Vertragsbeendigung in der Insolvenz: Insolvenzbezogene Lösungsklauseln im Rechtsvergleich 9783161561948, 9783161561955, 3161561945

In welchem Umfang und warum verbieten verschiedene Rechtsordnungen den Einsatz von insolvenzbezogenen Lösungsklauseln? W

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Vertragsbeendigung in der Insolvenz: Insolvenzbezogene Lösungsklauseln im Rechtsvergleich
 9783161561948, 9783161561955, 3161561945

Table of contents :
Cover
Titel
Vorwort
Inhaltsübersicht
Inhaltsverzeichnis
Abkürzungsverzeichnis
Einleitung
I. Vertragliche Lösungsklauseln im Kontext des Insolvenzrechts
II. Vertragsbeendigung bei grenzüberschreitenden Insolvenzen
III. Forschungsstand und Methodik
IV. Gang der Darstellung
V. Abgrenzungen
VI. Begriffsbestimmungen
1. Gesamtvollstreckungsverfahren und Insolvenzrecht
a) Konkurs und Insolvenz
b) Insolvenzrecht und Insolvenzverfahren
c) Masseverbindlichkeiten und Insolvenzforderungen
2. Lösungsklauseln
Kapitel 1: Länderberichte
§ 1 Insolvenzsysteme im Überblick
A. Deutschland
B. Schweiz
C. Österreich
D. Frankreich
I. Präventive Verfahren
II. Ordentliche Insolvenzverfahren
E. Rechtskreis des common law
I. Gegenüberstellung des US-amerikanischen und englischen Rechts
II. USA
III. England und Wales
1. Liquidation
2. Administration
3. Receivership
4. Company voluntary arrangement
5. Scheme of arrangement
§ 2 Behandlung schwebender Verträge im Rechtsvergleich
A. Auswirkungen eines Insolvenzverfahrens auf die Vertragsbeziehung
B. Das Wahlrecht des Insolvenzverwalters
I. Allgemeines Prinzip des Verwalterwahlrechts
II. Deutschland
1. Grundlegendes
2. Wahlrecht: Erfüllungswahl
3. Wahlrecht: Ablehnungsentscheidung
4. Ausübungsfrist und Aufforderung zur Erfüllungswahl
5. Gesetzliche Vertragsbeendigung
III. Schweiz
1. Grundlegendes
2. Wahlrecht: Erfüllungswahl
3. Wahlrecht: Ablehnungsentscheidung
4. Ausübungsfrist und Aufforderung zur Erfüllungswahl
5. Gesetzliche Beendigungsrechte
IV. Österreich
1. Grundlegendes
2. Wahlrecht: Erfüllungswahl
3. Wahlrecht: Ablehnungsentscheidung
4. Ausübungsfrist und Aufforderung zur Erfüllungswahl
V. Frankreich
1. Grundlegendes
2. Wahlrecht: Erfüllungswahl
3. Wahlrecht: Ablehnungsentscheidung
4. Ausübungsfrist und Aufforderung zur Erfüllungswahl
VI. USA
1. Grundlegendes
2. Wahlrecht: Erfüllungswahl
3. Wahlrecht: Ablehnungsentscheidung
4. Ausübungsfrist und Aufforderung zur Erfüllungswahl sowie gerichtliche Kontrolle
VII. England und Wales
1. Grundlegendes
2. Wahlrecht im Liquidationsverfahren
3. Wahlrecht im Administrationsverfahren
C. Weiterführende rechtsvergleichende Bemerkungen
I. Erfüllungsstadium des Vertragsverhältnisses – schwebende Verträge
II. Ausgenommene Vertragstypen
III. Aufforderung zur Ausübung des Wahlrechts
IV. Entscheidungsautonomie des Verwalters
V. Rechtsfolgen der Erfüllungswahl
VI. Rechtsfolgen der Wahl der Nichterfüllung
D. Zwischenergebnis
§ 3 Vertragliche Lösungsklauseln im Rechtsvergleich
A. Deutschland
I. Umstrittene Rechtslage vor dem Jahr 2012
1. Historischer Streitstand unter den Konkursordnungen
2. Neuere Literaturansichten
II. Kehrtwende durch den Bundesgerichtshof im Jahr 2012
1. Entscheidungssachverhalt
2. Begründung des Bundesgerichtshofs
3. Obiter dicta
III. Diskurs nach dem Urteil des Bundesgerichtshofs im Jahr 2012
1. Ausdehnung der Entscheidung auf weitere Vertragstypen
2. Verhältnis der Entscheidung zur Vertragsfreiheit
3. Verhältnis zu gesetzlichen Vertragsbeendigungsklauseln
4. Verhältnis zur bisherigen höchstrichterlichen Rechtsprechung
5. Verhältnis zu insolvenzunabhängigen Lösungsklauseln
6. Erste wirtschaftliche Betrachtung bei Energielieferungsverträgen
IV. Konkretisierung durch den Bundesgerichtshof im Jahr 2016
1. Entscheidungssachverhalt
2. Begründung des Bundesgerichtshofs
3. Literaturansichten nach der Entscheidung
V. Würdigung
B. Schweiz
I. Verfahrensrechtlicher Charakter des Verwalterwahlrechts
II. Systematische und teleologische Erwägungen der Lehre
1. Materiellrechtliche Grenzen der Vertragsfreiheit
2. Verstoß gegen die Gläubigergleichbehandlung
3. Ungewissheit in der Insolvenz
4. Vergleich mit gesetzlichen Lösungsrechten
III. Anfechtungsmöglichkeit
IV. Abweichende Ansichten
1. Generelle Unwirksamkeit von insolvenzbezogenen Lösungsklauseln
2. Einschränkung im Einzelfall bei Ausübung der Lösungsklauseln nach Konkurseröffnung oder entgegenstehenden Insolvenzzwecken
V. Würdigung
1. Verfahrensrechtliche Einordnung des Verwalterwahlrechts
2. Einschränkende Literaturansichten
3. Unzureichende gesetzliche Regelung des Wahlrechts
C. Österreich
I. Historische Entwicklung
II. Reform von 2010: Einschränkungen insolvenzbezogener Vertragsklauseln
1. Funktionsweise und Telos der §§ 25a, b IO
a) § 25a IO
aa) Regelungsinhalt
bb) Sachlicher Anwendungsbereich
cc) Zeitlicher Anwendungsbereich
dd) Offene Diskussionen
b) § 25b IO
aa) Regelungsinhalt
bb) Sachlicher Anwendungsbereich
cc) § 25b IO: Zeitlicher Anwendungsbereich
dd) § 25b IO: Auf den Insolvenzfall auflösend bedingter Forderungsverzicht
2. Zusammenspiel mit der Erklärungsfrist nach § 21 IO
III. Würdigung
D. Frankreich
I. Verbotsregelung des L. 622-13 C.com
II. Historie und gesetzliche Systematik
III. Zeitlicher und sachlicher Anwendungsbereich des Verbots
IV. Extensive Auslegung des Lösungsverbots
V. Würdigung
E. Rechtskreis des common law
I. USA
1. Zusammenspiel verschiedener Normen zum Schutz des Insolvenzverfahrens
a) 11 U.S.C. §§ 541, 363, 366
b) Automatic stay in 11 U.S.C. § 362
c) Zentralnorm zum Schutz des Verwalterwahlrechts 11 U.S.C. § 365 (e)
2. Sachlicher Anwendungsbereich
3. Reichweite des Verbots: non-executory contracts und insolvenzunabhängige Lösungsklauseln
4. Zeitlicher Anwendungsbereich
5. Ausübungsfrist des Verwalterwahlrechts: eine Abwägung der Interessen von Gläubiger und Schuldner
6. Schranken der Vertragsfreiheit
7. Sonderregelung für Versorgungsverträge
8. Würdigung
a) Verbotsregelung
b) Versorgungsverträge
c) Rechtsentwicklung und Rezeption
II. England
1. Common law-Rechtslage
a) Pari passu principle
b) Anti-deprivation rule
2. Weg zur Gesetzesreform im Jahr 2015
3. Reform von 2015: Einschränkungen insolvenzbezogener Vertragsklauseln
4. Würdigung
F. Im Überblick: Tour d’horizon weiterer Rechtsordnungen
I. Australien
II. Dänemark
III. Griechenland
IV. Italien
V. Kanada
VI. Neuseeland
VII. Niederlande
VIII. Polen
IX. Rumänien
X. Schweden
XI. Spanien
XII. Südkorea
G. Fazit
§ 4 Sonderregelungen für bestimmte Vertragstypen
A. Finanzprodukte/Derivate/Close-Out-Netting
I. Deutschland
1. Fixgeschäfte (§ 104 Abs. 1 Satz 1 InsO)
2. Verträge über Finanzleistungen (§ 104 Abs. 1 Satz 2 InsO)
3. Exkurs: Kreditinstitute-Reorganisationsgesetz
4. Zwischenergebnis
II. Österreich
III. Schweiz
IV. Frankreich
V. USA
VI. England
VII. Fazit
B. Mietverträge
I. Deutschland
II. Österreich
III. Schweiz
IV. Frankreich
V. USA
VI. Fazit
§ 5 Rechtsvergleichende Systematisierung
A. Wertende Gegenüberstellung
I. Gruppe 1: liberaler Ansatz zu Lösungsklauseln
II. Gruppe 2: vermittelnde Lösung
III. Gruppe 3: restriktiver Ansatz zu Lösungsklauseln
B. Ausgewählte Einzelmerkmale
I. Anknüpfungsmomente
II. Vertragstypen: Einschränkungen und Ausnahmen
III. Rechtsfolge des Verbots und dessen Auslösungszeitpunkt
IV. Gesetzliche oder rechtsgeschäftliche Beendigungsmöglichkeiten
V. Ungewissheiten: Ausübungsfristen für das Wahlrecht – Kompensation des solventen Vertragspartners
C. Beispiel: Energielieferungsverträge
Kapitel 2: Rechtsvergleichende Analyse
§ 6 Vertragsfreiheit und gesetzliches Verbot von Lösungsklauseln – juristische Kernargumente
A. Vertragsfreiheit als pars pro toto der Privatautonomie
B. Allgemeine Einschränkungen der Vertragsfreiheit
I. Gewährleistung der überindividuellen Funktionen der Vertragsfreiheit
II. Epochale Begrenzung der Vertragsfreiheit
III. Funktionsdefizite: Fremdbestimmung
1. Ausgleich struktureller Ungleichgewichte
2. Fremdbestimmung durch insolvenzbezogene Lösungsklauseln?
IV. Zwischenergebnis
C. Besondere (insolvenzrechtliche) Einschränkungen der Vertragsfreiheit
I. Gläubigergleichbehandlung
II. Insolvenzzweckwidrigkeit
1. Sanierungsziel
2. Topos der Insolvenzzweckwidrigkeit
III. Einschränkung des Verwalterwahlrechts
IV. Vergleich mit Absonderungsrechten
V. Umkehrschluss zu gesetzlichen Beendigungsrechten
D. Ergebnis
§ 7 Vertragsfreiheit und gesetzliches Verbot von Lösungsklauseln – ökonomische Analyse
A. Einführung
B. Einschränkungen des Effizienzprinzips
C. Ökonomische Analyse
I. Empirische Studie zur Effizienz von Insolvenzsystemen
II. Theoretische Studie zu Lösungsklauseln
III. Synthese
1. (Rationale) Entscheidungsmöglichkeiten
2. Ex post-Auswirkungen
a) Neuverhandlung und der Grundsatz pacta sunt servanda
b) Neuverhandlung und Externalitäten
3. Ex ante-Auswirkungen
a) Preisauswirkungen
b) Investitionsanreize
c) Verhandelbarkeit
d) Umgehungskosten
4. Pro Lösungsklauseln: die Ungewissheit in der Insolvenz?
a) Wirtschaftliche Interessen für Vertragsbeendigung in der Insolvenz
b) Ambiguity aversion
c) (Cumulative) Prospect Theory
IV. Zwischenergebnis
D. Stellungnahme und Fazit
§ 8 Rechtspolitische Erwägungen
A. Funktionswandel des Insolvenzrechts
I. Entwicklung in Europa
1. Ausgangspunkt: reine Schuldbetreibung durch Gesamtvollstreckung
2. Funktionswandel: Kultur der Reorganisation
II. Reichweite des anerkannten Sanierungszwecks
III. Schlussfolgerungen für Lösungsklauseln
B. Entwicklungen auf Ebene der Europäischen Union
C. CRI-Standard
I. Principles for Effective Creditor Rights and Insolvency Systems
II. Legislative Guide on Insolvency Law
D. Ergebnis
§ 9 Rechtsvergleichende Bewertung
A. Verbreitung von Lösungsklauseln als normative Kraft?
B. Kernbefunde der Untersuchung
I. Internationaler Trend: Verbote als moderne Insolvenzgesetzgebung
II. Wechsel der internationalen Rechtslage: Sanierungszweck
III. Vertragsfreiheit und wirtschaftliche Knappheit: eine Frage der Legitimität
1. Wirtschaftliche Knappheit und fremdbestimmende Elemente
2. Gesetzliches Leitbild: das Verwalterwahlrecht
3. Insolvenzbezug und Disponibilität
C. Fazit
Kapitel 3: Nationale Umsetzung von Klauselverboten
§ 10 Leitlinien eines Verbots
A. Zeitgemäßes Ergebnis – fragwürdige Begründung des IX. Senats des Bundesgerichtshofs (2012)
B. Fundierte Begründung – fragwürdiges Ergebnis des VII. Senats des Bundesgerichtshofs (2016)
C. Abgrenzungsentscheidung des IX. Senats des Bundesgerichtshofs (2017) – Die Insolvenz als wichtiger Grund
D. Allgemeines Verbot oder Abwägung im Einzelfall
E. Sinn und Zweck der Insolvenzbezogenheit
F. Überwindung der Trennung zwischen insolvenzabhängigen und insolvenzunabhängigen Lösungsklauseln – Ausübungssperren von Kündigungsrechten
§ 11 Konkretisierung des deutschen Diskurses
A. Erfasste Vertragstypen und Grenzen
I. Grundregel
II. Einschränkungen im Einzelfall: Gestaltungsinteresse
1. Ausgangspunkt
2. Abzulehnende Ansichten
3. Lösungsvorschlag auf Basis des Rechtsvergleichs
4. Fazit
III. Beispiele wichtiger Vertragstypen
1. Werkverträge, insbesondere Bauverträge
2. Energielieferungsverträge
3. Mietverträge
4. Grundstücksübertragung
5. Lizenzverträge / Franchiseverträge
6. Handelsvertreterverträge
7. IT-Verträge
IV. Bereichsausnahmen
B. Erfasste Anknüpfungsmomente und Rechtsfolgen
I. Insolvenzverfahrenseröffnung
II. Insolvenzeröffnungsverfahren
1. Vorwirkung des § 119 InsO: Liquiditäts- und Umgehungsschutz
a) Kritik am Ansatz des Bundesgerichtshofs
b) Wirtschaftliche Notwendigkeit der Verbotswirkungen im Eröffnungsverfahren und Anreize zur frühen Antragstellung
2. Insolvenzantragstellung
3. Zahlungseinstellung oder Überschuldung (materielle Insolvenzgründe) – Entwicklung einer Ausübungssperre für Kündigungsrechte
a) Aktuelle Rechtslage
b) Fehlende Legitimation der Nichtigkeitsfolge
c) Rechtsvergleichende Impulse
d) Ausübungssperre und Anreize zur rechtzeitigen Antragstellung
e) Dogmatische Legitimation der Ausübungssperre bei materiellen Insolvenzgründen
4. Insolvenzunabhängige Klauseln: ein neuer funktionaler Ansatz
a) Zulässigkeit insolvenzunabhängiger Klauseln: aktuelle Rechtslage
b) Einschränkung insolvenzunabhängiger Klauseln in der Insolvenz
c) Lösungsvorschlag: Ausübungssperre insolvenzunabhängiger Klauseln
d) Dogmatische Legitimation der Ausübungssperre bei insolvenzunabhängigen Lösungsklauseln
e) Nachinsolvenzliche Pflichtverletzungen
f) Umgehungsmöglichkeiten
III. Ordentliche Kündigungsrechte
IV. Gesetzliche Kündigungsrechte und das „Entsprechen“ vertraglicher Lösungsrechte
a) Wirksamkeit von gesetzlichen Lösungsmöglichkeiten
b) Regelmäßig fehlende tatbestandliche Voraussetzungen in der Insolvenz
c) „Entsprechen“-Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs
V. Zwischenergebnis: Kombination der Nichtigkeitsfolge mit einer Ausübungssperre
C. Insolvenzanfechtung
I. Voraussetzungen der Insolvenzanfechtung
1. Rechtshandlung: Vereinbarung der Lösungsklauseln
2. Rechtshandlung: Ausübung der Lösungsklausel
II. Kritik an diesem Lösungsansatz
III. Relevanz der Insolvenzanfechtung
D. Zusammenhang mit Ausübungsfrist des Wahlrechts – Interessenabwägung
E. Sonstige Einschränkungen der Vertragsbeendigung
F. Ergebnis
§ 12 Konkretisierung des schweizerischen Diskurses
A. Neubewertung des Eintrittsrechts
B. Korrektur der Bestimmungen zum Wahlrecht de lege ferenda
§ 13 Formulierung eines Gesetzesvorschlags
Kapitel 4: Internationales Privatrecht
§ 14 Internationales Insolvenzrecht im Kontext schwebender Verträge
A. Einführung
B. Aktuelle Rechtsprechung zum Konflikt zwischen Vertragsstatut und Insolvenzstatut
C. Exkurs: Entwicklung des Internationalen Insolvenzrechts
§ 15 Anwendbares Recht auf schwebende Verträge: Lösungsklauseln
A. Europäisches Kollisionsrecht
I. Wirkungsmechanismus der EuInsVO
II. Qualifikation von Lösungsverboten
III. Stellungnahme
B. Deutsches Kollisionsrecht
I. Wirkungsmechanismus der §§ 335 ff. InsO
II. Qualifikation von Lösungsverboten
III. Stellungnahme
C. Schweizerisches Kollisionsrecht
I. Grundlegendes zum schweizerischen internationalen Insolvenzrecht
II. Wirkungsmechanismus der Art. 166 ff. IPRG
III. Reformbestrebungen von 2016/2017
IV. Qualifikation von Lösungsrechten: Unterscheidung zwischen materiell-rechtlichen und verfahrensrechtlichen Wirkungen eines ausländischen Insolvenzverfahrens
V. Qualifikation der insolvenzrechtlichen Auswirkungen auf laufende Verträge
VI. Schlussfolgerungen der Qualifikation für ausländische Insolvenzverfahren
VII. Stellungnahme
D. Exkurs: CISG
E. Würdigung
I. Ausgangspunkt des Lösungsansatzes
II. Konkretisierung des Lösungsvorschlags
1. Fallgestaltung 1: lex fori concursus verbietet insolvenzbezogene Lösungsklauseln
a) Lösungsklauseln: Anknüpfung an das Insolvenzverfahren
b) Lösungsklauseln: vorinsolvenzliche Anknüpfungen
c) Lösungsklauseln: Schicksal nach Verfahrensende
2. Fallgestaltung 2: lex contractus verbietet insolvenzbezogene Lösungsklauseln
§ 16 Belegenheit eines schwebenden Vertrags: insbesondere Abgrenzung zwischen parallelen Insolvenzverfahren
A. Europäisches Kollisionsrecht
I. Voraussetzungen eines Sekundärverfahrens
II. Zuordnung des Vertragsverhältnisses zu einem Insolvenzverfahren
B. Schweizerisches Kollisionsrecht
C. Würdigung
I. Ausgangspunkt des Lösungsansatzes nach der EuInsVO
II. Die zwei problematischen Sachverhaltskategorien
III. Kritik zum Niederlassungsbezug
IV. Kritik zur externen Mehrfachzuständigkeit der Verwalter
V. Lösungsansatz: interne Mehrfachzuständigkeit der Verwalter
VI. Lösungsansatz nach dem schweizerischen Kollisionsrecht
VII. Zeitliche Abgrenzung der Verfahren
Schlussfolgerungen in Thesen
Anhang: Gesetzesmaterialien
England und Wales
Frankreich
Österreich
Schweiz
USA
Literaturverzeichnis
Sachregister

Citation preview

Studien zum ausländischen und internationalen Privatrecht 406 Herausgegeben vom

Max-Planck-Institut für ausländisches und internationales Privatrecht Direktoren: Holger Fleischer und Reinhard Zimmermann

Patrick Keinert

Vertragsbeendigung in der Insolvenz Insolvenzbezogene Lösungsklauseln im Rechtsvergleich

Mohr Siebeck

Patrick Keinert, geboren 1987; Studium der Rechtswissenschaft an der Ruprecht-KarlsUniversität Heidelberg; wiss. Mitarbeiter am Lehrstuhl für Europäisches Privatrecht, Internationales Privatrecht und Rechtsvergleichung an der Université de Genève, Schweiz; 2017 Promotion an der Université de Genève; seit 2017 Rechtsreferendariat im Bezirk des Oberlandesgerichts Karlsruhe. orcid.org/0000-0002-1121-5651

Gedruckt mit Unterstützung der Juristischen Fakultät der Universität Genf. ISBN 978-3-16-156194-8 / eISBN 978-3-16-156195-5 DOI 10.1628/978-3-16-156195-5 ISSN  0720-1141 / eISSN 2568-7441 (Studien zum ausländischen und internationalen Privatrecht) Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Natio­nal­ bibliographie; detaillierte bibliographische Daten sind im Internet über http://dnb.dnb.de abrufbar. © 2018  Mohr Siebeck Tübingen. www.mohrsiebeck.com Das Werk einschließlich aller seiner Teile ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwer­tung außer­halb der engen Grenzen des Urheberrechtsgesetzes ist ohne Zustimmung des Verlags unzulässig und strafbar. Das gilt insbesondere für die Verbreitung, Vervielfältigung, Übersetzung und die Einspeicherung und Verarbeitung in elek­tronischen Systemen. Das Buch wurde von Gulde Druck in Tübingen auf alterungsbeständiges Werkdruck­papier gedruckt und von der Buchbinderei Nädele in Nehren gebunden. Printed in Germany.

Für Lara und Liam.

Vorwort Diese Arbeit wurde in den Jahren 2014 bis 2016 erstellt und im Dezember 2017 von der Juristischen Fakultät der Universität Genf als Dissertation angenommen. Gesetzgebung, Rechtsprechung und Literatur befinden sich im Wesentlichen auf dem Stand Frühjahr 2017. Für die Drucklegung sind bis Januar 2018 erschienene Publikationen und Rechtsprechung lediglich ergänzend und insbesondere für die deutsche Rechtsordnung berücksichtigt worden. Mein höchster Dank gilt meinem Doktorvater Professor Thomas Kadner Graziano für die Betreuung meiner Dissertation und die interessanten Jahre am Lehrstuhl für Europäisches und Internationales Privatrecht und Rechtsvergleichung der Universität Genf. Aus dieser Zeit entstand eine Vielzahl an Projekten und Kontakten, die auch zukünftig eine spannende Zeit versprechen. Ebenso möchte ich mich bei meinem Zweitgutachter Professor Gian Paolo Romano für seine stetige Diskussionsbereitschaft bedanken. Er ermöglichte mir auch, den IPR-Teil dieser Arbeit an der „Journée de droit international privé“ bei Professor Andrea Bonomi in Lausanne vorzustellen. Schließlich danke ich herzlich den weiteren Mitgliedern der Prüfungskommission, Dekan Professor Bénédict Foëx, Professor Stefan Reinhart und Professor Rodrigo Rodriguez, für die intensive Disputation. Ebenso möchte ich mich bei der Juristischen Fakultät der Universität Genf für den gewährten Druckkostenzuschuss bedanken. Meiner Frau Vanessa danke ich für die immerwährende Unterstützung und aufbauenden Worte sowie das Korrekturlesen dieses Werks. Auch ist der Beitrag meiner Eltern und meines Onkels für meinen akademischen Weg nicht hoch genug hervorzuheben. Ferner möchte ich mich bei meinen Kollegen Johannes Landbrecht, Moritz Oppelt, Christoph Kling, Felix Aden, Hannes Meyle, Azadi Ötztürk, Michel Reymond und Felix Kernbichler für unzählige juristische Diskussionen bedanken. Insbesondere Gespräche mit Praktikern ermöglichten es, Kernargumente besser herauszuarbeiten – hervorzuheben sind vor allem Olaf Benning, Thomas Trettnak und Andreas Hendriock. Für Ideen zur Themenfindung danke ich Professor Christoph Kern; für methodische Unterstützung Professor Rob van Gestel.

VIII

Vorwort

Dankbar bin ich Adeline Michoud, Agnieszka Szczegola, Luminita Gheorghe und Loukas Panetsos für Unterstützung bei der rechtsvergleichenden Recherche; ferner Sadri Saieb, der die Recherche am ISDC Lausanne erheblich erleichterte. Last but not least, gilt mein Dank für Inspirationen zu den wirtschaftlichen Fragestellungen Professor Stefan Trautmann, Alexander Kübler und Markus Plewa. Neckargemünd, im Mai 2018

Patrick Keinert

Inhaltsübersicht Vorwort ................................................................................................... VII Inhaltsverzeichnis .................................................................................. XI Abkürzungsverzeichnis ................................................................... XXIII Einleitung ................................................................................................... 1 Kapitel 1: Länderberichte .....................................................................21 § 1 Insolvenzsysteme im Überblick ...............................................................21 § 2 Behandlung schwebender Verträge im Rechtsvergleich ..........................42 § 3 Vertragliche Lösungsklauseln im Rechtsvergleich ..................................75 § 4 Sonderregelungen für bestimmte Vertragstypen .................................... 167 § 5 Rechtsvergleichende Systematisierung .................................................. 183

Kapitel 2: Rechtsvergleichende Analyse ........................................ 191 § 6 Vertragsfreiheit und gesetzliches Verbot von Lösungsklauseln – juristische Kernargumente ................................................................. 191 § 7 Vertragsfreiheit und gesetzliches Verbot von Lösungsklauseln – ökonomische Analyse ......................................................................... 209 § 8 Rechtspolitische Erwägungen ............................................................... 239 § 9 Rechtsvergleichende Bewertung ........................................................... 260

Kapitel 3: Nationale Umsetzung von Klauselverboten ............... 268 § 10 Leitlinien eines Verbots ...................................................................... 268 § 11 Konkretisierung des deutschen Diskurses ........................................... 282 § 12 Konkretisierung des schweizerischen Diskurses ................................. 327 § 13 Formulierung eines Gesetzesvorschlags ............................................. 332

X

Inhaltsübersicht

Kapitel 4: Internationales Privatrecht .............................................. 334 § 14 Internationales Insolvenzrecht im Kontext schwebender Verträge ...... 334 § 15 Anwendbares Recht auf schwebende Verträge: Lösungsklauseln ........ 342 § 16 Belegenheit eines schwebenden Vertrags: insbesondere Abgrenzung zwischen parallelen Insolvenzverfahren.......................... 373

Schlussfolgerungen in Thesen ........................................................... 386 Anhang: Gesetzesmaterialien............................................................. 389 England und Wales ..................................................................................... 389 Frankreich.................................................................................................. 392 Österreich .................................................................................................. 396 Schweiz....................................................................................................... 399 USA ........................................................................................................... 401

Literaturverzeichnis.............................................................................. 411 Sachregister ............................................................................................ 433

Inhaltsverzeichnis Vorwort ................................................................................................... VII Inhaltsübersicht ...................................................................................... IX Abkürzungsverzeichnis ................................................................... XXIII Einleitung ................................................................................................... 1 I. Vertragliche Lösungsklauseln im Kontext des Insolvenzrechts ............................................................................. 1 II. Vertragsbeendigung bei grenzüberschreitenden Insolvenzen ......... 8 III. Forschungsstand und Methodik ..................................................... 9 IV. Gang der Darstellung ...................................................................12 V. Abgrenzungen ..............................................................................13 VI. Begriffsbestimmungen .................................................................15 1. Gesamtvollstreckungsverfahren und Insolvenzrecht ................15 a) Konkurs und Insolvenz ......................................................15 b) Insolvenzrecht und Insolvenzverfahren ..............................16 c) Masseverbindlichkeiten und Insolvenzforderungen ............18 2. Lösungsklauseln ......................................................................18

Kapitel 1: Länderberichte .....................................................................21 § 1 Insolvenzsysteme im Überblick ...............................................................21 A. Deutschland .......................................................................................21 B. Schweiz .............................................................................................24 C. Österreich ..........................................................................................28 D. Frankreich..........................................................................................30 I. Präventive Verfahren....................................................................32 II. Ordentliche Insolvenzverfahren ....................................................33 E. Rechtskreis des common law ..............................................................33 I. Gegenüberstellung des US-amerikanischen und englischen Rechts .........................................................................33 II. USA .............................................................................................36 III. England und Wales.......................................................................39 1. Liquidation ..............................................................................40

XII

Inhaltsverzeichnis

2. 3. 4. 5.

Administration .........................................................................40 Receivership ............................................................................42 Company voluntary arrangement ............................................42 Scheme of arrangement ...........................................................42

§ 2 Behandlung schwebender Verträge im Rechtsvergleich ..........................42 A. Auswirkungen eines Insolvenzverfahrens auf die Vertragsbeziehung .............................................................................43 B. Das Wahlrecht des Insolvenzverwalters .............................................46 I. Allgemeines Prinzip des Verwalterwahlrechts ..............................46 II. Deutschland .................................................................................47 1. Grundlegendes.........................................................................47 2. Wahlrecht: Erfüllungswahl ......................................................49 3. Wahlrecht: Ablehnungsentscheidung .......................................50 4. Ausübungsfrist und Aufforderung zur Erfüllungswahl ............50 5. Gesetzliche Vertragsbeendigung .............................................51 III. Schweiz ........................................................................................51 1. Grundlegendes.........................................................................51 2. Wahlrecht: Erfüllungswahl ......................................................52 3. Wahlrecht: Ablehnungsentscheidung .......................................54 4. Ausübungsfrist und Aufforderung zur Erfüllungswahl ............55 5. Gesetzliche Beendigungsrechte ...............................................56 IV. Österreich .....................................................................................57 1. Grundlegendes.........................................................................57 2. Wahlrecht: Erfüllungswahl ......................................................57 3. Wahlrecht: Ablehnungsentscheidung .......................................57 4. Ausübungsfrist und Aufforderung zur Erfüllungswahl ............58 V. Frankreich ....................................................................................58 1. Grundlegendes.........................................................................58 2. Wahlrecht: Erfüllungswahl ......................................................59 3. Wahlrecht: Ablehnungsentscheidung .......................................60 4. Ausübungsfrist und Aufforderung zur Erfüllungswahl ............61 VI. USA .............................................................................................62 1. Grundlegendes.........................................................................62 2. Wahlrecht: Erfüllungswahl ......................................................64 3. Wahlrecht: Ablehnungsentscheidung .......................................65 4. Ausübungsfrist und Aufforderung zur Erfüllungswahl sowie gerichtliche Kontrolle ...................................................66 VII. England und Wales.....................................................................67 1. Grundlegendes.........................................................................67 2. Wahlrecht im Liquidationsverfahren .......................................67 3. Wahlrecht im Administrationsverfahren ..................................69

Inhaltsverzeichnis

XIII

C. Weiterführende rechtsvergleichende Bemerkungen ............................70 I. Erfüllungsstadium des Vertragsverhältnisses – schwebende Verträge ...................................................................70 II. Ausgenommene Vertragstypen .....................................................70 III. Aufforderung zur Ausübung des Wahlrechts ................................71 IV. Entscheidungsautonomie des Verwalters ......................................71 V. Rechtsfolgen der Erfüllungswahl ..................................................72 VI. Rechtsfolgen der Wahl der Nichterfüllung ...................................72 D. Zwischenergebnis ..............................................................................74 § 3 Vertragliche Lösungsklauseln im Rechtsvergleich ..................................75 A. Deutschland .......................................................................................75 I. Umstrittene Rechtslage vor dem Jahr 2012 ...................................75 1. Historischer Streitstand unter den Konkursordnungen .............75 2. Neuere Literaturansichten........................................................77 II. Kehrtwende durch den Bundesgerichtshof im Jahr 2012 ..............80 1. Entscheidungssachverhalt ........................................................80 2. Begründung des Bundesgerichtshofs .......................................81 3. Obiter dicta .............................................................................82 III. Diskurs nach dem Urteil des Bundesgerichtshofs im Jahr 2012 ...........................................83 1. Ausdehnung der Entscheidung auf weitere Vertragstypen .......83 2. Verhältnis der Entscheidung zur Vertragsfreiheit ....................84 3. Verhältnis zu gesetzlichen Vertragsbeendigungsklauseln ........85 4. Verhältnis zur bisherigen höchstrichterlichen Rechtsprechung ........................................86 5. Verhältnis zu insolvenzunabhängigen Lösungsklauseln ...........86 6. Erste wirtschaftliche Betrachtung bei Energielieferungsverträgen .....................................................87 IV. Konkretisierung durch den Bundesgerichtshof im Jahr 2016 ........88 1. Entscheidungssachverhalt ........................................................88 2. Begründung des Bundesgerichtshofs .......................................88 3. Literaturansichten nach der Entscheidung ...............................89 V. Würdigung ...................................................................................90 B. Schweiz .............................................................................................92 I. Verfahrensrechtlicher Charakter des Verwalterwahlrechts ...........93 II. Systematische und teleologische Erwägungen der Lehre ..............96 1. Materiellrechtliche Grenzen der Vertragsfreiheit .....................96 2. Verstoß gegen die Gläubigergleichbehandlung ........................96 3. Ungewissheit in der Insolvenz .................................................97 4. Vergleich mit gesetzlichen Lösungsrechten .............................97 III. Anfechtungsmöglichkeit...............................................................98

XIV

Inhaltsverzeichnis

IV. Abweichende Ansichten ...............................................................98 1. Generelle Unwirksamkeit von insolvenzbezogenen Lösungsklauseln .....................................................................98 2. Einschränkung im Einzelfall bei Ausübung der Lösungsklauseln nach Konkurseröffnung oder entgegenstehenden Insolvenzzwecken.....................................98 V. Würdigung ...................................................................................99 1. Verfahrensrechtliche Einordnung des Verwalterwahlrechts ...............................................................99 2. Einschränkende Literaturansichten ........................................ 100 3. Unzureichende gesetzliche Regelung des Wahlrechts ............ 100 C. Österreich ........................................................................................ 101 I. Historische Entwicklung ............................................................ 102 II. Reform von 2010: Einschränkungen insolvenzbezogener Vertragsklauseln ......................................................................... 107 1. Funktionsweise und Telos der §§ 25a, b IO ........................... 108 a) § 25a IO ........................................................................... 109 aa) Regelungsinhalt ......................................................... 109 bb) Sachlicher Anwendungsbereich ................................. 111 cc) Zeitlicher Anwendungsbereich................................... 112 dd) Offene Diskussionen ................................................. 113 b) § 25b IO........................................................................... 114 aa) Regelungsinhalt ......................................................... 114 bb) Sachlicher Anwendungsbereich ................................. 114 cc) § 25b IO: Zeitlicher Anwendungsbereich ................... 115 dd) § 25b IO: Auf den Insolvenzfall auflösend bedingter Forderungsverzicht ..................................... 115 2. Zusammenspiel mit der Erklärungsfrist nach § 21 IO ............ 116 III. Würdigung ................................................................................. 117 D. Frankreich........................................................................................ 119 I. Verbotsregelung des L. 622-13 C.com. ...................................... 120 II. Historie und gesetzliche Systematik ........................................... 120 III. Zeitlicher und sachlicher Anwendungsbereich des Verbots ........ 122 IV. Extensive Auslegung des Lösungsverbots .................................. 123 V. Würdigung ................................................................................. 123 E. Rechtskreis des common law ............................................................ 125 I. USA ........................................................................................... 125 1. Zusammenspiel verschiedener Normen zum Schutz des Insolvenzverfahrens .............................................................. 126 a) 11 U.S.C. §§ 541, 363, 366 .............................................. 127 b) Automatic stay in 11 U.S.C. § 362 ................................... 127 c) Zentralnorm zum Schutz des Verwalterwahlrechts 11 U.S.C. § 365 (e) .......................................................... 129

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XV

2. Sachlicher Anwendungsbereich ............................................. 131 3. Reichweite des Verbots: non-executory contracts und insolvenzunabhängige Lösungsklauseln ................................ 132 4. Zeitlicher Anwendungsbereich .............................................. 133 5. Ausübungsfrist des Verwalterwahlrechts: eine Abwägung der Interessen von Gläubiger und Schuldner ....... 134 6. Schranken der Vertragsfreiheit .............................................. 135 7. Sonderregelung für Versorgungsverträge .............................. 136 8. Würdigung ............................................................................ 137 a) Verbotsregelung ............................................................... 137 b) Versorgungsverträge ........................................................ 138 c) Rechtsentwicklung und Rezeption ................................... 139 II. England ...................................................................................... 140 1. Common law-Rechtslage ....................................................... 141 a) Pari passu principle .......................................................... 141 b) Anti-deprivation rule ........................................................ 141 2. Weg zur Gesetzesreform im Jahr 2015 .................................. 145 3. Reform von 2015: Einschränkungen insolvenzbezogener Vertragsklauseln ................................................................... 147 4. Würdigung ............................................................................ 151 F. Im Überblick: Tour d’horizon weiterer Rechtsordnungen ................. 153 I. Australien ................................................................................ 153 II. Dänemark ................................................................................ 154 III. Griechenland ........................................................................... 154 IV. Italien ...................................................................................... 156 V. Kanada .................................................................................... 157 VI. Neuseeland .............................................................................. 158 VII. Niederlande ............................................................................. 160 VIII. Polen ....................................................................................... 161 IX. Rumänien ................................................................................ 162 X. Schweden ................................................................................ 163 XI. Spanien ................................................................................... 164 XII. Südkorea ................................................................................. 166 G. Fazit................................................................................................. 166 § 4 Sonderregelungen für bestimmte Vertragstypen .................................... 167 A. Finanzprodukte/Derivate/Close-Out-Netting .................................... 167 I. Deutschland ............................................................................... 172 1. Fixgeschäfte (§ 104 Abs. 1 Satz 1 InsO) ................................ 172 2. Verträge über Finanzleistungen (§ 104 Abs. 1 Satz 2 InsO) .................................................... 173 3. Exkurs: Kreditinstitute-Reorganisationsgesetz....................... 174 4. Zwischenergebnis .................................................................. 176

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II. Österreich ................................................................................... 176 III. Schweiz ...................................................................................... 176 IV. Frankreich .................................................................................. 178 V. USA ........................................................................................... 178 VI. England ...................................................................................... 179 VII. Fazit ......................................................................................... 179 B. Mietverträge..................................................................................... 180 I. Deutschland ............................................................................... 180 II. Österreich ................................................................................... 181 III. Schweiz ...................................................................................... 181 IV. Frankreich .................................................................................. 182 V. USA ........................................................................................... 182 VI. Fazit ........................................................................................... 183 § 5 Rechtsvergleichende Systematisierung .................................................. 183 A. Wertende Gegenüberstellung ........................................................... 184 I. Gruppe 1: liberaler Ansatz zu Lösungsklauseln .......................... 184 II. Gruppe 2: vermittelnde Lösung .................................................. 184 III. Gruppe 3: restriktiver Ansatz zu Lösungsklauseln ...................... 185 B. Ausgewählte Einzelmerkmale .......................................................... 185 I. Anknüpfungsmomente ............................................................... 185 II. Vertragstypen: Einschränkungen und Ausnahmen ...................... 187 III. Rechtsfolge des Verbots und dessen Auslösungszeitpunkt ......... 187 IV. Gesetzliche oder rechtsgeschäftliche Beendigungsmöglichkeiten ........................................................ 189 V. Ungewissheiten: Ausübungsfristen für das Wahlrecht – Kompensation des solventen Vertragspartners ........................... 189 C. Beispiel: Energielieferungsverträge ................................................. 190

Kapitel 2: Rechtsvergleichende Analyse ........................................ 191 § 6 Vertragsfreiheit und gesetzliches Verbot von Lösungsklauseln – juristische Kernargumente ................................................................. 191 A. Vertragsfreiheit als pars pro toto der Privatautonomie ..................... 192 B. Allgemeine Einschränkungen der Vertragsfreiheit ........................... 193 I. Gewährleistung der überindividuellen Funktionen der Vertragsfreiheit .......................................................................... 194 II. Epochale Begrenzung der Vertragsfreiheit ................................. 194 III. Funktionsdefizite: Fremdbestimmung ........................................ 195 1. Ausgleich struktureller Ungleichgewichte ............................. 196 2. Fremdbestimmung durch insolvenzbezogene Lösungsklauseln? .................................................................. 196 IV. Zwischenergebnis ....................................................................... 198

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XVII

C. Besondere (insolvenzrechtliche) Einschränkungen der Vertragsfreiheit ................................................................................ 198 I. Gläubigergleichbehandlung ........................................................ 198 II. Insolvenzzweckwidrigkeit .......................................................... 200 1. Sanierungsziel ....................................................................... 200 2. Topos der Insolvenzzweckwidrigkeit .................................... 202 III. Einschränkung des Verwalterwahlrechts .................................... 203 IV. Vergleich mit Absonderungsrechten ........................................... 206 V. Umkehrschluss zu gesetzlichen Beendigungsrechten .................. 207 D. Ergebnis........................................................................................... 208 § 7 Vertragsfreiheit und gesetzliches Verbot von Lösungsklauseln – ökonomische Analyse ......................................................................... 209 A. Einführung ....................................................................................... 209 B. Einschränkungen des Effizienzprinzips ............................................ 211 C. Ökonomische Analyse ..................................................................... 212 I. Empirische Studie zur Effizienz von Insolvenzsystemen ............ 212 II. Theoretische Studie zu Lösungsklauseln .................................... 214 III. Synthese ..................................................................................... 218 1. (Rationale) Entscheidungsmöglichkeiten ............................... 218 2. Ex post-Auswirkungen .......................................................... 220 a) Neuverhandlung und der Grundsatz pacta sunt servanda ......................................................... 221 b) Neuverhandlung und Externalitäten ................................. 222 3. Ex ante-Auswirkungen .......................................................... 225 a) Preisauswirkungen ........................................................... 225 b) Investitionsanreize ........................................................... 227 c) Verhandelbarkeit .............................................................. 228 d) Umgehungskosten ............................................................ 229 4. Pro Lösungsklauseln: die Ungewissheit in der Insolvenz? ..... 230 a) Wirtschaftliche Interessen für Vertragsbeendigung in der Insolvenz ............................................................... 231 b) Ambiguity aversion .......................................................... 233 c) (Cumulative) Prospect Theory ......................................... 234 IV. Zwischenergebnis ..................................................................... 236 D. Stellungnahme und Fazit.................................................................. 237 § 8 Rechtspolitische Erwägungen ............................................................... 239 A. Funktionswandel des Insolvenzrechts .............................................. 240 I. Entwicklung in Europa ............................................................... 240 1. Ausgangspunkt: reine Schuldbetreibung durch Gesamtvollstreckung .............. 240 2. Funktionswandel: Kultur der Reorganisation ......................... 244

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II. Reichweite des anerkannten Sanierungszwecks .......................... 248 III. Schlussfolgerungen für Lösungsklauseln .................................... 251 B. Entwicklungen auf Ebene der Europäischen Union .......................... 253 C. CRI-Standard ................................................................................... 256 I. Principles for Effective Creditor Rights and Insolvency Systems .................................................................... 256 II. Legislative Guide on Insolvency Law ......................................... 257 D. Ergebnis........................................................................................... 259 § 9 Rechtsvergleichende Bewertung ........................................................... 260 A. Verbreitung von Lösungsklauseln als normative Kraft? ................... 260 B. Kernbefunde der Untersuchung ........................................................ 261 I. Internationaler Trend: Verbote als moderne Insolvenzgesetzgebung ............................. 261 II. Wechsel der internationalen Rechtslage: Sanierungszweck ........ 262 III. Vertragsfreiheit und wirtschaftliche Knappheit: eine Frage der Legitimität .......................................................... 263 1. Wirtschaftliche Knappheit und fremdbestimmende Elemente ............................................................................... 263 2. Gesetzliches Leitbild: das Verwalterwahlrecht ...................... 264 3. Insolvenzbezug und Disponibilität......................................... 265 C. Fazit ................................................................................................. 267

Kapitel 3: Nationale Umsetzung von Klauselverboten ............... 268 § 10 Leitlinien eines Verbots ...................................................................... 268 A. Zeitgemäßes Ergebnis – fragwürdige Begründung des IX. Senats des Bundesgerichtshofs (2012) ....................................... 269 B. Fundierte Begründung – fragwürdiges Ergebnis des VII. Senats des Bundesgerichtshofs (2016) ...................................... 273 C. Abgrenzungsentscheidung des IX. Senats des Bundesgerichtshofs (2017) – Die Insolvenz als wichtiger Grund ................................................... 275 D. Allgemeines Verbot oder Abwägung im Einzelfall .......................... 279 E. Sinn und Zweck der Insolvenzbezogenheit ....................................... 280 F. Überwindung der Trennung zwischen insolvenzabhängigen und insolvenzunabhängigen Lösungsklauseln – Ausübungssperren von Kündigungsrechten ..................................... 281 § 11 Konkretisierung des deutschen Diskurses ........................................... 282 A. Erfasste Vertragstypen und Grenzen ................................................ 283 I. Grundregel ................................................................................. 283

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II. Einschränkungen im Einzelfall: Gestaltungsinteresse ................. 283 1. Ausgangspunkt ...................................................................... 283 2. Abzulehnende Ansichten ....................................................... 284 3. Lösungsvorschlag auf Basis des Rechtsvergleichs ................. 285 4. Fazit ...................................................................................... 287 III. Beispiele wichtiger Vertragstypen .............................................. 287 1. Werkverträge, insbesondere Bauverträge............................... 287 2. Energielieferungsverträge ...................................................... 292 3. Mietverträge .......................................................................... 292 4. Grundstücksübertragung ........................................................ 293 5. Lizenzverträge / Franchiseverträge ........................................ 293 6. Handelsvertreterverträge ....................................................... 294 7. IT-Verträge ........................................................................... 295 IV. Bereichsausnahmen .................................................................... 295 B. Erfasste Anknüpfungsmomente und Rechtsfolgen ........................... 296 I. Insolvenzverfahrenseröffnung .................................................... 296 II. Insolvenzeröffnungsverfahren .................................................... 296 1. Vorwirkung des § 119 InsO: Liquiditäts- und Umgehungsschutz ....................................... 297 a) Kritik am Ansatz des Bundesgerichtshofs ........................ 297 b) Wirtschaftliche Notwendigkeit der Verbotswirkungen im Eröffnungsverfahren und Anreize zur frühen Antragstellung ................................... 300 2. Insolvenzantragstellung ......................................................... 301 3. Zahlungseinstellung oder Überschuldung (materielle Insolvenzgründe) – Entwicklung einer Ausübungssperre für Kündigungsrechte ................................ 303 a) Aktuelle Rechtslage ......................................................... 303 b) Fehlende Legitimation der Nichtigkeitsfolge ................... 304 c) Rechtsvergleichende Impulse ........................................... 305 d) Ausübungssperre und Anreize zur rechtzeitigen Antragstellung ................................................................. 305 e) Dogmatische Legitimation der Ausübungssperre bei materiellen Insolvenzgründen .......................................... 307 4. Insolvenzunabhängige Klauseln: ein neuer funktionaler Ansatz................................................ 308 a) Zulässigkeit insolvenzunabhängiger Klauseln: aktuelle Rechtslage .......................................................... 308 b) Einschränkung insolvenzunabhängiger Klauseln in der Insolvenz ................................................................... 309 c) Lösungsvorschlag: Ausübungssperre insolvenzunabhängiger Klauseln .......... 310

XX

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d) Dogmatische Legitimation der Ausübungssperre bei insolvenzunabhängigen Lösungsklauseln......................... 311 e) Nachinsolvenzliche Pflichtverletzungen ........................... 312 f) Umgehungsmöglichkeiten ................................................ 312 III. Ordentliche Kündigungsrechte ................................................... 314 IV. Gesetzliche Kündigungsrechte und das „Entsprechen“ vertraglicher Lösungsrechte ............................... 315 a) Wirksamkeit von gesetzlichen Lösungsmöglichkeiten ..... 315 b) Regelmäßig fehlende tatbestandliche Voraussetzungen in der Insolvenz ................................... 316 c) „Entsprechen“-Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs .......................................................... 318 V. Zwischenergebnis: Kombination der Nichtigkeitsfolge mit einer Ausübungssperre ............................................................... 319 C. Insolvenzanfechtung ........................................................................ 320 I. Voraussetzungen der Insolvenzanfechtung ................................. 320 1. Rechtshandlung: Vereinbarung der Lösungsklauseln ............. 320 2. Rechtshandlung: Ausübung der Lösungsklausel .................... 322 II. Kritik an diesem Lösungsansatz ................................................. 322 III. Relevanz der Insolvenzanfechtung ............................................. 323 D. Zusammenhang mit Ausübungsfrist des Wahlrechts – Interessenabwägung ......................................................................... 324 E. Sonstige Einschränkungen der Vertragsbeendigung ......................... 325 F. Ergebnis ........................................................................................... 326 § 12 Konkretisierung des schweizerischen Diskurses ................................. 327 A. Neubewertung des Eintrittsrechts ..................................................... 327 B. Korrektur der Bestimmungen zum Wahlrecht de lege ferenda ......... 331 § 13 Formulierung eines Gesetzesvorschlags ............................................. 332

Kapitel 4: Internationales Privatrecht .............................................. 334 § 14 Internationales Insolvenzrecht im Kontext schwebender Verträge ...... 334 A. Einführung ....................................................................................... 334 B. Aktuelle Rechtsprechung zum Konflikt zwischen Vertragsstatut und Insolvenzstatut ................................................... 336 C. Exkurs: Entwicklung des Internationalen Insolvenzrechts ................ 339 § 15 Anwendbares Recht auf schwebende Verträge: Lösungsklauseln ........ 342 A. Europäisches Kollisionsrecht ........................................................... 342 I. Wirkungsmechanismus der EuInsVO ......................................... 342 II. Qualifikation von Lösungsverboten ............................................ 344

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III. Stellungnahme ............................................................................ 347 B. Deutsches Kollisionsrecht ................................................................ 349 I. Wirkungsmechanismus der §§ 335 ff. InsO ................................ 349 II. Qualifikation von Lösungsverboten ............................................ 350 III. Stellungnahme ............................................................................ 351 C. Schweizerisches Kollisionsrecht ...................................................... 352 I. Grundlegendes zum schweizerischen internationalen Insolvenzrecht ............................................................................ 352 II. Wirkungsmechanismus der Art. 166 ff. IPRG ............................ 353 III. Reformbestrebungen von 2016/2017 .......................................... 356 IV. Qualifikation von Lösungsrechten: Unterscheidung zwischen materiell-rechtlichen und verfahrensrechtlichen Wirkungen eines ausländischen Insolvenzverfahrens ................. 357 V. Qualifikation der insolvenzrechtlichen Auswirkungen auf laufende Verträge ....................................................................... 360 VI. Schlussfolgerungen der Qualifikation für ausländische Insolvenzverfahren ................................................ 361 VII. Stellungnahme .......................................................................... 362 D. Exkurs: CISG................................................................................... 365 E. Würdigung ....................................................................................... 366 I. Ausgangspunkt des Lösungsansatzes .......................................... 366 II. Konkretisierung des Lösungsvorschlags ..................................... 369 1. Fallgestaltung 1: lex fori concursus verbietet insolvenzbezogene Lösungsklauseln ..................................... 370 a) Lösungsklauseln: Anknüpfung an das Insolvenzverfahren ........................... 370 b) Lösungsklauseln: vorinsolvenzliche Anknüpfungen ........ 370 c) Lösungsklauseln: Schicksal nach Verfahrensende ............ 372 2. Fallgestaltung 2: lex contractus verbietet insolvenzbezogene Lösungsklauseln ..................................... 373 § 16 Belegenheit eines schwebenden Vertrags: insbesondere Abgrenzung zwischen parallelen Insolvenzverfahren.......................... 373 A. Europäisches Kollisionsrecht ........................................................... 374 I. Voraussetzungen eines Sekundärverfahrens ............................... 374 II. Zuordnung des Vertragsverhältnisses zu einem Insolvenzverfahren ..................................................................... 375 B. Schweizerisches Kollisionsrecht ...................................................... 377 C. Würdigung ....................................................................................... 378 I. Ausgangspunkt des Lösungsansatzes nach der EuInsVO ............ 378 II. Die zwei problematischen Sachverhaltskategorien ..................... 379 III. Kritik zum Niederlassungsbezug ................................................ 380 IV. Kritik zur externen Mehrfachzuständigkeit der Verwalter .......... 381

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V. Lösungsansatz: interne Mehrfachzuständigkeit der Verwalter ................................................................................... 382 VI. Lösungsansatz nach dem schweizerischen Kollisionsrecht ......... 384 VII. Zeitliche Abgrenzung der Verfahren ........................................ 384

Schlussfolgerungen in Thesen ........................................................... 386 Anhang: Gesetzesmaterialien............................................................. 389 England und Wales ..................................................................................... 389 Frankreich.................................................................................................. 392 Österreich .................................................................................................. 396 Schweiz....................................................................................................... 399 USA ........................................................................................................... 401

Literaturverzeichnis.............................................................................. 411 Sachregister ............................................................................................ 433

Abkürzungsverzeichnis AB A.B.A.J. Abs. AcP A.D. Adv. a.F. AGB-Banken Akron L. Rev. AJP/PJA ALR Am. Bankr. Inst. J. Am. Psychol. Am. Soc'y Int'l L. Proc. AnwZert HaGesR AngG AO Art. AS AUDJ Aufl. BauR BB BBl. BCLC B.C.L. Rev. Beschl. BG BGBl. BGH BIA BIV-FINMA Bkrtcy Bkrtcy S.D.N.Y. BlSchKG BR B.R.

Amtliches Bulletin American Bar Association Journal Absatz Archiv für die civilistische Praxis New York's Appellate Division Reports Adversary in law alte Fassung Muster der Allgemeinen Geschäftsbedingungen (AGB) der privaten Banken zwischen Kunde und Bank Akron Law Review Aktuelle Juristische Praxis/Pratique Juridique Actuelle Allgemeines Preußisches Landrecht American Bankruptcy Institute Journal American Psychologist American Society of International Law Proceedings Anwaltszertifikat online Handels- und Gesellschaftsrecht Angestelltengesetz Ausgleichsordnung Artikel Amtliche Sammlung Acta Universitatis Danubius Auflage Zeitschrift für das gesamte öffentliche und private Baurecht Betriebs-Berater Bundesblatt Butterworths Company Law Cases Boston College Law Review Beschluss Bundesgericht Bundesgesetzblatt Bundesgerichtshof Bankruptcy and Insolvency Act Verordnung der Eidgenössischen Finanzmarktaufsicht über die Insolvenz von Banken und Effektenhändlern Bankruptcy Bankruptcy Court for the Southern District of New York Blätter für Schuldbetreibung und Konkurs Baurecht Bankruptcy Reporter

XXIV BR-Drs. Brook. J. Int’l L. bspw. BT-Drs. Bull. civ. C.A. Cal. Cass. com. CBIR CCAA C.com. C.D. CESifo DICE Report

Chi. L. Rev. CISG Ch. Colo. COM COMI CRI CuR DB D. Del. d.h. Dick. L. Rev. DRBL DStR Duke L.J. DZWIR EBOR ECFR E.D. EFET EL Eq. ER EMiR EnWG EnWZ ESUG etc. EU

Abkürzungsverzeichnis Bundesratsdrucksache Brooklyn Journal of International Law beispielsweise Bundestagsdrucksache Bulletin des arrêts de la Cour de cassation, chambres civiles Court of Appeal California Cour de cassation, chambre civile, section commerciale Cross-Border Insolvency Regulations 2006 Companies’ Creditors Arrangement Act Code de commerce Central District Center for Economic Studies, Institut für Wirtschaftsforschung, Database for Institutional Comparisons in Europe Report The University of Chicago Law Review United Nations Convention on Contracts for the International Sale of Goods Chancery Colorado European Commission Center of main interest Corporate Rescue and Insolvency Journal Contracting und Recht Der Betrieb District Court Delaware das heißt Dickinson Law Review Debtor Rehabilitation and Bankruptcy Law Deutsches Steuerrecht Duke Law Journal Deutsche Zeitschrift für Wirtschafts- und Insolvenzrecht European Business Organization Law Review European Company and Financial Law Review Eastern District European Federation of Energy Traders Ergänzungslieferung Equity Court or Division English Reports European Markets Infrastructure Regulation Gesetz über die Elektrizitäts- und Gasversorgung Zeitschrift für das gesamte Recht der Energiewirtschaft Gesetz zur weiteren Erleichterung der Sanierung von Unternehmen et cetera Europäische Union

Abkürzungsverzeichnis EuGVVO

EuInsVO

EuZW EWHC EWiR FIDIC F.2d (F.3d) FD-InsR Fla. Fordham L. Rev. FS gem. GesKR Gonz. L. Rev. GP GWR HdB. H.R. Hrsg. HS IA IBR idF IILR insb. Insolv. L.J. InsO InsO-E Insolv. Intel. Int. Insolv. Rev. IO IPRG IR IRÄG ISDA i.V.m. J. Behav. Decis. Mak. JBl J. Finance J. I. B. L. R. J.L. & Econ. J.L. Econ. & Org. J. Pol. Econ. J. Risk Uncertain. JURA

XXV

Verordnung über die gerichtliche Zuständigkeit und die Anerkennung und Vollstreckung von Entscheidungen in Zivil- und Handelssachen Verordnung (EU) 2015/848 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 20. Mai 2015 über Insolvenzverfahren Europäische Zeitschrift für Wirtschaftsrecht High Court of England and Wales Entscheidungen zum Wirtschaftsrecht Fédération Internationale des Ingénieurs Conseils Federal Reporter, Second Series (Third Series) Fachdienst Insolvenzrecht Florida Fordham Law Review Festschrift gemäß Zeitschrift für Gesellschafts- und Kapitalmarktrecht Gonzaga Law Review Gesetzgebungsperiode (des Nationalrates) Gesellschafts- und Wirtschaftsrecht Handbuch House of Representatives Herausgeber Handelsrechtliche Entscheidungen Insolvency Act Immobilien- und Baurecht in der Fassung International Insolvency Law Review insbesondere Insolvency Law Journal Insolvenzordnung Insolvenzordnung-Entwurf Insolvency Intelligence International Insolvency Review Insolvenzordnung Bundesgesetz über das Internationale Privatrecht Infrastrukturrecht Insolvenzrechtsänderungsgesetz International Swaps and Derivatives Association in Verbindung mit Journal of Behaviour Decision Making Juristische Blätter Journal of Finance Journal of International Banking Law & Regulation Journal of Law and Economics Journal of Law, Economics, & Organization Journal of Political Economy Journal of Risk and Uncertainty Juristische Ausbildung

XXVI jurisPR-BGHZivilR jurisPR-InsR jurisPR-PrivBauR jurisPR-VergR JZ KG KO KOV K&R KredReorgG KSchG KSI KSV KSzW KTS L. La. LC LF LJ LMK Low. L.Q.R. L.R. McGill L.J. Md. M.D. MDR Mich. J. Int'l L. Minn. L. Rev. Mo. mp MRG MüKo m.w.N. N.D. Neb. n.F. NJ N.J. NJW N.M. L. Rev. Norton J. Bankr. L. & Prac. Notre Dame L. Rev. N.Y. N.Y.L. Sch. J. Int'l & Comp. L.

Abkürzungsverzeichnis juris PraxisReport BGH-Zivilrecht juris PraxisReport Insolvenzrecht juris PraxisReport Privates Baurecht juris PraxisReport Vergaberecht Juristenzeitung Konkursgesetz Konkursordnung Verordnung über die Geschäftsführung der Konkursämter Kommunikation & Recht Gesetz zur Reorganisation von Kreditinstituten Konsumentenschutzgesetz Krisen-, Sanierungs- und Insolvenzberatung Kreditschutzverband Kölner Schrift zum Wirtschaftsrecht Konkurs-, Treuhand- und Schiedsgerichtswesen Loi Louisiana ley concursal legge fallimentare Lord Justice Kommentierte BGH-Rechtsprechung Lindenmaier-Möhring Lowell District Court Law Quarterly Review Law Reports McGill Law Journal Maryland Middle District Monatsschrift für Deutsches Recht Michigan Journal of International Law Minnesota Law Review Missouri mietrechtspraxis Mietrechtsgesetz Münchener Kommentar mit weiteren Nachweisen Northern District Nebraska neue Fassung Neue Justiz New Jersey Neue Juristische Wochenschrift New Mexico Law Review Norton Journal of Bankruptcy Law and Practice Notre Dame Law Review New York New York Law School Journal of International and Comparative Law

Abkürzungsverzeichnis NZA NZBau NZG NZI NZM Pa. Penn St. Int'l L. Rev. ÖBA OGH ÖJZ OR OTC Oxf. J. Leg. Stud. R. r. RabelsZ RDAI/IBLW RdE RdW RIW Rn. r+s RTD com. S. SchKG S. Ct. S.D. Sect. SJZ So. 2d SR Stan. J. Int'l L. Stan. L. Rev. SZW/RSDA

SZIER/RSDIE Tenn. Tex. Theoretical Inq. L. u.a. U. Chi. L. Rev. U. Colo. L. Rev. UGB U. Ill. L. Rev. UNCITRAL

Neue Zeitschrift für Arbeitsrecht Neue Zeitschrift für Baurecht und Vergaberecht Neue Zeitschrift für Gesellschaftsrecht Neue Zeitschrift für das Recht der Insolvenz und Sanierung Neue Zeitschrift für Miet- und Wohnungsrecht Pennsylvania Penn State International Law Review Österreichisches Bankarchiv Oberster Gerichtshof Österreichische Juristen-Zeitung Obligationenrecht over the counter Oxford Journal of Legal Studies Partie réglementaire rules Rabels Zeitschrift für ausländisches und internationales Privatrecht Revue de Droit des Affaires Internationales/ International Business Law Journal Recht der Energiewirtschaft Österreichisches Recht der Wirtschaft Recht der internationalen Wirtschaft Randnummer recht und schaden Revue trimestrielle de droit commercial Seite Bundesgesetz über Schuldbetreibung und Konkurs Supreme Court Reporter Southern District Section Schweizerische Juristen-Zeitung Southern Reporter, Second Series Systematische Rechtssammlung Stanford Journal of International Law Stanford Law Review Schweizerische Zeitschrift für Wirtschafts- und Finanzmarktrecht / Revue suisse de droit des affaires et du marché financier Swiss Review of International and European Law Tennessee Texas Theoretical Inquiries in Law unter anderem The University of Chicago Law Review University of Colorado Law Review Unternehmensgesetzbuch University of Illinois Law Review U.N. Commission on International Trade Law

XXVII

XXVIII

Abkürzungsverzeichnis

U. Notre Dame Austl. L. Rev. The University of Notre Dame Australia Law Review U. Pa. L. Rev. University of Pennsylvania Law Review U. Pa. J. Bus. L. University of Pennsylvania Journal of Business Law URG Unternehmensreorganisationsgesetz Urt. Urteil U.S.C. United States Code Utah L. Rev. Utah Law Review U. Toronto L. J. University of Toronto Law Journal v. vom Vand. L. Rev. Vanderbilt Law Review VerglO Vergleichsordnung VersorgW Versorgungswirtschaft vgl. vergleiche VOB/B Vergabe- und Vertragsordnung für Bauleistungen Teil B wbl Wirtschaftsrechtliche Blätter W.D. Western District Wis. Wisconsin WM Wertpapier-Mitteilungen Wobl Wohnrechtliche Blätter WuB Entscheidungsanmerkungen zum Wirtschafts- und Bankrecht Yale L.J. Yale Law Journal YbPIL Yearbook of Private International Law z.B. zum Beispiel ZEuP Zeitschrift für Europäisches Privatrecht ZfIR Zeitschrift für Immobilienrecht ZGR Zeitschrift für Unternehmens- und Gesellschaftsrecht ZHR Zeitschrift für das gesamte Handels- und Wirtschaftsrecht Ziff. Ziffer ZIK Zeitschrift für Insolvenzrecht & Kreditschutz ZInsO Zeitschrift für das gesamte Insolvenzrecht ZIP Zeitschrift für Wirtschaftsrecht ZK-IPRG Zürcher Kommentar zum IPRG ZMR Zeitschrift für Miet- und Raumrecht ZNER Zeitschrift für Neues Energierecht ZRG GA Zeitschrift der Savigny-Stiftung für Rechtsgeschichte: Germanistische Abteilung ZSR Zeitschrift für Schweizerisches Recht ZUM Zeitschrift für Urheber- und Medienrecht ZVertriebsR Zeitschrift Vertriebsrecht ZVglRWiss Zeitschrift für Vergleichende Rechtswissenschaft ZZZ Zeitschrift für Zivilprozess- und Zwangsvollstreckungsrecht

Einleitung „Die Rechtsvergleichung kann etwa offen legen, daß bestimmte für nationale Rechtsinstitute charakteristische Elemente tatsächlich eine viel beschränktere Bedeutung haben, als die nationalen Juristen zugestehen; daß ein Rechtsinstitut, von dem man annimmt, es sei zur Abhilfe für bestimmte Missstände konzipiert worden, tatsächlich nur mehr oder weniger ein Zufallsergebnis ist.“1

I. Vertragliche Lösungsklauseln im Kontext des Insolvenzrechts Klassischerweise symbolisierte die Insolvenz die Kraft der schöpferischen Zerstörung: Unprofitable Firmen werden aussortiert und liquidiert.2 Damit werden Ressourcen für neue Entwicklungen frei und tragen zu neuem Wirtschaftswachstum bei.3 Wenngleich die Erhaltung des schuldnerischen Unternehmens in historischen Phasen zeitweise Beachtung fand, diente das Insolvenzrecht in weiten Teilen eindimensional der Liquidation und Abwicklung von Unternehmen. Im Laufe des 20. Jahrhunderts verstärkte sich der Trend, Unternehmen zu retten, und kulminiert aktuell in einer Hochphase der Sanierungskultur. Heute bietet das Insolvenzrecht neben der planmäßigen Abwicklung von Firmen in finanzieller Notlage besondere Möglichkeiten für Sanierungen und Restrukturierungen von Unternehmensträgern. Damit rücken die für eine Sanierung notwendigen Betriebsmittel stärker in den Fokus des Insolvenzrechts. Hierzu gehören auch die laufenden Vertragsverhältnisse. Im Spannungsverhältnis zwischen Vertragsfreiheit und zwingenden insolvenzrechtlichen Normen liegt konsequenterweise die Frage, ob die Vertragsparteien im Insolvenzfall ihre Verträge noch beenden können – oder vertraglich gebunden bleiben. In der Praxis sind insolvenzbezogene vertragliche Lösungsklauseln von erheblicher Bedeutung und weltweit verbreitet.4 Sie sind internationaler Standard bei der Vertragsgestaltung. Lösungsklauseln kommen in den ver1

Constantinesco, Rechtsvergleichung, Bd. II, Die rechtsvergleichende Methode, S. 336. Savigny, System des Heutigen Römischen Rechts, Bd. 8, S. 283, sieht als Zweck des Konkurses schlicht die Liquidation: Das Vermögen ist zu sammeln, durch Verkauf in bares Geld zu verwandeln und dann unter den Gläubigern zu verteilen. 3 Kammel, in: International Insolvency Law – Themes and Perspectives (Hrsg. Omar), Chapter 3 – The Law and Economics of Corporate Insolvency – Some Thoughts, S. 61. 4 Vgl. Suchak, International Corporate Rescue (LJI) 2011, 131, 132. 2

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schiedensten Rechtsbereichen vor. Das Spektrum reicht von Bauverträgen über Finanztermingeschäfte bis hin zu Mietverträgen.5 Im Sportbereich ist es beispielsweise typisch, dass ein Sportverein aus der Sportliga ausgeschlossen wird, wenn er in die Insolvenz fällt.6 In vielen Verträgen sind Formulierungen wie die folgenden zu finden: “This Agreement shall terminate, without notice, (i) upon the institution by or against either party of insolvency, receivership or bankruptcy proceedings or any other proceedings for the settlement of either party’s debts, (ii) upon either party making an assignment for the benefit of creditors, or (iii) upon either party’s dissolution or ceasing to do business.” „Der Auftraggeber kann den Vertrag kündigen, wenn der Auftragnehmer seine Zahlungen einstellt, von ihm oder zulässigerweise vom Auftraggeber oder einem anderen Gläubiger das Insolvenzverfahren (§§ 14 und 15 InsO) beziehungsweise ein vergleichbares gesetzliches Verfahren beantragt ist, ein solches Verfahren eröffnet wird oder dessen Eröffnung mangels Masse abgelehnt wird.“7

In den insolvenzbezogenen Lösungsklauseln spiegeln sich verschiedene Interessen und Ängste wider: Oftmals steht hinter den Klauseln der Wille, sich in der Insolvenz schnell von dem Insolvenzschuldner zu lösen und Ungewissheiten in der Insolvenz zu vermeiden.8 Die solventen Vertragspartner wollen das Schicksal des Vertrags klären und nicht auf eine möglicherweise ungewisse Leistungserbringung angewiesen sein. Eigentlich scheint es eine überschaubare Thematik zu sein, ob durch Vertragsgestaltung sichergestellt werden kann, dem solventen Vertragspartner im Fall einer Insolvenz Beendigungsrechte zu gewähren. Da allerdings das Grundprinzip der Vertragsfreiheit mit zwingenden insolvenzrechtlichen Normen kollidiert, hat sich das Thema in all seinen Verästelungen zu einem der meist diskutierten Problemen des Insolvenzrechts entwickelt.9 5 Mit weiteren Beispielen Einl., VI., 2.; auch Hoenig, RdW 2013, 515, 515; vgl. zu Finanzverträgen Bismuth/Carreau, in: Exchange Rate Risk in International Contracts (Hrsg. Chamber of Commerce), Survey and Synthesis, S. 57 ff. 6 Vgl. Korff, Insolvenz- und Lösungsklauseln im professionellen Mannschaftssport, insb. S. 93 ff.; Walker, KTS 2003, 169; zum Fall von Alemannia Aachen Weber, NZI 2013, 476, passim; zur Insolvenz eines Basketballclubs: BGH, Urt. v. 23.3.2001 – IX ZR 373/98, ZIP 2001, 889. Bspw. sieht § 3 der Satzung des Deutschen Eishockey-Bundes e.V. (DEB) vom 19.7.2014 vor, dass die Mitgliedschaft erlischt, sobald ein Eröffnungsantrag im Insolvenzverfahren über das Vermögen eines Mitglieds mangels Masse abgewiesen wurde. 7 Nach § 8 Abs. 2 Nr. 1 der deutschen VOB/B (Vergabe- und Vertragsordnung für Bauleistungen Teil B). 8 Borer/Müller, GesKR 2014, 77, 79; Huber, in: Münchner Kommentar zur Insolvenzordnung (Hrsg. Kirchhof/Eidenmüller/Stürner), § 119 InsO, Rn. 18. 9 Vor allem für Deutschland: Matthies, jurisPR-PrivBauR 7/2012, Anm. 3; Kliebisch/Linsenbarth, DZWIR 2013, 449, 449; Huber, NZBau 2005, 177, 181 („Die Meinungen dazu sind sehr gespalten, das Schrifttum kaum noch überschaubar.“); Gerhardt, AcP 200 (2000), 426, 439 („jeder Insolvenzrechtler hat sich irgendwie zu die-

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Die folgenden drei Beispiele illustrieren die Relevanz des Themas: 1. Beispiel: Ein Start-Up-Unternehmen, das eine internetbasierte Web-Applikation betreibt, wird zahlungsunfähig und muss ein Insolvenzverfahren beantragen. Der Energielieferant und der Telekommunikationsanbieter berufen sich auf insolvenzbezogene Lösungsklauseln und möchten den Vertrag sofort kündigen. Gleichzeitig bieten sie an, neue Verträge zu höheren Preisen abzuschließen. Der Verwalter sieht sehr gute Sanierungschancen für das Unternehmen. Die Sanierung ist der erfolgversprechendste Weg zur Gläubigerbefriedigung, da kaum liquidierbare Vermögenswerte zur Verfügung stehen. Im Falle der Wirksamkeit der vertraglichen Lösungsklausel ist der Insolvenzverwalter gezwungen, die neuen nachteiligeren Verträge abzuschließen, da er die Grundversorgung des Unternehmens sicherstellen muss – auch wenn sich die Sanierungschancen dadurch zum Nachteil der Gläubigergesamtheit verschlechtern. Wie ist mit Lösungsklauseln umzugehen, die zum Zweck der Neuverhandlung eingesetzt werden und zu Sondervorteilen einzelner Gläubiger führen?10 2. Beispiel: Ein Bauunternehmen beantragt ein Insolvenzverfahren. Die Zahlungsschwierigkeiten sind auf Zahlungsausfälle verschiedener Auftraggeber und keine eigenen organisatorischen Probleme zurückzuführen. Daher gibt der Insolvenzverwalter eine positive Fortführungsprognose ab und stellt den anderen Vertragspartnern in Aussicht, die zukünftigen Bauleistungen als Masseverbindlichkeiten zu erbringen. Die Sanierung hängt maßgeblich davon ab, dass der Verwalter die laufenden Lieferungen und Aufträge erhalten kann. a) Ein Kunde des Bauunternehmens kündigt den Bauvertrag unter Berufung auf eine insolvenzbezogene Lösungsklausel. Er trägt vor, dass die Ungewissheiten des Insolvenzverfahrens zu groß seien und es daher nicht zumutbar sei, die endgültige Entscheidung des Insolvenzverwalters über das Schicksal des schwebenden Vertragsverhältnisses abzuwarten. Rechtfertigt die Ungewissheit eines Insolvenzverfahrens die Vertragsbeendigung? b) Ein Baustofflieferant des Bauunternehmens kündigt aufgrund einer insolvenzbezogenen Lösungsklausel die laufende Geschäftsbeziehung bereits in dem Zeitpunkt, als er nur von der Zahlungsunfähigkeit seines Geschäftspartners gehört hat. Die Sanierung wird damit erheblich erschwert. Müssen Verbote von Lösungsklauseln eine Vorwirkung entfalten, um effizient zu sein? c) Ist das Szenario anders zu beurteilen, wenn die Verzögerungen des Insolvenzverfahrens wegen der aktuellen wirtschaftlichen Lage selbst eine unmittelbar existenzgefährdende Krise für den Lieferanten bedeuten würden? 3. Beispiel: Über das Vermögen eines IT-Unternehmens wird ein Insolvenzverfahren beantragt. Die Sanierungschancen sind noch unklar. a) Die Vermieterin der Geschäftsräume nimmt die Insolvenzantragstellung zum Anlass, den Vertrag zu kündigen. Infolgedessen stehen dem Unternehmen keine Geschäftsräume

sem Problem geäußert“); Grasser, Unwirksamkeit vertraglicher Lösungsklauseln für den Insolvenzfall, S. 2 („insolvenzrechtlicher Klassiker“); vgl. Pohle, K&R 2013, 297, 298; aus österreichischer Perspektive Fichtinger/Foglar-Deinhardstein, ÖBA 2010, 818, 820 („höchst umstritten und nur noch schwer zu überschauen“). Vgl. für das Wahlrecht an sich: Hahn, 13 U. Pa. J. Bus. L. 723 (2011), 724; Che/Schwartz, J.L. Econ. & Org. 441 (1999), 442 f. zu 11 U.S.C. § 365. 10 Vgl. Wood, Principles of International Insolvency, S. 418, Rn. 16-001.

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mehr zur Verfügung. Sollte der Insolvenzverwalter die Möglichkeiten einer Sanierung eruieren können, bevor die Gläubiger faktisch die Liquidation einleiten? b) Das insolvente IT-Unternehmen hat die Buchhaltung für einen Finanzdienstleister übernommen. Der Vertrag sieht bei Insolvenz des IT-Unternehmens die automatische Auflösung des Vertrags vor. Anderenfalls könnte die lückenlose Buchhaltung des Finanzdienstleisters in Gefahr geraten. Welches Gestaltungsinteresse kann zu validen Lösungsklauseln führen?

Obwohl diese Beispiele typisch sind und diese Art von Vertragsklauseln standardisiert verwendet werden, sind die Grenzen der zulässigen Vertragsgestaltung strittig. Allein in Deutschland gibt es viele Lösungsansätze, die von der generellen Unzulässigkeit von Lösungsklauseln über Fragen der Zumutbarkeit nach Treu und Glauben (§ 242 BGB) bis zu einer generellen Zulässigkeit von Lösungsklauseln reichen. Die Debatte dauert auch nach einer richtungsweisenden Entscheidung des Bundesgerichtshofs (IX ZR 169/11) aus dem Jahr 2012 an.11 Der Bundesgerichtshof hat entschieden, dass Klauseln in Energie- und Warenlieferungsverträgen, welche einer Partei ein Lösungsrecht für den Fall der Insolvenz einräumen, unwirksam seien. Gegenteilig urteilte der Bundesgerichtshof (VII ZR 56/15) im Jahr 2016: Eine Lösungsklausel in einem Bauvertrag sei wirksam.12 Es ist offen, ob der Bundesgerichtshof Lösungsklauseln grundsätzlich oder nur in konkreten Fallkonstellation für unzulässig hält. Die genaue Ausgestaltung und die Reichweite eines Verbots sind bislang höchstrichterlich nicht geklärt. Dies trägt nicht zu einer rechtssicheren Lösung bei, die zu erlassen der deutsche Gesetzgeber bislang versäumte. Seit der Revision des Bundesgesetzes über Schuldbetreibung und Konkurs im Jahr 1994 wird auch in der Schweiz die Problematik verstärkt diskutiert. Die Ansichten in der Literatur tendieren zur Wirksamkeit von Lösungsklauseln. In der Schweiz überwiegt das Prinzip der Vertragsfreiheit.13 Die Arbeit zeigt anhand der Entwicklung in verschiedenen Rechtsordnungen auf, dass Lösungsklauseln bis in die zweite Hälfte des 20. Jahrhunderts regelmäßig zulässig waren. Auch noch im Jahr 2007 waren Lösungsklauseln zumindest in mehr Ländern erlaubt als verboten.14 Allmählich ist das Pendel in die Gegenrichtung ausgeschlagen: In immer mehr Rechtsordnungen werden vertragliche Lösungsrechte eingeschränkt. In den USA existieren gesetzliche Verbote seit 1978, in Frankreich seit 1985. In Österreich wurde durch die Insolvenzrechtsreform von 2010 ein Verbot für alle Insolvenzverfahren anerkannt, nachdem erste Ideen eines Lösungsverbotes bereits 1997 für Sanierungsverfahren aufgekommen waren.

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BGH, Urt. v. 15.11.2012 – IX ZR 169/11, BGHZ 195, 348; ausführlich § 3, A., I. BGH, Urt. v. 7.4.2016 – VII ZR 56/15, BGHZ 210, 1. 13 Vgl. insgesamt Robert-Tissot, IILR 2012, 234. 14 Wood, Principles of International Insolvency, S. 431, Rn. 16-030. 12

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Für die Kehrtwende hin zum Verbot von Lösungsrechten sind zwei Dimensionen zu erkennen: Erstens steht die aussichtsreiche Befriedigung der Gläubigergesamtheit zur Debatte. Das Wahlrecht des Insolvenzverwalters soll nicht vertraglich unterlaufen werden können, sodass die Vertragsvorteile zum Wohl der Gläubigergesamtheit zur Masse gezogen werden können.15 Diese beabsichtigte Massemehrung ist lange das Hauptargument gegen die Wirksamkeit von Lösungsklauseln gewesen. Zweitens trat in den letzten Jahren und Jahrzehnten die Entwicklung in den Vordergrund, die Insolvenzverfahren immer sanierungsfreundlicher auszugestalten. Damit erlangte die Frage nach den Lösungsklauseln eine umfassendere Bedeutung. Eine Vielzahl von Vertragsverhältnissen ist für die Unternehmensfortführung essenziell. Das erklärte Ziel der Sanierung und Unternehmensrettung erfordert Mechanismen, um Verträge des Schuldners zu erhalten und zu schützen. Der zweite Argumentationsstrang wird untermauert durch Bestrebungen auf europäischer Ebene, Sanierungsmöglichkeiten im Insolvenzrecht zu verstärken. Die Europäische Union hat im November 2016 einen neuen Richtlinienentwurf über präventive Restrukturierungsrahmen, die zweite Chance und Maßnahmen zur Steigerung der Effizienz von Restrukturierungs-, Insolvenz- und Entschuldungsverfahren16 vorgelegt. Sie identifiziert das Insolvenzrecht als einen wichtigen Bestandteil des europäischen Binnenmarkts. Es ist beabsichtigt, einen wirksamen Rahmen für präventive Restrukturierungen sowie Verbesserungen der Insolvenzverfahren zu erreichen, um unter anderem Sanierungen zu erleichtern und Arbeitsplätze zu retten. Der Entwurf sieht eine konkrete Regelung insolvenzbezogener Lösungsrechte vor: „Artikel 7. Folgen der Aussetzung einzelner Durchsetzungsmaßnahmen […] (4) Die Mitgliedstaaten stellen sicher, dass die Gläubiger, für die die Aussetzung gilt, während der Aussetzung in Bezug auf vor der Aussetzung entstandene Schulden weder Leistungen aus noch zu erfüllenden Verträgen verweigern noch diese Verträge kündigen, vorzeitig fällig stellen oder in sonstiger Weise zum Nachteil des Schuldners ändern dürfen. Die Mitgliedstaaten können die Anwendung dieser Bestimmung auf wesentliche Verträge beschränken, die für die Fortsetzung des täglichen Betriebs des Unternehmens erforderlich sind. (5) Die Mitgliedstaaten stellen sicher, dass Gläubiger aufgrund einer Vertragsklausel, die entsprechende Maßnahmen vorsieht, nicht allein wegen der Aufnahme von Restrukturierungsverhandlungen durch den Schuldner, eines Antrags auf Aussetzung einzelner Durchsetzungsmaßnahmen, der Anordnung der Aussetzung als solcher oder eines ähnlichen Ereignisses im Zusammenhang mit der Aussetzung Leistungen aus noch zu erfüllen-

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Vgl. bereits Wilhelm, RdW 1986, 363, 364. Vorschlag für eine Richtlinie des Europäischen Parlaments und des Rates über präventive Restrukturierungsrahmen, die zweite Chance und Maßnahmen zur Steigerung der Effizienz von Restrukturierungs-, Insolvenz- und Entschuldungsverfahren und zur Änderung der Richtlinie 2012/30/EU vom 22.11.2016, COM(2016) 723 final. 16

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den Verträgen verweigern oder diese Verträge kündigen, vorzeitig fällig stellen oder in sonstiger Weise zum Nachteil des Schuldners ändern dürfen. […]“

Der europäische Gesetzgeber sieht heute Einschränkungen insolvenzbezogener Lösungsrechte als einen zentralen Baustein eines erfolgreichen Sanierungsverfahrens. Es ist fraglich, wie sich die Richtlinie in den momentanen Rechtsrahmen der Mitgliedstaaten einfügt. Insbesondere könnte eine richtlinienkonforme Auslegung die aktuelle Interpretation von Insolvenznormen verändern, sodass die Zulässigkeit von Lösungsklauseln neu zu bewerten ist. Ein Blick auf die Gesetzesgeschichte zur deutschen Insolvenzordnung lässt allerdings die Sanierungsfreundlichkeit eines Verbots von Lösungsklauseln hinterfragen. Der Regierungsentwurf zur Insolvenzordnung von 1992 sah in § 137 Abs. 2 InsO-E (entspräche heute § 119 Abs. 2 InsO) noch ein Verbot von insolvenzbezogenen Lösungsklauseln vor.17 Dieser Absatz ist explizit vom Rechtsausschuss des Bundestages gestrichen worden, sodass ein Verbot – anders als in den USA oder Frankreich – nicht gesetzlich umgesetzt wurde. An der entsprechenden Stelle in der Beschlussempfehlung des Rechtsausschusses heißt es: „Die Änderung [die Streichung des Abs. 2] wird dem in der Anhörung des Rechtsausschusses am 28. April 1993 nachdrücklich vertretenen Anliegen der Wirtschaftsverbände18 gerecht, die auf die sanierungsfeindliche Wirkung der Vorschrift des Regierungsentwurfs hingewiesen haben: Die Unwirksamkeit von Auflösungsklauseln für den Fall der Insolvenz erhöht die Insolvenzgefahr für Unternehmen, die in der kritischen Phase Sanierungsversuche unternehmen; denn potentielle Vertragspartner werden das Risiko der Bindung an den Vertragspartnern im Falle der drohenden Insolvenz nicht eingehen. Auch im internationalen Geschäftsverkehr wird Wert darauf gelegt, dass bei Insolvenz des Vertragspartners die Vertragsauflösung möglich bleibt.“ 19

Mit dieser Argumentation ging der Rechtsausschuss von einer sanierungsfeindlichen Wirkung eines Verbots von Lösungsrechten aus. Die vom Rechtsausschuss behauptete Bedarf im internationalen Geschäftsverkehr gilt es im Rechtsvergleich zu überprüfen. Lösungsrechte sind also teils verboten und teils erlaubt. Die Diskussionen sind zahlreich und es werden gegensätzliche Behauptungen aufgestellt, die Lösungsverbote einerseits als sanierungsfreundlich und andererseits als sanierungsfeindlich darstellen. Kann sich eine Ansicht rechtsvergleichend durchsetzen und tatsächlich gravierende Systemunterschiede im Sanierungsrecht untermauern – oder sind die Diskussionen um Lösungsrechte frei nach Shakespeare nur „viel Lärm um nichts“ und haben keine Auswirkungen auf die Sanierungschancen eines Insolvenzverfahrens? 17

BT-Drs. 12/2443, S. 152. Vgl. zur Einflussnahme der Bankenverbände gegen Beschränkungen von Lösungsrechten in der Schweiz, § 3, B. 19 BT-Drs. 12/7302, S. 170. 18

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Das Beispiel der insolvenzbezogenen Lösungsklauseln zeigt den Zustand des europäischen Insolvenzrechts wie in einem Brennglas. Es hilft den Standort des Insolvenzrechts näher zu bestimmen, inwieweit es als Sanierungsoder Liquidationsrecht ausgestaltet ist. Dabei wird der Forschungsfrage nachgegangen: In welchem Umfang und warum verbieten die Vergleichsrechtsordnungen den Einsatz insolvenzbezogener Lösungsklauseln?

Der Rahmen, in dem diese Frage zu untersuchen ist, liegt im Spannungsfeld zwischen Privatautonomie und zwingendem Insolvenzrecht (conditio creditorum, Masseschutz, effektive Durchführung des Insolvenzverfahrens, Sanierungszweck).20 Wie weit darf die Privatautonomie gehen? Warum billigt die Insolvenzordnung privatautonom vereinbarte Absonderungsrechte, aber die Zulässigkeit der Vertragsbeendigung bleibt umstritten? Welche wirtschaftlichen Auswirkungen haben Lösungsklauseln? In welchen Situationen werden Lösungsrechte verboten? Welche Regelungskonzepte gibt es? Sind die Klauseln nichtig oder nur während des Insolvenzverfahrens außer Kraft? Ist es legitim, allein in der Insolvenz eine Ungewissheit zu erkennen, die eine Vertragsbeendigung rechtfertigt? Sind Lösungsklauseln unwirksam, kann der Verwalter sein Wahlrecht ausüben. Kann dies aber dazu führen, dass die Kautelarpraxis einfach früher an Vermögensverschlechterungen des Vertragspartners anknüpft? Dadurch könnte die Insolvenzmasse noch schlechter gestellt werden, als wenn die ursprüngliche Lösungsklausel wirksam gewesen wäre. So weisen Anwaltssozietäten frei nach Friedrich Schiller bereits darauf hin: „Darum kündige rechtzeitig, wer sich nicht ewig binden will!“21

Die Anwälte raten, rechtzeitig Zahlungsschwierigkeiten des Vertragspartners zu erkennen sowie Lösungsklauseln entsprechend weit und unabhängig von der Insolvenz zu formulieren. Kann diese Vertragsgestaltung die Insolvenz sogar noch beschleunigen? Ist die Lösungsklausel wirksam, hätte neben dem Verwalter zusätzlich der Vertragspartner das Recht, sich vom Vertrag zu lösen. Ist dies unbillig? Die Arbeit dient der Suche nach der best practice im Umgang mit Beendigungsrechten. Maßstab für diese „beste Lösung“ wird sein, wie die richtigen 20

Thole, in: Einheit des Privatrechts, komplexe Welt: Herausforderungen durch fortschreitende Spezialisierung und Interdisziplinarität: Zürcher Tagung 3.-6. September 2008 – Jahrbuch Junger Zivilrechtswissenschaftler 2008 (Hrsg. Domej), Privatautonomie und Insolvenzrecht – Eine Analyse zum Spannungsverhältnis von privatautonomer Gestaltung und insolvenzrechtlichen Strukturprinzipien am Beispiel sog. Lösungsklauseln, S. 273. 21 GSK Update, 11.11.2013, , zuletzt abgefragt: 30.1.2018.

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wirtschaftlichen Anreize gesetzt werden und dabei die maximale Vertragsfreiheit gewährt werden kann, ohne die Zwecke des Insolvenzverfahrens zu vereiteln. Gleichzeitig muss es Ziel sein, Rechtsunsicherheiten zu vermeiden. Die Arbeit analysiert und bewertet die verschiedenen Ansätze der Vergleichsordnungen bei Lösungsklauseln. Dabei werden die neueren Entwicklungen im deutschen Recht nachgezeichnet und in den internationalen Kontext eingeordnet. II. Vertragsbeendigung bei grenzüberschreitenden Insolvenzen Wie sind insolvenzbezogene Lösungsklauseln in internationalen Verträgen zu behandeln? Können Lösungsklauseln kollisionsrechtlich wirksam vereinbart werden? In Deutschland gab es zu der internationalen Dimension erst ein obergerichtliches Urteil aus dem Jahr 201222: Dem OLG Karlsruhe lag ein Fall einer grenzüberschreitenden Insolvenz vor. Hierbei war ein französisches Unternehmen, welches mit einem deutschen Unternehmen Vertragsbeziehungen unterhielt, in die Insolvenz gefallen. Dieser Vertrag enthielt eine insolvenzbezogene Lösungsklausel nach VOB/B.23 In Frankreich wurde das Insolvenzverfahren eröffnet. Sowohl nach nationalem Kollisionsrecht als auch nach der europäischen Insolvenzverordnung wird das auf die Insolvenz anwendbare Recht durch die lex fori concursus bestimmt. Art. 7 Abs. 2 lit. e. EuInsVO sieht vor, dass die Wirkungen des Insolvenzverfahrens auf laufende Verträge des Schuldners von der lex fori concursus (hier: französisches Recht) bestimmt werden. Nach französischem Recht wäre die Klausel unwirksam. Das OLG Karlsruhe hingegen hat für die Bewertung, ob die Lösungsklausel wirksam war, nicht das Insolvenzstatut herangezogen. Vielmehr knüpft das OLG an das Vertragsstatut an, in diesem Fall deutsches Recht. Nach der damaligen (und heutigen) BGHRechtsprechung zu VOB-Klauseln war die Klausel als wirksam zu betrachten, sodass das OLG Karlsruhe auch im internationalen Vertrag die Klausel aufrechterhielt. Dabei ist die Abgrenzung zwischen Vertragsstatut und Insolvenzstatut vor allem deshalb besonders interessant, weil im Vertragsstatut grundsätzlich eine vertragliche Rechtswahl zulässig ist. Kann damit durch Rechtswahl der gegenseitige Vertrag einer Rechtsordnung unterstellt werden, die Lösungsklauseln je nach Fallgestaltung für wirksam bzw. unwirksam hält? Kann eine solche Rechtswahl dann im Rahmen einer Insolvenz vor dem Hintergrund der EuInsVO Bestand haben? Zu bewerten ist auch, inwiefern sich mehrere In22

OLG Karlsruhe, Urt. v. 15.2.2012 – 13 U 150/10, NZI 2012, 526. Die VOB ist ein von der Deutschen Vergabe- und Vertragsausschuss ausgearbeitetes allgemeines Vertragswerk für den Bausektor, vgl. Hinger, Die Bauunternehmerinsolvenz – Die Sicherungs- und Vertragslösungsrechte zum Schutz der Vermögensinteressen des privaten Auftraggebers im Kontext von § 103 InsO, S. 50. 23

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solvenzverfahren (bspw. inländische Primärverfahren mit ausländischen Sekundärverfahren und umgekehrt) hinsichtlich schwebender Vertragsverhältnisse koordinieren lassen und welche Auswirkungen unterschiedliche Insolvenzgesetze auf ein einheitliches Vertragsverhältnis haben. III. Forschungsstand und Methodik Obwohl das Problem in jeder Rechtsordnung sehr ausführlich diskutiert wird und es eine internationale Bedeutung aufweist, wird die Fragestellung oft nur aus nationaler Perspektive analysiert. Dabei sehen sich alle Rechtsordnungen mit dem gleichen Problem konfrontiert. Interessanterweise kommen immer wieder ähnliche Argumente auf und dennoch gehen die Lösungsansätze diametral auseinander. Die rein nationale Diskussion um Lösungsklauseln wird in Deutschland seit Jahrzehnten geführt. Es wurden verschiedene Dissertationen zu der Frage nach der Zulässigkeit von Lösungsklauseln in der Insolvenz verfasst.24 Eine Klärung durch den Gesetzgeber fehlt. Bisher wurde das bestehende Recht mit dem klassischen juristischen Handwerkszeug, der Auslegung nach Wortlaut, Systematik, Telos und Historie analysiert. Allerdings fehlt bislang eine umfassende rechtsvergleichende Untersuchung zu diesem Themenbereich, die über vergleichende Hinweise25 hinausging. Jüngst erschienen nach Fertigstellung dieser Arbeit zwei weitere rechtsvergleichende Beiträge.26 Die vorliegende Arbeit ist indes umfangreicher in Bezug auf die Vergleichsordnungen. Sie berücksichtigt psychologische sowie ökonomische Erklärungsansätze und bezieht europäische bzw. internationale Entwicklungen ein. Außerdem wird insbesondere auf die Legitimität von Verboten insolvenzbezogener Lösungsrechte im Hinblick auf die Einschränkung der Privatautonomie eingegangen. Das Schicksal internationaler Verträge wird in der insolvenzrechtlichen Literatur meist nur lückenhaft und rudimentär behandelt – dies gilt vor allem für die Diskussion über Lösungsklauseln in internationalen Verträgen.27 Be-

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Tintelnot, Vereinbarungen für den Konkursfall – Vollwertigkeit der Vermögenshaftung und Bedingung des Konkurses (1991), passim; Schwörer, Lösungsklauseln für den Insolvenzfall (2000), passim; Wortberg, Lösungsklauseln und Insolvenz (2003), passim; Socher, Die Vereinbarkeit insolvenzbedingter Lösungsklauseln mit dem Wahlrecht des Insolvenzverwalters (2003), passim; Wöllner, Die Wirksamkeit vertraglicher Lösungsklauseln im Insolvenzfall (2009), passim. 25 Hinweise bei Thole, ZNER 2013, 465, 466; Wöllner, Die Wirksamkeit vertraglicher Lösungsklauseln im Insolvenzfall, S. 294; Wilmowsky, ZIP 2007, 553, 555; tiefgreifender Robert-Tissot, IILR 2012, 234, passim. 26 Grasser, Unwirksamkeit vertraglicher Lösungsklauseln für den Insolvenzfall (2017), passim; Piekenbrock, ZIP 2018, 1, passim. 27 Vgl. Dammann/Lehmkuhl, NJW 2012, 3069 („zum ersten Mal mit der Problematik der Auswirkungen des Insolvenzverfahrens auf laufende Verträge beschäftigt“). Bereits

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stehende Arbeiten befassen sich primär mit der Anerkennung ausländischer Insolvenzverfahren und der Zuständigkeit für internationale Insolvenzverfahren, nicht aber mit den materiellen Auswirkungen auf schwebende Verträge.28 Schollmeyer und Garašić haben sich bereits rechtsvergleichend und kollisionsrechtlich mit schwebenden Verträgen in internationalen Insolvenzen auseinandergesetzt.29 Allerdings entwickelte sich das Insolvenzrecht in den letzten Jahren höchst dynamisch, nachdem in vielen europäischen Ländern grundlegende Reformen durchgeführt wurden. Eine Überarbeitung und Neubewertung drängt sich damit auf.30 Die noch offenen Fragen zu Lösungsklauseln und zur Koordination des Verwalterwahlrechts bei parallelen Verfahren rücken in den Fokus. Die vorliegende Arbeit soll in einem europäischen und internationalen Kontext neue Impulse und Ideen zu Lösungsklauseln liefern und die Ansichten in der Schweiz und in Deutschland verfeinern, aber auch Alternativen aufzeigen. Schließlich erleichtert die Arbeit die Umsetzung der oben angesprochenen EU-Richtlinie in nationales Recht. Günter Hirsch sagt in dem Vorwort des Werks „Rechtsvergleichung in Theorie und Praxis“: „Der Rohstoff ‚ausländisches Recht‘ muss daher durch den rechtsvergleichenden Wissenschaftler derart benutzerfreundlich ‚bearbeitet‘ bzw. aufbereitet werden, dass das Interesse der potentiellen Konsumenten in der Rechtspraxis, also der Richter und Rechtsanwälte, geweckt wird, dieses Produkt zur Lösung ihrer Rechtsprobleme heranzuziehen. Denn die Rechtsvergleichung schärft das Bewusstsein dafür, dass die Rechtsinstitute und Methoden des eigenen Rechts nicht die einzig möglichen Lösungen für soziale Probleme sind. Sie ist

Raitz v. Frentz/Marrder, ZUM 2001, 761, 763 ff. liefern erste Ansätze zur IPR-rechtlichen Behandlung. 28 Beispielsweise Rodriguez, Zuständigkeiten im internationalen Insolvenzrecht – Der 11. Titel des IPRG im Rechtsvergleich mit der europäischen Insolvenzverordnung und dem UNCITRAL-Modellgesetz, passim; Graf, Die Anerkennung ausländischer Insolvenzentscheidungen, passim; Bloching, Pluralität und Partikularinsolvenz – Eine Untersuchung zum deutschen internationalen Insolvenzrecht, passim; Trunk, Internationales Insolvenzrecht – Systematische Darstellung des deutschen Rechts mit rechtsvergleichenden Bezügen, passim; Fehrenbach, Haupt- und Sekundärinsolvenzverfahren – Zur sachgerechten Verfahrenskoordination bei grenzüberschreitenden Unternehmensinsolvenzen, passim. 29 Schollmeyer, Gegenseitige Verträge im internationalen Insolvenzrecht, passim. Garašić, Anerkennung ausländischer Insolvenzverfahren: ein Vergleich des kroatischen, des deutschen und des schweizerischen Rechts sowie der Europäischen Verordnung über Insolvenzverfahren, des Istanbuler Übereinkommens und des UNCITRAL-Modellgesetzes, Teil 2, S. 293 ff. 30 Jüngst Pfeiffer, in: Ars aequi et boni in mundo – Festschrift für Rolf A. Schütze zum 80. Geburtstag (Hrsg. Geimer/Kaissis/Thümmel), Die Unwirksamkeit insolvenzbedingter Lösungsklauseln im Internationalen Privat- und Verfahrensrecht, passim und Grasser, Unwirksamkeit vertraglicher Lösungsklauseln für den Insolvenzfall, S. 307 ff.

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‚Gegengift gegen blinde Dogmengläubigkeit‘ und befreit vom Denken im Elfenbeinturm.“31

Ganz in diesem Sinne soll die Arbeit ein „Gegengift“ liefern und die nationalen Lösungsansätze in Deutschland und der Schweiz mit einem Blick über den Tellerrand und ausländischen Konzepten bereichern. Damit soll erreicht werden, den vom Bundesgerichtshof eingeschlagenen deutschen Lösungsansatz zu präzisieren, dessen Lücken zu füllen und, wo nötig, zu kritisieren. Der Rechtsvergleich kann helfen, die Grenze der Privatautonomie näher zu bestimmen und Ideen liefern, an welches Kriterium zulässigerweise eine Lösungsklausel anknüpfen kann. Gerade die Frage, ob ein Verbot von Lösungsklauseln Standortnachteile mit sich bringt, ergibt sich aus den Ergebnissen des Rechtsvergleichs. Auch die kulturelle Identität, das Menschenbild und der Zusammenhang mit der jeweiligen Rechtskultur sind relevante Faktoren für den Rechtsvergleich.32 Dies wird in der vorliegenden Arbeit deutlich, wenn das Augenmerk auf die Sanierungschancen und die kulturelle Betrachtung der Insolvenz gelegt wird. Als Vergleichsordnungen bieten sich aus deutscher und schweizerischer Sicht insbesondere Österreich, Frankreich, England und die USA an. Diese Rechtsordnungen haben explizite Regelungen für Lösungsklauseln und sind wirtschaftlich eng mit Deutschland und mit der Schweiz verbunden. England und die USA bieten sich als die wichtigsten Vertreter der common lawRechtsordnungen an. Speziell in der Geschichte des Insolvenzrechts sind drei Rechtsfamilien auszumachen: England und die USA stehen hierbei für das common law, Deutschland, die Schweiz und Österreich bilden eine römischgermanische Gruppe33 und Frankreich steht für den romanischen Rechtskreis.34 Insofern deckt die Auswahl eine weitreichende ideengeschichtliche Entwicklung ab.35 Um den oben aufgeworfenen wirtschaftlichen Fragen nachzugehen, soll die Arbeit auf Ergebnisse der ökonomischen Analyse des Rechts zurückgreifen. Die ökonomische Analyse ist vor allem vom amerikanischen Rechtskreis geprägt. Sie hat im deutschen Rechtskreis bisher nur einen untergeordneten Stellenwert. Die ökonomische Analyse des Rechts erfasst die Auswirkungen der Vertragsgestaltung und liefert wichtige Argumente für die rechtstatsächli-

31 Vorwort zu Markesinis/Fedtke, Rechtsvergleichung in Theorie und Praxis – Ein Beitrag zur rechtswissenschaftlichen Methodenlehre, S. XIX. 32 Jayme, RabelsZ 67 (2003), 211, 214, 215. 33 Hierzu zählen typischerweise auch: Tschechien, die Türkei, Kroatien, Serbien, Estland und Lettland. 34 Ebenfalls hierzu gehören: Belgien, Italien, Luxemburg, die Niederlande und Spanien. 35 Wood, Principles of International Insolvency, S. 19, 1-037. Ergänzend kann eine vierte Gruppe der skandinavischen Länder identifiziert werden: Dänemark, Schweden, Norwegen und Finnland.

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chen Folgen.36 Es ist zu bewerten, ob ökonomische Effizienz durch ein Verbot von Lösungsklauseln angestrebt wird oder ob etwaige höhere wohlfahrtsökonomische Kosten aus rechtspolitischen Zielen gerechtfertigt sind. Relevant ist auch, ob ein Verbot von Lösungsklauseln höhere vertragliche Preise bedingt. Bislang hat Pilgram die deutsche Insolvenzordnung auf ihre wohlfahrtsökomische Wirkungen untersucht und hierbei in einem Fallbeispiel Lösungsklauseln wirtschaftlich negative Folgen attestiert.37 Das Thema streifen Wöllner und Wortberg38 und lehnen Pilgrams Ansatz lapidar ab: Eine tragfähige ökonomische Analyse des Rechts müsse sämtliche Entscheidungsmöglichkeiten des Rechtsanwenders betrachten. Eine von Pilgram durchgeführte summarische Prüfung genüge nicht. Die vorliegende Arbeit soll daher die wirtschaftlichen Hintergründe vertiefen. Die wirtschaftlichen Erkenntnisse werden auf ihre Plausibilität überprüft, soweit dies ohne tiefgreifende ökonometrische Berechnungen möglich ist. In diesem Zusammenhang stellt sich die Frage, ob ein praktisches und wirtschaftliches Bedürfnis für Lösungsklauseln besteht oder ob hier nur ein psychologischer Effekt, eine Angst vor der Insolvenz, zutage tritt. Wer muss letztlich einen Beitrag zur Sanierung eines Unternehmens leisten – die Gläubigergesamtheit, einzelne Gläubiger, der Schuldner oder Dritte? IV. Gang der Darstellung Die Frage nach der Zulässigkeit von Lösungsklauseln ist eigentlich eine punktuelle Frage im Insolvenzrecht. Dennoch erfordert diese Frage eine Reise durch die verschiedensten Gebiete des Insolvenzrechts: Es geht um schwebende Verträge und das Wahlrecht des Insolvenzverwalters, um den Systemwandel vom Vollstreckungs- zum Unternehmensrecht, von Liquidationszwecken zu Sanierungstendenzen, um universelle oder territoriale Geltung im Internationalen Insolvenzrecht sowie um die Koordinierung zwischen mehreren Parallelverfahren. Zunächst wird in der Einleitung in die Thematik eingeführt. Dabei werden die gegenständlichen Begriffe näher definiert. Im ersten Kapitel schließen sich Länderberichte an. Die Insolvenzsysteme der Vergleichsordnungen und deren Zwecke werden beschrieben (§ 1). Diese Grundlagen sind notwendig für das Verständnis der weiteren Erwägungen. 36

Sprau, in: Bürgerliches Gesetzbuch: BGB (Hrsg. Palandt), Einleitung, Rn. 38. Pilgram, Ökonomische Analyse der bundesdeutschen Insolvenzordnung, passim; zu Lösungsklauseln S. 130 ff.; zu wirtschaftlichen Erwägungen im Kontext von Lösungsklauseln auch Thole, in: Privatautonomie und Insolvenzrecht, S. 291 ff., vgl. hierzu insb. § 8. 38 Wöllner, Die Wirksamkeit vertraglicher Lösungsklauseln im Insolvenzfall, S. 171; Wortberg, Lösungsklauseln und Insolvenz, S. 131 f. (auch ein Verbot von Lösungsklauseln kann die Insolvenz des Vertragspartners verursachen). 37

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Anschließend werden die Regelungssysteme der Vergleichsordnungen begutachtet, die auf gegenseitige, nicht vollständig erfüllte Verträge anzuwenden sind. Dabei wird das jeweilige Insolvenzverwalterwahlrecht in einem punktuellen Rechtsvergleich dargestellt und die Frage beantwortet, welche Auswirkungen die Insolvenz auf gegenseitige Verträge hat (§ 2). Auf dieser Grundlage wird in den Vergleichsordnungen die Rechtslage zu insolvenzbezogenen Lösungsklauseln aufgezeigt und jeweils am Ende kurz bewertet (§ 3). Es folgen Regelungen weiterer Rechtsordnungen zu insolvenzbezogenen Lösungsklauseln im Überblick (§ 3, F.). Ferner sollen zwei typische Rechtsgebiete exemplarisch begutachtet werden: Finanzverträge und Mietverträge (§ 4). Die Ergebnisse der Länderberichte werden rechtsvergleichend systematisiert (§ 5). Im zweiten Kapitel werden aus den gewonnenen Erkenntnissen die entscheidenden Aspekte rechtsordnungsübergreifend erörtert. Hierzu soll zunächst ein Blick auf die wichtigsten juristischen Argumente geworfen werden (§ 6). Diese bilden den juristischen Rahmen, an dem insolvenzbezogene Lösungsklauseln zu messen sind. Die rechtliche Erörterung wird notwendigerweise durch die folgenden Kapitel zu Wirtschaft und Rechtspolitik konkretisiert, weshalb bereits in § 6 zugunsten des Gesamtverständnisses Verweise auf die beiden Folgekapitel erforderlich sind. Insoweit werden wirtschaftliche Erwägungen und Zusammenhänge in § 7 analysiert, bevor auf rechtspolitische Funktionen von Lösungsverboten und aktuelle europarechtliche Entwicklungen eingegangen wird (§ 8). Das zweite Kapitel schließt mit einer rechtsvergleichenden Bewertung als Gesamtfazit (§ 9). Das dritte Kapitel soll aus den übergeordneten Erwägungen des zweiten Kapitels konkrete Schlussfolgerungen und Lehren für die deutsche und schweizerische Rechtslage erarbeiten. Hierbei werden zunächst allgemeine Leitlinien eines Verbots entwickelt (§ 10), die für den deutschen Diskurs (§ 11) und den schweizerischen Diskurs (§ 12) konkretisiert werden. In § 13 wird ein Gesetzesvorschlag vorgestellt. Um den internationalen Blick zu vervollständigen, bewertet das vierte Kapitel schließlich die vorliegende Thematik bei internationalen Verträgen aus dem Blickwinkel des Internationalen Privatrechts. Dabei wird eine allgemeine Einführung in das Internationale Insolvenzrecht gegeben (§ 14). Weiterhin wird das anwendbare Recht bei schwebenden Verträgen mit Lösungsklauseln (§ 15) und die Belegenheit des Vertragsverhältnisses zur Koordinierung paralleler Verfahren bestimmt (§ 16). Die Arbeit schließt mit thesenartigen Schlussfolgerungen. V. Abgrenzungen “I have failed to discuss many difficulties and possible variations because of their complexity. I have also deliberately focused on the larger policy questions, ignoring many details. I have done so because of my conviction that we cannot make progress in man-

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agement of multinational defaults unless we take large steps. Those of us who have devoted many years to studying the marvelous intricacies of our own domestic insolvency systems have to find the intellectual fortitude to step back from those fascinating details so that we may help to fashion a workable system of international cooperation in insolvency matters based on broadly understood notions of the common interest. If we help to create such a system, our reward will be to make an important contribution to the historic evolution now taking place, the binding-together of a world of nation states by the sturdy cables of commerce.”39

Die Arbeit setzt sich grundlegend und vertragstypenübergreifend mit Lösungsrechten auseinander. Im Ausgangspunkt soll das Augenmerk auf die Vertragsgestaltung zwischen zwei Unternehmen gelenkt werden. Verbraucherinsolvenzverfahren stehen weniger im Zeichen der Sanierung als der Restschuldbefreiung. Daher soll auf diese nicht eingegangen werden. Neben Darlehensverträgen weisen Arbeitsverträge40 in vielen Rechtsordnungen spezielle Sonderregelungen auf, die nicht näher betrachtet werden sollen, um nicht vom Grundlagenziel der Arbeit abzulenken. Ferner spielen Lösungsklauseln im Insolvenzfall bei Lizenzverträgen eine herausragende Rolle. In diesem Bereich hat sich allerdings eine eigenständige Diskussion und Dogmatik entwickelt, sodass diese speziellen Fragen hier nicht näher behandelt werden.41 Auch auf besondere sportverbandsrechtliche Verträge wird nicht weiter eingegangen.42 Lösungsklauseln im Bereich der Finanzverträge können besondere Aufklärungspflichten und Schadensersatzansprüche auslösen, wie es sich beispiels-

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Westbrook, 17 Brook. J. Int'l L. 499 (1991), 538. Vgl. beispielsweise § 25 österr. IO (zu Arbeitsverträgen); §§ 120 ff. dt. InsO (Insolvenzarbeitsrecht). 41 Zur besonderen Interessenlage bei Lizenzen beispielsweise In re Qimonda AG, No. 09-14766-SSM (Bankrcy E.D. Va. Oct. 28, 2011), GRURInt 2012, 86: Das Wahlrecht nach deutschem Recht verstößt insofern gegen den US-amerikanischen ordre public, als es Lizenzverträge dem Verwalterwahlrecht unterstellt und es dem Lizenznehmer nicht wie 11 USC § 365(n) gestattet, die Lizenz zu erhalten. Weitergehend auch Bortz, Urheberrechtliche Lizenzen in nationaler und internationaler Insolvenz, § 9, S. 133 – 149; Lieder/Smid, DZWIR 2005, 7, passim; Cepl, NZI 2000, 357; Scherenberg, Lizenzverträge in der Insolvenz des Lizenzgebers unter besonderer Berücksichtigung des Wahlrechts des Insolvenzverwalters nach § 103 Abs. 1 InsO, passim und ausführlich Hausmann, ZUM 1999, 914, passim. Zum Schweizer Recht: Spühler, in: Neuere Tendenzen im Gesellschaftsrecht – Festschrift für Peter Forstmoser zum 60. Geburtstag (Hrsg. Caspar von der Crone), Möglichkeiten eines Konkursverwalters bei zweiseitigen Verträgen, S. 684; Fischer, Lizenzverträge im Konkurs – Gesetzliche Regelung und vertragliche Gestaltungsmöglichkeiten, S. 153 f. 42 Zu Lösungsklauseln im Sportbereich: vgl. Fn. 6. 40

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weise bei der Lehman-Brothers-Insolvenz gezeigt hat.43 Auch auf diesen Themenbereich wird nicht näher eingegangen. VI. Begriffsbestimmungen Eine rechtsvergleichende Arbeit steht vor der Herausforderung, identische Sachverhalte für verschiedene Rechtsordnungen rechtlich zu bewerten. Die in der Sache zwar gleich scheinenden Rechtsinstitute werden regelmäßig unterschiedlich benannt. Möglich ist auch, dass selbst bei identischer Nomenklatur derselbe Begriff nicht immer den identischen Inhalt beschreibt. Die folgenden Ausführungen sollen einheitliche Begriffe für die Arbeit gewährleisten. 1. Gesamtvollstreckungsverfahren und Insolvenzrecht a) Konkurs und Insolvenz Besonders im Insolvenzrecht treten unterschiedliche Begriffe und vor allem unterschiedliche sprachliche Konnotationen für ein Gesamtvollstreckungsverfahren zutage: Dies betrifft im deutschen Sprachraum vor allem die Begriffe „Konkurs“ und „Insolvenz“. Der Konkurs ist vom lateinischen concursus creditorum abzuleiten – dem Zusammenlaufen der Gläubiger.44 Auch der Begriff der Insolvenz ist lateinischen Ursprungs (solvere – die Schuld zahlen). 45 Hieraus entwickelte sich die „Unfähigkeit, seine Schuld zu zahlen“ – also die Insolvenz. In Deutschland wechselte der Gesetzgeber im Jahr 1999 von dem Begriff der Konkursordnung zu dem der Insolvenzordnung. Mit diesem Begriffswechsel war auch ein Konnotationswechsel von Konkurs zu Insolvenz beabsichtigt: Es ist der Weg von den Gläubigerinteressen hin zu denen des Schuldners.46 Auch in Österreich ist mit der Reform 2010 der Wandel vom Konkursrecht hin zur Insolvenz bzw. zum Insolvenzverfahren vollzogen worden. In der Schweiz wird weiterhin von dem Konkurs und der Schuldbetreibung gesprochen (Bundesgesetz vom 11. April 1889 über Schuldbetreibung und Konkurs – SchKG). Damit ist in der Schweiz nach wie vor der Begriff des Konkurses allgegenwärtig. Im Französischen wird von faillite gesprochen. Der Begriff geht auf lateinisch fallere zurück. Er hat die Bedeutung „täuschen“ und wird heute als

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BGH, Urt. v. 25.11.2014 – XI ZR 480/13 (juris); BGH, Urt. v. 25.11.2014 – XI ZR 169/13, NJW 2015, 398. 44 Nachmann/Heydenreuter, in: Handbuch Insolvenzrecht in Europa (Hrsg. Kindler/ Nachmann), Deutschland, Rn. 1; Foerste, Insolvenzrecht, § 1, Rn. 1. 45 Nachmann/Heydenreuter, in: Hdb. Inso. Europa, Deutschland, Rn. 1. 46 Nachmann/Heydenreuter, in: Hdb. Inso. Europa, Deutschland, Rn. 13; vgl. auch Volken, in: Zürcher Kommentar zum IPRG (Hrsg. Girsberger/Heini/Keller/Kostkiewicz/ Siehr/Vischer/Volken), Vor Art. 166-175, Rn. 5.

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ein Fehlschlagen verstanden.47 Die französische Rechtsordnung vermeidet heute – im Gegensatz zur Schweiz – diesen Begriff und spricht von entreprises en difficulté: Unternehmen in Schwierigkeiten. Dieses neutrale Verständnis soll die negativen Assoziationen mit dem Konkurs vermeiden. Schließlich sprechen die common law-Rechtsordnungen von bankruptcy oder insolvency. Aber auch diese Begriffe sind keine Synonyme. Im englischen Recht bezeichnet insolvency die Unternehmensinsolvenz, wohingegen bankruptcy sich nur auf Privatinsolvenzen bezieht. In den USA wird hingegen einheitlich nur von bankruptcy gesprochen. Bankruptcy kommt vom italienischen banco rotto und bedeutet „zerbrochene Bank“.48 Historisch wurden bei Geldwechslern, die ihre Schulden nicht mehr zahlen konnten, die Tische zerbrochen. Dadurch wurden die Geldwechsler vom Markt ausgeschlossen.49 Bei all den verschiedenen sprachlichen Ausgestaltungen kommt dem Begriff der Insolvenz eine verhältnismäßig neutrale Konnotation zu. Diese sprachliche Ebene verdeutlicht die heutige Positionierung des Insolvenzrechts. Unabhängig von Liquidations- oder Reorganisationsverfahren ist die Insolvenz am weitesten zu verstehen.50 Entsprechend dem modernen Begriffsverständnis sollen rechtsordnungsübergreifend die Begriffe aus dem deutschen Sprachgebrauch für sämtliche Gesamtvollstreckungsverfahren verwendet werden: Insolvenzverfahren, Insolvenzverwaltung und Insolvenzverwalter. b) Insolvenzrecht und Insolvenzverfahren Allgemein ist festzustellen, dass das Insolvenzrecht Leitlinien aufstellt, um die Gläubiger in der Krise des Schuldners gemeinschaftlich zu befriedigen und gleichzeitig ein gerichtliches Verfahren zur Sanierung oder Liquidation zu gewähren.51 „Als Insolvenzrecht bezeichnen wir die Summe der materiellrechtlichen und der verfahrensrechtlichen Rechtsnormen, die in einem staatlich geordneten Verfahren der gemeinschaftlichen Verwirklichung der Vermögenshaftung eines Schuldners dienen, der zur vollen Befriedigung aller Gläubiger nicht mehr in der Lage ist. Dabei ist die Haftungsverwirklichung gegenüber dem insolventen Schuldner in einem sehr weiten Sinn zu verstehen. Diese umfasst alle denkbaren Verwertungsarten. Neben einer Zwangsverwertung

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Correnti, ZInsO 2006, 1020, Fn. 3. Paulus, KTS 2000, 239, 241. 49 Rajak, in: International Insolvency Law – Themes and Perspectives (Hrsg. Omar), Chapter 1 – The Culture of Bankruptcy, S. 4. 50 Vgl. Kammel, in: The Law and Economics of Corporate Insolvency, S. 61; Wood, Principles of International Insolvency, S. 12, Rn. 1-022. 51 Pape, in: Insolvenzordnung, Kommentar (Hrsg. Uhlenbruck/Hirte/Vallender), § 1, Rn. 6. 48

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durch Liquidation ist auch jede planmäßige Verwertung der Insolvenzmasse zu Sanierungszwecken ein legitimer Teil des Insolvenzrechts.“52

Die Begriffe „Gemeinschuldner“, „Schuldner“ und „debtor“ sind im Folgenden als gleichwertig zu verstehen. Auslöser für das Verfahren ist die Zahlungsunfähigkeit bzw. Überschuldung des Schuldners. Diese Begriffe werden in der vorliegenden Arbeit weit verstanden, um die verschiedenen Systeme vergleichen zu können.53 Die weite Definition der Principles of European Insolvency Law für das Insolvenzverfahren ist für die vorliegende Arbeit insoweit passend, als es im Wesentlichen nicht auf die verfahrenstechnischen Unterschiede der jeweiligen Rechtsordnungen ankommt: “In an insolvency proceeding (“proceeding”) the assets of an insolvent debtor are collected and converted into money to be distributed among the creditors (“liquidation”), or the liabilities of an insolvent debtor are restructured in order to re-establish the debtor’s ability to meet liabilities (“reorganisation”). The proceeding can be a combination of liquidation and reorganisation.”54

Kennzeichnend für das Insolvenzverfahren ist, dass die Verwaltungs- und Verfügungsbefugnis auf einen Verwalter übergeht oder in bestimmten Fällen eine Eigenverwaltung durchgeführt wird, ein Gesamtverfahren für alle Gläubigeransprüche existiert und ggf. eine Restschuldbefreiung stattfindet.55 Die Zielrichtung des Insolvenzverfahrens ist zweifach: Das Insolvenzverfahren kann entweder auf die Liquidation oder eine Sanierung ausgerichtet werden. Merkmal des Insolvenzverfahrens ist, dass es unter Gerichtsaufsicht stattfindet – unabhängig davon, ob Sanierungs- oder Liquidationsverfahren.56 Als Sanierung ist zu verstehen, dass sich das Unternehmen in einer wirtschaftlichen Notlage befindet und in einem formellen oder informellen Verfahren die Stärken des Unternehmens wiederhergestellt werden. Es kann reorganisiert, restrukturiert oder abgespalten werden.57 Aus der Summe der insolventen Unternehmen sind folglich zukunftsträchtige Unternehmen zu sanieren und wieder in das Wirtschaftsleben zu integrieren. Die übrigen Unternehmen sind durch ein Liquidationsverfahren vom Markt auszuschließen. Letzteres ist aus ökonomischer Sicht dann erforderlich, wenn die im Unternehmen gebundenen Werte nach der Zerschlagung zu einem höheren Ertrag 52

Prütting, KSzW 2012, 255. European Commission, Business Dynamics: Start-ups, Business Transfers and Bankruptcy. The economic impact of legal and administrative procedures for licensing, business transfers and bankruptcy on entrepreneurship in Europe, S. 104. 54 McBryde/Flessner, in: Principles of European Insolvency Law (Hrsg. McBryde/ Flessner/Kortmann), Principles of European Insolvency Law, § 1.1. 55 Rajak, in: The Culture of Bankruptcy, S. 3. 56 Djankov/Hart/McLiesh/Shleifer, J. Pol. Econ. 2008, 1105, 1113. 57 Finch, Corporate Insolvency Law – Perspectives and Principles, S. 244. 53

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führen.58 Gleichwohl mag eine Sanierung im Regelfall effizienter sein, da eine höhere Befriedigung zu erwarten ist.59 c) Masseverbindlichkeiten und Insolvenzforderungen Entscheidend für die Arbeit ist das Verständnis der Insolvenzforderungen und Masseverbindlichkeiten. Unter „Insolvenzforderung“ sind einheitlich solche Forderungen zu verstehen, die nicht besonders gesichert sind und somit als eine ungesicherte Forderung zur Teilhabe am Insolvenzverfahren berechtigt:60 Dies bedeutet nur eine Befriedigung in Höhe einer in aller Regel niedrigen Insolvenzquote und einen erheblichen Forderungsausfall. Hingegen sind die Masseverbindlichkeiten privilegierte Forderungen, die vor den Insolvenzforderungen vorab aus der Insolvenzmasse befriedigt und daher regelmäßig vollständig ausgezahlt werden. Nur Aus- und Absonderungsrechte (z.B. Pfandrechte) gehen den Masseverbindlichkeiten vor. Masseverbindlichkeiten begründen einen Schutzmechanismus für die Vertragspartner des Insolvenzschuldners, die auch in der Insolvenz mit dem Insolvenzverwalter weiter ihre Verträge fortführen und vertraglich zum Leistungstausch verpflichtet sind. Gleichwohl können auch Masseverbindlichkeiten nicht alle mit der Insolvenz verbundenen Ungewissheiten ausräumen, beispielsweise ob der Insolvenzschuldner sich wirtschaftlich erholt. Schlussendlich kann es vom Insolvenzverwalter abhängen, ob Masseverbindlichkeiten begründet werden. In der vorliegenden Arbeit werden in der Insolvenz privilegierte Forderungen entsprechend dem deutschen Verständnis einheitlich als „Masseverbindlichkeit“ bezeichnet.61 2. Lösungsklauseln Vertragsbeendigungsklauseln im Insolvenzfall werden im deutschen Rechtskreis und in dieser Arbeit als „Lösungsklauseln“ bezeichnet; im schweizerischen Recht eher als Vertragsbeendigungs- bzw. Auflösungsklauseln. Dabei kann inhaltlich unterschieden werden zwischen Klauseln, die automatisch den Vertrag auflösen, und Klauseln, die nur ein Kündigungs-, Widerrufs-, oder Rücktrittsrecht einräumen.62 Beide Typen sollen einheitlich als Lösungsklauseln begriffen werden. Im common law werden sie als termination clauses, ipso facto clauses, bankruptcy clauses oder default upon filing clause benannt.63 Sie definieren 58

Schwartz, 107 Yale L.J. 1807 (1998), 1807; Schäfer/Ott, Lehrbuch der ökonomischen Analyse des Zivilrechts, S. 596. 59 Schäfer/Ott, Lehrbuch der ökonomischen Analyse des Zivilrechts, S. 596. 60 Schweiz: Drittklassenforderung bzw. Konkursforderung, Art. 219 Abs. 4 SchKG. 61 Schweiz: Art. 262 Abs. 1 SchKG. 62 Huber, in: MüKo-InsO, § 119, Rn. 18. 63 Von Staats, 32 B.C.L. Rev. 703 (1991), 704.

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die Insolvenz als event of default, um die Vertragsbeendigung zu ermöglichen64 oder modifizieren Rechte des Schuldners im Insolvenzverfahren, wie einen Verzicht auf den gesetzlichen Vollstreckungsschutz, den automatic stay.65 Damit ist das Verständnis im US-amerikanischen Recht weitergefasst als beispielsweise reine Kündigungsklauseln in Deutschland. Es werden sämtliche Klauseln erfasst, welche die Rechtsposition des Schuldners negativ in der Insolvenz beeinflussen. Lösungsklauseln sind vielschichtig, wie die folgenden Beispiele zeigen:66 Deutsche AGB-Banken: „[…] (3) Kündigung aus wichtigem Grund ohne Einhaltung einer Kündigungsfrist. Eine fristlose Kündigung der gesamten Geschäftsverbindung oder einzelner Geschäftsbeziehungen ist zulässig, wenn ein wichtiger Grund vorliegt, der der Bank deren Fortsetzung auch unter Berücksichtigung der berechtigten Belange des Kunden unzumutbar werden lässt. Ein wichtiger Grund liegt insbesondere vor, […] – wenn eine wesentliche Verschlechterung der Vermögensverhältnisse des Kunden oder der Werthaltigkeit einer Sicherheit eintritt oder einzutreten droht und dadurch die Rückzahlung des Darlehens oder die Erfüllung einer sonstigen Verbindlichkeit gegenüber der Bank – auch unter Verwertung einer hierfür bestehenden Sicherheit – gefährdet ist oder […].“67 Default clause: “You will be in default if you do not make a payment of the amount required when it is due. You will be in default if you die, file for bankruptcy, or become insolvent, that is, unable to pay your obligations when they become due. You will be in default if your ability to pay what you owe or to perform your other obligations under this Plan is significantly reduced. You will also be in default if something happens which significantly reduces the credit union's ability to realize on any property you have given as security.”68 Allgemeines Vertragsmuster: “Either party may terminate this Agreement by written notice to the other and may regard the other party as in default of this Agreement, if the other party becomes insolvent, makes a general assignment for the benefit of creditors, files a voluntary petition of bankruptcy, suffers or permits the appointment of a receiver for its business or assets, or becomes subject to any proceedings under any bankruptcy or insolvency law, whether domestic or foreign, or has wound up or liquidated, voluntarily or otherwise. In the event that any of the above events occurs, that party shall immediately notify the other party of its occurrence.”69 FIDIC-Klausel 15.2: “The Employer shall be entitled to terminate the Contract if the Contractor: [...] (b) abandons the Works or otherwise plainly demonstrates the intention not to continue performance of his obligations under the Contract,

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In re Qimonda AG Bankruptcy Litigation, 433 B.R. 547, E.D. (Va. 2010). White/Medford, Am. Bankr. Inst. J. 28 (2002), 28. 66 Schwörer, Lösungsklauseln für den Insolvenzfall, S. 5 ff. mit Beispielen in Anhang I. Vgl. auch De Ly, RDAI/IBLW 1997, 801, 820; Fontaine/De Ly, Drafting International Contracts – An Analysis of Contract Clauses, S. 565. 67 Deutsche AGB-Banken: 19. Kündigungsrechte der Bank. 68 In re West, 101 B.R. 648, D. Colo. (1989). 69 Classen, Practical Guide to Software Licensing for Licensees and Licensors, S. 517. 65

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(c) without reasonable excuse fails: (i) to proceed with the Works in accordance with Clause 8 [Commencement, Delays and Suspension], or (ii) to comply with a notice issued under Sub-Clause 7.5 [Rejection] or Sub-Clause 7.6 [Remedial Work] within 28 days after receiving it, (d) subcontracts the whole of the Works or assigns the Contract without the required agreement, (e) becomes bankrupt or insolvent, goes into liquidation, has a receiving or administration order made against him, compounds with his creditors, or carries on business under a receiver, trustee or manager for the benefit of his creditors, or if any act is done or event occurs which (under applicable Laws) has a similar effect to any of these acts or events, […].”70

Lösungsklauseln sind als vertragliche Regelungen grundsätzlich wirksam – denn Verträge, die privatautonom geschlossen werden, können auch privatautonom wieder aufgehoben werden.71 Erst indem Lösungsklauseln mit der Insolvenzsituation kombiniert werden, stellt sich die Frage nach deren Zulässigkeit. Um die Grenze des Zulässigen zu finden, sind die Anknüpfungspunkte von Lösungsklauseln relevant:72 Erstens existiert die Gruppe der insolvenzabhängigen Lösungsklauseln; sie knüpfen entweder an formelle Insolvenzfaktoren wie die Antragstellung oder die Eröffnung des Insolvenzverfahrens an und entfalten in diesem Zeitpunkt ihre Wirkung; oder sie sind an materielle Insolvenzfaktoren wie die Zahlungseinstellung oder Überschuldung gekoppelt. Zweitens sind insolvenzunabhängige Anknüpfungen denkbar, wie die wesentliche Verschlechterung der Vermögenslage oder allgemeine Vertragsverletzungen. Diese Klauseln sind zwar nicht ausdrücklich mit der Insolvenz verbunden; sie können aber zeitlich mit dem Insolvenzverfahren zusammenfallen und dieselbe Wirkung wie insolvenzbezogene Lösungsklauseln haben. Neben der reinen Vertragsbeendigung regeln die Parteien oftmals auch die Abwicklung und die Art und Weise der Liquidation bzw. der Schadensberechnung (Abwicklungsklauseln).73

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FIDIC, Conditions of Contract for Construction – The Red Book – For Building and Engineering Works Designed by the Employer, S. 47. 71 Vgl. beispielsweise für Frankreich und die USA: Le Guen, in: Rechtsprobleme der Auslandsüberweisung (Hrsg. Hadding/Schneider), Finanzielle Risiken und rechtliche Probleme im Zusammenhang mit internationalen Netting-Systemen aus französischer Sicht, S. 425, 448; Cuniberti/Rueda, in: Treatment of Contracts in Insolvency (Hrsg. Faber/Vermunt/Kilborn/Linde), National Report for France, Rn. 8.77; Hahn, 13 U. Pa. J. Bus. L. 723 (2011), 732. 72 Vgl. Huber, in: MüKo-InsO, § 119, Rn. 18; Thole, ZNER 2013, 465, 465 m.w.N. 73 Zum schweizerischen Recht: Staehelin, AJP/PJA 2004, 363, 368 ff.; zum deutschen Recht: Wöllner, Die Wirksamkeit vertraglicher Lösungsklauseln im Insolvenzfall, passim.

Kapitel 1

Länderberichte § 1 Insolvenzsysteme im Überblick Um der Forschungsfrage nachgehen zu können, ist ein grundlegendes Systemverständnis der jeweiligen nationalen Insolvenzregime notwendig. Die Insolvenzsysteme stellen eine Sondermaterie dar und unterscheiden sich grundlegend voneinander: zum einen, was die unterschiedlichen Begriffe betrifft, zum anderen, was die Ausrichtung des Insolvenzrechts angeht. In diesem Kapitel sollen vor allem die Sanierungsfreundlichkeit und die Ausrichtung des Insolvenzrechts beleuchtet werden. Dies dient dazu, insolvenzbezogene Lösungsklauseln in den Kontext der jeweiligen Insolvenzsysteme und Verfahrenszwecke einzuordnen. § 1 Insolvenzsysteme im Überblick

A. Deutschland Bereits der Konkursordnung (1875) war das Ziel nicht unbekannt, Sanierungen zu ermöglichen.1 Hierzu sah das Gesetz einen Zwangsvergleich vor, welcher im Einzelfall nach dem Willen des Gesetzgebers der Liquidation vorzuziehen sei.2 Der Gedanke, dem Schuldner eine zweite Chance zu ermöglichen, kann bereits bis in die Anfänge der Konkursordnung zurückverfolgt werden. Später trat unter der Vergleichsordnung (VerglO) das Verfahren des konkursabwendenden Vergleichs hinzu.3 In der Neubekanntmachung der Konkursordnung im Jahr 1898 wurde das bestehende Recht in Teilen an das BGB angepasst und der Nachlasskonkurs eingeführt.4 Nachdem die Konkursordnung zunächst durchaus als funktionsfähig und sanierungsfreundlich bewertet werden kann, entwickelte sich die Liquidation im Laufe des 20. Jahrhunderts unter der Reichskonkursordnung (KO) zur regelmäßigen Verfahrensausge-

1 Ausführlich zur neuen rechtshistorischen Forschung Falk, ZRG GA 131 (2014), 266, 307 ff., insb. 312; Wolf, Zur Praxis des Zwangsvergleichs. Vom Funktionsverlust des Gerichtsverfahrens in der semi-kooperativen Insolvenzbereinigung unter der Konkursordnung im 20. Jahrhundert, passim. 2 Vgl. Falk, ZRG GA 131 (2014), 266, 312. 3 Stürner, in: Münchener Kommentar zur Insolvenzordnung (Hrsg. Kirchhof/ Eidenmüller/Stürner), Einleitung, Rn. 6. Mit der deutschen Wiedervereinigung im Jahr 1990 kam die ostdeutsche Gesamtordnung (GesO) als drittes Regelwerk hinzu. 4 Gottwald, in: Insolvenzrechts-Handbuch (Hrsg. Gottwald), § 1, Rn. 9.

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Kapitel 1: Länderberichte

staltung.5 In der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts zeichnete sich endgültig ein Funktionsverlust des deutschen Insolvenzrechts ab. Die Konkursordnung wurde dysfunktional: Es gab kaum noch Vergleichsabschlüsse und in den Konkursverfahren waren nur geringe Befriedigungsquoten zu erwarten.6 Die Gründe lagen nach neuester Auffassung nicht in der Konkursordnung selbst, die entgegen landläufiger Meinung gerade nicht sanierungsfeindlich ausgestaltet war.7 Ursachen dürften vielmehr überlagernde Sicherungsrechte und verlängerte Kündigungsfristen in Miet- und Arbeitsverträgen gewesen sein, die die Masse aushöhlten, sodass die Zerschlagung kaum zu verhindern war.8 Im Jahr 1978 wurde daher eine Sachverständigenkommission einberufen, die mit rechtsvergleichenden Untersuchungen – insbesondere des USamerikanischen, aber auch des französischen und englischen Rechts – Reformvorschläge erarbeitete.9 Auch das weitere Gesetzgebungsverfahren stand unter starkem US-amerikanischem Einfluss.10 Auswirkungen sind beispielsweise die Eigenverwaltung durch den Schuldner oder der Insolvenzplan. Das deutsche Insolvenzrecht ist nach einer grundlegenden Überarbeitung seit 1999 in der Insolvenzordnung (InsO) geregelt. Die neue Insolvenzordnung ist am 5. Oktober 1994 verabschiedet worden und trat zum 1. Januar 1999 in Kraft. Obwohl die InsO noch sehr jung ist, gab es bislang mehr als 40 Reformen.11 Der Gesetzgeber hat in § 1 InsO die Ziele des Insolvenzverfahrens definiert: „1Das Insolvenzverfahren dient dazu, die Gläubiger eines Schuldners gemeinschaftlich zu befriedigen, indem das Vermögen des Schuldners verwertet und der Erlös verteilt oder in einem Insolvenzplan eine abweichende Regelung insbesondere zum Erhalt des Unternehmens getroffen wird. 2Dem redlichen Schuldner wird Gelegenheit gegeben, sich von seinen restlichen Verbindlichkeiten zu befreien.“ 5

Vgl. Falk/Kling, in: Dealing with Economic Failure, Between Norm and Practice (15th to 21st Century) (Hrsg. Cordes/Schulte Beerbühl), The Regulatory Concept of Compulsory Composition in the German Bankruptcy Act, S. 231. 6 Stürner, in: MüKo-InsO, Einleitung, Rn. 33; vgl. auch § 8, A. Zunächst war der Zwangsvergleich als Sanierungsmittel verhältnismäßig erfolgreich, bevor ab 1914 die Vergleichsabschlüsse nur noch marginal wurden; Falk/Kling, in: The Regulatory Concept of Compulsory Composition in the German Bankruptcy Act, S. 230 ff.; Wolf, Zur Praxis des Zwangsvergleichs. Vom Funktionsverlust des Gerichtsverfahrens in der semikooperativen Insolvenzbereinigung unter der Konkursordnung im 20. Jahrhundert, S. 317. 7 Falk, ZRG GA 131 (2014), 266, passim. 8 Stürner, in: MüKo-InsO, Einleitung, Rn. 34; Falk, ZRG GA 131 (2014), 266, 321 f.; Falk/Kling, in: The Regulatory Concept of Compulsory Composition in the German Bankruptcy Act, S. 235; Wolf, Zur Praxis des Zwangsvergleichs. Vom Funktionsverlust des Gerichtsverfahrens in der semi-kooperativen Insolvenzbereinigung unter der Konkursordnung im 20. Jahrhundert, S. 322. 9 Stürner, in: MüKo-InsO, Einleitung, Rn. 35. 10 Vgl. BT-Drs. 12/2443, S. 105; Stürner, in: MüKo-InsO, Einleitung, S. Rn. 44. 11 Vgl. Prütting, KSzW 2012, 255, 256.

§ 1 Insolvenzsysteme im Überblick

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Das neue Insolvenzrecht sieht nur noch ein einheitliches Verfahren für alle Verfahrenszwecke vor. Es ist damit flexibler, entfernt sich aber auch von einem reinen Verfahrensrecht hin zu wirtschaftlich orientierten Ansätzen.12 Im Einheitsverfahren muss nicht mehr frühzeitig entschieden werden, ob sich das Verfahren in Richtung Liquidation oder Sanierung entwickelt.13 Eine weitere Neuerung war die Restschuldbefreiung für natürliche Personen. Das Insolvenzverfahren kann bei Zahlungsunfähigkeit (§ 16 InsO), Überschuldung (§ 17 InsO) und bei drohender Zahlungsunfähigkeit (§ 18 InsO) eröffnet werden. Antragsberechtigt sind der Schuldner und die Gläubiger (§ 13 Abs. 1 InsO). Nach § 21 InsO kann das Insolvenzgericht für die Zeit zwischen Antragstellung und Verfahrenseröffnung besondere Sicherungsmaßnahmen ergreifen. Hierzu wird regelmäßig ein vorläufiger Insolvenzverwalter bestellt, der mit Einzelbefugnissen zur Verwaltung der Insolvenzmasse ausgestattet ist. In dem Eröffnungsverfahren wird das Vorliegen der Eröffnungsgründe von Amts wegen geprüft. Das Verfahren ist als Eilverfahren ausgestaltet, kann aber durchaus einige Wochen in Anspruch nehmen.14 In dem Eröffnungsverfahren hat der vorläufige Verwalter grundsätzlich den Betrieb des Unternehmens fortzuführen, vgl. § 22 Abs. 1 InsO. Strukturprinzipien unter der InsO sind die Gläubigergleichbehandlung, der Grundsatz der Geldliquidation, d.h. die Umwandlung aller Verbindlichkeiten in Geldschulden, das Einheitsverfahren, ein auf den Insolvenzverwalter ausgerichtetes Verfahren und der Universalkonkurs für jedes Rechtssubjekt.15 Es ist „keine Zerschlagungsautomatik“ vorgesehen; stattdessen soll die Maximierung des haftenden Schuldnervermögens erreicht werden, ohne eine Umverteilung von den Gläubigern zu erfordern.16 Trotz der Aufwertung der Sanierung bleibt das Insolvenzrecht traditionell ein Recht der Haftungsverwirklichung und die Gläubigerbefriedigung weiterhin primäres Regelungsziel.17 Die Liquidation und die Sanierung stehen sich aber gleichrangig gegenüber; beiden Verfahrenstypen kommt ein dienender Zweck zu.18 Damit wird der Sanierungsgedanke aufgegriffen und die Sanierung als ein gleichrangiges Verfahrensziel festgeschrieben.19 Das Insolvenzverfahren soll nach markt12 Ganter/Lohmann, in: Münchener Kommentar zur Insolvenzordnung (Hrsg. Kirchhof/Eidenmüller/Stürner), § 1, Rn. 10. 13 Ganter/Lohmann, in: MüKo-InsO, § 1, Rn. 11. 14 Vgl. Schmahl/Vuia, in: Münchener Kommentar zur Insolvenzordnung (Hrsg. Kirchhof/Eidenmüller/Stürner), § 16, Rn. 22. 15 Prütting, KSzW 2012, 255, 256 f. 16 Pape, in: Uhlenbruck, InsO, § 1, Rn. 1. 17 BT-Drs. 12/2443, S. 83; Prütting, KSzW 2012, 255, 258; Stürner, in: MüKo-InsO, Einleitung, Rn. 1; Kießner, in: Insolvenzordnung, Kommentar (Hrsg. Braun), § 1, Rn. 2: Ein Reorganisationsrecht mit Vorrang der Sanierung wurde gerade nicht geschaffen. 18 Stürner, in: MüKo-InsO, Einleitung, Rn. 2; Pape, in: Uhlenbruck, InsO, § 1, Rn. 1. 19 Vgl. Kießner, in: Braun, InsO, § 1, Rn. 2.

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Kapitel 1: Länderberichte

wirtschaftlichen Prinzipien ablaufen, wobei Unternehmensrettungen durch freiwillige Neuinvestitionen von Vertragspartnern und nicht durch Zwangssubventionen bzw. Umverteilungen zulasten der Altgläubiger erreicht werden sollen.20 Auch wenn die Interessen der Arbeitnehmer vom Regierungsentwurf nicht als Insolvenzzweck übernommen wurden, können diese auch im Insolvenzverfahren zu beachten sein.21 Ferner bezweckte das Gesetz zur weiteren Erleichterung der Sanierung von Unternehmen vom 7.12.2011 (ESUG), Sanierungschancen zu verbessern. Unter anderem sollten die Zugangsbarrieren zum Insolvenzverfahren reduziert und das Insolvenzplanverfahren verbessert werden.22 In § 270b InsO wurde ein Schutzschirmverfahren eingeführt, das bei einer sehr frühzeitigen Insolvenzantragstellung einen besonderen Vollstreckungsschutz ermöglicht. Der Gesetzgeber zielte nicht erst mit dem ESUG, sondern von Anfang an darauf ab, dass Insolvenzverfahren rechtzeitig eröffnet und damit die Sanierungschancen verbessert werden.23 Schlussendlich spiegelt auch das ESUG die Entwicklung wider, eine europäische Sanierungskultur zu etablieren.24 Das deutsche Insolvenzrecht wandelte sich in den letzten Jahren stark zu einem sanierungsfreundlichen Recht.25 Ein deutlicher Trend zur Sanierung und die Verbindungen zum amerikanischen Chapter-11-Verfahren sind unverkennbar. B. Schweiz “The Swiss reorganization law does not meet the demands of a modern reorganization law in many respects. […] One of the main goals of a future reformation has therefore to be the maintenance of business operations.”26

Das schweizerische Insolvenzrecht ist primär im Bundesgesetz über Schuldbetreibung und Konkurs (SchKG) vom 11. April 1889 geregelt. Besonderheit des schweizerischen Insolvenzrechts ist, dass Insolvenzverfahren gem. Art. 2 SchKG durch die staatlichen Konkursämter betrieben werden.27 Es gibt 20 Stürner, in: MüKo-InsO, Einleitung, Rn. 3; Pape, in: Uhlenbruck, InsO, § 1, Rn. 10; Kießner, in: Braun, InsO, Einführung, Rn. 12–25. 21 Vgl. Ganter/Lohmann, in: MüKo-InsO, § 1, Rn. 4; Pape, in: Uhlenbruck, InsO, § 1, Rn. 1 u. 16. 22 Kießner, in: Braun, InsO, Einführung, Rn. 73 ff. 23 Pape, in: Uhlenbruck, InsO, § 1, Rn. 5 u. 8. 24 Piekenbrock, NZI 2012, 905, 906 mit Hinweisen auf andere Sanierungsverfahren. 25 Siehe ausführlich § 8, A. 26 Crone/Kopta-Stutz/Pfister, in: The Challenges of Insolvency Law Reform in the 21st Century – Facilitating Investment and Recovery to Enhance Economic Growth (Hrsg. Peter/Jeandin/Kilborn), Some Theses Concerning Modern Swiss Reorganization Law, S. 518. 27 Rétornaz, 15 YbPIL 573 (2013/2014), S. 578. Ausnahme: Bestellung einer Privatperson nach Art. 237 Abs. 2 SchKG.

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drei eigenständige Insolvenzverfahren: den Konkurs zur Liquidation (Art. 159 ff. SchKG), das Nachlassverfahren (Art. 293 ff. SchKG) und den Konkursaufschub (Art. 725a OR) für mögliche Sanierungen.28 Das Konkursverfahren ist auf die Liquidation des Schuldners ausgerichtet.29 Mit der Konkurseröffnung ist das Unternehmen stillzulegen, es sei denn, die Gläubigerversammlung ermächtigt den Verwalter, das Unternehmen fortzuführen.30 Zwar ist es denkbar, zwischen den drei vorgenannten Verfahrenstypen zu wechseln.31 Sobald der Konkurs eröffnet ist, ist dies aber faktisch ausgeschlossen.32 Gläubiger können das Konkursverfahren nach erfolgloser Vollstreckungsbetreibung bei handeltreibenden natürlichen oder juristischen Personen beantragen, vgl. Art. 39, 159 ff. SchKG. Außerdem kann auf Antrag eines Gläubigers der Konkurs eröffnet werden, wenn der Aufenthalt des Schuldners unbekannt ist, der Schuldner rechtswidrig Vermögen entzieht oder zahlungsunfähig ist, vgl. Art. 190 SchKG. Der Schuldner selbst kann sich für zahlungsunfähig erklären und damit den Konkurs einleiten (Art. 191 SchKG). Er muss dazu illiquide sein und seine anstehenden Verbindlichkeiten nicht begleichen können; die Überschuldung des Unternehmens ist nicht nötig.33 Schließlich ist der Konkurs von Amts wegen zu eröffnen, wenn dies das Gesetz vorsieht, vgl. Art. 192 SchKG. Kapitalgesellschaften haben bei einer begründeten Besorgnis einer Überschuldung eine Zwischenbilanz zu erstellen; übersteigen die Verbindlichkeiten die Aktiva sowohl bei Fortführungsals auch bei Liquidationswerten, ist der kantonal zuständige Richter zu benachrichtigen, Art. 725 OR. Hierauf kann von Amts wegen der Konkurs eröffnet werden. Sanierungsgedanken sind im SchKG in der zweiten Verfahrensart zu finden: So existiert ein Nachlassverfahren, um im Vergleichswege Schulden zu bereinigen und Sanierungen zu ermöglichen. Die Gläubiger lassen quasi vertraglich ihre Schulden nach. Begrifflich ist das Verfahren nicht mit dem erbrechtlichen Nachlasskonkurs zu verwechseln (Art. 193 SchKG). Auch waren im SchKG von Anfang an Möglichkeiten zum konkursabwendenden

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Zu den Mitteln des Konkursaufschubs und der Nachlassstundung ausführlich Lorandi, in: Sanierung und Insolvenz von Unternehmen V: das neue Schweizer Sanierungsrecht (Hrsg. Sprecher), Sanierung mittels Konkursaufschub oder Nachlassstundung: alte und neue Handlungsoptionen, passim. 29 Weydmann, Zweiseitige Verträge im Konkurs einer Vertragspartei, S. 23 beschreibt in den 1950er Jahren den Verfahrenszweck: „Endziel des Verfahrens ist Versilberung der Masse […]“. 30 Art. 223, 237 Abs. 3 Nr. 2 SchKG. 31 Vgl. Art. 309, 332 SchKG. 32 Hunkeler, ZInsO 2000, 369, 371 f. 33 BG, Urt. v. 15.6.2010, 9C_145/2010, E.4.2.

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Vergleich erhalten.34 Dieses Verfahren entsprach im Ausgangspunkt der deutschen Rechtslage im Jahr 1928, die sich in Deutschland allerdings als unzulänglich erwiesen hatte. Die gesetzgeberische Intention, gezielt unternehmerische Sanierungen zu begünstigen, trat allerdings erstmals in der SchKGTeilrevision vom 16. Dezember 1994 zutage, welche am 1. Januar 1997 in Kraft trat.35 Nach der Swissair-Insolvenz im Jahr 2001 befasste sich der Gesetzgeber erneut mit einer Reform des Sanierungsrechts.36 Diese wurde am 21. Juni 2013 mit Wirkung zum 1. Januar 2014 verabschiedet.37 Eine Expertenkommission kam zum Schluss, dass das bestehende Insolvenzrecht tauglich und praktikabel zur Unternehmenssanierung sei und daher keiner Generalüberholung bedürfe, sondern nur punktueller Reformbedarf bestehe.38 Der Zugang zum Verfahren und die Voraussetzungen des Nachlassvertrags wurden erleichtert. Ferner ist die automatische provisorische Nachlassstundung gemäß Art. 293a–293d SchKG dem US-amerikanischen automatic stay, also dem amerikanischen insolvenzrechtlichen Vollstreckungsschutz, angenähert worden.39 Die Nachlassstundung endet auch nicht mehr zwingend in einem Nachlassvertrag oder Konkurs; es sind reine Stundungen denkbar. Die Nachlassstundung ist als eine „Verschnaufpause“ konzipiert, um eine Sanierung zu organisieren und Verträge neu zu verhandeln.40 Das heutige Nachlassverfahren ist ein Instrument, um den Schuldner in vier Schritten zu sanieren: (1) Zunächst bewilligt der Richter eine provisorische Nachlassstundung mit einer Dauer bis zu vier Monaten, diese kann in einer definitiven Stundung verlängert werden, Art. 293a, 294 SchKG. Eine Nachlassstundung bewirkt eine allgemeine Vollstreckungs- und Verwer-

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Hanisch, Basler Juristische Mitteilungen 1977, 161, 174 f. Gesetz vom 16.12.1994 mit Wirkung zum 1.1.1997 (AS 1995, 1227; BBl. 1991 III 1); Botschaft zur Änderung des Bundesgesetzes über Schuldbetreibung und Konkurs (Sanierungsrecht), 8.9.2010, 10.077, BBl. 6455, 6459; Rüetschi, in: Sanierung und Insolvenz von Unternehmen V: das neue Schweizer Sanierungsrecht (Hrsg. Sprecher/Umbach-Spahn/ Vock), Das neue Sanierungsrecht: ein Rückblick auf die Entstehungsgeschichte, S. 8. 36 Zur Reform ausführlich Rüetschi, in: Das neue Sanierungsrecht: ein Rückblick auf die Entstehungsgeschichte, passim; aber auch Lorandi, Blätter für Schuldbetreibung und Konkurs 2011, 95, 95 und 96 ff. zu den Defiziten des Schweizer Sanierungsrechts; Hunkeler, Jusletter 8. Juli 2013, Rn. 1 f. 37 AS 2013, 4111. 38 Begleitbericht zum Vorentwurf, Revision des Schuldbetreibungs- und Konkursgesetzes (SchKG): Sanierungsverfahren, Bern im Dezember 2008, 4; Botschaft zur Änderung des Bundesgesetzes über Schuldbetreibung und Konkurs (Sanierungsrecht), 8.9.2010, 10.077, BBl. 6455, 6456. 39 Botschaft zur Änderung des Bundesgesetzes über Schuldbetreibung und Konkurs (Sanierungsrecht), 8.9.2010, 10.077, BBl. 6455, 6456; Hunkeler, Jusletter 8. Juli 2013, Rn. 5. Vgl. zum Automatic stay unten § 3, D., I. 40 Vgl. Debatte im Nationalrat vom 16.4.2013, AB 2013 N 611. 35

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tungssperre, um das Unternehmen fortführen zu können.41 (2) Zwischenzeitlich wird ein Nachlassvertrag verhandelt, der von einer Kopf- und Kapitalmehrheit der Gläubiger akzeptiert werden muss, Art. 305 SchKG. (3) Der Plan ist gerichtlich zu bestätigen, Art. 306 SchKG. (4) Daran schließt sich der Vollzug des Vertrags an. Das Nachlassverfahren findet unter Mitwirkung eines Sachwalters und Nachlassrichters statt.42 Für das Nachlassverfahren ist keine Zahlungsunfähigkeit oder Überschuldung des Schuldners erforderlich, Sanierungsaussichten genügen, Art. 293 SchKG. Im ordentlichen Nachlassvertrag können die Gläubiger eine Stundung bewilligen oder anteilig auf ihre Forderungen verzichten.43 Um eine Liquidation zu erreichen, kann der Schuldner in einem Nachlassvertrag auch alle Vermögenswerte an die Gläubiger abtreten, Art. 317 SchKG. Ferner brachte die SchKG-Reform aus dem Jahr 2014 im Bereich der Dauerschuldverhältnisse neue Regelungen.44 Im Gesetzgebungsverfahren ist letztlich die Erkenntnis aufgekeimt, dass ein effektives Sanierungsrecht auch in materielles Recht eingreifen muss.45 Bislang war das Insolvenzrecht als reines Verfahrensrecht interpretiert worden – ohne Eingriffe in materiellrechtliche Positionen. Mit der Neuerung deutet sich in der Schweiz eine Durchbrechung dieser rein verfahrensrechtlichen Ausrichtung des Insolvenzrechts an.46 Auch das dritte Verfahren, der Konkursaufschub, ist ein Mittel zur Sanierung des Schuldners. Dieser Mechanismus ist allerdings außerhalb des Insolvenzrechts im Obligationenrecht geregelt: Für Unternehmen kann die Konkurseröffnung bei Sanierungsaussichten hinausgezögert werden, anstatt – wie bereits dargelegt – nach einer Anzeige gem. Art. 725 OR den Konkurs von Amts wegen zu eröffnen.47 Dieser Aufschub kann von gerichtlichen Maßnahmen zum Vermögensschutz und von einem Sachwalter begleitet werden. Ziel ist allerdings die vollständige Befriedigung der Gläubiger – anders als beim Nachlassverfahren. Obgleich Sanierungsmöglichkeiten verfügbar sind, konstatiert die Literatur der Schweiz im Endeffekt kein stark ausgeprägtes Sanierungsrecht.48 Die immer wieder nur punktuellen Änderungen des über 100 Jahre alten SchKG versinnbildlichen, dass sich das schweizerische Recht mit einer Unternehmenssanierung immer noch schwer tut. Nachlassverfahren bleiben die Min41

Hunkeler, ZInsO 2000, 369, 369. Hunkeler, ZInsO 2000, 369, 369. 43 Vgl. Art. 314 SchKG. Mittlerweile ist auch ein Debt Equity Swap nicht mehr ausgeschlossen, Art. 314 Abs. 1bis, 318 Abs. 1bis SchKG. 44 Vgl. weiter § 2, B., I. 45 Lorandi, Blätter für Schuldbetreibung und Konkurs 2011, 95, 99. 46 Hierzu ausführlich unten § 3, B. 47 Aktiengesellschaften: Art. 725a OR; GmbH: Art. 820 OR; Genossenschaften: Art. 903 OR; Stiftungen: Art. 84a OR. 48 Lorandi, Blätter für Schuldbetreibung und Konkurs 2011, 95, 99. 42

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derheit.49 Auch die Gestaltungsmöglichkeiten im Nachlassverfahren sind stark eingeschränkt. Zu vergleichbaren Verfahren wie in England, den USA, Frankreich, die frühzeitige Sanierungen ermöglichen, konnte sich der Gesetzgeber bislang nicht durchringen. Auch Einheitsverfahren wie in Deutschland und Österreich, die den einfachen Wechsel zwischen Sanierung und Liquidation ermöglichen, bleiben Forderungen aus der Praxis.50 Umfassende Mechanismen zur frühzeitigen Sanierung oder Restschuldbefreiung sind nicht zu finden. Die Reformen zeigen, dass das schweizerische Recht weiterhin stark vollstreckungsrechtlich geprägt ist, hohe Hemmschwellen für Unternehmensrettungen aufweist und Sanierungen nicht in gleichem Maße begünstigt, wie dies in anderen Rechtsordnungen der Fall ist. C. Österreich „Das ist die größte Reform in diesem Bereich seit der Monarchie.“51

Das heutige österreichische Insolvenzrecht ist in der Insolvenzordnung (IO) zu finden; es ist ein „Instrument der (gesamtheitlichen) Verwirklichung der Vermögenshaftung unter Knappheitsbedingungen.“52 Die Haftungsverwirklichung kann auch durch Sanierung realisiert werden und erfordert damit nicht unbedingt eine Zerschlagung und Liquidation. So war auch der österreichischen Konkursordnung von 1914 der Sanierungsgedanke nicht völlig fremd, wenngleich nicht in heutigem Maße anerkannt.53 Das österreichische Insolvenzrecht wurde in den vergangenen Jahren durch mehrere große Reformen schrittweise modernisiert.54 Kernanliegen war stets, das Insolvenzrecht sanierungsfreundlicher auszugestalten und die Unternehmensfortführung zu begünstigen.55 Das Insolvenzrechtsänderungsgesetz von

49 Im Kanton Bern wurden in einem Jahr beispielsweise 1551 Konkursverfahren eröffnet, nur 128 Nachlassverfahren wurden im gleichen Zeitraum abgeschlossen. 50 Hunkeler, ZInsO 2000, 369, 374. 51 Bundesministerin für Justiz Mag. Claudia Bandion-Ortner: Protokoll des Nationalrats, XXIV. GP vom 21. April 2010, S. 90 anläßlich des IRÄG 2010. 52 Nunner-Krautgasser, in: Praxishandbuch Insolvenz und Arbeitsrecht (Hrsg. NunnerKrautgasser/Reissner), Allgemeines zum Insolvenzrecht: Grundlagen, Verfahrensarten, Schicksal des Schuldnerunternehmens und Rechtsdurchsetzung, S. 21. 53 Nunner-Krautgasser, in: Praxishandbuch Insolvenz und Arbeitsrecht, S. 31. 54 Insolvenzrechtsänderungsgesetz 1982 (BGBl. Nr. 370/1982); Insolvenzrechtsänderungsgesetz 1997 (BGBl. I 114/1997); Insolvenzrechtsänderungsgesetz 2010 (BGBl. I Nr. 29/2010). Zu den Reformen auch Jelinek, wbl 2010, 377, 377 f. 55 Zu den Reformen 1982 und 1997: Lieder, Grenzüberschreitende Unternehmenssanierung im Lichte der EuInsVO unter Berücksichtigung der Entwicklungen im deutschen, österreichischen, englischen und spanischen Insolvenzrecht, S. 161 m.w.N.; zur Reform 2010 vgl. Konecny, ZIK 2010, 82, 82; Bericht des Justizausschusses vom 13. April 2010, 651 d. Beilagen zur XXIV. GP.

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2010, das am 1. Juli 2010 in Kraft trat, reformierte das österreichische Insolvenzrecht grundlegend durch eine Neukodifikation: Die traditionell getrennt geregelten Ausgleichs- und Konkursverfahren (Ausgleichsordnung und Konkursordnung) sind in einem einheitlichen Insolvenzverfahren zusammengeführt worden. Das Ausgleichsverfahren bezweckte die Sanierung und den wirtschaftlichen Erhalt des Unternehmens – es ist dem deutschen Insolvenzplan vergleichbar; das Konkursverfahren diente dazu, den Gemeinschuldner abzuwickeln und die Masse zu liquidieren. Die Aufteilung entspricht derjenigen der deutschen Konkurs- und Vergleichsordnung. Das Ausgleichsverfahren war praktisch irrelevant geworden, da die Sanierungen hauptsächlich im Rahmen des Konkursverfahrens als Zwangsausgleich abgewickelt wurden.56 Ferner wurde im internationalen Vergleich ein Aufholbedarf hinsichtlich der Sanierungsfreundlichkeit des österreichischen Insolvenzrechts konstatiert.57 Die Sanierung ist heute Insolvenzziel und gleichzeitig Mittel zur Haftungsverwirklichung.58 Durch das Einheitsverfahren soll mehr Flexibilität erreicht werden.59 Das einheitliche Insolvenzverfahren kann sich erstens in einem Sanierungsverfahren mit oder ohne Eigenverwaltung (§§ 166 ff., 169 ff. IO), zweitens in einem Konkursverfahren (§§ 180 f. IO) oder drittens in einem Schuldenregulierungsverfahren für natürliche Personen (§§ 181 ff. IO) zeigen.60 Als Konkursverfahren wird das Insolvenzverfahren weiterhin bezeichnet, wenn es nicht als Sanierungsverfahren (§ 167 IO) durchgeführt wird, vgl. § 180 IO. Das Insolvenzverfahren steht allen natürlichen und juristischen Personen offen. In dem Konkursverfahren steht die Verwertung und Verteilung des Vermögens im Vordergrund. Das Sanierungsverfahren soll einen Neustart für das insolvente Unternehmen ermöglichen. Es kann nur durch Eigenantrag eingeleitet werden und erfordert einen Sanierungsplan. Letztlich weist das österreichische Recht ähnliche Strukturen wie das deutsche Recht auf: Die Zweispurigkeit wurde in beiden Ländern durch ein Einheitsverfahren ersetzt. Gleichzeitig wurde der Begriff des Konkurses durch den der Insolvenz ersetzt, wodurch der insolvente Schuldner entstigmatisiert werden sollte.61 Als generelle Eröffnungsgründe kommen die Zahlungsunfähigkeit (§ 66 IO) und die Überschuldung (§ 67 IO) in Betracht. Auch die drohende Zahlungsunfähigkeit gestattet bereits, das Insolvenzverfahren in Form eines Sanierungsverfahrens zu beginnen (§ 167 Abs. 2 IO). Bei Antrag des Schuldners ist das Insolvenzverfahren sofort zu eröffnen (§ 69 Abs. 1 IO); auf einen 56

Nunner-Krautgasser, in: Praxishandbuch Insolvenz und Arbeitsrecht, S. 27. Nunner-Krautgasser, in: Praxishandbuch Insolvenz und Arbeitsrecht, S. 26 f. 58 Nunner-Krautgasser, in: Praxishandbuch Insolvenz und Arbeitsrecht, S. 32. 59 Nunner-Krautgasser, in: Praxishandbuch Insolvenz und Arbeitsrecht, S. 26 f. 60 Konecny, ZIK 2010, 82, 82; Jelinek, wbl 2010, 377, 378. 61 Nunner-Krautgasser, in: Praxishandbuch Insolvenz und Arbeitsrecht, S. 29 f. 57

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Gläubigerantrag hin unverzüglich, wenn er eine Insolvenzforderung und die Zahlungsunfähigkeit des Schuldners glaubhaft machen kann (§ 70 Abs. 1 IO). Ein spezielles Eröffnungsverfahren wie in Deutschland ist nicht mehr vorgesehen. Ein solches insolvenzrechtliches Vorverfahren, in dem ein vorläufiger Verwalter bestellt wurde und dieser die Sanierungschancen prüfte, wurde durch das IRÄG 1997 gestrichen.62 Gleichwohl können nach § 73 IO einstweilige Sicherungsmaßnahmen wie Verfügungsverbote ergriffen werden, wenn das Insolvenzverfahren nicht sofort eröffnet werden kann. Parallel zum Insolvenzrecht existiert seit 1997 in Österreich ein Unternehmensreorganisationsgesetz (URG).63 Die Reorganisation soll einem Unternehmen frühzeitig ermöglichen, sich aus wirtschaftlichen Gründen umzustrukturieren und neue finanzielle Mittel zu generieren. Es handelt sich um kein formelles Insolvenzverfahren und ist zulässig, bevor die materielle Insolvenz eingetreten ist. Ähnlich wie in einem Insolvenzverfahren sind ein Reorganisationsplan zu erstellen und ein Reorganisationsprüfer zu bestellen. Anzumerken ist, dass mangels Vollstreckungsschutz und bei Vorliegen von drohender Zahlungsunfähigkeit unmittelbar ein Insolvenzverfahren mit dessen Vorteilen beantragt werden kann und damit die Bedeutung des URGVerfahrens beschränkt ist.64 Abschließend lässt sich feststellen, dass in Österreich die Sanierungsfreundlichkeit des Insolvenzrechts, insbesondere nach der Reform von 2010, immer weiter in den Vordergrund gerückt ist. D. Frankreich Das französische Insolvenzrecht ist klassischerweise Handelsrecht. Dort ist es heute wieder als Kapitel Des difficultés des entreprises normiert.65 Ursprünglich prägte Napoleon Bonaparte, auf dessen Initiative das Gesetz erlassen wurde, den Code de commerce von 1807: Das Gesetz sah noch eine besondere Härte und Sanktionierung gegenüber dem insolventen Schuldner vor – gar mit Inhaftierung. Das Insolvenzrecht diente damit primär der Bestrafung und sozialen Ausgrenzung des Gemeinschuldners.66 Es wies einen repressiven

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Oberhammer, in: Ambiente eines Juristenlebens – Festschrift Otto Oberhammer zum 65. Geburtstag (Hrsg. Hoffmann/Weissmann), Unternehmenssanierung als rechtspolitisches Gestaltungsanliegen – Gedanken zur Insolvenzrechtsreform, S. 133 f. 63 Ausführlich zu dem URG Oberhammer, in: FS Oberhammer, S. 134 ff. 64 Vgl. bereits Oberhammer, in: FS Oberhammer, S. 143. 65 Im Jahr 2000 wurde das Insolvenzrecht (damals Gesetz Nr. 85-98) im Zuge der Handelsrechtsreform wieder in den Code de commerce als sechstes Buch überführt, vgl. Dammann/Undritz, NZI 2005, 198, Fn. 1. 66 Zierau, Die Stellung der Gläubiger im französischen Sanierungsverfahren: im Hinblick auf die Entwicklung des deutschen Insolvenzrechts, S. 30 f.

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Charakter auf und diente bis 1967 nur der Schuldnerbefriedigung.67 Mit Gesetz vom 13. Juli 1967 wurde das Insolvenzrecht reformiert: Anliegen der Reform war es, prinzipiell zwischen dem Unternehmen und dem hinter dem Unternehmen stehenden Menschen zu unterscheiden.68 Damit traten immer stärker Sanierungsbemühungen als Insolvenzziel in den Vordergrund – ohne aber die notwendigen rechtlichen Instrumente bereitzustellen, um erfolgreich zu sein.69 Am 23. September 1967 wurde zusätzlich ein präventives Vergleichsverfahren zur Sanierung eingeführt.70 Doch erst das Gesetz Nr. 85-98 vom 25. Januar 1985 reformierte und modifizierte das Insolvenzverfahren grundlegend:71 Primäres Ziel wurde es, das Unternehmen zu retten und fortzuführen sowie die Arbeitsplätze zu erhalten, indem die Passiva bereinigt werden (apurement du passif). Die Gläubigerbefriedigung ist insofern in den Hintergrund getreten und nur noch nachrangiges Insolvenzziel.72 Damit entfernte sich der französische Gesetzgeber vom „klassischen“ Konkurs und wandte sich der Unternehmenssanierung zu.73 In Art. 1 Abs. 1 des Gesetzes Nr. 85-98 kommt zum Ausdruck, dass das französische Insolvenzrecht ein besonderes Mittel der Unternehmens- und Wirtschaftspolitik ist: Es dient nicht nur dem sozialen Frieden, sondern auch dem Ziel, Arbeitsplätze zu sichern. Revolutionär war vor allem, dass dem Insolvenzverfahren eine Sanierung vorangestellt wurde.74 Durch das Verfahren der redressement judiciaire wurden die Ziele der Reform von 1985 in der Praxis kaum erreicht: Es gab nur wenige erfolgreiche übertragende Sanierungen und noch seltener wurde das ursprüngliche Unternehmen fortgeführt.75 Das Sanierungsgesetz vom 26. Juli 2005 (loi 2005845/loi de sauvegarde) sollte frühzeitige Sanierungsversuche verbessern und hierfür ähnlich dem US-amerikanischen Chapter-11-Verfahren Anreize set-

67 N° 1578 Assemblée Nationale; Seconde Session Ordinaire de 1982–1983; Projet de loi relatif au règlement judiciaire, S. 1. 68 N° 1578 Assemblée Nationale; Seconde Session Ordinaire de 1982–1983; Projet de loi relatif au règlement judiciaire, S. 1. 69 Brunetti-Pons, RTD com. 2000, 783, 785 Nr. 2; Zierau, Stellung der Gläubiger im Sanierungsverfahren, S. 6, 37; N° 1578 Assemblée Nationale; Seconde Session Ordinaire de 1982–1983; Projet de loi relatif au règlement judiciaire, S. 1. 70 Zierau, Stellung der Gläubiger im Sanierungsverfahren, S. 37. 71 Degenhardt, NZI 2014, 433, 434; Zierau, Stellung der Gläubiger im Sanierungsverfahren, S. 59. 72 Degenhardt, NZI 2014, 433, 434; Zierau, Stellung der Gläubiger im Sanierungsverfahren, S. 59. „Nous quittons définitivement le domaine de la faillite pour entrer dans celui de la sauvegarde“, Zitat des „Garde des Sceaux“ nach Pétel, La Semaine Juridique – Edition Entreprise et Affaires 2005, 1730, 1731. 73 Brunetti-Pons, RTD com. 2000, 783, 783, Nr. 1. 74 Zierau, Stellung der Gläubiger im Sanierungsverfahren, S. 59. 75 Dammann/Undritz, NZI 2005, 198, 198.

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zen.76 Das Schlichtungsverfahren (procédure de conciliation) wurde verbessert und das Sanierungsverfahren als neues präventives Verfahren (procédure de sauvegarde) eingeführt.77 Erst bei Zahlungsunfähigkeit konnte ein reguläres Insolvenzverfahren eröffnet werden. Das Sanierungsverfahren setzt bereits früher, bei der drohenden Zahlungsunfähigkeit, an. Nach kleineren Reformen 2008 und 2010 sollten im Jahr 2014 abermals der Präventionsgedanke und die Unternehmenssanierung gestärkt werden.78 Das Parlament autorisierte die Regierung durch das Gesetz Nr. 2014-1 vom 2. Januar 2014 im Verordnungswege in diesem Sinne Maßnahmen zu ergreifen: Art. 2 des Gesetzes ermöglicht es, Anreize für Schuldner zu schaffen, früher präventive Verfahren einzuleiten. Dies zielt darauf ab, die Sanierungsverfahren effizienter auszugestalten. Insbesondere sollen Klauseln unwirksam sein, die ein Hindernis dafür darstellen, das mandat ad hoc oder die conciliation einzuleiten. Durch Verordnung vom 12. März 2014 wurden diese Ziele umgesetzt. Zusammenfassend zeigt sich auch im französischen Insolvenzrecht ein bereits seit Jahrzehnten anhaltender Trend, Sanierungen und Unternehmensrettungen zu ermöglichen und zu fördern; die Unternehmensrettung ist staatlich ausgewiesenes und sozialpolitisch geprägtes Ziel. Um das komplexe französische System abschließend zu verstehen, ist ein kurzer Überblick über die einzelnen Verfahrensarten hilfreich. Es gibt mehrere präventive Verfahren und zwei ordentliche Insolvenzverfahren.79 I. Präventive Verfahren Frühzeitig, vor Eintritt der Zahlungsunfähigkeit, stehen verschiedene Verfahren zur Verfügung, um finanzielle Schwierigkeiten zu beseitigen. Im präventiven Ad-hoc-Mandat (mandat ad hoc, L. 611-3 C.com.) handelt ein gerichtlich bestellter Beauftragter einen Vergleich zwischen Schuldner und Gläubigern aus. Das Schlichtungsverfahren (procédure de conciliation, L. 611-4 C.com.), das ebenfalls einen freiwilligen Vergleich beabsichtigt, knüpft an eine juristische, wirtschaftliche oder finanzielle Schwierigkeit an und ist auf vier Monate begrenzt. Der Schuldner darf nicht oder noch nicht länger als 45 Tage zahlungsunfähig sein.80

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Dammann/Undritz, NZI 2005, 198, 198. Degenhardt, NZI 2014, 433, 434. 78 Vgl. Degenhardt, NZI 2014, 433, 434. 79 Überblick nach Degenhardt, NZI 2014, 433, 434. 80 Degenhardt, NZI 2014, 433, 434. 77

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Schließlich ist das präventive Sanierungsverfahren (procédure de sauvegarde,81 L. 620-1 C.com.) mittlerweile als Referenzverfahren für die anderen Verfahrensarten ausgestaltet.82 Es dient der Unternehmensfortführung, dem Arbeitsplatzerhalt und der Bereinigung der Passiva, solange keine Zahlungsunfähigkeit eingetreten ist, aber unüberwindliche finanzielle Schwierigkeiten bestehen. In der anfänglichen Beobachtungsphase (période d’observation) ist das Unternehmen zu analysieren und sind entsprechende Restrukturierungsvorschläge zu unterbreiten.83 Bei Zahlungsunfähigkeit ist das Reorganisationsverfahren zu beantragen (hierzu sogleich). II. Ordentliche Insolvenzverfahren Das reguläre Insolvenzverfahren, das Reorganisationsverfahren (redressement judiciaire, vgl. L. 631-4 C.com.), ist spätestens 45 Tage nach der Zahlungsunfähigkeit zu beantragen. Es ist ein gerichtliches Planverfahren, das durch das Gesetz Nr. 85-98 zur Unternehmensrettung eingeführt wurde. Das Liquidationsverfahren (liquidation judiciare, L. 640-1 C.com.)84 ist zu eröffnen, wenn das Unternehmen zahlungsunfähig und die Reorganisation offensichtlich unmöglich ist. Es ist damit zwar ein subsidiäres, aber eigenständiges Verfahren.85 Hierbei ist das einzige Ziel die Abwicklung des insolventen Unternehmens. E. Rechtskreis des common law I. Gegenüberstellung des US-amerikanischen und englischen Rechts Sowohl das englische als auch das US-amerikanische Recht sind common law-Rechtsordnungen und gehören damit zum gleichen Rechtskreis. Das Insolvenzrecht ist aber jeweils als kodifiziertes Gesetzesrecht (statutory law) ausgestaltet und wird durch case law nur ergänzt. Beide Rechtsordnungen weisen heute in der Insolvenz die zwei gleichen Grundprinzipien auf – die bestmögliche Gläubigerbefriedigung und den Erhalt des Unternehmens.86 Dennoch sind die Ausrichtungen hinsichtlich der Sanierungsfreundlichkeit in beiden Rechtsordnungen nicht deckungsgleich. Bedeutsam wurde der Fall Lehmann Brothers (vgl. § 4, A. und § 11, B.), der sowohl in England als auch 81 Eine Besonderheit ist das beschleunigte Sanierungsverfahren (sauvegarde accélérée) mit dem Unterfall des beschleunigten finanziellen Sanierungsverfahrens (sauvegarde financière accélérée). 82 Degenhardt, NZI 2014, 433, 434. 83 Dammann/Undritz, NZI 2005, 198, 200. 84 Auch in vereinfachter Gestaltung möglich (liquidation judiciare simplifiée) L. 6441 ff. C.com. 85 Pétel, La Semaine Juridique – Edition Entreprise et Affaires 2005, 1730, 1739. 86 Germain, La Semaine Juridique – Edition Entreprise et Affaires 2005, 1784, 1786.

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den USA die Gerichte beschäftigte und in diametral widersprüchlichen Entscheidungen zu insolvenzbezogenen Lösungsklauseln mündete. Zum gemeinsamen Hintergrund der beiden Rechtsordnungen ist ein Blick in die Geschichte aufschlussreich: Im Jahr 1285 wurde in England durch das Statute of Westminster II die Personalexekution eingeführt, d.h. die Vollstreckung in die Person des Schuldners – die Schuldknechtschaft (siehe auch unten § 8, A.).87 Im Vergleich mit den kontinentaleuropäischen Rechtsordnungen ist dies erst zu einem späten Zeitpunkt erfolgt. In dessen Folge erhielt England auch erst im Jahr 1542 sein erstes Insolvenzgesetz (34 & 35 Hen. VIII c. 4). Die Präambel bestätigt noch die ursprüngliche Sichtweise, dass der Insolvenzschuldner als Krimineller sozial geächtet war.88 Auch das folgende Insolvenzgesetz (13 Eliz. ch. IV (1570)) änderte nichts an dieser Sichtweise.89 Nach altem englischem Recht wurde der Insolvenzschuldner definiert als “trader, who secretes himself, or does certain other acts, tending to defraud his creditors”.90 Die englischen Insolvenzgesetze stellten gleichwohl schnell die Weichen, um das Insolvenzverfahren zu einem Sanierungsinstrument zu erheben. So bezweckte im 16. Jahrhundert das Vollstreckungsrecht noch primär die reine Schuldbetreibung. Der Queen Anne’s Act von 1705 (4 Anne ch. 17, Act to prevent frauds frequently committed by bankrupts) erkannte die Schuldnerinteressen an und führte die Restschuldbefreiung ein.91 Daher konnte Blackstone bereits 1765 einen Systemwechsel hin zu Prinzipien der Menschlichkeit und Gerechtigkeit feststellen: Das Insolvenzrecht sollte den unvermeidbaren Risiken des Wirtschafts- und vor allem Handelssystems gerecht werden und statt der Strenge des „normalen“ Rechts dem Gemeinschuldner gewisse Privilegien verschaffen.92 Allerdings sollten die Vorteile des Insolvenzrechts zunächst nur Händlern zukommen, da diese wirtschaftlichen Risiken ausgesetzt waren, welche die Privilegien rechtfertigten.93 “Trade cannot be carried on without mutual credit on both sides: the contracting of debts is therefore here not only justifiable, but necessary. And if by accidental calamaties, as by the

87

Dalhuisen, Dalhuisen on International Insolvency and Bankruptcy, § 2.02 [8]. Vgl. Uhlenbruck, DZWIR 2007, 1, 3. 89 Ruben, 89 Dick. L. Rev. 1029 (1984), 1035. 90 Blackstone, Commentaries on the Laws of England in Four Books. Notes selected from the editions of Archibold, Christian, Coleridge, Chitty, Stewart, Kerr, and others, Barron Field's Analysis, and Additional Notes, and a Life of the Author by George Sharswood, S. 471. 91 Hong Yin, Cross-sections 2009, 115, 117; Ruben, 89 Dick. L. Rev. 1029 (1984), 1035. 92 Blackstone, Commentaries on the Laws of England, S. 472. 93 Blackstone, Commentaries on the Laws of England, S. 473. 88

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loss of a ship in a tempest […] a merchant or trade becomes incapable of discharging his own debts, it is his misfortune and not his fault.”94

Das Insolvenzverfahren war nicht nur in personeller Hinsicht, sondern auch in den Handlungen beschränkt, welche die Insolvenz auslösten. So reichte beispielsweise nicht die Zahlungsunfähigkeit aus, um ein Verfahren zu eröffnen.95 Jedoch wurde nach dem Verfahren der Schuldner wieder frei von seinen Schulden, sofern er nur aus Ungeschick, aber nicht aufgrund von Fehlverhalten und Verschwendung in Not gekommen war: “Thus the bankrupt becomes a clear man again; and, by the assistance of his allowance and his own industry, may become a useful member of the commonwealth.”96

Hierbei wird deutlich, dass das Insolvenzrecht den Handel und die Wirtschaft unterstützen soll. Dem Einzelnen soll die Chance gewährt werden, sein Unternehmen wiederherzustellen, indem er von seinen Schulden befreit wird. Das Recht erkennt an, dass in dem modernen Wirtschaftsleben Kredit notwendigerweise eingegangen werden muss und damit wirtschaftliches Scheitern inhärent gebilligt wird. Gleichzeitig begann der Gesetzgeber, die in die Insolvenz gefallenen Schuldner zu entkriminalisieren. Das US-amerikanische Insolvenzrecht kopierte bei der Entwicklung seines Rechtssystems die englischen Grundsätze: “We take our bankruptcy system from England, and we naturally assume that the fundamental principles upon which it was administered were adopted by us when we copied the system, somewhat as the established construction of a law goes with the words where they are copied by another state.”97

Die USA übernahmen damit die schuldnerfreundlichen Ansätze des Insolvenzrechts und entwickelten diese Prinzipien fort. Konsequenterweise gelten die USA heute als äußerst schuldnerfreundlich.98 Die amerikanische Philosophie unterstützt letztlich das Unternehmertum: Jeder kann vom Tellerwäscher zum Millionär werden. Gleichwohl garantiert das common law an sich kein zwingend sanierungsfreundliches Insolvenzrecht: Beispielsweise sind die Cayman Islands auch eine common law-Rechtsordnung. Dennoch wurde dort ein extrem gläubigerfreundliches Insolvenzregime etabliert. Es ermöglicht kaum Eingriffe in Rechtspositionen der Gläubiger und wenig Sanierungsmöglichkeiten für die Schuldner.99 England, aber auch Australien, haben heute 94

Blackstone, Commentaries on the Laws of England, S. 474. Näher zu den die Insolvenz auslösenden Handlungen Blackstone, Commentaries on the Laws of England, S. 478, 479. 96 Blackstone, Commentaries on the Laws of England, S. 483, 484. 97 Supreme Court of the United States, Sexton v. Dreyfus, 219 U.S. 339, 31 S.Ct. 256, (U.S. 1911). 98 Collet, CRI 2010, 196, 196; Dalhuisen, International Insolvency, § 3.10. 99 Collet, CRI 2010, 196, 196. 95

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einen Mittelweg zwischen den USA und den Cayman Islands eingeschlagen: Die Insolvenzgesetze gewähren Unterstützung bei Sanierungsvorhaben, beschneiden aber kaum die Gläubigerrechte.100 II. USA Der U.S. Bankruptcy Code reformierte 1978 das materielle US-amerikanische Insolvenzrecht.101 Es ist nunmehr bundeseinheitlich in „Title 11“ (Bankruptcy Code) des United States Code geregelt. Darin sind zwei Grundverfahren vorgesehen: das Liquidationsverfahren, geregelt in Chapter 7, und das Reorganisationsverfahren in Chapter 11.102 Die Verfahren können ineinander umgewandelt werden, vgl. 11 U.S.C. §§ 707, 1112. Die Chapter 1 (general provisions), Chapter 3 (case administration) und Chapter 5 (creditors, the debtor, and the estate) enthalten verfahrensübergreifende allgemeine Bestimmungen, die in den beiden primär durchgeführten Verfahren gelten (11 U.S.C. § 103 (a)).103 Das Insolvenzverfahrensrecht ist darüber hinaus auch in den Bankruptcy Rules enthalten.104 In der jüngeren Geschichte haben Insolvenzverfahren eine ausgeprägte Rolle im amerikanischen Wirtschaftsrecht eingenommen.105 Sie sind das Mittel geworden, um mit wirtschaftlichem Scheitern umzugehen.106 Einhergehend mit dem unternehmerischen Risiko im amerikanischen Wirtschaftssystem soll das Insolvenzrecht die vielschichtigen Interessen der beteiligten Kreise sowie die rechtspolitischen Ziele vereinen.107 “Bankruptcy is far more than mere debt collection; it provides the framework for implementing fundamental decisions about how to manage the social and economic consequences of business failure.”108

Neben die reine effiziente Schuldbetreibung gruppieren sich andere rechtspolitische und moralische Zwecke.109 Bereits 1937 ist zur reinen insolvenzrecht100

Collet, CRI 2010, 196, 196. Ruben, 89 Dick. L. Rev. 1029 (1984), Fn. 35 und Dalhuisen, International Insolvency, § 3.09 [1]. Zum amerikanischen Sanierungsrecht Paulus, RIW 2013, 577, 580. 102 Darüberhinaus sind noch weitere spezielle Verfahren vorgesehen: Chapter 9 (adjustment of debts of a municipality); Chapter 12 (adjustment of debts of a family farmer or fishermen with regular annual income); Chapter 13 (adjustment of debts of an individual with regular income). 103 Chapter 15 (ancillary and other cross-border cases) ergänzt die allgemeinen Bestimmungen für internationale grenzüberschreitende Sachverhalte. 104 Zum Verfahrensrecht weitergehend Schollmeyer, Gegenseitige Verträge im internationalen Insolvenzrecht, S. 74 ff. 105 Warren, Business Bankruptcy, S. 1. 106 Warren, Business Bankruptcy, S. 3. 107 Warren, Business Bankruptcy, S. 4, 5, 21; Hong Yin, Cross-sections 2009, 115, 121; Nimmer, 54 U. Colo. L. Rev. 507 (1983), 507. 108 Warren, Business Bankruptcy, S. 21. 101

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lichen Gesamtvollstreckung die Schuldbefreiung hinzugetreten und die Verfahren dienten nunmehr Schuldner und Gläubiger gleichermaßen.110 Ziel ist es, die Gläubiger zu befriedigen und dem Schuldner einen Neubeginn zu ermöglichen (fresh start).111 Die fresh start-Doktrin hatte sich bereits Mitte des 19. Jahrhunderts entwickelt.112 Das Insolvenzrecht hat damit die Kriminalisierung und Inhaftierung des Schuldners überwunden. Es wandelte sich von einem Instrument der Vergeltung hin zu einem Mittel der Schuldenverwaltung.113 Der Höhepunkt wurde mit dem Bankruptcy Code 1978 erreicht.114 Damit traten zwei Ziele in den Vordergrund: Einerseits sollten Sanierungen zu einem gesamtwirtschaftlichen Vorteil und zum Erhalt wirtschaftlicher Existenzen angestrebt werden. 115 In der Sanierung erkannte der Gesetzgeber einen höheren wirtschaftlichen Wert als in der Liquidierung. Zweitens sollte das Vermögen bestmöglich verwertet werden.116 Das US-amerikanische Insolvenzrecht ist damit weltweit durch seine präventive Ausrichtung als sehr sanierungsfreundlich bekannt.117 Bereits der Verfahrensbeginn zeugt von diesen Zielen: Grundsätzlich kann der Schuldner ein Insolvenzverfahren durch einen freiwilligen Antrag einleiten (voluntary case). Anders als bei den involuntary cases118 ist ein Insolvenzgrund nicht nachzuweisen. Der Antrag (filing) führt unmittelbar zum Verfahrensbeginn 109

Hong Yin, Cross-sections 2009, 115, 118, 119. Jackson, 91 Yale L.J. 857 (1982), 860 und Douglas/Jackson, 51 U. Chi. L. Rev. 97 (1984), 98 sehen in der Gesamtvollstreckung noch den Hauptzweck des Insolvenzverfahrens: Die Massebestandteile dienen der effizienten Befriedung der Gläubigergesamtheit. Eine Sanierung sei nur eine Art der Liquidation, bei der die Gläubiger das Unternehmen erwerben, Jackson, 91 Yale L.J. 857 (1982), 894. 110 Kuehner v. Irving Trust Co., 299 U.S. 445, 57 S.Ct. 298, (U.S. 1937). 111 Verga, 61 Fordham L. Rev. 935 (1993), Fn. 3. 112 Ruben, 89 Dick. L. Rev. 1029 (1984), Fn. 5; vgl. 123 Cong. Rec. H. 11705; Sparhawk v. Yerkes, 142 U.S. 1, 12 S.Ct. 104, (U.S. 1891). 113 Ruben, 89 Dick. L. Rev. 1029 (1984), 1034: “[…] eventual evolution of bankruptcy law from a means of personal retaliation to a non-pejorative system of administering insolvent estates”. 114 Ruben, 89 Dick. L. Rev. 1029 (1984), 1037. 115 Nimmer, 54 U. Colo. L. Rev. 507 (1983), 509. 116 Nimmer, 54 U. Colo. L. Rev. 507 (1983), 510. 117 Collet, CRI 2010, 196, 196; Germain, La Semaine Juridique – Edition Entreprise et Affaires 2005, 1784, 1786. 118 Unter qualifizierten Voraussetzungen können auch Gläubiger einen Insolvenzantrag stellen. Dieser Antrag (filing) führt wie bei voluntary cases zum Verfahrensbeginn (commencement, 11 U.S.C. § 303 (b)). Jedoch kann der Schuldner seine Geschäftstätigkeit zunächst grundsätzlich ohne Weiteres fortsetzen, 11 U.S.C. § 303 (f). Erst die gerichtliche Anordnung (order for relief) nach einem Eröffnungsverfahren und der Festellung eines Insolvenzgrunds führt zu den Wirkungen des Bankruptcy Code, vgl. 11 U.S.C. § 303 (c), (h). Auch ein kombiniertes Verfahren mit einem bereits bestehenden Insolvenzverfahren ist als joint case nach 11 U.S.C. § 302 denkbar.

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(commencement), 11 U.S.C. § 301 (a). Dieser löst automatisch die Wirkungen des Bankruptcy Code aus (order for relief), 11 U.S.C. § 301 (b). Einen solchen Insolvenzantrag können die Gerichte auf Beschwerde zurückweisen, wenn er nicht in gutem Glauben eingereicht wurde. Dies ist beispielsweise der Fall, wenn keine finanziellen Zwänge, sondern nur prozesstaktische Erwägungen im Vordergrund stehen, um auf die weitreichenden Sanierungsinstrumente zurückgreifen zu können.119 Solche Sanierungsmittel sind u.a. der automatic stay, vgl. 11 U.S.C. § 362. Hierbei handelt es sich um eine Vollstreckungssperre, die vor allem den Schuldner vor einseitigen Handlungen des Gläubigers schützen soll. Mit Insolvenzeröffnung wird eine eigenständige Insolvenzmasse mit den assets und liabilities des Schuldners kreiert: “the estate”. Diese wird entweder von einem Verwalter (trustee) oder dem Schuldner in Eigenverwaltung (debtor in possession) kontrolliert.120 Das Chapter-7-Verfahren zielt dagegen nur darauf ab, das Unternehmen abzuwickeln und zu verwerten. Hierbei kann es auch als “going concern” auf einen anderen Unternehmensträger übertragen werden.121 Das Chapter-11-Verfahren bezweckt die Neuausrichtung des Unternehmens. Es soll den Wert des Unternehmens erhöhen und damit die Fortführung des Unternehmens ermöglichen. Dies soll dadurch sichergestellt werden, dass ein Sanierungsplan mehr für die Gläubiger erzielen muss als ein Liquidationsverfahren.122 Damit vereint das Verfahren zwei Ziele: den Erhalt des Unternehmens (preserving going concern) und die bestmögliche Gläubigerbefriedigung.123 Hintergrund ist, dass es oft wirtschaftlich wertvoller ist, ein Unternehmen zu erhalten, als es zu zerschlagen, und damit gleichzeitig Arbeitsplätze und den Unternehmenswert an sich zu schützen.124 Insbesondere das Chapter-11-Verfahren dient mit seiner sanierungsbegünstigenden Ausgestaltung als Vorbild für viele kontinentaleuropäische Rechtsordnungen. So beeinflusste das US-Recht die jüngeren Sanierungsbestrebungen in Frankreich, Deutschland, Österreich und zuletzt auch in der Schweiz.125 Das 1999 in Deutschland eingeführte Insolvenzplanverfahren ist 119

In re Integrated Telecom Express, Inc., 384 F.3d 108, C.A.3 (Del. 2004). Warren, Business Bankruptcy, S. 25, 29. In Chapter-7-Verfahren wird regelmäßig ein Verwalter bestellt (11 U.S.C. §§ 701, 702). Hingegen in Chapter-11-Verfahren obliegt die Verwaltung grundsätzlich dem Schuldner als debtor in possession und nur ausnahmsweise einem Verwalter (11 U.S.C. §§ 1104, 1107). 121 Warren, Business Bankruptcy, S. 27. 122 Warren, Business Bankruptcy, S. 32. 123 In re Integrated Telecom Express, Inc., 384 F.3d 108, C.A.3 (Del. 2004). 124 Verga, 61 Fordham L. Rev. 935 (1993), Fn. 3. 125 Frankreich: Dalhuisen, International Insolvency, § 3.01 [2]; Dupoux/Nerguararian, in: Commencement of Insolvency Proceedings (Hrsg. Faber/Vermunt/Kilborn/Richter), National Report for France, S. 284. Deutschland: Vgl. BT-Drs. 12/2443, S. 105 f. Öster120

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stark an das Chapter-11-Verfahren angelehnt. In der Reform von 2010 hat der österreichische Gesetzgeber explizit beim Verbot von Lösungsklauseln im Insolvenzfall auf die amerikanischen Regeln zurückgegriffen (vgl. § 3, B. und § 3, D., I.). Abschließend ist festzustellen, dass im US-amerikanischen Insolvenzrecht die Insolvenzgerichte (bankruptcy courts) eine sehr starke Rolle einnehmen und sie einen weiten Einschätzungsspielraum zur Ausgestaltung des Billigkeitsrechts (equity) besitzen.126 III. England und Wales In England und Wales ist das Insolvenzrecht heute primär im Insolvency Act 1986 („IA 1986“) geregelt.127 Der Gesetzgeber hat die Individualinsolvenzen und Unternehmensinsolvenzen in einem einheitlichen Gesetz zusammengefasst.128 Zuvor wurden beide Rechtsgebiete getrennt geregelt, wobei Unternehmensinsolvenzen im Companies Act 1856 festgehalten waren. Die Entpersonalisierung der Insolvenz begann in England und Wales mit dem Joint Stock Companies Act aus dem Jahr 1844.129 So waren Insolvenzschuldner zuvor noch persönlich kriminalisiert und gar mit dem Tode bestraft worden.130 Mit der „Erfindung“ von Gesellschaften entwickelten sich Unternehmensund Individualinsolvenzen über 100 Jahre getrennt voneinander, sodass zwei verschiede Rechtsbereiche entstanden.131 Der englische Gesetzgeber wollte mit dem Insolvency Act 1986 eine Kehrtwende bewerkstelligen und eine neue Rettungskultur (rescue culture) etablieren: “This ‘rescue culture’ which seeks to preserve viable businesses was and is fundamental to much of the Act of 1986. Its significance in the present case is that, given the importance reich: Kernbichler, ÖJZ 2015, 493, 493 m.w.N. Schweiz: Botschaft zur Änderung des Bundesgesetzes über Schuldbetreibung und Konkurs (Sanierungsrecht), 8.9.2010, 10.077, BBl. 6455, 6456. 126 Vgl. Weaver v. Hutson, 459 F.2d 741, C.A.4 (1972); In re Fleetwood Motel Corp., 335 F.2d 857, (C.A.N.J. 1964); Western F. M. Rest. v. Austern, 35 N.Y.2d 610, 364 N.Y.S.2d 500, (N.Y. 1974) m.w.N.; In re Fleming Companies, Inc., 499 F.3d 300, C.A.3 (Del. 2007). 127 Ausführliche Erläuterungen zum englischen System Piekenbrock, ZVglRWiss 2009, 242, 247 ff., Hess, in: Festschrift für Rolf Stürner zum 70. Geburtstag – 2. Teilband Internationales, Europäisches und ausländisches Recht (Hrsg. Bruns/Kern/Münch/ Piekenbrock/Stadler/Tsikrikas), Hybride Sanierungsinstrumente zwischen der Europäischen Insolvenzordnung und der Verordnung Brüssel I, S. 1255. 128 McCormack, in: Commencement of Insolvency Proceedings (Hrsg. Faber/Vermunt/ Kilborn/Richter), National Report for England, S. 234. 129 Finch, Corporate Insolvency Law, S. 12. 130 Finch, Corporate Insolvency Law, S. 11. 131 Finch, Corporate Insolvency Law, S. 13.

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attached to receivers and administrators being able to continue to run a business, it is unlikely that Parliament would have intended to produce a regime as to employees’ rights which renders any attempt at such rescue either extremely hazardous or impossible.”132

Inspiriert von den USA richtete sich das englische Insolvenzrecht auf Unternehmensrettung aus. Insbesondere seit den 1990er Jahren verstärkte sich diese Entwicklung und der Gesetzgeber erleichterte Rettungen mit dem Enterprise Act 2002 noch weiter.133 Rettungen sollten früher ermöglicht werden. In diesem gesetzlichen Rahmen entwickelte sich ein ganzer Wirtschaftszweig, der sich den so genannten „Turnaround“, also den Kurs aus der Unternehmenskrise, zum Ziel machte; damit veränderten sich die Einstellungen der Wirtschaftssubjekte zur Insolvenz nachhaltig positiv in eine Rettungsphilosophie.134 Damit war ein unternehmerisches Scheitern nicht mehr zwingend das Ende des Unternehmens. Gleichwohl hat die Unternehmensrettung nicht denselben Stellenwert wie beispielsweise in den USA erreicht. Dies zeigt sich beispielsweise an den Grenzen der verfahrensrechtlichen Instrumente. In England existiert eine Vielzahl an verschiedenen Verfahren: Dies sind vor allem die administration, liquidation, receivership, company voluntary arrangement (CVA) und schemes of arrangement. Die Verfahren werden von Insolvenzverwaltern, den so genannten insolvency practitioners durchgeführt.135 1. Liquidation Das klassische Verfahren ist die liquidation. Ziel ist die planmäßige Abwicklung des Unternehmens (wind-up), um die Vermögenswerte zur kollektiven Schuldnerbefriedigung zu verwenden. 136 Der Verwalter hat nicht die Möglichkeit, das Unternehmen fortzuführen, es sei denn, es ist Bestandteil des Abwicklungsprozesses.137 In dem Verfahren übernimmt ein gerichtlich eingesetzter Verwalter die Kontrolle.138 2. Administration Die administration wurde erstmals im Jahr 1986 eingeführt.139 In dem Verfahren soll das Unternehmen ganz oder teilweise gerettet werden. Das Konzept wird eindrücklich von Cork beschrieben:

132

House of Lords, Powdrill v Watson, [1995] 2 A.C. 394, at 442. Finch, Corporate Insolvency Law, S. 235 f. 134 Finch, Corporate Insolvency Law, S. 269, 517. 135 Finch, Corporate Insolvency Law, S. 25. 136 McCormack, in: National Report for England, S. 235. 137 Finch, Corporate Insolvency Law, S. 23. 138 McCormack, in: National Report for England, S. 238. 139 Fletcher, The Law of Insolvency, S. 419. 133

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“Before the 1985 Act every insolvent business went into liquidation or receivership automatically. It was the kiss of death for them […][W]ith the concept of the administrator and voluntary arrangements taking its place in Britain’s insolvency law, the chances look bright for more and more businesses being saved in the years that lie ahead […].”140

Die administration verfolgt drei nacheinander gestaffelte Ziele: Erstens ist das Unternehmen als going concern zu retten. Wenn das Unternehmen nicht als going concern erhalten werden kann, soll zweitens eine bessere Vermögensverwertung als bei einer reinen Liquidation erreicht werden. Nur als letzte Möglichkeit sollen die Vermögenswerte zugunsten der Gläubiger veräußert werden.141 Ein Insolvenzverwalter übernimmt die Führung des Unternehmens. Die administration ist mit dem US-amerikanischen Chapter-11-Verfahren vergleichbar, kennt aber im Gegensatz zu diesem keine Eigenverwaltung durch den Schuldner. Die Reorganisation dauert regelmäßig 12 Monate und kann mit Zustimmung der Gläubiger auf nicht mehr als 18 Monate ausgedehnt werden.142 Charakteristisch ist ein Moratorium, das mit Antragstellung ausgelöst wird. Das Moratorium verhindert, dass Abwicklungsmaßnahmen und Vollstreckungen gegen die Masse durchgeführt werden können. Dieser Schutzmechanismus schließt aber Kündigungen von laufenden Verträgen nicht aus. In einer der letzten Reformen wurde das Verfahren der administration durch den Enterprise Act 2002 gestärkt, um Unternehmensrettungen zu vereinfachen.143 Mit dieser Reform sollte die Sanierungskultur verbessert werden, indem Ideen des US-amerikanischen Chapter-11-Verfahrens eingeflossen sind. Damit sollte der Weg von der Liquidation zur Administration beschritten werden.144 Die Reform ist allerdings im Bereich der unerfüllten Verträge nicht ganz an das US-Vorbild herangekommen und wird insofern von der englischen Literatur als defizitär betrachtet.145 Solange sich ein Unternehmen in administration befindet, kann keine Liquidation eingeleitet werden. Umgekehrt kann ein liquidator einen Antrag bei Gericht auf Umwandlung in ein administration-Verfahren stellen, vgl. Scheme B1, para. 38, 42 Insolvency Act 1986.146 140

Zitiert nach Finch, Corporate Insolvency Law, S. 16. McCormack, in: National Report for England, S. 235; Finch, Corporate Insolvency Law, S. 21. 142 McCormack, in: National Report for England, S. 239. 143 McCormack, in: National Report for England, S. 238; Armour, in: The Challenges of Insolvency Law Reform in the 21st Century – Facilitating Investment and Recovery to Enhance Economic Growth (Hrsg. Peter/Jeandin/Kilborn), The Governance of Corporate Rescue in the UK, S. 508, 516. 144 Suchak, International Corporate Rescue (LJI) 2011, 131, 131. 145 Suchak, International Corporate Rescue (LJI) 2011, 131, 131. 146 McCormack, in: National Report for England, S. 282. 141

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3. Receivership147 Das Verfahren der (administrative) receivership ist mit einer Zwangsverwaltung zu vergleichen. Hierbei werden Vermögensverwerte verwaltet, um daraus Gläubiger zu befriedigen.148 Die receivership ist für gesicherte Gläubiger gedacht. Allerdings ist der Anwendungsbereich mit dem Entreprise Act 2002 stark eingeschränkt worden. Beispielsweise wurden die verbreiteten floating charges – zu vergleichen mit Globalsicherheiten – ausschließlich der administration unterstellt. 4. Company voluntary arrangement Der Schuldner und die ungesicherten Gläubiger können einen Vergleichsvorschlag ausarbeiten, der mit einer Mehrheit von 75 % der Gläubigerforderungen angenommen werden kann. Es handelt sich um ein einfaches, klassenloses Verfahren, ohne Auswirkungen auf gesicherte Gläubiger.149 5. Scheme of arrangement150 Reorganisationen sollen mit schemes of arrangement erleichtert werden. Das Verfahren ist sehr komplex und kein Insolvenzverfahren im engeren Sinne. Es ist in Sect. 895 des Companies Act 2006 zu finden. Schuldner und Gläubiger bzw. verschiedene Klassen von Gläubigern erarbeiten einen Kompromissvorschlag zur Schuldenbereinigung. Jede Gläubigerklasse muss mit 50 % der Gläubiger und 75 % der Forderungen in der Versammlung dem Reorganisationsplan zustimmen. Außerdem muss das Insolvenzgericht den Plan genehmigen.151

§ 2 Behandlung schwebender Verträge im Rechtsvergleich § 2 Schwebende Verträge im Rechtsvergleich “The whole fabric of commercial life is based on contract. Contract is everywhere – webs of invisible but potent nets and chains of rights and obligations. Yet insolvency has dominant power to shatter contracts, destroy them, break the chains.”152

147

Ausführlich Cooke/Anderson/Gullifer, in: Treatment of Contracts in Insolvency (Hrsg. Faber/Vermunt/Kilborn/Linde), National Report for England, Rn. 7.04. 148 Fletcher, The Law of Insolvency, S. 359; Finch, Corporate Insolvency Law, S. 20. 149 McCormack, in: National Report for England, S. 237. 150 Ausführlich Cooke/Anderson/Gullifer, in: Treatment of Contracts – England, Rn. 7.05. 151 McCormack, in: National Report for England, S. 236. 152 Wood, Principles of International Insolvency, S. 418, Rn. 16-002.

§ 2 Schwebende Verträge im Rechtsvergleich

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Verträge sind der Schmierstoff eines funktionierenden Wirtschaftssystems. Unternehmen entwickeln ein ganzes Geflecht an wichtigen Vertragsbeziehungen, von denen der wirtschaftliche Erfolg abhängt. Insolvenzverfahren entscheiden daher auch über das Schicksal einer Vielzahl von laufenden Verträgen. Die Eröffnung des Insolvenzverfahrens bedeutet für die Vertragsbeziehung zunächst eine Zäsur, da die weitere Vertragserfüllung ungewiss wird. Gleichwohl sind die Auswirkungen auf die Gültigkeit der Verträge begrenzt (vgl. § 2, A.). Die Fortsetzung oder die Abwicklung des Vertrags nach dem gesetzlichen Regelwerk ist anschließend zu erörtern. Die Gesetzgeber haben den Insolvenzverwaltern Instrumente wie das Wahlrecht über die schwebenden Vertragsverhältnisse an die Hand gegeben, um den Interessen im Einzelfall Rechnung zu tragen und in bestehende Vertragsverhältnisse zugunsten der Masse eingreifen zu können (vgl. § 2, B.; rechtsvergleichende Bemerkungen, § 2, C.). Die Erörterungen zum Wahlrecht des Insolvenzverwalters sind die Grundlage, auf der insolvenzbezogene Lösungsrechte zu bewerten sind. Aus der Ausgestaltung des Wahlrechts können Rückschlüsse auf die gesetzlich vorgegebene Schutzposition des solventen Vertragspartners gezogen werden, um somit vertraglich abweichende Klauseln bewerten zu können. A. Auswirkungen eines Insolvenzverfahrens auf die Vertragsbeziehung Im Grundsatz haben alle untersuchten Rechtsordnungen gemeinsam, dass die Eröffnung des Insolvenzverfahrens an sich keine Auswirkung auf die Gültigkeit der geschlossenen Vertragsverhältnisse hat.153 Damit setzt sich die Ver-

153

Deutschland: BGH, Urt. v. 25.4.2002 – IX ZR 313/99, BGHZ 150, 353; Paulus/Berberich, in: Treatment of Contracts in Insolvency (Hrsg. Faber/Vermunt/ Kilborn/Linde), National Report for Germany, Rn. 9.11. Schweiz: BG, Urt. v. 6.2.2006 – 4C.252/2005; BG, Urt. v. 24.10.1984, BGE 110 III 84, 85; Girsberger, Grenzüberschreitendes Finanzierungsleasing: internationales Vertrags-, Sachen- und Insolvenzrecht: eine rechtsvergleichende Untersuchung, S. 316; Bericht des Bundesamtes für Justiz, BBl. 1994 I S. 1315, 1316, 1330; Kren, Konkurseröffnung und schuldrechtliche Verträge: eine dogmatische Analyse der Wirkungen der Konkurseröffnung auf die im Obligationenrecht geregelten schuldrechtlichen Verträge, S. 9; Jeandin, in: Le contrat dans tous ses états: publication de la Société genevoise de droit et de législation à l'occasion du 125e anniversaire de la Semaine Judiciaire (Hrsg. Bellanger/Chaix/Chappuis/Lachat), Les effets de la faillite sur le contrat de durée, S. 72; Weydmann, Zweiseitige Verträge im Konkurs einer Vertragspartei, S. 9, 15. Österreich: Widhalm-Budak, in: IRÄG 2010 – Insolvenzrechtsänderungsgesetz 2010 – 15 Beiträge führender Insolvenzrechtsexperten – Alle wichtigen Änderungen – Lösungsvorschläge für die Praxisprobleme (Hrsg. Konecny), Verhinderung der Vertragsauflösung und unwirksame Vereinbarungen, S. 23. Frankreich: Brunetti-Pons, RTD com. 2000, 783, 784, Nr. 1; Cuniberti/Rueda, in: Treatment of Contracts – France, Rn. 8.07.

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tragsbeziehung grundsätzlich auch im Insolvenzverfahren fort. Nur bestimmte Vertragstypen erlöschen mit dem Beginn eines Insolvenzverfahrens: Typischerweise sind dies Aufträge und vom Gemeinschuldner erteilte Vollmachten;154 in England enden allerdings auch Arbeitsverträge in der Liquidation.155 Schließlich hat die Insolvenz auf bereits abgewickelte Verträge keine Auswirkungen, sofern keine Insolvenzanfechtung möglich ist.156 Vor allem hat die Insolvenz Auswirkungen auf die Art und Weise der Vertragsdurchführung.157 Durch die Eröffnung geht zunächst die Verwaltungsund Verfügungsbefugnis vom Schuldner über dessen Rechtspositionen – auch über die Verträge – auf die Insolvenzverwaltung über.158 Für den Insolvenzverwalter gilt zunächst das rechtsordnungsübergreifende Prinzip, dass der Verwalter die Verträge übernehmen muss, wie er sie vorfindet.159 Damit ist der Verwalter im Grundsatz an den von den Parteien ausgehandelten Vertragsinhalt gebunden. Mit dem Beginn des Insolvenzverfahrens erhält der Insolvenzschuldner regelmäßig Vollstreckungsaufschub.160 Der solvente Vertragspartner kann damit nicht mehr durch Vollstreckungsmaßnahmen auf das Vertragsverhältnis einwirken. Auch dieser Aspekt ist relevant, um die beteiligten Interessen zu beurteilen. Besonders weitgehend sind die Schutzmaßnahmen in den USA und umfassen dort nicht nur Maßnahmen der Einzelzwangsvollstreckung: Die gesamten Vertragsverhältnisse unterfallen hier einem Insolvenzaufschub, dem automatic stay, vgl. 11 U.S.C. § 362.161 In Deutschland wurde durch das Schutzschirmverfahren in § 270b InsO ein ähnliches Verfahren eingeführt, wobei außerhalb der Regelungen des England: McCormack, in: National Report for England, S. 275; Cooke/Anderson/ Gullifer, in: Treatment of Contracts – England, Rn. 7.14; Suchak, International Corporate Rescue (LJI) 2011, 131, 131. USA: In re Whitcomb & Keller Mortg. Co., Inc., 715 F.2d 375 (C.A.Ind. 1983). Vgl. auch McBryde/Flessner, in: Principles of European Insolvency Law, § 6.1. 154 Deutschland: §§ 115–117 InsO. Schweiz: Art. 35 Abs. 1 OR. Österreich: § 26 IO. 155 McCormack, in: National Report for England, S. 275; Suchak, International Corporate Rescue (LJI) 2011, 131, 131. 156 Statt vieler Marchand, Précis de droit des poursuites, S. 183. 157 Jeandin, in: Les effets de la faillite sur le contrat de durée, S. 72. 158 Zobl/Werlen, Rechtsprobleme des bilateralen Netting, S. 78 (Fn. 270). 159 Deutschland: Vgl. § 80 InsO; BGH, Urt. v. 26.9.1985 – VII ZR 19/85, BGHZ 96, 34. Schweiz: Vgl. Art. 204 Abs. 1 SchKG; Jeandin, in: Les effets de la faillite sur le contrat de durée, S. 92; Zobl, in: Festschrift für Hans Ulrich Walder zum 65. Geburtstag – Recht und Rechtsdurchsetzung (Hrsg. Meier/Riemer/Weimar), Das Eintrittsrecht der Konkursmasse in synallagmatische Verträge und die Vertragsfreiheit, S. 537; vgl. auch Schoch, Die juristische Natur der Pfändung und der Vermögensbeschlagnahme im Konkurs, S. 63. Österreich: § 2 Abs. 2 IO. England: Belmont Park Investments Pty Ltd v BNY Corporate Trustee Services Ltd, [2010] Ch. 347; Goode, Principles of corporate insolvency law, 3-05. 160 Vgl. beispielsweise in Deutschland §§ 88, 89 InsO. 161 Ausführlich in § 3, D., I., 1.

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§ 21 InsO ein Schutz des Vertragsverhältnisses vor Kündigungen nicht besteht. Auch in England verhindert das Moratorium der administration, dass Verfahren oder Vollstreckungen gegen den Schuldner eingeleitet werden. Dadurch erhält der Schuldner eine kurze Ruhephase; allerdings wirkt sich der Schutz ebenfalls nicht unmittelbar auf die Vertragsbeziehungen aus.162 Damit zeigt sich bereits in diesem Insolvenzaufschub ein wichtiges Instrument, um die Vertragsbeendigung in der Insolvenz und die Rechtsposition des Vertragspartners zu beurteilen. Letztlich ist zu beachten, dass sich alle Verbindlichkeiten, die in der Insolvenz angemeldet werden, in Geldforderungen umwandeln.163 Dies ermöglicht überhaupt erst eine gleichmäßige Befriedung der Insolvenzgläubiger im Insolvenzverfahren. Dieser Zwangsumwandlung kann das Vertragsverhältnis nur entgehen, wenn der Insolvenzverwalter die Erfüllung des Vertrags wählt und damit eine privilegierte Forderung begründet. Für die wechselseitigen Forderungen aus einem Vertragsverhältnis ergibt sich grundsätzlich:164 Forderungen sind vollständig zur Masse einzuziehen; der Gläubiger hingegen kann seine Gegenforderung nur als Insolvenzforderung anmelden, die einen Anteil in Höhe der Insolvenzquote ergibt.165 Der vorstehende Grundsatz wird besonders deutlich, wenn die solvente Partei vollständig in Vorleistung getreten ist und nur noch eine Insolvenzquote als Gegenleistung erlangt. Denn die Vorleistung muss nicht zurückgewährt werden. Schon die preußische Konkursordnung von 1855 formulierte in § 15 Abs. 2: „Ist das Geschäft zur Zeit der Konkurseröffnung von dem Mitkontrahenten, nicht aber von dem Gemeinschuldner erfüllt, so hat der Mitkontrahent seinen Anspruch auf die rückständige Gegenleistung als Konkursgläubiger geltend zu machen, sofern er nicht durch ein Pfandrecht oder Hypothekenrecht gedeckt ist.“

Wenn die vorstehenden Grundsätze auch im Fall von noch beiderseits unerfüllten Verträgen (schwebenden Verträgen) gelten würden, müsste der solvente Vertragspartner voll leisten und erhielte die Gegenforderung nur als 162

McCormack, in: National Report for England, S. 276. Deutschland: § 45 InsO. Die Umwandlung setzt sich beispielsweise in Deutschland sogar nach Aufhebung des Verfahrens fort, Bitter, in: Münchener Kommentar zur Insolvenzordnung (Hrsg. Kirchhof/Eidenmüller/Stürner), § 45, Rn. 39. Schweiz: Art. 211 Abs. 1 SchKG. Österreich: § 14 Abs. 1 IO. 164 Ausführlich zu den verschiedenen Situationen, in denen sich die Vertragsverhältnisse bei Insolvenzeröffnung befinden können: Henkelmann, Schwebende Verträge in der Insolvenz – Zum Wahlrecht des Insolvenzverwalters nach § 103 InsO, S. 7 ff.; Marchand, Précis de droit des poursuites, S. 183 ff.; Jeandin, in: Les effets de la faillite sur le contrat de durée, S. 74; Plenio, Das Erfüllungsrecht der Konkursverwaltung und schuldrechtliche Verträge im Konkurs, S. 29 f. 165 Aus der österreichischen Lehre: Rechberger/Thurner, Insolvenzrecht, S. 35, Rn. 90. Aber auch McBryde/Flessner, in: Principles of European Insolvency Law, § 6. 163

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Insolvenzforderung in Höhe der Quote. Es wird als unbillig empfunden, den solventen Vertragspartner derart einseitig in der Insolvenz zu belasten, wenn er diese Situation bis zur Insolvenzeröffnung nicht durch freiwillige Vorleistungen herbeigeführt hat. Sofern die Leistungsbeziehungen noch ausstehen, greifen daher Schutzmechanismen zugunsten der solventen Partei. Der Vertragspartner kann nunmehr verlangen, im Falle der Vorleistungspflicht Sicherheiten166 zu erhalten oder die Leistung nur Zug-um-Zug167 zu erbringen. Die Schutzmechanismen sind Ausdruck des vertraglichen Synallagmas und bewahren den Vertragspartner davor, einseitig seine Leistung zu erbringen und keine Gegenleistung aus der Insolvenzmasse erwarten zu dürfen.168 In diesem Regelungskontext steht auch das Verwalterwahlrecht. B. Das Wahlrecht des Insolvenzverwalters I. Allgemeines Prinzip des Verwalterwahlrechts Allgemein stünden im Prinzip vier Regelungsmöglichkeiten zur Verfügung, um das Schicksal eines Vertrags in der Insolvenz zu bestimmen: Erstens könnten alle Verträge uneingeschränkt fortgeführt werden (vgl. die spanische Lösung, vgl. § 3, F., XI). Zweitens könnten alle Verträge automatisch erlöschen. Drittens könnte dem Verwalter ein Wahlrecht zugebilligt werden. Viertens könnte bei allen Verträgen der Erfüllungsanspruch des Vertragspartners durch einen zur Quote anzumeldenden schadensersatzrechtlichen Nichterfüllungsanspruch ersetzt werden.169 Die meisten Rechtsordnungen haben sich für das Verwalterwahlrecht entschieden, das dem Insolvenzverwalter im Einzelfall ermöglicht, die Werthaltigkeit eines Vertragsverhältnisses zu bewerten, das Schicksal des Vertragsverhältnisses endgültig zu klären und bestehende Einreden zu beseitigen. Die Insolvenzverwaltung kann in jeder Vergleichsordnung wählen, ob ein schwebender Vertrag weiter erfüllt werden soll oder nicht.170 Das Grundprinzip des Verwalterwahlrechts ist überall ähnlich ausgestaltet, sodass es als ein allgemein und international anerkanntes 166

Deutschland: § 321 BGB. Schweiz: Art. 83, 266h, 316, 337a, 392 II OR; erst wenn dem solventen Vertragspartner in angemessener Frist keine Sicherheiten gestellt werden, kann er nach Art. 83 Abs. 2 OR vom Vertrag zurücktreten. Österreich: § 21 Abs. 3 IO, § 1052 ABGB. Frankreich: Art. 1613 fr. CC; USA: § 2-609 UCC, 11 U.S.C. 365 (b)(1)c. 167 Beispielsweise in Deutschland setzt sich die Einrede des nichterfüllten Vertrags aus § 320 BGB in der Insolvenz fort (hierzu § 2, B., II.); in Österreich kann der vorleistungspflichtige Gläubiger seine Gegenleistung verweigern: § 21 Abs. 3 IO. 168 Statt vieler: Bericht des Bundesamtes für Justiz, BBl. 1994, 1317. 169 Vgl. Henkelmann, Schwebende Verträge in der Insolvenz – Zum Wahlrecht des Insolvenzverwalters nach § 103 InsO, S. 11 f. 170 Deutschland: § 103 Abs. 1 InsO. Schweiz: Art. 211 Abs. 2 SchKG. Österreich: § 21 IO. Frankreich: Artt. L. 622-13, II, 641-11-1, II C.com. USA: 11 U.S.C. § 365 (a). England: Sect. 178 (3)(a) IA 1986.

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Prinzip bezeichnet werden kann.171 Die Insolvenzgesetze treffen allgemeine Regelungen, unter welchen Voraussetzungen ein Vertrag weiter zu erfüllen ist, wann er abzuwickeln und ggf. zu kündigen ist und wer darüber entscheiden muss (vgl. die folgenden Darstellungen der Vergleichsordnungen, § 2, B., II.–VII.).172 Die weiteren, das Verwalterwahlrecht zusammenfassenden, rechtsvergleichenden Bemerkungen schließen daran an, § 2, C. II. Deutschland 1. Grundlegendes Das Wahlrecht des Insolvenzverwalters ist in Deutschland ausführlich in den §§ 103–119 InsO geregelt.173 Die Norm des § 103 Abs. 1 InsO entspricht im Wesentlichen der Vorgängervorschrift aus § 17 Abs. 1 KO.174 Das Wahlrecht sollte den Vertragspartner schützen.175 Heute bezweckt es außerdem, vorteilhafte Verträge der Masse zu erhalten; es geht um Masseschutz.176 Es hat damit drei Funktionen:177 Erstens soll der Gläubiger geschützt werden, indem er nur dann erfüllen muss, wenn er als Gegenforderung eine Masseverbindlichkeit erlangt. Zweitens soll die Masse gestärkt werden. Drittens bedeutet das Wahlrecht eine Ausnahme von der Gläubigergleichbehandlung, da privilegierte Forderungen begründet werden können. Das Wahlrecht ist zwar nicht als Mittel der Sanierung gedacht.178 Dennoch wird das Ziel der Massemehrung mit dem Anliegen einer Sanierung deckungsgleich sein. Die Auslegung des Verwalterwahlrechts hat sich über die Jahrzehnte in der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs mehrfach gewandelt.179 Das Reichs171

Fried, 46 Duke L.J. 517 (1996), 522. Girsberger, Finanzierungsleasing, S. 296. 173 Vgl. ausführlich Paulus/Berberich, in: Treatment of Contracts – Germany, Rn. 9.01 ff.; Windel, JURA 2002, 230, 232 ff.; von Websky, in: Betriebsfortführung im Insolvenzverfahren – Betriebsfortführung in der Insolvenz (Hrsg. Borchardt/Frind), Kap. 20, Rn. 2081 ff.; Jacoby, ZIP 2014, 649, 650 f.; Hinger, Die Bauunternehmerinsolvenz, S. 112 ff.; zur neusten Rechtsprechung Gehrlein, NZI 2015, 97, passim. Zum Schicksal schwebender Verträge im und nach dem Insolvenzverfahren Rühle, Gegenseitige Verträge nach Aufhebung des Insolvenzverfahrens – Ansprüche aus gegenseitigen „schwebenden“ Verträgen gem. § 103 InsO nach vollzogener Schlussverteilung (§ 200 Abs. 1 InsO) und rechtskräftig bestätigtem Insolvenzplan (§ 258 Abs. 1 InsO), passim. 174 Ausführlich zum Wahlrecht unter der Konkursordnung Marotzke, Gegenseitige Verträge in Konkurs und Vergleich, passim. 175 Paulus/Berberich, in: Treatment of Contracts – Germany, Rn. 9.07. 176 Ausführlich Paulus/Berberich, in: Treatment of Contracts – Germany, Rn. 9.29 ff.; Wegener, Insolvenzordnung, (Hrsg. Uhlenbruck/Hirte/Vallender), § 103, Rn. 1. 177 Foerste, Insolvenzrecht, Rn. 209. 178 Thole, in: Privatautonomie und Insolvenzrecht, S. 289. 179 Vgl. hierzu ausführlich m.w.N. Hinger, Die Bauunternehmerinsolvenz, S. 112 ff.; Wegener, in: Insolvenzordnung, (Hrsg. Uhlenbruck/Hirte/Vallender), § 103, Rn. 5 ff. 172

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gericht ging noch davon aus, dass schwebende Verträge uneingeschränkt fortgeführt würden; nur die Erfüllungsablehnung ließ die Ansprüche erlöschen (Rechtsgestaltungstheorie).180 Ein solcher Ansatz ist heute noch in Spanien zu finden.181 Später erkannte der Bundesgerichtshof, dass mit der Insolvenzeröffnung alle Ansprüche erlöschen (Erlöschenstheorie).182 Die Erfüllungswahl schuf eine neue Leistungspflicht. Nach heutigem Verständnis in Deutschland (Hemmungstheorie), bewirkt „die Eröffnung des Insolvenzverfahrens […] kein Erlöschen der Erfüllungsansprüche aus gegenseitigen Verträgen im Sinn einer materiell-rechtlichen Umgestaltung. Vielmehr verlieren die noch offenen Ansprüche im Insolvenzverfahren ihre Durchsetzbarkeit, soweit sie nicht auf die anteilige Gegenleistung für vor Verfahrenseröffnung erbrachte Leistungen gerichtet sind. Wählt der Verwalter Erfüllung, so erhalten die zunächst nicht durchsetzbaren Ansprüche die Rechtsqualität von originären Forderungen der und gegen die Masse.“183

Unter das Wahlrecht des Insolvenzverwalters fallen gegenseitige, synallagmatische Verträge im Sinne des § 320 BGB, die von beiden Seiten noch nicht vollständig erfüllt sind.184 Bis zur Erfüllungswahl hat der Vertragspartner die Einrede des nicht erfüllten Vertrags. Sobald eine Seite vollständig ihr vertragliches Pflichtenprogramm erfüllt hat, besteht kein Wahlrecht mehr.185 Eine Besonderheit gilt bei teilbaren Leistungen: Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs ist das Wahlrecht nur auf den Teil des Vertrags beschränkt, der beiderseits noch nicht erfüllt ist.186 Es tritt eine Vertragsspaltung ein.187 Dies verdeutlicht die masseschützende Wirkung des Verwalterwahlrechts.188 Die Teilbarkeit eines Vertrags ist weit zu verstehen, sodass nicht nur Sukzessivverträge, sondern auch Werkverträge (Bauverträge) teilbar sein können.189 Das Äquivalent der Gegenleistung des erfüllten Vertragsteils ist damit dem Wahlrecht entzogen. In § 105 S. 1 InsO wird dies für den bereits erfüllten Vertragsteil konkretisiert: Vorinsolvenzliche Forderungen können nur als Insolvenzforderung zur Quote angemeldet werden, auch wenn der 180

RG, Urt. v. 12.4.1912 – II 506/11, RGZ 79, 209, 211. Vgl. hierzu § 3, F., XI. 182 BGH, Urt. v. 11.2.1988 – IX ZR 36/87, BGHZ 103, 250; vgl. auch § 2, A. 183 BGH, Urt. v. 25. 4. 2002 – IX ZR 313/99, BGHZ 150, 353. 184 Kroth, in: Insolvenzordnung, Kommentar (Hrsg. Braun), § 103, Rn. 5 u. 18. 185 Kroth, in: Insolvenzordnung, Kommentar (Hrsg. Braun), § 103, Rn. 19. 186 Zur Aufspaltung des Vertrags vgl. bereits BGH, Urt. 5.5.1977 – VII ZR 85/76; BGH, Urt. v. 4.5.1995 – IX ZR 256/93, NJW 1995, 1966; zur Teilbarkeit insb. bei Bauleistungen Hinger, Die Bauunternehmerinsolvenz, S. 121 ff. 187 Dieser Rechtsgedanke, das Vertragsverhältnis entsprechend zu teilen, war bereits in § 36 Abs. 2 S. 1 VerglO enthalten („Sind die geschuldeten Leistungen teilbar und hat der Gläubiger die ihm obliegende Leistung zur Zeit der Eröffnung des Verfahrens bereits teilweise erbracht, so ist er mit dem der Teilleistung entsprechenden Betrage seiner Forderung auf die Gegenleistung Vergleichsgläubiger.“). 188 BGH, Urt. v. 4.5.1995 – IX ZR 256/93, NJW 1995, 1966. 189 Von Websky, in: Betriebsfortführung, Rn. 2103. 181

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Insolvenzverwalter wegen der noch ausstehenden Leistung Erfüllung verlangt. Unter der Konkursordnung wurden früher auch solche vorinsolvenzliche Verbindlichkeiten einheitlich zu privilegierten Masseverbindlichkeiten erhoben.190 Dadurch war der Insolvenzverwalter regelmäßig gezwungen, die Erfüllung eines Vertrags abzulehnen, um Zahlungsrückstände nicht zu privilegieren; infolgedessen war er auf eventuelle nachteilige Vertragsverhandlungen für die Zukunft angewiesen, um sich die Vertragsleistungen ex nunc zu erhalten.191 Insbesondere für Verträge über fortlaufende Lieferungen von Waren und Energie sollte dem Verwalter die Erfüllung nur für die Zukunft ermöglicht werden.192 Nachdem der Gesetzgeber § 105 S. 1 InsO bereits verabschiedet hatte, dieser aber noch nicht in Kraft getreten war, änderte der Bundesgerichtshof seine Rechtsprechung noch unter der Konkursordnung: Aus Masseschutzgründen seien vorinsolvenzliche Teilleistungen nicht mehr zu privilegieren – die Gegenleistung entspreche nur einer Insolvenzforderung.193 § 105 S.1 InsO ist insofern nur noch deklaratorisch, als sich das Wahlrecht nicht mehr auf das gesamte Vertragsverhältnis auswirkt und bei einer teilweisen Vorleistung des Vertragspartners die Gegenleistung bei Erfüllungswahl nicht mehr geschützt wird.194 Damit wird vor allem die Betriebsfortführung gefördert.195 All diese Entwicklungen zeigen, dass das Verwalterwahlrecht ein starkes masseschützendes Instrument sein soll. Der gesetzliche Abwicklungsmechanismus ist also zugunsten der Insolvenzmasse ausgestaltet, wobei der Gesetzgeber diese Vorteile bewusst gewähren wollte. 2. Wahlrecht: Erfüllungswahl Die Erfüllungswahl (§ 103 Abs. 1 InsO) lässt – in dem Umfang, in dem das Wahlrecht anwendbar ist – originäre Masseverbindlichkeiten entstehen, vgl. § 55 Abs. 1 Nr. 2 InsO. Der Insolvenzverwalter ist an den Inhalt des „ur-

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BGH, Urt. v. 30.1.1986 – IX ZR 79/85, BGHZ 97, 87, 90. Kroth, in: Braun, InsO, § 105, Rn. 25; vgl. auch Wegener, in: Insolvenzordnung, Kommentar (Hrsg. Uhlenbruck/Hirte/Vallender), § 105, Rn. 1. 192 Vgl. auch BR-Drs. 1/92, S. 145; Wegener, in: Insolvenzordnung, Kommentar (Hrsg. Uhlenbruck/Hirte/Vallender), § 105, Rn. 1. 193 BGH, Urt. v. 27.2.1997 – IX ZR 5/96, DtZ 1997, 196. 194 Wegener, in: Insolvenzordnung, Kommentar (Hrsg. Uhlenbruck/Hirte/Vallender), § 105, Rn. 1 u. 3. Damit ist das Institut des Wiederkehrschuldverhältnisses entbehrlich, welches insbesondere für Energielieferungsverträge entwickelt wurde und eine permanente Neubegründung von Leistungen vorsah. Die Rechtsprechung lehnte dies ab und ging von einem einheitlichen Rechtsverhältnis aus, das unter das Verwalterwahlrecht fällt: BGH, Urt. v. 1.7.1981 – VIII ZR 168/80, BGHZ 81,90; hierzu auch Tintelnot, ZIP 1995, 616, 616 ff. 195 Von Websky, in: Betriebsfortführung, Rn. 2104. 191

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sprünglichen Vertrags“ gebunden.196 Die Entscheidung des Verwalters ist alleine zugunsten der Masse und auf das Wohl der Gläubigergesamtheit ausgerichtet.197 Bei der Entscheidung hat der Verwalter insbesondere seine eigene persönliche Haftung nach § 61 InsO zu beachten: Er ist zum Schadensersatz verpflichtet, wenn er die Masseverbindlichkeit aus der Insolvenzmasse nicht erfüllen kann und er hätte erkennen können, dass die Masse voraussichtlich nicht zur Erfüllung ausreichen würde. 3. Wahlrecht: Ablehnungsentscheidung Lehnt der Verwalter die Vertragserfüllung ab, bleibt der Vertrag bestehen, da das Insolvenzverfahren an sich keine materiell-rechtliche Umgestaltung des Vertrags bewirkt.198 Der mit Insolvenzeröffnung undurchsetzbare Erfüllungsanspruch bleibt erhalten. Erst wenn der Vertragspartner seinerseits die Nichterfüllung im Sinne eines Schadensersatzanspruchs geltend macht, findet eine Umwandlung in einen Schadensersatzanspruch statt.199 Der Vertragspartner kann diesen Schadensersatzanspruch im Rang einer Insolvenzforderung zur Quote anmelden, vgl. § 103 Abs. 2 S. 1 InsO. 4. Ausübungsfrist und Aufforderung zur Erfüllungswahl Von Gesetzes wegen ist dem Verwalter kein Zeitfenster vorgegeben, in dem er das Wahlrecht ausüben muss. Der solvente Vertragspartner kann allerdings den Insolvenzverwalter auffordern, das Wahlrecht unverzüglich auszuüben, d.h. ohne schuldhaftes Zögern (§ 121 BGB), vgl. § 103 Abs. 2 S. 2 InsO. Unterlässt der Verwalter eine Erklärung, gilt die Erfüllung des Vertrags als abgelehnt. Da der Vertragspartner nur den Verwalter und nicht bereits den vorläufigen Verwalter auffordern kann, hat er mindestens die Eröffnung des Verfahrens abzuwarten.200 Darüber hinaus steht dem Verwalter eine angemessene Prüfungs- und Überlegungsfrist zu, die sich nach den Umständen des Einzelfalls richtet.201 Jedenfalls soll der Verwalter Zeit bis zum Berichtstermin (§ 156 InsO) haben, insbesondere wenn die Zustimmung der Gläubigerversammlung zur Unternehmensfortführung nötig ist.202

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Kroth, in: Braun, InsO, § 103, Rn. 48. Kroth, in: Braun, InsO, § 103, Rn. 42. 198 Kroth, in: Braun, InsO, § 103, Rn. 51. 199 Wegener, in: Uhlenbruck, InsO, § 103, Rn. 160. 200 BGH, Urt. v. 8.11.2007 – IX ZR 53/04, NZI 2008, 36. 201 Wegener, in: Uhlenbruck, InsO, § 103, Rn. 126–131. 202 OLG Köln, Beschluss v. 2.12.2002 – 15 W 93/02, NZI 2003, 149; Kroth, in: Braun, InsO, § 103, Rn. 53. 197

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5. Gesetzliche Vertragsbeendigung Die Insolvenzordnung sieht qua Gesetz vor, dass Aufträge (§ 115 InsO), Geschäftsbesorgungsverträge (§ 116 InsO) und Vollmachten (§ 117 InsO) mit der Eröffnung des Insolvenzverfahrens erlöschen. Hinter diesen Regelungen steht der Schutz der Handlungskompetenzen des Insolvenzverwalters, der vor Handlungen Dritter abgeschirmt werden und nunmehr alleine über die Masse verfügen soll.203 III. Schweiz 1. Grundlegendes Art. 211 Abs. 2 SchKG räumt der Insolvenzverwaltung das Recht ein, zweiseitige Verträge, die zur Zeit der Konkurseröffnung nicht oder nur teilweise erfüllt sind, anstelle des Schuldners zu erfüllen. Im Verhältnis zu anderen Rechtsordnungen hat das Wahlrecht des Insolvenzverwalters eine ausgesprochen kurze Regelung erfahren. Das Eintrittsrecht ist dennoch ein Grundprinzip des Insolvenzrechts. Als solches ist es eine eigenständige Regelung im Verhältnis zu Art. 211 Abs. 1 SchKG und keine bloße Ausnahme zur dort normierten Umwandlung der Gläubigerforderungen in Geldforderungen. Dies ergibt sich historisch aus dem ersten Gesetzesentwurf zum SchKG.204 Damals lautete die Entwurfsfassung: „Wenn ein Vertrag, durch welchen zwischen dem Gemeinschuldner und einem anderen gegenseitige Leistungen verabredet wurden, zur Zeit der Konkurseröffnung noch nicht vollständig erfüllt ist, so kann die Konkursverwaltung, vorausgesetzt, dass die Leistung nicht einen rein persönlichen Charakter trägt, entweder an Stelle des Gemeinschuldners den Vertrag erfüllen oder aufheben. Entscheidet sich die Konkursverwaltung für die Vertragsaufhebung, so kann der andere Teil verlangen, dass ihm die der Masse auffallende Leistung sichergestellt werde. Hebt dagegen die Masse den Vertrag auf, so ist der andere Teil berechtigt, den Ersatz des ihm hieraus erwachsenden Schadens als Konkursgläubiger geltend zu machen.“205

Art. 211 Abs. 1 SchKG behandelt damit die Befriedigung im Konkurs, wohingegen Abs. 2 die vertragsmäßige Erfüllung (nach Erfüllungswahl) regelt.206 Ohne materielle Änderungen zu beabsichtigen, wurde das Gesetz während der Beschlussfassung redaktionell überarbeitet und verabschiedet.207 203

Ott/Vuia, in: MüKo-InsO (Hrsg. Kirchhof/Eidenmüller/Stürner), § 115, Rn. 1. BG, Urt. v. 26.10.1978, BGE 104 III 84, 89; Zobl, in: FS Walder, S. 537; Zobl/Werlen, Netting, S. 78. 205 Entwurfsfassung vom 11. November 1885, Nachweis im Bericht des Bundesamtes für Justiz, BBl. I 1994, 1316 m.w.N. 206 Weydmann, Zweiseitige Verträge im Konkurs einer Vertragspartei, S. 28. 207 Bericht des Bundesamtes für Justiz, BBl. I 1994, 1316. 204

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Insofern kann auf den ursprünglichen Gesetzesentwurf zur Interpretation der heutigen Regelung zurückgegriffen werden. Das Verwalterwahlrecht entspricht damit auch heute im Kern der Fassung vom 11. April 1889. Die letzte Reform aus dem Jahr 1997 bezog sich primär auf Art. 211 Abs. 2bis SchKG – eine Neuregelung im Bereich der Finanztermingeschäfte und eine sprachliche Änderung des Abs. 2, abermals ohne inhaltliche Auswirkungen.208 Hauptanliegen der Revision 1994 war es, nur eine klare und rechtssichere Abwicklung von Finanztermingeschäften in der Insolvenz sicherzustellen.209 Das Wahlrecht besteht bei Verträgen, die nicht oder nur teilweise erfüllt wurden.210 Bei einem solchen schwebenden Vertragsverhältnis hat der Vertragspartner im Insolvenzfall bereits ein Leistungsverweigerungsrecht nach Art. 83 OR, bis ihm eine Sicherheit für die ausstehenden Leistungen gestellt wird. Kommt der Schuldner der Sicherheitsstellung nicht oder nicht fristgerecht nach, kann er vom Vertrag zurücktreten, Art. 83 Abs. 2 OR.211 2. Wahlrecht: Erfüllungswahl Nutzt die Insolvenzverwaltung ihr sog. „Eintrittsrecht“, wird die Verbindlichkeit des Gläubigers zu einer privilegierten Masseverbindlichkeit. Nach 208

Art. 211 Abs. 2 SchKG wurde durch das Gesetz vom 16.12.1994, in Kraft seit 1.1.1997 (AS 1995 1227; BBl 1991 III 1) nur untergeordnet modifiziert, vgl. Staehelin, AJP/PJA 2004, 363, 364; Gilliéron, Commentaire de la loi fédérale sur la poursuite pour dettes et la faillite: loi du 11 avril 1889, texte en vigueur le 1er janvier 1997, Art. 211, Rn. 4; Plenio, Das Erfüllungsrecht der Konkursverwaltung und schuldrechtliche Verträge im Konkurs, S. 8. 209 Bericht des Bundesamtes für Justiz, BBl. 1994 I 1316, 1321 f. 210 Näher zum Erfüllungsbegriff, insbesondere bei mangelhafter Vertragserfüllung: Plenio, Das Erfüllungsrecht der Konkursverwaltung und schuldrechtliche Verträge im Konkurs, S. 31 ff. Verträge, die als höchstpersönliche Leistung zu erfüllen sind, sind vom Wahlrecht ausgenommen: Hunkeler, BR 2002, 55, 57; Plenio, Das Erfüllungsrecht der Konkursverwaltung und schuldrechtliche Verträge im Konkurs, S. 36. Ebenfalls nicht unter das Wahlrecht fallen Verträge im unpfändbaren Teil des Vermögens: Plenio, Das Erfüllungsrecht der Konkursverwaltung und schuldrechtliche Verträge im Konkurs, S. 35. Spekulative Verträge wie Finanztermin-, Swap- und Optionsgeschäften sind von der Erfüllungswahl ausgeschlossen, Art. 211 Abs. 2bis SchKG. 211 Das Verhältnis zu Art. 211 Abs. 2 SchKG ist streitig: Teilweise wird der Rücktritt nach Art. 83 Abs. 2 SchKG auch in der Insolvenz für zulässig gehalten; bei Erfüllungswahl durch die Insolvenzverwaltung, bleibe der Rücktritt nur wirksam, wenn eine zu geringe Konkursmasse vorhanden ist. Hingegen hält Kren in Konkurseröffnung und schuldrechtliche Verträge: eine dogmatische Analyse der Wirkungen der Konkurs-eröffnung auf die im Obligationenrecht geregelten schuldrechtlichen Verträge, S. 90 den Rücktritt erst für möglich, wenn die Konkursverwaltung die Fortführung des Vertrags abgelehnt hat; so wohl auch Spühler, in: FS Forstmoser, S. 679. Ein Rücktritt nach Art. 83 Abs. 2 OR löst jedenfalls keinen Schadensersatzanspruch gegenüber dem Gemeinschuldner aus, BG, Urt. v. 30.1.1979, BGE 105 II 28, 32.

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Art. 211 Abs. 2 Satz 2 SchKG kann der Vertragspartner sogar zusätzlich zu der bereits privilegierten Masseverbindlichkeit Sicherheiten verlangen.212 Die Insolvenzverwaltung hat in angemessener Zeit die Sicherheiten zu stellen. Bis zur Sicherheitenstellung kann der Vertragspartner die Leistung verweigern.213 Der Insolvenzverwalter kann unabhängig über das Wahlrecht entscheiden und unterliegt keiner gerichtlichen Kontrolle.214 Er hat einen erheblichen Ermessensspielraum, da verschiedene, teils unklare Faktoren zur wirtschaftlichen Verwertung berücksichtigt werden müssen.215 Gleichwohl können interne Anordnungskompetenzen der Gläubigerversammlung bestehen.216 Sofern die Verwaltung den Vertrag übernimmt, hat sie den Vertrag im Grundsatz so hinzunehmen, wie er ist.217 Die Verwaltung hat insbesondere keine zusätzlichen Kündigungsrechte, die sich aus dem Wahlrecht inzident ergeben könnten.218 Eine Besonderheit des schweizerischen Rechts ist die Wirkung der Erfüllungswahl: Nach herrschender Auffassung bewirkt der Eintritt der Insolvenzverwaltung grundsätzlich, dass – auch bei teilbaren Leistungen – die gesamte Gegenforderung zur privilegierten Masseverbindlichkeit wird.219 Insofern kommt es nicht darauf an, ob diese vor oder nach Verfahrenseröffnung fällig wird.

212 Weydmann, Zweiseitige Verträge im Konkurs einer Vertragspartei, S. 39. Zu den Voraussetzungen des Art. 83 OR vgl. Lorandi, AJP/PJA 2004, 1209, 1212 und Marchand, Précis de droit des poursuites, S. 37 213 Schwob, in: Basler Kommentar – Bundesgesetz über Schuldbetreibung und Konkurs II, Art. 159–352 SchKG, Art. 1–47 GSchG, Art. 51–58 AVIG (Hrsg. Staehelin/Bauer/ Steahelin), Art. 211, Rn. 9. 214 Marchand, Précis de droit des poursuites, S. 185. 215 Plenio, Das Erfüllungsrecht der Konkursverwaltung und schuldrechtliche Verträge im Konkurs, S. 40. 216 Plenio, Das Erfüllungsrecht der Konkursverwaltung und schuldrechtliche Verträge im Konkurs, S. 37 f. 217 BG, Urt. v. 8.6.1916, BGE 42 III 279, 285; Kren, Konkurseröffnung und schuldrechtliche Verträge: eine dogmatische Analyse der Wirkungen der Konkurseröffnung auf die im Obligationenrecht geregelten schuldrechtlichen Verträge, S. 95; Weydmann, Zweiseitige Verträge im Konkurs einer Vertragspartei, S. 35; Girsberger, Finanzierungsleasing, S. 324. 218 So wurde im Reformgesetz vom 16.12.1994 (AS 1995 1227; BBl 1991 III 1) der Vorschlag nicht übernommen, ein Aufhebungsrecht der Insolvenzverwaltung für alle Verträge vorzusehen, die nicht realiter erfüllt werden. Dies stelle einen unzulässigen Eingriff in das materielle Recht dar, vgl. Staehelin, AJP/PJA 2004, 363, 364. 219 Girsberger, Finanzierungsleasing, S. 338; Lorandi, Blätter für Schuldbetreibung und Konkurs 2011, 95, 102; Jeandin, in: Les effets de la faillite sur le contrat de durée, S. 75, insb. Fn. 19 m.w.N. Lorandi, SJZ 2000, 150, 153 m.w.N., insb. Fn. 26 („Es sei unbestritten, dass dies für Zielschuldverhältnisse gelte.“); Pietruszak, AJP/PJA 2001, 1228, 1230; andere Ansicht Weydmann, Zweiseitige Verträge im Konkurs einer Vertragspartei, S. 37.

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Es war allerdings für Dauerschuldverhältnisse – sogar innerhalb des Bundesgerichts – umstritten, ob die Erfüllungswahl auch diese vorgenannte Wirkung hatte.220 Ein Dauerschuldverhältnis ist ein Vertrag, der nicht durch einen einmaligen Austausch von Leistung und Gegenleistung erfüllt wird, sondern durch einen fortdauernden und wiederholten Leistungsaustausch charakterisiert ist (beispielsweise Arbeits-, Miet-, Leasing- und Darlehensverträge).221 Dabei ist der Insolvenzfall für sich genommen grundsätzlich kein hinreichender Grund, um den Vertrag zu beenden.222 Die neuen Art. 211a und 297a SchKG klären die Rechtslage für Dauerschuldverhältnisse nunmehr, auch um die uneinheitliche Praxis des Bundesgerichts zu beseitigen.223 Im Falle der Erfüllungswahl stellt Art. 211a Abs. 2 SchKG nunmehr klar, dass nur noch Neu-Verbindlichkeiten nach Verfahrenseröffnung als Masseverbindlichkeiten zu behandeln sind, die Alt-Verbindlichkeiten sind Insolvenzforderungen. 3. Wahlrecht: Ablehnungsentscheidung Wenn die Verwaltung es ablehnt, in einen Vertrag einzutreten, wird der Vertrag nicht aufgelöst.224 Der Vertrag besteht fort. Im Insolvenzverfahren kann die Forderung des Gläubigers nur als „Konkursdividende“, nicht als Masseverbindlichkeit geltend gemacht werden.225 Die Rechtsnatur dieses Anspruchs gegen die Masse ist streitig.226 Einerseits wird vertreten, dass es sich um einen Schadensersatzanspruch wegen Nichterfüllung handele;227 andererseits wird 220

Auch die Verbindlichkeiten aus Dauerschuldverhältnissen, die vor der Insolvenzeröffnung begründet werden, werden durch die Erfüllungswahl zu Masseverbindlichkeiten: BG, Urt. v. 5.10.2006 – 4C.239/2006 zu Arbeitsverträgen; Lorandi, mp 1998, 1, 1, 16; Lorandi, SJZ 2000, 150, 153. Hingegen sieht BG, Urt. v. 6.2.2006 – 4C.252/2005 m.w.N. dies als nicht mit der Gläubigergleichbehandlung vereinbar und betrachtet Mietforderungen vor Insolvenzeröffnung als reine Insolvenzforderungen. Vgl. Girsberger, Finanzierungsleasing, S. 338; Weydmann, Zweiseitige Verträge im Konkurs einer Vertragspartei, S. 36 f. 221 Botschaft zur Änderung des Bundesgesetzes über Schuldbetreibung und Konkurs (Sanierungsrecht), 8.9.2010, 10.077, BBl. 6455, 6472 m.w.N. 222 BG, Urt v. 16.11.2006 – 4C.280/2006; Marchand, Précis de droit des poursuites, S. 38, 186; zum Streitstand Lorandi, AJP/PJA 2004, 1209, 1215 m.w.N. Nur ausnahmsweise soll die Insolvenz an sich ein wichtiger Kündigungsgrund sein. 223 Begleitbericht zum Vorentwurf, Revision des Schuldbetreibungs- und Konkursgesetzes (SchKG): Sanierungsverfahren, Bern im Dezember 2008, 19; Staehelin, in: Sanierung und Insolvenz von Unternehmen V: das neue Schweizer Sanierungsrecht (Hrsg. Sprecher), Dauerschuldverhältnisse in der Insolvenz, S. 108. 224 Instruktiv: BG, Urt. v. 26.10.1978, BGE 104 III 84. 225 BG, Urt. v. 26.10.1978, BGE 104 III 84, 91; Meier, ZSR 1996, 277, 298. 226 Ausführlich und mit weiteren Nachweisen Schwob, in: BK-Art. 211 SchKG, Rn. 12. 227 BG, Urt. v. 9.6.1899, BGE 25 II 438; BG, Urt. v. 8.6.1916, BGE 42 III 279, 284; BG, Urt. v. 29.6.1938, BGE 64 II 220, 225 f.; Taillens, Des effets de la faillite sur les contrats du débiteur, S. 149 f.

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vertreten, dass sich die ursprüngliche Verbindlichkeit fortsetze und als Geldschuld am Verfahren teilnehme.228 Der Vertragspartner kann jedenfalls nach Art. 83 Abs. 2 OR vom Vertrag zurücktreten, da regelmäßig bei der Wahl der Nichterfüllung keine Sicherheit gestellt wird. Im Falle des Rücktritts nach Art. 83 Abs. 2 OR hat der Vertragspartner keinen Anspruch auf Schadensersatz.229 Der Insolvenzverwaltung verbleiben im Übrigen nur die regulären gesetzlichen Kündigungsmöglichkeiten. Wenn die Verwaltung sich nicht zu ihrem Wahlrecht äußert, soll dies seit 2014 einer ordentlichen Kündigung gleichkommen:230 Nach Art. 211a Abs. 1 SchKG können die Forderungen ohne Erfüllungswahl höchstens bis zum nächsten Kündigungstermin oder dem Ende der Vertragsdauer im Insolvenzverfahren teilnehmen. Der neue Art. 297a SchKG hat im Bereich der Nichterfüllungswahl für Dauerschuldverhältnisse Neuerungen gebracht. Im Sanierungsverfahren kann der Schuldner mit Zustimmung des Sachwalters ein Dauerschuldverhältnis jederzeit außerordentlich kündigen, wenn der Vertrag der Sanierung entgegensteht, Art. 297a SchKG. Der Vertragspartner ist zwar voll zu entschädigen, allerdings nur als Insolvenzforderung. Damit sollen Sanierungen ermöglicht werden, wenn notwendige Ressourcen in Dauerschuldverhältnissen langfristig gebunden werden.231 Dauerschuldverhältnisse in einem Liquidationsverfahren unterliegen nur der ordentlichen Kündigung. Sofern keine Erfüllung gewählt wird, kann der Vertragspartner nur ungesicherte Insolvenzforderungen geltend machen. 4. Ausübungsfrist und Aufforderung zur Erfüllungswahl Eine explizite Ausübungsfrist für das Wahlrecht ist nicht vorgesehen. Eine etwaige Nicht-Erfüllungswahl ist zwar in den Kollokationsplan – also in den Verteilungsplan – aufzunehmen; dessen Erstellung kann in der Praxis aber 228 BG, Urt. v. 26.10.1978, BGE 104 III 84, 91; BG, Urt. v. 13.6.1989, BGE 115 III 67; Kren, Konkurseröffnung und schuldrechtliche Verträge: eine dogmatische Analyse der Wirkungen der Konkurseröffnung auf die im Obligationenrecht geregelten schuldrechtlichen Verträge, S. 100 ff., insb. 106 (Fortbestehen der ursprünglichen Forderung und Teilnahme am Konkurs). Weydmann, Zweiseitige Verträge im Konkurs einer Vertragspartei, S. 59; Plenio, Das Erfüllungsrecht der Konkursverwaltung und schuldrechtliche Verträge im Konkurs, S. 61 ff. 229 Schwob, in: BK-Art. 211 SchKG, Rn. 9; Plenio, Das Erfüllungsrecht der Konkursverwaltung und schuldrechtliche Verträge im Konkurs, S. 59; Cherpillod, La fin des contrats de durée, S. 42. 230 Botschaft zur Änderung des Bundesgesetzes über Schuldbetreibung und Konkurs (Sanierungsrecht), 8.9.2010, 10.077, BBl. 6455, 6474. 231 Lorandi, in: Sanierung mittels Konkursaufschub oder Nachlassstundung: alte und neue Handlungsoptionen, S. 44.

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regelmäßig hinausgezögert werden.232 Aus dem Zusammenspiel von Art. 232 Abs. 2 Ziff. 2 und Art. 247 Abs. 1 SchKG ergibt sich mindestens eine Frist von 3 Monaten (1 Monat + 60 Tage) bis frühestens der Kollokationsplan erstellt werden muss. In Anlehnung an die deutsche Dogmatik wird eine Entscheidung in „angemessener Frist“ befürwortet233 bzw. die rechtzeitige Ausübung des Wahlrechts als Amtspflicht des Verwalters angesehen.234 Konkrete Mechanismen und Rechtsfolgen, die der Vertragspartner auslösen kann, um die Ungewissheiten zu beseitigen, bleiben offen. 5. Gesetzliche Beendigungsrechte Das Eintrittsrecht besteht nur, wenn der Vertrag noch fortbesteht und beispielsweise nicht durch gesetzliche Bestimmungen beendet wird.235 Für verschiedene Vertragstypen hat der Gesetzgeber eine abstrakte Interessenabwägung getroffen, in welchen Fällen ein Vertrag mit Insolvenzeröffnung aufgelöst wird. Schlussendlich sind in der Schweiz viele gesetzliche Beendigungsgründe zu beachten, die nach Art. 211 Abs. 3 SchKG explizit vorbehalten bleiben:236 Die Gesetze sehen eine automatische Beendigung vor bei der Vollmacht (Art. 35 Abs. 1 OR), beim Versicherungsvertrag (Insolvenz des Versicherers, Art. 37 VVG), beim Schenkungsvertrag (Insolvenz des Schenkers, Art. 250 Abs. 2 OR), bei Pacht (Konkurs des Pächters, Art. 297a OR), beim Auftrag (Art. 405 OR), beim Agenturvertrag (Konkurs des Auftraggebers, Art. 418s OR), bei Anweisung (Art. 470 Abs. 3 OR), beim Gesellschaftsvertrag (Art. 545 Abs. 1 Nr. 3 OR), bei der Gemeinderschaft (Art. 343 ZGB). Außerdem sind besondere Kündigungsrechte vorgesehen bei: Mietverträgen (Konkurs des Mieters, Art. 266h OR), Leihen (Art. 316 OR), Arbeitsverträgen (Art. 337a OR), Verlagsverträgen (Art. 392 Abs. 3 OR). Anders als in anderen Rechtsordnungen besteht ein sehr umfassender Katalog an gesetzlichen Beendigungsmöglichkeiten im Insolvenzfall. Diese Normen sind im Grundsatz dispositives Gesetzesrecht, sodass infolge der Vertragsfreiheit auch die Fortsetzung des Vertragsverhältnisses nach der Insolvenzeröffnung vereinbart werden kann. Die Insolvenz an sich ist aber kein allgemeiner wichtiger Grund zur Vertragsaufhebung.237 232

Plenio, Das Erfüllungsrecht der Konkursverwaltung und schuldrechtliche Verträge im Konkurs, S. 44 f. 233 Plenio, Das Erfüllungsrecht der Konkursverwaltung und schuldrechtliche Verträge im Konkurs, S. 45 m.w.N.; ablehnend Taillens, Des effets de la faillite sur les contrats du débiteur, S. 73, Rn. 109. 234 Weydmann, Zweiseitige Verträge im Konkurs einer Vertragspartei, S. 31 f. 235 Zobl, in: FS Walder, S. 533; Spühler, in: FS Forstmoser, S. 674. 236 Vgl. auch Cherpillod, La fin des contrats de durée, S. 43 ff.; Fritzsche/WalderBohner, Schuldbetreibung und Konkurs nach schweizerischem Recht, Bd. II, § 42, Fn. 32. 237 Staehelin, AJP/PJA 2004, 363, 365 m.w.N.

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IV. Österreich 1. Grundlegendes Schwebende Vertragsverhältnisse werden in der Insolvenzordnung (IO) in den §§ 21–26 geregelt. Hiernach hat der Verwalter verschiedene Wahlrechte, die als zwingendes Recht ausgestaltet sind, vgl. § 25b Abs. 1 IO. Deren Ausübung ist davon abhängig, ob der Gläubigergesamtheit bzw. der Masse ein Vorteil zukommt. Damit dient das Wahlrecht dazu, der Masse die bestmögliche Verwertung des Vertragsverhältnisses zu sichern.238 Das Wahlrecht der Insolvenzverwaltung ist eingeschränkt, wenn die vertragliche Leistung und die Gegenleistung teilbar sind oder ein Dauerschuldverhältnis vorliegt: Dann besteht das Wahlrecht nur insofern, als es sich auf den beiderseits nicht erfüllten Teil des Vertrags bezieht.239 Eine einseitige, teilweise Vorleistung des Vertragspartners schließt in dieser Höhe das Wahlrecht aus.240 2. Wahlrecht: Erfüllungswahl § 21 IO ist die Grundnorm. Nach dessen Abs. 1 kann der Verwalter wählen, ob der Vertrag für die Masse fortgeführt wird oder nicht. Bei Eigenverwaltung kann nur der Schuldner selbst den Eintritt erklären.241 Der Verwalter kann entweder Erfüllung verlangen und die Gegenleistung als Masseschuld erbringen oder vom Vertrag zurücktreten.242 Die Erfüllungswahl bewirkt, dass der Gläubiger an die Masse leisten muss und seine Gegenforderung zu einer privilegierten Masseverbindlichkeit wird. 3. Wahlrecht: Ablehnungsentscheidung Entscheidet sich der Verwalter für die Nichterfüllung bzw. für den Rücktritt vom Vertrag, wird der Vertrag nicht ex tunc aufgelöst.243 Die herrschende Ansicht geht davon aus, dass der Erfüllungsanspruch ex nunc umgewandelt wird.244 Der Gläubiger hat nun einen verschuldensunabhängigen Schadenser-

238

Bollenberger, ÖBA 2006, 879, 880. Die Teilbarkeit wird z.B. bei Bauverträgen angenommen, wenn der Vertrag ohne Probleme von anderen Person zu Ende gebracht werden kann: Kepplinger/Duursma, wobl 2001, 33, 36. 240 Rechberger/Thurner, Insolvenzrecht, S. 36, Rn. 93. 241 Jelinek, wbl 2010, 377, 386: Der Eintritt hängt aber von der Genehmigung der Verwaltung ab. 242 Rechberger/Thurner, Insolvenzrecht, S. 35, Rn. 91. 243 Rechberger/Thurner, Insolvenzrecht, S. 35, Rn. 92; Kepplinger/Duursma, wobl 2001, 33, 34. 244 Kepplinger/Duursma, wobl 2001, 33, 34. 239

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satzanspruch als Insolvenzforderungen.245 Wenn die bisherigen Leistungen des Gemeinschuldners die vom Vertragspartner erlangte Gegenleistung und den ihm zustehenden Schadensersatzanspruch übersteigen, kann die Masse diese Bereicherung abschöpfen.246 4. Ausübungsfrist und Aufforderung zur Erfüllungswahl Es ist grundsätzlich möglich, das Wahlrecht während des gesamten Verfahrens auszuüben. Der Gläubiger kann aber verlangen, dass der Verwalter das Wahlrecht ausübt. In diesem Fall lässt er dem Verwalter über das Insolvenzgericht eine Ausübungsfrist setzen. Die Frist darf frühestens drei Tage nach der Berichtstagsatzung enden (§ 21 Abs. 2 S. 1 IO). Die Berichtstagsatzung (§ 91a IO) findet spätestens 90 Tage nach der Verfahrenseröffnung statt. Eine Ausnahme (§ 21 Abs. 2 S. 3 IO) besteht bei Naturalleistungen des Gemeinschuldners – wenn die Leistung des Schuldners nicht in Geld besteht und der Schuldner bereits in Verzug ist. In diesem Fall muss der Insolvenzverwalter sich unverzüglich erklären, spätestens jedoch nach fünf Arbeitstagen. Offen ist allerdings, inwieweit dies mit der Pflicht des § 116 IO vereinbar ist. Hiernach besteht eine achttägige Frist, wenn der Wert von 100.000 € überstiegen wird. Ein Rücktrittsrecht des solventen Vertragspartners ist jedenfalls nicht gegeben.247 Letztlich wird mit dieser Regelung erreicht, dass schnelle Entscheidungen getroffen werden müssen, wenn der Vertragspartner eine Naturalleistung erwartet. V. Frankreich 1. Grundlegendes Erst mit der grundlegenden Reform des Insolvenzrechts im Jahr 1967 gab es besondere Regelungen zum Schicksal von Verträgen in der Insolvenz.248 Diese Bestimmungen wurden in jeder späteren Reform in Details geändert, sodass es nicht einfach zu überblicken ist, wie sich das Regelwerk in der heutigen Form entwickelt hat.249 Die Kernausrichtung, in Schieflage geratene Unternehmen zu sanieren, hat das Wahlrecht des Verwalters mit der Reform von 1985 erhalten.250 245

Vgl. § 21 Abs. 2 S. 3 IO; OGH, SZ 56/78 = RdW 1984, 206; OGH, Urt. v. 12.7.1988 – 4 Ob 541/88, SZ 61/170; Kepplinger/Duursma, wobl 2001, 33, 34 m.w.N. 246 OGH, Beschl. v. 27.9.2005 – 1 Ob 51/05i; OGH, Urt. v. 17.11.1981 – 4 Ob 583/80, SZ 54/168; OGH, Urt. v. 12.7.1988 – 4 Ob 541/88, SZ 61/170; Rechberger/Thurner, Insolvenzrecht, S. 36, Rn. 92. 247 Rechberger/Thurner, Insolvenzrecht, S. 35, Rn. 91. 248 Le Corre-Broly, Recueil Dalloz 2009, 663, 663; Vallansan, Juris Classeur 2001, Fasc. 2335, 1, 2, Rn. 2. 249 Le Corre-Broly, Recueil Dalloz 2009, 663, 663. 250 Le Corre-Broly, Recueil Dalloz 2009, 663, 663.

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Nach französischem Recht hat der Verwalter (administrateur) ein Wahlrecht für schwebende Verträge (contrats en cours).251 Dies sind nach französischem Verständnis alle Verträge, deren Hauptleistungspflicht noch nicht vollständig erfüllt wurde und die damit noch nicht beendet wurden.252 Entscheidend ist also, ob die charakteristische Leistung noch nicht erfüllt ist.253 Erfasst sind Dauerschuldverhältnisse (contrats à exécution successive) und Verträge mit einmaligen Leistungen (contrats à exécution instantanée). Das Wahlrecht des Verwalters findet seine primäre Ausgestaltung in L. 62213 C.com. für das Sanierungsverfahren.254 Es ist einheitlich über den Verweis in L. 631-14 C.com. auch im Reorganisationsverfahren anzuwenden. Das Liquidationsverfahren hat eine eigenständige Regelung in Art. L. 641-11-1 C.com. erhalten, die allerdings weitestgehend der vorhergenannten Bestimmung entspricht. Diese regelt insbesondere detailliert, welche Folgen die Erfüllungsablehnung auf den Vertrag hat und in welchen Fällen der Vertrag beendet ist. Das Wahlrecht erfasst als eine einheitliche Regelung alle Vertragstypen – selbst Verträge, die an die Person des Schuldners anknüpfen (intuitu personae).255 Ausgenommen sind grundsätzlich nur Gesellschaftsverträge.256 2. Wahlrecht: Erfüllungswahl Der Verwalter (bzw. der Schuldner in Eigenverwaltung) kann nach L. 62213, II C.com. im Sanierungs- und Reorganisationsverfahren die Erfüllung des Vertrags verlangen257 und muss im Gegenzug die dafür versprochene Leistung liefern. Der Vertrag setzt sich als Ganzes mit all seinen Klauseln fort.258 Rechtsfolge der Erfüllungswahl ist eine Privilegierung der Verbindlichkeiten, wenn die Forderungen nach der Verfahrenseröffnung entstehen.259 Der gesam251

Hierzu ausführlich Teboul, Gazette du palais 2004, n° 115, S. 7, passim; Montredon, La Semaine Juridique – Edition Entreprise et Affaires 1988, 15156, passim. 252 Vallansan, Juris Classeur 2001, Fasc. 2335, 1, 3, Rn. 11, 12 m.w.N. 253 Cuniberti/Rueda, in: Treatment of Contracts – France, Rn. 8.04. 254 Die ordonnance N° 2008-1345 vom 18.12.2008 hat das Wahlrecht in seiner heutigen Gestalt in L. 622-13 C.com. bzw. L. 614-11-1 C.com. redaktionell neugefasst. Mit der ordonnance sind kaum inhaltliche Änderungen einhergegangen, sondern vielmehr wurde nur die Lesbarkeit verbessert, vgl. den begleitenden Bericht an den Präsidenten der Republik zur ordonnance. 255 Pétel, Code de commerce: 2014, S. 873, L. 622-13, Rn. 10. 256 Cass. com., 8.3.2005, 02-17692. 257 Montéran, Gazette du palais 2003, 2716, 2718. Das Verlangen kann ausdrücklich oder stillschweigend erfolgen: Pétel, Code de commerce: 2014, S. 873, L. 622-13, Rn. 13, 14. Bei Eigenverwaltung steht das Wahlrecht unter Zustimmungsvorbehalt des Gerichts. 258 Brunetti-Pons, RTD com. 2000, 783, 803, Rn. 34; Pétel, Code de commerce: 2014, S. 874, L. 622-13, Rn. 17; Montéran, Gazette du palais 2003, 2716, 2721; Teboul, Gazette du palais 2004, n°115, S. 7 ff.; Cass. com., 13.10.1998, 96-13350, RJDA 1/99, n. 69, S. 61. 259 Teboul, Gazette du palais 2004, n°115, S. 7 ff.

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te Vertrag, auch die vorinsolvenzlichen Verbindlichkeiten, werden privilegiert, wenn der Verwalter im Rahmen von Neuverhandlungen deren Zahlung als Voraussetzung für die Vertragsfortsetzung gewährt hat.260 Die Forderungen aus Dauerschuldverhältnissen erfahren eine Zäsur mit dem Zeitpunkt der Verfahrenseröffnung: Vorinsolvenzliche Verbindlichkeiten bleiben nur einfache quotenmäßig zu befriedigende Insolvenzforderungen, wenn das Vertragsverhältnis teilbar ist.261 Auch eingeräumte Kreditlinien können in der Insolvenz durch Erfüllungswahl vom Verwalter noch abgerufen werden.262 Das weitere Vertragsschicksal richtet sich nunmehr wieder nach normalem Zivilrecht (droit commun). Sofern keine abweichenden Vereinbarungen getroffen wurden, muss der Verwalter allerdings direkt nach Ausführung und Rechnungslegung die Verbindlichkeiten begleichen (au comptant).263 Anderenfalls wird der Vertrag von Gesetzes wegen beendet, L. 622-13, III, Nr. 2 C.com. Der Verwalter hat für seine Entscheidung die laufenden Verträge wirtschaftlich zu betrachten und zu ermitteln, ob diese für eine Unternehmensfortführung notwendig, d.h. vorteilhaft, sind.264 In dieser Frage kommt dem Verwalter ein Einschätzungsspielraum zu.265 Die Erfüllung darf der Verwalter nur wählen, wenn er sicherstellen kann, dass die hierfür notwendigen finanziellen Mittel vorhanden sind.266 3. Wahlrecht: Ablehnungsentscheidung Lehnt der Verwalter es ab, den Vertrag fortzuführen, ohne eine vorige Aufforderung zur Entscheidung durch den Gläubiger erhalten zu haben (option spontanée), wird der Vertrag hingegen nicht von Gesetzes wegen beendet.267 Bislang konnte dann nur der Vertragspartner durch das Gericht die Kündi-

260

Cass. com., 20.12.1960, Bull. III n° 422, S. 386; Cass. com., 5.7.1982, Bull. N° 262, 80-16869; Mercadal, RDAI/IBLW 1997, 869, 886; Cass. com., 23.11.1976, 74-12135. 261 Cass. com., 28.5.2002, 99-12275, Jurisdata n° 2002-014771; Cass. com., 12.1.2010, 08-21456, Juris Data n° 2010-051067. 262 Cass. com., 8.12.1987, Receuil Dalloz Jurisprudence 1988, 52 ff. mit Anmerkung F. Derrida. 263 Montéran, Gazette du palais 2003, 2716, 2719; Brunetti-Pons, RTD com. 2000, 783, 793, Nr. 16. 264 Brunetti-Pons, RTD com. 2000, 783, 796, Nr. 22 ff. 265 Brunetti-Pons, RTD com. 2000, 783, 796, Nr. 22 ff. 266 Vallansan, Juris Classeur 2001, Fasc. 2335, 1, 10, Rn. 65 ff.: Die Regelung wurde erst 1994 eingeführt, um den Vertragspartner zu schützen und sicherzustellen, dass nur die notwendigen Verträge fortgeführt werden. Montéran, Gazette du palais 2003, 2716, 2719; Vallansan, Juris Classeur 2001, Fasc. 2335, 1, 10, Rn. 69: Bei einer fehlerhaften Einschätzung ist der Verwalter haftbar. 267 Pétel, Code de commerce: 2014, S. 876, L. 622-13, Rn. 27.

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gung feststellen lassen.268 Seit 2008 kann nunmehr der Verwalter durch den juge-commissaire die Kündigung aussprechen lassen,269 wenn dies zur Sanierung ist nötig und keinen exzessiven Eingriff in die Interessen des Vertragspartners bedeutet, vgl. L. 622-13, IV C.com. Gleichfalls wird der Vertrag beendet, wenn der Verwalter Ratenverträge mangels finanzieller Mittel ablehnt, L. 622-13, II, 2 S. 2 C.com. Der Gläubiger muss bei der Wahl der Nichterfüllung innerhalb eines Monats seine Forderung zur Masse anmelden (R. 622-21 II C.com.). Er kann gemäß L. 622-13, V C.com. Schadensersatz als Insolvenzforderung verlangen, wenn der Verwalter die Nichterfüllung gewählt hat, der jugecommissaire den Vertrag beendet oder der Vertrag infolge einer gesetzlichen Kündigung entfällt.270 Für Liquidationsverfahren gilt die vergleichbare Regelung in L. 641-111 C.com. Hierbei steht allerdings die bestmögliche Realisierung der Vertragswerte im Mittelpunkt.271 Von der Regelung bei Sanierungsverfahren unterscheidet sich dies im Wesentlichen nur, insofern als der Vertrag auch von Gesetzes wegen beendet wird, wenn der Verwalter bei einer Geldforderung die Erfüllung ablehnt. Bei sonstigen Forderungen kann nur der jugecommissaire eine Kündigung aussprechen. In Frankreich existiert schlussendlich eine klare gesetzliche Regelung, wie mit schwebenden Verträgen in der Insolvenz zu verfahren ist bzw. wann diese von Gesetzes wegen beendet werden können. 4. Ausübungsfrist und Aufforderung zur Erfüllungswahl Das Wahlrecht ist an keine Frist gebunden.272 Der Vertragspartner kann aber eine Entscheidung erzwingen und den Verwalter zur Ausübung auffordern (mise en demeure): In diesem Fall ist das Wahlrecht innerhalb eines Monats273 auszuüben, vgl. L. 622-13 Abs. 3 Nr. 1 C.com. Übt der Verwalter nach der Aufforderung sein Wahlrecht nicht aus oder lehnt er es ab, den Vertrag fortzuführen, wird der Vertrag von Gesetzes wegen beendet, vgl. L. 622-13, III, Nr. 1 C.com.274

268

Cass. com., 19.5.2004, 01-13542: Feststellung vor dem allgemeinen Richter (juge de droit commun). 269 Das Verfahren hierzu richtet sich nach R. 622-13 C.com. 270 Le Corre-Broly, Recueil Dalloz 2009, 663, 666. 271 Le Corre-Broly, Recueil Dalloz 2009, 663, 663. 272 Vallansan, Juris Classeur 2001, Fasc. 2335, 1, 10, Rn. 72. 273 Der juge-commissaire kann die Frist verkürzen oder insgesamt auf eine Dauer von bis zu zwei Monaten verlängern, vgl. L. 622-13 Abs. 3 Nr. 1 C.com. 274 Cass. com., 18.3.2003, 00-12693, Bull. civ. IV, n° 47, S. 55; Le Corre-Broly, Recueil Dalloz 2009, 663, 664; Pétel, Code de commerce: 2014, S. 876, L. 622-13, Rn. 28.

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Damit werden die Verträge in den folgenden Fällen von Gesetzes wegen beendet:275 Erstens, wenn der Vertrag fortgeführt wird, aber die Zahlungskondition (au comptant) nicht eingehalten wird; zweitens, wenn nach Aufforderung, sich zu erklären, der Verwalter schweigt oder die Erfüllung ablehnt und drittens, wenn bei Ratenverträgen nicht genügend finanzielle Mittel zur Verfügung stehen, um die Forderungen zu begleichen. VI. USA 1. Grundlegendes 11 U.S.C. § 365 regelt ausführlich, wie in den USA unerfüllte gegenseitige Verträgen in der Insolvenz zu behandeln sind. Nicht nur die detaillierten einzelnen Abschnitte, sondern auch gerade die offenen Verweisungen auf das einzelstaatlich anwendbare Vertragsrecht komplizieren das Verständnis der Norm erheblich. Das Grundprinzip ist in 11 U.S.C. § 365 (a) geregelt. Hiernach kann der Insolvenzverwalter bei noch beiderseits unerfüllten gegenseitigen Verträgen und Mietverträgen (executory contracts or leases) verlangen, den Vertrag zu erfüllen (assumption), oder er kann dessen Erfüllung ablehnen (rejection).276 Diese einfach anmutende Regelung hat eine sehr unübersichtliche Rechtsprechung hervorgebracht: “[…], behind the deceptively simple prescription of section 365(a) lurks a hopelessly convoluted and contradictory jurisprudence, rendering this one of the most difficult areas of bankruptcy law.”277

Bei der Fülle an Rechtsprechung und Problemen sollen hier nur die Leitlinien des Wahlrechts nachgezeichnet werden. Hinter dem Wahlrecht steht ein komplizierter Ausgleichsmechanismus zwischen den Interessen der Vertragsparteien. Executory contracts werden im amerikanischen Recht anschaulich als assets und liabilites betrachtet.278 Dies erleichtert – auch rechtsordnungsübergreifend – das Verständnis für den in Verträgen enthaltenen Vermögenswert. Für den Schuldner ist das Wahlrecht eine Chance, sein Unternehmen zu sanieren und auch den Gläubiger an den Vertrag zu binden.279 Gleich275

Der juge-commissaire kann auf Verlangen von jedem Interessierten die Vertragsbeendigung von Gesetzes wegen feststellen, vgl. Cass. com., 18.3.2003, 00-12693, Bull. civ. IV, n° 47, S. 55. 276 Fried, 46 Duke L.J. 517 (1996), 519. Es ist umstritten, ob Verträge erst mit der assumption in die Masse aufgenommen werden oder die rejection den Vertrag aus der Masse ausscheidet, vgl. In re Drexel Burnham Lambert Group, Inc., 138 B.R. 687, 701. 277 Andrew, 62 U. Colo. L. Rev. 1 (1991), 2. 278 Triantis, 43 U. Toronto L.J. 679 (1993), 681; Baird/Jackson/Adler, Cases, Problems, and Materials on Bankruptcy, S. 198. 279 Baird/Jackson/Adler, Bankruptcy, S. 205; In re Wireless Data, Inc., 547 F.3d 484, C.A.2 (N.Y. 2008).

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falls kann das Verwalterwahlrecht dazu genutzt werden, die Masse von belastenden nachteiligen Verbindlichkeiten zu befreien.280 Beides dient unter anderem dem Insolvenzziel der Massemehrung, aber auch dazu, die Sanierung zu erleichtern.281 Gleichzeitig sollen den Vertragspartnern die versprochenen Vertragsvorteile zukommen, vgl. 11 U.S.C. § 365 (c).282 Mit Insolvenzantragstellung hat der Gläubiger allerdings keinen direkten Einfluss mehr auf die Vertragsbeziehungen.283 Der Gläubiger wird daher im Falle der Erfüllungswahl mit verschiedenen Bereichsausnahmen und Schutzmechanismen gestärkt. Die Ausgestaltung des amerikanischen Verwalterwahlrechts geht auf englisches case law zurück und wurde in den USA fortgeführt.284 “The earlier law of England, which we have adopted in this country, was that the assignees of a bankrupt have a reasonable time to elect whether they will assume a lease which they find in his possession, and if they do not take it the bankrupt retains the term on precisely the same footing as before, […]”285

Anschaulich beschreibt ein amerikanisches Urteil die Ideen des englischen Wahlrechts: “They [The English] were not bound, however, to accept property of an onerous and unprofitable nature, which would burden instead of benefiting the estate, and they could elect whether they would accept or not, after due consideration and within a reasonable time; while, if their judgment was unwisely exercised, the bankruptcy court was open to the creditors to compel a different conclusion.”286

Die erste Kodifizierung des Verwalterwahlrechts ist im Bankruptcy Act 1938 in den Art. 63(c) und 70 (b) zu finden und ähnelt bereits der heutigen. Bis heute ist allerdings der Begriff des „zu erfüllenden“ Vertrags (executory contract) nicht legal definiert. Ganz herrschend287 wird die CountrymanDefinition288 angewandt:

280

In re Wireless Data, Inc., 547 F.3d 484, C.A.2 (N.Y. 2008). Hong Yin, Cross-sections 2009, 115, 115; In re Fleming Companies, Inc., 499 F.3d 300, C.A.3 (Del. 2007). 282 Verga, 61 Fordham L. Rev. 935 (1993), 936. 283 In re Penn Traffic Co., 524 F.3d 373, C.A.2 (N.Y. 2008). 284 Vgl. beispielsweise In re Fortune, 1 Low. 554, 12 F.Cas. 584 (1871); die Ursprünge des Erfüllungswahlrechts lassen sich auf das englische Urteil Copeland v Stephens, 106 E.R. 218 (1818) zurückführen. 285 District Court, D. Massachusetts, Ex parte Houghton et al.; In re Fortune., 1 Low. 554, 12 F.Cas. 584 (1871). 286 U.S. Supreme Court, Sparhawk v. Yerkes, 142 U.S. 1, 12 S.Ct. 104, (U.S. 1891). 287 In re JZ L.L.C., 371 B.R. 412 (2007). 288 Die Definition geht auf den Rechtswissenschaftler Vern Countryman zurück. Ausführlich zur Definition und zu alternativen Interpretationen: Verga, 61 Fordham L. Rev. 935 (1993), Fn. 6; Ruben, 89 Dick. L. Rev. 1029 (1984), Fn. 11. 281

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“A contract under which the obligation of both the bankrupt and the other party to the contract are so far unperformed that the failure of either to complete performance would constitute a material breach excusing performance of the other.”289

Beide Vertragsparteien müssen unerfüllte Leistungspflichten haben und das Einstellen der weiteren Leistung muss einen wesentlichen Vertragsbruch bedeuten, der die andere Partei ihrerseits von den Leistungspflichten befreit. Somit kommt dem Verwalter kein Wahlrecht zu, wenn die Verträge einseitig bereits vollständig erfüllt sind oder die Leistungspflicht nur noch in Geld besteht.290 Gleichfalls fällt ein Vertrag, der nicht mehr existiert und bereits vor Antragstellung nach dem jeweiligen state law beendet wurde, nicht unter das Wahlrecht.291 Das Wahlrecht ist zwingendes Recht.292 2. Wahlrecht: Erfüllungswahl Bei der Erfüllungswahl kann nur der ganze Vertrag einheitlich weitergeführt werden: all-or-nothing.293 Fordert der Verwalter die Vertragserfüllung, werden die Vertragsverbindlichkeiten als Masseschulden (administrative expenses, vgl. 11 USC § 503) eingestuft.294 Im Gegensatz zum deutschen Recht werden auch die vor Verfahrenseröffnung entstandenen Verbindlichkeiten als Masseverbindlichkeiten betrachtet.295 Bei einem bereits bestehenden Zahlungsverzug (default) kann Erfüllung nur gewählt werden, wenn die Voraussetzungen des 11 U.S.C. § 365 (b) gegeben sind: Vor allem muss der bereits eingetretene Zahlungsrückstand ausgeglichen oder angemessen abgesichert werden.296 Ebenfalls sind in diesem Fall für die zukünftigen Verbindlichkeiten Sicherheiten zu stellen. 289

Countryman, 57 Minn. L. Rev. 439 (1973), 466. Letztlich ist die Definition von der Interpretation des Richters abhängig, vgl. In re Jolly, 574 F.2d 349, (C.A.Tenn. 1978); In re Booth, 19 B.R. 53, (Bkrtcy Utah 1982). 290 In re Spectrum Information Technologies, Inc., 190 B.R. 741, 748 (Bkrtcy E.D.N.Y 1996). 291 In re Thompson, 186 B.R. 301, (Bkrtcy N.D.Ga. 1995); Moody v. Amoco Oil Co., 734 F.2d 1200, C.A. (Wis. 1984); In re Nemko, Inc., 163 B.R. 927, (Bkrtcy E.D.N.Y.,1994); In re Huffman 171 B.R. 649, (Bkrtcy W.D.Mo. 1994); Winick, in: Personal and Small Business Bankruptcy Practice in California (Hrsg. Weakley), Executory Contracts and Unexpired Leases, § 8.7. 292 In re Trans World Airlines, Inc., 261 B.R. 103, Bkrtcy D. (Del. 2001). 293 Statt vieler: In re CellNet Data Systems, Inc., 327 F.3d 242, C.A.3 (Del. 2003); In re Cajun Elec. Power Co-op., Inc., 230 B.R. 693, Bkrtcy (M.D.La. 1999). 294 In re U.S. Metalsource Corp., 163 B.R. 260, Bkrtcy W.D. (Pa. 1993); In re Coast Trading Co., Inc., 744 F.2d 686, C.A. (Or. 1984). 295 In re University Medical Center, 973 F.2d 1065 (1992). 296 Zum ökonomischem Hintergrund der Erfüllungswahl: Hahn, 13 U. Pa. J. Bus. L. 723 (2011), 738. Die volle Bezahlung der vorinsolvenzlichen Rückstände widerspricht nicht dem Prinzip der Gläubigergleichbehandlung, da der Vertragspartner gegenüber dem Insol-

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Ein besonderes Merkmal des US-Rechts stellt die grundsätzliche Übertragbarkeit des Vertrags durch den Verwalter dar: Im Falle der Erfüllungswahl kann der Vertrag auch an Dritte abgetreten werden (assignment), wenn die zukünftige Leistung abgesichert ist, vgl. 11 U.S.C. § 365 (f). Dies gilt selbst dann, wenn vertragliche Verbote entgegenstehen. Vor Vertragsverletzungen nach der Abtretung schützt 11 U.S.C. § 365 (k). Die Erfüllungswahl ist ausgeschlossen, wenn persönliche Verträge nach 11 U.S.C. § 365 (c)(1) oder Finanzierungsverträge nach 11 U.S.C. § 365 (c)(2) betroffen sind. 3. Wahlrecht: Ablehnungsentscheidung Lehnt der Verwalter die Erfüllung des Vertrags ab, wird die Masse frei von den vertraglichen Verbindlichkeiten. Gleichzeitig bedeutet die Ablehnung einen Vertragsbruch (breach of contract), der zu einem ungesicherten Schadensersatzanspruch als Insolvenzforderung berechtigt, 11 U.S.C. § 365 (g).297 Dieser Anspruch kann Teil der Restschuldbefreiung sein (discharge).298 Nach 11 U.S.C. § 365 (g)(1) wirkt die Ablehnungsentscheidung im Zeitpunkt vor der Antragstellung.

venzschuldner weiterhin seine Leistung erbringen muss – anders als die anderen ungesicherten Gläubiger; vgl. Hahn, 13 U. Pa. J. Bus. L. 723 (2011), 742. In Deutschland ist das Wahlrecht in dieser Frage schuldnerfreundlicher ausgestaltet, vgl. § 2, B., II.: Die deutsche Insolvenzordnung gestattet die Erfüllungswahl, ohne die rückständigen Forderungen begleichen zu müssen. Damit wird der Vertrag faktisch aufgeteilt: Die Rückstände sind ungesicherte Insolvenzforderungen, während die Vertragsverbindlichkeiten nach der Erfüllungswahl als Masseforderungen eingestuft werden. Im weiteren Zusammenhang mit der Erfüllung der vorinsolvenzlichen Forderung steht auch die critical vendor-Theorie. In Chapter-11-Reorganisationsverfahren können Insolvenzgerichte auf Antrag des Schuldners manche ungesicherte Gläubiger als „critical vendors“ bzw. „essential suppliers“ bestimmen, wenn deren Leistungen wichtig für die Unternehmensfortführung ist. Diese Vertragspartner müssen zu gleichen oder besseren Bedingungen weiter leisten; dafür werden die ungesicherten vorinsolvenzlichen Forderungen vollständig beglichen. Rechtsgrundlage der critical vendor-Theorie soll das Billigkeitsrecht aus 11 U.S.C. § 105(a) sein. Dieses Instrument wird vor allem wichtig außerhalb des Anwendungsbereichs von „executory contracts“ – kann aber auch parallel zu diesen bestehen, vgl. Pirinate Consulting Group, LLC v. Avoca Bement Corp. (In re Newpage Corp.), Adv. No. 13-52196 (KG), 2014 WL 4948215 (Bkrtcy D. Del. Oct. 1, 2014). Im Rahmen von 11 U.S.C. § 365 wird diese Wirkung von Gesetzes wegen vorgesehen. Nach der Kmart-Entscheidung wurde die critical vendor-Theorie restriktiver angewandt: In re Kmart Corp., 359 F.3d 866 (7th Circ. 2004); In re Dana Corp., No. 06-10354 (Bkrtcy S.D.N.Y. 2006). Insbesondere im Hinblick auf das Anfechtungsrecht und die Benachteiligung anderer ungesicherter Gläubiger sollen vorinsolvenzliche Vorteile nicht ohne weiteres zur Sicherung von nachinsolvenzlichen Forderungen verwendet werden dürfen. 297 Baird/Jackson/Adler, Bankruptcy, S. 230; Lord, Williston on Contracts, 78:61; In re Register, 95 B.R. 73, Bkrtcy M.D. (Tenn. 1989). 298 Baird/Jackson/Adler, Bankruptcy, S. 230.

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Die Ablehnung beendet den Vertrag allerdings nach ganz überwiegender Auffassung nicht.299 Die Insolvenzmasse ist schlicht nicht an den Vertrag gebunden.300 Nicht restlos geklärt ist das Schicksal des Vertrags nach Verfahrensaufhebung.301 Dies steht im Zusammenhang mit der so genannten Ride through-Doktrin: Verträge, für die keine Wahl getroffen wurde und die nicht in der Sanierungsplanbestätigung erscheinen, überstehen das Insolvenzverfahren.302 4. Ausübungsfrist und Aufforderung zur Erfüllungswahl sowie gerichtliche Kontrolle Die Entscheidungen des Verwalters sind von der Genehmigung des Insolvenzgerichts abhängig.303 Hierbei wird der business judgement standard angelegt: Es ist zu prüfen, ob die Wahl vorteilhaft oder nachteilig für die Masse ist.304 Das Gericht hat dabei einen eingeschränkten Prüfungsmaßstab: “whether the decision of the debtor is so manifestly unreasonable that it could not be based on sound business judgment, but only on bad faith, whim, or caprice.”305

Der Zeitpunkt der Ausübung des Wahlrechts ist in 11 U.S.C. § 365 (d) geregelt und soll den Vertragspartner vor dem ungewissen Status seines Vertrags schützen306: In Liquidationsverfahren muss binnen 60 Tagen eine Wahl getroffen werden, es sei denn, das Gericht verkürzt oder verlängert diesen Zeit299

In re Onecast Media, Inc., 439 F.3d 558 (2006); Matter of Continental Airlines, 981 F.2d 1450, C.A.5 (Tex. 1993); In re Alongi, 272 B.R. 148, Bkrtcy D. Md. (2001); Bassano/Dawson/et al., American Jurisprudence Bankruptcy, § 2377. In 11 U.S.C. § 365 (h) (1) (i)(1) ist genauer von „termination“ die Rede, sodass im Umkehrschluss die Ablehnung – nur als „breach of contract“ bezeichnet, 11 U.S.C. § 365 (g) – keine Vertragsbeendigung auslöst. 300 In re Alongi, 272 B.R. 148, Bkrtcy D. Md. (2001). 301 So ist ungeklärt, ob beispielsweise eine Wettbewerbsverbotsklausel auch nach Erfüllungsablehnung wirksam bleibt. Die Rechtsprechung ist geteilt: Einerseits soll das Wahlrecht eine Erleichterung für den Schuldner sein, sodass auch sonstige Vertragsklauseln abgelehnt werden: In Re Rovine, 6 B.R. 661, 666 (Bkrtcy W.D. Tenn. 1980). Andererseits soll der Vertrag gerade nicht beendet worden sein, sodass die Wettbewerbsklausel als Teil des restlichen Vertragsverhältnisses erhalten bleibt; m.w.N. Gretchko/Todhunter, 31 Am. Bankr. Inst. J. 8 (2012), 8. 302 In re JZ L.L.C., 371 B.R. 412 (2007); In re Mirant Corp., 440 F.3d 238, C.A.5 (Tex. 2006). 303 In re Thinking Machines Corp., 67 F.3d 1021, C.A.1 (Mass. 1995); Winick, in: Bankruptcy Practice in California, § 8.13; Banks, Utah L. Rev. 781 (1986), 785. Andere Ansicht: In re Joseph C. Spiess Co., 145 B.R. 597, Bkrtcy N.D. (Ill. 1992). 304 Es ist umstritten, ob nur die „rejection“ der Genehmigung des Gerichts bedarf, vgl. In re Orion Pictures Corp., 4 F.3d 1095, C.A.2 (N.Y. 1993). 305 United States Bankruptcy Court, N.D. Alabama, In re Health Science Products, Inc., 191 B.R. 895, Bkrtcy N.D. (Ala. 1995). 306 Senate Report No. 95-989 (1978); House Report No. 95-595 (1978).

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raum.307 Andernfalls gilt der Vertrag als abgelehnt, vgl. 11 U.S.C. § 365 (d)(1). In Reorganisationsverfahren kann die Entscheidung jederzeit, spätestens aber mit der Planbestätigung fallen, vgl. 11 U.S.C. § 365 (d)(2). Auf Begehren des Vertragspartners kann das Gericht eine kürzere Frist setzen. Das Gericht kann einen angemessenen Zeitraum (reasonable time) im eigenen Ermessen festsetzen.308 Zu berücksichtigen sind die beteiligten Interessen, die Gefahren für die Vertragspartner, die Zeit, die ein Schuldner vernünftigerweise benötigt, um den Vertrag und die Notwendigkeit für die Restrukturierung abzuschätzen.309 In Gewerberaummietverhältnissen gibt es die Besonderheit (11 U.S.C. § 365 (d)(4)), dass die Ablehnung vermutet wird, wenn der Schuldner Mieter ist und 120 Tage nach der Einleitung eines freiwilligen Insolvenzverfahrens (order for relief) oder der Planbestätigung keine Entscheidung getroffen wurde.310 Ebenfalls sind Sonderbestimmungen für das Wahlrecht bei Lizenzverträgen vorgesehen: Es geht darum, dem Lizenznehmer die Möglichkeit einzuräumen, den Vertrag fortzusetzen oder zu beenden, wenn der Verwalter auf Seiten des Lizenzgebers die Erfüllung ablehnt, 11 U.S.C. § 365 (n).311 VII. England und Wales 1. Grundlegendes In England existiert keine klare gesetzliche Regelung des Wahlrechts des Insolvenzverwalters. Vielmehr gibt es in Liquidationsverfahren nur eine gesetzliche Bestimmung, wie auf nachteilige Vermögensrechte (onerous property)312 verzichtet werden kann. Die Grundsätze des Wahlrechts sowie die Ausgestaltung im administration-Verfahren gehen auf die Rechtsprechung zurück. Verträge, die besondere Fähigkeiten des insolventen Vertragspartners erfordern (personal contracts) können in England von den Vertragspartnern beendet werden.313 2. Wahlrecht im Liquidationsverfahren Es ist in der Rechtsprechung in Liquidationsverfahren seit langem anerkannt, dass der Verwalter ein Wahlrecht hat, wie mit unerfüllten Verträgen zu ver307

Es ist damit ein maximaler Zeitraum von 120 Tagen möglich. Diese Definition geht auf den Bankruptcy Act 1898 zurück: Theatre Holding Corp. v. Mauro, 681 F.2d 102, C.A. (N.Y. 1982). 309 In re Rebel Rents, Inc., 291 B.R. 520, Bkrtcy C.D.Cal., 2003; Winick, in: Bankruptcy Practice in California, § 8.10. 310 In re Burger Boys, Inc., 94 F.3d 755, C.A.2 (N.Y. 1996). 311 Hierzu ausführlich Farid, 44 Gonz. L. Rev. 39 (2008/09), 42 ff., insb. 45 ff. 312 Vgl. Sect. 178 (3)(a) IA 1986. 313 Vgl. Wood, Principles of International Insolvency, S. 429, Rn. 16-024. 308

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fahren ist. Nur mit der Erfüllungswahl des Verwalters wird die Insolvenzmasse gebunden. So wird der bestellte Liquidator erst an die bestehenden Verträge gebunden, wenn er diese angenommen (adopt) hat.314 Angenommene Verträge bzw. alle Verträge aus der Verwaltung sind vorrangig als Masseverbindlichkeiten (expenses) zu befriedigen.315 Der Vertrag wird durch das Insolvenzverfahren nicht beendet. Gleichfalls hat der solvente Vertragspartner grundsätzlich weder einen Kündigungsgrund wegen der Insolvenz, noch kann er gezwungen werden, den Vertrag zu beenden.316 Bleibt die Erfüllung des Vertrags in der Insolvenz aus, bedeutet dies zunächst einen Vertragsbruch (breach of contract).317 In dieser Situation kann der Verwalter die Erfüllung ablehnen (decline to procure its performance) bzw. gewährt Sect. 178 IA 1986 die Möglichkeit, auf „beschwerliches Eigentum zu verzichten“ (power to disclaim onerous property). Dadurch wird einerseits die Abwicklung des Unternehmens vereinfacht, indem laufende Verbindlichkeiten beendet werden können.318 Andererseits müssen Verträge nicht fortgeführt werden, die sonst Masseverbindlichkeiten begründen würden.319 Unter die Definition von „onerous property“ fallen auch unprofitable Verträge, Sect. 178 (3)(a) IA 1986. Als unprofitable Verträge werden nur zukünftige Verpflichtungen verstanden, die noch nicht bereits vollständig erfüllt wurden.320 Insofern ist die Regelung vergleichbar mit den Ausgestaltungen des Verwalterwahlrechts bei schwebenden Vertragsverhältnissen in den anderen Rechtsordnungen – in England ist das Wahlrecht allerdings viel enger gefasst. Denn für die Entscheidung des Verwalters genügt keine rein wirtschaftliche Betrachtung des Vertrags. So kann der Verwalter einen unprofitablen Vertrag nicht deshalb beenden, weil er ein besseres Geschäft hätte machen können. Vielmehr müssen die ausstehenden Verbindlichkeiten für die übrige Gläubigergesamtheit nachteilig sein und die Abwicklung des Gemeinschuldners beeinträchtigen.321 Chadwick LJ fasst die zusätzlichen Voraussetzungen für die Ablehnungsentscheidung des Verwalters zusammen: “A contract is not an ‘unprofitable contract’ in this context merely because it is financially disadvantageous or merely because the company could have made or could make a better bargain. […] The critical feature, […] is that performance of the future obligations will

314

In re S. Davis and Company, Ltd. [1945] Ch. 402. In re Anchor Line, [1937] Ch 1, C.A.; In re S. Davis and Company, Ltd. [1945] Ch. 402; Goode, Principles, S. 196, 6-22. 316 Goode, Principles, S. 196, 6-22. 317 Goode, Principles, S. 196, 6-22. 318 Hindcastle Ltd. v Barbara Attenborough Ltd., [1997] A.C. 70. 319 McCormack, in: National Report – England, S. 275; Goode, Principles, S. 200, 6-27. 320 Manning v AIG Europe UK Ltd, 2006 WL 63646, 2006 Ch. 610, Rn. 42. 321 McCormack, in: National Report – England, S. 276. 315

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prejudice the liquidator's obligation to realise the company's property and pay a dividend to creditors within a reasonable time […].”322

Wird auf Vermögensrechte verzichtet (disclaimer), wird das Ende der Eigentumszuweisung bewirkt. Bei Verträgen werden infolge dessen die Rechte des Schuldners beendet, Drittparteienrechte werden aber nicht berührt.323 Gleichwohl können alle Gläubiger, die durch den Verzicht einen Nachteil erleiden, Schadensersatz als unprivilegierte Gläubiger fordern, vgl. Sect. 178 (6) IA 1986.324 Das Wahlrecht steht dem Verwalter zu, ohne dass dieser eine Genehmigung des Insolvenzgerichts einholen muss; das Gericht übernimmt nur die Zustellung, vgl. Insolvency Rules 1986, r. 4.187. Der Verwalter kann einen Vertrag nur einheitlich (all-or-nothing) ablehnen.325 Er ist nicht zeitlich begrenzt, bis wann er seine Rechte ausüben muss.326 Gläubiger können den Verwalter zur Abgabe einer Erklärung über den „disclaimer“ auffordern, woraufhin der Verwalter 28 Tage Zeit für eine Entscheidung hat.327 Nach Ablauf der Frist kann der „disclaimer“ nicht mehr ausgeübt werden, sodass die Erfüllungswahl vermutet wird.328 Damit gibt es eine klare Regelung, wie ein Vertrag beendet werden kann. Die Erfüllungswahl ist hingegen nicht eindeutig normiert worden, sondern ergibt sich nur aus dem Fallrecht. Daneben kann das Gericht nach Sect. 186 IA 1986 auf Antrag des solventen Vertragspartners Verträge beenden. 3. Wahlrecht im Administrationsverfahren Dem administrator ist hingegen kein ausdrücklich normiertes Recht zugebilligt, sich von beschwerlichem Eigentum/Verträgen zu trennen.329 Da mit der administration die Fortführung des Schuldnerunternehmens bezweckt wird, soll dem Verwalter kein „disclaimer“ zustehen. Es steht schlicht im Ermessen des Verwalters, ob er den Vertrag fortführen will oder nicht.330 In seiner Entscheidung hat der Verwalter die beteiligten Interessen abzuwägen (balance of fairness). Lehnt der Verwalter ab, bedeutet dies einen Vertragsbruch (breach of contract). Das Vorgehen des Verwalters kann vom

322

Manning v AIG Europe UK Ltd, 2006 WL 63646, 2006 Ch. 610, Rn. 42. Finch, Corporate Insolvency Law, S. 533. 324 Wood, Principles of International Insolvency, S. 424, Rn. 16-012. 325 Wood, Principles of International Insolvency, S. 424, Rn. 16-014; vgl. für die USA, § 2, B., IV. 326 Goode, Principles, S. 204, 6-31. 327 Finch, Corporate Insolvency Law, S. 534. 328 Wood, Principles of International Insolvency, S. 424, Rn. 16-013. 329 McCormack, in: National Report for England, S. 239. 330 Wood, Principles of International Insolvency, S. 425, Rn. 16-015. 323

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Gericht gestoppt werden.331 Lehnt das Gericht daraufhin die Erfüllung der Leistungspflichten ab (order for specific performance), kann der solvente Vertragspartner als ungesicherter Gläubiger seinen Schadensersatz anmelden oder den Vertrag kündigen.332 In England ist nur ein Teil des Wahlrechts kodifiziert und die Frage im Übrigen der Rechtsprechung überlassen. Dies führt zu einer komplexen und nicht ganz transparenten Regelung, die das Verständnis erschwert. C. Weiterführende rechtsvergleichende Bemerkungen Im Folgenden werden die wesentlichen Details des Verwalterwahlrechts in einer kurzen rechtsvergleichenden Bewertung zusammengefasst. I. Erfüllungsstadium des Vertragsverhältnisses – schwebende Verträge Nur wenn das Vertragsverhältnis noch wechselseitige Pflichten enthält, ist das Wahlrecht begründet. Es muss sich um einen schwebenden Vertrag (im amerikanischen Recht „executory contract“) handeln. Als schwebende Verträge sind übereinstimmend solche Verträge zu verstehen, die beiderseits nicht oder nur teilweise erfüllt wurden. Ausgeschlossen ist das Wahlrecht stets, wenn der Vertrag bereits einseitig voll erfüllt wurde.333 Der Erfüllungsbegriff kann insbesondere bei Leistungen variieren, die zwar voll erbracht wurden, aber mangelhaft sind.334 Ähnlich kann es sich verhalten, wenn beispielsweise nur noch Geldleistungen geschuldet sind, wie dies in den USA der Fall ist.335 In diesen Konstellationen hängt es vom konkreten Erfüllungsbegriff ab, ob das Wahlrecht noch besteht oder bereits ausgeschlossen ist. Ferner kommt es in Frankreich darauf an, dass die Hauptleistung, also die vertragscharakteristische Leistung, nicht vollständig erbracht wurde. II. Ausgenommene Vertragstypen Grundsätzlich erfasst das Wahlrecht sämtliche Vertragstypen. In den Vergleichsrechtsordnungen werden aber – bis auf Frankreich336 – Verträge vom Wahlrecht des Insolvenzverwalters ausgenommen, die auf eine persönliche 331

Vgl. Astor Chemicals Ltd v Synthetic Technology Ltd [1990] BCLC 1. Suchak, International Corporate Rescue (LJI) 2011, 131, 131. 333 Österreich: Jelinek, wbl 2010, 377, 386: Es darf nicht alles geleistet worden sein, was nach dem Vertrag geschuldet war. Schweiz: Plenio, Das Erfüllungsrecht der Konkursverwaltung und schuldrechtliche Verträge im Konkurs, S. 29. 334 Vgl. beispielsweise Plenio, Das Erfüllungsrecht der Konkursverwaltung und schuldrechtliche Verträge im Konkurs, S. 31, 33: „Die Lieferung einer mangelhaften Sache muss deshalb aus Sicht von Art. 211 Abs. 2 SchKG als Nichterfüllung gelten.“ 335 Vgl. § 2, B., VI. 336 In Frankreich werden ebenfalls Arbeits- und Trustverträge vom Wahlrecht ausgenommen, siehe § 2, B., III. 332

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Leistungserbringung durch den Schuldner angewiesen sind.337 Für Mietverträge und für Verträge über Finanzgeschäfte kennen die Rechtsordnungen regelmäßig eine Fülle von Sondervorschriften.338 III. Aufforderung zur Ausübung des Wahlrechts Übereinstimmend sind Mechanismen vorgesehen, die den Insolvenzverwalter zwingen, sein Wahlrecht auszuüben und damit Klarheit über den Fortbestand des Vertragsverhältnisses zu schaffen. Dies geschieht entweder durch einen Gläubigerantrag bei Gericht oder direkt durch Aufforderung gegenüber dem Insolvenzverwalter. Gleichwohl sehen die Rechtsordnungen die unterschiedlichsten Fristenregelungen vor: In Frankreich besteht eine fixe Monatsfrist, die gerichtlich allerdings verlängert oder verkürzt werden kann. In den USA sind in Liquidationsverfahren regelmäßig 60 Tage Zeit; in England in Liquidationsverfahren 28 Tage. Allerdings fehlt in beiden Rechtsordnungen eine konkrete Fristenregelung bei Sanierungsverfahren. In Österreich hat das Insolvenzgericht eine Frist bis nach der Berichtstagssatzung zu setzen, nur bei Verzug des Schuldners bei Naturalleistungen besteht eine kurze fünftägige Frist. In Deutschland ist das Wahlrecht unverzüglich auszuüben, wobei im Endeffekt wie in Österreich bis nach dem Berichtstermin zugewartet werden kann – damit kann die Ausübung einige Wochen bis Monate verzögert werden. Ausnahme von diesen klaren Mechanismen ist die Schweiz, der eine konkrete Regelung der Fristen unbekannt ist. Gleichwohl kann in der Schweiz der Vertragspartner die Konkursverwaltung auffordern, innerhalb angemessener Zeit eine Sicherheit zu stellen, Art. 83 OR. Nach fruchtlosem Fristablauf kann der Vertragspartner vom Vertrag zurücktreten. Dieser Mechanismus regelt aber nur indirekt die Frist für die Ausübung des Wahlrechts; unmittelbar geht es nur um eine Sicherheitenstellung. IV. Entscheidungsautonomie des Verwalters Schließlich können die Insolvenzverwalter in allen Rechtsordnungen regelmäßig autonom entscheiden, ob der Vertrag fortzuführen ist oder nicht. Hierbei ist eine wirtschaftliche Entscheidung zu treffen, die der Gläubigergesamtheit zu einem Vorteil verhilft.339 Beispielsweise in den USA und in Frankreich steht die Entscheidung der gerichtlichen Kontrolle anheim.

337

Vgl. insbesondere Deutschland, § 2, B., II.; anders in Frankreich, § 2, B., V. Hierzu ausführlich § 4. 339 Vgl. beispielsweise Österreich, wo ein Vorteil für die Gläubigergesamtheit entscheidend ist; in Frankreich ist die Ausübung des Verwalterwahlrechts ebenfalls eine wirtschaftliche Entscheidung. 338

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Kapitel 1: Länderberichte

V. Rechtsfolgen der Erfüllungswahl Das Wahlrecht kann rechtsordnungsübergreifend nicht auf einzelne Vertragsbestimmungen angewandt werden: Es gilt der Grundsatz all-or-nothing.340 Die Erfüllungswahl bewirkt in allen Rechtsordnungen einheitlich, dass privilegierte Forderungen (Masseforderungen) entstehen. Letztlich unterscheidet sich die Reichweite der Erfüllungswahl erheblich: Wenn die vertraglich geschuldeten Leistungen teilbar sind, wird das Vertragsverhältnis beispielsweise in Deutschland und Österreich aufgespalten: Das Wahlrecht greift nur für die noch bei Verfahrenseröffnung nicht erfüllten Vertragsteile. Es wirkt damit nur ex nunc ab Eröffnung des Insolvenzverfahrens auf den Vertrag ein. Nur ab diesem Zeitpunkt wird eine Masseverbindlichkeit begründet. In den USA und der Schweiz hingegen wird grundsätzlich das gesamte Vertragsverhältnis auch für die Vergangenheit erfasst. Von dieser Rechtsansicht haben sich in Deutschland der Gesetzgeber und der Bundesgerichtshof zum Schutz der Insolvenzmasse verabschiedet. Für Dauerschuldverhältnisse folgte die Schweiz dieser Ansicht durch die Neuregelung des Art. 211a Abs. 2 SchKG. Die Extrempositionen sind einerseits in Deutschland und andererseits in den USA zu finden. Die schweizerische Rechtslage entspricht bei Dauerschuldverhältnissen der deutschen, sonst der amerikanischen Lösung. Die deutsche Lösung bringt der Masse die größten Vorteile, da vorinsolvenzliche Forderungen nur als Insolvenzforderungen eingestuft werden und damit Sanierungen erleichtert werden. Aus Gründen der Fairness spricht zwar einiges für die amerikanische Lösung. Wenn der Vertragspartner zur weiteren Erfüllung gezwungen ist, dann soll er wenigstens in den Genuss der kompletten synallagmatischen Verbindung kommen.341 Gleichwohl spricht die Gläubigergleichbehandlung gegen eine vorinsolvenzliche Privilegierung. Vorinsolvenzliche Gläubiger, deren Vertrag fortgesetzt wird, würden gegenüber solchen vorinsolvenzlichen Gläubigern privilegiert, bei denen der Verwalter Nichterfüllung wählt. Eine „Aufspaltung des Vertragsverhältnisses“ in vorund nachinsolvenzliche Verbindlichkeiten schützt damit selbst bei Erfüllungswahl nicht vor Verlusten in der Vergangenheit. Eine Totalprivilegierung könnte zwar Anreize für eine Vertragsfortführung bei den Vertragspartnern setzen. Der Umfang der Privilegierung bleibt schlussendlich dem Gesetzgeber anheimgestellt, insbesondere wie weit er das vertragliche Synallagma in der Insolvenz erhalten möchte. VI. Rechtsfolgen der Wahl der Nichterfüllung Auch bei den Rechtsfolgen der Erfüllungsablehnung sind im Detail Unterschiede festzustellen. In Frankreich führt die Vertragsablehnung regelmäßig 340 341

Vgl. zu allen Vergleichsordnungen in § 2, B. Ausführlich zur amerikanischen Diskussion, § 2, B., VI., 1.

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zur Vertragsbeendigung, gepaart mit einem Schadensersatzanspruch; in Österreich und Deutschland hingegen nur zu einer Umwandlung in einen Schadensersatzanspruch, der als unprivilegierte Insolvenzforderung am Verfahren teilnehmen kann. In den USA resultiert aus der Wahl der Nichterfüllung ebenfalls ein Schadensersatzanspruch. Dieser stellt wie überall nur eine Insolvenzforderung dar. In den USA wird aber die Gefahr gesehen, dass Schuldner aus opportunistischem Verhalten selbst volkswirtschaftlich vorteilhafte Verträge ablehnen, wenn sie sich günstig von Verträgen lösen können.342 Schlussendlich wird das Verwalterwahlrecht verteidigt, da nicht der Schutz des Schuldners, sondern der Sanierungserfolg den Schutz der Gläubigergesamtheit bewirkt.343 Die Unterschiede bei der Nichterfüllung treten vor allem zutage, wenn das Vertragsverhältnis nach Aufhebung des Insolvenzverfahrens fortgesetzt werden könnte. In einem Liquidationsverfahren wird der Unternehmensträger aufgelöst; wohingegen mit Fortschreiten der Sanierungsverfahren das ursprüngliche Vertragsverhältnis das Insolvenzverfahren überdauern könnte. In Frankreich ist das Schicksal der Verträge für diesen Fall gesetzlich eindeutig geregelt: Die Erfüllungsablehnung führt zu einer Vertragsbeendigung. In Deutschland und in Österreich ist die Rechtslage etwas komplizierter: Die Wahl der Nichterfüllung beendet den Vertrag nicht; das Vertragsverhältnis wandelt sich nur in einen Schadensersatzanspruch, den der Insolvenzgläubiger im Insolvenzverfahren anmelden kann. Ferner besteht im Grunde ein unbeschränktes Nachforderungsrecht der Gläubiger für die im Insolvenzverfahren nicht berichtigten Forderungen, vgl. § 201 Abs. 1 InsO und § 60 Abs. 1 IO. Damit können grundsätzlich vertragliche Verpflichtungen, die nicht im Insolvenzverfahren beendet wurden, nach dem Insolvenzverfahren fortbestehen.344 Sobald die Forderungen allerdings zur Tabelle angemeldet werden und rechtskräftig festgestellt sind, werden diese jedoch in Geldforderungen (§ 45 dt. InsO) umgewandelt. Dadurch sind keine ursprünglichen Erfüllungsansprüche mehr vorhanden, sodass nach der Insolvenzaufhebung der Vertrag nicht fortgeführt werden kann.345 Die Nachforderung und Vertragsfortsetzung steht weiter unter dem Vorbehalt der Restschuldbefreiung346 sowie eines Insolvenzplans347. Dieser bindet auch die Gläubiger, die nicht am Verfahren teilgenommen haben, § 254b InsO.348

342

Fried, 46 Duke L.J. 517 (1996), 520, 573; Triantis, 43 U. Toronto L.J. 679 (1993), 710. Triantis, 43 U. Toronto L.J. 679 (1993), 692; Westbrook, 74 Minn. L. Rev. 227 (1989), 280. 344 Österreich: § 60 Abs. 1 IO; Deutschland: Hintzen, in: Münchener Kommentar zur Insolvenzordnung (Hrsg. Kirchhof/Eidenmüller/Stürner), § 201 InsO, Rn. 7 (streitig). 345 Hintzen, in: MüKo-InsO, § 201, Rn. 12 m.w.N. 346 Deutschland: vgl. §§ 286 ff. InsO; in Österreich: §§ 199 ff. IO. 347 Deutschland: vgl. §§ 217 ff. InsO; in Österreich: § 62 IO i.V.m. § 156 Abs. 1 IO. 348 Rühle, Gegenseitige Verträge nach Aufhebung des Insolvenzverfahrens, passim. 343

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Kapitel 1: Länderberichte

D. Zwischenergebnis Das Verwalterwahlrecht ist international anerkannt. Es erlangt die entscheidende Bedeutung, um Vertragsverhältnisse im Insolvenzverfahren abzuwickeln oder nutzbar zu machen. Da Verträge zu sehr wertvollen Vermögensbestandsteilen zählen können, kann auch eine Verwertung bzw. Fortsetzung des Vertrags zugunsten der Gläubigergesamtheit im Liquidationsverfahren eine Option sein. Gerade die amerikanische Betrachtung des Vertrags in assets und liablities – also in sich gegenüberstehenden Forderungen und Verbindlichkeiten – verdeutlicht die wirtschaftliche Bedeutung des Vertrags. In jedem Vertrag können erhebliche Vermögenswerte stecken, welche die hiermit verbundenen Verbindlichkeiten übersteigen können. Diesen Nettovorteil kann das Verwalterwahlrecht im Insolvenzfall realisieren und der Gläubigergesamtheit und Masse zur Verfügung stellen. Die gesetzlichen Regelungen haben verschiedenen, teils gegenläufigen Interessen Rechnung zu tragen. Aus Sicht der Insolvenzverwaltung kann es zu Sanierungszwecken notwendig sein, einen Vertrag fortzusetzen. Bei einem anderen, nachteiligen Vertrag kann es notwendig sein, sich von diesem zu trennen. Die solventen Partner wünschen im Insolvenzfall schnelle Gewissheit und eine rechtssichere sowie normenklare Regelung. Das Wahlrecht des Insolvenzverwalters dient dem Schutz des funktionellen Synallagmas eines Vertrags und stellt sicher, dass der solvente Vertragspartner nur leisten muss, sofern er seine Gegenleistung tatsächlich erhält und behalten darf.349 Das Wahlrecht entspricht dabei dem Wesen zweiseitiger, synallagmatischer Verträge und nicht nur einer der Billigkeit entsprechenden Regelung.350 Gerade wenn Sanierungen noch möglich sind, bedeutet ein stark ausgestaltetes Wahlrecht des Insolvenzverwalters einen erheblichen Vorteil für die Chancen zur Unternehmensrettung. Gleichzeitig schützt das Verwalterwahlrecht den solventen Vertragspartner vor weiteren Verlusten in der Insolvenz. Ohne Erfüllungswahl ist eine weitere Inanspruchnahme der Leistung ausgeschlossen. Eine Erfüllungswahl privilegiert den Vertragspartner und gestattet eine bevorzugte Befriedigung. Bei einer Erfüllungsablehnung hat der solvente Vertragspartner regelmäßig nicht weiter an den Insolvenzschuldner zu leisten. Für die Zukunft sichert das Wahlrecht den Vertragspartner grundsätzlich ab. Da weltweit vertragliche, insolvenzbezogene Lösungsrechte zu finden sind und international relativ übereinstimmend dem Insolvenzverwalter ein Wahlrecht über schwebende Verträge in der Insolvenz eingeräumt wird, würde dies eigentlich auch eine einheitliche Behandlung der Lösungsklauseln erwarten lassen. Wie sogleich zu zeigen sein wird, unterscheiden sich die Rechtsordnungen jedoch erheblich. 349 350

Vgl. Schollmeyer, Gegenseitige Verträge im internationalen Insolvenzrecht, S. 85. Weydmann, Zweiseitige Verträge im Konkurs einer Vertragspartei, S. 36.

§ 3 Vertragliche Lösungsklauseln im Rechtsvergleich

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§ 3 Vertragliche Lösungsklauseln im Rechtsvergleich § 3 Vertragliche Lösungsklauseln im Rechtsvergleich

Dieses Kapitel analysiert, inwieweit Vertragsbeendigungsklauseln im Insolvenzfall in den einzelnen Vergleichsordnungen rechtlich zulässig sind. A. Deutschland Die Frage, ob Lösungsklauseln zulässig sind oder nicht, hat Anlass gegeben zum wohl umfassendsten und längsten Meinungsstreit im deutschen Insolvenzrecht. Eine zweifelsfreie gesetzliche Norm existiert nicht. In § 119 InsO wird nur allgemein das Wahlrecht des Insolvenzverwalters (§ 103 InsO) vor privatautonomen Zugriffen geschützt: „Vereinbarungen, durch die im Voraus die Anwendung der §§ 103 bis 118 ausgeschlossen oder beschränkt wird, sind unwirksam.“351 Daraus kann primär nur abgeleitet werden, dass das Verwalterwahlrecht als zwingendes Recht ausgestaltet ist.352 Eine vergleichbare Regelung bestand zuvor bereits in Österreich, ohne dass hieraus ein Verbot von insolvenzbezogenen Lösungsklauseln abzuleiten war (vgl. § 3, C.). Auch in der Schweiz ist das Eintrittsrecht im Kern zwingendes Insolvenzrecht. Gleichwohl sind insolvenzbezogene Lösungsklauseln grundsätzlich wirksam (vgl. § 3, B.). Der bisherige Streitstand wird im Weiteren überblicksweise dargestellt (§ 3, A., I.); die Grundsatzentscheidung des IX. Senats für Insolvenzrecht des Bundesgerichtshofs vom 15. November 2012 (IX ZR 169/11) bedeutet eine Zäsur in der Diskussion (§ 3, A., II.). Dieser Entscheidung folgte eine umfassende Debatte (§ 3, A., III.), die in ein weiteres Grundsatzurteil des VII. Senats des Bundesgerichtshofs für Bausachen vom 7. April 2016 (VII ZR 56/15) mündete (§ 3, A., IV.). Abschließend wird die aktuelle Rechtslage in Deutschland gewürdigt (§ 3, A., V). I. Umstrittene Rechtslage vor dem Jahr 2012 1. Historischer Streitstand unter den Konkursordnungen Bereits unter der Konkursordnung 1879 (KO) war die Frage nach den Lösungsklauseln umstritten, worauf auch der Bundesgerichtshof im Jahr 2012 nochmals hinwies. Eine ausdrückliche Regelung zu vertraglichen Lösungsklauseln existierte nicht. Unter der KO waren gleichwohl die Bestimmungen des Verwalterwahlrechts (§ 17 KO) zwingend; die Parteien konnten den Verwalter nicht vorab vertraglich zu einer bestimmten Entscheidung zwin-

351

Zur Entstehungsgeschichte von § 119 InsO und dessen Vorentwürfen Schwörer, Lösungsklauseln für den Insolvenzfall, S. 15 ff.; Huber, in: MüKo-InsO, § 119, Rn. 5 ff. 352 Bopp, Der Bauvertrag in der Insolvenz, S. 190.

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gen.353 Gleichwohl wurden vertragliche Lösungsrechte ganz herrschend als wirksam erachtet.354 Der Konkursverwalter müsse den Bestand der Masse (also auch einen beiderseitig nicht voll erfüllten Vertrag) in dem Zustand hinnehmen, in dem sie sich zur Zeit der Konkurseröffnung befinde.355 Zuzugeben ist, dass es eine dem heutigen § 119 InsO vergleichbare Bestimmung zwar noch nicht gegeben hat. Dennoch entsprach der in § 119 InsO kodifizierte zwingende Charakter des Wahlrechts der geltenden Rechtslage. Die Materialien zur Konkursordnung hätten bereits zugunsten eines Verbots von Lösungsklauseln interpretiert werden können, wonach die Eröffnung des Konkursverfahrens selbst keinen Grund für die Vertragsbeendigung durch den Vertragspartner darstellen sollte.356 Auch die vorangegangene Konkursordnung 1855 kannte in § 16 ein Wahlrecht der „Gläubigerschaft“ an. Dieses Recht stehe ihr „unbedingt zu“.357 Der Vertragspartner habe nur dann ein Rücktrittsrecht nach den allgemeinen gesetzlichen Bestimmungen des Allgemeinen Preußischen Landrechts (ALR), wenn die veränderten Umstände der Konkurseröffnung die Erreichung des ausdrücklich erklärten oder aus der Natur des Geschäfts sich ergebenen Zwecks unmöglich gemacht haben.358 Auch wenn sich hieraus nicht ausdrücklich ein Verbot von vertraglichen Lösungsabreden ergibt, spricht die abschließende Formulierung für den zwingenden Charakter des Wahlrechts. Nach § 20 KO 1855 derogierten nur gesetzliche Vorschriften die Bestimmungen des Wahlrechts, bspw. erloschen Auftragsverhältnisse nach ALR Theil 1, XIII, § 197 oder es gab den Einwand der „Veränderungen der Vermögensumstände des Darlehensnehmers“ nach ALR Theil 1, XI, § 657.

353

Heidland, BauR 1975, 305, 307; Lent, in: Konkursordnung (Hrsg. Jaeger), Erster Band, § 17, Rn. 55b. 354 BGH, Urt. v. 26.9.1985 – VII ZR 19/85, BGHZ 96, 34; BGH, Urt. v. 11.11.1993 – IX ZR 257/92, BGHZ 124, 76; ebenso noch in der 8. Aufl. Lent, in: Jaeger, InsO, § 17, Rn. 55b. Ausführlich zur historischen Anerkennung von Lösungsklauseln unter der Reichskonkursordnung Piekenbrock, ZIP 2018, 1, 2 f. Kritisch zur Rechtsprechung unter der KO vgl. Berger, ZIP 1994, 173, 178 ff. 355 BGH, Urt. v. 26.9.1985 – VII ZR 19/85, BGHZ 96, 34–39, Rn. 15. 356 Vertiefend zu den Motiven der Konkursordnung Berger, ZIP 1994, 173, 177. 357 Wentzel, Die preußische Konkursordnung – Die Gesetze vom 8. und 9. Mai 1855 betreffend die Einführung derselben u.d. Befugniß d. Gläubiger zur Anfechtung d. Rechtshandlungen zahlungsunfähiger Schuldner außerhalb des Konkurses u. d. Verordnung v. 4. Juni 1855 betreffend die im Konkurs u. erbschaftlichen Liquidationsprozesse zu erhebenden Gerichtskosten m. d. Materialien, S. 103. 358 ALR Theil I, Titel 5, § 378: „Wird jedoch durch eine solche unvorhergesehene Veränderung die Erreichung des ausdrücklich erklärten, oder aus der Natur des Geschäfts sich ergebenden Endzwecks beyder Theile unmöglich gemacht, so kann jeder derselben von dem noch nicht erfüllten Vertrage wieder abgehn.“

§ 3 Vertragliche Lösungsklauseln im Rechtsvergleich

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2. Neuere Literaturansichten Vor der Entscheidung im Jahr 2012 war die Literatur in zwei ungefähr gleich große Lager von Befürwortern und Gegnern der Zulässigkeit von Lösungsklauseln geteilt. Lösungsklauseln wurden tendenziell überwiegend für wirksam gehalten.359 Die Rechtsprechung neigte ebenfalls zur Wirksamkeit von Lösungsklauseln.360 Den bisherigen Streitstand unter der InsO fasste der Bundesgerichtshof (IX ZR 169/11) zusammen: Ein erheblicher Teil von Rechtsprechung und Lehre spreche sich für die Wirksamkeit von Lösungsklauseln aus – d.h., § 119 InsO verbietet keine insolvenzbezogenen Lösungsklauseln.361 Als primäre Argumente würden genannt: Erstens betreffen Lösungsklauseln nicht das insolvenzrechtliche Abwicklungsregime der §§ 103 ff. InsO, da die Klauseln den Bestand des Vertrages selbst angreifen.362 Zweitens spreche für die Wirksamkeit die Gesetzesgenese. Im Entwurf zur Insolvenzordnung war in § 137 Abs. 2 RegE ein Verbot von insolvenzbezogenen Lösungsklauseln vorgesehen. Diese Regelung wurde im Rechtsausschuss des Bundestages gestrichen, da dem Verbot eine sanierungsfeindliche Wirkung und Nachteile im internationalen Geschäftsverkehr zugesprochen wurden.363 Drittens ergebe sich aus § 112 InsO, der Ausübungssperre von Kündigungsrechten bei Mietverträgen, dass eine konkrete gesetzliche Regelung für das Verbot erforderlich sei. Für die Zulässigkeit von insolvenzbezogenen Lösungsklauseln wird in der Literatur zusätzlich zu den vom Bundesgerichtshof vorgetragenen Argumen-

359

Paulus/Berberich, in: Treatment of Contracts – Germany, Rn. 9.112 f.; Seagon, LMK 2013, 346233; Reul/Heckschen/Wienberg, Insolvenzrecht in der Kautelarpraxis, B. III. 5. 360 Vgl. bereits RG, Urt. v. 14.1.1896 – III 290/95, JW 1896, 132; BGH, Urt. v. 11.11.1993 – IX ZR 257/92, BGHZ 124, 76. 361 Der Bundesgerichtshof zitiert für diese Ansicht: „Huber, in: Gottwald, Insolvenzrechtshandbuch, 4. Aufl., § 35 Rn. 13; Flöther/Wehner, in: Ahrens/Gehrlein/Ringstmeier, InsO, § 119 Rn. 2; FK-InsO/Wegener, 6. Aufl., § 119 Rn. 4 ff., 9, aber anders für Energielieferungsverträge Rn. 8; Zeuner, in: Leonhardt/Smid/Zeuner, InsO, 3. Aufl., § 119 Rn. 12“. Ebenso OLG München, Urt. v. 26.4.2006 – 7 U 5350/05, ZInsO 2006, 1060; Huber, in: MüKo-InsO, § 119, Rn. 28 ff.; Wilmowsky, ZIP 2007, 553, 554 ff. Darüber hinaus haben sich viele weitere Autoren für die Wirksamkeit von insolvenzbezogenen Lösungsklauseln ausgesprochen, auf die der Bundesgerichtshof nicht näher eingeht: Heidland, BauR 1975, 305, 305; Bosch, WM 1995, 413; kritisch Treffer, MDR 2000, 1178, 1179; Obermüller, Bankpraxis, 2007, Rn. 8.201; Bruns, KTS 1997, 305; Wilmowsky, ZIP 2007, 553, 553; Walker, KTS 2003, 169, 169; Thole, in: Privatautonomie und Insolvenzrecht, S. 310; Wöllner, Die Wirksamkeit vertraglicher Lösungsklauseln im Insolvenzfall, S. 293; Wortberg, Lösungsklauseln und Insolvenz, S. 189; Adam, DZWIR 2005, 1, 6. 362 Hierzu ausführlich § 6, C. 363 Vgl. BT-Drs. 12/7302, S. 170.

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ten die Vertragsfreiheit angeführt;364 der Verwalter habe Verträge hinzunehmen, wie sie sind,365 Lösungsklauseln seien international üblich,366 und der Vergleich mit gesetzlich vorgesehenen Lösungsrechten lege es systematisch nahe, dass auch vertragliche Lösungsrechte allgemein zulässig seien. Auf der anderen Seite argumentierten erhebliche Teile von Rechtsprechung und Lehre gegen die Wirksamkeit von Lösungsklauseln, sofern keine spezialgesetzliche Regelung sie für zulässig erkläre.367 Der Bundesgerichtshof hat die hauptsächlichen Argumente zusammengefasst: Erstens habe die Vorstellung des Gesetzgebers keinen Ausdruck im Gesetz gefunden, als der Rechtsausschuss die Streichung des gesetzlichen Verbots von Lösungsklauseln veranlasste. Zweitens würden Lösungsklauseln ermöglichen, den Zweck des Insolvenzverwalterwahlrechts zu konterkarieren. Drittens sind gerade insolvenzbezogene Lösungsklauseln sanierungsfeindlich, da wertvolle Verträge der Masse entzogen werden und der Insolvenzschuldner auf günstige Vertragskonditionen verzichten muss. Ferner sind in der Literatur abgestufte und vermittelnde Ansätze zu Lösungsklauseln zu finden: So wird vertreten, dass insolvenzbezogene Lösungsklauseln grundsätzlich wirksam sind, wenn sie nicht im Einzelfall unzumutbar oder anfechtbar seien.368 Dies entspräche dem Vorrang der Privatau364

Hierzu § 6, A.; 7; 9, B., I., 3. Hierzu § 6, C. 366 Hierzu § 9, B. 367 Der Bundesgerichtshof zitiert für diese Ansicht: „Tintelnot, in: Kübler/Prütting/Bork, InsO, 1998, § 119 Rn. 16 ff.; HK-InsO/Marotzke, aaO, § 119 Rn. 4; BKInsO/Goetsch, § 119 Rn. 5 ff.; Homann, in: Mohrbutter/Ringstmeier, Handbuch der Insolvenzverwaltung, 8. Aufl., § 7 Rn. 133 ff.; Graf-Schlicker/Breitenbücher, InsO, 3. Aufl., § 103 Rn. 11; Pape, in: Kölner Schrift zur Insolvenzordnung, 2. Aufl., S. 531 Rn. 60 ff.; Berger, in: Kölner Schrift zur Insolvenzordnung, 3. Aufl., S. 325 Rn. 28; Nerlich/ Römermann/Balthasar, InsO, 1999, § 119 Rn. 15“; ferner OLG Düsseldorf, Urt. v. 17.8.2006 – I-10 U 62/06, ZInsO 2007, 152, 154; Kroth, in: Insolvenzordnung, Kommentar (Hrsg. Braun), Insolvenzordnung, § 119 Rn. 11 f.; Schwörer, Lösungsklauseln für den Insolvenzfall, S. 247; Gerhardt, AcP 200 (2000), 426, 443; Abel, NZI 2003, 121, 128; Dahl, NJW-Spezial 2008, 373, 373 f. Darüber hinaus haben sich viele weitere Autoren gegen die Wirksamkeit von insolvenzbezogenen Lösungsklauseln ausgesprochen, auf die der Bundesgerichtshof nicht näher eingeht: Tintelnot, Vereinbarungen für den Konkursfall – Vollwertigkeit der Vermögenshaftung und Bedingung des Konkurses S. 203; Berger, ZIP 1994, 173, 184; Berger, KTS 2000, 499, 16, 35; Blank/Möller, ZinsO 2003, 437; Häsemeyer, 2007, Rn.20.10a; Kübler/Prütting-Tintelnot, Inso, § 119 Rn. 15; Prütting, in: Festschrift für Walter Gerhardt (Hrsg. Schilken/Kreft/Wagner/Eckardt), Vertragsbeendigung durch Insolvenz?, S. 761; Raitz v. Frentz/Marrder, ZUM 2001, 761, 762; vgl. auch van de Loo, ZIP 1988, 352, 357; Hinger, Die Bauunternehmerinsolvenz, S. 209. 368 Thole, in: Privatautonomie und Insolvenzrecht, S. 310; Thole, ZHR 181 (2017), 548, 580 (anfechtbar); Wöllner, Die Wirksamkeit vertraglicher Lösungsklauseln im Insolvenzfall, S. 293 (anfechtbar); Wortberg, Lösungsklauseln und Insolvenz, S. 189 (anfechtbar); 365

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tonomie.369 Als Gegenstück hierzu existiert auch die Ansicht, dass Lösungsklauseln grundsätzlich unwirksam sind, wenn die Wirksamkeit nicht im Einzelfall unzumutbar oder geboten ist.370 Ferner wird vertreten, Lösungsklauseln seien zulässig, aber ab dem Moment, in dem der Verwalter die Erfüllung wählt, könnten Verträge nach § 242 BGB nicht mehr beendet werden.371 In jüngeren umfangreichen Arbeiten – vor der BGH-Entscheidung aus dem Jahr 2012 – haben Wöllner, Wortberg und Schwörer den Rechtsstand umfassend aufgearbeitet.372 Die Arbeiten haben sich vor allem mit dem nationalen juristischen Auslegungskanon befasst, um dadurch Argumente für bzw. gegen die Zulässigkeit von Lösungsklauseln nach dem Übergang von der Konkursordnung zur Insolvenzordnung und dem damals neuen § 119 InsO zu bestimmen. Auf diese grundlegenden Ausführungen wird hier verwiesen.373

van Betteray, in: Sanierung und Insolvenz – Festschrift für Klaus Hubert Görg zum 70. Geburtstag (Hrsg. Dahl/Jauch/Wolf), Sanierungschancen versus Partikularinteresse – vertragliche Lösungsklauseln in Insolvenz(antrags)verfahren, S. 50 (unzumutbar). 369 Thole, in: Privatautonomie und Insolvenzrecht, S. 291, 296. Für einen Vorrang des Insolvenzrechts im Spannungsverhältnis zur Vertragsfreiheit hingegen Gerhardt, AcP 200 (2000), 426, 443. 370 Berger, ZIP 1994, 173, 183 m.w.N. 371 Jacoby, in: Jaeger Insolvenzordnung (Hrsg. Jacoby/Giesen), Band 3: §§ 103–128, § 119, Rn. 35. 372 Schwörer, Lösungsklauseln für den Insolvenzfall, passim (2000); Wortberg, Lösungsklauseln und Insolvenz, passim (2003); Wöllner, Die Wirksamkeit vertraglicher Lösungsklauseln im Insolvenzfall, passim (2009). 373 Ausführliche Zusammenstellung der Rechtsprechung und der „vielfältige(n), kreative(n) und unüberschaubare(n)“ Literaturauffassungen bis zum 15.11.2012 auch Grasser, Unwirksamkeit vertraglicher Lösungsklauseln für den Insolvenzfall, S. 67 ff., vorstehendes Zitat S. 107.

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II. Kehrtwende durch den Bundesgerichtshof im Jahr 2012374 Die Grundsatzentscheidung des IX. Senats des Bundesgerichtshofs verlagerte die Diskussion dahin, die Reichweite und die Grenzen eines grundsätzlich in § 119 InsO normierten Verbots von Lösungsklauseln zu betrachten. 1. Entscheidungssachverhalt Die Klägerin und die Insolvenzschuldnerin unterhielten eine Geschäftsbeziehung über die Belieferung mit elektrischer Energie. Der Vertrag enthielt die Klausel: 374 BGH, Urt. v. 15.11.2012 – IX ZR 169/11, BGHZ 195, 348. Die Entscheidung wird umfangreich besprochen und kommentiert: RaeschkeKessler/Christopheit, WM 2013, 1592, passim; Kiedrowski, BauR 2013, 1325, passim; Henkel, in: Betriebsfortführung im Insolvenzverfahren – Betriebsfortführung in der Insolvenz (Hrsg. Borchardt/Frind), Kap. 6, Rn. 910; Peters, BauR 2014, 1218, 1218; Löffler, BB 2013, 1283, passim; Helm, CuR 2013, 23, 26 ff.; Knof, DB 2013, 1769, passim; Wellensiek/Scharfenberg, DZWIR 2013, 317, passim; Kliebisch/Linsenbarth, DZWIR 2013, 449, passim, begrüßend Feißel/Hoff, EnWZ 2013, 184, 184 ff.; Marotzke, EWiR 2013, passim; Lau, EWiR 2015, 287, 287 f.; Zarth, GWR 2013, 72; Muhl, GWR 2014, 496, passim; begrüßend Lenger/Schmitz, NZI 2015, 396, passim; Strommer/Ladenburger, IR 2013, 110, 111; kritisch und Anfechtungslösung befürwortend Wilmowsky, JZ 2013, 998, passim; Pohle, K&R 2013, 297, 297; Braegelmann, KSI 2013, 259, 259 ff.; Seagon, LMK 2013, 346233; Schwenk, jurisPR-BKR 5/2013, Anm. 1; kritisch Biehl, NJ 2013, 475, 477; begrüßend Römermann, NJW 2013, 1162, 1162; ebenso Böhner, FD-InsR 2013, 342731, passim; Schmidt, NJW-Spezial 2013, 492, 493; zustimmend Tintelnot, in: Festschrift für Bruno M. Kübler zum 70. Geburtstag (Hrsg. Bork/Kayser/Kebekus), Regelungsorte der Vermögenshaftung – Überlegungen zur kontroversen Diskussion um insolvenzabhängige Lösungsklauseln nach BGHZ 195, 348, S. 701 ff.; sehr kritisch Eckhoff, NZI 2013, 180, 180 ff., im Ergebnis zustimmend Huber, NZI 2014, 49, passim; Huber, ZIP 2013, 493, 494 ff.; Huber, in: MüKo-InsO, § 119, S. § 119, Rn. 28 ff.; Huber, ZfIR 2015, 127, 128–130; Schmitz, IBR 2013, 278, 278; Behrens, RdE 2014, 424, passim; Schneider/Köhler, r+s 2013, 269, 269 ff.; ablehnend Wolf/Held, VersorgW 2013, 75; Fischer, WuB 2013 VI A., 1.13, 305, passim; Wegener, ZInsO 2013, 1105, passim; Kayser, ZIP 2013, 1353, 1361 f.; Obermüller, ZInsO 2013, 476, passim; Obermüller/Obermüller, ZInsO 2013, 845, 856 f.; kritisch, aber mit anderer Begründung zustimmend Jacoby, ZIP 2014, 649, passim; Ströbl/Woltmann, ZVertriebsR 2014, 236, 236 ff.; Paulus/Berberich, in: Treatment of Contracts – Germany, Rn. 9.113; deutlich ablehnend Thole, ZNER 2013, 465, passim; ebenso vehement ablehnend Foerste, ZInsO 2015, 601, passim; Riewe, Die EFET-Rahmenverträge für den Handel mit Strom und Erdgas – Standard-Vertragsbestimmungen auf dem Prüfstand des deutschen und des internationalen Privatrechts, S. 376 f., insb. 397 ff.; Scheef/Uyani-Wietz, ZIP 2016, 250, passim; Berger, ZInsO 2016, 2111, 2113 ff.; Pfeiffer, in: Ars aequi et boni in mundo, S. 421 f. mit IPR-rechtlichen Bezügen; im Hinblick auf Finanzverträge Fried, in: Finanzderivate: Rechtshandbuch (Hrsg. Zerey/Altrock), § 21 – Vereinbarkeit von NettingVereinbarungen mit § 119 InsO und §§ 103 ff InsO, S. 498 ff. Bereits zuvor insolvenzbezogene Lösungsrechte ablehnend – am Beispiel von Energielieferungsverträgen: van Betteray, in: FS Görg, passim; für gesetzliche und vertragliche Lösungsrechte Bopp, Bauvertrag, S. 172 ff.

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„Der Vertrag endet auch ohne Kündigung automatisch, wenn der Kunde einen Insolvenzantrag stellt oder aufgrund eines Gläubigerantrages das vorläufige Insolvenzverfahren eingeleitet oder eröffnet wird.“

Der Beklagte wurde zum vorläufigen Insolvenzverwalter bestellt, woraufhin die Klägerin den Energielieferungsvertrag für beendet hielt. Der Insolvenzverwalter schloss vorsorglich mit der Klägerin einen neuen Energielieferungsvertrag ab – allerdings zu höheren Preisen. Gleichwohl zahlte der Insolvenzverwalter den bezogenen Strom nach den Preisen des Altvertrages. Er wendet ein, dass die Lösungsklausel unwirksam sei und der Altvertrag deshalb fortbestehe. Die Klägerin begehrt die Differenz an Entgelten, die nach dem neuen Vertrag geschuldet wären. Die Klage war in den Instanzgerichten erfolgreich. Diese gingen von der Wirksamkeit der Lösungsklausel aus und berechneten nach dem Neuvertrag das geschuldete Entgelt für die Energielieferung. Der Bundesgerichtshof hob die Entscheidungen der Vorinstanzen auf und wies die Klage ab. 2. Begründung des Bundesgerichtshofs Hatte der Bundesgerichtshof in der Vergangenheit die Wirksamkeit von Lösungsklauseln noch offengelassen,375 erklärte er insolvenzbezogene Lösungsklausel nun gem. § 119 InsO für unwirksam, weil sie im Voraus das Wahlrecht des Insolvenzverwalters nach § 103 InsO ausschließen.376 Es sind nicht nur Klauseln unwirksam, die unmittelbar das Wahlrecht abbedingen, sondern auch mittelbar das Wahlrecht entziehen, indem das gesamte materiellrechtliche Vertragsverhältnis beendet wird.377 Der Bundesgerichtshof ließ sich davon leiten, dass die vom Rechtsausschuss beabsichtigte Zulässigkeit von Lösungsklauseln keinen Niederschlag im Gesetz gefunden habe.378 Der Zweck des Wahlrechts – die Massemehrung und der Masseschutz – würde unterlaufen.379 Schließlich können Lösungsklauseln dem Unternehmen für die Betriebsführung vorteilhafte Verträge entziehen und damit sanierungsfeindlich sein, was gerade bei Verträgen über die fortlaufende Lieferung von Waren oder Energie der Fall sein könne.380 Im 375

BGH, Urt. v. 27.5.2003 – IX ZR 51/02, BGHZ 155, 87 (noch offen gelassen). BGH, Urt. v. 15.11.2012 – IX ZR 169/11, BGHZ 195, 348, Rn. 8. 377 Berger, ZInsO 2016, 2111, 2113. 378 BGH, Urt. v. 15.11.2012 – IX ZR 169/11, BGHZ 195, 348, Rn. 13. 379 BGH, Urt. v. 15.11.2012 – IX ZR 169/11, BGHZ 195, 348, Rn. 13. 380 BGH, Urt. v. 15.11.2012 – IX ZR 169/11, BGHZ 195, 348, Rn. 14. Der BGH führt aus: „Ist das Schuldverhältnis auf eine fortlaufende Lieferung von Waren oder – wie hier – Energie gerichtet, zeigt sich, dass [Anm. wohl das Verbot] eine[r] einseitige[n] Lösungsmöglichkeit durch den Gläubiger nicht die im Gesetzgebungsverfahren befürchtete sanierungsfeindliche Wirkung hat. Häufig wird das Gegenteil der Fall sein, weil die Unwirksamkeit der Lösungsklausel den Gläubiger regelmäßig daran hindert, einen zu günstigen 376

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Zusammenspiel mit § 105 InsO sollten nach der Gesetzesbegründung solche Effekte gerade verhindert werden.381 Weiter ließe sich aus § 112 InsO nicht ableiten, dass § 119 InsO eine Ausnahmevorschrift sei und es daher der mietvertraglichen Ausübungssperre von Kündigungsrechten nicht bedurft hätte.382 Zweitens entnahm der Bundesgerichtshof dem § 119 InsO eine „Vorwirkung“, sodass nicht nur Klauseln, die an die Verfahrenseröffnung, sondern auch solche, die bereits an die Antragstellung anknüpfen, unwirksam sind. „Soll die Vorschrift des § 119 InsO in der Praxis nicht leer laufen, muss ihr eine Vorwirkung jedenfalls ab dem Zeitpunkt zuerkannt werden, in dem wegen eines zulässigen Insolvenzantrags mit der Eröffnung eines Insolvenzverfahrens ernsthaft zu rechnen ist.“383

Würde § 119 InsO erst ab Insolvenzeröffnung wirken, bestünden Umgehungsmöglichkeiten.384 Die § 112 InsO und § 21 Abs. 1 InsO zeigten zudem, dass der Schutz des schuldnerischen Vermögens bereits im Eröffnungsverfahren besteht, d.h. ab Antragstellung.385 3. Obiter dicta Der Bundesgerichtshof sprach zwei wichtige obiter dicta. Erstens würden insolvenzunabhängige Lösungsklauseln nicht zielgerichtet das Verwalterwahlrecht beeinträchtigen und damit nicht gegen § 119 InsO verstoßen.386 Offen bleibt allerdings, ob es also auf die Intention bzw. Zielrichtung der Klausel ankommt, d.h., ob sie zielgerichtet das Verwalterwahlrecht beeinträchtigt. Zweitens verstoßen insolvenzabhängige Lösungsklauseln dann nicht gegen § 119 InsO, „wenn die Vereinbarung einer gesetzlich vorgesehenen Lösungsmöglichkeit entspricht“.387 Bedingungen abgeschlossenen und für die Betriebsfortführung wesentlichen Vertrag kurzfristig einseitig zu beenden.“ Der erste Satz scheint missverständlich. Hiernach würde Lösungsklauseln in der Insolvenz eine sanierungsfeindliche Wirkung zugemessen, wie im Gesetzgebungsverfahren vorgebracht. Der Bundesgerichtshof wollte wohl das Gegenteil ausdrücken; vgl. auch den Vorsitzenden Richter des IX. ZS Kayser, ZIP 2013, 1353, 1362 („Gerade die Verwendung von Lösungsklauseln in Lieferverträgen, die den Gläubiger zu einer einseitigen Lösungsmöglichkeit berechtigen, hat, so der BGH, eine sanierungsfeindliche Tendenz, welche die Regelung des § 119 InsO gerade vermeiden will.“). 381 BT-Drs. 12/2443, S. 146. Siehe hierzu § 2, B., II. 382 BGH, Urt. v. 15.11.2012 – IX ZR 169/11, BGHZ 195, 348, Rn. 15. 383 BGH, Urt. v. 15.11.2012 – IX ZR 169/11, BGHZ 195, 348, Rn. 19. 384 BGH, Urt. v. 15.11.2012 – IX ZR 169/11, BGHZ 195, 348, Rn. 18. 385 BGH, Urt. v. 15.11.2012 – IX ZR 169/11, BGHZ 195, 348, Rn. 21. 386 BGH, Urt. v. 15.11.2012 – IX ZR 169/11, BGHZ 195, 348, Rn. 9. 387 BGH, Urt. v. 15.11.2012 – IX ZR 169/11, BGHZ 195, 348, Rn. 13 unter Hinweis auf BGH, Urt. v. 14.12.2006 – IX ZR 194/05, BGHZ 170, 206; Urt. v. 26.11.2003 – IV ZR 6/03, NZI 2004, 144 (versicherungsvertragliche Kündigungsmöglichkeit in § 14 VVG a. F.).

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III. Diskurs nach dem Urteil des Bundesgerichtshofs im Jahr 2012 Nach der Grundsatzentscheidung des Bundesgerichtshofs stellte sich freilich die Frage: Karlsruhe locuta, causa finita? Bereits die umfangreiche Literatur zu der Entscheidung zeigte jedoch, dass weiterhin die Einschränkungen insolvenzbezogener Lösungsklauseln unklar waren.388 1. Ausdehnung der Entscheidung auf weitere Vertragstypen Die Entscheidung des Bundesgerichtshofs ist zu einem Energielieferungsvertrag ergangen. So ist es wenig verwunderlich, dass die Gültigkeit der Entscheidung für andere Vertragstypen hinterfragt wurde.389 Das Meinungsbild ist in dieser Frage gespalten. Der Vorsitzende Richter des entscheidenden BGH-Senats Kayser spricht selbst davon, dass insolvenzbezogene Lösungsklauseln nicht generell an § 119 InsO scheitern und die Nichtigkeitsfolge entsprechend dem Leitsatz auf Verträge mit fortlaufender Lieferung von Waren und Energie beschränkt sei.390 M. Huber sieht eine Ausdehnung der Rechtsprechung insbesondere bei drei Vertragstypen kritisch:391 erstens bei Nr. 26 AGB-Sparkassen / Nr. 19 AGB-Banken, die eine Kündigung aus wichtigem Grund bei wesentlichen Vermögensverschlechterungen vorsehen392. Vor allem die Nr. 19 Abs. 3 AGB-Banken / Nr. 26 Abs. 2 AGBSparkassen entsprechen dem gesetzlichen Leitbild des § 490 BGB, wonach ein Darlehensgeber bei einer wesentlichen Vermögensverschlechterung des Darlehensnehmers außerordentlich den Kreditvertrag beenden kann – daher seien die Klauseln wirksam.393 Den zweiten Problembereich sieht M. Huber bei notariellen Übergabeverträgen, die eine Vertragsauflösung bei der Insolvenz von Erwerbern beinhalten; den dritten bei VOB-Bauverträgen. Die Vergabe- und Vertragsordnung für Bauleistungen (VOB/B) beinhaltet nach § 8 Abs. 2 Nr. 1 VOB/B formularmäßig ein insolvenzbezogenes Lösungsrecht. Hierbei geht M. Huber unter Berufung auf die bislang unzureichend berücksichtigte Vertragsfreiheit von der Wirksamkeit der VOB/B-Klauseln aus.394 Auch Wellensiek und Scharfenberg halten die Entscheidung auf Bauverträge für nicht übertragbar, da die

388

Vgl. Huber, in: Insolvenzrechts-Handbuch, § 35, Rn. 12 und Fußnoten zu den Entscheidungsbesprechungen in § 3, A., II. Eine gute Darstellung des Meinungsstandes findet sich bei Jacoby, in: Jaeger, Insolvenzordnung, §§ 103–128, § 119, Rn. 16 ff. m.w.N. 389 Zarth, GWR 2013, 72, 72. 390 Kayser, ZIP 2013, 1353, 1362. 391 Beispiele nach Huber, in: Insolvenzrechts-Handbuch, § 35, Rn. 13b; Huber, NZI 2014, 49, 51. 392 Vgl. ebenso Obermüller, ZInsO 2013, 476, 476. 393 Foerste, ZInsO 2015, 601, 610. 394 Huber, in: Insolvenzrechts-Handbuch, § 35, Rn. 113b.

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Leistungspflichten zu komplex und unterschiedlich seien.395 Ebenfalls die Rechtsprechung der Instanzgerichte ist gespalten: Einige Instanzgerichte hielten § 8 Abs. 2 VOB/B auch nach dem Grundsatzurteil des IX. Senats weiter für wirksam.396 Insbesondere die Situation, dass ein Besteller von Werkleistungen den Vertrag kündige, um die Verträge neu zu verhandeln – wie im BGH-Fall zu Energielieferungen –, entspreche nicht den VOB/BGepflogenheiten und die Kündigung sei selbst wegen der Suche nach einem neuen Unternehmer nachteilig für den Besteller. Das OLG Frankfurt hingegen bewertet die Klauseln nach der BGH-Rechtsprechungsänderung im Jahr 2012 als unwirksam.397 Ebenso überträgt Kiedrowski die BGH-Entscheidung wegen der grundsätzlichen Vergleichbarkeit auch auf Bau- und VOBVerträge.398 Über den entschiedenen Fall hinaus entfalten höchstrichterliche Urteile zwar keine Rechtsbindung.399 Allerdings sind die Entscheidungsgründe nicht auf Energielieferungsverträge im Speziellen zugeschnitten, sondern allgemeingültig formuliert. Damit kann die Entscheidung auch für andere Vertragstypen ihre Überzeugungskraft entfalten. Die Entscheidungsgründe seien daher grundsätzlich auf alle anderen Vertragstypen übertragbar.400 Nur Verträge seien nicht erfasst, die nicht synallagmatisch sind und auf die das Verwalterwahlrecht nach § 103 InsO nicht anwendbar ist – wie Gesellschaftsverträge und besondere Unternehmensverträge.401 2. Verhältnis der Entscheidung zur Vertragsfreiheit Vor allem M. Huber kritisiert, dass sich das Urteil nicht näher mit dem Prinzip der Vertragsfreiheit befasst. Er hält eine generelle Ausdehnung der Entscheidung für nicht haltbar, solange man sich nicht grundsätzlich mit der 395

Wellensiek/Scharfenberg, DZWIR 2013, 317, 320 f. OLG Celle, Urt. v. 5.3.2014 – 7 U 114/13, ZInsO 2014, 1853; OLG Koblenz, Urt. v. 5.5.2014 – 12 U 231/13, NZI 2014, 807; OLG Düsseldorf, Urt. v. 28.8.2014 – I-5 U 139/13, NJW 2015, 355. So auch LG Wiesbaden, Urt. v. 7.2.2014 – 1 O 139/13, ZInsO 2014, 1015 (nachfolgend OLG Frankfurt, Urt. v. 16.3.2015 – 1 U 38/14, NZI 2015, 466). 397 OLG Frankfurt, Urt. v. 16.3.2015 – 1 U 38/14, NZI 2015, 466, aufgehoben durch BGH, Urt. v. 7.4.2016 – VII ZR 56/15, BGHZ 210, 1 (hierzu sogleich § 3, A., IV.). Zu der Diskussion um Bauverträge vgl. § 11, A., III., 1. 398 Kiedrowski, BauR 2013, 1325, 1327; Henkel, in: Betriebsfortführung, Rn. 912. 399 Vgl. Braegelmann, KSI 2013, 259, 260. 400 Pohle, K&R 2013, 297, 299; Gresbrand, AnwZert HaGesR 6/2014, Anm. 1; Raeschke-Kessler/Christopheit, WM 2013, 1592, 1596 f.; Wegener, in: Frankfurter Kommentar zur Insolvenzordnung (Hrsg. Wimmer), § 119, Rn. 5; Fischer, WuB 2013 VI A., 1.13, 305, 307; Feißel/Hoff, EnWZ 2013, 184, 185; Biehl, NJ 2013, 475, 477; Schneider/Köhler, r+s 2013, 269, 270 (für Versicherungsverträge); wohl auch Foerste, ZInsO 2015, 601, 611. 401 OLG Köln, Urt. v. 8.1.2014 – 18 U 59/03 (juris); Gresbrand, AnwZert HaGesR 6/2014, Anm. 1; Huber, in: MüKo-InsO, § 119, Rn. 17. 396

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Vertragsfreiheit auseinandersetze: Den Parteien ist grundsätzlich erlaubt, das Ende eines Rechtsgeschäfts zu bestimmen. Daher bedürfe es einer Gesamtabwägung der unterschiedlichen Interessen der Vertragspartner, um die Wirksamkeit der Klauseln zu bewerten.402 Bislang handele es sich nur um eine Einzelfallentscheidung.403 Der Bankensenat des BGH hat sich im Jahr 2013 ausführlich mit Eingriffen in die Privatautonomie bei Gleichheitsrechtsverstößen im Zusammenhang mit dem Kündigungsrecht in Nr. 19 AGB-Banken befasst, das die ordentliche Kündigung des Bankvertrags regelt.404 Eine ähnliche Ausarbeitung stehe für insolvenzbezogene Lösungsklauseln aus. Da allerdings Giroverträge als Geschäftsbesorgung zu qualifizieren sind, enden diese Verträge in der Insolvenz ohnehin qua Gesetz, vgl. §§ 115, 116 InsO.405 Auch das OLG Frankfurt sieht im Verbot von Lösungsklauseln einen erheblichen Eingriff in die Vertragsfreiheit. Dies entspreche aber als „Kennzeichen zwingenden Rechts“ genau den Wertungen des Gesetzgebers.406 3. Verhältnis zu gesetzlichen Vertragsbeendigungsklauseln Gesetzliche Beendigungsklauseln im Insolvenzfall407 sowie vertragliche Klauseln, die gesetzlichen Klauseln entsprechen, werden ganz herrschend als wirksam erachtet.408 Aufträge, Geschäftsbesorgungsverträge und Vollmachten erlöschen in der Insolvenz, vgl. §§ 115, 116, 117 InsO. Insofern sieht die InsO selbst spezielle Regelungen vor, die dem Wahlrecht vorgehen. Verbreitet sind gesetzliche Lösungsklauseln bei Gesellschaften. Diese werden aufgelöst, wenn ein Insolvenzverfahren über das Vermögen der Gesellschaft eröffnet wird (§ 131 Abs. 1 Nr. 3 HGB – offene Handelsgesellschaft; § 728 Abs. 1 402 Huber, in: Insolvenzrechts-Handbuch, § 35, Rn. 13d; Huber, NZI 2014, 49, 53; Huber, in: MüKo-InsO, § 119, Rn. 34 ff. Zu einer näheren Betrachtung der Vertragsfreiheit vgl. § 6, A.; § 7; § 9, B., I., 3. 403 So der Vorsitzende Richter des IX. ZS Kayser, ZIP 2013, 1353, 1362; hierzu kritisch Grasser, Unwirksamkeit vertraglicher Lösungsklauseln für den Insolvenzfall, S. 124. 404 BGH, Urt. v.15.1.2013 – XI ZR 22/12, NJW 2013, 1519 (2. Leitsatz: „Das vom Grundsatz der Privatautonomie beherrschte bürgerliche Recht enthält keine über eine mittelbare Drittwirkung des allgemeinen Gleichheitssatzes begründbare allgemeine Pflicht zur gleichmäßigen Behandlung sämtlicher Vertragspartner (hier bei der Ausübung eines vertraglich vereinbarten ordentlichen Kündigungsrechts). Die mittelbare Geltung des Art. 3 Abs. 1 GG im Verhältnis einzelner Privatrechtssubjekte zueinander setzt ein soziales Machtverhältnis voraus. Dieses Machtverhältnis ergibt sich nicht allein aus der kreditwirtschaftlichen Betätigung einer privaten Bank.“) 405 Knof, DB 2013, 1769, 1772. 406 OLG Frankfurt, Urt. v. 16.3.2015 – 1 U 38/14, NZI 2015, 466. 407 Beachte vor allem die Rechtslage in Frankreich oder in den USA. 408 BGH, Urt. v.15.1.2013 – XI ZR 22/12, NJW 2013, 1519; Kayser, ZIP 2013, 1353, 1361 f. („Gewisse Abweichungen von der gesetzlichen Regelung müssen wohl hingenommen werden, sonst wäre die Klausel ohne Bedeutung.“); Huber, in: InsolvenzrechtsHandbuch, § 35, Rn. 13c.

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BGB – Gesellschaft bürgerlichen Rechts; § 42 Abs. 1 S. 1 BGB – Verein) oder bei der Eröffnung eines Insolvenzverfahrens über das Vermögen eines Gesellschafters scheidet dieser aus der Gesellschaft aus (§ 131 Abs. 3 Nr. 2 HGB; § 728 Abs. 2 BGB). Auch die GmbH kann wegen eines Insolvenzverfahrens aufzulösen sein (§ 60 GmbHG); Gleiches gilt für die Aktiengesellschaft (§ 262 AktG) und die Genossenschaft (§ 101 GenG). Ferner sind gesetzliche Lösungsrechte bei Darlehensverträgen vorgesehen: Die Vermögensverschlechterung des Darlehensnehmers berechtigt zur Kündigung, vgl. § 490 Abs. 1 BGB. Bei Unternehmensverträgen sieht § 297 Abs. 1 Satz 2 AktG die gesetzliche Kündigung vor. Gesetzliche Lösungsrechte in Giroverträgen und Versicherungsverträgen wurden dagegen abgeschafft.409 Da die meisten gesetzlichen insolvenzbezogenen Lösungsrechte im Gesellschaftsrecht verankert sind, das Verwalterwahlrecht auf Gesellschaftsverträge aber nicht anzuwenden ist, lassen sich aus den gesetzlichen Rechten jedoch kaum Rückschlüsse auf vertragliche Lösungsklauseln ziehen. 4. Verhältnis zur bisherigen höchstrichterlichen Rechtsprechung In der Vergangenheit hat der Bundesgerichtshof in anderen Vertragstypen Lösungsklauseln für wirksam erachtet: so beispielsweise in VOB/BVerträgen410 oder den aufschiebend bedingten Rechtserwerb bei Lizenzverträgen im Insolvenzfall.411 Auch Heimfallklauseln auf den Insolvenzfall in Erbbaurechtsverträgen sind wirksam, da diese keine schwebenden Vertragsverhältnisse mehr sind.412 Die Entscheidung nahm nicht ausdrücklich Stellung, in welchem Verhältnis die Entscheidungen der anderen Senate stehen. 5. Verhältnis zu insolvenzunabhängigen Lösungsklauseln Schließlich ist fast unangefochten – was der Bundesgerichtshof als obiter dictum feststellt –, dass insolvenzunabhängige Klauseln grundsätzlich weiterhin wirksam sind.413 Diese Klauseln seien nicht auf das Ziel ausgerichtet, das Verwalterwahlrecht auszuhöhlen.414 Dies gilt beispielsweise für Klauseln, die an Verzug, allgemeinen Vertragsbruch oder den Kontrollwechsel der Gesell409

Vgl. § 14 VVG a.F. und § 676a BGB a.F. BGH, Urt. v. 26.9.1985 – VII ZR 19/85, BGHZ 96, 34. 411 BGH, Urt. v. 17.11.2005 – IX ZR 162/04, NZI 2006, 229. 412 BGH, Urt. v. 19.4.2007 – IX ZR 59/06, NJW 2007, 2325. 413 Henkel, in: Betriebsfortführung, Rn. 909; Huber, in: Insolvenzrechts-Handbuch, § 35, Rn. 12; Marotzke, EWiR 2013, 154; Thole, ZNER 2013, 465, 465; Andres, in: Insolvenzordnung, Kommentar (Hrsg. Andres/Leithaus/Dahl), § 119, Rn. 3; Sinz, in: Insolvenzordnung, Kommentar (Hrsg. Uhlenbruck/Hirte/Vallender), § 119, Rn. 12; Raeschke-Kessler/Christopheit, WM 2013, 1592, 1595; Kayser, ZIP 2013, 1353, 1361. 414 Raeschke-Kessler/Christopheit, WM 2013, 1592, 1595. 410

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schaft (Change-of-Control)415 anknüpfen.416 Bereits in diesem Zusammenhang sei darauf hingewiesen, dass andere Rechtsordnungen wie Frankreich und die USA insofern weitergehende Verbote aufweisen.417 6. Erste wirtschaftliche Betrachtung bei Energielieferungsverträgen Die Entscheidung des IX. Zivilsenats zeigt die widerstreitenden Interessen aus wirtschaftlicher Sicht exemplarisch auf, wobei den Sanierungsgefahren für den Insolvenzschuldner besonderes Gewicht verliehen wird. Im vom BGH im Jahr 2012 entschiedenen Sachverhalt bedeutet eine Bindung des Energieversorgers wirtschaftlich zwar ein Risiko, das sich in Mehrbelastungen wie Ausfallrisiken, Verwaltungsaufwand für Zwischenablesungen und einem schwankenden Energieverbrauch ausdrücken kann.418 Bisher war allerdings eine finanzielle Überkompensierung des Versorgers denkbar, indem er Lösungsklauseln zu seinen Vorteilen ausnutzen und bei Neuabschluss des Vertrags höhere Gegenleistungen verlangen konnte. Die Risiken würden letztlich überschaubar bleiben, da das Insolvenzrecht, aber auch zivilrechtliche Normen wie § 321 BGB (Leistungsverweigerungsrecht des Vorleistungspflichtigen bei unsicherer Gegenleistung), einen hinreichenden Schutz gewähren – ohne das Vertragsverhältnis zu beenden.419 Sofern Versorgungsverträge als sanierungsrelevant eingestuft werden, könnte argumentiert werden, dass Verbote von Lösungsklauseln überflüssig sind, wenn der Versorger gesetzlich zur Grundversorgung verpflichtet ist. Auch wenn seit 2005 eine Versorgungspflicht für Niederspannungen nach § 38 EnWG besteht, kommt diese Regelung aber einem Verbot von Lösungsklauseln nicht gleich. Die Ersatzversorgung ist zeitlich auf drei Monate befristet, deckt nicht alle Unternehmen ab und führt zu deutlich höheren Kosten.420 Insofern bleibt ein erhebliches Interesse des Verwalters, den Vertrag auch bei einer gesetzlichen Versorgungsregelung zu erhalten. Thole hält die Entscheidung des Bundesgerichtshofs aus dem Jahr 2012 ökonomisch für wenig überzeugend: Insbesondere würde der Bundesgerichtshof nur eine wirtschaftliche ex post-Betrachtung anstellen und aus415

Beachte aber § 225a InsO im Insolvenzplanverfahren. Paulus/Berberich, in: Treatment of Contracts – Germany, Rn. 9.111. 417 Vgl. hierzu § 9, A. und B. und Lösungsvorschlag in § 11 und 13. 418 Wolf/Held, VersorgW 2013, 75, 75; Behrens, RdE 2014, 424, 425. 419 Allerdings auch zum Risiko, dass der Vertragspartner nicht nachweisen kann, ob die Masse nicht für die Deckung der Forderung ausreiche und daher die Einrede nach § 321 BGB nicht erheben könne, vgl. Riewe, Die EFET-Rahmenverträge für den Handel mit Strom und Erdgas – Standard-Vertragsbestimmungen auf dem Prüfstand des deutschen und des internationalen Privatrechts, S. 429; Eckhoff, NZI 2013, 180, 181 f. 420 Eder, in: Energierecht (Hrsg. Danner/Theobald), § 38, Rn. 30: Nur bei Privatkunden bleiben die Kosten gleich. Wolf/Held, VersorgW 2013, 75, 75: Die Kosten seien auch für Unternehmen nur geringfügig höher. 416

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schließlich die Vorteile eines Verbots von Lösungsklauseln im Insolvenzverfahren bewerten; unberücksichtigt blieben allerdings die ex ante-Nachteile bei Vertragsschluss, die aus einem Verbot von Lösungsklauseln entstünden.421 Thole räumt ein, dass unbekannt ist, ob die ex post-Vorteile oder die ex anteVorteile überwiegen.422 Ob der Bundesgerichtshof mit seinem Ergebnis letztlich gerade deshalb überzeugt, weil wirtschaftlich die ex ante-Nachteile nur vage bestimmbar sind, die ex post-Vorteile aber quantifizierbar, soll in Kapitel 8 ausführlich diskutiert werden. IV. Konkretisierung durch den Bundesgerichtshof im Jahr 2016 Die folgende Grundsatzentscheidung des VII. Senats des Bundesgerichtshofs423 stellte das grundsätzlich erkannte Verbot von Lösungsrechten für Bauverträge sogleich wieder infrage. 1. Entscheidungssachverhalt Die Auftraggeberin beauftragte die Generalunternehmerin mit der Errichtung eines Geschäftshauses. In dem Bauvertrag war nach § 8 Abs. 2 Nr. 1 Fall 2 VOB/B ein Kündigungsrecht vereinbart, wenn ein Insolvenzantrag über das Vermögen des Auftragnehmers gestellt wurde. Die Generalunternehmerin stellte einen Eigeninsolvenzantrag, woraufhin die Auftraggeberin den Bauvertrag kündigte. Nunmehr forderte die Auftraggeberin infolge der Vertragsbeendigung Schadensersatz für Fertigstellungsmehrkosten aus einer Vertragserfüllungsbürgschaft. Der Bundesgerichtshof billigte die VOB/B-Klausel und erklärte die Kündigung für wirksam. 2. Begründung des Bundesgerichtshofs Der Bundesgerichtshof hat sich sehr umfassend mit den Ansichten in der Literatur auseinandergesetzt und schloss sich der Auffassung an, dass die VOB/B-Lösungsklauseln nicht gegen § 134 BGB i.V.m. §§ 103, 119 InsO verstoßen.424 Erstens sei die VOB/B-Klausel eng an die gesetzlichen Lösungsmöglichkeiten angelehnt und entspreche dem jederzeitigen Kündigungsrecht in einem Werkvertrag nach § 649 S. 1 BGB, wobei der Vertrauensver421

Thole, ZNER 2013, 465, 466. Thole, ZNER 2013, 465, 466. 423 BGH, Urt. v. 7.4.2016 – VII ZR 56/15, BGHZ 210, 1. Die Entscheidung wird besprochen von Lederer, jurisPR-PrivBauR 2016, Anm. 1, passim; Retzlaff, JurisPRBGHZivilR 2016, Anm. 1, passim; Huber, NZI 2016, 525, 526 ff.; Wellensiek, DZWIR 2016, 443, 443 ff.; Peshteryanu, jurisPR-VergR 2016, 1/2016, Anm. 5, passim; Scheef, MDR 2016, 797, 797 ff.; Bereits im Vorfeld der Entscheidung Scheef/Uyani-Wietz, ZIP 2016, 250, passim. 424 BGH, Urt. v. 7.4.2016 – VII ZR 56/15, BGHZ 210, 1, Rn. 19 ff. 422

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lust durch die Insolvenzantragstellung auch zur Kündigung aus wichtigem Grund berechtige.425 Es sei ferner richterrechtlich anerkannt, dass bei einer außerordentlichen Kündigung aus wichtigem Grund der Vergütungsanspruch nach § 649 S. 2 BGB entfalle: „Ein wichtiger Grund ist unter anderem dann anzunehmen, wenn der Auftragnehmer das […] vorauszusetzende Vertrauensverhältnis durch sein schuldhaftes Verhalten derart empfindlich stört, dass die Erreichung des Vertragszwecks gefährdet und dem Auftraggeber die Vertragsfortsetzung nicht mehr zumutbar ist.“426

Der Insolvenzeigenantrag soll hierfür genügen – unabhängig davon, ob konkrete Gefährdungen des Vertragsverhältnisses eingetreten sind.427 Damit sei das gesetzliche Abwicklungsregime nicht nachteiliger als die VOB/BRegelung (vgl. § 11, B., I., 2.) und die vertragliche Lösungsklausel entspreche nur der gesetzlichen Regelung – sie sei daher wirksam. Da die Klausel ferner nicht gegen das gesetzliche Leitbild verstoße, sei die Klausel auch AGB-rechtlich wirksam.428 Zweitens erfordere auch eine Gesamtbetrachtung der grundrechtlich geschützten Interessen eine Lösungsmöglichkeit in Bauverträgen. Hiernach gestatte die Vertragsfreiheit, Verträge nach Belieben zu gestalten.429 Die grundgesetzliche Eigentumsgarantie verlange, Forderungen zugunsten der Insolvenzgläubiger zu verwerten mit der Folge, dass daher die zwingende Ausgestaltung des Verwalterwahlrechts grundsätzlich legitim ist.430 Die Einschränkung der Vertragsfreiheit ist aber nicht gerechtfertigt, wenn die Interessen des Vertragspartners gegenüber den Interessen der anderen Insolvenzgläubiger überwiegen. Aus zwei Überlegungen sei dies bei Bauverträgen der Fall: Es ist für den Auftraggeber unzumutbar, die Verfahrenseröffnung und die Verwalterentscheidung abzuwarten, insbesondere da die Erfüllungswahl bei Bauverträgen eine komplexe Entscheidung ist.431 Ferner seien die persönlichen Eigenschaften des Unternehmers (Fachkunde, Leistungsfähigkeit und Zuverlässigkeit) von wesentlicher Bedeutung.432 Die Insolvenz bedeute eine Vertrauenserschütterung, die die Vertragsbeendigung rechtfertige. 3. Literaturansichten nach der Entscheidung Die Entscheidung setzt sich damit, wie von der Literatur gefordert, verstärkt mit dem Aspekt der Vertragsfreiheit auseinander (vgl. § 3, E., III., 2). So 425

BGH, Urt. v. 7.4.2016 – VII ZR 56/15, BGHZ 210, 1, Rn. 25, 26, 39 ff. BGH, Urt. v. 7.4.2016 – VII ZR 56/15, BGHZ 210, 1, Rn. 40 f. m.w.N. u. Rn. 52. 427 BGH, Urt. v. 7.4.2016 – VII ZR 56/15, BGHZ 210, 1, Rn. 53. 428 BGH, Urt. v. 7.4.2016 – VII ZR 56/15, BGHZ 210, 1, Rn. 45. 429 BGH, Urt. v. 7.4.2016 – VII ZR 56/15, BGHZ 210, 1, Rn. 30. 430 BGH, Urt. v. 7.4.2016 – VII ZR 56/15, BGHZ 210, 1, Rn. 31. 431 BGH, Urt. v. 7.4.2016 – VII ZR 56/15, BGHZ 210, 1, Rn. 34. 432 BGH, Urt. v. 7.4.2016 – VII ZR 56/15, BGHZ 210, 1, Rn. 35 f. 426

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begrüßt M. Huber die gerichtliche Interessenabwägung für jeden konkreten Vertragstyp.433 Er schlussfolgert, dass auch andere VOB/B-Kündigungsrechte mit der Entscheidung wirksam seien, es sei denn, die Kündigung würde erst nach Verfahrenseröffnung erklärt.434 Wellensiek meint, dass weiterhin nicht alle Fallkonstellationen des § 8 Abs. 2 VOB/B, insb. Nr. 1 Fall 3 (Kündigung nach Insolvenzeröffnung), höchstrichterlich geklärt seien, geht aber von der grundsätzlichen Wirksamkeit der VOB-Bestimmungen aus.435 Auch Scheef hält die Interessenabwägung für gelungen, wobei er insbesondere die Interessen des Auftraggebers berücksichtigt.436 Er ist der Auffassung, dass ein Eigeninsolvenzantrag das besondere Vertrauensverhältnis der Parteien eines Bauvertrags zerstört und § 8 Abs. 2 VOB/B eine Ausprägung einer Kündigung aus wichtigem Grund sei. Sie entspreche gerade nicht der jederzeitigen Kündigungsmöglichkeit nach § 649 BGB. Die bisherige Rechtsprechung zu insolvenzbezogenen Lösungsklauseln in Bauverträgen wird bestätigt und unter der Insolvenzordnung fortgeführt (vgl. § 3, E., III., 4.). Schließlich erkennt der Bundesgerichtshof grundsätzlich ein Verbot insolvenzbezogener Lösungsklauseln an. Allerdings erteilt der Bundesgerichtshof dem pauschalen Ausdehnen der Entscheidung IX ZR 169/11 auf andere Vertragstypen eine Absage (vgl. § 3, E., III., 1.). Indem der VII. BGH-Senat eine Gesamtbetrachtung durchführt, spricht dies für eine individuelle Abwägung je nach Vertragstyp und damit faktisch gegen ein Ausdehnen auf alle Vertragstypen. In der konkreten Entscheidung war diese Frage letztlich nicht erheblich, da der Bundesgerichtshof davon ausgegangen ist, dass die Lösungsmöglichkeit der gesetzlichen Rechtslage entspricht. Er hat damit formal auf der Linie des IX. Senats entschieden. Hingegen fragt Lederer, ob kein anderes Ergebnis in dem zu entscheidenden Fall möglich gewesen wäre.437 Denn der Bundesgerichtshof erkläre die Kündigung für zulässig, obwohl dem Unternehmer letztlich keine Pflichtverletzung zur Last falle. Die VOB/B schütze den Auftraggeber hinreichend in der Insolvenz, ohne dass es einer Kündigungsmöglichkeit bedürfe. V. Würdigung In Deutschland ist kein ausdrückliches gesetzliches Verbot von Lösungsrechten im Insolvenzfall normiert. Gleichwohl ergibt sich hieraus nicht, dass vertragliche Lösungsrechte im Umfeld eines Insolvenzverfahrens uneingeschränkt zulässig sind. Aus den zwei höchstrichterlichen Entscheidungen der 433

Huber, NZI 2016, 525, 528. Huber, NZI 2016, 525, 527. 435 Wellensiek, DZWIR 2016, 443, 444 f. 436 Scheef, MDR 2016, 797, 799. 437 Lederer, jurisPR-PrivBauR 2016, Anm. 1. 434

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Jahre 2012 und 2016 lassen sich wichtige Leitlinien ableiten, aus denen sich ein partielles Verbot von Lösungsrechten ergibt. Die Kernproblematik liegt allerdings darin, dass die Entscheidungen in der Sache gegenteilige Ergebnisse erzielt haben, wenngleich beide Urteile formal miteinander vereinbar waren. Dabei ist noch nicht restlos klar, ob sich aus dieser Diskrepanz Friktionen ergeben. Nachdem die Literatur die Entscheidung aus dem Jahr 2012 umfassend kritisierte, wurde die Entscheidung aus dem Jahr 2016 bislang mehrheitlich aus der Perspektive der baurechtlichen Beratung begrüßt.438 Nach den Literaturansichten habe sich zumindest für den Bauvertrag Rechtsklarheit ergeben. Ein grundlegender und ganzheitlicher Lösungsansatz für vertragliche Beendigungsrechte im Insolvenzfall wird jedoch nicht erreicht. In vielen Fragen ist die deutsche Lösung damit auch nach den beiden Entscheidungen des Bundesgerichtshofs weiterhin nicht geklärt.439 Die allgemein befürwortete Übertragbarkeit der Entscheidung aus dem Jahr 2012 auf andere Vertragstypen wird jedenfalls durch die Entscheidung des VII. Senats deutlich infrage gestellt, aber nicht generell verneint. Ferner ist die dem § 119 InsO im Jahr 2012 zugebilligte „Vorwirkung“ weiterhin nicht in allen Konturen geklärt. Die Literatur nahm teilweise an, dass jedenfalls Klauseln, die an die Antragstellung anknüpfen, unwirksam sind. Dies entsprach auch der Entscheidung des Bundesgerichtshofs von 2012. Allerdings formulierte das Gericht sehr vage: Lösungsklauseln sind unwirksam, wenn „wegen eines zulässigen Insolvenzantrags mit der Eröffnung eines Insolvenzverfahrens ernsthaft zu rechnen sei“. Nach der Formulierung kommt es zumindest darauf an, dass ein zulässiger Eröffnungsantrag vorliegt. Damit setzt die Wirkung des Verbots frühestens mit dem Eröffnungsantrag ein. Ob damit Klauseln, die allgemein an die Antragstellung anknüpfen, unwirksam sind, ist nicht klar. Schließlich stellt der Bundesgerichtshof darauf ab, ob die Klausel „auf das Ziel ausgerichtet [ist], die Wahlmöglichkeiten des Insolvenzverwalters nach § 103 InsO auszuhöhlen“.440 Damit scheint der Bundesgerichtshof ein subjektives Element zugrunde zu legen, wenn er auf die Intention der Vertragsparteien abstellt, was § 119 InsO eigentlich nicht voraussetzt.441 Der Wortlaut von § 119 InsO erfordert nur eine objektive Beeinträchtigung des Wahlrechts. Nachdem keine klare gesetzliche Regelung in Bezug auf Lösungsklauseln existiert, müsste die Rechtsprechung diese Lücke schließen. Dabei kann die rechtsvergleichende Methode helfen, eine Regelung für insolvenzbezogene Lösungsklauseln zu konkretisieren. 438 Vgl. Retzlaff, jurisPR-BGHZivilR 2016, Anm. 1; Huber, NZI 2016, 525, 526 ff.; Wellensiek, DZWIR 2016, 443, 444; Peshteryanu, jurisPR-VergR 2016, 1/2016, Anm. 5, a.E.; Scheef, MDR 2016, 797, 799 f.; anders Lederer, jurisPR-PrivBauR 2016, Anm. 1. 439 Peshteryanu, jurisPR-VergR 2016, 1/2016, Anm. 5, a.E. 440 BGH, Urt. v. 15.12.2012 – IX ZR 169/11, BGHZ 195, 348. 441 Jacoby, in: Jaeger Insolvenzordnung, §§ 103–128, § 119, Rn. 15, 25.

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B. Schweiz Das schweizerische Recht kennt für ausgewählte Vertragstypen eine Vielzahl von gesetzlichen Vertragsbeendigungsgründen im Insolvenzfall.442 Insofern lässt das materielle Recht grundsätzlich die vertragliche Beendigung im Insolvenzfall zu.443 Eine insolvenzrechtliche Generalnorm, die ausdrücklich privatautonome Lösungsklauseln im Insolvenzfall beschränkt, existiert nicht. Nur für Dauerschuldverhältnisse wurde eine besondere Vorschrift in Art. 211a, 297a SchKG erlassen.444 Insofern soll es möglich sein, Dauerschuldverhältnisse aufzulösen, um die Masse von nachteiligen Verträgen zu entlasten. Es geht allerdings um die Rechtsposition des Verwalters. Beide Normen schweigen zur allgemeinen Frage, ob insolvenzbezogene Lösungsklauseln zugunsten des solventen Vertragspartners wirksam sind. Im Zusammenhang mit der Neuregelung von Art. 211a SchKG hat der Gesetzgeber nur darauf hingewiesen, dass diese Norm den Anforderungen eines modernen Sanierungsrechts entspreche, wie sich aus einem Rechtsvergleich mit Österreich, Belgien, Norwegen, Singapur und den USA ergebe.445 Diese Rechtsordnungen seien für ihre insolvenzrechtliche Effizienz bekannt. Trotz dieser Vergleiche hat der schweizerische Gesetzgeber – anders als beispielsweise Österreich und die USA – nicht den umgekehrten Fall gesehen, dass Rechtsverhältnisse auch notwendig für eine erfolgreiche und effiziente Sanierung sein können. Es ist also entscheidend, ob aus Art. 211 Abs. 2 SchKG, dem Verwalterwahlrecht, oder dem insolvenzrechtlichen Gesamtgefüge immanent ein Verbot von Lösungsklauseln abzulesen ist. Das Bundesgericht hat sich bislang noch nicht konkret mit vertraglichen Lösungsrechten im Insolvenzfall auseinander gesetzt.446 Die schweizerische Literatur lehnt ein Verbot von Lösungsklauseln ganz herrschend ab und hält vertragliche Lösungsklauseln für wirksam.447 Die Literatur diskutierte diese Fragen ausführlich im Rahmen der Revision des SchKG im Jahr 1994 – vor dem Hintergrund vertraglicher Lö-

442

Vgl. hierzu § 2, B., III., 5. Staehelin, AJP/PJA 2004, 363, 365 f. 444 Siehe oben in § 4, B., I.; zur weiteren expliziten gesetzlichen Regelung bei Finanzverträgen, siehe § 4, A., III. 445 Botschaft zur Änderung des Bundesgesetzes über Schuldbetreibung und Konkurs (Sanierungsrecht), 8.9.2010, 10.077, BBl. 6455, 6468; Dunant/Sauter/Iynedjian/Beck/ Derungs, Staatssekretariat für Wirtschaft SECO 2010, 13, 33 f. 446 Zobl/Werlen, Netting, S. 80. 447 Vgl. statt vieler Jeandin, in: Les effets de la faillite sur le contrat de durée, S. 93; Lorandi, mp 1998, 1, 3; Plenio, Das Erfüllungsrecht der Konkursverwaltung und schuldrechtliche Verträge im Konkurs, S. 119 f.; Taillens, Des effets de la faillite sur les contrats du débiteur, S. 60; Weydmann, Zweiseitige Verträge im Konkurs einer Vertragspartei, S. 35 f.; Staehelin, AJP/PJA 2004, 363, 366 m.w.N. 443

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sungsklauseln in Finanzverträgen: Insbesondere Zobl448 und der Bericht des Bundesamtes für Justiz zur Neuregelung des Eintrittsrechts der Konkursverwaltung in zweiseitige Verträge nach Artikel 211 des Bundesgesetzes über Schuldbetreibung und Konkurs (SchKG) vom 1. September 1993 erarbeiteten, ob vertragliche Lösungsklauseln für wirksam erachtet werden. Anlässlich eines Gutachtens bezüglich Lizenz- und Marketingverträgen für die FIFAWeltmeisterschaften 2002 und 2006 erörterte Staehelin nochmals die Problematik und folgte der herrschenden Auffassung.449 Die wesentlichen Gründe der herrschenden Meinung werden im Folgenden dargestellt. I. Verfahrensrechtlicher Charakter des Verwalterwahlrechts Das Hauptargument in der schweizerischen Literatur für die Zulässigkeit von Lösungsklauseln ist formaler Natur: Klassischerweise wird das Insolvenzrecht als reines Verfahrensrecht betrachtet, das keine Auswirkungen auf materiellrechtliche Rechtspositionen hat. In dieser Folge ist in der Schweiz eine strenge Trennung zwischen dem materiellen Recht und den verfahrensrechtlichen Normen festzustellen. Damit hängt die Diskussion in der Schweiz über die Zulässigkeit von Lösungsklauseln maßgeblich davon ab, wie das Eintrittsrecht nach Art. 211 Abs. 2 SchKG qualifiziert wird: Liegt in dem Eintrittsrecht der Insolvenzverwaltung eine reine verfahrensrechtliche Vollstreckungsnorm, die absolut losgelöst vom materiellen Recht zu sehen ist, kann das Insolvenzrecht einer privatautonomen Abrede zur Vertragsbeendigung nicht entgegenstehen.450 Andernfalls könnte das Verfahrensrecht einen Eingriff in das materielle Recht bewirken. Das Bundesgericht äußerte sich in einer Entscheidung aus dem Jahr 1978 zum Charakter des Art. 211 Abs. 2 SchKG. Es stellte fest, dass der Insolvenzverwaltung aus dieser Norm kein Recht zur Vertragsaufhebung erwächst, vielmehr muss sich dieses aus dem materiellen Recht selbst ergeben.451 Das Bundesgericht führte aus: „Es ist vielmehr davon auszugehen, dass Art. 211 Abs. 2 SchKG keine materiellrechtliche Regelung enthält. Welches die Auswirkungen des Konkurses auf die Verträge des Gemeinschuldners sind, ist nicht in erster Linie eine vollstreckungsrechtliche Frage, sondern eine solche des materiellen Rechts. Die Antwort darauf ist daher nicht im SchKG, sondern in den Bestimmungen des OR zu suchen.“452

448

Zobl, in: FS Walder, passim; Zobl/Werlen, 1992 ISDA-Master Agreement: unter besonderer Berücksichtigung der Swapgeschäfte, passim. 449 Staehelin, AJP/PJA 2004, 363, passim. 450 Zobl, in: FS Walder, S. 534; Zobl/Werlen, ISDA-Master-Agreement, S. 171. 451 Heute gewährt Art. 211a, 297a SchKG dem Verwalter für Dauerschuldverhältnisse ein Recht zur Vertragsbeendigung; für andere Schuldverhältnisse gilt die Rechtslage unverändert. 452 BG, Urt. v. 26.10.1978, BGE 104 III 84, 90 f.

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Das Bundesgericht konstatierte damit, dass aus dem Insolvenzrecht kein materielles Recht zur Vertragsbeendigung erwächst. Die Lehre hält, unter anderem auf die vorigen Ausführungen des Bundesgerichts gestützt, Lösungsklauseln auf den Insolvenzfall für wirksam.453 Art. 211 Abs. 2 SchKG sei nur eine Verfahrensnorm und gehöre als solche nicht dem zwingenden materiellen Konkursrecht an.454 Ob das Insolvenzrecht aber einer vertraglichen Klausel entgegenstehen kann – also im umgekehrten Fall – wird in der Entscheidung nicht näher betrachtet. Nur in diesem Fall kann es aber zu einer Aushöhlung des Wahlrechts und damit zur potentiellen Verletzung von zwingenden Bestimmungen des Insolvenzrechts kommen; denn grundsätzlich besteht das SchKG aus zwingenden Normen.455 Gerade da die Insolvenzverwaltung kein Recht zur Aufhebung gegenseitiger Verträge habe, sollen in Art. 211 Abs. 2 SchKG keine materiellrechtlichen Regelungen enthalten sein.456 Ein solches Recht war im Entwurf des SchKG vom 11. November 1885 noch vorgesehen, wurde jedoch nicht Gesetz.457 Die Einführung eines solchen Rechts wurde später in der Revision 1994 durch die schweizerische Bankiersvereinigung verhindert.458 Das Eintrittsrecht der Konkursverwaltung als zwingendes Recht sei durch Lösungsklauseln jedenfalls nicht direkt betroffen und ein Eingriff in das Verwalterwahlrecht nur faktische Folge der Vertragsauflösung.459 Nur wenn in Lösungsklauseln eine Gesetzesumgehung zu sehen sei, wären die Klauseln nichtig.460 Allerdings komme eine Gesetzesumgehung von Art. 211 Abs. 2 SchKG nicht in Betracht, da die Auslegung der Norm ergebe, dass diese keine materiellen Ge- oder Verbot enthalte. 461 Mithin besteht das Eintrittsrecht der Insolvenzverwaltung nur, wenn der Vertrag selbst keine Auflösungsmöglichkeit vorsieht. Das SchKG treffe in Art. 211 Abs. 2 jedenfalls keine materielle Regelung, welche die Vertragsfreiheit einschränke.462 „Im Vordergrund steht wohl das Argument, dass die Konkursverwaltung einen Vertrag so zu übernehmen hat, wie er im Zeitpunkt der Konkurseröffnung besteht, dass sie, m.a.W., bei ‚Eintritt in den Vertrag‘ die aus dem Vertrag fliessenden Rechte nur in dem Mass 453

Statt vieler Staehelin, AJP/PJA 2004, 363, 366. Spühler, in: FS Forstmoser, S. 677; Jeandin, in: Les effets de la faillite sur le contrat de durée, S. 92; Plenio, Das Erfüllungsrecht der Konkursverwaltung und schuldrechtliche Verträge im Konkurs, S. 117. 455 Spühler, in: FS Forstmoser, S. 677; Staehelin, AJP/PJA 2004, 363, 366. 456 Bericht des Bundesamtes für Justiz, BBl. I 1994, 1316, 1324. 457 BG, Urt. v. 26.10.1978, BGE 104 III 89, 90; Zobl, in: FS Walder, S. 536. 458 Bericht des Bundesamtes für Justiz, BBl. I 1994, 1316, 1320. 459 Plenio, Das Erfüllungsrecht der Konkursverwaltung und schuldrechtliche Verträge im Konkurs, S. 119. 460 Spühler, in: FS Forstmoser, S. 682. 461 Zobl, in: FS Walder, S. 536, 543. 462 Zobl, in: FS Walder, S. 537 f.; Schwob, in: BK-Art. 211 SchKG, Rn. 13. 454

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geltend machen kann, wie sie bei der Konkurseröffnung noch bestehen […]. Nur so kann letztlich die in Lehre und Rechtsprechung vertretene Ansicht, dass Art. 211 keine materiellrechtlichen Wirkungen haben soll, sondern als reine Verfahrensvorschrift im Sinne technischer Anweisungen an die Konkursverwaltung zu gelten hat, einheitlich durchgesetzt werden.“463

Damit stellt sich die Frage, ob es eine Wechselwirkung zwischen Insolvenzrecht und materiellem Recht geben kann. Denn zweifelsohne existiert auch materielles Insolvenzrecht. Sinn und Zweck des Wahlrechts sei aber nicht, die Vertragsfreiheit aufzuheben, sondern die Möglichkeit, über die weitere Bindung der Parteien in der Insolvenz zu entscheiden. Zwar gesteht Zobl, dass das Wahlrecht im Umfeld des materiellen Konkursrechts angesiedelt sei, es allerdings keine materiellrechtliche Bedeutung habe.464 Gegen diese reine verfahrensrechtliche Einordnung führen Borer und Müller an, dass Art. 211 Abs. 2 SchKG in einem Abschnitt des SchKG eingeordnet ist, in dem gleichwohl zwingende Eingriffe in materielles Recht stattfinden – so beispielsweise in Art. 208 Abs. 1 SchKG (Fälligstellung von Verbindlichkeiten des Schuldners durch die Konkurseröffnung).465 Daher überzeuge das Hauptargument der herrschenden Auffassung nicht. Zwar sei das Eintrittsrecht eine Norm aus dem Insolvenzverfahren. Jedoch seien die Bezüge zum Vertragsrecht und die direkten Auswirkungen auf Vertragsverhältnisse unverkennbar: Die Qualifikation des Vertragsverhältnisses durch das Wahlrecht habe beispielsweise erhebliche Auswirkungen auf den Bestand, die Befriedigung und das Erlöschen der Verbindlichkeiten, vgl. auch Art. 211a SchKG. Eigentlich gehöre Art. 211 SchKG damit zum materiellen Konkursrecht.466 Schlussendlich ließe sich daher aus dem verfahrensrechtlichen Charakter nicht ableiten, dass keine materiellrechtlichen Auswirkungen des Eintrittsrechts bestünden.467 Es sei künstlich, das Verfahrensrecht und das materielle Recht (Vertragsfreiheit) unterschiedlichen, isolierten rechtlichen Ebenen zuzuordnen, die Bestandteil einer einheitlichen Rechtsordnung sind.468

463

Schwob, in: BK-Art. 211 SchKG, Rn. 27; Staehelin, AJP/PJA 2004, 363, 366. Zobl, in: FS Walder, S. 538. 465 Borer/Müller, GesKR 2014, 77, 80, 81. 466 Plenio, Das Erfüllungsrecht der Konkursverwaltung und schuldrechtliche Verträge im Konkurs, S. 22. Zobl, in: FS Walder, S. 540 erkennt die Nähe zum materiellen Konkursrecht an (Masse soll vergrößert werden), verneint gleichwohl Auswirkungen auf das materielle Recht. 467 Plenio, Das Erfüllungsrecht der Konkursverwaltung und schuldrechtliche Verträge im Konkurs, S. 117; Borer/Müller, GesKR 2014, 77, 80. 468 So aber Schwob, in: BK-Art. 211 SchKG, Rn. 17. Dieses Spannungsverhältnis der Vertragsfreiheit zum zwingenden Insolvenzrecht wird noch näher rechtsvergleichend untersucht, vgl. § 6, A. und § 9, B. 464

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Kapitel 1: Länderberichte

Borer und Müller begründen letztlich die Zulässigkeit von Beendigungsklauseln im Gegensatz zu dem deutschen Recht und im Anschluss an den Bundesgerichtshof (IX ZR 169/11) mit der fehlenden Vorwirkung des Konkursrechts. Die Vertragsfreiheit gelte für alle vertraglichen Wirkungen bis zur Insolvenzeröffnung.469 Eine Vorwirkung könne nur durch die Insolvenzanfechtung erzielt werden; im Übrigen sei die Zulässigkeit von Lösungsklauseln eine reine Frage des Obligationenrechts.470 II. Systematische und teleologische Erwägungen der Lehre 1. Materiellrechtliche Grenzen der Vertragsfreiheit Da es das materielle Recht in der Schweiz zulässt, Kündigungsregelungen vertraglich zu vereinbaren, wurde bislang von einem Vorrang der Vertragsfreiheit (Art. 19 Abs. 1 OR) ausgegangen.471 Die herrschende Auffassung geht von der Wirksamkeit insolvenzbezogener Lösungsklauseln aus, sofern keine zwingenden materiellen Gesetzesvorschriften verletzt werden oder die Klauseln sittenwidrig sind, Art. 19 und 20 OR.472 So seien Lösungsklauseln ausnahmsweise nach materiellem Recht unwirksam – in der Vermieterinsolvenz wegen Art. 261 OR, der die Fortsetzung des Mietverhältnisses bestimmt, sowie in der Insolvenz des Arbeitnehmers, wenn kein wichtiger Grund gem. Art. 337 OR (Voraussetzungen der fristlosen Auflösung) vorliege.473 2. Verstoß gegen die Gläubigergleichbehandlung Die Insolvenzverwaltung hat eine optimale Vermögensverwertung für die Gläubigergesamtheit im Sinne einer conditio par creditorum anzustreben, vgl. Art. 240 SchKG. Damit sind die Verträge im Einzelfall auf ihre wirtschaftliche Vorteilhaftigkeit zu analysieren: die vorteilhaften sind zu erfüllen; die nachteiligen nur als Konkursforderung zuzulassen.474 Damit dient das Wahlrecht auch dazu, die Insolvenzmasse zu konstituieren – im Interesse der 469

Borer/Müller, GesKR 2014, 77, 80. Borer/Müller, GesKR 2014, 77, 81. 471 Zobl, in: FS Walder, S. 533 m.w.N. sowie die ältere Lehre Weydmann, Zweiseitige Verträge im Konkurs einer Vertragspartei (1958), Taillens, Des effets de la faillite sur les contrats du débiteur (1950), Blumenstein, Handbuch des Schweizerischen Schuldbetreibungsrechtes, (1911), 654 ff. 472 Zobl, in: FS Walder, S. 535 m.w.N.; Schwob, in: BK-Art. 211 SchKG, Rn. 13; Staehelin, AJP/PJA 2004, 363, 366; Plenio, Das Erfüllungsrecht der Konkursverwaltung und schuldrechtliche Verträge im Konkurs, S. 119. 473 Marchand, Précis de droit des poursuites, S. 190; BG, Urt. v. 21.3.2001, BGE 127 III 273, 276; Fritzsche/Walder-Bohner, Schuldbetreibung und Konkurs nach schweizerischem Recht, Bd. II, § 42, Fn. 32; Staehelin, AJP/PJA 2004, 363, 366. 474 Zobl/Werlen, Netting, S. 79; Spühler, in: FS Forstmoser, S. 674; vgl. auch Girsberger, Finanzierungsleasing, S. 325. 470

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Gläubigergesamtheit.475 Auch gegen den Grundsatz der Gläubigergleichbehandlung werde durch insolvenzbezogene Lösungsklauseln aber nicht verstoßen, da ein Vertrag mit Lösungsklausel bereits von Anfang an nicht in die Konkursmasse falle.476 Jedenfalls sei der Vertragsfreiheit der Vorrang eingeräumt – solange keine Anfechtung möglich ist.477 3. Ungewissheit in der Insolvenz Letztlich beruft sich die Lehre auf vielschichtige Gründe für die Vereinbarung insolvenzbezogener Beendigungsklauseln und akzeptiert diese, da keine direkte Umgehung des Wahlrechts beabsichtigt sei.478 Insolvenzverwalter sind heute mit komplexen Vertragswerken konfrontiert, die für die Wahlrechtsausübung nach Art. 211 Abs. 2 SchKG schwer zu überblicken sind.479 Dies gilt vor allem bei langfristigen Vertragsverhältnissen.480 Daraus folgt eine sehr restriktive Erfüllungswahl der Insolvenzverwalter, da diese auch haftungsrechtlich riskant sein kann.481 Ferner steht der Insolvenzverwalter nicht unter akutem Zugzwang, da das Eintrittsrecht nicht fristgebunden ist.482 Insofern spreche für Lösungsrechte, dass einfach, rechtssicher und schnell ein Vertrag beendet werden könne; gerade wenn Verträge besonderes vertrauensabhängig sind.483 Durch die Insolvenz sei das Vertrauen zwischen den Parteien aber erschüttert: ein unbekannter Verwalter übernehme die Entscheidungszuständigkeit, womit die Ungewissheit einhergeht, ob weiter erfüllt werde oder nicht. Daher solle es den Parteien überlassen bleiben, in vertragsautonomen Regelungen den Fortgang des Vertrags zu regeln.484 4. Vergleich mit gesetzlichen Lösungsrechten Da dem schweizerischen Recht viele gesetzliche Vertragsauflösungsrechte bekannt sind, soll im Rahmen der Vertragsfreiheit eine solche Regelung von den Vertragsparteien allgemein nachgezeichnet werden können.485 475

Zobl, in: FS Walder, S. 537 f. Zobl, in: FS Walder, S. 545. 477 Schwob, in: BK-Art. 211 SchKG, Rn. 13; Zobl/Werlen, Netting, S. 82. 478 Plenio, Das Erfüllungsrecht der Konkursverwaltung und schuldrechtliche Verträge im Konkurs, S. 117. 479 Spühler, in: FS Forstmoser, S. 674. 480 Spühler, in: FS Forstmoser, S. 675. 481 Spühler, in: FS Forstmoser, S. 678. 482 Spühler, in: FS Forstmoser, S. 676; Bericht des Bundesamtes für Justiz, BBl. 1994 I S. 1315, 1330. 483 Jeandin, in: Les effets de la faillite sur le contrat de durée, S. 93; Plenio, Das Erfüllungsrecht der Konkursverwaltung und schuldrechtliche Verträge im Konkurs, S. 117; Zobl, in: FS Walder, S. 538. 484 Zobl, in: FS Walder, S. 538. 485 Spühler, in: FS Forstmoser, S. 678. 476

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III. Anfechtungsmöglichkeit Sofern die Lösungsklauseln für wirksam erachtet werden, bleibt eine insolvenzrechtliche Anfechtung denkbar.486 Die Vertragsklauseln könnten zwar die Gläubigergesamtheit benachteiligen. Allerdings seien die drei denkbaren Anfechtungstatbestände regelmäßig nicht erfüllt.487 Sofern von einer Benachteiligung der Gläubigergesamtheit ausgegangen werden kann, mangele es bei der Schenkungspaulina nach Art. 286 SchKG an der Unentgeltlichkeit, bei der Überschuldungsanfechtung nach Art. 287 SchKG an der Inkongruenz. Ferner liegt der Zweck von Lösungsklauseln oft nicht in der Gläubigerbenachteiligung, sondern im Interesse der Vertragsparteien, sodass auch die Absichtsanfechtung nach Art. 288 SchKG ausscheide. Damit ist das Anfechtungsrisiko in der Schweiz sehr begrenzt. IV. Abweichende Ansichten 1. Generelle Unwirksamkeit von insolvenzbezogenen Lösungsklauseln Gegen die fast einhellige Meinung hat – soweit ersichtlich – nur Meier argumentiert. Lösungsklauseln werden zwar genutzt, weil in der Insolvenz Leistung und Gegenleistung infrage gestellt würden; aber vor allem auch dazu, um sich von Verträgen zu lösen, die sich später als nachteilig herausstellen.488 Für Meier sind vertragliche Lösungsrechte unwirksam, da erstens die Insolvenzmasse grundsätzlich eine gleichwertige Erfüllung anbieten könne, wenn sie in den Vertrag eintritt.489 Zweitens sei entscheidend, dass die Vertragsparteien keine Klauseln vereinbaren dürfen, die nicht sie selbst, sondern nur die spätere Konkursmasse binden – und damit die Gläubigergesamtheit.490 2. Einschränkung im Einzelfall bei Ausübung der Lösungsklauseln nach Konkurseröffnung oder entgegenstehenden Insolvenzzwecken Vereinzelt spricht sich die schweizerische Literatur zumindest dafür aus, die allgemeine Zulässigkeit der Lösungsrechte teilweise zu begrenzen. So werden diese kritisch und als unzulässig gesehen, wenn die Lösungsklauseln erst nach Konkurseröffnung ausgeübt werden und dann die Verfügungsmöglichkeit des Schuldners gegenüber der Masse entzogen ist,491 oder wenn aufgrund 486

Spühler, in: FS Forstmoser, S. 681; vgl. auch Staehelin, AJP/PJA 2004, 363, 371. Zobl, in: FS Walder, S. 545. 488 Meier, ZSR 1996, 277, 303. 489 Meier, ZSR 1996, 277, 303 f.: Grenze sei die Zumutbarkeit, wenn die Verwaltung beispielsweise Mängelgewährleistungen nicht anbieten könne. 490 Meier, ZSR 1996, 277, 304; unter Hinweis auf die Ansicht Henckels in der deutschen Lehre, vgl. § 6, B. 491 Plenio, Das Erfüllungsrecht der Konkursverwaltung und schuldrechtliche Verträge im Konkurs, S. 120; aber gleichzeitig einschränkend für Kaufverträge, die in den Anwen487

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einer Interessenabwägung der konkrete Zweck des Insolvenzverfahrens entgegensteht.492 Bopp spricht sich für eine Fortsetzung schwebender Verträge bei Sanierungsverfahren aus.493 V. Würdigung 1. Verfahrensrechtliche Einordnung des Verwalterwahlrechts Mit dieser Vielzahl an typischen Argumenten werden vertragliche Lösungsklauseln letztlich für wirksam erachtet. Die Vertragsfreiheit erhält folglich Vorrang vor den zwingenden insolvenzrechtlichen Normen. Art. 211 SchKG bleibt nach herrschender Ansicht eine zwingende, aber rein verfahrensrechtliche Norm.494 Damit hat sich in der Schweiz ein Dogma verfestigt, dass das Vollstreckungsrecht keine Eingriffe in das materielle Recht duldet. In diesem Sinne hat bereits das Bundesgericht die Vertragsfreiheit hochgehalten: „Eingriffe in die Vertragsabwicklung sind nur soweit gerechtfertigt, als sie zur Durchführung der Zwangsvollstreckung unumgänglich sind.“495

Die Expertenkommission zur Revision des SchKG im Jahr 1994 schlug beispielsweise vor, eine generelle Vertragsaufhebung für alle Verträge einzuführen, die die Masse als Geldschuld zu erfüllen hätte.496 Unter Verweis darauf, dass das Verfahrensrecht nicht in das materielle Recht eingreifen solle, wurde der Vorschlag abgelehnt.497 Die strenge Trennung zwischen Verfahrens- und materiellem Recht erschwert allerdings im Insolvenzrecht notwendige Wechselwirkungen zum Vertragsrecht. Die Sanierungsmöglichkeiten des schweizerischen Rechts richten sich alleine nach materiellem Recht: das „SchKG ist nicht der Ort, eigentliche Reorganisationsvorschriften […] festzulegen. Das SchKG bleibt Werkzeug zur Verwirklichung des materiellen Rechts […]“.498 dungsbereich des Art. 212 SchKG fallen; Borer/Müller, GesKR 2014, 77, 81; Bürgi, in: SchKG Kurzkommentar (Hrsg. Hunkeler), Art. 211, Rn. 8 („Als zulässig […], dass diese in einer ‚logischen Sekunde‘ vor Konkurseröffnung stattfindet.“). 492 Girsberger, Finanzierungsleasing, S. 327 (beispielweise, wenn das Verfahren auf die Sanierung ausgerichtet ist). 493 Bopp, Sanierung im Internationalen Insolvenzrecht der Schweiz, S. 130 setzt sich im Kontext mit der Anerkennung ausländischer Sanierungsverfahren am Rande mit der Vertragsbeendigung in der Insolvenz auseinander. 494 Botschaft über die Änderung des Bundesgesetzes über Schuldbetreibung und Konkurs, SchKG vom 8.5.1991, BBl. 1991 III, 284, 5; Bericht des Bundesamtes für Justiz, BBl. 1994 I 1315, 1316. 495 BG, Urt. v. 26.10.1978, BGE 104 III 84, 89. 496 Schwob, in: BK-Art. 211 SchKG, Rn. 7. 497 Botschaft über die Änderung des Bundesgesetzes über Schuldbetreibung und Konkurs SchKG vom 8.5.1991, BBl. 1991 III, 284, 125. 498 Botschaft über die Änderung des Bundesgesetzes über Schuldbetreibung und Konkurs SchKG vom 8.5.1991, BBl. 1991 III, 284, 8, 9.

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Wenn Borer und Müller die Wirksamkeit von Lösungsklauseln unter Hinweis auf das deutsche Recht auf eine mangelnde „Vorwirkung“ des schweizerischen Insolvenzrechts stützen, handelt es sich um ein ähnliches Argument: Ein Verbot einer insolvenzbezogenen Lösungsklausel kann auf eine „Vorwirkung“ zumindest in dem Fall verzichten, dass die Lösungsklausel an die Insolvenzeröffnung selbst anknüpft. Dann fällt die Wirkung der Klausel in dieselbe juristische Sekunde mit der Verfahrenseröffnung, sodass es einer „Vorwirkung“ nicht bedarf. Eine solche Klausel soll aber nach schweizerischem Recht ebenfalls wirksam sein. Letztlich argumentiert die Auffassung also wieder für eine umfassende und absolute Trennung zwischen materiellem Vertragsrecht und Insolvenzrecht bis zum Zeitpunkt der Insolvenzeröffnung. Im Übrigen betrifft die vom Bundesgerichtshof in Deutschland (Urt. v. 15.11.2012 – IX 169/11) erkannte „Vorwirkung“ nur die Lösungsklauseln, die vor der eigentlichen Insolvenzeröffnung greifen. Sie ist daher eine zeitliche Ausdehnung des Umgehungsverbotes aus § 119 InsO. Unabhängig von der Reichweite des Umgehungsverbots wirkt eine insolvenzverfahrensrechtliche Norm materiellrechtlich als Einschränkung der Vertragsfreiheit.499 2. Einschränkende Literaturansichten An der ganz herrschenden Auffassung in der Schweiz ändern auch die wenigen differenzierenden Ansichten kaum etwas. Lösungsklauseln greifen tendenziell unmittelbar vor bzw. mit der Insolvenzeröffnung. Die in der Literatur vertretenen Einschränkungen von Lösungsrechten für die Zeit nach Insolvenzeröffnung greifen in diesen Hauptfällen nicht ein. Wann konkret eine nach Girsberger unzulässige, insolvenzzweckwidrige Lösungsklausel bei einer Ausrichtung des Verfahrens auf die Sanierung vorliegt und welche Interessen zu berücksichtigen sind, wird nicht näher dargelegt.500 Letztlich dürfte es um eine Abwägung im Einzelfall gehen, die den Gleichheitssatz, die Interessen der Parteien und die Zumutbarkeit für die Parteien berücksichtigen soll.501 Von der grundsätzlichen Zulässigkeit von Lösungsklauseln weichen diese differenzierenden Ansichten schlussendlich nicht maßgeblich ab. 3. Unzureichende gesetzliche Regelung des Wahlrechts Die Revision des SchKG im Jahr 1994 stellte bereits gewisse Unzulänglichkeiten des geltenden Verwalterwahlrechts fest: Insbesondere die fehlende zeitliche Gewissheit über die Ausübung des Eintrittsrechts wurde gerügt; aber 499

Vgl. ausführlich § 3, A. und § 11. Girsberger, Finanzierungsleasing, S. 327. 501 Zobl, in: FS Walder, S. 543 für die grundsätzliche Zulässigkeit von Lösungsklauseln – zieht unter Hinweis auf die deutsche Lehre aber in Erwägung, Lösungsklauseln an einen sachlichen Grund zu binden, wie dies bei Fixgeschäften regelmäßig der Fall sei. 500

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auch das denkwürdige Verhältnis zwischen Art. 83 OR (Recht auf Sicherheitenstellung und Rücktritt des Gläubigers in der Insolvenz) und Art. 211 Abs. 2 SchKG und die Rechtsfolgen der Erfüllungsablehnung; außerdem fehle eine abschließende Bewertung der Zulässigkeit vertraglicher Lösungsklauseln.502 Die Revision von 1994 klärte gleichwohl die Rechtslage in diesen Fragen nicht.503 Vielmehr wurde nur der Art. 211 Abs. 2bis SchKG neu eingefügt – eine Regelung für den Finanzbereich. Interessanterweise hatten vier der fünf Mitglieder der Kommission enge Verbindungen in den Finanzsektor.504 Auch durch die Einführung von Art. 211 Abs. 2bis SchKG zur Wirksamkeit von Lösungsklauseln in Finanzverträgen haben sich keine Änderungen für andere Verträge ergeben; die Neuregelung ist eine abschließende Regelung für die erfassten Fix- und Finanzverträge.505 Vor allem fehlt im schweizerischen Recht eine klare Regelung, wonach der Vertragspartner die Schwebelage eines laufenden Vertragsverhältnisses kurzfristig beenden und dem Vertragspartner Gewissheit über das Schicksal des Vertrags verschaffen kann. Ihm steht nur der Umweg über Art. 83 OR zur Verfügung, also der Aufforderung, in kurzer Frist hinreichende Sicherheiten zu stellen. Bei der nur bedingt klaren Rechtslage ist es nicht verwunderlich, dass sich die Kautelarpraxis insolvenzbezogenen Lösungsklauseln bedienen möchte. Derzeit wird die Vertragsfreiheit weitgehend geschützt, wohingegen die insolvenzrechtlichen Interessen an zweite Stelle rücken. C. Österreich Ursprünglich wurden in Österreich vertragliche Lösungsrechte im Insolvenzfall sehr liberal bewertet. Um den allmählichen Wandel bei Lösungsrechten besser nachvollziehen zu können und vor allem mit der deutschen Rechtsentwicklung zu vergleichen, ist ein historischer Abriss der österreichischen Geschichte zu Lösungsklauseln hilfreich (§ 3, C., I.). Gerade im Vergleich zu Deutschland bietet das österreichische Insolvenzrecht interessante parallele Entwicklungen: In der Reform 2010 wechselte das österreichische Recht ebenfalls von der Dichotomie der Konkursordnung und Ausgleichsordnung zu einem einheitlichen Insolvenzverfahren wie die deutsche Insolvenzordnung im Jahr 1999. Im Unterschied zum deutschen Recht wurden vertragliche, insolvenzbezogene Lösungsklauseln aber klar geregelt (§ 3, C., II.).

502

Bericht des Bundesamtes für Justiz, BBl. 1994 I S. 1315, 1318. Schwob, in: BK-Art. 211 SchKG, Rn. 17. 504 Bericht des Bundesamtes für Justiz, BBl. 1994 I S. 1315. 505 Plenio, Das Erfüllungsrecht der Konkursverwaltung und schuldrechtliche Verträge im Konkurs, S. 125. 503

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I. Historische Entwicklung Für das Konkursverfahren nahmen Rechtsprechung und Lehre bisher einen Vorrang des Zivilrechts vor den insolvenzrechtlichen Regelungen an.506 Folglich hatte sich in der OGH-Rechtsprechung der Rechtssatz in ständiger Rechtsprechung etabliert, dass „[d]ie Bestimmungen des § 21 KO beziehungsweise des § 20a AO […] vertragsmäßige oder gesetzliche Rücktrittsrechte nicht [hindern]; dies gilt namentlich für den Fall, daß der andere Teil vertraglich berechtigt ist, im Falle der Eröffnung des Konkursverfahrens oder des Ausgleichsverfahrens zurückzutreten.“507

Damit stand das in § 21 KO (Konkursordnung) normierte Wahlrecht des Insolvenzverwalters zu unerfüllten Verträgen weder gesetzlichen noch vertraglich vereinbarten Möglichkeiten der Vertragsbeendigung entgegen. Für den OGH war „kein Grund ersichtlich“,508 privatautonom vereinbarten vertraglichen Rücktrittsrechten die Wirkung zu versagen. Das Gericht räumte der Vertragsfreiheit einen höheren Stellenwert ein und verneinte ein entgegenstehendes Interesse des Masseverwalters, den Betrieb möglicherweise fortzuführen.509 Diese Ansicht untermauerte der OGH auch rechtsvergleichend unter Verweis auf Wilhelm510 und die damalige Ansicht des deutschen Bundesgerichtshofs.511

506

Konecny, ZIK 2010, 82, 84. Rechtssatz RS0018324. Ständige Rechtsprechung: OGH, Urt. v. 23.2.1966 – 6 Ob 9/66; OGH, Urt. v. 25.11.1969 – 8 Ob 180/69; OGH, Urt. v. 14.11.1972 – 8 Ob 234/72; OGH, Urt. v. 5.6.1984 – 1 Ob 593/84; OGH, Urt. v. 31.8.1992 – 8 Ob 539/91; OGH, Beschl. v. 12.4.2001 – 8 Ob 234/00w; OGH, Beschl. v. 25.10.2001 – 8 Ob 222/01g. 508 OGH, Urt. v. 31.8.1992 – 8Ob539/91. Bereits im Jahr 1966 billigte der OGH ohne nähere Erörterungen, dass einem vertraglichen Rücktrittsrecht auch der Konkurs, namentlich § 21 KO bzw. § 20a AO, nicht entgegenstünde: OGH, Urt. v. 23.2.1966 – 6Ob 9/66, HS 5322/32. Ferner stellte der OGH in einer anderen Entscheidung die Interessen des Vertragspartners im Insolvenzfall in den Vordergrund: „Wird aber das einem Vertragspartner eingeräumte Rücktrittsrecht – wie im vorliegenden Fall – von Umständen abhängig gemacht, die die Erfüllungsbereitschaft und -fähigkeit des anderen Geschäftspartners ernstlich gefährden, so kann von einer Ungleichgewichtslage, die – unter Berücksichtigung der Umstände des Einzefalles (vgl. Krejci in: Rummel, ABGB, Rz 240 zu § 879) – zur Sittenwidrigkeit der Konventionsstrafvereinbarung führen könnte, keine Rede sein.“ – OGH, Urt. v. 17.12.1986 – 8Ob651/86. 509 OGH, Urt. v. 31.8.1992 – 8Ob539/91: „Wegen des Interesses an einer möglichen Betriebsfortführung im Konkursfalle ist eine solche privatautonome Regelung jedenfalls nicht ausgeschlossen, eine positiv rechtliche Anordnung steht ihr entgegen der Ansicht des Revisionswerbers nicht entgegen.“ 510 Wilhelm, RdW 1986, 363, passim. 511 OGH, Urt. v. 31.8.1992 – 8Ob539/91. Vgl. hierzu BGH, Urt. v. 26.9.1985 – VII ZR 19/85, BGHZ 96, 34. 507

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Vor dem OGH wurde vorgetragen, dass § 25a KO vertraglich vereinbarten Rücktrittsrechten entgegenstünde, da der Vertrag für den Masseverwalter im Hinblick auf die gesetzlich gewünschte Sanierung wertvoll sei. Die Gegenseite verteidigte sich, dass Lösungsrechte dem Verwalter kein Recht entziehen, sondern dem Vertragspartner ein Recht einräumen würden. Der OGH selbst hat sich zu diesen Argumenten nicht geäußert.512 Bemerkenswert ist, dass die Konkursordnung in der Fassung bis zum 30. Juni 2010 in § 25a lautete: „Auf Vereinbarungen, wodurch die Anwendung der §§ 21 bis 25 im Voraus ausgeschlossen oder beschränkt wird, können sich die Vertragsteile nicht berufen.“

Diese Norm ist nahezu wortgleich mit dem heutigen § 119 dt. InsO. Auf diese Norm hat sich der BGH in seiner Entscheidung vom 15. November 2012 – IX ZR 169/11 maßgeblich gestützt, als er vertragliche Lösungsrechte in Energielieferungsverträgen für unwirksam erklärte (vgl. § 3, A., I.). Auch die österreichische Lehre hat ausführlicher diskutiert, ob aus § 25a KO ein Verbot von Lösungsklauseln abgeleitet werden kann. Insofern hat Gamerith in Lösungsklauseln eine nach § 25a KO unzulässige Beschränkung des Verwalterwahlrechts gesehen; Kepplinger/Duursma gingen davon aus, dass Lösungsklauseln nur unter strengen Voraussetzungen zulässig sein sollen und ein wichtiger Grund hierzu vorhanden sein muss. Andernfalls könne das Erfüllungsrecht des Verwalters beschränkt und die Pflicht des Verwalters zur Unternehmensfortführung nach § 114a KO unterlaufen werden.513 Die überwiegende Ansicht hielt hingegen vertragliche Lösungsklauseln für wirksam.514 Ein wichtiges Argument e contrario bestand darin, dass

512

OGH, Urt. v. 31.8.1992 – 8Ob539/91. Der OGH zitiert stattdessen nur die Berufungsinstanz: „Nach dem klaren Wortlaut und Sinn der Bestimmung des § 25a KO würden von dieser nur jene vor Konkurseröffnung getroffenen Vereinbarungen erfaßt, durch die Rechte des Masseverwalters im Sinne der §§ 21–25 KO ausgeschlossen oder beschränkt werden, hier im Sinne des § 21 KO das Recht, wahlweise den Vertrag zu erfüllen und Erfüllung zu verlangen oder vom Vertrag zurückzustehen. Zwingendes Recht enthalte § 21 KO nur insoweit, als dieses Recht des Masseverwalters ausgeschlossen oder beschränkt würde. Durch die Vereinbarung der ÖNorm 2060 und seines Punktes 2.19.1.2 würde dieses Wahlrecht nicht berührt, denn damit würde lediglich auch der beklagten Partei das Recht eingeräumt, im Konkursfalle vom Vertrag zurückzutreten.“ 513 Kepplinger/Duursma, wobl 2001, 33, 40 m.w.N. 514 Vgl. Wilhelm, RdW 1986, 363, 366, der seine Ansicht durch Verweis auf BGH, Urt. v. 26.9.1985 – VII ZR 19/85, BGHZ 96, 34 untermauert. Konecny, in: Festschrift Heinz Krejci zum 60. Geburtstag: zum Recht der Wirtschaft (Hrsg. Bernat/Böhler/Weilinger), Vertragsauflösung wegen Zahlungsverzugs und Schuldnerinsolvenz, S. 1820; Fichtinger/ Foglar-Deinhardstein, ÖBA 2010, 818, 819 f.

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Kapitel 1: Länderberichte

speziell in der Ausgleichsordnung in § 20e AO und in § 19 URG515 (Unternehmensreorganisationsgesetz) ein Verbot von vertraglichen Lösungsrechten vorgesehen war. § 20e AO lautete: „(1) Auf Vereinbarungen, wodurch die Anwendung der §§ 20a bis 20d [Regelungen des Wahlrechts] im Voraus ausgeschlossen oder beschränkt wird, können sich die Vertragsteile nicht berufen. (2) Die Vereinbarung eines Rücktrittsrechts oder der Vertragsauflösung für den Fall der Eröffnung eines Ausgleichsverfahrens ist unzulässig, […].“

Das Insolvenzrechtsänderungsgesetz 1997 ergänzte § 20e Abs. 1 AO516 um Abs. 2.517 Ziel war es, die Unternehmensfortführung im Ausgleichsverfahren zu erleichtern,518 indem wichtige Verträge aufrechterhalten werden sollten. Da Lösungsklauseln verbreitet waren, sah der Gesetzgeber eine Gefahr für die Sanierung, wenn der Vertragspartner die Geschäftsverbindungen abbrechen kann.519 Da das Ausgleichsverfahren auf 90 Tage beschränkt war, sei die Ungewissheit der Vertragsfortführung für den Vertragspartner überschaubar – zumal Lösungsrechte für den Fall der wirtschaftlichen Verschlechterung des Schuldners unberührt bleiben sollten.520 Insofern war der Ausgleichsordnung ein explizites Verbot von Lösungsklauseln zu entnehmen. Die gesetzlichen Regelungen waren allerdings auf das Ausgleichsverfahren beschränkt. Da

515

§ 19 URG lautet: „Die Vereinbarung eines Rücktrittsrechts, der Vertragsauflösung oder der Fälligkeit eines zugezählten Kredits für den Fall der Einleitung eines Reorganisationsverfahrens ist unzulässig.“ 516 Entspricht heute dem § 25b Abs. 1 IO. 517 Die Norm geht auf § 83 Abs. 4 AO a.F. zurück und entspricht heute dem § 25b Abs. 2 IO. In der späteren Fassung des § 20e AO wurde der Gedanke des § 83 Abs. 4 AO a.F. übernommen, allerdings enger gefasst, vgl. Jelinek, wbl 2010, 377, 385. § 83 Abs. 4 AO a.F. lautete: „Im Vorverfahren sind die §§ 20b bis 20d nicht anzuwenden. Bestimmungen anderer Gesetze über die Lösung von Verträgen bleiben unberührt. Auf Vereinbarungen und sonstige vor der Eröffnung des Vorverfahrens vorgenommene Rechtshandlungen, mit denen der Eröffnung dieses Verfahrens eine dem Schuldner nachteilige Wirkung oder Rechtsfolge beigelegt wird, ist § 20e anzuwenden [Anm. damals gab es nur §20e Abs. 1 AO ].“ Diese Norm wurde durch das Insolvenzrechtsänderungsgesetz 1982 (BGBl. 1982, S. 1887, 1900.) eingeführt und bezog sich auf ein besonderes Vorverfahren, das dem Ausgleichsverfahren vorgeschaltet war. Das Vorverfahren diente der Unternehmensfortführung, vgl. § 81 Abs. 1 AO a.F. Damals regelten §§ 20b bis 20d AO bereits das Wahlrecht des Ausgleichsverwalters, welches im Vorverfahren unanwendbar war. Zur Interpretation des § 83 Abs. 4 AO a.F. gibt es keine Rechtsprechung. Denn bereits durch das Insolvenzrechtsänderungsgesetz 1997 wurde das ganze Vorverfahren wieder abgeschafft, da es in der Praxis nicht angenommen wurde (BGBl. I 114/1997, S. 1443; 734 d. Beilagen XX. GP, S. 57.). 518 734 d. Beilagen XX. GP, S. 34. 519 734 d. Beilagen XX. GP, S. 55. 520 734 d. Beilagen XX. GP, S. 55.

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also eine vergleichbare Regelung in der Konkursordnung nicht existierte, sollte im Umkehrschluss ein der AO entsprechendes Verbot ausscheiden.521 Weiter ging Wilhelm davon aus, dass dem „Partner kein werbendes Unternehmen mehr gegenüber steht, das an seinem wirtschaftlichen Ruf interessiert ist, sondern eines, dessen Zerschlagung beschlossen ist und dem die besten Kräfte davonlaufen.“522 Insofern sei dem Vertragspartner ein Zuwarten bis zur Entscheidung des Verwalters nicht zumutbar, sodass die im Insolvenzverfahren immanente Ungewissheit als Kündigungsgrund genügt.523 Auch reiche es nicht aus, Gestaltungsrechten ihre Wirkung zu versagen, wenn diese dem Konkurszweck der Sanierung entgegenstünden.524 Schlussendlich wurde im Hinblick auf § 25a KO hinsichtlich Mietverträgen anerkannt, dass das Recht des Verwalters nach § 23 Abs. 1 KO (jetzt § 23 IO), Verträge unter Einhaltung der gesetzlichen oder der kürzeren vertraglichen Kündigungsfrist durch Kündigung oder nach §§ 1117 f. ABGB aufzulösen, nicht vertraglich beschränkt werden kann.525 Damit wurde genau der umgekehrte Fall von vertraglichen Lösungsklauseln, die zugunsten des solventen Vertragspartners wirken, behandelt: Es ging um die Vertragsbeendigung durch den Verwalter, die geschützt wurde. Ebenfalls standen bislang die Insolvenzgesetze auch den gesetzlichen Vertragsbeendigungsmöglichkeiten des Vermieters nach § 1118 ABGB nicht entgegen, die eine Vertragsbeendigung für vorinsolvenzlichen Zahlungsrückstand ermöglichten.526 Auch bei Arbeitsverträgen hat der OGH eine Ausnahme von der grundsätzlichen Wirksamkeit von gesetzlichen Rücktrittsrechten gemacht: In § 26 Z 2 AngG527 ist ein Lösungsrecht für den Zahlungsverzug in Arbeitsverträgen 521 Konecny, in: FS Krejci, S. 1809, 1820; Fichtinger/Foglar-Deinhardstein, ÖBA 2010, 818, 819. 522 Wilhelm, RdW 1986, 363, 365. 523 Nach § 91a KO a.F. war die Berichtstagsatzung nach 90 Tagen anzusetzen. 524 Wilhelm, RdW 1986, 363, 365. 525 OGH, Urt. v. 17.3.1978 – 5Ob 301/78; OGH, Urt. v. 27.4.1982 – 5 Ob 316/81; OGH, Urt. v. 25.10.2001 – 8 Ob 222/01g. 526 OGH, Urt. v. 19.10.2000, 2Ob213/99h unter Hinweis auf das Berufungsgericht: „Die dem Vermieter nach § 1118 ABGB zustehenden Rechte würden durch die Konkurseröffnung nicht berührt. Jeglicher qualifizierte Mietzinsrückstand bilde einen Aufhebungsgrund nach § 1118 zweiter Fall ABGB, sei er nun vor oder nach der Konkurseröffnung entstanden. Verfehlt sei die Ansicht des Erstgerichtes, Mietzinsrückstände aus der Zeit vor der Konkurseröffnung seien noch nicht fällig. Die mit der Konkurseröffnung eintretende Prozess- und Exekutionssperre hebe die Fälligkeit einer Forderung nicht auf. Das Auflösungsrecht des Vermieters nach § 1118 ABGB werde auch nicht durch § 23 Abs. 1 KO beschränkt. Danach könnten sowohl Vermieter als auch Masseverwalter das Bestandverhältnis auf Grund der Konkurseröffnung vorzeitig aufkündigen.“ 527 § 26 Angestelltengesetz (AngG): „Als ein wichtiger Grund, der den Angestellten zum vorzeitigen Austritte berechtigt, ist insbesondere anzusehen: […] 2.wenn der Dienstgeber das dem Angestellten zukommende Entgelt ungebührlich schmälert oder vorenthält,

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vorgesehen. Gleichwohl hat der OGH in ständiger Rechtsprechung anerkannt, dass im Konkurs- und Ausgleichsverfahren rückständige Lohnzahlungen nicht zur Vertragsauflösung berechtigten.528 Diese Rechtsprechung ist heute in § 25 Abs. 3 IO kodifiziert.529 Nur ausnahmsweise hat der OGH im Rahmen der Sittenwidrigkeit nach § 879 Abs. 1 ABGB Auflösungsrechte für unwirksam gehalten:530 Hiernach war eine Lösungsklausel sittenwidrig, die einem Lizenznehmer ein Softwarenutzungsrecht entschädigungslos entzog, obwohl dieser das einmalige Entgelt bereits gezahlt hatte. Schutzwürdige Interessen für den Lizenzgeber wären nicht zu erkennen. Schließlich waren auch Klauseln in einem Leasingvertrag AGB-rechtlich für unwirksam erklärt worden, die nicht die Gefährdung der Rechtsposition des Vertragspartners erforderten, was das maßgebliche Kriterium für die vorzeitige Beendigung eines Leasingvertrags war.531 ihn bei Naturalabzügen durch Gewährung ungesunder oder unzureichender Kost oder ungesunder Wohnung benachteiligt oder andere wesentliche Vertragsbestimmungen verletzt; […].“ 528 Bei Konkursverfahren: OGH, 8 ObS 4/96, Urt. v. 25.4.1996 – 8 ObS 4/96 („Nach ständiger Rechtsprechung ergibt sich aber aus dem im § 26 Z 2 AngG verwendeten Wort ‘vorenthält‘, daß sich der Dienstgeber bewußt sein muß, den Dienstnehmer in seinen gesetzmäßigen Entgeltansprüchen zu schmälern (ArbSlg 8.900; 10.147; 9 ObA 186/87). Gerade das ist aber dann nicht der Fall, wenn der Masseverwalter vom Gemeinschuldner verursachte Lohnrückstände auf Grund der Bestimmungen der Konkursordnung gar nicht bezahlen darf. Ebenso wie die Ansprüche aller anderen Gläubiger wandelt sich auch jener des Arbeitnehmers auf Bezahlung rückständigen Lohnes in einen Konkursteilnahmeanspruch um. Diese geänderte rechtliche Qualität nimmt ihm aber die Eignung, den vorzeitigen Austritt gemäß § 26 Z. 2 AngG gegenüber dem Masseverwalter zu begründen.“). Bei Ausgleichsverfahren: OGH, Urt. v. 3.11.1999, 9 ObA 189/99f („Demgemäß war der Arbeitgeber und Ausgleichsschuldner zum maßgeblichen Zeitpunkt des Austrittes an die Bestimmungen der Ausgleichsordnung und die Weisungen des Ausgleichsverwalters gebunden und nicht berechtigt, die Ausgleichsforderung des Klägers außerhalb der Abwicklung des Ausgleichsverfahrens sofort und vollständig auszuzahlen. Es sind daher die Grundsätze der Rechtsprechung ZIK 1996, 131 = SZ 69/106 und 8 ObS 2030/96d auch auf den Ausgleichsfall anzuwenden. Das bedeutet, daß eine Berechtigung zum Austritt auch gegenüber dem Arbeitgeber und Ausgleichsschuldner in diesem Falle wegen eines vor Ausgleichseröffnung entstandenen Entgeltrückstandes nicht gegeben ist. Eine Benachteiligung des Arbeitnehmers durch die ihm dadurch genommene Möglichkeit des vorzeitigen Austrittes nach Ausgleichseröffnung wegen ‘alter‘ Entgeltrückstände wird durch die Sicherung dieser Forderungen nach dem IESG wettgemacht. Entgeltrückstände, die nicht bevorrechtet sind, dürfen nicht in einer gegen die Grundsätze der Gleichbehandlung der Gläubiger im Ausgleich, die kein Vorrecht genießen (§ 46 Abs. 3 AO), verstoßenden Weise begünstigt gezahlt werden (8 ObS 207/98v). Zur Vermeidung von Wertungswidersprüchen ist daher auch ein berechtigter Austritt wegen des Entgeltrückstandes vor Ausgleichseröffnung nicht möglich (Liebeg, IESG2 51).“). 529 Vgl. detailliert und mit weiteren Nachweisen Kernbichler, JBl 2015, 409, 410 f. 530 OGH, Urt. v. 28.1.2009 – 1 Ob 145/08t. 531 Vgl. zu § 20e AO: OGH, Urt. v. 8.9.2009, 4Ob59/09v.

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Insgesamt war die Rechtsprechung von Ausnahmen für einzelne Vertragstypen geprägt. Auch für die unterschiedlichen Insolvenzverfahren gab es verschiedene Lösungsansätze – teilweise gesetzlich geregelt, teilweise ohne gesetzliche Regelung, aber jedenfalls in der Literatur umstritten. Eine solche Rechtslage trug nicht zur Rechtssicherheit bei. Die Rechtslage änderte sich im Jahr 2010 grundlegend. II. Reform von 2010: Einschränkungen insolvenzbezogener Vertragsklauseln Die Reform von 2010 beabsichtigte, die Unternehmenssanierung im Bereich der Vertragsverhältnisse zu erleichtern.532 Erstmals regelte der Gesetzgeber übergreifend für alle Arten des Insolvenzverfahrens (neues Einheitsverfahren) in den §§ 25a, 25b IO explizit, inwieweit vertragliche Lösungsklauseln und gesetzliche Kündigungsrechte in der Insolvenz eingeschränkt sind oder ausgeübt werden können:533 „§ 25a IO (1) Wenn die Vertragsauflösung die Fortführung des Unternehmens gefährden könnte, können Vertragspartner des Schuldners mit dem Schuldner geschlossene Verträge bis zum Ablauf von sechs Monaten nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens nur aus wichtigem Grund auflösen. Nicht als wichtiger Grund gilt 1. eine Verschlechterung der wirtschaftlichen Situation des Schuldners und 2. Verzug des Schuldners mit der Erfüllung von vor Eröffnung des Insolvenzverfahrens fällig gewordenen Forderungen. (2) Die Beschränkungen des Abs.1 gelten nicht, 1. wenn die Auflösung des Vertrags zur Abwendung schwerer persönlicher oder wirtschaftlicher Nachteile des Vertragspartners unerlässlich ist, 2. bei Ansprüchen auf Auszahlung von Krediten und 3. bei Arbeitsverträgen. § 25b IO (1) Auf Vereinbarungen, wodurch die Anwendung der §§ 21 bis 25a im Verhältnis zwischen Gläubiger und Schuldner im Voraus ausgeschlossen oder beschränkt wird, können sich die Vertragsteile nicht berufen. (2) Die Vereinbarung eines Rücktrittsrechts oder der Vertragsauflösung für den Fall der Eröffnung eines Insolvenzverfahrens ist unzulässig, außer bei Verträgen nach § 20 Abs. 4.“

Die Normen greifen in die Privatautonomie ein und regeln inhaltlich den Bestand der Vertragsbeziehungen.534 Beide Normen spielen als einheitlicher Regelungskomplex zusammen, um Sanierungschancen durch die vertraglichen Bindungen des Vertragspartners zu erhöhen.535

532

Bericht des Justizausschusses vom 13. April 2010, 651 d. Beilagen XXIV. GP. Ausführlich zur Neuregelung Nunner-Krautgasser, ZInsO 2011, 2068, passim. 534 Konecny, ZIK 2010, 82, 84. 535 Kernbichler, ZIK 2014, 42, 43. 533

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1. Funktionsweise und Telos der §§ 25a, b IO § 25a IO führt eine neue allgemeine Auflösungssperre für Vertragsverhältnisse ein. Diese wirkt mit § 25b Abs. 2 IO zusammen, der Lösungsklauseln auf den Insolvenzfall für unwirksam erklärt. Der Gesetzgeber bewertete die bislang zulässigen Kündigungen auf den Insolvenzfall als Behinderung der Sanierungsbemühungen im Insolvenzverfahren.536 Denn ohne die notwendigen Verträge ist eine Fortführung der Unternehmung oft nicht möglich, sodass Sanierungsbemühungen von Anfang an scheitern.537 Sanierungen seien vor allem in Gefahr, wenn Verträge über wiederkehrende Leistungen, wie Energielieferungsverträge, zulässigerweise gekündigt werden können.538 Ziel des Gesetzgebers war es, die Sanierung im Insolvenzverfahren zu fördern: Die Neuregelungen sollen dem Schuldner Spielraum für einen gewissen Zeitraum verschaffen, um agieren und eine Sanierung vorbereiten zu können.539 Insbesondere Unternehmen, die unverschuldet in die Krise gefallen sind, sollen unterstützt werden.540 Die Regelungen sollen dem insolventen Unternehmen als Schutzschild für sechs Monate dienen und dem Schuldner überlebensnotwendige Verträge erhalten, die beispielsweise die Infrastruktur betreffen, wie Stromlieferverträge oder Telefonverträge.541 Daher wurden die Regelungen aus § 20e Ausgleichsordnung übernommen und um die Ausübungssperre ergänzt. Rechtsvergleichend wurde in der Gesetzesbegründung auf den ähnlichen „automatic stay“, d.h. den Vollstreckungsschutz542 des U.S.-Rechts, rekurriert sowie auf UNCITRAL verwiesen, das empfiehlt, Lösungsklauseln auf den Insolvenzfall zu verbieten.543 Die Schutzmaßnahmen zur Sanierung seien nach der Gesetzesbegründung zulässig, da die fortgesetzten Verträge als Masseverbindlichkeiten vorrangig zu befriedigen sind und der Vertragspartner vor Vorleistungen nach § 21 Abs. 3 IO geschützt wird.544 Gleichwohl ist das Verbot der Lösungsklauseln kritisiert worden. Es wurde vorgetragen, dass ein Verbot von Lösungsklauseln auf den Insolvenzfall den 536

Bericht des Justizausschusses vom 13. April 2010, 651 der Beilagen XXIV. GP. Konecny, ZIK 2010, 82, 84; vgl. auch Fichtinger/Foglar-Deinhardstein, ÖBA 2010, 818, 820. 538 612 d. Beilagen XXIV. GP, S. 5. 539 Bericht des Justizausschusses vom 13. April 2010, 651 der Beilagen XXIV. GP; Bericht des Justizausschusses vom 4. Mai 2010, 8304 der Beilagen zu den Protokollen des Bundesrates; 612 d. Beilagen XXIV. GP – Regierungsvorlage, S. 1; Kernbichler, ÖJZ 2015, 493, 494. 540 Protokoll der 60. Sitzung des Nationalrats, XXIV. GP vom 21. April 2010, S. 90. 541 Protokoll der 60. Sitzung des Nationalrats, XXIV. GP vom 21. April 2010, S. 90; Trettnak/Höfer, ZIK 2010, 204, 204. 542 612 d. Beilagen XXIV. GP, S. 13; vgl. 11 U.S.C. § 362. 543 612 d. Beilagen XXIV. GP, S. 5 mit Verweis auf UNCITRAL, Legislative Guide on Insolvency Law. 544 612 d. Beilagen XXIV. GP, S. 13. 537

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Standort Österreich gefährden würde.545 Sofern ein Auftraggeber im Insolvenzfall an den Auftragnehmer durch die Lösungssperre für sechs Monate gebunden ist, würde er lieber eine ihm günstigere Rechtsordnung suchen.546 Weiter wurde angemerkt, dass die Sanierung nicht zulasten der Gläubiger gehen dürfe, die das Risiko der Masseunzulänglichkeit tragen.547 Für den Fall der Unzulässigkeit von Lösungsklauseln wäre schließlich zu erwarten, dass dem Vertragspartner andere insolvenzfeste Sicherheiten zu stellen seien oder kontinuierlich dessen Bonität zu prüfen sei.548 a) § 25a IO aa) Regelungsinhalt Mit der Insolvenzeröffnung kann ein Vertrag nur noch außerordentlich aus wichtigem Grund gekündigt werden. Die wichtigen Kündigungsgründe werden dabei gesetzlich beschränkt: Bereits nach der alten Rechtslage stellte die „Konkurseröffnung alleine einen solch wichtigen Grund nicht“ dar.549 Nunmehr kann gemäß § 25a Abs. 1 Ziff. 1 IO die Kündigung ferner nicht mehr auf die wirtschaftliche Verschlechterung des Schuldners gestützt werden. Auch wenn der Schuldner mit vor der Verfahrenseröffnung fällig gewordenen Forderungen im Verzug ist, scheidet eine außerordentliche Kündigung aus, vgl. § 25a Abs. 1 Ziff. 2 IO. Damit sperrt § 25a Abs. 1 IO Kündigungsgründe, die insolvenzunabhängig bereits vor der Verfahrenseröffnung entstehen.550 Um gleichwohl die Gläubigerinteressen zu beachten, bleibt die Kündigung zulässig, wenn sie auf einen Verzug mit nach Verfahrenseröffnung fälligen Forderungen, wie Masseverbindlichkeiten, gestützt werde.551 Die Auflösungssperre des § 25a IO schließt folglich insbesondere die ordentliche Kündigung von sämtlichen Vertragsverhältnissen für die Dauer von sechs Monaten nach Insolvenzeröffnung aus, beispielsweise nach

545

Hoenig/Viehböck, „Die Presse“, Rechtspanorama vom 28.3.2010. Hoenig/Viehböck, „Die Presse“, Rechtspanorama vom 28.3.2010. 547 Stellungnahme zum Gesetzentwurf der Landwirtschaftskammer Österreich v. 30.9.2009. 548 Hoenig/Viehböck, „Die Presse“, Rechtspanorama vom 28.3.2010. 549 OGH, Beschl. v. 19.10.2000 – 2 Ob 213/99h unter Hinweis auf das Berufungsgericht zu einem wichtigen Grund nach § 30 MRG. 550 Fichtinger/Foglar-Deinhardstein, ÖBA 2010, 818, 821. 551 Bericht des Justizausschusses vom 13. April 2010, 651 der Beilagen XXIV. GP; Widhalm-Budak, in: IRÄG 2010, S. 28. Gleichfalls bleibt im beiderseitigen Insolvenzfall eine Kündigung möglich: Widhalm-Budak, in: IRÄG 2010, S. 28. Ebenfalls können die Zahlungskonditionen (Zug-um-Zug-Vereinbarungen oder eine teilweise Vorleistung im zumutbaren Rahmen) weiterhin geändert werden, wenn darin keine Gesetzesumgehung zu sehen ist, siehe 612 d. Beilagen XXIV. GP, S. 13. 546

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§ 918 ABGB552, der das Rücktrittsrecht bei Nichtleistung normiert.553 Die Auflösungssperre erfasst damit auch allgemeine gesetzliche Kündigungsrechte wie beispielsweise bei Zahlungsrückständen in Mietverträgen nach § 1118 ABGB. Ausgenommen sollen nach der Gesetzesbegründung nur sein „Verträge, für die spezielle Auflösungsbestimmungen gerade für den Insolvenzfall vorgesehen sind (wie etwa in § 1210 ABGB554 für die Gesellschaft bürgerlichen Rechts).“555 Ähnliche Lösungsrechte sind in § 131 Ziff. 5 UGB (Unternehmensgesetzbuch)556 und § 185 UGB557 zu finden. Gesetzliche Kündigungsrechte, die auf den Insolvenzfall bedingt sind, bleiben wirksam. Ob Kündigungsrechte konform mit § 25a Abs. 1 IO ausgeübt werden, richtet sich nach dem Zugang der Erklärung.558 Geht diese noch vor der Insol-

552

§ 918 ABGB lautet: „(1) Wenn ein entgeltlicher Vertrag von einem Teil entweder nicht zur gehörigen Zeit, am gehörigen Ort oder auf die bedungene Weise erfüllt wird, kann der andere entweder Erfüllung und Schadenersatz wegen der Verspätung begehren oder unter Festsetzung einer angemessenen Frist zur Nachholung den Rücktritt vom Vertrag erklären. (2) Ist die Erfüllung für beide Seiten teilbar, so kann wegen Verzögerung einer Teilleistung der Rücktritt nur hinsichtlich der einzelnen oder auch aller noch ausstehenden Teilleistungen erklärt werden.“. 553 Kernbichler, JBl 2015, 409, 414, insb. in Hinblick auf § 918 Abs. 2 ABGB. 554 Es scheint als war § 1208 ABGB gemeint: „Die Gesellschaft wird aufgelöst: […] 3. durch die rechtskräftige Eröffnung des Konkursverfahrens über das Vermögen eines Gesellschafters, durch die Abänderung der Bezeichnung Sanierungsverfahren in Konkursverfahren oder durch die rechtskräftige Nichteröffnung oder Aufhebung des Insolvenzverfahrens mangels kostendeckenden Vermögens; […]“. Inwiefern der Wortlaut des § 1210 ABGB auf den Insolvenzfall zugeschnitten ist, bleibt allerdings fraglich. Die Norm lautet: „(1) Aufgrund der Klage eines Gesellschafters kann die Auflösung der Gesellschaft vor dem Ablauf der für ihre Dauer bestimmten Zeit oder bei einer für unbestimmte Zeit eingegangenen Gesellschaft ohne Kündigung durch gerichtliche Entscheidung ausgesprochen werden, wenn ein wichtiger Grund vorliegt. (2) Ein solcher Grund ist insbesondere vorhanden, wenn ein anderer Gesellschafter eine ihm nach dem Gesellschaftsvertrag obliegende wesentliche Verpflichtung vorsätzlich oder aus grober Fahrlässigkeit verletzt oder wenn die Erfüllung einer solchen Verpflichtung unmöglich wird. […].“ 555 612 d. Beilagen XXIV. GP, S. 13; Konecny, ZIK 2010, 82, 86. 556 § 131 Ziff. 5 UGB: „Die offene Gesellschaft wird aufgelöst: […] 3. durch die rechtskräftige Eröffnung des Konkursverfahrens über das Vermögen der Gesellschaft, durch die Abänderung der Bezeichnung Sanierungsverfahren in Konkursverfahren oder durch die rechtskräftige Nichteröffnung oder Aufhebung des Insolvenzverfahrens mangels kostendeckenden Vermögens; […]“. 557 § 185 UGB: „[…] (2) Die stille Gesellschaft wird ferner durch die Eröffnung des Konkursverfahrens über das Vermögen eines Gesellschafters und, wenn der Gesellschaftsvertrag nichts anderes bestimmt, durch den Tod des Inhabers des Unternehmens aufgelöst. § 136 über die Fürsorgepflicht beim Tod oder Konkurs eines Gesellschafters ist sinngemäß anzuwenden.“ 558 Fichtinger/Foglar-Deinhardstein, ÖBA 2010, 818, 821.

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venzeröffnung zu, ist die Kündigung wirksam; bei einem Zugang nach Verfahrenseröffnung entfaltet die Kündigung keine Rechtswirkung.559 bb) Sachlicher Anwendungsbereich Sachlich gilt die Auflösungssperre nur bei Unternehmensinsolvenzen.560 Innerhalb der sechs Monate ist es verfahrenstechnisch möglich, einen Sanierungsplan nach § 156 IO zu verabschieden und damit mögliche Verzugsfolgen zu beseitigen, die zu einer Vertragsbeendigung berechtigen.561 Voraussetzung für die Auflösungssperre ist, dass die Fortführung des Unternehmens möglichweise gefährdet sein könnte, wenn der Vertrag aufgelöst würde und der Vertrag für die Fortführung erforderlich ist.562 Der Wortlaut erfordert, dass die Vertragsauflösung die Unternehmensfortführung „gefährden könnte“. Die Wahrscheinlichkeit einer Gefährdung ist ausreichend.563 Die Sperre greift folglich nicht ein, wenn das Unternehmen liquidiert werden soll oder der Betrieb eingestellt wurde.564 Nicht alle vorteilhaften Verträge, deren Erfüllung der Verwalter fordern könnte, gefährden die Sanierung, wenn auf den Vertrag verzichtet werden müsste.565 Problematisch wird aber eine Situation, in der eine Vielzahl an Verträgen wegfallen würde und die Verluste insgesamt die Unternehmensfortführung gefährden. Ziel ist es, dem Verwalter eine Ruhephase zu gewähren. Daher kann jeder Vertrag, der dem Unternehmen Werte entzieht, die Sanierung gefährden.566 Insofern liegt es nahe, all die Vertragspartner zu binden, mit denen Verträge bestehen, die günstig für die Masse sind.567 Im Endeffekt lässt § 25a IO noch gewissen Interpretationsspielraum zu, weshalb die Effektivität der Norm hinterfragt werden kann und insofern zu verbessern wäre.568 Der sachliche Anwendungsbereich ist nochmals begrenzt: Für Arbeitsverträge (Nr. 3), Ansprüche auf Auszahlung von Krediten (Nr. 2) und wenn die Auflösung des Vertrags zur Abwendung schwerer persönlicher oder wirt559

Konecny, ZIK 2010, 82, 86; Widhalm-Budak, in: IRÄG 2010, S. 28. Mohr, Die Insolvenzordnung, § 25a, Rn. 2. Fichtinger/Foglar-Deinhardstein, ÖBA 2010, 818, 830; Widhalm-Budak, in: IRÄG 2010, S. 27: Der Unternehmerbegriff richtet sich nach § 1 Abs. 2 KSchG. 561 Widhalm-Budak, in: IRÄG 2010, S. 29 u. 32. 562 612 d. Beilagen XXIV. GP, S. 13; Jelinek, wbl 2010, 377, 385; Widhalm-Budak, in: IRÄG 2010, S. 28 563 Kernbichler, ÖJZ 2015, 493, 495 m.w.N. und ausführlich zu diesem Tatbestandsmerkmal. 564 Konecny, ZIK 2010, 82, 86; Widhalm-Budak, in: IRÄG 2010, S. 27. 565 Kernbichler, ÖJZ 2015, 493, 495 f. 566 Ausführlich Kernbichler, ÖJZ 2015, 493, 497; auch mit Hinweisen auf andere Interpretationsmöglichkeiten. 567 Ausführlich Kernbichler, ÖJZ 2015, 493, 497. 568 Kernbichler, ÖJZ 2015, 493, 500. 560

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schaftlicher Nachteile des Vertragspartners unerlässlich ist (Nr. 1), gelten nach § 25a Abs. 2 IO Bereichsausnahmen für die Auflösungssperre. Für diese Regelungsbereiche hat der Gesetzgeber Ausnahmen für erforderlich gehalten. Bei schweren Nachteilen für den solventen Vertragspartner überwiegen wieder die allgemeinen Gläubigerinteressen an einer Vertragsbeendigung. Für Arbeitsverträge werden typischerweise Ausnahmen vom Insolvenzrecht vorgesehen – sie haben in Österreich beispielsweise in § 25 IO eine Sonderregelung erhalten.569 Der Grund, warum Kreditauszahlungsansprüche in § 25a Abs. 2 Nr. 2 IO ausgenommen sind, wurde im Gesetzgebungsverfahren nicht vollständig geklärt.570 Es wurde schlicht darauf verwiesen, dass das zu sanierende Unternehmen sonst Gefahr läuft, keinen Kredit mehr zu erhalten.571 An dieser Stelle sei bereits auf die vergleichbare Privilegierung unter USamerikanischen Recht hingewiesen (11 U.S.C. § 365 (e)(2)). Da der österreichische Gesetzgeber sich stark am Chapter-11-Verfahren orientierte, könnte der Ursprung der österreichischen Regelung im US-Recht zu finden sein. cc) Zeitlicher Anwendungsbereich Zeitlich ist die Norm zweifach beschränkt: Sie gilt nur, solange das Unternehmen fortgeführt wird und dies maximal sechs Monate ab Eröffnung des Insolvenzverfahrens.572 Die sechsmonatige Sperre entspricht damit der beschränkten Durchsetzbarkeit von Aus- und Absonderungsrechen in § 11 Abs. 2 IO.573 Die Regelung ist sowohl für Dauerschuldverhältnisse als auch für Verträge mit einmaligem Leistungstausch anwendbar – obgleich in der Gesetzesbegründung primär auf die erstere Vertragsgruppe rekurriert wurde.574 Der Ministerialentwurf sah in § 25a Absatz 3 IO noch eine zeitliche Vorverlagerung vor die Insolvenzeröffnung vor. Er lautete: „Hat der Vertragspartner des Schuldners in den letzten drei Wochen vor Eröffnung des Insolvenzverfahrens den Vertrag mit dem Schuldner aufgelöst, so gilt die Erklärung als

569

Vgl. Regierungsvorlage, 612 d. Beilagen XXIV. GP, S. 5. Protokoll des Nationalrats, XXIV. GP vom 21. April 2010, S. 87, 88. 571 Protokoll des Nationalrats, XXIV. GP vom 21. April 2010, S. 92. 572 612 d. Beilagen XXIV, S. 13. 573 612 d. Beilagen XXIV, S. 13. § 11 Abs. 2 IO lautet: „(2) Die Erfüllung eines Aussonderungsanspruchs, die die Fortführung des Unternehmens gefährden könnte, kann vor Ablauf von sechs Monaten ab der Eröffnung des Insolvenzverfahrens nicht gefordert werden; das gilt nicht, wenn die Erfüllung zur Abwendung schwerer persönlicher oder wirtschaftlicher Nachteile des Berechtigten unerläßlich ist und eine Zwangsvollstreckung in anderes Vermögen des Schuldners zu einer vollständigen Befriedigung des Gläubigers nicht geführt hat oder voraussichtlich nicht führen wird. Diese Bestimmungen sind auch auf Ansprüche auf abgesonderte Befriedigung aus bestimmten Sachen anzuwenden.“ 574 Vgl. Kernbichler, JBl 2015, 409, 411 m.w.N. 570

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nicht abgegeben, wenn sie nicht auf einen wichtigen Grund im Sinne des Abs. 1 gestützt ist und das Unternehmen fortgeführt wird.“575

Der Vorschlag wurde jedoch nicht in den Regierungsentwurf übernommen. dd) Offene Diskussionen Die Bestimmungen des § 25a IO sind im Wesentlichen klar formuliert. Rund um § 25a IO lassen sich verschiedene, teilweise noch offene Problemkreise ausmachen. So ist die Ausnahme „wenn die Auflösung des Vertrags zur Abwendung schwerer persönlicher oder wirtschaftlicher Nachteile des Vertragspartners unerlässlich ist“ (§ 25a Abs. 2 Ziff. 1 IO) unbestimmt abgefasst. Die Ausnahme ist inhaltsgleich mit § 11 Abs. 2 KO/IO bzw. § 120a IO/KO, sodass die entsprechende Interpretation heranzuziehen ist:576 Folglich muss für den Vertragspartner die eigene Existenzvernichtung oder Insolvenz drohen, wenn er sich auf den vorgenannten Ausnahmetatbestand berufen möchte.577 Es ist daher nicht ausreichend, wenn die Befriedigung des Vertragspartners schlicht gefährdet ist.578 Allerdings sehen Fichtinger und FoglarDeinhardstein in einer zu restriktiven Auslegung die Gefahr, dass sich der Vertragspartner so früh wie möglich vom Vertrag lösen möchte, sogar bevor die Ausübungssperre greift.579 Umstritten ist, ob auch mehrseitige Verträge, wie Gesellschaftsverträge, von der Auflösungssperre erfasst sind. Hiergegen spricht sich WidhalmBudak aus, welche dies unter systematischem Verweis auf die Kapitelüberschrift Erfüllung zweiseitiger Rechtsgeschäfte begründet.580 Dafür sprechen sich dagegen mehrere Autoren aus, die von § 25a IO alle Verträge erfasst sehen.581 Anderenfalls ergäbe es keinen Sinn, die nach der Gesetzesbegründung ausgenommene Regelung des § 1210 ABGB, wonach eine Gesellschaft bei Vorliegen eines wichtigen Grunds durch gerichtliche Entscheidung aufgelöst werden kann, als lex specialis anzusehen. Schließlich sei § 25a IO als sanierungsfreundliche Norm auch für Gesellschaften im Allgemeinen bestimmt. Übereinstimmend seien jedenfalls unentgeltliche Verträge erfasst.582

575

Ministerialentwurf zum IRÄG 2009, 83/ME XXIV. GP. Widhalm-Budak, in: IRÄG 2010, S. 28; Hoenig, RdW 2013, 515, 516. 577 Konecny, ZIK 2010, 82, 86; Hoenig, RdW 2013, 515, 516. 578 Widhalm-Budak, in: IRÄG 2010, S. 29. 579 Fichtinger/Foglar-Deinhardstein, ÖBA 2010, 818, 822. 580 Widhalm-Budak, in: IRÄG 2010, S. 26 f. 581 Konecny, ZIK 2010, 82, 86; Fichtinger/Foglar-Deinhardstein, ÖBA 2010, 818, 821. 582 Konecny, ZIK 2010, 82, 86; Widhalm-Budak, in: IRÄG 2010, S. 23, 26. 576

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b) § 25b IO „Wenn keine sonstigen Gründe für eine Vertragsauflösung vorliegen, soll das bloße Faktum der Eröffnung eines Insolvenzverfahrens dafür nicht ausreichen.“583

aa) Regelungsinhalt Nach § 25b Abs. 1 IO sind von §§ 21–25a IO abweichende Vereinbarungen im Verhältnis zwischen Gläubiger und Schuldner unwirksam.584 Ferner sind Lösungsklauseln, die an die Eröffnung des Insolvenzverfahrens anknüpfen, unabhängig von der Unternehmensfortführung nichtig (Abs. 2).585 Damit übernimmt der Gesetzgeber die Regelung aus § 20e Abs. 2 AO.586 Denn allein die Verfahrenseröffnung darf kein hinreichender Grund mehr sein, um den Vertrag zu beenden.587 § 25b Abs. 2 IO gilt unabhängig von den Sanierungsaussichten für alle Insolvenzverfahren.588 bb) Sachlicher Anwendungsbereich Vom Verbot der Lösungsklauseln gewährt das Gesetz eine Bereichsausnahme durch den Verweis auf die in § 20 Abs. 4 IO genannten Verträge, d.h. besondere Finanzverträge im Bankbereich und Verträge über den Handel von börsennotierten Waren. Damit sind Händler erfasst, die vor allem Lösungsklauseln in standardisierten Rahmenbedingungen vorsehen. Ziel war es, insbesondere für Stromhändler den Standort Österreich nicht zu gefährden. Es wurde befürchtet, dass bei unwirksamen Lösungsklauseln insolvenzfeste Sicherheiten zu stellen sind und somit höhere Transaktionskosten zu erwarten wären.589

583

Regierungsvorlage, 2.3.2010, Vorblatt und Erläuterungen zum Insolvenzrechtsänderungsgesetz 2010, 612 d. Beilagen XXIV, S. 13. 584 Trettnak/Höfer, ZIK 2010, 204, 207. Hierunter fallen beispielsweise Vereinbarungen, welche die freie Ausübung des Wahlrechts durch hohe Vertragsstrafen unwirtschaftlich machen und damit einschränken, vgl. hierzu auch Widhalm-Budak, in: IRÄG 2010, S. 30 und ausführlich Fichtinger/Foglar-Deinhardstein, ÖBA 2010, 818, 823 f. 585 Konecny, ZIK 2010, 82, 86; Jelinek, wbl 2010, 377, 385; Trettnak/Höfer, ZIK 2010, 204, 205. 586 612 d. Beilagen XXIV. GP, S. 13. 587 612 d. Beilagen XXIV. GP, S. 13 f („Dies ist den Gläubigern insofern durchaus zumutbar, als die nach Eröffnung eines Insolvenzverfahrens entstehenden Forderungen als Masseforderungen zur Gänze zu bezahlen sind. Vor diesem Hintergrund besteht kein berücksichtigungswürdiger Bedarf, an die Insolvenzeröffnung jedenfalls eine Vertragsauflösung zu knüpfen.“). 588 Widhalm-Budak, in: IRÄG 2010, S. 30; Konecny, ZIK 2010, 82, 86. 589 Regierungsvorlage, 612 d. Beilagen XXIV. GP, S. 11.

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cc) § 25b IO: Zeitlicher Anwendungsbereich Der zeitliche Anwendungsbereich der Neuregelung ist noch nicht gänzlich geklärt. Nach dem Wortlaut sind nur Klauseln unwirksam, die die Vertragsauflösung an die Eröffnung des Insolvenzverfahrens knüpfen. Diese Regelung entspricht dem alten § 20e AO. Da der Gesetzgeber bewusst die Altregelung fortführen wollte, die nur von der Eröffnung abhängige Klauseln umfasste, seien unter der IO nur Klauseln unwirksam, die formal an die Verfahrenseröffnung anknüpfen.590 Klauseln, die zeitlich früher, also gerade nicht an die Insolvenzeröffnung ansetzen, unterfallen ab Insolvenzeröffnung nur der Ausübungssperre des § 25a IO.591 Im Gesetzgebungsverfahren ist zumindest die zeitliche Vorverlagerung der Ausübungssperre (§ 25a IO) vor die Insolvenzeröffnung gestrichen worden. Insoweit scheint der österreichische Gesetzgeber sämtliche Beschränkungen der Vertragsfreiheit erst ab der formellen Insolvenzeröffnung zu wünschen. dd) § 25b IO: Auf den Insolvenzfall auflösend bedingter Forderungsverzicht Die erste Entscheidung592 zum neuen § 25b IO reduziert den Anwendungsbereich der Norm. Es ging um eine „Vereinbarung über die (reine) Stundung und den Verzicht von Forderungen“. In dem Vertrag verzichteten Gläubigerbanken teilweise auf ungesicherte Forderungen gegenüber dem Schuldner, um dessen Restrukturierung und Sanierung zu unterstützen. Die Vereinbarung war auflösend bedingt für den Fall, dass über das Vermögen des Schuldners ein Insolvenzverfahren eröffnet wird. Dann sollten die erlassenen Forderungen wieder aufleben. Nach dem Wortlaut verstieß die Klausel gegen das Verbot von insolvenzbezogenen Lösungsklauseln in § 25b Abs. 2 IO. Der OGH erkannte, dass §§ 25a, b IO eine Ruhephase zur Prüfung von Fortführung und Sanierung schaffen und gerade außergerichtliche Sanierungsbemühungen nicht verhindern sollen. Gläubiger, die die Sanierung unterstützen, sollen nicht bestraft werden. Daher sind die Klauseln wirksam, deren Zweck die Sanierung des Gemeinschuldners verfolgte.593 Sofern Lösungsklauseln in Sanierungsvereinbarungen wirksam sind, erlöschen Verbindlichkeiten zunächst – was sich positiv auf die Überschuldung auswirkt – und können wieder aufleben, wenn der Insolvenzfall eintritt. Dann können die Forderungen wieder in voller Höhe im Insolvenzverfahren angemeldet werden. Der Eintritt der Insolvenz komme damit letztlich wirtschaftlich eher einer Stundung der Forderungen als einem endgültigen Forderungs590

Jelinek, wbl 2010, 377, 385. Nunner-Krautgasser, ZInsO 2011, 2068, 2073; Fichtinger/Foglar-Deinhardstein, ÖBA 2010, 818, 822; Widhalm-Budak, in: IRÄG 2010, S. 31 f.: Insofern seien auch Vertragsstrafen bis zu den Grenzen der Sittenwidrigkeit möglich. 592 OGH, Urt. v. 21.11.2013 – 1 Ob 157/13i. 593 OGH, Urt. v. 21.11.2013 – 1 Ob 157/13i. 591

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verzicht nahe. Im Endeffekt ist daher auf eine richtige Bilanzierung zu achten, wenn mit Insolvenzeröffnung die erloschenen Forderungen wieder durchsetzbar sind.594 2. Zusammenspiel mit der Erklärungsfrist nach § 21 IO Das Verbot, sich im Insolvenzfall vom Vertrag mit dem Schuldner zu lösen, steht in engem Zusammenhang mit der Erklärungsfrist des Insolvenzverwalters, sich gegenüber dem Vertragspartner über den Fortbestand des Vertrags zu erklären. „Da die Möglichkeiten des Vertragspartners, den Vertrag aus eigenem [sic!] aufzulösen, beschränkt sind, muss seinem Interesse an einer möglichst raschen Klärung des weiteren Schicksals des Vertrags Rechnung getragen werden. Dies ist in jenen Fällen von besonderer Relevanz, in denen der Schuldner mit Sachleistungen in Verzug ist. Daher soll in § 21 festgelegt werden, dass sich der Insolvenzverwalter unverzüglich erklären muss, ob er in einen Vertrag eintritt.“595

Damit erkannte der Gesetzgeber die schutzwürdigen Interessen des Vertragspartners an, schnellstmöglich Gewissheit über das Vertragsverhältnis zu erlangen, wenn er an ein insolventes Unternehmen gebunden ist.596 Ist der Vertragspartner auf die Naturalleistung des Schuldners angewiesen, beispielsweise bei einem Großbauprojekt, kann langes Abwarten kostspielig sein. Um dieser Interessenlage gerecht zu werden, hat der Gesetzgeber eine strenge Regelung in § 21 Abs. 2 S. 4 IO aufgenommen.597 Hiernach hat sich der Insolvenzverwalter in fünf Arbeitstagen zu erklären, wenn der Gemeinschuldner eine Naturalleistung (Sachleistung) zu erbringen hat und mit dieser bereits im Verzug ist. Bleibt die Erklärung aus, so wird der Rücktritt vom Vertrag fingiert und der Vertrag zwischen den Parteien abgewickelt.598 Der Verzug der Sachleistung kann entweder aus der Zeit vor dem Insolvenzverfahren herrühren oder erst im Verfahren entstehen.599 Diese Regelung sah sich massiver Kritik ausgesetzt: Sie sei „gänzlich kontraproduktiv“, da es in einer derart kurzen Frist nicht möglich sei, komplexe Vertragsverhältnisse und mögliche Finanzierungen zu prüfen und sich für oder gegen die Fortführung des kränkelnden Unternehmens auszuspre-

594

Kernbichler, ZIK 2014, 42, 44 f. Regierungsvorlage, 612 d. Beilagen XXIV. GP, S. 13. 596 Protokoll des Nationalrats, XXIV. GP vom 21.4.2010, S. 92. 597 Vgl. bereits § 2, B., II., aber auch Nunner-Krautgasser, ZInsO 2011, 2068, 2074 ff. 598 Widhalm-Budak, in: IRÄG 2010, S. 35. 599 Widhalm-Budak, in: IRÄG 2010, S. 35. Fichtinger/Foglar-Deinhardstein, ÖBA 2010, 818, 822 gehen davon aus, dass nur der vorinsolvenzliche Verzug den Verwalter nach § 21 Abs. 2 S. 3 IO binden kann. 595

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chen.600 Damit erhalte der Vertragspartner ein neues Druckmittel gegenüber der Insolvenzverwaltung.601 Als bessere Lösungen wurden vorgeschlagen, die Ausübungsfrist gerichtlich im Einzelfall zwischen 1–8 Wochen festzusetzen602 oder § 21 Abs. 2 IO generell von der Komplexität der Rechtsverhältnisse abhängig zu machen.603 Schließlich sollten bei der Aufforderung zur Ausübung des Verwalterwahlrechts ebenfalls informationsrelevanten Unterlagen miteinzureichen sein, da Verwaltern oft nicht unmittelbar alle entscheidungsrelevanten Unterlagen vorliegen.604 Ein redaktioneller Widerspruch zu § 116 Abs. 1 IO bleibt offen: Bei Forderungen ab EUR 100.000,00 besteht eine achttägige Informationspflicht des Gläubigerausschusses, bevor das Verwalterwahlrecht ausgeübt wird. Wenn diese Frist mit der fünftägigen Frist aus § 21 Abs. 2 S.4 IO zusammentrifft, tritt ein offener und ungelöster Widerspruch zutage. III. Würdigung Mit der Insolvenzrechtsreform von 2010 hat Österreich eine im Grundsatz für den Rechtsanwender transparente und klare Regelung für insolvenzbezogene Lösungsklauseln erhalten.605 Grundsätzlich sind vertragliche Lösungsklauseln auf den Insolvenzfall nunmehr verboten. Die Lehre bewertete die Reform aus der Perspektive der Sanierungsförderung durchaus positiv.606 Rechtsprechung und Lehre waren zuvor wie in Deutschland überwiegend von der Zulässigkeit der Lösungsklauseln ausgegangen, wobei in beiden Rechtsordnungen das Thema stark umstritten war. In Österreich bleiben gleichwohl Detailfragen der Rechtsprechung überlassen, vor allem zum genauen Anwendungsbereich der Normen. Gerade vor dem Hintergrund, dass der Sanierungszweck des Insolvenzverfahrens kontinuierlich eine höhere Wertigkeit erlangt, haben die Ansichten von Gamerith und Kepplinger/Duursma, die die Zulässigkeit von Lösungsklauseln bereits unter der KO mit dem Ziel bezweifelten, Betriebsfortführungen zu ermöglichen, an Bedeutung gewonnen und sind nun im Gesetz verwirklicht worden. Der Gesetzgeber hat durch die klar gefasste Norm die Rechtssicherheit erheblich verbessert. Mit der Neuausrichtung des Insolvenzverfahrens im Jahr 2010 in ein Einheitssystem wollte der Gesetzgeber auch die allgemeinen Sanierungschancen erhöhen und hat sich für eine gesetzliche 600

Wagner, RdW 2010, 191, 191. Wagner, RdW 2010, 191, 191; Trettnak/Höfer, ZIK 2010, 204, 206. 602 Wagner, RdW 2010, 191, 191. 603 Hoenig/Viehböck, „Die Presse“, Rechtspanorama vom 28.3.2010. 604 Widhalm-Budak, in: IRÄG 2010, S. 36. 605 Fichtinger/Foglar-Deinhardstein, ÖBA 2010, 818, 830. 606 Vgl. Nunner-Krautgasser, ZInsO 2011, 2068, 2076. 601

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Behandlung der Thematik entschieden. Diesen letzten Schritt ist der deutsche Gesetzgeber im Jahr 1999 bei Erlass der deutschen Insolvenzordnung nicht gegangen. Interessant erscheint allerdings, dass der österreichische Gesetzgeber das generelle Verbot von insolvenzabhängigen Lösungsklauseln (§ 25b IO) nicht für ausreichend hielt, um einen hinreichenden Sanierungsschutz zu erreichen. Vielmehr führte er zusätzlich ein, dass insolvenzunabhängige Lösungsklauseln und ordentliche Kündigungsrechte für sechs Monate nicht ausgeübt werden können, wenn die Fortführung des Unternehmens im Insolvenzverfahren gefährdet ist (§ 25a IO). Damit werden vor allem Gläubiger, die Verträge ohne zwingenden Grund in der Insolvenz auflösen wollen, als nicht schutzwürdig angesehen.607 Zusammengefasst sind vertragliche Klauseln, die auf die Insolvenzeröffnung bedingt sind, nach § 25b Abs. 2 IO unwirksam. Die Auflösungssperre (§ 25a IO) ist vor allem effektiv, wenn vertragliche Lösungsklauseln nicht auf den Insolvenzfall bedingt sind und die Vertragsauflösung nach Insolvenzeröffnung ermöglichen würden. Die ordentliche Kündigung wird ausgeschlossen und die außerordentliche Kündigung im Falle der Vermögensverschlechterung und bei Verzug erheblich beschränkt. Die Sperre kommt damit dem amerikanischen „automatic stay“ (Vollstreckungsschutz) nahe.608 Das Zusammenspiel zwischen dem allgemeinen Verbot von insolvenzbezogenen Lösungsklauseln (§ 25b IO) und der Ausübungssperre (§ 25a IO) überzeugt. Gleichwohl bleibt ein erhebliches Umgehungspotenzial bestehen, da vom Verbot des § 25b Abs. 2 IO nur die formelle Insolvenzeröffnung erfasst ist.609 Klauseln, die beispielsweise an die wesentliche Vermögensverschlechterung anknüpfen, sind vom Verbot nicht erfasst.610 Genau in diesen Fällen wird die Ausübungssperre des § 25a IO relevant. Dabei kommt es auch darauf an, wie viel Zeit zwischen Antragstellung und Verfahrenseröffnung vergeht. Die Vertragspartner erhalten regelmäßig erst mit der Antragstellung Kenntnis von den finanziellen Schwierigkeiten des Insolvenzschuldners. Dem Vertragspartner bleibt nur bis zur Verfahrenseröffnung die Chance, sich zu lösen. Ferner kann sich aus dem eng an das Insolvenzverfahren gekoppelten Schutz ein Wettlauf in das Insolvenzverfahren ergeben, um schnell in den Genuss der Auflösungssperre zu kommen und nicht vorab mit Gläubigern zu verhandeln.611 Dadurch wird die rechtzeitige Insolvenzeröffnung begünstigt – was wünschenswert ist, um Sanierungen zu erleichtern. 607

Nunner-Krautgasser, ZInsO 2011, 2068, 2076. Hierzu auch § 3, D., I. 609 Zu den auch in der österreichischen Lehre vorgetragenen Umgehungsmöglichkeiten und sich abzeichnenden Änderungen der Vertragspraxis, siehe § 8, C., III., 3., b). 610 Nunner-Krautgasser, ZInsO 2011, 2068, 2073. 611 Vgl. Fichtinger/Foglar-Deinhardstein, ÖBA 2010, 818, 822. 608

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Bislang wurde die Reform von 2010 hinsichtlich der Sanierungsfreundlichkeit statistisch als positiv bewertet.612 Im Rahmen der Novelle wurde jedoch nicht nur der Komplex der vertraglichen Lösungsrechte, sondern ein Bündel an Maßnahmen für Sanierungsverfahren geändert. Es ist kaum möglich, Auswirkungen einer einzelnen Änderung isoliert zu bestimmen. Die bei der Reform von 2010 bestehende Vertragspraxis, die Lösungsklauseln stets an die Insolvenzeröffnung anknüpfte, kann durch den gesetzgeberischen Eingriff jedenfalls eingeschränkt werden. Durch den auf diese Vertragspraxis zugeschnittenen gesetzgeberischen Eingriff wurde der Einschnitt in die Privatautonomie gering gehalten und den involvierten Interessen wechselseitig Rechnung getragen. Ändert sich die Vertragspraxis und sollten die Verbote ins Leere laufen, kann der Gesetzgeber die Regelung nachbessern. Letztlich hat Österreich eine vermittelnde Lösung gefunden.613 Die auf den ersten Blick weitreichende Kombination von Lösungsverbot und Auflösungssperre ist zeitlich erheblich begrenzt (sechs Monate nach Verfahrenseröffnung). Die Kritik, dass Lösungsverbote in Österreich eine Gefahr für die Wirtschaft darstellen und zu Standortverlagerungen beitragen würden, kann rechtsvergleichend nicht überzeugen. Eine solche Aussage kann nur dann zutreffend sein, wenn die meisten anderen Rechtsordnungen für den Auftraggeber günstiger ausgestaltet sind. Wie diese Arbeit zeigt, kennen aber viele andere Rechtsordnungen ähnliche oder noch strengere Einschränkungen. D. Frankreich „Les difficultés des entreprises ne peuvent plus être traitées aujourd’hui comme hier. Le droit des entreprises en difficulté doit être repensé en fonction de l’intérêt de l’entreprise elle-même, source d’activité économique et d’emplois.“614 „Das französische Insolvenzrecht bleibt also ein durch staatlichen Interventionismus geprägtes Recht.“615

In Frankreich steht die Sanierung des insolventen Unternehmensträgers als ein klar artikuliertes Ziel im Vordergrund des staatlichen Handelns. Entsprechend sind verschiedene Verfahrensarten verfügbar, von denen mehrere früh, d.h. präventiv, ansetzen und die Fortführung des Unternehmens erlauben sowie Schutz vor den Gläubigern ermöglichen. Ferner gibt das Insolvenzrecht klare Regelungen vor, welche Auswirkungen die Insolvenzverfahren auf schwebende Vertragsverhältnisse (contrats en cours) haben. Im Gegensatz zu

612

Kantner, KSV1870 2011, 1, 4 ff.; Kantner, KSV1870 2012, 1, 3 f. Widhalm-Budak, in: IRÄG 2010, S. 38. 614 N° 1578 Assemblée Nationale; Seconde Session Ordinaire de 1982–1983; Projet de loi relatif au règlement judiciaire, S. 3. 615 Degenhardt, NZI 2014, 433, 436 zitiert Rossi, Dalloz 2014, S. 220. 613

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Deutschland und Österreich ist kein einheitliches Insolvenzverfahren vorgegeben, sondern die einzelnen Verfahren schließen sukzessiv aneinander an. I. Verbotsregelung des L. 622-13 C.com. Das System des Verwalterwahlrechts ist in Frankreich sehr ausdifferenziert und regelt von Gesetzes wegen die Fälle, in denen der Vertrag beendet wird. Gleichzeitig werden die Gläubigerrechte mit Beginn der gerichtlichen Überwachung (période d'observation) in den Insolvenzverfahren eingefroren, um die Unternehmensrettung zu erleichtern. Verträge werden von Gesetzes wegen fortgesetzt, da sie den Fortbestand sichern und das Unternehmen finanzieren.616 Die Vertragsfortführung ist sogar angeordnet, wenn der Betrieb eingestellt wurde.617 Daher ist der Ausgangspunkt, dass sowohl vertragliche als auch gesetzliche Beendigungsrechte im Fall einer Eröffnung eines kollektiven Insolvenzverfahrens unzulässig sind, vgl. L. 622-13, I C.com.: „I. Nonobstant toute disposition légale ou toute clause contractuelle, aucune indivisibilité, résiliation ou résolution d'un contrat en cours ne peut résulter du seul fait de l'ouverture d'une procédure de sauvegarde. Le cocontractant doit remplir ses obligations malgré le défaut d'exécution par le débiteur d'engagements antérieurs au jugement d'ouverture. Le défaut d'exécution de ces engagements n'ouvre droit au profit des créanciers qu'à déclaration au passif.“

In den Verboten insolvenzbezogener Lösungsrechte wird deutlich, dass das Verwalterwahlrecht als zwingendes Recht ausgestaltet ist und grundsätzlich alle schwebenden Verträge in der Insolvenz zunächst fortgeführt werden.618 II. Historie und gesetzliche Systematik Bereits die cour de cassation hielt im Jahr 1975 vertragliche Lösungsklauseln im Insolvenzfall nicht für vereinbar mit dem Verwalterwahlrecht (Art. 38 Abs. 1 des Gesetzes 67-563619).620 Die Unwirksamkeit folge bereits daraus, dass solche Lösungsklauseln nicht das Erfüllungsrecht des Verwalters beeinträchtigen könnten. Nur bei persönlichen Verträgen (intuitu personae) gelte das Verbot nicht. Das französische Recht erklärte vertragliche Lösungsklauseln damit drei Jahre vor der U.S.-amerikanischen Kodifikation des Lösungsverbotes für unwirksam. Gesetzlich ausdrücklich eingeschränkt war zu dieser Zeit nur die Vertragsbeendigung von Mietverträgen über Geschäftsräume und damit verbundene 616

Brunetti-Pons, RTD com. 2000, 783, 789, Nr. 10. Brunetti-Pons, RTD com. 2000, 783, 790, Nr. 11. 618 Teboul, Gazette du palais 2004, n° 115, S. 7, 7 ff. 619 Loi n° 67-563 du 13 juillet 1967 sur le règlement judiciare, la liquidation des biens, la faillite personnelle et les banqueroutes. 620 Cass. com., 17.3.1975, N° 73-12955. 617

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Wohnräume des Schuldners. Insoweit waren vertragliche Kündigungsrechte nach Art. 52 Satz 2 des Gesetzes 67-563 nichtig (non écrite). Ein allgemeines Lösungsverbot im Insolvenzfall wurde erstmals in Art. 37 Abs. 5 des Gesetzes Nr. 85-98621 geregelt und entspricht im Wesentlichen der heutigen Regelung. Das Verbot von Lösungsklauseln wurde explizit unter Bezugnahme auf das vorgenannte Urteil der cour de cassation kodifiziert.622 Das Verbot stellte klar, dass unabhängig davon, ob das Recht zur Vertragsbeendigung auf eine vertragliche Abrede oder eine gesetzliche Bestimmung zurückgeht, die Eröffnung eines Reorganisations- oder Liquidationsverfahrens kein hinreichender Beendigungsgrund für einen Vertrag war. Es wurden nicht nur auflösende Bedingungen, sondern auch Kündigungs- und Rücktrittsrechte ausgeschlossen. Vereinbarungen, die an die Eröffnung eines Reorganisations- oder Liquidationsverfahren anknüpften, waren daher nichtig. Art. 37 Abs. 5 des Gesetzes Nr. 85-98 präzisierte weiter, dass Zahlungsrückstände vor Verfahrenseröffnung ebenfalls nicht zur Kündigung berechtigen. Vielmehr musste der Vertragspartner seine Leistung erbringen und seine Gegenforderung als Insolvenzforderung anmelden. Die Regelungen standen im Zeichen der Gesetzesziele, das Unternehmen zu sanieren und fortzuführen, Arbeitsplätze zu erhalten und die Passiva zu bereinigen (Art. 1 Gesetz Nr. 85-98). Die Norm wurde deshalb allein im Interesse des Unternehmens und nicht der am Verfahren beteiligten anderen Gläubiger erlassen.623 Unterstrichen wird dieser Zweck durch Art. 35 des Gesetzes Nr. 85-98: Während der anfänglichen gerichtlichen Überwachungsphase hat die Insolvenzverwaltung das Unternehmen fortzuführen. Auch wenn das Reorganisationsverfahren in Frankreich in den Jahren nach Einführung nicht erfolgreich war,624 können hieraus keine direkten Rückschlüsse auf die Sanierungsfreundlichkeit der Regelungen zu Lösungsverboten gezogen werden. Bisher konnten Insolvenzverfahren erst bei der Zahlungsunfähigkeit des Unternehmens eröffnet werden, also zu einem späten Zeitpunkt. Zu diesem späten Zeitpunkt waren die Sanierungsaussichten bereits erheblich reduziert.625 Daher wurden die präventiven Verfahrenstypen im Jahr 2005 allgemein gestärkt und im Zuge dieser Reform neugefasst.

621 Loi n° 85-98 du 25 janvier 1985 relative au redressement. Die Norm wurde im Jahr 2000 als L. 621-28 in den Code de commerce durch Ordonnance N° 2000-912 vom 18.9.2000 übertragen. 622 Sénat, Rapport N° 332 (1983-1984), 23.5.1984, Tome I, S. 91. 623 Pétel, Code de commerce: 2014, S. 873, L. 622-13, Rn. 12; Montéran, Gazette du palais 2003, 2716, 2719 ; Vallansan, Juris Classeur 2001, Fasc. 2335, 1, 6, Rn. 31; Cass. com., 19.12.1995, D. affaires 1996, 181; Cass. com., 13.3.2001, N°2001-008788. 624 Vgl. § 1, D. 625 Pétel, La Semaine Juridique – Edition Entreprise et Affaires 2005, 1730, 1737.

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Die bestehende Regelung zu Lösungsrechten wurde für das frühe Sanierungsverfahren626 in L. 622-13, I Abs. 1 C.com. übernommen.627 Durch den Verweis in L. 631-14 Abs. 1 C.com. ist die Norm auch im Reorganisationsverfahren anzuwenden. Für das Liquidationsverfahren existiert eine wortgleiche Regelung in L. 641-11-1, I Abs. 1 C.com. Ferner wurde durch die Reform von 2014 in L. 611-16 C.com. auch für das Ad-hoc-Mandat und das Schlichtungsverfahren eine vergleichbare Regelung eingeführt: Klauseln gelten als nicht geschrieben, welche die Bedingungen einer Vertragsfortführung verändern, indem beispielsweise Rechte des Schuldners beeinträchtigt werden. Hierunter kann auch ein Lösungsrecht subsumiert werden. Damit enthalten alle französischen Verfahrensarten Regelungen, welche die Vertragsbeendigung im Fall einer Verfahrenseröffnung verhindern und der oben dargestellten Grundnorm L. 622-13 C.com. entsprechen. III. Zeitlicher und sachlicher Anwendungsbereich des Verbots Der Wortlaut von L. 622-13 C.com. verbietet nur Klauseln, die eine Vertragsbeendigung an die Verfahrenseröffnung anknüpfen. Allerdings hat die cour de cassation dem Gesetz eine Vorwirkung entnommen:628 Auch automatisch wirkende Lösungsklauseln, die nur an die Zahlungsunfähigkeit anknüpfen, sind unwirksam.629 Die Zahlungsunfähigkeit ist der Eröffnungsgrund für ein Reorganisationsverfahren, sodass es notwendigerweise zur Verfahrenseröffnung kommen müsse.630 Damit ist es nicht nur unzulässig, an die formelle Verfahrenseröffnung anzuknüpfen. Gleichfalls können sich Lösungsrechte nicht aus den materiellen Eröffnungsgründen (hier der Zahlungsunfähigkeit) ableiten. Hinzukommt, dass Klauseln, die an die Insolvenz anknüpfen, unwirksam, d.h. nichtig sind, unabhängig davon, ob tatsächlich ein Insolvenzverfahren eröffnet wurde oder nicht.631 Lösungsrechte, die sich auf Gründe vor Verfahrenseröffnung stützen, berechtigen im Insolvenzverfahren nicht zur Kündigung.632 Auch Zahlungsrückstände aus der Zeit vor der Insolvenzeröffnung ermöglichen dem Vertragspartner nicht, sich seinen Pflichten aus dem Vertrag nach der Erfüllungswahl zu entziehen.633 Hieraus folgt, dass beispielsweise Klauseln, die an den Zahlungsverzug anknüpfen, vor Verfahrenseröffnung ausgeübt werden müssen, um nicht dem Lösungsverbot zu 626

Zu den Erläuterungen der Verfahrenstypen siehe § 1, D. Redaktionelle Neufassung durch Ordonnance N° 2008-1345 v. 18.12.2008. 628 Cass. com., 2.3.1993, N° 90-21849, Bulletin 1993 IV N° 87, S. 60. 629 Pétel, Code de commerce: 2014, S. 872, L. 622-13, Rn. 3. 630 Cass. com., 2.3.1993, N° 90-21849, Bulletin 1993 IV N° 87, S. 60. 631 Dupoux/Nerguararian, in: National Report for France, S. 309; Schödermeier/ Pérochon, in: Principles of European Insolvency Law (Hrsg. McBryde/Flessner/ Kortmann), National Report for France, S. 285. 632 Vallansan, Juris Classeur 2001, Fasc. 2335, 1, 12, Rn. 94, 102, 118. 633 Cass. com., 28.6.2011, n°10-19463. 627

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unterfallen.634 Erst nach Verfahrenseröffnung bzw. Ausübung des Wahlrechts greift wieder das gewöhnliche Vertragsrechtsregime.635 Auflösende Bedingungen und Kündigungen, die daher an Vertragsstörungen nach der Verfahrenseröffnung anknüpfen, sind wirksam.636 Nur sofern eine zulässige auflösende Bedingung bereits vor Verfahrenseröffnung eingetreten ist, bleibt die Vertragsauflösung wirksam.637 Ist eine vor Verfahrenseröffnung erklärte Kündigung/auflösende Bedingung noch nicht wirksam, beispielsweise wenn die Kündigungsfrist noch läuft, konnte der Insolvenzrichter (jugecommissaire) den Vertrag fortsetzen.638 Von den Lösungsverboten sind explizit nur Arbeitsverträge und Treuhandverträge ausgenommen, bei denen dem Schuldner kein Nutzungsrecht verbleibt, gem. L. 622-13, VI. C.com. IV. Extensive Auslegung des Lösungsverbots Die cour de cassation hat L. 622-13, I, C.com., welcher das Verbot von Lösungsklauseln regelt, durch eine extensive Auslegung weiter gestärkt: Auch Klauseln, die den Gemeinschuldner benachteiligen, indem Aktiva reduziert werden, sind unwirksam. So wurde eine AGB-Klausel für unzulässig gehalten, die im Insolvenzfall das Unternehmen nicht mehr als going concernGeschäftswert versichert, sondern zu Liquidationswerten bewertet.639 Das französische Verbot schließt selbst gesetzliche Lösungsrechte aus. Beispielsweise im Auftragsrecht bestimmt Art. 2003 Code Civil, dass bei Vermögensverfall des Auftraggebers oder des Auftragnehmers der Auftrag beendet wird. Bei kollektiven Insolvenzverfahren wird diese Regelung durch L. 622-13, I C.com. ausgeschlossen.640 V. Würdigung Das Regelwerk zu Verträgen in der Insolvenz hat einen sehr hohen Stellenwert und gehört zum französischen ordre public.641 Das System des Verwal634

Schödermeier/Pérochon, in: Principles of European Insolvency Law – National Report for France, S. 285. 635 Cass. com., 29.4.2002, Bull civ. IV, n°76, S. 80. 636 Cass. com., 7.11.2006, JCP 2007, n°24, S. 13; Pétel, Code de commerce: 2014, S. 874, L. 622-13, Rn. 20. 637 Cass. com., 21.1.1992, N° 90-11510, Bulletin 1992 IV N° 25, S. 21 ; Pétel, Code de commerce: 2014, S. 872, L. 622-13, Rn. 3; Mercadal, RDAI/IBLW 1997, 869, 882. 638 Pétel, Code de commerce: 2014, S. 872, L. 622-13, Rn. 2; Cass. Com. 11.12.1990, Bulletin 1990 IV N° 318 p. 219. 639 Cass. com., 14.1.2014, N° 12-22909. 640 Vallansan, Juris Classeur 2001, Fasc. 2335, 1, 6, Rn. 29. 641 Montéran, Gazette du palais 2003, 2716, 2719; Vallansan, Juris Classeur 2001, Fasc. 2335, 1, 5, Rn. 27.

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terwahlrechts – wie das gesamte Insolvenzrecht – ist stark auf die Sanierung des Unternehmens ausgerichtet.642 Die Regelung zu Lösungsrechten in L. 622-13, I, C.com. verdeutlicht das Zusammenspiel von Handelsrecht (Insolvenzrecht) und dem herkömmlichen Privatrecht. Letzteres wird mit Blick auf die Unternehmensrettung in weiten Teilen verdrängt.643 So werden alle privatrechtlichen Regeln außer Kraft gesetzt, die der Unternehmensrettung schaden und Verträge beenden.644 Das Verwalterwahlrecht und damit der Schutz des insolventen Unternehmens wird durch einen weit ausgelegten L. 622-13, I, C.com. gesichert: Alle vertraglichen Abreden, die dem Wahlrecht zuwiderlaufen, sind unwirksam. Sogar gesetzliche Lösungsrechte aus dem allgemeinen Zivilrecht werden ausgeschaltet. Der einzige gesetzgeberische Zweck hierfür ist die Sanierungsaussicht für das insolvente Unternehmen. Damit wird gleichzeitig von den Vertragspartnern verlangt, dass sie im Insolvenzfall zunächst an das insolvente Unternehmen gebunden bleiben und sich der Vertrag automatisch fortsetzt.645 Das französische Rechtssystem erkennt an, dass mit einem auf Wachstum ausgerichteten Wirtschaftssystem wirtschaftliche Risiken einhergehen: Der Insolvenzschuldner wird mithin als Opfer des Systems betrachtet.646 Die in § 1, D. bereits erwähnte Trennung zwischen dem Unternehmen und dem dahinter stehenden Menschen tritt hier besonders hervor. Die Gläubiger als Nutznießer und als Solidargemeinschaft im Wirtschaftssystem seien in die Pflicht zu nehmen.647 Das Verbot von insolvenzbezogenen Lösungsrechten wird mit der wirtschaftlichen Ordnung begründet und steht damit in direktem Gegensatz zum „gewöhnlichen“ Zivilrecht und der Privatautonomie.648 So löst Frankreich das Spannungsfeld zwischen Privatautonomie und den Insolvenzzwecken ganz im Zeichen der Wirtschaftspolitik. Maßgebliches Instrument wurde hierbei das Verwalterwahlrecht, um auch die Gläubiger an der Sanierung zu beteiligen. Dem Wahlrecht liegt eine rein wirtschaftliche Entscheidung zugrunde: die nützlichen Verträge sind um jeden Preis zu erhalten. Viele kleine Änderungen in den vergangenen Reformen haben das System immer stärker ausbalanciert, teils zugunsten des Schuldners, teils zugunsten des Gläubigers. Insgesamt lässt sich festhalten, dass das Schicksal von unerfüllten Verträgen in der Insolvenz rechtssicher und normenklar geregelt ist: Für die Sanierung notwendige Verträge kann der Verwalter auch bei entge-

642

Brunetti-Pons, RTD com. 2000, 783, 785, Nr. 2: Sowohl Rechtsprechung als auch Lehre interpretieren die Vorschriften ganz im Lichte des Sanierungszweckes. 643 Brunetti-Pons, RTD com. 2000, 783, 788, Rn. 6. 644 Brunetti-Pons, RTD com. 2000, 783, 789, Rn. 9. 645 Brunetti-Pons, RTD com. 2000, 783, 792, Rn. 14. 646 Vgl. Brunetti-Pons, RTD com. 2000, 783, 814, Rn. 50. 647 Vgl. Brunetti-Pons, RTD com. 2000, 783, 814, Rn. 50. 648 Vgl. Brunetti-Pons, RTD com. 2000, 783, 815, Nr. 52.

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genstehenden vertraglichen Vereinbarungen fortsetzen. In diesem Fall hat der Verwalter zu gewährleisten, dass diese Verbindlichkeit bedient werden kann. Zudem trifft das Gesetz klare Bestimmungen, wann ein der Sanierung entgegenstehender Vertrag qua lege oder durch das Gericht beendet werden kann. Damit steht dem Verwalter ein ausdifferenziertes Beendigungsregime zur Verfügung und es ist nicht den Vertragsparteien überlassen, das Schicksal der Verträge vorab vertraglich zu regeln. Da das Unternehmen losgelöst von dem die Insolvenz verursachenden menschlichen Verhalten gesehen wird, tritt die Sanierung als primärer Zweck des Insolvenzverfahrens in den Vordergrund. Insofern ist es nur folgerichtig, durch Vertragsgestaltung die Insolvenzzwecke nicht zu vereiteln. Schließlich trägt das gesetzliche Beendigungsregime auch den Interessen der Gläubiger Rechnung, die im Insolvenzfall schnelle Gewissheit über das Schicksal der Verträge wünschen. Hierbei muss der Gläubiger aber mitwirken und dem Verwalter eine Frist setzen, um das Wahlrecht auszuüben (vgl. § 2, B., V.). Im Regelfall besteht eine Monatsfrist. Die Länge der Frist trägt der Komplexität der Vertragsverhältnisse Rechnung, kann gerichtlich angepasst werden (nicht länger als zwei Monate) und ist in den meisten Fällen eine zumutbare Lösung für die Vertragspartner. Die Regelung zur Ausübungsfrist des Wahlrechts ist deutlich bestimmter gefasst als beispielsweise diejenige in Österreich oder Deutschland. Insgesamt lässt sich festhalten, dass die Verbotsregelung in Frankreich umfassend und grundsätzlich normklar ausgestaltet ist. Sowohl das Verhältnis des Verbots zu gesetzlichen Beendigungsrechten, als auch die sachliche Reichweite des Verbots gehen bereits aus dem Gesetz hervor. Jedoch sind für die zeitliche Vorwirkung des Lösungsverbots vor der eigentlichen Insolvenzeröffnung Unsicherheiten aufgrund der richterlichen Rechtsfortbildung der cour de cassation festzustellen, sodass die zeitlichen Grenzen verschwommener bleiben. E. Rechtskreis des common law I. USA “The [Bankruptcy] Code does not allow a few boilerplate drops of pre-petition ink to disrupt its own important and express goals.”649

Das Spannungsverhältnis zwischen der Vertragsfreiheit und den Normen des Insolvenzrechts lässt sich in den USA formal einfach auflösen: Der bankruptcy code geht als Bundesrecht nach Art. VI der US-Verfassung dem Vertragsrecht vor, das einzelstaatlich als state law geregelt ist. Verträge und die Vertragsfreiheit werden zwar vom Fünften Verfassungszusatz geschützt, dies

649

Coles-Bjerre, N.M. L. Rev. 2010, 77, 88.

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steht allerdings nicht einer Einschränkung durch die Insolvenzgesetze entgegen.650 1. Zusammenspiel verschiedener Normen zum Schutz des Insolvenzverfahrens Lösungsklauseln waren bis 1978 grundsätzlich wirksam und bei Mietverträgen sogar gesetzlich explizit anerkannt.651 So wurde die Insolvenz als vorgreifender Vertragsbruch aufgefasst, der zum Schadensersatz berechtigt.652 Indes wurden Lösungsklauseln vor 1978 nur im Einzelfall für unwirksam gehalten. Dies war beispielsweise der Fall, wenn die Klauseln als äußerst ungerecht empfunden wurden und den primären Sanierungszwecken des Verfahrens zuwiderliefen.653 Da ohne das Vertragsverhältnis gerade kein Sanierungsplan zustande gekommen wäre, wurde eine mietvertragliche Verfallsklausel durch die richterlichen Billigkeitsbefugnisse (equity powers) des Insolvenzgerichts ausnahmsweise für unwirksam gehalten.654 Die ipso facto-Klauseln gehen bis in die Zeiten des Bankruptcy Act 1898 zurück. Damals konnten zukünftige Ansprüche aus Mietverhältnissen nicht am Insolvenzverfahren teilnehmen, da sie ungewiss und daher nicht nachweisbar waren.655 Ipso facto-Klauseln beendeten Mietverträge automatisch. Damit wurde der Schadensersatzanspruch für die ausstehenden Mietzahlungen hinreichend konkretisiert, um am Insolvenzverfahren teilnehmen zu können.656 Nachdem heute künftige Forderungen wie Mietzinszahlungen pauschal und begrenzt geltend gemacht werden können (11 U.S.C. § 502 (a), (b) (6), (c)), sind die Klauseln für ihren ursprünglichen Zweck überflüssig.657 Den650

Kuehner v. Irving Trust Co., 299 U.S. 445, 57 S.Ct. 298, (U.S. 1937). Senate Report No. 95-989 (1978); House Report No. 95-595 (1978); Kleinhaus/ Zuckerman, 23 Norton J. Bankr. L. & Prac. 193 (2014), 195; Western F. M. Rest. v Austern, 35 N.Y.2d 610, 364 N.Y.S.2d 500, (N.Y. 1974): Betrug oder kollusives Zusammenwirken oder evidente Übervorteilung um das Vertragsende herbeizuführen und Insolvenz auszulösen, verhindert allerdings die Berufung auf eine ipso facto Klausel. Die Klauseln waren beispielsweise in ch. 575, § 70(b) Bankruptcy Act 1938 explizit anerkannt: “[…]but an express covenant that an assignment by operation of law or the bankruptcy of a specified party thereto or of either party shall terminate the lease or give the other party an election to terminate the same shall be enforceable.” 652 Oldden v. Tonto Realty Corp., 143 F.2d 916, C.A.2 (1944). 653 Queens Boulevard Wine & Liquor Corp. v. Blum, 503 F.2d 202, C.A.N.Y. (1974); Weaver v. Hutson, 459 F.2d 741, C.A.4, (1972). 654 In re Fleetwood Motel Corp., 335 F.2d 857, C.A.N.J. (1964). 655 Kuehner v. Irving Trust Co., 299 U.S. 445, 57 S.Ct. 298, (U.S. 1937); In re Fortune, 1 Low. 554, 12 F.Cas. 584 (1871); ausführlich Oldden v. Tonto Realty Corp., 143 F.2d 916, C.A.2 (1944). 656 Irving Trust Co. v. A.W. Perry, Inc., 293 U.S. 307, 55 S.Ct. 150, (U.S. 1934); Oldden v. Tonto Realty Corp., 143 F.2d 916, C.A.2 (1944); Jackson, 91 Yale L.J. 857 (1982), Fn. 156. 657 Jackson, 91 Yale L.J. 857 (1982), Fn. 156. 651

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noch sind die Klauseln nach wie vor verbreitet. Um der Gefahren Herr zu werden, die mit der Sanierung einhergehen, wurde daher 1978 ein Verbot eingeführt. Das US-amerikanische Insolvenzrecht enthält seit dem Inkrafttreten des Bankruptcy Code 1978 eine Vielzahl an Bestimmungen, die ipso facto-Klauseln verbieten. Damit kommt das Insolvenzrecht der Forderung nach, Rechte unter dem Bankruptcy Code nicht im Vorhinein durch vertragliche Abreden zu beschränken oder zu entziehen.658 Die Normen stoßen in die gleiche Schutzrichtung und überschneiden sich teilweise in ihrem Anwendungsbereich.659 Sie dienen gemeinsam einem effektiven Schutz der Ziele des Bankruptcy Code: Der Schuldner soll davor bewahrt werden, wertvolle Rechte und Rechtspositionen zu verlieren.660 Gleichzeitig soll dem Vertragspartner der Nutzen des Vertrags (full benefit) zukommen.661 Der Gesetzgeber hat keine einheitliche Norm kreiert, um diese Anliegen umzusetzen. Seine Absichten sind vielmehr in mehrere spezielle Normen eingeflossen: “Eventually, these suggestions were embodied in sections 363(c)(1), 365(b)(2), (e), (f)(3) and 541(c) of the Code. The later legislative history to section 365, however, makes it clear that not all bankruptcy termination clauses are invalid in toto.”662

a) 11 U.S.C. §§ 541, 363, 366 Bereits 11 U.S.C. § 541 (c) (1) verhindert, dass Vermögenswerte, wie vertragliche Rechtspositionen, aufgrund vertraglicher Abreden mit Verfahrenseröffnung nicht in die Insolvenzmasse übergehen können und verfallen würden.663 11 U.S.C. § 363 (e) sichert, dass der Verwalter property unabhängig von entgegenstehenden Vertragsbestimmungen nutzen, verkaufen oder verleasen kann. 11 U.S.C. § 366 (a) verhindert, dass Versorgungsverträge (“utility contracts”) durch das Insolvenzverfahren unterbrochen werden. Hinzukommt in 11 U.S.C. § 1124 (2) ein Verbot, vorfällige Zahlungen in Sanierungsverfahren zu verlangen. b) Automatic stay in 11 U.S.C. § 362 Darüber hinaus wird der Bestand der Verträge durch den automatic stay geschützt.664 Als automatic stay wird der Vollstreckungsschutz zugunsten des Insolvenzschuldners bezeichnet. Er hebt die individuellen Verwertungsrechte der Gläubiger an Vermögenswerten der Insolvenzmasse auf. 658

White/Medford, Am. Bankr. Inst. J. 28 (2002), 28. Summit Inv. and Development Corp. v. Leroux, 69 F.3d 608, C.A.1 (Mass. 1995). 660 Kleinhaus/Zuckerman, 23 Norton J. Bankr. L. & Prac. 193 (2014), 195. 661 Banks, Utah L. Rev. 781 (1986), 785. 662 United States Bankruptcy Court, E.D. New York, In re Schweitzer, 19 B.R. 860, Bkrtcy N.Y., (1982). 663 Baird/Jackson/Adler, Bankruptcy, S. 190. 664 Jackson, 91 Yale L.J. 857 (1982), Fn. 106. 659

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11 U.S.C. § 362 (a) lautet auszugsweise: “(a) […A] petition filed under section 301, 302, or 303 of this title […] operates as a stay, applicable to all entities, of— (1) the commencement or continuation, […] of a judicial, administrative, or other action or proceeding against the debtor […], or to recover a claim against the debtor that arose before the commencement of the case under this title; (2) […]; (3) any act to obtain possession of property of the estate or of property from the estate or to exercise control over property of the estate; […]; (6) any act to collect, assess, or recover a claim against the debtor that arose before the commencement of the case under this title; […].”

Unabhänhig von der Art des Verfahrens (voluntary, 11 U.S.C. § 301 oder involuntary, 11 U.S.C. § 303 – vgl. § 1, E., II.) löst bereits der Insolvenzantrag (filing) die Wirkungen des automatic stay aus. “The automatic stay is one of the fundamental debtor protections provided by the bankruptcy laws. It gives a debtor a breathing spell from his creditors. It stops all collection efforts, all harassment, and all foreclosure actions. It permits the debtor to attempt a repayment or reorganization plan or simply to be relieved of the financial pressures that drove him into bankruptcy.”665

Die Regelung bezweckt, dass dem Schuldner keine wertvollen Vermögenswerte (assets) entzogen werden.666 Dem Schuldner ist eine Atempause zu gewähren, um eine Reorganisation abschätzen und planen zu können.667 Die 28 Ausnahmekategorien vom automatic stay in 11 U.S.C. § 362 (b), die beispielsweise Familiensachen, Strafverfahren und spezielle Finanzverträge betreffen, sind eng auszulegen. Auf Antrag kann der automatic stay durch gerichtliche Anordnung aufgehoben werden, vgl. 11 U.S.C. § 362 (d), (e).668 Dabei kann das Insolvenzgericht den Vollstreckungsschutz auch modifizieren oder verlängern. Der automatic stay kann unter anderem gerichtlich aufgehoben werden, wenn der Vertrag nicht notwendig für die Sanierung ist. Neben der Durchsetzungssperre einzelner Forderungen ist auch der Schutz für bestehende Vertragsverhältnisse unter 11 U.S.C. § 362 (a) (3) zu subsumieren. Bei der weiten Auslegung des property-Begriffs als all legal or equitable interests fallen auch Vertragsverhältnisse unter diesen besonderen 665

H.R.Rep. No. 95–595, 95th Cong., 1st Sess. 340 (1977). Matter of West Electronics Inc., 852 F.2d 79, C.A.3 (N.J. 1988); In re National Environmental Waste Corp., 191 B.R. 832, Bkrtcy C.D.Cal., (1996). 667 Verga, 61 Fordham L. Rev. 935 (1993), 949. 668 11 U.S.C. § 362 (d), (e) lauten: „(d) On request of a party in interest and after notice and a hearing, the court shall grant relief from the stay provided under subsection (a) of this section, such as by terminating, annulling, modifying, or conditioning such stay […]. (e)(1) Thirty days after a request under subsection (d) of this section for relief from the stay of any act against property of the estate under subsection (a) of this section, such stay is terminated with respect to the party in interest making such request, unless the court, […] orders such stay continued […].“ 666

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Schutzmechanismus.669 Mit Insolvenzantragstellung greift der Vollstreckungsschutz für den Schuldner, der auch die bestehenden Vertragsverhältnisse in ihrem Bestand einfriert.670 Ab diesem Zeitpunkt (postpetition) ist eine wirksame Vertragsbeendigung nicht mehr möglich, solange der automatic stay fortbesteht und nicht gerichtlich aufgehoben wurde.671 Der Durchsetzungsschutz hat keine Auswirkung auf eine Vertragsbeendigung, die bereits vor der Antragstellung wirksam geworden ist.672 Gerade der automatic stay ist ein klassisches Sanierungsmittel, das weltweit nachgeahmt wurde: Die österreichische Ausübungssperre in § 25a IO verhindert ebenfalls die Vertragsbeendigung für ordentliche Kündigungsrechte mit Insolvenzeröffnung. c) Zentralnorm zum Schutz des Verwalterwahlrechts 11 U.S.C. § 365 (e) Schließlich rundet 11 U.S.C. § 365 (e)(1) das Regelwerk ab, indem nachteilige vertragliche Abreden generell bei „executory contracts or unexpired leases“ im Rahmen des Verwalterwahlrechts keine Wirkung entfalten: “(e) (1) Notwithstanding a provision in an executory contract or unexpired lease, or in applicable law, an executory contract or unexpired lease of the debtor may not be terminated or modified, and any right or obligation under such contract or lease may not be terminated or modified, at any time after the commencement of the case solely because of a provision in such contract or lease that is conditioned on— (A) the insolvency or financial condition of the debtor at any time before the closing of the case; (B) the commencement of a case under this title; or (C) the appointment of or taking possession by a trustee in a case under this title or a custodian before such commencement. (2) Paragraph (1) of this subsection does not apply […], if— (A) (i) applicable law excuses a party, other than the debtor, to such contract or lease from accepting performance from or rendering performance to the trustee or to an assignee of such contract or lease, whether or not such contract or lease prohibits or restricts assignment of rights or delegation of duties; and (ii) such party does not consent to such assumption or assignment; or (B) such contract is a contract to make a loan, or extend other debt financing or financial accommodations, to or for the benefit of the debtor, or to issue a security of the debtor.”

669

Nach 11 U.S.C. § 541 (a) fallen unter Property of the estate „All legal or equitable interests”. Es war streitig, ob hierunter auch Vertragsverhältnisse fallen. Instruktiv und bejahend Verga, 61 Fordham L. Rev. 935 (1993), 950 f. 670 In re Computer Communications, Inc., 824 F.2d 725, C.A.9 (Cal. 1987); In re Wegner Farms Co., 49 B.R. 440, Bkrtcy Iowa, (1985); Verga, 61 Fordham L. Rev. 935 (1993), 962. 671 In re Computer Communications, Inc., 824 F.2d 725, C.A.9 (Cal. 1987). 672 Moody v. Amoco Oil Co., 734 F.2d 1200, C.A.Wis. (1984).

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Unbeschadet von entgegenstehenden Bestimmungen in Verträgen oder im anwendbaren Recht (state law) darf ein schwebender Vertrag oder ein Recht aus einem solchen Vertrag nach Aufnahme des Verfahrens (commencement of the case) nicht beendet oder modifiziert werden, wenn eine Vertragsklausel in einem schwebenden Vertrag an folgende Bedingungen anknüpft: (A) die Zahlungsunfähigkeit oder die finanzielle Situation des Insolvenzschuldners, (B) die Einleitung eines Insolvenzverfahrens, (C) die Bestellung eines Verwalters oder die Inbesitznahme der Masse durch den Verwalter. Rechtsfolge des Verbots ist nicht die Nichtigkeit der Klausel, sondern die Undurchsetzbarkeit während des Insolvenzverfahrens. Ziel der Norm ist es, den gesamten Wert eines vorteilhaften Vertrags für die Gläubigergesamtheit zu realisieren und die Möglichkeit zu gewähren, die Erfüllung des Vertrags zu wählen.673 Lösungsklauseln (ipso facto clauses) waren weit verbreitet und konterkarierten Reorganisationsbemühungen.674 Der Gesetzgeber hat diese Gefahren von ipso facto-Klauseln 1978 erkannt und wollte Sanierungen nicht weiter gefährden.675 “[Ipso facto clauses] frequently hampers rehabilitation efforts. If the trustee may assume or assign the contract under the limitations imposed by the remainder of the section, the contract or lease may be utilized to assist in the debtor’s rehabilitation or liquidation.”676

Die Reformkommission von 1978 sah noch vor, ipso facto-Klauseln ausschließlich in Sanierungsverfahren zu verbieten. “Commission Report, Part I at 193. Moreover, the Commission suggested making such provisions invalid in executory contracts and leases, at least in reorganization cases. Id. at 198.”677

Letztlich wurde eine verfahrensübergreifende Regelung getroffen. Der Schuldner soll nicht dafür bestraft werden können, wenn er einen Insolvenzantrag stellt – schließlich habe sich nur das bei Vertragsabschluss vorhandene Insolvenzrisiko verwirklicht.678 Mithin ist für einige Gerichte in der Bindung des Vertragspartners an den insolventen Schuldner nur das ordinary risk of doing business zu sehen.679

673

In re Southern Pacific Funding Corp., 268 F.3d 712, C.A.9 (Or. 2001); Jackson, 91 Yale L.J. 857 (1982), Fn. 106; Lord, Williston on Contracts, § 78:46. 674 Banks, Utah L. Rev. 781 (1986), 785 u. 811. 675 Senate Report No. 95-989 (1978); House Report No. 95-595 (1978); Lord, Williston on Contracts, § 78:46. 676 Senate Report No. 95-989 (1978); House Report No. 95-595 (1978). 677 United States Bankruptcy Court, E.D. New York, In re Schweitzer, 19 B.R. 860, Bkrtcy N.Y., (1982). 678 In re Warren L. Taylor, 146 B.R. 41 (MD Ga. 1992). 679 In re Peacock, 87 B.R. 657, Bkrtcy D. Colo., (1988); In re Berenguer, 77 B.R. 959, Bkrtcy S.D.Fla., (1987); a.A. Von Staats, 32 B.C.L. Rev. 703 (1991), 733.

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2. Sachlicher Anwendungsbereich Die Verbotsnorm in 11 U.S.C. § 365 (e) ist hinsichlich der verbotenen Klauseln sehr weit gefasst. Sie knüpft sachlich zunächst an materielle Bedingungen an, die der Verfahrenseinleitung typischerweise vorausgehen. So ist die Bezugnahme einer Klausel auf die Zahlungsunfähigkeit bzw. generell auf die finanzielle Situation des Schuldners ausreichend, um die Ausübung der Klausel zu verhindern. Ferner sind Klauseln erfasst, die an formelle Insolvenzvoraussetzungen anknüpfen, wie die Einleitung eines Verfahrens (commencement of the case). Auch wenn bei Gläubigerinsolvenzanträgen zusätzliche Voraussetzungen erfüllt sein müssen und das Verfahren erst nach der gerichtlichen Anordnung durchgeführt wird, wird das Verfahren sowohl bei voluntary cases als auch bei involuntary cases bereits durch die Antragstellung eingeleitet (11 U.S.C. § 301 (a), § 303 (b), vgl. § 1, E., II.). Damit sind allgemein Beendigungsklauseln eingeschränkt, die sich auf die Antragstellung beziehen. Weiter ist die Bezugnahme auf die formelle Einsetzung eines Verwalters unzulässig. Schließlich unterbindet die Norm auch entgegenstehende gesetzliche Bestimmungen im Vertragsrecht (state law).680 Die Vertragsbeendigung ist nicht ausgeschlossen, wenn – unter Verweis auf das anwendbare Recht (applicable law)681 – Leistungen an den Verwalter verweigert werden können oder nicht an ihn geleistet werden muss und der Vertragspartner der Vertragsfortsetzung nicht zustimmt. Ebenso gilt das gesetzliche Verbot nicht bei Finanzierungsverträgen, die zur Kreditgewährung führen würden.682 Ferner sind persönliche Dienstverträge nicht erfasst.683 In diesen Fällen ist auch der automatic stay aufzuheben.684 Die dargestellten

680

Summit Inv. and Development Corp. v. Leroux, 69 F.3d 608, C.A.1 (Mass. 1995); Lord, Williston on Contracts, § 78:46. Differenzierend Sumlin Const. Co., L.L.C. v. Taylor, 850 So.2d 303, (Ala. 2002) m.w.N. Als eine gesetzliche Lösungsklausel diente beispielsweise UCC § 2-609: “Right to Adequate Assurance of Performance. (1) A contract for sale imposes an obligation on each party that the other's expectation of receiving due performance will not be impaired. When reasonable grounds for insecurity arise with respect to the performance of either party the other may in writing demand adequate assurance of due performance and until he receives such assurance may if commercially reasonable suspend any performance for which he has not already received the agreed retuRn. […] (4) After receipt of a justified demand failure to provide within a reasonable time not exceeding thirty days such assurance of due performance as is adequate under the circumstances of the particular case is a repudiation of the contract.”. 681 Der Umfang der Verweisung auf das anwenbare Recht in 11 U.S.C. § 365(c) und (e) ist nicht völlig klar. Instruktiv hierzu Verga, 61 Fordham L. Rev. 935 (1993), 941, 947. 682 In re Texaco Inc., 73 B.R. 960, Bkrtcy S.D.N.Y., (1987); Kleinhaus/Zuckerman, 23 Norton J. Bankr. L. & Prac. 193 (2014), 195. 683 Kleinhaus/Zuckerman, 23 Norton J. Bankr. L. & Prac. 193 (2014), 195. 684 Winick, in: Bankruptcy Practice in California, § 8.59.

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Grundsätze werden durch zusätzliche Ausnahmevorschriften685 (safe harbourBestimmungen) weiter eingeschränkt. Diese betreffen verschiedene Finanzgeschäfte (beispielsweise Wertpapier-, Termin-, und Swapgeschäfte), die vom Lösungsverbot ausgenommen werden: So sind Lösungsklauseln wirksam in Wertpapier- und Kreditgeschäften (11 U.S.C. § 555, securities contracts686), in Rohstoff- und Termingeschäften (11 U.S.C. § 556, commodities and forward contracts687), in Rückkaufvereinbarungen (11 U.S.C. § 559, repurchase agreements), in swap agreements,688 d.h. in Geschäften, die zukünftige Zahlungsströme austauschen (11 U.S.C. § 560) und in master netting agreements, d.h. in Rahmenaufrechnungsverträgen, die Leistungsverpflichtungen im Finanzwesen institutionell auszugleichen (11 U.S.C. § 561).689 3. Reichweite des Verbots: non-executory contracts und insolvenzunabhängige Lösungsklauseln Der Wortlaut des Verbots in 11 U.S.C. § 365 (e) umfasst nur schwebende, d.h. nur teilweise erfüllte Verträge (so genannte executory contracts). In der Rechtsprechung und Literatur hat sich die Diskussion entwickelt, ob das Verbot allgemein auf alle Verträge (auch non-executory contracts) auszudehnen sei. Ein Beispiel hierfür sind Darlehensverträge. Diese sind dann keine schwebenden Verträge mehr, wenn das Darlehen voll ausgezahlt wurde.690 Auch in diesen Verträgen sind Lösungsklauseln allgegenwärtig: Sie beenden das Darlehen im Insolvenzfall und beschleunigen damit die Fälligkeit der Verbindlichkeiten.691 Der Wortlaut von 11 U.S.C. § 365 (e) legt die Anwendung des Verbots nur für executory contracts nahe, weshalb bspw. in der Entscheidung American Airlines Lösungsrechte in non-executory contracts für wirksam gehalten wurden.692 Der Gesetzgeber wollte keine einheitliche Bestimmung treffen und habe sich für verschiedene punktuelle Lösungen entschieden.693 In der Sache W.R. Grace694 wurde hingegen auf den Sinn und 685

Angemerkt sei, dass nicht abschließend geklärt ist, ob ipso facto-Klauseln in Verbraucherinsolvenzliquidationsverfahren wirksam sind: Bejahend: Von Staats, 32 B.C.L. Rev. 703 (1991), 737; In re Mitchell, 85 B.R. 564, Bkrtcy D.Nev., (1988); In re Sparago, 31 B.R. 552, Bkrtcy N.Y., (1983). Ablehnend: In re Hughes, 95 B.R. 20, Bkrtcy E.D.N.Y., (1989); In re Peacock, 87 B.R. 657, Bkrtcy D. Colo., (1988). 686 Definiert in 11 U.S.C. § 741(7). 687 Definiert in 11 U.S.C. § 761(8) und 11 U.S.C. § 101 (25). 688 Definiert in 11 U.S.C. § 101 (53B). 689 Hierzu auch § 4, A. 690 Kleinhaus/Zuckerman, 23 Norton J. Bankr. L. & Prac. 193 (2014), 193; vgl. Ebenfalls in Deutschland: Wegener, in: Uhlenbruck, InsO, § 103, Rn. 29. 691 Kleinhaus/Zuckerman, 23 Norton J. Bankr. L. & Prac. 193 (2014), 193. 692 In re AMR Corp., 730 F.3d 88, C.A.2 (N.Y. 2013). 693 In re General Growth Properties, Inc., 451 B.R. 323, (Bkrtcy S.D.N.Y. 2011) und Rubin, XXXII Am. Bankr. Inst. J. 12 (2013), 12 halten Lösungsrechte in non-executory

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Zweck des Lösungsverbots rekurriert. Die übergeordneten Insolvenzziele, wie das Ziel, dem Schuldner einen fresh start zu ermöglichen, erfordern ein Verbot auch in non-executory contracts.695 Das Gesamtsystem des Bankruptcy Code verbiete Lösungsklauseln.696 Ebenfalls umstritten ist die Rechtslage bezüglich Klauseln, die generell ein Kündigungsrecht vorsehen, aber nicht explizit an die Finanzlage oder die Insolvenz des Schuldners anknüpfen (insolvenzunabhängige Klauseln, nonipso facto clauses).697 Der Wortlaut des 11 U.S.C. § 365 (e) verbietet diese Klauseln nicht. Allerdings besteht wiederum die Gefahr, Insolvenzzwecke zu vereiteln.698 Im Einzelfall können die Gerichte auf die allgemeine richterliche Anordnungsbefugnisse in 11 U.S.C. § 105 (a) zurückgreifen und nicht insolvenzbezogenen Lösungsrechten die Wirksamkeit versagen.699 Ein solcher Rückgriff auf Billigkeitserwägungen birgt aber die Gefahr von Rechtsunsicherheit. Nach Verfahrenseinleitung kann der automatic stay für solche Rechte greifen (§ 3, E., I., 1., b). 4. Zeitlicher Anwendungsbereich Nach dem Wortlaut von 11 U.S.C. § 365 (e) wird die Ausübungssperre von Lösungsklauseln zeitlich an die Verfahrenseinleitung (after the commencement of the case) geknüpft. Das Verfahren wird sowohl in voluntary cases als auch in involuntary cases durch die Antragstellung eingeleitet, 11 U.S.C. § 301 (a), § 303 (b). Insofern ist das Verbot von Lösungsrechten an das laufende Insolvenzverfahren gebunden. Um diesen Kernbereich gruppieren sich offene Fragen. Ein zeitlicher Grenzbereich des Lösungsverbots betrifft die Vertragsbeendigung vor der Insolvenzantragstellung (prepetition termination). Es ist offen, ob eine solche frühe Vertragsbeendigung durch das spätere Verfahren verhindert werden kann. In der Rechtssache LJP, Inc.700 wurde eine Vertragsbeendigungsklausel aufrechterhalten, die an die (materielle) Insolvenz einer Partei anknüpfte. Die Voraussetzungen der Klausel waren bereits vor der formellen Antragstellung des Chapter-11-Verfahrens eingetreten. Grundsätzlich liegt kein executory contracts für wirksam, da der Gesetzgeber kein allgemeingültiges Verbot von ipso facto Klauseln beabsichtigte. 694 In re W.R. Grace & Co., 475 B.R. 34, D. Del. (2012). 695 In re W.R. Grace & Co., 475 B.R. 34, D. Del. (2012). In re Saint Vincent's Catholic Medical Centers of New York, 440 B.R. 587, (Bkrtcy S.D.N.Y. 2010) wurden die Lösungsklauseln hingegen für wirksam gehalten, wenn der fresh start nicht gefährdet wird. 696 Matter of Rose, 21 B.R. 272, (Bkrtcy N.J. 1982); In re Perry, 25 B.R. 817, (Bkrtcy Md. 1982). 697 Vertiefend Ruben, 89 Dick. L. Rev. 1029 (1984), 1034 u. 1060. 698 Ruben, 89 Dick. L. Rev. 1029 (1984), 1038. 699 Matter of Amber Lingerie, Inc., 30 B.R. 736, (Bkrtcy N.Y. 1983). 700 In re LJP, Inc., 22 B.R. 556, Bkrtcy Fla., 1982.

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contract mehr vor, wenn dieser vor Antragstellung beendet wurde.701 Daher greife das gesetzliche Verbot in 11 U.S.C. § 365 (e) nicht und die vorinsolvenzliche Beendigung sei möglich.702 So können vor dem Verfahren beendete Verträge regelmäßig nicht „wiederbelebt“ werden.703 Dem gegenüber wurde auch eine vorinsolvenzliche Beendigung teilweise für unwirksam gehalten: Aus dem Gesamtsystem des Bankruptcy Code sei abzuleiten, dass auch vor dem Verfahren ausgeübte Vertragskündigungen unwirksam seien.704 Damit ein Insolvenzschuldner den Schutz des Bankruptcy Code erhält, ist eine frühe und rechtzeitige Antragstellung zwingend. Das Gesetz setze die Anreize, um frühzeitig das Insolvenzverfahren einzuleiten und Sanierungschancen zu erhöhen. Schließlich ist die Frage relevant, ob Lösungsklauseln nach Verfahrensende durchgesetzt werden können. Der Schutz von 11 U.S.C. § 365 (e) soll aber nur während eines laufenden Insolvenzverfahrens greifen.705 Nach Verfahrensende erlangen die Parteien die Positionen, wie sie vor dem Verfahren bestanden, sodass der Bankruptcy Code nicht weitergehend vor den Klauseln schütze.706 Die Gesetzesmaterialien erklären hierzu: “Section 365(e) does not limit the application of an ipso facto or bankruptcy clause to a new insolvency or receivership after the bankruptcy case is closed.”707

5. Ausübungsfrist des Verwalterwahlrechts: eine Abwägung der Interessen von Gläubiger und Schuldner Die gesetzlichen Bestimmungen des Verwalterwahlrechts spiegeln die wichtige Abwägung der Interessen beider Vertragsparteien wider; diese Interessen sind relevant, um die Verbotsbestimmungen von insolvenzbezogenen Lösungsklauseln auszugestalten.708 Besonders deutlich wird der Interessenausgleich in der Ausübungsfrist für das Verwalterwahlrecht. So gewährte das 701

Siehe § 4, B., V. In re LJP, Inc., 22 B.R. 556, Bkrtcy Fla., 1982. 703 Karwowski, 29 Am. Bankr. Inst. J. 54 (2010), 54; In re Nemko, Inc., 163 B.R. 927, Bkrtcy E.D.N.Y.,1994; In re Comp III, Inc., 136 B.R. 636, Bkrtcy S.D.N.Y.,1992: „365 (e)(1) does not authorize the bankruptcy court to reach beyond the veil of the petition to reinstate the contract”. 704 West Associates v. Printsiples Fabric Corp., 92 A.D.2d 76, 459 N.Y.S.2d 605, N.Y.A.D.,1983. Hiervon abweichend und als obiter dictum qualifizierend: In re Gordon Car and Truck Rental, Inc., 59 B.R. 956, Bkrtcy N.D.N.Y.,1985.Karwowski, 29 Am. Bankr. Inst. J. 54 (2010), 54. 705 Sumlin Const. Co., L.L.C. v. Taylor, 850 So.2d 303 (Ala. 2002). 706 Sumlin Const. Co., L.L.C. v. Taylor, 850 So.2d 303 (Ala. 2002); Lord, Williston on Contracts, § 78:46. 707 H.R.Rep.No.595, 95th Cong., 1st Sess. 348 (1977), zitiert nach In re Schweitzer, 19 B.R. 860, (Bkrtcy N.Y. 1982). 708 Banks, Utah L. Rev. 781 (1986), 785. 702

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Insolvenzrecht von 1978 dem Schuldner einen weitergehenden Schutz als heute. In Reorganisationsverfahren ist beispielsweise – bis heute – keine Ausübungsfrist für das Verwalterwahlrecht vorgesehen. Damit konnten Monate und Jahre bis zur Entscheidung in der Planbestätigung vergehen.709 Eine kurze Ausübungsfrist für das Wahlrecht kann eine Stellschraube sein, um den Interessen der solventen Vertragsparteien nachzukommen. Diese haben regelmäßig ein Interesse daran, schnellstmögliche Klarheit über den weiteren Vertragsverlauf zu erhalten – insbesondere, wenn sie von sich aus den Vertrag nicht mehr beenden können. Durch den “Shopping Centre Tenant Bankruptcy Improvements Act 1983“ wurde in den Jahren 1983/84 nach Einflussnahme von Interessenvertretern ein Ausgleich zugunsten der solventen Vertragspartner in das Insolvenzrecht aufgenommen.710 Vor allem durch 11 U.S.C. § 365 (d)(4) wurden Vermieter in Gewerbemietraumverhältnissen geschützt.711 Hiernach ist das Verwalterwahlrecht binnen 120 Tagen auszuüben, nachdem die gerichtliche Kontrolle über den Schuldner besteht oder spätestens mit dem Inkrafttreten des Sanierungsplanes. Damit ist eine wichtige Steuerungsmöglichkeit für ein Interessenausgleich deutlich geworden: Solange die Vertragspartner sich nicht dem Insolvenzverfahren entziehen können, ist zumindest frühzeitig über das Schicksal der vertraglichen Bindungen zu entscheiden. 6. Schranken der Vertragsfreiheit Der Grenzbereich der Vertragsfreiheit lässt sich verdeutlichen, wenn der Blick von insolvenzbezogenen Lösungsklauseln auf allgemeinere Vertragsklauseln gelenkt wird, die andere Schutzmechanismen des Insolvenzrechts, wie beispielsweise den automatic stay, auszuschließen versuchen. Der Bankruptcy Code sieht für solche Klauseln keine expliziten Verbote vor. Grundsätzlich ist der Verwalter an die Verträge und deren Inhalte gebunden, die der Schuldner eingegangen ist.712 Die Vertragsfreiheit wird jedenfalls nicht völlig ausgeschaltet, sobald ein Bezug zum Insolvenzrecht entsteht. Klauseln, die den automatic stay ausschließen, werden daher nicht per se für unwirksam gehalten werden.713 Die Vertragsfreiheit wird aber im Kernbereich des Insolvenzrechts verdrängt, sodass ein einzelner Gläubiger nicht aus dem Insolvenzverfahren zum Nachteil anderer Gläubiger ausscheiden kann.714 Sofern die Klauseln negative Einflüsse auf andere ungesicherte Gläubiger haben, 709

Banks, Utah L. Rev. 781 (1986), 789. Banks, Utah L. Rev. 781 (1986), 782. 711 Banks, Utah L. Rev. 781 (1986), 786 u. 789. 712 Matter of Pease, 195 B.R. 431, (Bkrtcy D.Neb. 1996). 713 In re Powers, 170 B.R. 480 (Bkrtcy Mass.1994); In re Orange Park South Partnership, 79 B.R. 79 ( Bktrcy M.D.Fla. 1987). 714 Matter of Pease, 195 B.R. 431, (Bkrtcy D.Neb. 1996). 710

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wird ihnen die Durchsetzbarkeit versagt.715 Der Schutz des Insolvenzrechts kommt nämlich nicht nur dem Schuldner, sondern auch anderen Gläubigern zugute.716 Gerade das Ausschalten des automatic stay verhindert realistische Chancen, um einen Sanierungsplan zu erarbeiten717 und verstößt damit gegen den ordre public.718 Die Einschränkung der Vertragsfreiheit im Bereich des Insolvenzrechts erfährt ihre Legitimation mithin insbesondere im Schutz anderer beteiligter Gläubiger und darin, Sanierungschancen zu erhalten. 7. Sonderregelung für Versorgungsverträge Versorgungsverträge wie Energielieferungsverträge (utility contracts) haben in der Insolvenzrechtsreform von 1978 eine Sonderregelung in 11 U.S.C. § 366 erfahren.719 Hiernach dürfen Versorgungsverträge nicht modifiziert, zurückgewiesen oder die Leistungen beendet werden. Weiterhin dürfen Schuldner oder Verwalter nicht ausschließlich deswegen diskriminiert werden, dass ein Insolvenzverfahren eingeleitet wird oder dass rückständige Verbindlichkeiten des Schuldners für Versorgungsleistung aufgelaufen sind, bevor der Insolvenzschuldner unter gerichtliche Kontrolle gestellt wird. Die wichtigen Versorgungsverträge sollen nicht nachteilig wegen vorinsolvenzlichen Verbindlichkeiten verändert oder beendet werden können, die in einem Insolvenzverfahren sowieso durch die Restschuldbefreiung erlöschen würden.720 Zahlungsrückstände nach Insolvenzeröffnung berechtigen wiederum zur Vertragsbeendigung.721 Betroffen sind Versorgungsverträge beispielsweise über die Lieferung von Strom-, Gas- und Telefondienstleitungen, wenn sie ein Monopol in der Region bilden.722 Mit anderen Worten: Die Versorgungsunternehmen müssen eine besondere, monopolartige Stellung haben, sodass der Schuldner nicht einfach Ersatzleistungen erhalten kann.723 Die Regelung beabsichtigt zu verhindern, dass Versorgungsunternehmen Druck auf den Insolvenzschuldner ausüben, indem sie Leistungen einstellen oder die Konditionen ändern, um Zahlungs-

715

In re South East Financial Associates, Inc., 212 B.R. 1003, (Bkrtcy M.D.Fla. 1997); In re Atrium High Point Ltd. Partnership, 189 B.R. 599, (Bkrtcy M.D.N.C. 1995). 716 In re Atrium High Point Ltd. Partnership, 189 B.R. 599, (Bkrtcy M.D.N.C. 1995). 717 In re Jenkins Court Associates Ltd. Partnership, 181 B.R. 33 (Bkrtcy E.D.Pa. 1995.); In re Madison, 184 B.R. 686, (Bkrtcy E.D.Pa. 1995). 718 In re Madison, 184 B.R. 686, (Bkrtcy E.D.Pa.,1995). 719 Miles, 20 Akron L. Rev. 715 (1987), 715. 720 H Rept 95-595, to accompany H.R. 8200, 95th Congress, 1st session 1977, S. 350. 721 In re Price, Case No. 08-24090-svk (June 25, 2008). 722 H Rept 95-595, S. 350; In re Darby, No. 05-20931, 470 F.3d 573 (2006): Ein Kabelfernsehbetreiber ist kein Versorger iSd § 366 U.S.C.; Miles, 20 Akron L. Rev. 715 (1987), 721 (bejahend für Wasserversorgungsunternehmen). 723 H Rept 95-595, S. 350; In re Darby, No. 05-20931, 470 F.3d 573 (2006).

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rückstände einzutreiben, die vor Insolvenzeröffnung entstanden sind (prepetition claims).724 In ihrem Anwendungsbereich fungiert die Norm als Ausnahme zum automatic stay.725 Voraussetzung ist, dass innerhalb von 20 Tagen nach Beginn der gerichtlichen Kontrolle für die zukünftigen Versorgungsleistungen keine Sicherheit gestellt wurde. Die Höhe der Sicherheiten kann gerichtlich angepasst werden. Mit der Insolvenzreform 2005 wurden die Absätze (c) bis (e) in 11 U.S.C. § 366 hinzugefügt.726 Hiernach wurden vor allem die Erleichterungen für das Chapter-11-Verfahren zugunsten des Insolvenzschuldners eingefügt. Ebenfalls wurde die angemessene Sicherheitenstellung näher bestimmt.727 Nach 11 U.S.C. § 366 (c)(1)(B) soll insbesondere die weitere Qualifikation der Verbindlichkeiten als Masseverbindlichkeiten keine ausreichende Sicherung sein. Zuvor war dies in der Rechtsprechung und Lehre umstritten.728 8. Würdigung Das amerikanische Insolvenzrecht gewährt insgesamt einen sehr weitreichenden Schutz des Insolvenzschuldners, indem es die Vertragsbeendigung im Insolvenzfall erheblich beschränkt. Die Gesetzesstruktur stellt sich allerdings als äußerst komplex dar und die juristische Antwort, inwiefern vertragliche Auflösungsrechte im Insolvenzfall zulässig sind, ist an unterschiedlichen Stellen zu finden. Positiv zu bewerten ist es, dass der Gesetzgeber selbst die konkreten Leitlinien des Verbots vorgibt und nicht allein der Rechtsprechung diesen umstrittenen Rechtsbereich überlässt. a) Verbotsregelung Das weitreichende Verbot von Lösungsklauseln in 11 U.S.C. § 365 (e) bezweckt, die Sanierung von Unternehmen zu erleichtern. In den USA sind durch diese Regelung nicht nur insolvenzbezogene Lösungsklauseln undurchsetzbar, sondern auch Kündigungen können wegen des automatic stay grundsätzlich nicht mehr ausgeübt werden (11 U.S.C. § 362). Insofern besteht ein doppelter Schutz vor Vertragsbeendigungen, wobei die Regelungsbereiche 724

Miles, 20 Akron L. Rev. 715 (1987), 716; In re Hanratty, 907 F.2d 1418, 1424 (3d Cir. 1990). 725 In re Jones, 369 B.R. 745; In re Price, Case No. 08-24090-svk (June 25, 2008). 726 Pub. L. 109–8, title IV, § 417, Apr. 20, 2005, 119 Stat. 108. 727 Als Sicherheiten gelten nach 11 U.S.C. § 366 (c)(1): “(i) a cash deposit; (ii) a letter of credit; (iii) a certificate of deposit; (iv) a surety bond; (v) a prepayment of utility consumption; or (vi) another form of security that is mutually agreed on between the utility and the debtor or the trustee.” 728 Vgl. ausführlich mit weiteren Nachweisen Miles, 20 Akron L. Rev. 715 (1987), 729 ff.; Misken/Boehm, XXVI Am. Bankr. Inst. J. (2007), passim, m.w.N.

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sich nur partiell überschneiden. Allerdings löst erst die Einleitung des Insolvenzverfahrens, also die Antragstellung (ein Vorverfahren kennt das U.S. Recht nur bei Gläubigeranträgen), diese Rechtswirkungen aus. Der Schutz vor insolvenzbezogenen Lösungsklauseln ergibt sich daher aus dem formellen Bezug zum Insolvenzverfahren. Die typischen Lösungsklauseln, die an die Insolvenzantragstellung, die Zahlungsunfähigkeit oder an spezielle finanzielle Bedingungen des Insolvenzschuldners anknüpfen, werden durch die gesetzliche Regelung während des Insolvenzverfahrens zweifelsfrei für unzulässig erklärt. Damit sind die Hauptanwendungsfälle von Lösungsklauseln rechtssicher geregelt. Gerade nachdem ipso facto-Klauseln zum Marktstandard geworden sind und deshalb kaum verhandelt werden, ist eine klare gesetzliche Regelung dieser Klauseln eine wertvolle Fortentwicklung. In den oben beschriebenen Randbereichen der Norm oder in Bereichen, die vom Wortlaut nicht mehr umfasst sind, kann die Wirksamkeit von Lösungsklauseln aufgrund der divergierenden Rechtsprechung nicht rechtssicher bewertet werden. Dies hängt vielmehr von fallspezifischen Faktoren ab, ob auch über den reinen Anwendungsbereich der Norm das Gericht die Sanierung oder den fresh start des Schuldners als gefährdet betrachtet und deshalb die Klausel für unwirksam hält. Insofern bestehen überschaubare Rechtsunsicherheiten in den USA – dies trotz der ausführlichen gesetzlichen Regelung. Strukturell sind vor allem Finanzverträge und Kreditverträge vom Verbot ausgenommen. Im Einzelfall kann das Insolvenzgericht den automatic stay auch aufheben, wenn der gegenständliche Vertrag nicht relevant für die Sanierung ist. b) Versorgungsverträge Interessant ist schließlich das besondere Regelwerk bei Versorgungsverträgen nach 11 U.S.C. § 366. Gegenüber dem allgemeinen Verbot von Lösungsklauseln (11 U.S.C. § 365 (e)) sind Versorgungsverträge speziell geregelt. Dies gilt auch, wenn kein schwebendes Vertragsverhältnis gegeben ist. Ein Versorgungsvertrag ist je nach Vertragsgestaltung nicht zwingend als schwebender Vertrag zu qualifizieren, sondern kann ein sich permanent erneuernder Vertrag sein, dessen Verpflichtungen beispielsweise monatlich neu entstehen. Damit greifen auch nicht zwingend die Verbote von Lösungsklauseln in 11 U.S.C. § 365. Die Bestimmung in 11 U.S.C. § 366 untersagt alle nachteiligen Änderungen von Versorgungsverträgen im Insolvenzfall. Verwunderlich bleibt, warum die begründeten Masseverbindlichkeiten bei Versorgungsverträgen nicht als hinreichende Sicherheit für die Vertragsfortführung gelten. Wenngleich eine solche Privilegierung nicht zwingend in das restliche, sehr schuldnerfreundliche System passt, könnte eine amerikanische Besonderheit eine Erklärung liefern: Normalerweise bewirkt eine Erfüllungswahl des Verwalters, dass der gesamte Vertrag, also auch die vorinsolvenzlichen Forde-

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rungen, zu Masseverbindlichkeiten werden. Insofern werden dem Vertragspartner für die Bindung im Insolvenzverfahren seine vorinsolvenzlichen Verbindlichkeiten ausgeglichen. Bei Versorgungsverträgen ist dies nicht der Fall. Hinzukommt, dass die Leistungen von Versorgungsverträgen regelmäßig sofort geschuldet sind und konsumiert werden. Sie verbleiben nicht langfristig in einem reellen Gegenwert in der Insolvenzmasse. Schlussendlich haben gerade bei unverzichtbaren Versorgungsleistungen wie Strom, Gas und Telefon die Vertragspartner des Schuldners eine unverkennbare Verhandlungsmacht, um sich Vorteile und verlustreiche vorinsolvenzliche Verbindlichkeiten erfüllen zu lassen. Damit können Sanierungen von Anfang an unmöglich gemacht werden, wenn der Insolvenzschuldner nicht bereit oder in der Lage ist, diese Forderungen zu erfüllen. Eine vergleichbare Regelung gibt es in England seit Oktober 2015. Diese ist ebenso punktuell auf Versorgungsverträge bezogen. Sie vervollständigt dort allerdings kein allgemeines Verbot insolvenzbezogener Lösungsklauseln.729 c) Rechtsentwicklung und Rezeption Die Idee eines Verbots von Lösungsklauseln war zwar bereits zuvor in Frankreich (vgl. § 3, D.) oder Neuseeland (vgl. § 3, F., VI.) bekannt, es wurde indes maßgeblich im amerikanischen Recht entwickelt, im Jahr 1978 kodifiziert und später international rezipiert. Heute ist das Verbot von Lösungsrechten im Kern etabliert und der Gesetzgeber konnte damit einen festen Sanierungsrahmen setzen. Es ist ein umfassendes Schutzsystem errichtet worden, indem verschiedene Normen und Mechanismen wie der automatic stay und das Lösungsklauselverbot ineinander greifen. Nach der amerikanischen Auffassung ermöglicht das Verwalterwahlrecht, nachteilige Verträge zugunsten der Masse zu beenden. Gleichzeitig bietet die Erfüllungswahl die Chance, vorteilhafte und notwendige Verträge für die Reorganisation zu erhalten. Folglich sollen das Verwalterwahlrecht und das Verbot von Lösungsklauseln zusammenwirken, um die Sanierungschancen zu begünstigen. Das System funktioniert nunmehr seit über 30 Jahren und war in seiner Gesamtheit durchaus förderlich für Sanierungen in den USA. Schließlich wurde das Sanierungsverfahren zu einem weltweiten Exportschlager: Alle hier untersuchten Rechtsordnungen haben Inspiration im amerikanischen Recht gesucht. Gleichwohl werden Sanierungsverfahren in den USA als kostspielig und wettbewerbsfeindlich kritisiert, da auch Unternehmen mit fragwürdiger wirtschaftlicher Perspektive gerettet werden können und damit den Markt verzerrten. Allerdings bleibt vor allem das Chapter-11-Verfahren

729

Hierzu ausführlicher in § 3, E., II., 3.

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weltweit eines der effektivsten Verfahren, um Sanierungen zu realisieren.730 Der Erfolg des Verfahrens liegt insbesondere in der frühen Antragstellung – diese ist möglich, ohne auf materielle Insolvenzgründe abzustellen, wie Überschuldung oder Zahlungsunfähigkeit – und in dem gesamten beschriebenen Schutzsystem des Insolvenzschuldners. So gehört neben dem automatic stay der Schutz vor ipso facto-Klauseln zu den Kerncharakteristika des Chapter11-Verfahrens – gerade um wertvolle Verträge zu retten.731 Dies steht beispielsweise im fundamentalen Gegensatz zur schweizerischen Rechtsordnung, aber auch weitestgehend entgegen der Rechtslage in England. II. England “Rescuing struggling but viable businesses out of formal insolvency helps save jobs and improves the prospect of creditors recovering some of what they are owed.”732

Auch wenn heute das englische Recht erhebliche Sanierungstendenzen kennt, wurden Lösungsklauseln bislang als wirksam und durchsetzbar angesehen.733 Die Vertragsfreiheit hat in England einen besonders hohen Stellenwert: “… because if there is one thing which more than another public policy requires it is that men of full age and competent understanding shall have the utmost liberty of contracting, and that their contracts when entered into freely and voluntarily shall be held sacred and shall be enforced by Courts of justice.” “… that you are not lightly to interfere with this freedom of contract.”734

Eingriffe in die Vertragsfreiheit sind folglich sehr restriktiv zu handhaben. Gleichwohl stellen auch in England die Insolvenzgesetze eine Grenze der Privatautonomie dar, von denen die Parteien nicht vertraglich abweichen können.735 Dies gilt insbesondere, weil die Interessen von Dritten betroffen sind.736 Dieses Umgehungsverbot des Insolvenzrechts bestimmen zwei Prinzipien näher: das pari passu-Prinzip und die anti-deprivation-Regel.

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Mallon, in: The Challenges of Insolvency Law Reform in the 21st Century – Facilitating Investment and Recovery to Enhance Economic Growth (Hrsg. Peter/ Jeandin/Kilborn), Chapter 11: Relevant Beyond the U.S., S. 401. 731 Mallon, in: Chapter 11: Relevant Beyond the U.S., S. 405. 732 Jo Swinson, Written Statement, House of Commons, 265, 9.2.2015. 733 Suchak, International Corporate Rescue (LJI) 2011, 131, 132. 734 Court of Appeal, Printing and Numerical Registering Company v Sampson (187475) L.R. 19 Eq. 462. 735 Belmont Park Investments Pty Ltd and others v BNY Corporate Trustee Services Ltd and another, [2012] 1 A.C. 383, Rn. 1 (“[…] parties cannot contract out of the insolvency legislation”). 736 Belmont Park Investments Pty Ltd and others v BNY Corporate Trustee Services Ltd and another, [2012] 1 A.C. 383, Rn. 103.

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1. Common law-Rechtslage a) Pari passu principle Hinter dem pari passu principle verbirgt sich das Prinzip der Gläubigergleichbehandlung, der par conditio creditorum.737 Durch vertragliche Abreden dürfen bei der Befriedigung der Gläubiger keine Sonder- und Vorrechte eingeräumt werden: 738 “… all creditors will receive the same percentage of their debts out of the available assets. Parties are not free to contract out of operation of this principle.”739

Dieser Grundsatz greift jedoch erst ab Eröffnung des Liquidationsverfahrens oder wenn während der administration aufgrund einer notice of intention (2.95 Insolvency Rules 1986) Teile der Insolvenzmasse an Gläubiger verteilt werden sollen.740 b) Anti-deprivation rule741 Die anti-deprivation rule geht auf eine 200-jährige Entwicklung des Fallrechts zurück und basiert auf Grundsätzen der öffentlichen Ordnung (public policy).742 Sie wird im Reorganisationsverfahren (administration) genauso wie im Liquidationsverfahren angewandt.743 Anknüpfungspunkt der Regel ist ausschließlich die formelle Verfahrenseröffnung; eine materielle Vorwirkung ist nicht bekannt.744 Ziel ist es zu verhindern, dass bei einer Insolvenz Vermögensbestandteile der Masse entzogen werden und der Wert der Masse reduziert wird.745 Insofern sind alle vertraglichen Bestimmungen unwirksam, die Vermögensbestandteile dem Insolvenzverfahren entziehen: 737

Näher hierzu Goode, Principles, 7-03. Belmont Park Investments Pty Ltd and others v BNY Corporate Trustee Services Ltd and another, [2012] 1 A.C. 383, Rn. 1, 6, 8, 10. 739 High Court of Justice, Chancery Division, HM Revenue and Customs v The Football League Ltd & Anor [2012] EWHC 1372 (Ch), Rn. 4. 740 High Court of Justice, Chancery Division, HM Revenue and Customs v The Football League Ltd & Anor [2012] EWHC 1372 (Ch), Rn. 90. 741 Ausführlich zur Anti-deprivation rule: Davies, International Corporate Rescue (LJI) 2011, Special Issue, 1, passim. 742 Goode, Principles, 7-01; Davies, International Corporate Rescue (LJI) 2011, Special Issue, 1, 7. 743 High Court of Justice, Chancery Division, HM Revenue and Customs v The Football League Ltd & Anor [2012] EWHC 1372 (Ch), Rn. 100; Goode, Principles, 7-01. 744 Goode, Principles, 7-01. 745 Belmont Park Investments Pty Ltd and others v BNY Corporate Trustee Services Ltd and another, [2012] 1 A.C. 383, Rn. 1. Cotton, L.J., In re Harrison, (1879) 14 Ch. D. 19: “… that there cannot be a valid contract that a man’s property shall remain his until his bankruptcy, and on the happening of that event shall go over to someone else, and be taken away from his creditors.” Property wird im Sinne der Sect. 436 (1) IA 1986 sehr weit 738

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“… void [is] any provision by which a debtor is deprived of assets by reason of insolvency with the effect that they are not available in the insolvency procedure.”746

Als Verstoß gegen die Regel wurde aufgefasst, dass Eigentum bei Insolvenzeröffnung vom Schuldner auf einen Dritten übergehen solle und damit nicht den Gläubigern zur Verfügung steht.747 Gleichfalls ist es ausgeschlossen, einem Gläubiger einen zusätzlichen Vorteil zu gewähren.748 Auch Klauseln, welche die Erfüllungswahl einem Gläubiger statt dem Verwalter zubilligten, wurden als Verstoß gegen die anti-deprivation rule aufgefasst.749 Vertragliche Abreden, wie beispielsweise vertragliche Entschädigungsklauseln, die ebenfalls an der Insolvenz einer Vertragspartei anknüpfen, werden für unwirksam gehalten.750 Insofern könnte diese Regel auch vertraglichen Lösungsrechten entgegenstehen.751 Denn Verträge sind oftmals der wertvollste Vermögensbestandteil eines Unternehmens.752 Entfällt der Vertrag bei Insolvenzeröffnung wegen einer Lösungsklausel, ist es durchaus legitim zu fragen, ob die antideprivation rule einen solchen Entzug von Vermögenswerten begrenzen solle. Im bestehenden englischen Recht liegt diese Frage im Grenzbereich der Regel. Dieser ist bislang nur sehr unscharf bestimmt.753 Es wurden verschiedene Abgrenzungen eingeführt: Erstens bedürfe es eines absichtlichen Willens, das Insolvenzrecht zu umgehen. Dies bedeutet, dass den Parteien betrügerische Absichten nachgewiesen werden müssten. Wird hingegen eine vertragliche Abrede in good faith and commercial sense abgeschlossen, schließt das regelmäßig einen Verstoß gegen die anti-deprivation rule aus.754 verstanden und umfasst auch Forderungen: “’property’ includes money, goods, things in action, land and every description of property wherever situated and also obligations and every description of interest, whether present or future or vested or contingent, arising out of, or incidental to, property”. 746 HM Revenue and Customs v The Football League Ltd & Anor [2012] EWHC 1372 (Ch), Rn. 5. 747 Whitmore v Mason, 70 E.R. 1031 (1861). 748 Jeavons Ex p. Mackay, Re, (1872-73) L.R. 8 Ch. App. 643, 648. 749 Walker Ex p. Black, Re (1884) 26 Ch. D. 510. 750 Mayhew v King, [2010] EWHC 1121 (Ch) oder Transag Haulage Ltd (IAR) v Leyland DAF Finance Plc., [1994] B.C.C. 356 (“…this is indeed one of those rare cases where it would be right for the court to grant relief from forfeiture…”). 751 Vgl. Mayhew v King, [2010] EWHC 1121 (Ch). 752 Transag Haulage Ltd (IAR) v Leyland DAF Finance Plc, [1994] B.C.C. 356; Goode, Principles, 7-05. 753 Belmont Park Investments Pty Ltd and others v BNY Corporate Trustee Services Ltd and another, [2012] 1 A.C. 383, Rn. 58. 754 HM Revenue and Customs v The Football League Ltd & Anor [2012] EWHC 1372 (Ch), Rn. 69; Belmont Park Investments Pty Ltd and others v BNY Corporate Trustee Services Ltd and another, [2012] 1 A.C. 383, Rn. 75, 78, 79.

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Zweitens hat sich im englischen Recht eine sehr scharfsinnige und sprachlich feine Abgrenzung ergeben, die aus kontinentaleuropäischer Perspektive schwer verständlich ist. Wird ein Eigentumsrecht vollständig als absolute interest auf den Vertragspartner übertragen, ist es unzulässig, dieses aufgrund einer vorigen vertraglichen Abrede im Insolvenzfall zurückzufordern (conditional interest). Der Verfall eines Rechts bzw. die Rückübertragung im Insolvenzfall wird vom Insolvenzrecht nicht geduldet.755 Hingegen kann ein Recht (determinable interest) bis zum Insolvenzfall zulässigerweise übertragen werden.756 Insofern werde in der Insolvenz kein Vermögenswert entzogen. In letztem Fall liegt eine immanente und natürliche Beschränkung des Rechts vor, das nur zeitlich bis zur Insolvenz übertragen bzw. eingeräumt wurde.757 Die Unterscheidung erfolgt zwischen einer auflösend bedingten Übertragung (“but if“) und einer zeitlich begrenzten Übertragung (“until“).758 Drittens sind vertragliche Lösungsrechte bei Mietverträgen und Lizenzen etabliert und stehen nicht der anti-deprivation rule entgegen, vgl. Law of Property Act 1925, s. 146(9).759 Rechtsprechung und Lehre legen die anti-deprivation rule im Regelfall eng aus, sodass vertragliche Lösungsklausen nicht gegen zwingendes Insolvenzrecht verstoßen.760 Das englische Recht kennt folglich keine Regelung, wonach es verboten ist, Verträge bei Insolvenz zu beenden – selbst wenn dadurch dem Verwalter die Möglichkeit genommen wird, den Betrieb fortzuführen.761 Vielmehr werden vertragliche Lösungsrechte als vorausschauende Möglichkeit der Kreditsicherung gesehen: Leistung und Gegenleistung stehen in einem synallagmatischen Verhältnis und daher seien im Insolvenzfall, 755 Belmont Park Investments Pty Ltd and others v BNY Corporate Trustee Services Ltd and another, [2012] 1 A.C. 383, Rn. 87. 756 Goode, Principles, 7-04 f. 757 Goode, 127 L.Q.R. 1 (2011), 3. 758 Vgl. Davies, International Corporate Rescue (LJI) 2011, Special Issue, 1, 11. 759 Supreme Court of the United Kingdom, Belmont Park Investments Pty Ltd and others v BNY Corporate Trustee Services Ltd and another, [2012] 1 A.C. 383, Rn. 105; Davies, International Corporate Rescue (LJI) 2011, Special Issue, 1, 11. Zur zulässigen Beendigung von Lizenzen: Belmont Park Investments Pty Ltd v BNY Corporate Trustee Services Ltd, [2010] Ch. 347. 760 Vgl. Goode, Principles, 7-04 f.; Lomas v JFB Firth Rixson Inc, [2010] EWHC 3372 (Ch), Rn. 96 (“The modern trend has been to restrict rather than to broaden the ambit of application of the rule.”). 761 Supreme Court of the United Kingdom, Belmont Park Investments Pty Ltd and others v BNY Corporate Trustee Services Ltd and another, [2012] 1 A.C. 383, Rn. 177 („[..] any provision for termination on bankruptcy, which would deprive the trustee or liquidator of the opportunity of continuing the contract and so the bankrupt estate of future potential advantage, would infringe the principle. There is in my opinion no basis for any such rule. [..] I see nothing objectionable or evasive about a provision entitling one party to terminate if the other becomes bankrupt.“).

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wenn Leistungen zweifelhaft sind, Lösungsrechte eine sinnvolle Begrenzung der Leistungspflichten.762 Lösungsklauseln werden nicht als Entzug eines Vermögenswertes angesehen, sie sind schlicht eine immanente Begrenzung des Vertrags zwischen den Parteien.763 Die Gerichte greifen nur sehr widerwillig in die Vertragsfreiheit ein. Im Grundsatz ist daher von der Wirksamkeit der vertraglichen Abreden auszugehen. Lösungsrechte (jenseits der etablierten Kategorien wie bei Miete und bei Lizenzen) liegen gleichwohl im Grenzbereich der anti-deprivation-Regel: Nur in seltenen Ausnahmen halten die Gerichte vertragliche Lösungsklauseln für unwirksam. Durch die Abgrenzungsschwierigkeiten und die unklaren Konturen der anti-deprivation-Regel im Einzelfall mag eine gewisse Rechtsunsicherheit nicht zu leugnen sein.764 In der Literatur erkennt letztlich beispielsweise Goode die Gefahren von insolvenzbezogenen Lösungsrechten an: Es gebe keinen legitimen Grund, anläßlich des Insolvenzverfahrens dem solventen Vertragspartner durch die Lösungsrechte einen überraschenden Gewinn (windfall profit) in Form eines Verhandlungsgewinns zukommen zu lassen (vgl. § 7, C. und im Anschluss § 3, E., II., 3.).765 Die reine Massemehrung in der Insolvenz war jedenfalls bislang kein hinreichender Grund für einen Eingriff in die Privatautonomie. “Courts cannot rewrite or review contractual arrangements to give them an effect contrary to the substance of what the parties have agreed, even though this means that the bankrupt has less property than would otherwise be the case before and when he becomes bankrupt.“766

Der englische Supreme Court hat klargestellt, dass der anti-deprivation-Regel nicht der gleiche Sinngehalt wie dem US-amerikanischen 11 U.S.C. § 365(e) entnommen werden kann. Die anti-deprivation-Regel regelt nur punktuelle Verbote von besonders verwerflichen Klauseln.767 Eine allgemeine Regelung zu vertraglichen Lösungsrechten, deren Reichweite mit der USamerikanischen vergleichbar ist, könne nur der Gesetzgeber einführen.768

762

Belmont Park Investments Pty Ltd and others v BNY Corporate Trustee Services Ltd and another, [2012] 1 A.C. 383, Rn. 179 (“It is a prudent limitation on the duration and operation of the contract.”). 763 Goode, 127 L.Q.R. 1 (2011), 8. 764 Money Markets International Stockbrokers Ltd (in liquidation) v London Stock Exchange Ltd and another, [2002] 1 W.L.R. 1150, Rn. 117; Goode, Principles, 7-05. 765 Goode, Principles, 7-05 („ there seems no good reason why the advent of winding up should by itself confer a windfall on the solvent party at the expense of creditors.”). 766 Supreme Court of the United Kingdom, Belmont Park Investments Pty Ltd and others v BNY Corporate Trustee Services Ltd and another, [2012] 1 A.C. 383, Rn. 165. 767 HM Revenue and Customs v The Football League Ltd & Anor [2012] EWHC 1372 (Ch), Rn. 188. 768 Goode, Principles, 7-05.

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“English case law [...] has not recognised any equivalent principle to that enacted in section 365(e). […] What it does suggest is that any general rule invalidating ipso facto termination clauses ought to be a matter for legislative attention, rather than novel common law development. “769

2. Weg zur Gesetzesreform im Jahr 2015 “It would go well beyond the proper province of the judicial function to discard 200 years of authority, and to attempt to re-write the case law in the light of modern statutory developments.”770

Der Supreme Court konstatierte, dass es über die Aufgabe der Rechtsprechung hinausgehe, die gefestigte 200-jährige Rechtsprechung zum antideprivation principle zugunsten eines Lösungsverbots aufzugeben. So kamen zuvor nach der Jahrtausendwende Reformvorschläge zu Lösungsrechten auf. Bei der Reform des englischen Reorganisationsverfahrens (administration) durch den Entreprise Act 2002 wurde ein Verbot von Lösungsklauseln vorgeschlagen: “(9) A provision in any contract which purports to terminate the contract on the appointment of an administrator or the giving of notice of intention to appoint an administrator shall except – (a) with the consent of the administrator; or (b) with the permission of the court, have no effect.”771

Der Gesetzesentwurf sollte nachteilige Auswirkungen auf das Moratorium verhindern und die Ziele der Reorganisation schützen. Allerdings waren die Bedenken gegen eine solche Regelung zu groß. Unter anderem sollte kein Unternehmen gezwungen werden zu liefern, ohne eine Gegenleistung zu erhalten; dies sei extremely unfair.772 Elaborierter formulierte dies Alexander: “The hon. Member for Orkney and Shetland said that the amendment was inspired by the Law Society of Scotland. A keystone of jurisprudence north and south of the border is freedom of contract and that is the fundamental difficulty with the amendment. I realise that the hon. Gentleman is trying to improve the prospects of company rescue by locking in suppliers, but in practice the amendment would have the opposite effect. If those entering into contracts knew that the terms could be overridden, they might be less likely to enter into or continue a contract if they became aware that the company was in financial difficul-

769

Supreme Court of the United Kingdom, Belmont Park Investments Pty Ltd and others v BNY Corporate Trustee Services Ltd and another, [2012] 1 A.C. 383, Rn. 174. 770 Supreme Court of the United Kingdom, Belmont Park Investments Pty Ltd and others v BNY Corporate Trustee Services Ltd and another, [2012] 1 A.C. 383, Rn. 102. 771 Änderungsantrag von Carmichael, Debate of the Entreprise Bill in Standing Committee B, 14th sitting, 9.5.2002, Column Number 566 f. 772 Djanogly, Debate of the Entreprise Bill in Standing Committee B, 14th sitting, 9.5.2002, Column Number 566 f.

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ty. Consistent with the spirit of the Bill, I ask the hon. Gentleman to withdraw the amendment.”773

Daraufhin wurde der Änderungsantrag im House of Commons Standing Committee B on the Enterprise Bill zurückgenommen.774 Inzwischen nahm auch in England die Diskussion über die Gefahren von Lösungsrechten für Sanierungsbestrebungen zu. Reformvorschläge des Insolvency Law Committee of the City of London Law Society vom 17. Januar 2008 zu einem Verbot der Klauseln wurden zunächst sehr kritisch aufgenommen. Das Financial Law Committee of the City of London Law Society antwortete am 18. Februar 2008: “The Financial Law Committee is strongly opposed to the adoption of a rule prohibiting reliance on contractual rights to terminate for insolvency and believes that this view would be widely shared in the national and international financial community operating in the UK. They regret that support has been given to this idea, which attacks the fundamental supremacy in English law of party autonomy and freedom of contract, without any consideration of the far reaching consequences for the financing of business or for the impact on business affected by such a measure.”

Gerade nachdem Lösungsklauseln in Finanzverträgen weit verbreitet sind, hat die City of London Law Society ein Verbot von Lösungsklauseln besonders kritisch gesehen. In der Stellungnahme wird besonders deutlich, welchen Stellenwert die Privatautonomie im englischen Recht einnimmt und welche Widerstände gegen ein Verbot von Lösungsklauseln bestehen. Auch weiterhin wird kritisch gesehen, wenn ein Unternehmer zur Leistung gezwungen würde, obwohl seine Gegenleistung gefährdet ist. Gerade bei Finanzverträgen seien besondere Aufrechnungsvereinbarungen775 in Gefahr, sodass komplexe Ausnahmeregelungen für Finanzverträge erforderlich würden. Interessanterweise verwies das Financial Committee auf die Rechtslage in Deutschland als Handelspartner, wo Lösungsrechte nicht verboten seien. In den Jahren 2011 bis 2013 initiierte die Vereinigung der Insolvenzverwalter “R3“ (Association of Business Recovery Professionals) eine Kampagne “Holding Rescue to Ransom“. Sie identifizierte das Problem, dass Schlüsselzulieferer (essential utilities) für die Unternehmensrettung vitale Funktionen eines Unternehmens beenden könnten – teilweise sogar, obwohl alle Rechnungen bezahlt wurden.776 Darüber hinaus würden viele Zulieferer Löse773 Alexander, Debate of the Entreprise Bill in Standing Committee B, 14th sitting, 9.5.2002, Column Number 566 f. 774 Carmichael, Debate of the Entreprise Bill in Standing Committee B, 14th sitting, 9.5.2002, Column Number 566 f. (“If the Minister and the hon. Member for Huntingdon both believe that I am wrong, I am probably right. Notwithstanding that, I beg to ask leave to withdraw the amendment.”). 775 Hierzu § 4, A. 776 Giles Frampton, Holding Rescue to Ransom Kampagne: “Termination clauses which take effect on insolvency are one of the biggest obstacles insolvency practitioners come

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geldzahlungen verlangen oder den Insolvenzschuldner in schlechtere Tarifgruppen einstufen. Daher solle die Vertragspraxis der Lösungsrechte gestoppt werden. Die Zulieferer sollten durch Masseverbindlichkeiten geschützt werden und insofern nicht schlechter als andere Vertragspartner behandelt werden. Die Kampagne wurde unterstützt von einer Umfrage im August 2013, die von ComRes, einem britischen Marktforschungsinstitut, im Auftrag von R3 durchgeführt wurde. Hierbei wurden 249 Mitglieder von R3 befragt. Die Ergebnisse waren im Wesentlichen, dass unter IT-Lieferanten und Versorgungsunternehmen (utility suppliers) zusätzliche Ablösesummen (ransom payments) und teurere Tarife für den Insolvenzfall sehr verbreitet sind. In ca. 40 % der Insolvenzverfahren wechseln utility supplier die Tarife, was im Durchschnitt zu Preissteigerungen in Höhe von 45 % führte. IT-Verträge werden in ca. 46 % der in der Studie bewerteten Insolvenzverfahren beendet, bei ca. 55 % werden Ablöseforderungen eingetrieben bzw. Nachverhandlungen versucht, wenn die Vertragsleistung fortgesetzt werden soll. Insgesamt kann hieraus abgeleitet werden, dass ein opportunistisches Verhalten der solventen Vertragspartner sehr verbreitet ist. Die Versorger nutzen ihre überlebenswichtige Position aus, um ihre Verluste in der Insolvenz so gering wie möglich zu halten und gleichzeitig sogar einen zusätzlichen Gewinn zu erreichen. Gleichwohl schätzen die Verwalter, dass bei einem Verbot von Lösungsklauseln nur im Durchschnitt 7 % mehr Unternehmen fortgeführt werden können und Liquidationen kaum zu verhindern sind. 3. Reform von 2015: Einschränkungen insolvenzbezogener Vertragsklauseln Die Kampagne von R3 förderte eine exekutive Rechtsverordnung (secondary legislation) in den Jahren 2014/15, welche schließlich zum 1. Oktober 2015 in Kraft trat.777 Bislang verhinderte der Gesetzgeber Lösungsrechte und nachteilige Vertragsanpassungen von Versorgungsverträgen nur ansatzweise. In Sect. 233 Insolvency Act (IA) 1986 ist normiert, dass der Verwalter in allen Insolvenzverfahren (Sanierungs- und Liquidationsverfahren) die weitere Lieferung von monopolisierten Versorgungsleistungen (monopol utilites) fordern kann. Sect. 233 IA 1986 lautet auszugsweise: “(2) If a request is made by or with the concurrence of the office-holder […] the supplier— (a) may make it a condition of the giving of the supply that the office-holder personally guarantees the payment of any charges in respect of the supply, but (b) shall not make it a condition of the giving of the supply […] that any outstanding charges […] are paid.”

across: They force the closure of potentially viable businesses, posing unnecessary risk to jobs.” 777 Ermächtigungsgrundlagen sind Sect. 92, 93 des Enterprise and Regulatory Act.

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Die Versorger können nach Sect. 233(2) IA 1986 nur eine persönliche Garantie vom Verwalter, nicht aber die vollständige Zahlung der rückständigen Forderungen verlangen. Erfasst waren von dieser Regelung staatliche Gas-, Wasser-, Strom- und Telekommunikationsdienste. Die Rechtsverordnung aus dem Jahr 2015 weitet dies nunmehr aus, sodass Lösungsverbote nach der Privatisierung von Versorgungsunternehmen auch für private Händler und „On-sellers“, also Zwischenhändler von Versorgungsleistungen, gelten. Ebenfalls fällt zukünftig eine Vielzahl von IT-Services unter die Regelung. Zentral ist schließlich die im Jahr 2015 neu eingefügte Sect. 233A IA 1986. Diese lautet auszugsweise: “233A Further protection of essential supplies (1) An insolvency-related term of a contract for the supply of essential goods or services to a company ceases to have effect if— (a) the company enters administration, or (b) a voluntary arrangement approved under Part 1 takes effect in relation to the company. […] (8) An insolvency-related term of a contract for the supply of essential goods or services to a company is a provision of the contract under which— (a) the contract or the supply would terminate, or any other thing would take place, because the company enters administration or the voluntary arrangement takes effect, (b) the supplier would be entitled to terminate the contract or the supply, or to do any other thing, because the company enters administration or the voluntary arrangement takes effect, or (c) the supplier would be entitled to terminate the contract or the supply because of an event that occurred before the company enters administration or the voluntary arrangement takes effect. […]”

Erst diese Regelung verhindert rechtssicher vertragliche Lösungsklauseln. Mit Eintritt in ein Sanierungsverfahren, der administration, oder dem Inkrafttreten eines Vergleichsvorschlags (voluntary arrangements, vgl. § 1, E., III., 5.) sind insolvenzbezogene Vertragsklauseln (insolvency-related terms of a contract) nicht mehr durchsetzbar, Sect. 233A (1) IA 1986 (idF 2015). Nach Sect. 233A (8) IA 1986 (idF 2015) sind Lösungsklauseln betroffen, die Verträge oder die Versorgung automatisch mit Einleitung eines Sanierungsverfahrens beenden oder anderweitig modifizieren (lit. a); die den Versorgern mit Einleitung eines Sanierungsverfahrens Kündigungsrechte oder andere Rechte einräumen, um den Vertrag zu modifizieren (lit. b); oder die Kündigungsrechte einräumen, die an ein Ereignis vor der Antragstellung eines Sanierungsverfahrens anknüpfen (lit. c). Damit sind die typischen insolvenzbezogenen Lösungsrechte erfasst, die an die Antragstellung bzw. Eröffnung eines Insolvenzverfahrens anknüpfen. Weitergehend sind auch Klauseln von der Regelung betroffen, die an ein Ereignis vor der Antragstellung anknüpfen. Dies bedeutet quasi eine Ausübungssperre für Kündigungsrechte mit Einleitung des Insolvenzverfahrens.

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Sachlich betrifft die Norm nur Verträge, die die Versorgung mit unverzichtbaren Gütern und Dienstleistungen regeln (supply of essential goods or services), d.h. Gas, Wasser, Strom, Kommunikations- und IT-Dienste, siehe Sect. 233(3) i.V.m. 233A(7) IA 1986 (idF 2015). Ferner hielt der Gesetzgeber es für explizit regelungswürdig, dass Klauseln wirksam bleiben, wenn sie an andere Typen eines Insolvenzverfahrens, wie die Liquidation, oder an Ereignisse nach der Verfahrenseröffnung anknüpfen, Sect. 233A (2) IA 1986 (idF 2015). Die Interessen der solventen Vertragspartnern werden weitgehend berücksichtigt in Sect. 233A (3), (4) und (5) IA 1986 (idF 2015): “(3) Where an insolvency-related term of a contract ceases to have effect under this section the supplier may— (a) terminate the contract, if the condition in subsection (4) is met; (b) terminate the supply, if the condition in subsection (5) is met. (4) The condition in this subsection is that— (a) the insolvency office-holder consents to the termination of the contract, (b) the court grants permission for the termination of the contract, or (c) any charges in respect of the supply that are incurred after the company entered administration or the voluntary arrangement took effect are not paid within the period of 28 days beginning with the day on which payment is due. The court may grant permission under paragraph (b) only if satisfied that the continuation of the contract would cause the supplier hardship. (5) The condition in this subsection is that— (a) the supplier gives written notice to the insolvency office-holder that the supply will be terminated unless the office-holder personally guarantees the payment of any charges in respect of the continuation of the supply after the company entered administration or the voluntary arrangement took effect, and (b) the insolvency office-holder does not give that guarantee within the period of 14 days beginning with the day the notice is received.”

Der Versorgungsvertrag kann in drei Fällen gekündigt werden (Sect. 233A (3)(a) i.V.m. (4) IA 1986 (idF 2015)): erstens, wenn der Verwalter zustimmt; zweitens, wenn das Gericht zustimmt und die Vertragsfortführung für den solventen Vertragspartner eine besondere Härte (hardship) bedeuten würde; drittens, wenn die nach Verfahrenseröffnung entstandenen Verbindlichkeiten nicht binnen 28 Tagen bezahlt werden. Neben diesen Kündigungsmöglichkeiten sollen die Vertragspartner einen weiteren Schutzmechanismus erhalten: Sie können eine persönliche Garantie des Verwalters für die Leistungen fordern. Kommt der Verwalter binnen 14 Tagen einer solchen Garantieanforderung nicht nach, so kann der Vertragspartner die Versorgung einstellen (Sect. 233A (3)(b) i.V.m. (5) IA 1986 (idF 2015)); das Gesetz unterscheidet hier die Versorgungseinstellung von der möglichen Kündigung nach den Absätzen 3(a) i.V.m. (4). Dies gilt auch, wenn die Verbindlichkeiten als Masseverbindlichkeiten eingestuft werden.

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Schließlich verlieren die Lösungsrechte nur im ersten Sanierungsverfahren ihre Wirkung; in nachfolgenden Sanierungsverfahren bleibt die Wirksamkeit der Klauseln erhalten, vgl. Sect. 233A (6) IA 1986 (idF 2015): “(6) For the purposes of securing that the interests of suppliers are protected, where— (a)an insolvency-related term of a contract (the “original term”) ceases to have effect by virtue of subsection (1), and (b)the company subsequently enters administration, or a voluntary arrangement subsequently has effect in relation to it, the contract is treated for the purposes of subsections (1) to (5) as if, immediately before the subsequent administration is entered into or the subsequent voluntary arrangement takes effect, it included an insolvency-related term identical to the original term.”

Damit werden die Gläubigerrechte und Interessen deutlich gestärkt. Diese Rechtslage entspricht insofern der in den USA: Es wird dem Unternehmen eine zweite Chance eingeräumt – aber nicht eine Vielzahl an weiteren Chancen.778 Diese Regelungen wurden im Gesetzgebungsverfahren einem umfassenden impact assessment unterzogen: Hiernach sind zwar Kosten zu erwarten, die daraus resultieren, dass die bestehenden Vertragsmuster an die neue Rechtslage anzupassen seien und ein erhöhter Rechtsberatungsbedarf zu erwarten sei. Ebenfalls sind nachteilige Auswirkungen auf die Preisgestaltung für zukünftige Verträge nicht auszuschließen. Insgesamt sollen die Vorteile allerdings gegenüber den Kosten überwiegen und einen Nettogewinn erzeugen. Es seien erhebliche gesamtwirtschaftliche positive Effekte zu erwarten, da Sanierungen erleichtert würden. Damit ergeben sich für Arbeitnehmer, den Staat und die Gläubiger insgesamt Vorteile. Gerade für Gläubiger des Insolvenzschuldners wirken sich verbesserte Sanierungschancen und Unternehmenswerte auf deren aussichtsreichere Befriedigung aus. Der englische Gesetzgeber identifiziert Lieferanten und Vertragstypen, die typischerweise für jede Betriebsfortführung eine entscheidende und unabdingbare Bedeutung in der modernen Geschäftswelt haben.779 Nur diese Versorger von Gas-, Strom-, Wasser- und Telekommunikationsdienstleistungen werden im Insolvenzfall an den Schuldner gebunden und damit in ihrer Privatautonomie beschnitten. Gerechtfertigt wird dieser Eingriff dadurch, dass sie oft einen ungebührlichen Vorteil aus der Insolvenz des Vertragspartners durch höhere Preise und besondere Tarife gezogen haben. Die Ende 2014 durchgeführten Konsultationen der betroffenen Kreise ergaben, dass die Regelungen von den Interessenverbänden weitestgehend positiv aufgenommen wurden. In den Stellungnahmen der Interessenverbände sind interessante Tendenzen festzustellen: Zunächst unterstützten sowohl 778

Vgl. zum US-amerikanischen Recht § 3, E., I., 3. UK Insolvency Service, Summary of Responses: Consultation on the Continuity of Essential Supplies, S. 2. 779

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Energieversorger, Insolvenzverwalter etc. die grundsätzlichen Ziele der Unternehmenssanierung, die mit der Neuregelung beabsichtigt sind.780 Gleichwohl befürchten die Energieversorger höhere Verluste.781 Vor allem die in Versorgungsverträgen typischen niedrigen Gewinnmargen und unbekannte Abnahmemengen im Insolvenzverfahren würden die Versorger gefährden. Frühe Absprache mit den Verwaltern könnten diese Risiken allerdings minimieren. Vorteilhaft wäre, dass die Regelung zu einer Vereinheitlichung der Vertragspraxis führen könne: Solche Versorger, die unlautere Praxen durchführten und solche, die keine zusätzlichen Zahlungen forderten, würden zu einheitlicherem Verhalten gezwungen.782 Die Insolvenzverwalter sind im Grundsatz zufrieden, wobei die Regelung insbesondere auf Liquidationsverfahren ausgedehnt werden sollte; die persönliche Haftung des Verwalters wird allerdings kritisiert.783 Das persönliche Haftungsregime aus Sect. 233 IA 1986 stammt aus der Zeit als die Versorger nur ungesicherte Insolvenzforderungen erwerben konnten; nunmehr seien diese durch Masseverbindlichkeiten geschützt, sodass persönliche Garantien nicht mehr benötigt würden.784 4. Würdigung In England kann das Zusammenspiel von Vertragsfreiheit und zwingendem Insolvenzrecht sehr gut betrachtet werden. Die Vertragsfreiheit ist ein überragendes Prinzip im englischen Recht und wird von den Gerichten sowie den Interessengruppen auf das Äußerste verteidigt.785 Deswegen hat sich der Gesetzgeber bislang sehr schwer getan, Lösungsrechte zu verbieten wie in den USA. Es werden zwar wie überall die Insolvenzgesetze als Schranken der Privatautonomie anerkannt. Jedoch bedarf es einer absichtlichen Umgehung der Insolvenzgesetze, um Vertragsklauseln als Verstoß gegen das antideprivation-Prinzip für unwirksam zu halten. Typischerweise für das common law findet eine Abwägung der Vertragsfreiheit mit dem zwingenden Insolvenzrecht im Einzelfall statt. Durch eine etwas weitergehende Interpretation der anti-deprivation rule hätte den Gerichten ein Rechtsinstitut zur Verfü780 UK Insolvency Service, Summary of Responses: Consultation on the Continuity of Essential Supplies, S. 4: beispielsweise S. 27 (E on); S. 31 (Npower); S. 45 (GDF Suez); S. 58 (British Gas). 781 UK Insolvency Service, Summary of Responses: Consultation on the Continuity of Essential Supplies, S. 4 782 UK Insolvency Service, Summary of Responses: Consultation on the Continuity of Essential Supplies, S. 45. 783 UK Insolvency Service, Summary of Responses: Consultation on the Continuity of Essential Supplies, S. 5. 784 UK Insolvency Service, Summary of Responses: Consultation on the Continuity of Essential Supplies, S. 73. 785 Vgl. Cooke/Anderson/Gullifer, in: Treatment of Contracts – England, Rn. 7.02.

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gung gestanden, um Lösungsrechte zu verbieten. Eigentlich verhindert diese Regel, dass dem solventen Vertragspartner durch vertragliche Abreden ein größerer Vorteil gewährt wird, als es nach dem Insolvenzrecht zulässig ist.786 Durch Lösungsklauseln erhalten die Vertragspartner zwar nicht per se einen Vorteil, aber sie können den Vertrag neu verhandeln und sich damit indirekt Vorteile in der Insolvenz sichern.787 Gleichwohl haben die Gerichte schlichte Zweckmäßigkeitserwägungen in der Insolvenz, wie den Masseschutz oder eine erleichterte Sanierung, nicht genügen lassen, um Lösungsrechte zu verbieten und einen Eingriff in die Privatautonomie zu rechtfertigen. Zwar bleiben Einzelfälle denkbar, in denen vertragliche Klauseln auf den Insolvenzfall gegen zwingendes Insolvenzrecht verstoßen. Ein solcher Fall im Grenzbereich der anti-deprivation rule ist aber nicht als allgemeine Regel für Lösungsrechte festzustellen.788 Die genauen Konturen und Anwendungsbereiche der anti-deprivation rule bleiben schließlich zu vage und umstritten.789 Die Gerichte haben vielmehr klargestellt, dass ein gesetzgeberischer Eingriff notwendig sei.790 Diesem Ruf ist der Gesetzgeber 2015 partiell nachgekommen. Für wichtige Versorgungsverträge wird verhindert, dass die Parteien privatautonome Abreden auf den Insolvenzfall treffen. Damit soll opportunistisches Verhalten in einem Teilbereich des Vertragsrechts verhindert werden, das der Gesetzgeber für die Unternehmensrettung für besonders wichtig erachtet. Die neuen Regelungen greifen nur bei Sanierungsverfahren ein. Solange ein Sanierungsverfahren durchgeführt wird, ist eine Beendigung der Vertragsverhältnisse von Versorgungsgütern durch den Anbieter ausgeschlossen. Damit bestehen die Lösungsverbote nur, solange dem Sanierungszweck eine übergeordnete Bedeutung zukommt. In dem klassischen Liquidationsverfahren bleibt es bei den privatautonom zulässigen Lösungsrechten im Insolvenzfall. Es ist offenkundig, dass die Energieversorger neben dem Schutz durch Masseverbindlichkeiten und durch persönliche Garantien des Verwalters weitere Schutzmechanismen wünschten. Die alte Praxis zu Lösungsrechten gab den Versorgern Privilegien, die es ermöglichten, Verluste aus der vorinsolvenzlichen Zeit durch Gewinne im Insolvenzverfahren auszugleichen. Der Gesetzgeber versuchte, diese Privilegien und das Machtungleichgewicht, das aus der Wichtigkeit der Versorgungsgüter resultierte, zu beschränken. Nachvollziehbarerweise versuchten Versorger, die Privilegien verlieren, hiergegen vorzugehen. Der englischen Gesetzgeber hatte in dem Kampf um die Privilegien abzuwägen zwischen dem Schutzniveau der Versorger und den Sanie786

Collet, CRI 2010, 196, 197. Hierzu § 7, C. 788 Vgl. Mayhew v King [2010] EWHC 1121. 789 Davies, International Corporate Rescue (LJI) 2011, Special Issue, 1, S. 12. 790 Collet, CRI 2010, 196, 197; vgl. auch Belmont Park Investments Pty Ltd and others v BNY Corporate Trustee Services Ltd and another, [2012] 1 A.C. 383, Rn. 118. 787

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rungszwecken. Es liegt in der Natur der Sache, dass in der Insolvenz Verluste entstehen, da nicht hinreichende liquide Mittel zur Verfügung stehen. Insofern ist es unvermeidbar, dass Gläubiger Verluste erleiden – es ist nur eine Frage, wie die Verluste verteilt werden. Nunmehr haben auch die Energieversorger einen Teil zu tragen. Auch vor der gesetzgeberischen Intervention von 2015 war das Insolvenzregime von England und Wales ein im Grundsatz sanierungsfreundliches System. Allerdings lag der Schwerpunkt nicht so stark auf dem Sanierungsschutz wie in den USA.791 Zwar sind Beendigungsklauseln (termination clauses) weit verbreitet. Jedoch hat sich der englische Gesetzgeber im Gegensatz zu anderen Rechtsordnungen nicht für ein allgemeines Verbot – ggf. mit Rückausnahmen für bestimmte Vertragstypen – entschieden. Vielmehr geht er umgekehrt vor und verbietet chirurgisch präzise für einzelne Vertragstypen insolvenzbezogene Vertragsklauseln. Gerade für Energielieferungsverträge hat der englische Gesetzgeber eine konkrete Verbotsregelung getroffen – dies entspricht dem Ergebnis des vom deutschen Bundesgerichtshof entschiedenen Falls (Urt. v. 15.11.2012 – IX ZR 169/11, vgl. § 3, A.). F. Im Überblick: Tour d’horizon weiterer Rechtsordnungen Um das Lagebild der Zulässigkeit von Lösungsklauseln international zu erweitern, folgt eine tour d’horizon weiterer Rechtsordnungen im Überblick. I. Australien In Australien ist die Rechtslage bezüglich ipso facto-Klauseln im Ausgangspunkt vergleichbar mit derjenigen in England und Wales. Auch hier fehlte zunächst ein eindeutiges gesetzliches Verbot von Lösungsklauseln. Gerichte hielten insolvenzbezogene Lösungsklauseln für wirksam.792 Insolvenzverwalter meldeten zwischenzeitlich Reformbedarf an: Der Schutz vor ipso factoKlauseln zeichne das amerikanische Chapter-11-Verfahren aus und werde auch für dringende Restrukturierungsprojekte in Australien benötigt.793 So war die Insolvenz des Telekommunikationsunternehmens One Tel Limited ein australisches Beispiel, in dem die Unternehmensfortführung nicht möglich war, da die zwei Hauptversorger ihre Verträge beendeten.794 Im September 2017 wurde mit dem Treasury Laws Amendment (2017 Enterprise Incentives No. 2) Bill 2017 die begehrte Reform verabschiedet: 791

Germain, La Semaine Juridique – Edition Entreprise et Affaires 2005, 1784, 1784. Vgl. Pan Foods Co Importers & Distributors Pty Ltd v Australia and New Zealand Banking Group Ltd, [2000] HCA 20. 793 Vgl. Stragalinos, 2014, online , zuletzt abgefragt: 30.1.2018. 794 Purslowe, 13 U. Notre Dame Austl. L. Rev. 113 (2011), 130. 792

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Vertragliche Lösungsklauseln, die an die Verfahrenseinleitung oder die finanzielle Situation des Schuldners anknüpfen, sind bei Reorganisationsverfahren (schemes of arrangement, administration, receivership) nicht durchsetzbar (vgl. Sect. 415D ff., Sect. 434J ff. und 451E ff. Corporations Act 2001 idF 2017). Die Änderungen wurden gerade mit Blick auf die Gefahren von Lösungsklauseln in der Sanierung eingefügt.795 Das Verbot soll dem Unternehmen ermöglichen, den nötigen Aufschub für eine formale Restrukturierung zu erlangen.796 Das Verbot von Lösungsklauseln dient ferner dazu, die Stigmatisierung der Insolvenz zu reduzieren. Das Insolvenzgericht kann die Ausübungssperre aufheben, wenn der Vertrag nicht für die Zwecke des Verfahrens benötigt wird oder dies der Billigkeit entspricht (appropriate in the interests of justice). II. Dänemark Das dänische Recht ist insofern interessant, als es zwar kein ausdrückliches Verbot von Lösungsklauseln kodifiziert, dem Schuldner in der Reorganisation allerdings erlaubt, einen bereits beendeten Vertrag fortzusetzen. Seit 2010 ist in § 12 o des Konkursloven vom 26.5.2010 geregelt, dass der Schuldner mit Zustimmung des Verwalters solche Verträge fortsetzen kann, die in den letzten vier Wochen wegen Schuldnerverzugs beendet wurden. Eine vergleichbaren rechtstechnischen Vorschlag enthält der UNCITRAL Legislative Guide on Insolvency (vgl. § 8, C., II.), mit dem Ziel, Umgehungen von Lösungsverboten zu vermeiden. Auch hiernach soll der Insolvenzverwalter die Möglichkeit haben, bereits beendete Verträge wieder aufleben zu lassen. III. Griechenland Im Jahr 2007 trat ein neues griechisches Konkursgesetz (KG)797 in Kraft. Nach dessen Art. 28 bestehen laufende Verträge auch nach Insolvenzeröffnung fort. Der Verwalter hat für diese Verträge ein Erfüllungswahlrecht (Art. 29 Abs. 1 KG). Die griechische Rechtsentwicklung zu vertraglichen Lösungsklauseln spiegelt die internationale Entwicklung in diesem Bereich eindrucksvoll wider. In der ursprünglichen Gesetzesfassung von 2007 konstatierte Art. 32 Abs. 2 KG noch die Wirksamkeit von vertraglichen Lösungsrechten, die an das Insolvenzverfahren anknüpfen: 795 Explanatory Memorandum, Treasury laws amendment (2017 enterprise incentives no. 2) bill 2017, 2016-2017, House of Representatives, S. 25. 796 Explanatory Memorandum, Treasury laws amendment (2017 enterprise incentives no. 2) bill 2017, 2016-2017, House of Representatives, S. 26. 797 Gesetz 3588/2007 v. 10.7.2007 (ΝΟΜΟΣ 3588/2007 – ΦΕΚ 153/Α'/10.7.2007, Πτωχευτικός Κώδικας, Konkursgesetz).

§ 3 Vertragliche Lösungsklauseln im Rechtsvergleich

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Art. 32 lautete: „1. Τα οριζόμενα στο άρθρο 31 δεν θίγουν το δικαίωμα καταγγελίας της σύμβασης που προβλέπει ο νόμος ή η σύμβαση. 2. Επίσης δεν θίγονται τα δικαιώματα του αντισυμβαλλόμενου μέρους για λύση της σύμβασης, με βάση ρήτρα που επιτρέπει τη λύση της σε περίπτωση πτώχευσης του άλλου μέρους ή υπαγωγής του σε διαδικασία συλλογικής εκτέλεσης.798“

Im Rahmen der griechischen Staatsschuldenkrise wurde Art. 32 Abs. 2 KG auf Betreiben der europäischen Troika aufgehoben.799 Ziel war es, internationaler Praxis folgend, den Schutz des insolventen Unternehmens zu fördern.800 Indes sieht Art. 32 Abs. 1 KG weiterhin vor, dass die Vertragsparteien nach Insolvenzeröffnung, d.h. während des Insolvenzverfahrens, Verträge aufgrund vertraglicher oder gesetzlicher Bestimmungen beenden können. Insofern sind Kündigungen aufgrund nachinsolvenzlicher Pflichtverletzungen oder Nichtleistungen zulässig. Die Kündigung allein wegen der Insolvenz bzw. der Eröffnung des Insolvenzverfahrens ist hingegen unwirksam. Eng verbunden ist die Bestimmung des Art. 31 Abs. 1 KG. Dieser lautet: „1. Συμβάσεις διαρκούς χαρακτήρα διατηρούν την ισχύ τους, εφόσον δεν προβλέπεται διαφορετικά στο νόμο. Εξαιρούνται οι χρηματοοικονομικές συμβάσεις οι οποίες μπορούν να πάψουν να ισχύουν ή να τροποποιηθούν ως συνέπεια της πτώχευσης κατά τα ειδικότερα οριζόμενα σε αυτές. 2. Η κήρυξη της πτώχευσης αποτελεί λόγο λύσης των συμβάσεων προσωπικού χαρακτήρα, στις οποίες ο οφειλέτης είναι συμβαλλόμενο μέρος, καθώς και εκείνων η λύση των οποίων επέρχεται ή μπορεί να επέλθει από ειδική διάταξη νόμου.“801

Hiernach bleiben langfristige Vertragsverhältnisse wie Dauerschuldverhältnisse auch nach Insolvenzeröffnung wirksam, soweit gesetzlich nichts anderweitig bestimmt ist. Bis in das Jahr 2015 war dieser Vorbehalt nicht nur auf gesetzliche Bestimmungen beschränkt, sondern galt auch für abweichende vertragliche Bestimmungen wie Lösungsklauseln. Im Zuge der Reform von 2015 wurde einerseits Satz 1 auf gesetzliche Bestimmungen beschränkt, sodass Vertragsbeendigungen aufgrund vertraglicher Vorschriften ausscheiden. Andererseits wurde ein weiterer Satz angefügt, wonach Finanzverträge von 798 Dank gilt Loukas Panetsos für die Übersetzung: “1. The provisions of article 31 do not disrupt the right of the parties to terminate/renounce a contract, that is provided by the law or the contract. 2. Also the right of the counterparty to terminate a contract is not disrupted, according to a clause that allows the termination in case of the bankruptcy of the other party or if he becomes subject to a procedure of collective enforcement.” 799 Gesetz 4336/2015 v. 14.8.2015 (ΝΟΜΟΣ 4336/2015 – ΦΕΚ Α 94/14.8.2015). 800 Panetsos, in: Treatment of Executory Contracts in Insolvency Law: A Comparative Study (Hrsg. Chuah), Greece [in publication). 801 Dank gilt Loukas Panetsos für die Übersetzung: “1. Contracts of permanent character remain in force, unless it is provided otherwise by law. Financial contracts are excluded, which can cease to be in force, or may be amended as a consequence of the bankruptcy according to their provisions. 2. The declaration of bankruptcy constitutes a ground for termination the contracts of personal character, in which the debtor is a party, as well as those whose termination is incurred or may be incurred by a special provision of the law.”

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Kapitel 1: Länderberichte

den allgemeinen Regeln ausgenommen werden. Diese können nunmehr uneingeschränkt beendet und modifiziert werden, was der internationalen Rechtslage entspricht. Die Insolvenzeröffnung bleibt ein Grund für die Vertragsbeendigung bei persönlichen Verträgen. Zusammengefasst ist die Vertragsbeendigung bei Finanzverträgen, Verträgen von persönlicher Natur und bei entsprechenden gesetzlichen Bestimmungen möglich.802 In den anderen Fällen besteht ein Verbot von Lösungsklauseln. IV. Italien Das italienische Insolvenzrecht findet sich im Legge Fallimentare (LF) aus dem Jahr 1942. Das Gesetz wurde mit der Reform vom 9.1.2006 weitreichend modernisiert, wobei insbesondere die Sanierung erleichtert werden sollte und in den Vordergrund des Insolvenzverfahrens gerückt ist.803 Die Bestimmungen zum Verwalterwahlrecht sind in den Art. 72–83 LF geregelt. Schwebende Vertragsverhältnisse können vom Verwalter (curatore) fortgesetzt werden, sofern der Vertretungsausschuss der Gläubiger (comitato dei creditori) dies genehmigt.804 Auf Veranlassung des Vertragspartners kann der Insolvenzrichter dem Verwalter eine nicht mehr als 60-tägige Erklärungsfrist über das Verwalterwahlrecht setzen lassen.805 Wenn die vorläufige Unternehmensfortführung nach Art. 104 LF angeordnet ist, bestehen zunächst alle Verträge weiter, Art. 104 Abs. 7 LF. Der Verwalter kann aber in diesem Fall nachteilige Verträge beenden.806 Auch das italienische Insolvenzrecht erklärt vertragliche Lösungsklauseln in Art. 72 Abs. 6 LF zum Schutz des Verwalterwahlrechts für unwirksam:807 „Sono inefficaci le clausole negoziali che fanno dipendere la risoluzione del contratto dal fallimento.“ – „Unwirksam sind rechtsgeschäftliche Bedingungen, die die Vertragsauflösung von der Insolvenzeröffnung abhängig machen.“808

Das italienische Verbot verbietet damit rechtsgeschäftliche Beendigungsrechte, die an die Insolvenzeröffnung (fallimento) anknüpfen. Damit steht auch das italienische Insolvenzrecht im Zeichen der Zeit, in der Lösungsverbote in den letzten Jahren eingeführt wurden.

802 Beispielsweise bei Aufträgen (Art. 726 des Bürgerlichen Gesetzbuchs) oder Mietverträgen (Art. 4 Abs. 3 des Gesetzes 1665/1986). 803 Santonocito-Pluta/Mare-Ehlers, in: Münchener Kommentar zur Insolvenzordnung (Hrsg. Kirchhof/Eidenmüller/Stürner), Italien, Rn. 4. 804 Santonocito-Pluta/Mare-Ehlers, in: MüKo-InsO, Italien, Rn. 72. 805 Correnti, ZInsO 2006, 1020, 1024. 806 Santonocito-Pluta/Mare-Ehlers, in: MüKo-InsO, Italien, Rn. 75. 807 Correnti, ZInsO 2006, 1020, 1024. 808 Art. 72 Abs. 6 Legge fallimentare – Übersetzung des Autors.

§ 3 Vertragliche Lösungsklauseln im Rechtsvergleich

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V. Kanada Das kanadische Recht folgt im Ausgangspunkt dem englischen common law und kennt vergleichbare Insolvenz- und Reorganisationsverfahren wie England. Die Rechtsgrundlagen sind im Bankruptcy and Insolvenzcy Act 1985 (BIA) geregelt. Unternehmen, die mehr als 5 Mio. Dollar Schulden haben, können auch eine Reorganisation nach dem Companies‘ Creditors Arrangement Act 1985 (CCAA) durchführen (vgl. Sect. 3(1)). Die Insolvenz selbst beendet nicht die Verträge des Insolvenzschuldners.809 Da Kanada das anti-deprivation principle des common law anerkennt, ist die Zulässigkeit von vertraglichen Lösungsklauseln grundsätzlich hiernach zu bewerten.810 Indes kodifizierte der Gesetzgeber, dem U.S.-amerikanischen Ansatz folgend, ein partielles Verbot von Lösungsrechten. Zunächst bestand ein Lösungsverbot nach Sect. 65.1 (1) BIA seit 1992 im Rahmen einer notice of intention to make a proposal zur Schuldenbereinigung im Vergleichswege: “If a notice of intention or a proposal has been filed in respect of an insolvent person, no person may terminate or amend any agreement, including a security agreement, with the insolvent person, or claim an accelerated payment, or a forfeiture of the term, under any agreement, including a security agreement, with the insolvent person, by reason only that (a) the insolvent person is insolvent; or (b) a notice of intention or a proposal has been filed in respect of the insolvent person.”

Erst zwischen 2005 und 2009 nahm der Gesetzgeber weitere Verbote von Lösungsklauseln in die Gesetze auf.811 Nach Sect. 84.2(1) BIA gilt ein solches Verbot in der Insolvenz von natürichen Personen: “No person may terminate or amend — or claim an accelerated payment or forfeiture of the term under — any agreement, including a security agreement, with a bankrupt individual by reason only of the individual’s bankruptcy or insolvency.”

Auch für Unternehmen, die unter den CCAA fallen, wurde ein Verbot in Sect. 34(1) festgeschrieben: “No person may terminate or amend, or claim an accelerated payment or forfeiture of the term under, any agreement, including a security agreement, with a debtor company by reason only that proceedings commenced under this Act or that the company is insolvent.”

Für einen großen Bereich der Unternehmensinsolvenzen besteht mithin kein gesetzliches Verbot von Lösungsrechten. Insoweit besteht nur Schutz nach dem anti-deprivation principle. Das Gericht kann nach Sect. 34(6) bzw. 84.2(6) den Schutzmechanismus aufheben, wenn dem Vertragspartner eine unzumutbare finanzielle Härte droht (significant financial hardship). 809

Ho, 61 McGill L.J. 139 (2015), 145. Ho, 61 McGill L.J. 139 (2015), 165, 170, 176. 811 Vgl. hierzu Ho, 61 McGill L.J. 139 (2015), 171 f. 810

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Kapitel 1: Länderberichte

VI. Neuseeland Das neuseeländische Insolvenzrecht wurde im Jahr 2006 mit dem Insolvency Act 2006 (IA 2006) umfassend modernisiert. Wie in England kann sich der Verwalter von nachteiligen Vermögensrechten lossagen (disclam onerous property), Sect. 117 IA 2006. Unter die Bestimmung von „onerous property“ fallen nachteilige Verträge, Sect. 117 (4) IA 2006. Speziell Sect. 187 IA 2006 (assignee812 may continue or disclaim bankrupt’s contract) bestimmt das Schicksal von schwebenden Verträgen. Der Verwalter kann das Vertragsverhältnis unter den bei Vertragsschluss festgelegten Bedingungen fortsetzen, Sect. 187 (a) IA 2006. Alternativ kann er das Vertragsverhältnis nach Sect. 117 IA beenden, vgl. Sect. 187 (b) IA 2006. Eine sehr außergewöhnliche gesetzliche Regelung für Lösungsrechte ist in Neuseeland in Sect. 188 IA 2006 (contract terminated by other contracting party) zu finden: “(1)

(2)

(3)

This section applies if a contract to which the bankrupt is a party is terminated on the bankrupt’s adjudication by the other contracting party in accordance with the contract. Whatever the contract may say, the Assignee may recover an amount from the other contracting party that the court thinks is just and equitable in all the circumstances, but the amount must not be greater than the amount set out in subsection (3). The amount that the Assignee may recover must not be greater than C under the formula A − B = C, where— a. A is the amount payable to the bankrupt under the contract; and b. B is the total of— i. the amount paid to the bankrupt; and ii. the cost to complete the contract; and iii. a reasonable penalty for delay in completion of the contract.”

Der Insolvenzverwalter (assignee) erhält für die zulässige Vertragsbeendigung des Vertragspartners (Sect. 188 para. 1 IA 2006) einen Ausgleichsanspruch, dessen Höhe im billigen Ermessen des Gerichts steht (Sect. 188 para. 2 IA 2006). Die mathematische Formel in Absatz 3 regelt dabei die maximale Höhe dieses Ausgleichsanspruchs für eine insolvenzbezogene Lösungsklausel: Dieser Anspruch (C) darf nicht größer sein als das vertragliche Erfüllungsinteresse (A) abzüglich der Summe (B) aus den bereits an den Insolvenzschuldner gezahlten Leistungen, den Vertragserfüllungskosten – wie ersparte Aufwendungen – und einer angemessenen Vertragsstrafe für die Verzögerung der Erfüllung. Beispielsweise könnte der Insolvenzmasse aus einem für zwölf Monate geschlossenen Wartungsvertrag insgesamt ein Vergütungsanspruch in Höhe von 120 gegen den Vertragspartner zustehen. Dies entspricht der Variablen (A). 812

Wörtlich der Zessionar; gemeint ist in diesem Kontext der Insolvenzverwalter.

§ 3 Vertragliche Lösungsklauseln im Rechtsvergleich

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Davon ist die Summe, Variable B, von z.B. der bereits geleisteten Vergütung für die ersten drei Monate in Höhe von 30, einer Strafe für die verzögerte Leistungserbringung im vierten Monat in Höhe von 5 und ersparte Aufwendungen für die Vertragsdurchführung in Höhe von 40 abzuziehen. Die maximale Ausgleichsforderung (A-B) beträgt im Beispielsfall also 45. Im Rahmen von 0–45 hat das Gericht eine angemessene Höhe in Anbetracht der Gesamtumstände zu bestimmen. Einen Vorläufer dieser ausführlichen Regelung gab es erstmals im Insolvency Act 1967 – in Sect. 77 (termination of a contract otherwise than by assignee). “Where a bankrupt is a party to a contract and that contract is on the adjudication terminated by the other party to the contract under the provisions of the contract, then, notwithstanding anything to the contrary in the contract, the Assignee shall be entitled to recover from the other party such sum as the Court thinks just and equitable in all the circumstances, not exceeding the amount by which the amount payable to the bankrupt under the contract exceeds the aggregate of the amount paid to the bankrupt plus the cost of completion of the contract and a reasonable penalty for delay in completion of the contract.”

In der Gesetzesgeschichte wird nur erwähnt, dass die Norm neu in der Reform 1967 eingefügt wurde.813 Im Gesetzgebungsverfahren kritisierte die Canterbury District Law Society, dass diese Regelung ungerechtfertigterweise in die Privatautonomie eingreife.814 Hierzu kommentierte der Entwurf, dass die Regelung verhindern solle, dass der solvente Vertragspartner einen unerwarteten Vorteil aus der Insolvenz ziehen solle. Vor allem gegen Verfallsklauseln, die ausstehende Verbindlichkeiten zum Nachteil der Gläubiger erlöschen lassen, sollte vorgegangen werden. Der Insolvenzschuldner soll keine Ansprüche für bereits getätigte Leistungen verlieren. Auch wenn die Regelung, soweit ersichtlich, nicht originär auf vertragliche Beendigungsklauseln zugeschnitten war, so fallen diese in den Wortlaut der Norm. Damit ist Neuseeland eines der ersten Länder, das die Problematik um insolvenzbezogene Vertragsklauseln, die eine Vertragsbeendigung bedingen, gesetzlich geregelt hat – dies bereits 11 Jahre vor den USA. Im Insolvency Act 2006 wurde die Norm offenkundig nur redaktionell angepasst und klarer gestaltet. Sect. 188(1) IA 2006 gestattet dem solventen Vertragspartner, den Vertrag vertragskonform zu beenden. Damit sind vertragliche Lösungsklauseln im Insolvenzfall zunächst wirksam. Gleichwohl gewähren Sect. 188(2) und (3) IA 2006 dem Verwalter einen gesetzlichen Entschädigungsanspruch, wenn eine Lösungsklausel ausgeübt wird. Die Regelung soll auch für automatische Vertragsbeendigungen anwendbar sein.815

813

Explanatory Note to the Insolvency Bill 1967, S. ix. Government Bill, ABRC 6860 W5612/132-135, 67/025, Insolvency Bill 1967. 815 Merrett, Personal Insolvency: Act and Analysis, IN188.01. 814

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Kapitel 1: Länderberichte

Zu der neuseeländischen Regelung ist kein Fallrecht ersichtlich. Praktiker berichten, dass die Regelung keine weiteren Probleme bereite. Zwar ist die Vertragsbeendigung in der Insolvenz an sich wirksam. Aber der Verwalter soll im Ausgangspunkt die ihm unter dem Vertrag zustehende Gegenleistung erhalten. Hiervon sind bereits getätigte Leistungen, die weiteren Kosten für die Vertragsdurchführung und eine angemessene Strafe für Leistungsverzögerungen abzuziehen. Der Entschädigungsanspruch des Verwalters lässt die Ausübung von Lösungsrechten mithin unwirtschaftlicher werden, ohne in der Sache die vertraglichen Vereinbarungen anzugreifen. Die neuseeländische Regelung ermöglicht, die im vertraglichen Synallagma angelegten Vorteile und den Gewinn für die Insolvenzmasse zu realisieren. Vertragliche Lösungsrechte bieten damit dem solventen Vertragspartner nicht einfach nur die Möglichkeit, einen sich wirtschaftlich nachteilig entwickelnden Vertrag zu beenden oder den Vertrag ohne wichtigen Grund in der Insolvenz zu beenden. Die privatautonome Vertragsbeendigung bleibt möglich – zu dem Preis, dass die in der Vertragsfortführung für die Masse enthaltenen Vorteile dem Verwalter nicht entzogen werden. Damit geht Neuseeland einen Mittelweg zwischen Verbot und Erlaubnis von insolvenzbezogenen Lösungsrechten. Diese Lösung ist zwar interessant, es bleibt jedoch fraglich, wie effektiv Sanierungsbemühungen geschützt werden können, wenn sanierungsrelevante Verträge entfallen. Die Verhandlungsmacht in der Insolvenzsituation ist mit Sicherheit ausgeglichener als ohne Gegenanspruch. An der Lösung in Neuseeland wird deutlich, dass Lösungsrechte keine bereits erlittenen Verluste absichern und ausgleichen können. Bereits gezahlte Gegenleistungen können nach der Vertragsbeendigung nicht zurückgefordert werden. Diese sind nur auf den nach neuseeländischem Recht besonderen Ausgleichsanspruch anzurechnen. VII. Niederlande Das niederländische Insolvenzrecht basiert auf dem Konkursgesetz von 1893.816 In den Niederlanden sind Lösungsklauseln als Ausfluss der Privatautonomie grundsätzlich zulässig.817 Gleichwohl wird in der Literatur ein Verbot der Lösungsklauseln zu Zwecken der Unternehmenssanierung diskutiert.818 Unabhängig davon können Versorgungsverträge (Energie, Gas, Wasser und Wärme) nicht aufgrund vertraglicher Bestimmungen gekündigt werden, wenn 816

Faillissementswet v. 30.9.1893. Faber/Vermunt, in: Treatment of Contracts in Insolvency (Hrsg. Faber/Vermunt/Kilborn/Linde), National Report for Netherlands, Rn. 12.01. 817 Hoge Raad, 13.5.2005, ECLI:NL:PHR:2005:AT2650; Faber/Vermunt, in: Treatment of Contracts – Netherlands, Rn. 12.95 m. Hinweis auf die Rechtsprechung; Wood, Principles of International Insolvency, 16-030. 818 Faber/Vermunt, in: Treatment of Contracts – Netherlands, Rn. 12.96.

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der Verwalter nicht zustimmt. Dies ist für Insolvenzverfahren in Art. 37b des Konkursgesetzes als auch für Sanierungsverfahren (moratorium) in Art. 237b geregelt. Durch neuerliche Reformvorhaben könnten insolvenzbezogene Lösungsklauseln weiter eingeschränkt werden. Durch den Entwurf eines Gesetzes zur Fortführung von Unternehmen819 soll in Art. 368 des Konkursgesetzes der Konkursantrag und die Bestellung eines Verwalters kein Grund für eine Kündigung mehr sein. Ferner sieht der Entwurf eines außergerichtlichen Vergleichsverfahrens820 in Art. 372 Nr. 3 vor, dass das Einleiten eines konkursabwendenden Vergleichs kein hinreichender Kündigungsgrund ist. VIII. Polen Das polnische Insolvenzrecht findet sich im Konkurs- und Sanierungsgesetz (prawo upadłościowe i naprawcze) vom 28.2.2003. Insbesondere wurde ein Reorganisationsverfahren neu eingeführt, das an das amerikanische Chapter11-Verfahren angelehnt ist.821 Das polnische Recht kennt bei beiderseits nicht vollständig erfüllten Verträgen ein Wahlrecht des Verwalters, wie mit dem Vertrag zu verfahren ist. Der Gläubigerrat hat der Entscheidung des Verwalters zuzustimmen, vgl. Art. 98, 206 Konkurs- und Sanierungsgesetz. Die Erfüllungswahl privilegiert die Gegenforderung des solventen Vertragspartners als eine Masseverbindlichkeit.822 Das Gesetz konstatierte bereits in der Fassung von 2003 in Art. 83, dass vertragliche Klauseln unwirksam sind, die die Modifikation oder die Beendigung eines Rechtsverhältnisses für den Fall der Insolvenzeröffnung vorsehen.823 Zum 1. Januar 2016 änderte der Gesetzgeber Art. 83 wie folgt ab: „Art. 83. Postanowienia umowy zastrzegające na wypadek złożenia wniosku o ogłoszenie upadłości lub ogłoszenia upadłości zmianę lub rozwiązanie stosunku prawnego, którego stroną jest upadły, są nieważne.” – „Vertragliche Bestimmungen, die die Modifikation oder die Auflösung einer Rechtsbeziehung für den Fall der Insolvenzantragstellung oder der Insolvenzverfahrenseröffnung über eine Partei vorsehen, sind unwirksam.“824

819

Wet continuïteit ondernemingen I v. 21.6.2016. Wet homologatie onderhands akkoord ter voorkoming van faillissement v. 5.9.2017. 821 Adamus, AUDJ 2012, 101, 101. 822 Liebscher, in: Münchener Kommentar zur Insolvenzordnung (Hrsg. Kirchhof/ Eidenmüller/Stürner), Polen, Rn. 29. 823 Art. 83 lautete bis zum 31.12.2015: “Nieważne są postanowienia umowy zastrzegające na wypadek ogłoszenia upadłości zmianę lub rozwiązanie stosunku prawnego, którego stroną jest upadły.” – „Vertragliche Bestimmungen, die die Modifizierung oder die Auflösung einer Rechtsbeziehung für den Fall der Insolvenz vorsehen, sind unwirksam“ (Übersetzung des Autors). 824 Übersetzung des Autors. 820

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Kapitel 1: Länderberichte

Die Gesetzesänderung erweiterte das bisherige Verbot um Klauseln, die bereits an die Antragstellung des Insolvenzverfahrens anknüpften. Damit sind heute insolvenzbezogene Lösungsklauseln unwirksam, die an die Antragstellung oder die Insolvenzeröffnung anknüpfen. Grund hierfür war, dass der Umfang des Verbots unklar war: In der Literatur herrschte die Auffassung, dass nur die Insolvenzeröffnung selbst das Verbot auslösen könne.825 Der Gesetzgeber wollte eine Umgehung des Verbots durch kautelarjuristische Anpassungen auf eine vorinsolvenzliche Anknüpfung verhindern.826 IX. Rumänien Das rumänische Insolvenzrecht entsprach bis in das Jahr 1995 weitestgehend dem italienischen Recht bzw. dessen im Handelsgesetzbuch niedergelegten Insolvenzrecht.827 Mit der Insolvenzrechtsreform828 nach dem Ende des kommunistischen Regimes trat erstmals das Konzept der Reorganisation neben die reine Liquidation des Unternehmens.829 Im Jahr 2014 wurde ein neues Insolvenzgesetz verabschiedet.830 In Art. 123 Abs. 2 (vormals Art. 86) wird dem Verwalter ein Wahlrecht über noch unerfüllte Vertragsverhältnisse gewährt. Dem Verwalter wird ferner eingeräumt, dass er innerhalb von drei Monaten nach Verfahrensbeginn alle schwebenden Verträge einseitig kündigen kann, um die Masse zu mehren, Art. 123 Abs. 1 S. 4. Der solvente Vertragspartner darf hingegen den Verwalter innerhalb von drei Monaten nach Verfahrensbeginn auffordern, das schwebende Vertragsverhältnis zu beenden und damit sich über sein Wahlrecht zu erklären. Der Verwalter hat dann 30 Tage Zeit, um eine Entscheidung zu treffen; anderenfalls kann er keine Erfüllung des Vertrags mehr wählen. Bleibt eine Antwort aus, wird der Vertrag von Gesetzes wegen aufgelöst, Art. 123 Abs. 1 S. 5. Versorgungsverträge genießen einen besonderen Schutz, d.h. Strom, Gas, Wasser, Telefon oder ähnliche Versorgungsleistungen können einem insol-

825 Rekomendacje Zespołu Ministra Sprawiedliwości ds. Nowelizacji Prawa Upadłościowego i Naprawczego, Warszawa, 10 grudnia 2012 roku, (Empfehlung des Justizministers bezüglich der Ergänzung des Konkurs- und Reorganisationsgesetzes v. 10.12.2012), S. 141. 826 Rekomendacje Zespołu Ministra Sprawiedliwości ds. Nowelizacji Prawa Upadłościowego i Naprawczego, Warszawa, 10 grudnia 2012 roku, (Empfehlung des Justizministers bezüglich der Ergänzung des Konkurs- und Reorganisationsgesetzes v. 10.12.2012), S. 141. 827 Bufford, 17 N.Y.L. Sch. J. Int'l & Comp. L. 251 (1997), 251. 828 Reformgesetz 85/2006. 829 Bufford, 17 N.Y.L. Sch. J. Int'l & Comp. L. 251 (1997), 252. 830 Gesetz 85/2014.

§ 3 Vertragliche Lösungsklauseln im Rechtsvergleich

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venten Verbraucher nicht entzogen werden, Art. 77. Der Versorger kann ggf. eine Banksicherheit anfordern.831 Vertragliche Lösungsklauseln auf den Insolvenzfall waren unter dem alten Gesetz nicht explizit verboten; in der Literatur wurde dagegen die Ansicht vertreten, dass diese unwirksam seien, da sie gegen zwingendes Insolvenzrecht – dem Verwalterwahlrecht Art. 86 a.F. – verstießen.832 Besonders aufschlussreich ist der 2014 neu eingefügte Art. 123 Abs. 1 S. 1: Hiernach sind schwebende Verträge auch in der Insolvenz uneingeschränkt gültig; wobei gerade Art. 1417833 Civil Code unanwendbar ist. Satz 2 erklärt Vertragsklauseln nunmehr expressis verbis für nichtig, die im Fall einer Insolvenzverfahrenseinleitung schwebende Verträge vorzeitig beenden, Vertragsvorteile entziehen oder die Fälligkeit der Vertragsleistungen beschleunigen würden: „Orice clauze contractuale de desfiinţare a contractelor în derulare, de decădere din beneficiul termenului sau de declarare a exigibilităţii anticipate pentru motivul deschiderii procedurii sunt nule.“ – „Nichtig sind vertragliche Klauseln, die ein schwebendes Vertragsverhältnis beenden, die dem Schuldner Vorteile des Vertragsverhältnisses entziehen oder die Zahlungen beschleunigen, wenn Insolvenzverfahren eingeleitet werden.“834

Nur für „qualifizierte Finanzverträge“ und bilaterale Netting-Vereinbarungen (vgl. § 4, A.) sind Ausnahmen von dem Verbot vorgesehen, Art. 123 Abs. 1 S. 3. Damit zeigt sich auch in Rumänien eine Modernisierung des Insolvenzrechts, wie es hinsichtlich vertraglicher insolvenzbezogener Lösungsklauseln in den letzten Jahren weltweit zu beobachten ist. X. Schweden Schweden hat zwei Insolvenzgesetze: Das Konkursgesetz835 und das Reorganisationsgesetz („Frekl“).836 Im Konkursgesetz sind keine Bestimmungen zum Schicksal von Verträgen zu finden.837 Das Reorganisationsgesetz sieht in Kapitel 2, § 20 folgende Bestimmung des Verwalterwahlrechtes vor: “Debtors´ agreements838 Sect. 20. Where, prior to the order regarding company reorganisation, a party to an agreement with the debtor is entitled to terminate the agreement as a consequence of an actual delay or anticipated delay in payment or other performance, such party may not, following the 831

Lefter/Lupulescu, 518 Theoretical and Applied Economics 45 (2008), 47. Lefter/Lupulescu, 518 Theoretical and Applied Economics 45 (2008), 47. 833 Die Insolvenz löst hiernach die sofortige Fälligkeit aus. 834 Übersetzung des Autors. 835 Konkurslag (1987:672). 836 Lag (1996:764) om företagsrekonstruktion. 837 Persson/Tuula, in: Treatment of Contracts in Insolvency (Hrsg. Faber/Vermunt/ Kilborn/Linde), National Report for Sweden, Rn. 17.03. 838 Übersetzung aus Translegal, Swedish commercial legislation, 4 LFR:8, (3/2005). 832

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Kapitel 1: Länderberichte

order regarding reorganisation, terminate the agreement as a consequence of the delay, provided the debtor, with the consent of the administrator, demands within a reasonable time that such agreement be performed. Upon request by the party, the debtor shall, within a reasonable time, provide notice of whether agreement shall be performed. Where an agreement shall be performed pursuant to paragraph one above, the following shall apply: 1. Where performance by the other party is due, the debtor shall, upon request by the other party, perform its corresponding obligations or, where an extension of the time for performance has been granted regarding certain performance, the debtor shall provide security for such performance. 2. Where the other party’s performance is not due, the other party shall be entitled to receive security for the debtor`s future performance to such extent as is required by special cause in order to protect the other party against loss. Where the debtor fails to provide notice pursuant to the first paragraph, second sentence, or fails to perform its obligations pursuant to the second paragraph, the counterparty shall be entitled to terminate the agreement. A contractual provision which restricts the debtor´s rights pursuant to the first and second paragraphs is invalid. […]”

Zunächst schränkt § 20 Abs. 1 Frekl die Kündigungsmöglichkeiten des Vertragspartners ein: Ein vorinsolvenzlicher Verzug oder drohender Verzug einer Leistung berechtigt nicht zur Kündigung, wenn Insolvenzschuldner und Verwalter in angemessener Zeit die Vertragsdurchführung wählen. Der Vertragspartner kann den Insolvenzschuldner auffordern, dass er sich in angemessener Zeit über die Vertragsfortsetzung erklärt. Bei Erfüllungswahl ist die Gegenleistung dem Vertragspartner sicherzustellen, vgl. § 20 Abs. 2 Frekl. Bei Nichterfüllung oder wenn der Schuldner sich nicht rechtzeitig über das Schicksal des Vertrags erklärt, kann der Vertragspartner zurücktreten, vgl. § 20 Abs. 3 Frekl. § 20 Abs. 4 Frekl verbietet schließlich Vertragsklauseln, die die Rechte in den Absätzen 1 und 2 beschränken. Damit ist das schwedische Verbot mit der deutschen Regelung in § 119 InsO vergleichbar. Ein Verbot vertraglicher Lösungsklauseln könnte hierunter subsumiert werden. XI. Spanien Das spanische Insolvenzrecht wurde mit Wirkung zum 1.9.2004 grundlegend reformiert und modernisiert.839 Das Verwalterwahlrecht wird im spanischen Insolvenzrecht in den Art. 61 ff. Ley 22/2003, Concursal, vom 9.7.2003 (LC) geregelt: „Artículo 61 Vigencia de los contratos con obligaciones recíprocas“. Die Insolvenzeröffnung berührt die Wirksamkeit von beiderseits unerfüllten Verträgen nicht (Art. 61 Abs. 2 Satz 1 LC); beide Parteien sind zur

839

Giménez, in: Recht der Sanierungsfinanzierung (Hrsg. Knops/Bamberger/MaierReimer), Spanien, Rn. 1.

§ 3 Vertragliche Lösungsklauseln im Rechtsvergleich

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Erfüllung verpflichtet.840 Bei der Erfüllung werden die Gläubigeransprüche zu privilegierten Masseverbindlichkeiten, vgl. Art. 61 Abs. 2, 84 Abs. 2 LC.841 Um die Masse nicht durch die Erfüllung der schwebenden Verträge auszuhöhlen, kann der Verwalter – oder der Schuldner bei Eigenverwaltung – die Vertragsauflösung beantragen, wenn dies für das Insolvenzverfahren vorteilhaft ist; sofern sich die Parteien nicht über die Auflösung einigen können, entscheidet der Richter, vgl. Art. 61 Abs. 2 LC.842 Auch der solvente Vertragspartner kann die Auflösung beantragen, wenn der Insolvenzschuldner nach Verfahrenseröffnung seinen Verpflichtungen nicht nachkommt, vgl. Art. 62 Abs. 1, 2 LC.843 Damit sind Kündigungsgründe, die nicht an die Insolvenzeröffnung anknüpfen, grundsätzlich zulässig. Gleichwohl kann der Richter die Fortsetzung des Vertragsverhältnisses anordnen, wenn dies im Interesse der Masse ist, vgl. Art. 62 Abs. 3 LC.844 Nicht insolvenzbezogene Kündigungen können damit im Einzelfall nachträglich unwirksam werden. Ferner sind in Spanien vertragliche Lösungsklauseln auf den Insolvenzfall gemäß Art. 61 Abs. 3 LC unwirksam: „Se tendrán por no puestas las cláusulas que establezcan la facultad de resolución o la extinción del contrato por la sola causa de la declaración de concurso de cualquiera de las partes.“ – “Clauses that establish the right to rescind or terminate the contract due solely to a declaration opening insolvency proceedings of the parties shall be deemed nonexistent.”845

Vertragsklauseln, die ein Beendigungsrecht an die Insolvenzerklärung (declaración de concurso) binden, sind nichtig. Die Insolvenzerklärung entspricht der Insolvenzantragstellung.846 Damit soll die Grundregel, dass schwebende Verträge in Insolvenzverfahren wirksam bleiben und fortgesetzt werden, nicht unterlaufen werden.847 Die Regelung dient dazu, Sanierungen zu ermöglichen.848 Eine weitere spanische Besonderheit sind Sonderregelungen für bestimmte Verträge. So kann der Insolvenzverwalter bestimmte Verträge – trotz Kündigung bis zu drei Monaten vor Insolvenzerklärung – wieder aufleben lassen, wenn er die ausstehenden Verbindlichkeiten begleicht und die 840

Tirado/Sanchez-Paredes, in: Treatment of Contracts in Insolvency (Hrsg. Faber/ Vermunt/Kilborn/Linde), National Report for Spain, Rn. 16.05. 841 Fries/Steinmetz, in: Handbuch Insolvenzrecht in Europa (Hrsg. Kindler/Nachmann), Spanien, Rn. 94. 842 Vgl. Volz/Zárraga, in: Münchener Kommentar zur Insolvenzordnung (Hrsg. Kirchhof/Eidenmüller/Stürner), Spanien, Rn. 47; Giménez, in: Sanierungsfinanzierung, Spanien, Rn. 20; Fries/Steinmetz, in: Hdb. Inso. Europa, Spanien, Rn. 96. 843 Fries/Steinmetz, in: Hdb. Inso. Europa, Spanien, Rn. 95. 844 Volz/Zárraga, in: MüKo-Inso, Spanien, Rn. 48. 845 Übersetzung des spanischen Justizministeriums (2015). 846 Giménez, in: Sanierungsfinanzierung, Spanien, Rn. 4. 847 Giménez, in: Sanierungsfinanzierung, Spanien, Rn. 20. 848 Fries/Steinmetz, in: Hdb. Inso. Europa, Spanien, Rn. 96.

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Kapitel 1: Länderberichte

zukünftigen Verbindlichkeiten erfüllt.849 Dies gilt für Kreditverträge (Art. 68 LC), Abzahlungskäufe (Art. 69 LC) und bestimmte mietrechtliche Räumungsverlangen (Art. 70 LC). XII. Südkorea Im April 2006 trat ein neues koreanisches Insolvenzrecht in Kraft – das Debtor Rehabilitation and Bankruptcy Law („DRBL“).850 Das Verwalterwahlrecht des koreanischen Insolvenzrechts ist in Art. 119 DRBL geregelt: “Options when Both Parties Fail to Fulfill Bilateral Contract851 (1) When the debtor and another party have yet to complete performance of their bilateral contract at the time rehabilitation procedures commence, any custodian [Verwalter] may cancel or terminate such bilateral contract and request the debtor to meet his/her obligations and require the other party to fulfil his/her obligations: Provided, that the custodian shall not cancel or terminate the bilateral contract after the meeting of persons concerned held to deliberate on a draft rehabilitation plan or a decision is made to place the case in a written resolution of the meeting of persons concerned pursuant to the provisions of Article 240. (2) In the case of paragraph (1), the other party may compel the custodian to cancel or terminate the bilateral contract or to definitive answer whether the latter intends to implement the bilateral contract. In this case, when the custodian fails to provide a definitive answer within 30 days from the date on which he/she is so compelled, the custodian shall be deemed to have relinquished right of the cancellation and the right of termination right referred to in the provisions of paragraph (1). (3) The court may extend or shorten the period referred to in the provisions of paragraph (2) by its inherent jurisdiction or upon receiving an application filed by the custodian or the other party. (4) The provisions of paragraphs (1) through (3) shall not apply to any collective agreement.”

Die Wirksamkeit von vertraglichen insolvenzbezogenen Lösungsklauseln ist in Korea umstritten; die gesetzliche Neuregelung gestattet Lösungsklauseln in qualifizierten Finanzverträgen.852 Gegen die Zulässigkeit wird angeführt, dass die Vertragsklauseln dem Insolvenzverwalter das Wahlrecht über die schwebenden Verträge entziehen.853 G. Fazit Der Überblick über die Rechtsordnungen zeigt, dass Verbote von insolvenzbezogenen Lösungsklauseln keine singulären Entwicklungen in einzelnen 849

Giménez, in: Sanierungsfinanzierung, Spanien, Rn. 20. Park/Hong, 7 Journal of Korean Law 349 (2008), 349. 851 Übersetzt durch das Korean Ministry of Government Legislation. 852 Park/Hong, 7 Journal of Korean Law 349 (2008), 370 m.w.N.; Fibria Celulose S/A v Pan Ocean Co. Ltd, Mr You Sik Kim, 30.6.2014, [2014] EWHC 2124 (Ch), Rn. 46 ff. 853 Park/Hong, 7 Journal of Korean Law 349 (2008), 370 m.w.N. 850

§ 4 Sonderregelungen bestimmter Vertragstypen

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Rechtsordnungen sind. Vielmehr handelt es sich um einen stetig zunehmenden Trend in einer Vielzahl von Ländern – wenngleich konkrete Ausgestaltungen jeweils divergieren.

§ 4 Sonderregelungen für bestimmte Vertragstypen § 4 Sonderregelungen bestimmter Vertragstypen

Bisher wurden die allgemeinen Prinzipien zur Behandlung von Vertragsbeendigungsklauseln in der Insolvenz betrachtet. Allerdings haben die einzelnen Rechtsordnungen für bestimmte Vertragstypen Sonderregelungen getroffen. Diese Sonderregelungen betreffen Ausnahmen vom Verwalterwahlrecht, aber auch Ausnahmen von gesetzlichen Lösungsverboten. Die englischsprachige rechtswissenschaftliche Literatur spricht in diesem Zusammenhang von safe harbour-Bestimmungen. Sie sind damit Zufluchtsorte vor den in den vorigen Kapiteln dargestellten zwingenden Bestimmungen des Verwalterwahlrechts bzw. den Verboten von vertraglichen Lösungsrechten. In diesem Abschnitt sollen überblickshalber die typischen Sonderregelungen bei Finanzverträgen und bei Mietverträgen untersucht werden. A. Finanzprodukte/Derivate/Close-Out-Netting Lösungsklauseln sind in Finanzierungs- und Derivatgeschäften international üblich.854 Für eine Vielzahl von Finanzverträgen haben nahezu alle modernen Rechtsordnungen den Anwendungsbereich des Insolvenzrechts zugunsten der Zulässigkeit vertraglicher Lösungsrechte eingeschränkt.855 In internationalen Finanzverträgen enthalten beispielsweise die standardisierten Rahmenverträge für Finanztermingeschäfte oder OTC-Derivat-Handelsverträge insolvenzbezogene Lösungsklauseln.856 Aber auch im Commodityhandel (Rohstoffhandel) wie im Energiehandel sehen die branchenbezogenen Rahmenverträge entsprechende Lösungsmöglichkeiten in der Insolvenz vor.857 Diese Lösungs854

BT-Drs. 17/3024, S. 52. Zur internationalen Gesetzgebung bezüglich Aufrechnung und Netting in der Insolvenz Wood, Set-off and Netting, Derivatives, Clearing Systems, 7-001, insb. 7-011. Neben den Ausnahmen im materiellen Recht sind auch im internationalen Privatrecht Sonderanknüpfungen für die Finanzbranche vorgesehen: § 340 InsO (Recht des Staates des organisierten Wertpapiermarktes), Art. 12 EuInsVO (Recht des Marktes), insb. für NettingVereinbarungen, vgl. Erwägungsgrund 71. Vgl. zu IPR-rechtlichen Bezug Kilgus, ZIP 2010, 613, passim; Ehricke, WM 2006, 2109, passim; Fried, in: Finanzderivate, § 21, S. 521 ff. 856 Siehe beispielsweise Nr. 6.1 (n), 7.2, 8 Schweizer Rahmenvertrag OTC-Derivate; Nr. 7 Abs. 2, Nr. 8 des Deutschen Rahmenvertrag für Finanztermingeschäfte; Nr. 5 u. 6 ISDA-Master-Agreement 2002. 857 Riewe, Die EFET-Rahmenverträge für den Handel mit Strom und Erdgas – StandardVertragsbestimmungen auf dem Prüfstand des deutschen und des internationalen 855

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klauseln sind im Zusammenhang mit dem Close-Out-Netting/ Liquidationsnetting zu sehen, das in den fraglichen Handelsbereichen Marktstandard ist.858 Hiernach werden im Insolvenzfall eines Marktteilnehmers die laufenden Verträge und Transaktionen durch die insolvenzbezogene Lösungsklausel beendet, die ausstehenden wechselseitigen Verbindlichkeiten werden festgestellt und gegenseitig aufgerechnet.859 Schlussendlich verbleibt eine Netto-Forderung zwischen den Handelspartnern – entweder als Masseforderung der Insolvenzmasse oder als ungesicherte Insolvenzforderung zugunsten des solventen Vertragspartners. Das Close-Out-Netting betrifft vor allem schwebende Verträge in der Insolvenz.860 Oft werden auch Einzelgeschäfte unter den vorstehend genannten Rahmenverträgen abgewickelt, die in der Insolvenz insgesamt dem Close-Out-Netting unterworfen werden.861 Ohne das Close-Out-Netting könnte der Insolvenzverwalter ausstehende Verbindlichkeiten zur Masse ziehen, wohingegen Gegenforderungen nur als Insolvenzforderungen zu bewerten wären. In diesem Fall stünden sich ggf. hohe wechselseitige Brutto-Forderungen gegenüber; beim Netting hingegen ist nur noch eine Netto-Forderung betroffen, sodass wegen der kleineren Forderungshöhe die Risiken überschaubarer sind.862 Gerade beim Handel zu Marktpreisen können sich bei Bruttoforderungen besonders hohe Risiken realisieren. Alle Rechtsordnungen, unabhängig davon, ob sie Lösungsrechte für wirksam oder unwirksam halten, haben Regelungen zu Finanzprodukten erlassen, sodass das Close-Out-Netting bei FiPrivatrechts, S. 404. Vgl. § 10.5 (c) EFET-Rahmenvertrag. Gewöhnliche Stromlieferungsverträge sind von EFET-Rahmenverträgen typischerweise nicht erfasst. 858 Kliebisch/Linsenbarth, DZWIR 2013, 449, 452; Riewe, Die EFET-Rahmenverträge für den Handel mit Strom und Erdgas – Standard-Vertragsbestimmungen auf dem Prüfstand des deutschen und des internationalen Privatrechts, S. 405 f. Eine ausführliche Einführung zu Rahmenverträgen und Netting-Vereinbarungen zur Insolvenzsicherung: Kliebisch/Linsenbarth, DZWIR 2013, 449, 450 ff.; Wood, Set-off and Netting, Derivatives, Clearing Systems, 1-001 ff.; Hess/Wyss, AJP/PJA 1997, 1219, 1219 ff.; Fried, in: Finanzderivate, § 21, S. 414 ff.; Lehmann/Flöther/Gurlit, WM 2017, 597, 597 f. 859 Wood, Principles of International Insolvency, S. 404, Rn. 15-003; Suhr Brunner, in: Sanierung und Insolvenz von Unternehmen III: Schwerpunkt: das neue Bankeninsolvenzrecht (Hrsg. Sprecher), Lehman Brothers: lessons learned, S. 19. 860 Wood, Set-off and Netting, Derivatives, Clearing Systems, 1-029. 861 Riewe, Die EFET-Rahmenverträge für den Handel mit Strom und Erdgas – StandardVertragsbestimmungen auf dem Prüfstand des deutschen und des internationalen Privatrechts, S. 367. 862 Erwägungsgrund 14 der RL 2002/47/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 6. Juni 2002 über Finanzsicherheiten in der Fassung der RL 2009/44/EG vom 6. Mai 2009; Pulver, in: Sanierung und Insolvenz von Unternehmen III: Schwerpunkt: das neue Bankeninsolvenzrecht (Hrsg. Sprecher/Umbach-Spahn/Vock), Zahlungs- und Effektenabwicklungssysteme sowie Vereinbarungen zur Risikoreduktion: Abschirmung in der Insolvenz, S. 90 u. 117.

§ 4 Sonderregelungen bestimmter Vertragstypen

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nanzverträgen grundsätzlich als zulässig erachtet wird.863 Damit wird deutlich, dass der Finanzbranche ein erheblicher Sondervorteil gegenüber anderen Gläubigern in einem Insolvenzverfahren zukommt, da diese dem vielkritisierten “Cherry Picking“ des Insolvenzverwalters nicht ausgesetzt sind.864 Wodurch wird dieser Vorteil gerechtfertigt? In 12 U.S.C. § 4401 (Findings and purpose) werden Sinn und Zweck des Nettings treffend beschrieben: “The Congress finds that— (1) many financial institutions engage daily in thousands of transactions with other financial institutions directly and through clearing organizations; (2) the efficient processing of such transactions is essential to a smoothly functioning economy; (3) such transactions can be processed most efficiently if, consistent with applicable contractual terms, obligations among financial institutions are netted; (4) such netting procedures would reduce the systemic risk within the banking system and financial markets; and (5) the effectiveness of such netting procedures can be assured only if they are recognized as valid and legally binding in the event of the closing of a financial institution participating in the netting procedures.”865

Das Netting soll Systemrisiken abmildern sowie Kredit- und Transaktionskosten reduzieren.866 Zwischen Banken, die miteinander handeln, bestehen regelmäßig wechselseitige Verbindlichkeiten, sodass im Insolvenzfall unklar ist, welche der Banken letztlich Gläubiger oder Schuldner ist. Die Insolvenz eines Markteilnehmers kann das Finanzsystem insgesamt destabilisieren; daher sind Ansteckungsrisiken durch vertragliche Risikoreduktionen möglichst gering zu halten.867 Derivate dienen Finanzinstitutionen dazu, Finanzrisiken zu verteilen und zu reduzieren. Sie schaffen Liquidität und müssen daher schnell wieder aufzulösen sein, um den Finanzverpflichtungen nachzukommen. Das Close-Out-Netting ermöglicht aber auch kleineren Händlern, ohne erhebliche Risikorückstellungen am Commoditygroßhandel teilzuneh-

863

Hüpkes, in: The Challenges of Insolvency Law Reform in the 21st Century – Facilitating Investment and Recovery to Enhance Economic Growth (Hrsg. Peter/Jeandin/ Kilborn), Insolvency – What Is Different About Banks?, S. 482. 864 Paulus, ECFR 2014, 531, 548 f.; Bräuer/Flöther, DZWIR 2004, 89, 93. 865 12 USC § 4401 (Pub. L. 102–242, title IV, § 401, Dec. 19, 1991, 105 Stat. 2371.): Title 12 – Banks and Banking, Chapter 45 – Payment System Risk Reduction, Subchapter I – Bilateral and Clearing Organization Netting. 866 Wood, Principles of International Insolvency, S. 407, Rn. 15-005; Hüpkes, in: Insolvency – What Is Different About Banks?, S. 482. 867 Pulver, in: Zahlungs- und Effektenabwicklungssysteme sowie Vereinbarungen zur Risikoreduktion: Abschirmung in der Insolvenz, S. 90 u. 114.

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men,868 sodass sich ein besonderes Gestaltungsinteresse in manchen Handelsbereichen für vertragliche Lösungsrechte nicht abstreiten lässt. Das CloseOut-Netting dient damit der Reduktion von Risiken, Liquiditätserfordernissen und besonderen Eigenmittelanforderungen.869 Vereinbarungen zum Close-Out-Netting werden im Finanzsektor auf europäischer Ebene geschützt:870 Das Netting wird auch als risikominimierende Maßnahme bei den Bilanzen der Banken anerkannt und reduziert damit das notwendige Eigenkapital: Art. 61 ERV871; Art. 195 VO (EU) 575/2013872. Wichtig ist dabei, dass die Netting-Vereinbarungen in allen relevanten Rechtsordnungen durchsetzbar sind und kontinuierlich überwacht werden, Art. 205 ff. VO (EU) 575/2013.873 Ebenfalls im Bereich von Finanzsicherheiten muss das Close-Out-Netting im Insolvenzfall wirksam vereinbart werden können: Dies sieht Art. 7 RL 2002/47/EG vor. Um die Rechtssicherheit in dem Bereich zu erhöhen, sind die Vorschriften des Insolvenzrechts zwingend zu beschränken. Gleiches gilt im Wertpapierhandel nach Art. 3 RL 98/26/EG.874 In besonderem Maße erfordert beispielsweise der OTC-DerivatHandel auf europäischer Ebene, dass die Vertragspartner Mechanismen benutzten, die Risiken abmildern, vgl. Art. 11 EMIR.875 Das Close-Out-Netting ist eine Möglichkeit hierfür.876 Andererseits können durch das Liquidationsnetting dem Insolvenzschuldner wichtige Verträge entzogen werden, die für eine Restrukturierung – gerade bei Finanzakteuren – relevant wären.877 Das Liquidationsnetting tritt wegen seiner massekürzenden Wirkung in Konflikt mit grundlegenden insolvenz868

Riewe, Die EFET-Rahmenverträge für den Handel mit Strom und Erdgas – StandardVertragsbestimmungen auf dem Prüfstand des deutschen und des internationalen Privatrechts, S. 396. 869 Schwob, in: BK-Art. 211 SchKG, Rn. 24. 870 Pulver, in: Zahlungs- und Effektenabwicklungssysteme sowie Vereinbarungen zur Risikoreduktion: Abschirmung in der Insolvenz, S. 114. 871 Schweizerische Verordnung über die Eigenmittel und Risikoverteilung für Banken und Effektenhändler vom 1.6.2012. 872 Verordnung (EU) Nr. 575/2013 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 26. Juni 2013 über die Aufsichtsanforderungen an Kreditinstitute und Wertpapierfirmen. 873 Schwob, in: BK-Art. 211 SchKG, Rn. 16. 874 Erwägungsgrund 5 der RL 2002/47/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 6.6.2002 über Finanzsicherheiten in der Fassung der RL 2009/44/EG vom 6.5.2009; RL 98/26/EG über die Wirksamkeit von Abrechnungen in Zahlungs- sowie Wertpapierliefer- und -abrechnungssystemen in der Fassung der RL 2009/44/EG vom 6.5.2009. 875 Verordnung (EU) Nr. 648/2012 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 4.7.2012 über OTC-Derivate, zentrale Gegenparteien und Transaktionsregister. 876 Konkrete Zahlen und Beispiele Paulus, ECFR 2014, 531, 548: Das Liquidationsnetting ermöglichte im Jahr 2009 ca. 3,7 Billionen USD Risikoreduktionen im Finanzsektor. 877 Wood, Principles of International Insolvency, S. 407, Rn. 15-006; Wood, Set-off and Netting, Derivatives, Clearing Systems, 1-014.

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rechtlichen Prinzipien wie dem Verwalterwahlrecht.878 Als weitere fragwürdige Auswirkungen des Liquidationsprivilegs werden mittlerweile folgende Punkte gesehen: Auch andere Gläubiger, die keine ursprünglichen Finanzakteure sind, können Ausnahmebestimmungen nutzen, um das Insolvenzrecht zu umgehen; Verträge können bewusst als Finanzverträge ausgestaltet werden, um in den Genuss der Ausnahmen zu gelangen; das Kreditrisiko der Handelspartner wird unzureichend überwacht; die Insolvenzmasse wird ausgehöhlt und die Gläubiger werden ungleich behandelt; und schließlich könnten die Ausnahmen über ihr eigentliches Ziel ausgedehnt werden.879 Diese Sonderrechte wie das Liquidationsnetting und Ausnahmen vom allgemeinen Insolvenzrecht haben das Verhalten von Finanzakteuren riskanter werden lassen:880 Für die Finanzmarktkrise 2008 werden diese Privilegien und Ausnahmebestimmungen daher als mitursächlich eingestuft.881 Denn gerade bei allgemein angespannten Märkten und wenn eine Vielzahl von Vertragsbeendigungen durchgeführt werden, kann eine Krise verstärkt werden und chaotische Situationen herbeiführen – damit entsteht ein erhebliches Ansteckungsrisiko und die Lage wird problematisch, wenn der Insolvenzschuldner wie beispielsweise ein Finanzinstitut aufgrund der Systemrelevanz zu retten oder geordnet abzuwickeln ist.882 Die Finanzmarktkrise 2008 zeigte damit, dass das Liquidationsnetting nicht dazu beiträgt, systemische Risiken zu reduzieren und damit nicht die Systemstabilität fördert.883 Hierzu bedarf es weiterer regulatorischer Maßnahmen. Allerdings schafft das Liquidationsnetting eine erhebliche Liquidität in den Finanzmärkten, ohne die diese modernen Märkte nicht funktionieren könnten.884 Folglich bleibt das Close-Out-Netting in internationalen Finanzgeschäften weiter notwendig. Eine Abschaffung der Ausnahmen ist also genauso wenig zielführend wie eine extensive Ausgestaltung der Ausnahmen. Auch wenn ein besonderes Bedürfnis von insolvenzbezogenen Lösungsklauseln im Finanzsektor vorhanden ist, zeigt sich letztlich auch 878

Lehmann/Flöther/Gurlit, WM 2017, 597, 598. United Nations Commission on International Trade Law Working Group V (Insolvency Law) Forty-fourth session, Vienna, 16-20 December 2013, Insolvency Law Background information on topics comprising the current mandate of Working Group V and topics for possible future work, Note by the Secretariat, A/CN.9/WG.V/WP.117, S. 13 ff.; Plenio, SZW/RSDA 2011, 135, 136. 880 Paulus, ECFR 2014, 531, 549. 881 Paulus, ECFR 2014, 531, 550; Roe, 63 Stan. L. Rev. 539 (2010-2011), passim. 882 Paech, Oxf. J. Leg. Stud. 2016, 1, 28 ff.; Plenio, SZW/RSDA 2011, 135, 139 f. m.w.N.; Fried, in: Finanzderivate, § 21, 418 f.; SEC Wire 12/3/13, Harvard Law School David Berg Professor of Law Mark J. Roe, Prepared Testimony before the House Judiciary Subcommittee on Regulatory Reform, Commercial and Antitrust Law Hearing on the Bankruptcy Code and Financial Institution Insolvencies, as released by the committee, S. 2. 883 Paech, Oxf. J. Leg. Stud. 2016, 1, 28 ff. 884 Paech, Oxf. J. Leg. Stud. 2016, 1, 30. 879

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hier die mitunter sanierungsfeindliche Wirkung von insolvenzbezogenen Lösungsklauseln. Anstatt einen rechtsvernichtenden kurzfristigen Ausstieg zu gestatten, wären moderate Auflösungssperren möglicherweise vernüftiger.885 Soweit die Bereichsausnahme erhalten wird, ist zu überlegen, ob der Finanzsektor einen finanziellen Beitrag für die Insolvenzprivilegien leisten sollte.886 Im Weiteren sollen die Grenzen dieser Bereichsausnahme und die allgemeine Gültigkeit des Close-Out-Nettings in einzelnen Rechtsordnungen ausgelotet werden. I. Deutschland Die Regelungen zum Verwalterwahlrecht (§ 103 InsO) könnten grundsätzlich auch Waren- und Finanzverträge erfassen.887 Allerdings hat der deutsche Gesetzgeber in § 104 InsO für zwei verschiedene Vertragskategorien Ausnahmen vom Verwalterwahlrecht vorgesehen. Dies gilt für Fixgeschäfte bei Warengeschäften (§ 104 Abs. 1 Satz 1 n.F.) und für spezielle Verträge über Finanzleistungen (§ 104 Abs. 1 Satz 2 n.F.). 1. Fixgeschäfte (§ 104 Abs. 1 Satz 1 InsO) Nach § 104 Abs. 1 Satz 1 InsO sind Fixgeschäfte erfasst, also Leistungen zu einer bestimmten Zeit, für die es einen Markt- oder Börsenpreis gibt.888 Bei diesen Termingeschäften wird eine Leistung auf einen späteren Termin hinausgeschoben.889 Für diese Arten von Verträgen wird das Verwalterwahlrecht ausgeschlossen, der Vertrag von Gesetzes wegen beendet und eine Differenzforderung für oder gegen die Masse ermittelt. Diese Regelung war bereits in § 18 KO enthalten. Dem Verwalter sollten keine Spekulation bei stark volatilen Termingeschäften zugebilligt werden.890 Unter diese Bestimmung fallen physisch abgewickelte Geschäfte wie Warengeschäfte – z.B. Energiehandelsverträge.891 Nachdem der Energiehandel erst Ende der 1990er Jahre liberali885

SEC Wire 12/3/13, Harvard Law School David Berg Professor of Law Mark J. Rose, Prepared Testimony before the House Judiciary Subcommittee on Regulatory Reform, Commercial and Antitrust Law Hearing on the Bankruptcy Code and Financial Institution Insolvencies, as released by the committee, S. 3. 886 Paulus, ECFR 2014, 531, 552 m.w.N. 887 Vgl. BT-Drs. 18/9983, S. 15; Kliebisch/Linsenbarth, DZWIR 2013, 449, 455, m.w.N. zur Zulässigkeit des Nettings Fn. 67. 888 Behrens, RdE 2014, 424, 426 f. 889 Feißel/Hoff, EnWZ 2013, 184, 186. 890 Riewe, Die EFET-Rahmenverträge für den Handel mit Strom und Erdgas – StandardVertragsbestimmungen auf dem Prüfstand des deutschen und des internationalen Privatrechts, S. 413. 891 Riewe, Die EFET-Rahmenverträge für den Handel mit Strom und Erdgas – StandardVertragsbestimmungen auf dem Prüfstand des deutschen und des internationalen Privatrechts, S. 408, u. 414 f.

§ 4 Sonderregelungen bestimmter Vertragstypen

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siert wurde, existierte in der InsO keine speziellere Norm.892 Mit Neufassung des § 104 InsO zum 29.12.2016 sollten ausweislich der Gesetzesbegründung auch die Energiegroßhandelsmärkte privilegiert werden.893 Nach § 104 Abs. 1 Satz 3 Nr. 5 InsO sollen auch Optionen über Energielieferungen als Finanzleistung (hierzu sogleich) unter die Ausnahmeregelung vom Wahlrecht fallen. 2. Verträge über Finanzleistungen (§ 104 Abs. 1 Satz 2 InsO) In Deutschland wurde bei Erlass der Insolvenzordnung § 104 Abs. 2 InsO a.F. aufgenommen. Hiernach sollte die allgemeine Regelung zu Fixgeschäften unter der Insolvenzordnung auf Finanzverträge übertragen werden.894 Sicherlich spielte auch die Gewährleistung des Eingangs in diesem Kapitel dargestellten internationalen Standards des Liquidationsnettings eine wichtige Rolle.895 Verträge über Finanzleistungen enden nach § 104 InsO automatisch.896 Der Vertrag ist abzuwickeln, die Forderungen zu saldieren und es besteht entweder eine Zahlungspflicht oder eine Forderung der Masse.897 Die erfassten Verträge sollen ein höheres Maß an Rechtssicherheit und -klarheit erfordern, als es das Verwalterwahlrecht ermöglichen würde.898 § 104 Abs. 1 Satz 3 InsO führt als Finanzleistungen beispielhaft auf: die Lieferung von Edelmetallen und Wertpapieren, Geldleistungen, Optionen899 und Finanzsicherheiten.900 In der Literatur war die Reichweite der Ausnahmebestimmungen des § 104 InsO umstritten. Kliebisch/Linsenbarth gingen davon aus, dass die heutigen Rahmenverträge nicht vollständig den Anforderungen von § 104 InsO entsprechen. Die Rahmenverträge knüpfen nämlich regelmäßig an einen anderen Zeitpunkt zur Entschädigungsberechnung an, als das Gesetz in 892

Riewe, Die EFET-Rahmenverträge für den Handel mit Strom und Erdgas – StandardVertragsbestimmungen auf dem Prüfstand des deutschen und des internationalen Privatrechts, S. 436. 893 BT-Drs. 18/9983, S. 19. Die Ausweitung auf die Energiegroßhandelsmärkte wurde kritisch gesehen, was sich aus den Stellungnahmen der Bundesrechtsanwaltskammer (Nr. 38/2016, November 2016 – Zum Änderungsentwurf der Bundesregierung zu § 104 InsO, S. 6) und des Verband Insolvenzverwalter Deutschland (Dr. Christoph Niering, im Rahmen der Sachverständigenanhörung im Rechtsausschuss des Deutschen Bundestages am 9.11.2016 zum Entwurf eines Änderungsvorschlags zur Neufassung des § 104 InsO vom 26.7.2016, S. 2) ergibt. 894 Piekenbrock/Ludwig, WM 2014, 2197, 2200. 895 Schwörer, Lösungsklauseln für den Insolvenzfall, S. 248. Zu den von § 104 InsO erfassten Verträgen Obermüller, ZInsO 2013, 476, 479. 896 BGH, Urt. v. 9.6.2016 – IX ZR 314/14, BGHZ 210, 321. 897 Kilgus, ZIP 2010, 613, 613. 898 Piekenbrock/Ludwig, WM 2014, 2197, 2200. 899 Piekenbrock/Ludwig, WM 2014, 2197, passim. 900 Sowie zu den weiteren Voraussetzungen Fried, in: Finanzderivate, § 21, 504 ff.

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Kapitel 1: Länderberichte

§ 104 Abs. 3 a.F. InsO vorsah.901 Andere Stimmen erachteten vom Gesetz abweichende Berechnungsmethoden überwiegend für zulässig.902 Im Jahr 2016 hat der Bundesgerichtshof klargestellt, dass von der Berechnungsmethode der § 104 Abs. 2 und 3 InsO nicht abgewichen werden darf. Die Norm bezwecke den Masseschutz und könne nicht durch individualvertragliche Vereinbarungen umgangen werden.903 Sofern also Rahmenverträge gegen die gesetzliche Abwicklungsmethode verstoßen, seien diese unwirksam. Dies veranlasste den deutschen Gesetzgeber, den § 104 InsO in kurzer Zeit neuzufassen. Die Reform ist am 29.12.2016 in Kraft getreten. Es wurde unter anderem klargestellt, dass das Liquidationsnetting uneingeschränkt insolvenzfest sein soll,904 da der Grundgedanke des § 104 InsO der Schutz des [solventen] Vertragspartners ist.905 Hierzu bestimmt § 104 Abs. 4 Satz 1 InsO nunmehr explizit, dass rechtsgeschäftliche Abreden wirksam sind, sofern diese mit den wesentlichen Grundgedanken der jeweiligen gesetzlichen Regelung vereinbar sind, von der abgewichen wird.906 Nach § 104 Abs. 4 Satz 2 Nr. 1 InsO können die Parteien vereinbaren, dass die Wirkungen nach Abs. 1 [Vertragsbeendigung] auch vor Verfahrenseröffnung eintreten, insbesondere bei Stellung des Antrags einer Vertragspartei auf Eröffnung eines Insolvenzverfahrens über das eigene Vermögen oder bei Vorliegen eines Eröffnungsgrundes. Damit werden für die Vertragskategorien der Fix- und Finanzgeschäfte insolvenzbezogene Lösungsklauseln für wirksam erklärt, die an die Antragstellung oder die materiellen Insolvenzgründe anknüpfen. Die Gesetzesbegründung verwies ausdrücklich darauf, dass insolvenzunabhängige Vertragsbeendigungsgründe (wesentliche Pflichtverletzung und Verschlechterung der Vermögenslage) nach Ansicht des Bundesgerichtshofs (IX ZR 169/11) wirksam sind und daher keine gesetzliche Regelung erforderlich sei.907 3. Exkurs: Kreditinstitute-Reorganisationsgesetz In dem Kontext der Finanzprodukte fällt ein besonderes Augenmerk auf Regelungen zur Bankenrettung, um die negativen Auswirkungen der Finanzmarktkrise 2008 auch im Hinblick auf das Liquidationsnetting zu bereinigen. Das Gesetz zur Reorganisation von Kreditinstituten908 sieht spezielle Sanie901

Kliebisch/Linsenbarth, DZWIR 2013, 449, 455 f. Riewe, Die EFET-Rahmenverträge für den Handel mit Strom und Erdgas – StandardVertragsbestimmungen auf dem Prüfstand des deutschen und des internationalen Privatrechts, S. 423 f.; Fried, in: Finanzderivate, § 21, 509. 903 BGH, Urt. v. 9.6.2016 – IX ZR 314/14, BGHZ 210, 321. Zu den „Schockwellen“ des Urteils Lehmann/Flöther/Gurlit, WM 2017, 597, passim. 904 BT-Drs. 18/9983, S. 8. 905 BT-Drs. 18/9983, S. 13 f. 906 BT-Drs. 18/9983, S. 9. 907 Vgl. BT-Drs. 18/9983, S. 15. Abweichende Ansicht unten § 10, F.; § 9, B., II., 4. 908 Kreditinstitute-Reorganisationsgesetz vom 9.12.2010 (BGBl. I S. 1900). 902

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rungs- und Reorganisationsverfahren von Kreditinstituten vor. Das Reorganisationsverfahren setzt eine Gefährdung der Stabilität des Finanzsystems voraus, vgl. § 1 KredReorgG. Die Verfahren sind zwar vorinsolvenzlich, aber stark an das Insolvenzverfahren angelehnt.909 Interessanterweise sieht § 13 KredReorgG („Beendigung von Schuldverhältnissen“) eine Kündigungssperre für die Schuldverhältnisse des Kreditinstituts vor: „Schuldverhältnisse mit dem Kreditinstitut können ab dem Tag der Anzeige nach § 7 Absatz 1 bis zum Ablauf des folgenden Geschäftstages im Sinne des § 1 Absatz 16b des Kreditwesengesetzes nicht beendet werden. Eine Kündigung gegenüber dem Kreditinstitut ist in diesem Zeitraum ausgeschlossen. Die Wirkung sonstiger in diesem Zeitraum eintretender Beendigungstatbestände ist bis zu seinem Ablauf aufgeschoben. Abweichende Vereinbarungen sind unwirksam. Dies gilt nicht für Gläubiger von Forderungen aus Schuldverhältnissen nach § 12 Absatz 2.“

Die Finanzkrise einer Bank führt zu einem erheblichen Vertrauensverlust auf dem Markt.910 Im Gegensatz zu Sanierungsverfahren lässt das Reorganisationsverfahren Eingriffe in Rechte Dritter zu und dient der Erhaltung des Kreditinstituts. 911 § 13 KredReorgG soll vertragliche Lösungsrechte wie das Close-Out-Netting, aber auch Change-of-Control-Klauseln sperren, um in dem auf einen Tag beschränkten Zeitaufschub möglichst mit vielen Gläubigern eine Einigung zu erzielen.912 Bei einem zeitlich derart beschränkten Aufschub lässt sich die Sinnhaftigkeit der Regelung durchaus bezweifeln.913 Gleichwohl sieht der deutsche Gesetzgeber in der Norm eine Eingriffsnorm im Sinne von Art. 9 Rom-I, was die hinter der Regelung stehenden, wichtigen wirtschaftspolitischen Gemeinwohlinteressen widerspiegelt.914 Letztlich zeigt die Regelung, dass insolvenzbezogene Lösungsklauseln durchaus ein erhebliches Gefahrenpotenzial – gerade bei Finanzverträgen – aufweisen. Jedenfalls ist dem deutschen Recht eine zeitweilige Auflösungssperre nicht unbekannt. Ähnlich wie in Deutschland ermöglicht Art. 57 BIVFINMA in der Schweiz bei einer Bankeninsolvenz einen Aufschub der vertraglichen Verpflichtungen und Kündigungsmöglichkeiten – begrenzt auf maximal 48 Stunden.915 Dies entspricht internationalen Entwicklungen.916

909

Schelo, NJW 2011, 186, 186. Schelo, NJW 2011, 186, 186. 911 Schelo, NJW 2011, 186, 188. 912 BT-Drs. 17/3024, S. 52. 913 Schelo, NJW 2011, 186, 189. 914 BT-Drs. 17/3024, S. 52; Balthasar, in: Insolvenzordnung, Kommentar (Hrsg. Nerlich/Römermann), § 108, Rn. 4. 915 Vgl. Pulver, in: Zahlungs- und Effektenabwicklungssysteme sowie Vereinbarungen zur Risikoreduktion: Abschirmung in der Insolvenz, S. 125. 916 Ziffer 4.2 f. Key Attributes of Effective Resolution Regimes for Financial Institutions des FSB, 2014. 910

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Kapitel 1: Länderberichte

4. Zwischenergebnis Obgleich der angesprochenen Bedenken zum Liquidationsnetting hat der deutsche Gesetzgeber letztmals im Jahr 2016 ausdrücklich und umfassend das Close-Out-Netting/Liquidationsnetting in § 104 InsO im Finanzhandel allgemein gebilligt. Auch eine allmähliche Ausweitung der Privilegien auf den Energiehandel zeichnet sich ab. Der deutsche Gesetzgeber geht insofern weiter als die Europäische Union. Die Europäische Kommission lehnte es noch ab, das Netting in den EU-Finanzrichtlinien allgemein auf den physischen Commodity Handel auszudehnen.917 ISDA und EFET-Verträge sind hinsichtlich Lösungsklauseln in Deutschland als wirksam zu betrachten.918 Der Überblick über die Finanzverträge zeigt bereits deutlich, dass insolvenzbezogene Lösungsklauseln nicht pauschal zu verbieten oder allgemein zu erlauben sind. Es ist ein komplexes, abstrakt zu bestimmendes RegelAusnahme-System zu etablieren. Ausgehend vom Verwalterwahlrecht (§ 103 InsO) bildet § 104 InsO eine Ausnahme für Finanz- und Fixgeschäfte. Als gewisse Rückausnahme im Bankensektor kann wiederum § 13 KredReorgG begriffen werden. II. Österreich Österreich kennt beispielsweise in § 22 IO eine spezielle Regelung für Fixgeschäfte. Die Vertragsbeendigung ist gesetzlich vorgegeben. Dies gilt für Waren mit einem Markt- oder Börsenpreis, deren Leistungszeit fest bestimmt ist und nach der Insolvenzeröffnung liegt. In diesem Fall ist dem Verwalter keine Erfüllungswahl möglich; der Vertragspartner wird auf einen Schadensersatzanspruch verwiesen, der sich zu den Marktpreisen am zweiten Werktag nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens richtet. III. Schweiz Auch in der Schweiz hat der Gesetzgeber ein Bedürfnis für eine Sonderregelung vom Verwalterwahlrecht für Banken erkannt.919 Besonderes Augenmerk wird auf Fix-, Finanztermin-, Swap- und Derivatgeschäfte gelegt, bei denen 917

Bericht von der Kommission an das Europäische Parlament und den Rat – Bewertungsbericht über die Richtlinie über Finanzsicherheiten (2002/47/EG), KOM (2006) 833, 20.12.2006, S.10. 918 Mittlerweile stellt § 104 Abs. 3 InsO klar, dass bei Rahmenvereinbarungen eine Gesamtbeendigung sämtlicher abgeschlossener Einzelverträge eintritt. Dies gilt für Finanzund Warengeschäfte. Bereits in diesem Sinne Riewe, Die EFET-Rahmenverträge für den Handel mit Strom und Erdgas – Standard-Vertragsbestimmungen auf dem Prüfstand des deutschen und des internationalen Privatrechts, S. 437 ff. 919 Plenio, Das Erfüllungsrecht der Konkursverwaltung und schuldrechtliche Verträge im Konkurs, S. 115.

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das Verwalterwahlrecht ausgeschlossen wird.920 Der Wert der vertraglichen Leistungen muss mittels Markt- oder Börsenpreisen bestimmbar sein.921 Zum insolvenzrechtlichen Schutz von Netting-Vereinbarungen wurde der Art. 211 Abs. 2bis SchKG geschaffen und schließt damit das Erfüllungswahlrecht des Verwalters aus.922 Obwohl in der Schweiz insolvenzbezogene Lösungsrechte grundsätzlich wirksam sind, wollte der Gesetzgeber jegliches Restrisiko bei Netting-Vereinbarungen ausschließen.923 Das Close-Out-Netting war nicht explizit geregelt; Rechtsprechung zu dessen Zulässigkeit nicht vorhanden.924 Ohne das Grundproblem der insolvenzbezogenen Lösungsklauseln näher zu regeln, schuf der Gesetzgeber 1994 Lösungsrechte für den Finanzsektor.925 Die Regelung sollte § 18 dt. KO nachempfunden werden; ferner inspirierte sich der schweizerische Gesetzgeber von Netting-Regelungen in Belgien, Deutschland und den USA.926 Die Rechts- und Verkehrssicherheit gebiete in den erfassten Verträgen eine sofortige, einheitliche und endgültige Entscheidung über das Schicksal der Verträge.927 Bei den Fixgeschäften ist es entscheidend, den Erfüllungstermin einzuhalten, die Verzögerungen in der Insolvenz wirken sich für diese Vertragstypen besonders nachteilig aus.928 Da bei den in Art. 211 Abs. 2bis SchKG normierten Geschäften Kursschwankungen zufällig auftreten können, ermöglichte das Verwalterwahlrecht dem Verwalter, mit der Insolvenzmasse zu spekulieren.929 Fixgeschäfte mit Markt- und Börsenpreisen bedürfen einer schnellen Sachklärung und ermöglichen, sich anderweitig einzudecken. 930 Eine vertraglich von der gesetzlichen Schadensberechnung abweichende Abwicklung wird für zulässig erachtet.931 920 Zu den verschiedenen Vertragstypen des Art. 211 Abs. 2bis SchKG Plenio, Das Erfüllungsrecht der Konkursverwaltung und schuldrechtliche Verträge im Konkurs, S. 77 ff.; Bertschinger, AJP/PJA 1995, 889, 889. 921 Bertschinger, AJP/PJA 1995, 889, 891 ff. 922 Bertschinger, AJP/PJA 1995, 889, 889. Ausführlich zu Art. 211 Abs. 2bis SchKG, auch unter rechtsvergleichenden Aspekten Dubacher, Close-out-Bestimmungen und das Eintrittsrecht der Konkursverwaltung: ein Rechtsvergleich zwischen der Schweiz, Deutschland und Österreich, passim. 923 Bertschinger, AJP/PJA 1995, 889, 891. 924 Hess/Wyss, AJP/PJA 1997, 1219, 1224. 925 Zur Entstehungsgeschichte Hess/Wyss, AJP/PJA 1997, 1219, 1224 f. 926 Hess/Wyss, AJP/PJA 1997, 1219, 1225. 927 Hess/Wyss, AJP/PJA 1997, 1219, 1225. 928 Plenio, Das Erfüllungsrecht der Konkursverwaltung und schuldrechtliche Verträge im Konkurs, S. 77. 929 Plenio, Das Erfüllungsrecht der Konkursverwaltung und schuldrechtliche Verträge im Konkurs, S. 79. 930 Bericht des Bundesamtes für Justiz, BBl. I 1994, 1316, 1325. 931 Bertschinger, AJP/PJA 1995, 889, 895; andere Ansicht im Konkursfall Hess/Wyss, AJP/PJA 1997, 1219, 1229.

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IV. Frankreich In Frankreich bestimmt Art. 211-36 des Code monétaire et financier eine Vielzahl von Finanzverträgen, die gegenseitigen Forderungen gekündigt und aufgerechnet werden können. Damit ist auch in Frankreich im Finanzsektor das Close-Out-Netting von Finanztermingeschäften und Warentermingeschäften weitgehend zulässig.932 V. USA In den Vereinigten Staaten führte der Gesetzgeber eine Vielzahl von so genannten safe harbour-Bestimmungen ein:933 Diese gestatten das vertragliche Close-Out-Netting im Insolvenzfall und verhindern damit den automatic stay bzw. die Auflösungssperre vertraglicher Lösungsrechte. Damit sollen die Finanzmärkte vor einer hohen Volatilität geschützt werden, die mit einer verzögerten Abwicklung in der Insolvenz verbunden wäre.934 Betroffen sind verschiedene Finanzgeschäfte (beispielsweise Wertpapier-, Termin-, und Swapgeschäfte): So sind Lösungsklauseln und Netting-Vereinbarungen wirksam in bestimmten Wertpapier- und Kreditgeschäften (11 U.S.C. § 555), in Termingeschäften über Waren und Rohstoffe (11 U.S.C. § 556), in Rückkaufverträgen (11 U.S.C. § 559), in swap agreements935 (11 U.S.C. § 560) und in master netting agreements (11 U.S.C. § 561). Ein Vertragspartner muss jedenfalls Finanzakteur sein.936 Auch die Insolvenzanfechtung ist in diesen Bereichen zurückgenommen (11 U.S.C. § 546(e)). Besonders relevant war in diesem Zusammenhang vor allem die Abwicklung der Lehman Brothers Insolvenz.937 Hier zeigten sich besonders Brisanz und Grenzen der amerikanischen safe harbour-Bestimmungen. Vor allem unterschiedliche Bewertungen von finanzrechtlichen Rahmenvertragsbedingungen zwischen England und den USA untermauerten die Bedeutung der Ausnahmeregelungen.938 Zu berücksichtigen sind die genaue Eigenart der Verträge und die eng gefassten Ausnahmebestimmungen. So ist beispielswei-

932 Ausführlich hierzu Grasser, Unwirksamkeit vertraglicher Lösungsklauseln für den Insolvenzfall, S. 234 ff. 933 Hierzu ausführlich Wood, Set-off and Netting, Derivatives, Clearing Systems, 7067 ff. 934 HRRep No. 101-484 at 2 (1990); vgl auch In re Enron Corp. 306 B.R. 465, (Bkrtcy S.D.N.Y. 2004). 935 Definiert in 11 U.S.C. § 101 (53B) und betrifft Swap-Geschäfte, also dem Austausch zukünfitger Zahlungsströme. 936 Vgl. Plenio, SZW/RSDA 2011, 135, 141. 937 Aus IPR-rechtlicher Sicht, hierzu § 14 ff. 938 Re Lehman Brothers Holdings, Inc., Case No. 08-135555 et seq. (JMP)(jointly administered); Lomas and others v JFB Firth Rixson Inc & Ors [2012] EWCA Civ 419.

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se 11 U.S.C. § 560 nur begrenzt auf Klauseln, die den Vertrag liquidieren, beenden oder beschleunigen, andere Klauseltypen sind nicht erfasst.939 VI. England Unter dem Companies Act 1989, Part VII, vor allem sect. 159, werden auch Close-Out-Netting-Vereinbarungen in der Insolvenz geschützt. Wie bereits dargelegt, hat dies in England mehr deklaratorischen Charakter. Auch insolvenzrechtliche Bestimmungen wie die Insolvenzanfechtung werden in der Financial Collateral Arrangements No.2 Regulations 2003 in Nummer 10, 12 ausgeschlossen – zugunsten der weitgehenden Wirksamkeit von Close-OutNetting-Bestimmungen im Finanzbereich.940 Darüber hinaus erklärt Rule 4.90 Insolvency Rules 1986 jede Art des Netting für zulässig. VII. Fazit Gerade bei besonders volatilen Märkten, die einen hohen Liquiditätsbedarf aufweisen, sind insolvenzbezogene Lösungsklauseln als Bestandteil des Liquidationsnettings notwendig. Eine Bereichsausnahme von insolvenzrechtlichen Auflösungssperren bei hochspeziellen Handels- und Finanzgeschäften ist damit grundsätzlich gerechtfertigt – wie im Finanz- und Energiehandel. Entscheidend ist, dass die Leistungen einen Markt- oder Börsenpreis aufweisen. Damit sind nur spezielle Handelsgeschäfte betroffen, die spekulativ und riskant sind. In diesem Bereich sind insolvenzbezogene Lösungsklauseln Marktstandard und haben eine übergeordnete systemische Bedeutung. Weiter hängt die Funktionsfähigkeit internationaler Märkte durchaus von der Bereichsausnahme ab, weshalb die Klauseln dem Marktrecht unterstellt und Einwirkungen anderer Rechtsordnungen ausgeschlossen werden; hiervon sind insbesondere Netting-Vereinbarungen betroffen.941 Gleichzeitig sind aber auch die Gefahren für Restrukturierungsbemühungen zu berücksichtigen, die mit dem Liquidationsnetting verbunden sind. Für den Bereich der Finanzbranche sind hier insbesondere aufsichtrechtliche Kündigungssperren wie in § 13 KredReorgG oder Art. 57 BIV-FINMA relevant. Dies unterstreicht, dass insolvenzbezogene Lösungsklauseln auch in den Bereichen, in denen sie ganz überwiegend zulässig sind, nicht vorbehaltlos zu sehen sind.

939 In re Lehman Brothers Holdings Inc. v. BNY Corporate Trustee Services Limited, 422 B.R. 407 ( Bktrcy S.D.N.Y. 2010). 940 Ausführlich Grasser, Unwirksamkeit vertraglicher Lösungsklauseln für den Insolvenzfall, S. 258 ff. 941 Kolmann/Keller, in: Insolvenzrechts-Handbuch (Hrsg. Gottwald), § 133. Insolvenzkollisionsrecht, Rn. 83.

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Kapitel 1: Länderberichte

B. Mietverträge Im Gegensatz zu Finanzverträgen, bei denen die Privatautonomie weitgehend gewahrt ist, werden rechtsordnungsübergreifend bestimmte Vertragstypen für besonderes schützenswert erachtet, beispielsweise Mietverträge. I. Deutschland: gesetzliches Lösungsverbot Nach § 108 Abs. 1 Satz 1 InsO werden Mietverträge über unbewegliche Sachen von Gesetzes wegen fortgesetzt; die Verbindlichkeiten sind zwingend Masseverbindlichkeiten.942 Von der Vorschrift werden allgemein Verträge zur Gebrauchsüberlassung erfasst. Darüber hinaus wird aus §§ 108, 119 InsO allgemein ein Verbot von insolvenzbezogenen Lösungsklauseln für Mietverträge über unbewegliche Sachen abgeleitet.943 Wenn der Schuldner Mieter oder Pächter ist, kann im Insolvenzverfahren nur der Verwalter das Mietverhältnis kündigen; maximale Kündigungsfrist sind drei Monate, vgl. § 109 Abs. 1 InsO.944 Die vorzeitige Vertragsbeendigung berechtigt den Vertragspartner zum Schadensersatz, den er als Insolvenzgläubiger geltend machen kann. Vertragliche Kündigungsmöglichkeiten werden nach § 112 InsO ab dem Antrag auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens für jegliche Miet- und Pachtverträge ausgeschlossen, wenn die Beendigung auf vorinsolvenzlichen Verzug mit der Entrichtung der Miete bzw. Pacht oder auf die Verschlechterung der Vermögensverhältnisse des Schuldners gestützt wird. Die Vorschrift „beruht auf dem Gedanken, daß die wirtschaftliche Einheit im Besitz des Schuldners nicht zur Unzeit auseinandergerissen werden darf. […] Solche Gegenstände können für eine Fortführung des Unternehmens […] erforderlich sein […].“945

942 Neben den Mietverträgen werden jegliche Finanzierungsleasingverträge, Dienstverträge des Schuldners, aber auch Darlehensverträge erfasst, bei denen der Schuldner Darlehensgeber ist, § 108 Abs. 2 InsO; vgl. auch Österreich § 20 IO. Soweit der Schuldner Vermieter von unbeweglichen Sachen ist, sind Vorausverfügungen über die Mietzinsen nach § 110 InsO eingeschränkt. Ferner hat der Erwerber einer unbeweglichen Sache ein Sonderkündigungsrecht, wenn der Insolvenzverwalter die Immobilie im Insolvenzverfahren veräußert, vgl. § 111 InsO. 943 BGH, Urt. v. 22.10.2013 − II ZR 394/12, NZI 2014, 25. 944 Ist die Mietsache noch nicht zum Gebrauch überlassen, besteht ein Rücktrittsrecht nach § 109 Abs. 2 InsO. Für Wohnungraummietverträge des Schuldners ist in § 109 Abs. 1 Satz 2 InsO eine Sonderregelung vorgesehen. 945 BT-Drs. 12/2443, S. 148.

§ 4 Sonderregelungen bestimmter Vertragstypen

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II. Österreich In Österreich sind für Mietverträge in §§ 23, 24 IO Sonderregelungen vorgesehen.946 Mietverträge (österr. Bestandsverträge947) werden durch die Insolvenzeröffnung grundsätzlich nicht berührt, das Mietverhältnis setzt sich unverändert mit der Konkursmasse fort; der Masseverwalter tritt mit der Konkurseröffnung ipso iure in den Bestandvertrag ein.948 So bestimmt § 24 Abs. 1 Satz 1 IO, dass der Insolvenzverwalter in die Mietverhältnisse eintritt, die der Schuldner als Vermieter eingegangen ist. Ist der Schuldner Mieter einer Sache, so kann nur der Insolvenzverwalter innerhalb der gesetzlichen bzw. vertraglichen Kündigungsfrist das Mietverhältnis kündigen, vgl. § 23 IO. Vor der letzten Insolvenzrechtsreform konnten sowohl der Verwalter als auch der Vermieter kündigen, nunmehr hat nur noch der Insolvenzverwalter ein Sonderkündigungsrecht, da der Vermieter durch Masseverbindlichkeiten hinreichend geschützt sei.949 Bislang konnte der Vermieter zusätzlich nach allgemeinem Zivilrecht gem. § 1118 ABGB im Falle eines qualifizierten Mietzinsrückstands das Mietverhältnis beenden; dieses Recht wurde auch nicht durch die besonderen insolvenzrechtlichen Bestimmungen zu schwebenden Verträgen beschränkt.950 Seit 2010 greift aber auch für Mietverhältnisse die Auflösungssperre des § 25a IO.951 Damit hat der Vermieter weder nach allgemeinem Zivilrecht noch nach Insolvenzrecht ein Sonderkündigungsrecht. III. Schweiz Im Mietrecht sieht Art. 261 Abs. 1 OR eine zwingende Regelung vor, dass das Mietverhältnis sich mit dem Erwerber der Sache fortsetzt. Hieraus wird abgeleitet, dass die Insolvenzverwaltung zur Ausübung ihres Eintrittsrechts verpflichtet ist und das Mietverhältnis grundsätzlich fortsetzen muss.952 Ausnahmsweise werden sogar Einschränkungen von vertraglichen Lösungsrechten abgeleitet.953 Im Fall der Mieterinsolvenz kann der Vermieter nach Art. 266h OR in angemessener Frist Sicherheiten verlangen. Damit hat die

946

Zu Bestandsverträgen Maschke, in: Stellung der Gläubiger im Insolvenzverfahren (Hrsg. Jaufer/Nunner-Krautgasser/Schummer), Vertragsauflösung, S. 36 ff. 947 Zu dem Begriff des Bestandsvertrags: Keinert/Oppelt, ZMR 2016, 589, 589. 948 OGH, Beschl. v. 19.10.2000 – 2 Ob 213/99h; RS0020908. 949 Regierungsvorlage, Vorblatt und Erläuterungen zum Insolvenzrechtsänderungsgesetz 2010, 612 d. Beilagen, XXIV. GP, S. 11 f. 950 OGH, Beschl. v. 19.10.2000 – 2 Ob 213/99h. 951 Widhalm-Budak, in: IRÄG 2010, S. 37. 952 BG, Urt. v. 21.3.2001, BGE 127 III 273, 277. 953 Vgl. § 3, B., II., 1.

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Kapitel 1: Länderberichte

Insolvenzverwaltung regelmäßig innerhalb von zwei Wochen Sicherheiten zu stellen oder der Vermieter kann das Mietverhältnis beenden.954 IV. Frankreich Mietverträge über unbewegliche Sachen, die der Schuldner für den Geschäftsbetrieb nutzt, haben in L. 622-14, 641-12 C.com. eine Sonderregelung erfahren. Hiernach werden die Kündigungen in der Insolvenz speziell geregelt. Das Mietverhältnis kann einerseits durch die Nichterfüllungswahl des Insolvenzverwalters beendet werden; in diesem Fall kann der Vermieter einen Schadensersatzanspruch als Insolvenzgläubiger geltend machen. Andererseits kann der Vermieter das Mietverhältnis mit einer dreimonatigen Frist kündigen, wenn ein nachinsolvenzlicher Zahlungsverzug entstanden ist. Anderenfalls ist das Mietverhältnis zu erhalten. V. USA In den USA ist ein höchst komplexes Regelungsgeflecht für Verträge um Immobilien vorgesehen. Grundsätzlich greifen für Mietverhältnisse die allgemeinen Regelungen für schwebende Vertragsverhältnisse (Verbot von Lösungsklauseln); teilweise werden diese Regelungen aber für manche Vertragstypen und je nachdem ob der Schuldner Mieter oder Vermieter ist, modifiziert. Nach 11 U.S.C. § 365 (d)(4) werden gewerbliche Mietverhältnisse, bei denen der Schuldner Mieter ist, 120 Tage nach der Verfahrenseinleitung oder bei der Planbestätigung beendet, sofern der Verwalter sein Wahlrecht nicht zuvor ausgeübt hat.955 Konkrete Voraussetzungen, wann der Vertrag bei Erfüllungsablehnung endet, finden sich für Immobilienmietverträge, bei denen der Schuldner Vermieter ist: Die Ablehnung des Verwalters gilt als Vertragsende, vgl. 11 U.S.C. § 365 (h)(1)(A)(i) (Mietverträge) und 11 U.S.C. § 365 (i)(1) (Verträge über Verkauf von Immobilien).956 Dies ist im amerikanischen Recht relevant, da zwischen Vertragsbruch und Vertragsbeendigung differenziert wird.

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Jeandin, in: Les effets de la faillite sur le contrat de durée, S. 81. In Liquidationsverfahren wird die Erfüllungsablehnung von Wohnraummietverhältnissen des Schuldners fingiert, wenn sich der Verwalter nicht rechtzeitig entscheidet, vgl. 11 U.S.C. § 365 (d)(1). 956 Es gibt ferner Sonderregelungen für Timeshareverträge und Mietverträge über Einkaufszentren, vgl. 11 U.S.C. § 365 (h)(1) und (2). 11 U.S.C § 365 (p) sieht spezielle Regelungen von Mietverhältnissen bei Privatinsolvenzen vor. 955

§ 5 Rechtsvergleichende Systematisierung

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VI. Fazit Gerade im Bereich der Mietverträge über unbewegliche Sachen zeigt sich ein besonderes Bedürfnis, Verträge aufrechtzuerhalten. Für jedes Insolvenzverfahren, sei es zur Sanierung, sei es zur Liquidation, nehmen die Mietverträge eine wichtige Rolle ein. Sie gewährleisten, dass die Geschäftslokalitäten weiter genutzt werden können. Folglich haben die Gesetzgeber spezielle Regelungen vorgesehen, die inhaltlich ähnlich sind: Regelmäßig wird ein Mietverhältnis mit Wirkung gegenüber der Insolvenzmasse fortgesetzt und nur dem Insolvenzverwalter kommen Sonderkündigungsrechte zu. Nur dieser kann bewerten, ob der Mietvertrag notwendig ist. Mietverträge symbolisieren in besonderem Maß das Interesse des Insolvenzverwalters und der Gläubiger an Verträgen, die für die Sanierung bzw. Durchführung des Insolvenzverfahrens notwendig sind. Vertragliche Lösungsmöglichkeiten für den solventen Vertragspartner sind in dieser Folge rechtsordnungsübergreifend erheblich eingeschränkt. Zwar werden Mietverträge über bewegliche Sachen nicht mit vergleichbarer Prägnanz geschützt. Gleichwohl erkannten die Gesetzgeber auch in diesem Bereich einen systematischen Handlungsbedarf zum Schutz des Insolvenzschuldners.

§ 5 Rechtsvergleichende Systematisierung § 5 Rechtsvergleichende Systematisierung “On insolvency, commercial law is at its most ruthless: it must decide who is to bear the risk so that there is always a winner and a loser, a victor and a victim.”957

Im Folgenden sollen die vorangegangenen Ergebnisse rechtsvergleichend systematisiert werden. Für eine abschließende rechtsvergleichende Analyse ist eine Erörterung der juristischen (§ 6), wirtschaftlichen (§ 7) und rechtspolitischen Aspekte (§ 8) von Lösungsklauseln erforderlich. Nach diesen detaillierten Einzelbetrachtungen schließt sich in § 9 die rechtsvergleichende Bewertung mit einem abschließenden Fazit an. Die dargestellten Lösungen der einzelnen Rechtsordnungen unterscheiden sich in vielen Parametern. Auf Tatbestandsseite ist zu differenzieren, ob Verbote von Lösungsklauseln grundsätzlich alle oder nur bestimmte Vertragstypen erfassen, auch ob bestimmte Vertragstypen von dem Verbot ausgenommen werden; ferner, woran die Klauselverbote anknüpfen: an die reine Vermögensverschlechterung, die Insolvenzantragstellung, die Insolvenzeröffnung, die Verwalterbestellung etc. Schließlich unterscheiden sich die Verbote dahingehend, ob nur vertragliche Klauseln oder auch gesetzliche Klauseln erfasst werden. Bei den Rechtsfolgen ist zwischen der grundsätzlichen Wirksamkeit, der Nichtigkeitsfolge, aber auch reinen Durchsetzungssperren (wie 957

Wood, Principles of International Insolvency, S. 3, Rn. 1-001.

184

Kapitel 1: Länderberichte

dem automatic stay) von Kündigungsrechten zu unterscheiden. Schlussendlich unterscheiden sich auch die Positionen der Vertragspartner: In welchem Zeitrahmen können diese den Verwalter auffordern, über sein Wahlrecht zu entscheiden? Sieht das Gesetz klare Regelungen vor, wann der Verwalter seinerseits den Vertrag beenden kann? Das Bild der maßgeblichen Parameter verdeutlicht, dass unzählige Verbotskombinationen denkbar sind. Robert-Tissot schlägt eine systematische Einordnung in zwei Gruppen vor: Rechtsordnungen, die Lösungsklauseln aufrechterhalten und solche, die diese für undurchsetzbar erklären.958 Eine solche grobe Systematisierung ist zwar auf den ersten Blick richtig, sie wird den unterschiedlichen Charakteren der Verbotsregelungen aber kaum gerecht. Es ist vielmehr feiner zu differenzieren: Im Folgenden sollen die untersuchten Rechtsordnungen zunächst in einer wertenden Betrachtung gegenübergestellt werden (vgl. § 5, A.), anschließend sollen die einzelnen Parameter der Verbote näher analysiert werden (vgl. § 5, B.). Am Beispiel des Energielieferungsvertrags wird der Befund konkretisiert (vgl. § 5, C.). A. Wertende Gegenüberstellung Wie restriktiv bzw. liberal werden insolvenzbezogene Lösungsklauseln in den untersuchten Rechtsordnungen gesehen? I. Gruppe 1: liberaler Ansatz zu Lösungsklauseln Die Schweiz geht am liberalsten mit vertraglichen Lösungsrechten im Insolvenzfall um. Jegliche Kündigungsrechte werden von der ganz herrschenden Auffassung als grundsätzlich wirksam gesehen. Insofern wird die Vertragsfreiheit uneingeschränkt zur Geltung gebracht. Das Insolvenzrecht vermag diese nicht zu überspielen. Diese Auffassung war quasi Ausgangspunkt in allen Rechtsordnungen. Ebenso dürfte die Niederlande (noch) dieser Gruppe angehören. Gleichwohl konnte oben gesehen werden, dass auch dieser Lösungsansatz in diesen Vergleichsordnungen vermehrt kritisch gesehen wird. II. Gruppe 2: vermittelnde Lösung Als eine vermittelnde Rechtsordnung kann die englische Lösung gesehen werden. Hier wird der Vertragsfreiheit grundsätzlich Vorrang eingeräumt. Dennoch erkannte der britische Gesetzgeber ein beachtliches Missbrauchspotenzial von Lösungsklauseln in der Insolvenzsituation, das zu einer Gefährdung der Sanierung führen kann. In dieser Gruppe werden nur punktuell für besonders gefährdete Versorgungsverträge und nur in Sanierungsverfahren insolvenzbezogene Lösungsmöglichkeiten verboten. Vergleichbar ist die 958

Robert-Tissot, IILR 2012, 234, 238.

§ 5 Rechtsvergleichende Systematisierung

185

australische Lösung, die ebenfalls nur in Sanierungsverfahren Lösungsklauseln verbietet. Indes ist der Ansatz nicht auf Versorgungsverträge beschränkt. Vom Ausgangspunkt sind auch in Neuseeland Lösungsklauseln in der Insolvenz zulässig. Hier ist der Gesetzgeber bereits 1967 einem anderen Kompromissweg gefolgt. Anstatt Lösungsklauseln zu verbieten, wird der Insolvenzmasse ein geldwerter Entschädigungsanspruch gewährt. Damit kann der solvente Vertragspartner zwar den Vertrag im Insolvenzfall beenden, die im funktionalen Synallagma erhaltenen Vertragswerte bleiben der Masse jedoch erhalten. Schließlich hat sich auch Kanada für ein partielles Verbot in verschiedenen Verfahrenstypen entschieden. Nach den BGH-Entscheidungen zu Lösungsklauseln in Energielieferungsverträgen und Bauverträgen kann Deutschland derzeit auch zu dieser Gruppe gerechnet werden, da Lösungsklauseln nicht mehr generell zulässig sind. Gleichzeitig werden diese nur in manchen Vertragstypen wie Energielieferungsverträgen für unzulässig erklärt. Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs sollen Lösungsrechte zumindest in Bauverträgen wirksam sein. III. Gruppe 3: restriktiver Ansatz zu Lösungsklauseln Als dritte Gruppe lassen sich all die Rechtsordnungen identifizieren, die restriktiv gegen Lösungsmöglichkeiten in der Insolvenzsituation vorgehen. Hierbei ist funktional auf die Auswirkungen der gesetzlichen Regelungen einzugehen. So sind in den USA, Frankreich und Österreich die Lösungsmöglichkeiten im Insolvenzfall sehr weitgehend eingeschränkt. In den USA und Frankreich sind neben vertraglichen auch gesetzliche Lösungsrechte eingeschränkt. Insbesondere in den USA gibt es neben allgemeinen Verboten von Lösungsklauseln generelle Ausübungssperren (automatic stay) und besondere Verbote für Versorgungsverträge. Auch Österreich hat eine zusätzliche Ausübungssperre für ordentliche Kündigungsrechte eingeführt. Ferner verfolgen Rechtsordnungen wie Griechenland, Polen, Rumänien, Italien und Spanien einen restriktiven Ansatz. Nur enge Ausnahmen im Finanzvertragsbereich lassen sich in dieser Gruppe feststellen. B. Ausgewählte Einzelmerkmale Nachfolgend werden die Kernparameter der Verbote von Lösungsklauseln gegenübergestellt. I. Anknüpfungsmomente Der wichtigste Parameter von Verboten insolvenzbezogener Lösungsklauseln ist die Reichweite der verbotenen Anknüpfungs- bzw. Bezugspunkte: Welche Anknüpfungsmomente von Lösungsklauseln sind unzulässig? In allen untersuchten Rechtsordnungen, die insolvenzbezogene Lösungsklauseln ein-

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Kapitel 1: Länderberichte

schränken, ist es unzulässig, eine Klausel an die Insolvenzverfahrenseröffnung anzuknüpfen. Darüber hinaus wird auch regelmäßig die Verfahrenseinleitung bzw. Antragstellung als ein unzulässiges Kriterium betrachtet: so in Polen, Rumänien, Spanien, den USA und England. Noch weiter gehen Österreich und die USA: In den USA wird bereits die Zahlungsunfähigkeit bzw. die finanzielle Situation des Schuldners eingeschränkt, in Österreich die Verschlechterung der wirtschaftlichen Situation des Schuldners bzw. auch ein vorinsolvenzlicher Verzug des Schuldners. Außerdem ist in den USA die Bestellung eines Verwalters vor der Verfahrenseinleitung kein zulässiges Anknüpfungskriterium. Ferner ist danach zu differenzieren, welche Insolvenzverfahrenstypen von einem Verbot betroffen sind. In England und Schweden betreffen Verbote von Lösungsklauseln nur Sanierungsverfahren; auch in Österreich wirkt die Ausübungssperre zwar nur bei Sanierungsbemühungen. Allerdings existiert dort nur ein Einheitsverfahren, sodass es im konkreten Fall hierauf nicht ankommt. Hieraus ergibt sich das folgende Gesamtbild (Tabelle 1). Tabelle 1: Eingeschränkte Anknüpfungsmomente Verfahrenstyp

bei Liquidations- und Sanierungsverfahren

nur bei Sanierungsverfahren

Verfahrenseröffnung

Österreich, Frankreich, Spanien, Italien, Polen, Rumänien, USA, Deutschland, Griechenland

Australien, England (bei Versorgungsverträgen), Schweden, Kanada

Antragstellung

Polen, Rumänien, Spanien, USA, Frankreich, Deutschland

England (bei Versorgungsverträgen), Kanada, Australien

Materielle Insolvenzgründe

USA, Frankreich, (wohl auch Deutschland)

Kanada, Australien

Wesentliche Vermögensverschlechterung

Österreich, USA

Australien

Vorinsolvenzlicher Verzug

Österreich, USA (bei Versorgungsverträgen)

Ordentliche Kündigung

Österreich, USA

Unzulässige Anknüpfungen

§ 5 Rechtsvergleichende Systematisierung

187

II. Vertragstypen: Einschränkungen und Ausnahmen Die Verbote erfassen grundsätzlich sämtliche Vertragstypen.959 Ausnahme ist England und, nach der BGH-Entscheidung aus dem Jahr 2016, Deutschland: In diesen Ländern sind nur Versorgungsverträge von Verboten betroffen bzw. in Deutschland ist die weitere Entwicklung in der Rechtsprechung abzuwarten. Die Rechtsordnungen sehen für bestimmte Vertragsverhältnisse Ausnahmen von dem allgemeinen Verbot vor und nehmen diese Bereiche teilweise vollständig vom Wahlrecht, teilweise aber auch nur von den Verbotsbestimmungen aus. Die wohl umfassendste Bereichsausnahme besteht bei einer Vielzahl von Finanzgeschäften wie u.a. börsennotierte Rohstoffgeschäfte (vgl. oben USA, Frankreich, Österreich, Deutschland). Typischerweise sind aber auch Arbeitsverträge (vgl. Österreich und Frankreich), Kreditauszahlungsansprüche (vgl. Österreich und USA) und Treuhandverträge (vgl. Frankreich) von den Verboten insolvenzabhängiger Lösungsklauseln bzw. den Folgen des Wahlrechts selbst ausgenommen. Für Lizenzverträge bestehen Sonderregelungen (vgl. USA) bzw. solche Ausnahmen werden immer wieder diskutiert960 (vgl. Deutschland). In Deutschland werden Bauverträge nach der Rechtsprechung von einem Verbot nicht erfasst. In Österreich besteht noch eine wichtige Ausnahme der Ausübungssperre insolvenzunabhängiger Beendigungsmöglichkeiten: Die Vertragserhaltung wird eingeschränkt, wenn dies zu schweren persönlichen oder wirtschaftlichen Nachteilen für den Vertragspartner führt. Insgesamt lässt sich festhalten, dass grundsätzlich alle Vertragstypen erfasst werden. Rechtsordnungsübergreifend sind von dem zwingenden Recht des Verwalterwahlrechts bestimmte, sozialpolitisch brisante Vertragstypen ausgenommen wie Arbeitsverträge oder Verträge, die einen internationalen systemischen Gleichklang erfordern, wie Finanzverträge. III. Rechtsfolge des Verbots und dessen Auslösungszeitpunkt Nachdem oben die Anknüpfungsmomente identifiziert wurden, stellt sich schlussendlich die Frage, welche Rechtsfolge das Verbot hat und ab welchem Zeitpunkt diese greift. In diesem Parameter liegt letztlich das entscheidende Kriterium, das die Vertragsfreiheit einschränkt. In ihm kommt die Insolvenzbezogenheit der Verbotsregelungen zum Ausdruck. Die Kombinationen zwischen Anknüpfungsmoment und Rechtsfolge bestimmen, wann von der Privatautonomie getragene Beendigungsrechte nicht mehr akzeptiert werden.

959

Vor allem im Bereich der Mietverträge sieht die Vielzahl an Rechtsordnungen sogar ausdrücklich die Fortsetzung des Vertrags in der Insolvenz vor. 960 BT-Drs. 16/7416, S. 30 zu § 108a InsO-E.

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Kapitel 1: Länderberichte

Als Rechtsfolgen kommen die Nichtigkeit mit Rückwirkung auf den Vertragsschluss oder eine Ausübungssperre der Klausel in Betracht. Letztere bedarf stets einer Rückkoppelung an das Insolvenzverfahren. Erst die Insolvenzantragstellung oder die Eröffnung eines Insolvenzverfahrens führen zur insolvenzbezogenen Einschränkung der Lösungsklausel. In den USA und in England hat sich der Gesetzgeber für Ausübungssperren entschieden, die ab Antragstellung greifen. Der Vorteil einer Ausübungssperre liegt darin, dass in Folgeinsolvenzverfahren der Gesetzgeber den Klauseln wieder ihre Wirkung einräumen kann und deren Ausübung nur im ersten Insolvenzverfahren sperrt. Ferner verlieren die Klauseln ihre Wirksamkeit nicht, wenn das Insolvenzverfahren beispielsweise mangels Masse abgewiesen wird. Die Rückkoppelung an das Insolvenzverfahren ermöglicht es in den USA, auch weitgefasste, insolvenzunabhängige Klauseln – wie eine wesentliche Vermögensverschlechterung – im Insolvenzverfahren zu erfassen. Ähnlich ist die Rechtslage in England: Ab Einleitung eines Sanierungsverfahrens verlieren die Lösungsrechte ihre Wirksamkeit. Dies gilt auch für Klauseln, die ihren inhaltlichen Anknüpfungspunkt vor Antragstellung aufweisen. Gleichzeitig ist das Verbot auf das erste Sanierungsverfahren beschränkt – in folgenden Sanierungsverfahren bleiben die Lösungsrechte erhalten, um die Vertragspartner nicht immer wieder an das Unternehmen zu binden. In Frankreich, Rumänien, Italien, Spanien und Polen, wohl auch in Deutschland, hat sich der Gesetzgeber für eine Nichtigkeitsfolge entschieden. Um einen Bezug zum Insolvenzverfahren herzustellen, sind dort regelmäßig nur Klauseln betroffen, deren Wortlaut an die Antragstellung oder Insolvenzverfahrenseröffnung anknüpfen. Besonders deutlich wird die Insolvenzbezogenheit der Verbotsregelungen in Österreich. Klauseln, die explizit an die Verfahrenseröffnung anknüpfen, sind nichtig. Ein solches Anknüpfungsmoment ist stets ein hinreichendes Kriterium der Insolvenzbezogenheit. Darüber hinaus werden im Insolvenzverfahren allerdings auch insolvenzunabhängige Klauseln erfasst: Die Verschlechterung der wirtschaftlichen Situation des Schuldners und ein vorinsolvenzlicher Verzug des Schuldners berechtigen in den sechs Monaten nach Insolvenzeröffnung nicht zur außerordentlichen Vertragsauflösung; ferner wird jede ordentliche Kündigung durch eine Ausübungssperre gestoppt. In diesem Fall wird erst die Kombination von eingeleitetem Verfahren und einer Lösungsklausel zu einem hinreichenden insolvenzbezogenen Kriterium, die Klauseln einzuschränken. Diese Ergebnisse lassen sich summarisch in Tabelle 2 darstellen.

§ 5 Rechtsvergleichende Systematisierung

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Tabelle 2: Rechtsfolgen/Insolvenzbezogenheit der Verbote Nichtigkeit

Ausübungssperre ab Antragstellung

Ausübungssperre ab Eröffnung

Deutschland, Frankreich, Griechenland, Italien, Österreich, Polen, Rumänien, Spanien

Australien, England, Kanada, USA

Österreich

In Rechtsordnungen, die Lösungsklauseln grundsätzlich für wirksam erachten, stellt sich stets die Frage nach der Anfechtbarkeit der Klauseln (vgl. § 11, C.). Dies gilt insbesondere in der Schweiz. Allerdings auch in Deutschland und Österreich, wenn keine Verbotsregelungen eingreifen. IV. Gesetzliche oder rechtsgeschäftliche Beendigungsmöglichkeiten Weiter hervorzuheben ist, dass in den USA und Frankreich, aber auch teilweise in Österreich neben den vertraglichen Lösungsklauseln gesetzliche Beendigungsrechte mit in den Rechtsordnungen verbotenen Anknüpfungsmomenten während des Insolvenzverfahrens eingeschränkt werden. Beispielsweise sind in Österreich allgemeine gesetzliche Kündigungsrechte bei Zahlungsrückständen in Mietverträgen (§ 1118 ABGB) von der Ausübungssperre in Insolvenzverfahren erfasst. Hingegen gesetzliche, explizit auf den Insolvenzfall zugeschnittene Lösungsrechte bleiben in Österreich zulässig. V. Ungewissheiten: Ausübungsfristen für das Wahlrecht – Kompensation des solventen Vertragspartners Neben den Einschränkungen der Vertragsfreiheit ist die Rechtsposition des solventen Vertragspartners nicht aus den Augen zu verlieren. Dessen grundsätzlich anerkennenswertes Interesse, schnellstmöglich über das Schicksal des Vertrags Klarheit zu erlangen, schützen die Rechtsordnungen, indem es dem Vertragspartner möglich ist, den Verwalter zu einer Entscheidung über das Wahlrecht aufzufordern. In Deutschland fehlt eine explizite Fristbestimmung; der Vertragspartner hat regelmäßig mindestens den Berichtstermin nach der Insolvenzeröffnung abzuwarten. Ähnlich ist die Situation in Österreich: Dort hat zwar das Insolvenzgericht eine Frist zu bestimmen, diese muss aber mindestens drei Tage nach der Berichtstagssatzung liegen – also ca. 90 Tage nach der Verfahrenseröffnung. Eine ungleich kürzere Frist von 5 Arbeitstagen hat der Insolvenzverwalter allerdings, wenn der Vertragspartner eine Naturalleistung erwartet und der Schuldner bereits im Verzug ist. Diese Situation wird als besonders brisant bewertet, wenn der Vertragspartner nicht

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Kapitel 1: Länderberichte

von einer Geldleistung, sondern von real zu erbringenden Leistungen abhängt. Frankreich bestimmt grundsätzlich eine Monatsfrist für den Insolvenzverwalter. Die USA gewähren 60 Tage in Liquidationsverfahren und eine im gerichtlichen Ermessen stehende Frist bei Sanierungsverfahren. Ein überwiegender Trend einer gemeinsamen Ausübungsregelung lässt sich zwar nicht bestimmen. Jedoch zeigen insbesondere die expliziten Fristenregelungen in Frankreich und den USA, dass die Position des Vertragspartners rechtsklarer als in Deutschland und der Schweiz gestaltet werden kann. Gesetzlich bestimmte Fristen von 4 bis 8 Wochen erscheinen für die Entscheidung des Verwalters realistisch. Gerichtliche Fristverkürzungen bzw. Fristverlängerungen im Einzelfall gewähren in diesen Ländern die hinreichende Flexibilität. In Deutschland bedarf es hingegen der Interpretation des Begriffs unverzüglich, wobei die Rechtsprechung für die Zeit bis zum Berichtstermin einen groben Mindestzeitraum gesehen hat. Die Verbote von Lösungsklauseln in Frankreich und den USA können insofern auch durch eine rechtsklare Regelung der Position des Vertragspartners kompensiert werden. C. Beispiel: Energielieferungsverträge Das Fallbeispiel des Energielieferungsvertrags961 zeigt exemplarisch die vereinheitlichten internationalen Tendenzen mit einem quasi einheitlichen Ergebnis auf. Versorgungsverträge sind in allen Vergleichsordnungen einem besonderen Schutz unterstellt: In England (s. 233, 233A IA 1986) und den USA (11 USC § 366) sind für diese utility contracts besondere Lösungsverbote vorgesehen. Aber auch in Frankreich und Österreich sowie in Deutschland nach der Entscheidung des Bundesgerichtshof (IX ZR 169/11) greifen für Versorgungsverträge Lösungsverbote. Damit entwickelte sich für die Typen der Versorgungsverträge ein einheitliches Bild: Vertragliche insolvenzbezogene Lösungsklauseln in diesen Vertragstypen sind unwirksam. Nur in der Schweiz bleibt es auch für diese Fallgruppe beim Vorrang der Privatautonomie. Für alle anderen Vertragstypen hat sich noch nicht ein vergleichbarer Trend dieser Intensität verfestigt.

961

Siehe Einleitung, Beispiel Nr. 1.

Kapitel 2

Rechtsvergleichende Analyse § 6 Vertragsfreiheit und gesetzliches Verbot von Lösungsklauseln – juristische Kernargumente § 6 Vertragsfreiheit – juristische Argumente „En vertu du principe […] de la liberté des conventions, on ne peut contester à des contractants le droit de stipuler, au moment de la formation du contrat, toute condition résolutoire que bon leur semblera.“1 „Lösungsklauseln für den Konkursfall sind grundsätzlich wegen Verstoßes gegen die in der KO festgelegten zwingenden Grundsätze der Gläubigergleichbehandlung, des Masseschutzes und des Konkursverwalterwahlrechts (§§ 1, 3, 5, 14f, 17 KO) unwirksam.“2

In diesem Kapitel sollen die juristischen Argumente rechtsordnungsübergreifend analysiert werden. Diese Argumente stehen im Spannungsverhältnis zwischen Vertragsfreiheit und zwingenden insolvenzrechtlichen Grundsätzen. Bei der Analyse, inwiefern die Vertragsfreiheit mit zwingendem Recht kollidiert, wird die Vertragsfreiheit oft als bloßes Schlagwort verwendet – ohne sich mit deren Kern auseinanderzusetzen.3 Das trifft auch auf die Frage zu, inwieweit insolvenzbezogene Lösungsklauseln im Verhältnis zwischen Privatautonomie und Insolvenzrecht zulässig sind.4 Zunächst wird kurz der Kern der Vertragsfreiheit dargestellt (§ 6, A.). Es schließen sich generelle Überlegungen zu Einschränkungsmöglichkeiten der Vertragsfreiheit an (§ 6, B.); schließlich folgen spezielle insolvenzrechtliche Interessen (§ 6, C.).

1

Taillens, Des effets de la faillite sur les contrats du débiteur, S. 60. Berger, ZIP 1994, 173, 184. 3 Bruns, JZ 2007, 385, 390 („Die aktuelle Diskussion über Reichweite und Grenzen der Privatautonomie neigt bisweilen etwas dazu, die Vertragsfreiheit als bloßes Schlagwort eher technisch in die Debatte zu stellen, so dass die Grenzen in der Abwägung individueller Grundrechtspositionen bei Beachtung der Verhältnismäßigkeit mehr oder weniger beliebig verschiebbar erscheinen. Damit wird man dem materiellen Gehalt der Vertragsfreiheit indessen letztlich nicht gerecht. Eine verständige Beurteilung erschließt sich vielmehr nur dann, wenn man sich die funktionale Substanz der Vertragsfreiheit vergegenwärtigt.“) 4 Erste Gedanken, allerdings mit nur kurzer Definition der Vertragsfreiheit im Kontext der insolvenzbezogenen Lösungsklauseln, vgl. Wöllner, Die Wirksamkeit vertraglicher Lösungsklauseln im Insolvenzfall, S. 184 ff.; auch nur pauschal BT-Drs. 12/ 7302, S. 170. 2

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Kapitel 2: Rechtsvergleichende Analyse

A. Vertragsfreiheit als pars pro toto der Privatautonomie „Stat pro ratione voluntas.“5

Die Privatautonomie ist ein Strukturmerkmal der untersuchten Rechtsordnungen. Diese sind als liberale Privatrechtsgesellschaften zu qualifizieren.6 Im Kern der Privatautonomie liegt die Selbstbestimmung des Menschen: Er soll seine Rechtsverhältnisse nach seinem Willen eigenverantwortlich regeln können.7 Freie Bürger sollen ihre Interessen selbst angemessen ausgleichen können.8 In den marktwirtschaftlichen Wirtschaftssystemen ist dies ein unverzichtbarer Bestandteil für eine freiheitlich angelegte Rechtsordnung.9 Aus dem Gedanken der Selbstbestimmung und Selbstverantwortung ergibt sich per se die Wirksamkeit und Rechtfertigung von privatautonomer Vertragsgestaltung.10 Der Parteiwille genügt im Ausgangspunkt, um das Vertragsverhältnis zu rechtfertigen.11 Die Vertragsfreiheit als Ausprägung der Privatautonomie wird in Deutschland verfassungsrechtlich in Art. 2 Abs. 1 GG geschützt.12 Die Ursprünge gehen bis in das römische Recht zurück. Die Vertragsfreiheit gehört zu den Fundamenten des europäischen Gemeinschaftsprivatrechts.13 In den USA ist die Vertragsfreiheit ebenfalls gewährleistet, wobei Einschränkungen erst sehr spät entwickelt wurden.14 Schließlich wird auch im common law in England und Wales die Tragweite von privatautonomen Vereinbarungen hochgehalten: Wenn sich Men of full age freiwillig vertraglich 5

Nach Juvenal, Satire 6, 223 („An Stelle einer Begründung steht der Wille.“). Canaris, in: Wege und Verfahren des Verfassungslebens – Festschrift für Peter Lerche zum 65. Geburtstag (Hrsg. Badura/Scholz), Verfassungs- und europarechtliche Aspekte der Vertragsfreiheit in der Privatrechtsgesellschaft, S. 873 f.; zu einem rechtsvergleichenden Überblick Zweigert/Kötz, Einführung in die Rechtsvergleichung auf dem Gebiete des Privatrechts, S. 315. 7 Flume, Allgemeiner Teil des Bürgerlichen Rechts, Bd. 2, Das Rechtsgeschäft, S. 1, § 1 Nr. 1; Ellenberger, in: Bürgerliches Gesetzbuch: BGB (Hrsg. Palandt), Überblick vor § 104, Rn. 1; Schäfer/Ott, Lehrbuch der ökonomischen Analyse des Zivilrechts, S. 421; Zweigert/Kötz, Einführung in die Rechtsvergleichung auf dem Gebiete des Privatrechts, S. 315. 8 Di Fabio, in: Grundgesetz-Kommentar (Hrsg. Maunz/Dürig), GG Art. 2, Rn. 101. 9 Vgl. Flume, Allgemeiner Teil des Bürgerlichen Rechts, Bd. 2, Das Rechtsgeschäft, S. 1, § 1 Nr. 1; Ellenberger, in: Palandt, BGB, Überblick v § 104, Rn. 1. 10 Singer, in: BGB, Kommentar (Hrsg. Staudinger), Vorbem zu §§ 116 ff., Rn. 10. 11 Ausführlich zur Vertragsgerechtigkeit Canaris, in: Verfassungs- und europarechtliche Aspekte der Vertragsfreiheit in der Privatrechtsgesellschaft, S. 881 ff. m.w.N.; Schäfer/Ott, Lehrbuch der ökonomischen Analyse des Zivilrechts, S. 421. 12 BVerfG, Beschl. v. 19.10.1993 – 1 BvR 567/89, NJW 1994, 36; BVerfG, Beschl. v. 12.11.1958, BVerfGE 8, 274; BVerfG, Beschl. v. 8.4.1997, BVerfGE 95, 267. 13 Heiderhoff, Gemeinschaftsprivatrecht, S. 94; Bruns, JZ 2007, 385, 392 m.w.N. Bereits Canaris, in: Verfassungs- und europarechtliche Aspekte der Vertragsfreiheit in der Privatrechtsgesellschaft, S. 890. 14 Bruns, JZ 2007, 385, 391. 6

§ 6 Vertragsfreiheit – juristische Argumente

193

binden, kann in diese Vertragsfreiheit nicht ohne weiteres durch Gerichte eingegriffen werden. Damit ist die Privatautonomie international ein grundlegendes Strukturprinzip von ganz überragender Bedeutung. Die Vertragsfreiheit ist die Hauptausprägung der Privatautonomie – der Einzelne soll Verträge inhaltlich frei bestimmen können.15 Verträge sollen nicht nur geschlossen werden, sondern auch nach Belieben jederzeit beendet werden können (Abschluss- und Gestaltungsfreiheit).16 Innerhalb der gewährten Vertragsfreiheit findet grundsätzlich keine staatliche Kontrolle statt – einzig maßgeblich sind die von der Rechtsordnung gesetzten (Außen)grenzen. Hieraus ergibt sich, dass die Vertragsfreiheit vertragliche Lösungsklauseln grundsätzlich schützt. B. Allgemeine Einschränkungen der Vertragsfreiheit Keine Rechtsordnung billigt die Selbstbestimmung des Individuums schrankenlos. Die Privatautonomie wird nur im Rahmen der Gesetze gewährt.17 Sie wird damit systemimmanent beschränkt und ihre Reichweite hängt davon ab, inwieweit die Rechtsordnung die Privatautonomie selbst ausgestaltet.18 Insofern muss die Privatautonomie in eine praktische Konkordanz mit anderen Prinzipien der Rechtsordnung gebracht werden.19 Eingriffe in die Vertragsfreiheit sind dabei beispielsweise in Deutschland einer verfassungsrechtlichen Verhältnismäßigkeitsprüfung zu unterziehen.20 Sie bedürfen der Legitimation, da die Vertragsfreiheit und staatliche Eingriffe in einem Regel-AusnahmeVerhältnis stehen.21 „Nur wenn man beachtet, dass die Privatautonomie die Anerkennung der ‚Selbstherrlichkeit‘ des einzelnen in der Gestaltung von Rechtsverhältnissen bedeutet, gelangt man zu

15

Flume, Allgemeiner Teil des Bürgerlichen Rechts, Bd. 2, Das Rechtsgeschäft, S. 12, § 1 Nr. 8a; Ellenberger, in: Palandt, BGB, Überblick v § 104, Rn. 1. 16 Di Fabio, in: GG Art. 2, Rn. 101; Schäfer/Ott, Lehrbuch der ökonomischen Analyse des Zivilrechts, S. 421. 17 Flume, Allgemeiner Teil des Bürgerlichen Rechts, Bd. 2, Das Rechtsgeschäft, S. 2, § 1 Nr. 2; Canaris, JZ 1987, 993, 995. 18 BVerfG, Beschl. v. 19.10.1993 – 1 BvR 567/89, NJW 1994, 36. Zum Diskurs, wie weit Rechtsordnungen Eingriffe in die Privatautonomie vertragen beispielsweise Drexl, Die wirtschaftliche Selbstbestimmung des Verbrauchers: eine Studie zum Privat- und Wirtschaftsrecht unter Berücksichtigung gemeinschaftsrechtlicher Bezüge, insb. 449 zum Verbraucherschutz; Enderlein, Rechtspaternalismus und Vertragsrecht, S. 135. Zur Vertragsgerechtigkeit ferner Schmidt-Rimpler, AcP 147 (1941), 130, passim. 19 Busche, in: Eckpfeiler des Zivilrechts (Hrsg. Staudinger), F. Die Begründung von Schuldverhältnissen, Rn. 3. 20 Canaris, in: Verfassungs- und europarechtliche Aspekte der Vertragsfreiheit in der Privatrechtsgesellschaft, S. 880; Canaris, JZ 1987, 993, 995 (Maßstab ist das Übermaßverbot). 21 Canaris, in: Verfassungs- und europarechtliche Aspekte der Vertragsfreiheit in der Privatrechtsgesellschaft, S. 879.

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Kapitel 2: Rechtsvergleichende Analyse

einem Verständnis, wie weit und unter welchen Voraussetzungen die Rechtsordnung der privatautonomen Gestaltung von Rechtsverhältnissen Raum geben darf.“22

Die Rechtfertigung der Vertragsfreiheit liegt darin, dass die Vertragsparteien innerhalb ihres eigenen Rechtskreises selbstherrlich handeln und wechselseitig ihre Interessen legitimieren.23 Die Parteien können sich selbst verpflichten; eine Verpflichtung Dritter ist hingegen ausgeschlossen. Letztlich geht es bei einer Beschränkung der Vertragsfreiheit darum, opportunistisches Verhalten und Missbrauch des Einzelnen zu unterbinden.24 I. Gewährleistung der überindividuellen Funktionen der Vertragsfreiheit Inwiefern sind die überindividuellen Funktionen der Vertragsfreiheit – Gewährleistung freiheitlicher Demokratie, Innovationskraft und Stabilität25 – durch Verbote von Lösungsklauseln im Insolvenzfall betroffen? Punktuelle Einschränkungen der Vertragsfreiheit im Insolvenzfall stellen die Selbstbestimmung der Parteien nicht grundlegend infrage. Einen unmittelbaren Bezug zur Gewährleistung der demokratischen Funktion haben Verbote von Lösungsklauseln nicht. Auch ein Vertrauen in die Stabilität der Vertragsvereinbarungen wird von einem Verbot nicht entscheidend beeinträchtigt. Das Insolvenzverfahren erschüttert an sich das Vertrauen in die Vertragsbeziehungen. Vielmehr zeigt sich in der Insolvenz ein ausdifferenziertes gesetzliches Regelungsgeflecht, das versucht, sämtlichen betroffenen Interessen gerecht zu werden. Gerade das Vertrauen in ein funktionierendes Gesamtvollstreckungsverfahren ist von Bedeutung, um Verträge allgemein in der Insolvenz fortsetzen zu können und deren Stabilität zu gewährleisten. Die Innovationskraft der Vertragsfreiheit wird durch ein Verbot von Lösungsklauseln wirtschaftlich nicht fundamental eingeschränkt (vgl. § 7). Verbote von insolvenzbezogenen Lösungsklauseln sind also mit den übergeordneten Funktionen der Vertragsfreiheit vereinbar. II. Epochale Begrenzung der Vertragsfreiheit Schließlich hängen Einschränkungen der Vertragsfreiheit stets von der zeitlichen Epoche und dem vorherrschenden Zeitgeist ab.26 Damit ist entscheidend, welcher allgemeine Stellenwert und welche Funktion dem Insolvenzverfahren zukommt, um ein Verbot von Lösungsklauseln unter dem Gesichtspunkt der 22

Flume, Allgemeiner Teil des Bürgerlichen Rechts, Bd. 2, Das Rechtsgeschäft, S. 7, § 1.5. 23 Flume, Allgemeiner Teil des Bürgerlichen Rechts, Bd. 2, Das Rechtsgeschäft, S. 7, 8 § 1 Nr. 6 a m.w.N. 24 Zweigert/Kötz, Einführung in die Rechtsvergleichung auf dem Gebiete des Privatrechts, S. 318 u. 323. 25 Nach Bruns, JZ 2007, 385, 390. 26 Bruns, JZ 2007, 385, 386.

§ 6 Vertragsfreiheit – juristische Argumente

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Vertragsfreiheit zu bewerten. Daher sind aktuelle rechtspolitische Tendenzen zur Sanierungsfreundlichkeit des Insolvenzverfahrens (§ 8) zu bewerten und in den Kontext des Verwalterwahlrechts zu setzen (§ 6, C., III.). III. Funktionsdefizite: Fremdbestimmung Kippt das Machtverhältnis von einer Selbstbestimmung zu einer Fremdbestimmung, verliert die Vertragsfreiheit ihre Zweckbestimmung.27 Folglich sind Funktionsdefizite der Vertragsfreiheit zu kompensieren.28 Solche Funktionsdefizite werden insbesondere angenommen bei einem sozialen und wirtschaftlichen Ungleichgewicht29 bzw. einer strukturellen Unterlegenheit.30 „Speziell für das Vertrags- und das Bürgschaftsrecht hat das Bundesverfassungsgericht […] klargestellt, dass Privatautonomie die Selbstbestimmung des Einzelnen im Rechtsleben voraussetzt, dass die Vertragsfreiheit nur im Falle eines annähernd ausgewogenen Kräfteverhältnisses der Vertragspartner als Mittel eines angemessenen Interessenausgleichs geeignet ist und dass es zu den Hauptaufgaben des geltenden Zivilrechts gehört, auf strukturelle Störungen des Verhandlungsgleichgewichts angemessen zu reagieren […].“31

Die Rechtsordnung muss korrigieren, um die Entscheidungsfreiheit sicherzustellen.32 Das freie Ermessen zur Selbstbestimmung besteht nicht, soweit „allgemeine oder bestimmte einzelne absolute Gesetzesvorschriften entgegenstehen“, oder nicht mehr „nur die persönliche[n] Rechtsbeziehungen zwischen den in demselben [Schuldverhältnis] stehenden Parteien“ geregelt werden.33 Einen allgemeinen Vorrang des zwingenden Insolvenzrechts lehnt beispielsweise Wöllner ab, da er keine Rechtfertigung eines Eingriffs in die von der allgemeinen Handlungsfreiheit geschützte Vertragsfreiheit sieht.34 Ein

27 Flume, Allgemeiner Teil des Bürgerlichen Rechts, Bd. 2, Das Rechtsgeschäft, S. 10, § 1 Nr. 7; Singer, in: Vorbem zu §§ 116 ff. BGB, Staudinger-BGB, Rn. 11. 28 Singer, in: Vorbem zu §§ 116 ff. BGB, Staudinger-BGB, Rn. 6. 29 Ellenberger, in: Palandt, BGB, Einf v § 145, Rn. 7. 30 BVerfG, Beschl. v. 19.10.1993 – 1 BvR 567/89, NJW 1994, 36. 31 BVerfG, Beschl. v. 6.12.2005 – 1 BvR 1905/02, BVerfGE 115, 5181, Rn. 43. 32 Canaris, in: Verfassungs- und europarechtliche Aspekte der Vertragsfreiheit in der Privatrechtsgesellschaft, S. 886. 33 Mugdan, Die gesammelten Materialien zum Bürgerlichen Gesetzbuch für das Deutsche Reich, II. Band, Motive, S. 1 f.; Ellenberger, in: Palandt, BGB, Einf v § 145, Rn. 13. 34 Wöllner, Die Wirksamkeit vertraglicher Lösungsklauseln im Insolvenzfall, S. 186 ff. Er identifiziert für Deutschland § 119 InsO zutreffend als mögliche Schranke für ein Verbot von Lösungsklauseln. Er legt die Norm allerdings in der Weise aus, dass Lösungsklauseln zulässig sind und damit nicht im Widerspruch zu § 119 InsO stehen. Mangels anderer gesetzlicher Grundlagen sei ein Verbot von Lösungsklauseln nicht gerechtfertigt. Eine solche Betrachtung ist allerdings zirkulär. Es ist gerade die Frage, ob ein in § 119 InsO

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Kapitel 2: Rechtsvergleichende Analyse

pauschaler Verweis auf den zwingenden Charakter der Insolvenzgesetze vermag die Privatautonomie in der Tat nicht überzeugend einzuschränken. Vielmehr bedarf es einer genauen Analyse, wann typischerweise die Privatautonomie einzuschränken ist und inwiefern dies dem verfassungsrechtlichen Verhältnismäßigkeitsgebot entspricht. 1. Ausgleich struktureller Ungleichgewichte Strukturelle Ungleichgewichte zwischen den Vertragsparteien rechtfertigen einen Eingriff in die Vertragsfreiheit, wenn diese nicht durch einen funktionierenden Wettbewerb ausgeglichen werden.35 Es bedarf dagegen keines Eingriffs in die Vertragsfreiheit, wenn der Wettbewerb den Markt selbst reguliert. Zwar sind Lösungsklauseln international verbreitet, sodass sie oft automatisch und ohne besondere Verhandlung in den Vertrag integriert werden (vgl. § 7, C., III.). Die Parteien bleiben jedoch im unternehmerischen Verkehr gleichberechtigt und es ist offen, welche der Parteien in die Insolvenz fällt. Ein systematisches strukturelles Ungleichgewicht im Zusammenhang mit insolvenzbezogenen Lösungsklauseln ist daher nicht festzustellen. 2. Fremdbestimmung durch insolvenzbezogene Lösungsklauseln? Manifestiert sich in den vertraglichen Lösungsrechten auf den Insolvenzfall ein Fall von Fremdbestimmung – gar ein unzulässiger Vertrag zulasten Dritter? Vor allem wenn ein für die Masse vorteilhafter Vertrag beendet wird und damit die übrige Gläubigergemeinschaft Nachteile erleidet, könnte in insolvenzbezogenen Lösungsklauseln ein Vertrag zulasten Dritter erkannt werden. Tatsächlich spricht sich ein Teil der Lehre wie Henkel, aber auch Autoren in der Schweiz oder in den Vereinigten Staaten mit dem Argument gegen Lösungsklauseln aus, dass Lösungsklauseln eine Vertragsdisposition zulasten der Insolvenzmasse bedeuten und damit ein Vertrag zulasten Dritter (der späteren Gläubiger) besteht.36 Der Grundsatz „volenti non fit iniuria“ (dem Einwilligenden geschieht kein Unrecht) ist bei Lösungsklauseln zweifelhaft. Der Schuldner, der quasi in den Verlust von seinen Vertragsansprüchen im Insolvenzfall einwilligt, ist nur mittelbar selbst betroffen. Primär wird dadurch die Gläubigergesamtheit benachteiligt.

gelesenes Verbot von Lösungsklauseln einen gerechtfertigten und damit legitimen Eingriff in die Vertragsfreiheit darstellen kann. Diese Antwort bleibt aus. 35 Flume, Allgemeiner Teil des Bürgerlichen Rechts, Bd. 2, Das Rechtsgeschäft, S. 10, § 1 Nr. 7; Canaris, in: Verfassungs- und europarechtliche Aspekte der Vertragsfreiheit in der Privatrechtsgesellschaft, S. 882. 36 Deutschland: Jaeger/Henkel, KO, 9. Aufl. 1997, § 17 Rn. 214. Schweiz: Meier, ZSR 1996, 277, 304. USA: Jackson, The Logic and Limits of Bankruptcy Law, S. 42 f.

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Wöllner und Wortberg lehnen diese Ansichten ab, da ein Vertrag zulasten Dritter nur dann vorläge, wenn der Dritte unmittelbar belastet würde.37 Es würde den Vertragspartnern durch Lösungsrechte nur ein zusätzliches Recht eingeräumt. Eine nur mittelbare Beeinträchtigung der Gläubigergesamtheit durch geringere Quoten sei keine unmittelbare Verpflichtung Dritter. Die Vertragspartner möchten die vertraglichen Vorteile immanent nur bis zum Insolvenzfall begrenzen.38 Damit ist der den Drittgläubigern potentiell entzogene Vorteil überhaupt nicht Bestandteil des Vertrags. Es ist zutreffend, dass sich aus einer insolvenzbezogenen Lösungsklausel keine unmittelbare Verpflichtung eines Dritten ergibt. Folglich liegt unter rein juristischen Gesichtspunkten kein Vertrag zulasten Dritter vor.39 Möglicherweise ist in Lösungsklauseln eine abgeschwächte Form der Fremdbestimmung zu sehen. So ist eine mittelbare wirtschaftliche Beeinträchtigung der Gläubigergesamtheit denkbar. Insolvenzbezogene Lösungsklauseln können wirtschaftliche Auswirkungen auf andere Gläubiger haben, wenn der Masse der Gegenwert eines synallagmatischen Vertragsverhältnisses entzogen wird. Die Position der Gläubigergemeinschaft kann sich sogar weiter verschlechtern, wenn eine Sanierung scheitert, weil ein wichtiges Vertragsverhältnis entzogen wurde, und sich die Insolvenzquote dadurch reduziert. Das in Lösungsklauseln inhärente Element der Fremdbestimmung wird in folgendem Vergleich greifbar: Eine Vereinbarung zwischen Schuldner und einem Gläubiger, wonach ein dritter Gläubiger einen Teil seiner Insolvenzquote an die Masse leistet, dürfte eine unmittelbare Verpflichtung eines Dritten enthalten und wäre ein unzulässiger Vertrag zulasten Dritter. Eine Lösungsklausel kann ökonomisch gesehen zu einem ähnlichen Ergebnis führen, wenn mittels Lösungsklauseln Sondervorteile ausbedungen werden oder der dem Vertrag inhärente Wert der Masse entzogen wird und die tatsächliche Befriedigungsquote der Gläubigergemeinschaft reduziert wird. Beide Situationen sind wirtschaftlich vergleichbar (§ 7, C., III., 2.).

37 Wortberg, Lösungsklauseln und Insolvenz, S. 35; Wöllner, Die Wirksamkeit vertraglicher Lösungsklauseln im Insolvenzfall, S. 185. 38 Vgl. die Ansichten zum anti-deprivation principle, § 3, E., II. 39 BGH, Beschl. v. 19.1.2011 – IV ZR 7/10 („[Es] handelt […] sich schon deswegen nicht um einen unzulässigen „Vertrag zu Lasten Dritter” […], weil dem Sozialversicherungsträger durch den Verzicht keinerlei vertragliche Pflichten auferlegt werden. […] Für Dritte lediglich mittelbar durch das Rechtsgeschäft verursachte nachteilige Wirkungen sind von diesen jedoch grundsätzlich hinzunehmen und berühren die Wirksamkeit des Geschäfts im Regelfall nicht. Es bedarf […] gesetzlicher Regelungen, wenn Nachteile Dritter im konkreten Fall beseitigt oder ausgeglichen werden sollen (z.B. durch Schadensersatz-, Bereicherungs- oder Wertausgleichansprüche; Möglichkeiten einer Anfechtung; Wegfall oder Beschränkung von Ansprüchen gegen den Dritten, etc.).“).

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Kapitel 2: Rechtsvergleichende Analyse

Um mittelbare Wirkungen zu unterbinden, bedarf es gesetzlicher Regelungen.40 In Deutschland könnte eine solche beispielsweise in § 119 InsO bzw. in der Schweiz im Verwalterwahlrecht selbst gesehen werden. Da Lösungsklauseln also mit einem Vertrag zulasten Dritter vergleichbare Wirkungen aufweisen können, kann interpretationsleitend auf den Topos der Fremdbestimmung zurückgegriffen werden, um Einschränkungen der Vertragsfreiheit zu legitimieren. IV. Zwischenergebnis Ein Verbot von Lösungsklauseln ergibt sich nicht bereits zwingend aus den dargestellten inhärenten Grenzen der Vertragsfreiheit. Gleichzeitig sind die Kategorien der epochalen Begrenzung der Vertragsfreiheit und der wirtschaftlichen Fremdbestimmung wichtige Maßstäbe, die ein Verbot von Lösungsklauseln bestimmen und die Vertragsfreiheit legitim begrenzen können. C. Besondere (insolvenzrechtliche) Einschränkungen der Vertragsfreiheit I. Gläubigergleichbehandlung Im Insolvenzverfahren gilt rechtsordnungsübergreifend das Prinzip der Gläubigergleichbehandlung (conditio par creditorum).41 Die Gläubigergleichbehandlung ist Strukturprinzip des Insolvenzrechts und bedeutet die gemeinschaftliche, gleichmäßige und anteilige Befriedigung der Gläubiger.42 Dies heißt aber nicht, dass die Insolvenz klassenlos wäre und keine Vorrechte wie Absonderungsrechte oder vorinsolvenzliche Befriedigungen anerkennen würde.43 Mit der Eröffnung des Insolvenzverfahrens wird das Prioritätsprinzip der Einzelzwangsvollstreckung abgelöst und die Insolvenzgläubiger sollen gleichmäßig befriedigt werden.44 Kann aus dem Strukturprinzip der conditio par creditorum gefolgert werden, dass die Vertragsfreiheit bei vertraglichen Klauseln einzuschränken ist, die Verträge in der Insolvenz beenden und der Insolvenzmasse potentiell Werte entziehen?

40

BGH, Beschl. v. 19.1.2011 – IV ZR 7/10. Hierzu ausführlich Thole, Gläubigerschutz durch Insolvenzrecht – Anfechtung und verwandte Regelungsinstrumente in der Unternehmensinsolvenz, S. 61 ff. m.w.N. 42 Ganter/Lohmann, in: MüKo-InsO, § 1, Rn. 52; Foerste, Insolvenzrecht, § 1, Rn. 8 ff.; Wöllner, Die Wirksamkeit vertraglicher Lösungsklauseln im Insolvenzfall, S. 165. Vgl. auch für das englische Recht zum pari passu-Prinzip Genske, Die Gläubigerposition im Insolvenzverfahren englischen Rechts mit vergleichenden Bezügen zum deutschen Recht, S. 5; oben § 3, E., II., 1.; siehe zum schweizerischen Recht Amonn, in: Festschrift 100 Jahre SchKG = Centenaire de la LP (Hrsg. Dallèves/Kleiner/Krauskopf/Raschein/ Schüpbach), Vom Wildwuchs der Konkursprivilegien, S. 343. 43 Vgl. Foerste, Insolvenzrecht, § 1, Rn. 10. 44 Thole, in: Privatautonomie und Insolvenzrecht, S. 290. 41

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Die Gläubigergleichbehandlung ist jedoch primär nur als eine Form der Verteilungsgerechtigkeit ausgeprägt.45 Insoweit geht es darum, die vorhandene Masse gleichmäßig auf die Gläubiger einer Klasse zu verteilen. Fällt ein werthaltiger Vertrag nicht in die Insolvenzmasse, wird davon diese Verteilungsgerechtigkeit nicht berührt.46 Auch beispielsweise im englischen Recht schützt das für die Beurteilung von Lösungsklauseln relevante antideprivation principle (vgl. § 3, E., II., 1., b)) nicht die Gläubigergleichbehandlung, sondern allein den Wert der Masse; nur mittelbar wird die Gläubigergleichbehandlung – vergleichbar der pari passu rule (vgl. § 3, E., II., 1., a)) – durch eine werthaltigere Masse erleichtert.47 Kann aus der Gleichbehandlung ein weitergehendes umfassendes Haftungsrecht abgeleitet werden, das zu einer Einschränkung vertraglicher Lösungsklauseln führt?48 In dieser Funktion bleibt das Strukturprinzip viel zu unbestimmt, um einen konkreten Gesetzeseingriff ableiten zu können. Es ist nicht klar, wann genau eine solch umfassende Gläubigergleichbehandlung beginnen soll und in welchem Umfang diese zu gewähren ist. Ob vertragliche Abreden in der Insolvenz wirksam sein sollen, ist letztlich keine Frage der Gleichbehandlung. Es geht um den Masseschutz und die Masseanreicherung. Die Gläubigergleichbehandlung ist hiervon streng zu trennen. Schlussendlich hat der Insolvenzverwalter den Bestand der Masse aus dem Blickwinkel der Gleichbehandlung so zu akzeptieren, wie er ist.49 Dieser Bestand ist aber gerade die grundlegende Rechtsfrage. Die Gleichbehandlung gebietet, dass keine Vorteile auf Kosten anderer Insolvenzgläubiger zu erlangen sind.50 Die Gleichbehandlung beschreibt dabei schlicht den Verteilungsmechanismus. Vorrechte sind keine Durchbrechung der Gläubigergleichbehandlung, sondern sie schränken schlicht deren Umfang ein.51 Auch die Insolvenzanfechtung ist kein Instrument der Gleichbehandlung, sondern eines der Massemeh-

45

Wortberg, Lösungsklauseln und Insolvenz, S. 142; Genske, Die Gläubigerposition im Insolvenzverfahren englischen Rechts mit vergleichenden Bezügen zum deutschen Recht, S. 5; zum schweizerischen Recht Amonn, in: FS 100 Jahre SchKG, S. 343. 46 Wöllner, Die Wirksamkeit vertraglicher Lösungsklauseln im Insolvenzfall, S. 166. 47 Court of Appeal, Lomas & Ors v JFB Firth Rixson Inc & Ors [2012] EWCA Civ 419. 48 Vgl. hierzu Wortberg, Lösungsklauseln und Insolvenz, S. 143 ff.; Paulus, ECFR 2014, 531, 533 (Über die Gläubigergleichbehandlung als Haftungsrecht: „After all, despite its alleged centrality, there is no explicit mention to be found neither in the German Insolvency Ordinance (InsO) nor in many other insolvency codes around the world.“). 49 Thole, Gläubigerschutz durch Insolvenzrecht, S. 60. 50 LG Aachen, Urt. v. 21.6.1977 – 12 O 10/77, KTS 1979, 123. Auch die Konkursordnung wollte bereits „das Übel der Vorrechte“ vermeiden, da „jede Bevorzugung des einen Gläubigers eine Rechtskränkung des anderen enthält und die volle Befriedigung des Einen auf Kosten des Anderen geschieht.“, Zitat nach Gottwald, in: Insolvenzrechts-Handbuch, § 1, Rn. 12. 51 Thole, Gläubigerschutz durch Insolvenzrecht, S. 61.

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Kapitel 2: Rechtsvergleichende Analyse

rung.52 Alle Mittel der Massemehrung dienen nur mittelbar der Gleichbehandlung: Wird die Masse vergrößert, ist auch mehr zum Verteilen vorhanden. Der Verteilungsmechanismus wird durch Lösungsklauseln nicht gefährdet, sodass diese nicht gegen die Gläubigergleichbehandlung verstoßen.53 Die conditio par creditorum als weitreichende Haftungsanordnung zu verstehen, aus der ein Verbot von Lösungsklauseln abzuleiten ist, kann bei der Konturlosigkeit einer haftungsrechtlichen Gleichbehandlung nicht überzeugen.54 Dies würde eine sehr weitreichende, und derzeit nicht herrschende, Interpretation der Gläubigergleichbehandlung voraussetzen. Die Gläubigergleichbehandlung bleibt insofern ein bloßes Strukturprinzip und keine rechtsbewirkende Norm. II. Insolvenzzweckwidrigkeit Es ist zu überlegen, ob bereits aus der allgemeinen Ausrichtung und dem Zweck des Insolvenzverfahrens eine Einschränkung der Vertragsfreiheit abzuleiten ist. Hierbei ist auch auf die Funktionen des Insolvenzrechts als Sanierungsrecht zurückzugreifen. 1. Sanierungsziel Das Ziel, Sanierungen zu begünstigen, spielt eine wichtige Rolle in allen Rechtsordnungen, die Lösungsklauseln im Insolvenzfall verbieten. Dies konnte vor allem in den vorstehenden Länderkapiteln USA, Frankreich und Österreich festgestellt werden. In Deutschland ist die Korrelation zwischen Sanierung und Lösungsklauseln ambivalent: Lösungsklauseln werden einerseits als sanierungsfreundlich und andererseits als sanierungsfeindlich eingestuft. Sanierungsfeindlich seien Verbote von Lösungsklauseln, weil in der finanziellen Krise keine notwendigen Neugläubiger zu einem Vertragsschluss ohne Lösungsklauseln bereit wären.55 Der deutsche Gesetzgeber habe keine einseitige Entscheidung zugunsten der Sanierung getroffen; sie sei kein eigenständiges Verfahrensziel, sodass hieraus kein allgemeines Verbot von Klauseln,

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Thole, Gläubigerschutz durch Insolvenzrecht, S. 282. Wöllner, Die Wirksamkeit vertraglicher Lösungsklauseln im Insolvenzfall, S. 166. 54 Wöllner lehnt die Unwirksamkeit von Lösungsklauseln auch bei einem allseitigen haftungsrechtlichen Verständnis der Gleichbehandlung ab, da die conditio par creditorum ausschließlich über das Anfechtungsrecht herzustellen ist, vgl. Wöllner, Die Wirksamkeit vertraglicher Lösungsklauseln im Insolvenzfall, S. 166 f. Dies ist wiederum nicht überzeugend, da die Gläubigergleichbehandlung auch durch andere Mechanismen wie die Insolvenzzweckwidrigkeit (§ 6, C., II.) oder Rückschlagssperren (§ 88 InsO) hergestellt wird. 55 Vgl. Wöllner, Die Wirksamkeit vertraglicher Lösungsklauseln im Insolvenzfall, S. 168. 53

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die der Sanierung zuwiderlaufen, abgeleitet werden kann.56 Die Vertragsfreiheit gehe vor.57 Sanierungen würden nur im Rahmen des Möglichen gefördert.58 Auf der anderen Seite werden Lösungsklauseln als eine erhebliche Gefahr für die Betriebsfortführung gesehen.59 Die deutsche Insolvenzordnung bezwecke insgesamt Sanierungschancen zu erhöhen und die Unternehmenseinheit zu erhalten.60 Daher seien grundsätzlich auch wichtige Verträge für die Sanierung zu bewahren und vor Lösungsklauseln zu schützen.61 Beide Auffassungen scheinen sich unvereinbar gegenüber zu stehen. Das erste Problem ist, dass die Tatsachengrundlagen unklar sind, ob Lösungsklauseln nun sanierungsfreundlich oder sanierungsfeindlich wirken. Diese tatsächliche Argumentationsebene wird in einer wirtschaftlichen Analyse in § 7 näher bewertet. Losgelöst davon stellt sich auf juristischer Ebene die Frage, inwiefern die Insolvenzordnungen den Sanierungsschutz aufgreifen und wie Sanierungen zu schützen sind. Der Sanierungsschutz ist grundsätzlich ein legitimes Anliegen in allen Insolvenzgesetzen. Auch wenn in Deutschland oder Österreich die Liquidation und die Sanierung gleichrangig als Ziele ausgewiesen sind, sind mindestens auch die Chancen für beide Verfahrensarten gleichrangig zu erhalten. Gerade in Deutschland ist das Einheitsverfahren auf beide Verfahrensarten gleichermaßen ausgerichtet. Es geht darum, sanierungsfähige Unternehmen schnellstmöglich herauszufiltern und den Betrieb fortzuführen. Daher können Schutzmechanismen wie in Frankreich oder den USA notwendig sein, um relevante Verträge zunächst zu erhalten und Sanierungschancen offen zu halten. Ein allgemeiner Schutz der Sanierung, der alle anderen Prinzipien der Rechtsordnung wie die Vertragsfreiheit überlagert, ist allerdings in keiner Rechtsordnung zu finden. Aus dieser Einschränkung ergibt sich indes nicht, dass zum Eröffnungszeitpunkt des Insolvenzverfahrens Sanierungschancen nicht zu erhalten und Sondervorteile einzelner Gläubiger aufzugeben sind.62 Ein Verbot von Lösungsklauseln lässt sich aber nicht zwingend aus dem allgemeinen Strukturmerkmal der insolvenzrechtlichen Sanierung ableiten, da es für eine solche konkrete Rechtsfolge zu unbestimmt ist. Die allgemeinen Strukturmerkmale sind in besonderem Maße bei der teleologischen Auslegung der zwingenden insolvenzrechtlichen Normen zu berücksichtigen. Hier56

Walker, KTS 2003, 169, 177 f.; Wöllner, Die Wirksamkeit vertraglicher Lösungsklauseln im Insolvenzfall, S. 169. 57 Adam, DZWIR 2005, 1, 4. 58 Wortberg, Lösungsklauseln und Insolvenz, S. 120. 59 Statt vieler Schwörer, Lösungsklauseln für den Insolvenzfall, S. 74. 60 Schwörer, Lösungsklauseln für den Insolvenzfall, S. 251. 61 Vgl. bereits Gerhardt, AcP 200 (2000), 426, 440. 62 Andere Ansicht Wortberg, ZInsO 2003, 1032, 1034.

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Kapitel 2: Rechtsvergleichende Analyse

für ist eine gesetzgeberische Grundentscheidung nötig, die im Lichte der Insolvenzzwecke auszulegen ist. Damit kann der Sanierungsschutz über allgemeine zivilrechtliche Verbotsnormen, spezielle Normen zum Schutz des Verwalterwahlrechts wie § 119 InsO oder dem Anfechtungsrecht zu berücksichtigen sein, um die insolvenzrechtlichen Grundprinzipien zur Geltung zu bringen. Insofern ergibt sich allein aus dem Strukturprinzip der Sanierung kein Verbot von vertraglichen Beendigungsklauseln in der Insolvenz – selbst wenn die wirtschaftliche Analyse den sanierungsfeindlichen Charakter dieser Klauseln unterstreichen sollte. 2. Topos der Insolvenzzweckwidrigkeit Neben dem konkreten Sanierungsgedanken in der Insolvenz hat sich vornehmlich in Deutschland das Topos der Insolvenzzweckwidrigkeit entwickelt. Das Insolvenzverfahren soll unter anderem der bestmöglichen gemeinschaftlichen Haftungsverwirklichung zugunsten der Gläubiger dienen. Ein Angriff auf diese gemeinschaftliche Haftungsverwirklichung ist unter dem Blickwinkel der Insolvenzzweckwidrigkeit denkbar.63 Hiernach sind Handlungen unwirksam, die der gleichberechtigten Befriedigung der Gläubiger offensichtlich widersprechen.64 Maßstab hierfür ist der Missbrauch der Vertretungsmacht des Insolvenzverwalters: Es bedarf einer offensichtlichen Zweckwidrigkeit zum Schutz des Rechtsverkehrs, da nicht jede unzweckmäßige Maßnahme, sondern nur evidente Maßnahmen unwirksam sind, die sich dem Geschäftspartner als insolvenzzweckwidrig aufdrängen müssen.65 Der Topos der Insolvenzzweckwidrigkeit ist bisher allerdings auf Handlungen des (vorläufigen) Insolvenzverwalters wie beispielsweise Vereinbarungen des Insolvenzverwalters mit einzelnen Gläubigern ausgerichtet.66 Huber überträgt den Gedanken der Insolvenzzweckwidrigkeit extensiv, sodass auch Lösungsklauseln wegen Insolvenzzweckwidrigkeit nichtig sein können. Insofern bedürfe es nicht der Lösung über § 119 InsO.67 In dem BGH-Urteil aus dem Jahr 2012 (IX ZR 169/11) wäre entscheidend, dass sich der Energieversorger einen Sondervorteil sichern wollte. Daher wäre die insolvenzbezogene Lö63

Vgl. Smid, DZWIR 2004, 1, 2 ff. BGH, Urt. v. 25.4.2002 – IX ZR 313/99, BGHZ 150, 353. 65 BGH, Urt. v. 25.4.2002 – IX ZR 313/99, BGHZ 150, 353; BGH, Urt. v. 18.4.2013 – IX ZR 165/12, NZI 2013, 641, Rn. 14; BGH, Urt. v. 10.1.2013 – IX ZR 172/11, NZI 2013, 347; Ganter, in: Festschrift für Walter Gerhardt, S. 248. 66 Vgl. BGH, Urt. v. 25.4.2002 – IX ZR 313/99, BGHZ 150, 353; BGH, Beschl. v. 20.3.2008 – IX ZR 68/06, NJW-RR 2008, 1074 mit Hinweis auf ständige Rechtsprechung; BGH, Urt. v. 22.1.2009 – IX ZR 66/07, NZI 2009, 235; BGH, Urt. v. 18.4.2013 – IX ZR 165/12, NZI 2013, 641, Rn. 14: „offensichtlicher, ohne weiteres erkennbare Verstoß gegen die Aufgaben eines Insolvenzverwalters.“ 67 Huber, NZI 2014, 49, 50; Huber, in: Insolvenzrechts-Handbuch, § 35, Rn. 13a; Huber, ZIP 2013, 493, 495; Huber, in: MüKo-InsO, § 119, Rn. 31a. 64

§ 6 Vertragsfreiheit – juristische Argumente

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sungsklausel bereits wegen Insolvenzzweckwidrigkeit unwirksam. Zulässiger Zweck der Lösungsklauseln dürfe nur sein, Ungewissheiten der Insolvenz zu beseitigen.68 Die Kategorie der Insolvenzzweckwidrigkeit ist schwer greifbar. Aktuell ist sie nur auf Handlungen des Verwalters zugeschnitten, sodass ein nachteiliger Neuabschluss des Vertrags unwirksam sein mag.69 Hierbei mag jedoch bereits bezweifelt werden, dass der Verwalter beim Neuabschluss eines Versorgungsvertrags evident missbräuchlich handelte. Vielmehr agierte er, um das Unternehmen fortführen zu können. Auf die Wirksamkeit der ursprünglichen Lösungsklausel oder die Kündigungserklärung des solventen Vertragspartners hat das Verhalten des Verwalters jedoch keine Auswirkungen. Daher müsste der Topos der Insolvenzzweckwidrigkeit fortentwickelt werden, sodass auch solche Handlungen angreifbar werden, die außerhalb der Insolvenz geschlossen wurden und sich allein zulasten der späteren Masse auswirken.70 Es geht bei Lösungsklauseln letztlich um Handlungen zwischen Gemeinschuldner und Vertragspartner. Aus der Existenz des Insolvenzanfechtungsrechts lässt sich schließen, dass Rechtshandlungen des Schuldners aber zunächst wirksam sind. Die aktuellen Maßstäbe der Insolvenzzweckwidrigkeit allein scheinen der Thematik der Lösungsklauseln nicht ganzheitlich gerecht zu werden – zumal derzeit nicht alle problematischen Sachverhaltskonstellationen erfasst würden (vgl. § 7, C., III.). Der Insolvenzzweck der Sanierung müsste, wie bereits im vorigen Abschnitt dargestellt, primär eine Bedeutung für die Interpretation der bestehenden Normen erlangen. III. Einschränkung des Verwalterwahlrechts Rechtsordnungsübergreifend existiert das Prinzip des Verwalterwahlrechts. Es ist grundsätzlich ein Mittel der Masseerhaltung.71 Entfaltet eine Lösungsklausel in der Insolvenz ihre Wirkung, wird der Vertrag der Masse entzogen und schlussendlich dem Insolvenzverwalter das Wahlrecht über den Vertrag genommen. Lösungsklauseln können grundsätzlich diesen Masseschutz unterlaufen. Schließen die Regelungen zum Wahlrecht des Insolvenzverwalters damit implizit eine Vertragsgestaltung in diesem Bereich aus, wenn das gesetzlich vorgesehene Schicksal des Vertrags in der Insolvenz geändert wird? Erstens wird für die Wirksamkeit von Lösungsklauseln angeführt: Der Bestand eines Vertrags sei bei Insolvenzeröffnung hinzunehmen, wie er vorge-

68

Huber, in: Insolvenzrechts-Handbuch, § 35, Rn. 12. Vgl. Tintelnot, in: FS Kübler, S. 707. 70 In diese Richtung Thole, in: Privatautonomie und Insolvenzrecht, S. 291. 71 Ausführlich hierzu Schwörer, Lösungsklauseln für den Insolvenzfall, S. 45 ff., insb. 49 ff.; vgl. oben in § 2, B. in den jeweiligen Vergleichsrechtsordnungen. 69

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Kapitel 2: Rechtsvergleichende Analyse

funden wird; also mit Kündigungsklausel.72 Diese schlagwortartige und pauschale Argumentation ist letztlich zu einfach. Es könnte in dieser Argumentation gar ein Zirkelschluss vorliegen. Denn ein solcher liegt vor, wenn man ausführt, dass die Auflösungsklausel wirksam ist, weil sie vom Verwalter übernommen wird und sie übernommen wird, weil sie wirksam ist. Es ist zutreffend, dass der Insolvenzverwalter einen Vertrag zu übernehmen hat, wie er ihn vorfindet.73 Zweck dieser Regelung ist es, dass das Wahlrecht einen einheitlichen Vertrag keiner inhaltlichen Modifikationen unterzieht. Dies könnte geschehen, wenn nur in vorteilhafte Klauseln eingetreten werden könnte. Hierum geht es aber überhaupt nicht. Denn hieraus lässt sich keine Aussage über die Wirksamkeit einer Vertragsklausel selbst ableiten. Vielmehr ist zu fragen, ob eine Klausel wegen Verstoß gegen zwingendes Insolvenzrecht, sei es auch nur zwingendes Verfahrensrecht, nichtig ist. Die eigentlich zu beantwortende Frage, ob die Vertragsfreiheit selbst eine insolvenzbezogene Lösungsklausel gestattet, bleibt bei dieser Argumentation offen – also ob den Vertragsparteien überhaupt die privatautonome Disponibilität über die Klauseln zusteht.74 Wäre dies abzulehnen, würde der Vertrag keine Lösungsklausel enthalten und würde – ohne Lösungsklausel – einheitlich von der Insolvenzverwaltung übernommen. Zweitens wird argumentiert, dass das Wahlrecht nur die Handlungsoptionen des Verwalters erweitert; ein Vertrag mit Lösungsklauseln werde schlicht nicht Bestandteil des haftenden Vermögens.75 Dem Verwalter werde damit kein Recht entzogen, es fehle schlicht an einem Vertrag, der unter das Wahlrecht falle.76 Solange keine Wirkungen des zwingenden Insolvenzrechts geändert würden, könne der Vertrag beendet werden.77 Diese Argumentation scheint eine primär verfahrensrechtliche Ausgestaltung des Verwalterwahlrechts zugrunde zu legen. Soweit das Insolvenzrecht vermehrt auf die Liquidation angelegt war, erleichterten Lösungsklauseln quasi die vollstreckungsrechtliche Abwicklung. Über einen weggefallenen Vertrag musste der Verwalter auch keine Entscheidung mehr treffen. Das Eintrittsrecht der Konkurs72 BGH, Urt. v. 26.9.1985 – VII ZR 19/85, BGHZ 96, 34; Heidland, BauR 1975, 305, 307; Peters, BauR 2014, 1218, 1219; Jacoby, ZIP 2014, 649, 653; Reul/Heckschen/ Wienberg, Insolvenzrecht in der Kautelarpraxis, B. III. 5; vgl. auch oben unter § 2, B. in den jeweiligen Vergleichsrechtsordnungen. Dieser Grundsatz gelte, sofern eine Insolvenzanfechtung oder eine Nichtigkeit der Vertragsklausel ausscheiden: BGH, Urt. v. 26.9.1985 – VII ZR 19/85, BGHZ 96, 34; RG, Urt. v. 23.11.1926 – III 549/25, RGZ 115, 271. 73 Vgl. statt vieler Staehelin, AJP/PJA 2004, 363, 366. 74 Vgl. in diese Richtung Wöllner, Die Wirksamkeit vertraglicher Lösungsklauseln im Insolvenzfall, S. 172 ff. 75 Thole, KTS 2010, 383, 392; Jacoby, in: Jaeger Insolvenzordnung, §§ 103–128, § 119, Rn. 27; Wilmowsky, ZIP 2007, 553, 554. 76 Thole, KTS 2010, 383, 392. 77 RG, Urt. v. 14.1.1896 – III 290/95, JW 1896, 132.

§ 6 Vertragsfreiheit – juristische Argumente

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verwaltung in der Schweiz ist in diesem Sinne verfahrensrechtlich ausgerichtet und enthält kaum materielle insolvenzrechtliche Zielsetzungen. Das Verwalterwahlrecht hat sich in Österreich, aber auch in Deutschland immer weitergehend als Instrument des Masseschutzes etabliert. In den USA dient es ebenfalls der Massemehrung und gleichzeitig dem Erhalt von Sanierungschancen. Schlussendlich geht der Masseschutz stets auch mit der Sanierungsförderung einher. Nunmehr dürfte die rein verfahrensrechtliche Betrachtung des Wahlrechtes den heutigen Anforderungen des Insolvenzrechts mit seinen Sanierungstendenzen nicht mehr umfassend gerecht werden. Damit rückt auch der Punkt in den Vordergrund, dass einzelne Gläubiger und der Insolvenzschuldner den Insolvenzverwalter nicht vertraglich binden können.78 Die Bestimmungen des Wahlrechts werden zu einem zentralen Sanierungsinstrument, das materiell-rechtlich auf den Vertrag einwirkt und nicht durch eine verfahrensrechtliche Betrachtung unterlaufen werden sollte. Drittens wird dargelegt, dass nur unmittelbare Beeinträchtigungen des Wahlrechts unzulässig sind, die beispielsweise dem Verwalter eine klare Entscheidung des Wahlrechts vorgeben (nach allgemeiner Ansicht ein Verstoß gegen § 119 InsO); mittelbare Beeinträchtigungen hingegen seien zulässig, wenn der Vertrag insgesamt wegfällt und das Wahlrecht überhaupt nicht entsteht.79 In diesem Fall seien die insolvenzrechtlichen Verwertungsregelungen nicht betroffen.80 Hiergegen argumentieren Teile der Lehre, dass eine solche Differenzierung willkürlich und beispielsweise im Wortlaut des dt. § 119 InsO nicht angelegt ist.81 Dem ist zuzustimmen. Schließlich ist der komplette Entzug des Wahlrechts doch die stärkste Beeinträchtigung des Wahlrechts. Ob dem Verwalter vertraglich die Erfüllungsablehnung des Vertrags vorgeschrieben wird (nach allg. Meinung unzulässig) oder ob der Vertrag entfällt und dies faktisch die Nichterfüllung bedeutet, ist im Endeffekt vergleichbar. Es ist umstritten, ob Lösungsklauseln das Verwalterwahlrecht unzulässig einschränken. Die Argumente die für die Zulässigkeit von Lösungsklauseln und gegen eine unzulässige Einschränkung des Wahlrechts sprechen, überzeugen nicht. Umgekehrt hat der an sich zwingende Charakter des Verwalterwahlrechts bislang nicht allein vermocht, insolvenzbezogene Lösungsklauseln für unwirksam zu erklären (vgl. Österreich, Schweiz). Es ist letztlich eine normative und rechtspolitische Frage. Erst der Zweck des Wahlrechts hin zum Masseschutz und zur Sanierungsförderung legt ein Verbot von Lösungsklauseln nahe. Das Verwalterwahl78

Henckel, JZ 1986, 297, 298; Berger, ZIP 1994, 173, 182. Heidland, BauR 1975, 305, 307. 80 Wilmowsky, ZIP 2007, 553, 554. 81 Schwörer, Lösungsklauseln für den Insolvenzfall, S. 48; Prütting, in: FS Gerhardt, S. 765. 79

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recht bewirkt die haftungsrechtliche Wertzuweisung zur Insolvenzmasse.82 Es soll dem Verwalter strategische Entscheidungen ermöglichen, die dem Insolvenzschuldner die Sanierung erleichtern und damit auch die gesamte Gläubigerbefriedigung verbessern.83 Verbote von Lösungsklauseln unterstreichen den Masseschutz: Denn letztlich bringt auch ein starkes Wahlrecht wenig, wenn kein supplementärer Schutz vor Lösungsklauseln gewährt wird. Insofern kommt es erneut in besonderem Maße auf die rechtspolitische Interpretation des Wahlrechts, aber auch der Ausrichtung des Insolvenzverfahrens auf die Sanierung an, vgl. § 8. IV. Vergleich mit Absonderungsrechten In Insolvenzverfahren werden privatautonome Sicherungsrechte regelmäßig als insolvenzfest anerkannt.84 Sie dienen als Absonderungsrechte der vorzugsweisen Befriedigung. Beispielsweise Thole vergleicht vertragliche Lösungsklauseln mit Sicherungsrechten in der Insolvenz.85 Beide Instrumente sind Ausfluss der Privatautonomie. Der solvente Vertragspartner hat die Sicherheit, sich im Insolvenzverfahren lösen zu können. Sicherungsrechte und Lösungsklauseln zielen beide darauf ab, das insolvenzrechtliche Abwicklungsregime zu vermeiden.86 Beide Instrumente würden die Vertragskonditionen und Preise beim Vertragsschluss verbessern, wie die ökonomische Analyse bestätigen würde.87 Aus vertraglich zulässigen Sicherungsrechten die privatautonome Zulässigkeit von Lösungsklauseln zu folgern, geht allerdings fehl.88 Beide Instrumente unterscheiden sich erheblich. Es bestehen zunächst erhebliche Zweifel, dass die Lösungsklauseln zu besseren Preisen führen.89 Im Gegenteil zu Sicherungsrechten, die eine andere Forderung absichern, bieten Lösungsklauseln keinen Schutz gegen vorinsolvenzliche Verluste. Lösungsrechte sind in die Zukunft gerichtet, da sie nur vor neuen Verlusten schützen können. Sicherungsrechte verändern die Stellung des Gläubigers im Insolvenzverfahren; Lösungsrechte vermeiden die Teilhabe am Insolvenzverfahren. Damit dienen Lösungsrechte nicht der Absicherung einer anderen Rechtsposition; vielmehr verfällt die gesicherte Rechtsposition selbst. Insofern kann der Insolvenzver82

Berger, ZInsO 2016, 2111, 2112. Coles-Bjerre, N.M. L. Rev. 2010, 77, 82. 84 Schäfer/Ott, Lehrbuch der ökonomischen Analyse des Zivilrechts, S. 594; Thole, in: Privatautonomie und Insolvenzrecht, S. 293. 85 Thole, KTS 2010, 383, 393; Thole, ZHR 181 (2017), 548, 558. 86 Thole, in: Privatautonomie und Insolvenzrecht, S. 292. 87 Thole, in: Privatautonomie und Insolvenzrecht, S. 293. 88 Ebenso Brinkmann/Steinhauser, in: Festschrift für Bruno M. Kübler zum 70. Geburtstag (Hrsg. Bork/Kayser/Kebekus), Change of Control-Klauseln in der Insolvenzpraxis, S. 94. 89 Block-Lieb, 2001 U. Ill. L. Rev. 503 (2000), 553; vgl. ausführlich § 7, C. 83

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walter auch nicht anderweitig die vertragliche Beendigung vermeiden, wie er umgekehrt bei Absonderungsrechten deren Ablösung erreichen könnte. Insofern lehnte bereits das LG Aachen diesen Vergleich ab:90 Sicherungs- und Vorzugsrechte sind Vermögensrechte, nicht wie Lösungsklauseln Gestaltungsrechte. Sicherungsrechte werden unabhängig von der Insolvenz eingeräumt; die Lösungsrechte sind aber gerade auf den Insolvenzfall bedingt. Weiter sind Sicherungsrechte auch in der Insolvenz nicht schrankenlos anerkannt: Um die Insolvenzmasse zu schützen, werden beispielsweise besitzlose und publizitätslose Sicherheiten teilweise eingeschränkt.91 Anders als bei Lösungsklauseln folgt die Insolvenzfestigkeit der Sicherungsrechte aus deren ausdrücklichen gesetzlichen Anerkennung.92 Ferner sei in diesem Zusammenhang daran erinnert, dass es nach aktueller rechtshistorischer Forschung gerade extensive Sicherungsrechte waren, die zum Konkurs der Reichskonkursordnung geführt haben dürfte.93 Vorzugsrechte haben das Potenzial die Insolvenzmasse auszuhöhlen, wenn diese zu weitgehend gewährt werden. Auch Lösungsklauseln können eine solche Gefahr für die Sanierung und das Insolvenzverfahren bedeuten (vgl. § 7 D), wenn werthaltige Vertragspositionen der Masse entzogen werden. Nach alledem sind Lösungsrechte weder als Sicherungsrechte zu bewerten noch spricht die Existenz von Sicherungsrechten für die Wirksamkeit von Lösungsrechten. Im Gegenteil dürfte der Kanon bestehender Sicherungsrechte restriktiv zu behandeln und gerade nicht um insolvenzfeste Lösungsrechte zu erweitern sein. Schlussendlich ist der Umfang von Sicherungsrechten und Lösungsrechten gesetzgeberisch abzuwägen. Durch die zwingende Ausgestaltung des Verwalterwahlrechts (bspw. § 119 InsO) haben die Gesetzgeber eine grundlegende Wertentscheidung für die insolvenzrechtliche Abwicklung von Vertragsverhältnissen getroffen – gegen privatautonome Privilegien. V. Umkehrschluss zu gesetzlichen Beendigungsrechten Teilweise wird die vertragliche Zulässigkeit von insolvenzbezogenen Lösungsrechten aus den vielen gesetzlich vorgegebenen Lösungsrechten abgeleitet – die Vertragsbeendigung im Insolvenzfall sei ein Grundprinzip.94 Dies überzeugt allerdings nicht. Dieses systematische Argument lässt sich nämlich auch umkehren. Wenn vertragliche Lösungsrechte im Grundsatz verboten wären, würden die gesetzlichen Bestimmungen schlicht die Ausnahmen vom Regelfall darstellen. Schließlich sehen quasi alle Rechtsordnungen gesetzli90

LG Aachen, Urt. v. 21.6.1977 – 12 O 10/77, KTS 1979, 123. Dies anerkennend Thole, Gläubigerschutz durch Insolvenzrecht, S. 58. 92 Brinkmann/Steinhauser, in: FS Kübler, S. 94. 93 Falk, ZRG GA 131 (2014), 266, 321 f; Falk/Kling, in: The Regulatory Concept of Compulsory Composition in the German Bankruptcy Act, S. 235. 94 Vgl. bspw. § 3, B., II., 4. 91

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che Lösungsmöglichkeiten vor – ohne dass hieraus allgemein auf die Wirksamkeit von insolvenzbezogene Lösungsklauseln geschlossen werden kann.95 D. Ergebnis Grundsätzlich unterfallen Vertragsbeendigungsklauseln der Vertragsfreiheit. Die Grenze der Privatautonomie erfordert eine Güterabwägung von zwingendem Insolvenzrecht und der Vertragsfreiheit. Je nach Gewichtung sind verschiedene Ergebnisse zu erwarten. Die rein normativ-juristische Bewertung konnte in der Analyse des englischen Rechts sehr anschaulich nachvollzogen werden: Englische Gerichte wollten nicht aus Gründen der Massemehrung und zur Absicherung der Insolvenzziele in den freien Willen und in Wirtschaftstransaktionen, die in good faith abgeschlossen wurden, eingreifen. Die Abwägung ist in den Vereinigten Staaten von Amerika ganz anders ausgefallen – so konnten durch privatautonome Vereinbarung um keinen Preis die überragenden wirtschaftspolitisch motivierten Insolvenzziele eingeschränkt werden. Die beiden Beispiele zeigen klar, dass aus normativen Gründen keine zwingenden Lösungen abzuleiten sind. Die im Kern immer wieder vorgetragenen juristischen und insolvenzrechtlichen Argumente für und gegen insolvenzbezogene Lösungsklauseln erweisen sich bislang als nicht durchschlagend und restlos überzeugend. Aus der Vertragsfreiheit selbst und den insolvenzrechtlichen Strukturprinzipien lässt sich nicht ohne Weiteres die Zulässigkeit oder das Verbot von Lösungsklauseln ableiten.96 Viele Argumentationen erweisen sich als ambivalent. Ein Großteil der vorgebrachten Argumentationsmuster konnte entkräftet werden. Teilweise sind die Argumente nur formal und schlagwortartig. Nach alledem lässt sich die Legitimation eines Verbots von insolvenzbezogenen Lösungsklauseln auf einen engen juristischen Rahmen beschränken: Erstens ist die Interpretation des Verwalterwahlrechts relevant. Dabei kommt der epochalen Beschränkung der Vertragsfreiheit durch die Ausrichtung des Insolvenzrechts auf Sanierungen eine besondere Bedeutung zu. Rückt die Sanierungstendenz in den Vordergrund, so kann der Charakter des Verwalterwahlrechts als ein Mittel des Sanierungsschutzes zu interpretieren sein. Dabei ist zwar nicht per se alles verboten, was das Insolvenzverfahren ansatzweise beeinträchtigt. Der Insolvenzzweck ist aber eine taugliche Kategorie, um Einschränkungen dogmatisch zu rechtfertigen und die Auslegung konkreter Bestimmungen wie des Wahlrechts zu beeinflussen. Maßgeblich 95 Vgl. bspw. Wortlaut der Verbote in Frankreich, L. 622-13 C.com. und in den USA, 11 U.S.C. § 365 (e), aber auch die gesetzlichen Beendigungsrechte in Deutschland, § 2, B., II., 5. 96 Wöllner leitet nur ab, dass kein Grundsatz für die Unwirksamkeit von Lösungsklauseln in der Insolvenz spricht: Wöllner, Die Wirksamkeit vertraglicher Lösungsklauseln im Insolvenzfall, S. 191.

§ 7 Vertragsfreiheit – ökonomische Argumente

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für ein Verbot von Lösungsklauseln im Insolvenzfall ist eine Kombination zweier Elemente: der Einschränkung des Verwalterwahlrechts, das masseschützenden Charakter hat, und der Insolvenzzweck der Sanierung, der einen gleichberechtigten Verfahrenszweck darstellt und bei der Auslegung des Verwalterwahlrechts einfließen muss. Gerade das Zurückdrängen von Privilegien erhält für den Erfolg der Sanierung eine besondere Bedeutung. Zweitens ist zu bewerten, inwiefern sich eine wirtschaftliche Fremdbestimmung bei Lösungsklauseln verwirklicht. Eine solche Fremdbestimmung würde ferner einen Eingriff in die Vertragsfreiheit legitimieren. Damit ist auch eine abschließende juristische Argumentation (§ 9, B., I.) erst plausibel, wenn die wirtschaftlichen und rechtspolitischen Zusammenhänge herausgearbeitet worden sind.

§ 7 Vertragsfreiheit und gesetzliches Verbot von Lösungsklauseln – ökonomische Analyse § 7 Vertragsfreiheit – ökonomische Argumente “An Old Georgia Lawyer said: Study the facts […] and the law will take care of itself.”97

A. Einführung Wirtschaftliche Fakten und Hintergründe können dem Recht auf die Sprünge helfen: „study the facts and the law will take care of itself“. Aus dem Blickwinkel der Neuen Institutionenökonomik lassen sich wirtschaftswissenschaftliche Betrachtungen mit dem rechtlichen Rahmen verbinden.98 Institutionen sind Regelsysteme, die das Verhalten der Wirtschaftsakteure beeinflussen.99 Die Neue Institutionenökonomik hat die neoklassische Wirtschaftswissenschaft fortentwickelt, indem beispielsweise auch unvollkommene Rationalität und opportunistisches Verhalten der Wirtschaftsakteure untersucht wird.100 Zu dem rechtlichen Rahmen der Institutionen gehört auch das Insolvenzrecht, sodass Erwägungen aus der Neuen Institutionenökonomik und der ökonomischen Analyse des Rechts101 Erklärungen und Bewertungen der insolvenzbezogenen Lösungsklauseln liefern können. 97

Powell, I can Go Home Again, S. 141; vgl. Gerhart, A.B.A. J. 533 (1950), 533. Zur Neuen Institutionenökonomik Erlei/Leschke/Sauerland, Neue Institutionenökonomik, passim; Richter/Furubotn, Neue Institutionenökonomik, passim. 99 Erlei/Leschke/Sauerland, Neue Institutionenökonomik, S. 22, Richter/Furubotn, Neue Institutionenökonomik, S. 7. 100 Richter/Furubotn, Neue Institutionenökonomik, S. 2 ff. 101 Ausführlich zur Geschichte und Begründung der ökonomischen Analyse des Rechts Schweizer, Kognitive Täuschungen vor Gericht: eine empirische Studie, S. 10 ff. Ablehnend zur ökonomischen Analyse als Interpretationshilfe für die deutsche Insolvenzordnung: Wortberg, Lösungsklauseln und Insolvenz, S. 140. 98

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Kapitel 2: Rechtsvergleichende Analyse

Wirtschaftlich soll ein Vertrag den Nutzen beider Parteien fördern.102 Ein Eingriff in die Vertragsfreiheit ist ökonomisch nur dann legitim, wenn der Vertrag für mindestens einen Vertragspartner keinen Vorteil bringt.103 In diesem Fall wird die in der Vertragsfreiheit angelegte Selbstbestimmung nur gewahrt, wenn die Partei bewusst auf einen Vorteil verzichtete.104 Die Nutzenbetrachtung erfolgt zunächst im Zeitpunkt des Vertragsschlusses – optimalerweise sind alle Risiken erkannt, sodass ein rationales und effizientes Handeln möglich wird.105 Effizienz bedeutet, Ressourcen am nützlichsten einzusetzen.106 In einer freiheitlichen Grundordnung spricht eine widerlegbare Vermutung dafür, dass die Individuen am besten wissen, was richtig, gut und effizient ist. Insofern streiten privatautonome Lösungen zweier Individuen prima facie für eine höhere Effizienz.107 Die Vertragsfreiheit – damit auch Lösungsrechte – hat das Potenzial, ex ante einen Beitrag zu einer effizienten Allokation von Ressourcen zu leisten. Die juristischen Analysen aus den einzelnen Rechtsordnungen haben verschiedene Lösungsansätze für insolvenzbezogene Lösungsrechte aufgezeigt. Gleichwohl sind die zugrunde liegenden Tatsachen und Probleme die gleichen. Insbesondere sind die ökonomischen Prinzipien rechtsordnungsübergreifend identisch, die hinter den Lösungsklauseln stehen. Die Gründe, weshalb Lösungsrechte vereinbart werden, sind letztlich im Kern wirtschaftliche Fragen. Diese sind schließlich am Rahmen der Privatautonomie rückzukoppeln und an den Zielen des Insolvenzrechts auszurichten. Die rechtliche Regelung soll eine effiziente Güterallokation bewirken.108 Im Folgenden wird untersucht, ob die Privatautonomie aus einer ökonomischen Notwendigkeit bei insolvenzbezogenen Lösungsklauseln zu beschränken ist. Die wirtschaftliche Motivation, die hinter insolvenzbezogenen Lösungsklauseln steht, wird selten näher erläutert.109 Nach kurzen einschränkenden Bemerkungen zum Effizienzprinzip (§ 7, B.) werden Argumentationsmuster der ökonomischen Analyse des Rechts erörtert: einerseits auf Grundlage einer empirischen Studie (§ 7, C., I.) und anderseits anhand einer theoretischen Studie (§ 7, C., II.) zu Lösungsrechten. Diese Erkenntnisse werden in einer Synthese aus verschiedenen Blickwinkeln zusammengeführt (§ 7, C., 102

Schäfer/Ott, Lehrbuch der ökonomischen Analyse des Zivilrechts, S. 421. Schäfer/Ott, Lehrbuch der ökonomischen Analyse des Zivilrechts, S. 421 f. 104 Schäfer/Ott, Lehrbuch der ökonomischen Analyse des Zivilrechts, S. 423. 105 Schäfer/Ott, Lehrbuch der ökonomischen Analyse des Zivilrechts, S. 422. 106 Schäfer/Ott, Lehrbuch der ökonomischen Analyse des Zivilrechts, S. 4. 107 Canaris, in: Verfassungs- und europarechtliche Aspekte der Vertragsfreiheit in der Privatrechtsgesellschaft, S. 875; Pilgram, Ökonomische Analyse der bundesdeutschen Insolvenzordnung, S. 17; Posner, 112 Yale L.J. 829 (2003), 859. 108 Pilgram, Ökonomische Analyse der bundesdeutschen Insolvenzordnung, S. 5. 109 Ausführlich mit wirtschaftlicher Analyse Thole, in: Privatautonomie und Insolvenzrecht, S. 271. 103

§ 7 Vertragsfreiheit – ökonomische Argumente

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III.) und in einem Fazit abgeschlossen (§ 7, D.). Dabei ist die Problematik der Lösungsklauseln aus einer ex post (§ 7, C., III., 2.) und ex ante Sicht (§ 7, C., III., 3.) sowie die Ungewissheit in der Insolvenz vor dem Hintergrund verhaltenspsychologischer Überlegungen (§ 7, C., III., 4.) zu bewerten. B. Einschränkungen des Effizienzprinzips “And economics provides little normative guidance for reforming contract law. [...] The models do give a sense of factors that are at stake when the decisionmaker formulates doctrine, and might give that decisionmaker a sense of the trade-offs involved, but in the absence of information about the magnitudes of these trade-offs – and the literature gives no sense of these magnitudes – the decisionmaker is left with little guidance.”110

Vielfältige Faktoren haben einen Einfluss auf Sanierungserfolge. Einerseits sind die Insolvenzgesetze entscheidend; andererseits hängt der Erfolg von dem länderspezifischen Unternehmensverhalten bzw. der Unternehmenskultur ab.111 Frankreich wird beispielsweise als eine sehr schuldnerfreundliche Rechtsordnung eingestuft, da die Gläubigerrechte stark beschnitten werden – ganz im Gegenteil zum englischen Recht, das als sehr gläubigerfreundlich gilt.112 Grundsätzlich passen sich die Gläubiger den Rechtssystemen an, indem sie entsprechende Kreditsicherheiten verlangen und ihre Konditionen anpassen.113 Gleichwohl können diese Systemunterschiede nicht völlig ausgeglichen werden, wie Davydenko und Franks zeigten, sodass es letztlich vor allem auf die Insolvenzgesetze für die Sanierungschancen ankommt. Die Insolvenzsysteme haben damit letztlich einen wichtigen Einfluss auf den Sanierungserfolg. Unterschiede zwischen common law und civil law haben keinen Einfluss auf die Effizienz des Insolvenzverfahrens.114 Es fällt schwer, einzelne Normen eines Insolvenzsystems herauszugreifen und auf deren Effizienz zu untersuchen. Das Gesamtsystem und das Zusammenwirken einer Vielzahl an Faktoren, die sich wechselseitig bedingen und beeinflussen, sind letztlich entscheidend. Wird ein Insolvenzsystem verändert, wird nicht nur eine gesetzliche Bestimmung erneuert. Insofern kann kaum eine monokausale Auswirkung einer abgeänderten Insolvenznorm aufgezeigt werden. Einzelne Faktoren können trotzdem statistisch signifikante Auswirkungen haben und bestehende Relationen illustrieren; eine kausale Verbindung lässt sich allerdings nur selten etablieren. Schließlich ist festzuhalten, dass eine nur auf Effizienz ausgelegte Ausrichtung des Insolvenzrechts nicht zwingend eine gerechte Lösung zur Folge 110

Posner, 112 Yale L.J. 829 (2003), 880. Osterkamp, CESifo DICE Report 2006, 27, 28. 112 Davydenko/Franks, LXIII J. Finance 565 (2008), 566; European Commission, Business Dynamics – Report, Anhang III. 113 Davydenko/Franks, LXIII J. Finance 565 (2008), 566. 114 European Commission, Business Dynamics – Report, Anhang III. 111

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Kapitel 2: Rechtsvergleichende Analyse

hat. Neben dem Effizienzziel können auch andere Zwecke verfolgt werden. Der Gesetzgeber kann andere rechtspolitische Entscheidungen treffen, die gesellschaftlich und sozial erwünscht sind und Wohlfahrtsverluste bedeuten.115 Effizienz kann daher nicht mit Gerechtigkeit und dem geltenden Recht gleichgesetzt werden. Wirtschaftliche Erwägungen können letztlich die gegenläufigen Abhängigkeitsverhältnisse darstellen und Indizien für eine bestimmte Gesetzesauslegung liefern. C. Ökonomische Analyse „Eine Rechtsnorm ist gut, wenn sie den gesellschaftlichen Wohlstand erhöht, schlecht, wenn sie ihn verringert.“116

I. Empirische Studie zur Effizienz von Insolvenzsystemen Im Jahr 2008 bewerteten Djankov et al. die Effizienz von verschiedenen Insolvenzsystemen.117 Hierzu befragten sie in einer empirischen Studie Praktiker aus dem Insolvenzbereich. Diese stammten aus 88 unterschiedlichen Rechtsordnungen. Methodisch sollten die Praktiker einen einfachen fiktiven Fall in ihrer jeweiligen Rechtsordnung lösen. Als effizient wurde das Ergebnis des Insolvenzsystems angesehen, das die Rettung des Unternehmens ermöglichte; in dem konkreten Fall war nämlich der going concern-Wert höher als der durch Liquidation erzielte Wert. In der Studie wurde auch der Faktor begutachtet, wie sich Möglichkeiten zur Vertragsbeendigung des solventen Vertragspartners auf die Effizienz auswirken. Allgemein wurde weltweit festgestellt, dass die Verfahren zeit- und kostenintensiv sind und damit in jeder Rechtsordnung gewisse Ineffizienzen auftreten.118 Im Schnitt wurden in dem Beispielsfall 48 % des Unternehmenswertes vernichtet; vor allem die Liquidation begünstigte diese Tendenz.119 Als effiziente Rechtsordnung wird das US-amerikanische Insolvenzrecht (85,8)120 aufgeführt und liegt damit deutlich vor beispielsweise der Schweiz (60,4) und Frankreich (54,1). Damit werden zwei Überlegungen untermauert: Erstens erklärt dieses Ergebnis, weshalb Regelungen aus den USA als Muster für viele andere Rechtsordnungen wie der Schweiz, Frankreich, Österreich und Deutschland dienten. Diese Rechtsordnungen haben aber bislang nicht

115

Eidenmüller, Effizienz als Rechtsprinzip – Möglichkeiten und Grenzen der ökonomischen Analyse des Rechts, S. 320 f.; Schäfer/Ott, Lehrbuch der ökonomischen Analyse des Zivilrechts, S. 425. 116 Schweizer, Kognitive Täuschungen vor Gericht: eine empirische Studie, S. 10. 117 Djankov/Hart/McLiesh/Shleifer, J. Pol. Econ. 2008, 1105, passim. 118 Djankov/Hart/McLiesh/Shleifer, J. Pol. Econ. 2008, 1105, 1107. 119 Djankov/Hart/McLiesh/Shleifer, J. Pol. Econ. 2008, 1105, 1146. 120 Es handelt sich um den studieninternen Messwert der Effizienz.

§ 7 Vertragsfreiheit – ökonomische Argumente

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vergleichbar umfangreichende Mechanismen zum Schutz der Insolvenzmasse erlassen wie in den USA. Zweitens zeigt das Ergebnis, dass kaum Effizienzunterschiede zwischen Frankreich und der Schweiz bestehen. In Frankreich sind Lösungsklauseln verboten; in der Schweiz erlaubt. Insofern spricht einiges dafür, dass auch Verbote von Lösungsklauseln nicht alleine für sich die Effizienz des Insolvenzsystems beeinflussen. Allerdings haben sie als Teil eines Gesamtsystems effizienzsteigernde und signifikante Auswirkungen auf die Insolvenzverfahren und die Reorganisation. Das Zurückfallen Frankreichs ist daher nicht auf Lösungsverbote zurückzuführen, sondern vielmehr auf andere systemische Defizite: Insbesondere das streng formale Verfahren in Frankreich trage zu diesen Effizienzverlusten bei.121 Das für diese Arbeit wichtige Ergebnis ist, dass sich Regelungen effizienzreduzierend auswirken, die es Lieferanten und Kunden erlauben, den Vertrag in der Insolvenz aufzulösen.122 Die Studie zeigte, dass Lösungsrechte (wenn zulässig), das Verfahren verlängern und verhindern, das Unternehmen als going concern fortzusetzen – sie bedeuten eine deutlich niedrigere Effizienz.123 Da in den Effizienzmessungen das Bruttoinlandsprodukt herausgerechnet werden konnte, konnte gezeigt werden, dass Lösungsrechte in ärmeren Ländern verbreiteter sind; ferner, dass Lösungsrechte signifikant die Verfahrensdauer und Kosten erhöhen und damit die Effizienz signifikant reduzieren.124 Es zeigt sich, dass die Reorganisation in reicheren Ländern effizienter als die Liquidation ist.125 Die Vertragsauflösung in Insolvenzverfahren (Liquidation und Reorganisation) ist im deutschen Rechtskreis am verbreitetsten, gefolgt vom französischen, am wenigsten im common law.126 Diese Ergebnisse zeigen eine erhebliche Korrelation zwischen Lösungsrechten und Verfahrenseffizienz. Aus der Korrelation kann zwar keine Kausalität zwischen den Faktoren abgeleitet werden. Gleichwohl spricht ein starkes Anzeichen für nachteilige Auswirkungen von Lösungsrechten. Auch ist dieser Zusammenhang plausibel, wie sich in den weiteren Erwägungen zeigen 121

Djankov/Hart/McLiesh/Shleifer, J. Pol. Econ. 2008, 1105, 1147. Djankov/Hart/McLiesh/Shleifer, J. Pol. Econ. 2008, 1105, 1108. 123 Djankov/Hart/McLiesh/Shleifer, J. Pol. Econ. 2008, 1105, 1143: Lösungsrechte sind mit Effizienzverlusten verbunden: „…associated with sharply lower efficiency (in the regression as well).” Auch wenn der Insolvenzverwaltung ein Kündigungsrecht abgesprochen wird – quasi im umgekehrten Fall, dass der Insolvenzschuldner gegenüber dem solventen Vertragspartner kündigt, kann dies Auswirkungen auf die Effizienz haben: “Some countries restrict dismissals by Mirage [Insolvenzschuldner]. Such restrictions reduce the likelihood that Mirage survives as a going concern and have an adverse, though not statistically significant, effect on efficiency.” 124 Djankov/Hart/McLiesh/Shleifer, J. Pol. Econ. 2008, 1105, 1139. 125 Djankov/Hart/McLiesh/Shleifer, J. Pol. Econ. 2008, 1105, 1125. 126 Djankov/Hart/McLiesh/Shleifer, J. Pol. Econ. 2008, 1105, 1137. 122

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Kapitel 2: Rechtsvergleichende Analyse

wird.127 Damit legt das empirische Modell nahe, die Vertragsfreiheit in diesem Bereich einzuschränken, um die Effizienz des Insolvenzverfahrens zu erhöhen. Es wird aber keine Aussage getroffen, ob Verbote von Lösungsrechten ex ante nachteilige Auswirkungen auf die Vertragsgestaltung bewirken. Vielmehr besteht nur eine ex post Betrachtung des Insolvenzverfahrens nach dem Insolvenzfall. II. Theoretische Studie zu Lösungsklauseln Um die ex ante Auswirkungen der Lösungsverbote besser zu bewerten und zu verstehen, haben Che und Schwartz Lösungsklauseln und deren Verbote im amerikanischen Recht analysiert.128 Die Überlegungen sind im Wesentlichen übertragbar auf die anderen Rechtskreise, da die wirtschaftlichen Erwägungen vergleichbar sind.129 Für die folgenden Betrachtungen ist es wichtig, die Begriffe ex ante und ex post näher zu bestimmen. Ex ante betrachtet die Effizienzsituation bei Vertragsschluss, wohingegen der ex post-Blickwinkel nach Eintritt der Insolvenz greift. Die Analyse basiert auf einem neuen Ansatz des Insolvenzrechts, der in der amerikanischen Doktrin vertreten wird. Diese Theorie lehnt die gesetzlichen Insolvenzregeln weitestgehend ab und überlässt den Parteien privatautonome Vereinbarungen auch im Insolvenzrecht (libertarian approach).130 Dieser Ansatz wird auf wirtschaftliche Analysen gestützt und soll ex ante bei Vertragsschluss zu einer höheren Effizienz beitragen als es durch zwingendes Insolvenzrecht denkbar wäre. Stellvertretend für die neoliberalen Ansichten ist ein von Schwartz aufgestelltes Modell zur Vertragsgestaltung im Insolvenzrecht.131 Zwingende insolvenzrechtliche Normen sollen nur dann berechtigt sein, wenn diese ex post die Effizienz im Insolvenzfall erhöhen; ex ante, d.h. zum Zeitpunkt des Vertragsschlusses, aber keine nachteiligen Anreize auf Preise und Investitionen ausüben.132 Dem Modell liegt weiter zugrunde, dass im Insolvenzfall zwischen Liquidation und Reorganisation zu entscheiden ist – Manager und Eigentümer bevorzugen in dieser Entscheidung einseitig eine Reorganisation, da hierbei höhere persönliche Vorteile zu erwarten

127

Der im Anschluss vorgestellte theoretische Ansatz von Schwartz kann allerdings durch diese Studie insoweit nicht widerlegt werden, als das Modell nicht zu dessen Überprüfung gedacht war. 128 Che/Schwartz, J.L. Econ. & Org. 441 (1999), passim. 129 Aus deutscher Perspektive Thole, in: Privatautonomie und Insolvenzrecht, S. 291 ff. 130 Vgl. Schwartz, 107 Yale L.J. 1807 (1998), passim; Schwartz, 109 Yale L.J. 343 (1999), passim. Weitere Nachweise auch bei Block-Lieb, 2001 U. Ill. L. Rev. 503 (2000), Fn. 24. 131 Vgl. Schwartz, 107 Yale L.J. 1807 (1998), passim. Kritisch hierzu LoPucki, 109 Yale L.J. 317 (1999), passim; erneut Schwartz, 109 Yale L.J. 343 (1999), passim. 132 Schwartz, 107 Yale L.J. 1807 (1998), 1840.

§ 7 Vertragsfreiheit – ökonomische Argumente

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seien.133 Um in dieser Situation die ökonomisch effizienteste Lösung zu erreichen, würde durch vertragliche Neuverhandlungen bzw. durch finanzielle Anreize seitens der Gläubiger die vorteilhaftere Entscheidung begünstigt.134 Insofern würden auch privatautonome Regelungen ex ante effizientere Mechanismen bereitstellen, sodass es ökonomisch sinnvoll wäre, das Insolvenzrecht vertraglichen Regelungen zugänglich zu machen.135 Che und Schwartz gehen davon aus, dass Verträge immer ausgeführt werden, wenn sich ein Netto-Vorteil für die Vertragsparteien ergibt – unabhängig davon, ob Lösungsklauseln verboten sind oder nicht (vgl. coase-Theorem).136 Die Marktteilnehmer können selbst am effizientesten Ressourcen zuteilen. Vorausgesetzt werden aber vollständige Informationen und keine Transaktionskosten.137 Eine Funktion des Insolvenzverfahrens sei, Informationen über den Schuldner für die Gläubiger zu generieren, wodurch eine symmetrische Informationslage angenommen werden könne. Lösungsrechte hätten ferner keine Auswirkungen, wenn der Schadensersatzanspruch wegen Nichterfüllung für die solvente Vertragspartei klar kalkulierbar wäre: Ist der Vertrag in der Insolvenz verlustträchtig und ist der Schadensersatz ohne Schwierigkeiten bestimmbar, kann der solvente Vertragspartner sich entscheiden, den Vertrag nur dann zu erfüllen, wenn für ihn die Kosten gedeckt sind.138 Es würden effiziente Entscheidungen über den Vertrag getroffen. Da die gerichtlich bestimmte Schadensersatzhöhe bei der Entscheidung für einen solchen Vertragsbruch jedoch ungewiss ist, können unter diesem Gesichtspunkt ohne Lösungsklauseln keine optimalen Resultate erreicht werden. Im Ergebnis versucht die Analyse zu zeigen, dass Verbote von Lösungsklauseln ex ante und ex post zu ineffizienten Resultaten führen; insbesondere verhinderten Verbote, dass unproduktive Verträge beendet werden.139 Die Regelungen stünden damit im Widerspruch zu dem eigentlichen Ziel, die Sanierung zu erleichtern und die Masse zu mehren. Erstens würde ein gesetzliches Verbot von Lösungsklauseln einen Sondervorteil für die Insolvenzmasse bewirken.140 Dadurch kann der Insolvenzverwalter geneigt sein, einen Vertrag fortzuführen, der eigentlich gesamtwirt133

Schwartz, 107 Yale L.J. 1807 (1998), 1824 ff.; Schwartz, 109 Yale L.J. 343 (1999),

346.

134

Schwartz, 107 Yale L.J. 1807 (1998), 1827. Schwartz, 109 Yale L.J. 343 (1999), 363 („expanding the scope for free contracting in bankruptcy“). 136 Schwartz, 107 Yale L.J. 1807 (1998), 1846; Block-Lieb, 2001 U. Ill. L. Rev. 503 (2000), insb. Fn. 8 m.w.N. zum Meinungsstand. 137 Che/Schwartz, J.L. Econ. & Org. 441 (1999), 443. 138 Che/Schwartz, J.L. Econ. & Org. 441 (1999), 444. 139 Che/Schwartz, J.L. Econ. & Org. 441 (1999), 462. 140 Che/Schwartz, J.L. Econ. & Org. 441 (1999), 462. 135

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Kapitel 2: Rechtsvergleichende Analyse

schaftlich in der Insolvenz nachteilig ist.141 Diese Situation ist denkbar, wenn sich der Vertrag für den solventen Partner nachteilig entwickelt hat oder in der Insolvenz notwendige Anstrengungen durch den Insolvenzschuldner unterbleiben werden. Da der Vertragspartner in solchen nachteiligen Situationen weiter an den Vertrag gebunden ist, würde ex ante ein höherer Vertragspreis in Form eines Risikoaufschlags kalkuliert.142 Der ex post-Vorteil für die Gläubigergesamtheit sei ebenso hoch wie der ex ante-Nachteil für den Schuldner.143 Folglich würden Sanierungschancen von Anfang an reduziert, da weniger Liquidität zur Verfügung stehe.144 Lösungsklauseln entziehen der Masse zwar ex post Vorteile, lassen aber auch die ex ante Risikoprämie entfallen – die Lösungsklauseln würden einen günstigen Vertragsausstieg bei ineffizienten Verträgen ermöglichen.145 Lösungsrechte verhinderten damit strategisches Verhalten des Insolvenzschuldners.146 Zweitens – dies korreliert mit dem vorigen Resultat – verhindern Lösungsverbote, dass sich der solvente Vertragspartner für die Vertragsbeendigung entscheidet, wenn der Vertrag ökonomisch nicht mehr sinnvoll ist und für den solventen Vertragspartner in der Insolvenzsituation Verluste zur Folge hätte. Begründet wird dies mit dem in solchen Situationen nicht genau abschätzbaren Schadensersatzanspruch für die Masse wegen Nichterfüllung. Damit werde der solvente Vertragspartner zur Fortführung gezwungen, obwohl dies ineffizient sein kann.147 Konsequenz sind ineffiziente Investitionsanreize für den Gemeinschuldner, da ihm Verträge und Vorteile hieraus länger verfügbar sind, als dies ökonomisch sinnvoll wäre. Schlussendlich würden Lösungsverbote ermöglichen, dass Verträge fortgesetzt werden, obwohl diese wohlfahrtökonomisch nachteilig für die Parteien sein können – dies sendet falsche Signale auf den Markt.148 Lösungsklauseln werden daher verwendet, um bessere Vertragsbedingungen auszuhandeln und durch eine höhere Selbstverpflichtung bessere Investitionsanreize für das Unternehmen zu erreichen.149 Diese Analyse wurde beispielsweise von Kreitner stark kritisiert.150 Erstens würde bei Lösungsverboten angenommen, dass die ex post-Vorteile durch die ex ante-Nachteile aufgehoben werden. Die ex ante-Preisauswirkungen seien 141

Che/Schwartz, J.L. Econ. & Org. 441 (1999), 444 u. 449. Che/Schwartz, J.L. Econ. & Org. 441 (1999), 445. 143 Che/Schwartz, J.L. Econ. & Org. 441 (1999), 458. 144 Che/Schwartz, J.L. Econ. & Org. 441 (1999), 445 u. 462 145 Che/Schwartz, J.L. Econ. & Org. 441 (1999), 447. 146 Che/Schwartz, J.L. Econ. & Org. 441 (1999), 446; Schwartz, 107 Yale L.J. 1807 (1998), 1844. 147 Che/Schwartz, J.L. Econ. & Org. 441 (1999), 444. 148 Che/Schwartz, J.L. Econ. & Org. 441 (1999), 461. 149 Che/Schwartz, J.L. Econ. & Org. 441 (1999), 461. 150 Kreitner, 6 Theoretical Inq. L. 59 (2005), 100–110. 142

§ 7 Vertragsfreiheit – ökonomische Argumente

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allerdings fraglich, da die Wahrscheinlichkeit für den Insolvenzfall und die Wahrscheinlichkeit für einen nachteiligen Vertrag (loosing contract) in der Regel zu gering seien, um erhebliche Preisauswirkungen zu haben.151 Zweitens ermöglichen Lösungsklauseln dem solventen Vertragspartner, einen nachteiligen Vertrag in einen vorteilhaften zu ändern – aber auch einen vorteilhaften in einen noch besseren zu wandeln:152 Die Drohung, die vertraglichen Leistungen einzustellen, ermöglicht es, bessere Preise nachzuverhandeln. Die Insolvenz ist damit eine Gelegenheit für einen unerwarteten Gewinn (windfall profit): Es werden der Masse ex post-Vorteile entzogen, ohne wirkliche ex ante-Auswirkungen auf den Preis zu haben.153 Damit wird mit Schwartzs Argumentation zwar versucht, strategisches Verhalten des Schuldners auszuschalten, aber strategisches Verhalten des solventen Vertragspartners wird nicht einkalkuliert.154 Drittens würden die Investitionsanreize ex ante überschätzt, da der Insolvenzschuldner nicht selbst die ex post Kosten trägt, sondern vielmehr die Gläubigergemeinschaft.155 Daher werden auch die Investitionsentscheidungen des Schuldners in dieser Hinsicht nicht optimal sein. Auch Block-Lieb kritisiert, dass der neoliberale Ansatz ex ante-Effizienz für wichtiger hält als ex post-Effizienz.156 Ex ante-Effizienz kann sinnvoll sein, wenn die Akteure unter vollständigen Informationen rational handeln, die ex ante Preise tatsächlich beeinflusst werden und damit ex postAuswirkungen ausgleichen. Aber psychologische Schwächen des einzelnen Akteurs zeigen fehlerbehaftetes Verhalten und Neigungen (biases).157 Somit fließen stets auch persönliche Vorstellungen in den Vertragsschluss ein, der nicht objektiv rational sein muss – daher ist die ex ante-Effizienz kein allein verlässliches Maß.158 Insofern sind ex ante-Vorteile von Lösungsklauseln nicht sicher. Es ist wenig praktikabel, allein auf privatautonome Vereinbarungen in der Insolvenz zu setzen, die nur dann effizient sind, wenn die Vertragsparteien rational handeln. Ex ante können nicht alle Interessen in einer ungewissen zukünftigen Insolvenzsituation abgebildet werden.159 Allein die bisherigen theoretischen wirtschaftlichen Erklärungsansätze vermögen es soweit nicht, eine klare Entscheidung für oder gegen Lösungsklauseln treffen zu können. Viel-

151

Kreitner, 6 Theoretical Inq. L. 59 (2005), 105. Kreitner, 6 Theoretical Inq. L. 59 (2005), 106. 153 Kreitner, 6 Theoretical Inq. L. 59 (2005), 106. 154 Kreitner, 6 Theoretical Inq. L. 59 (2005), 107. 155 Kreitner, 6 Theoretical Inq. L. 59 (2005), 107. 156 Block-Lieb, 2001 U. Ill. L. Rev. 503 (2000), 532. 157 Block-Lieb, 2001 U. Ill. L. Rev. 503 (2000), 533. 158 Adler, 151 U. Pa. L. Rev. 1255 (2003), 1289. 159 Kreitner, 6 Theoretical Inq. L. 59 (2005), 65. 152

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mehr sind die rein rationalen Argumentationen, wie sie bei Che und Schwartz zu finden sind, infrage zu stellen. III. Synthese Im Folgenden werden die Argumente aus den vorherigen Punkten zusammengeführt und auf ihre Plausibilität untersucht. Es soll bewertet werden, inwiefern Lösungsklauseln einem rationalen Verhalten entsprechen oder irrationaleren subjektiven Neigungen zuzurechnen sind. Hierzu werden zunächst die Entscheidungsmöglichkeiten der Vertragsparteien aufgezeigt (§ 7, C., III., 1.). Daraufhin sind die ex post-Auswirkungen von Lösungsklauseln auf das Insolvenzverfahren (§ 7, C., III., 2.) bzw. die ex ante-Auswirkungen von Lösungsverboten auf den Vertragsschluss (§ 7, C., III., 3.) zu bewerten. Vor dem Hintergrund wirtschaftspsychologischer Erwägungen (§ 7, C., III., 4.) folgt ein Zwischenergebnis (§ 7, C., IV). 1. (Rationale) Entscheidungsmöglichkeiten Zunächst sollen die Handlungsoptionen der Vertragsparteien in der Insolvenzsituation anhand des folgenden Entscheidungsbaums betrachtet werden: In der ersten Situation (A.) haben die Parteien keine Lösungsrechte vereinbart, sodass die gesetzlichen Regelungen greifen. Der Insolvenzverwalter hat über das weitere Schicksal des Vertrags zu entscheiden: 1. Der Verwalter kann die Erfüllung, d.h. die Fortsetzung des Vertragsverhältnisses verlangen. In diesem Fall erhält der Vertragspartner quasi nach Verfahrenseröffnung eine privilegierte Forderung. Je nach Rechtsordnung werden sogar die vorinsolvenzlichen rückständigen Forderungen beglichen. Formal hat der solvente Vertragspartner einen quasi vollständigen Schutz und der ursprünglich angelegte Vertragswert kann sich realisieren. 2. Lehnt der Verwalter die Erfüllung ab, schützt das Insolvenzrecht vor einer weiteren Leistungserbringung, ohne die Gegenleistung zu erhalten. Der Vertragspartner kann seinen Nichterfüllungsschaden als unprivilegierte Insolvenzforderung anmelden. Statistisch erhält er eine Quote von 3-5 %. Die vorinsolvenzlichen Verluste sind ebenfalls nur als Insolvenzforderung zu qualifizieren. 3. Schließlich kann bei Vertragsfortführung in seltenen Fällen Masseunzulänglichkeit eintreten, sodass sogar die privilegierten Masseverbindlichkeiten nicht mehr vollständig beglichen werden können. Die Insolvenzforderungen (hier der Schadensersatzanspruch) sind vollständig abzuschreiben. Statistisch ist die Wahrscheinlichkeit für diese Situation gering. Nach bislang unveröffentlichten Zahlen der statistischen Landesämter von Baden-Württemberg sind bei Unternehmensinsolvenzen in den Verfahren der letzten Jahre nur ca. 2 % der absonderungsberechtigen Forderungen bzw. 8 % der quotenberechtigten Forderungen nachträglich von einer Einstellung mangels Masse bzw. wegen Masseunzulänglichkeit betroffen. Trettnak und Höfer gehen daher völlig zutreffend davon aus, dass das Risiko der Masseunzulänglichkeit nicht empirisch überbewer-

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tet werden sollte.160 Damit ist die Gefahr äußerst gering, dass im Verlauf der Insolvenz noch mehr Verluste auftreten als bereits durch den unvermeidbaren Eintritt der Insolvenz. Hinzukommt, dass beispielsweise in Deutschland eine persönliche Haftung nach § 61 InsO droht, wenn der Insolvenzverwalter schuldhaft Masseverbindlichkeiten eingeht, ohne die hinreichende Deckung aufzuweisen.

In der zweiten Situation (B.) vereinbaren die Vertragsparteien eine Lösungsklausel. Damit ist es der solventen Vertragspartei im Insolvenzfall möglich, aus dem Vertrag auszuscheiden. 1. Wird der Vertrag beendet, sind keine (zusätzlichen) Verluste hinzunehmen, wie sie beipielsweise bei einer Masseunzulänglichkeit eintreten könnten. Dem solventen Vertragspartner steht allerdings auch kein Schadensersatzanspruch zur Insolvenzquote zu. 2. Sofern es der solvente Vertragspartner nicht ablehnt mit dem Insolvenzschuldner die Geschäftsbeziehung aufrecht zu erhalten, steht es ihm nach der Vertragsbeendigung frei, neuzuverhandeln und für sich einen höheren Vertragswert zu erzielen. 3. Als dritte Variante ist denkbar, dass die Vertragsparteien den Vertrag unverändert fortführen, obwohl sie eine Lösungsklausel vereinbart haben. In diesem Fall entscheidet der Insolvenzverwalter wie unter der ersten Situation über den Vertrag.

In beiden Situationen kann es zur gesetzlich vorgesehenen Entscheidung über das Vertragsschicksal durch den Verwalter kommen. Wählt der Insolvenzverwalter die Nichterfüllung, ist dies für den solventen Vertragspartner insoweit vorteilhaft, als er mit einer hohen Wahrscheinlichkeit einen Anspruch auf einen niedrigen Schadensersatzanspruch als Insolvenzforderung erhält. Demgegenüber steht mit einer niedrigen Wahrscheinlichkeit der Fall der Masseunzulänglichkeit. In diesem Fall ist als ungesicherter Insolvenzgläubiger der Totalausfall zu erwarten. Bei der privatautonomen Kündigung (Situation B.) entfällt die Schadensersatzforderung. Allerdings stellt sich der Vertragspartner damit nicht schlechter als bei einem Totalverlust infolge von Masseunzulänglichkeit. In diesen Vergleichspunkten bringt die Lösungsklausel keine unmittelbaren Vorteile gegenüber der gesetzlichen Abwicklung; im Gegenteil entfällt bei der privatautonomen Kündigung sogar die Chance auf Schadensersatz. Wünscht der solvente Vertragspartner die Vertragsabwicklung, hat er die Wahl zwischen der schnellen entschädigungslosen Kündigung und der länger dauernden Abwicklung über den Insolvenzverwalter. Dabei ist zu beachten, dass die insolvenzrechtlich vorgesehene Abwicklung mit überwiegender Wahrscheinlichkeit dem solventen Vertragspartner keine weiteren Verluste in der Insolvenz bringt und er sogar die Chance auf eine quasi verlustfreie Fortführung des Vertrags hat (Erfüllungswahl durch den Verwalter). Das Insolvenzrecht schützt insofern den Vertragspartner. Thole hält dieses Bild zwar für täuschend, da das Wahlrecht mit „gewissen

160

Trettnak/Höfer, ZIK 2010, 204, 206.

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Kapitel 2: Rechtsvergleichende Analyse

Unsicherheiten“ verbunden sei.161 Es kann allerdings gezeigt werden, dass diese Bedenken nicht zwingend sind (vgl. ausführlich § 7, C., III., 4.). Sofern nur diese Entscheidungsoptionen betrachtet werden, erscheint eine Lösungsklausel nicht unbedingt rational. Der Entscheidungsbaum legt jedoch in der Situation B. entscheidend die Möglichkeit der Kündigung mit anschließendem Neuabschluss des Vertrags offen. Dies lässt Lösungsklauseln in einem für den solventen Vertragspartner günstigeren Licht erscheinen. So ist es nicht verwunderlich, dass die Situation B. der allgemeinen Vertragspraxis entspricht, da die gesetzlichen Handlungsoptionen durch die Neuverhandlungsmöglichkeit erweitert werden. Sofern keine automatische Vertragsauflösung vereinbar wurde, resultiert aus der Lösungsklausel eine zusätzliche, attraktive Handlungsoption für den Vertragspartner. Zwar spielt der Insolvenzverwalter bei der Fortführung des Vertrags mit oder ohne Lösungsklausel letztlich die entscheidende Rolle. Jedoch verbessert der solvente Vertragspartner seine Verhandlungsposition – insbesondere wenn der Verwalter von der konkreten Vertragsleistung abhängig ist. Bei der gesetzlichen Fortsetzung mittels Wahlrecht des Verwalters würde nur das ursprünglich angelegte Synallagma erhalten. Der Vertragspartner könnte maximal volle Befriedigung erreichen, wie bei ursprünglichem Vertragsschluss geschuldet. Die Lösungsklauseln wirken daher vor allem dann zum Vorteil der solventen Vertragspartei, wenn der Insolvenzverwalter auf die Leistung dringend angewiesen ist und er einer Zwangslage ausgesetzt ist. Der Vertragspartner erlangt durch die Lösungsklausel die Chance, die Vertragskonditionen zu verbessern. Alles in allem ist zu erkennen, weshalb Lösungsklauseln durchaus einer rationalen Entscheidung des solventen Vertragspartners entsprechen kann. Lösungsklauseln können einer rationalen, aber vor allem auch eigennützigen Motivation entspringen. Entscheidend ist stets die konkrete Vertragssituation in der Insolvenz. Gleichwohl können auch andere Motive und psychologische Präferenzen erklären, dass sich risikoaverse bzw. unsicherheitenaverse Vertragspartner für insolvenzbezogene Lösungsklauseln entscheiden. Gerade in den Fällen, in denen keine Neuverhandlung zu erwarten ist, kann nicht unbedingt aus rationalen, sondern vielmehr psychologischen Gründen eine Erklärung für Lösungsklauseln geliefert werden. 2. Ex post-Auswirkungen Die vorstehend aufgezeigten Handlungsvarianten rücken den Fokus auf die Neuverhandlungssituation bzw. die ex post-Betrachtung. Dabei ist festzuhalten, dass Lösungsrechte bereits entstandene Verluste nicht beseitigen können und damit rückwirkend keine Sicherung für den Vertragspartner gewähren. 161

Thole, in: Privatautonomie und Insolvenzrecht, S. 271.

§ 7 Vertragsfreiheit – ökonomische Argumente

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Der Vertrag kann nur für die Zukunft beendet werden. Für die Zukunft sind gesetzliche Schutzmechanismen aber bereits vorgesehen, um den Vertragspartner vor weiteren Verlusten zu schützen (vgl. § 2). Allein im statistisch seltenen Fall der Masseunzulänglichkeit können Verluste durch eine rechtzeitige Vertragsbeendigung begrenzt werden. a) Neuverhandlung und der Grundsatz pacta sunt servanda Grundsätzlich gilt das Prinzip pacta sunt servanda. Die Parteien sind an einen eingegangenen Vertrag gebunden. Lösungsklauseln gestatten in der Insolvenz einseitig, die in dem Vertrag angelegten Vertragswerte zu entziehen. Damit werden die Vertragsvorteile entzogen, die dem Schuldner im gewöhnlichen Vertragslauf und folglich der Insolvenzmasse zugestanden hätten. Würde der Verwalter die Erfüllung wählen, kann damit eine Vermögensposition nicht zugunsten der Gläubigergesamtheit realisiert werden. Sind diese vertraglichen Leistungen sanierungsrelevant, wirkt sich die Lösungsklausel zulasten der Gläubigergemeinschaft aus: Die Sanierung wird gefährdet, was wohlfahrtsökonomische Effizienzverluste bedeuteten kann.162 Die unverzügliche Vertragsfortführung und Leistungserbringung kann entscheidend sein, um den Betrieb kontinuierlich fortzuführen. Eine Neuverhandlung kann an liquiden Mitteln und an notwendiger Zeit scheitern.163 Damit kann die Ausübung einer Lösungsklausel unmittelbare Auswirkungen auf die anderen Gläubiger haben. Zwar können die Vertragsparteien normalerweise einen Vertrag privatautonom wieder beenden. Jedoch ist zu beachten, dass Lösungsklauseln die Befriedigungschancen und Quoten der Gläubiger beeinflussen und insoweit fremdbestimmend wirken (§ 6, B., III.). Hat sich der Vertrag bis zur Insolvenz positiv entwickelt, spricht prima facie auch nichts für eine Beendigung in der Insolvenz. Vor den sich aufdrängenden Insolvenzrisiken wird der Vertragspartner grundsätzlich durch die Schutzmechanismen des Insolvenzrechts geschützt. Der Vertragspartner muss nicht weiter leisten, wenn nicht auch die weitere Gegenleistung sichergestellt wird. Relevantes Instrument ist hierfür das Wahlrecht des Insolvenzverwalters. Das ursprünglich angelegte Synallagma wird erhalten. Sollte sich der Vertrag nachteilig bis zum Insolvenzfall entwickelt haben, stellt sich die Frage, warum diese Situation dem solventen Vertragspartner eine besondere Fluchtmöglichkeit verschaffen soll. Ohne die Insolvenz wäre der Vertragspartner gebunden gewesen: pacta sunt servanda. Sofern Lösungsklauseln verboten sind, wird in dieser Situation ein strategisches Verhalten des solventen Vertragspartners ausgeschlossen. Das normale Vertrags-

162

Pilgram, Ökonomische Analyse der bundesdeutschen Insolvenzordnung, S. 131. Vgl. Robert-Tissot, IILR 2012, 234, 247; Hahn, 13 U. Pa. J. Bus. L. 723 (2011), 731 Suchak, International Corporate Rescue (LJI) 2011, 131, 132. 163

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Kapitel 2: Rechtsvergleichende Analyse

recht sieht eine veränderte Marktlage nicht als hinreichenden Kündigungsgrund an.164 Nach alledem spricht einiges dafür, dass sich in einer Vertragsfortsetzung in der Insolvenz das allgemeine Insolvenzrisiko verwirklicht. Dabei schafft das Insolvenzrecht einen ausgeglichen und hinreichenden Schutz beider Vertragsparteien, wobei das ursprüngliche Synallagma erhalten wird. Lösungsklauseln schützen hingegen nur den solventen Vertragspartner – zulasten des Synallagmas und zulasten der Gläubigergesamtheit. Die bestmögliche Gewähr für die Gemeinschaft trägt letztlich der Verwalter, um über das Schicksal des Vertrags in der Insolvenz zu entscheiden. Er hat das vertragliche Synallagma zu schützen und haftet beispielsweise in Deutschland persönlich, sofern ihm das schuldhaft nicht gelingt, vgl. § 61 InsO. Die Masse kann die bestehenden Vertragsleistungen in Anspruch nehmen. Ein Aspekt ist in den Erwägungen bislang unberücksichtigt geblieben. Durch den Eintritt der Insolvenz verändert sich die Informationslage über die Zahlungsfähigkeit der Vertragsparteien; möglicherweise hat sich auch bereits ein Teil des Insolvenzausfallrisikos für vorinsolvenzliche Forderungen realisiert. Angepasste Informationen führen regelmäßig zu vertraglichen Anpassungen und Neubewertungen. Höhere Gefahren verändern beispielsweise die Prämien des Versicherungsvertrags. Die Lösungsklauseln ermöglichen letztlich die vertragliche Anpassung, kombiniert durch eine Neuverhandlung. Allerdings geht es anders als beispielsweise bei Versicherungsverträgen nicht um andere zukünftige Risiken und einen veränderten Schadensbedarf, die sich erhöhen – es realisiert sich schlicht das ursprüngliche Insolvenzrisiko. Mögliche Preisauswirkungen, die durch ein Verbot von Lösungsklauseln ausgelöst würden, sind von der Allgemeinheit bzw. dem Markt zu tragen, da die erhaltenen Sanierungschancen wohlfahrtsfördernd wirken. b) Neuverhandlung und Externalitäten „Die Nicht-Erfüllung spielt in der ökonomischen Vertragstheorie eine wichtige Rolle. Hat der Schuldner nur Pech gehabt, besteht Anlass zur Neuverhandlung (renegotiation), einem wichtigen Element der Vertragstheorie. War er indessen unfähig, somit ein sozusagen ‚ungeeigneter Eigner‘ seiner Güter, werden ihm diese im Konkurs entzogen. Dies dient nicht nur der Strafe und Abschreckung, sondern der ‚effizienten Allokation der Produktionsmittel‘.“165 “Ipso facto clauses can, therefore, give suppliers considerable leverage against administrators to get paid ahead of other creditors, thereby disrupting the administration process. Where the supply is essential to the survival of the business, the potential for abuse by suppliers is even greater.”166

164

Vgl. Nimmer, 54 U. Colo. L. Rev. 507 (1983), 532 („Regret contigency“). Birchler, 2003, S. 14. 166 Suchak, International Corporate Rescue (LJI) 2011, 131, 132. 165

§ 7 Vertragsfreiheit – ökonomische Argumente

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Neben dem im vorigen Abschnitt behandelten realen Entzug der bestehenden Vertragswerte, bieten Lösungsklauseln den solventen Vertragspartnern eine besondere Chance, den Vertrag neuzuverhandeln und ihre Position damit auch potentiell zu verbessern. Dies gilt unabhängig, ob der Vertrag sich bislang nachteilig oder vorteilhaft entwickelte. So erkennt Hoenig in Lösungsrechten zwei Möglichkeiten für den solventen Vertragspartner: Einmal Druck in der Insolvenzsituation aufzubauen und einmal Verluste zu begrenzen.167 Für jeden Vertragspartner subjektiv betrachtet, ist es nachvollziehbar und sinnvoll, eine Lösungsklausel zu nutzen, um seine Verhandlungsposition zu stärken und bessere Vertragsbedingungen zu verhandeln. Während Insolvenzverfahren ist der Marktzugang für den Verwalter regelmäßig so beschränkt, sodass der solvente Vertragspartner eine asymmetrische Verhandlungsmacht erhält und damit zu seinen Gunsten Sondervorteile verhandeln kann. Insbesondere wenn der Insolvenzschuldner von dem Vertrag abhängig ist, wird er gute Erfolgschancen für bessere Vertragsbedingungen haben.168 Annehmbare Bedingungen sind kaum zu verhandeln.169 „Sollten allerdings der Masseverwalter und der Gegner einhellig eine Vertragsabwicklung vorziehen, sind sie ohnedies nicht gehindert, einen neuen Vertrag abzuschließen. Insofern ist diese Frage, abgesehen von einer etwaigen Gebührenproblematik, wenig praxisrelevant.“170

Zwar steht außer Frage, dass die Parteien einvernehmlich neue Verträge schließen können. Jedoch zeigt bereits die empirische Untersuchung in England (§ 3, E., II., 2.), dass nicht nur eine unbedeutende Gebührenproblematik mit dem Neuabschluss verbunden ist. In England wurden wegen Lösungsklauseln in Versorgungsverträgen erhebliche Preissteigerungen durchgesetzt. Auch nach Aussagen schweizerischer Anwälte sind Lösungsklauseln wichtig: Natürlich sei man bereit, neue Verträge zu schließen, natürlich aber auch zu höheren Preisen. Es entspricht insofern durchaus der individuellen Rationalität des einzelnen Vertragspartners, seinen eigenen Nutzen zu maximieren, ohne auf andere Gläubiger Rücksicht zu nehmen: Er kann die Vertragsbeendigung – also die Lösungsklauseln – zu einer Neuverhandlung einsetzen.171 Das Verhalten könnte gar als opportunistisch bezeichnet werden. Die Neuverhandlung einiger Vertragspartner um bessere Vertragsbedingungen bedeutet gleichzeitig schlechtere Vertragsbedingungen für die Insolvenzmasse und damit weniger Liquidität. Dies reduziert wiederum die Wahr-

167

Hoenig, RdW 2013, 515, 518. Vgl. BGH, Urt. v. 15.11.2012 – IX ZR 169/11, BGHZ 195, 348, hierzu § 3, A., II. 169 Nimmer, 54 U. Colo. L. Rev. 507 (1983), 540. 170 Nur lapidar Bollenberger, ÖBA 2006, 879, 881. 171 Widhalm-Budak, in: IRÄG 2010, S. 23, 25; Konecny, ZIK 2010, 82, 84: Lösungsklauseln führen zu einer ungerechtfertigten Besserstellung einzelner Gläubiger. 168

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scheinlichkeit der Unternehmensrettung. Eine reduzierte Wahrscheinlichkeit der Unternehmensfortführung hat zwei weitere Auswirkungen: Erstens ist eine reduzierte Fortführungswahrscheinlichkeit nachteilig für alle anderen Gläubiger, deren Befriedigungschancen von der Sanierung abhängen. Zweitens wird es unwahrscheinlicher, dass ein Vertrag überhaupt fortgesetzt wird, wenn das Unternehmen wegen fehlenden Sanierungsaussichten zu liquidieren ist. Damit reduziert sich die Chance, dass sich der Insolvenzverwalter für die Option „Neuverhandlung“ nach einer ausgeübten Lösungsklausel entscheidet bzw. entscheiden kann. Der individuell rationale Vorteil der Lösungsklausel kann sich dann in sein Gegenteil verkehren. Sofern mehrere Vertragspartner individuell aufgrund von Lösungsklauseln handeln, können sich die Effekte kumulieren und die Fortführungswahrscheinlichkeit sinkt insgesamt. Kollektiv rational würden sich die Akteure verhalten, wenn sie bestrebt wären, die Summe des Einzelnutzens für alle zu maximieren. Dies könnte beispielsweise durch eine Sanierung erreicht werden, wenn die Mehrzahl oder alle Gläubiger zusammenwirken, auf Sondervorteile verzichten und damit den Nutzen aller erhöhen. Lösungsklauseln können letztlich dazu führen, dass eine Rationalitätenfalle entsteht, indem das kollektiv und individuell rationale Handeln auseinanderfällt. Es handelt sich um ein klassisches public goodProblem bzw. coordination-Problem. Aus diesem Grund besteht grundsätzlich die verpflichtende Teilnahme am kollektiven Insolvenzverfahren, um den Gesamtnutzen zu steigern. Der Sondervorteil des lösungsberechtigten Vertragspartners, wird besonders deutlich, wenn die Gläubigergesamtheit einen Forderungsausfall hinzunehmen hat. In diesem Fall führt jeder neuverhandelte Sondervorteil eines Gläubigers zu einer Vergrößerung des Ausfalls der Gläubigergemeinschaft. Dabei kann die Neuverhandlung nicht nur zu verbesserten Vertragskonditionen führen, sondern der Neuabschluss auch davon abhängig machen, dass die rückständigen Verbindlichkeiten beglichen werden. Auch dies führt zu einem Sondervorteil einzelner Vertragspartner vor den anderen Gläubigern. Allein in dem unwahrscheinlichen Fall, dass alle Gläubiger im Insolvenzverfahren voll befriedigt würden, wirkt sich ein durch Neuverhandlung erlangter Sondervorteil nicht aus. Dass eine umfassende Befriedigung regelmäßig unmöglich ist, liegt jedoch in der Natur des Insolvenzverfahrens. Lösungsklauseln können dem Gläubiger die Kontrolle über das Vertragsschicksal einräumen und gleichzeitig versuchen, ein mögliches Schuldnerfehlverhalten und schlechtes Management zu verhindern – vorausgesetzt ist allerdings stets, dass der Schuldner die Kosten trägt.172 Die mittelbaren Wirkungen und Kosten der Lösungsklausel auf die Sanierung tragen jedoch die ungesicherten Gläubiger. Da der Schuldner bei Vertragsschluss keinen Anreiz 172

Jackson, The Logic and Limits of Bankruptcy Law, S. 42 f.

§ 7 Vertragsfreiheit – ökonomische Argumente

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hat, gegen die Klausel vorzugehen, trägt den Schaden im Insolvenzfall gerade nicht mehr der Schuldner, sondern die Gläubigergesamtheit.173 Der Vorteil von Lösungsklauseln für einen Vertragspartner hat gleichzeitig mittelbar Nachteile, sog. Externalitäten, bei anderen Gläubigern.174 Dies bedingt die Knappheitssituation in der Insolvenz. Die von Lösungsklauseln begünstigte Neuverhandlung bedeutet durch die mittelbaren Auswirkungen auf die anderen Gläubiger eine Art der Fremdbestimmung. 3. Ex ante-Auswirkungen Nach den Auswirkungen in der Insolvenzsituation ist das Augenmerk auf die ex ante-Situation zum Zeitpunkt des Vertragsschlusses zu legen. a) Preisauswirkungen Verbote von Lösungsklauseln bieten einen individuellen Vorteil gegenüber dem solventen Vertragspartner. Damit ist zunächst nicht ausgeschlossen, dass das Insolvenzregime Auswirkungen auf die ex ante-Preisbildung haben kann. Es ist davon auszugehen, dass die Parteien einen für beide Seiten vorteilhaften Vertrag schließen – er ist pareto-optimal. In den Vertragsverhandlungen bewerten die Parteien das wechselseitige Insolvenzrisiko und preisen dies in die Vertragsbedingungen ein. Wenn die Lösungsklauseln ex ante die gleichen Auswirkungen auf den Preis haben wie die obigen ex post-Nachteile, werden diese Externalitäten internalisiert.175 Che und Schwartz versuchten zu zeigen, dass Lösungsklauseln eben diese positiven Auswirkungen auf die ex ante-Preisbildung haben. Lösungsklauseln würden einen entschädigungslosen Vertragsausstieg gestatten, sodass der Vertragspartner nicht zur Leistung verpflichtet ist, sollte er im Insolvenzfall nicht mehr leisten möchten.176 Theoretisch ist nachvollziehbar, dass eine Vertragsbeendigungsoption einen preisreduzierenden Effekt haben kann. Aus der Existenz von Lösungsklauseln in der Vielzahl von Verträgen könnte sich ableiten lassen, dass die Klauseln einen Nettonutzen aufweisen.177 Insofern entsprächen Lösungsklauseln einer Art Sicherungsrecht, das sich positiv auf die Vertragsbedingungen auswirkt.178 Gegen diese Argumentation sind jedoch erhebliche Bedenken angezeigt. Erstens darf mit den Kritikern von Che/Schwartz ein erheblicher ex anteEffekt bezweifelt werden. Hierfür spricht zunächst, dass die Insolvenzsituati173

Jackson, The Logic and Limits of Bankruptcy Law, S. 42 f. Jackson, 91 Yale L.J. 857 (1982), 890; Kreitner, 6 Theoretical Inq. L. 59 (2005), 107; vgl. Pilgram, Ökonomische Analyse der bundesdeutschen Insolvenzordnung, S. 131. 175 Jackson, 91 Yale L.J. 857 (1982), 891. 176 Schwartz, 107 Yale L.J. 1807 (1998), 1846 f. 177 Jackson, 91 Yale L.J. 857 (1982), 891. 178 Thole, in: Privatautonomie und Insolvenzrecht, S. 292 u. 294. 174

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on zum Zeitpunkt eines Vertragsschlusses im gewöhnlichen Geschäftsgang regelmäßig zu hypothetisch (too remote) ist, als dass die Vertragsfortführung im Insolvenzfall entscheidende Auswirkungen auf den Preis hätte. Die preiskritische Vertragssituation entsteht dann, wenn sich im Insolvenzfall das vertragliche Wertverhältnis nachteilig für den solventen Vertragspartner entwickelt hat. Für eine nachteilige Preisentwicklung muss daher die (niedrige) Wahrscheinlichkeit des Insolvenzfalls mit der (spekulativen) Wahrscheinlichkeit einer nachteiligen Vertragsentwicklung kombiniert werden.179 Im Ergebnis dürfte der Eintritt dieser Kombination im Verhältnis zu anderen denkbaren Situationen beschränkte Preisauswirkungen haben. Eine vorteilhafte Vertragsentwicklung dürfte hingegen in der Wahrscheinlichkeitsberechnung keine oder höchstens geringe ex ante-Preisauswirkungen haben, da sonst durch Lösungsklauseln vor allem unverhoffte Gewinne durch Neuverhandlungen eingepreist würden. Zweitens muss die wirtschaftliche Rechtfertigung von Lösungsklauseln hinterfragt werden, wenn eine Neubewertung des Vertragsverhältnisses bei veränderten Marktpreisen ex ante eingepreist werden soll. Solche Situationen können auch durch andere Mittel ohne insolvenzspezifische Nachteile reduziert werden: Risiken können diversifiziert und systemische Marktrisiken können durch kürzere Vertragslaufzeiten reduziert werden.180 Insofern können diese Risiken auch anders als durch Lösungsklauseln abgesichert werden. Drittens setzt die Hypothese der ex ante-Vorteile einen rationalen Vertragspartner voraus, wenn allein die denkbaren ex ante-Auswirkungen Existenz und Legitimation von Lösungsrechten erklären sollen.181 Rein rationale Akteure sind jedoch selten. Inwiefern allgemeine, subjektive Unsicherheitsfaktoren der Insolvenz und nur bedingt rationale Entscheidungen bei Vertragsschluss eingepreist werden, ist allgemein kaum quantifizierbar. Wenn jedoch wirtschaftspsychologische Erklärungen bei irrational handelnden Akteuren die Existenz von Lösungsklauseln erklären und Lösungsklauseln damit in Situationen ohne ex ante-Vorteile denkbar sind (vgl. § 7, C., III., 4.), ist die Hypothese des Ausgleichs der ex post-Nachteile fraglich. Viertens konnte Ayotte zeigen, dass eine effiziente Vertragsdurchführung nicht alleine durch das Ergebnis der Vertragsverhandlung geschützt werden kann, wenn die Unternehmung den persönlichen Einsatz des Unternehmers erfordert.182 Damit wird bereits für einen Teil der Unternehmensinsolvenzen, in denen die persönlichen Leistungen der Geschäftsführer im Vordergrund

179

Kreitner, 6 Theoretical Inq. L. 59 (2005), 105 f. Jackson, 91 Yale L.J. 857 (1982), 887 f.; Jackson, The Logic and Limits of Bankruptcy Law, S. Fn. 36. 181 Hierauf basierend Thole, in: Privatautonomie und Insolvenzrecht, S. 293. 182 Ayotte, 23 Journal of Law, Economics, & Organization 161 (2007), 180. 180

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stehen, infrage gestellt, dass ex ante und ex post-Vorteile überhaupt kongruent sein können. Fünftens ist zu berücksichtigen, dass sich Lösungsklauseln beispielsweise in den USA historisch durchgesetzt haben, um überhaupt eine am Insolvenzverfahren teilnahmefähige Forderung zu erlangen.183 Auch war die Bedeutung in Liquidationsfällen nicht so hoch, wie sie heute in Reorganisationsfällen ist. Die Vielzahl an ungewissen Faktoren sprechen, wenn überhaupt, dann nur für eine geringe Preisauswirkung, zumal im Zeitpunkt des Vertragsschlusses die Wirkungsrichtung der Lösungsklausel noch nicht klar sein muss: Es ist noch nicht vorbestimmt, welche Partei in die Insolvenz fallen wird. Damit ist auch zu relativieren, in welche Richtung sich der Preis auswirkt. Vielmehr sind die wechselseitigen Insolvenzrisiken mit zu berücksichtigen. Die Wirksamkeit von Lösungsklauseln wäre nur dann legitim, wenn der ex anteNutzen der Klauseln höher ist, als der ex post-Nutzen der Verbote von Lösungsklauseln. Der konkrete Vorteil von Lösungsklauseln in der ex anteVertragsschlusssituation ist empirisch kaum nachzuweisen und schlussendlich nicht in gleicher Höhe wie die ex post-Effekte zu erwarten. Es liegt nahe, dass die Auswirkungen unterschiedlich hoch sind, sodass entstehende ex post-Externalitäten nicht vollständig internalisiert werden. Die durch Lösungsklauseln erzielten Preissteigerungen im Insolvenzfall, wie in englischen Energielieferungsverträgen von bis ca. 50 %, dürften die denkbaren ex anteAuswirkungen auf den Preis überkompensieren und zu erheblichen Umverteilungen zulasten der Gläubigergesamtheit beitragen. Selbst wenn Lösungsklauseln Preiseffekte aufweisen, bleibt es spekulativ, inwieweit Nachteile von Verboten der Lösungsrechten letztlich auf andere Vertragspartner umgelegt und Verträge allgemein teurer werden. In der Insolvenz profitieren zwar zunächst die ungesicherten Insolvenzgläubiger von Lösungsverboten, was wiederum die Sanierungschancen erhöht – schlussendlich profitieren davon bei einer erfolgreichen Sanierung alle Gläubiger.184 b) Investitionsanreize Lösungsklauseln werden teilweise als finanzielle Kontrollklauseln (policing) betrachtet.185 Sie sollen opportunistisches Verhalten des Schuldners in der Insolvenz unterbinden, und zwar nicht, indem tatsächliches Fehlverhalten durch die Vertragsbeendigung sanktioniert wird, sondern vielmehr durch eine generalpräventive Abschreckung. Der Schuldner soll vorsichtig wirtschaften, da in der Insolvenzsituation der Vertragspartner kostengünstig den Vertrag

183

Jackson, 91 Yale L.J. 857 (1982), Fn. 156; vgl. § 3, E., I., 1. Hahn, 13 U. Pa. J. Bus. L. 723 (2011), 744. 185 Jackson, 91 Yale L.J. 857 (1982), 888 f.; Jackson, The Logic and Limits of Bankruptcy Law, S. 41 f. 184

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beenden kann.186 Sie sollen risikoaffine Tätigkeiten verhindern.187 Die Vorteile aus günstigen Vertragsbedingungen sollen dem Schuldner nur außerhalb der Insolvenz zugutekommen und auf diese Art disziplinieren bzw. drohend wirken, dass die Fortführung in der Insolvenz erschwert wird und damit die richtigen Investitionsanreize gesetzt werden.188 Die Investitionsanreize können allerdings nicht vollständig wirken, da Lösungsklauseln im Insolvenzfall nachteilige Auswirkungen auf die anderen Gläubiger haben – diese müssen letztlich die Nachteile tragen (diverse ownership).189 Weiter werden Insolvenzen nicht nur von fehlerhaften Investitionsentscheidungen ausgelöst, sondern können auch andere exogene Faktoren haben – wie die Insolvenz eines Zulieferers. Solche Insolvenzursachen werden nicht durch die vermeintlichen Anreize von Lösungsklauseln abgewendet. Letztlich sind Lösungsklauseln u.a. in den USA und Frankreich seit Jahren verboten, ohne dass sich Investitionsdefizite auf ein solches Verbot zurückführen lassen. Insofern bleiben mit Lösungsrechten verbundene Investitionsanreize fraglich. c) Verhandelbarkeit Ferner ist zu bezweifeln, inwiefern Lösungsklauseln überhaupt verhandelbar sind. Für den Schuldner besteht regelmäßig ein zu geringer Anreiz, um sich bei Vertragsverhandlungen gegen Lösungsklauseln zu stellen.190 Der Schuldner bzw. das Management verliert selbst die Kontrolle über das Unternehmen, sodass kaum ein Interesse besteht, über den Insolvenzfall zu verhandeln. Beginnen die Vertragsparteien über Klauseln zu verhandeln, die einen Insolvenzbezug aufweisen, kann allein die Nachfrage ex ante zu Vertragsstörungen führen.191 Wird über eine Klausel verhandelt, teilen die Verhandler Informationen mit. Bei insolvenzbezogenen Lösungsklauseln schwingt die Sorge über eine künftige Insolvenz mit. In Vertragsverhandlungen wird aber regelmäßig vermieden, genau solche Informationen an die Gegenseite zu geben. Es liegt insofern eine asymmetrische Informationslage vor. Bei solchen ungleichen Informationslagen können gesetzliche Verbote, die solche nachteiligen Signalwirkungen zwischen den Parteien unterbinden, wohlfahrtsfördernd wirken.192 Außerdem blendet der potentielle Schuldner seine eigene zukünftige Insolvenz eher aus. Der Gedanke, dass der potentielle Schuldner irgendwann ein186

Che/Schwartz, J.L. Econ. & Org. 441 (1999), 441. Jackson, 91 Yale L.J. 857 (1982), 888. 188 Thole, in: Privatautonomie und Insolvenzrecht, S. 294. 189 Jackson, The Logic and Limits of Bankruptcy Law, S. 42. 190 Nimmer, 54 U. Colo. L. Rev. 507 (1983), 541. 191 Aghion/Hermalin, 6 J.L. Econ. & Org. 381 (1990), 381. 192 Aghion/Hermalin, 6 J.L. Econ. & Org. 381 (1990), 382. 187

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mal in die Insolvenz fallen kann, ist bei Vertragsschluss kaum gegenwärtig. Letztlich haben die Vertragsparteien keinen Anreiz, über Lösungsrechte zu verhandeln, und auch die benachteiligten Gläubiger haben wegen zu hoher Überwachungskosten keine Chance, gegen Lösungsrechte in anderen Verträgen vorzugehen.193 Sollen daher Lösungsklauseln effizient in der Insolvenz beschränkt werden, ist letztlich ein gesetzgeberischer Eingriff nötig. d) Umgehungskosten Sofern Lösungsklauseln verboten werden, stellt sich die Frage, welche Kosten durch mögliche Umgehungen des Verbots verursacht werden. Die deutsche Praxis hat sich teilweise mit dem Verbot abgefunden. Die Empfehlung der Vertragsjuristen lautet: Frühzeitig wirkende Lösungsklauseln bzw. eine insolvenzunabhängige Lösung zu vereinbaren.194 Je komplexer und frühzeitiger die Vertragsbeendigung ausgelöst wird, desto schwieriger lässt sich feststellen, ob der Tatbestand der Lösungsklausel erfüllt ist – die Insolvenzeröffnung lässt sich hingegen leicht feststellen. Daher könnte eine Umgehungskonstruktion tendenziell kostspielig sein, da die Überwachung des Tatbestands der Lösungsklausel schwieriger wird.195 Denkbar sind beispielsweise Vertragsbeendigungsklauseln, die an eine wesentliche Vermögensverschlechterung oder sonstige Finanzkennzahlen (financial covenants)196 anknüpfen oder allgemeine Kündigungsklauseln, die keinen Insolvenzbezug haben und damit in der Insolvenz grundsätzlich wirksam sind.197 Die Kosten der Überwachung der finanziellen Situation des Vertragspartners hält sich in Grenzen, da in den Unternehmen regelmäßig Bilanzen und sonstige Kennwerte zu erstellen sind. Sicherlich müssen die Bilanzen geprüft werden, aber auch dieser Aufwand scheint bei entsprechender Buchhaltung überschaubar. Anknüpfungen an den Verzug des Schuldners entsprechen der Gesetzeslage (§ 323 Abs. 1 BGB), sodass für eine frühzeitig wirkende Lösungsklausel keine erheblichen Überwachungskosten zu erwarten sind. Gefährdet eine frühzeitige Kündigung allerdings das Unternehmen zusätzlich? Mit Anknüpfung an die wesentliche Vermögensverschlechterung, ist die Unsicherheit verbunden, wann eine Vertragsbeendigung rechtssicher nachweisbar. Insofern bestehen erhebliche Prozessrisiken, sodass die Klausel kaum praktische Bedeutung erlangt.198 Bei entsprechender Interpretation kann das Insolvenzverfahren aber auch beispielsweise ab Antragstellung diesen 193

Jackson, The Logic and Limits of Bankruptcy Law, S. 42. Beispielsweise Löffler, BB 2013, 1283, 1289. 195 Nimmer, 54 U. Colo. L. Rev. 507 (1983), 541. 196 Nimmer, 54 U. Colo. L. Rev. 507 (1983), 542 f. 197 Nimmer, 54 U. Colo. L. Rev. 507 (1983), 542; De Ly, RDAI/IBLW 1997, 801, 582. 198 Löffler, BB 2013, 1283, 1286. 194

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Klauseltyp einschränken (vgl. § 11, B.). Der Spielraum einer frühzeitigen Lösung vom Vertrag bleibt eingeschränkt, da normalerweise nicht beim kleinsten Anzeichen einer wirtschaftlichen Schwäche die Verträge aufgelöst werden. Potentielle Umgehungskosten dürften sich in Grenzen halten, sodass die Kostenauswirkung von Lösungsverboten überschaubar bleibt. Schlussendlich muss entscheidend sein, dass die Parteien nicht immer zu kostspieligen Umgehungskonstruktionen bereit sein werden – insbesondere wenn die Verhandlungsmacht beim Vertragsschluss ebenbürtig ist.199 Damit erhöht ein Verbot von Lösungsklauseln im Endeffekt die Zahl der Verträge, die keine anderweitigen Schutzmechanismen enthalten.200 Gewisse Restfälle an Umgehungsmöglichkeiten können dann aber auch hingenommen werden; insofern müsste die Privatautonomie überwiegen. 4. Pro Lösungsklauseln: die Ungewissheit in der Insolvenz? Die Ungewissheit der Insolvenz dient in vielen Rechtsordnungen als eine Rechtfertigung für die Wirksamkeit von Lösungsklauseln.201 Ein USamerikanisches Insolvenzgericht stützte sich beispielsweise darauf, dass das Wahlrecht des Verwalters bei Lizenzverträgen zu einer nicht hinnehmbaren Ungewissheit für den Vertragspartner führe.202 In den USA – wie in den anderen untersuchten Rechtsordnungen – wird der Hintergrund für die Lösungsklauseln darin gesehen, dass Gläubiger die Folgen und Auswirkungen des Insolvenzverfahrens vermeiden möchten.203 Es ist nicht klar, ob der Verwalter das Vertragsverhältnis fortführen möchte oder nicht. Die vertragliche Bindung in der Insolvenz durch Erfüllungswahl des Verwalters hängt von der wirtschaftlichen Vorteilhaftigkeit des Vertrags ab.204 Ebenfalls ist offen, ob ausreichend liquide Mittel zur Verfügung stehen, um die vertraglichen Ver199

Nimmer, 54 U. Colo. L. Rev. 507 (1983), 543. Nimmer, 54 U. Colo. L. Rev. 507 (1983), 543. 201 Dies sind insbesondere Motive in Deutschland, Schweiz und Österreich. Vgl. Huber, in: MüKo-InsO, § 119, Rn. 18; Huber, ZfIR 2015, 127, 128; Thole, in: Privatautonomie und Insolvenzrecht, S. 271 f. zu Deutschland. Ausführlich zu den Interessen der solventen Vertragspartei: Wortberg, Lösungsklauseln und Insolvenz, S. 5 ff. – identisch Wöllner, Die Wirksamkeit vertraglicher Lösungsklauseln im Insolvenzfall, S. 42 ff. 202 In re Qimonda AG, No. 09-14766-SSM ( Bktrcy E.D. Va. Oct. 28, 2011), GRURInt 2012, 86: Das Wahlrecht gefährde weiter die Innovationsgeschwindigkeit und stelle einen Nachteil für die US-Wirtschaft dar. Daher verstoße das deutsche Wahlrecht nach § 103 InsO gegen den amerikanischen ordre public, da eine Regelung wie in 11 U.S.C. § 365(n) fehle (Fortsetzung des Lizenzvertrags in der Insolvenz). 203 White/Medford, Am. Bankr. Inst. J. 28 (2002), 28. 204 Ausführlich Kernbichler, ÖJZ 2015, 493, 497; auch mit Hinweisen auf andere Interpretationsmöglichkeiten: „Eine Bindung jener Vertragspartner, deren Verträge für das insolvente Unternehmen günstig sind, erscheint diesen damit grundsätzlich auch zumutbar.“ 200

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pflichtungen zu erfüllen. Schließlich drängt häufig die Zeit, bis der Gläubiger Sicherheit über den Fortbestand seiner vertraglichen Austauschbeziehung hat. Gerade in Bauverträgen, die einem hohen Termindruck ausgesetzt sind, kann dies besonders schmerzlich sein.205 a) Wirtschaftliche Interessen an Vertragsbeendigung in der Insolvenz Der Handel mit einem insolventen Unternehmen ist riskanter und zeitaufwendiger.206 Der Vertragswert wird regelmäßig in der Insolvenz reduziert sein; es gibt keine Sicherheit, dass der Insolvenzverwalter die Erfüllung des Vertrags wählt.207 In der Literatur wird ein ganzes Bündel an primär wirtschaftlich motivierten Interessen angeführt, die eine Vertragsbeendigung wegen der Ungewissheitssituation rechtfertigen.208 Letztlich können sie aber weder wirtschaftlich noch juristisch überzeugen: (1) Das Verwalterwahlrecht bringe viele juristische Auslegungsprobleme mit sich. Unklarheiten bei der Auslegung des Verwalterwahlrechts müsste der Gesetzgeber beseitigen. Nur weil eine Norm teilweise unklar interpretiert wird, rechtfertigt dies noch nicht, dass die Parteien das gesetzgeberische Regelungskonzept ignorieren dürfen. (2) Das Insolvenzverfahren verzögere die Vertragsabwicklung, der Vertrag sei mit einem möglicherweise unliebsamen und unbekannten Verwalter abzuwickeln, der vielleicht über mangelnde Sachkenntnis verfüge,209 und die Insolvenz bewirke einen Vertrauensverlust in die Unternehmensführung – sie bringe Chaos in dem Unternehmen mit sich.210 Verzögerte Abwicklungen, eine neue verantwortliche Person – der Verwalter – liegen in der Natur und Systematik des Insolvenzverfahrens. Wären dies ausreichende Interessen, aus dem Gesamtverfahren auszusteigen und seine vertraglichen Pflichten zu ignorieren, hätten die Gesetzgeber auch ein fakultatives Verfahren schaffen können. Die Verfahren sind allerdings allesamt zwingend ausgestaltet und in der Sache wirtschaftlich sinnvoll, wie die Creditors‘ Bargain Theory zeigt.211 Die Insolvenzverwalter werden von Gerichten nach fachlicher Kompetenz bestellt. Wenn diese fehlt, dürften Sanierungen grundsätzlich nie erfolgreich verlaufen. Viele Verträge, wie große Bauverträge, können im Insolvenzfall nicht sofort neuvergeben werden. Vielmehr erfordern diese regelmäßig Ausschrei205

Hoenig, RdW 2013, 515, 516. Schwartz, 107 Yale L.J. 1807 (1998), 1841. 207 Nimmer, 54 U. Colo. L. Rev. 507 (1983), 533. 208 Ausführlich Thole, in: Privatautonomie und Insolvenzrecht, S. 271 f.; Thole, ZNER 2013, 465, 465; Thole, ZHR 181 (2017), 548, 550 f. 209 Adam, DZWIR 2005, 1, 4; Wortberg, Lösungsklauseln und Insolvenz, S. 7. 210 Wöllner, Die Wirksamkeit vertraglicher Lösungsklauseln im Insolvenzfall, S. 42 ff. 211 Hierzu unten § 8, A., II. 206

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Kapitel 2: Rechtsvergleichende Analyse

bungen. Auch sind neue Bauträger oft nur widerwillig bereit, angefangene Gewerke anderer Unternehmer inkl. Gewährleistung hierfür zu übernehmen. Die Fortführung bei einer Sanierung könnte die bessere Möglichkeit sein, um die Interessen der solventen Vertragspartei zu gewährleisten. Damit ist das Festhalten am Vertrag zumutbar, da ein neuer Vertragspartner zunächst gesucht werden muss und ggf. Ausschreibungen erforderlich sind.212 Insgesamt bestehen sicherlich Ungewissheiten in der Insolvenz; diese müssen aber nicht per se nachteilig sein. Oft entsprechen sie den vertraglich angelegten Risikopositionen und können durch Lösungsklauseln nicht geändert werden. Vielmehr besteht im Festhalten am Vertrag sogar die Chance, eine bessere Befriedigung zu erhalten, als dies eine Lösungsklausel ermöglicht. (3) Der Schuldner habe ggf. ein besonderes persönliches Vertrauen in Anspruch genommen. Ein besonderes persönliches Vertrauen ist jedoch nur bei höchstpersönlichen Rechtsgeschäften schutzwürdig; solche Rechtsgeschäfte sind folglich regelmäßig nicht Gegenstand des Verwalterwahlrechts.213 Alle anderen Verträge können auch insolvenzunabhängig von Dritten erfüllt werden. Es erschließt sich nicht, wieso das in der Insolvenz anders sein soll. (4) Schließlich sei der solvente Vertragspartner im Insolvenzverfahren nicht vollständig gesichert, da insbesondere die Gewährleistung oder Wartungsdienstleistungen in der Zukunft unklar blieben.214 Ebenfalls seien die Folgen von nachteiligen Abwicklungsregimen zu vermeiden. Weitere Verluste seien denkbar. In der Insolvenzsituation verhindert aber das Verwalterwahlrecht, dass der solvente Vertragspartner weiter zur Masse leisten muss, ohne eine Gegenleistung zu erhalten – die Einrede des nichterfüllten Vertrags, vgl. § 320 BGB, ist insolvenzfest (vgl. § 2). Das Risiko, wegen Masseunzulänglichkeit auszufallen, ist gering (vgl. § 7, C., III., 1.). Weitere Verluste in der Insolvenz sind überschaubar, zumal der Insolvenzverwalter für eine nicht gesicherte Erfüllungswahl einzustehen hat. Lösungsklauseln können bereits angelaufene Verluste nicht mehr rückgängig machen. Der Vertragspartner hat letztlich nur sein von Vertragsschluss an bestehendes Insolvenzrisiko zu tragen. Kann der Insolvenzschuldner später die Gewährleistung nicht sicherstellen, ist der Vertragspartner durch eine Lösungsklausel nicht besser gestellt. Der Vertragspartner ist in jedem Fall darauf angewiesen, die Gewährleistung durch einen Dritten zu organisieren. Insofern können Lösungsklauseln dieses nach Vertragsschluss und nach Erfüllungsbeginn eingetretene Risiko nicht mehr verhindern. Dabei findet der Vertragspartner auch nicht unbedingt sofort einen neuen Partner für etwaige Wartungsverträge oder Gewährleistungsübernahmen. Schließlich ist es gerade die Aufgabe des In212

Vgl. Kernbichler, JBl 2015, 409, 417. Vgl. Schwörer, Lösungsklauseln für den Insolvenzfall, S. 108. 214 Ebenfalls Wöllner, Die Wirksamkeit vertraglicher Lösungsklauseln im Insolvenzfall, S. 49; Wortberg, Lösungsklauseln und Insolvenz, S. 25; Kernbichler, JBl 2015, 409, 410. 213

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solvenzverwalters, die Erfüllungsmöglichkeiten des insolventen Unternehmens zu bewerten. Diese Entscheidung unabhängig vom konkreten Fall durch eine Lösungsklausel vorwegzunehmen bzw. dem solventen Vertragspartner zu überlassen, scheint nicht gerechtfertigt. Abweichendes kann sich nur ergeben, wenn die Vertragsausführung noch überhaupt nicht begonnen wurde; dann wäre der Vorteil für den solventen Vertragspartner offenkundig: Er könnte das Gewerk ohne Risiken neu vergeben. (5) Mögliche Unannehmlichkeiten sind mit der Insolvenz zweifelsohne verbunden; diese sind aber noch lange kein hinreichendes Gestaltungsinteresse, um Lösungsklauseln zu rechtfertigen. Das Bild der Aversion vor Insolvenzverfahren lässt sich nicht vollständig aus rationalen wirtschaftlichen Argumenten erschließen. Es schwingt vielmehr eine allgemeine Furcht vor der Insolvenz mit. Gesellschaftlich dürfte die Insolvenz immer noch negativ konnotiert sein. In der Insolvenz möchte der Vertragspartner des Gemeinschuldners häufig schlicht nicht mehr an den Vertrag mit diesem gebunden sein.215 Die Vertragsparteien machen sich nicht zwingend Gedanken zur potentiellen Situation in der Insolvenz und setzen sich nicht mit den komplexen Handlungsalternativen in der Insolvenz auseinander. Der Gesetzgeber hat den Vertragspartnern dennoch die Ungewissheit zugemutet. Durch Ausübungsfristen können die Ungewissheiten und Verzögerungen abgemildert werden. b) Ambiguity aversion „Ambiguity aversion may reflect a sense of lacking competence to evaluate a gamble.“216

Die Furcht vor Ungewissheit lässt sich teilweise psychologisch erklären. Wenn die konkreten Wahrscheinlichkeiten für eine Entscheidungsvariante unbekannt sind, besteht ein empirischer Beweis, dass sich Personen avers gegen Ungewissheiten entscheiden.217 Dies ist selbst dann der Fall, wenn eine andere Entscheidung rationaler wäre. Vor allem Informationsdefizite haben negative Auswirkungen und tragen zur Aversion bei.218 Allgemeine Wahrscheinlichkeiten spiegeln den individuellen Fall gerade nicht wider.219 Selbstverständlich dürfen unbekannte Risiken wie die Masseunzulänglichkeit nicht mit einer Wahrscheinlichkeit von null bewertet werden.220 Dennoch sind diese Risiken rational überschaubar. Diesen Risiken wird dennoch aufgrund der „ambiguity aversion“ ein tatsächlich viel höherer Stellenwert eingeräumt.

215

Trettnak/Höfer, ZIK 2010, 204, 205. Farber, 99 The Georgetown Law Journal 901 (2011), 929. 217 Farber, 99 The Georgetown Law Journal 901 (2011), 928. Vgl. das EllsbergParadoxon. 218 Vgl. Segal/Stein, 81 Notre Dame L. Rev. 1495 (2006), 1506. 219 Vgl. Segal/Stein, 81 Notre Dame L. Rev. 1495 (2006), 1509. 220 Farber, 99 The Georgetown Law Journal 901 (2011), 958. 216

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Kapitel 2: Rechtsvergleichende Analyse

Aus der anwaltlichen Beratungspraxis ist bekannt, dass Mandanten sich selbst bei voller Aufklärung über das Insolvenzrecht und bei aufgrund der Vertragssituation gegen null gehenden Risiken für Lösungsklauseln entscheiden und sich die Option auf einen Vertragsausstieg offen halten möchten. Dieses Verhalten kann als ambiguity averse gedeutet werden. c) (Cumulative) Prospect Theory Klassischerweise steht in der ökonomischen Analyse ein rein rationales Handeln zur Nutzenmaximierung im Vordergrund.221 Es geht darum, Entscheidungsoptionen zu wählen, die den höchsten erwarteten persönlichen Nutzen garantieren (Erwartungsnutzenmodell, Expected Utility Theory).222 Rein rationales Verhalten entspricht allerdings nicht immer der Realität.223 Die neue Erwartungstheorie (Prospect Theory)224 erkennt an, dass rationales Handeln durch kognitive Verzerrungen modifiziert wird (bounded rationality). Irrationales Verhalten ist auf besondere Fehlergruppen, den „biases“ zurückzuführen.225 Die Theorie beschränkt sich auf eine deskriptive Beschreibung der Wirklichkeit,226 bei der gewichtete Wahrscheinlichkeiten und die subjektiven Erwartungswerte der Handlungsoptionen verbunden werden.227 Es geht um riskante Entscheidungen, deren Ausgang unbekannt ist. Es ist ferner zwischen Risiko und Unsicherheit zu unterscheiden. Beim Risiko ist die konkrete Wahrscheinlichkeit bekannt; andernfalls liegt eine unsichere Wahl vor.228 Die Cumulative Prospect Theory erfasst beide Entscheidungen, auch unsichere.229 Grundsätzlich verhält sich der Akteur risikoavers; der subjektive Nutzen und nicht die rationale, mathematisch optimale Entscheidung ist maßgeblich.230 So sind verschiedene Neigungen zu risikoaversem und risikofreudigem Verhalten festzustellen:

221

Pilgram, Ökonomische Analyse der bundesdeutschen Insolvenzordnung, S. 5. Schweizer, Kognitive Täuschungen vor Gericht: eine empirische Studie, S. 18 f. 223 Vgl. Posner, 112 Yale L.J. 829 (2003), 863. 224 Daniel Kahneman hat im Jahr 2002 für die Forschungen zur (Cumulative) Prospect Theory den Alfred-Nobel-Gedächtnispreis für Wirtschaftswissenschaften erhalten. 225 Vgl. zur Prospect Theory: Kahneman/Tversky, Econometrica 1979, 263, passim. Die Prospect Theory mit Praxisbeispielen: Camerer, Social Science Working Paper, CIT Pasadena 1 (1998), passim. Zur Cumulative Prospect Theory: Fennema/Wakker, 10 J. Behav. Decis. Mak. 53 (1997), passim und Neilson/Stowe, 24 J. Risk Uncertain. 31 (2002), passim. 226 Schweizer, Kognitive Täuschungen vor Gericht: eine empirische Studie, S. 53. 227 Schweizer, Kognitive Täuschungen vor Gericht: eine empirische Studie, S. 87. 228 Schweizer, Kognitive Täuschungen vor Gericht: eine empirische Studie, S. 87. 229 Vgl. Tversky/Kahneman, 5 J. Risk Uncertain. 297 (1992), 300. 230 Kahneman/Tversky, 39 Am. Psychol. 341 (1984), 341 unter Bezug auf Bernoulli (1738). 222

§ 7 Vertragsfreiheit – ökonomische Argumente

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Menschen zeigen bei gleichen oder höheren Gewinnerwartungen eine Neigung, lieber einen sicheren Gewinn zu erhalten (risikoavers); sie sind risikogeneigt bei der Wahl zwischen einem sicheren Verlust und einem noch höheren Verlustrisiko.231 Ferner wiegen Verluste schwerer als Gewinne in gleicher Höhe (loss aversion).232 Damit sind Verluste subjektiv schmerzhafter.233 Schließlich werden die Wahrscheinlichkeiten für eine Entscheidung oft fehlerhaft beurteilt und damit subjektiv falsch gewichtet.234 Ob ein Gewinn oder Verlust vorliegt, hängt entscheidend vom Referenzpunkt ab: Abweichungen von dem Bezugspunkt werden als Gewinne oder Verluste wahrgenommen (Framing, Darstellungseffekt).235 Der Bezugspunkt wird normalerweise objektiv bestimmt; aber auch Erwartungen und soziale Einflüsse können den Bezugspunkt verändern.236 Auch versuchen Menschen, den status quo zu erhalten; Stabilität wird Veränderungen vorgezogen (status quo bias).237 Die Theorie ist auch auf Transaktionen anwendbar; es kann dann zwischen Vorund Nachteilen inklusive persönlicher Unannehmlichkeiten zu unterscheiden sein.238 Das Zusammenspiel von hohen Verlusten und gleichzeitigen Gewinnerwartungen kann schlussendlich zu suboptimalen Entscheidungen führen.239 Vor diesem Hintergrund der Prospect Theory können Lösungsklauseln und die Fragen der Ungewissheit hinterfragt werden. So ließe sich eine Neigung zum Ausstieg auch dadurch erklären, dass der Akteur geneigt ist, weniger Risiken einzugehen, die in Verlusten resultieren können. Auch da eine Insolvenz regelmäßig negativ konnotiert ist und eine gewisse soziale Ausgrenzung mit sich zieht, könnte der Verbleib in der Insolvenz als größerer Verlust wahrgenommen werden als es vielleicht tatsächlich wäre. Das Wahlrecht

231

Nach der Cumulative Prospect Theory: Risikoavers bei Gewinnen mit hoher Wahrscheinlichkeit und bei Verlusten mit niedriger Wahrscheinlichkeit; risikogeneigt bei Gewinnen mit niedriger Wahrscheinlichkeit und bei Verlusten mit hoher Wahrscheinlichkeit, vgl. Tversky/Kahneman, 5 J. Risk Uncertain. 297 (1992), 306. 232 Kahneman/Tversky, 39 Am. Psychol. 341 (1984), 342. 233 Auch als Dispositionseffekt im Zusammenhang mit Kapitalmarktverhalten von Anlegern bezeichnet, vgl. Camerer, Social Science Working Paper, CIT Pasadena 1 (1998), 2. 234 Tversky/Kahneman, 5 J. Risk Uncertain. 297 (1992), 298; Camerer, Social Science Working Paper, CIT Pasadena 1 (1998), 9. 235 Vgl. Schweizer, Kognitive Täuschungen vor Gericht: eine empirische Studie, S. 56; Kahneman/Tversky, 39 Am. Psychol. 341 (1984), 343 ff., 349. 236 Kahneman/Tversky, 39 Am. Psychol. 341 (1984), 349. 237 Kahneman/Tversky, 39 Am. Psychol. 341 (1984), 348; Schweizer, Kognitive Täuschungen vor Gericht: eine empirische Studie, S. 58; Camerer, Social Science Working Paper, CIT Pasadena 1 (1998), 5. 238 Kahneman/Tversky, 39 Am. Psychol. 341 (1984), 346. 239 Fischer, in: Sanierung und Insolvenz von Unternehmen III: Schwerpunkt: das neue Bankeninsolvenzrecht (Hrsg. Sprecher), Die kreditgebende Bank im Debt-Work-out Prozess ihres Schuldners: Handlungsalternativen und Risiken, S. 28.

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Kapitel 2: Rechtsvergleichende Analyse

dürfte aufgrund seiner Unsicherheiten nicht als ein Gewinn wahrgenommen werden. Der status quo bias könnte erklären, dass versucht wird, den insolvenzfreien Zustand zu erhalten, ohne sich tatsächlich mit den Handlungsalternativen und den Auswirkungen der Insolvenz auseinanderzusetzen. Dieser Bias kann auch erklären, warum Lösungsklauseln heute immer noch weit verbreitet sind: Nachdem sich die Klauseln als weltweiter Marktstandard etabliert haben, sind Veränderungen nur schwer umzusetzen.240 Der erreichte Status wird versucht zu erhalten, auch wenn sich abweichende rationale Entscheidungen ergeben.241 Ohne eine Veränderung der gesellschaftlichen Einstellung zur Insolvenz und eine rein rationale Betrachtung im Einzelfall, scheint auch ein status quo bias privatautonome Lösungsklauseln zu begünstigen. Hinzu kommen Ängste und Neigungen, die Aversionen vor Verlusten und Ungewissheit unterstreichen und damit verhaltenspsychologische Gründe liefern, weshalb Lösungsklauseln vereinbart werden, ohne dass eine rationale Entscheidung im Einzelfall diese tatsächlich erfordern und begründen würde. Die psychologischen Erwägungen können zwar nicht belegen, dass Lösungsklauseln stets irrational sind. In manchen Situationen mögen diese rational sein. Es wird aber zumindest plausibel, weshalb die Klauseln eine weite Verbreitung gefunden haben. IV. Zwischenergebnis Die wirtschaftlichen und die psychologischen Überlegungen können zusammen Fallgruppen erklären, in denen Lösungsklauseln verwendet werden: erstens die Fälle, in denen der Zweck der Lösungsklauseln in einer vorteilhaften Neuverhandlung liegt, zweitens die Fälle, die zu dem Externalitätenproblem zulasten der Gläubigergesamtheit führen und drittens die Sachverhalte, in denen die Vertragsparteien in der Insolvenz die Furcht vor dem Ungewissen sehen. Die letzte Gruppe der Vertragsbeendigung kann sogar für die solventen Vertragspartner wirtschaftlich zweifelhaft sein, wenn diese durch die Kündigung auf Schadensersatzforderungen (im Rang einer Insolvenzforderung) verzichten. Die damit erkaufte Gewissheit muss nicht wirtschaftlich rational sein. Die psychologische Furcht vor dem Ungewissen kann eine Ursache dafür sein, dass quasi in jedem Vertrag eine Lösungsklausel enthalten ist. Damit wird jedoch die Ungewissheit als pauschale Rechtfertigung für Lösungsklauseln fraglich. Dies öffnet den Blick auf den Einzelfall, da es von der besonderen Interessenlage des jeweiligen Vertragstyps in der Insolvenzsituation abhängt, ob eine Lösungsklausel rational ist. Schlussendlich sind auch

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Schweizer, Kognitive Täuschungen vor Gericht: eine empirische Studie, S. 101. Vgl. White/Medford, Am. Bankr. Inst. J. 28 (2002), 28: Aus Gewohnheit werden die Klauseln verwendet. Es wäre aber auch eine Änderung der Rechtslage denkbar. 241

§ 7 Vertragsfreiheit – ökonomische Argumente

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die wirtschaftlichen Begründungen für Lösungsklauseln infrage zu stellen, die auf ein rein rationales Verhalten der Akteure abzielen. Der Gesetzgeber selbst hat im System des Verwalterwahlrechts diese Ungewissheiten begründet. Dies ist gesetzliches Leitbild, das von den Vertragsparteien zu akzeptieren ist.242 Die allgemeine Ungewissheit an sich kann den Ausstieg aus dem Vertrag nicht rechtfertigen; es müssen besondere Umstände hinzukommen (§ 11, A., II.), um sich aus der Zwangsgemeinschaft des Insolvenzverfahrens lösen zu können. D. Stellungnahme und Fazit (1) Die wirtschaftliche Analyse spricht dafür, dass Lösungsklauseln ein erhebliches Störpotenzial für den Erfolg des Insolvenzverfahrens haben können. Ex post wird die Verhandlungsmacht zugunsten des solventen Vertragsteils verschoben, was sich zulasten der Gläubigergesamtheit auswirken kann. Dies spricht für ein Verbot von Lösungsklauseln. (2) Nachteilige ex ante-Auswirkungen von Lösungsverboten sind theoretisch denkbar, jedoch nicht restlos verifizierbar. Erstens wird für eine positive Auswirkung von Lösungsklauseln rationales Handeln der Beteiligten vorausgesetzt. Dies entspricht aber nicht immer der Realität.243 Sicherlich werden manche Regeln des Insolvenzrechts in den Vertragsbedingungen eingepreist (Kreditsicherheiten führen regelmäßig zu niedrigeren Zinsen), hieraus kann aber nicht empirisch abgeleitet werden, dass dies für alle insolvenzrechtlichen Regeln gilt.244 Der Vertragsschluss findet in einem optimistischen Umfeld statt, bei dem kaum die Insolvenz erwartet wird.245 Der Insolvenzfall dürfte zu entfernt und als zu unwahrscheinliches Ereignis aufgefasst werden, als dass es erheblichen Einfluss auf die Preisbildung hätte.246 Mit anderen Worten: Lösungsklauseln haben im Regelfall nachteilige Auswirkungen in der Insolvenz, zwingende preisliche Auswirkungen zum Zeitpunkt des Vertragsschluss, die die späteren Nachteile kompensieren, sind nicht plausibel. Zweitens werden möglichen Nachteile von Lösungsklauseln insgesamt durch den Markt getragen. Damit ist der Umfang der ex post-Nachteile im konkreten Insolvenzfall höher als die denkbaren ex ante-Kosten pro Vertrag. Wird letztlich durch das Verbot von Lösungsklauseln eine Sanierung ermöglicht, trägt der Markt die Kosten für die Unternehmensrettung.

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OLG Frankfurt, Urt. v. 16.3.2015 – 1 U 38/14, NZI 2015, 466; Mossler, ZIP 2002, 1831, 1836; Schwörer, Lösungsklauseln für den Insolvenzfall, S. 107. 243 Vgl. Rasmussen, 51 Vand. L. Rev. 1679 (1998), 1679 u. 1688. 244 Rasmussen, 51 Vand. L. Rev. 1679 (1998), 1692 f. 245 Vgl. Rasmussen, 51 Vand. L. Rev. 1679 (1998), 1694. 246 Rasmussen, 51 Vand. L. Rev. 1679 (1998), 1699 m.w.N.: Es fehlen noch empirisch belastbare Informationen über die Kosten des Insolvenzrechts.

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Kapitel 2: Rechtsvergleichende Analyse

Drittens sind denkbare ex ante-Preisvorteile durch Lösungsklauseln, denen eine investitionsfördernde Wirkung zugeschrieben würde, unter Umständen nicht alleine dafür verantwortlich, die Insolvenz zu verhindern. Auch andere exogene Faktoren können die Insolvenz auslösen (schlechte Marktlage, die Insolvenz von verbundenen Unternehmen, etc.). Ex ante-Vorteile und die Verhinderung einer Insolvenz stehen folglich in keinem kausalen Verhältnis. (3) Bei den theoretischen Überlegungen von Che und Schwartz fehlt eine Auseinandersetzung mit dem Wahlrecht des Verwalters und den Schutzmechanismen des Insolvenzrechts für den solventen Vertragspartner. Eine rationale ex ante-Betrachtung müsste dies mitberücksichtigen. Ferner geht deren Analyse davon aus, dass der Gemeinschuldner eine starke Verhandlungsposition und der Vertragspartner eine schwache Verhandlungsmacht aufweisen.247 Allerdings hängt die Verhandlungsmacht maßgeblich vom Vertragstyp bzw. der jeweiligen Marktlage ab. Ist die Insolvenzverwaltung in einem Marktumfeld von einem bestimmten Vertrag abhängig, beispielsweise einem Energielieferungsvertrag, verkehrt sich diese Annahme und der solvente Vertragspartner hat eine ganz erhebliche Verhandlungsmacht. Selbst wenn Verbote von Lösungsklauseln zu einer ineffizienten Vertragsfortführung führten, sind auch die rechtspolitischen Zwecke des Insolvenzverfahrens und die mittelbaren gesamtwirtschaftlichen Vorteile der Unternehmensrettung zu berücksichtigen. Thole erkennt die Externalitätenproblematik an, leitet daraus aber kein generelles Verbot ab; für ihn ist die Insolvenzanfechtung ausreichendes Mittel.248 Dies mag wirtschaftlich ausgleichend wirken, die Unternehmensrettung und der Erhalt wichtiger Verträge ist jedoch nicht sichergestellt (§ 11, C.). Jackson hat im Jahr 1982 noch angenommen, dass das Insolvenzrecht ausreichende Mittel bereitstellt – wie beschränkte Insolvenzantragsrechte – um zu unterbinden, dass solvente Vertragspartner die Insolvenz opportunistisch ausnutzen.249 Später stellt auch er die Nachteile von Lösungsklauseln stärker in den Vordergrund.250 (4) Im Ergebnis sind zwei theoretische Wege denkbar, welche Preisauswirkungen von Lösungsklauseln verursacht werden können: Verbote von Lösungsklauseln können ex ante zu einem preislichen Risikoaufschlag führen. Die Verträge werden dann gesamtwirtschaftlich teurer. Gleichzeitig sind positive Auswirkungen auf die Sanierungschancen zu erwarten. Ein effizientes Sanierungsrecht hat seinerseits wieder effizienzsteigernde und preissenkende Wirkungen auf die Verträge.

247

Che/Schwartz, J.L. Econ. & Org. 441 (1999), 450. Thole, in: Privatautonomie und Insolvenzrecht, S. 295 f. 249 Jackson, 91 Yale L.J. 857 (1982), 892. 250 Jackson, The Logic and Limits of Bankruptcy Law, S. 42 f. 248

§ 8 Rechtspolitische Erwägungen

239

Andererseits kann eine wirksame Lösungsklausel die Planbarkeit für die Parteien erhöhen und dadurch preissenkende Wirkungen auf den Vertrag haben. Wie gezeigt, sinken allerdings die Sanierungschancen. Ein ineffizientes Sanierungsrecht mag seinerseits wieder risikoerhöhend und damit preiserhöhend wirken. Die Bewertung des Saldos zwischen ex post und ex ante Kosten und Nutzen ist letztlich eine Wertungsfrage. Wird das kollektive Verfahren mehr gestört oder bewirken Beendigungsklauseln für die Masse – schlussendlich für die Gläubigergesamtheit – besondere ex ante-Vorteile? Es sprechen letztlich die überzeugenderen Argumente dafür, dass Lösungsklauseln auch wirtschaftlich eher einen schädigenden Einfluss auf das Insolvenzverfahren haben. Diese zwei Perspektiven auf Lösungsrechte erklären, weshalb beispielsweise in der deutschen Gesetzgebungsgeschichte zu § 119 InsO die Klauseln einmal als sanierungsfreundlich und einmal als sanierungsfeindlich beschrieben werden. Welcher der beiden Wege beschritten wird, ist letztlich auch eine rechtspolitische Frage, die von der Zielsetzung des Insolvenzverfahrens abhängt. Das strategische Festhalten am Vertrag entspricht letztlich nur dem Grundsatz pacta sunt servanda. Denn Lösungsklauseln verhindern keine vergangenen Verluste, sondern ermöglichen oft nur eine bessere Verhandlungsposition in der Zukunft. Eine Ausnahme eines Verbots von Beendigungsrechten ist wirtschaftlich gerechtfertigt, wenn es rationalen Entscheidungen entspricht bzw. besondere Vertragstypen dies erfordern.

§ 8 Rechtspolitische Erwägungen § 8 Rechtspolitische Erwägungen “Effective systems respond to national needs and problems. As such, these systems must be rooted in the country’s broader cultural, economic, legal, and social context.”251

Neben den dogmatisch juristischen und wirtschaftlichen Argumenten ist ein besonderes Augenmerk auf das rechtspolitische Umfeld der Insolvenz sowie die Zielsetzungen des Insolvenzverfahrens zu legen, um die Zulässigkeit von Lösungsklauseln „unbelastet von dogmatischem Ballast“252 zu bewerten. Hierzu sollen in einer historischen tour d‘horizon die Ideen der Sanierung und die großen historischen Entwicklungslinien des Insolvenzrechts (§ 8, A.) nachvollzogen werden, um die heutige Bedeutung des Insolvenzverfahrens besser zu verstehen und für die Zukunft entsprechende rechtlichen Grundlagen zu erarbeiten. Insbesondere der Stellenwert des Sanierungsgedankens und die Entwicklungen von Lösungsklauselverboten lassen sich aufzeigen. Ferner 251

Weltbank, Principles for Effective Insolvency and Creditor/Debtor Regimes, S. 2. Vgl. bereits zur Trennung zwischen juristisch dogmatischen und rechtspolitischen Betrachtungen Schmidt-Rimpler, AcP 147 (1941), 130, 130 f. 252

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Kapitel 2: Rechtsvergleichende Analyse

sind europarechtliche Tendenzen (§ 8, B.) und Empfehlungen internationaler Organisationen (§ 8, C.) zu beachten. A. Funktionswandel des Insolvenzrechts „Die Konkursordnung bestimmt, in welcher Weise das Vermögen wirtschaftlich zusammengebrochener Existenzen zum Besten der Gläubiger versilbert und verteilt werden soll.“253 “The main issue of these considerations is whether a company’s bankruptcy and liquidation – as a painful, but inevitable consequence of the market based mechanism – or its reorganization is the more reasonable solution in terms of economic and social policiy.”254

I. Entwicklung in Europa Im Laufe der verschiedenen Epochen der Rechtsgeschichte hat die Schuldbetreibung in Europa eine Evolution erlebt. Ausgehend von einer bedingungslosen Gläubigerbefriedigung haben sich Gesamtvollstreckungsverfahren entwickelt, die in einem Wechselspiel zwischen Liquidation und Sanierung standen. In der Geschichte schlug das Pendel zwar mehrheitlich zur reinen Liquidation aus. Dennoch konnten sich immer wieder einzelne Sanierungselemente festsetzen, wie im römischen Recht die cessio bonorum. Der Makel des Konkurses und die damit verbundene Schande trieben das Pendel immer wieder in Richtung der Liquidation des schuldnerischen Vermögens. Die Rehabilitierung des Schuldners war besonders im Mittelalter erschwert. 1. Ausgangspunkt: reine Schuldbetreibung durch Gesamtvollstreckung Im römischen Recht wurden Verbindlichkeiten neben dem klassischen Schuldversprechen (der stipulatio) bis Ende des 4. Jahrhunderts v. Chr. durch das nexum begründet.255 Details zum nexum sind kaum überliefert. Der Schuldner gab sich dabei in den Gewahrsam des Gläubigers, sodass ihm die Vollstreckungshaft drohte, wenn er nicht mehr zahlen konnte.256 Damit stand im römischen Recht anfänglich die Personalexekution im Vordergrund.257 Es handelte sich um eine Schuldknechtschaft. Konnte der Schuldner seine Ver-

253

Levy, in: Die Gerichtspraxis (Hrsg. Pape), Konkursrecht, S. 342, Einleitung. Crone/Kopta-Stutz/Pfister, in: Some Theses Concerning Modern Swiss Reorganization Law, S. 518. 255 Manthe, Geschichte des Römischen Rechts, S. 26, 28. 256 Dalhuisen, International Insolvency, § 1.02 [1]; Manthe, Geschichte des Römischen Rechts, S. 27. 257 Gottwald, in: Insolvenzrechts-Handbuch, § 1, Rn. 1. 254

§ 8 Rechtspolitische Erwägungen

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bindlichkeiten nicht bezahlen, drohten ihm und seiner Familie Versklavung, Inhaftierung, Verbannung oder gar der Tod.258 Die XII-Tafel-Gesetze um 450 v. Chr.259 zeigen deutlich die Folgen der Personalexekution. Der Wortlaut der Tafel III der Zwölftafelgesetze statuierte, dass der Schuldner am dritten Markttage („Tertiis nundinis partis secanto“) in Teile geschnitten und unter den Gläubigern verteilt werden sollte. Der zeitliche Aufschub sollte gar eine Verbesserung der Rechtslage gewesen sein.260 Ob diese Passage wörtlich zu verstehen ist, bleibt bis heute umstritten.261 Allerdings lässt bereits die Formulierung der dritten Tafel die immanente Schonungslosigkeit erkennen. Deutlich treten noch die Risiken der Verschuldung zutage: Tod, Versklavung und Inhaftierung. Der Zeitgeist steht im Zeichen der Liquidation.262 Allmählich wandelte sich die Vollstreckung von der Personalexekution hin zur Realexekution in das Vermögen und einzelne Vermögenswerte.263 Zunächst entwickelte sich im römischen Recht die missio in bona, wobei das gesamte Vermögen beschlagnahmt und an einen Erwerber (venditio bonorum) verkauft wurde. 264 Aus dem Erlös wurden die Gläubiger anteilig befriedigt.265 Gewiss sind Parallelen mit der heutigen „übertragenden Sanierung“ nicht von der Hand zu weisen.266 Die Haftungssysteme sind in der späten römischen Republik zu einem Ausdruck dafür geworden, dass im Verlust der Kreditwürdigkeit eine Stigmatisierung des Schuldners gesehen wurde. Die Insolvenz führte zur Infamie – der Entfernung des Schuldners aus dem öffentlichen Leben; seinem bürgerlichen Tod.267 Der Schuldner durfte politische Ämter nicht mehr begleiten und

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Blackstone, Commentaries on the Laws of England, S. 473; Gottwald, in: Insolvenzrechts-Handbuch, § 1, Rn. 1; Dalhuisen, International Insolvency, § 1.02 [1]; Wood, Principles of International Insolvency, S. 14, Rn. 1-027. 259 Manthe, Geschichte des Römischen Rechts, S. 40. 260 Dalhuisen, International Insolvency, § 1.02 [1]. 261 Thole, JZ 2011, 765, 766. Uhlenbruck, DZWIR 2007, 1, 1: Alternativ konnte der Gläubiger den Schuldner ins Ausland, jenseits des Tibers verkaufen „trans tiberim vendere“, vgl. auch Manthe, Geschichte des Römischen Rechts, S. 61. Ähnlich der XII-Tafel wird dem Gläubiger in Shakespeares Kaufmann von Venedig (spielt im 16. Jahrhundert) ein Stück Fleisch des Schuldners versprochen. 262 Thole, JZ 2011, 765, 766. 263 Spann, Der Haftungszugriff auf den Schuldner zwischen Personal- und Vermögensvollstreckung, S. 67; Walder, Zeitschrift für Schweizerisches Recht 1964, 237, 238 ff. 264 Thole, JZ 2011, 765, 766; Dalhuisen, International Insolvency, § 1.02 [2]. 265 Uhlenbruck, DZWIR 2007, 1, 2; Manthe, Geschichte des Römischen Rechts, S. 72. 266 Thole, JZ 2011, 765, 766. 267 Rajak, in: The Culture of Bankruptcy, S. 10; Uhlenbruck, DZWIR 2007, 1, 2; Paulus, KTS 2000, 239, 240.

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Kapitel 2: Rechtsvergleichende Analyse

wurde von Gerichten verbannt.268 Cicero beschrieb die gesellschaftliche Ächtung gar als „zivilen Tod“.269 Unter Augustus führt die lex iulia de bonis cedendis eine freiwillige Vermögensabtretung ein, um Schuldhaft und Infamie zu entgehen.270 Damit stand dem Schuldner ein erster Schutzmechanismus zur Verfügung: die cessio bonorum.271 Der Schuldner konnte freiwillig sein Vermögen an die Gläubiger abtreten und damit eine Insolvenzmasse kreieren, die unabhängig von seiner Person bestand. Er erhielt damit Vollstreckungsschutz.272 Dieses Instrument war dem Schuldner zugänglich, wenn die Zahlungsunfähigkeit auf Faktoren jenseits seines Einflussbereichs zurückgingen, wie bei höherer Gewalt.273 Die cessio bonorum könnte Ursprung heutiger Konkursverfahren sein.274 Als nächster Entwicklungsschritt folgte die distractio bonorum dem Gesamtverkauf (missio in bona).275 Dieses Instrument ermöglichte den Einzelverkauf aus dem Gesamtvermögen herausgelöster Vermögenswerte. Es handelte sich um ein klassisches Liquidationsverfahren, das den Erlös anteilig an mehrere Gläubiger auskehrte. Gleichzeitig war der Schuldner vor persönlicher Inhaftierung geschützt.276 Diese römischen Einflüsse wurden ab dem 13. Jahrhundert in Italien von den Glossatoren rezipiert und in ein Gesamtvollstreckungsverfahren der Kaufleute für den Fall der Zahlungsunfähigkeit integriert. Die oberitalienischen Verfahren waren noch gegen unzuverlässige und betrügerische Standesgenossen gerichtet.277 Von Italien verbreitete sich dieses Konzept in die französische Einflusssphäre und mit Aufleben der Rezeption des römischen Rechts als ein ius commune in Kontinentaleuropa.278 Vor allem die römische distractio bonorum ging in diesen mittelalterlichen Konkursgesetzen auf.

268

Rajak, in: The Culture of Bankruptcy, S. 10. Zitiert nach Spann, Haftungszugriff, S. 56. 270 Gottwald, in: Insolvenzrechts-Handbuch, § 1, Rn. 1; Spann, Haftungszugriff, S. 43; Paulus, KTS 2000, 239, 240. 271 Heute ist der schweizerische Nachlassvertrag mit Vermögensabtretung in Art. 317 ff. SchKG vergleichbar. 272 Savigny, Über das altrömische Schuldrecht: Eine in d. Königl. Akad. d. Wiss. am 28.11.1833 gelesene Abhandlung, S. 32. 273 Dalhuisen, International Insolvency, § 1.02 [3]. 274 Thole, JZ 2011, 765, 766. 275 Spann, Haftungszugriff, S. 41, 43. 276 Spann, Haftungszugriff, S. 41. 277 Gottwald, in: Insolvenzrechts-Handbuch, § 1, Rn. 2. 278 Gottwald, in: Insolvenzrechts-Handbuch, § 1, Rn. 3. Zwischenzeitlich gewann im 17./18. Jahrhundert das spanische Konkursrecht in den deutschen Partikulargebieten an Bedeutung. Dieses war allerdings von einem formalistischen, herrschaftlichen Verfahren geprägt, das kaum Gläubigerautonomie zuließ, vgl. Gottwald, in: InsolvenzrechtsHandbuch, § 1, Rn. 4. 269

§ 8 Rechtspolitische Erwägungen

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Das französische Insolvenzrecht entwickelte sich im Handelsrecht fort und erhielt seine Ausgestaltung im Code de commerce von 1807 bzw. 1838.279 In dieser Zeit wurde im kontinentaleuropäischen Raum der Schuldner noch als Krimineller betrachtet, der zu inhaftieren sei.280 Frankreich war die vorherrschende Macht im 19. Jahrhundert in Europa.281 Infolgedessen und als Reaktion des wirtschaftlichen Liberalismus stand die verfahrensrechtliche Rezeption des französischen Code de commerce in den Konkursordnungen in Preußen von 1855, in Bayern von 1869 und in Österreich von 1868.282 Gleichfalls wirkte das französische Recht auf die Systeme in Belgien, den Niederlanden und Spanien ein.283 Am Beginn der Industrialisierung stand damit in Mitteleuropa das französisch-italienische Konkursrecht Vorbild.284 Es stand im Zeichen eines Gesamtvollstreckungsverfahrens, das auf die Vermögensliquidation des Schuldners ausgerichtet war und den Schuldner für sein Scheitern zum Kriminellen verurteilte. Es wurde der Reichskonkursordnung nachgesagt, einzig auf die Liquidation durch Gesamtvollstreckung in das Schuldnervermögen ausgerichtet gewesen zu sein.285 Ihr Ziel solle damit den Zeitgeist der reinen Haftungsverwirklichung durch Liquidation zugunsten der Gläubiger widergespiegelt haben.286 Indes zeigten sich bereits unter der preussischen Konkursordnung und der Reichskonkursordnung von 1878 Bestrebungen, die Sanierung des Schuldners zu ermöglichen.287 Der Gesetzgeber der Konkursordnung hatte bereits die Sanierung des Schuldners durch den Zwangsvergleich vor Augen. Die wirtschaftliche Aufgabe des Zwangsvergleichs bestand darin, die Waren und Werte wieder der Wirtschaft zuzuführen und den Geschäftsbetrieb vor der Zerstörung zu bewahren.288 Nach dieser rechtspolitischen und rechtstatsächli279

Basiert auf dem italienischen Statutarrecht, das durch die Grande Ordonnance von 1673 nach Frankreich übertragen wurde, vgl. Gottwald, in: Insolvenzrechts-Handbuch, § 1, Rn. 5; Uhlenbruck, DZWIR 2007, 1, 2. 280 Vgl. die Einführung zu Frankreich, siehe § 1, C. 281 Dalhuisen, International Insolvency, § 3.01 [1]. 282 Gottwald, in: Insolvenzrechts-Handbuch, § 1, Rn. 5; Nachmann/Heydenreuter, in: Hdb. Inso. Europa, Deutschland, Rn. 6; Walder, Zeitschrift für Schweizerisches Recht 1964, 237, 256. 283 Dalhuisen, International Insolvency, § 3.01 [1]. 284 Gottwald, in: Insolvenzrechts-Handbuch, § 1, Rn. 5. 285 Das Konkursverfahren stünde im Zeichen des Manchesterliberalismus: Bei dieser Extremform des Liberalismus waren erfolglose Unternehmen aus dem Wirtschaftssystem zu entfernen und abzuwickeln, vgl. Uhlenbruck, in: Einhundert Jahre Konkursordnung 1877–1977 (Hrsg. Uhlenbruck/Klasmeyer/Kübler), Einhundert Jahre Konkursordnung, S. 3, 19. Es wurde das Schlagwort der „natürlichen Auslese“ geprägt, vgl. Uhlenbruck, DZWIR 2007, 1, 4; Gottwald, in: Insolvenzrechts-Handbuch, § 1, Rn. 7. 286 Prütting, KSzW 2012, 255, 255. 287 Zur aktuellen Forschung Falk, ZRG GA 131 (2014), 266, passim. 288 Falk, ZRG GA 131 (2014), 266, 308 m.w.N.

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Kapitel 2: Rechtsvergleichende Analyse

chen frühen Phase der Sanierungsbemühungen, trat ab 1914 wieder die Liquidation in den Vordergrund und prägte damit lange Zeit das Bild der Konkursordnung.289 Das englische Insolvenzrecht entwickelte sich von den Strömungen des Kontinents getrennt.290 Allerdings ist auch im common law zu Beginn noch die Idee vorherrschend, dass der Insolvenzschuldner kriminell sei. Die Schutzmechanismen des Insolvenzrechts und Sanierungsgedanken bildeten sich im Ergebnis aber deutlich früher heraus. Im Zuge der Aufklärung wandelte sich bereits Mitte des 18. Jahrhunderts das Bild des Insolvenzschuldners in England.291 2. Funktionswandel: Kultur der Reorganisation Das moderne Insolvenzrecht hat sich von seiner ursprünglichen Funktion der Gesamtvollstreckung durch Liquidation entfernt und einen Trend der vorinsolvenzlichen Sanierung begünstigt.292 Mit dem stärker werdenden Sanierungsgedanken hat sich das Insolvenzrecht dem Wirtschaftsrecht angenähert. Dieser Funktionswandel unterstreicht die Bedeutung des Sanierungsgedankens in derzeitigen Insolvenzsystemen. Die negative Konnotierung der Insolvenz und die Brandmarkung des Schuldners sind aber bis heute nicht völlig überwunden. Vom römischen Recht ausgehend ging der Konkurs mit Infamie und einem Makel einher, der für den Schuldner eine gesellschaftliche Schande und Ausgrenzung bedeutete.293 Die Ausgrenzung ging bis hin zur Kriminalisierung. Insbesondere im ausgehenden Mittelalter war dieser Makel und die Schande stark ausgeprägt: Schandsteine, grüne Mützen für den Schuldner, Schuldtürme, Entfernung eines Ohrs des Schuldners als Zeichen der Infamie sprechen für sich.294 Vor allem mit der Industrialisierung änderte sich das Wirtschaftsleben. Maßgeblicher Wirtschaftsträger wurden Unternehmen.295 Die Unternehmen 289

Aktuelle rechtshistorische Forschung ist im Begriff, das Bild der sanierungsfeindlichen Konkursordnung zu widerlegen: Falk, ZRG GA 131 (2014), 266, passim; Falk/Kling, in: The Regulatory Concept of Compulsory Composition in the German Bankruptcy Act, passim; Wolf, Zur Praxis des Zwangsvergleichs. Vom Funktionsverlust des Gerichtsverfahrens in der semi-kooperativen Insolvenzbereinigung unter der Konkursordnung im 20. Jahrhundert, passim. 290 Dalhuisen, International Insolvency, § 3.01 [2]. 291 Vgl. die Einführung zum Common law, siehe § 1, D. 292 Hess, in: FS Stürner, S. 1254; Thole, KSzW 2012, 286, passim. 293 Uhlenbruck, DZWIR 2007, 1, 2; Paulus, KTS 2000, 239, 240; Uhlenbruck, in: Festschrift für Walter Gerhardt (Hrsg. Schilken/Kreft/Wagner/Eckardt), Vom „Makel des Konkurses“ zur gesteuerten Insolvenz, S. 981. 294 Thole, JZ 2011, 765, 767; Walder, Zeitschrift für Schweizerisches Recht 1964, 237, 238 f., 244. 295 Vgl. Wood, Principles of International Insolvency, S. 18, Rn. 1-036.

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wurden stets größer, die Kreditvergabe nahm zu und wurde entscheidend für den wirtschaftlichen Erfolg. Die Teilnahme an der Wirtschaft ging mit neuen Risiken einher. Gleichzeitig wurden immer mehr Arbeitnehmer abhängig beschäftigt, sodass auch der soziale Frieden ein Anliegen des Rechts wurde und die Unternehmensrettung vor diesem Zeitenwandel eine neue Dimension erlangte. Diese exogenen Faktoren führten zu einem gesellschaftlichen Anpassungsdruck, der sich auch in einer veränderten Ausrichtung des Insolvenzrechts widerspiegelt. Bereits in der 1760er Jahren erkannte Blackstone den Wandel im englischen Insolvenzrecht unter humanistischen Gesichtspunkten.296 Von England wurden die Grundprinzipien in die USA getragen und flossen bereits 1898 in den Bankruptcy Act ein. Die Schuldenbereinigung trat auf den Plan. Es sollten Wertverluste des going concern verhindert werden. Schließlich sollte das Unternehmen durch einen Insolvenzplan saniert werden, wenn er besser als die Liquidation war. Es entwickelten sich Vergleichsverfahren zur Unternehmensreorganisation, wobei Ansätze des römischen Rechts und des Mittelalters wieder aufgegriffen wurden: So in Belgien bereits 1880, in Italien 1904, in den Niederlanden 1935.297 Nach der Weltwirtschaftskrise von 1929 wurde das Insolvenzrecht noch stärker in Richtung Restrukturierung getrieben – Ausgang dieser Welle war die US-Reform von 1938 (der „Chandler Act“).298 Es entwickelte sich allmählich eine rescue culture in der Insolvenz.299 In den USA wurden die Sanierungsziele stets stärker hervorgehoben und wurden Bestandteil der amerikanischen Philosophie. In jedem Scheitern steckt die Chance für einen Neuanfang.300 Die heutige Entwicklung kulminiert im Bankruptcy Code 1978.301 Dieser ist zum Vorbild für viele moderne Insolvenzregime geworden. Mit der Kodifizierung des Chapter-11-Verfahrens begann das weltweite Phänomen der Unternehmensrettung.302 Frankreich reformierte zwar bereits im Jahre 1967 sein Insolvenzrecht: Die Unternehmensrettung ist zum erklärten Ziel des Insolvenzrechts zugunsten der Volkswirtschaft und der Arbeitsplatzsicherung geworden. Da die Reform allerdings nicht erfolgreich war, reformierte der Gesetzgeber unter Einfluss des US-Rechts im Jahr 1985 erneut. Der Sanierungsgedanke ist dadurch noch

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Vgl. § 1, D. Dalhuisen, International Insolvency, § 3.01 [1]. 298 Wood, Principles of International Insolvency, S. 23, Rn. 1-045, 1-046. 299 Fletcher, Insolvency in Private International Law – National and International Approaches, S. 4. 300 Vgl. Paulus, JZ 2009, 1148, 1149; Mann, Republic of debtors: bankruptcy in the age of American independence, passim (Über den frühen amerikanischen Wandel von der Inhaftierung des Schuldners hin zu einer Akzeptanz des wirtschaftlichen Scheiterns). 301 Paulus, KTS 2000, 239, 244. 302 Rajak, in: The Culture of Bankruptcy, S. 23. 297

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Kapitel 2: Rechtsvergleichende Analyse

weiter in den Vordergrund gerückt – gerade auch durch ein neues zwingendes Restrukturierungsverfahren. Im Deutschen Reich verstärkten sich Anfang des 20. Jahrhunderts Bemühungen zur Unternehmensrettung. So verabschiedete der Gesetzgeber im Jahr 1927 die Vergleichsordnung, neugefasst im Jahr 1935 nach den Eindrücken der Weltwirtschaftskrise.303 Hiernach sollte in einem Vergleichsverfahren der Konkurs abgewendet werden. Mit Einführung des Vergleichsverfahrens setzt sich wieder die wirtschaftliche Erkenntnis durch, dass der Konkurs ein „Wertvernichter der schlimmsten Art“, eine „höchst kostspielige Liquidationsart“ und „das teuerste Schuldentilgungsverfahren“ sei.304 Die Gesamtvollstreckung wird damit zur Rettung und zum Erhalt von Unternehmen genutzt, wenn dies ökonomisch sinnvoll ist.305 Allerdings blieben die Sanierungserfolge wegen hoher Verfahrensvoraussetzungen aus.306 Letztlich konnten Sanierungen mit den vorhandenen gesetzlichen Mitteln der Konkursordnung und Vergleichsordnung kaum realisiert werden.307 Auch wenn Gedanken zur Unternehmensrettung seit Schaffung der Konkursordnung immer wieder auftraten, war der Zwangsvergleich relativ unbedeutend. Wie Falk schlussfolgert, resultiert aus diesem Befund nicht die Sanierungsfeindlichkeit der Konkursordnung.308 Vielmehr dürften wertausschöpfende Sicherheiten für die Vermögenslosigkeit der Konkursmassen maßgeblich gewesen sein.309 In Deutschland funktionierte das Insolvenzrecht faktisch bis in die 1970er Jahre dazu, überschuldete Unternehmen auszusortieren und damit das der Marktwirtschaft inhärente unternehmerische Scheitern in letzter Konsequenz umzusetzen.310 Erst die Ölkrise der 1970er Jahre befeuerte wieder den Sanierungsgedanken zu einem Umdenken: Auch insolvente Unternehmen können noch über wichtige Ressourcen verfügen. Das Mittel zur Sanierung wurde die übertragende Sanierung.311 Jedoch verhinderten eine restriktive Rechtsprechung und eine ausgefallene Kautelarjurisprudenz die Sanierungsbemühungen, indem der Entzug von Vermögenswerten exzessiv ermöglicht wurde.312 Im Jahr 1978 begannen die Arbeiten in den Reformkommissionen für das 303

Nachmann/Heydenreuter, in: Hdb. Inso. Europa, Deutschland, Rn. 10. Zitate nach Gottwald, in: Insolvenzrechts-Handbuch, § 1, Rn. 16. 305 Gottwald, in: Insolvenzrechts-Hdb., § 1, Rn. 16. 306 Wood, Principles of International Insolvency, S. 24, Rn. 1-047. 307 Gottwald, in: Insolvenzrechts-Hdb., § 1, S. Rn. 22. 308 Falk, ZRG GA 131 (2014), 266, 322 f. 309 Wolf, Zur Praxis des Zwangsvergleichs. Vom Funktionsverlust des Gerichtsverfahrens in der semi-kooperativen Insolvenzbereinigung unter der Konkursordnung im 20. Jahrhundert, S. 322. 310 Beck/Depré, in: Praxis der Insolvenz (Hrsg. Beck/Depré), Praxis der Insolvenz, Einleitung, I. 2. a): Die Schlagworte „Reinigungsfunktion des Konkurses“ und „Prozess der schöpferischen Zerstörung“ sind aufschlussreiche Kriterien für diesen Zeitgeist. 311 Beck/Depré, in: Praxis der Insolvenz, Einleitung, I. 2. b). 312 Beck/Depré, in: Praxis der Insolvenz, Einleitung, I. 2. d). 304

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deutsche Insolvenzrecht. Vor allem gesamtwirtschaftliche Verflechtungen sind verstärkt in das Insolvenzrecht zu integrieren. Damit vollzieht sich eine Abkehr von einer reinen Schuldbetreibung zwischen Gläubiger und Schuldnern.313 Die Reform wurde nach der deutschen Wiedervereinigung in der Insolvenzordnung von 1999 realisiert. Erst mit dieser und unter maßgeblichem US-amerikanischem Einfluss konnte der Funktionswandel vollzogen werden: „Mit dem Inkrafttreten der Insolvenzordnung hat das Insolvenzrecht einen Funktionswandel vom Vollstreckungsrecht zum Wirtschaftsrecht erfahren.“314

Das Insolvenzrecht nähert sich immer stärker Unternehmens- und Gesellschaftsrecht an.315 Die Unternehmen sollen nicht mehr zerschlagen und abgewickelt werden, sondern das Unternehmen soll fortgeführt werden, um neue Vermögenswerte zu generieren.316 Dieses Ziel sollte durch eine frühe Antragstellung und das Mittel des Insolvenzplans erreicht werden.317 Die Sanierung wird als neues Insolvenzziel der deutschen Insolvenzordnung ausgewiesen. Insofern wird die Fresh-Start-Doktrin aus den USA in Deutschland rezipiert. In England entwickelte sich mit der Reform des Insolvency Act 1986 eine Rettungskultur, die versucht, schützenswerte Unternehmen vor deren Zerschlagung und Liquidation im Insolvenzverfahren zu retten und zu erhalten.318 Schließlich reformierte der österreichische Gesetzgeber 2010 sein Insolvenzrecht. Auch dieses Recht ist in vielen Teilen von dem amerikanischen Sanierungsrecht beeinflusst. Die österreichische Reform steht ganz im Zeichen des internationalen Trends. In den letzten 30 Jahren ist eine immer häufigere Anpassung und Modifizierung der Insolvenzregime zugunsten der Sanierung festzustellen.319 In der Schweiz hat sich das Insolvenzrecht ebenfalls von der reinen Gesamtvollstreckung zu einem wirtschaftlich orientierten Verfahren entwickelt.320 Mit Wirkung zum 1.1.2014 versuchte die Schweiz punktuell das Sanierungsrecht zu verstärken, mit Bezügen zum amerikanischen Recht. Nichtsdestotrotz ist der moderne Sanierungsgedanke in der Schweiz nur schwach ausgeprägt und ein Wandel vollzieht sich nur sehr behutsam. 313

Nachmann/Heydenreuter, in: Hdb. Inso. Europa, Deutschland, Rn. 11. Beck/Depré, in: Praxis der Insolvenz, § 9, Rn. 59; zur Diskussion auch Henckel, in: Festschrift für Franz Merz zum 65. Geburtstag am 3. Februar 1992 (Hrsg. Gerhardt/ Henckel/Kilger/Kreft), Insolvenzrechtsreform zwischen Vollstreckungsrecht und Unternehmensrecht, S. 198. 315 Thole, KSzW 2012, 286, 286. 316 Beck/Depré, in: Praxis der Insolvenz, § 9, Rn. 56, 57. 317 Beck/Depré, in: Praxis der Insolvenz, § 9, Rn. 58, 59. 318 Finch, Corporate Insolvency Law, S. 517. 319 Vgl. die eindrucksvolle Aufstellung der Reformen seit 2000: Wood, Principles of International Insolvency, S. 27 f., Rn. 1-055. 320 Hanisch, Basler Juristische Mitteilungen 1977, 161, 174 f. 314

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Kapitel 2: Rechtsvergleichende Analyse

II. Reichweite des anerkannten Sanierungszwecks Die Bedürfnisse des modernen Wirtschaftssystems haben gezeigt, dass eine reine Gesamtvollstreckung – das klassische Insolvenzverfahren – nicht mehr als alleiniger Insolvenzzweck genügt. In insolventen Unternehmen können noch wertvolle Vermögensbestandteile enthalten sein, die es für die Gesamtwirtschaft zu erhalten gilt. Die Produktionsfähigkeit der modernen Wirtschaft setzt immer stärker auf Kredit. Damit muss auch das Insolvenzrecht einen Anpassungsprozess durchleben, um diese wirtschaftsimmanenten Risiken zu behandeln. Die Funktion der Gläubigerbefriedigung und Liquidierung tritt mittlerweile in vielen Ländern in den Hintergrund.321 Das moderne Insolvenzrecht hat seinen Schwerpunkt auf die Unternehmenssanierung ausgerichtet.322 Sanierungszwecke sind je nach Rechtsordnung unterschiedlich stark ausgeprägt und gewichtet, sodass das Insolvenzrecht eine erhebliche wirtschaftspolitische, rechtspolitische und soziale Dimension erlangt.323 In den USA soll den Schuldnern ein Neustart ermöglicht werden, in Frankreich steht das Insolvenzverfahren im Zeichen der Arbeitsplatzrettung.324 Die deutsche Ausrichtung hält an der gemeinschaftlichen Gläubigerbefriedigung als oberste Maxime fest – der klassischen Funktion des Insolvenzrechts.325 Das Insolvenzrecht wird als ein Recht der Haftungsverwirklichung begriffen, das zugleich Vollstreckungsrecht und Unternehmensrecht ist und einen gewissen inhärenten Interessenausgleich der beteiligten Kreise anerkennt.326 Daraus ergibt sich auch, dass eine Sanierung nicht um jeden Preis erfolgen soll, sodass auch die Reinigungsfunktion der Insolvenz noch einen Zweck erfüllt und der Gläubigerschutz beachtet wird.327 Das deutsche Insolvenzrecht ist nicht wirtschaftspolitisch auf staatliche Interessen ausgerichtet, aber auch Interessen von Arbeitnehmern, Geschäftspartnern und anderen Beteiligten sind durchaus zu berücksichtigen.328 Das Schuldnervermögen soll den Gläubigern den höchsten Ertrag bringen – sei es durch Sanierung, sei es 321

Holzer, NZI 2014, 337, 338. Dammann, NZI 2009, 502, 507. 323 Fehrenbach, Haupt- und Sekundärinsolvenzverfahren, S. 48 f.; Volken, in: ZKIPRG, Art. 166, Rn. 19. 324 Paulus, DStR 2005, 334, 335; Fehrenbach, Haupt- und Sekundärinsolvenzverfahren, S. 48 f. 325 Thole, Gläubigerschutz durch Insolvenzrecht, S. 51. 326 Henckel, in: FS Merz, S. 203 u. 215. 327 Thole, JZ 2011, 765, 771. 328 Vgl. BVerfG, Beschl. v. 12.1.2016 – 1 BvR 3102/13, Rn. 43 („Zweck des Insolvenzverfahrens ist – gegebenenfalls neben der Erhaltung von Arbeitsplätzen in Unternehmen – die […] bestmögliche Befriedigung der Forderungen der Gläubiger […]“). Ferner Dorndorf, in: Festschrift für Franz Merz zum 65. Geburtstag am 3. Februar 1992 (Hrsg. Gerhardt/Henckel/Kilger/Kreft), Zur Dogmatik des Verfahrenszwecks in einem marktadäquaten Insolvenzrecht, S. 42; Henckel, in: FS Merz, S. 200 u. 204. 322

§ 8 Rechtspolitische Erwägungen

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durch Liquidierung.329 Damit ist das Insolvenzrecht weiterhin ein Teil des Zwangsvollstreckungsrechts.330 Auch in den USA wird die Diskussion um die Ausrichtung des Insolvenzrechts geführt, dessen Funktionen umstritten sind. Eine reine Ausrichtung auf die Sanierung ist auch in den USA nicht unstreitig, wie dies oft aus kontinentaleuropäischer Sicht unter Hinweis auf das Chapter-11-Verfahren suggeriert wird. Exemplarisch wird dies am folgenden Beispiel deutlich: Noch im Jahr 1982 lehnte unter anderem Jackson ab, die Befreiung des Schuldners von dessen Schulden als einen (US-amerikanischen) Insolvenzzweck anzuerkennen. Weder historisch noch unter Betrachtung der Normen des Codes sei dies zu vertreten.331 Das Insolvenzrecht sei dabei nur ein zwingendes Regelwerk, das verständige Gläubiger bereits ex ante vor der Insolvenz vereinbart hätten (creditors‘ bargain).332 Ausgehend von der Bedeutung als Zwangsvollstreckungsrecht billigte die “Creditors‘ Bargain Theory” dem Insolvenzrecht einen einzigen Zweck zu: Die Insolvenzmasse ist zu mehren, um die gemeinschaftliche Befriedigung der Gläubiger zu verbessern.333 Es gehe nur um die Gläubigerbefriedigung und die Allokation des Schuldnervermögens.334 Ein Unternehmen zu erhalten und fortzuführen ist hiernach nicht ein eigenständiges Ziel des Insolvenzrechts, es sei denn, die Fortführung ist für die Massemehrung nützlich.335 Diese Ansichten werden in den Vereinigten Staaten als “proceduralist” bezeichnet. Sie sind vergleichbar mit der herrschenden deutschen Position.

329

Thole, Gläubigerschutz durch Insolvenzrecht, S. 52 u. 56 f. BVerfG, Beschl. v. 12.1.2016 – 1 BvR 3102/13, Rn. 43. 331 Jackson, 91 Yale L.J. 857 (1982), passim. 332 Jackson, The Logic and Limits of Bankruptcy Law, S. 228-48; Jackson, 91 Yale L.J. 857 (1982), 860. Jackson auf Seite 866: Die Vorteile eines kollektiven Vollstreckungsverfahrens werden zerstört, wenn einzelne Gläubiger aus dem Insolvenzverfahren aussteigen könnten. Daher seien die Insolvenzregeln zwingend auszugestalten. Das Gesamtverfahren biete eine effizientere und wohlfahrtsökonomisch günstigere Verteilung durch geringere strategische Kosten im Verhältnis zur Einzelzwangsvollstreckung, eine effizientere gemeinsame Verwaltung und durch massemehrende Effekte, wenn eine stückweise Veräußerung durch einen Verkauf als „going concern“ oder eine Reorganisation verhindert werden kann (“… a classic prisoner’s dilemma: they are jointly better off if they act collectively, but if they are unable to act collectively, rational individual behavior will require collectively non-optimal advantage-taking on the part of each.”). Ausführlich zu der Theorie auch Thole, Gläubigerschutz durch Insolvenzrecht, S. 53 ff. 333 Finch, Corporate Insolvency Law, S. 32. 334 Jackson, 91 Yale L.J. 857 (1982), 857. 335 Finch, Corporate Insolvency Law, S. 245; vgl. die Zusammenfassung bei Kreitner, 6 Theoretical Inq. L. 59 (2005), 102. 330

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Kapitel 2: Rechtsvergleichende Analyse

Demgegenüber stehen die “traditionalists“.336 Neben der Liquidierung eines gescheiterten Unternehmens sind bei den weiten “Value Approach”Theorien verschiedene Interessen und weitere gesamtwirtschaftliche Auswirkungen einzubeziehen: Arbeitnehmer, Lieferanten, Verbraucher, andere von dem Unternehmen abhängige Gruppen und öffentliche Interessen.337 Die Reorganisation kann Gefahren für diese Interessengruppen erheblich reduzieren.338 Sie betonen, dass wirtschaftlicher Fortschritt mit Risiken einhergeht; insofern seien die gesamtwirtschaftlichen Auswirkungen auch im Insolvenzfall zu beachten.339 Letztlich werden öffentliche und private Interessen zusammengebracht, sodass auch das Ziel der Unternehmensrettung einen neuen Stellenwert erlangt. Die Rettung kann langfristig für die Beteiligten sinnvoller sein als eine Zerschlagung in geringwertige Einzelteile. Nicht nur für die beteiligten Interessen und Gruppen – auch gesamtwirtschaftlich – mag die Erhaltung eines Unternehmens ein legitimes Ziel sein. Dieser breitere Ansatz gewährt auch die Legitimität, eine Unternehmensrettung jenseits der Gläubigerbefriedigung anzustreben.340 Eine leichte Ausweitung des Insolvenzzwecks hat auch das deutsche Bundesverfassungsgericht neulich angedeutet, indem es neben die bestmögliche Gläubigerbefriedigung auch den Erhalt von Arbeitsplätzen in Unternehmen stellte.341 Nach Schwartz geht es letztlich um die Vergrößerung der allgemeinen Wohlfahrt durch ein effizientes Insolvenzsystem, da der Unternehmenswert vergrößert wird und die Gläubiger eine höhere Befriedigung erwarten können.342 Dieser Referenzrahmen zeigt im Ergebnis auf, wie unterschiedlich Insolvenzsysteme das Ziel der Sanierung verfolgen können. Von der Position, dass das Insolvenzrecht ausschließlich der Abwicklung eines unprofitablen Unternehmens diene, haben sich alle Systeme verabschiedet.343 Gleichzeitig wird 336

Die Begriffe „Proceduralists“ und „Traditionalists“ gehen auf Douglas Baird zurück, vgl. Nachweise bei Kreitner, 6 Theoretical Inq. L. 59 (2005), 102. 337 Finch, Corporate Insolvency Law, S. 64; vgl. auch Block-Lieb, 2001 U. Ill. L. Rev. 503 (2000), 519 ff. 338 Von der Crone/Kopta-Stutz/Pfister, in: Some Theses Concerning Modern Swiss Reorganization Law, S. 519. 339 Vgl. von der Crone/Kopta-Stutz/Pfister, in: Some Theses Concerning Modern Swiss Reorganization Law, S. 520. 340 Finch, Corporate Insolvency Law, S. 246; vgl. Hess, in: FS Stürner, S. 1254. 341 BVerfG, Beschl. v. 12.1.2016 – 1 BvR 3102/13, Rn. 43 („Das Insolvenzverfahren ist Teil des Zwangsvollstreckungsrechts. Es zielt unmittelbar auf den Schutz und die Durchsetzung verfassungsrechtlich geschützter privater Interessen. Zweck des Insolvenzverfahrens ist – gegebenenfalls neben der Erhaltung von Arbeitsplätzen in Unternehmen – die unter Berücksichtigung der Lage des Schuldners bestmögliche Befriedigung der Forderungen der Gläubiger, die auch im Rahmen der Zwangsvollstreckung als private vermögenswerte Rechte von Art. 14 Abs. 1 GG geschützt sind.“). 342 Schwartz, 107 Yale L.J. 1807 (1998), 1814. 343 Vgl. Dorndorf, in: FS Merz, S. 46.

§ 8 Rechtspolitische Erwägungen

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das Sanierungsziel im Insolvenzrecht im Grundsatz als ökonomische Notwendigkeit anerkannt. Zwar sind unterschiedliche Gewichtungen festzustellen. Jedoch sind die Insolvenzverfahren einheitliche Systeme, denen gemeinsam die Gleichbehandlung der Gläubiger, aber auch deren Befriedigung ist. Die Befriedigung der Gläubiger hat eine unterschiedliche Priorität, ist aber weder in Frankreich noch in den USA gänzlich ausgeschaltet. Die Sanierung dient übereinstimmend mindestens zur Verbesserung der Gläubigerbefriedigung. Auf europäischem Niveau erkennt die EuInsVO in Anhang A die Sanierungs- und Liquidationsverfahren als grundsätzlich gleichwertige Verfahren an. Auch wenn die Gläubigerbefriedigung wie in Deutschland im Vordergrund steht, hindert dies nicht daran, die Interessen der Arbeitnehmer, Zulieferer, etc. zu berücksichtigen. Im Gegenteil fordert die bestmögliche Gläubigerbefriedigung auch, Sanierungschancen zu erhalten. III. Schlussfolgerungen für Lösungsklauseln Verbote von Lösungsklauseln entspringen dem Sanierungsgedanken, der aktuell eine Hochphase erlebt und einen immer präsenteren Stellenwert in den verschiedenen Insolvenzsystemen findet. Je mehr die Infamie des Konkurses überwunden wird, umso gesellschaftsfähiger wird die Insolvenz.344 In gleichem Maße steigt die Legitimität, den solventen Vertragspartner in der Insolvenz an das vertragliche Synallagma zu binden. Die Insolvenz ist kein hinreichender Grund mehr, die Geschäftsbeziehungen abzubrechen. Es geht um eine neue Kooperation, um eine ernstgemeinte zweite Chance im Insolvenzverfahren – und dazu gehört auch der Erhalt der notwendigen Vertragsverhältnisse. Je nach Ausrichtung des Insolvenzsystems zwischen Gläubigerschutz und Sanierungsschutz, ist die Wirksamkeit von Lösungsklauseln zu bewerten. Einen überzeugenden Grund für den aktuellen Funktionswandel hin zum Sanierungsrecht liefert Paulus:345 Bisher waren die Insolvenzsysteme auf Schuldner des sekundären Wirtschaftssektors, d.h. der produzierenden Industrie, ausgerichtet. Die Industrie war mit „realen“ Werten in Immobilien, Mobilien und Forderungen ausgestattet. Die Liquidation dieser Werte konnte weitestgehend zur Haftungsverwirklichung beitragen. Im heutigen tertiären Dienstleistungssektor (vgl. Einleitung, Beispiel Nr. 1), insb. im e-commerce, hängen entscheidende Wirtschaftsfaktoren von weichen Faktoren wie know how und good will ab. In solchen Fällen wird die Unternehmensrettung zu einer neuen und einzigen Möglichkeit der Haftungsverwirklichung. Gerade im tertiären Wirtschaftssektor spielen Verträge eine entscheidende Rolle: Hierin sind wesentliche Unternehmenswerte vergegenwärtigt. Eine Haftungs344

Vgl. Uhlenbruck, in: FS Gerhardt, S. 996 f. Paulus, KTS 2000, 239, 247 ff.; Paulus, JZ 2009, 1148, 1152; Paulus, RIW 2013, 577, 578. 345

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Kapitel 2: Rechtsvergleichende Analyse

verwirklichung dieser Werte ist also nur möglich, sofern hierauf im Insolvenzverfahren noch zugegriffen werden kann. Bei einer automatischen Vertragsbeendigung ist dies aber gerade nicht mehr der Fall. Dies unterstreicht die heutige Bedeutung von Lösungsverboten in der Insolvenz und den engen Zusammenhang zum Sanierungsrecht. Die wachsende Verbreitung von Verboten der Lösungsklauseln steht damit in Parallelität zu der Entwicklung der internationalen Restrukturierung und Sanierung. Solange die Insolvenzsysteme nicht die Sanierung besonders bezweckten, waren Lösungsklauseln zu Beginn des 20. Jahrhunderts noch einheitlich zulässig.346 Erst mit dem insolvenzrechtlichen Umdenken erkannten die Staaten die Notwendigkeit, Lösungsklauseln zu verbieten, um den aufkeimenden Gedanken der Reorganisation nicht zu konterkarieren. Verbote von Lösungsklauseln sind daher stets vor dem insolvenzpolitischen Hintergrund des jeweiligen Insolvenzsystems zu sehen. Je umfassender das Insolvenzrecht auf den Sanierungsgedanken fokussiert ist, desto weitergehender lässt sich ein Eingriff in Rechtspositionen rechtfertigen bzw. ist ein solcher Eingriff folgerichtig in Anbetracht der epochalen Beschränkungen der Vertragsfreiheit (§ 6, B., II.). Insolvenzrechtssysteme, die einen Funktionswandel hin zum Wirtschaftsrecht und dem Sanierungsgedanken vollzogen haben, zeigen einheitlich die Notwendigkeit auf, die Vertragsauflösung zu beschränken. Verbote von Lösungsklauseln sind mithin ein gutes Beispiel für den Dogmenwechsel im Insolvenzrecht. In den USA und in Frankreich sind sehr weitreichende Verbote zu finden, die mit dem ebenfalls weitreichenden Sanierungszweck korrespondieren. In den letzten Jahren wechselte die Ausrichtung des Insolvenzrechts fundamental von der Ausgrenzung des Schuldners zu einem humanen Umgang mit ihm.347 Die Reorganisation und Sanierung ist ein neuer Trend, der sich erst in den letzten vierzig Jahren immer weiter verfestigt hat. Dieser Trend zum Restrukturierungsrecht zeichnet sich aktuell besonders in Europa vor dem Hintergrund der jüngsten nationalen Reformen ab.348 Hinzu kommt, dass es für die Sanierung vielfältige Ansätze und Systeme mit unterschiedlicher Reichweite gibt. Nachdem sich die Neuerungen etabliert haben, können sich die Systeme gegenseitig anpassen und homogenisieren. Die Gedanken und Errungenschaften der erfolgreichen Sanierungsordnungen werden erst allmählich rezipiert und übernommen. In diesem Zusammenhang sind auch die Bemühungen der europäischen Kommission (§ 8, B.) und die Ausbildung des CRI-Standards (§ 8, C.) zu sehen.

346

Siehe in den obigen Länderkapiteln. Paulus, JZ 2009, 1148, 1151. 348 Thole, ZEuP 2014, 39, 41. 347

§ 8 Rechtspolitische Erwägungen

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B. Entwicklungen auf Ebene der Europäischen Union „Insbesondere angesichts des Wandels vieler mitgliedstaatlicher Insolvenzrechte weg von reinen Liquidationsverfahren hin zu Sanierungs- und Reorganisationsverfahren und im Hinblick auf die konsequenten Erweiterungen des Anhangs A der Verordnung in den letzten Jahren, […] mit denen zunehmend auch Sanierungsverfahren erfasst wurden, zeigt sich, dass diese von zunehmender Bedeutung sind […].“349

Das Funktionieren des Binnenmarkts ist eines der Kerninteressen der Europäischen Union. Seit dem Jahr 2000 steht auch das Insolvenzrecht auf der politischen Agenda – insbesondere da die mit der Insolvenz verbundene Stigmatisierung des unternehmerischen Scheiterns als problematisch angesehen wird.350 Insolvenzen seien negativ konnotiert, obwohl nur zwischen 4 % und 6 % der Insolvenzen betrügerische Absichten aufweisen.351 Die Entschließung des Europäischen Parlaments vom 15. November 2011352 lässt sich davon leiten, dass nachteilige gesamtwirtschaftliche Folgen einer Insolvenz zu vermeiden sind. Die Unternehmensrettung sei als Alternative zur Liquidation zu fördern, wobei vor allem Arbeitnehmer, aber auch Gläubiger allgemein zu schützen seien. In der Binnenmarktakte II vom 3. Oktober 2012353 befasst sich die Leitaktion 7 mit der Modernisierung des EU-Insolvenzrechts. Zweck soll es sein, soliden Unternehmen das Überleben zu ermöglichen. Eine Politik der zweiten Chance sei bislang noch nicht hinreichend in der europäischen Gesetzgebung anerkannt.354 Es bestünde noch keine ausreichende Sanierungskultur, was einheitlich in der Europäischen Union notwendig sei. Ferner befasste sich die Mitteilung der Kommission Ein neuer europäischer Ansatz zur Verfahrensweise bei Firmenpleiten und Unternehmensinsolvenzen vom 12. Dezember 2012 mit dem Insolvenzrecht:355 Das Insolvenzrecht hat als Wirtschaftsrecht eine enorme Bedeutung.356 Schätzungsweise gehen 1,7 Mio. Arbeitsplätze durch Insolvenzen pro Jahr verloren.357 Europa brauche daher ein starkes Sanierungsrecht. Damit entwickelt sich auch auf europäischer Ebene die Überzeugung, dass das Insolvenzrecht keine reine Schulbetreibung mehr ist. Vielmehr wird eine Politik der zweiten Chance als wichtiger Bestandteil eines modernen Insolvenzrechts etabliert. Ein effizientes Verfahren diene der Arbeitsplatzsicherung sowohl bei dem insolventen 349

EuGH, Schlussantrag (Juliane Kokott) v. 24.5.2012 – C-116/11, Rn. 55. European Commission, Business Dynamics – Report, S. 8. 351 European Commission, Business Dynamics – Report, S. 8. 352 P7_TA(2011)0484. 353 COM(2012) 573 final. 354 COM(2012) 573 final, S. 13; European Commission, Business Dynamics – Report, S. 138. 355 COM(2012) 742 final. 356 Vgl. in diese Richtung bereits das Stockholmer Programm, ABl. C 115 vom 4.5.2010, S. 16. 357 COM(2012) 742 final, S. 2. 350

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Kapitel 2: Rechtsvergleichende Analyse

Unternehmen als auch bei Zulieferern. 358 Wiederholt weist die EU darauf hin, eine Sanierungskultur zu entwickeln,359 bei der dem redlichen Unternehmer, d.h. wenn nicht in betrügerischer Absicht oder kein offensichtliches Verschulden des Unternehmens vorliegt, eine zweite Chance und ein Neustart zu gewähren ist.360 Hierauf baute schließlich die Empfehlung der Europäischen Kommission vom 12. März 2014361 für einen neuen Ansatz im Umgang mit unternehmerischem Scheitern und Unternehmensinsolvenzen auf. Ausgewiesenes Ziel der Kommission ist es, rechtzeitig Restrukturierungs- und Sanierungsmaßnahmen einzuleiten. Dadurch sollen Insolvenzverfahren verhindert werden, um Gläubigern, Beschäftigten, Anteilseignern und der Wirtschaft insgesamt ein Höchstmaß an Werten zu gewährleisten. Der Kommission geht es vor allem darum, den Unternehmen eine „zweite Chance“ zu gewähren. Sie hat als Problem identifiziert, dass die nationalen Rechtsordnungen eine Vielzahl an verschiedenen Verfahren zur Restrukturierung vorsehen. Die Verfahren seien allerdings wenig kohärent ausgestaltet.362 Hierin sieht die Kommission Hindernisse für die Verwirklichung des europäischen Binnenmarktes. Insbesondere frühe Sanierungsverfahren seien nicht in allen Mitgliedstaaten vorzufinden. Inhaltlich setzt sich die Empfehlung vor allem mit präventiven Restrukturierungsmaßnahmen auseinander. Voraussetzungen und Inhalte der Restrukturierungspläne sollen vereinheitlicht werden. Nach Nummer 10 der Empfehlung sollen die Mitgliedstaaten dem Schuldner das Recht einräumen, bei den Gerichten die zeitweise Aussetzung einzelner Vollstreckungsmaßnahmen zu beantragen. Hierbei sollen gesicherte und privilegierte Gläubiger ihre Forderungen zeitweilig nicht durchsetzen können. Nachdem diese Empfehlung der Europäischen Kommission allerdings nicht den erwünschten Harmonisierungserfolg herbeiführte,363 kulminiert die Entwicklung in einem Richtlinienvorschlag der Europäischen Kommission „über präventive Restrukturierungsrahmen, die zweite Chance und Maßnahmen zur Steigerung der Effizienz von Restrukturierungs-, Insolvenz- und Entschuldungsverfahren“.364 Nun sollen auf diesem Wege die notwendigen Vereinheitlichungen erreicht werden. Vor allem ist der Richtlinienentwurf 358

COM(2012) 742 final, S. 3. COM(2012) 742 final, S. 4. 360 COM(2012) 742 final, S. 5 f. 361 2014/135/EU. 362 Später auch in COM(2016) 723 final, S. 3. 363 Vorschlag für eine Richtlinie des Europäischen Parlaments und des Rates über präventive Restrukturierungsrahmen, die zweite Chance und Maßnahmen zur Steigerung der Effizienz von Restrukturierungs-, Insolvenz- und Entschuldungsverfahren und zur Änderung der Richtlinie 2012/30/EU vom 22.11.2016, COM(2016) 723 final. 364 COM(2016) 723 final, S. 9, 19. 359

§ 8 Rechtspolitische Erwägungen

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nicht nur auf grenzüberschreitende Sachverhalte beschränkt – anders als die EuInsVO, sondern harmonisiert nationales Recht.365 Die Sanierungskultur soll mithin gefördert und unnötige Liquidationen rentabler Unternehmen verhindert werden.366 Die Richtlinie soll schlussendlich Mittel zur Verfügung stellen, um eine Betriebsfortführung zu ermöglichen.367 Schuldner sollen nach Art. 4 des Richtlinienentwurfs bei einer drohenden Insolvenz Zugang zu Restrukturierungsverfahren haben. In der Empfehlung aus dem Jahr 2014 sprach die Europäische Kommission vertragliche Lösungsklauseln im Insolvenzfall noch nicht explizit an. In den Richtlinienentwurf hat bei der Aussetzung einzelner Durchsetzungsmaßnahmen368 auch das Schicksal der unerfüllten Verträge und die Vertragsbeendigung Einzug gefunden. Die Aussetzung einzelner Durchsetzungsmaßnahmen ist grundsätzlich vergleichbar mit der Regelung des US-amerikanischen automatic stay. So sieht Art. 5 Abs. 1 vor, dass Schuldner eine solche Aussetzung in Anspruch nehmen können, wenn sie einen Restrukturierungsplan mit Gläubigern aushandeln und die Aussetzung für die Verhandlungen über den Plan notwendig ist. Zeitlich soll die Aussetzung auf vier Monate beschränkt sein (Art. 5 Abs. 4). Nur auf Antrag soll die Aussetzung verlängert werden können (Art. 5 Abs. 5) und insgesamt nicht mehr als 12 Monate betragen (Art. 5 Abs. 7). Wichtig ist, dass die Aussetzung nicht gewährt, aufgehoben oder nicht verlängert wird, wenn diese einen Gläubiger unangemessen beeinträchtigt (Art. 5 Abs. 5, 9). Für beidseitig unerfüllte Verträge369 hat die Kommission eine zweifache Regelung aufgenommen: Erstens sind allgemeine Kündigungsrechte zu beschränken. Nach Art. 7 Abs. 4 darf ein Vertragspartner den Vertrag nicht kündigen, vorzeitig fällig stellen bzw. anderweitig nachteilig modifizieren oder die Leistung verweigern, wenn dies auf vor der Aussetzung entstandene Schulden gestützt wird. Die Mitgliedstaaten können die Regelung auf die wesentlichen Verträge beschränken, die für die Fortsetzung des täglichen Geschäftsbetriebs erforderlich sind. Nach Erwägungsgrund 21 hat die Kommission vor allen Verträge über Versorgungsgüter wie Gas, Strom, Wasser, Telekommunikation und Kartenzahlungsdienste im Blick. Zweitens ist eine besondere Bestimmung für vertragliche Lösungsrechte vorgesehen. Nach Art. 7 Abs. 5 sind Vertragsklauseln zu beschränken, die die 365

COM(2016) 723 final, S. 17. COM(2016) 723 final, S. 6 f. 367 COM(2016) 723 final, Erwägungsgründe 1 und 2. 368 Nach Art. 2 Nr. 4 des Richtlinienentwurfs ist darunter zu verstehen, „das von einer Justiz- oder Verwaltungsbehörde angeordnete vorübergehende Ruhen des Rechts, den Anspruch eines Gläubigers gegen einen Schuldner durchzusetzen“. Engl. „Stay of individual enforcement actions“. 369 Siehe Art. 2 Nr. 5 des Richtlinienentwurfs. 366

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Kapitel 2: Rechtsvergleichende Analyse

vorstehende Rechte einräumen und allein an die Aufnahmen von Restrukturierungsverhandlungen, den Antrag auf bzw. die Anordnung der Aussetzung einzelner Durchsetzungsmaßnahmen oder ähnlicher Ereignisse anknüpfen. Werden diese Bestimmungen verabschiedet, ist ein Verbot insolvenzbezogener Lösungsklauseln europarechtlich vorgegeben. Nach Art. 1 des Richtlinienentwurfs betrifft dieses nur präventive Restrukturierungsverfahren bei drohender Insolvenz. Die Aussetzung ist allerdings nach Art. 5 auf Restrukturierungsverfahren vor der eigentlichen Insolvenz begrenzt, wenn ein Restrukturierungsplan verhandelt wird. Hieraus folgt, dass für Liquidationsverfahren und „eigentliche“ Insolvenzverfahren ab der Zahlungsunfähigkeit des Schuldners keine europarechtlichen Vorgaben erwachsen würden. Insofern sind diese auf die reine Sanierung begrenzt. Ferner können die Regelungen auf Versorgungsverträge beschränkt werden. Diese doppelte Beschränkung ist in England zu finden, sodass die englische Rechtslage quasi den Mindestharmonisierungsstandard vorgeben würde. Letztendlich ist festzuhalten, dass auf Ebene der Mitgliedstaaten und auf europäischer Ebene die Bestrebungen intensiviert werden, Restrukturierungen zu vereinfachen und generell zu ermöglichen. Damit tritt der Zweck der Unternehmenssanierung im Insolvenzverfahren weiter hervor. Diese neuen Entwicklungen sind wichtig, um nationale Bestimmungen vor diesem Hintergrund zu interpretieren. C. CRI-Standard Die Weltbank und UNCITRAL370 haben einen gemeinsamen Creditor Rights and Insolvency Standard (CRI-Standard) herausgegeben, der die Empfehlungen der Weltbank aus dem Jahr 2011 Principles for Effective Creditor Rights and Insolvency Systems (Principles) und des Legislative Guide on Insolvency Law (Legislative Guide) von UNCITRAL aus dem Jahr 2005 zusammenfasst. I. Principles for Effective Creditor Rights and Insolvency Systems Die Principles haben die internationale best practice für ein modernes Insolvenzrecht erarbeitet.371 Hierbei wurden verschiedene Insolvenzziele identifiziert.372 Die entscheidenden Ziele, in dem hier relevanten Zusammenhang, sind die folgenden: Der Wert der Masse ist zu vergrößern; eine effiziente Abwicklung ist anzustreben, wobei auch eine Reorganisation zu ermöglichen ist; es ist eine Balance zwischen Liquidation und Reorganisation zu finden; eine frühzeitige Zerstückelung der Massebestandteile durch 370 Kommission der Vereinten Nationen für internationales Handelsrecht, United Nations Commission on International Trade Law. 371 Weltbank, Principles, passim. 372 Weltbank, Principles, S. 24, Rn. 67 ff.

§ 8 Rechtspolitische Erwägungen

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Gläubiger, die schnelle Resultate suchen, muss verhindert werden; transparente Regelungen sind anzustreben, die Risiken klar verteilen und schließlich sind Gläubigerrechte grundsätzlich anzuerkennen.

Diese Ziele stehen in der Summe für ein modernes Insolvenzverfahren, das sich von der reinen Schuldbetreibung entfernt hat. Gleichwohl ist die Sanierung nicht zum alleinigen Verfahrensziel erkoren. Das Insolvenzrecht ist jedenfalls als ein Instrument zu nutzen, das sowohl der Liquidierung als auch den Sanierungsmöglichkeiten gerecht werden soll. Besonders hervorzuheben ist, dass in der Insolvenz klare und risikoverteilende Regelungen als best practice gesehen werden. In diesem Sinne spricht sich die Weltbank vorsichtig dafür aus, insolvenzbezogene Lösungsklauseln für unwirksam zu halten.373 Dahinter steht vor allem, dem Verwalter die wirtschaftliche Entscheidung zu ermöglichen, über die Vertragswerte zu entscheiden.374 Von diesem Grundsatz sollen nur begrenzte Ausnahmen für Aufrechnungen, für Lösungsrechte in Finanzverträgen, in persönlichen Verträgen und in Arbeitsverträgen vorgesehen werden. II. Legislative Guide on Insolvency Law “As an economy develops, more and more of its wealth is likely to be contained in or controlled by contracts. As a result, the treatment of contracts is of overriding importance to insolvency proceedings.”375

Der Legislative Guide der Vereinten Nationen soll nationale Rechtsordnungen unterstützen, ein effizientes Insolvenzrecht zu etablieren.376 Die Empfehlungen wurden zwischen 1999 und 2004 erarbeitet und im Jahr 2005 veröffentlicht. Ausführlich hat sich die Kommission mit der automatischen Beendigung von Verträgen durch Lösungsklauseln auseinandergesetzt. Der Bericht erkennt an, dass die Vertragsfreiheit widerstreitenden Insolvenzprinzipien gegenüber steht und verschiedene Gründe für die Wirksamkeit von Lösungsklauseln sprechen:377 So besteht der Wunsch, die willkürliche Erfüllungswahl von Verträgen im Sinne eines cherry picking zu vermeiden. Die Furcht vor dem Ungewissen in der Insolvenz, also ob die Gegenseite ihre vertraglichen Verpflichtungen noch erfüllen kann; die Notwendigkeit über geistiges Eigentum zu verfügen und dessen Nutzung kontrollieren zu können sowie die Auswirkungen auf das Geschäft des Vertragspartners, streiten für Lösungsklauseln.378

373

Weltbank, Principles, S. 37, Rn. 119. Weltbank, Principles, S. 37, Rn. 119. 375 UNCITRAL, Legislative Guide on Insolvency Law, S. 119. 376 Holzer, NZI 2014, 337, 339. 377 UNCITRAL, Legislative Guide on Insolvency Law, S. 120. 378 UNCITRAL, Legislative Guide on Insolvency Law, S. 122. 374

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Kapitel 2: Rechtsvergleichende Analyse

Gleichwohl spricht sich der Bericht explizit gegen die Wirksamkeit von Lösungsklauseln aus. Dies wird damit begründet, dass Verträge für die Fortführung und Sanierung von Unternehmen überlebenswichtig und notwendig sein können.379 Weiter sei die Verhandlungsmacht von entscheidenden Zulieferern zu begrenzen, um einen Insolvenzplan insgesamt nicht zu gefährden. Das Wahlrecht muss gleichzeitig dem Verwalter die Möglichkeit einräumen, nachteilige Geschäfte zu beenden.380 Verträge seien ein entscheidender wertbildender Faktor, wenn das Unternehmen als Ganzes verkauft werden soll.381 Die Vorteile des Vertrags kommen in diesem Fall der Gläubigergesamtheit insgesamt zugute. Ein Verbot von Lösungsklauseln habe sich allerdings bislang noch nicht als einheitliches Prinzip durchsetzen können.382 Den Gesetzgebern komme daher eine besondere Aufgabe zu, den Umfang solcher Verbote zu bestimmen und die widerstreitenden Interessen abzuwägen. Vor allem auf Ausnahmen wie bei Finanzterminprodukten, Arbeitsverträgen und persönlichen Verträgen, sei besonders Wert zu legen. UNCITRAL empfiehlt daher: “Automatic termination and acceleration clauses (paras. 114–119) 70. The insolvency law should specify that any contract clause that automatically terminates or accelerates a contract upon the occurrence of any of the following events is unenforceable as against the insolvency representative and the debtor: (a) An application for commencement, or commencement, of insolvency proceedings; (b) The appointment of an insolvency representative. 71. The insolvency law should specify the contracts that are exempt from the operation of recommendation 70, such as financial contracts, or subject to special rules, such as labour contracts. […] Timing and notice of decision to continue or reject (paras. 128 and 129) 74. The insolvency law should specify a time period within which the insolvency representative is required to make a decision to continue or reject a contract, which time period may be extended by the court. […] Right of the counterparty to request a decision (para. 125) 77. Notwithstanding recommendation 74, the insolvency law should permit a counterparty to request the insolvency representative (within any specified time limit) to make a prompt decision and, in the event that the insolvency representative fails to act, to request the court to direct the insolvency representative to make a decision to continue or reject a contract.” 379

UNCITRAL, Legislative Guide on Insolvency Law, S. 121. UNCITRAL, Legislative Guide on Insolvency Law, S. 121. 381 UNCITRAL, Legislative Guide on Insolvency Law, S. 123. 382 UNCITRAL, Legislative Guide on Insolvency Law, S. 123. 380

§ 8 Rechtspolitische Erwägungen

259

Damit wird eine weitreichende Ausübungssperre von Lösungsrechten im Insolvenzverfahren vorgeschlagen. Diese entfaltet Vorwirkung und knüpft bereits an die Insolvenzantragsstellung an. Als Folge eines Verbots von Lösungsklauseln könnten Gläubiger ihre Vertragsgestaltung abändern.383 Es bestehe daher die Möglichkeit, dass sich Gläubiger frühzeitig von dem Gemeinschuldner lösen, um nicht von dem Verbot von Öffnungsklauseln erfasst zu werden. Daher schlägt der Bericht vor, dass der Insolvenzverwalter das Recht hat, Verträge wieder aufleben zu lassen, die zeitlich vor Insolvenzeröffnung anknüpfen. Von den vorstehenden Grundideen soll insbesondere das Close-OutNetting (§ 4, A.) ausgenommen werden (Empfehlung 101). Dies entspreche bereits heute den Rechtsauffassungen der meisten Rechtsordnungen. Insbesondere Finanzverträge müssen beendet und aufgerechnet werden können, da dies bei hoch volatilen Verträgen für die Finanzmarktstabilität unerlässlich sei.384 Finanzverträge sind oft mit anderen dritten Parteien abgesichert, sodass diese Verträge gefährdet wären, wenn kein Close-Out-Netting möglich ist. Damit bestünde aufgrund eines Domino-Effekts eine systemische Gefahr. D. Ergebnis Die bestehenden Insolvenzsysteme sind dem Wandel des Zeitgeistes unterworfen. Hieraus kann sich ergeben, Normen in einer anderen – moderneren – Art und Weise auszulegen. Die etablierten Sanierungssysteme haben erkannt, dass Lösungsklauseln dem Sanierungszweck zuwiderlaufen können. Daher ist es folgerichtig, etablierte Rechtsprechung zu überdenken und in einen neuen Kontext zu setzen. Eine schlichte Berufung auf vorangegangene Interpretationsschemata und Argumentationen verliert an Überzeugungskraft. Vielmehr sollten sich neue Inspirationen zur Lösung des Problems aus den anderen Rechtstraditionen ableiten lassen. Damit wird auch die epochale Dimension der Vertragsfreiheit deutlich (§ 6, B., II.). Diese ist stets in ihrem gesellschaftlichen Kontext zu bewerten. Aus dem Funktionswandel des Insolvenzrechts hin zum Sanierungsrecht lässt sich eine besondere Legitimation ableiten, um die Vertragsfreiheit einschränken zu können.

383 384

UNCITRAL, Legislative Guide on Insolvency Law, S. 123, Rn. 119. UNCITRAL, Legislative Guide on Insolvency Law, S. 157.

260

Kapitel 2: Rechtsvergleichende Analyse

§ 9 Rechtsvergleichende Bewertung § 9 Rechtsvergleichende Bewertung “It is a common feature of insolvency regimes that contractual rights can be overridden.”385

Vor dem Hintergrund der juristischen, wirtschaftlichen und rechtspolitischen Argumente können die untersuchten Rechtsordnungen rechtsvergleichend bewertet werden. Bei der Frage nach der Zulässigkeit von Lösungsklauseln und der Legitimation eines Verbots von Lösungsklauseln ist die juristische Argumentationsebene mit der wirtschaftlichen und rechtspolitischen Ebene untrennbar verknüpft. Rechtsordnungsübergreifend weisen die Insolvenzregime gemeinsame Grundprinzipien auf: so beispielsweise die Gläubigergleichbehandlung und die pro rata Befriedigung, die das Prioritätsprinzip ablöst, oder die Insolvenzanfechtung, die unlautere Vermögensdispositionen rückabwickelt.386 Quasi weltweit ist anerkannt, dass das Insolvenzverfahren bestehende Rechtspositionen grundsätzlich unangetastet lässt.387 Die Liquidationsverfahren konnten sich über Jahrhunderte entwickeln und sind ähnlich ausgestaltet. Ganz im Gegenteil dazu hat sich in den letzten Jahrzehnten eine Vielzahl von Reorganisationsverfahren etabliert, die in ihrer Ausgestaltung nicht unterschiedlicher sein könnten. In diesen Verfahren kommen die rechtspolitischen Unterschiede besonders zum Tragen. Vergleiche von verschiedenen Insolvenzsystemen sind komplex, da diese sich in vielen Faktoren wie Verfahrensdauer, Kosten, Antragstellung etc. unterscheiden. Diese Faktoren tragen jeweils zur Effizienz eines Systems bei. Punktuell die Frage nach der besten Lösung von Verboten der Vertragsbeendigung zu untersuchen, gestaltet sich als schwierig. Die Befunde der Rechtsordnungen lassen sich auf deren Plausibilität bzw. Schlüssigkeit überprüfen. Letztlich ist zu hinterfragen, wieweit heute zivilrechtliche Normen wegen Verwertungsentscheidungen im Insolvenzverfahren zu korrigieren sind.388 Rechtsordnungsübergreifend war dazu stets eine gesetzgeberische Wertentscheidung nötig, um die Zulässigkeit von insolvenzbezogenen Lösungsrechten zulasten der Vertragsfreiheit einzuschränken. A. Verbreitung von Lösungsklauseln als normative Kraft? Der deutsche Bundestag sowie in der deutschen Literatur u.a. Wöllner gingen davon aus, dass Lösungsrechte international anerkannt und üblich seien.389 385

AWB Geneva SA & Anor v North America Steamships Ltd., [2007] EWHC 1167. Wood, Principles of International Insolvency, S. 72. 387 Fletcher, Insolvency in PIL, S. 10. 388 Gerhardt, AcP 200 (2000), 426, 431 f. 389 BT-Drs. 12/7302, S. 170; Wöllner, Die Wirksamkeit vertraglicher Lösungsklauseln im Insolvenzfall, S. 294; auch Huber, in: MüKo-InsO, § 119, Rn. 44. 386

§ 9 Rechtsvergleichende Bewertung

261

Hieraus wurde die Wirksamkeit von vertraglichen Lösungsrechten in der Insolvenz abgeleitet. Diese Aussage ist nicht (mehr) zutreffend.390 Auch Thole geht von einer internationalen Wirksamkeit von Lösungsklauseln aus, wobei er eine gewisse Bewegung in England einräumt.391 Umso verwunderlicher ist, dass auch in England bei der Reform von 2015 auf die Rechtslage in Deutschland verwiesen wurde: In Deutschland seien Lösungsklauseln wirksam, weshalb die Wirksamkeit der Klauseln auch in England geboten sei.392 Ferner leitet von Wilmowsky die Wirksamkeit von Lösungsklauseln aus den Befunden in der Schweiz und England sowie den Vereinigten Staaten ab. Ipso facto Klauseln seien in den USA nur undurchsetzbar (unenforceable), damit aber grundsätzlich wirksam.393 Aber bereits der Blick zu den Nachbarrechtsordnungen Frankreich, Österreich und Polen rücken diesen Befund in ein anderes Licht und lassen an der Überzeugungskraft der Aussagen zweifeln. Gleichwohl hat sich an der tatsächlichen Verbreitung von Lösungsrechten weltweit nichts geändert. Die folgenden Kernbefunde zeigen jedoch, dass in der Verbreitung von Lösungsklauseln keine normative Kraft des Faktischen zu sehen ist. B. Kernbefunde der Untersuchung I. Internationaler Trend: Verbote als moderne Insolvenzgesetzgebung Als erster Befund dieser Arbeit lässt sich feststellen, dass in den meisten Nachbarländern Deutschlands, aber auch europa- und weltweit, die überwiegende und vorherrschende Tendenz in der modernen Gesetzgebung dazu übergeht, mindestens insolvenzbezogene Lösungsklauseln einzuschränken. Gesetzliche Regelungen zu expliziten Verboten von insolvenzbezogenen Lösungsrechten finden sich in immer mehr Rechtsordnungen: Nach den USA (1978) haben sich beispielsweise Frankreich (1986), Polen (2003), Spanien (2003), Italien (2006), Österreich (2010), teilweise Deutschland (2012), Rumänien (2014), partiell England (2015), Griechenland (2015) und Australien (2017) für Verbote von Lösungsklauseln im Insolvenzfall ausgesprochen. Jede gesetzliche Regelung im Insolvenzrecht bedeutet eine Abwägung zwischen den damit verbundenen Chancen und Risiken.394 Damit bewerten immer mehr Gesetzgeber die Chancen von Lösungsverboten höher als die Vertragsfreiheit. Darüber hinaus fordert die Europäische Union Ausübungssperren von Lösungsrechten für bestimmte Sanierungsverfahren und UNCITRAL spricht die klare Empfehlung aus, rechtssicherere Regeln für das Ver390

Vgl. zutreffend in diesem Sinne Pfeiffer, in: Ars aequi et boni in mundo, S. 422. Thole, ZNER 2013, 465, 466. 392 Siehe § 3, D., II., 3. 393 Wilmowsky, ZIP 2007, 553, 555. 394 Seibel, Der Geschäftsführer in der Insolvenz der Gesellschaft – Eine rechtsvergleichende und rechtsökonomische Betrachtung von GmbH und LLC, S. 293. 391

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Kapitel 2: Rechtsvergleichende Analyse

walterwahlrecht und Verbote von insolvenzbezogenen Lösungsklauseln zu erlassen. Gerade bei asymmetrischen Informationslagen, die bei Vertragsverhandlungen sowie der Ausübung von Lösungsklauseln vorkommen, wirkt ein zwingendes Gesetz, wie ein Verbot von Lösungsklauseln, risikomindernd.395 II. Wechsel der internationalen Rechtslage: Sanierungszweck Als zweiter Befund ist festzuhalten, dass ursprünglich in quasi allen Rechtsordnungen jede Art von Lösungsklausel wirksam war.396 Sie waren Ausdruck der Privatautonomie und damit geschützt. Lösungsrechte entwickelten sich zu einem einheitlichen Vertragsstandard und wurden vom Insolvenzrecht gebilligt. In den letzten Jahren und Jahrzehnten rückte die Sanierung in den Mittelpunkt der insolvenzrechtlichen Interessen. Der Schwerpunkt des Insolvenzrechts verschob sich weg vom reinen Vollstreckungsrecht hin zu einem Sanierungsrecht für Gesellschaften. In gleichem Maße, in dem sich der Wandel zu sanierungsfreundlichen Insolvenzregimen vollzog, nahmen auch die gesetzlichen Verbote von Lösungsrechten im Insolvenzfall zu. Immer mehr Rechtsordnungen haben in Lösungsrechten eine Gefahr für die Sanierungschancen von insolventen Unternehmen gesehen. In dieser Folge kam es zu Verboten dieser Lösungsrechte. Diese Tendenz ist bis heute noch nicht abgeschlossen, wie sich in Österreich, Deutschland und England zeigt. Es ist anzunehmen, dass sich auch zukünftig immer mehr Rechtsordnungen diesem Zeitgeist anschließen, gerade nachdem die Europäische Union die Sanierungsfreundlichkeit des Insolvenzrechts als neue Maxime ausweist. Primärer Zweck der Verbote ist stets, wichtige Verträge zur Betriebsfortführung und Sanierung zu erhalten.397 Nur sekundär stehen Überlegungen zum Masseschutz an. Jedenfalls werden die gegenständlichen Verbote nicht aus übergeordneten Gründen wie Verstößen gegen zwingendes Insolvenzrecht oder dem Grundsatz der Gläubigergleichbehandlung gerechtfertigt. Allein die Ausrichtung als Sanierungssystem und damit allein der Sinn und Zweck des Insolvenzrechts haben die Gesetzgeber zu Verbotsregelungen veranlasst. Der Wandel hin zur Sanierung ist umso wichtiger geworden, als sich der tertiäre Wirtschaftssektor immer weiter ausweitet und weniger verwertbare Sachwerte aufweist (§ 8, A., III.). Der tertiäre Sektor ist in besonderem Maße auf Wissen und ideelle Wirtschaftsfaktoren angewiesen. Damit erlangen in 395

Seibel, Geschäftsführer in der Insolvenz der Gesellschaft, S. 293. Vgl. Trettnak/Höfer, ZIK 2010, 204, 206. 397 Vgl. Robert-Tissot, IILR 2012, 234, 247; Hahn, 13 U. Pa. J. Bus. L. 723 (2011), 731 (“Often the continuation of certain contracts will be the basis for the entire business operation of the debtor.”); Suchak, International Corporate Rescue (LJI) 2011, 131, 132 (“they [Lösungsklauseln] allow suppliers and customers to walk away at a time when the company is most dependent on their continued custom, thus frustrating the effect of the administration moratorium.”). 396

§ 9 Rechtsvergleichende Bewertung

263

den Verträgen vergegenwärtigte Vermögenswerte für die Befriedigung der Gläubiger einen besonderen Stellenwert. Lösungsverbote ermöglichen erst, diese vertraglichen Vermögenswerte für die Insolvenzmasse nutzbar zu machen. Sanierungsbemühungen erfordern die ununterbrochene Betriebsfortführung, sodass notwendigerweise die Vertragsbeendigung zu beschränken ist.398 Für Neuverhandlungen ist oft zu wenig Zeit; auch mangels liquider Mittel scheitern regelmäßig neue Vertragsabschlüsse.399 Der Erfolg der Sanierung hängt von Beschränkungen extensiver Privilegien und Vorzugsrechten in der Insolvenz ab. Der Niedergang der deutschen Konkursordnung kann heute maßgeblich auf wertausschöpfende Privilegien und Sicherungsrechte zurückgeführt werden (vgl. § 8, A., I). III. Vertragsfreiheit und wirtschaftliche Knappheit: eine Frage der Legitimität Dritter Kernbefund ist, dass die Vertragsfreiheit in allen untersuchten Rechtsordnungen ein hohes Gut und bestimmendes Prinzip ist. Gleichwohl haben sich die verschiedenen Gesetzgeber zu Eingriffen in die Vertragsfreiheit bzw. zu Schutzmaßnahmen des Insolvenzverfahrens veranlasst gesehen. Gerade in den USA, wo die Vertragsfreiheit einen hohen,400 wenn nicht höheren Stellenwert als in Europa hat, sind insolvenzbezogene Lösungsrechte eingeschränkt. In der normalen außerinsolvenzlichen Situation besteht ein ausgeglichenes Verhältnis zwischen den Vertragspartnern: Es steht den Vertragspartnern frei, wann ein Vertrag enden soll. Was ändert sich nunmehr in der Insolvenzsituation, sodass ebendieser Mechanismus nicht mehr greifen soll? 1. Wirtschaftliche Knappheit und fremdbestimmende Elemente In der Insolvenz besteht denklogisch keine vollumfassende Befriedigungschance mehr für alle Vertragspartner und Gläubiger. Damit verschieben sich die Interessen und die vertragliche Machtverteilung in der Knappheitssituation, da jede Begünstigung eines Gläubigers zur Benachteiligung eines anderen Gläubigers führt. Mit dieser Verschiebung erlangen Drittinteressen eine entscheidende Rolle. Klassischerweise findet die Vertragsfreiheit ihre Grenze, wo Drittinteressen von vertraglichen Abreden betroffen sind (§ 6, B.).401 Es geht letztlich darum, dass eine vertragliche Abrede in der insolvenz398

Hahn, 13 U. Pa. J. Bus. L. 723 (2011), 732; vgl. empirische Studie von Djankov/ Hart/McLiesh/Shleifer, J. Pol. Econ. 2008, 1105, 1149. 399 Hahn, 13 U. Pa. J. Bus. L. 723 (2011), 731. 400 Vgl. Bruns, JZ 2007, 385, 394. 401 Vgl. Suchak, International Corporate Rescue (LJI) 2011, 131, 136; Adolphsen, in: Lizenzentzug und Haftungsfragen im Sport (Hrsg. Heermann), Lizenz und Insolvenz von Sportvereinen, S. 84.

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Kapitel 2: Rechtsvergleichende Analyse

typischen Knappheitssituation nicht den Rechtskreis Dritter fremdbestimmen soll. Auch wenn kein eigentlicher Vertrag zulasten Dritter vorliegt, konnten erhebliche Elemente der Fremdbestimmung aufgezeigt werden.402 Werden dem Insolvenzschuldner Vertragsverhältnisse während der insolvenztypischen Knappheitssituation entzogen, wirkt sich dies auf die anderen Gläubiger und die Chancen für die Unternehmensrettung aus. Ein quantitatives Überwiegen der ex ante-Vorteile von Lösungsrechten gegenüber den positiven Effekten der Verbote von Lösungsrechten ist nicht nachweisbar (vgl. § 7).403 Insofern spricht eine qualitativ-wertende Betrachtung für Verbote von Lösungsklauseln. Ein Verbot von Lösungsklauseln wird untermauert, da Lösungsrechte dem solventen Vertragspartner ein Mittel gewähren, das opportunistisches Verhalten ermöglicht. Erstens kann der solvente Vertragspartner in einer Nachverhandlungssituation die Insolvenz einseitig zu seinen Gunsten und zum Nachteil der Gläubigergemeinschaft ausnutzen. Zweitens: Eine Lösungsklausel kann ausgenutzt werden, um einen aufgrund geänderter Marktbedingungen wirtschaftlich nachteiligen Vertrag zu beenden. Allgemein soll ein Vertrag nicht mit der Begründung beendet werden können, dass ein Vertragspartner den Vertragsabschluss nachträglich bereut.404 Eine strenge Vertragsdurchführung unterbindet letztlich opportunistisches Verhalten des solventen Vertragspartners.405 Schließlich spricht für ein Verbot von Lösungsklauseln, dass sich Vertragspartner allein aufgrund der durch die Insolvenz vermittelten Ungewissheiten (§ 7, C., III., 4.) vom Vertrag lossagen. Der Topos der Ungewissheit in der Insolvenz wurde oben umfassend diskutiert. Eine Vertragsbeendigung hiermit zu rechtfertigen, überzeugt im Regelfall nicht. In besonderen Vertragsverhältnissen mag ein besonderes Gestaltungsinteresse in der Insolvenz für eine Vertragsbeendigung sprechen. Die reine Ungewissheit begründet ein solches Interesse nicht, da sie gerade dem gesetzlich angelegten Leitbild entspricht. Die Ungewissheit ist letztlich eine Flucht vor dem Insolvenzrecht. Der alte Makel des Konkurses und die in der Gesellschaft noch vorhandene negative Ausstrahlung der Insolvenz scheinen noch gegenwärtig zu sein und diese Fluchtbewegung zu fördern. 2. Gesetzliches Leitbild: das Verwalterwahlrecht Der Sanierungszweck trägt zur Rechtfertigung eines Verbots bei. Der Bezug zur Rechtspolitik und dem jeweiligen Insolvenzsystem ist daher besonders 402

Ähnliche Ansicht mit anderer Schlussfolgerung Wortberg, Lösungsklauseln und Insolvenz, S. 35. 403 Thole, ZNER 2013, 465, 466. 404 Robert-Tissot, IILR 2012, 234, 249. 405 Triantis, 43 U. Toronto L.J. 679 (1993), 704.

§ 9 Rechtsvergleichende Bewertung

265

wichtig. Insofern sind auch die Bestimmungen des Verwalterwahlrechts im Lichte des modernen Sanierungszwecks zu interpretieren. Mit dem Verwalterwahlrecht gibt der Gesetzgeber ein verbindliches Normsystem zur Abwicklung des Vertragsverhältnisses vor. Insofern sind die gesetzgeberischen Entscheidungen wie in § 103 InsO zu Recht dem Verwalter zugewiesen. Ungewissheiten über das Vertragsschicksal hat der Gesetzgeber am Anfang des Insolvenzverfahrens damit selbst angelegt.406 Der Gesetzgeber mutet den solventen Vertragsparteien eine Wartezeit zu, bis der Verwalter sein Wahlrecht über schwebende Vertragsverhältnisse ausgeübt hat. Dies ist das gesetzliche Leitbild. Auch wenn die solvente Vertragspartei gezwungen ist, einen unprofitablen Vertrag fortzuführen, hat der Gesetzgeber die Grundentscheidung getroffen, das vertragliche Synallagma zu erhalten und dem Verwalter eine Entscheidungsmöglichkeit einzuräumen.407 Dieser entscheidet nicht zum Vorteil eines Gläubigers oder des Schuldners, sondern im Interesse der Gläubigergesamtheit. Das Verwalterwahlrecht ist damit die Lösung, um wirtschaftliche Externalitäten- und Koordinationsprobleme zu lösen. Dieses Regelungsgeflecht darf nicht privatautonom unterlaufen werden (§ 119 InsO). Die Lösungsklauseln unterlaufen damit die in der Knappheitssituation sinnvoll angelegten Entscheidungsstrukturen. Der gesetzlich zwingende Charakter des Verwalterwahlrechts spiegelt schlussendlich wieder, dass Vertragsverhältnisse insolvenzrechtlich abzuwickeln sind. Privilegien für einzelne Gläubiger sind mit diesem gesetzlichen Leitbild und einer effizienten Sanierung nicht vereinbar. Dies unterstreicht die Legitimität eines Verbots insolvenzbezogener Lösungsklauseln. 3. Insolvenzbezug und Disponibilität Letztlich rührt das Interesse an der Vertragsbeendigung nicht aus einer – weiterhin legitimen – schuldhaften Vertragsverletzung, sondern ist ausschließlich durch die Insolvenz und die finanzielle Situation des Schuldners begründet.408 Bereits in den Motiven zur Konkursordnung wird die Schicksalsgemeinschaft der Insolvenzgläubiger als legitimierendes Element für Eingriffe in die persönliche Freiheit beschrieben: „Aber die Konkursgläubiger bleiben nicht einzeln mit ihren Rechten; der Konkursanspruch Aller bringt sie in eine rechtliche Gemeinschaft, und zwingende Mehrheitsbeschlüsse einer solchen finden selbst im formalen Recht ihre Geltung. Jedenfalls in dem höheren Werthe 406 OLG Frankfurt, Urt. v. 16.3.2015 – 1 U 38/14, NZI 2015, 466; Mossler, ZIP 2002, 1831, 1836; Schwörer, Lösungsklauseln für den Insolvenzfall, S. 107; Jacoby, ZIP 2014, 649, 654. 407 Zu einer anderen Schlussfolgerung kommend Che/Schwartz, J.L. Econ. & Org. 441 (1999), 442. 408 Berger, ZIP 1994, 173, 181.

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Kapitel 2: Rechtsvergleichende Analyse

materieller Gerechtigkeit. Der gleiche vernünftige Zweck einzelner Schicksalsgenossen ist der sittliche Wille Aller. Ihm sich fügen zu müssen, beschädigt nicht die persönliche Freiheit; ihn dem Widerspruch weniger Gläubiger zum Opfer bringen, beschädigt das allgemeine Recht.“409

Gerade Lösungsklauseln sind Ausdruck des Widerspruchs weniger Gläubiger gegen die Interessen der rechtlichen Gemeinschaft der Insolvenzgläubiger. Im Sinne einer materiellen Gerechtigkeit im Insolvenzverfahren sind die Interessen der Gemeinschaft höher zu bewerten. Verbote von vertraglichen Beendigungsklauseln sind zu rechtfertigen, wenn die Lösungsklausel einen hinreichenden Insolvenzbezug aufweist, also im Insolvenzverfahren ihre Wirkung entfaltet. Der Eingriff in die Vertragsfreiheit ist indes nur gerechtfertigt, wenn gleichzeitig Schutzmechanismen bestehen, die einen Ausgleich für die Vertragsbindung bereithalten. Einen solchen Schutz bieten das Verwalterwahlrecht selbst, Masseverbindlichkeiten und bestehende Vorleistungspflichten. Der Eingriff muss das relativ mildeste Mittel bleiben. Gerade bei einer engen Beziehung zwischen vertraglicher Abrede und den Wirkungen auf das Insolvenzverfahren ist die freie Disponibilität der Vertragsparteien einzuschränken.410 Vertragliche Abreden betreffen in der Insolvenzsituation Interessen der Gläubigergemeinschaft und damit Dritter außerhalb des Vertragsverhältnisses. Der Schutzbedarf des Insolvenzschuldners entfällt, wenn er kein staatliches Verfahren durchläuft. Mit anderen Worten: Ohne ein formelles Insolvenzverfahren, das die vorgenannten Schutzmechanismen zur Verfügung stellt, muss eine Kündigung zulässig bleiben: Der Schuldner kann nur Schutz durch das Insolvenzverfahren erlangen, das die insolvenzrechtliche Schicksalsgemeinschaft begründet. Erst im Verfahren treten die Insolvenzzwecke und die fremdbestimmende Wirkung der Lösungsklausel zutage, die Rechtfertigung für einen Eingriff in die Vertragsfreiheit sind. Gleichzeitig erlangt der solvente Vertragspartner ebenfalls Schutz durch das Insolvenzverfahren. Er erhält privilegierte Masseverbindlichkeiten, auch zusätzliche Risiken sind beschränkt.411 In Insolvenzverfahren reicht die Masse nicht für alle Gläubiger aus. Die Verfahrensordnungen sehen daher eine Maximierung durch das staatliche Insolvenzverfahren vor. Hierbei bilden die Gläubiger- und Vertragspartner eine Schicksalsgemeinschaft. Hieraus kann die Legitimität zu einer erzwungenen vertraglichen Bindung im Insolvenzverfahren abgeleitet werden. Durch das zwingende Insolvenzrecht entsteht ein Näheverhältnis zwischen den Vertragspartnern. Die freiwillig eingegangenen Leistungen des vertraglichen 409

Zitiert nach Falk, ZRG GA 131 (2014), 266, 313. Brinkmann/Steinhauser, in: FS Kübler, S. 96 („Lösungsklauseln sind vielmehr schon deshalb unwirksam, weil es sich hierbei um Vereinbarungen handelt, die nicht von der Privatautonomie der Vertragsparteien gedeckt sind.“). 411 Robert-Tissot, IILR 2012, 234, 248. 410

§ 9 Rechtsvergleichende Bewertung

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Synallagmas sollen in der Insolvenz erhalten bleiben: Es gelten die Grundsätze pacta sunt servanda und volenti non fit iniuria. C. Fazit Der Rechtsvergleich konnte die grundsätzliche Legitimität eines Eingriffs in die Vertragsfreiheit durch ein Verbot von Lösungsklauseln unterstreichen.412 In den USA, in Frankreich, aber auch in Österreich bestehen strenge Verbote von Lösungsklauseln im Insolvenzfall. Diese Rechtsordnungen haben keine nachweisbaren, ernsthaften wirtschaftlichen Schwierigkeiten wegen eines solchen Verbots erlitten. Ganz im Gegenteil verfügen die USA über eine der effizientesten Sanierungsrechtsordnungen. Einem Verbot von Lösungsklauseln stehen keine zivilrechtlichen oder insolvenzrechtlichen Prinzipien entgegen (§ 6). Ganz im Gegenteil sprechen die juristischen Argumente im Lichte einer wirtschaftlichen und rechtspolitischen Perspektive vielmehr für ein solches Verbot (§ 7 und 8). In Lösungsklauseln manifestiert sich eine wirtschaftliche Fremdbestimmung zulasten der Gläubigergesamtheit und eine Gefahr für die Sanierung des Schuldners. Eine sanierungspolitische Auslegung des Verwalterwahlrechts sowie die rechtspolitische heutige Ausrichtung des Insolvenzverfahrens sprechen für ein Verbot von Lösungsklauseln. Das Verwalterwahlrecht ist gerade Ausdruck des gesetzgeberischen Willens. Schlussendlich spricht die rechtsvergleichende Erkenntnis für ein Verbot von Kündigungsmöglichkeiten im Insolvenzzusammenhang.

412

Ebenso für ein Verbot von Lösungsklauseln Robert-Tissot, IILR 2012, 234, 248 f.

Kapitel 3

Nationale Umsetzung von Klauselverboten Im Folgenden sollen aus den vorstehenden Erörterungen konkrete Richtlinien und rechtspolitische Handlungsempfehlungen für den deutschen (§ 11) und schweizerischen (§ 12) Diskurs erarbeitet werden, die in einen konkreten Gesetzesvorschlag (§ 13) münden. Hierbei stehen neben den in allen Rechtsordnungen vorgetragenen juristischen und wirtschaftlichen Argumenten vor allem die rechtsvergleichenden Impulse im Vordergrund. Allgemeine Leitlinien für eine Behandlung von Lösungsklauseln werden in § 10 vorangestellt, wobei die aktuellen Leitentscheidungen des Bundesgerichtshofs aus den Jahren 2012 (IX ZR 169/11) und 2016 (VII ZR 56/15), ergänzt um eine weitere Entscheidung aus dem Jahr 2017 (IX ZR 261/15), zu besprechen sind.

§ 10 Leitlinien eines Verbots § 10 Leitlinien eines Verbots “I suppose foreign statutory and judicial law can be consulted in assessing the argument that a particular construction of an ambiguous provision in a federal statute would be disastrous. If foreign courts have long been applying precisely the rule argued against, and disaster has not ensued, unless there is some countervailing factor at work, the argument can safely be rejected”.1

Das deutsche Insolvenzrecht ist heute von seiner Zielsetzung hinreichend auf Sanierungs- und Masseschutz ausgerichtet, um insolvenzbezogene Lösungsklauseln zu verbieten (§ 1, A.; § 2, B., II.; § 3, A.; § 8). Trotz der Sanierungsbestrebungen zeigen die Insolvenzstatistiken der letzten Jahre, dass Sanierungen weiterhin wenig erfolgreich sind: Von den in Deutschland im Jahr 2011 eröffneten und bis Ende 2015 beendeten Insolvenzverfahren war eine Sanierung in ca. 80 % der Verfahren nicht erfolgreich.2 Wie gesehen, können umfassende Verbote von Lösungsklauseln ein Instrument sein, um die Sanierungschancen zu verbessern. Auch in Deutschland hat der Bundesgerichtshof den Weg eines Verbots insolvenzabhängiger Lösungsklauseln mittlerweile eingeleitet, wenn auch die Konturen des Verbots aufgrund der richterrechtlichen Rechtsfortentwicklung noch unklar sind. Daher sollen die beiden 1

Scalia, 98 Am. Soc'y Int'l L. Proc. 305 (2004), 306. Vgl. Statistisches Bundesamt, Unternehmen und Arbeitsstätten – Beendete Insolvenzverfahren und Restschuldbefreiung 2015, S. 8. 2

§ 10 Leitlinien eines Verbots

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Grundsatzentscheidungen des Bundesgerichtshofs hier nochmals aufgegriffen und bewertet werden (§ 10, A.; § 10, B.). Rechtsvergleichende Impulse ermöglichen eine genauere Standortbestimmung.3 Insbesondere können Leitlinien für eine weitere Rechtsprechungsentwicklung oder klarstellende Eingriffe des Gesetzgebers ermittelt werden.4 Dabei wird festgestellt, dass die Insolvenz an sich keinen wichtigen Grund zur Vertragsbeendigung darstellen sollte (§ 10, C.). Eine allgemeine und rechtssichere Verbotsregelung ist zu entwickeln (§ 10, D.), die den Zielsetzungen des Insolvenzverfahrens gerecht wird (§ 10, E. und F.), die Fremdbestimmung der Gläubigergemeinschaft einschränkt und der privatautonomen Selbstbestimmung der Vertragspartner gleichwohl Rechnung trägt. A. Zeitgemäßes Ergebnis – fragwürdige Begründung des IX. Senats des Bundesgerichtshofs (2012) Die Entscheidung des Bundesgerichtshofs aus dem Jahr 2012 fügt sich stimmig in das rechtliche Bild ein, das Frankreich, Österreich und die USA zeichnen. Auch die englische Rechtslage entspricht konkret der deutschen Entscheidung: ein Verbot insolvenzbezogener Lösungsklauseln in essenziellen Versorgungsverträgen. Der Wortlaut des § 119 InsO ist weit genug gefasst, um ein Verbot von insolvenzbezogenen Lösungsklauseln aus unmittelbaren und mittelbaren Beeinträchtigungen des Verwalterwahlrechts abzuleiten. Anders als der Bundesgerichtshof entschieden hat, spricht der Wortlaut des § 119 InsO auch nicht gegen ein Verbot insolvenzunabhängiger Lösungsklauseln (§ 10, F.). Letztlich bleibt die Begründung des Bundesgerichtshofs im Detail jedoch fragwürdig. An dieser Stelle sei kurz auf die Argumentation zur historischen Auslegung eingegangen. Teilweise wird die historische Auslegung zwar als reine Spekulation bewertet.5 Gleichwohl war in § 137 Abs. 2 des Regierungsentwurfs zur InsO (entspräche heute § 119 InsO) ein Verbot von Lösungsklauseln vorgesehen: „Vereinbarungen, die für den Fall der Eröffnung des Insolvenzverfahrens die Auflösung eines gegenseitigen Vertrags vorsehen oder der anderen Partei das Recht geben, sich einseitig vom Vertrag zu lösen, sind unwirksam. Ist in einem gegenseitigen Vertrag vereinbart, daß bei einer Verschlechterung der Vermögensverhältnisse einer Vertragspartei die

3 Im Sinne einer praesumptio similitudinis kann eine Vermutung für ähnliche Lösungen des in der Sache gleichen Problems sprechen, vgl. Zweigert/Kötz, Einführung in die Rechtsvergleichung auf dem Gebiete des Privatrechts, § 3 III, S. 39. 4 Bereits für ein Tätigwerden des Gesetzgebers Berger, ZIP 1994, 173, 184. 5 Thole, in: Privatautonomie und Insolvenzrecht, S. 285; Gerhardt, AcP 200 (2000), 426, 441.

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Kapitel 3: Nationale Umsetzung von Klauselverboten

andere das Recht hat, sich einseitig vom Vertrag zu lösen, so kann dieses Recht nach der Eröffnung des Insolvenzverfahrens nicht mehr ausgeübt werden.“6

Wegen eines angeblich zu weitgehenden Eingriffs in die Vertragsfreiheit strich der Rechtsausschuss diese Regelung7 – auf Betreiben der Wirtschaftsverbände.8 Die historische Auslegung ist durch die Gesetzesgenese des § 14 VVG a.F. zu ergänzen. Diese Norm gestattete dem Versicherer, sich ein vertragliches Lösungsrecht (mit Monatsfrist) in Versicherungsverträgen auszubedingen. Der Rechtsausschuss des Deutschen Bundestages stellte klar: „§ 14 VVG, der die Vereinbarung eines Kündigungsrechts für den Fall der Eröffnung eines Konkurs- oder Vergleichsverfahrens und für den Fall einer Zwangsverwaltung zuläßt, wird abweichend vom Regierungsentwurf nicht aufgehoben, sondern in angepaßter Form beibehalten. Diese Abweichung vom Regierungsentwurf steht im Einklang mit der Änderung des § 137 des Regierungsentwurfs der Insolvenzordnung durch den Rechtsausschuß; hier wie dort soll die Zulässigkeit von Vereinbarungen über Vertragsauflösungen im Insolvenzfall durch die Neuregelung des Insolvenzrechts nicht eingeschränkt werden.“9

Der Vorschlag des Rechtsausschusses ist Gesetz geworden.10 Insofern wurde der Wille des Bundestages, Lösungsklauseln für zulässig zu halten, mehrmals in verschiedene Gesetzesmaterialien aufgenommen und letztlich genauso verabschiedet.11 Dem Rechtsanwender steht es grundsätzlich nicht zu, sich über diesen erklärten Willen allein aus rechtspolitischen Motiven hinwegzusetzen.12 Erst im Zuge der Reform des Versicherungsvertragsrechts wurde das Kündigungsrecht des Versicherers im Jahr 2008 gestrichen: „Auf die bisherige Sonderregelung des § 14 VVG für den Fall der Insolvenz des Versicherungsnehmers wird verzichtet, da für ein besonderes Kündigungsrecht des Versicherers kein hinreichendes Bedürfnis besteht.“

Wenn der Bundesgerichtshof meint, dass sich die Zulässigkeit von vertraglichen Lösungsklauseln bei Verabschiedung der Insolvenzordnung nicht im Gesetz niedergeschlagen hat, ist dies wenig überzeugend und verkehrt das Regel-Ausnahme-Verhältnis: Ausgangspunkt ist die privatautonome Zulässigkeit von Vereinbarungen zweier Privatpersonen über das Ende eines Ver6 Die Regelung sollte das Verwalterwahlrecht mittelbar schützen. Insbesondere war bekannt, dass Kündigungen in der Insolvenz die Sanierung erschweren können: BRDrs. 1/92, 146 f., 152 f. 7 BT-Drs. 12/7302, S. 170. 8 Hausmann, ZUM 1999, 914, 918. 9 BT-Drs. 12/7303, S. 114 f. (Bericht des Rechtsausschusses zum „Entwurf eines Einführungsgesetzes zur Insolvenzordnung (EGInsO)“). 10 BGBl. I 1994, S. 2946. 11 Vgl. ebenso Prütting, in: FS Gerhardt, S. 767; Seagon, LMK 2013, 346233; ebenso und ausführlich zum Willen des Gesetzgebers Wellensiek/Scharfenberg, DZWIR 2013, 317, 318 f.; ebenso vehement Foerste, ZInsO 2015, 601, 601 u. 613. 12 Foerste, ZInsO 2015, 601, 601, 603 u. 613.

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trags. Ein Verbot von Lösungsklauseln ist letztlich ein Eingriff in die verfassungsrechtlich garantierte Vertragsfreiheit. Streicht der Gesetzgeber im Gesetzgebungsverfahren explizit das gesetzliche Verbot, wäre es naheliegend, dass der Grundsatz der Vertragsfreiheit gilt.13 In den Gesetzesmaterialien wird hinreichend deutlich, dass vertragliche Lösungsklauseln von § 119 InsO gerade nicht erfasst sein sollen. Damit entwertet sich das Argument des Bundesgerichtshofs, der Wille des Gesetzgebers hätte im Gesetz keinen Niederschlag gefunden, in eine reine Behauptung. Dies wird durch einen Blick in die Nachbarrechtsordnungen Österreich und die Schweiz unterstrichen: In beiden Rechtsordnungen sind die insolvenzrechtlichen Regelungen des Verwalterwahlrechts zwingendes Recht. In der Schweiz ist dies nicht explizit kodifiziert. In Österreich fand sich unter der bis 2010 geltenden Konkursordnung eine dem deutschen § 119 InsO wörtlich entsprechende allgemeine Regelung.14 Auch § 119 InsO entspricht letztlich nur der Rechtslage unter der deutschen Konkursordnung: Das Wahlrecht ist zwingendes Recht.15 Damit besteht sowohl in Deutschland als auch in der Schweiz und in Österreich im Ausgangspunkt die gleiche gesetzliche Regelung zum zwingenden Charakter des Verwalterwahlrechts. Indes folgerte die herrschende Auffassung hieraus kein Verbot von Lösungsklauseln. In allen Rechtsordnungen waren bei dieser gesetzlichen Normierung vertragliche insolvenzbezogene Lösungsklauseln wirksam. In Österreich war erst ein expliziter Eingriff des Gesetzgebers notwendig, um ein Verbot von Lösungsklauseln zu begründen. Damit wird die Grenze richterlicher Rechtsfortbildung wichtig – sie liegt im Wortlaut und in der Erforschung des Normzwecks.16 Zu den Grenzen der richterlichen Rechtsfortbildung konkretisierte das Bundesverfassungsgericht: „Richterliche Rechtsfortbildung darf nicht dazu führen, dass der Richter seine eigene materielle Gerechtigkeitsvorstellung an die Stelle derjenigen des Gesetzgebers setzt. Diese Verfassungsgrundsätze verbieten es dem Richter allerdings nicht, das Recht fortzuentwickeln. Angesichts des beschleunigten Wandels der gesellschaftlichen Verhältnisse und der begrenzten Reaktionsmöglichkeiten des Gesetzgebers sowie der offenen Formulierung zahlreicher Normen gehört die Anpassung des geltenden Rechts an veränderte Verhältnisse zu den Aufgaben der Dritten Gewalt […]. Der Richter darf sich nicht dem vom Gesetzgeber festgelegten Sinn und Zweck des Gesetzes entziehen. Er muss die gesetzgeberische Grundentscheidung respektieren und den Willen des Gesetzgebers unter gewandelten Bedingungen möglichst zuverlässig zur Geltung bringen. Er hat hierbei den anerkannten Methoden der Gesetzesauslegung zu folgen […]. Eine Interpretation, die als richterliche Rechtsfortbildung den klaren Wortlaut des Gesetzes hintanstellt, keinen Widerhall im 13 Vgl. Wortberg, ZInsO 2003, 1032, 1034; Wellensiek/Scharfenberg, DZWIR 2013, 317, 318. 14 Vgl. § 3, C., I. 15 BR-Drs. 1/92, S. 152. 16 BVerfG, Beschl. v. 25.1.2011 – BvR 918/10; vgl. auch Rüthers, NJW 2011, 1856, 1856 ff. und Braegelmann, KSI 2013, 259, 260.

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Gesetz findet und vom Gesetzgeber nicht ausdrücklich oder – bei Vorliegen einer erkennbar planwidrigen Gesetzeslücke – stillschweigend gebilligt wird, greift unzulässig in die Kompetenzen des demokratisch legitimierten Gesetzgebers ein.“

Ein klares gesetzgeberisches Motiv lässt sich nicht einfach ignorieren. Seagon möchte sich gleichwohl über den gesetzgeberischen Willen hinwegsetzen, da dieser mit dem grundlegenden Ziel der Insolvenzrechtsreform kollidiert, die „Zerschlagungsautomatik“ des Konkurses zu beenden.17 Hieran anknüpfend hätte der Bundesgerichtshof überzeugenderweise auf einen gewandelten Zeitgeist – trotz des jungen Alters der Insolvenzordnung – abstellen und aus diesem Wandel eine neue Norminterpretation des § 119 InsO ableiten können:18 Der deutsche Gesetzgeber beabsichtige, die Sanierung der Unternehmen stärker zu fördern. Die Einschätzung des deutschen Gesetzgebers, dass ein Verbot vertraglicher Lösungsklauseln eine sanierungsfeindliche Wirkung haben würde, ist zweifelhaft (§ 7).19 Zudem unterlief dem deutschen Gesetzgeber – aus heutiger Sicht – die Fehleinschätzung, dass der internationale Geschäftsverkehr allgemein Lösungsklauseln erfordere.20 Die hier maßgebliche Bundestagsdrucksache des Rechtsausschusses stammt vom 19. April 1994. Die Blicke nach Frankreich oder die USA zeigten zwar damals schon, dass die Wirksamkeit von Lösungsklauseln nicht international zwingend ist. Gleichwohl überwog – wie diese Arbeit zeigt – im Zeitpunkt des Erlasses der Insolvenzordnung international die Wirksamkeit von Lösungsklauseln. Dies wandelte sich jedoch offenkundig im ersten Jahrzehnt der Insolvenzordnung. So hätte der Bundesgerichtshof zwischenzeitlich auch in Österreich eine geänderte Rechtslage feststellen können. Gerade in den 2000er-Jahren schlossen sich immer mehr Rechtsordnungen dem internationalen Trend und den Empfehlungen internationaler Organisationen an, Lösungsklauseln zu verbieten (vgl. § 3, F; 7, B. und C.; 9, B., I., 1.). Schließlich wollte der deutsche Gesetzgeber durch weitere Insolvenzrechtsreformen wie dem ESUG21 das deutsche Insolvenzrecht sanierungsfreundlicher werden lassen. Abschließend lassen sich die Widersprüchlichkeiten zu der Begründung des § 105 InsO kaum anderweitig aufheben als durch ein Verbot von Lösungsklauseln. Die Zwecke des § 105 InsO, der den Schutz der Insolvenzmasse bei teilbaren Vertragsleistungen bewirken soll (§ 2, B., II., 1.), werden sonst unterlaufen.22 Denn der Gesetzgeber wollte durch § 105 InsO gerade das Erfüllungswahlrecht in der Insolvenz stärken, indem früher notwendige nachteilige Vertragsverhandlungen im Insolvenzfall verhindert werden sollten. Lösungsklau17

Seagon, LMK 2013, 346233, dies ablehnend Foerste, ZInsO 2015, 601, 604. Zippelius, Rechtsphilosophie, § 21 II. 19 Prütting, in: FS Gerhardt, S. 772; Seagon, LMK 2013, 346233. 20 BT-Drs. 12/7302, S. 170. 21 Gesetz zur weiteren Erleichterung der Sanierung von Unternehmen, 2011, BGBl. I S. 2582. 22 Vgl. Huber, in: Insolvenzrechts-Handbuch, § 36, Rn. 10; siehe § 2, B., VI. 18

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seln können daher nicht nur das Verwalterwahlrecht an sich unterwandern, sondern stehen auch dem Zweck von § 105 InsO entgegen. Da insolvenzbezogene Lösungsklauseln eine Gefahr für wertvolle Verträge in der Insolvenz sein können,23 überzeugt die Entscheidung des Bundesgerichtshofs zwar nicht in der Begründung, wohl aber im Ergebnis. Maßgeblich sind schlussendlich die teleologischen Erwägungen des Bundesgerichtshofs zum Schutz des Wahlrechts, aus denen er ein Verbot von insolvenzbezogenen Lösungsklauseln ableitet und die ein geändertes Normverständnis des § 119 InsO erklären können. B. Fundierte Begründung – fragwürdiges Ergebnis des VII. Senats des Bundesgerichtshofs (2016) Die Entscheidung des Bundesgerichtshofs aus dem Jahr 2016 (VII ZR 56/15) wurde als „großer Schritt“ bezeichnet.24 Ob die Richtung allerdings richtig ist, darf bezweifelt werden. Im Jahr 2016 hat der VII. Senat durchaus nachvollziehbar argumentiert und ein fundiert begründetes Urteil gefällt. Hierbei hat der Bundesgerichtshof die Sach- und Rechtslage aus allen rechtlichen Blickwinkeln der §§ 103, 119 InsO bewertet – unter Berücksichtigung der beteiligten Interessen mit Bezug zur Vertragsfreiheit, zur Insolvenzanfechtung bis hin zum AGB-Recht.25 Es ist dabei überraschend, dass der VII. Senat in seiner tiefgründigen Argumentation eine scheinbar sehr deutliche Gegenposition zum IX. Senat einnimmt. Formal ist die Entscheidung allerdings kein Widerspruch zur bisherigen Entscheidung (IX ZR 169/11), da unterschiedliche Vertragstypen betroffen waren und das entscheidungserhebliche besondere Vertrauen in den Unternehmer ein Spezifikum des Bauvertrags sei.26 Eine Divergenzvorlage nach § 132 Abs. 2 GVG konnte daher vermieden werden. Der Bundesgerichtshof hat jedoch mit dieser zweiten Entscheidung die Chance vertan, die Rechtsprechung zu insolvenzbezogenen Lösungsklauseln rechtssicher und einheitlich fortzuentwickeln. Die Entscheidung konkretisiert die offenen Fragen unzureichend und setzt letztlich mehr neue Fragezeichen. Erstens führt die vom Bundesgerichtshof durchgeführte Gesamtbetrachtung von Vertragsfreiheit und Lösungsklauseln im Einzelfall dazu, dass die Rechtssicherheit erheblich gefährdet wird. Es ist im Voraus kaum sicher zu sagen, wie die Abwägung des Bundesgerichtshofs für den konkreten Vertragstyp ausfallen wird. Erst nachdem viele Sachverhalte abgeurteilt sind, wird sich ein klares Bild ergeben. Mithin bleibt dies ein offenes Problem für die nächsten Jahrzehnte. Darüber hinaus ist selbst bei der jetzigen Entscheidung offen, ob die Zulässigkeit der Lösungsklausel nur für einen Eigenantrag 23

Haarmeyer/Wutzke/Förster, Handbuch der vorläufigen Insolvenzverwaltung, S. 403. Scheef, MDR 2016, 797, 800. 25 Vgl. Lederer, jurisPR-PrivBauR 2016, Anm. 1. 26 BGH, Urt. v. 7.4.2016 – VII ZR 56/15, BGHZ 210, 1, Rn. 43. 24

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oder auch für einen Gläubigerantrag gilt; insofern könnte sich die Gesamtbetrachtung durchaus ändern.27 Eine einzelfallabhängige Gesamtbetrachtung ist Einfallstor für Sonderrechte und Partikularinteressen, die mit den Prinzipien des Insolvenzrechts als Gesamtvollstreckungsverfahren schwer zu vereinbaren sind. Folgt man diesem Weg, lässt sich für Deutschland kaum ein grundsätzliches Verbot, aber auch keine grundsätzliche Wirksamkeit von Lösungsklauseln ableiten. Sogar der englische Weg, bei dem der Gesetzgeber ein klares punktuelles Verbot erlassen hat – bei sonstiger uneingeschränkter Wirksamkeit, ist rechtssicherer. Zweitens widersprechen die Entscheidungsgründe dem Geist der Insolvenzordnung und stehen internationalen Entwicklungen diametral entgegen. Der Bundesgerichtshof geht so weit, dass die alleinige Antragstellung (Eigenantrag) als wichtiger Kündigungsgrund zu interpretieren ist. Darüber hinaus sieht der Bundesgerichtshof ein schuldhaftes Verhalten des Unternehmers darin, dass er seine Zahlungsunfähigkeit zu vertreten habe.28 Insofern nimmt der Bundesgerichtshof schlussendlich eine Position ein, in der dem Insolvenzschuldner die Insolvenz pönalisierend vorgeworfen wird. Das klassische Bild des Makels des Konkurses tritt wieder zutage. Genau diese Ächtung der Insolvenz sollte mittlerweile überwunden sein. In Deutschland, aber auch international, sollen Sanierungen und die Politik der zweiten Chance ermöglicht werden (§ 8). Solange aber alleine die Insolvenzantragstellung das Vertrauen abstrakt zerstören soll, wird dieses regulatorische Anliegen konterkariert. International ist diese Position heute fragwürdig.29 Sogar national ist das Ergebnis des Bundesgerichtshofs zweifelhaft: Bereits die Motive zur eigentlich sanierungsfreundlichen30 Reichskonkursordnung haben im Jahr 1875 festgehalten, dass die Insolvenz kein Grund zur Vertragsaufhebung sei (sogleich § 10, C.).31 Die heutige Insolvenzordnung sollte nach ESUG und den internationalen Bestrebungen der zweiten Chance jedoch nicht weniger schuldnerfreundlich als die Konkursordnung sein. Wenn Scheefs Argumentation (§ 3, A.) zutreffend wäre,32 dass allein der Eigenantrag für ein Insolvenzverfahren der wohl stärkste Vertrauensverlust sei und folglich einen wichtigen Kündigungsgrund darstellt, wären quasi alle Verträge wegen eines Insolvenzfalls außerordentlich kündbar. Drittens sind die Bedenken gegen Lösungsrechte unter dem Blickwinkel der Vertragsfreiheit und unter Berücksichtigung der Eigenheiten des Bauvertrags nicht gerechtfertigt (§ 11, A., II.). An dieser Stelle sei angemerkt, dass die Entscheidung nicht auf die inhärenten Grenzen der Vertragsfreiheit selbst 27

Vgl. Lederer, jurisPR-PrivBauR 2016, Anm. 1. So der BGH, Urt. v. 7.4.2016 – VII ZR 56/15, BGHZ 210, 1, Rn. 59. 29 Beispielsweise aus der Schweizer Lehre Staehelin, AJP/PJA 2004, 363, 374. 30 Vgl. § 1, A.; § 8, A., 1. 31 Motive zur Konkursordnung (1875), S. 66; vgl. auch Tintelnot, in: FS Kübler, S. 702. 32 Scheef, MDR 2016, 797, 799. 28

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eingegangen ist (§ 6, A.). Insbesondere die wirtschaftlichen Auswirkungen der Kündigungsrechte in der Insolvenz wurden wenig gewichtet. Vielmehr beschränkt sich die Gesamtbetrachtung auf die Interessen des Auftraggebers, wobei nur die grundsätzliche Legitimität der zwingenden Ausgestaltung des Wahlrechts anerkannt wurde. Viertens ist zu hinterfragen, warum dem Auftraggeber das Abwarten der Insolvenzverfahrenseröffnung unzumutbar sein soll. Der Gesetzgeber hat in Deutschland – im Gegensatz zu den meisten anderen Rechtsordnungen – ein Eröffnungsverfahren vorgesehen. Wenn ein solches Verfahren unzumutbar sein soll, sollte eher der Gesetzgeber über dessen Abschaffung nachdenken, wie es beispielsweise in Österreich der Fall ist. Fünftens besteht die Gefahr, dass die Insolvenzantragstellung verzögert wird, um keinen wichtigen Kündigungsgrund auszulösen. Die Entscheidung setzt Fehlanreize, den Eröffnungsantrag rechtzeitig zu stellen und gefährdet damit die Sanierungschancen zusätzlich (vgl. § 11, B., II).33 Mithin ist durch diese Entscheidung eine Gelegenheit verpasst worden, das deutsche Insolvenzrecht zukunftsfähig fortzuentwickeln. Eine allgemeine Aussage zur Rechtslage in Deutschland, wann vertragliche Lösungsrechte in der Insolvenz unzulässig sind, wird quasi unmöglich. C. Abgrenzungsentscheidung des IX. Senats des Bundesgerichtshofs (2017) – Die Insolvenz als wichtiger Grund Im Jahr 2017 konnte der IX. Senat wieder richtungsweisend wirken.34 Zwar waren nicht insolvenzbezogene Lösungsklauseln unmittelbar Gegenstand der Entscheidung. Jedoch ging es um die Vertragsbeendigung eines Werkvertrags in der Insolvenz aus wichtigem Grund. Nachdem der VII. Senat im Jahr 2016 die restriktive Sicht des IX. Senats auf Lösungsklauseln in Werkverträgen verwässerte, scheint der IX. Senat mit seiner neuen Entscheidung die Position des VII. Senats seinerseits wieder teilweise revidieren zu wollen. Allerdings vermeidet der Senat den offenen Konflikt zwischen den Senaten. Insoweit ist erneut eine Chance verpasst worden, offene Fragen zu klären und Rechtssicherheit zu schaffen. In der Sache forderte der Kläger als Insolvenzverwalter der Schuldnerin die Zahlung von Werklohn abzüglich ersparter Aufwendungen infolge der Kündigung eines Werklieferungsvertrags. Die Insolvenzschuldnerin und die Beklagte standen in einer ständigen Geschäftsbeziehung, wobei die Insolvenzschuldnerin zur Herstellung und Lieferung bestimmter Metallgussteile 33

Szalai, WuB 2018, 89, 93. BGH, Urt. v. 14.9.2017 – IX ZR 261/15, NJW 2017, 3369 besprochen von Ringstmeier, EWiR 2018, 19, passim; Schwenker, jurisPR-PrivBauR 1/2018, Anm. 4, passim; Wellensiek/Kurtz, DZWIR 2018, 26, passim; vertiefend Zeyns, ZIP 2018, 8, passim; Szalai, WuB 2018, 89, passim; Wilhelm, BB 2017, 2640, passim. 34

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verpflichtet war. Nachdem die Insolvenzschuldnerin im Oktober 2012 die Eröffnung des Insolvenzverfahrens beantragt hatte, änderten die Parteien noch im März 2013 während des Eröffnungsverfahrens den bestehenden Rahmenvertrag. Indem die Beklagte Leistungen der Schuldnerin abrief, sind einzelne Werklieferungsverträge zustande gekommen. Am 1. April 2013 wurde das Insolvenzverfahren eröffnet. Unter dem 28. März 2013 beendete die Beklagte das Vertragsverhältnis; das Schreiben ging allerdings erst am 2. April 2013, also nach Insolvenzeröffnung, dem Insolvenzverwalter zu. Im Ergebnis hatte der Insolvenzverwalter mit der Honorarklage nach § 649 Satz 2 BGB a.F. (§ 648 Satz 2 BGB n.F.) Erfolg, da die Kündigung nach § 649 Satz 1 BGB a.F. (§ 648 Satz 1 BGB n.F.) wirksam war und die Insolvenz keine Kündigung aus wichtigem Grund rechtfertige. Die erste Erkenntnis aus der Entscheidung ist, dass gesetzliche Kündigungsrechte auch nach Insolvenzeröffnung ausgeübt werden können und nicht in der Insolvenz gesperrt sind. Insofern entscheidet der Senat auf seinem Standpunkt aus dem Jahr 2012 folgerichtig. Das jederzeitige Kündigungsrecht des § 648 Satz 1 BGB n.F. besteht in der Insolvenz bei solchen Verträgen fort, die als beiderseits unerfüllte Verträge insolvenzrechtlich abzuwickeln wären. Der Masseschutz verlange keine entsprechende Einschränkung.35 Indes zeigt der Rechtsvergleich, dass diese Positionierung nicht zwingend ist. Zum umfassenden Schutz der Sanierungsmöglichkeiten könnte dieser Punkt überdacht werden (vgl. § 11, B., IV.). Der zweite Erkenntnisgewinn liegt darin, dass der Bundesgerichtshof nochmals feststellt, dass das Verwalterwahlrecht erst mit Eröffnung des Insolvenzverfahrens entsteht und ausgeübt werden kann.36 Die hier bedeutendste Feststellung liegt in der dritten Erkenntnis, dass die Insolvenzeröffnung an sich keinen wichtigen Grund für die Beendigung eines Vertrags darstellt. Dieser Umstand wurde im vorliegenden Fall relevant, da bei einer Kündigung aus wichtigem Grund nach bisheriger höchstrichterlicher Rechtsprechung der Vergütungsanspruch des Auftragnehmers nach § 649 Satz 2 BGB a.F. für die noch nicht erbrachten Leistungen entfällt.37 Ein wichtiger Grund ist anzunehmen, wenn ein Vertragspartner das für einen Langzeitvertrag erforderliche Vertrauensverhältnis durch schuldhaftes Verhalten empfindlich stört, dass die Erreichung des Vertragszwecks gefährdet und dem Auftraggeber die Vertragsfortsetzung nicht mehr zumutbar ist.38 Der VII. Senat erkannte 2016 im Eigenantrag des Unternehmers auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens einen wichtigen Grund zur Kündigung. Er begründete dies damit, dass die Fortführung des Werkvertrags mit einem 35

BGH, Urt. v. 14.9.2017 – IX ZR 261/15, NJW 2017, 3369, Rn. 15. BGH, Urt. v. 14.9.2017 – IX ZR 261/15, NJW 2017, 3369, Rn. 19. 37 BGH, Urt. v. 14.9.2017 – IX ZR 261/15, NJW 2017, 3369, Rn. 24 m.w.N. 38 BGH, Urt. v. 14.9.2017 – IX ZR 261/15, NJW 2017, 3369, Rn. 25. 36

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Insolvenzverwalter wegen der Verzögerungen infolge des Verwalterwahlrechts und wegen der angeblich zu vertretenden fehlenden Liquidität des Unternehmers nicht mehr zumutbar sei (vgl. § 10, B.). Erneut vermied der Bundesgerichtshof eine Divergenzentscheidung mit der formalen Argumentation, dass die Rechtsprechung des VII. Senats im vorliegenden Fall nicht anwendbar sei. Die Kündigung sei nicht auf den Eigenantrag gestützt worden, sondern betreffe Verträge, die erst nach dem Insolvenzantrag und in dessen Kenntnis geschlossen worden seien. Gleichwohl positioniert sich der IX. Senat relativ deutlich mit einer gegensätzlichen Argumentation gegenüber dem VII. Senat. Die Eröffnung des Insolvenzverfahrens infolge des zu vertretenden Mangels an Zahlungsmitteln sei kein wichtiger Grund für die Kündigung der zuvor geschlossenen Werkverträge.39 Deutlich stellt der Bundesgerichtshof fest, dass der Vertragspartner das Risiko der verzögerten Entscheidung im Rahmen des Verwalterwahlrechts wie auch das Risiko der Betriebsfortführung nach der Eröffnung des Insolvenzverfahrens hinzunehmen habe.40 Das Verwalterwahlrecht dürfe nicht durch eine Kündigung aus wichtigem Grund unterlaufen werden. Damit stützt der Bundesgerichtshof die hier vertretene Auffassung, dass die Unsicherheiten des Insolvenzverfahrens gesetzlich angelegt und als Ausdruck der gesetzgeberischen Entscheidung hinzunehmen sind (§ 9, B., III.). Die Insolvenz an sich stellt keinen wichtigen Grund zur Kündigung dar. Beachtlich ist, dass bereits in den Motiven zur Reichskonkursordnung genau diese Erkenntnis festgehalten wurde: „[…]; es fragt sich vielmehr nur, ob die Eröffnung des Konkursverfahrens selbst einen Grund zur Aufhebung des Vertrages zu Gunsten des Mitkontrahenten abgeben soll. Diese Frage muß verneint werden. Denn abgesehen davon, daß eine Veränderung der Umstände – eigentlich nach allen Rechtssythemen – überhaupt nicht eine Aufhebung des Vertrages begründet, darf eine solche Veränderung gewiß nicht in dem Eintritt des Konkursverfahrens gefunden werden. Es würde von Seiten des Mitkontrahenten offenbar eine Chikane sein, wenn er eine Leistung des Verwalters zurückweisen wollte, die ihm ganz dasselbe gewährt, was er durch die Leistung des Gemeinschuldners haben würde.“41

Sofern die beiden Entscheidungen des Bundesgerichtshofs (2016, 2017) zusammengeführt würden, ergäbe sich, dass die Insolvenzantragstellung ein wichtiger Kündigungsgrund wäre (VII. Senat), die Eröffnung des Verfahrens hingegen nicht (IX. Senat). Dies erscheint wenig überzeugend. Vielmehr ist die zutreffende Argumentation des IX. Senats in seiner Allgemeingültigkeit auch auf die Insolvenzantragstellung übertragbar. Bedauerlicherweise wurde abermals eine Möglichkeit versäumt, die offenen Fragen zur Vertragsbeendigung in der Insolvenz abzustimmen. Vielmehr lässt der IX. Senat ausdrück39

BGH, Urt. v. 14.9.2017 – IX ZR 261/15, NJW 2017, 3369, Rn. 28. BGH, Urt. v. 14.9.2017 – IX ZR 261/15, NJW 2017, 3369, Rn. 30. 41 Motive zur Konkursordnung (1875), S. 66 f. 40

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lich offen, ob und unter welchen Voraussetzungen eine Kündigung aus wichtigem Grund vor der Insolvenzeröffnung möglich ist. Jedenfalls Kündigungen aus wichtigem Grund werden nach Insolvenzeröffnung beschränkt. Entgegen Wellensiek/Kurtz dürfte gerade die Gesetzesbegründung zum neuen Bauvertragsrecht die Entscheidung des IX. Senats stützen. Bei dieser Reform wurde zum 1.1.2018 in § 648a BGB ein außerordentliches Kündigungsrecht normiert. Wellensiek/Kurtz sehen in der Entscheidung des Bundesgerichtshofs einen Widerspruch zur Gesetzesbegründung des neuen § 648a BGB.42 Hiernach sei die Insolvenz als wichtiger Grund für die Kündigung eines Werkvertrags anerkannt worden; nur im Einzelfall soll die Kündigung einer Abwägung zugänglich sein. Dem kann nicht gefolgt werden. Der Gesetzgeber sah ausdrücklich von einem speziellen Kündigungstatbestand für den Fall der Insolvenz des Unternehmers ab.43 Zwar wurde eingeräumt, dass die Insolvenz in der Praxis häufig einen wichtigen Grund darstellen wird. Insbesondere erkannte der Gesetzgeber auch, dass für den solventen Vertragspartner Verzögerungen und Risiken verbunden sind und die Zuverlässigkeit und Leistungsfähigkeit des Unternehmers hinterfragt würden.44 Gleichwohl normierte der Gesetzgeber kein allgemeines Kündigungsrecht. Vielmehr stellte der Bundestag darauf ab, dass dem Insolvenzverwalter die Chance zu erhalten ist, die Geschäftstätigkeit aufrechtzuerhalten und die Vergütung für die Masse zu vereinnahmen. Erst wenn der Unternehmer den Geschäftsbetrieb einstellt oder die Arbeiter nicht mehr auf der Baustelle erscheinen, sei die Vertragsfortführung unzumutbar und eine Kündigung aus wichtigem Grund gerechtfertigt. Damit wird aber deutlich, dass die Insolvenz an sich gerade kein wichtiger Grund für eine Kündigung ist, sondern zusätzliche (nachinsolvenzliche) Pflichtverletzungen, Verzögerungen etc. zur reinen Insolvenz hinzutreten müssen.45 Erst dies rechtfertigt im Einzelfall unter Abwägung der beteiligten Interessen die außerordentliche Kündigung. Bei dieser Auslegung ist die Gesetzesfassung auf der Linie des Rechtsvergleichs, wonach die Insolvenz an sich gerade kein wichtiger Grund für eine Kündigung bedeutet (vgl. beispielsweise § 25a Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 öster. IO, aber auch die Rechtslage in der Schweiz, England und Frankreich sowie § 7, C., III., 4.). Zusätzliche Gründe, die regelmäßig an nachinsolvenzliche Pflichtverletzungen anknüpfen, sind für eine Kündigung in der Insolvenz notwendig. Auch systematisch spricht für diese Auffassung, dass grundsätzlich wegen ungeordneter Vermögensverhältnisse die Ausübung eines Gewerbes untersagt oder Gewerbeerlaubnisse zurückgenommen werden können. Gerade mit den 42

Wellensiek/Kurtz, DZWIR 2018, 26, 30. BT-Drs. 18/8486, S. 50. 44 BT-Drs. 18/8486, S. 50. 45 Vgl. Zeyns, ZIP 2018, 8, 14 f. 43

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Zielen des Insolvenzverfahrens der Unternehmensfortführung und Sanierung wäre der Entzug der Gewerbeerlaubnis jedoch nicht vereinbar.46 Deshalb sind diese Vorschriften gem. § 12 GewO während des Insolvenzverfahrens – ab Stellung eines Insolvenzantrags – nicht anzuwenden. Der Gesetzgeber ging davon aus, dass das Insolvenzverfahren insbesondere für neue Vertragspartner einen hinreichenden Schutz bietet.47 Damit erkennt der Gesetzgeber an, dass in der Insolvenz das Insolvenzverfahren selbst einen hinreichenden Schutz für die Vertragspartner vermittelt. Sofern den Besonderheiten des vorliegenden Falls Rechnung getragen wird, dürfte sogar ausnahmsweise eine außerordentliche Kündigung gerechtfertigt werden können: Wer in Kenntnis des Insolvenzverfahrens, sprich in der wirtschaftlichen Krise des Unternehmens, noch neue Verträge mit dem Insolvenzschuldner abschließt, stärkt die Sanierungsmöglichkeiten des Schuldners. Um entsprechende Anreize zu setzen, könnte insofern ausnahmsweise dem Vertragspartner im Fall der späteren Insolvenzeröffnung ein außerordentliches Kündigungsrecht zugebilligt werden, vgl. § 11, A., II. Vor dem Hintergrund der nationalen, rechtshistorischen Erkenntnisse sowie den rechtsvergleichenden europäischen und internationalen Entwicklungen sind die Entscheidungen des IX. Senats letztlich die überzeugenderen. D. Allgemeines Verbot oder Abwägung im Einzelfall Gesetzliche Verbote von privatautonomen Lösungsrechten sind mit der Vertragsfreiheit abzuwägen. M. Huber schlägt daher für Deutschland eine einzelfallabhängige Gesamtabwägung vor, der auch der VII. Senat des Bundesgerichtshofs gefolgt zu sein scheint.48 Ein solches Vorgehen entspräche der Rechtslage in England unter dem anti-deprivation principle. Die konkreten Umstände der Vertragsklauseln, die Intention der Parteien, die Parteien selbst etc. werden zu relevanten Faktoren. In Einzelfällen findet die Privatautonomie ihre Grenzen in Treu und Glauben (§ 242 BGB) sowie der Sittenwidrigkeit (§ 138 BGB).49 Insolvenzbezogene Lösungsklauseln sind allerdings ein generelles und systematisches Problem, bei dem die hohen Grenzen dieser Eingriffsnormen keine rechtssicheren Lösungen herbeiführen oder schlicht nicht greifen. Immer wieder vorgeschlagene einzelfallabhängige Verbote, die sich an einer Zumutbarkeit aus § 242 BGB entweder für das Festhalten am Vertrag oder dem ausnahmsweisen Lösen vom Vertrag orientieren, würden

46

BT-Drs. 12/3803, S. 103. BT-Drs. 12/3803, S. 103. 48 Huber, NZI 2014, 49, 53; BGH, Urt. 7.4.2016 – VII ZR 56/15, Rn. 28 ff. 49 BVerfG, Beschl. v. 19.10.1993 – 1 BvR 567/89, NJW 1994, 36. 47

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auch keine hinreichend klare Linie für die Praxis gewähren.50 Bei dem Umfang des aktuellen Streitstandes sind rechtsklare Strukturen des Verbots unabdingbar. Einzelfallgerechtigkeit auf Kosten von Rechtssicherheit und Vorhersehbarkeit ist in der Wirtschaftspraxis schlicht ineffizient. Die Abwägung zwischen Vertragsfreiheit und zwingendem Insolvenzrecht hat daher nicht im Einzelfall, sondern muss durch eine allgemeingültige Auslegung des § 119 InsO erfolgen. Der Rechtsausschuss sah bei Streichung des Lösungsverbots in § 137 Abs. 2 InsO-RE noch pauschal einen übermäßigen Eingriff in die Vertragsfreiheit.51 Sofern von der Prämisse der grundsätzlichen Gleichwertigkeit der hier untersuchten Rechtsordnungen ausgegangen werden kann, zeigt der Rechtsvergleich, dass nicht von einem übermäßigen, sondern vielmehr legitimen Eingriff auszugehen ist. Die gesetzgeberische Grundentscheidung in § 119 InsO, d.h. der zwingende Charakter des Verwalterwahlrechts und die Sanierungstendenzen, sprechen für ein grundsätzliches Verbot. Vor dem Hintergrund des europäischen Richtlinienentwurfs (§ 8, B.) kann zukünftig gar eine richtlinienkonforme Auslegung geboten sein, aus der sich ein Verbot insolvenzbezogener Lösungsklauseln ergibt. Im Grundsatz ist die Vertragsbeendigung in der Insolvenz einzuschränken, wenn die Lösungsmöglichkeit eine hinreichende Insolvenzbezogenheit aufweist. Bei der Gestaltungsvielfalt der vertraglichen Rechtsverhältnisse ist im Ausnahmefall gleichwohl einem legitimen Gestaltungsinteresse der Vertragspartner Rechnung zu tragen, wenn die konkrete Situation zu schlichtweg unbilligen Ergebnissen führt. Insofern ist auf einer zweiten Ebene eines Verbots eine Schwelle für legitime Ausnahmen zugunsten der Vertragsfreiheit zu definieren (§ 11, A., I.). Im Folgenden ist ein differenziertes, abstraktgenerelles Regel-Ausnahme-System zu etablieren.52 E. Sinn und Zweck der Insolvenzbezogenheit Letztlich liegt der Grund, die Vertragsfreiheit einzuschränken, im Schutz des Insolvenzverfahrens. Im System der Insolvenzordnung ist zunächst die Betriebsfortführung bis zur Gläubigerversammlung angeordnet. Um diese Ziele zu erreichen, bedarf es insbesondere eines Schutzes der Vertragsverhältnisse. Ebenfalls können die Chancen für Erpressungsfälle, in denen Vertragspartner Druck auf die Begleichung von Altforderungen ausüben, eingeschränkt werden (vgl. § 7, III., 2.).53 Starke Schutzmechanismen wie u.a. Verbote von

50 Beispielsweise bei Masseunzulänglichkeit oder Gewährleistungsproblemen, also unzumutbaren Nachteilen sollen Lösungsklauseln wirksam sein: Gerhardt, AcP 200 (2000), 426, 443 m.w.N. 51 BT-Drs. 12/7302, S. 170. 52 Vgl. bereits § 4, A., I. 53 Zu Erpressungsfällen Undritz, NZI 2007, 65, 67.

§ 10 Leitlinien eines Verbots

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Lösungsklauseln im Insolvenzverfahren setzen erhebliche Anreize, um rechtzeitig, d.h. frühzeitig, ein Insolvenzverfahren zu beantragen (§ 11, B., II.). Da die Legitimität eines Verbots dem Verfahrensschutz entspringt, ist ein Verbot an das Verfahren zurückzukoppeln. Sobald sich die Anwendung des Verwalterwahlrechts im Insolvenzverfahren verdichtet, sollten Vorkehrungen zum Schutz der schwebenden Vertragsverhältnisse greifen. Wenn Lösungsrechten die Wirksamkeit verwehrt wird, ist der Vertragspartner gleichwohl nicht zeitlich unbegrenzt an den Vertrag gebunden. Die Vertragsfortführung soll das Ausfallrisiko des solventen Vertragspartners nicht signifikant erhöhen.54 In den meisten Vertragsverhältnissen besteht jedoch keine Risikoerhöhung für den Vertragspartner, da Lösungsklauseln an den bereits angefallenen Verlusten nichts zu ändern vermögen.55 Zukünftige Masseverbindlichkeiten, keine weiteren Vorleistungen, die Zug-um-ZugEinrede und Sicherstellungen schützen hinreichend. Die verbleibenden Risiken bedeuten schlicht das allgemeine Insolvenzrisiko, das bereits bei Vertragsschluss besteht und von den Vertragspartnern zu tragen ist (§ 9). Kommt der Verwalter mit den Masseverbindlichkeiten nach Insolvenzeröffnung in Verzug, ist weiterhin die Kündigung uneingeschränkt zulässig; damit sinkt das Schutzbedürfnis des Vertragspartners weiter.56 F. Überwindung der Trennung zwischen insolvenzabhängigen und insolvenzunabhängigen Lösungsklauseln – Ausübungssperren von Kündigungsrechten Schließlich wird die Schwäche der bisherigen deutschen Dogmatik deutlich. Diese unterscheidet insbesondere zwischen grundsätzlich wirksamen insolvenzunabhängigen Lösungsklauseln, die eine Vertragsbeendigung auf den Verzug bedingen, und unzulässigen insolvenzabhängigen Lösungsklauseln, die beispielsweise an die Insolvenzeröffnung anknüpfen. Diese Einteilung ist zwar im Ausgangspunkt naheliegend, da sich insbesondere bei insolvenzabhängigen Lösungsrechten ein besonderer Bezug zum Insolvenzverfahren aufdrängt. So ist es kaum verwunderlich, dass beispielsweise in Polen, Rumänien, Italien und Spanien genau dieser Typ von Beendigungsrechten verboten wird. Die Differenzierung erfasst allerdings nicht umfassend die rechtstatsächlichen Gegebenheiten, die hinter den Klauseln stehen. Jacoby meint, sowohl insolvenzabhängige als auch insolvenzunabhängige Klauseln müssten von einem Verbot erfasst werden – sofern von der Prämisse der Sanierungs54

Vgl. zur Risikoerhöhung auch Wilmowsky, ZIP 2007, 553, 559. Hoenig, RdW 2013, 515, 519 behauptet, dass sich das Risiko erhöht. Er schildert als Begründung mögliche Situationen wie den Erwerb des Unternehmens, aber nicht, welche konkreten Risiken sich ergeben. Es ist letztlich auch möglich, dass das Unternehmen von finanzstarken Investoren übernommen wird und sich solche Bonitätsrisiken reduzieren. 56 Prütting, in: FS Gerhardt, S. 773 55

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feindlichkeit von Lösungsklauseln ausgegangen werde; eine solche gesetzgeberische Wertungsentscheidung sei allerdings noch nicht Gesetz geworden.57 Indes sind das heutige Gesamtkonzept und das Regelungsanliegen der InsO hinreichend auf die Sanierung und das Wahlrecht auf die Massemehrung ausgelegt, dass der Schritt zur einheitlichen Betrachtung von Lösungsklauseln gangbar ist. Der Eindruck der anderen Vergleichsrechtsordnungen kann nunmehr katalysierend wirken, um die Dogmatik zwischen insolvenzabhängigen und -unabhängigen Lösungsrechten zu überwinden: Im Insolvenzverfahren sind nicht nur insolvenzabhängige Anknüpfungsmomente der Klauseln kritisch, sondern generell Kündigungen, die in der zeitlichen Nähe eines Insolvenzverfahrens ausgeübt werden. Die Ratio von Lösungsverboten kommt bei sämtlichen außerordentlichen Kündigungen zum Tragen: Es soll verhindert werden, dass für die Sanierung wichtige Verträge entfallen bzw. dass vermögenswerte Vertragspositionen der Masse und damit der Gläubigergesamtheit verloren gehen. Diese Überlegungen greifen bei allen Arten von Vertragsbeendigungsklauseln im Umfeld der Insolvenz. Baldringer spricht sich bereits für ein umfassendes Lösungsverbot, abgeleitet aus § 119 InsO, nach Verfahrenseröffnung aus; auf die Anknüpfung der Lösungsklausel komme es gar nicht entscheidend an.58 Dieser Gedanke ist fortzuentwickeln, dogmatisch zu legitimieren und zeitlich an die Bedürfnisse des Insolvenzverfahrens anzupassen (hierzu § 11, B., II., 3 ff.). Um weitgefasste, auch insolvenzunabhängig ausgestaltete Klauseln erfassen zu können, hilft es weiter, wenn zwischen der Vereinbarung einer Lösungsklausel und der Ausübung des Kündigungsrechts differenziert wird.59

§ 11 Konkretisierung des deutschen Diskurses § 11 Konkretisierung des deutschen Diskurses „Der Paradigmenwechsel von der pönalen, an dolosem Handeln orientierten Konkursordnung hin zu einer an Erhaltung, Sanierung und Rückgängigmachung eingetretener Verschleppungsschäden orientierten Insolvenzordnung [ist] noch immer nicht vollzogen worden.“60

Ziel der Insolvenzreform im Jahr 1999 war es, ein modernes Insolvenzrecht zu schaffen.61 In den weiteren Ausführungen soll entwickelt werden, wie dieses Anliegen konkret umgesetzt werden kann: Für welche Vertragstypen sollen Verbote von Lösungsklauseln gelten (§ 11, A.), welche Anknüpfungsmomente der Lösungsklauseln sind zu erfassen (§ 11, B.) – insbesondere mit 57

Jacoby, in: Jaeger Insolvenzordnung, §§ 103–128, § 119, Rn. 29. Baldringer, DZWIR 2004, 285, 285 f. 59 Vgl. in diesem Punkt Thole, ZHR 181 (2017), 548, 560. 60 Haarmeyer/Wutzke/Förster, Hdb. der vorläufigen Insolvenzverwaltung, § 1, Rn. 13. 61 Smid, DZWIR 2004, 1, 1. 58

§ 11 Konkretisierung des deutschen Diskurses

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Hinblick auf die Rechtsfolgen eines Verbots (Nichtigkeit oder reine Ausübungssperre) und auf eine Vorwirkung eines Verbots vor Verfahrenseröffnung? Schließlich sind die tatsächlichen Grenzen der Insolvenzanfechtung zu bewerten, wenn dieses Rechtsinstitut als legitimes Mittel zur Einschränkung insolvenzbezogener Lösungsklauseln gehandelt wird (§ 11, C.). Weiter sind der Zusammenhang der Ausübungsfrist des Verwalterwahlrechts und der Verbotsregelung (§ 11, D.) sowie allgemein zivilrechtliche Einschränkungen von Vertragsbeendigungsklauseln (§ 11, E.) zu berücksichtigen. Die Ergebnisse werden in § 11, F. zusammengefasst. A. Erfasste Vertragstypen und Grenzen I. Grundregel Ausgangspunkt eines Verbots ist in Deutschland die Norm des § 119 InsO. Dessen Wortlaut ist auf keinen bestimmten Vertragstyp beschränkt, sodass grundsätzlich sämtliche Vertragstypen von einem Verbot zu erfassen sind. Ferner spricht auch die teleologische Auslegung für ein grundsätzliches Erfassen aller Vertragstypen, da der Masseschutz durch das Verwalterwahlrecht bei allen schwebenden Verträgen greift. Der Schutz von Dauerschuldverhältnissen wie Versorgungsverträgen ist der notwendige Mindestumfang, da die Fortführung eines Unternehmens heute besonders von Energielieferungen, aber auch IT-Dienstleistungen abhängig ist. Der Stillstand solcher Vertragsverhältnisse selbst über nur wenige Tage zwingt faktisch zur Liquidation des Unternehmens. Ebenso können auch Schuldverhältnisse mit einmaliger Leistungserbringung eine vergleichbare Bedeutung für das zu sanierende Unternehmen aufweisen, da sich auch in diesen erhebliche Vertragswerte verbergen können.62 Der Verwalter muss im Einzelfall entscheiden können, welche Verträge zur Sanierung nötig sind. Deshalb sind zunächst alle Verträge zu erfassen. Dieser Ansatz entspricht der Rechtslage in den USA, in Frankreich und Österreich. Ein punktueller Eingriff wie in England bezüglich besonderer Versorgungsverträge wäre nur ein minimaler Ansatz, um den Zielen eines Verbots gerecht zu werden. Eine solche restriktive Auslegung ist beim weiten Wortlaut des § 119 InsO nicht geboten. Der Bedarf an Verboten ist systematisch, der Bedarf an Lösungsrechten nur punktuell. Insofern sollte sich dieses Regel-Ausnahme-Verhältnis auch in der Verbotsregelung widerspiegeln. II. Einschränkungen im Einzelfall: Gestaltungsinteresse 1. Ausgangspunkt Die Vertragsfreiheit gebietet es, bei besonderen Interessenlagen im Wege der verfassungsrechtlich gebotenen praktischen Konkordanz und Verhältnismä62

Kernbichler, JBl 2015, 409, 421.

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ßigkeit des Verbots Ausnahmen zu definieren. Ausnahmen im Einzelfall bergen stets die Gefahr, eine Umgehungsmöglichkeit für die Vertragspraxis zu schaffen und die Rechtsunsicherheit zu erhöhen. Dementsprechend sind Ausnahmen von Lösungsverboten eng zu fassen. Individuelle Vertragseigenheiten sind grundsätzlich zu berücksichtigen, wenn ein besonderes Gestaltungsinteresse für die Lösungsklausel gegeben ist. Dabei ist die Hemmschwelle solcher Ausnahmen hoch anzusetzen, sodass nur Härtefälle auszugleichen sind. Weitreichende Ausnahmen werden dem Systemproblem der Vertragsbeendigung in der Insolvenz nicht gerecht. Das Gestaltungsinteresse muss widerspiegeln, dass das in Lösungsklauseln typische Element der Fremdbestimmung sich wieder hin zur Selbstbestimmung der Vertragsparteien verlagert (§ 6, B.). Beim Gestaltungsinteresse berücksichtigt von Wilmowsky, auf den der Begriff zurückgeht,63 dass das Insolvenzausfallrisiko bereits bei Vertragsschluss bestehe; eine spätere Risikoerhöhung könne aber die Vertragsauflösung nahelegen.64 Maßgebend seien die Auswirkungen in der Insolvenz; denn die Insolvenz bedeutet nicht per se einen Ausfall. Sind Kosten und Nutzen für die Masse positiv, könne auch der Vertrag fortgeführt werden, wobei der Vertragspartner durch das Insolvenzverfahren grundsätzlich geschützt ist.65 2. Abzulehnende Ansichten Huber sieht den legitimen Gestaltungszweck von Lösungsklauseln darin, die Ungewissheit des Insolvenzverfahrens zu vermeiden.66 Diese liegt jedoch schlicht in der Natur des Insolvenzverfahrens und würde dazu führen, dass Verträge im Regelfall beendet werden könnten. Wie bereits dargelegt, kann die Ungewissheit allein jedenfalls nicht als Rechtfertigung für eine Lösungsklausel genügen (ausführlich § 7, C., IV.; 9, A., II.). Der Bundesgerichtshof hat in seiner Entscheidung (IX ZR 169/11) angedeutet, dass beispielsweise insolvenzunabhängige Lösungsklauseln nicht auf das Ziel ausgerichtet sind, die Wahlmöglichkeiten des Insolvenzverwalters nach § 103 InsO auszuhöhlen.67 Hieraus wird abgeleitet, dass Klauseln zulässig sind, die nicht auf das Ziel der Umgehung des Wahlrechts ausgerichtet

63

Der Begriff des Gestaltungsinteresses geht auf von Wilmowsky zurück: Wilmowsky, ZIP 2007, 553, 560 ff. 64 Wilmowsky, ZIP 2007, 553, 559. 65 Wilmowsky, ZIP 2007, 553, 559: Von Wilmowsky fordert vor allem ein sogenanntes „Auslotungserfordernis“ über § 321 Abs. 2 BGB und § 103 Abs. 2 Satz 2 InsO, um die Leistungsbereitschaft des Verwalters abzuklären. 66 Huber, in: MüKo-InsO, § 119, Rn. 18, 45. 67 BGH, Urt. v. 15.11.2012 – IX ZR 169/11, BGHZ 195, 348, Rn. 9.

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sind.68 Allerdings ist es diffizil, eine solche subjektive Umgehung des Wahlrechts nachzuweisen und von unzulässigen Konstellationen abzugrenzen. Es wäre vergleichbar mit dem beschränkten Schutz des englischen common law, wenn die Parteien in gutem Glauben Klauseln vereinbaren können, sofern das vertragliche Geschäft nur hinreichend komplex ist. § 119 InsO bezweckt den Umgehungsschutz der Wahlrechtsbestimmungen. Nicht allein Klauseln, die eine Umgehung beabsichtigen, sondern auch Klauseln, die keine Umgehungsabsicht aufweisen, können das Wahlrecht aushöhlen und zu erheblichen Gefahren für die Sanierung führen. Die Umgehungsabsicht kann daher kein alleiniges Merkmal sein, um Lösungsklauseln zu beschränken. Daher sollte die wirtschaftliche Wirkung der Klausel im Insolvenzverfahren und auf das Wahlrecht entscheidend sein. 3. Lösungsvorschlag auf Basis des Rechtsvergleichs Insofern wird deutlich, dass ein besonderes Gestaltungsinteresse nötig ist, um Lösungsklauseln im Ausnahmefall zu gestatten und Missbrauch durch Lösungsklauseln zu vermeiden. (1) Die Rechtslage in Österreich kann hier helfen: Im Einzelfall greift beispielsweise die Ausübungssperre nach § 25a IO nicht, wenn „die Auflösung des Vertrags zur Abwendung schwerer persönlicher oder wirtschaftlicher Nachteile des Vertragspartners unerlässlich ist“. Die Hemmschwelle liegt hier sehr hoch. Es muss quasi die eigene Insolvenz des solventen Vertragspartners drohen. Klargestellt sei, dass Lösungsrechte, die unmittelbar an die Insolvenzeröffnung anknüpfen, keine gesetzlichen Ausnahmeregelungen erfahren können und unwirksam sind. Hieraus lässt sich auch für Deutschland ableiten, dass – sofern Ausnahmen vom gesetzlichen Lösungsverbot erforderlich sind – ein legitimes Gestaltungsinteresse dann gegeben ist, wenn erhebliche Nachteile, wie die Insolvenz des Vertragspartners, drohen, sofern er sich nicht in der Insolvenz des Gemeinschuldners vom Vertrag lösen kann. Dies wird unterstrichen durch den Richtlinienvorschlag der Europäischen Kommission (vgl. § 8, B.), der in Art. 5 Abs. 5, 9 vorsieht, dass Ausübungssperren auszusetzen sind, wenn diese die Vertragspartner unangemessen benachteiligen. Die gesetzliche Regelung in England bestimmt, dass die gerichtliche Zustimmung für eine Kündigung bei Versorgungsverträgen an eine unzumutbare Härte (hardship) beim solventen Vertragspartner geknüpft ist, Sect. 233A (4) 2 IA 1986. (2) Im Rechtsausschuss des Bundestages wurde das Verbot der Lösungsklauseln gestrichen, auch mit der Begründung – einem Anliegen der Wirtschaftsverbände –, dass ein solches Verbot eine sanierungsfeindliche Wirkung hätte, wenn Sanierungsversuche in der kritischen Phase durchgeführt 68

So beispielsweise Feißel/Hoff, EnWZ 2013, 184, 187; Knof, DB 2013, 1769, 1770 f.

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würden.69 Dass aus einem solch begrenzten Anliegen (auf die unmittelbare Zeit vor dem Insolvenzverfahren) ein allgemeines Verbot von Lösungsklauseln abgeleitet wurde, ist nicht nachvollziehbar.70 Auch für die Position des deutschen Bundestags hilft die Rechtsvergleichung weiter. Der österreichische OGH hat genau für den Fall, in dem ein vorinsolvenzlicher Sanierungsvertrag eine Lösungsklausel enthielt, eine teleologische Reduktion des allgemeinen Lösungsverbots vorgenommen (§ 3, C., II., 1., b), dd)).71 Eine solche Maßnahme ist überzeugend.72 Ohne Lösungsklauseln gehen die Vertragspartner in der wirtschaftlichen Krise oft keinen Sanierungsvertrag zur Stundung oder zum Teilerlass von Schulden ein, sodass vorinsolvenzliche Sanierungen hieran scheitern würden.73 Insofern können Lösungsklauseln unmittelbar vor der Insolvenzeröffnung durchaus sanierungsfreundlich sein. Allerdings lässt sich diese Aussage nicht auf alle Lösungsklauseln verallgemeinern. Es geht also nur um Unternehmen, die bereits in der wirtschaftlichen Krise sind. Höhere Vertragskosten sind eine besondere Gefahr für diese Unternehmen.74 Für Verträge, die deshalb in zeitlicher Nähe zur Sanierung geschlossen werden, kann daher auch Inspiration aus der Entscheidung des österreichischen Obersten Gerichtshofs gezogen werden. Hier entsprechen Lösungsklauseln genau dem Telos der Betriebsfortführung und der Sanierung und können dazu dienen, den Vertragsschluss erst zu ermöglichen. In Zusammenhang mit Sanierungsvergleichen ist auf eine schweizerische Entscheidung des Appelationsgerichts Baselstadt75 hinzuweisen. Es ging inhaltlich um einen vereinbarten Mengenrabatt in Höhe von 50 %, der im Konkursfall wieder wegfallen sollte. Insofern konnte hierin ein Teilerlass einer Forderung erkannt werden, die im Konkursfall in voller Höhe wieder aufleben sollte. Das Gericht führte aus: Die „Vertragsklausel über das Dahinfallen des ‚Rabattes‘ erweist sich in Wirklichkeit als Abrede eines Zuschlags von 100 % zum regulären Preis für den Fall, dass der Besteller in Konkurs geraten sollte. Die Beschwerdeführerin will sich mit dieser Bestimmung im Konkurs eine bessere Stellung sichern als ihr das Gesetz gewährt, sie will sich eine doppelte Konkursdividende verschaffen, um sich so – wie sie selbst erklärt – gegen das mit dem Konkurs verbundene Verlustrisiko zu ‚schützen‘.“76

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BT-Drs. 12/7302, S. 170: „Die Unwirksamkeit von Auflösungsklauseln für den Fall der Insolvenz erhöht die Insolvenzgefahr für Unternehmen, die in der kritischen Phase Sanierungsversuche unternehmen; denn potentielle Vertragspartner werden das Risiko der Bindung an den Vertragspartner im Falle der drohenden Insolvenz nicht eingehen.“ 70 Ebenso Tintelnot, ZIP 1995, 616, 622. 71 OGH, Urt. v. 21.11.2013 – 1 Ob 157/13i; vgl. oben § 3, C., II., 1., b), dd). 72 Ebenso Berger, ZInsO 2016, 2111, 2117 f. 73 Wöllner, Die Wirksamkeit vertraglicher Lösungsklauseln im Insolvenzfall, S. 168. 74 Nimmer, 54 U. Colo. L. Rev. 507 (1983), 544. 75 Appelationsgericht Baselstadt, Urt. v. 2.10.1950, BlSchKG16 (1952), S. 88. 76 Appelationsgericht Baselstadt, Urt. v. 2.10.1950, BlSchKG16 (1952), S. 88.

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Zunächst erstaunt, dass vertragliche Lösungsrechte in der Schweiz grundsätzlich für wirksam erachtet werden, dieser besondere Typ allerdings für ungültig gehalten wurde. In Österreich war es genau umgekehrt. Allerdings fügen sich beide Entscheidungen rechtsordnungsübergreifend zusammen und ermöglichen, klarer einzugrenzen. In der Schweiz lag der Schwerpunkt des Vertrags nicht darin, die Sanierung des Vertragspartners zu ermöglichen und zu unterstützen. Die schweizerische Vertragsklausel erscheint eher als eine von Anfang an beabsichtigte Preissteigerung im Insolvenzfall und ist damit eine Disposition ausschließlich zulasten der Masse;77 die österreichische Klausel war hingegen eine Abrede, um die Insolvenz zu verhindern. Schlussendlich sind auf den Insolvenzfall auflösend bedingte Vereinbarungen wirksam, wenn sie gerade die Sanierung ermöglichen und nicht die Forderung fiktiv im Insolvenzfall erhöhen sollen. 4. Fazit Insofern lässt sich ein legitimes Gestaltungsinteresse in zwei konkreten Situationen formulieren: erstens, wenn ein Verbot von Lösungsklauseln zu einer wirtschaftlichen Existenzgefährdung des Vertragspartners führt, und zweitens, wenn die Lösungsklausel die Sanierung gerade fördert wie bei einem Sanierungsdarlehen. In diesen beiden Fällen überwiegt die in der vertraglichen Abrede zutage tretende Selbstbestimmung gegenüber der Fremdbestimmung der Gläubigergesamtheit. Derartige Ausnahmefälle sind als wichtige Gründe zur Vertragsbeendigung anzusehen. III. Beispiele wichtiger Vertragstypen 1. Werkverträge, insbesondere Bauverträge (1) Primär in Deutschland wird vehement eine Diskussion über vertragliche Kündigungsrechte und Abwicklungsklauseln in Bauverträgen geführt. Insbesondere in VOB/B-Verträgen sind in § 8 VOB/B verschiedene insolvenzbezogene Lösungsklauseln enthalten, deren Wirksamkeit umstritten ist. Bereits unter der Konkursordnung haben der BGH und die Instanzgerichte allerdings diese VOB/B-Klausel für wirksam erachtet.78 Der BGH bestätigte die Wirk-

77

Vgl. Meier, ZSR 1996, 277, 303. BGH, Urt. v. 26.9.1985 – VII ZR 19/85, BGHZ 96, 34 mit Hinweisen auf bereits etablierte Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs wie BGH, Urt. v. 25.10.1971 – VII ZR 65/69, WM 1971, 1474. Ähnlich auch die herrschende Instanzrechtsprechung: OLG Karlsruhe, Urt. v. 15.2.2012 – 13 U 150/10, NZI 2012, 526; OLG Bamberg, Urt. v. 12.4.2010 – 4 U 48/09, juris; OLG Düsseldorf, Urt. v. 8.9.2006, I-23 U 35/06, BauR 2006, 2054; OLG Karlsruhe, Urt. v. 26.7.2002 – 14 U 207/00, juris. 78

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samkeit der Klauseln erneut im Jahr 2016 unter der InsO.79 Die Literatur ist in dieser Frage gespalten.80 Das Hauptargument für die Zulässigkeit der VOB/B-Klauseln liege darin, dass der Auftraggeber gesetzlich nach § 648 Satz 1 BGB jederzeit den Vertrag kündigen könne (vgl. § 11, B., IV.). Insofern sei auch die Kündigung im Insolvenzfall zulässig. Damit gewähre die VOB/B kein zusätzliches Kündigungsrecht, sondern regle nur die Abwicklungsfolgen, deren Zulässigkeit die Rechtsprechung zu bestimmen habe.81 Da sich die Rechtsfolgen von § 8 Abs. 2 VOB/B allerdings erheblich von denen des § 648 Satz 1 BGB unterscheiden, verstößt entgegen der Auffassung des Bundesgerichtshofs mindestens das Abwicklungsregime gegen § 119 InsO.82 Nach § 648 Satz 1 BGB kann der Auftraggeber zwar die weitere Vertragsausführung beenden; er hat allerdings grundsätzlich den Auftragnehmer zu vergüten – abzüglich der ersparten Aufwendungen. Nach der VOB/B Regelung kann der Auftragnehmer nur für die bisherige Leistung eine Vergütung verlangen; gleichzeitig erhält der Auftraggeber auch einen in der Insolvenz aufrechenbaren Schadensersatzanspruch.83 Gerade nach der Entscheidung des IX. Senats des Bundesgerichtshofs, wonach von der gesetzlichen Abwicklungsmethode in § 104 Abs. 3 InsO abweichende Berechnungsmethoden unwirksam sind,84 spricht dies auch für die Unzulässigkeit des Abwicklungsregimes nach der VOB/B. Dem steht nicht entgegen, dass der Gesetzgeber das Abwicklungsregime für Finanzver-

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BGH, Urt. v. 7.4.2016 – VII ZR 56/15, BGHZ 210, 1, siehe bereits § 3, A., IV. Nachweise umfassend bei Huber, in: MüKo-InsO, § 119, Rn. 37e; vgl. zum Meinungsstand Kiedrowski, BauR 2013, 1325, 1325 f. Für die Wirksamkeit der Klausel: Statt vieler Huber, in: Insolvenzrechts-Handbuch, § 35, Rn. 13; Heidland, BauR 1975, 305, 305; Wortberg, Lösungsklauseln und Insolvenz, S. 150; Zeuner, NJW 2007, 2952, 2952; Sinz, in: Uhlenbruck, InsO, § 119, Rn. 15; Ringstmeier, in: Praxis der Insolvenz (Hrsg. Beck/Depré), § 24. Lösungsklauseln, § 119 InsO, Rn. 7; Schmidt, NJW-Spezial 2013, 492, 493. Heute spricht sich die wohl herrschende Lehre für die Unwirksamkeit aus: Bopp, Bauvertrag, S. 172 ff.; Schmitz, IBR 2013, 278, 278; Ingenstau, Rn, 61, 68; Balthasar, in: Nerlich/Römermann, InsO, §119, Rn. 16; Kroth, in: Braun, InsO, § 119, Rn. 13; Wegener, ZInsO 2013, 1105, 1106; Lau, EWiR 2015, 287, 288. Ebenso und entgegen der herrschenden Rechtsprechung LG Aachen, Urt. v. 21.6.1977 – 12 O 10/77, KTS 1979, 123. 81 BR-Drs. 1/92, S. 153; vgl. auch BGH, Urt. v. 26.9.1985 – VII ZR 19/85, BGHZ 96, 34; Linnenbrink, NJW-Spezial 2008, 181, 181; Hinger, Die Bauunternehmerinsolvenz, S. 277. 82 Schwörer, Lösungsklauseln für den Insolvenzfall, S. 207 ff.; wohl auch Foerste, ZInsO 2015, 601, 613; vgl. auch Henckel, JZ 1986, 297, 298; für Bauverträge Hinger, Die Bauunternehmerinsolvenz, S. 277. 83 OLG Frankfurt, Urt. v. 16.3.2015 – 1 U 38/14, NZI 2015, 466. 84 BGH, Urt. v. 9.6.2016 – IX ZR 314/14, BGHZ 210, 321; siehe bereits § 4. 80

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träge im Anschluss neu regelte. Ein gesetzgeberischer Regelungswille über § 104 InsO hinaus für das VOB/B-Abwicklungsregime ist nicht ersichtlich. M. Huber sieht zur Bewertung von Lösungsrechten, wie bereits dargelegt, eine Gesamtabwägung der Vertragsfreiheit als notwendig an, wobei der Zweck einer Lösungsklausel ausschließlich darin liegen müsse, die Ungewissheit in der Insolvenz zu beseitigen, und die Klausel dürfe nicht über die gesetzlichen Rechtsfolgen eines Rücktritts hinausgehen.85 Diese Voraussetzungen sieht M. Huber bei § 8 VOB/B als erfüllt. Abgesehen davon, dass die alleinige Ungewissheit keinen legitimen Grund zur Vertragsbeendigung darstellt (§ 7, C., III., 4.), ist beachtlich, dass der Zweck der VOB/B nicht ausschließlich darin liegt, die Ungewissheiten zu beseitigen.86 Vielmehr werden auch die Rechtsfolgen ungleich vorteilhafter als bei der gesetzlichen Regelung ausgestaltet. Insofern sollten auch die von M. Huber aufgestellten Kriterien zur Unwirksamkeit der Klausel führen. (2) Unabhängig von den Rechtsfolgen des Abwicklungsregimes bedeutet die Insolvenz des Bauunternehmers keine Rechtfertigung für eine vertragliche insolvenzbezogene Lösungsklausel oder einen wichtigen Grund für ein gesetzliches außerordentliches Kündigungsrecht (vgl. § 10, C.), das neuerdings für Werkverträge in § 648a BGB geregelt ist. Sicherlich ist die Insolvenz ein Ärgernis für den Vertragspartner, insbesondere für Besteller von Werkleistungen.87 Die Insolvenz mag Verzögerungen mit sich bringen und damit ein besonderes Schadensrisiko für den Auftragnehmer bedeuten.88 Der zeitliche Schwebezustand nach Insolvenzeröffnung rechtfertigt aber nicht die Vertragsbeendigung, da der Vertragspartner den Verwalter auffordern kann, das Wahlrecht auszuüben.89 Der Besteller hat kein schutzwürdiges Interesse daran, sich zulasten der Gläubigergesamtheit von einem Vertrag zu lösen und Sanierungen zu gefährden.90 Der VII. Senat des Bundesgerichtshofs hat ein besonderes Vertrauensverhältnis bei Werkverträgen und Bauleistungen als Rechtfertigung für eine Kündigung gesehen.91 Bauleistungen werden allerdings oft im regulären Geschäftsbetrieb von Dritten (beispielsweise Subun85

Huber, NZI 2014, 49, 53. Vgl. insbesondere zur anwaltlichen Praxis Wegener, ZInsO 2013, 1105, 1106 f. („die Kündigungsmöglichkeit ist ein ständig genutztes Drohpotenzial bei den Verhandlungen“, „Die großen Bauträger und Konzerne beschäftigen ganze Abteilungen damit, die Kündigungen vorzubereiten und die Bauvorhaben so abzurechnen, dass der Schaden größer als die Restvergütung ist.“). 87 Peters, BauR 2014, 1218, 1218 f. 88 Hinger, Die Bauunternehmerinsolvenz, S. 193 f.; vgl. auch BGH, Urt. v. 14.9.2017 – IX ZR 261/15, NJW 2017, 3369. 89 Kiedrowski, BauR 2013, 1325, 1329. 90 Kiedrowski, BauR 2013, 1325, 1332; auch BGH, Urt. v. 14.9.2017 – IX ZR 261/15, NJW 2017, 3369. 91 BGH, Urt. v. 7.4.2016 – VII ZR 56/15, BGHZ 210, 1, Rn. 34 ff.; BGH, Urt. v. 26.9.1985 – VII ZR 19/85, BGHZ 96, 34. 86

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ternehmern) erfüllt. Solange keine höchstpersönlichen Leistungen betroffen sind, überzeugt daher das Argument des besonderen persönlichen Vertrauens in seiner Allgemeinheit für Werkverträge nicht. Schlussendlich muss der Verwalter im Einzelfall entscheiden können, ob eine fristgerechte Fortsetzung des Bauprojekts möglich ist.92 Gerade auch in der Baubranche entsteht die Insolvenzsituation oft nicht aus strukturellen Problemen des Betriebs, sondern weil Geschäftspartner Rechnungen nicht fristgerecht zahlten. Jedenfalls kurze Entscheidungsfristen, wie beispielsweise 5 Arbeitstage in Österreich bei Naturalleistungen, könnten in diesem Punkt Abhilfe schaffen. Ferner sind auch insolvenzfeste Sicherheiten wie Bürgschaften ein adäquates Mittel, um die Risiken des Auftragnehmers abzumildern.93 Bei der Bewertung der Interessenlage ist zu berücksichtigen, dass die Neuvergabe von Aufträgen Zeit erfordert und zu höheren Kosten führt, da die neuen Werkunternehmer halb fertige Gewerke übernehmen müssen.94 Ein Stillstand der Baustelle ist stets nachteilig und kostspielig.95 Aber selbst durch eine sofortige Lösung vom Vertrag in der Insolvenz sind diese Risiken kaum vermeidbar. Im Gegensatz zur möglichen Fortführung durch den Verwalter tritt durch eine Kündigung der sofortige Stillstand ein. Die Kündigungsmöglichkeit kann damit zum Gegenteil dessen führen, mit dem die Befürworter ihre Existenz rechtfertigen. In der Praxis ist festzustellen, dass die VOB/BKündigungsklauseln einen enormen Verhandlungsdruck auf den Verwalter aufbauen.96 Genau dies sind die Fälle, die Verbote von Lösungsrechten zu verhindern versuchen. Damit ist auch der Bauvertrag ein hervorragendes Beispiel für Verträge, die unter Lösungsverbote fallen sollten. Rechtsvergleichend ist festzustellen, dass keine der Vergleichsordnungen explizite Ausnahmen vom Verbot von Lösungsklauseln für Bauverträge vorsieht. Österreich hat eine dem § 8 VOB/B vergleichbare Regelung in ÖNORM B 2110, Punkt 5.38.1.1.97 Wie in Deutschland hat der Besteller ein jederzeitiges Kündigungsrecht. Die Klausel verhindere die Vergütungsfolgen in der Insolvenz, die durch das gesetzliche jederzeitige Kündigungsrecht zu tragen wären.98 Folglich besteht auch keine Ausnahme vom gesetzlichen Lösungsverbot.

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So auch die Gesetzesbegründung zur Reform des Werkvertragsrechts hinsichtlich der neuen außerordentlichen Kündigung gemäß § 648a BGB, BT-Drs. 18/8486, S. 50. 93 Hinger, Die Bauunternehmerinsolvenz, S. 259. 94 Vgl. Huber, ZIP 2013, 493, 499 f.; ähnlich Scheef/Uyani-Wietz, ZIP 2016, 250, 252. 95 LG Wiesbaden, Urt. v. 7.2.2014 – 1 O 139/13, ZInsO 2014, 1015. 96 Wegener, ZInsO 2013, 1105, 1106 f. 97 Bollenberger, ÖBA 2006, 879, 881. 98 Bollenberger, ÖBA 2006, 879, 882. Bereits vor Inkrafttreten der gesetzlichen Einschränkungen von Lösungsrechten in der Insolvenz im Jahr 2010 wollte Bollenberger den Fortschritt der Werkarbeiten berücksichtigen, um zu entscheiden, ob Klauseln wirksam

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Ferner rechtfertigen bereits die allgemeinen Gedanken zur Erhaltung der Sanierungsfähigkeit eines Unternehmens und dem Masseschutz durch das Verwalterwahlrecht, die Lösungsmöglichkeiten in der Insolvenz einzuschränken. Auch bei der aktuellen Reform des Werkvertragsrechts wird von einem generellen Kündigungsrecht im Insolvenzfall abgesehen, da dies der Vielgestaltigkeit der Lebensverhältnisse nicht gerecht werde.99 Gerade Sanierungschancen sollen erhalten bleiben, wenn hierzu Aussicht besteht. Gleichwohl soll die allgemeine Vertragsbeendigung aus wichtigem Grund im Einzelfall auch in der Insolvenz nicht per se ausgeschlossen werden (vgl. § 10, C.). Die vom Gesetzgeber beispielhaft angeführte Situation für eine gerechtfertigte Kündigung aus wichtigem Grund bestehe darin, wenn der Insolvenzschuldner seinen Geschäftsbetrieb bereits eingestellt hat und seine Arbeiter nicht mehr auf der Baustelle erscheinen.100 Dies steht im Einklang mit den hier vertretenen Anforderungen an das erforderliche legitime Gestaltungsinteresse für eine Vertragsbeendigung mittels vertraglicher Lösungsklauseln. Nur wenn die Vertragsdurchführung unmöglich wird und für den Vertragspartner Insolvenzrisiken drohen, besteht ein Auflösungsinteresse. Wenn der Bauunternehmer den Betrieb einstellt, würde eine Vertragsbindung des Auftraggebers möglicherweise dessen Existenz gefährden, sodass im Einzelfall die Vertragsklausel gerechtfertigt ist. (3) Um die Vertragsbeendigung auf die legitimen Fälle zu beschränken und Sanierungschancen zu erhalten, sind vertragliche Lösungsrechte in der Insolvenz grundsätzlich auch in Werk- und Bauverträgen zu verbieten. Nach den divergierenden Entscheidungen des Bundesgerichtshofs (vgl. § 10, A. bis C.) könnte durch ein einheitliches Verbot von Lösungsklauseln auch in Bauverträgen Rechtssicherheit geschaffen werden. Der vom Bundesgerichtshof (VII. Senat) eingeschlagene Sonderweg der allgemeinen Wirksamkeit von Lösungsrechten in Bauverträgen überzeugt weder national (vgl. § 10, B.) noch international, sodass auch Bauverträge vom allgemeinen Lösungsverbot zu erfassen sind. (4) Nichts anderes ergibt sich aus dem jederzeitigen Kündigungsrecht des Bestellers bei Bauverträgen nach § 648 Satz 1 BGB. Zur Rechtfertigung insolvenzbezogener Lösungsklauseln in Bauverträgen wird darauf verwiesen, dass diese nur dem gesetzlichen Kündigungsrecht entsprechen würden.101 Die jederzeitige Kündigungsmöglichkeit des § 648 Satz 1 BGB in Werkverträgen hat eine Stellung als gesetzliches Kündigungsrecht. Nach höchstrichterlicher Rechtsprechung kann dieses Recht auch in der Insolvenz ausgesind. Damit kam er zwar zur grundsätzlichen Wirksamkeit der Klauseln, möchte aber die Ausübung im Einzelfall als rechtsmissbräuchlich einschränken. 99 BR-Drs. 123/16, S. 53, in Kraft ab dem 1.1.2018, BR-Drs. 119/17. 100 BR-Drs. 123/16, S. 53, in Kraft ab dem 1.1.2018, BR-Drs. 119/17. 101 Allgemein zum „Entsprechen“ gesetzlicher Lösungsrechte: § 11, B., IV.

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übt werden.102 In dieser gesetzlichen Wertung kommt ein reguläres Vertragsbeendigungsinteresse zum Ausdruck, das unabhängig von der Insolvenz besteht. Es ist daher mit einem ordentlichen Kündigungsrecht vergleichbar (vgl. § 11, B., III.). In der Insolvenz bedeutet dieses jederzeitige Kündigungsrecht jedoch keinen Nachteil für den Insolvenzschuldner, da der Gesetzgeber bereits ein schuldnerschützendes Abwicklungsregime vorsieht. Die Kündigung ist zulässig gegen Vergütung und Zahlung des Vertragsinteresses. Insolvenzrechtlich tritt kein Schaden durch dieses Kündigungsrecht ein, da es dem Schuldner regelmäßig nur um die Vergütung geht.103 Da die Insolvenz an sich kein wichtiger Grund für die Kündigung ist und der Restvergütungsanspruch damit grundsätzlich nicht entfällt (§ 10, C.), tritt keine unmittelbare Gefährdung für die Gläubigergemeinschaft in diesem Vertragsverhältnis ein. Eine Einschränkung ist insofern nicht geboten. Diese gesetzliche Regelung entspricht in groben Zügen der neuseeländischen Lösung, wobei es um den monetären Ausgleich des Vertragsinteresses geht. Eine schrankenlose Zulässigkeit von insolvenzbezogenen Lösungsrechten in Bauverträgen kann aus dem gesetzlichen Lösungsrecht jedoch nicht abgeleitet werden. Insofern ist es verkürzt, isoliert die gesetzliche und vertragliche Kündigungsmöglichkeit zu vergleichen – ohne auch das jeweilige Abwicklungsregime zu berücksichtigen. Gerade in der Insolvenz des Auftraggebers trifft § 648 BGB keine Regelung, sodass diese Situation nach den allgemeinen Grundsätzen zu bewerten ist. Bauverträge sind allgemein von einem Verbot von Lösungsrechten zu erfassen. 2. Energielieferungsverträge Als vom Bundesgerichtshof (IX ZR 169/11) explizit entschiedener Vertragstyp sind Energielieferungsverträge bzw. Versorgungsverträge im Allgemeinen (Telekommunikation, Wasser etc.) von den Verbotsregelungen zu erfassen (zu den Besonderheiten der (EFET)-Rahmenverträge vgl. § 4, A.). Interessant ist, dass die Ausübungssperren in den USA und in England für diese Vertragstypen zusätzliche Sicherheiten – zusätzlich zu den Masseverbindlichkeiten – zugunsten der solventen Vertragspartner vorsehen. Für eine solche Privilegierung ist letztlich der Gesetzgeber gefragt. 3. Mietverträge In Mietverträgen über unbewegliche Sachen werden insolvenzbezogene Lösungsklauseln bereits nach allgemeiner Ansicht für unwirksam gehalten: Dies ergebe sich aus den speziellen mietvertraglichen Regelungen der §§ 108, 109 102 103

BGH, Urt. v. 14.9.2017 – IX ZR 261/15, NJW 2017, 3369. Sprau, in: Bürgerliches Gesetzbuch: BGB (Hrsg. Palandt), § 648, Rn. 2.

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InsO, die dem Insolvenzverwalter das alleinige Kündigungsrecht gewährten. Ferner kommt die Sonderregelung des § 112 InsO hinzu.104 Dieses Ergebnis ist auch rechtsvergleichend allgemein anerkannt.105 Es ist nunmehr folgerichtig, die hier entwickelten Grundsätze auch auf den Bereich der Mietverträge über bewegliche Sachen auszudehnen. 4. Grundstücksübertragung Gerade Verträge über Grundstücksübertragungen im engen familiären Umfeld enthalten regelmäßig Rücktrittsrechte u.a. für den Fall der Insolvenz des Übernehmers der Immobilie. Diese Rückauflassungsverpflichtungen sind durch Vormerkungen gesichert. Der Bundesgerichtshof hielt diese Art von Lösungsrechten grundsätzlich für wirksam und mit § 119 InsO vereinbar.106 Da der Vertrag bei Rücktritt vollständig erfüllt ist, unterfällt er nicht mehr § 103 InsO und damit nicht mehr dem Verbot von § 119 InsO. Die Rückübertragungsverpflichtung sei bei einer üblichen Vormerkung jedenfalls nach § 106 Abs. 1 InsO zu erfüllen. Ein solches Lösungsrecht kann indes der Insolvenzanfechtung unterliegen. Zwar bestehe keine Gläubigerbenachteiligung, wenn das Rücktrittsrecht von vornherein Bestandteil des gegenseitigen Vertrags ist, der Schuldner Rechte an der Sache ausschließlich aufgrund dieses Vertrags erworben hat, die Rücktrittsklausel den Berechtigten in den Stand setzt, einen Zugriff der Gläubiger auf die Sache jederzeit abwehren zu können, und die Rücktrittsklausel freie Verfügungen des Schuldners zugunsten einzelner Gläubiger ausschließt.107 Insofern bestehe eine aussonderungsähnliche anfängliche Belastung der Immobilie, die nicht gläubigerbenachteiligend ist. Erst die unentgeltliche Rückübertragungsverpflichtung führt zu einer Gläubigerbenachteiligung, wenn gezahlte Kaufpreise nicht zu erstatten sind. Bei Vorliegen der weiteren Tatbestandsvoraussetzungen kann die Anfechtung greifen. 5. Lizenzverträge / Franchiseverträge108 Auch Lizenzverträge werden grundsätzlich von dem Verbot der Lösungsklauseln erfasst. Allerdings sind hier besondere individuelle Vertragseigenheiten zu berücksichtigen. Insolvenzen ziehen den Marktwert von Lizenzen und 104 Statt vieler BGH, Urt. v. 22.10.2013 – II ZR 394/12, ZInsO 2013, 2556 m.w.N.; Dahl, NJW-Spezial 2008, 373, 373. 105 Vgl. hierzu § 4, B. 106 BGH, Urt. v. 12.10.2017 – IX ZR 288/14 mit Anmerkung von Cranshaw, jurisPRInsR 24/2017, Anm. 1; Jacoby, EWiR 2017, 759. Ebenso zum Heimfallanspruch beim Erbbaurecht BGH, Urt. v. 19.4.2007 – IX ZR 59/06, Rn. 10, juris. 107 BGH, Urt. v. 12.10.2017 – IX ZR 288/14, Rn. 23. 108 Zu Verboten von Lösungsklauseln und der analogen Anwendung des § 112 InsO Abel, NZI 2003, 121, 122 f. u. 127 f.

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Markten oft in erhebliche Mitleidenschaft. Wird die Marke durch die Insolvenz eines Lizenznehmers oder eines Franchisenehmers dergestalt beschädigt, dass der Imageschaden der Marke zu erheblichen Vermögensverlusten führt, kann eine Auflösung aus wichtigem Grund gerechtfertigt sein.109 In diesem Sinne billigte der Bundesgerichtshof die Kündigung eines Lizenzvertrags im Insolvenzfall, da diese nicht auf die Umgehung des § 119 InsO ausgerichtet und die Fortsetzung des Vertrags unzumutbar war.110 Gleichzeitig konnten für diesen Fall aufschiebend bedingt Nutzungsrechte übertragen werden. 6. Handelsvertreterverträge Wie andere Dauerschuldverhältnisse können auch Handelsvertreterverträge aus wichtigem Grund – nach § 89a Abs. 1 HGB – jederzeit gekündigt werden. Die Insolvenz des Vertriebspartners wird bisher als legitimer Auflösungsgrund bewertet, da die Insolvenzsituation unzumutbar sei und mögliche Reputationsschäden zu befürchten seien.111 Damit wäre nach der Entscheidung des VII. Senats des Bundesgerichtshofs zum Bauvertrag wohl auch eine Vertragsbeendigung in der Insolvenz möglich, da die Argumentation zum wichtigen Grund übertragbar ist. In diese Richtung hat auch der IX. Senat in einem obiter dictum entschieden, wonach die Kündigung in entsprechender Anwendung des § 89a HGB auch nach Insolvenzeröffnung zulässig wäre, um einen Ausgleichsanspruch nach § 89b HGB zu erlangen.112 Allerdings sind auch Handelsvertreterverträge grundsätzlich von Lösungsverboten zu erfassen. Die Interpretation des wichtigen Grundes sollte sich ebenfalls nach den hier entwickelten Leitlinien des Gestaltungsinteresses richten. Damit liegt auch beim Handelsvertretervertrag im Allgemeinen kein besonderes Gestaltungsinteresse vor, das pauschal die Vertragsauflösung rechtfertigt. Es ist auch in der Interpretation des § 89a HGB die Wertung des Insolvenzrechts, also insbesondere der §§ 112, 119 InsO zu berücksichtigen. Insgesamt kann somit ein stimmiges Ergebnis in einer einheitlichen Rechtsordnung erzielt werden. Im Übrigen ist auf die Kritik zur Entscheidung des VII. Senats des Bundesgerichtshofs und zum Werkvertrag zu verweisen (§ 10, B. und § 11, A., III., 1.). Unabhängig von der genauen Interpretation des § 89a HGB sind vertragliche Lösungsklauseln zu erfassen. Zwar hat der Bundesgerichtshof die Möglichkeit vorgegeben, dass vertragliche Lösungsklauseln wirksam sind, wenn diese gesetzlichen Lösungsrechten entsprechen (§ 11, B., IV.). Da die gesetz109

Hoenig, RdW 2013, 515, 516. BGH, Urt. v. 17.11.2005 – IX ZR 162/04, NZI 2006, 229. 111 Muhl, GWR 2014, 496, 497; Ströbl/Woltmann, ZVertriebsR 2014, 236, 237; OLG München, Urt. v. 26.4.2006 – 7 U 5350/05, NJOZ 2006, 3489. 112 BGH, Urt. v. 7.5.2014 – IX ZR 191/12, NJW-RR 2013, 1142. 110

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liche Vertragsbeendigung aber nur an einen wichtigen Grund anknüpft und nicht ausdrücklich an die Insolvenz, entsprechen vertragliche insolvenzbezogene Lösungsmöglichkeiten nicht ausdrücklich der Gesetzeslage in § 89a HGB; nur die Rechtsprechung interpretiert den wichtigen Grund in diese Richtung.113 Die vertraglichen Lösungsklauseln entsprechen folglich nicht einem gesetzlichen Lösungsrecht. Die allgemeine Zulässigkeit von vertraglichen Lösungsklauseln ließe unberücksichtigt, dass im Rahmen des wichtigen Grunds eine konkrete Interessenabwägung durchzuführen ist. Mithin ist das grundsätzliche Verbot von Lösungsrechten in der Insolvenz auch auf Handelsvertreterverträge auszudehnen. 7. IT-Verträge Problematisch kann sich beispielsweise die Insolvenz von IT-Dienstleistern auswirken. Oftmals werden solche betriebsinternen Dienstleistungen ausgelagert.114 Auch diese Verträge werden grundsätzlich von Verboten von Lösungsklauseln erfasst. Wenn ein Unternehmen allerdings vitale Strukturen wie Serverleistungen, E-Mail-Verkehr, Buchhaltungsleistungen ausgelagert hat und die Insolvenz des Outsourcing-Dienstleisters zu einem Stillstand des Angebots führt, kann dies zu Existenzschwierigkeiten des solventen Vertragspartners führen. Bereits wenige Stunden ohne IT-Dienstleistungen können zu erheblichen wirtschaftlichen Verlusten führen. Ist die Gefahr derart groß, dass die eigene wirtschaftliche Schieflage oder Insolvenz droht, liegt ein legitimes Gestaltungsinteresse vor, Lösungsklauseln zu vereinbaren. IV. Bereichsausnahmen Neben den von der Vertragsfreiheit gebotenen Ausnahmen im Einzelfall (§ 11, A., II.), liegt es nahe, bestimmte Bereichsausnahmen festzulegen: Wie in § 4, A. gesehen, drängt es sich auf, Fixgeschäfte und Finanzverträge allgemein vom Wahlrecht und den Lösungsverboten auszunehmen. Ferner dürften beispielsweise Strom-Handelsgeschäfte unter diese Ausnahme gem. § 104 Abs. 1 InsO fallen.115 Ebenfalls sind Gesellschaftsverträge nicht vom Verwalterwahlrecht und damit auch nicht von den Lösungsverboten erfasst; diese Verträge sind nicht synallagmatisch.116 Eine entsprechende Rechtslage ist auch in Österreich zu

113

Muhl, GWR 2014, 496, 498; andere Ansicht Ströbl/Woltmann, ZVertriebsR 2014, 236, 237 (für eine Kündigung nach § 89a HGB im Insolvenzfall und für die Wirksamkeit von vertraglichen Lösungsklauseln). 114 Vgl. Pohle, K&R 2013, 297, 299 f. 115 Behrens, RdE 2014, 424, 430; ausführlich zu den EFET-Rahmenverträgen Löffler, BB 2013, 1283, 1285. 116 BR-Drs. 1/92, S. 152.

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finden. Bei Gesellschaftsverträgen findet sich auch eine Vielzahl gesetzlicher Auflösungsrechte. Ferner verbleiben als insolvenzbezogene gesetzliche Lösungsrechte im Wesentlichen nur die ausdrücklich vorgesehenen Möglichkeiten in §§ 115 f. InsO, die Vollmachten und Geschäftsbesorgungsverträge beenden. Abschließend könnte in Betracht gezogen werden, dass Ansprüche auf Auszahlung eines Kredits von Verboten auszunehmen sind. Solche Ausnahmen sind in Österreich und in den USA zu finden. Allerdings ist in den Rechtsordnungen der Hintergrund für diese Regelung fraglich, sodass kaum allgemeine Rückschlüsse möglich sind. B. Erfasste Anknüpfungsmomente und Rechtsfolgen Nachdem die erfassten Vertragstypen und Ausnahmen näher betrachtet wurden, sollen im Weiteren die Anknüpfungsmomente der Klauseln sowie die abzuleitenden Rechtsfolgen konkretisiert werden. Ein besonderes Augenmerk ist auf die zeitliche Vorverlagerung der Lösungsklauseln zu legen (§ 11, B., II.). Denn je weiter die Klausel sich von der Insolvenz löst, desto eher sind die Klauseln als Ausfluss der Privatautonomie als wirksam zu betrachten. Nur eine hinreichende Insolvenzbezogenheit (§ 9, B., III., 3.; § 10, E.) gestattet es, Kündigungsmöglichkeiten einzuschränken. Weiter schließen sich Überlegungen zu ordentlichen und gesetzlichen Kündigungsrechten an (§ 11, B., III. und IV.). Das Ergebnis wird unter § 11, B., V. zusammengefasst. I. Insolvenzverfahrenseröffnung Ab Verfahrenseröffnung greift das Verwalterwahlrecht. So lautet der 3. Teil der Insolvenzordnung „Wirkungen der Eröffnung des Insolvenzverfahrens (§§ 80–147)“. Insofern greift das Verbot abweichender Vereinbarungen, die das Verwalterwahlrecht aushöhlen, spätestens ab Verfahrenseröffnung. Nicht nur der Bundesgerichtshof, sondern auch alle untersuchten Rechtsordnungen, die ein Verbot von Lösungsklauseln kennen, erklären Klauseln für unwirksam, die an die Verfahrenseröffnung anknüpfen. II. Insolvenzeröffnungsverfahren Fraglich ist, ob ein Verbot insolvenzbezogener Lösungsklauseln auch bereits vor der Eröffnung eines Insolvenzverfahrens greifen soll. Hierzu wird zunächst eine Vorwirkung allgemein begründet (§ 11, B., II., 1.). Diese wird anschließend für die Anknüpfungszeitpunkte der Insolvenzantragstellung (§ 11, B., II., 2.) und der materiellen Insolvenz (§ 11, B., II., 3.) sowie für insolvenzunabhängige Lösungsklauseln näher ausgeführt (§ 11, B., II., 4.).

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1. Vorwirkung des § 119 InsO: Liquiditäts- und Umgehungsschutz Um erheblichen Schutzlücken und Umgehungsmöglichkeiten des Lösungsverbotes durch eine frühere Anknüpfung an die Antragstellung auszuschließen, hat der Bundesgerichtshof eine Vorwirkung des Schutzes von § 119 InsO entwickelt. „Soll die Vorschrift des § 119 InsO in der Praxis nicht leer laufen, muss ihr eine Vorwirkung jedenfalls ab dem Zeitpunkt zuerkannt werden, in dem wegen eines zulässigen Insolvenzantrags mit der Eröffnung eines Insolvenzverfahrens ernsthaft zu rechnen ist.“117

Ganz eindeutig ist die Rechtsfolge der Vorwirkung nicht. Insbesondere ist die zeitliche Anknüpfung der Vorwirkung unklar. Für Vorfeldklauseln hat der Rechtsvergleich gezeigt, dass einerseits die Nichtigkeitsfolge und andererseits eine reine Ausübungssperre in Betracht kommen. Wenn die Vorwirkung erst ab dem Zeitpunkt greifen soll, in dem wegen eines zulässigen Insolvenzantrags mit der Eröffnung zu rechnen ist, spricht dies für eine reine Ausübungssperre. Der Bundesgerichtshof erklärt allerdings die Lösungsklausel an sich für unwirksam, sodass eher die Nichtigkeit der Klauseln anzunehmen ist.118 In diesem Fall ist bei der Vorwirkung auf eine hinreichende Insolvenzbezogenheit zu achten, um die Nichtigkeitsfolge zu rechtfertigen. a) Kritik am Ansatz des Bundesgerichtshofs Jacoby kritisiert den BGH-Ansatz, ein Lösungsverbot inklusive Vorwirkung aus § 119 InsO abzuleiten. Für vor Verfahrenseröffnung eingetretene Rechtswirkungen ist für ihn nur das Institut der Insolvenzanfechtung einschlägig (§ 11, C.).119 Nur in § 112 InsO werde eine Vorwirkung eines Lösungsverbotes ab Antragstellung konstatiert – beschränkt auf Mietverträge. Der Bundesgerichtshof würde diesen konkreten Anwendungsbereich unzulässig mittels § 119 InsO auf sämtliche Verträge ausweiten.120 Auch Grasser spricht sich unter Hinweis auf § 112 InsO gegen eine Vorwirkung und für ein Verbot insolvenzbezogener Lösungsklauseln ab Verfahrenseröffnung aus.121 Auf die mietvertragliche Kündigungssperre in § 112 InsO, die in der Literatur für und gegen die Zulässigkeit von Lösungsklauseln angeführt wird, sei an dieser Stelle eingegangen.122 Hiernach kann der Vermieter ein Miet- oder Pachtverhältnis mit dem Insolvenzschuldner ab der Insolvenzantragstellung nicht mehr wegen vor dem Eröffnungsantrag angefallenen Zahlungsverzugs und wegen der Verschlechterung der Vermögensverhältnisse des Schuldners 117

BGH, Urt. v. 15.11.2012 – IX ZR 169/11, BGHZ 195, 348, Rn. 19. BGH, Urt. v. 15.11.2012 – IX ZR 169/11, BGHZ 195, 348, Rn. 8. 119 Jacoby, ZIP 2014, 649, 653. 120 Jacoby, ZIP 2014, 649, 653. 121 Grasser, Unwirksamkeit vertraglicher Lösungsklauseln für den Insolvenzfall, S. 210. 122 Vgl. Reul/Heckschen/Wienberg, Insolvenzrecht in der Kautelarpraxis, B. III. 5. 118

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kündigen. § 112 InsO ist dabei eine tragende Norm, um Sanierungen zu ermöglichen.123 Hätte der Gesetzgeber Lösungsklauseln allgemein erlauben wollen, so wird vertreten, hätte er nicht nur die in § 119 InsO angedachte Ausübungssperre, sondern auch § 112 InsO ändern müssen.124 Die Existenz von § 112 InsO125 wird aber nicht nur als Argument gegen, sondern auch für Lösungsklauseln verwendet: Die Kündigungssperre sei spezifisch nur auf Mietverträge zugeschnitten; eine allgemeine Ausübungssperre von Kündigungen könne in § 112 InsO nicht hineingelesen werden.126 Mangels planwidriger Regelungslücke sei eine analoge Anwendung ausgeschlossen.127 Eine allgemeine Regelung wäre in § 119 InsO aufzunehmen. Wären Lösungsklauseln generell unwirksam, wäre § 112 Nr. 2 InsO entbehrlich.128 Es ist zutreffend, dass in § 112 InsO, wie auch in § 13 KredReorgG und § 225a InsO, explizite Lösungsverbote für bestimmte Verträge festgeschrieben werden. Hieraus den Umkehrschluss zu ziehen, dass § 119 InsO keine vergleichbare Vorwirkung aufweise, überzeugt nicht. Zunächst regelt § 112 InsO nur eine Kündigungssperre. Diese ist jedoch nicht deckungsgleich mit der möglichen Nichtigkeit nach § 119 InsO von bestimmten Klauseln. Die Nichtigkeitsfolge und die Ausübungssperre von Lösungsklauseln sind komplementäre Schutzmechanismen für Sanierungen und für den Masseschutz. Überschneidungen dieser Mechanismen sind nicht unbekannt, wie der Blick nach Österreich und in die USA zeigt. Klauseln, die unter § 112 InsO fallen, müssen nicht nach § 119 InsO nichtig sein und können außerhalb von Insolvenzverfahren durchaus ihre Wirkung entfalten. Die materielle Nichtigkeitsfolge kann hingegen nur aus § 119 InsO abgeleitet werden. Aus der Vorwirkung der Ausübungssperre nach § 112 InsO kann nicht gefolgert werden, dass dem umfassenderen § 119 InsO keine Vorwirkung zukäme. Letztlich kann § 119 InsO nach der hier vertretenen Auffassung sowohl die Nichtigkeit als auch die Ausübungssperre von Lösungsrechten regeln und die Wirkungen des § 112 InsO abdecken (§ 11, B., II., 4., c)). Damit entspricht

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Hausmann, ZUM 1999, 914, 917; siehe auch § 4, B., I. Kroth, in: Braun, InsO, § 119, Rn. 11. 125 Eine Mieterdienstbarkeit kann unter der auflösenden Bedingung der Insolvenzeröffnung stehen. § 112 InsO steht dem nicht entgegen, da die Mieterdienstbarkeit ein dingliches Recht ist, BGH, Beschl. v. 7.4.2011 − V ZB 11/10, NZM 2012, 392. Hierzu ebenfalls Krüger, NZM 2012, 377, 379. Damit zeigt sich für die Sanierung des Insolvenzschuldners die besondere Bedeutung von §§ 112, 119 InsO, die auf schuldrechtlicher Ebene den Nutzungsvertrag erhalten. 126 Thole, in: Privatautonomie und Insolvenzrecht, S. 288. 127 Andere Ansicht Bopp, Bauvertrag, S. 184 f.; Schwörer, Lösungsklauseln für den Insolvenzfall, S. 247 (sofern der Vertragsgegenstand dem Schuldner überlassen ist). 128 Wilmowsky, ZIP 2007, 553, 554. 124

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§ 119 InsO funktionell der lex generalis, § 112 InsO der lex specialis.129 Beide Normen sind Ausdruck eines allgemeinen Rechtsprinzips. Der Gesetzgeber stellte klar, dass § 112 InsO auf dem allgemeinen Gedanken beruht, dass die wirtschaftliche Einheit nicht zur Unzeit auseinandergerissen werden dürfe und die Regelung damit der Sanierung diene.130 § 119 InsO ist die allgemeine Regelung für sämtliche Vertragstypen, die dem Verwalterwahlrecht unterfallen. Diese Norm ist offen gestaltet und dient dem Schutz der speziellen Regeln in §§ 103 ff. InsO vor privatautonomen Handlungen. Diese allgemeine Regelung ist auch im Einzelfall Ausnahmen zugänglich, wenn ein hinreichendes Gestaltungsinteresse für Lösungsklauseln anzuerkennen ist. Insofern gestattet § 119 InsO als lex generalis hinreichenden Raum für Rechtsanpassungen. Es können Rechtslücken im Einzelfall geschlossen und neue Anknüpfungsmomente einer Lösungsklausel geregelt werden. Für jeden Vertragstyp Sonderregelungen wie § 112 InsO zu schaffen, wäre schlicht unpraktikabel. Über die Sonderregelungen wie § 112 InsO hat der Gesetzgeber wichtige konkrete Regelungsbeispiele herausgegriffen und insofern bei Mietverträgen jegliche Einzelfallbetrachtung aufgrund deren abstrakt-generellen Wichtigkeit ausgeschlossen. Mithin ist eine allgemeine Vorwirkung des § 119 InsO mit Normen wie § 112 InsO vereinbar und geboten. Außerdem wollen Lenger und Schmitz § 119 InsO nicht in das Eröffnungsverfahren ausdehnen, sondern erst ab Insolvenzeröffnung greifen lassen.131 Die Unwirksamkeitsfolge sei im Vorfeld der Insolvenzeröffnung nicht gerechtfertigt, wenn der Insolvenzantrag mangels Masse abgewiesen werden könne.132 Für diese Argumentation lohnt sich ein Blick in die Insolvenzstatistik: In Deutschland gab es im Jahr 2015 insgesamt 23123 beantragte Unternehmensinsolvenzverfahren; 16979 wurden davon eröffnet, hingegen 6144 mangels Masse abgewiesen.133 Hieraus ergibt sich eine Quote von ca. 26,5 % der Insolvenzverfahren, die mangels Masse abgewiesen werden. Eine Vorwirkung ist damit ca. in ¼ der Fälle kritisch zu sehen, in ¾ der Verfahren hingegen notwendig. Es kann jedoch kaum die Begründetheit des Insolvenzantrags abgewartet werden, da andernfalls die vorgenannten Gefahren für die überwiegende Mehrzahl der Verfahren zu groß sind. Im Insolvenzverfahren muss daher die Sperre von Lösungsrechten sichergestellt sein. Ob hier stets die Nichtigkeit erforderlich ist oder eine Ausübungssperre genügt, ist sogleich im Detail zu untersuchen. 129

Bopp, Bauvertrag, S. 203; Hinger, Die Bauunternehmerinsolvenz, S. 213 f.; Schwörer, Lösungsklauseln für den Insolvenzfall, S. 428; vgl. auch Tintelnot, in: FS Kübler, S. 703. 130 BT-Drs. 12/2443, S. 148. 131 Lenger/Schmitz, NZI 2015, 396, 398. 132 Lenger/Schmitz, NZI 2015, 396, 398. 133 Statistisches Bundesamt, Unternehmen und Arbeitsstätten – Insolvenzverfahren Stand: 11.3.2016, S. 11.

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b) Wirtschaftliche Notwendigkeit der Verbotswirkungen im Eröffnungsverfahren und Anreize zur frühen Antragstellung Schlussendlich ist eine Vorwirkung richtig.134 Sie ist der einzige Weg, leichte Umgehungskonstruktionen bei einem allein auf die Verfahrenseröffnung zugeschnittenen Verbot zu sanktionieren. Auch vorinsolvenzlich soll ein Vertragspartner durch Lösungsklauseln nicht das Verwalterwahlrecht entziehen können;135 selbst wenn das Wahlrecht erst mit der Verfahrenseröffnung entsteht.136 Ferner ist die Verfahrenseröffnung von ganz entscheidender Bedeutung: Ob eine Sanierung erfolgreich verlaufen wird oder eine Liquidation des Unternehmens durchzuführen ist, entscheidet sich regelmäßig in den ersten 10 bis 20 Tagen des Verfahrens.137 Dem vorläufigen Verwalter ist die Handlungsfähigkeit zu sichern und eine Atempause zu verschaffen.138 In dieser Zeit sind wichtige wirtschaftliche Entscheidungen zu treffen, die den weiteren Weg des Verfahrens vorbestimmen. Formal treffen die Gläubiger die Entscheidung über die Unternehmensfortführung im Berichtstermin, vgl. § 157 InsO. Grundsätzlich gilt daher auch bis zum Berichtstermin ein Verwertungsverbot, der laufende Betrieb ist zu erhalten und der vorläufige Verwalter soll die Sanierungsfähigkeit prüfen, vgl. § 22 Abs. 1 Nr. 2; Abs. 2 InsO.139 Die Entscheidungsrealität im Berichtstermin ist regelmäßig in diesem Zeitpunkt bereits vorbestimmt und alternativlos.140 Lieferanten, Arbeitnehmer, Versorger müssen bis zur endgültigen Entscheidung verfügbar gehalten werden. Damit hängt die Effizienz des Verfahrens unmittelbar von der Zeit zwischen Antrag und Verfahrenseröffnung ab.141 Der Liquiditätsbedarf ist erfahrungsgemäß in dieser turbulenten Eröffnungszeit besonders groß. Entfallen aber wichtige Vertragsverhältnisse genau in der problematischsten Zeit, bestimmt dies den weiteren Verfahrensverlauf vor. Bei Liquiditätsproblemen am Verfahrensbeginn lässt sich faktisch ein wegfallendes Vertragsverhältnis kaum oder nur äußerst schwierig neu verhandeln. Vor diesem Hintergrund erlangt ein Verbot insolvenzbezogener Lösungsklauseln und insbesondere die Vorwirkung einen hohen Stellenwert. 134

In diesem Sinne Foerste, ZInsO 2015, 601, 602; Hinger, Die Bauunternehmerinsolvenz, S. 210 ff., insb. S. 215. 135 Coles-Bjerre, N.M. L. Rev. 2010, 77, 87. 136 Statt vieler Huber, ZIP 2013, 493, 494. 137 Haarmeyer/Wutzke/Förster, Handbuch der vorläufigen Insolvenzverwaltung, § 1, Rn. 11 m.w.N.; COM(2016) 723 final, Erwägungsgründe 16 und 17. 138 Borchardt, in: Betriebsfortführung im Insolvenzverfahren – Betriebsfortführung in der Insolvenz (Hrsg. Borchardt/Frind), Kap. 4, Rn. 557. 139 Haarmeyer/Wutzke/Förster, Handbuch der vorläufigen Insolvenzverwaltung, § 1, Rn. 10; § 12, Rn. 1 u. 14; Schwörer, Lösungsklauseln für den Insolvenzfall, S. 127. 140 Haarmeyer/Wutzke/Förster, Handbuch der vorläufigen Insolvenzverwaltung, § 1, Rn. 20; § 12, Rn. 1. 141 Schwörer, Lösungsklauseln für den Insolvenzfall, S. 125.

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Ferner bewirkt ein frühzeitig greifender Schutzmechanismus auch eine besondere Anreizstruktur, frühzeitig ein Insolvenzverfahren einzuleiten. Hauptgefahr für die Sanierung bzw. die Gläubigerbefriedigung ist eine zu späte Insolvenzantragstellung.142 Sanierungsschutzmechanismen können eine solche frühe Antragstellung fördern.143 Die InsO sollte in diesem Punkt bereits Abhilfe schaffen.144 Die theoretische Quote bei Eintritt der Überschuldung und fristgerechter Antragstellung liegt knapp unter 100 %.145 Eine statistische Auswertung von 326 deutschen Insolvenzverfahren zeigte, dass die materielle Insolvenz bereits über 10 Monate vor der tatsächlichen Antragstellung eingetreten ist.146 Gerade in dieser Verzögerungsphase verstärkt sich der Vermögensverfall überproportional.147 Eine Sperre von Kündigungen zwischen materieller Insolvenz und Verfahrenseröffnung kann damit die Ertragssituation in der Insolvenz erheblich verbessern und positive Anreize setzen (§ 11, B., II., 3.). Genau dieser Zeitraum ist kritisch für den Vermögensverfall. Auch zeigen empirische Untersuchungen, dass innerhalb eines Insolvenzverfahrens die Zahlungsverpflichtungen des Insolvenzschuldners regelmäßig wieder zuverlässiger erfüllt werden und sich das Zahlungsverhalten normalisiert.148 Dies spricht ebenfalls dafür, dass eine Flucht vor dem Insolvenzverfahren nicht immer begründet ist. Vielmehr ist das Insolvenzverfahren eine Chance zur Sanierung und Befriedigung für Schuldner und Gläubiger, sodass ein Ausscheren einzelner Gläubiger zu vermeiden ist. Damit ist die Vorwirkung sowohl wirtschaftlich für den Verfahrensbeginn als auch juristisch als Umgehungsschutz nötig. Nur die konkrete Reichweite und Rechtsfolgen sind im Folgenden zu klären. 2. Insolvenzantragstellung Der Bundesgerichtshof bejaht die Vorwirkung des Lösungsverbotes jedenfalls ab Antragstellung.149 Das Vermögen sei ab Beginn des Eröffnungsverfahrens sicherzustellen, auch um Betriebsfortführungen nicht zu erschweren. Dies ergebe sich aus der Zusammenschau von §§ 21 Abs. 1, 112 InsO.150 Auch Schwörer und Bopp gehen von einer Unwirksamkeit ab Antragstellung 142 Bitter/Röder, ZInsO 2009, 1283, 1286 f.; Hermes, Wirtschaft Konkret Nr. 414 – Ursachen von Insolvenzen – Gründe für Unternehmensinsolvenzen aus der Sicht von Insolvenzverwaltern, S. 5, 7. 143 Isac, 11 Insolv. L.J. 47 (2003), 48. 144 Die Eigenverwaltung oder das Schutzschirmverfahren in § 270b InsO sollten entsprechende Anreize schaffen, vgl. beispielsweise Smid, NZA 2000, 113, 120. 145 Kirstein, ZInsO 2006, 966, 967. 146 Kirstein, ZInsO 2006, 966, 967. 147 Kirstein, ZInsO 2006, 966, 971. 148 Gude, ZInsO 2011, 805, 807. 149 Vgl. Löffler, BB 2013, 1283, 1286. 150 BGH, Urt. v. 15.11.2012 – IX ZR 169/11, BGHZ 195, 348, Rn. 20, 21.

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aus: Lösungsklauseln entziehen die Haftungsmasse des Vertrags. Als mittelbare Beeinträchtigung des Wahlrechts seien insolvenzbezogene Lösungsrechte ab Antragstellung nach § 119 InsO unwirksam, da dem Eröffnungsverfahren eine Sicherungsfunktion zukommt.151 Teilweise wird in der Literatur nach den Typen der Insolvenzanträge differenziert: Um § 119 InsO auszulösen, bedürfe es eines zulässigen Eigenantrags des Schuldners; Gläubigeranträge genügten als mögliche Druckanträge nicht.152 Lösungsklauseln, die allein an die Antragstellung anknüpfen, weisen bereits eine hinreichende Bezogenheit zum Insolvenzverfahren auf (§ 9, A., II.). Das Verfahren wird unmittelbar eingeleitet, sodass in der überwiegenden Zahl der Antragsverfahren die Verfahrenseröffnung ansteht. Der einzige Anwendungsbereich einer solchen Klausel steht in direktem Zusammenhang mit einem Insolvenzverfahren, sodass für die Verwerflichkeit der Klausel die Begründetheit des Antrags irrelevant ist. Aus diesem hinreichenden Insolvenzbezug lässt sich stets die Nichtigkeit von Klauseln ableiten, die an die Antragstellung anknüpfen. Auch wenn zwischen Antrag und Verfahrenseröffnung das Verwalterwahlrecht noch nicht existiert und damit der Vertragspartner erhöhten Risiken ausgesetzt sein mag,153 bleibt der solvente Vertragspartner vor Vorleistungen durch § 321 BGB geschützt.154 Auch die Praxis entwickelte eine Vielzahl an Möglichkeiten, um Vertragspartner zu schützen, die das Unternehmen weiter beliefern: Zahlungszusagen, gerichtliche Ermächtigungen, Treuhandkonten etc.155 Damit bleiben Vertragspartner, die weiterliefern (müssen), nicht schutzlos. Gleichzeitig werden die Sanierungschancen des Insolvenzschuldners verbessert. Aufschlussreich ist in diesem Zusammenhang die Rechtslage in Polen.156 Dort hat der Gesetzgeber zunächst nur die Anknüpfung an die Insolvenzeröffnung verboten. Allerdings war er wegen Umgehungstendenzen kurze Zeit später gezwungen, eine Vorwirkung gesetzlich festzuschreiben, sodass auch die Antragstellung als Kriterium einer Lösungsklausel verboten wurde. Ferner sei herausgestellt, dass der Zeitraum zwischen Antragstellung und formeller Verfahrenseröffnung in den Rechtsordnungen unterschiedlich lange dauert. Das deutsche Eröffnungsverfahren ist eine Besonderheit, da der Insolvenzantrag und die Verfahrenseröffnung zeitlich erheblich auseinanderfallen. In Österreich findet ein solches Vorverfahren regelmäßig nicht statt, sondern das Verfahren wird sofort eröffnet. Dass in Österreich die Nichtigkeit von Lösungsklauseln nur bei einer Anknüpfung an die Eröffnung greift, ist infol151

Schwörer, Lösungsklauseln für den Insolvenzfall, S. 247; Bopp, Bauvertrag, S. 204; Hinger, Die Bauunternehmerinsolvenz, S. 215. 152 Obermüller, ZInsO 2013, 476, 477. 153 Schwenk, jurisPR-BKR 5/2013, Anm. 1. 154 Vgl. Berger, ZInsO 2016, 2111, 2115. 155 Henkel, in: Betriebsfortführung, Rn. 806 ff. 156 Vgl. § 3, F., VIII.

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gedessen zumindest verständlich. Es besteht schlicht wenig Bedarf für ein Verbot von Lösungsklauseln zwischen Antrag und Eröffnung. Auch in den USA sowie bei Versorgungsverträgen in England werden Lösungsrechte bereits ab Beginn des Insolvenzverfahrens, sprich mit Antragstellung, eingeschränkt. Schließlich werden in Frankreich die Lösungsrechte bereits während der anfänglichen Beobachtungsphase, also vor dem formalen Hauptverfahren, beschränkt. In Deutschland kann das Eröffnungsverfahren jedoch regelmäßig bis zu drei Monaten andauern und betrifft die kritische Insolvenzphase (§ 11, B., II., 1.).157 Es verzögert die formale Verfahrenseröffnung erheblich. Es ist zwingend, den Schutz von Lösungsverboten auf diesen Zeitraum auszudehnen: „Insofern wäre es (schlechte) Begriffsjurisprudenz, würde man aus der Tatsache, dass das Verfahren formal erst deutlich später eröffnet wird, Rückschlüsse für die Frage der Reichweite von Change of Control- oder Lösungsklauseln ziehen.“ 158

Klauseln, die hingegen an einen unbegründeten Insolvenzantrag, d.h. beispielsweise an einen mangels Masse abgewiesenem Insolvenzantrag, anknüpfen, müssten wirksam sein. In diesem Fall erhält der solvente Vertragspartner keinen ausgleichenden Schutzmechanismus wie das Verwalterwahlrecht. Das Verfahren bietet eben gerade keinen Schutz (§ 10, D.). Auch knüpft die Klausel nicht an das Insolvenzverfahren, sondern an die Zeit danach. In diesem Fall überwiegen keine fremdbestimmenden Elemente, da eine Gläubigergemeinschaft sich gerade nicht etabliert – die Vertragsfreiheit überwiegt. 3. Zahlungseinstellung oder Überschuldung (materielle Insolvenzgründe) – Entwicklung einer Ausübungssperre für Kündigungsrechte a) Aktuelle Rechtslage Fraglich ist, wie mit Klauseln umzugehen ist, die an die materiellen Insolvenzgründe (Zahlungseinstellung oder Überschuldung) anknüpfen. Der Bundesgerichtshof hat die Vorwirkung „ab dem Zeitpunkt zuerkannt […], in dem wegen eines zulässigen Insolvenzantrags mit der Eröffnung eines Insolvenzverfahrens ernsthaft zu rechnen ist“.159 Ernsthaft mit der Eröffnung zu rechnen sei nach Knof bereits bei Zahlungsunfähigkeit des Schuldners.160 Dies sei wegen der Antragspflichten jedenfalls bei Kapitalgesellschaften der Fall.161 Über eine Vorwirkung des § 119 InsO ab den materiellen Insolvenzgründen

157

Wegener, ZInsO 2013, 1105, 1107. Vgl. Brinkmann/Steinhauser, in: FS Kübler, S. 97. 159 BGH, Urt. v. 15.11.2012 – IX ZR 169/11, BGHZ 195, 348, Rn. 19. 160 Knof, DB 2013, 1769, 1771. 161 Pfeiffer, in: Ars aequi et boni in mundo, S. 422; Löffler, BB 2013, 1283, 1286. 158

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hat der Bundesgerichtshof nicht entschieden;162 die Nichtigkeit dieser Klauseln sei aber nach der Literatur naheliegend.163 Hingegen gehen Teile der Literatur davon aus, dass Lösungsklauseln, die an Elemente vor der Antragstellung anknüpfen, mangels Betriebsfortführungspflicht grundsätzlich zulässig seien.164 Die Vertragsbeendigung sei jedenfalls wirksam, wenn die Kündigung vor Antragstellung zugeht.165 Die Formulierung des Bundesgerichtshofs „wegen eines zulässigen Insolvenzantrags“ setzt begrifflich mindestens einen gestellten Antrag voraus, aufgrund dessen die Insolvenzeröffnung zu erwarten ist; es geht nicht um die Erwartung eines zulässigen Insolvenzantrags. Damit dürften nach der Interpretation des Bundesgerichthofs zumindest Vertragsbeendigungen, die mit Elementen vor Insolvenzantragstellung verbunden sind, zulässig sein. b) Fehlende Legitimation der Nichtigkeitsfolge Vor der Antragstellung ist ein Insolvenzverfahren noch nicht zwingend absehbar. Ein Eingriff in die Vertragsfreiheit kann vor der Antragstellung umso schwerer gerechtfertigt werden, da ein Insolvenzbezug sehr viel vager ist. Zwar werden Lösungsklauseln, die eine Kündigung bei Vorliegen materieller Insolvenzgründe gestatten, als insolvenzabhängig interpretiert. Es ist zutreffend, dass die materiellen Insolvenzgründe wie Zahlungseinstellung oder Überschuldung notwendige Voraussetzung für die Insolvenzantragstellung bzw. für die Begründetheit des Insolvenzantrags sind. Wie oben allerdings aufgeführt, kommen statistisch allein ¼ der Insolvenzanträge mangels Masse nicht zur Insolvenzeröffnung. Darüber hinaus können zwischen der Zahlungseinstellung und dem Insolvenzantrag Sanierungen außerhalb des Insolvenzverfahrens erfolgreich durchgeführt werden. Eine Insolvenzantragspflicht nach § 15a InsO besteht nur bei juristischen Personen und nicht allgemein für Unternehmen. Nur die juristischen Personen haben einen Insolvenzantrag spätestens drei Wochen nach Eintritt des Insolvenzgrundes zu stellen. Das Vorliegen von Insolvenzgründen führt folglich nicht zwingend zur Antragstellung und Verfahrenseröffnung.166 Damit sinkt die Wahrscheinlichkeit deutlich unter 75 Prozent, dass ein Insolvenzverfahren nach Eintritt der Zahlungseinstellung oder Überschuldung tatsächlich eröffnet wird.

162

Obermüller/Obermüller, ZInsO 2013, 845, 857; Raeschke-Kessler/Christopheit, WM 2013, 1592, 1595 f. 163 Raeschke-Kessler/Christopheit, WM 2013, 1592, 1595 f. Dafür, dass die materielle Insolvenz nicht allein die Vertragsbeendigung ermöglichen soll, Berger, ZInsO 2016, 2111, 2116. 164 Schwörer, Lösungsklauseln für den Insolvenzfall, S. 174 u. 179. 165 Treffer, MDR 2000, 1178, 1179. 166 Obermüller, ZInsO 2013, 476, 477.

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Die Rechtfertigung und Legitimität eines Eingriffs in die Vertragsfreiheit liegt aber gerade im Insolvenzverfahren selbst, in dem sich die Gläubigergesamtheit als Schicksalsgemeinschaft konstituiert. Die zwingenden Verteilungsverfahren und Mechanismen des Verfahrens (wie das Verwalterwahlrecht) sollen erhalten bleiben, um Sanierungen bzw. eine optimale Gläubigerbefriedigung zu ermöglichen. Außerhalb eines Insolvenzverfahrens mangelt es an adäquaten Schutzmechanismen, sodass der Schutz des solventen Vertragspartners ausschließlich privatautonom zu veranlassen ist. Ohne insolvenzrechtliche Schutzinstrumente und ohne die Haftung des Verwalters, der Garant für ein objektives Verwalterhandeln ist und die Betriebsfortführung statt des Schuldners übernimmt, muss sich der Vertragspartner auch von einem Vertrag in einer Knappheitssituation lösen können. Die materiellen Insolvenzgründe sind letztlich nur eine notwendige, aber keine hinreichende Bedingung für ein Insolvenzverfahren. Um die Nichtigkeit einer Klausel abzuleiten, die an materielle Insolvenzgründe anknüpft, fehlt damit der zwingende Bezug zum Insolvenzverfahren. c) Rechtsvergleichende Impulse Auch rechtsvergleichend ist es schwierig, die Nichtigkeit solcher Lösungsklauseln festzustellen. Die Rechtsprechung hat ein solch weitreichendes Verbot wohl in Frankreich entwickelt. In anderen Rechtsordnungen, wie in Österreich oder den USA, sind solche frühwirkenden Lösungsklauseln jedoch nicht nichtig. Gleichwohl können diese in Österreich ab Verfahrenseröffnung und in den USA ab Verfahrenseinleitung nicht ausgeübt werden. Erst in diesem Zeitpunkt werden die Klauseln unmittelbar an das Verfahren zurückgekoppelt. Für diese frühzeitige Anknüpfung wäre die Nichtigkeit die falsche Rechtsfolge, da dieser Eingriff nicht verhältnismäßig ist. d) Ausübungssperre und Anreize zur rechtzeitigen Antragstellung Eine hinreichende Insolvenzbezogenheit ergibt sich erst im Zeitpunkt der tatsächlichen Antragstellung. In diesem Zeitpunkt sind die Verfahrenswirkungen hinreichend verdichtet – auch die Eröffnung ist überwiegend wahrscheinlich. Die an die materielle Insolvenz anknüpfende Klausel erlangt in Kombination mit der tatsächlichen Antragstellung konsequenterweise einen hinreichenden Insolvenzbezug – vergleichbar einer Klausel, die allein an die Antragstellung knüpft. Insofern hilft es weiter, zwischen der Vereinbarung und der Ausübung des Kündigungsrechts zu unterscheiden. Ab der Antragstellung ist eine Ausübungssperre für Kündigungsrechte eine überzeugende Lösung, die nicht dem Nichtigkeitsverdikt unterworfen sind. Eine solche Sperre wurde in Österreich eingeführt. In Deutschland wurde sie nur für Mietverträge gesetzlich festgeschrieben, vgl. § 112 InsO. Nach dem Regierungsentwurf zur Insolvenzordnung aus dem Jahr 1992 sollten Lösungsklau-

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seln nichtig sein, die an die Insolvenzverfahrenseröffnung anknüpften (§ 137 Abs. 2 Satz 1 InsO-RE); hingegen war bereits in § 137 Abs. 2 Satz 2 InsO-RE eine Ausübungssperre für Vermögensverschlechterungen vorgesehen: „Ist in einem gegenseitigen Vertrag vereinbart, daß bei einer Verschlechterung der Vermögensverhältnisse einer Vertragspartei die andere das Recht hat, sich einseitig vom Vertrag zu lösen, so kann dieses Recht nach der Eröffnung des Insolvenzverfahrens nicht mehr ausgeübt werden.“167

Nachdem der Bundesgerichtshof (BGHZ 195, 348) meinte, dass die Streichung von § 137 Abs. 2 InsO-RE keinen Niederschlag im Gesetz gefunden hat und gleichwohl ein Verbot von Lösungsklauseln im heutigen § 119 InsO normiert sei, liegt es nicht fern, auch auf die Gedanken der Ausübungssperre zurückzugreifen. Eine ab Antragstellung wirkende Ausübungssperre ist auch rechtsvergleichend überzeugend. Die Ausübungssperre ist weniger invasiv als die Nichtigkeitsfolge. Sie passt für Vorfeldklauseln genau zu den Argumenten, die für eine Einschränkung der Lösungsklauseln im Insolvenzverfahren sprechen. Zwar wird eingewandt, dass die Vorwirkung zu spät kommt, wenn diese erst mit dem Insolvenzantrag ausgelöst wird.168 Allerdings dürften Umgehungen durch die vertragliche Anknüpfung an die Insolvenzgründe im Wesentlichen ausscheiden: Die Gläubiger dürften regelmäßig keine Kenntnis vom Vorliegen der Insolvenzgründe haben. Damit hat es der Insolvenzschuldner selbst in der Hand, den Schutz des Insolvenzverfahrens durch die rechtzeitige Antragstellung auszulösen. Im Gegensatz zu den Gläubigern kann der Insolvenzschuldner das Vorliegen der Insolvenzgründe erkennen. Die frühe Antragstellung ist auch rechtspolitisch gewünscht, da Insolvenzverfahren umso effizienter sind, je früher diese beantragt werden (§ 10, E. und § 11, B., II., 1.).169 Der Schuldner erhält den Anreiz möglichst schnell, die Schutzwirkungen des Insolvenzantrags auszulösen, noch bevor das Insolvenzverfahren keine Aussicht auf Erfolg mehr hat. Schlussendlich ist eine Vorwirkung dann gefährdet, wenn Lösungsklauseln, die tatbestandlich vor der Antragstellung anknüpfen, uneingeschränkt wirksam bleiben. Die Antragstellung wäre die zeitliche Zäsur, ab der Klauseln nicht mehr ausgeübt werden können, die vor der Insolvenzantragstellung anknüpfen. Von der Ausübungssperre sind jedenfalls die Klauseln zu erfassen, die an die materielle Insolvenz des Schuldners knüpfen und traditionell als insolvenzabhängig qualifiziert werden. Diese haben aus sich heraus bereits einen notwendigen Bezug zur Insolvenz, der allerdings nicht die vollständige Nichtigkeit der Klauseln rechtfertigt. Jedoch ist ab Antragstellung eine Ausübungsbeschränkung des Verbots zu legitimieren.

167

BT-Drs. 12/2443, S. 30. Foerste, ZInsO 2015, 601, 606. 169 Bopp, Bauvertrag, S. 203. 168

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e) Dogmatische Legitimation der Ausübungssperre bei materiellen Insolvenzgründen Eine Ausübungssperre170 ist dogmatisch de lege lata begründbar – selbst wenn diese nicht gesetzlich explizit vorgeschrieben ist. Nach § 119 InsO kann grundsätzlich die Wirksamkeit von Vereinbarungen kontrolliert werden. Diese Wirksamkeitskontrolle greift bei Klauseln, die jedenfalls an die Insolvenzeröffnung und die Antragstellung knüpfen. Daneben ist aus dem Zweck der Verbotsregelung auch eine Ausübungskontrolle für Lösungsklauseln abzuleiten. Es kann nach Treu und Glauben gem. § 242 BGB geprüft werden, inwiefern die durch den Vertrag eingeräumte Rechtsmacht missbraucht wird.171 Maßstab der Kontrolle muss der Zweck der Vorwirkung des § 119 InsO sein (§ 11, B., II., 1.). Es ist nicht zwingend auf § 242 BGB zurückzugreifen, da auch Kündigungserklärungen Rechtsgeschäfte sind.172 Als solche können Kündigungen selbst gegen ein gesetzliches Verbot verstoßen und nach § 134 BGB nichtig sein. Auf beide Begründungsansätze kann die Ausübungskontrolle gestützt werden. Insgesamt ist dieser Weg überzeugend, da sich ab Insolvenzantragstellung die notwendige Insolvenzbezogenheit einer Kündigung präzise feststellen lässt. Dieser Bezug legitimiert einen Eingriff in die Vertragsfreiheit. Der Eingriff beschränkt sich auf die erforderlichen Wirkungen, um dem legitimen Ziel der Sanierung und des Verfahrensschutzes nachzukommen. Die Klauseln bleiben im Übrigen wirksam, sodass die vorgeschlagene Ausübungskontrolle verhältnismäßig ist. § 119 InsO lässt sich so interpretieren, dass ab dem Moment, in dem die insolvenzverfahrensrechtlichen Wirkungen mit einer überwiegenden Wahrscheinlichkeit greifen, 170 Ähnlich von Wilmowsky, ZIP 2007, 553, 563. Von Wilmowsky sprach sich de lege ferenda für eine Ausübungssperre von Lösungsklauseln aus, die anfechtbar seien. Allerdings ist die Anfechtbarkeit der Lösungsklauseln in der Praxis problematisch (hierzu § 11, C.). Weitergehende Verbote, wie in den USA, kämen nicht ohne umfangreiche Ausnahmen aus und sprächen damit gegen ein grundsätzliches Verbot. Dies ist allerdings nicht überzeugend, da in den USA im Wesentlichen nur für Finanzverträge Ausnahmen vorgesehen werden. Auch Österreich kommt ohne weitreichende Ausnahmen aus. 171 Die Dogmatik einer gestaffelten Wirksamkeits- und Ausübungskontrolle ist beispielsweise bei Eheverträgen anerkannt, vgl. BGH, Beschl. v. 8.10.2014 – XII ZB 318/11 („Soweit ein Ehevertrag […] der Wirksamkeitskontrolle standhält, muss der Richter im Rahmen einer Ausübungskontrolle prüfen, ob und inwieweit ein Ehegatte die ihm durch den Vertrag eingeräumte Rechtsmacht missbraucht (§ 242 BGB) […].“). 172 Vgl. OLG Düsseldorf, Urt. v. 8.9.2006 – I-23 U 35/06, 23 U 35/06, Rn. 39, juris: („Die Kündigung selbst ist ebenfalls ein Rechtsgeschäft i.S.d. § 134 BGB. Allerdings verbietet § 119 InsO seinem Wortlaut nach nur die Rechte des Insolvenzverwalters beschränkende oder ausschließende Vereinbarungen. Die Vereinbarung, die Grundlage der Kündigung ist, war aber wirksam (s.ob.). […] Jedoch darf nach Inkrafttreten des Verbotsgesetzes das ursprünglich rechtmäßige und jetzt verbotene Rechtsgeschäft nicht mehr vollzogen werden. Dies ergibt sich nicht aus § 134 BGB, sondern aus dem Zweck des Verbotsgesetzes selbst (Staudinger-Sack, BGB, 13. Aufl., § 134, Rdnr. 55).“)

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ein Vertrag nicht mehr wegen der Insolvenzeröffnungsgründe gekündigt werden kann. Damit werden die Rechtswirkungen eines Verbots an das Verfahren selbst geknüpft.173 Selbstverständlich ist eine gesetzgeberische Klarstellung wünschenswert. Sofern wirksam vor der Antragstellung gekündigt wurde und die Ausübungssperre noch nicht greift, ist die Schutzlücke zugunsten der Vertragsfreiheit hinzunehmen. Der Schuldner erhält den Anreiz, frühzeitig den Insolvenzantrag zu stellen. Problematisch sind automatisch wirkende Lösungsrechte mit auflösenden Bedingungen. Diese würden den Vertrag bereits zwischen dem Vorliegen der Insolvenzgründe und der Antragstellung auflösen. Damit könnte die Vertragspraxis die Ausübungssperre recht einfach umgehen. Zunächst sei darauf hingewiesen, dass automatische Lösungsrechte auch Gefahren für die Vertragspartner mit sich bringen und daher nicht ohne Weiteres vereinbart werden. Um den Schutzmechanismus des § 119 InsO nicht leer laufen zu lassen und das Missbrauchspotenzial zu reduzieren, müssten auch diese Lösungsklauseln unzulässig sein. In diesem Fall ist die Ausübungskontrolle mit § 242 BGB i.V.m. § 119 InsO zu begründen. Als Ausprägung von § 242 BGB ist dem deutschen Recht die Herbeiführung eines Bedingungseintritts wider Treu und Glauben bekannt. Nach § 162 Abs. 2 BGB174 gilt die Bedingung dann als nicht eingetreten. Dieser Rechtsgedanke ist fortzuentwickeln: Es könnte auf eine potenzielle Kündigungserklärung abgestellt werden. Maßgeblich könnte sein, dass die auflösende Bedingung dann nicht als eingetreten gilt, wenn der solvente Vertragspartner vor Insolvenzantragstellung keine Kenntnis vom Vorliegen des Vertragsbeendigungsgrunds erlangt hat und sich nicht auf die Vertragsbeendigung berufen konnte. Ab Antragstellung wäre ihm nach Treu und Glauben wegen Umgehung des Lösungsverbots das Berufen auf die Klausel verwehrt. 4. Insolvenzunabhängige Klauseln: ein neuer funktionaler Ansatz a) Zulässigkeit insolvenzunabhängiger Klauseln: aktuelle Rechtslage Insolvenzunabhängige Lösungsklauseln, die beispielsweise an die wesentliche Vermögensverschlechterung oder an vorinsolvenzlichen Verzug anknüpfen, hat der Bundesgerichtshof grundsätzlich von Lösungsverboten ausgenommen.175 Der Bundesgerichtshof lässt genügen, dass diese weitreichenden Klauseln nicht auf das Ziel ausgerichtet sind, die Wahlmöglichkeiten des Insolvenzverwalters nach § 103 InsO auszuhöhlen, sodass § 119 InsO – mit 173

Schwörer, Lösungsklauseln für den Insolvenzfall, S. 178. Die Norm lautet: „[…] (2) Wird der Eintritt der Bedingung von der Partei, zu deren Vorteil er gereicht, wider Treu und Glauben herbeigeführt, so gilt der Eintritt als nicht erfolgt.“ 175 BGH, Urt. v. 15.11.2012 – IX ZR 169/11, BGHZ 195, 348, Rn. 21. 174

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Ausnahme der Kündigungssperre des § 112 InsO – nicht berührt ist.176 Dies entspricht der herrschenden Auffassung in der Literatur.177 Jederzeitige Kündigungsrechte oder verzugsabhängige Vertragsbeendigungsklauseln seien wirksam, weil kein schutzwürdiges Vertrauen in die Betriebsfortführung bestünde.178 Da sich der Wortlaut des § 119 InsO nicht auf insolvenzabhängige Klauseln beschränkt, wären auch weite, insolvenzunabhängige Klauseln vom Wortlaut erfasst. Schwörer plädierte daher für eine teleologische Reduktion, wenn es dem Wortlaut der Klausel selbst an der Insolvenzbezogenheit fehlt.179 Ähnlich leitet Jacoby aus dem weiten Wortlaut des § 119 InsO ab, dass nur unmittelbare Beeinträchtigungen des Wahlrechts verboten sind: Seien auch mittelbare Beeinträchtigungen von § 119 InsO erfasst, würde die Rechtfertigung entfallen, zwischen insolvenzabhängigen und insolvenzunabhängigen Lösungsklauseln zu differenzieren; dies würde über den vom Gesetzgeber beabsichtigten Regelungsbereich hinausgehen.180 b) Einschränkung insolvenzunabhängiger Klauseln in der Insolvenz Indes sind in der Literatur auch Gegenpositionen zu finden. Es ist zunächst naheliegend, zum Wortlaut des § 119 InsO zurückzukehren und die Schutzwirkung des Insolvenzverfahrens zu verstärken. In diesem Sinne spricht sich Fischer dafür aus, um Umgehungen von § 119 InsO zu vermeiden, dass auch bei insolvenzunabhängigen Klauseln eine Lösung vom Vertrag allein wegen der Insolvenz des Schuldners versagt sein kann, wenn der Verwalter die Erfüllung wählt und keine allgemeinen zivilrechtlichen Beendigungsgründe vorliegen.181 Auch Knof möchte weit gefasste Klauseln als insolvenzbezogen erfassen, wenn ein insolvenzbezogenes Ereignis diese Klausel ausgelöst hat – beispielsweise die wesentliche Vermögensverschlechterung, die sich auf einen Insolvenzantrag stützt.182 Soweit diesen Ansichten gefolgt wird, bleibt die Frage nach der Rechtsfolge eines Verbots von solchen insolvenzunabhängigen Lösungsklauseln. Die wesentliche Vermögensverschlechterung erfasst den schlimmsten Fall der Vermögensverschlechterung – die Zahlungseinstellung oder Überschul-

176

BGH, Urt. v. 15.11.2012 – IX ZR 169/11, BGHZ 195, 348, Rn. 9. Vgl. beispielsweise Löffler, BB 2013, 1283, 1286; Raeschke-Kessler/Christopheit, WM 2013, 1592, 1596; Zeuner, NJW 2007, 2952, 2952; Berger, ZInsO 2016, 2111, 2116. Zu verzugsabhängigen Lösungsrechten: Schwörer, Lösungsklauseln für den Insolvenzfall, S. 198 f.; Ringstmeier, in: § 24. Lösungsklauseln, § 119 InsO, Rn. 8; einräumend, dass auch der Insolvenzfall erfasst wird Wilmowsky, JZ 2013, 998, Fn. 8. 178 Schwörer, Lösungsklauseln für den Insolvenzfall, S. 202 f. 179 Schwörer, Lösungsklauseln für den Insolvenzfall, S. 207. 180 Jacoby, in: Jaeger Insolvenzordnung, §§ 103–128, § 119, Rn. 25. 181 Fischer, WuB 2013 VI A., 1.13, 305, 307. 182 Knof, DB 2013, 1769, 1771. 177

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dung;183 der Anwendungsbereich greift allerdings auch noch weiter.184 Die Nichtigkeit von allgemeinen Kündigungsgründen oder Lösungsklauseln, bedingt durch die wesentliche Vermögensverschlechterung, lässt sich gerade nicht rechtfertigen, da die Klauseln einen unbestrittenen Anwendungsbereich außerhalb der Insolvenz haben – ein notwendiger Bezug zum Insolvenzverfahren fehlt in diesen Fällen. Im Ersten Kommissionsbericht zur Insolvenzreform sollten außerordentliche Kündigungen wegen des Insolvenzfalls unwirksam sein;185 eine vertragliche Beendigung aufgrund allgemeiner Bestimmungen hätte auf Antrag des Verwalters durch das Gericht für unwirksam erklärt werden können, wenn dies im Interesse der Reorganisation geboten wäre.186 Ähnlich sieht der UNCITRAL Legislative Guide für Gerichte die Möglichkeit vor, solche Klauseln im Einzelfall für ungültig zu erklären.187 Auch in Dänemark ist ein solches Modell anerkannt (§ 3., F., II.). Das Wiederaufleben des Vertrags aufgrund gerichtlicher Anordnung ist allerdings sehr rechtsunsicher. Damit wären Klauseln zunächst wirksam, aber im Fall der Insolvenzeröffnung könnte der Vertrag rückwirkend wieder in Kraft treten. Zwischenzeitlich könnten die Vertragspartner jedoch bereits irreversibel anderweitig disponiert haben, sodass Rückausnahmen, wie es in Dänemark der Fall ist, vorzusehen sind. Die Komplexität liegt auf der Hand. Eine solche Konstruktion ist weder in der Rechtsgeschäftslehre noch im Insolvenzrecht angelegt.188 Schließlich könnte versucht werden, die fragliche Klausel so auszulegen, dass die Klausel bei einer besonderen Insolvenzbezogenheit nicht eingreifen soll. Allerdings widerspricht eine solche Auslegung dem natürlichen Wortsinn, wenn beispielsweise bei einer Klausel zur wesentlichen Vermögensverschlechterung der gravierendste Fall, die Insolvenz, nicht erfasst sein soll. c) Lösungsvorschlag: Ausübungssperre insolvenzunabhängiger Klauseln Rechtsvergleichend zeigen insbesondere die USA (11 U.S.C. § 365 (e)) und Österreich (§ 25a Abs. 1 IO), dass Ausübungssperren ordentliche Kündigungsgründe und vor allem außerordentliche Kündigungsgründe wegen der finanziellen Situation oder des vorinsolvenzlichen Verzugs des Schuldners im Insolvenzverfahren einschränken. Auch wirtschaftlich lässt sich das Ergebnis stützen: Jede Vertragsbeendigung am Beginn des Insolvenzverfahrens hat das Potenzial, die Wirksamkeit des Verfahrens zu konterkarieren. Hieraus folgt,

183

Thole, KTS 2010, 383, 389; Wilmowsky, ZIP 2007, 553, 553. Vgl. Gehrlein, NZI 2015, 97, 97. 185 Erster Kommissionsbericht, 226. 186 Leitsatz 2.4.1.4 im Ersten Kommissionsbericht, 221. 187 UNCITRAL, Legislative Guide on Insolvency Law, S. 132, Fn. 38. 188 Vgl. Prütting, in: FS Gerhardt, S. 775. 184

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dass nicht formal auf den Wortlaut der Klauseln abzustellen sein sollte, ob sich ein Insolvenzbezug ergibt. Die kategorische Trennung in (unzulässige) insolvenzabhängige und (zulässige) insolvenzunabhängige Klauseln sollte letztlich zugunsten eines funktionalen Ansatzes aufgegeben werden.189 Für die Ziele und Zwecke, die hinter dem Verbot der Vertragsbeendigung stehen, ist es irrelevant, ob der Vertrag wegen der Insolvenzantragstellung, der Insolvenzeröffnung, der Zahlungseinstellung oder einer wesentlichen Vermögensverschlechterung beendet wird. Auch insolvenzunabhängige Klauseln können die Betriebsfortführung verhindern. Es geht um den Schutz der Gläubigergesamtheit und deren Vertrauen in ein funktionierendes Insolvenzverfahren. Wirtschaftlich sind die Verträge zugunsten der Insolvenzmasse und damit mittelbar für eine Sanierung bzw. die bestmögliche Gläubigerbefriedigung zu erhalten. Es ist richtig, dass insolvenzabhängige Lösungsklauseln einen besonderen Bezug zum Insolvenzverfahren aufweisen. Klauseln, die nur an die wesentliche Vermögensverschlechterung anknüpfen, können allerdings einen ähnlichen Bezug zum Insolvenzverfahren aufweisen; sie müssen dies jedoch nicht. Letztlich sind außerordentliche Kündigungen anlässlich eines Insolvenzverfahrens kritisch zu sehen, deren auslösende Pflichtverletzungen gerade kollektiv durch das Insolvenzverfahren geregelt werden sollen – unbeschadet davon, ob die Klausel insolvenzabhängig oder -unabhängig ausgestaltet ist. d) Dogmatische Legitimation der Ausübungssperre bei insolvenzunabhängigen Lösungsklauseln Dieses Ergebnis ist dogmatisch de lege lata zu rechtfertigen. Als sinnvolles Mittel steht die im vorigen Abschnitt entwickelte Ausübungssperre zur Verfügung – im Sinne einer Ausübungskontrolle der Klausel. Ab der Antragstellung könnte aus § 119 InsO eine allgemeine Ausübungssperre sämtliche außerordentliche Kündigungsrechte blockieren, die einen Bezug zum Vermögen des Schuldners und damit mittelbar einen besonderen Insolvenzbezug aufweisen (bspw. die wesentliche Vermögensverschlechterung oder der vorinsolvenzliche Verzug). Diese Einschränkung der Vertragsbeendigung ist durch die Insolvenzantragstellung des Schuldners eng an das Insolvenzverfahren zurückgekoppelt und weist damit einen hinreichenden Insolvenzbezug auf. Sie entspricht funktional dem Schutzbedürfnis in der Insolvenz und reduziert weitgehend Umgehungsmöglichkeiten. Dabei ist sich vor Augen zu führen, dass der Gesetzgeber gerade eine sanierungsfreundliche Regelung schaffen wollte und eine starke Ausgestaltung des Wahlrechts beabsichtigt war. Exemplarisch hat der Gesetzgeber in § 112 InsO genau die beiden Fälle des vorinsolvenzlichen Verzugs und der Vermögensverschlechterung einer Aus189

Vgl. Foerste, ZInsO 2015, 601, 608.

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übungssperre unterworfen, sodass dieser Ansatz bereits in der Insolvenzordnung angelegt ist (§ 11, B., II., 1., a)). Aufgrund der Erkenntnisse des Rechtsvergleichs und der gesetzgeberischen Wertung ist es naheliegend, diese insolvenzunabhängigen Klauseln mit Vermögensbezug der Ausübungssperre zu unterwerfen. e) Nachinsolvenzliche Pflichtverletzungen Kündigungsrechte, die an vertragliche Pflichtverletzungen oder Verzug anknüpfen, müssen weiterhin zulässig sein, sofern der Grund nach Einleitung des Insolvenzverfahrens eintritt.190 In diesem Fall übernimmt nunmehr der Verwalter die Verantwortung für das Vertragsverhältnis und der Vertragspartner ist im Rahmen des Synallagmas zu schützen, wenn der Verwalter seinen Verpflichtungen nicht nachkommt. Mit der Insolvenzeröffnung entfallen quasi die Verzugsfolgen.191 Hinger geht davon aus, dass verzugsabhängige Klauseln wirksam seien, da diese Klauseln keinen ausreichenden Insolvenzbezug aufweisen und auch außerhalb der Insolvenz einen Anwendungsbereich aufwiesen.192 Genau für Klauseln mit einer über den Insolvenzfall hinausgehenden Anknüpfung ist die entwickelte Ausübungssperre gedacht. Sofern man der Auffassung ist, dass der Tatbestand verzugsabhängiger Klauseln in der Insolvenz nicht automatisch entfällt, würde immerhin eine Ausübungssperre greifen. Denn die Klausel hat an sich zwar keinen Insolvenzbezug, die Situation jedoch schon. Erst wenn bei einem nachinsolvenzlichen Verzug die gesetzlich vorgesehen Schutzmechanismen für den solventen Vertragspartner versagen, kann der Vertragspartner wieder auf seinen allgemeinen zivilrechtlichen Schutz zurückgreifen. In dieser Situation gebietet es Sinn und Zweck des Wahlrechts nicht mehr, den Vertragspartner zu binden. f) Umgehungsmöglichkeiten Nach der hier vertretenen Ansicht verhindert die weitgefasste Ausübungssperre Umgehungsmöglichkeiten ab Antragstellung – eines Rückgriffs auf allgemeine Umgehungsverbote bedarf es nicht.193 Denn nach den Urteilen des Bundesgerichtshofs dürfte die Vertragspraxis zu insolvenzunabhängigen Klauseln übergehen194 oder auf andere Klauseln wie Change-of-Control190

Berger, ZInsO 2016, 2111, 2117. Wöllner, Die Wirksamkeit vertraglicher Lösungsklauseln im Insolvenzfall, S. 179; andere Ansicht Hinger, Die Bauunternehmerinsolvenz, S. 243. 192 Hinger, Die Bauunternehmerinsolvenz, S. 240 ff. 193 Hoenig, RdW 2013, 515, 520, zu § 25b Abs. 2 IO (Österreich): Eine Umgehung des Verbotes könnte angenommen werden, wenn es dem Verwalter wesentlich erschwert wird, Verträge aufrecht zu erhalten. 194 Zarth, GWR 2013, 72, 72. Zu § 20e Abs. 2 östr. AO: Oberhammer, in: FS Oberhammer, S. 131. 191

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Klauseln ausweichen.195 Bei diesen Klauseln ist der Insolvenzbezug nicht völlig offensichtlich, da diese auch außerhalb der Insolvenz einen Anwendungsbereich aufweisen. Gleichwohl können diese ebenso wirtschaftlich problematisch für den Fortgang des Insolvenzverfahrens wirken. Die weiteren Umgehungsrisiken eines Verbots von außerordentlichen Lösungsklauseln dürften überschaubar bleiben. Klauseln, die an die Vermögensverschlechterung anknüpfen, haben wegen erheblicher Nachweisschwierigkeiten nur eine eingeschränkte praktische Bedeutung.196 Auch jederzeitige, insolvenzunabhängige Kündigungsklauseln führen selbst zu Unsicherheiten, da die jederzeitige Kündigung beiden Vertragsparteien droht – auch ohne Insolvenzfall. Damit verlieren die Verträge ihre Planbarkeit – also einen Grund für einen Vertragsschluss. Nur für den Insolvenzfall diese Unsicherheit hinzunehmen, dürfte nicht im Interesse beider Vertragsparteien liegen. Bei zeitlicher Vorverlagerung der Lösungsklauseln sind die Anknüpfungsmerkmale oft nicht so eindeutig wie die Insolvenzeröffnung – die tatsächlichen Bedingungen bleiben oft schwer festzustellen.197 Daher wären auch Informationspflichten zu vereinbaren: Bei Kenntnis von finanziellen Schwierigkeiten helfen diese, rechtzeitig vor der Insolvenz zu kündigen.198 Kennwerte ermöglichen jedoch nicht sicher, auf eine drohende Insolvenz zu schließen; sie liefern nur Hinweise und keine Gewissheiten, da eine Insolvenz in solch frühem Stadium abgewendet werden kann.199 Weiter kommen auch andere Auflösungsgründe wie bei Verzug, bei Nichterfüllung von Nebenpflichten, bei mangelhafter Leistung oder bei Vermögensverschlechterung im Konzern in Betracht.200 Change-of-ControlKlauseln, die Sonderkündigungen an Eigentums- oder Kontrollveränderungen knüpfen, werden grundsätzlich auch durch das Einsetzen des Insolvenzverwalters ausgelöst.201 Sie wirken wie insolvenzbezogene Lösungsklauseln. Insofern versagt die InsO zwischenzeitlich im Rahmen des Insolvenzplans (bei Swaps oder gesellschaftlichen Maßnahmen, § 225a Abs. 2 und 3 InsO) ausdrücklich die Wirksamkeit von Change-of-Control-Klauseln, vgl. § 225a

195

Thole, ZNER 2013, 465, 467. Löffler, BB 2013, 1283, 1286. 197 Fichtinger/Foglar-Deinhardstein, ÖBA 2010, 818, 823. 198 Hoenig, RdW 2013, 515, 516. Als Kennzahlen kommen beispielsweise in Anlehnung an das österreichische Recht die Eigenmittelquote nach § 23 URG und die Schuldentilgungsdauer § 24 URG in Betracht. Diese Kriterien lösen das österreichische vorinsolvenzliche Sanierungsverfahren aus. Dabei ist zu beachten, dass nach § 19 URG auch die Vereinbarung eines Rücktrittsrechts bei Einleitung des Reorganisationsverfahrens unzulässig ist. 199 Hoenig, RdW 2013, 515, 518. 200 Hoenig, RdW 2013, 515, 516 u. 521. 201 Ausführlich Brinkmann/Steinhauser, in: FS Kübler, S. 87 ff. 196

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Abs. 4 InsO.202 Damit geht der Gesetzgeber nach dem Wortlaut von der Unwirksamkeit entsprechender insolvenzunabhängiger Klauseln aus. Indes erkennt er die Problematik der Reichweite der Nichtigkeitsfolge: „Deshalb ordnet Absatz 4 insoweit ihre Unwirksamkeit an. Vertragsklauseln, die nicht allein an die Durchführung von Maßnahmen nach Absatz 2 und 3 anknüpfen, sondern an weitergehende Pflichtverletzungen, bleiben hiervon unberührt.“203

Bislang ist nicht restlos geklärt, welche Rechtsfolge aus der Unwirksamkeitsanordnung abzuleiten ist.204 Die Auslegung als eine Ausübungssperre könnte die Lösung sein, sodass eine durch einen Insolvenzplan ausgelöste Changeof-control-Klausel nicht greifen würde. Die vorstehenden Erwägungen gelten hier entsprechend. Sofern der Tatbestand der Klausel im Anschluss außerhalb der Insolvenz erneut durch einen anderen Sachverhalt erfüllt wäre, könnte sie ihre Wirksamkeit behalten. Es bestehen kein Bedarf und keine Rechtfertigung für eine umfassende materiell-rechtliche Unwirksamkeit, sofern die Durchsetzung des Insolvenzplans sichergestellt ist. Außerhalb des speziellen Anwendungsbereichs des § 225a InsO greift als allgemeine Norm § 119 InsO. III. Ordentliche Kündigungsrechte (1) Nachdem bislang primär über außerordentliche Kündigungsmöglichkeiten diskutiert wurde, ist weiter zu überlegen, ob die Ausübungssperre auf jedes ordentliche Kündigungsrecht in der Insolvenz auszudehnen ist. Vergleichbare Regelungen sind in den USA und in Österreich zu finden. Aber auch in Österreich muss zumindest die Fortführung des Unternehmens gefährdet werden. Eine pauschale Sperre erscheint damit ohne eine explizite gesetzgeberische Wertungsentscheidung zu weitgehend. Am Anfang des Insolvenzverfahrens ist es gleichgültig, ob ein wichtiges Vertragsverhältnis außerordentlich wegen der finanziellen Situation des Schuldners oder eines ordentlichen Kündigungsrechts entfällt. Auch wenn ein Missbrauch der Kündigung nicht offensichtlich ist, kann die Sanierung gefährdet werden und der Vertragspartner kann sich Sondervorteile sichern. Ebenfalls könnte durch ein solches Verbot das Umgehungspotenzial von Lösungsverboten weiter verringert werden. (2) Es darf aber nicht darum gehen, jegliche Schutzlücken zu unterbinden. Aus dem Grundsatz pacta sunt servanda folgt keine uneingeschränkte Bindung „auf Lebenszeit“. Es ist vertretbar, jegliche außerordentliche Kündigung zu sperren, die wegen einer finanziellen Bedingung oder eines vorinsolvenz202

Eidenmüller, in: Münchener Kommentar zur Insolvenzordnung (Hrsg. Kirchhof/ Eidenmüller/Stürner), § 225a, Rn. 108 f. Im Ergebnis vergleichbar Brinkmann/Steinhauser, in: FS Kübler, S. 97 f. 203 BT-Drs. 17/7511, S. 36. 204 Zur Problematik im Rahmen des § 225a InsO: Längsfeld, NZI 2014, 734. Für die Nichtigkeitsfolge: Geiwitz/von Danckelmann, in: BeckOK InsO, Fridgen/Geiwitz/Göpfert, 10. Edition, 2018, § 225a, Rn. 24.

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lichen Verzugs ausgelöst werden. Diese Anknüpfungsmerkmale sind charakteristische Auslöser einer Insolvenz. Als außerordentliche Kündigungsrechte können sie ein erhöhtes Missbrauchspotenzial in der Insolvenz aufweisen. Sie sind charakteristisch für den in § 119 InsO vorausgesetzten Insolvenzbezug, da genau für die Fälle der finanziellen Vermögensverschlechterung gesetzgeberisch der Weg des Insolvenzverfahrens angeordnet wurde. (3) Ordentliche Kündigungen sind der Regelfall in länger andauernden Vertragsverhältnissen, sodass lege ferenda eine besondere Wertentscheidung des Gesetzgebers erforderlich ist, um auch diese Lösungsrechte einzuschränken. Auch ein Missbrauch der Insolvenzsituation zur Nachverhandlung oder Ähnlichem tritt bei ordentlichen Kündigungsrechten in den Hintergrund und ist nicht offenkundig. Sofern ordentliche Kündigungen beschränkt würden, wird zwar quasi vollständig ein Umgehungspotenzial eines Verbots abgebaut. Gleichzeitig wird das im Vertrag angelegte Synallagma überspannt. Auch feste Vertragslaufzeiten können durch die Ausübungssperre nicht verlängert werden, da der solvente Vertragspartner über das bereits eingegangene Synallagma hinaus nicht gebunden werden darf. IV. Gesetzliche Kündigungsrechte und das „Entsprechen“ vertraglicher Lösungsrechte Neben privatautonom vereinbarten Lösungsrechten existieren gesetzliche Beendigungsgründe.205 Der Bundesgerichtshof und die herrschende Auffassung gehen von der Wirksamkeit gesetzlicher Vertragsbeendigungsrechte aus; auch vertragliche Lösungsklauseln, die den gesetzlichen entsprechen, seien wirksam.206 Auf die Frage nach der Wirksamkeit der gesetzlichen Lösungsrechte in der Insolvenz wird nur selten eingegangen. Daher sollen im Folgenden zunächst die gesetzlichen Kündigungsmöglichkeiten anlässlich einer Insolvenz in den Blick genommen werden, bevor Auswirkungen auf die „Entsprechen“-Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs abgeleitet werden. a) Wirksamkeit von gesetzlichen Lösungsmöglichkeiten Interessant ist, dass ganz herrschend gesetzliche Lösungsmöglichkeiten in der Insolvenz für wirksam gehalten werden – obwohl dies international nicht zwingend ist. Auch in diesem Punkt kann die Rechtsvergleichung den deutschen Diskurs bereichern. So werden in Frankreich, den USA und in Österreich die Wirkungen des Insolvenzverfahrens als so wichtig eingestuft, dass auch gesetzlich angeordnete Beendigungsmöglichkeiten durch das Insolvenzverfahren überspielt werden.207 205

Siehe § 3, A., III., 3. Vgl. § 3, A., II. 207 Vgl. § 3, C., D. und E. 1. 206

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Die Nichtigkeit einer anderen gesetzlichen Regelung kann nicht direkt aus § 119 InsO hergeleitet werden, da hiernach nur „Vereinbarungen“ erfasst werden.208 Gleichwohl erkennt von Wilmowsky einen Wertungswiderspruch, wenn nur vertragliche Lösungsrechte unwirksam sind, gesetzliche Rechte aber wirksam bleiben. Schließlich sei der mit dem Lösungsverbot aus § 119 InsO verfolgte Zweck für sämtliche Vertragsbeendigungen identisch. Soweit ersichtlich, spricht sich nur Bopp für ein umfassendes Verbot von gesetzlichen und vertraglichen Lösungsrechten aus, das von der Insolvenzantragstellung bis zur Ausübung des Verwalterwahlrechts gelten soll.209 Begründet ist dies durch den Masseschutz der §§ 103, 103 InsO, dem Schutz der Unternehmensfortführung sowie dadurch, dass alleine der Verwalter für das Schicksal des Vertrags entscheiden solle. Die Vorwirkung auf die Antragstellung sei einer Gesamtanalogie aus §§ 103, 105, 112 InsO zu entnehmen, um das Wahlrecht zu schützen und nicht die Vertragsbeendigung in der Krise zu fördern.210 Letztlich ist stets eine Zerschlagung des Vertrags zur Unzeit zu verhindern. Argumentativ lässt sich dies in Deutschland durch die Regel lex specialis derogat legi generali begründen. Die oben entwickelte Ausübungssperre ließe sich auf diese Weise auch gegenüber gesetzlichen Beendigungsmöglichkeiten durchsetzen. Die oben aufgeführten Argumente sprechen auch bei gesetzlichen Beendigungsmöglichkeiten für ein Kündigungsmoratorium, sodass grundsätzlich der Ansicht von Bopp zu folgen ist. b) Regelmäßig fehlende tatbestandliche Voraussetzungen in der Insolvenz Darüber hinaus ist festzustellen, dass die gesetzlichen Beendigungsrechte bereits tatbestandlich nur eingeschränkt eingreifen. Als relevante gesetzliche Beendigungsrechte sind nicht die ordentliche Kündigung (§ 11, B., III), sondern die außerordentlichen Beendigungen anlässlich der Insolvenz zu identifizieren. Damit geht es um Rücktrittsrechte bei Verzug (§ 321 BGB, § 323 Abs. 1 BGB, § 323 Abs. 4 BGB), die Kündigung aus wichtigem Grund (§ 314 BGB, § 490 BGB, § 543 BGB, § 626 BGB, § 648a BGB) sowie das Erlöschen von Verträgen nach §§ 104, 115, 116 InsO (Fixgeschäfte, Vollmachten und Geschäftsbesorgungsverträge). Nicht relevant sind die gesetzlichen Beendigungsrechte aus dem Gesellschaftsrecht, da Gesellschaftsverträge mangels synallagmatischen Vertragsverhältnisses dem Verwalterwahlrecht sowieso nicht unterfallen. Damit entfallen quasi alle typischen gesetzlichen Lösungsrechte, die explizit an ein Insolvenzverfahren anknüpfen, da sie aus dem Gesellschaftsrecht entstammen. Für einen gesetzlichen, verzugsbasierten Rücktritt nach § 323 Abs. 1, 2 BGB bedarf es einer fälligen und durchsetzbaren Forderung sowie einer an208

Wilmowsky, JZ 2013, 998, 1001; Bopp, Bauvertrag, S. 173. Bopp, Bauvertrag, S. 201 ff, insb. S. 204. 210 Bopp, Bauvertrag, S. 184. 209

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gemessenen Fristsetzung. In der Insolvenz werden aber die Forderungen schwebender Verträge nach heutiger Lesart gemäß § 320 BGB bei Verfahrenseröffnung undurchsetzbar. Die Insolvenzeröffnung beendet damit den Verzug. Nur das Wahlrecht kann daher aus Sanierungs- und Masseschutz über das weitere Schicksal in der Insolvenz entscheiden, weshalb der Vertragspartner bis zur Wahlrechtsausübung gebunden ist.211 Ebenfalls können manche gesetzliche Lösungsrechte insolvenzverfahrensrechtlich günstig ausgelegt werden: So ist die Auslegung der gesetzlichen Rücktrittsrechte wichtig. Nach § 323 Abs. 4 BGB kann der Gläubiger bereits vor dem Eintritt der Fälligkeit der Leistung zurücktreten, wenn offensichtlich ist, dass die Voraussetzungen des Rücktritts eintreten werden. Vom Gesetzeswortlaut könnte hier auch die drohende Insolvenz erfasst werden. Es werden Umstände erfasst, die objektiv eine Vertragsverletzung offensichtlich machen.212 Diese Vertragsverletzung muss mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit eintreten.213 Diese Norm ist Art. 72 CISG nachgebildet.214 Die Vertragsverletzung hängt letztlich von dem Verwalterwahlrecht ab, also davon, ob der Vertrag fortgeführt wird oder nicht. Die Offensichtlichkeit ist aber kaum immer auszuschließen.215 Insofern wird § 323 Abs. 4 BGB so ausgelegt, dass Zweifel an der solvenzbedingten Leistungsfähigkeit den Rücktritt nicht rechtfertigen; nur Störungen im Vertragsvollzug, die vertragstypisch sind, gestatten den Rücktritt.216 Andernfalls könnten alle Gläubiger quasi zeitgleich alle Verträge von Gesetzes wegen auflösen. Dies konterkariert die Zwecke des Insolvenzverfahrens. Auch § 323 Abs. 4 BGB ist daher in der Insolvenz zu sperren.217 Nach § 321 BGB soll der vorleistungspflichtige Gläubiger nicht bei Verfahrenseröffnung zurücktreten können. Die Norm schützt den Vertragspartner nur vor Vorleistungen; da der Vertrag bis zur Wahlrechtsausübung nicht mehr durchsetzbar ist, ist keine materiell-rechtliche Fristsetzung mehr zulässig.218 Letztlich kommt es bei vielen Verträgen auf einen wichtigen Grund an, um diese außerordentlich zu kündigen (vgl. § 314 BGB). In diesem Zusammenhang konnte in den obigen Vergleichsordnungen stets gezeigt werden, dass die Insolvenz an sich aber keinen wichtigen Grund darstellt, um einen Vertrag zu beenden. Eine Insolvenz lässt das Festhalten an einem Vertrag nicht 211

Aus der deutschen Lehre Bopp, Bauvertrag, S. 174. Aus der Schweizer Lehre: Staehelin, AJP/PJA 2004, 363, 365. 212 Mossler, ZIP 2002, 1831, 1832. 213 Grüneberg, in: Bürgerliches Gesetzbuch: BGB (Hrsg. Palandt), § 323, Rn. 23. 214 Mossler, ZIP 2002, 1831, 1832 m.w.N.; Grüneberg, in: Palandt, BGB, § 323, Rn. 23. 215 Mossler, ZIP 2002, 1831, 1833; Ernst, in: Münchener Kommentar zum BGB (Hrsg. Säcker/Rixecker/Oetker/Limperg), § 323 BGB, Rn. 142. 216 Mossler, ZIP 2002, 1831, 1835. 217 Bopp, Bauvertrag, S. 175, 185 f. 218 Bopp, Bauvertrag, S. 177.

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unzumutbar werden (§ 7, C., III., 4.; § 10, C.).219 Um einen Gleichklang zwischen den vertraglichen und gesetzlichen Beendigungsrechten zu erzielen, sind auch die gesetzlich vorgesehenen wichtigen Gründe mit den hier dargestellten Wertungen des § 119 InsO zu interpretieren. Bei Darlehensverträgen sieht § 490 BGB die außerordentliche Kündigung im Fall der wesentlichen Vermögensverschlechterung des Kreditnehmers vor. Der Zweck der Norm liegt darin, früher vor der Insolvenz den Vertrag kündigen zu können – noch bevor die Verluste in der Insolvenz eingetreten sind.220 Insofern lässt sich § 490 BGB so auslegen, dass der Insolvenzfall gar nicht erfasst sein soll. Damit entspricht aber auch Nr. 19 Abs. 3 AGB-Banken keinem gesetzlichen Lösungsrecht. Mit dieser Argumentation und mangels Insolvenzbezug soll Nr. 19 Abs. 3 AGB-Banken wirksam sein.221 Damit ist die überwiegende Mehrzahl an gesetzlichen Lösungsrechten schon tatbestandlich nicht einschlägig, um in der Insolvenz die Vertragsbeendigung zu gestatten. Damit steht in diesen Fällen außer Frage, ob eine vertragliche Lösungsklausel der gesetzlichen Rechtslage entsprechen kann. c) „Entsprechen“-Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs Soweit dieser extensiven Auslegung nicht gefolgt wird, ist fraglich, inwiefern vertragliche Lösungsklauseln wirksam sind, die gesetzlichen Rechten nachempfunden werden. Der Bundesgerichtshof billigt vertragliche Lösungsrechte, die gesetzlichen Beendigungsrechten entsprechen.222 Wie gesehen sind die gesetzlichen Vertragsbeendigungsrechte bereits tatbestandlich selten einschlägig, sodass auch der Umfang der Entsprechen-Rechtsprechung gering sein dürfte. Tatsächlich relevant sind gesetzliche Lösungsrechte nur, soweit sie in der Insolvenzordnung selbst vorgesehen sind: Aufträge, Vollmachten,

219

Hinger, Die Bauunternehmerinsolvenz, S. 254, u. 70. BT- Drs. 14/6040, S. 254: „Im Übrigen wird durch die Formulierung „eintritt oder einzutreten droht“ ebenfalls in Übereinstimmung mit dem geltenden Recht deutlich gemacht, dass der Darlehensgeber den tatsächlichen Eintritt der wesentlichen Vermögensverschlechterung nicht etwa noch abwarten muss, sondern dass er bereits dann ein Kündigungsrecht hat, wenn sich die Vermögensverschlechterung und die daraus folgende Gefährdung der Rückzahlung des Darlehens sichtbar abzeichnet. Anderenfalls würde der Sinn des außerordentlichen Kündigungsrechts im Falle von Vermögensverschlechterungen für den Darlehensgeber in vielen Fällen verfehlt: Denn diese soll den Darlehensgeber gerade vor einem durch die Insolvenz des Darlehensnehmers eintretenden Vermögensverlust bewahren. Dieses Ziel würde konterkariert, wenn der Darlehensgeber zunächst den Eintritt der Insolvenz abwarten müsste, da diese gerade den Vermögensverlust herbeiführt, so dass eine danach erklärte Kündigung wirkungslos wäre.“ 221 Obermüller/Obermüller, ZInsO 2013, 845, 457; Schwenk, jurisPR-BKR 5/2013, Anm. 1. 222 BGH, Urt. v. 15.11.2012 – IX ZR 169/11, BGHZ 195, 348, Rn. 16. 220

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Geschäftsbesorgungsverträge und Finanz- und Fixgeschäfte erlöschen, vgl. §§ 104, 115, 116, 117 InsO. Sofern eines der wenigen Vertragsverhältnisse betroffen ist, das gesetzlich beendet werden kann, muss die gesetzliche Regelung konkret auf den Insolvenzfall zugeschnitten sein und nicht nur die Insolvenzsituation zufällig mitabdecken. Nur dieser gesetzlich konkrete Zuschnitt auf den Insolvenzfall rechtfertigt eine Ausnahme von dem in § 119 InsO geregelten grundsätzlichen Verbot. Vor allem gesetzliche Kündigungsrechte aus wichtigem Grund, die nicht explizit auf den Insolvenzfall zugeschnitten sind, können nicht zum Entsprechen im Sinne des Bundesgerichtshofs herangezogen werden.223 Dies folgt bereits daraus, dass die Insolvenz an sich keinen wichtigen Grund zur Vertragsbeendigung darstellt. Erst eine Interessenabwägung in der konkreten Situation mag die Kündigung rechtfertigen. Dieser Abwägungsvorgang kann aber nicht abstrakt einer gesetzlichen Norm entsprechen. Damit genügt es nicht, dass eine Interessenabwägung und Auslegung im Einzelfall zu einem gesetzlichen Lösungsrecht führt. Entsprechen könnten Klauseln, die beispielsweise § 104 InsO nachgebildet würden. Diese dürfen dann nicht wesentlich von der gesetzlichen Rechtslage abweichen.224 V. Zwischenergebnis: Kombination der Nichtigkeitsfolge mit einer Ausübungssperre In welchem Zeitpunkt kommt letztlich die Regelung des § 119 InsO zum Tragen? Bei hinreichender Insolvenzbezogenheit ist die Vertragsbeendigung einzuschränken. Diese Insolvenzbezogenheit lässt sich auf zwei Arten feststellen: (1) Lösungsklauseln, die bereits per se aus ihren Formulierungen einen hohen und systematischen Insolvenzbezug aufweisen, sind ex tunc nichtig. Bei insolvenzabhängigen Lösungsklauseln, die an die Antragstellung, die Verfahrenseröffnung oder Vergleichbares anknüpfen, ist bereits aus der wörtlichen Anknüpfung an das Insolvenzverfahren ein zielgerichteter Eingriff in das System des Insolvenzverfahrens abzuleiten. (2) Auch bei anderen insolvenzabhängigen (materielle Insolvenzgründe) und insolvenzunabhängigen Klauseln lässt sich eine hinreichende Insolvenzbezogenheit feststellen, wenn eine Rückkoppelung an das Insolvenzverfahren möglich ist. Als Kriterium kommt hier die Antragstellung eines Insolvenzverfahrens in Betracht. Auch bei dem weiten Wortlaut von § 119 InsO sind diese Klauseln nicht nichtig. In dieser zweiten Kategorie besteht nur eine Ausübungssperre, da die Klauseln auch außerhalb insolvenzbezogener Zuordnungen einen Anwendungsbereich aufweisen. Ab der Antragstellung können 223

Muhl, GWR 2014, 496, 498; a.A. Grasser, Unwirksamkeit vertraglicher Lösungsklauseln für den Insolvenzfall, S. 159 f. 224 Grasser, Unwirksamkeit vertraglicher Lösungsklauseln für den Insolvenzfall, S. 161.

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diese Rechte nicht mehr ausgeübt werden. Erfasst sind damit vor allem außerordentliche Kündigungsrechte, die wegen der finanziellen Situation des Schuldners den Vertrag beenden würden. Als Vorbild dienen hier die USA und Österreich. In den USA erfasst die Ausübungssperre insolvenzunabhängige Klauseln, rückgekoppelt an die Einleitung eines Insolvenzverfahrens. Die vorgeschlagene Zweiteilung der Rechtsfolgen ist konkret in Österreich zu finden. Vor allem leichte Umgehungskonstruktionen des Verbots durch insolvenzunabhängige Kautelen sind nicht möglich. C. Insolvenzanfechtung „Für die Eröffnung wird jedoch Liquidität benötigt. Ansprüche, die im Prozesswege zu realisieren sind, schaffen keine Liquidität, sondern zusätzlichen Liquiditätsbedarf.“225

In der Literatur wird die Insolvenzanfechtung teilweise als einziges richtiges Mittel gesehen, um insolvenzbezogene Lösungsklauseln im Einzelfall rückabzuwickeln.226 Nur die Anfechtung soll vorinsolvenzliche Rechtsgeschäfte einschränken.227 Dies lässt aber unberücksichtigt, dass beispielsweise auch die Rückschlagsperre von Maßnahmen der Einzelzwangsvollstreckung nach § 88 InsO im Vorfeld wirkt. Dogmatisch ist es zutreffend, dass die Insolvenzanfechtung ein Mittel ist, ungerechtfertigte Vermögensdispositionen im Vorfeld der Verfahrenseröffnung rückabzuwickeln.228 Auch der Bundesgerichtshof hat diesen Lösungsansatz bereits gewählt.229 I. Voraussetzungen der Insolvenzanfechtung 1. Rechtshandlung: Vereinbarung der Lösungsklauseln Die Vorsatzanfechtung sei letztlich der einzig in Betracht kommende Tatbestand, da er bis zu 10 Jahre zurückwirkt und der Vertragsschluss regelmäßig deutlich vor der Insolvenzkrise abgeschlossen ist.230 Insofern sei die Lösungsklausel ein isolierbar anfechtbarer Teil des Vertrags, eine insolvenzabhängige 225

Kirstein, ZInsO 2006, 966, 968. Wöllner, Die Wirksamkeit vertraglicher Lösungsklauseln im Insolvenzfall, S. 293; Wilmowsky, JZ 2013, 998, 999; Wilmowsky, ZIP 2007, 553, 555 ff.; Huber, in: MüKoInsO, § 119, S. Rn. 53 ff.; Jacoby, ZIP 2014, 649, 653. Ausführlich auch Riewe, Die EFET-Rahmenverträge für den Handel mit Strom und Erdgas, S. 381 ff. 227 Wortberg, ZInsO 2003, 1032, 1035; Thole, in: Privatautonomie und Insolvenzrecht, S. 291. 228 Beispielsweise BGH, Urt. v. 9.2.1955 – IV ZR 173/54, WM 1955, 407; Thole, Gläubigerschutz durch Insolvenzrecht, S. 284 unter Hinweis auf Paulus, ZIP 1997, 569 574; Paulus/Zenker, JuS 2001,1,9: „Das Anfechtungsrecht sucht einen Ausgleich zwischen privatautonomem Handeln einerseits und berechtigten Interessen an einem Angriff auf den Bestand einzelner Rechtsgeschäfte andererseits.“. 229 BGH, Urt. v. 11.11.1993 – IX ZR 257/92, BGHZ 124, 76. 230 Huber, in: Insolvenzrechts-Handbuch, § 35, Rn. 14; Jacoby, ZIP 2014, 649, 654 ff. 226

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Klausel ein kaum zu widerlegendes Indiz für den Benachteiligungsvorsatz, wenn ein besonderer Zweck der Klausel fehle.231 Der Schuldner muss allerdings seine Insolvenz bedacht und abgeleitet haben, dass die Lösungsklausel sich nachteilig zulasten der Gläubigergesamtheit auswirkt.232 Darüber hinaus ist auch die erforderliche Gläubigerbenachteiligung nach § 129 InsO festzustellen. Der Entzug des Vertragswertes sei mit den Kosten gegenzurechnen, die nötig sind, um bestehende Einreden zu beseitigen.233 Ferner sei die Kausalität festzustellen: Die Anfechtung sei nur zulässig, wenn der Vertrag auch ohne Lösungsklausel geschlossen worden wäre.234 Die Lösungsklausel stehe dann nur für ein „untergeordnetes Gestaltungsanliegen“. Schließlich sei das Gestaltungsinteresse zu berücksichtigen, wenn Ausfallrisiken beschränkt werden sollen und die Insolvenz tatsächlich eine Risikoerhöhung bedeute.235 Damit wird bereits deutlich, dass die Anfechtungslösung höchst komplex ist. Auch die notwendigen Elemente der Kausalität oder des Benachteiligungsvorsatzes sind kaum gerichtlich nachweisbar. Nach Auffassung des Bundesgerichtshofs dürfte eine Klausel eines Vertrags nicht isoliert anfechtbar sein. Vielmehr kann der Vertrag nur insgesamt angefochten werden.236 Die Anfechtung könne aber die Wirkung einer Teilanfechtung haben, wenn die anfechtbare Handlung das Schuldnervermögen nur in begrenztem Umfang geschmälert hat und das Rechtsgeschäft insoweit teilbar ist. Teilbar sei ein ausgewogener Vertrag, der lediglich und gezielt für den Fall der Insolvenz den späteren Schuldner bzw. dessen Gläubiger benachteiligt. Die Rückabwicklung betrifft dann die Wirkungen dieser Klausel. Diese Überlegungen dürften im Allgemeinen für insolvenzbezogene Lösungsklauseln gelten. Tatbestandlich für eine Vorsatzanfechtung kommt einer insolvenzbezogenen Lösungsklausel – einer Vereinbarung für den Insolvenzfall, die dem Vertragspartner gegenüber den übrigen Gläubigern einen Sondervorteil einräumt – ein deutliches Indiz für einen Benachteiligungsvorsatz des Schuldners zu.237 Gleichwohl ist aber auch der Gesamtzusammenhang der Klausel in die Bewertung einzubeziehen.238

231

Jacoby, ZIP 2014, 649, 655. Wilmowsky, ZIP 2007, 553, 561. 233 Wilmowsky, ZIP 2007, 553, 556. 234 Wilmowsky, ZIP 2007, 553, 557. 235 Wilmowsky, ZIP 2007, 553, 558. 236 BGH, Urt. v.12.10.2017 – IX ZR 288/14, Rn. 41. 237 BGH, Urt. v.12.10.2017 – IX ZR 288/14, Rn. 53. 238 BGH, Urt. v.12.10.2017 – IX ZR 288/14, Rn. 53. 232

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2. Rechtshandlung: Ausübung der Lösungsklausel Wenig berücksichtigt wird, dass nicht nur die Vereinbarung der Lösungsklausel eine anfechtbare Rechtshandlung darstellen kann, sondern auch die Ausübung der Lösungsklausel.239 In diesem Fall kommt eine Deckungsanfechtung (§§ 129, 130 InsO), da ein vertraglich eingeräumtes Recht ausgeübt wird, in Betracht.240 Auch hier ist durch die Kündigung zunächst eine Gläubigerbenachteiligung vom Insolvenzverwalter nachzuweisen – d.h., wenn die Befriedigung der Insolvenzgläubiger verkürzt (vermindert), vereitelt, erschwert, gefährdet oder verzögert ist.241 Weiter ist zu klären, ob der Vertragspartner einen Anspruch auf die Kündigung gehabt hat oder nicht – also eine kongruente oder inkongruente Deckung vorliegt. Da die Kündigung vertraglich fixiert ist und von der Wirksamkeit im Falle der Anfechtungslösung auszugehen ist, kommt letztlich nur eine Kongruenzanfechtung infrage. In diesem Fall muss der solvente Vertragspartner Kenntnis von der Zahlungsunfähigkeit oder vom Eröffnungsantrag haben. Dies hat ebenfalls der Insolvenzverwalter nachzuweisen. Zuzugeben ist, dass mit der Kongruenzanfechtung neben den problematischen insolvenzabhängigen Lösungsklauseln auch insolvenzunabhängige Klauseln angefochten werden könnten. II. Kritik an diesem Lösungsansatz Als Vorteil der Anfechtungslösung sieht Jacoby, dass jeder Klauseltyp grundsätzlich erfasst werden könnte.242 Im Einzelfall steht dem Gericht ein weiter Spielraum zu, um die Klauseln auf ihre Wirksamkeit zu prüfen. Diese Vorteile können allerdings auch über die hier vorgeschlagene Interpretation des § 119 InsO erreicht werden. Die Anfechtungslösung ist hingegen in mancher Hinsicht unzureichend: Erstens kann das eigentliche Ziel der Vertragserhaltung durch die Insolvenzanfechtung nicht erreicht werden. Die Rechtsfolge der Insolvenzanfechtung ist ein obligatorischer Rückgewähranspruch nach § 143 InsO – es ist ein bereicherungsrechtlicher Anspruch. Die Unwirksamkeit einer Lösungsklausel ist jedenfalls keine direkte zivilrechtliche Rechtsfolge.243 Ferner besteht innerhalb des Eröffnungsverfahrens noch kein Anfechtungsrecht, sodass dieser Schutz erst nach der Insolvenzeröffnung greifen könnte.244

239

BGH, Urt. v. 7.5.2013 – IX ZR 191/12, NJW-RR 2013, 1142. Huber, in: MüKo-InsO, § 119, Rn. 54. 241 BT-Drs. 12/2443, S. 157. 242 Jacoby, ZIP 2014, 649, 655. 243 Huber, in: Insolvenzrechts-Handbuch, § 35, Fn. 31; Wortberg, Lösungsklauseln und Insolvenz, S. 147. 244 Berger, ZInsO 2016, 2111, 2114. 240

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Zweitens bieten die auslegungsfähigen Tatbestände der Insolvenzanfechtung wenig Rechtssicherheit. Es kommt erheblich auf rechtstatsächliche Würdigungen der Umstände an.245 Drittens wird die Insolvenzanfechtung nicht dem systematischen Risiko der Vertragsbeendigung in der Insolvenzsituation gerecht. Die Anfechtung kann nur im Einzelfall Abhilfe schaffen. Viertens ist von ganz entscheidender Bedeutung, dass die Insolvenzanfechtung schlicht zu spät wirkt. Dem Insolvenzverwalter steht das Anfechtungsrecht erst nach Insolvenzeröffnung zur Verfügung. Daraufhin hat er unter Umständen einen langwierigen Anfechtungsprozess zu führen, um am Ende einen geringfügigen vermögensmäßigen Ausgleich zu erhalten. Damit fließt nach einem erfolgreichen Gerichtsverfahren zwar der Vertragswert in die Insolvenzmasse ein; der Zweck des Lösungsverbotes, wichtige Verträge für das Insolvenzverfahren zu erhalten, Sanierungen im Grundsatz erst zu ermöglichen, wird verfehlt. Das Verwalterwahlrecht kann faktisch weiter ausgehöhlt werden. Wie bereits dargelegt, ist der entscheidende Zeitraum des Insolvenzverfahrens der Beginn des Verfahrens. In diesem Zeitpunkt fehlt der Masse regelmäßig Liquidität und der Fortgang des ganzen Verfahrens entscheidet sich.246 In diesem Fall ist es nicht sinnvoll, wenn nach Jahren die notwendige Liquidität durch den Anfechtungsprozess hergestellt wird. Da durch die Anfechtungslösung letztendlich die Ziele verfehlt würden, die für eine Beschränkung der Lösungsklauseln sprechen, ist eine reine Anfechtungslösung abzulehnen.247 Zwar entspricht die Anfechtungslösung wirtschaftlich in etwa der Rechtslage in Neuseeland: Dort ist die Vertragsbeendigung im Grundsatz möglich; die Insolvenzmasse ist für den Verlust der vertraglichen Ansprüche in Höhe des Vertragswertes zu entschädigen.248 Allerdings ist der Lösungsansatz in Neuseeland durch eine klare gesetzgeberische Regelung rechtssicher. Da die Unsicherheiten eines Anfechtungsprozesses vermieden werden können, dürfte dieser Ansatz auch kostengünstiger als die Anfechtungslösung sein. III. Relevanz der Insolvenzanfechtung Für die Insolvenzanfechtung verbleibt letztlich nur die Funktion der Lückenfüllung. Alle Fälle wirksam ausgeübter Lösungsklauseln, die sich einem Verbot der Vertragsbeendigung entziehen, können zumindest vermögensrechtlich noch im Einzelfall zur Masse gezogen werden. Außerdem kann sich im internationalen Privatrecht die Notwendigkeit der Anfechtung aufdrängen, wenn

245

Vgl. Bork, ZIP 2008, 1041, 1049. Undritz, NZI 2007, 65, 65. 247 Vgl. auch Tintelnot, in: FS Kübler, S. 708. 248 Siehe § 3, F., VI. 246

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eine Vorwirkung nicht greift, da das Insolvenzstatut noch nicht berufen ist (hierzu § 15). Daneben ist die Insolvenzanfechtung dann relevant, wenn ein Vertrag bereits vollständig erfüllt war und nachträglich aufgrund einer insolvenzbezogenen Rücktrittsklausel die Rückabwicklung eingeleitet wird.249 In diesem Fall greifen regelmäßig die §§ 103, 119 InsO wegen der vollständigen Erfüllung des Vertragsverhältnisses nicht mehr. D. Zusammenhang mit Ausübungsfrist des Wahlrechts – Interessenabwägung Der solvente Vertragspartner hat in den meisten untersuchten Rechtsordnungen die Möglichkeit, in einem bestimmten Zeitraum den Verwalter zur Entscheidung über sein Wahlrecht aufzufordern. Auch in Deutschland hat sich der Verwalter unverzüglich über sein Wahlrecht zu erklären, wenn er hierzu aufgefordert wird. Diese Regelung greift erst im eröffneten Verfahren, da dort der vorläufige Verwalter kein Wahlrecht hat.250 Wegen der Aufforderungsmöglichkeit hat der solvente Vertragspartner auch kein schutzwürdiges Interesse an der vorzeitigen Vertragsbeendigung.251 Die unverzügliche Erklärung wird nach Rechtsprechung und Lehre allerdings erst nach dem Berichtstermin gefordert. Dieser kann geraume Zeit nach der Verfahrenseröffnung liegen. Bis der solvente Vertragspartner Klarheit über das Schicksal des Vertragsverhältnisses erlangt, vergehen das Eröffnungsverfahren und ein flexibler Zeitraum im eröffneten Verfahren. Je länger diese Unsicherheitenphase andauert, desto intensiver wirkt der Einschnitt durch die Vertragsbeendigungssperren. Denn die Sperren müssen für ihre beabsichtigte Wirkung bis zur Verwalterentscheidung andauern. Die hier vorgeschlagene Ausübungssperre sollte ihr Ende in dem Zeitpunkt finden, wenn der Verwalter über das Schicksal des Vertrags entschieden hat. Um diese weitreichende Einschränkung der Vertragsbeendigung zu rechtfertigen, sollte auch das Merkmal der unverzüglichen Entscheidung über das Verwalterwahlrecht enger als bisher gefasst werden. Insofern könnten die klaren Regelungen zur Ausübung des Wahlrechts aus Frankreich, den USA oder aus Österreich bei Naturalleistungen als Vorbild dienen. Es wäre wünschenswert, wenn der Gesetzgeber sich hier auch für eine klarstellende Regelung entscheiden würde. Hintergrund der späten Entscheidung über das Wahlrecht dürfte sein, dass die Entscheidung über die endgültige Fortführung des Unternehmens die 249

Vgl. BGH, Urt. v.12.10.2017 – IX ZR 288/14. Haarmeyer/Wutzke/Förster, Hdb. der vorläufigen Insolvenzverwaltung, § 12, Rn. 85. 251 LG Aachen, Urt. v. 21.6.1977 – 12 O 10/77, KTS 1979, 123 („Die, wenn auch unangenehme, so doch kurzfristige Unsicherheit des Auftraggebers hat der Erhaltung des Wahlrechts des Konkursverwalters zu wichen.“). 250

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Gläubigerversammlung im Berichtstermin trifft. Allerdings ist dies eine eher rechtstheoretische Entscheidung. Denn in der Praxis entscheidet sich die Fortführung viel früher (siehe in den vorigen Abschnitten). Insofern könnte der Gesetzgeber auch den Gerichten überlassen, eine angemessene Frist zur Ausübung des Wahlrechts setzen zu lassen, wie dies in den USA oder in Frankreich der Fall ist. Bereits die preußische Konkursordnung von 1855 sah in § 16 Abs. 4 vor: „Das Konkursgericht hat auf Anrufen des Mitkontrahenten die Frist zu bestimmen, innerhalb welcher der Verwalter der Masse die Erklärung über den Eintritt in das Geschäft abzugeben hat. Erfolgt die Erklärung innerhalb der bestimmten Frist nicht, so wird angenommen, daß die Gläubigerschaft in das Geschäft nicht eintreten will.“

Insofern wäre auch eine gerichtlich bestimmte Frist für Deutschland nicht völlig neu. Letztlich ist es entscheidend, dass eine möglichst klare, aber auch im Einzelfall anpassbare Frist dem solventen Vertragspartner eine kalkulatorische Gewissheit gibt. E. Sonstige Einschränkungen der Vertragsbeendigung Die weiten Schranken der Sittenwidrigkeit greifen bei Vertragsbeendigungsklauseln nicht.252 Finden sich Lösungsklauseln allerdings in AGB, können sich aus der AGB-Kontrolle bereits Einschränkungen ergeben.253 So werden beispielsweise Verzugsklauseln AGB-rechtlich für unwirksam gehalten, wenn diese keine Fristsetzung erfordern und damit vom gesetzlichen Leitbild des § 323 BGB abweichen.254 Auch die Anknüpfung an die wesentliche Vermögensverschlechterung wird außerhalb von Dauerschuldverhältnissen kritisch gesehen, wenn kein besonderer sachlicher Grund vorliegt.255 Gleichwohl kann die Wertung des AGB-Rechts nicht die grundlegende Frage der Zulässigkeit individuell vereinbarter Lösungsrechte beantworten – dabei darf mit Thole bezweifelt werden, dass das AGB-Recht ausreichend geeignet ist, die Drittinteressen der Gläubigergemeinschaft im Verhältnis zwischen Verwender und Vertragspartner zu berücksichtigen.256 Im Wesentlichen dürfte ein Gleichlauf zwischen AGB-Prüfung und den Wertungen des § 119 InsO bestehen.257

252

Knof, DB 2013, 1769, Fn. 10; Jacoby, in: Jaeger Insolvenzordnung, §§ 103–128, § 119, Rn. 30 f.; Thole, ZHR 181 (2017), 548, 551. 253 Vgl. ausführlich hierzu Lenger/Schmitz, NZI 2015, 396, 398 ff. Zur AGB-rechtlichen Wirksamkeit Huber, in: MüKo-InsO, § 119, Rn. 47 ff.; Jacoby, in: Jaeger Insolvenzordnung, §§ 103–128, § 119, Rn. 30 f. 254 Foerste, ZInsO 2015, 601, 608 m.w.N. 255 Foerste, ZInsO 2015, 601, 607. 256 Thole, ZHR 181 (2017), 548, 552. 257 Grasser, Unwirksamkeit vertraglicher Lösungsklauseln für den Insolvenzfall, S. 162 f.

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F. Ergebnis Grundsätzlich steht es den Parteien frei zu entscheiden, wann sie einen Vertrag beenden möchten. In der Insolvenzsituation wandelt sich diese Bewertung. Eine insolvenzbezogene Vertragsbeendigung besteht, wenn die Vertragsbeendigung einen Nähebezug zum Insolvenzverfahren aufweist. Es mangelt an hinreichender Legitimität, einen Vertrag nur aufgrund der Insolvenz eines Vertragspartners zu beenden. Aus dem Blickwinkel der Verfahrenseffizienz besteht hierfür ein wirtschaftliches Bedürfnis und aus dem Blickwinkel der Gläubigergemeinschaft sind bei einer insolvenzbezogenen Vertragsbeendigung Drittinteressen involviert. Der Rechtsvergleich zeigt, dass für die finanzielle Verschlechterung des Insolvenzschuldners das Instrument des Insolvenzverfahrens zugeschnitten ist und keine privatautonome Kündigung ermöglicht werden soll. Insbesondere in Frankreich, aber auch in den USA und Österreich ist klar beschrieben, dass die Insolvenz kein alleiniger Grund für die Kündigung ist. Die Insolvenz als alleiniger Kündigungsgrund ist zu verhindern.258 Damit ist der Insolvenzbezug entscheidendes Kriterium, um die Privatautonomie einzuschränken. Auf die Formulierung der Klausel kommt es nicht entscheidend an. Die Vertragsbeendigung ist bis zur Sanierungsentscheidung des Verwalters zu verhindern. Daher sind alle Vertragsklauseln einzuschränken, die eine außerordentliche Kündigung wegen einer besonderen finanziellen Situation oder des vorinsolvenzlichen Verzugs des Schuldners ermöglichen. Das Insolvenzverfahren ist in diesen Situationen der spezielle und gesetzlich vorgesehene Abwicklungsmechanismus des Vertragsverhältnisses. Vertragsklauseln, die ausschließlich auf Faktoren des Insolvenzverfahrens wie die Antragstellung oder Eröffnung abstellen, sind ferner nichtig. Vertragsklauseln, die über die konkrete Insolvenzanknüpfung hinaus einen Anwendungsbereich aufweisen, unterfallen zwischen Insolvenzantragstellung und Ausübung des Verwalterwahlrechts einer Ausübungssperre: Die Kündigung selbst ist nichtig bzw. der Eintritt einer auflösenden Bedingung wird als nicht eingetreten fingiert. Ab Antragstellung weisen diese Klauseln einen hinreichenden Insolvenzbezug auf. Eine Ausübungssperre ermöglicht letztlich, die Differenzierung nach insolvenzabhängigen und insolvenzunabhängigen Kündigungsgründen aufzugeben. Ab Antragstellung sind daher alle außerordentlichen Kündigungsrechte, die im weitesten Sinne einen Bezug zur Vermögensverschlechterung und Insolvenz aufweisen, einzuschränken. Ordentliche vertragliche Kündigungsrechte bzw. solche Kündigungsrechte wegen materiell-rechtlicher Pflichtverletzungen im Insolvenzverfahren sind weiterhin uneingeschränkt zulässig. Wie oben gesehen, sind die meisten gesetzlichen Kündigungsrechte in der Insolvenzsituation im Hinblick auf das Verwalterwahlrecht nicht einschlägig 258

Vgl. Berger, ZInsO 2016, 2111, 2117.

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bzw. sind durch einfache Auslegung einzuschränken. Es sprechen gewichtige Gründe dafür, dass im Übrigen der Schutz des massemehrenden Verwalterwahlrechts und der Unternehmensfortführung die gesetzlichen Beendigungsgründe ab der Antragstellung sperren. Infolgedessen können entgegen der Ansicht des Bundesgerichtshofs auch vertragliche Lösungsrechte, die gesetzlichen Normen „entsprechen“, ab Antragstellung nicht in der Insolvenz wirksam ausgeübt werden. Die Verbotsregelungen sind für alle Vertragstypen anzuwenden. Sonderregelungen sollten nur für Finanzverträge und Mietverträge vorgesehen werden, im Ausnahmefall kann ein besonderes Gestaltungsinteresse die Vertragsbeendigung rechtfertigen. Der Gesetzgeber sollte de lege ferenda einen solch weitreichenden Verfahrensschutz klarstellend regeln; ggf. könnte er auch eine gerichtliche Aufhebung der Sperre vorsehen, vergleichbar der Aufhebung des automatic stay in den USA (§ 3, E., I., 1.), oder die Ausübungsfrist des Verwalters einschränkend konkretisieren.

§ 12 Konkretisierung des schweizerischen Diskurses § 12 Konkretisierung des schweizerischen Diskurses „Ein wirtschaftlicher Sachverhalt – wie die Insolvenz – bedarf in hoffnungsvollen Fällen wirtschaftlich sinnvoller Lösungen. Das rechtliche Instrumentarium dafür bedarf der wohldurchdachten Anpassung und Verfeinerung im Hinblick auf die Veränderung der wirtschaftlichen Realverhältnisse. Darauf sollte eine stetige Aufmerksamkeit ohne falsche Zufriedenheit ruhen.“259

A. Neubewertung des Eintrittsrechts Die in allen untersuchten Rechtsordnungen ursprünglich vertretene Position der Wirksamkeit insolvenzbezogener Lösungsklauseln ist in der Schweiz weiterhin herrschend. Wie zu Beginn der § 1, B. und § 3, B. geschildert, ist das schweizerische Insolvenzrecht heute verstärkt bemüht, die Sanierungsmöglichkeiten zu verbessern. In den letzten Jahren sind punktuelle Reformen in diese Richtung durchgeführt worden. Auch die Auswirkungen von Verträgen auf die Sanierung hat der Gesetzgeber in der SchKG-Reform 2014 grundsätzlich gesehen und für den Verwalter in Art. 211a, 297a SchKG besondere Vertragsbeendigungsrechte normiert. Der Verwalter soll sich zugunsten der Masse von nachteiligen Verträgen in der Insolvenz lösen können. Hierbei hat sich der Gesetzgeber rechtsvergleichend an einem effizienten Sanierungsrecht wie in den USA orientieren wollen. Ein modernes und effizientes Sanierungsrecht wie in den USA, aber auch in Österreich, schützt jedoch ebenso Vertragspositionen in der Insolvenz und bestimmt Verbote von Lösungsklauseln. Gerade, wenn das Ziel eines Insolvenzverfahrens nicht mehr auf die reine 259

Hanisch, Basler Juristische Mitteilungen 1977, 161, 179.

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Kapitel 3: Nationale Umsetzung von Klauselverboten

Abwicklung ausgerichtet ist, müssen auch die Insolvenzinstrumentarien einen Eingriff in das materielle Recht gestatten. Damit hat ein modernes Sanierungsrecht nicht nur Mittel bereit zu stellen, um nachteilige Verträge zu beenden, sondern auch Möglichkeiten zu gewähren, um vorteilhafte Verträge zu erhalten. Diese zweite Seite der sanierungsrechtlichen Effizienz ist vom schweizerischen Gesetzgeber in der letzten Reform nicht angesprochen und scheinbar übersehen worden. Der Wandel des Insolvenzrechts legt nahe, den internationalen Entwicklungen und Empfehlungen internationaler Organisationen zu folgen und das über 100 Jahre alte schweizerische Insolvenzvertragsrecht weiter zu modernisieren. Die schweizerische Position zu Lösungsklauseln wird dadurch begünstigt, dass das Verwalterwahlrecht rein verfahrensrechtlich bewertet wird. Je weiter das Insolvenzverfahren auf die Sanierung zugeschnitten wird, umso wichtiger dürften auch in der Schweiz Verbote von Lösungsrechten werden. Hierzu wäre es wünschenswert, die strenge Trennung zwischen Insolvenzverfahrensrecht und materiellem Vertragsrecht zu durchbrechen. Eine völlige Isolierung des Verfahrensrechts gegenüber dem materiellen Recht ist weder konsequent festzustellen noch in der Sache überzeugend. Schließlich widerspricht eine solche Trennung auch dem in der Schweiz aufkeimenden Sanierungsgedanken. Das im Insolvenzrecht angesiedelte Verwalterwahlrecht greift selbstverständlich in das vertragliche Geflecht ein und stört damit die vertragliche Abwicklung in der Insolvenz.260 Es ist sachgerecht, das Verwalterwahlrecht im materiellen Insolvenzrecht zu verorten. Die ausschließliche Zuordnung zum Verfahrensrecht scheint künstlich, wenn „nicht die Wirkung der Konkurseröffnung auf laufende Verträge, sondern allein deren Behandlung im Rahmen eines Konkursverfahrens“ geregelt würde.261 Letztlich bleiben die Argumente der Einordnung des Verwalterwahlrechts als reine Verfahrensnorm formaler Natur. Es mag zutreffend sein, dass aus dem Insolvenzrecht keine materiell-rechtliche Position abgeleitet werden kann;262 es ist aber gleichwohl denkbar, dass materielles Recht gegen zwingendes Verfahrensrecht verstößt. Bereits Weydmann hat festgestellt: „Der Konkurs greift jedoch tief in das materielle Recht und damit auch in die Verträge ein“.263

So schafft beispielsweise Art. 211 Abs. 2 SchKG i.V.m. Art. 83 OR neues materielles Recht, da in der Insolvenz die Sicherstellung des Gläubigeranspruchs verlangt werden kann, ohne dass dieser konkret gefährdet sein muss.264 Insofern ist es nicht überzeugend, dass kein materieller Gedanke in 260

Kernbichler, JBl 2015, 409, 410. Schwob, in: BK-Art. 211 SchKG, Rn. 6. 262 Vgl. oben BGE 104 III 84, 90 f., § 3, B., I. 263 Weydmann, Zweiseitige Verträge im Konkurs einer Vertragspartei, S. 6. 264 Weydmann, Zweiseitige Verträge im Konkurs einer Vertragspartei, S. 39. 261

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Art. 211 SchKG enthalten ist. Rechtshistorisch lässt sich erklären, wie sich heute der angeblich verfahrensrechtliche Charakter des Art. 211 SchKG etablieren konnte: In der Schweiz wurde das Verwalterwahlrecht nicht ausführlich geregelt; gleichwohl war das Eintrittsrecht bereits im gemeinen Recht vor dem SchKG anerkannt und nie in der Sache bestritten.265 Art. 211 Abs. 2 SchKG sollte als bloße Verfahrensvorschrift zeigen, dass durch Art. 211 Abs. 1 SchKG – der Umwandlung aller Ansprüche in Geldforderungen – das Verwalterwahlrecht nicht aufgehoben wird.266 Vor diesem Hintergrund wird plausibel, das Eintrittsrecht als Verfahrensvorschrift zu sehen. Gleichzeitig wird es umso angreifbarer, aus dieser vermeintlichen verfahrensrechtlichen Qualifikation auf den materiellen Gehalt des Wahlrechts rückzuschließen bzw. materielle Auswirkungen auf Verträge abzulehnen.267 Es wird deutlich, dass die insolvenzrechtlichen Bestimmungen rund um das Wahlrecht keine rein verfahrensrechtlichen Normen sind, sondern qualitativ materiell-rechtliche Bestimmungen. Wenn dieser Punkt akzeptiert wird, kann – jenseits der rein verfahrensrechtlichen Bewertung des Wahlrechts – der Blick auf die eigentliche Sachfrage der Vertragsbeendigung in der Insolvenz freigeben werden: Bislang waren die wirtschaftlichen Kernfragen hinter der formalen Argumentation verdeckt, dass das Wahlrecht keine materiellen Auswirkungen auf die Verträge habe. Der eigentlichen Problematik der Sanierungsförderung und dem Masseschutz wurde nicht nachgegangen. Denn gerade vor dem Hintergrund des Masseschutzes und der Sanierungsbemühungen erlangt das Wahlrecht auch einen besonderen Gehalt, um Verträge zu gestalten. Nach geltendem schweizerischen Recht ist das Eintrittsrecht der Konkursverwaltung in Art. 211 Abs. 2 SchKG zwingendes Recht. Indem das Eintrittsrecht der Konkursverwaltung als Norm interpretiert wird, um Verträge in der Insolvenz zu gestalten, die Masse zu schützen und mittelbar Sanierungen zu unterstützen, können Eingriffe in die Vertragsfreiheit sachlich gerechtfertigt werden. Es ist die logische Rechtsfortbildung der Reform des Art. 211a, 297a SchKG und wirtschaftliche Notwendigkeit in der Insolvenz. Auch der Grundsatz der einheitlichen Rechtsordnung gebietet es, materielle Unwirksamkeitsfolgen aus dem insolvenzverfahrensrechtlichen Verwalterwahlrecht herzuleiten. Die übergeordneten Verfahrensziele dürfen nicht durch materielle privatautonome Bestimmungen unterlaufen werden. Einzelnen Vertragspartner dürfen – wie in den vorangehenden Kapitel dargelegt – durch Lösungsklauseln keine Sondervorteile zukommen, die diesen ein opportunistisches Verhalten in der Insolvenz ermöglichen, Externalitäten generieren und letztlich eine Art Vertrag zulasten Dritter bedeuten.

265

Weydmann, Zweiseitige Verträge im Konkurs einer Vertragspartei, S. 26. Weydmann, Zweiseitige Verträge im Konkurs einer Vertragspartei, S. 26. 267 Weydmann, Zweiseitige Verträge im Konkurs einer Vertragspartei, S. 28. 266

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Kapitel 3: Nationale Umsetzung von Klauselverboten

Schlussendlich könnten allein durch eine neue Interpretation des Verwalterwahlrechts insolvenzbezogene Lösungsklauseln für unwirksam gehalten werden. Als Maßstab gilt auch hier der oben entwickelte hinreichende Insolvenzbezug der Lösungsklauseln. So könnten, wie bereits dargelegt, sämtliche Klauseln, die unmittelbar an die Antragstellung oder Insolvenzeröffnung anknüpfen, für nichtig gehalten werden. Weiter gefasste Klauseln, die beispielsweise an die wesentliche Vermögensverschlechterung gekoppelt sind, sind so auszulegen, dass sie nicht mehr ab der Antragstellung ausgeübt werden können; entsprechende Kündigungserklärungen sind unwirksam. Zwar ist in der Schweiz das Insolvenzrecht zwingendes Recht, sodass durchaus eine geänderte Interpretation der Bestimmungen im SchKG möglich ist und ein Verbot – zumindest von insolvenzbezogenen Lösungsrechten – in der Insolvenz entwickelt werden kann. Dieser Weg, der die Schweiz einem modernen Konkursrecht näher bringen würde, ist de lege lata vertretbar. Insofern ist allerdings einzuräumen, dass weder Deutschland noch Österreich letztlich ein Verbot von Lösungsrechten auf diese interpretatorische Weise des Wahlrechts umgesetzt haben. Der letztliche Kurswechsel und Impuls zur Rechtsänderung ging stets vom Gesetzgeber aus. Insofern ist die heutige gesetzliche Bestimmung in der Schweiz vergleichbar mit dem Wahlrecht in § 17 der deutschen Konkursordnung.268 Das Wahlrecht hatte eine ähnliche Struktur und die Frage nach der Zulässigkeit von Lösungsklauseln war unter der deutschen Konkursordnung umstritten. Es wurden immer wieder Auslegungen des Wahlrechts vorgeschlagen, um Lösungsrechte in der Insolvenz einzuschränken. Jedoch wurde in Deutschland eine explizite Verbotsnorm von vertraglichen Klauseln in § 119 InsO benötigt, um Verbote von Lösungsklauseln in der Rechtsprechung umzusetzen. Dies sogar vor dem Hintergrund, dass durch diese Norm nur der zwingende Charakter des Verwalterwahlrechts kodifiziert wurde. Gleiches gilt für die Rechtsentwicklung in Österreich. Für eine rechtssichere und wenig Anlass für Streitigkeiten gebende Regelung drängt sich daher in der Schweiz ein gesetzgeberischer Eingriff auf. Der Privatautonomie über Art. 211 Abs. 3 SchKG absoluten Vorrang zu gewähren,269 scheint vor dem Hintergrund eines kollektiven Gesamtvollstreckungsverfahrens, das quasi eine Schicksalsgemeinschaft bildet, nicht überzeugend. Der Gesetzgeber hat bei einer Neuregelung zu bewerten, wie weit das Insolvenzrecht auf den Sanierungsgedanken ausgerichtet ist. Sollte der Gesetzgeber die Vertragsfreiheit auch nach einer Neubewertung des Verwalterwahlrechts höher als das zwingende Insolvenzrecht gewichten, böte sich letztlich die englische Lösung an: Besonders wichtige und ausgewählte Vertragstypen wie Versorgungsverträge, die typischerweise notwendig für jedes Sanierungsverfahren sind, könnten in der Insolvenz erhalten werden: Ein Verbot 268 269

Zobl/Werlen, Netting, S. 83. Schwob, in: BK-Art. 211 SchKG, Rn. 6.

§ 12 Konkretisierung des schweizerischen Diskurses

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der privatautonomen Vertragsbeendigung würde dann nur auf diese Vertragstypen beschränkt sein. B. Korrektur der Bestimmungen zum Wahlrecht de lege ferenda Bei einer gesetzgeberischen Reform des Eintrittsrechts der Konkursverwaltung könnten allgemeine Defizite der schweizerischen Regelung behoben werden. Art. 211 Abs. 2 SchKG zeichnet sich durch eine extrem kurze Regelung aus, die auch durch die letzten Reformen nicht das Maß an Klarheit wie in anderen Rechtsordnungen gewonnen hat.270 Klassischerweise sind bereits Fragen um das Wahlrecht, das von den Interessen unterschiedlicher Gruppen beeinflusst wird, umstritten. In der Schweiz wird die Interpretation gänzlich Rechtsprechung und Lehre überlassen, da der Gesetzgeber die rechtsvergleichend betrachtet wohl kürzeste Regelung ohne Detailtiefe geschaffen hat. Dies verkompliziert das Rechtsgebiet unnötig. Für eine umfassende Reform hat der Gesetzgeber zwei Reformen bereits ungenutzt verstreichen lassen. Zum Vergleich umfassen die Regelungen zum Wahlrecht in den USA mehrere Druckseiten, in Deutschland und Österreich ca. 20 Paragrafen; in der Schweiz sind dies im Kern nur 2 Artikel. Der Gesetzgeber stellte bereits 1994 Unzulänglichkeiten des geltenden Verwalterwahlrechts fest (vgl. § 3, B., V., 3.),271 half diesen Defiziten bislang aber nicht ab. Schlussendlich ist der Gesetzgeber gefragt, um Rechtsunsicherheit zu beseitigen. Dabei kann sich der Gesetzgeber an den ausführlichen Vorschlägen des UNCITRAL Legislative Guide on Insolvency Law orientieren (§ 8, C., II.). So sollten Ausnahmen des Verwalterwahlrechts klar und deutlich in den Insolvenzgesetzen erfasst sein.272 Auch konkrete Fristenregelungen zur Ausübung des Wahlrechts sollten eingeführt werden. Dadurch würde die systemimmanente Ungewissheit über das Schicksal schwebender Verträge in der Insolvenz planbarer. Ferner könnten konkrete Mechanismen zum Sanierungsschutz wie ein Verbot von insolvenzbezogenen Lösungsklauseln und eine dem österreichischen oder US-amerikanischen Recht vergleichbare Ausübungssperre für außerordentliche Kündigungen im Insolvenzfall berücksichtigt werden. Eine entsprechende Regelung zu Verboten von Lösungsklauseln wäre die konsequente Fortentwicklung des schweizerischen Rechts, indem bestehende sanierungsrechtliche Bemühungen des Gesetzgebers aufgegriffen werden und das fehlende Gegenstück zu Kündigungsrechten des Verwalters in Art. 211a, 297a SchKG eingeführt wird. Damit würde das SchKG im Zeichen einer modernen internationalen Entwicklung reformiert, die den Masseschutz und die Sanierungen stärker betont.

270

Staehelin, AJP/PJA 2004, 363, 363. Bericht des Bundesamtes für Justiz, BBl. 1994 I S. 1315, 1318. 272 UNCITRAL, Legislative Guide on Insolvency Law, S. 130. 271

332

Kapitel 3: Nationale Umsetzung von Klauselverboten

§ 13 Formulierung eines Gesetzesvorschlags § 13 Gesetzesvorschlag

Unter Beachtung der in diesem Kapitel entwickelten Lösungsansätze könnte ein möglicher Gesetzesvorschlag wie folgt lauten: (1) (2)

(3)

(4)

(5)

Vereinbarungen, durch die im Voraus die Anwendung der Bestimmungen zum Verwalterwahlrecht ausgeschlossen oder beschränkt wird, sind unwirksam. Vereinbarungen, die für den Fall der Antragstellung oder der Eröffnung eines Insolvenzverfahrens (Sanierungs- und Liquidationsverfahren) einen Vertrag auflösen oder dem anderen Vertragspartner das Recht gewähren, den Vertrag zu beenden oder zu modifizieren, sind unwirksam. Vereinbarungen [und gesetzliche Bestimmungen], die bei einer wesentlichen Vermögensverschlechterung, bei materiellen Insolvenzgründen, bei vorinsolvenzlichem Verzug des Schuldners oder vergleichbaren Anknüpfungspunkten den Vertrag auflösen oder dem anderen Vertragspartner das Recht gewähren, den Vertrag zu beenden, können ab dem Zeitpunkt der Antragstellung eines Insolvenzverfahrens (Sanierungsund Liquidationsverfahren) nicht mehr ausgeübt werden. Die Beschränkungen der vorigen Absätze gelten ausnahmsweise nicht, wenn die Vertragsfortführung entweder für den Vertragspartner eine unbillige Härte bedeutet, insbesondere dessen wirtschaftliche Existenz gefährdet, oder die Vereinbarung den Zwecken des Insolvenzverfahrens dient. Regelungen anderer Gesetze, die ausdrücklich die Vertragsbeendigung im Insolvenzfall vorsehen, bleiben unberührt. Ferner bleibt die Vertragsbeendigung wegen vertraglicher Pflichtverletzungen, die auf Ereignissen nach Insolvenzeröffnung basieren, unberührt.

Anknüpfungspunkt der Regelungen zur Vertragsbeendigung in der Insolvenz sind die Bestimmungen, die das Verwalterwahlrecht als zwingendes Recht ausgestalten. Unter (1) wird daher beispielsweise die Regelung des § 119 InsO bzw. des vergleichbaren § 25b Abs. 1 IO aufgegriffen. Dadurch wird klargestellt, dass von den weiteren Absätzen nur Verträge erfasst sind, die unter das Verwalterwahlrecht fallen. In (2) wird die Nichtigkeit bestimmter Vertragsklauseln geregelt. Das Verbot knüpft dabei an drei Komponenten an. Erstens sind solche Klauseln erfasst, die an die Stellung eines Eröffnungsantrags oder die Eröffnung eines Insolvenzverfahrens anknüpfen. Zweitens müssen die Klauseln entweder einen Automatismus vorsehen oder ein Recht einräumen, um den Vertrag drittens zu beenden oder zu modifizieren. Der Anwendungsbereich dieser Klauseln bezieht sich alleine auf das Insolvenzverfahren und beeinträchtigt dessen Zwecke. Wegen der Beeinträchtigung der Interessen der Gläubigergesamtheit, kann die Privatautonomie insoweit eingeschränkt werden. Das Verbot ist entsprechend weit gefasst (Kündigung, Auflösung und Modifikation), um Umgehungsmöglichkeiten einzuschränken. Darüber hinaus sind Sanierungs- und Liquidationsverfahren zu erfassen, um die Flexibilität zu erhalten, zwischen beiden Verfahrensarten wechseln zu können. Der Absatz könnte auch der Umsetzung des Art. 7 Abs. 5 des Richtlinienentwurfs 2012/30/EU

§ 13 Gesetzesvorschlag

333

über präventive Restrukturierungsmaßnahmen dienen. Hiernach sind neben dem reinen Kündigungsverbot solche Klauseln zu verbieten, die es ermöglichen, Verträge vorzeitig fällig zu stellen oder in sonstiger Weise zum Nachteil des Schuldners abzuändern. Der Absatz (3) sieht eine Ausübungssperre für weiter gefasste Kündigungs- und Auflösungsklauseln vor, die ab dem Eröffnungsantrag für ein Insolvenzverfahren greift. Außerordentliche Kündigungsrechte, die allgemein an die wesentliche Vermögensverschlechterung, die finanzielle Situation des Schuldners oder den vorinsolvenzlichen Verzug knüpfen, haben einen Anwendungsbereich über das Insolvenzverfahren hinaus. Die Nichtigkeitsfolge wäre insoweit unverhältnismäßig. Sobald das Verfahren im Moment der Antragstellung hinreichend konkretisiert ist, ist eine Ausübungssperre für Vertragsbeendigungsrechte oder Rechte zur Vertragsmodifikation zum Zwecke des Sanierungs- und Verfahrensschutzes gerechtfertigt. Die Vertragspartner erlangen einen hinreichenden Schutz durch das Insolvenzverfahren selbst. Die Ausübungssperre orientiert sich an § 137 Abs. 2 Satz 2 InsO-RE (1994). Auch Art. 7 Abs. 5 des Richtlinienentwurfs 2012/30/EU über präventive Restrukturierungsmaßnahmen geht in diese Richtung: Während Aussetzungsmaßnahmen (automatic stay) dürfen Verträge nicht gekündigt oder in sonstiger Weise nachteilig verändert werden. Die Ausübungssperre könnte für die Zwecke des Insolvenzverfahrens und zum Sanierungsschutz auch gesetzliche Lösungsrechte erfassen (vgl. den rechtsvergleichenden Befund). Unter (4) wird das Regel-Ausnahme-Verhältnis hervorgehoben. Die Verbote von Lösungsklauseln gelten allgemein und für jeden Vertragstyp. Nur in Ausnahmefällen können Verträge außerordentlich in der Insolvenz beendet werden. Dies ist einerseits der Fall, wenn die Vertragsfortführung eine unzumutbare Härte – im Kontext der EU-Richtlinie hardship – darstellt, wie bei der Existenzgefährdung des Vertragspartners. Andererseits kann ein besonderes Gestaltungsinteresse angenommen werden, wenn die Lösungsklausel gerade deshalb im Vertrag aufgenommen wurde, um die Sanierung, d.h., um Zwecke des Insolvenzverfahrens, zu verwirklichen. Absatz (5) stellt klar, dass gesetzliche Bestimmungen, die ausdrücklich die vertragliche Abwicklung im Insolvenzfall vorsehen, unberührt bleiben. Dies betrifft insbesondere Bereichsausnahmen von Finanzverträgen wie das CloseOut-Netting und § 104 InsO. Ferner sollen weiterhin vertragliche Pflichtverletzungen nach der Insolvenzeröffnung zur Kündigung berechtigen, wie beispielsweise der nachinsolvenzliche Verzug.

Kapitel 4

Internationales Privatrecht § 14 Internationales Insolvenzrecht im Kontext schwebender Verträge § 14 Internationales Insolvenzrecht schwebender Verträge “[…] the bankruptcy of a multinational enterprise typically triggers diverse and uncoordinated legal proceedings in various countries connected to the affairs of that enterprise.”1

A. Einführung Die globalisierte Welt ist von Welthandel und freien Kapitalmärkten geprägt. Gerade in größeren Krisen erlangen die Insolvenzgesetze besondere Bedeutung – sie sind daher eine wichtige Komponente der staatlichen Wirtschaftsgesetze.2 Sie bedürfen in höchstem Maße der Verlässlichkeit und Vorhersehbarkeit.3 Dennoch unterhält jedes Land heute noch sein eigenes materielles Insolvenzrecht.4 Auslandsbezüge einer Insolvenz sind vielfach denkbar: So genügt es bereits, wenn Gläubiger ihre Niederlassung in einer ausländischen Rechtsordnung haben oder dort Vermögenswerte belegen sind. Wenigstens kollisionsrechtlich sollten die Regime miteinander abgestimmt sein, um ungewollte Friktionen zu vermeiden und Risiken optimal vorhersehen zu können.5 Insbesondere Fragen zum anwendbaren Recht sind in der internationalen Insolvenz – mangels hinreichender gesetzlicher Bestimmungen – wenig behandelt.6 Insolvenzbedingte Lösungsklauseln sind ein Beispiel, in dem ein 1

Buxbaum, 36 Stan. J. Int'l L. 23 (2000), 23. Mason, in: International Insolvency Law – Themes and Perspectives (Hrsg. Omar), Chapter 2 – Cross-Border Insolvency Law: Where Private International Law and Insolvency Law Meet, S. 35 (“ […] being an important contributor to the state’s commercial and economic processes and an important component of the state’s general commercial laws.”). 3 Mason, in: Cross-Border Insolvency Law, S. 27, 28; Wood, Principles of International Insolvency, S. 29, Rn. 1-058; Markus, SZW 1998, 15, 16. Vgl. zur zunehmenden Bedeutung des Internationalen Insolvenzrechts Bebchuk/Guzman, 42 J.L. & Econ. 775 (1999), 776 f.; Virgós/Garcimartín, The European Insolvency Regulation: Law and Practice, S. 3. 4 Bereits Savigny, System des Heutigen Römischen Rechts, Bd. 8, S. 282. 5 Mason, in: Cross-Border Insolvency Law, S. 59. 6 Vgl. Westbrook, 17 Brook. J. Int'l L. 499 (1991), 519. 2

§ 14 Internationales Insolvenzrecht schwebender Verträge

335

besonderer Koordinationsbedarf fortbesteht. Wie bereits dargestellt, ist die Zulässigkeit von Lösungsklauseln nicht nur innerhalb vieler Rechtsordnungen umstritten. Gerade wenn bei internationalen Verträgen das anwendbare Vertragsstatut und das Insolvenzstatut auseinanderfallen, werden Friktionen virulent: Kann durch Rechtswahl das anwendbare Insolvenzverfahrensrecht eingeschränkt werden?7 Ist für eine wirksame vertragliche Lösungsklausel möglicherweise ein Vorbehalt des anwendbaren Rechts nötig? „Constitue un cas de défaut pour l’une des parties, ci-après la partie défaillante, l’un des événements suivants: 8.1.1.6. sous réserve du droit applicable à cette procédure, ouverture d’une procédure de liquidation amiable ou d’une procédure collective de règlement du passif; ...“8

Es stellen sich verschiedene Fragenkomplexe: Erstens – Wie sind vertragliche und gesetzliche Lösungsrechte kollisionsrechtlich zu qualifizieren? Die Frage ist, ob Verbote von Lösungsrechten als allgemeiner Eingriff in einen Vertrag und damit dem Vertragsstatut zuzuordnen sind oder ob die Verbote funktionell eine insolvenzrechtliche Zielsetzung verfolgen und damit Bestandteil des Insolvenzstatuts sind. Kann unter Umständen eine Mehrfachqualifikation erforderlich sein?9 In diesem Fragenkomplex sind letztlich zwei kritische Ausgangssituationen denkbar: Fallgestaltung 1: Das Insolvenzstatut verbietet die Vertragsbeendigung; das Vertragsstatut gestattet sie. Fallgestaltung 2: Das Insolvenzstatut erlaubt die Vertragsbeendigung; das Vertragsstatut verbietet sie. Problematisch ist stets, dass das Insolvenzstatut erst mit Insolvenzeröffnung seine Wirkungen entfaltet – also zu einem späteren Zeitpunkt als das Vertragsstatut. Verdrängt die lex fori concursus dann das Vertragsstatut bzw. überlagert sie dieses punktuell? Das Insolvenzstatut setzt für seine Anwendbarkeit eigentlich ein eröffnetes Insolvenzverfahren voraus. Erst in diesem Zeitpunkt kann eine Überlagerung eintreten. Führt diese spätere Anwendbarkeit rückwirkend zur Unwirksamkeit einer vorinsolvenzlichen Lösungsklausel, bspw. bei Zahlungsunfähigkeit, wenn dies das Insolvenzstatut vorsieht? Was passiert mit den Lösungsverboten nachdem das Insolvenzverfahren beendet und das Insolvenzstatut aufgehoben ist? Sind die Klauseln in der zwei7 Beispielsweise in [2014] EWHC 34 (Ch) wurde in einem ISDA Master Agreement die englische Gerichtsbarkeit und englisches Recht gewählt; Insolvenzverfahren wurden in den USA und in der Schweiz eröffnet. Die vertraglich vorgesehene Lösungsklausel spielte im konkreten Fall allerdings keine entscheidende Rolle. 8 Article 8.1. Résiliation en Cas de Défaut, Conditions générales AFB pour les opérations d’échange de devises et /ou de conditions d’intérêts, Association Française des Banques, mars 1987 zitiert nach De Ly, RDAI/IBLW 1997, 801, 823 f. 9 Hierzu Kindler, NZG 2003, 1086, 1090; Kindler, in: MöKo-BGB (Hrsg. Säcker/ Rixecker/Oetker), EuInsVO, Art. 4, Rn. 9; Veder, IILR 2011, 285, 287.

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Kapitel 4: Internationales Privatrecht

ten Fallgestaltung von Anfang an unwirksam oder überlagert das Insolvenzstatut in diesem Fall das Vertragsstatut, sodass die Lösungsklausel wieder wirksam wird? Werden auch die Kündigungsgründe der lex fori concursus inkorporiert, die nicht formell im Insolvenzrecht aufgeführt sind, aber einen engen Zusammenhang zum Verfahren haben? Wichtig ist zu rekapitulieren, dass Rechtsordnungen Lösungsklauseln mit unterschiedlichen Rechtsfolgen einschränken: In Frankreich ist eine ex tunc Nichtigkeit vorgesehen, in den USA existieren Ausübungssperren, in Österreich sind beide Rechtsfolgen vorgesehen. Zweitens – In welcher Rechtsordnung sind internationale Verträge belegen?10 Dies ist eine wichtige Vorfrage, welchem von mehreren parallelen Insolvenzverfahren das Verwalterwahlrecht zugeordnet ist. Gleichfalls resultiert aus der jeweiligen Massezugehörigkeit, welches Insolvenzstatut die insolvenzrechtlichen Wirkungen auf das laufende Vertragsverhältnis regelt. Der ersten Fragestellung wird in § 15 nachgegangen, der zweiten Frage in § 16. Zuvor ist die aktuelle Relevanz des Themas durch die letzte Rechtsprechung hervorzuheben (§ 14, B.) und der Hintergrund der allgemeinen Entwicklung des internationalen Insolvenzrechts darzustellen (§ 14, C.). B. Aktuelle Rechtsprechung zum Konflikt zwischen Vertragsstatut und Insolvenzstatut Die Frage, wie Lösungsklauseln in internationalen Verträgen zu behandeln sind, hat in den letzten Jahren vermehrt die Gerichte beschäftigt. In englischamerikanischen Entscheidungen im Rahmen der Lehman Brothers-Insolvenz sind einander widersprechende Entscheidungen ergangen – ein Ergebnis, das das Internationale Privatrecht stets tunlichst vermeiden will. (1) Erstmals befasste sich in Deutschland das OLG Karlsruhe11 mit den Auswirkungen der Insolvenz auf internationale schwebende Verträge.12 Es hatte über einen deutsch-französischen Sachverhalt zu entscheiden.13 Am 12. September 1990 schlossen die Parteien einen Bauvertrag über die Errichtung eines Bürohauses. Die Auftraggeberin war in Deutschland niedergelassen und beauftragte ein französisches Bauunternehmen. Es wurde die VOB/B und deutsches Recht gewählt. Am 13. August 1991 wurde ein französisches Sanierungsverfahren über das Bauunternehmen eröffnet. Aufgrund einer Gerichtsstandsklausel war die deutsche internationale Zuständigkeit nach der EuGVVO gegeben. Die Parteien stritten darum, ob der Bauvertrag wegen des 10

Hierzu Veder, IILR 2011, 285, 296 f. OLG Karlsruhe, Urt. v. 15.2.2012 – 13 U 150/10, NZI 2012, 526, Besprechung bei Pfeiffer, in: Ars aequi et boni in mundo, S. 422 f.; Dammann/Lehmkuhl, NJW 2012, 3069, passim. 12 Dammann/Lehmkuhl, NJW 2012, 3069, 3069. 13 Vorinstanz: LG Freiburg, Urt. v. 8.7.2010 – 14 O 111/09, BeckRS 2012, 11442. 11

§ 14 Internationales Insolvenzrecht schwebender Verträge

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gerichtlichen Sanierungsverfahrens wirksam nach § 8 II Nr. 1 VOB/B beendet werden konnte. Nach französischem Recht ist eine solche Klausel unwirksam und von Anfang an nichtig. Das OLG Karlsruhe wandte deutsches Recht an und kam damit zur wirksamen Vertragsbeendigung.14 Letztlich richte sich ein Eingriff in die Vertragsbeziehungen nach der lex contractus und nicht nach der lex fori concursus. Die Vorinstanz, das LG Freiburg, hatte die internationalen Zusammenhänge schlicht übersehen und einfach deutsches Recht angewandt.15 Obwohl die Entscheidung unter dem alten deutschen Insolvenzrecht erging, gelten in der Sache die gleichen Grundsätze wie unter der EuInsVO.16 (2) Der englische High Court befasste sich mit einem ähnlichen englischkoreanischen Fall.17 Pan Ocean war eine koreanische Reederei, die im Jahr 2011 einen Langzeit-Transportvertrag mit dem brasilianischen Unternehmen Fibria Celulose schloss. Der Vertrag bestimmte englisches Recht in einer Rechtswahlklausel und enthielt eine Schiedsvereinbarung mit Sitz in London. Ferner enthielt der Vertrag eine insolvenzbezogene Lösungsklausel. Über Pan Ocean wurde ein koreanisches Hauptinsolvenzverfahren eröffnet, woraufhin Fibria Celulose den Vertrag kündigte. Unter koreanischem Recht sollen Lösungsklauseln unzulässig sein. Der High Court lehnte es ab, koreanisches Insolvenzrecht anzuwenden und billigte nach englischem Recht die Vertragsbeendigung aufgrund der Lösungsklausel. Dogmatisch geht es vor allem um die Interpretation von Art. 21(1)(g) Cross-Border Insolvency Regulations 2006 („CBIR“), der Umsetzung des UNCITRAL-Modellgesetzes für grenzüberschreitende Insolvenzen.18 Hiernach kann das Insolvenzgericht Maßnah14 Zustimmend Matthies, jurisPR-PrivBauR 7/2012, Anm. 3, ablehnend Dammann/ Lehmkuhl, NJW 2012, 3069, 3071. 15 LG Freiburg, Urt. v. 8.7.2010 – 14 O 111/09, BeckRS 2012, 11442, passim. 16 Dammann/Lehmkuhl, NJW 2012, 3069, 3070. 17 Fibria Celulose S/A v Pan Ocean Co. Ltd, Mr You Sik Kim, 30.6.2014, [2014] EWHC 2124 (Ch); kommentiert von Tillman/Hohl, 27 Insolv. Intel. 107 (2014), 107; Matthews, 30 J. I. B. L. R. 62 (2015), 62; Phillips, South Square Digest 11/2014, 6, 11, 13 (“Morgan J’s decision can be criticised in every point. […] In Pan Ocean Morgan J made a decision that would been recognised in Victorian England. ”). 18 Das UNCITRAL Model Law on Cross-Border Insolvency (1997) ist in 22 Staaten umgesetzt worden, wozu insbesondere die Vereinigten Staaten von Amerika (Chapter 15 (Ancillary and Other Cross-Border Cases) des Bankruptcy Code (Title 11 USC), in Kraft ab dem 17.10.2005; vgl. Melnik, in: Cross-border insolvency: a commentary on the UNCITRAL model law (Hrsg. Chan Ho), United States, S. 437 ff.) und das Vereinigte Königreich (Cross-Border Insolvency Regulations, in Kraft ab dem 4. April 2006; vgl. Chan Ho, in: Cross-border insolvency: a commentary on the UNCITRAL model law (Hrsg. Chan Ho), England, S. 141 ff.) zählen. Das Modellgesetz regelt die Anerkennung ausländischer Insolvenzverfahren, die Rechte ausländischer Gläubiger und bezweckt ein Mittel der Kooperation und Koordination zu sein. Kollisionsregeln zum anwendbaren Recht sind aber nicht enthalten (Garašić, Anerkennung ausländischer Insolvenzverfahren:

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Kapitel 4: Internationales Privatrecht

men zum Schutz der Insolvenzmasse anordnen. Der englische High Court folgt einem starken territorialen Anspruch und drängt die Rechtswirkungen eines ausländischen Verfahrens zurück. Ein ausländisches Insolvenzerfahren habe keine Auswirkungen auf laufende Verträge, wenn sie englischem Recht unterstellt sind.19 Die Wahl des englischen Rechts bestimmt damit, ob Lösungsklauseln wirksam sind – sofern die englischen Gerichte diese Rechtsfrage zu entscheiden haben. Letztlich würden die Vertragsparteien auf die Anwendung des englischen Rechts infolge der Rechtswahl vertrauen.20 Auch sei es nicht möglich, den insolvenzpolitischen Entscheidungen des koreanischen Rechts Vorzug vor dem englischen Recht an einem englischen Gericht zu gewähren.21 Die Entscheidung verdeutlicht, dass sich auch im internationalen Insolvenzrecht das Spannungsfeld zwischen Privatautonomie und Insolvenzrecht fortsetzt.22 Auf Grundlage dieser Entscheidung können durch Rechtswahl Insolvenzrecht und etwaige Lösungsverbote umgangen werden.23 (3) Amerikanische Gerichte erkennen regelmäßig das Insolvenzrecht des Staates an, in dem das Hauptinsolvenzverfahren eröffnet wurde – so wurde ein Vergleich des kroatischen, des deutschen und des schweizerischen Rechts sowie der Europäischen Verordnung über Insolvenzverfahren, des Istanbuler Übereinkommens und des UNCITRAL-Modellgesetzes, Teil 2, S. 317.). Es ist streitig, ob die Insolvenzgerichte bei der Anwendung des Modellgesetzes auf das Recht des ausländischen Insolvenzverfahrens zurückgreifen können. In den USA wird dies befürwortet: In re Metcalfe & Mansfield Alternative Investments 421 B.R. 685; 421 BR 685; In re Condor ins. Ltd., 601 f. 3d 319 (2010) mit Hinweis auf „UNCITRAL Arbeitsgruppe zu anwendbarem Recht“. In re Qimonda AG, No. 09-14766-SSM ( Bktrcy E.D. Va. Oct. 28, 2011), GRURInt 2012, 86 (Nach Anerkennung des deutschen Hauptverfahrens hätte deutsches Insolvenzrecht zur Anwendung kommen können – die lex fori concursus –, wenn in diesem Fall kein Verstoß gegen den amerikanischen ordre public vorgelegen hätte). In England und Wales ist die Frage weiterhin offen: Ablehnend wohl Fibria Celulose S/A v Pan Ocean Co. Ltd, Mr You Sik Kim, 30.6.2014, [2014] EWHC 2124 (Ch). Befürwortend: Chan Ho, 25 J. I. B. L. R. 552 (2010), 552; Matthews, 30 J. I. B. L. R. 62 (2015), 66. 19 Vgl. Gibbs-Doktrin: Antony Gibbs & Sons v La Société Industrielle et Commerciale des Métaux, 26.6.1890, 25 Q.B.D. 399. Das englische common law ist weiterhin parallel zum CBIR anwendbar, vgl. In Re Stanford International Bank Ltd. (In Receivership), [2009] EWHC 1441 (Ch) Rn. 100; Rubin v. Eurofinance SA, [2009] EWHC 2129 (Ch) Rn. 22. Chan Ho, 25 J. I. B. L. R. 552 (2010), 555 ff.; Matthews, 30 J. I. B. L. R. 62 (2015), 64; 25 Q.B.D. 399 (Ca); (1844) 13 M. & W. 443, 153 E.R. 185. Die Gibbs-Doktrin wird stark kritisiert Matthews, 30 J. I. B. L. R. 62 (2015), 64 m.w.N.; Chan Ho, in: Crossborder insolvency, England, S. S. 223 ff. 20 Fibria Celulose S/A v Pan Ocean Co. Ltd, Mr You Sik Kim, 30.6.2014, [2014] EWHC 2124 (Ch), Rn. 110 ff. 21 Fibria Celulose S/A v Pan Ocean Co. Ltd, Mr You Sik Kim, 30.6.2014, [2014] EWHC 2124 (Ch), Rn. 110 ff. 22 Tillman/Hohl, 27 Insolv. Intel. 107 (2014), 110. 23 Phillips, South Square Digest 11/2014, 6, 17.

§ 14 Internationales Insolvenzrecht schwebender Verträge

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beispielsweise ein kanadisches Verbot von insolvenzbezogenen Lösungsrechten bei schwebenden Verträgen auch in den USA anerkannt.24 Die Unterschiede zwischen US-amerikanischem und englischem Insolvenzrecht lassen sich plastisch an zwei Verfahren erkennen, die sich aus der Insolvenz der amerikanischen Bank Lehman Brothers ergeben haben.25 Es handelte sich um eine komplexe finanzwirtschaftliche Transaktion. Es ging stark vereinfacht um einen Vertrag über Finanzleistungen der Lehman Brothers Special Financing Inc. („LBSF“) mit einem „Secial-purpose vehicle“. Dabei wurden Wertpapiere emittiert, für die Sicherungsrechte bestellt wurden. Im Regelfall sollte LBSF vor den Wertpapierinhabern aus den Sicherungsrechten befriedigt werden; im Insolvenzfall waren die Wertpapierinhaber vorrangig zu behandeln (flip clause). Die Verträge unterstanden englischem Recht. LBSF stellte einen Insolvenzantrag. Die Wertpapierinhaber erhoben in England Leistungsklage auf Befriedigung aus den Sicherungsrechten. Gleichzeitig reichte LBSF ein Feststellungsbegehren vor einem US-amerikanischen Gericht ein. Der englische Supreme Court hat diese Art der insolvenzbezogenen Klausel für wirksam erachtet: Gerade eine komplexe wirtschaftliche Transaktion, die im konkreten Fall in gutem Glauben eingegangen wurde, ist auch in der Insolvenz aufrecht zu erhalten.26 Die US-amerikanischen Gerichte hielten die Änderung der Zahlungsprioritäten hingegen für unwirksam und aufgrund der Schutzvorschriften des Chapter-11-Verfahrens für nicht durchsetzbar.27 Obwohl englisches Recht von den Vertragsparteien gewählt wurde, sollte der weitergehende Schutz des US-amerikanischen Rechts berücksichtigt werden. Eine restriktive Anwendung ausländischen Insolvenzrechts, basierend auf dem Territorialitätsprinzip, unterstreicht damit die erhebliche Gefahr für den internationalen Entscheidungsgleichlauf. C. Exkurs: Entwicklung des Internationalen Insolvenzrechts Das insolvenzrechtliche Kollisionsrecht begann sich zur Zeit der Renaissance in den Stadtstaaten von Oberitalien zu entwickeln.28 Bereits im Jahr 1302

24 Vgl. hierzu In re Gandi Innovations Holding, LLC., [2009] Bkrtcy LEXIS 2751; In re W.C. Wood Corp., Ltd., Case No. 09-11893 (KG) ( Bkrtcy D. Del. June 1, 2009). 25 Zur Insolvenz der schweizerischen Lehmann Brothers Tochter, vgl. Suhr Brunner, in: Lehman Brothers: lessons learned, passim. 26 Belmont Park Investments Pty Ltd and others v BNY Corporate Trustee Services Ltd and another, [2012] 1 A.C. 383, Rn. 108. 27 In re Lehman Brothers Holdings Inc. v. BNY Corporate Trustee Services Limited, 422 B.R. 407 (Bkrtcy S.D.N.Y. 2010). 28 Hanisch, in: Festschrift für Franz Merz zum 65. Geburtstag am 3. Februar 1992 (Hrsg. Gerhardt/Henckel/Kilger/Kreft), Bemerkungen zur Geschichte des internationalen Insolvenzrechts, S. 160; Trunk, Internationales Insolvenzrecht – Systematische Darstellung des deutschen Rechts mit rechtsvergleichenden Bezügen, S. 34 ff.

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Kapitel 4: Internationales Privatrecht

erschütterte die Insolvenz der Ammanati Bank die europäischen Staaten.29 Die insolvenzrechtliche Koordination wurde von der katholischen Kirche und dem Papst vorgenommen. Den kirchlichen Institutionen gelang eine europaweite Vollstreckung mit heutigen Mitteln wie dem Insolvenzbeschlag und Verfügungssperren. Diese Hochform der effektiven – universellen – Zusammenarbeit kam in den folgenden Jahrhunderten abhanden. Vielmehr beschränkten sich die Insolvenzsysteme auf ihr souveränitätsrechtlich vorgegebenes Territorium. Erst in den letzten hundert Jahren verstärkte sich die internationale Zusammenarbeit und das Prinzip der Universalität entwickelte sich zu einem weltweiten Trend.30 Damit sind die zwei primären Konzepte des internationalen Insolvenzrechts bereits vorgestellt: das Territorialitätsprinzip und das Universalitätsprinzip.31 Nach dem Territorialitätsprinzip beschränkt das Insolvenzverfahren seine Wirkungen auf das nationale Hoheitsgebiet und schützt damit die staatliche Souveränität.32 Geschützt werden vor allem die lokalen Gläubiger, die 29 Ausführlich Hanisch, in: FS Merz, S. 160 ff. und Rétornaz, 15 YbPIL 573 (2013/2014), S. 578, Fn. 28 m.w.N. 30 Vgl. Paulus, DStR 2005, 334, 334; Hanisch, in: FS Merz, S. 165 ff.; Rétornaz, 15 YbPIL 573 (2013/2014), S. 576. Die Universalität ist das moderne Prinzip: Westbrook, 23 Penn St. Int'l L. Rev. 625 (2005), 625. 31 Ausführlich zu den Prinzipien des internationalen Insolvenzrechts Farid, 44 Gonz. L. Rev. 39 (2008/09), 72 ff.; Fletcher, Insolvency in PIL, Rn. 1.11 ff.; Rodriguez, Zuständigkeiten im internationalen Insolvenzrecht, S. 47 ff.; Graf, Die Anerkennung ausländischer Insolvenzentscheidungen, S. 10 ff.; Kolmann, Kooperationsmodelle im internationalen Insolvenzrecht: empfiehlt sich für das deutsche internationale Insolvenzrecht eine Neuorientierung?, S. 5 ff.; Paulus, DStR 2005, 334, 334, Smid, Deutsches und Europäisches Internationales Insolvenzrecht, Einl. Rn. 1, 2; Staehelin, Die Anerkennung ausländischer Konkurse und Nachlassverträge in der Schweiz (Art. 166 ff. IPRG), S. 1 m.w.N.; Trunk, Internationales Insolvenzrecht – Systematische Darstellung des deutschen Rechts mit rechtsvergleichenden Bezügen, S. 10 ff.; ein Plädoyer für das Universalitätsprinzip Westbrook, 17 Brook. J. Int'l L. 499 (1991), 513 ff. und bereits Savigny, System des Heutigen Römischen Rechts, Bd. 8, S. 283 ff. Für einen privatautonomen Ansatz: Rasmussen, 19 Mich. J. Int'l L. 1 (1997), 4 u. 34 schlägt vor, die Parteien die Rechtsordnung des Insolvenzverfahrens privatautonom bestimmen zu lassen. Entscheidend sei, dass der Schuldner in seinem Gesellschaftsvertrag bzw. seiner Satzung die Verfahrenswahl getroffen hat. Damit sei der Gerichtsstand für die Gläubiger vorhersehbar. Ebenso Eidenmüller, EBOR 2005, 423, passim; Eidenmüller, ZGR 2006, 467, passim. Kritisch zur freien Wählbarkeit des Insolvenzstatuts Wyen, Rechtswahlfreiheit im europäischen Insolvenzrecht – Eine Untersuchung zum forum shopping unter der EuInsVO unter besonderer Berücksichtigung von Effizienzgesichtspunkten, S. 365 ff. und ablehnend Fehrenbach, Haupt- und Sekundärinsolvenzverfahren, S. 52 f. Mit Erläuterungen zu den verschiedenen Ansätzen Wessels, International Insolvency Law, § 2, Rn. 10009 ff. 32 Naef/Naef, PJA 2008, 1396, 1400; Mason, in: Cross-Border Insolvency Law, S. 42 ff. Das Territorialitätsprinzip wird auch als „grab rule“ bezeichnet, da hiernach jede Rechts-

§ 14 Internationales Insolvenzrecht schwebender Verträge

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sich nur mit dem eigenen nationalen Recht auseinandersetzen müssen.33 Folge des Territorialitätsprinzips sind weltweit mehrere Einzelverfahren (Pluralität).34 In der ökonomischen Analyse kann gezeigt werden, dass das Territorialitätsprinzip international zu Effizienz- und Wohlfahrtsverlusten führt.35 Ein universelles Verfahren führt nicht nur zu geringeren Kosten, sondern nimmt im Gegensatz zu einer territorialen Ausrichtung keinen Einfluss auf Investitionsentscheidungen: Die Territorialität schützt lokale Gläubiger, weshalb ausländische Firmen höhere Kosten in der Insolvenz zu tragen haben.36 Letztlich ist nur schwer vorhersehbar, in welcher Rechtsordnung sich die Vermögenswerte zum Zeitpunkt der Verfahrenseröffnung befinden.37 Dagegen strebt das Insolvenzsystem der Universalität eine weltweite Wirkung an. Die Eröffnung eines Insolvenzverfahrens wird überall anerkannt, wo das Universalitätsprinzip gilt.38 Regelmäßig ist nach dem Mittelpunkt der wirtschaftlichen Interessen des Insolvenzschuldners der Staat zu identifizieren, von dem aus das Insolvenzverfahren betrieben wird. Insbesondere für lokale Gläubiger kann dies zu Überraschungen führen, wenn entgegen ihrer Erwartungen ein anderes Insolvenzregime anzuwenden ist und das nationale Recht verdrängt.39 Dennoch ist der Mittelpunkt der Schuldnerinteressen besser vorherzusehen als die Vermögensbelegenheit unter dem Territorialitätsprinzip.40 Die Universalität ist eng verbunden mit dem Gedanken der Verfahrenseinheit, kann aber auch durch eine Verfahrenspluralität mittels Sekundärverfahren erreicht werden.41 Es gilt dennoch vereinfacht der Grundsatz: Die Universalität strebt ein Hauptverfahren, eine Masse, ein anwendbares Recht in Bezug auf insolvenzbezogene Rechtsfragen an.42 Die Folge der Universalität ist, dass ein Gericht auch gezwungen sein kann, ausländisches Recht an-

ordnung die in dem Land belegenen Vermögenswerte an sich reißt, vgl. Westbrook, 23 Penn St. Int'l L. Rev. 625 (2005), 625. 33 Naef/Naef, PJA 2008, 1396, 1397. 34 Staehelin, Die Anerkennung ausländischer Konkurse und Nachlassverträge in der Schweiz (Art. 166 ff. IPRG), S. 2. 35 Bebchuk/Guzman, 42 J.L. & Econ. 775 (1999), 775, 780, 806; vgl. auch Paulus, DStR 2005, 334, 335. 36 Bebchuk/Guzman, 42 J.L. & Econ. 775 (1999), 778 u. 803 f. 37 Westbrook, 23 Penn St. Int'l L. Rev. 625 (2005), 630 f. 38 Mason, in: Cross-Border Insolvency Law, S. 45 ff. 39 Fletcher, Insolvency in PIL, S. 12. 40 Westbrook, 23 Penn St. Int'l L. Rev. 625 (2005), 630. 41 Zur Unterscheidung zwischen Territorialität und Universalität sowie Verfahrenseinheit und Verfahrenspluralität: Wyen, Rechtswahlfreiheit im europäischen Insolvenzrecht, S. 16 ff.; Bloching, Pluralität und Partikularinsolvenz, S. 22 42 Staehelin, Die Anerkennung ausländischer Konkurse und Nachlassverträge in der Schweiz (Art. 166 ff. IPRG), S. 2.

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Kapitel 4: Internationales Privatrecht

zuwenden, wenn beispielsweise ausländisches Insolvenzrecht maßgeblich ist.43 Heute sind die Prinzipien nicht in ihrer Reinform verwirklicht.44 Rechtsordnungen, die der Territorialität folgen, erkennen beschränkt die Wirkungen ausländischer Insolvenzverfahren an und auch das Universalitätsprinzip wird durch Sekundärverfahren und Niederlassungsinsolvenzen abgeschwächt. Damit kommt es heute unabhängig von der systemischen Ausrichtung des internationalen Insolvenzrechts immer wieder zu mehreren parallelen Verfahren, die es zu koordinieren gilt. Ferner erheben viele Staaten stets einen aktiven universellen Geltungsanspruch für die Wirkungen eines Insolvenzverfahrens und fordern einen universellen Insolvenzbeschlag.45 Wenn es hingegen um die Inlandswirkungen eines ausländischen Insolvenzverfahrens geht, wird die Universalität oft nur eingeschränkt anerkannt.46

§ 15 Anwendbares Recht auf schwebende Verträge: Lösungsklauseln § 15 Anwendbares Recht

Nun wird dem ersten Fragenkomplex nachgegangen, nach welchem anwendbaren Recht die Wirksamkeit von insolvenzbezogenen Lösungsrechten zu beurteilen ist. Hierzu soll auf die europäische (§ 15, A.), die deutsche (§ 15, B.) und die schweizerische (§ 15, C.) Rechtslage eingegangen werden. Anschließend sollen Auswirkungen des materiellen Einheitsrechts CISG (§ 15, D.) kursorisch betrachtet werden, bevor eine Würdigung (§ 15, E.) die Ergebnisse zusammenfasst. A. Europäisches Kollisionsrecht I. Wirkungsmechanismus der EuInsVO Das europäische Insolvenzkollisionsrecht wird durch die Verordnung EU/2015/848 über Insolvenzverfahren (EuInsVO) vom 20. Mai 2015 geregelt.47 Die EuInsVO soll Rechtssicherheit und Planungseffizienz von Wirt43

Westbrook, 23 Penn St. Int'l L. Rev. 625 (2005), 627. Paulus, DStR 2005, 334, 334. 45 Beispielsweise in Deutschland zu § 35 InsO: Peters, in: Münchener Kommentar zur Insolvenzordnung (Hrsg. Kirchhof/Eidenmüller/Stürner), § 35, Rn. 36 („Das Auslandsvermögen gehört zur Insolvenzmasse, gleichgültig, ob es auf Grund der Bestimmungen des ausländischen Rechts zur Masse gezogen werden kann oder nicht.“); in der Schweiz Art. 197 SchKG („Sämtliches pfändbare Vermögen […] bildet, gleichviel wo es sich befindet, eine einzige Masse […].“). 46 Vgl. hierzu insbesondere die Schweiz mit ihrer starken territorialen Ausrichtung. 47 Diese Verordnung löst die Verordnung EG/1346/2000 ab und ist ab dem 26.6.2017 anzuwenden (Art. 92). Zu beachten sind auch die Richtlinien RL 2001/24/EG vom 4.4. 44

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schaftstransaktionen gewährleisten.48 Der Verordnung kommt nur eine innergemeinschaftliche Wirkung zu, sodass das nationale Kollisionsrecht weiterhin einen eigenen Anwendungsbereich aufweist.49 Dogmatischer Ausgangspunkt ist das Universalitätsprinzip, allerdings in einer modifizierten Weise („modifizierte Universalität“), da am Ort der Niederlassung des Schuldners ein Sekundärverfahren eröffnet werden kann.50 Die Niederlassung darf dabei nicht nur vorübergehender Art sein und muss wirtschaftlich Aktivitäten durch den Einsatz von Personal und Vermögenswerten aufweisen.51 Bei dem Sekundärverfahren handelt es sich nicht um ein Insolvenzverfahren über die Niederlassung. Vielmehr dient das Kriterium der Niederlassung nur als Anknüpfungspunkt, wo lokale Gläubigerinteressen als schutzwürdig eingestuft werden und in dessen Folge sämtliche Vermögenswerte im Mitgliedstaat der Niederlassung zu erfassen sind.52 Anders als in der Schweiz oder in Deutschland genügt für die Eröffnung eines Sekundärverfahrens nicht die bloße Vermögensbelegenheit.53 Die internationale Zuständigkeit für die Eröffnung eines Insolvenzverfahrens, bestimmt sich nach dem Mittelpunkt der hauptsächlichen Interessen des Insolvenzschuldners (engl. „COMI“), Art. 3 EuInsVO.54 Zwischen internationaler Zuständigkeit und anwendbarem Recht wird durch Art. 7 Abs. 1 EuInsVO ein Gleichlauf hergestellt: Das „Insolvenzverfahren und seine Wirkungen“ richten sich nach dem „Insolvenzrecht des Mitgliedstaats“, in dem das

2001 über die Sanierung und Liquidation von Kreditinstituten und RL 2001/17/EG vom 19.3.2001 über die Sanierung und Liquidation von Versicherungsunternehmen. Zur Reform der EuInsVO: Thole, ZEuP 2014, 39, passim. Zur geschichtlichen Entwicklung des europäischen Kollisionsrechts: Bloching, Pluralität und Partikularinsolvenz, S. 52 ff.; Fehrenbach, Haupt- und Sekundärinsolvenzverfahren, S. 3 ff.; Rodriguez, Zuständigkeiten im internationalen Insolvenzrecht, S. 105ff.; Prütting, KSzW 2012, 255, 257; Lüer, in: Insolvenzordnung, Kommentar (Hrsg. Uhlenbruck/Hirte/Vallender), Vorbemerkungen zu §§ 335–338, Rn. 8 ff.; Marchand, in: Mélanges en l'honneur de François Knoepfler (Hrsg. Bohnet/Wessner), Les règles du droit suisse de la faillite internationale à l'heure des faillites européennes, S. 112; Nerlich, in: Insolvenzordnung, Kommentar (Hrsg. Nerlich/Römermann), Vorb. EuInsVO, Rn. 4 ff. Zur Wirkungsweise der EuInsVO: Fehrenbach, Haupt- und Sekundärinsolvenz-verfahren, S. 59 ff.; Rodriguez, Zuständigkeiten im internationalen Insolvenzrecht, S. 111 ff. 48 Virgós/Garcimartín, The European Insolvency Regulation: Law and Practice, S. 7; Virgós/Garcimartín, The European Insolvency Regulation: Law and Practice, S. 15. 49 Lüer, in: Uhlenbruck, InsO, EuInsVO, Art. 1, Rn. 2. 50 Vgl. Wyen, Rechtswahlfreiheit im europäischen Insolvenzrecht, S. 18 f. 51 Art. 2 Nr. 10 EuInsVO; Virgós/Schmit, Report on the Convention on Insolvency Proceedings European Union Council Report (3.5.1996), 6500/96, Tz. 71. 52 Lüer, in: Uhlenbruck, InsO, EuInsVO, Art. 3, Rn. 6. 53 Weller, ZHR 2005, 570, 586; vgl. § 354 Abs. 2 InsO. 54 Hierzu ausführlich Wyen, Rechtswahlfreiheit im europäischen Insolvenzrecht, S. 39 ff.; Rodriguez, Zuständigkeiten im internationalen Insolvenzrecht, S. 196 ff.

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Verfahren eröffnet wird.55 Die lex fori concursus soll eine neutrale, praktikable und widerspruchsfreie Rechtsanwendung sicherstellen sowie Entscheidungseinklang, Rechtssicherheit, Prozessökonomie, Gläubigergleichbehandlung, Kostenersparnis und effiziente Prozessführung ermöglichen.56 Durch Sonderanknüpfungen und Partikularverfahren wird diese Wirkung abgemildert.57 II. Qualifikation von Lösungsverboten Sind Verbote von Lösungsrechten funktional als eine Wirkung des Insolvenzrechts zu erfassen und damit von der lex fori concursus zu beantworten? Alle verfahrensrechtlichen und materiellen Wirkungen, die aus dem Verfahren resultieren, insbesondere auch solche Wirkungen auf Rechtsverhältnisse, sind einheitlich nach Insolvenzstatut zu beurteilen.58 Damit soll eine einheitliche und rechtssichere Anknüpfung für das materielle und formelle Insolvenzrecht gefunden werden.59 Hierbei präzisiert Art. 7 Abs. 2 Satz 2 lit. e EuInsVO, dass das Insolvenzstatut insbesondere regelt, „wie sich das Insolvenzverfahren auf laufende Verträge des Schuldners auswirkt“. Die Rechte und Pflichten aus dem Vertrag selbst werden nach der lex causae bestimmt.60 Weitgehend anerkannt ist, dass das Erfüllungswahlrecht des Insolvenzverwalters, aber auch Möglichkeiten des Verwalters und Gläubigers zur erleichterten oder automatischen Vertragsbeendigung sowie besondere Regelungen für bestimmte Vertragstypen dem Insolvenzstatut unterfallen.61 Auch Verbote wie § 119 InsO und Verbote von Lösungsklauseln sollen hiernach als Wirkung des Insolvenzverfahrens nach dem Insolvenzstatut geregelt werden.62 Verpflichtungen zur Fortsetzung von Versorgungsverträgen wie Gas, Wasser und Strom sind dem Insolvenz-

55

Nerlich, in: Nerlich/Römermann, InsO, EuInsVO, Art. 4, Rn. 1; Virgós/Garcimartín, The European Insolvency Regulation: Law and Practice, S. 72. 56 Aufzählung nach Kindler, in: MüKo-BGB, Art. 4 EuInsVO, Rn. 4. 57 Weller, ZHR 2005, 570, 575. 58 Erwägungsgrund 66 EuInsVO. Nerlich, in: Nerlich/Römermann, InsO, EuInsVO, Art. 4, Rn. 4; Haß/Herweg, in: EuInsVO (Hrsg. Huber/Haß/Gruber/Heiderhoff/Herweg), VO (EG) 1346/2000, Art. 4, Rn. 2; Virgós/Schmit, Begleitender Bericht, Tz. 90. 59 Kindler, in: MüKo-BGB, Art. 4 EuInsVO, Rn. 5. 60 Wessels, Insolvency Law, Rn. 10679. 61 Nerlich, in: Nerlich/Römermann, InsO, EuInsVO, Art. 4, Rn. 40; Kindler, in: MüKoBGB, Art. 4 EuInsVO, Rn. 29; Duursma-Kepplinger, in: Europäische Insolvenzordnung – Kommentar (Hrsg. Duursma-Kepplinger/Duursma/Chalupsky), Art. 4, Rn. 18; Geimer, Internationales Zivilprozessrecht, Rn. 3538. 62 Kindler, in: MüKo-BGB, Art. 4 EuInsVO, Rn. 29; Dammann/Lehmkuhl, NJW 2012, 3069, 3071; Virgós/Garcimartín, The European Insolvency Regulation: Law and Practice, S. 122.

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statut zu unterstellen.63 Gleichwohl ist nicht abschließend geklärt, wie weit die Regelungswirkung des Art. 7 EuInsVO bei laufenden Verträgen reichen soll und inwiefern damit in das Vertragsstatut eingegriffen wird.64 Detailfragen bleiben regelmäßig unangesprochen. Allgemein ist umstritten, ob Art. 7 EuInsVO extensiv auszulegen ist, um eine einheitliche Wirkung im Insolvenzverfahren zu erreichen.65 Dagegen wird eine restriktive Auslegung befürwortet und nur solche Normen, die in einer besonders engen Verbindung zum Insolvenzverfahren stehen, sollen dem Insolvenzstatut unterstellt werden.66 Damit kann das schutzwürdige Vertrauen in das eigentlich außerhalb der Insolvenz berufene Recht erhalten werden. Der begleitende Bericht zum Europäischen Insolvenzübereinkommen stellt klar, dass nur die typischen konkursrechtlichen Wirkungen nach dem Insolvenzstatut zu bewerten sind, die notwendig sind, um die Verfahrenszwecke zu erreichen. „Zu den materiellen Wirkungen, für die nach Artikel 4 das Recht des Staates der Verfahrenseröffnung gilt, sind die Wirkungen zu zählen, die typisch konkurs-rechtlicher Art sind, d. h. die Wirkungen, die notwendig sind, damit das Insolvenzverfahren seinen Zweck erfüllt. Insofern kann das Recht des Staates der Verfahrenseröffnung, soweit im Übereinkommen nichts anderes bestimmt ist, Vorrang vor dem Recht haben, das normalerweise nach den gewöhnlichen vor Einleitung des Insolvenzverfahrens geltenden Kollisionsnormen auf die betreffende Rechtshandlung anwendbar ist.“67

Art. 7 Abs. 2 Satz 2 lit. e EuInsVO n.F. räumt daher dem Insolvenzstatut nur im Rahmen des Erforderlichen den Vorrang vor dem normalerweise berufenen Recht ein und ist damit eine „kollisionsrechtliche lex specialis“.68 „Im Rahmen des Erforderlichen hat dabei das Recht des Staates der Verfahrenseröffnung Vorrang vor dem auf den Vertrag anzuwendenden Recht im Sinne des Übereinkommens von Rom von 1980.“69

Auf gegenseitige Verträge ist im Ausgangspunkt das Vertragsstatut anwendbar; nur sofern die Insolvenz bzw. das Insolvenzverfahren das Vertragsverhältnis modifiziert, wird das Vertragsstatut vom Insolvenzstatut überlagert –

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Wessels, Insolvency Law, Rn. 10679. Vgl. beispielsweise den Fall des OLG Karlsruhe, Urt. v. 15.2.2012 – 13 U 150/10, NZI 2012, 526. 65 Duursma-Kepplinger, in: EuInsVO, Art. 4, Rn. 7; Balz, ZIP 1996, 948, 948 ff.; vgl. Leible/Staudinger, KTS 2000, 533, 550. 66 Vgl. Virgós/Schmit, Begleitender Bericht, Tz. 90; Haas, NZI 2001, 1, 10. 67 Virgós/Schmit, Begleitender Bericht, Tz. 90. 68 Wyen, Rechtswahlfreiheit im europäischen Insolvenzrecht, S. 20; Pfeiffer, in: Ars aequi et boni in mundo, S. 423. 69 Virgós/Schmit, Begleitender Bericht, Tz. 91 zu Buchstabe e (laufende Verträge). 64

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letzteres ist dann maßgeblich.70 Die Regeln zur Vertragsbeendigung unterstehen damit im Ausgangspunkt der lex contractus;71 erst der Zusammenhang und die Wirkungen des Insolvenzverfahrens nehmen hierauf Einfluss, um Insolvenzziele zu erfüllen.72 Nur bei Arbeitsverträgen und Finanzverträgen wird eine Sonderanknüpfung nach der lex contractus durchgeführt. In diesem Fall richtet sich das anwendbare Recht ausschließlich nach dem Sonderstatut; eine Kumulation mit der lex fori concursus findet nicht statt.73 Gerade bei Finanzverträgen sollen große Transaktionen vor Störungen geschützt werden.74 Im Umkehrschluss kann erkannt werden, dass alle anderen Wirkungen der lex fori concursus zu unterstellen sind. Gleichfalls ist die Reichweite des Insolvenzstatuts teleologisch zu bestimmen, wobei die Ordnungsziele der Kollisionsnorm und der Zweck der Sachnorm zu berücksichtigen sind.75 Für das materielle Insolvenzrecht sind vor allem die eingangs genannten Ziele der Rechtssicherheit, Widersprüche zu vermeiden und die Prozessökonomie einzubeziehen.76 Selbst allgemeines Recht ist anzuwenden, wenn diese Normen insolvenzrechtlich geprägt sind.77 Entscheidend ist, dass der Verfahrenszweck erfüllt werden kann – ggf. mit einer Mehrfachqualifikation.78 Insolvenzrechtlich geprägt sind vor allem Normen, die auf die gemeinschaftliche Befriedigung der Gläubiger ausgerichtet sind und damit der Gläubigergleichbehandlung dienen.79 Schmidt-Kessel kritisiert die einheitliche und weitgreifende Anknüpfung der EuInsVO. Er sieht die umfassende Unterstellung der Vertragsverhältnisse unter die lex fori concursus als kaum begründet an. Die Gläubigergleichbehandlung würde auf kollisionsrechtlicher Ebene die Anknüpfung nicht rechtfertigen. Auch im Verwalterwahlrecht sei von Anfang an eine Ungleichbehandlung angelegt, die nicht der Gläubigergleichbehandlung, sondern der 70

Reinhart, in: Münchener Kommentar zur Insolvenzordnung (Hrsg. Kirchhof/Stürner/ Eidenmüller), VO (EG) 1346/2000, Art. 4, Rn. 9; Lüer, in: Uhlenbruck, InsO, EuInsVO, Art. 4, Rn. 15; Wessels, Insolvency Law, Rn. 10678. 71 Siehe Art. 12 (1)(d) Rom I; Virgós/Garcimartín, The European Insolvency Regulation: Law and Practice, S. 121. 72 Virgós/Garcimartín, The European Insolvency Regulation: Law and Practice, S. 122; Matthews, 30 J. I. B. L. R. 62 (2015), 64. 73 Virgós/Schmit, Begleitender Bericht, Tz. 127; Kindler, in: Handbuch Insolvenzrecht in Europa (Hrsg. Kindler/Nachmann), § 4. Geltungsbereich und Grenzen des Insolvenzstatuts, S. 91. 74 Virgós/Schmit, Begleitender Bericht, Tz. 23, 120. 75 Kindler, in: MüKo-BGB, Art. 4 EuInsVO, Rn. 6. 76 Kindler, in: MüKo-BGB, Art. 4 EuInsVO, Rn. 7. 77 Kindler, in: MüKo-BGB, Art. 4 EuInsVO, Rn. 7 unter Hinweis auf Virgós/Schmit, Begleitender Bericht, Tz. 90; vgl. EuGH, ECLI:EU:C:1979:49; Lüer, in: Uhlenbruck, InsO, EuInsVO, Art. 4, Rn. 12; Kindler, NZG 2003, 1086, 1090. 78 Kindler, in: MüKo-BGB, Art. 4 EuInsVO, Rn. 9; Kindler, NZG 2003, 1086, 1090. 79 Kindler, in: MüKo-BGB, Art. 4 EuInsVO, Rn. 10.

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Massebegünstigung diene. Problematisch sei vor allem ein mehrfacher Statutenwechsel des Vertragsverhältnisses, wenn sich das Insolvenzstatut für das Verwalterwahlrecht einschiebt und Abwicklungsfragen des Vertragsverhältnisses wieder unter dem Vertragsstatut zu klären sind.80 Funktional seien mit dem Insolvenzrecht Moratorien und ein hiermit verbundener Ausschluss der Vertragsaufhebung verbunden, da Sanierungszwecke und die Handlungsfähigkeit des Verwalters gewährt werde.81 Allerdings könnten vertragliche Lösungsrechte auf den Insolvenzfall unter die lex contractus qualifiziert werden und entsprechende Verbote als international zwingende Norm eingeordnet werden.82 Schmidt-Kessel spricht sich dafür aus, das Vorliegen schwebender Verträge, die Vertragsbeendigung und zusätzliche Sicherungsrechte bei der Vertragsfortführung für den Vertragspartner nach der lex contractus zu bewerten; hingegen die Zurechnung des Verwalterhandelns, privilegierte Masseverbindlichkeiten bei Vertragsfortführung und verfahrensrechtliche Hindernisse nach der lex fori concursus.83 Nur bei letzterer Gruppe sei ein hinreichender insolvenzrechtlicher Bezug festzustellen. III. Stellungnahme Der differenzierte Ansatz von Schmidt-Kessel ist herausfordernd, da verschiedene Situationen im „Leben“ des Vertrags unterschiedlich angeknüpft werden. Damit wird die Rechtsanwendung komplizierter und die Rechtssicherheit kaum gefördert. Es ist zutreffend, dass grundsätzlich die lex contractus auf das Vertragsverhältnis anzuwenden ist. Die Insolvenzwirkungen überlagern allerdings funktionell das Vertragsstatut, insoweit dies notwendig ist. Die Insolvenz bewirkt stets eine Zäsur des Vertragsverhältnisses, sodass es gleichgültig ist, ob das Insolvenzrecht des Vertragsstatuts nunmehr das Schicksal des Vertrags regelt oder die lex fori concursus. Damit wird zunächst nur das anwendbare Insolvenzrecht ausgewechselt. Dass zur Abwicklung erneut auf das Vertragsstatut zurückzugreifen ist, ist unschädlich, als sich die Situation nicht fundamental von einem rein nationalen Sachverhalt unterscheidet. Auch innerhalb einer Rechtsordnung stellen sich Abgrenzungsfragen zwischen allgemeinem Privatrecht und dem spezifischen Insolvenzrecht. Bei einer Vielzahl von Verträgen hätte sich der Insolvenzverwalter letztlich mit einem zersplitterten Insolvenzstatut auseinanderzusetzen, was für den Insolvenzverwalter kaum praktisch handhabbar wäre. Für die Behandlung von Lösungsklauseln würde Schmidt-Kessel zunächst auf das Vertragsstatut zurückgreifen, um ggf. das zwingende Insolvenzrecht 80

Schmidt-Kessel, in: Festschrift für Peter Schlechtriem zum 70. Geburtstag (Hrsg. Schwenzer/Hager), CISG-Verträge in der Insolvenz – eine Skizze, S. 266 ff. 81 Schmidt-Kessel, in: FS Schlechtriem, S. 267. 82 Schmidt-Kessel, in: FS Schlechtriem, S. 268. 83 Schmidt-Kessel, in: FS Schlechtriem, S. 268.

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nachträglich als international zwingende Norm einzuführen. Eine solche Lösung eröffnet den Gerichten allerdings die Möglichkeit, über den Charakter der ausländischen Normen zu spekulieren. Dieser Weg ist fragwürdig, da der Bereich der international zwingenden Normen höchst umstritten ist. Die grundsätzliche Zulässigkeit der Vertragsbeendigung ist in erster Linie eine Frage des Vertragsrechts – sei es aufgrund vertraglicher oder gesetzlicher Regelung. Erst der Schutz von insolvenzrechtlichen Normen und Zwecken führt in immer mehr Rechtsordnungen zu Verboten dieser Klauseln. Die insolvenzrechtlichen Verbote greifen damit in die Privatautonomie ein. Sie entspringen aber qualitativ dem Insolvenzrecht und somit dem Insolvenzstatut, unabhängig davon, ob die Unwirksamkeitsfolge ein Insolvenzverfahren voraussetzt oder die Klauseln von Anfang an nichtig sind. Reicht dies aus, um die Verbote daher ausschließlich dem Insolvenzstatut zuzuordnen? Auch wenn die Verbote unabhängig von einem Insolvenzverfahren greifen und damit systematisch dem allgemeinen Recht zugeordnet werden können, ist der faktische Anwendungsbereich auf die Insolvenz beschränkt. Damit liegt keine eigentlich vertragsrechtliche Frage zugrunde, die nach Art. 10 Rom-IVO zu qualifizieren ist. Insofern ist Art. 4 EuInsVO autonom nach dem Normzweck auszulegen. Für die Frage nach der Einordnung von Lösungsverboten ist ein gemeinsamer Systembegriff auf europäischer Ebene zu finden, der sich von den nationalen Interpretationen löst.84 Aus der rechtsvergleichenden Untersuchung im ersten Teil der Arbeit ergibt sich, dass mit den Verboten von Lösungsklauseln ein inhärenter insolvenzrechtlicher Zweck verfolgt wird. Es besteht eine direkte Verbindung zum Wahlrecht des Verwalters, um Sanierungen zu erleichtern. Das Verwalterwahlrecht soll einheitlich geschützt werden. Mittelbar soll die Masse gemehrt und eine bessere gemeinschaftliche Befriedigung der Gläubiger ermöglicht werden. Damit sind Verbote von Lösungsrechten für den Insolvenzfall insolvenzrechtlich zu qualifizieren – unabhängig, ob eine weite oder restriktive Auslegung des Insolvenzstatuts unter der EuInsVO richtig ist. Es besteht nämlich ein notwendiger spezifischer enger Zusammenhang mit den funktionalen Zielen des Insolvenzverfahrens.85 Die EuInsVO zielt darauf ab, das forum shopping für das anwendbare Recht im Insolvenzfall zu erschweren bzw. zu unterbinden.86 Insofern ist es auch nicht im Geist der Verordnung, wenn sich die Vertragsparteien durch Rechtswahl ein ihnen gewogeneres Vertragsstatut aussuchen könnten, das 84

Baratta, in: Yearbook of Private International Law (Hrsg. Šarčević/Volken/Bonomi), The Process of Characterization in the EC Conflict of Laws: Suggesting a Flexible Approach, S. 155 ff. 85 Lüer, in: Uhlenbruck, InsO, EuInsVO, Art. 4, Rn. 12; Löffler, BB 2013, 1283, 1288; Pfeiffer, in: Ars aequi et boni in mundo, S. 423. 86 Erwägungsgrund (4) zur EuInsVO. Haß/Herweg, in: VO (EG) 1346/2000, Art. 4, Rn. 2; Huber, EuZW 2002, 490, 490 f.

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Lösungsklauseln für wirksam erachtet. Ferner sollen die insolvenzrechtlichen Risiken vorhersehbar sein.87 Mit einer Rechtswahl ist das nur für die Vertragsparteien, aber nicht für alle Gläubiger möglich. Auch dem in der EuInsVO verfolgten Ziel der Gläubigergleichbehandlung88 widerspricht damit eine Anwendung der lex contractus. Gesetzliche und vertragliche Lösungsverbote sind nach EuInsVO insolvenzrechtlich zu qualifizieren. Sie verdrängen die eigentlich anwendbare lex contractus. B. Deutsches Kollisionsrecht I. Wirkungsmechanismus der §§ 335 ff. InsO Das deutsche internationale Insolvenzrecht hat der Gesetzgeber mit Wirkung zum 20. März 2003 reformiert.89 Es folgt wie die EuInsVO dem Universalitätsprinzip; gleichzeitig hat es einen universellen Geltungsanspruch, indem es das weltweite Vermögen in das Verfahren einbeziehen möchte.90 Dies ist mittlerweile in § 343 InsO verankert, indem eine automatische Anerkennung ausländischer Insolvenzverfahren vorgesehen ist.91 Die Anerkennung setzt jedenfalls voraus, dass das ausländische Verfahren einen universellen Geltungsanspruch hat.92 Die Abkehr vom Territorialitätsprinzip hat der Bundesgerichtshof im Jahr 1985 noch unter der Konkursordnung vollzogen.93 Primär sollte durch das Universalitätsprinzip die Gläubigergleichbehandlung in der Insolvenz international verwirklicht werden. Die internationalen wirtschaftlichen Verflechtungen gebieten dies, um internationale Gerechtigkeit, Gleichheit und Rechtssicherheit herzustellen und forum shopping effektiv zu verhindern. In der Entscheidung wurde festgestellt, dass die insolvenzrechtliche Zulässigkeit einer Aufrechnung nach der lex fori concursus zu behandeln ist, da eine Gleichbehandlung nur bei einer einheitlichen Behandlung gewährleistet ist.

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Wyen, Rechtswahlfreiheit im europäischen Insolvenzrecht, S. 25. Wyen, Rechtswahlfreiheit im europäischen Insolvenzrecht, S. 28. 89 Gesetz zur Neuregelung des Internationalen Insolvenzrechts (BGBl I 2003, 345). 90 Vgl. Peters, in: MüKo-InsO, § 35, Rn. 36. 91 Smid, Deutsches und Europäisches Internationales Insolvenzrecht, § 335, Rn. 1. 92 BGH, Urt. v. 24.6.2014 – VI ZR 315/13, ZInsO 2014, 2181 (bejaht für das Schweizer Insolvenzverfahren). 93 BGH, Urt. v. 11.7.1985 – IX ZR 178/84, BGHZ 95, 256: Die bisherige Rechtsprechung (BGH, Urt. v. 4.2.1960 – VII ZR 161/57, NJW 1960, 774) wurde aufgegeben. Vgl. bereits die Wendeentscheidung andeutend: BGH, Urt. v. 13.7.1983 – VIII ZR 246/82, BGHZ 88, 147. Zur geschichtlichen Entwicklung des deutschen internationalen Insolvenzrechts, vgl. Bloching, Pluralität und Partikularinsolvenz, S. 29 ff. 88

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II. Qualifikation von Lösungsverboten Das Insolvenzverfahren und seine Wirkungen unterliegen der lex fori concursus, vgl. § 335 InsO. Das deutsche Recht unterscheidet nicht zwischen verfahrensrechtlichen und materiellrechtlichen Wirkungen; vielmehr ist insgesamt alles, was zur insolvenzrechtlichen Aufgabenerfüllung notwendig ist, als insolvenzrechtliche Wirkung zu betrachten.94 Die Normen sind funktionalteleologisch als lege fori zu qualifizieren.95 Wegen der vergleichbaren Ausgestaltung kann Art. 7 EuInsVO als Interpretationshilfe herangezogen werden.96 Insbesondere ein Beispielskatalog wie in Art. 7 Abs. 2 EuInsVO fehlt dem § 335 InsO. Auch materiell-rechtliche Folgewirkungen des Insolvenzverfahrens unterliegen der lex fori concursus – solche Wirkungen des ausländischen Verfahrens werden anerkannt, wenn diese nach dem deutschen internationalen Privatrecht als insolvenzrechtlich zu qualifizieren sind.97 Hierbei ist eine ausländische Rechtsvorschrift nach Sinn und Zweck zu erfassen, ihre Bedeutung vom Standpunkt des ausländischen Rechts her zu würdigen und mit der deutschen Einrichtung funktional zu vergleichen: Für eine insolvenzrechtliche Qualifikation sprechen solche Kriterien, die auf dem Insolvenzverfahren als Gesamtabwicklungsverfahren, zur Haftungsverwirklichung oder auf der Gläubigergleichbehandlung basieren und für die Aufgabenerfüllung des Verfahrens wesentlich sind – es kann sich um eine spezielle Regelung für die Insolvenz handeln oder diese kann generell gelten.98 Daher werden nach herrschender Ansicht auch die Wirkungen der Insolvenz auf laufende Verträge insolvenzrechtlich qualifiziert und der lex fori concursus unterstellt.99 Das Verwalterwahlrecht untersteht damit – auch bei anders lautender Rechtswahl – stets dem Insolvenzstatut.100 Die gesetzliche Vertragsbeendigung im Insolvenzfall richtet sich als Frage insolvenzrechtlicher Natur ebenfalls nach dem 94 Smid, Deutsches und Europäisches Internationales Insolvenzrecht, § 335, Rn. 5; Lüer, in: Insolvenzordnung, Kommentar (Hrsg. Uhlenbruck/Hirte/Vallender), § 335 InsO, Rn. 8. 95 Kindler, NZG 2003, 1086, 1090. 96 BT-Drs. 15/16, S. 18; Kindler, in: Hdb. Inso. Europa, § 4, Rn. 67; Kolmann/Keller, in: Insolvenzrechts-Handbuch, § 133, Rn. 8. 97 BGH, Urt. v. 24.6.2014 – VI ZR 315/13, ZInsO 2014, 2181. 98 BGH, Urt. v. 24.6.2014 – VI ZR 315/13, ZInsO 2014, 2181; Reinhart, in: Münchener Kommentar zur Insolvenzordnung (Hrsg. Kirchhof/Eidenmüller/Stürner), Vor §§ 335 ff. InsO, Rn. 37, 101. 99 Garašić, Anerkennung ausländischer Insolvenzverfahren, S. 296 m.w.N.; Kolmann, Kooperationsmodelle im internationalen Insolvenzrecht, S. 198; Schollmeyer, Gegenseitige Verträge im internationalen Insolvenzrecht, S. 175; Schmidt-Kessel, in: FS Schlechtriem, S. 264; Kolmann/Keller, in: Insolvenzrechts-Handbuch, § 133, Rn. 57 m.w.N.; Lüer, in: Uhlenbruck, InsO, § 335, Rn. 9 f. Ausführlich analysierend: Schollmeyer, Gegenseitige Verträge im internationalen Insolvenzrecht, S. 150 ff. 100 Lüer, in: Uhlenbruck, InsO, § 335, Rn. 41. Idem, m.w.N.: Die Abwicklung des Wahlrechts und mögliche Schadensersatzansprüche unterliegen allerdings der lex causae.

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Insolvenzstatut.101 Allerdings werden nach § 337 InsO Arbeitsverträge gesondert nach der lex contractus qualifiziert. In diesem Rahmen bleibt auch eine Rechtswahl zulässig. III. Stellungnahme Nach den gerade dargelegten Kriterien verfolgt ein Verbot von Lösungsklauseln einen primär insolvenzspezifischen Zweck. Um wie in der oben genannten Entscheidung des Bundesgerichtshofs Einheitlichkeit und Gleichbehandlung im Insolvenzverfahren bei der Zulässigkeit der Aufrechnung zu erreichen, ist dies ferner auch bei der Frage nach der Zulässigkeit von vertraglichen und gesetzlichen Lösungsmöglichkeiten bei laufenden Verträgen nötig. Die Verbote sind insolvenzrechtlich zu qualifizieren und nach der lex fori concursus zu bewerten. In der in § 14, B. vorgestellten Entscheidung hat das OLG Karlsruhe das Wahlrecht indes dem französischen Insolvenzstatut unterstellt, die vertragliche Kündigungsvereinbarung aber ausschließlich nach deutschem Recht bewertet.102 Es führt aus, mit Lösungsverboten würden, „nicht allein die Rechtsstellung des Insolvenzverwalters, insbesondere dessen Gestaltungsrechte, und die Auswirkungen des Insolvenzverfahrens auf laufende Vertragsbeziehungen geregelt, wofür das ausländische Insolvenzrecht maßgebend ist […], sondern die Bestimmung greift in die Vertragsbeziehungen ein, indem es bestimmte vertragliche Vereinbarungen für unwirksam erklärt. Eine derartige ausländische Eingriffsnorm […] auch mit international zwingendem Charakter bleibt in nach deutschem Recht zu beurteilenden in Deutschland zu erfüllenden Vertragsbeziehungen grundsätzlich unbeachtlich.“

Die Ausführungen des OLG Karlsruhe überzeugen nicht. Das Verwalterwahlrecht als insolvenzrechtliches Gestaltungsrecht der lex fori concursus zu unterstellen, aber Verbote von Lösungsklauseln – hier L. 622-13 C.com. – als direkten Eingriff in die Vertragsbeziehungen zu sehen und folglich der lex contractus zuzuordnen, zerreißt einen einheitlichen Lebenssachverhalt künstlich. Die Verbotsbestimmungen sind untrennbar mit dem Verwalterwahlrecht verbunden und beides bedeutet eine abweichende Regelung von dem zwischen den Parteien vereinbarten Vertrag. Beide Bestimmungen sind kollisionsrechtlich einheitlich zu bewerten. Insofern hätte das OLG Karlsruhe die Frage nach der Zulässigkeit von Lösungsklauseln bereits im Ausgangspunkt nicht dem deutschen Vertragsstatut unterstellen dürfen, sondern hätte auf das französische Insolvenzstatut zu-

101 Lüer, in: Uhlenbruck, InsO, § 335, Rn. 42; Kolmann/Keller, in: InsolvenzrechtsHandbuch, § 133, Rn. 81. Nach deutschem Recht erlöschen beispielsweise Aufträge, Geschäftsbesorgungsverträge und Vollmachten, vgl. §§ 115, 116, 117 InsO. 102 OLG Karlsruhe, Urt. v.15.2.2012 – 13 U 150/10, Rn. 12 (juris).

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rückgreifen müssen.103 Zwingende Lösungsverbote des Insolvenzrechts können nicht durch Rechtswahl einem anderen ausländischen Vertragsstatut unterstellt werden.104 Das insolvenzrechtliche Verwalterwahlrecht greift in Vertragsverhältnisse ein, sodass das OLG Karlsruhe eine künstliche Trennlinie zieht, indem es das Verwalterwahlrecht flankierende Schutzvorschriften – wie Lösungsverbote – von den Wirkungen des Insolvenzstatuts ausnimmt. Zwar verweist das OLG Karlsruhe aus seiner Position folgerichtig auf ausländische Eingriffsnormen, wobei entsprechend Art. 9 Abs. 3 Rom I auf eine Leistungserbringung in Deutschland abzustellen wäre. Damit wird aber gleichzeitig deutlich, dass eine Lösung über zwingende ausländische Eingriffsnormen von dem zufälligen Ort der Leistungserbringung abhängt, das Insolvenzverfahren noch komplizierter gestaltet und dessen Zwecke gefährdet. Diese Ansicht des OLG Karlsruhe ist daher abzulehnen. Nach herrschender Interpretation entspricht die deutsche Lösung dem europäischen Recht. C. Schweizerisches Kollisionsrecht „L’isolement héroïque du système suisse.“105 – „La citadelle helvétique.“106

I. Grundlegendes zum schweizerischen internationalen Insolvenzrecht Das schweizerische Bundesgesetz über das Internationale Privatrecht (IPRG) wird als eines der modernsten Gesetze seiner Art angesehen.107 Im Bereich des internationalen Insolvenzrechts war das schweizerische Recht durchaus wegweisend im Blick auf die nachfolgenden europäischen Entwicklungen.108 Im Lichte der europäischen (EuInsVO) und internationalen Modelle (UNCITRAL) zur internationalen Kooperation und Harmonisierung auf dem Gebiet des Insolvenzrechts, ist das schweizerische Recht heute als sehr restriktiv zu 103 Die Entscheidung des OLG Karlsruhe war noch unter dem Kollisionsrecht der Konkursordnung zu bewerten, was sich aber von der heutigen deutschen und europäischen Lösung in der Sache nicht unterscheidet. Kolmann und Keller halten es für „ungewiss“, ob sich der Auftragnehmer in dem Fall vor dem OLG Karlsruhe auf sein Kündigungsrecht berufen kann, vgl. Kolmann/Keller, in: Insolvenzrechts-Handbuch, § 133, Rn. 57. Vielmehr ist das Kündigungsrecht nicht ungewiss, sondern kann folgerichtig nur als nicht vorhanden betrachtet werden. 104 Hausmann, ZUM 1999, 914, 919. 105 Marchand, in: FS Knoepfler, S. 119. 106 Marchand, in: FS Knoepfler, S. 111; vgl. Rétornaz, 15 YbPIL 573 (2013/2014), 574. 107 Kadner Graziano, in: Kohärenz im Internationalen Privat- und Verfahrensrecht der Europäischen Union (Hrsg. Hein/Rühl), Gemeinsame oder getrennte Kodikation von IPR und IZVR: Das schweizerische IPR-Gesetz als Modell für eine europäische Gesamtkodikation – Lehren für die EU?, S. 44 ff. 108 Rodriguez, SZIER/RSDIE 2015, 399, 400 („in Anbetracht seiner Entstehungszeit als durchaus wegweisend bezeichnet werden [darf].“); Rodriguez, Zuständigkeiten im internationalen Insolvenzrecht, S. 104, Rz. 213.

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sehen.109 In der Literatur wird das internationale Insolvenzrecht als „geschlossene Festung“ und „heroische Isolation“ bezeichnet.110 Die Schweiz hält im Ausgangspunkt am Territorialitätsprinzip fest, sodass ausländische Insolvenzverfahren grundsätzlich nicht anerkannt werden und somit in der Schweiz keine Wirkungen entfalten.111 Gleichwohl erhebt der schweizerische Konkurs selbst einen universellen Geltungsanspruch und versucht, Vermögen weltweit in Beschlag zu nehmen.112 II. Wirkungsmechanismus der Art. 166 ff. IPRG Das IPRG ermöglicht einen eingeschränkten Zugriff für ausländische Insolvenzverfahren auf in der Schweiz belegene Vermögenswerte. Hierzu muss ein Anerkennungsverfahren nach den Art. 166 ff. IPRG durchgeführt werden („gelockerte Territorialität“).113 Das Verfahren führt zu einem IPRGHilfskonkurs114, der ein unselbständiges Partikularinsolvenzverfahren dar109

Marchand, in: Rechtshilfe und Vollstreckung: Zivilsachen, Kindesentführungen und Konkurs = Entraide judiciaire et exécution forcée: affaires civiles, enlèvements d'enfant et faillites (Hrsg. Leuenberger/Guy), Exécution de décisions étrangères en matière de faillite, S. 172. Kritisch zum jetzigen System der Schweiz: Staehelin, Konkurs im Ausland – Drittschuldner in der Schweiz, S. 417 f.; Marchand, in: FS Knoepfler, S. 119; Rétornaz, 15 YbPIL 573 (2013/2014), 574; Marchand, in: Exécution de décisions étrangères, S. 184 f.; Marchand, in: FS Knoepfler, S. 127 f.; Gehri/Kostkiewicz, SZIER 2009, 193, 221; Oberhammer, ZZZ 2008/09, 430, 435 (spricht sich für eine Totalrevision der Art. 166 ff IPRG aus). 110 Marchand, in: FS Knoepfler, S. 111; vgl. auch Rétornaz, 15 YbPIL 573 (2013/2014), 574. 111 BG, Urt. v. 17.8.2004, 7b.109/2004, ZZZ 2004, 256 f.; Staehelin, Konkurs im Ausland – Drittschuldner in der Schweiz, S. 409; Stoffel/Chabloz, Voies d'exécution: poursuite pour dettes, exécution de jugements et faillite en droit suisse, § 13 Rn. 8; Rodriguez, Zuständigkeiten im internationalen Insolvenzrecht, S. 64. 112 Vgl. Art. 197 Abs. 1 SchKG und Art. 27 KOV (SR 281.32); Volken, in: ZK-IPRG, Art. 170, Rn. 22. 113 BG, Urt. v. 21.9.2011, BGE 137 III 570, 572. Daneben ist ein Niederlassungskonkurs gem. Art. 50 SchKG über eine schweizerische Niederlassung denkbar. Dies ist möglich, wenn der Insolvenzschuldner seinen Sitz im Ausland hat und in der Schweiz eine Niederlassung betreibt (eine wirtschaftlich selbständige, dauerhaft eingerichtete Organisation, die keine eigene Rechtspersönlichkeit hat). In diesem Verfahren können nur die auf Rechnung der Niederlassung eingegangenen Verbindlichkeiten betrieben werden. Ausführlich zum Niederlassungskonkurs: Kälin, ZZZ 2014/2015, 189, passim. Zur Abgrenzung zwischen Niederlassungskonkurs und IPRG-Hilfskonkurs Rodriguez, Zuständigkeiten im internationalen Insolvenzrecht, S. 315 ff. 114 Der IPRG-Konkurs wird auch als Partikular-Konkurs, Anschluss-Konkurs, ParallelKonkurs, Sekundär-Konkurs, Mini-Konkurs bezeichnet, vgl. Berti/Mabillard, in: Basler Kommentar – Internationales Privatrecht (Hrsg. Honsell/Vogt/Schnyder/Berti), Vor Art. 166 ff., Rn. 8. Entwicklungen der aktuellen Rechtsprechung und Doktrin zum IPRGKonkurs zusammengefasst bei Naef/Naef, PJA 2008, 1396, 1398 f.

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stellt.115 Die Anerkennung eines ausländischen Insolvenzverfahrens nach Art. 166 ff. IPRG zieht folglich ein eigenständiges Konkursverfahren nach schweizerischem Recht nach sich (Art. 170 Abs. 1 IPRG).116 Das Hilfskonkursverfahren ist vereinfacht und verzichtet beispielsweise auf die Gläubigerversammlung (Art. 170 Abs. 3 IPRG). Das IPRG-Verfahren ist das schweizerische Mittel zu einer internationalen Kooperation in Insolvenzsachen.117 Das Verfahren ist eine Mischung aus Wirkungserstreckung des ausländischen Verfahrens und reiner Rechtshilfe.118 Es ist allerdings auf die Liquidation ausgerichtet.119 Das Hilfsverfahren schützt die lokalen und pfandgesicherten Gläubiger, die bevorzugt befriedigt werden und eine alleinige Abwicklung nach schweizerischem Recht erreichen können.120 Erst ein eventuell vorhandener Vermögensüberschuss wird an die ausländische Insolvenzmasse ausgeschüttet.121 Zwar ist das IPRG-Anerkennungsverfahren teuer, jedoch notwendig, um dem Insolvenzschuldner die Verfügungsbefugnis über Vermögenswerte in der Schweiz zu entziehen.122 Voraussetzung für die Anerkennung ausländischer Verfahren nach Art. 166 Abs. 1 IPRG ist, dass das Insolvenzverfahren am Wohnsitz des Schuldners eröffnet worden ist (indirekte internationale Zuständigkeit des Insolvenzgerichts). Außerdem muss der Insolvenzentscheid endgültig vollstreckbar sein (Art. 166 Abs. 1 lit. a IPRG), es darf kein Verstoß gegen den schweizerischen ordre public (Art. 166 Abs. 1 lit. b i.V.m. Art. 27 IPRG) vorliegen und der Staat des Insolvenzverfahrens muss „Gegenrecht“ halten (Art. 166 Abs. 1 lit c IPRG), d.h. ein schweizerischer Konkurs müsste auf

115

Zum Begriff des Partikularinsolvenzverfahrens Rodriguez, Zuständigkeiten im internationalen Insolvenzrecht, S. 73 ff. 116 Rodriguez, Zuständigkeiten im internationalen Insolvenzrecht, S. 99; Volken, in: ZKIPRG, Art. 170, Rn. 9 ff.; Gehri/Kostkiewicz, SZIER 2009, 193, 195; Grassmann, in: Internationales Privatrecht Art. 1200 IPRG CHK – Handkommentar zum Schweizer Privatrecht (Hrsg. Furrer/Girsberger/Müller-Chen), Art. 170, Rn. 3; vgl. kritisch Staehelin, Die Anerkennung ausländischer Konkurse und Nachlassverträge in der Schweiz (Art. 166 ff. IPRG), S. 115. 117 Rétornaz, 15 YbPIL 573 (2013/2014), 580 f. m.w.N. u. 581 zur Zusammenarbeit über das Bank- und Strafrecht. 118 Stoffel/Chabloz, Voies d'exécution, § 13, Rn. 26; Breitenstein, Internationales Insolvenzrecht der Schweiz und der Vereinigten Staaten, S. 176. 119 Volken, in: ZK-IPRG, Vor Art. 166, Rn. 7, vgl. auch Rn. 47. 120 Oberhammer, ZZZ 2008/09, 430, 431, sieht in der Territorialität den Schutz nationaler Interessen unter dem Deckmantel der Souveränität; Grassmann, in: Art. 166 IPRG, Rn. 3. 121 Marchand, in: Exécution de décisions étrangères, S. 173; Marchand, in: FS Knoepfler, S. 124. 122 Staehelin, Konkurs im Ausland – Drittschuldner in der Schweiz, S. 408.

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ähnliche Behandlung treffen.123 Das „Gegenrecht“ ist allerdings nur bei wenigen Ländern garantiert.124 Ohne ein IPRG-Verfahren entfaltet das ausländische Insolvenzverfahren keine konkurstypischen Wirkungen in der Schweiz.125 Die Rechts- und Handlungsfähigkeit des Verwalters richtet sich zwar im Ausgangspunkt nach der lex fori concursus.126 Die Legitimation für dessen Handeln in der Schweiz ist allerdings aufgrund der geltenden Territorialität eingeschränkt: Vor allem Verwertungs- und Vollstreckungshandlungen werden als hoheitliche Handlungen aufgefasst und sind unzulässig.127 Insbesondere ist bereits untersagt, Forderungen in der Schweiz einzuziehen oder zur Zahlung anzuhalten.128 Eine ausländische Insolvenzverwaltung kann letztlich nur den Antrag auf ein Verfahren nach Art. 166 ff. IPRG stellen.129

123 Graf, Die Anerkennung ausländischer Insolvenzentscheidungen, S. 99. Zu den Voraussetzungen auch Schwander, in: Recht und Internationalisierung: Festgabe gewidmet dem Schweizerischen Juristenverein anlässlich des Juristentags 2000 in St. Gallen durch die Juristische Abteilung der Universität St. Gallen (Hrsg. Meier-Schatz/Schweizer), Die Anerkennung ausländischer Konkursdekrete, Nachlassverträge und Kollokationspläne in der Schweiz, S. 332. Gehri/Kostkiewicz, SZIER 2009, 193, 199 ff.; Marchand, in: Exécution de décisions étrangères, S. 177; Schwander, in: Die Anerkennung ausländischer Konkursdekrete, Nachlassverträge und Kollokationspläne in der Schweiz, S. 331 ff.; Staehelin, Die Anerkennung ausländischer Konkurse und Nachlassverträge in der Schweiz (Art. 166 ff. IPRG), S. 8; Kren, Blätter für Schuldbetreibung und Konkurs 1993, 1, 5 ff. 124 Lorandi, AJP/PJA 2008, 560, 562. 125 Lorandi, AJP/PJA 2008, 560, 563. Dieser zur Überlegung einen Sachwalter außerhalb des IPRG-Verfahrens bei fehlender Handlungslegitimation zu bestellen, S. 565 ff. 126 BG, Urt. v. 7.9.1983, BGE 109 III 112, 115. 127 BG, Urt. v. 6.6.2003, BGE 129 III 683: Art. 166 ff. IPRG regeln die zwischenstaatliche Rechtshilfe in Konkurssachen. BG, Urt. v. 7.5.2004 – BGE 130 III 620, 629 f.: Der IPRG-Konkurs ist hinreichendes und einziges Mittel, eine ausländische Insolvenz zu berücksichtigen. Es ist als Rechtshilfeverfahren ausgestaltet, wobei die Verwertung nach schweizerischem Recht abläuft. alle hoheitlichen Akte, vgl. BGE 106 III 82 f.; Amonn/Walther, Grundriss des Schuldbetreibungs- und Konkursrechts, § 47 Nr. 1; Lorandi, AJP/PJA 2008, 560, 561. 128 BG, Urt. v. 26.10.2011 – BGE 137 III 631: Nur die Antragstellung und sichernde Maßnahmen sind zulässig; nicht hingegen Forderungsklagen. Solche können erst nach der IPRG-Anerkennung eingebracht werden. „Anderenfalls würde das vom IPRG in den Art. 166 ff. konzipierte System, das insbesondere eine Privilegierung von Gläubigern mit Wohnsitz in der Schweiz anstrebe, ausgehöhlt.“ Vergrößert die Verwertung die Haftungsmasse mit in der Schweiz gelegenem Vermögen, dient sie dem ausländischen Konkurs und ist damit wegen des Territorialitätsprinzips untersagt. Girsberger/Ambauen, SJZ 2012, 84, 88; Gehri/Kostkiewicz, SZIER 2009, 193, 206; Oberhammer, ZZZ 2008/09, 430, 433: Bereits die Forderungsklage ist unzulässig, da es Zweck ist, einen Massebestandteil zu verwerten. Allerdings ist der ausländische Verwalter legitimiert, wenn eine erst begründete Masseverbindlichkeit Streitgegenstand ist, Oberhammer, ZZZ 2008/09, 430, 436. 129 Gehri/Kostkiewicz, SZIER 2009, 193, 205.

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Das IPRG-Anerkennungsverfahren gilt sinngemäß auch für ausländische Sanierungsverfahren gem. Art. 175 IPRG. Die Anerkennung ist nur unvollständig und bruchstückhaft geregelt.130 Die offene Regelung bietet eine flexible Anerkennung für die vielfältig gestalteten ausländischen Sanierungsverfahren.131 Über den konkreten Wortlaut des Art. 175 IPRG hinaus, der nur die Anerkennung des Nachlassvertrags, also eines Insolvenzplans, vorsieht, soll auch die Wirkungserstreckung des ausländischen Verfahrens für gesetzlich angeordnete Stundungen und Maßnahmen des Vollstreckungsschutzes gelten.132 Die Maßnahmen gestatten höchstens die Folgen eines vergleichbaren inländischen Verfahrens („Wirkungsangleichung“).133 Ohne eine Anerkennung des ausländischen Sanierungsverfahrens entfaltet dieses keine Wirkungen in der Schweiz.134 Die Abgrenzung zwischen dem IPRG-Konkurs nach Art. 166 IPRG und dem entsprechenden IPRG-Hilfssanierungsverfahren nach Art. 175 IPRG wird insbesondere dann problematisch, wenn das ausländische Insolvenzverfahren ein Einheitsverfahren wie in Deutschland oder in Österreich ist, das sowohl auf Liquidation als auch auf Sanierung ausgerichtet ist. Eine abschließende Qualifikation bei Einleitung eines solchen Verfahrens ist nicht möglich.135 Die Mechanismen zur Lokalisierung eines Vertrags werden ausführlich in § 16, B. besprochen. Für die Bestimmung des anwendbaren Rechts soll diese Vorfrage der Vermögenslokalisierung zunächst ausgeklammert und vorgegeben werden. III. Reformbestrebungen von 2016/2017 Im Jahr 2015 wurde eine Reform der Art. 166 ff. IPRG angestoßen. Ziel ist, die Anerkennung ausländischer Insolvenzverfahren zu vereinfachen. InsbeUm die Territorialität abzumildern, wird in der Literatur vertreten, dass ein ausländisches Insolvenzverfahren – außerhalb des IPRG-Verfahrens – auch in einem gewöhnlichen Prozess als Vorfrage geltend gemacht und anerkannt werden kann: Staehelin, Konkurs im Ausland – Drittschuldner in der Schweiz, S. 410. Hierzu ausführlich mit weiteren Nachweisen: Naef/Naef, PJA 2008, 1396, 1398 f. u. 1407. Vgl. auch Schwander, in: Die Anerkennung ausländischer Konkursdekrete, Nachlassverträge und Kollokationspläne in der Schweiz, S. 332: Wirkungen des ausländischen Insolvenzverfahren können als Faktum berücksichtigt werden – eine vorfrageweise Berücksichtigung, die das Bundesgericht abgelehnt hat (BG, Urt. v. 7.5.2004, 130 III 620). 130 Grassmann, Handkommentar zum Schweizer Privatrecht, Art. 175, Rn. 1 f. 131 Rodriguez, Zuständigkeiten im internationalen Insolvenzrecht, S. 320, Rz. 715. 132 BG, Urt. v. 19.9.1996, SJ 1997, 101; Bopp, Sanierung im Internationalen Insolvenzrecht der Schweiz, S. 184 f., 195; Grassmann, Handkommentar zum Schweizer Privatrecht, Art. 175, Rn. 4. 133 Grassmann, Handkommentar zum Schweizer Privatrecht, Art. 175, Rn. 7. 134 Bopp, Sanierung im Internationalen Insolvenzrecht der Schweiz, S. 295; Grassmann, Handkommentar zum Schweizer Privatrecht, Art. 175, Rn. 10. 135 Vgl. Bopp, Sanierung im Internationalen Insolvenzrecht der Schweiz, S. 191 ff.

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sondere sollen das Gegenrechtserfordernis gestrichen und ausländische Insolvenzverfahren anerkannt werden, die am Mittelpunkt der hauptsächlichen Interessen des Schuldners eröffnet werden.136 Ferner soll auf den IPRGHilfskonkurs verzichtet werden können, „wenn weder pfandgesicherte Gläubiger noch privilegierte Gläubiger mit Wohnsitz in der Schweiz existieren noch Gläubiger einer Niederlassung vorhanden sind.“137 Dann möge der ausländische Insolvenzverwalter grundsätzlich seine Befugnisse auch in der Schweiz ausüben können, solange keine hoheitlichen Handlungen betroffen sind. Schließlich sollen die Verwalter paralleler grenzüberschreitender Insolvenzverfahren gesetzlich zur Kooperation angehalten werden, vgl. Art. 174b IPRG-E-2017. Die IPRG-Reform soll jedenfalls keine Auswirkungen auf die Bestimmungen zum anwendbaren Recht haben – hier bestünde kein Regelungsbedarf.138 IV. Qualifikation von Lösungsrechten: Unterscheidung zwischen materiellrechtlichen und verfahrensrechtlichen Wirkungen eines ausländischen Insolvenzverfahrens (1) Gesetzlich ist das anwendbare Recht für den Insolvenzfall nur fragmentarisch in Art. 170 Abs. 1 IPRG geregelt. Dieser lautet: „Die Anerkennung des ausländischen Konkursdekrets zieht, soweit dieses Gesetz nichts anderes vorsieht, für das in der Schweiz gelegene Vermögen des Schuldners die konkursrechtlichen Folgen des schweizerischen Rechts nach sich.“

(2) Die herrschende Literatur unterscheidet zwischen materiell-rechtlichen und verfahrensrechtlichen Wirkungen des ausländischen Insolvenzverfahrens: Die Anerkennungsfolgen des Art. 170 Abs. 1 IPRG sollen sich auf die insolvenzspezifischen Wirkungen des ausländischen Verfahrens beschränken. Verfahrensrechtliche Wirkung haben die vollstreckungsrechtlichen Aspekte der Vermögensverwertung und u.a. die Normen, die dem Schuldner einen Neubeginn ermöglichen – beispielsweise die Beschränkung der Verfügungs136

Botschaft zur Änderung des Bundesgesetzes über das Internationale Privatrecht vom 24.5.2017, 17.038, S. 4125, 4130. 137 Botschaft zur Änderung des Bundesgesetzes über das Internationale Privatrecht vom 24.5.2017, 17.038, S. 4125, 4131. 138 Botschaft zur Änderung des Bundesgesetzes über das Internationale Privatrecht vom 24.5.2017, 17.038, S. 4125, 4134. Erläuternder Bericht zur Änderung des Bundesgesetzes über das Internationale Privatrecht (Konkurs und Nachlassvertrag) S. 7 („Das 11. Kapitel des IPRG regelt nur die Anerkennung ausländischer Konkursdekrete, ohne die Zuständigkeit und das anwendbare Recht zu bestimmen. Auf eine umfassende Regelung des internationalen Konkursrechts wird aber vorliegend verzichtet, da die Schweiz in diesen Bereichen mit dem SchKG bereits über bewährte und befriedigende Lösungen verfügt und auch in der Praxis keine Anwendungsprobleme ersichtlich sind. Betreffend Zuständigkeit und anwendbares Recht besteht somit kein Regelungsbedarf.“).

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und Prozessführungsbefugnis, die Umwandlung von sämtlichen Forderungen gegen den Schuldner in Geldzahlungen, die Fälligkeit sämtlicher Forderungen, die Restschuldbefreiung und die Insolvenzanfechtung.139 Die verfahrensrechtlichen Wirkungen der Insolvenz seien von den materiell-rechtlichen Wirkungen des ausländischen Insolvenzverfahrens abzugrenzen.140 Materiell-rechtliche Wirkungen knüpfen zwar an das Insolvenzereignis an, können aber auch durch andere Ereignisse ausgelöst werden.141 Dies ist der Fall, wenn die Insolvenz nur den Tatbestand einer anderen gesetzlichen oder vertraglichen Norm ausfüllt (Tatbestandswirkung). Die Anerkennung eines ausländischen Konkurses ist insofern vielmehr eine Auslegungsfrage des materiellen Rechts.142 Als typische materiell-rechtliche Wirkung eines ausländischen Insolvenzverfahrens wird die Vertragsbeendigung aufgrund der Insolvenzeröffnung bewertet.143 Sieht ein Vertrag eine Lösungsklausel vor, die beispielsweise an die Eröffnung eines Insolvenzverfahrens anknüpft, oder besteht eine gesetzliche Beendigungsmöglichkeit im Insolvenzfall, kann dieser Tatbestand durch das ausländische Insolvenzverfahren ausgefüllt werden. 139

Staehelin, Die Anerkennung ausländischer Konkurse und Nachlassverträge in der Schweiz (Art. 166 ff. IPRG), S. 15 f.; Naef/Naef, PJA 2008, 1396, 1402; Kren, Blätter für Schuldbetreibung und Konkurs 1993, 1, 16 f. 140 Bereits BG, Urt. v. 18.7.1910 – BGE 36 I 794 („abgesehen von den rein materiellrechtlichen Veränderungen, welche die Forderung in demselben [ausländischen Konkursverfahren] erfährt, …“); Staehelin, Die Anerkennung ausländischer Konkurse und Nachlassverträge in der Schweiz (Art. 166 ff. IPRG), S. 16; Naef/Naef, PJA 2008, 1396, 1402; Oberhammer, ZZZ 2008/09, 430, 437. Schwander vertritt die Ansicht, dass ohne eine solche Differenzierung die ausländische Insolvenz als reine Tatsache im Sinne einer Vorfrage berücksichtigt werden kann. Hierbei seien keine Kollisionsregeln anzuwenden und nur eine faktische Berücksichtigung in einem schweizerischen Prozess möglich, Schwander, in: Die Anerkennung ausländischer Konkursdekrete, Nachlassverträge und Kollokationspläne in der Schweiz, S. 333 ff. 141 Staehelin, Die Anerkennung ausländischer Konkurse und Nachlassverträge in der Schweiz (Art. 166 ff. IPRG), S. 16 f.; Handelsgericht Zürich, Urt. v. 31.5.1977, SJZ 1978, 109, 110: In Holland wurde die Insolvenz eröffnet, das Vertragsverhältnis unterstand Schweizer Recht. Ein Alleinvertretervertrag wird automatisch nach Schweizer Recht im Insolvenzfall aufgelöst. Diese Wirkung wird nicht nur von der schweizerischen Konkurseröffnung, sondern auch von ausländischem Verfahren ausgelöst (materiell-rechtliche Wirkungen). Dies setzt voraus, dass das ausländische Verfahren dem schweizerischen Verfahren vergleichbar ist. 142 Breitenstein, Internationales Insolvenzrecht der Schweiz und der Vereinigten Staaten – Eine rechtsvergleichende Darstellung, S. 172. 143 Staehelin, Die Anerkennung ausländischer Konkurse und Nachlassverträge in der Schweiz (Art. 166 ff. IPRG), S. 16; Naef/Naef, PJA 2008, 1396, 1402; Oberhammer, ZZZ 2008/09, 430, 437. Im Schweizer Recht gewähren die folgenden Artikel die Möglichkeit der Vertragsbeendigung und berücksichtigen die ausländische Insolvenz unabhängig von einer Anerkennung nach IPRG: Art. 83, 250, 266h, 316, 337a, 392, 405, 418, 495, 518, 545 Ziff. 3, 574 Abs. 1, 736 Abs. 3, 820 Abs. 3, 912 Abs. 3 OR.

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Im Gegensatz zu den verfahrensrechtlichen Wirkungen werden die materiell-rechtlichen Wirkungen unabhängig von einer Anerkennung nach den Art. 166 ff. IPRG berücksichtigt.144 Das anwendbare Recht bei materiellrechtlichen Wirkungen richte sich nach der lex causae, also nach Maßgabe des nach IPRG gewöhnlich anwendbaren Kollisionsrechts.145 Das Insolvenzstatut sei folglich dann anzuwenden, wenn das schweizerische Internationale Privatrecht auf dieses Recht oder auf einen Staat verweist, der die verfahrensrechtlichen Wirkungen des ausländischen Insolvenzverfahrens anerkennt. Die lex causae kann ihrerseits durch das ausländische Insolvenzverfahren beeinflusst sein.146 (3) Bestand von Lösungsklauseln: Das Bestehen von Lösungsklauseln wird im Ausgangspunkt nach der kollisionsrechtlich bestimmten lex causae bewertet. Lösungsklauseln können zudem durch ein ausländisches Insolvenzverfahren ausgelöst werden, wenn die Vertragsbeendigung nach der lex causae vorgesehen ist. Insofern kommt dem ausländischen Insolvenzverfahren nur eine materiell-rechtliche Wirkung zu. (4) Die Abgrenzung von materiell-rechtlichen und konkurstypischen Wirkungen kompliziert die Rechtslage. Interessanterweise gehe die Unterscheidung zwischen konkurstypischen und materiell-rechtlichen Wirkungen des ausländischen Insolvenzverfahrens auf „deutsche Erkenntnisse“ zurück.147 Das deutsche Recht hat indes auf eine solche Trennung verzichtet.148 Bopp spricht sich daher konsequenterweise für die Aufgabe dieser Unterscheidung aus und hält sie für nicht relevant.149 Das Insolvenzstatut gelte für sämtliche mit dem ausländischen Insolvenzverfahren verbundenen Wirkungen auf einzelne Rechtsverhältnisse und verdränge die gewöhnlich berufene lex causae: Bei einem in Deutschland eröffneten und in der Schweiz anerkannten Insolvenzverfahren richte sich das Recht zur Auflösung eines dem schweizerischen Recht unterstehenden Auftrags nach der deutschen lex fori concursus und nicht der schweizerischen lex causae.150 Die lex fori concursus verdränge 144 Naef/Naef, PJA 2008, 1396, 1402; Staehelin, Die Anerkennung ausländischer Konkurse und Nachlassverträge in der Schweiz (Art. 166 ff. IPRG), S. 16 u. 19. 145 Berti/Mabillard, in: BK-Art. 166 SchKG, Rn. 43; Naef/Naef, PJA 2008, 1396, 1401 f. 146 Staehelin, Die Anerkennung ausländischer Konkurse und Nachlassverträge in der Schweiz (Art. 166 ff. IPRG), S. 18. 147 Staehelin, Die Anerkennung ausländischer Konkurse und Nachlassverträge in der Schweiz (Art. 166 ff. IPRG), S. 15; Bopp, Sanierung im Internationalen Insolvenzrecht der Schweiz, S. 255. 148 Smid, Deutsches und Europäisches Internationales Insolvenzrecht, § 335, Rn. 5; Lüer, in: Uhlenbruck, InsO, § 335, Rn. 8. 149 Bopp, Sanierung im Internationalen Insolvenzrecht der Schweiz, S. 256. 150 Bopp, Sanierung im Internationalen Insolvenzrecht der Schweiz, S. 256 („Wie gesehen richten sich die Anerkennungswirkungen im Rahmen des Art. 170 Abs. 1 IPRG nach

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grundsätzlich das maßgebliche Vertragsstatut.151 Diese Ansicht entspricht den zuvor vorgestellten europäischen Grundsätzen. V. Qualifikation der insolvenzrechtlichen Auswirkungen auf laufende Verträge (1) Auswirkungen auf schwebende Verträge: Die Auswirkungen der Insolvenz auf schwebende Verträge sind insolvenzrechtlich zu qualifizieren.152 Insbesondere das Verwalterwahlrecht hat einen engen Bezug zu den verfahrensrechtlichen Insolvenzfolgen. Auch nach materiellem schweizerischem Recht wird Art. 211 Abs. 2 SchKG als Verfahrensnorm gesehen. Das Verwalterwahlrecht für schwebende Verträge wird dem Verwalter mit Verfahrenseröffnung hoheitlich zugewiesen. Es bedeutet einen direkten Eingriff in die laufende Vertragsbeziehung. Auch wenn es formell mit Gestaltungsrechten wie einer Kündigung vergleichbar sein mag, ist es kein privatrechtliches Gestaltungsrecht, sondern eine insolvenzrechtliche Umgestaltung des Vertragsverhältnisses, das den Zwecken des Insolvenzverfahrens dient. Das Wahlrecht ist daher als konkurstypische Wirkung zu qualifizieren. Damit fehlt dem ausländischen Verwalter grundsätzlich die Legitimation, sein Wahlrecht in der Schweiz auszuüben. Verbote von Lösungsklauseln: Nach den obigen Maßstäben sind Verbote von Lösungsklauseln ebenfalls insolvenzrechtlich zu qualifizieren.153 Diese sind eng verbunden mit den Wirkungen des Verwalterwahlrechts, sie dienen dessen Schutz sowie den Zielen des Insolvenzverfahrens. Die Verbote von Lösungsklauseln sind auf die Sanierung und den Neubeginn für den Schuldner ausgerichtet. Schließlich sind Lösungsverbote vergleichbar mit Vollstreckungsschutzmaßnahmen in Sanierungsverfahren, die konkursrechtlich qualifiziert werden. (2) Wegen dieser insolvenzrechtlichen Qualifikation ist grundsätzlich das Insolvenzstatut maßgeblich.154 Wird in der Schweiz ein inländisches Insolvenzverfahren eröffnet, unterstehen die Auswirkungen des Insolvenzverfahrens auf laufende Verträge dem schweizerischen Recht.155 Damit richtet sich schweizerischem Recht für den Grossteil der Gläubiger und ihrer Rechtsverhältnisse zum Schuldner jedoch nach der ausländischen lex concursus.“). 151 Bopp, Sanierung im Internationalen Insolvenzrecht der Schweiz, S. 134. 152 Bopp, Sanierung im Internationalen Insolvenzrecht der Schweiz, S. 131. 153 In diesem Sinne die Ansätze bei Bopp, Sanierung im Internationalen Insolvenzrecht der Schweiz, S. 130 ff.; S. 270. 154 Bopp, Sanierung im Internationalen Insolvenzrecht der Schweiz, S. 131; Breitenstein, Internationales Insolvenzrecht der Schweiz und der Vereinigten Staaten – Eine rechtsvergleichende Darstellung, S. 173. 155 Bopp, Sanierung im Internationalen Insolvenzrecht der Schweiz, S. 134 schlägt für diesen Fall vor, de lege ferenda Sonderanknüpfungen nach dem Vorbild der EuInsVO vorzusehen, z.B. für Verträge über unbewegliche Sachen oder für Arbeitsverträge.

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auch das Verwalterwahlrecht nach Art. 211 Abs. 2 SchKG. Die Wirksamkeit der Vertragsbeendigungsrechte richtet sich nach dem Vertragsstatut. Sind die vertraglichen Lösungsrechte hiernach nichtig, so gilt dies auch im schweizerischen Insolvenzverfahren. Kennt das Vertragsstatut Ausübungssperren von Lösungsklauseln im Insolvenzfall, können diese Sperren aufgrund ihrer konkursspezifischen Wirkung nicht anerkannt werden. Dies widerspräche dem Territorialitätsprinzip. Im Ergebnis haben die Verbote des Vertragsstatuts nur soweit Auswirkungen auf das laufende Insolvenzverfahren, als die Klauseln von Anfang an nach dem Vertragsstatut nichtig sind. VI. Schlussfolgerungen der Qualifikation für ausländische Insolvenzverfahren Problematischer sind vor dem Hintergrund des schweizerischen Territorialitätsprinzips ausländische Insolvenzen. Wie gesehen, unterfallen die Auswirkungen auf laufende Verträge grundsätzlich dem Insolvenzstatut.156 Gesetzlich geregelt ist nur der Fall des Art. 170 Abs. 1 IPRG für in der Schweiz belegenes Vermögen: (1) Wenn ein ausländisches Insolvenzverfahren in der Schweiz anerkannt wird, erklärt Art. 170 Abs. 1 IPRG „für das in der Schweiz gelegene Vermögen des Schuldners“ das schweizerische Recht für den Hilfskonkurs als maßgeblich. Dies bedeutet, dass die Verfahrensvorschriften des SchKG sinngemäß anzuwenden sind.157 „Hingegen werden weder der ausländische Konkurs, noch dessen Wirkungen, noch auch das für ihn massgebende Recht auf die Schweiz erstreckt.“158

(2) Ohne eine Anerkennung nach den Art. 166 ff. IPRG gelten für das in der Schweiz liegende Vermögen grundsätzlich weder die verfahrensrechtlichen Wirkungen des ausländischen Insolvenzverfahrens noch der Bestimmungen des SchKG.159 Das für das ausländische Insolvenzverfahren maßgebliche Recht erstreckt sich folglich nicht auf die Schweiz.160 Zweck des unselbständigen Partikularverfahrens ist es, gerade das ausländische Insolvenzverfahren

156

Bopp, Sanierung im Internationalen Insolvenzrecht der Schweiz, S. 269. Volken, in: ZK-IPRG, Art. 170, Rn. 12; Graf, Die Anerkennung ausländischer Insolvenzentscheidungen, S. 101. 158 Volken, in: ZK-IPRG, Art. 170, Rn. 10, a.A. Breitenstein, Internationales Insolvenzrecht der Schweiz und der Vereinigten Staaten: Eine rechtsvergleichende Darstellung, S. 173. 159 Staehelin, Die Anerkennung ausländischer Konkurse und Nachlassverträge in der Schweiz (Art. 166 ff. IPRG), S. 18; Bopp, Sanierung im Internationalen Insolvenzrecht der Schweiz, S. 269 f. 160 Staehelin, Die Anerkennung ausländischer Konkurse und Nachlassverträge in der Schweiz (Art. 166 ff. IPRG), S. 18. 157

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zurückzudrängen.161 Damit ist ohne Anerkennung des ausländischen Verfahrens erst Recht kein ausländisches Insolvenzrecht anzuwenden. (3) Art. 170 IPRG, der das schweizerische Recht einseitig als maßgeblich bestimmt, betrifft in seinem gesetzlichen Anwendungsbereich nur in der Schweiz belegenes Vermögen.162 Vermögenswerte, die nicht in der Schweiz lokalisiert sind, werden insoweit nicht dem unselbständigen Partikularkonkurs unterworfen. Für Auslandsvermögen sei das anwendbare Recht offen.163 Die Wirkungen des Territorialitätsprinzips müssten konsequenterweise aber auch in diesem Fall fortgelten. Da in diesem Fall kein inländisches Haftungssubstrat betroffen ist, könne gleichwohl von einer Sonderanknüpfung an das schweizerische Recht abgesehen werden und die Wirkungen auf laufende Verträge wie im Grundsatz (§ 15, C., V.) der ausländischen lex fori concursus unterworfen werden.164 Beispielsweise wird dieser Fall relevant, wenn eine im Insolvenzeröffnungsstaat belegene Forderung in einem Schweizer Gerichtsstand geltend gemacht werden kann.165 (4) Die vorstehenden Ausführungen gelten sinngemäß für den Fall der Anerkennung eines ausländischen Sanierungsverfahrens nach Art. 175 IPRG. Ohne das Anerkennungsverfahren entfaltet das Insolvenzstatut keine Wirkungen, mit einer Anerkennung kommt es allerdings zu einer Wirkungsangleichung des schweizerischen Rechts, das eben kein entsprechendes Verbot von Lösungsklauseln kennt. Auch einem ausländischen Sanierungsverfahren können daher eigentlich keine Lösungsverbote entspringen. VII. Stellungnahme Die Thematik des anwendbaren Rechts bei schwebenden Vertragsverhältnissen ist komplex und wird durch das schweizerische Territorialitätsprinzip zusätzlich erschwert. Das schweizerische Territorialitätsprinzip mit seinem unselbständigen Partikularkonkurs kann auf Basis der herrschenden Lehre zu bemerkenswerten Ergebnissen führen. Die ausländische Insolvenz kann Vertragsbeendigungsrechte – ohne jede Anerkennung – auslösen (materiellrechtliche Wirkung der Insolvenz). Etwaige Verbote von Lösungsklauseln, die das ausländische Insolvenzverfahren flankieren, werden hingegen wegen der konkursrechtlichen Wirkungen grundsätzlich nicht anerkannt. Auch der IPRG-Hilfskonkurs hilft nicht weiter, da er das Verfahren nach schweizeri161

Rodriguez, Zuständigkeiten im internationalen Insolvenzrecht, S. 74, Rz. 148. Bopp, Sanierung im Internationalen Insolvenzrecht der Schweiz, S. 253. 163 Bopp, Sanierung im Internationalen Insolvenzrecht der Schweiz, S. 253, 269 f. 164 Staehelin, Die Anerkennung ausländischer Konkurse und Nachlassverträge in der Schweiz (Art. 166 ff. IPRG), S. 18; Bopp, Sanierung im Internationalen Insolvenzrecht der Schweiz, S. 269 f. 165 Staehelin, Die Anerkennung ausländischer Konkurse und Nachlassverträge in der Schweiz (Art. 166 ff. IPRG), S. 18. 162

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schem Recht betreibt und diese Rechtsordnung Verbote von Lösungsklauseln gerade nicht kennt. Die Unbeachtlichkeit ausländischer Verbote insolvenzbezogener Lösungsklauseln gilt jedenfalls, wenn der Vertrag in der Schweiz belegen ist und das ausländische Verfahren in der Schweiz anerkannt wird (Art. 170 IPRG). Beispiel: Ein Insolvenzverfahren ist außerhalb der Schweiz eröffnet worden, wo das Insolvenzstatut insolvenzbezogene Lösungsklauseln verbietet. Der Vertrag enthält eine insolvenzbezogene Lösungsklausel und wird als in der Schweiz belegen fingiert.

Führt das anzuwendende Kollisionsrecht aus der Perspektive eines schweizerischen Gerichts zum schweizerischen Recht als Vertragsstatut, erkennt das schweizerische Recht Lösungsrechte grundsätzlich an. Da die materiellrechtliche Wirkung des ausländischen Insolvenzverfahrens unabhängig von dessen IPRG-Anerkennung gilt, wird das Lösungsrecht auch ausgelöst. Das Verbot von Lösungsklauseln des Insolvenzstatuts findet hingegen keine unmittelbare Anwendung, da es konkursrechtlich zu qualifizieren ist und der Vertrag nach dem hier gebildeten Sachverhalt in der Schweiz belegen ist. Selbst wenn es zu einem IPRG-Hilfskonkurs kommt, findet nur das schweizerische Recht hinsichtlich der konkursspezifischen Wirkungen Anwendung. Diesem ist ein Verbot von Lösungsklauseln unbekannt. Wegen der Maßgeblichkeit des schweizerischen Rechts nach Art. 170 Abs. 1 IPRG werden alle Wirkungen des ausländischen Verfahrens ausgeschlossen, sodass beispielsweise eine Kündigungssperre nach dem Insolvenzstatut unbeachtlich wäre.166 Wird das ausländische Insolvenzverfahren nicht anerkannt, gilt für in der Schweiz belegenes Vermögen nichts anderes. Insbesondere kann das Insolvenzstatut das Vertragsstatut nicht verdrängen, wenn Vermögen in der Schweiz belegen ist. Es wäre nämlich widersprüchlich, wenn die Schweiz das ausländische Verfahren anerkennt und dann schweizerisches Insolvenzrecht anwendet, jedoch auf ausländisches Insolvenzrecht zurückgreifen würde, wenn das ausländische Insolvenzverfahren gerade nicht anerkannt würde. Ein solches Konzept wäre mit den Prinzipien des Territorialitätsprinzips unvereinbar. Konsequenterweise sind Lösungsverbote des ausländischen Insolvenzrechts in der Schweiz nicht wirksam, wenn die Vermögenswerte in der Schweiz belegen sind. Die Unzulänglichkeiten für einen internationalen Entscheidungsgleichlauf werden dann deutlich, wenn beispielsweise in dem Beispielsfall eine Klage vor einem europäischen Gericht erhoben werden kann. Wie unter § 15, A. und § 15, B. gesehen, würde das geltende Insolvenzstatut das Vertragsstatut punktuell überlagern. In dieser Situation ist denkbar, dass in der Schweiz eine negative Feststellungsklage über das Nichtbestehen des Vertragsverhältnisses 166

Mit dieser Aussage zu einem ausländischen Sanierungsverfahren, das nach Art. 175, 170 IPRG anerkannt würde, Bopp, Sanierung im Internationalen Insolvenzrecht der Schweiz, S. 270.

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erhoben würde. Nach anwendbarem schweizerischem Recht ist diese Klage begründet, da der Vertrag durch die Lösungsklauseln beendet werden konnte. Da sie auch nur mittelbaren Bezug zur Insolvenz hat, unterfällt sie zudem der Konvention von Lugano und das schweizerische Urteil wäre in den anderen Vertragsstaaten anzuerkennen. Aus diesem Sachverhalt ergibt sich eine Gefahr von einander widersprechenden Entscheidungen. Das schweizerische internationale Insolvenzrecht kann damit Sanierungschancen des ausländischen Verfahrens unterminieren. Soweit jedenfalls ein Vertrag in der Schweiz lokalisiert wird und in den Anwendungsbereich des Art. 170 Abs. 1 IPRG fällt, könnte das ausländische Lösungsverbot als eine über Art. 19 IPRG international zwingende Norm angesehen werden. Hiernach müsste das Lösungsverbot eine international zwingende Norm des Insolvenzstatuts sein, ein enger Zusammenhang des Sachverhalts mit dieser Rechtsordnung bestehen, nach schweizerischer Rechtsauffassung schützenswerte und offensichtlich überwiegende Interessen an der Anwendung der Norm bestehen und der Zweck der Eingriffsnorm muss eine nach schweizerischer Rechtsauffassung angemessene Entscheidung erforderlich machen.167 Diese unbestimmten Rechtsbegriffe machen eine einheitliche Auslegung zwar kompliziert, allerdings wäre es möglich, Lösungsverbote hierunter zu subsumieren. Lösungsverbote gehören regelmäßig dem nationalen ordre public an, sodass sie wegen ihrer Bedeutung für das Insolvenzverfahren auch international Geltung beanspruchen können. Durch die Insolvenz besteht ein enger Zusammenhang mit dieser Rechtsordnung – vor allem, um dortige Sanierungschancen zu erhalten. Zwar kennt das schweizerische Recht keine Lösungsverbote, dennoch sind auch in der Schweiz die Prinzipien der Gläubigergleichbehandlung und Sanierungsbemühungen im Insolvenzverfahren vorhanden. Vor allem die Gefahr sich widersprechender Entscheidungen kann vom schweizerischen Recht nicht hingenommen werden. Bei dieser Auslegung sind über Art. 19 IPRG auch bei Anwendung des schweizerischen Rechts die ausländischen Lösungsverbote zu beachten. Wenn das Vermögen nicht in der Schweiz belegen ist, ist denkbar, dass das Insolvenzstatut das Vertragsstatut verdrängt. Zwar erhebt das schweizerische Recht keinen Geltungsanspruch, da das IPRG diese Situation offen lässt.168 Gleichwohl werden aufgrund des Territorialitätsprinzips ohne IPRGAnerkennung insolvenzrechtliche Wirkungen grundsätzlich nicht beachtet. Im Interesse der internationalen insolvenzrechtlichen Kooperation sollte das ausländische Insolvenzstatut zumindest dann anerkannt werden, wenn das Vermögen nicht in der Schweiz lokalisiert ist und damit schutzwürdige Interessen der schweizerischen Gläubiger zurücktreten. 167 168

BG, Urt. v. 7.5.2004 – BGE 130 III 620. Bopp, Sanierung im Internationalen Insolvenzrecht der Schweiz, S. 253.

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Das Auseinanderfallen der europäischen und schweizerischen Lösung ist maßgeblich in den Konsequenzen des Territorialitätsprinzips begründet. „Für die vollständige Hinwendung zur Universalität des Konkurses erscheint die Zeit noch nicht reif. Sie würde eine gewisse Äquivalenz zwischen den nationalen Konkursprivilegien und Sicherungsrechten voraussetzen.“169

Im Jahr 1982, als das IPRG reformiert wurde, war die Zeit vielleicht noch nicht reif. Aber der Zeitgeist hat sich gewandelt und das Zeitalter der internationalen Kooperation erleichtert die Hinwendung zur Universalität. Gerade wenn Ziele der Sanierung in den Fokus rücken, ist ein einheitliches international abgestimmtes Vorgehen notwendig. Sanierungsverfahren, die grenzüberschreitend effizient sind, können auch für schweizerische Unternehmen vorteilhaft sein. Die Botschaft zur IPRG-Reform von 2016/2017 sieht für das schweizerische internationale Insolvenzrecht keinen Regelungsbedarf hinsichtlich des maßgeblichen anwendbaren Rechts.170 Angesichts der komplexen und als nicht gefestigt zu bewertenden Rechtslage wäre eine gesetzliche Regelung sicherlich wünschenswert. De lege ferenda und unter Beschränkung des Territorialitätsprinzips könnte das in § 15, A. für das europäische Recht entwickelte Lösungskonzept auch in der Schweiz übernommen werden. D. Exkurs: CISG Das einheitliche UN-Kaufrecht (CISG) zeigt einen besonderen Weg auf, inwieweit Lösungsrechte eine völkerrechtliche Grundlage erfahren. Völkerrechtlich vereinheitlichtes Sachrecht, wie das CISG, hat Vorrang vor autonomem Kollisionsrecht.171 Dies kommt beispielsweise in Art. 85 Abs. 3 lit. a EuInsVO zum Ausdruck für alle vor in Kraft treten der VO EG/1346/2000 am 31. Mai 2002 geschlossenen Übereinkommen. Damit drängt sich die Frage auf, wie die materiell-rechtlichen Wirkungen des CISG und einem nationalen Insolvenzverfahren zusammenspielen.172 Gem. Art. 71 lit. a Var. 2 CISG173 können die Pflichten des Kaufvertrags bei einem schwerwiegenden Mangel der Kreditwürdigkeit ausgesetzt werden;

169

Botschaft zum Bundesgesetz über das internationale Privatrecht (IPR-Gesetz) vom 10.11.1982, 82.072, S. 450. 170 Botschaft zur Änderung des Bundesgesetzes über das Internationale Privatrecht vom 24.5.2017, 17.038, S. 4125, 4134. 171 Brödermann/Rosengarten/Klingel, Internationales Privat- und Zivilverfahrensrecht (IPR/IZVR): Anleitung zur systematischen Fallbearbeitung, S. 288 ff.; Schmidt-Kessel, in: FS Schlechtriem, S. 269. 172 Vgl. Schmidt-Kessel, in: FS Schlechtriem, S. 256. 173 Der Artikel lautet: „(1) Eine Partei kann die Erfüllung ihrer Pflichten aussetzen, wenn sich nach Vertragsabschluß herausstellt, daß die andere Partei einen wesentlichen

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nach Art. 72 Abs. 1 CISG ist auch eine Vertragsaufhebung denkbar. Hierunter ist zu verstehen, dass die Zahlungsfähigkeit in Rede steht – insbesondere im Falle eines Insolvenzverfahrens.174 Insofern sieht das CISG selbst eine gesetzliche Lösungsklausel vor, die im Insolvenzfall ihre Wirkung entfaltet. Da das CISG in seinem Anwendungsbereich Vorrang hat, verdrängt es auch das nationale Insolvenzrecht im Bereich der schwebenden Verträge.175 Dem Insolvenzverwalter bleibt nur ein Wahlrecht nach den CISG-Regeln.176 Das CISG kann damit insolvenzrechtliche Sonderregelungen ausschalten. Zwar betrifft das Übereinkommen nach Art. 4 lit. a CISG nicht die Gültigkeit einzelner Vertragsbestimmungen.177 Jedoch entsprechen die materiellen Regelungen des CISG einer vertraglichen Lösungsklausel im Insolvenzfall, sodass das CISG weiterhin maßgeblich bleibt. E. Würdigung “How do we choose the law applicable to a transnational bankruptcy proceeding, or to a particular aspect of that proceeding?”178

I. Ausgangspunkt des Lösungsansatzes Eine internationale Vollharmonisierung des Insolvenzrechts ist in absehbarer Zeit kaum zu erwarten; einheitliche Regelungen im Kollisionsrecht sind jedoch realisierbar. Die Frage nach dem anwendbaren Recht wird regelmäßig in das Spannungsfeld zwischen Universalität und Territorialität eingebettet.179 Klassischerweise sucht das internationale Privatrecht nach der engsten Verbindung des anzuknüpfenden Sachverhalts an eine Rechtsordnung.180 So ist letztlich festzustellen, ob die engste Verbindung zum Vertragsstatut oder zum Insolvenzstatut besteht. Haben die Parteien den Vertrag einer bestimmten Rechtsordnung unterstellt, kann es durchaus unerwartet sein, wenn ein ande-

Teil ihrer Pflichten nicht erfüllen wird a) wegen eines schwerwiegenden Mangels ihrer Fähigkeit, den Vertrag zu erfüllen, oder ihrer Kreditwürdigkeit oder […]“. 174 OGH, Urt. v. 12.2.1998 – 2Ob328/97t, JBl 1999, 54; Mankowski, in: Münchener Kommentar zum HGB (Hrsg. Schmidt), CISG Art. 71, Rn. 14; Schmidt-Kessel, in: FS Schlechtriem, S. 257; Fountoulakis, in: Kommentar zum Einheitlichen UN-Kaufrecht (Hrsg. Schwenzer), CISG Art. 71 [Verschlechterungseinrede], Rn. 16 m.w.N. 175 Schmidt-Kessel, in: FS Schlechtriem, S. 270. 176 Schmidt-Kessel, in: FS Schlechtriem, S. 272. 177 Schmidt-Kessel, in: FS Schlechtriem, S. 273. 178 Buxbaum, 36 Stan. J. Int'l L. 23 (2000), 25. 179 Buxbaum, 36 Stan. J. Int'l L. 23 (2000), 25. 180 Vgl. Trunk, Internationales Insolvenzrecht – Systematische Darstellung des deutschen Rechts mit rechtsvergleichenden Bezügen, S. 13; hierzu auch Schollmeyer, Gegenseitige Verträge im internationalen Insolvenzrecht, S. 150 ff.

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res (Insolvenz-)Recht über die Wirksamkeit von Vertragsklauseln entscheidet.181 Das anwendbare Insolvenzrecht richtet sich – wie gesehen – regelmäßig nach dem Staat der Verfahrenseröffnung, d.h. nach dem Mittelpunkt der hauptsächlichen Interessen des Gemeinschuldners (lex fori concursus).182 Eine privatautonome Modifizierung des Insolvenzstatuts ist unzulässig. Die Rechtswahl des Insolvenzstatuts ist nicht möglich ist, sodass eine privatautonom vereinbarte abweichende Anknüpfung des Insolvenzstatuts ausscheidet.183 Beispielsweise kann eine Vereinbarung der lex contractus als maßgebliches Recht für die Insolvenz nicht vereinbart werden. Zwar ist dem Regelungskonzept der EuInsVO der Vertrauensschutz nicht unbekannt.184 Vertrauensschutz, dass eine bestimmte lex fori concursus nicht berufen werden könne, existiert nicht.185 Das deutsche Bundesministerium der Justiz hat in dem „Vorentwurf von Vorschriften zur Neuordnung des Internationalen Insolvenzrechts vom 1.3.1989“186 einen vertrauensschützenden Kompromiss zum deutschen Recht vorgeschlagen: Art. 6 Gegenseitiger Vertrag Die Wirkungen des Insolvenzverfahrens auf einen gegenseitigen Vertrag, der von beiden Teilen nicht oder nicht vollständig erfüllt ist, unterliegen dem Recht des Staates, in dem der Schuldner beim Abschluss des Vertrags seinen allgemeinen Gerichtsstand hatte. Wurde der Vertrag von einer Niederlassung des Schuldners aus geschlossen, so ist das Recht des Staates maßgebend, in dem der Schuldner die Niederlassung hatte.

Die Regelung knüpft mittelbar an die potenzielle lex fori concursus, die zum Zeitpunkt des Vertragsschlusses maßgeblich wäre. Damit sollte dem Verkehrsschutz Rechnung getragen werden und die Vorhersehbarkeit des anwendbaren Insolvenzrechts gestärkt werden.187 Die Lösung steht zwischen der Anwendung der lex contractus, die einer Rechtswahl in der Insolvenz nicht 181

Vgl. besonders die Argumentation in Fibria Celulose S/A v Pan Ocean Co. Ltd, Mr You Sik Kim, 30.6.2014, [2014] EWHC 2124 (Ch). 182 Das Kriterium entspricht im Wesentlichen der EuInsVO, dem UNCITRALModellgesetz und dem deutschen Recht. 183 Weller, ZHR 2005, 570, 590. Auch das englische anti-deprivation principle spricht gegen eine zulässige Rechtswahl, wenn diese zur Umgehung zwingenden Insolvenzrechts eingesetzt wird, vgl. Matthews, 30 J. I. B. L. R. 62 (2015), 65. 184 Erwägungsgrund 67 EuInsVO. 185 Schollmeyer, Gegenseitige Verträge im internationalen Insolvenzrecht, S. 163. 186 Nachweis bei Stoll, Stellungnahmen und Gutachten zur Reform des deutschen Internationalen Insolvenzrechts im Auftrag der Sonderkommission “Internationales Insolvenzrecht“ des Deutschen Rates für Internationales Privatrecht, S. 4. 187 Stoll, Stellungnahmen und Gutachten zur Reform des deutschen Internationalen Insolvenzrechts, S. 31 f. Vgl. auch § 13 Abs. 1 Nr. 1 des deutsch-österreichischen Konkursvertrag vom 8.3.1985.

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zugänglich ist und der Anwendung der tatsächlichen lex fori concursus. Eine solche Lösung ist aber zu Recht nicht Gesetz geworden. Sie kann zu einer Mehrzahl an potenziell anwendbaren Insolvenzrechten führen. Eine Überprüfung der Wirksamkeit von Vertragsklauseln ist mithin erst mit der Berufung des tatsächlichen Insolvenzrechts möglich. Letztendlich muss Vorhersehbarkeit gewährleistet sein, die eine willkürliche Festlegung vermeidet.188 Im Ergebnis ist es eine Wertungsfrage, welches Recht auf schwebende Vertragsverhältnisse angewandt werden soll.189 Vor allem die Abwägung zwischen internationalen und lokalen Interessen spielt eine maßgebliche Rolle.190 Die (internationalen) Insolvenzprinzipien können am besten verwirklicht werden, wenn die Wirkungen einer Insolvenz universell und zwingend der lex fori concursus unterstellt werden. Die Grundprinzipien wie die Gläubigergleichbehandlung sind weltweit einheitlich geltende Prinzipien.191 Von diesem universellen Ansatz gehen die Europäische Union und Deutschland aus. Der Gleichlauf zwischen Zuständigkeit für die Verfahrenseröffnung am Mittelpunkt der Interessen des Schuldners und dem anwendbaren Recht tragen im Rahmen der Insolvenz zu einer hohen Vorhersehbarkeit und Verfahrenseffizienz bei.192 Damit streiten die Ziele der Gleichbehandlung, Gerechtigkeit und Rechtssicherheit für diese weitgehende Unterstellung der Rechtsverhältnisse unter das Insolvenzstatut.193 Da Insolvenzen Auswirkungen auf viele rechtliche Gesichtspunkte eines Vertragsverhältnisses haben, sollte das anwendbare Insolvenzrecht als Gesamtstatut berufen sein.194 Aus diesen Gründen sind Vertragsverhältnisse und das Wahlrecht umfassend für alle insolvenzbezogenen Fragen an die lex fori concursus anzuknüpfen. Dies gilt für die europäische und deutsche Rechtslage.195 Es ist insofern hinzunehmen, dass das gewöhnlich anwendbare Vertragsstatut vom Insolvenzstatut überlagert wird, sodass das maßgebliche Recht nicht durch eine Vielzahl von differenzierten Anknüpfungsmomenten zersplittert wird. Die Vorfrage, ob vertragliche Ansprüche bestehen, richtet sich nach allgemeinem

188

Schollmeyer, Gegenseitige Verträge im internationalen Insolvenzrecht, S. 163. Breitenstein, Internationales Insolvenzrecht der Schweiz und der Vereinigten Staaten – Eine rechtsvergleichende Darstellung, S. 184; Schollmeyer, Gegenseitige Verträge im internationalen Insolvenzrecht, S. 202. 190 Buxbaum, 36 Stan. J. Int'l L. 23 (2000), 42. 191 Buxbaum, 36 Stan. J. Int'l L. 23 (2000), 52; Westbrook, 65 Am. Bankr. L.J. 457 (1991), 466; Fletcher, Insolvency in PIL, Rn. 1.08. 192 Westbrook, 23 Penn St. Int'l L. Rev. 625 (2005), 634; Wyen, Rechtswahlfreiheit im europäischen Insolvenzrecht, S. 372; Buxbaum, 36 Stan. J. Int'l L. 23 (2000), 48. 193 Kolmann/Keller, in: Insolvenzrechts-Handbuch, § 133, Rn. 6; Breitenstein, Internationales Insolvenzrecht der Schweiz und der Vereinigten Staaten, S. 184 f. 194 Lüer, in: Uhlenbruck, InsO, Vor §§ 335, Rn. 3. 195 Nachweise hierzu in den vorigen Länderkapiteln. 189

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Kollisionsrecht;196 die insolvenzrechtliche Behandlung ist dem Insolvenzstatut unterstellt. Gerade Moratorien und Lösungsverbote sind untrennbar mit dem Verfahren verbunden und erfordern daher die Einheit in der Insolvenz. 197 Vor allem Schutzmechanismen für das Insolvenzverfahren, die der lex fori concursus unterstehen, sind nur effektiv, wenn eine Zersplitterung der anwendbaren Rechte vermieden wird.198 Erforderliche insolvenzrechtliche Mechanismen zum Schutz der Sanierungsbemühungen lassen sich durch das Territorialitätsprinzip im Insolvenzrecht nur schwer erreichen. Der Schutz von Vertragsverhältnissen lässt sich auf diesem Weg nur durch international zwingende Normen199 durchsetzen. Um die Eingriffsnorm des ausländischen Staates anwenden zu können, müssen allerdings die durch den Vertrag begründeten Verpflichtungen in dem ausländischen Staat erfüllt werden (Art. 9 Abs. 3 Rom-I-VO). Wenn die Anwendung eines ausländischen Lösungsverbots vor allem davon abhängt, wo die vertragscharakteristische Leistung erbracht wird, ist ein solches zufälliges Ergebnis abzulehnen. Der stark im Vordergrund stehende Schutz lokaler Gläubiger und der Schutz der Souveränität erscheint im Zeitalter der Globalisierung nicht mehr zeitgemäß.200 „Hinkende Rechtsverhältnisse“ und eine Zersplitterung des Vermögens werden durch die Territorialität begünstigt.201 Eine universelle Lösung erkennt eine grundsätzliche Gleichwertigkeit der verschiedenen Insolvenzsysteme an und ein einheitliches Gesamtstatut ermöglicht ein geschlossenes kohärentes System.202 II. Konkretisierung des Lösungsvorschlags Der konkrete Lösungsvorschlag orientiert sich an der EuInsVO als übergeordnetes Regelungskonzept mit universeller Wirkung. Schwebende Verträge sollen in der Insolvenz nach der lex fori concursus behandelt werden.203 Ausnahmen sind insbesondere für Finanzverträge und Arbeitsverträge vorzusehen. Die eingangs (§ 14) geschilderten Fallgestaltungen sollen helfen, dieses

196

Westbrook, 23 Penn St. Int'l L. Rev. 625 (2005), 630; Buxbaum, 36 Stan. J. Int'l L. 23 (2000), 54; Virgós/Garcimartín, The European Insolvency Regulation: Law and Practice, Rn. 112a. 197 Zur Einheit des Konkurses Schollmeyer, Gegenseitige Verträge im internationalen Insolvenzrecht, S. 168. 198 Kolmann/Keller, in: Insolvenzrechts-Handbuch, § 133, Rn. 6. 199 Zur komplexen und umstrittenen Bewertung ausländischer fremder Eingriffsnormen unter der Rom I-VO vgl. Schacherreiter, ZEuP 2015, 497, 497. 200 Lüer, in: Uhlenbruck, InsO, Vor §§ 335, Rn. 30. 201 Geimer, Internationales Zivilprozessrecht, Rn. 3393. 202 Lüer, in: Uhlenbruck, InsO, Vor §§ 335, Rn. 28. 203 Diese Lösung entspricht UNCITRAL, Legislative Guide on Insolvency Law, Rn. 91 und Empfehlung 31 (h) (treatment of contracts); vgl. auch Holzer, NZI 2014, 337, 339.

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abstrakte Regelungskonzept zu konkretisieren. De lege ferenda könnte eine entsprechende auch in der Schweiz umgesetzt werden. 1. Fallgestaltung 1: lex fori concursus verbietet insolvenzbezogene Lösungsklauseln In der ersten Fallgestaltung gestattet die lex contractus eine Vertragsbeendigung im Umfeld der Insolvenz, die lex fori concursus verbietet hingegen die Vertragsbeendigung im Insolvenzfall. a) Lösungsklauseln: Anknüpfung an das Insolvenzverfahren (1) Sofern das Verbot der Vertragsbeendigung an die Verfahrenseröffnung anknüpft, fällt das Verbot zeitlich mit dem Anwendungsanspruch des Insolvenzstatuts zusammen. Soweit ein Insolvenzverfahren eröffnet ist und die lex fori concursus Anwendung beansprucht, sind Lösungsverbote nach ihr zu behandeln. Insofern richtet sich der Tatbestand des Verbots sowie dessen Rechtsfolge nach dem Insolvenzstatut, soweit es im Widerspruch zum Vertragsstatut steht. Denn nur im Rahmen des Erforderlichen wird das originär anwendbare Vertragsstatut verdrängt. Im Ergebnis ist eine Doppelbetrachtung der Lösungsklauseln durchzuführen: Erstens sind die Klauseln am Vertragsstatut an deren allgemeiner vertragsrechtlichen Zulässigkeit zu messen. Dabei können die Klauseln bereits nach dem Vertragsstatut nichtig sein. Zweitens ist die insolvenzrechtliche Zulässigkeit nach der bei Verfahrenseinleitung berufenen lex fori concursus zu bewerten. (2) Ausübungssperren als reines Verfahrensrecht gelten nur, wenn diese durch die lex fori concursus berufen werden. (3) Das Insolvenzstatut kann sowohl vertragliche als auch gesetzliche Regelungen der lex contractus überlagern und sperren – entscheidend sind Tatbestand und Rechtsfolge des Verbots. Insofern können die Lösungsrechte als unanwendbar betrachtet werden. (4) Gestattet allerdings die lex fori concursus in bestimmten Fällen selbst die Vertragsbeendigung, ist es kohärent, das Insolvenzstatut einheitlich anzuwenden und die Vertragsbeendigung zu gestatten. b) Lösungsklauseln: vorinsolvenzliche Anknüpfungen (1) Das Insolvenzstatut kann noch weitergehend bereits die vorinsolvenzliche Vertragsbeendigung verbieten – beispielsweise bei Insolvenzantragstellung oder Vorliegen eines Insolvenzeröffnungsgrundes bzw. bei wesentlicher Vermögensverschlechterung des Schuldners. Grundsätzlich setzt das Insolvenzstatut ein eröffnetes Verfahren voraus, sodass im vorinsolvenzlichen

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Bereich das Insolvenzstatut eigentlich keine Wirkungen entfaltet.204 Pfeiffer schlägt insofern wegen des entstehenden Normwiderspruchs vor, das Insolvenzstatut vorzuverlagern: Sobald eine insolvenzbezogene Lösungsklausel erfüllt ist, soll sich deren Wirksamkeit nach der potenziellen lex fori concursus des Schuldners richten.205 (2) Knüpft die Klausel an die Antragstellung an, kann das Insolvenzstatut Vorwirkungen entfalten. So werden Insolvenzantragspflichten oder die Haftung für pflichtwidrig unterlassene Insolvenzantragstellung dem Insolvenzstatut unterworfen.206 Diese Regeln wirken bereits im Vorfeld des Verfahrens.207 Ganz typisch wirken insolvenzrechtlich zu qualifizierende Normen schon vor der formalen Eröffnung, wie die Gründe zur Insolvenzeröffnung oder Anfechtungslagen.208 Insofern ist es folgerichtig, das Insolvenzstatut ab der Antragstellung für ein Insolvenzverfahren zu berufen.209 Mit einer Antragstellung haben sich die Anknüpfungen an eine bestimmte lex fori concursus hinreichend verdichtet. Außerdem kennen nicht alle Rechtsordnungen ein dem deutschen vergleichbares zweiteiliges Verfahren in Eröffnungsverfahren und eröffnetes Verfahren. Solange das Antragsverfahren läuft, richten sich dessen Wirkungen nach dem Insolvenzstatut. Knüpft also die Vertragsbeendigung an die Antragstellung an, so ist die Wirksamkeit der Lösungsklausel schon dem Insolvenzstatut unterworfen. Da die internationale Zuständigkeit für das Insolvenzverfahren – und damit mittelbar das anwendbare Recht – vom Mittelpunkt der hauptsächlichen Interessen des Schuldners abhängt, ist das Insolvenzstatut für die Vertragspartner hinreichend vorhersehbar. (3) Knüpft die Lösungsklausel zu einem noch früheren Zeitpunkt als die Antragstellung an, beispielsweise an die materiellen Insolvenzgründe, kann das Insolvenzstatut nur mit erheblichem Begründungsaufwand angewendet werden. Zunächst ist in Erinnerung zu rufen, dass das Insolvenzstatut gewöhnlich mit Insolvenzeröffnung berufen wird. Kann das Insolvenzstatut aber retroaktiv Anwendung finden und damit ein vorinsolvenzliches Lösungsverbot nachträglich durchsetzen? Grundsätzlich sind Verträge vom Verwalter so zu übernehmen, wie sie vorgefunden werden. Nach dem Vertragsstatut konnte der Vertrag bereits vor der Insolvenz wirksam beendet werden, sodass der Verwalter ggf. nichts mehr übernehmen kann. Insofern ist 204

Kindler, in: Hdb. Inso. Europa, § 4, Rn. 2, unter Hinweis auf Ausnahme für die Haftung bei unterlassener Antragspflicht. 205 Pfeiffer, in: Ars aequi et boni in mundo, S. 425 ff. 206 Kindler, in: MüKo-BGB, Art. 4 EuInsVO, Rn. 63 u. 71. 207 Kindler, in: MüKo-BGB, Art. 4 EuInsVO, Rn. 67. 208 Kindler, in: MüKo-BGB, Art. 4 EuInsVO, Rn. 67 (Der „insolvenzrechtlichen Qualifikation kann nicht in einer Art ‚Stichtagsregelung‘ entgegengesetzt werden, bei dem Verstoß gegen die Insolvenzantragspflicht handele es sich um eine Pflichtverletzung aus der Zeit vor Insolvenzeröffnung.“). 209 So auch Thole, ZNER 2013, 465, 467.

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das Vertrauen des Vertragspartners zu schützen, da dieser kaum wissen kann, ob es tatsächlich zu einer Insolvenzeröffnung kommen wird oder nicht.210 (4) Damit bleibt für eine vorinsolvenzliche Wirkung die Möglichkeit, mittels Insolvenzanfechtung die Vertragsbeendigung rückabzuwickeln. Sofern die lex fori concursus die Möglichkeit zur Anfechtung gewährt, kann dies erfolgsversprechend sein. Schließlich richtet sich die Anfechtung ebenfalls nach der lex fori concursus, vgl. Art. 7 Abs. 2 Satz 2 lit. m EuInsVO. Damit steht bei internationalen Sachverhalten grundsätzlich die Insolvenzanfechtung als Mittel zur Verfügung. Allerdings bleiben die oben in § 11, C. dargestellten Schwächen der Insolvenzanfechtung erhalten. Für rein nationale Sachverhalte scheint die Insolvenzanfechtung kein hinreichendes Mittel zu sein, um den Sanierungszwecken von Lösungsverboten gerecht zu werden. In internationalen Konstellationen mag es ein adäquates Mittel sein, um einen Gleichlauf von nationalen und internationalen Sachverhalten herzustellen. Daher ist mit Pfeiffer dem Insolvenzstatut bereits eine Vorwirkung auf die Antragstellung zu entnehmen.211 Einer weitergehenden Anpassung und Ausdehnung des Insolvenzstatuts kann jedoch nicht gefolgt werden, da nicht sicher ist, ob ein Insolvenzverfahren tatsächlich eröffnet wird und ein vollständiger Statutenwechsel zum Insolvenzstatut eintritt.212 Umfassender ist der Normwiderspruch nicht zu beseitigen. Insoweit bleibt nur die Insolvenzanfechtung. c) Lösungsklauseln: Schicksal nach Verfahrensende Wird das Insolvenzverfahren beendet oder aufgehoben, verliert das Insolvenzstatut seinen Geltungsanspruch. Es kommt zum Statutenwechsel, sodass sich die Vertragsbeendigung wieder nach dem Vertragsstatut richtet. Ist nur eine Ausübungssperre angeordnet verliert diese ihre Wirkung. Zwischenzeitlich hat allerdings das Insolvenzstatut unter Umständen die Nichtigkeit der Lösungsklausel angeordnet. Überlebt die Nichtigkeit die Aufhebung des Insolvenzstatuts? Das Insolvenzstatut hat nur einen Anwendungsvorrang vor dem Vertragsstatut, soweit dies erforderlich ist. In dem Anwendungsbereich des Insolvenzstatuts sind die Klauseln nichtig. Allerdings wird die lex contractus nicht vollständig verdrängt, sondern nur überlagert. Damit ist es dogmatisch erklärbar, dass die Vertragsklausel im Vertragsstatut erhalten bleibt. Nur soweit die Klausel auch ihre Anwendung im Insolvenzstatut erstrebt, ist diese nichtig. Endet das Insolvenzstatut, bleibt also die Wirksam210

Im Ergebnis ebenso Pfeiffer, in: Ars aequi et boni in mundo, S. 425. Pfeiffer, in: Ars aequi et boni in mundo, S. 425 f. 212 Vgl. Grasser, Unwirksamkeit vertraglicher Lösungsklauseln für den Insolvenzfall, S. 342 spricht sich für eine Anpassung aus, wonach „die Unwirksamkeit vorinsolvenzlicher insolvenzabhängiger Lösungsklauseln erst mit Eröffnung des Verfahrens eintritt, dann jedoch ex tunc Wirkung auf die Geltendmachung von Lösungsrechten […] entfaltet.“ 211

§ 16 Belegenheit eines schwebenden Vertrags

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keit der Lösungsklausel unberührt. Schließlich könnte es in der Zukunft zu einem anderen Insolvenzverfahren unter einer anderen lex fori concursus kommen, die Lösungsklauseln gestattet. In diesem Fall wäre es nicht nachvollziehbar, warum Alt-Verträge, die bereits ein Insolvenzverfahren überstanden haben, keine vertraglichen Lösungsklauseln mehr enthalten sollen. 2. Fallgestaltung 2: lex contractus verbietet insolvenzbezogene Lösungsklauseln Ob ein vertraglicher Anspruch überhaupt entstanden ist, richtet sich auch in der Insolvenz nach der lex contractus. Erklärt bereits das Insolvenzrecht des Vertragsstatuts vertragliche Lösungsklauseln für nichtig, so konnten diese Klauseln überhaupt nicht wirksam entstehen. Die Vertragsparteien haben also kein schutzwürdiges Vertrauen, dass diese Klauseln in der Insolvenz wirksam sein könnten, selbst wenn die später anzuwendende lex fori concursus kein Verbot kennt. Der Statutenwechsel kann nicht die Wirksamkeit der Klauseln erzeugen. Sieht die lex contractus allerdings ausschließlich Moratorien oder Ausübungssperren zu, greift die Regelung nicht in die Vertragsbeziehung ein. Vielmehr ist hierin eine rein insolvenzverfahrensrechtliche Regelung zu erkennen. Rechtsfolge ist gerade nicht die Nichtigkeit, sondern nur die vorrübergehende Ausübungssperre. Eine Ausübungssperre kann sich also ausschließlich aus der lex fori concursus ergeben. Das nach Art. 3 ff. Rom I-VO eigentlich berufene Recht wird daher verdrängt.213

§ 16 Belegenheit eines schwebenden Vertrags: insbesondere Abgrenzung zwischen parallelen Insolvenzverfahren § 16 Belegenheit eines schwebenden Vertrags

In welcher Rechtsordnung sind die Vertragsverhältnisse zu lokalisieren? Wie werden schwebende Vertragsverhältnisse bzw. das Verwalterwahlrecht bei parallelen Insolvenzverfahren koordiniert? Das vertragliche Synallagma wird vor allem durch das Verwalterwahlrecht geschützt, sodass der Verwaltungszuständigkeit eine erhebliche Bedeutung zukommt – zumal sich die nationalen Ausgestaltungen im Detail erheblich unterscheiden können. Hierzu soll auf die europäische (§ 16, A.) und schweizerische (§ 16, B.) Rechtslage eingegangen werden. Die Ergebnisse werden in der Würdigung (§ 16, C.) zusammengefasst.

213

Vgl. Kindler, in: Hdb. Inso. Europa, § 4, Rn. 67.

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Kapitel 4: Internationales Privatrecht

A. Europäisches Kollisionsrecht I. Voraussetzungen eines Sekundärverfahrens Wie bereits in § 15, A. gesehen, kann aufgrund der modifizierten Universalität der EuInsVO ein territorial begrenzter Teil der Vermögensmasse des Insolvenzschuldners einem Sekundärverfahren unterstellt werden. Entscheidend ist, dass eine Niederlassung in diesem Territorium unterhalten wird. Damit wird ein Insolvenzschuldner – eine (juristische) Person – in zwei Verfahren abgewickelt. Folge ist, dass sich zwei oder mehr Verwalter mit der Abwicklung eines Schuldners befassen. Der hinter dieser Regelung stehende Zweck liegt im Schutz der lokalen Gläubiger, deren Vertrauen an die Niederlassung knüpft. Eine explizite Regelung, wie bei schwebenden Vertragsverhältnissen die Verwaltungszuständigkeit der beteiligten Verwalter abzugrenzen ist, existiert nicht. In den Art. 41 ff. EuInsVO sind nur allgemeine Koordinierungsvorschriften zu finden. Gerade weil Verwalterbefugnisse und das Erfüllungswahlrecht sich grundsätzlich nach der lex fori concursus richten und erhebliche Unterschiede zwischen den Mitgliedstaaten aufweisen, ist eine eindeutige Abgrenzung nötig, vgl. Art. 7 Abs. 2 Satz 2, lit. c, e EuInsVO.214 Jeder Verwalter verwaltet die Aktiv- und Passivmasse seines Verfahrens nach der jeweiligen lex fori concursus.215 Aus der Zuordnung des Vertrags zum jeweiligen Insolvenzverfahren ergibt sich mittelbar, welche lex fori concursus anzuwenden ist und ob Lösungsklauseln folglich zulässig sind (§ 15, A.). Die Aktivmasse des Hauptverfahrens wird durch die Aktivmasse des Partikularverfahrens begrenzt.216 Da die Aktivmasse nur einmal verwertet werden kann, ist eine eindeutige Abgrenzung notwendig, wobei nur der Sekundärverwalter über Vermögensbestandteile des Territorialverfahrens bestimmen darf.217 Die Passivmasse ist hingegen ubiquitär, da die Insolvenzgläubiger ihre Forderungen in jedem Verfahren anmelden können – allerdings können deren Ansprüche in den unterschiedlichen Verfahren im Einklang mit der jeweiligen lex fori concursus unterschiedlich behandelt werden.218 Der Vertrag als solcher ist nicht als Vermögen zu betrachten.219 Ein Vertrag, insbesondere schwebende Verträge, bestehen aus gegenseitigen Forderungen – „Assets“ und „Obligations“ wie es in der Literatur zum amerikanischen Recht anschaulich heißt. Damit spielen schwebende Verträge sowohl hinsichtlich der Aktivmasse als auch bezüglich der Passivmasse eine Rolle.

214

Art. 21 Abs. 3 EuInsVO 2015 ist zu beachten. Fehrenbach, Haupt- und Sekundärinsolvenzverfahren, S. 262. 216 Fehrenbach, Haupt- und Sekundärinsolvenzverfahren, S. 126. 217 Virgós/Schmit, Begleitender Bericht, Tz. 163; Fehrenbach, Haupt- und Sekundärinsolvenzverfahren, S. 268. 218 Fehrenbach, Haupt- und Sekundärinsolvenzverfahren, S. 262, 267. 219 Weller, ZHR 2005, 570, 589. 215

§ 16 Belegenheit eines schwebenden Vertrags

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II. Zuordnung des Vertragsverhältnisses zu einem Insolvenzverfahren Es stellt sich die Frage, welche Insolvenzmasse einem Vertrag zuzuordnen ist und welcher Verwalter die Verwaltungskompetenz erhält. Idealiter sollte der Insolvenzverwalter mit der unmittelbaren Kontrolle über die Vermögenswerte befasst sein.220 Forderungen weisen keine natürliche Belegenheit auf, es sind nur gesetzliche Fiktionen denkbar.221 In Art. 2 Nr. 9 EuInsVO finden sich allgemeine Regelungen zur Vermögensbelegenheit. Forderungen werden normativ lokalisiert.222 Sie werden am Mittelpunkt der hauptsächlichen Interessen des zur Leistung verpflichteten Dritten vermutet (Art. 2 Nr. 9 viii EuInsVO).223 Insofern gibt es nur für die Aktivforderung eine gesetzliche Bestimmung. In der Literatur werden verschiedene Lösungen für die Vertragszuordnung vorgeschlagen – eine einheitliche Ansicht hat sich bislang noch nicht herausgebildet. Die Lösung muss beantworten, zu welchem Verfahren ein Vertragsverhältnis den engsten Bezug aufweist.224 Die Vielzahl an Lösungsangeboten verdeutlicht die Komplexität der Frage. Reinhart ordnet schwebende Vertragsverhältnisse nach den allgemeinen Regeln der Vermögensbelegenheit zu. Es komme auf den Mittelpunkt der Interessen des Schuldners der Aktivforderung an. Grundsätzlich hat folglich der Hauptverwalter das Wahlrecht auszuüben, es sei denn, der Vertragspartner (Schuldner der Aktivforderung) hat seinen Mittelpunkt der hauptsächlichen Interessen im Land des Sekundärverfahrens.225 Insofern wird diese Ansicht auf die Vermutungsregelung zur Belegenheit der Aktivforderung gestützt. Bloching weist darauf hin, dass der Hauptverwalter stets den umfassendsten Überblick über das Gesamtunternehmen hat und damit eigentlich am einfachsten das Wahlrecht ausüben könnte. Letztlich müsse aber der sachnächste Verwalter entscheiden. Das Kriterium, ob die Niederlassung die Leistung erbringt oder erhält, sei untauglich, wenn mehrere Niederlassungen von einem Vertrag betroffen sind. Daher sei der Verwalter zuständig, in dessen Staat der Vertragspartner seinen allgemeinen Gerichtsstand unterhält.226 Trunk 220 Virgós/Garcimartín, The European Insolvency Regulation: Law and Practice, S. 164 (“logic of enforcement”, “power with obligation to pay or perform”); Fehrenbach, Hauptund Sekundärinsolvenzverfahren, S. 154. 221 Bloching, Pluralität und Partikularinsolvenz, S. 193. 222 BG, Urt. v. 11.3.2010 – 5A.83/2010. 223 Im deutschen Internationalen Insolvenzrecht existiert keine Vermutung über die Belegenheit von Forderungen. Vielmehr wird auf § 23 ZPO zurückgegriffen. Es soll darauf abzustellen sein, wo tatsächlich Zugriff auf das Recht genommen werden kann: Forderungen seien damit am Sitz des Schuldners belegen, wobei eine Rechtswahl unerheblich sei, Lüer, in: Uhlenbruck, InsO, § 335, Rn. 16. 224 Vgl. Weller, ZHR 2005, 570, 590. 225 Reinhart, in: MüKo-InsO, VO (EG) 1346/2000, Art. 27, Rn. 25 (Zur Übertragbarkeit auf die VO/EU 2015/848 Reinhart, in: MüKo-InsO, VO (EG) 2015/848, Art. 34, Rn.11). 226 Bloching, Pluralität und Partikularinsolvenz, S. 210.

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spricht sich gegen die reine Bestimmung über den Belegenheitsort der Aktivforderung aus. Es sei ein qualifizierter Inlandsbezug nötig, über den im Einzelfall durch eine flexible Gewichtung der Inlandsbezüge hinsichtlich der Ziele des Sekundärverfahrens zu entscheiden ist.227 Der Regelungsanspruch des Territorialverfahrens umfasse eben nicht alle schwebenden Rechtsbeziehungen des Schuldners aus diesem Gebiet.228 Apeldoorn fordert einen exklusiven Bezug zur Niederlassung, damit der Sekundärverwalter über das Vertragsverhältnis entscheiden darf.229 Ebenso spricht sich Espiniella Menéndez für einen engen Bezug zur Niederlassung aus, sodass nur die Verträge, die mit der wirtschaftlichen Aktivität der Niederlassung im Zusammenhang stehen, vom Sekundärverfahren erfasst werden.230 Weller fordert einen qualifizierten Bezug der vertragscharakteristischen Leistung zur Niederlassung des Schuldners. Dies sei der Fall, wenn die Niederlassung die Leistung erbringt oder diese empfängt und damit die Sekundärmasse von dem Vertrag profitiert. Ein reines Abstellen auf die Aktivforderung genüge nicht, als diese nicht notwendigerweise den vertragsprägenden Charakter aufweise.231 Garašić sieht drei kumulative Voraussetzungen, um ein Vertragsverhältnis dem Sekundärverfahren zuzuordnen: Die Leistung der Passivforderung muss zum Sekundärverfahren gehören, der Gläubiger der Aktivforderung muss seinen Mittelpunkt der hauptsächlichen Interessen im Sekundärverfahrensstaat haben und der Vertrag muss einen engen Inlandsbezug zum Sekundärverfahren aufweisen.232 Fehrenbach sieht in der Ausübung des Wahlrechts die Verwaltung der Passivmasse. Damit geht er von der ubiquitären Zuständigkeit der Passivforderung aus und erreicht eine Mehrfachzuständigkeit der Verwalter. Problematisch sei nur eine mehrfache Erfüllungswahl, welche aber kaum zu befürchten sei: nur der Verwalter, der erfüllen kann, werde die Erfüllung wählen.233 227 Trunk, Internationales Insolvenzrecht – Systematische Darstellung des deutschen Rechts mit rechtsvergleichenden Bezügen, S. 249 f. (noch zu § 238 dt. KO). Ebenso und Trunk zustimmend Kolmann, Kooperationsmodelle im internationalen Insolvenzrecht: empfiehlt sich für das deutsche internationale Insolvenzrecht eine Neuorientierung?, S. 223 ff. 228 Trunk, Internationales Insolvenzrecht – Systematische Darstellung des deutschen Rechts mit rechtsvergleichenden Bezügen, S. 249. 229 Apeldoorn, J.C. van, Wederkerige overeenkomsten, in: Tijdschrift voor Insolventierecht (TvI)2002/Special – Insolventieverordening, 123, 126, zitiert nach Wessels, Insolvency Law. 230 Espiniella Menéndez, 19 Int. Insolv. Rev. 99 (2010), 128. 231 Weller, ZHR 2005, 570, 590 f. 232 Ohne nähere Begründung Garašić, Anerkennung ausländischer Insolvenzverfahren: ein Vergleich des kroatischen, des deutschen und des schweizerischen Rechts sowie der Europäischen Verordnung über Insolvenzverfahren, des Istanbuler Übereinkommens und des UNCITRAL-Modellgesetzes, Teil 2, S. 322 f. 233 Fehrenbach, Haupt- und Sekundärinsolvenzverfahren, S. 293 ff.

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B. Schweizerisches Kollisionsrecht Ein schweizerischer Hilfskonkurs (ausführlich § 15, C.) ist nur möglich, wenn Vermögen in der Schweiz belegen ist. Bei laufenden Vertragsverhältnissen ist daher die Frage zu stellen, ob ein Vertrag unter den Beschlag des IPRG-Konkurses fällt und welcher Verwalter über das Schicksal des Vertrags entscheiden kann. In Art. 167 Abs. 3 IPRG findet sich die Regelung: „Forderungen des Gemeinschuldners gelten als dort gelegen, wo der Schuldner des Gemeinschuldners seinen Wohnsitz hat.“ Diese gesetzliche Fiktion bindet den Konkursverwalter.234 Auch in der Schweiz existiert nur eine Vermutung für die Belegenheit einzelner Forderungen, die im Ausgangspunkt im Wesentlichen deckungsgleich mit der europäischen Vermutungsregelung ist. Problematisch sind allerdings exorbitante Belegenheitsvermutungen von Forderungen. So wird eine Forderung auch in der Schweiz lokalisiert, wenn der Insolvenzschuldner in der Schweiz ansässig ist und der Gläubiger sich im Ausland aufhält.235 Gleiches gilt für Forderungen ausländischer Insolvenzschuldner gegen Gläubiger, die im schweizerischen Handelsregister eingetragen sind.236 Schließlich gelten Forderungen selbst dann in der Schweiz belegen, wenn alle Beteiligten ihren Wohnsitz im Ausland haben, aber die Forderung aus dem Geschäftsbetrieb einer Niederlassung stammt, die in der Schweiz liegt.237 Positive Kompetenzkonflikte sind insofern unvermeidbar, als eine mehrfache Verortung denkbar ist.238 Damit können im Partikularkonkurs vertragliche Forderungen als inländisches, schweizerisches Vermögen qualifiziert werden, auch wenn der Schuldner seinen Sitz im Ausland hat.239 Ferner kennt das schweizerische Recht auch einen Niederlassungskonkurs. Forderungen müssen einen Bezug zur Niederlassung aufweisen, um im Niederlassungsterritorium belegen zu sein. Die Forderung muss rechnerisch der Niederlassung zugeordnet werden können.240 Nach Bopp kann die Vermutungsregelung des Art. 167 Abs. 3 IPRG nicht auf Vertragsverhältnisse und nicht auf Art. 170 IPRG, wonach das anwendbare Recht bestimmt wird, angewandt werden.241 Für die Lokalisierung eines 234

BG, Urt. v. 11.3.2010 – 5A.83/2010. Marchand, in: Exécution de décisions étrangères, S. 176; Marchand, in: FS Knoepfler, S. 124; zu einem Patent, BG, Urt. v. 11.2.1931 – BGE 57 III 32, 34; Stoffel/Chabloz, Voies d'exécution, S. 218. 236 Marchand, in: Exécution de décisions étrangères, S. 176. 237 BG, Urt. v. 12.5.1986 – BGE 112 III 115, 118; Staehelin, Die Anerkennung ausländischer Konkurse und Nachlassverträge in der Schweiz (Art. 166 ff. IPRG), S. 126. 238 Staehelin, Die Anerkennung ausländischer Konkurse und Nachlassverträge in der Schweiz (Art. 166 ff. IPRG), S. 127 f. 239 Grassmann, in: Art. 166 IPRG, Rn. 1. 240 Kolmann, Kooperationsmodelle im internationalen Insolvenzrecht: empfiehlt sich für das deutsche internationale Insolvenzrecht eine Neuorientierung?, S. 58. 241 Bopp, Sanierung im Internationalen Insolvenzrecht der Schweiz, S. 270. 235

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Vertrags in der Schweiz sei ein qualifizierter Inlandsbezug notwendig, d.h. der insolvenzrechtliche Schwerpunkt des Vertrags müsse in der Schweiz liegen, sodass „ein bestimmtes Vertragsverhältnis als Ganzes (und nicht nur die einzelne daraus stammende Forderung) in der Schweiz belegen sei.“242 Dies wäre der Fall, wenn der Vertragsgegenstand in der Schweiz belegene unbewegliche oder bewegliche Sachen betrifft oder bei Arbeitsverträgen der Arbeitnehmer seinen Wohnsitz in der Schweiz habe. Eine ausdrückliche Koordinationsregelung zwischen ausländischem und inländischem Haupt- bzw. Partikularverwalter existiert nicht, die einen Kompetenzkonflikt auflösen würde. Staatsvertragliche Regelungen seien nach Staehelin eine Lösung.243 Kooperationsvereinbarungen zwischen mehreren Verwaltern sind bereits jetzt ohne eine gesetzliche Regelung möglich.244 Nach der unter § 15, C., III. vorgestellten Reform soll die Kooperationsmöglichkeit kodifiziert werden, vgl. Art. 174b IPRG-E-2017. C. Würdigung I. Ausgangspunkt des Lösungsansatzes nach der EuInsVO Die Zuordnung der Verwaltungskompetenz hat sich im Ausgangspunkt an der gesetzlichen Regelung des Art. 2 EuInsVO zu orientieren, wie es Reinhart vorschlägt. Denn zunächst hat der solvente Vertragspartner eine unprivilegierte Insolvenzforderung. Diese kann er als Passivforderung ubiquitär in jedem Verfahren geltend machen. Zu einer genauen Lokalisierung des Vertragsverhältnisses eignet sich diese daher nicht. Nur eine Aktivforderung kann nach dem beschriebenen Vorgehen trennscharf lokalisiert werden.245 Die Durchsetzung ist allerdings wegen des Schutzes des vertraglichen Synallagmas, der auch in der internationalen Insolvenz zu erhalten ist, an die Passivforderung gekoppelt.246 Allgemeines Prinzip ist, dass der Vertragspartner in der Insolvenz nicht mehr ohne Gegenleistung an die Masse leisten muss. Fordert der Verwalter die Erfüllung eines schwebenden Vertrags, werden die Insolvenzforderungen als Masseverbindlichkeiten privilegiert. Die Aktivforderung kann nur einer Masse zugewiesen werden und ist daher bestimmend für die Zuordnung des Vertragsverhältnisses. Da das Wahlrecht quasi einen Schutzmechanismus des Synallagmas darstellt, ist es als ein Annex zur Einziehung der Aktivforderung zu verstehen. Der Mittelpunkt der hauptsächli242

Bopp, Sanierung im Internationalen Insolvenzrecht der Schweiz, S. 269 f. Staehelin, Die Anerkennung ausländischer Konkurse und Nachlassverträge in der Schweiz (Art. 166 ff. IPRG), S. 127 f. spricht sich wegen denkbarer Kompetenzkonflikte für staatsvertragliche Regelungen aus. 244 Botschaft zur Änderung des Bundesgesetzes über das Internationale Privatrecht vom 24.5.2017, 17.038, S. 4125, 4142. 245 Fehrenbach, Haupt- und Sekundärinsolvenzverfahren, S. 290. 246 Weller, ZHR 2005, 570, 589. 243

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chen Interessen des Drittschuldners der Aktivforderung ermöglicht grundsätzlich eine einfache und sinnvolle Zuweisung in einer Vielzahl an Fällen. Hat der Schuldner der Aktivforderung seinen gewöhnlichen Aufenthalt im Partikularverfahrensland ist das Partikularverfahren für das mit der Aktivforderung verbundene Vertragsverhältnis zuständig; ist der Drittschuldner im Hauptverfahrensstaat niedergelassen, ist die Forderung im Hauptverfahren zu lokalisieren. Eine getrennte Lokalisierung der Aktiv- und Passivforderungen verbietet sich. Dies könnte zu unterschiedlichen anwendbaren Rechten und Verwaltungskompetenzen führen. Ein einheitliches Vertragsverhältnis könnte dann „zerrissen“ werden, sodass zwei verschiedene Verwalterwahlrechtsregelungen oder unterschiedliche Kündigungsregelungen auf ein einheitliches Vertragsverhältnis anzuwenden wären. Damit sind die Verwaltungskompetenzen des Verwalterwahlrechts akzessorisch mit der Aktivforderung zu bestimmen. Ein Eingriff des einen Verwalters in die Kompetenzen des anderen muss ebenfalls ausgeschlossen werden. Auch eine Alleinzuständigkeit des Hauptverwalters widerspricht dem Zweck eines Partikularverfahrens, das auch Vertragsverhältnisse einbeziehen soll.247 II. Die zwei problematischen Sachverhaltskategorien Dieser Lösungsweg führt allerdings scheinbar in zwei Situationen zu erheblichen Problemen: Erstens, wenn der Bedarf an den Leistungen aus dem schwebenden Vertragsverhältnis ungleich zwischen den parallelen Verfahren verteilt ist. Beispielsweise unterhält das Gesamtunternehmen einen ITVertrag mit einem Vertragspartner, der seinen Sitz im Niederlassungsland hat. Folge hieraus wäre eigentlich die Zuständigkeit des Sekundärverwalters. Der Bedarf bzw. das Interesse des Niederlassungsverwalters dürfte aber quantitativ beschränkt sein, da das Niederlassungsverfahren nicht die ITLeistungen des Gesamtunternehmens benötigt. Der Vertrag kann regelmäßig aber nur einheitlich erfüllt werden. Zweitens, wenn die Erfüllungsmöglichkeiten ungleich verteilt sind. Erhält das Niederlassungsverfahren die Aktivforderung nach Art. 2 EuInsVO, aber nur der Verwalter eines anderen parallelen Verfahrens kann die Passivforderung erfüllen, müsste dies regelmäßig zur Nichterfüllungswahl führen. Das Resultat wäre anderenfalls, dass Vermögenswerte von einer Masse zur anderen transferiert werden würden: Eine Masse erhält den Vorteil, die andere Masse muss zahlen. Zwar würde die Gläubigergemeinschaft insgesamt einen Vorteil erlangen, da das Wahlrecht nur in deren Sinne ausgeübt werden dürfte. Die Gläubiger können ihre Forderungen nach EuInsVO auch ubiquitär anmelden und auf diese Weise in den Genuss dieser Vorteile kommen. Allerdings können die verschiedenen Verfahren unterschiedliche Verteilungsord247

Weller, ZHR 2005, 570, 589; Virgós/Schmit, Begleitender Bericht, Tz. 155.

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nungen aufweisen, sodass eine solche Ausübung des Wahlrechts die Befriedigungschancen der Gläubiger verschieben kann. Ein Eingreifen eines Verwalters in die Verwaltungsbefugnisse des anderen Verwalters scheidet im Idealfall aus. III. Kritik zum Niederlassungsbezug Aber auch die anderen Ansichten, die bei der Lokalisierung des Vertrags einen qualifizierten Bezug der Forderung bzw. des Vertragsverhältnisses zur Niederlassung fordern, können die Herausforderungen nicht endgültig lösen.248 Zwar ist es legitim, eine optimale Abgrenzung der Verwaltungskompetenzen zu erreichen. Allerdings bleiben die zuvor beschriebenen Problemfälle denkbar, in denen die Zuordnung des Wahlrechts zu einem Verfahren nicht restlos alle Zuordnungsprobleme löst und andere Teilverwalter auch anteiliges Interesse oder Bedarf an der Erfüllung des Vertrags haben. Vor allem einzelfallabhängige Lösungen gewähren für den Vertragspartner keine Rechtssicherheit. In der Insolvenz ist das primäre Interesse des Vertragspartners, schnellstmöglich Gewissheit über das Vertragsverhältnis zu erlangen. Bei derart offenen Abgrenzungen der Zuständigkeit für das Gestaltungsrecht des Verwalterwahlrechts wird dieses Ziel verfehlt und beschwört Rechtsstreitigkeiten herauf.249 Letztlich ist nochmals der Schutzzweck des Territorialverfahrens vor Augen zu führen. Dieser bezweckt primär den Schutz der lokalen Gläubiger – hier den solventen Vertragspartner mit gewöhnlichem Aufenthalt im Territorialverfahrensstaat – vor externen Insolvenzgesetzen. Es geht eben nicht um die Abwicklung der Niederlassung an sich, sondern um den Vertrauensschutz des lokalen Gläubigers. Aufgrund abstrakt-genereller Bestimmungen ist für eine Vielzahl von Fällen systematisch und pauschalisierend die Schutzbedürftigkeit festgestellt worden. Hat der Vertragspartner seinen Mittelpunkt der hauptsächlichen Interessen im Niederlassungsland und kommt es zu einem Sekundärverfahren, so ist er dem Schutz der lokalen Insolvenzgesetze zu unterstellen. Er kann auch selbst das Sekundärverfahren nach Art. 37 EuInsVO initiieren, was seine Schutzwürdigkeit unterstreicht. Die lokalen Gläubiger vertrauen auf die Haftungsmasse im Niederlassungsland.250 Art. 2 EuInsVO bestimmt genau die Aktivmassen, insbesondere die Aktivforderungen. Ein Niederlassungsbezug ist gesetzlich in diesem Zusammenhang gerade nicht erforderlich und widerspricht der aktuellen Rechtslage. Außerdem ist kein Argument ersichtlich, weshalb für Vertragsverhältnisse bzw. Forderungen ein besonderer Niederlassungsbezug erforderlich sein soll. Eine bewegli-

248

Vgl. Fehrenbach, Haupt- und Sekundärinsolvenzverfahren, S. 291 ff. Fehrenbach, Haupt- und Sekundärinsolvenzverfahren, S. 292. 250 Bloching, Pluralität und Partikularinsolvenz, S. 72. 249

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che Sache, die keinen Bezug zur Niederlassung aufweist, aber im Territorialverfahrensstaat belegen ist, fällt eben in dieses Partikularverfahren. In dieser Konsequenz ist weiterhin der Ansicht Reinharts zu folgen: Der Mittelpunkt der hauptsächlichen Interessen des Schuldners der Aktivforderung ist notwendig, aber auch ausreichend, um ein Vertragsverhältnis zu lokalisieren. Daher ist für die beiden oben geschilderten problematischen Kategorien ein anderer Lösungsweg zu finden. IV. Kritik zur externen Mehrfachzuständigkeit der Verwalter Bislang wurde nur versucht, im Außenverhältnis eine Abgrenzung der Verwaltungszuständigkeit zu begründen. Fehrenbach schlägt in Überwindung dieses Ansatzes eine Mehrfachzuständigkeit der Verwalter vor. Er erkennt im Erfüllungsverlangen des Verwalters einen Qualitätssprung des Aktivvermögensgegenstands, sodass dieser erst mit Erfüllungsverlangen einer der Insolvenzmassen zuzuordnen sei.251 Dies ist letztlich ein nicht überzeugendes formales Argument. Der Aktivgegenstand ist bereits von Vertragsschluss an vorhanden, da die Forderung zu diesem Zeitpunkt entsteht. Die Erfüllungswahl begründet keine neue Forderung, sondern die Forderung erhält ihre Werthaltigkeit. Den Verwaltern wäre es sonst möglich, über das anwendbare Recht zu entscheiden. Eine von Fehrenbach angenommen Mehrfachzuständigkeit gegenüber dem Vertragspartner übersieht allerdings, dass jeder Verwalter seine eigene lex fori concursus anwendet. Damit kann es zu Friktionen des unterschiedlich anwendbaren Rechts kommen, da sich die Ausgestaltungen des Wahlrechts je nach Rechtsordnung erheblich unterscheiden. Wird beispielsweise eine Doppelzuständigkeit eines deutschen und französischen Insolvenzverwalters angenommen, könnte der deutsche Verwalter Erfüllung, der französische Verwalter Nichterfüllung wählen. Nach französischem Recht wird dadurch der Vertrag beendet, anders nach deutschem Recht. Wird der Gemeinschuldner erfolgreich saniert, bleibt offen, ob sich die Fortsetzung des Vertrags nach deutschem oder französischem Recht richtet. Ferner lässt eine Mehrfachzuweisung Art. 2 EuInsVO außer Betracht, der klare und eindeutige Regelungen für die Aktivmasse aufstellt. Es widerspricht dem Regelungskonzept der klaren Zuweisung der Aktivgegenstände, wenn es den Verwaltern überlassen bleibt, wer schneller Erfüllung wählt und in welches Verfahren die Aktivforderung dann fällt.

251

Fehrenbach, Haupt- und Sekundärinsolvenzverfahren, S. 293.

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V. Lösungsansatz: interne Mehrfachzuständigkeit der Verwalter Es ist überzeugender, eine interne Mehrfachzuständigkeit über das Kooperationsgebot der Insolvenzverwalter anzunehmen.252 Nimmt man die Verteilung der Aktivmasse nach Art. 2 EuInsVO hin, sind im Außenverhältnis die Verwaltungskompetenzen gegenüber den Vertragspartnern klar abgegrenzt. Dies entspricht auch dem Schutzzweck des Sekundärverfahrens, indem dem solventen Vertragspartner bei einer Niederlassung des Gemeinschuldners aus Gerechtigkeitsgründen gewährleistet ist, dass er nicht einer fremden lex fori concursus unterstellt wird und damit seine Risiken kalkulieren kann.253 Wie bereits gesagt, geht es nicht um die Abwicklung der Niederlassung.254 Die Niederlassung ist nur Vertrauensträger und Anknüpfungspunkt.255 Letztlich wird das Verfahren pauschal auf das gesamte Territorium ausgedehnt, unabhängig vom Bezug zur Niederlassung.256 Der exklusiven Zuständigkeit im Außenverhältnis steht eine interne Kooperation gegenüber. Beispielsweise sieht Art. 41 EuInsVO vor, dass sich die Verwalter intern verständigen und insbesondere notwendige Vereinbarungen treffen. Ferner besteht eine interne Ausgleichspflicht als Gesamtgläubiger, ähnlich dem Vorschlag Fehrenbachs. Dadurch können die Vorteile aus gegenseitigen Verträgen zugunsten aller Verfahren ausgeglichen werden. Fällt das Vertragsverhältnis in die Masse des Territorialverfahrens, aber der Hauptverwalter benötigt den Vertrag, so ist das Wahlrecht durch den Sekundärverwalter auszuüben. Intern kann die Sekundärmasse von den eingegangen Verpflichtungen durch die Hauptmasse freigestellt werden. In der anderen Problemkategorie, wenn der Sekundärverwalter beispielsweise extern zuständig ist, aber nur mit Gegenständen eines Parallelverfahrens die privilegierte Passivforderung erfüllen kann, führt eine Verständigung mit dem anderen Insolvenzverwalter auch weiter: Ein interner Ausgleichsmechanismus teilt den Nutzen und die Kosten der Vertragserfüllung auf beide Verfahren auf. Der Vorteil dieser Lösung liegt in einer einfachen und klaren externen Kompetenzzuweisung. Dies ermöglicht dem Vertragspartner schnelle Gewissheit und regelt sicherer das anwendbare Recht. Die exklusiven Zuständigkeiten reduzieren die Ungewissheiten in der Insolvenz und sind für eine schnelle und rechtssichere Lösung vorteilhaft. Vor allem werden die insolvenzrechtlichen Regelungen eindeutig bestimmt: Welche Fristen gelten für das Wahlrecht, müssen Gerichte dem Wahlrecht zustimmen, gibt es Lösungs-

252 Vgl. zur notwendigen Kooperation der Verwalter bei der externen Mehrfachzuständigkeit Fehrenbach, Haupt- und Sekundärinsolvenzverfahren, S. 295. 253 Weller, ZHR 2005, 570, 584 f. 254 Fehrenbach, Haupt- und Sekundärinsolvenzverfahren, S. 124. 255 Weller, ZHR 2005, 570, 590. 256 Fehrenbach, Haupt- und Sekundärinsolvenzverfahren, S. 125 m.w.N.

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verbote und kann der Vertragspartner zur Ausübung des Wahlrechts auffordern? Nach der neuen EuInsVO sind Sekundärverfahren auch nicht mehr zwingend auf Liquidation angelegt, sondern ermöglichen ein stärker kooperatives Vorgehen mit der Hauptverwaltung. Dies steht im Zeichen der hier vorgeschlagenen Lösung. Die Lösung verhindert ebenfalls, dass ohne eine Verständigung in Problemfällen das Wahlrecht ausgeübt wird. Fordert ein Verwalter die Erfüllung, ohne hierzu im Stande zu sein, ergibt sich gegenüber dem Vertragspartner eine Haftung.257 Ohne das Einverständnis des anderen Verwalters, kann kein Wahlrecht zulasten eines Parallelverfahrens ausgeübt werden. Dieses Zusammenspiel mit dem Haftungssystem erhöht den Druck auf eine internationale Kooperation. Für eine erfolgreiche Sanierung ist diese unabdingbar. Einem Gesamtvorteil verweigert sich der andere Verwalter nicht, wenn er auch einen Vorteil und keine einseitige Belastung seiner Masse erreicht. Wird keine Verständigung erreicht, kann das Wahlrecht im Zweifel nicht ausgeübt werden. Dies stellt keine Verschlechterung der Ausgangssituation dar, da der Vertragspartner keinen Anspruch auf Erfüllungswahl hat. Es ist vielmehr der Regelfall, dass ein Verwalter die Nichterfüllung wählt. Solange Territorialverfahren existieren, sind solche Situationen schlicht hinzunehmen. Nur in dem Verfahren, das extern zuständig ist, wird die Passivforderung entsprechend dessen Regeln privilegiert.258 Da nicht ex ante erkennbar ist, welches Verfahren massereicher ist, ergeben sich hieraus keine generellen Vor- oder Nachteile. Als Anknüpfungskriterium des Art. 2 EuInsVO ist der Mittelpunkt der hauptsächlichen Interessen des Drittschuldners vorgesehen. Bei aller Kritik an diesem Kriterium, bietet die Rechtsprechung und Neufassung des Art. 3 EuInsVO eine gewisse Rechtssicherheit. Sicherlich lässt sich auch an den Wohnsitz oder den gewöhnlichen Aufenthalt des Schuldners anknüpfen.259 Regelmäßig dürfte dies aber mit dem Mittelpunkt der hauptsächlichen Interessen zusammenfallen. Weitere Kriterien zur Bestimmung der Aktivforderung könnten auch der Gläubigerwohnsitz, die Staatsangehörigkeit oder der Erfüllungsort sein. Auch an eine Rechtswahl anzuknüpfen wäre denkbar. Diese Vorschläge zeigen aber keinen überlegenen Vorteil. Ein internationaler Standard hat sich noch nicht völlig etabliert.260 Dennoch hat sich mit einer ähnlichen Gestaltung der EuInsVO und in der Schweiz eine europäische Richtung ergeben. 257 Vgl. beispielsweise § 61 deutsche InsO. Siehe auch in diese Richtung Fehrenbach, Haupt- und Sekundärinsolvenzverfahren, S. 291. 258 Vgl. Fehrenbach, Haupt- und Sekundärinsolvenzverfahren, S. 294. 259 Vgl. hierzu Bloching, Pluralität und Partikularinsolvenz, S. 184, 196 m.w.N. und § 23 deutsche ZPO. 260 Bloching, Pluralität und Partikularinsolvenz, S. 185.

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VI. Lösungsansatz nach dem schweizerischen Kollisionsrecht Die vorstehende Argumentation hat sich zunächst auf das europäische Kollisionsrecht bezogen. Im Grunde laufen die europäischen und schweizerischen Bestimmungen zur Forderungsbelegenheit in der Insolvenz gleich.261 Die Vermutungsregelung nach Art. 167 Abs. 3 IPRG für die Belegenheit von Forderungen ist daher auch in der Schweiz der gesetzliche Ausgangspunkt. Die Ansicht von Bopp, wonach diese Vermutungsregelung nicht anwendbar sei und ein qualifizierter Inlandsbezug das maßgebliche Anknüpfungskriterium für Verträge sei, ist nachvollziehbar und steht im Einklang mit den in der europäischen Lehre vorgeschlagenen Lösungsansätzen. Eine Bezugnahme auf die vertragscharakteristische Leistung, um den Inlandsbezug zu bestimmen, ist allerdings gesetzlich nicht vorgesehen. Ferner ist nach BG, Urt. v. 11.3.2010 – 5A.83/2010 die Fiktion der Forderungsbelegenheit in Art. 167 Abs. 3 IPRG für die Aufnahme in das Inventar eines schweizerischen Partikularverfahrens zwingend. Soweit der Vertrag keinen insolvenzlichen Inlandsbezug aufweist und folglich nicht in der Schweiz zu lokalisieren wäre, kann eine Forderung nach der Rechtsprechung dennoch in der Schweiz belegen sein. Um solche Widersprüche zu vermeiden, kann auch für das schweizerische Kollisionsrecht auf die für die europäische Rechtslage entwickelte Lösung zurückgegriffen werden. Damit ergibt sich nach jetziger Rechtslage und Anwendung der oben vorgeschlagenen Lösung eine eindeutige Vermutung für die Aktivforderung und damit mittelbar für das Vertragsverhältnis. Die Prinzipien der internationalen Kooperation sind dem schweizerischen Regelungssystem nicht fremd. Es ist daher ebenfalls möglich, eine interne Regelung zwischen den Verwaltern zu erreichen und auch im europäischschweizerischen Konkurs eine optimale Koordinierung anzustreben. Um doppelte Zuständigkeiten zu vermeiden und einen internationalen Gleichlauf zu erreichen, sind die unter § 16, B. beschriebenen exorbitanten Lokalisierungsregelungen im Zweifel nicht zu berücksichtigen. VII. Zeitliche Abgrenzung der Verfahren Zum Schluss sei noch auf die zeitliche Abgrenzung der Parallelverfahren eingegangen. Ein später eröffnetes Territorialverfahren entfaltet keinen retroaktiven Effekt: Hat der Hauptverwalter bereits sein Wahlrecht über das schwebende Vertragsverhältnis ausgeübt oder beispielsweise den Vertrag beendet, hat dies keine späteren Auswirkungen auf das Zweitverfahren.262 Ein abgeschlossener Tatbestand, wie die Ausübung des Wahlrechts oder ein 261

Insbesondere gilt dies, wenn die exorbitanten Belegenheitsfiktionen in der Schweiz reduziert würden. 262 Wessels, Insolvency Law, Rn. 10680 u. Rn. 10682.

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Fristablauf, bleibt erhalten.263 Gleichwohl ist zu überlegen, ob Fristen, die mit der Verfahrenseröffnung des Hauptverfahrens zu laufen begonnen haben, auf Fristen im Sekundärverfahren angerechnet werden sollen.264 Da die Ungewissheiten zum Schutz der Vertragspartner im Insolvenzverfahren möglichst gering zu halten sind und Lösungsverbote durch zeitlich befristete Ausübungsperioden des Wahlrechts gerechtfertigt werden, sind begonnene Fristen auch im Sekundärverfahren zu berücksichtigen.

263 264

Bloching, Pluralität und Partikularinsolvenz, S. 257. Hierzu auch Bloching, Pluralität und Partikularinsolvenz, S. 257 ff.

Schlussfolgerungen in Thesen 1. Insolvenzverfahrensziel: Schon seit dem römischen Recht gibt es im Insolvenzrecht Perioden, in denen die Sanierung des Schuldners in den Fokus rückte. Sanierungsschutz und Gläubigerschutz sind die widerstreitenden Interessen, zwischen denen das Insolvenzrecht phasenweise unterschiedlich ausgerichtet wird. Heute besteht eine Hochphase, in der das Insolvenzrecht vermehrt als Mittel für Unternehmenssanierungen und -restrukturierungen betrachtet wird. Auch wenn das primäre Ziel des Insolvenzverfahrens die bestmögliche Gläubigerbefriedigung bleibt, rücken die Interessen aller Verfahrensbeteiligten, insbesondere des Schuldners, stärker in den Mittelpunkt. In diesem Spannungsfeld um die Ausrichtung des Insolvenzrechts ist die Wirksamkeit von insolvenzbezogenen Lösungsklauseln zu verorten. 2. Verwalterwahlrecht: Ein modernes Insolvenzrecht verleiht dem Insolvenzverwalter durch das Verwalterwahlrecht eine starke Position, um Sanierungschancen zu erhalten und zu verbessern. Dabei hat das Wahlrecht materielle Auswirkungen auf das Vertragsverhältnis und ordnet es haftungsrechtlich der Insolvenzmasse zu. Das Verwalterwahlrecht bietet dem solventen Vertragspartner einen hinreichenden Schutz im Insolvenzverfahren, um dessen zukünftiges Risiko gesetzlich zu beschränken. 3. Lösungsklauseln schützen nicht vor einem bereits durch die Insolvenz verursachten Verlust, sondern wirken durch die Vertragsbeendigung nur in die Zukunft. Lösungsklauseln können Liquidationen begünstigen und Restrukturierungen erschweren, indem der Insolvenzmasse wichtige, sanierungsrelevante Verträge entzogen werden. 4. Verbote von Lösungsklauseln sind daher Bestandteil eines modernen sanierungsfreundlichen Insolvenzrechts. Die Verbote von Lösungsrechten zeichnen die Entwicklung des Insolvenzrechts der letzten 30 bis 40 Jahre nach und spiegeln die Sanierungskultur bzw. den faktischen Funktionswandel des Insolvenzrechts vom Vollstreckungsrecht zum Sanierungsrecht wider. Der Rechtsvergleich unterstreicht, dass die Insolvenz für sich alleine kein wichtiger Grund für eine Vertragsbeendigung ist. 5. Legitimität eines Verbots von Lösungsklauseln: Der Rechtsvergleich zeigt, dass es legitim sein kann, die Vertragsfreiheit zugunsten der Verbote von Lösungsklauseln in Insolvenzverfahren einzuschränken. Dies ergibt sich

Schlussfolgerungen in Thesen

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nicht ausschließlich aus zwingenden juristischen Prinzipien des Insolvenzrechts. Die Einschränkung der Vertragsfreiheit stützt sich dogmatisch auf einer sanierungsfreundlichen Interpretation des Verwalterwahlrechts und dessen Umgehungsschutz. Ferner entspringen die Verbote einer wirtschaftlichen Notwendigkeit und einem tatsächlichen Bedarf nach Schutz des Insolvenzverfahrens, um Sanierungen zu erleichtern und die Masse zu mehren. Sie entsprechen dem modernen Insolvenzziel der „zweiten Chance“. Die Legitimität der Verbote begründet sich folglich auch damit, dass die Vertragsfreiheit zurückzunehmen ist, wenn schutzwürdige Rechtspositionen Dritter betroffen sind. Insbesondere wenn Lösungsklauseln missbräuchlich eingesetzt werden, um in der Insolvenz einen Sondervorteil bei Neuverhandlungen zu erzielen, wird eine von der Vertragsfreiheit nicht hinzunehmende Fremdbestimmung offensichtlich. Ungewissheit der Insolvenz: Lösungsklauseln werden damit gerechtfertigt, dass Ungewissheiten in der Insolvenz für den solventen Unternehmer vermieden werden. Diese oft irrationale Furcht steht letztlich der heute gewollten gesellschaftlichen und wirtschaftlichen „zweiten Chance“ des Insolvenzschuldners entgegen. Anknüpfung an die Insolvenzbezogenheit der Klauseln: Eine strikte Trennung zwischen insolvenzbezogenen und insolvenzunabhängigen Lösungsklauseln ist nicht zeitgemäß. Ein modernes Insolvenzrecht trifft Vorkehrungen, um Vertragsverhältnisse vor außerordentlichen Kündigungen zu schützen – unabhängig davon, ob die Klausel an einen insolvenzbezogenen Grund, die wesentliche Vermögensverschlechterung oder einen sonstigen Grund anknüpft. Hauptkriterium für ein Verbot von Lösungsklauseln ist die Insolvenzbezogenheit der Klausel: Klauseln, die auf die Insolvenzeröffnung oder die Antragstellung bedingt sind, sollten nichtig sein, alle anderen Klauseln können ab dem Insolvenzeröffnungsantrag nicht mehr ausgeübt werden, bis der Verwalter über das Vertragsschicksal entschieden hat. Auch außerordentliche gesetzliche Vertragsbeendigungsrechte sind entsprechend zu sperren. Schutz durch das Insolvenzverfahren: Die Vorwirkung eines Verbots von Lösungsklauseln ist auf die Antragstellung zu beschränken. Erst das Insolvenzverfahren an sich vermittelt eine besondere Schutzwirkung für Vertragsverhältnisse und die Legitimation, den solventen Geschäftspartner einzuschränken. Der Insolvenzschuldner kann diesen Schutz durch die Insolvenzantragstellung auslösen, sodass besondere Anreize für eine frühe Antragstellung gesetzt werden. Dies ist für die Erfolgsaussichten eines Insolvenzverfahrens vorteilhaft. Gestaltungsinteresse: Lösungsklauseln sind nur in Ausnahmefällen in Insolvenzverfahren aufrechtzuerhalten, wenn die Vertragsparteien ein besonderes Gestaltungsinteresse haben. Dies kann in den Fällen der Existenzgefährdung des solventen Vertragspartners oder einer Sanierungsab-

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Schlussfolgerungen in Thesen

rede mit Lösungsklausel gesehen werden. Insbesondere für Finanzverträge können Bereichsausnahmen vom Verbot notwendig sein. 10. Verhältnismäßigkeit: Die vorgeschlagene Lösung verbietet weder Lösungsklauseln generell noch hält sie diese allgemein für wirksam. Die Wirkungen des Verbots werden an das Insolvenzverfahren gekoppelt und insoweit beschränkt. Gleichzeitig wird das Verbot zum Schutz der Sanierung effektiv umgesetzt, indem ihm sämtliche Verträge und außerordentliche Kündigungsmöglichkeiten unterworfen werden. Andererseits werden Härtefallausnahmen in das Verbot aufgenommen, um insgesamt die Interessen der Vertragspartner und die Interessen der Gläubigergemeinschaft auszugleichen. 11. Insolvenzanfechtung: Eine Behandlung von Lösungsrechten über die Insolvenzanfechtung verfehlt die wirtschaftliche Zielsetzung der Verbote und ist damit nicht geeignet, die Wirkung von Lösungsklauseln zu begrenzen. Am Verfahrensbeginn bedarf es einer hohen Liquidität, die nur ein Verbot von Lösungsrechten herstellen kann. Die Insolvenzanfechtung käme letztlich zu spät. 12. Ordentliche Kündigungsrechte: Um das Verwalterwahlrecht und Sanierungsbestrebungen weitestgehend zu schützen, ist zu überlegen, auch ordentliche vertragliche Kündigungsrechte zu sperren. Hierfür bedarf es eines expliziten gesetzgeberischen Eingriffs wie beispielsweise in Österreich oder den USA. 13. Gesetzgeberische Intervention: Das Verwalterwahlrecht und Verbote von Lösungsklauseln erfordern eine klare gesetzgeberische Regelung, da die Vertragspraxis stets auf der Suche nach der Umgehung des zwingenden Insolvenzrechts ist und das Insolvenzvertragsrecht zu den umstrittensten Rechtsgebieten gehört – und zwar rechtsordnungsübergreifend. Abwägungen im konkreten Einzelfall sind für dieses Ziel kaum tauglich. Die Gesetzgeber in der Schweiz und in Deutschland sind aufgerufen, eine normklare Regelung des Verwalterwahlrechts, der Verbote von Lösungsklauseln und der Voraussetzungen für Ausnahmen zu bestimmen. 14. Internationales Privatrecht: Das Insolvenzstatut bestimmt die Wirksamkeit von Lösungsklauseln. Bei parallelen Insolvenzverfahren entscheidet die Belegenheit der Aktivforderung des Vertrags über die Zuordnung zum jeweiligen Verfahren und mittelbar über das anwendbare Insolvenzstatut.

Anhang: Gesetzesmaterialien England und Wales Auszug aus Insolvency Act 1986 (Stand am 31.12.2016) 233 Supplies of gas, water, electricity, etc. amended by Order 2015, No. 989 (1) This section applies in the case of a company where— (a) the company enters administration, (b) an administrative receiver is appointed, or (ba) a moratorium under section 1A is in force, or (c) a voluntary arrangement approved under Part I, has taken effect, or (d) the company goes into liquidation, or (e) a provisional liquidator is appointed; and “the office-holder” means the administrator, the administrative receiver, the nominee, the supervisor of the voluntary arrangement, the liquidator or the provisional liquidator, as the case may be. (2) If a request is made by or with the concurrence of the office-holder for the giving, after the effective date, of any of the supplies mentioned in the next subsection, the supplier— (a) may make it a condition of the giving of the supply that the office-holder personally guarantees the payment of any charges in respect of the supply, but (b) shall not make it a condition of the giving of the supply, or do anything which has the effect of making it a condi-

tion of the giving of the supply, that any outstanding charges in respect of a supply given to the company before the effective date are paid. (3) The supplies referred to in subsection (2) are— (a) a supply of gas by a gas supplier within the meaning of Part I of the Gas Act 1986; (aa) a supply of gas by a person within paragraph 1 of Schedule 2A to the Gas Act 1986(c) (supply by landlords etc.); (b) a supply of electricity by an electricity supplier within the meaning of Part I of the Electricity Act 1989; (ba) a supply of electricity by a class of person within Class A (small suppliers) or Class B (resale) of Schedule 4 to the Electricity (Class Excemptions from the Requirement for a Licence) Order 2001(a) (S.I. 2001/3270); (c) a supply of water by a water undertaker or, in Scotland, Scottish Water, (ca) a supply of water by a water supply licensee within the meaning of the Water Industry Act 1991(b); (cb) a supply of water by a water services provider within the meaning of the Water Services etc. (Scotland) Act 2005(c); (cc) a supply of water by a person who has an interest in the premises to which the supply is given;

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(d) a supply of communications services by a provider of a public electronic communications service; (e) a supply of communications services by a person who carries on a business which includes giving such supplies; (f) a supply of goods or services mentioned in subsection (3A) by a person who carries on a business which includes giving such supplies, where the supply is for the purpose of enabling or facilitating anything to be done by electronic means. (3A) The goods and services referred to in subsection (3)(f) are— (a) point of sale terminals; (b) computer hardware and software; (c) information, advice and technical assistance in connection with the use of information technology; (d) data storage and processing; (e) website hosting. (4) “The effective date” for the purposes of this section is whichever is applicable of the following dates— [(a)the date on which the company entered administration] (b) the date on which the administative receiver was appointed (or, if he was appointed in succession to another administrative receiver, the date on which the first of his predecessors was appointed), [(ba)the date on which the moratorium came into force] (c) the date on which the voluntary arrangement [took effect], (d) the date on which the company went into liquidation, (e) the date on which the provisional liquidator was appointed. (5) The following applies to expressions used in subsection (3)— (a) [aufgehoben]; (b) [aufgehoben]; (c) [aufgehoben]. (d) “communications services” do not include electronic communications services to the extent that they are used to

broadcast or otherwise transmit programme services (within the meaning of the Communications Act 2003). 233A Further protection of essential supplies amended by Order 2015, No. 989 (1) An insolvency-related term of a contract for the supply of essential goods or services to a company ceases to have effect if— (a) the company enters administration, or (b) a voluntary arrangement approved under Part 1 takes effect in relation to the company. (2) An insolvency-related term of a contract does not cease to have effect by virtue of subsection (1) to the extent that— (a) it provides for the contract or the supply to terminate, or any other thing to take place, because the company becomes subject to an insolvency procedure other than administration or a voluntary arrangement; (b) it entitles a supplier to terminate the contract or the supply, or do any other thing, because the company becomes subject to an insolvency procedure other than administration or a voluntary arrangement; or (c) it entitles a supplier to terminate the contract or the supply because of an event that occurs, or may occur, after the company enters administration or the voluntary arrangement takes effect. (3) Where an insolvency-related term of a contract ceases to have effect under this section the supplier may— (a) terminate the contract, if the condition in subsection (4) is met; (b) terminate the supply, if the condition in subsection (5) is met. (4) The condition in this subsection is that—

Gesetzesmaterialien (a) the insolvency office-holder consents to the termination of the contract, (b) the court grants permission for the termination of the contract, or (c) any charges in respect of the supply that are incurred after the company entered administration or the voluntary arrangement took effect are not paid within the period of 28 days beginning with the day on which payment is due. The court may grant permission under paragraph (b) only if satisfied that the continuation of the contract would cause the supplier hardship. (5) The condition in this subsection is that— (a) the supplier gives written notice to the insolvency office-holder that the supply will be terminated unless the office-holder personally guarantees the payment of any charges in respect of the continuation of the supply after the company entered administration or the voluntary arrangement took effect, and (b) the insolvency office-holder does not give that guarantee within the period of 14 days beginning with the day the notice is received. (6) For the purposes of securing that the interests of suppliers are protected, where— (a) an insolvency-related term of a contract (the “original term”) ceases to have effect by virtue of subsection (1), and (b) the company subsequently enters administration, or a voluntary arrangement subsequently has effect in relation to it, the contract is treated for the purposes of subsections (1) to (5) as if, immediately before the subsequent administration is

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entered into or the subsequent voluntary arrangement takes effect, it included an insolvency-related term identical to the original term. (7) A contract for the supply of essential goods or services is a contract for a supply mentioned in section 233(3). (8) An insolvency-related term of a contract for the supply of essential goods or services to a company is a provision of the contract under which— (a) the contract or the supply would terminate, or any other thing would take place, because the company enters administration or the voluntary arrangement takes effect, (b) the supplier would be entitled to terminate the contract or the supply, or to do any other thing, because the company enters administration or the voluntary arrangement takes effect, or (c) the supplier would be entitled to terminate the contract or the supply because of an event that occurred before the company enters administration or the voluntary arrangement takes effect. (9) In this section “insolvency officeholder” means— (a) in a case where a company enters administration, the administrator; (b) in a case where a voluntary arrangement under Part 1 takes effect in relation to a company, the supervisor of the voluntary arrangement. (10) Subsection (1) does not have effect in relation to a contract entered into before 1st October 2015.”

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Frankreich Auszug aus dem Code de commerce (C.com.) (Stand am 31.12.2016) Article L. 611-16 Créé par Ordonnance n°2014-326 du 12 mars 2014 – art. 14 Est réputée non écrite toute clause qui modifie les conditions de poursuite d'un contrat en cours en diminuant les droits ou en aggravant les obligations du débiteur du seul fait de la désignation d'un mandataire ad hoc en application de l'article L. 611-3 ou de l'ouverture d'une procédure de conciliation en application de l'article L. 611-6 ou d'une demande formée à cette fin. Est réputée non écrite toute clause mettant à la charge du débiteur, du seul fait de la désignation d'un mandataire ad hoc en application de l'article L. 611-3 ou de l'ouverture d'une procédure de conciliation en application de l'article L. 611-6, les honoraires du conseil auquel le créancier a fait appel dans le cadre de ces procédures pour la quote-part excédant la proportion fixée par arrêté du garde des sceaux, ministre de la justice. Article L. 622-13 Modifié par Ordonnance n°2014-326 du 12 mars 2014 – art. 23 I. Nonobstant toute disposition légale ou toute clause contractuelle, aucune indivisibilité, résiliation ou résolution d'un contrat en cours ne peut résulter du seul fait de l'ouverture d'une procédure de sauvegarde. Le cocontractant doit remplir ses obligations malgré le défaut d'exécution par le débiteur d'engagements antérieurs au jugement d'ouverture. Le défaut d'exécution de ces engagements n'ouvre droit au profit des créanciers qu'à déclaration au passif.

II. L'administrateur a seul la faculté d'exiger l'exécution des contrats en cours en fournissant la prestation promise au cocontractant du débiteur. Au vu des documents prévisionnels dont il dispose, l'administrateur s'assure, au moment où il demande l'exécution du contrat, qu'il disposera des fonds nécessaires pour assurer le paiement en résultant. S'il s'agit d'un contrat à exécution ou paiement échelonnés dans le temps, l'administrateur y met fin s'il lui apparaît qu'il ne disposera pas des fonds nécessaires pour remplir les obligations du terme suivant. III. Le contrat en cours est résilié de plein droit: 1° Après une mise en demeure de prendre parti sur la poursuite du contrat adressée par le cocontractant à l'administrateur et restée plus d'un mois sans réponse. Avant l'expiration de ce délai, le juge-commissaire peut impartir à l'administrateur un délai plus court ou lui accorder une prolongation, qui ne peut excéder deux mois, pour se prononcer ; 2° A défaut de paiement dans les conditions définies au II et d'accord du cocontractant pour poursuivre les relations contractuelles. En ce cas, le ministère public, l'administrateur, le mandataire judiciaire ou un contrôleur peut saisir le tribunal aux fins de mettre fin à la période d'observation. IV. A la demande de l'administrateur, la résiliation est prononcée par le jugecommissaire si elle est nécessaire à la sauvegarde du débiteur et ne porte pas une atteinte excessive aux intérêts du cocontractant.

Gesetzesmaterialien V. Si l'administrateur n'use pas de la faculté de poursuivre le contrat ou y met fin dans les conditions du II ou encore si la résiliation est prononcée en application du IV, l'inexécution peut donner lieu à des dommages et intérêts au profit du cocontractant, dont le montant doit être déclaré au passif. Le cocontractant peut néanmoins différer la restitution des sommes versées en excédent par le débiteur en exécution du contrat jusqu'à ce qu'il ait été statué sur les dommages et intérêts. VI. Les dispositions du présent article ne concernent pas les contrats de travail. Elles ne concernent pas non plus le contrat de fiducie, à l'exception de la convention en exécution de laquelle le débiteur conserve l'usage ou la jouissance de biens ou droits transférés dans un patrimoine fiduciaire. Article L. 641-11-1 Créé par Ordonnance n°2008-1345 du 18 décembre 2008 – art. 104 I. Nonobstant toute disposition légale ou toute clause contractuelle, aucune indivisibilité, résiliation ou résolution d'un contrat en cours ne peut résulter du seul fait de l'ouverture ou du prononcé d'une liquidation judiciaire. Le cocontractant doit remplir ses obligations malgré le défaut d'exécution par le débiteur d'engagements antérieurs au jugement d'ouverture. Le défaut d'exécution de ces engagements n'ouvre droit au profit des créanciers qu'à déclaration au passif. II. Le liquidateur a seul la faculté d'exiger l'exécution des contrats en cours en fournissant la prestation promise au cocontractant du débiteur. Lorsque la prestation porte sur le paiement d'une somme d'argent, celui-ci doit se faire au comptant, sauf pour le liquidateur à obtenir l'acceptation, par le cocontractant du débiteur, de délais de paiement. Au vu des documents pré-

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visionnels dont il dispose, le liquidateur s'assure, au moment où il demande l'exécution, qu'il disposera des fonds nécessaires à cet effet.S'il s'agit d'un contrat à exécution ou paiement échelonnés dans le temps, le liquidateur y met fin s'il lui apparaît qu'il ne disposera pas des fonds nécessaires pour remplir les obligations du terme suivant. III. Le contrat en cours est résilié de plein droit: 1° Après une mise en demeure de prendre parti sur la poursuite du contrat adressée par le cocontractant au liquidateur et restée plus d'un mois sans réponse. Avant l'expiration de ce délai, le juge-commissaire peut impartir au liquidateur un délai plus court ou lui accorder une prolongation, qui ne peut excéder deux mois, pour se prononcer ; 2° A défaut de paiement dans les conditions définies au II et d'accord du cocontractant pour poursuivre les relations contractuelles ; 3° Lorsque la prestation du débiteur porte sur le paiement d'une somme d'argent, au jour où le cocontractant est informé de la décision du liquidateur de ne pas poursuivre le contrat. IV. la demande du liquidateur, lorsque la prestation du débiteur ne porte pas sur le paiement d'une somme d'argent, la résiliation est prononcée par le jugecommissaire si elle est nécessaire aux opérations de liquidation et ne porte pas une atteinte excessive aux intérêts du cocontractant. V. Si le liquidateur n'use pas de la faculté de poursuivre le contrat ou y met fin dans les conditions du II ou encore si la résiliation du contrat est prononcée en application du IV, l'inexécution peut donner lieu à des dommages et intérêts au profit du cocontractant, dont le montant doit être déclaré au passif. Le cocontractant peut néanmoins différer la restitution des sommes versées en excédent par le dé-

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biteur en exécution du contrat jusqu'à ce qu'il ait été statué sur les dommages et intérêts. VI. Les dispositions du présent article ne concernent pas les contrats de travail. Elles sont également inapplicables au contrat de fiducie et à la convention en exécution de laquelle le débiteur constituant conserve l'usage ou la jouissance de biens ou droits transférés dans un patrimoine fiduciaire. Article L. 641-12 Modifié par Ordonnance n°2010-1512 du 9 décembre 2010 – art. 5 Sans préjudice de l'application du I et du II de l'article L. 641-11-1, la résiliation du bail des immeubles utilisés pour l'activité de l'entreprise intervient dans les conditions suivantes: 1° Au jour où le bailleur est informé de la décision du liquidateur de ne pas continuer le bail ; 2° Lorsque le bailleur demande la résiliation judiciaire ou fait constater la résiliation de plein droit du bail pour des causes antérieures au jugement de liquidation judiciaire ou, lorsque ce dernier a été prononcé après une procédure de sauvegarde ou de redressement judiciaire, au jugement d'ouverture de la procédure qui l'a précédée. Il doit, s'il ne l'a déjà fait, introduire sa demande dans les trois mois de la publication du jugement de liquidation judiciaire ; 3° Le bailleur peut également demander la résiliation judiciaire ou faire constater la résiliation de plein droit du bail pour défaut de paiement des loyers et charges afférents à une occupation postérieure au

jugement de liquidation judiciaire, dans les conditions prévues aux troisième à cinquième alinéas de l'article L. 622-14. Le liquidateur peut céder le bail dans les conditions prévues au contrat conclu avec le bailleur avec tous les droits et obligations qui s'y rattachent. En ce cas, toute clause imposant au cédant des dispositions solidaires avec le cessionnaire est réputée non écrite. Le privilège du bailleur est déterminé conformément aux trois premiers alinéas de l'article L. 622-16. Article L. 645-1 Modifié par loi n°2016-1547 du 18 novembre 2016 – art. 99 (V) Il est institué une procédure de rétablissement professionnel sans liquidation ouverte à tout débiteur, personne physique, mentionné au premier alinéa de l'article L. 640-2, en cessation des paiements et dont le redressement est manifestement impossible, qui ne fait l'objet d'aucune procédure collective en cours, n'a pas cessé son activité depuis plus d'un an, n'a employé aucun salarié au cours des six derniers mois et dont l'actif déclaré a une valeur inférieure à un montant fixé par décret en Conseil d'Etat. La procédure ne peut être ouverte à l'égard d'un débiteur qui a affecté à l'activité professionnelle en difficulté un patrimoine séparé de son patrimoine personnel en application de l'article L. 526-6. Elle ne peut être davantage ouverte en cas d'instance prud'homale en cours impliquant le débiteur.

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Auszug aus loi N° 85-98 du 25 janvier 1985 relative au redressement et à la liquidation judiciaire des entreprises Article 37 Abrogé par Ordonnance 2000-912 2000-09-18 art. 4 JORF 21 septembre 2000 L'administrateur a seul la faculté d'exiger l'exécution des contrats en cours en fournissant la prestation promise au cocontractant du débiteur. Le contrat est résilié de plein droit après une mise en demeure adressée à l'administrateur restée plus d'un mois sans réponse. Avant l'expiration de ce délai, le juge-commissaire peut impartir à l'administrateur un délai plus court ou lui accorder une prolongation, qui ne peut excéder deux mois, pour prendre parti. Lorsque la prestation porte sur le paiement d'une somme d'argent, celui-ci doit se faire au comptant, sauf pour l'administrateur à obtenir l'acceptation, par le cocontractant du débiteur, de délais de paiement. Au vu des documents prévisionnels dont il dispose, l'administrateur s'assure, au moment où il demande l'exécution, qu'il disposera des fonds nécessaires à cet effet. S'il s'agit d'un contrat à exécution ou paiement échelonnés dans le temps, l'administrateur y met fin s'il lui apparaît qu'il ne disposera pas des fonds nécessaires pour remplir les obligations du terme suivant. A défaut de paiement dans les conditions définies à l'alinéa précédent et

d'accord du cocontractant pour poursuivre les relations contractuelles, le contrat est résilié de plein droit et le parquet, l'administrateur, le représentant des créanciers ou un contrôleur peut saisir le tribunal aux fins de mettre fin à la période d'observation. Le cocontractant doit remplir ses obligations malgré le défaut d'exécution par le débiteur d'engagements antérieurs au jugement d'ouverture. Le défaut d'exécution de ces engagements n'ouvre droit au profit des créanciers qu'à déclaration au passif. Si l'administrateur n'use pas de la faculté de poursuivre le contrat, l'inexécution peut donner lieu à des dommages-intérêts [*sanctions*] dont le montant sera déclaré au passif au profit de l'autre partie. Celleci peut néanmoins différer la restitution des sommes versées en excédent par le débiteur en exécution du contrat jusqu'à ce qu'il ait été statué sur les dommagesintérêts. Nonobstant toute disposition légale ou toute clause contractuelle, aucune indivisibilité, résiliation ou résolution du contrat ne peut résulter du seul fait de l'ouverture d'une procédure de redressement judiciaire. Les dispositions du présent article ne concernent pas les contrats de travail.

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Österreich Auszug aus der Insolvenzordnung (IO), RGBl. Nr. 337/1914 geändert durch BGBl. I Nr. 29/2010 bzw. BGBl. I Nr. 122/2017 (Stand am 31.1.2018) Räumungsexekution. § 12c. Auf Antrag des Insolvenzverwalters ist eine Exekution zur Räumung eines Bestandobjekts, in dem das Unternehmen betrieben wird, wegen Nichtzahlung des Bestandzinses in der Zeit vor Eröffnung des Insolvenzverfahrens aufzuschieben bis 1. das Unternehmen geschlossen wird, 2. der Schuldner den Sanierungsplan zurückzieht oder das Gericht den Antrag zurückweist, 3. der Sanierungsplan in der Sanierungsplantagsatzung abgelehnt und die Tagsatzung nicht erstreckt wurde, 4. dem Sanierungsplan die Bestätigung versagt wurde oder 5. die Forderung des Bestandgebers nach § 156a wieder auflebt. Wird die Forderung mit dem im Sanierungsplan festgesetzten Betrag rechtzeitig voll befriedigt, so ist die Räumungsexekution auf Antrag einzustellen. Das Bestandverhältnis gilt als fortgesetzt. § 20. […] (4) Aufrechenbar sind auch Forderungen aus Verträgen, die auf Grund der Eröffnung des Insolvenzverfahrens aufgelöst worden sind, über 1. im Anhang II der Verordnung (EU) Nr. 575/2013 über Aufsichtsanforderungen an Kreditinstitute und Wertpapierfirmen und zur Änderung der Verordnung (EU) Nr. 648/2012 genannte besondere außerbilanzmäßige Finanzgeschäfte, einschließlich derivativer Instrumente für den Transfer von Kreditrisiken, 2. verkaufte Zinssatz-, Währungs-, Edelmetall-, Rohstoff-, Aktien- und sonstige Wertpapieroptionen sowie Optionen auf Indices,

2a. Handelsgeschäfte mit börsennotierten Waren und Rohstoffen im Sinne des § 1 Z 3 Börsegesetz 2018, BGBl. I Nr. 107/2017, soweit sie nicht der Deckung des Eigenbedarfs dienen, sondern reine Handelsgeschäfte sind, 3. Pensionsgeschäfte (§ 50 Abs. 1 BWG und Art. 4 Abs. 1 Nr. 83 der Verordnung (EU) Nr. 575/2013) und 4. Wertpapierverleih- und Wertpapierleihgeschäfte, wenn vereinbart wurde, daß diese Verträge bei Eröffnung des Insolvenzverfahrens über das Vermögen eines Vertragspartners aufgelöst werden oder vom anderen Teil aufgelöst werden können und daß alle wechselseitigen Forderungen daraus aufzurechnen sind. Erfüllung von zweiseitigen Rechtsgeschäften. a) im allgemeinen. § 21. (1) Ist ein zweiseitiger Vertrag von dem Schuldner und dem anderen Teil zur Zeit der Eröffnung des Insolvenzverfahrens noch nicht oder nicht vollständig erfüllt worden, so kann der Insolvenzverwalter entweder an Stelle des Schuldners den Vertrag erfüllen und vom anderen Teil Erfüllung verlangen oder vom Vertrag zurücktreten. (2) Der Insolvenzverwalter muß sich darüber spätestens binnen einer vom Insolvenzgericht auf Antrag des anderen Teiles zu bestimmenden Frist erklären, widrigens angenommen wird, daß der Insolvenzverwalter vom Geschäfte zurücktritt. Die vom Insolvenzgericht zu bestimmende Frist darf frühestens drei Tage nach der Berichtstagsatzung enden. Im Falle des Rücktrittes kann der andere Teil den Ersatz des ihm verursachten Schadens als Insolvenzgläubiger verlangen. Ist der Schuldner zu einer

Gesetzesmaterialien nicht in Geld bestehenden Leistung verpflichtet, mit deren Erfüllung er in Verzug ist, so muss sich der Insolvenzverwalter unverzüglich nach Einlangen des Ersuchens des Vertragspartners, längstens aber innerhalb von fünf Arbeitstagen erklären. Erklärt er sich nicht binnen dieser Frist, so wird angenommen, dass er vom Geschäft zurücktritt. (3) Ist der andere Teil zur Vorausleistung verpflichtet, so kann er seine Leistung bis zur Bewirkung oder Sicherstellung der Gegenleistung verweigern, wenn ihm zur Zeit des Vertragsabschlusses die schlechten Vermögensverhältnisse des Schuldners nicht bekannt sein mußten. (4) Sind die geschuldeten Leistungen teilbar und hat der Gläubiger die ihm obliegende Leistung zur Zeit der Eröffnung des Insolvenzverfahrens bereits teilweise erbracht, so ist er mit dem der Teilleistung entsprechenden Betrag seiner Forderung auf die Gegenleistung Insolvenzgläubiger. b) Fixgeschäfte. § 22. (1) War die Ablieferung von Waren, die einen Markt- oder Börsenpreis haben, genau zu einer festbestimmten Zeit oder binnen einer fest bestimmten Frist bedungen und tritt die Zeit oder der Ablauf der Frist erst nach der Eröffnung des Insolvenzverfahrens ein, so kann nicht Erfüllung verlangt, sondern nur Schadenersatz wegen Nichterfüllung gefordert werden. (2) Der Betrag des Schadenersatzes besteht in dem Unterschied zwischen dem Kaufpreis und dem Markt- oder Börsenpreis, der an dem Erfüllungsort oder an dem für diesen maßgebenden Handelsplatz für die am zweiten Werktage nach der Eröffnung des Insolvenzverfahrens mit der bedungenen Erfüllungszeit geschlossenen Geschäfte besteht. c) Bestandverträge. § 23. Hat der Schuldner eine Sache in Bestand genommen, so kann der Insolvenzverwal-

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ter, unbeschadet des Anspruches auf Ersatz des verursachten Schadens, den Vertrag unter Einhaltung der gesetzlichen oder der vereinbarten kürzeren Kündigungsfrist kündigen. § 24. (1) Hat der Schuldner eine Sache in Bestand gegeben, so tritt der Insolvenzverwalter in den Vertrag ein. Eine aus dem öffentlichen Buche nicht ersichtliche Vorauszahlung des Bestandzinses kann dem Insolvenzverwalter, unbeschadet des Anspruches auf Ersatz des verursachten Schadens, nur für die Zeit eingewendet werden, bis zu der das Bestandverhältnis im Falle unverzüglicher Kündigung unter Einhaltung der vereinbarten oder, in Ermangelung einer solchen, der gesetzlichen Kündigungsfrist dauern würde. (2) Jede Veräußerung der Bestandsache im Insolvenzverfahren hat auf das Bestandverhältnis die Wirkung einer notwendigen Veräußerung. d) Arbeitsverträge. § 25. (1) Ist der Schuldner Arbeitgeber, so übt der Insolvenzverwalter die Rechte und Pflichten des Arbeitgebers aus. Ist das Arbeitsverhältnis bereits angetreten worden, so kann es 1. im Schuldenregulierungsverfahren innerhalb eines Monats nach Eröffnung des Schuldenregulierungsverfahrens, 2. sonst innerhalb eines Monats nach a) öffentlicher Bekanntmachung des Beschlusses, mit dem die Schließung des Unternehmens oder eines Unternehmensbereichs angeordnet, bewilligt oder festgestellt wird, oder b) der Berichtstagsatzung, es sei denn, das Gericht hat dort die Fortführung des Unternehmens beschlossen, oder 3. im vierten Monat nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens, wenn bis dahin keine Berichtstagsatzung stattgefunden hat und die Fortführung des Unternehmens nicht in der Insolvenzdatei bekannt gemacht wurde,

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vom Arbeitnehmer durch vorzeitigen Austritt, wobei die Eröffnung des Insolvenzverfahrens als wichtiger Grund gilt, und vom Insolvenzverwalter unter Einhaltung der gesetzlichen, kollektivvertraglichen oder der zulässigerweise vereinbarten kürzeren Kündigungsfrist unter Bedachtnahme auf die gesetzlichen Kündigungsbeschränkungen gelöst werden. (1a) Bei Arbeitnehmern mit besonderem gesetzlichem Kündigungsschutz ist die Frist des Abs. 1 gewahrt, wenn die Klage bzw. der Antrag auf Zustimmung zur Kündigung durch den Insolvenzverwalter fristgerecht eingebracht worden ist. Gleiches gilt auch für die Anzeigeverpflichtung nach § 45a AMFG. […] (1c) Im Sanierungsverfahren mit Eigenverwaltung kann der Schuldner Arbeitnehmer, die in einzuschränkenden Bereichen beschäftigt sind, überdies innerhalb eines Monats nach der öffentlichen Bekanntmachung des Eröffnungsbeschlusses mit Zustimmung des Sanierungsverwalters nach Abs. 1 kündigen, wenn die Aufrechterhaltung des Arbeitsverhältnisses das Zustandekommen oder die Erfüllbarkeit des Sanierungsplans oder die Fortführung des Unternehmens gefährden könnte. Dem gekündigten Arbeitnehmer steht ein Austrittsrecht nach Abs. 1 zu. Abs. 1a zweiter Satz ist nicht anzuwenden. (2) Wird das Arbeitsverhältnis nach Abs. 1 gelöst, so kann der Arbeitnehmer den Ersatz des verursachten Schadens als Insolvenzforderung verlangen. (3) Nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens ist ein Austritt unwirksam, wenn er nur darauf gestützt wird, dass dem Arbeitnehmer das vor Eröffnung des Insolvenzverfahrens zustehende Entgelt ungebührlich geschmälert oder vorenthalten wurde.

(4) Bestimmungen besonderer Gesetze über den Einfluß der Eröffnung des Insolvenzverfahrens auf das Arbeitsverhältnis bleiben unberührt. Auflösung von Verträgen durch Vertragspartner des Schuldners. § 25a. (1) Wenn die Vertragsauflösung die Fortführung des Unternehmens gefährden könnte, können Vertragspartner des Schuldners mit dem Schuldner geschlossene Verträge bis zum Ablauf von sechs Monaten nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens nur aus wichtigem Grund auflösen. Nicht als wichtiger Grund gilt 1. eine Verschlechterung der wirtschaftlichen Situation des Schuldners und 2. Verzug des Schuldners mit der Erfüllung von vor Eröffnung des Insolvenzverfahrens fällig gewordenen Forderungen. (2) Die Beschränkungen des Abs.1 gelten nicht, 1. wenn die Auflösung des Vertrags zur Abwendung schwerer persönlicher oder wirtschaftlicher Nachteile des Vertragspartners unerlässlich ist, 2. bei Ansprüchen auf Auszahlung von Krediten und 3. bei Arbeitsverträgen. Unwirksame Vereinbarungen. § 25b. (1) Auf Vereinbarungen, wodurch die Anwendung der §§ 21 bis 25a im Verhältnis zwischen Gläubiger und Schuldner im voraus ausgeschlossen oder beschränkt wird, können sich die Vertragsteile nicht berufen. (2) Die Vereinbarung eines Rücktrittsrechts oder der Vertragsauflösung für den Fall der Eröffnung eines Insolvenzverfahrens ist unzulässig, außer bei Verträgen nach § 20 Abs. 4.

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Schweiz Auszug aus dem Obligationenrecht (OR), Bundesgesetz betreffend die Ergänzung des schweizerischenischen Zivilgesetzbuches (Fünfter Teil: Obligationenrecht), AS 27 317, vom 30. März 1911 (Stand am 1.4.2017) Art. 83. Rücksicht auf einseitige Zahlungsunfähigkeit 1 Ist bei einem zweiseitigen Vertrag der eine Teil zahlungsunfähig geworden, wie namentlich, wenn er in Konkurs geraten oder fruchtlos gepfändet ist, und wird durch diese Verschlechterung der Vermögenslage der Anspruch des andern

gefährdet, so kann dieser seine Leistung so lange zurückhalten, bis ihm die Gegenleistung sichergestellt wird. 2 Wird er innerhalb einer angemessenen Frist auf sein Begehren nicht sichergestellt, so kann er vom Vertrage zurücktreten.

Auszug aus dem Schuld- und Betreibungsgesetz (SchKG), Bundesgesetz über Schuldbetreibung und Konkurs (SchKG), AS 11 529, vom 11. April 1889 (Stand am 1.1.2018) Art. 211. D. Umwandlung von Forderungen 1 Forderungen, welche nicht eine Geldzahlung zum Gegenstande haben, werden in Geldforderungen von entsprechendem Werte umgewandelt. 2 Die Konkursverwaltung hat indessen das Recht, zweiseitige Verträge, die zur Zeit der Konkurseröffnung nicht oder nur teilweise erfüllt sind, anstelle des Schuldners zu erfüllen. Der Vertragspartner kann verlangen, dass ihm die Erfüllung sichergestellt werde. 2bis

Das Recht der Konkursverwaltung nach Absatz 2 ist jedoch ausgeschlossen bei Fixgeschäften (Art. 108 Ziff. 3 OR1)) sowie bei Finanztermin-, Swap- und Optionsgeschäften, wenn der Wert der vertraglichen Leistungen im Zeitpunkt der Konkurseröffnung aufgrund von Marktoder Börsenpreisen bestimmbar ist. Konkursverwaltung und Vertragspartner haben je das Recht, die Differenz zwi-

schen dem vereinbarten Wert der vertraglichen Leistungen und deren Marktwert im Zeitpunkt der Konkurseröffnung geltend zu machen. 3

Vorbehalten bleiben die Bestimmungen anderer Bundesgesetze über die Auflösung von Vertragsverhältnissen im Konkurs sowie die Bestimmungen über den Eigentumsvorbehalt (Art. 715 und 716 ZGB). Art. 211a Dbis. Dauerschuldverhältnisse 1

Ansprüche aus Dauerschuldverhältnissen können ab Konkurseröffnung als Konkursforderungen höchstens bis zum nächsten möglichen Kündigungstermin oder bis zum Ende der festen Vertragsdauer geltend gemacht werden. Der Gläubiger muss sich allfällige Vorteile, die er für diese Dauer erlangt hat, anrechnen lassen. 2 Soweit die Konkursmasse die Leistungen aus dem Dauerschuldverhältnis in

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Anspruch genommen hat, gelten die entsprechenden Gegenforderungen, die nach Konkurseröffnung entstanden sind, als Masseverbindlichkeiten. 3 Vorbehalten bleibt die Weiterführung eines Vertragsverhältnisses durch den Schuldner persönlich.

Art. 297a 1D. Wirkungen der Stundung / 2. Auf Dauerschuldverhältnisse des Schuldners

Der Schuldner kann mit Zustimmung des Sachwalters ein Dauerschuldverhältnis unter Entschädigung der Gegenpartei jederzeit auf einen beliebigen Zeitpunkt kündigen, sofern andernfalls der Sanierungszweck vereitelt würde; die Entschädigung gilt als Nachlassforderung. Vorbehalten bleiben die besonderen Bestimmungen über die Auflösung von Arbeitsverträgen.

Auszug aus dem Bundesgesetz über das Internationale Privatrecht (IPRG), AS 1988 1776 vom 18. Dezember 1987 (Stand am 1.4.2017) 11. Kapitel: Konkurs und Nachlassvertrag Art. 166 I. Anerkennung 1

Ein ausländisches Konkursdekret, das am Wohnsitz des Schuldners ergangen ist, wird auf Antrag der ausländischen Konkursverwaltung oder eines Konkursgläubigers anerkannt: a. wenn das Dekret im Staat, in dem es ergangen ist, vollstreckbar ist; b. wenn kein Verweigerungsgrund nach Artikel 27 vorliegt, und c. wenn der Staat, in dem das Dekret ergangen ist, Gegenrecht hält. 2

Hat der Schuldner eine Zweigniederlassung in der Schweiz, so ist ein Verfahren nach Artikel 50 Absatz 1 des Bundesgesetzes vom 11. April 1889 über Schuldbe-

treibung- und Konkurs bis zur Rechtskraft des Kollokationsplanes nach Artikel 172 dieses Gesetzes zulässig. Art. 167 II. Verfahren / 1. Zuständigkeit […] 3 Forderungen des Gemeinschuldners gelten als dort gelegen, wo der Schuldner des Gemeinschuldners seinen Wohnsitz hat. Art. 170 III. Rechtsfolgen / 1. Im Allgemeinen 1

Die Anerkennung des ausländischen Konkursdekrets zieht, soweit dieses Gesetz nichts anderes vorsieht, für das in der Schweiz gelegene Vermögen des Schuldners die konkursrechtlichen Folgen des schweizerischen Rechts nach sich. […]

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USA Auszug aus dem United States Code (11 U.S.C.), enacted by Pub. L. 95–598, title I, § 101, Nov. 6, 1978, 92 Stat. 2549 (Stand am 31.12.2017) 11 U.S. Code § 362 - Automatic stay (a) Except as provided in subsection (b) of this section, a petition filed under section 301, 302, or 303 of this title, or an application filed under section 5(a)(3) of the Securities Investor Protection Act of 1970, operates as a stay, applicable to all entities, of— (1) the commencement or continuation, including the issuance or employment of process, of a judicial, administrative, or other action or proceeding against the debtor that was or could have been commenced before the commencement of the case under this title, or to recover a claim against the debtor that arose before the commencement of the case under this title; (2) the enforcement, against the debtor or against property of the estate, of a judgment obtained before the commencement of the case under this title; (3) any act to obtain possession of property of the estate or of property from the estate or to exercise control over property of the estate; (4) any act to create, perfect, or enforce any lien against property of the estate; (5) any act to create, perfect, or enforce against property of the debtor any lien to the extent that such lien secures a claim that arose before the commencement of the case under this title; (6) any act to collect, assess, or recover a claim against the debtor that arose before the commencement of the case under this title; (7) the setoff of any debt owing to the debtor that arose before the commence-

ment of the case under this title against any claim against the debtor; and (8) the commencement or continuation of a proceeding before the United States Tax Court concerning a tax liability of a debtor that is a corporation for a taxable period the bankruptcy court may determine or concerning the tax liability of a debtor who is an individual for a taxable period ending before the date of the order for relief under this title. (b) The filing of a petition under section 301, 302, or 303 of this title, or of an application under section 5(a)(3) of the Securities Investor Protection Act of 1970, does not operate as a stay— (1) under subsection (a) of this section, of the commencement or continuation of a criminal action or proceeding against the debtor; […] (17) under subsection (a) of this section, of the exercise by a swap participant or financial participant of any contractual right (as defined in section 560) under any security agreement or arrangement or other credit enhancement forming a part of or related to any swap agreement, or of any contractual right (as defined in section 560) to offset or net out any termination value, payment amount, or other transfer obligation arising under or in connection with 1 or more such agreements, including any master agreement for such agreements; […] (28) under subsection (a), of the exclusion by the Secretary of Health and Human Services of the debtor from participation in the medicare program or any other Federal health care program (as defined in

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section 1128B(f) of the Social Security Act pursuant to title XI or XVIII of such Act). The provisions of paragraphs (12) and (13) of this subsection shall apply with respect to any such petition filed on or before December 31, 1989. (c) Except as provided in subsections (d), (e), (f), and (h) of this section— (1) the stay of an act against property of the estate under subsection (a) of this section continues until such property is no longer property of the estate; (2) the stay of any other act under subsection (a) of this section continues until the earliest of— (A) the time the case is closed; (B) the time the case is dismissed; or (C) if the case is a case under chapter 7 of this title concerning an individual or a case under chapter 9, 11, 12, or 13 of this title, the time a discharge is granted or denied; […] (d) On request of a party in interest and after notice and a hearing, the court shall grant relief from the stay provided under subsection (a) of this section, such as by terminating, annulling, modifying, or conditioning such stay— (1) for cause, including the lack of adequate protection of an interest in property of such party in interest; (2) with respect to a stay of an act against property under subsection (a) of this section, if— (A) the debtor does not have an equity in such property; and (B) such property is not necessary to an effective reorganization; (3) with respect to a stay of an act against single asset real estate under subsection (a), by a creditor whose claim is secured by an interest in such real estate, unless, not later than the date that is 90 days after the entry of the order for relief (or such later date as the court may determine for cause by order entered within that 90-day period) or 30 days after the court determines that the debtor is subject to this paragraph, whichever is later— (A) the debtor has filed a plan of

reorganization that has a reasonable possibility of being confirmed within a reasonable time; or (B) the debtor has commenced monthly payments that— (i) may, in the debtor’s sole discretion, notwithstanding section 363(c)(2), be made from rents or other income generated before, on, or after the date of the commencement of the case by or from the property to each creditor whose claim is secured by such real estate (other than a claim secured by a judgment lien or by an unmatured statutory lien); and (ii) are in an amount equal to interest at the then applicable nondefault contract rate of interest on the value of the creditor’s interest in the real estate; or (4) with respect to a stay of an act against real property under subsection (a), by a creditor whose claim is secured by an interest in such real property, if the court finds that the filing of the petition was part of a scheme to delay, hinder, or defraud creditors that involved either— (A) transfer of all or part ownership of, or other interest in, such real property without the consent of the secured creditor or court approval; or (B) multiple bankruptcy filings affecting such real property. […] (e) (1) Thirty days after a request under subsection (d) of this section for relief from the stay of any act against property of the estate under subsection (a) of this section, such stay is terminated with respect to the party in interest making such request, unless the court, after notice and a hearing, orders such stay continued in effect pending the conclusion of, or as a result of, a final hearing and determination under subsection (d) of this section. A hearing under this subsection may be a preliminary hearing, or may be consolidated with the final hearing under subsection (d) of this section. The court shall order such stay continued in effect pending the conclusion of the final hearing under subsection (d) of this section if

Gesetzesmaterialien there is a reasonable likelihood that the party opposing relief from such stay will prevail at the conclusion of such final hearing. If the hearing under this subsection is a preliminary hearing, then such final hearing shall be concluded not later than thirty days after the conclusion of such preliminary hearing, unless the 30day period is extended with the consent of the parties in interest or for a specific time which the court finds is required by compelling circumstances. (2) Notwithstanding paragraph (1), in a case under chapter 7, 11, or 13 in which the debtor is an individual, the stay under subsection (a) shall terminate on the date that is 60 days after a request is made by a party in interest under subsection (d), unless— (A) a final decision is rendered by the court during the 60-day period beginning on the date of the request; or (B) such 60-day period is extended— (i) by agreement of all parties in interest; or (ii) by the court for such specific period of time as the court finds is required for good cause, as described in findings made by the court. (f) Upon request of a party in interest, the court, with or without a hearing, shall grant such relief from the stay provided under subsection (a) of this section as is necessary to prevent irreparable damage to the interest of an entity in property, if such interest will suffer such damage before there is an opportunity for notice and a hearing under subsection (d) or (e) of this section. […] 11 U.S. Code § 363 – Use, sale, or lease of property […] (e) Notwithstanding any other provision of this section, at any time, on request of an entity that has an interest in property used, sold, or leased, or proposed to be used, sold, or leased, by the trustee, the court, with or without a hearing, shall prohibit or condition such use, sale, or

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lease as is necessary to provide adequate protection of such interest. This subsection also applies to property that is subject to any unexpired lease of personal property (to the exclusion of such property being subject to an order to grant relief from the stay under section 362). […] 11 U.S. Code § 365 – Executory contracts and unexpired leases (a) Except as provided in sections 765 and 766 of this title and in subsections (b), (c), and (d) of this section, the trustee, subject to the court’s approval, may assume or reject any executory contract or unexpired lease of the debtor. (b) (1) If there has been a default in an executory contract or unexpired lease of the debtor, the trustee may not assume such contract or lease unless, at the time of assumption of such contract or lease, the trustee— (A) cures, or provides adequate assurance that the trustee will promptly cure, such default other than a default that is a breach of a provision relating to the satisfaction of any provision (other than a penalty rate or penalty provision) relating to a default arising from any failure to perform nonmonetary obligations under an unexpired lease of real property, if it is impossible for the trustee to cure such default by performing nonmonetary acts at and after the time of assumption, except that if such default arises from a failure to operate in accordance with a nonresidential real property lease, then such default shall be cured by performance at and after the time of assumption in accordance with such lease, and pecuniary losses resulting from such default shall be compensated in accordance with the provisions of this paragraph; (B) compensates, or provides adequate assurance that the trustee will promptly compensate, a party other than the debtor to such contract or lease, for any actual

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pecuniary loss to such party resulting from such default; and (C) provides adequate assurance of future performance under such contract or lease. (2) Paragraph (1) of this subsection does not apply to a default that is a breach of a provision relating to— (A) the insolvency or financial condition of the debtor at any time before the closing of the case; (B) the commencement of a case under this title; (C) the appointment of or taking possession by a trustee in a case under this title or a custodian before such commencement; or (D) the satisfaction of any penalty rate or penalty provision relating to a default arising from any failure by the debtor to perform nonmonetary obligations under the executory contract or unexpired lease. (3) For the purposes of paragraph (1) of this subsection and paragraph (2)(B) of subsection (f), adequate assurance of future performance of a lease of real property in a shopping center includes adequate assurance— (A) of the source of rent and other consideration due under such lease, and in the case of an assignment, that the financial condition and operating performance of the proposed assignee and its guarantors, if any, shall be similar to the financial condition and operating performance of the debtor and its guarantors, if any, as of the time the debtor became the lessee under the lease; (B) that any percentage rent due under such lease will not decline substantially; (C) that assumption or assignment of such lease is subject to all the provisions thereof, including (but not limited to) provisions such as a radius, location, use, or exclusivity provision, and will not breach any such provision contained in any other lease, financing agreement, or master agreement relating to such shopping center; and

(D) that assumption or assignment of such lease will not disrupt any tenant mix or balance in such shopping center. (4) Notwithstanding any other provision of this section, if there has been a default in an unexpired lease of the debtor, other than a default of a kind specified in paragraph (2) of this subsection, the trustee may not require a lessor to provide services or supplies incidental to such lease before assumption of such lease unless the lessor is compensated under the terms of such lease for any services and supplies provided under such lease before assumption of such lease. (c) The trustee may not assume or assign any executory contract or unexpired lease of the debtor, whether or not such contract or lease prohibits or restricts assignment of rights or delegation of duties, if— (1) (A) applicable law excuses a party, other than the debtor, to such contract or lease from accepting performance from or rendering performance to an entity other than the debtor or the debtor in possession, whether or not such contract or lease prohibits or restricts assignment of rights or delegation of duties; and (B) such party does not consent to such assumption or assignment; or (2) such contract is a contract to make a loan, or extend other debt financing or financial accommodations, to or for the benefit of the debtor, or to issue a security of the debtor; or (3) such lease is of nonresidential real property and has been terminated under applicable nonbankruptcy law prior to the order for relief. (d) (1) In a case under chapter 7 of this title, if the trustee does not assume or reject an executory contract or unexpired lease of residential real property or of personal property of the debtor within 60 days after the order for relief, or within such additional time as the court, for cause, within such 60-day period, fixes,

Gesetzesmaterialien then such contract or lease is deemed rejected. (2) In a case under chapter 9, 11, 12, or 13 of this title, the trustee may assume or reject an executory contract or unexpired lease of residential real property or of personal property of the debtor at any time before the confirmation of a plan but the court, on the request of any party to such contract or lease, may order the trustee to determine within a specified period of time whether to assume or reject such contract or lease. (3) The trustee shall timely perform all the obligations of the debtor, except those specified in section 365 (b)(2), arising from and after the order for relief under any unexpired lease of nonresidential real property, until such lease is assumed or rejected, notwithstanding section 503 (b)(1) of this title. The court may extend, for cause, the time for performance of any such obligation that arises within 60 days after the date of the order for relief, but the time for performance shall not be extended beyond such 60-day period. This subsection shall not be deemed to affect the trustee’s obligations under the provisions of subsection (b) or (f) of this section. Acceptance of any such performance does not constitute waiver or relinquishment of the lessor’s rights under such lease or under this title. (4) (A) Subject to subparagraph (B), an unexpired lease of nonresidential real property under which the debtor is the lessee shall be deemed rejected, and the trustee shall immediately surrender that nonresidential real property to the lessor, if the trustee does not assume or reject the unexpired lease by the earlier of— (i) the date that is 120 days after the date of the order for relief; or (ii) the date of the entry of an order confirming a plan. (B) (i) The court may extend the period determined under subparagraph (A), prior to the expiration of the 120-day

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period, for 90 days on the motion of the trustee or lessor for cause. (ii) If the court grants an extension under clause (i), the court may grant a subsequent extension only upon prior written consent of the lessor in each instance. (5) The trustee shall timely perform all of the obligations of the debtor, except those specified in section 365 (b)(2), first arising from or after 60 days after the order for relief in a case under chapter 11 of this title under an unexpired lease of personal property (other than personal property leased to an individual primarily for personal, family, or household purposes), until such lease is assumed or rejected notwithstanding section 503 (b)(1) of this title, unless the court, after notice and a hearing and based on the equities of the case, orders otherwise with respect to the obligations or timely performance thereof. This subsection shall not be deemed to affect the trustee’s obligations under the provisions of subsection (b) or (f). Acceptance of any such performance does not constitute waiver or relinquishment of the lessor’s rights under such lease or under this title. (e) (1) Notwithstanding a provision in an executory contract or unexpired lease, or in applicable law, an executory contract or unexpired lease of the debtor may not be terminated or modified, and any right or obligation under such contract or lease may not be terminated or modified, at any time after the commencement of the case solely because of a provision in such contract or lease that is conditioned on— (A) the insolvency or financial condition of the debtor at any time before the closing of the case; (B) the commencement of a case under this title; or (C) the appointment of or taking possession by a trustee in a case under this title or a custodian before such commencement.

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(2) Paragraph (1) of this subsection does not apply to an executory contract or unexpired lease of the debtor, whether or not such contract or lease prohibits or restricts assignment of rights or delegation of duties, if— (A) (i) applicable law excuses a party, other than the debtor, to such contract or lease from accepting performance from or rendering performance to the trustee or to an assignee of such contract or lease, whether or not such contract or lease prohibits or restricts assignment of rights or delegation of duties; and (ii) such party does not consent to such assumption or assignment; or (B) such contract is a contract to make a loan, or extend other debt financing or financial accommodations, to or for the benefit of the debtor, or to issue a security of the debtor. (f) (1) Except as provided in subsections (b) and (c) of this section, notwithstanding a provision in an executory contract or unexpired lease of the debtor, or in applicable law, that prohibits, restricts, or conditions the assignment of such contract or lease, the trustee may assign such contract or lease under paragraph (2) of this subsection. (2) The trustee may assign an executory contract or unexpired lease of the debtor only if— (A) the trustee assumes such contract or lease in accordance with the provisions of this section; and (B) adequate assurance of future performance by the assignee of such contract or lease is provided, whether or not there has been a default in such contract or lease. (3) Notwithstanding a provision in an executory contract or unexpired lease of the debtor, or in applicable law that terminates or modifies, or permits a party other than the debtor to terminate or modify, such contract or lease or a right or obligation under such contract or lease

on account of an assignment of such contract or lease, such contract, lease, right, or obligation may not be terminated or modified under such provision because of the assumption or assignment of such contract or lease by the trustee. (g) Except as provided in subsections (h)(2) and (i)(2) of this section, the rejection of an executory contract or unexpired lease of the debtor constitutes a breach of such contract or lease— (1) if such contract or lease has not been assumed under this section or under a plan confirmed under chapter 9, 11, 12, or 13 of this title, immediately before the date of the filing of the petition; or (2) if such contract or lease has been assumed under this section or under a plan confirmed under chapter 9, 11, 12, or 13 of this title— (A) if before such rejection the case has not been converted under section 1112, 1208, or 1307 of this title, at the time of such rejection; or (B) if before such rejection the case has been converted under section 1112, 1208, or 1307 of this title— (i) immediately before the date of such conversion, if such contract or lease was assumed before such conversion; or (ii) at the time of such rejection, if such contract or lease was assumed after such conversion. (h) (1) (A) If the trustee rejects an unexpired lease of real property under which the debtor is the lessor and— (i) if the rejection by the trustee amounts to such a breach as would entitle the lessee to treat such lease as terminated by virtue of its terms, applicable nonbankruptcy law, or any agreement made by the lessee, then the lessee under such lease may treat such lease as terminated by the rejection; or (ii) if the term of such lease has commenced, the lessee may retain its rights under such lease (including rights such as those relating to the amount and timing of payment of rent and other amounts payable by the lessee and any right of use,

Gesetzesmaterialien possession, quiet enjoyment, subletting, assignment, or hypothecation) that are in or appurtenant to the real property for the balance of the term of such lease and for any renewal or extension of such rights to the extent that such rights are enforceable under applicable nonbankruptcy law. (B) If the lessee retains its rights under subparagraph (A)(ii), the lessee may offset against the rent reserved under such lease for the balance of the term after the date of the rejection of such lease and for the term of any renewal or extension of such lease, the value of any damage caused by the nonperformance after the date of such rejection, of any obligation of the debtor under such lease, but the lessee shall not have any other right against the estate or the debtor on account of any damage occurring after such date caused by such nonperformance. (C) The rejection of a lease of real property in a shopping center with respect to which the lessee elects to retain its rights under subparagraph (A)(ii) does not affect the enforceability under applicable nonbankruptcy law of any provision in the lease pertaining to radius, location, use, exclusivity, or tenant mix or balance. (D) In this paragraph, “lessee” includes any successor, assign, or mortgagee permitted under the terms of such lease. (2) (A) If the trustee rejects a timeshare interest under a timeshare plan under which the debtor is the timeshare interest seller and— (i) if the rejection amounts to such a breach as would entitle the timeshare interest purchaser to treat the timeshare plan as terminated under its terms, applicable nonbankruptcy law, or any agreement made by timeshare interest purchaser, the timeshare interest purchaser under the timeshare plan may treat the timeshare plan as terminated by such rejection; or (ii) if the term of such timeshare interest has commenced, then the timeshare interest purchaser may retain its rights in such timeshare interest

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for the balance of such term and for any term of renewal or extension of such timeshare interest to the extent that such rights are enforceable under applicable nonbankruptcy law. (B) If the timeshare interest purchaser retains its rights under subparagraph (A), such timeshare interest purchaser may offset against the moneys due for such timeshare interest for the balance of the term after the date of the rejection of such timeshare interest, and the term of any renewal or extension of such timeshare interest, the value of any damage caused by the nonperformance after the date of such rejection, of any obligation of the debtor under such timeshare plan, but the timeshare interest purchaser shall not have any right against the estate or the debtor on account of any damage occurring after such date caused by such nonperformance. (i) (1) If the trustee rejects an executory contract of the debtor for the sale of real property or for the sale of a timeshare interest under a timeshare plan, under which the purchaser is in possession, such purchaser may treat such contract as terminated, or, in the alternative, may remain in possession of such real property or timeshare interest. (2) If such purchaser remains in possession— (A) such purchaser shall continue to make all payments due under such contract, but may, offset against such payments any damages occurring after the date of the rejection of such contract caused by the nonperformance of any obligation of the debtor after such date, but such purchaser does not have any rights against the estate on account of any damages arising after such date from such rejection, other than such offset; and (B) the trustee shall deliver title to such purchaser in accordance with the provisions of such contract, but is relieved of all other obligations to perform under such contract.

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(j) A purchaser that treats an executory contract as terminated under subsection (i) of this section, or a party whose executory contract to purchase real property from the debtor is rejected and under which such party is not in possession, has a lien on the interest of the debtor in such property for the recovery of any portion of the purchase price that such purchaser or party has paid. (k) Assignment by the trustee to an entity of a contract or lease assumed under this section relieves the trustee and the estate from any liability for any breach of such contract or lease occurring after such assignment. (l) If an unexpired lease under which the debtor is the lessee is assigned pursuant to this section, the lessor of the property may require a deposit or other security for the performance of the debtor’s obligations under the lease substantially the same as would have been required by the landlord upon the initial leasing to a similar tenant. (m) For purposes of this section 365 andsections 541 (b)(2) and 362 (b)(10), leases of real property shall include any rental agreement to use real property. (n) (1) If the trustee rejects an executory contract under which the debtor is a licensor of a right to intellectual property, the licensee under such contract may elect— (A) to treat such contract as terminated by such rejection if such rejection by the trustee amounts to such a breach as would entitle the licensee to treat such contract as terminated by virtue of its own terms, applicable nonbankruptcy law, or an agreement made by the licensee with another entity; or (B) to retain its rights (including a right to enforce any exclusivity provision of such contract, but excluding any other right under applicable nonbankruptcy law to specific performance of such contract) under such contract and under any agreement supplementary to

such contract, to such intellectual property (including any embodiment of such intellectual property to the extent protected by applicable nonbankruptcy law), as such rights existed immediately before the case commenced, for— (i) the duration of such contract; and (ii) any period for which such contract may be extended by the licensee as of right under applicable nonbankruptcy law. (2) If the licensee elects to retain its rights, as described in paragraph (1)(B) of this subsection, under such contract— (A) the trustee shall allow the licensee to exercise such rights; (B) the licensee shall make all royalty payments due under such contract for the duration of such contract and for any period described in paragraph (1)(B) of this subsection for which the licensee extends such contract; and (C) the licensee shall be deemed to waive— (i) any right of setoff it may have with respect to such contract under this title or applicable nonbankruptcy law; and (ii) any claim allowable under section 503 (b) of this title arising from the performance of such contract. (3) If the licensee elects to retain its rights, as described in paragraph (1)(B) of this subsection, then on the written request of the licensee the trustee shall— (A) to the extent provided in such contract, or any agreement supplementary to such contract, provide to the licensee any intellectual property (including such embodiment) held by the trustee; and (B) not interfere with the rights of the licensee as provided in such contract, or any agreement supplementary to such contract, to such intellectual property (including such embodiment) including any right to obtain such intellectual property (or such embodiment) from another entity. (4) Unless and until the trustee rejects such contract, on the written request of the licensee the trustee shall— (A) to the extent provided in such contract or any agreement supplementary to such contract— (i) perform such contract; or (ii)

Gesetzesmaterialien provide to the licensee such intellectual property (including any embodiment of such intellectual property to the extent protected by applicable nonbankruptcy law) held by the trustee; and (B) not interfere with the rights of the licensee as provided in such contract, or any agreement supplementary to such contract, to such intellectual property (including such embodiment), including any right to obtain such intellectual property (or such embodiment) from another entity. (o) In a case under chapter 11 of this title, the trustee shall be deemed to have assumed (consistent with the debtor’s other obligations under section 507), and shall immediately cure any deficit under, any commitment by the debtor to a Federal depository institutions regulatory agency (or predecessor to such agency) to maintain the capital of an insured depository institution, and any claim for a subsequent breach of the obligations thereunder shall be entitled to priority under section 507. This subsection shall not extend any commitment that would otherwise be terminated by any act of such an agency. (p) (1) If a lease of personal property is rejected or not timely assumed by the trustee under subsection (d), the leased property is no longer property of the estate and the stay under section 362 (a) is automatically terminated. (2) (A) If the debtor in a case under chapter 7 is an individual, the debtor may notify the creditor in writing that the debtor desires to assume the lease. Upon being so notified, the creditor may, at its option, notify the debtor that it is willing to have the lease assumed by the debtor and may condition such assumption on cure of any outstanding default on terms set by the contract. (B) If, not later than 30 days after notice is provided under subparagraph (A), the debtor notifies the lessor in writing that the lease is assumed, the liability

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under the lease will be assumed by the debtor and not by the estate. (C) The stay under section 362 and the injunction under section 524 (a)(2) shall not be violated by notification of the debtor and negotiation of cure under this subsection. (3) In a case under chapter 11 in which the debtor is an individual and in a case under chapter 13, if the debtor is the lessee with respect to personal property and the lease is not assumed in the plan confirmed by the court, the lease is deemed rejected as of the conclusion of the hearing on confirmation. If the lease is rejected, the stay under section 362 and any stay under section 1301 is automatically terminated with respect to the property subject to the lease. 11 U.S. Code § 366 – Utility service (a) Except as provided in subsections (b) and (c) of this section, a utility may not alter, refuse, or discontinue service to, or discriminate against, the trustee or the debtor solely on the basis of the commencement of a case under this title or that a debt owed by the debtor to such utility for service rendered before the order for relief was not paid when due. (b) Such utility may alter, refuse, or discontinue service if neither the trustee nor the debtor, within 20 days after the date of the order for relief, furnishes adequate assurance of payment, in the form of a deposit or other security, for service after such date. On request of a party in interest and after notice and a hearing, the court may order reasonable modification of the amount of the deposit or other security necessary to provide adequate assurance of payment. (c) (1) (A) For purposes of this subsection, the term “assurance of payment” means— (i) a cash deposit; (ii) a letter of credit; (iii) a certificate of deposit; (iv) a surety bond; (v) a prepayment of utility consumption; or (vi) another form of

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security that is mutually agreed on between the utility and the debtor or the trustee. (B) For purposes of this subsection an administrative expense priority shall not constitute an assurance of payment. (2) Subject to paragraphs (3) and (4), with respect to a case filed under chapter 11, a utility referred to in subsection (a) may alter, refuse, or discontinue utility service, if during the 30-day period beginning on the date of the filing of the petition, the utility does not receive from the debtor or the trustee adequate assurance of payment for utility service that is satisfactory to the utility. (3) (A) On request of a party in interest and after notice and a hearing, the court may order modification of the amount of an assurance of payment under paragraph (2). (B) In making a determination under this paragraph whether an assurance of payment is adequate, the court may not consider— (i) the absence of security before the date of the filing of the petition; (ii) the payment by the debtor of charges for utility service in a timely manner before the date of the filing of the petition; or (iii) the availability of an administrative expense priority. (4) Notwithstanding any other provision of law, with respect to a case subject to this subsection, a utility may recover or set off against a security deposit provided to the utility by the debtor before the date of the filing of the petition without notice or order of the court. 11 U.S. Code § 541 – Property of the estate […] (c) (1) […] an interest of the debtor in property becomes property of the estate under subsection (a)(1), (a)(2), or (a)(5) of this section notwithstanding any provision in an agreement, transfer instrument, or applicable nonbankruptcy law— (A) that restricts or conditions transfer of such interest by the debtor; or (B) that is conditioned on the insolvency or financial

condition of the debtor, on the commencement of a case under this title, or on the appointment of or taking possession by a trustee in a case under this title or a custodian before such commencement, and that effects or gives an option to effect a forfeiture, modification, or termination of the debtor’s interest in property.[…] 11 U.S. Code § 1124 – Impairment of claims or interests Except as provided in section 1123(a)(4) of this title, a class of claims or interests is impaired under a plan unless, with respect to each claim or interest of such class, the plan— […] (2) notwithstanding any contractual provision or applicable law that entitles the holder of such claim or interest to demand or receive accelerated payment of such claim or interest after the occurrence of a default— (A) cures any such default that occurred before or after the commencement of the case under this title, other than a default of a kind specified in section 365(b)(2) of this title or of a kind that section 365(b)(2) expressly does not require to be cured; (B) reinstates the maturity of such claim or interest as such maturity existed before such default; (C) compensates the holder of such claim or interest for any damages incurred as a result of any reasonable reliance by such holder on such contractual provision or such applicable law; (D) if such claim or such interest arises from any failure to perform a nonmonetary obligation, other than a default arising from failure to operate a nonresidential real property lease subject to section 365(b)(1)(A), compensates the holder of such claim or such interest (other than the debtor or an insider) for any actual pecuniary loss incurred by such holder as a result of such failure; and (E) does not otherwise alter the legal, equitable, or contractual rights to which such claim or interest entitles the holder of such claim or interest.

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Gesellschaftsvertrag 56, 59, 295, 316 gesetzgeberische Grundentscheidung 264 f., 280 Gestaltungsinteresse 285 ff., 334 Gestaltungsvorschlag 332 ff. Gläubigergleichbehandlung, conditio par creditorium 96, 140 f., 198 f., 369 Handelsvertretervertrag 294 Insolvenz, Insolvenzrecht 15 ff. Insolvenzanfechtung 373 – Deutschland 320 ff. – Schweiz 96, 98 Insolvenzbezogenheit der Verbote 187 ff., 265, 280 f., 305, 307 Insolvenzforderung 18 Insolvenzzweckwidrigkeit 200 ff. Insolvenzstatut, lex fori concursus 367 ff. Internationales Privatrecht 335 ff. Ipso-Facto-Klausel, siehe Lösungsklausel IT-Vertrag 295 Kollisionsrecht, siehe Internationales Privatrecht Konkurs 15 Kündigungsrechte – gesetzlich 85, 110, 189, 276, 315 ff. – ordentlich 109, 314 f. Legislative Guide 257 ff. Legitimität eines Verbots 251, 263 Liquiditäts- und Umgehungsschutz 169, 297 Lizenzvertrag 14, 293

434 Lösungsklausel – Begriff 18 ff. – insolvenzabhängig 186, 281, 296 ff. – insolvenzunabhängig 86, 132, 281, 308 ff. Masseverbindlichkeiten 18 Mehrfachzuständigkeit des Verwalters 377, 382 ff. Mietvertrag 180 ff., 292 f. ökonomische Analyse 212 ff. – ex ante-Auswirkungen 225 ff. – ex post-Auswirkungen 220 ff. pari passu-Prinzip 140 Privatautonomie, siehe Vertragsfreiheit prospect theory 234 ff. Sanierung – Kultur der Reorganisation 39, 244, 254 – Ziel, Zweck 200 ff. – Zweite Chance 5, 21, 150, 254 schwebende Verträge 42 ff. Umgehungskosten 229 f.

Sachregister UNCITRAL 256 ff., 261 Ungewissheit 189, 230 ff., 284, 289 – Österreich 104 f. – Schweiz 97 Versorgungsverträge 160, 162, 184, 187, 190 – Deutschland 80 f., 87, 269, 292 – England 147 ff. – USA 127, 136, 138 Vertragsfreiheit – England 144 – Grundsätze 192 f. – Österreich 102 – Schranken 193 ff., 263 ff. – Schweiz 96 – USA 135 Vertragsstatut, lex contractus 337 ff., 374 Verwalterwahlrecht 42 ff. Vorwirkung 297 ff., 371 ff. Wahlrecht, siehe Verwalterwahlrecht Werkvertrag 3, 88, 273, 275, 278, 287, 337 wirtschaftliche Knappheit 225, 263 ff.