strömungsrichtung, aber nicht in Strömungsrichtung selber erfährt. Der Körper setzt der Strömung somit (nebst dem fehlenden Reibungswiderstand) auch keinen Druckwiderstand entgegen. Ein Flug­ zeug würde in einer solchen Strömung nicht abgebremst werden. Der Ursprung des Paradoxons liegt in der Annahme der Rotationsfreiheit einer Potentialströmung: Wir­ bel und die daraus entstehenden Reibungskräfte sind unmöglich. In einer realen, reibungsbehafteten Strömung wird jeder Körper der Strömung ei­ nen Reibungswiderstand FR und einen Druckwiderstand FD entgegensetzen. Die fol­ gende Tabelle gibt Aufschluss über die prozentualen Anteile der beiden Widerstands­ kräfte. Körper

FR

FD

Längs angeströmte Platte Tragfläche Flugzeug Ellipse Zylinder quer, Kugel PKW Quer angeströmte Platte

100 % 90 % 50 % 40 % 10 % 10 % 0%

0% 10 % 50 % 60 % 90 % 90 % 100 %

Man erkennt, dass sich der Druckwiderstandsanteil über die Körperform beeinflussen lässt. Wir werden sehen, dass sich der Reibungsanteil am Gesamtwiderstand über die Strömungsart (laminar oder turbulent) steuern lässt indem man den Umschlag verhin­ dert oder nach hinten verschiebt. Generell wird sich zudem aussagen lassen: Bei la­ minarer Strömung ist der Reibungswiderstand am kleinsten und bei turbulenter Strö­ mung sinkt der Druckwiderstand auf ein Minimum. Wir unterscheiden drei Fälle: I. Die Strömung verläuft durchwegs laminar. Die zugehörige Geschwindigkeit ist re­ lativ klein. Der Gesamtwiderstand setzt sich aus dem Reibungswiderstand FR,lam und dem Druckwiderstand FD zusammen. https://doi.org/10.1515/9783110684544-003

42 | 3 Die Grenzschichtgleichungen

II. Die vorerst laminare Strömung löst sich nach einer Lauflänge llam auf der Kör­ perkontur ab und wird turbulent. Die turbulente Strömung ihrerseits folgt der restlichen Kontur ltur , ohne abzulösen. Für den Gesamtwiderstand erhält man F = FR,lam + FR,tur + FD . III. Im Allgemeinen folgt einer kurzen laminar verlaufenden Strömung eine turbulen­ te Strömung, die ihrerseits die Körperkontur verlässt. Zwischen der Körperober­ fläche und der abgelösten Strömung bilden sich Wirbel aus, die sich im sogenann­ ten Totwassergebiet auf der Rückseite des Körpers sammeln. Der Reibungswider­ stand FR,Abl ab dem Ablösepunkt ist je nach Körperform größer oder kleiner als der Druckwiderstand FD , der sich aufgrund des kleineren statischen Drucks im Totwassergebiet gegenüber der Frontseite einstellt. Zur Beschreibung des Druck­ widerstands benutzen wir die Bernoulli-Gleichung mit Druckverlust und verglei­ chen die Drücke im Punkt S des Staupunkts und im „Punkt“ T des Totwasserge­ biets. Letzteres lässt sich nicht auf einen bestimmten Punkt reduzieren. Deswegen betrachten wir die Drücke entlang der Projektionsfläche A in Strömungsrichtung und nehmen den jeweiligen Druck als konstant an. Der Druck im Punkt S setzt sich aus dem Umgebungsdruck p0 und einem Überdruck zusammen: pS = p0 + ∆p. Der Überdruck entsteht durch den Staudruck. Dieser ist entlang der Kontur aber nicht konstant, deswegen stellen wir dem Überdruck einen Korrekturfaktor c1 vor und schreiben direkt die wirkende Kraft FS,A auf die Fläche auf: FS,A = p0 A + cS ∆pA . Die Geschwindigkeitsverteilung im Totwassergebiet ist unbekannt. Wir setzen die Quadrate der Geschwindigkeiten als Vielfaches von u 2∞ und die daraus resultierende Druckkraft auf die Fläche A als FT,A = p0 A +

1 cT ρAu 2∞ 2

mit einem weiteren Korrekturfaktor cT an. Der Vergleich liefert ∆pA = Definiert man cc TS = : cD , so lautet der Druckwiderstand FD =

1 ⋅ cD ⋅ ρAu 2∞ . 2

1 2



cT cS

⋅ ρAu 2∞ .

(3.1)

Man nennt cD den Druckwiderstandsbeiwert. Dieser hängt von der Größe des Tot­ wassergebiets und somit von der Körperform selber ab. Deswegen bezeichnet man FD auch als Formwiderstand. Besonders bei der Kugel und dem Zylinder hängen die Wer­ te stark von der Reynolds-Zahl ab (Abb. 3.1). In der nachstehenden Tabelle sind die Druckbeiwerte cD einiger Körper zusammengetragen.

3 Die Grenzschichtgleichungen | 43

Körper

cD

Senkrecht angeströmte Platte

1,1

Quer angeströmter Zylinder

1−1,2 0,35

(5 ⋅ 102 < Re < 2,5 ⋅ 105 ) (Re > 4 ⋅ 105 )

Kugel

0,4−0,45 0,1−0,3 0,18

(2 ⋅ 103 < Re < 2,5 ⋅ 105 ) (2,5 ⋅ 103 < Re < 4,5 ⋅ 105 ) (Re > 5 ⋅ 105 )

Ovaler Körper (U-Boot)

0,11

Stromlinienform

0,05

Insgesamt gilt also F = FR,lam +FR,tur +FD (andersartige Drücke, wie induzierte Drücke, behandeln wir nicht). Bemerkung. In Abb. 3.1 wird die Reynolds-Zahl mit dem Durchmesser gebildet: Re = Red =

u⋅d . ν

Prandtl stellte 1904 das Konzept der Grenzschicht auf. Danach gilt, dass bei realen Strömungen die Reibung auf eine dünne wandnahe Schicht, der sogenannten Grenz­ schicht, begrenzt ist und diese mit steigender Reynolds-Zahl dünner wird. Außerhalb der Grenzschicht kann die Strömung reibungsfrei als Potentialströmung behandelt werden (Außenströmung). Impuls- und Wärmeaustausch finden in diesem Bereich ausschließlich durch Konvektion statt. Hingegen werden wir zeigen, dass innerhalb der Grenzschicht nebst der Konvektion auch die Diffusion, zumindest senkrecht zur Strömungsrichtung, berücksichtigt werden muss.

Abb. 3.1: Skizze zum Druckbeiwert des Zylinders und der Kugel

44 | 3 Die Grenzschichtgleichungen

Außen- und Grenzschichtströmung beeinflussen sich sogar gegenseitig. Einer­ seits wird die Außenströmung durch die Grenzschicht von der Wand „abgedrängt“, d. h. eine in Wandnähe verlaufende Stromlinie muss nun den Umweg über die Grenz­ schicht hin zur Außenströmung nehmen. Aufgrund der vorhandenen Viskosität sche­ ren die Strömungsschichten und erzeugen eine Druckänderung in Strömungsrich­ tung. Das bedeutet, dass der Druckverlauf innerhalb der Grenzschicht von eben dieser Außenströmung allein bestimmt wird. Man sagt, der Grenzschicht wird der Druck von der Außenströmung aufgeprägt. Diesen Zusammenhang werden die Grenzschichtglei­ chungen bestätigen. Der Grenzschicht begegneten wir schon im 4. Band im Zusammenhang mit der (erzwungenen) Konvektion. Innerhalb dieser Grenzschicht findet die eigentliche Wär­ meübertragung statt. Mit Hilfe der Grenzschichtgleichungen wird es uns möglich sein, das Geschwindigkeitsfeld innerhalb der Grenzschicht zu beschreiben. Diese Grenz­ schichtgleichungen sind nichts anderes als Navier-Stokes-Gleichungen für große Rey­ nolds-Zahlen.

3.1 Die Grenzschicht einer parallel angeströmten Platte Betrachtet man nochmals die Entstehung der Navier-Stokes-Gleichung (2.2) aus der Euler-Gleichung, so wird Letztere durch einen viskosen Term erweitert. Mathematisch betrachtet enthält der neue Term höhere Geschwindigkeitsableitungen als die EulerGleichung. Wir untersuchen kurz, wie sich ausgehend von einer Plattenströmung das Geschwindigkeitsprofil qualitativ ändert. Für eine reibungsfreie Strömung u in x-Richtung reduziert sich die Navier-Stokes-Gleichung zur Euler-Gleichung und es u 󸀠 gilt schlicht u = konst. = u ∞ oder ∂u ∂y = u = 0 und somit u∞ (y) = 1. Nun soll die Vis­ kosität mit einem kleinen Faktor α ≪ 1 berücksichtigt werden. Das heißt, wir stören die ursprüngliche Euler-Gleichung durch Hinzunahme eines Terms αu 󸀠󸀠 und erhalten die DGL u 󸀠 + αu 󸀠󸀠 = 0 (die Einheit von α ist [m]). 1 Mit dem Ansatz u(y) = e ky folgt k 1 = 0, k 2 = − 1α und uu∞ = C1 + C2 e− α y . Die Randbedingungen sind uu∞ (0) = 0 (Haftbedingung) und uu∞ (∞) = 1 (Übergang des Profils in dasjenige der reibungslosen Außenströmung). Beides ergibt 1 u (x) = 1 − e− α x . u∞ Für eine Skizze wählen wir 1α = 0,1 (Abb. 3.2). Daran erkennt man, dass die Navier-Stokes-Gleichung Grenzschichten erzeugt. Wir definieren nochmals die Grenzschicht im Zusammenhang mit der Außenströ­ mung u δ . Als Grenzschicht bezeichnen wir diejenige Schicht nahe einer angeströmten Wand, in der die Strömungsgeschwindigkeit u vom Wert Null an der Wand auf den Wert u δ der reibungsfreien Außenströmung asymptotisch übergeht. Die Dicke δ der Grenzschicht wird (willkürlich) als diejenige Stelle definiert, für die u = 0,99u δ gilt.

3.1 Die Grenzschicht einer parallel angeströmten Platte |

45

Abb. 3.2: Skizze zur Erzeugung einer Grenzschicht

Im 13. Beispiel von Kapitel 2 haben wir gesehen, dass die Grenzschicht δ = δ(u ∞ , x, ν) sowohl von der Anströmgeschwindigkeit als auch von der Lauflänge und der Viskosität abhängt. Die Lauflänge wird bei einer Platte oder einem spitzen Körper von der Spitze aus, bei einem stumpfen Körper von seinem Staupunkt aus gemessen. Anschließend werden wir die Parabelform δ(x) ∼ √x der Grenzschicht und das mit der Lauflänge steiler werdende Geschwindigkeitsprofil aus dem erwähnten 13. Beispiel bestätigen (Abb. 3.3).

Abb. 3.3: Geschwindigkeitsprofile an einer Platte

Wir wollen als Erstes die Grenzschicht abschätzen und nehmen dazu ein lineares Ge­ y ⋅ u ∞ an (Abb. 3.4). schwindigkeitsprofil u(x, y) = δ(x)

Abb. 3.4: Skizze zur Massenbilanz am Quader

46 | 3 Die Grenzschichtgleichungen

Nun führen wir sowohl eine Massen- als auch eine Impulsbilanz am quaderförmi­ gen Kontrollvolumen mit dem Querschnitt ABCD und der Tiefe Eins durch. Für einen Massenstrom gilt allgemein dx ̇ ̇ = ρ ⋅ δ(x) ⋅ 1 ⋅ u(x) . m(x) = ρ V(x) = ρA(x) dt Speziell durch AB fließt (auf einer Breite von 1) der Massenstrom ṁ AB = ρu ∞ δ l in das Kontrollvolumen hinein. Durch CD fließt hingegen der Massenstrom ṁ CD

δl

δl

δl

0

0

0

y ρu ∞ 1 = −ρ ∫ u(l, y) dy = −ρ ∫ ∫ y dy = − ρu ∞ δ l ⋅ u ∞ dy = − δ(l) δl 2

heraus. Da die Platte keine Masse durchlässt, muss der Massenstrom durch BC, auf­ grund der Massenerhaltung, 1 (3.2) ṁ BC = − ρu ∞ δ l 2 betragen. Jetzt gehen wir zur Impulserhaltung über und betrachten die zeitliche Änderung ̇ = ρ⋅δ(x)⋅1⋅u 2 (x). Dieser besitzt die Dimension des Impulses oder den Impulsstrom mv einer Kraft. ̇ = ρu 2∞ δ l in das Kon­ Durch AB fließt (auf einer Breite von 1) der Impulsstrom I AB trollvolumen. Aus diesem Volumen fließt durch CD der Impulsstrom δl

δl

̇ = −ρ ∫ u 2 (l, y) dy = −ρ ∫ I AB 0

0

δl

y2 ρu 2 1 ⋅ u 2∞ dy = − 2∞ ∫ y2 dy = − ρu 2∞ δ l . δ(l) 3 δl 0

Es fehlt noch der Impulsstrom durch BC. Auf der ganzen Strecke beträgt die Geschwin­ ̇ = − 1 ρu 2∞ δ l digkeit u ∞ . Demnach verlässt, unter Verwendung von (3.2), der Strom I BC 2 das Kontrollvolumen. Insgesamt wird der verbleibende Impulsstrom oder die folgen­ den Kraft auf die Platte übertragen: F = ρu 2∞ δ l −

1 2 1 1 ρu ∞ δ l − ρu 2∞ δ l = ρu 2∞ δ l . 3 2 6

(3.3)

Ersetzt man mit Hilfe von (2.49) δ l = 3,64√ uνl∞ , so folgt F=

3 1 3,64 2 νl 2 = 0,607 ⋅ ρ √ν ⋅ u ∞ ⋅ l2 ρu ∞ √ 6 u∞

3

oder

1

2 F = 0,607 ⋅ b ⋅ √ρη ⋅ u ∞ ⋅ l2 ,

falls die Breite b verwendet wird. Dies ist das Plattengesetz von Blasius. Später lei­ ten wir dieses mit Hilfe der Grenzschichtgleichungen nochmals her und korrigieren den Faktor 0,607 aufgrund des eben verwendeten lineraren Geschwindigkeitsprofils auf 0,662. Die beiden Grenzschichtgleichungen werden dann nichts anderes als die Massen- und die Impulsbilanz beschreiben.

3.1 Die Grenzschicht einer parallel angeströmten Platte | 47

Nun soll die Grenzschichtdicke unter Verwendung des linearen Geschwindigkeits­ y ⋅ u ∞ abgeschätzt werden. Die durch die Strömung erzeugte mittle­ profils u(x, y) = δ(x) re Normalspannung τ entlang der Platte beträgt mit Hilfe des Newton’schen Ansatzes l

1 du τ = ∫η dx . l dy 0

Dabei erhalten wir δ(x)

δ(x)

1 1 u∞ du du u∞ ∫ ∫ = dy = dy = , dy δ(x) dy δ(x) δ(x) δ(x) 0

0

was bei einer linearen Geschwindigkeitsverteilung so sein muss. Es ergibt sich l

ηu ∞ 1 τ= ∫ dx . l δ(x) 0

In Abb. 3.4 ist C(l, δ l ), woraus das parabolische Profil der Grenzschicht geschrieben werden kann als δl √x . (3.4) δ(x) = √l Somit folgt l

1 ηu ∞ 2ηu ∞ 2ηu ∞ √ τ= ∫ l= . dx = δl δ l √l √x δ l √l 0

Nach Definition ist τ = liefert

F A

=

F l⋅1

(A ist die Fläche der Platte) und der Vergleich mit (3.3) 2ηu ∞ 1 ρu 2∞ δ l = . δl 6 l⋅1

Daraus entsteht

12η ρu∞ l

=

δ2l , √ 12ν u∞ l l2

=

δl l

δ l 3,46 = l √Re l

und schließlich mit Rel =

u∞ l . ν

(3.5)

Der Vergleich mit (2.50) liefert aufgrund des verwendeten linearen Geschwindigkeits­ profils eine kleine Abweichung des Faktors 3,46 gegenüber 3,64. Diesen Faktor wer­ den wir später noch verbessern können. Für typische kinematische Viskositäten wie Wasser und Luft hat man ν ≈ 1⋅10−6 − 2 10⋅10−6 ms . Bei einer Plattenlänge von l = 1 m und einer Anströmgeschwindigkeit von u ∞ = 2 − 5 ms ergeben sich Grenzschichtdicken von etwa δ l ≈ 1,5 − 7,5 mm.

48 | 3 Die Grenzschichtgleichungen

Am Rande der Grenzschicht wird die in x-Richtung strömende Geschwindigkeit u ∞ in y-Richtung abgelenkt. Es soll die Ablenkung v∞ in Abhängigkeit von u ∞ be­ stimmt werden. Dazu führen wir erneut eine Massenbilanz mit dem linearen Geschwindigkeits­ profil durch, diesmal aber an einem Rechteck mit der Breite ∆l, und erhalten dann im Grenzwert einen örtlichen Massenstrom in vertikaler Richtung (Abb. 3.5).

Abb. 3.5: Skizze zur Massenbilanz am infinitesi­ malen Quader

Die einfließenden bzw. ausfließenden Massenströme lauten wie folgt: δl

δl

ṁ AB,ein = ρ ∫ u(l, y) dy = ρ ∫ 0

0

δl

y ρu ∞ 1 ∫ y dy = ρu ∞ δ l , ⋅ u ∞ dy = δ(l) δl 2 0

ṁ BC,ein = ρu ∞ ∆δ l , ṁ CD,aus = −ρv∞ ∆l

und

δ l +∆δ l

δ l +∆δ l

ṁ DE,aus = −ρ ∫ u(l, y) dy = ρ ∫ 0

y 1 ⋅ u ∞ dy = − ρu ∞ (δ l + ∆δ l ) . δ(l) 2

0

Die Massenerhaltung führt zu 1 1 ρu ∞ δ l + ρu ∞ ∆δ l − ρu ∞ (δ l + ∆δ l ) − ρv∞ ∆l = 0 oder 2 2

v∞ 1 ∆δ l = ⋅ . u ∞ 2 ∆l

Im Grenzfall erhält man mit (3.4) 1 󵄨󵄨󵄨󵄨 v∞ 1 dδ(x) 󵄨󵄨󵄨󵄨 1 δl δl ⋅ = ⋅ . 󵄨 = 󵄨󵄨 = ⋅ u∞ 2 dx 󵄨󵄨x=l 2 √l 2√x 󵄨󵄨󵄨x=l 4l Dies lässt sich unter Hinzunahme von (3.5) umformen: v∞ 3,46 1 = . ⋅ u∞ 4 √Rel

3.2 Die Herleitung der Grenzschichtgleichungen |

49

Schließlich ergibt sich v∞ =

0,865 ⋅ u∞ √Rel

oder

v∞ = 0,865√

u∞ ν . l

(3.6)

Mit Hilfe von (3.5) ist δl 1 v∞ 3,46 = ∼ ⋅ u∞ 4 l √Re l und man erkennt, dass v∞ gegenüber u ∞ sich im gleichen Verhältnis verkleinert wie die Grenzschicht zur Lauflänge. Deshalb kann man die absolute Geschwindigkeit u mit u ∞ gleichsetzen: u = √u 2∞ + v2∞ = u ∞ (1 +

0,75 ) ≈ u∞ . Rel

An der Vorderkante gilt (3.6) nicht. Leider sind solche Singularitäten typisch für die Grenzschichttheorie.

3.2 Die Herleitung der Grenzschichtgleichungen Wie wir wissen sind die Navier-Stokes-Gleichungen nicht geschlossen lösbar. Es wird uns zumindest für eine ebene Strömung gelingen, die beiden Impulsgleichungen mit Hilfe der innerhalb der Grenzschicht geltenden Eigenheiten auf eine einzige Impuls­ gleichung zu reduzieren. Wir beschränken uns also auf eine zweidimensionale stationäre Strömung mit konstanter Dichte. Diese Annahme gilt für alle Flüssigkeiten und Gase, sofern die Strö­ mungstemperatur konstant und die Mach-Zahl kleiner als etwa 0,3 ist. Die zugrun­ de liegenden Gleichungen unter Vernachlässigung des Schwerefeldes lauten mit den neuen Bezeichnungen u = u x , v = u y : Kontinuitätsgleichung ∂u ∂v + =0, ∂x ∂y Impuls in x-Richtung u

∂u 1 ∂p ∂2 u ∂2 u ∂u +v + ⋅ − ν( 2 + 2) = 0 ∂x ∂y ρ ∂x ∂x ∂y

und Impuls in y-Richtung u

∂v ∂v 1 ∂p ∂2 v ∂2 v +v + ⋅ − ν( 2 + 2) = 0 . ∂x ∂y ρ ∂y ∂x ∂y

Bis auf Weiteres gehen wir von einer mit der Geschwindigkeit u ∞ angeströmten ebe­ nen oder leicht gekrümmten Platte der Lauflänge l aus und führen dimensionslose Variablen ein. Die Anströmung kann auch in einem Winkel geschehen.

50 | 3 Die Grenzschichtgleichungen Mit x∗ = xl , y∗ = yl , u ∗ =

u u∞ , v∗

=

v u∞

und p∗ =

p ρu2∞

erhält man

∂u ∗ ∂u ∗ ∂x∗ u ∞ ∂u ∗ ∂u ⋅ , = u∞ = u∞ = ⋅ ∂x ∂x ∂x∗ ∂x l ∂x∗ woraus u⋅

∂u ∗ ∂u u 2∞ = ⋅ u∗ ∂x l ∂x∗

entsteht. Entsprechend folgen v

∂u ∗ ∂u u 2∞ , = ⋅ v∗ ∂y l ∂y∗

u

∂v∗ ∂v u 2∞ = ⋅ u∗ ∂x l ∂x∗

und

v

∂v∗ ∂v u 2∞ . = ⋅ v∗ ∂y l ∂y∗

Weiter ist 1 ∂p 1 ∂p∗ ∂p∗ ∂x∗ u 2∞ ∂p∗ ⋅ ⋅ = ⋅ ρu 2∞ ⋅ = u 2∞ = ⋅ ρ ∂x ρ ∂x ∂x∗ ∂x l ∂x∗

und

1 ∂p u 2∞ ∂p∗ . ⋅ = ⋅ ρ ∂y l ∂y∗

Es fehlt noch ∂2 u ∂ ∂u u∞ u∞ ∂u ∗ ∂x∗ ∂ ∂u ∗ ∂ u∞ ∂2 u∗ = )⋅ ( ⋅ ( )= ( = ⋅ )= 2 ⋅ 2 ∂x ∂x ∂x ∂x∗ l l ∂x∗ ∂x∗ ∂x ∂x l ∂x2∗ und die Entsprechungen ∂2 u u∞ ∂2 u∗ = 2 ⋅ , ∂y2 l ∂y2∗ Dann geht das System mit Re =

∂2 v u ∞ ∂2 v∗ = 2 ⋅ ∂x2 l ∂x2∗ u∞ l ν

und

∂2 v u ∞ ∂2 v∗ = 2 ⋅ . ∂y2 l ∂y2∗

über in

∂u ∗ ∂v∗ + =0, ∂x∗ ∂y∗ ∂u ∗ ∂u ∗ ∂p∗ 1 ∂2 u∗ ∂2 u∗ u∗ + v∗ + − + ) = 0 und ( ∂x∗ ∂y∗ ∂x∗ Re ∂x2∗ ∂y2∗ 1 ∂2 v∗ ∂2 v∗ ∂v∗ ∂v∗ ∂p∗ + v∗ + − + )=0. ( u∗ ∂x∗ ∂y∗ ∂y∗ Re ∂x2∗ ∂y2∗

(3.7)

Die x∗ -Koordinate wählen wir entlang der Oberflächenstruktur und die y∗ -Koordinate senkrecht dazu. Aufgrund von (2.51) gilt innerhalb der Grenzschicht √1 ≪ 1 und erst Re 1 recht Re ≪ 1. Für Re → ∞ gehen diese Gleichungen bis auf den Gravitationsterm in die stationären Euler-Gleichungen über. Da aber in einer wandnahen Schicht die Wir­ kung der Reibung und somit der Viskositätsterm nicht vernachlässigt werden kann, darf der Grenzprozess noch nicht vollzogen werden. Es sollen nun die Größenverhält­ nisse von x∗ , y∗ , u ∗ und v∗ miteinander verglichen werden. Als Erstes halten wir fest, dass x∗ = xl und u ∗ = uu∞ von der Größenordnung Eins sind. Die anderen beiden Größen sind es aber nicht. Dazu überlegen wir uns, dass ein Teilchen an der Stelle x

3.2 Die Herleitung der Grenzschichtgleichungen |

51

innerhalb der Grenzschicht höchstens um δ(x) abgelenkt wird und die Geschwindig­ keit v∞ erreichen kann. Aus Beidem folgt mit (2.51) und (3.5) y∗ =

y δ(x) 1 ≤ ∼ l l √Re

und

v∗ =

v v∞ 1 ≤ ∼ . u ∞ u ∞ √Re

Dies bedeutet, dass ỹ = y∗ ⋅ √Re und ṽ = v∗ ⋅ √Re von der Größenordnung Eins sind. Deswegen müssen die beiden neuen Größen ỹ und ṽ für einen Größenvergleich in das System (3.7) implementiert werden. Es lautet neu ∂u ∗ √Re ∂ ṽ + =0, ⋅ ∂x∗ √Re ∂ ỹ 1 ∂2 u∗ ∂2 u∗ ∂u ∗ √Re ∂u ∗ ∂p∗ ⋅ ṽ + − u∗ + ) = 0 und ( 2 + Re ⋅ ∂x∗ √Re ∂ ỹ ∂x∗ Re ∂x∗ ∂ ỹ 2 √Re ∂ ṽ ∂2 ṽ 1 ∂p∗ Re ∂2 ṽ ∂ ṽ 1 1 1 ⋅ u∗ ⋅ ⋅ ṽ ⋅ 2 + ⋅ + + √Re ⋅ − )=0. ( ∂x∗ √Re √Re ∂ ỹ ∂ ỹ Re √Re ∂x∗ √Re ∂ ỹ 2 √Re Nach unserer Vorbemerkung sind die Reynolds-Zahlen groß und man erhält ∂u ∗ ∂ ṽ + =0, ∂x∗ ∂ ỹ

u∗

∂u ∗ ∂p∗ ∂2 u ∗ ∂u ∗ + ṽ − ≈ 0 und + ∂x∗ ∂ ỹ ∂x∗ ∂ ỹ 2

∂p∗ ≈0. ∂ ỹ

(3.8)

Eine erste Rücktransformation liefert für den Impuls innerhalb der Grenzschicht in x-Richtung 1 ∂2 u∗ ∂u ∗ ∂u ∗ ∂p∗ u∗ + v∗ + − =0 (3.9) ⋅ ∂x∗ ∂y∗ ∂x∗ Re ∂y2∗ Dies werden wir im Zusammenhang mit der Temperaturgrenzschicht in Kapitel 4.3 benötigen. Werden alle Transformationen rückgängig gemacht, so erhält man aus (3.8) schließlich die Grenzschichtgleichungen für stationäre inkompressible Strömungen: ∂u ∂v + =0, ∂x ∂y

u

∂u ∂u 1 ∂p ∂2 u +v + ⋅ − ν 2 = 0 und ∂x ∂y ρ ∂x ∂y

∂p =0. ∂y

(3.10)

Bemerkung. Neigt man die Platte um den Winkel α, so kann man dem x-Impuls von (3.10) die Einwirkung der Schwerkraft einverleiben und erhält ∂u 1 ∂p ∂2 u ∂u +v + ⋅ − ν 2 − g sin α = 0 ∂x ∂y ρ ∂x ∂y oder dimensionslos gemäss (3.9) u∗

∂u ∗ ∂u ∗ ∂p∗ 1 ∂2 u∗ gl + v∗ + − − 2 sin α = 0 . ⋅ ∂x∗ ∂y∗ ∂x∗ Re ∂y2∗ u∞

52 | 3 Die Grenzschichtgleichungen Definiert man die Froude-Zahl (vgl. 5. Band) als Fr = als u∗

u∞ , √gl

so schreibt sich der Impuls

∂u ∗ ∂u ∗ ∂p∗ 1 ∂2 u∗ 1 + v∗ + − − 2 sin α = 0 . ⋅ ∂x∗ ∂y∗ ∂x∗ Re ∂y2∗ Fr

Die Froude-Zahl spielt nur bei Gerinneströmungen eine Rolle, bei der die Schwerkraft die treibendende Kraft darstellt. Bei der Plattenströmung entfällt die Gravitation in x-Richtung (α = 0). Damit wird die Plattenströmung einzig durch die Reynolds-Zahl charakterisiert. Große Reynolds-Zahlen teilen somit das Strömungsgebiet in zwei Bereiche, ein reibungsfreies Außengebiet und einen Grenzschichtbereich, in dem der Diffusionsan­ teil an der Impulsänderung nicht vernachlässigt werden darf. Die Kontinuitätsgleichung wird immer noch exakt erfüllt und der Massentrans­ port muss in beide Richtungen berücksichtigt werden. In x-Richtung wird der Impuls bei praktisch nicht vorhandener Diffusion fast ausschließlich durch Konvektion über­ tragen. In diese Koordinatenrichtung ändert sich somit nichts gegenüber der Außen­ strömung. Hingegen überwiegt die Diffusion gegenüber der Konvektion in y-Richtung bei der Impulsübertragung. Dieser Effekt wächst an, wenn man von außen in die Grenz­ schicht eindringt und sich der Wand nähert. Unmittelbar in Wandnähe ist das Profil nahezu linear, so dass die Diffusion zwar kleiner, aber die Konvektion aufgrund der kleinen Geschwindigkeit praktisch Null ist. Nun betrachten wir den Druckterm 1ρ ⋅ dp dx genauer und werten dazu den Impuls in x-Richtung für beliebige x der Außenströmung u δ (x) aus und erhalten u δ (x)

du δ (x) 1 dp +0⋅0+ ⋅ − ν ⋅ 0 = 0 oder dx ρ dx

u δ (x)

du δ (x) 1 dp =− ⋅ . dx ρ dx

(3.11)

Dies entspricht gerade der differenzierten Bernoulli-Gleichung d d 1 ( ⋅ ρu 2δ (x)) + (p(x)) = 0 . dx 2 dx Da ∂p ∂y = 0, ist p eine Funktion von x alleine und der Druck wird auch innerhalb der Grenzschicht über die Außenströmung bestimmt, anders gesagt, die Außenströmung prägt der Grenzschicht den Druck auf. Die Herleitung der Grenzschichtgleichung wurde unter der Annahme sowohl kon­ stanter Dichte als auch konstanter Viskosität durchgeführt. Dies ist zulässig, solange die Mach-Zahl Ma = vc < 0,3 (Strömungsgeschwindigkeit v, lokale Schallgeschwindig­ keit c) gilt. In diesem Fall kann das Fluid als inkompressibel betrachtet werden. Für Wasser entspräche die größtmögliche zulässige Strömungsgeschwindigkeit v = 435 ms und für Luft v = 100 ms .

3.3 Die Lösung der Grenzschichtgleichungen für eine parallel angeströmte Platte

| 53

3.3 Die Lösung der Grenzschichtgleichungen für eine parallel angeströmte Platte Wählen wir in (3.11) speziell u δ (x) = u ∞ für eine mit konstanter Geschwindigkeit par­ allel angeströmte ebene oder leicht gekrümmte Platte, dann geht (3.11) über in dp dx = 0 und man erhält die Grenzschichtgleichungen für die parallel angeströmte Platte: ∂u ∂v + =0 ∂x ∂y ∂u ∂2 u ∂u +v −ν 2 =0 u ∂x ∂y ∂y

(3.12) (3.13)

Wir wollen zeigen, dass dieses System selbstähnliche Lösungen erzeugt. Beweis. Da (3.13) erste und zweite Änderungen nach x bzw. y enthält, ist es nahelie­ gend, die Selbstähnlichkeit als u(cx, √cy) = u(x, y) anzusetzen (vgl. 4. Band). Die Substitutionen sind demnach r = cx und s = √cy. Man sagt auch, dass die DGL invariant gegenüber der Koordinatentransformation ist. Die Behauptung lautet, dass u(r, s) = u(cx, √cy) ebenfalls Lösung von (3.13) ist. Dazu betrachten wir die drei Ter­ me, mit 1. bis 3. bezeichnet, einzeln. ∂u(r, s) ∂r ∂u(r, s) ∂u(r, s) = u(r, s) ⋅ ⋅ = c ⋅ u(r, s) ⋅ . ∂x ∂r ∂x ∂r

1.

u(r, s) ⋅

2.

Für den zweiten Term müssen wir Gleichung (3.12) ins Spiel bringen und schreiben y sie in integraler Form zu v(x, y) = − ∫0 ∂u ∂x dy. Dann verrechnen wir y

s

0

0

∂u(r, s) ∂u(r, s) 1 ∂u(r, s) ∂u(r, s) −∫ dy ⋅ = −∫( ⋅c ⋅ √c ) ds ⋅ ∂x ∂y ∂r ∂s √c s

∂u(r, s) ∂u(r, s) ∂u(r, s) = −c ⋅ ds = c ⋅ v(r, s) . ∫ ∂s ∂r ∂s 0

3.

∂ ∂u(r, s) ∂ ∂u(r, s) ∂2 u(r, s) ∂ ∂u(r, s) ∂s = ⋅ ( )= ( ) = √c ⋅ ( ) ∂y ∂y ∂y ∂s ∂y ∂s ∂y ∂y2 ∂2 u(r, s) . =c⋅ ∂s2 Alle drei Terme enthalten denselben Faktor, der sich wegstreicht, und es folgt die Behauptung u(r, s) ⋅

∂u(r, s) ∂2 u(r, s) ∂u(r, s) =0. + v(r, s) ⋅ −ν⋅ ∂r ∂s ∂s2

54 | 3 Die Grenzschichtgleichungen

In der eben durchgeführten Rechnung wurde nie nach c abgeleitet, weswegen man c auch als eine Funktion von x und y wählen kann. Geschickterweise wird c = 1x gesetzt y y und es folgt u(1, √x ) = u(ξ) mit der Ähnlichkeitsvariablen ξ ∼ √x . Damit ist es uns gelungen, die Lösungsfunktion u(x, y) auf eine einzige Variable u(ξ) zu reduzieren. Damit ξ dimensionslos wird, setzen wir ξ(x, y) = y√

u∞ . νx

Identifizieren wir y mit δ(x) und ξ mit k ∈ ℝ, so entspricht die Ähnlichkeitsvariable übrigens dem Ergebnis (2.50). Die Funktion ξ(x, y) ist also Lösung von (3.13). Damit sie auch die Kontinuitäts­ gleichung (3.12) erfüllt, führen wir die Stromfunktion ψ(x, y) ein und definieren u :=

∂ψ = ψy ∂y

und

v := −

∂ψ = −ψ x ∂x

unter der Annahme der Existenz von ψ. Aus (3.13) wird dann ψ y ⋅ ψ xy − ψ x ⋅ ψ yy − ν ⋅ ψ yyy = 0 .

(3.14)

Wir definieren weiter eine neue Funktion f(ξ) so, dass f 󸀠 (ξ) =

∂f u(ξ) . = ∂ξ u∞

(3.15)

Dann folgt y

y

ψ(x, y) = ∫ u dy = u ∞ ∫ f 󸀠 (ξ) dy . 0

Aus y =

ξ √ uνx∞

erhalten wir dy =

dξ √ uνx∞

0

und somit ξ

ψ(x, y) = √u ∞ νx ∫ f 󸀠 (ξ) dξ . 0

Wir nennen ξ

f(ξ) := ∫ f 󸀠 (ξ) dξ 0

die dimensionslose Stromfunktion. Somit haben wir ψ(x, y) = √u ∞ νx ⋅ f(ξ). Daraus können wir die einzelnen Geschwindigkeitskomponenten angeben als u(ξ) = ψ y = √u ∞ νx ⋅ = u ∞ ⋅ f 󸀠 (ξ)

u∞ ∂f ∂f ∂ξ = √u ∞ νx ⋅ ⋅ = √u ∞ νx ⋅ f 󸀠 (ξ) ⋅ √ ∂y ∂ξ ∂y νx (3.16)

3.3 Die Lösung der Grenzschichtgleichungen für eine parallel angeströmte Platte |

55

und 1 u∞ ν ∂f ∂ξ ⋅ f(ξ) + √u ∞ νx⋅ ⋅ ) v(ξ) = −ψ x = − ( √ 2 x ∂ξ ∂x u∞ 1 u∞ ν 1 = −( √ ⋅ f(ξ) + √u ∞ νx ⋅ f 󸀠 (ξ) ⋅ √ ⋅ (− )) 2 x ν 2x√x u∞ ν 󸀠 1 u∞ ν 1 1 u∞ ν ⋅ f(ξ) − ξ √ ⋅ f (ξ)) = √ (ξ ⋅ f 󸀠 (ξ) − f(ξ)) . = −( √ 2 x 2 x 2 x

(3.17)

Weiter ist ψ yy = u ∞ √

u ∞ 󸀠󸀠 ⋅ f (ξ) , νx

(3.18)

u 2∞ 󸀠󸀠󸀠 ⋅ f (ξ) und νx ∂f 󸀠 (ξ) ∂f 󸀠 (ξ) ∂ξ 1 u∞ = u∞ ⋅ = u∞ ⋅ ⋅ = u ∞ ⋅ f 󸀠󸀠 (ξ) ⋅ y√ ⋅ (− ) ∂x ∂ξ ∂x ν 2x√x 1 u∞ ⋅ ξ ⋅ f 󸀠󸀠 (ξ) . =− ⋅ 2 x

ψ yyy = ψ xy

Damit können die fünf berechneten Stromfunktionsableitungen der Gleichung (3.14) einverleibt werden, was zu −

u2 1 u 2∞ 1 u2 ⋅ ⋅ ξ ⋅ f 󸀠 ⋅ f 󸀠󸀠 + ⋅ ∞ (ξ ⋅ f 󸀠 − f) ⋅ f 󸀠󸀠 − ∞ ⋅ f 󸀠󸀠󸀠 = 0 2 x 2 x x

führt oder schließlich zur Blasius-DGL f 󸀠󸀠󸀠 +

1 󸀠󸀠 ff = 0 . 2

(3.19)

Die ursprünglichen Randbedingungen der Lösung u(x, y) sind I.

u = 0 für y = 0 , II.

v = 0 für y = 0

und III.

u = u ∞ für y → ∞ .

Übertragen auf die Ähnlichkeitsvariable entsprechen y = 0 und y → ∞ nun ξ = 0 und ξ → ∞. Aus I. entsteht dann mit (3.16) f 󸀠 (0) = 0. Die Bedingung II. liefert unter Mithilfe von (3.17) f(0) = 0 und III. erzeugt mit (3.15) f 󸀠 (∞) = 1. Die zu lösende DGL f 󸀠󸀠󸀠 + 12 ff 󸀠󸀠 = 0 besitzt somit die Randbedingungen f(0) = 0 ,

f 󸀠 (0) = 0

und

f 󸀠 (∞) = 1 .

Zur numerischen Lösung setzen wir y1 := f , y2 := f 󸀠 , y3 := f 󸀠󸀠 und erhalten das folgende DGL-System: y󸀠1 = y2 ,

y󸀠2 = y3

und

y󸀠3 = −0,5 ⋅ y1 ⋅ y3 .

56 | 3 Die Grenzschichtgleichungen Als Schrittlänge wählen wir dx = 0,01. Die Anfangsbedingungen sind f(0) = y1 (0) = 0 und f 󸀠 (0) = y2 (0) = 0. Es bleibt die Frage, wie man die Bedingung f 󸀠 (∞) = y2 (∞) = 1 einbauen soll. Da unser DGL-System eine Funktion f 󸀠󸀠 = y3 enthält, benötigen wir eine Anfangsbedingung y3 (0) = f 󸀠󸀠 (0). Dazu starten wir mit einem Schätzwert für f 󸀠󸀠 (0) und verändern diesen so lange, bis f 󸀠 (∞) = 1 entsteht. Dabei genügt die Bedingung f 󸀠 (ξ ≈ 5) = 1 vollends. Nach einigen Versuchen findet man f 󸀠󸀠 (0) ≈ 0,3308 .

(3.20)

Das zugehörige Programm erhält dann die Gestalt: Define DGL(n) Prgm xa:= {x2i} ya:= {y2i} x2i:= 0 y1i:= 0 y2i:= 0 y3i:= 0.3308 For i,1,n x2i:= x2i + 0.01 y1i:= y1i + 0.01 ⋅ y2i y2i:= y2i + 0.01 ⋅ y3i y3i:= y3i - 0.5 ⋅ y1i ⋅ y3i ⋅ 0.01 xa:= augment(xa,{x2i}) ya:= augment(ya,{y2i}) End For Disp xa, ya End Prgm Da nur die Werte von y2i, also f 󸀠 , dargestellt werden, erübrigen sich einige Programm­ zeilen. Wir führen das Programm für n = 500 aus (Abb. 3.6).

Abb. 3.6: Simulation von (3.19)

3.3 Die Lösung der Grenzschichtgleichungen für eine parallel angeströmte Platte | 57

Mit Kenntnis von f 󸀠 (ξ) ist auch das Ähnlichkeitsprofil der Geschwindigkeit u(ξ) = u ∞ ⋅ f 󸀠 (ξ) gegeben. Es befähigt dazu, bei Kenntnis des Profils an einer Stelle x1 das Profil an einer beliebigen anderen Stelle x2 zu bestimmen, analog dem Prinzip der Rekursion einer Zahlenfolge. Nehmen wir beispielsweise die Stelle x1 = 1, dann be­ sitzt das zugehörige Profil u∞ u 1 := u (y√ ) ν einen ähnlichen Verlauf wie der Graph aus Abb. 3.6. An der Stelle x2 = 4 ist y u∞ ) u 2 := u ( √ 2 ν und man erkennt, dass u 2 dieselben Geschwindigkeitswerte wie u 1 erst bei doppelter Höhe y erzielt. Somit werden die Profile mit wachsender x-Koordinate steiler. Leider ist das Blasius-Profil ein Ähnlichkeitsprofil und dieses liegt auch nur nu­ merisch vor, so dass sich der Verlauf von u(y) noch nicht angeben lässt. Dieses Ziel werden wir erst mit dem Näherungsprofil von Pohlhausen in Kapitel 3.7 erreichen. Zur Festlegung der Grenzschichtdicke δ(x) hatten wir f 󸀠 (ξ) = uu∞ = uuδ = 0,99 gewählt. Graphisch erhält man aus Abb. 3.6 den Wert ξ ≈ 4,89. Demnach ist 4,89 = δ(x)√ uνx∞ . Daraus wird 4,89 δ(x) = x √Rex

δ(x) 4,89 x √ = l √Re l l

oder

(vgl. mit (2.50)) .

(3.21)

Eine weitere verwendete Grenzschichtgröße ist die Grenzschicht-Verdrängungsdi­ cke δ1 . Ohne Bestehen einer Grenzschicht verlaufen alle Stromlinien parallel zur Platte. Aufgrund der Grenzschicht wird eine außerhalb der Grenzschicht auf der Höhe y∗ ver­ laufende Stromlinie abgelenkt. Wir führen dieselbe Massenbilanz wie in Kapitel 3.1 am quaderförmigen Kontroll­ volumen mit dem Querschnitt ABCD und der Tiefe Eins durch (Abb. 3.7 links). Der einfließende und der ausfließende Massenstrom durch AB und BC lauten δ

δ

ṁ AB,ein = ρu ∞ δ = ρ ∫ u ∞ dy

und

ṁ CD,aus = ρ ∫ u dy .

0

0

Der Unterschied ṁ AB,ein − ṁ CD,aus entspricht dem das Kontrollvolumen verlassenden Massenstrom durch BC. Diesen setzen wir als ṁ BC,aus = ρu ∞ δ1 an. Man kann die Integration von δ auf unendlich erstrecken, da am Ende der Grenzschicht praktisch die Geschwindigkeit u ∞ erreicht wird. Dann ergibt sich aus ∞



ρ ∫ u ∞ dy = ρ ∫ u dy + ρu ∞ δ1 0

0

58 | 3 Die Grenzschichtgleichungen

die Verdrängungsdicke



δ1 = ∫ (1 − 0

u ) dy . u∞

(3.22)

Man kann δ1 als Maß für den aufgrund der Grenzschicht fehlenden Massenstrom interpretieren. Mathematisch betrachtet wird die graue Fläche mit dem Inhalt ∞ ∫0 (u ∞ − u) dy in ein Rechteck (gestrichelt) mit Inhalt u ∞ δ1 verwandelt (Abb. 3.7 rechts).

Abb. 3.7: Skizzen zur Verdrängungsdicke und Impulsverlustdicke

Ebenso lässt sich eine Impulsverlustdicke δ2 definieren, indem man eine Impulsbi­ lanz am selben Rechteck aus Abb. 3.7 links durchführt. Sich ändernde Druckkräfte gibt ∂p es aufgrund von ∂p ∂x = ∂y = 0 nicht und von der Schwerkraft sehen wir ebenfalls ab. Damit resultiert der Impulsverlust einzig aus der örtlich abhängigen Wandreibungs­ ̇ ̇ − I CD ̇ − I BC ̇ . Analog zur Verdrängungsdicke kraft FW (x). Es gilt somit FW = IVerlust = I AB 2 ̇ = ρu ∞ δ2 mit einer Dicke δ2 an. Die Impuls­ setzen wir den Impulsverlust als IVerlust ̇ ̇ ströme I AB und I CD sind schon aus Kapitel 3.1 bekannt. Die Massenbilanz von eben ̇ = ρu 2∞ δ1 und zusammen ergibt sich lieferte ṁ BC = ρu ∞ δ1 . Dann folgt schlicht I BC ∞

ρu 2∞ δ2

= ρ∫



u 2∞

dy − ρ ∫ u 2 dy − ρu 2∞ δ1

0 ∞

= ρ∫

0 ∞

u 2∞

dy − ρ ∫ u dy − ρu ∞ ∫ (u ∞ − u) dy .

0

0

Damit ist

∞ 2

0



u 2∞ δ2

= ∫ (u 2∞ − u 2 − u 2∞ + u ∞ u) dy 0

und schließlich



δ2 = ∫ 0

u u (1 − ) dy . u∞ u∞

(3.23)

Die Impulsverlustdicke δ2 ist eine hypothetische Höhe, durch die der gesamte fehlen­ de Impuls mit der Geschwindigkeit u ∞ fließen würde.

3.3 Die Lösung der Grenzschichtgleichungen für eine parallel angeströmte Platte |

59

Speziell für die Blasius-Lösung erhalten wir ∞



0

0

νx νx u ⋅ lim (ξ − f(ξ)) . δ1 = ∫ (1 − ) dy = √ ∫ (1 − f 󸀠 (ξ)) dξ = √ u∞ u∞ u ∞ ξ→∞ Zur Berechnung des Grenzwerts berücksichtigen wir Werte bis ξ = 10. Die beiden zugehörigen Programmzeilen sind und

z1i:= x1i - y1i Disp z1i

Man erhält mit n = 1000 den Wert lim (ξ − f(ξ)) = 1,714

(3.24)

ξ→∞

und damit δ1 (x) = 1,714√

νx u∞

oder

δ1 (x) 1,714 . = x √Re x

(3.25)

Die Impulsverlustdicke beträgt ∞

δ2 = √

νx ∫ (f 󸀠 (ξ)[1 − f 󸀠 (ξ)]) dξ . u∞ 0

Das Integral wird mit einigen partiellen Integrationen vereinfacht: ∞



󸀠

󸀠

󸀠

∫ f (1 − f ) dξ = [f (ξ −

f)]∞ 0



󵄨 − ∫ f (ξ − f) dξ = f (ξ − f)󵄨󵄨󵄨󵄨∞ − ∫ f 󸀠󸀠 (ξ − f) dξ . 󸀠󸀠

0

󸀠

0

0

Das neue Integral ist seinerseits mit Hilfe von (3.20) ∞

∞ 󸀠󸀠





0 ∞

󸀠󸀠



∫ f (ξ − f) dξ = ∫ ξ ⋅ f dξ − ∫ ff dξ = ∫ ξ ⋅ f dξ + 2 ∫ f 󸀠󸀠󸀠 dξ 0

󸀠󸀠

0

󸀠󸀠

0 ∞

0

󸀠󸀠 󸀠󸀠 = ∫ ξ ⋅ f 󸀠󸀠 dξ + 2[f 󸀠󸀠 ]∞ 0 = ∫ ξ ⋅ f dξ − 2f (0) . 0

0

Für das letzte Integral schließlich schreiben wir ∞



󸀠 ∫ ξ ⋅ f 󸀠󸀠 dξ = [ξ ⋅ f 󸀠 ]∞ 0 − ∫ f dξ 0

0

󵄨 = ξ ⋅f 󸀠 󵄨󵄨󵄨󵄨∞ − f |∞

und erhalten insgesamt νx 󵄨 󵄨 ( f 󸀠 (ξ − f)󵄨󵄨󵄨󵄨∞ − ξ ⋅f 󸀠 󵄨󵄨󵄨󵄨∞ + f |∞ + 2f 󸀠󸀠 (0)) u∞ νx νx 󵄨 󵄨 (ξ f 󸀠 − ff 󸀠 − ξf 󸀠 + f 󵄨󵄨󵄨󵄨∞ + 2f 󸀠󸀠 (0)) = √ ( f |∞ − ff 󸀠 󵄨󵄨󵄨󵄨∞ + 2f 󸀠󸀠 (0)) . =√ u∞ u∞

δ2 = √

60 | 3 Die Grenzschichtgleichungen Da limξ→∞ f 󸀠 (ξ) = 1, ist limξ→∞ (f − ff 󸀠 ) = 0 und es verbleibt mit Hilfe von (3.19) δ2 (x) = 0,662√

νx u∞

δ2 (x) 0,662 . = x √Rex

oder

(3.26)

Nun soll der Strömungswiderstand berechnet werden. Dazu bestimmen wir zuerst die Spannung am Ort x der Plattenwand: τW (x) = η ⋅

∂u 󵄨󵄨󵄨󵄨 u ∞ 󸀠󸀠 u∞ 1 󵄨 = η ⋅ ψ yy 󵄨󵄨󵄨y=0 = ηu ∞ √ . (3.27) ⋅f (0) = 0,331⋅ηu ∞ √ ∼ 󵄨 ∂y 󵄨󵄨󵄨y=0 νx νx √x

Die Spannung an der Vorderkante kann mit (3.27) nicht bestimmt werden. Aus der üblichen Darstellung für eine Spannung, τW (x) =

1 c f (x)ρu 2∞ , 2

(3.28)

erhält man den lokalen Beiwert zu c f (x) =

0,662 ⋅ ηu ∞ √ uνx∞ ρu 2∞

= 0,662√

ν 0,662 . = u∞ x √Re x

(3.29)

Der Vergleich mit (3.26) liefert c f (x) = δ2x(x) . Der Reibungswert der Spannung, der für den Impulsverlust ja verantwortlich ist, stellt die Mittelung von δ2 bezüglich der Lauf­ strecke x dar. Der Widerstand an der Platte mit Breite b entlang einer Strecke dx beträgt FW (x) = τW (x) ⋅ dA = τW (x) ⋅ b ⋅ dx. Hochgerechnet auf eine Länge von l entspricht dies l

l

FW = b ∫ τW (x) ⋅ dx = b ⋅ 0,331 ⋅ ηu ∞ √ 0

u∞ 1 u∞ √ l dx = 0,662 ⋅ b ⋅ ηu ∞ √ ∫ ν ν √x 0

und schließlich ergibt sich das schon in Kapitel 3.1 hergeleitete Plattenwiderstandsge­ setz von Blasius: 3

1

2 FW = 0,662 ⋅ b√ρη ⋅ u ∞ l2 .

1

(3.30)

Die Tatsache, dass der Widerstand mit l 2 wächst, trägt dem Umstand Rechnung, dass die hinteren Teile der Platte aufgrund von (3.27) weniger zum Gesamtwiderstand bei­ tragen. Der mittlere oder dimensionslose Reibungsbeiwert cW folgt entweder durch Inte­ l gration, cW = 1l ∫0 c f (x)⋅ dx, oder durch Auflösen der Gleichung FW = 12 cw ⋅ ρ ⋅ b ⋅ l ⋅ u 2∞ : cw =

2FW 1,32√ν 1,32 = . = 2 √u∞ l √Re l ρ ⋅ b ⋅ l ⋅ u∞

3.3 Die Lösung der Grenzschichtgleichungen für eine parallel angeströmte Platte |

61

Das Plattengesetz gilt nur für laminare Strömungen mit Re < 5 ⋅ 105 . Für turbulente Strömungen ist der Widerstand viel größer. Zudem muss dann auch die Rauheit der Wand beachtet werden, die im Fall der laminaren Strömung keine Rolle spielt. Schließlich soll noch überprüft werden, ob die Geschwindigkeit der Blasius-Lö­ sung in vertikaler Richtung am Rand der Grenzschicht mit Ergebnis (3.6) überein­ stimmt. Beweis. Dazu muss man lim y→δ(x) v(ξ) bilden, was mit (3.21) limξ→4,74 v(ξ) gleich­ kommt. Aufgrund der vorherigen Überlegungen können wir den Wert von ξ auf Un­ endlich erweitern. Gesucht ist somit der Grenzwert lim v(ξ) =

ξ→∞

1 u∞ ν √ ⋅ lim (ξ ⋅ f 󸀠 (ξ) − f(ξ)) . 2 x ξ→∞

Da limξ→∞ f 󸀠 (ξ) = 1, ist mit (3.24) lim (ξf 󸀠 − f) = lim (ξ − f) = 1,714

ξ→∞

ξ→∞

und man erhält das gesuchte Ergebnis v∞ := lim v(ξ) = 0,857√ ξ→∞

u∞ ν . x

Beispiel 1. Eine dünne rechteckige Platte von l = 0,8 m Länge und b = 0,5 m Breite wird mit der Geschwindigkeit u = 2 ms längs durch ein Wasserbecken gezogen. Die Platte sei so dünn, dass sie der Bewegung praktisch keinen Druckwiderstand entge­ kg −6 m2 . Durch Mes­ gensetzt. Die Stoffwerte des Wassers sind ρ = 1000 m 3 und ν = 10 s sung sei bekannt, dass dieses Profil eine Reynolds-Zahl zwischen Rekrit = 3,5 ⋅ 105 − 5 ⋅ 105 zulässt, bevor die Strömung turbulent wird. a) Bestimmen Sie das zum Reynolds-Zahl-Intervall gehörende laminare Lauflängen­ intervall. b) Zwischen welchen Grenzen bewegt sich demnach die laminare Grenzschichtdicke δlam ? c) Umgekehrt kann man auch diejenige Ziehgeschwindigkeit u krit bestimmen, bei der auf der Oberfläche der Platte keine Ablösung stattfindet. Wie groß wird das Intervall für u krit ? d) Für den Fall Rekrit = 5 ⋅ 105 soll der Reibungswiderstand FW , den die laminare Strömung auf jeder Plattenseite ausübt, berechnet werden. Lösung: ⋅ν = 0,18 − 0,25 m. a) Aus Rekrit = u⋅lνlam folgt llam = Rekrit u b) Die zugehörige Grenzschichtdicke an den Stellen llam von a) wäre unter Verwen­ dung von (3.21) 4,89 ⋅ lam δlam = = 1,4 − 1,7 mm . √Rekrit

62 | 3 Die Grenzschichtgleichungen ⋅ν c) Man erhält u krit = Rekrit = 0,44 − 0,63 ms . l d) Gleichung (3.30) liefert

FW,lam = 0,662⋅bρ √ν⋅u 1,5 l0,5 = 0,662⋅0,5⋅1000⋅ √10−6 ⋅21,5 ⋅0,250,5 = 0,47 N. Man erhält eine sehr kleine Kraft. Am Ende der laminaren Lauflänge wird auf­ grund des allfälligen Umschlags zu einer turbulenten Strömung eine viel größere Reibungskraft erzeugt. Die zugehörige Berechnung folgt in Kapitel 6.8. Beispiel 2. Ein zylinderförmige Stange aus Messing mit b = 0,5 m Länge, R = 2 cm kg m Radius und einer Dichte von ρ Me = 8500 m 3 soll mit der Geschwindigkeit u = 1 s vom Boden eines Bottichs quer angehoben werden (Abb. 3.8 links). Die Stoffwerte des kg −4 m2 . Olivenöls betragen ρ Öl = 900 m 3 und ν Öl = 10 s a) Bestimmen Sie die zugehörige Reynolds-Zahl. b) Es sollen alle am Körper angreifenden Kräfte bestimmt werden. Rechnen Sie für den Formwiderstand aufgrund der Reynolds-Zahl von a) mit einem Druckbeiwert von cD = 1,15 (vgl. Abb. 3.1). Lösung: 1⋅π⋅0,02 a) Re = u⋅l ν = 10−4 = 628. b) Es sind dies i) Gewichtskraft FG = ρ Me ⋅ πR2 ⋅ g = 104,78 N ii) Auftriebskraft FA = ρ Öl ⋅ πR2 ⋅ g = 11,09 N iii) Für die Berechnung des Reibungswiderstands müssen wir noch sicherstellen, dass die Strömung um den gesamten Zylinder laminar bleibt und sich nicht ablöst. Gemäss den Ergebnissen in Kapitel 5.3 beträgt die maximal mögliche Reynolds-Zahl für eine Zylinderumströmung Rekrit = 1000. Damit ist gewähr­ leistet, dass der Reibungswiderstand mit (3.30) berechnet werden kann. Es ergibt sich FW,lam = 0,662 ⋅ b ⋅ ρ Öl √νÖl ⋅ u 1,5 l0,5 = 0,662 ⋅ 0,5 ⋅ 900 ⋅ √10−4 ⋅ 11,5 ⋅ (π ⋅ 0,02)0,5 ⋅ 2 = 1,49 N . iv) Es fehlt noch der Formwiderstand. Man erhält FD =

1 1 cD ⋅ 2Rb ⋅ ρu 2∞ = ⋅ 1,15 ⋅ 2 ⋅ 0,02 ⋅ 0,5 ⋅ 900 ⋅ 12 = 10,35 N 2 2

Somit müssen F = FG − FA + FW,lam + FD = 105,53 N aufgebracht werden. Beispiel 3. Fische besitzen einen erstaunlich niedrigen Druckbeiwert. Für den in Abb. 3.8 rechts dargestellten Fisch in Seitenansicht gilt cD = 0,06. Vor allem die Schuppen wirken einer Strömungsablösung entgegen, weil letztere das Wasser so­ zusagen an der Haut festhalten. Der Fisch erreicht dabei eine Geschwindigkeit von 2 u = 2 ms . Die Stoffwerte des Wassers sind ρ = 1025 mkg3 und ν = 1,3 ⋅ 10−6 ms und die kritische Reynoldszahl liegt mit Rekrit = 4 ⋅ 105 vor.

3.3 Die Lösung der Grenzschichtgleichungen für eine parallel angeströmte Platte | 63

Abb. 3.8: Skizzen zu den Beispielen 2 und 3

a) Stellen Sie sicher, dass die Strömung um den Fischkörper laminar bleibt. Gehen Sie dabei von einem absolut flachen Körper aus (eine Dicke von einigen Zentime­ tern würde am Ergebnis nichts ändern). b) Bestimmen Sie seinen Reibungswiderstand. c) Zur Berechnung des Formwiderstands nehmen wir an, die wirksame Fläche be­ stehe aus einem Rechteck mit einer Durchschnittsdicke von 3 cm und einer Län­ ge von 20 cm. Wie groß wird sein Formwiderstand und damit der gesamte Wider­ stand? Lösung: a) Der längste Laufweg beträgt llam = 20 cm. Anderseits ist Rekrit ⋅ ν 4 ⋅ 105 ⋅ 1,3 ⋅ 10−6 lkrit = = = 26 cm . u 2 Damit ist eine durchwegs laminare Strömung entlang des Fischkörpers gewähr­ leistet. b) Die laminaren Lauflängen sind abhängig von der Höhe y. Deswegen muss der Um­ riss zuerst durch die Funktion y = 0,1 − 10x2 ausgedrückt und davon die Um­ kehrfunktion x = ±0,1√0,1 − y gebildet werden. Aus (3.30) entsteht dFW,lam = 0,662 ⋅ dy ⋅ ρ ⋅ √ν ⋅ u 1,5 ⋅ 2 ⋅ (2x)0,5 ⋅ 2 und daraus 0,1

FW,lam = 0,662 ⋅ 1025 ⋅ √1,3 ⋅ 10−6 ⋅ 21,5 ⋅ 4√2 ∫ (0,1√0,1 − y)0,5 dy = 0,18 N . 0

c) Der Formwiderstand ergibt sich zu 1 1 cD ρAu 2 = ⋅ 0,06 ⋅ 1025 ⋅ 0,03 ⋅ 0,2 ⋅ 22 = 0,74 N . 2 2 Gesamthaft erhält man FW = FW,lam + FD = 0,92 N. FD =

Aufgabe Bearbeiten Sie die Übungen 6 und 7.

64 | 3 Die Grenzschichtgleichungen

3.4 Die Lösung der Grenzschichtgleichungen für Keilströmungen Eine Eck- oder Keilströmung entsteht, wenn beispielsweise eine Platte schräg oder ein Keil parallel zu seiner Symmetrieachse angeströmt wird. Bei den Potentialströmungen (5. Band) hatten wir die Stromfunktion einer Eck- oder Keilströmung mit einem Keil­ winkel von α = 2(π − πn ) als ψ(r, θ) = C ⋅ r n ⋅ sin(nθ) mit C = konst. identifiziert. Die Strömung verläuft dabei für 0 ≤ θ ≤ πn von rechts nach links. Um die Richtung umzu­ kehren, schreiben wir ψ(r, θ) = C ⋅ r n ⋅ sin[n(π − θ)] für π − πn ≤ θ ≤ π (Abb. 3.9). Im Fall ψ = 0 erhält man die obere Keilkante (inklusive der negativen x-Achse).

Abb. 3.9: Skizze zu den Keilströmungen

Die radiale Geschwindigkeitskomponente wird mit Hilfe von u r =

1 r



∂ψ ∂θ

zu

u r = −C ⋅ n ⋅ r n−1 ⋅ cos[n(π − θ)] bestimmt. Speziell für θ = π− πn ergibt sich der Geschwindigkeitsverlauf auf der oberen Kante des Keils zu u r (r) = C ⋅ n ⋅ r n−1 . Identifiziert man r mit x, so erhält man u x (x) = a ⋅ x m

mit

a = konst. und m = n − 1 .

1−m

Dabei besitzt a die Einheit [ Meter Sekunde ]. Das Ergebnis bedeutet, dass die Geschwindigkeit an der Keilwand einer (reibungs­ freien) Potentialströmung mit dem Abstand x zur Spitze wächst. In einer realen Strö­ mung wird sich eine Grenzschicht ausbilden und das Wandströmungsprofil u x(x) wird zum Außenströmungsprofil u δ (x)̃ = a ⋅ x̃ m , wobei x̃ entlang des Grenzschichtrands ge­ messen wird. In Abb. 3.9 stellen die Pfeile normal zur x-Achse die Zunahme der Außen­ ̃ ̃ dar. Die Richtung der y-Achse verändert sich laufend, strömung u δ (x)̃ in x-Richtung wie aus Abb. 3.9 deutlich wird. Die Geschwindigkeitskomponente in diese Richtung ̃ ̃ kann über die Kontinuitätsgleichung ermittelt werden. Aus ∂u∂δx(̃ x) + ∂u∂δy(̃ y) = 0 folgt ỹ

u δ (y)̃ = − ∫ 0

∂u δ (x)̃ d ỹ = −am ⋅ x̃ m−1 ỹ ∂ x̃

3.4 Die Lösung der Grenzschichtgleichungen für Keilströmungen | 65

und das Verhältnis

x̃ u δ (x)̃ ∼ . u δ (y)̃ ỹ

Im Fall m = 0 entnimmt man das Ergebnis aus (3.6). Verlässt die Strömung am Ende der oberen und unteren Kante den Keil, dann bil­ det sich hinter der Keilwand eine im Gegenuhrzeigersinn zirkulierende Strömung aus. Der Einfachheit halber ersetzen wir x̃ wieder durch x. Das Potenzprofil u δ (x) = a ⋅ x m führt zusammen mit (3.11) zu a ⋅ x m ⋅ am ⋅ x m−1 = −

1 dp ⋅ ρ dx

oder

a2 m ⋅ x2m−1 = −

1 dp ⋅ . ρ dx

(3.31)

Damit können die Grenzschichtgleichungen einer Keilströmung gemäss (3.10) formu­ liert werden. Inklusive der Kontinuitätsgleichung lauten sie ∂u ∂v + =0 ∂x ∂y ∂u ∂2 u ∂u u +v − a2 m ⋅ x2m−1 − ν 2 = 0 . ∂x ∂y ∂y

(3.32)

Die Gleichung erzeugt, wie auch die Blasius-DGL, selbstähnliche Lösungen, denn Gleichung (3.32) ist bis auf den Potenzterm identisch mit (3.13). Die Transformationen sind wieder r = cx, s = √cy und man erhält u(r, s) ⋅

∂2 u(r, s) ∂u(r, s) ∂u(r, s) =0. +v⋅ − a2 m ⋅ r2m−1 − ν ⋅ ∂r ∂s ∂s2

Damit ist mit u(x, y) auch u(cx, √cy) Lösung von (3.32). m−1 Im Unterschied zur Platte wählt man aber nicht c ∼ x−1 , sondern c ∼ x 2 . Dies erkennt man, wenn die dimensionslose Variable ξ definiert wird zu ξ(x, y) = y√

m−1 u δ (x) a ⋅ xm a = y√ = y√ ⋅ x 2 . νx νx ν

Das dimensionslose Geschwindigkeitsprofil lautet abermals uuδ = f 󸀠 (ξ) oder u = a ⋅ x m ⋅ f 󸀠 (ξ). ∂ψ ∂ψ Für die Stromfunktion setzt man wieder u = ∂y = ψ y und v = − ∂x = −ψ x an und (3.32) geht dann über in ψ y ⋅ ψ xy − ψ x ⋅ ψ yy − a2 m ⋅ x2m−1 − ν ⋅ ψ yyy = 0 .

(3.33)

Die Stromfunktion schreibt sich auch als ξ

y

y

󸀠

ψ(x, y) = ∫ u dy = a ⋅ x ∫ f (ξ) dy = a ⋅ x ∫ f 󸀠 (ξ)√ m

0

0

m

0

m+1 a m−1 ⋅ x 2 dξ = √aν ⋅ x 2 f(ξ) . ν

66 | 3 Die Grenzschichtgleichungen

Wir bilden die weiteren benötigten Größen: ψ yy = a ⋅ x m ⋅ f 󸀠󸀠 √ ψ yyy = a√

m−1 a a 3m−1 ⋅ x 2 = a√ ⋅ x 2 ⋅ f 󸀠󸀠 , ν ν

a 3m−1 󸀠󸀠󸀠 a m−1 a2 2m−1 󸀠󸀠󸀠 ⋅f , ⋅x 2 ⋅f √ ⋅x 2 = ⋅x ν ν ν

v = −ψ x = −√aν [ =−

m+1 a m − 1 m−3 m + 1 m−1 ⋅ x 2 ⋅ f + x 2 ⋅ f 󸀠 ⋅ y√ ⋅ ⋅x 2 ] 2 ν 2

√aν m−1 m−1 [(m + 1) ⋅ x 2 ⋅ f + (m − 1) ⋅ x 2 ⋅ ξ ⋅ f 󸀠 ] 2

und

m−3 a a [2m ⋅ x m−1 ⋅ f 󸀠 + x m ⋅ f 󸀠󸀠 ⋅ y√ ⋅ (m − 1) ⋅ x 2 ] 2 ν a m−1 󸀠 m−1 ⋅ f + (m − 1) ⋅ x ⋅ ξ ⋅ f 󸀠󸀠 ] . = [2m ⋅ x 2

ψ xy =

Alle Terme in (3.33) eingesetzt, entsteht a2 m 󸀠 ⋅ x ⋅ f [2m ⋅ x m−1 ⋅ f 󸀠 + (m − 1) ⋅ x m−1 ⋅ ξ ⋅ f 󸀠󸀠 ] 2 3m−1 m−1 m−1 a2 − ⋅ x 2 ⋅ f 󸀠󸀠 [(m + 1) ⋅ x 2 ⋅ f + (m − 1) ⋅ x 2 ⋅ ξ ⋅ f 󸀠 ] 2 − a2 m ⋅ x2m−1 − a2 ⋅ x2m−1 ⋅ f 󸀠󸀠󸀠 = 0 Nach der Multiplikation mit

2 a2

und dem Ausmultiplizieren geht die Gleichung über in

2m ⋅ x2m−1 (f 󸀠 )2 + (m − 1)x2m−1 ξ ⋅ f 󸀠 f 󸀠󸀠 − (m + 1) ⋅ x2m−1 ⋅ ff 󸀠󸀠 − (m − 1) ⋅ x2m−1 ⋅ ξ ⋅ f 󸀠 f 󸀠󸀠 − 2m ⋅ x2m−1 − 2 ⋅ x2m−1 ⋅ f 󸀠󸀠󸀠 = 0 . Weiter verrechnet, erhält man 2m ⋅ (f 󸀠 )2 − (m + 1) ⋅ ff 󸀠󸀠 − 2m − 2 ⋅ f 󸀠󸀠󸀠 = 0 und schließlich die Falkner-Skan-DGL f 󸀠󸀠󸀠 +

m+1 ⋅ ff 󸀠󸀠 + m[1 − (f 󸀠 )2 ] = 0 . 2

(3.34)

Zur numerischen Lösung von (3.34) wird ledigleich eine Programmzeile aus Kapitel 3.3 angepasst: y3i := y3i-[ m

+ 1 2 ⋅

y1i ⋅ y3i + m(1 - y2i2 )] ⋅ 0.01 .

Für jedes m muss die Anfangsbedingung f 󸀠󸀠 (0) in vielen Versuchen numerisch bis zu einer annehmbaren Genauigkeit ermittelt werden. Man erhält bei einer Schrittweite von dx = 0,01 die untenstehende Tabelle. ξ δ bezeichnet denjenigen Wert von ξ , für den f 󸀠 (ξ) = 0,99 gilt.

3.4 Die Lösung der Grenzschichtgleichungen für Keilströmungen | 67

Der Grenzschichtverlauf bestimmt sich gemäss δ(x) = ξ δ √ π m+1 )

xν . u δ (x)

f 󸀠󸀠 (0)

α = 2 (π −

ξδ

δ(x)

3

2,0732

3π 4

1,48



1

1,2271

π

2,40

0,7554 0,3308 0,2134 0

π 2

3,47 4,89 5,46 6,97

konst. = √ aν ⋅ 2,40 3 ∼ √x ∼ √x ∼ x 0,53 ∼ x 0,55

m

1 3

0 −0,05 −0,0905

0 −0,165=̂ − 9,47° −0,313=̂ − 17,91°

(3.35)

1 √x

Für 1 < m < ∞ hat man Eckströmungen und mit 0 < m < 1 erhält man ansteigen­ de Keilströmungen, d. h., der Untergrund steigt in Strömungsrichtung an. Schließlich erzeugen die Werte − 12 < m < 0 Umströmungen einer Kante, die wir auch zur Abgren­ zung als Kantenströmung bezeichnen können. In diesem Fall knickt der Untergrund um einen Winkel ab. Insbesondere ist der Wert m = −0,0905 ausgezeichnet, weil sich bei einem Abknickwinkel von etwa 18° die laminare Grenzschicht ablöst. Wir kommen im nächsten Kapitel darauf zurück. Die Werte von ξ δ lassen sich auch näherungsweise über eine Interpolation zumin­ dest für m > 0 durch (3.36) ξ δ ≈ 6 − √2,2 ⋅ (0,61 + 6m − m2 ) angeben. Nun führen wir das Programm für n = 700 aus (Abb. 3.10).

Abb. 3.10: Simulation von (3.34)

68 | 3 Die Grenzschichtgleichungen

Für die Wandspannung an der Stelle x gilt τW (x) = η (

a 3m−1 ∂u 󵄨 = η ⋅ ψ yy 󵄨󵄨󵄨y=0 = η ⋅ a ⋅ √ ⋅ x 2 ⋅ f 󸀠󸀠 (0) . ) ∂y y=0 ν

Aus τW (x) = 12 c f (x) ⋅ ρ ⋅ u 2δ (x) folgt der Widerstandbeiwert zu 2η ⋅ a ⋅ √a ⋅ x 2 ⋅ f 󸀠󸀠 (0) 2ν ⋅ a ⋅ √a ⋅ x 2 ⋅ f 󸀠󸀠 (0) 2√ν −1−m 󸀠󸀠 = ⋅ x 2 ⋅ f (0) = √ν ⋅ a2 x2m √a √νρ ⋅ u 2δ (x) 3m−1

c f (x) =

3m−1

f 󸀠󸀠 (0) 2√ν f 󸀠󸀠 (0) 2 2√ν −1−m √x √a ⋅ x 2 ⋅ f 󸀠󸀠 (0) = ⋅ ⋅ ⋅x 2 ⋅ = . √a √x √u δ (x) √Rex √x √x√u δ (x) √x m

=

Der Reibungswiderstand beträgt dann l

l

FW = b ⋅ ∫ τW (x) dx = bη ⋅ a√

3m−1 a 󸀠󸀠 ⋅ f (0) ∫ x 2 dx ν

0

0

= bη ⋅ a√

3m+1 a 󸀠󸀠 2 ⋅ f (0) ⋅ ⋅l 2 ν 3m + 1

und schließlich das Reibungsgesetz für Keilströmungen: 3

FW

2ba 2 √ρη 3m+1 = ⋅l 2 . 3m + 1

(3.37)

Beispiel 1. Ein b = 1 m breiter Keil mit Innenwinkel 60° und Kantenlänge l = 0,5 m wird parallel zur Symmetrieachse in einem Abstand von 0,25 m mit Wasser aus einer Düse angeströmt. Die Austrittsgeschwindigkeit beträgt u ∞ = 0,5 ms . Die Stoffwerte des kg −6 m2 . Wassers sind ρ = 1000 m 3 und ν = 10 s a) Stellen Sie sicher, dass die Strömung entlang des Keils laminar bleibt, wenn man die Reynolds-Zahl für den Umschlag bei ReKrit = 3 ⋅ 105 ansetzt. b) Wie lautet das Geschwindigkeitsprofil u δ (x) in Richtung des Grenzschichtrandes x der Außenströmung? c) Wie groß ist die Geschwindigkeit am Ende des Keils? d) Bestimmen Sie die Dicke der Grenzschicht am Ende des Keils. e) Wie lautet der Druckverlauf innerhalb und außerhalb der Grenzschicht? f) Welchen Druckwiderstand erzeugt der Keil bei einem Widerstandsbeiwert von cD = 0,5?

3.4 Die Lösung der Grenzschichtgleichungen für Keilströmungen | 69

Lösung: 5 a) Es gilt Re = u⋅l ν = 2,5 ⋅ 10 < ReKrit , also ist die Strömung durchwegs laminar. (Die Geschwindigkeit steigt hin zum Ende des Keils auf den Wert 0,57 m/s (siehe c)), was aber immer noch einer Reynolds-Zahl unterhalb der Kritischen entspricht). π 1 b) Aus α = 60° folgt 2π 6 = 2(π − n ). Mit m = n − 1 erhält man m = 5 und damit 0,2 u δ (x) = a ⋅ x . Da die Ausströmgeschwindigkeit und die zugehörige Distanz be­ 0,8 kannt sind, folgt nacheinander 0,5 = a ⋅ 0,250,2 , a = 0,50,6 mit der Einheit [ ms ] und schließlich u δ (x) = 0,50,6 ⋅ x0,2 . c) Man erhält u δ (0,5) = 0,50,6 ⋅ 0,50,2 = 0,57

m . s

d) Gleichung (3.36) liefert ξ δ ≈ 6 − √2,2 ⋅ (0,61 + 6 ⋅ 0,2 − 0,22 ) = 4,03 und mit (3.35) folgt δ(x) 4,03 xν oder . = δ(x) = 4,03√ uδ x √Rex Man kann den Grenzschichtverlauf auch explizit angeben als δ(x) = 4,03√

x0,8 ⋅ 10−6 ≈ 5 ⋅ 10−3 ⋅ x0,4 . 0,50,6

Am Ende des Keils beträgt die Grenzschichtdicke etwa 3,8 mm. a2 e) Gleichung (3.31) besagt a2 m ⋅ x2m−1 = − 1ρ ⋅ ∂p ∂x . Die Integration ergibt p(x) = − 2 ρ ⋅ x2m +p0 mit p0 = konst. (Der Druck ist unabhängig von y.) Dieser Druckverlauf gilt sowohl innerhalb als auch außerhalb der Grenzschicht. Den Druck p0 kann man noch weiter aufschlüsseln. Da sich die Anströmgeschwindigkeit u ∞ entlang der Symmetrieachse nicht ändert, erreicht diese auch den Staupunkt und man erhält u2 für p0 somit p(0, 0) = p0 = p∞ + ρ 2∞ , die Summe aus dem Umgebungsdruck und dem Staudruck. Schließlich folgt insgesamt p(x, y) = f)

ρ 2 (u − a2 ⋅ |x|2m ) + p∞ 2 ∞

mit

− 0,25 ≤ x ≤ 0,5 .

Zuerst muss die Querschnittsfläche A = b ⋅ 2 ⋅ 0,5 ⋅ sin(30°) = 0,5 m2 bestimmt werden. Der Druckwiderstand beträgt dann 1 ⋅ cD ⋅ ρAu 2∞ 2 = 0,5 ⋅ 0,5 ⋅ 1000 ⋅ 0,25 ⋅ 0,52 = 15,63 N .

FD =

Aufgabe Bearbeiten Sie die Übung 8.

70 | 3 Die Grenzschichtgleichungen

3.5 Grenzschichtablösungen Unter gewissen Bedingungen verlässt ein Teil der Strömung den Umriss eines Kör­ pers und löst sich ab. Ablösungen können bei laminaren wie auch bei turbulenten Strömungen auftreten. Als Folge davon entstehen zwischen Ablöseströmung und Kör­ peroberfläche Wirbel, die zu einer Veränderung sowohl des Reibungs- als auch des Druckwiderstands führen. Stellen wir uns dazu die konvexe Oberfläche eines Körpers mit einem Staupunkt S vor, der in Richtung u⃗ ∞ angeströmt wird. Die Umströmungsgeschwindigkeit wird da­ bei so lange ansteigen, bis die Richtung der Tangente an den Körper in Richtung u⃗ ∞ zeigt, also bis zum höchsten bzw. tiefsten Punkt M des Körpers. Der Druck wird dabei auf dem Weg von S nach M gemäss der Bernoulli-Gleichung bis zu einem minimalen Wert, der in M erreicht wird, absinken. Wäre die Strömung reibungsfrei, dann könnte also kinetische Energie auf dem Weg von S nach M und von M hin zu einem zweiten Staupunkt ohne Verlust in Druckenergie umgewandelt werden. Bei einer Grenzschichtströmung sieht die Sache anders aus. Die eben beschrie­ bene Energieumwandlung gilt zwar noch in der Außenströmung, aber nicht mehr in­ nerhalb der Grenzschicht. Durch die Viskosität verliert ein wandnahes Fluidteilchen B󸀠 (x0 , 0) laufend an Geschwindigkeit gegenüber einem Teilchen in der Außenströ­ mung B(x0 , y0 ), das vertikal über B󸀠 liegt. Steigt nun der Druck in der Außenströ­ mung ab dem Punkt M, so steigt der Druck in gleicher Weise auch in der Grenzschicht, weil der Druck nur eine Funktion der Lauflänge x, also von y unabhängig ist. Dieser Druckanstieg in der Grenzschicht begünstigt die Verlangsamung der Fluidteilchen zu­ sätzlich, bis die Teilchen in einem Punkt A(xAbl , 0), dem Ablösepunkt, zum Stillstand kommen und sich sogar in Gegenrichtung bewegen. Dadurch wächst die Grenzschicht weiter an. Das so abgebremste Fluid wird noch kurz von der Außenströmung mitge­ rissen, die Teilchen legen sich aber nicht mehr an die Oberfläche an, sondern „lösen“ sich im Punkt A ab. Wer an einem Fluss lebt, der einen Bogen schlägt, kann das Phänomen der Grenz­ schichtablösung am „kürzeren“ Ufer beobachten. Das Wasser fließt in der Nähe des Ufers förmlich stromaufwärts und deshalb fällt es den Holzbooten leicht, sich am Ufer abzustoßen und stromaufwärts zu gleiten. Auch turbulente Grenzschichten können sich ablösen. Weil in diesen aber höhere Strömungsgeschwindigkeiten als in laminaren Grenzschichten herrschen, kann eine turbulente Grenzschicht der Kontur über eine größere Strecke folgen. Die wichtigste Erkenntnis ist, dass eine Ablösung der Grenzschicht immer mit einem Druckanstieg einhergeht. Bei einer laminaren Strömung hatten wir in Kapi­ tel 3.4 die kritischen Krümmungsänderungen mit etwa 18° gegenüber der Vertikalen bestimmt (sofern die Reynolds-Zahl den kritischen Wert übersteigt). Deshalb sollten Richtungsänderungen oder Rohrerweiterungen von über 15° wie beispielsweise in Rohrleitungen vermieden werden.

3.5 Grenzschichtablösungen | 71

Um ein Flugzeug zu stabilisieren, muss die Geschwindigkeit oberhalb der Flügel kleiner als unterhalb der Flügel bleiben, um den nötigen Druckunterschied und damit den Auftrieb aufrecht zu erhalten. Dies wird durch die Form der Tragflügel erreicht. Da­ bei ist die Oberseite etwas stärker gekrümmt als die Unterseite. Zusätzlich gilt es, den Ablösungsort der (turbulenten) Strömung möglichst an den hinteren Teil des Flügel­ profils zu verschieben, um so den Druckwiderstand zu vermindern. Es gibt mehrere Möglichkeiten, die Ablösung nach hinten zu verlagern. Man erreicht dies beispielswei­ se durch ein relativ spitz zulaufendes Tragflächenende. Eine weitere Möglichkeit be­ steht darin, dass vor einem hypothetischen Ablösepunkt Luft ausgeblasen wird, was die kinetische Energie erhöht und so die Strömung stabilisiert. Schließlich kann man die entstehende Grenzschicht auch absaugen. Die Form der Stirnseite eines möglichst widerstandsarmen Körpers ist aber eben­ so wichtig. An der Vorderseite wird sich die Grenzschicht an einer Stelle nach dem größten Durchmesser d ablösen. Durch die Verschiebung des Ablösepunkts nach hin­ ten steigt zwar der turbulente Reibungswiderstand an, aber in viel kleinerem Verhält­ nis zum dadurch verminderten Druckwiderstand. Bei einer Körperlänge von l liegt das optimale Verhältnis etwa bei l : d = 5 : 1. Im Spezialfall der Umströmung einer Kugel hat Stokes für eine schleichende Strö­ mung 0 < Red < 1 das Widerstandsgesetz FW = 6πηRu (Reibung und Formwider­ stand) hergeleitet. Daraus erhält man mit der Darstellung FW = 12 cW ρAu 2 den Druckbeiwert in der Form 24 ρud cW = mit Red = . Red η Es gibt Erweiterungen für den Bereich 0 < Red < 105 wie beispielsweise cW =

24 4 + + 0,4 Red √Red

oder

cW =

24 4 + 3 , Red √ Red

die aber nur abschnittsweise den eigentlichen Beiwert widergeben. Zum Schluss erläutern wir die Grenzschichtablösung nochmals im Einzelnen am quer angeströmten Zylinder, weil für diesen die Druckbeiwerte cD und die zugehöri­ gen Reynolds-Zahlen aus Kapitel 3 grob bekannt sind. Löst sich eine Strömung mit wachsender Reynolds-Zahl ab, so ändert sich auch der cD -Wert. Mit aufsteigender Reynolds-Zahl ändert sich die Strömungsart in vielerlei Hin­ sicht. Wir fassen die Strömungsänderungen in fünf Kategorien zusammen (vgl. Abb. 3.1): I. Red ≈ 1. Die Stromlinien folgen der Zylinderoberfläche wie bei einer Potential­ strömung. Es findet keine Ablösung der Strömung statt. Der Druckbeiwert ist mit cD = 60 sehr groß. II. 1 < Red < 1000. In diesem Bereich entsteht mit wachsender Reynolds-Zahl zu­ erst ein Wirbelpaar auf der Hinterseite des Zylinders, dann eine Kàrmàn’sche Wir­ belstrasse, gefolgt von einem Umschlag von laminar zu turbulent im Nachlauf

72 | 3 Die Grenzschichtgleichungen

der Strömung bis hin zu einem Umschlag von laminar zu turbulent, der das Tot­ wassergebiet erreicht. Das Wirbelpaar ensteht etwa bei einem Winkel von etwa 110° − 130°, der vom Staupunkt aus im Gegenuhrzeigersinn abgetragen wird. Es ist 1,2 < cD < 60. III. 103 < Red < 2,5 ⋅ 105 . Es entsteht eine laminare Grenzschicht, die sich nach einer Lauflänge xlam ablöst. Dies entspricht einem Winkel von etwa 80° − 90°. Die Nachlaufströmung ist turbulent und löst sich nicht von der Zylinderwand. Für den Druckbeiwert erhält man 1 < cD < 1,2. IV. 2,5 ⋅ 103 < Red < 4,5 ⋅ 105 . Eine laminare Grenzschicht existiert auch in diesem Fall, aber nach einer kurzen Lauflänge ist die Strömung turbulent. Es bildet sich eine turbulente Grenzschicht aus, die sich an der Stelle xtur ablöst. Der entspre­ chende Winkel beträgt 125° − 140°. Die Nachlaufströmung bleibt turbulent, sie ist aber etwas schmaler als im laminaren Fall. Aus diesem Grund sinkt der Druck­ beiwert: 0,35 < cD < 1. V. Red > 6 ⋅ 105 . Es entsteht eine kurze laminare Grenzschicht, dann ein rascher Umschlag zu einer turbulenten Strömung, die sich etwa bei 115° ablöst. Daher fällt die Nachlaufströmung wieder etwas dicker aus. Es gilt cD = 0,4. Aus dem 5. Band ist die Druckverteilung c p entlang des Zylinderumfangs bekannt: Sie lautet c p (θ) = 1−4 sin2 (θ). In Abb. 3.11 ist der Verlauf festgehalten. Zum Vergleich sind die Druckverläufe für die beiden Reynolds-Zahlen Red ≈ 1 ⋅ 105 und Red ≈ 6,5 ⋅ 105 eingezeichnet. Sie entsprechen der Situation in den Fällen III. und V. Im Fall einer Reynolds-Zahl 1 ⋅ 105 weist die Messung auf einen kleinsten Druck und damit einer größten Geschwindigkeit bei etwa 75° hin. Aufgrund der Wandrei­ bung und dem von der Außenströmung auf die Grenzschicht wirkenden Druck löst die laminare Grenzschicht bei etwa 80° ab. Druck und Geschwindigkeit bleiben da­ nach nahezu konstant.

Abb. 3.11: Druckverteilung einer Zylinderumströmung

3.5 Grenzschichtablösungen | 73

Bei einer sehr hohen Reynolds-Zahl von 6,5 ⋅ 105 besitzt die Strömung eine große kinetische Energie, weshalb die sich ausgebildete turbulente Grenzschicht der Kontur bis etwa 115° folgen kann, um dann abzulösen. Innerhalb einer kurzen Distanz findet eine starke Verwirbelung statt, so dass die verbleibende kinetische Energie gegen den Druckanstieg nicht mehr ankommt. Ab etwa 125° pendelt sich ein konstanter Druck wie auch eine gleichbleibende Geschwindigkeit ein. √x beschreibt die Form des oberen Teils eines Beispiel 1. Die Funktion f(x) = 1−x 2 stromlinienförmigen Körpers. Die Stelle mit dem größten Durchmesser befindet sich bei x = 13 . Wir nehmen an, dass der Körper parallel zur Symmetrieachse mit einer Rey­ nolds-Zahl angeströmt wird, die zu einer Ablösung bei einem Winkel von 108° führt. Dann entspricht dies einem Punkt der oberen Kontur, bei dem die Steigung der Tan­ gente den Wert −0,31 = tan(−18°) annimmt. df Aus dx = 1−3x = −0,31 folgt dann xAbl = 0,67. 4√x Zum Schluss dieses Kapitels soll das Geschwindigkeitsprofil in der Grenzschicht bis zur Ablösung qualitativ dargestellt werden. Dabei sind drei Größen untrennbar miteinander verknüpft. Als Erstes beachten wir, dass der Druckgradient dp dx und die Außenströmung u δ (x) über die Bernoulli-Gleichung u δ (x) ⋅

du δ (x) 1 dp(x) =− ⋅ dx ρ dx

gekoppelt sind. In einem zweiten Schritt werten wir Gleichung (3.32) an der Wand (x ≠ 0, y = 0, u = v = 0) aus und erhalten 1 dp(x) ∂2 u ⋅ − ν ⋅ ( 2 ) = 0 oder ρ dx ∂y W 2

η⋅(

∂2 u dp(x) ) = . dx ∂y2 W

(3.38)

Damit wird auch die Krümmung des Profils ( ∂∂yu2 )W an der Wand an den Druckgra­ dienten gebunden. Gleichung (3.38) nennt man die Wandbindungsgleichung. Sie 2 lässt sich auch anders interpretieren, wenn man ∂∂yu2 als Maß für die Dispersion der 2 Strömung in vertikaler Richtung auffasst. Solange ∂∂yu2 < 0, wächst zwar die Grenz­ schichtdicke, aber die Fluidteilchen bewegen sich in Richtung der Außenströmung. 2 Hingegen bedeutet ∂∂yu2 > 0, dass die Bewegung der Teilchen in vertikaler Richtung 2 zunimmt. Vom Standpunkt der Analysis meint ∂∂yu2 < 0, dass die Geschwindigkeits­ 2 änderungen abnehmen und im Fall von ∂∂yu2 > 0 zunehmen. Die gemachten Aussagen fassen wir in der Abbildung 3.12 zusammen. In einem späteren Kapitel werden wir zeigen, dass das Grenzschichtprofil δ(x)tur einer turbulenten Strömung logarithmisch ist.

74 | 3 Die Grenzschichtgleichungen

Abb. 3.12: Skizze zur Grenzschichtablösung

3.6 Die Grenzschichtgleichungen in integraler Form Es ist etwas unbefriedigend, dass bei gegebener Außenströmung u δ (x) das ähnliche u(ξ) dimensionslose Geschwindigkeitsprofil u∞ an der Köperoberfläche nur numerisch vorliegt. Zwar lässt sich auch so die Spannung τW (x) über die gesamte Lauflänge inte­ grieren und die Reibungskraft FW bestimmen, aber es wäre wünschenswert, wenn wir zumindest näherungsweise auf ein Profil u(y) u∞ als Funktion der Höhe y zurückgreifen könnten. Eine solche Funktion soll im nächsten Kapitel hergeleitet werden. Als Vorberei­ tung dazu schreiben wir die Grenzschichtgleichungen (3.10) um. Wir wiederholen sie an dieser Stelle: ∂u ∂v + =0, (3.39) ∂x ∂y ∂u du δ ∂u ∂2 u u (3.40) +v − uδ −ν 2 =0 ∂x ∂y dx ∂y In Gleichung (3.40) ist dabei

1 ρ



dp dx

δ durch −u δ du dx ersetzt worden.

3.6 Die Grenzschichtgleichungen in integraler Form

y ∂u ∂x

Als Erstes wird (3.39) in integraler Form zu v(x, y) = − ∫0 Diesen Ausdruck in (3.40) eingesetzt ergibt

| 75

dy umgewandelt.

y

u

∂u du δ ∂u ∂2 u ∂u −∫ dy ⋅ − uδ −ν 2 =0. ∂x ∂x ∂y dx ∂y 0

Die entstandene Gleichung integrieren wir über y von Null bis zur Grenzschichtdicke δ (die Integration könnte man auch auf unendlich ausdehnen) und erhalten δ

δ

y

δ

δ

0

0

0

0

0

∂u ∂u du δ ∂2 u ∂u dy − ∫ (∫ dy ⋅ ) dy − u δ ∫ dy − ν ∫ 2 dy = 0 . ∫u ⋅ ∂x ∂x ∂y dx ∂y Das 2. Integral wird mit partieller Integration weiterverrechnet, so dass δ

y

δ

δ

δ

∂u ] du δ ∂u ∂u ∂u δ ∫u ⋅ dy − [u ∫ dy + ∫ u ⋅ dy − u δ ∫ dy − ν [ ] = 0 , ∂x ∂x ∂x dx ∂y 0 0 0 [ 0 ]0 0 δ

∫u ⋅ 0

δ

δ

δ

0

0

0

∂u du δ ∂u ∂u ∂u dy − u δ ∫ dy + ∫ u ⋅ dy − u δ ∫ dy − ν (0 − ( ) ) = 0 und ∂x ∂x ∂x dx ∂y W δ

∫ (2u ⋅ 0

∂u ∂u du δ ∂u − uδ ⋅ − uδ ⋅ ) dy + ν ( ) = 0 ∂x ∂x dx ∂y W

entsteht. Verwendet man ∂u ∂ 2 (u ) = 2u ⋅ , ∂x ∂x

∂u ∂ du δ (u ⋅ u δ ) = u δ ⋅ +u⋅ ∂x ∂x dx

und (3.25), dann folgt δ

∫(

∂ 2 ∂ du δ du δ τW (u ) − (u ⋅ u δ ) + u ⋅ − uδ ⋅ ) dy + =0, ∂x ∂x dx dx ρ

0 δ

δ

0

0

du δ τW d ∫[u(u − u δ )] dy + ∫(u − u δ ) dy + =0, dx dx ρ



δ

δ

0

0

d u u du δ u τW ⋅ u δ ∫ (1 − =0 )] dy) − ) dy + (u 2δ ∫ [ (1 − dx uδ uδ dx uδ ρ

76 | 3 Die Grenzschichtgleichungen

und mit Hilfe von (3.22) und (3.23) schließlich d du δ τW (u 2 ⋅ δ2 ) + δ1 ⋅ u δ ⋅ − =0. dx δ dx ρ

(3.41)

Gleichung (3.41) verknüpft, wie auch in differenzieller Form die Änderung der Ge­ schwindigkeit in x-Richtung, die Änderung der Druckkraft in x-Richtung mit der re­ sultierenden Spannung an der Wand. Führt man die Differentiation aus, so erhält man 2u δ ⋅ u 󸀠δ ⋅ δ2 + u 2δ ⋅ δ󸀠2 + δ1 ⋅ u δ ⋅ u 󸀠δ −

τW =0. ρ

Die Division durch u 2δ führt zu δ1 ⋅ u 󸀠δ 2 ⋅ u 󸀠δ ⋅ δ2 τW + δ󸀠2 + − =0 uδ uδ ρu 2δ oder

δ󸀠2 (x) + δ2 (x)

u 󸀠δ (x) δ1 (x) τW (x) (2 + )− =0. u δ (x) δ2 (x) ρu 2δ (x)

(3.42)

3.7 Näherung des Geschwindigkeitsprofils durch eine Polynomfunktion Für das Geschwindigkeitsprofil wählen wir ein Polynom gemäss Pohlhausen. Der Grad des Polynoms richtet sich nach der Anzahl der Randbedingungen, die erfüllt sein müs­ y und das dimensions­ sen. Als dimensionslose Normalkoordinate wählen wir s = δ(x) u lose Profil soll dann eine Funktion von s sein: u δ (s). Auf der Höhe y = δ haben wir erstens uuδ = 1 (die Geschwindigkeit stimmt mit ∂ u derjenigen der Außenströmung überein) und zweitens ∂y ( u δ ) = 0. Diese Bedingung bedeutet, dass der Geschwindigkeitsübergang an der Grenzschicht asymptotisch ver­ läuft, die Geschwindigkeitsänderung somit Null ist. Mit der Umrechnung 1 ∂u u 1 ∂u ∂y ∂u δ ∂ ⋅ ⋅ ( )= = ⋅ = ⋅ ∂s u δ u δ ∂s u δ ∂y ∂s ∂y u δ ergeben sich somit die ersten beiden Bedingungen zu I.

u 󵄨󵄨󵄨󵄨 =1 󵄨 u δ 󵄨󵄨󵄨s=1

und II.

∂ u 󵄨󵄨󵄨 =0. ( )󵄨󵄨󵄨 ∂s u δ 󵄨󵄨s=1

3.7 Näherung des Geschwindigkeitsprofils durch eine Polynomfunktion

| 77

In der Höhe y = δ entfällt auch die Diffusion: 󵄨 ∂2 u 󵄨󵄨󵄨 󵄨󵄨 =0. 2 ∂y 󵄨󵄨󵄨y=δ In diesem Zusammenhang berechnen wir u ∂ ∂u δ δ ∂ ∂u ∂y ∂2 δ2 ∂2 u ( )= )= ⋅ ⋅ . ( ⋅ ( ⋅ )= 2 ∂s ∂y u δ u δ ∂y ∂y ∂s u δ ∂y2 ∂s u δ Dies führt zur Bedingung III.

󵄨 ∂2 u 󵄨󵄨󵄨 󵄨󵄨 ( ) =0. ∂s2 u δ 󵄨󵄨󵄨s=1

An der Wand selber gilt natürlich IV.

u 󵄨󵄨󵄨󵄨 =0. 󵄨 u δ 󵄨󵄨󵄨s=0

Die letzte Bedingung ergibt sich mit Hilfe der Wandbindungsgleichung (3.38): ν⋅(

∂2 u 1 dp ) = ⋅ = −u δ ⋅ u 󸀠δ (x) . ∂y2 y=0 ρ dx

ν⋅(

󵄨 ∂2 u u δ ∂2 u 󵄨󵄨󵄨 󵄨󵄨 ) = ν ⋅ ⋅ ( ) ∂y2 y=0 δ2 ∂s2 u δ 󵄨󵄨󵄨s=0

Aus

folgt

󵄨 u 󵄨󵄨󵄨 u δ ∂2 󵄨󵄨 ⋅ ( ) = −u δ ⋅ u 󸀠δ (x) oder δ2 ∂s2 u δ 󵄨󵄨󵄨s=0 (3.43) 󵄨 u 󵄨󵄨󵄨 δ2 ∂2 󸀠 󵄨 ( )󵄨 = −u δ (x) ⋅ =: − λ . ν ∂s2 u δ 󵄨󵄨󵄨s=0 Der Parameter λ(x) heißt Pohlhausen-Parameter und ist ein Maß für die Krümmung der Oberfläche an der Stelle x. Bleibt die Krümmung konstant, wie beispielsweise bei einer Platten-, Keil- oder Kantenströmung, dann ist auch λ = konst. Aus (3.43) folgt die letzte Bedingung 󵄨 u 󵄨󵄨 ∂2 ( )󵄨󵄨󵄨󵄨 = −λ . V. 2 ∂s u δ 󵄨󵄨s=0 Baut man Bedingung IV. direkt ein, dann erhält der Polynomansatz die Gestalt ν⋅

u(x, y) = a(x) ⋅ s + b(x) ⋅ s2 + c(x) ⋅ s3 + d(x) ⋅ s4 . u δ (x) Bedingung V. ausgewertet, liefert 2b = −λ. Die restlichen Bedingungen I., II. und III. führen in dieser Reihenfolge auf das System a+b+c+d=1, a + 2b + 3c + 4d = 0 , 2a + 6c + 12d = 0 Ausgedrückt mit λ erhält man a = 2 + 6λ , b = − 2λ , c = −2 +

λ 2

und d = 1 − 6λ .

78 | 3 Die Grenzschichtgleichungen

Damit kann das Profil zusammengesetzt werden zu u λ λ λ λ (s) = (2 + ) s − s2 + (−2 + ) s3 + (1 − ) s4 uδ 6 2 2 6 s s3 s4 s2 = 2s + λ − λ − 2s3 + λ + s4 − λ 6 2 2 6 λ 3 4 2 3 = 2s − 2s + s + (s − 3s + 3s − s4 ) 6 und schließlich

λ u (s) = s(2 − 2s2 + s3 ) + s(1 − s)3 . uδ 6

(3.44)

Die Wandschubspannung als Funktion des Pohlhausen-Parameters ergibt sich zu τW (x) = η ⋅

∂u 󵄨󵄨󵄨󵄨 uδ ∂ uδ u 󵄨󵄨󵄨 λ =η⋅ =η⋅ ⋅ ( )󵄨󵄨󵄨 (2 + ) . 󵄨󵄨 ∂y 󵄨󵄨y=0 δ ∂s u δ 󵄨󵄨s=0 δ 6

Im Fall der ebenen Platte ist λ = u 󸀠δ (x) ⋅ Damit gilt

δ2 ν

(3.45)

= 0, weil u 󸀠δ (x) = 0.

τW (x) = 2η ⋅

u∞ . δ(x)

(3.46)

Haben wir es mit einer Ablösung zu tun, so entfällt die Wandspannung und dies ent­ 2 spricht nach (3.45) dem Parameter λ = −12. Gleichung (3.43) liefert dann −u 󸀠δ (x) ⋅ δν = 12, woraus 1 1 dp 12 − ⋅ u 󸀠δ (x) = ⋅ = 2 ν ηu δ dx δ folgt. Die Gleichung bestätigt die schon bekannte Tatsache, dass Ablösung nur bei Druckanstieg geschieht. Zudem besagt die Gleichung: Je dicker die Grenzschicht und je größer demnach die Lauflänge, umso kleinere Druckunterschiede sind nötig, damit die Grenzschicht sich ablöst. Jeder Pohlhausen-Parameter λ(x) entspricht einer Momentaufnahme des Ge­ schwindigkeitsprofils an der Stelle x. Dasjenige einer Platte mit λ = 0 ist uuδ (s) = s(2 − 2s2 + s3 ), dasjenige der Grenzschichtablösung mit λ = −12 besitzt die Gestalt u 2 2 u δ (s) = s (6 − 8s + 3s ). Später werden wir zeigen, dass für λ = 7,052 eine Staupunkt­ strömung 7,052 u (s) = s(2 − 2s2 + s3 ) + s(1 − s)3 uδ 6 vorliegt. Im Folgenden werden wir uns auf das das Intervall −12 ≤ λ ≤ 7,052 be­ schränken. Für λ < −12 erhält man Kantenströmungen mit immer größerem Abknick­ winkel. Damit die Strömung die Kontur nicht verlässt, müsste die Reynolds-Zahl im­ mer kleiner werden. Bei realen Strömungen verlieren derartige Kantenströmungen an Bedeutung. Mit λ > 7,052 würden Eckenströmungen beschrieben werden, von denen wir im Weiteren absehen. In Abbildung 3.13 halten wir den Verlauf von (3.44) als u λ für λ = −12, 0 und 7,052 fest.

3.8 Das Pohlhausen-Profil für Keilströmungen | 79

Abb. 3.13: Graphen von (3.44)

3.8 Das Pohlhausen-Profil für Keilströmungen Bisher wissen wir, dass zu jedem Parameter λ(x) ein entsprechendes örtliches Ge­ schwindigkeitsprofil gehört, aber noch ist unbekannt, welcher Oberflächenkrüm­ mung der jeweilige Parameter entspricht. Setzt man (3.45) in (3.42) ein, so ergibt sich zusammen mit (3.43) das System u 󸀠δ (x) ⋅

δ(x)2 = λ(x) ν

(3.47)

u 󸀠 (x) dδ2 (δ(x), λ(x)) δ1 (δ(x), λ(x)) ν λ(x) + δ2 (λ(x)) δ (2 + )− (2 + )=0. dx u δ (x) δ2 (δ(x), λ(x)) u δ (x) ⋅ δ(x) 6 (3.48) Bei gegebener Außenströmung u δ (x) können die beiden unbekannten Größen δ(x) und λ(x) numerisch bestimmt werden. Die zugehörigen Startwerte wären δ(0) = 0 und λ(0) = 7,052, weil die Grenzschicht im Staupunkt startet. Wir lösen (3.48) nur für Keil- oder Kantenströmungen. In diesen Fällen ist die Krümmung und somit λ = konst. Es ist das Ziel, die Außenströmung einer Keilströmung u δ (x) = a ⋅ x m über den Exponenten m mit dem Pohlhausen-Parameter λ zu verknüpfen.

80 | 3 Die Grenzschichtgleichungen

Für die weiteren Berechnungen berechnen wir die Verdrängungsdicke δ1 und die y folgt dy = δ(x) ⋅ ds und Impulsverlustdicke δ2 für das Pohlhausen-Profil. Aus s = δ(x) man erhält δ

1

u u δ1 = ∫ (1 − (s)) dy = δ ∫ (1 − (s)) ds uδ uδ 0

0

1

= δ ∫ (1 − s(2 − 2s2 + s3 ) −

λ δ s(1 − s)3 ) ds = (36 − λ) . 6 120

(3.49)

0

Weiter ergibt sich 1

δ2 = δ ∫ ([s(2 − 2s2 + s3 ) −

λ λ s(1 − s)3 ] [1 − s(2 − 2s2 + s3 ) − s(1 − s)3 ]) ds 6 6

0

=

δ (5328 − 48λ − 5λ2 ) . 45.360

(3.50)

I. Spezialfall λ = 0. Dies entspricht einer Plattenströmung. Die Definition (3.43) ist für die Berechnung von δ(x) unbrauchbar, weil sie auf beiden Seiten der Gleichung Null 3 37 δ und δ2 = 315 δ. Da weiter u δ (x) = u ∞ liefert. Aus (3.49) und (3.50) entsteht δ1 = 10 󸀠 W (x) ist, folgt u δ (x) = 0 und Gleichung (3.42) reduziert sich zu δ󸀠2 (x) − τρu = 0. Aus (3.46) 2

ist τW (x) = 2η ⋅

u∞ δ(x)



bekannt und die Verrechnung ergibt nacheinander

37 dδ 2ν ⋅ = , 315 dx u ∞ ⋅ δ

δ

x

∫ δ ⋅ dδ = 0

630 ν dx , ∫ 37 u∞ 0

1 2 630 νx δ = ⋅ 2 37 u ∞

und schließlich δ(x) = √

1260 νx νx √ = 5,84√ . 37 u∞ u∞

(3.51)

Das Blasius-Profil lieferte anstelle des Faktors 5,84 nur 4,89 (vgl. (3.21)). Dazu muss man sich nochmals vergegenwärtigen, dass der Wert ξ δ = 4,89 dem 99%-Wert der Außenströmung entspricht. Setzt man die Grenze höher, z. B. 99,5 % oder 99,9 %, so vergrößert sich auch der Wert von ξ δ , denn theoretisch stimmt die Geschwindigkeit mit derjenigen der Außenströmung erst im Unendlichen überein. Beim Pohlhausen-Profil wird nach Konstruktion die Geschwindigkeit der Außenströmung im Punkt (1, 1) des y Koordinatensystems ( δ(x) , uuδ ) erreicht und bleibt auch für y > δ(x) konstant Eins. Für die Genauigkeit des Ergebnisses (3.51) ist es deshalb sinnvoller, die zugehörige Verdrängungsdicke und/oder die Impulsverlustdicke zu bestimmen, weil beide Grö­ ßen unabhängig von der gesetzten Übergangsprozentzahl sind. Aus (3.49) und (3.50) erhält man sogleich δ1 (x) =

νx 3 δ(x) = 1,75√ 10 u∞

und

δ2 (x) =

νx 37 δ(x) = 0,69√ 315 u∞

3.8 Das Pohlhausen-Profil für Keilströmungen |

81

mit Fehlern von 2 % bzw. 3,5 % verglichen mit den exakten Ergebnissen des BlasiusProfils (3.25) und (3.26). Die Fehler, wenn auch klein, sind auf den Verlauf des Nähe­ rungsprofils gegenüber dem exakten Blasius-Profil zurückzuführen. Nun sind wir endlich in der Lage, mit Hilfe von (3.44) und (3.51) das Geschwindig­ keitsprofil einer Plattenströmung in einem beliebigen Punkt P(x, y) anzugeben. Es gilt y y 3 u y y 2 ( )= (2 − 2 ( ) +( ) ) u ∞ δ(x) δ(x) δ(x) δ(x) = 0,17 ⋅

u∞ y νx νx √ ⋅ (11,67 ⋅ ν x u∞ u∞ − 11,67√

νx y 2 y 3 ⋅( ) +( ) ) . u∞ 5,84 5,84

(Natürlich gibt es weitere Darstellungen des Profils.) II. Allgemeiner Fall λ ≠ 0. Das zugrunde liegende Außenströmungsprofil u δ (x) = a ⋅ x m setzen wir in (3.47) ein, was zu δ(x)2 =

λν am ⋅ x m−1

und

δ(x) = √

1−m λν ⋅x 2 am

führt. Damit und mit Hilfe von (3.49) und (3.50) schreibt sich (3.48) als −1−m 1 − m 5328 − 48λ − 5λ2 √ λν ⋅ ⋅x 2 2 45.360 am

+ −

1−m 5328 − 48λ − 5λ2 √ λν am ⋅ x m−1 5λ2 + 237λ − 12.132 ) (2 ⋅ ⋅x 2 ⋅ 45.360 am a ⋅ xm 5λ2 + 48λ − 5328

ν a ⋅ xm ⋅

λν √ am

⋅x

1−m 2

(2 +

λ )=0 6

und 1 − m λ(5328 − 48λ − 5λ2 ) 2λ(5λ2 + 237λ − 12.132) λ ⋅ − − (2 + ) = 0 . 2m 45.360 45.360 6 Aufgelöst nach m findet man m(λ) =

λ(5328 − 48λ − 5λ2 ) 15(λ3 + 60λ2 − 1872λ + 12.096)

Der Verlauf von m(λ) ist für −12 ≤ λ ≤ 7,052 in Abb. 3.14 festgehalten.

(3.52)

82 | 3 Die Grenzschichtgleichungen

Abb. 3.14: Graph von (3.52)

Beispielsweise ergeben die Parameter λ = −12 und λ = 7,052 die Werte m = −0,1 bzw. m = 1. Umgekehrt liefert m = 13 den Parameter λ = 4,72 und weiter δ(x) = √

1−m 1−m λν ν ⋅ x 2 = 3,76√ ⋅ x 2 am a

oder

δ(x) = 3,76√

νx . uδ

Zum Vergleich entnehmen wir der Tabelle in Kapitel 3.4 den exakten Faktor 3,47 des Falkner-Skan-Profils. Beispiel 1. Ein b = 1 m breiter Keil mit Innenwinkel α = 40° und l = 0,5 m Kanten­ länge wird parallel zu seiner Symmetrieachse angeströmt. a) Gesucht ist die zugehörige Außenströmung. b) Welcher Pohlhausen-Parameter λ gehört zu dieser Keilströmung? c) Wie lautet der Grenzschichtverlauf δ(x)? d) Wie groß ist der entlang einer Kante wirkende Reibungswiderstand? e) Bestimmen Sie das dimensionslose Geschwindigkeitsprofil uuδ (x, y). Lösung: π 0,125 . a) Aus 2π 9 = 2(π − m+1 ) folgt m = 0,125 und damit u δ (x) = a ⋅ x b) Mit der unteren Gleichung von (3.52) erhält man λ = 2,72. c) Gleichung (3.47) liefert den Grenzschichtverlauf δ(x) = 4,66√

7 νx ν = 4,66√ ⋅ x 16 . uδ a

d) Aus (3.45) wird τW (x) = η⋅ uδδ (2+ 6λ ) entnommen und man erhält τW (x) = 0,53√ρη⋅ a 2 ⋅ x− 16 . Aus FW (x) = τW (x) ⋅ b ⋅ dx folgt der Reibungswiderstand zu 3

5

l 3

11

FW = b ∫ τW (x) ⋅ dx = 0,77√ρη ⋅ a 2 ⋅ l 16 . 0

3.8 Das Pohlhausen-Profil für Keilströmungen | 83

e) Mit Gleichung (3.44) folgt das Geschwindigkeitsprofil y 3 y 2,72 y y 2 y y 3 u ⋅ ( )= (2 − 2 ( ) +( ) )+ (1 − ) , u δ δ(x) δ(x) δ(x) δ(x) 6 δ(x) δ(x) das man beispielsweise als 2

3

a x− 16 y [ a a x− 16 y 2a x− 16 y u (x, y) = √ ⋅ 2− ( ) + √ ( ) uδ ν 4,66 ν 4,66 ν ν 4,66 [ 7

7

7

schreiben kann.

Aufgabe Bearbeiten Sie die Übungen 9 und 10.

3

a x− 16 y ] 2,72 ⋅ (1 − √ ⋅ ) 6 ν 4,66 ] 7

+

4 Die Energieerhaltung reibungsbehafteter Strömungen In den vergangenen Kapiteln gelang es uns, eine für die Grenzschicht adaptierte Im­ pulserhaltung herzuleiten und damit auf das Geschwindigkeitsfeld in einer dünnen Wandschicht zu schließen. Gesucht ist nun die Temperaturverteilung innerhalb der Grenzschicht, mit deren Hilfe wir den Wärmeaustauch zwischen Umgebung und Kör­ peroberfläche genau beschreiben können. Dazu muss zwangsweise eine neue Erhal­ tungsgleichung bereitgestellt werden: die Energieerhaltung für die Grenzschicht bei vorhandener Reibung.

4.1 Die Herleitung der Energieerhaltung Wir gehen von nicht allzu großen Temperaturunterschieden aus, damit die Dichte ρ und die Wärmeleitfähigkeit λ als konstant betrachtet werden können. Ein Fluid, das mit der Geschwindigkeit c⃗ = (u, v, w) strömt, besitzt die Gesamtenergie EG = EInn + EKin mit der inneren Energie EInn = c V ⋅ m ⋅ T (c V : spezifische Wärmekapazität bei konstantem Volumen, m: Masse, T: Temperatur) und der kinetischen Energie EKin = 1 1 2 2 2 2 2 mc = 2 m(u + v + w ). Betrachten wir ein kleines Volumenelement dV = dx dy dz, dann lauten die Energieanteile an der Gesamtenergie dEInn = c V ⋅ ρ dV ⋅ T

und

dEKin =

1 ρ dVc2 2

oder

e :=

dEInn = cV ⋅ T ρ dV

EG 1 2 1 2 Kin mit e [ kgJ ] und dE ρ dV = 2 c . Die Gesamtenergie ist dann m = e G = e + 2 c . Im 4. Band hatten wir die Enthalpie H als Summe von innerer Energie und verrich­ teter Arbeit am entsprechenden Volumen definiert: dH = dE + V dp. Division durch die Masse ergibt

dh = de +

dp ρ

oder

e=h−

p p = cp T − . ρ ρ

(4.1)

dE Dabei haben wir dH m = dh und m = de gesetzt und c p steht für die spezifische Wär­ mekapazität bei konstantem Druck. Gleichung (4.1) stellt nichts anderes als die ideale Gasgleichung dar. Aus c V T = c p T − pρ wird pρ = (c p − c V )T. Beachtet man den im 4. Band hergeleiteten Zusammenhang c p − c V = RS mit der spezifischen Gaskonstan­ p pV te RS , dann folgt ρT = RS oder mT = RS , die Zustandsgleichung eines idealen Gases. Nun betrachten wir die zeitliche Änderung d Ė der Gesamtenergie im Volumenele­

ment. Sie beträgt d Ė = ρ

∂ ∂e 1 ∂u ∂v ∂w +u +v +w (e + c2 ) dV = ρ ( ) dV . ∂t 2 ∂t ∂t ∂t ∂t

https://doi.org/10.1515/9783110684544-004

4.1 Die Herleitung der Energieerhaltung

| 85

Mit (4.1) wird daraus d Ė = ρ (c p

∂T 1 ∂p ∂u ∂v ∂w − ⋅ +u +v +w ) dV . ∂t ρ ∂t ∂t ∂t ∂t

(4.2)

Wir wollen untersuchen, welche Energieströme die zeitliche Änderung der Gesamt­ energie verursachen können. Wir beginnen damit, die Kontinuitätsgleichung (2.3) abwechselnd nach x, y und z abzuleiten und erhalten (u x = u, u y = v, u z = w) ∂2 w ∂2 u ∂2 v + + = 0, 2 ∂x∂y ∂x∂z ∂x

∂2 u ∂2 v ∂2 w + + = 0 und ∂x∂y ∂y2 ∂y∂z

∂2 u ∂2 v ∂2 w = 0. + + ∂x∂z ∂y∂z ∂z2

Die Multiplikation mit u, v bzw. z ergibt u

∂2 v ∂2 w ∂2 u +u = −u 2 , ∂x∂y ∂x∂z ∂x

w

∂2 u ∂2 v ∂2 w +w = −w 2 . ∂x∂z ∂y∂z ∂z

v

∂2 u ∂2 w ∂2 v +v = −v 2 ∂x∂y ∂y∂z ∂y

und (4.3)

Weiter werden die Komponenten der Impulserhaltung (2.4) mit u, v bzw. z multipli­ ziert, was zu ρ (u

∂u ∂u ∂u ∂u ∂p ∂2 u ∂2 u ∂2 u + u2 + uv + uw ) + u = ηu ( 2 + 2 + 2 ) , ∂t ∂x ∂y ∂z ∂x ∂x ∂y ∂z

ρ (v ρ (w

∂u ∂u ∂u ∂p ∂2 v ∂2 v ∂2 v ∂v + uv + v2 + vw ) + v = ηv ( 2 + 2 + 2 ) ∂t ∂x ∂y ∂z ∂y ∂x ∂y ∂z

∂u ∂u ∂u ∂p ∂2 w ∂2 w ∂2 w ∂w + ) + uw + vw + w2 ) + w = ηw ( 2 + ∂t ∂x ∂y ∂z ∂z ∂x ∂y2 ∂z2

(4.4) und (4.5) (4.6)

führt. Die Wirkung der Gravitation kann vernachlässigt werden, weil die Geschwindig­ keit eine Konvektion erzwingt. Bei freier Konvektion muss man den Einfluss der Gra­ vitation wieder berücksichtigen. Der größte Aufwand besteht darin, alle Energieströme (Energie pro Zeit, Einheit Watt) zu erfassen, die zur zeitlichen Änderung der Gesamtenergie beitragen können. 1. Mit der Strömung wird dem Volumenelement pro Zeiteinheit Wärme und kineti­ sche Energie zu- oder abgeführt. Dies bezeichnen wir mit d G.̇ Offensichtlich be­ steht die Änderung aus zwei Energieanteilen. 2. Herrscht ein Druckgefälle, so wird am Volumenelement Arbeit verrichtet. Die Leis­ tungsänderung nennen wir d D.̇ 3. Infolge von Wärmeleitung steigt oder fällt die Energie pro Zeiteinheit im Volumen­ element um einen Wert d Q.̇ 4. Aufgrund der vorhandenen Reibung ergeben sich Normal- und Schubspannun­ gen, die ebenfalls Arbeit am Volumenelement verrichten. Die zeitliche Energie­ änderung sei d L.̇ Die Umwandlung von Energie in Folge der Reibung nennt man Dissipation.

86 | 4 Die Energieerhaltung reibungsbehafteter Strömungen

5. 6.

Energie kann von außen zugeführt werden oder es befinden sich Quellen oder Senken im Volumenelement. Von solchen Energieströmen sehen wir aber ab. Schließlich gibt es unter Umständen noch die pro Zeiteinheit am Volumenelement verrichtete Arbeit aufgrund der Schwerkraft, elektrischer oder magnetischer Kräf­ te, die wir ebenfalls nicht beachten.

Die Energieströme 1.–4. sollen nun im Einzelnen aufgeschrieben werden. 1. Für die Änderung d Ġ x in x-Richtung (Abb. 4.1) betrachtet man den Unterschied zwischen Ġ x und Ġ x+dx entlang einer Fläche dy dz. In 1. Näherung ist d Ġ x = Ġ x − Ġ x+dx = ρ (e + ≈ −ρ

c2 c2 ∂ c2 ) dV − ρ [(e + ) + [(e + ) u] dx + ⋅ ⋅ ⋅ ] dy dz 2 2 ∂x 2

c2 ∂ [(e + )u] dV . ∂x 2

Analog folgen die Anteile in y- und z-Richtung zu ∂ c2 [(e + ) v] dV d Ġ y = −ρ ∂y 2

und

∂ c2 d Ġ z = −ρ [(e + ) w] dV . ∂z 2

Mit Hilfe der Produktregel erhält man d Ġ = d Ġ x + d Ġ y + d Ġ z = −ρ [

∂ c2 c2 ∂u ∂ c2 + (e + ) u + (e + ) ⋅ (e + ) v] dV ∂x 2 2 ∂x ∂y 2

− ρ [(e + = −ρ [u

∂v ∂ c2 c2 ∂w c2 )⋅ + (e + ) w + (e + ) ⋅ ] dV 2 ∂y ∂z 2 2 ∂z

∂u ∂v ∂e ∂e ∂e ∂v ∂w ∂u +v +w + u2 + uv + uw + uv + v2 ] dV ∂x ∂y ∂z ∂x ∂x ∂x ∂y ∂y

− ρ [vw

∂w ∂u ∂v c2 ∂u ∂v ∂w ∂w + uw + vw + w2 + (e + ) ( + + )] dV ∂y ∂z ∂z ∂z 2 ∂x ∂y ∂z

Der letzte Term ist Null aufgrund der Kontinuitätsgleichung (2.3) und mit (4.1) schreibt sich die Gleichung weiter zu ∂T ∂T ∂T 1 ∂p ∂p ∂p d Ġ = −ρ [c p (u +v +w ) − ⋅ (u +v + w )] dV ∂x ∂y ∂z ρ ∂x ∂y ∂z − ρ [u 2

∂u ∂v ∂v ∂w ∂u ∂w ∂u + uv + uw + uv + v2 + vw + uw ∂x ∂x ∂x ∂y ∂y ∂y ∂z

+ vw

∂v ∂w + w2 ] dV . ∂z ∂z

87

4.1 Die Herleitung der Energieerhaltung |

Abb. 4.1: 1. Skizze zur Herleitung der Energie­ erhaltung

Die letzten neun Summanden werden mit Hilfe der Gleichungen (4.4)–(4.6) ersetzt. Das ergibt ∂T ∂T ∂T 2 ∂p ∂p ∂p d Ġ = −ρ [c p (u +v +w ) − ⋅ (u +v +w ) ∂x ∂y ∂z ρ ∂x ∂y ∂z ∂u ∂v ∂w − (u +v +w )] dV ∂t ∂t ∂t ∂2 v ∂2 v ∂2 v ∂2 u ∂2 u ∂2 u − ρ [νu ( 2 + 2 + 2 ) + νv ( 2 + 2 + 2 ) ∂x ∂y ∂z ∂x ∂y ∂z + νw (

∂2 w ∂2 w ∂2 w + + )] dV ∂x2 ∂y2 ∂z2

(4.7)

2. Die Kraft des Drucks p in x-Richtung auf die Fläche dy dz beträgt p dy dz. (Abb. 4.1). Die verrichtete Druckarbeit entlang der Strecke dx ist dann p dx dy dz und die Leis­ tung Ḋ x = (pu) dy dz. Für die Änderung folgt in 1. Näherung ∂ ∂ d Ḋ x = Ḋ x − Ḋ x+dx = (pu) dy dz − [(pu) + (pu) dx] dy dz = − (pu) dV . ∂x ∂x Für alle drei Raumrichtungen gilt insgesamt unter Verwendung der Produktregel und (2.3) ∂ ∂ ∂ d Ḋ = dḊ x + d Ḋ y + d Ḋ z = − [ (pu) + (pv) + (pw)] dV ∂x ∂y ∂z ∂p ∂p ∂u ∂v ∂w ∂p +v +w + p( + + )] dV ∂x ∂y ∂z ∂x ∂y ∂z ∂p ∂p ∂p +v + w ] dV . = − [u ∂x ∂y ∂z

= − [u

(4.8)

3. Nach dem Ansatz von Fourier (vgl. 4. Band) gilt für die in x-Richtung entlang der Fläche A weitergeleitete Wärmemenge Q̇ x = −λA dT dx mit der konstanten Wärmeleitfä­ W higkeit λ[ mK ] (Abb. 4.1). Dann folgt abermals in 1. Näherung dT dT ∂ dT ∂2 T dy dz − [−λ + (−λ ) dx] dy dz = λ 2 dV . d Q̇ x = Q̇ x − Q̇ x+dx = −λ dx dx ∂x dx ∂x Insgesamt erhält man für alle drei Richtungen ∂2 T ∂2 T ∂2 T d Q̇ = d Q̇ x + d Q̇ y + d Q̇ z = λ ( 2 + + 2 ) dV . ∂x ∂y2 ∂z

(4.9)

88 | 4 Die Energieerhaltung reibungsbehafteter Strömungen

Abb. 4.2: 2. Skizze zur Herleitung der Energieerhaltung

4. Aufgrund der Viskosität und der damit verbundenen Reibung wirkt auf jede der sechs Flächen des quaderförmigen Volumenelements entweder eine Schubspannung oder eine Normalspannung (Abb. 4.2). Beispielsweise erfährt die Fläche dy dz in x-Richtung eine Schubspannung der Größe σ xx dy dz. Die verrichtete Arbeit pro Zeit­ einheit beträgt dann σ̇ xx = σ xx u dy dz. Der erste Index bezeichnet die Richtung der Flächennormalen und der zweite Index die Spannungsrichtung. Für die Änderung in 1. Näherung erhält man d σ̇ xx = −σ xx u dy dz + [σ xx u +

∂ ∂ (σ xx u) dx] dy dz = (σ xx u) dV . ∂x ∂x

Ebenso folgen d τ̇ yx =

∂ (τ yx u) dV ∂y

und

d τ̇ zx =

∂ (τ zx u) dV . ∂z

Insgesamt erhält man durch zyklische Vertauschung d L̇ = d σ̇ xx + d τ̇ yx + d τ̇ zx + d τ̇ xy + d σ̇ yy + d τ̇ zy + d τ̇ xz + d τ̇ yz + d σ̇ zz =[

∂ ∂ ∂ ∂ ∂ (σ xx u) + (τ xy v) + (τ xz w) + (τ xy u) + (σ yy v)] dV ∂x ∂x ∂x ∂y ∂y

+[

∂ ∂ ∂ ∂ (τ yz w) + (τ xz u) + (τ yz v) + (σ zz w)] dV . ∂y ∂z ∂z ∂z

(4.10)

Zur Berechnung der neun Spannungsterme gehen wir von einem Newton’schen An­ satz aus (der Ansatz von Stokes ist etwas komplizierter). Im 3. Band hatten wir im Zu­ sammenhang mit der Plattengleichung beispielsweise die Winkeldeformation γ xy ei­ nes Volumenelements dx dy dz unter dem Einfluss der Geschwindigkeiten u in x-Rich­ dv tung und v in y-Richtung zu γ xy = du dy + dx bestimmt. Die zugehörige Spannung ist dann

4.1 Die Herleitung der Energieerhaltung

| 89

τ xy = ηγ xy . Die gesamte Deformation schreibt man auch mit Hilfe eines Tensors als τ xy σ yy τ zy

σ xx ( τ yx τ zx

2 ∂u τ xz ∂x ∂v + τ yz ) = η ( ∂u ∂y ∂x ∂u σ zz + ∂w ∂z

∂x

∂u ∂y

+

∂v ∂x 2 dv dy ∂w ∂v + ∂z ∂y

∂u ∂z ∂v ∂z

+

∂w ∂x + ∂w ∂y ) ∂w 2 ∂z

.

Nun gilt es, damit die neun Terme von (4.10) zu berechnen. ∂ ∂u ∂v ∂ ∂u ∂w ∂ ∂u [ u] + [( + ) v] + [( + ) w] ∂x ∂x ∂x ∂y ∂x ∂x ∂z ∂x ∂ ∂u ∂v + [( + ) u]} dV ∂y ∂y ∂x ∂ ∂v ∂w ∂ ∂u ∂w ∂ dv [ v] + [( + ) w] + [( + ) u] + {2 ∂y dy ∂y ∂z ∂y ∂z ∂z ∂x ∂ ∂v ∂w ∂ ∂w + [( + ) v] + 2 [ w]} dV ∂z ∂z ∂y ∂z ∂z

d L̇ = η {2

= η {2

∂u 2 ∂2 u ∂u ∂v ∂2 v ∂2 u u + 2 ( + v+ ) v + ⋅ } dV ∂x ∂x∂y ∂y ∂x ∂x2 ∂x2

+ η {( +η{

∂2 u ∂u ∂w ∂2 w ∂w 2 ∂v 2 w + ) + w+ ⋅ + ( ) } dV ∂x ∂x∂z ∂z ∂x ∂x ∂x2

∂2 v ∂u 2 ∂v ∂u ∂2 v ∂2 u u+ u+( ) + ⋅ + 2 2 v} dV 2 ∂x∂y ∂y ∂x ∂y ∂y ∂y

+ η {2 (

∂2 v ∂v ∂w ∂2 w ∂w 2 ∂v 2 w+ ) + w+ ⋅ +( ) } dV 2 ∂y ∂y∂z ∂z ∂y ∂y ∂y

+η{

∂2 w ∂2 u ∂u 2 ∂w ∂u ∂2 v u + v} dV u + ( ) + ⋅ + ∂x∂z ∂z ∂x ∂z ∂z2 ∂z2

+η{

∂w 2 ∂2 w ∂v 2 ∂w ∂v ∂2 w v+( ) + ⋅ + 2 2 w + 2( ) } dV . ∂y∂z ∂z ∂y ∂z ∂z ∂z

Verrechnen wir diesen Ausdruck unter Hinzunahme von (4.3), so bleibt übrig: d L̇ = η {2 [( + η {(

∂u ∂v 2 ∂u ∂w 2 ∂v ∂w 2 ∂u 2 ∂v 2 ∂w 2 ) +( ) +( ) ]+( + ) +( + ) +( + ) } dV ∂x ∂y ∂z ∂y ∂x ∂z ∂x ∂z ∂y

∂2 v ∂2 v ∂2 v ∂2 w ∂2 w ∂2 w ∂2 u ∂2 u ∂2 u + 2 + 2 ) u+( 2 + 2 + 2 ) v+( 2 + 2 + 2 ) w} dV . 2 ∂x ∂y ∂z ∂x ∂y ∂z ∂x ∂y ∂z (4.11)

Nun sind wir für die Energiestrombilanz bereit. Es gilt d Ė = d Ġ + d Ḋ + d Q̇ + d L̇

(4.12)

90 | 4 Die Energieerhaltung reibungsbehafteter Strömungen

Unter Verwendung von (4.2), (4.7)–(4.9) und (4.11) folgt ∂T 1 ∂p ∂u ∂v ∂w − ⋅ +u +v +w ) ∂t ρ ∂t ∂t ∂t ∂t ∂T ∂T ∂T 2 ∂p ∂p ∂p ∂u ∂v ∂w +v +w ) − ⋅ (u +v + w ) − (u +v +w )] = −ρ [c p (u ∂x ∂y ∂z ρ ∂x ∂y ∂z ∂t ∂t ∂t ρ (c p

− ρ [νu ( − [u

∂2 v ∂2 v ∂2 v ∂2 w ∂2 w ∂2 w ∂2 u ∂2 u ∂2 u + + ) + νv ( + + ) + νw ( + + )] ∂x2 ∂y2 ∂z2 ∂x2 ∂y2 ∂z2 ∂x2 ∂y2 ∂z2

∂p ∂p ∂2 T ∂2 T ∂2 T ∂p + 2) +v + w ]+ λ( 2 + ∂x ∂y ∂z ∂x ∂y2 ∂z

+ η {2 [( + η {u (

∂v 2 ∂w 2 ∂u ∂v 2 ∂u ∂w 2 ∂v ∂w 2 ∂u 2 ) +( ) +( ) ]+( + ) +( + ) +( + ) } ∂x ∂y ∂z ∂y ∂x ∂z ∂x ∂z ∂y

∂2 v ∂2 v ∂2 v ∂2 w ∂2 w ∂2 w ∂2 u ∂2 u ∂2 u + + + + + + + v + w ) ( ) ( )} . ∂x2 ∂y2 ∂z2 ∂x2 ∂y2 ∂z2 ∂x2 ∂y2 ∂z2

Die Verrechnung führt schließlich zur Energieerhaltung für Fluide und ideale Gase bei vorhandener Reibung:

ρc p (

∂T ∂T ∂T ∂T ∂p ∂p ∂p ∂p ∂2 T ∂2 T ∂2 T +u +v +w ) − ( +u +v +w ) − λ ( 2 + 2 + 2 ) ∂t ∂x ∂y ∂z ∂t ∂x ∂y ∂z ∂x ∂y ∂z

= η {2 [(

∂v 2 ∂w 2 ∂u ∂v 2 ∂u ∂w 2 ∂v ∂w 2 ∂u 2 ) +( ) +( ) ]+( + ) + ( + ) +( + ) } ∂x ∂y ∂z ∂y ∂x ∂z ∂x ∂z ∂y (4.13)

Die Einheit der Terme beträgt in dieser Darstellung [ mW3 ].

4.2 Die Herleitung der Temperaturgrenzschichtgleichung bei erzwungener Konvektion Die Strömung an einer Wand hatten wir für große Reynolds-Zahlen in zwei Gebiete zerlegt. Im Außengebiet wird der Impuls mittels Konvektion, dem Teilchentransport, al­ lein übertragen. Innerhalb der Grenzschicht muss der Reibungsanteil bei der Impuls­ änderung mit berücksichtigt werden. Wird der Strömung auch noch Wärme zugeführt, dann werden wir zeigen, dass die sich ausbildende Temperaturverteilung ebenfalls für große Reynolds-Zahlen in einen Grenzschichtbereich und einen Außenbereich zerle­ gen lässt. Dabei wird die Wärmeleitung außerhalb der Grenzschicht verglichen mit der erzwungenen Konvektion eine für den gesamten Wärmetransport untergeordnete Rolle spielen, während Konvektion und Wärmeleitung innerhalb der Grenzschicht in gleicher Größenordnung auftreten.

4.2 Die Herleitung der Temperaturgrenzschichtgleichung bei erzwungener Konvektion |

91

Die Randbedingungen unterscheiden sich von denjenigen des Strömungsfeldes. Das kann beispielsweise eine konstante Wand- und Außentemperatur oder eine kon­ stante Wärmestromdichte sein. Wir beschränken uns nun auf die stationäre Strömung einer parallel angeström­ ten Platte. Damit geht (4.13) über in ρc p (u

∂T ∂T ∂p ∂p +v ) − (u +v ) ∂x ∂y ∂x ∂y

= λ(

∂2 T ∂2 T ∂v 2 ∂u 2 ∂u ∂v 2 + + ) + η {2 [( ) + ( ) ] + ( ) } 2 2 ∂x ∂y ∂y ∂x ∂x ∂y

(4.14)

Analog zur Impulserhaltung in Kapitel 3.2 soll eine Größenabschätzung der einzel­ nen Terme für große Reynolds-Zahlen durchgeführt werden. Dazu verwenden wir die dimensionslosen Größen x∗ =

x , l

y∗ =

y , l

u∗ =

u , u∞

v∗ =

v , u∞

p∗ =

p ρc p ∆T

und

ϑ=

T − T∞ . ∆T

Dabei ist ∆T = TW − T∞ mit der Wandtemperatur TW . Man erhält ∂u ∂u ∗ ∂u ∗ ∂x∗ u ∞ ∂u ∗ ⋅ . = u∞ = u∞ = ⋅ ∂x ∂x ∂x∗ ∂x l ∂x∗ Analog folgen ∂u u ∞ ∂u ∗ = ⋅ ∂y l ∂y∗

∂v u ∞ ∂v∗ , = ⋅ ∂y l ∂y∗

und

∂v u ∞ ∂v∗ . = ⋅ ∂x l ∂x∗

Weiter gilt ∂T ∂ϑ ∂ϑ ∂x∗ ∆T ∂ϑ ⋅ = ∆T = ∆T = ⋅ ∂x ∂x ∂x∗ ∂x l ∂x∗ und folglich u

∂ϑ ∂T u ∞ ∆T . = ⋅ u∗ ∂x l ∂x∗

v

∂ϑ ∂T u ∞ ∆T . = ⋅ v∗ ∂y l ∂y∗

In gleicher Weise erhält man

Damit folgt auch ∂2 T ∂ ∂T ∆T ∂ϑ ∂x∗ ∆T ∂ ∂ϑ ∂ ∆T ∂2 ϑ = )= ( ⋅ ( )= ⋅ ( ⋅ )= 2 ⋅ 2 2 ∂x ∂x l ∂x ∂x∗ l ∂x∗ ∂x∗ ∂x ∂x l ∂x∗ und analog ∂2 T ∆T ∂2 ϑ = 2 ⋅ 2 . ∂y2 l ∂y∗

92 | 4 Die Energieerhaltung reibungsbehafteter Strömungen

Schließlich fehlt noch ∂p ∂p∗ ∂p∗ ∂x∗ ρc p ∆T ∂p∗ ⋅ = ρc p ∆T = ρc p ∆T = ∂x ∂x ∂x∗ ∂x l ∂x∗ ∂p ρc p ∆T ∂p∗ , = ∂y l ∂y∗

und

woraus u

∂p u ∞ ρc p ∆T ∂p∗ = ⋅ u∗ ∂x l ∂x∗

und

v

∂p∗ ∂p u ∞ ρc p ∆T = ⋅ v∗ ∂y l ∂y∗

entsteht. Gleichung (4.14) lautet dann u ∞ ρc p ∆T u ∞ ρc p ∆T ∂ϑ ∂ϑ ∂p∗ ∂p∗ + v∗ )− + v∗ ) (u ∗ (u ∗ l ∂x∗ ∂y∗ l ∂x∗ ∂y∗ =λ

u 2∞ ∆T ∂2 ϑ ∂2 ϑ ∂v∗ 2 ∂u ∗ 2 ∂u ∗ ∂v∗ 2 + + + + η + ( ( ) {2 [( ) ) ] ( ) } . ∂x∗ ∂y∗ ∂y∗ ∂x∗ l2 ∂x2∗ ∂y2∗ l2

Die Division durch

u∞ ρc p ∆T l

ergibt

∂ϑ ∂ϑ ∂p∗ ∂p∗ + v∗ ) − (u ∗ + v∗ ) ∂x∗ ∂y∗ ∂x∗ ∂y∗

(u ∗ =

∂2 ϑ ∂2 ϑ ηu ∞ ∂v∗ 2 ∂u ∗ ∂v∗ 2 ∂u ∗ 2 λ ( 2 + 2)+ ) +( ) ]+( + ) } . {2 [( u ∞ lρc p ∂x∗ ∂y∗ lρc p ∆T ∂x∗ ∂y∗ ∂y∗ ∂x∗

Mit der Prandtl-Zahl Pr =

cp η λ , der

Reynolds-Zahl Re = Ec =

ρu∞l η

und der Eckert-Zahl

u 2∞ c p ∆T

wird daraus (u ∗ =

∂ϑ ∂ϑ ∂p∗ ∂p∗ + v∗ ) − (u ∗ + v∗ ) ∂x∗ ∂y∗ ∂x∗ ∂y∗ 1 ∂v∗ 2 Ec ∂u ∗ ∂v∗ 2 ∂2 ϑ ∂2 ϑ ∂u ∗ 2 + ) +( ) ]+( ) } ( 2 + 2)+ {2 [( Pr ⋅ Re ∂x∗ ∂y∗ Re ∂x∗ ∂y∗ ∂y∗ ∂x∗

Um etwas feiner abzuschätzen, wählen wir wie bei der Impulserhaltung die Transfor­ mationen ỹ = y∗ ⋅ √Re und ṽ = v∗ ⋅ √Re. Das führt zu √Re ∂ϑ ∂ϑ ∂p∗ √Re ∂p∗ + + ) ⋅ ṽ ) − (u ∗ ⋅ ṽ ∂x∗ √Re ∂ ỹ ∂x∗ √Re ∂ ỹ ∂2 ϑ ∂2 ϑ 1 = ( 2 + Re 2 ) Pr ⋅ Re ∂x∗ ∂ ỹ

(u ∗

2

+

√Re ∂ ṽ ∂u ∗ ∂u ∗ 2 1 ∂ ṽ 2 Ec ) +( ) } {2 [( ) ] + (√Re ⋅ + ⋅ ⋅ Re ∂x∗ ∂ ỹ √Re ∂ ỹ √Re ∂x∗

4.2 Die Herleitung der Temperaturgrenzschichtgleichung bei erzwungener Konvektion |

93

Für große Reynolds-Zahlen kann man (unter Beachtung, dass für eine ebene oder leicht gekrümmte Platte ∂p ∂y ≈ 0 ist) schreiben: u∗

∂ϑ 1 ∂2 ϑ ∂u ∗ 2 ∂ϑ ∂p∗ + ṽ = − u∗ ⋅ 2 + Ec ⋅ ( ) . ∂x∗ ∂ ỹ ∂x∗ Pr ∂ ỹ ∂ ỹ

Eine erste Rücktransformation liefert u∗

∂ϑ ∂ϑ ∂p∗ 1 ∂2 ϑ Ec ∂u ∗ 2 + v∗ − u∗ = ⋅ 2 + ⋅( ) . ∂x∗ ∂y∗ ∂x∗ Pr ⋅ Re ∂y∗ Re ∂ ỹ

(4.15)

Die gesamte Rücktransformation führt zur Temperaturgrenzschicht ρc p (u

∂T ∂u 2 ∂T ∂p ∂2 T +v )−u = λ 2 + η( ) . ∂x ∂y ∂x ∂y ∂y

(4.16)

In der Temperaturgrenzschicht ist sowohl die Konvektion, die Wärmeleitung, als auch die Dissipation als Wärmetransportart vertreten. Die neue dimensionslose Größe, die Prandtl-Zahl Pr = αν , verknüpft die Impuls­ übertragung (über die kinematische Viskosität ν) mit dem Wärmetransport (über die Temperaturleitfähigkeit α = ρcλ p ). Die Prandtl-Zahl bindet somit die Gleichung (3.9) der Impulserhaltung in der Grenzschicht an Gleichung (4.16). Die durchgeführte Dimensionsanalyse führt zu einer neuen Kenngröße, der u2 Eckert-Zahl Ec = c p ∞ ∆T . Nehmen wir dazu an, die Strömung sei inkompressibel. Die Anströmgeschwindigkeit ist u ∞ = 10 ms und die Temperaturdifferenz ∆T = TW − T∞ = 10 K. Dann erhält man mit c p,Wasser = 4200 kgJ K und c p,Luft = 1000 kgJ K die Werte EcWasser = 0,002 und EcLuft = 0,01. Für diesen Geschwindigkeits- und Tempera­ turdifferenzbereich bleibt die Eckert-Zahl klein gegenüber der Prandtl-Zahl. Anders sieht es aus, wenn entweder u ∞ wächst und/oder ∆T fällt. Bei größeren Geschwin­ 2 digkeiten nimmt die Eckert-Zahl und damit der Einfluss der Dissipation ( ∂u ∂y ) in Gleichung (4.15) zu. Zudem können die Stoffwerte dann auch nicht mehr als konstant betrachtet werden. Wenn ∆T sehr klein wird, bildet sich auch ohne Wärmeleitung ein Temperaturprofil aus, nämlich aufgrund der eben erwähnten großen Dissipation. Die Wandtemperatur ist dann größer als die Umgebungstemperatur. Aus den gemachten Bemerkungen kann man die Eckert-Zahl somit als Maß für den Einfluss der Reibung zur Temperaturerhöhung oder als Maß für die Kompressibilität einer Strömung anse­ hen. Für die weitere vereinfachte Rechnung sollte die Eckert-Zahl klein bleiben, also u2∞ etwa ∆T ≤ 50. Im Fall einer inkompressiblen Strömung sind die beiden Gleichungen (3.10) und (4.16) entkoppelt: Da alle Stoffgrößen konstant, also unabhängig von der Temperatur (die Unabhängigkeit vom Druck setzen wir der Einfachheit halber voraus) sind, be­ stimmt man aus (3.10) das Geschwindigkeitsfeld, setzt die Lösung in (4.16) ein und erhält daraus das Temperaturfeld.

94 | 4 Die Energieerhaltung reibungsbehafteter Strömungen

Eine inkompressible Strömung kann dann vorliegen, wenn die Oberfläche mit ei­ ner Mach-Zahl Ma > 0,3 angeströmt wird oder die Temperaturdifferenz zwischen Oberfläche und Außentemperatur sehr groß ist. Die Eckert-Zahl wird dann zwar klein, doch die Stoffgrößen, auch bei kleiner Anströmgeschwindigkeit, müssen als von der Temperatur abhängig betrachtet werden. In diesem Fall sind (3.10) und (4.16) gekop­ pelt. Die vier Größen Dichte ρ, Viskosität η, Wärmeleitfähigkeit λ und spezifische Wär­ mekapazität c p werden dann als Funktion der Temperatur angesetzt. Für Luft lauten die Ansätze T(x, y) 0,78 η =( ) , η∞ T∞ cp T(x, y) 0,07 =( ) c p∞ T∞

λ T(x, y) 0,85 =( ) , λ∞ T∞ und

ρ T(x, y) = . ρ∞ T∞

Die letzte Gleichung folgt aus der idealen Gasgleichung. Die Werte mit dem Index „un­ endlich“ sind Referenzwerte der Außenströmung. Schließlich soll noch bemerkt werden, dass die Eigenerwärmung des Fluids auf­ grund der Strömungsgeschwindigkeit im Vergleich zur Fremderwärmung einen klei­ nen Einfluss hat. Aus (4.1) folgt mit der Bernoulli-Gleichung 12 ρu 2 + p = konst. der schon im 5. Band hergeleitete Energiesatz für eine stationäre isentrope Strömung 1 2 2 2 (u + v ) + c p T = konst. Ausgewertet an der Wand bzw. an der Außenströmung folgt 1 2 2 u ∞ + c p T ∞ = c p T EW . Dabei bezeichnet T EW die Temperatur an der Wand aufgrund der Eigenerwärmung. Mit der lokalen Schallgeschwindigkeit c∞ = √κRS T∞ zeigten wir ebenfalls im 5. Band, dass TEW − T∞ κ − 1 2 = Ma , T∞ 2 ∞ und κ den Isentropenexponent bezeichnet. Nimmt man T∞ = 293 K, wobei Ma = uc ∞ κ = 1,4 (Luft) und Ma = 0,03, was u ∞ = 10 ms entspricht, so erhält man lediglich TEW − T∞ = 0,05 K.

4.3 Die Dicke der Temperaturgrenzschicht bei erzwungener Konvektion Im Weiteren betrachten wir eine parallel angeströmte Platte, so dass der Druckgradi­ ent ∂p ∂x entfällt. Zudem soll, wie im vorigen Kapitel ausgeführt, die Eckert-Zahl klein sein. In diesem Fall lautet Gleichung (4.15) zusammen mit (3.9) ∂u ∗ ∂u ∗ 1 ∂2 u∗ + v∗ − = 0 und ⋅ ∂x∗ ∂y∗ Re ∂y2∗ ∂ϑ ∂ϑ 1 ∂2 ϑ + v∗ − ⋅ 2 =0. u∗ ∂x∗ ∂y∗ Pr ⋅ Re ∂y∗

u∗

(4.17) (4.18)

4.3 Die Dicke der Temperaturgrenzschicht bei erzwungener Konvektion |

95

Man erkennt, dass an die Stelle von Re bei der Impulserhaltung nun Pr ⋅ Re bei der En­ ergieerhaltung getreten ist. Von der Strömungsgrenzschichtdicke δS wissen wir, dass 1 sie mit √Re wächst, also δS ∼ Re− 2 . Folglich müsste man mit einer Temperaturgrenz­ 1 1 1 schichtdicke von δT ∼ Pr− 2 ⋅ Re− 2 rechnen. Das Verhältnis wäre dann δδTS ∼ Pr− 2 . Es fragt sich, ob dieser Verlauf auch bei sehr kleinen Grenz- oder Temperaturschichten der Fall ist. Dazu betrachten wir zuerst 1. δS → 0 (Abb. 4.3 links). Bei einer sehr kleinen Strömungsgrenzschicht ist v∗ ≈ 0 und das Fluid fließt innerhalb der Temperaturgrenzschicht praktisch mit einer Ge­ schwindigkeit, die der Außenströmung entspricht: u ∗ (x, y) ≈ u ∗∞ . Gleichung (4.18) lautet dann ∂ϑ 1 ∂2 ϑ u ∗∞ = ⋅ 2 . ∂x∗ Pr ⋅ Re ∂y∗ Als dimensionslose Größen sind u ∗∞ , ϑ und x∗ alle von der Größenordnung 1, woge­ gen y∗ die Ordnung δT besitzt. Insgesamt folgt 1 1 ∼1, ⋅ Pr ⋅ Re δ2T

δT ∼ Pr− 2 ⋅ Re− 2 1

1

und schließlich 1 δT ∼ Pr − 2 . δS

In diesem Fall stimmt somit die oben gemachte Voraussage. Aus dem Ergebnis ent­ nimmt man auch, dass sehr kleine Strömungsgrenzschichten sehr kleinen PrandtlZahlen entsprechen: Aus δS → 0 folgt Pr → 0. 2. δT → 0 (Abb. 4.3 rechts). Eine dünne Temperaturgrenzschicht hat zur Folge, dass die Geschwindigkeitsverteilung innerhalb dieser Schicht praktisch linear verläuft: ∂u∗ u∗ ∂y∗ ≈ y∗ . Dabei ist y ∗ von der Ordnung δ T und die Ordnung von u ∗ muss noch be­ stimmt werden. Zudem wird die Spannung praktisch nur von der Wandspannung hervorgerufen: τ(x, y) ≈ τW (x). Diese müssen wir noch entdimensionieren: ε(x) = Aus (3.27) ist bekannt, dass ε(x) ∼ τW (x) = η (

τW (x) . ρu 2∞

1 . Für √Re

die Wandspannung gilt

∂u u∞ u∗ u ∞ ∂u ∗ )=η )=η ( . ∂y l ∂y∗ y∗ l

Zusammen folgt u∗ =

ρu ∞ ε(x)l y∗ = Re ⋅ ε(x) ⋅ y∗ . η

96 | 4 Die Energieerhaltung reibungsbehafteter Strömungen

Dann benötigen wir noch die Ordnung von v∗ . Dazu schreiben wir die Kontinuitäts­ ∂v ∗ ∗ gleichung ∂u ∂x ∗ + ∂y∗ = 0 in integraler Form zu y∗

y∗

0

0

∂u ∗ ∂ε(x) ∂ε(x) y2∗ v∗ = − ∫ dy∗ = Re ⋅ ∫ y∗ dy∗ = Re ⋅ ⋅ . ∂x∗ ∂x∗ ∂x∗ 2 Insgesamt schreibt sich (4.18) zu Re ⋅ ε(x) ⋅ y∗ ⋅

∂ϑ ∂ε(x) y2∗ ∂ϑ 1 ∂2 ϑ + Re ⋅ ⋅ − ⋅ ⋅ 2 =0. ∂x∗ ∂x∗ 2 ∂y∗ Pr ⋅ Re ∂y∗

All Terme besitzen nun dieselbe Dimension 1, also Re ⋅

1 1 1 1 1 ∼ ∼1. ⋅ ⋅ δT ⋅ 1 ∼ Re ⋅ ⋅ δ2 ⋅ √Re √Re T δT Pr ⋅ Re δ2T

Daraus erhält man nacheinander √Re ⋅ δT ∼

1 1 ⋅ 2 , Pr ⋅ Re δT

δ3T ∼ Pr−1 ⋅ Re− 2 , 3

δT ∼ Pr− 3 ⋅ Re− 2 1

1

und schließlich δδTS ∼ Pr− 3 . Dieses Ergebnis weicht von der weiter oben gemachte Vor­ aussage ab. Damit entsprechen sehr kleine Temperaturgrenzschichten sehr großen Prandtl-Zahlen: Aus δT → 0 folgt Pr → ∞. Zusammenfassend kann man sagen, dass man mit einem Verhältnis der Grenz­ schichtdicken von δδTS ∼ Pr−n , 13 < n < 12 rechnen kann. Dabei richtet sich der Exponent nach der Prandtl-Zahl. Gleiche Grenzschichtdicken erhält man für Pr = 1 (Abb. 4.3 mitte). In Abb. 4.3 sind die drei Fälle festgehalten: Pr ≪ 1 (Flüssige Metalle), Pr ≈ 1 (Gase, Wasser bei hohen Temperaturen) und Pr ≫ 1 (Öle). 1

Abb. 4.3: Skizzen zur Strömungsgrenzschicht- und Temperaturgrenzschichtdicke

4.4 Die Lösung der Temperaturgrenzschichtgleichung für Pr = 1, TW = konst.

| 97

4.4 Die Lösung der Temperaturgrenzschichtgleichung für Pr = 1, TW = konst . Ausgangspunkt ist immer noch eine Plattenströmung. Gesucht sind die Lösungen T(x, y) der Gleichung ∂T ∂2 T ∂T λ u ⋅ (4.19) +v = ∂x ∂y ρc p ∂y2 Das bekannte Geschwindigkeitsprofil u(x, y) wird dabei mit Hilfe von u

∂u ∂u ∂2 u +v =ν⋅ 2 ∂x ∂y ∂y

ermittelt. Setzt man ν = ρcλ p , so bedeutet das Pr = 1. In diesem Fall führen beide DGLen zu ähnlichen Lösungen. Die Lösungen von u(x, y) und T(x, y) unterscheiden sich aber bezüglich der Randbedingungen. Zu u(y = 0) = 0 gehört nicht etwa T(y = 0) = 0, sondern T(y = 0) − TW = 0, also T = TW . Insgesamt lauten die Randbedingungen: Für y = 0 ist u = v = 0 und T = TW = konst. und für y = δ ist u = u δ = u ∞ und T = T δ = T∞ . Der Ansatz T = uu∞ (T∞ − TW ) + TW erfüllt beide Bedingungen, so dass man auch T u TW TW = (1 − )+ T∞ u∞ T∞ T∞

(4.20)

u T − TW = u∞ T∞ − TW

(4.21)

oder

schreiben kann. Gleichung (4.21) entnimmt man, dass mit bekanntem Verlauf von uu∞ , z. B. dem Blasius- oder Pohlhausen-Profil, auch das Temperaturprofil bestimmt ist. Man muss aber zwischen Heizung und Kühlung unterscheiden. Dazu benutzen wir W (4.20) und setzen γ := 1 − TT∞ . Folgende drei Fälle sind möglich (Abb. 4.4): TW T u T T ∞ = γ ⋅ u∞ + T ∞ mit γ > 0. Damit erhält man T ∞ W grafisch durch Streckung von uu∞ mit dem Faktor γ plus eine Verschiebung um TT∞ . TW Aus T∞ = 1 (keine Wärmeleitung) folgt T = TW mit γ = 0. Es entsteht keine

1a. Aus 2a.

TW T∞

< 1 (Kühlung) folgt

Grenzschicht. Grafisch entspricht das einer senkrechten Geraden. W W > 1 (Heizung) folgt TT∞ = γ ⋅ uu∞ + TT∞ mit γ < 0. Der Verlauf von TT∞ ergibt 3a. Aus TT∞ y u sich durch Spiegelung von u∞ an der δ -Achse und anschließende Verschiebung um

TW T∞ .

Bemerkung. Nehmen wir beispielsweise den Fall 1a. Es handelt sich bei T∞ > TW um eine Kühlung der Wand. Bei einer Anströmung mit einer größeren Temperatur als die Wandtemperatur würde sich die Wand erwärmen. Da aber TW konstant gehalten werden muss, was in allen Fällen die Bedingung ist, muss die Wand somit gekühlt werden.

98 | 4 Die Energieerhaltung reibungsbehafteter Strömungen

Abb. 4.4: Temperaturprofile mit und ohne Dissipation

Lassen wir für einen Moment gemäss (4.16) die Dissipation neben der Wärmeleitung als Ursache für die Temperaturänderung zu, dann ändern sich die Verläufe 1a–3a in Abb. 4.4. Aufgrund der Diffusion (Impulstransport in y-Richtung), in Gleichung (3.13) 2 durch den Term ν ∂∂yu2 gekennzeichnet, kommt es in der Temperaturgrenzschicht zu einer Umwandlung von kinetischer Energie in Reibungsenergie. Die Größe dieser Dis­ sipation ist in Gleichung (4.16) durch den letzten Term auf der rechten Seite beschrie­ ben. Deswegen setzen wir du 2 Diss := η ( ) . dy Mit Hilfe von (3.18) wird daraus 2

Diss := η ⋅ ψ2yy = η ⋅ [u ∞ √

u ∞ 󸀠󸀠 ⋅ f (ξ)] ∼ η ⋅ u 3∞ . νx

Wie schon im Zusammenhang mit der Eckert-Zahl erwähnt, wächst der Einfluss der Dissipation mit steigender Anströmungsgeschwindigkeit und mit wachsender Visko­ sität. Glycerin hätte gegenüber Wasser eine 120-fache Dissipation. Jetzt wollen wir klären, wie die angesprochene Änderung der Temperaturverläufe in Abb. 4.4 qualitativ aussieht. Die Dissipation verursacht eine Temperaturerhöhung ∆TDiss , so dass wir für die gesamte Temperatur TGW an der Wand TGW = TW + ∆TDiss schreiben können. Dabei bezeichnet TW die Wandtemperatur bei Vernachlässigung der Reibung. Daraus folgt TGW TW = + ∆ϕ T∞ T∞

mit

∆ϕ =

∆TDiss T∞

und wir können zu den Fällen 1a–3a die entsprechenden Fälle 1b–3b hinzunehmen (Abb. 4.4): 1a. Diss = 0, mit Wärmeleitung (Kühlung) 1b. Diss ≠ 0, mit Wärmeleitung (Kühlung) 2a. Diss = 0, keine Wärmeleitung 2b. Diss ≠ 0, keine Wärmeleitung

4.4 Die Lösung der Temperaturgrenzschichtgleichung für Pr = 1, TW = konst.

| 99

3a. Diss = 0, mit Wärmeleitung (Heizung) 3b. Diss ≠ 0, mit Wärmeleitung (Heizung) Dabei ist die Temperaturänderung als Folge der Dissipation grau gekennzeichnet. Eine interessante Folgerung ergibt sich, wenn man das Temperaturprofil (4.20) nach y ableitet: ∂T T∞ − TW ∂u ⋅ = . ∂y u∞ ∂y Mit y∗ = yl , u ∗ =

u u∞

und ϑ =

T−T W T ∞ −T W

folgt nacheinander

∂u ∗ ∂ϑ T∞ − TW ⋅ u∞ = , ∂y u∞ ∂y T∞ − TW ∂u ∗ ∂ϑ = , ⋅ ⋅ ∂y∗ l ∂y∗ ∂ϑ ∂u ∗ = ∂y∗ ∂y∗

(T∞ − TW ) T∞ − TW l

und insbesondere an der Wand (

∂u ∗ ∂ϑ ) =( ) . ∂y∗ W ∂y∗ W

(4.22)

Dies bezeichnet man als Reynolds-Analogie. Sie verknüpft den Wärmeübergang mit der Normalspannung an der Wand. Die charakteristischen Größen dafür sind die Nusselt-Zahl und der örtliche Reibungsbeiwert c f (x) (vgl. (3.29)). Die Nusselt-Zahl wurde im 4. Band als Nud = α(x)⋅d eingeführt, wobei d den Durchmesser des durch­ λ strömten Rohrs bezeichnete. Für die Platte ist die charakteristische Größe ihre Länge l, W also Nul = α(x)⋅l λ . Der sogenannte Wärmeübergangskoeffizient α in [ m2 K ] entspricht q̇ W q̇ W W dem Verhältnis α = ∆T = T∞ −TW mit der Wärmestromdichte q̇ W = λ( ∂T ∂y )W in [ m2 ]. Somit ist q̇ W l Nul = . λ(T∞ − TW ) Mit

∂T ∂y

=

T ∞ −T W l



∂ϑ ∂y∗

folgt Nul = (

∂ϑ ) . ∂y∗ W

Nun zum Reibungsbeiwert. Aus τW = η (

∂u u ∞ ∂u ∗ ) ) =η ( ∂y W l ∂y∗ W

und τW (x) = 12 c f (x)ρu 2∞ (3.28) folgt 1 ∂u ∗ ) c f (x)ρu ∞ l = η ( 2 ∂y∗ W

(4.23)

100 | 4 Die Energieerhaltung reibungsbehafteter Strömungen

und damit (

1 ∂u ∗ ) = c f (x) ⋅ Rel . ∂y∗ W 2

(4.24)

Mit (4.23) und (4.24) schreibt sich die Reynolds-Analogie (4.22) als Nul = 12 c f (x) ⋅ Rel . Die Multiplikation mit xl führt zu Nux = 12 c f (x)⋅Re x . Entnehmen wir c f (x) = 0,662 (3.29) √Rex aus der Blasius-Lösung, so erhalten wir Nu x = 0,331 ⋅ √Re x . Der lokale Wärmeübergangskoeffizient α(x) =

Nu x ⋅ λ u∞ 1 = 0,331 ⋅ λ√ ∼ x νx √x

verkleinert sich auf dieselbe Weise wie c f (x) ∼

1 , eine weitere Analogie. Häufig inter­ √x

essiert weniger der lokale Übergangskoeffizient als vielmehr der gemittelte Wert α m (x) über eine Lauflänge von x (mit diesen gemittelten Werten wurde im gesamten 4. Band gerechnet). Man erhält α m (x) =

x

x

0

0

1 u∞ 1 1 0,331 ⋅ λ u ∞ √ ∫ α(x) dx = ∫ dx = 0,662 ⋅ λ√ = 2 ⋅ α(x) . ⋅ x x ν ν √x √x

Die lokale Nusselt-Zahl ergibt sich vorerst zu Nux =

α(x) ⋅ x = 0,331 ⋅ √Re x . λ

(4.25)

Das Ergebnis (4.25) muss noch mit einem Korrekturfaktor K versehen werden. Dieser Faktor berücksichtigt die Richtung des Wärmestroms. Weil die Stoffwerte temperatur­ abhängig sind, spielt es eine Rolle, ob es sich um eine Heizung oder eine Kühlung des Fluids handelt (siehe insbesondere Übung 19). Experimente ergeben für Flüssigkeiten K=(

PrFluid 0,25 . ) PrWand

Bei Gasen kann K = 1 gesetzt werden. Die Bestimmung der Prandtl-Zahl des Fluids W PrFluid erfolgt dann bei einer Bezugstemperatur TB = TF +T 2 , wobei die Fluidtempera­ tur selber eine über die Plattenlänge gemittelte Temperatur TFluid =

TFluid,x=0 + TFluid,x=l 2

darstellt. Gesamthaft gilt Nux = 0,331 ⋅ √Rex ⋅ (

Pr 0,25 ) . PrW

(4.26)

4.5 Die Lösung der Temperaturgrenzschichtgleichung für Pr > 1, TW = konst.

| 101

Bemerkung. Um es ganz präzis zu formulieren, nochmals im Einzelnen: Die Zahl entspricht dem lokalen Übergang an der Stelle x. Falls nur die mittlere Nux (x) = α(x)⋅x λ Nusselt-Zahl bis zu einem Teil x der gesamten Plattenlänge interessiert, betrachtet man Num,x (x) = αm (x)⋅x . Meistens ist die mittlere Nusselt-Zahl entlang der gesamten λ Platte von Interesse. Dann gilt Num,l = αmλ(l)⋅l und man schreibt kurz Num = αmλ ⋅l . Im letzten Fall bekäme (4.26) die Gestalt Num = 0,662 ⋅ √Rel ⋅ (

Pr 0,25 ) . PrW

(4.27)

Aufgabe Bearbeiten Sie die Übung 11.

4.5 Die Lösung der Temperaturgrenzschichtgleichung für Pr > 1, TW = konst . Bei den Lösungen für Pr > 1 und Pr < 1 wird es sich jeweils um eine Näherungslösung handeln. Wir bestimmen zuerst die Integralform der Gleichung (4.19) ähnlich wie bei der Impulserhaltung. Dazu ersetzen wir in (4.19) T durch T − T∞ und erhalten ρc p [u

∂(T − T∞ ) ∂(T − T∞ ) ∂2 (T − T∞ ) . +v ]=λ⋅ ∂x ∂y ∂y2

Mit Hilfe der Produktregel folgt ρc p (

∂ ∂ ∂u ∂v ∂2 (T − T∞ ) [u(T − T∞ )] + [v(T − T∞ )] − (T − T∞ ) − (T − T∞ )) = λ⋅ ∂x ∂y ∂x ∂y ∂y2

und aufgrund der Kontinuitätsgleichung ρc p (

∂ ∂ ∂2 (T − T∞ ) [u(T − T∞ )] + [v(T − T∞ )]) = λ ⋅ ∂x ∂y ∂y2

Weiter integrieren wir über y von Null bis δT : δT

δT

δT

0

0

0

∂ ∂ ∂2 (T − T∞ ) ρc p ( ∫ dy . [u(T − T∞ )] dy + ∫ [v(T − T∞ )] dy) = λ ∫ ∂x ∂y ∂y2 Beachtet man, dass

∂T ∞ ∂y

= 0, dann wird daraus nacheinander

δT

d ∂T y=δT y=δ ρc p [ ∫ u(T − T∞ ) dy + [v(T − T∞ )] y=0T ] = λ [ ] dx ∂y y=0 0 [ ] δT

und

d ∂T ρc p [ ∫ u(T − T∞ ) dy + v(T∞ − T∞ ) − 0 ⋅ (TW − T∞ )] = 0 − λ ( ) . dx ∂y W 0 [ ]

102 | 4 Die Energieerhaltung reibungsbehafteter Strömungen

Schließlich erhält man die Integralform von (4.19): δT

d [ ∂T ρc p ∫ u(T − T∞ ) dy] = −λ ( ) . dx ∂y W ] [0

(4.28)

Zur Lösung setzen wir die dimensionslose Temperatur wie anhin als ϑ=

T − TW T∞ − TW

(4.29)

an. ϑ(x, y) soll, durch ein Polynom 3. Grades ϑ(x, y) = a + b (

2 3 y y y )+c( ) +d( ) δT (x) δT (x) δT (x)

approximert werden. Die Randbedingungen lauten: I.

ϑ=0

für

y=0

II.

∂2 ϑ =0 ∂y2

für

y=0

III.

ϑ=1

für

y = δT

IV.

∂ϑ =0 ∂y

für

y = δT .

und

Die Bedingung II. bedeutet, dass die Änderung der Wärmeleitung an der Wand am größten ist, was auch unmittelbar folgt, wenn man in (4.19) u = v = 0 setzt. Bedingung IV. entspricht der Forderung, dass sich die Temperatur gegenüber der Außentemperatur nicht mehr ändern soll. Es folgen nacheinander a = 0 aus I., c = 0 aus II. und b + d = 1 und b + 3d = 0 aus den beiden restlichen Bedingungen. Daraus entnimmt man b = 32 , d = − 21 und das zugehörige Temperaturprofil ϑ(x, y) =

3 y 1 y 3 ( )− ( ) . 2 δT 2 δT

(4.30)

Es ist (entgegen dem Pohlhausen-Profil) sinnvoll, für das Geschwindigkeitsprofil die­ selbe Funktion zu wählen: 3 y 1 y 3 u (x, y) = ( ) − ( ) . u∞ 2 δS 2 δS

(4.31)

2

∂ u Damit lässt man die Forderung ∂y 2 ( u ) y=δ S = 0 fallen, dass die Diffusion an der Grenz­ ∞ schicht vollständig zum Erliegen kommt. Aus (4.29) folgt nacheinander T = ϑ(T∞ − TW ) + TW ,

T − T∞ = ϑ(T∞ − TW ) + TW − T∞

und

T − T∞ = −(1 − ϑ)(T∞ − TW ) .

(4.32)

4.5 Die Lösung der Temperaturgrenzschichtgleichung für Pr > 1, TW = konst.

|

103

Zudem gilt ∂T ∂ϑ = (T∞ − TW ) . ∂y ∂y

(4.33)

Einsetzen von (4.32) und (4.33) in (4.28) führt zu δT

d [ ∂ϑ −ρc p ∫ u(1 − ϑ) dy] (T∞ − TW ) = −λ ( ) ⋅ (T∞ − TW ) oder dx ∂y W ] [0 δT

∂ϑ d [ ρc p ∫ u(1 − ϑ) dy] = λ ( ) . dx ∂y W ] [0

(4.34)

Als Nächstes bestimmen wir den Integranden von (4.34). Es gilt 3 y 1 y 3 3 y 1 y 3 u(1 − ϑ) = u ∞ [ ( ) − ( ) ] ⋅ [1 − ( ) + ( ) ] 2 δS 2 δS 2 δT 2 δT 3 y 9 y y 3 y y 3 1 y 3 = u∞ [ ( ) − ( ) ( ) + ( ) ( ) − ( ) 2 δS 4 δS δT 4 δS δT 2 δS 3 3 3 3 y 3 y y 1 y + ( ) ( )− ( ) ( ) ] . 4 δS δT 4 δS 4 δT Die Integration von Null bis δT ergibt u(1 − ϑ) = u ∞ ( = u∞ (

3 δ2T 3 δ2T 3 δ2T 1 δ4T 3 δ4T 1 δ4T − ⋅ + − ⋅ 3 + ) ⋅ ⋅ ⋅ 3 − ⋅ 4 δS 4 δS 20 δS 8 δS 20 δS 28 δ3S δ4 3 3 3 δ2T 3 − ⋅ ⋅ T3 ) = u ∞ δS ( ⋅ Ω2 − ⋅ Ω4 ) 20 δS 280 δS 20 280

mit

Ω=

δT . δS

Mit Hilfe von (4.30) bestimmen wir noch λ(

∂ϑ 3 3 y2 3λ 3λ − ⋅ 2) = = ) = λ( . ∂y W 2δT 2 δT W 2δT 2δS Ω

(4.35)

Damit schreibt sich (4.34) als d 3 3 3 [δS ( ⋅ Ω2 − ⋅ Ω4 )] = k ⋅ dx 20 280 2u ∞ δS Ω

mit

k=

λ . ρc p

(4.36)

Die Gleichung ließe sich numerisch lösen. Für eine analytische Lösung vernachlässi­ gen wir Ω4 gegenüber Ω2 , weil mit Pr > 1 auch δS > δT ist (vgl. Abb. 4.3). d (δS Ω2 ) = 10k Es verbleibt dann δS Ω ⋅ dx u∞ . Ausdifferenziert erhält man dδS dΩ 10k ⋅ Ω2 + 2δS Ω ⋅ )= dx dx u∞ dδ dΩ 10k S . δS Ω3 ⋅ + 2δ2S Ω2 ⋅ = dx dx u∞ δS Ω ⋅ (

oder (4.37)

104 | 4 Die Energieerhaltung reibungsbehafteter Strömungen Nun führen wir dieselbe Rechnung an (3.41) durch. Da u δ = u ∞ , erhält man mit (3.23) u 2∞ ⋅

dδ2 τW η ∂u = = ( ) . dx ρ ρ ∂y W

(4.38)



Dabei ist δ2 = ∫0 uu∞ (1 − uu∞ ) dy gemäss (3.23) gegeben. Mit dem Profil (4.31) entsteht aus (4.38) dieselbe DGL wie (4.37), außer, dass hier δT = δS ist und anstelle von k nun die dynamische Viskosität ν steht. Grund dafür ist die Wahl des Geschwindigkeitspro­ fils identisch zum Temperaturprofil. (Für Pr = 1 sind beide Profile gleich, so dass eine Polynomfunktion als Ersatzprofil unnötig war.) Deswegen können wir Ω = 1 setzen und (4.36) reduziert sich zu d 3 3 3ν . [δS ( − )] = dx 20 280 2u ∞ δS Man erhält δS ⋅

dδS 140ν = dx 13u ∞

1 2 140ν x. δ = 2 S 13u ∞

und

(4.39)

Diese Terme setzen wir in (4.37) ein, was zu λ 140ν 3 560νx 2 dΩ 10 Ω + Ω ⋅ ⋅ = 13u ∞ 13u ∞ dx u ∞ ρc p führt. Weiter verrechnet, erhalten wir Ω3 + 4xΩ2 ⋅

dΩ 13 = dx 14Pr

oder

Ω3 +

4x d 13 ⋅ (Ω3 ) = . 3 dx 14Pr

(4.40)

d 3 Zur Lösung betrachten wir vorerst die homogene DGL Ω3 + 4x 3 ⋅ dx (Ω ) = 0 mit dem 4x 3 m m m−1 = 0 und es folgt Ansatz Ω (x) = C ⋅ x . Eingesetzt entsteht C ⋅ x + 3 ⋅ Cm ⋅ x 3 1 + 43 ⋅ m = 0, m = − 43 und damit Ω3 (x) = C ⋅ x− 4 . Da die rechte Seite von (4.40) ei­ ne Konstante ist, benötigt man die Methode von Lagrange nicht. Es ist offensichtlich, dass 3 13 Ω3 (x) = C ⋅ x− 4 + 14Pr

die Gleichung (4.40) löst. Zur Bestimmung der Konstanten C gehen wir von einer adia­ baten Wand (TW = T∞ ) bis zur Stelle x = x0 aus, danach soll die Kühlung oder die Heizung einsetzen. Folglich setzt dann die Temperaturgrenzschicht erst bei x = x0 ein, d. h., es gilt δT (x = x0 ) = 0 und somit auch Ω(x = x0 ) = Aus 0 = C ⋅ x0 − 4 + 3

13 14Pr

C=−

δT (x = x0 ) =0. δS

folgt

3 13 x0 4 14Pr

3

und

Ω3 (x) =

13 x0 4 [1 − ( ) ] . 14Pr x

4.5 Die Lösung der Temperaturgrenzschichtgleichung für Pr > 1, TW = konst.

| 105

Setzen wir den Beginn der Kühlung oder der Heizung an die Vorderkante der Platte, 13 und endlich dann ist x0 = 0 und man erhält Ω3 (x) = 14Pr 1

1 1 δT 13 3 = ( ) ⋅ Pr− 3 ≈ 0,976 ⋅ Pr− 3 . δS 14

(4.41)

Damit wird das Ergebnis am Ende von Kapitel 4.3 für δT → 0 bestätigt. Für Pr = 1 müsste der Faktor in (4.41) eigentlich 1 sein. Der kleine Fehler rührt von der Ver­ nachlässigung von Ω4 gegenüber Ω2 her. Benutzt man das Ergebnis (4.39), so wird aus (4.41) 1 1 δT (4.42) = 4,528 ⋅ Re− 2 ⋅ Pr− 3 . x Schließlich soll die Wärmeübertragung angegeben werden. Man erhält mit (4.35) q̇ W = λ (

∂T ∂ϑ 3 . ) = λ(T∞ − TW ) ⋅ ( ) = λ(T∞ − TW ) ⋅ ∂y W ∂y W 2δT

Weiter folgt mit Hilfe von (4.42) α(x) =

1 1 0,331 ⋅ λ q̇ W = ⋅ Re 2 ⋅ Pr 3 . T∞ − TW x

Schließlich ergibt sich die lokale Nusselt-Zahl inklusive dem Korrekturfaktor für Flüs­ sigkeiten wie bei (4.27) zu Nu x =

1 1 α⋅x Pr 0,25 ) . = 0,331 ⋅ Rex2 ⋅ Pr 3 ⋅ ( λ PrW

(4.43)

Dies stimmt für Pr = 1 mit (4.25) überein. Beispiel 1. Zur Entfettung einer ölverschmierten rechteckigen Metallplatte der Länge l = 1 m und der Breite b = 0,5 m wird die Platte quer mit einer Ethanollösung der mitt­ leren Temperatur T∞ = 40 °C und einer Geschwindigkeit von u ∞ = 0,25 ms parallel zu dessen Oberfläche angeströmt. Die Plattentemperatur soll auf TW = 20 °C gehalten 2 W und zusätzlich ist werden. Die Stoffwerte betragen ν = 1,29 ⋅ 10−6 ms , λ = 0,163 mK T ∞ +T W Pr = 14,82 (alle Werte bei der Bezugstemperatur TB = 2 = 30 °C). a) Die Strömung soll als laminar betrachtet werden, falls Rekrit = 3,5 ⋅ 105 angesetzt wird. Trifft dies zu? b) Da Pr > 1 ist, kann das dimensionslose Temperaturprofil (4.30) verwendet wer­ den. Geben Sie den Verlauf von T(x, y) explizit als Funktion von x und y an. c) Wie groß ist die Temperatur auf halber Grenzschichthöhe und halber Lauflänge? d) Bestimmen Sie die Nusselt-Zahl Nul für diesen Wärmeübergang, falls bei 20 °C die Prandtl-Zahl von Ethanol Pr = 16,91 beträgt. e) Welcher stationäre Wärmestrom Q̇ zwischen der Ethanollösung und der Platte stellt sich ein?

106 | 4 Die Energieerhaltung reibungsbehafteter Strömungen

Lösung: a) Re = u∞ν ⋅l = 1,94 ⋅ 105 , so dass wir die Aufgabe als laminare Strömung behandeln können. b) Gleichung (4.42) wird als −1

δT = 4,528 ⋅ Re x 2 ⋅ Pr− 3 ⋅ x = 1

1,84x √Rex

geschrieben und in (4.30) eingesetzt, was zu 3

ϑ(x, y) =

3 y 1 y 3 3 y√Rex 1 y√Rex ( )− ( ) = ( )− ( ) 2 δT 2 δT 2 1,84x 2 1,84x 3

u∞ x u∞ x 3 y√ ν 3 1000y 1 1000y 3 1 y√ ν = ( )− ( ) )− ( ) = ( 2 1,84x 2 1,84x 2 4,19√x 2 4,19√x

=

3 238,81y 1 238,81y 3 ( )− ( ) 2 2 √x √x

führt. Aus der Definition ϑ =

T−T W T ∞ −T W

folgt dann

3 238,81y 1 238,18y 3 T(x, y) = [ ( )− ( ) ] ⋅ 20 + 293,15 . 2 2 √x √x c) Mit (4.39) bestimmt man die halbe Grenzschichtdicke zu 1 280νx 1 √ 280 ⋅ 1,29 ⋅ 10−6 ⋅ 0,5 1 = δS = √ = 3,727 ⋅ 10−3 m 2 2 13u ∞ 2 13 ⋅ 0,25 und erhält T( 12 , δ2S ) = 310,97 K. d) Gleichung (4.43) ergibt − 12

Num = 0,662 ⋅ Rel

1

⋅ Pr 3 ⋅ (

Pr 0,25 ) PrW

1

1

= 0,662 ⋅ (1,94 ⋅ 105 ) 2 ⋅ 14,82 3 ⋅ ( e) Aus Num =

q̇ W l λ(T ∞ −T W )

folgt q̇ W =

Num ⋅λ(T ∞ −T W ) l

14,82 0,25 = 692,6 . ) 16,91

und damit

Q̇ = q̇ W ⋅ l ⋅ b = Num ⋅ λ(T∞ − TW ) ⋅ b = 1128,96 W .

4.6 Die Lösung der Temperaturgrenzschichtgleichung für Pr < 1, TW = konst.

|

107

4.6 Die Lösung der Temperaturgrenzschichtgleichung für Pr < 1, TW = konst . Für eine Näherungslösung gehen wir sogar von Pr ≪ 1 aus. Folglich ist δS ≪ δT (vgl. Kapitel 4.3). Innerhalb der Temperaturgrenzschicht entspricht die Strömungsge­ schwindigkeit praktisch der Außenströmung, u ≈ u ∞ , und Gleichung (4.34) schreibt sich mit Hilfe von (4.30) als δT

d 3 y 1 y 3 λ 3 3 y2 ( + ⋅ 2) . (∫ [1 − ( ) + ( ) ] dy) = u∞ dx 2 δT 2 δT ρc p 2δT 2 δT W 0

Das ergibt nacheinander δ

u∞

d λ 3 3 y2 1 y4 T + ⋅ ] = ⋅ , [y − ⋅ dx 4 δT 8 δ3T ρc p 2δT 0

u∞

3 3δT λ d ⋅ , ⋅( )= dx 8 ρc p 2δT

δT ⋅

dδT 4λ , = dx ρc p u ∞

1 2 4λ x, δ = 2 T ρc p u ∞ δ2T =

8λx ηx 8x2 ⋅ = ρc p u ∞ ηx Re ⋅ Pr

und

1 1 δT = 2,828 ⋅ Re− 2 ⋅ Pr− 2 . x

(4.44)

Wir verwenden für die weitere Rechnung das Ergebnis (4.39). Dabei soll ein kleiner Fehler in Kauf genommen werden, weil (4.3) nur für Pr > 1 gilt (als Alternative könnte man auch das Blasius-Ergebnis (3.21) heranziehen). Dann folgt 1 δT = 0,609 ⋅ Pr − 2 , δS

(4.45)

was den Exponenten der Prandtl-Zahl aus Kapitel 4.3 für δS → 0 bestätigt. 3λ Der lokale Wärmeübergangskoeffizient beträgt α(x) = 2δ und für die lokale T Nusselt-Zahl ergibt sich inklusive dem K-Faktor für Flüssigkeiten Nu x =

1 1 α⋅x Pr 0,25 ) . = 0,530 ⋅ Rex2 ⋅ Pr 2 ⋅ ( λ PrW

(4.46)

108 | 4 Die Energieerhaltung reibungsbehafteter Strömungen Beispiel 1. Parallel zur Längsseite einer vereisten rechteckigen Platte der Länge l = 1 m und Breite b = 3 m weht ein Wind mit der Geschwindigkeit u ∞ = 3 ms . Die Tempe­ W ratur des Eises, die konstant bleiben soll, beträgt TEis = −5 °C. Weiter ist λEis = 2,2 mK (bei −5 °C). a) Zur Aufrechterhaltung der Eistemperatur wird ein Kühlstrom von q̇ = 200,0 mW2 unterhalb des Eises angelegt. Wie groß darf die Anströmtemperatur höchstens sein? b) Wie dick werden die Strömungs- und Temperaturgrenzschichten als Funktion der Reynolds-Zahl nach einer Lauflänge l? c) Unmittelbar unter der d = 5 cm dicken Eisschicht wird die Kühlung angebracht. Welche konstante Temperatur Ti müsste hier herrschen? Lösung: a) Da die Windtemperatur unbekannt ist, setzen wir sie beispielsweise zu TLuft = 15 °C an. Dann ist die Bezugstemperatur TB = 10°C und die Stoffwerte sowie die Prandtl-Zahl entnimmt man aus der Tabelle am Ende dieses Beispiels. ∞l Zuerst muss die Reynolds-Zahl ermittelt werden. Sie beträgt Rel = νuLuft = 2,08 ⋅ 105 . Obwohl die Reynolds-Zahl relativ groß ist, gehen wir von einer laminaren 1 1 Strömung aus. Mit (4.46) erhält man Num = 1,060 ⋅ Re 2 ⋅ Pr 2 = 1,060 ⋅ (2,08 ⋅ 1 1 105 ) 2 ⋅ 0,716 2 . Die Kühlleistung entspricht dem Kühlungsstrom Q.̇ Durch Gleichsetzen der Aus­ drücke für den Wärmeübergangskoeffizienten erhält man α=

Nul ⋅ λLuft q̇ = TLuft − TEis l

und daraus TLuft =

200 ⋅ 1 q̇ ⋅ l + TEis = − 5 = 14,54 °C , Num ⋅ λLuft 409,4 ⋅ 0,0249

was relativ gut mit der Annahme übereinstimmt. Von einer weiteren Iteration se­ hen wir deshalb ab. 1 1 b) Gleichung (4.44) liefert δT = 1 ⋅ 2,828 ⋅ (2,08 ⋅ 105 )− 2 ⋅ 0,716− 2 ≈ 7,3 mm und aus (4.45) folgt 1 δT δS = ⋅ Pr 2 = 1,0 cm . 0,609 c) Aus Q̇ = λEis ⋅ l ⋅ b ⋅ TEisd−Ti folgt Ti = TEis −

̇ 3 ⋅ 200 ⋅ 0,05 Qd = 268,15 − = 263,60 K , λEis ⋅ l ⋅ b 2,2 ⋅ 1 ⋅ 3

also etwa −9,5 °C. Nachstehend sind einige Stoffwerte von Luft in einer Tabelle festgehalten. Temperatur °C Kinematische Viskosität ν [10−5

m2 s ]

0

10

20

30

40

50

60

1,352

1,442

1,535

1,630

1,726

1,83

1,927

109

4.7 Die Temperaturgrenzschicht bei veränderlicher Wandtemperatur |

Temperatur °C W Wärmeleitfähigkeit λ [ mK ] Temperatur °C Prandtl-Zahl Pr

0 0,7179

0 0,0242

5 0,0247

10 0,7163

10 0,0249

20 0,7148

20 0,0257

30 0,7134

30 0,0265

40 0,7122

40 0,0272

50 0,7110

50 0,0279

60 0,7100

Aufgabe Bearbeiten Sie die Übung 12.

4.7 Die Temperaturgrenzschicht bei veränderlicher Wandtemperatur Die bisherigen Ergebnisse sollen verallgemeinert werden. Dazu setzen wir eine Keil­ strömung u δ (x) = a ⋅ x m voraus. Wir wissen, dass man über eine Ähnlichkeitstrans­ formation die Impulserhaltung lösen kann und die Lösungen selbstähnlich sind. Auf die gleiche Art muss sich die Energiegleichung lösen lassen, falls man in Analogie die Differenz zwischen Wand- und Außentemperatur als Potenzfunktion der Lauflänge x ansetzt. Im Einzelnen bedeutet das, dass mit u δ (x) − u Wand = u δ (x) = a ⋅ x m analog TW (x) − T δ = b ⋅ x n sein soll. Dabei bleibt die Außentemperatur T δ konstant, denn in der reibungsfreien Au­ ßenschicht wird keine kinetische Energie in Wärme dissipiert. Folglich lautet die dimensionslose Temperatur ϑ=

T − Tδ T − Tδ = . TW (x) − T δ b ⋅ xn

(4.47)

Dies zieht T = ϑ ⋅bx n + T δ nach sich. Als dimensionslose Ähnlichkeitsvariable nehmen m−1 wir, wie aus Kapitel 3.4 bekannt, ξ = y√ aν ⋅ x 2 . Es gilt ∂T ∂ϑ = ⋅ bx n + nbϑ ⋅ x n−1 ∂x ∂x

und

m−3 a ∂ϑ ∂ϑ ∂ξ ∂ϑ m − 1 = ⋅ = ⋅ ⋅ y√ ⋅ x 2 . ∂x ∂ξ ∂x ∂ξ 2 ν

Zusammen erhält man ∂ϑ m − 1 ∂T ∂ϑ m − 1 a m−3 = ⋅ ⋅ y√ ⋅ x 2 ⋅ bx n + nbϑ ⋅ x n−1 = ⋅ ⋅ ξ ⋅ bx n−1 + nbϑ ⋅ x n−1 . ∂x ∂ξ 2 ν ∂ξ 2 Weiter ist ∂T ∂ϑ = ⋅ bx n ∂y ∂y was zusammen

und

m−1 a ∂ϑ ∂ϑ ∂ξ ∂ϑ = ⋅ = ⋅√ ⋅x 2 , ∂y ∂ξ ∂y ∂ξ ν

a m−1 ∂T ∂ϑ = ⋅ √ ⋅ x 2 ⋅ bx n ∂y ∂ξ ν

110 | 4 Die Energieerhaltung reibungsbehafteter Strömungen

ergibt. Schließlich fehlt noch ∂2 T ∂2 ϑ a m−1 = ⋅ ⋅x ⋅ bx n . ∂y2 ∂ξ 2 ν Zusätzlich benutzen wir die bei der Herleitung der Falkner-Skan-Gleichung (Kapi­ tel 3.4) entstandenen Ausdrücke für u und v. Mit dem Ansatz uuδ = f 󸀠 (ξ) lauten sie u = a ⋅ x m ⋅ f 󸀠 (ξ) und √aν m−1 m−1 [(m + 1) ⋅ x 2 ⋅ f + (m − 1) ⋅ x 2 ⋅ ξ ⋅ f 󸀠 ] . 2 Mit all diesen Ausdrücken gehen wir nun in Gleichung (4.19) und erhalten m−1 ) ⋅ ξ ⋅ bx n−1 + nbϑ ⋅ x n−1 ] ax m f 󸀠 [ϑ󸀠 ⋅ ( 2 √aν m−1 m−1 a m−1 [(m + 1) ⋅ x 2 f + (m − 1) ⋅ x 2 ⋅ ξ ⋅ f 󸀠 ] ⋅ [ϑ󸀠 ⋅ √ ⋅ x 2 ⋅ bx n ] − 2 ν a λ ⋅ [ϑ󸀠󸀠 ⋅ ⋅ x m−1 ⋅ bx n ] . = ρc p ν v=−

Dies führt zu m−1 m+1 ( ) ⋅ f 󸀠 ϑ󸀠 ξ ⋅ x m+n−1 + n ⋅ f 󸀠 ϑ ⋅ x m+n−1 − ( ) ⋅ fϑ󸀠 ⋅ x m+n−1 2 2 m−1 λ −( ) ⋅ f 󸀠 ϑ󸀠 ξ ⋅ x m+n−1 = ⋅ ϑ󸀠󸀠 ⋅ x m+n−1 , 2 ρc p ν m+1 m−1 1 m−1 󸀠 󸀠 ⋅ f ϑ ξ + n ⋅ f 󸀠ϑ − ( ⋅ ϑ󸀠󸀠 ) ⋅ fϑ󸀠 − ( ) ⋅ f 󸀠 ϑ󸀠 ξ = 2 2 2 Pr und schließlich zu ϑ󸀠󸀠 + (

m+1 ) ⋅ Pr ⋅ fϑ󸀠 − n ⋅ Pr ⋅ f 󸀠 ϑ = 0 . 2

(4.48)

Es gilt zu beachten, dass nach der Definition ϑ(ξ = 0) = 1 und ϑ(ξ = 1) = 0 gilt. Drei Fälle sollen untersucht werden (den Fall n ≠ 0, m ≠ 0 betrachten wir nicht). Dabei erzeugt das zugehörige DGL-System in jedem Fall, wie bisher auch, selbst­ ähnliche Lösungen, und zwar sowohl bezüglich des Geschwindigkeits- wie auch des Temperaturprofils. I. n = 0, m = 0. Dies entspricht einer parallel angeströmten Platte. Das dimensions­ lose Geschwindigkeitsprofil ist dann durch die Blasius-DGL (3.19) gegeben. Das zu lö­ sende System ist dann 1 f 󸀠󸀠󸀠 + ff 󸀠󸀠 = 0 2 (4.49) 1 󸀠󸀠 ϑ + ⋅ Pr ⋅ fϑ󸀠 = 0 . 2 Für die drei Prandtl-Zahlen Pr = 0,7; 1 und 7 soll der Verlauf von (4.49) simuliert werden. Dazu passen wir das Programm aus Kapitel 3.3 an.

4.7 Die Temperaturgrenzschicht bei veränderlicher Wandtemperatur |

111

Es entsprechen sich y1 = f , y2 = f 󸀠 , y3 = f 󸀠󸀠 , y4 = ϑ und y5 = ϑ󸀠 mit den An­ fangsbedingungen f(0) = 0, f 󸀠 (0) = 0, f 󸀠󸀠 (0) = 0,3308, ϑ(0) = 1 und ϑ󸀠 (0) durch Ausprobieren, bis die Bedingung ϑ(∞) = 1 mit genügender Genauigkeit erreicht wird. Das Profil startet bei ϑ = 1 und fällt auf ϑ = 0 herab. Damit wir den Verlauf einfa­ cher mit dem Geschwindigkeitsprofil vergleichen können, spiegeln wir den Graphen an der ξ -Achse und setzen ihn anschließend um 1 hinauf. Dies erreichen wir mit der Programmzeile y4ii := 1 - y4i. Die Werte auf der ϑ-Achse werden dann in umge­ kehrter Reihenfolge markiert. Alle Anfangssteigungen ϑ󸀠 (0) sind negativ. Dargestellt wird nur y4 = ϑ. Für Pr = 1 entspricht es dem Geschwindigkeitsprofil. Durch Auspro­ bieren findet man ϑ󸀠 (0) = −0,2922 für Pr = 0,7 und ϑ󸀠 (0) = −0,6443 für Pr = 7. Für Pr = 1 ist der Wert ϑ󸀠 (0) = −0,3308 schon bekannt. Wichtige Befehle im folgenden Programm sind y3i (dies entspricht (3.19)) und y5i, was (4.49) für n = 0 bedeutet. Das zugehörige Programm erhält dann die Gestalt (einige Zeilen erübrigen sich): Define DGL(n) Prgm xa:= {x4i} ya:= {y4ii} x2i:= 0 x4i:= 0 y1i:= 0 y2i:= 0 y3i:= 0.3308 y4i:= 1 y5i:= ϑ󸀠 (0) For i,1,n x4i:= x4i + 0.01 y1i:= y1i + 0.01 ⋅ y2i y2i:= y2i + 0.01 ⋅ y3i y3i:= y3i - 0.5 ⋅ y1i ⋅ y3i ⋅ 0.01 y4i:= y4i + 0.01 ⋅ y5i y5i:= y5i - 0.5 ⋅ Pr ⋅ y1i ⋅ y5i ⋅ 0.01 y4ii:= 1 - y4i xa:= augment(xa,{x4i}) ya:= augment(ya,{y4ii}) End For Disp xa, ya End Prgm Wir führen das Programm für n = 500 aus (Abb. 4.5). Aus der Abbildung 4.5 entnimmt man: Je größer die Prandtl-Zahl, umso kleiner wird die Temperaturschicht, in welcher der Wärmeaustausch stattfindet.

112 | 4 Die Energieerhaltung reibungsbehafteter Strömungen

Abb. 4.5: Simulation von (4.49)

II. n = 0, m ≠ 0. Damit haben wir es mit einer Keilströmung zu tun. Dem Geschwin­ digkeitsprofil liegt dann die Falkner-Skan-DGL (3.34) zugrunde. Das zu lösende Sys­ tem lautet dann m+1 f 󸀠󸀠󸀠 + ⋅ ff 󸀠󸀠 + m[1 − (f 󸀠 )2 ] = 0 . 2 (4.50) m+1 ) ⋅ Pr ⋅ fϑ󸀠 = 0 . ϑ󸀠󸀠 + ( 2 Für eine Simulation wählen wir zusätzlich zu m = 0 noch m = 1 (Staupunktströmung) und m = −0,0905 (Ablösung). Jeder dieser drei Verläufe soll für eine Prandtl-Zahl von Pr = 0,7 (Luft bei 20°) und Pr = 7 (Wasser bei 20 °C) dargestellt werden. Das Geschwin­ digkeitsprofil wird durch die Falkner-Skan-DGL (3.34) beschrieben. Dies entspricht der angepassten Programmzeile y3i := y3i-[ m

+ 1 2 ⋅

y1i ⋅ y3i + m(1-y2i2 )] ⋅ 0.01 .

Der Befehl für Temperatur lautet jetzt neu y5i := y5i-( m

+ 1 2 )⋅

Pr ⋅ y1i ⋅ y5i ⋅xc 0.01 .

Bei der Ausführung des Programms muss man wieder ϑ󸀠1 (0) bzw. ϑ󸀠−0,0905 (0) durch 󸀠 Ausprobieren anpassen. Die zugehörigen Werte von f1󸀠 (0) bzw. f−0,0905 (0) sind schon aus der Falkner-Skan-Simulation bekannt. Man erhält ϑ󸀠1 (0) = −0,4951

[bei

f1󸀠󸀠 (0) = 1,2271, Pr = 0,7] ,

ϑ󸀠−0,0905 (0) = −0,1991

[bei

󸀠󸀠 f−0,0905 (0) = 0, Pr = 0,7] ,

ϑ󸀠1 (0) = −0,9142

[bei

f1󸀠󸀠 (0) = 1,2271, Pr = 7]

[bei

󸀠󸀠 f−0,0905 (0)

ϑ󸀠−0,0905 (0)

= −0,3630

= 0, Pr = 7] .

und

4.7 Die Temperaturgrenzschicht bei veränderlicher Wandtemperatur |

113

Die folgenden zwei Werte sind durch den Fall I. schon bekannt: ϑ󸀠0 (0) = −0,2922 ϑ󸀠0 (0)

= −0,6443

[bei

f0󸀠󸀠 (0) = 0,3308, Pr = 0,7]

[bei

f0󸀠󸀠 (0)

und

= 0,3308, Pr = 7] .

In Abbildung 4.6 sind die sechs Verläufe festgehalten.

Abb. 4.6: Simulation von (4.50)

Man erkennt, dass der Einfluss der Außenströmung bei gleich bleibender Prandtl-Zahl auf die Temperaturgrenzschichtdicke keinen allzu großen Einfluss. Der Einfluss der Außenströmung auf die Temperaturgrenzschichtdicke sinkt hingegen bei steigender Prandtl-Zahl beträchtlich. Beispiel 1. Ein b = 0,5 m breiter metallischer Keil mit Innenwinkel 90° und Kanten­ länge l = 1 m wird parallel zur Symmetrieachse in einem Abstand von 0,25 m mit Luft der Temperatur T∞ = 60 °C aus einer Düse angeströmt. Die Austrittsgeschwindigkeit beträgt u ∞ = 1,26 ms . Um der Erwärmung des Keils entgegenzuwirken, muss dieser laufend gekühlt werden. Seine Oberflächentemperatur soll dabei konstant TW = 20 °C bleiben. Die Stoff­ 2 W werte der Luft sind ν = 1,72 ⋅ 10−5 ms , λ = 0,027 mK und Pr = 0,71 (alle bei 40 °C, vgl. Tabelle Kapitel 4.6). a) Stellen Sie sicher, dass die Strömung entlang des Keils laminar bleibt, wenn man die Reynolds-Zahl für den Umschlag bei ReKrit = 3 ⋅ 105 ansetzt. b) Wie lautet das Geschwindigkeitsprofil u δ (x) in Richtung des Grenzschichtrandes x der Außenströmung?

114 | 4 Die Energieerhaltung reibungsbehafteter Strömungen c) Der Verlauf des dimensionslosen Temperaturprofils kann für Pr = 0,71 durch ein Pohlhausen-Profil angenähert werden. Es gilt ziemlich genau ϑ(ξ) =

ξ 3 ξ ξ 2 (2 − 2 ( ) + ( ) ) , 5 5 5

wobei 1

1 uδ 2⋅ x3 2 = y√ = y√ ⋅ x− 3 νx νx ν (das Profil für diesen Keilwinkel ist nicht in Abb. 4.6 enthalten). Bestimmen Sie daraus die lokale Nusselt-Zahl Nux . d) Welche gesamte Kühlleistung Q̇ ist für die Erhaltung der konstanten Temperatur auf beiden Seiten des Keils erforderlich?

ξ(x, y) = y√

Lösung: a) Es gilt Re = u∞ν ⋅l = 1,16 ⋅ 105 , also ist die Strömung durchwegs laminar. π 1 b) Aus α = 90° folgt 2π 4 = 2(π − n ). Mit m = n − 1 erhält man m = 3 und da­ 1 mit u δ (x) = a ⋅ x 3 . Aus der Austrittsgeschwindigkeit und der zugehörigen Distanz 1 folgt 1,26 = a ⋅ 0,25 3 , a = 2 und schließlich 1

u δ (x) = 2 ⋅ x 3 . c) Es gilt α(x) = λ ⋅ (

1 ∂ϑ ∂ϑ ∂ξ 2 2 = λ ⋅ ⋅ √ ⋅ x− 3 . ) = λ⋅( ) ∂y W ∂ξ W ∂y 5 ν

Dann folgt Nux =

2 α⋅x 2 2 2 2 = 0,4 ⋅ √ ⋅ x 3 = 0,4 ⋅ √ ⋅ x 3 = 136,40 ⋅ x 3 . λ ν ν

̇ (x) ̇ wird q̇ W (x) = α(x) ⋅ (T∞ − TW ), daraus d Q(x) = q̇ W (x)b dx und d) Aus α(x) = Tq∞W−T W schließlich l

l

0

0

1 λ ∫ x− 3 dx . Q̇ = 2b(T∞ − TW ) ∫ α(x) dx = 1,131 ⋅ b(T∞ − TW ) √ν

l

= 147,31 ∫ x− 3 dx = 220,97 W . 1

0

III. n ≠ 0, m = 0. Dies entspricht einer Plattenströmung bei veränderlicher Wandtem­ peratur. Das zu lösende System besitzt die Gestalt f 󸀠󸀠󸀠 + ϑ󸀠󸀠 +

1 󸀠󸀠 ff = 0 2

1 ⋅ Pr ⋅ fϑ󸀠 − n ⋅ Pr ⋅ f 󸀠 ϑ = 0 . 2

(4.51)

4.7 Die Temperaturgrenzschicht bei veränderlicher Wandtemperatur |

115

Der Befehl für y3i wird dabei wieder zurückgesetzt wie im Fall I., y3i:= y3i - 0.5 ⋅ y1i ⋅ y3i ⋅ 0.01 . und der Befehl für die Temperatur lautet jetzt neu y5i := y5i - [0.5 ⋅ Pr ⋅ y1i ⋅ y5i - n ⋅ Pr ⋅ y2i ⋅ y4i] ⋅ 0.01 . Weiter sei Pr = 1 und n = −0,5; 0; 4. Durch Ausprobieren findet man nebst dem bekannten Wert aus Fall I., ϑ󸀠0 (0) = −0,3308

[bei

󸀠󸀠 f m=0 (0) = 0,3308, n = 0, Pr = 1] ,

ϑ󸀠−0,5 (0) = 0

[bei

󸀠󸀠 f m=0 (0) = 0,3308, n = −0,5, Pr = 1]

[bei

󸀠󸀠 f m=0 (0)

ϑ󸀠4 (0)

= −0,8152

noch und

= 0,3308, n = 4, Pr = 1]

Das Ausführen des Programms ergibt die Abbildung 4.7.

Abb. 4.7: Simulation von (4.51)

Interessant ist der Fall für n = −0,5. Es gilt ϑ󸀠 (0) = ( ∂ϑ ∂ξ )W = 0 und somit auch q̇ W (x) = 0. Das bedeutet, dass an der Wand keine Wärme übertragen wird, unabhängig da­ von, wie groß der Temperaturunterschied zwischen Wand und Außentemperatur ist. 1 Dies erklärt sich dadurch, dass sich sowohl TW (x) − T δ ∼ √x als auch die Normalspan­

1 nung τW (x) ∼ √x nach (3.27) gleichartig mit der Lauflänge ändern. Dadurch wird der durch die Normalspannung verursachte Temperaturanstieg an der Wand durch die veränderliche Temperatur ausgeglichen. Im Fall I. lässt sich auch eine formale Lösung des Systems (4.49) herleiten. Man erhält 1 f 󸀠󸀠󸀠 ϑ󸀠󸀠 = − ⋅ Pr ⋅ fϑ󸀠 = Pr ⋅ 󸀠󸀠 ⋅ ϑ󸀠 2 f

116 | 4 Die Energieerhaltung reibungsbehafteter Strömungen

und daraus

f 󸀠󸀠󸀠 ϑ󸀠󸀠 = Pr ⋅ 󸀠󸀠 . 󸀠 ϑ f

Dies kann man als (ln ϑ󸀠 )󸀠 = Pr ⋅ (ln f 󸀠󸀠 )󸀠 schreiben und eine erste Integration über ξ führt zu ln ϑ󸀠 = ln(f 󸀠󸀠 )Pr + C und daraus ϑ󸀠 = C1 (f 󸀠󸀠 )Pr . Eine zweite Integration ergibt ξ

ϑ(ξ) = C1 ∫(f 󸀠󸀠 )Pr dξ + C2 . 0

Die Randbedingungen sind I. ϑ(0) = 1 und II. ϑ(∞) = 0, woraus C2 = 1 und

C1 = −

1 ∞ ∫0 (f 󸀠󸀠 )Pr



folgen. Schließlich erhält man ξ

ϑ(ξ, Pr) = 1 −

∫0 (f 󸀠󸀠 )Pr dξ ∞

∫0 (f 󸀠󸀠 )Pr dξ

.

(4.52)

Um die Integrale auszuwerten, kann man das Geschwindigkeitsprofil f 󸀠 (ξ) beispiels­ weise durch ein Pohlhausen-Polynom annähern. Für die Platte gilt nach (3.44) und (3.51) uu∞ (s) = s(2 − 2s2 + s3 ). Dabei ist s=

y δS (x)

mit

δS (x) = 5,836√

νx . u∞

Die Definition der Ähnlichkeitsvariablen ξ = y√ uνx∞ liefert dann s = Damit erhalten wir 󸀠 (ξ) = fPohl

u ξ ξ 3 ξ ξ 2 ( ) = [2 − 2 ( ) + ( ) ] u∞ μ μ μ μ

󸀠󸀠 fPohl (ξ) =

u ξ ξ 3 2 ξ 2 ( ) = [1 − 3 ( ) + 2 ( ) ] . u∞ μ μ μ μ

ξ μ

mit μ = 5,836.

und

(4.53)

󸀠 󸀠󸀠 (μ) = 1 und fPohl (μ) = 0. Gleichung (4.34) schreibt sich dann als Mit fPohl

ϑ(ξ, Pr) = 1 −

ξ

2

3 Pr

μ

2

3 Pr

∫0 [1 − 3 ( μξ ) + 2 ( μξ ) ]

∫0 [1 − 3 ( μξ ) + 2 ( μξ ) ]

dξ .

(4.54)



Dabei muss der Nenner aufgrund des Pohlhausen-Ansatzes nur bis ξ = μ integriert werden.

4.8 Die Nusselt-Zahl als Funktion der Reynolds- und Prandtl-Zahl für die Platte | 117

μ 2

Im Fall Pr = 1 soll das Ergebnis von (4.54) ausgewertet werden. Der Nenner ergibt und es folgt ξ 4 ξ 3 ξ ϑ(ξ, Pr) = 1 − 2 ( ) + 2 ( ) − ( ) μ μ μ = 1−[

ξ ξ 3 u ξ 2 . (2 − 2 ( ) + ( ) )] = 1 − μ μ μ u∞

(4.55)

Damit ist nichts anderes gezeigt, als dass für Pr = 1 Geschwindigkeits- und Tempera­ turprofil übereinstimmen. Der Grund dafür, dass man nicht ϑ = uu∞ erhält, liegt an der Definition von ϑ. W In Kapitel 4.4 setzten wir ϑ = TT−T und erhielten uu∞ = ϑ (4.21). Mit der verwen­ ∞ −T W

deten Definition (4.7), ϑ = der Form (4.55).

T−T δ T W −T δ

ergibt sich jedoch die Gleichheit von 1 −

u u∞

und ϑ in

4.8 Die Nusselt-Zahl als Funktion der Reynolds- und Prandtl-Zahl für die Platte Die Nusselt-Zahl ist die wichtigste Kennzahl einer konvektiven Wärmeübertragung. Mit (4.46) und (4.43) liegen diese Zahlen als Funktion der Reynolds-Zahl für die Berei­ che Pr ≪ 1 und Pr > 1 vor. Es fehlen aber die entsprechenden Nusselt-Zahlen für die restlichen Bereiche. Dies soll jetzt bewerkstelligt werden. Dazu bestimmen wir ( ∂ϑ ∂ξ )W für den Ausdruck (4.52), was (

∂ϑ 0,3308Pr [(f 󸀠󸀠 )Pr ]W =− ∞ ) = C1 (f 󸀠󸀠 )Pr = − ∞ ∂ξ W ∫0 (f 󸀠󸀠 )Pr dξ ∫0 (f 󸀠󸀠 )Pr dξ

ergibt. Dabei wurde der schon mehrfach verwendete Wert f 󸀠󸀠 (0) = 0,3308 benutzt. Für f 󸀠󸀠 (ξ) setzen wir (4.53) ein und erhalten (

∂ϑ ) = ϑ󸀠0 (0) = − ∂ξ W

0,3308Pr ∞ ∫0 ( 2μ

[1

2 − 3 ( μξ )

+

3 Pr 2 ( μξ ) ])

.

(4.56)



Ziel ist es, (4.56) für möglichst viele Prandtl-Zahl-Bereiche entweder als proportional 1 1 zu Pr 2 oder Pr 3 zusammenzufassen. Hierfür betrachten wir neu vier Intervalle. 1. Pr → 0. In diesem Fall übernehmen wir das Ergebnis (4.46) in der Form ϑ󸀠0 (0) = 0,530 ⋅ Pr 2 . 1

2.

(4.57)

0,005 ≤ Pr ≤ 0,05. Für diese Prandtl-Zahlen entstehen bei der numerischen Auswertung des Integrals von (4.56) Rundungsfehler. Hingegen bestimmen wir die Werte ϑ󸀠0 (0) wie bei den vorangegangenen Programmen durch Ausprobieren.

118 | 4 Die Energieerhaltung reibungsbehafteter Strömungen

Für einige Prandtl-Zahlen findet man Pr ϑ󸀠0 (0)

0,005 0,0374

0,01 0,0516

0,03 0,0843

0,05 0,1050

Die Interpolation mit Hilfe einer Potenzfunktion führt zu ϑ󸀠0 (0) ≈ 0,391 ⋅ Pr0,441 oder etwa 1 ϑ󸀠0 (0) ≈ 0,460 ⋅ Pr 2 . (4.58) 3.

0,1 ≤ Pr < 10. Die Auswertung von (4.56) erzeugt vielversprechende Werte. Pr ϑ󸀠0 (0)

0,1 0,1339

0,3 0,2144

0,5 0,2588

0,6 0,2783

0,7 0,2924

0,9 0,3186

Pr ϑ󸀠0 (0)

1 0,3308

3 0,5018

5 0,6002

7 0,6618

9 0,7001

10 0,7129

Die Interpolation mit einer Potenzfunktion ergibt ϑ󸀠0 (0) ≈ 0,329 ⋅ Pr0,356 oder etwa 1 (4.59) ϑ󸀠0 (0) ≈ 0,340 ⋅ Pr 3 . Eine etwas kleinere Abweichung könnte man durch Aufspalten des Bereichs in 0,1 ≤ Pr < 0,6 und 0,6 ≤ Pr < 10 erzielen. Man erhält dann ϑ󸀠0 (0) ≈ 0,339⋅Pr 0,383 1 oder etwa ϑ󸀠0 (0) ≈ 0,340 ⋅ Pr 3 bzw. ϑ󸀠0 (0) ≈ 0,333 ⋅ Pr0,346 oder etwa ϑ󸀠0 (0) ≈ 1 0,335 ⋅ Pr 3 . Wir begnügen uns mit dem Ergebnis (4.59). 4. Pr → ∞. Bei der Auswertung von (4.56) ist der Wert für ϑ󸀠0 (0) bei Pr = 14 kleiner als der entsprechende Wert bei Pr = 13. Wieder potenzieren sich die Fehler schon ab Pr = 10. In diesem Fall greifen wir auf das Ergebnis (4.43) zurück in der Form ϑ󸀠0 (0) = 0,331 ⋅ Pr 3 . 1

(4.60)

Nun sind wir bereit, das Schlussergebnis zu formulieren. Mit 1

Nu x = Re x2 ⋅ (

1 ∂ϑ ) = Re x2 ⋅ ϑ󸀠0 (0) ∂ξ W

erhält man aus (4.57)–(4.60) 1

1

für

Pr → 0

1 2

1 2

für

0,005 ≤ Pr ≤ 0,05

1 2

1 3

für

0,1 ≤ Pr ≤ 10

1

1

für

Pr → ∞

Nux = 0,530 ⋅ Rex2 ⋅ Pr 2 Nux = 0,460 ⋅ Rex ⋅ Pr Nux = 0,340 ⋅ Rex ⋅ Pr

Nux = 0,331 ⋅ Rex2 ⋅ Pr 3

(4.61)

4.8 Die Nusselt-Zahl als Funktion der Reynolds- und Prandtl-Zahl für die Platte |

119

Dabei gilt Num = 2⋅Nu x und sämtliche Gleichungen müssen für Flüssigkeiten mit dem Korrekturfaktor K = ( PrPrW )0,25 multipliziert werden. Diese Formeln dienen der schnellen Abschätzung der Nusselt-Zahl für die wich­ tigsten Prandtl-Zahl-Bereiche. Natürlich liegt durch das System m+1 ⋅ ff 󸀠󸀠 + m[1 − (f 󸀠 )2 ] = 0 2 m+1 ) ⋅ Pr ⋅ fϑ󸀠 − n ⋅ Pr ⋅ f 󸀠 ϑ = 0 . ϑ󸀠󸀠 + ( 2 f 󸀠󸀠󸀠 +

für jedes n und m sowohl das Geschwindigkeits- und das Temperaturprofil numerisch vor und man kann die lokale Nusselt-Zahl exakt für jede Prandtl-Zahl bestimmen.

5 Freie Konvektion Im Unterschied zur erzwungenen Konvektion entsteht die freie Konvektion ohne An­ strömung. Ein Geschwindigkeitsfeld stellt sich erst durch den Temperaturunterschied ein. Als Beispiel nehmen wir den Erdboden, der durch die Sonnenstrahlen erwärmt wird. Die Luft einschließlich der Wasserteilchen in Erdbodennähe steigt empor. Es ent­ steht ein Auftrieb. Die Luft kühlt sich ab und sinkt zusammen mit den Wassertröpf­ chen aufgrund der Schwerkraft wieder hinab und der Kreislauf beginnt von Neuem. Nach demselben Prinzip funktionieren Warmwasserheizungen, Lampen, Küchenher­ de, Kamine, usw. Jede Wärmequelle erzeugt eine freie Konvektion des umgebenden Fluids. Durch den Luftstrom stellt sich zwangsweise ein Geschwindigkeitsfeld ein. Im Unterschied zur erzwungenen Konvektion steigt die Geschwindigkeit von u W = 0 an der Wand auf einen maximalen Wert innerhalb der Grenzschicht an, um dann wieder auf u δ = 0 am Ende der Grenzschicht abzusinken. Bei der erzwungenen Konvektion ist zwar ebenfalls ein Auftrieb vorhanden, dieser wird aber vernachlässigt, sofern die Strömungsgeschwindigkeit nicht sehr klein ist. Abbildung 5.1 zeigt die Profile qualitativ für den Fall der Wandheizung.

Abb. 5.1: Skizze zur freien Konvektion

5.1 Die Grenzschichtgleichungen bei freier Konvektion Bei der erzwungenen Konvektion entsteht die Strömung als Folge von Druckunter­ schieden, die beispielsweise durch eine Pumpe, Wind, usw. aufrecht erhalten werden. Im Unterschied dazu setzt eine freie Konvektion dann ein, wenn ein ruhendes Fluid der Temperatur T∞ mit der Oberfläche einer Wand der Temperatur TW ≠ T∞ in Kon­ takt gelangt. Ist TW > T∞ , dann vermindert sich die Dichte der Teilchen in Wandnähe und sie steigen auf und reißen dabei benachbarte Teilchen mit. Im Fall TW < T∞ sinkt die Dichte in Wandnähe und die Teilchen mit größerer Dichte sinken ab. Druckunter­ schiede werden somit erst durch den Auftrieb erzeugt. Bei der freien Konvektion müssen alle Stoffgrößen ρ(T), λ(T), ν(T) und c p (T) ab­ hängig von der Temperatur angesetzt werden. Der Temperatur- und damit der Dich­ teunterschied ist ja gerade der Motor der einsetzenden Konvektion. Die drei Grenz­ schichtgleichungen für die Plattenströmung müssen diesem Umstand Rechnung tra­ https://doi.org/10.1515/9783110684544-005

5.1 Die Grenzschichtgleichungen bei freier Konvektion |

121

gen. Die Kontinuitätsgleichung, Gleichung (3.10) inklusive dem Auftriebsterm und Gleichung (4.19) lauten dann ∂(ρ(T)u) ∂(ρ(T)v) + =0, ∂x ∂y u

∂u 1 ∂p ∂2 u ∂u +v + ⋅ + g − ν(T) 2 = 0 , ∂x ∂y ρ(T) ∂x ∂y

ρ(T)c p (T) (u

∂T ∂T ∂2 T +v ) − λ(T) 2 = 0 . ∂x ∂y ∂y

(5.1) (5.2) (5.3)

Im Falle einer Kühlung muss in (5.2) −g stehen, weil dann die Luft entlang der Wand absinkt. Zur numerischen Lösung des Systems müsste die Temperaturabhängigkeit der Stoffgrößen vorliegen. Bei der sogenannten Boussinesq-Vereinfachung betrachtet man nur kleine Tem­ peraturänderungen, so dass zwar eine Fluidbewegung entsteht, die Stoffgrößen von der Temperaturschwankung aber nicht allzu stark betroffen sind. Das bedeutet, dass alle Stoffwerte in (5.1) und (5.3) und die kinematische Viskosität in (5.2) als konstant ∞ . betrachtet werden. Als Bezugstemperatur wählt man TB = TW +T 2 Einzig in Gleichung (5.2) wird der Einfluss der veränderlichen Dichte genauer un­ tersucht. Dazu werten wir (5.2) am Ende der Grenzschicht aus und erhalten dp dx +ρ δ g = 0 und daraus p(x) = ρ δ gx + C, ein rein hydrostatischer Verlauf. Dabei ist C eine Konstante, ∂p weil der Druck nicht von y abhängt und damit wird auch dp dx aus ∂x . 1 Damit kann der Term ρ(T) ⋅ ∂p ∂x + g in (5.2) ersetzt werden durch [ρ(T) − ρ δ ]

g . ρ(T)

(5.4)

Nun gilt es Dichte und Temperatur miteinander zu verbinden. Im 4. Band wurde der thermische Volumenausdehnungskoeffizient eingeführt: γ = − V1 ( ∂V ∂T )p . Dieser besagt, um wie viel sich das Volumen mit der Temperatur bezogen auf das Gesamtvolumen (bei konstantem Druck) ändert. Bezogen auf die Dichte gilt (bei konstanter Masse) einfach 1 ∂ρ γ=− ( ) . ρ ∂T p Da die Dichte nur eine Funktion der Temperatur ist, werden kursive Ableitungen wieder durch gerade ersetzt. Weiter wird in erster Näherung der Differentialquotient durch den Differenzenquotienten ersetzt und man erhält 1 dρ 1 ρ(T) − ρ δ γ=− ( ) . ) =− ( ρ dT p ρ(T) T − Tδ

122 | 5 Freie Konvektion g Aus (5.4) wird dann [ρ(T) − ρ δ ] ρ(T) = −γg(T − T δ ). Insgesamt folgen die Grenzschicht­ gleichungen der freien Konvektion zu

∂u ∂v + =0, ∂x ∂y ∂2 u ∂u ∂u u +v − γg(T − T δ ) − ν 2 = 0 , ∂x ∂y ∂y u

(5.5) (5.6)

∂2 T ∂T ∂T λ ⋅ =0. +v − ∂x ∂y ρc p ∂y2

(5.7)

Verglichen mit der erzwungenen Konvektion kann das Geschwindigkeitsfeld erwar­ tungsgemäss nicht ohne das Temperaturfeld ermittelt werden.

5.2 Die Lösung der Grenzschichtgleichungen für die Platte Zur Entdimensionierung wählen wir x∗ =

x , l

y∗ =

y , l

u∗ =

u , u0

v∗ =

v u0

und

ϑ=

T − Tδ . TW − T δ

Da u δ = 0, bezeichnet u 0 eine noch zu definierende Geschwindigkeit. Eingesetzt in das System (5.5)–(5.7) erhält man u 0 ∂u ∗ u 0 ∂v∗ + =0, ⋅ ⋅ l ∂x∗ l ∂y∗ u 20 u0 ∂2 u∗ ∂u ∗ u 20 ∂u ∗ + − γg(TW − T δ )ϑ − ν 2 ⋅ = 0 und ⋅ u∗ ⋅ v∗ l ∂x∗ l ∂y∗ l ∂y2∗ u0 ∂ϑ ∂ϑ u0 λ (TW − T δ ) ∂2 ϑ + − ⋅ ⋅ 2 =0. ⋅ (TW − T δ ) ⋅ u ∗ ⋅ (TW − T δ ) ⋅ v∗ l ∂x∗ l ∂y∗ ρc p l2 ∂y∗ Daraus entsteht ∂u ∗ ∂v∗ + =0, ∂x∗ ∂y∗ ∂u ∗ ∂u ∗ γgl(TW − T δ ) 1 ∂2 u∗ u∗ + v∗ − ⋅ ϑ − =0, ⋅ ∂x∗ ∂y∗ Re ∂y2∗ u 20 u∗

∂ϑ ∂ϑ 1 ∂2 ϑ + v∗ − ⋅ 2 =0. ∂x∗ ∂y∗ Pr ⋅ Re ∂y∗

Man erkennt, dass die Wahl von u 0 beliebig ist. Beispielsweise könnte 1

u 0 := (γgl(TW − T δ )) 2 gesetzt werden.

5.2 Die Lösung der Grenzschichtgleichungen für die Platte | 123

Mit der Impulserhaltung entstehen neue Kennzahlen: ν 2 Gr γgl(TW − T δ ) γgl3 (TW − T δ ) ⋅ ν2 γgl3 (TW − T δ ) = = ⋅ ( ) = 2 = : Ar . 2 2 2 2 2 u ⋅ l ν u0 u0 ⋅ l ⋅ ν Re 0 Dabei bezeichnet Gr =

γgl3 (TW − T δ ) ν2

die Grashof-Zahl und Ar die Archimedes-Zahl. Man muss betonen, dass l eine charakteristische Länge bezeichnet. Für eine freie Konvektion entlang einer Wand verwendet man meist die Wandhöhe, bei einem lan­ gen Rohr hingegen beispielsweise den Durchmesser. Die Grashof-Zahl ist auch bei Kühlung (TW < T δ ) positiv, denn g muss in diesem Fall, wie schon oben erwähnt, durch −g ersetzt werden. Wie wir wissen, stellt die Reynolds-Zahl das Verhältnis zwischen Trägheitskraft und Reibungskraft dar. Die Grashof-Zahl hingegegen bezeichnet das Verhältnis zwi­ schen Auftrieb und Reibungskraft. Genauer gilt: Gr =

FAuftrieb FTrägheit ⋅ . FReibung FReibung

Somit ist die Archimedes-Zahl das Verhältnis zwischen Auftrieb und Trägheitskraft. (Beides soll in Übung 13 durch eine Dimensionsanalyse bestätigt werden.) Damit ist die Archimedes-Zahl ein Maß für den freien Konvektionsanteil an der gesamten Konvektion. Bei erzwungener Konvektion gilt Re ≫ 1 und Ar ≪ 1, hingegen bei der freien Konvektion Re ≪ 1 und Ar ≫ 1. Diesen Zusammenhang erkennt man auch aus der dimensionslosen Darstellung der Impulserhaltung u∗

∂u ∗ ∂u ∗ Gr 1 ∂2 u∗ + v∗ − 2 ⋅ϑ− =0. ⋅ ∂x∗ ∂y∗ Re Re ∂y2∗

Bei vernachlässigbarer freier Konvektion geht diese Gleichung über in (4.17). Zur Lösung der Grenzschichtgleichungen (5.5)–(5.7) setzen wir wie schon eini∂ψ ∂ψ ge Male zuvor eine Stromfunktion ψ mit u = ∂y und v = − ∂x an. Dieser Ansatz er­ füllt (5.5). Weiter wählen wir folgende Transformationen: ξ(x, y) = A⋅

y x

1 4

,

f(ξ) =

1

ψ 4νA ⋅ x

Außerdem setzen wir f 󸀠 (ξ) = Zuerst bestimmen wir

3 4

u(ξ) u0

mit

γg(TW − T δ ) 4 A=[ ] 4ν2 1

mit u 0 := 2(γgx(TW − T δ )) 2 .

u = ψ y = 4νA ⋅ x 4 ⋅ f 󸀠 ⋅ 3

A x

1 4

= 4νA2 ⋅ x 2 ⋅ f 󸀠 . 1

und

ϑ=

T − Tδ . TW − T δ

124 | 5 Freie Konvektion

Weiter folgen v = −ψ x = 4νA ⋅ [−

5 3 1 1 1 1 󸀠 3 ⋅ f ⋅ Ay ⋅ x− 4 ⋅ x 4 + ⋅ f ⋅ x− 4 ] = −νA ⋅ [3x− 4 ⋅ f − x− 2 Ay ⋅ f 󸀠 ] 4 4

= −νAx− 4 ⋅ [3f − ξ ⋅ f 󸀠 ] , 1

A

ψ yy = 4νA2 ⋅ x 2 ⋅ f 󸀠󸀠 ⋅ 1

1 4

3

ψ yyy = 4νA ⋅ x ⋅ f ψ xy = 4νA2 ⋅ [

󸀠󸀠󸀠



= 4νA3 ⋅ x 4 ⋅ f 󸀠󸀠 , 1

1 4

x A 1

x4

= 4νA4 ⋅ f 󸀠󸀠󸀠

und

5 1 1 − 1 󸀠 1 1 󸀠󸀠 ⋅ x 2 ⋅ f − ⋅ x 2 ⋅ f ⋅ Ay ⋅ x− 4 ] = νA2 x− 2 ⋅ [2f 󸀠 − ξ ⋅ f 󸀠󸀠 ] . 2 4

Gleichung (5.6) schreibt sich dann als ψ y ⋅ ψ xy − ψ x ⋅ ψ yy − γg(TW − T δ )ϑ − ν ⋅ ψ yyy und man erhält nach Einsetzen aller Ausdrücke 4ν2 A4 ⋅ f 󸀠 ⋅ [2f 󸀠 − ξ ⋅ f 󸀠󸀠 ] − 4ν2 A4 ⋅ [3f − ξ ⋅ f 󸀠 ] ⋅ f 󸀠󸀠 − γg(TW − T δ )ϑ − 4ν2 A4 ⋅ f 󸀠󸀠󸀠 = 0 , f 󸀠 ⋅ [2f 󸀠 − ξ ⋅ f 󸀠󸀠 ] − [3f − ξ ⋅ f 󸀠 ] ⋅ f 󸀠󸀠 −

γg(TW − T δ )ϑ − f 󸀠󸀠󸀠 = 0 , 4ν2 A4

und schließlich f 󸀠󸀠󸀠 = 2(f 󸀠 )2 − 3ff 󸀠󸀠 − ϑ .

(5.8)

Damit ist auch die Wahl von A rechtfertigt. Es fehlt noch die Energiegleichung (5.7). Diese lässt sich schreiben als ψ y ⋅ (TW − T δ ) ⋅

∂ϑ ∂ξ ∂ϑ ∂ξ ∂2 ϑ ∂ξ 2 λ ⋅ (TW − T δ ) ⋅ 2 ⋅ ( ) = 0 . ⋅ − ψ x ⋅ (TW − T δ ) ⋅ ⋅ − ∂ξ ∂x ∂ξ ∂y ρc p ∂y ∂ξ

Daraus wird nacheinander 5 1 1 A λ A2 ⋅ ϑ󸀠󸀠 ⋅ 1 = 0 , ⋅ Ay ⋅ x− 4 ) − νAx− 4 ⋅ [3f − ξ ⋅ f 󸀠 ] ⋅ ϑ󸀠 ⋅ 1 − 4 x2 x 4 ρc p 2 λA ⋅ ϑ󸀠󸀠 = 0 , − νA2 ⋅ ξ ⋅ f 󸀠 ϑ󸀠 − νA2 ⋅ [3f − ξ ⋅ f 󸀠 ] ⋅ ϑ󸀠 − ρc p 1 ⋅ ϑ󸀠󸀠 = 0 − ξ ⋅ f 󸀠 ϑ󸀠 − [3f − ξ ⋅ f 󸀠 ] ⋅ ϑ󸀠 − Pr

4νA2 ⋅ x 2 ⋅ f 󸀠 ϑ󸀠 ⋅ (− 1

und schließlich ϑ󸀠󸀠 = −3 ⋅ Pr ⋅ fϑ󸀠 . Die Randbedingungen lauten I. Für y = 0 ist u W = vW = 0 und T = TW . II. Für y → ∞ ist u δ = v δ = 0 und T = T δ . Umgeschrieben auf die dimensionslosen Größen bedeutet das I. Für ξ = 0 ist f 󸀠 (0) = 0 und ϑ(0) = 1. II. Für ξ → ∞ ist f 󸀠 (∞) = 0 und ϑ(∞) = 0.

(5.9)

5.2 Die Lösung der Grenzschichtgleichungen für die Platte | 125

Zusammen mit (5.8) und (5.9) erhält man das zu lösende System f 󸀠󸀠󸀠 = 2(f 󸀠 )2 − 3ff 󸀠󸀠 − ϑ

(5.10)

ϑ󸀠󸀠 = −3 ⋅ Pr ⋅ fϑ󸀠

Bei der Durchführung des folgenden Programms gilt es zu beachten, dass es noch der drei Anfangsbedingungen f(0), f 󸀠󸀠 (0) und ϑ󸀠 (0) bedarf. Dabei ist lediglich f(0) = 0 1 gegeben, denn mit vW = 0 (I. Randbedingung) muss aufgrund von v = −νAx− 4 ⋅ [3f − ξ ⋅ f 󸀠 ] nebst f 󸀠 (0) = 0 auch f(0) = 0 sein. Hingegen muss man die Werte von f 󸀠󸀠 (0) und ϑ󸀠 (0) so lange anpassen, bis f 󸀠 (∞) = 0 und ϑ(∞) = 0 erreicht wird. Die Simulation soll für Pr = 0,7 (Luft) und Pr = 7 (Wasser) durchgeführt werden. 󸀠󸀠 Durch Ausprobieren erhält man f0,7 (0) = 0,680, ϑ󸀠0,7 (0) = −0,502 für Pr = 0,7 und f7󸀠󸀠 (0) = 0,453 ,

ϑ󸀠7 (0) = −1,060 für

Pr = 7 .

(5.11)

Wie bisher entsprechen sich y1 = f , y2 = f 󸀠 , y3 = f 󸀠󸀠 , y4 = ϑ und y5 = ϑ󸀠 . Wie auch in Kapitel 4.7 wird das Temperaturprofil gespiegelt. Das zugehörige Programm besitzt die Gestalt Define DGL(n) Prgm xa:= {x2i} ya:= {y2i} xb:= {x4i} yb:= {y4ii} x2i:= 0 x4i:= 0 y1i:= 0 y2i:= 0 y3i:= f󸀠󸀠 (0) y4i:= 1 y5i:= ϑ󸀠 (0) For i,1,n x2i:= x2i + 0.01 x4i:= x4i + 0.01 y1i:= y1i + 0.01 ⋅ y2i y2i:= y2i + 0.01 ⋅ y3i y3i:= y3i + (2 ⋅ y2i2 - 3 ⋅ y1i ⋅ y3i - y4i) ⋅ 0.01 y4i:= y4i + 0.01 ⋅ y5i y5i:= y5i - 3 ⋅ Pr ⋅ y1i ⋅ y5i ⋅ 0.01 y4ii:= 1 - y4i xa:= augment(xa,{x2i}) ya:= augment(ya,{y2i})

126 | 5 Freie Konvektion

xb:= augment(xb,{x4i}) yb:= augment(yb,{y4ii}) End For Disp xa, ya, xb, yb End Prgm In Abb. 5.2 sind die Skalenwerte für f 󸀠 von unten nach oben markiert und für ϑ von oben nach unten. Man erkennt, dass beide Profile mit kleiner werdender Prandtl-Zahl stärker ausgebildet sind.

Abb. 5.2: Simulation von (5.10)

Mit Hilfe der vorliegenden numerischen Profile von f 󸀠 und ϑ können insbesondere die 1 Verläufe von u(ξ) = 4νA2 ⋅ x 2 ⋅ f 󸀠 (ξ) und T(ξ) = (TW − T δ )ϑ(ξ) + T δ ermittelt werden. Schließlich soll noch die mittlere Nusselt-Zahl für die freie Konvektion bestimmt werden. Die Wärmestromdichte beträgt q̇ W = −λ (

∂T ∂ϑ ∂ξ A ) = −λ(TW − T δ ) ⋅ ( ) ⋅ = −λ(TW − T δ ) ⋅ ϑ󸀠 (0) ⋅ 1 . ∂y W ∂ξ W ∂y x4

Der Wärmeübergangskoeffizient ist 1

λ Gr x 4 q̇ W = − ⋅ ϑ󸀠 (0) ⋅ ( ) α= TW − T δ x 4 und für die örtliche Nusselt-Zahl erhält man Nux = Nu x 1

( Gr4 x ) 4

αx λ

= −ϑ󸀠 (0) .

1

= −( Gr4 x ) 4 ⋅ϑ󸀠 (0) und schließlich

5.3 Näherung des Geschwindigkeits- und Temperaturprofils durch Polynomfunktionen | 127

Nun muss man in langwierigen Simulationen für viele Prandtl-Zahlen den entspre­ chenden Wert ϑ󸀠Pr (0) wie oben im Programm durch Ausprobieren bestimmen, alle Wer­ te auftragen und durch eine (monoton fallende) Funktion h(Pr) möglichst gut appro­ ximieren. Man erhält 1 0,676 ⋅ Pr 2 ϑ󸀠Pr (0) = h(Pr) = − . 1 (0,861 + Pr) 4 Warum

1

h(Pr) ∼

Pr 2 1

(μ + Pr) 4

gilt, wird im nächsten Kapitel ersichtlich. Für Pr = 0,7 und Pr = 7 ergibt sich ϑ󸀠0,7 (0) = −0,506 bzw. ϑ󸀠7 (0) = −1,068 und damit eine gute Übereinstimmung mit den beiden Werten von (5.11). Eine mittlere Nusselt-Zahl ermittelt man durch Mittelung des Wärmeübergangs­ koeffizienten: x

x

0

0

1 3 1 λ λ 4 4 α m = ∫ α(x) dx = − ⋅ ϑ󸀠 (0) ⋅ A ∫ x− 4 dx = − ⋅ ϑ󸀠 (0) ⋅ ⋅ Ax 4 = α(x) . x x x 3 3

Mit x = l ist Num =

αm l λ , Gr l

=

γgl 3(T W −T δ ) ν2

Num 1

l 4 ( Gr 4 )

(5.12)

und man erhält

4 = − ϑ󸀠 (0) 3

oder 1

Num 1

l 4 ( Gr 4 )

=

0,901 ⋅ Pr 2 1

(0,861 + Pr) 4

.

(5.13)

Diese Gleichung erfasst die Abhängigkeit der drei Kennzahlen Num , Gr l und Pr.

5.3 Näherung des Geschwindigkeits- und Temperaturprofils durch Polynomfunktionen Wie auch schon in vorangehenden Kapiteln sind wir mit dem Problem konfrontiert, dass Geschwindigkeits- und Temperaturprofil nur numerisch vorliegen. Zudem be­ sitzen wir keine Information über die jeweilige Grenzschichtdicke. Abermals müssen wir zuerst die Gleichungen (5.6) und (5.7) in eine Integralform umwandeln, dann die beiden Profile durch Polynome annähern und die entstehenden Integrale auswerten. Dies führen wir im Einzelnen aus. Als Erstes schreiben wir die Kontinuitätsgleichung wie in Kapitel 3.6 um zu y

v(x, y) = − ∫ 0

∂u dy . ∂x

128 | 5 Freie Konvektion

Diesen Ausdruck setzen wir in (5.6) ein, integrieren die Gleichung gleichzeitig von Null bis δS und erhalten δS

δS

y

δS

δS

0

0

0

0

0

∂u ∂2 u ∂u ∂u dy) dy − γg ∫(T − T δ ) dy − ν ∫ 2 dy = 0 . ∫ (u ) dy − ∫ (∫ ∂x ∂x ∂y ∂y Das Doppelintegral lösen wir mit partieller Integration unter Beachtung, dass u(δS ) = 0. Das ergibt nacheinander δS

y

δS

δS

δS

1 d 2 ∂u ] ∂u ∂u ∫ + ∫ (u ) dy − γg ∫(T − T δ ) dy − ν ( ) = 0 , (u ) dy − [u ∫ dy 2 dx ∂x ∂x ∂y W 0 0 [ 0 ]0 0 δS

δS

δS

d 2 d 2 1 ∂u 1 ∫ (u ) dy + ∫ (u ) dy − γg ∫(T − T δ ) dy − ν ( ) = 0 2 dx 2 dx ∂y W 0

0

δS

und

0

δS

d ∂u ∫ u 2 dy − γg ∫ (T − T δT ) dy − ν ( ) = 0 . dx ∂y W 0

(5.14)

0

Die Energiegleichung in integraler Form liegt schon vor. Denn (5.7) ist mit (4.19) iden­ tisch. Somit übernehmen wir das Ergebnis (4.28) in der Form δT

∂T d [ λ . (5.15) ∫ u(T − T δT ) dy] + k ( ) = 0 mit k = dx ∂y W ρc p ] [0 Wie man sieht, wird in (5.14) und (5.15) noch explizit zwischen δS und δT unterschie­ den. Es zeigt sich, dass man δS ≈ δT ≈ δ setzen kann und der Fehler dabei relativ klein ist. Für das Temperaturprofil setzen wir nur ein quadratisches Polynom an: y y 2 ϑ(x, y) = a + b ( ) + c ( ) . δ δ Die Randbedingungen lauten ϑ=1

für

y=0,

II. ϑ = 0

für

y=δ

für

y=δ.

I.

III.

∂ϑ =0 ∂y

und

Man erhält a = 1 aus I. und das System 1+b+c =0, b + 2c = 0 . Dies führt zu b = −2, c = 1 und dem Profil T − Tδ y 2 . ϑ(x, y) = (1 − ) = δ TW − T δ

(5.16)

5.3 Näherung des Geschwindigkeits- und Temperaturprofils durch Polynomfunktionen

| 129

2

Bemerkung. Die Auswertung von (5.7) an der Wand liefert die Bedingung ∂∂yT2 = 0 2 oder ∂∂yϑ2 = 0. Damit könnten wir ein Polynom 3. Grades ansetzen, aber die Rechnung liefert ein schlechteres Ergebnis. Um die Bedingung zu verwenden, müsste man für das Temperaturprofil folglich andersartige Näherungsfunktionen in Betracht ziehen. Das Geschwindigkeitsprofil muss aufgrund der Form durch ein Polynom mindestens 3. Grades angenähert werden: y y 2 y 2 u (x, y) = a + b ( ) + c ( ) + d ( ) . v0 δ δ δ Dabei ist v0 irgendeine Bezugsgeschwindigkeit. Als Randbedingungen ergeben sich I.

u=0

für

y=0,

II.

γg(TW − T δ ) ∂2 u ∂2 u = =− =: − β 2 2 ν ∂y ∂y

für

y=0,

für

y=δ

für

y=δ.

III. u = 0 IV.

∂u =0 ∂y

und

Die 2. Randbedingung erhält man durch Auswerten von (5.6) an der Wand. Aus I. folgt a = 0 und darauf das Gleichungssystem 2cv0 = −βδ2 b+c+d =0 b + 2c + 3d = 0 . Man erhält b =

βδ2 4v 0 ,

c = −2b, d = b und die Lösung

βδ2 y u y 2 = ⋅ (1 − ) v0 4v0 δ δ

oder

u=

βδ2 y y 2 ⋅ (1 − ) . 4 δ δ

Als dimensionsloses Profil kann man nun y y 2 u = (1 − ) u0 δ δ

mit

u 0 = sβδ2 ,

s∈ℝ

(5.17)

ansetzen. Damit kann man auch die Höhe maximaler Geschwindigkeit angeben. Aus ∂ 1 u ( ) = 3 (y − δ)(3y − δ) ∂y u 0 δ folgt ymax = 3δ . Die zugehörige Geschwindigkeit beträgt dann u max =

4 u0 . 27

(5.18)

130 | 5 Freie Konvektion

Nun wird (5.16) und (5.17) in (5.14) eingesetzt. Dies führt zu δ

δ

d y 2 y 4 y 2 ∫ u 20 [( ) (1 − ) ] dy − γg(TW − T δ ) ∫ (1 − ) dy dx δ δ δ 0

0

− νu 0 und

2

y ∂u y [ (1 − ) ] = 0 ∂y δ δ W

1 γg(TW − T δ ) d νu 0 ⋅ (u 2 δ) − ⋅δ− =0. 105 dx 0 3 δ

(5.19)

Nach dem Einsetzen von (5.16) und (5.17) in (5.15) entsteht nacheinander δ

(TW − T δ ) ⋅

d [ ∂ϑ u 0 ∫ uϑ dy] + k(TW − T δ ) ⋅ ( ) = 0 , dx ∂y W ] [ 0

δ

d y ∂u y 4 y 2 (u 0 ∫ [ (1 − ) ] dy) + k ⋅ [(1 − ) ] = 0 dx δ δ ∂y δ W 0

und 2k 1 d ⋅ (u 0 δ) − =0. 30 dx δ

(5.20)

d Da aufgrund von (5.17) u 0 ∼ δ2 , muss aus (5.20) dx (δ3 ) ∼ δ−1 folgen. Der Ansatz dδ3 n 3n−1 −n ∼ x und daraus n = 14 . Somit erhalten wir δ(x) = δ(x) ∼ x liefert dann dx ∼ x 1

1

C1 ⋅ x 4 und u 0 (x) = C2 ⋅ x 2 , die in (5.19) und (5.20) eingefügt werden können. Es ergibt sich 1 1 1 1 γg(TW − T δ ) C2 5 ⋅ x4 = 0 . ⋅ ⋅ C1 C22 ⋅ x 4 − ⋅ C1 ⋅ x 4 − ν ⋅ 105 4 3 C1

(5.21)

1 1 3 2k − 1 ⋅x 4 =0. ⋅ ⋅ C1 C2 ⋅ x− 4 − 30 4 C1

(5.22)

Aus (5.22) erhält man C2 =

80k , C 21

1600 ⋅ k 2 21 ⋅ C31

das man in (5.21) einsetzen kann. Dies führt zu −

γg(TW − T δ ) 80kν =0 ⋅ C1 − 3 C31

und aufgelöst

C1 = [

1

2

1600 k ⋅ ν2 + 240 ⋅ kν ⋅ k 2 + 240kν 4 ] ] = [ 7 γg(T W −T δ ) γg(TW − T δ ) 2 ν [ ]

1600 7

1 4

.

5.3 Näherung des Geschwindigkeits- und Temperaturprofils durch Polynomfunktionen

Mit

k ν

=

1 Pr

| 131

folgt 4 1 1600 γg(TW − T δ ) − 4 ( ⋅ [ ] + 240 ⋅ Pr)] 7 ν2 Pr2 1

C1 = [

1

4 1 20 γg(TW − T δ ) − 4 ] + Pr) ⋅ Pr− 2 ⋅ [ 21 ν2 1

1

= 3,936 ⋅ ( C2 =

80 ⋅

und

ν Pr − 12

1

2 −1 3,9362 ⋅ ( 20 ⋅ [ γg(TνW2−T δ ) ] 21 + Pr) ⋅ Pr

−2 1 20 + Pr) ⋅ [γg(TW − T δ )] 2 . 21 1

= 5,164 ⋅ (

Damit folgt die Grenzschichtdicke von Geschwindigkeit und Temperatur zu 1 γg(TW − T δ ) − 4 ⋅[ ] ⋅ x4 . ν2 1

1 4

δ(x) = 3,936 ⋅ (0,952 + Pr) ⋅ Pr

− 12

(5.23)

Dies schreibt sich auch als 1

δ(x) (0,952 + Pr) 4 = 3,936 ⋅ 1 1 x Pr 2 ⋅ Gr x4 Aus α= folgt mit (5.16) α = erhält man

1

oder

Gr x4 =

1

3,936 ⋅ x ⋅ (0,952 + Pr) 4 1

δ ⋅ Pr 2

(5.24)

q̇ W 1 ∂T ∂ϑ =− ⋅ λ( ) = −λ ( ) TW − T δ TW − T δ ∂y W ∂y W

2λ δ .

Die lokale Nusselt-Zahl beträgt Nux = Nu x 1

α(x)⋅x λ

=

2x δ .

Mit (5.24)

1

=

Gr x4

0,508 ⋅ Pr 2 1

.

1

=

(0,952 + Pr) 4

Mit Hilfe von (5.12) ergibt sich endlich Num 1

Gr l4

1

=

0,678 ⋅ Pr 2 1

(0,952 + Pr) 4

oder

1

Num l 4 ( Gr 4 )

0,958 ⋅ Pr 2 1

(0,952 + Pr) 4

.

Im Vergleich zu (5.13) ist die Abweichung klein. 1 7Pr Wählt man s = 20+21Pr , so erreicht man, dass u 0 = C2 ⋅ x 2 mit u 0 = sβδ2 von (5.17) übereinstimmt. Beispiel 1. Eine 5 m hohe Hauswand wird von der Sonne bestrahlt (Abb. 5.3 links). Es bildet sich eine Lufttemperatur von Ta = 20 °C und eine Wandtemperatur von TW = 40 °C aus. Die zugehörigen Stoffwerte der Luft bei der Bezugstemperatur 30 °C entnehmen Sie aus der Tabelle am Ende von Kapitel 4.6. Luft soll als ideales Gas be­ handelt werden. a) Gesucht ist die durch freie Konvektion von der Luft auf die Wand übertragene Wär­ mestromdichte.

132 | 5 Freie Konvektion

b) Führen Sie eine Wärmestrombilanz an der Außenwand durch. Berücksichtigen Sie die in a) berechnete konvektive Wärmestromdichte, die von der Wand nach innen weitergeleitete und die von der Wand nach außen abgestrahlte Wärmestromdich­ te. Bestimmen Sie daraus die von der Sonne einfallende Wärmestromdichte. Be­ nutzen Sie dazu folgende Angaben: Wanddicke und Temperatur im Innenraum betragen d = 0,4 m bzw. Ti = 25 °C. W Die Wärmeleitfähigkeit des Betons ist λB = 1 mK und der Wärmeübergangskoef­ fizient (Konvektion und Strahlung) von der Innenwand zur Luft im Innenraum beträgt α i = 7,5 mW2 K . Weiter ist die Wand aus hellgrauem Beton gefertigt, so dass der Emissionsgrad ε = 0,93 und der Absorptionsgrad 55 % betragen. c) Bestimmen Sie die Grenzschichtdicke für l = 1 m und am Ende der Hauswand. d) Gesucht sind die Funktionen u max (x), u mitt (x) für die maximale bzw. mittlere Ge­ schwindigkeit in Abhängigkeit der Lauflänge x und die mittleren Geschwindig­ keiten für l = 1 m und am Ende der Hauswand. e) Bestimmen Sie das Temperaturprofil T(x, y). Lösung: a) Für ein ideales Gas gilt γ = Gr =

1 303,15 K . Die

Grashof-Zahl folgt gemäß Kapitel 5.2 zu

9,81 ⋅ 53 ⋅ (313,15 − 293,15) 1 = 3,04 ⋅ 1011 ⋅ 303,15 (1,630 ⋅ 10−5 )2

und mit Hilfe von (5.13) erhält man Num = 356,27. Der über einer Strecke von 5 m gemittelte Wärmeübergangskoeffizient ist dann αa =

Num ⋅ λ 356,27 ⋅ 0,0265 W = = 1,89 2 l 5 m K

und für die Wärmestromdichte in Folge der Konvektion erhält man q̇ K = α a ⋅ (TWa − Ta ) = 1,89 ⋅ (313,15 − 293,15) = 37,83

W . m2

b) Schon im 4. Band sind Wärmeleitung und Wärmeübergänge mit einem Konvek­ tions- und einem Strahlungsanteil behandelt worden. Aufgrund der fehlenden Grenzschichttheorie musste dabei der Wärmeübergangskoeffizient immer ange­ geben werden. Im selben Band finden sich auch alle Erklärungen zu den folgen­ den Strahlungsbegriffen und Formeln. 55 % der einfallenden Leistung q̇ S werden absorbiert, was die Wärmestromdich­ te q̇ A an der Außenwand erzeugt. Ein Teil q̇ R von q̇ A wird in die Umgebungsluft reflektiert und ein Teil q̇ L wird durch Wärmeleitung ins Innere der Wand trans­ portiert. Die Bilanz an der Wand lautet demnach q̇ A + q̇ K − q̇ R − q̇ L = 0 oder

0,55 ⋅ q̇ S + q̇ K = q̇ R + q̇ L .

5.3 Näherung des Geschwindigkeits- und Temperaturprofils durch Polynomfunktionen |

133

Es gilt (vgl. 4. Band) q̇ L =

TWa − Ti 1 αi

+

d λB

=

313,15 − 298,15 1 7,5

+

0,4 1

= 28,13

W . m2

Daraus kann man noch die Temperatur TWi an der Innenwand zu TWi = TWa − q̇ L λdB = 28,75 °C bestimmen. Für die abgestrahlte Leistungsdichte der Außenwand gilt nach dem Gesetz von Stefan-Boltzmann 4 q̇ R = ε ⋅ σ ⋅ (TWa − Ta4 ) = 0,93 ⋅ 5,67 ⋅ 10−8 ⋅ (313,154 − 293,154 )

= 117,65

W m2

mit der Konstante σ = 5,67 ⋅ 10−8 mW 2 K 4 . Dabei wurde beachtet, dass die Umge­ bungsluft ihrerseits Wärmestrahlung zurück zur Wand abgibt. Die Bilanzgleichung liefert demnach q̇ S = 196,28 mW2 . Man kann noch den Wärmeübergangskoeffizienten an der Außenwand angeben. Dieser setzt sich aus dem konvektiven und dem strahlenden Teil zusammen: α a = α a,K + α a,R =

q̇ K q̇ R 37,83 + 117,65 W + = = 7,77 2 . TWa − Ta TWa − Ta 20 m K 1

c) Mit (5.23) folgt δ(x) = 0,024 ⋅ x 4 und damit δ(1) = 2,40 cm und δ(5) = 3,59 cm. Daran erkennt man, dass die Grenzschichtdicken bei freier Konvektion um ein Vielfaches größer als bei erzwungener Konvektion werden. d) Aus (5.18) folgt 4 u0 27 1 − 12 2 1 1 4 1 20 = ⋅ 5,164 ⋅ ( + 0,7134) ⋅ [ ⋅ 9,81 ⋅ 20] ⋅ x 2 = 0,48 ⋅ x 2 . 27 21 303,15 K

u max =

Weiter gilt mit (5.17) δ(x)

δ

1 1 u0 y u0 y 2 u mitt (x) = ∫ u(x) dy = ∫ [ (1 − ) ] dy = = 0,27 ⋅ x 2 . δ(x) δ δ δ 12

0

0

Damit erhält man u mitt (1) = 0,27 ms , u mitt (5) = 0,60 e) Gleichung (5.16) führt mit dem Ergebnis aus c) zu T(x, y) = (1 −

m s.

2 1 y 2 ) ⋅ (TWa − Ta ) + Ta = (1 − 41,97 ⋅ x− 4 y) ⋅ 20 + 293,15 . δ

134 | 5 Freie Konvektion

Abb. 5.3: Skizzen zu den Beispielen 1 und 2

Beispiel 2. Eine 3 m hohe und d = 0,3 m dicke Hauswand besitzt nachts die Außen­ temperatur TWa = 5 °C. Die Lufttemperatur beträgt Ta = −5 °C (Abb. 5.3 rechts). a) Wie lautet die Wärmestrombilanz an der Außen- bzw. Innenwand ohne Strah­ lungseffekte? b) Berechnen Sie die Wärmestromdichte q̇ a,K an der Außenwand infolge von Kon­ vektion. c) Wie groß wird die Temperatur TWi an der Innenwand, falls die Leitfähigkeit der W beträgt. Betonwand λB = 1,5 mK d) Bestimmen Sie die Innentemperatur Ti , so dass die Wärmestromdichte q̇ L inner­ halb der Mauer einzig durch die Konvektionstromdichte q̇ i,K an der Innenwand aufrecht erhalten wird und man fordert, dass bei beiden Wandseiten mit gleichen Wärmeübergangszahlen zu rechnen ist. e) Wiederholen Sie alle Teilaufgaben a) bis d) unter Berücksichtigung von Strah­ lungseffekten. Der Emissionsgrad an der Innenwand ist ε = 0,93. Bestimmen Sie die Innentemperatur Ti zuerst mit der Forderung gleicher Wärmeübergangszah­ len und danach für den Fall, dass aufgrund eines Lecks auf der gesamten inneren Wand eine dünne Ölschicht aufliegt und dadurch der Emissionsgrad der Innen­ wand auf den Wert ε = 0,55 sinkt. Lösung: I. Ohne Strahlung. a) Die Bilanzen an der Außen- bzw. Innenwand lauten q̇ a,K = q̇ L bzw. q̇ i,K = q̇ L , woraus q̇ a,K = q̇ i,K folgt. b) Die Bezugstemperatur beträgt TB = 0 °C und die entsprechenden Stoffwer­ te können der Tabelle am Ende von Kapitel 4.6 entnommen werden. Mit γ = 1 273,15 K erhält man Gr =

9,81 ⋅ 33 ⋅ (278,15 − 268,15) 1 = 5,30 ⋅ 1010 ⋅ 273,15 (1,352 ⋅ 10−5 )2

5.3 Näherung des Geschwindigkeits- und Temperaturprofils durch Polynomfunktionen |

135

und unter Verwendung von (5.13) Num = 231,11. Schließlich ergibt sich Num ⋅ λ ⋅ (TW − Ta ) 231,11 ⋅ 0,0242 ⋅ (278,15 − 268,15) = l 3 W = 18,64 2 m

q̇ a,K =

mit einem Wärmeübergangskoeffizienten von α a,K = 1,86 mW2 K . Wa c) Aus q̇ i,K = q̇ L = TWi −T folgt d λB

TWi = TWa + q̇ L ⋅

d 0,3 = 5 + 18,64 ⋅ = 8,73 °C . λB 1,5

d) Da α a,K = α i,K , gilt mit q̇ a,K = q̇ i,K schlicht Ti − TWi = TWa − Ta , woraus man Ti = 18,73 °C erhält. II. Mit Strahlung. a) Die Bilanzen an der Außen- bzw. Innenwand lauten q̇ a,K + q̇ a,S = q̇ L bzw. q̇ i,K + q̇ i,S = q̇ L , woraus q̇ a,K + q̇ a,S = q̇ i,K + q̇ i,S folgt. b) Die Konvektionsstromdichte bleibt unverändert: q̇ a,K = 18,64 mW2 mit α a,K = 1,86 mW2 K . Zusätzlich erhält man 4 − Ta4 ) = 0,93 ⋅ 5,67 ⋅ 10−8 ⋅ (278,154 − 268,154 ) = 43,00 q̇ a,S = ε ⋅ σ ⋅ (TWa

W m2

mit α a,S = 4,30 mW2 K . Insgesamt beträgt die Wärmestromdichte q̇ a = q̇ a,K + q̇ a,S = 61,64

W . m2

c) Mit q̇ a = q̇ L folgt TWi = TWa + q̇ L ⋅

d 0,3 = 5 + 61,64 ⋅ = 17,33 °C . λB 1,5

d) Die Forderung α a,K + α a,S = α i,K + α i,S führt zu Ti = 27,33 °C. Im Fall der Ölschicht muss Ti zuerst geschätzt werden, beispielsweise Ti = 29 °C. Die dünne Ölschicht hat dabei auf die gesuchten Temperaturen keinen we­ sentlichen Einfluss. Die Bezugstemperatur beträgt TB = 23,17 °C und die entsprechenden Stoff­ werte werden durch Interpolation mit Hilfe der Tabelle in Kapitel 4.6 be­ 2 W stimmt: ν = 1,565 ⋅ 10−5 ms , λ = 0,0259 mK und Pr = 0,7153.

136 | 5 Freie Konvektion 1 10 und danach mit Hilfe von (5.13) Mit γ = 296,32 K ergibt sich Gr = 4,26 ⋅ 10 Num = 218,46. Schließlich folgt

218,46 ⋅ 0,0259 ⋅ (29 − 17,33) W = 22,01 2 3 m 22,01 W = = 1,88 2 29 − 17,33 m K

q̇ i,K = mit

α i,K

und 4 − Ta4 ) = 0,55 ⋅ 5,67 ⋅ 10−8 ⋅ (302,154 − 290,484 ) q̇ a,S = ε ⋅ σ ⋅ (TWa

= 37,89

W m2

mit α i,S = 3,25 mW2 K . Die gesamte Wärmestromdichte beträgt q̇ i = q̇ i,K + q̇ i,S = 59,90 mW2 , was verglichen mit dem benötigten Wert von 61,64 mW2 etwas zu wenig ist. Eine Wiederholung der Rechnung mit Ti = 29,2 °C liefert q̇ i = q̇ i,K + q̇ a,S = 22,48 + 38,58 = 61,06

W , m2

was genau genug ist. Die Wärmeübergangszahl ist dann α i = α i,K + α i,S =

22,48 38,58 W + = 5,14 2 . 29, 2 − 17,33 29,2 − 17,33 m K

Zum Vergleich gilt für die Außenwand α a = α a,K + α a,S = 1,86 + 4,30 = 6,16

W . m2 K

Man erkennt, dass ohne Hinzunahme des Strahlungsanteils falsche Ergebnisse entstehen. Übergangszahlen in Tabellen berücksichtigen also immer Konvekti­ ons- und Strahlungseffekte. Beispiel 3. Ein l = 1,5 m hohes Fenster ist doppelt verglast. Die Scheiben befinden sind in einem Abstand d und der Zwischenraum besteht aus Luft. Am Außenglas bildet sich eine Temperatur von Ta = 0 °C und am Innenglas eine Temperatur von Ti = 20 °C aus. Aufgrund des Temperaturunterschieds beginnt die Luft im Spalt zu zirkulieren. In dieser Aufgabe interessiert weniger der fließende Wärmestrom, sondern viel­ mehr die Dicke der sich auf der Innenseite beider Scheiben ausbildende Temperatur­ grenzschicht. Noch eine Bemerkung: Bei einer Einfachverglasung entspricht die Situation dem 2. Beispiel, wenn man dort das Mauerwerk durch die Glasscheibe ersetzt. a) Wie dick wird die Grenzschicht auf halber Scheibenhöhe und am höchsten Punkt der Glasscheibe?

5.3 Näherung des Geschwindigkeits- und Temperaturprofils durch Polynomfunktionen

| 137

b) Nun betrachten wir den Zwischenraum auf halber Höhe. Mit δ wird die einseitige Grenzschichtdicke in dieser Höhe bezeichnet. Stellen Sie für die folgenden vier Fälle das qualitative Geschwindigkeits- und das Temperaturprofil auf dieser Höhe entlang der Scheibendicke d dar: I. 2δ ≫ d ,

II. 2δ > d ,

III.

2δ = d

und IV. 2δ < d .

Lösung: a) Die Werte bei der Bezugstemperatur TB = 10 °C entnimmt man der Tabelle am 1 Ende von Kapitel 4.6. Mit γ = 283,15 K und Gleichung (5.23) folgt δ(x) = 3,936 ⋅ (0,952 + 0,7163) 4 ⋅ 0,7163− 2 1

1

1 1 9,81 ⋅ (293,15 − 273,15) − 4 ⋅[ ] ⋅ x4 ⋅ 283,15 (1,442 ⋅ 10−5 )2 1

1

= 0,0220 ⋅ x 4 . Man erhält δ(0,75) = 2,05 cm und δ(1,5) = 2,43 cm. Bei einem genügend großen Zwischenraum erhält man somit drei Wärmeübergän­ ge: zwei von der Scheibe zur Luft im Inneren und einen Übergang durch Leitung im Zentrum des Spalts. b) Das Ergebnis aus a) zeigt, dass der Spalt etwa d = 5 cm breit sein muss, damit sich beidseits die volle Grenzschicht ausbilden kann und die Wärmeübertragung mittels Konvektion in vollem Umfang entlang der gesamten Scheibenlänge mög­ lich ist (Abb. 5.4, III. und IV. Fall). In der Praxis hingegen gilt es, gerade dies zu vermeiden, denn je mehr Luft zirkuliert, umso schlechter ist die Isolation. Wird

Abb. 5.4: Skizzen zu Beispiel 3

138 | 5 Freie Konvektion

der Scheibenabstand d kleiner, dann sinkt der Konvektionswärmestrom immer weiter und für sehr kleine Zwischenräume wird die Wärme restlos durch Leitung übertragen (Abb. 5.4, I. Fall). Allzu klein darf der Abstand aber auch nicht gewählt werden, weil der Wärmestrom dann anwächst. Bei üblichen Doppelverglasungen ist d ≈ 1,5 cm und der Zwischenraum ist mit Luft oder Argon gefüllt. Auf den Innenseiten sind die Scheiben zusätzlich mit einer dünnen lichtdurchlässigen, aber wärmereflektierenden Metallschicht versehen. Mitte der 90er Jahre des letz­ ten Jahrhunderts entstanden auch Vakuumisoliergläser.

Aufgabe Bearbeiten Sie die Übungen 13 und 14.

6 Turbulente Strömungen Die Turbulenz einer Strömung blieb lange Zeit unverstanden. Es schien unmöglich, einem turbulenten Verhalten irgendeine Gesetzmäßigkeit abzuringen. Der Farbfaden­ versuch von Reynolds 1883 (erstmals 1854 von Hagen durchgeführt) brachte etwas Licht ins Dunkel. Aus seinen Beobachtungen erkannte Reynolds die drei wesentlichen Größen, die das Verhalten einer Strömung hauptsächlich bestimmen: die kinemati­ sche Viskosität ν, die mittlere Geschwindigkeit u des Fluids und die geometrische Be­ grenzung, in seinem Fall der Rohrdurchmesser d. Die Kombination der drei Größen zu seiner später nach ihm benannten Reynolds-Zahl lieferten eine weitere Erkennt­ nis: Strömungen mit gleicher Reynolds-Zahl verhalten sich gleich. (Dies gilt freilich nur, falls die Strömung inkompressibel bleibt und keine weiteren Kräfte wirken, wie beispielsweise eine Auftriebskraft bei der freien Konvektion oder die Gewichtskraft bei einer Gerinneströmung.) Die Folgerung war, dass man eine Strömung im Labor in einem beliebigen Maßstab simulieren, das Verhalten untersuchen und die Ergebnis­ se auf eine reale Strömung übertragen konnte. Zudem wurde der Übergang von einer laminaren zu einer turbulenten Strömung durch Abreißen seines Farbfadens sichtbar gemacht. Er beobachte, dass mit der Turbulenz gleichzeitig eine Abnahme der mittle­ ren Geschwindigkeit wie auch eine Zunahme des Strömungswiderstands einherging. Dem Umschlag konnte er zudem eine Zahl, die kritische Reynolds-Zahl, zuordnen. Als Nächstes soll die turbulente Strömung gegenüber der laminaren Strömung in ihren wesentlichen Punkten abgegrenzt werden. I. Die Turbulenz verläuft dreidimensional. Dies erkannte bereits Reynolds. Auch wenn die Druckänderung nur in eine Rich­ tung wirkt, erfolgen die Ausgleichsbewegungen beim Übergang zur Turbulenz in alle Raumrichtungen. Auch bei der Grenzschichtströmung sind wir der destabilisierenden Wirkung einer Druckänderung begegnet: Der Ablösepunkt und die darauf einsetzen­ de Turbulenz wurden durch eine Druckerhöhung begünstigt. II. Turbulenz ist örtlich und zeitlich unregelmäßig. Zwei Strömungen mit theoretisch gleichen Anfangs- und Randbedingungen werden am selben Messort unterschiedliche Geschwindigkeiten aufweisen. An verschiedenen Orten werden die beiden gemessenen Geschwindigkeiten ebenfalls unterschiedlich groß sein. III. Turbulenz beinhaltet Wirbel. Die kinetische Energie wird bei der Turbulenzbildung in den großen Wirbeln gespei­ chert. Da diese nicht am Ort ihrer Entstehung verharren und weiterströmen, findet sowohl ein Massen- als auch ein Wirbeltransport statt: Größere Wirbel werden in klei­ nere zerlegt. Dadurch verlieren die Wirbel aufgrund der viskosen Reibung ihre gesam­ te kinetische Energie, die in Wärme dissipiert wird, bis die turbulente Strömung sich auflöst. https://doi.org/10.1515/9783110684544-006

140 | 6 Turbulente Strömungen

Bei der Strömung über eine gekrümmte Platte hatten wir gesehen, dass eine Zu­ nahme des Drucks zur Ablösung der Grenzschicht führt und danach Turbulenz ein­ setzt. Ist die Wand eben, können Rauheit oder auch Störungen wie Geräusche oder Vibrationen zu einem Umschlag führen. Die Wärmeübertragung durch Konvektion zwischen Fluid und Wand spielt bei der Turbulenzentstehung ebenfalls eine Rolle. Dabei gilt: Fließt Wärme aus dem Fluid heraus, dann sinkt die Turbulenzgefahr, bei Wärmezufuhr steigt die Wahrscheinlichkeit einer Turbulenz.

6.1 Die Stabilität einer laminaren Strömung Unseren bisherigen, mitunter auch instationären Strömungen, lag die Navier-StokesGleichung zugrunde. Ihre Lösungen entsprechen in der Praxis ausnahmslos lamina­ ren Strömungen. Schon Reynolds vermutete: Die Frage, ob eine Strömung laminar oder turbulent verläuft, hängt mit der Stabilität der zugehörigen die „Strömung be­ schreibenden Lösung“ der Navier-Stokes-Gleichung zusammen. Zu den Anführungs­ zeichen zwei Bemerkungen: 1. Die 13 Beispiele in Kapitel 2.1 führten jeweils zu exakten Lösungen der NavierStokes-Gleichung bei gegebenen Rand- und Anfangsbedingungen. Es fragt sich, ob die Lösung eindeutig ist und eine im Experiment nachzubildende Strömung beschreibt. In all diesen Beispielen ist beides der Fall, sofern die Reynolds-Zahl unterhalb ei­ ner kritischen Grenze gehalten werden kann. Dies wiederum bedingt, Störungen wie Geräusche, Vibrationen oder ganz konkret Ungleichmäßigkeiten beim Einlauf einer Rohrströmung zu minimieren. Für Reynolds-Zahlen oberhalb der kritischen Grenze kippt die Strömung in eine (stabile) turbulente über. Damit stellt die laminare Strö­ mung als Lösung der Navier-Stokes-Gleichung nur eine mögliche Strömungsform dar. Bezüglich der Existenz hat man bisher bewiesen: Ist Re < Rekrit (laminar), dann gibt es eine eindeutige glatte, globale Lösung, falls das Geschwindigkeitsprofil glatt ist. Glatt bedeutet unendlich oft differenzierbar. Es dürfen somit keine Lücken, Sprungstellen oder Singularitäten auftreten. Mit global ist gemeint, dass die Lösung für alle Zeiten gilt. Dies ist für alle 13 Beispiele aus Kapitel 2.1 der Fall. Wenn man die unendlichen Reihenlösungen einiger Beispiele betrachtet, er­ kennt man, weshalb die Forderung nach Glätte Sinn macht. Für Re > Rekrit (turbulent) gibt es unter derselben Voraussetzung eine eindeutige glatte Lösung, aber sie gilt nur mehr für endliche Zeiten. Je größer Re, umso kürzer wird diese gültige Zeit. Die Suche nach der Existenz einer globalen Lösung bezeichnet man als eines der Millenniums-Probleme. 2. Es gibt noch einen anderen Aspekt turbulenter Strömung, der angesprochen werden soll. Wir betrachten irgendein Strömungsproblem, das durch die Navier-Sto­ kes-Gleichung beschrieben werden soll. Da keine exakte Lösung existiert, stellt die numerisch ermittelte Lösung eine Approximation dar. Die Frage ist: wovon? Weil die Existenz der Navier-Stokes-Gleichung nicht gesichert ist, kann man auch nicht davon

6.1 Die Stabilität einer laminaren Strömung

|

141

ausgehen, dass die numerisch ermittelte Lösung, einschließlich Form-, Modell- oder Iterationsfehlern, irgendeine wirklich existierende Strömung beschreibt. Die Nähe­ rungslösung könnte ebensogut das Strömungsprofil um einen anders geformten Kör­ per beschreiben oder sogar gar keine Strömung. Stabilitätsfragen begegneten uns im 1. Band im Zusammenhang mit Populationsoder Epidemiemodellen. Kleine Änderungen in den Startpopulationen konnten zu nicht mehr vorhersagbaren Zuständen führen. Bei allen partiellen DGLen der folgen­ den Bände, wie beispielsweise der Wellengleichung, der Plattengleichung oder der Wärmeleitungsgleichung, durften Stabilitätsfragen unbeachtet bleiben, sofern Randund Anfangsbedingungen zu einem wohl gestellten Problem gehörten. Das bedeutet, dass eine kleine Änderung in den Bedingungen bloß eine kleine Änderung der Lösung nach sich zieht, ohne dabei die Stabilität der Lösung zu beeinträchtigen. Als Beispiel betrachten wir ein physikalisches Pendel in Form einer dünnen Stan­ ge mit dem Drehpunkt am oberen Stangenende und einer Zusatzmasse am unteren Ende. Lenkt man das Pendel in dieser Ruhelage leicht aus, dann wird es mit der Zeit in die Anfangslage zurückkehren. Man sagt, dass die zugehörige Schwingungsgleichung asymptotisch stabil ist. Dreht man hingegen das Pendel um 180° und hält die Masse über dem Dreh­ punkt, dann wird bei einer kleinen Änderung dieser Anfangslage das Pendel mit der Zeit niemals wieder in diese Position zurückkehren können. Offensichtlich ist die Lö­ sung der zugehörigen DGL dann instabil. In diesem Fall ist das Problem nicht wohl gestellt. Es gibt auch Trivialfälle für nicht wohl gestellte Probleme, dann nämlich, wenn beispielsweise Saiten, Balken oder Platten bis zu einem Reiß- oder Bruchpunkt ge­ spannt oder ausgelenkt werden. Dem Phänomen der Resonanzkatastrophe liegt ähn­ lich dem chaotischen Verhalten von Populationen ein wohl gestelltes Problem zugrun­ de: Ändert man die Anregungsfrequenz, so dass diese mit einer Eigenfrequenz des angeregten Körpers übereinstimmt, dann kann eine zerstörerische Wirkung die Folge sein. Es ist nun so, dass bei kleinen Reynolds-Zahlen eine kleine Störung ohne Folgen bleibt. Die Strömung verweilt im laminaren Zustand, weil die viskosen Kräfte die Stö­ rung ausgleichen können. Ab einer kritischen Reynolds-Zahl wird die Strömung insta­ bil und schlägt in eine turbulente um. Es kann keine sichere Vorhersage über einen Zeitpunkt oder über das weitere Strömungsverhalten getroffen werden. Für die instationäre Plattenströmung führte Tollmien eine Stabilitätsrechnung auf Basis der Orr-Sommerfeld-Gleichung (1907/08) für das Blasius-Profil durch (allerdings nicht mit den weiter unten benutzten Basisfunktionen). Seinen Untersuchungen liegt die Vorstellung zugrunde, dass laminare Strömungen kleine Störungen beinhalten, die bei Rohrströmungen durch den Einlauf und die Wandrauheit und bei Plattenströ­ mungen durch Störungen der Außenströmung herrühren können. Messungen zeigen, dass zweidimensionale Strömungen (verglichen mit dreidimensionalen) schon bei kleineren Reynolds-Zahlen instabil werden.

142 | 6 Turbulente Strömungen

Zur Herleitung der Orr-Sommerfeld-Gleichung betrachten wir eine zweidimensio­ nale Plattenströmung mit dem stationären Profil (u 0 (x, y), v0 (x, y)) und der zugehö­ rigen Druckverteilung p0 (x, y). Man nennt diese auch kurz Grundlösung. Die zeitlich abhängigen Störungsgrößen der Strömung bezeichnen wir mit u 󸀠 (x, y, t), v󸀠 (x, y, t) und p󸀠 (x, y, t). Weiter treffen wir drei Annahmen. I. Für die erste Annahme müssen wir etwas ausholen. Im Kapitel 2.1 betrachte­ ten wir im 1. Beispiel die Strömung zwischen zwei ruhenden parallelen Platten. Als Lösung erhielten wir (2.7), eine exakte Lösung der Navier-Stokes-Gleichung (2.2). Wie man sich leicht überzeugt, ist das Profil (2.7)auch exakte Lösung der Grenzschichtglei­ chung (3.10). Gleiches gilt auch für die Hagen-Poiseuille-Strömung (2.11), um noch ein weiteres Beispiel zu nennen. Bei der Plattenströmung sieht es anders aus: Die exakte Lösung von (3.10) ist die Blasius-Lösung. (3.10) ist aber eine Näherungsgleichung von (2.2). Die Blasius-Lösung ist somit keine exakte, sondern nur eine Näherungslösung der Navier-Stokes Glei­ chung. Deswegen treffen wir die Annahme, dass die exakte Lösung von (2.2) die BlasiusLösung ist oder anders gesagt: Die Grundlösung (u 0 (x, y), v0 (x, y)) erfüllt (3.10). II. Bei der Plattenströmung werden die Fluidteilchen aufgrund der sich ausbil­ denden Grenzschicht abgelenkt. Es soll angenommen werden, dass sich die Grenz­ schichtdicke entlang der betrachteten Strecke nur unwesentlich ändert. Damit ändert sich die Grundströmung in Strömungsrichtung praktisch nicht, sie ist also nur von y abhängig. (Bei dem in I. erwähnten 1. Beispiel und der Hagen-Poiseuille-Strömung ist 0 das erfüllt.) Das bedeutet ∂u ∂x = 0, v 0 = 0 und u 0 (x, y) = u 0 (y). III. Die zeitlichen Änderungen u 󸀠 , v󸀠 und p󸀠 sollen so klein sein, dass man die Geschwindigkeitskomponenten linearisieren und Produkte von Störungen vernach­ lässigen kann. Damit können wir für den zeitlichen Verlauf der Strömung schreiben: u = u0 + u󸀠 ,

v = v󸀠

und

p = p0 + p󸀠 .

Die instationäre Lösung muss die instationäre Navier-Stokes-Gleichung (2.2) erfüllen. Man erhält inklusive der Kontinuitätsgleichung ∂(u 0 + u 󸀠 ) ∂v󸀠 + =0 ∂x ∂y ∂(u 0 + u 󸀠 ) ∂(u 0 + u 󸀠 ) ∂(u 0 + u 󸀠 ) + (u 0 + u 󸀠 ) + v󸀠 ∂t ∂x ∂y 1 ∂(p0 + p󸀠 ) ∂2 (u 0 + u 󸀠 ) ∂2 (u 0 + u 󸀠 ) + + ⋅ − ν[ ]=0 ρ ∂x ∂x2 ∂y2 ∂v󸀠 1 ∂(p0 + p󸀠 ) ∂v󸀠 ∂v󸀠 ∂2 v󸀠 ∂2 v󸀠 ]=0 + (u 0 + u 󸀠 ) + v󸀠 + ⋅ − ν[ 2 + ∂t ∂x ∂y ρ ∂y ∂x ∂y2 0 Da u 0 die stationäre Lösung bezeichnet, ist ∂u ∂t . Weiter vernachlässigen wir nach der Annahme III. alle Produkte von Änderungen. Setzt man noch die Folgerungen aus II.

6.1 Die Stabilität einer laminaren Strömung

| 143

um, dann verbleibt ∂u 󸀠 ∂v󸀠 + =0 ∂x ∂y ∂u 󸀠 ∂u 󸀠 ∂u 0 1 ∂p0 1 ∂p󸀠 ∂2 u󸀠 ∂2 u0 ∂2 u󸀠 + ]=0 + u0 + v󸀠 + ⋅ + ⋅ − ν[ 2 + ∂t ∂x ∂y ρ ∂x ρ ∂x ∂x ∂y2 ∂y2 ∂v󸀠 1 ∂p0 1 ∂p󸀠 ∂2 v󸀠 ∂2 v󸀠 ∂v󸀠 ]=0 + u0 + ⋅ + ⋅ − ν[ 2 + ∂t ∂x ρ ∂y ρ ∂y ∂x ∂y2

(6.1)

Nun greift die Annahme I., dass nämlich u 0 (y) auch Lösung der Grenzschichtglei­ chung (3.10) ist. Verwendet man alle Annahmen aus II., dann reduzieren sich die drei ∂p 0 ∂ 2 u0 Gleichungen aus (3.10) zu 1ρ ⋅ ∂p ∂x − ν ∂y2 = 0 und ∂y = 0. Die erste dieser Gleichun­ gen ist nichts anderes als die Wandbindungsgleichung (3.38). Diese Ergebnisse in das System (6.1) eingefügt, ergibt ∂u 󸀠 ∂v󸀠 + =0 ∂x ∂y ∂2 u󸀠 ∂2 u󸀠 ∂u 󸀠 ∂u 0 1 ∂p󸀠 ∂u 󸀠 ]=0 + u0 + v󸀠 + ⋅ − ν[ 2 + ∂t ∂x ∂y ρ ∂x ∂x ∂y2 ∂v󸀠 1 ∂p󸀠 ∂2 v󸀠 ∂2 v󸀠 ∂v󸀠 ]=0 + u0 + ⋅ − ν[ 2 + ∂t ∂x ρ ∂y ∂x ∂y2 Schließlich kann man die Gleichungen noch an der Wand oder am Ende der Grenz­ 󸀠 ∂p 󸀠 schicht auswerten. In jedem Fall ist u 󸀠 = v󸀠 = 0, was ∂p ∂x = ∂y = 0 nach sich zieht. Insgesamt verbleibt das System ∂u 󸀠 ∂v󸀠 + =0 ∂x ∂y ∂u 󸀠 ∂u 󸀠 ∂u 0 ∂2 u󸀠 ∂2 u󸀠 ]=0 + u0 + v󸀠 − ν[ 2 + ∂t ∂x ∂y ∂x ∂y2 ∂2 v󸀠 ∂2 v󸀠 ∂v󸀠 ∂v󸀠 ]=0 + u0 − ν[ 2 + ∂t ∂x ∂x ∂y2

(6.2)

Jede Störung kann als Fourier-Reihe dargestellt werden. Wir betrachten im Weiteren nur eine einzige harmonische Schwingung mit der Wellenzahl α und der Frequenz ω. Man kann die Störgeschwindigkeiten komplexwertig einzeln als u 󸀠 = ũ ⋅ e i(αx−ωt) und v󸀠 = ṽ ⋅ e i(αx−ωt) ansetzen. Wir fassen hingegen beide Einzelstörungen in einer Strom­ funktion zusammen: ψ(x, y, t) = ϕ(y) ⋅ e i(αx−ωt) . (6.3) Wie schon einige Male zuvor setzen wir u 󸀠 = ∂y und v󸀠 = − ∂x . Die Amplitudenfunktion ϕ(y) wird aufgrund von Annahme II. nur von y abhängig gewählt. Sind α ∈ ℝ und ω ∈ ℂ, dann ist die Störung rein zeitlich, für α ∈ ℂ und ω ∈ ℝ rein örtlich. Diese Begrifflichkeit soll kurz erläutert werden. Im 1. Fall wäre ω = ωF + iωA . ∂ψ

∂ψ

144 | 6 Turbulente Strömungen

Dann folgt ψ(x, y, t) = ϕ(y) ⋅ e i(αx−ωF t−iωA t)

󵄨 󵄨 󵄨 󵄨 󵄨 󵄨 |ψ| = |ϕ| ⋅ 󵄨󵄨󵄨󵄨e i(αx−ωF t) 󵄨󵄨󵄨󵄨 ⋅ 󵄨󵄨󵄨󵄨e ωA t 󵄨󵄨󵄨󵄨 = |ϕ| ⋅ 1 ⋅ 󵄨󵄨󵄨󵄨e ωA t 󵄨󵄨󵄨󵄨 .

und

Man erhält limt→∞ |ψ| = 0, falls ωA < 0. Rein zeitlich bedeutet also, dass mit der Zeit die Störung verschwindet. Die wichtige Größe ist somit ωA , die man auch als zeitli­ che Anfachrate bezeichnet, und ωF ist die Kreisfrequenz der Störung. Diese Art von Störung setzen wir im Folgenden voraus. Der Vollständigkeit halber wäre im anderen Fall α = α F + iα A , 󵄨 󵄨 󵄨 󵄨 󵄨 󵄨 |ψ| = |ϕ| ⋅ 󵄨󵄨󵄨󵄨e i(αF x−ωt)󵄨󵄨󵄨󵄨 ⋅ 󵄨󵄨󵄨e−αA x 󵄨󵄨󵄨 = |ϕ| ⋅ 1 ⋅ 󵄨󵄨󵄨e−αA x 󵄨󵄨󵄨 → 0 , falls α A > 0 für x → ∞ und somit ψ eine rein örtliche Störung. Die in (6.3) definierte Stromfunktion erfüllt die Kontinuitätsgleichung (1. Glei­ chung des Systems (6.2)). Beweis. Es gilt u󸀠 =

∂ψ ∂ϕ i(αx−ωt) = ⋅e ∂y ∂y

und

v󸀠 = −

∂ψ = −iαϕ ⋅ e i(αx−ωt) . ∂x

Dann folgt ∂u 󸀠 ∂v󸀠 ∂ϕ i(αx−ωt) ∂ϕ i(αx−ωt) − iα ⋅ =0. + = iα ⋅ ⋅e ⋅e ∂x ∂y ∂y ∂y Als Nächstes werden die Ausdrücke von u 󸀠 und v󸀠 in die beiden Impulserhaltungen von (6.2) eingefügt. Das ergibt −iωϕ󸀠 + iαu 0 ϕ󸀠 − iαu 󸀠0 ϕ − ν[−α 2 ϕ󸀠 + ϕ󸀠󸀠󸀠 ] = 0

(6.4)

󸀠󸀠

−αωϕ + α u 0 ϕ − ν[iα ϕ − iαϕ ] = 0 2

3

(6.5)

Gleichung (6.4) wird nach y abgeleitet und (6.5) mit iα multipliziert. Man erhält 󸀠 󸀠 2 󸀠󸀠 󸀠󸀠󸀠󸀠 − iωϕ󸀠󸀠 + iαu 󸀠0 ϕ󸀠 + iαu 0 ϕ󸀠󸀠 − iαu 󸀠󸀠 =0 0 ϕ − iαu 0 ϕ + α νϕ − νϕ 2

3

4

2

und

󸀠󸀠

− iα ωϕ + iα u 0 ϕ + α νϕ − α νϕ = 0 . Die Subtraktion beider Gleichungen führt schließlich zur Orr-Sommerfeld-Gleichung für die Amplitudenfunktion ϕ: ν(ϕ󸀠󸀠󸀠󸀠 − 2α 2 ϕ󸀠󸀠 + α 4 ϕ) − i(αu 0 − ω)(ϕ󸀠󸀠 − α 2 ϕ) + iαu 󸀠󸀠 0ϕ = 0 . Für u 0 (y) = konst. besitzt die Lösung die Form ϕ(y) = C1 e k1 y + C2 e k2 y + C3 e k3 y + C4 e k4 y mit

k 1,2 = ±α

und

k 3,4 = ±√α 2 +

i(αu 0 − ω) . ν

(6.6)

6.1 Die Stabilität einer laminaren Strömung

145

|

Für unser Problem ist dies nicht sehr hilfreich, da u 0 (y) durch das Blasius-Profil gege­ ben ist und somit alles andere als konstant ist. Die Amplitudenfunktion setzen wir als unendliche Reihe an: m

ϕ(y) = ∑ a n ⋅ φ n (y) . n=1

u󸀠

und v󸀠

Da die Änderungen an der Wand und am Grenzschichtrand (oder im Unend­ lichen) verschwinden, muss dasselbe auch für die Amplitude der Störung gelten. Das ergibt gesamthaft vier Randbedingungen ϕ = 0 und

I.

ϕ = 0 und

II.

ϕ󸀠 = 0 für

y=0

󸀠

ϕ = 0 für

(6.7)

y=δ.

Die Ergebnisse zeigen, dass es keine Rolle spielt, ob man die Bedingung II. bis zur Grenzschichtdicke oder darüber hinaus erstreckt. Aufgrund der Darstellung von ϕ gelten die Bedingungen (6.7) auch für jedes φ n . Den Reihenansatz für ϕ setzen wir in (6.6) ein und erhalten m

2 󸀠󸀠 4 󸀠󸀠 2 󸀠󸀠 ∑ a n [ν (φ󸀠󸀠󸀠󸀠 n − 2α φ n + α φ n ) − i(αu 0 − ω) (φ n − α φ n ) + iαu 0 φ n ] = 0

oder

n=1 m

2 󸀠󸀠 4 󸀠󸀠 ∑ a n [ν (φ󸀠󸀠󸀠󸀠 n − 2α φ n + α φ n ) − iαu 0 φ n n=1

+ iα 3 u 0 φ n + iωφ󸀠󸀠n − iα 2 ωφ n + iαu 󸀠󸀠 0 φn ] = 0 . Multiplikation mit φ k und anschließende Integration über y von Null bis δ liefert δ

m

δ

δ

δ

2 󸀠󸀠 4 󸀠󸀠 ∑ a n [ν (∫ φ󸀠󸀠󸀠󸀠 n φ k dy − 2α ∫ φ n φ k dy + α ∫ φ n φ k dy) − iα ∫ u 0 φ n φ k dy n=1 0 0 0 0 [ δ

δ

δ

δ

] + iα 3 ∫ u 0 φ n φ k dy + iω ∫ φ󸀠󸀠n φ k dy − iα 2 ω ∫ φ n φ k dy + iα ∫ u 󸀠󸀠 0 φ n φ k dy = 0 . 0 0 0 0 ] (6.8) Einige Integrale werden mit Hilfe partieller Integration und (6.7) umgeformt: δ

1.

δ

δ

δ

∫ φ󸀠󸀠n φ k dy = [φ󸀠n φ k ]0 − ∫ φ󸀠n φ󸀠k dy = − ∫ φ󸀠n φ󸀠k dy . 0

0

0

δ

2.

δ

0

4.

δ

δ

0

δ

3.

δ

δ

󸀠󸀠󸀠 󸀠󸀠󸀠 󸀠 󸀠󸀠 󸀠 󸀠󸀠 󸀠󸀠 󸀠󸀠 󸀠󸀠 ∫ φ󸀠󸀠󸀠󸀠 n φ k dy = [φ n φ k ]0 − ∫ φ n φ k dy = − [φ n φ k ]0 + ∫ φ n φ k dy = ∫ φ n φ k dy . 0 δ

δ

0 δ

δ

∫ u 0 φ󸀠󸀠n φ k dy = [φ󸀠n u 0 φ k ]0 − ∫ φ󸀠n (u 0 φ k )󸀠 dy = − ∫ φ󸀠n u 󸀠0 φ k dy − ∫ φ󸀠n u 0 φ󸀠k dy . 0

0

0

0

δ

δ

δ

δ

∫ u 󸀠󸀠 0 φn φk 0

dy =

δ [u 󸀠0 φ n φ k ]0

− ∫ u 󸀠0 (φ n φ k )󸀠 0

dy =

− ∫ u 󸀠0 φ󸀠n φ k 0

dy − ∫ u 󸀠0 φ n φ󸀠k dy . 0

146 | 6 Turbulente Strömungen

Damit schreibt sich (6.8) als δ

m

δ

δ

δ

∑ a n [ν (∫ φ󸀠󸀠n φ󸀠󸀠k dy + 2α 2 ∫ φ󸀠n φ󸀠k dy + α 4 ∫ φ n φ k dy) + iα ∫ φ󸀠n φ󸀠k u 0 dy n=1 0 0 0 0 [ δ

δ

δ

δ

−iα ∫ φ n φ󸀠k u 󸀠0 dy + iα 3 ∫ φ n φ k u 0 dy − iω ∫ φ󸀠n φ󸀠k dy − iα 2 ω ∫ φ n φ k dy] = 0 . 0 0 0 0 ] Weiter zusammengefasst erhält man δ

δ

δ

m iω iα 2 ω ∑ νa n [∫ φ󸀠󸀠n φ󸀠󸀠k dy + (2α 2 − ) ∫ φ󸀠n φ󸀠k dy + (α 4 − ) ∫ φ n φ k dy ν ν n=1 0 0 [0 δ

+

δ

δ

iα iα iα 3 ∫ φ󸀠n φ󸀠k u 0 dy − ∫ φ n φ󸀠k u 󸀠0 dy + ∫ φ n φ k u 0 dy] = 0 . ν ν ν 0 0 0 ]

Nun ersetzen wir y = δs und beachten, dass dy = δ ⋅ ds. Es folgt 1

1

m

1

1 iω 1 iα 2 ω ∑ νa n [ 3 ∫ φ󸀠󸀠n φ󸀠󸀠k ds + (2α 2 − ) ∫ φ󸀠n φ󸀠k ds + (α 4 − ) δ ∫ φ n φ k ds ν δ ν δ n=1 0 0 [ 0 1

1

1

iα 1 iα 3 iα 1 ⋅ ∫ φ󸀠n φ󸀠k u 0 ds − ⋅ ∫ φ n φ󸀠k u 󸀠0 ds + δ ∫ φ n φ k u 0 ds] = 0 . ν δ ν δ ν 0 0 0 ]

+

Multiplikation mit δ3 und erweitern mit der Außenströmung liefert 1

m

1

iωδ2 ∑ νa n [∫ φ󸀠󸀠n φ󸀠󸀠k ds + (2α 2 δ2 − ) ∫ φ󸀠n φ󸀠k ds ν n=1 0 [0 1

+ (α 4 δ4 −

1

iωδ2 2 2 uδ ⋅ δ u0 ds α δ ) ∫ φ n φ k ds + iαδ ⋅ ∫ φ󸀠n φ󸀠k ν ν uδ 0

− iαδ ⋅ Mit Re =

u δ ⋅δ ν

uδ ⋅ δ ν

0

1

u󸀠 ∫ φ n φ󸀠k 0 uδ 0

1

ds + iα 3 δ3 ⋅

u0 ] uδ ⋅ δ ∫ φn φk ds = 0 . ν uδ 0 ]

und der normierten Wellenzahl β := αδ schreibt sich die Gleichung zu H kn

⏞⏞⏞⏞⏞⏞⏞⏞⏞⏞⏞⏞⏞⏞⏞⏞⏞⏞⏞⏞⏞⏞⏞⏞⏞⏞⏞⏞⏞⏞⏞⏞⏞⏞⏞⏞⏞⏞⏞⏞⏞⏞⏞⏞⏞⏞⏞⏞⏞⏞⏞⏞⏞⏞⏞⏞⏞⏞⏞⏞⏞⏞⏞⏞⏞⏞⏞⏞⏞⏞⏞⏞⏞⏞⏞⏞⏞⏞⏞⏞⏞⏞⏞⏞⏞⏞⏞⏞⏞⏞⏞⏞⏞⏞⏞⏞⏞⏞⏞⏞⏞⏞⏞⏞⏞⏞⏞⏞⏞⏞⏞ ∑ νa n [B kn + 2β 2 C kn + β 4 D kn + iβRe(E kn − F kn ) + iβ 3 Re ⋅ G kn m

n=1

ω kn ⋅ δ2 − (iC kn − iβ 2 D kn )] = 0 für ν ⏟⏟⏟⏟⏟⏟⏟⏟⏟⏟⏟⏟⏟⏟⏟⏟⏟⏟⏟⏟⏟⏟⏟⏟⏟⏟⏟⏟⏟⏟⏟⏟⏟⏟⏟⏟⏟⏟⏟⏟⏟⏟⏟⏟⏟⏟⏟⏟⏟⏟⏟ J kn

k = 1, 2, . . . , m .

6.1 Die Stabilität einer laminaren Strömung

| 147

mit 1

B kn =

1

∫ φ󸀠󸀠n φ󸀠󸀠k

ds ,

0

C kn =

1

∫ φ󸀠n φ󸀠k

ds ,

D kn = ∫ φ n φ k ds ,

0

1

E kn = ∫ φ󸀠n φ󸀠k 0

u0 ds , uδ

0 1

F kn =

u󸀠 ∫ φ n φ󸀠k 0 uδ 0

1

ds

und

G kn = ∫ φ n φ k 0

u0 ds . uδ

Das Gleichungssystem entspricht einem Eigenwertproblem für die Größe gehörige Matrizengleichung besitzt die Gestalt H11 . ( .. H m1

⋅⋅⋅ .. . ⋅⋅⋅

H1m a1 J 11 ω ⋅ δ2 .. .. . . ) ( . ) = ν ⋅ ( .. am J m1 H mm

⋅⋅⋅ .. . ⋅⋅⋅

(6.9)

ω⋅δ2 ν . Die zu­

J 1m a1 .. . . ) ( .. ) . am J mm

(6.10)

Nun gilt es, passende Basisfunktionen φ n zu finden. Hierzu zuerst eine kleine Vor­ bereitung: Soll (6.6) im Unendlichen ausgewertet werden, dann beachtet man, dass ν = 0, u 0 = u δ und damit u 󸀠0 = 0 gilt. Aus (6.6) wird dann ϕ󸀠󸀠 − α 2 ϕ mit der allgemei­ nen Lösung ϕ(y) = C1 e−αy + C2 e αy . Mit C2 = 0 erreicht man die beiden notwendigen Randbedingungen ϕ = 0 und ϕ󸀠 = 0. Auf der Suche nach geeigneten Basisfunktionen stößt man beispielsweise auf φ n (s) = tanh2 (ns) ⋅ e−αδs . Diese Funktionen erfüllen sämtliche vier Randbedingungen (6.7). Zusätzlich wird die Orr-Sommerfeld-Gleichung ϕ󸀠󸀠 − α 2 ϕ im Unendlichen gelöst, weil tanh(ns) → 1 für s → ∞ und n ∈ ℕ. Exakte Lösung von (6.6) sind die Funktionen φ n (s) aber nicht. Leider sind die so gewählten Funktionen für eine Spektralzerlegung ungeeignet, weil sie mit wachsendem n fast nicht mehr voneinander zu unterscheiden und somit nicht mehr linear unabhängig voneinander sind. Als Alternative verwendet man beispielsweise die Funktionsschar φ n (s) = [cos(ns) − cos((n + 1)s)] ⋅ e−αδs . Diese Basisfunktionen genügen ebenfalls den vier Randbedingungen (6.7), aber weder die Orr-Sommerfeld-Gleichung im Unendlichen noch (6.6) wird durch sie exakt gelöst. Trotzdem liefern sie bessere Ergebnisse bei der numerischen Auswertung. Schließlich fehlt noch das Profil der Grundlösung u 0 (s). Da wir vorausgesetzt ha­ ben, dass sich diese Geschwindigkeitsverteilung auch in der Grenzschicht ausprägt, wählen wir den Verlauf gemäss Pohlhausen zu uu0δ (s) = s(2 − 2s2 + s3 ) + 6λ s(1 − s)3 mit λ als Parameter. Für λ = 0 entspricht das Profil der Näherung des Blasius-Profils für die Plattenströmung. Leider bedarf es sehr vieler Basisfunktionen, um die Eigenwerte von (6.10) mit hinreichender Genauigkeit zu bestimmen. Bei 20 Basisfunktionen müsste man 1260 Integrale (6.9) berechnen. Bei festem β muss man Re so lange variieren, bis einer der 20 komplexen Eigenwerte erstmals reell wird. Die restlichen Eigenwerte besitzen dann alle einen negativen Realteil und die zugehörigen Anfachungen sind also allesamt ge­ dämpft. Für weitere Werte von β muss die Rechnung wiederholt werden.

148 | 6 Turbulente Strömungen Die Werte von β werden noch mit der Verdrängungsdicke δ1 von β = αδ auf β 1 = αδ1 umgerechnet. Für das Blasius-Profil gilt unter Verwendung von (3.21) und (3.25) u δ δ1 δ1 = 1,714 4,89 δ ≈ 0,35 ⋅ δ. Die Reynolds-Zahl wird dann ebenfalls gebildet zu Re δ1 = ν . Tollmiens 1929 durchgeführte Rechnungen lieferten Re δ1 ,krit = 420 und β 1,krit = 0,36. Die Umrechnung auf die Lauflänge geschieht mit (3.25). Es folgt uδ ⋅ x u δ δ1 uδ ν ⋅ x = 1,714√ = 1,714 √ = 1,714√Rex ν ν uδ ν Reδ1 2 ) . Re x = ( 1,714

Re δ1 =

und

Der Wert von Tollmien liefert Re x,krit = 6⋅104 . Mit der Definition der Wellenzahl α = ergibt dies eine minimale Wellenlänge λmin =

2π β 1,krit

⋅ δ1 =

2π λ

2π ⋅ 0,35 ⋅ δ = 6,11 ⋅ δ . 0,36

Gehen wir von einer durchschnittlichen 5 mm dicken Grenzschicht aus, dann hätte man etwa λmin ≈ 3,5 cm. Die zugehörige maximale Frequenz für das Medium Luft folgt zu fmax ≈ 9800 Hz. Dieser Wert liegt im Obertonbereich einer menschlichen Stimme. Das Ergebnis wurde 1940 von Schlichting verbessert (Abb. 6.1 links, die Indiffe­ renzkurve ist derjenigen von Schlichting nachempfunden). Seine Auswertungen er­ gaben Re δ1 = 575 oder Rel = 1,1 ⋅ 105 mit β 1,krit = 0,24 und demnach λmin =

2π 2π ⋅ δ1 = ⋅ 0,35 ⋅ δ = 9,18 ⋅ δ . β 1,krit 0,24

Mit δ = 5 mm ist λmin ≈ 4,6 cm und fmax ≈ 3737 Hz. In den 60er Jahren des letzten Jahrhunderts wurde erstmals die Lösung der Orr-Sommerfeld-Gleichung mit nume­ rischen Methoden möglich. Typische Werte liegen bei Reδ1 = 630. Die Wellenlängen sind mit einigen Zentimetern relativ groß. Man nennt sie Tollmien-Schlichting-Wellen. Die bestimmten Reynolds-Zahlen stellen einen Wert möglicher Anfachung dar. Zwischen diesem Wert und dem erfolgten Umschlag liegt der Übergangsbereich. Es ist möglich, Geräusche und Vibrationen so gering zu halten, dass eine laminare Strö­ mung bis zu Re = 106 aufrecht erhalten werden kann. Schlichting, Ulrich und später Pretsch (1941) führten zudem Stabilitätsrechnun­ gen mit einem von Null verschiedenen Druckgradienten ∂p ∂x durch. Da die Außen­ strömung der Grenzschicht den Druck aufprägt, lässt sich der Einfluss des Druckgra­ dienten auf die kritische Reynolds-Zahl durch das Profil der Außenströmung allein erfassen. Speziell für Keilströmungen ist die Außenströmung eine Funktion des Keil­ strömungsexponenten m oder des Pohlhausen-Parameters λ. Durch Variation erhält man eine von λ abhängige kritische Reynolds-Zahl. Die durchgeführten Rechnungen bestätigen, dass ein Druckanstieg die Strö­ mungsablösung fördert sowie den Umschlag stark begünstigt, und die kritische Rey­ nolds-Zahl somit absinkt. Trägt man log(Reδ1 ) gegenüber λ bzw. ∂p ∂x auf, so ergibt sich

6.2 Die Beschreibung der Turbulenz |

149

Abb. 6.1: Skizzen zur Indifferenzkurve und zum Einfluss des Druckgradienten auf die kritische Rey­ nolds-Zahl

die in Abb. 6.1 rechts dargestellte Kurve. Dabei gilt: Mit wachsendem Druckgradienten wird das Geschwindigkeitsprofil innerhalb der Grenzschicht steiler und der zugehö­ rige Pohlhausen-Parameter sowie die kritische Reynolds-Zahl kleiner. Bei fallendem Druckgradienten flacht das Geschwindigkeitsprofil ab, was größeren PohlhausenParametern und größeren kritischen Reynolds-Zahlen entspricht.

6.2 Die Beschreibung der Turbulenz Die instationären Navier-Stokes-Gleichungen gelten sowohl für laminare als auch turbulente Strömungen. Für die numerische Simulation einer turbulenten Strömung müssen sowohl die Zeitschritte wie auch die Raumauflösung ausgesprochen fein ge­ wählt werden, so dass es für ein kleines Strömungsgebiet einer Milliarde Gitterpunkte bedarf und damit Datenmengen von mehreren Gigabytes anfallen. Der Grund dafür liegt darin, dass Wirbel im Bereich von 0,1 mm existieren und außerdem die Anzahl Gitterpunkte mit Re3 wächst. Mittlerweile gibt es zwar Rechner, die das leisten, aber die Rechenzeit kann Monate in Anspruch nehmen. In der Praxis interessiert weniger der zeitliche Verlauf des Geschwindigkeitspro­ fils, sondern vielmehr der gemittelte Verlauf und letztlich die zu erwartende Spannung an der umströmten Oberfläche. Deswegen wird eine turbulente Strömung immer noch mit Hilfe eines Turbulenzmodells und der Reynolds-Gleichungen (gemittelte NavierStokes-Gleichungen) beschrieben. Eine Bedingung stellen wir indes an die betrachtete turbulente Strömung: Sie soll im Mittel zeitlich stationär sein, das heißt, die Änderung der massgeblichen Größen soll um einen zeitlich konstanten Mittelwert schwanken (Abb. 6.2 links). Dabei ist f(r,⃗ t) die an einem festen Ort (r,⃗ t) = (x, y, z, t) gemessene Größe. Mit f 󸀠 (r,⃗ t) wird die zeitliche Abweichung des Mittelwerts f (r)⃗ bezeichnet. Physikalische Größen können auf verschiedene Arten gemittelt werden. Wir ver­ wenden die zeitliche Mittelung nach Reynolds. Sie bietet den Vorteil, dass der Mittel­ wert danach zeitunabhängig ist.

150 | 6 Turbulente Strömungen

Abb. 6.2: Skizzen zur Turbulenz

Zur Bestimmung des Mittelwerts einer Größe f kann man bei einer Versuchsanlage in k = 1, . . . , n Zeitschritten ∆t die Größe f k (r,⃗ t) messen. Die Werte werden mit ∆t multipliziert, addiert und durch die gesamte Zeitspanne dividiert: f (r)⃗ ≈

n 1 ∑ f k (r,⃗ t) ⋅ ∆t . n ⋅ ∆t k=1

Im besten Fall beobachtet man unendlich lange: f (r)⃗ = lim

n→∞

n 1 ∑ f k (r,⃗ t) ⋅ ∆t n ⋅ ∆t k=1

T

oder

f (r)⃗ = lim

T→∞

1 ∫ f(r,⃗ t) ⋅ dt . T 0

Es seien f und g zwei messbare Größen, f , g ihre Mittelwerte und f 󸀠 , g󸀠 ihre Abwei­ chungen (immer am Ort r ⃗ und zur Zeit t gemessen, im Folgenden weggelassen). Aufgrund der Integrationsregeln ergeben sich unmittelbar folgende Rechenre­ geln: I. f ± g = f ± g. II. a ⋅ g = a ⋅ g für a = konst. Insbesondere ist dann f ⋅ g = f ⋅ g. III.

∂f ∂x

∂f = ∂x . Da x unabhängig von t ist, können Integration und Ableitung vertauscht werden.

IV. f 󸀠 = 0. Aus f 󸀠 = f − f folgt f 󸀠 = f − f = f − f = 0. Insbesondere ist dann f ⋅ g󸀠 = f ⋅ g󸀠 = 0. V. f ⋅ g = (f + f 󸀠 ) ⋅ (g + g󸀠 ) = f ⋅ g + f ⋅ g󸀠 + f 󸀠 ⋅ g + f 󸀠 ⋅ g󸀠 = f ⋅ g + f 󸀠 ⋅ g󸀠 .

6.3 Die Reynolds-Gleichungen | 151

6.3 Die Reynolds-Gleichungen Ziel dieses Kapitels ist es, die Navier-Stokes-Gleichungen mit Hilfe der obigen fünf Re­ geln zeitlich zu mitteln. Die drei Geschwindigkeitskomponenten inklusive des Drucks werden in einen zeitlich gemittelten und einen zeitlich davon abweichenden Teil zer­ legt: u = u + u 󸀠 , v = v + v󸀠 , w = w + w󸀠 , p = p + p󸀠 . Zuerst soll die Kontinuitätsgleichung gemittelt werden. Es gilt ∂u ∂v ∂w ∂(u + u 󸀠 ) ∂(v + v󸀠 ) ∂(w + w󸀠 ) + + = + + =0. ∂x ∂y ∂z ∂x ∂y ∂z Die zeitliche Mittelung ergibt ∂(u + u 󸀠 ) ∂(v + v󸀠 ) ∂(w + w󸀠 ) ∂(u + u 󸀠 ) ∂(v + v󸀠 ) ∂(w + w󸀠 ) + + = + + ∂x ∂y ∂z ∂x ∂y ∂z ∂u ∂v ∂w = + + =0. ∂x ∂y ∂z Insbesondere folgt daraus

∂u 󸀠 ∂v󸀠 ∂w󸀠 + + =0. ∂x ∂y ∂z

(6.11)

Dies entspricht der 1. Gleichung im System (6.2), die wir schon im Zusammenhang mit der Stabilität einer laminaren Strömung hergeleitet hatten. Für die Impulserhaltung der Navier-Stokes-Gleichung (2.2) in x-Richtung erhält man ohne den Gravitationsterm ∂u ∂u 󸀠 ∂u ∂u 󸀠 ∂u ∂u 󸀠 ∂u ∂u 󸀠 ∂(u + u 󸀠 ) +u +u + u󸀠 + u󸀠 +v +v + v󸀠 + v󸀠 ∂t ∂x ∂x ∂x ∂x ∂y ∂y ∂y ∂y 󸀠 󸀠) ∂u ∂u 󸀠 ∂u ∂u + p 1 ∂(p +w +w + w󸀠 + w󸀠 + ⋅ ∂z ∂z ∂z ∂z ρ ∂x − ν[

∂2 (u + u 󸀠 ) ∂2 (u + u 󸀠 ) ∂2 (u + u 󸀠 ) + + ]=0. ∂x2 ∂y2 ∂z2

Die zeitliche Mittelung führt zu ∂u ∂u ∂u ∂u ∂u 󸀠 ∂u 󸀠 ∂u 󸀠 +u + u󸀠 +v + v󸀠 +w + w󸀠 ∂t ∂x ∂x ∂y ∂y ∂z ∂z 1 ∂p ∂2 u ∂2 u ∂2 u + ⋅ − ν[ 2 + 2 + 2] = 0 . ρ ∂x ∂x ∂y ∂z Aufgrund der Produktregel und (6.11) gilt ∂(u 󸀠 )2 ∂(u 󸀠 v󸀠 ) ∂(u 󸀠 w󸀠 ) ∂u 󸀠 ∂v󸀠 ∂w󸀠 ∂u 󸀠 ∂u 󸀠 + + = 2u 󸀠 + u󸀠 + u󸀠 + v󸀠 + w󸀠 ∂x ∂y ∂z ∂x ∂y ∂z ∂y ∂z 󸀠 󸀠 󸀠 ∂u ∂u ∂u + v󸀠 + w󸀠 . = u󸀠 ∂x ∂y ∂z

(6.12)

152 | 6 Turbulente Strömungen

Damit lässt sich (6.12) schreiben als ∂u ∂u ∂u ∂u ∂(u 󸀠 )2 ∂(u 󸀠 v󸀠 ) ∂(u 󸀠 w󸀠 ) +u +v +w + + + ∂t ∂x ∂y ∂z ∂x ∂y ∂z 2 2 2 1 ∂p ∂ u ∂ u ∂ u + ⋅ − ν[ 2 + 2 + 2 ] = 0. ρ ∂x ∂x ∂y ∂z Die Impulserhaltungen in die beiden anderen Richtungen ergeben sich analog. Neh­ men wir die Gewichtskraft wieder hinzu, dann folgen die Reynolds-Gleichungen bis auf die Kontinuitätsgleichung zu ∂u ∂u ∂u ∂u 1 ∂p +u +v +w + ⋅ ∂t ∂x ∂y ∂z ρ ∂x ∂u ∂u ∂u ∂ ∂ ∂ [(u 󸀠 )2 − ν ] + [u 󸀠 v󸀠 − ν ] + [u 󸀠 w󸀠 − ν ] − g x = 0 + ∂x ∂x ∂y ∂y ∂z ∂z ∂v ∂v ∂v ∂v 1 ∂p +u +v +w + ⋅ ∂t ∂x ∂y ∂z ρ ∂y ∂v ∂v ∂v ∂ ∂ ∂ [u 󸀠 v󸀠 − ν ] + [(v󸀠 )2 − ν ] + [v󸀠 w󸀠 − ν ] − g y = 0 + ∂x ∂x ∂y ∂y ∂z ∂z

(6.13)

∂w ∂w ∂w ∂w 1 ∂p +u +v +w + ⋅ ∂t ∂x ∂y ∂z ρ ∂z ∂w ∂w ∂w ∂ ∂ ∂ [u 󸀠 w󸀠 − ν ]+ [v󸀠 w󸀠 − ν ]+ [(w󸀠 )2 − ν ] − gz = 0 . + ∂x ∂x ∂y ∂y ∂z ∂z Man erkennt, dass Produkte von Änderungen durch Mittelung bestehen bleiben. Auch wenn man also nur an den Mittelwerten der Geschwindigkeitskomponenten u, v, w interessiert ist, bedarf es dennoch aller Abweichungen u 󸀠 , v󸀠 , w󸀠 an jedem Ort und zu jeder Zeit! Das ist im Moment noch sehr ernüchternd. Eine Möglichkeit, das Problem anzugehen, besteht in der Durchführung einer Messung. 󸀠 󸀠 󸀠 󸀠 Greifen wir dazu irgendeinen Reibungsterm heraus: ν ∂u ∂y − u v mit u v < 0. Der 1. Term beschreibt die Impulsübertragung von größeren Geschwindigkeiten an kleine­ re (multipliziert man noch mit der Dichte, dann erhält man die Spannung). Aufgrund der Turbulenz wird die Impulsübertragung zusätzlich gefördert (−u 󸀠 v󸀠 > 0). Deswe­ gen ersetzt man die (molekulare) Viskosität durch eine (viel größere) Viskosität, die dieser vergrößerten Molekülvermischung Rechnung trägt. Man schreibt ν

∂u ∂u − u 󸀠 v󸀠 = : νt ∂y ∂y

und nennt νt die Wirbelviskosität. Diese muss in einer Rinne im Labor durch Auswerten von νt = ν − bestimmt werden.

u 󸀠 v󸀠 ∂u ∂y

6.3 Die Reynolds-Gleichungen | 153

Dazu muss man in einer Messreihe die Abweichungen u 󸀠 , v󸀠 , w󸀠 in alle drei Raum­ richtungen mit Hilfe einer Sonde in kleinen Zeitabschnitten erfassen, sämtliche Pro­ dukte bilden und zeitlich mitteln. Da die Wirbelviskosität bei voller Turbulenz bei Weitem überwiegt (νt ≫ ν), ist νt ≈ −

u 󸀠 v󸀠 ∂u ∂y

.

Dabei wird auch davon ausgegangen, dass νt für alle möglichen Produkte gleich ist: νt ≈ −

u 󸀠 v󸀠 ∂u ∂y

≈−

u 󸀠 w󸀠 ∂u ∂z

≈−

v󸀠 w󸀠 ∂u ∂z

≈ ... .

Ersetzt man alle entsprechenden Ausdrücke in (6.13) mit dieser einen Wirbelviskosi­ tät, so erhält man Reynolds-Gleichungen inklusive der Kontinuitätsgleichung in ihrer üblichen Form ∂u ∂v ∂w + + =0 ∂x ∂y ∂z ∂u ∂u ∂u ∂u 1 ∂p ∂u ∂u ∂ ∂ +u +v +w + ⋅ − (νt ) − (νt ) ∂t ∂x ∂y ∂z ρ ∂x ∂x ∂x ∂y ∂y ∂u ∂ (νt ) − g x = 0 − ∂z ∂z ∂v ∂v ∂v 1 ∂p ∂v ∂v ∂v ∂ ∂ +u +v +w + ⋅ − (νt ) − (νt ) ∂t ∂x ∂y ∂z ρ ∂y ∂x ∂x ∂y ∂y ∂ ∂v − (νt ) − g y = 0 ∂z ∂z

(6.14)

∂w ∂w ∂w ∂w 1 ∂p ∂w ∂w ∂ ∂ +u +v +w + ⋅ − (νt )− (νt ) ∂t ∂x ∂y ∂z ρ ∂z ∂x ∂x ∂y ∂y ∂ ∂w − (νt ) − gz = 0 . ∂z ∂z Die Reynolds-Gleichungen sind zeitgemittelte Navier-Stokes-Gleichungen. Wenn Letz­ tere die Momentangeschwindigkeiten einer Strömung beschreiben, so gilt dies bei (6.14) für die mittleren Geschwindigkeiten. Bei bekannter Wirbelviskosität stellt (6.14) ein System aus vier Gleichungen mit den vier Unbekannten u, v, w, p dar, das nume­ risch gelöst werden kann.

154 | 6 Turbulente Strömungen

6.4 Der Mischungsweg von Prandtl Obwohl die Wirbelviskosität experimentell bestimmt werden kann, bleibt die Frage bestehen, ob es nicht doch möglich ist, die Produktänderungen durch irgendwelche Mittelwerte anzunähern, um so die durch die Turbulenz aufgerissene Informations­ lücke zu schließen und damit auch die Wirbelviskosität berechenbar zu machen. Man nennt dies das „Schließungsproblem“. An diesem Punkt setzt die Idee eines Turbulenzmodells an. Prandtl stellte sich die Turbulenz in Paketen, bestehend aus Ballen mit unterschiedlichem Durchmesser lm , vor. Sie bewegen sich zufällig wie Gas­ teilchen, bis sie durch Vermischung mit anderen Fluidballen ihre Struktur verlieren (Abb. 6.2 rechts). Zur Einfachheit stellen wir uns die Platte in x- sowie in z-Richtung unendlich aus­ gedehnt vor, so dass wir von der partiellen zur totalen Ableitung nach y übergehen können. Wenn ein Fluidballen beispielsweise eine Bewegung nach oben um die Stre­ cke lm erfährt, dann steigt die mittlere Geschwindigkeitskomponente in y-Richtung von v auf v + v󸀠 mit v󸀠 > 0 bei gleichbleibendem Impuls in x-Richtung. Gleichzeitig besitzt dann der Fluidballen eine kleinere Geschwindigkeit gegenüber derjenigen im neuen Gebiet, in das er verschoben wurde. Für die Geschwindigkeitskomponente des Ballens in x-Richtung gilt dann u(y) − u(y + lm ) = u 󸀠 < 0. Für kleine lm kann man auch du du u󸀠 󸀠 dy ∼ − l m oder u ∼ −l m dy schreiben, was die linerare Näherung der Taylor-Entwick­ lung du l2m d2 u u(y + lm ) = u(y) + lm ⋅ + ⋅⋅⋅ + ⋅ dy 2 dy2 darstellt. Dringt ein Fluidballen in y-Richtung kommend in die Fluidschicht ein, so weichen die verdrängten Fluidballen seitlich aus. Deswegen folgerte Prandtl, dass sowohl u 󸀠 als auch v󸀠 dieselbe Dimension besitzen müssen: |v󸀠 | ∼ lm |

du |. dy

du Zusammen erhält man u 󸀠 v󸀠 = −l2m | du dy | dy . Das Proportionalitätszeichen ist durch ein Gleichheitszeichen ersetzt worden, weil lm gar noch nicht genauer aufgeschlüsselt wurde und der Mischungsweg damit eine eventuelle Proportionalitätskonstante be­ inhaltet. Daraus folgt 󵄨󵄨 du 󵄨󵄨 󵄨 󵄨 νt (y) = l2m 󵄨󵄨󵄨 󵄨󵄨󵄨 . (6.15) 󵄨󵄨 dy 󵄨󵄨 󸀠 󸀠 Das Betragszeichen stellt sicher, dass − du dy und u v dasselbe Vorzeichen besitzen. Ziel ist es immer noch, die Wirbelviskosität zu bestimmen. Das Problem ist zwar wie­ der verlagert, aber diesmal auf die Erfassung einer Länge lm , die im besten Fall un­ abhängig vom Geschwindigkeitsprofil du dy ist. Gleichung (6.15) macht nochmals deut­ lich, dass die (lokale) Wirbelviskosität vom (lokalen) Geschwindigkeitsgradienten be­ stimmt wird.

6.5 Geschwindigkeitsprofile einer Plattenströmung

| 155

6.5 Geschwindigkeitsprofile einer Plattenströmung Im Folgenden betrachten wir die parallele stationäre Anströmung einer unendlich (was totale Ableitung in y-Richtung gestattet) ausgedehnten ebenen Platte. Durch Stö­ rungen wird die Strömung turbulent. Es sollen nun sowohl das Geschwindigkeitsprofil der viskosen Unterschicht als auch die Profile in der turbulenten Grenzschicht ermit­ telt werden. Wir lassen die x-Achse des Koordinatensystems mit der Strömungsrichtung zu­ sammenfallen. Die y-Achse wählen wir senkrecht dazu und z sei die Breitenrichtung. Dann ist v = w = 0 (aber v󸀠 ≠ 0, w󸀠 ≠ 0, Schwankungen sind erlaubt). Zudem ist dann du du dx = dz = 0. Somit verbleibt von Gleichung (6.13) nur der Impuls in x-Richtung, du d − u 󸀠 v󸀠 ) = 0 . (ν dy dy

(6.16)

Dabei sehen wir von einem möglichen Druckgradienten innerhalb der Grenzschicht ab und für eine horizontale Platte entfällt auch der Einfluss der Gravitation (g x = g sin α = 0). 󸀠 󸀠 Aus (6.16) folgt dann ν du dy − u v = konst. Multipliziert mit der Dichte, ergibt das 󸀠 󸀠 ρν du dy − ρu v = konst. Die Terme besitzen die Einheit einer Spannung. Die Konstante nennen wir τW und erhalten

τW = ρν

du − ρu 󸀠 v󸀠 . dy

(6.17)

Dies können wir auch als τW = τ + τ󸀠 schreiben. Dabei bezeichnet der 1. Term die mittlere Wandschubspannung und der 2. Term gibt den Einfluss der Mischbewegung auf diese Spannung wieder. Man bezeichnet dies auch als Reynolds-Spannungen oder turbulente Scheinspannungen. In Gleichung (6.17) ersetzen wir den 2. Term durch den Mischungswegansatz (6.15) nach Prandtl, was zu τW = ρν

󵄨󵄨 du 󵄨󵄨 du du 󵄨 󵄨 + ρl2m 󵄨󵄨󵄨 󵄨󵄨󵄨 󵄨󵄨 dy 󵄨󵄨 dy dy

führt. In Wandnähe ist der Mischungsweg Null und damit auch die Reynolds-Spannun­ gen. Es verbleibt die Spannung aufgrund der Zähigkeit. Dabei wird der Gradient du dy groß, dies aber erst innerhalb einer kleinen Schicht, der viskosen Unterschicht. Die­ se blieb bis anhin unerwähnt und wird somit eingeführt. Sie macht etwa 3–5 % der gesamten Grenzschichtdicke aus. Der zweite Term kann dann vernachlässigt werden. Entfernt man sich von der Wand, so sinkt der Einfluss der Zähigkeit, der Quotient du dy ist klein aber die Mischungsweglänge steigt an und damit auch die Reynolds-Span­ nungen. In diesem Fall ist der zweite Term maßgebend.

156 | 6 Turbulente Strömungen

1. Viskose Unterschicht Innnerhalb dieser Schicht kann die viskose Schubspannung nahezu als konstant gleich der Wandschubspannung gesetzt werden: τW = ρν du dy . Die Division durch die Dichte ergibt τρW = ν du dy . Beide Seiten besitzen die Einheit einer Geschwindigkeit im Quadrat, so dass wir (vgl. 5. Band) die sogenannte Wandschubspannungsgeschwin­ digkeit als τW u ∗ := √ ρ u2

∗ definieren können. Man erhält du Aufgrund der Haftbedin­ dy = ν , also eine Konstante. u2 gung u(y = 0) = 0 folgt das lineare Profil u(y) = ν∗ y. Dimensionslos schreibt es sich als u(y) u ∗ y = . (6.18) u∗ ν

Dabei wurde offenbar mit der viskosen Länge l ν = aus (6.18) auch

u(y) u∗

=

y lν

ν u∗

entdimensioniert, so dass

wird. Definiert man u + (y) :=

u(y) u∗

und

y+ :=

y , lν

so lautet das Profil der viskosen Unterschicht in knapper Form u+ = y+ .

(6.19)

Der Gültigkeitsbereich beträgt 0 < lyν < 5. Zusätzlich kann man noch die Rauheit in­ nerhalb dieser Schicht beachten. Ob eine Strömung aufgrund der Rauheit turbulent wird, hängt davon ab, ob die Unebenheiten der Wand die viskose Unterschicht durch­ stoßen, also vom Verhältnis der Rauheit und der viskosen Länge: lkν . Über einer rau­ hen Wand kann sich demnach keine viskose Unterschicht ausbilden. Das Kriterium für den Übergang einer glatten zu einer rauhen Wand geben wir an, sobald das Profil der Innenzone vorliegt. 2. Turbulente Innenzone Wir betrachten nochmals die Wirbelviskosität (6.15). An diesem Punkt setzt Prandtl mit einem Ansatz für die wandnahe Turbulenz ein. Der Mischungsweg wird als propor­ tional zum Wandabstand angenommen: lm = κy. Nahe an der Wand sind die mögli­ chen Wirbeldurchmesser klein. Erst mit wachsendem Wandabstand können sich grö­ ßere Durchmesser ausbilden. Die sogenannte Von-Kàrmàn-Konstante κ wurde expe­ rimentell zu κ = 0,4 bestimmt. Damit erhält man 󵄨󵄨 du 󵄨󵄨 󵄨 󵄨 νt (y) = κ 2 y2 󵄨󵄨󵄨 󵄨󵄨󵄨 . 󵄨󵄨 dy 󵄨󵄨

6.5 Geschwindigkeitsprofile einer Plattenströmung |

157

Nun betrachten wir die Schubspannung τ in einer Schicht mit dem Abstand y zur Wand. Diese ist eigentlich abhängig vom Abstand y zur Wand. Da aber die größten Geschwindigkeitsunterschiede hauptsächlich in Wandnähe auftreten, kann man in guter Näherung τ = τW setzen. Unter Verwendung von (6.15) folgt 󵄨󵄨 du 󵄨󵄨 du 2 󵄨 󵄨 τ = τW = ρνt 󵄨󵄨󵄨 󵄨󵄨󵄨 = ρκ 2 y2 ( ) . 󵄨󵄨 dy 󵄨󵄨 dy Mit Hilfe der weiter oben eingeführten Wandschubspannung, τW = ρu 2∗ , erhält man u∗ 1 | du dy | = κ ⋅ y und die Integration liefert u(y) 1 = ⋅ ln y + C1 . u∗ κ

(6.20)

Zudem folgt auch, falls u ∗ vorliegt, νt (y) = κ 2 y2 ⋅

u∗ 1 ⋅ = κu ∗ y . κ y

(6.21)

Damit kann man bei gemessener Geschwindigkeit u ∗ die Wirbelviskosität in (6.14) durch νt = κu ∗ y ersetzen und die Strömung modellieren. Etwas gröber ist auch ei­ ne Mittelung denkbar b

1 κu ∗ κu ∗ (a + b) νt = ∫ κu ∗ y dy = (b 2 − a2 ) = . b−a 2(b − a) 2 a

Die Grenzen a und b sind dann je nach Oberflächenbeschaffenheit gesetzt. Aus (6.15) wird deutlich, dass die Wirbelviskosität stark vom Geschwindigkeits­ gradienten abhängt. Bei einer glatten Wand ist dies in der viskosen Unterschicht der Fall. Deswegen würde man für eine Mittelung die Grenzen der turbulenten Innenzone verwenden: a = 30l ν und b = 500l ν (vgl. (6.25)), was ν t = 265κu ∗ l ν = 106ν ergibt. Daran sieht man, um wieviel größer die Wirbelviskosität gegenüber der molekularen (innerhalb der turbulenten Innenzone) wächst. k Die rauhe Wand mit a = 30 und b = 500l ν liefert νt =

k + 500 uν∗ ) κu ∗ ( 30

2

= 100ν +

u∗ k . 150

Diese Audrücke für ν t könnte man wiederum in (6.14) anstelle von νt ersetzen. Solange die Sohlreibung groß (u ∗ groß) und/oder die Geschwindigkeitsgradien­ ten klein bleiben (vgl. (6.15), Streuung klein), liefert die Mittelung innerhalb des be­ trachteten Bereichs ein sinnvolles Maß für die Wirbelviskosität. Nun wenden wir uns wieder Gleichung (6.20) zu. Wie schon bei der viskosen Un­ terschicht soll anstelle des Abstands die dimensionslose Länge y+ = lyν verwendet

158 | 6 Turbulente Strömungen

werden. Dazu schreibt man mit Hilfe einer anderen Konstanten u(y) 1 y = ⋅ ln ( ) + C . u∗ κ lν

(6.22)

1 ⋅ ln(y+ ) + C . κ

(6.23)

In Kurzform erhält man u + (y) =

Um die Konstante C zu bestimmen, müssen wir den Übergang von viskoser Unter­ schicht und der darüber liegenden turbulenten Schicht (= Innenzone) betrachten. Abermals sind Messungen notwendig, um die Grenze zwischen den Gültigkeitsberei­ chen beider Profile zu ziehen. Den Übergang bestimmt man bei einem Wandabstand von δvis = 11,64 ⋅ l ν .

(6.24)

Die Gleichungen (6.19) und (6.23) wertet man an dieser Grenze aus und erhält y+ =

1 ⋅ ln(y+ ) + C , κ

11,64 =

1 ⋅ ln(11,64) + C κ

und schließlich C = 11,64 − 2,5 ⋅ ln(11,64) = 5,5 . Damit erhält man das logarithmische Wandgesetz: y u(y) = 2,5 ⋅ ln ( ) + 5,5 . u∗ lν

(6.25)

Messungen zeigen, dass die Gültigkeit etwa für 30 < lyν < 500 gewährleistet ist. Dem Übergangsbereich 5 < lyν < 30 kann kein eindeutiges Geschwindigkeitsprofil zugeord­ net werden. Bevor das Profil für rauhe Wände hergeleitet wird, werfen wir nochmals einen Blick auf die Gleichung (6.16) bzw. den x-Impuls von (6.14), diesmal einschließlich der Schwerkraft, d. h. d du (ν − u 󸀠 v󸀠 ) − g sin α = 0 oder dy dy



d du (νt ) − g sin α = 0 . dy dy

(6.26)

Setzt man den Mischungsweg (6.15) ein, so folgt du 2 d [κ 2 y2 ( ) ] + g sin α = 0 . dy dy Nun entdimensionieren wir wie bei der viskosen Unterschicht und der turbulenten Innenzone unter Verwendung von u + = uu∗ und y+ = lyν .

6.5 Geschwindigkeitsprofile einer Plattenströmung

| 159

Es gilt du + du = u∗ ⋅ = u∗ ⋅ dy dy d dy+ d 1 ⋅ = = dy dy+ dy lν

du + dy+ du + 1 u ∗ du + ⋅ ⋅ = ⋅ = u∗ ⋅ dy+ dy dy+ l ν l ν dy+ d ⋅ . dy+

und

Eingesetzt folgt 1 d u ∗ du + 2 ⋅ [κ 2 (l ν y+ )2 ⋅ ( ⋅ ) ] + g sin α = 0 , l ν dy+ l ν dy+ u 2∗ ⋅

d du + 2 [κ 2 y2+ ( ) ] + gl ν sin α = 0 , dy+ dy+

d du + 2 gl ν u∗ l ν ⋅ [κ 2 y2+ ( ) ] + 2 sin α = 0 , u ∗ l ν dy+ dy+ u∗ d du + 2 gl ν ν ⋅ [κ 2 y2+ ( ) ] + 2 sin α = 0 u ∗ ⋅ l ν dy+ dy+ u∗ und schließlich

d du + 2 1 1 ⋅ [κ 2 y2+ ( ) ] + 2 sin α = 0 . Rel ν dy+ dy+ Fr

Dabei wurde die vor allem bei Gerinneströmungen wichtige Froude-Zahl mit der vis­ kosen Länge und der Sohlschubspannung gebildet: Fr =

u 2∗ √ u 3∗ u∗ =√ = . gl ν gν √gl ν

Es besteht aber ein wichtiger Unterschied zu den bisherigen Kennzahlbildungen, denn die so gebildete Reynolds-Zahl beträgt Rel ν = u∗ν⋅l ν = νν = 1! Man könnte sich die Reynolds-Zahl auch irgendwie anders gebildet denken, beispielsweise mit Hilfe der Wassertiefe oder einer endlichen Platten- oder Gerinnelänge, aber entscheidend ist: Wird die Reynolds-Zahl (und die Froude-Zahl) auf die oben beschriebene Weise gebil­ det, dann beträgt sie Eins. Folglich entstehen, unabhängig davon, ob eine Plattenströ­ mung, eine Rohrströmung (Froude-Zahl hat keinen Einfluss) oder eine Gerinneströ­ mung vorliegt, immer die Geschwindigkeitsprofile (6.18) und (6.25). Deshalb ist das Profil universell und der Verlauf wird durch Messungen bestätigt. Es gibt noch einen weiteren Unterschied: In einer laminaren Grenzschicht bilden sich (bloß) ähnliche, al­ so ortsabhängige Profile aus. Bei Turbulenz bleiben die Geschwindigkeitsprofile, bei konstanten hydraulischen Bedingungen, entlang des gesamten Wegs bestehen. Nun kommen wir zur Rauheit. Ist die Platte rauh, so werten wir Gleichung (6.20) auf der Höhe der Rauheit y = k aus. Die zugehörige mittlere Geschwindigkeit bezeich­ nen wir vorerst als u k und schreiben C1 = uu∗k − 2,5 ⋅ ln k. Mit Hilfe von Experimenten bestimmt man

uk u∗

= 8,5 und erhält

y u = 2,5 ⋅ ln ( ) + 8,5 . u∗ k

(6.27)

160 | 6 Turbulente Strömungen Die untere Grenze des Gültigkeitsbereichs wird durch u = 0 und einen zugehörigen 8,5 k und daraus y0 ≈ 30 . Hieran Wandabstand y0 bestimmt. Man erhält ln( yk0 ) = − 2,5 sieht man, dass die untere Schranke von der Rauheit der Wand abhängt. Demnach kann man (6.27) auch schreiben als u y = 2,5 ⋅ ln ( ) . u∗ y0

(6.28)

Unterhalb des logarithmischen Profils existiert weder ein Übergangsbereich noch eine viskose Unterschicht. Nun sind wir in der Lage, eine glatte gegenüber einer rauhen Wand zu charakte­ risieren. Dazu müssen die maßgebenden Vergleichslängen l ν und y0 der glatten bzw. rauhen Wand miteinander verglichen werden. Wir schreiben (6.25) als y 9y 9u ∗ u = 2,5 ⋅ ln ( ) + 2,5 ⋅ ln(9) = 2,5 ⋅ ln ( ) = 2,5 ⋅ ln ( ) . u∗ lν lν ν Der Vergleich mit (6.28) liefert

30 k

=

9u∗ ν

Re k :=

und folglich u∗ ⋅ k = 3,33 . ν

(6.29)

Die linke Seite der Gleichung entspricht einer Reynolds-Zahl. Man nennt sie Korn-Rey­ nolds-Zahl. Damit erhält man das Ergebnis, dass eine Wand als hydraulisch glatt gilt, falls Rek < 3,33, und als hydraulisch rauh, wenn Re k > 3,33 ist. Gleichung (6.29) entspricht auch k = 3,33 ⋅ l ν . Schließlich kann man noch angeben, in welcher Tiefe man die Geschwindigkeit 9y l ν 0,4 oder u ∗ messen sollte. Dazu muss u(y) u∗ = 2,5 ⋅ ln( l ν ) = 1 sein, was bei y = 9 e y=

k 0,4 30 e

erreicht wird.

Rauheit und Sandrauheit Spätestens an dieser Stelle bedarf es einer Klärung zwischen dem Begriff der Rauheit k und der effektiven Korn- oder Sandrauheit k s . Wir rechneten bisher, und werden es in diesem Band auch weiterhin so handhaben, mit einer repräsentativen Rauheit k. Diese entspricht nicht der eigentlichen Größe der Unebenheiten. Eine Oberfläche wie die Sohle eines Gewässers kann relativ einheitlich aus Sand oder Kies mit demselben Korndurchmesser d bestehen oder sie kann aus Kies, Steinen und Schutt verschiede­ ner Größe bestehen. Je inhomogener die Zusammensetzung, umso schwieriger ist es, der Oberfläche einen einheitlichen Korndurchmesser zuzuordnen. Man greift dazu ei­ nige räpresentative Durchmesser wie beispielsweise d30 , d60 oder d90 heraus. Der In­ dex bezeichnet dabei den Durchmesser in mm. Danach bildet man den Mittelwert dm inklusive der jeweiligen Häufigkeit. Messungen haben ergeben, dass der Zusammen­ hang k ≈ 3,25 ⋅ dm besteht.

6.5 Geschwindigkeitsprofile einer Plattenströmung

| 161

Neben der eigentlichen Kornrauheit, kann man noch die sich wiederholenden Unebenheiten, wie beispielsweise die Rippel am Meeresboden, beachten. Diese so­ genannte Formrauheit müsste man, falls vorhanden, mit der Kornrauheit zu einer Ge­ samtrauheit zusammenfügen. 3. Turbulente Außenzone Je weiter man die turbulente Grenzschicht in positiver y-Richtung durchschreitet, um­ so kleiner wird der Einfluss der Viskosität. Setzen wir die nächste Grenze am Übergang zwischen turbulenter Innenzone und Außenströmung (Geschwindigkeit u = u ∞ ) und bezeichnen mit y = δt den äußersten Rand der neuen Zone, so folgt aus (6.19) uu∞∗ = 2,5 ⋅ ln δt + C und daraus y u ∞ − u(y) = −2,5 ⋅ ln ( ) . u∗ δt Allerdings muss das Ergebnis modifiziert werden, da aus der Außenströmung ständig nichtturbulente Fluidteilchen beigemischt werden. Dieser Effekt vergrößert das Ge­ schwindigkeitsprofil mit wachsendem y und beeinflusst etwa 85 % der äußeren turbu­ lenten Grenzschicht. Um dies zu berücksichtigen, fügt man eine empirisch bestimmte „Nachlauffunktion“ hinzu. Insgesamt erhält man u ∞ − u(y) y π y = −2,5 ⋅ ln ( ) + 2,75 ⋅ cos2 ( ⋅ ) . u∗ δt 2 δt

(6.30)

Da die Rauheit hier keine Rolle spielt, kann man (6.30) auch für eine rauhe Platte ver­ wenden. Messungen bestätigen die Umrechnung δt ≈ 3333,33 ⋅ l ν , so dass man die Gültigkeit von (6.30) anstelle von lyν > 500 auch durch 0,15 < δyt < 1 angeben kann. Näherungsweise kann anstelle von (6.30) ebenfalls das Profil 1

y 7 u(y) =( ) u∞ δt (u ∞ ist die Geschwindigkeit der Außenströmung) verwendet werden, das wir aus dem 5. Band im Zusammenhang mit Rohrströmungen kennengelernt haben (Beweis Kapi­ tel 6.7). Die folgende Tabelle wird ergänzt durch das bekannte Geschwindigkeitsprofil einer laminaren Strömung bis vor dem Umschlag in Turbulenz. In Abbildung 6.3 sind die verschiedenen Zonen dargestellt. Es bezeichnen δl : Grenzschichtdicke der laminaren Strömung δt : Grenzschichtdicke der turbulenten Strömung u ∗ : Wandschubspannungsgeschwindigkeit u ∞ : Geschwindigkeit der Außenströmung l ν : Viskose Länge

162 | 6 Turbulente Strömungen

Zone Laminare Grenzschicht

Geschwindigkeitsprofil u u δvis

=

Gültigkeitsbereich

y y 3 y 2 (2 − 2 ( ) + ( ) ) δ vis δl δl

Bis zum Umschlag

Turbulente glatte Strömung, Rek < 3,33 Viskose Unterschicht

u y = u∗ lν

0
3,33 u y = 2,5 ⋅ ln ( ) u∗ y0

Turbulente Wandzone

u

Beliebige Zone

u max

mit

y0 =

k 30

k < y < 0,15 ⋅ R 30

1

= (1 −

r n ) , n = 6, 7, 8, . . . R

Beliebig

Das Potenzgesetz der letzten Tabellenzeile beweisen wir im nächsten Kapitel.

6.7 Reibungswiderstand und Grenzschichtdicke der Rohrströmung I. Der Reibungswiderstand Wir betrachten das turbulente Geschwindigkeitsprofil in der Kernzone: u max − u Rohr y = −2,5 ⋅ ln ( ) . u∗ R Da y = R − r, folgt

y R

= 1 − Rr , so dass daraus u = umax + 2,5u ∗ ⋅ ln (1 −

r ) R

wird. Als Nächstes berechnen wir die örtlich gemittelte Geschwindigkeit u Rohr . Um diese besser von der zeitlichen Mittelung zu unterscheiden, definieren wir u Rohr = : c. Mit dem Volumenstrom V̇ gilt R

1 V̇ = ∫ 2πr ⋅ u(r) dr c= 2 πR πR2 0

R

R

0

0

2u max r r = ∫ r dr + 5u ∗ ∫ 2 ⋅ ln (1 − ) dr . R R2 R Das 1. Integral ergibt u max .

166 | 6 Turbulente Strömungen 1

Bis auf den Faktor 5u ∗ lautet das 2. Integral ∫0 x ⋅ ln(1 − x) dx mit weitere Substitution, z = 1 − x, führt zu 1

r R

= x. Eine

0

∫ x ⋅ ln(1 − x) dx = − ∫(1 − z) ⋅ ln z ⋅ dz 0

1 1

= ∫(1 − z) ⋅ ln z ⋅ dz . 0

Partielle Integration zerlegt das neue Integral in 1

1

1

∫(1 − z) ⋅ ln z ⋅ dz = [(z − 0

z2 z2 1 ) ln z] − ∫ (z − ) ⋅ ⋅ dz . 2 2 z 0 0

Der Wert des letzten Integrals beträgt 1

∫ (1 − 0

1

z 3 z2 ) dz = [z − ] = . 2 4 0 4 2

Es fehlt noch die Auswertung von [(z − z2 ) ln z]10 . An der Stelle z = 1 erhält man Null. Für z = 0 ergibt sich mit der Regel von de L’Hôspital 1 ln z z(2 − z)2 z lim 2 = lim 2(2−2z) = lim =0. z→0 z→0 − z→0 −4(1 − z) 2z−z2 (2z−z2 )2 Insgesamt erhalten wir 3 c = u max + 5u ∗ ⋅ (− ) 4

oder

u max c − = 3,75 . u∗ u∗

(6.32)

Die Gleichung gibt den Wert an, um den sich die mittlere Geschwindigkeit im Mit­ tel von der maximalen Geschwindigkeit im Zentrum relativ zur Schubspannungsge­ schwindigkeit unterscheidet. Der gemessene Unterschied beträgt hingegen 4,07. Die Abweichung zum theore­ tischen Wert ist damit zu begründen, dass wir das Geschwindigkeitsprofil der turbu­ lenten Kernzone bis auf die Wandzone ausgeweitet haben. In einem nächsten Schritt sollen die für die Reibungskräfte an der Wand mass­ geblichen Größen, die Wandschubspannung und die damit verknüpfte Rohrreibungs­ zahl λ eingebracht werden. Die Schubspannung einer laminaren Strömung hatten wir mit dem Newton’schen Ansatz τ(r) = η ∂u ∂r modelliert. Das zugehörige Geschwindig­ keitsprofil (2.11) R2 ∆pV r 2 u(r) = − ⋅ ⋅ [1 − ( ) ] 4η l R

6.7 Reibungswiderstand und Grenzschichtdicke der Rohrströmung

| 167

eingesetzt, ergibt τlam (r) = ∆pl V ⋅ 2r . Dabei ist ∆pV der Druckverlust auf einer Strecke l. Für den turbulenten Fall können wir kein ähnliches Ergebnis für das Profil und somit für die Abnahme der Schubspannung im Rohrinnern mit der Wandsschubspannung heranziehen (das zugehörige 1/7-Profil soll ja hergeleitet werden). In Analogie kann man auch hier an der Wand ansetzen: τW,tur =

∆pV R ⋅ . l 2

τtur (r) ≠

∆pV r ⋅ . l 2

Aber im Inneren ist

(6.33)

Schreiben wir ebenfalls in Analogie zum laminaren Fall τW,tur = ρu 2∗ , so erhalten wir 2lρu2 an der Wand ∆pV = R ∗ . Da noch kein Geschwindigkeitsprofil vorliegt, mit dessen Hilfe wir die Schubspannung in jedem Abstand zur Wand darstellen können, gehen wir den Umweg über den Druckverlust, den wir ebenfalls mit dem Ansatz von Weis­ bach erfassen können. Es gilt (vgl. 5. Band) l c2 ∆p V = λt ρ . (6.34) d 2 Daraus erhalten wir λ

lρc 2 4R

=

2lρu2∗ R

(Index t weggelassen) und schließlich λ = 8(

u∗ 2 ) . c

(6.35)

Diese Gleichung in (6.32) eingefügt, ergibt √

8 u max = − 3,75 . λt u∗

Weiter wird (6.25) im Zentrum ausgewertet und l ν durch 2,5 ⋅

ln( Ruν ∗ )

(6.36) ν u∗

ersetzt. Dies führt zu

+ 5,5. Diesen Ausdruck fügen wir in (6.36) ein und erhalten √ 8 = 2,5 ⋅ ln ( Ru ∗ ) + 5,5 − 3,75 . λ ν

Danach schreiben wir

Ru∗ ν

als

u ∗ c ⋅ 2R u ∗ c ⋅ d 1 √ λ 1 1 ⋅ = ⋅ ⋅ = ⋅ Re d ⋅ = Re d √λ ⋅ . c 2ν c ν 2 8 2 √ 4 2 Dies wird (6.37) einverleibt, was zu 1 1 2,5 1,75 = ⋅ ln (Re√λ ⋅ )+ √ λ √8 √8 4√2 (Index d weggelassen) führt.

umax u∗

=

(6.37)

168 | 6 Turbulente Strömungen

Weiter vereinfacht, erhält man 1 2,5 2,5 1 1,75 = ⋅ ln(Re√λ) + ⋅ ln ( )+ √ λ √8 √8 √8 4√2 und

1 = 0,883 ⋅ ln(Re√λ) − 1,53 + 0,62 . √λ Umgerechnet auf den Zehner-Logarithmus wird daraus 1 1 = −2 ⋅ log10 ( ) − 2 ⋅ log10 (20,35) + 1,75 . √λ Re√λ

Die Werte 20,35 bzw. 1,75 werden durch experimentell bestimmte Werte angepasst: 1 1 = −2 ⋅ log10 ( ) − 2 ⋅ log10 (18,7) + 1,74 . √λ Re√λ Für hydraulisch glatte Rohre erhält man somit 1 18,7 = 1,74 − 2 ⋅ log10 ( ) . √λ Re√λ

(6.38)

Da λ nur implizit gegeben ist, fand Blasius die Näherungsformel λ≈

0,316 1

.

(6.39)

Re d4 Ist das Rohr hydraulisch rauh, dann ziehen wir das zugehörige Geschwindigkeitsprofil = 2,5 ⋅ ln( Rk ) + 8,5. In diesem (6.27) heran. Ausgewertet im Zentrum, folgt daraus uumax ∗ Fall schreibt sich (6.32) nacheinander als c R = 2,5 ⋅ ln ( ) + 8,5 − 3,75 , u∗ k √8 λ 1 √λ 1 √λ 1 √λ

R = 2,5 ⋅ ln ( ) + 4,75 , k 2,5 4,75 R = ⋅ ln ( ) + , k √8 √8 R = 0,883 ⋅ ln ( ) + 1,68 und k k = −2 ⋅ log10 ( ) + 1,68 . R

Mit einer kleiner Korrektur aufgrund von Messergebnissen folgt 2k 1 = 1,74 − 2 ⋅ log10 ( ) . d √λ

(6.40)

Die Kombination von (6.38) mit (6.40) führt schließlich zur Formel von ColebrookWhite 2k 18,7 1 = 1,74 − 2 ⋅ log10 ( (6.41) + ) . d √λ Re√λ

6.7 Reibungswiderstand und Grenzschichtdicke der Rohrströmung

|

169

Mit der Näherungsformel von Blasius (6.39) kann man auch die Reibungskraft FW,tur explizit angeben. Es gilt mit (6.33) FW,tur = τW ⋅ 2πRl =

∆p V R ⋅ ⋅ 2πRl = ∆p V ⋅ πR2 . l 2

Die Gleichung stellt nichts anderes als die Gleichgewichtsbedingung für eine statio­ näre Rohrströmung dar. In diesem Fall muss das Produkt aus der Wandspannung und dem benetzten Umfang gleich groß wie das Produkt aus Druckverlust und Quer­ schnittsfläche sein. Mit (6.34) und (6.39) erhält man daraus weiter FW,tur = λ

l c2 πρRlc2 ρ ⋅ πR2 = λ . 2R 2 4

(6.42)

Den Ausdruck von (6.39) eingesetzt, liefert 1

0,316 π 0,316 ⋅ π ρ − 4 ⋅ c− 4 (2R)− 4 2 ⋅ = ⋅ lρRc2 lρRc ⋅ 1 1 4 4 η− 4 Re 4 1

1

und schließlich 1

3

7

FW,tur = 0,209 ⋅ ρ ⋅ ν 4 ⋅ R 4 ⋅ l ⋅ c 4 .

(6.43)

Einerseits wird die Rohrreibungszahl selber als Reibungswiderstandsbeiwert be­ zeichnet, anderseits benutzt man die Bezeichnung im Zusammenhang mit der üb­ lichen Schreibweise FW = 12 cW ρAc2 . Mit A = 2πRl (benetzte Oberfläche) folgt FW = cW πρRlc2 und der Vergleich mit (6.42) liefert λ = 4cW . Dieser Zusammenhang gilt sowohl für laminare wie auch turbulente Strömungen. II. Das 1/7-Potenzprofil einer turbulenten Rohrströmung Ausgangspunkt ist die Gleichung (6.43). Wir dividieren sie durch die benetzte Fläche A = 2πRl und erhalten die Wandschubspannung τW =

1 1 7 FW 0,209 = ⋅ ρ ⋅ ν 4 ⋅ R− 4 ⋅ c 4 . A 2π

(6.44)

Das Geschwindigkeitsprofil soll durch eine Potenzfunktion der Art u(r) = u max ⋅ ( Ry )n mit y = R − r und einem unbekannten n angenähert werden. Aus u max = u ⋅ R n ⋅ y−n und u max = α ⋅ c mit α ∈ ℝ folgt α ⋅ c = u ⋅ R n ⋅ y−n . Diese Gleichung potenzieren wir mit 74 und erhalten 7

c 4 = α− 4 ⋅ u 4 ⋅ R 7

7

7n 4

⋅ y− 4 . 7n

Eingesetzt in (6.44) folgt τ(y) =

7 1 7n−1 7n 0,209 − 7 ⋅ α 4 ⋅ ρ ⋅ ν 4 ⋅ R 4 ⋅ y− 4 ⋅ u 4 . 2π

(6.45)

170 | 6 Turbulente Strömungen

Dabei haben wir angenommen, dass Gleichung (6.44) außer an der Wand ebenfalls für einen Wandabstand y Gültigkeit behält. Dies angenommen, haben Prandtl und von Kàrmàn zusätzlich die Annahme getroffen, dass die Schubspannung unabhängig vom Radius sein sollte. Dann muss in (6.45) aber 7n−1 = 0 sein, was n = 17 nach sich 4 zieht. Insgesamt folgt das turbulente Profil zu 1

u(r) = umax ⋅ (1 −

r 7 ) . R

(6.46)

Für die örtlich gemittelte Geschwindigkeit erhält man R

1 c= ∫ 2πr ⋅ u(r) ⋅ dr πR2 0

R

1

0

0

1 2 ⋅ u max ∫ r ⋅ u(r) ⋅ dr = 2 ⋅ u max ∫ x ⋅ (1 − x) 7 ⋅ dx R2

mit x =

r R

und daraus c=

49 u max . 60

(6.47)

Der Gültigkeitsbereich von (6.46) ist identisch mit demjenigen der Näherungsformel (6.39), nämlich Re < 105 . Eine Unschönheit beinhaltet das 1/7-Profil anscheinend: Die Auswertung der Spannung an der Wand ergibt einen unendlich großen Wert. Dies ist aber nicht weiter schlimm, da die viskose Unterschichtsdicke, lyν = 5, die untere Grenze des Gültigkeitsbereichs darstellt. III. Die Grenzschichtdicke Die viskose Unterschicht bildet sich nur langsam unterhalb der turbulenten Strömung aus in der wandnahen Zone aus. Deshalb kann eine eindeutige Dicke der viskosen Unterschicht δvis nicht angegeben werden. Wie schon mit (6.24) angegeben, ist δvis = 11,64 ⋅ l ν . Dies ergibt sich natürlich auch als Schnittpunkt von (6.18) mit (6.25), aber das ist kein Beweis, da das Profil von (6.25) mit Hilfe der Messung (6.24) erst hergeleitet wurde. Die viskose Dicke wird umgeschrieben zu δvis = 11,64 ⋅

ν ρ = 11,64 ⋅ ν√ . u∗ τW

Zuerst quadrieren wir die Gleichung und dividieren sie anschließend durch d2 . Dies führt zu 2 δ2vis ρ 2 ν = 11,64 ⋅ ⋅ . (6.48) d2 d2 τW

6.8 Reibungswiderstand und Grenzschichtdicke der Plattenströmung

| 171

󵄨󵄨 Die Wandspannung lässt sich nicht mit Hilfe der Definition τW = η ⋅ du dr 󵄨󵄨W ausdrücken, weil, wie schon erwähnt, der Wert an der Wand unendlich groß wird. Hingegen ver­ wenden wir wieder (6.33) und (6.34) und finden τW =

∆pV d λ 2 ⋅ = ρc . l 4 4

(6.49)

Dies fügen wir in (6.48) ein: 2 δ2vis 4ρ 4 ⋅ 11,642 1 2 ν = 11,64 ⋅ ⋅ = ⋅ 2 . λ d2 d2 λρc2 Red

Schließlich wird noch die Näherung (6.39) eingesetzt und man erhält 1

δ2vis 4 ⋅ 11,642 Re d4 = ⋅ 2 0,316 d2 Re d

oder

δvis 41,40 . = 7 d Red8

(6.50)

6.8 Reibungswiderstand und Grenzschichtdicke der Plattenströmung I. Die Grenzschichtdicke Mit Gleichung (3.41) hatten wir die Impulserhaltung innerhalb der laminaren Grenz­ schicht in integraler Form hergeleitet. Die Gleichung gilt auch für Strömungen inner­ halb einer turbulenten Grenzschicht, sofern das Profil innerhalb derselben bekannt ist. Im Fall einer Plattenströmung ist die Außenströmung u δ = u ∞ = konst. und des­ halb u 󸀠δ = 0. Es verbleibt dann δ

τW (x) = ρu 2∞ ⋅ δ󸀠2 (x) = ρu 2∞

d [ u u ∫ (1 − ) dy] . dx u∞ u∞ ] [0

(6.51)

Die Impulsverlustdicke wir dabei gemäss (3.23) verwendet. Es stellt sich noch die Frage nach dem Geschwindigkeitsprofil. Eine Aufteilung in eine laminare Unterschicht und eine turbulente Zone wäre denkbar. Prandtl überträgt hingegen das 1/7-Potenzprofil der Rohrströmung auf die Plattenströmung, indem er die maximale Geschwindigkeit u max mit der Außenströmung u ∞ , den Rohrradius R mit der turbulenten Grenzschicht­ dicke δtur (x) und schließlich die Differenz R − r mit dem Wandabstand y identifiziert. 1 7 Aus der Gleichung (6.46) u u = ( R−r R ) der Rohrströmung wird nun max

1

y 7 u =( ) u∞ δ für die Plattenströmung.

172 | 6 Turbulente Strömungen

Aus (6.51) wird δ

1

1

8

9

δ

d [ d 7y y 7 y 7 y 7 7y y 7 τW (x) = ∫ ( ) (1 − ( ) ) dy] = ρu 2∞ [ ⋅( ) − ⋅( ) ] dx δ δ dx 8 δ 9 δ 0 ] [0 7 dδtur d 7δ 7δ ( − ) = ρu 2∞ ⋅ ⋅ . (6.52) = ρu 2∞ dx 8 9 72 dx ρu 2∞

Für die Wandspannung verwenden wir (6.49), woraus mit (6.39) und (6.47) τW =

0,316 1 4

8 ⋅ Re d

⋅ρ⋅(

49 2 2 ) ⋅ u max 60

wird. Die weitere Verrechnung ergibt 1

τW =

1

0,316 49 2 ν 4 0,316 49 2 ν 4 ⋅ ( ) ⋅ ρ ⋅ u 2max ⋅ ( ) = ⋅ ( ) ⋅ ρ ⋅ u 2max ⋅ ( ) 8 60 c⋅d 8 60 c⋅d

oder 1

1

4 0,316 49 2 1 60 4 ν ⋅ ( ) ⋅ ρ ⋅ u 2max ⋅ 1 ⋅ ( ) ⋅ ( ) 8 60 49 u ⋅ R max 24 1 4 ν = 0,023 ⋅ ρ ⋅ u 2∞ ⋅ ( ) . u ∞ ⋅ δtur

τW =

(6.53)

Im letzten Schritt wurde wieder u max mit u ∞ und R mit δtur identifiziert. 1 1 ν 4 4 Der Vergleich von (6.52) mit (6.53) liefert dδ dx = 0,240⋅( u∞ ⋅δ ) und danach δ ⋅ dδ = 1

0,240 ⋅ ( uν∞ ) 4 dx. Die Integration führt mit δ(0) = 0 nacheinander auf 1

ν 4 4 5 ⋅ δ 4 = 0,240 ⋅ ( ) x, 5 u∞ 1 ν 5 4 δ = 0,381 ⋅ ( ) x5 , u∞ 1 ν 5 δ ) = 0,381 ⋅ ( x u ∞x und schließlich

δ 0,381 . = 1 x Rex5

(6.54)

II. Der Reibungswiderstand Aus τW (x) = 12 c f (x)ρu 2∞ erhält man mit Hilfe von (6.52) und (6.54) den lokalen Rei­ bungsbeiwert c f (x) =

2 ⋅ τW (x) 14 dδ ν ⋅ Rex ν = ⋅ = 0,047 ⋅ ( ) = 0,047 ⋅ ( ) 72 dx u∞ ⋅ δ u ∞ ⋅ 0,381 ⋅ x ρu 2∞ 1

=

1 5

1 4

0,047 0,381

1 4

⋅(

1

5 ⋅ x5 ν ⋅ u∞

u∞ ⋅ x ⋅ ν

1 5

1 4

) = 0,059 ⋅ ([

ν u∞ ⋅ x

4 5

1 4

] ) =

0,059 1

Re x5

.

1 4

(6.55)

6.8 Reibungswiderstand und Grenzschichtdicke der Plattenströmung

| 173

Der Widerstand an einer Platte mit Breite b und Länge dx an der Stelle x beträgt dFW (x) = τW (x) ⋅ dA = τW (x) ⋅ b ⋅ dx. Für den gesamten Widerstand entlang der Strecke l ergibt sich mit (6.55) l

FW = b ∫ τW (x) ⋅ dx = 0,030 ⋅ b ⋅

l 2 ρu ∞ ∫

0

0

1

1 1 5

Rex

⋅ dx = 0,030 ⋅ b ⋅ ρu 2∞ ⋅ (

ν 5 5 4 ) ⋅ ⋅ l5 u∞ 4

und schließlich 1

9

4

5 FW,tur = 0,037 ⋅ b ⋅ ρ ⋅ ν 5 ⋅ u ∞ ⋅ l5 .

(6.56)

Der Faktor 0,030 wird dabei in Folge von Messungen auf 0,037 korrigiert, weil damit bessere Übereinstimmung mit der Theorie erzielt wird. Da der Umschlag zur turbulenten Strömung nicht schon an der Vorderkante der Platte eintritt, ist die vorhin durchgeführte Integration eigentlich falsch. Der Fehler nimmt mit der laminaren Lauflänge llam zu. Um das zu berücksichtigen, überlegen wir uns zuerst, dass man den Ort des Umschlags und somit llam kennt, falls die kritische Reynolds-Zahl Rekrit für die jeweilige Strömung angegeben werden kann. Man versieht somit den über das Intervall [0, x] gemittelten Reibungsbeiwert mit einem von Rekrit abhängigen Korrekturglied. Im Einzelnen berechnen wir x

1

x

1 1 0,059 0,059 ν 5 c f (x) = ∫ dx = ) ∫ x− 5 dx ⋅( 1 x x u 5 ∞ 0 Re x 0 1

=

1

0,059 ν 5 0,074 5 ν 5 5 4 ) ⋅ ⋅ x 5 = 0,074 ⋅ ( ) = = ⋅ c f (x) . ⋅( 1 x u∞ 4 u ∞x 4 Rex5

Prandtl schlägt die Korrektur dieses Wertes als c f (x) =

0,074 1 5

Re x



A(Rekrit ) Re x

vor. Dabei ist A eine von Rekrit abhängige Zahl. Der gesamte Reibungswiderstand (laminar und turbulent) auf einer Lauflänge l lautet dann

FW,lam+tur =

1 0,074 A(Rekrit ) − ) . bρu 2∞ ⋅ ( 1 2 Re l Rel5

(6.57)

Falls llam gegenüber der turbulenten Lauflänge ltur vernachlässigt werden kann, dann braucht man diese Korrektur nicht anzuwenden.

174 | 6 Turbulente Strömungen

Die folgende Tabelle erfasst einige Messwerte der Zahl A für die entsprechende kritische Reynolds-Zahl. Rekrit A

105 350

3 ⋅ 105 1050

5 ⋅ 105 1700

106 3300

3 ⋅ 106 8700

Daraus lassen sich Zwischenwerte mit Hilfe einer quadratischen Interpolation gewin­ nen: (6.58) Rekrit = 0,008 ⋅ A2 + 277 ⋅ A + 2342 . Es gibt Formeln für (6.57) und (6.58), die zusätzlich die Rauheit der Oberfläche berück­ sichtigen. Somit gelten die eben genannten Gleichungen nur für glatte Oberflächen. Zudem könnte man die gesamten Rechnungen als Alternative zum 1/7-Profil auch mit dem zugehörigen logarithmischen Geschwindigkeitsprofil der turbulenten Innenzone durchführen. Schließlich fügen wir eine Übersicht einschließlich der laminaren Strömung bei, welche die Grenzschichtdicken und die Reibungskräfte enthält. Für die Platte meint die Reibungskraft immer die auf einer Seite wirkende Kraft. Es bezeichnen ρ: Dichte η: Dynamische Viskosität ν: Kinematische Viskosität R: Rohrradius d: Rohrdurchmesser c: Mittlere Rohrgeschwindigkeit l: Plattenlänge b: Plattenbreite u ∞ : Geschwindigkeit der Außenströmung δlam : Grenzschichtdicke der laminaren Strömung δvis : Grenzschichtdicke der viskosen Unterschicht δtur : Grenzschichtdicke der turbulenten Strömung Red : Reynolds-Zahl gebildet mit dem Rohrdurchmesser d Rex : Reynolds-Zahl gebildet mit der Lauflänge x Rel : Reynolds-Zahl gebildet mit der Länge l Strömung

Begrenzung

Reibungswiderstand

Laminar

Rohr

FW,lam = 8π ⋅ η ⋅ c ⋅ l

Turbulent

Grenzschichtdicke

3 2

1 2

Platte

FW,lam = 0,662 ⋅ b ⋅ ρ ⋅ ν ⋅ u ∞ ⋅ l

Rohr

FW,tur = 0,209 ⋅ ρ ⋅ ν 4 ⋅ R 4 ⋅ c 4 ⋅ l

Platte

1

3

1

7

9 5

4

FW,tur = 0,037 ⋅ b ⋅ ρ ⋅ ν 5 ⋅ u ∞ ⋅ l 5 FW,lam+tur =

δ lam 4,89 ,x=d = x √Rex

1 2

oder

1 0,074 A(Rekrit ) − ) bρu 2∞ ⋅ ( 1 2 Rel Rel5

δ vis 41,40 ,x=d = 7 x Rex8 δ tur 0,381 ,x=d = 1 x Rex5

6.8 Reibungswiderstand und Grenzschichtdicke der Plattenströmung

| 175

Beispiel 1. Durch eine nicht scharfkantige Öffnung eines langen glatten Rohrs mit dem Radius R = 5 cm sollen 20 Liter Wasser pro Sekunde fließen (Abb. 6.4 links). kg −6 m2 . Zudem beträgt die Die Stoffwerte des Wassers sind ρ = 1000 m 3 und ν = 1,5 ⋅ 10 s kritische Reynolds-Zahl Rekrit = 5 ⋅ 105 . a) Wie groß ist die Strömungsgeschwindigkeit? b) Welche gemittelte, maximale Geschwindigkeit u max entsteht im Rohr? c) Bestimmen Sie die Lauflänge llam der laminaren Strömung und die Dicke der zu­ gehörigen Grenzschicht am Ende dieser Lauflänge. d) Bevor die Strömung im gesamten Rohr turbulent wird, benötigt sie einen Anlauf­ weg la . Die Länge dieses Wegs wird durch das Berühren der turbulenten Grenz­ schichten im Zentrum der Röhre bestimmt. Wie groß wird la ? e) Bestimmen Sie den Reibungswiderstand pro Länge aufgrund der Turbulenz allei­ ne. f) Wie dick wird die unter der turbulenten Grenzschicht liegende laminare Unter­ schicht? g) Berechnen Sie die Rohrreibungszahl λ und mit deren Hilfe die Wandschubspan­ nungsgeschwindigkeit u ∗ . Lösung: a) Es gilt c=

20 ⋅ 10−3 m V̇ = = 2,55 . 2 2 s πR π ⋅ 0,05

b) Aus Gleichung (6.47) folgt umax = c) Mit Rekrit =

c⋅l lam ν

60 m c = 3,12 . 49 s

erhält man

llam =

Rekrit ⋅ ν 5 ⋅ 105 ⋅ 1,5 ⋅ 10−6 = = 29,45 cm . c 2,55

Damit liefert Gleichung (3.21) δlam =

4,89 ⋅ lam = 2,03 mm . √Rekrit

d) Die turbulente Grenzschicht wächst gemäss Gleichung (6.54). Daraus erhält man die Bestimmungsgleichung R=

δtur 2

oder

0,05 =

0,381 ⋅ x 1

2,55⋅x 5 ( 1,5⋅10 −6 )

und daraus la = 2,85 m. Von der Rohröffnung gemessen, ergibt sich ltotal = llam + la = 3,15 m.

176 | 6 Turbulente Strömungen

e) Mit Hilfe von (6.43) folgt 1 3 7 FW = 0,209 ⋅ ρ ⋅ ν 4 ⋅ R 4 ⋅ c 4 = 3,97 N . l

f)

Nach (6.50) gilt δvis =

41,4 ⋅ 0,1 7

2,55⋅0,1 8 ( 1,5⋅10 −6 )

= 0,11 mm .

g) Die Colebrook-White-Gleichung (6.41) ergibt für k = 0 und Re = Rekrit den Wert λ = 0,0132. Aus (6.35) folgt u ∗ = 0,10 ms . Beispiel 2. Zur Simulation des Reibungswiderstands an einem Tragflügel wird eine dünne rechteckige Platte der Länge l = 2 m und der Breite b = 10 m einseitig mit Luft der Geschwindigkeit u = 200 km h angeströmt. Die Stoffdaten der Luft betragen 2 ρ = 1,21 mkg3 und ν = 15 ⋅ 10−6 ms . Die kritische Reynolds-Zahl liegt mit Rekrit = 4 ⋅ 105 vor. a) Kann die Strömung als inkompressibel betrachtet werden? b) Wie groß werden die laminaren und turbulenten Lauflängen llam und ltur ? c) Bestimmen Sie den gesamten Reibungswiderstand. Lösung: a) Nach der Bemerkung am Ende von Kapitel 3.2 ist dies zulässig, falls Ma < 0,3. Mit einer Schallgeschwindigkeit von c ≈ 340 ms erhält man Ma = uc = 0,16, also ist die Strömung inkompressibel. b) Es gilt llam =

Rekrit ⋅ ν 4 ⋅ 105 ⋅ 15 ⋅ 10−6 = = 10,8 cm u 55,55

und

ltur = l − llam = 1,89 m .

c) Aus (3.30) erhält man FW,lam = 0,662 ⋅ 10 ⋅ 1,21 ⋅ √15 ⋅ 10−6 ⋅ 55,551,5 ⋅ 0,1080,5 = 4,22 N . (6.56) liefert FW,tur = 0,037 ⋅ 10 ⋅ 1,21 ⋅ (15 ⋅ 10−6 )0,2 ⋅ 55,551,8 ⋅ 1,890,8 = 111,75 N . Man erhält gesamthaft FW = FW,lam + FW,tur = 115,97 N. Bemerkung. Da llam ≪ ltur , ist keine Korrektur mit (6.57) vonnöten. Beispiel 3. Eine quadratische Platte mit der Kantenlänge l = 1 m und der Dicke h = 1 cm wird mit der Geschwindigkeit u = 2 ms horizontal durch ein Wasserbecken gezo­ 2 gen. Die Stoffwerte des Wassers sind ρ = 1000 mkg3 , ν = 1,4 ⋅ 10−6 ms und die kritische Reynolds-Zahl beträgt Rekrit = 4 ⋅ 105 .

6.8 Reibungswiderstand und Grenzschichtdicke der Plattenströmung

| 177

a) Bestimmen Sie die laminare und turbulente Lauflänge. b) Wie groß wird der gesamte Reibungswiderstand? Verwenden Sie dazu (3.30) und (6.56) und korrigieren Sie gegebenenfalls das Ergebnis mit Hilfe von (6.57). Der Formwiderstand soll unbeachtet bleiben. Nun wird dieselbe Platte mit der Kraft F = 200 N durch das Wasser gezogen. c) Geben Sie die laminare und die turbulente Lauflänge als Funktion der unbekann­ ten Geschwindigkeit u an, falls keine Ablösung der turbulenten Grenzschicht ent­ lang der Platte erfolgt. d) Mit welcher maximalen Geschwindigkeit u kann die Platte ohne Ablösung der tur­ bulenten Grenzschicht bewegt werden? e) Wiederholen Sie die Teilaufgabe d) für den Fall, dass sich die turbulente Grenz­ schicht praktisch am Ende der Platte ablöst und berücksichtigen Sie nun zusätz­ lich den Formwiderstand, indem Sie mit einem Druckbeiwert von cD = 0,6 rech­ nen. f) Berechnen Sie die laminaren Lauflängen für die ermittelten Geschwindigkeiten in d) und e). Lösung: a) Man erhält llam = b) Aus (3.30) folgt

Rekrit ⋅ν u

= 0,28 m und demnach ltur = l − llam = 0,72 m.

FW,lam = 0,662 ⋅ 1 ⋅ 1000 ⋅ √1,4 ⋅ 10−6 ⋅ 21,5 ⋅ 0,280,5 ⋅ 2 = 2,34 N und gemäss (6.56) gilt FW,tur = 0,037 ⋅ 1 ⋅ 1000 ⋅ (1,4 ⋅ 10−6 )0,2 ⋅ 21,8 ⋅ 0,720,8 ⋅ 2 = 13,37 N . Gesamthaft ergibt das FW = FW,lam +FW,tur = 15,71 N. Da llam einen relativ großen Teil der gesamten Länge ausmacht, muss der Wert unter Benutzung von (6.57) kor­ rigiert werden. Zuerst bestimmt man A(Rekrit ). Die Interpolationsgleichung (6.58) liefert A = 1380. Damit erhält man FW,lam+tur =

1 1380 0,074 − 2⋅1 ] ⋅ 2 = 13,52 N . ⋅ 1 ⋅ 1000 ⋅ 22 [ 0,2 2 2⋅1 1,4⋅10−6 ] [ ( 1,4⋅10−6 )

c) Es gilt llam =

4 ⋅ 105 ⋅ 1,4 ⋅ 10−6 0,56 = , u u

ltur = l − llam = 1 −

0,56 . u

d) Gleichung (3.30) liefert FW,lam = 0,662 ⋅ 1 ⋅ 1000 ⋅ √1,4 ⋅ 10−6 ⋅ u 1,5 ⋅ (

0,56 0,5 ) ⋅2 u

178 | 6 Turbulente Strömungen

und aus (6.56) folgt FW,tur = 0,037 ⋅ 1 ⋅ 1000 ⋅ (1,4 ⋅ 10−6 )0,2 ⋅ u 1,8 ⋅ (1 −

0,56 0,8 ) ⋅2. u

Die Bedingung FW,lam + FW,tur = 200 N führt zu u = 7,82 ms . e) Die turbulente Lauflänge kann beibehalten werden, da die Ablösung praktisch am Ende der Platte erfolgt. Der Formwiderstand beträgt gemäss (3.1) FD =

f)

1 1 cD ρ ⋅ bh ⋅ u 2 = 0,6 ⋅ 1000 ⋅ 1 ⋅ 0,01 ⋅ u 2 = 3u 2 . 2 2

Aus FW,lam + FW,tur + FD = 200 N erhält man u = 5,56 ms . Mit llam = 0,56 u folgen die Lauflängen l lam = 7,16 cm resp. l lam = 10,07 cm.

Beispiel 4. Ein Tiefseeboot besitzt die Form einer Kugel mit Radius R = 1 m und be­ wegt sich mit der Geschwindigkeit u = 0,25 ms (Abb. 6.4 rechts). Die Stoffwerte des Meerwassers sind ρ = 1025

kg m3

und

ν = 1,4 ⋅ 10−6

m2 . s

a) Bestimmen Sie die Reynolds-Zahl Re d , gebildet mit dem Kugeldurchmesser. b) Welcher laminaren Lauflänge llam und welchem Mittelpunktswinkel α lam ent­ spricht Red ? c) Bei der in a) bestimmten Reynolds-Zahl löst die turbulente Strömung für α tur = 135° ab. Wie groß ist demnach die turbulente Lauflänge ltur ? d) Gesucht ist die Antriebsleistung des Motors, um den gesamten Widerstand zu überwinden. Rechnen Sie mit einem Druckbeiwert von cD = 0,09 (vgl. Abb. 3.1).

Abb. 6.4: Skizzen zu den Beispielen 1 und 4

6.8 Reibungswiderstand und Grenzschichtdicke der Plattenströmung |

Lösung: a) Man erhält

179

u⋅d 0,25 ⋅ 2 = 3,57 ⋅ 105 . = ν 1,4 ⋅ 10−6 = d = 2 m. Das entspricht Red =

b) Es gilt llam

2 ⋅ 180° ≈ 114,59° . π

α lam =

c) Die zugehörige Lauflänge ergibt sich zu ltur =

3 π − 2 = 0,36 m . 4

d) In Gleichung (3.30) und (6.56) taucht die Breite b auf. Dies muss man für die Ku­ geloberfläche umrechnen. Die Fläche A einer Kugelkappe wie auch einer Kugelschicht berechnet man mittels A = 2πRh. Dabei ist h die zugehörige Teilstrecke des Durchmessers (siehe Abb. 6.4 rechts) Für die laminare Lauflänge ist demnach b derart gesucht, dass llam ⋅ b = 2πRh gilt. Mit hlam = | cos(α)| + R = | cos(2)| + 1 = 1,42 m folgt b lam =

2πR ⋅ hlam = 4,45 m . llam

Analog zu ltur findet man

󵄨󵄨 3 󵄨󵄨󵄨 󵄨 htur = 󵄨󵄨󵄨cos ( π)󵄨󵄨󵄨 + 1 − 1,42 = 0,29 m 󵄨󵄨 4 󵄨󵄨 und aus ltur ⋅ b = 2πRh folgt b tur =

2πR ⋅ htur = 5,13 m . ltur

So erhalten wir FW,lam = 0,662 ⋅ b lam ⋅ ρ √ν ⋅ u 1,5 ⋅ llam 0,5

= 0,662 ⋅ 4,45 ⋅ 1025 ⋅ √1,4 ⋅ 10−6 ⋅ 0,251,5 ⋅ 20,5 = 0,63 N und 0,8

FW,tur = 0,037 ⋅ b tur ⋅ ρ ⋅ ν0,2 ⋅ u 1,8 ⋅ ltur

= 0,037 ⋅ 5,13 ⋅ 1025 ⋅ (1,4 ⋅ 10−6 )0,2 ⋅ 0,251,8 ⋅ 0,360,8 = 0,47 N . Der Formwiderstand schließlich folgt nach (3.1) zu 1 1 cD ρ ⋅ πR2 ⋅ u 2 = ⋅ 0,09 ⋅ 1025 ⋅ π ⋅ 12 ⋅ 0,252 = 9,07 N . 2 2 Gesamthaft hat man FW = FW,lam + FW,tur + FD = 10,17 N und die Leistung folgt zu P = FW ⋅ u = 10,17 ⋅ 0,25 = 2,54 W . FD =

180 | 6 Turbulente Strömungen

Beispiel 5. Segelboote besitzen am Rumpf einen Kiel (Abb. 6.5 links). Dieser hat die Form eines Trapezes mit h = 1 m Tiefe und einer oberen und unteren Breite von 0,5 m resp. 0,25 m. Wir behandeln die Umströmung des Kiels wie die einer dünnen Platte. Das Boot segelt mit einer Geschwindigkeit von u = 10 ms . Die Stoffwerte des Salzwas­ kg −6 m2 . Durch Messung sei bekannt, dass dieses sers sind ρ = 1025 m 3 und ν = 1,4 ⋅ 10 s Profil eine kritische Reynolds-Zahl von Rekrit = 4 ⋅ 105 zulässt, bevor die Strömung turbulent wird. a) Bestimmen Sie die Lauflänge llam der laminaren Strömung und die zugehörige Grenzschichtdicke am Ende dieser Lauflänge. Für die weiteren Teilaufgaben treffen wir die Annahme, dass die nach der Lauflänge llam einsetzende turbulente Strömung sich entlang der restlichen Lauflänge des Kiels nicht ablöst. b) Bestimmen Sie die turbulente Grenzschichtdicke δtur (h) in Abhängigkeit der Was­ sertiefe h (von unten gemessen) und insbesondere die Grenzschichtdicke am obe­ ren Kielrand. c) Wie groß wird der gesamte Widerstand? Zur Berechnung des Formwiderstands nehmen wir an, dass der Kiel in Strömungsrichtung spitz zuläuft, aber eine durch­ schnittliche Dicke von d = 5 cm aufweist. Rechnen Sie zudem mit einem entspre­ chenden Druckbeiwert von cD = 0,2. Lösung: ⋅ν = 5,6 cm. Dies ist die maximal mögliche Lauflänge entlang a) Es gilt llam = Rekrit u der Kielkontur vor dem Umschlag zu einer turbulenten Strömung. Die zugehörige Grenzschichtdicke an dieser Stelle wäre unter Verwendung von (3.21) 4,89 ⋅ lam = 0,43 mm . δlam = √Rekrit b) Die turbulente Lauflänge ltur ergibt sich aus der Differenz ltur = l(h) − llam , wobei gilt: l(h) = 0,25h + 0,25. Mit Gleichung (6.54) erhält man δtur (h) = ltur ⋅

0,381 (Rel tur )

1 5

0,381

= ltur (h) ⋅

Insbesondere ist δtur (1) =

(

10⋅l tur(h) ) ν

0,381 ⋅ 0,444 1

( 10⋅0,444 )5 1,4⋅10−6

1 5

=

0,381 ⋅ (0,25h + 0,194) 1

.

( 10⋅(0,25h+0,194) )5 ν

= 8,45 mm .

c) Für den Reibungswiderstand FW,lam , den die laminare Strömung auf beiden Sei­ ten des Kiels ausübt, nehmen wir Gleichung (3.30). Diese liefert FW,lam = 0,662 ⋅ bρ √ν ⋅ u 1,5 ⋅ l0,5 lam ⋅ 2 = 0,662 ⋅ 1 ⋅ 1025 ⋅ √1,4 ⋅ 10−6 ⋅ 101,5 ⋅ 0,0560,5 ⋅ 2 = 12,02 N .

6.8 Reibungswiderstand und Grenzschichtdicke der Plattenströmung | 181

Der Reibungswiderstand FW,tur aufgrund des Umschlags in eine turbulente Strö­ mung lautet gemäss (6.56) (dh entspricht der Breite b) dFW,tur = 0,037 ⋅ ρ ⋅ ν0,2 ⋅ u 1,8 ⋅ l(h)0,8 ⋅ dh ⋅ 2. Dann folgt 1

FW,tur = 0,037 ⋅ ρ ⋅ ν0,2 ⋅ u 1,8 ∫(0,25h + 0,194)0,8 dh ⋅ 2 = 128,94 N . 0

Es fehlt noch der Formwiderstand: FD =

1 1 cD ρ ⋅ d ⋅ l ⋅ u 2 = ⋅ 0,2 ⋅ 1025 ⋅ 0,05 ⋅ 1 ⋅ 102 = 512,50 N . 2 2

Gesamthaft hätte man FW = FW,lam + FW,tur + FD = 653,46 N.

Abb. 6.5: Skizzen zu den Beispielen 5 und 6

Beispiel 6. Nach heftigen Regenfällen führt ein 10 m tiefer Fluss Hochwasser. Die Fließgeschwindigkeit u ist von der Wassertiefe h abhängig und beträgt u(h) = 0,05h2 (von der Sohle gemessen). 2 Die Stoffwerte des Wassers sind ρ = 1000 mkg3 und ν = 1,4 ⋅ 10−6 ms und die kriti­ sche Reynolds-Zahl beträgt Rekrit = 4⋅105 . Ein linsenförmiger Pfeiler (Abb. 6.5 rechts). wird vom Fluss umströmt, ohne dass sich die entstehende turbulente Grenzschicht entlang der gesamten Pfeilerkontur ablöst. a) Wie lautet die Funktionsgleichung zur Beschreibung der Pfeilerkontur? b) Bestimmen Sie die Bogenlänge auf einer Seite des Pfeilers. c) In welcher Wassertiefe setzt entlang der Pfeilerkontur erstmals eine turbulente Strömung ein? d) Berechnen Sie den gesamten Reibungswiderstand. Lösung: 1 2 a) Die Funktion lautet f(x) = − 16 x + 1. b) Für die Bogenlänge erhält man 4

4

lB = 2 ∫ √1 + f 󸀠 (x)2 = 2 ∫ √1 + 0

0

x2 = 8,32 m . 64

182 | 6 Turbulente Strömungen

c) Zuerst bestimmt man diejenige Geschwindigkeit u krit , bei der erstmals die lami­ nare Lauflänge kürzer als die Bogenlänge lB wird: u krit =

Rekrit ⋅ ν 4 ⋅ 105 ⋅ 1,4 ⋅ 10−6 m = = 0,07 . lB 8,32 s

Die zugehörige Tiefe folgt aus 0,07 = 0,05h2 zu hkrit = 1,16 m. d) Für h > hkrit berechnet sich die laminare Lauflänge mittels llam (h) =

Rekrit ⋅ ν 11,2 = 2 . u(h) h

Damit erhalten wir dFW,lam = dFW,lam 1 + dFW,lam 2 = 0,662 ⋅ dh ⋅ ρ ⋅ √ν ⋅ u(h)1,5 ⋅ l0,5 B ⋅2 + 0,662 ⋅ dh ⋅ ρ ⋅ √ν ⋅ u(h)1,5 ⋅ l0,5 lam (h) ⋅ 2 und somit 1,16

FW,lam

= 0,662 ⋅ 1000 ⋅ √1,4 ⋅ 10−6 ⋅ ∫ (0,05h2 )1,5 dh ⋅ 8,320,5 ⋅ 2 0 10

+ 0,662 ⋅ 1000 ⋅ √1,4 ⋅ 10−6 ⋅ ∫ [(0,05h2 )1,5 ⋅ (

11,2 0,5 ) ] dh ⋅ 2 h2

1,16

= 0,02 N + 19,51 N = 19,53 N . Weiter gilt dFW,tur = 0,037 ⋅ dh ⋅ ρ ⋅ ν0,2 ⋅ u(h)1,8 ⋅ (lB − llam (h))0,8 ⋅ 2 und damit FW,tur = 0,037 ⋅ 1000 ⋅ (1,4 ⋅ 10−6 )0,2 10

⋅ ∫ [(0,05h2 )1,8 ⋅ (8,32 −

11,2 0,8 ) ] dh ⋅ 2 h2

1,16

= 1051,09 N . Der gesamte Reibungswiderstand folgt zu FW = 1070,62 N. Dabei ist der laminare Beitrag völlig vernachlässigbar.

Aufgabe Bearbeiten Sie die Übungen 15 bis 18.

6.9 Die Mittelung der Energierhaltung

| 183

6.9 Die Mittelung der Energierhaltung Analog zur Impulserhaltung, die durch zeitliche Mittelung zu den Reynolds-Gleichun­ gen führte, soll nun die Energieerhaltung (4.13) zeitlich gemittelt werden. Zu den Grö­ ßen u = u + u 󸀠 , v = v + v󸀠 , w = w + w󸀠 , p = p + p󸀠 gesellt sich noch T = T + T 󸀠 . Ein Balken bezeichnet den über einen Zeitraum gemittelten Wert und der Strich die (klei­ ne) Änderung gegenüber dem Mittelwert. Setzt man die Ausdrücke in die linke Seite von (4.13) ein, so verbleibt nach der Mittelung ρc p ( −(

∂T 󸀠 ∂T 󸀠 ∂T 󸀠 ∂T ∂T ∂T ∂T +u + u󸀠 +v + v󸀠 +w + w󸀠 ) ∂t ∂x ∂x ∂y ∂y ∂z ∂z

∂p ∂p ∂p ∂p ∂2 T ∂2 T ∂2 T ∂p󸀠 ∂p󸀠 ∂p󸀠 + 2) . +u + u󸀠 +v + v󸀠 +w + w󸀠 )− λ( 2 + ∂t ∂x ∂x ∂y ∂y ∂z ∂z ∂x ∂y2 ∂z

Einsetzen der Ausdrücke auf der rechten Seite, dem Dissipationsterm, liefert 2

= η {2 [(

2

2

∂u ∂u 󸀠 ∂v ∂v󸀠 ∂w ∂w󸀠 ∂u ∂u 󸀠 ∂v ∂v󸀠 + + + + + + ) +( ) +( ) ]+( ) ∂x ∂x ∂y ∂y ∂z ∂z ∂y ∂y ∂x ∂x 2

+(

2

2

∂u ∂u 󸀠 ∂w ∂w󸀠 ∂v ∂v󸀠 ∂w ∂w󸀠 + + + ) +( + + + ) } . ∂z ∂z ∂x ∂x ∂z ∂z ∂y ∂y

Alle Klammerausdrücke werden zuerst ausmultipliziert, dann wird gemittelt. Zusam­ men erhält man ρc p (

∂T ∂T ∂T ∂T 󸀠 ∂T 󸀠 ∂T 󸀠 ∂T +u + u󸀠 +v + v󸀠 +w + w󸀠 ) ∂t ∂x ∂x ∂y ∂y ∂z ∂z

−(

∂p󸀠 ∂p󸀠 ∂p󸀠 ∂p ∂p ∂p ∂p +u + u󸀠 +v + v󸀠 +w + w󸀠 ) ∂t ∂x ∂x ∂y ∂y ∂z ∂z

− λ(

∂2 T ∂2 T ∂2 T + + 2) . ∂x2 ∂y2 ∂z

{ ∂u 2 ∂v 2 ∂w 2 ∂u 󸀠 2 ∂v󸀠 2 ∂w󸀠 2 ] ∂u 2 = η {2 [( ) + ( ) +( ) +( ) +( ) +( ) +( ) ∂x ∂x ∂y ∂y ∂z ∂z ∂y ] { [ +2

∂u 󸀠 ∂v󸀠 ∂u ∂v ∂u 󸀠 2 ∂v󸀠 2 ∂u 2 ∂v 2 ⋅ +( ) +( ) +2 ⋅ +( ) +( ) ∂y ∂x ∂x ∂y ∂y ∂x ∂x ∂z

+2

∂u ∂w ∂v 2 ∂u 󸀠 ∂w󸀠 ∂u 󸀠 2 ∂w󸀠 2 ∂w 2 ⋅ +( ⋅ +( ) +( ) +2 ) +( ) ∂z ∂x ∂x ∂z ∂z ∂x ∂x ∂z

∂v󸀠 ∂w󸀠 ∂v ∂w ∂v󸀠 2 ∂w󸀠 2 } ∂w 2 (6.59) ⋅ +( ) +( ) +2 ⋅ +( ) } . ∂z ∂y ∂y ∂z ∂z ∂y ∂y } Gleichung (6.59) kann numerisch ausgewertet werden. Viel wichtiger sind in der Pra­ xis die Nusselt- und Übergangszahlen vom Fluid auf einen Festkörper, um den Wär­ meverlust bestimmen zu können. +2

184 | 6 Turbulente Strömungen

6.10 Die Nusselt-Zahl bei laminarer und turbulenter Strömung Für die Anströmung einer Platte, eine Rohrströmung und die Umströmung eines Zy­ linders sollen die zugehörigen empirisch oder teilweise empirisch ermittelten Formeln zusammentragen werden. 1. Anströmung einer Platte a) Laminare Strömung. In diesem Fall liegt die Nusselt-Zahl mit der untersten Glei­ chung der Schar (4.61) vor. Die Gleichung deckt den wichtigsten Prandtl-Bereich ab. Wir wiederholen sie an dieser Stelle nochmals: 1

1

Num,lam = 0,662 ⋅ Rel2 ⋅ Pr 3 ⋅ (

Pr 0,25 ) PrW

für 0,6 ≤ Pr ≤ 2000 und Re < 105 . b) Turbulente Strömung. Nach Petukhov und Popov gilt Num,tur = für

0,037 ⋅ Re0,8 ⋅ Pr 1 + 2,443 ⋅ Re−0,1 ⋅ (Pr − 1) 2 3

0,6 ≤ Pr ≤ 2000 und

⋅(

Pr 0,25 ) Pr W

5 ⋅ 105 < Re < 107 .

(6.60)

c) Übergangsbereich. Nach Gnielinski kann derjenige Bereich, der nicht klar ei­ ner laminaren oder turbulenten Strömung zugeordnet werden kann, durch die Nusselt-Zahl Num = √Nu2m,lam + Nu2m,tur charakterisiert werden. Insbesondere darf der Gültigkeitsbereich auf 10 < Re < 107 erweitert werden. 2. Rohrströmung In diesem Zusammenhang wählen wir ξ für Rohrreibungszahl, weil λ schon belegt ist. a) Laminare Strömung. Bei anlaufender laminarer Strömung gilt 3

1

Num,lam

1 3

d 3 Pr 0,11 = [3,66 + 0,7 + {(Re d ⋅ Pr ⋅ ) − 0,7} ] ⋅ ( ) l PrW ] [ 3

3

für Pr ≥ 0,1 und Re < 2300. Bei voll ausgebildeter laminarer Strömung gilt l → ∞ und damit Pr 0,11 Num,lam = 3,66 ⋅ ( . (6.61) ) PrW b) Turbulente Strömung. Bei voll ausgebildeter turbulenter Strömung gilt nach Gnie­ linski Num,tur =

ξ 8

2

⋅ Red ⋅ Pr

1 + 12,7 ⋅ √ 8ξ ⋅ (Pr 3 − 1) 2

d 3 Pr 0,11 ⋅ (1 + ( ) ) ⋅ ( ) l PrW

6.10 Die Nusselt-Zahl bei laminarer und turbulenter Strömung

| 185

für 0,1 ≤ Pr ≤ 1000 und 104 < Re < 106 .

(6.62)

Die Rohreibungszahl über ξ = (1,8 ⋅ log10 Re d − 1,5)−2 (nach Konakov) oder (6.41) bestimmt werden kann. c) Übergangsbereich. Gnielinski schlägt für den Bereich 2300 < Re < 104 vor: Num = (1 − γ) ⋅ Num,lam (Re d = 2300) + γ ⋅ Num,tur (Re d = 104 ) .

(6.63)

Die einzelnen Nusselt-Zahlen werden mit den Grenzwert-Reynolds-Zahlen des Red −2300 Übergangsbereichs gebildet und die Gewichtung gemäss γ = 10 4 −2300 . 3. Zylinderumströmung Es gelten sämtliche Formeln und Gültigkeitsbereiche wie bei der Plattenströmung bis auf die Bestimmung der Nusselt-Zahl im Übergangsbereich. Diese sollte geschehen gemäss Num = 0,3 + √Nu2m,lam + Nu2m,tur . Beispiel 1. Ein veraltetes Hausdach der Länge l = 6 m und Breite b = 4 m besteht lediglich aus einer dünnen Holzkonstruktion mit aufgelegten d = 2 cm dicken Dach­ W ziegeln aus Ton der Wärmeleitfähigkeit λD = 1 mK . (Wir fassen dabei die Dachziegel als durchgehende Platte auf und vernachlässigen die Wärmeleitung der Holzkonstrukti­ on.) Weiter ist die Wärmeübergangszahl des Innenraums auf die Ziegel mit α i = 35 mW2 K gegeben. a) An einem warmen Tag beträgt die Temperatur innen wie außen 25 °C. Plötzlich weht ein etwas kälterer Wind mit der Geschwindigkeit u = 10 ms und der Tempera­ tur Ta = 15 °C parallel zur Längsseite des Dachs. Welcher Wärmestrom Q̇ ia fließt vom Innenraum an die Umgebungsluft? b) Um das Dach zu isolieren, wird unterhalb der Ziegel eine s = 10 cm dicke Glas­ W wollmatte mit der Wärmeleitfähigkeit λI = 0,035 mK befestigt. Wie groß wird nun Q̇ ia ? Lösung: a) Die Stoffwerte müssen bei einer Bezugstemperatur von 20 °C gebildet werden. Die 2 W Tabelle am Ende von Kapitel 4.6 liefert ν = 1,535 ⋅ 10−5 ms , λ = 0,0257 mK und Pr = 0,7148. 10⋅6 6 Weiter erhält man Re d = u⋅l ν = 1,535⋅10−5 = 3,909 ⋅ 10 . Gleichung (6.60) ergibt dann Num,tur =

0,037 ⋅ (3,909 ⋅ 106 )0,8 ⋅ 0,7148 2

1 + 2,443 ⋅ (3,909 ⋅ 106 )−0,1 ⋅ (0,7148 3 − 1)

= 5563,61 .

Daraus folgt αa =

Num,tur ⋅ λ 5563,61 ⋅ 0,0257 W = = 23,83 2 . l 6 m K

186 | 6 Turbulente Strömungen

Für den Wärmestrom muss man beachten, dass die Wärme von innen durch die Ziegel nach außen fließt. Damit sind zwei Wärmeübergänge und eine Wärmelei­ tung beteiligt. Nach dem 4. Band gilt für die Platte: A ⋅ (Ti − Ta ) . Q̇ ia = 1 d 1 αi + λ D + αa Dabei ist A die Austauschfläche, in unserem Fall die Dachfläche A = l ⋅ b. Damit ergibt sich 6 ⋅ 4 ⋅ (25 − 15) Q̇ ia = 1 = 2650,94 W . 0,02 1 35 + 1 + 23,83 b) Zur Berechnung des neuen Wärmestroms müssen wir lediglich die Isolation da­ zwischenschalten: Q̇ ia =

A ⋅ (Ti − Ta ) 1 αi

+

s λI

+

d λD

+

1 αa

=

6 ⋅ 4 ⋅ (25 − 15) 1 35

+

0,1 0,035

+

0,02 1

+

1 23,83

= 81,42 W .

Beispiel 2. Durch ein Kupferrohr der Länge l = 50 m mit einem Durchmesser d = 0,2 m und einer konstanten Temperatur von TW = 190 °C fließt Wasserdampf der Temperatur T∞ = 210 °C. Die Stoffwerte des Wasserdampfs bei der Bezugstemperatur 2 W und Pr = 0,947. Zusätzlich ist von 200 °C betragen ν = 3,51 ⋅ 10−5 ms , λ = 0,033 mK PrW = 0,950 bei 190 °C. Eigentlich ändert sich die Dichte mit der Temperatur, so dass die Prandtl-Zahl nicht konstant bleibt. Dieser Umstand soll aber nicht berücksichtigt werden. Die Ge­ schwindigkeit des Wasserdampfs beträgt a) u = 0,2 ms , b) u = 2,5 ms , c) u = 1 ms . Bestimmen Sie in jedem Fall die Reynolds-Zahl, die Rohrreibungszahl, die NusseltZahl und schließlich den Wärmestrom hin zur Wand, bei voll ausgebildeter Fließart. d) Das Kupferrohr ist 2 mm dick und steht ohne Isolation im direkten Austausch mit einer Umgebungsluft von Ta = 20 °C. Die Wärmeleitfähigkeit von Kupfer ist W λK = 380 mK . Der Wärmeübergangskoeffizient von der Luft zum Rohr beträgt W α a = 35 m2 K . Zeigen Sie für den Fall b), dass die dargestellte Situation zu einer Rohrtemperatur von etwa TW = 190°C führt. Lösung: 0,2⋅0,2 a) Re d = u⋅d ν = 3,51⋅10−5 = 1140, laminar. Bei voll ausgebildeter laminarer Strömung gilt nach (6.61) Num,lam = 3,66 ⋅ (

0,947 0,11 = 3,659 . ) 0,950

6.10 Die Nusselt-Zahl bei laminarer und turbulenter Strömung

Aus q̇ W =

Q̇ A

=

Q̇ 2πRl ,

α=

q̇ W T ∞ −T W

und Nu =

α⋅d λ

| 187

folgt

Q̇ = Num,lam ⋅ λ(T∞ − TW ) ⋅ π ⋅ l = 3,659 ⋅ 0,033 ⋅ 20 ⋅ π ⋅ 50 = 379,31 W . b) Red = 14.245, turbulent. Bei voll ausgebildeter turbulenter Strömung erhält man mit Hilfe von ξ = (1,8 ⋅ log10 Red − 1,5)−2 oder (6.41) ξ = 0,028 und unter Ver­ wendung von (6.62) Num,tur =

0,028 8

⋅ 14.245 ⋅ 0,947

2

2

3 1 + 12,7 ⋅ √ 0,028 8 ⋅ (0,947 − 1)

⋅(1 + (

0,2 3 0,947 0,11 = 50,1 . ) )⋅( ) 50 0,950

Daraus folgt Q̇ = Num,tur ⋅ λ(T∞ − TW ) ⋅ π ⋅ l = 50,1 ⋅ 0,033 ⋅ 20 ⋅ π ⋅ 50 = 5193,49 W . c) Red = 5698. Übergangsbereich. Zuerst werden Num,lam (Re d = 2300) mit (6.61) und Num,tur (Re d = 104 ) mit (6.62) gebildet. Man erhält Num,lam (Re d = 2300) = 3,73 bzw. Num,tur (Re d = 104 ) = 38,60 mit ξ = 0,031. Gleichung (6.63) liefert γ=

Red − 2300 5698 − 2300 = = 0,44 104 − 2300 104 − 2300

und damit Num = (1 − γ)Num,lam + γNum,tur = 0,56 ⋅ 3,73 + 0,44 ⋅ 38,60 = 19,07 . Der Wärmestrom beträgt dann Q̇ = Num ⋅ λ(T∞ − TW ) ⋅ π ⋅ l = 19,07 ⋅ 0,033 ⋅ 20 ⋅ π ⋅ 50 = 1977,22 W . d) Da Kupfer ein sehr guter Wärmeleiter ist, wird sich die Temperatur von TWi und TWa auf dem Weg durch die Kupferschicht praktisch nicht ändern. Für die Wär­ meübergangszahl erhält man αi =

Num,tur ⋅ d 50,1 ⋅ 0,2 = = 303,6 . λ 0,033

Der Wärmestrom mit zwei Wärmeübergangszahlen α i , α a und einer Wärmeleitung durch eine Zylinderwand berechnet sich mittels (vgl. 4. Band) Q̇ =

2πlra (Ti − Ta ) 1 αi

+

r2 λk



ln ( rr21 ) + α1a

=

2π ⋅ 50 ⋅ 0,102(483,15 − 293,15) 1 303,6

+

0,102 380

⋅ ln ( 0,102 0,1 ) +

1 35

= 1,91 ⋅ 105 W .

Dabei ist der Betrag des mittleren Terms im Nenner vernachlässigbar klein. Für die Temperatur TWi ≈ TWa = TW ist 2πlra (TW − Ta ) Q̇ = 1

oder

αa

TW = Ta +

1,91 ⋅ 105 W Q̇ = 20 + = 190,33 °C . 2πlra α a 2π ⋅ 50 ⋅ 0,102 ⋅ 35

188 | 6 Turbulente Strömungen

Bemerkung. Für weitere Aufgaben dieser Art, einschließlich der Anwendung auf Wär­ meüberträger, siehe 4. Band. Beispiel 3. Eine l = 100 m lange Erdölleitung mit dem Durchmesser d = 0,4 cm verläuft in einer gewissen Wassertiefe am Boden einer 100 m breiten Bucht. Die Ge­ schwindigkeit und Temperatur des Öls betragen u Öl = 2 ms bzw. TÖl = 30 °C. Aufgrund der Enge der Bucht sind die Gezeitenströme auch am Boden etwas spürbar. Bei Ebbe entsteht am Boden eine Strömungsgeschwindigkeit u W = 0,1 ms senkrecht zum Rohr. Die Wassertemperatur ist dabei konstant TW = 10 °C. Folgende Daten bezüglich der Temperatur TB = 20 °C liegen vor: νÖl = 2,60 ⋅ 10−6 νW = 10−6

m2 , s

m2 , s

W mK

λÖl = 0,14

λW = 0,60

W mK

und Pr Öl = 34,6 bzw.

und PrW = 6,99 .

Gesucht ist der gesamte Wärmestrom vom Öl hin zum Wasser während der beschrie­ benen Situation. Dabei kann der Korrekturfaktor K = 1 gesetzt werden. Lösung: Der gesamte Wärmestrom setzt sich aus zwei Teilströmen Q̇ I und Q̇ II zusam­ men, die sich nicht beeinflussen. I. Für die Ölströmung bestimmen wir Re d = uνÖlÖl⋅d = 3,077 ⋅ 106 und daraus ξ = 0,0144. Gleichung (6.62) liefert Num,tur,Öl = 3178,9. Daraus erhält man Q̇ I = Num,tur,Öl ⋅ λÖl ⋅ ∆T ⋅ π ⋅ l = 2,796 ⋅ 106 W . II. Für die Wasserströmung wird mit Hilfe der Lauflänge l = πd die Reynolds-Zahl zu = 1,257 ⋅ 106 ermittelt. Gleichung (6.60) liefert Num,tur,W = 1033,1 Re l = uWν⋅πd W und daraus erhält man Q̇ II = Num,tur,W ⋅ λW ⋅ ∆T ⋅ π ⋅ d = 15.578,86 W . Insgesamt folgt der gesamte Wärmestrom zu Q̇ Total = Q̇ I + Q̇ II = 2,812 ⋅ 106 W .

Aufgabe Bearbeiten Sie die Übung 19.

6.11 Die Aufteilung der Energieerhaltung

| 189

6.11 Die Aufteilung der Energieerhaltung In diesem Kapitel soll die vollständige Energiebilanz einer Rohrströmung aufgestellt werden, um sie mit den Ergebnissen des 4. und 5. Bands zu verknüpfen. Konkret geht es darum, die Bernoulli-Gleichung in die neue Energiebilanz einzubetten. Zu­ dem soll diese auch den weiter oben in vielfacher Weise berechneten Wärmestrom aufgrund der Reibung beinhalten. Schließlich wollen wir allfällige Wärmeleitung bei einer Rohrströmung miteinbeziehen. Eigentlich liegt die gesuchte Gleichung mit (4.12) schon vor, aber die einzelnen En­ ergieterme wurden anders zusammengefasst (siehe dazu die 2. Bemerkung am Ende des Systems (6.69) und (6.70)). 1. Rohstoffe wie Erdöl und Erdgas, aber auch Wasser werden über lange Rohre trans­ portiert. Druckunterschiede bringen das Fluid in Bewegung. Die einsetzende Strö­ mung führt Druck-, kinetische und, falls das Rohr nicht horizontal verläuft, auch potentielle Energie mit sich. Diese drei Energieteile fasst man zum mechanischen Energieteil zusammen. Die zugehörige Energieerhaltung wird mit der vorerst reibungsfreien kompressi­ blen Bernoulli-Gleichung in der Druckform formuliert: ∫

dp 1 + u 2 + gh = konst. ρ(p) 2

Multipliziert man die Gleichung mit dem Massenstrom m,̇ so erhält man 1 dp ̇ ̇ 2 + mgh = konst. + mu Ṙ = ṁ ∫ ρ(p) 2 2.

Auf dem Weg durch ein Rohr wird sich das Fluid an der Berandung, an Nahtstel­ len, Ventilen, Krümmungen und Abzweigungen reiben und damit erwärmen. Man kann diese Hindernisse wie kleine Wärmequellen auffassen, welche die Tempera­ tur des Fluids und der Bauteile weiter erhöhen. Nehmen wir die Temperaturen T1 und T2 in den Bezugspunkten 1 und 2, dann transportiert die Strömung aufgrund der Temperaturdifferenz T2 − T1 nicht nur Masse, sondern auch Wärme der Größe U̇ = c p ⋅ ṁ ⋅ ∆T .

3.

(6.64)

(6.65)

Die zugehörige spezifische Wärmekapazität muss dabei für einen Bezugsdruck 2 p = p1 +p gebildet werden. Die Fluidtemperatur wird bei ausgebildeter Strömung 2 radialsymmetrisch hin zur Rohrwand abfallen. Die Rohrtemperatur selber kann aufgrund der eben beschriebenen Temperaturerhöhung mit zurückgelegter Stre­ cke also nicht ganz auf einer konstanten Temperatur gehalten werden. Die Tem­ peraturänderung bleibt aber klein. Steht das Fluid mit der Umgebung im Austausch, so fließt Wärme zu oder ab, je nachdem, ob es sich um eine Erhitzung oder eine Kühlung handelt. Der sich ein­ stellende Wärmestrom entspricht demjenigen im Zusammenhang mit der NusseltZahl des vorigen Kapitels. Im Fall einer Rohrströmung gilt die Wärme als zu- oder

190 | 6 Turbulente Strömungen

abgeführt, sobald die Wärme das Fluid oder das betrachtete Kontrollvolumen ver­ lässt und an das Rohr übergeben wird. Bezogen auf den Massenstrom schreiben wir dafür Q̇ Q̇ = ṁ ⋅ q mit q = . (6.66) ṁ 4. Schließlich kann man einen Verbraucher anschließen, wie zum Beispiel eine Tur­ bine. In diesem Fall wird Leistung über die Welle an die Turbine abgegeben. Umgekehrt kann man aufgrund des Druckverlusts entlang der Transportstrecke im Fall einer Flüssigkeit eine Pumpe und im Fall eines Gases einen Verdichter an­ schließen, um den treibenden Druck zu erhöhen und so die Strömung auch für lange Strecken zu gewährleisten. In diesem Fall muss die Apparatur den Massen­ strom aufsaugen, verdichten und wieder ausstoßen. Dafür muss Leistung aufge­ nommen werden. In beiden Fällen wird sogenannte technische Arbeit verrichtet. Zur Klärung des Begriffs holen wir etwas aus. In der Thermodynamik unterscheidet man zwischen einem geschlossenen und einem offenen System. Einem geschlosse­ nen System kann nur Energie in Form von Wärme oder Arbeit (und Strahlung) zu- oder abgeführt werden, aber keine Masse. Beispielsweise verrichtet ein Kolben Volumen­ änderungsarbeit WVol an der Luft, die in einem Zylinder eingeschlossen ist. Drückt V man die Luft zusammen, so leistet man Kompressionsarbeit WVol = − ∫V 2 p(V) dV 1 (positiv bei Kompresssion, da V2 < V1 ). Expandiert die Luft wieder, so wird Energie frei, die Luft gibt Arbeit an den Kolben ab. Ist das System nahezu vollständig isoliert (adiabat), dann verlässt keine Wärme den Zylinder und die gesamte Arbeit erhöht die innere Energie. Bei einer weniger starken Isolation wird ein Teil der verrichteten Arbeit als Wärme abgeführt. Bei einem offenen System findet zusätzlich noch ein Massenstrom statt, weil das zu verdichtende Volumen erst zur Verfügung gestellt und nach der Kompression wie­ der freigegeben werden muss. Ein Kompressor benötigt somit im Vergleich zur Volu­ menänderungsarbeit des Kolbens alleine zwei zusätzliche Arbeitsvorgänge. Die Ar­ beit überträgt der Kompressor dem Fluid dabei kontinuierlich. Man bezeichnet sie als technische Arbeit Wt . Auch hier kann man das Gehäuse des Apparats isolieren, so dass zwar keine Wärme abgeführt wird, aber die Reibung an den Lagern oder der Verwirbelung des Gases wird einen Teil der Energie dissipieren. Deswegen kann man die technische Arbeit in einen reversiblen und einen dissipierten Teil zerlegen: Arbeit Wt = Wt,rev + Wt,diss . Diese Zerlegung gilt natürlich für alle Strömungsmaschinen und W legt damit deren Wirkungsgrad η = Wt,rev fest. t Es gilt nun die Größe Wt,rev zu berechnen. Zuerst wird das Volumen V1 mit dem Druck p1 angesaugt. Dies ist ein isobarer Prozess, weil der Gesamtdruck sich aufgrund des kleinen Zusatzraums des Kompres­ sors nur unmerklich ändert. Die zugehörige Arbeit W1 = −p1 V1 ist negativ, weil sie von der Luft am Kolben verrichtet wird. Die Energie wird vom Druck in der Luft sel­

6.11 Die Aufteilung der Energieerhaltung |

191

ber aufgebracht. Danach wird bei der (nicht mehr isobaren) Kompression Arbeit der V2 Größe WVol = − ∫V p(V) dV an der Luft verrichtet. Trotz des Vorzeichens ist WV > 0 1 aufgrund von V2 < V1 . Im letzten Schritt wird die verdichtete Luft hinausgeschoben. Es wird ebenfalls Arbeit an der Luft der Größe W2 = p2 V2 verrichtet und wieder findet dieser Vorgang analog zum Ansaugen isobar statt. In dieser Abfolge erhält man V2

Wt,rev = −p1 V1 − ∫ p dV + p2 V2 . V1

Dies soll noch kompakter geschrieben werden. Dazu betrachten wir die Produktregel in der Form d(pV) = dpV + p dV. Die bestimmte Integration ergibt p2 V2

p2

V2

∫ d(pV) = ∫ V dp + ∫ p dV , p1 V1

p1

V1 p2

p2

V2

p2 V2 − p1 V1 = ∫ V dp + ∫ p dV p1

und

Wt,rev = ∫ V dp .

V1

p1

Die technische Arbeit unterscheidet sich von der Volumenänderungsarbeit um die bei­ den zusätzlichen Verschiebungsarbeiten. Gesamthaft hat man p2

Wt = ∫ V dp + Wt,diss . p1

Auf den Massenstrom bezogen ist ṁ ⋅ wt = Ẇ t = Pt oder ṁ ⋅ wt = ṁ ⋅ (wt,rev + wt,diss )

(6.67)

Der Zusammenhang zwischen technischer Arbeit und Volumenänderungsarbeit lässt sich auch graphisch herstellen (Abb. 6.6). Rechnet man zum Integral unter Kurve von V1 bis V2 (Volumenänderungsarbeit) den Flächeninhalt p2 V2 (punktiert) dazu und subtrahiert von der Summe den Flächeninhalt p1 V1 (gestrichelt), so erhält man den Flächeninhalt der grau markierten Fläche, die den Betrag der technischen Arbeit re­ präsentiert.

Abb. 6.6: Skizze zur technischen Arbeit

192 | 6 Turbulente Strömungen

Bevor wir zur Gesamtenergiebilanz schreiten, sollen die eben genannten Arbeits­ arten für die Kompression von Luft durchgerechnet werden. Beispiel. Es sollen 1,5 m3 Luft innerhalb von 120 Sekunden von 1 bar auf 4 bar kom­ primiert werden. Die Luft fassen wir dabei als ideales Gas auf. a) Bestimmen Sie zuerst eine Formel für die Arbeitsbeträge WVol , Wt,rev bei gegebe­ ner Verschiebungsarbeit WVer := −p1 V1 + p2 V2 und bestätigen Sie Wt,rev = WVol , falls die Verdichtung isotherm verläuft. b) Wie groß wird die im Fall a) aufzubringende technische Leistung des Kompres­ sors? c) Wiederholen Sie die Aufgabenteile a) und b) für den Fall einer adiabaten Verdich­ tung. Lösung: a) Für zwei beliebige Zustände gilt p1 V1 = p2 V2 . Man erhält V2

V2

WVol = − ∫ p(V) dV = −p1 V1 ∫ V1

V1

dV V2 = −p1 V1 ln ( ) . V V1

= −p1 V1 ln (

p1 p2 ) = p1 V1 ln ( ) . p2 p1

p2

p2

Weiter gilt Wt,rev = ∫ V(p) dp = p1 V1 ∫ p1

p1

dp p2 = p1 V1 ln ( ) . p p1

Da aufgrund der Isothermie WVer = −p1 V1 + p2 V2 = 0 gilt, folgt WVol = Wt,rev . b) Es ergibt sich Wt,rev = p1 V1 ln( pp21 ) = 105 ⋅ 1,5 ⋅ ln( 41 ) = 2,08 ⋅ 105 J und damit W

t,rev = 1,73 kW. Diese Leistung muss der Luft zugeführt werden. Pt,rev = ∆t c) Für zwei beliebige Zustände gilt p1 V1k = p2 V2k (Poisson-Gleichung, vgl. 5. Band) mit dem Adiabatenexponenten κ = 1,4 für Luft. Man erhält

V2

V2

WVol = − ∫ p(V) dV =

−p1 V1k

V1

∫ V1

p1 V1k dV =− [V 1−k − V11−k ] . κ V 1−κ 2

p1 V1 p1 V1 V2 1−κ p1 p1 V1 k−1 1−k − 1] = V1 [V2 − V11−k ] = [( ) [( ) = κ−1 κ−1 V1 κ−1 p2 =

p1 V1 p2 [( ) κ−1 p1

κ−1 κ

− 1] .

1−κ κ

− 1]

6.11 Die Aufteilung der Energieerhaltung

| 193

Weiter gilt p2

1 k

p2

Wt,rev = ∫ V(p) dp = p1 V1 ∫ p1

p1

dp p

1 k

1

= p1k V1

κ−1 κ−1 κ [p2 κ − p1 κ ] κ−1

1−κ κ−1 κ−1 κp1 V1 κ p2 = p1 V1 p1 κ [p2 κ − p1 κ ] = [( ) κ−1 κ−1 p1

κ−1 κ

− 1] .

Schließlich folgt noch WVer = −p1 V1 + p2 V2 = −p1 V1 + p1 V1 (

p2 V2 ) p1 V1 1

p2 V2 p2 p1 κ p2 − 1] = p1 V1 [ ( ) − 1] = p1 V1 [( ) = p1 V1 [ p1 V1 p1 p2 p1

κ−1 κ

− 1] .

Der Vergleich liefert Wt,rev = WVol + WVer . Die einzelnen Arbeitsbeiträge sind WVol = 1,82 ⋅ 105 J, WVer = 0,73 ⋅ 105 J und W t,rev Wt,rev = 2,55 ⋅ 105 J. Die zu erbringende Leistung ist Pt,rev = ∆t = 2,13 kW. Diese ist höher als bei der isothermen Kompression, weil die dabei erzeugte Wär­ me nicht mit der Umgebung ausgetauscht werden kann. In der Praxis lässt sich weder eine vollständig isotherme noch eine vollständig adia­ bate Kompression realisieren. Im 1. Fall muss die Lufttemperatur noch während der Kompression gekühlt werden. Dies kann mit einer Be- und Entlüftung der Apparatur, aber auch durch ein Kühlbad geschehen. Bei adiabatem Betrieb erwärmen sich die Bauteile sehr stark und mechanische Schäden sind vorhersehbar. Es ist möglich, die entstehende Wärme in einem Zusatzbehälter aufzufangen. Häufiger kommt die annä­ hernd isotherme Kompression mit Luftkühlung zum Einsatz, wobei die Kühlung in mehreren Kompressorstufen erfolgt. Die abgeführte Wärme wird dabei nicht verwer­ tet. Wenn man demnach annähernd isotherme Kompression voraussetzt, dann ist der Wert Wt,rev in b) zu tief und der Wert Wt,rev in c) zu hoch. Da Isothermie einfach Adia­ basie für κ = 1 bedeutet, wählt man zur Arbeits- und Leistungsberechnung von Kom­ pressoren einen Zwischenwert, den sogenannten Polytropenexponenten. Nehmen wir den Mittelwert κ = 1,2, so ergibt sich im obigen Beispiel der Wert Wt,rev = 2,33 ⋅ 105 J. Die Dissipation der entlang einer Rohrströmung platzierten Apparate erzeugen je­ weils einen lokalen Wärmeverlust. Im Vergleich dazu findet der Reibungsverlust ent­ lang der Rohrströmung kontinuierlich statt. Kompressoren befinden sich oberhalb, aber auch unterhalb der Erdoberfläche in Stollen und seit einigen Jahren nicht mehr auf Plattformen an der Wasseroberfläche, sondern am Meeresboden.

194 | 6 Turbulente Strömungen

Nun zur Leistungsbilanz. Die einzelnen Terme (6.64)–(6.67) ergeben Ṙ + U̇ + Ẇ t + Q̇ = 0 oder

ṁ ∫

dp 1 ̇ ̇ =0. ̇ ̇ t + mq ̇ 2 + mgh + c p m∆T + mw + mu ρ(p) 2

Die Division durch den Massenstrom führt zu ∫

1 dp + u 2 + gh + c p ∆T − wt − q = 0 . ρ(p) 2

(6.68)

Die einzelnen Terme (wieder mit der Masse multipliziert) bezeichnen in dieser Reihen­ folge die Verschiebearbeit des Drucks, die kinetische Energie, die potentielle Energie, die innere Energie, die mechanische Arbeit und die zu- oder abgeführte Wärmeener­ gie. Gleichung (6.68) lässt sich in zwei Teilbilanzen zerlegen. Es folgt das System dp 1 + u 2 + gh − wt + φdiss = 0 ρ(p) 2

Mechanische Teilbilanz:



Thermische Teilbilanz:

c p ∆T − φdiss − q = 0 .

Ist das transportierte Medium inkompressibel, so kann die konstante Dichte vor das Integral gezogen werden und man erhält

Mechanische Teilbilanz:

p1 1 2 p2 1 2 + u 1 + gh1 = + u 2 + gh2 − wt + φdiss (6.69) ρ 2 ρ 2

Thermische Teilbilanz:

c p T1 = c p T2 − φdiss − q

(6.70)

Die technische Arbeit wt muss dabei dem mechanischen Energieanteil zugeschrieben werden. In (6.69) und (6.70) entsteht zusätzlich ein spezifischer Dissipationsterm, näm­ lich m ⋅ φdiss = ϕdiss . Dieser beschreibt die Umwandlung von mechanischer Energie in Wärme. Deswegen kann die Dissipation nicht in der Gesamtbilanz (6.68) auftau­ chen (rein mathematisch aufgrund der verschiedenen Vorzeichen). Folglich gilt (6.70) unabhängig davon, ob φdiss = 0 oder φdiss ≠ 0 ist. 2

Bemerkungen. 1. Die SI-Einheit der Teilbeträge in (6.69) und (6.70) ist [ ms2 ]. Besser ist es, sich diese Größen als Arbeit pro Masse oder als eine Leistung pro Massen­ strom vorzustellen (vgl. (6.66)). 2. Wie schon am Kapitelanfang erwähnt, stellt das System (6.69) und (6.70) gegen­ über der Energiebilanz (4.12) nichts Neues dar. Es wurden lediglich Energieteile anders geordnet und zusammengefasst. Beispielsweise gilt nun mit dortiger No­ tation d Ė = 0, weil es sich jetzt um eine stationäre Strömung handelt. Der Term d Ġ

6.11 Die Aufteilung der Energieerhaltung

| 195

entspricht in unserer jetzigen Bilanz dem Term c p T1 +

1 2 1 u − (c p T2 + u 22 ) 2 1 2

(auch Änderung der Enthalpie genannt). Weiter kann man den Betrag d Ḋ mit p1 p2 ̇ ρ − ρ identifizieren. Der Änderung d Q entspricht in unserem System q. Schließ­ lich wird die Dissipation d L̇ mit φdiss gleichgesetzt. Die Änderung der potentiellen Energie g(h1 − h2 ) taucht in (4.12) nicht auf, da es sich um eine erzwungene Kon­ vektion handelte. Erst bei der natürlichen Konvektion findet dieser Term ebenfalls Eingang in die Energiebilanz. Letztlich kann (4.12) wie im System (6.69) und (6.70) noch explizit um eine eventuelle technische Arbeit wt erweitert werden, beispiels­ weise eine Welle, die von der Konvektionsströmung angetrieben wird. Folgend einige Spezialfälle zum System (6.69) und (6.70): 1. Es gilt wt = 0 und q = 0. Letzteres bedeutet, dass kein Wärmeaustausch mit der Umgebung stattfindet, die Strömung somit vollständig abiabat verläuft. Wird zu­ sätzlich eine reibungslose Strömung, also φdiss = 0 gefordert, dann ergibt (6.70) schlicht T1 = T2 und (6.69) stellt die reibungslose Bernoulli-Gleichung einer idea­ lisierten Strömung dar. 2. Es gilt wt = 0, q = 0 und φdiss ≠ 0. Gleichung (6.69) wird zur reibungsbehafteten Bernoulli-Gleichung. Dabei führt die Reibung zu einem Druckverlust, den man mit Hilfe des Ansatzes von Weisbach (6.34) bestimmen kann. Da die Strömung wiederum adiabat verläuft, ergibt (6.70) φdiss = c p (T2 − T1 ) oder Qdiss = c p m(T2 − T1 ) und die gesamte entstandene Wärme erhöht die innere Energie und damit die Temperatur des Fluids. 3. Es gilt wt = 0, q ≠ 0 und φdiss ≠ 0. Aus (6.69) entsteht abermals die reibungsbehaf­ tete Bernoulli-Gleichung. Das Rohr ist nicht vollständig isoliert und ein Teil oder die gesamte im Fluid gespeicherte Wärme kann mit der Umgebung ausgetauscht werden. Gleichung (6.70) behält ihre Gestalt. Da mechanische Energie in Wärme umgewandelt werden kann, hat die Änderung der mechanischen Bilanz (6.69) einen Einfluss auf die thermische Bilanz (6.70). Umge­ kehrt haben Änderungen thermischer Größen (beispielsweise die Fluidtemperatur selbst) oder Änderungen der thermischen Randbedingungen (beispielsweise adia­ bater oder isothermer Betrieb) keine Auswirkungen auf die mechanische Bilanz. Insbesondere bleibt die Dissipation gleich hoch. Zum Gleichungssystem (6.69) und (6.70) gesellt sich noch die Kontinuitätsglei­ chung, die wir nicht vergessen dürfen. Für inkompressible Fluide lautet sie A1 u 1 = A2 u 2 , falls das Rohr seinen Querschnitt ändert. Bei konstantem Querschnitt verbleibt u 1 = u 2 . Insbesondere bedeutet dies, dass die Strömung beim Durchlauf durch eine Pumpe oder einen Kompressor nicht etwa beschleunigt wird, sondern die Apparatur baut lediglich einen neuen Druckunterschied auf. Für kompressible Fluide schreibt sich die Kontinuitätsgleichung zu A1 ρ 1 u 1 = A2 ρ 1 u 2 .

196 | 6 Turbulente Strömungen Beispiel 1. Durch ein horizontal verlegtes Rohr der Länge l = 100 m mit einem Durch­ messer d = 0,2 m fließt Wasser der Temperatur T = 10 °C mit einer Geschwindigkeit 2 von u = 0,75 ms . Die Stoffwerte sind ν = 1,30 ⋅ 10−6 ms und ρ = 999,7 mkg3 . a) Bestimmen Sie die Reynolds-Zahl Red , die Rohrreibungszahl ξ und den durch die Reibung entstandenen Druckverlust ∆pV . b) Wie sieht die mechanische Energiebilanz aus? c) Welcher Widerstandskraft FW entspricht der Druckunterschied aus a)? d) Zeigen Sie, dass die in c) bestimmte Widerstandskraft derjenigen von (6.43) ent­ spricht. e) Das bestehende Rohr ist nun 5 km lang. In welcher maximalen Entfernung vom Einlauf müsste eine Pumpe installiert werden, damit bei einem Einlaufdruck von p1 = 1,1 bar der Mindestdruck von p2 = 0,5 bar nicht unterschritten wird? Lösung: a) Es gilt Red =

u⋅d 0,75 ⋅ 0,2 = 1,15 ⋅ 105 . = ν 1,30 ⋅ 10−6

Gleichung (6.41) liefert ξ = 0,0175. Den Druckverlust berechnet man mit Hilfe von (6.34): ∆pV = ξ ⋅ Man erhält ∆pV = 0,0175 ⋅

l d

⋅ρ⋅

u2 2 .

100 0,752 ⋅ 999,7 ⋅ = 2457,65 Pa . 0,2 2

b) Gleichung (6.69) reduziert sich aufgrund von u 1 = u 2 = u (Kontinuitätsgleichung) und h1 = h2 zu p1 = p2 + ∆pV . c) Aus ∆pV = FAW folgt FW = ∆pV ⋅ πR2 = 2457,65 ⋅ π ⋅ 0,12 = 77,21 N . d) Es gilt 1

3

7

FW,tur = 0,209 ⋅ ρ ⋅ ν 4 ⋅ R 4 ⋅ l ⋅ c 4 = 0,209 ⋅ 999,7 ⋅ (1,30 ⋅ 10−6 ) 4 ⋅ 0,1 4 ⋅ 100 ⋅ 0,75 4 = 75,83 N ≈ FW . 1

e) Mit b) folgt p1 − p2 = ξ ⋅ l=

l d

⋅ρ⋅

u2 2

3

7

und daraus

2d(p1 − p2 ) 2 ⋅ 0,2(1,1 ⋅ 105 − 0,5 ⋅ 105 ) = = 2,44 km . ξ ⋅ ρ ⋅ u2 0,0175 ⋅ 999,7 ⋅ 0,752

6.11 Die Aufteilung der Energieerhaltung |

197

Beispiel 2. Ein horizontales Rohr der Länge l = 400 m mit einem Durchmesser d = 0,2 m wird von Wasser mit einer Temperatur von Ti = 40 °C und der Geschwindigkeit u = 3 ms durchflossen. a) Das Rohr sei vollständig isoliert. Demnach werden die Stoffgrößen bezüglich der Temperatur 40 °C und 3 bar gebildet (Der Druckwert ergibt sich aus dem Druck­ verlust, der etwa bei 2,5 bar liegen wird, so dass man einen Startdruck von bei­ spielsweise p1 = 5 bar ansetzen könnte. Die Stoffwerte bleiben für kleine Druck­ 2 änderungen praktisch unverändert). Es gilt demnach ν = 0,658 ⋅ 10−6 ms , ρ = J W 992,3 mkg3 , c p = 4,178 ⋅ 103 kg⋅K und λ = 0,631 mK . Bestimmen Sie die ReynoldsZahl Red , die Rohrreibungszahl ξ und den Druckverlust ∆pV . b) Wir nehmen an, dass die gesamte durch Reibung entstandene Wärme vom Was­ ser aufgenommen wird. Wie sieht die thermische Bilanz aus, welche maximale Temperaturerhöhung des Wassers ergibt sich daraus und wie groß wird der zuge­ hörige Wärmestrom in Fließrichtung? c) Nun sei das Rohr frei von jeglicher Isolation und im direkten Austausch mit ei­ ner Umgebungsluft von Ta = 20 °C. Da die Angleichung der Wassertemperatur an die Umgebungstemperatur sehr lange dauert, bleiben alle Stoffgrößen für die betrachtete Strecke unverändert. Bestimmen Sie daraus den Wärmeübergangsko­ effizienten α i zwischen dem Wasser und der Rohrwand. Vernachlässigen Sie dabei den Korrekturfaktor K in der (6.61) und setzen Sie schlicht PrW = Pr. d) Die Rohrwand sei 2 mm dick und aus Kupfer, das eine Wärmeleitfähigkeit von W λK = 380 mK besitzt. Die Übergangszahl der Luft und dem Rohr nehmen wir zu W α a = 35 m2 K an. Welcher Wärmestrom Q̇ ia vom Wasser hin zur Umgebungsluft stellt sich ein? (Rechnen Sie dabei mit einer konstanten Fluidtemperatur Ti = 40° weiter.) e) Bestimmen Sie mit Hilfe des Ergebnis aus d) die Temperatur der Rohrwand TW ≈ TWi ≈ TWa . Dabei kann die Wärmeleitung innerhalb des Rohrmantels vernachläs­ sigt werden (eigentlich auch im Aufgabenteil d), vgl. auch Kapitel 6.10, Beispiel 1d). f) Stellen Sie die thermische Energiebilanz auf und berechnen Sie daraus die Tem­ peraturerhöhung des Wassers in Fließrichtung. g) Wir nehmen an, die in f) bestimmte Temperaturänderung würde aufgrund des konstanten Wärmestroms Q̇ ia so weiterverlaufen. Nach welcher Rohrstrecke s wä­ re der Temperaturausgleich des Wassers mit der Umgebungsluft vollzogen? Wieso ist die Annahme und damit das Ergebnis falsch? Lösung: a) Es gilt

3 ⋅ 0,2 = 9,12 ⋅ 105 . 0,658 ⋅ 10−6 Aus (6.41) folgt ξ = 0,0118 und mit (6.34) erhält man Re d =

∆pV = 0,0118 ⋅

400 32 ⋅ 992,3 ⋅ = 1,06 bar . 0,2 2

198 | 6 Turbulente Strömungen

b) Da kein Wärmeaustausch zwischen dem Wasser und der Umgebung (und auch nicht mit dem Rohr selber) stattfindet, ist q = 0 und (6.70) reduziert sich zu c p T1 = c p T2 − φdiss oder c p ∆T = φdiss . Die gesamte Dissipationswärme erhöht die innere Energie des Wassers (und eigentlich auch des Rohrs). Die Dissipation führt zu dem in a) berechneten Druckunterschied. Der Vergleich mit (6.69) liefert φdiss = ∆pρ V und damit c p ρ∆T = ∆pV

oder

∆T =

∆pV 1,06 ⋅ 105 = = 0,03 K . ρ ⋅ c p 992,3 ⋅ 4,178 ⋅ 103

Der zugehörige Wärmestrom in Fließrichtung beträgt dann ϕ̇ = ∆pV ⋅ V̇ = ∆pV ⋅ A ⋅ u = 1,06 ⋅ 105 ⋅ π ⋅ 0,12 ⋅ 3 = 9967 W . c) Die Prandtl-Zahl ergibt sich zu ν ⋅ ρ ⋅ c p 0,658 ⋅ 10−6 ⋅ 992,3 ⋅ 4,178 ⋅ 103 = = 4,32 . λ 0,631

Pr =

Mit Gleichung (6.61) folgt Num,tur = 3246 und daraus αi =

Num,tur ⋅ λ 3246 ⋅ 0,631 W = = 10.242 2 . d 0,2 m K

d) Gemäss 4. Band gilt für den Wärmestrom mit zwei Wärmeübergangszahlen α i , α a und einer Wärmeleitung durch eine Zylinderwand 2πlra (Ti − Ta )

Q̇ ia =

1 αi

+

ra λK



ln ( rrai ) 5

+

1 αa

=

2π ⋅ 400 ⋅ 0,102(40 − 20) 1 10.242

+

0,102 380

⋅ ln ( 0,102 0,1 ) +

1 35

= 1,78803 ⋅ 10 W . e) Aus Q̇ ia = Q̇ Wa = TW = f)

2πlr a(T W −T a ) 1 αa

folgt

Q̇ ia 1,79 ⋅ 105 + Ta = + 20 = 39,93 °C . 2πlra α a 2π ⋅ 400 ⋅ 0,102 ⋅ 35

Gleichung (6.70) ergibt c p ∆T = −φdiss − q. Im Aufgabenteil d) und e) haben wir mit einer konstanten Fluidtemperatur Ti weitergerechnet. Dies stimmt eigentlich nicht, denn aufgrund der Dissipation steigt Ti leicht, im besten Fall um 0,03 K. Nehmen wir an, dass das Wasser diese innere Energie bis am Ende der 400 m spei­ chern und erst dann austauschen würde (was natürlich absurd ist), dann hätte ̇ man φdiss = ∆pV ⋅ ρ und q = Qmiȧ . Weiter folgt φdiss =

1,06 ⋅ 105 W = 106,57 kg 992,3

und

s

q=

W 1,79 ⋅ 105 Q̇ ia = 1911,52 kg . = ρ ⋅ A ⋅ u 992,3 ⋅ π ⋅ 0,12 ⋅ 3 s

6.11 Die Aufteilung der Energieerhaltung

| 199

Nach 400 m wird damit effektiv qeff = 2018,46

W kg s

an die Umgebung abgegeben. Die thermische Bilanz ergibt 4178 ⋅ ∆T = −2018,46 und daraus ∆T = −0,48 K. Der Betrag von qeff ist etwas zu hoch. Man müsste schon im Aufgabenteil d) mit einer über die ganze Strecke gemittelten Fluidtemperatur von Ti = 40 + 0,03 = 2 40,015 °C rechnen. Das ergäbe W Q̇ ia = 1,78938 ⋅ 105 W, TW = 39,94 °C, qeff = 1913,32 kg , s

die Bilanz c p ∆T = −qeff und daraus ∆T = −0,46 K. g) Wenn auf 400 m die Rohrwandtemperatur um 0,46 K sinkt, dann wird sie auf ei­ 20 ⋅ 400 = 17,47 km um 20 K gesunken sein. ner Strecke von s = 0,46 Die Annahme eines konstanten Wärmestroms Q̇ ia beruht auf der Annahme einer gleichbleibenden Rohrwandtemperatur. Diese wird sich aber mit zunehmender Strecke ändern, bis im Grenzwert Rohr und Luft dieselbe Temperatur besitzen. Genau gesehen dauert dieser Prozess unendlich lange. Im Grenzfall ist ∆T = 0 und φdiss = −q. Dann wird nur noch die dissipierte Energie an die Umgebung ab­ gegeben. Unser Beispiel stellt somit eine Wärmestrommittelung über eine Strecke von 400 m dar. Wird das Rohr in den Erdboden verlegt, dann läuft der Tempera­ turausgleich viel schneller ab. Instationäre Wärmeströme Spätestens nach dem eben besprochenen 2. Beispiel bedarf es eines Querverweises zum 4. Band im Zusammenhang mit dem erwähnten Temperaturausgleich. Sämtliche bisher besprochenen und auch nachfolgende Rechnungen gehen von einem statio­ nären Wärmestrom aus. Eigentlich handelt es sich dabei (wie schon im besagten Bei­ spiel erwähnt) um einen über die betrachtete Strecke gemittelten Wärmestrom. Die­ ser ist zeitabhängig und kommt im Temperaturausgleich zum Erliegen. Zeitabhängi­ ge Wärmeströme sind im 4. Band für die Platte, den Zylinder und die Kugel bei drei verschiedenen Randbedingungen vollständig gelöst worden. Nehmen wir als Beispiel eine Rohströmung mit Fluidkühlung, bei der also die Innentemperatur höher als die Außentemperatur ist. Gelingt es, die Rohrwandtemperatur (nahezu) konstant zu halten, TW = konst., dann handelt es sich um eine sogenannte Dirichlet-Randbedingung und der zeitliche Ausgleich verläuft entsprechend wie im 4. Band dargestellt. Bei einer Newton-Rand­ bedingung wird das Rohr ohne jegliche Isolation der Umgebungstemperatur ausge­ setzt. Schließlich kann zwischen Umgebung und Fluid ein (nahezu) konstanter Wär­ mestrom angesetzt werden. In diesem Fall hat man es mit einer Neumann-Randbedin­ gung zu tun. Ist der Wärmestrom Null, so entspricht dies einer adiabaten Wand.

200 | 6 Turbulente Strömungen

6.12 Gasströmungen in Rohren Vieles dazu wurde schon im 5. Band hergeleitet und angewandt. Der Druckverlust ∆pV lässt sich bei einem Gas aufgrund der relativ starken Temperaturabhängigkeit der Dichte nicht unmittelbar mit (6.34) bestimmen. Man muss den Druckunterschied zu­ erst für eine infinitesimale Strecke dl betrachten. Deswegen kann auch die BernoulliGleichung inklusive Druckverlust nicht angewandt werden, sondern wir müssen zum Ursprung, zur reibungsbehafteten Euler-Gleichung zurück. Diese gibt die Bilanz für ein infinitesimales Volumen wieder. Sie lautet (5. Band) dp+ρu⋅du+ρg⋅dh+ρ⋅dpV = 0. Für ein Gas kann ρg ⋅ dh ≈ 0 gesetzt werden, so dass dp ρ + u ⋅ du + dpV = 0 verbleibt. Mit dem Ansatz von Weisbach erhält man dp dl u 2 + u ⋅ du + ξ ⋅ =0. ρ d 2

(6.71)

Innerhalb einer infinitesimalen Strecke ist sowohl die Dichte als auch die Geschwin­ digkeit u konstant. Es braucht also keine Mittelung entlang der Laufstrecke dl (natür­ lich sind die Geschwindigkeiten aber wie immer bezüglich des Durchmessers gemit­ telt, d. h. vom Zentrum hin zur Wand). Das Gas sei ideal und die Zustandsänderung verlaufe adiabatisch mit dem Adiabatenexponenten κ. Im Fall der Isothermie ist dann κ = 1. Die Poisson-Gleichung für einen beliebigen Zustand lautet pV κ = konst. oder p ρ κ = konst. Daraus folgt −1

1

ρ = ρ 1 p1 κ p κ , falls der Index 1 einem Anfangszustand entspricht. Die Kontinuitätsgleichung ρu = konst. führt zu 1 1 u = u 1 p1κ p− κ und folglich 1 1 1 du = − u 1 p1κ p− κ −1 dp . κ

Weiter ergibt sich u ⋅ du = −

u 21 2κ − 2 −1 p p κ dp . κ 1

Gleichung (6.71) schreibt sich dann als 1

p1κ dp ρ1 p



1 κ

1

2 1 u 21 2κ − 2 −1 1 dl p1 p κ dp + ξ (u 1 p1κ p− κ ) = 0 . κ 2d

Die Division durch (u 1 p1κ p− κ )2 liefert 1

−1

p1 κ

ρ 1 u 21

1

⋅ p κ dp −

1 dp dl ⋅ +ξ =0. κ p 2d

6.12 Gasströmungen in Rohren

| 201

Diese Gleichung entspricht der reibungsbehafteten Euler-Gleichung für Gase mit adia­ bater Zustandsänderung. Nach einer Integration, −1

p1 κ

p2

l

p1

0

p2

1 dp ξ ∫ p dp − ∫ ∫ dl , + 2 κ p 2d ρ1 u1 1 κ

p1

erhält man die Bernoulli-Gleichung für inkompressible, reibungsbehaftete Fluide mit adiabater Zustandsänderung −1

κ+1 κ+1 p κ 1 ξl p2 κ ⋅ 1 2 (p2 κ − p1 κ ) − ⋅ ln ( ) + =0. κ + 1 ρ1 u1 κ p1 2d

(6.72)

Beispiel. Durch ein Rohr der Länge l = 1 km mit einem Durchmesser d = 0,2 m strömt Wasserdampf der Temperatur T = 400 °C mit einer Anfangsgeschwindigkeit u 1 = 24 ms und einem Anfangsdruck von p1 = 25 bar. Die Stoffwerte des Wasser­ kg dampfs sind bei einem Druck von 24 bar ermittelt und betragen ρ 1 = 7,981 m 3 und 2 m −5 ν1 = 3,056 ⋅ 10 s . Zusätzlich nehmen wir eine Rauheit von k = 0,1 mm an. Bestim­ men Sie den Druckverlust a) für den isothermen Betrieb unter Vernachlässigung der kinetischen Energieände­ rung, b) für den isothermen Betrieb unter Einbezug der kinetischen Energieänderung, c) für den adiabaten Betrieb unter Vernachlässigung der kinetischen Energieände­ rung, d) für den adiabaten Betrieb unter Einbezug der kinetischen Energieänderung. e) Berechnen Sie im Fall d) die maximal mögliche Temperaturerhöhung und den J Wärmestrom in Fließrichtung, falls c p = 2,230 ⋅ 103 kg⋅K beträgt. Lösung: a) In diesem Fall kann man κ = 1 setzen und erhält aus (6.72) die Gleichung p22 − p21 2ρ 1 u 21 p1

− ln (

p2 ξl )+ =0. p1 2d

(6.73)

Die Änderung der kinetischen Energie wird nicht beachtet. Aus (6.73) wird dann p22 − p21 ρ 1 u 21 p1

+

ξl =0. d

(6.74)

Da die Geschwindigkeit u 2 nach einer Strecke von 1 km unbekannt ist, starten wir die Iteration mit u = u 1 = 24 ms . Dann folgt Red =

u1 ⋅ d 24 ⋅ 0,2 = = 1,571 ⋅ 106 . ν1 3,056 ⋅ 10−5

Mit (6.41) erhält man ξ = 0,01928. Dies in (6.74) eingefügt, ergibt p2 = 2.267.640 Pa .

202 | 6 Turbulente Strömungen Aus der Kontinuitätsgleichung folgt u 2 = u 1 pp12 = 26,46 Durchschnittsgeschwindigkeit u=

m s

und damit die neue

u 1 + u 2 24 + 26,46 m = = 25,23 2 2 s

für den nächsten Iterationsschritt. Für die Reynolds-Zahl wird dabei die kinema­ tische Viskosität beibehalten und dafür der eine oder andere zusätzliche Iterati­ 6 onsschritt in Kauf genommen. Man erhält Red = u⋅d ν 1 = 1,651 ⋅ 10 , ξ = 0,01918 und p2 = 2.268.907 Pa, dann p2 = 2.268.899 Pa und im nächsten Schritt die Bestätigung dieses Werts. Somit ist p2 = 22,97 bar und der gesuchte Druckunterschied ∆pV = p1 − p2 = 2,31 bar. b) Die Änderung der kinetischen Energie wird mit einbezogen. Somit gilt es (6.73) zu lösen. Die Startwerte sind diejenigen von a), nämlich Re d = 1,571⋅106 und ξ = 0,01928. Dies in (6.73) eingefügt, ergibt p2 = 2.267.145 Pa. Die nächsten beiden Iterations­ schritte liefern p2 = 2.268.417 Pa, p2 = 2.268.410 Pa und im darauffolgenden Schritt folgt die Bestätigung des letzten Werts. Also beträgt der Unterschied zu a) lediglich 489 Pa. c) Für einen adiabaten Betrieb bedarf es des Adiabatenexponenten. In unserem Fall beträgt er κ = 1,29. Wieder vernachlässigen wir vorerst die Änderung der kineti­ schen Energie. Dann gilt es −

1

1,29 2,29 2,29 1,29 p1 ξl 1,29 1,29 (p − p )+ ⋅ =0 2 1 2,29 ρ 1 u 21 2d

zu lösen. Die ersten beiden Startgrößen Red = 1,571 ⋅ 106 und ξ = 0,01928 ergeben, eingesetzt in obige Gleichung, den Druck p2 = 2.270.193 Pa, in den nächsten beiden Schritten p2 = 2.271.416 Pa, p2 = 2.271.409 Pa und im dar­ auffolgenden die Bestätigung des letzten Werts. Somit ist p2 = 22,71 bar und der gesuchte Druckunterschied ∆pV = p1 − p2 = 2,29 bar. Der Unterschied der Druck­ änderung zum isothermen Fall a) beträgt 2502 Pa. d) Mit Einbezug der kinetischen Energieänderung muss (6.72) gelöst werden. Man erhält nacheinander p2 = 2.269.822 Pa, p2 = 2.271.050 Pa, p2 = 2.271.043 Pa und die Bestätigung des letzten Werts. Die mittlere Geschwindigkeit ist u = 25,21 m 2 . Der Unterschied zu c) beträgt lediglich 366 Pa. Die Berechnung zeigt, dass man zur Druckverlustrechnung die Änderung der ki­ netischen Energie vernachlässigen kann und in einem etwas größeren Rahmen auch die Randbedingung der Strömung.

6.12 Gasströmungen in Rohren |

e) Es gilt ∆T =

∆p V ρ⋅c p .

In unserem Fall ist c p = 2,230 ⋅ 103 ∆T =

J kg⋅K

und man erhält

231.633 Pa = 12,98 K . 7,981 ⋅ 2,230 ⋅ 103

Der zugehörige Wärmestrom in Fließrichtung beträgt dann ϕ̇ = ∆pV ⋅ V̇ = ∆pV ⋅ A ⋅ u = 228.957 ⋅ π ⋅ 0,12 ⋅ 25,21 = 4,57 ⋅ 106 W .

Aufgabe Bearbeiten Sie die Übung 20.

203

7 Turbulente Gerinneströmungen Wir werden den Abfluss einer turbulenten Gerinneströmung in einer Näherung als Grenzschichtströmung entlang einer Platte auffassen und damit viele schon gewon­ nene Ergebnisse übertragen können. Dazu gehören die Geschwindigkeitsprofile der turbulenten Plattenströmung (6.18) und (6.25). Zum Vergleich soll noch das laminare Profil hinzugefügt werden. Es liegt mit Gleichung (2.19) schon vor. Man erhält folgende Übersicht: Fließart

Geschwindigkeitsprofil

Gültigkeitsbereich

Laminar

u u∗ y = ⋅ y ⋅ (1 − ) u∗ ν 2h

0≤y≤h

Turbulent glatt, Rek < 3,33

u 9y = 2,5 ⋅ ln ( ) u∗ lν

Turbulent rauh, Rek > 3,33

u 30y = 2,5 ⋅ ln ( ) u∗ k

y < 500, lν y als Näherung ≥ 500 lν k y≥ 30 30
0, Spannung wirkt in Strömungsrichtung) und u 2 = 22,41 ms (u 2 > u 10 , τL < 0, Spannung wirkt in Gegenrichtung).

Aufgabe Bearbeiten Sie die Übung 24.

7.5 Das Geschwindigkeitsprofil einer Gerinneströmung unter Windeinfluss Betrachten wir nochmals den Verlauf der Schubspannung innerhalb des Gerinnes, so besagt Gleichung (7.6), dass die Spannung von der Sohle bis zur Wasseroberfläche vom Wert der Sohlschubspannung τB linear auf Null abfällt. Nehmen wir nun eine Windströmung hinzu, so besteht kein Grund zum Zweifel, dass das Spannungsprofil ebenfalls linear von τB bis zum Windschubspannungswert τL absinkt. Diese Behaup­ tung wollen wir bestätigen. Beweis. Dazu schreiben wir die Impulsgleichung (7.2) unter abermaliger Verwendung d von sin α ≈ tan α = J E in der Form − dy (νt du dy ) − gJ E = 0. Die folgenden Rechenschritte sind Kapitel 7.1 nachempfunden. Mit Hilfe von (7.1) wird daraus 1 dτ xy (y) ⋅ + gJ E = 0 . ρW dy

222 | 7 Turbulente Gerinneströmungen

Nun flicht man Gleichung (7.26) bei Normalabfluss ein, was zu dτ xy (y) τB − τL + =0 dy h führt. Mit der Randbedingung τ xy (h) = τL wird integriert: τL

h

∫ dτ xy τ xy (y)

τB − τL =− ∫ dy . h y

y L Die Auswertung ergibt τL − τ xy (y) = − τB −τ h (h − y), τ xy (y) = (τ B − τ L )(1 − h ) + τ L und schließlich y y (7.28) τ xy (y) = τB (1 − ) + τL ⋅ . h h Damit ist die Linearität gezeigt.

Die linke Seite von (7.28) wird ersetzt durch (7.1) und der darin enthaltene Ausdruck für die Wirbelviskosität durch (7.7). Dann erhält man τ xy (y) = κρ W u ∗ y(1 − hy ) ⋅ du dy . Gleichung (7.28) schreibt sich zu κρ W u ∗ y (1 −

y y y du )⋅ = τB (1 − ) + τL ⋅ . h dy h h

Aufgelöst ergibt sich 1 du 2,5 ⋅ τB 1 2,5 ⋅ τL ⋅ + ⋅ = . dy ρW u∗ y ρW u∗ h − y Diese Gleichung integrieren wir von der unteren Gültigkeitsgrenze y0 bis zu einer Hö­ he y. Wir erhalten y y dy 2,5 ⋅ τL dy 2,5 ⋅ τB u(y) = ⋅∫ ⋅∫ + ρW u∗ y ρW u∗ h−y y0

und danach u(y) =

y0

2,5 ⋅ τB y 2,5 ⋅ τL h−y ⋅ ln ( ) − ⋅ ln ( ) . ρW u∗ y0 ρW u∗ h − y0

(7.29)

Die auftretende Spannungsgeschwindigkeit u ∗ kann nicht mit derjenigen ohne Wind identifiziert werden. Die Windschubspannung wird sich innerhalb der gesamten Flüs­ sigkeitssäule bemerkbar machen. Als Maß für die vorhandenen Spannungen hängt sie sowohl von τB als auch von τL ab. Messungen bestätigen den Zusammenhang ρ W u 2∗ = |τB | + |τL | . Damit wird aus (7.29) u(y) 2,5 ⋅ τB 2,5 ⋅ τL y h−y = ) ⋅ ln ( ) − ⋅ ln ( u∗ |τB | + |τL | y0 |τB | + |τL | h − y0

(7.30)

7.5 Das Geschwindigkeitsprofil einer Gerinneströmung unter Windeinfluss

|

223

und danach u(y) 2,5 ⋅ τB 2,5 ⋅ τL y y h = (1 − )] . ⋅ ln ( ) − ⋅ ln [ u∗ |τB | + |τL | y0 |τB | + |τL | h − y0 h

(7.31)

h Da y0 ≪ h, kann der Quotient h−y = 1 gesetzt werden. Man kann (7.31) auch nur mit 0 den zwei Spannungen ausdrücken, wenn man die Wassertiefe der Bedingung (7.26) entnimmt. Man erhält τB − τL h= ρ W gJ S

und in (7.31) eingefügt 2,5 ⋅ τB u(y) 2,5 ⋅ τL y ρ W gJ S = ⋅ y) . ⋅ ln ( ) − ⋅ ln (1 − u∗ |τB | + |τL | y0 |τB | + |τL | τB − τL

(7.32)

Ersetzt man schließlich noch u ∗ gemäss (7.30), so folgt u(y) = √

|τB | + |τL | 2,5 ⋅ τB 2,5 ⋅ τL y ρ W gJ S ⋅{ ⋅ y)} (7.33) ⋅ ln ( ) − ⋅ ln (1 − ρW |τB | + |τL | y0 |τB | + |τL | τB − τL

Wiederum kann y0 =

k 30

mit der Rauheit k ersetzt werden.

Beispiel. Für eine Darstellung könnte man natürlich zwei Werte für die Spannungen vorgeben. Wir bringen hingegen die Profile in Zusammenhang mit der in Kapitel 7.4 aufgeführten Tabelle, zumal die Tiefe h die sich einstellende Wassertiefe bei Normal­ abfluss bezeichnet. Dazu wählen wir zwei Windgeschwindigkeiten u 10+ = 10 ms und u 10− = −10 ms , eine in Strömungs- und eine in Gegenrichtung. Zusätzlich geben wir dieselben Größen wie in Kapitel 7.4 zur Bestimmung der Wassertiefe bei Normalabfluss vor: J S = 0,0001, 3 kg 3 kg b = 2 m, λ = 0,03, Q = 0,1 ms , ρ L = 1,21 m 3 und ρ W = 10 m3 . Die zugehörigen Wassertiefen sind dann h+ = 0,173 m bzw. h− = 0,239 m. Im Fall von u 10+ erhält man für die mittlere Strömungsgeschwindigkeit u=

Q 0,1 m = = 0,289 . b ⋅ h 2 ⋅ 0,173 s

Daraus lassen sich mit (7.26) die einzelnen Spannungen vergleichen. Es ergibt sich τSchlepp = ρ W gh ⋅ J S = 1000 ⋅ 9,81 ⋅ 0,173 ⋅ 0,0001 = 0,170 τB =

λ 0,03 N ρW ⋅ u2 = ⋅ 1000 ⋅ 0,2892 = 0,313 2 8 8 m

N , m2

und

τL = ρ L ⋅ cL ⋅ (u 10 − u)2 = 1,21 ⋅ (0,137 ⋅ 10 − 0,12) ⋅ 10−3 ⋅ (10 − 0,289)2 = 0,143

N . m2

Mit Hilfe von (7.25) lassen sich die Werte kontrollieren: 0,170 − 0,313 + 0,143 = 0.

224 | 7 Turbulente Gerinneströmungen Für u 10− ergeben sich u =

0,1 2⋅0,239

= 0,209

m s . Daraus folgen

τSchlepp = 1000 ⋅ 9,81 ⋅ 0,239 ⋅ 0,0001 = 0,234 τB =

0,03 N ⋅ 1000 ⋅ 0,2092 = 0,164 2 8 m

N , m2

und

τL = 1,21 ⋅ 0,565 ⋅ 10−3 ⋅ (10 − 0,209)2 = −0,071

N . m2

Die Kontrolle liefert 0,234 − 0,164 − 0,071 ≈ 0 (Rundungsfehler von h). Zum Vergleich bestimmen wir die Spannungen ohne Wind. Die Wassertiefe be­ 0,1 trägt h = 0,212 m und man erhält u = 2⋅0,212 = 0,236 ms . Damit folgt τSchlepp = τB = 0,208

N . m2

Nun wenden wir uns den Geschwindigkeitsprofilen im Wasser zu. Im Fall von u 10+ erhält man u ∗ = √ |τBρ|+|τL | = √ 0,313+0,143 = 0,021 ms . Zusätzlich wählen wir noch 1000 W

1 m führt. k = 1 cm, was zu y0 = 3000 Zuerst setzen wir die entsprechenden Werte für u 10+ in (7.33) ein und erhalten

u + (y) = 0,021 ⋅ {

u + (y) = 0,053 ⋅ {

2,5 ⋅ 0,313 ⋅ ln(3000y) 0,456 2,5 ⋅ 0,143 1000 ⋅ 9,81 ⋅ 0,0001 − ⋅ ln (1 − ⋅ y)} 0,456 0,170 313 143 981 ⋅ ln(3000y) − ⋅ ln (1 − ⋅ y)} . 456 456 170

(7.34)

Dasselbe für u 10− ergibt u∗ = √

|τB | + |τL | √ 0,164 + 0,071 m = = 0,015 ρW 1000 s

und folglich u − (y) = 0,015 ⋅ {

u − (y) = 0,038 ⋅ {

2,5 ⋅ 0,164 ⋅ ln(3000y) 0,235 2,5 ⋅ 0,071 1000 ⋅ 9,81 ⋅ 0,0001 + ⋅ ln (1 − ⋅ y)} 0,235 0,235 164 71 981 ⋅ ln(3000y) + ⋅ ln (1 − ⋅ y)} . 235 235 235

und (7.35)

Zum Vergleich stellen wir den beiden Profilen noch das Profil ohne Wind gegenüber. Gleichung (7.33) reduziert sich wie bekannt zu u(y) = √

τB y ⋅ 2,5 ⋅ ln ( ) . ρW y0

7.6 Der Windstau an Ufern und Küsten |

Mit √ ρτWB = 0,014

m s

225

erhält man u(y) = 0,036 ⋅ ln(3000y) .

(7.36)

Die drei Profile (7.34)–(7.36) sind in Abb. 7.5 festgehalten. Aus der Abbildung lassen sich die absoluten Geschwindigkeiten u in jeder Tiefe y ablesen.

Abb. 7.5: Graphen von (7.34)–(7.36)

Aufgabe Bearbeiten Sie die Übung 25.

7.6 Der Windstau an Ufern und Küsten Die bisherigen Gerinneströmungen verliefen immer parallel zum Ufer oder zur Küs­ te. Nun betrachten wir Strömungen, die senkrecht auf eine natürliche Begrenzung treffen. Künstliche Wehre oder Dämme mit einer Sohle aus festem Material kommen zwar auch in Frage, aber bei diesen stellt sich die Frage nach einem Sedimenttrans­ port durch die auftretende Zirkulationsströmung nicht, so dass die Sohle unangetastet bleibt. Wir betrachten dazu das Ufer oder die Küste eines Gewässers ohne Eigenströ­ mung. Hingegen soll ein wehender Wind das Wasser senkrecht zur Küste vor sich her treiben (Abb. 7.6).

226 | 7 Turbulente Gerinneströmungen

Abb. 7.6: Skizze zum Windstau an einer Küste

Ist die Böschung genügend hoch, so dass sie nicht überflutet werden kann, dann stellt sich nach einer gewissen Zeit, unter der Annahme eines mit konstanter Ge­ schwindigkeit sich fortbewegenden Windes, ein stationärer Strömungszustand ein. Dabei wird der Wasserspiegel hin zum Ufer offensichtlich ansteigen. Zudem muss das anfallende Wasser in tieferen Schichten und insbesondere an der Sohle wieder abgeführt werden, wodurch auch Sediment weggespült wird. Auf diese Weise können ganze Strandabschnitte verschwinden und beispielsweise als Sandbänke anderswo wieder auftauchen. Mit großem Energieaufwand fördern Pumpen den Sand aus dem offenen Meer und transportieren ihn wieder an die Küste. Winde ändern laufend ihre Richtung und Stärke. Für unser Modell wählen wir ei­ ne Windströmung entlang der Strecke l mit konstanter Geschwindigkeit u 10 . Die Was­ sertiefe h wird durch den Punkt bestimmt, an dem der Wind an der Wasseroberfläche angreift. In einem stationären Zustand bildet sich das eingezeichnete Strömungsprofil aus, das in ähnlicher Form entlang der gesamten Strecke l besteht. Die Zunahme der Wassertiefe oder der Windstau ∆h wird mit der Länge l ansteigen. Der Windstau wird durch das Energiegefälle oder die Oberflächenneigung J E bestimmt. Die erwähnte Zirkulationsströmung erfassen wir damit, dass die über die (nahe­ zu) gesamte Wassertiefe gemittelte Strömungsgeschwindigkeit Null sein soll: h

∫ u(y) dy = 0 . y0

Angewandt auf Gleichung (7.29) ergibt das nacheinander h

h

2,5 ⋅ τ B y h−y 2,5 ⋅ τ L ⋅ ∫ ln ( ) dy − ⋅ ∫ ln ( ) dy = 0 , ρW u∗ y0 ρW u∗ h − y0 y0

h

τB ⋅ ∫ ln ( y0

y0

h

y h−y ) dy − τL ⋅ ∫ ln ( ) dy = 0 , y0 h − y0 y0

h

τB ⋅ [y ⋅ ln (

h h h−y ) − y] − τL ⋅ [(y − h) ⋅ ln ( ) − y] = 0 y0 h − y0 y0 y0

7.6 Der Windstau an Ufern und Küsten |

227

und τB ⋅ [h ⋅ ln (

h ) − h + y0 ] − τL ⋅ [y0 − h] = 0 . y0

(7.37)

Dabei wurde im zweiten Summanden der schon im Kapitel 7.3 bestimmte Grenzwert limx→0 x ⋅ ln(x) = 0 benutzt. Geichung (7.37) liefert den Zusammenhang τB = −

h − y0 h ⋅ [ln ( yh0 ) − 1] + y0

⋅ τL .

(7.38)

Der Zähler ist in jedem Fall positiv. Wir zeigen kurz, dass es der Nenner ebenfalls ist. Beweis. Aus h ⋅ [ln( yh0 ) − 1] + y0 ≥ 0 folgt ln (

y0 h )≥1− . y0 h

Wir setzen x := yh0 und müssen zeigen, dass 1− 1x ≤ ln x gilt. Zusätzlich leiten wir noch eine obere Schranke her. Bricht man die Expontialreihe vorzeitig ab, dann erhält man e x ≥ 1 + x für x ∈ ℝ. Ersetzt man x durch ln x, so folgt daraus eln x ≥ 1 + ln x und damit ln x ≤ x − 1 für

x ∈ ℝ+ .

(7.39)

Weiter gilt ln( 1x ) = − ln x, woraus nach der Ersetzung von 1x anstelle von x für (7.39) − ln x = ln( 1x ) ≤ 1x − 1, schließlich ln x ≥ 1 − 1x für x ∈ ℝ+ und damit die Behauptung folgt. Insgesamt hat man 1 − 1x ≤ ln x ≤ x − 1 für x ∈ ℝ+ . Gleichung (7.38) besagt, dass es bei dieser Art Strömung genügt, eine der beiden Schubspannungen (bei vorhandener Tiefe und Rauheit) zu kennen, um die andere zu ermitteln. Damit lässt sich Gleichung (7.31) mit einer Spannung allein schreiben. Da es sich um eine Zirklationsströmung handelt, ist ρ W A1 u 21 − ρ W A2 u 22 = 0, weil der einfließennde Impuls dem ausfließenden entspricht und zudem kehrt die Rich­ tung der Sohlschubspannung am Boden um. Man erhält ρ W ghJ E + τB + τL = 0 .

(7.40)

Im Unterschied zum Normalabfluss ist somit die Sohlneigung durch die Oberflächen­ neigung zu ersetzen. Dies leuchtet auch ein, denn der Wind trägt auch bei horizonta­ lem Boden Wasser an die Küste. Setzt man α := −

h − y0 h ⋅ [ln ( yh0 ) − 1] + y0

,

228 | 7 Turbulente Gerinneströmungen

so schreibt sich (7.33) als u(y) = √

2,5 ⋅ τB 2,5 ⋅ τL y ρ W gJ E |τB | + |τL | ⋅{ ⋅ y)} . ⋅ ln ( ) − ⋅ ln (1 − ρW |τB | + |τL | y0 |τB | + |τL | −τB − τL

u(y) = √

| − α ⋅ τL | + |τL | 2,5 ⋅ α ⋅ τL y ⋅ {− ⋅ ln ( ) ρW | − α ⋅ τL | + |τL | y0 −

2,5 ⋅ τL ρ W gJ E ⋅ y)} ⋅ ln (1 − | − α ⋅ τL | + |τL | α ⋅ τL − τL

oder u(y) = √

2,5 ⋅ α 2,5 (α + 1)|τL | y ρ W gJ E ⋅ {− ⋅ y)} ⋅ ln ( ) − ⋅ ln (1 − ρW α+1 y0 α+1 (α − 1)τL

(7.41)

Beispiel 1. Wir nehmen an, dass sich in der Nähe eines Ufers eine Wassertiefe von h = 0,5 m einstellt. Weiter sei u 10 = 15 ms , k = 1 cm, ρ L = 1,21 mkg3 und ρ W = 103 mkg3 gegeben. Dann k 1 folgt y0 = 30 = 3000 m und mit (7.38) τB = −

0,5 − 3,33 ⋅ 10−4 ⋅ τL = −0,158 ⋅ τL . 0,5 ⋅ [ln(1500) − 1] + 3,33 ⋅ 10−4

Die mittlere Geschwindigkeit ist Null, so dass die Windschubspannung selbst einen Wert von τL = 1,21 ⋅ (0,137 ⋅ 15 − 0,12) ⋅ 10−3 ⋅ (15 − 0)2 = 0,527 mN2 annimmt. Daraus folgt τB = −0,158 ⋅ 0,527 = −0,083 mN2 und mit (7.40) die Oberflächennei­ gung des Wassers zu JE = −

τB + τL −0,083 + 0,527 =− = −9,1 ⋅ 10−5 . ρ W gh 1000 ⋅ 9,81 ⋅ 0,5

Bisher hatten wir Gerinnegefälle mit einem Pluszeichen belegt, weshalb hier konse­ quenterweise ein Minuszeichen bei einem Anstieg entsteht. Gleichung (7.31) liefert das Geschwindigkeitsprofil u(y) −2,5 ⋅ 0,158 ⋅ 0,527 2,5 ⋅ 0,527 = ⋅ ln(3000y) − ⋅ ln(1 − 2y) u∗ 1,158 ⋅ |0,527| 1,158 ⋅ |0,527| und daraus (Abb. 7.7) u(y) = −0,341 ⋅ ln(3000y) − 2,159 ⋅ ln(1 − 2y) . u∗

(7.42)

Aus u(y) = 0 erhält man den Umkehrpunkt der Strömungsrichtung in einer Tiefe von 0,332 m. Auf zwei Drittel der gesamten Wassertiefe findet somit eine Rückströmung statt. Die maximale Rückströmgeschwindigkeit ergibt sich mittels du(y) = 0 in einer dy Tiefe von 0,068 m.

7.6 Der Windstau an Ufern und Küsten | 229

Abb. 7.7: Graph von (7.42) L Das Beispiel soll verallgemeinert werden. Gleichung (7.40) liefert J E = − τρBW+τ gh . Setzt man das Ergebnis (7.38) ein, so folgt

JE = −

τL h − y0 ) . ⋅ (1 − ρ W gh h ⋅ [ln ( yh0 ) − 1] + y0

Fügt man noch die Windschubspannung gemäss (7.22) ein, so entsteht JE = −

ρL ⋅ cL 2 1 h − y0 ⋅ u 10 ⋅ ⋅ (1 − ) . ρW g h h ⋅ [ln ( yh0 ) − 1] + y0

(7.43)

Damit lässt sich das Oberflächengefälle als Funktion der Windgeschwindigkeit und der Wassertiefe direkt berechnen. kg 3 kg Beispiel 2. Gegeben sind die Werte k = 1 cm, ρ L = 1,21 m 3 und ρ W = 10 m3 . Wieder 1 folgt y0 = 3000 m. Für die Wassertiefe nehmen wir h = 0,5 m, 1 m, 2 m und variieren die Windge­ schwindigkeit u 10 = 10 ms , 20 ms , 30 ms , 40 ms , 50 ms . Die Beiwerte cL entnimmt man wieder (7.23). Man erhält die in folgender Tabelle festgehaltenen Werte für die Oberflächennei­ gung:

u10 [ ms ] |J E,0,5 | [10−5 ] |J E,1 | [10−5 ] |J E,2 | [10−5 ]

10 2,66 1,35 0,68

20 4,37 2,21 1,12

30 9,83 4,98 2,52

40 17,48 8,86 4,48

50 27,31 13,84 7,00

Die Tabellenwerte veranschaulichen wir noch in einer Graphik (Abb. 7.8).

230 | 7 Turbulente Gerinneströmungen

Abb. 7.8: Graph von (7.43)

Aus den Tabellenwerten und Abb. 7.8 wird ersichtlich, dass die Oberflächennei­ gung und damit der Windstau sich bei gleicher Windgeschwindigkeit etwa umge­ kehrt proportional zur Wassertiefe verhalten. Dabei besitzen tiefere Wasserstände einen größeren Windstau als höhere bei gleicher Windgeschwindigkeit. Es ist damit einfacher, Flachwasser durch Wind aufzustauen. Nimmt man u 10 = 50 ms und h = 1 m, so ergibt der Tabellenwert J E,1 = 13,84 ⋅ −5 10 . Auf einer Länge von l = 1000 m erhält man mittels J E = ∆h l einen Windstau von ∆h = l ⋅ J E = 1000 ⋅ 13,84 ⋅ 10−5 = 13,84 cm .

Aufgabe Bearbeiten Sie die Übung 26.

7.7 Das Querprofil der Geschwindigkeit Bisher arbeiteten wir mit stationären Gerinnegeschwindigkeiten u, die über den ge­ samten Gerinnequerschnitt A gemittelt waren. Über die Messung des Durchflusses Q kann u aus Q = Au bestimmt werden. Das bedeutet, dass es sich bei u eigentlich um eine zeitlich tiefen- und eine zeitlich breitengemittelte Geschwindigkeit handelt. Glei­ chung (7.10) beinhaltet beispielsweise eine zweifach gemittelte Geschwindigkeit nach Nikuradse. Im Wasserwesen ist es wichtig, die Strömungsverhältnisse quer zu einem Fluss zu kennen, damit man die Stellen mit starker Strömung und diejenigen mit klei­ nen Fließgeschwindigkeiten kennt. Für ein sehr breites Gerinne mit niedrigem Wasserstand und horizontaler Sohle kann man von einem über die gesamte Breite einheitlichen logarithmischen Profil und

7.7 Das Querprofil der Geschwindigkeit | 231

somit von einer nahezu konstanten tiefengemittelten Geschwindigkeit ausgehen. Der Einfluss der Uferränder kann dabei vernachlässigt werden. Wird das Gerinne schma­ ler, dann entstehen Effekte, die wir anschließend erklären. Es soll nun untersucht werden, welchen Einfluss die Gerinnebreite b und die Form der Sohle auf die Größe der tiefengemittelten Geschwindigkeit u besitzt. Dazu betrach­ ten wir eine Strömung in x-Richtung. Mit y bezeichnen wir die Tiefenkoordinate und z entspricht der Breitenkoordinate von einem Ufer aus gemessen. Für eine Impulsbi­ lanz beachten wir, dass die Form der Sohle entlang der Gerinnebreite eine Änderung der Wassertiefe h(z) mit sich bringt. Deswegen muss die Bilanz an einem differenzi­ ellen quaderförmigen Volumen der Länge l, der Tiefe h(z) und der Breite ∆z durchge­ führt werden (Abb. 7.9).

Abb. 7.9: Skizzen zum Querprofil

Die zeitliche Änderung des Impulses setzt sich aus dem ein- und austretenden Impuls­ strom, der antreibenden Gewichts- bzw. Windkraft, der bremsenden Reibungskraft an der Sohle sowie der viskosen Schubspannungskraft FR zusammen. Man erhält eine ähnliche Bilanz wie in Kapitel 7.4: dI ̇ + FG ⋅ J E − τB ⋅ ABoden + FR + τL ⋅ ABoden . ̇ − Iaus (7.44) = Iein dt Im Weiteren sei keine Windströmung vorhanden. Ein parallel zur Strömung verlau­ fender Wind hätte zwar einen Einfluss auf die Höhe des Querprofils, nicht aber die Form des Querprofils selber. Ein eventuell quer zur Gerinneströmung wehender Wind würde nur bei sehr niedrigem Wasserstand einen Windstau verursachen. Nach dem Newton’schen Spannungsansatz gilt du ⋅ l ⋅ h(z) . dz Am ausgewählten Volumenelement greifen zwei Kräfte an, so dass folgt: 󵄨 󵄨 du 󵄨󵄨󵄨󵄨 du 󵄨󵄨󵄨󵄨 − h(z) ⋅ ρ W ν t FR = l ⋅ (h(z) ⋅ FR,z+∆z − h(z) ⋅ FR,z ) = l ⋅ (h(z) ⋅ ρ W νt ) . 󵄨 󵄨 dz 󵄨󵄨󵄨󵄨z+∆z dz 󵄨󵄨󵄨󵄨z+∆z Dies entspricht dem Diffusionsterm in der Navier-Stokes-Gleichung aus Kapitel 2. Die Wirbelviskosität muss dabei als Folge der tiefengemittelten Geschwindigkeit ebenfalls FR = τR ⋅ ASeitenfläche = ρ W ν t

232 | 7 Turbulente Gerinneströmungen

über die Tiefe gemittelt werden. Weiter ist die totale Ableitung gerechtfertigt, weil die Geschwindigkeit tiefengemittelt ist, und wenn man annimmt, dass die Sohle entlang der Strömungsrichtung konstant bleibt. Interessiert nur eine stationäre Strömung bei Normalabfluss, dann geht (7.44) nacheinander über in ρ W ⋅ ∆z ⋅ l ⋅ h(z) ⋅ g ⋅ J S − τB ⋅ ∆z ⋅ l 󵄨 󵄨 du 󵄨󵄨󵄨󵄨 du 󵄨󵄨󵄨󵄨 − h(z) ⋅ ρ W ν t )=0, + l ⋅ (h(z) ⋅ ρ W ν t 󵄨 󵄨 dz 󵄨󵄨󵄨󵄨z+∆z dz 󵄨󵄨󵄨󵄨z+∆z 󵄨󵄨 󵄨 du 󵄨󵄨󵄨 󵄨󵄨 − h(z) ⋅ ν h(z) ⋅ ν t du t 󵄨 󵄨󵄨 dz dz τB 1 󵄨󵄨z+∆z 󵄨z+∆z ) = 0 g ⋅ JS − + ( ρ W ⋅ h(z) h(z) ∆z g ⋅ JS −

und

du τB 1 d + ⋅ ⌈h(z) ⋅ νt ⌉=0. ρ W ⋅ h(z) h(z) dz dz

Ersetzt man die Wirbelviskosität gemäss (7.9), dann erhält man g ⋅ JS −

τB du κu ∗ d + ⋅ ⌈h2 (z) ⋅ ⌉=0. ρ W ⋅ h(z) 6 ⋅ h(z) dz dz

Nach der Produktregel folgt g ⋅ JS −

τB d2 u κu ∗ dh du + ⋅ (2h(z) ⋅ ⋅ + h2 (z) ⋅ 2 ) = 0 . ρ W ⋅ h(z) 6 ⋅ h(z) dz dz dz

Daraus ergibt sich 2 g ⋅ JS τB dh du d2 u 6 }+ { =0. − ⋅ ⋅ + 2 κu ∗ h(z) ρ W ⋅ h (z) h(z) dz dz dz2 In einem letzten Schritt ersetzen wir sowohl u ∗ als auch τB mit Hilfe von (7.10). Es folgt 2

12⋅h(z) 2 u } κ2 dh du d2 u 6 ⋅ ln ( k ) { g ⋅ J S = ⋅ 2 }− − + ⋅ ⋅ { 2 2 h(z) [ln ( 12⋅h(z) )] h (z) h(z) dz dz dz κ2 ⋅ u } { k

und schließlich 12⋅h(z)

6 ⋅ g ⋅ J S ⋅ ln ( k d2 u =− dz2 κ 2 ⋅ h(z) ⋅ u

)

+

6 ln ( 12⋅h(z) ) k



2 u dh du − ⋅ ⋅ . h2 (z) h(z) dz dz

(7.45)

Die Wassertiefe h(z) wird dabei positiv von der Wasseroberfläche aus abgetragen. Gleichung (7.45) gilt für genügend breite Gerinne, das heißt etwa für b ≥ 5h .

(7.46)

7.7 Das Querprofil der Geschwindigkeit | 233

Wird dieser Wert unterschritten, dann kann der Einfluss der Schubspannung an den Uferwänden auf das Strömungsprofil nicht mehr vernachlässigt werden. Die von den Wänden ausgehenden Sekundärströmungen überlagern sich mit der Hauptströmung. Dies hat zur Folge, dass Fluidteilchen mit niedriger Geschwindigkeit sowohl von der Wand als auch von der Sohle herrührend der Strömung über die gesamte Gerinnehö­ he beigemischt werden. Für breite Gerinne ragen die Sekundärströmungen nicht weit genug in die Gerinneströmung hinein, aber für b < 5h bewirkt diese Durchmischung, dass die maximale Geschwindigkeit nicht mehr auf der Wasseroberfläche, sondern etwa bei 45 h erreicht wird. Wichtiger für die Grenzen der Anwendbarkeit von (7.45) ist, dass das logarithmische Profil lediglich noch in Sohlnähe gültig bleibt. Das Glei­ chung (7.45) zugrundeliegende Modell wäre für schmale Gerinne somit in mehrerer Hinsicht falsch. Erstens fußt die Tiefenmittelung auf einem über die gesamte Wasser­ tiefe gültigen logarithmischen Profil. Zweitens enthält die gemittelte Wirbelviskosität lediglich die Änderung der mittleren Geschwindigkeit mit der Höhe ∂u/∂y. Im neuen Modell müssten zumindest die Gradienten ∂u/∂z, ∂w/∂z und ∂w/∂y miteinbezogen werden, wenn w die Querströmung bezeichnet. Wir beschränken uns im Weiteren auf Gerinne mit der Bedingung (7.46). Für die folgendenden Simulationen wählen wir k = 2 cm und J S = 0,0001. Für eine kompaktere Schreibweise verwenden wir f := u ,

f 󸀠 :=

du dz

und

f 󸀠󸀠 :=

d2 u dz2

An den Ufern ist die Geschwindigkeit Null: f(0) = 0, f(b) = 0. Die DGL (7.45) enthält aber auch die Zunahme der Geschwindigkeit im Startpunkt. Da diese aber unbekannt ist, muss man in der Simulation so lange Werte für f 󸀠 (0) einsetzen, bis die zweite Rand­ bedingung f(b) = 0 erreicht wird. Damit ist auch geklärt, wie die Breite des Gerinnes in der Simulation Eingang findet. Beispiel 1. Als Erstes nehmen wir ein rechteckiges Gerinne mit konstanter Wassertiefe h = 1 m und einer Breite von b = 5 m, 6,25 m, 7,5 m, 8,75 m, 10 m. Damit ist die Bedingung (7.46) erfüllt. Die Sohle ist horizontal ohne irgendwelche Erhebungen und es gilt dh dz = 0. Glei­ chung (7.45) reduziert sich dann für unser Beispiel zu 6 ⋅ 9,81 ⋅ 0,0001 ⋅ ln(600) 6 + ⋅f 0,16 ⋅ f ln(600) 0,235 f 󸀠󸀠 = − + 0,938 ⋅ f . f

f 󸀠󸀠 = −

oder (7.47)

Zur numerischen Lösung setzen wir y1 := f , y2 := f 󸀠 und erhalten das folgende DGLSystem: 0,235 + 0,938 ⋅ y1 . y󸀠1 = y2 und y󸀠2 = − y1 Als Schrittlänge wählen wir dx = 0,01. Die Anfangsbedingung ist f(0) = y1 (0) = 0.

234 | 7 Turbulente Gerinneströmungen Gleichung (7.47) besitzt aber eine Singularität für f(0) = 0, so dass wir mit f(0) = 0,001 starten (Dann liefert f(0) = 0,01 zwar etwas andere Startwerte für f 󸀠 (0), aber die Profile sind nicht zu unterscheiden. Ein Start mit f(0) = 0 wäre nicht weiter schlimm: die Punkte der Folge oszillieren, aber die Simulation zeigt denselben Verlauf.) Das zugehörige Programm kann im Wesentlichen demjenigen der Blasius-DGL (3.19) ent­ nommen werden. Es erhält die Gestalt: Define DGL(n) Prgm xa:= {x1i} ya:= {y1i} x1i:= 0 y1i:= 0.0001 y2i:= f󸀠 (0) For i,1,n x1i:= x1i + 0.01 y1i:= y1i + 0.01 ⋅ y2i y2i:= y2i + (- 0.235 + 0.938 ⋅ y1i) ⋅ 0.01 y1 xa:= augment(xa,{x1i}) ya:= augment(ya,{y1i}) End For Disp xa, ya End Prgm Wie schon gesagt, wird der Wert von f 󸀠 (0) so lange angepasst, bis die Geschwindigkeit für die entsprechende Breite wieder auf den Wert Null absinkt. Nach einigen Versu­ 󸀠 󸀠 󸀠 (0) = 1,29961, f7,5 (0) = 1,29967, f8,75 (0) = chen erhält man f5󸀠 (0) = 1,29925, f6,25 󸀠 1,2996815 und f10 (0) = 1,29968354. Die entsprechenden fünf Geschwindigkeits­ profile sind in Abb. 7.10 festgehalten. Bei einer großen Gerinnebreite besitzt das Profil etwa die Form einer rechteckigen Wanne. Es erinnert an das 1/7-Profil. In diesem Fall sind Gerinnequerschnitt und die Form des Geschwindigkeitsprofils in etwa ähnlich. Bei abnehmender Breite wird das Profil allmählich zu einer Parabel zusammengestaucht. Die nahe gelegene gegenüber­

Abb. 7.10: Simulation von (7.47)

7.7 Das Querprofil der Geschwindigkeit | 235

liegende Wand hemmt die Ausbildung der maximalen Geschwindigkeit. Man kann festhalten, dass für große Breiten und kleine Wassertiefen die Form des Querprofils praktisch nur von der Sohlform beeinflusst wird. Beispiel 2. Nun nehmen wir eine Sohlenform, die von der Horizontalen abweicht. Der Verlauf ist durch 3[10 − 3z]3 ⋅ [80 − 9z] h10 (z) = 1,5 − 160.000 gegeben. Wieder tragen wir die Höhe positiv ab. Wir betrachten drei Wasserstände, wie in Abb. 7.11 dargestellt. Beim Höchstwasserstand erhält man eine Gerinnebreite an der Wasseroberfläche von b = 10 m und mit fallender Wassertiefe b = 9,349 m bzw. b = 8,449 m. Die Bedingung (7.46) ist auch in diesem Fall erfüllt. Damit die Simulation immer im Ursprung des Koordinatensystems startet, werden die Funktionen, welche die Sohlform beschreiben, um die entsprechenden Vektoren verschoben. Das erzeugt die Funktionen h9,349 (z) = 1 −

3 [10 − 3(z + 0,379)]3 ⋅ [80 − 9(z + 0,379)] 160.000

h8,449 (z) = 0,5 −

und

3 [10 − 3(z + 0,934)]3 ⋅ [80 − 9(z + 0,934)] . 160.000

Die Indizes bezeichnen die Gerinnebreite an der Wasseroberfläche. Die zur Simulation verwendete DGL ist diejenige von (7.45) mit dem entsprechen­ den h(z). Wir benötigen noch dh 81 ⋅ (10 − 3z)2 ⋅ (15 − 2z) = dz 80.000 und im Programm entspricht z = 0,01 ∗ i.

Abb. 7.11: Skizze zu Beispiel 2

236 | 7 Turbulente Gerinneströmungen

Das gesamte Programm bleibt bis auf den Befehl + y2i:= y2i + (- 6⋅9.81⋅0.0001⋅ln[600⋅h(z)] 0.16⋅h(z)⋅y1i

y1i 6 ln[600⋅h(z)] ⋅ h2 (z)

-

2 dh h(z) ⋅ dz ⋅

y2i) ⋅ 0.01

identisch mit Obigem. In diesem Fall erzeugen sowohl h(0) auch f(0) eine Singulari­ tät. Man könnte h(z) etwas höher ansetzen, was nicht zwingend notwendig ist. Es sei lediglich wie anhin f(0) = 0,001. Nach vielen Versuchen ergeben sich die Startsteigungen 󸀠 f8,449 (0) = 0,7209719436556 ,

󸀠 f9,349 (0) = 1,044575124 ,

󸀠 f10 (0) = 11,0976

und die in Abb. 7.12 festgehaltenen drei Geschwindigkeitsprofile.

Abb. 7.12: Simulation von (7.45)

Man erkennt, dass bei niedrigem Wasserstand das Geschwindigkeitsprofil das Sohl­ profil näherungsweise abbildet. Die Geschwindigkeitsverteilung ist damit noch stark von der Sohlform geprägt. Mit ansteigendem Wasser sinkt dieser Einfluss.

Anhang: Umwandlung der Navier-Stokes-Gleichung in Zylinderkoordinaten In vielen Anwendungen der Strömungsmechanik hat man es mit drehsymmetrischen Strömungen zu tun. Deshalb soll es unser Ziel sein, die Gleichung (2.2) herzuleiten. Beweis. Wir zerlegen die gesamte Rechnung in vier Schritte. Zuerst bestimmen wir den Druckgradienten von (2.2), dann die Kontinuitätsgleichung, weiter die substan­ tielle Beschleunigung und schließlich die Viskosität.

I. Der Druckgradient in Zylinderkoordinaten Die Umrechnug des Koordinatensystems von kartesischen Koordinaten (x, y) mit x = r ⋅cos θ, y = r ⋅sin θ, r = √x2 + y2 und θ = arctan( yx ) in polare Koordinaten (r, θ) hatten wir schon im 5. Band angegeben. Das kartesische Koordinatensystem wird einfach um den Winkel θ im Uhrzeigersinn gedreht. Es gilt e⃗ r = cos θ ⋅ e⃗ x + sin θ ⋅ e⃗ y ,

e⃗ θ = − sin θ ⋅ e⃗ x + cos θ ⋅ e⃗ y

oder umgekehrt e⃗ x = cos θ ⋅ e⃗ r − sin θ ⋅ e⃗ θ ,

e⃗ y = sin θ ⋅ e⃗ r + cos θ ⋅ e⃗ θ .

(A1)

Nehmen wir irgendeinen Vektor v⃗ = (v x , v y ) in kartesischen Koordinaten, dann ist v⃗ = v x e⃗ x + v y e⃗ y = v x (cos θ e⃗ r − sin θ e⃗ θ ) + v y (sin θ e⃗ r + cos θ e⃗ θ ) = (v x cos θ + v y sin θ)e⃗ r + (v x sin θ + v y cos θ)e⃗ θ = v r e⃗ r + v θ e⃗ θ . Daraus folgt umgekehrt v x = v r cos θ − v θ sin θ

und

v y = v r sin θ + v θ cos θ .

(A2)

Man kann die Komponenten des Druckgradienten einzeln oder direkt als Vektor be­ ∂ ∂ stimmen. Dazu rechnet man den Nablaoperator ∇⃗ = ( ∂x , ∂y ) um. Man erhält ∂ ∂r ∂ ∂r ∂ ∂θ ∂ ∂θ ∂ ∂ ∇⃗ = e⃗ x + e⃗ y = e⃗ x [ ⋅ + ⋅ ] + e⃗ y [ ⋅ + ⋅ ] ∂x ∂y ∂r ∂x ∂θ ∂x ∂r ∂y ∂θ ∂y = e⃗ x [

∂ ∂ ∂ sin θ ∂ cos θ ⋅ cos θ + ⋅ (− )] + e⃗ y [ ⋅ sin θ + ⋅ ] ∂r ∂θ r ∂r ∂θ r

https://doi.org/10.1515/9783110684544-008

238 | Anhang: Umwandlung der Navier-Stokes-Gleichung in Zylinderkoordinaten

Mit Hilfe von (A1) wird daraus = (cos θ ⋅ e⃗ r − sin θ ⋅ e⃗ θ ) [

∂ ∂ sin θ ⋅ cos θ + ⋅ (− )] ∂r ∂θ r

+ (sin θ ⋅ e⃗ r + cos θ ⋅ e⃗ θ ) [ = e⃗ r

∂ ∂ cos θ ⋅ sin θ + ⋅ ] ∂r ∂θ r

∂ ∂ sin θ cos θ ∂ ∂ sin2 θ cos2 θ − e⃗ r ⋅ − e⃗ θ sin θ cos θ + e⃗ θ ⋅ ∂r ∂θ r ∂r ∂θ r

∂ ∂ sin θ cos θ ∂ ∂ cos2 θ sin2 θ + e⃗ r ⋅ + e⃗ θ sin θ cos θ + e⃗ θ ⋅ ∂r ∂θ r ∂r ∂θ r ∂ ∂ 1 = e⃗ r + e⃗ θ ⋅ . ∂r ∂θ r + e⃗ r

(A3)

Angewandt auf den Druck p ergibt sich der Gradient: ⃗ = grad p(r, θ) = ( ∂p , 1 ⋅ ∂p ) . ∇p ∂r r ∂θ In Zylinderkoordinaten wird der Gradient einfach um eine z-Richtung zu grad p(r, θ, z) = (

∂p 1 ∂p ∂p , ⋅ , ) ∂r r ∂θ ∂z

erweitert.

II. Die Kontinuitätsgleichung in Zylinderkoordinaten Nun wenden wir uns der Divergenz zu. Diese entsteht durch Anwendung des Nabla­ operators auf ein Vektorfeld, in unserem Fall das Geschwindigkeitsfeld. ∇u⃗ = ÷u⃗ = ÷(u x , u y ) =

du x du y + . dx dy

Wir bestimmen einzeln ∂u x ∂u x ∂r ∂u x ∂θ ∂u x ∂u x sin θ = ⋅ + ⋅ = ⋅ cos θ + ⋅ (− ) ∂x ∂r ∂x ∂θ ∂x ∂r ∂θ r

und

∂u y cos θ ∂u y ∂u y ∂r ∂u y ∂θ ∂u y = ⋅ + ⋅ = ⋅ sin θ + ⋅ . ∂y ∂r ∂y ∂θ ∂y ∂r ∂θ r Zusammen erhalten wir ∂u x ∂u y ∂ ∂ ∂ sin θ ∂ cos θ + = [ ⋅ cos θ + ⋅ (− )] u x + [ ⋅ sin θ + ⋅ ] uy ∂x ∂y ∂r ∂θ r ∂r ∂θ r

III. Die substantielle Beschleunigung in Zylinderkoordinaten

239

|

und nach (A2) = [cos θ ⋅

sin θ ∂ ∂ − ⋅ ] (u r cos θ − u θ sin θ) ∂r r ∂θ

+ [sin θ ⋅ =

∂ cos θ ∂ + ⋅ ] (u r sin θ + u θ cos θ) ∂r r ∂θ

∂u r ∂u θ sin2 θ ∂u θ sin θ cos θ ∂u r sin2 θ cos2 θ − sin θ cos θ − + ur + ⋅ ∂r ∂r r ∂θ r r ∂θ +

sin θ cos θ ∂u r ∂u θ sin θ cos θ ∂u r cos2 θ uθ + sin2 θ + sin θ cos θ + + ur r ∂r ∂r r ∂θ r

cos2 θ ∂u θ sin θ cos θ ⋅ − uθ r ∂θ r ∂u r u r 1 ∂u θ = + + ⋅ . ∂r r r ∂θ +

Damit schreibt sich die Kontinuitätsgleichung in Zylinderkoordinaten als 1 ∂(ru r ) 1 ∂u θ ∂u z ⋅ + ⋅ + =0. r ∂r r ∂θ ∂z

III. Die substantielle Beschleunigung in Zylinderkoordinaten Das Polarsystem unterscheidet sich vom kartesischen System dahingehend, dass bei einer Drehung das ganze Koordinatensystem mitdreht, denn die Richtungsvektoren e⃗ r = cos θ ⋅ e⃗ x + sin θ ⋅ e⃗ y

und

e⃗ θ = − sin θ ⋅ e⃗ x + cos θ ⋅ e⃗ y

sind winkelabhängig. Folglich kann man sie ableiten. Dabei ist offensichlich d e⃗ θ dr = 0, aber d e⃗ r = − sin θ ⋅ e⃗ x + cos θ ⋅ e⃗ y = e⃗ θ dθ

d e⃗ r dr

=

und

d e⃗ θ = − cos θ ⋅ e⃗ x − sin θ ⋅ e⃗ y = −e⃗ r . dθ

(A4)

Dies ist zwar formal klar, aber nicht sehr einleuchtend. Deswegen betrachten wir dazu Abb. 1. Da man die Vektoren e⃗ r und e⃗ θ im Raum verschieben kann, setzen wir ihre Anfangspunkte in einen beliebigen Bahnpunkt P.

240 | Anhang: Umwandlung der Navier-Stokes-Gleichung in Zylinderkoordinaten

Abb. 1: Skizze zur Herleitung der Navier-Stokes-Gleichung

Aus der Skizze erkennt man, dass ∆ e⃗ r parallel zu e⃗ θ und e⃗ r parallel zu ∆ e⃗ θ ist. Da ∆θ sehr klein ist, kann man ∆θ ≈ tan θ setzen und erhält sowohl ∆θ =

|∆ e⃗ r | |e⃗ r |

als auch

∆θ =

|∆ e⃗ θ | . |e⃗ θ |

Da |e⃗ r | = |e⃗ θ | = 1, folgt |∆ e⃗ r | = ∆θ ⋅ |e⃗ r | = ∆θ ⋅ |e⃗ θ | und entsprechend |∆ e⃗ θ | = ∆θ ⋅ |e⃗ θ | = ∆θ ⋅ |e⃗ r | . Die eben genannte Parallelität führt zu ∆ e⃗ r = ∆θ ⋅ e⃗ θ

und

∆ e⃗ θ = −∆θ ⋅ e⃗ r .

Als Nächstes soll die örtliche und konvektive Änderung des Geschwindigkeitsfeldes, kurz die substantielle Beschleunigung D u⃗ ∂ u⃗ ∂ u⃗ ∂r ∂ u⃗ ∂θ ∂ u⃗ ∂z = + ⋅ + ⋅ + ⋅ , Dt ∂t ∂r ∂t ∂θ ∂t ∂z ∂t berechnet werden. In Zylinderkoordinaten schreibt sich die örtliche Beschleunigung als ∂ u⃗ ∂ = (u r e⃗ r + u θ e⃗ θ + u z e⃗ z ) . ∂t ∂x Sie wird zu einem bestimmten Zeitpunkt gebildet, was bedeutet, dass die Einheitsvek­ toren zeitunabhängig sind, und man erhält schlicht ∂u θ ∂u z ∂u r ∂ u⃗ = e⃗ r + e⃗ θ + e⃗ z . ∂t ∂t ∂t ∂t Als Vorbereitung für die konvektiven Änderungen benötigen wir noch die Geschwin­ dz dθ digkeiten u r = dr dt , u z = dt und u θ = r dt . Die letzte Gleichung folgt aus der Tatsache, dass die Bahngeschwindigkeit u θ das r-fache der Winkelgeschwindigkeit dθ dt = ω ist.

III. Die substantielle Beschleunigung in Zylinderkoordinaten

| 241

Wir bestimmen die drei Produkte einzeln unter Beachtung von (A4). ∂ dr ∂ u⃗ ⋅ = u r [u r e⃗ r + u θ e⃗ θ + u z e⃗ z ] dt ∂r ∂r = ur [

∂ e⃗ r ∂u θ ∂ e⃗ θ ∂u z ∂ e⃗ z ∂u r e⃗ r + u r + e⃗ θ + u θ + e⃗ z + u z ] ∂r ∂r ∂r ∂r ∂r ∂r

= ur [

∂u r ∂u θ ∂u z e⃗ r + e⃗ θ + e⃗ z ] ∂r ∂r ∂r

dθ ∂ u⃗ u θ ∂ ⋅ = ⋅ [u r e⃗ r + u θ e⃗ θ + u z e⃗ z ] dt ∂θ r ∂θ =

∂ e⃗ r ∂u θ ∂ e⃗ θ ∂u z ∂ e⃗ z u θ ∂u r [ e⃗ r + u r + e⃗ θ + u θ + e⃗ z + u z ] r ∂θ ∂θ ∂θ ∂θ ∂θ ∂θ

=

u θ ∂u r ∂u θ ∂u z e⃗ r + u r e⃗ θ + e⃗ θ + u θ (−e⃗ r ) + e⃗ z ] [ r ∂θ ∂θ ∂θ

=

uθ ∂u θ ∂u z ∂u r [( − u θ ) e⃗ r + (u r + ) e⃗ θ + e⃗ z ] r ∂θ ∂θ ∂θ

∂ dz ∂ u⃗ ⋅ = u z [u r e⃗ r + u θ e⃗ θ + u z e⃗ z ] dt ∂z ∂z = uz [

∂ e⃗ r ∂u θ ∂ e⃗ θ ∂u z ∂ e⃗ z ∂u r e⃗ r + u z + e⃗ θ + u θ + e⃗ z + u z ] ∂z ∂z ∂z ∂z ∂z ∂z

= uz [

∂u r ∂u θ ∂u z e⃗ r + e⃗ θ + e⃗ z ] ∂z ∂z ∂z

Nach Einheitsvektoren geordnet ergibt sich insgesamt die substantielle Beschleuni­ gung zu 2 D u⃗ ∂u r u θ ∂u r u θ ∂u r ∂u r =[ + ur + ⋅ − + uz ] e⃗ r Dt ∂t ∂r r ∂θ r ∂z

+[

∂u θ u θ ∂u θ u r u θ ∂u θ ∂u θ + ur + ⋅ + + uz ] e⃗ θ ∂t ∂r r ∂θ r ∂z

+[

∂u z ∂u z u θ ∂u z ∂u z + ur + ⋅ + uz ] e⃗ z . ∂t ∂r r ∂θ ∂z

242 | Anhang: Umwandlung der Navier-Stokes-Gleichung in Zylinderkoordinaten

IV. Der Dissipationsterm in Zylinderkoordinaten Zur Berechnung von ∆ u⃗ muss zuerst der Laplace-Operator ∆ in Zylinderkoordinaten vorliegen. Da ∆ = ∇⃗ ⋅ ∇⃗ gilt, müssen wir den Nablaoperator von (A3) einfach um die z-Komponente erweitern und danach skalar mit sich selber multiplizieren. Damit kön­ nen wir die ganzen trigonometrischen Ausdrücke umgehen. ∆ = (e⃗ r = e⃗ r

∂ 1 ∂ ∂ ∂ 1 ∂ ∂ + e⃗ θ ⋅ + e⃗ z ) (e⃗ r + e⃗ θ ⋅ + e⃗ z ) ∂r r ∂θ ∂z ∂r r ∂θ ∂z

∂ e⃗ r ∂ ∂2 ∂ e⃗ θ 1 ∂ 1 ∂2 1 ∂ ⋅ + e⃗ r e⃗ r 2 + e⃗ r ⋅ ⋅ + e⃗ r e⃗ θ (− 2 ) ⋅ + e⃗ r e⃗ θ ⋅ ∂r ∂r ∂r r ∂θ ∂θ r ∂r∂θ ∂r r

+ e⃗ r

∂ e⃗ z ∂ ∂2 1 ∂ e⃗ r ∂ 1 1 ∂ e⃗ θ ∂ ∂2 ⋅ + e⃗ r e⃗ z + e⃗ θ ⋅ ⋅ + e⃗ r e⃗ θ ⋅ + e⃗ θ 2 ⋅ ⋅ ∂r ∂z ∂r∂z r ∂θ ∂r r ∂r∂θ ∂θ ∂θ r

+ e⃗ θ e⃗ θ

1 ∂ 1 1 ∂2 1 ∂ e⃗ z ∂ 1 ∂ ∂2 ⋅ + e⃗ θ e⃗ θ 2 ⋅ 2 + e⃗ θ ⋅ ⋅ + e⃗ θ e⃗ z ⋅ ( )⋅ r ∂θ r ∂θ r ∂θ ∂z r ∂θ∂z r ∂θ

+ e⃗ z

∂ e⃗ r ∂ ∂2 ∂ e⃗ θ 1 ∂ ∂ 1 1 ∂ ∂2 ⋅ + e⃗ r e⃗ z + e⃗ z ⋅ ⋅ + e⃗ z e⃗ θ ( )⋅ + e⃗ z e⃗ θ ⋅ ∂z ∂r ∂r∂z ∂z r ∂θ ∂z r ∂θ r ∂θ∂z

+ e⃗ z

∂ e⃗ z ∂ ∂2 ⋅ + e⃗ z e⃗ z 2 ∂z ∂z ∂z

Mit (A4), e⃗ r e⃗ r = e⃗ θ e⃗ θ = e⃗ z e⃗ z = 1 ,

e⃗ r e⃗ θ = e⃗ r e⃗ z = e⃗ θ e⃗ z = 0

und

∂ e⃗ r ∂ e⃗ θ ∂ e⃗ z ∂ e⃗ z ∂ e⃗ z ∂ e⃗ z = = = = = =0 ∂r ∂r ∂r ∂r ∂θ ∂z reduziert sich der Laplace-Operator zu ∆=

∂2 1 ∂2 ∂2 1 ∂ 1 ∂ ⃗ ⃗ ⃗ ⃗ + e ⋅ ⋅ + ⋅ − e + e e θ θ θ r r ∂r ∂r2 r2 ∂θ r2 ∂θ2 ∂z2

und man erhält

∂2 1 ∂ ∂2 1 ∂2 + ⋅ + . ⋅ + ∂r2 r ∂r r2 ∂θ2 ∂z2 Nun wird der Operator auf einen Vektor in Zylinderkoordinaten angewendet. Es gilt demnach ∆=

∆ u⃗ = ( zu ermitteln.

1 ∂ ∂2 1 ∂2 ∂2 + ⋅ + 2 ⋅ 2 + 2 ) (u r e⃗ r + u θ e⃗ θ + u z e⃗ z ) 2 r ∂r r ∂θ ∂r ∂z

IV. Der Dissipationsterm in Zylinderkoordinaten

| 243

Dazu berechnen wir zuerst einzeln die ersten Ableitungen: ∂ e⃗ r ∂u θ ∂ e⃗ θ ∂u z ∂ e⃗ z ∂u r ∂ (u r e⃗ r + u θ e⃗ θ + u z e⃗ z ) = e⃗ r + u r + e⃗ θ + u θ + e⃗ z + u z ∂r ∂r ∂r ∂r ∂r ∂r ∂r =

∂u r ∂u θ ∂u z e⃗ r + e⃗ θ + e⃗ z ∂r ∂r ∂r

∂u r ∂ ∂ e⃗ r ∂u θ ∂ e⃗ θ ∂u z ∂ e⃗ z (u r e⃗ r + u θ e⃗ θ + u z e⃗ z ) = e⃗ r + u r + e⃗ θ + u θ + e⃗ z + u z ∂θ ∂θ ∂θ ∂θ ∂θ ∂θ ∂θ =

∂u r ∂u θ ∂u z e⃗ r + u r e⃗ θ + e⃗ θ + u θ (−e⃗ r ) + e⃗ z ∂θ ∂θ ∂θ

=(

∂u r ∂u θ ∂u z − u θ ) e⃗ r + (u r + e⃗ z ) e⃗ θ + ∂θ ∂θ ∂θ

∂u r ∂ ∂ e⃗ r ∂u θ ∂ e⃗ θ ∂u z ∂ e⃗ z (u r e⃗ r + u θ e⃗ θ + u z e⃗ z ) = e⃗ r + u r + e⃗ θ + u θ + e⃗ z + u z ∂z ∂z ∂z ∂z ∂z ∂z ∂z =

∂u r ∂u θ ∂u z e⃗ r + e⃗ θ + e⃗ z ∂z ∂z ∂z

Es folgen die zweiten Ableitungen: ∂2 ∂2 u r ∂2 u θ ∂2 u z ⃗ ⃗ ⃗ ⃗ ⃗ (u + u + u ) = + + e e e e e e⃗ z r r θ θ z z r θ ∂r2 ∂r2 ∂r2 ∂r2 ∂2 u r ∂u θ ∂u r ∂2 ∂ e⃗ r ∂u r ∂2 u θ ⃗ ⃗ ⃗ ⃗ (u + u + u ) = − + e e e e − u + + ( ( ) ) e⃗ θ ) ( r r θ θ z z r θ ∂θ ∂θ ∂θ ∂θ ∂θ2 ∂θ2 ∂θ2 + (u r + =(

∂2 u r ∂u θ ∂u r ∂u r ∂2 u θ ⃗ ⃗ − + ( ) e + ( ) e⃗ θ ) e − u + r θ θ ∂θ ∂θ ∂θ ∂θ2 ∂θ2

+ (u r + =(

∂u θ ∂ e⃗ θ ∂2 u z ) + e⃗ z ∂θ ∂θ ∂θ2

∂u θ ∂2 u z ) (−e⃗ r ) + e⃗ z ∂θ ∂θ2

∂2 u r ∂u θ ∂u r ∂2 u θ ∂2 u z ⃗ ⃗ − u − 2 + (2 + ) e + ) e − u e⃗ z r r θ θ ∂θ ∂θ ∂θ2 ∂θ2 ∂θ2

∂2 u r ∂2 u θ ∂2 u z ∂2 (u r e⃗ r + u θ e⃗ θ + u z e⃗ z ) = e⃗ r + e⃗ θ + e⃗ z 2 2 2 ∂z ∂z ∂z ∂z2

244 | Anhang: Umwandlung der Navier-Stokes-Gleichung in Zylinderkoordinaten Insgesamt erhalten wir ∆ u⃗ = ∂2 u r ∂2 u θ ∂2 u z 1 ∂u θ ∂u z ∂u r e⃗ r + e⃗ θ + e⃗ z ) e⃗ r + e⃗ θ + e⃗ z + ⋅ ( 2 2 r ∂r ∂r ∂r ∂r ∂r ∂r2 +

∂2 u r ∂u θ ∂u r ∂2 u θ ∂2 u z 1 ⋅ [( 2 − u r − 2 ) e⃗ θ + ) e⃗ r + (2 − uθ + e⃗ z ] 2 2 ∂θ ∂θ r ∂θ ∂θ ∂θ2

+

∂2 u θ ∂2 u z ∂2 u r ⃗ ⃗ + + e e e⃗ z r θ ∂z2 ∂z2 ∂z2

=[

∂2 u r 1 ∂u r 2 ∂u θ ∂2 u r 1 ∂2 u r u r + ⋅ − 2 − 2 ⋅ ] e⃗ r + 2 ⋅ + 2 2 r ∂r ∂θ ∂r r ∂θ r r ∂z2

+[

∂2 u θ 1 ∂u θ 2 ∂u r ∂2 u θ 1 ∂2 u θ u θ + ⋅ − 2 + 2 ⋅ + 2 ⋅ + ] e⃗ θ 2 2 r ∂r ∂θ ∂r r ∂θ r r ∂z2

+[

∂2 u z 1 ∂u z 1 ∂2 u z ∂2 u z + ⋅ + ] e⃗ z ⋅ + r ∂r ∂r2 r2 ∂θ2 ∂z2

Damit ist alles bewiesen und es ergibt sich endlich u2θ u θ ∂u r ∂u r ∂u r ∂u r ∂t + u r ⋅ ∂r + r ⋅ ∂θ − r + u z ⋅ ∂z ρ ( ∂u θ + u r ⋅ ∂u θ + u θ ⋅ ∂u θ + u r u θ + u z ⋅ ∂u θ ) r r ∂t ∂r ∂θ ∂z ∂u z u θ ∂u z ∂u z ∂z + u ⋅ + ⋅ + u ⋅ r z r ∂t ∂r ∂θ ∂z

∂p ∂r + ( 1 ⋅ dp ) r dθ ∂p ∂z

2

∂u r ur 1 ∂ 1 ∂ ur 2 ∂u θ gr r ⋅ ∂r (r ⋅ ∂r ) + r 2 ⋅ ∂θ 2 − r 2 − r 2 ⋅ ∂θ + 2 uθ ∂ 1 ∂ uθ 2 ∂u r θ − ρ (g θ ) − η ( 1r ⋅ ∂r (r ⋅ ∂u ∂r ) + r 2 ⋅ ∂θ 2 − r 2 + r 2 ⋅ ∂θ + 2 2 1 gz ⋅ ∂ (r ⋅ ∂u z ) + 1 ⋅ ∂ u z + ∂ u z r

∂r

∂r

r2

∂θ 2

∂z2

∂2 ur ∂z2 ∂2 uθ ) ∂z2

=0.

Übungen 1.

Eine viskose Flüssigkeit der Dicke 2h befindet sich zwischen zwei ruhenden par­ allelen Platten, die um den Winkel α gegenüber der Vertikalen geneigt sind. Die Flüssigkeit fließt aufgrund der Gravitation allein, stationär bei gleichbleibender Dicke innerhalb der Platten hinab. Das Kooordinatensystem wird ebenfalls um denselben Winkel gedreht und die x-Achse auf halber Höhe gelegt. a) Bestimmen Sie das stationäre Geschwindigkeitsprofil. b) Wie groß ist der Durchfluss für α = 2π auf einer Breite b? c) Wie lautet die Druckfunktion p(y)?

2.

Dies ist eine Variante der Poiseuille-Strömung durch ein kreisrundes Rohr. Das Fluid strömt aufgrund eines Druckgradienten ∂p ∂z in z-Richtung durch einen Kreis­ ring mit innerem Radius r1 und äußerem Radius r2 (Abb. 1). a) Bestimmen Sie das stationäre Geschwindigkeitsprofil. Die Gravitation in y-Richtung ist wirkungslos. b) Für welchen Radius r∗ ist die Geschwindigkeit des Profils am größten?

Abb. 2: Skizze zu Beispiel 2

3.

Eine Variante zu Aufgabe 2 besteht darin, dass der Druckgradient ∂p ∂z entfällt, man aber die äußere Rohrumrandung gleichmäßig mit der Geschwindigkeit u 0 bewegt, wobei der innere Zylinder in Ruhe verharrt. a) Bestimmen Sie das stationäre Geschwindigkeitsprofil im Inneren der beiden Rohre. b) Welche Strömung erhält man im Fall r1 → 0? c) Für r1 → r2 wird die Strömung immer weiter eingeengt. Zeigen Sie, dass für kleine Strömungshöhen ∆r = r2 −r1 das Profil einer ebenen Couette-Strömung gleichkommt. Verwenden Sie ln(1 + x) ≈ x für x ≪ 1.

https://doi.org/10.1515/9783110684544-009

246 | Übungen 4. Die ebene Couette-Strömung soll mit einem konstanten Druckgradienten ∂p ∂x kom­ biniert werden. Die beiden Platten befinden sich in einem Abstand h und die obere Platte wird mit der konstanten Geschwindigkeit u 0 gegenüber der ruhenden Platte bewegt. a) Bestimmen Sie das Geschwindigkeitsprofil u x (z) aus der x-Komponente der Navier-Stokes-Gleichung, falls die Strömungsrichtung in Richtung der x-Achse gelegt wird. b) Schreiben Sie den Ausdruck für u x (z) mit den dimensionslosen Größen ∂p z u x (z) h2 h , u0 und dem Faktor P = − 2ηu0 ⋅ ∂x . P heißt dimensionsloser Druck­ gradient. c) Lösen Sie das entstehende quadratische Profil von b) nach hz auf. Wählen Sie dar und nacheinander P = −3, −2, −1, 0, 1, 2, 3, stellen Sie hz gegenüber u xu(z) 0 interpretieren Sie die Graphen. d) Für welches Verhältnis hz in Abhängigkeit von P wird die Strömungsgeschwin­ digkeit am größten? 5.

Wir betrachten die Couette-Strömung zweier konzentrischer Zylinder der Länge l für den Fall, dass beide Zylinder mit derselben Winkelgeschwindigkeit Ω die Flüs­ sigkeit in Bewegung setzen, aber in entgegengesetzten Drehrichtungen. Zudem sei R2 = λR1 mit λ > 1. a) Bestimmen Sie das zugehörige stationäre Geschwindigkeitsprofil. b) An welchen Stellen würden die Fluidteilchen regungslos bleiben? c) Wie verhalten sich die Spannungen an den Zylinderwänden, falls die gesamte Rotation plötzlich eingestellt wird? d) Welche Kraft pro Zylinderlänge müsste man mindestens aufwenden, um da­ nach die Zylinder in jeweils entgegengesetzter Richtung mit der Winkelge­ schwindigkeit Ω wieder in Gang zu setzen?

6.

Kofferfische besitzen einen Druckbeiwert von etwa cD = 0,06. Wir modellieren den Fisch durch einen zylinderförmigen Bauch mit 15 cm Höhe wie auch Durch­ messer. Den beiden Kreisflächen wird ein senkrechter Kegel der Höhe 5 cm aufge­ setzt. Die beiden Kegelspitzen seien S1 und S2 . Der Fisch schwimmt in Richtung S1 S⃗ 2 und erreicht dabei eine Geschwindigkeit von u = 1,5 ms . Die Stoffwerte des kg −6 m2 und die kritische Reynoldszahl Wassers sind ρ = 1025 m 3 und ν = 1,3 ⋅ 10 s liegt mit Rekrit = 4 ⋅ 105 vor. a) Stellen Sie sicher, dass die Strömung um den Fischkörper laminar bleibt. b) Bestimmen Sie seinen Reibungswiderstand. c) Wie groß wird sein Formwiderstand?

7.

Schätzen Sie die Verdrängungsdicke δ1 und die Impulsverlustdicke δ2 für ein li­ y ⋅ u ∞ ab. Integrieren Sie dabei von 0 neares Geschwindigkeitsprofils u(x, y) = δ(x) bis δ.

Übungen | 247

8. Ein 1 m breiter Keil mit Innenwinkel 45° und Kantenlänge l = 0,5 m wird par­ allel zur Symmetrieachse laminar angeströmt. Die Stoffwerte des Wassers sind kg −6 m2 . ρ = 1000 m 3 und ν = 10 s a) Wie lautet das Geschwindigkeitsprofil u δ (x) = a ⋅ x m der Außenströmung? b) Am Ort (−d, 0) beträgt die Geschwindigkeit u 0 . In welcher Entfernung auf dem Grenzschichtrand von der Keilspitze aus gemessen ist die Geschwindig­ keit ebenfalls u 0 ? c) Bestimmen Sie den Grenzschichtverlauf als Funktion von a und x. d) Wie groß ist der Reibungswiderstand auf der Oberseite des Keils als Funktion von a? 9.

Eine Strömung weist bei einer Lauflänge von l = 1 m einen konstanten Pohlhau­ sen-Parameter von λ = −4 auf. a) Um welche Strömungsart handelt es sich? b) Wie groß ist der zugehörige Exponent m des Außenströmungsprofils u δ (x) = a ⋅ xm ? c) Bestimmen Sie den Abknickwinkel β gegenüber der Horizontalen. d) Wie sieht der Grenzschichtverlauf aus? e) Geben Sie das dimensionslose Geschwindigkeitsprofil uuδ (x, y) an.

10. Gegeben ist die Außenströmung u δ (x) = ax einer Staupunktströmung. a) Setzen Sie u δ (x) in Gleichung (3.47) ein und zeigen Sie das bekannte Ergebnis, dass die Grenzschicht konstant ist. b) Bestätigen Sie den Pohlhausen-Parameter λ = 7,052 für die Staupunktströ­ mung, indem Sie u δ (x) in (3.48) einsetzen und die entstandene Gleichung nach λ auflösen. 11. Eine quadratische metallische Platte der Länge l = 1,5 m wird quer zu einer Sei­ tenkante mit Wasserdampf der Temperatur T∞ = 140 °C bei einer Geschwin­ digkeit von u ∞ = 1 ms parallel zu dessen Oberfläche angeströmt. Die Platten­ temperatur soll auf TW = 100 °C gehalten werden und die Stoffwerte betragen 2 W ν = 2,34 ⋅ 10−5 ms und λ = 0,027 mK (beide bei der Bezugstemperatur TB = T ∞ +T W = 120 °C). In diesem Fall ist Pr = 1,04. 2 Rechnen Sie für die Aufgaben a) und b) mit Pr = 1. a) Das dimensionslose Geschwindigkeitsprofil uu∞ liege entweder über die Bla­ sius-Lösung oder das Pohlhausen-Polynom vor. Dies vorausgesetzt, soll das dimensionslose Temperaturprofil als Funktion von uu∞ bestimmt werden. b) Geben Sie die Temperaturgrenzschicht δT (x) als Funktion der Lauflänge x an. c) Wie groß ist die Nusselt-Zahl Num dieser Wärmeübertragung? d) Bestimmen Sie den fließenden Wärmestrom Q̇ vom Dampf auf die Platte.

248 | Übungen 12. Quer zu einem rechteckigen Teich der Länge l = 1,5 m und Breite b = 2 m weht ein Wind mit der Geschwindigkeit u ∞ = 2 ms parallel zu dessen Oberfläche. Die Temperatur des Windes beträgt TWind = 25 °C und diejenige des Teiches, die kon­ stant bleiben soll, TTeich = 15 °C. Die Prandtl-Zahl ist Pr = 0,71 und die Stoffwerte 2 W (beide bei 20 °C). der Luft lauten ν = 1,54 ⋅ 10−5 ms und λ = 0,026 mK a) Bestimmen Sie die Nusselt-Zahl Num für diesen Wärmeübergang. Die Strö­ mung soll als laminar betrachtet werden. b) Welcher Wärmestrom Q̇ fließt von der Umgebungsluft ins Wasser? Trägheit Auftrieb 13. a) Zeigen Sie, dass die Grashof-Zahl Gr = γgl (TνW2 −T δ ) aus Gr = FFReibung ⋅ FReibung entsteht. Verwenden Sie dazu die Skalengrößen l, u (irgendeine Geschwin­ digkeit) und T. Beachten Sie, dass für ein ideales Gas γ = 1T gilt. F Auftrieb Gr b) Zeigen Sie, dass die Archimedes-Zahl Ar = Re gewonnen 2 aus Ar = F Trägheit werden kann. Die zu verwendenden Skalengrößen sind l, u 0 und T. Beachten F Trägheit gilt. Sie, dass für die Reynolds-Zahl Re = FReibung 3

F

14. In einem geschlossenen Raum ist ein rechteckiger Heizkörper der Höhe l = 2 m und der Breite b = 1 m an einer Wand befestigt. Die Temperaturen des Heizkör­ pers, der umgebenden Luft und der Wand betragen TH = 60°, TL = 20° bzw. TW = 15°. Die Heizleistung setzt sich aus einem Konvektions- und einem Strah­ lungsteil zusammen. (Die abgegebene Leistung auf der Rückseite des Heizkörpers soll immer unbeachtet bleiben.) Mit Hilfe des Modells des umschlossenen Körpers kann man zur Berechnung der Strahlungsleistung das umgebende Medium sozu­ sagen „überspringen“ und die Nettostrahlung Q̇ S zwischen Heizkörper und Wand betrachten (vgl. 4. Band). Ist zudem die Wandfläche viel größer als diejenige des 4 Körpers AH , dann gilt in sehr guter Näherung Q̇ S = εH ⋅ AH ⋅ σ ⋅ (TH4 − TW ) mit dem Emissionsgrad εH des Körpers. a) Berechnen Sie die gesamte Heizleistung. b) Die gesamte Heizleistung beträgt Q̇ = 580 W. Bestimmen Sie die zugehöri­ ge Temperatur TH des Heizkörpers. Beginnen Sie mit einem Schätzwert und interpolieren Sie die zwei Stoffwerte ν, λ und die Prandtl-Zahl für die Bezugs­ temperatur mit Hilfe der Tabelle aus Kapitel 5.3. 15. Auf einem mit der Geschwindigkeit c = 1 ms (relativ zu einem Beobachter am Ufer) fließenden Fluss fährt ein Motorboot zuerst stromaufwärts und danach stromab­ wärts. In beiden Fällen soll die Bootsgeschwindigkeit u = 5 ms (relativ zu einem Beobachter am Ufer) betragen. Um die Aufgabe wie eine Plattenströmung zu be­ handeln, wählen wir einen flachen, rechteckigen Bootsrumpf mit 10 m Länge und kg −6 m2 . Die 2 m Breite. Die Stoffwerte des Wassers sind ρ = 1000 m 3 und ν = 1,4 ⋅ 10 s kritische Reynolds-Zahl liegt mit Rekrit = 4 ⋅ 105 ebenfalls vor.

Übungen |

249

a) Bestimmen Sie die laminaren und turbulenten Lauflängen stromaufwärts und stromabwärts. b) Berechnen Sie den Gesamtwiderstand des Bootes stromaufwärts und strom­ abwärts. c) Welcher Unterschied der Motorenleistung ergibt sich daraus? 16. Für einen Hochgeschwindigkeitsrekord am Boden wird ein b = 1 m breites Fahr­ zeug entworfen, dessen Querschnittsprofil durch die Funktion f(x) = 2,5 ⋅ x ⋅ e−2x kg gegeben ist. Die Stoffwerte der umgebenden Luft sind ρ = 1,21 m 3 und ν = 15 ⋅

10−6 ms . Außerdem beträgt die kritische Reynolds-Zahl Rekrit = 4⋅105 . Es soll eine Geschwindigkeit von u = 350 ms erreicht werden. a) Welche Bereiche des Profils kommen für eine Grenzschichtablösung in Frage? b) Da die Strömung im kritischen Bereich von a) turbulent ist, wird sie sich auch länger an der Profiloberfläche halten. Nehmen wir an, dass es, falls notwen­ dig, durch Absaugen gelingt, die Ablösung entlang der gesamten Kontur zu verhindern. Unter diesen Annahmen sollen die laminare und turbulente Lauflänge bestimmt werden. c) Damit die turbulente Grenzschicht auch am Heck nicht ablöst, stellen wir uns das Profil ab dem Heck linear in eine Spitze zulaufend vor. Um wieviel steigt dadurch die turbulente Lauflänge? d) Berechnen Sie den gesamten Reibungswiderstand des Profils. Rechnen Sie mit einem Druckbeiwert von cD = 0,05. Der Widerstand an den Seitenflächen soll nicht beachtet werden. 2

17. Ein zylinderförmiger Pfeiler mit konstantem Durchmesser d = 0,8 m wird mit Wasser und einer Reynolds-Zahl von Red = 4,5 ⋅ 105 angeströmt (Abb. 3 links). Wir nehmen an, die Geschwindigkeit sei auf einer Höhe von h = 2 m konstant. Als Näherung behandeln wir diese Aufgabe als Umströmung einer leicht gekrümm­ kg −6 m2 . ten Platte. Die Stoffwerte des Wassers lauten ρ = 1000 m 3 und ν = 1,4 ⋅ 10 s Wir nehmen an, dass nach einer laminaren Lauflänge llam die Strömung auf ei­ ner Strecke von ltur turbulent verläuft und sich im Punkt A ablöst. Der zugehörige Mittelpunktswinkel sei α = 125°. a) Welcher Anströmgeschwindigkeit entspricht dies? b) Bestimmen Sie die Lauflänge llam . c) Wie groß wird ltur ? d) Bestimmen Sie den gesamten Widerstand des Körpers. Nehmen Sie zur Be­ rechnung des Formwiderstands einen Druckbeiwert von cD = 0,35 an (vgl. Abb. 3.1).

250 | Übungen

Abb. 3: Skizzen zu Beispielen 17 und 18

18. Ein Tiefsee-U-Boot besitzt die Form eines Zylinders mit je einer aufgesetzten Halb­ kugel am Bug und Heck. Die Maße entnimmt man (Abb. 3 rechts). Das U-Boot bewegt sich in einer gewissen Tiefe mit der Geschwindigkeit u = 3,5 ms . Als Näherung behandeln wir diese Aufgabe als Umströmung einer leicht gekrümmten Platte. Die kritische Reynolds-Zahl liegt mit Rekrit = 4 ⋅ 105 vor. Weiter sind die Stoffwerte 2 der Salzwassers ρ = 1025 mkg3 und ν = 1,4 ⋅ 10−6 ms gegeben. a) Wie groß wird die laminare Lauflänge am Bug? b) Wir nehmen an, dass sich die turbulente Strömung erst im Punkt A ablöst. Bestimmen Sie die Dicke der turbulenten Grenzschicht im Punkt P. c) Wie groß wird der gesamte Widerstand entlang der U-Boot-Oberfläche? Ver­ nachlässigen Sie dazu den laminaren Widerstand und nehmen Sie eine vom Staupunkt startende turbulente Lauflänge an. Rechnen Sie mit einem Form­ widerstand von cD = 0,09. 20. Durch ein Rohr der Länge l = 1 km mit einem Durchmesser d = 0,2 m strömt Wasserdampf der Temperatur T = 300 °C mit einer Anfangsgeschwindigkeit u 1 = 25 ms und einem Anfangsdruck p1 bei einem isothermen Betrieb. Am Ende des Rohrs stellt sich ein Druck von p2 = 48 bar ein. Die Stoffwerte des Wasserdampfs sind bei einem Druck von 50 bar ermittelt und betragen ρ 1 = 22,052 mkg3 und ν1 =

0,897 ⋅ 10−5 ms . Das Rohr sei glatt. Bestimmen Sie den Anfangsdruck p1 und den Druckverlust ∆pV mittels Iteration. Vernachlässigen Sie dabei die Änderung der kinetischen Energie. 2

21. Gegeben ist ein Rechteckgerinne der Breite b = 10 m mit einer gleichbleiben­ den Wassertiefe h = 1 m. Sohlneigung und Rauheit betragen J = 0,001 bzw. 2 k = 0,05 m. Die kinematische Viskosität (des Wassers) ist ν = 1,3 ⋅ 10−6 ms . Gesucht ist die mittlere Fließgeschwindigkeit bei Normalabfluss mit Hilfe von a) Gleichung (7.19) b) Gleichung (7.16). 22. Durch eine Trapezrinne mit einer Sohlbreite b = 6 m, einer gleichbleibenden Was­ sertiefe h = 2 m, einer Wasserspiegelbreite a = 10 m und einer Rauheit k =

Übungen |

251

3

0,08 m fließt durchschittlich Q = 24 ms Wasser mit einer kinematischen Visko­ 2 sität von ν = 1,3 ⋅ 10−6 ms . Bestimmen Sie die zugehörige Sohlneigung J unter der Annahme eines Normalabflusses mit Hilfe von a) Gleichung (7.19) b) Gleichung (7.16). 23. Ein Wind bläst über einen ruhenden See. In 5 m bzw. 20 m über der Wasserober­ fläche betragen die Windgeschwindigkeiten 15,5 ms bzw. 18 ms . Die Dichte der Luft kg ist ρ = 1,21 m 3. a) Bestimmen Sie das Geschwindigkeitsprofil der Windströmung und die Wind­ schubspannung. b) Vergleichen Sie das Ergebnis für die Windschubspannung aus a) mit Hilfe der Gleichungen (7.22) und (7.23). 24. Durch eine b = 3 m breite Rechteckrinne mit einer Sohlneigung von J = 0,0002 3 und einer Rohrreibungszahl λ = 0,02 fließt durchschittlich Q = 1 ms Wasser der kg Dichte ρ W = 103 m3 . a) Bestimmen Sie die sich bei Normalabfluss einstellende Wassertiefe. b) Beantworten Sie die Frage aus a) für den Fall, dass gleichzeitig ein Wind mit der Geschwindigkeit u 10 = 30 ms über die Gerinneoberfläche bläst. Die Dichte der Luft beträgt ρ L = 1,21 mkg3 . c) Welche mittlere Fließgeschwindigkeit des Gerinnes stellt sich im Fall b) ein? d) Wie groß ist im Fall b) die Windschubspannung? 25. Ein Wind der Geschwindigkeit u 10 = 15 ms greift an der Oberfläche eines in glei­ cher Richtung wie der Wind fließenden rechteckigen Gerinnes an. Wir nehmen an, dass die Windschubspannung dreimal so groß wie die Sohlschubspannung ist. Zusätzlich sind folgende Größen gegeben: J = 0,0002, b = 3 m, λ = 0,02, 3 kg 3 kg Q = 0,5 ms , k = 1,5 cm, ρ L = 1,21 m 3 und ρ W = 10 m3 . a) Bestimmen Sie die sich einstellende Wassertiefe h. b) Wie lautet das dimensionslose Geschwindigkeitsprofil u(y) u∗ der Gerinneströ­ mung? c) Wie groß wird die Fließgeschwindigkeit auf halber Gerinnehöhe als Vielfa­ ches von u ∗ ? d) Auf welcher Höhe beträgt die dimensionslose Fließgeschwindigkeit 3,05? 26. Bei einem Seehafen ragt die Ufermauer senkrecht über der horizontalen Sohle auf. Entlang einer Strecke von l = 1 km von einem Punkt auf dem See bis hin zur Böschung weht ein Wind mit der Geschwindigkeit u 10 = 50 ms über die Was­ seroberfläche senkrecht zur Böschung. Man misst dadurch einen Windstau von kg 3 kg ∆h = 7 cm. Es gilt k = 5 cm und die Stoffwerte sind ρ L = 1,21 m 3 , ρ W = 10 m3 . a) Bestimmen Sie die Oberflächenneigung J E . b) Wie tief ist das Wasser im Angriffspunkt des Windes und an der Böschung?

Weiterführende Literatur F. Buchner. Berechnung von turbulenten Plattengrenzschichten mittels algebraischem Turbulenzmo­ dell. Diplomarbeit, Universität Wien, März 2001. B. Eck. Technische Strömungslehre. Springer, 2. Auflage, 1944. ISBN 978-3-662-05457-4. E. R. G. Eckert. Einführung in den Wärme- und Stoffaustausch. Springer, 3. Auflage, 1966. ISBN 978-3-642-86494-0. R. Fitzpatrick. Fluid Mechanics. Vorlesungsskript, University of Texas at Austin, 2016. K. Gersten. Einführung in die Strömungsmechanik. Springer, 2. Auflage, 1981. ISBN 978-3-528-03344-6. H. Herwig. Wärmeübertragung A–Z. Springer, 2000. ISBN 978-3-642-63106-1. H. Herwig. Strömungsmechanik. Vieweg und Teubner, 2008. ISBN 978-3-8348-0334-4. M. Hölling. Asymptotische Analyse von turbulenten Strömungen bei hohen Rayleigh-Zahlen. Disser­ tation, Cuvillier Verlag Göttingen, 2006. ISBN 3-86727-015-5. M. Kargl. Turbulenzen. Vorlesungsskript, Universität Regensburg, 5. Februar 2010. W. Kaufmann. Hydro- und Aeromechanik. Springer, 1954. ISBN 978-3-642-52918-4. M. Köhler. Development and Implementation of a Method for Solving the Laminar Boundary Layer Equations in Airfoil Flows. Master Thesis, Universität Darmstadt, August 2011. S. Krüger. Instationäre Grenzschichteffekte an Tragflügelprofilen. TUHH, 1992. ISBN 3-89220-529-9. A. Malcherek. Hydrodynamik für Bauingenieure, Version 6.3. Universität der Bundeswehr München, 2004. A. Malcherek. Vorlesungsvideos auf youtube: Fliessgewässer 10, Seegang 1–4, Turbulenz 2–11. Universität der Bundeswehr München, 2015–2019. G. P. Merker. Konvektive Wärmeübertragung. Springer, 1987. ISBN 13:978-3-642-82890-4. G. P. Merker und C. Baumgarten. Fluid- und Wärmetransport Strömungslehre. Teubner, 2000. ISBN 3-519-06385-9. F. K. Moore. Theory of Laminar Flows, Princeton Legacy Library. Oxford University, L. C. Card 62-9129, 1964. J. N. Newman. Marine Hydrodynamics. MIT Press, 2017. Institute of Technology Massachusetts, ISBN 9780262534826. H. Oertel, Jr. Prandtl-Füher durch die Strömungslehre. Vieweg, 10. Auflage, 2001. ISBN 978-3-322-94255-5. H. Oertel, Jr, M. Böhle und U. Dohrmann. Strömungsmechanik. Vieweg&Teubner, 5. Auflage, 2009. ISBN 978-3-8348-0483-9. T. Papanastasiou, G. Georgiou und A. Alexandrou. Viscous Fluid Flow. CRC Press, Boca Raton, 1999. R. Pischinger, M. Kell und T. Sams. Thermodynamik der Verbrennungskraftmaschine. Springer, 3. Auflage, 2009. ISBN 978-3211-99276-0. S. Rill. Aerodynamik des Flugzeugs. Vorlesungsskript, Hochschule Bremen, 1996. H. Schlichting und K. Gersten. Grenzschicht-Theorie. Springer, 9. Auflage, 1997. ISBN 978-3-662-07555-5. H. Schlichting und E. Truckenbrodt. Aerodynamik des Flugzeuges. Springer, 3. Auflage, 2001. ISBN 978-3-642-63148-1. W. Schröder. Fluidmechanik, Band 16. Verlagshaus Aachen, Mainz, 2000. ISBN 978-3-95886-221-0. W. Schroeder. Strömungs- und Temperaturgrenzschichten. Vorlesungsskript, Universität Aachen, Sommersemester 2019. H. E. Siekmann. Strömungslehre für den Maschinenbau. Springer, 2001. ISBN 978-3-540-42041-5. H. Sigloch. Technische Fluidmechanik. Springer, 5. Auflage, 2005. ISBN 3-540-22008-9. J. H. Spurk. Strömungslehre. Springer, 4. Auflage, 1996. ISBN 978-3-540-61308-4. https://doi.org/10.1515/9783110684544-010

254 | Weiterführende Literatur

J. H. Spurk und N. Aksel. Strömungslehre. Springer, 7. Auflage, 2007. ISBN 10-3-540-38439-1. E. Truckenbrodt. Fluidmechanik, Band 2. Springer, 4. Auflage, 2009. ISBN 978-3-540-79023-5. K. Wieghardt. Theoretische Strömungslehre. Universitätsverlag Göttingen, 2. Auflage, 2005. ISBN 3-938616-33-4. K. Wilde. Wärme- und Stoffübergang in Strömungen. Dr.Dietrich Steinkopff Verlag, Darmstadt, 2. Auflage, 1978. ISBN 13:978-3-642-72335-3.

Stichwortverzeichnis Absorptionsgrad 132 adiabat 104, 190, 192, 195, 199, 201, 202 Adiabatenexponenten 192, 200, 202 Ähnlichkeitsvariable 38, 54, 55, 109, 116 Anfachrate 144 Anlaufströmung 28 Archimedes-Zahl 123, 248 Auftrieb 71, 120, 123 Bernoulli-Gleichung 1, 42, 52, 70, 73, 94, 189, 195, 200, 201 Bessel-Funktion 32, 33, 35, 36 Bessel’sche DGL 30, 35 Blasius 46, 55, 57, 59–61, 65, 80, 81, 97, 100, 110, 141, 142, 145, 147, 148, 168, 169, 247 Boussinesq 121 Charnock 216 Colebrook-White 168, 176, 210 Couette 11, 15, 16, 24–26, 34, 245, 246 Dachziegel 185 d’Alembert 41 de Chézy 1, 210 Diffusion 3, 43, 52, 77, 98, 102 Dirichlet 38, 199 Dissipation 85, 93, 98, 99, 193–195, 198 Doppelverglasung 138 Druckbeiwert 42, 43, 62, 71, 72, 177, 178, 180, 246, 249 Druckverteilung 3, 5, 6, 9, 72, 142 Druckwiderstand 41, 42, 61, 68, 69, 71 Durchfluss 5, 7, 9, 11, 219, 245 Düse 68, 113 Eckert-Zahl 92–94, 98 Eis 108 Emissionsgrad 132, 134, 248 Energiegefälle 210, 218, 226 Enthalpie 84, 195 Erdölleitung 188 Ethanollösung 105 Euler 1–3, 38, 44, 50, 200, 201 Euler-Gleichung 1–3, 44, 50, 200, 201 Falkner-Skan 66, 82, 110, 112 Farbfadenversuch 139 https://doi.org/10.1515/9783110684544-011

Fehlerfunkton 38 Fisch 62, 246 Fließformel 1, 210 Flussbett 162, 205 Formfaktoren 211, 212 Formwiderstand 42, 62, 63, 71, 177–179, 181, 246, 250 Fourier 27, 35, 87 Fourier-Koeffizienten 27, 35 Froude-Zahl 52, 159, 204 Gasgleichung 84, 94 Gnielinski 184, 185 Grashof-Zahl 123, 132, 248 Haftbedingung 22, 44, 156 Hagen-Poiseuille 1, 6, 142 Hauswand 131, 132, 134 hydrostatisch 6, 7, 9, 12, 121, 206 Impulsbilanz 46, 58, 218 Impulsverlustdicke 58, 59, 80, 171, 246 Indifferenzkurve 148, 149 Isentropenexponent 94 isobar 190 isotherm 193, 195, 201, 202, 250 Kàrmàn 71, 156, 170 Kompressor 190, 195 Konakov 185 Konvektion 3, 43, 44, 52, 85, 90, 93, 120, 122, 123, 126, 131–134, 137, 139, 140, 195 Korndurchmesser 160, 210 Korrekturfaktor 42, 100, 105, 119, 188, 197 Kupferrohr 186 Logarithmisches Wandgesetz 158 Mach-Zahl 49, 52, 94 Massenbilanz 45, 48, 57, 58 Millenniums-Problem 4, 140 Nachlauffunktion 161, 164 Nachlaufströmung 72 Neumann 31, 199 Neumann-Funktion 31 Newton 1, 2, 13, 47, 88, 166, 199

256 | Stichwortverzeichnis

Nikuradse 210 Normalabfluss 8, 206, 210, 213, 214, 218, 219, 222, 223, 227, 250, 251 Oberflächenneigung 226–230, 251 Olivenöl 62 Orr-Sommerfeld 141, 142, 144, 147, 148 Petukhov und Popov 184 Plattenwiderstandsgesetz 60 Pohlhausen-Parameter 77–79, 82, 148, 149, 247 Pohlhausen-Profil 80, 97, 102, 114 Poiseuille-Strömung 18, 30, 142, 245 Poisson 192, 200 Potentialströmung 1, 5, 41, 43, 64, 71 Pumpe 120, 190, 195, 196 Rayleigh-Problem 37 Reibungsbeiwert 60, 99, 172, 173 Reynolds-Analogie 99, 100 Sandrauheit 160 Schleppspannung 206, 214, 219 Schlichting 148 Schließungsproblem 154 Sedimentransport 225 Segelboot 180 Sekundärströmung 233 Sohlneigung 206, 208, 213, 214, 227, 250, 251 Sohlschubspannungsgeschwindigkeit 164, 206–208, 210 Sonne 131, 132 Staupunkt 42, 45, 69, 70, 72, 79, 250 Stefan-Boltzmann 133 Stokes-Problem 21 Strahlung 132, 134, 135, 190 Strickler 1, 210, 212 Stromfunktion 54, 64, 65, 123, 143, 144 Taylor 11, 154 Technische Arbeit 190, 191, 194, 195 Tensor 89 Tiefseeboot 178 Tollmien 141, 148 Totwassergebiet 42, 72 Tragflügel 71, 176 Turbine 190 Verdrängungsdicke 57, 58, 80, 148, 246 Verschiebungsarbeit 191

viskose Unterschicht 155–158, 163, 170, 174 Volumenänderungsarbeit 190, 191 Wandbindungsgleichung 73, 77, 143 Wandschubspannungsgeschwindigkeit 156, 161, 175 Wärmeleitung 30, 38, 85, 90, 93, 97–99, 102, 132, 185–187, 189, 197, 198 Wasserdampf 186, 201, 247, 250 Weisbach 167, 195, 200, 210, 218 Wirbelpaar 71 Womersley-Zahl 23 Zirkulationsströmung 225, 226