Der Konzern in der Insolvenz [1 ed.] 9783428540044, 9783428140046

Obwohl der Konzern oftmals aus wirtschaftlicher Sicht ein einheitliches Unternehmen darstellt, wird nach geltendem Recht

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Der Konzern in der Insolvenz [1 ed.]
 9783428540044, 9783428140046

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Abhandlungen zum Deutschen und Europäischen Gesellschafts- und Kapitalmarktrecht Band 65

Der Konzern in der Insolvenz Von

Christian Schmollinger

Duncker & Humblot · Berlin

CHRISTIAN SCHMOLLINGER

Der Konzern in der Insolvenz

Abhandlungen zum Deutschen und Europäischen Gesellschafts- und Kapitalmarktrecht Herausgegeben von Professor Dr. Holger Fleischer, LL.M., Hamburg Professor Dr. Hanno Merkt, LL.M., Freiburg Professor Dr. Gerald Spindler, Göttingen

Band 65

Der Konzern in der Insolvenz Von

Christian Schmollinger

Duncker & Humblot · Berlin

Die Rechtswissenschaftliche Fakultät der Albert-Ludwigs-Universität Freiburg hat diese Arbeit im Jahre 2012 als Dissertation angenommen.

Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.d-nb.de abrufbar.

Alle Rechte vorbehalten

© 2013 Duncker & Humblot GmbH, Berlin

Fremddatenübernahme: TextFormArt, Daniela Weiland, Göttingen Druck: Berliner Buchdruckerei Union GmbH, Berlin Printed in Germany ISSN 1614-7626 ISBN 978-3-428-14004-6 (Print) ISBN 978-3-428-54004-4 (E-Book) ISBN 978-3-428-84004-5 (Print & E-Book) Gedruckt auf alterungsbeständigem (säurefreiem) Papier entsprechend ISO 9706

Internet: http://www.duncker-humblot.de

Vorwort Die vorliegende Arbeit wurde im Sommersemester 2012 von der Rechtswissenschaftlichen Fakultät der Albert-Ludwigs-Universität Freiburg als Dissertation angenommen. Rechtsprechung und Schrifttum konnten bis einschließlich Juli 2012 berücksichtigt werden. In erster Linie danke ich Professor Dr. Hanno Merkt, LL. M. (Univ. of Chicago), der durch seine Vorlesungen zum Kapitalgesellschafts- und Kapitalmarktrecht bereits während meines Studiums mein Interesse für diese Themenbereiche weckte, für die Betreuung der vorliegenden Arbeit. Für die zügige Erstellung des Zweitgutachtens danke ich Professor Dr. iur. Dr. rer. pol. ­Peter Sester. Professor Dr. Günter Hager gilt mein Dank für die interessante und lehrreiche Zeit, die ich als studentische Hilfskraft sowie als wissenschaftlicher Mitarbeiter an seinem Institut verbracht habe. Er hat mir nicht nur den nötigen Freiraum zur Fertigstellung dieser Arbeit gewährt, sondern mir vor allem auch ein tieferes Verständnis des Vertrags- und Deliktsrechts vermittelt. Professor Dr. Holger Fleischer, LL. M. (Univ. of Michigan), Professor Dr. Hanno Merkt, LL. M. (Univ. of Chicago) und Professor Dr. Gerald Spindler danke ich für die Aufnahme dieser Arbeit in die Schriftenreihe „Abhandlungen zum Deutschen und Europäischen Gesellschafts- und Kapitalmarktrecht“. Zu Dank verpflichtet bin ich ferner der Studienstiftung ius vivum und der Wissenschaftlichen Gesellschaft Freiburg im Breisgau, die die Veröffentlichung dieser Arbeit durch die Gewährung von Druckkostenzuschüssen großzügig unterstützt haben. Mein besonderer Dank gilt schließlich meinen Eltern. Sie haben mir die nötigen Voraussetzungen für Studium und Promotion mitgegeben und mich während meiner gesamten Ausbildung in jeglicher Hinsicht unterstützt. Freiburg im Breisgau, im September 2012

Christian Schmollinger

Inhaltsverzeichnis A. Einleitung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 15 B. Die Abwicklung von Konzerninsolvenzen auf Grundlage des geltenden Rechts . 20 I. Einheitlicher Gerichtsstand für alle konzernangehörigen Gesellschaften . . . . . . 20 1. Einheitliche örtliche Zuständigkeit nach § 3 Abs. 1 InsO . . . . . . . . . . . . . . . 21 a) Kriterien für die Bestimmung des Mittelpunktes der selbständigen wirtschaftlichen Tätigkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 21 aa) Auffassungen im rechtswissenschaftlichen Schrifttum . . . . . . . . . . . 22 bb) Die Ansicht der Rechtsprechung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 25 cc) Bewertung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 30 b) Praktische Gestaltungsmöglichkeiten zur Herbeiführung einer konzernweit einheitlichen örtlichen Zuständigkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . 34 2. Einheitliche internationale Zuständigkeit nach Art. 3 ­EuInsVO . . . . . . . . . . 37 a) Anwendungsbereich der ­EuInsVO . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 38 b) Der Mittelpunkt der hauptsächlichen Interessen (centre of main interest – COMI) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 41 aa) Die Bestimmung des Mittelpunktes der hauptsächlichen Interessen in den ersten Geltungsjahren der ­EuInsVO . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 41 bb) Die Eurofood-Entscheidung des ­EuGH . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 43 cc) Die Auslegung des Art. 3 Abs. 1 ­EuInsVO auf Grundlage der Eurofood-Entscheidung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 45 (1) Die Interpretation der Eurofood-Entscheidung in Deutschland . 45 (2) Die auf die Eurofood-Entscheidung Bezug nehmende Rechtsprechung der Gerichte anderer Mitgliedsstaaten . . . . . . . 49 dd) Die Interedil-Entscheidung des ­EuGH . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 52 ee) Folgen der Interedil-Entscheidung für die auf Grundlage der Eurofood-Entscheidung entwickelte Auslegung des Art. 3 Abs. 1 ­EuInsVO . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 54 ff) Bewertung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 55 gg) Möglichkeit der Annahme eines einheitlichen Interessenmittelpunktes verschiedener Gesellschaften eines in mehreren Mitgliedsstaaten tätigen Konzerns . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 57 hh) Verlagerung des Interessenmittelpunktes vor Stellung des Insolvenzantrags . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 58 c) Sekundärinsolvenzverfahren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 60

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Inhaltsverzeichnis aa) Voraussetzungen für die Eröffnung eines Sekundärinsolvenz­ verfahrens . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 61 bb) Verhältnis zwischen Haupt- und Sekundärinsolvenzverfahren . . . . . 66 (1) Kooperations- und Unterrichtungspflicht der beteiligten Verwalter gem. Art. 31 ­EuInsVO . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 66 (2) Wechselseitige Forderungsanmeldung und Beteiligungsmöglichkeit der Insolvenzverwalter . . . . . . . . . . . . 70 (3) Aussetzung der Verwertung im Sekundärinsolvenzverfahren . . . 74 (4) Verfahrensübergreifende Sanierungsmaßnahmen gem. Art. 34 ­EuInsVO . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 79 cc) Folgen für die Verfahrenskoordination . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 86 (1) Ausrichtung des Sekundärinsolvenzverfahrens an den Erfordernissen des Hauptinsolvenzverfahrens . . . . . . . . . . . . . . 86 (2) Koordination durch Informationsaustausch und Zusammenarbeit der beteiligten Verwalter . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 88 dd) Zwischenergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 93 3. Ergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 94 II. Bestellung desselben Insolvenzverwalters für alle konzernangehörigen Gesellschaften . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 95 1. Die Bestellung eines Konzerninsolvenzverwalters nach deutschem Insolvenzrecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 96 a) Rechtliche Grundlagen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 97 aa) Die Unabhängigkeit von Gläubigern und Schuldner gem. § 56 Abs. 1 Satz 1 InsO . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 97 (1) Schutzzweck des Unabhängigkeitserfordernisses . . . . . . . . . . . . 97 (2) Konkretisierung des Unabhängigkeitsbegriffes in der InsO . . . . 99 (3) Ergänzende Heranziehung von Normen außerhalb der InsO . . . 102 bb) Das Verbot des Insichgeschäfts gem. § 181 BGB und der Ausschluss als Käufer gem. § 450 Abs. 2 BGB . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 107 cc) Das Gebot der höchstpersönlichen Amtsführung . . . . . . . . . . . . . . . . 109 b) Zulässigkeit der Bestellung eines Konzerninsolvenzverwalters . . . . . . . . 112 c) Instrumente zur Vermeidung von einer Bestellung in mehreren Verfahren entgegenstehenden Interessenkonflikten in der Person des Konzern­ insolvenzverwalters . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 116 aa) Bestellung eines Sonderinsolvenzverwalters . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 116 (1) Voraussetzung für die Bestellung eines Sonderinsolvenz­ verwalters . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 117 (2) Einsatz von Sonderinsolvenzverwaltern im Rahmen einer Konzerninsolvenz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 119 bb) Befreiung des Konzerninsolvenzverwalters vom Verbot der §§ 181, 450 Abs. 2 BGB . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 123

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(1) Grundsätzliche Möglichkeit einer Befreiung des Insolvenz­ verwalters vom Verbot der §§ 181, 450 Abs. 2 BGB und dies­ bezügliche Zuständigkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 124 (2) Verhältnis dieser Befreiungsmöglichkeit zum Rechtsinstitut des Sonderinsolvenzverwalters . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 127 (3) Anwendungsbereich für eine Befreiung vom Verbot der §§ 181, 450 Abs. 2 BGB . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 131 d) Zwischenergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 135 2. Verwalteridentität bei parallelen Insolvenzverfahren verschiedener Konzern­ gesellschaften im Geltungsbereich der ­EuInsVO . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 135 a) Rechtlicher Rahmen der ­EuInsVO und tatsächliche Hindernisse . . . . . . . 135 aa) Parallelbestellung in mehreren Hauptinsolvenzverfahren . . . . . . . . . 136 bb) Parallelbestellung in Haupt- und Sekundärinsolvenzverfahren . . . . . 138 b) Verwalteridentität durch Anordnung der Eigenverwaltung im deutschen Sekundärinsolvenzverfahren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 140 3. Konzernweite Zuständigkeit eines Insolvenzgerichts bzw. Absprachen zwischen verschiedenen Insolvenzgerichten als Voraussetzung für eine Bestellung desselben Insolvenzverwalters . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 143 4. Ergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 147 III. Absprachen zwischen den an parallelen Insolvenzverfahren verschiedener Konzerngesellschaften beteiligten Verwaltern und Gerichten . . . . . . . . . . . . . . . 148 1. Insolvenzverwaltungsverträge . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 148 a) Insolvenzverwaltungsverträge bei mehreren in Deutschland eröffneten Insolvenzverfahren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 151 aa) Verträge zwischen mehreren Insolvenzverwaltern . . . . . . . . . . . . . . . 152 (1) Vertragsparteien eines zwischen Insolvenzverwaltern abgeschlossenen Vertrages . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 152 (2) Zulässigkeit des Abschlusses eines Insolvenzverwaltungs­ vertrages . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 158 (a) Der Insolvenzschuldner als Partei des Insolvenzverwaltungs­ vertrages . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 159 (aa) Befugnis des Insolvenzverwalters zur Begründung von Informationspflichten und Zustimmungsrechten zu Lasten der Insolvenzmasse . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 159 (bb) Zweck des Insolvenzverfahrens als Grenze der Verfügungs- und Verpflichtungsbefugnis . . . . . . . . 161 (b) Der Insolvenzverwalter persönlich als Partei des Insolvenz­ verwaltungsvertrages . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 166 (3) Rechtsfolgen eines Insolvenzverwaltungsvertrages . . . . . . . . . . 170 bb) Verträge zwischen Insolvenzgerichten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 174

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Inhaltsverzeichnis b) Insolvenzverwaltungsverträge zwischen den Beteiligten an in verschiedenen Mitgliedsstaaten eröffneten Insolvenzverfahren . . . . . . . . 176 aa) Das für Rechtsfragen im Zusammenhang mit Insolvenzverwaltungsverträgen maßgebliche Recht . . . . . . . . . . . . . 176 bb) Die für Streitigkeiten aus dem Insolvenzverwaltungsvertrag international zuständigen Gerichte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 180 c) Eignung von Insolvenzverwaltungsverträgen zur Koordination paralleler Insolvenzverfahren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 181 2. Rechtlich unverbindliche Absprachen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 187 3. Verpflichtung zur Verfahrenskoordination durch Absprachen . . . . . . . . . . . . 189 4. Ergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 191 IV. Weitere Koordinationsmechanismen nach deutschem Gesellschafts- und Insolvenzrecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 193 1. Verfahrenskoordination durch Konzernleitungsmacht . . . . . . . . . . . . . . . . . . 193 a) Die auf einem Beherrschungsvertrag beruhende Leitungsmacht . . . . . . 194 aa) Der Beherrschungsvertrag im Regelinsolvenzverfahren der Vertragsparteien . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 196 (1) Automatische Beendigung des Beherrschungsvertrages mit Verfahrenseröffnung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 196 (2) Fortbestand des Beherrschungsvertrages und Überlagerung durch das Insolvenzrecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 198 (a) Vollständige Suspendierung der Vertragswirkungen bei Insolvenz einer Vertragspartei . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 200 (b) Suspendierung der Vertragswirkungen nur bei gleichzeitiger Insolvenz der Untergesellschaft . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 201 (c) Fortbestand der Vertragswirkungen in der Doppelinsolvenz 202 bb) Besonderheiten bei Anordnung der Eigenverwaltung im Insolvenz­ verfahren einer bzw. beider Vertragsparteien . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 205 cc) Stellungnahme . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 207 (1) Die Eröffnung des Insolvenzverfahrens über das Vermögen der Obergesellschaft . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 207 (a) Erforderlichkeit einer automatischen Beendigung des Beherrschungsvertrages bzw. einer Suspendierung der aus diesem Vertrag folgenden Pflichten . . . . . . . . . . . . . 207 (b) Auswirkungen auf die Rechte und Pflichten der Vertrags­ parteien . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 211 (2) Die Eröffnung des Insolvenzverfahrens über das Vermögen der Untergesellschaft . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 216 dd) Zwischenergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 220 b) Die auf einer Beteiligung an der Untergesellschaft beruhende Konzern­ leitungsmacht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 221

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aa) Die faktische Konzernleitungsmacht im Regelinsolvenzverfahren von Ober- und Untergesellschaft . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 226 bb) Die Anordnung der Eigenverwaltung im Insolvenzverfahren der Untergesellschaft . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 231 c) Ergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 234 2. Verfahrenskoordination mittels des Insolvenzplanverfahrens . . . . . . . . . . . . 235 a) Einheitlicher Insolvenzplan für den gesamten Konzern . . . . . . . . . . . . . . 237 b) Vorlage aufeinander abgestimmter Insolvenzpläne in den Verfahren der einzelnen Konzerngesellschaften . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 240 aa) Ausarbeitung eines konzernweiten Sanierungs- bzw. Verwertungskonzeptes und Veranlassung der Vorlage entsprechender Insolvenzpläne in den Einzelverfahren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 241 bb) Koordination der Insolvenzverfahren bis zur Abstimmung über die Insolvenzpläne . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 242 cc) Einheitliches Inkrafttreten aller Insolvenzpläne . . . . . . . . . . . . . . . . . 243 (1) Sicherstellung eines einheitlichen Inkrafttretens aller Insolvenz­ pläne mittels der in § 249 ­InsO vorgesehenen Möglichkeit eines „bedingten Plans“ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 243 (2) Sicherstellung eines einheitlichen Inkrafttretens aller Insolvenz­ pläne durch Aufnahme einer Bedingung gem. § 158 BGB . . . . . 245 c) Eignung des Insolvenzplanverfahrens als Mittel zur Koordination paralleler Insolvenzverfahren verschiedener Konzerngesellschaften . . . . 250 V. Ergebnis zur Verfahrenskoordination auf Grundlage des geltenden Rechts . . . . . 251 C. Ausgestaltung eines künftigen Konzerninsolvenzrechts . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 253 I. Regelungen für eine Konzerninsolvenz im deutschen Insolvenzrecht . . . . . . . . . 253 1. Die von den Regelungen für eine Konzerninsolvenz betroffenen Rechts­subjekte 254 2. Schaffung eines konzernweit einheitlichen Gerichtsstandes . . . . . . . . . . . . . 258 a) Vorgeschlagene Regelungsmodelle . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 259 b) Nachteile dieser Regelungsmodelle . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 262 c) Regelungsvorschlag . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 267 3. Regelung der Bestellung eines Konzerninsolvenzverwalters . . . . . . . . . . . . . 273 a) Obligatorische Bestellung eines Konzerninsolvenzverwalters sowie Erleichterungen bei der Anmeldung, Prüfung und Feststellung konzern­ interner Forderungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 274 b) Optionale Bestellung eines Konzerninsolvenzverwalters und Möglichkeit bzw. Verpflichtung zur Beiordnung eines Sonderinsolvenzverwalters . . . 279 c) Statuierung von Kooperationspflichten und Schaffung eines eigen­ ständigen „Koordinierungsverfahrens“ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 281 d) Regelungsvorschlag . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 282

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Inhaltsverzeichnis 4. Fortbestand der gesellschaftsrechtlichen Bindungen des Leitungsorgans bei Anordnung der Eigenverwaltung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 288 5. Einheitliches Insolvenzverfahren über das Vermögen aller konzern­ angehörigen Gesellschaften . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 292 a) Die entsprechende Anwendung der §§ 166 ff. ­InsO auf die Insolvenz mehrerer konzernangehöriger Gesellschaften . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 292 b) Vergleichbarkeit einer insolventen Konzerntochter mit den von § 166 Abs. 1 ­InsO erfassten Fällen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 294 aa) Zweck und Voraussetzungen des Verwertungsrechts des Insolvenzverwalters nach § 166 Abs. 1 ­InsO . . . . . . . . . . . . . . . 294 bb) Übertragbarkeit der § 166 Abs. 1 ­InsO zugrunde liegenden Wertung auf eine insolvente Konzerntochter . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 295 cc) Einbezug des Vermögens der Tochtergesellschaften in das Insolvenzverfahren der Konzernmutter lediglich im Rahmen des Insolvenzplanverfahrens . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 297 c) Ausgestaltung eines Konzerninsolvenzplanverfahrens . . . . . . . . . . . . . . . 299 aa) Berechtigung zur Vorlage eines Konzerninsolvenzplans . . . . . . . . . . 299 bb) Verhältnis des Konzerninsolvenzplans zu weiteren auf das Vermögen einer einzelnen Konzerngesellschaft beschränkten Insolvenzplänen . 302 cc) Örtliche Zuständigkeit desselben Insolvenzgerichts als Voraussetzung für die Vorlage eines Konzerninsolvenzplans . . . . . . 304 dd) Die Gruppenbildung im Konzerninsolvenzplan . . . . . . . . . . . . . . . . . 305 ee) Einbezug solventer Konzerngesellschaften in das Konzerninsolvenz­ planverfahren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 308 (1) Insolvenz der Konzernmutter als zwingender Grund für die Eröffnung von Insolvenzverfahren über das Vermögen solventer Tochtergesellschaften . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 309 (2) Erstreckung der Wirkungen des Insolvenzplans einer insolventen Konzerngesellschaft auf andere solvente Konzerngesellschaften 311 d) Regelungsvorschlag . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 313 6. Zusammenlegung der Insolvenzmassen mehrerer insolventer Konzern­ gesellschaften . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 314 II. Regelungen für eine Konzerninsolvenz auf europäischer Ebene . . . . . . . . . . . . . 317 1. Geltung von etwaigem nationalem Konzerninsolvenzrecht mangels dies­ bezüglicher Regelungen in der ­EuInsVO . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 317 2. Regelungen für parallele Insolvenzverfahren verschiedener Konzern­ gesellschaften in der ­EuInsVO . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 318 a) Definition des Konzerns . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 319 b) Einheitliche internationale Zuständigkeit für alle Konzerngesellschaften

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aa) Vorgeschlagene Regelungsmodelle . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 321 bb) Nachteile dieser Regelungsmodelle . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 324

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cc) Keine Übertragbarkeit der für das nationale deutsche Insolvenzrecht befürworteten Regelung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 328 dd) Erforderlichkeit einer Modifikation der Regelungen über das Sekundärinsolvenzverfahren bei Normierung einer konzernweit einheitlichen internationalen Zuständigkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 329 (1) Ausschluss der Möglichkeit zur Eröffnung von Sekundär­ insolvenzverfahren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 330 (2) Erweiterung der Einflussmöglichkeiten des Hauptinsolvenz­ verwalters auf den Ablauf des Sekundärinsolvenzverfahrens . . . 332 ee) Ergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 335 c) Bestellung desselben Insolvenzverwalters für alle Konzerngesellschaften 336 d) Koordination der in verschiedenen Mitgliedsstaaten eröffneten Insolvenzverfahren der einzelnen Konzerngesellschaften . . . . . . . . . . . . 340 aa) Übertragung der Art. 29 ff. ­EuInsVO auf parallele Hauptinsolvenz­ verfahren verschiedener Konzerngesellschaften . . . . . . . . . . . . . . . . 340 bb) Regelung eines mehrere Konzerngesellschaften umfassenden Plan­ verfahrens . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 343 3. Zusammenlegung der Insolvenzmassen mehrerer insolventer Konzern­ gesellschaften . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 347 4. Regelungsvorschlag . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 349 D. Zusammenfassung der wesentlichen Ergebnisse . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 351 Literaturverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 356 Sachwortverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 381

A. Einleitung Bereits im Jahr 1925 wurde der Konzern in der Betriebswirtschaftslehre definiert als „eine Gruppe von zivilrechtlich selbständigen Unternehmungen, die eine gewisse wirtschaftliche Einheit bilden, einer einheitlichen Leitung unterstehen“.1 Diese Definition des Konzerns kann im Wesentlichen auch heute noch Gültigkeit für die Rechts- und Wirtschaftswissenschaften beanspruchen. Zwar existiert in der Rechtswissenschaft kein einheitlicher, für alle Rechtsgebiete maßgeblicher Konzernbegriff. So erfordert ein Konzern im Sinne des § 18 AktG die Zusammenfassung mehrerer rechtlich selbständiger Unternehmen unter einer „einheitlichen Leitung“, wobei hinsichtlich der Kriterien, nach denen sich das Vorliegen einer solchen einheitlichen Leitung beurteilt, unterschiedliche Ansichten vertreten werden.2 Im Bilanzrecht wird hingegen nicht an die tatsächlich ausgeübte „einheitliche Leitung“ angeknüpft, vielmehr reicht es gem. § 290 Abs. 1 Satz 1 HGB für die Begründung einer Pflicht zur Aufstellung eines Konzernabschlusses und eines Konzernlageberichts aus, wenn eine Kapitalgesellschaft auf ein anderes Unternehmen „einen beherrschenden Einfluss ausüben kann“. Diese Unterschiede erscheinen allerdings lediglich im Hinblick auf die Feststellung des Vorliegens einer wirtschaftlichen Einheit relevant. An dem Grundverständnis des Konzerns als Zusammenfassung mehrerer selbständiger Rechtssubjekte zu einer Wirtschaftseinheit ändern sie hingegen nichts. Auch in den Wirtschaftswissenschaften ist die oben geschilderte Definition nahezu unverändert erhalten geblieben. So wird unter einer „Konzernunternehmung“ eine „autonome Entscheidungs- und Handlungseinheit“ verstanden, die „mehrere juristisch selbständige wie unselbständige Unternehmen und Betriebe umfasst, die als wirtschaftliche Einheit in personeller, institutioneller und/oder funktioneller Hinsicht zeitlich befristet oder auf Dauer im Rahmen entsprechender Planungen ein gemeinsames wirtschaftliches Ziel verfolgen“.3 Der Konzern lässt sich damit kurz als „polykorporatives Unternehmen“4 bezeichnen. Diese für den Konzern charakteristische „Polarität zwischen Einheit des Ganzen und Vielheit der Glieder“ wurde bereits im Jahre 1964 als das „zentrale Problem dieses Gebildes“ angesehen.5 Obgleich die sich hieraus ergebenden gesell 1

Passow, Betrieb, Unternehmung, Konzern (1925), S. 100. Siehe zu den hierzu vertretenen Ansichten Bayer, Münchener Komm. z. AktG, § 18 Rdn. 28 ff.; Emmerich, in: Emmerich/Habersack, Aktien- und GmbH-Konzernrecht, § 18 Rdn. 9 ff.; Schall, in: Spindler/Stilz, Komm. z. AktG, § 18 Rdn. 8 ff. 3 Theisen, Der Konzern, S. 18. 4 So die Bezeichnung von Bälz, FS L. Raiser (1974), 287, 320. 5 So L. Raiser, in: Das Verhältnis der Wirtschaftswissenschaft zur Rechtswissenschaft, Soziologie und Statistik (1964), 51, 54. 2

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schaftsrechtlichen Fragen seit dem Ende des 19. Jahrhunderts diskutiert werden und das Aktienkonzernrecht im Zuge der Aktienrechtsreform 1965 auch „in umfassender Weise kodifiziert“6 wurde,7 sind die Besonderheiten, die sich hieraus in der Insolvenz der einzelnen Konzerngesellschaften ergeben, lange Zeit unbeachtet geblieben. Dies dürfte wesentlich darauf zurückzuführen sein, dass die Konkursordnung auf eine natürliche Person als Schuldner zugeschnitten war8 und demzufolge auch der Gesellschaftskonkurs im Allgemeinen in der Rechtswissenschaft eine eher untergeordnete Rolle spielte.9 Dies änderte sich erst zu Beginn der 1980er Jahre, als die Zusammenbrüche von Großkonzernen wie AEG oder der Korf-Gruppe „die Frage aufgeworfen [haben], ob dem geltenden Recht Ansätze für ein Konzerninsolvenzrecht zu entnehmen sind bzw. ob jedenfalls bei der geplanten Insolvenzrechtsreform Grundsätze eines Konzerninsolvenzrechts kodifiziert werden sollten“.10 Folglich nahm auch die im Jahre 1978 vom damaligen Bundesjustizminister Vogel eingesetzte Kommission für Insolvenzrecht in ihrem Ersten Bericht zu der Frage Stellung, ob ein zukünftiges Insolvenzrecht auch besondere Regelungen für die Insolvenz konzernangehöriger Gesellschaften enthalten sollte. Nach Ansicht der Kommission sollte das reformierte Insolvenzrecht „[e]ine verfahrens- und verwaltungsmäßige Konzentration der Insolvenzverfahren verschiedener Konzernunternehmen“ nicht vorsehen.11 Insbesondere sollte sowohl die Einführung eines einheitlichen Konzerninsolvenzgerichtsstands als auch die Ermöglichung der Bestellung eines einheitlichen Insolvenzverwalters unterbleiben, da es der Grundsatz der Haftungstrennung erfordere, „dass die Vermögen sämtlicher von der Insolvenz betroffener Konzernunternehmen allein im Interesse der jeweiligen Verfahrensbeteiligten, insbesondere der jeweiligen Gläubiger, verwaltet werden“.12 Entsprechend diesen Vorschlägen verzichtete der Gesetzgeber bei der Schaffung der InsO auf die Einführung besonderer Regelungen für die Insolvenz mehrerer konzernangehöriger Gesellschaften.13 Das geltende Insolvenzrecht geht deshalb im Grundsatz von einem „rechtsträger­ bezogene[n] Ansatz“ aus.14 So kann gem. § 11 Abs. 1 InsO ein Insolvenzverfahren 6

Schall, in: Spindler/Stilz, Komm. z. AktG, Vor § 15 Rdn. 25. Siehe zu der historischen Entwicklung des (Aktien-)Konzernrechts bis zur Aktienrechtsreform 1965 umfassend Hommelhoff, Die Konzernleitungspflicht (1982), S. 2 ff. 8 Vgl. Weber, KTS 1970, 73: „Der ‚Gemeinschuldner‘, den der Gesetzgeber bei seiner Regelung vor Augen hatte, ist offensichtlich der Einzelkaufmann, jedenfalls die natürliche Person“. 9 Siehe Weber, KTS 1970, 73, 75, der von einer „wissenschaftlichen Heimatlosigkeit des Gesellschaftskonkurses“ spricht. 10 So Kübler, ZGR 1984, 560, 561 mit ausführlicher Schilderung der Fälle AEG und Korf; ebenso Uhlenbruck, KTS 1986, 419 wonach „[e]rst durch spektakuläre Großinsolvenzen wie AEG, Glöggler, Korf oder Pelikan […] das Konzern-Insolvenzrecht eine wissenschaftliche Belebung erfahren“ habe und es daher zu den „‚Entdeckungen‘ der letzten Jahre“ zu zählen sei. 11 Erster Bericht der Kommission für Insolvenzrecht, Leitsatz 2.4.9.13 Abs. 1, S. 290. 12 Erster Bericht der Kommission für Insolvenzrecht, Begründung zu Leitsatz 2.4.9.13, S. 292. 13 So hinsichtlich des RegE-InsO Baur/Stürner, Zwangsvollstreckungs-, Konkurs- und Vergleichsrecht II, Rdn. 35.22; Kuhn/Uhlenbruck, Komm. z. KO, § 207 Vorbem. K Rdn. 8. 14 Eidenmüller, ZHR 169 (2005), 528, 529. 7

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über das Vermögen einer natürlichen oder juristischen Person eröffnet werden. Allerdings lässt § 11 Abs. 2 InsO auch die Eröffnung eines Insolvenzverfahrens über das Vermögen von Gesellschaften ohne Rechtspersönlichkeit, über einen Nachlaß oder über das Gesamtgut einer Gütergemeinschaft zu. Entscheidende Voraussetzung für die Insolvenzfähigkeit ist damit nicht die Rechtsfähigkeit, sondern das Vorliegen eines „– auch haftungsrechtlich – abgegrenzte[n] Vermögen[s] […], das bestimmten Gläubigern unter Ausschluss anderer Gläubiger haftungsrechtlich zugewiesen ist“.15 Es gilt damit der Grundsatz „Eine Person, ein Vermögen, eine Insolvenz“.16 Bezogen auf den Konzern bedeutet dies, dass das geltende Insolvenzrecht an die rechtliche Selbständigkeit der einzelnen Konzerngesellschaften anknüpft. Unberücksichtigt bleibt nach der gesetzlichen Konzeption hingegen die wirtschaftliche Einheit und damit die Tatsache, dass „die wirtschaftliche Unternehmung nicht nur einem Rechtsträger zugeordnet ist, sondern vielmehr einzelne Teilbereiche einer solchen Unternehmung […] auf unterschiedliche Rechtsträger aufgeteilt sind“.17 Gerade diese wirtschaftliche Einheit erlangt im Hinblick auf das Insolvenzverfahren aber erhebliche Bedeutung. Die zeigt sich zunächst schon daran, „dass sich Krise und Insolvenz von Gesellschaften innerhalb eines Konzerns zumeist rechtsträgerübergreifend niederschlagen“18. So sind die einzelnen Konzerngesellschaften vielfach in finanzieller Hinsicht eng miteinander verflochten, beispielsweise weil die Konzernmutter einen konzernweiten Cash-Pool führt und damit die Tochtergesellschaften mit Liquidität versorgt. Wird in einem solchen Fall die Konzernmutter insolvent, so verlieren die übrigen Konzerngesellschaften den Zugang zu liquiden Mitteln.19 Dieser Liquiditätsverlust kann die Zahlungsunfähigkeit der Tochtergesellschaften herbeiführen. Zudem macht die Insolvenz der den Cash-Pool führenden Konzernmutter auch eine Wertberichtigung etwaiger Ansprüche der Tochtergesellschaften erforderlich, wodurch zudem auch Überschuldung eintreten kann.20 Schließlich werden von den einzelnen Konzerngesellschaften häufig Sicherheiten für die Verbindlichkeiten anderer Konzerngesellschaften bestellt. Dieses Übergreifen der Insolvenz einer Konzerngesellschaft auf die übrigen Konzerngesellschaften wird als „Domino-Effekt“ bezeichnet.21 Im Rahmen der Abwicklung der einzelnen Insolvenzverfahren sind diese finanziellen Verflechtungen zwischen den einzelnen Konzerngesellschaften dann auf 15

Ott/Vuia, Münchener Komm. z. InsO, § 11 Rdn. 9; ebenso Jaeger/Ehricke, Komm. z. InsO, § 11 Rdn. 11. 16 So die Formulierung bei Uhlenbruck/Hirte, Komm. z. InsO, § 11 Rdn. 394. 17 Ehricke, Kölner Schrift z. InsO, Kap. 32 Rdn. 2. 18 Ehricke, Kölner Schrift z. InsO, Kap. 32 Rdn. 2. 19 Liebscher, Münchener Komm. z. GmbHG, Anhang zu § 13: Die GmbH als Konzernbaustein Rdn. 1132. 20 So führte aus diesen Gründen die Insolvenz der Babcock Borsig AG auch zur Insolvenz zahlreicher Tochtergesellschaften dieser Gesellschaft, siehe hierzu die entsprechende Schilderung bei Rennert-Bergenthal, ZInsO 2008, 1316; Piepenburg, NZI 2004, 231, 234. 21 So Haas, in: Gottwald, Insolvenzrechts-Handbuch, § 95 Rdn. 4; Liebscher, ­Münchener Komm. z. GmbHG, Anhang zu § 13: Die GmbH als Konzernbaustein Rdn. 1132; Wenner/ Schuster, ZIP 2008, 1512, 1513.

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zuarbeiten, beispielsweise weil sich hieraus Ansprüche der einzelnen Konzerngesellschaften gegeneinander ergeben. Durch eine Koordination der einzelnen Insolvenzverfahren kann diese Aufarbeitung effizienter erfolgen.22 Besondere Bedeutung kommt der wirtschaftlichen Einheit des Konzerns jedoch im Hinblick auf das in § 1 InsO zum Ausdruck kommende Ziel des Insolvenzverfahrens zu, die Gläubiger durch Verwertung des schuldnerischen Vermögens oder Sanierung des vom Schuldner betriebenen Unternehmens zu befriedigen. Denn es ist „betriebswirtschaftlich regelmäßig […] sinnvoller [..], die insolventen Gesellschaften hinsichtlich ihrer Sanierung oder Liquidation gemeinschaftlich oder jedenfalls koordiniert zu behandeln, um so der Organisationsform des Konzerns Rechnung zu tragen“.23 Dies gilt beispielsweise bei einer beabsichtigten Sanierung, wenn eine Konzerngesellschaft zur Herstellung ihrer Produkte oder zur Erbringung ihrer Dienstleistungen auf Lieferungen oder Leistungen anderer Konzerngesellschaften angewiesen ist.24 Aber auch bei einer Liquidation kann sich eine koordinierte Abwicklung der einzelnen Verfahren vorteilhaft auswirken, beispielsweise wenn die Aktiva mehrerer Konzerngesellschaften, die ein wirtschaftlich einheitliches Unternehmen bilden, gemeinsam veräußert werden. Bei Konzernen, die aus in verschiedenen Staaten tätigen Gesellschaften bestehen, kommt hinzu, dass die Eröffnung separater Insolvenzverfahren über das Vermögen der einzelnen Konzerngesellschaften vielfach auch zur Geltung von unterschiedlichem nationalem Insolvenzrecht in den einzelnen Verfahren führt. Denn regelmäßig findet das Insolvenzrecht desjenigen Staates Anwendung, in dem das Insolvenzverfahren eröffnet worden ist.25 Sofern die Insolvenzverfahren über das Vermögen der einzelnen Konzerngesellschaften in verschiedenen Staaten eröffnet werden, wird die Ausrichtung der Verfahrensabwicklung an der wirtschaftlichen Einheit zusätzlich durch die Geltung verschiedener Insolvenzrechte erschwert. Im Folgenden soll zunächst untersucht werden, inwieweit es trotz des geschilderten Befundes möglich ist, der wirtschaftlichen Einheit des Konzerns bei der Anwendung des nationalen deutschen Insolvenzrechts sowie der diesbezüg­lichen europäischen Regelungen Rechnung zu tragen (B.). Ferner soll aber auch der Frage nachgegangen werden, wie die Insolvenz mehrerer Konzerngesellschaften

22 Siehe Ehricke, Münchener Komm. z. InsO, Anhang Internationales Konzerninsolvenzrecht Rdn. 4, wonach „erwartet werden [kann], dass mit einer Zusammenfassung von Verfahren mehrerer insolventer Unternehmen desselben Konzerns die Einzelverwaltungen kostengünstiger und effizienter geführt werden können“. 23 Ehricke, Kölner Schrift z. InsO, Kap. 32 Rdn. 2. 24 So war nach Piepenburg, NZI 2004, 231, 234 die Babcock Borsig AG zur Erfüllung der von ihr eingegangenen Verträge über den Bau von Kraftwerken auf Leistungen ihrer Tochtergesellschaften angewiesen. 25 So die Regelungen des § 335 InsO und des Art. 4 Abs. 1 ­EuInsVO; diese Geltung der lex fori concursus ist nach Trunk, Internationales Insolvenzrecht (1998), S. 88 „international un­ bestritten und sachlich gerechtfertigt“.

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zukünftig geregelt werden könnte. Denn sowohl in Deutschland26 als auch auf europäischer Ebene27 wird die Einführung entsprechender Regelungen geplant oder zumindest erwogen. Deshalb sollen die hierfür bereits vorgeschlagenen Regelungsmodelle erörtert und daraus konkrete Regelungsvorschläge entwickelt werden (C.).

26 Siehe die Ankündigung der Einführung spezieller Regelungen für die Insolvenz konzernverbundener Gesellschaften in der Rede der Bundesjustizministerin Leutheusser-Schnarrenberger beim 7. Deutschen Insolvenzrechtstag am 18. März 2010 in Berlin, ZInsO 2010, 614, 617 sowie die Vorstellung erster diesbezüglicher Eckpunkte in der Rede der Bundesjustizministerin beim 9. Deutschen Insolvenzrechtstag der Arbeitsgemeinschaft Insolvenzrecht im Deutschen Anwaltverein am 22. März 2012 in Berlin, ZInsO 2012, 637, 639 ff. 27 Siehe Hirte, ZInsO 2011, 1788, wonach im Rahmen einer möglichen Reform der E ­ uInsVO „das Thema ‚Konzerninsolvenz‘ […] nach der Vorstellung des Europäischen Parlaments ebenfalls in die Kodifikationsüberlegungen einbezogen werden soll“ sowie die Rede der Bundesjustizministerin Leutheusser-Schnarrenberger beim 9. Deutschen Insolvenzrechtstag der Arbeitsgemeinschaft Insolvenzrecht im Deutschen Anwaltverein am 22. März 2012 in Berlin, ZInsO 2012, 637, 639 f., wonach das Bundesjustizministerium zusammen mit dem französichen Justizministerium eine Arbeitsgruppe eingerichtet hat, „welche insbesondere Vorschläge zur Behandlung von Konzerninsolvenzen im Rahmen der anstehenden Reform der Europäischen Insolvenzverordnung erarbeitet“; siehe aber auch Reinhart, ZInsO 2012, 304, 310, wonach einem Vortrag, den Jerome Carriat, ein Mitglied der Generaldirektion Justiz der Europäischen Kommission, auf einer Tagung der ARGE Insolvenz und Sanierung des DAV vom 08.02.2012 bis 10.02.2012 in Brüssel gehalten hat, zu entnehmen war, dass „das Thema Konzerninsolvenz bei der Überarbeitung der ­EuInsVO derzeit […] keine Rolle“ spiele.

B. Die Abwicklung von Konzerninsolvenzen auf Grundlage des geltenden Rechts Um trotz des Verzichts des Gesetzgebers auf die Schaffung spezieller Regelungen für die Abwicklung paralleler Insolvenzverfahren über das Vermögen verschiedener Konzerngesellschaften die wirtschaftliche Einheit des Konzerns nicht gänzlich unberücksichtigt zu lassen, wird versucht, einzelne Bestimmungen des Insolvenz- und Gesellschaftsrechts im Hinblick auf eine angestrebte Koordination der einzelnen im Grundsatz unabhängigen Insolvenzverfahren auszulegen. Ferner wurden in Rechtswissenschaft und Rechtspraxis auch spezielle Verfahrensgestaltungen entwickelt, um der wirtschaftlichen Einheit des Konzerns möglichst weitgehend Rechnung zu tragen. Damit hat sich mittlerweile ein „faktisches Konzerninsolvenzrecht“1 entwickelt.

I. Einheitlicher Gerichtsstand für alle konzernangehörigen Gesellschaften Erster Bestandteil dieses „faktischen Konzerninsolvenzrechts“ ist das Bestreben, einen einheitlichen Gerichtsstand für alle insolventen Konzerngesellschaften zu begründen. Ein solcher „Konzerninsolvenzgerichtsstand“ würde dazu beitragen, ein „unkontrollierte[s] Auseinanderreißen des Konzerns durch unkoordinierte Verfahren über die einzelnen Konzerngesellschaften“ zu verhindern.2 Denn dem Insolvenzgericht lägen dann Informationen über alle insolventen Konzerngesellschaften vor, weshalb es durch seine Entscheidungen, beispielsweise durch die Anordnung von Sicherungsmaßnahmen im Eröffnungsverfahren oder durch die Bestellung des Insolvenzverwalters, auf eine koordinierte Abwicklung der einzelnen Verfahren hinwirken könnte. Allerdings normiert weder die deutsche InsO noch die ­EuInsVO3 eine einheitliche Zuständigkeit für die Insolvenzverfahren mehrerer konzernangehöriger Gesellschaften. Vielmehr ist die Zuständigkeit grundsätzlich für jede Konzerngesellschaft gesondert zu bestimmen.4 Fraglich ist deshalb, 1 So die in dem Titel eines Aufsatzes verwendete Formulierung von Piepenburg, NZI 2004, 231. In diesem Aufsatz schildert er seine Erfahrungen als eigenverwaltender Vorstandsvorsitzender der Babcock Borsig AG, welche Muttergesellschaft eines aus ca. 360 Einzelgesellschaften bestehenden Konzerns war. 2 Vallender/Deyda, NZI 2009, 825. 3 Verordnung (EG) Nr. 1346/2000 des Rates vom 29. Mai 2000 über Insolvenzverfahren, Amtsblatt der Europäischen Gemeinschaften L 160 vom 30. Juni 2000, S. 1 ff. 4 So für die örtliche Zuständigkeit nach § 3 InsO Uhlenbruck, FS Braun (2007), 335, 337; Vallender/Deyda, NZI 2009, 825, 826; für die internationale Zuständigkeit nach Art. 3 ­EuInsVO EuGH, Urteil vom 2. Mai 2006, Rs. C-342/04 – Eurofood, Slg. 2006, I-3813 Rdn. 30.

I. Einheitlicher Gerichtsstand für alle konzernangehörigen Gesellschaften

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ob nicht durch entsprechende Auslegung der jeweiligen Normen gleichwohl ein einheit­licher Gerichtsstand für mehrere bzw. alle insolventen Konzerngesellschaften begründet werden kann. 1. Einheitliche örtliche Zuständigkeit nach § 3 Abs. 1 InsO Die Insolvenzordnung regelt die örtliche Zuständigkeit in § 3 InsO. Nach § 3 Abs. 1 Satz 1 InsO ist das Insolvenzgericht ausschließlich zuständig, in dessen Bezirk der Schuldner seinen allgemeinen Gerichtsstand hat. Gem. § 3 Abs. 1 Satz 2 InsO ist jedoch, sofern sich der Mittelpunkt einer selbständigen wirtschaftlichen Tätigkeit des Schuldners an einem anderen Ort befindet, ausschließlich das Insolvenzgericht zuständig, in dessen Bezirk dieser Ort liegt. Somit ist in erster Linie der Mittelpunkt der selbständigen wirtschaftlichen Tätigkeit des Schuldners maßgeblich.5 Der Anknüpfung an den Mittelpunkt der selbständigen wirtschaftlichen Tätigkeit liegt die Vorstellung zu Grunde, dass eine Zuständigkeit des an diesem Ort ansässigen Gerichts im Hinblick auf die Abwicklung der Verbindlichkeiten des Insolvenzschuldners am zweckmäßigsten ist.6 Denn an diesem Ort dürfte sich regelmäßig ein Großteil der Masse und der Gläubiger befinden.7 Insoweit gewährleistet ein Insolvenzverfahren an diesem Ort die effizienteste Abwicklung des Verfahrens.8 a) Kriterien für die Bestimmung des Mittelpunktes der selbständigen wirtschaftlichen Tätigkeit Nach welchen Kriterien der Mittelpunkt der selbständigen wirtschaftlichen Tätigkeit zu bestimmen ist, ergibt sich aus dem Gesetzestext allerdings nicht. In Rechtsprechung und rechtswissenschaftlichem Schrifttum werden hierzu unterschiedliche Ansichten vertreten.

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Braun/Kießner, Komm. z. InsO, § 3 Rdn. 4; Jaeger/Gerhardt, Komm. z. InsO, § 3 Rdn. 14. Jaeger/Gerhardt, Komm. z. InsO, § 3 Rdn. 14; Ganter, Münchener Komm. z. InsO, § 3 Rdn. 2; kritisch Becker, in: Nerlich/Römermann, Komm. z. InsO, § 3 Rdn. 24 f.: Der „Hoffnung auf Effizienz durch eine ortsnahe Abwicklung“ des Verfahrens stünden große Schwierigkeiten bei der Bestimmung des Tätigkeitsmittelpunktes gegenüber. Denn das Gesetz lege das „dörf­ liche Idyll“ eines „lokal agierenden Kleinstunternehmers“ zu Grunde, welches aber nicht mehr zeitgemäß sei. Denn heute unterhalte jeder Unternehmer vielfältige wirtschaftliche Beziehungen, die sich nicht mehr dem Bezirk eines Insolvenzgerichts zuordnen ließen. Einen alternativen Lösungsvorschlag bleibt Becker aber schuldig. 7 Ganter, Münchener Komm. z. InsO, § 3 Rdn. 2. 8 Wienberg, in: Hess/Weis/Wienberg, Komm. z. InsO, § 3 Rdn. 24. 6

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B. Abwicklung von Konzerninsolvenzen auf Grundlage des geltenden Rechts

aa) Auffassungen im rechtswissenschaftlichen Schrifttum Zum Teil wird für die Bestimmung des Tätigkeitsmittelpunktes darauf abgestellt, von welcher örtlichen Einrichtung „die maßgebliche Willensbildung der dem Schuldner zuzurechnenden Geschäfte ausgeht bzw. von [welchem Ort aus] das Geschäftsverhalten der dem Schuldner zuzuordnenden wirtschaftlichen Einheit koordiniert wird“. Entscheidend sei, wo „die wesentlichen unternehmensleitenden Entscheidungsbefugnisse wahrgenommen werden“.9 Bei der Bestimmung dieses Ortes müsse neben der internen Willensbildung auch berücksichtigt werden, wo dieser Wille in konkrete unternehmensleitende Entscheidungen umgesetzt wird.10 Trotz dieser im Grundsatz übereinstimmenden Ausgangsposition gelangen die Vertreter dieser Ansicht aber gerade bei der Bestimmung des Tätigkeitsmittelpunktes von konzernangehörigen Tochtergesellschaften zu unterschiedlichen Ergebnissen. Sofern die Konzernmutter die Ausrichtung und Tätigkeit einer Tochtergesellschaft umfassend steuert, wird teilweise angenommen, dass das für die Konzernmutter zuständige Insolvenzgericht auch für die Tochtergesellschaft zuständig sei.11 Denn entscheidend sei nicht, an welchem Ort die „unternehmerische Entscheidung […] gefällt wird“, vielmehr komme es darauf an, „an welchem Ort die Unternehmensausrichtung und -politik verbindlich festgelegt“ werde. Ist die Willensbildung der abhängigen Gesellschaft aber nahezu vollständig von der herrschenden Gesellschaft vorbestimmt, so befinde sich dieser Ort am Mittelpunkt der selbständigen wirtschaftlichen Tätigkeit der Konzernmutter.12 Andere hingegen nehmen an, dass es für die Annahme, die wesentliche Willensbildung der Tochtergesellschaft finde am Sitz der Konzernmutter statt, nicht ausreiche, wenn die Tochtergesellschaft die Entscheidungen der Konzernspitze auf deren Veranlassung hin umsetzt. Denn die abhängige Gesellschaft bilde ihren Willen erst dadurch, dass sich ihre organschaftlichen Vertreter entschließen, Weisungen der herrschenden Gesellschaft zu befolgen.13 Daher sei der Tätigkeitsmittelpunkt der Tochtergesellschaft im Sinne von § 3 Abs. 1 Satz 2 InsO der Ort, an dem ihre Geschäftsleitung die „wesentlichen betrieblichen Entscheidungen“ trifft, „und sei es [lediglich] die 9 Jaeger/Gerhardt, Komm. z. InsO, § 3 Rdn. 16; ebenso Splittgerber, Die örtliche Zuständigkeit in Insolvenzverfahren konzernverbundener Unternehmen (2011), S. 205. 10 Rotstegge, Konzerninsolvenz (2007), S. 399 f.; Schmerbach, Frankfurter Komm. z. InsO, § 3 Rdn. 5; im Ergebnis ebenso wohl auch Splittgerber, Die örtliche Zuständigkeit in Insolvenzverfahren konzernverbundener Unternehmen (2011), S. 205, der davon ausgeht, dass sich an demjenigen Ort, von dem aus die „wesentliche unternehmensleitende Willensbildung des Schuldners erfolgt“, „in aller Regel sämtliche für einen zweckmäßigen, effektiven und zügigen Verfahrensbetrieb notwendigen Unterlagen, Informationen und Personen“ befinden. Gleichwohl lehnt Splittgerber a. a. O. S. 206 eine Anknüpfung an „den Ort der organisatorischen Verfestigung interner Entscheidungen“ ausdrücklich ab, räumt allerdings ein, dass eine solche Anknüpfung „in Praxi regelmäßig zu ähnlichen Ergebnissen führen dürfte“. 11 Rotstegge, Konzerninsolvenz (2007), S. 407 für den faktischen Konzern und S. 410 für den Vertragskonzern; ders., ZIP 2008, 955, 957. 12 Rotstegge, Konzerninsolvenz (2007), S. 407. 13 Jaeger/Gerhardt, Komm. z. InsO, § 3 Rdn. 36.

I. Einheitlicher Gerichtsstand für alle konzernangehörigen Gesellschaften

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Entscheidung, einer Weisung des herrschenden Unternehmens nachzukommen“. Der Tätigkeitsmittelpunkt der Tochtergesellschaft falle nur dann ausnahmsweise mit dem der Muttergesellschaft zusammen, wenn die Geschäftsführung der Tochtergesellschaft ihren „Hauptverwaltungssitz“ am Sitz der Konzernmutter habe und von dort aus die Tochtergesellschaft führe.14 Ein solcher Fall liege beispielsweise vor, wenn von der Hauptniederlassung der Konzernmutter aus „das gesamte Rechnungswesen sowie der Einkauf und Verkauf“ für die Tochtergesellschaften geführt werden oder wenn „die Abrechnungen, die Vertragsgestaltungen und alle Zahlungen durch die Muttergesellschaft erfolgen“.15 Eine andere Ansicht stellt hingegen auf den Ort ab, an dem die „grundlegenden Entscheidungen der Unternehmensleitung in laufende Geschäftsführungsakte nach außen erkennbar umgesetzt werden“.16 Entscheidend sei, wo die Entscheidungen der Gesellschaft „manifest werden“, d. h. „wo sie […] dokumentiert werden und in Gestalt von nachvollziehbaren Geschäftsunterlagen ihren Niederschlag finden“.17 Dies müsse nicht notwendigerweise der Ort sein, wo die Entscheidungen Außenwirkung entfalten, beispielsweise durch den Abschluss eines Vertrages.18 Es könne aber auch nicht lediglich auf den Ort abgestellt werden, an dem die fragliche Entscheidung getroffen wurde; vielmehr sei zumindest zu verlangen, dass die Entscheidungsfindung „organisatorisch verfestigt“ ist, beispielsweise weil diesbezüglich Unterlagen angefertigt werden.19 Mithin komme es auf den „effektiven Verwaltungssitz“ der juristischen Person an.20 Eine weitere Ansicht verortet den Schwerpunkt der selbständigen wirtschaftlichen Tätigkeit dort, „wo unmittelbar die Geschäfte nach außen abgeschlossen werden“.21 Indizien hierfür seien „die Existenz eines Geschäftslokals, die Zuständigkeit des Finanzamtes, öffentlich-rechtliche Gewerbeerlaubnisvorgänge und dergleichen mehr“.22 Innerhalb dieser Ansicht wird aber teilweise für eine beherrschte Gesellschaft eine Ausnahme von dem genannten Kriterium gemacht und der Tätigkeitsmittelpunkt einer solchen Gesellschaft automatisch an demjenigen der herrschenden Gesellschaft verortet. Als Grund für diese Ausnahme wird die 14

Jaeger/Gerhardt, Komm. z. InsO, § 3 Rdn. 37. Schmerbach, in: Frankfurter Komm. z. InsO, § 3 Rdn. 7. 16 Kirchhof, Heidelberger Komm. z. InsO, § 3 Rdn. 9; ebenso Rechel, in: Leonhardt/Smid/ Zeuner, Komm. z. InsO, § 3 Rdn. 7; Uhlenbruck/Pape, Komm. z. InsO, § 3 Rdn. 4. 17 Ganter, Münchener Komm. z. InsO, § 3 Rdn. 10; dem zustimmend Vallender, NJW-Spezial 2009, 418. 18 Ganter, Münchener Komm. z. InsO, § 3 Rdn. 10. 19 Ganter, Münchener Komm. z. InsO, § 3 Rdn. 10; ebenso Uhlenbruck/Pape, Komm. z. InsO, § 3 Rdn. 4. 20 Rechel, in: Leonhardt/Smid/Zeuner, Komm z. InsO, § 3 Rdn. 7. 21 Wienberg, in: Hess/Weis/Wienberg, Komm. z. InsO, § 3 Rdn. 24; ebenso Braun/Kießner, Komm. z. InsO, § 3 Rdn. 7, wonach zusätzlich aber auch zu berücksichtigen sei, „wo die tatsächliche Willensbildung stattfindet, die Unternehmensleitung Entscheidungen trifft und umsetzt“. 22 Braun/Kießner, Komm. z. InsO, § 3 Rdn. 7. 15

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B. Abwicklung von Konzerninsolvenzen auf Grundlage des geltenden Rechts

Konzernleitungsmacht der Obergesellschaft angeführt, die einen Zusammenhang zwischen den beiden Gesellschaften herstelle, der trotz ihrer rechtlichen Selbständigkeit die Annahme eines einheitlichen Insolvenzgerichtsstands erlaube.23 Einschränkend wird allerdings verlangt, dass die Tochtergesellschaft auch tatsächlich einer einheitlichen Konzernleitung unterliegt, d. h. ihr operatives Geschäft von der Konzernzentrale aus gesteuert wird. Die bloße Mitgliedschaft in einem Unternehmensverbund solle für die Annahme eines konzernweit einheitlichen Gerichtsstandes nicht ausreichen.24 Auch wenn die verschiedenen in der rechtswissenschaftlichen Literatur vertretenen Ansichten dem Wortlaut nach an unterschiedliche Kriterien anknüpfen, dürfte die Anwendung dieser Kriterien im Falle einer unabhängigen, d. h. einer nicht konzernangehörigen Gesellschaft, zumeist zu demselben Ergebnis führen. Denn die Willensbildung bezüglich des operativen Geschäfts sowie deren Umsetzung durch Akte der Geschäftsführung, insbesondere durch den Abschluss von Verträgen mit Dritten, obliegen in erster Linie den vertretungsberechtigten Organen der Gesellschaft. Zwar können Verträge mit Dritten auch durch vertretungsberechtigte Angestellte der Gesellschaft abgeschlossen werden, gerade bei wirtschaftlich bedeutenden Verträgen werden aber regelmäßig die Organe selbst tätig. Dementsprechend dürften bei einer unabhängigen Gesellschaft alle Ansichten zu dem Ergebnis kommen, dass der Mittelpunkt der selbständigen wirtschaft­ lichen Tätigkeit einer Gesellschaft am Sitz ihrer Geschäftsleitung, d. h. ihrer vertretungsberechtigten Organe, zu verorten ist. Indizien hierfür wären in erster Linie die Existenz von Büroräumen, der Belegenheitsort wichtiger Unterlagen wie beispielsweise der Buchhaltung sowie die im Geschäftsverkehr verwendete Postanschrift.25 Ist die Gesellschaft aber Bestandteil eines Konzerns, so führen die im Schrifttum vertretenen Ansichten zu unterschiedlichen Ergebnissen. Der wohl überwiegende Teil hält an den für die unabhängige Gesellschaft geltenden Kriterien unverändert fest. Eine konzernweite Zuständigkeit des Insolvenzgerichts am Tätigkeitsmittelpunkt der Konzernmutter kommt damit nur in Betracht, wenn auch die Geschäftsführungsorgane der jeweiligen Tochtergesellschaften nach den genannten Kriterien dort ihren Sitz haben. Allerdings wird in diesen Fällen auch ein abweichender Maßstab angelegt. Teils werden die für den Tätigkeitsmittelpunkt herangezogenen Kriterien konzernspezifisch interpretiert, beispielsweise indem

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Braun/Kießner, Komm. z. InsO, § 3 Rdn. 19. Braun/Kießner, Komm. z. InsO, § 3 Rdn. 20. 25 Im Ergbnis wohl ebenso Splittgerber, Die örtliche Zuständigkeit in Insolvenzverfahren konzernverbundener Unternehmen (2011), S. 205, der als Tätigkeitsmittelpunkt zwar „die räumliche Einrichtung […], von der aus die wesentliche unternehmensleitende Willensbildung des Schuldners erfolgt“, ansieht, dies jedoch damit begründet, dass sich in dieser Einrichtung „sämtliche für einen zweckmäßigen, effektiven und zügigen Verfahrensablauf notwendigen Unterlagen, Informationen und Personen“ befinden. 24

I. Einheitlicher Gerichtsstand für alle konzernangehörigen Gesellschaften

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angenommen wird, dass die Willensbildung einer Tochtergesellschaft regelmäßig am Tätigkeitsmittelpunkt der Konzernmutter erfolgt. Andere wollen unter Berufung auf die Leitungsmacht der Konzernmutter eine Ausnahme von den im Übrigen geltenden Kriterien machen und auf diese Weise eine Zuständigkeit des Insolvenzgerichts am Tätigkeitsmittelpunkt der Konzernmutter herbeiführen. bb) Die Ansicht der Rechtsprechung Schon während der Geltung der Konkursordnung stand die höchstrichterliche Rechtsprechung auf dem Standpunkt, dass die Konzernzugehörigkeit einer Gesellschaft für sich genommen bei der Bestimmung des zuständigen Insolvenzgerichts ohne Bedeutung sei.26 Hieran wurde auch in der instanzgerichtlichen Rechtsprechung zur InsO festgehalten.27 Es wird darauf abgestellt, wo das operative Geschäft des Unternehmens geführt und die damit verbundenen Entscheidungen für den Rechtsverkehr erkennbar werden.28 Maßgeblich sei der Ort, an dem die tatsächliche Willensbildung stattfindet, die Unternehmensleitung ihre Entscheidung trifft, dokumentiert und umsetzt.29 Zudem wird auch eine „gewisse organisato­ rische Verfestigung“ verlangt.30 Allerdings werden diese Kriterien im Einzelfall unterschiedlich gehandhabt. Eine noch unter der Geltung der Gesamtvollstreckungsordnung (GesO) ergangene Entscheidung des LG Dessau31 betraf die Zuständigkeit des AG Dessau für die Eröffnung eines Gesamtvollstreckungsverfahrens über das Vermögen einer im Handelsregister beim AG Dessau eingetragenen GmbH. Mehrheitsgesellschafterin dieser GmbH war eine weitere GmbH, deren Hauptverwaltung sich in Duisburg befand. Auf entsprechende Anträge hin wurde sowohl vom AG Duisburg ein Konkursverfahren als auch vom AG Dessau ein Gesamtvollstreckungsverfahren eröffnet. Auf die Beschwerde eines Geschäftsführers der schuldnerischen Gesellschaft hin verneinte das LG Dessau eine Zuständigkeit des AG Dessau. Denn nach § 1 Abs. 2 GesO sei das Kreisgericht (mittlerweile Amtsgericht) örtlich zuständig, in dessen Bezirk der Schuldner seinen Sitz habe. Als Sitz gelte, wie aus § 17 Abs. 1 Satz 2 ZPO hervorgehe, der Ort, an dem die Verwaltung geführt wird. Hierunter sei die Hauptniederlassung als Zentrum der geschäftlichen Betätigung 26

So BGH, Urteil vom 22. Januar 1998, IX ZR 99/97, BGHZ 138, 40, 45. Siehe OLG Brandenburg, Beschluss vom 19. Juni 2002, 1 AR 27/02, NZI 2002, 438; AG Köln, Beschluss vom 1. Februar 2008, 73 IN 682/07, NZI 2008, 254, 255. 28 So OLG Brandenburg, Beschluss vom 19. Juni 2002, 1 AR 27/02, NZI 2002, 438, 439; ebenso AG Köln, Beschluss vom 1. Februar 2008, 73 IN 682/07, NZI 2008, 254, 255 mit einer Aufzählung konkreter Umstände. 29 AG Münster, Beschluss vom 23. November 1999, 77 IN 50/99, ZInsO 2000, 49; AG ­Essen, Beschluss vom 1. September 2009, 166 IN 110/09, ZIP 2009, 1826. 30 AG Essen, Beschluss vom 1. September 2009, 166 IN 110/09, ZIP 2009, 1826. 31 LG Dessau, Beschluss vom 30. März 1998, 7 T 123/98, ZIP 1998, 1006 ff. 27

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B. Abwicklung von Konzerninsolvenzen auf Grundlage des geltenden Rechts

zu verstehen. Im zu entscheidenden Fall sei die schuldnerische Gesellschaft zwar rechtlich, aber nicht wirtschaftlich selbständig gewesen. Denn die Abrechnungen, die Vertragsgestaltungen und alle Zahlungen seien von der Mehrheitsgesellschafterin in Duisburg vorgenommen worden.32 Eine Auflistung der Verbindlichkeiten und Forderungen könne nicht ohne die Unterlagen der Mehrheitsgesellschafterin aus Duisburg erstellt werden, da dort die tatsächliche wirtschaftliche Leitung der Schuldnergesellschaft erfolgt sei. Eine Zuständigkeit des AG Duisburg sei zudem auch deshalb sachgerecht, da dort bereits Konkursanträge für die übrigen Mitglieder der Unternehmensgruppe eingegangen seien. Das AG Duisburg könne damit alle Anträge zentral bearbeiten.33 Einen strengeren Maßstab legte das OLG Brandenburg an. In dieser Entscheidung34 ging es um die Zuständigkeit für ein Insolvenzverfahren über das Vermögen einer Gesellschaft mit Sitz in Oranienburg. Mehrheitsgesellschafterin der Schuldnerin war eine AG mit Sitz in Erfurt. Rechnungswesen, zentraler Einkauf, Investitionsentscheidungen, Marketing, Logistik und EDV wurden teilweise von der AG für die Schuldnerin geführt. Gleichzeitig verfügte die Schuldnerin aber auch über ein eigenes Rechnungswesen, eigene Gewinn- und Verlustrechnungen, eigene Bilanzen sowie die Planungshoheit über Umsätze, Kosten und Erträge. Zudem wurde sie auch individuell zur Steuer veranlagt. Das OLG Brandenburg sah das sich am Sitz der schuldnerischen Gesellschaft befindliche AG Neuruppin als zuständig an. Denn die Mitgliedschaft in einem Unternehmensverbund reiche ohne das Hinzutreten besonderer Umstände nicht aus, um eine Zuständigkeit am Sitz der Muttergesellschaft zu begründen.35 Hier werde der Vertrieb, welcher den wirtschaft­ lichen Schwerpunkt der Tätigkeit der Gesellschaft darstelle, an ihrem Sitz geführt. Und auch in den anderen Geschäftsbereichen blieben der Schuldnerin trotz „gesetzter Rahmen“ noch eigene Entscheidungsspielräume. Ferner käme es bei der Buchhaltung nicht maßgeblich darauf an, „wo der Rechner steht, auf dem die ‚Bücher‘ geführt werden, sondern darauf, wo Eingabe und Ausgabe der Daten erfolgen“. Schließlich habe die Schuldnerin selbst Verträge mit anderen Konzerngesellschaften über die Inanspruchnahme von Dienstleistungen geschlossen und sei damit nicht lediglich aus von der Muttergesellschaft abgeschlossenen Verträgen berechtigt gewesen.36 Das AG Köln hingegen maß in seiner Entscheidung über die Zuständigkeit für das Insolvenzverfahren einer Tochtergesellschaft der PIN-AG37 der Konzernzugehörigkeit der schuldnerischen Gesellschaft stärkeres Gewicht bei und bewegte sich damit auf der Linie der oben genannten Entscheidung des LG Dessau. Die PINAG war die Konzernspitze der PIN-Gruppe, die mittels 91 operativ tätiger Gesell 32

LG Dessau, Beschluss vom 30. März 1998, 7 T 123/98, ZIP 1998, 1006, 1007 f. LG Dessau, Beschluss vom 30. März 1998, 7 T 123/98, ZIP 1998, 1006, 1008. 34 OLG Brandenburg, Beschluss vom 19. Juni 2002, 1 AR 27/02, NZI 2002, 438 ff. 35 OLG Brandenburg, Beschluss vom 19. Juni 2002, 1 AR 27/02, NZI 2002, 438. 36 OLG Brandenburg, Beschluss vom 19. Juni 2002, 1 AR 27/02, NZI 2002, 438, 439. 37 AG Köln, Beschluss vom 1. Februar 2008, 73 IN 682/07, NZI 2008, 254 ff. 33

I. Einheitlicher Gerichtsstand für alle konzernangehörigen Gesellschaften

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schaften flächendeckende Briefzustellungen in der Bundesrepublik Deutschland anbot. Die insolvente Tochtergesellschaft unterhielt einen Postvertrieb in Bremen, stellte aber gleichwohl Insolvenzantrag beim AG Köln. Zur Begründung trug sie vor, dass eine S-GmbH für alle operativ tätigen Gesellschaften der PIN-Gruppe die zentralen Dienstleistungen auf dem Gebiet des Rechnungswesens, der Integration, des Controlling, des Personals, der IT sowie der Personal- und Finanzbuchhaltung erbringe. Die S-GmbH habe ihren satzungsmäßigen Sitz zwar in Berlin, allerdings sei noch vor Stellung des Insolvenzantrags der Unternehmensberater Z zum Geschäftsführer der S-GmbH bestellt worden. Da dieser aber seiner Tätigkeit als Geschäftsführer von seinem Büro in Köln aus nachgehe, sei der Mittelpunkt der selbständigen wirtschaftlichen Tätigkeit der S-GmbH in Köln. Und weil die S-GmbH auch die für die Unternehmensführung der in Bremen ansässigen Tochtergesellschaft maßgeblichen Dienstleistungen erbringe, sei somit auch der Mittelpunkt der selbständigen wirtschaftlichen Tätigkeit dieser Tochtergesellschaft in Köln.38 Das AG Köln stellte zunächst fest, dass die Schuldnerin die Leistungen der S-GmbH offenbar nicht in Anspruch nehme. Deshalb müssten die von der S-GmbH angebotenen Leistungen bei der Bestimmung der örtlichen Zuständigkeit außer Betracht bleiben. Gleichwohl sei die Schuldnerin „aktiver Bestandteil“ des Netzes der PIN-Gruppe, da sie bei der Zustellung der Briefe eng mit anderen Gesellschaften der PIN-Gruppe zusammenarbeite.39 Zudem nähmen die beiden Geschäftsführer der Schuldnerin einmal wöchentlich an einer „Leitungssitzung“ der PIN-Gruppe in Köln teil und setzten die dort getroffenen Entscheidungen dann vor Ort in Bremen um. Insbesondere würden Personalfragen, der Abschluss von Verträgen mit Briefkunden, die strategische Ausrichtung und die Pressearbeit von Köln aus vorgenommen. Trotz der Tatsache, dass sich die Vermögensgegenstände der Schuldnerin sowie ihre Akten in Bremen befänden, wo auch die Mitarbeiter ihrer Tätigkeit nachgingen und die Lohn- und Finanzbuchhaltung geführt werde, zeigten diese Umstände, dass sich die Schuldnerin „dem zentral verfolgten Ziel der Vereinheitlichung der traditionell hoch unterschiedlichen Gesellschaften der PIN-Gruppe“ unterwerfe. Letztere entwickle sich unter willentlicher Mitwirkung der Schuldnerin „aus ursprünglich eigenständigen, regionalen Gesellschaften forciert zu einer einheitlich ausgerichteten Gruppe“.40 Die „innere wie äußere Verwobenheit aller Gesellschaften der Gruppe, die zentrale Steuerung des operativen Geschäfts von Köln aus, das einheitliche Label, die einheitliche Presse [bildeten] […] Umstände, die […] über das Element bloßer Verbundenheit in einem jeden Konzern hinausgehen“.41 Im Ergebnis bejahte das AG Köln mit diesen Erwägungen seine Zuständigkeit. In eine ähnliche Richtung geht schließlich auch die Entscheidung des AG Essen über seine Zuständigkeit im Insolvenzverfahren über das Vermögen der Quelle

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AG Köln, Beschluss vom 1. Februar 2008, 73 IN 682/07, NZI 2008, 254. AG Köln, Beschluss vom 1. Februar 2008, 73 IN 682/07, NZI 2008, 254, 255 f. 40 AG Köln, Beschluss vom 1. Februar 2008, 73 IN 682/07, NZI 2008, 254, 256. 41 AG Köln, Beschluss vom 1. Februar 2008, 73 IN 682/07, NZI 2008, 254, 257. 39

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B. Abwicklung von Konzerninsolvenzen auf Grundlage des geltenden Rechts

GmbH.42 Die Quelle GmbH mit Sitz in Fürth war 100 %-ige Tochter der Primondo GmbH, die wiederum 100 %-ige Tochter der Arcandor AG mit Sitz in Essen war. Das AG Essen bejahte seine Zuständigkeit gestützt auf ein Gutachten des Rechtsanwalts Michael Pluta.43 Dieser führte aus, dass zwar der eigenverantwortliche Einkauf der Quelle GmbH, das eigene Marketing, ein eigenes Controlling, der gegenüber den Kunden erkennbare Unternehmenssitz in Fürth sowie der Einzug von Kundenforderungen, die aufgrund eines von der Arcandor AG ausgehandelten Factoringvertrages abgetreten waren, eine Zuständigkeit des Insolvenzgerichts in Fürth nahe legen würden.44 Für eine Zuständigkeit des AG Essen, in dessen Bezirk sich der Sitz der Konzernmutter befand, sprächen hingegen die enge Abstimmung der Geschäftsführungsorgane der Quelle GmbH und der Primondo GmbH, der Gewinnabführungsvertrag zwischen der Quelle GmbH und der Primondo GmbH, ein konzernweites Cash-Pool-System, die Mitentscheidungsbefugnisse der Primondo GmbH bei wichtigen Personalentscheidungen der Quelle GmbH sowie die Abwicklung des Rechnungswesens, der Buchhaltung und des Zahlungsverkehrs über Konzernschwestern.45 Das AG Essen sah offensichtlich die letztgenannten Umstände als maßgeblich an. Auffallend ist, dass es in seinem Beschluss davon spricht, dass die Indizien, die auf die tatsächliche Willensbildung der Schuldnerin, deren Dokumentation und Umsetzung schließen lassen, „wertend zu betrachten“ seien.46 Die dargestellten Entscheidungen machen deutlich, dass die Rechtsprechung im Ausgangpunkt die Zuständigkeit des Insolvenzgerichts für jede Gesellschaft getrennt bestimmt. Die Annahme eines konzernweit einheitlichen Insolvenzgerichtsstandes allein wegen der Konzernzugehörigkeit einer Gesellschaft wird hingegen abgelehnt. Bei der Bestimmung des Tätigkeitsmittelpunktes einer Gesellschaft werden sodann die in der Literatur genannten Kriterien kumulativ herangezogen, womit sowohl die Willensbildung einer Gesellschaft, die interne Umsetzung dieses Willens durch Geschäftsführungsakte als auch die Manifestation dieses Willens nach außen, beispielsweise durch den Abschluss von Verträgen oder die Präsentation der Produkte, in die Beurteilung einfließen. Ferner wird aber auch berücksichtigt, ob die konzernweite Zuständigkeit eines einzelnen Gerichts einen Beitrag zu einer effizienteren Verfahrensabwicklung leisten kann. Teils werden solche Erwägungen offen geäußert,47 teils gehen sie aus der relativ großzügigen Prüfung der 42

AG Essen, Beschluss vom 1. September 2009, 166 IN 119/09, ZIP 2009, 1826. AG Essen, Beschluss vom 1. September 2009, 166 IN 119/09, ZIP 2009, 1826 unter Verweis auf Pluta, ZIP 2009, 1826 ff. 44 Pluta, ZIP 2009, 1826, 1833 f. 45 Pluta, ZIP 2009, 1826, 1834. 46 AG Essen, Beschluss vom 1. September 2009, 166 IN 119/09, ZIP 2009, 1826. 47 Vgl. LG Dessau, Beschluss vom 30. März 1998, 7 T 123/98, ZIP 1998, 1006, 1008, wo eine Bearbeitung der Insolvenzanträge für alle konzernangehörigen Gesellschaften als „sachgerecht“ bezeichnet wird; ähnlich AG Essen, Beschluss vom 1. September 2009, 166 IN 119/09, ZIP 2009, 1826, wonach die Indizien, die auf den Ort der tatsächlichen Willensbildung der Schuldnergesellschaft, deren Dokumentation und Umsetzung schließen lassen, „wertend zu betrachten“ seien. 43

I. Einheitlicher Gerichtsstand für alle konzernangehörigen Gesellschaften

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einzelnen Kriterien durch das Gericht hervor.48 Insbesondere in Fällen, in denen eine Sanierung des gesamten Konzerns in Betracht kommt, wird die konzernweite Zuständigkeit eines Insolvenzgerichts offenbar für erstrebenswert erachtet.49 Dies zeigt sich daran, dass die Gerichte im Rahmen einer „,konzernfreundliche[n]‘ Auslegung des § 3 Abs. 1 Satz 2 InsO“50 Umstände wie ein konzernweites Cash-Management, eine enge Abstimmung der Geschäftsführungsorgane von Mutter- und Tochtergesellschaft, den Austausch konzerninterner Dienstleistungen, beispielsweise im Bereich der Buchhaltung oder des Rechnungswesens,51 oder auch die Steuerung mehrerer Konzerngesellschaften durch einen „zentralen Lenkungsausschuss“ sowie eine wirtschaftliche Abhängigkeit der einzelnen Konzerngesellschaften voneinander heranziehen.52 Zudem akzeptiert es die Rechtsprechung offenbar auch, wenn die eine konzernweit einheitliche örtliche Zuständigkeit begründenden Umstände erst unmittelbar vor Stellung des Insolvenzantrags geschaffen werden. So wurde der „zentrale Lenkungsausschuss“ zur Koordination der Tätigkeit der einzelnen Tochtergesellschaften, dessen Existenz das AG Köln in der PIN-Entscheidung bei der Bestimmung der örtlichen Zuständigkeit berücksichtigte,53 offenbar von einem „in der Krise herbeigerufenen neuen Geschäftsführer“ gegründet.54 Damit eröffnet sich die Rechtsprechung einen weiten Spielraum, um im jeweiligen Einzelfall einen gewünschten Konzerngerichtsstand zu begründen.55 Daraus ergibt sich dann auch die Möglichkeit für die jeweilige schuldnerische Gesellschaft, vor Verfahrenseröffnung die Voraussetzungen für die Zuständigkeit eines gewünschten Insolvenzgerichts zu schaffen. Nicht zu Unrecht wird deshalb davon ausgegangen, dass „die deutsche Praxis aus dem ‚ausschließlichen‘ Unternehmensgerichtsstand des § 3 Abs. 1 Satz 2 InsO längst einen verdeckten Wahlgerichtsstand gemacht“ hat.56 Im Ergebnis kann damit auf Grundlage der Auslegung des § 3 Abs. 1 InsO durch die Rechtsprechung in vielen Fällen die örtliche Zuständigkeit desselben Insolvenzgerichts für mehrere oder alle insolventen Konzerngesellschaften begründet werden. 48 Vgl. AG Köln, Beschluss vom 1. Februar 2008, 73 IN 682/07, NZI 2008, 254, 257: „Denn die innere wie äußere Verwobenheit aller Gesellschaften der Gruppe, die zentrale Steuerung des operativen Geschäfts von Köln aus, das einheitliche Label, die einheitliche Presse bilden vielmehr Umstände, die […] über das Element der Verbundenheit in einem jeden Konzern hinausgehen“. 49 So Knof/Mock, ZInsO 2008, 253, 259 bezüglich AG Köln, Beschluss vom 1. Februar 2008, 73 IN 682/07, NZI 2008, 254 ff. 50 So die treffende Einschätzung von K. Schmidt, KTS 2010, 1, 21.  51 Vgl. AG Essen, Beschluss vom 1. September 2009, 166 IN 119/09, ZIP 2009, 1826 unter Verweis auf Pluta, ZIP 2009, 1826, 1834. 52 Vgl. AG Köln, Beschluss vom 1. Februar 2008, 73 IN 682/07, NZI 2008, 254, 256. 53 Vgl. AG Köln, Beschluss vom 1. Februar 2008, 73 IN 682/07, NZI 2008, 254, 256. 54 Frind, ZInsO 2008, 261, 263. 55 Ebenso K. Schmidt, KTS 2010, 1, 22: „Je nachdem, wie sie es gern wollen, eröffnen sie [d. h. die Insolvenzgerichte] Insolvenzverfahren am Ort der Konzernleitung […], oder sie verschließen die Augen vor dem Konzernphänomen und eröffnen das Verfahren am Sitz der insolventen Gesellschaft“. 56 K. Schmidt, KTS 2011, 161, 176.

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B. Abwicklung von Konzerninsolvenzen auf Grundlage des geltenden Rechts

cc) Bewertung Jedenfalls hinsichtlich einer unabhängigen, nicht konzernzugehörigen Gesellschaft sollte für die Entscheidung, nach welchen Kriterien der Mittelpunkt der selbständigen wirtschaftlichen Tätigkeit zu bestimmen ist, in erster Linie die der Regelung des § 3 Abs. 1 Satz 2 InsO zu Grunde liegende Wertung maßgeblich sein. Mit der Anknüpfung an den Mittelpunkt der selbständigen wirtschaftlichen Tätigkeit soll die Zuständigkeit desjenigen Insolvenzgerichts erreicht werden, vor dem eine Abwicklung des Insolvenzverfahrens am zweckmäßigsten erscheint.57 Daher ist der Gedanke der Zweckmäßigkeit „ausschlaggebend für die Auslegung jener Vorschrift“.58 Dieser Intention entspricht es, den Tätigkeitsmittelpunkt einer Gesellschaft grundsätzlich dort zu verorten, wo ihre Geschäftsleitung ansässig ist und von wo aus sie ihre Aufgaben wahrnimmt. Denn an diesem Ort befindet sich das „Zentrum“ der Tätigkeit der Gesellschaft, weshalb dort am ehesten ein Zugriff auf die zur sachgerechten Verfahrensabwicklung erforderlichen Unterlagen und Personen möglich ist.59 Der Tätigkeitsmittelpunkt einer Gesellschaft gem. § 3 Abs. 1 Satz 2 InsO entspricht damit ihrem effektiven Verwaltungssitz im Sinne der zur Bestimmung des Gesellschaftsstatuts entwickelten Sitztheorie. Denn als effektiver Verwaltungssitz wird der Ort angesehen, „wo die grundlegenden Entscheidungen der Unternehmensleitung effektiv in laufende Geschäftsführungsakte umgesetzt werden“.60 Nicht entscheidend für die Bestimmung des Tätigkeitsmittelpunktes ist daher, wo die Geschäftsleitung ihren Willen intern bildet.61 Tatsächliche Anhaltspunkte für den Tätigkeitsort der Geschäftsleitung sind beispielsweise die Existenz von Büroräumen der Geschäftsführer bzw. ihrer engen Mitarbeiter, die von der Geschäftsführung im Geschäftsverkehr verwendete Postanschrift, der Belegenheitsort wichtiger Geschäftsunterlagen wie der Buchhaltung oder aber auch das zuständige Finanzamt.62 Fraglich ist allerdings, ob für konzernangehörige Gesellschaften, insbesondere Tochtergesellschaften, deren Tätigkeit in weitem Umfang von der Muttergesellschaft gesteuert wird, Besonderheiten anerkannt werden sollten. 57

Siehe oben B. I. 1. Jaeger/Gerhardt, Komm. z. InsO, § 3 Rdn. 14; ebenso Splittgerber, Die örtliche Zuständigkeit in Insolvenzverfahren konzernverbundener Unternehmen (2011), S. 197. 59 Im Ergebnis ebenso Splittgerber, Die örtliche Zuständigkeit in Insolvenzverfahren konzernverbundener Unternehmen (2011), S. 205 f., der diesen Ort allerdings als „räumliche Einrichtung […], von der aus die wesentliche unternehmensleitende Willensbildung des Schuldners erfolgt“, bezeichnet und eine Anknüpfung an den „Ort der organisatorischen Verfestigung interner Entscheidungen“ explizit ablehnt, obgleich „letzterer in Praxi regelmäßig zu ähnlichen Ergebnissen führen dürfte“. 60 BGH, Urteil vom 21. März 1986, V ZR 10/85, BGHZ 97, 269, 272 im Anschluss an Sandrock, FS Beitzke, (1979), 669, 683. 61 Zur Bestimmung des effektiven Verwaltungssitzes plastisch Kindler, Münchener Komm. z. BGB, IntGesR Rdn. 456: „Die Beschlussfassung von Verwaltungsorganen etwa am Ferienort des Vorsitzenden kann nicht zu einer Veränderung ihres Sitzes führen“. 62 Vgl. § 20 Abs. 1 AO, wonach für die Besteuerung von Körperschaften das Finanzamt zuständig ist, in dessen Bezirk sich die Geschäftsleitung befindet. 58

I. Einheitlicher Gerichtsstand für alle konzernangehörigen Gesellschaften

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Die teilweise in der Literatur geäußerte Ansicht, wonach für von der Konzernmutter gesteuerte Tochtergesellschaften generell eine Zuständigkeit des Insolvenzgerichts am Sitz bzw. Tätigkeitsmittelpunkt der Konzernmutter anzunehmen sei, erscheint kaum überzeugend.63 Zwar ließe sich argumentieren, dass eine konzernweit einheitliche örtliche Zuständigkeit für die Abwicklung der parallelen Insolvenzverfahren der einzelnen Konzerngesellschaften zweckmäßig sei und damit der Wertung des § 3 Abs. 1 Satz 2 InsO entspreche. Allerdings hat der Gesetzgeber bei Schaffung der Insolvenzordnung bewusst davon abgesehen, spezielle Regelungen für die Insolvenz von Konzerngesellschaften einzuführen.64 Diese Wertung darf nicht durch eine pauschale Ausnahme konterkariert werden, die lediglich auf die Konzern­zugehörigkeit und die damit verbundene Leitungsmacht der Konzernmutter abstellt. Zudem wird durch eine einheitliche Leitung der Tochtergesellschaft lediglich Einfluss auf die Willensbildung ihres Leitungsorgans genommen. Wo dieser Wille umgesetzt wird und sich dementsprechend auch die zu einer sachgerechten Verfahrensabwicklung benötigten Unterlagen und Personen befinden, ergibt sich daraus aber nicht. Gerade diese Umstände sind jedoch bei der Bestimmung des für die Verfahrensabwicklung zweckmäßigsten Ortes ausschlaggebend. Eine andere Frage ist jedoch, inwieweit die mit der Konzernzugehörigkeit einer Gesellschaft verbundenen Besonderheiten zur Heranziehung zusätzlicher Kriterien bei der Bestimmung des Sitzes der Geschäftsleitung einer Gesellschaft führen können. So wird vor allem in der Rechtsprechung eine konzernweite Zuständigkeit des Insolvenzgerichts am Sitz bzw. Tätigkeitsmittelpunkt der Konzernmutter unter Bezugnahme auf eine einheitliche Außendarstellung, regelmäßige Treffen der geschäftsführenden Organe aller konzernzugehörigen Gesellschaften, ein konzernweites Cash-Management sowie die Inanspruchnahme von Dienstleistungen anderer Konzerngesellschaften gestützt.65 Mit der Heranziehung solcher Kriterien, die bei einer großen Anzahl von Konzernen vorliegen, verschaffen sich die Gerichte einen nicht unerheblichen Gestaltungsspielraum bezüglich ihrer Zuständigkeit für das Insolvenzverfahren einer konzernangehörigen Gesellschaft. Damit verbunden ist auch die Möglichkeit des Schuldners, durch eine zentrale Antragstellung und einen entsprechenden Vortrag das Insolvenzgericht zu einer von ihm befürworteten Entscheidung zu veranlassen.66 Dieser so geschaffene Spielraum für die Beteiligten mag in bestimmten Fällen zu einer effizienteren Verfahrens­abwicklung führen, allerdings wird die Rechtssicherheit dadurch beeinträchtigt und auch die

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Ebenso Jaeger/Gerhardt, Komm. z. InsO § 3 Rdn. 34. Vgl. Erster Bericht der Kommission für Insolvenzrecht, Leitsatz 2.4.9.13 Abs. 1: „Eine verfahrens- und verwaltungsmäßige Konzentration der Insolvenzverfahren verschiedener Konzernunternehmen ist nicht vorzusehen“. 65 Siehe AG Köln, Beschluss vom 1. Februar 2008, 73 IN 682/07, NZI 2008, 254, 256 f.; ebenso AG Essen, Beschluss vom 1. September 2009, 166 IN 119/09, ZIP 2009, 1826 unter Berufung auf das Gutachten von Pluta, ZIP 2009, 1826, 1834. 66 Siehe oben B. I. 1. a) bb). 64

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B. Abwicklung von Konzerninsolvenzen auf Grundlage des geltenden Rechts

missbräuchliche „Erschleichung“ eines bestimmten Insolvenzgerichtsstandes begünstigt. Bezüglich dieser zuletzt genannten Bedenken ist vorgebracht worden, dass innerhalb Deutschlands unabhängig von dem genauen Ort der Verfahrenseröffnung stets dasselbe materielle Insolvenzrecht Anwendung finde und deshalb „der Anreiz für ein innerstaatliches forum shopping durch Manipulation der zuständigkeitsbegründenden Umstände gering“ sei. Aus demselben Grund sei im Grundsatz von einer „Fungibilität der Insolvenzgerichte“ auszugehen.67 Eine in Einzelfällen zu missbilligende Zuständigkeitserschleichung könne durch eine sorgfältige Prüfung der zuständigkeitsbegründenden Umstände verhindert werden,68 wobei eine solche sorgfältige Prüfung auch bei einer starken Berücksichtigung konzern­typischer Umstände bejaht wird.69 Diese Sichtweise vermag allerdings kaum zu überzeugen. Denn neben der Anwendung eines bestimmten Insolvenzrechts sind weitere Gründe denkbar, weshalb die Verfahrenseröffnung durch ein von seinem eigentlichen Tätigkeitsmittelpunkt weit entfernt liegendes Gericht für den Schuldner erstrebenswert sein kann. So zeigt die Praxis der sog. „Firmenbestattung“, dass „die Erschleichung eines Gerichtsstandes weitab von dem für den Sitz des Schuldners zuständigen Gericht zur Durchführung eines Insolvenzverfahrens […] die Gefahr in sich birgt, dass aufgrund dieser Zuständigkeitsverlagerung Vermögensverschiebungen nicht aufgedeckt werden, Insolvenzverschleppungstatbestände nicht verfolgt werden und Anfechtungsrechte nicht wahrgenommen werden“.70 Denn die Aufarbeitung des Umfelds einer Gesellschaft gestaltet sich umso schwieriger und kostspieliger, je weiter das zuständige Gericht vom eigentlichen Tätigkeitsmittelpunkt der schuldnerischen Gesellschaft entfernt ist.71 So ist beispielsweise der Zugriff auf die gem. § 101 InsO auskunftspflichtigen Organe durch eine räumliche Trennung zwischen Tätigkeitsmittelpunkt und Insolvenzgericht erschwert,72 gleiches gilt oftmals auch hinsichtlich der Geschäftsunterlagen.73 Aus diesen Gründen kann die Verfahrenseröffnung durch ein vom eigentlichen Tätigkeitsmittelpunkt entferntes Insolvenz­gericht mit gravierenden Nachteilen für die Gläubiger verbunden sein. Wird es dem Schuldner bzw. seinen Organen erleichtert, die Verfahrenseröffnung durch ein solches Insolvenzgericht zu erreichen, so birgt dies ein 67

Knof/Mock, ZInsO 2008, 253, 257 f. Knof/Mock, ZInsO 2008, 253, 258. 69 So Knof/Mock, ZInsO 2008, 253, 260 bezüglich AG Köln, Beschluss vom 1. Februar 2008, 73 IN 682/07, NZI 2008, 254 ff.; eine zulässige Auslegung des § 3 Abs. 1 Satz 2 InsO durch den genannten Beschluss des AG Köln ebenfalls bejahend Rechel, in: Leonhardt/Smid/ Zeuner, Komm. z. InsO, § 3 Rdn. 41. 70 OLG Celle, Beschluss vom 16. Dezember 2003, 2 W 117/03, NZI 2004, 260, 261; ebenso Pape/Uhlenbruck/Voigt-Salus, Insolvenzrecht, Kap. 13 Rdn. 7; Neuenhahn, NZI 2004, 261, 262. 71 Pape, ZIP 2006, 877, 879. 72 Kleindiek, ZGR 2007, 276, 279. 73 Pape, ZIP 2006, 877, 880. 68

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erhebliches Missbrauchspotential. Ferner führt jedes Insolvenzgericht auch eine eigene Liste mit als Insolvenzverwalter in Betracht kommenden Personen. Durch die Einflussnahme auf die Zuständigkeit eines Insolvenzgerichts kann also mittelbar auch die Wahl des Insolvenzverwalters beeinflusst werden.74 Gerade bei großen, umfangreichen Insolvenzverfahren dürfte dies in Betracht kommen, da bei einem einzelnen Insolvenzgericht zumeist nur wenige Bewerber für das Amt des Insolvenzverwalters vorhanden sein dürften, die über die nötige Erfahrung und die erforderlichen personellen Kapazitäten zur Abwicklung einer solchen „Großinsolvenz“ verfügen. Damit besteht eine Gefahr für die Unabhängigkeit des Insolvenzverwalters und die neutrale Abwicklung des Verfahrens.75 Auch wird vorgebracht, dass Unterschiede in der „faktischen Handhabung des Insolvenzrechts“ zwischen den einzelnen Insolvenzgerichten bestünden, was z. B. bei der Abschätzung des Kreditrisikos für die Gläubiger bedeutsam sei.76 Von einem Grundsatz der Fungibilität der Insolvenzgerichte kann damit keineswegs gesprochen werden. Deshalb muss auch bei der Insolvenz einer konzernangehörigen Gesellschaft derselbe Maßstab gelten wie bei einer vollständig unabhängigen Gesellschaft. Es kommt bei der Bestimmung des Mittelpunktes der selbständigen wirtschaftlichen Tätigkeit der Gesellschaft also auch hier darauf an, wo sich die Büroräume der Geschäftsführung und ihrer leitenden Mitarbeiter befinden, welche Postanschrift im geschäftlichen Verkehr verwendet wird, wo die für die Geschäftsführung wichtigen Unterlagen belegen sind und welches Finanzamt zuständig ist. Außer Betracht bleiben müssen hingegen Umstände wie ein zentrales Cash-Management, die Inanspruchnahme von Dienstleistungen anderer Konzerngesellschaften, regelmäßige Leitungstreffen am Verwaltungssitz der Konzernmutter oder Ähn­liches. Denn auch bei einer unabhängigen Gesellschaft ist es irrelevant, wo sich das für die Finanzierung der Gesellschaft maßgebliche Kreditinstitut oder die für die Erstellung und Prüfung der Abschlüsse zuständige Steuerberatungs- und Wirtschaftsprüfungsgesellschaft befindet. Ebenso kann nicht von Bedeutung sein, unter welchem Markennamen die von der Gesellschaft hergestellten Produkte bzw. angebotenen Dienstleistungen vertrieben werden. Den geschilderten Entscheidungen des AG Köln77 und des AG Essen78 kann deshalb nicht zugestimmt werden. In beiden Fällen wäre vielmehr das Insolvenzgericht am tatsächlichen Verwaltungssitz der Tochtergesellschaft zuständig gewesen. Der von der Rechtsprechung in diesen Fällen angelegte Maßstab ist zu weit. Denn hierdurch wird trotz erkennbar entgegenstehender Intention des Gesetzgebers faktisch ein Konzerngerichtsstand begründet. In Anbetracht der klaren Entscheidung des Gesetzgebers gegen einen Konzerngerichtsstand muss es aber auch ihm vorbehalten bleiben, seine getroffene Entscheidung zu korrigieren. 74

Frind, ZInsO 2008, 261, 264. Frind, ZInsO 2008, 261, 264. 76 Eidenmüller, ZHR 169 (2005), 528, 537 f. 77 AG Köln, Beschluss vom 1. Februar 2008, 73 IN 682/07, NZI 2008, 254 ff. 78 AG Essen, Beschluss vom 1. September 2009, 166 IN 119/09, ZIP 2009, 1826. 75

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B. Abwicklung von Konzerninsolvenzen auf Grundlage des geltenden Rechts

Im Ergebnis kann damit ein konzernweit einheitlicher Gerichtsstand auf Grundlage des § 3 Abs. 1 Satz 2 InsO nur unter engen Voraussetzungen angenommen werden. Erforderlich ist, dass sich der effektive Verwaltungssitz aller Konzerngesellschaften im Bezirk desselben Insolvenzgerichts befindet. Hierfür müssen sich die Büroräume der geschäftsführenden Organe aller Konzerngesellschaften sowie die wesentlichen Geschäftsunterlagen am selben Ort befinden. Ferner müssen die insolventen Konzerngesellschaften diesen Ort auch als Anschrift der Geschäftsleitung im geschäftlichen Verkehr angeben. Schließlich ist auch zu berücksichtigen, ob dasselbe Finanzamt für alle Konzerngesellschaften zuständig ist. b) Praktische Gestaltungsmöglichkeiten zur Herbeiführung einer konzernweit einheitlichen örtlichen Zuständigkeit In der Rechtspraxis wird versucht, im Vorfeld der Insolvenz durch Veränderungen der Umstände, an die zur Bestimmung des zuständigen Insolvenzgerichts angeknüpft wird, die Zuständigkeit des gewünschten Insolvenzgerichts herbei­ zuführen. Dieses Vorgehen wird als „Insovency Planning“ bezeichnet.79 Sofern die Insolvenz mehrerer Konzerngesellschaften absehbar ist, könnte auf diese Weise versucht werden, eine grundsätzlich nicht gegebene örtliche Zuständigkeit desselben Insolvenzgerichts herbeizuführen. Eine Möglichkeit bestünde darin, die Tätigkeitsorte der geschäftsführenden Organe aller konzernangehörigen Gesellschaften vor Stellung des Insolvenzantrags an einem Ort zu konzentrieren. Dies wurde bei der Insolvenz der zur PIN-Gruppe gehörenden Gesellschaften angestrebt, da hier ein im Bezirk des gewünschten AG Köln ansässiger Unternehmensberater zum Geschäftsführer einer Konzerngesellschaft bestellt wurde, die für die übrigen Konzerngesellschaften das Rechnungswesen, das Controlling sowie die Personal- und Finanzbuchhaltung übernehmen sollte.80 Zudem wurde auch der „zentrale Lenkungsausschuss“, welcher die Geschäftspolitik der einzelnen Konzerngesellschaften koordinieren sollte und dessen Existenz das AG Köln bei der Bestimmung der Tätigkeitsmittelpunktes einer Tochtergesellschaft erhebliches Gewicht beimaß,81 offenbar erst im Hinblick auf ein absehbares Insolvenzverfahren eingerichtet.82 Allerdings reichen diese Umstände nicht aus, um den effektiven Verwaltungssitz einer Gesellschaft und damit ihren Tätigkeitsmittelpunkt zu verlegen. Erforderlich wäre vielmehr gewesen, dass zusätzlich auch der tatsächliche Tätigkeitsort der Geschäftsleitung der Tochtergesellschaft, d. h. die Büroräume der Geschäftsleitung und ihrer engeren Mit­ arbeiter sowie die im Geschäftsverkehr verwendete Anschrift der Gesellschaft, 79

So Mankowski, NZI 2008, 355 f. Vgl. die Schilderung des Sachverhalts durch das AG Köln, Beschluss vom 1. Februar 2008, 73 IN 682/07, NZI 2008, 254. 81 Siehe AG Köln, Beschluss vom 1. Februar 2008, 73 IN 682/07, NZI 2008, 254, 256 f. 82 Frind, ZInsO 2008, 261, 263. 80

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verlegt worden wäre.83 Anderes könnte allenfalls gelten, sofern man die Verlegung des Tätigkeitsmittelpunktes zumindest bei einer beabsichtigten Sanierung unter erleichterten Voraussetzungen zuließe. So wird teilweise dafür plädiert, bei einer vom Schuldner angestrebten Änderung der zuständigkeitsbegründenden Umstände nach der „Zweckrichtung dieser Handlungsweise“ zu differenzieren. Denn eine missbräuchliche Verlegung des Tätigkeitsortes der Geschäftsleitungsorgane in der Absicht, die Gläubiger zu schädigen, sei anders zu beurteilen als eine „örtliche Veränderung der Geschäftstätigkeit im Vorfeld einer Insolvenzantragstellung unter Aufnahme von Sanierungsberatern in das Geschäftsleitungsorgan […], insbesondere wenn die Gläubiger […] hiervon (stetig), auch durch (mediale) Berichterstattung und/oder Anschreiben etc., informiert werden und diese Maßnahmen im Zusammenhang mit einer – gegebenenfalls auch rechtsträgerübergreifenden – […] Sanierung stehen“.84 Allerdings findet sich in § 3 Abs. 1 InsO kein Anhaltspunkt für eine solche Differenzierung nach dem vom Schuldner angestrebten Verfahrensziel. Im Gegenteil statuiert § 3 Abs. 1 InsO ausdrücklich einen ausschließlichen Gerichtsstand. Hieraus ergibt sich, dass der Gesetzgeber den Beteiligten des Insolvenzverfahrens gerade kein Recht zur Wahl des örtlich zuständigen Insolvenzgerichts gewähren wollte. Sofern man dem Insolvenzschuldner aber zugesteht, im Falle einer angestrebten Sanierung die örtliche Zuständigkeit unter erleichterten Voraussetzungen auch kurzfristig ändern zu können, nähert man sich einem Wahlrecht zumindest an. Schließlich birgt eine solche Wahlmöglichkeit auch immer das Risiko in sich, dass ein Schuldner den ihm eingeräumten Spielraum missbraucht. Denn das Insolvenzgericht wird nicht immer mit letzter Sicherheit feststellen können, aus welchen Gründen der Schuldner die örtliche Zuständigkeit eines bestimmten Insolvenzgerichts herbeiführen will. Da § 3 Abs. 1 InsO keine Anhaltspunkte für das Bestehen eines Wahlrechts des Insolvenzschuldners entnommen werden können, muss die Entscheidung darüber, ob und wenn ja wie weit eine solche Wahlmöglichkeit zugelassen wird und die damit verbundenen Risiken in Kauf genommen werden, dem Gesetzgeber vorbehalten bleiben. Damit ist es abzulehnen, eine Verlegung des Tätigkeitsmittelpunktes bei einer vom Schuldner angestrebten Sanierung unter erleichterten Voraussetzungen zuzulassen. Eine Beeinflus­sung der örtlichen Zuständigkeit durch Verlegung des Tätigkeitsmittelpunktes einer Gesellschaft ist damit nur möglich, wenn der Tätigkeitsort der Geschäftsleitung und damit der effektive Verwaltungssitz der Gesellschaft tatsächlich verlegt wird.85 Dies 83

Zu den Kriterien zur Bestimmung des Tätigkeitsmittelpunktes siehe oben B. I. 1. a) cc). Rotstegge, ZIP 2008, 955, 958; ähnlich Mankowski, NZI 2008, 355, 356, wonach „[e]ine gezielte Verlegung hin zu demjenigen Gericht, in dessen Sprengel man die günstigsten Chancen für eine Sanierung vermutet, […] etwas anderes [sei] als eine Verlegung zur gezielten Bestattung“. 85 Weitergehend für eine generelle Missbrauchskontrolle Splittgerber, Die örtliche Zuständigkeit in Insolvenzverfahren konzernverbundener Unternehmen (2011), S. 217 f., wonach durch Veränderung der zuständigkeitsbegründenden Umstände eine einheitliche ört­liche Zuständigkeit für alle Konzerngesellschaften nur begründet werden könne, sofern diese „den Gläubigern dienlich“ sei, „einen effektiven und zügigen Verfahrensbetrieb“ ermögliche und 84

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B. Abwicklung von Konzerninsolvenzen auf Grundlage des geltenden Rechts

dürfte aber einen nicht unerheblichen zeitlichen und finanziellen Aufwand erfordern, weshalb ein solches Vorgehen allenfalls bei einer frühzeitigen Vorbereitung des Insolvenzverfahrens durch den Schuldner möglich erscheint.86 Weiterhin ist als Möglichkeit zur Begründung eines Konzerngerichtsstandes vorgeschlagen worden, vor Stellung eines Insolvenzantrags den satzungsmäßigen Sitz aller Tochtergesellschaften an den Ort des Satzungssitzes der Konzernmutter zu verlegen. Denn dann könne „erwartet werden, dass sowohl das Insolvenzgericht dieses Ortes als auch die Insolvenzgerichte der bisherigen Sitze diese Konzentrationsbemühungen akzeptieren und die Sitzverlegungen nicht als willkürliche Bestimmung des Insolvenzgerichts abgelehnt werden“.87 Ein solches Vorgehen erscheint aber kaum erfolgversprechend. Zwar ist gem. § 3 Abs. 1 Satz 1 InsO der allgemeine Gerichtsstand einer schuldnerischen Gesellschaft maßgeblich, welcher sich gem. § 17 Abs. 1 Satz 1 ZPO nach ihrem Satzungssitz bemisst. Allerdings gilt dies gem. § 3 Abs. 1 Satz 2 InsO nur, sofern sich der Mittelpunkt der selbständigen wirtschaftlichen Tätigkeit nicht an einem anderen Ort befindet. Damit ist der Tätigkeitsmittelpunkt vorrangig.88 Eine Verlegung des Satzungssitzes einer Gesellschaft ist folglich für die Bestimmung des örtlich zuständigen Insolvenzgerichts bedeutungslos, solange sich der Tätigkeitsmittelpunkt der Gesellschaft nicht am Ort des neuen Satzungssitzes befindet. Zudem hat „[d]as nach § 3 I 1 InsO zuständige Insolvenzgericht die zur Begründung der örtlichen Zuständigkeit eines anderen Insolvenzgerichts vorgetragenen Umstände zu würdigen und gegebenenfalls von Amts wegen den Sachverhalt weiter aufzuklären“.89 Demnach ist kaum anzunehmen, dass ein Insolvenzgericht ohne weitere Ermittlungen hinsichtlich des Tätigkeitsmittelpunktes seine Zuständigkeit für das Insolvenzverfahren einer Gesellschaft bejaht, die erst kurz vor Stellung des Insolvenzantrags ihren Satzungssitz „einem plausibilisierbaren Sanierungsplan nachweislich [entspreche]“. Allerdings dürfte eine solche generelle Missbrauchskontrolle, welche unter anderem an die Bedeutung der Verlegung des Tätigkeitsmittelpunktes für ein Sanierungskonzept des Schuldners anknüpft, im Ergebnis ebenfalls dazu führen, dass der Schuldner bei einer angestrebten Sanierung seinen Tätigkeitsmittelpunkt unter erleichterten Voraussetzungen verlegen kann. Insofern bestehen auch gegen diese Ansicht die bereits geäußerten Bedenken. Einer Verlegung des Tätigkeitsmittelpunktes sollte daher allenfalls in extremen Ausnahmefällen die Anerkennung verweigert werden, beispielsweise weil der Schuldner erkennbar in der Absicht handelt, seine Gläubiger zu schädigen. 86 So auch Mankowski, NZI 2008, 355, 356, wonach das „Insolvency Planning“ „Mühe und Vorbereitung“ kostet. 87 Graeber, NZI 2007, 265, 267 unter Berufung auf BGH, Beschluss vom 20. März 1996, X ARZ 90/96, BGHZ 132, 195, wonach „[e]ine missbräuchliche Inanspruchnahme der Zuständigkeit […] nicht schon allein daraus abgeleitet werden [kann], dass eine größere Anzahl von Firmen übernommen worden ist, deren Sitz in den Geltungsbereich der Gesamtvollstreckungsordnung verlegt wird, wenn erst mehr als drei Wochen nach Sitzverlegung der Antrag auf Eröffnung eines Gesamtvollstreckungsverfahrens gestellt wird“. 88 Siehe oben B. I. 1. 89 BGH, Beschluss vom 13. Dezember 2005, X ARZ 223/05, NZI 2006, 164 hinsichtlich den Voraussetzungen, unter denen ein nach § 3 Abs. 1 Satz 1 InsO zuständiges Insolvenzgericht das Verfahren an ein anderes Insolvenzgericht verweisen darf.

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in den Bezirk des betreffenden Insolvenzgerichts verlegt hat. Damit lässt sich also allein durch eine Verlegung des Satzungssitzes die örtliche Zuständigkeit des Insolvenzgerichts gem. § 3 Abs. 1 InsO nicht beeinflussen. 2. Einheitliche internationale Zuständigkeit nach Art. 3 ­EuInsVO Auf europäischer Ebene ist die internationale Zuständigkeit in Art. 3 ­EuInsVO geregelt. Nach Art. 3 Abs. 1 Satz 1 ­EuInsVO sind für die Eröffnung des Insolvenzverfahrens die Gerichte des Mitgliedsstaates zuständig, in dessen Gebiet der Schuldner den Mittelpunkt seiner hauptsächlichen Interessen hat. Nach Art. 3 Abs. 1 Satz 2 ­EuInsVO wird dieser Mittelpunkt der hauptsächlichen Interessen bei Gesellschaften und juristischen Personen bis zum Beweis des Gegenteils am Ort des satzungsmäßigen Sitzes vermutet. Im Vergleich zu § 3 Abs. 1 InsO stellt Art. 3 Abs. 1 ­EuInsVO also nicht auf den „Mittelpunkt einer selbständigen wirtschaftlichen Tätigkeit“, sondern auf den „Mittelpunkt [der] hauptsächlichen Interessen“ ab. Angesichts des insoweit unterschiedlichen Wortlauts ist fraglich, ob die beiden Bestimmungen auch einen unterschiedlichen materiellen Gehalt haben. Teilweise wird angenommen, dass zumindest bei Gesellschaften der „Mittelpunkt einer selbständigen wirtschaftlichen Tätigkeit“ im Sinne von § 3 Abs. 1 InsO stets mit dem „Mittelpunkt [der] hauptsäch­ lichen Interessen“ im Sinne von Art. 3 Abs. 1 ­EuInsVO zusammen falle.90 Eine andere Ansicht geht demgegenüber davon aus, dass der Begriff des „Interesses“ in Art. 3 Abs. 1 ­EuInsVO weiter sei als derjenige der „selbständigen wirtschaft­ lichen Tätigkeit“ gem. § 3 Abs. 1 InsO und auch alle „handelsrechtlich relevanten, gewerblichen sowie andere beruflich-wirtschaftliche Aktivitäten des Schuldners“ umfasse.91 Allerdings dürften solche anderen, über die Führung des Unternehmens hinausgehenden Aktivitäten bei unternehmenstragenden Gesellschaften nicht in Betracht kommen. Festzuhalten ist jedenfalls, dass der Begriff „Mittelpunkt der hauptsächlichen Interessen“ in Art. 3 ­EuInsVO als ein spezieller Rechtsbegriff einer europäischen Verordnung autonom und unabhängig von nationalem Recht ausgelegt werden muss.92 Ein Rückgriff auf die zu § 3 InsO entwickelte Auslegung ist daher unzulässig. Art. 3 ­EuInsVO regelt zwar nur die internationale Zuständigkeit der Gerichte der Mitgliedsstaaten. Allerdings gilt gem. Art. 4 Abs. 1 ­EuInsVO für das Insolvenzverfahren und seine Wirkungen das Insolvenzrecht des Mitgliedsstaates, in dem das Verfahren eröffnet wird, soweit die Verordnung nichts anderes bestimmt 90

Huber, FS Gerhardt (2004), 397, 406. Reinhart, Münchener Komm. z. InsO, EGInsO Art. 102 § 1 Rdn. 5; ebenso Wehdeking, DZWIR 2003, 133, 135. 92 EuGH, Urteil vom 2. Mai 2006, Rs. C-341/04 – Eurofood, Slg. 2006, I-3813 Rdn. 31; EuGH, Urteil vom 20. Oktober 2011, Rs. C-396/09 – Interedil, ZIP 2011, 2153, 2156 Rdn. 43. 91

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B. Abwicklung von Konzerninsolvenzen auf Grundlage des geltenden Rechts

(sog. lex fori concursus oder Insolvenzstatut). Art.  4 Abs. 1 ­EuInsVO stellt damit die „grundlegende Kollisionsnorm“ für das auf das Insolvenzverfahren anwendbare Recht dar93 und knüpft an die Regelung der internationalen Zuständigkeit an. Deshalb kommt der Frage nach der internationalen Zuständigkeit eines Insolvenz­ gerichts besondere Bedeutung zu. Dies gilt insbesondere bei der parallelen Insolvenz mehrerer Konzerngesellschaften, da sich in diesen Fällen durch eine einheitliche internationale Zuständigkeit auch eine Abwicklung dieser Verfahren nach demselben nationalen Insolvenzrecht erreichen lässt. a) Anwendungsbereich der ­EuInsVO In sachlicher Hinsicht verlangt Art. 1 Abs. 1 ­EuInsVO, dass es sich um ein „Gesamt­verfahren“ handelt, welches die Insolvenz des Schuldners voraussetzt und den vollständigen oder teilweisen Vermögensbeschlag gegen den Schuldner sowie die Bestellung eines Verwalters zur Folge hat. Gem. Art. 2 lit. a) ­EuInsVO sind alle in Anhang A zur ­EuInsVO genannten Verfahren Gesamtverfahren im Sinne des Art. 1 Abs. 1 ­EuInsVO. Diese Aufzählung ist abschließend.94 Die Definition in Art. 1 Abs. 1 ­EuInsVO ist damit vor allem insoweit von Bedeutung, als sie festlegt, welche Verfahren nach Maßgabe des Art. 45 ­EuInsVO nachträglich in die Anhänge aufgenommen werden können.95 Zudem wird sie zur Klärung der Frage herangezogen, ob die Einsetzung eines vorläufigen Insolvenzverwalters eine nach Art. 16 Abs. 1 ­EuInsVO anzuerkennende „Eröffnung eines Insolvenzverfahrens“ darstellt. Dies soll nur dann der Fall sein, wenn die Entscheidung aufgrund eines „auf die Insolvenz des Schuldners gestützten Antrag auf Eröffnung eines in Anhang A der Verordnung genannten Verfahrens hin“ er­ gangen ist und „wenn sie den Vermögensbeschlag gegen den Schuldner zur Folge hat und durch sie ein in Anhang C der Verordnung genannter Verwalter bestellt wird“.96 In räumlicher Hinsicht muss neben der Belegenheit des Interessenmittel­punktes i. S. d. Art. 3 ­EuInsVO in einem Mitgliedsstaat auch ein grenzüberschreitender Bezug vorliegen.97 An den Auslandsbezug werden jedoch keine allzu hohen Anforderungen gestellt.98 Als ausreichend wird es z. B. schon angesehen, wenn sich

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Reinhart, Münchener Komm. z. InsO, ­EuInsVO Art. 4 Rdn. 1. Geimer/Schütze, Europäisches Zivilverfahrensrecht, A 5 – Art. 1 E ­ uInsVO Rdn. 17; Kindler, Münchener Komm. z. BGB, ­IntInsR, ­EuInsVO Art. 1 Rdn. 3. 95 Pannen, in: Pannen, Komm. z. ­EuInsVO, Art. 1 Rdn. 9; Westpfahl/Goetker/Wilkens, Grenzüberschreitende Insolvenzen (2008), Rdn. 62. 96 EuGH, Urteil vom 2. Mai 2006, Rs. C-341/04 – Eurofood, Slg. 2006, I-3813 Rdn. 58. 97 Adam, Zuständigkeitsfragen bei der Insolvenz internationaler Unternehmensverbindungen (2006), S. 25; Huber, EuZW 2002, 490, 491; Duursma-Kepplinger, NZI 2003, 87. 98 Siehe Huber, ZZP 114 (2001), 133, 136: „Hier sollte man bei der Bejahung des internationalen Charakters nicht übermäßig restriktiv vorgehen“. 94

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Vermögensgegenstände des Schuldners im Ausland befinden99, ein Drittschuldner dort ansässig ist100 oder eine Gesellschaft dem Recht eines anderen Mitgliedsstaates untersteht, da sie in diesem Staat gegründet wurde und dort auch ihren Satzungssitz hat.101 Umstritten ist aber, ob dieser grenzüberschreitende Bezug gerade im Hinblick auf einen anderen Mitgliedsstaat bestehen muss oder ob der Bezug zu einem Drittstaat ausreicht. Zum Teil wird die ­EuInsVO bei jeglichem Auslandsbezug für anwendbar gehalten.102 So seien gem. Art. 3 Abs. 1 ­EuInsVO die Gerichte desjenigen Mitgliedsstaates international zuständig, in dem der Mittelpunkt der hauptsächlichen Interessen des Schuldners liege. Weitere Voraussetzungen stelle diese Bestimmung nicht auf. Andere Artikel der Verordnung, beispielsweise Art. 3 Abs. 2 ­EuInsVO oder Art. 5, 7, 8–11, 13 ­EuInsVO, setzten hingegen ausdrücklich einen Bezug zu einem Mitgliedsstaat voraus. Dies zeige, dass der Verordnungsgeber das Problem eines Drittstaatenbezuges gesehen, eine Anwendung der Verordnung in diesen Fällen aber nicht generell habe ausschließen wollen.103 Zudem sei es den Gerichten nicht zuzumuten, bereits vor Eröffnung des Insolvenzverfahrens zu ermitteln, ob ein Bezugspunkt gerade zu einem anderen Mitgliedsstaat besteht.104 Nach einer anderen Ansicht ist die E ­ uInsVO hingegen nur anwendbar, wenn ein sog. qualifizierter Auslandsbezug vorliegt, d. h. der Bezug gerade zu einem anderen Mitgliedsstaat der Europäischen Union besteht.105 Denn in den Erwägungs­ uInsVO komme zum Ausdruck, dass die E ­ uInsVO auf gründen 2, 3 und 4 der E 99 Duursma-Kepplinger, in: Duursma-Kepplinger/Duursma/Chalupsky, Komm. z. ­EuInsVO, Art. 1 Rdn. 5. 100 Kindler, Münchener Komm. z. BGB, ­IntInsR, ­EuInsVO Art. 1 Rdn. 23. 101 Vallender, ZGR 2006, 425, 427. 102 So ohne weitere Begründung Geimer/Schütze, Europäisches Zivilverfahrensrecht, A 5 – Art. 1 ­EuInsVO Rdn. 15. Das Urteil des englischen High Court vom 7. Februar 2003 in dem Fall In re BRAC Rent-A-Car International Inc, [2003] 1 W. L. R. 1421 = ZIP 2003, 813 ff. kann als Beleg für diese Auffassung nicht herangezogen werden. Denn hier ging es um die Frage, ob es das englische Recht zulässt, dass über eine in den USA gegründete Gesellschaft, die schwerpunktmäßig in England tätig ist, in England ein Insolvenzverfahren eröffnet werden kann. Dies wurde unter Bezugnahme auf Art. 3 ­EuInsVO bejaht. Allerdings hatte diese Gesellschaft in mehreren europäischen Staaten Tochtergesellschaften oder hatte mit in anderen Mitgliedsstaaten ansässigen Personen Franchiseverträge abgeschlossen (a. a. O. Rdn. 4). Damit lag in diesem Fall gerade ein Bezug zu einem anderen Mitgliedsstaat vor. Zutreffend daher Krebber, IPrax 2004, 540, 542; ebenso, wenngleich mit anderer Begründung Smid, DZWIR 2003, 397, 404; a. A. Uhlenbruck/Lüer, Komm. z. InsO, E ­ uInsVO Art. 3 Rdn. 17; Herchen, ZInsO 2004, 825, 830. 103 Huber, ZZP 114 (2001), 133, 138 f.; ders., in: Haß/Huber/Gruber/Heiderhoff, Komm. z. ­EuInsVO, Art. 1 Rdn. 21; Haubold, IPrax 2003, 34, 35; ebenso, wenn auch mit anderen Beispielen außerhalb der ­EuInsVO Krebber, IPrax 2004, 540, 542. 104 Haubold, IPrax 2003, 34, 35; Huber, in: Haß/Huber/Gruber/Heiderhoff, Komm. z. E ­ uInsVO, Art. 1 Rdn. 22; Reinhart, Münchener Komm. z. InsO, ­EuInsVO Art. 1 Rdn. 16. 105 Eidenmüller, IPrax 2001, 2, 5; Duursma-Kepplinger, in: Duursma-Kepplinger/Duursma/ Chalupsky, Komm. z. ­EuInsVO, Art. 1 Rdn. 8, Uhlenbruck/Lüer, Komm. z. InsO, ­EuInsVO Art. 1 Rdn. 2.

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B. Abwicklung von Konzerninsolvenzen auf Grundlage des geltenden Rechts

die Gewährleistung eines funktionsfähigen Binnenmarkts abziele. Hierfür sei aber eine Regelung von Sachverhalten mit Drittstaatenbezug nicht erforderlich, weshalb eine europarechtliche Regelung dieser Fallkonstellationen den Anwendungsbereich des jeweiligen nationalen Insolvenzrechts in unzulässiger Weise verkürzen würde.106 Allerdings geht offenbar auch diejenige Ansicht, die für die Anwendbarkeit der ­ uInsVO einen einfachen Auslandsbezug genügen lässt, davon aus, dass die WirE kungen des Hauptinsolvenzverfahrens gegenüber außereuropäischen Staaten von der ­EuInsVO nicht geregelt werden.107 Der Streit beschränkt sich damit, wie auch die entsprechende Diskussion im Rahmen der E ­ uGVVO,108 auf die Anwendbarkeit der Zuständigkeitsordnung des Art. 3 Abs. 1 ­EuInsVO.109 Vorzugswürdig erscheint hier diejenige Ansicht, die jeglichen Auslandsbezug ausreichen lässt. Denn für das EuGVÜ110 hat der EuGH anerkannt, dass ein solcher einfacher Auslandsbezug ausreichend ist. Zur Begründung führte er aus, dass gerade die Rechtsvereinheitlichung als solche einen Beitrag zur Funktionsfähigkeit des Binnenmarktes leisten kann, auch wenn der betreffende Sachverhalt lediglich einen Bezug zu einem ­ uGVVO als Drittstaat aufweist.111 Diese Erwägung trifft gleichermaßen für die E Nachfolgeregelung des EuGVÜ sowie die ­EuInsVO zu.112 Bezüglich der ­EuGVVO wird die vom EuGH noch zum EuGVÜ vertretene Ansicht zusätzlich dadurch gestützt, dass nach Erwägungsgrund 8 zur ­EuGVVO „Rechtsstreitigkeiten, die unter diese Verordnung fallen, […] einen Anknüpfungspunkt an das Hoheitsgebiet eines Mitgliedstaates aufweisen“ müssen.113 Folglich erscheint es vorzugswürdig, gewöhnlich für die Anwendbarkeit der ­EuInsVO entsprechend der Rechtspre 106

Westpfahl/Goetker/Wilkens, Grenzüberschreitende Insolvenzen (2008), Rdn. 87. Siehe Huber, ZZP 114 (2001), 133, 138, der eine Beschränkung auf innergemeinschaftliche Wirkungen ausdrücklich anerkennt. 108 Verordnung (EG) Nr. 44/2001 des Rates vom 22. Dezember 2000 über die gerichtliche Zuständigkeit und die Anerkennung und Vollstreckung von Entscheidungen in Zivil- und Handelssachen, Amtsblatt der Europäischen Gemeinschaften L 12 vom 16. Januar 2001, S. 1 ff. Siehe zur angesprochenen Diskussion Geimer/Schütze, Europäisches Zivilverfahrensrecht, A 1 – Einl. ­EuGVVO Rdn. 234 ff. 109 Diese Parallele zur Diskussion im Rahmen der E ­ uGVVO ziehen ausdrücklich Geimer/ Schütze, Europäisches Zivilverfahrensrecht, A 1 – Einl. ­EuGVVO Rdn. 239 und Leible/Staudinger, KTS 2000, 533, 538 Fn. 35 (hier noch für das EuGVÜ). Vgl. auch Huber, ZZP 114 (2001), 133, 138, der die Frage des für die Anwendbarkeit der E ­ uInsVO zu fordernden Auslandsbezugs lediglich für die Zuständigkeitsordnung der ­EuInsVO diskutiert. 110 Übereinkommen vom 27. September 1968 über die gerichtliche Zuständigkeit und die Vollstreckung gerichtlicher Entscheidungen in Zivil- und Handelssachen, BGBl. 1972 II, 773 ff. Zu den zahlreichen Änderungen, die dieses Übereinkommen erfahren hat, siehe Geimer/ Schütze, Europäisches Zivilverfahrensrecht, A 1 – Einl. ­EuGVVO Rdn. 31 ff. 111 EuGH, Urteil vom 1. März 2005, Rs. C-281/02 – Owusu ./. Jackson u. a., Slg. 2005, I-1383, Rdn. 33 ff. 112 Für eine Anwendbarkeit der ­EuInsVO bei einem Drittstaatenbezug unter Hinweis auf die „herrschende Sichtweise“ zur ­EuGVVO Gottwald/Kolmann, in: Gottwald, InsolvenzrechtsHandbuch, § 130 Rdn. 10. 113 So Heinze/Dutta, IPrax 2005, 224, 225. 107

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chung des ­EuGH zum EuGVÜ jeden Auslandsbezug, also auch einen Bezug zu einem Nicht-Mitgliedsstaat, ausreichen zu lassen. b) Der Mittelpunkt der hauptsächlichen Interessen (centre of main interest – COMI) Der für die Bestimmung der internationalen Zuständigkeit gem. Art. 3 Abs. 1 ­ uInsVO maßgebliche Begriff „Mittelpunkt [der] hauptsächlichen Interessen“ ist E ­ uInsVO in der ­EuInsVO nicht definiert. Lediglich in Erwägungsgrund 13 zur E wird ausgeführt, dass als Mittelpunkt der hauptsächlichen Interessen der Ort gelten solle, „an dem der Schuldner gewöhnlich der Verwaltung seiner Interessen nachgeht und damit für Dritte feststellbar ist“. aa) Die Bestimmung des Mittelpunktes der hauptsächlichen Interessen in den ersten Geltungsjahren der ­EuInsVO In den ersten Jahren nach Inkrafttreten der ­EuInsVO haben sich zur Auslegung des Begriffs „Mittelpunkt [der] hauptsächlichen Interessen“ verschiedene, stark differierende Ansichten entwickelt.114 Vor allem englische Gerichte stellten maßgeblich darauf ab, wo die im Rahmen der Leitung eines Unternehmens erforderlichen Entscheidungen getroffen werden. So bejahte der High Court of Justice Leeds die internationale Zuständigkeit der englischen Gerichte für drei GmbH mit satzungsmäßigem Sitz in Neuss, deren Anteile mehrheitlich von einer englischen Limited gehalten wurden. Denn die englische Holding habe die Finanzverwaltung für die deutschen Töchter übernommen, die Finanzdaten geprüft, die EDV-Systeme betrieben, für die Töchter Verträge mit großen Zulieferern abgeschlossen sowie die Corporate Identity und das Branding der Tochtergesellschaften bestimmt. Zudem sei auch die Managementstrategie der Töchter von der englischen Holding bestimmt worden und es seien wirtschaftlich bedeutsame Verträge und Personalentscheidungen von ihrer Zustimmung abhängig gewesen.115 Nahezu dieselben Kriterien zog auch der High Court of Justice Birmingham heran, um seine Zuständigkeit für die Insolvenzverfahren der Tochtergesellschaften der MG Rover Group Ltd. zu begründen, die ihren satzungsmäßigen Sitz außerhalb Englands hatten.116 Hier führte das Gericht aus, dass für die 114 Eine Zusammenstellung der in diesem Zeitraum zu Art. 3 Abs. 1 ­EuInsVO ergangenen Entscheidungen der mitgliedsstaatlichen Gerichte findet sich bei Uhlenbruck/Lüer, Komm. z. InsO, ­EuInsVO Art. 3 Rdn. 12 ff. 115 Re Daisytek-ISA Ltd & Ors, Urteil des High Court of Justice, Chancery Division (Leeds District Registry) vom 16. Mai 2003, [2003] B. C. C. 562 Rdn. 13 f. = NZI 2004, 219, 221. 116 High Court of Justice Birmingham, Beschluss vom 18. April 2005, 2375 bis 2382/05, NZI 2005, 467 ff. mit Anmerkung Penzlin/Riedemann („MG Rover“).

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Bestimmung des COMI die Managementstruktur, die konzerninterne Finanzierung, die Abhängigkeit von anderen Konzerngesellschaften beim Bezug von Gütern und deren Vertrieb, Marketingaktivitäten, die erkennbare Bedeutung der anderen Konzerngesellschaften für die Regulierung von Forderungen der Gläubiger sowie die Integration der Auslandsgesellschaften in den Konzernverbund zu berücksichtigen seien.117 Aber auch deutsche Gerichte verorteten den Interessenmittelpunkt einer Gesellschaft an dem Ort, an dem die für die Leitung der Gesellschaft maßgeblichen Entscheidungen getroffen wurden. So eröffnete das AG München ein Insolvenzverfahren über das Vermögen einer Gesellschaft mit satzungsmäßigem Sitz in Innsbruck, da die „strategische und operative Ausrichtung“ dieser Gesellschaft von der in München ansässigen Konzernmutter bestimmt wurde. Sie habe den gesamten Einkauf der Tochtergesellschaft organisiert und zudem Dienstleistungen in den Bereichen Personalabrechnung, Rechnungswesen, Controlling, EDV, Vertragswesen und Werbung erbracht.118 Ähnlich urteilte das AG Siegen, als es den COMI einer in Österreich eingetragenen Gesellschaft deshalb in Deutschland verortete, da die Geschäfte ausschließlich über die deutsche Konzernmutter geführt wurden und die Gesellschaft zudem nahezu ausschließlich für eben diese Konzernmutter produzierte.119 Diese Rechtsprechung ermöglichte es, die internationale Zuständigkeit für alle insolventen Konzerngesellschaften bei den Gerichten des Mitgliedsstaates zu verorten, in dem die Konzernmutter ihren Sitz bzw. Interessenmittelpunkt hatte. Allerdings wurde dieser Auslegung des Art. 3 Abs. 1 ­EuInsVO auch widersprochen. So entschied das AG Mönchengladbach, dass der Interessenmittelpunkt der Schuldnerin ausschließlich an Hand ihrer werbenden Tätigkeit zu bestimmen sei.120 Die betreffende Gesellschaft hatte ihren satzungsmäßigen Sitz in Mönchengladbach, wo auch die Personalbuchhaltung geführt wurde und die Bank, bei der die Gesellschaft ein Geschäftskonto unterhielt, ansässig war. Zudem stand die Gesellschaft nur mit ebenfalls in Deutschland ansässigen Kunden in geschäftlichem Kontakt und es waren auch alle ihre Mitarbeiter in Deutschland tätig. Deshalb sei es für die Bestimmung des Interessenmittelpunktes gem. Art. 3 Abs. 1 ­EuInsVO unerheblich, dass nach Aussage des Geschäftsführers sämtliche strategischen Geschäftsentscheidungen von der in England ansässigen Alleingesellschafterin getroffen wurden und die Gesellschaft Ausgaben nur innerhalb eines von der Alleingesellschafterin beschlossenen Budgets tätigen durfte.121 Aber auch in der deutschen rechtswissenschaftlichen Literatur wurde die geschil 117 High Court of Justice Birmingham, Beschluss vom 18. April 2005, 2375 bis 2382/05, NZI 2005, 467 (Leitsatz 3) („MG Rover“). 118 AG München, Beschluss vom 4. Mai 2004, 1501 IE 1276/04, NZI 2004, 450 („Hettlage“). 119 AG Siegen, Beschluss vom 1. Juli 2004, 25 IN 154/04, NZI 2004, 673 („Zenith“). 120 AG Mönchengladbach, Beschluss vom 27. April 2004, 19 IN 54/04, ZIP 2004, 1064, 1065 („EMBIC I“). 121 AG Mönchengladbach, Beschluss vom 27. April 2004, 19 IN 54/04, ZIP 2004, 1064, 1065 f. („EMBIC I“).

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derte Auslegung des Art. 3 Abs. 1 ­EuInsVO abgelehnt. Denn nach Erwägungsgrund 13 zur ­EuInsVO solle als Interessenmittelpunkt der Ort gelten, an dem der Schuldner gewöhnlich der Verwaltung seiner Interessen nachgeht und damit für Dritte feststellbar ist. Mangels Erkennbarkeit für Dritte sei daher ein Abstellen auf konzerninterne Umstände wie den Ort, an dem die im Rahmen der Unternehmensleitung erforderlichen Entscheidungen getroffen werden, unzulässig.122 Allerdings gingen die Meinungen darüber auseinander, welche Kriterien stattdessen zur Bestimmung des Interessenmittelpunktes heranzuziehen seien. Teilweise wurde der effektive Verwaltungssitz im Sinne der für das internationale Gesellschaftsrecht entwickelten Sitztheorie als Interessenmittelpunkt angesehen.123 Eine andere Ansicht verortete den Interessenmittelpunkt hingegen am Ort der werbenden Tätigkeit der schuldnerischen Gesellschaft.124 Maßgebliche Kriterien seien der Ort des Abschlusses von Geschäften mit Dritten, der Einsatz von Mitarbeitern, die Mehrzahl der Kundenbeziehungen, der Marktauftritt sowie das Bestehen von Bank­ verbindungen.125 bb) Die Eurofood-Entscheidung des ­EuGH Der ­EuGH hat in seiner Eurofood-Entscheidung aus dem Jahr 2006126 erstmals zur Auslegung des Begriffs „Mittelpunkt [der] hauptsächlichen Interessen“ im Sinne von Art. 3 Abs. 1 ­EuInsVO Stellung genommen. In dieser Entscheidung ging es um das Insolvenzverfahren über das Vermögen der Eurofood IFSC Ltd, einer „company limited by shares“ irischen Rechts mit satzungsmäßigem Sitz in Dublin. Diese Gesellschaft war eine hundertprozentige Tochtergesellschaft der Parmalat SpA, einer Gesellschaft italienischen Rechts. Hauptzweck der Eurofood IFSC Ltd. war die Beschaffung von Finanzmitteln für Gesellschaften des Parmalat-Konzerns. Am 27.01.2004 bestellte der High Court in Dublin aufgrund eines Antrags einer Gläubigerbank einen vorläufigen Verwalter und übertrug ihm die Befugnis, das Vermögen der Eurofood IFSC Ltd. in Besitz zu nehmen, ihre Geschäfte zu führen, in ihrem Namen ein Bankkonto zu eröffnen und die Dienste eines Anwalts in Anspruch zu nehmen. Gleichwohl bejahte das Tribunale civile e penale Parma am 20.02.2004 seine internationale Zuständigkeit für die Feststellung der Insolvenz der Eurofood IFSC Ltd., da sich der Mittelpunkt der hauptsächlichen Inter 122 Kübler, FS Gerhardt (2004), 527, 555; Sabel, NZI 2004, 126 Fn. 4; Huber, FS Heldrich (2005), 679, 690; Kebekus, EWiR 2004, 705, 706; Mankowski, EWiR 2005, 637, 638. 123 Huber, ZZP 114 (2001), 133, 141; Eidenmüller, NJW 2004, 3455, 3456 f.; Mankowski, NZI 2004, 450, 451; Laukemann, RIW 2005, 104, 107; ebenso wohl auch Schack, GS Sonnenschein (2003), 705, 713, wonach der Interessenmittelpunkt einer Tochtergesellschaft „durch den tatsächlichen Sitz ihrer Hauptverwaltung bestimmt“ werde. 124 Weller, IPrax 2004, 412, 415; ders., ZHR 169 (2005), 570, 582; Huber, FS Heldrich (2005), 679, 691. 125 Weller, ZHR 169 (2005), 570, 579. 126 ­EuGH, Urteil vom 2. Mai 2006, Rs. C-341/04 – Eurofood, Slg. 2006, I-3813.

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essen dieser Gesellschaft in Italien befinde. Mit Urteil vom 23.03.2004 entschied der High Court in Dublin, dass nach irischem Recht am Tag des Gläubigerantrags, also am 27.01.2004, ein Insolvenzverfahren über das Vermögen der Eurofood IFSC Ltd. eröffnet worden sei. Da das Gericht auch der Ansicht war, dass sich der Mittelpunkt der hauptsächlichen Interessen der Eurofood IFSC Ltd. in Irland befinde, sah es ferner das in Irland eröffnete Insolvenzverfahren als Hauptinsolvenz­ uInsVO an. Auf die Berufung des in Italien bestellten Ververfahren im Sinne der E ­ uGH die Frage vor, ob der walters zum irischen Supreme Court legte dieser dem E Mittelpunkt der hauptsächlichen Interessen an dem Ort anzunehmen sei, an dem „die Tochtergesellschaft der Verwaltung ihrer Interessen gewöhnlich und für Dritte feststellbar und entsprechend ihrer rechtlich selbständigen Identität […] nachgeht“, oder ob er am COMI der Muttergesellschaft liegt, wenn diese „auf Grund ihrer Eigentümerstellung und […] ihrer Befugnis, die Geschäftsführer einzusetzen und wieder abzuberufen, in der Lage ist, die Geschicke der Gesellschaft zu lenken“, und von dieser Steuerungsmöglichkeit auch Gebrauch macht.127 Der ­EuGH stellte zunächst fest, „dass nach dem mit der Verordnung eingeführten System zur Feststellung der Zuständigkeit der Gerichte der Mitgliedsstaaten eine eigene gerichtliche Zuständigkeit für jeden Schuldner existiert, der eine juristisch selbständige Einheit darstellt“.128 Anschließend führte er unter Bezugnahme auf Erwägungsgrund 13 zur E ­ uInsVO aus, dass die in Art. 3 Abs. 1 Satz 2 ­EuInsVO niedergelegte Vermutung, wonach sich der Mittelpunkt der hauptsächlichen Interessen am satzungsmäßigen Sitz einer Gesellschaft befinde, nur widerlegt werden könne, „wenn objektive, für Dritte feststellbare Elemente belegen, dass in Wirklichkeit die Lage nicht derjenigen entspricht, die die Verortung am […] satzungsmäßigen Sitz widerspiegeln soll“. Dies könne „insbesondere bei einer Briefkastenfirma der Fall sein, die im Gebiet des Mitgliedsstaats, in dem sich ihr satzungsmäßiger Sitz befindet, keiner Tätigkeit nachgeht“. Wenn jedoch die Gesellschaft an ihrem satzungsmäßigen Sitz einer Tätigkeit nachgehe, so „reicht die Tatsache allein, dass ihre wirtschaftlichen Entscheidungen von einer Muttergesellschaft mit Sitz in einem anderen Mitgliedstaat kontrolliert werden oder kontrolliert werden können, nicht aus, um die mit der Verordnung aufgestellte Vermutung zu entkräften“.129 In der Entscheidung MG Probud Gdynia aus dem Jahr 2010130 hat der ­EuGH die in der Eurofood-Entscheidung aufgestellten Kriterien zur Bestimmung des Mittelpunkts der hauptsächlichen Interessen gem. Art. 3 Abs. 1 ­EuInsVO bestätigt, allerdings ohne diese weiter zu präzisieren. 127 Vorlagebeschluss des Supreme Court of Ireland vom 27. Juli 2004, 147/04, NZI 2004, 505 f. 128 ­EuGH, Urteil vom 2. Mai 2006, Rs. C-341/04 – Eurofood, Slg. 2006, I-3813 Rdn. 30. 129 ­EuGH, Urteil vom 2. Mai 2006, Rs. C-341/04 – Eurofood, Slg. 2006, I-3813 Rdn. 34 ff. 130 ­EuGH, Urteil vom 21. Januar 2010, Rs. C-444/07 – MG Probud Gdynia, Slg. 2010, I-417 Rdn 37.

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cc) Die Auslegung des Art. 3 Abs. 1 ­EuInsVO auf Grundlage der Eurofood-Entscheidung ­ uGH für die Aus­ Welche Folgerungen aus der Eurofood-Entscheidung des E legung des Art. 3 Abs. 1 ­EuInsVO zu ziehen sind, wurde unterschiedlich beurteilt. Grund hierfür ist, dass der E ­ uGH in dieser Entscheidung keine konkreten Kriterien für die Bestimmung des Interessenmittelpunktes einer Gesellschaft genannt hat. Vielmehr hat er lediglich festgestellt, dass allein die Kontrolle der wirtschaftlichen Entscheidungen einer Gesellschaft durch die Konzernmutter zur Widerlegung der Vermutung des Art. 3 Abs. 1 Satz 2 ­EuInsVO nicht ausreicht. Damit ist er der geschilderten Rechtsprechung der mitgliedsstaatlichen Gerichte entgegen­getreten, die allein deshalb den Interessenmittelpunkt einer Konzerntochter an demjenigen der Konzernmutter verortet haben.131 (1) Die Interpretation der Eurofood-Entscheidung in Deutschland Im deutschen rechtswissenschaftlichen Schrifttum wurde nahezu übereinstimmend angenommen, dass der ­EuGH eine Widerlegung der Vermutung des Art. 3 Abs. 1 Satz 2 ­EuInsVO nicht generell ausschließen wollte, sofern eine Gesellschaft am Ort des satzungsmäßigen Sitzes überhaupt irgendeine werbende Tätigkeit entfaltet.132 Einigkeit bestand auch darin, dass bei der Beurteilung der Erkennbarkeit des Interessenmittelpunktes für Dritte ein objektivierter Maßstab anzulegen sei, weshalb die Erkenntnismöglichkeiten eines durchschnittlichen Gläubigers maßgeblich sein müssten.133 Eine Differenzierung zwischen verschiedenen Gläubigergruppen, insbesondere nach der Forderungshöhe, sei damit unzulässig.134 Hinsichtlich der konkreten Kriterien zur Bestimmung des Interessenmittelpunktes gingen die Ansichten aber nach wie vor auseinander. So wurde teilweise angenommen, dass der ­EuGH eine Berücksichtigung konzerninterner Umstände nicht generell ausschließen wollte. Er habe lediglich festgestellt, dass die im konkreten Fall vorgetragenen Umstände, namentlich die Steuerung der Tochter­gesellschaft durch die Konzernmutter, zur Widerlegung der Vermutung 131 Hess/Laukemann/Seagon, IPrax 2007, 89, 90; Poertzgen/Adam, ZInsO 2006, 505, 506; Uhlenbruck/Lüer, Komm. z. InsO, E ­ uInsVO Art. 3 Rdn. 33; Mankowski, BB 2006, 1753, 1754; Reinhart, Münchener Komm. z. InsO, ­EuInsVO Art. 3 Rdn. 30. 132 Paulus, NZG 2006, 609, 612 f.; Freitag/Leible, RIW 2006, 641, 647; Nerlich, in: Nerlich/ Römermann, Komm. z. InsO, E ­ uInsVO Art. 3 Rdn. 17; a. A. Poertzgen/Adam, ZInsO 2006, 505, 507. 133 Poertzgen/Adam, ZInsO 2006, 505, 507; Mankowski, BB 2006, 1753, 1754; Rotstegge, ZIP 2008, 955, 961. 134 Knof/Mock, ZIP 2006, 911, 915; Thole, ZEuP 2007, 1137, 1143 f.; im Rahmen einer Analyse der der Entscheidung des ­EuGH zu Grunde liegenden Stellungnahme des Generalanwalts Jacobs ebenso schon Schilling/Schmidt, ZInsO 2006, 113, 117.

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des Art. 3 Abs. 1 Satz 2 ­EuInsVO allein nicht ausreichen.135 Sofern aber eigentlich konzerninterne Umstände nach außen treten und damit die Konzernzugehörigkeit einer Gesellschaft für Dritte erkennbar sei, käme eine Widerlegung der Vermutung des Art. 3 Abs. 1 Satz 2 ­EuInsVO durchaus in Betracht.136 Als Beispiel wurde genannt, dass die Konzernmutter Garantien oder Patronatserklärungen zu Gunsten der Konzerntochter abgibt oder die Gläubiger sich nachweislich auf bestehende konzernrechtliche Verlustausgleichspflichten verlassen.137 Gleiches gelte, sofern die einheitliche Leitung des Konzerns durch eine einheitliche Firma, eine einheitliche Werbung oder eine sonstige einheitliche Außendarstellung erkennbar sei.138 Andere gingen davon aus, dass auf Grundlage der Eurofood-Entscheidung der Interessenmittelpunkt einer Gesellschaft an ihrem effektiven Verwaltungssitz zu ver­ uGH solle bei einer Gesellschaft, die im Staat orten sei.139 Denn nach Ansicht des E ihres Satzungssitzes einer werbenden Tätigkeit nachgeht, die Kontrolle der unternehmerischen Entscheidungen durch eine in einem anderen Staat ansässige Gesellschaft zur Widerlegung der Vermutung des Art. 3 Abs. 1 Satz 2 ­EuInsVO nicht ausreichen. Hieraus folge, dass die werbende Tätigkeit nicht als zur Widerlegung der Vermutung geeigneter Umstand betrachtet werden könne, da diese nach der Aussage des ­EuGH ja gerade im Staat des Satzungssitzes ausgeübt werde. Folglich komme zur Widerlegung der Vermutung allein der effektive Verwaltungssitz in Betracht.140 Zur Bestimmung des effektiven Verwaltungssitzes wurde teilweise in Anlehnung an die Sitztheorie darauf abgestellt, wo die grundlegenden Entscheidungen der Unternehmensleitung effektiv in laufende Geschäftsführungsakte umgesetzt werden (sog. Sandrock’sche Formel).141 Andere wollten daneben auch berücksichtigen, ob sich aus der verwendeten Firma oder dem satzungsmäßigen Unternehmensgegenstand Rückschlüsse auf die Konzernzugehörigkeit ergeben.142 Schließlich wurde angenommen, dass nach der Eurofood-Entscheidung zur Bestimmung des Interessenmittelpunktes einer Gesellschaft allein auf den Ort der

135 Paulus, NZG 2006, 609, 612; ders., 42 Tex. Int’l L. J. 819, 824 (2007); Rotstegge, ZIP 2008, 955, 960; Mankowski, BB 2006, 1753, 1755; Knof/Mock, ZIP 2006, 911, 914; Knof, ZInsO 2007, 629, 632; Deyda, Der Konzern im europäischen internationalen Insolvenzrecht (2008), S. 95. 136 Freitag/Leible, RIW 2006, 641, 644; Saenger/Klockenbrink, EuZW 2006, 363, 364. 137 Freitag/Leible, RIW 2006, 641, 644; Huber, in: Gottwald, Europäisches Insolvenzrecht – kollektiver Rechtsschutz (2008), 1, 11. 138 Paulus, NZG 2006, 609, 612; Mankowski, BB 2006, 1753, 1755; Huber, in: Gottwald, Europäisches Insolvenzrecht – kollektiver Rechtsschutz (2008), 1, 11. 139 Weller, ZGR 2008, 835, 856 f., ders., ZIP 2009, 2029, 2031; Brünkmans, Die Koordinierung von Insolvenzverfahren konzernverbundener Unternehmen (2009), S. 335 ff.; Breuninger/ Ernst, GmbHR 2009, 861, 863. 140 Weller, ZGR 2008, 835, 857. 141 Weller, ZGR 2008, 835, 856; siehe zur Bestimmung des effektiven Verwaltungssitzes auch oben B. I. 1. a) cc). 142 Brünkmans, Die Koordinierung der Insolvenzverfahren konzernverbundener Unternehmen (2009), S. 352 ff.

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Ausübung der werbenden Tätigkeit abgestellt werden könne.143 Konzerninterna wie Buchführung, Personalverwaltung, Controlling, Finanzierung oder das Festlegen einer Marketingstrategie müssten generell außer Betracht bleiben.144 Vielmehr sei maßgeblich, wo die Gesellschaft unter Einsatz von Personal und Vermögenswerten wirtschaftlich aktiv sei. Damit komme es darauf an, wo sich die Geschäftsund Produktionsräume, die Warenlager, die Einsatzorte der Mitarbeiter oder die Geschäftskonten befinden.145 Die deutschen Gerichte waren nach der Eurofood-Entscheidung des ­EuGH zunächst mit Fällen befasst, in denen nach Einstellung der werbenden Tätigkeit der schuldnerischen Gesellschaft in Deutschland Abwicklungstätigkeiten von anderen Mitgliedsstaaten aus vorgenommen wurden. So entschied das AG Hamburg, dass in einem solchen Fall bei der Bestimmung des Interessenmittelpunktes der Gesellschaft „verschiedene Faktoren im Sinne eines ‚Gesamtbildes‘ in Betracht zu ziehen“ seien. Die Geschäftsunterlagen der Schuldnerin mit Satzungssitz in Hamburg hätten sich beim in Frankreich wohnhaften Liquidator befunden, welcher im Handelsregister eingetragen war, die Liquidation von Frankreich aus „aktiv“ betrieb und im Zuge dessen Zahlungen an die Gläubiger vornahm. In Deutschland besaß die Gesellschaft aber weder ein Geschäftslokal noch, abgesehen von einem „geringwertigen Bankkonto“, Inventar oder Vermögensgegenstände. Der Interessenmittelpunkt sei daher in Frankreich zu verorten und die Vermutung des Art. 3 Abs. 1 Satz 2 ­EuInsVO damit widerlegt.146 Demgegenüber sah es dasselbe Gericht als zur Widerlegung der Vermutung des Art. 3 Abs. 1 Satz 2 ­EuInsVO nicht ausreichend an, dass bei einer Gesellschaft, die ihren Geschäftsbetrieb eingestellt, die Mietverträge über die Geschäftsräume in Hamburg gekündigt und die in Hamburg tätigen Mitarbeiter entlassen hatte, deren Buchhaltung aber nach wie vor extern in Hamburg geführt wurde, wo sich auch der Wohnsitz der Geschäftsführerin und das zuständige Finanzamt befand, Zahlungsaufforderungen durch den in Polen wohnhaften Sohn der Geschäftsführerin bearbeitet wurden. Denn angesichts der sich aus Erwägungsgrund 13 zur ­EuInsVO ergebenden Bestimmung des Interessenmittelpunktes nach objektiven und für Dritte festellbaren Kriterien könnten lediglich „wirtschaftliche“ Abwicklungstätigkeiten wie „die Beendigung schwebender Geschäfte, gegebenenfalls die dazu erforderliche Eingehung neuer Geschäfte, die Verwaltung und Erhaltung des schuldnerischen […] Vermögens oder vergleichbare Sachverhalte“ berücksichtigt werden, nicht aber lediglich verwaltende Tätigkeiten wie die „passive, reagierende Bearbeitung

143 Hess/Laukemann/Seagon, IPrax 2007, 89, 90; Kammel, NZI 2006, 334, 336; Uhlenbruck/Lüer, Komm. z. InsO, ­EuInsVO Art. 3 Rdn. 33; Reinhart, Münchener Komm. z. InsO, ­EuInsVO Art. 3 Rdn. 31. 144 Thole, ZEuP 2007, 1137, 1143. 145 Reinhart, Münchener Komm. z. InsO, E ­ uInsVO Art. 3 Rdn. 31 ff.; Nerlich, in: Nerlich/ Römer­mann, Komm. z. InsO, ­EuInsVO Art. 3 Rdn. 17. 146 AG Hamburg, Beschluss vom 9. Mai 2006, 67 c IN 122/06, NZI 2006, 486 f.

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von Zahlungsaufforderungen“.147 Spätere Entscheidungen betrafen dann eine sog. „Scheinauslandsgesellschaft“148 sowie die Verlegung des Tätigkeitsortes der Geschäftsleitung. So eröffnete das AG Nürnberg das Insolvenzverfahren über das Vermögen einer englischen Limited, die in England lediglich über eine Postanschrift verfügte, wobei es sich aber nicht um eigene Geschäftsräume, sondern um das Büro einer Anwaltskanzlei handelte. Demgegenüber trat die Gesellschaft im Geschäftsverkehr ausschließlich unter der Anschrift ihrer im Handelsregister als Zweigniederlassung eingetragenen Niederlassung in Nürnberg auf, wo sich auch die Finanz- und Personalverwaltung der Gesellschaft befand und von wo aus nach Überzeugung des Gerichts auch die Geschäftsbeziehungen zu Kunden und Lieferanten abgewickelt wurden. Auch war der weit überwiegende Teil der Arbeitnehmer der Gesellschaft in Deutschland beschäftigt, zudem waren in Deutschland nahezu sämtliche Betriebsstätten und Betriebsimmobilien belegen und fast alle Gläubiger ansässig. Aufgrund dieser Umstände sei der Interessenmittelpunkt der Gesellschaft entgegen der Vermutung des Art. 3 Abs. 1 Satz 2 ­EuInsVO in Nürnberg belegen.149 Das AG Köln bejahte schließlich seine internationale Zuständigkeit für eine in Luxemburg eingetragene Gesellschaft, bei der vor Stellung des Insolvenzantrags der Verwaltungsrat mit mehreren von Köln aus tätigen Rechtsanwälten und Unternehmensberatern besetzt und sämtliche Geschäftsunterlagen von den ursprünglichen Geschäftsräumen in Luxemburg in ein in Köln angemietetes Büro verbracht wurden. In Köln tagte nunmehr auch ein unter anderem aus dem neu besetzten Verwaltungsrat, weiteren Mitarbeitern der Schuldnerin und den Geschäftsführern der Tochtergesellschaften bestehender Lenkungsausschuss, über den die Schuldnerin ihre Tochtergesellschaften durch Abstimmung des Einkaufs, des Controlling, des Marketings und der Pressearbeit steuerte. Zudem wurden von Köln aus auch Verhandlungen mit Gläubigern und potentiellen Investoren geführt. In den ursprünglichen Geschäftsräumen in Luxemburg wurden lediglich relativ unerhebliche Assistenztätigkeiten für den Verwaltungsrat vorgenommen sowie die den Tochtergesellschaften zur Verfügung gestellte Telekommunikations- und Datentechnik aufrechterhalten. Das Gericht verortete angesichts dieser Umstände den Interessenmittelpunkt der Gesellschaft in Köln. Eine Zuständigkeit der luxemburgischen Gerichte komme allenfalls in Betracht, sofern man eine Widerlegung der Vermutung des Art. 3 Abs. 1 Satz 2 ­EuInsVO für ausgeschlossen hielte, wenn am Satzungssitz überhaupt irgendeine Geschäftstätigkeit ausgeübt werde. Dies könne der Eurofood-Entscheidung des ­EuGH aber nicht entnommen werden.150 Diese geschilderten Urteile zeigen, dass sich die Rechtsprechung der deutschen Gerichte im Gegensatz zu den Stellungnahmen im rechtswissenschaft­lichen 147

AG Hamburg, Beschluss vom 16. August 2006, 67 a IE 1/06, NZI 2006, 652 f. Als Scheinauslandsgesellschaft wird eine Gesellschaft bezeichnet, die außer ihrer Rechtsform und ihrer Inkorporation keine Beziehung zum ausländischen Gründungsstaat hat, siehe Weller, IPrax 2003, 207 Fn. 4. 149 AG Nürnberg, Beschluss vom 1. Oktober 2006, 8034 IN 1326/06, NZI 2007, 186 f. 150 AG Köln, Beschluss vom 19. Februar 2008, 73 IE 1/08, NZI 2008, 257 ff. 148

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Schrifttum nicht auf ein bestimmtes Kriterium zur Bestimmung des Interessenmittelpunktes festlegte, beispielsweise den tatsächlichen Verwaltungssitz oder den Ort der werbenden Tätigkeit. Vielmehr wurde eine Gesamtbetrachtung angestellt, bei der der tatsächliche Verwaltungssitz, der Ort der werbenden Tätigkeit und teilweise sogar lediglich unternehmensinterne Umstände wie die Steuerung der Tätigkeit von Tochtergesellschaften berücksichtigt wurden. Zwar betraf keine dieser Entscheidungen die Insolvenz einer von der Konzernmutter gesteuerten Tochtergesellschaft. Gleichwohl spricht die Tatsache, dass in allen Entscheidungen die werbende Tätigkeit der Gesellschaft sowie der für Dritte erkennbare tatsächliche Verwaltungssitz berücksichtigt wurden, dafür, dass die Rechtsprechung nach der Eurofood-Entscheidung eine nach außen erkennbare Konzernzugehörigkeit einer Tochtergesellschaft allein nicht mehr zur Widerlegung der Vermutung des Art. 3 Abs. 1 ­EuInsVO hätte ausreichen lassen. Insofern erscheint der von der Rechtsprechung angelegte Maßstab restriktiver als derjenige der entsprechenden im rechtswissenschaftlichen Schrifttum geäußerten Ansicht. (2) Die auf die Eurofood-Entscheidung Bezug nehmende Rechtsprechung der Gerichte anderer Mitgliedsstaaten Der englische High Court hielt zunächst auch nach der Eurofood-Entscheidung des ­EuGH daran fest, dass der Interessenmittelpunkt einer Gesellschaft dort zu verorten sei, wo die „head office functions“ dieser Gesellschaft ausgeübt wurden. Denn der Generalanwalt habe in seiner Stellungnahme im Eurofood-Verfahren das Vorbringen eines Parteivertreters, in dem die Maßgeblichkeit dieses Kriteriums befürwortet worden war, als überzeugend bezeichnet. Der E ­ uGH selbst habe in seiner Entscheidung mit einer „Briefkastengesellschaft“ und einer Gesellschaft, die ihre Geschäftstätigkeit im Staat ihres Satzungssitzes ausübe, lediglich zwei eindeutige Beispielsfälle gebildet. Bei weniger eindeutigen Fällen hingegen könne mangels weiterer Aussagen des ­EuGH das auch vom Generalanwalt befürwortete Abstellen auf die „head office functions“ hilfreich sein. In dem betreffenden Fall bejahte der High Court dann seine Zuständigkeit für zwei Gesellschaften mit Satzungssitz in Spanien, da als Geschäftsführer beider Gesellschaften eine in England arbeitende Person fungierte, wo auch die Sitzungen mit den leitenden Angestellten dieser Gesellschaften stattfanden und die Bilanzen erstellt wurden.151 In einer späteren Entscheidung gab derselbe Richter diese Ansicht aber ausdrücklich auf. So führte er aus, dass es im Hinblick auf die Eurofood-Entscheidung des E ­ uGH unzutreffend gewesen sei, zur Bestimmung des Interessenmittelpunktes einer Gesellschaft allein auf den Ort abzustellen, an dem die „head office functions“ ausgeübt wurden, ohne aber die Erkennbarkeit dieses Ortes für Dritte zu berück 151 Re Lennox Holdings Plc, Urteil des High Court of Justice (Chancery Division) vom 20. Juni 2008, [2009] B. C. C. 155 Rdn. 6 ff. unter Verweis auf die Schlussanträge des Generalanwalts Jacobs in der Rs C-341/04 – Eurofood, Slg. 2006, I-3813 Rdn. 111 ff.

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sichtigen. Dieser Erkennbarkeit für Dritte komme besondere Bedeutung zu, da Art. 3 ­EuInsVO die Vorhersehbarkeit des Staates der Verfahrenseröffnung für die Gläubiger gewährleisten solle. Erkennbar für Dritte sei aber nur, was veröffentlicht sei und was ein gewöhnlicher Dritter im Rahmen seines geschäftlichen Kontaktes mit der schuldnerischen Gesellschaft erkennen könne.152 Folglich wurden bei einer Gesellschaft, die am Ort ihres Satzungssitzes über ein Verwaltungsgebäude verfügte und dort auch nahezu alle ihre Mitarbeiter beschäftigte, Umstände wie die Steuerung der Gesellschaft durch Angestellte in einem anderen Staat oder die Belegenheit eines Großteils der Buchführung in einem anderen Staat als nicht geeignet angesehen, die Vermutung zu widerlegen, dass sich der Interessenmittelpunkt dieser Gesellschaft am Satzungssitz befindet.153 Die Maßgeblichkeit der für Dritte erkennbaren Umstände zur Bestimmung des Interessenmittelpunktes wurde durch eine weitere Entscheidung bestätigt, durch die über eine Gesellschaft mit satzungsmäßigem Sitz in Luxemburg ein Insolvenzverfahren in England eröffnet wurde. Denn die Gesellschaft hatte das Büro der Geschäftsleitung nach London verlegt, dort ein Bankkonto eröffnet und trat unter dieser Adresse auch im Geschäftsverkehr auf. Zudem hatte die Gesellschaft auch ihre Gläubiger von dem Umzug nach England benachrichtigt und eine entsprechende Pressemitteilung veröffentlicht. Als wichtigsten Umstand sah das Gericht allerdings die Tatsache an, dass die Verhandlungen der Gesellschaft mit ihren Gläubigern in London geführt wurden.154 Im Insolvenzverfahren der BenQ Mobile Holding B. V. bejahte das Arrondissementsgericht Amsterdam seine internationale Zuständigkeit auf Grundlage ähn­ licher Erwägungen, die auch den zuletzt genannten Entscheidungen des englischen High Court zu Grunde lagen. Da die Gesellschaft ihren Satzungssitz in Amsterdam hatte, dort über eine Niederlassung mit neun Arbeitnehmern verfügte und zudem der zur alleinigen Vertretung berechtigte Geschäftsführer der Gesellschaft in den Niederlanden wohnhaft war, reiche es zur Widerlegung der Vermutung des Art. 3 Abs. 1 Satz 2 ­EuInsVO nicht aus, dass der vom AG München eingesetzte vorläufige Insolvenzverwalter vorbrachte, dass der andere Geschäftsführer der Gesellschaft hauptsächlich von München aus tätig gewesen sei, dort eine von der schuldnerischen Gesellschaft bevollmächtigte Tochtergesellschaft für die Schuldnerin einen Cash-Pool geführt sowie juristische und steuerliche Angelegenheiten 152 Re Stanford International Bank Ltd, Urteil des High Court of Justice (Chancery Division) vom 3. Juli 2009, [2009] EWHC 1441 (Ch) Rdn. 61 f. = ZIP 2009, 1776, 1777 (gekürzt). Zwar erging diese Entscheidung zum autonomen britischen Internationalen Insolvenzrecht, welches aber auch den Begriff „Mittelpunkt der hauptsächlichen Interessen“ verwendet. Der Begriff soll nach Ansicht des Gerichts dieselbe Bedeutung haben wie nach der ­EuInsVO, vgl. a. a. O. Rdn. 45. Die Entscheidung wurde durch den Court of Appeal bestätigt, siehe In Re Stanford International Bank Ltd and another, Urteil des Court of Appeal vom 25. Februar 2010, [2010] EWCA Civ 137. 153 Re Stanford International Bank Ltd, Urteil des High Court of Justice (Chancery Division) vom 3. Juli 2009, [2009] EWHC 1441 Rdn. 97 ff. 154 Re Hellas Telecommunications (Luxembourg) II SCA, Urteil des High Court of Justice (Chancery Division) vom 26. November 2009, [2009] EWHC 3199 (Ch) Rdn. 3 ff.

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erledigt habe und die Darlehensverträge zwischen der Schuldnerin und ihren Tochtergesellschaften deutschem Recht unterlagen.155 Einen von den in den geschilderten Entscheidungen angestellten Erwägungen abweichenden Ansatz verfolgte allerdings das Tribunal de commerce de Paris. Die Entscheidung betraf die Eurotunnel Plc, die zusammen mit anderen Gesellschaften den Eurotunnel gebaut hatte und diesen nun betrieb. Satzungsmäßiger Sitz der Gesellschaft war Folkstone. Allerdings beschäftigte die Gesellschaft keine Arbeitnehmer mehr und hatte in den beiden Jahren vor Verfahrenseröffnung auch keine Umsätze mehr erzielt. Das Tribunal de commerce de Paris bejahte seine internationale Zuständigkeit, da die strategische Ausrichtung der Gesellschaft sowie ihre operative Leitung von einem ausschließlich mit französischen Staatsbürgern besetzten Ausschuss bestimmt wurde, der in Paris am Sitz einer anderen zur Eurotunnel-Gruppe gehörenden Gesellschaft tagte. In Paris habe sich zudem der Sitz der beiden anderen wichtigsten Gesellschaften der Gruppe befunden, dort sei ein Großteil der von der Gruppe beschäftigten Angestellten tätig, dort würden die Finanzen der gesamten Unternehmensgruppe verwaltet und dort seien schließlich auch die Verhandlungen über eine Restrukturierung der Eurotunnel-Gruppe geführt worden.156 Das Tribunal de commerce de Paris schloss also von dem Tätigkeitsschwerpunkt der gesamten Unternehmensgruppe auf den Interessenmittelpunkt einer einzelnen zu dieser Gruppe gehörenden Gesellschaft. Dies wi­ uGH in der Eurofood-Entscheidung, wonach die inderspricht der Aussage des E ternationale Zuständigkeit für jeden Schuldner, der eine „juristisch selbständige Einheit darstellt“, getrennt zu ermitteln ist.157 Nach der Eurofood-Entscheidung deckte sich damit die Auslegung des Art. 3 Abs. 1 ­EuInsVO durch die Gerichte anderer Mitgliedsstaaten weitgehend mit derjenigen, die auch die deutschen Gerichte befürworteten. Auch hier wurde betont, dass die zur Bestimmung des Interessenmittelpunktes herangezogenen Umstände für Dritte erkennbar sein müssen, eine weitere abstrakte Eingrenzung auf bestimmte Kriterien erfolgte jedoch nicht. Vielmehr wurde eine Gesamtbetrachtung verschiedener Umstände vorgenommen, wobei aber vor allem auf den Sitz der Geschäftsleitung sowie den Ort der werbenden Tätigkeit abgestellt wurde. Herangezogen wurde aber auch der Ort, an dem im Vorfeld der Insolvenz Verhandlungen mit den Gläubigern geführt wurden. Dieses Kriterium erscheint aller­ uInsVO genannte Ziel, sog. dings im Hinblick auf das in Erwägungsgrund 4 zur E „forum shopping“ zu verhindern, bedenklich. Denn so wird es einer schuldnerischen Gesellschaft ermöglicht, unmittelbar vor Eröffnung des Insolvenzverfahrens die für die internationale Zuständigkeit maßgeblichen Umstände mit relativ gerin 155 Arrondissementsgericht Amsterdam, Beschluss vom 31. Januar 2007, FT RK 07-93 und FT RK 07-122, ZIP 2007, 492 ff. 156 Trib. Com. Paris, Urteil vom 2. August 2006, D. 2006, Jur. p. 2329 f. mit Anmerkung Dammann/Podeur. 157 Siehe ­EuGH, Urteil vom 2. Mai 2006, Rs. C-341/04 – Eurofood, Slg. 2006, I-3813 Rdn. 30.

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gem Aufwand zu beeinflussen. Eine Ausnahme stellt zudem die Entscheidung des Tribunal de commerce de Paris dar, welches in der geschilderten Eurotunnel-Entscheidung den Interessenmittelpunkt einer Konzerngesellschaft an Hand des Interessenschwerpunktes der gesamten Unternehmensgruppe bestimmt hat. Dieses Urteil steht allerdings in deutlichem Widerspruch zu der Eurofood-Entscheidung des ­EuGH. dd) Die Interedil-Entscheidung des ­EuGH In der Interedil-Entscheidung158 hat der ­EuGH erneut zur Auslegung des Art. 3 Abs. 1 ­EuInsVO Stellung genommen. Die in Italien gegründete Interedil Srl mit satzungsmäßigem Sitz in Monopoli (Italien) verlegte im Juli 2001 ihren satzungsmäßigen Sitz nach London. Sie wurde am selben Tag aus dem italienischen Unternehmensregister gestrichen und nachfolgend im englischen Gesellschaftsregister als „foreign company“ eingetragen. Einige Monate nach dieser Sitzverlegung übertrug die Interedil Srl im Rahmen der Veräußerung ihres Geschäftsbetriebes das Eigentum an in Italien belegenen Gebäuden auf eine englische Gesellschaft. Im Juli 2002 wurde die Interedil Srl im englischen Gesellschaftsregister gelöscht. Im Oktober 2003 wurde in Italien die Eröffnung eines Insolvenzverfahrens über das Vermögen der Interedil Srl beantragt. Das zuständige Tribunale di Bari eröffnete im Dezember 2003 das Insolvenzverfahren, die von der Interedil Srl im Rahmen einer Beschwerde angerufene Corte suprema di cassatione bestätigte im Mai 2005 die internationale Zuständigkeit der italienischen Gerichte. Da das Tribunale di Bari angesichts der zwischenzeitlich ergangenen Eurofood-Entscheidung des ­EuGH Zweifel an der Entscheidung der Corte suprema die cassatione hatte, setzte es das Verfahren aus und legte dem ­EuGH mehrere Fragen zur Auslegung des Art. 3 Abs. 1 ­EuInsVO vor. Unter anderem wollte das Tribunale di Bari wissen, was der Begriff „Mittelpunkt der hauptsächlichen Interessen“ in Art. 3 Abs. 1 ­EuInsVO besagt und was die zu seiner Bestimmung entscheidenden Faktoren sind, ob die Widerlegung der Vermutung des Art. 3 Abs. 1 Satz 2 E ­ uInsVO durch das Entfalten einer geschäftlichen Tätigkeit im Staat des Satzungssitzes ausgeschlossen ist und ob die Belegenheit von Immobilien, das Bestehen eines Mietvertrages über einen Hotelkomplex sowie ein Vertrag mit einem Geldinstitut ausreichende Faktoren sind, um die Vermutung des Art. 3 Abs. 1 Satz 2 ­EuInsVO zu widerlegen.159 Der ­EuGH verwies zunächst auf die schon in der Eurofood-Entscheidung anerkannte Maßgeblichkeit des Erwägungsgrundes 13 zur ­EuInsVO für die Auslegung

158

­EuGH, Urteil vom 20. Oktober 2011, Rs. C-396/09 – Interedil, ZIP 2011, 2153 ff. Der genaue Wortlaut der Vorlagefragen findet sich in der unter http://eur-lex.europa.eu/ LexUriServ/LexUriServ.do?uri=CELEX:62009CJ0396:DE:HTML abrufbaren vollständigen Entscheidung des ­EuGH (abgerufen am 27.08.2012). 159

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des Begriffs „Mittelpunkt der hauptsächlichen Interessen“.160 Unter Hinweis auf die Schlussanträge der Generalanwältin161 führte er sodann aus, dass die „Vermutung zu Gunsten des satzungsmäßigen Sitzes in Art. 3 Abs. 1 Satz 2 ­EuInsVO und die Bezugnahme auf den Ort der Verwaltung der Interessen im 13. Erwägungsgrund […] die Intention des Unionsgesetzgebers [zeigen], dem Ort der Hauptverwaltung der Gesellschaft als Zuständigkeitskriterium den Vorzug zu geben“.162 Dem schon in der Eurofood-Entscheidung unter Bezugnahme auf Erwägungsgrund 13 zur ­EuInsVO anerkannten Umstand, dass der Interessenmittelpunkt nach objektiven und für Dritte feststellbaren Kriterien zu bestimmen sei, werde nur dann Genüge getan, wenn die „berücksichtigten konkreten Umstände bekannt gemacht wurden oder zumindest so transparent sind, dass Dritte, d. h. insbesondere die Gläubiger der Gesellschaft, davon Kenntnis haben konnten“.163 Sofern „sich die Verwaltungs- und Kontrollorgane einer Gesellschaft am Ort ihres satzungsmäßigen Sitzes befinden und die Verwaltungsentscheidungen der Gesellschaft in für Dritte feststellbarer Weise an diesem Ort getroffen werden“, sei daher eine Widerlegung der Vermutung des Art. 3 Abs. 1 Satz 2 ­EuInsVO ausgeschlossen. Eine solche Widerlegung sei nur möglich, wenn sich der Ort der Hauptverwaltung der Gesellschaft nicht am Ort ihres satzungsmäßigen Sitzes befindet.164 Bei der Bestimmung des Interessenmittelpunktes seien dann „u. a. alle Orte, an denen die Schuldnergesellschaft eine wirtschaftliche Tätigkeit ausübt, und alle Orte, an denen sie Vermögenswerte besitzt, sofern diese Orte für Dritte erkennbar sind“, berücksichtigungsfähig. Anzustellen sei eine „Gesamtbetrachtung […] unter Berücksichtigung der Umstände des Einzelfalles“.165 Die vom vorlegenden Gericht genannten Umstände wie die Belegenheit von Immobilien, der Abschluss von Mietverträgen über diese Immobilien und eine Vertragsbeziehung zu einem Finanzinstitut seien „angesichts der damit verbundenen öffentlichen Wahrnehmbarkeit […] als von Dritten festellbare Faktoren“ anzusehen.166 Hinsichtlich des Zeitpunktes, der für die Bestimmung des Interessenmittelpunktes entscheidend ist, ­ uGH im Anschluss an seine Entscheidung Staubitz-Schreiber167, entschied der E 160

­EuGH, Urteil vom 20. Oktober 2011, Rs. C-396/09 – Interedil, ZIP 2011, 2153, 2156 Rdn. 47. 161 Schlussanträge der Generalanwältin Juliane Kokott vom 10. März 2011, ZIP 2011, 918, 923 Rdn. 69. 162 ­EuGH, Urteil vom 20. Oktober 2011, Rs. C-396/09 – Interedil, ZIP 2011, 2153, 2156 Rdn. 48. 163 ­EuGH, Urteil vom 20. Oktober 2011, Rs. C-396/09 – Interedil, ZIP 2011, 2153, 2156 Rdn. 49. 164 ­EuGH, Urteil vom 20. Oktober 2011, Rs. C-396/09 – Interedil, ZIP 2011, 2153, 2156 Rdn.  50 f. 165 ­EuGH, Urteil vom 20. Oktober 2011, Rs. C-396/09 – Interedil, ZIP 2011, 2153, 2157 Rdn. 52. 166 ­EuGH, Urteil vom 20. Oktober 2011, Rs. C-396/09 – Interedil, ZIP 2011, 2153, 2157 Rdn. 53. 167 ­EuGH, Urteil vom 17. Januar 2006, Rs. C-1/04 – Staubitz-Schreiber, Slg. 2006, I-701 Rdn. 29.

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B. Abwicklung von Konzerninsolvenzen auf Grundlage des geltenden Rechts

dass grundsätzlich der Zeitpunkt der Stellung des Antrags auf Verfahrenseröffnung maßgeblich ist.168 Werde der Satzungssitz vor Antragstellung verlegt, gelte die Vermutung des Art. 3 Abs. 1 Satz 2 ­EuInsVO zu Gunsten des neuen Satzungssitzes.169 Sofern die Schuldnergesellschaft mittlerweile gelöscht wurde, sei der Interessenmittelpunkt zum Zeitpunkt der Löschung entscheidend.170 ee) Folgen der Interedil-Entscheidung für die auf Grundlage der Eurofood-Entscheidung entwickelte Auslegung des Art. 3 Abs. 1 ­EuInsVO Mit der Interdil-Entscheidung hat der E ­ uGH die Vermutung des Art. 3 Abs. 1 Satz 2 ­EuInsVO gestärkt, wonach der Interessenmittelpunkt einer Gesellschaft bis zum Beweis des Gegenteils an ihrem Satzungssitz zu verorten ist. Denn eine Widerlegung dieser Vermutung soll nun generell ausscheiden, sofern dort auch die Verwaltungs- und Kontrollorgane tätig sind und damit „die Verwaltungsentscheidungen der Gesellschaft in für Dritte feststellbarer Weise an diesem Ort getroffen werden“171. Das Auseinanderfallen von Satzungssitz und für Dritte erkenn­barem Verwaltungssitz ist damit notwendige Voraussetzung für eine Widerlegung der Vermutung des Art. 3 Abs. 1 Satz 2 ­EuInsVO. An der bisherigen Rechtsprechung der mitgliedsstaatlichen Gerichte zu Art. 3 Abs. 1 ­EuInsVO dürfte diese Voraussetzung im Ergebnis allerdings kaum etwas ändern. Denn in den geschilderten Fällen, in denen die Vermutung des Art. 3 Abs. 1 Satz 2 ­EuInsVO als widerlegt angesehen wurde, sahen die Gerichte stets den Tätigkeitsort der Geschäftsleitung als einen für die Bestimmung des Interessenmittelpunktes maßgeblichen Umstand an.172 Infolge der Stärkung der Vermutung des Art. 3 Abs. 1 Satz 2 ­EuInsVO dürfte sich allerdings zukünftig in vielen Fällen die Prüfung, ob diese Vermutung im konkreten Fall widerlegt ist, erübrigen. Sofern der für Dritte erkennbare Verwaltungssitz der Gesellschaft von ihrem Satzungssitz abweicht und damit eine Widerlegung der Vermutung des Art. 3 Abs. 1 Satz 2 ­EuInsVO in Betracht kommt, 168 ­EuGH, Urteil vom 20. Oktober 2011, Rs. C-396/09 – Interedil, ZIP 2011, 2153, 2157 Rdn. 55. 169 ­EuGH, Urteil vom 20. Oktober 2011, Rs. C-396/09 – Interedil, ZIP 2011, 2153, 2157 Rdn. 56. 170 ­EuGH, Urteil vom 20. Oktober 2011, Rs. C-396/09 – Interedil, ZIP 2011, 2153, 2157 Rdn. 58. 171 ­EuGH, Urteil vom 20. Oktober 2011, Rs. C-396/09 – Interedil, ZIP 2011, 2153, 2156 Rdn. 50. 172 Vgl. AG Hamburg, Beschluss vom 9. Mai 2006, 67 c IN 122/06, NZI 2006, 486; AG Nürnberg, Beschluss vom 1. Oktober 2006, 8034 IN 1326/06, NZI 2007, 186 f.; AG Köln, Beschluss vom 19. Februar 2008, 73 IE 1/08, NZI 2008, 257, 260; Re Hellas Telecommunications (Luxem­bourg) II SCA, Urteil des High Court of Justice (Chancery Division) vom 26. November 2009, [2009] EWHC 3199 (Ch) Rdn. 6; ebenso, allerdings bezogen auf die gesamte Unternehmensgruppe auch Trib. Com. Paris, Urteil vom 2. August 2006, D. 2006, Jur. p. 2329 f. mit Anmerkung Dammann/Podeur.

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ist nach Ansicht des E ­ uGH eine „Gesamtbetrachtung […] unter Berücksichtigung der Umstände des Einzelfalles“ anzustellen, bei der unter anderem der Ort der werbenden Tätigkeit und die Belegenheit von Vermögenswerten zu berücksichtigen sind.173 Auch dies entspricht im Wesentlichen der geschilderten Rechtsprechung der mitgliedsstaatlichen Gerichte, da auch bisher schon der Belegenheitsort von Betriebsstätten und Betriebsimmobilien174 sowie der Ort, an dem sich ein Verwaltungsgebäude175 oder eine Niederlassung176 der Gesellschaft befand, berücksichtigt wurden. Mit den im deutschen rechtswissenschaftlichen Schrifttum im Anschluss an die Eurofood-Entscheidung vertretenen Ansichten, die entweder ausschließlich auf den Verwaltungssitz oder den Ort der werbenden Tätigkeit ab­stellen wollten,177 EuGH allerdings nicht vereinbar. Gleiches erscheint die Rechtsprechung des ­ dürfte auch für die Ansicht gelten, die eine Widerlegung der Vermutung des Art. 3 Abs. 1 Satz 2 ­EuInsVO bei insolventen Tochtergesellschaften als möglich ansehen wollte, sofern etwa aufgrund einer einheitlichen Außendarstellung oder der Abgabe von Garantien und Patronatserklärungen eine Leitung der Tochtergesellschaft durch die Muttergesellschaft nach außen erkennbar ist.178 Zwar dürfte nach der Rechtsprechung des ­EuGH eine Berücksichtigung dieser Umstände nicht gänzlich ausscheiden, da sie durchaus nach außen hin erkennbar sind. Allerdings ist kaum anzunehmen, dass sie bei der vom ­EuGH geforderten Gesamtbetrachtung Umstände wie den für Dritte erkennbaren Verwaltungssitz oder den Ort der werbenden Tätigkeit überwiegen können. Denn gerade dem für Dritte erkennbaren Verwaltungssitz wollte der Unionsgesetzgeber nach Ansicht des ­EuGH „den Vorzug […] geben“.179 Hieraus folgt, dass diesem Umstand im Rahmen der erforder­ lichen Gesamtbetrachtung besonderes Gewicht beizumessen sein dürfte. ff) Bewertung Insgesamt erscheint die vom ­EuGH sowie nahezu allen mitgliedsstaatlichen Gerichten befürwortete Auslegung des Art. 3 Abs. 1 ­EuInsVO überzeugend. Dies gilt zunächst für die Feststellung des E ­ uGH, dass die internationale Zuständigkeit für jede „juristisch selbständige Einheit“ getrennt zu bestimmen ist.180 Denn der Erläuternde Bericht zum gescheiterten EuInsVÜ, welches nahezu identisch ist mit 173 ­EuGH, Urteil vom 20. Oktober 2011, Rs. C-396/09 – Interedil, ZIP 2011, 2153, 2157, Rdn. 52. 174 Vgl. AG Nürnberg, Beschluss vom 1. Oktober 2006, 8034 IN 1326/06, NZI 2007, 186, 187. 175 Vgl. Re Stanford International Bank Ltd, Urteil des High Court of Justice (Chancery Division) vom 3. Juli 2009, [2009] EWCH 1441 (Ch) Rdn. 11 und Rdn. 97. 176 Vgl. Arrondissementsgericht Amsterdam, Beschluss vom 31. Januar 2007, FT RK 08-93 und FT RK 07-122, ZIP 2007, 492, 494. 177 Siehe zu diesen Ansichten oben B. I. 2. b) cc) (1). 178 Siehe zu dieser Ansicht oben B. I. 2. b) cc) (1). 179 ­EuGH, Urteil vom 20. Oktober 2011, Rs. C-396/09 – Interedil, ZIP 2011, 2153, 2156 Rdn. 48. 180 So ­EuGH, Urteil vom 2. Mai 2006, Rs. C-341/04 – Eurofood, Slg. 2006 I-3813 Rdn. 30.

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der nunmehr geltenden ­EuInsVO,181 stellt unmissverständlich klar, dass mit dem EuInsVÜ keine Regelung für Unternehmenszusammenschlüsse getroffen werden sollte und deshalb das zuständige Gericht für jede einzelne juristische Person gesondert bestimmt werden muss.182 Ferner ist auch die Stärkung der Vermutung des Art. 3 Abs. 1 Satz 2 ­EuInsVO durch die Interedil-Entscheidung des E ­ uGH zu begrüßen, da nunmehr eine Bestimmung des Interessenmittelpunktes entbehrlich ist, sofern bei einer Gesellschaft Satzungssitz und für Dritte erkennbarer Verwaltungssitz im selben Staat liegen. Hierdurch wird ein erhöhtes Maß an Rechts­sicherheit ­ uGH geforgewährleistet. Zuzustimmen ist schließlich der nunmehr auch vom E derten, aber bereits zuvor von den mitgliedsstaatlichen Gerichten praktizierten Bestimmung des Interessenmittelpunktes mittels einer „Gesamtbetrachtung […] unter Berücksichtigung der Umstände des Einzelfalles“183, in welche alle „objektiven und […] für Dritte feststellbaren Elemente“184 wie beispielsweise der Ort der wirtschaftlichen Tätigkeit oder der Belegenheitsort von Vermögenswerten185 einfließen. Denn die Beschränkung auf für Dritte erkennbare Umstände ­ uInsVO Rechnung, wonach der Interessenmittelträgt Erwägungsgrund 13 zur E punkt für Dritte erkennbar sein muss. Sie entspricht zudem auch dem Zweck, welcher in dem Erläuternden Bericht zum insoweit identischen ­EuInsVÜ für die Anknüpfung an den Interessenmittelpunkt genannt ist. Hiernach ist die Insolvenz des Schuldners mit Risiken für die Gläubiger verbunden, weshalb es wichtig sei, dass die internationale Zuständigkeit „an einen Ort geknüpft wird, den die potentiellen Gläubiger des betreffenden Schuldners kennen“. So werde es ihnen ermöglicht, ihre „rechtlichen Risiken im Insolvenzfall“ einzuschätzen.186 Die Bedeutung der internationalen Zuständigkeit für die Beurteilung der rechtlichen Risiken der Gläubiger ergibt sich aus Art. 4 Abs. 1 ­EuInsVO, wonach auf das Insolvenzverfahren das Insolvenzrecht des Staates der Verfahrenseröffnung Anwendung findet. Die anzu­stellende Gesamtbetrachtung berücksichtigt, dass je nach ausgeübter Tätigkeit einer Gesellschaft den Faktoren, die aus Sicht außenstehender Dritter für die Bestimmung des Interessenmittelpunktes von Bedeutung sind, unterschiedliches Gewicht zukommen wird. So kann beispielsweise bei einer Gesellschaft, die zur Herstellung eines von ihr angebotenen Produkts umfangreiche Produktionsanlagen benötigt, der Standort dieser Anlagen den Interessenmittel 181

Kindler, Münchener Komm. z. BGB, ­IntInsR, ­EuInsVO Vor Art. 1 Rdn. 1. Virgós/Schmit, Erläuternder Bericht zu dem EU-Übereinkommen über Insolvenzverfahren, Rdn. 76. 183 So ­EuGH, Urteil vom 20. Oktober 2011, Rs. C-396/09 – Interedil, ZIP 2011, 2153, 2157 Rdn. 52. 184 So ­EuGH, Urteil vom 2. Mai 2006, Rs. C-341/04 – Eurofood, Slg. 2006 I-3813 Rdn. 33 zu den Anforderungen an die Umstände, die zur Widerlegung der Vermutung des Art. 3 Abs. 1 Satz 2 ­EuInsVO herangezogen werden können; ebenso ­EuGH, Urteil vom 20. Oktober 2011, Rs. C-396/09 – Interedil, ZIP 2011, 2153, 2156 f. Rdn. 52. 185 ­EuGH, Urteil vom 20. Oktober 2011, Rs. C-396/09 – Interedil, ZIP 2011, 2153, 2157 Rdn. 52. 186 Virgós/Schmit, Erläuternder Bericht zu dem EU-Übereinkommen über Insolvenzverfahren, Rdn. 75. 182

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punkt der Gesellschaft in den Augen Dritter prägen. Anders verhält es sich aber, sofern ein Unternehmen keine Produkte herstellt, sondern diese nur vertreibt und hierzu mit seinen Kunden lediglich über Fernkommunikationsmittel wie Internet oder Telefon in Kontakt tritt. Hier kommt dann der angegebenen Geschäftsanschrift oder der Bankverbindung erhöhtes Gewicht zu. Aus diesen Gründen ist es zu begrüßen, dass der ­EuGH sich nicht auf bestimmte einzelne Kriterien festgelegt hat, sondern im Einzelfall die Berücksichtigung aller für Dritte erkennbaren Umstände fordert. Zudem erschwert die Berücksichtigung mehrerer unterschiedlicher Kriterien die Manipulation des Interessenmittelpunktes und damit auch des anwendbaren Insolvenzrechts. So kann beispielsweise trotz der Verlegung des Tätigkeitsortes der Geschäftsleitung eine Wiederlegung der Vermutung des Art. 3 Abs. 1 Satz 2 ­EuInsVO ausscheiden, sofern die Gesellschaft im Staat des Satzungssitzes über umfangreiche Betriebsstätten verfügt. Eine gewisse Beständigkeit des Interessenmittelpunktes ist erforderlich, um entsprechend dem Zweck dieses Kriteriums den Gläubigern eine Beurteilung der Risiken zu ermöglichen, welche ihnen bei einer Insolvenz des Schuldners drohen. Dies zeigt sich auch in den Erwägungsgründen zur ­EuInsVO. So soll sich der Interessenmittelpunkt nach Erwägungsgrund 20 zur E ­ uInsVO dort befinden, wo der Schuldner seine Interes­ uInsVO als Ziel sen „gewöhnlich“ verwaltet. Ferner nennt Erwägunsgrund 4 zur E der Verordnung die Verhinderung von forum shopping. gg) Möglichkeit der Annahme eines einheitlichen Interessenmittelpunktes verschiedener Gesellschaften eines in mehreren Mitgliedsstaaten tätigen Konzerns Ein einheitlicher Interessenmittelpunkt mehrerer bzw. aller Gesellschaften eines in verschiedenen Mitgliedsstaaten tätigen Konzerns dürfte auf Grundlage des Art. 3 Abs. 1 ­EuInsVO allerdings nur schwer zu begründen sein. Denn bei einem solchen Konzern werden die einzelnen Gesellschaften zumeist nach dem Recht des Staates gegründet, in dem sie schwerpunktmäßig tätig sind.187 Liegen diese Tätigkeitsschwerpunkte dann in unterschiedlichen Staaten, so gilt Gleiches regel­ mäßig auch für den Satzungssitz. Ein gemeinsamer Interessenmittelpunkt und damit eine konzernweit einheitliche internationale Zuständigkeit kann damit nur angenommen werden, sofern bei allen oder zumindest nahezu allen188 dieser Ge 187

Vgl. Eidenmüller, ZGR 2006, 467, 483, wonach bei international tätigen Konzernen häufig „eine einheitliche Inkorporierung […] nicht angestrebt“ wird, beispielsweise „wenn die Tätigkeitsschwerpunkte der Gesellschaften klar in verschiedenen Mitgliedsstaaten liegen und jene dort ‚verwurzelt‘ sind (unterschiedlicher Marktauftritt, Kundenbeziehungen, Struktur der Belegschaft etc.)“. 188 Denkbar erscheint, dass der Satzungssitz einzelner Konzerngesellschaften, vor allem der Konzernmutter, als Interessenmittelpunkt anderer Konzerngesellschaften in Betracht kommt. Hier wäre dann für die erstgenannten Konzerngesellschaften die Widerlegung der Vermutung des Art. 3 Abs. 1 Satz 2 ­EuInsVO entbehrlich.

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sellschaften die Vermutung des Art. 3 Abs. 1 Satz 2 ­EuInsVO widerlegt werden kann. Nach der überzeugenden Rechtsprechung des ­EuGH ist hierfür zunächst erforderlich, dass sich der Tätigkeitsort der geschäftsführenden Organe dieser Gesellschaften nicht an deren jeweiligem Satzungssitz befindet. Zudem muss bei jeder dieser Gesellschaften eine Gesamtbetrachtung aller für Dritte erkennbaren Umstände, insbesondere des Ortes der werbenden Tätigkeit oder des Belegenheitsortes von Vermögensgegenständen, ergeben, dass alle diese Gesellschaften ihren Interessenmittelpunkt in demselben Staat haben. Da die Gründung der einzelnen Konzerngesellschaften in verschiedenen Staaten aber häufig gerade durch die Tätigkeitsschwerpunkte dieser Gesellschaften in den betreffenden Staaten veranlasst ist, dürfte die Zahl der Fälle, in denen die beiden genannten Voraussetzungen vorliegen, eher gering sein. Hingegen dürfte sich eine konzernweit einheitliche internationale Zuständigkeit deutlich leichter für solche Konzerngesellschaften begründen lassen, die ihren Satzungssitz in demselben Mitgliedsstaat haben. Denn in einem solchen Fall wäre die Vermutung des Art. 3 Abs. 1 Satz 2 ­EuInsVO sogar unwiderleglich, sofern zusätzlich auch die Geschäftsleitung für Dritte erkennbar im Staat des Satzungssitzes tätig ist. Aber selbst wenn die Vermutung widerleglich ist, sind die Anforderungen aufgrund der vom ­EuGH geforderten Gesamtbetrachtung relativ hoch.

hh) Verlagerung des Interessenmittelpunktes vor Stellung des Insolvenzantrags Sofern eine einheitliche internationale Zuständigkeit für die Insolvenzverfahren mehrerer Konzerngesellschaften nicht gegeben wäre, könnte versucht werden, im Hinblick auf ein drohendes Insolvenzverfahren die hierfür erforderlichen Voraussetzungen herbeizuführen. Angesichts der Stärkung der Vermutung des Art. 3 Abs. 1 Satz 2 ­EuInsVO durch die Interedil-Entscheidung des ­EuGH besteht ein solches Bedürfnis insbesondere in Fällen, in denen sich der Satzungssitz der einzelnen Konzerngesellschaften in verschiedenen Mitgliedsstaaten befindet. In diesen Fällen könnte versucht werden, die Voraussetzungen für eine Wider­ legung der Vermutung des Art. 3 Abs. 1 Satz 2 ­EuInsVO zu Gunsten eines gemeinsamen Interessenmittelpunktes aller Konzerngesellschaften zu schaffen. Sofern sich der Tätigkeitsort der Geschäftsleitung der einzelnen Konzerngesellschaften im Staat ihres Satzungssitzes befindet, müsste zunächst einmal dieser Tätigkeitsort verlegt werden. Allerdings zieht dies allein noch nicht die Verlagerung des COMI nach sich, vielmehr ist dieser dann im Wege der vom ­EuGH geforderten Gesamtbetrachtung zu ermitteln. Gegebenenfalls wäre hier auch noch die Änderung weiterer Umstände erforderlich, beispielsweise des Ortes der werbenden Tätigkeit oder des Belegenheitsortes des Gesellschaftsvermögens. Ein solches Vorgehen wird aber regelmäßig mit einem erheblichen zeitlichen und finanziellen Aufwand verbunden sein, weshalb es insbesondere im Hinblick auf eine bereits dro-

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hende Insolvenz kaum umzusetzen sein dürfte. Allenfalls bei Gesellschaften, die lediglich über wenige Mitarbeiter und leicht verlagerbare Vermögensgegenstände wie Bankguthaben oder Wertpapiere verfügen, erscheint ein solches Vorgehen praktikabel. Eine andere Möglichkeit bestünde darin, den Satzungssitz aller Konzern­ gesellschaften in denselben Staat zu verlegen und damit zu erreichen, dass nach Art. 3 Abs. 1 Satz 2 ­EuInsVO der Interessenmittelpunkt aller Konzerngesellschaften in demselben Mitgliedsstaat vermutet wird. Sofern zudem auch noch der Tätigkeitsort der Geschäftsleitung verlegt werden könnte, wäre sogar eine Widerlegung der Vermutung des Art. 3 Abs. 1 Satz 2 ­EuInsVO ausgeschlossen. In der Vergangenheit haben deutsche Kapitalgesellschaften bereits versucht, über eine Änderung des Satzungssitzes die Abwicklung des Insolvenzverfahrens über ihr Vermögen in England zu erreichen.189 Zwar ist es bei einer deutschen GmbH oder AG nicht möglich, den Satzungssitz unter Erhaltung der Identität der Gesellschaft in einen anderen Mitgliedsstaat zu verlegen.190 Vor der Umsetzung der Richt­ linie zur grenzüberschreitenden Verschmelzung191 wurde eine Satzungssitzverlegung aber erreicht, indem die GmbH oder AG in eine KG umgewandelt wurde, in die dann eine englische Limited als Komplementärin eintrat. Anschließend schieden bis auf diese Gesellschaft alle anderen Gesellschafter aus, wodurch das Gesellschaftsvermögen der englischen Gesellschaft analog § 738 BGB anwuchs.192 Nach der Umsetzung der Richtlinie zur grenzüberschreitenden Verschmelzung kann eine deutsche Kapitalgesellschaft nunmehr nach den §§ 122a ff. UmwG auf eine ausländische Kapitalgesellschaft verschmolzen werden. Deshalb könnte beispielsweise eine deutsche Kapitalgesellschaft eine Tochtergesellschaft in England gründen und sich anschließend auf diese englische Tochtergesellschaft verschmelzen. Dies entspricht dann im Ergebnis einer Umwandlung in eine ausländische Gesellschaftsform.193 Da die Richtlinie zur grenzüberschreitenden Verschmelzung gem. ihres Art. 19 Abs. 1 bis spätestens Dezember 2007 von den Mitglieds 189 Zu den aus Sicht der Schuldnergesellschaft bestehenden Vorzügen des englischen Insolvenzrechts siehe Weller, ZGR 2008, 835, 838 ff.; Vallender, NZI 2007, 129, 131; Knof, ZInsO 2007, 629, 630; durch das ESUG dürften einige dieser „Vorteile“ des englischen Insolvenzrechts gegenüber dem deutschen Insolvenzrecht entfallen sein, da jetzt insbesondere auch ein „debt-equity-swap“ im Insolvenzplanverfahren möglich ist, vgl. § 225a Abs. 2 InsO. 190 OLG München, Beschluss vom 4. Oktober 2007, 31 Wx 036/07, NZG 2007, 915 f.; ­BayObLG, Beschluss vom 11. Februar 2004, 3Z BR 175/03, DStR 2004, 1224 f.; Weller, DStR 2004, 1218, 1219; ders., ZGR 2008, 835, 862; die Zulassung einer identitätswahrenden Satzungssitzverlegung in einen anderen Mitgliedsstaat ist auch nicht durch die Niederlassungsfreiheit geboten, vgl. Kindler, Münchener Komm. z. BGB, IntGesR Rdn. 531 m. w. N. 191 Richtline 2005/56/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 26. Oktober 2005 über die Verschmelzung von Kapitalgesellschaften aus verschiedenen Mitgliedsstaaten, Amtsblatt der Europäischen Union L 310 vom 25. November 2005, S. 1 ff. 192 So wurde nach Weller, ZGR 2008, 835, 863 in den Fällen Brochier und Deutsche Nickel vorgegangen; diese Gestaltungsvariante schildern auch Vallender, NZI 2007, 129, 131; Knof, ZInsO 2007, 629, 631. 193 Forsthoff, DStR 2006, 613, 614.

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staaten umzusetzen war, dürften entsprechende Möglichkeiten auch für Kapitalgesellschaften bestehen, die in einem anderen Mitgliedsstaat gegründet wurden. Allerdings wurde eine solche Umwandlung in eine ausländische Gesellschafts­ uGH als nicht ausreichend form allein schon vor der Interedil-Entscheidung des E angesehen, um die Zuständigkeit der Gerichte des Staates des Satzungssitzes ­ uGH die Vermuzu begründen.194 Durch die Interedil-Entscheidung hat der E tung des Art. 3 Abs. 1 Satz 2 ­EuInsVO zwar gestärkt, allerdings ist eine Widerlegung der Vermutung nach wie vor möglich, sofern sich der für Dritte erkennbare Tätigkeitsort der Geschäftsleitung außerhalb des Staates des Satzungssitzes befindet und auch eine Gesamtbetrachtung aller übrigen Umstände gegen die Ver­ ortung des Interessenmittelpunktes am Satzungssitz spricht. Deshalb erscheint eine Verlegung des Satzungssitzes allein nach wie vor nicht ausreichend, um die internationale Zuständigkeit nach Art. 3 Abs. 1 ­EuInsVO zu ändern. Anders verhält es sich aber, sofern beispielsweise zusätzlich auch der Tätigkeitsort der Geschäftsleitung verlegt wird. Denn dann ist eine Widerlegung der Vermutung des Art. 3 Abs. 1 Satz 2 ­EuInsVO nunmehr sogar ausgeschlossen. Allerdings nimmt eine Verlegung des Satzungssitzes mittels der geschilderten gesellschaftsrechtlichen Maßnahmen einige Wochen bzw. Monate in Anspruch.195 Zudem dauert auch eine Änderung der übrigen für die Bestimmung des Interessenmittelpunktes relevanten Umstände, beispielsweise die Verlegung des Tätigkeitsortes der Geschäftsleitung, eine gewisse Zeit und erfordert zusätzlich auch finanzielle Mittel. Insgesamt dürfte damit auch die Herbeiführung einer konzernweit einheitlichen internationalen Zuständigkeit mittels einer Änderung des Satzungssitzes der einzelnen Konzerngesellschaften allenfalls bei einer rechtzeitigen Planung der Insolvenz möglich sein. c) Sekundärinsolvenzverfahren Eine konzernweit einheitliche internationale Zuständigkeit dürfte somit in vielen Fällen nicht gegeben sein. Aber selbst wenn eine solche einheitliche interna­ tionale Zuständigkeit im Einzelfall bestehen würde, beispielsweise weil im Vorfeld der Insolvenz durch eine Verlegung des Satzungssitzes einzelner Konzerngesellschaften die hierfür erforderlichen Voraussetzungen geschaffen wurden, erscheint 194 So Hans Brochier Holdings Ltd. v. Exner, Urteil des High Court of Justice (Chancery Division) vom 15. August 2006, [2006] EWHC 2594 (Ch) Rdn. 24 ff. mit der Begründung, dass der weit überwiegender Teil der Angestellten in Deutschland tätig war, sich die Verwaltung der Gesellschaft dort befand, der Zahlungsverkehr der Gesellschaft über deutsche Konten abge­ wickelt wurde und auch die wesentlichen Gläubiger der Gesellschaft in Deutschland ansässig waren. Das AG Nürnberg, Beschluss vom 1. Oktober 2006, 8034 IN 1326/06, NZI 2007, 186 f. bejahte dementsprechend seine internationale Zuständigkeit und stellte darüberhinaus auch fest, dass es sich bei der von der Gesellschaft in England angegebenen Adresse um diejenige einer Anwaltskanzlei handelte. 195 Eidenmüller, ZGR 2006, 467, 482.

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zweifelhaft, ob damit immer auch eine Abwicklung des gesamten konzernweit vorhandenen Vermögens vor den Gerichten eines Mitgliedsstaates unter Anwendung des dortigen Insolvenzrechts erreicht wäre. Denn in solchen Fällen könnte gem. Art. 3 Abs. 2, Abs. 3 ­EuInsVO die Eröffnung eines Sekundärinsolvenzverfahrens möglich sein. Ein Sekundärinsolvenzverfahren ist ein sog. Territorialinsolvenzverfahren,196 bei dem die Wirkungen des Verfahrens gem. Art. 3 Abs. 2 Satz 2 ­EuInsVO auf das im Gebiet des Staates der Verfahrenseröffnung belegene Vermögen beschränkt sind. Hinsichtlich dieses Vermögens werden gem. Art. 17 Abs. 1 ­EuInsVO die Beschlagswirkungen des Hauptinsolvenzverfahrens suspendiert.197 Nach Art. 28 ­EuInsVO findet auf das Sekundärinsolvenzverfahren das Recht desjenigen Mitgliedsstaates Anwendung, in dessen Gebiet das Sekundärinsolvenzverfahren eröffnet worden ist. Durch die Eröffnung eines Sekundärinsolvenzverfahrens wird also ein Teil des Vermögens des Insolvenzschuldners in einem getrennten Verfahren nach einem im Vergleich zum Hauptinsolvenzverfahren unterschiedlichen Recht verwaltet und abgewickelt. Damit schränkt die Möglichkeit der Eröffnung eines Sekundärinsolvenzverfahrens das von der ­EuInsVO im Grundsatz verfolgte Universalitätsprinzip ein,198 um auf diese Weise den Schutzinteressen der inländischen Gläubiger Rechnung zu tragen und den Verwalter des Hauptinsolvenzverfahrens bei seiner Tätigkeit zu unterstützen.199 aa) Voraussetzungen für die Eröffnung eines Sekundärinsolvenzverfahrens Wie sich bereits aus dem Wortlaut des Art. 3 Abs. 3 ­EuInsVO ergibt, setzt die Eröffnung eines Sekundärinsolvenzverfahrens voraus, dass zuvor in einem anderen Mitgliedsstaat ein Hauptinsolvenzverfahren gem. Art. 3 Abs. 1 ­EuInsVO eröffnet worden ist.200 Ob das Gericht bei der Eröffnung des Hauptinsolvenzverfahrens seine internationale Zuständigkeit zu Recht oder zu Unrecht angenommen hat, darf von dem Insolvenzgericht, welches über die Eröffnung des Sekundärinsolvenzverfahrens zu entscheiden hat, nicht mehr überprüft werden.201 Ebenfalls einer Prüfung durch das für die Eröffnung des Sekundärinsolvenzverfahrens zuständige Gericht entzogen ist gem. Art. 27 Satz 1 ­EuInsVO die Frage, ob der Schuldner 196

So die Bezeichnung bei Pannen, in: Pannen, Komm. z. ­EuInsVO, Art. 3 Rdn. 123. Duursma-Kepplinger, in: Duursma-Kepplinger/Duursma/Chalupsky, Komm. z. ­EuInsVO, Art. 3 Rdn. 8. 198 Leible/Staudinger, KTS 2000, 533, 537 f. 199 Reinhart, Münchener Komm. z. InsO, ­EuInsVO Art. 27 Rdn. 4 ff.; Duursma-Kepplinger, in: Duursma-Kepplinger/Duursma/Chalupsky, Komm. z. ­EuInsVO, Art. 27 Rdn. 2. 200 Reinhart, Münchener Komm. z. InsO, ­EuInsVO Art. 27 Rdn. 7; Herchen, in: Pannen, Komm. z. ­EuInsVO, Art. 27 Rdn. 19; Vallender, KTS 2005, 283, 300 f. 201 AG Köln, Beschluss vom 23. Januar 2004, 71 IN 1/04, NZI 2004, 151, 152; AG Düsseldorf, Beschluss vom 12. März 2004, 502 IN 126/03, NZI 2004, 269, 270; Reinhart, Münchener Komm. z. InsO, ­EuInsVO Art. 27 Rdn. 7; Vallender, KTS 2005, 283, 301. 197

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tatsächlich insolvent ist. Vielmehr stellt die Eröffnung eines Hauptinsolvenzverfahrens in Bezug auf das Sekundärinsolvenzverfahren einen eigenständigen Eröffnungsgrund dar, auch wenn das im Sekundärinsolvenzverfahren anwendbare Recht den bei der Eröffnung des Hauptverfahrens festgestellten Insolvenzgrund nicht kennt.202 Ferner muss der Schuldner in dem Staat, in dem das Sekundärinsolvenzverfahren eröffnet werden soll, gem. Art. 3 Abs. 2 ­EuInsVO über eine Niederlassung verfügen. Art. 2 lit. h) ­EuInsVO definiert als Niederlassung jeden Tätigkeitsort, an dem der Schuldner einer wirtschaftlichen Aktivität von nicht vorübergehender Art nachgeht, die den Einsatz von Personal und Vermögenswerten voraussetzt. Eine wirtschaftliche Tätigkeit ist jede Tätigkeit, die auf einen Vermögensausgleich gerichtet ist,203 einer Gewinnerzielungsabsicht bedarf es nicht.204 Aus dem Erfordernis, dass diese Tätigkeit nicht nur vorübergehend sein darf, folgt, dass eine gewisse Dauerhaftigkeit zu verlangen ist, wobei eine zeitliche Mindestanforderung nicht abstrakt formuliert werden kann.205 Dies ist vielmehr eine Sache des Einzelfalles. Teilweise wird es schon für ausreichend gehalten, dass die Tätigkeit auf Dauer angelegt ist.206 Schließlich muss die wirtschaftliche Tätigkeit auch unter dem Einsatz von Personal und Vermögenswerten erfolgen. Damit soll sichergestellt werden, dass ein Mindestmaß an Organisation nach außen erkennbar ist.207 Als Personal im Sinne des Art. 2 lit. h) ­EuInsVO sind nur solche Personen anzusehen, die aus Sicht eines außenstehenden Dritten für den Schuldner auftreten und für ihn tätig werden. Ob es sich hierbei um Arbeitnehmer des Schuldners oder um andere Personen handelt, die lediglich aufgrund eines Auftrages oder Geschäftsbesorgungsvertrages für ihn tätig werden, ist nicht entscheidend.208 Lediglich erkennbar vom Schuldner unabhängige Personen wie Handelsvertreter, Vertriebshändler oder selbständige Handelsmakler sind kein vom Schuldner eingesetztes Personal im Sinne des Art. 2 lit. h) ­EuInsVO.209 Hinsichtlich der Vermögenswerte ist erforderlich, dass diese vom Schuldner im Rahmen einer wirtschaftlichen Tätigkeit in dem betreffenden Staat eingesetzt werden. Fehlt es an einem solchen Einsatz der Vermögens 202

Herchen, in: Pannen, Komm. z. ­EuInsVO, Art. 27 Rdn. 30; Wimmer, ZIP 1998, 982, 986; Kindler, Münchener Komm. z. BGB, ­IntInsR, ­EuInsVO Art. 27 Rdn. 20; im Ergebnis ebenso Reinhart, Münchener Komm. z. InsO, ­EuInsVO Art. 27 Rdn. 16, der davon ausgeht, dass mit der Eröffnung des Hauptinsolvenzverfahrens der Eröffnungsgrund für das Sekundärinsolvenzverfahren unwiderleglich vermutet wird. 203 Uhlenbruck/Lüer, Komm. z. InsO, ­EuInsVO Art. 2 Rdn. 15.  204 Reinhart, Münchener Komm. z. InsO, E ­ uInsVO Art. 2 Rdn. 28; Uhlenbruck/Lüer, Komm. z. InsO, ­EuInsVO Art. 2 Rdn. 15; Lüke, ZZP 111 (1998), 275, 299. 205 Kindler, Münchener Komm z. BGB, ­IntInsR, ­EuInsVO Art. 2 Rdn. 25. 206 So Uhlenbruck/Lüer, Komm. z. InsO, ­EuInsVO Art. 2 Rdn. 15. 207 Virgós/Schmit, Erläuternder Bericht zu dem EU-Übereinkommen über Insolvenzverfahren, Rdn. 71. 208 Reinhart, Münchener Komm. z. InsO, E ­ uInsVO Art. 2 Rdn. 30; Uhlenbruck/Lüer, Komm. z. InsO, ­EuInsVO Art. 2 Rdn. 16.  209 Huber, in: Haß/Huber/Gruber/Heiderhoff, Komm. z. ­EuInsVO, Art. 2 Rdn. 8; Reinhart, Münchener Komm. z. InsO, ­EuInsVO Art. 2 Rdn. 30.

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werte im Rahmen der wirtschaftlichen Aktivität, so können diese Vermögenswerte die Annahme einer Niederlassung nicht rechtfertigen.210 Denn es wurde bewusst davon abgesehen, allein das Vorhandensein von Vermögenswerten für die Eröffnung eines Sekundärinsolvenzverfahrens ausreichen zu lassen.211 Die Eröffnung eines Sekundärinsolvenzverfahrens könnte allerdings unzulässig sein, sofern sich nahezu das gesamte Vermögen des Schuldners im potentiellen Sekundärverfahrensstaat befindet. Eine solche Situation kann beispielsweise gegeben sein, weil die schuldnerische Gesellschaft zwar im potentiellen Sekundärverfahrensstaat schwerpunktmäßig werbend tätig ist, sich aber ihr Satzungssitz in einem anderen Mitgliedsstaat befindet und die dortigen Gerichte deshalb ein Hauptinsolvenzverfahren eröffnet haben. Denn hier könnte wegen der Massearmut des Hauptverfahrens dessen Bedeutung zu Gunsten des Sekundärverfahrens ausgehöhlt werden. Allerdings wird dem Gedanken des Vorrangs bzw. der Leitfunktion des Haupt­ insolvenzverfahrens durch die territoriale Beschränkung der Wirkungen des Sekun­ därverfahrens und die Befugnisse des Verwalters des Hauptinsolvenzverfahrens nach den Art. 31 ff. ­EuInsVO Rechnung getragen.212 Zudem erscheint eine solche Konstellation auch als notwendige Folge der gem. Art. 16 ­EuInsVO bestehenden Pflicht der mitgliedsstaatlichen Gerichte, ein einmal eröffnetes Hauptinsolvenzverfahren ohne eigene Prüfung anzuerkennen, sofern kein Verstoß gegen den ordre public gem. Art. 26 EuInsVO vorliegt. Die Eröffnung eines Sekundärinsolvenzverfahrens ist in diesen Fällen folglich zulässig. Eine rechtlich selbständige Tochtergesellschaft kann aber nicht als Niederlassung ihrer Muttergesellschaft angesehen werden, da der Verordnungsgeber bewusst von der Einführung spezieller Regelungen für eine „Konzerninsolvenz“ abgesehen hat.213 Zudem würde es anderenfalls faktisch zu einer Zusammenfassung der Insolvenzmassen kommen, da beispielsweise ein im Insolvenzverfahren der Tochtergesellschaft erzielter Überschuss gem. Art. 35 ­EuInsVO an den Insolvenzverwalter der Konzernmutter auszukehren wäre.214 Ferner könnten die Gläubiger einer Gesellschaft ihre Forderungen auch im Verfahren der jeweils anderen Gesellschaft anmelden, vgl. Art. 32 Abs. 1 ­EuInsVO. Bei dem Sekundärinsolvenzverfahren muss es sich gem. Art. 3 Abs. 3 Satz 2 ­ uInsVO um ein Liquidationsverfahren handeln. Ein Liquidationsverfahren ist E gem. Art. 2 lit. c) ­EuInsVO ein Insolvenzverfahren im Sinne des Art. 2 lit. a) ­EuInsVO, das zur Liquidation des Schuldnervermögens führt, und zwar auch dann, wenn dieses Verfahren durch einen Vergleich oder eine andere die Insolvenz des Schuldners beendende Maßnahme oder wegen unzureichender Masse 210

Reinhart, Münchener Komm. z. InsO, ­EuInsVO Art. 2 Rdn. 31. Virgós/Schmit, Erläuternder Bericht zu dem EU-Übereinkommen über Insolvenzverfahren, Rdn. 70; Wimmer, ZIP 1998, 982, 985; Riedemann, in: Pannen, Komm. z. ­EuInsVO, Art. 2 Rdn. 46; Duursma-Kepplinger, in: Duursma-Kepplinger/Duursma/Chalupsky, Komm. z. ­EuInsVO, Art. 2 Rdn. 22. 212 Sabel, NZI 2004, 126, 127; Vallender, KTS 2005, 283, 303. 213 Duursma-Kepplinger, in: Duursma-Kepplinger/Duursma/Chalupsky, Komm. z. ­EuInsVO, Art. 2 Rdn. 29; Kindler, Münchener Komm. z. BGB, ­IntInsR, ­EuInsVO Art. 2 Rdn. 28. 214 Riedemann, in: Pannen, Komm. z. ­EuInsVO, Art. 2 Rdn. 63. 211

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beendet wird. Zur Beantwortung der Frage, welche mitgliedsstaatlichen Verfahrensarten „Liquidationsverfahren“ im Sinne dieser Bestimmung sind, wird auf die Liste in Anhang B zur ­EuInsVO verwiesen. Die Beschränkung des Sekundär­ uInsVO genannten Verfahrensarinsolvenzverfahrens auf die in Anhang B zur E ten wird in Art. 27 Satz 2 ­EuInsVO wiederholt. In der Aufzählung in Anhang B der ­EuInsVO sind aber auch sog. Gesamtverfahren genannt, welche ergebnisoffen ausgestaltet sind, wo also mit der Eröffnung eines solchen Verfahrens noch nicht darüber entschieden ist, ob die Liquidation oder die Sanierung das Ziel dieses Verfahrens ist. Ein Beispiel hierfür ist das deutsche Insolvenzverfahren. Wird ein solches Verfahren als Sekundärinsolvenzverfahren eröffnet, so könnte aus Art. 3 Abs. 3 Satz 2 ­EuInsVO bzw. Art. 2 lit. c) ­EuInsVO folgen, dass das Ziel dieses Verfahrens zwingend die Liquidation des Schuldners sein muss. Eine in einem solchen Verfahren grundsätzlich mögliche Sanierung des Schuldners wäre also ausgeschlossen, sofern es als Sekundärinsolvenzverfahren eröffnet wird. Hier­ gegen spricht aber, dass die ­EuInsVO selbst in Art. 34 Abs. 1 ­EuInsVO davon ausgeht, dass ein Sekundärinsolvenzverfahren ohne Liquidation durch einen Sanierungsplan, einen Vergleich oder eine ähnliche Maßnahme beendet werden kann.215 Zudem wird auch in Erwägungsgrund 20 zur ­EuInsVO erwähnt, dass in diesem Verfahren ein Sanierungsplan vorgeschlagen werden kann. Eine Sanierung ist deshalb auch im Sekundärinsolvenzverfahren grds. möglich.216 Diese Sicht wird auch vom deutschen Gesetzgeber geteilt, der in Art. 102 § 9 EGInsO anordnet, dass ein im Sekundärinsolvenzverfahren217 beschlossener Insolvenzplan, welcher die Rechte der Gläubiger einschränkt, vom Insolvenzgericht nur bestätigt werden darf, wenn alle betroffenen Gläubiger zugestimmt haben. Sofern über eine Konzerngesellschaft, die in einem Mitgliedsstaat schwerpunktmäßig werbend tätig ist, in einem anderen Mitgliedsstaat das Insolvenzverfahren eröffnet wird, zum Beispiel weil sich dort der Satzungssitz der Gesellschaft befindet oder weil die Vermutung des Art. 3 Abs. 1 Satz 2 ­EuInsVO als widerlegt angesehen wurde, so dürften im Staat des Schwerpunktes der werbenden Tätigkeit die genannten Voraussetzungen für die Eröffnung eines Sekundärinsolvenzverfahrens zumeist vorliegen. Auch dürfte regelmäßig eine nach Art. 29 ­EuInsVO hierzu berechtigte Person die Eröffnung eines Sekundärinsolvenzverfahrens beantragen. So werden die im potentiellen Sekundärverfahrensstaat ansässigen Gläubiger vielfach daran interessiert sein, dass in diesem Staat ein Sekundärinsolvenzverfahren nach dem dort geltenden und ihnen bekannten Insolvenzrecht eröffnet wird. In einem 215

Commandeur, in: Nerlich/Römermann, Komm. z. InsO, ­EuInsVO Art. 27 Rdn. 10; Heiderhoff, in: Haß/Huber/Gruber/Heiderhoff, Komm. z. ­EuInsVO, Art. 27 Rdn. 12. 216 Im Ergebnis ebenso Reinhart, Münchener Komm. z. InsO, ­EuInsVO Art. 27 Rdn. 21. 217 Seinem Wortlaut nach erfasst die Norm sowohl Haupt- als auch Sekundärverfahren, allerdings ergibt sich aus der Gesetzesbegründung eindeutig, dass die Norm die Regelung des Art. 34 Abs. 2 ­EuInsVO in das nationale Recht umsetzen und deshalb nur für Sekundärinsolvenzverfahren gelten soll, vgl. Begründung zu Art. 102 § 9 RegE-EGInsO, BT-Drucks. 15/16, S. 17; ebenso Reinhart, Münchener Komm. z. InsO, EGInsO Art. 102 § 9 Rdn. 3; Uhlenbruck/ Lüer, Komm. z. InsO, EGInsO Art. 102 § 9 Rdn. 2.

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solchen Fall werden sie dann von einem ihnen nach Art. 29 lit. b) ­EuInsVO in Verbindung mit dem jeweiligen nationalen Insolvenzrecht zustehenden Antragsrecht Gebrauch machen. Aber auch der nach Art. 29 lit. a) ­EuInsVO antragsberechtigte Verwalter des Hauptverfahrens kann sich veranlasst sehen, die Eröffnung eines Sekundärinsolvenzverfahrens zu beantragen. Denn gem. Art. 5 Abs. 1 ­EuInsVO bleiben dingliche Rechte an Gegenständen des Schuldners, die sich zum Zeitpunkt der Verfahrenseröffnung im Gebiet eines anderen Mitgliedsstaates befinden, von der Verfahrenseröffnung unberührt. Dies bedeutet, dass diese dinglichen Rechte weder den insolvenzrechtlichen Beschränkungen nach dem Insolvenzrecht des Hauptverfahrens noch denjenigen nach dem Insolvenzrecht des Belegenheitsstaates unterstehen.218 Will der Verwalter des Hauptverfahrens diese dinglichen Rechte dem Insolvenzbeschlag unterstellen, so kann er dies nur durch die Beantragung der Eröffnung eines Sekundärinsolvenzverfahrens erreichen.219 Wird ein Sekundärinsolvenzverfahren eröffnet und war die Gesellschaft im Sekundärverfahrensstaat schwerpunktmäßig wirtschaftlich tätig, so wird ein Großteil des Vermögens der betreffenden Gesellschaft in die Masse des Sekundärinsolvenzverfahrens fallen. Denkbar erscheint sogar, dass nahezu das gesamte Vermögen einer Konzerngesellschaft im Sekundärinsolvenzverfahren verwaltet wird. Sofern 218 Die Auslegung des Art. 5 Abs. 1 E ­ uInsVO ist umstritten. Nach wohl überwiegender Ansicht ist Art. 5 E ­ uInsVO eine Sachnorm, die anordnet, dass dingliche Rechte an Gegenständen, die nicht im Eröffnungsstaat des Hauptinsolvenzverfahrens belegen sind, durch die Eröffnung dieses Hauptinsolvenzverfahrens weder den insolvenzrechtlichen Beschränkungen nach dem Insolvenzrecht des Hauptverfahrens noch denen nach dem Insolvenzrecht des Belegenheitsstaates unterstellt werden (so Reinhart, Münchener Komm. z. InsO, ­EuInsVO Art. 5 Rdn. 13; Kindler, Münchener Komm. z. BGB, ­IntInsR, ­EuInsVO Art. 5 Rdn. 22 f.; Duursma-Kepplinger, in: Duursma-Kepplinger/Duursma/Chalupsky, Komm. z. ­EuInsVO, Art. 5 Rdn. 18 ff.). Eine andere Ansicht geht hingegen davon aus, dass Art. 5 ­EuInsVO als eine Kollisionsnorm zu verstehen ist, die auf das Recht des Belegenheitsstaates des Gegenstandes einschließlich der dort geltenden insolvenzrechtlichen Bestimmungen verweise. Die Bestimmung sei also so zu lesen, dass das dingliche Recht von der Verordnung und nicht von der Verfahrenseröffnung unberührt bleibe (Flessner, FS Drobnig (1998), 277, 281 ff., insbes. S. 287; Oberhammer, ­ZInsO 2004, 761, 772). Einer vermittelnden Ansicht nach soll das Recht des Belegenheitsstaates sowohl über das Bestehen des Sicherungsrechts als auch über die Art seiner Behandlung im Insolvenzfalle, nämlich im Wege der Aussonderung oder Absonderung, entscheiden. Der weitere Fortgang, insbesondere die Abwicklung der Aus- bzw. Absonderung, richte sich aber nach dem Verfahrensrecht des Hauptverfahrensstaates (Huber, in: Geimer/Schütze, Internationaler Rechtsverkehr in Zivil- und Handelssachen, ­EuInsVO Art. 5 Rdn. 25). Zwar ist es rechtpolitisch wünschenswert, dass der Insolvenzbeschlag des Hauptinsolvenzverfahrens auch dingliche Sicherungsrechte an Gegenständen erfasst, die sich in einem anderen Mitgliedsstaat befinden. Allerdings spricht Erwägungsgrund 25 zur E ­ uInsVO davon, dass ein besonderes Bedürfnis für ein Sekundärinsolvenzverfahren dann bestünde, wenn an Vermögensgegenständen in einem Mitgliedsstaat dingliche Rechte bestehen, das Hauptinsolvenzverfahren aber in einem anderen Mitgliedsstaat stattfindet. Ein solches Bedürfnis würde aber entfallen, wenn diese dinglichen Sicherheiten bereits vom Insolvenzbeschlag des Hauptverfahrens erfasst würden. Deshalb ist die überwiegende Ansicht de lege lata vorzugswürdig. 219 So auch die Empfehlung bei Virgós/Schmit, Erläuternder Bericht zu dem EU-Übereinkommen über Insolvenzverfahren, Rdn. 98.

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nun bei einem Konzern, dessen Gesellschaften in verschiedenen Mitgliedsstaaten tätig sind, gleichwohl alle Hauptinsolvenzverfahren gem. Art. 3 Abs. 1 ­EuInsVO in einem Mitgliedsstaat eröffnet werden und es anschließend zur Eröffnung von Sekundärinsolvenzverfahren in weiteren Mitgliedsstaaten kommt, so entspricht die Lage weitgehend derjenigen, die ohne die Annahme einer konzernweit einheitlichen internationalen Zuständigkeit bestünde. Denn es werden nun ebenfalls in verschiedenen Mitgliedsstaaten von verschiedenen Gerichten Insolvenzverfahren über das Vermögen der einzelnen Konzerngesellschaften eröffnet. Der Unterschied besteht lediglich darin, dass es sich nicht um mehrere in verschiedenen Mitgliedsstaaten eröffnete Hauptinsolvenzverfahren, sondern um Haupt- und Sekundärinsolvenzverfahren handelt. Gleichwohl könnten durch die Eröffnung von Sekundärinsolvenzverfahren die Vorteile, die eine konzernweit einheitliche internationale Zuständigkeit mit sich brächte, wieder entfallen. bb) Verhältnis zwischen Haupt- und Sekundärinsolvenzverfahren Zwar sind das Haupt- und das Sekundärinsolvenzverfahren im Grundsatz zwei selbständige Insolvenzverfahren, die von unterschiedlichen Gerichten eröffnet und nach verschiedenen Sachrechten durchgeführt werden.220 Allerdings betreffen beide Verfahren denselben Insolvenzschuldner, weshalb sie nicht vollständig unabhängig voneinander abgewickelt werden können, sondern aufeinander abgestimmt werden müssen. Erwägungsgrund 20 zur ­EuInsVO erkennt diesen Koordinationsbedarf und spricht davon, dass eine „enge Zusammenarbeit der verschiedenen Verwalter, die insbesondere einen hinreichenden Informationsaustausch beinhalten muss“, Voraussetzung einer solchen Koordination ist. Gleichzeitig wird dem Hauptinsolvenzverfahren eine „dominierende“ Rolle zugewiesen. Diese ­abstrakten Vorgaben werden sodann in den Art. 31 ff. ­EuInsVO konkretisiert. Sofern diese Vorschriften eine effektive Koordination von Haupt- und Sekundärinsolvenzverfahren ermöglichen würden, könnte sich eine konzernweit einheitliche internationale Zuständigkeit trotz der Eröffnung von Sekundärinsolvenzverfahren als vorteilhaft erweisen. (1) Kooperations- und Unterrichtungspflicht der beteiligten Verwalter gem. Art. 31 ­EuInsVO In Art. 31 ­EuInsVO werden zunächst Kooperations- und Informationspflichten der Verwalter von Haupt- und Sekundärinsolvenzverfahren geregelt. Gem. Art. 31 Abs. 1 Satz 1 ­EuInsVO besteht für beide Verwalter die Pflicht zur gegenseitigen Unterrichtung. Nach Art. 31 Abs. 1 Satz 2 ­EuInsVO haben sie einander unverzüglich alle Informationen mitzuteilen, die für das andere Verfahren von Bedeutung 220

Staak, NZI 2004, 480 f.; Reinhart, Münchener Komm. z. InsO, ­EuInsVO Art. 27 Rdn. 1.

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sein können, insbesondere den Stand der Anmeldung und Prüfung der Forderungen sowie alle Maßnahmen zur Beendigung eines Insolvenzverfahrens. Des Weiteren bezieht sich die Unterrichtungspflicht auf geplante oder eingereichte Zahlungs- oder Anfechtungsklagen, bestehende Möglichkeiten der Masseverwertung, die Rangfolge der Gläubiger, geplante Sanierungsmaßnahmen sowie allgemein den Stand des jeweiligen Verfahrens.221 Wie weit die Unterrichtungspflicht hinsichtlich dieser Punkte allerdings reichen sollte, wird unterschiedlich beurteilt. Teilweise wird als eine „Faustregel“ postuliert, dass die Verwalter lieber zu viel als zu wenig mitteilen sollten.222 Dies sei notwendig, um die Effizienz der Verfahrensabwicklung nicht zu gefährden.223 Überzeugender erscheint es jedoch, die Informationspflicht auf solche Umstände zu beschränken, die bedeutende Teile der Masse oder wichtige verfahrensleitende Entscheidungen betreffen. Denn dadurch wird vermieden, dass die Verwalter einander Informationen übermitteln, die für die jeweiligen Verfahren irrelevant sind, was der Empfänger einer solchen Information aber möglicherweise erst nach einer zeitraubenden Prüfung erkennt. Dies würde die Verwaltertätigkeit unnötig erschweren.224 Auch würden in diesen Fällen, beispielsweise wenn die Verwalter der jeweils anderen Verfahrenssprache nicht mächtig sind, unnötige Kosten für die Übersetzung einzelner Dokumente anfallen. Sollten professionelle Übersetzungsarbeiten allerdings erforderlich sein, so ist fraglich, wer die hierfür anfallenden Kosten trägt. Teilweise wird angenommen, dass diese Kosten zu Lasten der Auskunft erteilenden Masse gingen, da deren Verwalter auch die Auskunftspflicht obliege.225 Hiergegen spricht jedoch, dass der Empfänger der jeweiligen Information besser beurteilen kann, ob er eine solche Übersetzung überhaupt benötigt oder nicht. Denn vielleicht verfügt er selbst bzw. einer seiner Mitarbeiter über entsprechende Sprachkenntnisse. Ferner können durch eine Kostentragungspflicht des Empfängers unnötige Anfragen und daraus resultierende Kosten besser verhindert werden, da der Anfragende dann einen Anreiz hat, von solchen Anfragen abzusehen. Vorzugswürdig erscheint daher eine Kostentragungspflicht der Insolvenzmasse, deren Verwalter die Information erhält.226 Schließlich steht die Unterrichtungspflicht des Art. 31 Abs. 1 ­EuInsVO auch unter dem Vorbehalt der „Vorschriften über die Einschränkung der Weitergabe von Informationen“. Hiermit sind die im jeweiligen Verfahrensstaat gelten 221 Virgós/Schmit, Erläuternder Bericht zu dem EU-Übereinkommen über Insolvenzverfahren, Rdn. 230; Duursma-Kepplinger/Chalupsky, in: Duursma-Kepplinger/Duursma/Chalupsky, Komm. z. ­EuInsVO, Art. 31 Rdn. 9; Pannen/Riedemann, in: Pannen, Komm. z. ­EuInsVO, Art. 31 Rdn. 22. 222 Paulus, Komm. z. ­EuInsVO, Art. 31 Rdn. 9. 223 Kindler, Münchener Komm. z. BGB, ­IntInsR, ­EuInsVO Art. 31 Rdn. 11. 224 Ebenso Wimmer, ZIP 1998, 982, 987; Pannen/Riedemann, in: Pannen, Komm. z. E ­ uInsVO, Art. 31 Rdn. 24; Duursma-Kepplinger/Chalupsky, in: Duursma-Kepplinger/Duursma/Chalupsky, Komm. z. ­EuInsVO, Art. 31 Rdn. 10. 225 Reinhart, Münchener Komm. z. InsO, E ­ uInsVO Art. 31 Rdn. 15; Kindler, Münchener Komm. z. BGB, ­IntInsR, ­EuInsVO Art. 31 Rdn. 16. 226 Ebenso, wenngleich mit anderer Begründung Pannen/Riedemann, in: Pannen, Komm. z. ­EuInsVO, Art. 31 Rdn. 20.

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den datenschutzrechtlichen Bestimmungen227 sowie Normen zum Schutz von Berufs- oder Geschäftsgeheimnissen gemeint.228 Ergänzt wird die Pflicht zur gegenseitigen Unterrichtung in Art. 31 Abs. 1 ­ uInsVO durch die in Art. 31 Abs. 2 ­EuInsVO statuierte Pflicht zur Zusammen­ E arbeit. Die Verwalter sind verpflichtet, „sich im Hinblick auf den Ablauf der Verfahren und deren Koordinierung abzustimmen und einander die Arbeit zu erleichtern“.229 Auch diese Pflicht besteht ausweislich des Wortlauts des Art. 32 Abs. 2 ­EuInsVO nur vorbehaltlich der für die einzelnen Verfahren geltenden Vorschriften. Ist beispielsweise der betreffende Verwalter nach dem in seinem Verfahren geltenden Insolvenzrecht an Entscheidungen der Gläubigerversammlung gebunden, so muss die Kooperationspflicht des Art. 31 Abs. 2 ­EuInsVO dahinter zurücktreten.230 Besonders relevant wird diese Pflicht, wenn der Betrieb des schuldnerischen Unternehmens in der Insolvenz fortgeführt werden soll und deshalb der Austausch von Leistungen zwischen der Masse des Haupt- und des Sekundärinsolvenzverfahrens erforderlich wird.231 Nach Art. 31 Abs. 3 ­EuInsVO hat der Verwalter des Hauptverfahrens dem Verwalter des Sekundärverfahrens zudem zu gegebener Zeit Gelegenheit zu geben, Vorschläge für die Verwertung oder jede Art der Verwendung der Masse des Sekundärinsolvenzverfahrens zu unterbreiten. Diese Pflicht stellt eine besondere Ausprägung der in den vorangegangenen Absätzen statuierten Pflicht zur Unterrichtung und Zusammenarbeit dar, gleichzeitig belegt sie aber auch die Leitfunktion des Hauptinsolvenzverfahrens.232 Unklar ist allerdings die genaue Reichweite dieser dem Verwalter des Sekundärinsolvenzverfahrens obliegenden Pflicht. Teilweise wird davon ausgegangen, dass der Verwalter des Sekundärinsolvenzverfahrens die ihm vom Verwalter des Hauptinsolvenzverfahrens unterbreiteten Vorschläge grundsätzlich umsetzen muss, solange er damit nicht den Grundsatz der Gleichbehandlung aller Gläubiger oder zwingende Vorgaben des in seinem Verfahren geltenden nationalen Rechts verletzt. Dies entspreche dem Sinn und Zweck des Sekundärinsolvenzverfahrens als Hilfsverfahren, zudem würde die Vorschrift des Art. 31 Abs. 3 ­EuInsVO anderenfalls leerlaufen.233 Aus dem Charakter des Sekundärinsolvenzverfahrens als Hilfsverfahren folge sogar, dass eine Befolgung dieser Vorschläge durch den Sekundärinsolvenzverwalter zu keiner Haftung desselben 227 Virgós/Schmit, Erläuternder Bericht zu dem EU-Übereinkommen über Insolvenzverfahren, Rdn. 231. 228 Pannen/Riedemann, in: Pannen, Komm. z. ­EuInsVO, Art. 31 Rdn. 28. 229 Virgós/Schmit, Erläuternder Bericht zu dem EU-Übereinkommen über Insolvenzverfahren, Rdn. 232. 230 Reinhart, Münchener Komm. z. InsO, ­EuInsVO Art. 31 Rdn. 19. 231 Siehe zur Zulässigkeit von Verträgen über einen solchen Leistungsaustausch Reinhart, Münchener Komm. z. InsO, ­EuInsVO Art. 31 Rdn. 24 ff. 232 Pannen/Riedemann, in: Pannen, Komm. z. ­EuInsVO, Art. 31 Rdn. 40. 233 So Ehricke, FS 75 Jahre Max-Planck-Institut für Privatrecht (2001), 337, 346; ders., WM 2005, 397, 400; ders., ZIP 2005, 1104, 1107; a. A. aber ders., ­ZInsO 2004, 633, 635.

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nach Maßgabe des in diesem Verfahren anwendbaren Rechts führen könne, solange der Vorschlag nur im Interesse der Gläubiger des Hauptinsolvenzverfahrens lag. Dies gelte selbst dann, wenn der Sekundärinsolvenzverwalter hierdurch eine ihm nach dem geltenden Verfahrensrecht obliegende Pflicht verletze.234 Gleichzeitig solle aber kein Weisungsrecht des Hauptinsolvenzverwalters bezüglich der Verwertung der Masse des Sekundärinsolvenzverfahrens bestehen. Denn ein solches sei nicht mit der Entscheidung der ­EuInsVO zu vereinbaren, das Sekundärinsolvenzverfahren als eigenständiges Verfahren auszugestalten. Zudem mache auch der Vorbehalt zu Gunsten des nationalen Rechts in Art. 31 Abs. 1, Abs. 2 ­EuInsVO deutlich, dass das Sekundärinsolvenzverfahren kein unselbständiges Hilfsverfahren im Sinne eines „Satellitenverfahrens“ sei.235 Diese Ansicht erscheint allerdings widersprüchlich, da eine grundsätzliche Pflicht des Verwalters des Sekundärverfahrens, die ihm vom Verwalter des Hauptverfahrens unterbreiteten Vorschläge zu befolgen, gerade auf ein Weisungsrecht hinauslaufen würde, welches diese Ansicht aber zutreffend ablehnt.236 Zudem erscheint es mit dem Vorbehalt zugunsten des jeweiligen Verfahrensrechts in Art. 31 Abs. 1 und Abs. 2 ­EuInsVO sowie dem Zweck des Sekundärinsolvenzverfahrens, die Interessen inländischer Gläubiger zu schützen,237 schwer vereinbar, dem Verwalter dieses Verfahrens sogar die sanktions­lose Verletzung der ihm obliegenden Pflichten zu gestatten, nur um die Interessen der Gläubiger des Hauptinsolvenzverfahrens durchzusetzen.238 Aus dem Sinn und Zweck des Vorschlagsrechts folgt aber, dass der Verwalter des Sekundärinsolvenzverfahrens die ihm unterbreiteten Vorschläge nicht ignorieren kann, vielmehr hat er sie ernsthaft in Erwägung zu ziehen, zu prüfen und sie gegebenenfalls den Gläubigern oder anderen nach dem jeweiligen Verfahrensrecht zur Entscheidung berufenen Personen bzw. Gremien zur Kenntnis zu geben oder zur Abstimmung vorzulegen.239 Eine hierüber hinausgehende Bindung des Verwalters des Sekundärinsolvenzverfahrens an die vom Verwalter des Hauptinsolvenzverfahrens unterbreiteten Vorschläge besteht jedoch nicht. Bezüglich der Durchsetzung der von Art. 31 Abs. 1 ­EuInsVO gewährten Informationsrechte trifft die E ­ uInsVO keine Regelung. Diese Frage beurteilt sich des 234 Ehricke, ZIP 2005, 1104, 1107; ähnlich Geroldinger, Verfahrenskoordination im Europäischen Insolvenzrecht (2010), S. 152. 235 Ehricke, Festschrift 75 Jahre Max-Planck-Institut für Privatrecht (2001), 337, 353 f.; ders., WM 2005, 397, 400. 236 Zutreffend Deyda, Der Konzern im europäischen internationalen Insolvenzrecht (2008), S. 203. 237 Vgl. Erwägungsgrund 19 zur ­EuInsVO. 238 Gegen eine Freistellung des Sekundärinsolvenzverwalters von seiner Haftung nach nationalem Verfahrensrecht bei Befolgung eines Verwertungsvorschlags des Verwalters des Hauptinsolvenzverfahrens auch Beck, NZI 2006, 609, 614. 239 Uhlenbruck/Lüer, Komm. z. InsO, E ­ uInsVO Art. 31 Rdn. 11; Duursma-Kepplinger/Chalupsky, in: Duursma-Kepplinger/Duursma/Chalupsky, Komm. z. E ­ uInsVO, Art. 31 Rdn. 19; ähnlich Pannen/Riedemann, in: Pannen, Komm. z. ­EuInsVO, Art. 31 Rdn. 45, wonach der Sekundärinsolvenzverwalter Vorschläge des Hauptinsolvenzverwalters nach einer eigenen Prüfung den Gläubigern zur Abstimmung vorlegen sollte.

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halb nach dem Recht des Mitgliedsstaates, in dem das Verfahren durchgeführt wird, dessen Verwalter um Auskunft ersucht wird.240 Eine wohl in allen Mitgliedsstaaten grds. mögliche Leistungsklage dürfte allerdings wegen des herrschenden Zeitdrucks praktisch ausscheiden.241 Insoweit bleiben Aufsichtsmaßnahmen des zuständigen Insolvenzgerichts bzw. eine Haftung des Verwalters auf Schadensersatz, soweit das in diesem Verfahren anwendbare nationale Recht hierfür eine Rechtsgrundlage enthält.242 Gleiches gilt auch für die Kooperationspflicht des Art. 31 Abs. 2 ­EuInsVO. (2) Wechselseitige Forderungsanmeldung und Beteiligungsmöglichkeit der Insolvenzverwalter Nach Art. 32 Abs. 1 ­EuInsVO kann jeder Gläubiger seine Forderung sowohl im Haupt- als auch in jedem Sekundärinsolvenzverfahren anmelden. Darüber hinaus melden gem. Art. 32 Abs. 2 ­EuInsVO der Verwalter des Hauptinsolvenzverfahrens und der Verwalter des Sekundärinsolvenzverfahrens in dem jeweils anderen Verfahren die in ihrem eigenen Verfahren angemeldeten Forderungen an, soweit dies für die Gläubiger des eigenen Verfahrens zweckmäßig ist. Allerdings hat jeder Gläubiger das Recht, eine solche Anmeldung seiner Forderung im Parallelverfahren abzulehnen oder, sollte das anwendbare Recht dies vorsehen, eine bereits erfolgte Anmeldung zurückzunehmen. Diese Regelungen sollen die Ausübung der Gläubigerrechte vereinfachen und die Einflussmöglichkeiten der Verwalter 240 Reinhart, Münchener Komm. z. InsO, ­EuInsVO Art. 31 Rdn. 16; Pannen/Riedemann, in: Pannen, Komm. z. ­EuInsVO, Art. 31 Rdn. 27. 241 Reinhart, Münchener Komm. z. InsO, ­EuInsVO Art. 31 Rdn. 16. 242 Im deutschen Recht kommt als Rechtsgrundlage für eine Schadensersatzhaftung § 60 InsO in Betracht. Unschädlich dürfte sein, dass § 60 Abs. 1 Satz 1 InsO die Verletzung einer Pflicht voraussetzt, welche dem Verwalter „nach diesem Gesetz“ obliegt. Denn mit dieser Einschränkung sollte die insolvenzrechtliche Haftung des Verwalters in Abgrenzung zu seiner Haftung nach anderen Vorschriften auf die Verletzung insolvenzverwaltertypischer Pflichten beschränkt werden. Hierzu zählt aber auch die Pflicht aus Art. 31 Abs. 1 ­EuInsVO. Die fehlende Nennung der ­EuInsVO beruht darauf, dass die InsO älter als dieses Regelwerk ist (Reinhart, Münchener Komm. z. InsO, E ­ uInsVO Art. 31 Rdn. 37). Da der ausländische Verwalter gem. Art. 32 Abs. 3 ­EuInsVO wie ein Gläubiger am inländischen Insolvenzverfahren teilnimmt, ist er als Beteiligter im Sinne des § 60 InsO anzusehen (Uhlenbruck/Lüer, Komm. z. InsO, ­EuInsVO Art. 31 Rdn. 13). Im Rahmen seiner Beteiligung repräsentiert er die von ihm verwaltete Masse. Da ein Schaden wegen der Verletzung der in Art. 31 ­EuInsVO normierten Pflichten nur bei der von ihm verwalteten Masse, nicht aber beim Verwalter persönlich eintritt, kann der Verwalter, dessen Masse durch einen Verstoß des anderen Verwalters gegen Art. 31 Abs. 1 ­EuInsVO einen Schaden erlitten hat, diesen gem. § 60 Abs. 1 InsO zu Gunsten der von ihm verwalteten Masse liquidieren (Ehricke, FS 75 Jahre Max-Planck-Institut für Privatrecht (2001), 337, 349). Daneben kommt ein Schadensersatzanspruch der vom pflichtwidrig handelnden Verwalter verwalteten Masse des inländischen Verfahrens in Betracht. Welche Masse bei einer Pflichtverletzung eines Verwalters Schadensersatz verlangen kann, hängt also davon ab, bei welcher Masse der Schaden eingetreten ist (zutreffend Reinhart, Münchener Komm. z. InsO, E ­ uInsVO Art. 31 Rdn. 37).

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in den parallelen Verfahren stärken.243 Dies dient ebenso wie die Regelungen des Art. 31 ­EuInsVO dem Ziel, trotz der Eröffnung mehrerer Insolvenzverfahren über das Vermögen desselben Schuldners mittels Koordination dieser Verfahren „dem Ideal eines einheitlichen und universalen Insolvenzverfahrens nahezukommen“.244 Wenn die Anmeldung im Parallelverfahren für die Gläubiger zweckmäßig ist, obliegt dem Verwalter eine Pflicht zur Anmeldung, sofern der einzelne Gläubiger dies nicht abgelehnt hat.245 Unterschiedlich beurteilt wird jedoch, nach welchen Kriterien die „Zweckmäßigkeit“ einer solchen Anmeldung zu beurteilen ist. Teilweise wird davon ausgegangen, dass eine Anmeldung der Forderung im ausländischen Parallelverfahren für die Gläubiger grundsätzlich zweckmäßig sei, weil sie so durch eine ordnungsgemäße Anmeldung der Forderung in ihrem Heimatstaat auch eine Anmeldung ihrer Forderung in anderen Mitgliedsstaaten erreichen, wofür sie anderenfalls zusätzliche Kosten aufwenden müssten.246 Grundlage dieses Arguments ist die Annahme, dass die Kosten, die für eine solche Anmeldung im Parallelverfahren anfallen können, nicht von den Gläubigern, sondern von der Masse, für welche der anmeldende Verwalter bestellt worden ist, zu tragen sind.247 Die Anlegung eines strengeren, insbesondere wirtschaftlichen Maßstabes sei bei der Prüfung der Zweckmäßigkeit daher verfehlt. Denn die Zweckmäßigkeit könne beispielsweise schon dann gegeben sein, wenn die Anmeldung im Sekundärinsolvenzverfahren dem Verwalter des Hauptinsolvenzverfahrens ermöglicht, mittels der aus dieser Anmeldung folgenden Teilnahmerechte eine für alle Gläubiger günstigere Abwicklung des Insolvenzverfahrens zu erreichen.248 Diese Ansicht erscheint jedoch widersprüchlich, da sie selbst einen wirtschaftlichen Maßstab anlegt, wenn sie die Zweckmäßigkeit mit der Erwägung bejahen möchte, dass der Hauptinsolvenzverwalter mittels der aus einer Anmeldung der Forderungen im Sekundärinsolvenzverfahren resultierenden Einflussmöglichkeiten auf eine effizientere Verwertung hinwirken könne. Zudem spricht Art. 32 Abs. 3 ­EuInsVO davon, dass die Anmeldung „für die Gläubiger […] zweckmäßig ist“. Zweckmäßig für die Gläubiger kann im Insolvenzverfahren aber nur sein, was zu einer Erhöhung ihrer Quote führt. Denn eine möglichst hohe Quote ist das primäre Ziel eines am Insolvenzverfahren teilnehmenden Gläubigers. Folglich kann eine Forderungsanmeldung nicht zweckmäßig sein, die mehr Kosten verursacht als sie Erlös für den jeweiligen Gläubiger bringt. Dies gilt unabhängig davon, ob die Kosten vom Gläubiger direkt oder von der vom anmeldenden Insolvenzverwalter verwalteten Masse 243 Virgós/Schmit, Erläuternder Bericht zu dem EU-Übereinkommen über Insolvenzverfahren, Rdn. 236. 244 Herchen, in: Pannen, Komm. z. ­EuInsVO, Art. 32 Rdn. 16. 245 Virgós/Schmit, Erläuternder Bericht zu dem EU-Übereinkommen über Insolvenzverfahren, Rdn. 239; Uhlenbruck/Lüer, Komm. z. InsO, E ­ uInsVO Art. 32 Rdn. 5; Herchen, in: Pannen, Komm. z. ­EuInsVO, Art. 32 Rdn. 20; Commandeur, in: Nerlich/Römermann, Komm. z. InsO, ­EuInsVO Art. 32 Rdn. 3. 246 Reinhart, Münchener Komm. z. InsO, ­EuInsVO Art. 32 Rdn. 9. 247 So Reinhart, Münchener Komm. z. InsO, ­EuInsVO Art. 32 Rdn. 12. 248 Reinhart, Münchener Komm. z. InsO, ­EuInsVO Art. 32 Rdn. 9.

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zu tragen sind. Denn eine Schmälerung dieser Masse geht ebenfalls zu Lasten der Gläubiger dieses Verfahrens, weshalb sie in jedem Fall die Kosten einer solchen Anmeldung tragen. Überzeugender ist es daher, die Zweckmäßigkeit nur zu be­ jahen, wenn die bei einer Anmeldung im Parallelverfahren zu erwartende Quote die Quote im Verfahren des anmeldenden Verwalters übersteigt und dieser zu erwartende Mehrerlös mindestens die Kosten der Forderungsanmeldung deckt.249 Weiterhin ist fraglich, ob der anmeldende Verwalter diese Zweckmäßigkeit für jede Forderung einzeln feststellen muss oder ob er sich hierbei auf die Prüfung bestimmter Gruppen von vergleichbaren Forderungen beschränken darf. Für letztere Ansicht spricht schon der Wortlaut des Art. 32 Abs. 2 ­EuInsVO, der von einer Zweckmäßigkeit für „die Gläubiger“ spricht und damit auf die Gesamtheit der Gläubiger Bezug nimmt.250 Gleiches gilt für den Erläuternden Bericht zum inso­ uInsVÜ, wonach der Verwalter die Forderungen nur dann im weit identischen E Parallelverfahren anzumelden habe, wenn dies „für alle Gläubiger seines Verfahrens oder eine bestimmte Kategorie von Gläubigern eindeutig generell zweckmäßig ist“.251 Schließlich ist eine für jede einzelne Forderung gesondert vorzunehmende Prüfung der Zweckmäßigkeit einer Anmeldung auch mit einem sehr hohen Zeit- und Arbeitsaufwand für den jeweiligen Insolvenzverwalter verbunden, was zu Verzögerungen bei der Abwicklung der Verfahren führen würde.252 Damit kann der Verwalter die Zweckmäßigkeit einer Anmeldung in Bezug auf verschiedene Gruppen vergleichbarer Forderungen vornehmen.253 Hat der Verwalter eine bei ihm selbst angemeldete Forderung bestritten, so entfällt auch die Pflicht zur Anmeldung im Parallelverfahren. Zwar ist es denkbar, dass der Grund für das Bestreiten der Forderung nach dem im Parallelverfahren anwendbaren Recht nicht besteht, allerdings dürfte eine diesbezügliche Prüfung dem Insolvenzverwalter nicht zuzumuten sein. Dies ist vielmehr Sache des jeweiligen Gläubigers, der seine Forderung dann gegebenenfalls selbst anmelden muss.254 Nach Art. 32 Abs. 3 ­ EuInsVO ist der Verwalter des Haupt- bzw. Sekundärinsolvenzverfahrens berechtigt, wie ein Gläubiger an dem jeweils anderen Verfahren mitzuwirken, insbesondere indem er an der Gläubigerversammlung teilnimmt. Zweck dieser Regelung ist es, die Präsenz der Gläubiger in der Gläubigerversammlung zu stärken und durch die Wahrnehmung ihrer Interes 249 So Herchen, in: Pannen, Komm. z. ­EuInsVO, Art. 32 Rdn. 23; Uhlenbruck/Lüer, Komm. z. InsO, ­EuInsVO Art. 32 Rdn. 6; Paulus, Komm. z. ­EuInsVO, Art. 32 Rdn. 15. 250 Herchen, in: Pannen, Komm. z. ­EuInsVO, Art. 32 Rdn. 21. 251 Virgós/Schmit, Erläuternder Bericht zu dem EU-Übereinkommen über Insolvenzverfahren, Rdn. 239. 252 Duursma-Kepplinger/Chalupsky, in: Duursma-Kepplinger/Duursma/Chalupsky, Komm. z. ­EuInsVO, Art. 32 Rdn. 11. 253 Kemper, ZIP 2001, 1609, 1620; a. A. Kindler, Münchener Komm. z. BGB, ­IntInsR, ­EuInsVO Art. 32 Rdn. 11, der davon ausgeht, dass eine Einteilung vergleichbarer Forderungen in Gruppen schwierig und zeitaufwendig sei sowie den Grundsatz der Gläubigergleichbehandlung verletzen würde. 254 Herchen, in: Pannen, Komm. z. ­EuInsVO, Art. 32 Rdn. 27.

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sen durch den Insolvenzverwalter des Parallelverfahrens auch eine effektivere Ausübung ihrer Beteiligungsrechte zu gewährleisten.255 Die Beteiligungsmöglichkeit des Verwalters nach Art. 32 Abs. 3 ­EuInsVO besteht unabhängig davon, ob er gem. Art. 32 Abs. 2 ­EuInsVO Forderungen aus seinem eigenen Verfahren im Parallelverfahren angemeldet hat.256 Aus der Formulierung „wie ein Gläubiger“ folgt, dass sich die Beteiligungsmöglichkeiten nach dem auf das jeweilige Verfahren anwendbaren Insolvenzrecht beurteilen.257 Unklar ist allerdings, wie weit diese Mitwirkungsrechte des Verwalters genau reichen. Beispielhaft ist in Art. 32 Abs. 3 ­EuInsVO nur die Teilnahme an der Gläubigerversammlung genannt. Weitgehend Einigkeit besteht darüber, dass hieraus ein Rede- und Fragerecht des jeweiligen Verwalters folgt, zudem ist er über den Verfahrensgang, insbesondere über den Termin einer stattfindenden Gläubigerversammlung sowie eventuell laufende Fristen, zu informieren.258 Unterschiedlich beurteilt wird hingegen, ob Art. 32 Abs. 3 ­EuInsVO den Verwalter berechtigt, für die von ihm angemeldeten Forderungen das Stimmrecht im Parallelverfahren auszuüben. Teilweise wird eine solche Befugnis zur Stimmrechtsausübung unter Hinweis auf die Gleichstellung des Verwalters mit einem Gläubiger bejaht,259 eine andere Ansicht geht davon aus, dass sich die Stimmrechtsausübung als Konsequenz aus der Anmeldebefugnis des Verwalters gem. Art. 32 Abs. 2 ­EuInsVO ergibt, sofern der Verwalter von dieser Befugnis Gebrauch macht.260 Hiergegen spricht aber, dass im Verlauf der Beratungen zum insoweit identischen E ­ uInsVÜ davon Abstand genommen wurde, die Ausübung des Stimmrechts durch den Verwalter zu erlauben.261 Zudem kann es bei der gleichzeitigen Ausübung der Stimmrechte aus mehreren Einzelforderungen zu Interessenkonflikten kommen, wenn eine bestimmte Maßnahme, über die abgestimmt werden soll, nicht im Interesse aller Gläubiger ist, deren Forderungen der Insolvenzverwalter angemeldet hat. Des Weiteren wird mit der gesetzlichen Bevollmächtigung des jeweiligen Verwalters zur Ausübung des aus den von ihm angemeldeten Forderungen resultierenden Stimmrechts in die Privatautonomie der betreffenden Gläubiger eingriffen,262 was ohne ausdrückliche Zustim 255

Virgós/Schmit, Erläuternder Bericht zu dem EU-Übereinkommen über Insolvenzverfahren, Rdn. 240. 256 Stephan, Heidelberger Komm. z. InsO, ­EuInsVO Art. 32 Rdn. 7. 257 Uhlenbruck/Lüer, Komm. z. InsO, ­EuInsVO Art. 32 Rdn. 10. 258 Herchen, in: Pannen, Komm. z. ­EuInsVO, Art. 32 Rdn. 43; Paulus, Komm. z. ­EuInsVO, Art. 32 Rdn. 16; Kindler, Münchener Komm. z. BGB, ­IntInsR, ­EuInsVO Art. 32 Rdn. 17. 259 Herchen, in: Pannen, Komm. z. ­EuInsVO, Art. 32 Rdn. 45. 260 Reinhart, Münchener Komm. z. InsO, Art. 32 Rdn. 14. 261 Siehe Virgós/Schmit, Erläuternder Bericht zu dem EU-Übereinkommen über Insolvenzverfahren, Rdn. 240. 262 Vgl. Braun/Tashiro, Komm. z. InsO, § 341 Rdn. 11 zur diesbezüglichen Regelung im autonomen deutschen Internationalen Insolvenzrecht, wo zum Schutz der Gläubigerautonomie die ausdrückliche Bevollmächtigung des Verwalters, das Stimmrecht aus den in seinem Verfahren angemeldeten Forderungen im Parallelverfahren auszuüben, nur dann für anwendbar gehalten wird, wenn die Anmeldung im Parallelverfahren durch dem Verwalter und nicht durch den Gläubiger selbst erfolgt ist.

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mung des jeweiligen Gläubigers oder zumindest eine klare gesetzliche Grundlage nicht zulässig sein sollte. Auch würde der Verwalter infolge der Annahme einer gesetzlichen Ermächtigung zur Stimmrechtsausübung weitgehenden Einfluss auf das Parallelverfahren erhalten, was bei entsprechendem Stimmgewicht auch zu einem faktischen Weisungsrecht gegenüber dem Verwalter des Parallelverfahrens füh­ uInsVO nicht vorgesehen, vielmehr soll ren könnte. Ein solches ist aber von der E eine Abstimmung in erster Linie durch Kooperation der beteiligten Verwalter erfolgen.263 Schließlich wäre es bei der Annahme einer gesetzlichen Ermächtigung zur Stimmrechtsausübung auch unklar, welcher Verwalter das Stimmrecht ausüben dürfte, sollte eine Forderung durch mehrere Sekundärinsolvenzverwalter im Hauptinsolvenzverfahren angemeldet werden.264 Überzeugender erscheint es daher, aus Art. 32 Abs. 3 ­EuInsVO keine gesetzliche Ermächtigung zur Stimmrechtsausübung abzuleiten. Eine solche bedarf vielmehr einer Bevollmächtigung des jeweiligen Gläubigers.265 (3) Aussetzung der Verwertung im Sekundärinsolvenzverfahren In Art. 33 ­EuInsVO finden sich sodann besondere Befugnisse des Haupt­ insolvenzverwalters zur Einwirkung auf das Sekundärinsolvenzverfahren. Nach Art. 33 Abs. 1 ­EuInsVO kann der Hauptinsolvenzverwalter bei dem Gericht, welches das Sekundärinsolvenzverfahren eröffnet hat, beantragen, die Verwertung ganz oder teilweise auszusetzen. Zweck dieser Norm ist es, die Sicherung der Masse des Sekundärinsolvenzverfahrens im Interesse der Gläubiger des Hauptinsolvenzverfahrens zu ermöglichen.266 Gerade bei einer im Hauptverfahren be­ absichtigten Sanierung oder einem Verkauf des Gesamtunternehmens können diese Möglichkeiten der Verwertung durch eine Liquidation des dem Sekundärinsolvenzverfahren unterfallenden Vermögens vereitelt werden.267 Der Antrag des Verwalters des Hauptinsolvenzverfahrens kann nur abgelehnt werden, wenn die Aussetzung offensichtlich für die Gläubiger des Hauptverfah 263

Ähnlich Paulus, Komm. z. E ­ uInsVO, Art. 32 Rdn. 17, der ein Stimmrecht des Verwalters ebenfalls ablehnt und als Möglichkeit zur Einflussnahme auf das Parallelverfahren auf die Kooperationspflicht verweist. 264 Ähnlich Kindler, Münchener Komm. z. BGB, ­IntInsR, ­EuInsVO Art. 32 Rdn. 17: „Das Stimmrecht des Verwalters in einem anderen Verfahren brächte den Nachteil mit sich, dass dieselbe Forderung, die der Gläubiger selbst schon in verschiedenen Verfahren angemeldet hat, von einem oder mehreren Verwaltern vertreten werden könnte“. 265 Ebenso Uhlenbruck/Lüer, Komm. z. InsO, ­EuInsVO Art. 32 Rdn. 11; Wenner/Schuster, Frankfurter Komm. z. InsO, E ­ uInsVO Art. 32 Rdn. 13; Kindler, Münchener Komm. z. BGB, ­IntInsR, ­EuInsVO Art. 32 Rdn. 17 f.; Beck, NZI 2006, 609, 613; Kemper, ZIP 2001, 1609, 1620. 266 Kindler, Münchener Komm. z. BGB, I­ ntInsR, ­EuInsVO Art. 33 Rdn. 3; Paulus, Komm. z. ­EuInsVO, Art. 33 Rdn. 1. 267 Reinhart, Münchener Komm. z. InsO, ­EuInsVO Art. 33 Rdn. 1; Herchen, in: Pannen, Komm. z. ­EuInsVO, Art. 33 Rdn. 1; Wimmer, ZIP 1998, 982, 988.

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rens nicht von Interesse ist. Aus der Verwendung des Begriffs „offensichtlich“ folgt, dass das Gericht, welches das Sekundärinsolvenzverfahren eröffnet hat, bei der Prüfung dieser Voraussetzung auf eine Evidenzkontrolle beschränkt ist.268 Die Interessen der Gläubiger des Sekundärinsolvenzverfahrens können eine Ablehnung nicht rechtfertigen, vielmehr kann diesen Interessen nur durch die Anordnung von Schutzmaßnahmen gem. Art. 33 Abs. 1 Halbsatz 2 ­EuInsVO Rechnung getragen werden.269 Bei der Anordnung dieser Schutzmaßnahmen entscheidet das Gericht sowohl über das „Ob“ der Anordnung als auch über ihren Inhalt nach eigenem Ermessen.270 In Betracht kommt beispielsweise eine der Masse des Hauptverfahrens obliegende Pflicht, Zinszahlungen an die gesicherten und am Zugriff auf ihr Vermögen gehinderten Gläubiger zu erbringen271 oder eine Sicherheitsleistung in Form einer Garantie oder einer Bürgschaft, um einen möglichen Wertverlust der Masse des Sekundärinsolvenzverfahrens oder einen Zinsausfall aller an diesem Verfahren teilnehmenden Gläubiger abzusichern.272 Gibt das Gericht, gegebenenfalls unter Anordnung dieser Sicherheitsmaßnahmen, dem Antrag statt, so setzt es die Verwertung im Sekundärinsolvenzverfah­ uInsVO nicht deren aus. Der Begriff „Aussetzung der Verwertung“ ist in der E finiert, weshalb unklar ist, was hierunter im Einzelnen zu verstehen ist und wie weit diese Anordnung des Gerichts reicht. Einigkeit besteht darin, dass das Gericht dem Sekundärinsolvenzverwalter keine bestimmte Art der Verwertung aufgeben kann. Der Begriff „Aussetzung der Verwertung“ umfasst also keine „Änderung der Verwertung“.273 Dies folgt vor allem aus der englischen Fassung des 268 OLG Graz, Beschluss vom 20. Oktober 2005, 3 R 149/05, NZI 2006, 660, 661; Herchen, in: Pannen, Komm. z. ­EuInsVO, Art. 33 Rdn. 11. 269 Herchen, in: Pannen, Komm. z. ­EuInsVO, Art. 33 Rdn. 12 270 Virgós/Schmit, Erläuternder Bericht zu dem EU-Übereinkommen über Insolvenzverfahren, Rdn. 244; Herchen, in: Pannen, Komm. z. ­EuInsVO, Art. 33 Rdn. 36; Uhlenbruck/Lüer, Komm. z. InsO, ­EuInsVO Art. 33 Rdn. 3. 271 Gemeint sind hier nur solche Gläubiger, die zwar über eine Sicherheit verfügen, diese aber nicht selbst verwerten dürfen, sondern aus einem bei der Verwertung durch den Insolvenzverwalter erzielten Erlös vorrangig befriedigt werden. Hierunter fallen beispielsweise die absonderungsberechtigten Gläubiger gem. §§ 49–51 InsO. Lässt das im Sekundärinsolvenzverfahren anwendbare Recht hingegen eine Verwertung der Sicherheit durch den Gläubiger selbst außerhalb des Insolvenzverfahrens zu, wie es z. B. das deutsche Recht für gem. § 47 InsO zur Aussonderung berechtigte Gläubiger tut, so kann ein Zugriff dieser Gläubiger auf ihre Sicherheit nicht nach Art. 33 Abs. 1 ­EuInsVO unterbunden werden (Herchen, in: Pannen, Komm. z. ­­EuInsVO, Art. 33 Rdn. 21; Duursma-Kepplinger/Chalupsky, in: DuursmaKepplinger/Duursma/Chalupsky, Komm. z. ­EuInsVO, Art. 33 Rdn. 4). Denn diese Gegenstände gehören rechtlich nicht zur Insolvenzmasse des Sekundärinsolvenzverfahrens, weshalb der Zugriff der gesicherten Gläubiger auf diese Gegenstände keine Verwertung der Masse des Sekundärinsolvenz­verfahrens darstellt. 272 OLG Graz, Beschluss vom 20. Oktober 2005, 3 R 149/05, NZI 2006, 660, 663; DuursmaKepplinger/Chalupsky, in: Duursma-Kepplinger/Duursma/Chalupsky, Komm. z. ­ EuInsVO, Art. 33 Rdn. 9. 273 So die Formulierung von Ehricke, ­ZInsO 2004, 633, 635; ebenso Pogacar, NZI 2011, 46, 49; Stephan, Heidelberger Komm. z. InsO, ­EuInsVO Art. 33 Rdn. 8.

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Art. 33 Abs. 1 ­EuInsVO, wo von einem „stay of liquidation“ die Rede ist sowie daraus, dass das Gericht nach der Konzeption der ­EuInsVO nur auf Kontrollmaßnahmen beschränkt ist, aber keine Befugnis hat, mittels Vorgaben an die beteiligten Verwalter gestaltend in das Insolvenzverfahren einzugreifen.274 Auch kann das Gericht keine vollständige Aussetzung des Sekundärinsolvenzverfahrens aussprechen.275 Vielmehr kann mit einem Antrag nach Art. 33 Abs. 1 ­EuInsVO nur eine „Versilberung“ des im Sekundärinsolvenzverfahren verwalteten Vermögens verhindert werden.276 Untersagt werden kann also nach Art. 33 Abs. 1 ­EuInsVO eine Vermögensverwertung im Sinne einer Veräußerung der Massegegenstände des Sekundärinsolvenzverfahrens.277 Eine Nutzung dieser Gegenstände, beispielsweise im Rahmen einer Betriebsfortführung, bleibt weiterhin möglich.278 Fraglich ist aber, ob im Rahmen einer solchen Betriebsfortführung auch die Veräußerung produzierter Güter im Rahmen des regelmäßigen Geschäftsbetriebs noch als eine „Nutzung“ des schuldnerischen Vermögens anzusehen ist oder ob ein solches Vorgehen bereits eine „Verwertung“ dieses Vermögens darstellt. In Richtung der erstgenannten Alternative gehen Ansichten in der Literatur, die einen Antrag nach Art. 33 Abs. 1 ­EuInsVO gänzlich ausschließen wollen, sofern ein Betrieb im Sekundärinsolvenzverfahren weitergeführt wird.279 Für eine Qualifikation als Nutzung spricht, dass eine solche Veräußerung notweniger Teil einer Betriebsfortführung sein kann, welche man wiederum als Nutzung der einzelnen Aktiva der Masse des Sekundärinsolvenzverfahrens ansehen könnte. Zudem könnte anderenfalls eine Betriebsfortführung im Sekundärinsolvenzverfahren vom Verwalter des Hauptverfahrens unterbunden werden. Gegen eine solche Auslegung spricht aber, dass produzierte Güter oftmals einen erheblichen Wert erreichen können. Wenn der Hauptinsolvenzverwalter ihre Veräußerung nicht verhindern kann, wird die ihm zustehende Möglichkeit, mittels des Aussetzungsantrags nach Art. 33 Abs. 1 ­EuInsVO das im Sekundärinsolvenzverfahren verwaltete Vermögen im Hinblick auf eigene Verwertungsvorstellungen vorläufig zu erhalten, erheblich entwertet. Ist eine solche Veräußerung für eine Betriebsfortführung im Sekundärinsolvenzverfahren notwendig und liegt die Betriebsfortführung auch im Interesse des Verwalters des Hauptinsolvenzverfahrens, so bleibt ihm immer noch die Möglichkeit, eine nur teilweise Aussetzung der Verwertung 274 Ehricke, ­ZInsO 2004, 633, 635; Stephan, Heidelberger Komm. z. InsO, E ­ uInsVO Art. 33 Rdn. 8. 275 Landesgericht Loeben, Beschluss vom 31. August 2005, 17 S 56/05, NZI 2005, 646; Stephan, Heidelberger Komm. z. InsO, E ­ uInsVO Art. 33 Rdn. 5; Kindler, Münchener Komm. z. BGB, ­IntInsR, ­EuInsVO Art. 33 Rdn. 12. 276 Paulus, Komm. z. ­EuInsVO, Art. 33 Rdn. 2; Kindler, Münchener Komm. z. BGB, ­IntInsR, ­EuInsVO Art. 33 Rdn. 12. 277 Reinhart, Münchener Komm. z. InsO, ­EuInsVO Art. 33 Rdn. 9. 278 Herchen, ­ZInsO 2002, 345, 352 Fn. 45; Heiderhoff, in Haß/Huber/Gruber/Heiderhoff, Komm. z. ­EuInsVO, Art. 33 Rdn. 3; Uhlenbruck/Lüer, Komm. z. InsO, E ­ uInsVO Art. 33 Rdn. 3. 279 So Paulus, Komm. z. ­EuInsVO, Art. 33 Rdn. 2; Kindler, Münchener Komm. z. BGB, ­­IntInsR, ­EuInsVO Art. 33 Rdn. 12.

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zu beantragen. Bei einer solchen teilweisen Aussetzung der Verwertung darf dann nur hinsichtlich bestimmter Gegenstände oder Sachgesamtheiten die Verwertung nicht fortgesetzt werden.280 Sollte der Verwalter des Sekundärinsolvenzverfahrens einen seiner Verwaltung unterstehenden Betrieb hingegen nicht fortführen wollen, obwohl der Hauptinsolvenzverwalter eine solche Betriebsfortführung wünscht, so stellt sich die Frage, ob der Hauptinsolvenzverwalter mit einem Antrag nach Art. 33 Abs. 2 ­EuInsVO auch eine Stilllegung des Betriebs im Sekundärinsolvenzverfahren unterbinden kann. Dagegen spricht, dass eine Stilllegung des schuldnerischen Betriebes keine „Verwertung“ des schuldnerischen Vermögens ist.281 Allerdings soll Art. 33 Abs. 1 ­EuInsVO dem Verwalter des Hauptinsolvenzverfahrens ermöglichen, den status quo der Masse des Sekundärinsolvenzverfahrens zu sichern, insbesondere um Sanierungsoptionen offen zu halten.282 Wenn aber der Geschäftsbetrieb im Sekundärinsolvenzverfahren eingestellt wird, so wird eine Sanierungsmöglichkeit des gesamten schuldnerischen Unternehmens oftmals endgültig zu Nichte gemacht. Deshalb entspricht es dem Zweck des Art. 33 ­EuInsVO, auch eine Betriebsstillegung als „Verwertung“ im Sinne des Art. 33 Abs. 1 ­EuInsVO anzusehen, deren Aussetzung der Verwalter des Hauptinsolvenzverfahrens beantragen kann. Wenn allerdings, wie im Regelfall, durch die Betriebsfortführung Masseverbindlichkeiten entstehen, so ist es zum Schutz der Gläubiger des Sekundärinsolvenzverfahrens erforderlich, dass der Verwalter des Hauptinsolvenzverfahrens die Differenz zwischen diesen Masseverbindlichkeiten und dem aus der Betriebsfortführung erzielten Erlös ausgleicht bzw. hierfür Sicherheit leistet.283 Die Aussetzung der Verwertung kann nach Art. 33 Abs. 1 Satz 3 ­EuInsVO für höchstens drei Monate angeordnet werden, jedoch kann sie nach Art. 33 Abs. 1 Satz 4 ­EuInsVO für jeweils denselben Zeitraum erneuert oder verlängert werden. Hierfür muss der Antrag erneut gestellt werden, auch muss das Gericht die Voraussetzungen für eine Aussetzung der Verwertung erneut prüfen.284 Eine solche Verlängerung oder Erneuerung kann beliebig oft erfolgen.285 Vor Ablauf des Zeitraums, für den die Aussetzung der Verwertung angeordnet wurde, 280

Stephan, Heidelberger Komm. z. InsO, ­EuInsVO Art. 33 Rdn. 5; Reinhart, Münchener Komm. z. InsO, ­EuInsVO Art. 33 Rdn. 9. 281 Reinhart, Münchener Komm. z. InsO, ­EuInsVO Art. 33 Rdn. 10. 282 Ehricke, ­ZInsO 2004, 633, 634; Reinhart, Münchener Komm. z. InsO, ­EuInsVO Art. 33 Rdn. 10. 283 Reinhart, Münchener Komm. z. InsO, E ­ uInsVO Art. 33 Rdn. 10 und Rdn. 12; Brünkmans, Die Koordinierung von Insolvenzverfahren konzernverbundener Unternehmen (2009), S. 369 f. 284 Reinhart, Münchener Komm. z. InsO, E ­ uInsVO Art. 33 Rdn. 13; Stephan, Heidelberger Komm. z. InsO, ­EuInsVO Art. 33 Rdn. 12. 285 Virgós/Schmit, Erläuternder Bericht zu dem EU-Übereinkommen über Insolvenzverfahren, Rdn. 245; Herchen, in: Pannen, Komm. z. E ­ uInsVO, Art. 33 Rdn. 31; Heiderhoff, in: Haß/ Huber/Gruber/Heiderhoff, Komm. z. ­EuInsVO, Art. 33 Rdn. 5; a. A. Uhlenbruck/Lüer, Komm. z. InsO, ­EuInsVO Art. 33 Rdn. 4, der eine dauerhafte Aussetzung der Verwertung zum Schutz der Interessen der Gläubiger des Sekundärinsolvenzverfahrens ablehnt.

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kann das anordnende Gericht die Aussetzung nur unter den Voraussetzungen des Art. 33 Abs. 2 ­EuInsVO aufheben. Nach Art. 33 Abs. 2 Spiegelstrich 1 ­EuInsVO ist dies zum einen dann möglich, wenn der Verwalter des Hauptverfahrens einen entsprechenden Antrag stellt. Hier sind keine weiteren Voraussetzungen notwendig, da die Aussetzung der Verwertung allein seinen Interessen dient. Nach Art. 33 Abs. 2 Spiegelstrich 2 ­EuInsVO ist eine Aufhebung der Aussetzung aber auch von Amts wegen, auf Antrag eines Gläubigers oder des Verwalters im Sekundärinsolvenzverfahren möglich, wenn die Aussetzung insbesondere nicht mehr mit dem Interesse der Gläubiger des Haupt- oder des Sekundärinsolvenzverfahrens zu rechtfertigen ist. Der Wortlaut dieser Bestimmung ist missverständlich, da ein Fall, in dem die Aussetzung der Verwertung im Interesse der Gläubiger des Sekundärverfahrens liegt und damit mit diesen Interessen gerechtfertigt werden kann, nur schwer vorstellbar ist.286 Denn mit dem Antrag auf Aussetzung will der Verwalter des Hauptinsolvenzverfahrens ja gerade eine im Interesse der Gläubiger des Sekundärinsolvenzverfahrens liegende Verwertung verhindern, um die Interessen der Gläubiger des Hauptinsolvenzverfahrens zu schützen. Damit dürfte eine Aufhebung der Aussetzung der Verwertung allein deshalb in Betracht kommen, weil sie mit den Interessen der Gläubiger des Hauptinsolvenzverfahrens nicht mehr zu rechtfertigen ist. Hierbei hat das Gericht das Interesse der Gläubiger des Hauptinsolvenzverfahrens an einer Aussetzung der Verwertung gegen das Interesse der Gläubiger des Sekundärinsolvenzverfahrens an einer Durchführung der Verwertung abzuwägen.287 Wenn das Interesse der Gläubiger des Hauptinsolvenzverfahrens an einer Aussetzung der Verwertung allerdings fortbesteht, so wird zum Teil bezweifelt, ob allein aufgrund eines überwiegenden Interesses der Gläubiger des Sekundärinsolvenzverfahrens an einer Durchführung der Verwertung die Aussetzung der Verwertung aufgehoben werden kann. Denn dann könnte der Verwalter des Hauptinsolvenzverfahrens sofort einen erneuten Aussetzungsantrag stellen, dem dann wegen des Vorliegens der Voraussetzungen des Art. 33 Abs. 1 ­EuInsVO stattzugeben wäre. Deshalb bedürfe es zur Aufhebung der Aussetzung neben einem diesbezüglichen Interesse der Gläubiger des Sekundärinsolvenzverfahrens immer auch eines Fortfalls des Interesses der Gläubiger des Hauptverfahrens an der Aussetzung.288 Allerdings würde eine solche Auslegung die Interessen der Gläubiger des Hauptverfahrens in ungerechtfertigter Weise gegenüber den Interessen der Gläubiger des Sekundärinsolvenzverfahrens privilegieren. Denn eine Aufhebung der Aussetzung der Verwertung muss beispielsweise auch dann möglich sein, wenn die zum Schutz der Gläubiger des Sekundärinsolvenzverfahrens angeordneten Maßnahmen nicht erfüllt werden, das Aussetzungsinteresse der Gläubiger des Hauptverfahrens aber gleichwohl fortbesteht. Gleiches gilt für den Fall, dass im Sekundärinsolvenzverfahren eine sichere, für die Gläubiger günstige Ver 286

Herchen, in: Pannen, Komm. z. ­EuInsVO, Art. 33 Rdn. 55. Stephan, Heidelberger Komm. z. InsO, ­EuInsVO Art. 33 Rdn. 16. 288 Herchen, in: Pannen, Komm. z. E ­ uInsVO, Art. 33 Rdn. 55; Stephan, Heidelberger Komm. z. InsO, ­EuInsVO Art. 33 Rdn. 16. 287

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wertungsmöglichkeit besteht, der Hauptinsolvenzverwalter aber diese Verwertung verhindern will, um eine andere, allerdings mit erheblichen Unsicherheiten behaftete Verwertungsmöglichkeit offenzuhalten.289 Der von der Gegenansicht befürchtete Wertungswiderspruch besteht nicht, da in diesen Fällen ein erneuter Antrag auf Aussetzung der Verwertung unbegründet wäre. Denn der nur die Interessen der Gläubiger des Hauptinsolvenzverfahrens berücksichtigende und auf eine Evidenzkontrolle beschränkte Prüfungsmaßstab soll dem bei dem ersten Aussetzungsantrag herrschenden Zeitdruck und der meist auch unklaren Faktenlage Rechnung tragen. Im Zeitpunkt der Entscheidung über die Aufhebung der Verwertung ist hingegen eine deutlich differenziertere Beurteilung möglich, da hier meist weitergehende Informationen vorliegen.290 Wird nun die Aussetzung der Verwertung aufgehoben und unmittelbar danach ein neuer Aussetzungsantrag gestellt, so ist angesichts der vorherigen detaillierten gerichtlichen Prüfung die Anwendung des reduzierten Prüfungsmaßstabes des Art. 33 Abs. 1 ­EuInsVO nicht mehr gerechtfertigt. Hier muss dann der Anwendungsbereich des Art. 33 Abs. 1 ­EuInsVO teleologisch reduziert und der erneute Aussetzungsantrag nach dem Maßstab des Art. 33 Abs. 2 ­EuInsVO beurteilt werden. Damit ist die Anordnung der Aussetzung der Verwertung gem. Art. 33 Abs. 3 ­EuInsVO aufzuheben, wenn eine Abwägung der Interessen der Gläubiger des Hauptverfahrens mit denen der Gläubiger des Sekundärinsolvenzverfahrens ergibt, dass die Interessen der Gläubiger des Hauptverfahrens die Verwertungsaussetzung nicht mehr rechtfertigen.291 Im Rahmen dieser Abwägung sind auch die zum Schutz der Gläubiger des Sekundärinsolvenzverfahrens angeordneten Maßnahmen bzw. eine mögliche Verschärfung derselben zu berücksichtigen. (4) Verfahrensübergreifende Sanierungsmaßnahmen gem. Art. 34 ­EuInsVO In Art. 34 ­EuInsVO sind schließlich spezielle Regelungen für den Fall getroffen, dass das Sekundärinsolvenzverfahren nicht durch Liquidation des in diesem Verfahren verwalteten Vermögens beendet wird, wie dies Art. 3 Abs. 2 Satz 2 ­EuInsVO sowie Art. 27 Satz 2 ­EuInsVO grundsätzlich vorsehen.292 Damit behandelt diese Norm die Beendigung des Sekundärinsolvenzverfahrens durch eine unternehmenserhaltende Sanierung.293 Nicht in den Anwendungsbereich dieser Vorschrift fällt allerdings die sog. übertragende Sanierung, bei der das vom Schuldner 289 Ein solcher Fall lag der Entscheidung des Landesgerichts Loeben, Beschluss vom 1. Dezember 2005, 17 S 56/05, NZI 2006, 663 f. zu Grunde. 290 Zutreffend Beck, NZI 2006, 609, 612 f. 291 Im Ergebnis ebenso Landesgericht Loeben, Beschluss vom 1. Dezember 2005, 17 S 56/05, NZI 2006, 663, 664; Beck, NZI 2006, 609, 612. 292 Kindler, Münchener Komm. z. BGB, ­IntInsR, ­EuInsVO Art. 34 Rdn. 1. 293 Herchen, in: Pannen, Komm. z. ­EuInsVO, Art. 34 Rdn. 1; Reinhart, Münchener Komm. z. InsO, ­EuInsVO Art. 34 Rdn. 1; Paulus, Komm. z. ­EuInsVO, Art. 34 Rdn. 1.

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betriebene Unternehmen im Wege eines asset deals veräußert wird.294 Wenn ein Sanierungsplan, ein Vergleich oder eine andere vergleichbare Maßnahme zur Beendigung des Sekundärinsolvenzverfahrens nach dem in diesem Verfahren anwendbaren Recht möglich ist, so gewährt Art. 34 Abs. 1 Satz 1 ­EuInsVO dem Verwalter des Hauptinsolvenzverfahrens das Recht, eine solche Maßnahme im Sekundärinsolvenzverfahren vorzuschlagen. Ist die Verwertung im Sekundärinsolvenzverfahren gem. Art. 33 ­EuInsVO ausgesetzt, so kann eine solche Maßnahme gem. Art. 34 Abs. 3 ­EuInsVO sogar ausschließlich vom Verwalter des Hauptinsolvenzverfahrens selbst oder vom Schuldner mit dessen Zustimmung vorgeschlagen werden. Die Bestätigung einer Maßnahme im Sinne des Art. 34 Abs. 1 Satz 1 ­EuInsVO ist zudem gem. Art. 34 Abs. 1 Satz 2 ­EuInsVO nur mit Zustimmung des Verwalters des Hauptinsolvenzverfahrens möglich, es sei denn, die finanziellen Interessen der Gläubiger des Hauptverfahrens werden durch die Maßnahme nicht beeinträchtigt. Ob die finanziellen Interessen der Gläubiger des Hauptinsolvenzverfahrens durch den Sanierungsplan im Sekundärinsolvenzverfahren beeinträchtigt werden, beurteilt sich danach, ob sich dieser Plan auf die Quote auswirkt, welche die Gläubiger des Hauptinsolvenzverfahrens auf ihre Forderungen erhalten.295 Hierzu ist die Quote im Hauptinsolvenzverfahren bei Verwirklichung der vorgeschlagenen Maßnahme im Sekundärinsolvenzverfahren mit derjenigen Quote zu vergleichen, die sich ohne die Verwirklichung dieser Maßnahme im Hauptinsolvenzverfahren ergeben würde.296 Eine Beeinträchtigung ist nur anzunehmen, wenn die Quote im Hauptinsolvenzverfahren durch die Maßnahme im Sekundärinsolvenzverfahren herabgesetzt wird.297 Eine solche Beeinträchtigung ist aber nicht schon deshalb ausgeschlossen, weil auch ohne die vorge­ uInsVO schlagene Maßnahme im Sekundärinsolvenzverfahren kein gem. Art. 35 E an das Hauptverfahren auszukehrender Überschuss erzielt worden wäre.298 Denn da eine im Sekundärinsolvenzverfahren erhaltene Quote gem. Art. 20 Abs. 2 ­EuInsVO auf die Quote im Hauptverfahren anzurechnen ist, kann eine hohe Quote im Sekundärinsolvenzverfahren bei denjenigen Gläubigern des Hauptverfahrens, die nicht am Sekundärinsolvenzverfahren teilnehmen, ebenfalls zu einer höheren Quote führen. Dies beruht darauf, dass die Gläubiger des Hauptverfahrens, die auch am Sekundärinsolvenzverfahren teilnehmen, wegen der Anrechnung der im Sekundärinsolvenzverfahren erhaltenen Quote einen geringeren Anteil an der Masse des Hauptinsolvenzverfahrens erhalten.299 Eine Beeinträchtigung ist auch dann anzunehmen, wenn ein nicht vom Verwalter des Hauptinsolvenzverfahrens 294

Herchen, in: Pannen, Komm. z. ­EuInsVO, Art. 34 Rdn. 3; Stephan, Heidelberger Komm. z. InsO, ­EuInsVO Art. 34 Rdn. 1. 295 Virgós/Schmit, Erläuternder Bericht zu dem EU-Übereinkommen über Insolvenzverfahren, Rdn. 249. 296 Staak, NZI 2004, 480, 485; Wimmer, ZIP 1998, 982, 988; Geroldinger, Verfahrenskoordination im Europäischen Insolvenzrecht (2010), S. 367 f. 297 Herchen, Pannen, Komm. z. ­EuInsVO, Art. 34 Rdn. 37. 298 So aber Pannen/Kühnle/Riedemann, NZI 2003, 72, 78. 299 Geroldinger, Verfahrenskoordination im Europäischen Insolvenzrecht (2010), S. 368.

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vorgeschlagener Sanierungsplan im Vergleich zu einer Liquidation zwar zu keiner Beeinträchtigung der Quote im Hauptverfahren führt, diese Quote aber bei Verwirklichung eines vom Verwalter des Hauptinsolvenzverfahrens vorgeschlagenen anderen Sanierungsplans höher ausfallen würde, weil so eine koordinierte Abwicklung der beiden parallelen Verfahren erreicht wird.300 Allerdings gilt dies dann nicht, wenn der vom Verwalter des Hauptinsolvenzverfahrens verfolgte Sanierungsplan bereits in das Sekundärinsolvenzverfahren eingebracht, nach dem dort anwendbaren Verfahrensrecht aber abgelehnt worden ist. Denn dann besteht für die Gläubiger des Hauptinsolvenzverfahrens keine Möglichkeit mehr, dass dieses Sanierungskonzept umgesetzt und damit für sie eine im Vergleich zu einer Liquidation im Sekundärinsolvenzverfahren höhere Quote erreicht wird. Gleichwohl erhält der Verwalter des Hauptinsolvenzverfahrens durch das Zustimmungserfordernis des Art. 34 Abs. 1 Satz 2 ­EuInsVO eine weitreichende Möglichkeit, von ihm abgelehnte Sanierungsmaßnahmen im Sekundärinsolvenzverfahren zu verhindern. Schließlich kann nach Art. 34 Abs. 2 ­EuInsVO eine im Sekundärinsolvenz­ verfahren vorgeschlagene Maßnahme im Sinne des Art. 34 Abs. 1 ­EuInsVO, welche eine Beschränkung der Rechte der Gläubiger zur Folge hat, nur dann Auswirkungen auf das nicht von diesem Verfahren betroffene Vermögen des Schuldners haben, wenn alle betroffenen Gläubiger der Maßnahme zustimmen. Als Beispiele für die Rechte der Gläubiger beschränkende Maßnahmen werden eine Stundung oder eine Schuldbefreiung genannt. Darüber hinaus fallen unter diesen Begriff aber auch Kürzungen der Forderungen der Gläubiger.301 Mit dieser Regelung wird der Entscheidung der ­EuInsVO Rechnung getragen, dass die Wirkungen des Sekundärinsolvenzverfahrens auf das im Staat der Verfahrenseröffnung belegene Vermögen beschränkt sind und demzufolge Maßnahmen in diesem Verfahren auch nur dieses Vermögen betreffen können.302 Allerdings wirft diese Norm et­liche Streitfragen auf. So ist schon unklar, wann eine Maßnahme im Sekundärinsolvenzverfahren „Auswirkungen auf das nicht von diesem Verfahren betroffene Vermögen des Schuldners“ hat. Teilweise wird angenommen, dass praktische Anwendungsfälle einer solchen Konstellation kaum vorstellbar seien, denn der Umfang einer Forderung habe nichts mit der Belegenheit von Vermögenswerten zu tun.303 Gegen diese Ansicht spricht aber, dass eine Forderung immer auch ein bestimmtes Vermögen des Schuldners voraussetzt, aus dem der Gläubiger als Inhaber der Forderung Befriedigung verlangen kann. Kommt es nun wegen der Belegenheit einzelner Vermögenswerte des Schuldners in verschiedenen Staaten zur Eröffnung paralleler Insolvenzverfahren mit jeweils eigenen Insolvenzmassen, so stehen einer einheitlichen Forderung mehrere verschiedene Insolvenzmassen

300 Herchen, in: Pannen, Komm. z. ­EuInsVO, Art. 34 Rdn. 38; Geroldinger, Verfahrenskoordination im Europäischen Insolvenzrecht (2010), S. 368. 301 Paulus, Komm. z. ­EuInsVO, Art. 34 Rdn. 15. 302 Seidl/Paulick, ­ZInsO 2010, 125, 127. 303 Paulus, Komm. z. ­EuInsVO, Art. 34 Rdn. 20.

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als Zugriffsobjekte gegenüber.304 Soll nun durch eine Maßnahme in einem dieser Verfahren die Forderung modifiziert werden, so stellt sich die Frage, ob ein einzelnes Verfahren allein eine Modifikation der einheitlichen Forderung anordnen kann. Insoweit besteht im Falle der parallelen Eröffnung mehrerer Insolvenzverfahren über das Vermögen desselben Schuldners durchaus ein Zusammenhang zwischen der Forderung des Gläubigers und der Belegenheit einzelner Vermögenswerte des Schuldners. Zutreffend nimmt daher eine andere Ansicht an, dass mit dem „nicht von dem Verfahren betroffene[n] Vermögen“ die „gegen den Schuldner gerichteten Forderungen und die Haftung der Insolvenzmasse für diese Forderungen“ gemeint sind.305 Art. 34 Abs. 2 ­EuInsVO stellt also eine „materiellrechtliche Bestandsgarantie“ der gegen den Schuldner gerichteten Forderungen dar.306 Denn Forderungen haben keine „physische, territorial beschränkbare Existenz“.307 Eine territoriale Spaltung einer Forderung ist folglich nicht möglich,308 weshalb sich eine Forderungsmodifikation nicht nur auf ein in einem bestimmten Staat belegenes Vermögen beschränken kann.309 Damit greift Art. 34 Abs. 2 ­EuInsVO immer dann ein, wenn eine Maßnahme nach Art. 34 Abs. 1 ­EuInsVO, beispielsweise ein Sanierungsplan, eine Modifikation der gegen den Schuldner gerichteten Forderungen vorsieht. In diesen Fällen müssen alle betroffenen Gläubiger zustimmen, was zu einem generellen Einstimmigkeitserfordernis führt.310 Sieht das im Sekundärinsolvenzverfahren anwendbare Recht vor, dass die Zustimmung einer Gruppe von Gläubigern unter bestimmten Voraussetzungen ersetzt werden kann, so wird teilweise vertreten, dass eine solche Zustimmungsersetzung als Zustimmung im Sinne des Art. 34 Abs. 2 ­EuInsVO anzusehen sei. Somit wären im Falle einer Ersetzung der Zustimmung aller Gläubiger, die der Maßnahme nicht von sich aus zugestimmt haben, die Voraussetzungen des Art. 34 Abs. 2 ­EuInsVO 304 Vgl. Art. 32 Abs. 1 ­EuInsVO, wonach ein Gläubiger seine Forderung im Hauptinsolvenzverfahren und in jedem Sekundärinsolvenzverfahren anmelden kann. 305 Herchen, in: Pannen, Komm. z. ­EuInsVO, Art. 34 Rdn. 48. 306 Herchen, Pannen, Komm. z. E ­ uInsVO, Art. 34 Rdn. 51; Seidl/Paulick, Z ­ InsO 2010, 125, 127. 307 Flessner, in: Stoll, Stellungnahmen und Gutachten zur Reform des deutschen Interna­ tionalen Insolvenzrechts (1992), 201, 205; ebenso Reinhart, Sanierungsverfahren im internationalen Insolvenzrecht (1995), S. 301; Seidl/Paulick, ­ZInsO 2010, 125, 127. 308 Seidl/Paulick, ­ZInsO 2010, 125, 127; Herchen, in: Pannen, Komm. z. E ­ uInsVO, Art. 34 Rdn. 51. 309 Reinhart, Sanierungsverfahren im internationalen Insolvenzrecht (1995), S. 301 f. 310 Reinhart, Münchener Komm. z. InsO, E ­ uInsVO Art. 34 Rdn. 10; Seidl/Paulick, ­ZInsO 2010, 125, 127; Wimmer, ZIP 1998, 982, 988; Wenner/Schuster, in: Frankfurter Komm. z. InsO, ­EuInsVO Art. 34 Rdn. 6; ebenfalls das Einstimmigkeitserfordernis betonend, aber ohne Aussage dazu, wann eine Maßnahme im Sekundärinsolvenzverfahren auch das nicht im Eröffnungsstaat dieses Verfahrens belegene Vermögen betrifft Stephan, Heidelberger Komm. z. InsO, ­EuInsVO Art. 34 Rdn. 11; Uhlenbruck/Lüer, Komm. z. InsO, E ­ uInsVO Art. 34 Rdn. 5; Duursma-Kepplinger/Chalupsky, in: Duursma-Kepplinger/Duursma/Chalupsky, Komm. z. ­EuInsVO, Art. 34 Rdn. 13; Kindler, Münchener Komm. z. BGB, ­IntInsR, ­EuInsVO Art. 34 Rdn. 13.

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gewahrt. Dies müsse jedenfalls dann gelten, wenn eine solche Zustimmungsersetzung nur dann möglich ist, sofern der jeweilige Gläubiger mit der Sanierungsmaßnahme nicht schlechter steht als ohne, da Art. 34 Abs. 2 ­EuInsVO nur bezwecke, Benachteiligungen von nicht in das Sekundärinsolvenzverfahren einbezogenen Gläubigern durch materielle Veränderungen ihrer Rechte zu vermeiden.311 Hiergegen spricht jedoch, dass Art. 34 Abs. 2 ­EuInsVO ausdrücklich die Zustimmung aller von der Maßnahme betroffener Gläubiger fordert und keinen Anhaltspunkt dafür enthält, dass nationale Regelungen über eine Ersetzung der Zustimmung hierbei zu berücksichtigen sind. Zudem macht es aus Sicht eines Gläubigers keinen Unterschied, ob er nicht am Sekundärinsolvenzverfahren teilnimmt, er aber gleichwohl an eine in diesem Verfahren beschlossene Sanierungsmaßnahme gebunden wird, oder ob er zwar teilnimmt, aber durch Verweigerung seiner Zustimmung einer von der Mehrheit beschlossenen Maßnahme unterworfen wird.312 In beiden Fällen wird er ohne seine Zustimmung von einer im Sekundärinsolvenzverfahren beschlossenen Maßnahme betroffen. Deshalb sind beide Fälle gleich zu behandeln, weshalb durch eine Zustimmungsersetzung nach Maßgabe des nationalen Rechts die Erfordernisse des Art. 34 Abs. 2 ­EuInsVO nicht erfüllt werden können.313 Stimmen nicht alle Gläubiger des Sekundärinsolvenzverfahrens der Maßnahme zu, so ist fraglich, ob ihre Wirkungen auf das nicht im Sekundärverfahrensstaat belegene Vermögen wenigstens gegenüber denjenigen Gläubigern eintreten, die ihre Zustimmung erteilt haben. Teilweise wird diese Frage bejaht. Denn dem Zweck der Vorschrift, jeden einzelnen Gläubiger zu schützen, sei bereits dadurch Genüge getan, dass jeder Gläubiger durch die Verweigerung seiner Zustimmung Eingriffe in seine eigene Rechtsstellung verhindern könne. Ein „Veto-Recht mit Drittwirkung“ sei hingegen nicht erforderlich, weshalb Art. 34 Abs. 2 ­EuInsVO im Wege einer teleologischen Reduktion an die Regelung des Art. 17 Abs. 2 Satz 2 ­EuInsVO anzupassen sei, bei der die fehlende Zustimmung eines Gläubigers ebenfalls nur individuell wirke.314 Hiergegen spricht aber, dass damit über den unterschied­ lichen Wortlaut der Art. 17 Abs. 2 Satz 2 und 34 Abs. 2 ­EuInsVO hinweggegangen wird. Diesen hatte der Verordnungsgeber offenbar bewusst gewählt, spricht doch der Erläuternde Bericht zum insoweit wortgleichen ­EuInsVÜ davon, dass „ein die Gläubigerrechte beschränkender Vergleich […] im Sekundärinsolvenzverfahren geschlossen werden und auch nicht unter dieses Verfahren fallendes 311

Stephan, Heidelberger Komm. z. InsO, ­EuInsVO Art. 34 Rdn. 11; Kemper, in: Kübler/ Prütting/Bork, Komm. z. InsO, ­EuInsVO Art. 34 Rdn. 10. 312 Ebenso Taupitz, ZZP 111 (1998), 315, 348. 313 Ebenso Seidl/Paulick, ­ ZInsO 2010, 125, 127; Kindler, Münchener Komm. z. BGB, ­IntInsR, ­EuInsVO Art. 34 Rdn. 13; Reinhart, Münchener Komm z. InsO, EGInsO Art. 102 § 9 Rdn. 10 für die Vorschrift des Art. 102 § 9 EGInsO, die die Bestätigung eines Insolvenzplanes in einem nach deutschem Recht abzuwickelnden Sekundärinsolvenzverfahren nur zulässt, wenn alle betroffenen Gläubiger dem Plan zugestimmt haben. 314 Eidenmüller, IPrax 2001, 2, 9; Herchen, in: Pannen, Komm. z. E ­ uInsVO, Art. 34 Rdn. 46.

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Vermögen betreffen [kann], vorausgesetzt, jeder von der Maßnahme betroffene Gläubiger, d. h. jeder Gläubiger, dessen Interessen durch die Maßnahme be­ einträchtigt werden, stimmt ihr zu“315. Deshalb ist es überzeugender, einer im Sekundärinsolvenzverfahren beschlossenen Maßnahme ohne Zustimmung aller Gläubiger keine Wirkung bezüglich des nicht in diesem Mitgliedsstaat belegenen Vermögens zuzubilligen, und zwar auch nicht gegenüber denjenigen Gläubigern, die zugestimmt haben.316 Ist also für eine Modifikation der gegen den Schuldner gerichteten Forderungen im Sekundärinsolvenzverfahren stets die Zustimmung aller betroffenen Gläubiger erforderlich, so dürften hierauf gerichtete Maßnahmen im Sekundärinsolvenzverfahren regelmäßig undurchführbar sein, da eine Zustimmung aller betroffenen Gläubiger ohne die Möglichkeit einer Zustimmungsersetzung praktisch nicht zu erreichen sein wird.317 Die Eröffnung eines Sekundärinsolvenzverfahrens würde also alle Sanierungschancen für den Schuldner zu Nichte machen. Um dieser Konsequenz zu entgehen und einen Sanierungsplan im Sekundär­ insolvenzverfahren auch ohne ausdrückliche Zustimmung aller hiervon betroffenen Gläubiger möglich zu machen, wird teilweise zwischen der Einwirkung auf den materiellrechtlichen Bestand einer Forderung und der Beschränkung des für die Forderung haftenden Vermögens unterschieden.318 Regele eine Maßnahme im Sekundärinsolvenzverfahren, dass das in diesem Verfahren verwaltete Vermögen nur in Höhe einer bestimmten Quote für die jeweilige Forderung des Gläubigers hafte, so käme dieser Maßnahme keine grenzüberschreitende Wirkung zu.319 Denn der Bestand der Forderung in ihrer ursprünglichen Höhe bliebe unberührt,320 weshalb auch das Einstimmigkeitserfordernis des Art. 34 Abs. 2 ­EuInsVO nicht eingreife. Hiermit werde erreicht, dass eine Einwirkung auf den materiellrechtlichen Bestand der Forderung den im Hauptinsolvenzverfahren getroffenen Maßnahmen vorbehalten bleibe und dem einzelnen Gläubiger durch die Eröffnung eines Sekundärinsolvenzverfahrens keine Blockademöglichkeit bezüglich einer verfahrensübergreifenden Sanierung gewährt werde.321 Eine solche Differenzierung zwischen einer Einwirkung auf den materiellrechtlichen Bestand einer Forderung und einer Beschränkung des für die Forderung haftenden Vermögens erscheint grds. möglich. Allerdings setzt sie voraus, dass das im Sekundärinsolvenzverfahren an 315 Virgós/Schmit, Erläuternder Bericht zu dem EU-Übereinkommen über Insolvenzverfahren, Rdn. 250. 316 Ebenso Wimmer, ZIP 1998, 982, 988; Seidl/Paulick, ­ZInsO 2010, 125, 128; DuursmaKepplinger/Chalupsky, in: Duursma-Kepplinger/Duursma/Chalupsky, Komm. z. ­ EuInsVO, Art. 34 Rdn. 3; Stephan, Heidelberger Komm. z. InsO, Art. 34 Rdn. 13. 317 Seidl/Paulick, ­ZInsO 2010, 125, 127. 318 Herchen, in: Pannen, Komm. z. ­EuInsVO, Art. 34 Rdn. 48; Geroldinger, Verfahrenskoordination im Europäischen Insolvenzrecht (2010), S. 360; Lüke, ZZP 111 (1998), 275, 308. 319 Herchen, in: Pannen, Komm. z. ­EuInsVO, Art. 34 Rdn. 50. 320 Geroldinger, Verfahrenskoordination im Europäischen Insolvenzrecht (2010), S. 360. 321 Herchen, in: Pannen, Komm. z. ­EuInsVO, Art. 34 Rdn. 54.

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wendbare Recht eine Beschränkung des für die Forderung haftenden Vermögens zulässt. Zudem wird man auch verlangen müssen, dass eine solche Beschränkung des haftenden Vermögens im Sekundärinsolvenzverfahren ausdrücklich als solche bezeichnet wird. Denn das Gericht des Hauptverfahrens, bei dem die Forderung in voller Höhe angemeldet worden ist, muss Klarheit darüber haben, ob die Höhe der Forderung durch die Maßnahme im Sekundärinsolvenzverfahren verändert wird. Kommt im Sekundärinsolvenzverfahren deutsches Insolvenzrecht zur Anwendung, so wäre zudem die Regelung des Art. 102 § 9 EGInsO zu beachten. Nach dieser Vorschrift kann ein Insolvenzplan im Sekundärinsolvenzverfahren322, der eine Stundung, einen Erlass oder sonstige Einschränkungen der Rechte der Gläubiger vorsieht, vom Insolvenzgericht nur bestätigt werden, wenn alle betroffenen Gläubiger zugestimmt haben. Diese Norm geht im Falle der Anwendbarkeit deutschen Insolvenzrechts im Sekundärinsolvenzverfahren über die Regelung des Art. 34 Abs. 2 ­EuInsVO hinaus und verlangt generell, also auch für den Fall, dass sich die Wirkungen dieses Insolvenzplans auf das in Deutschland als Sekundärverfahrensstaat belegene Vermögen beschränken, die Zustimmung aller betroffenen Gläubiger zu einer Einschränkung ihrer Rechte.323 Eine solche Einschränkung stellt aber auch eine Beschränkung des für die Forderung eines Gläubigers haftenden Vermögens dar.324 Damit würde die Differenzierung zwischen Einwirkung auf den materiellrechtlichen Bestand einer Forderung und einer Beschränkung des für die Forderung haftenden Vermögens bei Anwendung deutschen Rechts im Sekundärinsolvenzverfahren nichts am Einstimmigkeits­ erfordernis ändern. Ferner wird zur Ermöglichung einer Sanierung des schuldnerischen Unter­ nehmens trotz Eröffnung eines Sekundärinsolvenzverfahrens eine Ausnahme von der Regelung des Art. 34 Abs. 2 ­EuInsVO vorgeschlagen. So soll die Norm keine Anwendung finden, wenn ein das gesamte Vermögen des Schuldners umfassender Insolvenzplan ausgearbeitet und sodann in den einzelnen Parallelverfahren zur Abstimmung gestellt wird. Denn hier bedürfe es einer territorialen Beschränkung der Wirkungen des Sekundärinsolvenzverfahrens nicht, da dem im Plan enthaltenen Konzept gerade das gesamte Schuldnervermögen zu Grunde liege und dieser Plan somit auch die Berechtigung habe, die Rechtsbeziehungen des Schuldners zu seinen Gläubigern umzugestalten.325 Diese Ausnahme von der Geltung des Art. 34 Abs. 2 ­EuInsVO wird darüber hinaus auch für den Fall koordinier 322

Art. 102 § 9 EGInsO gilt nur für Sekundärinsolvenzverfahren, vgl. Uhlenbruck/Lüer, Komm. z. InsO, EGInsO Art. 102 § 9 Rdn. 2; Reinhart, Münchener Komm. z. InsO, EGInsO Art. 102 § 9 Rdn. 6. 323 Seidl/Paulick, ­ZInsO 2010, 125, 127; Reinhart, Münchener Komm. z. InsO, E ­ GInsO Art. 102 § 9 Rdn. 4. 324 Herchen, in: Pannen, Komm. z. ­EuInsVO, Art. 34 Rdn. 56. 325 Reinhart, Münchener Komm. z. InsO, E ­ uInsVO Art. 34 Rdn. 11; Seidl/Paulick, ­ZInsO 2010, 125, 129; dem offenbar zustimmend Undritz, Hamburger Komm. z. InsR, ­EuInsVO Art. 34 Rdn. 5.

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ter, d. h. inhaltlich aufeinander abgestimmter Insolvenzpläne befürwortet.326 Hier­ gegen spricht jedoch, dass der Wortlaut des Art. 34 Abs. 2 ­EuInsVO keine Anhaltspunkte für einer Nichtanwendung dieser Vorschrift in den genannten Fällen enthält. Im Falle der Anwendung deutschen Rechts im Sekundärinsolvenzverfahren wäre zudem auch nach Art. 102 § 9 ­EGInsO die Zustimmung aller Gläubiger erforderlich.327 Schließlich wird die Ausarbeitung eines einheitlichen bzw. mehrerer aufeinander abgestimmter Insolvenzpläne dann auf Schwierigkeiten stoßen, wenn die in den jeweiligen Verfahren geltenden Insolvenzrechte unterschiedliche Anforderungen an einen verfahrensbeendenden Plan stellen.328 Damit bestehen auch gegen diesen Lösungsansatz sowohl in rechtlicher als auch in tatsächlicher Hinsicht erhebliche Bedenken. cc) Folgen für die Verfahrenskoordination Fraglich ist, ob auf Grundlage der Art. 31 ff. ­EuInsVO eine effektive Koordination von Haupt- und Sekundärinsolvenzverfahren möglich ist. (1) Ausrichtung des Sekundärinsolvenzverfahrens an den Erfordernissen des Hauptinsolvenzverfahrens Ein Gleichlauf zwischen Haupt- und Sekundärinsolvenzverfahren könnte zunächst dadurch erreicht werden, dass der Insolvenzverwalter des Hauptinsolvenzverfahrens mittels der ihm nach Art. 31 ff. ­EuInsVO zustehenden Befugnisse das Sekundärinsolvenzverfahren vollständig an den Erfordernissen des Hauptinsolvenzverfahrens ausrichtet. Allerdings erscheint fraglich, ob die Befugnisse des Verwalters des Hauptinsolvenzverfahrens hierfür weitreichend genug sind. 326 So Seidl/Paulick, ­ZInsO 2010, 125, 129 in Anlehnung an eine von Liersch, NZI 2003, 302, 309 sowie Braun/Delzant, Komm. z. InsO, § 355 Rdn. 17 zu § 355 Abs. 2 InsO entwickelte Ansicht, wonach das in dieser Bestimmung für deutsche Partikularverfahren bei einem Haupt­ insolvenzverfahren außerhalb der EU normierte Erfordernis einer Zustimmung aller von einer Maßnahme in einem Insolvenzplan betroffenen Gläubiger dann erfüllt sein soll, wenn im Haupt- und Partikularverfahren aufeinander abgestimmte Insolvenzpläne zur Abstimmung gestellt werden und der Plan im Hauptinsolvenzverfahren sowie gegebenenfalls in allen anderen über das Vermögen des betreffenden Schuldners eröffneten Partikularverfahren angenommen worden ist. Hier sei dann die Zustimmung der Gläubiger in den anderen Verfahren nach Maßgabe des dort anzuwendenden Rechts als „Zustimmung aller betroffenen Gläubiger“ im Sinne des § 355 Abs. 2 InsO anzusehen. 327 Für eine Nichtanwendung des in Art. 102 § 9 ­EGInsO statuierten Einstimmigkeitserfordernisses bei abgestimmten Insolvenzplänen Wenner/Schuster, Frankfurter Komm. z. InsO, ­EGInsO Art. 102 § 9 Rdn. 4; ebenso für einen einheitlichen Insolvenzplan, der in allen Verfahren zur Abstimmung gestellt wird, Reinhart, Münchener Komm. z. InsO, E ­ GInsO Art. 102 § 9 Rdn. 9. 328 Reinhart, Münchener Komm. z. InsO, ­EuInsVO Art. 34 Rdn. 18; ders., Sanierungsverfahren im internationalen Insolvenzrecht (1995), S. 310.

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So hat der Verwalter des Hauptinsolvenzverfahrens zwar gem. Art. 31 Abs. 3 ­ uInsVO und Art. 34 Abs. 1 Satz 1 ­EuInsVO das Recht, Vorschläge für die VerE wertung der Masse des Sekundärinsolvenzverfahrens zu unterbreiten bzw. Sanierungsmaßnahmen vorzuschlagen, verbindlich sind diese Vorschläge für den Verwalter des Sekundärinsolvenzverfahrens bzw. die anderen zur Entscheidung über die Art und Weise der Verwertung berechtigten Personen aber nicht. Insbesondere wird der Verwalter des Sekundärinsolvenzverfahrens nicht generell von einer Haftung befreit, sofern er die Vorschläge des Verwalters des Hauptinsolvenz­ verfahrens unter Verletzung von Pflichten, die ihm nach dem ihm Sekundärinsolvenzverfahren anwendbaren Insolvenzrecht obliegen, befolgt.329 Auch aus der von Art. 32 Abs. 2 ­EuInsVO statuierten Pflicht der Verwalter, die im eigenen Verfahren angemeldeten Forderungen auch im Parallelverfahren anzumelden, sowie dem aus Art. 32 Abs. 3 ­EuInsVO folgenden Recht, am Parallelverfahren wie ein Gläubiger teilzunehmen, ergeben sich für den Verwalter des Hauptinsolvenzverfahrens keine verbindlichen Weisungsbefugnisse gegenüber dem Verwalter des Sekundärinsolvenzverfahrens. Denn diese Normen berechtigen den jeweiligen Verwalter gerade nicht dazu, die Stimmrechte aus diesen Forderungen im Parallelverfahren aus­zuüben. Hierzu ist er nur berechtigt, wenn ihm der jeweilige Gläubiger eine diesbezügliche Vollmacht erteilt.330 Schließlich führen auch das teilweise als „schärfste Waffe“331 des Hauptinsolvenzverwalters bezeichnete Recht, gem. Art. 33 Abs. 1 ­EuInsVO die Aussetzung der Verwertung im Sekundärinsolvenzverfahren zu beantragen, sowie das Erfordernis der Zustimmung des Hauptinsolvenzverwalters zu im Sekundärinsolvenzverfahren beabsichtigten Sanierungsmaßnahmen gem. Art. 34 Abs. 1 Satz 1 ­EuInsVO nicht dazu, dass der Hauptinsolvenzverwalter das Sekundärinsolvenzverfahren umfassend an den Interessen des Hauptinsolvenzverfahrens ausrichten könnte. Zwar kann er mit einem Antrag nach Art. 33 Abs. 1 ­EuInsVO auch eine Betriebsstillegung durch den Sekundärinsolvenzverwalter verhindern und ihn damit zur Betriebsfortführung zwingen. Allerdings muss der Verwalter des Hauptinsolvenzverfahrens die durch eine solche Betriebsfortführung verursachten Verluste ausgleichen bzw. für einen drohenden Verlust Sicherheit leisten.332 Damit ist das Erzwingen einer Betriebsfortführung im Sekundärinsolvenzverfahren für die Masse des Hauptinsolvenzverfahrens mit erheblichen finanziellen Risiken verbunden. Kann die Masse des Hauptinsolvenzverfahrens diesen Verpflichtungen nicht nachkommen, so ist die Aussetzung der Verwertung aufzuheben. Gleiches gilt, wenn eine Sanierung des Schuldners endgültig ausscheidet, beispielsweise weil die Gläubiger im Sekundärinsolvenzverfahren die Liquidation des in diesem Verfahren verwalteten Vermögens beschließen. Das Risiko, dass die Gläubiger des Sekundärinsolvenzverfahrens gegen ein im Hauptinsolvenzverfahren verfolgtes 329

Siehe oben B. I. 2. c) bb) (1). Siehe oben B. I. 2. c) bb) (2). 331 So Ehricke, ­ZInsO 2004, 633. 332 Siehe oben B. I. 2. c) bb) (3). 330

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Sanierungskonzept opponieren, wird zwar durch die Pflicht der Verwalter zur wechselseitigen Forderungsanmeldung minimiert. Denn mit einer solchen Anmeldung wird erreicht, dass die Gläubiger in beiden Verfahren identisch sind und divergierende Gläubigerentscheidungen nach Möglichkeit vermieden werden. Allerdings kann es vorkommen, dass die Gläubiger einer Anmeldung ihrer Forderung im Parallelverfahren widersprechen, beispielsweise weil sie aus Kostengründen ihre Forderung nur in einem besonders massereichen Verfahren verfolgen wollen. Gerade wenn bei der Insolvenz einer Konzerntochter der weit überwiegende Teil des Vermögens dieser Tochtergesellschaft im Sekundärinsolvenzverfahren verwaltet wird, dürfte die Teilnahme eines Gläubigers allein am Sekundärinsolvenzverfahren sinnvoll sein.333 Damit kann der Verwalter des Hauptinsolvenzverfahrens nach Art. 33 Abs. 1 ­EuInsVO allenfalls eine zeitlich begrenzte Betriebsfortführung erzwingen, die endgültige Entscheidung liegt hingegen bei den Gläubigern des Sekundärinsolvenzverfahrens. Insgesamt bleibt der Insolvenzverwalter des Hauptinsolvenzverfahrens darauf beschränkt, eine Verwertung der Insolvenzmasse des Sekundärinsolvenzverfahrens vorübergehend sowie eine isolierte Sanierung im Sekundärinsolvenzverfahren endgültig zu verhindern. Eine bestimmte Art der Verwertung der Insolvenzmasse kann er hingegen nicht erzwingen,334 vielmehr kann er gem. Art. 31 Abs. 3 ­EuInsVO und Art. 34 Abs. 1 Satz 1 ­EuInsVO lediglich entsprechende Vorschläge machen. Diese müssen sodann nach Maßgabe des im Sekundärinsolvenzverfahren anwendbaren Rechts von den zuständigen Organen angenommen werden, verbindlich sind die Vorschläge des Verwalters des Hauptinsolvenzverfahrens hingegen nicht. Damit hat der Verwalter des Hauptinsolvenzverfahrens keine Möglichkeit, das Sekundärinsolvenzverfahren umfassend an den Erfordernissen des Hauptinsolvenzverfahrens auszurichten. (2) Koordination durch Informationsaustausch und Zusammenarbeit der beteiligten Verwalter Eine Koordination von Haupt- und Sekundärinsolvenzverfahren kann somit nur auf Grundlage der in Art. 31 ­EuInsVO normierten Pflicht der jeweiligen Verwalter zum Informationsaustausch und zur Zusammenarbeit erfolgen. Denn die Befolgung dieser Pflicht kann wesentlich dazu beitragen, die durch Aufspaltung des schuldnerischen Vermögens in zwei getrennt verwaltete Massen entstehenden Nachteile, wie beispielsweise konfligierende Verwertungshandlungen, auszugleichen.335 Allerdings handelt es sich bei Art. 31 ­EuInsVO nur um eine „rudimentäre 333 Vgl. Beck, NZI 2006, 609, 614, wonach es für einen Gläubiger vorteilhaft sein kann, seine Forderung nur in einem besonders massereichen Verfahren anzumelden und somit den Verwaltungsaufwand zu minimieren. 334 Beck, NZI 2006, 609, 615. 335 Ehricke, WM 2005, 397; Reinhart, Münchener Komm. z. InsO, ­EuInsVO Art. 31 Rdn. 1.

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Rahmenregelung“336, die lediglich bezüglich der Unterrichtungspflicht beispielhaft den Stand der Anmeldung und der Prüfung der Forderungen sowie alle Maßnahmen zur Beendigung des Insolvenzverfahrens nennt. Damit obliegt es den von dieser Vorschrift verpflichteten Verwaltern, im Einzelfall aus ihrer Sicht geeignete Maßnahmen zur Umsetzung dieser Pflichten zu ergreifen. Kommen die beteiligten Verwalter ihren Pflichten aus Art. 31 ­EuInsVO nicht freiwillig nach, so ist entscheidend, wie diese Pflichten durchgesetzt werden können. Da eine Leistungsklage hierfür wegen der Dauer eines entsprechenden Prozesses und der Schwierigkeit, bezüglich der Pflicht zur Zusammenarbeit einen hinreichend konkreten Klagantrag zu formulieren, wenig geeignet erscheint, bleibt dem jeweiligen Verwalter nur die Möglichkeit, nach Maßgabe des jeweiligen nationalen Rechts Aufsichtsmaßnahmen des zuständigen Insolvenzgerichts zu erwirken oder einen durch die Verletzung der in Art. 31 ­EuInsVO normierten Pflichten entstandenen Schaden einzuklagen. Beide Optionen können den jeweiligen Verwalter aber vor erhebliche Schwierigkeiten stellen. So kann sich das Erwirken von gerichtlichen Aufsichtsmaßnahmen gegen den Verwalter des Parallelverfahrens als problematisch erweisen, wenn das nationale Recht dem Verwalter kein diesbezügliches Antragsrecht zubilligt. Beispielsweise kann im deutschen Recht ein am Verfahren Beteiligter Aufsichtsmaßnahmen gegen den Insolvenzverwalter lediglich beim Insolvenzgericht anregen,337 zudem ist gegen die Entscheidung des Insolvenzgerichts, ein Einschreiten abzulehnen, kein Rechtsmittel gegeben.338 Auch ist das deutsche Insolvenzgericht primär auf eine Rechtsaufsicht über den Insolvenzverwalter beschränkt, hat aber grundsätzlich keine Möglichkeit, eine Ermessensentscheidung des Verwalters auf seine Zweckmäßigkeit hin zu überprüfen.339 Da die Pflicht zur Zusammenarbeit in der ­EuInsVO lediglich abstrakt normiert ist, sich aber keine Ausführungen zu Inhalt und Reichweite dieser Pflicht finden, dürfte dem jeweiligen Verwalter hinsichtlich der Art und Weise der Umsetzung dieser Pflicht ein gewisser Ermessenspielraum zukommen, was das Ergreifen von gerichtlichen Aufsichtsmaßnahmen erschwert. Die Unsicherheit über die genaue Reichweite der Unterrichtungs- und Kooperationspflicht im Einzelfall erschwert auch die Geltendmachung eines Schadensersatzanspruchs, da der klagende Verwalter hier zunächst eine Verletzung der Pflichten aus Art. 31 ­EuInsVO durch den Verwalter des Parallelverfahrens darzulegen hat. Hinzu kommt, dass er auch einen kausal durch diese Pflichtverletzung entstandenen Schaden beziffern muss. Dies wird oftmals schwierig sein, beispielsweise wenn ein Verwalter die mangelnde Kooperation eines anderen Verwalters bei der Ausarbeitung eines einheitlichen Verwertungskonzeptes rügt, aber unklar ist, ob dieses Konzept von den Gläubi 336

So die Formulierung von Ehricke, WM 2005, 397, 398. Graeber, Münchener Komm. z. InsO, § 58 Rdn. 12. 338 BGH, Beschluss vom 13. Juni 2006, IX ZB 136/05, NZI 2006, 593. 339 Braun/Blümle, Komm. z. InsO, § 58 Rdn. 4; ähnlich Uhlenbruck/Uhlenbruck, Komm. z. InsO, § 58 Rdn. 10, wonach bei ständigem Ermessensmissbrauch allenfalls eine Entlassung des Verwalters, aber keine konkreten Handlungsanweisungen zulässig sind. 337

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gern angenommen bzw. welche Quote bei seiner Umsetzung erzielt worden wäre. Angesichts dieser Unsicherheiten wird sich der jeweilige Verwalter genau über­ legen, ob er bereit ist, das mit einer Klage verbundene Kostenrisiko einzugehen.340 Dies gilt umso mehr, als das maßgebliche Recht des Parallelverfahrens dem klagenden Verwalter oftmals nicht vollständig geläufig ist und er deshalb im Regelfall auf einen ausländischen Rechtsbeistand zurückgreifen muss, was mit zusätz­ lichen Kosten verbunden ist. Im Ergebnis ist den beteiligten Verwaltern angesichts des sehr allgemein gehaltenen Wortlauts des Art. 31 ­EuInsVO und den angesprochenen Schwierigkeiten bei der zwangsweisen Durchsetzung der dort normierten Pflichten bzw. der Sanktionierung von Verstößen gegen diese Pflichten ein erheblicher Gestaltungsspielraum eröffnet. Da es sich bei der Koordination von Haupt- und Sekundärinsolvenzverfahren um eine „Schlüsselmaterie für das Funktionieren des dem europäischen Gesetzgeber vorschwebenden Konzeptes“341 handelt, hängt die erfolgreiche Abwicklung einer grenzüberschreitenden Insolvenz im Anwendungs­ uInsVO maßgeblich davon ab, wie die in den parallelen Verfahren bereich der E bestellten Verwalter die ihnen durch Art. 31 ­EuInsVO gewährten Gestaltungsmöglichkeiten nutzen. Eine effiziente Umsetzung der in Art. 31 ­EuInsVO statuierten Pflichten erfordert neben einer vertrauensvollen Zusammenarbeit im Sinne eines „professionelle[n] Umgang[s] miteinander statt beckmesserische[r] Rechten- und Pflichtenabgrenzung“342 auch beiderseitige Kenntnisse des im jeweiligen Verfahren anwendbaren Rechts bzw. die Bereitschaft, sich diese anzueignen.343 Gleichfalls unabdingbar für eine erfolgreiche Zusammenarbeit der beteiligten Verwalter ist eine von beiden beherrschte Sprache, was in den meisten Fällen Englisch sein wird.344 Insgesamt steigen durch die Eröffnung eines Sekundärinsolvenzverfahrens die Anforderungen an die beteiligten Verwalter erheblich. Zudem kann sich eine Zusammenarbeit als schwierig erweisen, wenn die beteiligten Verwalter unterschiedliche Verwertungskonzepte verfolgen. Hier ist dann auch ein erhebliches Maß an Kompromissbereitschaft erforderlich.345 Aber auch wenn die beteiligten Verwalter zu einer solchen vertrauensvollen Zusammenarbeit willens und in der Lage sind, können sich bei der Koordination von Haupt- und Sekundärinsolvenzverfahren weitere Probleme ergeben, die eine erfolgreiche Koordination gefährden. Dies gilt insbesondere bei einer beabsichtigten Sanierung des schuldnerischen Unternehmens.

340 Beweisschwierigkeiten beim Nachweis eines Schadens befürchtet auch Beck, NZI 2006, 609, 613. 341 Paulus, Komm. z. ­EuInsVO, Art. 31 Rdn. 2a. 342 Paulus, Komm. z. ­EuInsVO, Art. 31 Rdn. 3; ähnlich Menjucq, ECFR 2008, 135, 143. 343 Staak, NZI 2004, 480, 481. 344 So die Einschätzung von Paulus, Komm. z. ­EuInsVO, Art. 31 Rdn. 2. 345 Skeptisch diesbezüglich Paulus, RabelsZ 70 (2006), 458, 465, wonach „der Typus des Insolvenzverwalters […] eher der eines Einzelkämpfers als der eines Teamworkers ist“.

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So können unterschiedliche Zielrichtungen in den jeweiligen Verfahren die Abstimmung erschweren. Eine solche unterschiedliche Zielrichtung von Hauptund Sekundärinsolvenzverfahren dürfte sich weniger aus den den nationalen Insolvenzrechten zu Grunde liegenden Entscheidungen des jeweiligen Gesetzgebers ergeben,346 da die in den einzelnen Mitgliedsstaaten mitunter verschiedenen Ziele eines Insolvenzverfahrens durch die Beschränkung des Sekundärinsolvenzverfahrens auf Liquidationsverfahren gem. Art. 2 lit. c) ­EuInsVO i. V. m. Anhang B zur ­EuInsVO überlagert werden. Zwar ist auch im Sekundärinsolvenzverfahren eine Sanierung nicht ausgeschlossen, sofern das jeweilige Verfahren trotz seiner Auflistung in Anhang B zur ­EuInsVO eine Verfahrensbeendigung durch einen Sanierungsplan zulässt, wie es beispielsweise das deutsche Insolvenzrecht in den §§ 217 ff.  InsO tut.347 Allerdings sehen andere in Anhang B zur ­EuInsVO genannte Verfahren eine solche Möglichkeit nicht vor. So ist in Frankreich im Sekundärinsolvenzverfahren die liquidation judiciaire die einzige zulässige Verfahrensart. Im Rahmen eines solchen Verfahrens wird die Tätigkeit des Unternehmens beendet sowie ein Liquidator ernannt, der das schuldnerische Vermögen zu verwerten und die Gläubiger quotal zu befriedigen hat.348 Wenn das Hauptinsolvenzverfahren beispielsweise ein englisches administration-Verfahren ist, welches gem. para 3(1)(a) Schedule B1 Insolvency Act 1986 in erster Linie den Erhalt des schuldnerischen Unternehmens zum Ziel hat,349 sind die Möglichkeiten für die beteiligten Verwalter, sich auf ein gemeinsames Vorgehen zu verständigen, erheblich eingeschränkt. So wäre in dem geschilderten Beispiel eine Sanierung unter Erhaltung des Schuldners als Rechtsträger des Unternehmens allenfalls dann möglich, wenn der Verwalter des Hauptinsolvenzverfahrens die im Sekundärinsolvenzverfahren verwalteten Aktiva erwirbt. Hierfür müsste er aber über die erforderliche Liquidität verfügen, was vor allem dann problematisch ist, wenn es sich bei dem Schuldner um eine Konzerntochter handelt, bei der das Hauptinsolvenzverfahren nicht im Staat ihres Tätigkeitsmittelpunktes eröffnet wurde und deshalb ein Großteil des Vermögens dieser Gesellschaft in die Masse des Sekundärinsolvenzverfahrens gefallen ist. In einem solchen Fall können für den Erwerb dieses Vermögens erhebliche finanzielle Mittel erforderlich sein. Im Hauptinsolvenzverfahren hingegen ist die Insolvenzmasse sehr gering, was die Aufbringung dieser Mittel erschwert. Aber auch wenn im Sekundärinsolvenzverfahren eine Sanierung grundsätzlich möglich ist, so erscheint die Durchführung einer verfahrensübergreifenden Sanierung des schuldnerischen Unternehmens problematisch. Denn nach Art. 34 Abs. 2 ­EuInsVO kann eine Beschränkung der Rechte der Gläubiger durch eine Maßnahme im Sekundärinsolvenzverfahren nur dann Auswirkungen auf das nicht von diesem Verfahren betroffene Vermögen haben, wenn alle betroffenen 346

So aber die Einschätzung von Paulus, NZI 2001, 505, 515. Siehe oben B. I. 2. c) aa). 348 Niggemann, Münchener Komm. z. InsO, Länderbericht Frankreich Rdn. 26 f. 349 Keay/Walton, Insolvency Law, S. 102; Schillig, in: Kindler/Nachmann, Handbuch Insolvenzrecht in Europa, Landesbericht England und Wales Rdn. 268. 347

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Gläubiger zustimmen. Da Forderungen gegen den Schuldner keine „physische, territorial beschränkbare Existenz“ haben,350 löst jede im Sekundärinsolvenzerfahren beabsichtigte Forderungsmodifikation wie beispielsweise eine Stundung oder ein Erlass das Einstimmigkeitserfordernis des Art. 34 Abs. 2 ­EuInsVO aus. Dies gilt auch im Falle mehrerer aufeinander abgestimmter Insolvenzpläne oder im Falle eines einheitlichen, verfahrensübergreifenden Sanierungsplans, der sowohl im Haupt- als auch im Sekundärinsolvenzverfahren zur Abstimmung gestellt wird. Eine gangbare Möglichkeit zur Umgehung dieses Einstimmigkeitserfordernisses besteht lediglich darin, im Sanierungsplan des Sekundärinsolvenzverfahrens keine Forderungsmodifikation vorzusehen, sondern nur die Haftung des in diesem Verfahren verwalteten Vermögens für die Forderung auf eine bestimmte Quote zu begrenzen, sofern das anwendbare Verfahrensrecht dies erlaubt. Ein solches Vorgehen führt faktisch dazu, dass die Möglichkeit des Gläubigers beschränkt wird, zur Realisierung dieser Forderung in die im Sekundärinsolvenzverfahren verwalteten Vermögenswerte zu vollstrecken. Eine Auswirkung auf das außerhalb des Sekundärverfahrensstaates belegene Vermögen wird so vermieden. Allerdings versagt auch diese Gestaltungsmöglichkeit, wenn das im Sekundärinsolvenzverfahren anzuwendende nationale Insolvenzrecht unabhängig von einer verfahrensübergreifenden Auswirkung für jede Beschränkung der Gläubigerrechte eine Zustimmung aller Gläubiger verlangt. Ein Beispiel hierfür ist die Regelung des Art. 102 § 9 ­EGInsO im deutschen Insolvenzrecht.351 Insgesamt ist die Koordination von Haupt- und Sekundärinsolvenzverfahren auf Basis der in Art. 27 ff. ­EuInsVO getroffenen Regelungen mit einigen Unsicherheiten und Schwierigkeiten sowohl rechtlicher als auch tatsächlicher Art behaftet. Insbesondere die Sanierung eines Unternehmens unter Erhalt der schuldnerischen Gesellschaft als Rechtsträger dieses Unternehmens wird durch die Eröffnung eines Sekundärinsolvenzverfahrens erheblich erschwert. Diese Einschätzung wird belegt durch die hauptsächlich in England abgewickelten Insolvenzen zweier größerer Unternehmensgruppen. Im Falle Collins & Aikman hatten englische Gerichte Hauptinsolvenzverfahren über 24 zu dieser Unternehmensgruppe gehörende Gesellschaften eröffnet, die in insgesamt 10 Mitgliedsstaaten der EU tätig waren. Um die beabsichtigte einheitliche Verwertung des Vermögens aller dieser Gesellschaften sicherzustellen, suchten die in den englischen Hauptverfahren bestellten joint administrators nach einer Möglichkeit, die Eröffnung von Sekundärinsolvenzverfahren in anderen europäischen Mitgliedsstaaten zu verhindern. Hierzu versprachen sie, die einzelnen Gläubiger im Falle des Verzichts auf die Beantragung der Eröffnung eines Sekundärinsolvenzverfahrens im Rahmen des englischen administration-Verfahrens soweit als möglich so zu stellen, als sei am Tätigkeitsort der jeweiligen Gesellschaft ein Sekundärinsolvenz 350 Flessner, in: Stoll, Stellungnahmen und Gutachten zur Reform des deutschen Insolvenzrechts (1992), 201, 205. 351 Siehe oben B. I. 2. c) bb) (4).

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verfahren eröffnet worden. Die Gläubiger der einzelnen Verfahren sahen in Anbetracht dieses Versprechens bis auf wenige Ausnahmen352 von der Beantragung der Eröffnung eines Sekundärinsolvenzverfahrens ab. Hierdurch konnten die joint administrators einen um ca. $ 45 Mio. höheren Erlös erzielen als sie ursprünglich erwartet hatten. Um ihr Versprechen einhalten zu können, beantragten sie sodann beim für die Hauptverfahren zuständigen englischen High Court, in dem jeweiligen Hauptverfahren die Verteilung der Masse abweichend von den Vorschriften des englischen Rechts vornehmen zu dürfen. Der englische High Court gab diesem Antrag statt.353 Einen anderen Weg schlugen die englischen joint administrators im Falle Re Nortel Networks SA ein. In diesem Verfahren waren ebenfalls über alle europäischen Tochtergesellschaften der Nortel-Gruppe in England Hauptinsol­ venzverfahren eröffnet worden. Um die Eröffnung von Sekundärinsolvenzverfahren in anderen europäischen Staaten zu verhindern, beantragten die joint administrators beim für die Hauptinsolvenzverfahren zuständigen High Court, an alle für die Eröffnung eines Sekundärinsolvenzverfahrens zuständigen mitgliedsstaatlichen Gerichte eine schriftliche Bitte zu versenden, die joint administrators von allen eingehenden Anträgen auf Eröffnung eines Sekundärinsolvenzverfahrens zu unterrichten und ihnen im Rahmen der Entscheidung über diesen Antrag die Möglichkeit zu geben, zu den mit der Eröffnung eines solchen Verfahrens verbundenen Nachteilen für die Verwertung des Vermögens der einzelnen Gesellschaft Stellung zu nehmen. Auch diesem Antrag gab der High Court statt.354 Diese Fälle belegen, dass auch die Rechtspraxis davon ausgeht, dass die Verfahrensabwicklung durch die Eröffnung eines Sekundärinsolvenzverfahrens komplexer wird und die Koordination dieses Sekundärinsolvenzverfahrens mit dem Hauptinsolvenzverfahren, insbesondere bei einer beabsichtigten Sanierung, zu erheblichen Problemen führt. dd) Zwischenergebnis Durch die Eröffnung eines Sekundärinsolvenzverfahrens werden die mit der konzernweit einheitlichen internationalen Zuständigkeit eines Insolvenzgerichts verbundenen Vorteile erheblich relativiert. Denn eine solche konzernweite Zuständigkeit soll die Abwicklung der Insolvenzverfahren der einzelnen Konzern­ gesellschaften nach einem einheitlichen Insolvenzrecht ermöglichen und durch die Zuständigkeit eines einzelnen Insolvenzgerichts die Gefahr divergierender Entscheidungen ausschließen. Wird nun aber ein Sekundärinsolvenzverfahren eröffnet, so findet auf dieses Verfahren das im Eröffnungsstaat geltende Verfahrensrecht 352 Nach Paulus, EWiR 2009, 177, 178 kam es nur bezüglich einer österreichischen Niederlassung zur Eröffnung eines Sekundärinsolvenzverfahrens. 353 Re Collins & Aikman Europe SA, Urteil des High Court of Justice (Chancery Division) vom 9. Juni 2006, [2006] EWHC 1343 (Ch) = NZI 2006, 654 ff. mit Besprechung von MeyerLöwy/Plank, NZI 2006, 622 ff. 354 Re Nortel Networks SA and Others, Urteil des High Court of Justice (Chancery Division) vom 11. Februar 2009, [2009] EWHC 206 (Ch).

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Anwendung, zudem ist das eröffnende Gericht für die gerichtlichen Entscheidungen in diesem Verfahren zuständig. Insoweit kommt es gleichwohl zu einer Mehrzahl paralleler Verfahren, die vor verschiedenen Gerichten nach verschiedenen Verfahrensrechten abgewickelt werden, was mittels der konzernweit einheitlichen internationalen Zuständigkeit gerade vermieden werden sollte. Fällt nun ein Großteil des Vermögens der schuldnerischen Gesellschaft in die Masse des Sekundär­ insolvenzverfahrens, beispielsweise weil das Hauptinsolvenzverfahren nicht in dem Staat eröffnet wurde, in dem die schuldnerische Gesellschaft schwerpunktmäßig werbend tätig ist, so entspricht die dann entstehende Situation weitgehend derjenigen, die bei Eröffnung des Hauptinsolvenzverfahrens über das Vermögen der Tochtergesellschaft im Staat ihrer werbenden Tätigkeit vorgelegen hätte. Ein Unterschied besteht nur insoweit, als die Hauptinsolvenzverfahren über das Vermögen der Konzernmutter und der Konzerntochter nach demselben Insolvenzrecht und vor den Gerichten desselben Mitgliedsstaates abgewickelt werden und im Verhältnis von Haupt- und Sekundärinsolvenzverfahren über das Vermögen der Konzerntochter die Art. 27 ff. ­EuInsVO gelten. Diese Bestimmungen sollen zwar eine effiziente Koordination von Haupt- und Sekundärinsolvenzverfahren ermöglichen, allerdings hängt das Erreichen dieses Zieles maßgeblich davon ab, dass die beteiligten Verwalter ihrer Pflicht zur gegenseitigen Information und Zusammenarbeit gem. Art. 31 ­EuInsVO auch nachkommen. Eine zwangsweise Durchsetzung erscheint schwierig. Zudem führen die Beschränkung des Sekundärinsolvenzverfahrens auf Liquidationsverfahren sowie die Regelung des Art. 34 Abs. 2 ­EuInsVO dazu, dass eine verfahrensübergreifende Sanierung erheblich erschwert wird und in den meisten Fällen sogar gänzlich ausscheidet. Die Erleichterung einer Sanierung des Gesamtkonzerns stellt aber gerade den wesentlichen Vorteil der konzernweit einheitlichen internationalen Zuständigkeit eines Insolvenzgerichts dar. Diese Bedenken werden dadurch untermauert, dass in der Praxis auf verschiedenen Wegen versucht wird, die Eröffnung von Sekun­därinsolvenzverfahren zu verhindern. Im Ergebnis werden die Vorteile, die eine konzernweit einheitliche interna­ tionale Zuständigkeit nach Art. 3 Abs. 1 ­ EuInsVO mit sich bringen würde, durch die Möglichkeit zur Eröffnung von Sekundärinsolvenzverfahren weitgehend neutralisiert. 3. Ergebnis Ein einheitlicher Gerichtsstand mehrerer bzw. aller konzernangehörigen Gesellschaften erscheint sowohl nach § 3 Abs. 1 InsO als auch nach Art. 3 Abs. 1 ­EuInsVO zumeist nicht begründbar. Im Anwendungsbereich der E ­ uInsVO kommt hinzu, dass die mit einer konzernweit einheitlichen internationalen Zuständigkeit verbundenen Vorteile durch die Möglichkeit der Eröffnung eines Sekundärinsolvenzverfahrens konterkariert werden. Die Koordination der Insolvenzverfahren über das

II. Bestellung desselben Insolvenzverwalters für alle Gesellschaften

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Vermögen mehrerer konzernangehöriger Gesellschaften mittels eines konzernweit einheitlichen Gerichtsstandes ist daher nach geltendem Recht nur sehr eingeschränkt möglich.

II. Bestellung desselben Insolvenzverwalters für alle konzernangehörigen Gesellschaften Neben einer Konzentration der gerichtlichen Zuständigkeit für die Insolvenzverfahren über das Vermögen der einzelnen Konzerngesellschaften kommt als weiteres Koordinationsinstrument die Bestellung desselben Insolvenzverwalters in allen diesen Verfahren in Betracht. Ein solcher in den Verfahren mehrerer bzw. aller konzernangehöriger Gesellschaften bestellter Verwalter wird als „Konzerninsolvenzverwalter“ bezeichnet.355 Diese Bezeichnung ist allerdings nicht ganz exakt, denn es wird gerade kein Verwalter für den Konzern bestellt, sondern es erfolgt lediglich die Bestellung derselben Person in mehreren grundsätzlich unabhängigen Insolvenzverfahren.356 Gleichwohl soll nachfolgend an diesem Begriff festgehalten werden, da er sich mittlerweile etabliert hat.357 Die Bestellung eines Konzerninsolvenzverwalters ist in mehrfacher Hinsicht vorteilhaft. So ist gerade bei wirtschaftlich eng miteinander verflochtenen Konzerngesellschaften die Kenntnis der wirtschaftlichen Situation des gesamten Konzerns für die sachgerechte Abwicklung der Einzelverfahren erforderlich.358 Werden in den Insolvenzverfahren der einzelnen Konzerngesellschaften verschiedene Verwalter bestellt, so muss sich jeder einzelne Verwalter ein Bild von der wirtschaftlichen Lage des gesamten Konzerns verschaffen. Damit ist der für die Einarbeitung in die einzelnen Verfahren insgesamt erforderliche Arbeitsaufwand sehr hoch. Wird hingegen derselbe Verwalter für alle Konzerngesellschaften bestellt, so fällt der für die Einarbeitung in die Konzernstrukturen erforderliche Arbeitsaufwand nur einmal an.359 Ferner wird durch die Bestellung eines Konzerninsolvenzverwalters eine koordinierte Verwertung des Vermögens aller konzernangehörigen Gesellschaften erleichtert.360 Dies gilt insbesondere für eine Reorganisation des Konzerns oder einen Erhalt des von den einzelnen konzernangehörigen Gesell-

355 Vgl. den Titel des diesbezüglichen Aufsatzes von Graeber, NZI 2007, 265 ff.; ebenso ders., Münchener Komm. z. InsO, § 56 Rdn. 47; Brünkmans, Die Koordinierung von Insolvenzverfahren konzernverbundener Unternehmen (2009), S. 126; Rechel, in: Leonhardt/Smid/Zeuner, Komm. z. InsO, § 56 Rdn. 47. 356 Ehricke, Kölner Schrift z. InsO, Kap. 32 Rdn. 36 Fn. 89. 357 Ebenso auch Ehricke, Kölner Schrift z. InsO, Kap. 32 Rdn. 36 Fn. 89: „aus Gründen der Praktikabilität“. 358 Brünkmans, Die Koordinierung von Insolvenzverfahren konzernverbundener Unternehmen (2009), S. 129 f. 359 Deyda, Der Konzern im europäischen internationalen Insolvenzrecht (2008), S. 146. 360 Eidenmüller, ZHR 169 (2005), 528, 541.

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schaften getragenen Unternehmens im Wege einer übertragenden Sanierung. Denn diese Verwertungsmodalitäten erfordern bei der Bestellung verschiedener Verwalter für die einzelnen Konzerngesellschaften eine Abstimmung der Parallelverfahren durch den Austausch von Informationen und das Treffen von Absprachen. Ein für alle Einzelverfahren zuständiger Konzerninsolvenzverwalter hingegen verfügt über alle erforderlichen Informationen, zudem werden durch eine Konzentration der Entscheidungsbefugnisse Absprachen zwischen mehreren Verwaltern entbehrlich. Durch die Bestellung eines Konzerninsolvenzverwalters kann also „ein einheitlicher Gestaltungswille umgesetzt und durch eine rechtsträgerübergreifende Informationsgewinnung in derselben Person eine effiziente und übergreifende Kenntnisgewinnung gewährleistet werden“.361 1. Die Bestellung eines Konzerninsolvenzverwalters nach deutschem Insolvenzrecht Zunächst soll untersucht werden, ob die Bestellung eines Konzerninsolvenzverwalters bei einer rein nationalen Konzerninsolvenz zulässig ist. Eine solche rein nationale Konzerninsolvenz liegt vor, wenn in allen Insolvenzverfahren über das Vermögen der einzelnen konzernangehörigen Gesellschaften ausschließlich deutsches Insolvenzrecht zur Anwendung kommt. Erforderlich hierfür ist zunächst, dass sich der Mittelpunkt der selbständigen wirtschaftlichen Tätigkeit im Sinne des § 3 Abs. 1 InsO bzw. der Mittelpunkt der hauptsächlichen Interessen im Sinne des Art. 3 Abs. 1 ­EuInsVO aller konzernangehöriger Gesellschaften in Deutschland befindet und damit ein deutsches Gericht für die Eröffnung des jeweiligen Insolvenzverfahrens zuständig ist.362 Ferner darf auch keine dieser Gesellschaften im europäischen Ausland über eine Niederlassung im Sinne des Art. 2 lit. h) ­EuInsVO verfügen. Denn ansonsten kann im entsprechenden Staat gem. Art. 3 Abs. 2, Abs. 3 ­EuInsVO ein Sekundärinsolvenzverfahren eröffnet werden, auf welches gem. Art. 28 ­EuInsVO das Recht des Eröffnungsstaates Anwendung findet. Schließlich darf auch keine konzernangehörige Gesellschaft über eine Niederlassung bzw. Vermögenswerte in einem Staat außerhalb der EU verfügen, die dort die Eröffnung eines Partikularverfahrens ermöglichen würden. Liegt ein solcher Fall vor, bemisst sich die Zulässigkeit der Bestellung eines Konzerninsolvenzverwalters ausschließlich nach deutschem Insolvenzrecht.

361

Ehricke, Kölner Schrift z. InsO, Kap. 32 Rdn. 36. Vgl. § 335 InsO, Art. 4 Abs. 1 ­EuInsVO.

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a) Rechtliche Grundlagen Spezielle Regelungen für die Bestellung des Insolvenzverwalters bei Insolvenzverfahren über das Vermögen mehrerer konzernangehöriger Gesellschaften trifft das deutsche Recht nicht. Ob die Bestellung eines Konzerninsolvenzverwalters zulässig ist, bemisst sich daher nach den allgemein für die Bestellung und Arbeitsweise des Insolvenzverwalters geltenden Normen. aa) Die Unabhängigkeit von Gläubigern und Schuldner gem. § 56 Abs. 1 Satz 1 InsO Die von der Insolvenzordnung an die Person des Insolvenzverwalters gestellten Anforderungen werden in § 56 Abs. 1 Satz 1 InsO genannt. Hiernach ist als Insolvenzverwalter „eine für den jeweiligen Einzelfall geeignete, insbesondere geschäftskundige und von den Gläubigern und dem Schuldner unabhängige natürliche Person“ zu bestellen. Mit diesen Kriterien soll sichergestellt werden, dass der Insolvenzverwalter den Anforderungen gerecht wird, die sich aus seinem Amt als Verwalter fremden Vermögens ergeben.363 Im Hinblick auf die in § 56 Abs. 1 InsO genannte Geschäftskunde364 sowie weitere, in § 56 Abs. 1 Satz 1 InsO nicht ausdrücklich genannte Anforderungen, beispielsweise geordnete persönliche Verhältnisse, das Unterhalten eines personell und sachlich ausreichend ausgestatteten Büros oder das Bestehen eines ausreichenden Versicherungsschutzes,365 ergeben sich im Hinblick auf die Bestellung eines Konzerninsolvenzverwalters keine Besonderheiten. Als problematisch könnte sich jedoch das Kriterium der Unabhängigkeit des Insolvenzverwalters vom Schuldner und den Gläubigern erweisen. (1) Schutzzweck des Unabhängigkeitserfordernisses Das Erfordernis der Unabhängigkeit verfolgt eine doppelte Schutzrichtung. So ist anerkannt, dass der Insolvenzverwalter für die Abwicklung eines geordneten Gesamtvollstreckungsverfahrens zu sorgen hat und damit eine im öffentlichen Interesse liegende Aufgabe wahrnimmt.366 Das Gebot der Unabhängigkeit soll gewährleisten, dass der Insolvenzverwalter diese Aufgabe sachgerecht erfüllt und 363

Graeber, Münchener Komm. z. InsO, § 56 Rdn. 12. Hierzu Graeber, Münchener Komm. z. InsO, § 56 Rdn. 17 ff.; Rechel, in: Leonhardt/Smid/ Zeuner, Komm. z. InsO, § 56 Rdn. 10a. 365 Allgemein zu den zulässigen Auswahlkriterien sowie dem Auswahlverfahren Rechel, in: Leonhardt/Smid/Zeuner, Komm. z. InsO, § 56 Rdn. 4 ff.; Uhlenbruck/Uhlenbruck, Komm. z. InsO, § 56 Rdn. 5 ff. 366 So für den Konkursverwalter BGH, Urteil vom 5. Dezember 1991, IX ZR 275/90, BGHZ 116, 233, 238. 364

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dass die Beteiligten ihm das hierfür notwendige Vertrauen entgegenbringen.367 Insoweit dient das Gebot der Unabhängigkeit dem Schutz des Vertrauens in die „Integrität staatlicher Rechtspflege“.368 Neben diesem Allgemeininteresse werden durch die Einsetzung eines unabhängigen Verwalters aber auch Individualinteressen geschützt. So soll die Unabhängigkeit des Verwalters sicherstellen, dass er bestmöglich auf die in § 1 Satz 1 InsO angeordnete gemeinschaftliche Befriedigung aller Gläubiger hinwirkt und dabei den Vermögensinteressen der Gläubigergemeinschaft ebenso wie dem Interesse des Schuldners an einer Reduzierung seiner Verbindlichkeiten Rechnung trägt.369 Um diese von § 1 Satz 1 InsO geforderte gemeinschaftliche Befriedigung aller Gläubiger zu erreichen, müssen divergierende Interessen verschiedener Einzelgläubiger zum Ausgleich gebracht werden.370 Dies gilt beispielsweise dann, wenn ein Gläubiger unmittelbar vor Eröffnung des Insolvenzverfahrens zu Lasten der übrigen Gläubiger einen Vermögenswert aus dem Vermögen des Schuldners erhalten hat. Hier hat der Verwalter unter den Voraussetzungen der §§ 129 ff. InsO die Möglichkeit, diese Vermögensverschiebungen durch Anfechtung rückgängig zu machen und damit eine Gleichbehandlung aller Gläubiger durchzusetzen. Diese Durchsetzung des Gleichbehandlungsgebotes mittels der dem Insolvenzverwalter obliegenden Befugnisse wäre aber beeinträchtigt, wenn der Verwalter zu einzelnen Gläubigern in einer besonderen Beziehung stehen und sich deshalb beispielsweise bei der Geltendmachung von Anfechtungsansprüchen von Sonderinteressen leiten lassen würde. Damit sichert die Unabhängigkeit des Insolvenzverwalters also auch den sachgerechten Ausgleich der divergierenden Interessen der einzelnen Verfahrensbeteiligten.371 Im Ergebnis kommt der Unabhängigkeit des Insolvenzverwalters große Bedeutung für das Insolvenzverfahren und die mit ihm verfolgten Ziele zu,372 weshalb sie zu Recht als „hohes Gut“ bezeichnet wird.373

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Schumann, FS Geimer (2002), 1043, 1047. Laukemann, Die Unabhängigkeit des Insolvenzverwalters (2010), S. 66; ähnlich Voigt-­ Salus/Sietz, ­ZInsO 2010, 2050, 2053, die in der Einflussnahme einiger weniger Großgläubiger auf die Entscheidung, eine bestimmte Person als Verwalter zu bestellen, eine Gefahr für die Akzeptanz des Insolvenzverfahrens sehen. 369 Laukemann, Die Unabhängigkeit des Insolvenzverwalters (2010), S. 59 f. 370 Vgl. Siemon, ­ZInsO 2011, 381, 384, wonach der „Sinn und Zweck der Unabhängigkeit […] eindeutig darin [bestehe], spezifische Eigeninteressen zurückzudrängen“. Ein unabhängig handelnder Insolvenzverwalter habe daher „nicht das Interesse eines einzelnen Gläubigers im Auge, sondern das Interesse der Gesamtgläubigerschaft“. 371 Laukemann, Die Unabhängigkeit des Insolvenzverwalters (2010), S. 61 ff. 372 Jaeger/Gerhardt, Komm. z. InsO, § 56 Rdn. 42; ebenso Voigt-Salus/Sietz, Z ­ InsO 2010, 2050, 2054, denen zufolge die Unabhängigkeit des Insolvenzverwalters „eine zentrale Frage der Befriedungsfunktion des gesamten Insolvenzverfahrens berührt“. 373 So Bork, ZIP 2006, 58 f.; Rechel, in: Leonhardt/Smid/Zeuner, Komm. z. InsO, § 56 Rdn. 35. 368

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(2) Konkretisierung des Unabhängigkeitsbegriffes in der InsO Ursprünglich enthielt die InsO keine näheren Ausführungen dazu, wann es an der von § 56 Abs. 1 Satz 1 InsO geforderten Unabhängigkeit des Insolvenzverwalters von Gläubigern und dem Schuldner fehlt. Durch das ESUG374 wurde jedoch § 56 Abs. 1 Satz 3 InsO eingefügt, wonach die Unabhängigkeit des Insolvenzverwalters nicht schon dadurch ausgeschlossen wird, dass die betreffende Person vom Schuldner oder von einem Gläubiger vorgeschlagen worden ist oder dass sie den Schuldner vor dem Eröffnungsantrag in allgemeiner Form über den Ablauf des Insolvenzverfahrens und dessen Folgen beraten hat. Dass der Vorschlag des Schuldners oder eines Gläubigers die Unabhängigkeit des Vorgeschlagenen nicht entfallen lässt, ist lediglich eine Bestätigung des auch schon vor Inkrafttreten dieser Bestimmung geltenden Rechts.375 Zur Begründung wurde bereits nach alter Rechtslage angeführt, dass der Vorschlag eines Gläubigers auch darauf abzielen kann, die Bestellung eines besonders geeigneten Verwalters herbeizuführen.376 Gleiches gilt für den Vorschlag des Schuldners.377 Auch könnte ein solcher Vorschlag anderenfalls missbraucht werden, um die Bestellung eines unerwünschten Verwalters zu verhindern.378 Hingegen bewirkte die Regelung des § 56 Abs. 1 Satz 3 Nr. 2 InsO eine Änderung der Rechtslage. Denn vor Einführung dieser Norm wurde die Unabhängigkeit einer Person überwiegend verneint, sofern diese bereits vor Eröffnung des Insolvenzverfahrens für den Insolvenzschuldner beratend tätig war.379 Allerdings soll eine Beratung in „allgemeiner Form“ nur vorliegen, „[w]enn sich ein Schuldner vor Stellung des Eröffnungsantrags an einen vor Ort ansässigen Ver 374 Gesetz zur weiteren Erleichterung der Sanierung von Unternehmen vom 7. Dezember 2011, BGBl. I 2011, S. 2582 ff. 375 So auch die Begründung zu § 56 Abs. 1 Satz 3 Nr. 1 RegE-ESUG, BT-Drucks. 17/5712, S. 26, wonach eine solche Klarstellung notwendig gewesen sei, „da vereinzelt Gerichte einen Verwalter nur aufgrund des Vorschlags abgelehnt“ hätten; zur Rechtslage vor Einführung des § 56 Abs. 1 Satz 3 InsO bereits Jaeger/Gerhardt, Komm. z. InsO, § 56 Rdn. 47 und Rdn. 49; Jahntz, Frankfurter Komm. z. InsO, § 56 Rdn. 9; Graeber, Münchener Komm. z. InsO, § 56 Rdn.  129 ff. 376 So Jahntz, Frankfurter Komm. z. InsO, § 56 Rdn. 9; zurückhaltender Jaeger/Gerhardt, Komm. z. InsO, § 56 Rdn. 49, wonach „[g]egenüber den von Großgläubigern vorgeschlagenen Personen […] ein erhöhtes Maß von Skepsis“ angebracht sei. 377 Jaeger/Gerhardt, Komm. z. InsO, § 56 Rdn. 47. 378 Jahntz, Frankfurter Komm. z. InsO, § 56 Rdn. 9; Graeber, Münchener Komm. z. InsO, § 56 Rdn. 129 und Rdn. 132; Braun, FS Uhlenbruck (2000), 463, 495 Fn. 83. 379 So Jaeger/Gerhardt, Komm. z. InsO, § 56 Rdn. 45; Graeber, Münchener Komm. z. InsO, § 56 Rdn. 31; Rechel, in: Leonhardt/Smid/Zeuner, Komm. z. InsO, § 56 Rdn. 35; Eickmann, Heidelberger Komm. z. InsO, § 56 Rdn. 13; anders Uhlenbruck/Uhlenbruck, Komm. z. InsO, § 56 Rdn. 52, wonach die Beratung vor Verfahrenseröffnung die Unabhängigkeit nur entfallen lassen sollte, sofern sich die betreffende Person „aktiv in die Sanierungsbemühungen eingeschaltet“ habe, nicht aber, wenn sie lediglich „die Aussichten auf eine außergerichtliche Sanierung geprüft hat und zu dem Ergebnis gekommen ist, dass ein Insolvenzverfahren unvermeidbar ist“.

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walter wendet, um allgemeine Informationen über den Gang des Insolvenzverfahrens, über dessen Auswirkungen auf die Befugnisse des Schuldners und über die Möglichkeiten der Sanierung im Insolvenzverfahren zu erlangen“.380 Diese Begründung spricht dafür, dass lediglich eine „abstrakte, offenbar vorlesungsartige Rechtsauskunft […] über das Insolvenzverfahren an sich“ die Unabhängigkeit nicht ausschließen soll. Damit dürfte die Vorschrift aber nur selten eingreifen, da ein Beratungswunsch im Vorfeld des Insolvenzverfahrens regelmäßig auf eine „konkrete, individuelle und spezielle Auskunft zu dem unterbreiteten Lebenssachverhalt“ abzielt.381 Ob aber auch eine Auskunft über die im Einzelfall zu erwartenden „haftungs- und vermögensrechtliche[n] Folgen“ eines unmittelbar bevorstehenden Insolvenzverfahrens noch als Beratung in allgemeiner Form angesehen werden kann, erscheint zweifelhaft.382 Nicht mehr zur allgemeinen Beratung im Sinne des § 56 Abs. 1 Satz 3 Nr. 2 InsO zählt jedenfalls die vor Eröffnung des Insolvenzverfahrens erfolgte Erstellung eines Insolvenzplans im Auftrag des Schuldners. Denn der Regierungsentwurf des ESUG sah noch die Einführung eines § 56 Abs. 1 Satz 3 Nr. 3 InsO vor, nach dem auch die Erstellung eines Insolvenzplans vor Verfahrenseröffnung „unter Einbindung von Schuldner und Gläubigern“ die Unabhängigkeit des Planerstellers nicht ausschließen sollte.383 Diese Norm wurde allerdings auf Vorschlag des Rechtsausschusses nicht übernommen, da Interessenkonflikte hinsichtlich eventueller Beratungsfehler oder der Anfechtbarkeit von Honorarzahlungen befürchtet wurden.384 Da nach der Regierungsbegründung die vorgeschlagene Regelung des § 56 Abs. 1 Satz 3 Nr. 3 InsO einen „außergerichtlichen Sanierungsversuch auf Grundlage des Auftrags, unter Einbeziehung der Gläubiger einen Insolvenzplan zu erstellen“ umfassen sollte,385 spricht die Streichung dieser Norm dafür, dass eine Beratung bzw. Vertretung des Schuldners im Rahmen eines außergerichtlichen Sanierungsversuches auch ohne die Erstellung eines Insolvenzplans nicht von § 56 Abs. 1 Satz 3 Nr. 2 InsO erfasst ist. Schließlich werden auch Bedenken gegen die Vereinbarkeit des § 56 Abs. 1 Satz 3 Nr. 2 InsO mit dem anwaltlichen Berufsrecht geäußert. So wird darauf hingewiesen, dass vielfach davon ausgegangen wird, dass das Verbot der Vertretung widerstreitender Interessen gem. § 43a Abs. 4 BRAO auch für einen Rechtsanwalt gilt, der den Schuldner im Vorfeld der Insolvenz hinsichtlich des Insolvenzverfahrens beraten hat und anschließend als Insolvenzverwalter tätig werden will.386 Ein 380

Begründung zu § 56 Abs. 1 Satz 3 Nr. 2 RegE-ESUG, BT-Drucks. 17/5712, S. 26. Römermann/Praß, ­ZInsO 2011, 1576, 1577. 382 In diese Richtung aber Römermann/Praß, ­ZInsO 2011, 1576, 1577. 383 Siehe den im RegE-ESUG vorgesehenen § 56 Abs. 1 Satz 3 Nr. 3 InsO, BT-Drucks. 17/5712, S. 8. 384 Begründung der Beschlussempfehlung des Rechtsausschusses zum RegE-ESUG, BTDrucks. 17/7511, S. 47. 385 Begründung zu dem im RegE-ESUG vorgesehenen § 56 Abs. 1 Satz 3 Nr. 3 InsO, BTDrucks. 17/5712, S. 26. 386 So Römermann/Praß, ­ZInsO 2011, 1576, 1577; für eine Geltung des § 43a Abs. 4 BRAO auch bei Wahrnehmung widerstreitender Interessen im Rahmen einer nichtanwaltlichen Tätig 381

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Verstoß gegen § 43a Abs. 4 BRAO wird sodann auch bei einer abstrakten Rechtsauskunft bejaht, da sich aus der Mandatsbeziehung unabhängig von ihrer Intensität Treuepflichten des Rechtsanwalts gegenüber seinem Mandanten ergäben.387 Zudem wird ein Verstoß des Rechtsanwalts gegen das Verschwiegenheitsgebot des § 43a Abs. 2 BRAO befürchtet, da dieses Gebot auch die Tatsache umfasse, dass eine Person überhaupt Rechtsrat eingeholt hat. Sofern der Rechtsanwalt nachfolgend als Insolvenzverwalter seines Mandanten tätig wird und die erteilten Ratschläge im Rahmen der Geltendmachung von Ansprüchen gegen den ehemaligen Mandanten relevant werden, könne sich der Anwalt kaum an seine Schweigepflicht halten.388 Deshalb wird einem Rechtsanwalt empfohlen, in den Fällen des § 56 Abs. 1 Satz 3 Nr. 2 InsO das Amt des Insolvenzverwalters nicht zu übernehmen.389 Diese Bedenken erscheinen durchaus gewichtig. Da zudem eine „allgemeine Beratung“ im Sinne einer abstrakten Rechtsauskunft nur selten erfolgen wird, erscheint fraglich, ob § 56 Abs. 1 Satz 3 Nr. 2 InsO in der Rechtspraxis Bedeutung erlangt. Neben § 56 Abs. 1 Satz 3 InsO ist bei der Konkretisierung des Unabhängigkeitsbegriffs der InsO auch die ebenfalls durch das ESUG eingeführte Regelung des § 56a InsO zu beachten. Demnach ist vor der Bestellung des Insolvenzverwalters gem. § 56a Abs. 1 InsO dem vorläufigen Gläubigerausschuss Gelegenheit zu geben, sich zu an den Verwalter zu stellenden Anforderungen sowie zur Person des Insolvenzverwalters zu äußern. Nach § 56a Abs. 2 InsO darf das Gericht von einem einstimmigen Vorschlag des vorläufigen Gläubigerausschusses nur abweichen, wenn die Person für die Übernahme des Amtes nicht geeignet ist. Hierbei hat es aber die vom vorläufigen Gläubigerausschuss beschlossenen Anforderungen an die Person des Insolvenzverwalters zu Grunde zu legen. Aus dieser Bindung des Insolvenzgerichts an die vom vorläufigen Gläubigerausschuss beschlossenen Anforderungen könnte sich ergeben, dass das Insolvenzgericht einen einstimmig vorgeschlagenen Verwalterkandidaten auch dann bestellen müsste, sofern dieser nicht unabhängig im Sinne des § 56 Abs. 1 Satz 1 InsO ist. In diese Richtung könnte die Begründung des Rechtsausschusses zur Streichung des noch im Regierungsentwurf enthaltenen § 56 Abs. 1 Satz 3 Nr. 3 InsO zu interpretieren sein. Denn hiernach könne das mit dieser Regelung verfolgte Ziel, die Bestellung einer Person, die bereits vor Eröffnung des Insolvenzverfahrens einen Insolvenzplan erstellt hat, zum Insolvenzverwalter zu ermöglichen, dadurch erreicht wer-

keit Kleine-Cosack, Komm. z. BRAO, § 43a Rdn. 100; Böhnlein, in: Feuerich/Weyland, Komm. z. BRAO, § 43a Rdn. 56; ebenso Knöfel, NJW 2005, 6, 8, der eine Geltung des § 43a Abs. 4 BRAO jedenfalls dann annimmt, wenn die Zweittätigkeit nicht „dem Regelungsanspruch eines anderen Berufssatzungsgebers“ unterfällt; gegen eine Anwendung des § 43a Abs. 4 BRAO bei nichtanwaltlicher Zweittätigkeit Deckenbrock, AnwBl 2009, 16, 17; Henssler, in: Henssler/ Prütting, Komm. z. BRAO, § 43a Rdn. 196. 387 Römermann/Praß, ­ZInsO 2011, 1576, 1578. 388 Römermann/Praß, ­ZInsO 2011, 1576, 1579. 389 Römermann/Praß, ­ZInsO 2011, 1576, 1581.

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den, dass diese Person einstimmig als Insolvenzverwalter vorgeschlagen wird.390 Allerdings darf nach der Begründung des Regierungsentwurfs zum ESUG „das beschlossene Anforderungsprofil jedoch selbstverständlich nur solche Anforderungen enthalten, die mit dem Gesetz übereinstimmen bzw. von der Rechtsprechung nicht als unzulässig verworfen worden sind.“ Deshalb sei das Insolvenzgericht an einen einstimmigen Vorschlag des vorläufigen Gläubigerausschusses nur gebunden, „wenn der Vorschlag nicht im Widerspruch zu den Kriterien der Eignung des Verwalters nach § 56 Absatz 1 Satz 1 steht“.391 Zudem wäre anderenfalls auch die in § 56a Abs. 2 Satz 1 InsO enthaltene Einschränkung obsolet, da der vorläufige Gläubigerausschuss kaum einstimmig einen Kandidaten vorschlagen wird, der nicht dem von ihm beschlossenen Anforderungsprofil entspricht. Damit kann der vorläufige Gläubigerausschuss auch durch einen einstimmigen Vorschlag nicht die Bestellung eines Verwalters herbeiführen, der die Anforderungen des § 56 Abs. 1 Satz 1 InsO nicht erfüllt. (3) Ergänzende Heranziehung von Normen außerhalb der InsO Über die in § 56 Abs. 1 Satz 3 InsO genannten Umstände hinaus enthält die InsO aber keine Regelungen, die den Begriff der Unabhängigkeit in § 56 Abs. 1 Satz 1 InsO konkretisieren. Auch existiert kein spezielles Berufsrecht für Insolvenzverwalter. Deshalb wurden im Rahmen der Auslegung des Unabhängigkeitsbegriffs bereits vor Inkrafttreten des § 56 Abs. 1 Satz 3 InsO die Wertungen solcher Normen herangezogen, die Interessenkollisionen bei anderen im Bereich der Rechtspflege tätigen Personen betreffen. So hatte der BGH noch unter der Geltung der Konkursordnung entschieden, dass zur Beantwortung der Frage, wann der Konkursverwalter zur Anzeige einer Interessenkollision verpflichtet ist, auf die §§ 41, 42 ZPO abzustellen sei.392 An dieser Position dürfte auch eine Entscheidung des BGH aus dem Jahr 2007 nichts geändert haben. Hier führt der BGH zwar im Leitsatz aus, dass „die Verfahrensvorschriften der Zivilprozessordnung über die Ablehnung von Gerichtspersonen oder Gutachtern […] auf den (Sonder-)Insolvenzverwalter keine Anwendung [finden]“393. Allerdings betraf diese Entscheidung die Frage, ob einem Insolvenzverwalter, der die Entlassung eines in seinem Verfahren bestellten Sonderinsolvenzverwalters begehrt, gegen eine diese Entlassung ablehnende Entscheidung des Insolvenzgerichts das Rechtsmittel der sofortigen Beschwerde entsprechend §§ 4 InsO, 46 Abs. 2, 406 ZPO zusteht. Hier entschied der BGH, dass die 390 Begründung der Beschlussempfehlung des Rechtsausschusses zum RegE-ESUG, BTDrucks. 17/7511, S. 47. 391 Begründung zu den im RegE-ESUG vorgesehenen § 56 Abs. 2 und Abs. 3, die den jetzigen § 56a Abs. 1 und Abs. 2 InsO entsprechen, BT-Drucks. 17/5712, S. 26. 392 BGH, Urteil vom 24. Januar 1991, IX ZR 250/89, BGHZ 113, 262, 277. 393 BGH, Beschluss vom 25. Januar 2007, IX ZB 240/05, WM 2007, 607.

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§§ ­56–59 InsO „jedenfalls hinsichtlich des Verfahrens“ abschließend seien und die in § 59 InsO enthaltene Beschränkung der Antrags- und Rechtsmittelberechtigten nicht unterlaufen werden dürfe.394 Zur Übertragbarkeit der in den §§ 41, 42 ZPO genannten Befangenheitsgründe auf den Insolvenzverwalter hat sich der BGH hingegen nicht geäußert, weshalb der Entscheidung keine Aussage bezüglich dieser Frage entnommen werden kann.395 In der instanzgerichtlichen Rechtsprechung396 sowie rechtswissenschaftlichen Schrifttum397 wird die entsprechende Anwendung der §§ 41, 42 ZPO auf den Insolvenzverwalter ebenfalls befürwortet. Ferner wird auch das Berufsrecht derjenigen Personen herangezogen, die als Insolvenzverwalter Betracht kommen bzw. die hauptsächlich als Insolvenzverwalter bestellt werden. So bestätigte das OLG Celle die Zurückweisung einer sofortigen Beschwerde gegen die Entscheidung eines Insolvenzgerichts, die Bestellung eines von der Gläubigerversammlung gewählten Rechtsanwalts zum Insolvenzverwalter zu versagen, weil dieser in dem Insolvenzverfahren einer Schuldnerin der Insolvenzmasse als Sachverständiger tätig war und einer seiner Sozien einen weiteren Schuldner der Insolvenzmasse in einem außergerichtlichen Schuldenbereinigungsverfahren vertrat.398 Zur Begründung verwies das Gericht auf § 45 BRAO. Zwar sei die Norm nicht unmittelbar anwendbar, gleichwohl könne kein Insolvenzverwalter bestellt werden, bei dem eine Interessenkollision im Sinne des § 45 BRAO drohe, da „[d]er Interessenwiderspruch, der auftreten kann, wenn ein Insolvenzverwalter in mehreren Verfahren auftritt, in denen einander widersprechende Interessen zu berücksichtigen sind […] zu den klassischen Fällen [gehört], in denen eine Tätigkeit des Verwalters ausgeschlossen ist“. Denn es müsse verhindert werden, dass der Verwalter seine Pflichten in einem Verfahren deshalb nicht mehr erfüllen kann, weil er sich hierdurch in einen Widerspruch zu seinen Entscheidungen im Parallelverfahren setzt.399 Ferner wird auch für eine Heranziehung des Rechtsgedankens des § 43a Abs. 4 BRAO plädiert,400 was aber regelmäßig zu denselben Ergebnissen führen dürfte. Bezüglich der Frage, ob ein sog. „Poolverwalter“, also eine Person, die die Interessen mehrerer Gläubiger in einem Insolvenzverfahren vertritt, in einem anderen Insolvenzverfahren als Insolvenzverwalter bestellt werden kann, an dem ein dem Pool angehörender Gläubiger beteiligt ist, wird auch eine Heranzie 394

BGH, Beschluss vom 25. Januar 2007, IX ZB 240/05, WM 2007, 607, 609. Anders Laukemann, Die Unabhängigkeit des Insolvenzverwalters (2010), S. 97, der aus der „Diktion und Lesart“ der Entscheidung, insbesondere aus der Formulierung, dass die §§ 56–59 InsO „jedenfalls hinsichtlich des Verfahrens“ abschließend seien, die Aufgabe der ursprünglichen Ansicht des BGH herauslesen will. 396 AG Hamburg, Beschluss vom 21. November 2001, 67g IN 280/01, NZI 2002, 166, 167; zur GesO auch LG Halle, Beschluss vom 28. Januar 1994, 2 T 284/93, ZIP 1994, 572, 576. 397 Graeber, NZI 2002, 345, 347; ders./Pape, ZIP 2007, 991, 992; Schumann, FS Geimer (2002), 1043, 1049; Jaeger/Gerhardt, Komm. z. InsO, § 56 Rdn. 43; Eickmann, Heidelberger Komm. z. InsO, § 56 Rdn. 10; Graf/Wunsch, DZWIR 2002, 177, 179; Bork, ZIP 2006, 58, 59. 398 OLG Celle, Beschluss vom 23. Juli 2001, 2 W 41/01, NZI 2001, 551 ff. 399 OLG Celle, Beschluss vom 23. Juli 2001, 2 W 41/01, NZI 2001, 551, 553. 400 Graf/Wunsch, DZWIR 2002, 177, 179. 395

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hung des für Abschlussprüfer geltenden § 319 Abs. 3 Satz 1 Nr. 5 HGB befürwortet. Die Bestellung dieses Poolverwalters zum Insolvenzverwalter solle demnach erst dann nicht mehr möglich sein, wenn er mindestens 30 % seiner Einnahmen aus einer Tätigkeit für diesen am Pool beteiligten Gläubiger erzielt.401 Soweit die Wertungen der genannten Bestimmungen den insolvenzrechtlichen Regelungen in § 56 Abs. 1 Satz 3 InsO nicht widersprechen, bietet sich deren Heranziehung zur Auslegung des Unabhängigkeitsbegriffes auch nach Inkrafttreten des § 56 Abs. 1 Satz 3 InsO an. Der hiergegen vorgebrachte Einwand, dass die InsO die privaten und öffentlichen Verfahrensinteressen im Vergleich zu den anderen Verfahrensordnungen unterschiedlich gewichte und der Begriff der Unabhängigkeit deshalb autonom auszulegen sei,402 vermag nicht zu überzeugen. Zwar entspricht die Stellung des Insolvenzverwalters nicht vollständig derjenigen eines Richters oder Rechtsanwalts. Vom Richter unterscheidet ihn, dass die Gläubiger nach Maßgabe der §§ 56a, 57 InsO die Auswahl des Insolvenzverwalters beeinflussen können und der Insolvenzverwalter gem. § 58 InsO unter Aufsicht des Insolvenzgerichts steht. Im Gegensatz zum Rechtsanwalt ist der Insolvenzverwalter nicht ausschließlich den Interessen eines Verfahrensbeteiligten verpflichtet, sondern es obliegen ihm gegenüber allen Verfahrensbeteiligten Pflichten, vgl. § 60 InsO. Diese können mitunter sogar gegenläufig sein, beispielsweise wenn im Interesse der Gläubigergemeinschaft Zahlungen an einen einzelnen Gläubiger angefochten werden. Gleichwohl bestehen zwischen der Stellung des Insolvenzverwalters und derjenigen des Richters bzw. des Rechtanwalts auch Gemeinsamkeiten. So hat der Insolvenzverwalter gem. § 56 Abs. 1 Satz 1 InsO ebenso wie der Richter von den Verfahrensbeteiligten unabhängig zu sein. Auch ist die Intensität der gerichtlichen Aufsicht begrenzt. Denn das Gericht übt grundsätzlich nur eine Rechtsaufsicht aus,403 weshalb es ihm gerade nicht möglich ist, eigene Zweckmäßigkeitserwägungen an die Stelle derjenigen des Insolvenzverwalters zu setzen.404 Der hierdurch für den Insolvenzverwalter bestehende Entscheidungsspielraum nähert seine Stellung ebenfalls derjenigen des Richters an. Mit dem Rechtsanwalt hat der Insolvenzverwalter gemein, dass er dem in § 1 InsO festgelegten Verfahrenszweck in vergleichbarer Weise verpflichtet ist wie der Rechtsanwalt den Interessen seines Mandanten. Diese Gemeinsamkeiten rechtfertigen es, die Wertungen der §§ 41, 42 ZPO, 43a Abs. 4, 45 BRAO für die Auslegung des Unabhängigkeits­ 401 So Braun, Editorial zu NZI 1/2002, S. V f. bzgl. § 319 Abs. 2 Nr. 8 HGB a. F., der Vorgängernorm des jetzigen § 319 Abs. 3 Satz 1 Nr. 5 HGB (zitiert nach Graeber, NZI 2002, 345, 349); ähnlich Riggert, NZI 2002, 352, 355, der aber auch eine Prüfung im Einzelfall ohne eine starre Grenze für möglich hält. 402 So Laukemann, Die Unabhängigkeit des Insolvenzverwalters (2010), S. 109; eine entsprechende Anwendung der §§ 41, 42 ZPO ebenfalls ablehnend Lüke, in: Kübler/Prütting/Bork, Komm. z. InsO, § 56 Rdn. 48, der aber gleichwohl bei der Auslegung des § 56 Abs. 1 Satz 1 InsO zu weitgehend denselben Ergebnissen gelangt. 403 Uhlenbruck/Uhlenbruck, Komm. z. InsO, § 58 Rdn. 8. 404 Graeber, Münchener Komm. z. InsO, § 58 Rdn. 20; Frind, Hamburger Komm. z. InsR, InsO § 58 Rdn. 3b.

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begriffs in § 56 Abs. 1 Satz 1 InsO heranzuziehen. Hierbei sind zwar die Besonderheiten der Stellung des Insolvenzverwalters zu berücksichtigen, allerdings lassen sich so zumindest Grundwertungen für die Auslegung ermitteln. So ergibt sich aus § 41 ZPO, dass eine Beteiligung des potentiellen Insolvenzverwalters am Verfahren als Gläubiger oder Schuldner sowie enge persön­ liche Beziehungen zu einem Verfahrensbeteiligten die Unabhängigkeit der betreffenden Person ausschließen. Aus §§ 43a Abs. 4, 45 BRAO folgt, dass eine Person, die einen Verfahrensbeteiligten vor Verfahrenseröffnung „in dessen Interessen gegen den Schuldner oder andere Verfahrensbeteiligte beraten oder vertreten hat“, nicht mehr als unabhängig angesehen werden kann, soweit nicht § 56 Abs. 1 Satz 3 Nr. 2 InsO eingreift. Gleiches gilt, sofern eine solche Tätigkeit nach Verfahrenseröffnung aufgenommen oder fortgesetzt wird.405 Die Heranziehung des § 42 ZPO führt schließlich dazu, dass einer Person die erforderliche Unabhängigkeit fehlt, „wenn ein am Verfahren Beteiligter bei vernünftiger Würdigung aller Umstände Anlass hat, an der Unvoreingenommenheit des Insolvenzverwalters zu zweifeln“.406 Die Wertung des § 42 Abs. 2 ZPO deckt sich damit regelmäßig mit derjenigen der §§ 43a Abs. 4, 45 BRAO. So ist beispielsweise vorbehaltlich des Eingreifens des § 56 Abs. 1 Satz 3 Nr. 2 InsO eine Besorgnis der Abhängigkeit entsprechend § 42 Abs. 2 ZPO anzunehmen, sofern der Insolvenzverwalter den Insolvenzschuldner im Vorfeld der Insolvenz beraten hat.407 Denn hier besteht die Gefahr, dass der vormalige Berater Fehler oder Fehleinschätzungen im Rahmen seiner Beratertätigkeit verschweigt.408 Hinsichtlich einer Beratung oder Vertretung des Schuldners im Rahmen eines außergerichtlichen Sanierungsversuches ist zudem zu bedenken, dass der potentielle Insolvenzverwalter hierbei allein den Interessen des Schuldners verpflichtet war. Damit bestehen aus Sicht eines am späteren Insolvenzverfahren Beteiligten Zweifel an der Unabhängigkeit eines ehe-

405 So vor Inkrafttreten des § 56 Abs. 1 Satz 3 Nr. 2 InsO, allerdings ohne Bezugnahme auf §§ 43a Abs. 4, 45 BRAO, Eickmann, Heidelberger Komm. z. InsO, § 56 Rdn. 11. 406 Hill, ­ZInsO 2005, 1289 unter Verweis auf die den Richter betreffenden Entscheidungen BVerfG, Beschluss vom 16. Februar 1995, 2 BvR 1852/94, BVerfGE 92, 138, 139; BGH, Beschluss vom 2. Oktober 2003, V ZB 22/03, BGHZ 156, 269, 270; ebenso Graeber, NZI 2002, 345, 346; ders., Münchener Komm. z. InsO, § 56 Rdn. 35; auch Jaeger/Gerhardt, Komm. z. InsO, § 56 Rdn. 43, wonach die Unabhängigkeit nicht mehr gegeben ist, sofern „nach all­ gemeinen prozessrechtlichen Voraussetzungen die Schwelle der Besorgnis der Befangenheit erreicht ist“. 407 So vor Inkrafttreten des § 56 Abs. 1 Satz 3 Nr. 2 InsO Jaeger/Gerhardt, Komm. z. InsO, § 56 Rdn. 45; Graeber, Münchener Komm. z. InsO, § 56 Rdn. 31; Rechel, in: Leonhardt/Smid/ Zeuner, Komm. z. InsO, § 56 Rdn. 35; Eickmann, Heidelberger Komm. z. InsO, § 56 Rdn. 13; anders Uhlenbruck/Uhlenbruck, Komm. z. InsO, § 56 Rdn. 52, wonach die Beratung vor Verfahrenseröffnung die Unabhängigkeit nur entfallen lassen sollte, sofern sich die betreffende Person „aktiv in die Sanierungsbemühungen eingeschaltet“ habe, nicht aber, wenn sie lediglich die „Aussichten auf eine außergerichtliche Sanierung geprüft hat und zu dem Ergebnis gekommen ist, dass ein Insolvenzverfahren unvermeidbar ist“. 408 Graeber, Münchener Komm. z. InsO, § 56 Rdn. 31.

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maligen Sanierungsberaters.409 Gleiches gilt regelmäßig, sofern der poten­tielle Insolvenzverwalter bereits vor Verfahrenseröffnung im Auftrag des Schuldners einen Insolvenzplan erstellt hat. Zwar wird vorgebracht, dass die Erstellung eines Insolvenzplans „naturgemäß die Bewertung und Ausgleichung der gegenläufigen Interessen aller Beteiligten“ voraussetze und demzufolge „nicht unbedingt Zweifel an der Unabhängigkeit wecken“ müsse.410 Allerdings vermag dies die Verpflichtung zur Wahrung der Interessen des Schuldners kaum aufzuwiegen. Auch erscheint zweifelhaft, ob der Planersteller ausnahmsweise zum Verwalter bestellt werden kann, sofern das Insolvenzgericht aufgrund seiner langjährigen Tätigkeit als Insolvenzverwalter von seiner Integrität und Zuverlässigkeit überzeugt ist.411 Denn die übrigen Verfahrensbeteiligten, deren objektivierte Sicht entsprechend § 42 Abs. 2 ZPO maßgeblich ist, werden der betreffenden Person dieses Vertrauen nicht unbedingt entgegen bringen. Schließlich ist die von § 56 Abs. 1 Satz 1 InsO geforderte Unabhängigkeit regelmäßig auch bei einer Person zu verneinen, die in einem anderen Insolvenzverfahren einen Gläubigerpool vertritt, sofern ein zu diesem Pool gehörender Gläubiger auch im betreffenden Insolvenzverfahren als Beteiligter auftritt.412 Eine Heranziehung der Grenze des für Abschlussprüfer geltenden § 319 Abs. 3 Satz 1 Nr. 5 HGB vermag nicht zu überzeugen. Denn der Insolvenzverwalter kann sich im Gegensatz zum Abschlussprüfer gezwungen sehen, Ansprüche gegen den am Pool beteiligten und daher insoweit auch von ihm vertretenen Gläubiger durchzusetzen, beispielsweise nach den §§ 129 ff. InsO. Damit erscheint der potentielle Interessenkonflikt eines Insolvenzverwalters erheblich gravierender als derjenige, der einem Abschlussprüfer droht. Zudem erscheint es auch sehr aufwändig, sofern das Insolvenzgericht bei der Bestellung des Verwalters die von ihm offengelegten Umsatzzahlen prüfen müsste.413 Vielmehr kann in diesen Fällen eine Bestellung allenfalls dann erfolgen, wenn die Forderung des Poolgläubigers im aktuellen Verfahren sehr gering ist und der durch die Poolverwaltung erzielte Umsatz des Verwalters für ihn offensichtlich unbedeutend ist.414 409 Prütting, ZIP 2002, 1965, 1972; Graeber, Münchener Komm. z. InsO, § 56 Rdn. 32; Bork, ZIP 2006, 58, 59; weniger streng Paulus, ZGR 2005, 309, 322, der eine Offenlegung der ge­ leisteten Tätigkeiten und der erhaltenen Vergütung als ausreichend ansieht, um Zweifel an der Unabhängigkeit der betreffenden Person auszuschließen. 410 So Eickmann, Heidelberger Komm. z. InsO, § 56 Rdn. 13; ebenso Prütting, ZIP 2002, 1965, 1972. 411 So Graeber, Münchener Komm. z. InsO, § 56 Rdn. 30; Hill, ­ZInsO 2005, 1289, 1294. 412 Graeber, Münchener Komm. z. InsO, § 56 Rdn. 35; ders., NZI 2002, 345, 349; Uhlenbruck/Uhlenbruck, Komm. z. InsO, § 56 Rdn. 52. 413 Vgl. hierzu Graeber, NZI 2002, 345, 349, der bei Heranziehung der Wertung des § 319 Abs. 3 Satz 1 Nr. 5 HGB eine solche Offenlegung der Umsatzzahlen und eine Prüfung derselben durch das Insolvenzgericht ebenfalls für erforderlich hält. 414 Für eine Einzelfallentscheidung unter Berücksichtigung der Höhe der Forderung des Poolgläubigers auch Lüke, ZIP 2003, 557, 564, der zudem auch 10 % als Grenze für den Umsatz des potentiellen Verwalters mit einer Tätigkeit für den betreffenden Gläubiger nennt; ähnlich Graf-Schlicker, in: Graf-Schlicker, Komm. z. InsO, § 56 Rdn. 54, die neben der Höhe der Forderung des Poolgläubigers auch berücksichtigen will, welche Befugnisse die gesamte Gläubigerschaft hat, um eine ungerechtfertigte Bevorzugung einzelner Gläubiger zu verhindern.

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bb) Das Verbot des Insichgeschäfts gem. § 181 BGB und der Ausschluss als Käufer gem. § 450 Abs. 2 BGB Im Hinblick auf die Tätigkeit eines in den Insolvenzverfahren mehrerer Konzerngesellschaften bestellten Insolvenzverwalters könnten auch die §§ 181, 450 Abs. 2 BGB zu beachten sein. Nach § 181 BGB kann ein Vertreter ein Rechtsgeschäft im Namen des Vertretenen mit sich in eigenem Namen oder als Vertreter eines Dritten grundsätzlich nicht vornehmen. Zweck dieser Norm ist der Schutz des Vertretenen vor den Gefahren, die sich für ihn aus einer Interessenkollision in der Person des Vertreters er­geben.415 Fraglich ist, ob diese Norm auch für den Insolvenzverwalter gilt. Denn dieser ist nach der herrschenden Amtstheorie kein „Zwangsvertreter“ des Schuldners, vielmehr handelt er in eigenem Namen und aus eigenem Recht mit Wirkung für und gegen die Insolvenzmasse.416 Allerdings hat er damit ebenso wie der Vertreter die Befugnis, durch eine eigene Willenserklärung Wirkungen für fremdes Vermögen herbeizuführen. Schließt er in seiner Eigenschaft als Insolvenz­ verwalter mit sich selbst als natürlicher Person, als Vertreter eines Dritten oder als Verwalter einer anderen Insolvenzmasse ein Rechtsgeschäft ab, so ist er ebenfalls auf beiden Seiten dieses Rechtsgeschäfts beteiligt. Es liegt dann eine dem in § 181 BGB ausdrücklich geregelten Fall vergleichbare Situation mit einem entsprechenden Interessenkonflikt vor.417 So wäre der Insolvenzverwalter beispielsweise bei einem Verkauf eines Massegegenstandes an eine andere, ebenfalls vom ihm verwaltete Insolvenzmasse einerseits zu einer bestmöglichen Verwertung verpflichtet, zugleich aber an einem günstigen Erwerb des Massegegenstandes interessiert bzw. hierzu verpflichtet.418 Deshalb ist die entsprechende Anwendung des § 181 BGB auf den Insolvenzverwalter gerechtfertigt.419 415 Schramm, Münchener Komm. z. BGB, § 181 Rdn. 2; Wolf/Neuner, Allgemeiner Teil des Bürgerlichen Rechts, § 49 Rdn. 111. 416 So die überwiegend vertretene Amtstheorie, vgl. Wittkowski, in: Nerlich/Römermann, Komm. z. InsO, § 80 Rdn. 40; Ott/Vuia, Münchener Komm. z. InsO, § 80 Rdn. 27; siehe zu den verschiedenen Theorien zur Stellung des Insolvenzverwalters ausführlich Jaeger/Windel, Komm. z. InsO, § 80 Rdn. 11 ff., in Rdn. 15 auch mit umfangreichen Nachweisen zur der Amtstheorie folgenden Rechtsprechung und rechtswissenschaftlichen Literatur. 417 Vgl. Ott/Vuia, Münchener Komm. z. InsO, § 80 Rdn. 38, wonach „bei massebezogenen Eigengeschäften des Insolvenzverwalters ein Interessenkonflikt vorliegt, wie er durch § 181 BGB gerade verhindert werden soll“. 418 Kögel/Loose, ­ZInsO 2006, 17, 19. 419 Die Geltung des § 181 BGB für den Insolvenzverwalter ebenfalls bejahend BGH, Urteil vom 24. Januar 1991, IX ZR 250/89, BGHZ 113, 262, 270; OLG Frankfurt, Beschluss vom 2. März 1976, 20 W 799/75, MDR 1976, 675 (beide noch für den Konkursverwalter); Schramm, Münchener Komm. z. BGB, § 181 Rdn. 38; Valenthin, in: Bamberger/Roth, Komm. z. BGB, § 181 Rdn. 10; Ott/Vuia, Münchener Komm. z. InsO, § 80 Rdn. 38; Braun/Kroth, Komm. z. InsO, § 80 Rdn. 24; Bork, NZI 2005, 530; a. A. (noch für den Konkursverwalter) Skrotzki, KTS 1955, 111, 112, der Interessenkollisionen in der Person des Verwalters durch entsprechende Anzeigepflichten des Verwalters und ggf. einem aufsichtsrechtlichen Einschreiten des Konkursgerichts begegnen will.

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Inwieweit bei dieser entsprechenden Anwendung des § 181 BGB auf den Insolvenzverwalter aber insolvenzrechtliche Besonderheiten zu berücksichtigen sind, wird unterschiedlich beurteilt. Teilweise wird geltend gemacht, dass die Haftung des Insolvenzverwalters gem. § 60 InsO sowie die Tatsache, dass evident insolvenzzweckwidrige Handlungen des Verwalters keine Bindungen zu Lasten der Masse entfalten können, Ausdruck einer besonderen Pflichtenbindung des Verwalters seien.420 Deshalb komme es im Falle der parallelen Verwaltung zweier Insolvenzmassen nicht schon dann zu einer die Geltung des § 181 BGB auslösenden Interessenkollision, wenn der personenidentische Verwalter einen Vertrag zwischen beiden Insolvenzmassen abschließt oder einen Anspruch der einen gegen die andere Masse geltend macht. Denn in diesen Fällen sei der Verwalter durch die ihm obliegenden Pflichten gebunden und werde daher nicht von „eigennützigen subjektiven Wertinteressen geleitet“. Eine Interessenkollision sei vielmehr erst dann gegeben, wenn der Verwalter Ansprüche einer Masse gerichtlich gegenüber der anderen Masse durchsetzen müsse oder eine „Rechtsgestaltung in der Verfahrensabwicklung nicht unstreitig ausgeübt werden kann“.421 Hiergegen spricht aber, dass auch im direkten Anwendungsbereich des § 181 BGB zumeist Pflichten des Vertreters gegenüber dem Vertretenen bestehen, die regelmäßig auch eine Haftung bei pflichtwidrigem Gebrauch der Vollmacht nach sich ziehen. Dies schließt allerdings ein Eingreifen des § 181 BGB nicht aus. Zudem greift die Regelung des § 181 BGB nicht erst bei einem konkreten Interessenkonflikt ein, sondern knüpft ausschließlich an das formale Kriterium an, dass der Vertreter Abgabe und Empfang einer Willenserklärung in eigener Person vollzieht.422 Eine Einschränkung des Anwendungsbereichs des § 181 BGB wird demzufolge nur angenommen, wenn „nach der Natur des Rechtgeschäfts eine Interessenkollision generell-abstrakt ausgeschlossen ist“423, beispielsweise bei einem Insichgeschäft des Vertreters, welches dem Vertretenen lediglich einen rechtlichen Vorteil bringt.424 Ein solcher genereller Ausschluss einer Interessenkollision kann aber für den Insolvenzverwalter nicht angenommen werden. So wäre er beispielsweise bei einem Vertragsschluss zwischen den Massen zweier Parallelverfahren verpflichtet, den Vertrag für beide Massen zu möglichst günstigen Konditionen abzuschließen. Die Pflichtenbindung des Verwalters löst diesen Interessenkonflikt nicht, da die ihm obliegenden Pflichten hier kollidieren. In einem solchen Fall besteht trotz der Haftung des Verwalters gem. § 60 InsO die Gefahr, dass der Verwalter die Interessen eines Verfahrens zu Lasten der Interessen des Parallelverfahrens verfolgt. Demzufolge ist eine Ein-

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Rotstegge, Konzerninsolvenz (2007), S. 110. Rotstegge, Konzerninsolvenz (2007), S. 111; ähnlich Laukemann, Die Unabhängigkeit des Insolvenzverwalters (2010), S. 198 f., der für „amtsbezogene Insichgeschäfte auf eindeutiger Rechts- oder Tatsachengrundlage“ eine teleologische Reduktion des § 181 BGB befürwortet. 422 Schramm, Münchener Komm. z. BGB, § 181 Rdn. 3. 423 Schramm, Münchener Komm. z. BGB, § 181 Rdn. 8 unter Verweis auf BGH, Urteil vom 19. November 1979, II ZR 197/78, BGHZ 75, 358, 361. 424 BGH, Urteil vom 27. September 1972, IV ZR 225/69, BGHZ 59, 236. 421

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schränkung des § 181 BGB für einen Insolvenzverwalter, der die Massen zweier paralleler Verfahren verwaltet, abzulehnen. Im Falle des Verkaufs eines Gegenstandes aus der Insolvenzmasse, bei dem der Verwalter selbst als Erwerber auftritt oder den Gegenstand als Vertreter eines anderen erwirbt, greift neben § 181 BGB auch § 450 Abs. 2 BGB ein.425 Der Insolvenzverwalter kann den Gegenstand daher nicht persönlich oder durch einen anderen für sich selbst erwerben, ebenso ist ein Erwerb durch den Insolvenzverwalter als Vertreter eines Dritten ausgeschlossen. Diese Norm dürfte auch dann gelten, wenn der Insolvenzverwalter einen Gegenstand veräußert und ihn selbst zu Gunsten einer zweiten, ebenfalls von ihm verwalteten Insolvenzmasse erwerben möchte. Zwar handelt der Insolvenzverwalter hier nicht als Vertreter dieser zweiten In­ solvenzmasse, allerdings ist er wegen der ihm kraft seines Amtes zustehenden Befugnisse einem Vertreter durchaus vergleichbar. § 181 BGB wird durch § 450 Abs. 2 BGB nicht verdrängt, vielmehr sind beide Normen nebeneinander anwendbar.426 Der Anwendungsbereich des § 450 Abs. 2 BGB dürfte aber enger sein, da diese Norm nur bei einem Verkauf aus der Insolvenzmasse eingreift, wohingegen § 181 BGB auch andere Rechtsgeschäfte erfasst, beispielsweise hinsichtlich der Erbringung von Dienstleistungen durch ein Unternehmen des Verwalters zu Gunsten der Insolvenzmasse. cc) Das Gebot der höchstpersönlichen Amtsführung Schließlich hat der Insolvenzverwalter das Gebot der höchstpersönlichen Amtsführung zu beachten. Hiernach hat er sein ihm übertragenes Amt grundsätzlich selbst auszuüben.427 Er darf es deshalb nicht nach dem „Subunternehmerprinzip“ vollständig an einen Dritten, beispielsweise einen bei ihm angestellten Mitarbeiter, übertragen.428 Abgeleitet wird dieses Gebot aus der von § 56 Abs. 1 Satz 1 InsO angeordneten Bestellung einer einzelnen natürlichen Person als Insolvenzverwalter. Denn hieraus ergibt sich, dass grundsätzlich das Insolvenzgericht die Person bestimmen soll, die die Befugnisse des Insolvenzverwalters wahrnimmt. Wäre es dem bestellten Verwalter gestattet, einer anderen Person die Ausübung seiner Befugnisse zu überlassen, so könnte er hiermit die Auswahlentscheidung des Insolvenzgerichts unterlaufen.429 Gleichwohl ist anerkannt, dass der Insolvenzverwal 425

Jaeger/Windel, Komm. z. InsO, § 80 Rdn. 250; für eine Geltung des § 450 Abs. 2 BGB in diesen Fällen auch Faust, in: Bamberger/Roth, Komm. z. BGB, § 450 Rdn. 4. 426 Staudinger/Beckmann, Komm. z. BGB, § 450 Rdn. 4; für einen Vorrang des § 456 BGB a. F. (Vorgängernorm des § 450 BGB) vor § 181 BGB Soergel/Huber, Komm. z. BGB12, § 456 Rdn. 1. 427 Uhlenbruck/Uhlenbruck, Komm. z. InsO, § 56 Rdn. 19.  428 Vallender, NZI 2005, 473, 476; ebenso BVerfG, Beschluss vom 3. August 2009, 1 BvR 369/08, NZI 2009, 641, 643; Jaeger/Gerhardt, Komm. z. InsO, § 56 Rdn. 83; Delhaes, in: Nerlich/Römermann, Komm. z. InsO, § 56 Rdn. 21. 429 Graeber, NZI 2003, 569, 572.

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ter sich bei der Verfahrensabwicklung von eigenen Mitarbeitern oder externen Dritten zuarbeiten lassen und bestimmte Aufgaben auch Experten übertragen darf.430 Gerade in größeren Insolvenzverfahren wird dies unvermeidbar und damit zur Gewährleistung einer sachgerechten Verfahrensabwicklung zwingend geboten sein.431 Wo aber genau die Grenze zwischen einer zulässigen Beiziehung von Hilfskräften bzw. externen Spezialisten und einer unzulässigen Übertragung des Amtes liegt, ist unklar. Überwiegend wird davon ausgegangen, dass im Grundsatz danach abzugrenzen ist, ob es sich um Rechtsgeschäfte handelt, die der Schuldner selbst vornehmen könnte, wenn das Insolvenzverfahren nicht eröffnet worden wäre, oder ob es um solche Rechtshandlungen geht, die nur aufgrund von Sonderbefugnissen des Insolvenzverwalters vorgenommen werden können, über die der Schuldner ansonsten aber nicht verfügt. Könnte ohne die Eröffnung des Insolvenzverfahrens der Schuldner die fragliche Rechtshandlung vornehmen, so soll eine Vornahme dieser Rechtshandlungen durch vom Insolvenzverwalter bevollmächtigte Dritte zulässig sein. Hierzu zählen alle Rechtsgeschäfte im Rahmen der Fortführung des schuldnerischen Betriebes sowie der Verwertung des Schuldnervermögens. Wenn es allerdings um „konkurs-“ bzw. „insolvenztypische“ Rechtshandlungen wie die Ausübung des Wahlrechts nach § 17 KO bzw. 103 InsO oder die Geltendmachung von Anfechtungsansprüchen geht, so muss grundsätzlich der Verwalter selbst diese Rechtshandlungen vornehmen.432 Ebenfalls zu den „insolvenz­typischen“ Handlungen zählen auch die Verfahrenshandlungen des Verwalters.433 So hat der Verwalter seinen Auskunfts- und Berichtspflichten gegenüber dem Insolvenzgericht persönlich nachzukommen, gleiches gilt für die Teilnahme an Gläubigerversammlungen, insbesondere dem Berichtstermin gem. § 156 InsO.434 Lediglich für den Prüfungstermin wird teilweise angenommen, dass sich der Verwalter hier auch durch einen Dritten vertreten lassen könne.435 Allerdings ist auch bei diesen 430 Uhlenbruck/Uhlenbruck, Komm. z. InsO, § 56 Rdn. 19; Jaeger/Gerhardt, Komm. z. InsO, § 56 Rdn. 84; Graeber, Münchener Komm. z. InsO, § 56 Rdn. 150 f. 431 BVerfG, Beschluss vom 3. August 2009, 1 BvR 369/08, NZI 2009, 641, 643. 432 Eickmann, KTS 1986, 197, 202; ebenso Graeber, NZI 2003, 569, 573; ders., Münchener Komm. z. InsO, § 56 Rdn. 149; Jaeger/Gerhardt, Komm. z. InsO, § 56 Rdn. 89. 433 Eickmann, KTS 1986, 197, 203; Jaeger/Gerhardt, Komm. z. InsO, § 56 Rdn. 90. 434 Graeber, NZI 2003, 569, 574 f.; für den Berichtstermin auch Uhlenbruck/Uhlenbruck, Komm. z. InsO, § 156 Rdn. 2; Görg, Münchener Komm. z. InsO, § 156 Rdn. 23; Braun/­Esser, Komm. z. InsO, § 156 Rdn. 3; Wegener, Frankfurter Komm. z. InsO, § 156 Rdn. 6; für die Zulässigkeit einer Vertretung im Berichtstermin bei „Kleinstverfahren“ Voigt-Salus/Pape, in: Mohrbutter/Ringstmeier, Handbuch der Insolvenzverwaltung, § 21 Rdn. 195; für die Zulässigkeit in „extremen Ausnahmefällen“ wie z. B. einem Einverständnis aller Gläubiger oder plötzlichem Krankenhausaufenthalt des Verwalters und Verfahrensschädlichkeit einer Verschiebung Onusseit, in: Kübler/Prütting/Bork, Komm. z. InsO, § 156 Rdn. 7a. 435 So unter Geltung der KO Bratvogel, KTS 1977, 229, 230; für die InsO ebenso Leithaus, in: Andres/Leithaus, Komm. z. InsO, § 176 Rdn. 7; Preß/Henningsmeier, Hamburger Komm. z. InsR, InsO § 176 Rdn. 5; jedenfalls für „Kleinstverfahren“ Voigt-Salus/Pape, in: Mohrbutter/Ringstmeier, Handbuch der Insolvenzverwaltung, § 21 Rdn. 195; für eine Pflicht des Ver-

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„insolvenz­typischen“ Handlungen eine Hinzuziehung Dritter nicht vollständig ausgeschlossen. So kann der Insolvenzverwalter beispielsweise die Zusammenstellung entscheidungserheblicher Unterlagen oder das Führen erforderlicher Prozesse durchaus auch Dritten übertragen, sofern er sie entsprechend instruiert und ihre Tätigkeit ausreichend kontrolliert. Ebenso können schriftliche Berichte an das Insolvenzgericht von Mitarbeitern erstellt und anschließend vom Insolvenzverwalter abgezeichnet werden.436 In einer noch zur Konkursordnung ergangenen Entscheidung hatte sich auch der BGH mit dieser Problematik auseinanderzusetzen. Es ging um die Ver­gütung von durch den Verwalter beauftragten Dritten. Streitig war, ob der mit diesen Dritten geschlossene Vertrag den Verwalter persönlich verpflichtete oder ob er unmittelbar mit Wirkung für und gegen die Insolvenzmasse geschlossen worden war. Hier lehnte der BGH eine zuvor von einem Instanzgericht vertretene Ansicht ab, welches die Frage danach beurteilt hatte, ob die Hilfskräfte für Aufgaben eingesetzt worden waren, die dem Verwalter persönlich obliegen. Sei dies der Fall, sollte der Verwalter persönlich und nicht die Konkursmasse für die Personalkosten aufkommen. Der BGH führte hingegen aus, dass ein Aufgabenkreis, welchen der Konkursverwalter nicht delegieren darf, abgesehen von „eine[m] verhältnismäßig kleinen Kernbereich von Geschäften“, nicht generell festgelegt werden könne. Vielmehr sei ein solcher Aufgabenkreis an Hand des konkreten Einzel­falles zu ermitteln, „insbesondere danach, welchen Umfang das jeweilige Konkursverfahren hat sowie in wie vielen Verfahren der Verwalter – mit Wissen des Konkurs­gerichts – gleichzeitig beschäftigt ist“. Deshalb sei die Abgrenzung danach, ob die Hilfskräfte für höchstpersönliche Verwaltertätigkeiten herangezogen wurden, verfehlt.437 In dieser Entscheidung wird teilweise eine Ablehnung der oben geschilderten Ansicht gesehen, die die delegationsfähigen von den höchstpersönlichen Verwalteraufgaben grundsätzlich an Hand der Insolvenztypizität abgrenzen will.438 Diese Interpretation erscheint allerdings fragwürdig. Denn der BGH verwies zur Konkretisierung des von ihm erwähnten unübertragbaren „Kernbereichs von Geschäften“ explizit auf die Ausführungen Eickmanns, welcher die Differenzierung an Hand der Insolvenztypizität entwickelt hatte.439 Dies legt den Schluss nahe, dass walters zur persön­lichen Anwesenheit Jaeger/Gerhardt, Komm. z. InsO, § 56 Rdn. 90; Nowak, ­Münchener Komm. z. InsO, § 176 Rdn. 7; Becker, in: Nerlich/Römermann, Komm. z. InsO, § 176 Rdn. 9; Kießner, Frankfurter Komm. z. InsO, § 176 Rdn. 5; Pape/Schaltke, in: Kübler/ Prütting/Bork, Komm. z. InsO, § 176 Rdn. 19; wohl auch Uhlenbruck/Sinz, Komm. z. InsO, § 176 Rdn. 22.  436 Graeber, NZI 2003, 569, 573 f.; ebenso Uhlenbruck/Uhlenbruck, Komm. z. InsO, § 56 Rdn. 19, wonach „längst anerkannt [ist], dass der Insolvenzverwalter sich bei seiner Tätigkeit von Hilfskräften zuarbeiten lassen kann und für Spezialaufgaben Spezialisten hinzuzieht“. 437 BGH, Urteil vom 24. Januar 1991, IX ZR 250/89, BGHZ 113, 262, 265. 438 Brünkmans, Die Koordinierung von Insolvenzverfahren konzernverbundener Unternehmen (2009), S. 153. 439 Siehe BGH, Urteil vom 24. Januar 1991, IX ZR 250/89, BGHZ 113, 262, 265 mit Verweis auf Eickmann, KTS 1986, 197, 201 ff.

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der BGH diese Ansicht keineswegs ablehnt, sondern vielmehr anmerken wollte, dass bei großen, umfangreichen Verfahren aufgrund des anfallenden Arbeitsaufwandes ein erhöhtes Bedürfnis nach einer Delegation von Verwalteraufgaben besteht. Gleichwohl macht der BGH in Übereinstimmung mit der genannten Ansicht deutlich, dass trotz einer diesbezüglichen wirtschaftlichen Notwendigkeit die Delegationsmöglichkeit nicht unbeschränkt ist. Ferner ging es in der Entscheidung des BGH in erster Linie darum, ob ein vom Verwalter mit den Hilfskräften abgeschlossener Vertrag ihn persönlich oder die Konkursmasse verpflichtet. Zur Beantwortung dieser Frage kann die geschilderte Ansicht zur Abgrenzung von delegierbaren und nicht delegierbaren Verwalteraufgaben aber in der Tat nicht herangezogen werden, da hiernach der Insolvenzverwalter auch bei höchstpersönlich wahrzunehmenden Aufgaben in gewissem Umfang Dritte hinzuziehen darf. Um die Bestimmung des Kreises der vom Verwalter persönlich wahrzunehmenden Aufgaben ging es hingegen nicht. Aus diesen Gründen kann der Entscheidung des BGH keine Ablehnung der oben genannten Ansicht entnommen werden. Im Rahmen der Auswahl des Insolvenzverwalters muss sichergestellt sein, „dass der Verwalter imstande ist, die Kernaufgaben des Insolvenzverfahrens persönlich wahrzunehmen“.440 Folglich ist ein überlasteter Insolvenzverwalter nicht als geeignet im Sinne des § 56 InsO anzusehen.441 Der potentielle Insolvenzver­ walter ist verpflichtet, eine der Bestellung im Einzelfall entgegenstehende Arbeitsbelastung dem Insolvenzgericht anzuzeigen.442 Zudem haben die Insolvenz­ gerichte dies auch bei jeder Bestellung von Amts wegen zu prüfen, beispielsweise im Wege einer Befragung des betreffenden Verwalterkandidaten.443 b) Zulässigkeit der Bestellung eines Konzerninsolvenzverwalters Fraglich ist nun, ob die genannten Bestimmungen der Bestellung eines Konzerninsolvenzverwalters entgegen stehen. Bedenken sind hier zunächst bezüglich des Erfordernisses der Unabhängigkeit des Verwalters von Gläubigern und dem Schuldner gem. § 56 Abs. 1 Satz 1 InsO angebracht. Denn zwischen den einzelnen konzernangehörigen Gesellschaften ist es vor Verfahrenseröffnung regelmäßig zu einer Vielzahl an einzelnen Rechtsgeschäften gekommen. Beispiele hierfür sind der Austausch liquider Mittel im Rahmen eines cash-pool-Systems, die Bestellung von Sicherheiten zu Gunsten ande 440 So Uhlenbruck/Uhlenbruck, Komm. z. InsO, § 56 Rdn. 34 hinsichtlich der Aufnahme eines Verwalters in die Vorauswahlliste. 441 Graeber, Münchener Komm. z. InsO, § 56 Rdn. 73; Uhlenbruck/Uhlenbruck, Komm. z. InsO, § 56 Rdn. 34; zum Gesamtvollstreckungsverwalter nach der Gesamtvollstreckungsordnung (GesO) ebenso LG Stendal, Beschluss vom 23. Februar 2004, 25 T 36/04, DZWIR 2004, 261, 262. 442 Rechel, in: Leonhardt/Smid/Zeuner, Komm. z. InsO, § 56 Rdn. 34. 443 Graeber, Münchener Komm. z. InsO, § 56 Rdn. 75.

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rer Konzerngesellschaften sowie die konzerninterne Lieferung von Waren oder Erbringung von Dienstleistungen. Die aus diesen Rechtsgeschäften entstehenden Forderungen sind sodann im jeweiligen Insolvenzverfahren anzumelden. Wird nun dieselbe Person als Insolvenzverwalter für mehrere Konzerngesellschaften bestellt, so tritt sie in diesen Verfahren sowohl für die Insolvenzmasse auf, zu der die jeweilige Forderung gehört, als auch für diejenige Insolvenzmasse, aus der die Forderung zu erfüllen ist. Dies führt zu Interessenkonflikten bei der Prüfung dieser Forderungen, aber auch bei der Geltendmachung von Anfechtungs­ ansprüchen oder der Ausübung des Wahlrechts nach § 103 InsO, sofern die zwischen den Konzerngesellschaften bestehenden gegenseitigen Verträge nicht oder nicht vollständig erfüllt sind.444 Denn hier kann der Verwalter im Interesse einer Insolvenzmasse zur Geltendmachung einer Forderung oder zur Ausübung eines Anfechtungsrechts verpflichtet sein, obwohl er im Interesse der Masse des Parallelverfahrens die Forderung oder die Möglichkeit der Anfechtung bestreiten müsste. Der Konzerninsolvenzverwalter befindet sich damit in einer ständigen Interessenkollision.445 Diese Interessenkollision widerspricht dem Rechtsgedanken der §§ 43a Abs. 4, 45 BRAO. Zudem besteht aus Sicht eines objektiven Dritten die Gefahr, dass der Insolvenzverwalter dem Interesse der einen Insolvenzmasse zu Lasten der Masse des Parallelverfahrens den Vorzug gibt und damit eine Masse auf Kosten der anderen anreichert.446 Zwar wird teilweise geltend gemacht, dass ein Interessenkonflikt „wesensimmanentes Merkmal“ für das Amt des Insolvenz­ verwalters sei, da der Verwalter in jedem Insolvenzverfahren eine Vielzahl von Interessen, beispielsweise diejenigen verschiedener Gläubiger oder aber bei einer Sanierung neben den Interessen der Gläubiger auch diejenigen der Gesellschafter oder Arbeitnehmer, zu einem gerechten Ausgleich bringen müsse. Deshalb ergäbe sich für einen Konzerninsolvenzverwalter kein besonderer Interessenkonflikt, der die Befürchtung rechtfertige, dass er die Interessen der Insolvenzmasse einer Konzerngesellschaft gegenüber denen der Masse einer anderen Konzerngesellschaft bevorzugen werde.447 Diese Argumente entsprechen im Wesentlichen denjenigen, die auch für eine teleologische Reduktion des § 181 BGB bei Insichgeschäften eines Konzerninsolvenzverwalters vorgebracht werden.448 Gegen sie spricht jedoch wie schon gegen eine solche teleologische Reduktion des § 181 BGB, dass die InsO im Falle eines einzelnen Insolvenzverfahrens die für den Ausgleich dieser Interessen geltenden Wertungen vorgibt. So bleibt der Insolvenzverwalter auch 444 Brünkmans, Die Koordinierung von Insolvenzverfahren konzernverbundener Unternehmen (2009), S. 133 f.; Laukemann, Die Unabhängigkeit des Insolvenzverwalters (2010), S. 196. 445 Rechel, in: Leonhardt/Smid/Zeuner, Komm. z. InsO, § 56 Rdn. 47. 446 Vgl. Rechel, in: Leonhardt/Smid/Zeuner, Komm. z. InsO, § 56 Rdn. 47, wonach „Fälle ruchbar geworden [sind], in denen Konzerninsolvenzverwalter die Verfahren von Tochterunternehmen durch ‚Umbuchungen‘ zu ‚finanzieren‘ versucht haben“. 447 Abeltshauser, in: Nerlich/Römermann, Komm. z. InsO, § 60 Rdn. 55; ebenso Scheel, Konzerninsolvenzrecht (1995), S. 40. 448 Siehe oben B. II. 1. a) bb).

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im Falle einer angestrebten Sanierung in erster Linie dem in § 1 Satz 1 InsO normierten Verfahrensziel einer gemeinschaftlichen Gläubigerbefriedigung verpflichtet, die Interessen von Gesellschaftern oder Arbeitnehmern müssen dahinter zurückstehen. Hinsichtlich der Gläubiger gilt der Grundsatz der Gleichbehandlung, sofern nicht die InsO ausdrücklich bestimmten Gläubigern Vorrechte einräumt. Im Falle einer parallelen Verwaltung der Insolvenzmassen mehrerer konzern­ angehöriger Gesellschaften fehlt es jedoch an gesetzlichen Regelungen für den Ausgleich der kollidierenden Verpflichtungen aus den jeweiligen Einzelverfahren. Dies gilt beispielsweise dann, wenn das Bestehen einer Forderung der einen Gesellschaft gegen die andere unklar ist oder wenn im Rahmen einer Betriebsfortführung die Preise für die Lieferung produzierter Güter von einer Konzerngesellschaft an die andere ausgehandelt werden müssen. Die im Falle der gleichzeitigen Verwaltung der Insolvenzmassen zweier konzernverbundener Gesellschaften auftretenden Interessenkonflikte gehen damit erheblich über diejenigen innerhalb eines einzelnen Insolvenzverfahrens hinaus. Damit kann die Gefahr der Bevorzugung der Insolvenzmasse einer Konzerngesellschaft zu Lasten der Insolvenzmasse einer anderen Konzerngesellschaft auch nicht mit dem Hinweis auf die in jedem Insolvenzverfahren vorhandenen Interessenkonflikte relativiert werden. Die pa­ rallele Verwaltung der Insolvenzmassen zweier konzernverbundener Gesellschaften ist folglich auch nicht mit der Wertung des § 42 Abs. 2 ZPO zu vereinbaren. Die Bestellung eines Konzerninsolvenzverwalters wäre also nur möglich, wenn „man das Unabhängigkeitskriterium […] dem überragenden Interesse an der einheitlichen Verwaltung unterordnet“.449 Dies würde aber klar dem Wortlaut des § 56 Abs. 1 Satz 1 InsO widersprechen. Das Erfordernis der Unabhängigkeit des Insolvenzverwalters von Gläubigern und Schuldner steht damit der Bestellung eines Konzerninsolvenzverwalters grundsätzlich entgegen. Aber auch wenn trotz der genannten Interessenkollisionen ein einheitlicher Konzerninsolvenzverwalter bestellt wird, so ergeben sich aufgrund der §§ 181, 450 Abs. 2 BGB Probleme bei der Abwicklung der jeweiligen Verfahren. So ist es beispielsweise im Rahmen einer Betriebsfortführung in beiden Verfahren zumeist erforderlich, dass zwischen den einzelnen Konzerngesellschaften Verträge über die Lieferung von Waren bzw. die Erbringung von Dienstleistungen abgeschlossen werden.450 Der in beiden Verfahren identische Insolvenzverwalter wäre durch § 181 BGB am Abschluss derartiger Verträge gehindert. Ferner kann es im Rahmen einer Sanierung einer bzw. mehrerer Konzerngesellschaften dazu kommen, dass eine Konzerngesellschaft die Aktiva einer anderen Konzerngesellschaft übernimmt, weil letztere nicht mehr saniert werden kann. Hier griffe dann § 450 Abs. 2 BGB ein, sollte in beiden Verfahren derselbe Verwalter bestellt worden sein. 449

Ehricke, Kölner Schrift z. InsO, Kap. 32 Rdn. 38. Vgl. den von Kögel/Loose, Z ­ InsO 2006, 17 f. geschilderten Beispielsfall zweier Schwestergesellschaften, von denen eine die Produkte für die andere produziert und damit nahezu 100 % ihres Umsatzes erwirtschaftet. 450

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Inwieweit das Gebot der höchstpersönlichen Amtsführung der Bestellung eines Konzerninsolvenzverwalters entgegensteht, hängt dagegen stark vom jeweiligen Einzelfall ab. Bedeutsam ist hier, in wie vielen anderen Verfahren außerhalb der Konzerninsolvenz der Verwalter bereits bestellt wurde und wie groß der Konzern und damit die mit einer Bestellung in den Verfahren aller insolventen Konzerngesellschaften verbundene Arbeitsbelastung ist. Bei der Ermittlung der Arbeitsbelastung sind auch die Erfahrung des Insolvenzverwalters sowie die Zahl der ihm zur Verfügung stehenden Hilfskräfte zu berücksichtigen.451 In jedem Fall sind aber die zwingend vom Verwalter persönlich wahrzunehmenden Aufgaben als „Mindestarbeitsaufwand“ zu Grunde zu legen. In der rechtswissenschaftlichen Literatur werden hinsichtlich der von einem Insolvenzverwalter pro Jahr zu bewältigenden Insolvenzverfahren unterschiedliche Zahlen genannt. Teilweise wird davon ausgegangen, dass ein Insolvenzverwalter jedenfalls bei der Bestellung in mehr als 100 Verfahren pro Jahr kaum mehr die „endgültige Kontrolle“ über alle Verfahren behalten könne.452 Andere sehen 20 eröffnete Unternehmensinsolvenzen pro Jahr als Obergrenze für die mit dem Gebot der höchstpersönlichen Amtsführung vereinbare Arbeitsbelastung eines Insolvenzverwalters an.453 Schließlich wird zu bedenken gegeben, dass die Festlegung einer bestimmten Zahl an Insolvenzverfahren pro Jahr, deren Überschreiten zu einer unzulässigen Arbeitsbelastung führt, kaum möglich ist. Jedoch solle das „Erreichen einer Anzahl von 74 Bestellungen […] Anlass geben, Überlegungen hinsichtlich einer Aus- oder Überlastung anzustellen“.454 Der zuletzt genannten Ansicht ist darin zuzustimmen, dass die Festlegung einer abstrakten Zahl problematisch erscheint. Denn die von einem Insolvenzverwalter zu bewältigende Arbeitsbelastung hängt von vielen Faktoren ab, beispielsweise der „Leistungsbereitschaft, der Zeiteinteilung, der Motivation oder der Stressresistenz“.455 Ferner sind auch die Erfahrung des einzelnen Verwalters sowie die Zahl seiner Mitarbeiter zu berücksichtigen.456 Bei parallelen Insolvenzverfahren über das Vermögen mehrerer Konzerngesellschaften kommt hinzu, dass sich der für das einzelne Verfahren erforderliche Arbeitsaufwand aufgrund der finanziellen und wirtschaftlichen Verflechtungen zwischen den einzelnen Konzerngesellschaften und den sich hieraus ergebenden Synergieeffekten verringern dürfte. Bei den vom Verwalter persönlich wahrzunehmenden Terminen wie dem Berichtstermin gem. § 156 InsO oder, sofern man hier die Möglichkeit einer Ver 451 So Graeber, Münchener Komm. z. InsO, § 56 Rdn. 74, wonach es „[e]ine große Routine und Professionalität in Zusammenhang mit einem leistungsstarken und eingespielten Büro­ unterbau [..] einem Insolvenzverwalter [erlauben], auch umfangreiche und komplizierte Verfahren in größerer Zahl zu übernehmen“. 452 Braun/Blümle, Komm. z. InsO, § 56 Rdn. 13. 453 Haarmeyer, ­ZInsO 2005, 337, 338; Blank, ­ZInsO 2005, 473, 474. 454 So Graeber, NZI 2003, 569, 578, der den pro Verfahren erforderlichen Zeitaufwand zu berechnen versucht, indem er die seiner Ansicht nach für die einzelnen Verfahrenshandlungen erforderliche Arbeitszeit addiert, vgl. a. a. O. S. 577. 455 Uhlenbruck/Mönning, ZIP 2008, 157, 165. 456 Graeber, Münchener Komm. z. InsO, § 56 Rdn. 74.

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tretung verneint, dem Prüfungstermin gem. § 176 InsO ergeben sich im Vergleich zu unabhängigen Insolvenzverfahren allerdings keine Veränderungen des Arbeitsaufwandes, weshalb insbesondere der mit der Wahrnehmung dieser Termine verbundene Zeitaufwand der Bestellung eines Konzerninsolvenzverwalters Grenzen setzt. Bei Großkonzernen kann daher die Bestellung eines Konzerninsolvenzverwalters wegen der von einem Verwalter allein nicht mehr zu bewältigenden Arbeitsbelastung unzulässig sein. Ein Beispiel hierfür dürfte der Babcock BorsigKonzern sein, zu dem 360 Gesellschaften unterhalb der Konzernmutter Babcock Borsig AG gehörten.457 Darüber hinaus erscheint die Festlegung einer bestimmten Zahl unabhängig vom Einzelfall aber kaum möglich. Im Ergebnis schließen die §§ 56 Abs. 1 Satz 1 InsO, 181, 450 Abs. 2 BGB die Bestellung eines Konzerninsolvenzverwalters grundsätzlich aus. Gleiches kann bei Großkonzernen im Einzelfall auch für das Gebot der höchstpersönlichen Amtsführung gelten. c) Instrumente zur Vermeidung von einer Bestellung in mehreren Verfahren entgegenstehenden Interessenkonflikten in der Person des Konzerninsolvenzverwalters Allerdings könnte die Bestellung eines Konzerninsolvenzverwalters gleichwohl im Rahmen der durch das Gebot der höchstpersönlichen Amtsführung gezogenen Grenzen zulässig sein, sofern es gelingt, die mit einer solchen Bestellung einhergehenden Interessenkonflikte durch bestimmte Maßnahmen zu verhindern bzw. zu legitimieren und damit die Anforderungen der §§ 56 Abs. 1 Satz 1 InsO, 181, 450 Abs. 2 BGB zu wahren. aa) Bestellung eines Sonderinsolvenzverwalters Eine solche Maßnahme könnte die Bestellung eines sog. „Sonderinsolvenz­ verwalters“ sein. Ein Sonderinsolvenzverwalter nimmt anstelle des eigentlich bestellten Insolvenzverwalters bestimmte Aufgaben wahr, weil letzterer aus rechtlichen oder tatsächlichen Gründen nicht tätig werden kann.458 Geregelt ist das Rechtsinstitut des Sonderinsolvenzverwalters nicht. Der Regierungsentwurf für eine Insolvenzordnung sah zwar in § 77 RegE-InsO eine solche Regelung vor,459 allerdings wurde diese Norm auf Vorschlag des Rechtsausschusses des Bundestages gestrichen. Man hielt sie für überflüssig, da auch schon unter Geltung der Konkursordnung die Bestellung eines „Sonderkonkursverwalters“ trotz des Fehlens 457

Vgl. die Angaben bei Piepenburg, NZI 2004, 231, 232. Lüke, ZIP 2004, 1693, 1694; Graeber/Pape, ZIP 2007, 991, 992; Jaeger/Gerhardt, Komm. z. InsO, § 56 Rdn. 76. 459 Siehe den Text des § 77 RegE-InsO, BT-Drucks. 12/2443, S. 20. 458

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einer entsprechenden Regelung als zulässig angesehen wurde.460 Dementsprechend wird die Möglichkeit zur Bestellung eines Sonderinsolvenzverwalters auch unter Geltung der InsO allgemein anerkannt.461 (1) Voraussetzung für die Bestellung eines Sonderinsolvenzverwalters Voraussetzung für die Bestellung eines Sonderinsolvenzverwalters ist, dass der eigentlich bestellte Verwalter aus tatsächlichen oder rechtlichen Gründen sein Amt nicht ausüben kann.462 Tatsächliche Gründe liegen beispielsweise vor, wenn der bestellte Verwalter aus gesundheitlichen Gründen für einen längeren Zeitraum an der Ausübung seines Amtes gehindert ist.463 Zumeist dürfte die Bestellung eines Sonderinsolvenzverwalters aber aus rechtlichen Gründen erfolgen, wenn sich nämlich der eigentlich bestellte Verwalter in einem Interessenkonflikt befindet. Ein solcher Interessenkonflikt liegt vor, wenn der Verwalter eine eigene Forderung im von ihm verwalteten Verfahren anmeldet,464 wenn Schadensersatzansprüche zu Gunsten der Insolvenzmasse gegen den ursprünglich bestellten Verwalter zu prüfen bzw. geltend zu machen sind465 oder wenn der eigentliche Verwalter aufgrund der Geltung des § 181 BGB an der Vornahme eines Rechtsgeschäfts gehindert ist, beispielsweise wenn er selbst einen Gegenstand aus der von ihm verwalteten Insolvenzmasse erwerben will oder aber wenn ein Vertrag zwischen zwei vom selben Insolvenzverwalter verwalteten Massen abgeschlossen werden soll.466 Im Falle der Bestellung eines Konzerninsolvenzverwalters liegt aufgrund der rechtlichen und wirtschaftlichen Verflechtung der einzelnen Konzerngesellschaften regelmäßig ein Interessenkonflikt vor, der die Bestellung eines Sonderinsolvenz­ verwalters rechtfertigt. Fraglich ist allerdings, ob in den Insolvenzverfahren über das Vermögen der einzelnen konzernangehörigen Gesellschaften nicht von vornherein verschiedene Insolvenzverwalter bestellt werden müssten. So wird teilweise angenommen, dass ein Sonderinsolvenzverwalter nur bestellt werden könne, wenn in der Person des 460 Beschlussempfehlung und Bericht des Rechtsausschusses zum RegE-InsO, BT-Drucks. 12/7302, S. 162. 461 Siehe BGH, Beschluss vom 5. Februar 2009, IX ZB 187/08, NZI 2009, 238; BGH, Beschluss vom 1. Februar 2007, IX ZB 45/05, NZI 2007, 237, 238; BGH, Beschluss vom 2. März 2006, IX ZB 225/04, NZI 2006, 474, 475; Uhlenbruck/Uhlenbruck, Komm. z. InsO, § 56 Rdn. 66; Jaeger/Gerhardt, Komm. z. InsO, § 56 Rdn. 76; Graf/Wunsch, DZWIR 2002, 177, 180; Graeber/Pape, ZIP 2007, 991, 992. 462 BGH, Beschluss vom 2. März 2006, IX ZB 225/04, NZI 2006, 474, 475; Graeber/Pape, ZIP 2007, 991, 992. 463 Graeber/Pape, ZIP 2007, 991, 992; Dahl, ­ZInsO 2004, 1014. 464 Jaeger/Gerhardt, Komm. z. InsO, § 56 Rdn. 77; Dahl, ­ZInsO 2004, 1014. 465 Um einen solchen Fall ging es in BGH, Beschluss vom 1. Februar 2007, IX ZB 45/05, NZI 2007, 237 f. 466 Eickmann, Heidelberger Komm. z. InsO, § 56 Rdn. 51; Graf/Wunsch, DZWIR 2002, 177, 178.

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eigentlichen Verwalters nach seiner Bestellung ein Interessenkonflikt auftrete. Sei ein Interessenkonflikt in der Person eines potentiellen Verwalters aber schon vor dessen Bestellung absehbar, so müsse sogleich ein anderer Verwalter bestellt werden.467 Zudem sei das Rechtsinstitut nur für punktuell drohende Interessenkonflikte gedacht.468 Bei der Insolvenz mehrerer konzernverbundener Gesellschaften sind weitreichende Interessenkollisionen eines in mehreren dieser Verfahren bestellten Verwalters aber bereits bei der Bestellung absehbar.469 Dieser Ansicht nach könnten also die Interessenkonflikte in der Person eines Konzerninsolvenzverwalters nicht durch Bestellung eines Sonderinsolvenzverwalters gelöst werden. Der Ausnahmecharakter des Instituts des Sonderinsolvenzverwalters dürfte auch der Intention des Gesetzgebers entsprechen. Denn die Bestellung eines Sonderinsolvenzverwalters führt dazu, dass das Vermögen eines Schuldners von mehreren Personen verwaltet wird. Die Bestellung mehrerer Verwalter für das Vermögen eines Schuldners war nach § 79 KO möglich, allerdings wurde diese Vorschrift bewusst nicht in die Insolvenzordnung übernommen, da sich die Abgrenzung der Kompetenzen der einzelnen Verwalter als problematisch erwiesen hatte.470 Gegen diese Beschränkung des Anwendungsbereichs des Rechtsinstituts des Sonderinsolvenzverwalters spricht aber, dass dann in der Insolvenz mehrerer konzernverbundener Gesellschaften die Bestellung eines Konzerninsolvenzverwalters unter Beiordnung eines Sonderinsolvenzverwalters nicht mehr möglich wäre. Folglich könnten die mit einem solchen Vorgehen verbundenen Vorteile nicht genutzt werden. Zudem ist das Rechtsinstitut des Sonderinsolvenzverwalters in der InsO nicht geregelt, weshalb auch seine Beschränkung auf lediglich punktuelle Interessenkonflikte nicht ausdrücklich durch das Gesetz vorgegeben ist. Deshalb erscheint es überzeugend, den bei der Bestellung eines Konzerninsolvenzverwalters auftretenden „Widerstreit von formaler Richtigkeit und wirtschaftlicher Sinnhaftigkeit“471 dadurch zu lösen, dass von dem Erfordernis der nur punktuell drohenden Interessenkollision bei der Insolvenz mehrerer konzernverbundener Gesellschaften eine Ausnahme gemacht und die Möglichkeit der Bestellung eines Sonderinsolvenzverwalters auch hier bejaht wird.472 467 AG Potsdam, Beschluss vom 30. November 2001, 35 IN 677/01, NZI 2002, 391, 392; Graf/Wunsch, DZWIR 2002, 177. 468 Graf/Wunsch, DZWIR 2002, 177; ähnlich Graeber/Pape, ZIP 2007, 991, 992, wonach ein Sonderinsolvenzverwalter bestellt werden kann, „um im Einzelfall Interessenkollisionen und Verhinderungen begegnen zu können“; vgl. auch Jaeger/Gerhardt, Komm. z. InsO, § 56 Rdn. 76, wonach im Falle des Bestehens von Interessenkollisionen ein Sonderinsolvenzverwalter „für den Einzelfall“ zu ernennen ist. 469 Graeber, Münchener Komm. z. InsO, § 56 Rdn. 47. 470 Siehe die Begründung zu § 65 RegE-InsO, BT-Drucks. 12/2443, S. 127. 471 Graeber, Münchener Komm. z. InsO, § 56 Rdn. 48. 472 Vgl. hierzu auch AG Duisburg, Beschluss vom 1. September 2002, 62 IN 167/02, NZI 2002, 556 (Leitsatz 3), wonach im Rahmen einer Konzerninsolvenz im Eröffnungsbeschluss ein „ständiger Sonderinsolvenzverwalter zur Ausübung des Verwalteramtes bei der Vornahme von Rechtsgeschäften des Verwalters mit sich selbst als Verwalter eines anderen Schuldners bestellt werden“ kann. Allerdings ging es in diesem Fall um die Bestellung derselben Person als

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Die Bestellung des Sonderinsolvenzverwalters sowie die an seine Person zu stellenden Anforderungen richten sich nach den für den Insolvenzverwalter geltenden Vorschriften der §§ 27, 56 Abs. 1 Satz 1 InsO.473 Sachlich zuständig für die Ernennung ist das Insolvenzgericht. Umstritten ist allerdings, ob der Richter oder der Rechtspfleger funktionell zuständig ist. Teilweise wird eine generelle Zuständigkeit des Insolvenzrichters analog § 18 Abs. 1 Nr. 1 RPflG angenommen.474 Überwiegend wird die Zuständigkeit des Richters gem. § 18 Abs. 1 Nr. 1 RPflG allerdings nur dann bejaht, wenn der Sonderinsolvenzverwalter zeitgleich mit dem eigentlichen Insolvenzverwalter zu Beginn des Insolvenzverfahrens ernannt wird. Kommt es erst im eröffneten Verfahren zur Bestellung eines Sonderinsolvenz­ verwalters, sei folglich der Rechtspfleger zuständig.475 Auch der Sonderinsolvenzverwalter muss die Anforderungen des § 56 Abs. 1 Satz 1 InsO erfüllen, insbesondere vom Schuldner und den Gläubigern unabhängig sein. Ferner muss er aber auch vom eigentlich bestellten Insolvenzverwalter unabhängig sein, da ansonsten der bestehende Interessenkonflikt nur auf eine andere Person verlagert würde.476 Somit kommt die Bestellung eines Sonderinsolvenzverwalters grundsätzlich als Möglichkeit in Betracht, um die mit der Bestellung eines Konzerninsolvenzverwalters verursachten Interessenkonflikte zu vermeiden und damit auch die An­ forderungen der §§ 56 Abs. 1 Satz 1 InsO, 181, 450 Abs. 2 BGB zu wahren. (2) Einsatz von Sonderinsolvenzverwaltern im Rahmen einer Konzerninsolvenz Fraglich ist allerdings, wie genau das Institut des Sonderinsolvenzverwalters in der Insolvenz mehrerer konzernverbundener Gesellschaften einzusetzen ist, um Interessenkonflikte in der Person eines Konzerninsolvenzverwalters vollständig auszuschließen. Sachwalter in den einzelnen Verfahren, da jeweils Eigenverwaltung gem. §§ 270 ff. InsO angeordnet wurde. Das AG Duisburg übertrug seine Ansicht zur Möglichkeit der Bestellung eines „ständigen Sonderinsolvenzverwalters“ auf die Eigenverwaltung und bestellte neben dem eigentlichen Sachwalter einen „ständigen Sondersachwalter“. Eine Begründung für seine Annahme, dass die Bestellung eines ständigen Sonderinsolvenzverwalters bzw. Sondersachwalters möglich sei, gab das AG Duisburg allerdings nicht. Dementsprechend erfolgte auch keine Auseinandersetzung mit der Tatsache, dass die Bestellung mehrerer Verwalter in einem Insolvenzverfahren bewusst nicht von der KO in die InsO übernommen wurde. 473 Graf/Wunsch, DZWIR 2002, 177, 181; Graeber/Pape, ZIP 2007, 991, 996. 474 Lüke, ZIP 2004, 1693, 1697. 475 Jaeger/Gerhardt, Komm. z. InsO, § 56 Rdn. 80; Graeber/Pape, ZIP 2007, 991, 996; Huber, NZI 2004, 497, 498, der allerdings die Zuständigkeit des Rechtspflegers als eine „wenig überzeugende Regelung“ bezeichnet. 476 So hielt das AG Halle-Saalkreis, Beschluss vom 15. November 1993, 50 N 18/91, ZIP 1993, 1912, 1915 die Bestellung eines Mitarbeiters der Kanzlei des ursprünglichen Insolvenzverwalters als Sonderinsolvenzverwalter für unzulässig; ebenso Lüke, ZIP 2004, 1693, 1697; Dahl, ­ZInsO 2004, 1014, 1015; Graeber/Pape, ZIP 2007, 991, 996; Jaeger/Gerhardt, Komm. z. InsO, § 56 Rdn. 77.

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So ist zunächst zu klären, ob im Verfahren jeder einzelnen konzernangehörigen Gesellschaft ein Sonderinsolvenzverwalter bestellt werden muss oder ob es beispielsweise ausreicht, einen solchen lediglich in den Verfahren der Tochtergesellschaften zu bestellen, im Verfahren der Konzernmutter aber hierauf zu verzichten. Für letztere Möglichkeit spricht, dass es im Falle der Beteiligung derselben Person auf beiden Seiten eines Rechtsgeschäfts ausreicht, diese Person auf einer Seite durch eine andere zu ersetzen, um ein Insichgeschäft und damit einen Interessenkonflikt auszuschließen. Zudem trägt es zu einer Vereinfachung der Verfahrens­ abwicklung und zu einer Senkung der Verfahrenskosten bei, wenn der Einsatz von Sonderinsolvenzverwaltern auf ein Minimum reduziert wird. Allerdings erscheint es zweifelhaft, ob eine solche „einseitige“ Bestellung eines Sonderinsolvenzverwalters die durch die Einsetzung eines Konzerninsolvenzverwalters begründeten Interessenkonflikte wirklich vollständig auszuschließen vermag. Wird nämlich in dem Insolvenzverfahren über das Vermögen der Konzernmutter auf die Bestellung eines Sonderinsolvenzverwalters verzichtet, so wären eventuell bestehende Ansprüche der Muttergesellschaft gegen die Tochtergesellschaft vom Konzerninsolvenzverwalter geltend zu machen. Gleichzeitig wäre er aber den Interessen der Tochtergesellschaft verpflichtet, da er trotz der Bestellung eines Sonderinsolvenzverwalters im Verfahren der Tochtergesellschaft auf eine bestmögliche Befriedigung ihrer Gläubiger hinwirken müsste. Diese Verpflichtung gegenüber den Gläubigern der Tochtergesellschaft kollidiert mit seiner Verpflichtung im Verfahren der Konzernmutter, deren Ansprüche gegenüber der Tochtergesellschaft geltend zu machen. Ein Interessenkonflikt in der Person des Konzerninsolvenz­ verwalters kann folglich nur dann vollständig ausgeschlossen werden, wenn in jedem der einzelnen Insolvenzverfahren zusätzlich ein Sonderinsolvenzverwalter bestellt wird.477 Zweckmäßig dürfte es sein, schon bei der Bestellung des Insolvenzverwalters zugleich auch einen Sonderinsolvenzverwalter zu bestellen, sollte ersterer bereits in dem Verfahren über das Vermögen einer anderen konzernangehörigen Gesellschaft bestellt worden sein. Teilweise wird sogar angenommen, dass die Bestellung eines Sonderinsolvenzverwalters zwingend zeitgleich mit der Bestellung des eigentlichen Verwalters zu erfolgen habe. Denn sobald eine Person in einem einzigen Verfahren zum alleinigen Verwalter bestellt werde, oblägen ihr Rechte und Pflichten gegenüber den anderen Konzerngesellschaften. Diese „Infizierung mit einem Kollisionsgrund“ könne dann auch nicht mehr durch die nachträgliche Bestellung eines Sonderinsolvenzverwalters beseitigt werden, weshalb eine Person, die in einem Verfahren als alleiniger Verwalter bestellt wurde, als Konzerninsolvenzverwalter zwingend ausscheide.478 Diese Ansicht überspannt allerdings die Anforderungen an die Neutralität eines Konzerninsolvenzverwalters. So spricht im Falle der zeitversetzten Eröffnung der Insolvenzverfahren über das Vermögen 477 Graeber, Münchener Komm. z. InsO, § 56 Rdn. 50; ders., NZI 2007, 265, 269; Laukemann, Die Unabhängigkeit des Insolvenzverwalters (2010), S. 359. 478 So Graeber, Münchener Komm. z. InsO, § 56 Rdn. 49.

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mehrerer konzernangehöriger Gesellschaften nichts dagegen, einen im früher eröffneten Verfahren bestellten Verwalter auch im später eröffneten Verfahren zu bestellen und ihm in beiden Verfahren einen Sonderinsolvenzverwalter beizuordnen. Denn ein Interessenkonflikt aufgrund der parallelen Verwaltung zweier Insolvenzmassen besteht dann nicht. Ferner wird auch vermieden, dass sich der Verwalter zu seinen im ersten Verfahren getroffenen Entscheidungen in Widerspruch setzen muss, da mit seiner Bestellung im zweiten Verfahren und der gleichzeitigen Einsetzung der Sonderinsolvenzverwalter letztere für alle Rechtshandlungen gegenüber der jeweils anderen Konzerngesellschaft zuständig sind. Weitergehend dürfte sogar eine Person, die auch im später eröffneten Verfahren zunächst zum alleinigen Verwalter bestellt wird, nicht automatisch als Konzerninsolvenzverwalter ausfallen. Denn ein Insolvenzverwalter ist verpflichtet, dem Insolvenzgericht selbständig jeden bestehenden oder drohenden Interessenkonflikt anzuzeigen.479 Da ein solcher Interessenkonflikt bei einem Konzerninsolvenzverwalter zwangsläufig gegeben ist, müsste dieser, noch bevor er nach seiner Bestellung in dem später eröffneten Verfahren in irgendeinem Verfahren eine Handlung vornimmt, jedem der beteiligten Insolvenzgerichte seine Bestellung in dem Verfahren der anderen Konzerngesellschaft anzeigen. Kommt er dieser Pflicht nach, können die betreffenden Insolvenzgerichte noch immer einen Sonderinsolvenzverwalter bestellen. Eine Interessenkollision wird auch hier vermieden. Bei der Bestellung des Sonderinsolvenzverwalters hat das betreffende Insolvenzgericht dessen Aufgabenbereich mittels genauer Beschreibung festzulegen.480 Grundsätzlich muss der Sonderinsolvenzverwalter für alle Rechtshandlungen der Gesellschaft gegenüber anderen konzernangehörigen Gesellschaften zuständig sein. Deshalb sind ihm zunächst sämtliche Rechte, die dieser Gesellschaft gegenüber anderen konzernangehörigen Gesellschaften zustehen, zur Verwaltung zuzuordnen.481 Damit ist der Sonderinsolvenzverwalter für die Anmeldung von Forderungen in einem Parallelverfahren ebenso zuständig wie für die Ausübung des aus diesen Forderungen resultierenden Stimmrechts in der Gläubigerversammlung. Auch muss es dem Sonderinsolvenzverwalter obliegen, die von anderen Konzerngesellschaften angemeldeten Forderungen zu prüfen. Ferner muss auch die Prüfung und Durchsetzung von Anfechtungsansprüchen gegenüber anderen Konzerngesellschaften in den Aufgabenbereich des Sonderinsolvenzverwalters fallen. Denn den konzerninternen Anfechtungsmöglichkeiten kommt gerade bei weitreichenden finanziellen Verflechtungen zwischen den einzelnen konzernangehöri 479 BGH, Urteil vom 24. Januar 1991, IX ZR 250/89, BGHZ 113, 262, 275 (für den Konkursverwalter); BGH, Beschluss 19. Januar 2012, IX ZB 25/11, NZI 2012, 247, 248; BGH, Beschluss vom 26. April 2012, IX ZB 31/11, ZIP 2012, 1187, 1189; Stapper, NJW 1999, 3441, 3443; Graeber, Münchener Komm. z. InsO, § 56 Rdn. 53 f.; Jaeger/Gerhardt, Komm. z. InsO, § 56 Rdn. 77; Dahl, ­ZInsO 2004, 1014, 1015. 480 LG Frankfurt/Oder, Beschluss vom 9. Dezember 1998, 16 T 427/98, ­ZInsO 1999, 45; Lüke, ZIP 2004, 1693, 1697. 481 Graeber, Münchener Komm. z. InsO, § 56 Rdn. 50; ders., NZI 2007, 265, 269.

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gen Gesellschaften, beispielsweise durch ein konzernweites cash pool-System, erhebliche Bedeutung zu.482 Hingegen kann die Anfechtung von Rechtsgeschäften, mit denen eine Konzerngesellschaft die Verbindlichkeit einer anderen Konzerngesellschaft gegenüber einem Dritten getilgt oder besichert hatte, weiterhin im Aufgabenbereich des Konzerninsolvenzverwalters verbleiben. Ein Beispiel hierfür ist die Anfechtung der Besicherung einer Darlehensverbindlichkeit der Konzernmutter gegenüber einer Bank durch eine Tochtergesellschaft.483 Denn infolge der Anfechtung der Bestellung der Sicherheit müsste der Gläubiger seine Forderung im Insolvenzverfahren der Konzernmutter geltend machen. Ohne die Anfechtung stünde der Tochtergesellschaft gegenüber der Muttergesellschaft ein Rückgriffsanspruch zu, den der für die Tochtergesellschaft bestellte Sonderinsolvenzverwalter im Insolvenzverfahren der Muttergesellschaft anzumelden hätte. Aus Sicht der Muttergesellschaft bewirkt damit die Anfechtung nur eine Auswechslung des Gläubigers. Ein Verzicht auf die Anfechtung bringt ihr hingegen keinen finanziellen Vorteil. Ein Interesse der Konzernmutter, welches mit dem Interesse der Tochtergesellschaft an einer Anfechtung kollidieren würde, ist damit nicht ersichtlich. Neben der Verwaltung und Durchsetzung bereits bestehender Rechte muss es aber auch dem Sonderinsolvenzverwalter obliegen, nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens mit einer anderen konzernangehörigen Gesellschaft Verträge zu schließen bzw. durch Ausübung des Wahlrechts gem. § 103 InsO über eine Fortgeltung bestehender Verträge zu entscheiden. Gerade in Fällen, in denen der Konzern aus wirtschaftlicher Sicht ein einheitliches Unternehmen darstellt, müssen bei einer Unternehmensfortführung Verträge über konzerninterne Warenlieferungen oder 482 Zu den im Einzelnen umstritteten Möglichkeiten der Anfechtung von innerhalb eines von der Muttergesellschaft geführten cash-pool-Systems erfolgten Darlehensrückzahlungen bzw. Verrechnungen in der Insolvenz der Tochtergesellschaft, insbesondere der Einordnung als Besicherung im Sinne des § 135 Abs. 1 Nr. 1 InsO oder Befriedigung im Sinne des § 135 Abs. 1 Nr. 2 InsO sowie der Anwendbarkeit des Bargeschäftsprivilegs des § 142 InsO im Rahmen des § 135 InsO, Zahrte, Finanzierung durch Cash Pooling im internationalen mehrstufigen Konzern nach dem MoMiG (2010), S. 252 ff.; ders., NZI 2010, 596 ff.; Klinck/Gärtner, NZI 2008, 457 ff.; Hamann, NZI 2008, 667 ff.; Willemsen/Rechel, BB 2009, 2215 ff. 483 Zur Anfechtbarkeit einer solchen Besicherung durch den Insolvenzverwalter der Tochtergesellschaft gegenüber der Bank nach § 134 InsO, sofern der infolge der Besicherung stehengelassene Rückzahlungsanspruch der Bank gegen die Konzernmutter nicht mehr werthaltig ist BGH, Urteil vom 1. Juni 2006, IX ZR 159/04, NZI 2006, 524, 525 f.; umfassend zur Anfechtbarkeit solcher sog. „upstream guarantees“ durch den Insolvenzverwalter der Tochtergesellschaft gegenüber dem außerhalb des Konzerns stehenden Sicherungsnehmer Wenner/Schuster, ZIP 2008, 1512, 1513; van Bömmel, Insolvenzanfechtung von upstream guarantees im GmbHKonzern (2009), S. 70 ff.; für eine Anfechtbarkeit der von der Tochter vorgenommen Besicherung durch den Insolvenzverwalter der Konzernmutter Hirte, ­ZInsO 2004, 1161, 1164 ff.; für den Fall einer entsprechenden Weisung der Muttergesellschaft auch Wenner/Schuster, ZIP 2008, 1512, 1516 ff.; gegen eine solche Anfechtungsmöglichkeit des Insolvenzverwalters der Muttergesellschaft zutreffend Brinkmann, in: Bork, Handbuch des Insolvenzanfechtungsrechts, § 18 Rdn.  30 ff.; van Bömmel, Insolvenzanfechtung von upstream guarantees im GmbH-Konzern (2009), S. 155 ff.

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die Erbringung von Dienstleistungen gegenüber anderen Konzerngesellschaften neu abgeschlossen werden. Auch hier würde für einen Konzerninsolvenzverwalter ein Interessenkonflikt bestehen, da er gegenüber beiden Insolvenzmassen verpflichtet wäre, diese Verträge zu bestmöglichen Konditionen abzuschließen. Wird in jedem Verfahren ein Sonderinsolvenzverwalter mit den beschriebenen Befugnissen eingesetzt, so können Interessenkonflikte in der Person des Konzerninsolvenzverwalters ausgeschlossen werden. Bedenken im Hinblick auf das Erfordernis der Unabhängigkeit des Insolvenzverwalters bestehen dann nicht mehr. Allerdings ist bei dieser Vorgehensweise auch ein erheblicher Teil der Aufgaben des eigentlichen Insolvenzverwalters vom Sonderinsolvenzverwalter wahrzunehmen. Damit werden die mit der Bestellung eines Konzerninsolvenzverwalters verbundenen Vorteile reduziert.484 Teilweise wird sogar angenommen, dass in diesen Fällen der Sonderinsolvenzverwalter zu einem „Schatteninsolvenzverwalter“ werde und damit „das Modell der Bündelung der Verfahren über die Massen der insolventen Gesellschaften desselben Konzerns in solchen Konstellationen praktisch entwertet wäre“.485 bb) Befreiung des Konzerninsolvenzverwalters vom Verbot der §§ 181, 450 Abs. 2 BGB Als Alternative zur Bestellung eines Sonderinsolvenzverwalters käme auch eine Befreiung des Konzerninsolvenzverwalters vom Verbot der §§ 181, 450 Abs. 2 BGB in Betracht. Denn im Anwendungsbereich des § 181 BGB kann der Vertretene dem Vertreter die Vornahme von Insichgeschäften gestatten, wobei auch eine nachträgliche Gestattung durch Genehmigung möglich ist.486 Im Anwendungs­ bereich des § 450 Abs. 2 BGB ist gem. § 451 Abs. 1 BGB ebenfalls eine vorherige Gestattung oder nachträgliche Genehmigung möglich.487 Mit einer solchen Befreiung könnte nun die Einsetzung eines Sonderinsolvenzverwalters neben dem Konzerninsolvenzverwalter entbehrlich oder zumindest der Kreis der vom Sonder­ insolvenzverwalter wahrzunehmenden Aufgaben reduziert werden. Auf diese Weise würden die mit der Einsetzung eines Sonderinsolvenzverwalters verbundenen Nachteile vermieden bzw. verringert und eine Abwicklung der Insolvenzverfahren aller konzernangehörigen Gesellschaften „aus einer Hand“ möglichst weitgehend gewährleistet. Voraussetzung wäre aber, dass auch ein Insolvenzverwalter 484 Ebenso Eidenmüller, ZHR 169 (2005), 528, 541 Fn. 42; Brünkmans, Die Koordinierung von Insolvenzverfahren konzernverbundener Unternehmen (2009), S. 144; Vormstein, Zuständigkeit bei Konzerninsolvenzen (2005), S. 243. 485 So Ehricke, Kölner Schrift z. InsO, Kap. 32 Rdn. 42. 486 Schramm, Münchener Komm. z. BGB, § 181 Rdn. 45; Wolf/Neuner, Allgemeiner Teil des Bürgerlichen Rechts, § 49 Rdn. 115. 487 Faust, in: Bamberger/Roth, Komm. z. BGB, § 451 Rdn. 2; H. P. Westermann, Münchener Komm. z. BGB, § 451 Rdn. 4.

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von dem Verbot der §§ 181, 450 Abs. 2 BGB befreit werden kann. Zudem müsste eine solche Befreiung auch ohne Mitwirkung eines Sonderinsolvenzverwalters möglich sein, da anderenfalls die mit seiner Bestellung verbundenen Nachteile nicht vermieden werden könnten. (1) Grundsätzliche Möglichkeit einer Befreiung des Insolvenzverwalters vom Verbot der §§ 181, 450 Abs. 2 BGB und diesbezügliche Zuständigkeit Teilweise wird angenommen, dass ein Insolvenzverwalter nicht ohne Mitwirkung eines Sonderinsolvenzverwalters vom Verbot des § 181 BGB befreit werden kann. Die Gestattung eines Insichgeschäfts durch den Insolvenzschuldner scheide aus, weil dieser mit der Eröffnung des Insolvenzverfahrens gem. § 80 Abs. 1 InsO die Verwaltungs- und Verfügungsbefugnis über das zur Insolvenzmasse gehörende Vermögen verliere.488 Eine Gestattung durch das Insolvenzgericht sei ebenfalls nicht möglich, da dessen Kompetenzen auf eine Rechtsaufsicht beschränkt seien, es aber nicht befugt sei, für den Schuldner zu handeln.489 Somit könnten allenfalls die Gläubiger ein Insichgeschäft des Insolvenzverwalters gestatten. Gegen eine diesbezügliche Kompetenz der Gläubiger spreche aber, dass eine Zustimmung der Gläubigerorgane gem. § 164 InsO grundsätzlich keine Voraussetzung für die Wirksamkeit eines Rechtsgeschäfts des Verwalters ist.490 Zudem sei eine Berechtigung der Gläubigerorgane, den Insolvenzverwalter vom Verbot des § 181 BGB zu befreien, in der InsO nicht vorgesehen.491 Schließlich seien die Gläubigerorgane auch nicht befugt, für die Insolvenzmasse zu handeln, diese Befugnis obliege gem. § 80 Abs. 1 InsO ausschließlich dem Verwalter. Auch deshalb könnten sie kein die Insolvenzmasse betreffendes Insichgeschäft gestatten.492 Damit müsse bei einem Insichgeschäft des Insolvenzverwalters zwingend ein Sonderinsolvenzverwalter bestellt werden.493 Einem solchen Sonderinsolvenzverwalter wird teilweise auch ausdrücklich die Befugnis zugesprochen, ein vom Insolvenzverwalter unter Verletzung des § 181 BGB abgeschlossenes Insichgeschäft nachträglich zu

488

OLG Frankfurt, Beschluss vom 2. März 1976, 20 W 799/75, MDR 1976, 675; Jaeger/Windel, Komm. z. InsO, § 80 Rdn. 251; Ott/Vuia, Münchener Komm. z. InsO, § 80 Rdn. 39. 489 Bork, NZI 2005, 530; Ott/Vuia, Münchener Komm. z. InsO, § 80 Rdn. 39; im Ergebnis ebenso Marotzke, ­ZInsO 2004, 721, 723. 490 Jaeger/Windel, Komm. z. InsO, § 80 Rdn. 251. 491 OLG Frankfurt, Beschluss vom 2. März 1976, 20 W 799/75, MDR 1976, 675; Uhlenbruck/Uhlenbruck, Komm. z. InsO, § 80 Rdn. 87; ebenfalls gegen eine Gestattungsbefugnis des Gläubigerausschusses, allerdings ohne weitere Begründung, Ott/Vuia, Münchener Komm. z. InsO, § 80 Rdn. 39. 492 Görg, Münchener Komm. z. InsO, § 160 Rdn. 24 Fn. 5. 493 OLG Frankfurt, Beschluss vom 2. März 1976, 20 W 799/75, MDR 1976, 675, Jaeger/Windel, Komm. z. InsO, § 80 Rdn. 251; Uhlenbruck/Uhlenbruck, Komm. z. InsO, § 80 Rdn. 87; Ott/ Vuia, Münchener Komm. z. InsO, § 80 Rdn. 39; Wittkowski, in: Nerlich/Römermann, Komm. z. InsO, § 80 Rdn. 67.

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genehmigen.494 Andere gehen offenbar davon aus, dass in diesen Fällen das vom Verwalter getätigte Rechtsgeschäft endgültig unwirksam und damit ein Neuabschluss unter Beteiligung des Sonderinsolvenzverwalters erforderlich ist.495 Zu den §§ 450 Abs. 2, 451 BGB nehmen die Vertreter dieser Ansicht nicht ausdrücklich Stellung. Jedoch dürften sie hier zu denselben Ergebnissen kommen, da die Vorschrift des § 450 Abs. 2 BGB zutreffend als „auf demselben Rechtsgedanken wie § 181 BGB“ beruhend angesehen wird.496 Einer anderen Ansicht nach ist ein wirksames Insichgeschäft des Insolvenzverwalters auch ohne die Mitwirkung eines Sonderinsolvenzverwalters möglich. Allerdings gehen sowohl hinsichtlich § 181 BGB als auch hinsichtlich § 450 Abs. 2 BGB die Ansichten darüber auseinander, wer den Insolvenzverwalter von dem in diesen Vorschriften statuierten Verbot befreien kann. Für § 181 BGB wird teilweise angenommen, dass eine solche Gestattung nur kumulativ vom Insolvenzschuldner und den Insolvenzgläubigern ausgesprochen werden könne.497 Hierfür spreche, dass damit den Interessen aller vom Verfahren betroffenen Personen Rechnung getragen werde.498 Andere halten hingegen eine Gestattung allein durch die Gläubiger für ausreichend. Denn der Schuldner verliere mit der Eröffnung des Insolvenzverfahrens seine Verwaltungs- und Verfügungsbefugnis, weshalb es auf seine Zustimmung nicht mehr ankommen könne.499 Für eine Gestattungsbefugnis der Gläubiger spreche hingegen, dass sie gem. § 160 InsO ihre Zustimmung zu Rechtshandlungen des Insolvenzverwalters erteilen müssen, die für das Verfahren von besonderer Bedeutung sind. Der in dieser Vorschrift zum Ausdruck kommenden Unterstützungs- und Überwachungsfunktion der Gläubiger entspreche es, wenn ihnen auch die Befugnis zur Gestattung von Insichgeschäften des Verwalters zustehe.500 Zudem sei es sachgerecht, die Befugnis zur Gestattung des Insichgeschäfts demjenigen zuzugestehen, dessen Vermögensinteressen auf dem Spiel stehen. Dies seien im Insolvenzverfahren aber ausschließlich die Gläubiger.501 Schließlich könnten die Gläubigerorgane gem. § 59 Abs. 1 Satz 2 InsO auch die Entlassung des Verwalters beantragen. Hieraus werde teilweise das Recht 494

Uhlenbruck/Uhlenbruck, Komm. z. InsO, § 80 Rdn. 87. So offenbar Jaeger/Windel, Komm. z. InsO, § 80 Rdn. 251, wonach „[i]m streng methodischen Sinne […] gleichwohl keine analoge Anwendung des § 181 BGB möglich [ist], weil dessen Rechtsfolgen (schwebende Unwirksamkeit mit Genehmigungsmöglichkeit) nicht passen. Vielmehr sind Geschäfte des Verwalters mit sich selbst wegen Interessenkonfliktes endgültig unwirksam“. 496 Jaeger/Windel, Komm. z. InsO, § 80 Rdn. 250. 497 Soergel/Leptien, Komm. z. BGB, § 181 Rdn. 36; Valenthin, in: Bamberger/Roth, Komm. z. BGB, § 181 Rdn. 34; Staudinger/Schilken, Komm. z. BGB, § 181 Rdn. 59. 498 Hübner, Interessenkonflikt und Vertretungsmacht (1977), S. 114. 499 Hübner, Interessenkonflikt und Vertretungsmacht (1977), S. 114 f.; Kögel/Loose, ­ZInsO 2006, 17, 21; Brünkmans, Die Koordinierung von Insolvenzverfahren konzernverbundener Unternehmen (2009), S. 149; ebenso Erman/G. Maier-Reimer, Komm. z. BGB, § 181 Rdn. 30. 500 Kögel/Loose, ­ZInsO 2006, 17, 21. 501 Brünkmans, Die Koordinierung von Insolvenzverfahren konzernverbundener Unternehmen (2009), S. 149. 495

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abgeleitet, die Einsetzung eines Sonderinsolvenzverwalters zu beantragen. Dieses Antragsrecht beinhalte als „wesensgleiches Minus“ auch die Befugnis, den Insolvenzverwalter vom Verbot des § 181 BGB zu befreien und damit die Bestellung eines Sonderinsolvenzverwalters zu verhindern.502 Die Regelung des § 164 InsO, wonach eine Zustimmung der Gläubigerorgane für ein Rechtsgeschäft des Insolvenzverwalters nicht konstitutiv ist, stehe einer Gestattung des Insichgeschäfts nicht entgegen. Denn die Heranziehung des § 160 InsO erschöpfe sich darin, hieraus die Kompetenz der Gläubiger zur Gestattung des Insichgeschäfts abzuleiten. Die Rechtsfolgen einer fehlenden Gestattung könnten hingegen weiterhin nach § 181 BGB beurteilt werden.503 Für die nach § 451 Abs. 1 BGB mögliche Befreiung des Insolvenzverwalters vom Verbot des § 450 Abs. 2 BGB werden im Wesentlichen dieselben Ansichten vertreten. So wird teilweise angenommen, dass für eine Gestattung bzw. Genehmigung eines unter § 450 Abs. 2 BGB fallenden Rechtsgeschäfts die Zustimmung des Schuldners sowie sämtlicher Insolvenzgläubiger erforderlich sei.504 Andere lassen auch hier die Zustimmung des Gläubigerausschusses bzw. der Gläubigerversammlung ausreichen.505 Überzeugend ist es, dem Insolvenzschuldner die Befugnis zur Gestattung des Insichgeschäfts des Insolvenzverwalters im Sinne des § 181 BGB abzusprechen. Denn dies widerspräche der Wertung des § 80 Abs. 1 InsO, wonach der Insolvenzschuldner mit der Eröffnung des Insolvenzverfahrens die Verwaltungs- und Verfügungsbefugnis über das zur Insolvenzmasse gehörende Vermögen verliert. Aus demselben Grund ist auch die Ansicht abzulehnen, die eine Gestattung durch den Insolvenzschuldner und die Insolvenzgläubiger fordert. Vielmehr ist jegliche Mitwirkung des Insolvenzschuldners an einer Gestattung eines Insichgeschäfts des Verwalters entbehrlich. Im Rahmen des § 451 Abs. 1 Satz 1 BGB, der auf die Zustimmung „der bei dem Verkauf als Schuldner, Eigentümer und Gläubiger Beteiligten“ abstellt, kann der Insolvenzschuldner aufgrund der insolvenzrechtlichen Wertung des § 80 Abs. 1 InsO nicht als „Beteiligter“ angesehen werden. Damit kann er diese Zustimmung gleichfalls nicht erteilen. Fraglich erscheint hingegen, ob auch die gegen eine Gestattung des Insichgeschäfts des Insolvenzverwalters durch die Gläubigerorgane vorgebrachten Argumente durchgreifen. Der Verweis 502 Kögel/Loose, ­ZInsO 2006, 17, 21 unter Berufung auf Lüke, ZIP 2004, 1693, 1696, der bzgl. der Frage, wem das Recht zusteht, die Bestellung eines Sonderinsolvenzverwalters zu beantragen, eine Analogie zu § 59 Abs. 1 InsO in Erwägung zieht, allerdings ohne hierzu eine definitive Aussage zu treffen. Ein diesbezügliches Antragsrecht des einzelnen Gläubigers ablehnend BGH, Beschluss vom 5. Februar 2009, IX ZB 187/08, NZI 2009, 238, 239, allerdings ohne Aussage dazu, ob ein solches Antragsrecht wenigstens der Gläubigerversammlung oder dem Gläubigerausschuss zusteht. 503 So Hübner, Interessenkonflikt und Vertretungsmacht (1977), S. 115 zu §§ 134, 136 KO, den Vorgängernomen der §§ 160, 164 InsO. 504 Faust, in: Bamberger/Roth, Komm. z. BGB, § 451 Rdn. 2; Staudinger/Beckmann, Komm. z. BGB, § 451 Rdn. 1; Soergel/Huber, Komm. z. BGB12, § 458 Rdn. 1. 505 Erman/B. Grunewald, Komm. z. BGB, § 451 Rdn. 2; H. P. Westermann, Münchener Komm. z. BGB, § 451 Rdn. 2.

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auf § 164 InsO überzeugt nicht, da man insoweit die Rechtsfolge des § 181 BGB, wonach das Rechtsgeschäft bei fehlender Gestattung schwebend unwirksam ist, als vorrangig ansehen kann.506 Auch der Einwand, dass eine entsprechende Zustimmungsbefugnis des Gläubigerausschusses bzw. der Gläubigerversammlung in der InsO nicht vorgesehen sei, erscheint nicht stichhaltig. Denn die Gestattung eines Insichgeschäfts des Insolvenzverwalters lässt sich ohne weiteres als besonders bedeutsame Rechtshandlung im Sinne des § 160 Abs. 1 InsO einordnen. Zudem ist auch die Bestellung eines Sonderinsolvenzverwalters in der InsO nicht geregelt, gleichwohl wird dieses Rechtsinstitut anerkannt. Schließlich war es bei der Schaffung der InsO erklärtes Ziel des Gesetzgebers, die Einflussmöglichkeiten der Gläubiger zu stärken. So führt die Begründung zum RegE der InsO aus, dass „in der Marktwirtschaft […] grundsätzlich das Urteil derjenigen Personen maßgeblich sein [muss], deren Vermögenswerte auf dem Spiel stehen und die deshalb die Folgen von Fehlern zu tragen haben“.507 Ausfluss dieser Wertung ist unter anderem die Regelung des § 160 InsO.508 Deshalb wäre es durchaus folgerichtig, gem. § 160 InsO den Gläubigern auch die Befugnis zuzusprechen, über eine Befreiung des Insolvenzverwalters vom Verbot der §§ 181, 450 Abs. 2 BGB zu entscheiden. (2) Verhältnis dieser Befreiungsmöglichkeit zum Rechtsinstitut des Sonderinsolvenzverwalters Fraglich wäre dann aber, in welchem Verhältnis diese Gestattungsbefugnis der Gläubiger zu dem Rechtsinstitut des Sonderinsolvenzverwalters stünde. Denn mit der Befugnis zur Einsetzung eines Sonderinsolvenzverwalters verfügt auch das Insolvenzgericht über eine Möglichkeit, auf einen Interessenkonflikt in der Person des Insolvenzverwalters zu reagieren. Dieser Befugnis des Insolvenzgerichts könnte nun Vorrang gegenüber einer Gestattung des Insichgeschäfts durch die Gläubigerorgane zukommen. Dann wäre eine Gestattung des Insichgeschäfts durch die Gläubiger ausgeschlossen, vielmehr müsste in diesen Fällen stets ein Sonderinsolvenzverwalter bestellt werden. Dass Interessenkonflikten in der Person des Insolvenzverwalters ausschließlich mittels Einsetzung eines Sonderinsolvenzverwalters durch das Insolvenzgericht zu begegnen ist, könnte sich aus den §§ 56a Abs. 2, 57 Satz 3 InsO ergeben. Nach § 57 Satz 3 InsO kann das Insolvenzgericht die Bestellung einer von der Gläubigerversammlung zum Insolvenzverwalter gewählten Person versagen, wenn diese Person für die Übernahme des Amtes nicht geeignet ist. Für die Beurteilung der Eignung einer Person gilt grundsätzlich der Maßstab des

506

Zutreffend Hübner, Interessenkonflikt und Vertretungsmacht (1977), S. 115 zu §§ 134, 136 KO, den Vorgängernomen der §§ 160, 164 InsO. 507 Begründung zum RegE-InsO, BT-Drucks. 12/2443, S. 80. 508 Görg, Münchener Komm. z. InsO, § 160 Rdn. 1.

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B. Abwicklung von Konzerninsolvenzen auf Grundlage des geltenden Rechts

§ 56 Abs. 1 Satz 1 ­­InsO.509 Damit schließt die fehlende Unabhängigkeit der von den Gläubigern gewählten Person deren Eignung aus, weshalb das Insolvenzgericht die Bestellung verweigern kann.510 Hierzu ist es auch verpflichtet, sofern die gleichfalls obligatorische Prüfung der gewählten Person zu dem Ergebnis führt, dass die Kriterien des § 56 Abs. 1 Satz 1 ­InsO nicht erfüllt sind.511 Somit kann die Gläubigerversammlung eine Person, die nicht unabhängig im Sinne des § 56 Abs. 1 Satz 1 ­InsO ist, nicht zum Verwalter wählen. Nach § 56a Abs. 2 ­InsO darf das Insolvenzgericht bei der Bestellung des Insolvenzverwalters von einem einstimmigen Vorschlag des vorläufigen Gläubigerausschusses nur abweichen, wenn die vorgeschlagene Person zur Übernahme des Amtes nicht geeignet ist. Ebenso wie im Rahmen des § 57 Satz 3 ­InsO muss auch hier für die Eignung der Maßstab des § 56 Abs. 1 Satz 1 ­InsO gelten,512 zudem wird man auch hier das Insolvenzgericht für verpflichtet halten müssen, die Bestellung eines abhängigen Verwalters zu versagen. Aus diesen Bestimmungen ergibt sich folglich, dass das Erfordernis der Unabhängigkeit des Insolvenzverwalters nicht zur Disposition der Gläubiger steht. Diese Wertung spricht gegen die Annahme einer Befugnis der Gläubiger, ein Insichgeschäft des Insolvenzverwalters zu gestatten. Denn hiermit entbinden sie diesen zumindest für das konkrete Geschäft vom Erfordernis der Unabhängigkeit des § 56 Abs. 1 Satz 1 ­InsO. Die gesetzliche Regelung zeigt aber, dass die Überwachung der Unabhängigkeit des Insolvenzverwalters dem Insolvenzgericht obliegt. Damit wäre die Gestattung eines Insichgeschäfts des Insolvenzverwalters durch die Gläubiger nicht möglich, vielmehr müsste in diesem Fall ein Sonderinsolvenzverwalter bestellt werden. Hiergegen wird allerdings angeführt, dass ein Sonderinsolvenzverwalter nur für punktuell drohende Interessenkonflikte bestellt werden könne, da sich die ­InsO in Abkehr von der KO bewusst gegen die Bestellung mehrerer Verwalter in einem Verfahren entschieden habe.513 Demzufolge scheide das Rechtsinstitut des Sonderinsolvenzverwalters trotz des grundsätzlichen Vorrangs „staatlicher vor beteiligtenautomer Konfliktbewältigung“514 für einen „dauerhaften, verfahrens­ prägenden Pflichtenkonflikt“ aus.515 Stattdessen komme eine „beteiligtenautonome Konfliktdisposition“ auf Grundlage des Prinzips „volenti non fit iniuria“ in 509

Graeber, Münchener Komm. z. I­ nsO, § 57 Rdn. 26; Braun/Blümle, Komm. z. I­ nsO, § 57 Rdn. 11; Delhaes, in: Nerlich/Römermann, Komm. z. ­InsO, § 57 Rdn. 8. 510 AG Gifhorn, Beschluss vom 31. März 2009, 35 IN 222/03, NZI 2009, 394; Uhlenbruck/Uhlenbruck, Komm. z. ­InsO, § 57 Rdn. 23; Graeber, Münchener Komm. z. I­nsO, § 57 Rdn.  28 ff. 511 Jaeger/Gerhardt, Komm. z. ­InsO, § 57 Rdn. 14; Muscheler/Bloch, ZIP 2000, 1474, 1475. 512 Hieran ändert auch die Regelung des § 56a Abs. 2 Satz 2 I­nsO nichts, wonach das Insolvenzgericht bei der Auswahl des Verwalters die vom vorläufigen Gläubigerausschuss beschlossenen Anforderungen an die Person des Verwalters zugrunde zu legen hat, vgl. oben B II. 1. a) aa) (2). 513 Laukemann, Die Unabhängigkeit des Insolvenzverwalters (2010), S. 351 f. 514 Laukemann, Die Unabhängigkeit des Insolvenzverwalters (2010), S. 349. 515 Laukemann, Die Unabhängigkeit des Insolvenzverwalters (2010), S. 360.

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Betracht.516 Hiergegen spreche auch nicht die Regelung des § 57 Satz 3 ­InsO. Denn es müsse zwischen der „Disposition über das Verfahrensprinzip selbst“ und dem „Verzicht auf Verfahrensschutz im Einzelfall“ unterschieden werden. Die Möglichkeit, auf seine Vermögensrechte im Einzelfall zu verzichten, sei Ausfluss des durch Art. 14 GG geschützten Eigentumsrechts.517 Deshalb seien die Grenzen „beteiligtenautonomer Konfliktdisposition […] in erster Linie nach der Disponibi­lität der durch den Verwalterkonflikt betroffenen Rechtsgüter“ zu bestimmen.518 Bei „amtsbezogenen Pflichtenkonflikten“, wie sie bei der parallelen Verwaltung der Insolvenzmassen zweier konzernverbundener Gesellschaften vorlägen, sei folglich eine Gestattung von amtsbezogenen Insichgeschäften des Insolvenzverwalters durch Zustimmung des Gläubigerausschusses bzw. der Gläubigerversammlung möglich.519 Gegen diese Ansicht spricht aber, dass durch die Gestattung einer Vielzahl von Insichgeschäften das Erfordernis der Unabhängigkeit des Insolvenzverwalters unterlaufen würde und damit im Ergebnis doch zur Disposition der Gläubiger stünde. Die Trennung zwischen der „Disposition über das Verfahrensprinzip selbst“ und einem „Verzicht auf Verfahrensschutz im Einzelfall“ vermag daher nicht zu überzeugen. Zudem wird durch eine Beschränkung des Instituts der Sonderinsolvenzverwaltung auf lediglich punktuell drohende Interessenkonflikte und der Annahme, dass bei das gesamte Verfahren prägenden Interessenkollisionen in der Person des Insolvenzverwalters eine Befugnis der Gläubiger zur Gestattung aller Insichgeschäfte des Verwalters bestehe, die gerichtliche Überwachung der Unabhängigkeit des Verwalters weitgehend entwertet. Denn dann könnte das Gericht nur noch bei begrenzten und damit weniger gravierenden Interessenkollisionen in der Person des Verwalters einschreiten, wohingegen es bei umfassenden, das gesamte Insolvenzverfahren durchziehenden Interessenkonflikten keine Kontrollmöglichkeit mehr hätte. Dies gilt umso mehr, als das Insolvenzgericht Beschlüsse des Gläubigerausschusses nach überwiegender Ansicht nicht aufheben kann.520 Dies ist gem. § 78 ­InsO nur bei Beschlüssen der Gläubigerversammlung möglich. Da aber im Rahmen des § 160 ­InsO in erster Linie der Gläubigerausschuss zur Erteilung der Zustimmung befugt ist, wäre die Gestattung eines Insichgeschäfts durch das Gericht in vielen Fällen nicht zu kontrollieren. Dieses Ergebnis ist mit der Wertung der §§ 56a Abs. 2, 57 Satz 3 ­InsO, wonach die Unabhängigkeit des In 516

Laukemann, Die Unabhängigkeit des Insolvenzverwalters (2010), S. 361 ff. Laukemann, Die Unabhängigkeit des Insolvenzverwalters (2010), S. 371. 518 Laukemann, Die Unabhängigkeit des Insolvenzverwalters (2010), S. 372. 519 Laukemann, Die Unabhängigkeit des Insolvenzverwalters (2010), S. 376 ff. 520 Uhlenbruck/Uhlenbruck, Komm. z. ­InsO, § 72 Rdn. 17; Vallender, WM 2002, 2040, 2047; Frege, NZG 1999, 478, 480; für eine Prüfung des Insolvenzgerichts, ob zwingende Formvorschriften verletzt wurden, welche zu einer Nichtigkeit des Beschlusses führen, SchmidBurgk, Münchener Komm. z. I­ nsO, § 72 Rdn. 22; für eine Heranziehung der §§ 241, 243 AktG und eine Zuständigkeit der ordentlichen Gerichte für die Entscheidung über die Anfechtung eines solchen Beschlusses Braun/Hirte, Komm. z. I­ nsO, § 72 Rdn. 13 ff.; Schmitt, Frankfurter Komm. z. ­InsO, § 72 Rdn. 13 ff. 517

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B. Abwicklung von Konzerninsolvenzen auf Grundlage des geltenden Rechts

solvenzverwalters nicht zur Disposition der Gläubiger steht, nicht zu vereinbaren. Zudem können mittels Gestattung des Insichgeschäfts des Insolvenzverwalters durch die Gläubiger auch nicht sämtliche Interessenkonflikte des Verwalters erfasst werden. So versagt dieser Mechanismus, wenn es sich um eine Unterlassung des Verwalters handelt, beispielsweise wenn er darauf verzichtet, einen Anfechtungsanspruch gegenüber einer anderen Konzerngesellschaft geltend zu machen. Hier fehlt es an einer Willenserklärung des Verwalters, was Voraussetzung für die Anwendbarkeit des § 181 BGB ist.521 Gleiches gilt bei einem Verzicht auf die Anmeldung einer Forderung im Verfahren über das Vermögen einer anderen Konzerngesellschaft. Und ein Recht der Gläubigerversammlung bzw. des Gläubigerausschusses, den Verwalter zur Vornahme einer bestimmten Handlung zu zwingen, kann der I­ nsO nicht entnommen werden.522 Wenn man nun auch noch die Bestellung eines Sonderinsolvenzverwalters auf lediglich punktuell auftretende Interessenkonflikte beschränkt, müssten im Falle der Insolvenz zweier konzernverbundener Gesellschaften, wo solche Interessenkonflikte typischerweise häufig auftreten, zwei verschiedene Insolvenzverwalter bestellt werden. Auch diese Erwägungen sprechen dafür, dass Interessenkonflikten in der Person eines Insolvenzverwalters grundsätzlich durch die Bestellung eines Sonderinsolvenzverwalters zu begegnen ist. Dass dies bei der Insolvenz mehrerer konzernverbundener Gesellschaften für bestimmte Aufgabenbereiche zu einer von der ­InsO im Grundsatz nicht gewünschten Bestellung mehrerer Verwalter in einem einzigen Insolvenzverfahren führt, ist hinzunehmen. Denn anderenfalls müssten zwingend verschiedene Verwalter für jede einzelne Konzerngesellschaft bestellt werden. Damit kommt bei Interessenkonflikten in der Person des Insolvenzverwalters der Bestellung eines Sonderinsolvenzverwalters grundsätzlich Vorrang vor einer Genehmigung eines Insichgeschäfts durch die Gläubigerorgane zu. Die Bestellung eines Sonderinsolvenzverwalters ist auch bei nicht nur punktuellen, sondern umfassenden und damit das gesamte Verfahren durchziehenden Interessenkol­lisionen statthaft, wie sie beispielsweise bei der Verwaltung der Insolvenzmassen mehrerer konzernangehöriger Gesellschaften durch denselben Insolvenzverwalter vorliegen.

521 Vgl. Larenz/Wolf, Allgemeiner Teil des Bürgerlichen Rechts, § 46 Rdn. 117, wonach § 181 BGB voraussetzt, dass „ein Vertragsschluss oder allgemein eine empfangsbedürftige Willenserklärung entgegen der regelmäßigen Beteiligung von zwei Personen nur in einer einzigen Person stattfindet und damit der Geschäftsvorgang nach außen nicht ohne weiteres erkennbar wird“. 522 Für die Gläubigerversammlung ausführlich Pape, NZI 2006, 65, 68 ff.; ebenso ­Ehricke, Münchener Komm. z. ­InsO, § 74 Rdn. 14; Uhlenbruck/Uhlenbruck, Komm. z. ­InsO, § 74 Rdn. 13.

II. Bestellung desselben Insolvenzverwalters für alle Gesellschaften

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(3) Anwendungsbereich für eine Befreiung vom Verbot der §§ 181, 450 Abs. 2 BGB Eine Befreiung des Insolvenzverwalters vom Verbot der §§ 181, 450 Abs. 2 BGB durch die Gläubigerorgane ist demnach allenfalls in sehr engen Grenzen möglich. Fraglich ist allerdings, nach welchen Kriterien diese Grenzen zu bestimmen sind. Teilweise wird davon ausgegangen, dass der Zweck der Einsetzung eines Konzerninsolvenzverwalters insbesondere darin liege, „die (zeitweise) Unternehmensfortführung zum Erhalt des Konzernunternehmens als ‚going concern‘ möglichst reibungslos zu gestalten“. Es solle verhindert werden, dass die „operative Planungseinheit Konzern“ durch die Einsetzung mehrerer Entscheidungsträger aufgespalten wird. Dieser Zweck müsse auch bei der Abgrenzung der Befugnisse von Konzerninsolvenzverwalter und Sonderinsolvenzverwalter beachtet werden. Deshalb müssten dem Konzerninsolvenzverwalter „so viele Kompetenzen wie mit den Gläubigerinteressen vereinbar“ zugesprochen werden. So solle ihm zur Ermöglichung eines reibungslosen Leistungsaustausches zwischen den Konzerngesellschaften die Verwaltungs- und Verfügungsbefugnis generell und damit „auch und gerade im Hinblick auf konzerninterne Transaktionen“ zustehen, gleiches gelte für das Erfüllungswahlrecht hinsichtlich Verträgen mit anderen Konzerngesellschaften. Lediglich Tätigkeiten, die „keine Auswirkung auf die Fortführung des Unternehmensverbundes“ haben, sollen vom Sonderinsolvenzverwalter wahrgenommen werden. Hierzu werden die Anmeldung von Forderungen in den Verfahren anderer Konzerngesellschaften, die Prüfung der von diesen Konzerngesellschaften angemeldeten Forderungen sowie die Geltendmachung von Anfechtungsansprüchen gezählt.523 Der Gefahr einer unzulässigen Verschiebung von Vermögensgegenständen zwischen den Insolvenzmassen der einzelnen Konzerngesellschaften sei dadurch zu begegnen, dass der Konzerninsolvenzverwalter im Rahmen seiner Rechnungslegungspflicht gem. § 66 ­InsO zu einer Dokumentation des gesamten konzerninternen Leistungsaustausches nach dem Vorbild des Abhängigkeitsberichts gem. den §§ 312 ff. AktG verpflichtet wird.524 Um der Regelung des § 181 BGB Rechnung zu tragen, solle zudem eine „allgemeine Gestattung des Gläubigerausschusses oder der Gläubigerversammlung“ erforderlich sein.525 Dieser Ansicht nach soll also eine Befreiung des Insolvenzverwalters in dem Umfang möglich sein, wie dies zur Fortführung eines auf mehrere Konzerngesellschaften aufgeteilten einheitlichen Unternehmens erforderlich ist.

523 Brünkmans, Die Koordinierung von Insolvenzverfahren konzernverbundener Unternehmen (2009), S. 144 f. 524 Brünkmans, Die Koordinierung von Insolvenzverfahren konzernverbundener Unternehmen (2009), S. 145 ff. 525 Brünkmans, Die Koordinierung von Insolvenzverfahren konzernverbundener Unternehmen (2009), S. 149.

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B. Abwicklung von Konzerninsolvenzen auf Grundlage des geltenden Rechts

Gegen diese Ansicht spricht jedoch, dass sie die Aufgabenkreise von Konzerninsolvenzverwalter und den für die einzelnen Konzerngesellschaften bestellten Sonderinsolvenzverwaltern nach dem als wünschenswert angesehenen Ergebnis bestimmt. Denn sie schließt von dem Zweck, welcher mit der Einsetzung eines Konzerninsolvenzverwalters verfolgt wird, auf die Reichweite seiner Befugnisse. Allerdings ist die Bestellung eines Konzerninsolvenzverwalters im Gesetz nicht vorgesehen. Deshalb können seine Kompetenzen nicht an Hand des mit seiner Einsetzung verfolgten Zwecks bestimmt werden, vielmehr kann dieser Zweck nur innerhalb der gesetzlichen Grenzen verfolgt werden. Maßgeblich für die Abgrenzung der Befugnisse des Konzerninsolvenzverwalters und der Sonderinsolvenzverwalter muss daher in erster Linie der sich aus §§ 56a, 57 Satz 3 ­InsO ergebende Vorrang der insolvenzgerichtlichen Kontrolle vor einer Entscheidung der Gläubiger über die Hinnahme von Interessenkonflikten in der Person des Insolvenzverwalters sein. Ferner ist darauf zu achten, dass in dem Bereich, in dem auf die Bestellung eines Sonderinsolvenzverwalters verzichtet wird, durch die Entscheidung der Gläubiger über eine Befreiung vom Verbot der §§ 181, 450 Abs. 2 BGB eine effektive Kontrolle des Handelns des Konzerninsolvenzverwalters sichergestellt wird. Um diesen Vorgaben Rechnung zu tragen, bietet es sich an, zwischen der Ermittlung und Geltendmachung der zur Insolvenzmasse gehörenden Vermögens­ positionen einerseits und der Veränderung bzw. Verwertung dieser Vermögens­ positionen andererseits zu unterscheiden. Zur Ermittlung und Geltendmachung der zur Insolvenzmasse gehörenden Vermögenspositionen des Schuldners zählen vor allem die Eintreibung offener Forderungen des Schuldners gegen Dritte sowie die Prüfung und Durchsetzung von Anfechtungsansprüchen.526 Hierunter fallen aber auch die Prüfung von gegen den Insolvenzschuldner erhobenen Forderungen sowie deren Rang und die Eintragung dieser Forderungen in die Tabelle gem. § 175 ­InsO. Hier muss der Insolvenz­ verwalter selbst aktiv werden bzw. eine bestimmte, vom Gesetz vorgegebene Entscheidung treffen. Eine Kontrolle durch die Gläubiger würde in diesen Fällen ins Leere laufen, da sie den Verwalter nicht bindend zur Vornahme einer bestimmten Handlung verpflichten können. Zugleich fehlt es bei einem Unterlassen einer solchen Handlung an einer Willenserklärung des Verwalters, weshalb auch aus diesem Grund der Anwendungsbereich der §§ 181, 450 Abs. 2 BGB nicht eröffnet ist.527 526 Vgl. Häsemeyer, Insolvenzrecht, Rdn. 21.02, wonach die Anfechtung „von ihren Regelungsfolgen her […] als vorgreifliche Verwirklichung der gesetzlichen Haftungsordnung und des (ihr dienenden) Insolvenzbeschlags“ charakterisiert werden kann. 527 Vgl. Larenz/Wolf, Allgemeiner Teil des Bürgerlichen Rechts, § 46 Rdn. 117, wonach § 181 BGB voraussetzt, dass „ein Vertragsschluss oder allgemein eine empfangsbedürftige Willenserklärung entgegen der regelmäßigen Beteiligung von zwei Personen nur in einer einzigen Person stattfindet und damit der Geschäftsvorgang nach außen nicht ohne weiteres erkennbar wird“.

II. Bestellung desselben Insolvenzverwalters für alle Gesellschaften

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Geht es hingegen um die Veränderung bzw. Verwertung dieser Rechtspositionen, so ist hierzu eine Willenserklärung des Insolvenzverwalters erforderlich. Dies gilt beispielsweise für die Begründung von Masseverbindlichkeiten im Rahmen einer Betriebsfortführung oder die Verwertung des schuldnerischen Vermögens durch Verkauf von Gegenständen aus der Insolvenzmasse. Hier ist der Anwendungsbereich der §§ 181, 450 Abs. 2 BGB eröffnet, weshalb die Gläubiger den Insolvenzverwalter durch Gestattung des Rechtsgeschäfts bzw. deren Versagung effektiv kontrollieren können. Mit dieser Abgrenzung wird auch gewährleistet, dass bei Interessenkonflikten, die spezifisch insolvenzrechtliche Pflichten und Befugnisse des Insolvenz­ verwalters betreffen, die Bestellung eines Sonderinsolvenzverwalters obligatorisch bleibt. Damit wird der Vorrang der insolvenzgerichtlichen Kontrolle vor einer Befreiung des Insolvenzverwalters vom Verbot der §§ 181, 450 Abs. 2 BGB gewahrt. Denn die Ermittlung der schuldnerischen Aktiva und Passiva gehört zu den zentralen Aufgaben des Insolvenzverwalters, die für eine transparente Abwicklung des Verfahrens unverzichtbar sind und damit auch im öffentlichen Interesse liegen.528 Hingegen stehen die Befriedigung der Gläubiger und die Verwertung der Insolvenzmasse in weitem Umfang zur Disposition der Gläubiger, wie die Regelung des § 217 ­InsO zeigt, die die in einem Insolvenzplan zulässigen Regelungen auf die genannten Bereiche sowie die Haftung des Schuldners nach Beendigung des Insolvenzverfahrens beschränkt.529 Zudem verschafft auch erst diese Aufarbeitung der Vermögenslage des Schuldners den Gläubigern die notwendigen Informationen, um eine wohlüberlegte Entscheidung über die weitere Verwertung der Insolvenzmasse zu treffen und somit ihre Mitwirkungsbefugnisse sachgerecht auszuüben. Um daneben auch zu gewährleisten, dass die Gläubigerorgane mit der Entscheidung über die Befreiung des Konzerninsolvenzverwalters dessen Handeln effektiv kontrollieren, erscheint eine „allgemeine Gestattung“ von „zur Unternehmensfortführung notwendige[n] Insichgeschäfte[n]“ zumindest dann, wenn die Gestattung vom Gläubigerausschuss erteilt wird, nicht ausreichend.530 So wird im Geltungsbereich des § 160 ­InsO eine im Vorfeld erteilte generelle Zustimmung des Gläubigerausschusses zu allen dieser Norm unterfallenden Rechtsgeschäften des Insolvenzverwalters zutreffend als pflichtwidrig eingestuft, da der Gläubigerausschuss „bei einer solchen Zustimmung […] seiner Aufgabe, die laufende Tätigkeit des Ver-

528 Vgl. BGH, Urteil vom 5. Dezember 1991, IX ZR 275/90, BGHZ 116, 233, 238, wonach der Konkursverwalter für die Abwicklung eines geordneten Gesamtvollstreckungsverfahrens zu sorgen hat und damit eine im öffentlichen Interesse liegende Aufgabe wahrnimmt. 529 So hat der BGH eine Regelung über die Feststellung der Forderungen der Gläubiger im Insolvenzplan für unzulässig gehalten, BGH, Beschluss vom 5. Februar 2009, IX ZB 230/07, NZI 2009, 230, 232. 530 So aber Brünkmans, Die Koordinierung von Insolvenzverfahren konzernverbundener Unternehmen (2009), S. 149.

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B. Abwicklung von Konzerninsolvenzen auf Grundlage des geltenden Rechts

walters zu überwachen, nicht [nachkommt]“.531 Bei einer im Voraus für mehrere Rechtsgeschäfte erteilten Zustimmung wird man im Hinblick auf eine effektive Kontrolle durch den Gläubigerausschuss auch verlangen müssen, dass die Art der Geschäfte, ihr Umfang und auch ihre Häufigkeit zumindest in groben Zügen bestimmt sind, beispielsweise durch eine Betragsobergrenze oder eine zahlenmäßige bzw. zeitliche Begrenzung der Gestattung.532 Lediglich die Gläubigerversammlung kann im Voraus eine allgemeine Gestattung für alle Insichgeschäfte des Insolvenzverwalters aussprechen.533 Aus dem grundsätzlichen Vorrang der Bestellung eines Sonderinsolvenzverwalters vor einer Befreiung des Verwalters vom Verbot der §§ 181, 450 Abs. 2 BGB durch die Gläubigerorgane folgt auch, dass eine solche Befreiung nicht mehr möglich ist, wenn das Insolvenzgericht einen Sonderinsolvenzverwalter bestellt hat und das fragliche Rechtsgeschäft zu dessen vom Gericht festgelegten Aufgabenbereich gehört. Das Insolvenzgericht ist also nicht verpflichtet, den Gläubigerorganen die Möglichkeit zu eröffnen, den Insolvenzverwalter hinsichtlich der Veränderung bzw. Verwertung der zur Insolvenzmasse gehörenden Vermögenspositionen vom Verbot der §§ 181, 450 Abs. 2 BGB zu befreien. Gehört das betreffende Rechtsgeschäft zum durch das Insolvenzgericht festgelegten Aufgabenkreis des Sonderinsolvenzverwalters, so muss dieser selbst handeln. Er kann allenfalls dem Konzerninsolvenzverwalter Vollmacht erteilen und ihm hierbei die Vornahme von Insichgeschäften gestatten. Um eine effektive Kontrolle durch den Sonderinsolvenzverwalter sicherzustellen, sind allerdings die für eine im Vorfeld erteilte Zustimmung durch den Gläubigerausschuss geltenden Grundsätze entsprechend heranzuziehen. Schließlich ist die Bestellung eines Sonderinsolvenzverwalters auch erforderlich, sofern der Gläubigerausschuss bzw. die Gläubigerversammlung dem Insolvenzverwalter die Gestattung des Insichgeschäfts versagt.

531 Görg, Münchener Komm. z. I­ nsO, § 160 Rdn. 30; ebenso Balthasar, in: Nerlich/Römermann, Komm. z. ­InsO, § 160 Rdn. 18; Wegener, Frankfurter Komm. z. ­InsO, § 160 Rdn. 19; auch Uhlenbruck/Uhlenbruck, Komm. z. I­nsO, § 160 Rdn. 8, der eine generelle Zustimmung regelmäßig für unvereinbar mit den Überwachungspflichten des vorläufigen Gläubigerausschusses hält und im Haftungsfall als Anscheinsbeweis dafür ansehen will, „dass die schädigende Rechtshandlung bei Notwendigkeit einer ordnungsgemäßen Zustimmung unterblieben wäre“; a. A. Onusseit, in: Kübler/Prütting/Bork, Komm. z. ­InsO, § 160 Rdn. 8, der „angesichts der jederzeitigen Widerrufsmöglichkeit“ der Zustimmung eine Pflichtverletzung verneint, „wenn die Überwachung auf andere Weise, etwa eine Informationsverpflichtung des Verwalters durch den Ausschuss, sichergestellt ist“. 532 Anders Balthasar, in: Nerlich/Römermann, Komm. z. ­InsO, § 160 Rdn. 18, wonach die „Häufigkeit und [der] Umfang“ nicht von vornherein feststehen müssen. 533 So für die nach § 160 ­InsO erforderliche Zustimmung Görg, Münchener Komm. z. I­ nsO, § 160 Rdn. 32; Balthasar, in: Nerlich/Römermann, Komm. z. I­nsO, § 160 Rdn. 22; Wegener, Frankfurter Komm. z. ­InsO, § 160 Rdn. 19.

II. Bestellung desselben Insolvenzverwalters für alle Gesellschaften

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d) Zwischenergebnis Die Bestellung derselben Person als Insolvenzverwalter über das Vermögen mehrerer konzernverbundener Gesellschaften, ohne dass weitere Maßnahmen zur Vermeidung von Interessenkonflikten getroffen werden, widerspricht den §§ 56 Abs. 1 Satz 1 ­InsO, 181, 450 Abs. 2 BGB. Zulässig ist ein solches Vorgehen grundsätzlich nur, wenn in jedem Verfahren zusätzlich ein Sonderinsolvenzverwalter bestellt wird, dem sämtliche Rechte, die der jeweiligen Gesellschaft gegenüber einer anderen konzernangehörigen Gesellschaft zustehen, zur Verwaltung übertragen werden. Allenfalls die Veränderung bzw. Verwertung dieser Rechte durch rechtsgeschäftliches Handeln des Insolvenzverwalters kann aus dem Aufgabenbereich des Sonderinsolvenzverwalters ausgenommen werden. Sofern dies geschieht, kann in diesem Bereich der Konzerninsolvenzverwalter mittels Zustimmung des Gläubigerausschusses bzw. der Gläubigerversammlung vom Verbot der §§ 181, 450 Abs. 2 BGB befreit werden. 2. Verwalteridentität bei parallelen Insolvenzverfahren verschiedener Konzerngesellschaften im Geltungsbereich der ­EuInsVO Fallen mehrere Konzerngesellschaften in Insolvenz, so kann es auch zu pa­uInsVO kommen. Ein rallelen Insolvenzverfahren im Geltungsbereich der E solcher Fall liegt zum einen vor, wenn über mehrere konzernangehörige Gesellschaften in verschiedenen Mitgliedsstaaten der Europäischen Union Hauptinsolvenzverfahren gem. Art. 3 Abs. 1 ­EuInsVO eröffnet werden. Zum anderen kann es aber auch zu mehreren Insolvenzverfahren über das Vermögen einer einzelnen Konzerngesellschaft kommen. Hierfür muss die betreffende Gesellschaft gem. Art. 3 Abs. 2 ­EuInsVO über eine Niederlassung im Sinne des Art. 2 lit. h) ­EuInsVO in einem vom Belegenheitsstaat ihres Interessenmittelpunktes verschiedenen weiteren Mitgliedsstaat verfügen. Diese Voraussetzung dürfte insbesondere dann vorliegen, wenn ein mitgliedsstaatliches Gericht seine internationale Zuständigkeit für mehrere konzernangehörige Gesellschaften bejaht, obwohl diese Gesellschaften in verschiedenen Mitgliedsstaaten werbend tätig sind und dementsprechend dort Sachvermögen und Personal einsetzen. a) Rechtlicher Rahmen der ­EuInsVO und tatsächliche Hindernisse Kommt es im Geltungsbereich der ­EuInsVO zu einer Eröffnung von parallelen Insolvenzverfahren über das Vermögen mehrerer Konzerngesellschaften bzw. einer einzelnen Konzerngesellschaft, so ist fraglich, ob in diesen Parallelverfahren dieselbe Person zum Verwalter bestellt werden kann.

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B. Abwicklung von Konzerninsolvenzen auf Grundlage des geltenden Rechts

aa) Parallelbestellung in mehreren Hauptinsolvenzverfahren Für eine Bestellung desselben Insolvenzverwalters in Hauptverfahren über das ­ uInsVO keine Vermögen mehrerer konzernangehöriger Gesellschaften trifft die E Regelungen. Gem. Art. 4 Abs. 1 ­EuInsVO gilt folglich für die Verwalterbestellung das Recht des Staates der Verfahrenseröffnung. Dieses bestimmt damit auch die Anforderungen, die an die für die Abwicklung des Verfahrens verantwortlichen Personen zu stellen sind. Aufgrund der Unterschiede zwischen den Rechtsordnungen der einzelnen Mitgliedsstaaten erscheint es schwierig, diesbezüglich allgemeine Aussagen zu treffen. Gleichwohl lässt sich feststellen, dass einzelne Rechtsordnungen flexibler als die deutsche ­InsO mit Interessenkonflikten umgehen, die bei der Abwicklung der Insolvenzverfahren mehrerer konzernangehöriger Gesellschaften durch dieselbe Person bzw. dieselben Personen auftreten. So stehen beispielsweise nach englischem Insolvenzrecht potentielle Interessenkonflikte bei den vorgesehenen insolvency practitioners einer Bestellung dieser Personen nicht entgegen, so lange sich diese Interessenkonflikte gegebenenfalls durch geeignete Verfahrensmaßnahmen abfedern lassen.534 Hierbei wird davon ausgegangen, dass die potentiellen Interessenkonflikte, die bei der Tätigkeit derselben Person in mehreren Einzelverfahren über das Vermögen verschiedener konzernangehöriger Gesellschaften auftreten, „do not in practice give rise to any serious difficulty because they are well known to the experienced insolvency practitioners“.535 Sollte der Interessenkonflikt dennoch zu einer Beeinträchtigung des Verfahrens führen, so kann beispielsweise in einem administration-Verfahren im Einzelfall ein zusätzlicher administrator bestellt werden.536 Damit löst die englische Rechtsprechung Interessenkonflikte in der Person eines für das Verfahren bestellten bzw. zu bestellenden insolvency practitioner auf eine Weise, die sich als „common sense and pragmatic way“ beschreiben lässt.537 Folglich wird die Bestellung derselben insolvency practitioners

534

Vgl. SISU Capital Fund Ltd v Tucker, Urteil des High Court of Justice (Chancery Division) vom 9. September 2005, [2005] EWHC 2170 (Ch), Rdn. 91 ff. mit ausführlicher Schilderung der Rechtsprechung; umfassend zur Verwalterunabhängigkeit im englischen Recht Laukemann, Die Unabhängigkeit des Insolvenzverwalters (2010), S. 239 ff., speziell für Parallelbestellungen bei Konzerninsolvenzen S. 303 ff. 535 Re Esal (Commodities) Ltd, Urteil des Court of Appeal (Civil Division) vom 1. Januar 1988, [1989] B. C. L. C. 59, 65 (zitiert nach SISU Capital Fund Ltd v Tucker, Urteil des High Court of Justice (Chancery Division) vom 9. September 2005, [2005] EWHC 2170 (Ch), Rdn. 105). 536 Diese Möglichkeit wurde erwogen in Re Maxwell Communications Corporation plc, Urteil des High Court of Justice (Chancery Division) vom 20. Dezember 1991, [1992] B. C. C. 372, 374 f. Eine solche Bestellung unterblieb aber, um Verfahrensverzögerungen und zusätz­ liche Verfahrenskosten zu vermeiden. 537 So die Formulierung eines am Verfahren beteiligten Rechtsanwalts, wiedergegeben in SISU Capital Fund Ltd v Tucker, Urteil des High Court of Justice (Chancery Division) vom 9. September 2005, [2005] EWHC 2170 (Ch), Rdn. 103.

II. Bestellung desselben Insolvenzverwalters für alle Gesellschaften

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in den Verfahren mehrerer konzernangehöriger Gesellschaften offenbar für zu­ lässig erachtet.538 Aber selbst wenn das nationale Insolvenzrecht, welches in den in verschiedenen Mitgliedsstaaten eröffneten Hauptinsolvenzverfahren Anwendung findet, jeweils die Bestellung eines Konzerninsolvenzverwalters zulässt, so ist gleichwohl fraglich, ob von dieser Möglichkeit auch Gebrauch gemacht und tatsächlich derselbe Verwalter von den Gerichten verschiedener Mitgliedsstaaten bestellt wird. Denn die Tätigkeit einer Person als Verwalter in mehreren parallelen Verfahren, die in unterschiedlichen Mitgliedsstaaten eröffnet wurden und in denen jeweils das Recht des Eröffnungsstaates Anwendung findet, setzt voraus, dass diese Person mit allen involvierten Verfahrensordnungen hinreichend vertraut ist539 und auch die jeweilige Verfahrenssprache beherrscht. Solche Personen dürften aber sehr schwer zu finden sein. In den meisten Fällen müssten daher in erheblichem Ausmaß externe Berater aus dem jeweiligen Mitgliedsstaat herangezogen werden, was zu einem Ansteigen der Verfahrenskosten führt.540 Ferner müssten die Tätigkeiten dieser Berater auch miteinander koordiniert werden, wodurch zumindest ein Teil der mit der Verwalteridentität angestrebten Effizienzsteigerung bei der Verfahrensabwicklung eingebüßt würde. Weiterhin müssten der für die Bestellung zuständigen Stelle auch die erforderlichen Informationen darüber vorliegen, dass bereits im Ausland ein Hauptinsolvenzverfahren über eine zum selben Konzern gehörende Gesellschaft eröffnet worden ist. Auch müsste diese Stelle wissen, welche Person in diesem Verfahren zum Verwalter bestellt wurde. Bezüglich dieser Person müsste sie sodann über die erforderlichen Kenntnisse verfügen, um ihre Eignung für das konkrete Verfahren beurteilen zu können. Gerade an den für die Beurteilung der Eignung eines ausländischen Insolvenzverwalters relevanten Informationen wird es aber oftmals fehlen, weshalb „der Insolvenzrichter […] schon aus Haftungsgründen auf die ihm bekannten Insolvenzverwalter zurückgreifen“ wird.541 Ferner kann es sich auch nachteilig auf die Abwicklung des Verfahrens auswirken, wenn der bestellte Verwalter räumlich sehr weit von der von ihm verwalteten Masse getrennt ist, wie es bei der Bestellung eines ausländischen Verwalters regelmäßig der Fall ist.542 Schließlich ist zu beachten, dass in einigen Mitgliedsstaaten eine besondere Zulassung vorausgesetzt wird, um mit der Abwicklung eines In 538 Vgl. SISU Capital Fund Ltd v Tucker, Urteil des High Court of Justice (Chancery Division) vom 9. September 2005, [2005] EWHC 2170 (Ch), Rdn. 4, wo die Bestellung derselben Personen als „joint administrators“ für mehrere Konzerngesellschaften geschildert wird. 539 Skeptisch diesbezüglich Duursma-Kepplinger, in: Duursma-Kepplinger/Duursma/Chalupsky, Komm. z. ­EuInsVO, Art. 27 Rdn. 84. 540 Vgl. Herchen, in: Pannen, Komm. z. ­EuInsVO, Art. 27 Rdn. 89, der in einer Personenidentität von Haupt- und Sekundärinsolvenzverwalter nicht zwingend einen Kostenvorteil sieht, „da es kaum vorstellbar ist, dass der Hauptinsolvenzverwalter mit der lex fori concurcus secundarii so vertraut ist, dass […] die Beiziehung nationaler rechtlicher Berater entbehrlich ist“. 541 So Vallender, KTS 2005, 283, 311. 542 Duursma-Kepplinger, in: Duursma-Kepplinger/Duursma/Chalupsky, Komm. z. ­EuInsVO, Art. 27 Rdn. 84.

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B. Abwicklung von Konzerninsolvenzen auf Grundlage des geltenden Rechts

solvenzverfahrens betraut werden zu können. So setzt das englische Recht voraus, dass die mit der Abwicklung von Insolvenzverfahren jeglicher Art beauftragte Person ein nach den sec. 388 ff. Insolvency Act 1986 zugelassener insolvency practitioner ist.543 Allerdings wird in England offenbar davon ausgegangen, dass die Tätigkeit eines insolvency practitioners unter die Dienstleistungsrichtlinie544 fällt.545 Damit könnte gem. Art. 16 Abs. 2 lit. b) der Dienstleistungsrichtlinie auch eine in einem anderen Mitgliedsstaat niedergelassene Person ohne die ansonsten er­ forderliche Zulassung als insolvency practitioner in England tätig werden. Hinsichtlich etwaiger Zulassungsbeschränkungen in anderen Mitgliedsstaaten gilt Entsprechendes, sofern auch hier die Geltung der Dienstleistungsrichtlinie für die Tätigkeit eines Insolvenzverwalters bejaht wird. Damit scheint zumindest ein nach nationalem Insolvenzrecht bestehendes Erfordernis einer Zulassung der Be­ stellung eines ausländischen Verwalters nicht entgegen zu stehen. Gleichwohl ist im Ergebnis die Abwicklung paralleler Hauptinsolvenzverfah­ uInsVO durch dieselbe Person mit so gravierenden ren im Geltungsbereich der E Schwierigkeiten behaftet, dass sie allenfalls in seltenen Fällen erfolgen dürfte. bb) Parallelbestellung in Haupt- und Sekundärinsolvenzverfahren Die Koordination paralleler Insolvenzverfahren durch die Einsetzung eines identischen Verwalters ist auch im Verhältnis von Haupt- zu Sekundärinsolvenzverfahren denkbar. Anders als bei parallelen Hauptverfahren ist das Verhältnis dieser beiden Verfahren in den Art. 27 ff. ­EuInsVO geregelt. Eine ausdrückliche Regelung für die Bestellung der jeweiligen Verwalter enthält die ­EuInsVO jedoch nicht. Gleichwohl wird teilweise angenommen, dass eine Personenidentität von Haupt- und Sekundärinsolvenzverwalter nach der ­EuInsVO unzulässig ist. Denn aus den Regelungen zum Verhältnis von Haupt- und Sekundärinsolvenzverfahren ergebe sich deutlich, dass der Haupt- und der Sekundärinsolvenzverwalter gegenläufige Interessen potentiell unterschiedlicher Gläubigergruppen ver­ treten. So hätten sowohl der Haupt- als auch der Sekundärinsolvenzverwalter gem. Art. 32 Abs. 2 ­EuInsVO die in ihrem Verfahren angemeldeten Forderungen jeweils auch im Parallelverfahren anzumelden, ferner könne der Hauptinsolvenzverwalter gem. Art. 33 Abs. 1 ­EuInsVO die Aussetzung der Verwertung im Sekundär­ insolvenzverfahren beantragen. Schließlich sei die Verabschiedung eines Sanie 543 Köster, RIW 2006, 24, 25 mit einem Überblick über das Zulassungsverfahren a. a. O. S.  25 ff. 544 Richtlinie 2006/123/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 12. Dezember 2006 über Dienstleistungen im Binnenmarkt, Amtsblatt der Europäischen Union L 376 vom 27. Dezember 2006, S. 36 ff. 545 So Sabel/Wimmer, ­Z­InsO 2008, 2097, 2102, die davon berichten, dass in England die Regelungen über den Zugang zum Beruf des insolvency practitioners an die Vorgaben der Dienstleistungsrichtlinie angepasst werden sollen.

II. Bestellung desselben Insolvenzverwalters für alle Gesellschaften

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rungsplans im Sekundärinsolvenzverfahren gem. Art. 34 Abs. 1 Satz 2 ­EuInsVO grundsätzlich von der Zustimmung des Hauptinsolvenzverwalters abhängig. Diese Interessengegensätze schlössen es aus, dieselbe Person zum Verwalter des Hauptund des Sekundärinsolvenzverfahrens zu bestellen.546 Gegen diese Ansicht spricht allerdings die Regelung der Art. 4, 28 ­EuInsVO, wonach sowohl auf das Haupt- als auch auf das Sekundärinsolvenzverfahren grundsätzlich das Recht des Eröffnungsstaates Anwendung findet, soweit die Verordnung nichts anderes bestimmt. Eine ausdrückliche Bestimmung, welche eine Identität des Verwalters von Haupt- und Sekundärinsolvenzverfahren untersagt, findet sich aber nicht. Vielmehr enthält die gesamte Verordnung keine Regelungen bezüglich der Auswahl des Verwalters oder die an ihn zu stellenden Anforderungen. Dementsprechend wird angenommen, dass sich die Auswahl und Bestellung des Haupt- und des Sekundärinsolvenzverwalters nach dem Recht desjenigen Staates bemessen, in dem das jeweilige Verfahren eröffnet worden ist.547 Dies spricht dafür, auch die Beantwortung der Frage, wie Interessenkonflikte in der Person des Verwalters zu behandeln sind, dem anwendbaren nationalen Verfahrensrecht zu überlassen.548 Zudem ist es auch der einheitlichen Anwendung der ­EuInsVO in den einzelnen Mitgliedsstaaten und damit der Rechtssicherheit dienlich, wenn der Grundsatz der Art. 4, 28 ­EuInsVO nur durchbrochen wird, sofern die ­EuInsVO dies klar anordnet. Demzufolge stünden die Art. 27 ff. ­EuInsVO einer Identität von Haupt- und Sekundärinsolvenzverwalter nicht entgegen, vielmehr ist die Zulässigkeit einer solchen Parallelbestellung nach dem jeweils anwendbaren nationalen Verfahrensrecht zu beurteilen. Sollte dieses Verfahrensrecht, wie beispielsweise das englische Recht, eher zurückhaltend bei der Einstufung von Interessenkonflikten als ein einer Bestellung entgegenstehendes Hindernis sein, so wäre eine Parallelbestellung aus rechtlicher Sicht durchaus möglich.549 Allerdings treten die für eine Parallelbestellung in mehreren Hauptverfahren konstatierten praktischen Schwierigkeiten auch bei einer Parallelbestellung in Haupt- und Sekundärinsolvenzverfahren auf. So ist auch hier fraglich, ob der aus 546

Herchen, in: Pannen, Komm. z. ­EuInsVO, Art. 27 Rdn. 90; Duursma-Kepplinger, in: Duursma-Kepplinger/Duursma/Chalupsky, Komm. z. ­EuInsVO, Art. 27 Rdn. 83; Kindler, Münchener Komm. z. BGB, ­IntInsR, ­EuInsVO Art. 27 Rdn. 38; ebenso Lüke, ZZP 111 (1998), 275, 304 zum insoweit identischen ­EuInsVÜ, der darauf abstellt, dass der eine Verwalter gegenüber dem anderen im Interesse der Gläubiger seines Verfahren auftrete und hierzu auch die Mitwirkungsbefugnisse eines Gläubigers erhalte; gegen die Zulässigkeit der Bestellung des Verwalters des Hauptinsolvenzverfahrens zum Sachwalter im nach deutschem Recht abzuwickelnden Sekundärinsolvenzverfahren, sofern in letzerem Eigenverwaltung angeordnet wird, Stephan, Heidelberger Komm. z. ­InsO, ­EuInsVO Art. 27 Rdn. 9. 547 Vallender, KTS 2005, 283, 310; Pannen/Riedemann, in: Pannen, Komm. z. ­EuInsVO, Art. 4 Rdn. 37. 548 Ebenso Reinhart, Münchener Komm. z. ­InsO, ­EuInsVO Art. 27 Rdn. 30. 549 Ebenso wohl auch Eidenmüller, ZGR 2006, 467, 477, der die Bestellung desselben Insolvenzverwalters in Haupt- und Sekundärinsolvenzverfahren für ein geeignetes Instrument zur Koordination beider Verfahren hält.

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B. Abwicklung von Konzerninsolvenzen auf Grundlage des geltenden Rechts

ländische Verwalter über die erforderlichen Sprach- und Rechtskenntnisse verfügt. Ferner besteht auch hier die Schwierigkeit, dass der Verwalter sehr weit von der von ihm verwalteten Masse entfernt ist.550 Damit dürfte die Bestellung desselben Verwalters in Haupt- und Sekundärinsolvenzverfahren, auch wenn sie nach dem jeweils anwendbaren Verfahrensrecht grundsätzlich möglich wäre, ebenso wie die Verwalteridentität in parallelen Hauptverfahren regelmäßig an praktischen Hindernissen scheitern. b) Verwalteridentität durch Anordnung der Eigenverwaltung im deutschen Sekundärinsolvenzverfahren Bei einem in Deutschland eröffneten Sekundärinsolvenzverfahren wird teilweise angenommen, dass eine Personenidentität zwischen dem Verwalter des Hauptinsolvenzverfahrens und dem Verwalter des Sekundärinsolvenzverfahrens durch Anordnung der Eigenverwaltung gem. §§ 270 ff. ­InsO im Sekundärinsolvenzverfahren erreicht werden könne. Diese Gestaltungsmöglichkeit beruht auf einer Entscheidung des AG Köln.551 Hier waren über das Vermögen mehrerer zum selben Konzern gehörender Gesellschaften Insolvenzverfahren in England eröffnet worden. Eine dieser Gesellschaften hatte ihren satzungsmäßigen Sitz in Deutschland und produzierte in Kerpen bei Köln Kunststoffkomponenten für die Auto­mobilindustrie. Auf Antrag der in dem englischen administration-Verfahren bestellten joint administrators sowie der Geschäftsführer der schuldnerischen Gesellschaft eröffnete das AG Köln über das in Deutschland belegene Vermögen der Schuldnerin ein Sekundärinsolvenzverfahren und ordnete Eigenverwaltung an.552 Folge dieser Anordnung der Eigenverwaltung war nach Ansicht des AG Köln, dass „das Sekundärverfahren […] keinen Anspruch auf die Verwaltungs- und Verfügungsbefugnis erhebt, sondern diese dort belässt, wo es sie vorfindet […]“553. Da das englische Hauptinsolvenzverfahren vor dem deutschen Sekundärinsolvenzverfahren eröffnet worden war und zum Übergang der Verwaltungs- und Verfügungsbefugnis auf die in diesem Verfahren ernannten joint administrators geführt hatte, seien diese also auch im deutschen Sekundärinsolvenzverfahren verwaltungs- und verfügungsbefugt. Zur Begründung seiner Ansicht führte das AG Köln an, dass die Begründung zum RegE-­InsO bei der Erörterung der Eigenverwaltung davon spreche, dass dem Schuldner die Verwaltungs- und Verfügungsbefugnis „zu lassen“ sei.554 Dieses Verständnis werde auch durch einen Vergleich mit § 150b ZVG gestützt. Denn diese Norm ordne im Gegensatz zu den §§ 270 ff. ­InsO ausdrück 550

Vallender, KTS 2005, 283, 311; Beck, NZI 2006, 609, 617 f. AG Köln, Beschluss vom 23. Januar 2004, 71 IN 1/04, NZI 2004, 151 ff. 552 AG Köln, Beschluss vom 23. Januar 2004, 71 IN 1/04, NZI 2004, 151, 152. 553 AG Köln, Beschluss vom 23. Januar 2004, 71 IN 1/04, NZI 2004, 151, 154. 554 AG Köln, Beschluss vom 23. Januar 2004, 71 IN 1/04, NZI 2004, 151, 154 unter Verweis auf die Begründung zu Beginn des 8. Teils, Erster Abschnitt Reg-­InsO (Eigenverwaltung), BTDrucks. 12/2443, S. 222. 551

II. Bestellung desselben Insolvenzverwalters für alle Gesellschaften

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lich an, dass „der Schuldner zum Verwalter zu bestellen“ sei. Hieraus werde deutlich, dass der Schuldner seine Befugnisse originär verliehen bekomme. Hätte der Gesetzgeber dies auch für die Eigenverwaltung gewollt, so hätte er eine entsprechende Formulierung gewählt. Schließlich wurde auch auf § 270 Abs. 2 Nr. 3 ­InsO a. F. verwiesen, wonach die Anordnung der Eigenverwaltung durch das Insolvenzgericht voraussetzte, dass hierdurch keine Nachteile für die Gläubiger zu erwarten waren. Bei dieser Prognose habe das Insolvenzgericht nur auf die zum Zeitpunkt der Anordnung amtierende Geschäftsleitung blicken können. Diese bestehe bei einer zuvor erfolgten Eröffnung des Hauptinsolvenzverfahrens aber aus den im Rahmen dieses Verfahrens als Verwalter bestellten Personen.555 Entsprechend ließe sich auch unter dem nunmehr geltenden § 270 Abs. 2 Nr. 2 ­InsO argumentieren, da hiernach die Anordnung der Eigenverwaltung voraussetzt, dass keine Umstände bekannt sind, die erwarten lassen, dass die Anordnung zu Nachteilen für die Gläubiger führen wird. Denn mit dieser Änderung sollte lediglich erreicht werden, dass „Unklarheiten über mögliche Nachteile für die Gläubiger […] nicht mehr zu Lasten des Schuldners“ gehen.556 An dem Erfordernis einer Prognose des Insolvenzgerichts im Zeitpunkt der Anordnung ändert dies aber nichts. Ob diese Entscheidung des AG Köln zutreffend ist, erscheint allerdings zweifelhaft.557 So bestehen gegen die der Entscheidung zu Grunde liegende Annahme, dass bei Anordnung der Eigenverwaltung die Verwaltungs- und Verfügungsbefugnis dort verbleibe, wo sie sich vor der Anordnung befunden habe, erhebliche Bedenken. Denn dies würde bedeuten, dass der Schuldner bei Anordnung der Eigenverwaltung grundsätzlich weiterhin Kraft der ihm zukommenden Privatautonomie über sein Vermögen verfügen könnte.558 Hiergegen spricht aber, dass dem eigen­ verwaltenden Schuldner mit der Eröffnung des Verfahrens zugleich auch besondere, im Regelverfahren dem Insolvenzverwalter zustehende Befugnisse eingeräumt werden. So kann der Schuldner beispielsweise gem. §§ 279 Satz 1, 103 ff. ­InsO das Wahlrecht bei noch nicht vollständig erfüllten gegenseitigen Verträgen ausüben, gem. § 282 Abs. 1 Satz 1 ­InsO mit Absonderungsrechten belastete Gegenstände verwerten und gem. § 283 Abs. 1 ­InsO angemeldete Forderungen bestreiten. Vor der Verfahrenseröffnung wäre er hierzu nicht berechtigt gewesen. Die Einräumung dieser Befugnisse indiziert daher, dass der eigen 555

AG Köln, Beschluss vom 23. Januar 2004, 71 IN 1/04, NZI 2004, 151, 154. Begründung der Bundesregierung zu § 270 Abs. 2 Nr. 2 ­InsO, BT-Drucks. 17/5712, S. 38. 557 Zustimmend Reinhart, Münchener Komm. z. I­ nsO, ­EuInsVO Art. 27 Rdn. 31; Haubold, in: Gebauer/Wiedman, Zivilrecht unter europäischem Einfluss, E ­ uInsVO Art. 27 Rdn. 218; ebenso Undritz, Hamburger Komm. z. InsR, ­EuInsVO Art. 27 Rdn. 13 f., der allerdings gleichwohl Bedenken gegen die Richtigkeit dieser Entscheidung äußert; ablehnend Brünkmans, Die Koordinierung von Insolvenzverfahren konzernverbundener Unternehmen (2009), S.  378 ff. 558 So aber offenbar BGH, Beschluss vom 7. Dezember 2006, V ZB 93/06 (KG), NZI 2007, 188, 189; ebenso Landfermann, Heidelberger Komm. z. ­InsO, § 270 Rdn. 23; Huhn, Die Eigenverwaltung im Insolvenzverfahren (2003), S. 603; wohl auch Riggert, in: Nerlich/Römermann, Komm. z. ­InsO, § 270 Rdn. 2. 556

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B. Abwicklung von Konzerninsolvenzen auf Grundlage des geltenden Rechts

verwaltende Schuldner als „Amtswalter in eigenen Angelegenheiten“559 anzu­sehen ist, der neben den geschilderten Befugnissen auch die Verwaltungs- und Verfügungsbefugnis über sein Vermögen nunmehr von der gerichtlichen Anordnung der Eigenverwaltung ableitet.560 Es wird also „der Insolvenzschuldner selbst zum Insolvenzverwalter bestellt“.561 Für ein solches Verständnis des eigenverwaltenden Schuldners spricht auch, dass evident insolvenzzweckwidrige Handlungen des eigen­verwaltenden Schuldners ebenso wie solche Handlungen eines Insolvenzverwalters unwirksam sind.562 Diese Unwirksamkeit insolvenzzweckwidriger Handlungen erscheint gerade auch bei einem eigenverwaltenden Schuldner sachgerecht, da hier eine im Vergleich zu einem unabhängigen Insolvenzverwalter größere Gefahr besteht, dass der Schuldner eigene Interessen verfolgt und deshalb dem Ziel einer gemeinschaftlichen Befriedigung der Gläubiger zuwiderhandelt.563 Eine solche Verpflichtung zur Wahrung fremder Vermögensinteressen deutet aber ebenfalls darauf hin, dass der eigenverwaltende Schuldner als Amtswalter in eigenen Angelegenheiten anzusehen ist. Wenn nun aber die Anordnung der Eigenverwaltung so zu verstehen ist, dass der Insolvenzschuldner selbst zum Insolvenzverwalter bestellt wird, so kann in einem Sekundärinsolvenzverfahren nicht davon ausgegangen werden, dass bei angeordneter Eigenverwaltung der Verwalter des Hauptinsolvenzverfahrens verwaltungsund verfügungsbefugt bleibt. Durch die Anordnung der Eigenverwaltung wird die Verwaltungs- und Verfügungsbefugnis nicht dort belassen, wo sie vor­gefunden wird, sondern es werden dem Schuldner selbst die Stellung als Amtswalter und damit auch die entsprechenden Befugnisse verliehen. Dieses Ergebnis dürfte auch dem Zweck entsprechen, den der Gesetzgeber mit der Einführung der Eigenverwaltung verfolgte. Denn mit der Einführung der Eigenverwaltung sollte es ermöglicht werden, die Kenntnisse und Erfahrungen der bisherigen Geschäftsleitung im Insolvenzverfahren zu nutzen, die Einarbeitungszeit für einen fremden Verwalter zu vermeiden sowie die Kosten des Verfahrens zu reduzieren.564 Die Eröffnung eines Sekundärinsolvenzverfahrens erfolgt jedoch typischerweise kurz nach der Eröffnung des Hauptinsolvenzverfahrens, weshalb sich der Verwalter des Hauptinsolvenzverfahrens vor der Eröffnung des Sekundärinsolvenzverfahrens in die mit 559 So die Formulierung von Häsemeyer, Insolvenzrecht, Rdn. 8.13; zustimmend Uhlenbruck/Uhlenbruck, Komm. z. ­InsO, § 270 Rdn. 32. 560 Pape, Kölner Schrift z. ­InsO, Kap. 24 Rdn. 54; ebenso Foltis, Frankfurter Komm. z. ­InsO, § 270 Rdn. 21; Wittig/Tetzlaff, Münchener Komm. z. I­ nsO, § 270 Rdn. 69; H.-F. Müller, ZGR 2004, 842, 859; Gulde, Die Anordnung der Eigenverwaltung durch das Insolvenzgericht im Eröffnungsbeschluss (2005), S. 31. 561 Bork, Einführung in das Insolvenzrecht, Rdn. 405 Fn. 10. 562 Wittig/Tetzlaff, Münchener Komm. z. ­InsO, § 270 Rdn. 69; Pape, in: Kölner Schrift z. ­InsO, Kap. 24 Rdn. 54. 563 Brünkmans, Die Koordinierung von Insolvenzverfahren konzernverbundener Unternehmen (2009), S. 210 f. 564 Begründung zu Beginn des 8. Teils, Erster Abschnitt RegE-­InsO (Eigenverwaltung), BTDrucks. 12/2443, S. 223.

II. Bestellung desselben Insolvenzverwalters für alle Gesellschaften

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unter komplexen Strukturen eines international agierenden Unternehmens kaum so umfassend eingearbeitet haben dürfte, dass er nun über Kenntnisse verfügt, die denen der ursprünglichen Geschäftsleitung gleichkommen.565 Zudem wird der Verwalter des ausländischen Hauptverfahrens auch in den seltensten Fällen über die erforderlichen Kenntnisse des inländischen Verfahrensrechts verfügen, um das Sekundärinsolvenzverfahren sachgerecht abwickeln zu können. Er müsste also externe Experten hinzuziehen, was zu höheren Verfahrenskosten führen würde,566 oder aber er wäre auf eine umfassende Unterstützung durch den Sachwalter angewiesen, der damit eine dem Insolvenzverwalter vergleichbare Funktion übernehmen würde.567 Damit kann der vom Gesetzgeber verfolgte Zweck kaum erreicht werden, wenn man davon ausgeht, dass bei einer Anordnung der Eigenverwaltung im Sekundärinsolvenzverfahren die Verwaltungs- und Verfügungsbefugnis beim Insolvenzverwalter des Hauptinsolvenzverfahrens verbleibt. Die Entscheidung des AG Köln ist aus diesen Gründen abzulehnen. Eine Verwalteridentität in Haupt- und Sekundärinsolvenzverfahren lässt sich also bei einem in Deutschland eröffneten Sekundärinsolvenzverfahren nicht mittels Anordnung der Eigenverwaltung nach den §§ 270 ff. ­InsO erreichen. 3. Konzernweite Zuständigkeit eines Insolvenzgerichts bzw. Absprachen zwischen verschiedenen Insolvenzgerichten als Voraussetzung für eine Bestellung desselben Insolvenzverwalters Sollte die Bestellung eines Konzerninsolvenzverwalters nach dem Gesagten rechtlich zulässig und auch wirtschaftlich sinnvoll sein, so erscheint die Nutzung dieses Koordinationsinstruments in der Praxis gleichwohl in vielen Fällen schwierig. So setzt eine solche Bestellung voraus, dass die diesbezügliche Entscheidung in den einzelnen Verfahren koordiniert wird. Diese Koordination wird aber oftmals nur dann gelingen, wenn auch dasselbe Insolvenzgericht für die Verfahren über das Vermögen aller konzernangehörigen Gesellschaften zuständig ist.568 Denn dann ist es dieselbe Stelle, die über die Verwalterbestellung in den Einzelverfahren 565

Beck, NZI 2006, 609, 617. Beck, NZI 2006, 609, 617. 567 Vgl. Vallender, KTS 2005, 283, 312 Fn. 140, wonach im oben geschilderten Fall des AG Köln, Beschluss vom 23. Januar 2004, 71 IN 1/04, NZI 2004, 151 ff. „ohne die umfassende Unterstützung durch den Sachwalter eine ordnungsgemäße Abwicklung des Sekundärinsolvenzverfahrens kaum möglich gewesen wäre“. 568 Vgl. zur Bedeutung eines „Konzerngerichtsstandes“ für die Einsetzung eines Konzern­ insolvenzverwalters Knof/Mock, ­Z­InsO 2008, 253, 260, wonach „der Grund für die Zuständigkeitskonzentration […] letztlich nur in der Bestellung eines Insolvenzverwalters für den gesamten Konzern bzw. Unternehmensgruppe zu suchen“ sei; ebenso Wittinghofer, Der nationale und internationale Insolvenzverwaltungsvertrag (2004), S. 33, wonach „die Alternative der Personenidentität des Verwalters bei mehreren Insolvenzverfahren daher nur [realistisch erscheint], wenn dasselbe Insolvenzgericht für alle Verfahren zuständig ist“. 566

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B. Abwicklung von Konzerninsolvenzen auf Grundlage des geltenden Rechts

entscheidet. Sie kann damit auch beurteilen, ob eine solche einheitliche Verwalterbestellung trotz der zumindest nach deutschem Insolvenzrecht zwingend erforderlichen gleichzeitigen Einsetzung eines Sonderinsolvenzverwalters sinnvoll ist, beispielsweise weil eine Sanierung des gesamten Konzerns oder ein einheitlicher Verkauf des Vermögens aller konzernangehörigen Gesellschaften möglich und gegenüber einer getrennten Verwertung vorteilhaft erscheint. Bei einer Konzerninsolvenz ist eine solche konzernweit einheitliche gerichtliche Zuständigkeit aber auf Grundlage des geltenden Rechts nur schwer zu begründen.569 Sollte ein solcher „Konzerngerichtsstand“ nicht existieren, bleibt nur eine Absprache zwischen den jeweils zuständigen einzelnen Insolvenzgerichten bezüglich der Verwalterbestellung. Solche Absprachen erfordern zunächst, dass der jeweilige Insolvenzrichter über Informationen darüber verfügt, ob die Gesellschaft zu einem Konzern gehört, bei dem auch schon über das Vermögen weiterer Konzerngesellschaften Insolvenzverfahren eröffnet wurden bzw. die Verfahrenseröffnung in Kürze zu erwarten ist, und welches Insolvenzgericht für diese Verfahren zuständig ist oder zuständig wäre. Verfügt er über diese Informationen, so muss er sich auch mit den anderen beteiligten Insolvenzrichtern auf einen gemeinsamen Insolvenzverwalter sowie gegebenenfalls die Einsetzung von Sonderinsolvenzverwaltern und die Ausgestaltung ihrer Befugnisse verständigen. Diese Absprachen werden aber erschwert, wenn die jeweiligen Insolvenzrichter unterschiedliche Ansichten über die jeweilige Vorgehensweise haben, insbesondere über die Zulässigkeit bzw. Notwendigkeit der einheitlichen Verwalterbestellung sowie der für ein solches Amt geeigneten Personen.570 Im nationalen Rahmen dürften sich die dargestellten Schwierigkeiten bei einem entsprechenden Einsatz des jeweiligen Insolvenzrichters noch verhältnismäßig gut lösen lassen. Denn das Insolvenzgericht hat gem. § 5 Abs. 1 Satz 1 ­InsO von Amts wegen alle Umstände zu ermitteln, die für das Verfahren von Bedeutung sind. Hierzu dürften die geschilderten Umstände in jedem Fall zählen. Auch hat das Insolvenzgericht gem. § 22 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 ­InsO die Möglichkeit, einen im Eröffnungsverfahren eingesetzten vorläufigen Insolvenzverwalter als Sachverständigen mit der Prüfung der Fortführungsaussichten des Unternehmens des Schuldners zu beauftragen. Im Rahmen dieser Prüfung werden die Zugehörigkeit der schuldnerischen Gesellschaft zu einem Konzern sowie regelmäßig auch die Firmen der übrigen konzernangehörigen Gesellschaften zu ermitteln sein. Da die Eröffnung eines Insolvenzverfahrens gem. § 32 Abs. 1 Satz 1 HGB von Amts wegen in das Handelsregister einzutragen ist, ergibt sich hieraus, ob und wenn ja von welchem Gericht über die jeweilige Gesellschaft ein Insolvenzverfahren eröffnet 569

Siehe oben B. I. Vgl. Graeber, NZI 2007, 265, 267, wonach „[d]ie unterschiedliche Arbeitsweise, die differierenden Ansichten über die richtige Vorgehensweise, die individuelle Überzeugung über die Fähigkeiten und das Können der in Frage kommenden Insolvenzverwalter der unterschied­ lichen Insolvenzrichter […] es eher unwahrscheinlich [machen], dass die zu treffenden Entscheidungen optimal koordiniert werden“. 570

II. Bestellung desselben Insolvenzverwalters für alle Gesellschaften

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worden ist.571 Ist das Verfahren noch nicht eröffnet, aber bereits ein vorläufiger Insolvenzverwalter mit Zustimmungsvorbehalt bestellt worden, so ist dies gem. § 32 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 HGB gleichfalls ins Handelsregister einzutragen. Außerdem ist der Eröffnungsbeschluss gem. §§ 30 Abs. 1 Satz 1, 9 Abs. 1 Satz 1 ­InsO öffentlich im Internet bekanntzumachen. Kennt das Insolvenzgericht die Firmen der übrigen konzernzugehörigen Gesellschaften sowie das für deren Insolvenzverfahren zuständige Gericht, so kann es auf eine Absprache mit diesem hinwirken bzw. seine eigenen Entscheidungen den zuvor von dem anderen Gericht getroffenen Entscheidungen anpassen, beispielsweise denselben Verwalter bestellen. Wenn das Verfahren noch nicht eröffnet wurde, sondern lediglich ein vorläufiger Insolvenzverwalter bestellt worden ist, ist auch eine Verständigung auf einen gemeinsam ausgewählten Verwalter für beide Verfahren möglich. Wenn für eine andere konzernangehörige Gesellschaft noch nicht einmal ein vorläufiger Verwalter mit Zustimmungsvorbehalt bestellt worden ist, beispielsweise weil ein diesbezüglicher Insolvenzantrag noch nicht gestellt wurde, so kann die Geschäftsführung der schuldnerischen Gesellschaft dem Insolvenzgericht mitteilen, ob und wenn ja bei welchem Gericht in näherer Zukunft Insolvenzanträge für andere Konzerngesellschaften gestellt werden bzw. gestellt werden könnten. Auch hier kann das Gericht dann Kontakt mit den jeweiligen anderen Insolvenzgerichten aufnehmen. Dabei wird dem Gericht allerdings ein unter Umständen erheblicher Arbeitsaufwand sowie eine gewisse Kompromissbereitschaft abverlangt. Dass es gleichwohl auf eine Abstimmung mit anderen beteiligten Insolvenzgerichten hinwirkt, dürfte daher vor allem bei größeren Insolvenzverfahren anzunehmen sein. In jedem Fall hängt eine solche Koordination davon ab, ob im Einzelfall ein „wirtschaftlich denkende[r] Richter“572 tätig wird, der die Möglichkeit einer Verfahrenskoordination erkennt und nutzt. Deutlich schwieriger hingegen ist das Treffen von Absprachen bei parallelen Insolvenzverfahren, die in verschiedenen Staaten eröffnet worden sind. Hier dürfte es häufig schon problematisch sein, sich in einer gemeinsamen Sprache zu verständigen.573 Denn selbst die Beherrschung der englischen Sprache durch sämt­ liche beteiligten Richter wird in vielen Fällen nicht gegeben sein.574 Hier wäre dann oftmals die Inanspruchnahme eines Dolmetschers erforderlich, auch eine Einschaltung des Insolvenzverwalters zur Kontaktaufnahme mit dem ausländischen Gericht erscheint möglich, sofern dieser über die erforderlichen Sprachkenntnisse verfügt.575 Dadurch wird die Abstimmung aber erheblich verkompliziert. Des Weiteren kann es vorkommen, dass es dem jeweiligen Gericht kraft des 571 Vgl. die Beispiele für Handelsregistereintragungen im Zuge des Insolvenzverfahrens bei Krafka/Willer/Kühn, Registerrecht, Rdn. 413. 572 So Braun/Uhlenbruck, Unternehmensinsolvenz (1997), S. 522. 573 Busch/Remmert/Rüntz/Vallender, NZI 2010, 417, 420; Vallender, KTS 2008, 59, 72. 574 Busch/Remmert/Rüntz/Vallender, NZI 2010, 417, 420. 575 Busch/Remmert/Rüntz/Vallender, NZI 2010, 417, 420; ähnlich Paulus, Komm. z. ­EuInsVO, Art. 31 Rdn. 6a, der bei Sprachproblemen die Hinzuziehung eines „Mittelsmannes“ vorschlägt.

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B. Abwicklung von Konzerninsolvenzen auf Grundlage des geltenden Rechts

geltenden nationalen Verfahrensrechts nicht ohne Einschränkungen möglich ist, mit einem ausländischen Gericht Absprachen zu treffen.576 Zudem kann es bei einer grenzüberschreitenden Konzerninsolvenz auch schwieriger sein, überhaupt von einem bei einem ausländischen Gericht gestellten Insolvenzantrag bzw. einer Verfahrenseröffnung durch dieses Gericht Kenntnis zu erlangen. So erfolgt eine Bekanntmachung ausländischer Eröffnungsentscheidungen unter der E ­ uInsVO gem. Art. 21 Abs. 1 ­EuInsVO grundsätzlich nur auf Antrag des ausländischen Verwalters. Eine zwingende Bekanntmachung ausländischer Entscheidungen hat gem. Art. 21 Abs. 2 ­EuInsVO lediglich dann zu erfolgen, wenn das schuldnerische Unternehmen über eine inländische Niederlassung verfügt und der jeweilige Mitgliedsstaat eine entsprechende Pflicht in seinem nationalen Verfahrensrecht vorgesehen hat. An diesen Schwierigkeiten ändern zunächst auch Leitlinien für eine Kooperation zwischen Gerichten verschiedener Staaten und in unterschiedlichen Staaten bestellten Insolvenzverwaltern wenig, die von nicht-staatlichen Institutionen entwickelt worden sind.577 Sie können allenfalls ein Bewusstsein für die Notwendigkeit einer Kooperation zwischen Gerichten schaffen und den hierfür jeweils verantwortlichen Personen, die über die für eine solche Kooperation erforderlichen sprachlichen Fähigkeiten verfügen und auch zu einer Zusammenarbeit gewillt sind, gewisse Leitlinien vorgeben. Verbindlich sind diese Regelwerke hingegen nicht. Gleichwohl werden Fälle berichtet, in denen sich Gerichte bei grenzüberschreitenden Insolvenzverfahren untereinander abgesprochen haben.578 Aber selbst wenn die beteiligten Gerichte zu einer Abstimmung über die Verwalter­ bestellung willens und in der Lage sind, so bleiben doch die oben geschilderten579 Schwierigkeiten bestehen, eine für die Abwicklung von mehreren Insolvenzverfahren in unterschiedlichen Staaten qualifizierte Person zu finden.580 In Anbetracht 576

Vgl. Vallender, KTS 2008, 59, 73, der Bedenken im Hinblick auf Gerichte in CommonLaw-Staaten äußert, da diese grds. daran gehindert seien, in Abwesenheit der übrigen Verfahrensbeteiligten Kontakt zu ausländischen Gerichten aufzunehmen. Gleichwohl führt er etliche Beispielsfälle an, in denen solche Gerichte erfolgreich durch Aufnahme direkten Kontaktes mit ausländischen Gerichten kooperierten. 577 Beispiele hierfür sind die vom American Law Institute in Zusammenarbeit mit dem International Insolvency Institute entwickelten „Guidelines Applicable to Court-to-Court Communication in Cross-Border-Cases“ (zu ihrer Umsetzung im deutschen Recht siehe ausführlich Busch/Remmert/Rüntz/Vallender, NZI 2010, 417 ff.) oder speziell für Haupt- und Sekundär­ insolvenzverfahren nach der ­EuInsVO Wessels/Virgós, European Communication and Cooperation Guidelines for Cross-border Insolvency (2007). 578 Siehe Busch/Remmert/Rüntz/Vallender, NZI 2010, 417, 420. 579 Siehe oben B. II. 2. a) aa). 580 Busch/Remmert/Rüntz/Vallender, NZI 2010, 417, 419 ziehen eine Person aus einer „international aufgestellten Kanzlei“ in Erwägung. Allerdings dürften selbst in internationalen Großkanzleien Personen sehr selten sein, die über so profunde Kenntnisse verschiedener Rechtsordnungen verfügen, dass sie Insolvenzverfahren in mehreren Mitgliedsstaaten abwickeln könnten. Zwar könnten sie sich von Mitarbeitern zuarbeiten bzw. vertreten lassen, allerdings scheidet diese Möglichkeit aus, wenn die jeweilige Rechtsordnung von dem Verwalter selbst die erforderliche Qualifikation verlangt bzw., wie beispielsweise das deutsche Insolvenzrecht, das Amt des Insolvenzverwalters grundsätzlich als höchstpersönlich ansieht.

II. Bestellung desselben Insolvenzverwalters für alle Gesellschaften

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dieser Schwierigkeiten dürfte die Bestellung derselben Person als Insolvenzverwalter in mehreren, in unterschiedlichen Staaten eröffneten Verfahren praktisch nur überaus selten erfolgen können. 4. Ergebnis Bei rein nationalen Konzerninsolvenzen widerspricht die Bestellung desselben Insolvenzverwalters für alle konzernangehörigen Gesellschaften grundsätzlich den §§ 56 Abs. 1 Satz 1 ­InsO, 181, 450 Abs. 2 BGB. Sie ist allenfalls zulässig, wenn in jedem einzelnen Verfahren neben dem Konzerninsolvenzverwalter ein Sonderinsolvenzverwalter bestellt wird. Dieser muss im Grundsatz für alle Rechtshandlungen der jeweiligen Gesellschaft gegenüber einer anderen konzernangehörigen Gesellschaft zuständig sein. Hierzu sind ihm sämtliche Rechte, die der jeweiligen Gesellschaft gegenüber einer anderen Konzerngesellschaft zustehen, zur Verwaltung zu übertragen. Lediglich die Veränderung und Verwertung der zur Insolvenzmasse gehörenden Vermögenspositionen durch rechtsgeschäftliches Handeln kann aus dem Aufgabenbereich des Sonderinsolvenzverwalters ausgenommen werden. Ist dies geschehen, können die Gläubigerorgane mittels Zustimmung den Konzerninsolvenzverwalter vom Verbot der §§ 181, 450 Abs. 2 BGB befreien. Schließlich ist die Bestellung eines Konzerninsolvenzverwalters nur innerhalb der durch das Gebot der höchstpersönlichen Amtsführung gezogenen Grenzen zulässig. Dieses kann bei Großkonzernen wegen des von einem Verwalter allein nicht mehr zu bewältigenden Arbeitsaufwandes der Bestellung eines Konzerninsolvenzverwalters entgegenstehen. Bei grenzüberschreitenden Konzerninsolvenzen im Anwendungsbereich der ­ uInsVO beurteilt sich die Zulässigkeit der Bestellung eines KonzerninsolvenzE verwalters nach dem jeweils anwendbaren nationalen Verfahrensrecht. Dies gilt sowohl für eine Bestellung in mehreren parallelen Hauptverfahren als auch in einem Haupt- und einem Sekundärinsolvenzverfahren. Sollte es das nationale Insolvenzrecht zulassen, so wäre die Bestellung desselben Insolvenzverwalters grundsätzlich möglich. Allerdings wird es schwierig sein, Personen zu finden, die über die erforderlichen Sprach- und Rechtskenntnisse verfügen, um als Verwalter in mehreren Mitgliedsstaaten aufzutreten. In jedem Fall erfordert die Bestellung eines Konzerninsolvenzverwalters eine einheitliche Entscheidung in allen parallelen Verfahren. Da eine konzernweit einheitliche gerichtliche Zuständigkeit die Ausnahme ist, sind Absprachen zwischen den beteiligten Gerichten erforderlich. Dass solche Absprachen getroffen werden, erscheint im nationalen deutschen Rahmen möglich, sofern die beteiligten Insolvenzrichter sich hierfür einsetzen und den damit verbundenen Arbeitsaufwand auf sich nehmen. Eine grenzüberschreitende Kooperation der Insolvenzgerichte erscheint erheblich problematischer. Denn die Verständigung kann mangels einer von allen Beteiligten beherrschten Sprache problematisch sein, zudem können in

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B. Abwicklung von Konzerninsolvenzen auf Grundlage des geltenden Rechts

den einzelnen nationalen Rechtsordnungen unterschiedliche Regelungen über die Zulässigkeit solcher gerichtlicher Absprachen bestehen. Schließlich ist es auch schwierig, eine geeignete Person für die Abwicklung paralleler Insolvenzverfahren zu finden, in denen unterschiedliches nationales Recht anwendbar ist. Damit dürfte die Bestellung eines Konzerninsolvenzverwalters bei grenzüberschreitenden Konzerninsolvenzen zumeist ausscheiden.

III. Absprachen zwischen den an parallelen Insolvenzverfahren verschiedener Konzerngesellschaften beteiligten Verwaltern und Gerichten Fehlt es an einer konzernweit einheitlichen örtlichen bzw. internationalen Zuständigkeit oder sind verschiedene Insolvenzverwalter für die einzelnen Konzerngesellschaften bestellt worden, so kommen als Mittel zur Koordination paralleler Insolvenzverfahren über das Vermögen verschiedener Konzerngesellschaften Absprachen zwischen den am Verfahren beteiligten Insolvenzgerichten oder Insolvenzverwaltern in Betracht. Hierbei ist zwischen rechtsverbindlichen und unverbindlichen Absprachen zu unterscheiden. 1. Insolvenzverwaltungsverträge Als Insolvenzverwaltungsverträge werden rechtsverbindliche Absprachen zwischen den an simultan ablaufenden Verfahren beteiligten Verwaltern bzw. Insolvenzgerichten bezeichnet, die sich auf die Art und Weise der Insolvenzverwaltung beziehen und mit denen die parallelen Insolvenzverfahren koordiniert werden sollen.581 Dieses Instrument ist aus dem anglo-amerikanischen Rechtskreis übernommen worden.582 Dort dienen sogenannte „protocols“ dazu, parallele Insolvenzver­fahren über das Vermögen desselben Schuldners, die in verschiedenen Staaten eröffnet worden sind und deren Insolvenzbeschlag sich jeweils auf das gesamte Vermögen des Schuldners erstreckt, durch auf den Einzelfall zugeschnittene Absprachen zwischen den Verfahrensbeteiligten zu koordinieren.583 In England wurde eine solche Absprache bereits 1908 für zulässig erachtet. In diesem Fall hatte eine Person mit weiteren Gesellschaftern sowohl in England als auch in Indien ein Geschäft betrieben. Allerdings wurde in England eine andere Firma als in Indien verwendet. 581 Eidenmüller, ZZP 114 (2001), 3, 5; ders., JNPÖ 18 (1999), 81, 90; Ehricke, WM 2005, 397, 402. 582 Siehe Ehricke, FS 75 Jahre Max-Planck-Institut für Privatrecht (2001), 337, 356, wonach sich das „Leitbild für diesen Vertragstyp […] im anglo-amerikanischen Rechtskreis“ findet. 583 Siehe zum Einsatz solcher „protocols“ Flaschen/Silverman, 33 Tex. Int’l L. J. 587, 590 f. (1998).

III. Absprachen zwischen Verwaltern und Gerichten

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Nun kam es in beiden Ländern zur Eröffnung eines Insolvenzverfahrens. Der im englischen Verfahren bestellte trustee und der im indischen Verfahren eingesetzte ­official assignee wollten eine Vereinbarung schließen, wonach die in einem Verfahren angemeldeten Forderungen automatisch auch an der Verteilung im anderen Verfahren teilnahmen. Um dies zu gewährleisten, sollten die angemeldeten Forderungen jeweils an den Verwalter des parallelen Verfahrens übermittelt werden. Zudem sollte in jedem Verfahren eine Ausschüttung erst erfolgen, wenn derselbe Betrag auch in dem anderen Verfahren zur Ausschüttung an den jeweiligen Gläubiger zur Verfügung stand. Das englische Gericht sprach dem trustee die Befugnis zum Abschluss dieser Vereinbarung zu, obwohl vorgebracht worden war, dass weder das englische noch das indische Insolvenzrecht eine Bestimmung enthielt, die den Abschluss einer derartigen Vereinbarung gestattete. Zur Begründung führte das Gericht an, dass die Vereinbarung ein „proper and common-sense b­ usiness arrangement“ darstelle und ihr Abschluss allen beteiligten Parteien zum Vorteil gereichen werde.584 In neuerer Zeit wurde eine entsprechende Vereinbarung erstmals in der Insolvenz der Maxwell Communication Corporation getroffen.585 Diese war eine englische Holdinggesellschaft mit weltweit mehr als 400 Tochtergesellschaften. Etwa 75 % des Vermögens der Holding bestand aus amerikanischen Tochterunternehmen. Als die Holding in finanzielle Schwierigkeiten geriet, befürchtete das Management der Gesellschaft, dass in England ein Insolvenzverfahren eröffnet würde, bei dem die Führung der Gesellschaft auf einen vom Gericht bestellten Verwalter übergeht. Sie beantragte daher in New York die Durchführung eines Verfahrens nach Chapter 11 des U. S. Bankruptcy Code, da in einem solchen Verfahren regelmäßig das Unternehmen vom Management der schuldnerischen Gesellschaft fortgeführt wird (sog. debtor in possession), wenn auch in einigen Fällen unter Aufsicht eines gerichtlich bestellten examiners. Zugleich stellten aber Gläubiger der Gesellschaft in England Insolvenzantrag, wo dann auch ein administrationVerfahren eröffnet wurde. Trotz des in England eröffneten Verfahrens gab auch das New Yorker Gericht dem Antrag der Geschäftsführung der Schuldnergesellschaft statt. Es waren also parallele Insolvenzverfahren über das Vermögen derselben Gesellschaft sowohl in England als auch in den USA eröffnet worden,586 und beide Verfahren erhoben den Anspruch, das gesamte Vermögen dieser Gesellschaft zu erfassen.587 Um die Verfahren aufeinander abzustimmen und so langwierige und kostenintensive Gerichtsverfahren zu Lasten des Vermögens der Gesellschaft und 584

In re P. Macfadyen Co. ex parte Vizianagaram Company Ltd., [1908] 1 K. B. 675. Flaschen/Silverman, 33 Tex. Int’l L. J. 587, 590 (1998). 586 Der Sachverhalt der Maxwell-Insolvenz wird geschildert bei Flaschen/Silverman, in: Ziegel, Current Developments in International and Comparative Corporate Insolvency Law (1994), 621, 624 f.; dies., 33 Tex. Int’l L. J. 587, 590 f. (1998); Göpfert, ZZPInt 1 (1996), 269, 270 ff.; Reinhart, Sanierungsverfahren im internationalen Insolvenzrecht (1995), 270 ff.; Paulus, ZIP 1998, 977, 979. 587 Reinhart, Sanierungsverfahren im internationalen Insolvenzrecht (1995), S. 272. 585

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B. Abwicklung von Konzerninsolvenzen auf Grundlage des geltenden Rechts

damit auch ihrer Gläubiger zu vermeiden, schlossen der im amerikanischen Verfahren eingesetzte examiner sowie die englischen joint administrators eine Vereinbarung (sog. protocol), in der sie sich zu einer vertrauensvollen Zusammenarbeit verpflichteten. Zudem wurde in dieser Vereinbarung die Besetzung der Leitungsorgane der Tochtergesellschaften der Holding geregelt, ferner wurden auch Zustimmungserfordernisse bezüglich der Aufnahme von Krediten, der Veräußerung von Aktiva außerhalb des gewöhnlichen Geschäftsverlaufes oder der Vorlage eines Sanierungsplanes vereinbart.588 Diese Vereinbarung wurde sodann sowohl von dem englischen als auch dem amerikanischen Gericht durch eine order bestätigt.589 Gleichzeitig erkannte das amerikanische Gericht die englischen joint adminis­ trators als Geschäftsführer der Holding an und verpflichtete den amerikanischen examiner ausdrücklich dazu, auf eine Abstimmung beider Verfahren hinzuwirken.590 Durch diese Anerkennung der englischen administrators als Geschäftsführer der schuldnerischen Gesellschaft sowie die von beiden Gerichten bestätigte Vereinbarung zwischen diesen administrators und dem amerikanischen examiner wurde eine koordinierte Abwicklung beider Verfahren erreicht. In Anlehnung an dieses Vorgehen in der Insolvenz der Maxwell Communication Corporation wurden auch in weiteren Fällen, in denen über das Vermögen des­ selben Schuldners in verschiedenen Staaten Insolvenzverfahren eröffnet wurden, protocols zur Koordination dieser Verfahren abgeschlossen.591 Vertragliche Vereinbarungen könnten nun auch im Rahmen einer Konzern­ insolvenz zur Verfahrenskoordination eingesetzt werden. Denn auch hier kommt es zu mehreren parallelen Insolvenzverfahren, die aus wirtschaftlicher Sicht ein einheitliches Unternehmen betreffen, auch wenn diese Verfahren im Unterschied zu den geschilderten Fällen über das Vermögen unterschiedlicher Schuldner eröffnet werden. Deshalb erscheint es auf den ersten Blick auch bei einer Konzerninsolvenz sinnvoll, Verfahrenshandlungen in den jeweiligen Einzelverfahren mittels 588 Der Wortlaut dieser Vereinbarung ist abgedruckt bei Flaschen/Silverman, in: Ziegel, Current Developments in International and Comparative Corporate Insolvency Law (1994), 621, 639 f. 589 Die entsprechende order des in den USA zuständigen United States Bankruptcy Court Southern District of New York vom 20. Dezember 1991 ist abgedruckt bei Flaschen/Silverman, in: Ziegel, Current Developments in International and Comparative Corporate Insolvency Law (1994), 621, 636 ff.; die Zustimmung beider Gerichte wird gleichfalls geschildert bei Reinhart, Sanierungsverfahren im internationalen Insolvenzrecht (1995), S. 272; Göpfert, ZZPInt 1 (1996), 269, 274. 590 Vgl. order des United States Bankruptcy Court Southern District of New York vom 20. Dezember 1991, abgedruckt bei Flaschen/Silverman, in: Ziegel, Current Developments in International and Comparative Corporate Insolvency Law (1994), 621, 636 ff. 591 Siehe die Darstellung weiterer Verfahren bei Flaschen/Silverman, 33 Tex. Int’l L. J. 587, 592 ff. (1998); Paulus, ZIP 1998, 977, 979; Leonard, 33 Tex. Int’l L. J. 543, 548 ff. (1998); eine Zusammenstellung der Originaltexte der protocols verschiedener grenzüberschreitender Insolvenzverfahren findet sich bei Wittinghofer, Der nationale und internationale Insolvenzverwaltungsvertrag (2004), S. 411 ff.

III. Absprachen zwischen Verwaltern und Gerichten

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Verträgen aufeinander abzustimmen, um so eine höhere Quote für die Gläubiger zu erzielen. In Betracht kommen beispielsweise Regelungen über die Verwertung der Insolvenzmasse, die Ausübung von Stimmrechten aus zur Masse gehörenden Gesellschaftsanteilen, die Vorlage und den Inhalt der in den einzelnen Verfahren eingebrachten Insolvenzpläne, die Ausübung des Wahlrechts bei gegenseitigen Verträgen oder die Geltendmachung von Anfechtungsansprüchen. Inhaltlich bieten sich bezüglich dieser Handlungen vor allem Informations- oder Zustimmungsrechte an.592 a) Insolvenzverwaltungsverträge bei mehreren in Deutschland eröffneten Insolvenzverfahren Eine identische Übernahme dieser im anglo-amerikanischen Rechtskreis entwickelten und praktizierten Art des Vertragsschlusses in das deutsche Insolvenzrecht ist allerdings nicht möglich. Denn die Bestätigung eines zwischen den in parallelen Insolvenzverfahren bestellten Verwaltern ausgehandelten Vertrages durch das Insolvenzgericht mit der Folge, dass diese Vereinbarung nunmehr verbindlich die Abwicklung beider Verfahren festlegt, lässt die I­nsO nicht zu.593 Dem Insolvenzgericht kommt nach der ­InsO vor allem eine Aufsichtsfunktion zu, es kann aber nicht mittels einzelner Anordnungen im eröffneten Insolvenzverfahren gestaltend auf den Verfahrensablauf einwirken. So ist beispielsweise die Genehmigung einzelner Verwertungshandlungen durch das Insolvenzgericht in der ­InsO nicht vorgesehen, vielmehr obliegt dies ausschließlich den Gläubigern.594 Im US-amerikanischen Insolvenzrecht hingegen steht dem Gericht hier ein relativ weiter Gestaltungsspielraum zu.595 Da somit ein Zusammenwirken von Insolvenzverwalter und Insolvenzgericht bei dem Abschluss eines Insolvenzverwaltungsvertrages nach deutschem Recht ausscheidet, kann ein Vertrag hier nur entweder zwischen den Insolvenzverwaltern oder den Insolvenzgerichten zweier oder mehrerer paralleler Insolvenzverfahren geschlossen werden. 592 Zum denkbaren Inhalt solcher Vereinbarungen Eidenmüller, ZZP 114 (2001), 3, 11; ders., ZHR 169 (2005), 528, 543; Deyda, Der Konzern im europäischen internationalen Insolvenzrecht (2008), S. 161; Wittinghofer, Der nationale und internationale Insolvenzverwaltungsvertrag (2004), S. 59 ff. 593 Ehricke, WM 2005, 397, 404; Vallender, KTS 2008, 59, 66. 594 Vgl. §§ 157, 160 ff. ­InsO, wonach der Gläubigerausschuss bzw. die Gläubigerversammlung den für das Insolvenzverfahren bedeutsamen Handlungen des Insolvenzverwalters zustimmen müssen. 595 Vgl. 11 U. S. C. § 105 (a): „The court may issue any order, process or judgement that is necessary or appropriate to carry out the provisions of this title“; auf die weitreichenden Befugnisse der anglo-amerikanischen Richter weist auch Wimmer, ZIP 1997, 2220, 2223 hin. Nach Paulus, ZIP 1998, 977, 981 ist dieser Freiraum der Verfahrensbeteiligten im anglo-amerikanischen Recht darauf zurückzuführen, dass das Insolvenzrecht dort zur equity zählt.

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B. Abwicklung von Konzerninsolvenzen auf Grundlage des geltenden Rechts

aa) Verträge zwischen mehreren Insolvenzverwaltern Den Verträgen zwischen den für die einzelnen Gesellschaften bestellten Insolvenzverwaltern dürfte für die Koordination der Einzelverfahren die größere Bedeutung zukommen, da der Insolvenzverwalter die zentralen Entscheidungen bei der Abwicklung des Verfahrens trifft. Allerdings wirft die rechtliche Beurteilung eines solchen Vertrages zahlreiche Schwierigkeiten auf. (1) Vertragsparteien eines zwischen Insolvenzverwaltern abgeschlossenen Vertrages Zunächst ist fraglich, wer genau Partei eines solchen Vertrages ist und damit aus ihm berechtigt bzw. verpflichtet wird. In Betracht kommt zum einen der Insolvenzverwalter persönlich, zum anderen aber auch der Insolvenzschuldner.596 Denn mit der Eröffnung des Insolvenzverfahrens geht gem. § 80 Abs. 1 ­InsO die Verwaltungs- und Verfügungsbefugnis über das zur Insolvenzmasse gehörende Vermögen auf den Insolvenzverwalter über. Verfügungen des Insolvenzverwalters über die zur Insolvenzmasse gehörenden Gegenstände treffen damit unmittelbar und endgültig den Insolvenzschuldner, „nicht anders, als wenn er selbst […] verfügt hätte“.597 Über die in § 80 Abs. 1 ­InsO ausdrücklich normierte Verfügungsbefugnis des Verwalters hinaus ist aber anerkannt, dass der Insolvenzverwalter den Schuldner auch schuldrechtlich binden kann,598 ihm also zusätzlich zur Verfügungsbefugnis auch eine „Verpflichtungsbefugnis“599 zusteht. Eine Verbindlichkeit, „die der Insolvenzverwalter als solcher im Verkehr mit Dritten begründet“, ist gem. § 55 Abs. 1 Nr. 1 ­InsO Masseverbindlichkeit.600 Neben den aus einem Rechtsgeschäft resultierenden Primäransprüchen zählen auch Sekundäransprüche wegen einer Vertragsverletzung zu den Masseverbindlichkeiten nach § 55 Abs. 1 Satz 1 ­InsO.601 Schließt der Insolvenzverwalter mit dem Verwalter eines Parallelverfahrens über das Vermögen einer anderen Konzerngesellschaft einen Vertrag über die Art und Weise der Verfahrensabwicklung und die Verwertung der jeweiligen Insolvenzmasse, so ist zu klären, ob er durch diesen Vertragsschluss sich selbst oder die schuldnerische Gesellschaft als Trägerin der Insolvenz-

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Eidenmüller, ZZP 114 (2001), 3, 11 f. Ott/Vuia, Münchener Komm. z. ­InsO, § 80 Rdn. 8. 598 Ott/Vuia, Münchener Komm. z. I­nsO, § 80 Rdn. 8; Jaeger/Windel, Komm. z. I­nsO, § 80 Rdn. 7; Uhlenbruck/Uhlenbruck, Komm. z. ­InsO, § 80 Rdn. 83. 599 So Jaeger/Windel, Komm. z. ­InsO, § 80 Rdn. 44. 600 Jaeger/Henckel, Komm. z. ­InsO, § 55 Rdn. 6; zu der umstrittenen Frage, ob der Schuldner nach Beendigung des Insolvenzverfahrens für die vom Insolvenzverwalter für ihn begründeten Verbindlichkeiten unbeschränkt oder nur mit dem zur Insolvenzmasse gehörenden Vermögen haftet siehe Jaeger/Windel, Komm. z. ­InsO, § 80 Rdn. 44 m. w. N. 601 Jaeger/Henckel, Komm. z. ­InsO, § 55 Rdn. 8. 597

III. Absprachen zwischen Verwaltern und Gerichten

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masse602 verpflichtet. Diese Frage ist vor allem im Hinblick auf die Haftung für eine Verletzung dieses Vertrages sowie die Bindung eines neuen Verwalters an den von seinem Vorgänger abgeschlossenen Vertrag von Bedeutung. Teilweise wird davon ausgegangen, dass der Insolvenzverwalter selbst Partei eines von ihm abgeschlossenen Insolvenzverwaltungsvertrages wird. Denn Absprachen über die Vornahme von Verwertungshandlungen, die Vorlage eines Insolvenzplans, die Ausübung von Wahlrechten oder die Geltendmachung von Anfechtungsansprüchen beträfen ausschließlich die sich aus der I­ nsO für den Insolvenzverwalter selbst ergebenden Rechte und Pflichten.603 Eine andere Ansicht differenziert hingegen nach der vom jeweiligen Verwalter versprochenen Handlung. Eine Verpflichtung des Schuldners sei unter zwei Voraussetzungen anzunehmen. Zum einen müsse der Insolvenzverwalter eine Leistung versprechen, die er nur unter Rückgriff auf seine Verwaltungs- und Verfügungsbefugnis erbringen kann und die somit auch vom Schuldner, wäre er noch verwaltungs- und verfügungsbefugt, erbracht werden könnte. Zum anderen müsse er bei Abschluss des Vertrages, durch welchen er eine solche „massebezogene Verpflichtung“ übernimmt, auch mit dem Willen zur Verpflichtung der Masse handeln, was in den genannten Fällen jedoch zu vermuten sei.604 Wenn sich der Verwalter aber hinsichtlich der Ausübung seiner „insolvenztypischen“ Befugnisse, beispielsweise der Ausübung des Anfechtungsrechts nach den §§ 129 ff. ­InsO oder des Erfüllungswahlrechts nach den §§ 103 ff. ­InsO, bindet, so sei er persönlich verpflichtet. Denn die Befugnis zu diesen Handlungen stünde „allein dem Verwalter, niemals aber dem Gemeinschuldner“ zu.605 Werden in dem Insolvenzverwaltungsvertrag Informations- und Konsultationspflichten übernommen, so müsse danach unterschieden werden, ob sich diese Pflichten auf massebezogene Handlungen des Insolvenzverwalters bezögen oder nicht. Betreffe die Pflicht eine massebezogene Handlung, so werde der Schuldner verpflichtet. Wenn die Informations- bzw. Konsultationspflicht aber Handlungen betrifft, die der Schuldner, wäre er noch verwaltungs- und verfügungsbefugt, nicht vornehmen könnte, so sei der Insolvenzverwalter persönlich verpflichtet.606 Die aus dem Insolvenzverwaltungsvertrag 602 Der Schuldner bleibt auch nach Verfahrenseröffnung Eigentümer der zur Insolvenzmasse gehörenden Vermögensgegenstände, vgl. Uhlenbruck/Uhlenbruck, Komm. z. ­InsO, § 80 Rdn. 2; Ott/Vuia, Münchener Komm. z. ­InsO, § 80 Rdn. 11. 603 Eidenmüller, ZZP 114 (2001), 3, 12; ebenso Brünkmans, Die Koordinierung von Insolvenzverfahren konzernverbundener Unternehmen (2009), S. 179 f., der lediglich im Falle der Vereinbarung von Ausgleichszahlungen für Verluste, die z. B. durch einen Verzicht auf Anfechtungsansprüche gegenüber anderen Konzerngesellschaften entstehen, eine Verpflichtung des Insolvenzschuldners und damit eine Masseverbindlichkeit annehmen will; auch Ehricke, FS 75 Jahre Max-Planck-Institut für Privatrecht (2001), 337, 359 sowie ders., WM 2005, 397, 403 geht, allerdings ohne weitere Begründung, davon aus, dass der Insolvenzverwalter durch einen Insolvenzverwaltungsvertrag ausschließlich persönlich verpflichtet wird. 604 Wittinghofer, Der nationale und internationale Insolvenzverwaltungsvertrag (2004), S. 89 ff. 605 Wittinghofer, Der nationale und internationale Insolvenzverwaltungsvertrag (2004), S. 100 (Hervorhebung im Original). 606 Wittinghofer, Der nationale und internationale Insolvenzverwaltungsvertrag (2004), S. 107 f.

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B. Abwicklung von Konzerninsolvenzen auf Grundlage des geltenden Rechts

entstehenden Ansprüche fielen aber in jedem Fall in die Masse, unabhängig davon, wer Schuldner der korrespondierenden Verbindlichkeit sei.607 Die Annahme einer generellen persönlichen Verpflichtung des Verwalters unter Hinweis darauf, dass sich die Absprache auf die Ausübung der persönlichen Befugnisse des Verwalters beziehe, erscheint in dieser Allgemeinheit nicht zutreffend. Dies zeigt schon das von einem Vertreter dieser Ansicht angeführte Beispiel, in welchem ein Insolvenzverwalter seinem Vertragspartner als Gegenleistung für eine bestimmte Ausübung seiner Befugnisse die Zahlung eines Geldbetrages verspricht. Hier wird angenommen, dass die schuldrechtliche Verpflichtung zur Zahlung den Verwalter persönlich betreffe, da sie sich auf die Ausübung seiner aus § 80 Abs. 1 ­InsO folgenden Rechtsmacht beziehe. Erfüllt werde diese Verpflichtung aber durch ein Rechtsgeschäft, welches gem. § 80 Abs. 1 ­InsO Wirkung für den Schuldner entfalte.608 Wenn aber der Insolvenzverwalter persönlich durch das schuldrechtliche Geschäft gebunden und diese Verpflichtung durch eine Verfügung zu Lasten des Insolvenzschuldners und damit aus der Insolvenzmasse erfüllt wird, so besteht zwischen dem Insolvenzschuldner als dem Träger der Insolvenzmasse und dem durch die Verfügung Begünstigten bzw. bei einer Leistung auf die Verbindlichkeit des Insolvenzverwalters zwischen diesem und dem Insolvenzschuldner kein Rechtsgrund für die erbrachte Leistung. Denn der schuldrechtliche Vertrag besteht nur zwischen dem Insolvenzverwalter persönlich und dem Begünstigten. Der Insolvenzmasse stünde somit ein Kondiktions- bzw. Rückgriffsanspruch zu, entweder gegenüber dem Insolvenzverwalter oder dem Begünstigten.609 Dementsprechend wird bei dem Verkauf eines zur Insolvenzmasse gehörenden Gegenstandes auch der schuldrechtliche Anspruch des Käufers auf Übergabe und Übereignung als Masseverbindlichkeit eingestuft.610 Dies zeigt, dass allein daraus, dass die Vereinbarung die Befugnisse des Insolvenzverwalters betrifft, nicht zwingend auf eine persönliche Verpflichtung des Insolvenzverwalters geschlossen werden kann. Aber auch die Gegenansicht vermag nicht vollständig zu überzeugen. Denn sie will die Parteien des Insolvenzverwaltungsvertrages danach bestimmen, ob die vertraglich übernommene Pflicht vom Schuldner erfüllt werden könnte, wenn er noch verwaltungs- und verfügungsbefugt wäre, oder ob ausschließlich der Insolvenzverwalter zur Erfüllung in der Lage wäre. Dieser Schluss von der Möglichkeit zur Erfüllung einer Pflicht auf die Parteien des diese Verpflichtung begründenden Vertrages erscheint allerdings problematisch. Denn die Regelung des § 311a 607

Wittinghofer, Der nationale und internationale Insolvenzverwaltungsvertrag (2004), S.  111 ff. 608 Eidenmüller, ZZP 114 (2001), 3, 12. 609 Dies gilt nur, sofern man nicht schon die Erfüllung einer den Insolvenzverwalter persönlich treffenden Verpflichtung mit Mitteln aus der Insolvenzmasse als insolvenzzweckwidrig und damit unwirksam ansieht. Zu dieser Grenze der Rechtsmacht des Insolvenzverwalters siehe unten B. III. 1. a) aa) (2) (a) (bb). 610 So Uhlenbruck/Sinz, Komm. z. ­InsO, § 55 Rdn. 8; Jaeger/Henckel, Komm. z. ­InsO, § 55 Rdn. 8.

III. Absprachen zwischen Verwaltern und Gerichten

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Abs. 1 BGB, wonach der Ausschluss der Leistungspflicht des Schuldners wegen Unmöglichkeit gem. § 275 BGB der Wirksamkeit eines Vertrages nicht entgegensteht, zeigt, dass sich eine Partei auch zu einer ihr unmöglichen Handlung verpflichten kann. Dementsprechend wird angenommen, dass der Insolvenzverwalter, der als solcher auftritt und die Verpflichtung zu einer Leistung begründet, die nur aus dem freien Vermögen des Schuldner erbracht werden kann, gleichwohl die Insolvenzmasse verpflichtet. Die Tatsache, dass er diese Verpflichtung nicht erfüllen kann, führe dann lediglich zum Entstehen von Schadensersatzansprüchen gegenüber der Masse.611 Vorzugswürdig erscheint es daher, die Frage, ob der Insolvenzverwalter bei einem Vertragsschluss als Privatmann handelt, der sich selbst vertraglich bindet, oder ob er für die Masse tätig wird und damit den Gemeinschuldner verpflichtet, „entsprechend den für § 164 BGB geltenden Auslegungsregeln zu lösen“. Damit entscheidet „[g]emäß §§ 133, 157 BGB […] vorrangig der objektive Erklärungswert“, wobei in Zweifelsfällen in entsprechender Anwendung des § 164 Abs. 2 BGB eine persönliche Verpflichtung des Insolvenzverwalters anzunehmen ist.612 Als Kriterien für diese Auslegung kommt zum einen die genaue Bezeichnung in Betracht, unter der der Insolvenzverwalter den Vertrag abschließt. So spricht für eine Verpflichtung des Gemeinschuldners und damit auch für das Entstehen einer Masseverbindlichkeit, wenn der Verwalter nicht nur mit seinem Namen, sondern auch mit einem Zusatz wie „Insolvenzverwalter über das Vermögen der […]“ bezeichnet wird.613 Denn die Wahl einer solchen Bezeichnung bringt den Willen des Verwalters zum Ausdruck, mit Wirkung für und gegen den Schuldner zu handeln. Neben dieser Bezeichnung, unter der der Insolvenzverwalter den Insolvenzverwaltungsvertrag abschließt, ist aber auch zu berücksichtigen, ob sich die übernommene Verpflichtung des Insolvenzverwalters für den Vertragspartner erkennbar auf Gegenstände bezieht, die im konkreten Fall zur Insolvenzmasse gehören oder zumindest realistischerweise gehören könnten.614 Im Unterschied zur

611

Jaeger/Windel, Komm. z. ­InsO, § 80 Rdn. 45. BGH, Urteil vom 24. Januar 1991, IX ZR 250/89, BGHZ 113, 262, 267 f. zur Einstellung von Hilfskräften durch den Insolvenzverwalter. 613 Vgl. BGH, Urteil vom 24. Januar 1991, IX ZR 250/89, BGHZ 113, 262, 268, wo der BGH aus der Tatsache, dass die für die Tätigkeit von Hilfspersonen gestellten Rechnungen an „Prof. Dr. F., Konkursverwalter der Firma B.-Werke KG“ sowie die „Firma B. KG i.K.“ gerichtet waren, auf eine Verpflichtung des Gemeinschuldners und damit eine Masseverbindlichkeit schloss. Ebenso Jaeger/Henckel, Komm. z. ­InsO, § 55 Rdn. 6, wonach alle diejenigen Verbindlichkeiten Masseverbindlichkeiten sind, die der Insolvenzverwalter „als solcher im Verkehr mit Dritten begründet“. 614 So wohl auch BGH, Urteil vom 24. Januar 1991, IX ZR 250/89, BGHZ 113, 262, 268, wonach bei der Auslegung der Willenserklärung des Verwalters berücksichtigt werden könne „ob das Geschäft nicht rein massebezogen ist sondern auch den Konkursverwalter persönlich betrifft“; weitergehend Häsemeyer, Insolvenzrecht, Rdn. 14.08, wonach „auch der objektive (nicht erkennbare) Abschluss für die Masse [genüge], um eine Masseverbindlichkeit entstehen zu lassen“, zudem hafte der Insolvenzverwalter in diesen Fällen entsprechend § 164 Abs. 2 612

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B. Abwicklung von Konzerninsolvenzen auf Grundlage des geltenden Rechts

oben genannten Ansicht ist dieser Massebezug aber nur als ein Indiz bei der Auslegung der Willenserklärung des Insolvenzverwalters zu berücksichtigen. Aus seinem Bestehen oder Fehlen kann hingegen nicht zwingend auf die Partei des Insolvenzverwaltungsvertrages geschlossen werden. Bei der Anwendung dieser Auslegungskriterien auf einen vom Insolvenz­ verwalter geschlossenen Insolvenzverwaltungsvertrag ergeben sich hinsichtlich der Bezeichnung, unter der der Verwalter den Vertrag abschließt, keine besonderen Schwierigkeiten. Problematischer erscheint hingegen das Kriterium des Massebezugs. Zu bejahen ist es jedenfalls, sofern sich der Insolvenzverwalter zur Übertragung eines erkennbar massezugehörigen Gegenstands oder Rechts verpflichtet. Gleiches dürfte auch für die Ausübung der Stimmrechte aus einem massezugehörigen Gesellschaftsanteil gelten. Hingegen dürfte es an einem Massebezug fehlen, sofern die Verpflichtung verfahrensrechtliche Befugnisse des Insolvenzverwalters gegenüber dem Insolvenzgericht betrifft, beispielsweise das Recht zur Vorlage eines Insolvenzplans gem. § 218 Abs. 1 Satz 2 Alt. 1 ­InsO oder das Recht zum Bestreiten angemeldeter Forderungen gem. § 178 Abs. 1 Satz 1 Alt. 1 ­InsO. Denn hierbei handelt es sich erkennbar nicht um Bestandteile des Vermögens des Schuldners (vgl. § 35 Abs. 1 ­InsO), sondern um dem Insolvenzverwalter als Amtsträger zustehende Befugnisse. Zweifelhaft erscheint ein Massebezug allerdings, soweit die betreffende Verpflichtung die Ausübung von Anfechtungsrechten gem. §§ 129 ff. ­InsO oder das Wahlrecht nach § 103 ­InsO betrifft. Teilweise wird davon ausgegangen, dass es sich bei diesen Rechten um allein dem Insolvenzverwalter zustehende Amtsrechte handelt, sodass bei einer vertraglichen Verpflichtung hinsichtlich dieser Rechte eine Erfüllbarkeit aus der Insolvenzmasse zu verneinen sei.615 Gegen diese Ansicht spricht aber, dass der Anfechtungsanspruch mit dem in § 143 ­InsO bestimmten Inhalt bereits mit Verwirklichung eines Anfechtungstatbestandes sowie der Eröffnung des Insolvenzverfahrens entsteht, ohne dass es einer Handlung des Insolvenzverwalters bedarf.616 Die Ausübung des „Anfechtungsrechts“ wird folglich auch nicht als Gestaltungsrecht verstanden, sondern in einer solchen Erklärung wird lediglich die Geltendmachung der Rechtsfolgen gesehen, die sich von selbst aus der gesetzlichen Regelung ergeben. Sie entspreche „funktional dem Verlangen des Berechtigten bei einem verhaltenen Anspruch“.617 Die BGB „notfalls auch persönlich“. Allerdings erscheint die Annahme einer Masseverbindlichkeit in diesem Fällen nicht überzeugend. Sofern der Vertragspartner ohne erkennbaren Massebezug mit dem Insolvenzverwalter kontrahiert, muss er sich hieran festhalten lassen und kann dann auch nur gegenüber dem Insolvenzverwalter persönlich vorgehen. Ein zusätzlicher Anspruch gegen die Insolvenzmasse erwiese sich hier für ihn als zufällig eintretender Glücksfall. Umgekehrt ist auch der Insolvenzverwalter nicht schutzwürdig, da er ein beabsichtigtes Handeln für die Masse klar zum Ausdruck bringen kann. 615 Wittinghofer, Der nationale und internationale Insolvenzverwaltungsvertrag (2004), S. 100 f. 616 Kirchhof, Münchener Komm. z. I­ nsO, Vorbemerkungen vor §§ 129 bis 147 Rdn. 38; Uhlenbruck/Hirte, Komm. z. ­InsO, § 129 Rdn. 4; ebenso unter Geltung der KO BGH, Urteil vom 3. Dezember 1954, V ZR 96/53, BGHZ 15, 333, 337. 617 Kirchhof, Münchener Komm. z. ­InsO, § 129 Rdn. 194.

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Anfechtung einer Rechtshandlung ist damit als Verfolgung eines zur Insolvenzmasse gehörenden Anspruchs zu verstehen. Dementsprechend wird das „Anfechtungsrecht“ auch nicht als besondere, dem Insolvenzverwalter als Amtsperson zustehende Befugnis begriffen, sondern als ein in der Insolvenzmasse gebündeltes Recht, das der Verfügungsbefugnis des Insolvenzverwalters untersteht.618 Damit ist ein Massebezug also auch bei einer Verpflichtung bezüglich eines Anfechtungsrechts gegeben. Gleiches dürfte auch für das Wahlrecht gem. § 103 ­InsO gelten. Denn mit der Wahl der Erfüllung eines bei Verfahrenseröffnung noch nicht (vollständig) erfüllten Vertrages entscheidet der Insolvenzverwalter über die Durchsetzbarkeit der aus diesem Vertrag resultierenden Ansprüche gegenüber der Insolvenzmasse.619 Damit bezieht sich dieses Wahlrecht ebenso wie die Ausübung des Anfechtungsrechts auf einen zur Insolvenzmasse gehörenden Vermögenswert des Schuldners. Entsprechend der Einordnung des Anfechtungsrechts ist folglich auch bezüglich des Wahlrechts nach § 103 ­InsO anzunehmen, dass dieses Recht selbst zur Insolvenzmasse zählt und der Verfügungsbefugnis des Insolvenzverwalters untersteht. Schließlich könnte der Massebezug auch zu verneinen sein, sofern der Insolvenzverwalter Informationspflichten gegenüber dem Verwalter eines Parallel­ verfahrens übernimmt. Denn Kenntnisse können nur einer natürlichen Person zustehen, nicht aber der Insolvenzmasse als Sondervermögen. Allerdings wird der Insolvenzverwalter bei Masseverbindlichkeiten auch als verpflichtet angesehen, dem Gläubiger die zur Durchsetzung seines Anspruchs erforderlichen Auskünfte zu erteilen.620 Ferner wird für den Auskunftsanspruch des Aussoderungsberechtigten hinsichtlich des Verbleibs, des Zustands oder einer etwaigen Verarbeitung des Aussonderungsgutes621 angenommen, dass dieser Anspruch mit der eigent­lichen Aussonderungsklage im Wege der Stufenklage gem. § 254 ZPO verbunden werden kann.622 Die Klage auf Aussonderung ist aber gegen den Insolvenzverwalter als Partei kraft Amtes zu richten.623 Hieraus ergibt sich, dass ein Massebezug zumindest dann zu bejahen sein dürfte, wenn der Insolvenzverwalter sich zur Information hinsichtlich eines massezugehörigen Gegenstandes oder eines masse­ 618

Kirchhof, Münchener Komm. z. ­InsO, § 129 Rdn. 191; ebenso Kreft, Heidelberger Komm. z. ­InsO, § 129 Rdn. 85. 619 Siehe BGH, Urteil vom 25. April 2002, IX ZR 313/99, BGHZ 150, 353, 359, wonach bei einem bei Verfahrenseröffnung noch nicht vollständig erfüllten gegenseitigen Vertrag die Vertragspartner „ihre noch ausstehenden Erfüllungsansprüche, soweit es sich nicht um Ansprüche auf die Gegenleistung für schon erbrachte Leistungen handelt, nicht durchsetzten können“ und diesen Ansprüchen erst mit der Erfüllungswahl des Verwalters „die Rechtsqualität von originären Masseverbindlichkeiten und -forderungen beigelegt“ werde; ebenso Kreft, Münchener Komm. z. ­InsO, § 103 Rdn. 13; Uhlenbruck/Wegener, Komm. z. ­InsO, § 103 Rdn. 8. 620 Hefermehl, Münchener Komm. z. ­InsO, § 55 Rdn. 64. 621 Siehe zu diesem Anspruch Uhlenbruck/Brinkmann, Komm. z. ­InsO, § 47 Rdn. 103 ff.; Ganter, Münchener Komm. z. ­InsO, § 47 Rdn. 460 ff. 622 Ganter, Münchener Komm. z. ­InsO, § 47 Rdn. 472. 623 Ganter, Münchener Komm. z. ­InsO, § 47 Rdn. 478.

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zugehörigen Rechts verpflichtet. Dies gilt dann auch bei Informationspflichten hinsichtlich der Ausübung von Anfechtungsrechten nach §§ 129 ff. ­InsO oder dem Wahlrecht nach § 103 ­InsO, da ein Massebezug auch bei anderen Verpflichtungen hinsichtlich dieser Rechte zu bejahen ist.624 Lediglich bei Informationspflichten hinsichtlich verfahrensbezogener Befugnisse des Insolvenzverwalters gegenüber dem Insolvenzgericht wie beispielsweise dem Recht zur Vorlage eines Insolvenzplans gem. § 218 Abs. 1 Satz 2 Alt. 1 ­InsO oder dem Recht zum Bestreiten an­ gemeldeter Forderungen gem. § 178 Abs. 1 Satz 1 Alt. 1 ­InsO dürfte ein Masse­ bezug zu verneinen sein. Im Ergebnis ist damit für einen Großteil der in einem Insolvenzverwaltungsvertrag denkbaren Verpflichtungen ein Bezug zur Insolvenzmasse zu bejahen. Dies spricht im Rahmen der Auslegung der Willenserklärung des Insolvenzverwalters für eine Verpflichtung des Insolvenzschuldners und damit für das Entstehen einer Masseverbindlichkeit. Daneben ist bei der Auslegung aber auch die Bezeichnung, unter der der Insolvenzverwalter einen Insolvenzverwaltungsvertrag abschließt, zu berücksichtigen. Sofern es an einem Massebezug fehlt, der Insolvenzverwalter den Vertrag aber, wie es bei einem Insolvenzverwaltungsvertrag regelmäßig der Fall sein wird, unter eindeutiger Bezugnahme auf seine Stellung als Amts­ träger abschließt, dürfte dennoch von einer Verpflichtung des Insolvenzschuldners auszugehen sein. Damit wird eine Auslegung der Willenserklärung des Insolvenz­ verwalters im Regelfall zu einer Verpflichtung des Insolvenzschuldners und damit dem Entstehen von Masseverbindlichkeiten führen. (2) Zulässigkeit des Abschlusses eines Insolvenzverwaltungsvertrages Bei der Beurteilung der Zulässigkeit des Abschlusses eines Insolvenzverwaltungsvertrages ist zunächst danach zu unterscheiden, ob die Vertragsparteien ein von den Regelungen der I­ nsO abweichendes Verfahren vereinbaren (sog. „Normdisposition“) oder ob sie sich lediglich dazu verpflichten, die ihnen von der ­InsO gewährten Befugnisse in einer bestimmten Art und Weise auszuüben (sog. „Befugnisdisposition“).625 Die Vereinbarung eines von den Regelungen der I­nsO abweichenden Verfahrens wäre nur zulässig, wenn die Vorschriften der ­InsO dispositives Recht darstellten. Aus § 217 ­InsO, der im Rahmen eines Insolvenzplanverfahrens für einzelne Bereiche eine Abweichung von den Regelungen der I­ nsO zulässt, ergibt sich aber im Umkehrschluss, das die Vorschriften der I­ nsO grundsätzlich zwingendes Recht sind. So hat denn auch der BGH die Regelung eines 624 Anders allerdings Wittinghofer, Der nationale und internationale Insolvenzverwaltungsvertrag (2004), S. 107 ff. auf Grundlage der Annahme, das bei Verpflichtungen hinsichtlich der Anfechtungsrechte nach den §§ 129 ff. ­InsO oder des Wahlrechts nach § 103 ­InsO ein Masse­ bezug zu verneinen sei. 625 Diese Unterscheidung sowie die hierfür verwendeten Begriffe wurden von Wagner, Prozessverträge (1998), S. 57 für Verträge im Rahmen eines Zivilprozesses entwickelt.

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von den §§ 174 ff. ­InsO abweichenden Verfahrens für die Anmeldung und Feststellung von Forderungen in einem Insolvenzplan für unzulässig gehalten, da die §§ 174 ff. ­InsO nicht zu den plandispositiven Vorschriften zählen.626 Folglich kann der Abschluss eines Insolvenzverwaltungsvertrages allenfalls zulässig sein, wenn sich die Parteien dieses Vertrages hinsichtlich der Ausübung ihrer von der ­InsO gewährten Befugnisse verpflichten. Bei der Beurteilung der Zulässigkeit einer solchen Vereinbarung ist dann danach zu differenzieren, ob der Insolvenzschuldner oder aber der Insolvenzverwalter persönlich Partei des Vertrages wird. (a) Der Insolvenzschuldner als Partei des Insolvenzverwaltungsvertrages Ergibt eine Auslegung des Vertrages anhand der oben genannten Kriterien, dass der Insolvenzschuldner Vertragspartei wurde und damit die vertraglich übernommenen Pflichten gem. § 55 Abs. 1 Nr. 1 ­InsO Masseverbindlichkeiten sind, so ist der Insolvenzverwalter grundsätzlich kraft der ihm zustehenden Rechtsmacht, den Insolvenzschuldner rechtsgeschäftlich zu binden, zum Abschluss dieses Vertrages befugt.627 (aa) Befugnis des Insolvenzverwalters zur Begründung von Informationspflichten und Zustimmungsrechten zu Lasten der Insolvenzmasse Allerdings erscheint fraglich, ob es diese Befugnis dem Insolvenzverwalter auch ermöglicht, zu Lasten der Insolvenzmasse Informationspflichten oder Zustimmungsrechte zu Gunsten des anderen Vertragsteils zu begründen. Hinsichtlich eines Zustimungsrechts könnten Bedenken bestehen, da im Falle der Verweigerung der Zustimmung durch den anderen Teil eine Verpflichtung zur Unterlassung der betreffenden Handlung bestünde. Ob eine Unterlassungspflicht aber eine Masseverbindlichkeit sein kann, wird teilweise bezweifelt, „weil der Verwalter sie auch bei Masseunzulänglichkeit (§§ 208 ff.) in vollem Umfang zu erfüllen“ hätte. Deshalb könnten lediglich Sekundäransprüche, die in Folge einer Verletzung der Unterlassungsverpflichtung entstehen, Masseverbindlichkeiten darstellen.628 Allerdings erscheint dieser Einwand nicht überzeugend. Denn sofern eine vom Insolvenzverwalter im Rahmen der Verwaltung der Insolvenz 626

BGH, Urteil vom 5. Februar 2009, IX ZB 230/07, NZI 2009, 230, 232 f. Zu dieser Befugnis des Insolvenzverwalters Ott/Vuia, Münchener Komm. z. I­nsO, § 80 Rdn. 8; Jaeger/Windel, Komm. z. ­InsO, § 80 Rdn. 44; Uhlenbruck/Uhlenbruck, Komm. z. ­InsO, § 80 Rdn. 83. 628 So Jaeger/Henckel, Komm. z. ­InsO, § 55 Rdn. 19; im Ergebnis ebenso, wenngleich ohne Hinweis auf eine eventuelle Masseunzulänglichkeit, Hefermehl, Münchener Komm. z. ­InsO, § 55 Rdn. 61, wonach sich Unterlassungsansprüche zwar gegen den Insolvenzverwalter richten könnten, es sich dabei aber nicht um „eigentliche Masseansprüche“ handele. 627

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masse begründete Unterlassungspflicht keine Masseverbindlichkeit darstellt und damit die Insolvenzmasse nicht bindet, käme nur der Insolvenzverwalter persönlich als Verpflichteter in Betracht. Dann aber leuchtet es kaum ein, Sekundäransprüche wegen einer Verletzung dieser Pflicht als Masseverbindlichkeiten einzuordnen und damit hinsichtlich des Schuldners zwischen Primär- und Sekundäranspruch zu differenzieren. Zudem kann die Anerkennung einer Unterlassungspflicht als Masseverbindlichkeit auch zum Schutz des Partners eines vom Insolvenzverwalter abgeschlossenen Vertrages geboten sein. So kann beispielsweise der Insolvenzschuldner vor Eröffnung des Insolvenzverfahrens einen Vertrag über den Kauf eines Grundstücks abgeschlossen haben, welcher neben einer Verpflichtung des Insolvenzschuldners zur Zahlung des Kaufpreises auch eine Verpflichtung enthält, eine bestimmte Nutzung des Grundstücks zu unterlassen und diese Verpflichtung bei einer Veräußerung an den Erwerber weiterzugeben.629 Ist dieser Vertrag bei Verfahrenseröffnung noch nicht erfüllt und wählt der Insolvenzverwalter angesichts des günstigen Kaufpreises gem. § 103 Abs. 1 ­InsO Erfüllung, so kann der Vertragspartner durchaus ein Interesse daran haben, die Unterlassungsverpflichtung auch in natura gegenüber der Insolvenzmasse durchzusetzen. Warum ihm in einem solchen Fall nur ein Schadensersatzanspruch gegen die Masse zustehen soll, ist nicht ersichtlich. Demzufolge ist davon auszugehen, dass der Insolvenzverwalter jedenfalls dann Unterlassungspflichten zu Lasten der Insolvenzmasse begründen kann, sofern sich diese auf massezugehörige Gegenstände oder Rechte beziehen.630 Den geschilderten Bedenken im Falle der Masseunzulänglichkeit kann dadurch Rechnung getragen werden, dass in diesem Fall ein als Masseverbindlichkeit anzusehender Unterlassungsanspruch entsprechend § 45 Satz 1 ­InsO in Geld umgerechnet und nach Maßgabe des § 209 ­InsO berichtigt wird, sofern ihm nach der Verkehrsanschauung ein Geldwert zukommt.631 629 So der Sachverhalt bei BGH, Urteil vom 10. Juli 2003, IX ZR 119/02, BGHZ 155, 371 f.; allerdings hatte hier der Vertragspartner der Insolvenzschuldnerin im Zeitpunkt der Verfahrenseröffnung bereits vollständig geleistet, weshalb der Vertrag nicht dem Erfüllungswahlrecht nach § 17 KO unterlag, vgl. BGH a. a. O. S. 374 ff. 630 Für die Einstufung einer vom Insolvenzverwalter begründeten vertraglichen Unterlassungspflicht als Masseverbindlichkeit gem. § 55 Abs. 1 Nr. 1 ­InsO auch K. Schmidt, KTS 2004, 241, 252; eine Bindung der Insolvenzmasse durch eine Unterlassungspflicht wohl ebenfalls für möglich haltend BGH, Urteil vom 10. Juli 2003, IX ZR 119/02, BGHZ 155, 371, 378: „Nach Ansicht des Senats spricht allerdings viel dafür, dass ein etwaiger Vermögenswert von Unterlassungsansprüchen […] eine Konkursforderung begründet, wenn diese Pflicht nicht die Insolvenzmasse bindet“ (Hervorhebung durch den Verfasser). 631 So wird beispielsweise für eine in einem vor Verfahrenseröffnung vom Insolvenzschuldner abgeschlossenen Grundstückskaufvertrag enthaltene Verpflichtung, auf dem Grundstück keine Parkplätze zu vermieten, eine Umrechnungsfähigkeit nach § 45 Satz 1 ­InsO bejaht, vgl. K. Schmidt, KTS 2004, 241, 256; Bitter, Münchener Komm. z. I­nsO, § 45 Rdn. 8; in diesem Fall wohl ebenso BGH, Urteil vom 10. Juli 2003, IX ZR 119/02, BGHZ 155, 371, 378: „Nach Ansicht des Senats spricht allerdings viel dafür, dass ein etwaiger Vermögenswert von Unterlassungsansprüchen – mindestens aber das Nichterfüllungsinteresse eines vertraglichen Unterlassungsgläubigers – eine Konkursforderung begründet, wenn diese Pflicht nicht die Insolvenzmasse bindet“.

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Alternativ könnte man auch annehmen, dass bei Masseunzulänglichkeit die Erfüllung der Unterlassungsverpflichtung rechtlich unmöglich wird, sofern andere nach Maßgabe des § 209 Abs. 1 ­InsO gleichrangige Masseverbindlichkeiten nicht mehr voll erfüllt werden können. Denn eine anteilige Kürzung ist bei einer Unterlassungspflicht nicht möglich, und eine vollständige Erfüllung muss, um dem Gläubiger keinen Vorteil gegenüber anderen Gläubigern zu verschaffen, gleichfalls ausscheiden. Dann wäre ein vom Gläubiger durch die Nichterfüllung erlittener Schaden zu beziffern. Diese Geldforderung könnte sodann nach Maßgabe des § 209 ­InsO befriedigt werden. Entsprechendes gilt dann auch für eine vom Insolvenzverwalter vertraglich begründete Auskunftspflicht, weshalb auch gegen die Begründung einer solchen Pflicht zu Lasten der Insolvenzmasse keine Bedenken bestehen. Damit ist der Insolvenzverwalter also auch zum Abschluss eines Insolvenz­ verwaltungsvertrages befugt, durch den zu Lasten der Insolvenzmasse Informationspflichten oder Zustimmungsrechte zu Gunsten des anderen Vertragsteils begründet werden. (bb) Zweck des Insolvenzverfahrens als Grenze der Verfügungsund Verpflichtungsbefugnis Allerdings besteht die Verfügungs- und Verpflichtungsbefugnis des Insolvenzverwalters nicht unbeschränkt. Ursprünglich nahm die Rechtsprechung an, dass Handlungen, die dem Insolvenzzweck offenbar zuwiderlaufen, bei denen also der Verstoß gegen den Zweck des Insolvenzverfahrens unter allen in Betracht kommenden Gesichtspunkten für jeden verständigen Menschen offensichtlich ist, schlechthin unwirksam sind.632 Die Verwaltungsbefugnis des Insolvenzverwalters sollte mithin durch den Zweck des Insolvenzverfahrens beschränkt sein.633 Mittlerweile geht der BGH davon aus, dass für die Frage, wann eine Rechtshandlung des Insolvenzverwalters unwirksam ist, die zum Missbrauch der Vertretungsmacht entwickelten Grundsätze heranzuziehen sind. Eine Unwirksamkeit ist danach erst gegeben, wenn die Handlung des Verwalters evident insolvenzzweckwidrig ist und sich „dem Geschäftspartner aufgrund der Umstände des Einzelfalls ohne weiteres begründete Zweifel an der Vereinbarkeit der Handlung mit dem Zweck des Insolvenzverfahrens aufdrängen

632 Vgl. noch zur Konkursordnung BGH, Urteil vom 8. Dezember 1954, VI ZR 189/53, WM 1955, 312; BGH, Urteil vom 3. Februar 1971, VIII ZR 94/69, WM 1971, 346, 347; BGH, Urteil vom 13. Januar 1983, III ZR 88/81, WM 1983, 500, 502; BGH, Urteil vom 28. Oktober 1993, IX ZR 21/93, NJW 1994, 323, 326. 633 So die Bewertung der bis zu diesem Zeitpunkt ergangenen Rechtsprechung bei BGH, Urteil vom 25. April 2002, IX ZR 313/99, BGHZ 150, 353, 360.

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mussten“.634 Durch diese Anknüpfung an die Grundsätze über den Missbrauch der Vertretungsmacht wird der Schutz des redlichen Geschäftspartners gestärkt, da die Erkennbarkeit des Verstoßes gegen den Verfahrenszweck für den Geschäftspartner im Rahmen der zuvor vertretenen Ansicht eine weniger starke Rolle gespielt hatte.635 Gerade im Hinblick auf diese stärkere Berücksichtigung der Interessen des Geschäftspartners des Insolvenzverwalters ist der neueren Rechtsprechung des BGH zuzustimmen. Bei der Beurteilung der Insolvenzzweckwidrigkeit wird überwiegend unter Verweis auf § 1 Satz 1 ­InsO die gemeinschaftliche, grundsätzlich gleichmäßige Befriedigung aller Gläubiger als Zweck des Insolvenzverfahrens angesehen.636 Allerdings muss berücksichtigt werden, dass die Beurteilung der Zweckmäßigkeit einer Maßnahme „Kernbestandteil der Verwalterautonomie“ ist.637 Dem wird durch das Kriterium der evidenten Insolvenzzweckwidrigkeit Rechnung getragen, so dass bei fehlender Evidenz auch unzweckmäßige oder unrichtige Verwaltungshandlungen wirksam sind.638 Beispiele für unwirksame Rechtshandlungen des In­ solvenzverwalters sind Schenkungen aus der Insolvenzmasse,639 die Verpflichtung des Insolvenzverwalters, einen Insolvenzgläubiger einem absonderungsberechtigten Gläubiger gleichzustellen640 oder die gesetzeswidrige Anerkennung von evident unberechtigten Aussonderungs-, Absonderungs- oder Vorzugsrechten.641 Denn hier wird, für den Vertragspartner deutlich erkennbar, der Insolvenzmasse ein finanzieller Nachteil zugefügt, welcher dem Zweck des Insolvenzverfahrens,

634 BGH, Urteil vom 25. April 2002, IX ZR 313/99, BGHZ 150, 353, 361; ebenso Spickhoff, KTS 2000, 15, 35; Ott/Vuia, Münchener Komm. z. I­ nsO, § 80 Rdn. 61; Preuß, NZI 2003, 625, 628. 635 So Jaeger/Windel, Komm. z. ­InsO, § 80 Rdn. 252, der zur Begründung dieser Aussage auf die Formulierung von Jauernig, FS Weber (1975), 307, 310 verweist, der es auf der Grundlage der ursprünglich vom BGH vertretenen Ansicht als unerheblich ansah, ob die Insolvenzzweckwidrigkeit gerade für den Geschäftsgegner erkennbar war, und stattdessen die evidente Insolvenzzweckwidrigkeit aus der Perspektive eines „juristischen homunculus“ beurteilen wollte. 636 So BGH, Beschluss vom 20. März 2008, IX ZR 68/06, NZI 2008, 365; Frege/Keller, NZI 2009, 11, 14; zur KO bereits BGH, Urteil vom 28. Oktober 1993, IX ZR 21/93, NJW 1994, 323, 326, wonach das Verwaltungs- und Verfügungsrecht des Konkursverwalters „dem Zweck der größtmöglichen und gleichmäßigen Befriedigung der Konkursgläubiger“ dient; allgemeiner Spickhoff, KTS 2000, 15, 28, der als Zweck des Insolvenzverfahrens die bestmögliche Verwertung des schuldnerischen Vermögens ansieht. 637 Jaeger/Windel, Komm. z. ­InsO, § 80 Rdn. 259; auf den Ermessensspielraum des Verwalters bei der Beurteilung der Zweckmäßigkeit einer Handlung weist auch BGH, Urteil vom 25. April 2002, IX ZR 313/99, BGHZ 150, 353, 360 hin. 638 BGH, Beschluss vom 20. März 2008, IX ZR 68/06, NZI 2008, 365. 639 Zur KO RG, Urteil vom 30. Mai 1892, VI 336/91, RGZ 29, 80, 82; RG, Urteil vom 16. Dezember 1902, III 437/02, RGZ 53, 190, 193; zur ­InsO Uhlenbruck/Uhlenbruck, Komm. z. ­InsO, § 80 Rdn. 154. 640 BGH, Urteil vom 25. April 2002, IX ZR 313/99, BGHZ 150, 353, 362 f. 641 Ott/Vuia, Münchener Komm. z. ­InsO, § 80 Rdn. 62; Uhlenbruck/Uhlenbruck, Komm. z. ­InsO, § 80 Rdn. 154.

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das Vermögen des Schuldners zur bestmöglichen und gleichmäßigen Befriedigung der Gläubiger einzusetzen, widerspricht. Diese Grundsätze sind auch beim Abschluss von Insolvenzverwaltungs­ verträgen, durch welche nach Maßgabe der dargelegten Auslegungsregeln Masse­ verbindlichkeiten begründet werden, zu beachten. Auch hier muss Verträgen, durch die offensichtlich ein finanzieller Nachteil für die Insolvenzmasse herbeigeführt wird, die Wirksamkeit versagt werden. So wäre beispielsweise die Vereinbarung, Anfechtungsansprüche gegenüber einer anderen Konzerngesellschaft nicht geltend zu machen oder trotz Nachteilen für die Insolvenzmasse die Erfüllung von Verträgen nach den §§ 103 ff. ­InsO zu wählen, unwirksam, sofern nicht der Insolvenzmasse hierfür ein Ausgleichsanspruch eingeräumt wird. Verpflichtet sich der Vertragspartner im Gegenzug ebenfalls, bestimmte Ansprüche nicht geltend zu machen, so schließt dies die evidente Insolvenzzweckwidrigkeit aus, wenn nicht trotz dieser Gegenleistung die Benachteiligung einer Masse offensichtlich ist. Hierbei ist den Insolvenzverwaltern allerdings ein gewisser Beurtei­ lungsspielraum eingeräumt, da die Unwirksamkeit nur bei einer evidenten Insolvenzzweckwidrigkeit eintritt. Ein offensichtlicher finanzieller Nachteil für die Insolvenzmasse ist aber auch gegeben, wenn zu Lasten der Masse eine Verpflichtung begründet wird, die aus der Masse typischerweise nicht erfüllt werden kann. Hierzu zählen Verpflichtungen, die ausschließlich dem Insolvenzverwalter zustehende, verfahrensbezogene Befugnisse betreffen, beispielsweise das Recht zum Widerspruch gegen angemeldete Forderungen gem. § 178 ­InsO oder das Recht zur Vorlage eines Insolvenzplans gem. § 218 ­InsO. Zwar ist die fehlende Erfüllbarkeit einer solchen Verpflichtung aus der Insolvenzmasse bereits im Rahmen der Auslegung des Insolvenzverwaltungsvertrages als ein Indiz für eine persönliche Verpflichtung des Insolvenzverwalters und damit gegen das Entstehen einer Masseverbindlichkeit zu berücksichtigen. Wenn allerdings aus den übrigen Umständen, beispielsweise weil der Insolvenzverwalter im Vertrag ausdrücklich als solcher bezeichnet oder das Entstehen einer Masseverbindlichkeit explizit vereinbart wird, klar ergibt, dass die Verpflichtungen aus dem Vertrag Masseverbindlichkeiten sein sollen, so ist für eine gegenteilige Auslegung kein Raum. Da eine Erfüllung aus der Insolvenzmasse aber offensichtlich ausscheidet, kann eine rechtsgeschäftliche Verpflichtung der Insolvenzmasse nur dazu dienen, den Insolvenzverwalter persönlich zu Lasten der Masse von Schadensersatzansprüchen gegenüber dem Vertragspartner freizustellen, sollte die Verpflichtung nicht erfüllt werden.642 Hier liegt der Widerspruch zum Zweck des Insolvenzverfahrens auf der Hand, weshalb ein solcher Vertrag in entsprechender Anwendung der Regeln über den Missbrauch der Vertretungsmacht unwirksam wäre. Denn die Besonderheit einer solchen Ver 642 Da in diesen Fällen eine Erfüllung der Verpflichtung aus der Insolvenzmasse anfänglich unmöglich ist, würde ein Schadensersatzanspruch des Vertragspartners gegenüber der Insolvenzmasse aus § 311a Abs. 2 BGB bestehen, sofern der Verwalter nicht die ausschließlich ihm als Amtsperson zustehenden Befugnisse entsprechend ausübt, obwohl er persönlich hierzu nicht verpflichtet wäre.

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einbarung liegt gerade darin, dass eine solche Befugnis nicht zur Insolvenzmasse gehören und damit die übernommene Verpflichtung niemals aus der Masse erfüllt werden kann. Damit unterscheidet sich dieser Fall von einem Vertrag, mit dem beispielsweise ein im konkreten Fall nicht zur Insolvenzmasse gehörender Gegenstand verkauft wird, der jedoch bei anderen tatsächlichen Voraussetzungen durchaus zur Insolvenzmasse gehören könnte. Neben diesen Fällen einer offensichtlichen finanziellen Benachteiligung einer der durch den Insolvenzverwaltungsvertrag verpflichteten Insolvenzmassen könnten weitere Konstellationen denkbar sein, in denen der Insolvenzverwaltungsvertrag wegen evidenter Insolvenzzweckwidrigkeit als unwirksam anzusehen wäre. Bedenklich erscheinen beispielsweise Vereinbarungen, in denen der Insolvenzverwalter zu Lasten der Insolvenzmasse die Verpflichtung begründet, eine Vielzahl von für das Verfahren bedeutsamen Rechtshandlungen nur mit Zustimmung des Vertragspartners vorzunehmen. Gleiches gilt für bestimmte im rechtswissenschaftlichen Schrifttum entwickelte Konzepte. So wird vorgeschlagen, in Anlehnung an den Gleichordnungskonzern gem. § 18 Abs. 2 AktG einen aus den Insolvenzverwaltern aller Konzerngesellschaften bestehenden „Lenkungsausschuss“ einzu­ setzen, der für die Abwicklung der Einzelverfahren bindende Vorgaben nach dem Mehrheitsprinzip beschließt.643 Ein ähnlicher Vorschlag geht dahin, dass sich die einzelnen Konzerngesellschaften zum Zwecke der Sanierung des gesamten Konzerns zu einer GbR zusammenschließen und damit wechselseitige Förderungsund Treuepflichten begründen.644 Selbst wenn solche Verträge zu Lasten der In­ solvenzmasse geschlossen werden, bewirken sie mittelbar eine Bindung des solvenzverwalters. Denn dieser hat Masseverbindlichkeiten aus der InsolIn­ venzmasse zu erfüllen, vgl. § 53 ­InsO. Werden durch entsprechende Verträge hinsichtlich einer Vielzahl von Handlungen des Insolvenzverwalters Zustimmungsrechte begründet, beispielsweise weil einem „Lenkungsausschuss“ entsprechende Kompetenzen übertragen oder Entscheidungen in einer aus mehreren Konzerngesellschaften bestehenden „Sanierungs-GbR“ nach dem Mehrheitsprinzip getroffen werden, so könnte dies das Gebot der höchtspersönlichen Amtsführung645 verletzen. Sofern die an einem solchen Vertrag beteiligten Konzerngesellschaften angesichts der regelmäßig bestehenden finanziellen Verflechtungen innerhalb des Konzerns in den Insolvenzverfahren ihrer jeweiligen Vertragspartner zugleich als Gläubiger auftreten, könnte die Einräumung von weitreichenden Zu 643

So Brünkmans, Die Koordinierung von Insolvenzverfahren konzernverbundener Unternehmen (2009), S. 170 ff., der allerdings die Vorgaben des „Lenkungsausschusses“ dann als nicht verbindlich ansehen will, wenn sie für eine der beteiligten Insolvenzmassen nachteilig sind und dieser Nachteil nicht durch Kompensationszahlungen aus den anderen Insolvenz­ massen ausgeglichen wird. 644 So Rotstegge, Konzerninsolvenz (2007), S. 369 ff., insbesondere S. 390 ff. 645 Zur Ableitung dieses Gebotes aus der von § 56 Abs. 1 Satz 1 I­ nsO angeordneten Bestellung einer natürlichen Person als Insolvenzverwalter sowie zur Abgrenzung von delegations­ fähigen zu nicht delegationsfähigen Aufgaben siehe oben B. II. 1. a) cc).

III. Absprachen zwischen Verwaltern und Gerichten

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stimmungs- oder Mitentscheidungsbefugnissen zu ihren Gunsten zudem die von § 56 Abs. 1 Satz 1 ­InsO geforderte Unabhängigkeit des Insolvenzverwalters beeinträchtigen. Sowohl das Gebot der höchtspersönlichen Amtsführung als auch das Er­ fordernis der Unabhängigkeit des Insolvenzverwalters dürften aber lediglich betroffen sein, sofern durch den Insolvenzverwaltungsvertrag besonders weitreichende Einflussmöglichkeiten begründet werden. So schließt es das Gebot der höchtspersönlichen Amtsführung nicht generell aus, dass der Insolvenzverwalter zur Verfahrens­abwicklung Hilfskräfte beizieht und ihnen sogar einzelne Aufgaben zur eigenverantwortlichen Erledigung überträgt.646 Unzulässig ist es aber, die Verfahrensabwicklung vollständig einem Dritten zu übertragen, der dann die anfallenden Entscheidungen selbständig trifft und einer Kontrolle durch den Verwalter weitgehend entzogen ist.647 Mit diesen Grundsätzen erscheint es unvereinbar, wenn der Insolvenzverwalter die gesamte Verfahrensabwicklung an Weisungen eines Dritten oder eines Gremiums, welches seine Entscheidungen nach dem Mehrheitsprinzip trifft, auszurichten hat. Denn hierdurch tritt dieser Dritte bzw. das betreffende Gremium faktisch an die Stelle des Insolvenzverwalters. Gleiches gilt hinsichtlich des Erfordernisses der Unabhängigkeit des Insolvenzverwalters von Gläubigern und Schuldnern. Zwar wird die Unabhängigkeit des Insolvenzverwalters nicht beeinträchtigt, sofern er einen von ihm begründeten Anspruch eines Gläubigers aus der Insolvenzmasse zu erfüllen hat. Allerdings dürfte der Insolvenzverwalter nicht mehr als unabhängig anzusehen sein, sofern er einem Gläubiger oder einem aus mehreren Gläubigern bestehenden Gremium weitreichende Zustimmungs- oder Weisungrechte einräumt und dadurch eine umfassende Steuerung der Verfahrensabwicklung ermöglicht. Sofern durch die in einem Insolvenzverwaltungsvertrag begründeten Verpflichtungen das Gebot der höchtspersönlichen Amtsführung verletzt oder die Unabhängigkeit des Insolvenzverwalters beeinträchtigt wird, ist der Vertrag als insolvenzzweckwidrig anzusehen. Denn dann ist die von der I­ nsO vorgesehene Abwicklung des Insolvenzverfahrens durch einen vom Gericht bestellten und von den Verfahrensbeteiligten unabhängigen Insolvenzverwalter nicht mehr gewährleistet. Diese reichend Insolvenzzweckwidrigkeit ist für den Vertragspartner regelmäßig hin­ deutlich erkennbar, weshalb ein solcher Vertrag entsprechend den Grundsätzen zum Missbrauch der Vertretungsmacht unwirksam wäre. Hierfür spricht auch, dass der BGH eine Vereinbarung zwischen Testamentsvollstrecker und Erben für unwirksam angesehen hat, in der sich der Testamentsvollstrecker verpflichtet hatte, keine Handlungen ohne vorherige Zustimmung der Erben vorzunehmen und sein Amt jederzeit auf Verlangen eines Miterben sofort niederzulegen. Denn diese Ver 646

Siehe oben B. II. 1. a) cc). Eickmann, KTS 1986, 197, 198; Graeber, NZI 2003, 569, 572; ders., Münchener Komm. z. ­InsO, § 56 Rdn. 152; Vallender, NZI 2005, 473, 476; Delhaes, in: Nerlich/Römermann, Komm. z. ­InsO, § 56 Rdn. 21. 647

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B. Abwicklung von Konzerninsolvenzen auf Grundlage des geltenden Rechts

einbarung würde den Testamentsvolltrecker in eine „mit der Natur seines Amtes unvereinbar[e]“ Stellung bringen, da er zum „Werkzeug in der Hand der Mit­ erben“ gemacht würde und somit die Testamentsvollstreckung nur noch als „leere Form“ bestünde.648 Obgleich diese Entscheidung eine persönliche Verpflichtung des Testamentsvollstreckers betraf, erscheint die ihr zu Grunde liegende Wertung auf einen die Insolvenzmasse verpflichtenden Insolvenzverwaltungsvertrag übertragbar. Sofern hierdurch für den Insolvenzverwalter, der ebenso wie der Testamentsvollstrecker649 Inhaber eines privaten Amtes ist, mit seiner Amtsstellung unvereinbare Bindungen entstehen, ist eine entsprechende Vereinbarung unwirksam. Die Unwirksamkeit eines entsprechenden Vertrages kann auch nicht durch eine Zustimmung des Gläubigerausschusses bzw. der Gläubigerversammlung nach § 160 ­InsO vermieden werden.650 Denn weder die Unabhängigkeit des Insolvenzverwalters noch das Gebot der höchtspersönlichen Amtsführung stehen zur Disposition der Gläubiger. Dies zeigen die Regelungen der §§ 56a, 57 Satz 3 ­InsO, wonach das Insolvenzgericht die Bestellung eines von den Gläubigern gewählten Verwalters zu versagen hat, sofern die betreffende Person nach dem Maßstab des § 56 Abs. 1 Satz 1 ­InsO als ungeeignet anzusehen ist.651 (b) Der Insolvenzverwalter persönlich als Partei des Insolvenzverwaltungsvertrages Soll nicht der Insolvenzschuldner, sondern der Insolvenzverwalter persönlich Partei des Insolvenzverwaltungsvertrages und damit Schuldner der sich hieraus ergebenden Pflichten werden, so beurteilt sich die Zulässigkeit des Abschlusses eines solchen Vertrages nach anderen Kriterien. Fraglich ist hier zunächst, ob der Insolvenzverwalter zum Abschluss eines ihn persönlich verpflichtenden Insolvenzverwaltungsvertrages eine besondere gesetzliche Ermächtigung benötigt. Eine solche könnte entbehrlich sein, da sich grund 648

BGH, Urteil vom 2. Oktober 1957, IV ZR 217/57, BGHZ 25, 275, 279 f. Zum privaten Amt des Testamentsvollstreckers siehe Zimmermann, Münchener Komm. z. BGB, Vor § 2197 Rdn. 5. 650 So aber Brünkmans, Die Koordinierung von Insolvenzverfahren konzernverbundener Unternehmen (2009), S. 184 ff. Er geht davon aus, dass die Gläubiger durch das Gebot der höchstpersönlichen Amtsführung geschützt werden sollen, da ihre Vermögensinteressen betroffen seien und ihnen wegen der durch § 57 Satz 1 I­ nsO bestehenden Möglichkeit, einen anderen Insolvenzverwalter zu wählen, die letztverbindliche Entscheidung über die Person des Insolvenzverwalters zukomme. Da der BGH in seiner Entscheidung zur Testamentsvollstreckung davon ausgegangen sei, dass eine vollständige vertragliche Bindung des Testamentsvollstreckers gegenüber den Erben zulässig sei, wenn der Erblasser als die durch das Gebot der persönlichen Amtsführung geschützte Person diese Bindung gebilligt hat, müsse auch eine vollumfängliche Bindung des Insolvenzverwalters bei Zustimmung der Gläubiger zulässig sein (so unter Verweis auf BGH, Urteil vom 2. Oktober 1957, IV ZR 217/57, BGHZ 25, 275, 281). 651 Zu den §§ 56a, 57 Satz 3 ­InsO siehe oben B. II. 1. a) aa) (2) und B. II. 1. c) bb) (2). 649

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sätzlich jedermann kraft der von der Rechtsordnung anerkannten Privatautonomie vertraglich binden kann. Die Privatautonomie gewährleistet als Teil des Prinzips der Selbstbestimmung des Menschen, dass der Einzelne seine Rechtverhältnisse nach seinem Willen gestalten kann.652 Allerdings gilt dies nur dann, wenn der Einzelne für sich selbst privatautonom handelt. Ein „Handeln in ‚Selbstherrlichkeit‘ für andere“ ist hiervon nicht umfasst.653 Die Befugnisse des Insolvenzverwalters sind ihm aber nicht um seiner selbst Willen, sondern zur Verwirklichung der in § 1 ­InsO genannten Ziele des Insolvenzverfahrens verliehen worden. Sie stellen damit keine persönlichen Rechte des Insolvenzverwalters dar, sondern eine im Drittinteresse eingeräumte Kompetenz.654 Deshalb kann sich der Insolvenzverwalter hinsichtlich seiner Befugnisse nicht privatautonom durch Abschluss eines Vertrages binden. Vielmehr bedarf solcher Vertrag einer entsprechenden gesetzlichen Ermächtigung.655 Teilweise wird das Erfordernis einer besonderen gesetzlichen Ermächtigung für den Abschluss eines den Insolvenzverwalter persönlich verpflichtenden Insolvenzverwaltungsvertrages auch damit begründet, dass dieser ein öffentlich-rechtlicher Vertrag sei. Denn Vertragsgegenstand seien „Normen, die nicht jedermann, sondern einseitig einen Träger [..] eines auf einem Hoheitsakt beruhenden privaten Amts [..] berechtigen und/oder verpflichten“.656 Es erscheine aber „höchst bedenklich, Privatpersonen die grundsätzliche Kompetenz zur Disposition über öffentlich-rechtliche Gegenstände mittels eines öffentlich-rechtlichen Vertrags zuzugestehen“, weshalb hierfür stets eine besondere gesetzliche Ermächtigung zu verlangen sei.657 Gegen diese Ansicht spricht aber, dass öffentlich-rechtliche Verträge zwischen Privatpersonen überwiegend nur dann angenommen werden, wenn eine Disposition über öffentlich-rechtliche Rechte und Pflichten vorliegt, nicht aber, wenn durch die Vereinbarung „erst im Vorfeld die zivilrechtlichen Voraussetzungen für die Wahrnehmung öffentlich-rechtlicher Rechte und Pflichten“ geschaffen werden.658 So hat denn auch der BGH einen Vertrag zwischen einer Stadt, einer AG und den Mitgliedern einer Bürgerinitiative als privatrechtlich eingeordnet, in dem sich die Mitglieder der Bürgerinitiative gegen Zahlung eines Geld­ betrages zur Rücknahme ihres Widerspruchs gegen eine der AG von der Stadt

652

Flume, Allgemeiner Teil des Bürgerlichen Rechts II, § 1 1., S. 1. Flume, Allgemeiner Teil des Bürgerlichen Rechts II, § 1 6. a), S. 7. 654 Jaeger/Windel, Komm. z. ­InsO, § 80 Rdn. 20. 655 Wittinghofer, Der nationale und internationale Insolvenzverwaltungsvertrag (2004), S. 170 ff.; ebenso wohl auch Brünkmans, Die Koordinierung von Insolvenzverfahren konzernverbundener Unternehmen (2009), S. 181. 656 Eidenmüller, ZZP 114 (2001), 3, 13; anders aber noch ders., JNPÖ 18 (1999), 81, 92, wonach es sich bei dem Insolvenzverwaltungsvertrag um einen privatrechtlichen Vertrag handeln soll. 657 Eidenmüller, ZZP 114 (2001), 3, 16. 658 Bonk, in: Stelkens/Bonk/Sachs, Komm. z. VwVfG, § 54 Rdn. 66 f.; ebenso Kopp/Ramsauer, Komm. z. VwVfG, § 54 Rdn. 7. 653

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B. Abwicklung von Konzerninsolvenzen auf Grundlage des geltenden Rechts

erteilte Baugenehmigung verpflichteten.659 Demnach wäre ein Insolvenzverwaltungsvertrag, durch den sich der Insolvenzverwalter gegenüber einem anderen Insolvenzverwalter zu einer bestimmten Ausübung seiner Befugnisse verpflichtet, als privatrechtlich einzuordnen. Aber selbst wenn man den Insolvenzverwaltungsvertrag als öffentlich-rechtlichen Vertrag ansehen würde, so ergibt sich hieraus noch nicht zwingend das Erfordernis einer speziellen gesetzlichen Ermächtigung. So wird beispielsweise der Prozessvertrag als öffentlich-rechtlicher Vertrag eingeordnet, gleichwohl aber der Abschluss eines solchen Vertrages als von der Privatautonomie gedeckt angesehen.660 Dies erscheint auch überzeugend, da grundsätzlich nichts dagegen spricht, dass sich eine Person hinsichtlich der Ausübung einer ihr durch das öffentliche Recht im eigenen Interesse eingeräumten Befugnis vertraglich bindet. Damit liegt der Grund für das Erfordernis einer speziellen gesetzlichen Ermächtigung zum Abschluss eines Insolvenzverwaltungsvertrages allein darin, dass der Insolvenzverwalter seine Befugnisse nicht im eigenen Interesse, sondern im Interesse Dritter verliehen bekommt und sich folglich hinsichtlich ihrer Ausübung nicht privatautonom verpflichten kann. Ob allerdings eine gesetzliche Ermächtigung besteht, welche dem Insolvenzverwalter gestattet, sich persönlich zu einer bestimmten Ausübung seiner Befugnisse zu verpflichten, erscheint zweifelhaft. Denn geregelt ist der Abschluss eines solchen Vertrages in der I­nsO nicht. Teilweise wird deshalb angenommen, dass eine gesetzliche Ermächtigung nicht bestehe und damit eine vertragliche Bindung des Insolvenzverwalters hinsichtlich der Ausübung seiner Befugnisse unzulässig sei.661 Eine andere Ansicht geht hingegen davon aus, dass der in § 1 ­InsO normierte Zweck des Insolvenzverfahrens eine solche Ermächtigung enthalte, sofern die vertragliche Bindung den Verfahrenszielen der ­InsO nicht widerspreche.662 Denn dem Insolvenzverwalter sei „überhaupt jede Befugnis zuzugestehen, die mit diesem Zweck vereinbar ist und nicht explizit dem Gesetz widerspricht“.663 Derselbe Gedanke liegt auch einer weiteren Ansicht zu Grunde, welche die Befugnis des Insolvenzverwalters zum Abschluss eines ihn persönlich verpflichtenden Insolvenzverwaltungsvertrages auf § 159 ­InsO stützt. So sei aus dieser Vorschrift abzuleiten, „dass der Verwalter in jeder Phase des Verfahrens Handlungen vornehmen können muss, die ihm eine aus Gläubigersicht optimale Verwertung überhaupt erst ermöglichen“. Allerdings bedürfe der Abschluss eines solchen Vertrages dann gem. § 160 Abs. 1 Satz 1 ­InsO der Zustimmung der Gläubiger.664 659

BGH, Urteil vom 11. Dezember 1980, III ZR 38/79, NJW 1981, 811. Wagner, Prozessverträge (1998), S. 89. 661 So Jaeger/Windel, Komm. z. ­InsO, § 80 Rdn. 20. 662 Brünkmans, Die Koordinierung von Insolvenzverfahren konzernverbundener Unternehmen (2009), S. 181; Wittinghofer, Der nationale und internationale Insolvenzverwaltungsvertrag (2004), S. 180 ff. 663 Wittinghofer, Der nationale und internationale Insolvenzverwaltungsvertrag (2004), S. 181 f. 664 Eidenmüller, ZZP 114 (2001), 3, 18; im Ergebnis ebenso, wenngleich ohne weitere Begründung ders., Münchener Komm. z. ­InsO, Vorbemerkungen vor §§ 217 bis 269 Rdn. 36. 660

III. Absprachen zwischen Verwaltern und Gerichten

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Gegen eine Heranziehung des § 159 ­InsO als Rechtsgrundlage für einen den Insolvenzverwalter persönlich verpflichtenden Insolvenzverwaltungsvertrag spricht zunächst, dass sich diese Norm auf die Verwertung der Insolvenzmasse und damit auf Handlungen des Verwalters bezieht, die den Rechtskreis des Insolvenzschuldners betreffen. Eine Aussage über die Zulässigkeit eines den Insolvenzverwalter persönlich verpflichtenden Insolvenzverwaltungsvertrages kann ihr daher nicht entnommen werden. Ferner bestehen aber auch gegen den Grundgedanken der beiden letztgenannten Ansichten Bedenken. Denn sie leiten aus der Aufgabe des Insolvenzverwalters, auf die Verwirklichung der in § 1 ­InsO normierten Ziele des Insolvenzverfahrens hinzuarbeiten bzw. die Insolvenzmasse zu verwerten, eine Befugnis des Verwalters zu allen Handlungen ab, die für die Wahrnehmung dieser Aufgaben dienlich erscheinen. Ein solcher Schluss erscheint aber problematisch, da die Insolvenzordnung die Befugnisse des Insolvenzverwalters detailliert regelt. So verleiht sie dem Insolvenzverwalter zahlreiche Kompetenzen bezüglich des schuldnerischen Vermögens, beispielsweise die Verwaltungs- und Verfügungsbefugnis über die Insolvenzmasse nach § 80 Abs. 1 ­InsO, das Recht zur Anfechtung bestimmter Rechtsgeschäfte des Schuldners nach den §§ 129 ff. ­InsO oder das Wahlrecht hinsichtlich noch nicht vollständig erfüllter Verträge nach den §§ 103 ff. ­InsO. Daneben stehen dem Verwalter auch Befugnisse im Insolvenzverfahren selbst zu, beispielsweise ist er gem. § 178 Abs. 1 Satz 1 ­InsO zum Widerspruch gegen angemeldete Forderungen oder gem. § 218 Abs. 1 Satz 1 ­InsO zur Vorlage eines Insolvenzplans berechtigt. Hieraus ergibt sich, das der Insolvenzverwalter seiner Aufgabe unter Rückgriff auf die ihm durch die ­InsO eingeräumten Befugnisse nachzukommen hat und gerade nicht über alle Befugnisse verfügt, die für die Wahrnehmung seiner Pflichten nützlich erscheinen. Hinsichtlich des Insolvenzverwaltungsvertrages ist zudem zu beachten, dass der Insolvenzverwalter diesen auch innerhalb der oben ausgeführten Grenzen zu Lasten der Insolvenzmasse abschließen kann. Ihm daneben auch noch die Befugnis zuzubilligen, sich hinsichtlich der Ausübung seiner Befugnisse persönlich zu verpflichten, erscheint nicht erforderlich. Besonders bedenklich erscheint die Zulässigkeit einer persönlichen Verpflichtung des Insolvenzverwalters hinsichtlich der Ausübung seiner verfahrensrechtlichen Befugnisse schließlich dann, wenn die Verpflichtung gegenüber einem Gläubiger oder seinem Insolvenzverwalter erfolgt. Diese Konstellation würde bei einem Vertrag, der mit dem Insolvenzverwalter einer anderen Konzerngesellschaft oder mit der Gesellschaft selbst geschlossen wird, typischerweise gegeben sein. Denn die anderen Konzerngesellschaften treten angesichts der zumeist bestehenden finanziellen Verflechtungen innerhalb eines Konzerns im Insolvenzverfahren einer einzelnen Konzerngesellschaft regelmäßig als Gläubiger auf. Könnte sich ein Insolvenzverwalter persönlich gegenüber einem Gläubiger bzw. dessen Insolvenzverwalter zu einer bestimmten Ausübung seiner Befugnisse verpflichten, so würde er von diesem Gläubiger in erheblichem Maße abhängig. Denn der Gläubiger könnte beispielsweise die vertragliche Verpflichtung gegenüber dem

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B. Abwicklung von Konzerninsolvenzen auf Grundlage des geltenden Rechts

Insolvenz­verwalter persönlich vollstrecken. Diese Konsequenz erscheint aber mit dem Erfordernis der Unabhängigkeit des Insolvenzverwalters von den Gläubigern gem. § 56 Abs. 1 Satz 1 ­InsO unvereinbar. Insoweit ist diese Konstellation anders zu beurteilen als der Abschluss eines Insolvenzverwaltungsvertrages mit einem Gläubiger, der den Insolvenzschuldner verpflichtet und damit eine Masseverbindlichkeit begründet. Denn mit einem solchen Vertrag erlangt der Gläubiger grundsätzlich keine Möglichkeit, gegenüber dem Insolvenzverwalter persönlich vorzugehen und gegebenenfalls auch auf dessen Privatvermögen zuzugreifen, sollte er eine bestimmte Verfahrenshandlung nicht wie vereinbart vornehmen. Vielmehr erlangt er durch einen solchen Vertrag lediglich einen im Insolvenzverfahren geltend zu machenden Anspruch gegen die Insolvenzmasse. Aus diesen Gründen ist es abzulehnen, aus dem Zweck des Insolvenzverfahrens gem. § 1 ­InsO bzw. der Verwertungspflicht des Insolvenzverwalters gem. § 159 ­InsO eine Befugnis des Insolvenzverwalters zum Abschluss eines ihn persönlich bindenden Insolvenzverwaltungsvertrages abzuleiten. Der Abschluss eines solchen Vertrages ist somit mangels Ermächtigungsgrundlage unzulässig. (3) Rechtsfolgen eines Insolvenzverwaltungsvertrages Ist ein Insolvenzvertrag über die Ausübung der Befugnisse eines Insolvenz­ verwalters wirksam abgeschlossen worden, so stellt sich die Frage nach den Auswirkungen eines solchen Vertrages auf das laufende Insolvenzverfahren. Teilweise wird angenommen, dass der Insolvenzverwaltungsvertrag einen Prozessvertrag darstelle, da er „durchweg verfahrensrechtliche Rechte und/oder Pflichten eines Beteiligten nach der ­InsO zum Gegenstand“ habe.665 Für Prozessverträge werde aber „zunehmend anerkannt, dass ein prozessvertragswidriges Verhalten eines Beteiligten […] verfahrensrechtlich unmittelbar beachtlich“ sei.666 Deshalb müsse auch eine Handlung des Insolvenzverwalters, die entgegen einer Abrede im Insolvenzverwaltungsvertrag vorgenommen wird, als unwirksam angesehen werden. Denn hierdurch werde die im Insolvenzverwaltungsvertrag getroffene Absprache effektiv durchgesetzt, was dem mutmaßlichen Parteiwillen entspreche.667 Wird hingegen entgegen einer vereinbarten Handlungspflicht im Insolvenzverwaltungsvertrag die versprochene Handlung nicht vorgenommen, so solle diese nicht fingiert werden. Denn mit einer solchen Fiktion würden verfahrensrechtliche oder materiellrechtliche Anforderungen, welche an die Vornahme der Handlung gestellt werden, unterlaufen.668 665

Eidenmüller, ZZP 114 (2001), 3, 13. Eidenmüller, ZZP 114 (2001), 3, 20 unter Verweis auf Schlosser, Einverständliches Parteihandeln im Zivilprozess (1968), S. 49 ff.; Wagner, Prozessverträge (1998), S. 212 ff. 667 Eidenmüller, ZZP 114 (2001), 3, 21. 668 Eidenmüller, ZZP 114 (2001), 3, 22 unter Verweis auf Wagner, Prozessverträge (1998), S. 232. 666

III. Absprachen zwischen Verwaltern und Gerichten

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Gegen diese Ansicht bestehen allerdings schon im Ausgangspunkt Bedenken. So erscheint es fraglich, ob jeder Insolvenzverwaltungsvertrag aufgrund der in ihm enthaltenen Verpflichtung hinsichtlich der Ausübung der Befugnisse des Insolvenzverwalters als Prozessvertrag qualifiziert werden kann.669 Denn ein Prozessvertrag erfordert, dass der Vertrag einen „prozessrechtlichen Gegenstand“ hat, beispielsweise weil er eine Verpflichtung bezüglich prozessualer Befugnisse enthält.670 Um eine prozessuale Befugnis kann es sich aber nur handeln, wenn sich diese auf eine Handlung innerhalb eines förmlichen Verfahrens vor einem Gericht bezieht. Dies ergibt sich daraus, dass als Prozessrecht diejenigen Rechtsnormen anzusehen sind, die das Verhalten in einem auf ein bestimmtes Rechtspflegeziel ausgerichteten Verfahren von und vor Rechtspflegeorganen671 bzw. die autoritative Entscheidung eines Rechtsstreits durch eine von den Parteien unabhängige Instanz im Wege eines förmlichen Verfahrens regeln.672 Nach dieser Definition hätte aber ein Vertrag, der Verpflichtungen bezüglich des Verkaufs von Massegegenständen, der Geltendmachung von Anfechtungsansprüchen nach den §§ 129 ff. ­InsO, der Ausübung des Wahlrechts nach den §§ 103 ff. ­InsO oder der Weitergabe von Informationen enthält, keinen prozessrechtlichen Gegenstand. Denn der Insolvenzverwalter nimmt diese Handlungen regelmäßig nicht innerhalb eines förmlichen Verfahrens vor Gericht vor. Vielmehr tritt er hier einer anderen Person ohne Be­ teiligung des Gerichts gegenüber.673 Der Insolvenzverwalter erhält also lediglich die Befugnis, durch Vornahme der entsprechenden Handlung Rechtswirkungen für den Insolvenzschuldner bzw. die Insolvenzmasse herbeizuführen, innerhalb eines gerichtlichen Verfahrens übertragen. Die Wahrnehmung dieser Befugnis erfolgt dann außerhalb dieses Verfahrens. Damit stellen Verträge, in denen sich der In­solvenzverwalter hinsichtlich dieser Befugnisse bindet, keine Prozessverträge, sondern materiellrechtliche Verträge dar. Anders verhält es sich lediglich bei Verträgen bezüglich Handlungen, die zwingend vor bzw. gegenüber dem Insolvenzgericht vorzunehmen sind. Hierzu zählen der Widerspruch gegen eine angemeldete Forderung im Prüfungstermin gem. § 178 ­ InsO oder die Vorlage eines Insolvenzplans durch den Verwalter gem. 669

Vgl. hierzu auch die Einschätzung von Jaeger/Gerhardt, Komm. z. I­ nsO, § 2 Rdn. 8, wonach das Insolvenzrecht „[w]egen der Vielschichtigkeit der in das Insolvenzverfahren einfließenden Interessen […] nicht […] in die Domäne eines einzigen Rechtsgebiets, etwa des Prozessrechts, einzuordnen“ sei. 670 Wagner, Prozessverträge (1998), S. 46 f.; ähnlich Rauscher, Münchener Komm. z. ZPO, Einleitung Rdn. 395, wonach Prozessverträge „primär eine prozessuale Wirkung bezwecken“. 671 Henckel, Prozessrecht und materielles Recht (1970), S. 21 und S. 24. 672 Wagner, Prozessverträge (1998), S. 13. 673 Zutreffend Wittinghofer, Der nationale und internationale Insolvenzverwaltungsvertrag (2004), S. 129 ff., insbesondere S. 132; hierzu passt auch, dass nach Jaeger/Gerhardt, Komm. z. ­InsO, § 2 Rdn. 5 die Vorschriften über die Masseverbindlichkeiten und die Massegläubiger (§§ 53 ff. ­InsO), die Insolvenzanfechtung (§§ 129 ff. ­InsO) und die Erfüllung offener Rechts­geschäfte durch den Insolvenzverwalter (§§ 103 ff. ­InsO) als Normen des materiellen Insolvenz­rechts anzusehen sind.

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B. Abwicklung von Konzerninsolvenzen auf Grundlage des geltenden Rechts

§ 218 ­InsO. Ein diese Befugnisse des Insolvenzverwalters betreffender Vertrag hätte einen prozessrechtlichen Gegenstand und würde folglich einen Prozessvertrag darstellen.674 Allerdings kann ein solcher Vertrag nicht wirksam abgeschlossen werden. Eine Verpflichtung des Insolvenzschuldners und damit die Begründung einer Masseverbindlichkeit ist bezüglich dieser Befugnisse des Insolvenzverwalters nicht möglich, da eine solche Verpflichtung niemals aus der Insolvenzmasse erfüllt werden könnte und damit evident insolvenzzweckwidrig wäre.675 Eine Verpflichtung des Insolvenzverwalters persönlich scheidet gleichfalls aus, da dieser sich mangels einer entsprechenden Ermächtigungsgrundlage hinsichtlich der Ausübung seiner Befugnisse nicht vertraglich binden kann.676 Im Ergebnis stellen damit die zulässigen Insolvenzverwaltungsverträge keine Prozessverträge dar, weshalb auch eine unmittelbare Wirkung dieser Verträge zu verneinen ist. Aber selbst wenn man entgegen der hier vertretenen Ansicht eine vertragliche Bindung des Insolvenzverwalters hinsichtlich seiner verfahrensrechtlichen Befugnisse und damit einen als Prozessvertrag zu qualifizierenden Insolvenzverwaltungsvertrag für zulässig erachten würde, erscheint es bedenklich, einem solchen Vertrag entsprechend der teilweise allgemein für Prozessverträge vertretenen Ansicht unmittelbare Wirkung im Insolvenzverfahren zuzusprechen. So argumentiert die Ansicht, die für eine unmittelbare Wirkung des zu einer bestimmten Befugnisausübung verpflichtenden Prozessvertrages im Primärprozess eintritt, dass die Differenzierung zwischen Verpflichtung und Verfügung im materiellen Recht zum Schutze des Verpflichteten erfolge. Denn durch eine bloße Verpflichtung könne der Gläubiger noch nicht auf das Vermögen des Schuldners zugreifen, er müsse seinen Anspruch vielmehr vor Gericht geltend machen und überprüfen lassen. Dieser Gedanke passe aber dann nicht, wenn sich die vertragliche Verpflichtung auf einen bestimmten Rechtsstreit bezieht, an dem das Gericht beteiligt ist. Denn hier könne das Gericht direkt prüfen, ob eine wirksame vertragliche Bindung vorliege und bejahendenfalls eine gegen die vertragliche Verpflichtung verstoßende Prozesshandlung als unzulässig zurückweisen. Ein weitergehender Schutz des Verpflichteten sei nicht erforderlich, denn dieser „kann nicht mehr verlangen, als dass ein Gericht die Wirksamkeit seiner Verpflichtung prüft, bevor es Sanktionen verhängt“.677 Im Insolvenzverfahren besteht jedoch die Besonderheit, dass das Insolvenzgericht grundsätzlich von Streitigkeiten zwischen einzelnen Verfahrensbeteiligten entlastet ist.678 Es ist nur für solche Entscheidungen zuständig, die das Gesamtvollstreckungsverfahren direkt betreffen oder die, weil sie das Interesse aller Verfahrensbeteiligten berühren, nicht von einem Prozessgericht getroffen

674 Wittinghofer, Der nationale und internationale Insolvenzverwaltungsvertrag (2004), S.  133 f. 675 Siehe oben B. III. 1. a) aa) (2) (a) (bb). 676 Siehe oben B. III. 1. a) aa) (2) (b). 677 Wagner, Prozessverträge (1998), S. 234 f. 678 Häsemeyer, Insolvenzrecht, Rdn. 2.10 und 6.01.

III. Absprachen zwischen Verwaltern und Gerichten

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werden sollen.679 Streitigkeiten zwischen einzelnen Verfahrensbeteiligten, die anlässlich des Insolvenzverfahrens entstehen, sind grundsätzlich außerhalb des In­ solvenzverfahrens von den hierfür nach allgemeinen Regeln zuständigen Gerichten zu entscheiden.680 So ist beispielsweise ein Widerspruch gegen eine angemeldete Forderung gem. § 178 Abs. 1 ­InsO in einem vom Insolvenzgericht geleiteten Prüfungstermin zu erklären, wohingegen die Begründetheit des Widerspruchs gem. § 180 Abs. 1 ­InsO außerhalb des Insolvenzverfahrens in einem ordentlichen Gerichtsverfahren geprüft wird. Mit dieser Konzeption der I­nsO, das Insolvenz­ verfahren von Streitigkeiten zwischen einzelnen Beteiligten freizuhalten, könnte die Annahme der Unwirksamkeit eines insolvenzvertragswidrigen Verhaltens in Widerspruch geraten. Hätte sich beispielsweise der Insolvenzverwalter einer Konzerngesellschaft verpflichtet, in seinem Verfahren einen Insolvenzplan nur mit Zustimmung des Insolvenzverwalters einer anderen Konzerngesellschaft vorzulegen, so müsste das Insolvenzgericht bei der Vorlage dieses Planes prüfen, ob der Insolvenzverwaltungsvertrag wirksam ist und gegebenenfalls die erforderliche Zustimmung erteilt wurde. Anderenfalls wäre die Vorlage des Planes unzulässig. Damit würde die Annahme einer unmittelbaren Beachtlichkeit des Insolvenzverwaltungsvertrages zu einer Belastung des Insolvenzverfahrens mit Streitigkeiten einzelner Beteiligter führen, was die ­InsO gerade vermeiden wollte. Hinzu kommt, dass die gerichtlichen Aufgaben im Insolvenzverfahren gem. § 3 Nr. 2 e) RPflG grundsätzlich dem Rechtspfleger übertragen sind, sofern kein in § 18 Abs. 1 RPflG genannter Sonderfall vorliegt oder sich der Richter gem. § 18 Abs. 2 RPflG die fragliche Entscheidung vorbehält. Damit wäre also die Wirksamkeit eines Insolvenzverwaltungsvertrages vom Rechtspfleger zu beurteilen, was angesichts der Komplexität solcher Verträge nicht sinnvoll erscheint. Somit sprächen auch dann, wenn man die vertragliche Bindung des Insolvenzverwalters hinsichtlich der Ausübung seiner verfahrensrechtlichen Befugnisse als wirksam ansehen würde, die besseren Gründe gegen die Annahme einer unmittelbaren Wirkung eines solchen Prozessvertrages im laufenden Insolvenzverfahren. Es muss folglich zur Durchsetzung einer in einem Insolvenzverwaltungsvertrag vereinbarten Verpflichtung wie bei jedem anderen Vertrag auch grundsätzlich auf Erfüllung geklagt werden. Scheidet eine Erfüllung aus, beispielsweise weil eine Handlung, deren Unterlassung vereinbart war, bereits vorgenommen wurde, oder ist wegen des vertragswidrigen Verhaltens ein Schaden entstanden, der auch durch eine nachträgliche Erfüllung der vereinbarten Verpflichtung nicht entfällt, so können Schadensersatzansprüche geltend gemacht werden.

679

Jaeger/Gerhardt, Komm. z. ­InsO, § 2 Rdn. 33. Jaeger/Gerhardt, Komm. z. ­InsO, § 2 Rdn. 33; Häsemeyer, Insolvenzrecht, Rdn. 6.01.

680

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B. Abwicklung von Konzerninsolvenzen auf Grundlage des geltenden Rechts

bb) Verträge zwischen Insolvenzgerichten Die bisherigen Ausführungen betreffen Insolvenzverwaltungsverträge, die zwischen den in parallelen Insolvenzverfahren bestellten Insolvenzverwaltern abgeschlossen werden. Denkbar erscheint ein solcher Vertragsschluss aber auch zwischen den für die jeweiligen Verfahren zuständigen Insolvenzgerichten. Als Gegenstand solcher Vereinbarungen werden beispielsweise „Terminsbestimmungen oder andere verfahrensleitende Maßnahmen“ genannt.681 Daneben sind aber auch Vereinbarungen hinsichtlich der Auswahl des Insolvenzverwalters oder der Anordnung von Sicherungsmaßnahmen im Eröffnungsverfahren gem. § 21 ­InsO denkbar. Partei eines solchen Insolvenzverwaltungsvertrages soll der jeweilige Insolvenzrichter persönlich werden.682 Da ihm die kraft seines Amtes zustehenden Befugnisse von der I­nsO aber nicht als eigene, subjektive Rechte, sondern zur Gewährleistung des verfassungsrechtlich verbürgten Rechts auf effektiven Rechtsschutz683 verliehen werden, kann sich der Insolvenzrichter bezüglich der Ausübung seiner Befugnisse nicht kraft der ihm zustehenden Privatautonomie binden. Ebenso wie beim Insolvenzverwalter bedarf es vielmehr einer besonderen gesetzlichen Ermächtigung.684 Teilweise wird eine solche Ermächtigung für den Insolvenzrichter aus § 21 Abs. 1 ­InsO abgeleitet, wonach das Insolvenzgericht im Eröffnungsverfahren alle erforderlich erscheinenden Maßnahmen zu treffen hat, um bis zur Entscheidung über die Eröffnung des Insolvenzverfahrens eine nachteilige Veränderung der Vermögenslage des Schuldners zu verhindern. Im eröffneten Insolvenzverfahren soll das Insolvenzgericht allerdings nicht mehr zum Abschluss eines Insolvenzverwaltungsvertrages befugt sein, vielmehr stehe eine entsprechende Befugnis hier lediglich dem Insolvenzverwalter zu.685 Ob § 21 Abs. 1 ­InsO eine gesetzliche Ermächtigung für den Richter enthält, sich hinsichtlich der Ausübung seiner Befugnisse vertraglich zu binden, erscheint allerdings zweifelhaft.686 So sind die in § 21 Abs. 2 ­InsO beispielhaft aufgezählten Maßnahmen wie die Bestellung eines vorläufigen Insolvenzverwalters, die Anordnung eines allgemeinen Verfügungsverbots für den Schuldner oder die Untersagung bzw. Einstellung von Maßnahmen der Zwangsvollstreckung sämtlich ein 681

Eidenmüller, ZZP 114 (2001), 3, 11. Eidenmüller, ZZP 114 (2001), 3, 12; ders., ZHR 169 (2005), 528, 543. 683 Vgl. Stürner, Münchener Komm. z. ­InsO, Einleitung Rdn. 77, wonach das Gebot effektiven Rechtsschutzes auch „die Rechtsverwirklichung durch Vollstreckung“ umfasst. 684 Zum Erfordernis einer besonderen gesetzlichen Ermächtigung für eine persönliche Bindung des Insolvenzverwalters hinsichtlich der Ausübung seiner Befugnisse siehe oben B. III. 1. a) aa) (2) (b). 685 Eidenmüller, JNPÖ 18 (1999), 81, 91; ders., ZZP 114 (2001), 3, 17; ders., ZHR 169 (2005), 528, 542; für die Ableitung einer Befugnis des Insolvenzrichters zum Abschluss eines Insolvenzverwaltungsvertrages aus § 21 Abs. 1 ­InsO auch Paulus, ZIP 1998, 977, 981. 686 Ebenfalls zweifelnd, wenngleich ohne weitere Begründung Vallender, KTS 2005, 283, 323; ders., KTS 2008, 59, 64. 682

III. Absprachen zwischen Verwaltern und Gerichten

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seitige hoheitliche Maßnahmen des Insolvenzgerichts gegenüber den Gläubigern oder dem Schuldner. Zwar ist das Insolvenzgericht auch befugt, Maßnahmen nach § 21 Abs. 1 ­InsO gegenüber Dritten anzuordnen, sofern „erhebliche tatsächliche Anhaltspunkte für schwerwiegende Verdunkelungshandlungen oder Vermögensverschiebungen des Dritten im Zusammenwirken mit dem Schuldner vorliegen“.687 Aber auch hier handelt es sich um einseitige, zwangsweise durchsetzbare Anordnungen des Insolvenzgerichts. Dementsprechend stehen die Befugnisse des Insolvenzgerichts nach § 21 ­InsO unter dem Vorbehalt der Verhältnismäßigkeit.688 Eine „auf Augenhöhe“ ausgehandelte Vereinbarung mit anderen Insolvenzgerichten passt hierzu nicht. Ferner ist das Gericht verpflichtet, während des gesamten Eröffnungsverfahrens zu prüfen, ob die ergriffenen Maßnahmen weiterhin notwendig und zweckmäßig sind. Insbesondere beim Bekanntwerden neuer Tatsachen hat es die angeordneten Maßnahmen diesem neuen Kenntnisstand anzupassen.689 Diese Flexibilität wäre aber bei einer rechtsverbindlichen vertrag­lichen Vereinbarung nicht mehr gegeben, da der Insolvenzrichter die von ihm abgeschlossene Vereinbarung einhalten müsste. Schließlich würde eine Ermächtigung des Insolvenzrichters zum Abschluss eines Vertrages über die Ausübung seiner Befugnisse dazu führen, dass ein solcher Vertrag auch zwangsweise vollstreckt werden könnte. Dass der Richter zwangsweise zu einer bestimmten Ausübung seiner Befugnisse angehalten werden kann, wäre aber mit der durch Art. 97 Abs. 1 GG gewährleisteten richterlichen Unabhängigkeit nicht mehr zu vereinbaren. Diese schützt den Richter vor Einflussnahmen der Exekutive, auch sofern es um einen justizinternen Sachverhalt geht.690 Dass der Richter die Voraussetzungen für eine ihm gegenüber erfolgende Zwangsausübung selbst geschaffen hätte, würde hieran nichts ändern. Denn die richterliche Unabhängigkeit stellt kein dem einzelnen Amtswalter persönlich zukommendes Privileg, sondern eine „funktionsbezogene Gewährleistung“ dar, um dem Richter eine sachgerechte Erfüllung seiner Aufgaben zu ermöglichen.691 Da ihr Verfassungsrang zukommt, kann auch das einfache Gesetz dem Richter keine Befugnis verleihen, hierüber zu disponieren. Im Ergebnis kann damit aus § 21 Abs. 1 ­InsO keine gesetzliche Ermächtigung für den Richter abgeleitet werden, einen ihn persönlich bindenden Vertrag über die Ausübung seiner Befugnisse abzuschließen. Mangels einer gesetzlichen Ermächtigung ist der Abschluss eines Insolvenzverwaltungsvertrages zwischen Insolvenzgerichten somit unzulässig.

687

Uhlenbruck/Vallender, Komm. z. ­InsO, § 21 Rdn. 41. BGH, Beschluss vom 1. Dezember 2005, IX ZB 208/05, NZI 2006, 122, 123; Haarmeyer, Münchener Komm. z. ­InsO, § 21 Rdn. 23. 689 Haarmeyer, Münchener Komm. z. ­InsO, § 21 Rdn. 30. 690 Hillgruber, in: Maunz/Dürig, Komm. z. GG, Art. 97 Rdn. 75. 691 Hillgruber, in: Maunz/Dürig, Komm. z. GG, Art. 97 Rdn. 4. 688

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B. Abwicklung von Konzerninsolvenzen auf Grundlage des geltenden Rechts

b) Insolvenzverwaltungsverträge zwischen den Beteiligten an in verschiedenen Mitgliedsstaaten eröffneten Insolvenzverfahren Die bisherigen Ausführungen betreffen Insolvenzverwaltungsverträge, die zwischen den Beteiligten an mehreren in Deutschland eröffneten und damit nach deutschem Insolvenzrecht abzuwickelnden Insolvenzverfahren abgeschlossen werden. Der Abschluss von Insolvenzverwaltungsverträgen ist aber auch zwischen den Beteiligten an in verschiedenen Mitgliedsstaaten eröffneten Insolvenzverfahren denkbar. Zu solchen parallelen, in verschiedenen Mitgliedsstaaten eröffneten Insolvenzverfahren kann es im Rahmen einer Konzerninsolvenz zum einen dann kommen, wenn für die Hauptinsolvenzverfahren der einzelnen Konzerngesellschaften die Gerichte verschiedener Mitgliedsstaaten gem. Art. 3 Abs. 1 ­EuInsVO international zuständig sind. Zum anderen ist eine solche Konstellation denkbar, wenn eine Konzerngesellschaft außerhalb des Staates der Verfahrenseröffnung über eine Niederlassung verfügt und deshalb neben dem Haupt- auch ein Sekundärinsolvenzverfahren eröffnet worden ist. aa) Das für Rechtsfragen im Zusammenhang mit Insolvenzverwaltungsverträgen maßgebliche Recht Wird ein Insolvenzverwaltungsvertrag zwischen den Beteiligten an in verschiedenen Mitgliedsstaaten eröffneten Insolvenzverfahren geschlossen, so ist fraglich, nach welchem Recht sich das Zustandekommen sowie die Wirkungen eines solchen Vertrages bemessen. Für diese Frage könnte Art. 4 ­EuInsVO maßgeblich sein. Nach Art. 4 Abs. 1 Eu­ uInsVO nichts anderes bestimmt, für das InsolvenzverInsVO gilt, soweit die E fahren und seine Wirkungen das Insolvenzrecht des Mitgliedsstaates, in dem das Insolvenzverfahren eröffnet wird. Diese Regelung wird für Sekundärinsolvenzverfahren in Art. 28 ­EuInsVO wiederholt.692 In Art. 4 Abs. 2 ­EuInsVO werden sodann beispielhaft Sachverhalte aufgezählt, die nach dem Insolvenzrecht des Staates der Verfahrenseröffnung zu beurteilen sind. Art. 4 Abs. 2 ­EuInsVO ist auch bei der Auslegung des Art. 28 ­EuInsVO heranzuziehen, weshalb auf die dort genannten Sachverhalte das Insolvenzrecht des Sekundärverfahrensstaates Anwendung findet.693 Sofern die in Art. 4 Abs. 2 ­EuInsVO genannten Beispiele nicht einschlägig sind, ist fraglich, was unter dem Begriff „Insolvenzverfahren und seine Wirkungen“ zu verstehen ist und wie weit damit das Insolvenzstatut reicht. Einigkeit besteht darin, dass der Begriff „Insolvenzverfahren und seine Wirkungen“ autonom

692

Vgl. Kindler, Münchener Komm. z. BGB, I­ntInsR, ­EuInsVO Art. 28 Rdn. 2, wonach Art. 28 ­EuInsVO eine „Wiederholung der allgemeinen Kollisionsnorm“ und daher „an sich überflüssig“ ist. 693 Reinhart, Münchener Komm. z. ­InsO, ­EuInsVO Art. 28 Rdn. 1.

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auszulegen ist.694 Darüber hinaus werden aber unterschiedliche Ansichten vertreten. Teilweise wird davon ausgegangen, dass die im Allgemeinen einer Berufung der lex fori zu Grunde liegenden Ziele „der Neutralität, der Praktikabilität, der Vermeidung von Widersprüchen in der Rechtsanwendung und dem damit verbundenen Entscheidungsgleichklang und der Rechtssicherheit, sowie der Prozessökonomie“ und die speziell von Art. 4 ­EuInsVO verfolgten Ziele der „Verhinderung des forum shopping durch die einheitliche Berufung der lex fori concursus und der Gewährleistung der gemeinschaftsweiten Gläubigergleichbehandlung“ für eine weite Auslegung des Begriffs „Insolvenzverfahren und seine Wirkungen“ sprächen. Im Zweifel sei daher von einer Maßgeblichkeit des Insolvenzstatuts auszugehen.695 Hiergegen wird allerdings zutreffend geltend gemacht, dass mit einem weiten Geltungsbereich des Insolvenzstatuts das Vertrauen der Verfahrensbeteiligten auf die Anwendbarkeit eines bestimmten Rechts enttäuscht werden könnte.696 Auch würde ein weiter Geltungsbereich des Insolvenzstatuts entweder zu einer Beschränkung des Geltungsbereichs anderer Statute oder zu einer Mehrfachanknüpfung führen.697 Deshalb ist davon auszugehen, dass gem. Art. 4 Abs. 1 ­EuInsVO das Insolvenzrecht des Staates der Verfahrenseröffnung nur Anwendung findet, wenn „der betreffende Sachverhalt eine spezifisch insolvenzrechtliche Problematik betrifft und einen besonders engen Bezug zum Insolvenzverfahren aufweist“.698 Diese Voraussetzung ist gegeben, wenn eine Norm „insolvenzpolitischen Zielen“ wie der Durchsetzung der Gläubigergleichbehandlung dient699 bzw. wenn „[d]ie Haftungsverwirklichung in einer Insolvenzsituation zugunsten der Gesamtheit der Gläubiger“ in Rede steht.700 Für einen Insolvenzverwaltungsvertrag folgt hieraus, dass für die rechtliche Beurteilung einer Verpflichtung aus diesem Vertrag grundsätzlich das Recht des­ jenigen Mitgliedsstaates maßgeblich ist, in dem das Insolvenzverfahren eröffnet wurde, an dem der Schuldner einer solchen Verpflichtung beteiligt ist. Die gilt zunächst hinsichtlich der Befugnis des Beteiligten, die entsprechende Verpflichtung überhaupt einzugehen.701 So ist für den Insolvenzverwalter in Art. 4 Abs. 2 lit. c) ­EuInsVO ausdrücklich angeordnet, dass sich seine Befugnisse nach dem Insolvenzrecht des Staates der Verfahrenseröffnung bemessen. Gleiches 694 Kindler, Münchener Komm. z. BGB, ­IntInsR, ­EuInsVO Art. 4 Rdn. 4; Reinhart, Münchener Komm. z. ­InsO, ­EuInsVO Art. 4 Rdn. 2; Paulus, Komm. z. ­EuInsVO, Art. 4 Rdn. 4. 695 Kindler, Münchener Komm. z. BGB, ­IntInsR, ­EuInsVO Art. 4 Rdn. 4 ff. 696 Pannen/Riedemann, in: Pannen, Komm. z. ­EuInsVO, Art. 4 Rdn. 14; Haß/Herweg, in: Haß/Huber/Gruber/Heiderhoff, Komm. z. ­EuInsVO, Art. 4 Rdn. 11. 697 Reinhart, Münchener Komm. z. ­InsO, ­EuInsVO Art. 4 Rdn. 3. 698 Uhlenbruck/Lüer, Komm. z. ­InsO, ­EuInsVO Art. 4 Rdn. 12. 699 Pannen/Riedemann, in: Pannen, Komm. z. ­EuInsVO, Art. 4 Rdn. 14; Uhlenbruck/Lüer, Komm. z. ­InsO, ­EuInsVO Art. 4 Rdn. 12; Haß/Herweg, in: Haß/Huber/Gruber/Heiderhoff, Komm. z. ­EuInsVO, Art. 4 Rdn. 11. 700 Reinhart, Münchener Komm. z. ­InsO, ­EuInsVO Art. 4 Rdn. 3. 701 Für den Insolvenzverwalter ebenso Wittinghofer, Der nationale und internationale Insolvenzverwaltungsvertrag (2004), S. 356.

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muss dann auch hinsichtlich einer entsprechenden Befugnis des Insolvenzgerichts gelten. Damit ist für jede Vertragspartei getrennt zu untersuchen, ob sie nach dem in ihrem Verfahren maßgeblichen Recht zur Eingehung der betreffenden Verpflichtung befugt war. Hiervon könnte allenfalls für einen Vertrag, der zwischen dem Verwalter des Hauptinsolvenzverfahrens und dem Verwalter des Sekundärinsolvenzverfahrens abgeschlossen wird, abzuweichen sein. Denn diese Verwalter sind gem. Art. 31 Abs. 2 ­EuInsVO zur Zusammenarbeit verpflichtet, weshalb man dieser Norm auch eine Befugnis zum Abschluss eines Insolvenzverwaltungsvertrages entnehmen könnte. Allerdings besteht die Verpflichtung zur Zusammenarbeit nur „vorbehaltlich der für die einzelnen Verfahren geltenden Vorschriften“. Damit ent­ uInsVO bezüglich der Art und Weise der Zusammenarbeit gerade keine hält die E speziellen Regelungen, weshalb es bei der von Art. 4 Abs. 1 ­EuInsVO angeordneten Geltung des Insolvenzrechts des Staates der Verfahrenseröffnung bleibt.702 Folglich ist das im jeweiligen Insolvenzverfahren anzuwendende nationale Insolvenzrecht insbesondere auch dafür maßgeblich, ob der Verwalter des Haupt- und der Verwalter des Sekundärinsolvenzverfahrens einen Vertrag abschließen können, durch den in den jeweiligen Verfahren Masseverbindlichkeiten begründet werden.703 Denn sofern nach dem jeweils anwendbaren Insolvenzrecht der Insolvenzschuldner weiterhin Träger der Insolvenzmasse ist, könnte dem Abschluss eines solchen Vertrages entgegenstehen, dass Gläubiger und Schuldner identisch sind.704 Der für die Maßgeblichkeit des Insolvenzrechts des Staates der Verfahrenseröffnung erforderliche hinreichend enge Bezug zum Insolvenzverfahren dürfte aber auch hinsichtlich der Rechtsfolgen gegeben sein, welche eine in einem Insolvenzverwaltungsvertrag übernommene Verpflichtung eines Verfahrensbeteiligten nach sich zieht. Dies gilt insbesondere für die Frage, ob die vertragswidrige Ausübung der Befugnisse unwirksam ist oder ob der betreffende Verfahrensbeteiligte gerichtlich auf Erfüllung der von ihm übernommenen Verpflichtung in Anspruch genommen werden kann. Einzig für die Frage nach dem Entstehen von Sekundäransprüchen aufgrund der Verletzung einer Pflicht aus dem Insolvenzverwaltungsvertrag könnte ein hinreichend enger Bezug zum Insolvenzverfahren und damit auch die Maßgeblichkeit des durch Art. 4 Abs. 1 ­EuInsVO bestimmten Insolvenzstatuts zu verneinen sein. Allerdings erscheint es wenig überzeugend, Primärund Sekundäransprüche nach unterschiedlichem nationalem Recht zu beurteilen. Denn beide Ansprüche knüpfen an eine im Zusammenhang mit dem Insolvenz 702 Eidenmüller, ZZP 114 (2001), 3, 26; Wittinghofer, Der nationale und internationale Insolvenzverwaltungsvertrag (2004), S. 357. 703 Anders aber Herchen, in: Pannen, Komm. z. ­EuInsVO, Art. 27 Rdn. 74, wonach „aus der in den Anerkennungsvorschriften der Art. 16 ff. ­EuInsVO deutlich werdenden rechtlichen Selbständigkeit der jeweiligen Insolvenzverfahren trotz fortbestehender Identität des insolventen Rechtsträgers“ die Zulässigkeit eines solchen Vertrages abzuleiten sei. 704 Für die Zulässigkeit eines solchen Vertrages bei Anwendbarkeit des deutschen Insolvenzrechts Reinhart, Sanierungsverfahren im internationalen Insolvenzrecht (1995), S. 296 ff.; ders., Münchener Komm. z. I­nsO, ­EuInsVO Art. 31 Rdn. 25; Eidenmüller, JNPÖ 18 (1999), 81, 92 Fn. 20.

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verfahren vertraglich übernommene Pflicht an. Damit muss das Recht des Staates der Verfahrenseröffnung auch für Sekundäransprüche maßgeblich sein, die bei der Verletzung einer in einem Insolvenzverwaltungsvertrag übernommenen Pflicht entstehen.705 Nicht von dem durch Art. 4 Abs. 1 ­EuInsVO bestimmten Insolvenzstatut umfasst dürfte allerdings die Frage sein, ob die für einen Vertragsschluss notwendigen Voraussetzungen vorliegen. Denn diesbezüglich unterscheidet sich ein zwischen den Beteiligten an einem Insolvenzverfahren geschlossener Vertrag nicht von einem außerhalb des Insolvenzverfahrens zwischen zwei Rechtssubjekten geschlossenen Vertrag. Auch verfolgen die Regelungen über einen Vertragsschluss keine besonderen „insolvenzpolitischen Ziele“, weshalb ihnen ein hinreichend enger Bezug zum Insolvenzverfahren fehlt. Zudem kann hier nicht für jeden Vertragsbeteiligten ein anderes Recht maßgeblich sein. Folglich müsste eine Entscheidung getroffen werden zwischen den Rechtsordnungen der Mitgliedsstaaten, in denen das jeweilige Insolvenzverfahren eröffnet wurde, an dem die Vertragsparteien beteiligt sind. Nach welchen Kriterien eine solche Entscheidung getroffen werden könnte, ist allerdings nicht ersichtlich. Vielmehr dürfte das diesbezüglich anwendbare Recht nach Maßgabe der Rom I-VO706 zu bestimmen sein. Die von Art. 1 Abs. 1 Rom I-VO geforderte Verbindung des Vertrages zum Recht verschiedener Staaten ist in der Beteiligung der Vertragsparteien an in verschiedenen Mitgliedsstaaten eröffneten Insolvenzverfahren zu sehen. Fraglich könnte allenfalls sein, ob ein Insolvenzverwaltungsvertrag ein „vertragliches Schuldverhältnis in Zivil- und Handelssachen“ darstellt. Eine positive Umschreibung dieses gemeinschaftsrechtlich autonom auszulegenden Begriffes existiert bisher nicht, es erfolgt lediglich eine Abgrenzung von den in Art. 1 Abs. 1 Satz 2 Rom I-VO genannten Materien des öffentlichen Rechts.707 Nach der noch zum EuGVÜ708 ergangenen Rechtsprechung des ­EuGH lag eine Entscheidung in Zivil- und Handelssachen dann nicht mehr vor, wenn eine „Behörde einen Rechtsstreit in Zusammenhang mit der Ausübung hoheitlicher Befugnisse führt“.709 Deshalb dürfte eine Anwendung der Rom I-VO bei einem zwischen Insolvenzrichtern verschiedener Staaten geschlossenen Insolvenzverwaltungsvertrag ausscheiden, da diese in ihrem 705

Vgl. Wagner, Prozessverträge (1998), S. 358, der für die Zulässigkeit und Wirkung von Prozessverträgen die lex fori für maßgeblich hält und hiernach sowohl Erfüllungs- als auch Schadensersatzansprüche beurteilen will, mit denen die Nichterfüllung des Prozessvertrages sanktioniert wird. 706 Verordnung (EG) Nr. 593/2008 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 17. Juni 2008 über das auf vertragliche Schuldverhältnisse anzuwendende Recht (Rom I), Amtsblatt der Europäischen Union L 177 vom 4. Juli 2008, S. 6 ff. 707 Martiny, Münchener Komm. z. BGB, Rom I-VO Art. 1 Rdn. 6. 708 Übereinkommen vom 27. September 1968 über die gerichtliche Zuständigkeit und die Vollstreckung gerichtlicher Entscheidungen in Zivil- und Handelssachen, 72/454/EWG, Amtsblatt der Europäischen Gemeinschaften L 299 vom 31. Dezember 1972, S. 32 ff. 709 ­EuGH, Urteil vom 16. Dezember 1980, Rs. 814/79 – Niederlande/Rüffer, Slg. 1980/3807 Rdn. 8.

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jeweiligen Verfahren hoheitliche Befugnisse ausüben und demzufolge auch der Insolvenzverwaltungsvertrag in Zusammenhang mit diesem hoheitlichen Handeln abgeschlossen wird. Wird der Insolvenzverwaltungsvertrag dagegen von Insolvenzverwaltern abgeschlossen, so dürfte die Rom I-VO zumeist Anwendung finden, da die Insolvenzverwalter zumindest bei der Verwaltung und Verwertung der Insolvenzmasse regelmäßig keine hoheitlichen Befugnisse ausüben. Anders verhält es sich lediglich, sofern eine nationale Rechtsordnung dem Insolvenzverwalter hoheitliche Befugnisse verleiht und die Absprache im Insolvenzverwaltungsvertrag gerade diese Befugnisse betrifft. Gilt die Rom I-VO, so beurteilt sich das Zustandekommen des Insolvenzverwaltungsvertrages gem. Art. 10 Abs. 1 Rom I-VO nach dem Recht, welches im Falle der Wirksamkeit des Vertrages anzuwenden wäre. Dies wiederum bestimmt sich nach Art. 3 und 4 Rom I-VO. bb) Die für Streitigkeiten aus dem Insolvenzverwaltungsvertrag international zuständigen Gerichte Kommt es zu Streitigkeiten aus einem Insolvenzverwaltungsvertrag, welcher zwischen den Beteiligten an in unterschiedlichen Mitgliedsstaaten eröffneten Insolvenzverfahren abgeschlossenen wurde, so ist schließlich fraglich, welche Gerichte hierfür zuständig wären. In Betracht kommt zunächst entsprechend Art. 3 ­EuInsVO eine Zuständigkeit der Gerichte desjenigen Mitgliedsstaates, in dem das Verfahren eröffnet wurde, an dem der Schuldner der umstrittenen Verpflichtung beteiligt ist. Denn nach der Rechtsprechung des E ­ uGH sind die Gerichte des Staates der Verfahrens­eröffnung gem. Art. 3 ­EuInsVO auch für alle Klagen international zuständig, „die unmittelbar aus diesem Verfahren hervorgehen und in einem engen Zusammenhang damit stehen“710. Allerdings ist die Reichweite dieser Annexzuständigkeit un­ uGH bei einer Insolvenzanfechtungsklage nach den klar. Bejaht wurde sie vom E §§ 129 ff. ­InsO.711 Auch hielt er Art. 1 Abs. 2 lit. b) ­EuGVVO712, wonach die Verordnung auf Konkurse, Vergleiche und ähnliche Verfahren keine Anwendung findet, in einem Fall für anwendbar, in dem es um die Veräußerung von Gesellschaftsanteilen durch einen schwedischen Konkursverwalter nach Sonderregelungen 710 ­EuGH, Urteil vom 12. Februar 2009, Rs. C-339/07 – Seagon/Deko Marty, Slg. 2009, I-767, Rdn. 21; kritisch gegenüber dieser Entscheidung des E ­ uGH R. Stürner/Kern, LMK 2009, 278572; Mörsdorf-Schulte, ZIP 2009, 1456, 1458 ff.; eine Annexzuständigkeit des nach Art. 3 ­EuInsVO zuständigen Gerichts grundsätzlich befürwortend, allerdings eine engere Definition des Annexverfahrens fordernd Fehrenbach, IPrax 2009, 492, 495 f.; dem E ­ uGH im Ergebnis zustimmend hingegen Mankowski/Willemer, RIW 2009, 669 ff. 711 ­EuGH, Urteil vom 12. Februar 2009, Rs. C-339/07 – Seagon/Deko Marty, Slg. 2009, I-767 Rdn. 28. 712 Verordnung (EG) Nr. 44/2001 des Rates vom 22. Dezember 2000 über die gerichtliche Zuständigkeit und die Anerkennung und Vollstreckung gerichtlicher Entscheidungen in Zivil- und Handelssachen, Amtsblatt der Europäischen Gemeinschaften L 12 vom 16. Januar 2001, S. 1 ff.

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des schwedischen Konkursgesetzes ging.713 Demgegenüber veneinte der E ­ uGH die Voraussetzungen des Art. 1 Abs. 2 lit. b) ­EuGVVO bei dem Antrag einer Vorbehaltsverkäuferin, wegen der Eröffnung eines Insolvenzverfahrens über das Vermögen der Vorbehaltskäuferin Sicherungsmaßnahmen zu erlassen. Denn das Vorgehen aufgrund eines Eigentumsvorbehalts setze weder die Eröffnung eines Insolvenzverfahrens über das Vermögen der Vorbehaltskäuferin noch die Bestellung eines Insolvenzverwalters voraus, vielmehr sei die Beantwortung einer diesbezüglichen Rechtsfrage von der Eröffnung eines Insolvenzverfahrens unabhängig.714 Bei Streitigkeiten aus einem Insolvenzverwaltungsvertrag folgt hieraus, dass eine Annexzuständigkeit der Gerichte des Staates der Verfahrenseröffnung entsprechend Art. 3 ­EuInsVO anzunehmen sein dürfte, sofern sich die umstrittene Verpflichtung aus dem Insolvenzverwaltungsvertrag auf Sonderbefugnisse des Insolvenzverwalters bezieht, die dem Schuldner außerhalb des Verfahrens nicht zustehen. Damit scheidet eine Annexzuständigkeit gem. Art. 3 ­EuInsVO lediglich bei Verpflichtungen hinsichtlich der Verwertung von zur Insolvenzmasse gehörenden Gegenständen aus, sofern der Insolvenzschuldner die betreffende Handlung außerhalb des Insolvenzverfahrens ebenso vornehmen könnte. In diesem Fall wären die zuständigen Gerichte nach den Regelungen der ­EuGVVO zu bestimmen. c) Eignung von Insolvenzverwaltungsverträgen zur Koordination paralleler Insolvenzverfahren Bisher wurden lediglich die rechtlichen Regeln dargestellt, die für den Abschluss und die Wirkungen eines Insolvenzverwaltungsvertrages gelten. Zu klären bleibt nun allerdings, ob auf dieser rechtlichen Grundlage der Abschluss von Insolvenzverwaltungsverträgen ein effektives Instrument zur Koordination mehrerer paralleler Insolvenzverfahren im Rahmen einer Konzerninsolvenz darstellt. Als ein wesentlicher Vorteil der Verfahrenskoordination durch Abschluss eines Insolvenzverwaltungsvertrages wird im Falle der Eröffnung mehrerer Insolvenzverfahren über das Vermögen desselben Schuldners die Vermeidung von kostenintensiven Rechtsstreitigkeiten zwischen den beteiligten Insolvenzverwaltern genannt, die durch den Anspruch beider Verfahren, das gesamte Vermögen des Schuldners zu erfassen, entstehen.715 Dass eine solche Konstellation grundsätzlich auch im Rahmen einer Konzerninsolvenz auftreten kann, zeigt die geschilderte Insolvenz der Maxwell Communication Corporation, die als Holding­

713 ­EuGH, Urteil vom 2. Juli 2009, Rs. C-111/08 – SCT Industri/Alpenblume, Slg. 2009, I-5655 Rdn. 26 ff. 714 ­EuGH, Urteil vom 10. September 2009, Rs. C-292/08 – German Graphics/van der Schee, Slg. 2009, I-8421 Rdn. 31 f. 715 So in Bezug auf die Insolvenz der Maxwell Communication Corporation Paulus, ZIP 1998, 977, 979.

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gesellschaft innerhalb eines weltweit agierenden Konzerns fungierte.716 Innerhalb ­ uInsVO existieren allerdes Geltungsbereichs der deutschen I­nsO sowie der E dings gesetzliche Regelungen, die einen solchen Konflikt ausschließen bzw. regeln. Kommt es innerhalb Deutschlands dazu, dass verschiedene Insolvenzgerichte über das Vermögen desselben Schuldners ein Insolvenzverfahren eröffnen, so löst der erste rechtskräftige Eröffnungsbeschluss die Verfahrenswirkungen, insbesondere den Vermögensbeschlag, aus. Das nachfolgend eröffnete Verfahren ist dann gem. § 207 Abs. 1 Satz 1 ­InsO einzustellen.717 Damit kann es zu keinen parallelen Insolvenzverfahren über das Vermögen desselben Schuldners kommen. Nach der ­EuInsVO sind parallele Hauptinsolvenzverfahren ebenfalls ausgeschlossen, da die Eröffnung eines Hauptinsolvenzverfahrens gem. Art. 3 Abs. 1 ­EuInsVO durch ein Gericht eines Mitgliedsstaates von den Gerichten der übrigen Mitgliedsstaaten ohne Überprüfung der Zuständigkeit des eröffnenden Gerichts gem. Art. 16 Abs. 1 ­EuInsVO anzuerkennen ist.718 Damit kann ein nachfolgendes Insolvenzverfahren gem. Art. 3 Abs. 3 ­EuInsVO nur noch als Sekundärinsolvenzverfahren eröffnet werden.719 Für die Abgrenzung der Insolvenzmassen von Haupt- und Sekundärinsolvenzverfahren enthält die ­EuInsVO aber in den Art. 27 Satz 3, 2 lit. g) EuInsVO spezielle Vorschriften. Damit sind Konflikte, die durch einen universellen Geltungsanspruch paralleler Insolvenzverfahren entstehen, im Anwendungsbe­ uInsVO durch gesetzliche Regelungen ausgeschlossen. reich der I­ nsO sowie der E Insoweit ist daher der Abschluss eines Insolvenzverwaltungsvertrages entbehrlich. Folglich kommt ein Insolvenzverwaltungsvertrag im Rahmen einer Konzern­ insolvenz vor allem als Mittel in Betracht, um die Insolvenzverfahren der einzelnen konzernzugehörigen Gesellschaften auf ein gemeinsames Ziel auszurichten. Eine solche Koordination wird als vorteilhaft angesehen, um das „wirtschaftliche Potenzial des Konzerngefüges auch in der Insolvenz fruchtbar“ zu machen, beispielsweise durch eine Sanierung des Gesamtkonzerns oder eine einheitliche Verwertung der Aktiva aller Konzerngesellschaften.720 Obwohl diese Einschätzung bei der Insolvenz mehrerer konzernangehöriger Gesellschaften zumeist zutreffen wird, erscheint doch fraglich, ob der Abschluss eines rechtsverbindlichen Insolvenz­ verwaltungsvertrages ein geeignetes Mittel ist, um eine solche Abstimmung umzusetzen. Denn der Abschluss einer rechtsverbindlichen Vereinbarung über die Abwicklung der einzelnen Insolvenzverfahren hat den Nachteil, dass diese den Spielraum des Verwalters verringert, „schnell auf neue Situationen reagieren zu können“ und damit zu einer „Starrheit in der Verwaltung der jewei­ligen Massen“ führt.721 716

Siehe die Schilderung des Sachverhalts der Maxwell-Insolvenz oben B. III. 1. Jaeger/Gerhardt, Komm. z. ­InsO, § 3 Rdn. 48; Ganter, Münchener Komm. z. I­nsO, § 3 Rdn. 32. 718 ­EuGH, Urteil vom 2. Mai 2006, Rs. 341/04 – Eurofood, Slg. 2006, I-3813 Rdn. 38 ff. 719 Reinhart, Münchener Komm. z. ­InsO, ­EuInsVO Art. 3 Rdn. 58. 720 Wittinghofer, Der nationale und internationale Insolvenzverwaltungsvertrag (2004), S. 36 ff. 721 Ehricke, FS 75 Jahre Max-Planck-Institut für Privatrecht (2001), 337, 357; ebenso Deyda, Der Konzern im europäischen internationalen Insolvenzrecht (2008), S. 163 und S. 166. 717

III. Absprachen zwischen Verwaltern und Gerichten

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Dieser Verlust an Flexibilität erscheint insbesondere deshalb problematisch, da sich die für die Verfahrensabwicklung relevanten Umstände im Laufe eines Insolvenzverfahrens häufig ändern.722 So können während des Verfahrens Tatsachen bekannt werden, aufgrund derer sich für die einzelne Konzerngesellschaft eine zunächst als vorteilhaft erscheinende Sanierung im Verbund mit den übrigen Konzerngesellschaften nunmehr als im Vergleich zu einer getrennten Verwertung des Vermögens nachteilig herausstellt. Ein solcher Fall läge beispielsweise vor, wenn ein Käufer ausschließlich an dem von einer einzelnen Tochtergesellschaft betriebenen Unternehmen interessiert ist und hierfür einen Preis bietet, der den Erlös übersteigt, der bei einer Sanierung des gesamten Konzerns zu Gunsten der Insolvenzmasse dieser einen Gesellschaft erzielt werden kann. Teilweise wird angesichts solcher Unsicherheiten der Abschluss einer rechtsverbindlichen Vereinbarung gerade als geeignetes Mittel angesehen, um auch bei auftretenden Interessengegensätzen zwischen den Beteiligten der einzelnen Verfahren, insbesondere der jeweiligen Insolvenzverwalter, eine Fortdauer der Zusammenarbeit zu gewährleisten.723 Allerdings hätte in der geschilderten Konstellation der Verwalter der Konzerngesellschaft, für die sich eine getrennte Verwertung der Insolvenzmasse nunmehr als günstiger darstellt, gerade kein Interesse mehr an einer Fortsetzung der Kooperation. Damit würde sich eine zu Beginn des Insolvenzverfahrens eingegangene Verpflichtung zur Kooperation im Verlauf dieses Verfahrens für einen Vertragspartner als nachteilig erweisen. Jede Vertragspartei muss folglich vor dem Abschluss eines Insolvenzverwaltungsvertrages das hierdurch eingegangene Risiko, dass sich die Vereinbarung später als nachteilig erweist, gegen den hierdurch eventuell zu erzielenden Nutzen abwägen. Angesichts der Un­sicherheit über den genauen Ablauf des Verfahrens ist eine solche Abwägung aber mit erheblichen Unsicherheiten behaftet. Im Ergebnis dürften die „labile[n] und konfliktanfällige[n] Grundvoraussetzungen für eine Koordination mehrerer Insolvenzverwalter“ eher Anreize schaffen, den Abschluss einer rechtsverbindlichen Vereinbarung zu unterlassen.724 Für eine solche Einschätzung spricht, dass bisher, soweit ersicht­ uInsVO und I­nsO kein Fall bekannt wurde, lich, im Geltungsbereich von E indem die Insolvenzverfahren verschiedener Konzerngesellschaften durch den Abschluss eines Insolvenzverwaltungsvertrages aufeinander abgestimmt wurden.725 722

Ehricke, WM 2005, 397, 399. Vgl. Wittinghofer, Der nationale und internationale Insolvenzverwaltungsvertrag (2004), S. 43 ff., der Rechtssicherheit für die beteiligten Insolvenzverwalter als eine notwendige Voraussetzung effizienter Koordination ansieht; ähnlich Eidenmüller, ZHR 169 (2005), 528, 543, wonach „[d]ie Rigidität einer rechtlich verbindlichen Regelung […] der Preis [sei], der für Rechtsklarheit und -sicherheit gezahlt wird“. 724 So zutreffend Ehricke, WM 2005, 397, 399. 725 Siehe auch Deyda, Der Konzern im europäischen internationalen Insolvenzrecht (2008), S. 160, wonach bisher kein Insolvenzverwaltungsvertrag unter Beteiligung deutscher Insolvenzverwalter oder Insolvenzgerichte abgeschlossen wurde. Die Überlegungen, den Insolvenzverwaltungsvertrag zur Koordinierung einer Konzerninsolvenz in Deutschland einzusetzen, seien daher „rein theoretischer Natur“. 723

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B. Abwicklung von Konzerninsolvenzen auf Grundlage des geltenden Rechts

Zudem ist zu beachten, dass der durch eine Verfahrenskoordination erzielbare finanzielle Vorteil nicht immer unmittelbar allen konzernangehörigen Gesellschaften gleichermaßen zu Gute kommen muss. Eine solche Situation wäre beispielsweise gegeben, wenn Konzerngesellschaft A auf die Beendigung eines für sie finanziell nachteiligen Vertrages mit der Konzerngesellschaft B verzichtet und es damit B ermöglicht, einen für sie lukrativen Auftrag noch abzuwickeln, bei dem der von B erzielte Erlös den bei A entstandenen Nachteil übersteigt. Für solche Fälle wird teilweise in der Literatur vorgeschlagen, dass sich die Insolvenzverwalter in einem Insolvenzverwaltungsvertrag verpflichten, auch für die von ihnen verwalteten Massen nachteilige Handlungen vorzunehmen, sofern der entstandene Nachteil durch eine Ausgleichszahlung aus der insoweit begünstigten Masse ausgeglichen wird.726 Bei der Insolvenz eines großen Konzerns mit zahlreichen Einzelgesellschaften kann ein solches Ausgleichssystem aber sehr komplex und damit auch anfällig für kostenintensive Rechtsstreitigkeiten werden. Deshalb erscheint es fraglich, ob die beteiligten Insolvenzverwalter bereit sind, eine derartige Vereinbarung abzuschließen. Zweifel hieran erscheinen insbesondere dann angebracht, wenn für den einzelnen Insolvenzverwalter noch nicht zuverlässig abzuschätzen ist, inwieweit auch die von ihm verwaltete Masse über einen bloßen Nachteilsausgleich hinaus von dem Abschluss einer Koordinationsvereinbarung profitiert. Denn der einzelne Insolvenzverwalter ist ausschließlich den Interessen der an seinem eigenen Verfahren beteiligten Gläubiger und damit zur Maximierung der von ihm verwalteten Insolvenzmasse verpflichtet. Ihn trifft aber keine Pflicht, die Interessen der Gläubiger einer anderen Konzerngesellschaft zu wahren. Folglich besteht ein Anreiz zum Abschluss einer Koordinationsvereinbarung für den jeweiligen Insolvenzverwalter nur dann, wenn sich der durch ein konzernweit einheitliches Vorgehen zu erzielende Vorteil auch in einem unproblematisch zu realisierenden Vorteil für die Masse der einzelnen Konzerngesellschaft niederschlägt. Schließlich ist zu bedenken, dass gerade bei großen Konzernen mit einer Vielzahl von Einzelgesellschaften und damit auch einer Vielzahl von Insolvenzverwaltern das Aushandeln eines für alle Beteiligten akzeptablen Insolvenzverwaltungsvertrages sehr langwierig und kompliziert sein wird. Dies gilt insbesondere dann, wenn die Insolvenzverfahren der einzelnen Gesellschaften in verschiedenen Ländern eröffnet wurden und damit auch unterschiedliche Verfahrensrechte Anwendung finden. In einem solchen Fall erschweren die bestehenden Unterschiede zwischen den einzelnen Rechtsordnungen die Einigung auf ein gemeinsames Vorgehen zusätzlich. Sofern trotz dieser Schwierigkeiten eine entsprechende rechtsverbindliche Einigung möglich erscheint, wird deren Abschluss mit erheblichen

726

Vgl. den Vorschlag von Brünkmans, Die Koordinierung von Insolvenzverfahren konzernverbundener Unternehmen (2009), S. 175 f., der zudem vorschlägt, dass die Insolvenzverwalter für Streitigkeiten bezüglich der Höhe der Ausgleichszahlung die Durchführung eines Schiedsverfahrens vereinbaren sollten.

III. Absprachen zwischen Verwaltern und Gerichten

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Kosten verbunden sein.727 So dienten denn auch die bisher aus dem anglo-amerikanischen Rechtskreis bekannt gewordenen protocols, soweit ersichtlich, der Koordination lediglich zweier Insolvenzverfahren, die über das Vermögen desselben Schuldners in verschiedenen Ländern eröffnet wurden.728 Neben dieser Vielzahl von Beteiligten kann aber auch der Versuch, angesichts der oben beschriebenen Unsicherheiten über den weiteren Ablauf des Insolvenzverfahrens möglichst detaillierte und alle Eventualitäten berücksichtigende Regelungen in den Insolvenzverwaltungsvertrag aufzunehmen, zu hohen Kosten des Vertragswerks führen.729 Wenn dem Abschluss eines Insolvenzverwaltungsvertrages aber langwierige, komplizierte und auch kostenintensive Verhandlungen vorauszugehen haben, so erscheint doch zweifelhaft, ob diese Nachteile durch die mittels einer Verfahrenskoordination erzielbaren Vorteile wieder aufgewogen werden.730 Unbegründet sind auf der Grundlage der hier vertretenen Ansicht dagegen Bedenken, dass der in einem nach der ­InsO abzuwickelnden Verfahren bestellte Insolvenzverwalter durch den Abschluss eines Insolvenzverwaltungsvertrages in einen Konflikt mit Entscheidungen der Gläubigerorgane geraten kann. So wird teilweise befürchtet, dass der Insolvenzverwalter gegensätzlichen Verpflichtungen ausgesetzt sei, wenn er in einem Insolvenzverwaltungsvertrag eine Verpflichtung übernimmt, später aber durch den Beschluss eines Gläubigerorgans zu einem dieser Verpflichtung widersprechenden Handeln gezwungen wird.731 Allerdings ist der Insolvenzverwalter zum Abschluss eines ihn persönlich verpflichtenden Insolvenzverwaltungsvertrages nicht befugt. Eine Verpflichtung, eine bestimmte Handlung vorzunehmen oder zu unterlassen, kann er nur zu Lasten der Insolvenzmasse eingehen.732 Hierbei dürfte es sich dann regelmäßig um eine besonders bedeutsame Rechtshandlung im Sinne des § 160 Abs. 1 ­InsO handeln, weshalb der Insolvenz 727

Vgl. Eidenmüller, ZZP 114 (2001), 3, 6, der darauf hinweist, dass eine Koordination paral­leler Insolvenzverfahren auf vertraglicher Grundlage im Vergleich zu einer Koordination nach gesetzlichen Regelungen höhere Transaktionskosten produziert. 728 Vgl. die Schilderungen der Insolvenzverfahren der Maxwell Communication Corporation, der Maruko Inc. sowie des Joseph Nakash bei Paulus, ZIP 1998, 977, 979 ff. und die Schilderung des Insolvenzverfahrens der Everfresh Beverages Inc. bei Leonard, 33 Tex. Int’l L. J. 543, 548 ff. (1998). 729 Ehricke, FS 75 Jahre Max-Planck-Institut für Privatrecht (2001), 337, 358. 730 Vgl. Ehricke, FS 75 Jahre Max-Planck-Institut für Privatrecht (2001), 337, 358, der zumindest bei Insolvenzverwaltungsverträgen, die „möglichst viele Eventualitäten und Details“ regeln, deren Effizienz bezweifelt; im Ergebnis ebenso Köndgen, JNPÖ 18 (1999), 52, 70, der angesichts des Interesses der jeweiligen Insolvenzverwalter bzw. der Insolvenzgerichte, für die an ihrem Verfahren beteiligten Gläubiger eine möglichst vorteilhafte Vereinbarung zu er­zielen, das Erreichen effizienter Verhandlungsergebnisse für fraglich hält; ähnlich Hirte, ECFR 2008, 213, 215, wonach sich Insolvenzverwaltungsverträge aufgrund des Erfordernisses gleicher Verhandlungsstärke sowie der notwendigen Transaktionskosten lediglich für große grenzüberschreitende Insolvenzverfahren eignen. 731 So die auf Grundlage der Annahme, dass sich der Insolvenzverwalter durch einen Insolvenzverwaltungsvertrag nur persönlich verpflichten könne, geäußerten Bedenken von Ehricke, FS 75 Jahre Max-Planck-Institut für Privatrecht (2001), 337, 359; ders., WM 2005, 397, 403. 732 Siehe oben B. III. 1. a) aa) (2).

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B. Abwicklung von Konzerninsolvenzen auf Grundlage des geltenden Rechts

verwalter die Zustimmung der Gläubiger einzuholen hat.733 Haben die Gläubiger aber ihre Zustimmung zu dem Vertragsschluss erteilt, so handelt der Insolvenz­ verwalter nicht pflichtwidrig, wenn er anschließend trotz eines nachfolgenden gegenteiligen Beschlusses des Gläubigerorgans den Vertrag erfüllt.734 Eine Konfliktlage besteht insoweit nicht. Kann der Insolvenzverwalter Handlungs- bzw. Unterlassungspflichten bezüglich der Ausübung seiner Befugnisse nur zu Lasten der Insolvenzmasse eingehen, so führt auch der Wechsel des Insolvenzverwalters zu keinen besonderen Problemen.735 Denn auch der neue Insolvenzverwalter ist an einen von seinem Vorgänger geschlossenen Vertrag gebunden, wenn hierdurch der Insolvenzschuldner verpflichtet und damit eine Masseverbindlichkeit be­gründet wird.736 Im Ergebnis erscheint der Abschluss von Insolvenzverwaltungsverträgen im Rahmen einer Konzerninsolvenz nur bedingt zur Koordination der Insolvenz­ verfahren der einzelnen Konzerngesellschaften geeignet.737 Die Gründe liegen hauptsächlich in der fehlenden Voraussehbarkeit des Ablaufs dieser Insolvenzverfahren, den daraus folgenden Schwierigkeiten bei der Abschätzung des Risikos einer vertraglichen Bindung, den hohen Transaktionskosten bei einer Vielzahl von Einzelgesellschaften sowie der Anfälligkeit einer solchen Vereinbarung für Rechtsstreitigkeiten. Dem entspricht es, dass bisher, soweit ersichtlich, keine entsprechende Vereinbarung im Rahmen einer Konzerninsolvenz abgeschlossen wurde. Lediglich bei der Vereinbarung von Informationspflichten, die die Entscheidungsfreiheit der einzelnen Insolvenzverwalter bei der Abwicklung ihrer Verfahren unberührt lassen, dürften diese Nachteile weniger schwer wiegen. Hier könnte im Rahmen einer Konzerninsolvenz ein Anwendungsfeld für vertragliche Absprachen bestehen. 733 So ist zur Begründung einer Zustimmungspflicht nach der Generalklausel des § 160 Abs. 1 Satz 1 I­nsO neben finanziellen Auswirkungen auch zu berücksichtigen, ob die betreffende Rechtshandlung „im Hinblick auf das weitere Verfahren von (1) grundlegender, (2) ungewöhnlicher oder (3) besonders risikoreicher Natur“ ist, siehe Balthasar, in: Nerlich/Römermann, Komm. z. I­nsO, § 160 Rdn. 9. Diese Voraussetzungen werden bei einem die weitere Verfahrensabwicklung regelnden Insolvenzverwaltungsvertrag regelmäßig zu bejahen sein. 734 Eidenmüller, ZHR 169 (2005), 528, 543. 735 Anders aber Ehricke, FS 75 Jahre Max-Planck-Institut für Privatrecht (2001), 337, 360; ders., WM 2005, 397, 403, der allerdings davon ausgeht, dass der Insolvenzverwalter durch einen Insolvenzverwaltungsvertrag stets persönlich verpflichtet wird. 736 Im Ergebnis ebenso Eidenmüller, ZHR 169 (2005), 528, 543, allerdings auf Grundlage der Annahme, dass der Insolvenzverwalter den Insolvenzverwaltungsvertrag „nicht als natürliche Person, sondern vielmehr in seiner Funktion als Verwalter – und damit auch für einen etwaigen neuen Verwalter – abschließt und auch abschließen kann“. Sollte damit allerdings gemeint sein, dass „das Amt“ des Insolvenzverwalters verpflichtet werden kann, so wäre dies nicht zutreffend. Denn Ämter und Gremien sind selbst nicht rechtsfähig, vgl. Jacoby, Das private Amt (2007), S. 396 unter Verweis auf BGH, Urteil vom 17. Mai 1993, II ZR 89/92, BGHZ 122, 342, 344 f., wonach der Aufsichtsrat einer AG weder rechts- noch parteifähig ist. 737 So auch die Einschätzung von Deyda, Der Konzern im europäischen internationalen Insolvenzrecht (2008), S. 165.

III. Absprachen zwischen Verwaltern und Gerichten

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2. Rechtlich unverbindliche Absprachen Die geschilderten Nachteile einer rechtsverbindlichen Koordinationsvereinbarung werden vermieden, wenn sich die an den Insolvenzverfahren der einzelnen Konzerngesellschaften Beteiligten lediglich durch unverbindliche Absprachen abstimmen. Zudem entfallen bei diesen unverbindlichen Absprachen auch die – jedenfalls nach deutschem Recht bestehenden – Beschränkungen für den Abschluss eines Insolvenzverwaltungsvertrages zwischen mehreren Insolvenzverwaltern.738 Aber auch zwischen den für die einzelnen Konzerngesellschaften zuständigen Insolvenzgerichten erscheint ein Informationsaustausch bzw. eine Abstimmung der Entscheidungen zulässig,739 solange keine rechtliche Bindung hinsichtlich der Befugnisausübung erfolgt. Dies zeigt der durch das ESUG in das autonome deutsche Internationale Insolvenzrecht eingefügte § 348 Abs. 2 ­InsO, wonach das Insolvenzgericht, sofern die Voraussetzungen für die Anerkennung eines ausländischen Insolvenzverfahrens gegeben sind, mit dem ausländischen Insolvenzgericht zusammenarbeiten und insbesondere Informationen weitergeben kann, die für das ausländische Verfahren von Bedeutung sind. Allerdings besteht bei unverbindlichen Absprachen die Gefahr, dass die Zusammenarbeit bereits bei ersten Anzeichen von Meinungsverschiedenheiten zwischen den Verfahrensbeteiligten beendet wird.740 Es wird also der „Vorteil größtmög­ licher Flexibilität […] mit dem Nachteil geringerer Rechtsklarheit und Erwartungssicherheit erkauft“.741 Damit stellen auch unverbindliche Absprachen keineswegs ein optimales Instrument zur Koordination der Insolvenzverfahren der einzelnen Konzerngesellschaften dar. Gleichwohl dürfte aufgrund des geringeren Risikos die Bereitschaft der an diesen einzelnen Insolvenzverfahren Beteiligten, ohne die Übernahme vertraglicher Verpflichtungen bei der Abwicklung der einzelnen Verfahren zusammenzuarbeiten, ungleich größer sein als diejenige, einen rechtsverbindlichen Insolvenzverwaltungsvertrag abzuschließen. Dementsprechend erscheint eine solche unverbindliche Zusammenarbeit als ein geeigneteres Koordinationsinstrument für die Abwicklung einer Konzerninsolvenz als der Abschluss von Insolvenzverwaltungsverträgen.742 Im Rahmen der Koordination von Haupt- und Sekundärinsolvenzverfahren nach der ­EuInsVO ist in der rechtswissenschaftlichen Literatur vorgeschlagen worden, zur Ausgestaltung der in Art. 31 ­EuInsVO normierten Pflichten zumindest für von 738

Zur Zulässigkeit des Abschlusses eines Insolvenzverwaltungsvertrages durch den Insolvenzverwalter nach deutschem Recht siehe oben B. III. 1. a) aa). 739 So Vallender, KTS 2008, 59, 70 f. für einen Informationsaustausch und eine Abstimmung zwischen deutschen Insolvenzrichtern und ihren ausländischen Kollegen. 740 So die Befürchtung von Wittinghofer, Der nationale und internationale Insolvenzverwaltungsvertrag (2004), S. 42 f. 741 Eidenmüller, ZZP 114 (2001), 3, 10. 742 Ebenso Deyda, Der Konzern im europäischen internationalen Insolvenzrecht (2008), S. 167.

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B. Abwicklung von Konzerninsolvenzen auf Grundlage des geltenden Rechts

deutschen Gerichten bestellte Insolvenzverwalter einen Verhaltens­kodex nach dem Vorbild des Deutschen Corporate Governance Kodex (DCGK) zu entwickeln. In diesem Kodex sollten „Maßgaben für das Verhalten von Insolvenzverwaltern bei der Koordinierung von grenzüberschreitenden Insolvenzverfahren“ enthalten sein, beispielsweise Regelungen über die Verwaltung des schuldnerischen Vermögens, das anzustrebende Verfahrensziel oder die Verteilung des schuldnerischen Vermögens. Obwohl die in diesem Kodex enthaltenen Regelungen für die Verwalter grundsätzlich unverbindlich sein, ihre „normative Kraft [vielmehr] aus der Selbstunterwerfung ziehen“ sollten, wird gleichwohl angenommen, dass ihnen Bedeutung bei der Konkretisierung der Anforderungen des § 60 Abs. 1 Satz 2 ­InsO zukommen könne, wonach der Insolvenzverwalter für die Sorgfalt eines ordentlichen und gewissenhaften Insolvenzverwalters einzustehen hat.743 Zwar existiert ein solcher, ebenso wie der DCGK von einer durch die Exekutive eingesetzten Kommission entwickelter „Insolvenzverwaltungskodex“ bisher nicht. Allerdings ist zur Ausgestaltung der in Art. 31 Abs. 1 und 2 ­EuInsVO normierten Informations- und Kooperationspflicht von Rechtswissenschaftlern ein Bündel von Verhaltensrichtlichtlinien erarbeitet worden, welche, insoweit über die Regelung des Art. 31 ­EuInsVO hinausgehend, auch Vorschläge für eine Zusammenarbeit zwischen den für das Haupt- bzw. das Sekundärinsolvenzverfahren zuständigen Insolvenzgerichten enthalten.744 Diese sind dem vorgeschlagenen „Insolvenz­ verwaltungskodex“ ähnlich und könnten auch zur Ausgestaltung der Verfahrenskoordination bei einer Konzerninsolvenz herangezogen werden. Denn auch hier kann es zu der Eröffnung eines Haupt- und eines Sekundärinsolvenz­verfahrens über dieselbe Konzerngesellschaft kommen, zudem stellen sich ähnliche Probleme auch bei parallelen Hauptinsolvenzverfahren. Ob ein solches Regelwerk aber, wie es von der geschilderten Ansicht angenommen wird, tatsächlich Auswirkungen auf den vom Insolvenzverwalter nach § 60 Abs. 1 Satz 2 ­InsO zu beachtenden Sorgfaltsmaßstab haben kann, erscheint zweifelhaft. So ist schon für den durch eine von der Bundesregierung eingesetzte Kommission erarbeiteten DCGK umstritten, inwieweit er sich auf die vom Vorstand bzw. dem Aufsichtsrat der AG nach §§ 93 Abs. 1, 116 AktG einzuhaltenden Sorgfaltsanforderungen auswirkt. Gegen eine generelle Heranziehung der im DCGK enthaltenen Regelungen zur Konkretisierung der §§ 93 Abs. 1, 116 AktG spricht, dass dessen Vorgaben gerade nicht verbindlich sind und ein Abweichen hiervon folglich gestattet ist.745 Zudem ist der DCGK auch nicht mit den DINNormen vergleichbar, die im Rahmen des Deliktsrechts zur Ermittlung der ver 743 So der Ansatz von Ehricke, WM 2005, 397, 404 f.; für ein solches Konzept auch Deyda, Der Konzern im europäischen internationalen Insolvenzrecht (2008), S. 222 ff. mit weiteren konkreten Regelungsvorschlägen. 744 Siehe Wessels/Virgós, European Communication and Cooperation Guidelines for Crossborder Insolvency (2007). 745 Fleischer, in: Spindler/Stilz, Komm. z. AktG, § 93 Rdn. 46; Spindler, in: K. Schmidt/Lutter, Komm. z. AktG, § 161 Rdn. 68.

III. Absprachen zwischen Verwaltern und Gerichten

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kehrsüblichen Sorgfalt herangezogen werden.746 Denn bei den DIN-Normen besteht ein Vertrag zwischen dem Staat und dem DIN e. V., welcher dem Staat eine gewisse Inhaltskontrolle hinsichtlich dieser Standards einräumt. Eine solche Kontrollmöglichkeit existiert aber für die Regelungen des DCGK nicht.747 Somit sprechen die besseren Gründe gegen eine Heranziehung des DCGK zur Konkretisierung der §§ 93 Abs. 1, 116 AktG.748 Ebenso ist nun auch für von Privatpersonen entwickelte Richtlinien zu entscheiden, welche die Koordination zwischen den Insolvenzverwaltern bzw. Insolvenzgerichten bei mehreren parallelen Insolvenzverfahren betreffen. Denn auch hier ist nicht ersichtlich, weshalb einem solchen Regelwerk, welches nicht verbindlich ist und zudem auch von staatlichen Stellen nicht kontrolliert wurde, Einfluss auf die vom Insolvenzverwalter nach § 60 Abs. 1 Satz 2 ­InsO einzuhaltende Sorgfalt zukommen sollte. Damit muss im Rahmen der Haftung des Insolvenzverwalters der von diesem zu beachtende Sorgfaltsmaßstab unabhängig von durch Privatpersonen geschaffenen Regelwerken bestimmt werden. Maßgblich sind die individuellen Anforderungen der Aufgabe, die der Verwalter im Einzelfall wahrnimmt.749 Folglich können Richtlinien, die von Privaten zur Ausgestaltung der Kooperation zwischen den Beteiligten paralleler Insolvenzverfahren entwickelt werden, lediglich ein Anregung für die betroffenen Personen darstellen. Ihnen kommen aber keine rechtlichen Wirkungen, weder unmittelbare noch mittelbare, zu. 3. Verpflichtung zur Verfahrenskoordination durch Absprachen Fraglich ist schließlich, ob die an parallelen Insolvenzverfahren verschiedener Konzerngesellschaften beteiligten Insolvenzverwalter und Insolvenzgerichte in gewissen Fällen auch verpflichtet sind, ihre Handlungen durch Absprachen zu koordinieren. Im deutschen Insolvenzrecht ist eine Koordinationspflicht der an Insolvenz­ verfahren verschiedener Konzerngesellschaften beteiligten Insolvenzverwalter und Insolvenzgerichte nicht geregelt. Teilweise wird allerdings davon ausgegangen, dass sich aus § 1 Satz 1 ­InsO für den Insolvenzverwalter und das Insolvenzgericht als „insolvenzrechtliche Funktionsträger“ die Pflicht ergebe, das schuldnerische Vermögen „bestmöglich zu Gunsten der Gläubiger zu verwerten“. Aus dieser Verpflichtung könnten dann im Rahmen einer Konzerninsolvenz auch Koordina­ 746 Vgl. zur Bedeutung der DIN-Normen im Rahmen des Deliktsrechts BGH, Urteil vom 1. März 1988, VI ZR 190/87, BGHZ 103, 338, 341 f. 747 Bachmann, WM 2002, 2137, 2139; Fleischer, in: Spindler/Stilz, Komm. z. AktG, § 93 Rdn. 46. 748 Für eine Indizwirkung der Normen des DCGK im Rahmen der §§ 93 Abs. 1, 116 AktG hingegen Lutter, ZHR 166 (2002), 523, 542; Ulmer, ZHR 166 (2002), 150, 166 f.; Berg/Stöcker, WM 2002, 1569, 1576. 749 Brandes, Münchener Komm. z. ­InsO, § 61 Rdn. 90.

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B. Abwicklung von Konzerninsolvenzen auf Grundlage des geltenden Rechts

tionspflichten folgen, sofern solche Pflichten mangels freiwilliger Koordination erforderlich und wegen einer „evidente[n] Besserstellung“ der jeweiligen Beteiligten „im Sinne einer offensichtlichen Partizipation an der durch die Koordination bewirkten Wertschöpfung“ auch zumutbar seien.750 Für den Insolvenzverwalter einer einzelnen Konzerngesellschaft bedeute dies, dass ihm regelmäßig Informations- und Konsultationspflichten gegenüber dem Verwalter einer anderen Konzerngesellschaft oblägen, da solche Pflichten mit einer nur geringen Belastung verbunden und Grundvoraussetzung jeglicher weiteren Koordination seien. Da­ rüber hinaus könnten aber auch konkrete Handlungspflichten bestehen. So könnten die Verwalter der einzelnen Konzerngesellschaften zur Vorlage abgestimmter Insolvenzpläne verpflichtet sein, sofern dies zur Umsetzung einer für alle Konzerngesellschaften optimalen Verwertung der jeweiligen Insolvenzmasse erforderlich ist. Ferner sei ein Insolvenzverwalter auch zum Abschluss eines Insolvenzverwaltungsvertrages verpflichtet, sofern eine Koordinationspflicht grundsätzlich bestehe, ihr genauer Inhalt aber zweifelhaft ist und diese Zweifel durch eine solche vertragliche Vereinbarung beseitigt werden könnten.751 Das Insolvenzgericht sei unter denselben Voraussetzungen wie der Insolvenzverwalter zum Abschluss eines Insolvenzverwaltungsvertrages verpflichtet. Daneben könne aber auch eine Pflicht zur Bestellung desselben Insolvenzverwalters angenommen werden, sofern eine Person in den Insolvenzverfahren aller Konzerngesellschaften als geeignet im Sinne des § 56 Abs. 1 Satz 1 ­InsO anzusehen ist.752 Bezüglich des Insolvenzverwalters ist dieser Ansicht grundsätzlich zuzustimmen. Denn der Insolvenzverwalter hat das schuldnerische Vermögen bestmöglich zu verwerten.753 Ist hierfür eine Zusammenarbeit mit dem Insolvenzverwalter einer anderen Konzerngesellschaft notwendig, so obliegt dem Insolvenzverwalter folglich auch eine entsprechende Pflicht. Allerdings ist bei einer weiteren Kon­ kretisierung dieser Pflicht eine gewisse Zurückhaltung geboten. Denn der Insolvenzverwalter entscheidet, sofern ihm seitens der Gläubiger keine konkreten Vorgaben gemacht werden, bezüglich der Art der Verwertung der Insolvenzmasse grundsätzlich nach pflichtgemäßem Ermessen.754 Hieraus ergibt sich, dass in erster Linie der Insolvenzverwalter über sein Vorgehen im konkreten Fall und damit auch darüber entscheidet, welcher Mittel er sich bei der Zusammenarbeit mit dem Verwalter eines parallelen Verfahrens bedient. Eine Verpflichtung zur Vornahme einer bestimmten Handlung kann damit erst bestehen, sofern die Vornahme dieser Handlung im konkreten Fall die einzige vertretbare Vorgehensweise 750

Eidenmüller, ZHR 169 (2005), 528, 550 f.; ähnlich bereits ders., ZZP 114 (2001), 3, 23.  Eidenmüller, ZHR 169 (2005), 528, 552 f.; für eine in diesen Fällen bestehende Pflicht zum Abschluss eines Insolvenzverwaltungsvertrags auch ders., ZZP 114 (2001), 3, 24; Wittinghofer, Der nationale und internationale Insolvenzverwaltungsvertrag (2004), S. 311. 752 Eidenmüller, ZHR 169 (2005), 528, 553 f. 753 Vgl. Brandes, Münchener Komm. z. I­nsO, § 61 Rdn. 31; Uhlenbruck/Sinz, Komm. z. ­InsO, § 60 Rdn. 16. 754 Görg, Münchener Komm. z. ­InsO, § 159 Rdn. 6. 751

III. Absprachen zwischen Verwaltern und Gerichten

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ist.755 Bezüglich des Insolvenzgerichts erscheint die Annahme einer Kooperationspflicht mit einem anderen Gericht hingegen problematischer. Denn die Richter sind nach Art. 97 Abs. 1 GG nur dem Gesetz unterworfen, welches aber eine Kooperationspflicht verschiedener Insolvenzgerichte nicht kennt. Hinzu kommt, dass nach hier vertretener Ansicht756 dem Insolvenzrichter der Abschluss eines Insolvenzverwaltungsvertrages nicht gestattet ist, weshalb er hierzu auch nicht verpflichtet sein kann. Aber auch eine Pflicht zur Bestellung eines „Konzerninsolvenzverwalters“ erscheint nur schwer begründbar.757 Denn angesichts der zwischen den verschiedenen Konzerngesellschaften bestehenden finanziellen Verflechtungen erscheint es eine ohne weiteres vertretbare Auslegung des § 56 Abs. 1 Satz 1 ­InsO, die Unabhängigkeit eines bereits für eine Konzerngesellschaft bestellten Verwalters in dem Verfahren einer anderen Konzerngesellschaft zu verneinen. Insgesamt ist daher eine Kooperationspflicht der Insolvenzgerichte abzulehnen. Damit hängt es von der „Einstellung und Bereitschaft des einzelnen Richters zur Kooperation“ ab, welche diesbezüglichen Maßnahmen er ergreift.758 Werden die Insolvenzverfahren der einzelnen Konzerngesellschaften in unterschiedlichen Mitgliedsstaaten eröffnet, so beurteilt sich das Bestehen einer Kooperationspflicht zwischen den Verfahrensbeteiligten nach dem jeweils anwendbaren nationalen Insolvenzrecht. Lediglich für die Verwalter von Haupt- und Sekundärinsolvenzverfahren enthält die ­EuInsVO in Art. 31 Abs. 1, Abs. 2 ­EuInsVO eine Verpflichtung zum Informationsaustausch und zur Zusammenarbeit. Mangels konkreterer Vorgaben der ­EuInsVO liegt es auch hier im Ermessen der Verwalter, wie sie dieser Pflicht zur Zusammenarbeit nachkommen. Einer Erstreckung dieser Pflicht auf die Insolvenzgerichte ist angesichts des eindeutigen Wortlauts der Vorschrift abzulehnen.759 4. Ergebnis Nach der ­InsO kann der Insolvenzverwalter Verpflichtungen hinsichtlich der Ausübung seiner Befugnisse grundsätzlich nur zu Lasten der Insolvenzmasse eingehen. Begrenzt ist diese Möglichkeit dadurch, dass in entsprechender Anwendung 755

Vgl. Rotstegge, Konzerninsolvenz (2007), S. 216, der eine Pflicht des Insolvenzverwalters zur Vornahme einer bestimmten Handlung nur dann anerkennen will, wenn „nur eine einzige Handlungsoption […] mit einer ordnungsgemäßen Amtswahrnehmung in Einklang zu bringen“ ist. 756 Siehe oben B. III. 1. a) bb). 757 Ebenfalls gegen eine solche Pflicht, da dem Insolvenzgericht bei der Verwalterauswahl ein Ermessen zukommt, Böcker, GmbHR 2004, 1314, 1316. 758 Vallender, KTS 2008, 59, 71. 759 Vallender, KTS 2008, 59, 66; Paulus, Komm. z. ­EuInsVO, Art. 31 Rdn. 5; Pannen/Riedemann, in: Pannen, Komm. z. ­EuInsVO, Art. 31 Rdn. 33; a. A. Re Nortel Networks SA, Urteil des High Court of Justice (Chancery Division) vom 11. Februar 2009, [2009] EWHC 206 (Ch) = ZIP 2009, 578 f., Rdn. 10 f.

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B. Abwicklung von Konzerninsolvenzen auf Grundlage des geltenden Rechts

der Grundsätze über den Missbrauch der Vertretungsmacht evident unzweckmäßige Handlungen des Insolvenzverwalters, bei denen sich für den Geschäftspartner begründete Zweifel an der Vereinbarkeit der Handlung mit dem Verfahrenszweck aufdrängen müssen, unwirksam sind. Ein solcher evidenter Widerspruch zum Zweck des Insolvenzverfahrens kann sich zum einen daraus ergeben, dass die versprochene Handlung offensichtlich aus der Insolvenzmasse nicht erfüllt werden kann. Zum anderen kann die evidente Insolvenzzweckwidrigkeit auch aufgrund einer Bindung des Insolvenzverwalters gegenüber einem Gläubiger anzunehmen sein, welche so weitreichend ist, dass sie die von § 56 Abs. 1 Satz 1 ­InsO geforderte Unabhängigkeit des Insolvenzverwalters entfallen lässt bzw. gegen das Gebot der höchstpersönlichen Amtsführung verstößt. Persönlich kann sich der Insolvenzverwalter mangels Ermächtigungsgrundlage nicht zu einer bestimmten Ausübung seiner Befugnisse verpflichten. Ob der Insolvenzverwalter die Insolvenzmasse oder sich selbst vertraglich binden will, ist durch Auslegung seiner Willenserklärung nach den §§ 133, 157 BGB zu ermitteln. Dem Insolvenzgericht hingegen ist der Abschluss eines Insolvenzverwaltungsvertrages mangels Ermächtigungsgrundlage untersagt. Die Rechtswirkungen eines wirksamen Insolvenzverwaltungsvertrages ent­ sprechen denen eines normalen schuldrechtlichen Vertrages, d. h. der durch den Vertrag Berechtigte erhält einen schuldrechtlichen Anspruch auf Erfüllung, den er gegebenenfalls gerichtlich einklagen muss. Eine unmittelbare Auswirkung des Insolvenzverwaltungsvertrages auf das betreffende Insolvenzverfahren ist ab­ zulehnen. Bei einem Insolvenzverwaltungsvertrag, welcher zwischen den Beteiligten an in unterschiedlichen Mitgliedsstaaten der Europäischen Union eröffneten Insolvenzverfahren geschlossen wird, bestimmen sich die Befugnis der Beteiligten zum Abschluss eines solchen Vertrages sowie die Rechtswirkungen desselben gem. Art. 4 Abs. 1 ­EuInsVO nach dem Recht des Staates, in dem das jeweilige Insolvenzverfahren eröffnet worden ist. Lediglich hinsichtlich der für einen Vertragsschluss notwendigen Voraussetzungen ist, sofern der Vertrag zwischen Insolvenzverwaltern abgeschlossen wird, das anwendbare Recht nach der Rom I-VO zu bestimmen. Betrifft die im Insolvenzverwaltungsvertrag übernommene Verpflichtung Sonderbefugnisse des Insolvenzverwalters, welche dem Schuldner außerhalb des Insolvenzverfahrens nicht zustehen, so besteht für Streitigkeiten aus diesem Vertrag eine Annexzuständigkeit des Gerichtes, welches das Verfahren eröffnet hat, in dem der verpflichtete Insolvenzverwalter bestellt worden ist. Allerdings ist der Abschluss von Insolvenzverwaltungsverträgen aufgrund des damit einhergehenden Verlustes von Flexibilität bei der Verfahrensabwicklung sowie der im Zeitpunkt des Vertragsschlusses bestehenden Unsicherheit hinsichtlich des weiteren Ablaufs des Insolvenzverfahrens kein uneingeschränkt zu befürwortendes Mittel der Verfahrenskoordination. Geeigneter erscheinen insoweit unverbindliche Absprachen zwischen den Beteiligten.

IV. Koordinationsmechanismen nach dt. Gesellschafts- und Insolvenzrecht

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Eine Kooperationspflicht der Insolvenzverwalter der einzelnen Konzerngesellschaften kann nach deutschem Insolvenzrecht bestehen, wenn die Absprache mit dem Verwalter des Parallelverfahrens zu einer optimalen Verwertung der Insolvenzmasse erforderlich ist. Die Umsetzung dieser Pflicht liegt in erster Linie im Ermessen der beteiligten Verwalter. Eine Kooperationspflicht der Insolvenzgerichte besteht mangels einer gesetzlichen Regelung nicht. Bei parallelen Verfahren, die in verschiedenen Staaten eröffnet wurden, beurteilt sich das Bestehen einer Kooperationspflicht nach dem im jeweiligen Verfahren geltenden nationalen Insolvenzrecht. Lediglich im Geltungsbereich der E ­ uInsVO sind die Verwalter des Haupt- und des Sekundärinsolvenzverfahrens nach Art. 31 Abs. 1, Abs. 2 ­EuInsVO zum Informationsaustausch und zur Zusammenarbeit verpflichtet. Die Insolvenzgerichte sind von dieser Verpflichtung allerdings nicht betroffen.

IV. Weitere Koordinationsmechanismen nach deutschem Gesellschafts- und Insolvenzrecht IV. Koordinationsmechanismen nach dt. Gesellschafts- und Insolvenzrecht

Neben der Eröffnung der Insolvenzverfahren aller Konzerngesellschaften durch dasselbe Gericht, der Bestellung desselben Insolvenzverwalters für mehrere oder alle Konzerngesellschaften sowie einer Koordination der Verfahren durch Absprachen zwischen den Verfahrensbeteiligten kommen bei Geltung des deutschen Insolvenzrechts in den Verfahren der einzelnen Konzerngesellschaften760 weitere Koordinationsmöglichkeiten in Betracht. 1. Verfahrenskoordination durch Konzernleitungsmacht So könnten die Insolvenzverfahren mehrerer zu einem Unterordnungs­konzern nach § 18 Abs. 1 AktG gehörender Gesellschaften mittels der Leitungsmacht der Obergesellschaft koordiniert werden. Diese Leitungsmacht kann nach deutschem Recht auf einem Beherrschungsvertrag (vgl. § 308 Abs. 1 AktG) oder auf einer Mehrheitsbeteiligung beruhen. Im ersten Fall liegt ein Vertragskonzern vor, im zweiten Fall spricht man von einem faktischen Konzern.761 Sofern diese Leitungsmacht auch nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens über das Vermögen von Ober- und Untergesellschaft fortbestünde, könnte der für die Obergesellschaft bestellte Insolvenzverwalter bzw. bei Anordnung der Eigenverwaltung nach den §§ 270 ff. ­InsO ihr Leitungsorgan auf die Abwicklung des Insolvenzverfahrens der Untergesellschaft Einfluss nehmen.

760 Voraussetzung hierfür ist, dass die Insolvenzverfahren der einzelnen Konzerngesellschaften von deutschen Gerichten eröffnet wurden, vgl. Art. 4 Abs. 1 ­EuInsVO, § 355 ­InsO. 761 Raiser/Veil, Recht der Kapitalgesellschaften, § 50 Rdn. 5.

194

B. Abwicklung von Konzerninsolvenzen auf Grundlage des geltenden Rechts

Ist eine ausländische Gesellschaft Teil des Unterordnungskonzerns, so regelt nach deutschem Internationalem Privatrecht das Personalstatut der abhängigen Gesellschaft, wie sich das Konzernverhältnis auf „die Interessen der abhängigen Gesellschaft selbst, der außenstehenden Gesellschafter und ihrer Gläubiger“ auswirkt. Das Personalstatut der Obergesellschaft ist hingegen maßgeblich für konzernrechtliche Rechtsinstitute, die dem Schutz der herrschenden Gesellschaft, ihrer außenstehenden Gesellschafter und Gläubiger dienen.762 Nach deutschem Sachrecht kann eine Auslandsgesellschaft sowohl Obergesellschaft eines Vertragskonzerns als auch eines faktischen Konzerns sein.763 Sofern allerdings eine ausländische Kapitalgesellschaft als abhängige Gesellschaft mit einer deutschen Gesellschaft als Obergesellschaft einen Beherrschungsvertrag schließen möchte, ist das deutsche Konzernrecht nicht maßgeblich.764 Im Ergebnis finden daher die nachfolgenden Grundsätze, die sich auf die Leitungsmacht einer Obergesellschaft nach deutschem Gesellschaftsrecht beziehen, bei Maßgeblichkeit des deutschen Internationalen Privatrechts nur Anwendung, wenn nicht nur die Insolvenzverfahren der betreffenden Konzerngesellschaften in Deutschland eröffnet wurden, sondern zumindest auch auf die Untergesellschaft deutsches Gesellschaftsrecht Anwendung findet. a) Die auf einem Beherrschungsvertrag beruhende Leitungsmacht Gem. § 308 Abs. 1 Satz 1 AktG begründet der Beherrschungsvertrag zu Gunsten des herrschenden Unternehmens das Recht, dem Vorstand der abhängigen Gesellschaft hinsichtlich der Leitung dieser Gesellschaft Weisungen zu erteilen. Nach § 308 Abs. 1 Satz 2 AktG können die Weisungen auch für die beherrschte Gesellschaft nachteilig sein, sofern sie den Belangen des herrschenden Unternehmens oder einem mit diesem oder der beherrschten Gesellschaft konzernverbundenen Unternehmens dienen. Im Gegenzug hat das herrschende Unternehmen gem. § 302 Abs. 1 AktG den bei der abhängigen Gesellschaft entstehenden Jahresfehlbetrag auszugleichen und bei Beendigung des Beherrschungsvertrages gem. § 303 Abs. 1 Satz 1 AktG den Gläubigern der abhängigen Gesellschaft, deren Forderungen vor der Eintragung der Vertragsbeendigung in das Handelsregister begründet worden waren, auf Verlangen Sicherheit zu leisten. Schließlich muss

762

Kindler, Münchener Komm. z. BGB, IntGesR Rdn. 756. Schall, in: Spindler/Stilz, Komm. z. AktG, Vor § 15 Rdn. 35. 764 Hirte, in: Hirte/Bücker, Grenzüberschreitende Gesellschaften, § 1 Rdn. 84; Kindler, ­Münchener Komm. z. BGB, IntGesR Rdn. 787; Veil, in: Spindler/Stilz, Komm. z. AktG, Vor § 291 Rdn. 50; weitergehend Schall, in: Spindler/Stilz, Komm. z. AktG, Vor § 15 Rdn. 37, wonach die Regelungen der §§ 291 ff. AktG entsprechend gelten sollten, sofern eine ausländische Gesellschaft als abhängige Gesellschaft einen Beherrschungsvertrag mit einer deutschen Gesellschaft nach Maßgabe ihres Gesellschaftsstatuts abschließen darf und sie zumindest durch Eintragung einer Zweigstelle im deutschen Handelsregister präsent ist. 763

IV. Koordinationsmechanismen nach dt. Gesellschafts- und Insolvenzrecht

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der Beherrschungsvertrag nach §§ 304, 305 AktG zu Gunsten der außenstehenden Aktionäre der beherrschten Gesellschaft einen angemessenen Ausgleich und eine Möglichkeit vorsehen, gegen eine Abfindung aus der Gesellschaft auszuscheiden. Diese Pflichten sind aufgrund der weitreichenden Einflussmöglichkeit des herrschenden Unternehmens zum Schutz der abhängigen Gesellschaft, ihrer Gläubiger und ihrer Minderheitsaktionäre erforderlich.765 Unmittelbar gelten die §§ 291 ff. AktG nur für Unternehmensverträge, bei denen die abhängige Gesellschaft eine Aktiengesellschaft oder eine Kommanditgesellschaft auf Aktien ist, wohingegen für abhängige Gesellschaften in der Rechtsform der GmbH keine speziellen Regelungen bestehen.766 Allerdings ist anerkannt, dass ein Beherrschungs- oder Gewinnabführungsvertrag auch mit einer GmbH als abhängiger Gesellschaft geschlossen werden kann.767 Hier sind dann weitgehend die aktienrechtlichen Bestimmungen analog anzuwenden, wobei den Besonderheiten der GmbH Rechnung zu tragen ist.768 Für das herrschende Unternehmen ist hingegen keine bestimmte Rechtsform erforderlich, hier kommt es ausschließlich auf die Unternehmenseigenschaft an.769 Was die praktische Bedeutung betrifft, so wird davon ausgegangen, dass die Mehrzahl der Konzerne keine Vertragskonzerne, sondern faktische Konzerne sind.770 Gerade bei einer GmbH als Tochtergesellschaft erscheint ein Beherrschungsvertrag zur Begründung der Konzernleitungsmacht entbehrlich, da hier die Gesellschafter durch Beschluss der Geschäftsführung Weisungen erteilen können.771 Auch aus steuerlicher Sicht verliert der Beherrschungsvertrag an Bedeutung, da die körperschaftssteuerliche und die gewerbesteuerliche Organschaft nach § 14 KStG bzw. § 2 Satz 2 GewStG seit dem Veranlagungszeitraum 2004 nur noch einen Gewinnabführungsvertrag, aber keinen Beherrschungsvertrag voraussetzen.772 Ist die abhängige Gesellschaft eine AG, so wird trotz dieser steuerlichen Änderungen wohl in den meisten Fällen der Gewinnabführungsvertrag nach wie vor mit einem Beherrschungsvertrag zu einem sog. Organschaftsvertrag kombi-

765

Raiser/Veil, Recht der Kapitalgesellschaften, § 54 Rdn. 6. Emmerich, in: Emmerich/Habersack, Aktien- und GmbH-Konzernrecht, Vorbemerkungen zu § 291 Rdn. 6; Haas, in: Gottwald, Insolvenzrechts-Handbuch, § 95 Rdn. 5. 767 Zöllner, in: Baumbach/Hueck, Komm. z. GmbHG, Schlussanhang GmbH-Konzernrecht Rdn. 50; Hüffer, Komm. z. AktG, § 291 Rdn. 6.  768 So Raiser/Veil, Recht der Kapitalgesellschaften, § 54 Rdn. 10.  769 BGH, Urteil vom 13. Oktober 1977, II ZR 123/76, BGHZ 69, 334, 337 f.; Emmerich, in: Emmerich/Habersack, Aktien- und GmbH-Konzernrecht, § 291 Rdn. 9; Hüffer, Komm. z. AktG, § 291 Rdn. 8. 770 Emmerich/Habersack, Konzernrecht, § 11 Rdn. 6; Emmerich, in: Emmerich/Habersack, Aktien- und GmbH-Konzernrecht, § 291 Rdn. 5. 771 So Philippi/Neveling, BB 2003, 1685, die daher annehmen, dass „[i]n der Praxis des GmbH-Konzerns […] überwiegend isolierte Gewinnabführungsverträge zu finden“ sind. 772 Emmerich, in: Emmerich/Habersack, Aktien- und GmbH-Konzernrecht, § 291 Rdn. 5. 766

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B. Abwicklung von Konzerninsolvenzen auf Grundlage des geltenden Rechts

niert, allerdings sind auch eine erhebliche Zahl isolierter Gewinnabführungsverträge bekannt.773 Wird über das Vermögen der an einem Beherrschungsvertrag beteiligten Gesellschaften das Insolvenzverfahren eröffnet, so ist fraglich, wie sich dies auf die geschilderten wechselseitigen Pflichten, insbesondere die Pflicht der abhängigen Gesellschaft, Weisungen der herrschenden Gesellschaft zu befolgen, oder sogar den Bestand des Beherrschungsvertrages selbst auswirkt. Überwiegend wird danach differenziert, ob in einem bzw. beiden Verfahren Eigenverwaltung nach den §§ 270 ff. ­InsO angeordnet oder jeweils ein Insolvenzverwalter bestellt wird. aa) Der Beherrschungsvertrag im Regelinsolvenzverfahren der Vertragsparteien In der Insolvenz der an einem Beherrschungsvertrag beteiligten Gesellschaften dürfte die Bestellung eines Insolvenzverwalters die Regel sein. Denn mit der Anordnung der Eigenverwaltung sind die Gerichte eher zurückhaltend.774 (1) Automatische Beendigung des Beherrschungsvertrages mit Verfahrenseröffnung Unter der Geltung der Konkursordnung ging die überwiegende Ansicht davon aus, dass die Eröffnung des Konkursverfahrens über das Vermögen der herrschenden oder der beherrschten Gesellschaft zur Beendigung des Beherrschungsvertrages führe. Nach Ansicht des BGH ergab sich dies aus „einer an der vertraglichen Zielsetzung ausgerichteten ergänzenden Auslegung (§ 157 BGB) des Unternehmensvertrages“, in diesem Fall ein Beherrschungs- und Gewinnabführungsvertrag. Bei der herrschenden Gesellschaft führe die Eröffnung des Konkursverfahrens zur Auflösung der Gesellschaft und damit einer Änderung des Gesellschaftszwecks, der nunmehr nicht mehr auf „Gewinnerzielung durch Betrieb eines werbenden Unternehmens […], sondern auf Verwertung des Gesellschaftsvermögens“ gerichtet sei. Damit entfalle die „Rechtsgrundlage der Konzernleitungsmacht“, da „die sich im Stadium der Abwicklung befindliche Gesellschaft nicht mehr in der Lage 773

Vgl. die Zahl der vom 1.1.2004 bis zum 31.12.2005 abgeschlossenen Unternehmensverträge, an denen eine AG als Untergesellschaft beteiligt war, bei Bayer/Hoffmann, AG-Report 2006, R 488 f. 774 So Uhlenbruck/Uhlenbruck, Komm. z. ­InsO, § 270 Rdn. 1; ebenso Braun/Riggert, Komm. z. ­InsO, § 270 Rdn. 2, wonach „[i]n der Praxis […] die Eigenverwaltung nur in Einzelfällen Bedeutung“ erlange sowie Körner, NZI 2007, 270, 273, der nach einer Befragung verschiedener mit der Abwicklung von Insolvenzverfahren in Kontakt kommender Personen zu dem Ergebnis gelangt, dass „die Vorteile der Eigenverwaltung in der Insolvenz von vielen Insolvenzgerichten, Insolvenzverwaltern und Gläubigern skeptisch beurteilt werden“.

IV. Koordinationsmechanismen nach dt. Gesellschafts- und Insolvenzrecht

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[sei], eine auf Gewinnerzielung ausgerichtete Unternehmenspolitik für das Konzernganze zu betreiben“. Zudem gehöre die Leitung eines Konzerns nicht zu den Aufgaben eines Konkursverwalters, da dieser „lediglich die Konkursmasse im Interesse der Gläubigerschaft bestmöglich und gleichmäßig zu verwerten, nicht aber einen Konzern zu leiten habe“.775 Für den Konkurs der abhängigen Gesellschaft stellte der BGH ohne weitere Begründung fest, dass in diesem Fall der Beherrschungs- und Gewinnabführungsvertrag ende.776 Ähnlich wurde auch im rechtswissenschaftlichen Schrifttum argumentiert. Auch hier wurde angenommen, dass im Konkurs der herrschenden Gesellschaft die Ausübung der beherrschungsvertraglichen Leitungsmacht über die Aufgaben eines Konkursverwalters hinausginge777 und zudem im Widerspruch zu dem nunmehr auf Abwicklung gerichteten Gesellschaftszweck stünde778. Im Konkurs der beherrschten Gesellschaft wurde geltend gemacht, dass ein Weisungsrecht der herrschenden Gesellschaft gegenüber dem Konkursverwalter mit der besonderen Stellung, die diesem nach der KO zukomme, unvereinbar sei. Denn der Konkursverwalter habe nach § 82 KO die Konkursabwicklung unabhängig und unter eigener Verantwortung durchzuführen, weshalb eine Weisungsunterworfenheit nicht bestehen könne.779 An dieser Argumentation wird teilweise auch unter der Geltung der I­ nsO festgehalten.780 Denn die Insolvenz der herrschenden Gesellschaft führe nach wie vor zu deren Auflösung (§ 262 Abs. 1 Nr. 3 AktG bzw. § 60 Abs. 1 Nr. 4 GmbHG), weshalb die Ausübung von Konzernleitungsmacht im Widerspruch zu dem auf Abwicklung gerichteten Gesellschaftszweck stünde.781 Hieran ändere auch die Verbesserung der Sanierungschancen durch die ­InsO nichts, da die Zerschlagung eines insolventen Unternehmens immer noch die Regel sei.782 Zudem sei in der Insolvenz des herrschenden Unternehmens die Regelung über dessen Pflicht zum Ausgleich der Verluste der abhängigen Gesellschaft nicht mehr praktikabel.783 Denn selbst wenn der Anspruch der beherrschten Gesellschaft aus § 302 AktG aufgrund eines Fortbestandes des Beherrschungsvertrages trotz Insolvenz der Obergesellschaft eine Masseverbindlichkeit darstellen würde, sei die Erfüllung die-

775

BGH, Urteil vom 14. Dezember 1987, II ZR 170/87, BGHZ 103, 1, 6 f. BGH, Urteil vom 14. Dezember 1987, II ZR 170/87, BGHZ 103, 1, 7. 777 Jaeger/Weber, Komm. z. KO8, §§ 207, 208 Anm. 11; Hengeler/Hoffmann-Becking, FS Hefer­mehl (1976), 283, 302. 778 Würdinger, Großkomm. z. AktG3, § 297 Anm. 7; Hengeler/Hoffmann-Becking, FS Hefermehl (1976), 283, 302. 779 Jaeger/Weber, Komm. z. KO8, §§ 207, 208 Anm. 11; Hengeler/Hoffmann-Becking, FS Hefer­mehl (1976), 283, 286. 780 Ausdrücklich, wenn auch ohne weitere Begründung, Hüffer, Komm. z. AktG, § 297 Rdn. 22a. 781 Krieger, FS Metzeler (2003), 139, 142; Raiser/Veil, Recht der Kapitalgesellschaften, § 54 Rdn. 119. 782 Veil, in: Spindler/Stilz, Komm. z. AktG, § 297 Rdn. 38. 783 Emmerich, in: Emmerich/Habersack, Aktien- und GmbH-Konzernrecht, § 297 Rdn. 52b. 776

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B. Abwicklung von Konzerninsolvenzen auf Grundlage des geltenden Rechts

ser Verbindlichkeit nicht gesichert.784 Der Schutz der Gläubiger der abhängigen Gesellschaft verlange aber, dass entweder die Verlustausgleichspflicht der herrschenden Gesellschaft bestehe oder aber der Anspruch auf Sicherheitsleistung bei Vertragsbeendigung gem. § 303 AktG eingreife. Da die Erfüllung der Verlustausgleichspflicht fraglich sei, müsse der Vertrag enden, damit die Gläubiger der abhängigen Gesellschaft den Anspruch aus § 303 AktG geltend machen können.785 Bei alleiniger oder gleichzeitiger Insolvenz der abhängigen Gesellschaft sei ein Fortbestand des Weisungsrechts der herrschenden Gesellschaft schließlich mit der unabhängigen Stellung des Insolvenzverwalters gem. § 56 ­InsO unvereinbar.786 Teilweise wird die Ansicht, wonach der Beherrschungsvertrag mit der Eröffnung des Insolvenzverfahrens über das Vermögen der herrschenden Gesellschaft automatisch ende, auch mit dem Verständnis des Beherrschungsvertrages als „wirtschaftlicher Fusion“787 bzw. „Fusionstatbestand auf Zeit“788 begründet. Denn das herrschende Unternehmen dürfe die abhängige Gesellschaft wirtschaftlich „inkorporieren“, weil es im Gegenzug die außenstehenden Aktionäre abfinde und im Interesse der Gläubiger die Existenz der Gesellschaft garantiere.789 Der „Fusionstatbestand“ könne und dürfe aber nicht mehr praktiziert werden, wenn das herrschende Unternehmen diese Garantie nicht mehr erfüllen kann.790 Ähnlich argumentiert eine weitere Ansicht, welche den Beherrschungs- und Gewinnabführungsvertrag als gesellschaftsrechtliche Sonderform des bürgerlich-rechtlichen Auftrags gem. § 662 BGB versteht, da die abhängige Gesellschaft fremdnützig im Interesse der Obergesellschaft tätig werde, indem sie sich dem Konzern­interesse unterordne bzw. ihren Gewinn abführe.791 Falle die herrschende Gesellschaft in Insolvenz, so ende der Beherrschungs- bzw. Gewinnabführungsvertrag analog §  115 ­InsO.792 (2) Fortbestand des Beherrschungsvertrages und Überlagerung durch das Insolvenzrecht Bereits unter der Geltung der KO lehnte eine andere Ansicht die automatische Beendigung des Beherrschungsvertrages durch Eröffnung des Konkursverfahrens über das Vermögen einer Vertragspartei ab. So wurde geltend gemacht, dass die Konkursordnung im Allgemeinen die Organisation des Gemeinschuldners nur über 784

Krieger, FS Metzeler (2003), 139, 143. Krieger, FS Metzeler (2003), 139, 143 und 145. 786 Krieger, FS Metzeler (2003), 139, 149. 787 So die Formulierung von Altmeppen, Münchener Komm. z. AktG, § 297 Rdn. 106. 788 So die Formulierung von Altmeppen, Münchener Komm. z. AktG, § 308 Rdn. 119. 789 Altmeppen, Münchener Komm. z. AktG, § 308 Rdn. 119. 790 Altmeppen, Münchener Komm. z. AktG, § 297 Rdn. 108. 791 Berthold, Unternehmensverträge in der Insolvenz (2004), Rdn. 79 ff. 792 Berthold, Unternehmensverträge in der Insolvenz (2004), Rdn. 213 ff. 785

IV. Koordinationsmechanismen nach dt. Gesellschafts- und Insolvenzrecht

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lagere, nicht aber zerstöre.793 Zudem wohne dem Beherrschungsvertrag ein eigener wirtschaftlicher Wert inne, der durch das Konkursverfahren nicht vernichtet werden dürfe.794 Auch könne im Konkurs der Untergesellschaft ein Weisungsrecht der Obergesellschaft gegenüber den Organen der Untergesellschaft für die Obergesellschaft durchaus interessant sein, da sie somit Einfluss auf die Wahrnehmung der Verfahrensrechte nehmen könne, die der Untergesellschaft gegenüber dem Konkursverwalter zustehen. Dies gelte beispielsweise für das Beschwerderecht gem. § 109 KO oder das Recht zur Beantragung eines Zwangsvergleiches gem. § 202 KO.795 Weiterhin mache ein Fortbestand des Beherrschungsvertrages auch einen Neuabschluss bei Sanierung der insolventen Konzerngesellschaft entbehrlich.796 Auch unter Geltung der Insolvenzordnung wird eine automatische Beendigung des Beherrschungsvertrages bei Insolvenz mindestens eines Vertragsteils ab­ gelehnt. So wird vorgebracht, dass vor Inkrafttreten der I­nsO bei Eröffnung eines Vergleichsverfahrens über das Vermögen eines Vertragsteils von einem Fortbestand des Beherrschungsvertrages ausgegangen wurde. Da die ­InsO aber das Konkursund das Vergleichsverfahren zu einem einheitlichen Verfahren zusammengefasst habe, könne die unter der Konkursordnung angenommene automatische Beendigung des Beherrschungsvertrages durch Eröffnung des Konkursverfahrens über das Vermögen eines Vertragsteils nicht auf die I­ nsO übertragen werden.797 Hierfür spreche auch, dass das Verfahrensziel nach § 1 Satz 1 ­InsO sowohl in der Liquidation als auch in der Sanierung des von der schuldnerischen Gesellschaft getragenen Unternehmens bestehen könne, weshalb anders als noch unter Geltung der KO die Zerschlagung des Unternehmens nicht mehr zwingend sei.798 Darüberhinaus wird aber auch den einzelnen von der Gegenansicht vorgebrachten Argumenten entgegengetreten. Gegen den Einwand, dass in der Insolvenz des herrschenden Unternehmens die Ausübung der Konzernleitungsmacht weder mit dem geänderten Gesellschaftszweck noch mit der Aufgabe des Insolvenzverwalters vereinbar sei, wird geltend gemacht, dass die Obergesellschaft keine Pflicht zur Konzernleitung treffe. Ein Konflikt mit dem Gesellschaftszweck 793 Heesing, Bestandsschutz des Beherrschungs- und Gewinnabführungsvertrags in der Unternehmenskrise und im Konkurs (1988), S. 147 ff.; K. Schmidt, Wege zum Insolvenzrecht der Unternehmen (1990), S. 224 und 228; für den Konkurs der Untergesellschaft auch Samer, Beherrschungs- und Gewinnabführungsverträge gem. § 291 Abs. 1 AktG in Konkurs und Vergleich der Untergesellschaft (1990), S. 173. 794 Heesing, Bestandsschutz des Beherrschungs- und Gewinnabführungsvertrags in der Unternehmenskrise und im Konkurs (1998), S. 194 ff. 795 Acher, Vertragskonzern und Insolvenz (1987), S. 110. 796 K. Schmidt, Wege zum Insolvenzrecht der Unternehmen (1990), S. 225. 797 Zeidler, NZG 1999, 692, 696; Noack, Gesellschaftsrecht (1999), Rdn. 723. 798 Uhlenbruck/Hirte, Komm. z. I­ nsO, § 11 Rdn. 398; Trendelenburg, NJW 2002, 647, 648; Zeidler, NZG 1999, 692, 697; Bous, Die Konzernleitungsmacht im Insolvenzverfahren konzernverbundener Kapitalgesellschaften (2001), S. 157; Freudenberg, ZIP 2009, 2037, 2040.

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B. Abwicklung von Konzerninsolvenzen auf Grundlage des geltenden Rechts

oder der Aufgabe des Insolvenzverwalters bestehe daher nicht und könne folglich auch eine auto­matische Beendigung des Beherrschungsvertrages nicht rechtfertigen. Gleiches gelte auch für das Unvermögen des herrschenden Unternehmens, die ihm obliegende Verlustausgleichspflicht zu erfüllen. Denn auch nach allgemeinem Schuldrecht führe das Fehlen finanzieller Mittel zur Erfüllung vertraglicher Pflichten nicht zum Wegfall des Vertrages.799 Gegen eine Anwendung des § 115 ­InsO spreche, dass diese Norm auf schuldrechtliche Verträge zugeschnitten sei und daher auf Organisationsverträge wie den Beherrschungsvertrag nicht passe. Zudem solle § 115 ­InsO verhindern, dass ein vor Verfahrenseröffnung Beauftragter Handlungen in Bezug auf die Insolvenzmasse vornehme. Dies sei nach Verfahrenseröffnung allein Aufgabe des Insolvenzverwalters. Die beherrschte Gesellschaft verwalte aber nicht das Vermögen des herrschenden Unternehmens, sondern ihr eigenes. Damit passe auch der Schutzzweck des § 115 ­InsO für den Beherrschungsvertrag nicht.800 Bei Insolvenz der abhängigen Gesellschaft sei eine automatische Beendigung des Beherrschungsvertrages ebenfalls zu verneinen. Denn auch hier gelte, dass die Organisationsstruktur der Gesellschaft, zu der auch der Beherrschungsvertrag zähle, durch die Wirkungen des Insolvenzrechts allenfalls überlagert, nicht aber zerstört werden könne.801 In welcher Form der Beherrschungsvertrag bei Insolvenz einer bzw. beider Vertragsparteien fortbesteht, wird innerhalb dieser Ansicht allerdings unterschiedlich beurteilt. (a) Vollständige Suspendierung der Vertragswirkungen bei Insolvenz einer Vertragspartei Teilweise wird angenommen, dass in der Insolvenz eines Vertragsteils der Beherrschungsvertrag vollständig vom Insolvenzrecht überlagert werde. Der Insolvenzverwalter der Obergesellschaft könne den Konzern nicht leiten, da er seine Kompetenzen nicht von der innergesellschaftlichen Organisationsverfassung ableite, welche Grundlage der Konzernleitungsmacht sei.802 Zudem komme eine Weisungsunterworfenheit des Insolvenzverwalters der Untergesellschaft nicht in 799 Bous, Die Konzernleitungsmacht im Insolvenzverfahren konzernverbundener Kapital­ gesellschaften (2001), S. 154. 800 Bous, Die Konzernleitungsmacht im Insolvenzverfahren konzernverbundener Kapital­ gesellschaften (2001), S. 162 ff.; Brünkmans, Die Koordinierung von Insolvenzverfahren konzernverbundener Unternehmen (2009), S. 261 f. 801 Unter Geltung der KO Samer, Beherrschungs- und Gewinnabführungsverträge gem. § 291 Abs. 1 AktG in Konkurs und Vergleich der Untergesellschaft (1989), S. 173; unter Geltung der ­InsO Bous, Die Konzernleitungsmacht im Insolvenzverfahren konzernverbundener Kapital­ gesellschaften (2001), S. 290 f. 802 So noch unter Geltung der KO für den Konkursverwalter K. Schmidt, Wege zum Insolvenzrecht der Unternehmen (1990), S. 225; unter Geltung der ­InsO ebenso Noack, Gesellschaftsrecht (1999), Rdn. 725.

IV. Koordinationsmechanismen nach dt. Gesellschafts- und Insolvenzrecht

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Betracht, da dieser die Insolvenzmasse unabhängig von Weisungen Dritter im Interesse der Gläubiger zu verwalten habe.803 Schließlich sei die Ausübung von Konzernleitungsmacht „ohne ständige Verlustausgleichsbereitschaft nicht legitimierbar“, weshalb bei Insolvenz der Obergesellschaft deren Leitungsmacht enden müsse.804 Folglich würden sowohl die Folgepflicht der Untergesellschaft als auch die Verlustausgleichspflicht der Obergesellschaft suspendiert.805 Diese Pflichten sollen aber wiederaufleben, wenn die Gesellschaften nach Beendigung ihrer Insolvenzverfahren durch einen Insolvenzplan oder eine außergerichtliche Sanierung fortgeführt werden und der Vertrag nicht zuvor von einer Vertragspartei gekündigt wurde.806 (b) Suspendierung der Vertragswirkungen nur bei gleichzeitiger Insolvenz der Untergesellschaft Eine andere Ansicht geht demgegenüber davon aus, dass bei alleiniger Insolvenz der Obergesellschaft der Insolvenzverwalter das beherrschungsvertrag­liche Weisungsrecht ausüben könne. Der Verlustausgleichsanspruch der abhängigen Gesellschaft sei dann eine Masseverbindlichkeit.807 Hierfür spreche schon, dass sich aus § 158 ­InsO eine Pflicht des Insolvenzverwalters zur Fortführung des Unternehmens bis zum Berichtstermin ergebe. In der Insolvenz der Konzernober 803 So noch unter Geltung der KO für den Konkursverwalter Tschernig, Haftungsrechtliche Probleme der Konzerninsolvenz (1995), S. 93; Heesing, Bestandsschutz des Beherrschungsund Gewinnabführungsvertrags in der Unternehmenskrise und im Konkurs (1988), S. 242; K. Schmidt, Wege zum Insolvenzrecht der Unternehmen (1990), S. 228. 804 So noch unter Geltung der KO K. Schmidt, Wege zum Insolvenzrecht der Unternehmen (1990), S. 226; ebenso Tschernig, Haftungsrechtliche Probleme der Konzerninsolvenz (1995), S. 93. 805 K. Schmidt, Gesellschaftsrecht, § 31 III 5, S. 957; Philippi/Neveling, BB 2003, 1685, 1689 f.; Noack, Gesellschaftsrecht (1999), Rdn. 726; für eine Suspendierung „alle[r] konzernrechtlichen Weisungsbefugnisse“ AG Duisburg, Beschluss vom 1. September 2002, 62 IN 167/02, NZI 2002, 556 (Leitsatz 4) mit der Begründung, dass „während der Dauer des Insolvenzverfahrens für eine Konzernleitungsmacht rechtlich kein Raum“ sei, vgl. a. a. O. S. 559; für eine Suspendierung der Vertragswirkungen bei Insolvenz eines Vertragsteils unter Geltung der KO bereits K. Schmidt, Wege zum Insolvenzrecht der Unternehmen (1990), S. 228; Heesing, Bestandsschutz des Beherrschungs- und Gewinnabführungsvertrags in der Unternehmenskrise und im Konkurs (1988), S. 249; Tschernig, Haftungsrechtliche Probleme der Konzerninsolvenz (1995), S. 93. 806 K. Schmidt, Gesellschaftsrecht, § 31 III 5, S. 957 f.; für ein Wiederaufleben der vertrag­ lichen Pflichten bei einem Übergang der „Fremd- in eine Eigenverwaltung“ auch Noack, Gesellschaftsrecht (1999), Rdn. 726; unter Geltung der KO für ein „Wiederaufleben“ der Rechte und Pflichten aus dem Beherrschungsvertrag bei einem Zwangsvergleich K. Schmidt, Wege zum Insolvenzrecht der Unternehmen (1990), S. 228. 807 Uhlenbruck/Hirte, Komm. z. I­ nsO, § 11 Rdn. 410; Zeidler, NZG 1999, 692, 697; ähnlich Häsemeyer, Insolvenzrecht, Rdn. 32.09, wonach die Leitungsmacht dem Insolvenzverwalter der herrschenden Gesellschaft nur zur einstweiligen Fortführung des Unternehmens zustehen soll.

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B. Abwicklung von Konzerninsolvenzen auf Grundlage des geltenden Rechts

gesellschaft erstrecke sich dieses Fortführungsgebot auch auf die Ausübung der Konzernleitungsmacht, da sich ansonsten der Konzern auseinanderentwickeln könne und damit eine Reorganisation erschwert oder sogar gänzlich vereitelt werde.808 Allerdings könnten beide Vertragsparteien den Beherrschungsvertrag nach § 297 AktG kündigen,809 andere stützen das Kündigungsrecht der insolventen Gesellschaft auf § 103 ­InsO.810 Teilweise wird ein Kündigungsrecht der insolventen Obergesellschaft aber auch verneint, da deren finanzielle Leistungsfähigkeit in ihren eigenen Risikobereich falle.811 Genau entgegengesetzt wird aber auch vertreten, dass bei alleiniger Insolvenz der Obergesellschaft dem in diesem Verfahren bestellten Verwalter das Wahlrecht nach § 103 ­InsO zustehe, das Kündigungsrecht der beherrschten Gesellschaft aus § 297 Abs. 1 AktG aber analog § 112 Nr. 2 ­InsO bis zur Verwertungsentscheidung gesperrt sei.812 Die gleichzeitige Insolvenz der abhängigen Gesellschaft wird hingegen nicht von allen Vertretern dieser Ansicht behandelt.813 Sofern hierzu Stellung genommen wird, wird teilweise lediglich ausgeführt, dass der Insolvenzverwalter der beherrschten Gesellschaft „selbstverständlich“ nicht den Weisungen der herrschenden Gesellschaft unterworfen sei.814 Diese Formulierung deutet auf die Annahme einer Suspendierung der Vertragswirkungen hin. Eine solche Suspendierung wird aber auch ausdrücklich angenommen und damit begründet, dass ein Weisungsrecht des herrschenden Unternehmens gegenüber dem Insolvenzverwalter der abhängigen Gesellschaft nicht denkbar sei und folglich auch die Verlustausgleichspflicht enden müsse.815 (c) Fortbestand der Vertragswirkungen in der Doppelinsolvenz Schließlich wird ein Fortbestand sowohl des Beherrschungsvertrages als auch des Weisungsrechts auch dann angenommen, wenn über das Vermögen beider Vertragspartner das Insolvenzverfahren eröffnet und jeweils ein Insolvenzverwalter bestellt wurde. Teilweise wird der Beherrschungsvertrag im Ganzen der Binnenorganisation der am Vertrag beteiligten Gesellschaften zugeschlagen. Das Weisungsrecht falle 808

Freudenberg, ZIP 2009, 2037, 2040. Uhlenbruck/Hirte, Komm. z. ­InsO, § 11 Rdn. 407 i. V. m. Rdn. 398. 810 Häsemeyer, Insolvenzrecht, Rdn. 32.09; für die Insolvenz der Obergesellschaft ebenso Freudenberg, ZIP 2009, 2037, 2041 ff. 811 Trendelenburg, NJW 2002, 647, 650. 812 Freudenberg, ZIP 2009, 2037, 2043 f. 813 So beschränken Freudenberg, ZIP 2009, 2037 ff. sowie Trendelenburg, NJW 2002, 647 ff. ihre Ausführungen auf die Insolvenz der Obergesellschaft. 814 Häsemeyer, Insolvenzrecht, Rdn. 32.09. 815 Uhlenbruck/Hirte, Komm. z. ­InsO, § 11 Rdn. 398; für eine Suspendierung des Weisungsrechts auch Zeidler, NZG 1999, 692, 697, der allerdings die Frage offen lässt, ob die herrschende Gesellschaft über die vor Eröffnung des Insolvenzverfahrens bei der abhängigen Gesellschaft entstandenen Verluste hinaus auch für die „Abwicklungsverluste“ haftet. 809

IV. Koordinationsmechanismen nach dt. Gesellschafts- und Insolvenzrecht

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daher nicht in die Insolvenzmasse der herrschenden Gesellschaft, sondern könne weiterhin von den Gesellschaftsorganen ausgeübt werden.816 Auch sei nicht der Insolvenzverwalter der abhängigen Gesellschaft den Weisungen unterworfen, sondern deren Leitungsorgan. Da die Kompetenzen des Leitungsorgans aufgrund der Bestellung eines Insolvenzverwalters stark reduziert seien, werde auch das Weisungsrecht entsprechend eingeschränkt. Folglich könne sich auch die Verlustausgleichspflicht „nur auf den weisungsunterworfenen Teilbereich“ beziehen.817 Zudem müsse das Leitungsorgan der herrschenden Gesellschaft bei der Ausübung der Leitungsmacht auch die Bindung der Organe der abhängigen Gesellschaft an den Zweck des Insolvenzverfahrens achten.818 Andere nehmen hingegen an, dass das Weisungsrecht in die Insolvenzmasse der Obergesellschaft falle. Denn die Bestellung eines Insolvenzverwalters bewirke „nichts anderes als eine die Obergesellschaft betreffende verbandsinterne Verschiebung exekutiver Befugnisse, ohne dass hierdurch die beherrschungsvertragliche Organisationsstruktur im Außenverhältnis zur abhängigen Gesellschaft verletzt wird“. Organisationsrechtliche Bedenken gegen eine Massezugehörigkeit des Weisungsrechts bestünden also nicht.819 Auch die fehlende Abtretbarkeit des Weisungsrechts stehe einer Massezugehörigkeit nicht entgegen, da die ­InsO, wie sich aus den §§ 109 ff. ­InsO ergebe, auch die Massezugehörigkeit von nicht abtretbaren Ansprüchen kenne.820 Allerdings könne der Insolvenzverwalter der herrschenden Gesellschaft bei einer Stilllegung des von dieser Gesellschaft getragenen Unternehmens eine „das Konzernganze umfassende Zielkonzeption“ im Sinne einer „auf Dauer angelegte[n], rentable[n] und koordinierte[n] Nutzung aller im Konzernverbund vereinigten lebenden Ressourcen“ nicht mehr umsetzen.821 Sobald eine solche Betriebsstilllegung im Verfahren der Obergesellschaft erfolge, würden die Wirkungen des Beherrschungsvertrages suspendiert.822 Zudem sei die Fähigkeit der Obergesellschaft, den Jahresfehlbetrag der abhängigen Gesellschaft auszugleichen, Voraussetzung für die Ausübung des Weisungsrechts. In der Insolvenz der herrschenden Gesellschaft spreche aber eine Vermutung dafür, dass dieser Pflicht nicht mehr nachgekommen werden könne. Die abhängige Gesellschaft 816

Rotstegge, Konzerninsolvenz (2007), S. 262 ff. Rotstegge, Konzerninsolvenz (2007), S. 260 ff. 818 Rotstegge, Konzerninsolvenz (2007), S. 267. 819 Bous, Die Konzernleitungsmacht im Insolvenzverfahren konzernverbundener Kapitalgesellschaften (2001), S. 198 mit ausführlicher Begründung auf S. 174 ff.; Brünkmans, Die Koordinierung von Insolvenzverfahren konzernverbundener Unternehmen (2009), S. 266 ff.; auch Piepenburg, NZI 2004, 231, 235 geht ohne weitere Begründung davon aus, dass der Insolvenzverwalter der Obergesellschaft das beherrschungsvertragliche Weisungsrecht ausüben könne. 820 Bous, Die Konzernleitungsmacht im Insolvenzverfahren konzernverbundener Kapitalgesellschaften (2001), S. 182 ff.; ebenso Brünkmans, Die Koordinierung von Insolvenzverfahren konzernverbundener Unternehmen (2009), S. 264 ff. 821 Bous, Die Konzernleitungsmacht im Insolvenzverfahren konzernverbundener Kapital­ gesellschaften (2001), S. 212. 822 Bous, Die Konzernleitungsmacht im Insolvenzverfahren konzernverbundener Kapital­ gesellschaften (2001), S. 267. 817

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B. Abwicklung von Konzerninsolvenzen auf Grundlage des geltenden Rechts

müsse daher nach dem Rechtsgedanken des § 321 BGB nachteilige Weisungen nur befolgen, sofern der Insolvenzverwalter der herrschenden Gesellschaft in Höhe des voraussichtlich entstehenden Jahresfehlbetrages Sicherheit leiste. Die Höhe dieses zu erwartenden Jahresfehlbetrages müsse die abhängige Gesellschaft darlegen, wohingegen die herrschende Gesellschaft die Pflicht zur Sicherheitsleistung nur durch den Nachweis abwenden könne, dass die Insolvenzmasse zur Deckung des zu erwartenden Jahresfehlbetrages ausreicht.823 Zudem stehe der Obergesellschaft grundsätzlich auch ein Recht zur außerordentlichen Kündigung nach § 297 AktG zu. Allenfalls dann, wenn die Obergesellschaft „fortführungs­fähig“ und „voraussichtlich in der Lage [sei], ihre beherrschungsvertraglichen Zahlungspflichten aus der Insolvenzmasse zu erfüllen“, könne ein Kündigungsrecht der herrschenden Gesellschaft aus § 297 AktG zu verneinen sein, sofern die Beendigung des Beherrschungsvertrages für die Gläubiger und außenstehenden Gesellschafter der abhängigen Gesellschaft nachteilig sei.824 Bei zeitgleicher Insolvenz der abhängigen Gesellschaft sei nicht der Insolvenzverwalter, sondern nach wie vor das Leitungsorgan dieser Gesellschaft Adressat der Weisungen. Inhaltlich sei das Weisungsrecht daher auf die Befugnisse begrenzt, die diesem Leitungsorgan trotz der Bestellung eines Insolvenzverwalters verbleiben. Allerdings wird eingeräumt, dass aufgrund dieser Beschränkung des Weisungsrechts „eine Konzern­ leitung im Sinne einer unternehmerischen Führung der abhängigen Gesellschaft […] im Regelverfahren nicht mehr möglich“ sei.825 Zudem soll auch die abhängige Gesellschaft nach § 297 AktG zur außerordentlichen Kündigung befugt sein, sofern dies für die Verwertung der Insolvenzmasse vorteilhaft ist. Ein Ausschluss dieses Kündigungsrechts komme allenfalls in Betracht, sofern die herrschende Gesellschaft weiterhin zum Verlustausgleich in der Lage ist und die Insolvenz der Untergesellschaft nicht herbeigeführt hat.826

823 Bous, Die Konzernleitungsmacht im Insolvenzverfahren konzernverbundener Kapital­ gesellschaften (2001), S. 254 ff.; zustimmend Böcker, GmbHR 2004, 1314; ähnlich Piepenburg, NZI 2004, 231, 236, der eine Pflicht der Obergesellschaft zur Sicherheitsleistung in Betracht zieht, ohne hierzu abschließend Stellung zu nehmen. 824 Bous, Die Konzernleitungsmacht im Insolvenzverfahren konzernverbundener Kapital­ gesellschaften (2001), S. 273 f., der allerdings auch ein Kündigungsrecht aus § 103 ­InsO in Betracht zieht, wenngleich ohne abschließende Stellungnahme. 825 Bous, Die Konzernleitungsmacht im Insolvenzverfahren konzernverbundener Kapital­ gesellschaften (2001), S. 295 f. unter Verweis auf die schon zur KO vertretene Ansicht von Acher, Vertragskonzern und Insolvenz (1987), S. 119 ff.; im Ergebnis ebenso Brünkmans, Die Ko­ordinierung von Insolvenzverfahren konzernverbundener Unternehmen (2009), S. 273 sowie Böcker, GmbHR 2004, 1257, 1258, die ein auf den insolvenzfreien Bereich beschränktes Weisungsrecht lediglich für denkbar halten. 826 Bous, Die Konzernleitungsmacht im Insolvenzverfahren konzernverbundener Kapital­ gesellschaften (2001), S. 303 ff.

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bb) Besonderheiten bei Anordnung der Eigenverwaltung im Insolvenzverfahren einer bzw. beider Vertragsparteien Wird im Insolvenzverfahren einer Vertragspartei oder sogar in den Verfahren beider am Beherrschungsvertrag beteiligter Gesellschaften Eigenverwaltung nach den §§ 270 ff. ­InsO angeordnet, so werden die Auswirkungen der Insolvenzverfahrenseröffnung auf den Beherrschungsvertrag vielfach anders beurteilt. Ein Teil der Ansicht, welche bei Eröffnung des Insolvenzverfahrens über das Vermögen eines Vertragsteils und der Bestellung eines Insolvenzverwalters von einer automatischen Beendigung des Beherrschungsvertrages ausgeht, nimmt bei Anordnung der Eigenverwaltung in einem oder beiden Verfahren lediglich eine Suspendierung der vertraglichen Pflichten an, der Beherrschungsvertrag selbst solle jedoch fortbestehen. Dies müsse jedenfalls dann gelten, „wenn in absehbarer Zeit mit der Sanierung der abhängigen Gesellschaft zu rechnen ist“.827 Allerdings nimmt diese Ansicht nicht näher dazu Stellung, ob eine solche Suspendierung nur eintreten soll, wenn sowohl die herrschende als auch die beherrschte Gesellschaft in Eigenverwaltung abgewickelt werden, oder ob der Vertrag auch dann fortbesteht, wenn nur im Verfahren eines Vertragsteils Eigenverwaltung angeordnet wird. Hingegen gingen vor Inkrafttreten des § 276a ­InsO einige Vertreter der Ansicht, die im Regelinsolvenzverfahren von Ober- und Untergesellschaft einen Fort­ bestand des beherrschungsvertraglichen Weisungsrechts annahm, bei Anordnung der Eigenverwaltung im Insolvenzverfahren der Untergesellschaft von weitergehenden Weisungsbefugnissen der herrschenden Gesellschaft aus. Grundlage hierfür war die Annahme, dass in diesem Fall die Masse der Untergesellschaft nach der gesellschaftsrechtlichen Kompetenzordnung verwaltet werde, wie sie auch vor Eröffnung des Insolvenzverfahrens bestanden habe. Zu dieser Kompetenzordnung zähle auch das Weisungsrecht der herrschenden Gesellschaft gegenüber den Organen der beherrschten Gesellschaft.828 Allerdings bestand keine Einigkeit darüber, welchen Beschränkungen das Weisungsrecht unterliegen sollte. Teilweise wurde angenommen, dass das Weisungsrecht soweit fortbestehe, wie die Befugnisse der Organe des Schuldners in der Eigenverwaltung reichten. Dementsprechend werde das Weisungsrecht nur durch die „verfahrensrechtlichen Kontroll- und Mitwirkungsbefugnisse des Sachwalters, der Verfahrensbeteiligten sowie des Insolvenzgerichts begrenzt“.829 Andere gingen hingegen davon aus, dass der Gesellschafts 827

Emmerich, in: Emmerich/Habersack, Aktien- und GmbH-Konzernrecht, § 297 Rdn. 52b; ähnlich Veil, in: Spindler/Stilz, Komm. z. AktG, § 297 Rdn. 38, der ebenfalls annimmt, dass bei Anordnung der Eigenverwaltung der Beherrschungsvertrag bestehen bleibe, allerdings keine Aussage darüber trifft, ob die Vertragswirkungen fortbestehen oder suspendiert sind. 828 Brünkmans, Die Koordinierung von Insolvenzverfahren konzernverbundener Unternehmen (2009), S. 274; im Ergebnis ebenso Bous, Die Konzernleitungsmacht im Insolvenzverfahren konzernverbundener Kapitalgesellschaften (2001), S. 299. 829 Bous, Die Konzernleitungsmacht im Insolvenzverfahren konzernverbundener Kapital­ gesellschaften (2001), S. 299.

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zweck der beherrschten Gesellschaft von dem in § 1 ­InsO normierten Zweck der gemeinschaftlichen Gläubigerbefriedigung überlagert werde, weshalb grundsätzlich auch die Leitungsorgane der Untergesellschaft ihr Handeln hieran auszurichten hätten. Demzufolge sei die Befolgung nachteiliger Weisungen der Obergesellschaft nur zulässig, sofern der Nachteil bezifferbar sei und zeitgleich durch Zahlung ausgeglichen werde. Wegen dieses Erfordernisses des sofortigen Ausgleichs bedürfe es auch der Verlustausgleichspflicht der herrschenden Gesellschaft aus § 302 AktG nicht mehr, weshalb diese entfalle.830 Ein Kündigungsrecht beider Gesellschaften nach § 297 AktG wurde von den Vertretern dieser Ansicht hin­gegen grundsätzlich bejaht.831 Andere hingegen lehnen eine Differenzierung zwischen Regelinsolvenzverfahren und der Anordnung der Eigenverwaltung ab.832 Denn mit der Anordnung der Eigenverwaltung solle der Insolvenzschuldner privilegiert werden, um einen Anreiz zur rechtzeitigen Stellung des Insolvenzantrags zu schaffen und die im Rahmen der bisherigen Geschäftsleitung erworbenen Kenntnisse und Erfahrungen des Schuldners zu nutzen. Dieser Privilegierung würde es aber widersprechen, wenn die beherrschte Gesellschaft bei Anordnung der Eigenverwaltung aufgrund der fortbestehenden Weisungsgebundenheit schlechter stünde als bei Bestellung eines Insolvenzverwalters.833 Auch befände sich die beherrschte Gesellschaft in einem Interessenkonflikt, da sie bei einer Bindung an die Weisungen der Obergesellschaft und damit einer Unterordnung unter das Konzerninteresse die Gleichbehandlung der Gläubiger nicht mehr gewährleisten könne. Zudem könnten die Gläubiger der Untergesellschaft jederzeit die Aufhebung der Eigenverwaltung beantragen und damit mittelbar auf den Fortbestand des Beherrschungsvertrages Einfluss nehmen.834 Schließlich verfolge die beherrschte Gesellschaft auch bei Anordnung der Eigenverwaltung nicht mehr ihren durch die Satzung bestimmten Zweck, sondern werde ausschließlich zur gemeinschaftlichen Befriedigung ihrer Gläubiger geführt. Mit dieser Zielsetzung sei ein Weisungsrecht der herrschenden Gesellschaft aber nicht vereinbar.835 830 So Brünkmans, Die Koordinierung von Insolvenzverfahren konzernverbundener Unternehmen (2009), S. 274 ff. 831 Brünkmans, Die Koordinierung von Insolvenzverfahren konzernverbundener Unternehmen (2009), S. 277; mit gewissen Einschränkungen auch Bous, Die Konzernleitungsmacht im Insolvenzverfahren konzernverbundener Kapitalgesellschaften (2001), S. 301 ff., der jeweils eine umfassende Interessenabwägung vornimmt und der Obergesellschaft bei Anordnung der Eigenverwaltung im Insolvenzverfahren der Untergesellschaft im Einzelfall einen Ausschluss des Kündigungsrechts zumuten will, da die Obergesellschaft hier eine relativ umfangreiche Direktionsbefugnis über die Untergesellschaft erhalte. 832 So ohne weitere Begründung Uhlenbruck/Hirte, Komm. z. ­InsO, § 11 Rdn. 398. 833 Eidenmüller, ZHR 169 (2005), 528, 549 f. 834 Berthold, Unternehmensverträge in der Insolvenz (2004), Rdn. 237 f. 835 Krieger, FS Metzeler (2003), 139, 149; Deyda, Der Konzern im europäischen internationalen Insolvenzrecht (2008), S. 108 f.; Kessler, Die Aktiengesellschaft in der Eigenverwaltung (2006), S. 288.

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cc) Stellungnahme Bei der Beurteilung der geschilderten Ansichten ist zunächst danach zu differenzieren, ob sich die vorgebrachten Argumente auf die Insolvenz der Ober- oder der Untergesellschaft beziehen. (1) Die Eröffnung des Insolvenzverfahrens über das Vermögen der Obergesellschaft Wird über das Vermögen der Obergesellschaft das Insolvenzverfahren eröffnet, so ist fraglich, ob dies eine zwingende Beendigung des Beherrschungsvertrages erfordert. Sofern der Beherrschungsvertrag grundsätzlich fortbesteht, ist zu klären, wie sich die Insolvenz der Obergesellschaft auf die Rechte und Pflichten der Vertragsparteien auswirkt. (a) Erforderlichkeit einer automatischen Beendigung des Beherrschungsvertrages bzw. einer Suspendierung der aus diesem Vertrag folgenden Pflichten Für eine zwingende Beendigung des Beherrschungsvertrages wird angeführt, dass der Gesellschaftszweck aufgrund der durch die Eröffnung des Insolvenzverfahrens eintretenden Auflösung der Gesellschaft (vgl. §§ 262 Abs. 1 Nr. 3 AktG, 60 Abs. 1 Nr. 4 GmbHG) nunmehr auf Abwicklung gerichtet sei, was sich nicht mit der Leitung eines Konzerns vertrage.836 Hiergegen spricht aber, dass, wie sich aus § 264 Abs. 1 AktG bzw. § 66 Abs. 1 GmbHG ergibt, mit der Eröffnung des Insolvenzverfahrens ein besonderes, von den gesellschaftsrechtlichen Liquidationsvorschriften abweichendes insolvenzrechtliches Verfahren eingreift.837 Es wird also der ursprüngliche Zweck der Gesellschaft durch den Zweck des Insolvenzverfahrens ersetzt838 bzw. überlagert839. Nach dem in § 1 ­InsO normierten Zweck des Insolvenzverfahrens stehen die Liquidation des schuldnerischen Vermögens und die Sanierung des vom Schuldner betriebenen Unternehmens gleichberechtigt nebeneinander.840 Dies verdeutlicht auch die gem. § 22 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 ­InsO 836 So Krieger, FS Metzeler (2003), 139, 142; Raiser/Veil, Recht der Kapitalgesellschaften, § 54 Rdn. 119. 837 Uhlenbruck/Hirte, Komm. z. ­InsO, § 11 Rdn. 103; Haas, in: Gottwald, InsolvenzrechtsHandbuch, § 91 Rdn. 28; K. Schmidt, Gesellschaftsrecht, § 11 VI 4, S. 324. 838 So unter Geltung der KO BGH, Urteil vom 11. November 1985, II ZR 37/85, BGHZ 96, 253, 255 f. zum Konkurs eines eingetragenen Vereins; ebenso wohl auch BGH, Urteil vom 14. Dezember 1987, II ZR 170/87, BGHZ 103, 1, 6. 839 So K. Schmidt, in: K. Schmidt/Uhlenbruck, Die GmbH in Krise, Sanierung und Insolvenz, Rdn. 7.4; H.-F. Müller, Der Verband in der Insolvenz (2002), S. 124. 840 Ganter, Münchener Komm. z. I­nsO, § 1 Rdn. 9; Uhlenbruck/Pape, Komm. z. I­nsO, § 1 Rdn. 7.

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B. Abwicklung von Konzerninsolvenzen auf Grundlage des geltenden Rechts

bestehende Pflicht des verwaltungs- und verfügungsbefugten vorläufigen Insolvenzverwalters, ein vom Schuldner betriebenes Unternehmen bis zum Berichtstermin fortzuführen, sowie die nach § 158 ­InsO bestehenden Einschränkungen für eine Betriebsstilllegung oder Veräußerung des Unternehmens zwischen Verfahrenseröffnung und Berichtstermin. Denn durch dieses Fortführungsgebot soll den Verfahrensbeteiligten die Entscheidung über die Sanierung oder Liquidation des Unternehmens ermöglicht werden.841 Der Zweck der Sanierung und damit der Fortführung des von der schuldnerischen Gesellschaft getragenen Unternehmens deckt aber auch die Ausübung der Weisungsbefugnis aus dem Beherrschungsvertrag, da sich dieses Weisungsrecht bei wirtschaftlicher Betrachtung als ein „Betriebsmittel“ der herrschenden Gesellschaft darstellt. Denn es ermöglicht ihr, das von der abhängigen Gesellschaft getragene Unternehmen zum eigenen Vorteil oder zu dem einer anderen Konzerngesellschaft zu steuern. Auch kann der Insolvenzverwalter bei einer angestrebten Sanierung des herrschenden Unternehmens unter Erhalt des Konzernverbundes durchaus eine auf „Gewinnerzielung ausgerichtete Unternehmenspolitik für das Konzernganze“842 betreiben. Denn zur Erreichung dieses Ziels müssen bereits während des laufenden Insolvenzverfahrens Maßnahmen ergriffen werden, um den Gesamtkonzern und damit, da es hiervon regelmäßig direkt profitiert, das herrschende Unternehmen profitabel zu machen. Aus diesem Grund ist unter der I­nsO auch das zur KO vorgebrachte Argument, dass die Leitung eines Konzerns nicht Aufgabe des Konkursverwalters sei,843 nicht mehr haltbar. Anderes gilt allenfalls bei Stilllegung des von der herrschenden Gesellschaft betriebenen Unternehmens. Da der Insolvenzverwalter grundsätzlich verpflichtet ist, das vom Schuldner betriebene Unternehmen bis zum Berichtstermin fortzuführen,844 wird er das Unternehmen regelmäßig erst auf einen entsprechenden Beschluss der Gläubigerversammlung im Berichtstermin hin stilllegen. Ab diesem Zeitpunkt hat der Insolvenzverwalter das Vermögen der herrschenden Gesellschaft zu verwerten, weshalb er nunmehr keine auf „Gewinnerzielung ausgerichtete Unternehmenspolitik für das Konzernganze“ mehr verfolgen kann. Ob deshalb aber eine automatische Beendigung des Unternehmensvertrages bzw. der aus ihm folgenden Pflichten zwingend erforderlich ist, erscheint fraglich. Teilweise wird dies angenommen, da das Interesse der Gläubiger der herrschenden Gesellschaft an einer bestmöglichen Liquidation der Vermögenswerte dem „Konzerninteresse“ im Sinne einer „auf Dauer angelegte[n], rentable[n] und koordinierte[n] Nutzung aller im Konzernverbund vereinigten lebenden 841

Mönning, in: Nerlich/Römermann, Komm. z. I­nsO, § 22 Rdn. 57; Görg, Münchener Komm. z. ­InsO, § 157 Rdn. 1. 842 So die Formulierung des BGH, Urteil vom 14. Dezember 1987, II ZR 170/87, BGHZ 103, 1, 6 im Anschluss an Hengeler/Hoffmann-Becking, FS Hefermehl (1976), 283, 302. 843 So BGH, Urteil vom 14. Dezember 1987, II ZR 170/87, BGHZ 103, 1, 7; Jaeger/Weber, Komm. z. KO8, §§ 207, 208 Anm. 11; Hengeler/Hoffmann-Becking, FS Hefermehl (1976), 283, 302. 844 Uhlenbruck/Uhlenbruck, Komm. z. I­nsO, § 158 Rdn. 1; Balthasar, in: Nerlich/Römermann, Komm. z. ­InsO, § 158 Rdn. 4.

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Ressourcen“ zuwiderliefe.845 Hiergegen spricht aber, dass die Anerkennung eines vom Interesse der Obergesellschaft losgelösten „Konzerninteresses“ kaum mehr dem Wortlaut des § 308 Abs. 1 Satz 2 AktG entspricht und ferner der Konzern schon mangels Rechtsfähigkeit kein Eigeninteresse entwickeln kann.846 Ein Widerspruch zwischen Konzern- und Beteiligteninteressen existiert damit nicht. Selbst wenn man aber dem § 308 Abs. 1 Satz 2 AktG die Anerkennung eines Konzern­ interesses entnehmen könnte, so bestünde keine Pflicht des herrschenden Unternehmens, ein solches Interesse zu verfolgen. Denn es ist der abhängigen Gesellschaft gegenüber nicht zur Leitung des Konzerns verpflichtet.847 Nur sofern eine Weisung für die abhängige Gesellschaft nachteilig ist, müsste sie durch dieses Konzern­interesse gerechtfertigt sein. Fehlt dieses, so wären allenfalls nachteilige Weisungen von der abhängigen Gesellschaft nicht mehr zu befolgen, eine zwingende Beendigung des Beherrschungsvertrages kann hiermit aber nicht begründet werden. Zwingend endet demnach der Beherrschungsvertrag erst, wenn die herrschende Gesellschaft ihre Unternehmenseigenschaft verliert.848 Da die Unternehmenseigenschaft voraussetzt, dass in der Person des Gesellschafters zu seiner Beteiligung an der Gesellschaft weitere Interessen außerhalb der Gesellschaft hinzutreten, die die Besorgnis begründen, dass der Gesellschafter ihretwegen seinen Einfluss zum Schaden der Gesellschaft ausüben wird,849 entfällt sie auch durch die Einstellung des Geschäftsbetriebes nicht notwendigerweise. Sie dürfte regelmäßig erst im Laufe der Liquidation enden, beispielsweise weil eine Beteiligung ver­ äußert wird. Folglich kann auch allein die Einstellung des Geschäftsbetriebes nicht zur automatischen Beendigung der beherrschungsvertraglichen Pflichten oder gar des Vertrages selbst führen. Fraglich kann allenfalls sein, ob man dem Insolvenzverwalter der herrschenden Gesellschaft zum Schutz der Insolvenzmasse ein Recht zur Kündigung des Beherrschungsvertrages zubilligen muss.850 Ferner greift auch der Einwand nicht durch, in der Insolvenz der Obergesellschaft sei eine Beendigung des Beherrschungsvertrages erforderlich, um den Gläubigern der abhängigen Gesellschaft die Geltendmachung des Anspruchs auf 845

Bous, Die Konzernleitungsmacht im Insolvenzverfahren konzernverbundener Kapital­ gesellschaften (2001), S. 213. 846 Koppensteiner, Kölner Komm. z. AktG, § 308 Rdn. 38; Hoffmann-Becking, ZHR 159 (1995), 325, 330 f. 847 Emmerich, in: Emmerich/Habersack, Aktien- und GmbH-Konzernrecht, § 308 Rdn. 34; Altmeppen, Münchener Komm. z. AktG, § 309 Rdn. 52; Fleischer, DB 2005, 759, 761 f.; Koppen­steiner, Kölner Komm. z. AktG, § 308 Rdn. 60. 848 Für die Beendigung eines Unternehmensvertrages aufgrund des Verlusts der Unternehmenseigenschaft des anderen Vertragsteils, sofern sie nach den §§ 291, 292 AktG vorausgesetzt ist, Hüffer, Komm. z. AktG, § 297 Rdn. 22; Koppensteiner, Kölner Komm. z. AktG, § 297 Rdn. 50; Emmerich, in: Emmerich/Habersack, Aktien- und GmbH-Konzernrecht, § 297 Rdn. 53. 849 So die Definition des Unternehmensbegriffes bei BGH, Urteil vom 13. Oktober 1977, II ZR 123/76, BGHZ 69, 334, 337 („VEBA/Gelsenberg“); BGH, Urteil vom 18. Juni 2001, II ZR 212/99, BGHZ 148, 123, 125; Hüffer, Komm. z. AktG, § 15 Rdn. 8.  850 Siehe hierzu unten B. IV. 1. a) cc) (1) (b).

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Sicherheitsleistung gem. § 303 AktG zu ermöglichen.851 Denn ein solcher Anspruch der Gläubiger der Untergesellschaft würde neben den Anspruch der Untergesellschaft selbst auf Verlustausgleich gem. § 302 AktG treten. Da die Ansprüche der Gläubiger der abhängigen Gesellschaft aber bereits durch den gegebenenfalls auch in die Insolvenzmasse fallenden Verlustausgleichsanspruch der abhängigen Gesellschaft berücksichtigt sind, wäre hiermit eine doppelte Geltendmachung desselben Leistungsinteresses möglich. Um dies zu verhindern, muss ein Direkt­ anspruch der Gläubiger der Untergesellschaft gegenüber der Obergesellschaft aus § 303 AktG in der Insolvenz der Obergesellschaft entfallen.852 Schließlich wird für eine automatische Beendigung des Beherrschungsvertrages bzw. die Suspendierung der aus ihm folgenden Pflichten auch vorgebracht, dass die herrschende Gesellschaft ihrer Pflicht zum Verlustausgleich nach § 302 AktG nicht mehr nachkommen könne, sofern sie insolvent sei.853 Allerdings führt gemeinhin die fehlende finanzielle Leistungsfähigkeit einer Partei nicht dazu, dass die wechselseitig bestehenden vertraglichen Pflichten erlöschen.854 Zudem ist das voraussichtliche Unvermögen des anderen Vertragsteils, seine nach dem Unternehmensvertrag bestehenden Pflichten zu erfüllen, in § 297 Abs. 1 Satz 2 AktG explizit als ein zur Kündigung berechtigender wichtiger Grund genannt. Die zentrale Pflicht des herrschenden Unternehmens, welches der „andere Vertragsteil“ im Sinne des § 297 Abs. 1 Satz 2 AktG ist, stellt aber gerade die Pflicht zum Ausgleich der Verluste der abhängigen Gesellschaft dar. Hieraus wird deutlich, dass eine Gefährdung des Verlustausgleichsanspruchs die abhängige Gesellschaft grundsätzlich nur zur Kündigung berechtigt, nicht aber die beherrschungsvertraglichen Pflichten automatisch enden lässt. Damit erfordert die Eröffnung des Insolvenzverfahrens über das Vermögen der Obergesellschaft keine zwingende Beendigung des Beherrschungsvertrages oder Suspendierung der aus diesem Vertrag für die Vertragsparteien entstehenden Pflichten.

851

So aber Krieger, FS Metzeler (2003), 139, 145. Häsemeyer, Insolvenzrecht, Rdn. 32.11; Haas, in: Gottwald, Insolvenzrechts-Handbuch, § 95 Rdn. 16. 853 So als Begründung für eine automatische Beendigung des Beherrschungsvertrages Krieger, FS Metzeler (2003), 139, 143; Altmeppen, Münchener Komm. z. AktG, § 297 Rdn. 108; ebenso unter Geltung der KO als Argument für eine Suspendierung der Wirkungen des Beherrschungsvertrages K. Schmidt, Wege zum Insolvenzrecht der Unternehmen (1990), S. 226; Tschernig, Haftungsrechtliche Probleme der Konzerninsolvenz (1995), S. 93. 854 Zutreffend Bous, Die Konzernleitungsmacht im Insolvenzverfahren konzernverbundener Kapitalgesellschaften (2001), S. 154; zum allgemeinen Schuldrecht siehe Ernst, Münchener Komm. z. BGB, § 275 Rdn. 13, wonach § 275 BGB auf Geldschulden nicht anwendbar sei, da „[d]ie Grenzen des Vollstreckungszwangs bei der Geldschuld […] durch die gesetzlichen Unpfändbarkeiten und Pfändungsfreigrenzen, daneben auch durch das Institut der Restschuld­ befreiung (§§ 286 ff. ­InsO) bestimmt“ würden. 852

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(b) Auswirkungen auf die Rechte und Pflichten der Vertragsparteien Bestehen damit der Beherrschungsvertrag selbst sowie die hieraus folgenden Rechte und Pflichten der Vertragsparteien trotz der Eröffnung des Insolvenz­ verfahrens über das Vermögen der Obergesellschaft fort, so ist zunächst fraglich, ob weiterhin das Leitungsorgan der herrschenden Gesellschaft zur Ausübung des Weisungsrechts gegenüber der abhängigen Gesellschaft berechtigt ist oder ob nunmehr der Insolvenzverwalter dieses Weisungsrecht ausübt. Der Massezugehörigkeit des Weisungsrechts und damit auch der Ausübung dieses Rechts durch den Insolvenzverwalter könnte § 36 Abs. 1 Satz 1 ­InsO entgegenstehen, wonach Ge­genstände, die nicht der Zwangsvollstreckung unterliegen, nicht zur Insolvenzmasse gehören. Das beherrschungsvertragliche Weisungsrecht ist nicht abtretbar, da dies einer Auswechslung des herrschenden Unternehmens und damit einer Vertragsänderung gleich käme. Eine Vertragsänderung bedarf jedoch gem. § 295 Abs. 1 AktG der Zustimmung der Hauptversammlung der beherrschten Gesellschaft.855 Folglich ist es gem. § 851 Abs. 1 ZPO auch nicht pfändbar. Allerdings wird zutreffend darauf hingewiesen, dass die ­InsO auch die Zugehörigkeit nicht abtretbarer und damit im Grundsatz auch nicht pfändbarer Rechte zur Insolvenzmasse kennt. Beispiele hierfür sind der Anspruch auf die Leistung von Diensten aus einem Dienstvertrag oder der Anspruch auf Gebrauchsüberlassung aus einem Miet- oder Pachtvertrag. Denn diese Ansprüche sind gem. §§ 613 Satz 2, 540, 553 BGB regelmäßig nicht abtretbar, gleichwohl bestehen diese Verträge nach § 108 Abs. 1 Satz 1 ­InsO grundsätzlich gegenüber der Insolvenzmasse fort.856 Folglich wird angenommen, dass „Miet- und Pachtrechte […] in die Insolvenzmasse [gehören], obgleich das Nutzungsrecht des Mieters oder Pächters ohne Zustimmung des Vermieters oder Verpächters unübertragbar […] und damit unpfändbar ist“. Lediglich im Rahmen der Verwertung dieses Rechts ist der Insolvenzverwalter auf eine Nutzung des vermieteten Gegenstandes beschränkt, er darf den Anspruch auf Gebrauchsüberlassung hingegen nicht auf Dritte übertragen.857 Fraglich könnte eine Massezugehörigkeit des beherrschungsvertraglichen Weisungsrechts allenfalls deshalb sein, da der Beherrschungsvertrag als Organisationsvertrag einzuordnen ist und das Insolvenzrecht im Grundsatz die innergesellschaftliche Organisation unberührt lässt.858 Allerdings hat der Beherrschungsvertrag immer auch Auswirkungen auf das Vermögen der Obergesellschaft, da mit dem Weisungsrecht die Pflicht korrespondiert, die Verluste der abhängigen Gesell­ 855

Emmerich, in: Emmerich/Habersack, Aktien- und GmbH-Konzernrecht, § 308 Rdn. 16; Hüffer, Komm. z. AktG, § 308 Rdn. 6. 856 So Bous, Die Konzernleitungsmacht im Insolvenzverfahren konzernverbundener Kapitalgesellschaften (2001), S. 182; Brünkmans, Die Koordinierung von Insolvenzverfahren konzernverbundener Unternehmen (2009), S. 264 ff. 857 Uhlenbruck/Hirte, Komm. z. I­nsO, § 35 Rdn. 205; ebenso Jaeger/Henckel, Komm. z. ­InsO, § 36 Rdn. 44. 858 Aus diesem Grund eine Massezugehörigkeit des Weisungsrechts verneinend Rotstegge, Konzerninsolvenz (2007), S. 265.

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B. Abwicklung von Konzerninsolvenzen auf Grundlage des geltenden Rechts

schaft auszugleichen. Die Verwaltung des schuldnerischen Vermögens ist aber nach § 80 ­InsO dem Insolvenzverwalter zugewiesen. Eine Alleinzuständigkeit der Gesellschaftsorgane kann damit nur hinsichtlich solcher Maßnahmen angenommen werden, „die bei vernünftiger Betrachtung keine nachteiligen Wirkungen auf die Insolvenzmasse haben können“.859 Wäre das Leitungsorgan der Ober­ gesellschaft trotz der Eröffnung des Insolvenzverfahrens weiterhin berechtigt, das Weisungsrecht gegenüber der Untergesellschaft auszuüben, so könnte es Einfluss auf die Höhe des von der schuldnerischen Gesellschaft zu erfüllenden Verlust­ausgleichsanspruchs nehmen und damit im Ergebnis ohne Mitwirkung des Insolvenzverwalters Masseverbindlichkeiten begründen. Deshalb erscheint es überzeugend, das beherrschungsvertragliche Weisungsrecht als Bestandteil der Insolvenzmasse anzusehen und damit dem Insolvenzverwalter die Befugnis zu seiner Ausübung zuzuerkennen. Hierfür spricht schließlich auch die Erwägung, dass der Insolvenzverwalter der Obergesellschaft aus Sicht der Untergesellschaft lediglich das Leitungsorgan der Obergesellschaft substituiert und somit ein Eingriff in die innergesellschaftliche Organisationsstruktur der Untergesellschaft nicht erfolgt. Denn aus ihrer Sicht bleibt weiterhin die Obergesellschaft Inhaberin des Weisungsrechts.860 Zudem könnte der insolventen Obergesellschaft auch eine Möglichkeit zur Beendigung des Beherrschungsvertrages zuzugestehen sein. Die Annahme eines Kündigungsrechts der herrschenden Gesellschaft nach § 297 AktG aufgrund ihrer fehlenden finanziellen Leistungsfähigkeit erscheint allerdings kaum über­ zeugend, da dieser Umstand in den Risikobereich der Obergesellschaft fällt und damit für sie keinen zur Kündigung berechtigenden wichtigen Grund im Sinne des § 297 Abs. 1 Satz 1 AktG darstellen kann.861 In Betracht kommt jedoch ein Wahlrecht des Insolvenzverwalters entsprechend § 103 ­InsO. Aufgrund der Einordnung des Beherrschungsvertrages als Organisationsvertrag862 ist diese Norm zwar nicht unmittelbar anwendbar. Allerdings ist ein Kündigungsrecht für den Fall der eigenen Insolvenz nicht explizit geregelt. Zudem wird auch zumindest der abhängigen Gesellschaft das Leistungsverweigerungsrecht nach § 320 BGB oder § 273 BGB zugestanden, wenn die herrschende Gesellschaft ihrer Pflicht zum Verlust­ausgleich

859

Noack, ZIP 2002, 1873, 1874. So Bous, Die Konzernleitungsmacht im Insolvenzverfahren konzernverbundener Kapitalgesellschaften (2001), S. 189 ff., insbesondere S. 198; ebenso Brünkmans, Die Koordinierung von Insolvenzverfahren konzernverbundener Unternehmen (2009), S. 267 mit dem zusätz­lichen Hinweis, das die herrschende Gesellschaft auch einen Dritten zur Ausübung des Weisungsrechts bevollmächtigen dürfe. 861 Zutreffend Trendelenburg, NJW 2002, 647, 650; a. A. Hüffer, Komm. z. AktG, § 297 Rdn. 5; Koppensteiner, Kölner Komm. z. AktG; § 297 Rdn. 18; Emmerich, in: Emmerich/ Haber­sack, Aktien- und GmbH-Konzernrecht, § 297 Rdn. 22. 862 Vgl. zum Charakter des Beherrschungsvertrages als Organisationsvertrag BGH, Urteil vom 14. Dezember 1987, II ZR 170/87, BGHZ 103, 1, 4 f.; Hüffer, Komm. z. AktG, § 291 Rdn. 17; Altmeppen, Münchener Komm. z. AktG, § 291 Rdn. 25. 860

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nicht nachkommt.863 Schließlich ist ebenso wie bei den gegenseitigen Verträgen, für die § 103 ­InsO unmittelbar gilt, ein legitimes Bedürfnis der herrschenden Gesellschaft anzuerkennen, im Hinblick auf den Schutz der Insolvenzmasse den Beherrschungsvertrag und damit auch die Verpflichtung zum Verlustausgleich zu beenden. Daher erscheint eine analoge Anwendung des § 103 ­InsO angebracht.864 Der Insolvenzverwalter der Obergesellschaft hat sich also bei Verfahrenseröffnung zu entscheiden, ob er die Erfüllung des Beherrschungsvertrages wählt, beispielsweise weil er eine Sanierung des Konzerns für möglich hält. Wenn er sich hierfür entscheidet, sind die nach Verfahrenseröffnung entstehenden Bilanzverluste der abhängigen Gesellschaft nach § 55 Abs. 1 Nr. 2 ­InsO Masseverbindlichkeiten.865 Wählt er zunächst Erfüllung, kommt es später aber aufgrund einer entsprechenden Entscheidung der Gläubiger zu einer Einstellung des Geschäftsbetriebes, so ist für diesen Fall ein außerordentliches Kündigungsrecht des Insolvenzverwalters nach § 297 AktG anzunehmen. Denn er hat nunmehr das Vermögen der herrschenden Gesellschaft zu verwerten, weshalb er keine den gesamten Konzern umfassende Unternehmenspolitik mehr verfolgen kann. Ein Fortbestand der Verlustausgleichspflicht wäre in diesen Fällen mit dem gebotenen Schutz der Insolvenzmasse nicht zu vereinbaren. Schließlich liegt die von den Gläubigern veranlasste Einstellung des Geschäftsbetriebes zumindest nicht im alleinigen Verantwortungsbereich der herrschenden Gesellschaft, weshalb die Anwendung des § 297 AktG vertretbar erscheint. Für die abhängige Gesellschaft hingegen stellt die Eröffnung des Insolvenz­ verfahrens über das Vermögen der herrschenden Gesellschaft einen zur Kündigung berechtigenden wichtigen Grund im Sinne des § 297 AktG dar.866 Abzulehnen ist es allerdings, das Kündigungsrecht der abhängigen Gesellschaft in analoger Anwendung des § 112 Nr. 2 ­InsO bis zum Berichtstermin auszuschließen.867 Gegen eine solche analoge Anwendung spricht, dass § 112 Nr. 2 ­InsO eine Ausnahmevorschrift für bestimmte Nutzungsüberlassungsverträge darstellt und deshalb hinsichtlich anderer, dort nicht genannter Vertragsverhältnisse keine Anhaltspunkte für eine planwidrige Regelungslücke bestehen.868 Zudem erscheint auch die In 863 Emmerich, in: Emmerich/Habersack, Aktien- und GmbH-Konzernrecht, § 291 Rdn. 27; Altmeppen, Münchener Komm. z. AktG, § 291 Rdn. 36; Hüffer, Komm. z. AktG, § 291 Rdn. 18. 864 Für eine entsprechende Anwendung des § 103 ­InsO auch Häsemeyer, Insolvenzrecht, Rdn. 32.09; Marotzke, Heidelberger Komm. z. I­nsO, § 115 Rdn. 9; für eine Anwendung des § 103 ­InsO, allerdings ohne Aussage darüber, ob diese Norm direkt oder nur analog heran­ zuziehen ist, Freudenberg, ZIP 2009, 2037, 2041 ff.; für eine analoge Anwendung auf den Gewinnabführungsvertrag auch Bultmann, ­Z­InsO 2007, 785, 787. 865 Marotzke, Heidelberger Komm. z. ­InsO, § 115 Rdn. 9; für eine Einordnung des Verlust­ ausgleichsanspruchs als privilegierte Masseverbindlichkeit nach § 209 Abs. 1 Nr. 2 ­InsO Zeidler, NZG 1999, 692, 697; Uhlenbruck/Hirte, Komm. z. I­nsO, § 11 Rdn. 410, allerdings ohne eine Heranziehung des § 103 ­InsO. 866 Siehe oben B. IV. 1. a) cc) (1) (a). 867 So aber Freudenberg, ZIP 2009, 2037, 2043 f. 868 Uhlenbruck/Wegener, Komm. z. ­InsO, § 112 Rdn. 19; Eckert, Münchener Komm. z. ­InsO, § 112 Rdn. 10; Balthasar, in: Nerlich/Römermann, Komm. z. ­InsO, § 112 Rdn. 16.

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B. Abwicklung von Konzerninsolvenzen auf Grundlage des geltenden Rechts

teressenlage nicht vergleichbar. Denn aus Sicht des Vermieters ist bei Insolvenz des Mieters und Ausschluss des Kündigungsrechts das Verlustrisiko, welches trotz der Einordnung des geschuldeten Mietzinses als Masseforderung besteht, auf den Wert der Gebrauchsüberlassung begrenzt. Durch einen Fortbestand des Weisungsrechts könnte die herrschende Gesellschaft der Untergesellschaft aber im Grundsatz der Höhe nach unbegrenzte Verluste zufügen. Insoweit erscheint es für die Untergesellschaft nicht zumutbar, trotz Insolvenz der Obergesellschaft am Beherrschungsvertrag festhalten zu müssen. Neben diesem Kündigungsrecht könnten der abhängigen Gesellschaft aber auch weitere Möglichkeiten zuzugestehen sein, sich gegen die Weisungsunterworfenheit bei zweifelhafter Bonität der herrschenden Gesellschaft zu schützen. So wird vorgeschlagen, dass die abhängige Gesellschaft nach dem Rechtsgedanken des § 321 BGB die Befolgung nachteiliger Weisungen von der Stellung einer Sicherheit in Höhe des voraussichtlich entstehenden Jahresfehlbetrages abhängig machen könne.869 Diese Heranziehung des § 321 BGB erscheint auf den ersten Blick plausibel. Denn der abhängigen Gesellschaft wird vielfach entsprechend den §§ 273, 320 BGB das Recht zugestanden, die Befolgung der Weisungen der herrschenden Gesellschaft zu verweigern, sofern diese ihrer Pflicht zum Verlustausgleich nicht nachkommt.870 Da der Beherrschungsvertrag auch als Dauer­ schuldverhältnis begriffen wird, bei dem die Verlustausgleichpflicht kontinuierlich besteht, sich aber erst am Ende des Geschäftsjahres in einem klagbaren Anspruch manifestiert,871 erscheint auch die Annahme berechtigt, dass die abhängige Gesellschaft vorleistungspflichtig ist.872 Allerdings erscheint die Anwendung des § 321 BGB kaum praktikabel. Denn der voraussichtlich entstehende Verlust der abhängigen Gesellschaft dürfte kaum zuverlässig zu prognostizieren sein.873 Zudem wäre hierfür in jedem Fall ein erheblicher zeitlicher und finanzieller Aufwand erforderlich. Wenn man aber der abhängigen Gesellschaft die Darlegungslast hin-

869 So der Vorschlag von Bous, Die Konzernleitungsmacht im Insolvenzverfahren konzernverbundener Kapitalgesellschaften (2001), S. 254 ff. 870 So unter Heranziehung des § 320 BGB Hüffer, Komm. z. AktG, § 291 Rdn. 18; je nach Ausgestaltung des Vertrages auf § 273 BGB oder § 320 BGB abstellend Emmerich, in: Emmerich/Habersack, Aktien- und GmbH-Konzernrecht, § 291 Rdn. 27; ähnlich Altmeppen, Münchener Komm. z. AktG, § 291 Rdn. 36, der ein „Leistungsverweigerungsrecht der abhängigen Gesellschaft wie bei gegenseitigen Verträgen (§ 320 BGB) bzw. nach § 273 Abs. 1 BGB“ annimmt; i.E. ebenso Veil, Unternehmensverträge (2003), S. 205; ders., in: Spindler/Stilz, Komm. z. AktG, Vor § 291 Rdn. 30 und § 308 Rdn. 32, wonach das herrschende Unternehmen aufgrund seiner „unternehmensvertraglichen Treuepflicht“ gehalten ist, Konzernleitungsmacht nur auszuüben, wenn es auch für den Verlustausgleich sorgen könne. 871 K. Schmidt, ZGR 1983, 513, 518 ff.; Hüffer, Komm. z. AktG, § 302 Rdn. 4; Emmerich, in: Emmerich/Habersack, Aktien- und GmbH-Konzernrecht, § 302 Rdn. 41; Veil, in: Spindler/ Stilz, Komm. z. AktG, § 291 Rdn. 21. 872 So Bous, Die Konzernleitungsmacht im Insolvenzverfahren konzernverbundener Kapitalgesellschaften (2001), S. 258. 873 Zutreffend Berthold, Unternehmensverträge in der Insolvenz (2004), Rdn. 356.

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sichtlich des voraussichtlich entstehenden Verlustes aufbürdet,874 so müsste sie auch die erforderlichen Kosten tragen. Dies lässt erwarten, dass sie in diesem Fall den Vertrag eher kündigen würde. Schließlich erscheint angesichts des zeitlichen und finanziellen Aufwandes, der zur Ermittlung der Höhe der zu stellenden Sicherheit erforderlich wäre, auch eine effiziente und praktikable Leitung des Konzerns ausgeschlossen. Deshalb ist der Vorschlag, der abhängigen Gesellschaft in der Insolvenz der Obergesellschaft das Recht zuzubilligen, die Befolgung von Weisungen von der Stellung einer Sicherheit in Höhe des voraussichtlich entstehenden Jahresfehlbetrages abhängig zu machen, abzulehnen. Zu erwägen wäre allenfalls, ob der abhängigen Gesellschaft ein Recht zur Leistungsverweigerung entsprechend den §§ 273, 320 BGB bereits bei zweifel­hafter Solvenz der herrschenden Gesellschaft zugebilligt werden müsste und nicht erst dann, wenn die herrschende Gesellschaft einen bereits entstandenen Jahresfehlbetrag nicht ausgleicht. Dieses Leistungsverweigerungsrecht würde ein „milderes Mittel“ zu einer vollständigen Kündigung des Vertrags darstellen. Hiergegen spricht aber, dass die herrschende Gesellschaft bei einem bereits entstandenen Verlustausgleichsanspruch das Leistungsverweigerungsrecht der abhängigen Gesellschaft durch Erfüllung dieses Anspruchs zum Erlöschen bringen kann. Diese Möglichkeit besteht aber nicht, wenn lediglich ihre Solvenz zweifelhaft ist. Für diese Fälle ist gerade die Regelung des § 321 BGB gedacht, nach dem das Leistungsverweigerungsrecht der zur Vorleistung verpflichteten Partei durch Stellung einer Sicherheit beendet werden kann. Diese Regelung erscheint aber für den Beherrschungsvertrag nicht praktikabel, da die Höhe der Sicherheit nur sehr schwer zu bestimmen ist. Ein Leistungsverweigerungsrecht der abhängigen Gesellschaft entsprechend den §§ 273, 320 BGB bereits bei zweifelhafter Solvenz der Obergesellschaft ist demnach abzulehnen. Ein solches Leistungsverweigerungsrecht kommt allenfalls aufgrund von Verlusten in Betracht, die vor Eröffnung des Insolvenzverfahrens über das Vermögen der Obergesellschaft entstanden sind und nicht ausgeglichen wurden. Denn bei einer Beendigung des Beherrschungsvertrages während des laufenden Geschäftsjahres hat die abhängige Gesellschaft eine Stichtagsbilanz aufzustellen und die herrschende Gesellschaft den zwischen dem Beginn des Geschäftsjahres und dem Zeitpunkt der Vertragsbeendigung entstandenen Verlust auszugleichen.875 Gleiches gilt, wenn man wie hier annimmt, dass die Eröffnung des Insolvenzverfahrens über das Vermögen der herrschenden Gesellschaft nicht zur zwingenden Beendigung des Beherrschungsvertrages und seiner Wirkungen führt. Denn der vor Verfahrenseröffnung entstandene Verlust der abhängigen Gesellschaft ist lediglich einfache Insolvenzforderung, wohingegen der während des Verfahrens entstehende Verlust als Masseverbindlichkeit einzu 874 So Bous, Die Konzernleitungsmacht im Insolvenzverfahren konzernverbundener Kapitalgesellschaften (2001), S. 261. 875 BGH, Urteil vom 14. Dezember 1987, II ZR 170/87, BGHZ 103, 1, 9 f.; Emmerich, in: Emmerich/Habersack, Aktien- und GmbH-Konzernrecht, § 302 Rdn. 38; Hüffer, Komm. z. AktG, § 302 Rdn. 13; Altmeppen, Münchener Komm. z. AktG, § 302 Rdn. 24 ff.

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stufen ist, vgl. §§ 105 Satz 1, 55 Abs. 1 Nr. 2 ­InsO. Wenn nun die vor Eröffnung des Insolvenzverfahrens aufgelaufenen Verluste der abhängigen Gesellschaft, die sich aufgrund der Bildung eines Rumpfgeschäftsjahres auch bereits in einem grundsätzlich klagbaren Anspruch manifestiert haben, nicht ausgeglichen wurden, könnte deshalb entsprechend den §§ 273, 320 BGB ein Verweigerungsrecht hinsichtlich Weisungen angenommen werden, die nach Verfahrenseröffnung vom Insolvenzverwalter der herrschenden Gesellschaft erteilt werden. Allerdings ist bei gegenseitigen Verträgen, bei denen der Vertragspartner des Insolvenzschuldners vor Eröffnung des Verfahrens bereits teilweise vorgeleistet und für deren vollständige Erfüllung sich der Verwalter nach § 103 ­InsO entschieden hat, anerkannt, dass der Vertragspartner seinen noch ausstehenden Teil der Leistung nicht nach §§ 273, 320 BGB verweigern kann.876 Ein Recht der abhängigen Gesellschaft, die Befolgung der Weisungen der Obergesellschaft in deren Insolvenz entsprechend den §§ 273, 320 BGB zu verweigern, lässt sich also auch auf diesem Weg nicht begründen. Die abhängige Gesellschaft muss sich daher entscheiden, ob sie trotz der Eröffnung des Insolvenzverfahrens der Obergesellschaft darauf vertraut, dass deren Insolvenzmasse ausreicht, um der Pflicht zum Verlustausgleich auch im er­ öffneten Verfahren noch nachkommen zu können, oder ob sie den Beherrschungsvertrag sofort nach § 297 AktG kündigt. (2) Die Eröffnung des Insolvenzverfahrens über das Vermögen der Untergesellschaft Eine andere Beurteilung erscheint allerdings angezeigt, wenn auch über das Vermögen der Untergesellschaft ein Insolvenzverfahren eröffnet und in diesem ein Insolvenzverwalter bestellt wurde. Denn ein Weisungsrecht gegenüber dem Insolvenzverwalter der Untergesellschaft wird zutreffend abgelehnt, da dies mit der Unabhängigkeit des Insolvenzverwalters gem. § 56 Abs. 1 Satz 1 ­InsO nicht zu vereinbaren wäre.877 Zudem berechtigt der Beherrschungsvertrag gem. § 308 Abs. 1 Satz 1 AktG nur zu Weisungen gegenüber dem Vorstand der beherrschten AG und damit gegenüber ihrem Leitungsorgan. Der Insolvenzverwalter wird aber gerade nicht Organ eines insolventen Verbandes878, vielmehr handelt er als In 876 So noch zur KO BGH, Urteil vom 20. Dezember 2001, IX ZR 401/99, BGHZ 149, 326, 336; BGH, Urteil vom 7. März 2002, IX ZR 457/99, BGHZ 150, 138, 145; für die I­ nsO ebenso Kreft, Münchener Komm. z. ­InsO, § 103 Rdn. 47; Uhlenbruck/Wegener, Komm. z. ­InsO, § 103 Rdn. 23. 877 Brünkmans, Die Koordinierung von Insolvenzverfahren konzernverbundener Unternehmen (2009), S. 273; ebenso, wenngleich ohne Bezugnahme auf § 56 ­InsO Uhlenbruck/Hirte, Komm. z. ­InsO, § 11 Rdn. 398; Eidenmüller, ZHR 169 (2005), 528, 548; zur KO bereits K. Schmidt, Wege zum Insolvenzrecht der Unternehmen (1990), S. 228. 878 So aber K. Schmidt, Gutachten D zum 54. DJT, S. 48 ff.; K. Schmidt/W. Schulz, ZIP 1982, 1015, 1018; K. Schmidt, KTS 1984, 345, 362 ff.; gegen diese sogenannte „neuere Vertretungsund Repräsentationstheorie“ zutreffend Jaeger/Windel, Komm. z. ­InsO, § 80 Rdn. 18; Häsemeyer, Insolvenzrecht, Rdn. 15.04; Ott/Vuia, Münchener Komm. z. ­InsO, § 80 Rdn. 34.

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haber eines privaten Amtes mit Wirkung für und gegen den Schuldner als Träger der Insolvenzmasse.879 Damit käme ein Fortbestand des Weisungsrechts allenfalls in Betracht, sofern Weisungsadressat auch nach Verfahrenseröffnung das Leitungsorgan der Untergesellschaft ist. Allerdings geht mit Eröffnung des Insolvenzverfahrens die Verwaltungs- und Verfügungsbefugnis über das Vermögen der Untergesellschaft gem. § 80 Abs. 1 ­InsO auf den Insolvenzverwalter über. Damit hätte die herrschende Gesellschaft keine Möglichkeit mehr, mittels des Weisungsrechts auf die Führung des von der Untergesellschaft betriebenen Unternehmens Einfluss zu nehmen. Gleichwohl müsste man bei einem Fortbestand des Weisungsrechts konsequenterweise auch einen Fortbestand der Verlustausgleichspflicht annehmen. Damit wäre die herrschende Gesellschaft weiterhin zum Verlustausgleich verpflichtet, obwohl sie mittels des Weisungsrechts keinen Einfluss mehr auf die Leitung des von der abhängigen Gesellschaft getragenen Unternehmens und damit auf die Höhe der anfallenden Verluste nehmen könnte. Eine Lösung könnte allenfalls darin bestehen, dass man die Verlustausgleichspflicht der herrschenden Gesellschaft auf Verluste beschränkt, die durch Handlungen der Leitungsorgane der abhängigen Gesellschaft herbeigeführt werden, welche diese auf eine Weisung der herrschenden Gesellschaft hin vornehmen.880 Allerdings erscheinen solche Verluste kaum denkbar, da sich nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens die Rechte und Pflichten der Gesellschaftsorgane auf innergesellschaftliche Angelegenheiten, die Wahrnehmung der Verfahrensrechte der schuldnerischen Gesellschaft sowie die Verwaltung von etwaigem insolvenzfreiem Vermögen beschränken.881 Damit käme es regelmäßig mangels durch Handlungen der Organe der Untergesellschaft verursachter Verluste zu einem Fortbestand des Weisungsrechts ohne Verlustausgleichspflicht. Deshalb erscheint es vorzugswürdiger, bei Eröffnung des Insolvenzverfahrens über das Vermögen der Untergesellschaft zumindest eine Suspendierung der vertraglichen Pflichten anzunehmen. Rechtstechnisch kann dieses Ergebnis mit einem Rückgriff auf die Wertung der §§ 275, 326 BGB begründet werden. Denn nach diesen Normen erlischt bei Unmöglichkeit der geschuldeten Leistung grundsätzlich sowohl die Leistungspflicht des Schuldners als auch die Gegenleistungspflicht des Gläubigers. Wird über das Vermögen der abhängigen Gesellschaft das Insolvenzverfahren eröffnet, so kann ihr Leitungsorgan den Weisungen des herrschenden Unternehmens nicht mehr in dem von § 308 Abs. 1 AktG beabsichtigten Umfang nachkommen. Es tritt sozusagen eine „rechtliche Unmöglichkeit der Ausübung der Leitungsmacht“

879 So die überwiegend vertretene Amtstheorie, vgl. Jaeger/Windel, Komm. z. I­nsO, § 80 Rdn. 15; Uhlenbruck/Uhlenbruck, Komm. z. ­InsO, § 80 Rdn. 79 f. jeweils m. w. N. 880 So offenbar Rotstegge, Konzerninsolvenz (2007), S. 261. 881 Ott/Vuia, Münchener Komm. z. ­InsO, § 80 Rdn. 112 ff.; Uhlenbruck/Hirte, Komm. z. ­InsO, § 11 Rdn. 118; Bachmann, in: Spindler/Stilz, Komm. z. AktG, § 264 Rdn. 18; Haas, in: Baumbach/Hueck, Komm. z. GmbHG, § 60 Rdn. 43; die Existenz von insolvenzfreiem Vermögen ablehnend K. Schmidt/W. Schulz, ZIP 1982, 1015, 1016 ff.; H.-F. Müller, Der Verband in der Insolvenz (2002), S. 25 ff.

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ein.882 Im Gegenzug muss dann auch die Verlustausgleichspflicht des herrschenden Unternehmens enden. Fraglich ist aber, ob etwas anderes gilt, wenn im Insolvenzverfahren der Untergesellschaft Eigenverwaltung angeordnet wird. Denn in diesem Fall ist gem. § 270 Abs. 1 Satz 1 ­InsO der Schuldner berechtigt, die Insolvenzmasse zu verwalten und über sie zu verfügen. Damit erscheint es grundsätzlich auch denkbar, dass das Leitungsorgan der schuldnerischen Gesellschaft den Weisungen des herrschenden Unternehmens nachkommt. Allerdings ist auch der eigenverwaltende Schuldner bei seinem Handeln an das in § 1 ­InsO normierte Ziel des Insolvenzverfahrens, eine bestmögliche gemeinschaftliche Befriedigung der Gläubiger zu erreichen, gebunden. Eigene Interessen sowie Sonderinteressen einzelner Gläubiger hat er hinter das Ziel des Insolvenzverfahrens zurückzustellen.883 Dies gilt auch für seine organschaftlichen Vertreter.884 Es tritt also auch bei Anordnung der Eigenverwaltung im Insolvenzverfahren über das Vermögen der beherrschten Gesellschaft eine Überlagerung ihres Gesellschaftszwecks durch das Insolvenzrecht ein.885 Mit dieser Bindung des eigenverwaltenden Schuldners an die gemeinsamen Interessen der Gläubiger erscheint eine Weisungsunterworfenheit des Leitungsorgans unvereinbar, welche der herrschenden Gesellschaft die Möglichkeit verschafft, die abhängige Gesellschaft ihrem eigenen Interesse oder dem anderer konzernzugehöriger Gesellschaften unterzuordnen (vgl. § 308 Abs. 1 Satz 2 AktG).886 Denn für die Nachteile, die der abhängigen Gesellschaft durch nachteilige Weisungen zugefügt werden, erhält sie keineswegs immer einen vollwertigen Ausgleich. So greift der Verlustausgleichsanspruch aus § 302 AktG nur ein, wenn sich die nachteiligen Weisungen auch tatsächlich in einem Bilanzverlust niederschlagen. Wenn aber der Nachteil einer Weisung lediglich darin besteht, dass sie den Jahresüberschuss mindert, ohne aber zu einem Jahresverlust zu führen, so findet ein Ausgleich nicht statt. Ein solches System wäre jedoch mit den Zielen des Insolvenzverfahrens, wonach das schuldnerische Vermögen vollständig zur gemeinschaftlichen Befriedigung der Gläubiger verwandt werden soll, nicht mehr zu vereinbaren. In Betracht käme allenfalls, eine Pflicht des Leitungsorgans der schuldnerischen Gesellschaft zur Befolgung einer nachteiligen Weisung nur noch zu bejahen, sofern der konkret durch die Weisung verursachte Nachteil umgehend ausgeglichen

882 So unter Geltung der KO bei Eröffnung des Insolvenzverfahrens über das Vermögen der abhängigen Gesellschaft bereits Jaeger/Weber, Komm. z. KO8, §§ 207, 208 Anm. 11. 883 BGH, Beschluss vom 7. Dezember 2006, V ZB 93/06 (KG), NZI 2007, 188, 189; Wittig/ Tetzlaff, Münchener Komm. z. I­nsO, § 270 Rdn. 72; Haas/Kahlert, in: Gottwald, Insolvenzrechts-Handbuch, § 89 Rdn. 1. 884 Uhlenbruck/Uhlenbruck, Komm. z. ­InsO, § 270 Rdn. 3; Noack, ZIP 2002, 1873, 1875. 885 Eidenmüller, ZHR 169 (2005), 528, 549; Brünkmans, Die Koordinierung von Insolvenzverfahren konzernverbundener Unternehmen (2009), S. 238. 886 Krieger, FS Metzeler (2003), 139, 149; Deyda, Der Konzern im europäischen internationalen Insolvenzrecht (2008), S. 108 f.; Kessler, Die Aktiengesellschaft in der Eigenverwaltung (2006), S. 288.

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wird.887 Allerdings unterläge dann die Ausübung des beherrschungsvertraglichen Weisungsrechts stärkeren Einschränkungen als die Einflussnahme im faktischen Konzern, da hier gem. § 311 Abs. 2 AktG auch bei einem erst am Ende des Geschäftsjahres erfolgenden Nachteilsausgleich die Einflussnahme rechtmäßig ist. Ferner entspräche ein solches Ausgleichssystem auch kaum mehr dem von den Vertragsparteien bei Abschluss des Beherrschungsvertrages verfolgten Zweck. Denn der Vorteil des Abschlusses eines Beherrschungsvertrages mit einer AG als abhängiger Gesellschaft liegt gerade auch darin, dass Weisungen zulässig sind, bei denen ein Nachteil nicht zu beziffern ist.888 Schließlich erscheint ein Fortbestand des beherrschungsvertraglichen Weisungsrechts auch mit der durch das ESUG eingeführten Regelung des § 276a Satz 1 ­InsO unvereinbar. Denn hiernach haben bei Anordnung der Eigenverwaltung im Insolvenzverfahren über das Vermögen einer juristischen Person der Aufsichtsrat, die Gesellschafterversammlung oder entsprechende Organe keinen Einfluss auf die Geschäftsführung. Das Leitungsorgan wird damit bei Anordnung der Eigenverwaltung hinsichtlich der Geschäftsführung von innergesellschaftlichen Bindungen befreit. Der Beherrschungsvertrag ändert aber „satzungsgleich den rechtlichen Status der beherrschten Gesellschaft“, weshalb er als Organisationsvertrag einzustufen ist.889 Insbesondere durchbricht er bei der AG die Regelung des § 76 Abs. 1 AktG, wonach der Vorstand die AG unter eigener Verantwortung zu leiten hat.890 Wenn aber bei einer eigenverwaltenden AG gem. § 276a Satz 1 ­InsO der Zustimmungsvorbehalt des Aufsichtsrats nach § 111 Abs. 4 Satz 2 AktG oder die Zustimmungsrechte der Hauptversammlung nach § 179a AktG sowie den Regelungen über ungeschriebene Hauptversammlungszuständigkeiten891 entfallen, so kann auch das durch den Beherrschungsvertrag unter Durchbrechung der Regelung des § 76 Abs. 1 AktG begründete Weisungsrecht des herrschenden Unternehmens nicht mehr fortbestehen. Folglich muss dann auch die Verlustausgleichspflicht des herrschenden Unternehmens nach § 302 Abs. 1 AktG entfallen. Im Ergebnis ist daher auch bei Anordnung der Eigenverwaltung im Insolvenzverfahren der beherrschten Gesellschaft anzunehmen, dass die Rechte und Pflichten aus dem Beherrschungsvertrag zum Erliegen kommen. Fraglich ist schließlich noch, ob mit Eröffnung des Insolvenzverfahrens über das Vermögen der Untergesellschaft eine vollständige Beendigung des Beherrschungsvertrages erforderlich oder ob eine Suspendierung der vertraglichen Pflichten ausreichend ist. Für eine Suspendierung spricht, dass das Insolvenzrecht grundsätzlich 887 So der Vorschlag von Brünkmans, Die Koordinierung von Insolvenzverfahren konzern­ verbundener Unternehmen (2009), S. 275. 888 Berthold, Unternehmensverträge in der Insolvenz (2004), Rdn. 355. 889 So BGH, Urteil vom 14. Dezember 1987, II ZR 170/87, BGHZ 103, 1, 4 f.; ebenso Hüffer, Komm. z. AktG, § 291 Rdn. 17. 890 Emmerich, in: Emmerich/Habersack, Aktien- und GmbH-Konzernrecht, § 291 Rdn. 26. 891 Siehe hierzu BGH, Urteil vom 25. Februar 1982, II ZR 174/80, BGHZ 83, 122 ff. („Holzmüller“); BGH, Urteil vom 26. April 2004, II ZR 155/02, BGHZ 159, 30 ff. („Gelatine I“).

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nicht zu einer dauerhaften Veränderung der innergesellschaftlichen Organisation führt, sondern diese nur überlagert.892 Deshalb erscheint es vorzugswürdig, bei Eröffnung des Insolvenzverfahrens über das Vermögen der abhängigen Gesellschaft lediglich von einer Suspendierung der Wirkungen des Beherrschungsvertrages auszugehen. Ferner ist beiden am Vertrag beteiligten Gesellschaften ein Recht zur außerordentlichen Kündigung nach § 297 AktG zuzugestehen, damit das Fortbestehen des Beherrschungsvertrages und damit das drohende Wiederaufleben seiner Wirkungen einer etwaigen Sanierung der jeweiligen Gesellschaft nicht im Wege stehen. Zuständig für die Ausübung des Kündigungsrechts sollte grundsätzlich das Leitungsorgan sein. Allerdings dürfte nach § 225 Abs. 3 ­InsO, wonach in den Insolvenzplan alle gesellschaftsrechtlich zulässigen Regelungen aufgenommen werden können, auch die Aufnahme der Kündigungserklärung in den Insolvenzplan zulässig sein. Ist der andere Vertragsteil ausnahmsweise nicht am Insolvenzverfahren beteiligt, so sollte der Insolvenzverwalter entsprechend § 254a Abs. 3 Satz 3 ­InsO nach Eintritt der Rechtskraft der Planbestätigung zur Erklärung der Kündigung gegenüber dem anderen Vertragsteil befugt sein. dd) Zwischenergebnis Die Eröffnung des Insolvenzverfahrens über das Vermögen der Obergesellschaft führt weder zu einer automatischen Beendigung des Beherrschungsvertrages noch zu einer Suspendierung seiner Wirkungen. Vielmehr steht dem für die Obergesellschaft bestellten Insolvenzverwalter bzw. bei Anordnung der Eigenverwaltung deren Leitungsorgan entsprechend § 103 ­InsO ein Wahlrecht zu, ob der Beherrschungsvertrag fortbestehen soll oder nicht. Wird die Erfüllung des Beherrschungsvertrages gewählt, so fällt das Weisungsrecht in die Insolvenzmasse der Obergesellschaft, der nach Verfahrenseröffnung entstehende Verlustausgleichsanspruch der abhängigen Gesellschaft ist gem. § 55 Abs. 1 Nr. 2 ­InsO Masseverbindlichkeit. Zudem ist die abhängige Gesellschaft gem. § 297 AktG zur Kündigung berechtigt. Sofern allerdings auch über das Vermögen der abhängigen Gesellschaft das Insolvenzverfahren eröffnet wird, tritt eine Suspendierung der Wirkungen des Beherrschungsvertrages ein. Dies gilt unabhängig davon, ob für die Untergesellschaft ein Insolvenzverwalter bestellt oder die Eigenverwaltung nach den §§ 270 ff. ­InsO angeordnet wird. Damit kann das beherrschungsvertragliche Weisungsrecht nicht zur Koordination paralleler Insolvenzverfahren über das Vermögen mehrerer Konzerngesellschaften genutzt werden. 892 Heesing, Bestandsschutz des Beherrschungs- und Gewinnabführungsvertrags in der Unternehmenskrise und im Konkurs (1988), S. 147 ff.; K. Schmidt, Wege zum Insolvenzrecht der Unternehmen (1990), S. 224; für den Konkurs der Untergesellschaft auch Samer, Beherrschungs- und Gewinnabführungsverträge gem. § 291 Abs. 1 AktG in Konkurs und Vergleich der Untergesellschaft (1989), S. 173.

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b) Die auf einer Beteiligung an der Untergesellschaft beruhende Konzernleitungsmacht Neben einem Beherrschungsvertrag kann auch eine Mehrheitsbeteiligung einer Gesellschaft die Möglichkeit verschaffen, die unternehmerische Tätigkeit einer anderen Gesellschaft zu steuern. Wird von dieser Möglichkeit Gebrauch gemacht, so spricht man von einem faktischen Konzern.893 Entsprechend wird die durch eine Mehrheitsbeteiligung vermittelte Steuerungsmöglichkeit der Obergesellschaft teilweise als „faktische Konzernleitungsmacht“ bezeichnet.894 Obwohl dieser Begriff bei einer AG als Untergesellschaft nicht ganz präzise ist,895 soll er gleichwohl im Folgenden verwandt werden. Denn er verdeutlicht die auch bei einer AG bestehenden tatsächlichen Steuerungsmöglichkeiten eines Mehrheitsaktionärs.896 Die faktische Konzernleitungsmacht erlangt vor allem Bedeutung, wenn die Untergesellschaft eine GmbH ist. Denn in der GmbH sind die Geschäftsführer gem. § 37 Abs. 1 GmbHG verpflichtet, bei der Ausübung der ihnen nach § 35 Abs. 1 Satz 1 GmbHG zustehenden Vertretungsbefugnis die Beschränkungen einzuhalten, welche ihnen durch die Beschlüsse der Gesellschafter gesetzt sind. Zu den Aufgaben der Gesellschafter gehört nach § 46 Nr. 6 GmbHG auch die Prüfung und Überwachung der Geschäftsführer. Hieraus ergibt sich, dass die Gesellschafterversammlung den Geschäftsführern hinsichtlich der Leitung der Gesellschaft Weisungen erteilen kann.897 Folglich kann ein Mehrheitsgesellschafter mittels des aus seiner Beteiligung resultierenden Stimmrechts umfassenden Einfluss auf die Geschäftsführung der GmbH nehmen.898 Begrenzt wird diese Einflussmöglichkeit aber durch die dem Mehrheitsgesellschafter gegenüber der Gesellschaft sowie den

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Raiser/Veil, Recht der Kapitalgesellschaften, § 50 Rdn. 5. Diesen Begriff verwendet Brünkmans, Die Koordinierung von Insolvenzverfahren konzernverbundener Unternehmen (2009), S. 44. 895 Siehe hierzu Hüffer, Komm. z. AktG, § 311 Rdn. 8, der angesichts der Tatsache, dass § 76 AktG auch für den Vorstand einer AG gilt, welche im Mehrheitsbesitz eines anderen Unternehmens steht, zutreffend annimmt, dass es im faktischen AG-Konzern eine „Konzernleitungsmacht […] im Sinne eines normativen Prinzips“ nicht gibt. 896 Siehe hierzu im Folgenden. 897 Altmeppen, in: Roth/Altmeppen, Komm. z. GmbHG, § 37 Rdn. 3; Windbichler, Gesellschaftsrecht, § 22 Rdn. 11; ebenso Zöllner/Noack, in: Baumbach/Hueck, Komm. z. GmbHG, § 37 Rdn. 20 und K. Schmidt, Gesellschaftsrecht, § 36 I 2 a), S. 1068, wonach sich das Weisungsrecht aus der „dominierenden Stellung der Gesellschafterversammlung“ bzw. ihrer Eigenschaft als „höchstes Organ“ ergebe; für ein Weisungsrecht, allerdings ohne weitere Aussagen zu seiner Herleitung Uwe H. Schneider, in: Scholz, Komm. z. GmbHG, § 37 Rdn. 30. Umstritten ist allerdings die Reichweite dieses Weisungsrechts: Für ein unbeschränktes Weisungsrecht Altmeppen, in: Roth/Altmeppen, Komm. z. GmbHG, § 37 Rdn. 4; Uwe H. Schneider, in: Scholz, Komm. z. GmbHG, § 37 Rdn. 38; für eine Begrenzung des Weisungsrechts, wonach die Gesellschafterversammlung nicht sämtliche Geschäftsführungsentscheidungen treffen und damit dem eigentlichen Geschäftsführer jeglichen Entscheidungsspielraum nehmen darf, Zöllner/Noack, in: Baumbach/Hueck, Komm. z. GmbHG, § 37 Rdn. 21. 898 Emmerich/Habersack, Konzernrecht, § 29 Rdn. 3. 894

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Minderheitsgesellschaftern obliegende Treuepflicht.899 Diese verbietet dem Gesellschafter Einflussnahmen auf die Gesellschaft, welche bei dieser zu einem Vermögensschaden führen.900 Das Regelungsmodell der §§ 311 ff. AktG, wonach bei einer abhängigen AG nachteilige Einflussnahmen zulässig sind, sofern der durch sie verursachte Nachteil bis spätestens zum Ende des Geschäftsjahres ausgeglichen wird, ist also auf die GmbH nicht übertragbar.901 Allerdings gehen die durch eine Gesellschaftsbeteiligung vermittelten Einflussmöglichkeiten wesentlich weiter, sofern die Obergesellschaft einziger Gesellschafter der Untergesellschaft ist.902 Denn in diesen Fällen besteht keine Pflicht zur Rücksichtnahme auf andere Gesellschafter, aus der sich ein Verbot der Schädigung der Gesellschaft ableiten ließe.903 Zudem kann keine Treuepflicht des Alleingesellschafters gegenüber der Gesellschaft angenommen werden, da sich aufgrund der dem Alleingesellschafter zustehenden Einflussmöglichkeiten seine Interessen mit denen der GmbH decken.904 Ein von dem Interesse des Alleingesellschafters unabhängiges Gesellschaftsinteresse existiert demnach im Grundsatz nicht.905 Folglich werden die Nachteile, die der Gesellschaft durch Weisungen des Alleingesellschafters an die Geschäftsführung entstehen, nicht ausgeglichen, sofern kein Verstoß gegen die Kapitalerhaltungsregeln der §§ 30, 31 GmbHG vorliegt.906 Deshalb wird angenommen, dass „zum Schutze des zur Befriedigung der Gesellschaftsgläubiger erforderlichen Gesellschaftsvermögens gegen existenzvernichtende, d. h. zur Insolvenz der Gesellschaft führende oder eine solche vertiefende Eingriffe des Gesellschafters eine Haftungssanktion gegen diesen unzweifelhaft erforderlich ist, soweit das gesetzliche System der §§ 30, 31 GmbHG versagt bzw. wegen seiner begrenzten Reich 899 Für eine Treupflicht eines Gesellschafters gegenüber der GmbH und den Mitgesellschaftern BGH, Urteil vom 5. Juni 1975, II ZR 23/74, BGHZ 65, 15, 18 f. („ITT“). 900 Zöllner, in: Baumbach/Hueck, Komm. z. GmbHG, Schlussanhang GmbH-Konzernrecht Rdn. 77; Emmerich/Habersack, Konzernrecht, § 30 Rdn. 7. 901 BGH, Urteil vom 16. September 1985, II ZR 275/84, BGHZ 95, 330, 340 („Autokran“); Zöllner, in: Baumbach/Hueck, Komm. z. GmbHG, Schlussanhang GmbH-Konzernrecht Rdn. 80; Emmerich/Habersack, Konzernrecht, § 29 Rdn. 7. 902 Zöllner, in: Baumbach/Hueck, Komm. z. GmbHG, Schlussanhang GmbH-Konzernrecht Rdn. 112. 903 Peifer, GmbHR 2008, 1074, 1076. 904 Michalski/Funke, in: Michalski, Komm. z. GmbHG, § 13 Rdn. 143; Emmerich/Habersack, Konzernrecht, § 30 Rdn. 8; Hueck/Fastrich, in: Baumbach/Hueck, Komm. z. GmbHG, § 13 Rdn. 20. 905 So BGH, Beschluss vom 7. Januar 2008, II ZR 314/05, NZG 2008, 187, 188, wonach „die Interessen des Alleingesellschafters von denen der Gesellschaft jedenfalls solange nicht getrennt werden können, als nicht Gläubigerinteressen gefährdet sind“; ähnlich BGH, Urteil vom 21. Juni 1999, II ZR 47/98, BGHZ 142, 92, 95, wonach „die Gesellschafter einer GmbH dieser grundsätzlich weder wegen Treuepflichtverletzung noch unter dem Gesichtspunkt der unerlaubten Handlung Schadensersatz [schulden], wenn sie ihr einvernehmlich handelnd Vermögen entziehen, das zur Deckung des Stammkapitals nicht benötigt wird“; ebenso Zöllner, in: Baumbach/Hueck, Komm. z. GmbHG, Schlussanhang GmbH-Konzernrecht Rdn. 111, der die Anerkennung eines „von der Gesamtheit der Gesellschafter unabhängige[n] Gesellschaftsinteresse[s]“ ablehnt. 906 Emmerich/Habersack, Konzernrecht, § 31 Rdn. 2.

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weite die gebotene Schutzfunktion von vornherein nicht erfüllen kann“.907 Ein Gesellschafter haftet deshalb gem. § 826 BGB gegenüber der Gesellschaft für alle Schäden, die er der Gesellschaft vorsätzlich durch einen die Insolvenz verur­ sachenden oder sie vertiefenden kompensationslosen Eingriff in das Gesellschaftsvermögen zufügt.908 Solange die Einflussnahme des Alleingesellschafters aber zu keiner Verletzung des Stammkapitals führt oder die Insolvenz der GmbH herbeiführt bzw. vertieft, kann der Alleingesellschafter die Geschäfte der GmbH umfassend steuern. Die GmbH wird daher häufig als Konzerntochter eingesetzt.909 Anders verhält es sich hingegen mit den durch eine Mehrheitsbeteiligung vermittelten Steuerungsmöglichkeiten der Obergesellschaft, sofern die Untergesellschaft eine AG ist. Denn nach § 76 Abs. 1 AktG hat der Vorstand die AG unter eigener Verantwortung zu leiten. Er ist daher grundsätzlich an Weisungen anderer Gesellschaftsorgane oder auch einzelner Aktionäre nicht gebunden.910 Zwar ist der Vorstand gem. § 83 Abs. 2 AktG verpflichtet, die von der Hauptversammlung im Rahmen ihrer Zuständigkeit beschlossenen Maßnahmen auszuführen. Allerdings kann die Hauptversammlung gem. § 119 Abs. 2 AktG in Fragen der Geschäftsführung nur entscheiden, sofern der Vorstand es verlangt. Lediglich bei einem Vertrag, durch den sich die AG zur Übertragung des gesamten Gesellschaftsvermögens verpflichtet, ist nach § 179a Abs. 1 AktG eine Zustimmung der Hauptversammlung zwingend erforderlich. Darüberhinaus wird eine ungeschriebene Hauptversammlungszuständigkeit anerkannt, sofern Geschäftsführungsmaßnahmen des Vorstands „an die Kernkompetenz der Hauptversammlung, über die Verfassung der Gesellschaft zu bestimmen, rühren und in ihren Auswirkungen einem Zustand nahezu entsprechen, der allein durch eine Satzungsänderung herbeigeführt werden kann“. Ein solcher satzungsändernder Charakter sei aber erst dann anzunehmen, wenn die Maßnahme für die Gesellschaft eine Bedeutung erreiche, die dem der sog. „Holzmüller“-Entscheidung zu Grunde liegenden Sachverhalt entspreche.911 In der „Holzmüller“-Entscheidung912 ging es um die Übertragung eines Vermögensgegenstandes, welcher ca. 80 % des Gesellschaftsvermögens ausmachte.913 Damit hat die Hauptversammlung nur in bestimmten einzelnen Fällen die Möglichkeit, auf Geschäftsführungsentscheidungen des Vorstands Einfluss zu nehmen, 907

BGH, Urteil vom 16. Juli 2007, II ZR 3/04, BGHZ 173, 246, 253 („Trihotel“). BGH, Urteil vom 16. Juli 2007, II ZR 3/04, BGHZ 173, 246, 255 ff. („Trihotel“); BGH, Urteil vom 28. April 2008, II ZR 264/06, BGHZ 176, 204, 209 f. („Gamma“); zu den Einzelheiten dieses in der „Trihotel“-Entscheidung des BGH entwickelten Haftungskonzeptes siehe Weller, ZIP 2007, 1681 ff.; Servatius, in: Michalski, Komm. z. GmbHG, Systematische Darstellung 4 Konzernrecht Rdn. 372 ff.; Osterloh-Konrad, ZHR 172 (2008), 274, 282 ff. 909 Altmeppen, in: Roth/Altmeppen, Komm. z. GmbHG, Anh. § 13 Konzernrecht der GmbH Rdn. 1; K. Schmidt, Gesellschaftsrecht, § 36 I 2 a), S. 1068. 910 Hüffer, Komm. z. AktG, § 76 Rdn. 10. 911 BGH, Urteil vom 26. April 2004, II ZR 155/02, BGHZ 159, 30, 44 f. („Gelatine I“). 912 BGH, Urteil vom 25. Februar 1982, II ZR 174/80, BGHZ 83, 122 ff. („Holzmüller“). 913 Siehe hierzu die Zahlenangaben des Berufungsgerichts bei OLG Hamburg, Urteil vom 5. September 1980, 11 U 1/80, ZIP 1980, 1000, 1005. 908

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und auch hier nur in Form von Zustimmungsrechten. Allerdings wählt die Hauptversammlung gem. § 101 Abs. 1 Satz 1 AktG die Mitglieder des Aufsichtsrates, sofern sie nicht entsandt werden oder aufgrund der verschiedenen Gesetze über die unternehmerische Mitbestimmung914 in den Aufsichtsrat einziehen. Damit hat die Obergesellschaft die Möglichkeit, den Aufsichtsrat mit Personen ihres Vertrauens zu besetzen.915 Der Aufsichtsrat bestellt dann gem. § 84 Abs. 1 Satz 1 AktG den Vorstand. Dies führt zu einer „kontinuierlichen Bindung der Verwaltung an das Vertrauen der Hauptversammlungsmehrheit“.916 Daneben hat der Aufsichtsrat nach § 111 Abs. 1 AktG die Geschäftsführung zu überwachen. Zudem hat die Satzung oder der Aufsichtsrat nach § 111 Abs. 4 Satz 2 AktG zu bestimmen, dass bestimmte Arten von Geschäften vom Vorstand nur mit Zustimmung des Aufsichtsrats vorgenommen werden dürfen. Im Gegensatz zum Recht der GmbH enthält das AktG aber spezielle Regelungen, welche die Gefahr ausschließen sollen, dass der Mehrheitsgesellschafter mittels dieser Einflussmöglichkeiten gesellschaftsfremde Interessen zum Schaden der AG und damit auch ihrer Minderheits­ aktionäre und Gläubiger verfolgen kann. So begründet eine Mehrheitsbeteiligung gem. § 17 Abs. 2 AktG die Vermutung der Abhängigkeit, was dann die Geltung der §§ 311 ff. AktG bewirkt. Nach § 311 Abs. 1 AktG sind nachteilige Einflussnahmen des herrschenden Unternehmens nur zulässig, sofern der durch sie verursachte Nachteil ausgeglichen wird. Erfolgt ein solcher Nachteilsausgleich bis zum Ende des Geschäftsjahres nicht, so ist das herrschende Unternehmen gegenüber der abhängigen Gesellschaft gem. § 317 Abs. 1 Satz 1 AktG zum Schadensersatz verpflichtet. Zudem ist der Vorstand der abhängigen Gesellschaft unter den Voraussetzungen des § 311 AktG lediglich berechtigt, nicht aber verpflichtet, der Einflussnahme des herrschenden Unternehmens nachzugeben und entsprechend zu handeln. Die §§ 311 ff. AktG begründen damit zu Gunsten der Obergesellschaft kein Weisungsrecht.917 Dieses Regelungssystem der §§ 311 ff. AktG versagt allerdings, sofern sich der durch eine vom herrschenden Unternehmen veranlasste Maßnahme verursachte Nachteil nicht beziffern lässt oder die Einflussnahme so dicht ist, dass einer bestimmten Veranlassung kein isolierbarer Nachteil mehr zugeordnet werden kann.918 Eine solche Einflussnahme des herrschenden Unternehmens ist ohne Abschluss eines Beherrschungsvertrages unzulässig.919 Erfolgt sie 914 Mitbestimmungsgesetz, Mitbestimmungsergänzungsgesetz, Drittelbeteiligungsgesetz und Gesetz über die Mitbestimmung der Arbeitnehmer bei grenzüberschreitenden Verschmelzungen, vgl. § 101 Abs. 1 Satz 1 AktG. 915 Vetter, ZHR 171 (2007), 342, 344. 916 Windbichler, Gesellschaftsrecht, § 29 Rdn. 1. 917 KG Berlin, Beschluss vom 3. Dezember 2002, 1 W 363/02, NZG 2003, 441, 446; Habersack, in: Emmerich/Habersack, Aktien- und GmbH-Konzernrecht, § 311 Rdn. 10; Altmeppen, Münchener Komm. z. AktG, § 311 Rdn. 401; Vetter, ZHR 171 (2007), 342, 345. 918 Raiser/Veil, Recht der Kapitalgesellschaften, § 53 Rdn. 54. 919 OLG Köln, Urteil vom 15. Januar 2009, 18 U 205/07, ZIP 2009, 1469, 1471 f.; OLG Hamm, Beschluss vom 3. November 1986, 8 U 59/86, NJW 1987, 1030; K. Schmidt, Gesellschaftsrecht, § 31 IV 4 a), S. 964; Habersack, in: Emmerich/Habersack, Aktien- und GmbHKonzernrecht, § 311 Rdn. 9; H.-F. Müller, in: Spindler/Stilz, Komm. z. AktG, Vor § 311 Rdn. 25.

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trotzdem, so gelten die Regelungen der §§ 302 ff. AktG analog.920 Denn das herrschende Unternehmen darf sich seiner Verantwortlichkeit nach den §§ 302 ff. AktG nicht entziehen, indem es auf den Abschluss eines Beherrschungsvertrages verzichtet und anschließend durch ein Unterlaufen der Schutzmechanismen der §§ 311 ff. AktG ein vergleichbares Maß an Einfluss ausübt.921 Die für die GmbH geltenden Regelungen, wonach eine nachteilige Einflussnahme des Alleingesellschafters bis zur Grenze der Verletzung des Stammkapitals sowie der Existenzvernichtung zulässig ist, können auf die AG nicht übertragen werden. Denn bei der GmbH besteht ein Weisungsrecht der Gesellschafter gegenüber dem Geschäftsführer auch ohne Abschluss eines Beherrschungsvertrages. Eine weitreichende Einflussnahme des Gesellschafters ist damit, vorbehaltlich eines Schutzes der Minderheitsgesellschafter sowie der Gläubiger, nicht prinzipiell untersagt. Bei der AG liegt es hingegen anders, da hier die Regelung des § 76 AktG sowie das Ausgleichssystem der §§ 311 ff. AktG auch gegenüber einem Alleinaktionär gelten.922 Werden die §§ 311 ff. AktG beachtet, so ist eine enge Leitung des Konzerns nicht möglich, vielmehr legitimieren diese Vorschriften nur einen dezentral geführten Konzern.923 Wird über das Vermögen der Gesellschaft und auch über das Vermögen der Mehrheitsgesellschafterin das Insolvenzverfahren eröffnet, so ist fraglich, ob der für die Mehrheitsgesellschafterin bestellte Insolvenzverwalter bzw. bei An­ordnung der Eigenverwaltung deren Leitungsorgan mittels der aus der Mehrheitsbeteiligung folgenden Einflussmöglichkeiten die Abwicklung des Insolvenzverfahrens der Gesellschaft steuern können.

920 H.-F. Müller, in: Spindler/Stilz, Komm. z. AktG, Vor § 311 Rdn. 25; Habersack, in: Emmerich/Habersack, Aktien- und GmbH-Konzernrecht, Anhang zu § 317 Rdn. 5; Raiser/Veil, Recht der Kapitalgesellschaften, § 53 Rdn. 63; a. A. Altmeppen, Münchener Komm. z. AktG, Anhang zu § 317 Rdn. 13 ff., der in solchen Fällen lediglich einen Schadensersatzanspruch nach § 317 Abs. 1 Satz 1 AktG annimmt und hierbei der abhängigen Gesellschaft Beweis­ erleichterungen zubilligt, ähnlich Hüffer, Komm. z. AktG, § 1 Rdn. 26 f., der einen Schadensersatzanspruch der abhängigen Gesellschaft gem. § 117 Abs. 1 AktG und § 826 BGB annimmt und ergänzend eine Haftung wegen Treuepflichtverletzung in Erwägung zieht; gegen eine Anwendung der §§ 302 ff. AktG auf den qualifizierten faktischen AG-Konzern auch OLG Stuttgart, Urteil vom 30. Mai 2007, 20 U 12/06, AG 2007, 633, 636 f. („Züblin/Strabag“), allerdings ohne abschließende Entscheidung, da der Kläger eine qualifiziert faktische Konzernierung nicht darlegen konnte. 921 H.-F. Müller, in: Spindler/Stilz, Komm. z. AktG, Vor § 311 Rdn. 25.  922 Habersack, in: Emmerich/Habersack, Aktien- und GmbH-Konzernrecht, Anhang zu § 317 Rdn. 5; H.-F. Müller, in: Spindler/Stilz, Komm. z. AktG, Vor § 311 Rdn. 26. 923 Hüffer, Komm. z. AktG, § 311 Rdn. 2; Raiser/Veil, Recht der Kapitalgesellschaften, § 53 Rdn. 4.

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aa) Die faktische Konzernleitungsmacht im Regelinsolvenzverfahren von Ober- und Untergesellschaft Wird über das Vermögen der Obergesellschaft ein Insolvenzverfahren er­öffnet und ein Insolvenzverwalter bestellt, so fallen die von dieser Gesellschaft an einer anderen Gesellschaft gehaltenen Anteile in die Insolvenzmasse.924 Ob der Insolvenzverwalter aber die aus dieser Beteiligung resultierenden Stimmrechte uneingeschränkt ausüben kann, wird unterschiedlich beurteilt. Teilweise wird angenommen, dass zwischen einem „Vermögensbereich“ und einem „gesellschaftsrechtlichen Bereich“ unterschieden werden müsse. Der Insolvenzverwalter könne das Stimmrecht nur insoweit ausüben, als das von ihm verwaltete Ver­mögen betroffen ist. Sei dies nicht der Fall, verbleibe das Stimmrecht weiterhin beim Gesellschafter. Als Beispiel für ein solches Fortbestehen des Stimmrechts des Gesellschafters wird eine Kapitalherabsetzung genannt, die mit einer unmittelbar anschließenden Kapitalerhöhung verbunden ist (sog. „Kapitalschnitt“), sofern der insolvente Gesellschafter das aufgrund der Kapitalerhöhung einzubringende Kapital aus beschlagsfreiem Eigenvermögen oder dem Vermögen Dritter erbringt.925 Gegen eine solche Beschränkung der Stimmrechtsausübung spricht aber, dass sich jeder Beschluss der Gesellschafter zumindest mittelbar auch auf den Wert des Gesellschaftsanteils auswirkt.926 So wäre nach Durchführung eines Kapitalschnitts die Gesellschaft für Investoren attraktiver, da das Grund- bzw. Stammkapital an das tatsächlich vorhandene Eigenkapital angepasst wird und damit bei einer Fortführung der Gesellschaft schneller Gewinne ausgeschüttet werden können.927 Dies beeinflusst dann auch den Wert des Gesellschaftsanteils. Überzeugender erscheint es daher, auf die Trennung zwischen einem „Vermögensbereich“ und einem „gesellschaftsrechtlichen Bereich“ zu verzichten. Vielmehr kann der Insolvenzverwalter das Stimmrecht aus einem zur Insolvenzmasse gehörenden Gesellschaftsanteil ohne insolvenzrechtliche Einschränkungen ausüben.928 Allerdings unterliegt 924

Haas/Hossfeld, in: Gottwald, Insolvenzrechts-Handbuch, § 92 Rdn. 531; Uhlenbruck/ Hirte, Komm. z. ­InsO, § 35 Rdn. 160; Lwowski/Peters, Münchener Komm. z. ­InsO, § 35 Rdn. 240 für den GmbH-Anteil und Rdn. 262 für Aktien. 925 So für den massezugehörigen GmbH-Anteil Uhlenbruck/Uhlenbruck, Komm. z. ­InsO12, § 35 Rdn. 105; ähnlich Weis, in: Hess/Weis/Wienberg, Komm. z. I­nsO, §§ 35, 36 Rdn. 154, wonach „[d]er Insolvenzverwalter […] in den Grenzen des Insolvenzzwecks befugt [ist], die Rechte des Schuldner-Gesellschafters auszuüben, soweit sie die vermögensrechtliche Position [betreffen] und sofern es sich dabei nicht um höchstpersönliche Rechte […] handelt“; Hüffer, Großkomm. z. GmbHG, § 47 Rdn. 110, der dem Insolvenzverwalter die Befugnis zur Ausübung des Stimmrechts nur insoweit zuspricht, als „der Beschlussgegenstand nicht seinem Inhalt nach aus der Verwalterzuständigkeit ausscheidet“; ohne solche Einschränkungen bei dem aus Aktien resultierenden Stimmrecht hingegen ders., Komm. z. AktG, § 134 Rdn. 31. 926 Bergmann, ­Z­InsO 2004, 225, 228. 927 Reger/Stenzel, NZG 2009, 1210, 1211. 928 Jaeger/Windel, Komm. z. I­ nsO, § 80 Rdn. 82; für das Stimmrecht aus einem GmbH-Anteil Bergmann, ­Z­InsO 2004, 225, 228; Zöllner, in: Baumbach/Hueck, Komm. z. GmbHG, § 47 Rdn. 42; K. Schmidt, in: Scholz, Komm. z. GmbHG, § 47 Rdn. 16; für das Stimmrecht aus einer

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er bei der Stimmrechtsausübung grundsätzlich denselben Beschränkungen wie der Insolvenzschuldner, insbesondere hat er die aus der gesellschaftsrechtlichen Treuepflicht resultierenden Bindungen zu beachten.929 Kann demnach der Insolvenzverwalter der Obergesellschaft das aus dem zur Insolvenzmasse gehörenden Gesellschaftsanteil resultierende Stimmrecht ausüben, so kann er im Grundsatz auch im selben Umfang wie die Gesellschaft vor Eröffnung des Insolvenzverfahrens auf die Untergesellschaft einwirken und damit Konzernleitungsmacht ausüben. Gleichwohl wird vielfach angenommen, dass im Falle der Eröffnung des Insolvenzverfahrens über das Vermögen der Obergesellschaft die faktische Konzernbeziehung ende, da „die Ausübung […] von Leitungsmacht […] nur den Gesellschaftsorganen zugewiesen“ sei und nicht zu den Aufgaben des Insolvenzverwalters gehöre.930 Wenn allerdings ein Gesellschaftsanteil in die Insolvenzmasse fällt und der Insolvenzverwalter die aus dem Gesellschaftsanteil resultierenden Stimmrechte ausüben darf, so erscheint es wenig überzeugend, gleichwohl die Ausübung von Konzernleitungsmacht allein den Gesellschaftsorganen zuzuweisen. Zudem müsste dann eine Grenze ermittelt werden, ab der eine grundsätzlich zulässige Ausübung des Stimmrechts aus dem Gesellschaftsanteil in die rechtswidrige Ausübung von Konzernleitungsmacht umschlägt.931 Dies erscheint aber problematisch, da gerade bei einer GmbH als abhängiger Gesellschaft die Ausübung einer solchen Leitungsmacht meist durch eine Mehrzahl von Stimmabgaben erfolgen wird. Insoweit dürfte es kaum möglich sein, eine einzelne Stimmabgabe als Ausübung unzulässiger Konzernleitungsmacht zu identifizieren. Auch ist die Ausübung von Konzernleitungsmacht nicht mit dem Aufgabenkreis des Insolvenzverwalters unvereinbar, da er das vom Insolvenzschuldner betriebene Unternehmen nicht zwingend zu zerschlagen hat, sondern auch im Hinblick auf eine angestrebte Sanierung fortführen kann.932 Im Ergebnis kann daher der Insolvenzverwalter der Obergesellschaft im selben Umfang faktische Konzernleitungsmacht ausüben, wie dies der schuldnerischen Gesellschaft aufgrund ihres Beteiligungsbesitzes vor Eröffnung des Insolvenzverfahrens möglich war.933 Macht er von dieser Möglichkeit Gebrauch, so treffen ihn bzw. die von ihm verwaltete Insolvenzmasse aber auch die damit verbundenen Rechtsfolgen. Ist die Untergesellschaft eine GmbH, Aktie Rieckers, in: Spindler/Stilz, Komm. z. AktG, § 134 Rdn. 45; Hüffer, Komm. z. AktG, § 134 Rdn. 31. 929 Bergmann, ­Z­InsO 2004, 225, 228. 930 Noack, Gesellschaftsrecht (1999), Rdn. 732; ebenso Uhlenbruck/Hirte, Komm. z. I­nsO, § 11 Rdn. 413; zur KO bereits Kort, ZIP 1988, 681, 687 f.; K. Schmidt, Wege zum Insolvenzrecht der Unternehmen (1990), S. 228 f. 931 So unter Geltung der KO K. Schmidt, Wege zum Insolvenzrecht der Unternehmen (1990), S. 229, der die Bestimmung dieser Grenze jedoch offen lässt. 932 Für den Fall einer Fortführung des von der Obergesellschaft betriebenen Unternehmens ebenso Bous, Die Konzernleitungsmacht im Insolvenzverfahren konzernverbundener Kapitalgesellschaften (2001), S. 312 f.; Bitter, ZHR 166 (2002), 713, 718; Brünkmans, Die Koordinierung von Insolvenzverfahren konzernverbundener Unternehmen (2009), S. 246 f.; zur insoweit parallelen Problematik in der Insolvenz des Vertragskonzerns siehe oben B. IV. 1. a) cc) (1) (a). 933 So wohl auch Haas, in: Gottwald, Insolvenzrechts-Handbuch, § 95 Rdn. 20.

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B. Abwicklung von Konzerninsolvenzen auf Grundlage des geltenden Rechts

so stellt ein dieser Gesellschaft zustehender Schadensersatzanspruch wegen Verletzung der Treuepflicht gem. § 55 Abs. 1 Nr. 1 ­InsO i. V. m. § 31 BGB analog eine Masseverbindlichkeit dar.934 Ist die Untergesellschaft eine AG, so ist der bei nachteiliger Einflussnahme gem. § 311 Abs. 1 AktG erforderliche Nachteilsausgleich aus der Insolvenzmasse zu erbringen, ebenso ist der bei einem unterbliebenen Nachteilsausgleich gem. § 317 Abs. 1 AktG entstehende Schadensersatzanspruch nach § 55 Abs. 1 Nr. 1 ­InsO i. V. m. § 31 BGB analog eine Masseverbindlichkeit.935 Für den letztgenannten Schadensersatzanspruch haftet neben der Obergesellschaft entsprechend § 317 Abs. 3 AktG auch ihr Insolvenzverwalter persönlich.936 Wird hingegen über das Vermögen der Untergesellschaft gleichfalls das Insolvenzverfahren eröffnet und ein Insolvenzverwalter bestellt, so geht gem. § 80 Abs. 1 ­InsO die Verwaltungs- und Verfügungsbefugnis über das Gesellschaftsvermögen auf den Insolvenzverwalter über. Weisungs- oder Kontrollbefugnisse des Schuldners bzw. seiner Organe bestehen gegenüber dem Insolvenzverwalter nicht.937 Die Organe der Gesellschaft bleiben zwar bestehen, allerdings können sie nur solche Handlungen vornehmen, die die Insolvenzmasse nicht betreffen.938 So bleiben die Gesellschaftsorgane für den sog. „Gemeinschuldnerbereich“ zuständig, d. h. sie machen die der Gesellschaft als Insolvenzschuldnerin im Insolvenzverfahren zustehenden Rechte geltend und erfüllen die ihr obliegenden Pflichten.939 Sie üben beispielsweise das der schuldnerischen Gesellschaft nach § 218 Abs. 1 Satz 1 ­InsO zustehende Recht zur Vorlage eines Insolvenzplans aus, sind aber nach § 101 ­InsO auch den Pflichten nach den §§ 97–99 ­InsO unterworfen.940 Daneben bleibt die Zuständigkeit der Gesellschaftorgane auch im sog. „insolvenzfreien Bereich“ erhalten.941 Hierzu zählt vor allem der innergesellschaftliche Bereich sowie die Verwaltungs- und Verfügungsbefugnis über etwaiges insolvenzfreies Vermögen.942 So sind die Leitungsorgane weiterhin gem. 934 Brünkmans, Die Koordinierung von Insolvenzverfahren konzernverbundener Unternehmen (2009), S. 248. 935 Bous, Die Konzernleitungsmacht im Insolvenzverfahren konzernverbundener Kapital­ gesellschaften (2001), S. 315 f. 936 Bous, Die Konzernleitungsmacht im Insolvenzverfahren konzernverbundener Kapital­ gesellschaften (2001), S. 313 f. 937 ­BayObLG, Beschluss vom 8. April 2005, 3Z BR 246/04, NZI 2005, 631; Uhlenbruck/ Uhlen­bruck, Komm. z. ­InsO, § 80 Rdn. 76; Smid, DZWIR 2002, 493, 499. 938 BGH, Urteil vom 26. Januar 2006, IX ZR 282/03, Z ­ ­InsO 2006, 260; Ott/Vuia, Münchener Komm. z. I­ nsO, § 80 Rdn. 112; Haas/Hossfeld, in: Gottwald, Insolvenzrechts-Handbuch, § 92 Rdn. 268. 939 So zur KO grundlegend Weber, KTS 1970, 73, 77 ff.; zur I­ nsO ebenso Uhlenbruck/Hirte, Komm. z. ­InsO, § 11 Rdn. 118; Ott/Vuia, Münchener Komm. z. ­InsO, § 80 Rdn. 112a. 940 Ott/Vuia, Münchener Komm. z. ­InsO, § 80 Rdn. 112a. 941 So zur KO Weber, KTS 1970, 73, 79 ff., der hier vom „konkursfreien Bereich“ spricht. 942 Ott/Vuia, Münchener Komm. z. ­InsO, § 80 Rdn. 112a; Uhlenbruck/Hirte, Komm. z. ­InsO, § 11 Rdn. 118; die Existenz von verfahrensfreiem Vermögen bei insolventen Handelsgesellschaften ablehnend K. Schmidt/W. Schulz, ZIP 1982, 1015, 1016 ff.; H.-F. Müller, Der Verband in der Insolvenz (2002), S. 25 ff.

IV. Koordinationsmechanismen nach dt. Gesellschafts- und Insolvenzrecht

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§ 121 Abs. 2 AktG bzw. § 49 Abs. 1 GmbHG für die Einberufung der Hauptbzw. Gesellschafterversammlung zuständig.943 Auch können die hierfür nach Gesellschaftsrecht zuständigen Organe die Leitungsorgane der Gesellschaft abberufen oder die Fortsetzung der Gesellschaft beschließen.944 Schließlich ist die Haupt- bzw. Gesellschafterversammlung im eröffneten Insolvenzverfahren weiterhin gem. § 119 Abs. 1 Nr. 6 AktG bzw. §§ 53 ff. GmbHG für den Beschluss einer Kapitalerhöhung zuständig.945 Geht die Verwaltungs- und Verfügungsbefugnis über das Vermögen der abhängigen Gesellschaft auf den Insolvenzverwalter über, welcher von Weisungen des Schuldners bzw. seiner Organe unabhängig ist, so kann die Obergesellschaft das von der abhängigen Gesellschaft getragene Unternehmen nicht mehr auf die eigenen Interessen bzw. diejenigen anderer Konzerngesellschaften ausrichten. Die durch die Beteiligung an der Untergesellschaft vermittelte faktische Konzernleitungsmacht erlischt damit. Allenfalls bei einer vom Insolvenzverwalter beabsichtigten Sanierung unter Erhaltung der schuldnerischen Gesellschaft als Unternehmensträger stehen der Obergesellschaft als Mehrheitsgesellschafterin gewisse Einflussmöglichkeiten zu. Denn soweit es um die Wahrnehmung der Verfahrensrechte der schuldnerischen Gesellschaft oder den gesellschaftsinternen Bereich geht, bleiben die gesellschaftsrechtlichen Bindungen des Leitungsorgans erhalten.946 So kann die Gesellschafterversammlung einer GmbH den Geschäftsführer anweisen, einen bestimmten Insolvenzplan vorzulegen (vgl. § 218 Abs. 1 ­InsO).947 Bei der AG ist für die Vorlage eines Insolvenzplans durch den Vorstand zumindest dann eine Zustimmung der Hauptversammlung notwendig, sofern dieser Maßnahmen enthält, die auch außerhalb des Insolvenzverfahrens nur mit Zustimmung der Hauptversammlung vorgenommen werden dürfen.948 Mit dem im Wesentlichen am 1. März 2012 in Kraft getretenenen ESUG949 ist jedoch die Möglichkeit der Gesellschafter entfallen, das Fassen der für eine Sanierung der schuldnerischen Gesellschaft erforder­lichen 943

Uhlenbruck/Hirte, Komm. z. ­InsO, § 11 Rdn. 123. Ott/Vuia, Münchener Komm. z. ­InsO, § 80 Rdn. 112a. 945 Uhlenbruck/Hirte, Komm. z. ­InsO, § 11 Rdn. 193; H.-F. Müller, Der Verband in der Insolvenz (2002), S. 179 f.; Haas/Hossfeld, in: Gottwald, Insolvenzrechts-Handbuch, § 92 Rdn. 298 für die GmbH; Haas/Mock, in: Gottwald, Insolvenzrechts-Handbuch, § 93 Rdn. 42 für die AG. 946 So für das Weisungsrecht der Gesellschafterversammlung einer GmbH gegenüber dem Geschäftsführer Haas/Hossfeld, in: Gottwald, Insolvenzrechts-Handbuch, § 92 Rdn. 297; für die Kontrollbefugnisse des Aufsichtsrats einer AG Haas/Mock, in: Gottwald, InsolvenzrechtsHandbuch, § 93 Rdn. 22. 947 Uhlenbruck/Hirte, Komm. z. ­InsO, § 11 Rdn. 191; K. Schmidt/Bitter, in: Scholz, Komm. z. GmbHG, Vor § 64 Rdn. 105 i. V. m. Rdn. 113. 948 Noack, Gesellschaftsrecht (1999), Rdn. 384. 949 Gesetz zur weiteren Erleichterung der Sanierung von Unternehmen vom 7. Dezember 2011, BGBl. I 2011, S. 2582 ff.; die Art. 4, 5, 7, 8 dieses Gesetzes betreffend Änderungen des GVG, des RpflG, die Einführung des Insolvenzstatistikgesetzes sowie Änderungen des EGGVG sind zum 1. Januar 2013 in Kraft getreten. 944

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B. Abwicklung von Konzerninsolvenzen auf Grundlage des geltenden Rechts

Gesellschafterbeschlüsse zu verweigern und damit eine Sanierung zu verhindern. Denn nunmehr lässt § 225a Abs. 1 ­InsO im Insolvenzplanverfahren auch Eingriffe in die Rechte der Gesellschafter zu. So kann nach § 225a Abs. 2 Satz 1 ­InsO im Insolvenzplan eine Umwandlung von Forderungen der Gläubiger in Anteilsoder Mitgliedschaftsrechte vorgesehen werden (sog. „debt-equity swap“), und § 225 Abs. 2 Satz 3 ­InsO erlaubt es, auch die zur Umsetzung einer solchen Umwandlung erforderlichen gesellschaftsrechtlichen Maßnahmen wie eine Kapitalherabsetzung oder -erhöhung, die Leistung von Sacheinlagen, den Ausschluss von Bezugsrechten oder die Zahlung von Abfindungen an ausscheidende Anteilsinhaber in den Insolvenzplan aufzunehmen. § 254 Abs. 4 ­InsO schließt dann Ansprüche des Schuldners wegen einer Überbewertung der umgewandelten Forderungen nach der gerichtlichen Bestätigung des Insolvenzplans aus. Hierdurch werden die betreffenden Gläubiger gegen die Gefahr einer Differenzhaftung nach den Regelungen des Gesellschaftsrechts geschützt.950 Nach § 225a Abs. 3 ­InsO kann darüberhinaus im Insolvenzplan jede Regelung getroffen werden, die gesellschaftsrechtlich zulässig ist, insbesondere die Fortsetzung einer aufgelösten Gesellschaft oder die Übertragung von Anteils- oder Mitgliedschaftsrechten. Gem. § 254a Abs. 2 Satz 1 ­InsO gelten die in den Plan aufgenommenen Beschlüsse der Anteilsinhaber als in der vorgeschriebenen Form abgegeben, zudem ist der Insolvenzverwalter nach § 254a Abs. 2 Satz 3 ­InsO berechtigt, erforderliche Anmeldungen beim Registergericht vorzunehmen. § 245 Abs. 3 ­InsO erlaubt dann die Ersetzung der Zustimmung der Gesellschafter zu einem in ihre Rechte eingreifenden Insolvenzplan, sofern kein Gläubiger wirtschaftliche Werte erhält, die den vollen Betrag seines Anspruchs übersteigen, und kein Anteilsinhaber, der ohne den Plan den Anteilsinhabern der Gruppe gleichgestellt wäre, bessergestellt wird als diese. Gem. § 251 Abs. 1 ­InsO kann der einzelne Gesellschafter dann zwar die Versagung der Planbestätigung beantragen, sofern er dem Plan spätestens im Abstimmungstermin schriftlich oder zu Protokoll widersprochen hat und durch den Plan voraussichtlich schlechter gestellt wird, als er ohne den Plan stünde. Sofern die Anteile noch werthaltig sind, könnte eine Entschädigung der Gesellschafter, in deren Anteile durch den Insolvenzplan eingegriffen wird, erforderlich werden. Allerdings soll nach der Begründung des Regierungsentwurfs des ESUG im Insolvenzverfahren regelmäßig von der Wertlosigkeit der Gesellschaftsanteile auszugehen sein, weshalb dann auch eine Entschädigung der Gesellschafter entbehrlich ist.951 Zudem ist nach § 251 Abs. 3 Satz 1 ­InsO der Antrag eines Gesellschafters auf Versagung der Planbestätigung selbst bei einer Schlechterstellung des Gesellschafters abzuweisen, sofern im Insolvenzplan Mittel für den Fall bereitgestellt werden, dass eine solche Schlechterstellung nachgewiesen wird. § 225 Abs. 3 Satz 2 ­InsO ordnet dann an, dass ein Ausgleich aus diesen Mitteln außerhalb des Planverfahrens einzufordern ist. Aufgrund dieser Regelungen stehen den Gesellschaftern nunmehr keine Möglichkeiten zu, die Sanierung der insolventen Gesellschaft 950

Begründung der Bundesregierung zu § 254 Abs. 4 ­InsO, BT-Drucks. 17/5712, S. 36. Begründung der Bundesregierung zu § 225a ­InsO, BT-Drucks. 17/5712, S. 32.

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IV. Koordinationsmechanismen nach dt. Gesellschafts- und Insolvenzrecht

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durch die Weigerung zur Fassung erforderlicher Gesellschafterbeschlüsse zu verhindern. Der Obergesellschaft verbleibt damit lediglich die Möglichkeit, durch Vorgaben an die Geschäftsleitung der Untergesellschaft hinsichtlich der Ausübung der schuldnerischen Verfahrensrechte Einfluss auf den Ausgang des Insolvenz­ verfahrens zu nehmen. bb) Die Anordnung der Eigenverwaltung im Insolvenzverfahren der Untergesellschaft Die faktische Konzernleitungsmacht der Obergesellschaft könnte jedoch fortbestehen, sofern im Insolvenzverfahren der Untergesellschaft Eigenverwaltung angeordnet wird. Denn in diesem Fall ist der Schuldner gem. § 270 Abs. 1 Satz 1 ­InsO berechtigt, unter Aufsicht des Sachwalters die Insolvenzmasse zu verwalten und über sie zu verfügen. Schuldner ist nach § 11 Abs. 1 Satz 1 ­InsO die juristische Person bzw. nach § 11 Abs. 2 Nr. 1 ­InsO die Gesellschaft ohne Rechtspersönlichkeit. Folgerichtig erschiene es daher, wenn die schuldnerische Gesellschaft die ihr bei Anordnung der Eigenverwaltung nach § 270 Abs. 1 Satz 1 ­InsO zustehende Verwaltungs- und Verfügungsbefugnis nach Maßgabe der gesellschaftsrechtlichen Regelungen durch ihre Organe ausüben würde. Bliebe die durch diese gesellschaftsrechtlichen Regelungen festgelegte Organisation der Gesellschaft bei Anordnung der Eigenverwaltung erhalten, so könnte die Obergesellschaft bzw. der für sie bestellte Insolvenzverwalter mittels des aus der Beteiligung resultierenden Stimmrechts Einfluss auf die Tätigkeit der Gesellschaftsorgane der Untergesellschaft nehmen und damit die Abwicklung des Insolvenzverfahrens steuern. Vor Inkrafttreten des ESUG war umstritten, ob und wenn ja inwieweit die gesellschaftsrechtlichen Bindungen des Leitungsorgans bei Anordnung der Eigen­ verwaltung erhalten bleiben. Teilweise wurde davon ausgegangen, dass das Leitungsorgan der „alleinige Träger der Verfügungsbefugnis wird, wie sie ein Insolvenzverwalter nach § 80 ­InsO im Regelinsolvenzverfahren hätte“.952 Denn die Mitwirkungsbefugnisse von Sachwalter und Gläubigerausschuss nach den §§ 275– 277 ­InsO seien hinsichtlich der Zustimmungsbedürftigkeit von Rechtsgeschäften abschließend.953 Zudem sei ein Fortbestand der gesellschaftsrechtlichen Bindungen des Leitungsorgans ein die Anordnung der Eigenverwaltung ausschließender Nachteil im Sinne des § 270 Abs. 2 Nr. 2 ­InsO, weshalb die Anordnung der Eigenverwaltung bei einem Fortbestand dieser Bindungen für Gesellschaften immer ausscheiden müsste.954 Andere gingen angesichts des Wortlauts des § 270 Abs. 1 Satz 1 ­InsO, wonach bei Anordnung der Eigenverwaltung der Schuldner verwal 952

Prütting/Huhn, ZIP 2002, 777, 782. Prütting/Huhn, ZIP 2002, 777, 778 f.; Huhn, Die Eigenverwaltung im Insolvenzverfahren (2003), Rdn. 628. 954 Prütting/Huhn, ZIP 2002, 777, 779; Huhn, Die Eigenverwaltung im Insolvenzverfahren (2003), Rdn. 629. 953

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B. Abwicklung von Konzerninsolvenzen auf Grundlage des geltenden Rechts

tungs- und verfügungsbefugt sei, davon aus, dass die gesellschaftsrechtlichen Vorschriften über die Binnenorganisation der Gesellschaft in die Vorschriften über die Eigenverwaltung „inkorporiert“ würden und folglich dafür maßgeblich seien, wie die Gesellschaft die ihr nach § 270 Abs. 1 Satz 1 ­InsO zustehenden Befugnisse ausübe.955 Die §§ 275–277 ­InsO stünden dem nicht entgegen, da sie lediglich die Kompetenzverteilung zwischen der schuldnerischen Gesellschaft und dem Sachwalter beträfen, nicht aber die gesellschaftsinterne Organisation.956 Ein Fortbestand der gesellschaftsrechtlichen Binnenorganisation könne auch nicht per se als ein der Anordnung der Eigenverwaltung entgegenstehender Nachteil im Sinne des § 270 Abs. 2 Nr. 2 ­InsO angesehen werden, da die abstrakte Gefahr eines Befugnismissbrauchs auch bei einer eigenverwaltenden natürlichen Person bestehe und folglich die Eigenverwaltung niemals angeordnet werden dürfte.957 Schließlich würde das Leitungsorgan bei einem Entfallen der gesellschaftsrechtlichen Bindungen durch die Anordnung der Eigenverwaltung faktisch als Insolvenzverwalter eingesetzt, wodurch die gem. § 56 Abs. 1 Satz 1 ­InsO an den Insolvenzverwalter zu stellenden Anforderungen umgangen würden.958 Allerdings überlagere der Zweck des Insolvenzverfahrens den ursprünglichen Gesellschaftszweck,959 weshalb der Verfahrenszweck alle Organe der eigenverwaltenden Kapitalgesellschaft binde und Verstöße hiergegen „durch die entsprechenden gesellschaftsrechtlichen Instrumente zu sanktionieren“ seien,960 beispielsweise der Anfechtbarkeit eines Hauptversammlungsbeschlusses gem. § 243 Abs. 1 AktG,961 oder der Nichtigkeit eines Aufsichtsratsbeschlusses.962 Schließlich nahm eine speziell auf die AG zugeschnittene Ansicht an, dass lediglich die Zustimmungsrechte der Hauptversammlung nach § 179a AktG sowie den Grundsätzen über die ungeschriebenen Hauptversammlungszuständigkeiten entfielen, da ein Schutz der Aktionäre vor einer Beeinträchtigung ihrer Vermögensinteressen oder vor Strukturveränderungen in der Insolvenz der Gesellschaft entbehrlich sei.963 Andere wiederum wollten die Mitwirkungsbefugnisse der Gesellschafter nur bei einer Veräußerung des 955 Ringstmeier/Homann, NZI 2002, 406; ebenso Uhlenbruck, FS Kirchhof (2003), 479, 499; Mock/Schildt, ­Z­InsO 2003, 396, 402; Kessler, Die Aktiengesellschaft in der Eigenverwaltung (2006), S. 243 f. 956 Haas/Kahlert, in: Gottwald, Insolvenzrechts-Handbuch, § 89 Rdn. 19. 957 Maesch, Corporate Governance in der insolventen Aktiengesellschaft (2005), S. 165. 958 Ringstmeier/Homann, NZI 2002, 406, 408; Brünkmans, Die Koordinierung von Insolvenzverfahren konzernverbundener Unternehmen (2009), S. 227 f. 959 Brünkmans, Die Koordinierung von Insolvenzverfahren konzernverbundener Unternehmen (2009), S. 238; Kessler, Die Aktiengesellschaft in der Eigenverwaltung (2006), S. 277 f., allerdings mit der Einschränkung, dass eine solche Überlagerung nur insoweit erfolge, als es um die Verwaltung der Insolvenzmasse geht. 960 Haas/Kahlert, in: Gottwald, Insolvenzrechts-Handbuch, § 89 Rdn. 23. 961 Kessler, Die Aktiengesellschaft in der Eigenverwaltung (2006), S. 417 ff., der neben dem Vorstand auch dem Sachwalter entsprechend § 245 Nr. 4 AktG eine Anfechtungsbefugnis zu­ gestehen will, siehe S. 420 ff. 962 Kessler, Die Aktiengesellschaft in der Eigenverwaltung (2006), S. 361 ff. 963 Noack, ZIP 2002, 1873, 1877 ff.

IV. Koordinationsmechanismen nach dt. Gesellschafts- und Insolvenzrecht

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Gesellschaftsvermögens entfallen lassen, nicht hingegen bei einer angestrebten Sanierung.964 Mit der Einführung des § 276a ­InsO hat der Gesetzgeber diese Kontroverse nunmehr entschieden. Nach dieser Norm haben, sofern der Schuldner eine juristische Person oder eine Gesellschaft ohne Rechtspersönlichkeit ist, der Aufsichtsrat, die Gesellschafterversammlung oder entsprechende Organe keinen Einfluss auf die Geschäftsführung des Schuldners. Lediglich eine Abberufung der Mitglieder der Geschäftsleitung ist noch möglich, bedarf allerdings der Zustimmung des Sachwalters. Diese ist nach § 276a Satz 3 ­InsO zu erteilen, sofern die Maßnahme nicht zu Nachteilen für die Gläubiger führt. Die im Gesetzesentwurf der Bundesregierung enthaltene Begründung zu dieser Norm gibt nahezu vollständig die Argumente wieder, die bereits vor Inkrafttreten des ESUG gegen einen Fortbestand der gesellschaftsinternen Bindungen des Leitungsorgans vorgebracht wurden. So sei Grundgedanke der Regelung des § 276a ­InsO, „dass die Überwachungsorgane bei Eigenverwaltung im Wesentlichen keine weiter gehenden Einflussmöglichkeiten auf die Geschäftsführung haben sollen als in dem Fall, dass ein Insolvenz­ verwalter bestellt ist“. Die Überwachung der Geschäftsleitung sei nunmehr Aufgabe des Sachwalters, des Gläubigerausschusses und der Gläubigerversammlung. Eine zusätzliche Überwachung durch Aufsichtsrat und Gesellschafterversammlung sei daneben nicht erforderlich, vielmehr könne sie lediglich „hemmend und blockierend wirken“.965 Folglich ist nunmehr davon auszugehen, dass jedenfalls hinsichtlich der Aufgaben, die im Regelinsolvenzverfahren dem Insolvenzverwalter obliegen, „[k]onzernrechtliche Weisungsbefugnisse gegenüber der Schuldnerin als Weisungsempfängerin […] bei der Eigenverwaltung zum Ruhen“ kommen.966 Im sog. „Gemeinschuldnerbereich“ und im sog. „insolvenzfreien Bereich“ dürften die gesellschaftsrechtlichen Bindungen des Leitungsorgans hingegen auch nach der Neuregelung bestehen bleiben. Denn Handlungen in diesem Bereich obliegen auch bei Bestellung eines Insolvenzverwalters den Organen der schuldnerischen Gesellschaft.967 Da die Überwachungsorgane nunmehr bei Anordnung der Eigenverwaltung dieselben Kompetenzen haben sollen wie bei Bestellung eines Insolvenzverwalters968, muss selbiges auch hier gelten. So bleiben Weisungs- und Kontrollrechte der Gesellschafterversammlung und des Aufsichtsrats hinsichtlich der Verfahrensrechte der schuldnerischen Gesellschaft erhalten. Deshalb kann beispielsweise die Gesellschafterversammlung einer GmbH den Geschäftsführer auch bei Anordnung der Eigenverwaltung anweisen, einen Insolvenzplan vorzu 964

K. Schmidt, AG 2006, 597, 603 f. Begründung der Bundesregierung zu § 276a ­InsO, BT-Drucks. 17/5712, S. 42. 966 So vor Inkrafttreten des § 276a ­InsO ohne weitere Einschränkungen Wittig/Tetzlaff, Münchener Komm. z. ­InsO, Vorbemerkungen vor §§ 270 bis 285 Rdn. 74 f.; ebenso Pape, in: Kübler/Prütting/Bork, Komm. z. ­InsO, § 276a Rdn. 19 sowie für die Rechtslage nach Inkrafttreten des § 276a ­InsO a. a. O. Rdn. 20. 967 Siehe oben B. IV. 1. b) aa). 968 Begründung der Bundesregierung zu § 276a ­InsO, BT-Drucks. 17/5712, S. 42. 965

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B. Abwicklung von Konzerninsolvenzen auf Grundlage des geltenden Rechts

legen. Ebenso bedarf die Vorlage eines Insolvenzplans durch den Vorstand einer eigenverwaltenden AG der Zustimmung der Hauptversammlung, sofern der Insolvenzplan Maßnahmen enthält, deren Umsetzung außerhalb des Insolvenzverfahrens die Hauptversammlung zustimmen muss.969 Im Ergebnis entspricht die bei Anordnung der Eigenverwaltung im Insolvenzverfahren der Untergesellschaft eintretende Beschränkung der faktischen Konzernleitungsmacht im Wesentlichen derjenigen, die bei Bestellung eines Insolvenzverwalters eintritt. Ein Unterschied besteht lediglich insoweit, als die Verwaltungs- und Verfügungsbefugnis über die Masse der Untergesellschaft von dem Leitungsorgan dieser Gesellschaft wahrgenommen wird, welches ursprünglich zumindest mittelbar von der Obergesellschaft bestellt wurde und vor Verfahrenseröffnung auch unter ihrem Einfluss stand. Dies steigert die Wahrscheinlichkeit, dass die Geschäftsleitung der Untergesellschaft sich hinsichtlich ihrer Tätigkeit nach Verfahrenseröffnung und Anordnung der Eigen­verwaltung mit der Geschäftsleitung der Obergesellschaft abspricht. Hierdurch besteht zumindest in Fällen, in denen die Obergesellschaft ebenfalls eigenverwaltende Insolvenzschuldnerin ist, eine gewisse Aussicht auf eine koordinierte Verfahrensabwicklung. Die Beeinflussung der Geschäftsleitung mittels des grundsätzlich fortbestehenden Rechts zur Abberufung dürfte hingegen kaum möglich sein, da dieses unter dem Vorbehalt der Zustimmung des Sachwalters steht. Auch wenn diese Zustimmung zu erteilen ist, sofern hierdurch keine Nachteile für die Gläubiger zu befürchten sind, dürfte diese Zustimmungspflicht die Unabhängigkeit der Geschäftsleitung der Untergesellschaft von der Obergesellschaft bzw. ihres Insolvenzverwalters erheblich stärken. c) Ergebnis Ein Beherrschungsvertrag wird durch die Eröffnung des Insolvenzverfahrens über das Vermögen der Obergesellschaft grundsätzlich nicht beendet, allerdings steht in diesem Fall beiden Vertragsparteien ein Kündigungsrecht zu. Wird auch über das Vermögen der abhängigen Gesellschaft ein Insolvenzverfahren er­öffnet, so werden die Wirkungen des Beherrschungsvertrages suspendiert. Dies gilt sowohl bei Bestellung eines Insolvenzverwalters als auch bei Anordnung der Eigen­ verwaltung nach den §§ 270 ff. ­InsO. Damit endet die vertragliche Konzernleitungsmacht spätestens mit Eröffnung des Insolvenzverfahrens über das Vermögen der Untergesellschaft. Die faktische Konzernleitungsmacht wird durch die Eröffnung eines Insolvenzverfahrens über das Vermögen der Obergesellschaft nicht beeinflusst, vielmehr fallen die Anteile der Obergesellschaft an der Untergesellschaft in die Insolvenzmasse. Der Insolvenzverwalter kann die daraus resultierenden Stimmrechte ausüben und damit die Geschäftsleitung der Untergesellschaft im selben Umfang be 969

Zur Rechtslage bei Bestellung eines Insolvenzverwalters siehe oben B. IV. 1. b) aa).

IV. Koordinationsmechanismen nach dt. Gesellschafts- und Insolvenzrecht

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einflussen wie es der Obergesellschaft vor Eröffnung des Insolvenzverfahrens möglich war. Wird über das Vermögen der abhängigen Gesellschaft ebenfalls ein Insolvenzverfahren eröffnet und ein Insolvenzverwalter bestellt, so geht die Verwaltungs- und Verfügungsbefugnis über das Vermögen der Untergesellschaft auf den Insolvenzverwalter über. Dieser ist weisungsunabhängig, weshalb die faktische Konzernleitungsmacht der Obergesellschaft insoweit endet. Lediglich hinsichtlich der Ausübung der Verfahrensrechte der schuldnerischen Gesellschaft kann die Obergesellschaft bzw. der für sie bestellte Insolvenzverwalter weiterhin durch Ausübung der aus einer Beteiligung resultierenden Rechte Einfluss auf das Handeln der abhängigen Gesellschaft nehmen. Ein Beispiel wäre die Veranlassung zur Vorlage eines bestimmten Insolvenzplans (§ 218 Abs. 1 Satz 1 ­InsO). Ebenso verhält es sich aufgrund der Regelung des § 276a ­InsO bei Anordnung der Eigenverwaltung. Im Ergebnis erscheint damit die Konzernleitungsmacht der Obergesellschaft zur Koordination paralleler Insolvenzverfahren mehrerer Konzerngesellschaften kaum geeignet. 2. Verfahrenskoordination mittels des Insolvenzplanverfahrens Findet in den Insolvenzverfahren mehrerer Konzerngesellschaften deutsches Insolvenzrecht Anwendung, so kommt schließlich auch eine Koordination der einzelnen Verfahren mit Hilfe des Insolvenzplanverfahrens nach den §§ 217 ff. ­InsO in Betracht. Ziel des Insolvenzverfahrens ist nach § 1 Satz 1 ­InsO die gemeinschaftliche Befriedigung der Gläubiger des Schuldners. Erreicht werden kann dieses Ziel auf unterschiedliche Weise. § 1 Satz 1 ­InsO nennt zum einen die Verwertung des schuldnerischen Vermögens. Zum anderen kann nach § 1 Satz 1 ­InsO aber auch in einem Insolvenzplan eine abweichende Regelung getroffen werden. Dementsprechend lässt es § 217 Satz 1 ­InsO zu, die Befriedigung der absonderungsberechtigten Gläubiger und der Insolvenzgläubiger, die Verwertung der Insolvenzmasse und deren Verteilung an die Beteiligten sowie die Verfahrensabwicklung und die Haftung des Schuldners nach Beendigung des Insolvenzverfahrens in einem Insolvenzplan abweichend von den Vorschriften der ­InsO zu regeln. Nach dem durch das ESUG eingefügten § 217 Satz 2 ­InsO können, sofern der Schuldner keine natürliche Person ist, auch die Anteils- oder Mitgliedschaftsrechte der am Schuldner beteiligten Personen in den Insolvenzplan einbezogen werden. Zweck des Insolvenzplanverfahrens ist es, „den Beteiligten einen Rechtsrahmen für eine einvernehmliche Bewältigung der Insolvenz im Wege von Verhandlungen und privatautonomen Austauschprozessen zu ermöglichen“. Damit wird es ihnen gestattet, „die für sie günstigste Art der Insolvenzabwicklung zu entdecken und durchzusetzen“.970 970

Allgemeine Begründung zum RegE-­InsO, BT-Drucks. 12/2443, S. 90.

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B. Abwicklung von Konzerninsolvenzen auf Grundlage des geltenden Rechts

Dementsprechend muss der Insolvenzplan nicht zwingend auf eine Sanierung des schuldnerischen Unternehmensträgers abzielen, vielmehr kann er auch eine vollständige Veräußerung des schuldnerischen Unternehmens, die sog. „übertragende Sanierung“, oder eine Liquidation des schuldnerischen Vermögens vorsehen.971 Gem. § 218 Abs. 1 Satz 1 ­InsO sind sowohl der Schuldner als auch der Insolvenz­ verwalter zur Vorlage eines Insolvenzplans berechtigt. Nach § 157 Satz 2 ­InsO kann die Gläubigerversammlung den Insolvenzverwalter auch mit der Vorlage eines Insolvenzplans beauftragen und ihm sogar das Ziel des Plans vorgeben. Der Insolvenzplan muss gem. § 219 Satz 1 ­InsO aus einem darstellenden und einem gestaltenden Teil bestehen. Im gestaltenden Teil wird gem. § 221 Satz 1 ­InsO festgelegt, wie die Rechtsstellung der Beteiligten durch den Plan geändert wird. Bei dieser Festlegung müssen die Beteiligten nach Maßgabe des § 222 ­InsO in Gruppen zusammengefasst werden.972 Nach einer Vorprüfung durch das Gericht gem. § 231 ­InsO wird der Plan den in § 232 ­InsO genannten Personen zur Stellungnahme zugeleitet. Anschließend bestimmt das Insolvenzgericht gem. § 235 ­InsO einen Termin, in dem der Insolvenzplan erörtert wird und die Beteiligten sodann über seine Annahme abstimmen. Der Plan ist gem. § 244 ­InsO angenommen, sofern in jeder Gruppe die Mehrheit der abstimmenden Gläubiger dem Plan zustimmt und die Summe der Ansprüche der zustimmenden Gläubiger mehr als die Hälfte der Summe der Ansprüche der abstimmenden Gläubiger beträgt. Ist der Schuldner keine natürliche Person und sind die Anteils- oder Mitgliedschaftsrechte der am Schuldner beteiligten Personen in den Insolvenzplan einbezogen worden, so liegt die Zustimmung der Gruppe der Anteilsinhaber vor, wenn die Summe der Beteiligungen der zustimmenden Anteilsinhaber mehr als die Hälfte der Summe der Beteiligungen der abstimmenden Anteilsinhaber beträgt. Nach § 245 ­InsO kann die Zustimmung einer Gruppe ersetzt werden, sofern die Angehörigen dieser Gruppe nach dem Insolvenzplan nicht schlechter stehen als ohne ihn, sie angemessen am wirtschaftlichen Wert beteiligt werden, welcher auf Grundlage des Insolvenzplans den Beteiligten zufließen soll und die Mehrheit der abstimmenden Gruppen dem Plan zugestimmt hat. Liegt kein nach § 247 ­InsO beachtlicher Widerspruch des Schuldners, ein Verstoß gegen Verfahrensvorschriften gem. § 250 ­InsO oder ein nach § 251 ­InsO begründeter Antrag eines Beteiligten auf Versagung der Plan­ bestätigung vor, wird der Plan vom Insolvenzgericht nach § 248 ­InsO bestätigt. Gem. § 254 Abs. 1 Satz 1 ­InsO treten mit der Rechtskraft der Planbestätigung die im gestaltenden Teil des Insolvenzplans festgelegten Wirkungen für und gegen alle Beteiligten ein. Nach § 257 ­InsO ist der Plan dann auch zusammen mit der Tabelle Vollstreckungstitel für die Gläubiger gegenüber dem Schuldner. Insgesamt verschafft das Planverfahren den am Insolvenzverfahren Beteiligten einen relativ weiten Spielraum, um eine in ihren Augen optimale Abwicklung des 971 Uhlenbruck/Lüer, Komm. z. ­InsO, § 217 Rdn. 4; Eidenmüller, Münchener Komm. z. ­InsO, § 217 Rdn. 166; Braun/Braun/Frank, Komm. z. I­ nsO, Vorbemerkung vor §§ 217 bis 269 Rdn. 1. 972 Eidenmüller, Münchener Komm. z. ­InsO, § 221 Rdn. 11.

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Insolvenzverfahrens festzulegen. Dieser Spielraum könnte zur Koordination pa­ ralleler Insolvenzverfahren über das Vermögen verschiedener konzernangehöriger Gesellschaften genutzt werden. a) Einheitlicher Insolvenzplan für den gesamten Konzern Eine erhebliche Koordinationswirkung könnte mittels des Insolvenzplanverfahrens erzeugt werden, sofern die Vorlage eines einheitlichen Insolvenzplans für alle konzernangehörigen Gesellschaften möglich wäre. Denn mit einem solchen „Konzerninsolvenzplan“ könnte ein konzernweites Sanierungskonzept umgesetzt oder eine einheitliche Verwertung der Aktiva der einzelnen Konzerngesellschaften bestimmt werden. Teilweise wird in Anlehnung an das amerikanische Insolvenzrecht angenommen, dass es auch unter Geltung der I­nsO zulässig sei, in einem „führenden Insolvenzverfahren“ einen Insolvenzplan einzubringen, welcher die Insolvenzabwicklung nicht nur für den eigentlichen Schuldner, sondern auch für andere konzernangehörige Gesellschaften regelt. Über die Annahme dieses Insolvenzplans sollen sodann die Gläubiger aller konzernangehörigen Gesellschaften innerhalb dieses „führenden Verfahrens“ entscheiden. Hier könnten dann beispielsweise die ungesicherten Gläubiger aller Konzerngesellschaften in einer Gruppe zusammengefasst werden.973 Ein ähnliches Konzept schlägt auch eine andere Ansicht vor, wonach in den Insolvenzverfahren der einzelnen Konzerngesellschaften identische Insolvenzpläne vorgelegt werden sollen, welche eine „konsolidierte Betrachtung“ vorsehen. Diese Pläne sollen in ihrem darstellenden Teil das Sanierungskonzept für den Gesamtkonzern erläutern und im gestaltenden Teil aufgeschlüsselt nach den einzelnen Konzerngesellschaften die zur Umsetzung des Sanierungskonzepts erforderlichen Maßnahmen enthalten. Dieser „konsolidierte Insolvenzplan“ solle sodann im Insolvenzverfahren jeder einzelnen Konzerngesellschaft zur Abstimmung gestellt werden. Die Voraussetzungen der Zustimmungsersetzung nach § 245 ­InsO und des nach § 251 ­InsO gebotenen Minderheitenschutzes müssten dann ebenfalls bezogen auf die Liquidation jeder einzelnen Konzerngesellschaft geprüft werden.974 Obwohl diese Gestaltungen einen erheblichen Beitrag zur Koordination der Insolvenzverfahren verschiedener Konzerngesellschaften leisten würden, erscheint ihre Zulässigkeit zweifelhaft. So spricht gegen die Zulässigkeit einer Abstimmung aller Gläubiger der einzelnen Konzerngesellschaften über einen konzernweiten Insolvenzplan in einem 973

So offenbar Uhlenbruck, NZI 1999, 41, 43 f.; dem zustimmend Hess, in: Hess/Weis/Wienberg, Komm. z. ­InsO, Vor § 217 Rdn. 21. 974 Brünkmans, Die Koordinierung von Insolvenzverfahren konzernverbundener Unternehmen (2009), S. 306 ff.

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„führenden Verfahren“, dass die I­nsO ein einheitliches Insolvenzverfahren über das Vermögen aller konzernangehörigen Gesellschaften nicht vorsieht. Vielmehr sind verbundene Unternehmen in der Insolvenz in getrennten Verfahren abzu­ wickeln.975 Demzufolge sind im Insolvenzverfahren einer Konzerngesellschaft nur die Gläubiger dieser Gesellschaft, nicht aber diejenigen anderer Konzerngesellschaften teilnahmeberechtigt.976 Hieraus ergibt sich schon, dass eine Abstimmung der Gläubiger aller Konzerngesellschaften über einen konzernweiten Insolvenzplan in einem „führenden Verfahren“ unzulässig ist. Zudem zählt § 217 ­InsO enumerativ auf, in welchen Bereichen die Beteiligten durch den Insolvenzplan eine von den Vorschriften der ­InsO abweichende Verfahrensabwicklung festlegen können. Die Regelungen über die Insolvenzfähigkeit in den §§ 11, 12 ­InsO, nach denen der Konzern selbst nicht insolvenzfähig ist, gehören nicht hierzu. Deshalb kann ein Insolvenzplan immer nur Wirkungen hinsichtlich desjenigen Vermögens entfalten, welches einem der in den §§ 11, 12 ­InsO genannten Rechtsträger zugeordnet ist.977 Ein konzernweiter Insolvenzplan, über welchen in einem „führenden Verfahren“ abgestimmt wird, würde hingegen auch Rechtswirkungen über dieses Verfahren hinaus erzeugen. Schließlich widerspräche die von dieser Ansicht vorgeschlagene Zusammenfassung ungesicherter Gläubiger mehrerer Konzerngesellschaften in einer Gruppe auch dem Zweck der Gruppenbildung. So schreibt § 222 Abs. 1 Satz 1 ­InsO vor, dass bei der Festlegung der Rechte der Beteiligten im Insolvenzplan Gruppen zu bilden sind, soweit Beteiligte unterschiedlicher Rechtsstellung betroffen sind. Daneben lässt es § 222 Abs. 2 ­InsO zu, aus Beteiligten gleicher Rechtsstellung Gruppen zu bilden, in denen Beteiligte mit gleichartigen wirtschaftlichen Interessen zusammengefasst werden. Die Bildung von „Mischgruppen“ mit Beteiligten unterschiedlicher Rechtsstellung ist hingegen unzulässig.978 Innerhalb der Gruppen sind dann gem. § 226 Abs. 1 ­InsO allen Beteiligten gleiche Rechte anzubieten. Damit soll die Regelung über die Gruppenbildung gewährleisten, dass wesentlich Gleiches auch gleich behandelt wird.979 Gläubiger unterschiedlicher Konzerngesellschaften verfügen nun aber gerade nicht über dieselbe Rechtsstellung, da sie aus unterschiedlichen Vermögensmassen zu befriedigen sind. Deshalb sind auch die zu erwartenden Quoten bei den Insolvenzgläubigern verschiedener Konzerngesellschaften keinesfalls identisch. Würden sie in einer Gruppe zusammengefasst und dann gem. § 226 Abs. 1 ­InsO gleich behandelt, 975 Uhlenbruck/Hirte, Komm. z. I­nsO, § 11 Rdn. 394; Eidenmüller, Münchener Komm. z. I­ nsO, Vorbemerkungen vor §§ 217 bis 269 Rdn. 34; Haas, in: Gottwald, Insolvenzrechts-Handbuch, § 95 Rdn. 2; Ehricke, ­Z­InsO 2002, 393. 976 Ehricke, Kölner Schrift z. ­InsO, Kap. 32 Rdn. 21. 977 Eidenmüller, ZHR 169 (2005), 528, 546; ders., Münchener Komm. z. ­InsO, Vorbemerkungen vor §§ 217 bis 269 Rdn. 34; Ehricke, ­Z­InsO 2002, 393, 394; Smid/Rattunde, Der Insolvenzplan, Rdn. 2.88. 978 BGH, Beschluss vom 07. Juli 2005, IX ZB 266/04, NZI 2005, 619, 621; Eidenmüller, Münchener Komm. z. ­InsO, § 222 Rdn. 45. 979 Otte, in: Kübler/Prütting/Bork, Komm. z. ­InsO, § 222 Rdn. 4; ebenso Eidenmüller, Münchener Komm. z. ­InsO, § 222 Rdn. 34, wonach der Gleichheitssatz für die Auslegung der Gruppenbildungsregeln „zentrale Bedeutung“ habe.

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so käme es nicht zu einer Gleichbehandlung von wesentlich Gleichem, sondern zu einer Gleichbehandlung von wesentlich Ungleichem. Damit wäre aber das genaue Gegenteil dessen erreicht, was mit den Regelungen über die Gruppenbildung angestrebt wurde. Aus diesen Gründen ist eine Abstimmung der Gläubiger aller Konzerngesellschaften in einem „führenden Verfahren“ über einen konzernweiten Insolvenzplan, welcher die Gläubiger verschiedener Konzerngesellschaften in einer Gruppe zusammenfasst, unzulässig.980 Aber auch gegenüber dem Vorschlag, denselben „konsolidierten Insolvenzplan“, welcher in seinem gestaltenden Teil Regelungen hinsichtlich verschiedener Konzerngesellschaften enthält, in den einzelnen Insolvenzverfahren vorzulegen, bestehen auf Grundlage des geltenden Rechts Bedenken. So wird gem. § 221 Satz 1 ­InsO im gestaltenden Teil des Insolvenzplans festgelegt, wie die Rechtsstellung der Beteiligten durch den Insolvenzplan geändert werden soll. Regelungen hinsichtlich verschiedener Konzerngesellschaften im gestaltenden Teil des Insolvenzplans wären also nur zulässig, wenn im Insolvenzverfahren einer Konzerngesellschaft die anderen Konzerngesellschaften sowie deren Gläubiger „Beteiligte“ im Sinne des § 221 Satz 1 ­InsO wären. Teilweise wird aus § 217 ­InsO abgeleitet, dass nur die dort genannten Personen als „Beteiligte“ im Sinne des § 221 Satz 1 ­InsO anzusehen seien. Beiträge anderer Personen könnten damit nur außerhalb des Planverfahrens vereinbart werden und seien dann lediglich im darstellenden Teil des Insolvenzplans zu erwähnen.981 Dieser Ansicht nach wären im gestaltenden Teil des Insolvenzplans einer Konzerngesellschaft Regelungen hinsichtlich anderer Konzerngesellschaften oder ihrer Gläubiger unzulässig. Andere differenzieren hingegen bei der Bestimmung des Personenkreises, welcher vom Beteiligtenbegriff des § 221 ­InsO bzw. der übrigen Vorschriften des Insolvenzplanverfahrens erfasst wird, nach „zwangsweise Planunterworfenen“ und „nicht zwangsweise Planunterworfenen“.982 Zwangsweise planunterworfen seien Personen, „deren Rechtsstellung auch gegen ihren Willen und unabhängig von einer Teilnahme an dem Insolvenzplanverfahren durch einen Plan […] zu ihren Lasten geändert werden kann“.983 Hierunter sollen nach dieser vor Inkrafttreten des ESUG entwickelten Ansicht die absonderungsberechtigten Gläubiger, die Insolvenzgläubiger und der Schuldner fallen.984 Nunmehr dürften hierzu aber auch die an dem Schuldner beteiligten Personen zählen (vgl. § 217 Satz 2 ­InsO).985 Zu den nicht 980 Ebenso Eidenmüller, Münchener Komm. z. I­nsO, Vorbemerkungen vor §§ 217 bis 269 Rdn. 36; Uhlenbruck/Hirte, Komm. z. ­InsO, § 11 Rdn. 414. 981 Bork, Einführung in das Insolvenzrecht, Rdn. 320; Uhlenbruck/Lüer, Komm. z. I­nsO, § 217 Rdn. 9; Rotstegge, Konzerninsolvenz (2007), S. 358. 982 Eidenmüller, Münchener Komm. z. ­InsO, § 217 Rdn. 56 ff. sowie § 221 Rdn. 17; Thies, Hamburger Komm. z. InsR, I­nsO § 221 Rdn. 3 ff.; ebenso wohl Uhlenbruck/Maus, Komm. z. ­InsO, § 221 Rdn. 2, wonach sich auch Dritte freiwillig am Insolvenzplanverfahren beteiligen können und dann Beteiligte im Sinne des § 221 ­InsO sind. 983 Eidenmüller, Münchener Komm. z. ­InsO, § 217 Rdn. 58. 984 Eidenmüller, Münchener Komm. z. ­InsO, § 217 Rdn. 59 ff. und § 221 Rdn. 17. 985 So ausdrücklich Thies, Hamburger Komm. z. InsR, ­InsO § 221 Rdn. 4.

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zwangsweise Planunterworfenen gehörten hingegen alle anderen Personen,986 beispielsweise Aussonderungsberechtigte, Massegläubiger oder potentielle Kredit­ geber.987 Deren Zustimmung sei „unabdingbare Voraussetzung“ dafür, dass Regelungen des Insolvenzplans zu ihren Lasten wirken können.988 Diese Zustimmung oder alternativ auch die für das beabsichtigte Rechtsgeschäft erforderliche Willenserklärung selbst müsse dem Insolvenzplan analog § 230 Abs. 2 bzw. Abs. 3 ­InsO als Anlage beigefügt werden.989 Auf Grundlage der von dieser Ansicht vertretenen Auslegung des Beteiligtenbegriffes in § 221 Satz 1 ­InsO erscheint es damit auf den ersten Blick möglich, in den gestaltenden Teil des Insolvenzplans auch andere Konzerngesellschaften bzw. deren Gläubiger betreffende Regelungen aufzunehmen. Ob diese Ansicht allerdings solche Regelungen tatsächlich für zulässig erachten würde, erscheint gleichwohl zweifelhaft, da an anderer Stelle geäußert wird, dass ein Insolvenzplan immer nur Wirkungen hinsichtlich des Vermögens entfalten könne, welches einem der in den §§ 11, 12 ­InsO genannten Rechtsträger zugeordnet ist.990 In jedem Fall aber wäre eine entsprechende Zustimmung der betroffenen Gesellschaft sowie ihrer Gläubiger erforderlich. Das Vorliegen dieser Zustimmung hätte das Gericht nach § 231 Abs. 1 Nr. 1 ­InsO bereits vor der Abstimmung über den Plan zu überprüfen.991 Eine Zustimmung sämtlicher Gläubiger der übrigen konzernangehörigen Gesellschaften dürfte aber kaum zu erreichen sein. Im Ergebnis ist daher der Vorschlag, denselben „konsolidierten Insolvenzplan“ in den Verfahren aller konzernangehörigen Gesellschaften einzubringen, unzulässig oder doch zumindest praktisch nur schwer durchführbar. Die Umsetzung eines konzernweiten Sanierungs- oder Verwertungskonzeptes erscheint damit auf diesem Wege nicht möglich. b) Vorlage aufeinander abgestimmter Insolvenzpläne in den Verfahren der einzelnen Konzerngesellschaften Ist die Vorlage eines „konsolidierten“ Insolvenzplans, welcher in seinem gestaltenden Teil Regelungen für mehrere Konzerngesellschaften trifft, auf Grundlage der ­InsO unzulässig, so können zur Koordination paralleler Insolvenzverfahren verschiedener Konzerngesellschaften allenfalls aufeinander abgestimmte Insolvenzpläne in den einzelnen Verfahren vorgelegt werden. Diese Pläne enthalten in ihrem darstellenden Teil das Sanierungs- oder Verwertungskonzept für den gesam-

986

Eidenmüller, Münchener Komm. z. ­InsO, § 217 Rdn. 78. Eidenmüller, Münchener Komm. z. ­InsO, § 217 Rdn. 79 ff. 988 Eidenmüller, Münchener Komm. z. ­InsO, § 217 Rdn. 58. 989 Eidenmüller, Münchener Komm. z. ­InsO, § 217 Rdn. 154. 990 Eidenmüller, ZHR 169 (2005), 528, 546; ders., Münchener Komm. z. ­InsO, Vorbemerkungen vor §§ 217 bis 269 Rdn. 34. 991 Vgl. Eidenmüller, Münchener Komm. z. ­InsO, § 231 Rdn. 13, wonach „der Plan auf die erforderlichen Anlagen nach §§ 229, 230 [­InsO] hin zu überprüfen“ sei. 987

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ten Konzern und im gestaltenden Teil die bei der jeweiligen Konzerngesellschaft zur Umsetzung dieses Konzeptes erforderlichen Maßnahmen.992 aa) Ausarbeitung eines konzernweiten Sanierungs- bzw. Verwertungskonzeptes und Veranlassung der Vorlage entsprechender Insolvenzpläne in den Einzelverfahren Voraussetzung für die Vorlage abgestimmter Insolvenzpläne wäre zunächst die Ausarbeitung eines Sanierungs- oder Verwertungskonzeptes für den gesamten Konzern. Dies wird zweckmäßigerweise bei der Obergesellschaft erfolgen, und zwar entweder durch deren Leitungsorgan oder durch den Insolvenzverwalter. Die Geschäftsführung der Konzernobergesellschaft könnte ein solches Konzept bereits vor der Eröffnung der Insolvenzverfahren über das Vermögen der einzelnen Konzerngesellschaften ausarbeiten, sobald ihr die wirtschaftlichen Schwierigkeiten des Konzerns bekannt sind. Erscheint die Insolvenz einzelner oder mehrerer Konzerngesellschaften absehbar, so könnte sie einen Eigenantrag auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens wegen drohender Zahlungsunfähigkeit gem. § 18 ­InsO stellen und zugleich mit diesem Eröffnungsantrag gem. § 218 Abs. 1 Satz 2 ­InsO einen auf das Sanierungskonzept für den Gesamtkonzern abgestimmten Insolvenzplan vorlegen. Zu demselben Vorgehen könnte sie auch die Geschäftsleitungsorgane der Untergesellschaften anweisen bzw. veranlassen. Neben dem Geschäftsleitungsorgan kann aber auch ein im Insolvenzverfahren der Obergesellschaft bestellter Insolvenzverwalter ein Sanierungs- oder Verwertungskonzept für den gesamten Konzern entwickeln. Sind im Verfahren der Obergesellschaft und den Verfahren der Untergesellschaften verschiedene Insolvenzverwalter bestellt, so wird er allerdings schon zur Erlangung der für die Erstellung eines solchen Konzepts erforderlichen Informationen auf die Kooperation mit den übrigen Verwaltern angewiesen sein. Sollen die abgestimmten Insolvenzpläne durch die Insolvenzverwalter in den jeweiligen Verfahren eingebracht werden, so ist eine Kooperation der Insolvenzverwalter gleichfalls unentbehrlich. Ist die Obergesellschaft Mehrheitsgesellschafterin der Untergesellschaft, so wäre es auch denkbar, dass der Insolvenzverwalter der Obergesellschaft die Geschäftsleitung der Untergesellschaft zur Vorlage eines bestimmten Insolvenzplans anweist bzw. veranlasst. Denn die Anteile der Obergesellschaft an der Untergesellschaft fallen in die Insolvenzmasse der Obergesellschaft, weshalb der Insolvenzverwalter der Obergesellschaft das hieraus resultierende Stimmrecht ausüben kann.993 Da das Recht zur Planvorlage zum sog. Schuldnerbereich zählt, wird es auch nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens und Bestellung eines Insolvenzverwalters durch das Geschäftsführungsorgan der jeweiligen Tochtergesellschaft ausgeübt.994 Auch unterliegt das Geschäftsführungs 992

Eidenmüller, Münchener Komm. z. ­InsO, Vorbemerkungen vor §§ 217 bis 269 Rdn. 36. Siehe oben B. IV. 1. b) aa). 994 Vgl. Ott/Vuia, Münchener Komm. z. ­InsO, § 80 Rdn. 112 f. 993

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organ hierbei gesellschaftsinternen Bindungen,995 weshalb der für die Obergesellschaft bestellte Insolvenzverwalter das Leitungsorgan einer Unter­gesellschaft auch dann noch zur Vorlage entsprechender Pläne anweisen bzw. veranlassen kann, wenn für die jeweilige Untergesellschaft bereits ein Insolvenz­verwalter bestellt wurde. bb) Koordination der Insolvenzverfahren bis zur Abstimmung über die Insolvenzpläne Ferner müsste auch die Verfahrensabwicklung bis zum Inkrafttreten der Insolvenzpläne koordiniert werden. So müsste bei einer angestrebten Sanierung des Konzerns das jeweilige von den einzelnen Konzerngesellschaften betriebene Unternehmen fortgeführt werden. Gleiches gilt, wenn die von mehreren Konzerngesellschaften getragenen Unternehmen im Wege der sog. übertragenden Sanierung einheitlich an einen Erwerber veräußert werden sollen. Kommt es in diesen Fällen in einem Insolvenzverfahren zu einer nicht mit den übrigen Verfahren abgestimmten Verwertung der Insolvenzmasse, so ist das konzernweite Abwicklungs- oder Sanierungskonzept gescheitert. Um eine solche Koordination zu gewährleisten, wurde vor Inkrafttreten des ESUG vorgeschlagen, dass alle insolventen Konzerngesellschaften selbst einen Insolvenzantrag stellen, gleichzeitig abgestimmte Insolvenzpläne einreichen und schließlich auch zumindest die Tochtergesellschaften die Anordnung der Eigenverwaltung nach den §§ 270 ff. ­InsO beantragen.996 Denn durch die Anordnung der Eigenverwaltung in den Insolvenzverfahren der Tochtergesellschaften würden die Einflussmöglichkeiten des herrschenden Unternehmens bzw. seines Insolvenz­ verwalters auf die Tochtergesellschaften erhalten, weshalb „die Verknüpfung von Eigenverwaltung und Insolvenzplan als ideales Mittel [erscheine], um die Vorteile eines Sanierungsverbundes im Konzern zu nutzen“.997 Allerdings werden die Wirkungen eines Beherrschungsvertrages auch bei Anordnung der Eigenverwaltung im Insolvenzverfahren der Untergesellschaft suspendiert,998 zudem haben nach dem durch das ESUG eingeführten § 276a ­InsO bei Anordnung der Eigenverwaltung der Aufsichtsrat, die Gesellschafterversammlung oder entsprechende Organe keinen Einfluss mehr auf die Geschäftsführung der schuldnerischen Gesellschaft. Damit kann der Einfluss der Konzernmutter auf die Tochtergesellschaften nicht 995

So für den Geschäftsführer einer GmbH Haas/Hossfeld, in: Gottwald, InsolvenzrechtsHandbuch, § 92 Rdn. 297; ebenso für den Vorstand einer AG Haas/Mock, in: Gottwald, Insolvenzrechts-Handbuch, § 93 Rdn. 22, wonach „die Aufsichts- und Kontrollfunktion des Aufsichtsrats hinsichtlich der Aufgaben des Vorstandes bestehen [bleibt], die dieser neben dem Insolvenzverwalter noch ausübt“. 996 Braun/Uhlenbruck, Unternehmensinsolvenz (1997), S. 522; Noack, Gesellschaftsrecht (1999), Rdn. 740; Ehricke, Kölner Schrift z. ­InsO, Kap. 32 Rdn. 48. 997 Ehricke, ­Z­InsO 2002, 393, 395. 998 Siehe oben B. IV. 1. a) cc) (2).

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mehr durch Anordnung der Eigenverwaltung in den Insolvenzverfahren der Tochtergesellschaften aufrechterhalten werden. Vielmehr erfordert eine Abstimmung der einzelnen Verfahren auch bei Anordnung der Eigenverwaltung eine freiwillige Kooperation der einzelnen Leitungsorgane. Gleiches gilt, sofern in den Insolvenzverfahren der einzelnen Konzerngesellschaften unterschiedliche Insolvenzverwalter bestellt werden. Auch hier erscheint eine Zusammenarbeit dieser Verwalter zur Umsetzung des in den abgestimmten Insolvenzplänen enthaltenen Konzeptes unverzichtbar. cc) Einheitliches Inkrafttreten aller Insolvenzpläne Kommt es zur Vorlage von aufeinander abgestimmten Insolvenzplänen und wird die Umsetzung des darin für den Gesamtkonzern enthaltenen Abwicklungs- oder Sanierungskonzeptes nicht durch Entscheidungen der Insolvenzverwalter vor der Abstimmung über die Pläne vereitelt, so stellt sich die Frage, auf welchem Weg eine einheitliche Entscheidung über alle diese Insolvenzpläne sichergestellt werden kann. Denn die Gläubiger einer Konzerngesellschaft werden einem konzernweiten Abwicklungs- oder Sanierungskonzept regelmäßig nur dann zustimmen, wenn sie die Gewähr haben, dass auch in den Verfahren der anderen Konzerngesellschaften entsprechende Insolvenzpläne verabschiedet und bestätigt werden.999 Kann ein einheitliches Inkrafttreten bzw. eine einheitliche Ablehnung der Insolvenzpläne nicht sichergestellt werden, so müssten die Gläubiger einer Konzerngesellschaft durch Annahme eines Plans in Vorleistung treten. Sie würden damit Gefahr laufen, dass sie zur Unterstützung einer koordinierten Verfahrensabwicklung einer Kürzung ihrer Forderungen verbindlich zustimmen und anschließend das Konzept für den Gesamtkonzern am Widerstand der Gläubiger einer anderen Konzerngesellschaft oder an einer Versagung der Planbestätigung durch ein anderes Insolvenzgericht scheitert. Zur Sicherstellung eines einheitlichen Inkrafttretens der einzelnen Insolvenzpläne sind verschiedene Möglichkeiten denkbar. (1) Sicherstellung eines einheitlichen Inkrafttretens aller Insolvenzpläne mittels der in § 249 ­InsO vorgesehenen Möglichkeit eines „bedingten Plans“ Die Herbeiführung einer einheitlichen Entscheidung über das Inkrafttreten aller in den Verfahren der einzelnen Konzerngesellschaften eingebrachten Insolvenzpläne könnte durch die Regelung über die Zulässigkeit eines „bedingten Plans“ in § 249 ­InsO ermöglicht werden. Nach § 249 Satz 1 ­InsO darf ein Insolvenzplan, in dem vorgesehen ist, dass vor der Bestätigung bestimmte Leistungen erbracht oder andere Maßnahmen verwirklicht werden sollen, nur gem. 248 ­InsO 999 Rotstegge, Konzerninsolvenz (2007), S. 359; Brünkmans, Die Koordinierung von Insolvenzverfahren konzernverbundener Unternehmen (2009), S. 294.

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vom Insolvenz­gericht bestätigt werden, sofern diese Voraussetzungen erfüllt sind. Bei dieser Regelung handelt es sich genau genommen nicht um eine Bedingung im Sinne von § 158 BGB, da nicht die Wirksamkeit des Insolvenzplans, sondern nur seine Bestätigung vom Eintritt eines bestimmten Ereignisses abhängig gemacht wird. Damit lässt es § 249 ­InsO lediglich zu, in den Plan neben der Annahme durch die Gläubiger eine zusätzliche Voraussetzung für seine gerichtliche Bestätigung aufzunehmen.1000 Ob es diese Regelung allerdings ermöglicht, ein einheitliches Inkrafttreten aller in den Verfahren der einzelnen Konzerngesellschaften eingebrachten Insolvenzpläne sicherzustellen, ist fraglich. So erscheint zwar denkbar, dass die Bestätigung eines jeden einzelnen Insolvenzplans davon abhängig gemacht wird, dass auch die übrigen Pläne bestätigt werden. Damit würden die Insolvenzpläne aber wechselseitig ihre Bestätigung ausschließen mit der Folge, dass keiner der Insolvenzpläne jemals bestätigt werden könnte. Auf Grundlage der Regelung des § 249 ­InsO erscheint es allenfalls denkbar, dass die Insolvenzpläne nach ihrer Bedeutung geordnet werden und die Bestätigung eines jeden Insolvenzplans von der Bestätigung des in dieser Reihe vorangehenden Insolvenzplans abhängig gemacht wird.1001 Damit müssten aber bestimmte Gläubiger in Vorleistung treten, wozu diese oftmals nicht bereit sein dürften. Als weitere Möglichkeit wird vorgeschlagen, die Bestätigung eines jeden einzelnen Insolvenzplans an die Annahme der übrigen Insolvenzpläne durch die Gläubiger in dem jeweils anderen Verfahren zu knüpfen.1002 Bei einer solchen Gestaltung dürfte es aber regelmäßig ebenso wie in dem Fall, dass die Bestätigung eines jeden Insolvenzplans von einer Bestätigung der übrigen Pläne abhängig gemacht wird, zu einer wechselseitigen Blockade kommen. Denn wenn nicht alle Gläubigergruppen dem Insolvenzplan von sich aus zustimmen, so muss das Insolvenzgericht prüfen, ob die Zustimmung der ablehnenden Gruppe nicht nach § 245 ­InsO als erteilt gilt. Diese Prüfung nimmt das Gericht aber erst im Rahmen der Entscheidung über die Bestätigung des Insolvenzplans vor.1003 In diesen Fällen kann die Annahme des Insolvenzplans durch die Gläubiger also nicht von der Bestätigung des Plans durch das Insolvenzgericht getrennt werden. Aber selbst wenn alle Gläubigergruppen dem Plan zustimmen würden oder aber die Ersetzung der Zustimmung bereits im Abstimmungs­ termin beschlossen und verkündet,1004 für die Verkündung der Bestätigung aber ein eigener Verkündungstermin angesetzt würde,1005 kann durch die Aufnahme der Zustimmung der Gläubiger zu den übrigen Plänen als Bestätigungsvoraussetzung für 1000 Eidenmüller, ZGR 2001, 680, 694 f.; H.-F. Müller, KTS 2002, 209, 214; Flessner, Heidelberger Komm. z. ­InsO, § 249 Rdn. 4. 1001 Rotstegge, Konzerninsolvenz (2007), S. 360. 1002 So Rotstegge, Konzerninsolvenz (2007), S. 360. 1003 Häsemeyer, Insolvenzrecht, Rdn. 28.46; Braun, in: Nerlich/Römermann, Komm. z. I­ nsO, § 248 Rdn. 2; ders., in: Gottwald, Insolvenzrechts-Handbuch, § 68 Rdn. 98; Sinz, Münchener Komm. z. ­InsO, § 248 Rdn. 7; Otte, in: Kübler/Prütting/Bork, Komm. z. ­InsO, § 248 Rdn. 2. 1004 Dies hält Otte, in: Kübler/Prütting/Bork, Komm. z. ­InsO, § 245 Rdn. 31 für zulässig. 1005 Für die Zulässigkeit eines solchen separaten Verkündungstermins Otte, in: Kübler/Prütting/Bork, Komm. z. ­InsO, § 248 Rdn. 3.

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den einzelnen Plan das Vorleistungsrisiko der Gläubiger einer Konzerngesellschaft nicht gänzlich ausgeschlossen werden. So trügen die Gläubiger immer noch das Risiko, dass das Insolvenzgericht im Verfahren einer anderen Konzerngesellschaft dem dort vorgelegten Insolvenzplan die Bestätigung versagt, beispielsweise weil Verfahrensvorschriften verletzt wurden (vgl. § 250 Nr. 1 ­InsO) oder weil ein Verfahrensbeteiligter einen begründeten Antrag auf Versagung der Bestätigung nach § 251 ­InsO gestellt hat. Insgesamt ist daher festzuhalten, dass es die Regelung des § 249 ­InsO nicht ermöglicht, ein einheitliches Inkrafttreten oder eine einheitliche Ablehnung aller aufeinander abgestimmten Insolvenzpläne für die einzelnen Konzerngesellschaften zu gewährleisten. (2) Sicherstellung eines einheitlichen Inkrafttretens aller Insolvenzpläne durch Aufnahme einer Bedingung gem. § 158 BGB Damit kann ein einheitliches Inkrafttreten oder eine einheitliche Ablehnung der abgestimmten Insolvenzpläne nur dadurch sichergestellt werden, dass in jeden Plan als Bedingung für seine Wirksamkeit gem. § 158 BGB die rechtskräftige gerichtliche Bestätigung der übrigen Insolvenzpläne aufgenommen wird.1006 Ob ein Insolvenzplan allerdings gem. § 158 BGB bedingt oder befristet werden kann, erscheint zweifelhaft. Nach teilweise vertretener Ansicht enthält § 249 ­InsO keinen Anhaltspunkt dafür, dass die in dieser Vorschrift vorgesehene Möglichkeit einer zusätzlichen Bestätigungsvoraussetzung abschließend sei und daher eine Bedingung oder Befristung des Insolvenzplans insgesamt ausschließe. Auch die Regelung des § 254 Abs. 1 Satz 1 ­InsO, wonach mit der Rechtskraft der Bestätigung des Insolvenzplans die im gestaltenden Teil festgelegten Wirkungen für und gegen alle Beteiligten eintreten, stehe der Zulässigkeit einer Bedingung oder Befristung des Plans nicht entgegen. Denn es sei ja auch zulässig, eine einzelne im Insolvenzplan enthaltene Willenserklärung mit einer Bedingung oder Befristung zu versehen.1007 Zudem lasse es § 255 Abs. 3 Satz 1 ­InsO zu, die Folgen eines Rückstandes des Schuldners bei der Planerfüllung abweichend von § 255 Abs. 1 Satz 1 ­InsO, der in diesem Fall ein Wiederaufleben gestundeter oder erlassener Forderungen vorsieht, bis zur Grenze des § 255 Abs. 3 Satz 2 ­InsO privatautonom zu regeln. Dies zeige, dass im Hinblick auf im gestaltenden Teil des Insolvenzplans enthaltene Maßnahmen Bedingungen zulässig seien.1008 Schließlich sei der Insolvenzplan ein Prozessvertrag, und hier sei die Zulässigkeit von Bedingungen oder Befristungen an-

1006 So Eidenmüller, ZHR 169 (2005), 528, 547, ders., Münchener Komm. z. I­ nsO, Vorbemerkungen vor §§ 217 bis 269 Rdn. 36; Brünkmans, Die Koordinierung von Insolvenzverfahren konzernverbundener Unternehmen (2009), S. 295. 1007 Eidenmüller, Münchener Komm. z. ­InsO, § 217 Rdn. 41 f. 1008 Eidenmüller, ZGR 2001, 680, 690; ders., Münchener Komm. z. ­InsO, § 217 Rdn. 41 f.

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B. Abwicklung von Konzerninsolvenzen auf Grundlage des geltenden Rechts

erkannt.1009 Demzufolge könne der Insolvenzplan insgesamt bedingt oder befristet werden.1010 Vor Einführung des § 225a Abs. 3 ­InsO, wonach im Insolvenzplan jede gesellschaftsrechtliche Regelung, insbesondere die Fortsetzung einer aufgelösten Gesellschaft, getroffen werden kann, wurde die Zulässigkeit einer auflösenden Bedingung des Insolvenzplans auch mit dem vom Gesetzgeber bei Schaffung des Insolvenzplanverfahrens verfolgten Zweck begründet. So wurde auf die Begründung zu § 274 RegE-­InsO1011, dem jetzigen § 230 ­InsO, verwiesen, wonach von den Gesellschaftern nicht verlangt würde, die Fortsetzung der Gesellschaft zu beschließen, solange die Zustimmung der Gläubiger zum Insolvenzplan noch nicht feststehe, andererseits aber im Insolvenzplan auch vorgesehen werden könne, dass dieser nur bei der Fassung des Fortsetzungsbeschlusses wirksam werden solle.1012 Der Gesetzgeber habe deshalb eine Regelung beabsichtigt, wonach die Gesellschafter die Fortsetzung der Gesellschaft nach der Annahme des Insolvenzplans durch die Gläubiger, aber vor Bestätigung des Plans durch das Insolvenzgericht beschließen sollten.1013 Allerdings stünde dies im Widerspruch zu den Regelungen des Gesellschaftsrechts, wonach ein Fortsetzungsbeschluss erst nach der gerichtlichen Bestätigung des Insolvenzplans und der Aufhebung des Insolvenzverfahrens gefasst werde könne, vgl. §§ 140 Abs. 1 HGB, 60 Abs. 1 Nr. 4 GmbHG, 274 Abs. 2 Nr. 1 AktG.1014 Zur Erreichung des vom Gesetzgeber verfolgten Ziels müssten daher die in § 254 Abs. 1 ­InsO vorgesehenen Wirkungen des Insolvenzplans unter die auflösende Bedingung gestellt werden, „dass binnen einer bestimmten, unter Berücksichtigung der Einberufungsvorschriften zu bemessenden Frist ab Rechtskraft der Bestätigung des Plans der Fortsetzungsbeschluss nicht gefasst wird“.1015 Eine weitere Ansicht geht demgegenüber davon aus, dass § 249 ­InsO eine abschließende Regelung darstelle, welche die Bestätigung eines unter dem Vorbehalt des Eintritts eines künftigen Ereignisses stehenden Insolvenzplans ausschließe. Hierfür spreche auch die Regelung des § 254 Abs. 1 Satz 1 ­InsO, wonach die Wirkungen des Insolvenzplans nach seiner gerichtlichen Bestätigung nur noch vom Eintritt der Rechtskraft dieser Bestätigung abhängen sollen. Diese Vorschrift stehe auch nicht zur Disposition der Beteiligten, da die §§ 217 ff. ­InsO grundsätzlich zwingendes Recht seien, sofern nicht ausdrücklich eine Abweichung zugelassen 1009

Eidenmüller, Münchener Komm. z. ­InsO, § 217 Rdn. 42; ders., ZGR 2001, 680, 696. Eidenmüller, Münchener Komm. z. ­InsO, § 217 Rdn. 42; ders., ZGR 2001, 680, 696; ebenso, wenngleich ohne weitere Begründung Hess/Obermüller, Insolvenzplan, Restschuld­ befreiung und Verbraucherinsolvenz, Rdn. 795a; Brünkmans, Die Koordinierung von Insolvenzverfahren konzernverbundener Unternehmen (2009), S. 295. 1011 BT-Drucks. 12/2443, S. 203 f. 1012 Uhlenbruck/Lüer, Komm. z. ­InsO, § 218 Rdn. 24. 1013 Uhlenbruck/Lüer, Komm. z. ­InsO, § 218 Rdn. 25. 1014 Uhlenbruck/Lüer, Komm. z. ­InsO, § 218 Rdn. 25 f. und § 249 Rdn. 5 und Rdn. 7. 1015 Uhlenbruck/Lüer, Komm. z. ­InsO, § 218 Rdn. 26 sowie auch für andere, erst nach einer Aufhebung des Insolvenzverfahrens zulässige Beschlüsse, § 249 Rdn. 5.  1010

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werde.1016 Anderenfalls könnten die Wirkungen des Insolvenzplans „in das Belieben des Bedingungsverpflichteten gestellt werden“, was mit dem Zweck des Insolvenzplanverfahrens nicht zu vereinbaren sei.1017 Ferner ergebe sich die Unzulässigkeit einer Bedingung nach § 158 BGB auch daraus, dass gegen den Beschluss des Insolvenzgerichts über die Aufhebung des Insolvenzverfahrens, anders als gegen den Beschluss über die Bestätigung des Insolvenzplans (vgl. § 253 ­InsO), kein Rechtsmittel mehr gegeben ist. Müsste aber bei der Entscheidung über die Aufhebung des Insolvenzverfahrens noch der oftmals unklare und umstrittene Eintritt einer Bedingung überprüft werden, so wäre der Ausschluss eines Rechtsmittels gegen eine diesbezügliche gerichtliche Entscheidung mit rechtsstaatlichen Anforderungen nicht mehr zu vereinbaren.1018 Schließlich zeige auch die spezielle Regelung des § 255 ­InsO, wonach bei einem erheblichen Rückstand des Schuldners bei der Planerfüllung die Stundung oder der Erlass von Forderungen grundsätzlich hinfällig werde, dass der Insolvenzplan nicht insgesamt unter eine Bedingung gestellt werden könne.1019 Die erstgenannte Ansicht, wonach die Regelung des § 249 ­InsO nicht abschließend sei und auch aus den §§ 254, 255 ­InsO nicht die Unzulässigkeit einer Bedingung des Insolvenzplans abgeleitet werden könne, vermag kaum zu überzeugen. Für einen abschließenden Charakter des § 249 ­InsO spricht schon, dass es dieser Norm nicht bedurft hätte, wenn die Wirkungen des Insolvenzplans insgesamt unter eine Bedingung gestellt werden könnten. Ferner kann auch § 255 Abs. 3 ­InsO nicht als Indiz für die Zulässigkeit einer Bedingung des Insolvenzplans gewertet werden. Denn diese Norm lässt es lediglich zu, die Folgen eines erheblichen Rückstands des Schuldners bei der Erfüllung des Insolvenzplans zu regeln und setzt hierfür enge Grenzen. So ordnet § 255 Abs. 3 Satz 2 ­InsO an, dass von § 255 Abs. 1 ­InsO, welcher in diesen Fällen lediglich ein Wiederaufleben gestundeter oder erlassener Forderungen desjenigen Gläubigers vorsieht, demgegenüber der Schuldner mit der Planerfüllung erheblich in Rückstand gerät, nicht zum Nachteil des Schuldners abgewichen werden kann. Unzulässig ist damit beispielsweise eine Regelung, welche ein Wiederaufleben gestundeter oder erlassener Forderungen auch bei anderen Pflichtverstößen des Schuldners, das Wiederaufleben von Forderungen solcher Gläubiger, denen gegenüber der Schuldner mit der Planerfüllung nicht in Rückstand geraten ist oder aber eine Hinfälligkeit anderer Planregelungen als Stundungen oder Erlasse vorsieht.1020 Diese engen Grenzen, welche § 255 Abs. 3 Satz 2 ­InsO für ein Erlöschen der Wirkungen des Insol 1016

H.-F. Müller, Der Verband in der Insolvenz (2002), S. 378 ff.; ders., KTS 2002, 209, 215 f. Rotstegge, Konzerninsolvenz (2007), S. 360. 1018 H.-F. Müller, Der Verband in der Insolvenz (2002), S. 378 f.; ders., KTS 2002, 209, 215 f.; Pujol, Die Sanierung der Schuldnergesellschaft vor dem Hintergrund der gesellschaftsrecht­ lichen Neutralität des Insolvenzrechts nach deutschem und französischem Recht (2006), S.  80 f. 1019 H.-F. Müller, Der Verband in der Insolvenz (2002), S. 379. 1020 Huber, Münchener Komm. z. ­InsO, § 255 Rdn. 39. 1017

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B. Abwicklung von Konzerninsolvenzen auf Grundlage des geltenden Rechts

venzplans zieht, sprechen gegen eine generelle Zulässigkeit von Bedingungen. Die Regelung deutet vielmehr darauf hin, dass die in § 255 ­InsO genannten Fälle abschließend sind. Gegen die Zulässigkeit einer Bedingung des gesamten Insolvenzplans spricht auch, dass einseitig gestaltende Rechtsgeschäfte im Grundsatz als bedingungsfeindlich angesehen werden, da der durch die Bedingung verursachte Schwebezustand mit der gebotenen Rücksichtnahme auf den Geschäftsgegner, in dessen Rechtskreis durch eine solche Erklärung eingegriffen wird, regelmäßig nicht zu vereinbaren ist. Anders verhält es sich lediglich dann, wenn für den Erklärungsempfänger durch die Bedingung keine unzumutbare Unsicherheit geschaffen wird, beispielsweise weil es sich um eine sog. Potestativbedingung handelt, deren Eintritt allein vom Willen des Erklärungsempfängers abhängt.1021 Zwar ist die Rechtsnatur des Insolvenzplans umstritten,1022 allerdings greifen auch die in ihm enthaltenen Regelungen mitunter zwangsweise in die Rechtsstellung der Planunterworfenen ein. Denn bei rechtskräftiger Bestätigung des Insolvenzplans entfaltet dieser gem. § 254 Abs. 1 Satz 1 ­InsO Wirkung gegenüber allen Beteiligten, und dies gilt nach § 254b ­InsO auch für diejenigen Insolvenzgläubiger, die ihre Forderungen nicht angemeldet haben sowie Beteiligte, die dem Plan widersprochen haben. Hierin unterscheidet sich der Insolvenzplan wesentlich von einem Prozessvertrag, der grundsätzlich nur Wirkungen für die an ihm beteiligten Personen entfaltet. Insoweit ist der für die grundsätzliche Bedingungsfeindlichkeit einseitiger gestaltender Rechtsgeschäfte angeführte Gedanke, dass der durch eine Bedingung verursachte Schwebezustand dem Geschäftsgegner regelmäßig unzumutbar ist, auf den Insolvenzplan übertragbar. Auch hier erscheint es den ohne ihre Zustimmung vom Plan betroffenen Personen nicht zumutbar, über die Geltung des Insolvenzplans auch nach der Bestätigung durch das Insolvenzgericht im Unklaren zu bleiben. Dies spricht auch dagegen, die Aufnahme bedingter Erklärungen in den Insolvenzplan generell als zulässig anzusehen. Lässt man es zu, dass sich Dritte freiwillig den im gestaltenden Teil des Insolvenzplans getroffenen Regelungen unterwerfen, so müssen diese Regelungen ebenso wie die erforderliche Zustimmung des Dritten mit der rechtskräftigen Bestätigung des Insolvenzplans voll wirksam sein. Die Beifügung einer Bedingung, welche die Wirksamkeit der Erklärung selbst oder die Zustimmung über diesen Zeitpunkt hinaus in der Schwebe lässt, ist daher unzulässig. Lediglich dann, wenn Dritte außerhalb des Insolvenz 1021 BGH, Urteil vom 21. März 1986, V ZR 23/85, BGHZ 97, 264, 266 f.; Wolf/Neuner, Allgemeiner Teil des Bürgerlichen Rechts, § 52 Rdn. 23 ff.; Flume, Allgemeiner Teil des Bürgerlichen Rechts II, § 38 5., S. 697 f.; Jauernig/Jauernig, Komm. z. BGB, § 158 Rdn. 11. 1022 Siehe hierzu Eidenmüller, Münchener Komm. z. ­InsO, § 217 Rdn. 31; Gaul, FS U. Huber (2006), 1187, 1206, wonach der Insolvenzplan ebenso wie der Prozessvergleich gleichzeitig materiellrechtlicher Vertrag und Prozessvertrag sei; anders Häsemeyer, Insolvenzrecht, Rdn. 28.67, der den Insolvenzverwaltungsvertrag als „privatrechtlichen Vertrag zwischen den Beteiligten, entweder zwischen Gläubigern und Schuldner oder zwischen Gläubiger und Insolvenzverwalter“ qualifiziert; ähnlich Otte, in: Kübler/Prütting/Bork, Komm. z. ­InsO, § 217 Rdn. 66, wonach der Insolvenzplan ein „Vertrag eigener Art über Stundung/Erlass von Forderungen und/oder Unternehmensfortführung“ sei; wieder anders Leipold, KTS 2006, 109, 125, der den Insolvenzplan als „privatrechtsgestaltenden Verfahrensakt“ einordnet.

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planverfahrens Verpflichtungen übernehmen und diese dann im darstellenden Teil des Insolvenzplans erwähnt werden, erscheint eine Bedingung der entsprechenden Erklärungen uneingeschränkt zulässig. Auch der vom Gesetzgeber bei Einführung des Insolvenzplanverfahrens verfolgte Zweck, dass weder die Gläubiger durch die Annahme des Insolvenzplans noch die Gesellschafter durch Fassung des Fortsetzungsbeschlusses gegenüber dem jeweils anderen Teil in Vorleistung treten müssen, erfordert es nicht, dass eine Bedingung des Insolvenzplans als Ganzes für zulässig erachtet werden müsste. So kann der Insolvenzplan seit Einführung des § 225a Abs. 3 ­InsO auch die Fortsetzung der schuldnerischen Gesellschaft regeln. Eines Fortsetzungsbeschlusses durch die Gesellschafter bedarf es daher nicht mehr. Aber auch vor Einführung des § 225a Abs. 3 ­InsO war es zur Erreichung des vom Gesetzgeber bei Einführung des Insolvenzplanverfahrens verfolgten Zwecks nicht erforderlich, eine Bedingung des gesamten Insolvenzplans als zulässig anzusehen. Vielmehr konnte diesem Zweck auch dadurch Genüge getan werden, dass der Fortsetzungsbeschluss der Gesellschafter unter der aufschiebenden Bedingung gefasst wurde, dass das Insolvenzgericht den Insolvenzplan rechtskräftig bestätigt.1023 Für die GmbH wird die Zulässigkeit der Befristung oder Bedingung eines Gesellschafterbeschlusses grundsätzlich bejaht,1024 bei Satzungsänderungen allerdings mit der Einschränkung, dass die Eintragung erst nach Eintritt der Bedingung erfolgen darf.1025 Somit kann auch der Fortsetzungsbeschluss bedingt werden.1026 Die Eintragung des Fortsetzungsbeschlusses ins Handelsregister, welche bei der GmbH lediglich deklaratorische Bedeutung hat,1027 kann freilich erst nach Eintritt der Bedingung erfolgen.1028 Bei der AG wird ebenfalls angenommen, dass der Fortsetzungsbeschluss unter der aufschiebenden Bedingung gefasst werden kann, dass es zu einer rechtskräftigen Bestätigung des Insolvenzplans und einer Aufhebung des Insolvenzverfahrens kommt.1029 Auch hier kann die im Gegensatz zur Rechtslage bei der GmbH gem. § 274 Abs. 4 Satz 1 AktG konstitutive Eintragung des Beschlusses ins Han 1023

Sinz, Münchener Komm. z. ­InsO, § 249 Rdn. 14a. Zöllner, in: Baumbach/Hueck, Komm. z. GmbHG, § 47 Rdn. 6; einschränkend H.-F. Müller, Der Verband in der Insolvenz (2002), S. 380; ders., KTS 2002, 209, 217, der auflösend bedingte Beschlüsse generell für unzulässig hält, aufschiebend bedingte Beschlüsse aber anerkennt. 1025 Priester/Veil, in: Scholz, Komm. z. GmbHG, § 53 Rdn. 185; Bayer, in: Lutter/Hommelhoff, Komm. z. GmbHG, § 53 Rdn. 42; a. A. Zöllner, in: Baumbach/Hueck, Komm. z. GmbHG, § 53 Rdn. 59, der bei Satzungsänderungen Bedingungen als Beschlussinhalt generell ablehnt. 1026 Nerlich, in: Michalski, Komm. z. GmbHG, § 60 Rdn. 375; Casper, in: Großkomm. z. GmbHG, § 60 Rdn. 134; Berner, Münchener Komm. z. GmbHG, § 60 Rdn. 252; Rasner, in: Rowedder/Schmidt-Leithoff, Komm. z. GmbHG, § 60 Rdn. 69. 1027 Haas, in: Baumbach/Hueck, Komm. z. GmbHG, § 60 Rdn. 92; Altmeppen, in: Roth/Altmeppen, Komm. z. GmbH, § 60 Rdn. 35. 1028 Nach überwiegender Ansicht sind bedingte Handelsregistereintragungen grds. unzulässig, vgl. BGH, Urteil vom 24. Oktober 2005, II ZR 55/04, DNotZ 2006, 214, 215; Westermann, Münchener Komm. z. BGB, § 158 Rdn. 33. 1029 Bachmann, in: Spindler/Stilz, Komm. z. AktG, § 274 Rdn. 9. 1024

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B. Abwicklung von Konzerninsolvenzen auf Grundlage des geltenden Rechts

delsregister erst nach Bedingungseintritt erfolgen.1030 Schließlich ist auch nicht ersichtlich, dass das Gesellschaftsrecht, wie von der Gegenansicht angenommen, eine Fassung des Fortsetzungsbeschlusses vor Aufhebung des Insolvenzverfahrens verbietet.1031 Denn die gesetzliche Regelung, welche eine Fortsetzung der Gesellschaft nur nach Bestätigung eines die Fortsetzung der Gesellschaft vorsehenden Insolvenzplans und Aufhebung des Insolvenzverfahrens zulässt, soll allein dem Umstand Rechnung tragen, dass eine Fortsetzung der Gesellschaft nicht mit dem Zweck des Insolvenzverfahrens zu vereinbaren ist, das Gesellschaftsvermögen zu Gunsten der Gläubiger zu verwerten.1032 Um diesen Widerspruch zu vermeiden ist es aber ausreichend, dass die Wirkungen des Fortsetzungsbeschlusses erst nach Aufhebung des Insolvenzverfahrens eintreten. Dies wird durch eine entsprechende Bedingung gewährleistet. Dass auch die Fassung des Beschlusses erst zu diesem Zeitpunkt zulässig ist, erscheint demgegenüber nicht erforderlich. Eine Bedingung des Fortsetzungsbeschlusses statt des Insolvenzplans war auch deshalb vorzugswürdig, weil durch den Fortsetzungsbeschluss im Gegensatz zum Insolvenzplan nicht zwangsweise in die Rechte der Gesellschafter oder Dritter eingegriffen wird. Insofern bestand bei einem Insolvenzplan ein höheres Bedürfnis nach Rechtssicherheit. Die Zulässigkeit einer Bedingung des gesamten Insolvenzplans war damit auch nach alter Rechtslage nicht erforderlich. Im Ergebnis ist es daher unzulässig, die gem. § 254 Abs. 1 Satz 1 ­InsO mit der Rechtskraft der Bestätigung eintretenden Wirkungen des Insolvenzplans zu bedingen. Folglich kann durch eine Bedingung nach § 158 BGB auch nicht das einheitliche Inkrafttreten der in parallelen Insolvenzverfahren verschiedener Konzern­ gesellschaften vorgelegten Insolvenzpläne erreicht werden. c) Eignung des Insolvenzplanverfahrens als Mittel zur Koordination paralleler Insolvenzverfahren verschiedener Konzerngesellschaften Insgesamt ist eine Koordination paralleler Insolvenzverfahren verschiedener Konzerngesellschaften mittels des Insolvenzplanverfahrens mit erheblichen Unsicherheiten behaftet. Da ein einheitlicher Insolvenzplan für den gesamten Konzern unzulässig ist, muss für jede Konzerngesellschaft ein eigener Insolvenzplan erstellt werden. Ist der Insolvenzverwalter für die Planerstellung zuständig, 1030 So für den Satzungsänderungsbeschluss, dessen Wirksamkeit von einer Bedingung abhängig gemacht wurde, Stein, Münchener Komm. z. AktG, § 179 Rdn. 50; Hüffer, Komm. z. AktG, § 179 Rdn. 26; Lutter, FS Quack (1991), 301, 310. 1031 Ebenso wohl Hüffer, Münchener Komm. z. AktG, § 274 Rdn. 10, wonach die Hauptversammlung den Fortsetzungsbeschluss bereits während des Insolvenzverfahrens fassen könne, dieser aber „erst mit Eintritt der insolvenzrechtlichen Voraussetzungen“ wirksam werde; auch Bachmann, in: Spindler/Stilz, Komm. z. AktG, § 274 Rdn. 9 geht hiervon aus, wenn er ausführt, dass „[d]er Fortsetzungsbeschluss […] auch unter der aufschiebenden Bedingung gefasst werden [kann], dass es zu einer entsprechenden Einstellung des Insolvenzverfahrens kommt“. 1032 Casper, Großkomm. z. GmbHG, § 60 Rdn. 145; Fichtelmann, GmbHR 2003, 67, 70.

V. Ergebnis zur Verfahrenskoordination

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beispielsweise weil ihn die Gläubigerversammlung zur Vorlage eines Insolvenzplans angewiesen hat, und ist nicht derselbe Insolvenzverwalter für alle insolventen Konzerngesellschaften bestellt worden, so ist bereits bei der Ausarbeitung eines konzernweiten Abwicklungs- oder Sanierungskonzeptes sowie der Erstellung der jeweiligen Pläne eine Kooperation der Verwalter erforderlich. Gleiches gilt auch für die Verwaltung der einzelnen Insolvenzmassen bis zum Inkraft­treten dieser Pläne. Soweit in der Vergangenheit vorgeschlagen wurde, in den Insolvenzverfahren der Tochtergesellschaften Eigenverwaltung anzuordnen und damit dem Insolvenzverwalter der Konzernmutter durch Ausübung der Stimmrechte aus den Gesellschaftsanteilen eine Einflussnahme auf die Masseverwaltung zu ermöglichen, ist diese Möglichkeit mit der Einführung des § 276a ­InsO entfallen. Aber selbst wenn es zu einer Kooperation der beteiligten Verwalter bzw. bei Anordnung der Eigenverwaltung zu einer Kooperation der Leitungsorgane der schuldnerischen Gesellschaften kommt, bleibt die Schwierigkeit, dass ein einheitliches Inkrafttreten aller vorgelegten Insolvenzpläne auf Grundlage des geltenden Rechts nicht sichergestellt werden kann. Dies dürfte die Bereitschaft der Gläubiger, in dem jeweiligen Verfahren einem Insolvenzplan zuzustimmen, welcher Teil eines konzernweiten Konzeptes ist, erheblich mindern. Somit hängt eine Koordination paralleler Insolvenzverfahren verschiedener Konzerngesellschaften mittels abgestimmter Insolvenzpläne in hohem Maße von der Kooperationsbereitschaft der beteiligten Verwalter und Gläubiger ab. Dies dürfte es gerade bei größeren Konzernen erschweren, auf diesem Wege die einzelnen Verfahren zu koordinieren.

V. Ergebnis zur Verfahrenskoordination auf Grundlage des geltenden Rechts Auf Grundlage des geltenden Rechts ist die Abwicklung einer Konzerninsolvenz mit erheblichen Unsicherheiten belastet. So lässt sich ein einheitlicher Gerichtsstand aller insolventen Konzerngesellschaften auf Grundlage von § 3 Abs. 1 ­InsO bzw. Art. 3 Abs. 1 ­EuInsVO kaum begründen. Im Anwendungsbereich der ­EuInsVO kommt hinzu, dass selbst bei Annahme einer konzernweit einheitlichen internationalen Zuständigkeit die Verfahrenskoordination durch die Eröffnung von Sekundärinsolvenzverfahren erheblich erschwert wird. Auch die Bestellung desselben Insolvenzverwalters für mehrere bzw. alle insolventen Konzerngesellschaften erscheint problematisch. Nach nationalem deutschem Insolvenzrecht hat das Insolvenzgericht hier einen erheblichen Entscheidungsspielraum, vor allem hinsichtlich der Reichweite der Befugnisse des Sonderinsolvenzverwalters, dessen Einsetzung nach hier vertretener Ansicht zwingend erforderlich ist. Zudem sind sowohl bei der Insolvenz nationaler als auch internationaler Konzerne zumeist unterschiedliche Insolvenzgerichte für die Insolvenzverfahren der einzelnen Konzerngesellschaften zuständig, weshalb die Bestellung desselben Insolvenzverwalters nur möglich ist, sofern sich die beteiligten Insolvenzgerichte absprechen. Hier bleibt den Beteiligten nur, auf einen „wirtschaftlich denkende[n] Rich-

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B. Abwicklung von Konzerninsolvenzen auf Grundlage des geltenden Rechts

ter zu setzen“,1033 der die Möglichkeit einer Verfahrenskoordination erkennt und nutzt. Werden verschiedene Insolvenzverwalter für die einzelnen Konzerngesellschaften bestellt, so erscheint eine koordinierte Abwicklung der parallelen Insolvenzverfahren nur möglich, sofern die Verwalter freiwillig zusammenarbeiten.1034 Eine solche Zusammenarbeit dürfte dann zumeist auf Grundlage unverbindlicher Absprachen erfolgen. Zwar ist auch der Abschluss von rechtsverbindlichen Kooperationsvereinbarungen, sog. Insolvenzverwaltungsverträgen, zumindest nach deutschem Recht in gewissem Umfang zulässig. Allerdings erscheint dieses Instrument angesichts des zeitlichen Aufwandes, welcher zur Aushandlung einer solchen Vereinbarung erforderlich ist, und der Unsicherheit über die Entwicklungen in den einzelnen Verfahren zur Verfahrenskoordination nur bedingt geeignet. Werden die Insolvenzverfahren mehrerer Konzerngesellschaften nach deutschem Insolvenzrecht abgewickelt, so können auch die außerhalb des Insolvenzverfahrens bestehenden Einflussmöglichkeiten der Konzernmutter nicht zur Abstimmung der parallelen Verfahren genutzt werden. Denn die Wirkungen eines Beherrschungsvertrages werden mit Eröffnung des Insolvenzverfahrens über das Vermögen der Untergesellschaft suspendiert, zudem sind auch der Insolvenzverwalter sowie bei Anordnung der Eigenverwaltung das Leitungsorgan der schuldnerischen Gesellschaft bei der Verwaltung der Insolvenzmasse von den übrigen Gesellschaftsorganen unabhängig. Auch das Insolvenzplanverfahren ist als Koordinationsinstrument nur eingeschränkt geeignet, da ein einheitlicher Insolvenzplan über das Vermögen mehrerer Konzerngesellschaften unzulässig ist und ein einheitliches Inkrafttreten mehrerer Insolvenzpläne nicht sichergestellt werden kann.

1033

Braun/Uhlenbruck, Unternehmensinsolvenz (1997), S. 522. Vgl. Hirte, ECFR 2008, 213, 215: „Practitioners […] have reacted to this situation by coordinating the different insolvency procedures of a companies’ group on a voluntary basis“. 1034

C. Ausgestaltung eines künftigen Konzerninsolvenzrechts Angesichts der beschriebenen Schwierigkeiten, welche bei der Abwicklung pa­ ralleler Insolvenzverfahren über das Vermögen mehrerer Konzerngesellschaften auf Grundlage des geltenden Rechts bestehen, wird seit geraumer Zeit an der Schaffung eines speziellen „Konzerninsolvenzrechts“ gearbeitet. Im Folgenden sollen die bisher diskutierten Regelungsmöglichkeiten dargestellt und Regelungsvorschläge entwickelt werden. Hierbei ist zwischen Regelungen im nationalen deutschen Insolvenzrecht und Regelungen auf europäischer Ebene zu differenzieren.

I. Regelungen für eine Konzerninsolvenz im deutschen Insolvenzrecht Im Bundesjustizministerium fand bereits 2008 ein „Symposion zum Konzern­ insolvenzrecht“ statt, in dessen Folge Gesetzesvorschläge erarbeitet, aber nicht veröffentlicht wurden.1 Im März 2010 kündigte Bundesjustizministerin Leutheusser-Schnarrenberger dann eine gestufte Reform des deutschen Insolvenzrechts an. Zunächst sollte ein Reorganisationsverfahren für systemrelevante Kreditinstitute geschaffen sowie die Sanierung insolventer Unternehmen erleichtert werden.2 Im Rahmen dieser ersten Stufe wurde das seit 1. Januar 2011 geltende Restrukturierungsgesetz3 sowie das im Wesentlichen am 1. März 2012 in Kraft getretene Gesetz zur weiteren Erleichterung der Sanierung von Unternehmen (ESUG)4 erlassen. In einer zweiten Stufe soll dann das Verbraucherinsolvenzverfahren reformiert und schließlich sollen in einer dritten Stufe Regelungen für die Insolvenz konzernverbundener Gesellschaften geschaffen werden.5 Erste Eckpunkte der vom Bundesjustizministerium geplanten konzerninsolvenzrechtlichen Regelungen wurden 1

So die Schilderung bei K. Schmidt, KTS 2010, 1, 3 (insbes. Fn. 9), der in diesem Beitrag die entsprechenden Vorschläge auch teilweise darstellt und erläutert. 2 Rede der Bundesjustizministerin Leutheusser-Schnarrenberger beim 7. Deutschen Insolvenzrechtstag am 18. März 2010 in Berlin, ­Z­InsO 2010, 614 ff. 3 Gesetz zur Restrukturierung und geordneten Abwicklung von Kreditinstituten, zur Errichtung eines Restrukturierungsfonds für Kreditinstitute und zur Verlängerung der Verjährungsfrist der aktienrechtlichen Organhaftung (Restrukturierungsgesetz) vom 9. Dezember 2010, BGBl. I 2010, S. 1900 ff. 4 Gesetz zur weiteren Erleichterung der Sanierung von Unternehmen vom 7. Dezember 2011, BGBl. I 2011, S. 2582 ff.; die Art. 4, 5, 7, 8 dieses Gesetzes betreffend Änderungen des GVG, des RpflG, die Einführung des Insolvenzstatistikgesetzes sowie Änderungen des EGGVG sind zum 1. Januar 2013 in Kraft getreten. 5 Rede der Bundesjustizministerin Leutheusser-Schnarrenberger beim 7. Deutschen Insolvenzrechtstag am 18. März 2010 in Berlin, ­Z­InsO 2010, 614, 616 f.

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C. Ausgestaltung eines künftigen Konzerninsolvenzrechts

im März 2012 vorgestellt.6 Ferner hat sich auch die United Nations Commission on International Trade Law (UNCITRAL) mit dem Thema „Konzerninsolvenz“ befasst. So wurden im Juli 2010 im dritten Teil des „Legislative Guide on Insolvency Law“ an die nationalen Gesetzgeber gerichtete Empfehlungen für die Behandlung von Firmengruppen in der Insolvenz veröffentlicht.7 Auch die deutsche rechtswissenschaftliche Literatur hat sich mit der Schaffung gesetzlicher Regelungen für eine „Konzerninsolvenz“ beschäftigt. Teilweise wird hierbei konstatiert, dass jeder Versuch scheitern müsse, die wirtschaftliche Einheit eines Konzerns in entsprechenden insolvenzrechtlichen Regelungen abzubilden. Denn die „dogmatischen Grundlagen“ des deutschen Rechts seien hierfür nicht geeignet. Zudem träten in der Praxis Schwierigkeiten auf, die jedweden Vorteil eines Konzerninsolvenzrechts sofort wieder entfallen lassen würden. Deshalb sei es zu empfehlen, „den Begriff der Konzerninsolvenz aufzugeben und die Bemühungen, ein – wie auch immer geartetes – Konzerninsolvenzrecht zu schaffen, einzustellen“.8 Andere sehen hingegen die mit der Schaffung eines Konzern­ insolvenzrechts verbundenen Schwierigkeiten als lösbar an und haben bereits konkrete Vorschläge für entsprechende Regelungen erarbeitet. Unter Rückgriff auf diese Vorschläge soll im Folgenden versucht werden, Regelungen für ein künftiges Konzerninsolvenzrecht zu entwickeln. Hierbei wird sich dann auch zeigen, ob die Bedenken gerechtfertigt sind, dass sich die mit einer „Konzerninsolvenz“ verbundenen Probleme nicht überzeugend durch rechtliche Regelungen lösen lassen. 1. Die von den Regelungen für eine Konzerninsolvenz betroffenen Rechtssubjekte Bei der Schaffung eines speziellen Konzerninsolvenzrechts muss zunächst der Anwendungsbereich der entsprechenden Regelungen bestimmt werden. Erforderlich sind deshalb Kriterien, an Hand derer die Zugehörigkeit eines Rechtssubjekts zu einem Konzern bestimmt werden kann. Naheliegend ist es hierbei, auf entsprechende Bestimmungen außerhalb des Insolvenzrechts zurückzugreifen. Eine solche Bestimmung ist § 18 AktG. Hier wird in § 18 Abs. 1 AktG der sog. Unterordnungskonzern und in § 18 Abs. 2 AktG der sog. Gleichordnungskonzern geregelt. Beide Konzernarten setzen voraus, dass mehrere Unternehmen unter einheitlicher Leitung zusammengefasst sind. Allerdings ist der Begriff der einheitlichen Leitung im Gesetz nicht definiert. Lediglich bei Bestehen 6 Siehe hierzu die Rede der Bundesjustizministerin Leutheusser-Schnarrenberger beim 9. Deutschen Insolvenzrechtstag der Arbeitsgemeinschaft Insolvenzrecht im Deutschen Anwaltverein am 22. März 2012 in Berlin, ­Z­InsO 2012, 637, 639 ff. 7 UNCITRAL Legislative Guide on Insolvency Law, Part three: Treatment of enterprise groups in insolvency, pre release 21 July 2010, siehe zu diesen Empfehlungen Paulus, ZGR 2010, 270, 272 ff. 8 Ehricke, Kölner Schrift z. ­InsO, Kap. 32 Rdn. 61.

I. Regelungen für eine Konzerninsolvenz im deutschen Insolvenzrecht

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eines Beherrschungsvertrages oder im Falle der Eingliederung wird das Vorliegen eines Konzerns gem. § 18 Abs. 1 Satz 2 AktG unwiderleglich vermutet. Die in § 18 Abs. 1 Satz 3 AktG enthaltene und an die bloße Abhängigkeit gem. § 17 AktG anknüpfende Vermutung ist hingegen widerleglich.9 Außerhalb der in § 18 Abs. 1 Satz 2 AktG genannten Fälle bleibt damit unklar, nach welchen Kriterien die Zusammenfassung mehrerer Unternehmen unter einheitlicher Leitung zu ermitteln ist. Teilweise wird verlangt, dass die Konzernspitze für nahezu alle zentralen Unternehmensbereiche der einzelnen Konzerngesellschaften einheitliche Vorgaben aufstellt und durchsetzt, andere lassen es hingegen ausreichen, wenn solche Vorgaben nur für einzelne Unternehmensbereiche bestehen. Einigkeit besteht lediglich darin, dass eine einheitliche Leitung jedenfalls dann zu bejahen ist, wenn eine zentrale Finanzplanung, beispielsweise mittels eines zentralen cashmanagement-Systems, existiert.10 Diese Unschärfe des aktienrechtlichen Konzernbegriffs ist für das Aktienrecht selbst weitgehend unschädlich. Denn außerhalb des Vertrags- und Eingliederungskonzerns knüpfen die Regelungen des AktG, beispielsweise die §§ 311 ff. AktG, bereits an die Abhängigkeit nach § 17 AktG an. Die Abhängigkeit wird deshalb als „der zentrale Tatbestand“ des Konzernrechts bezeichnet.11 Aber auch außerhalb des Aktiengesetzes wird auf den Konzernbegriff des § 18 AktG nur noch im Mitbestimmungsrecht Bezug genommen. So werden nach § 5 Abs. 1 Satz 1 MitbestG dem herrschenden Unternehmen eines Konzerns im Sinne des § 18 Abs. 1 AktG bei der Anwendung dieses Gesetzes die Arbeitnehmer aller anderen Konzernunternehmen zugerechnet. Hier wird dann die Frage, ob mehrere Unternehmen unter einheitlicher Leitung zusammengefasst sind, als „zentrale[s] Problem“ angesehen.12 Im Bilanzrecht wird dagegen zur Bestimmung des Kreises der in einen Konzernabschluss einzubeziehenden Unternehmen auf andere Kriterien abgestellt. Hier ist nach § 290 Abs. 1 Satz 1 HGB ausschlaggebend, ob eine Kapitalgesellschaft auf ein anderes Unternehmen unmittelbar oder mittelbar einen beherrschenden Einfluss ausüben kann. Nicht verlangt wird hingegen, dass die Kapitalgesellschaft von dieser Möglichkeit auch Gebrauch macht.13 In § 290 Abs. 2 HGB sind Beispielskonstellationen genannt, in denen ein beherrschender Einfluss stets anzunehmen ist. Nach § 290 Abs. 3 Satz 1 HGB gelten die einem Tochterunternehmen zustehenden Rechte im Sinne des § 290 Abs. 2 HGB als Rechte des Mutterunternehmens, weshalb auch Enkelgesellschaften als Tochterunternehmen des Mutterunternehmens anzusehen sind.14 § 290 Abs. 3 Sätze 2 und 3 HGB enthal 9

Emmerich, in: Emmerich/Habersack, Aktien- und GmbH-Konzernrecht, § 18 Rdn. 20. Siehe hierzu die Darstellung der unterschiedlichen Ansichten zum Begriff der einheitlichen Leitung sowie entsprechende Nachweise bei Emmerich, in: Emmerich/Habersack, Aktien- und GmbH-Konzernrecht, § 18 Rdn. 9 ff.; Bayer, Münchener Komm. z. AktG, § 18 Rdn.  28 ff. 11 So Hüffer, Komm. z. AktG, § 17 Rdn. 1.  12 So Reiser/Veil, Komm. z. MitbestG und DrittelbetG, MitbestG § 5 Rdn 13. 13 Kozikowski/Kreher, in: Beck’scher Bilanz-Kommentar, § 290 Rdn. 20. 14 Kozikowski/Kreher, in: Beck’scher Bilanz-Kommentar, § 290 Rdn. 80. 10

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C. Ausgestaltung eines künftigen Konzerninsolvenzrechts

ten sodann Regelungen über die Zurechnung von Rechten Dritter sowie den Abzug bestimmter Rechte, die dem Mutterunternehmen materiell nicht zustehen. § 290 Abs. 4 HGB regelt schließlich die Berechnung der Stimmrechtsmehrheit nach § 290 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 HGB. Fraglich ist nun, an welche dieser Regelungen bei der Schaffung eines Konzerninsolvenzrechts angeknüpft werden sollte. Große Unterschiede dürften zwischen den beiden Alternativen nicht bestehen. Denn nach § 18 Abs. 1 Satz 3 AktG wird das Vorliegen eines Konzerns vermutet, sofern ein Unternehmen von einem anderen Unternehmen im Sinne des § 17 AktG abhängig ist. Voraussetzung der Abhängigkeit ist nach § 17 Abs. 1 AktG, dass ein Unternehmen auf ein anderes Unternehmen einen beherrschenden Einfluss ausüben kann. Damit entspricht der Wortlaut des § 17 Abs. 1 AktG dem des § 290 Abs. 1 HGB. Allerdings erscheint unklar, ob beide Vorschriften identisch auszulegen sind. So wird im Rahmen des § 17 AktG gefordert, dass der beherrschende Einfluss gesellschaftsrechtlich vermittelt sein muss.15 Im Rahmen des § 290 HGB erscheint dies hingegen fraglich, da nach § 290 Abs. 2 Satz 1 Nr. 4 HGB eine Beherrschungsmöglichkeit auch dann vorliegt, wenn das Mutterunternehmen bei wirtschaftlicher Betrachtung die Mehrheit der Risiken und Chancen eines Unternehmens trägt, welches zur Erreichung eines eng begrenzten und genau definierten Ziels des Mutterunternehmens dient und damit eine sog. Zweckgesellschaft darstellt. Hier wird eine gesellschaftsrechtliche Verbindung als entbehrlich angesehen.16 Allerdings wird § 290 Abs. 2 Satz 1 Nr. 4 HGB teilweise als „begründete kasuistische Ausnahme vom allgemeinen Beherrschungskonzept“ bezeichnet, weshalb bei Gesellschaften ohne Zwecksetzung für eine Beherrschung stets auch eine „gesellschaftsrechtliche Fundierung“ verlangt wird.17 Zu einem ähnlichen Ergebnis gelangt auch eine andere Ansicht, die § 290 Abs. 1 HGB als „Verweisung auf § 17 AktG ‚in entsprechender Anwendung‘“ versteht.18 Weniger weit geht hingegen eine weitere Ansicht, wonach im Rahmen des § 290 HGB ein Rückgriff auf die zu § 17 Abs. 1 AktG entwickelten Auslegungskriterien lediglich „in Frage kommen“ könne.19 Hiermit wird deutlich, dass trotz gewisser Unterschiede im Detail eine erhebliche Ähnlichkeit zwischen den §§ 17, 18 AktG und § 290 HGB besteht.

15

BGH, Urteil vom 26. März 1984, II ZR 171/83, BGHZ 90, 381, 394 ff. („BuM“); Hüffer, Komm. z. AktG, § 17 Rdn. 8; Raiser/Veil, Recht der Kapitalgesellschaften, § 51 Rdn. 23 f.; im Grundsatz auch Schall, in: Spindler/Stilz, Komm. z. AktG, § 17 Rdn. 21 ff., der aber eine Ausnahme zulässt, sofern ein Unternehmen dem anderen „seinen Willen aufzwingen kann bzw. [ihn] tatsächlich durchsetzt“. 16 Küting/Seel, BB 2010, 1459, 1462. 17 So Lüdenbach/Freiberg, BB 2009, 1230, 1232. 18 So Schall, in: Spindler/Stilz, Komm. z. AktG, Vor § 15 Rdn. 17. 19 So Kozikowski/Kreher, Beck’scher Bilanz-Kommentar, § 290 Rdn. 21, die aber gleichzeitig einräumen, dass § 17 Abs. 1 AktG „weitgehend mit den Begriffsmerkmalen des § 290 [HGB] überein[stimmt]“.

I. Regelungen für eine Konzerninsolvenz im deutschen Insolvenzrecht

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Für eine Übernahme der in § 290 HGB genannten Kriterien in das Insolvenzrecht spricht allerdings die praktische Erwägung, dass der Kreis der in den Konzernabschluss einzubeziehenden Unternehmen ohnehin jährlich bei der Aufstellung dieses Abschlusses ermittelt und geprüft werden muss. An das hier gefundene Ergebnis könnte dann bei der Anwendung konzernbezogener Regelungen des Insolvenzrechts angeknüpft werden, wodurch den jeweiligen Stellen die entsprechende Prüfung erleichtert würde. Zudem folgt § 290 HGB durch die Anknüpfung an die Beherrschungsmöglichkeit einem international anerkannten Ansatz,20 weshalb durch eine Übernahme der dort genannten Kriterien die Chancen erhöht würden, dass eine entsprechende Regelung auch bei grenzüberschreitenden Sachverhalten Anwendung findet.21 Allerdings sollte § 290 HGB nicht insgesamt in das Insolvenzrecht übertragen werden. Vielmehr ist die Übernahme auf die in § 290 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1–3 HGB genannten Fälle zu beschränken. Denn diese Tatbestände knüpfen an rechtliche Kriterien an und ermöglichen damit eine „vergleichsweise einfach[e]“ Bestimmung eines Mutter-Tochter-Verhältnisses.22 Der in § 290 Abs. 2 Satz 1 Nr. 4 HGB geregelte Tatbestand der Zweckgesellschaft hingegen erfordert eine wirtschaftliche Betrachtungsweise und eröffnet so dem Rechtsanwender einen der Rechtssicherheit abträglichen Ermessenspielraum.23 Gleiches gilt auch für die Generalklausel des § 290 Abs. 1 HGB, die über die in § 290 Abs. 2 HGB genannten Sachverhalte hinaus weitere faktische Beherrschungsmöglichkeiten erfasst,24 beispielsweise durch eine Präsenzmehrheit des Mutterunternehmens in der Gesellschafterversammlung des Tochter­ unternehmens.25 Bedenken, dass auch die in § 290 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1–3 HGB genannten Kriterien für eine praktikable Bestimmung des Geltungsbereiches konzernbezogener Regelungen zu unscharf seien und deshalb das Insolvenzgericht überfordern könnten,26 erscheinen hingegen nicht gerechtfertigt. Denn dem Insolvenzgericht werden bereits nach geltendem Recht mitunter komplexe Beurteilungen abverlangt, beispielsweise bei der Feststellung des Eröffnungsgrundes oder im Rahmen des Insolvenzplanverfahrens bei der Anwendung der §§ 245, 251 ­InsO. In Anbetracht dessen ist dem Insolvenzgericht die Prüfung der in § 290 Abs. 2 20 Nach Ernst/Seidler, BB 2009, 766, 768 ist die Anknüpfung an die Beherrschungsmöglichkeit das „international übliche Konsolidierungskonzept“; auf die Möglichkeit der Beherrschung stellt auch IAS 27.4 ab. 21 Hirte, ZIP 2008, 444, 446; zustimmend Vallender, FS Runkel (2009), 373, 381. 22 Küting/Seel, BB 2010, 1459, 1460. 23 Küting/Seel, BB 2010, 1459, 1462 f. 24 Kozikowski/Kreher, Beck’scher Bilanz-Kommentar, § 290 Rdn. 20. 25 Kozikowski/Kreher, Beck’scher Bilanz-Kommentar, § 290 Rdn. 50. 26 So für eine an die Kriterien des § 290 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1–3 HGB anknüpfende Regelung eines konzernweit einheitlichen Gerichtsstandes K. Schmidt, KTS 2010, 1, 12 f.; ähnlich Splittgerber, Die örtliche Zuständigkeit in Insolvenzverfahren konzernverbundener Unternehmen (2011), S. 287, der die „Aufnahme definitorischer Voraussetzungen […] in eine Zuständigkeitsnorm“ aufgrund der Befürchtung von Rechtsunsicherheit ablehnt.

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C. Ausgestaltung eines künftigen Konzerninsolvenzrechts

Satz 1 Nr. 1–3 HGB genannten Kriterien durchaus zuzutrauen. Zudem kann dem Insolvenzgericht diese Prüfung auch durch die Einführung entsprechender Auskunftspflichten der schuldnerischen Gesellschaften erleichtert werden. Schließlich sind auch andere, leichter anzuwendende Kriterien nicht ersichtlich. Insbesondere das Vorliegen einer einheitlichen Leitung im Sinne des § 18 AktG dürfte kaum einfacher zu prüfen sein. Damit erscheint es überzeugend, bei der Bestimmung des Geltungsbereichs konzernbezogener insolvenzrechtlicher Regelungen an die in § 290 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1–3 HGB genannten Kriterien anzuknüpfen.27 Über den Geltungsbereich des § 290 HGB hinaus, der lediglich Kapitalgesellschaften zur Aufstellung eines Konzernabschlusses verpflichtet, sollten die konzernbezogenen Regelungen des Insolvenzrechts aber auch Gesellschaften ohne Rechtspersönlichkeit sowie natürliche Personen, die an der Spitze eines Konzerns stehen, erfassen.28 Denn die mit einer koordinierten Abwicklung der Insolvenzverfahren verbundenen Vorteile bestehen unabhängig von der Rechtsform der einzelnen Konzernglieder. Eine Erfassung von Gesellschaften ohne Rechtspersönlichkeit oder einer natürlichen Person als Konzernspitze wird durch eine Anknüpfung an die in § 290 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1–3 HGB genannten Kriterien allerdings nicht ausgeschlossen. Dies zeigt sich schon daran, dass diese Kriterien gem. § 11 Abs. 6 Nr. 1 PublG auch im Rahmen des § 11 Abs. 1 PublG gelten, der rechtsformneutral alle Unternehmen einer bestimmten Größe zur Rechnungslegung nach den §§ 12 ff. PublG und damit gem. § 13 Abs. 1 Satz 1 ­PublG auch zur Aufstellung eines Konzernabschlusses verpflichtet. Insoweit wäre lediglich bei der Formulierung der entsprechenden insolvenzrechtlichen Bestimmungen darauf zu achten, dass diese unabhängig von einer bestimmten Rechtsform der Konzernspitze Anwendung finden. 2. Schaffung eines konzernweit einheitlichen Gerichtsstandes Als erster Bestandteil eines künftigen „Konzerninsolvenzrechts“ kommt ein einheitlicher Gerichtsstand für alle konzernangehörigen Gesellschaften in Betracht.29 Er hätte den Vorteil, dass dasselbe Gericht in den Insolvenzverfahren der 27 So auch im Hinblick auf einen konzernweit einheitlichen Gerichtsstand Hirte, ZIP 2008, 444, 445 f.; Vallender, FS Runkel (2009), 373, 381; Vallender/Deyda, NZI 2009, 825, 829; auch im Bundesjustizministerium wird bei der Schaffung konzerninsolvenzrechtlicher Regelungen eine Anknüpfung an das „in § 290 HGB niedergelegte Beherrschungskriterium“ geplant, vgl. die Rede der Bundesjustizminiterin Leutheusser-Schnarrenberger beim 9. Deutschen Insolvenzrechtstag der Arbeitsgemeinschaft Insolvenzrecht im Deutschen Anwaltverein am 22. März 2012 in Berlin, ­Z­InsO 2012, 637, 640. 28 Für die Einbeziehung einer natürlichen Person als Konzernspitze auch Hirte, ZIP 2008, 444, 446. 29 Die Schaffung eines konzernweit einheitlichen Gerichtsstandes wurde auch von Bundesjustizministerin Leutheusser-Schnarrenberger in ihrer Rede auf dem 7. Deutschen Insolvenzrechtstag am 18. März 2010 in Berlin angekündigt, vgl. ­Z­InsO 2010, 614, 617; auch in ihrer

I. Regelungen für eine Konzerninsolvenz im deutschen Insolvenzrecht

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einzelnen Konzerngesellschaften die jeweils erforderlichen gerichtlichen Entscheidungen trifft und hierbei dann auf eine Abstimmung der einzelnen Verfahren hinwirken kann. Dies gilt beispielsweise für die Anordnung von Sicherungsmaßnahmen im Eröffnungsverfahren sowie insbesondere für die Bestellung des Insolvenzverwalters.30 Ein konzernweit einheitlicher Insolvenzgerichtsstand wird bereits auf Grundlage des geltenden Rechts angestrebt.31 Im Hinblick darauf, dass ein solcher zentraler Gerichtsstand durch die Verlegung des Tätigkeitsmittelpunktes der einzelnen Konzerngesellschaften in den Bezirk desselben Insolvenzgerichts herbeigeführt werden kann,32 wird aber teilweise auch die Einführung entsprechender gesetzlicher Regelungen für entbehrlich erachtet.33 Allerdings könnte durch Einführung einer gesetzlichen Regelung ein konzernweit einheitlicher Gerichtsstand geschaffen werden, ohne dass der Tätigkeitsmittelpunkt der einzelnen Konzerngesellschaften vor der Eröffnung des jeweiligen Insolvenzverfahrens verlegt werden müsste. Damit müssten die für eine solche Verlegung erforderlichen zeitlichen und finanziellen Ressourcen nicht aufgewendet werden.34 Deshalb erscheint die Schaffung entsprechender gesetzlicher Regelungen grundsätzlich sinnvoll. Kontrovers beurteilt wird aber, in welcher Form ein solcher konzernweit einheitlicher Gerichtsstand geregelt werden könnte. a) Vorgeschlagene Regelungsmodelle Teilweise wird eine Regelung nach dem Prioritätsprinzip befürwortet. Innerhalb dieser Ansicht wird allerdings unterschiedlich beurteilt, an welches Ereignis hierbei angeknüpft werden sollte. So wird vorgeschlagen, dass eine konzernweite Zuständigkeit bei demjenigen Insolvenzgericht begründet werden soll, welches „als erstes mit einem Insolvenzverfahren eines Unternehmens des betreffenden KonRede beim 9. Deutschen Insolvenzrechtstag der Arbeitsgemeinschaft Insolvenzrecht im Deutschen Anwaltverein am 22. März 2012 in Berlin führt die Bundesjustizministerin aus, dass ein konzernweit einheitlicher Gerichtsstand „erwogen werden“ sollte, vgl. ZInsO 2012, 637, 641. 30 Zu diesen Vorteilen Ehricke, Kölner Schrift z. ­InsO, Kap. 32 Rdn. 25, der angesichts dessen die Zuständigkeitskonzentration als „Kern einer koordinierten und abgestimmten Verfahrensgestaltung“ bezeichnet; ähnlich Hirte, ZIP 2008, 444, der die Zuständigkeit unterschiedlicher Insolvenzgerichte für die einzelnen Konzerngesellschaften als „zentrales Problem“ ansieht. 31 Zur Annahme eines konzernweit einheitlichen Gerichtsstandes auf Grundlage des § 3 Abs. 1 ­InsO siehe oben B. I. 1. 32 Siehe hierzu oben B. I. 1. b). 33 So Splittgerber, Die örtliche Zuständigkeit in Insolvenzverfahren konzernverbundener Unternehmen (2011), S. 302, der lediglich eine Regelung vorschlägt, wonach die Verlegung des Tätigkeitsmittelpunktes innerhalb von sechs Monaten vor dem Insolvenzantrag nur anerkannt werden soll, wenn die auf diese Weise geschaffene Zuständigkeit den Gläubigern dienlich ist, einen effektiven und zügigen Verfahrensbetrieb ermöglicht und einem nicht offensichtlich untauglichen Sanierungsplan entspricht, vgl. a. a. O. S. 303. 34 Vgl. Mankowski, NZI 2008, 355, 356, wonach das „Insolvency Planning“ „Mühe und Vorbereitung“ erfordert.

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C. Ausgestaltung eines künftigen Konzerninsolvenzrechts

zerns befasst ist“. Dies entspreche dem Gedanken des § 3 Abs. 2 ­InsO.35 Hiernach käme es also auf den ersten für eine Konzerngesellschaft gestellten Insolvenz­ antrag an. Andere hingegen schlagen die Einführung eines konzernweit einheit­ lichen Gerichtsstandes bei dem Insolvenzgericht vor, welches als erstes ein Insolvenzverfahren über das Vermögen einer Konzerngesellschaft eröffnet hat.36 Als Vorteil des Prioritätsprinzip wird angeführt, dass dieses „eine verlässliche und klar bestimmbare“ Regelung der Zuständigkeit ermögliche. Etwaige Manipulationsmöglichkeiten, beispielsweise indem der Insolvenzgrund durch konzerninterne Vermögensverschiebungen von einer Konzerngesellschaft auf eine andere verlagert oder eine Tochtergesellschaft im Bezirk des gewünschten Insolvenzgerichts als „Insolvenzvehikel“ erworben wird, seien im Sinne eines „Wettbewerbs der Insolvenzgerichte“ hinzunehmen. Denn die Konsequenzen einer Manipulation des Gerichtsstandes seien angesichts des innerhalb Deutschlands identischen Insolvenzrechts „nicht gravierend“. Ein unzuständiges Insolvenzgericht solle, auch wenn sich die Unzuständigkeit erst nachträglich herausstelle, verpflichtet sein, das Verfahren an das zuständige Gericht zu verweisen.37 Schließlich solle für einen von einer Gesellschaft gestellten Eigenantrag vorgeschrieben werden, dass in diesem Antrag auch Angaben zur Konzernzugehörigkeit dieser Gesellschaft enthalten sein müssen.38 Eine andere Ansicht plädiert für eine konzernweite Zuständigkeit des Insolvenzgerichts am Sitz der Konzernmutter.39 Überwiegend wird hierbei gefordert, diesen zentralen Gerichtsstand nur für Eigenanträge der Konzerngesellschaften, nicht aber für Fremdanträge der Gläubiger zu eröffnen.40 Denn hierdurch werde für „sanierungswillige und entsprechend vorbereitete und beratene Konzernunternehmen“ ein Anreiz zur frühzeitigen Stellung eines Insolvenzantrags geschaffen.41 Zudem könnten die Gläubiger, die regelmäßig keine Kenntnis von den Konzernstrukturen haben, dem Gericht auch keine diesbezüglichen Informationen liefern. Somit bestünde die Gefahr, dass ein Gericht seine Unzuständigkeit erst spät erkennt und zu 35 Ehricke, DZWIR 1999, 353, 360; ebenso bereits ders., Das abhängige Konzernunternehmen in der Insolvenz (1998), S. 486, wonach sich eine solche Regelung als „[a]bstrakt gesehen […] am überzeugendsten“ erweise. 36 So der Vorschlag für die neu einzufügenden Abs. 3 und 4 des § 3 ­InsO von Hirte, ZIP 2008, 444, 445. 37 Hirte, ZIP 2008, 444, 445. 38 Hirte, ZIP 2008, 444, 446. 39 So die Gesetzesvorschläge bei Jaffé/Friedrich, ZIP 2008, 1849, 1853; Vallender, FS Runkel (2009), 373, 391; Vallender/Deyda, NZI 2009, 825, 829; ebenso Verhoeven, Die Konzern­ insolvenz (2011), S. 253 f.; Westpfahl/Janjuah, Beilage zu ZIP 3/2008, 1, 7; Kübler, ZGR 1984, 560, 587. 40 Jaffé/Friedrich, ZIP 2008, 1849, 1852; Vallender, FS Runkel (2009), 373, 386 f.; Westpfahl/Janjuah, Beilage zu ZIP 3/2008, 1, 7; a. A. Kübler, ZGR 1984, 560, 587, der es einer Tochtergesellschaft bzw. deren Gläubigern gestatten will, „den Insolvenzantrag fakultativ sowohl am Sitz der Tochtergesellschaft als auch an dem der Muttergesellschaft zu stellen“. 41 Jaffé/Friedrich, ZIP 2008, 1849, 1852; zustimmend Vallender, FS Runkel (2009), 373, 386 f.

I. Regelungen für eine Konzerninsolvenz im deutschen Insolvenzrecht

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diesem Zeitpunkt bereits Sicherungsmaßnahmen angeordnet hat.42 Auch solle ein solcher Gerichtsstand am Sitz der Konzernmutter unabhängig davon eingreifen, ob für die Konzernmutter selbst ein Insolvenzantrag gestellt wurde. Denn dann könnten durch ein Sanierungskonzept für eine insolvente Tochtergesellschaft, welches die Lage des gesamten Konzerns berücksichtigt, existenzbedrohende Risiken von einer solventen Konzernmutter ferngehalten werden.43 Lediglich vereinzelt wird erwogen, die konzernweite Zuständigkeit des Insolvenzgerichts am Sitz der Konzernmutter nur vorzusehen, sofern für diese Gesellschaft gleichfalls ein Insolvenzantrag gestellt wird.44 Befinde sich der Sitz der Konzernmutter im Ausland, so könne die konzernweite Zuständigkeit eines ausländischen Insolvenzgerichts durch Gründung einer in Deutschland sitzenden Zwischenholding vermieden werden.45 Dies sei bei internationalen Konzernen ohnehin üblich.46 Andere ziehen offenbar auch eine ausdrückliche Regelung in Erwägung, wonach sich der konzernweite Gerichtsstand auch am Sitz einer Zwischenholding befinden könne, „sofern es sich hierbei um den Sitz der zentralen Konzernlenkung handelt“.47 Ferner wird von einigen Vertretern dieser Ansicht auch befürwortet, zur Verhinderung von forum shopping eine Sitzverlegung der Konzernmutter innerhalb des letzten Jahres vor Stellung des Insolvenzantrags bei der Bestimmung des zuständigen Gerichts nicht mehr zu berücksichtigen.48 Andere hingegen bezweifeln die Notwendigkeit einer solchen Frist, da gegen die Verlegung des Sitzes der Muttergesellschaft in den Bezirk eines für seine Sachkompetenz bei der Abwicklung von Konzerninsolvenzen bekannten Insolvenzgerichts keine Bedenken bestünden. Denn entscheidend sei letztlich, dass innerhalb Deutschlands jedes Insolvenzgericht dasselbe materielle Insolvenzrecht anzuwenden habe.49 Schließlich wird sogar vorgeschlagen, für die Abwicklung von Konzerninsolvenzen spezielle „Schwerpunktgerichte“ zu bilden, „deren Richter und Rechtspfleger speziell für die komplexen Fälle einer Konzerninsolvenz ausgebildet sind“.50 Eine weitere Ansicht lehnt hingegen sowohl ein dem Prioritätsprinzip folgendes Regelungsmodell als auch eine konzernweite Zuständigkeit des für die Konzernmutter zuständigen Insolvenzgerichts ab. Vielmehr solle grundsätzlich das Insolvenzgericht am Sitz der jeweiligen Gesellschaft zuständig sein. Bei einer „im Inland residierenden Gesellschaft ausländischen Rechts“ solle sich die Zuständig 42

Vallender, FS Runkel (2009), 373, 386. Jaffé/Friedrich, ZIP 2008, 1849, 1852; zustimmend Vallender, FS Runkel (2009), 373, 386. 44 Westpfahl/Janjuah, Beilage zu ZIP 3/2008, 1, 7. 45 Jaffé/Friedrich, ZIP 2008, 1849, 1852. 46 Vallender, FS Runkel (2009), 373, 385; Vallender/Deyda, NZI 2009, 825, 828. 47 So wohl Westpfahl/Janjuah, Beilage zu ZIP 3/2008, 1, 7. 48 Jaffé/Friedrich, ZIP 2008, 1849, 1852 unter Verweis auf Eidenmüller, ZHR 169 (2005), 528, 539; dies ebenfalls in Erwägung ziehend, allerdings ohne eine Angabe zur Länge dieser Frist, Vallender/Deyda, NZI 2009, 825, 828. 49 Vallender, FS Runkel (2009), 373, 385. 50 Verhoeven, Die Konzerninsolvenz (2011), S. 254. 43

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C. Ausgestaltung eines künftigen Konzerninsolvenzrechts

keit nach dem Ort ihrer inländischen Niederlassung bestimmen. Allerdings solle das Insolvenzverfahren „in jeder Lage des Verfahrens auf einstimmigen Antrag des Vertretungsorgans oder auf Antrag des (vorläufigen) Insolvenzverwalters an das Gericht eines anderen Konzerngesellschaftssitzes verwiesen werden“ können, sofern sich der Tätigkeitsmittelpunkt der Gesellschaft an einem anderen Ort als der satzungsmäßige Sitz befinde. Um eine rasche Verweisung zu gewährleisten, sei ein gebildeter Gläubigerausschuss lediglich anzuhören, seine förmliche Zustimmung solle hingegen entbehrlich sein. Die Entscheidung über die Verweisung solle in das Ermessen des Insolvenzgerichts gestellt werden, welches vor der Entscheidung die Beteiligten anhören und sich auf Basis der so gewonnenen Erkenntnisse von Zweckmäßigkeitserwägungen leiten lassen solle. Um die mit einer konzernweiten Zuständigkeit verbundenen Vorteile bestmöglich zu nutzen, solle die Verweisung möglichst rasch erfolgen.51 Auch sollten „etwa schon vorhandene Verfahrens­ organe gleichsam zum neuen Gericht [mitgenommen]“ werden. Der entscheidende Vorteil dieses Regelungskonzeptes zeige sich bei „Sukzessivinsolvenzen“, da hier auch bei einem längeren Zeitraum zwischen den Insolvenzanträgen für die einzelnen Konzerngesellschaften im Nachhinein noch eine konzernweite Zuständigkeit desjenigen Insolvenzgerichts erreicht werden könne, welches für die zentrale Abwicklung aller Verfahren am geeignetsten sei.52 Andere hingegen wollen die Zuständigkeit des Insolvenzgerichts ebenfalls an den Satzungssitz knüpfen, ziehen die Einführung einer Verweisungsmöglichkeit hingegen nicht in Betracht. Vielmehr wird darauf verwiesen, dass „Konzernarchitekten […] die Effizienzvorteile einer Gesamtadministration durch Wahl desselben Satzungssitzes für alle Gesellschaften antizipieren“ könnten. Bei diesem Konzept müsse dann auch bei der Bestimmung des zuständigen Insolvenzgerichts die „schwierige und mit Rechtsunsicherheit verbundene Frage“ nicht mehr beantwortet werden, ob eine bestimmte Gesellschaft zu einem Konzern gehört oder nicht.53 b) Nachteile dieser Regelungsmodelle Von diesen Regelungsmodellen vermag allerdings keines vollständig zu überzeugen. Vielmehr ist jedes von ihnen mit zum Teil erheblichen Nachteilen ver­ bunden. Wird nach dem Prioritätsprinzip vorgegangen und hierbei an die zuerst erfolgte Verfahrenseröffnung angeknüpft, so bleibt es bei zeitgleichen oder unmittelbar aufeinander folgenden Insolvenzanträgen für verschiedene Konzerngesellschaften während des Eröffnungsverfahrens bei der Zuständigkeit unterschiedlicher Insolvenzgerichte. Denn die konzernweite Zuständigkeit wird erst mit der ers 51

K. Schmidt, KTS 2010, 1, 22 f.; ebenso ders., FS Ganter (2010), 351, 357 f.; ders., KTS 2011, 161, 176 f. 52 K. Schmidt, KTS 2010, 1, 25. 53 Eidenmüller, ZHR 169 (2005), 528, 539.

I. Regelungen für eine Konzerninsolvenz im deutschen Insolvenzrecht

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ten Verfahrenseröffnung begründet. Sicherungsmaßnahmen im Eröffnungsverfahren würden in diesen Fällen für jede Konzerngesellschaft von einem anderen Gericht angeordnet. Für das Eröffnungsverfahren wäre das Problem divergierender Zuständigkeiten damit nicht beseitigt. Für die spätere Abwicklung des eröffneten Insolvenzverfahrens wichtige Entscheidungen werden aber häufig bereits im Eröffnungsverfahren getroffen.54 Dies gilt insbesondere für die Einsetzung eines vorläufigen Insolvenzverwalters.55 Erforderlich wäre demnach, dass die konzernweite Zuständigkeit schon mit dem ersten für eine Konzerngesellschaft gestellten Insolvenzantrag begründet ist.56 Hier müsste dann zwar gewährleistet werden, dass ein Insolvenzgericht, bei dem die Eröffnung des Insolvenzverfahrens über das Vermögen einer Konzerngesellschaft beantragt wird, Kenntnis von einem zuvor für eine andere Konzerngesellschaft bei einem anderen Insolvenzgericht gestellten Insolvenzantrag erlangt und dann das Verfahren zügig verweist.57 Diesbezügliche Bedenken erscheinen jedoch nicht besonders gewichtig, da eine Konzerngesellschaft regelmäßig Kenntnis von einem zuvor für eine andere Konzerngesellschaft gestellten Insolvenzantrag haben wird und dann die Unzuständigkeit des später angerufenen anderen Insolvenzgerichts rügen könnte. Allerdings besteht bei einer Anknüpfung an den konzernweit ersten Insolvenzantrag das Problem, dass dieser für eine relativ unbedeutende Konzerngesellschaft gestellt werden kann. Begründet dieser zuerst gestellte Insolvenzantrag die konzernweite Zuständigkeit des angerufenen Insolvenzgerichts, so besteht die Gefahr, dass das Insolvenzgericht weit vom Tätigkeitsmittelpunkt derjenigen Konzerngesellschaften entfernt ist, die die überwiegende Anzahl der für den Konzern tätigen Arbeitnehmer beschäftigen oder über bedeutende Vermögenswerte verfügen. Gerade bei einer angestrebten Sanierung ist es aber vorteilhaft, wenn im Bezirk des zuständigen Insolvenzgerichts eine starke Identifikation mit dem Unternehmen besteht, beispielsweise weil es sich um einen bedeutenden Arbeitgeber handelt. Zudem wäre hier auch die Anreise zu den mitunter zahlreichen Gläubigerversammlungen gerade für Arbeitnehmer mit erheblichem Aufwand verbunden.58 Soweit darauf verwiesen wird, dass durch Beseitigung des Insolvenzgrundes bei einer unbedeutenden Konzerngesellschaft und der Stellung eines Insolvenzantrags für eine bedeutendere Konzerngesellschaft die

54

Rennert-Bergenthal, Z ­ ­InsO 2008, 1316, 1317 f. mit Schilderung von Beispielen aus der Insolvenz des Babcock Borsig-Konzerns. 55 Vgl. Rennert-Bergenthal, ­Z­InsO 2008, 1316, 1318, wonach in der Insolvenz des Babcock Borsig-Konzerns nur die Einsetzung desselben vorläufigen Verwalters in den Verfahren aller Konzerngesellschaften „eine koordinierte Verfahrensweise möglich gemacht“ hat. 56 Rennert-Bergenthal, ­ Z­ InsO 2008, 1316, 1318; so auch der Vorschlag von Ehricke, DZWIR 1999, 353, 360; ders., Das abhängige Konzernunternehmen in der Insolvenz (1998), S. 486; ebenso, obgleich eine Anknüpfung an das Prioritätsprinzip insgesamt ablehnend Jaffé/ Friedrich, ZIP 2008, 1849, 1852; eine Anknüpfung an den zuerst gestellten Insolvenzantrag zieht auch Hirte, ZIP 2008, 444, 445 in Erwägung, schlägt allerdings im Ergebnis eine Anknüpfung an die erste Verfahrenseröffnung vor. 57 So Vallender, FS Runkel (2009), 373, 382; Vallender/Deyda, NZI 2009, 825, 828. 58 Jaffé/Friedrich, ZIP 2008, 1849, 1852; Vallender/Deyda, NZI 2009, 825, 828.

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C. Ausgestaltung eines künftigen Konzerninsolvenzrechts

Zuständigkeit eines geeigneten Insolvenzgerichts erreicht werden kann,59 ist zu bedenken, dass die hierfür erforderlichen Mittel bei einer existenzbedrohenden Krise mehrerer Konzerngesellschaften häufig nicht mehr zur Verfügung stehen dürften. Stellt dann ein Gläubiger den ersten Insolvenzantrag für eine Konzerngesellschaft, so ist eine Beeinflussung des konzernweit einheitlichen Gerichtsstandes durch die Konzerngesellschaften nicht mehr möglich.60 Gleichfalls problematisch erscheint auch eine konzernweite Zuständigkeit des Insolvenzgerichts am Sitz der Konzernmutter. Gegen eine ausschließliche Anknüpfung an den Sitz der Konzernmutter spricht schon, dass das geltende Recht gem. § 3 Abs. 1 Satz 2 ­InsO in erster Linie an den Mittelpunkt der selbständigen wirtschaftlichen Tätigkeit anknüpft. Dem liegt die zutreffende Erwägung zu Grunde, dass die Abwicklung des Insolvenzverfahrens dort aufgrund der Nähe zu den wirtschaftlichen Verhältnissen des Schuldners regelmäßig am zweckmäßigsten ist.61 Deshalb sollte, sofern man den für alle Konzerngesellschaften geltenden Gerichtsstand bei dem für die Konzernmutter zuständigen Insolvenzgericht ver­ortet, auch hier auf den Tätigkeitsmittelpunkt der Konzernmutter abgestellt werden.62 Aber auch bei einer solchen Anknüpfung an den Tätigkeitsmittelpunkt der Konzernmutter verbleiben bei diesem Konzept Nachteile. So wird vorgebracht, dass die Ermittlung der Konzernmutter gerade bei einer komplexen Konzernstruktur für das Insolvenzgericht mit erheblichen Schwierigkeiten verbunden sei.63 Sofern man allerdings, wie von den Befürwortern eines solchen Konzepts überwiegend vorgeschlagen, einen konzernweiten Gerichtsstand bei dem für die Konzernmutter zuständigen Insolvenzgericht nur bei Eigenanträgen einführt und die schuldnerischen Gesellschaften hierbei verpflichtet, Angaben über die Konzernstruktur zu machen, dürfte sich dieser Nachteil in Grenzen halten. Schwerer wiegen die Bedenken, dass eine solche Zuständigkeitsregel in Fällen, in denen die Konzernmutter selbst nicht insolvent ist, zur Zuständigkeit eines Insolvenzgerichts führen würde, in dessen Bezirk keine der insolventen Gesellschaften ihren Sitz oder Tätigkeitsmittelpunkt hat.64 Denn hierdurch würde dann auf eine räumliche Nähe des Insolvenzgerichts zum „Ort des Geschehens“ gänzlich verzichtet. Soweit ein solches Ergebnis gerade mit dem Argument befürwortet wird, dass auf 59

So Hirte, ZIP 2008, 444, 445. Ähnlich Splittgerber, Die örtliche Zuständigkeit in Insolvenzverfahren konzernverbundener Unternehmen (2011), S. 290, wonach es bei einer Regelung nach dem Prioritätsprinzip ein Gläubiger in der Hand hätte, zur Durchsetzung eigener Interessen einen völlig ungeeigneten Insolvenzgerichtsstand zu begründen. 61 Kirchhof, Heidelberger Komm. z. ­InsO, § 3 Rdn. 2; Jaeger/Gerhardt, Komm. z. ­InsO, § 3 Rdn. 14. 62 Aus diesem Grund ebenfalls gegen eine Ausnahme von der in § 3 Abs. 1 Satz 1 ­InsO normierten Anknüpfung an den Tätigkeitsmittelpunkt für konzernverbundene Gesellschaften Splittgerber, Die örtliche Zuständigkeit in Insolvenzverfahren konzernverbundener Unternehmen (2011), S. 285. 63 K. Schmidt, KTS 2010, 1, 20; ders., KTS 2011, 161, 175. 64 Hirte, ZIP 2008, 444, 445. 60

I. Regelungen für eine Konzerninsolvenz im deutschen Insolvenzrecht

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diese Weise die Auswirkungen der Insolvenz einer Tochtergesellschaft auf den übrigen Konzern besser eingedämmt werden könnten,65 vermag diese Ansicht nicht zu überzeugen. Denn solange die Konzernmutter nicht selbst insolvent ist, dürfte das für sie zuständige Insolvenzgericht kaum über besondere Kenntnisse hinsichtlich der Struktur des Konzerns verfügen, welche diese Beurteilung rechtfertigen. Zudem liegt die Ursache für ein Übergreifen der Insolvenz einer Konzerngesellschaft auf die übrigen Konzerngesellschaften zumeist in den zwischen diesen Gesellschaften bestehenden finanziellen und wirtschaftlichen Verflechtungen. Dies gilt beispielsweise, wenn eine Gesellschaft einen konzernweiten Cash-Pool verwaltet und die übrigen Gesellschaften mit der Insolvenz der Poolführerin ihre gesamte Liquidität einbüßen. Ebenso verhält es sich, wenn die einzelnen Konzerngesellschaften für die Verbindlichkeiten der übrigen Konzerngesellschaften mithaften.66 Ist eine Konzerngesellschaft bereits insolvent, so dürften diese Verbindungen zwischen den einzelnen Konzerngesellschaften kaum mehr schnell genug gelöst werden können, um die Insolvenz anderer Konzerngesellschaften zu vermeiden. Insoweit erschiene es notwendig, das Eingreifen dieses zentralen Gerichtsstandes am Sitz bzw. Tätigkeitsmittelpunkt der Konzernmutter, wie von einzelnen Befürwortern dieses Konzepts erwogen, davon abhängig zu machen, dass auch für die Konzernmutter ein Insolvenzantrag gestellt wird.67 Zudem müsste eine gesonderte Regelung für den Fall getroffen werden, dass zwar nicht die Konzernmutter, aber mehrere ihrer Tochtergesellschaften insolvent sind. Anderenfalls würde man die Vorteile eines einheitlichen Gerichtsstandes für diese Fälle nicht nutzen können. Einer gesonderten Regelung bedürfte es auch, sofern die Konzernmutter ihren Sitz oder Tätigkeitsmittelpunkt im Ausland hat. In diesen Fällen erscheint es auf der Grundlage einer konzernweiten Zuständigkeit des für die Konzernmutter zuständigen Insolvenzgerichts nicht ersichtlich, wie sich allein durch die Gründung einer deutschen Zwischenholding die konzernweite Zuständigkeit eines deutschen Insolvenzgerichts herbeiführen ließe.68 Denn diese Zwischen­ holding wäre ja gerade nicht die eigentliche Konzernmutter. Unzutreffend erscheint allerdings die Annahme, dass eine konzernweite Zuständigkeit des für die Konzernmutter zuständigen Gerichts im Vergleich zu einer Anknüpfung an das Prioritätsprinzip das Erschleichen eines bestimmten Gerichtsstandes kaum wirksamer ausschließen könnte, da beispielsweise mittels einer Sitzverlegung der Muttergesellschaft ein gewünschter Konzerngerichtsstand begründet werden könnte.69 Zum einen könnte man die konzernweite Zuständigkeit nicht in erster Linie nach 65

So Jaffé/Friedrich, ZIP 2008, 1849, 1852. Siehe zu diesem sog. „Domino-Effekt“ und seinen Ursachen Liebscher, Münchener Komm. z. GmbHG, Anhang zu § 13: Die GmbH als Konzernbaustein Rdn. 1132. 67 So Westpfahl/Janjuah, Beilage zu ZIP 3/2008, 1, 7. 68 So aber Jaffé/Friedrich, ZIP 2008, 1849, 1852; Vallender, FS Runkel (2009), 373, 385; Vallender/Deyda, NZI 2009, 825, 828. 69 So offenbar Hirte, ZIP 2008, 444, 445, der unter Bezugnahme auf die Möglichkeit einer Sitzverlegung annimmt, dass „sämtliche Zuständigkeitsanknüpfungen mit entsprechendem Aufwand manipuliert werden können“. 66

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dem Sitz, sondern vielmehr entsprechend § 3 Abs. 1 Satz 2 ­InsO nach dem Tätigkeitsmittelpunkt der Konzernmutter bestimmen. Dessen Verlegung dürfte einen deutlich größeren Aufwand erfordern. Zu denken wäre ferner an die Einführung einer Sperrfrist für die Beachtlichkeit der Sitzverlegung.70 Jedenfalls sind die Manipulationsmöglichkeiten bei einer konzernweiten Zuständigkeit des Insolvenz­ gerichts am Sitz bzw. Tätigkeitsmittelpunkt der Konzernmutter deutlich geringer als bei einer Regelung nach dem Prioritätsprinzip. Schließlich vermag auch die Einführung einer ausschließlichen Zuständigkeit des Insolvenzgerichts am Sitz der Gesellschaft sowie der Möglichkeit, bei einem Auseinanderfallen von Satzungssitz und Tätigkeitsmittelpunkt das Verfahren jederzeit an das Insolvenzgericht am Sitz einer anderen Konzerngesellschaft zu verweisen, nicht vollständig zu überzeugen. So erscheint eine Verweisung nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens kaum sinnvoll, da zu diesem Zeitpunkt bereits ein Insolvenzverwalter bestellt und damit die wichtigste Entscheidung des Insolvenzgerichts getroffen wurde. Sind die verschiedenen Insolvenzverwalter bereits tätig geworden, beispielsweise indem sie Verträge beendet oder Arbeitnehmer entlassen haben, so sind diese Entscheidungen auch bei einem Verwalterwechsel nicht mehr revidierbar. Zudem ist die bei einem Auseinanderfallen von Satzungssitz und Tätigkeitsmittelpunkt erforderliche Verweisung unter Umständen mit einem erheblichen Aufwand für die Beteiligten verbunden, wodurch Verfahrensverzögerungen drohen. Insbesondere bei Eigenanträgen der schuldnerischen Gesellschaften ist dies vermeidbar, da diese Gesellschaften einen von ihrem Satzungssitz abweichenden Tätigkeitsmittelpunkt kennen. Sie in einem solchen Fall zu zwingen, den Insolvenzantrag bei dem Insolvenzgericht des Satzungssitzes zu stellen und gleichzeitig eine Verweisung zu beantragen, erscheint unnötig kompliziert. Ferner dürfte dieses Regelungsmodell im Vergleich zur bisherigen Rechtslage kaum einen Gewinn an Rechtssicherheit und Rechtsklarheit mit sich bringen. Denn eine Verweisung an das Insolvenzgericht am Sitz einer anderen Konzerngesellschaft soll hauptsächlich bzw. ausschließlich dann möglich sein, wenn der Tätigkeitsmittelpunkt der Gesellschaft vom Satzungssitz abweicht.71 Sofern hiermit gemeint sein sollte, dass sich der Tätigkeitsmittelpunkt der Gesellschaft dann auch am Satzungssitz der anderen Konzerngesellschaft befinden müsse, wäre diese Voraussetzung regelmäßig nur auf Grundlage einer extensiven Auslegung des Begriffs des Tätigkeitsmittelpunktes erfüllt. Insoweit bestünden also dieselben Unsicherheiten wie nach geltendem Recht. Schließlich kann ein ausschließliches Anknüpfen der örtlichen Zuständigkeit des Insolvenzgerichts an den Satzungssitz der Gesellschaft auch nicht damit gerechtfertigt werden, dass die Konzerngesellschaften durch

70 So der Vorschlag von Jaffé/Friedrich, ZIP 2008, 1849, 1852 unter Verweis auf Eidenmüller, ZHR 169 (2005), 528, 539; dies ebenfalls in Erwägung ziehend, allerdings ohne eine Angabe zur Länge dieser Frist, Vallender/Deyda, NZI 2009, 825, 828. 71 Siehe K. Schmidt, KTS 2010, 1, 23; ders., FS Ganter (2010), 351, 358; ders., KTS 2011, 161, 177.

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eine entsprechende Wahl des Satzungssitzes im Vorfeld der Insolvenz die Voraussetzungen für die konzernweite Zuständigkeit eines Insolvenzgerichts schaffen könnten.72 Denn es erscheint fraglich, ob zu einem Zeitpunkt, zu dem der Konzern floriert und deshalb neue Tochtergesellschaften gegründet werden, bereits in allen Fällen an eine spätere Insolvenz gedacht und dementsprechend der Satzungssitz einheitlich gewählt wird. Zudem könnte, sofern eine Konzernmutter mit Satzungssitz in Deutschland eine Tochtergesellschaft ausländischen Rechts mit Satzungssitz im Ausland hat, ein konzernweit einheitlicher Gerichtsstand oftmals auch dann nicht begründet werden, wenn für die Tochtergesellschaft international gem. Art. 3 Abs. 1 ­EuInsVO die deutschen Gerichte zuständig sind. Denn hier wäre eine örtliche Zuständigkeit nach § 3 ­InsO nicht mehr zu begründen, weshalb insoweit gem. Art. 102 § 1 Abs. 1 ­EG­InsO das Insolvenzgericht am Mittelpunkt der hauptsächlichen Interessen der Tochtergesellschaft zuständig wäre. Weicht dieser Interessenmittelpunkt der Tochtergesellschaft vom Satzungssitz der Mutter ab, wären trotz paralleler internationaler Zuständigkeit für beide Gesellschaften verschiedene Insolvenzgerichte örtlich zuständig. c) Regelungsvorschlag Die geschilderten Nachteile der bisher vorgeschlagenen Regelungen zeigen, dass bei der Bestimmung eines Konzerninsolvenzgerichtsstandes mehrere, teilweise nur schwer miteinander in Einklang zu bringende Gesichtspunkte zu berücksichtigen sind. So muss eine entsprechende Regelung flexibel genug sein, um alle auftretenden Fallgestaltungen sachgerecht lösen zu können. In dieser Hinsicht zeigen sich die Nachteile einer konzernweiten Zuständigkeit des Insolvenzgerichts am Sitz bzw. Tätigkeitsmittelpunkt der Konzernmutter. Gewährleistet ein Regelungsmodell die erforderliche Flexibilität, so muss darüber hinaus sichergestellt werden, dass die so eröffneten Spielräume ohne großen Aufwand sachgerecht genutzt werden können. Hier zeigen sich die Defizite eines Vorgehens nach dem Prioritätsprinzip sowie einer ausschließlichen Anknüpfung an den Satzungssitz der einzelnen Konzerngesellschaften. Um diesen Anforderungen bestmöglich Rechnung zu tragen, sollte die Re­ gelung eines konzernweit einheitlichen Gerichtsstandes nur bei Eigenanträgen der einzelnen Konzerngesellschaften eingreifen. Zugleich sollte es den einzelnen Konzerngesellschaften ermöglicht werden, diese Insolvenzanträge bei jedem Insolvenzgericht zu stellen, welches für mindestens eine Konzerngesellschaft, für die ein Insolvenzantrag gestellt wurde, nach Maßgabe des § 3 Abs. 1 ­InsO zuständig ist. Hierdurch hätten die schuldnerischen Gesellschaften ausreichend Spielraum, um im Einzelfall das für die Abwicklung der Insolvenzverfahren aller insolventen Konzerngesellschaften geeignetste Insolvenzgericht zu bestimmen. Insbesondere 72

So Eidenmüller, ZHR 169 (2005), 528, 539.

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kann die Konzernmutter durch entsprechende Weisungen auch Einfluss darauf nehmen, bei welchem Insolvenzgericht mehrere Tochtergesellschaften gemeinsam die Eröffnung eines Insolvenzverfahrens beantragen. Zur Ausübung dieser Wahlmöglichkeit wären auch keine konzerninternen Vermögensverschiebungen vor Antragstellung erforderlich. Zudem wäre gewährleistet, dass die Entscheidung, wo sich der Gerichtsstand aller konzernangehörigen Gesellschaften befindet, vor der Stellung des ersten Insolvenzantrags getroffen werden muss. Somit würde vermieden, dass einzelne Verfahren an ein anderes Insolvenzgericht verwiesen werden müssen, nachdem das ursprünglich angerufene Insolvenzgericht bereits tätig geworden ist. Auch erscheint es sachgerecht, die schuldnerischen Gesellschaften und nicht das Insolvenzgericht diese Entscheidung treffen zu lassen. Denn die einzelnen Gesellschaften werden die Konzernstruktur besser kennen als das Insolvenzgericht und sind damit eher zur Bestimmung eines geeigneten Gerichtsstandes in der Lage. Mit dem Erfordernis, dass das angerufene Insolvenzgericht für mindestens eine insolvente Konzerngesellschaft nach den in § 3 Abs. 1 ­InsO genannten Kriterien zuständig sein muss, würde verhindert, dass sich der gemeinsame Gerichtsstand bei einem Insolvenzgericht befindet, in dessen Bezirk keine der insolventen Konzerngesellschaften ihren Sitz bzw. Tätigkeitsmittelpunkt hat. Auf diese Weise würde ein Mindestmaß an räumlicher Nähe des Insolvenzgerichts zum „Ort des Geschehens“ gewahrt. Ferner würde das Insolvenzgericht nicht mit der Ermittlung der Konzernmutter belastet, was Verfahrensverzögerungen verhindert. Schließlich würde durch die Beschränkung des „Zugang[s] zu dem Konzerngerichtsstand“ auf Eigenanträge ein Anreiz für die schuldnerischen Gesellschaften geschaffen, „die Sanierung offensiv anzugehen und nicht zuzuwarten, bis der Druck von außen nicht mehr zu ertragen ist und mögliche Chancen bereits vertan sind“.73 Um zu verhindern, dass die einzelnen Konzerngesellschaften den ihnen zugestandenen Spielraum zum Schaden ihrer Gläubiger missbrauchen, erscheinen aber auch gewisse Kontrollinstrumente erforderlich. Denn innerhalb Deutschlands haben zwar alle Insolvenzgerichte dasselbe materielle Insolvenzrecht anzuwenden, allerdings zeigt gerade die Problematik der sog. „Firmenbestattung“, dass auch hier missbräuchliche Zuständigkeitserschleichungen nicht gänzlich auszuschließen sind.74 Deshalb sollten die einzelnen Konzerngesellschaften verpflichtet werden, den gemeinsam bei einem Insolvenzgericht gestellten Insolvenzanträgen Informationen und Nachweise über den Kreis der konzernzugehörigen Gesellschaften beizufügen.75 Auf diese Weise würde es dem Insolvenzgericht erleichtert, die Zugehörigkeit der einzelnen Gesellschaften zum selben Konzern zu prüfen. Daneben sollte in den Anträgen auch die Wahl des angerufenen Insolvenzgerichts begründet werden. Hierdurch könnte das betreffende Insolvenzgericht miss 73

Jaffé/Friedrich, ZIP 2008, 1849, 1852; ebenso Vallender, FS Runkel (2009), 373, 386 f. Siehe hierzu oben B. I. 1. a) cc). 75 So auch Hirte, ZIP 2008, 444, 446. 74

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bräuchliche Inanspruchnahmen dieser zentralen Zuständigkeit eines Insolvenzgerichts zum Schaden der Gläubiger leichter erkennen. Sofern eine Beeinträchtigung berechtigter Gläubigerinteressen droht, müsste das angerufene Insolvenzgericht dann auch in der Lage sein, seine Zuständigkeit zu verneinen. Denkbar wäre es schließlich auch, das angerufene Insolvenzgericht zu verpflichten, vor der Entscheidung über seine Zuständigkeit diese von den schuldnerischen Gesellschaften gemachten Angaben einem nach §§ 21 Abs. 2 Nr. 1a, 22a ­InsO bestellten vorläufigen Gläubigerausschuss zur Stellungnahme vorzulegen. Eine solche Anhörung erscheint naheliegend, da die Interessen der Gläubiger durch die konzernweite Zuständigkeit eines Insolvenzgerichts, welches sich mitunter weit vom Tätigkeitsort ihres Schuldners entfernt befindet, beeinträchtigt werden. In besonderem Maße gilt dies in Fällen, in denen ein solcher Konzerngerichtsstand in missbräuchlicher Absicht zum Schaden der Gläubiger einzelner Konzerngesellschaften herbeigeführt werden soll. Problematisch an einer solcher Regelung wäre allerdings, dass die Anordnung von Sicherungsmaßnahmen nach den §§ 21, 22 ­InsO grundsätzlich die Zuständigkeit des Gerichts für das jeweilige Verfahren voraussetzt.76 Hiervon wird nur dann eine Ausnahme gemacht, wenn „die Zulässigkeitsvoraussetzungen mit überwiegender, auf gesicherter Grundlage beruhender Wahrscheinlichkeit gegeben sind und sich das Insolvenzgericht die letzte Gewissheit erst im weiteren Verfahrensverlauf verschaffen kann“. Dies gelte insbesondere für Zulässigkeitsvoraussetzungen wie die Zuständigkeit des Insolvenzgerichts, da diese oftmals erst „mit Hilfe eines Sachverständigen oder vorläufigen Insolvenzverwalters, dem entsprechende Befugnisse übertragen worden sind, geklärt werden können“.77 Wenn man eine Anhörung des vorläufigen Gläubigerausschusses im Rahmen der Entscheidung des Gerichts über seine Zuständigkeit vorschreiben würde, so müsste dessen Bestellung auch bei zweifelhafter Zuständigkeit erfolgen. Gerade in diesen Fällen besteht aber eine erhöhte Wahrscheinlichkeit, dass auch bei einem anderen Insolvenzgericht ein Insolvenzantrag gestellt und Sicherungsmaßnahmen angeordnet werden. Damit würde die Einführung eines solchen Anhörungserfordernisses die Gefahr der Anordnung von Sicherungsmaßnahmen unterschiedlicher Gerichte für dasselbe Verfahren erhöhen. Zudem würde sich damit auch die Prüfung der Zuständigkeit in die Länge ziehen. Deshalb erscheint ein solches Anhörungserfordernis im Ergebnis nicht überzeugend. Ferner stellt sich die Frage, ob es den schuldnerischen Gesellschaften ermöglicht werden sollte, die konzernweite Zuständigkeit eines Insolvenzgerichts auch dann noch herbeizuführen, wenn bereits ein Gläubiger für eine Konzerngesellschaft bei dem für diese Gesellschaft nach § 3 Abs. 1 ­InsO zuständigen Insolvenzgericht die Eröffnung eines Insolvenzverfahrens beantragt hat. In Betracht käme eine Regelung, wonach das vom Gläubiger angerufene Insolvenzgericht das Insolvenzverfahren auf Antrag der schuldnerischen Gesellschaft an das für eine 76

Jaeger/Gerhardt, Komm. z. ­InsO, § 21 Rdn. 4. BGH, Beschluss vom 22. März 2007, IX ZB 164/06, NZI 2007, 344, 345.

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C. Ausgestaltung eines künftigen Konzerninsolvenzrechts

andere insolvente Konzerngesellschaft zuständige Insolvenzgericht zu verweisen hätte. Gegen eine solche Regelung spricht, dass damit der Anreiz für die schuldnerischen Gesellschaften, frühzeitig einen eigenen Antrag auf Eröffnung eines Insolvenzverfahrens zu stellen, erheblich reduziert wird. Auch bestünde die Gefahr, dass ein entsprechender Antrag zu einem Zeitpunkt gestellt wird, zu dem das vom Gläubiger angerufene Insolvenzgericht bereits Sicherungsmaßnahmen angeordnet hat. Hier müsste dann geklärt werden, ob diese Sicherungsmaßnahmen fortgelten oder aufzuheben sind. Schließlich könnte ein solcher Verweisungsantrag auch lediglich deshalb gestellt werden, um die Abwicklung des Insolvenzverfahrens zum Nachteil der Gläubiger zu verzögern. Für die Einführung eines solchen Antragsrechts spricht hingegen, dass dann die mit einer Zuständigkeitskonzentration verbundenen Vorteile auch noch in Fällen genutzt werden könnten, in denen die Konzerngesellschaften trotz des Anreizes in Form eines konzernweit einheitlichen Gerichtsstandes nicht frühzeitig Eigenanträge auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens stellen. Die Gefahr, dass das zuerst angerufene Gericht bereits weitreichende Entscheidungen in diesem Verfahren getroffen hat, kann minimiert werden, indem eine Verweisung ausgeschlossen wird, sobald ein Insolvenzgericht auf einen Gläubigerantrag hin das Insolvenzverfahren eröffnet hat. Zudem sollten dem Antrag Angaben zum Kreis der zu dem Konzern gehörenden Gesellschaften sowie eine Begründung für die begehrte Verweisung beigefügt werden. Auf Basis dieser Angaben kann das Insolvenzgericht dann prüfen, ob eine Verweisung zum jeweiligen Zeitpunkt mit Nachteilen für die Gläubiger verbunden ist, welche die mit einer Zuständigkeitskonzentration verbundenen Vorteile überwiegen. Sofern bereits ein vorläufiger Gläubigerausschuss bestellt worden ist, sollte ihm das Recht ein­geräumt werden, zu den von der schuldnerischen Gesellschaft gemachten Angaben Stellung zu nehmen. Ferner sollten die von dem zunächst angerufenen Insolvenzgericht angeordneten Sicherungsmaßnahmen in Kraft bleiben, solange sie nicht durch das konzernweit zuständige Insolvenzgericht aufgehoben werden. Weiterhin müsste auch gewährleistet werden, dass innerhalb des für mehrere Konzerngesellschaften zuständigen Insolvenzgerichts die Verfahren demselben Insolvenzrichter zugewiesen werden. Die Verteilung der bei einem Insolvenzgericht eingehenden Verfahren wird gem. § 21e GVG durch den Geschäftsverteilungsplan bestimmt, wobei häufig formale Kriterien wie die Anfangsbuchstaben des Namens oder der Firma des Schuldners herangezogen werden.78 Hierbei kann es dann zu einer Zuweisung an unterschiedliche Richter kommen. Um dies zu vermeiden, kommt eine Verbindung der Verfahren nach §§ 4 ­InsO, 147 ZPO in Betracht. Ein solches Vorgehen wird teilweise für zulässig erachtet.79 Allerdings bestehen hiergegen in mehrfacher Hinsicht Bedenken. So setzt § 147 ZPO voraus, dass die 78

Vallender, FS Runkel (2009), 373, 388. Ehricke, Das abhängige Konzernunternehmen in der Insolvenz (1998), S. 482 f.; ders., DZWIR 1999, 353, 361; Eidenmüller, ZHR 169 (2005), 528, 533. 79

I. Regelungen für eine Konzerninsolvenz im deutschen Insolvenzrecht

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Ansprüche, die den Gegenstand der jeweiligen Prozesse bilden, in rechtlichem Zusammenhang stehen oder in einer Klage hätten geltend gemacht werden können. Ein rechtlicher Zusammenhang erfordert, dass sich die Ansprüche aus dem gleichen Rechtsverhältnis ergeben, ein rein tatsächlicher, zeitlicher oder örtlicher Zusammenhang ist nicht ausreichend.80 Obgleich der Begriff des rechtlichen Zusammenhanges weit im Sinne eines „innerlich zusammengehörenden einheitlichen Lebensverhältnisses“ verstanden wird,81 erscheint es doch fraglich, ob hierfür allein die Zugehörigkeit der insolventen Gesellschaften zum selben Konzern ausreichend ist. Die andere Alternative des § 147 ZPO, wonach die Ansprüche mit einer Klage hätten geltend gemacht werden können, erscheint auf das Insolvenzverfahren nicht übertragbar. Ferner dürften aber auch die Rechtsfolgen des § 147 ZPO für die Insolvenzverfahren mehrerer Konzerngesellschaften nicht passen. Denn nach einer Verbindung sind die betreffenden Verfahren einheitlich mittels gemeinsamen Terminen und Beweisaufnahmen zu verhandeln und zu entscheiden.82 Gerade bei größeren Konzernen dürfte beispielsweise das gleichzeitige Abhalten verschiedener Gläubigerversammlungen oder Terminen zur Prüfung von Forderungen gem. § 176 ­InsO aufgrund der Vielzahl an Beteiligten problematisch, wenn nicht gar unmöglich sein. Zudem würden Verfahrensverzögerungen drohen, da dann das komplizierteste und langwierigste Verfahren gleichsam das Tempo vorgäbe.83 Auch einheitliche Entscheidungen des Insolvenzgerichts in den jeweiligen Insolvenzverfahren erscheinen kaum möglich.84 Schließlich ist eine Verbindung von bei unterschiedlichen Spruchkörpern anhängigen Verfahren nur mit Zustimmung aller Parteien zulässig, da hierdurch ein Verfahren dem durch den Geschäftsverteilungsplan bestimmten gesetzlichen Richter entzogen wird.85 Die Einholung der Zustimmung aller am Insolvenzverfahren Beteiligter wäre aber, sofern überhaupt möglich, äußerst zeitaufwendig. Deshalb erscheint eine Verbindung mehrerer Insolvenzverfahren nach den §§ 4 ­InsO, 147 ZPO zumindest nicht praktikabel. Vielmehr bedürfte es einer entsprechenden Regelung im Geschäftsverteilungsplan, um die Zuweisung der Insolvenzverfahren der einzelnen Konzerngesellschaften zu demselben Insolvenzrichter zu erreichen.86 Sollte ein konzernweiter Insolvenz­ gerichtsstand gesetzlich geregelt werden, würden die Insolvenzgerichte eine dieser gesetzlichen Regelung entsprechende Bestimmung aller Wahrscheinlichkeit 80

Patzina, Münchener Komm. z. ZPO, § 33 Rdn. 20.  H. Roth, in: Stein/Jonas, Komm. z. ZPO, § 33 Rdn. 28. 82 Leipold, in: Stein/Jonas, Komm. z. ZPO, § 147 Rdn. 22. 83 Deyda, Der Konzern in europäischen internationalen Insolvenzrecht (2008), S. 143. 84 Vallender, FS Runkel (2009), 373, 389 hält sogar Amtshaftungsansprüche für möglich, sollte, um eine einheitliche Entscheidung zu gewährleisten, die Eröffnung eines Insolvenzverfahrens hinausgezögert werden und der Finanzverwaltung ein Schaden entstehen, weil eine Steuerforderung nunmehr Insolvenz- und nicht Masseforderung ist. 85 Leipold, in: Stein/Jonas, Komm. z. ZPO, § 147 Rdn. 15; Wagner, Münchener Komm. z. ZPO, § 147 Rdn. 8. 86 Vallender, FS Runkel (2009), 373, 389 f.; Deyda, Der Konzern im europäischen internationalen Insolvenzrecht (2008), S. 144. 81

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nach auch in den Geschäftsverteilungsplan aufnehmen. Sofern man hieran Zweifel hätte, wäre auch eine gesetzliche Regelung möglich, wonach der Geschäftsverteilungsplan eine entsprechende Bestimmung enthalten muss. Als Vorbild könnte § 23b Abs. 2 Satz 1 GVG dienen, der vorsieht, dass bei Existenz mehrerer hierfür zuständiger Abteilungen solche Familiensachen derselben Abteilung zugewiesen werden sollen, die denselben Personenkreis betreffen. Denn § 23b GVG stellt eine „gerichtsinterne Zuständigkeitsregelung des Gesetzgebers“ dar,87 welche den Zuständigkeitsbereich der von dieser Regelung betroffenen Spruchkörper einer Bestimmung durch den Geschäftsverteilungsplan entzieht.88 Schließlich sollte ein Konzerngerichtsstand auch Fälle erfassen, in denen die internationale Zuständigkeit der deutschen Insolvenzgerichte nach Art. 3 Abs. 1 und Abs. 2 ­EuInsVO gegeben ist. Gerade wenn das Hauptinsolvenzverfahren einer Konzerngesellschaft in einem anderen Mitgliedsstaat eröffnet wurde, in Deutschland aber die Eröffnung eines Sekundärinsolvenzverfahrens möglich ist und zusätzlich auch das Hauptinsolvenzverfahren einer anderen Konzerngesellschaft in Deutschland eröffnet wurde, sollte für das Haupt- und das Sekundärinsolvenzverfahren innerhalb Deutschlands dasselbe Insolvenzgericht örtlich zuständig sein. Die hier grundsätzlich befürwortete Beschränkung der konzernweit einheit­ lichen örtlichen Zuständigkeit auf Eigenanträge der schuldnerischen Gesellschaft steht dem nicht entgegen, da auch dem Schuldner nach Eröffnung des Haupt­ insolvenzverfahrens in einem anderen Mitgliedsstaat nach Art. 29 lit. b) ­EuInsVO, §§ 13 Abs. 1 Satz 1, 15 ­InsO in Deutschland ein Recht zur Beantragung der Eröffnung eines Sekundärinsolvenzverfahrens zusteht. Anderes gilt nur, sofern nach dem im Hauptinsolvenzverfahren anwendbaren ausländischen Insolvenzrecht dieses Antragsrecht ebenfalls auf den Insolvenzverwalter übergegangen ist.89 Steht dem Schuldner damit ein solches Antragsrecht zu, so ist bei einer Gesellschaft deren Leitungsorgan zur Ausübung dieses Antragsrechts berechtigt, da es nach deutschem Insolvenzrecht zum Schuldnerbereich gehört.90 Im Ergebnis sollte § 3 ­InsO zur Umsetzung der geschilderten Zuständigkeits­ regelung um folgende Absätze ergänzt werden: (3) 1Sind mehrere Kapitalgesellschaften oder Gesellschaften ohne Rechtspersönlichkeit, für die nach Abs. 1 oder Art. 102 § 1 Abs. 1, Abs. 2 ­EG­InsO verschiedene Insolvenzgerichte örtlich zuständig sind, in einer Weise miteinander verbunden, dass einer Gesellschaft bei den übrigen Gesellschaften 87

BGH, Beschluss vom 3. Mai 1978, IV ARZ 26/78, BGHZ 71, 264, 268. Zimmermann, Münchener Komm. z. ZPO, GVG § 23b Rdn. 1. 89 AG Köln, Beschluss vom 23. Januar 2004, 71 IN 1/04, NZI 2004, 151 (Leitsatz 2); Uhlenbruck/Lüer, Komm. z. ­InsO, ­EuInsVO Art. 29 Rdn. 3; a. A. Kindler, Münchener Komm. z. BGB, ­IntInsR, ­EuInsVO Art. 29 Rdn. 12, wonach die Eröffnung eines Sekundärinsolvenzverfahrens einen Teil der Insolvenzmasse dem Hauptinsolvenzverfahrens entzieht und damit ein entsprechender Antrag des Schuldners „einer unzulässigen Verfügung des Schuldners über Massegegenstände gleich“ käme. 90 AG Köln, Beschluss vom 23. Januar 2004, 71 IN 1/04, NZI 2004, 151, 153. 88

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1. die Mehrheit der Stimmrechte der Gesellschafter zusteht, 2. das Recht zusteht, die Mehrheit der Mitglieder des die Finanz- und Geschäftspolitik bestimmenden Verwaltungs-, Leitungs- oder Aufsichtsorgans zu bestellen oder abzuberufen, und sie gleichzeitig Gesellschafterin ist, oder 3. das Recht zusteht, die Finanz- und Geschäftspolitik aufgrund eines Beherrschungsvertrages oder einer Regelung in der Satzung zu bestimmen, so kann jede Gesellschaft bei dem für eine andere Gesellschaft dieses Verbundes nach Maßgabe des Abs. 1 zuständigen Insolvenzgericht Antrag auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens stellen. 2Gleiches gilt, sofern die in Satz 1 genannten Rechte hinsichtlich mehrerer Gesellschaften einer natürlichen Person zustehen. 3§ 290 Abs. 3 und 4 des Handelsgesetzbuches gelten entsprechend. 4Dies gilt nur, sofern für die Gesellschaft, für welche das angerufene Insolvenzgericht nach Abs. 1 zuständig ist, gleichfalls ein Insolvenzantrag gestellt wurde. 5 Bei Antragstellung ist die Verbindung der Gesellschaften nach Maßgabe des Satz 1 Nr. 1–3 darzulegen sowie die Wahl des Insolvenzgerichts zu begründen. 6Das angerufene Gericht ist für alle antragstellenden Gesellschaften zuständig, sofern eine Beeinträchtigung berechtigter Interessen der jeweiligen Gläubiger hierdurch nicht zu besorgen ist. (4) 1Hat ein Gläubiger für eine Gesellschaft, welche zu einem Verbund von Gesellschaften nach Maßgabe des Abs. 3 Satz 1 und 2 gehört, bei einem nach Abs. 1 zuständigen Insolvenzgericht Antrag auf Eröffnung eines Insolvenzverfahrens gestellt, so kann die jeweilige Gesellschaft die Verweisung des Insolvenzverfahrens an jedes für eine andere zu diesem Verbund gehörende Gesellschaft zuständige Insolvenzgericht beantragen, sofern für die andere Gesellschaft ebenfalls ein Insolvenzantrag vorliegt. 2Eine Verweisung ist ausgeschlossen, sofern das Insolvenzverfahren bereits eröffnet wurde. 3In dem Antrag sind die Verbindung der Gesellschaften nach Maßgabe des Abs. 3 Satz 1 Nr. 1–3 sowie die Gründe für die begehrte Verweisung darzulegen. 4Dem Antrag ist stattzugeben, wenn berechtigte Gläubiger­ interessen nicht entgegenstehen. 5Ist bereits ein vorläufiger Gläubigerausschuss bestellt, so ist ihm Gelegenheit zur Stellungnahme zu geben. 6Bereits angeordnete Sicherungsmaßnahmen bleiben in Kraft, solange sie nicht vom Insolvenzgericht, an welches das Verfahren verwiesen wird, aufgehoben werden.

3. Regelung der Bestellung eines Konzerninsolvenzverwalters Durch die Einführung eines konzernweit einheitlichen Gerichtsstandes sollen einheitliche gerichtliche Entscheidungen in den Insolvenzverfahren der einzelnen Konzerngesellschaften erreicht werden. Die wichtigste Entscheidung des Insolvenzgerichts ist die Bestellung des Insolvenzverwalters, da diesem bei der Verfahrensabwicklung eine zentrale Rolle zukommt.91 Daher wird die Bestellung desselben Insolvenzverwalters für alle insolventen Konzerngesellschaften neben einem konzernweit einheitlichen Gerichtsstand als das „andere zentrale Mit 91 So bezeichnet Jaeger, Komm. z. KO6/7, § 78 Anm. 7 die Bestellung des Konkursverwalters als „Schicksalsfrage des Konkurses“; dem auch unter Geltung der I­ nsO zustimmend Uhlenbruck/Uhlenbruck, Komm. z. ­InsO, § 56 Rdn. 1.

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tel zur prozeduralen Koordination einer Konzerninsolvenz“ angesehen.92 Nach geltendem Recht ist die Bestellung derselben Person als Insolvenzverwalter für mehrere konzernangehörige Gesellschaften aber nur mit erheblichen Einschränkungen möglich. Denn regelmäßig sind angesichts der finanziellen Verflechtungen zwischen den einzelnen Konzerngesellschaften im Insolvenzverfahren eine Vielzahl von konzerninternen Forderungen zu prüfen und geltend zu machen. Zudem müssen bei einer Betriebsfortführung im Insolvenzverfahren oftmals Verträge zwischen den einzelnen Konzerngesellschaften abgeschlossen werden. Ein für mehrere Konzerngesellschaften tätiger Insolvenzverwalter würde folglich in den einzelnen Verfahren regelmäßig auch als Gläubiger auftreten oder beim Abschluss von Verträgen für beide Vertragsparteien handeln. Dies ist mit den §§ 56 Abs. 1 Satz 1 ­InsO, 181, 450 Abs. 2 BGB nicht zu vereinbaren, weshalb für diese Tätigkeiten die Bestellung eines Sonderinsolvenzverwalters erforderlich ist.93 Hierdurch entfallen aber die mit der Bestellung desselben Insolvenzverwalters verbundenen Vorteile zu einem gewissen Teil wieder. Es wird sogar die Befürchtung geäußert, dass dieser Sonderinsolvenzverwalter angesichts seines weiten Aufgabenbereiches zu einem „Schatteninsolvenzverwalter“ werden könnte.94 Bestandteil eines künftigen Konzerninsolvenzrechts könnten daher auch Regelungen sein, die die Bestellung desselben Insolvenzverwalters für mehrere Konzerngesellschaften erleichtern. Hier muss dann abgewogen werden, inwieweit Interessenkollisionen in der Person des Insolvenzverwalters hingenommen werden sollen, um eine möglichst weitreichende Verfahrenskoordination zu ermöglichen. a) Obligatorische Bestellung eines Konzerninsolvenzverwalters sowie Erleichterungen bei der Anmeldung, Prüfung und Feststellung konzerninterner Forderungen Teilweise wird vorgeschlagen, in Fällen der konzernweiten Zuständigkeit eines Insolvenzgerichts die Bestellung derselben Person zum Insolvenzverwalter für alle konzernangehörigen Gesellschaften vorzuschreiben. Damit sei dann auch eine gesetzliche Befreiung des Insolvenzverwalters vom Verbot des Selbstkontrahierens nach § 181 BGB verbunden. Allerdings solle es den Gläubigern der einzelnen Konzerngesellschaften in der ersten Gläubigerversammlung ermöglicht werden, „aus einem im Einzelfall liegenden wichtigen Grund“ beim Insolvenzgericht die Bestellung eines anderen Insolvenzverwalters zu beantragen. Für einen solchen Antrag solle es in Abweichung von den für die Beschlüsse der Gläubigerversammlung geltenden Mehrheitserfordernissen des § 76 Abs. 2 ­InsO ausreichend 92

Paulus, ZGR 2010, 270, 285. Siehe hierzu sowie der Möglichkeit, zur Beschränkung des Aufgabenbereichs des Sonderinsolvenzverwalters den Konzerninsolvenzverwalter in gewissem Umfang vom Verbot der §§ 181, 450 Abs. 2 BGB zu befreien, oben B. II. 1. b) und B. II. 1. c). 94 Ehricke, Kölner Schrift z. ­InsO, Kap. 32 Rdn. 42. 93

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sein, wenn die hierfür stimmenden Gläubiger über ein Viertel der Forderungsbeträge der abstimmenden Gläubiger verfügen. Dieses Antragsrecht sei erforderlich, da die Interessendivergenzen zwischen den Beteiligten der einzelnen Verfahren in Ausnahmefällen so stark sein könnten, dass eine Verwaltung der verschiedenen Insolvenzmassen durch dieselbe Person von den Verfahrensbeteiligten nicht mehr akzeptiert würde. Erwägenswert sei zudem, dieses Antragsrecht auch schon vor der ersten Gläubigerversammlung eingreifen zu lassen, da „für das Verfahren wichtige Weichenstellungen oft schon vorher erfolgen“. Allerdings solle „[a]llein das Bestehen konzerninterner Lieferungs- und Leistungsbeziehungen […] ebenso wenig wie das Bestehen von Anfechtungslagen im Verhältnis der verschiedenen Schuldner- bzw. Insolvenzmassen zueinander einen Grund bilden können, unterschiedliche Insolvenzverwalter für unterschiedliche konzernangehörige Gesellschaften zu bestellen“. Denn die hierdurch verursachten Interessenkonflikte bildeten „gerade den gesetzlichen Normalfall, für den auf die Bestellung unterschiedlicher Verwalter verzichtet werden soll“. Lediglich das Stimmrecht, welches einem identischen Verwalter aufgrund der konzerninternen Forderungen in den Gläubigerversammlungen der einzelnen Verfahren zustehen würde, solle ausgeschlossen werden. Denn der Interessenkonflikt würde „über Gebühr gesteigert“, könnte der Konzerninsolvenzverwalter durch diese Stimmen in einem Insolvenzverfahren seine eigene Abwahl verhindern.95 Keine ausdrückliche Stellungnahme findet sich in diesem Vorschlag zu der Frage, ob neben dem eigentlichen Insolvenzverwalter auch weiterhin die Bestellung eines Sonderinsolvenzverwalters möglich wäre. Allerdings deutet die Aussage, dass die Interessenkonflikte, die durch das Bestehen von Forderungen zwischen den einzelnen Konzerngesellschaften bei dem in mehreren Verfahren bestellten Verwalter auftreten, als „gesetzlicher Normalfall“ hingenommen werden sollen, darauf hin, dass nach diesem Vorschlag die Bestellung eines Sonderinsolvenzverwalters grundsätzlich nicht mehr zulässig sein soll. Für dieses Verständnis spricht auch, dass die Bestellung eines Sonderinsolvenzverwalters lediglich als Alternative zu dem Antrag der Gläubigerversammlung auf Bestellung eines anderen Insolvenzverwalters erwähnt und hierbei ausgeführt wird, dass „[d]ie relativ hohe Hürde für die Bestellung eines anderen Insolvenzverwalters […] verhindern [soll], dass routinemäßig ein Sonderverwalter bestellt wird, der sich gegenüber dem Insolvenzgericht ‚profilieren‘ möchte und damit die Verfahrensführung durch den Hauptverwalter blockiert“.96 Damit wäre die Bestellung eines Sonderinsolvenzverwalters nach diesem Vorschlag also wohl nur noch zulässig, sofern die Gläubigerversammlung aus einem über das Bestehen konzerninterner Forderungen hinausgehenden „wichtigen Grund“ die Bestellung eines anderen Insolvenzverwalters beantragt. Als Ergänzung zu diesen Regelungen über die Bestellung desselben Insolvenzverwalters für alle Konzerngesellschaften werden schließlich auch Erleichterungen für die Bearbeitung konzerninterner Forderungen vorgeschlagen. So solle der Konzerninsolvenzverwalter diese Forderungen 95

Hirte, ZIP 2008, 444, 446 f. Hirte, ZIP 2008, 444, 447.

96

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ohne förmliche Anmeldung nach § 174 ­InsO in die für die jeweilige Gesellschaft zu führende Insolvenztabelle aufnehmen können.97 Zusätzlich sollen auch Klagen auf Feststellung konzerninterner Forderungen ausgeschlossen werden. Lediglich bei einer Verrechnung solcher Forderungen sei im nach § 188 ­InsO zu erstellenden Verteilungsverzeichnis „auf Grund und Höhe dieser Forderungen sowie das Ausmaß ihrer Verrechnung“ gesondert hinzuweisen.98 Obgleich die geschilderten Regelungen die Koordination paralleler Insolvenzverfahren über das Vermögen verschiedener Konzerngesellschaften erheblich verbessern würden, erscheint es doch zweifelhaft, ob eine Umsetzung dieses Vorschlages mit den berechtigten Interessen der Gläubiger der einzelnen Konzerngesellschaften vereinbar wäre. Denn die obligatorische Bestellung eines Konzerninsolvenzverwalters sowie das Vorliegen eines über das Bestehen von konzerninternen Ansprüchen hinausreichenden „wichtigen Grundes“ als Voraussetzung für seine Abwahl oder die Einsetzung eines Sonderinsolvenzverwalters würden dazu führen, dass alle zwischen den einzelnen Konzerngesellschaften bestehenden Ansprüche durch den Konzerninsolvenzverwalter bearbeitet würden. Durch den Ausschluss konzerninterner Feststellungsprozesse könnte dieser zudem auch über Bestand und Höhe der einzelnen Ansprüche entscheiden. Gleichwohl wäre er gegensätzlichen Interessen verpflichtet, da er in jedem Insolvenzverfahren auf die bestmögliche Befriedigung der Gläubiger dieses Verfahrens hinzuwirken hätte. Dieses Ergebnis erscheint der Bedeutung, die der Prüfung und Durchsetzung der konzerninternen Ansprüche in der Insolvenz der einzelnen Konzerngesellschaften zukommt, nicht angemessen. Denn auch wenn der Konzern aus wirtschaftlicher Sicht ein „einheitliches Unternehmen“ darstellt, bleibt er doch aus rechtlicher Sicht eine Verbindung mehrerer selbständiger Gesellschaften, die über ein eigenes Gesellschaftsvermögen und eigene Gläubiger verfügen. Besteht der Konzern, wie im Regelfall, aus mehreren Kapitalgesellschaften,99 so besteht außerhalb des Insolvenzverfahrens aufgrund der Einflussmöglichkeit der herrschenden Gesellschaft die Gefahr, dass die abhängigen Gesellschaften zum Schaden ihrer Gläubiger und Minderheitsgesellschafter „ausgeplündert“ werden.100 Vor dieser Gefahr werden die abhängigen Gesellschaften und damit auch ihre Gläubiger durch eine Vielzahl unterschiedlicher Regelungen geschützt, die zum Teil nur für konzernangehörige bzw. abhängige Gesellschaften, zum Teil aber ebenso auch für unabhängige Gesellschaften gelten. So ist die herrschende Gesellschaft bei Bestehen eines Beherrschungsvertrages gem. § 302 Abs. 1 AktG zum Verlustausgleich verpflichtet. Fehlt ein Beherrschungsvertrag, sind bei einer AG als abhängiger Gesellschaft nachteilige Weisungen gem. § 311 Abs. 2 AktG nur gegen Ausgleich des Nachteils 97

Hirte, ZIP 2008, 444, 448. Hirte, ZIP 2008, 444, 449. 99 So Kirchner, ZGR 1985, 214, 217. 100 Raiser/Veil, Recht der Kapitalgesellschaften, § 50 Rdn. 12; ebenso Hirte, Kapitalgesellschaftsrecht, Rdn. 8.12. 98

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zulässig.101 Bei der GmbH setzen vor allem die Regelungen über die Aufbringung und den Erhalt des Stammkapitals sowie die Haftung wegen existenzvernichtenden Eingriffs gem. § 826 BGB dem Einfluss eines Mehrheitsgesellschafters Grenzen. Schließlich sind im Hinblick auf den Schutz der Gläubiger einer abhängigen Konzerngesellschaft auch die Regelungen des Insolvenzanfechtungsrechts zu nennen. Hiermit kann beispielsweise die innerhalb eines bestimmten Zeitraums vor dem Antrag auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens erfolgte Rückzahlung oder Besicherung konzerninterner Darlehen sowie Forderungen, die diesen Darlehen wirtschaftlich entsprechen, revidiert werden. Der durch diese Regelungen bezweckte Schutz der Gläubiger der einzelnen Konzerngesellschaft wird regelmäßig erst nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens verwirklicht. Hinsichtlich des Insolvenzanfechtungsrechts oder der Haftung wegen existenzvernichtenden Eingriffs versteht sich dies von selbst, da diese Regelungen die Insolvenz der Gesellschaft gerade voraussetzen. Gleiches dürfte aber auch für die übrigen Regelungen zur Konzernfinanzierung gelten. So wird darauf hingewiesen, dass bei sämtlichen in jüngerer Zeit zu Fragen der Konzernfinanzierung ergangenen Urteilen ein Insolvenzverwalter als Kläger auftrat.102 Zu Recht wird deshalb die Insolvenz mehrerer Konzerngesellschaften als „Bewährung der Vermögenstrennung“ bezeichnet.103 Da mit Eröffnung des Insolvenzverfahrens die Verwaltungs- und Verfügungsbefugnis über die Insolvenzmasse, zu der auch die aufgrund der genannten Regelungen bestehenden Ansprüche der einzelnen Konzerngesellschaften zählen, auf den Insolvenzverwalter übergeht, kommt diesem eine zentrale Bedeutung für die Aufarbeitung der konzerninternen Vermögensverschiebungen zu. Diese Aufarbeitung ist aus Sicht der Gläubiger der einzelnen Gesellschaften trotz der Eröffnung des Insolvenzverfahrens keinesfalls entbehrlich. Denn durch die Geltendmachung der Ansprüche gegenüber den anderen Konzerngesellschaften wird erreicht, dass der ihnen zustehende Anteil am konzernweit noch vorhandenen Vermögen auch zu ihrer Befriedigung zur Verfügung steht. Es geht also bei der Durchsetzung konzerninterner Forderungen „aus Gläubigersicht eben nicht bloß darum […], Geld im Konzern aus der Jackentasche in die Hosentasche zu stecken“.104 Deshalb kann der Überlegung nicht zugestimmt werden, konzerninterne Feststellungsprozesse auszuschlie 101

Nach überwiegender Ansicht verdrängt die Regelung des § 311 Abs. 2 AktG die §§ 57, 60, 62 AktG, vgl. BGH, Urteil vom 1. Dezember 2008, II ZR 102/07, BGHZ 179, 71, 77 („MPS“); Emmerich/Habersack, Aktien- und GmbH-Konzernrecht, § 311 Rdn. 82; Hüffer, Komm. z. AktG, § 311 Rdn. 49. 102 So Thole, ­Z­InsO 2011, 1425 mit Verweis auf BGH, Urteil vom 16. Januar 2006, II ZR 76/04, BGHZ 166, 8 ff. („Cash-Pool I“); BGH, Urteil vom 20. Juli 2009, II ZR 273/07, BGHZ 182, 103 ff. („Cash-Pool II“); BGH, Urteil vom 1. Dezember 2008, II ZR 102/07, BGHZ 179, 71 ff. („MPS“); BGH, Urteil vom 16. Februar 2009, II ZR 120/07, BGHZ 180, 38 ff. („­Quivive“). 103 Lutter, ZfB 54 (1984), 781; zustimmend K. Schmidt, Wege zum Insolvenzrecht der Unternehmen (1990), S. 223. 104 So K. Schmidt, KTS 2010, 1, 27 zur Frage, ob bei Bestehen eines Beherrschungsvertrages die infolge der Eröffnung des Insolvenzverfahrens über das Vermögen der abhängigen Gesellschaft bei dieser entstandenen Buchverluste von der herrschenden Gesellschaft zu tragen sind.

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ßen, weil es bei gleichzeitiger Insolvenz mehrerer Konzerngesellschaften wichtiger sei, „den Kuchen zu vergrößern, als über die Größe der Stücke zu streiten“.105 Denn der Gläubiger einer Konzerngesellschaft profitiert von im Konzern vorhandenen Vermögenswerten nicht, solange sich diese in der Insolvenzmasse einer anderen Konzerngesellschaft befinden und die Masse, aus der der betreffende Gläubiger zu befriedigen ist, über keine Ansprüche gegenüber dieser anderen Insolvenzmasse verfügt. Aufgrund der Bedeutung, die der Geltendmachung der zwischen den einzelnen Konzerngesellschaften bestehenden Ansprüche zukommt, erscheint es bedenklich, mit dieser Tätigkeit einen Insolvenzverwalter zu betrauen, der sowohl für die Insolvenzmasse des Schuldners als auch für die Insolvenzmasse des Gläubigers dieser Ansprüche auftritt und deshalb gegensätzlichen Interessen verpflichtet ist. Denn dadurch würde die Gefahr in Kauf genommen, dass der in mehreren Verfahren bestellte Insolvenzverwalter versucht, die Insolvenzmasse einer Konzern­ gesellschaft auf Kosten derjenigen einer anderen Konzerngesellschaft zu bereichern. Ein entsprechender Anreiz besteht für den Insolvenzverwalter insbesondere dann, wenn eine für ihn persönlich mit einem erheblichen Prestigegewinn verbundene Sanierung einzelner Konzerngesellschaften möglich erscheint, die Umsetzung des Sanierungskonzeptes jedoch bei Geltendmachung von Ansprüchen anderer Konzerngesellschaften scheitern würde. Damit droht die Durchsetzung der Regelungen, die der Vermögensverschiebung im Konzern Grenzen setzen, zu entfallen. Gegen diese Gefahr bietet auch die Haftung des Insolvenzverwalters gegenüber den Beteiligten nach § 60 ­InsO sowie das Recht der Gläubigerversammlung, aus einem „wichtigen Grund“ die Bestellung eines anderen Insolvenzverwalters zu beantragen, keinen ausreichenden Schutz. Denn die Haftung des Insolvenzverwalters greift nur ein, wenn das pflichtwidrige Handeln des Insolvenzverwalters bekannt wird und ein vom Insolvenzgericht eingesetzter Sonderinsolvenzverwalter oder ein Gläubiger selbst die gegen den Insolvenzverwalter bestehenden Ansprüche durchsetzt. Bei einem Haftungsprozess tragen die Insolvenzmasse oder der einzelne Gläubiger zudem auch das Risiko, auf den Prozesskosten sitzen zu bleiben. Eine Möglichkeit, allein aufgrund des durch die konzernintern bestehenden Ansprüche verursachten Interessenkonflikts bereits zu Beginn des Insolvenzverfahrens die Bestellung eines anderen Insolvenzverwalters zu beantragten, wäre nicht gegeben. Denn diese Interessenkonflikte sollen ja gerade keinen für einen solchen Antrag erforderlichen „wichtigen Grund“ darstellen. Auch die vorgeschlagene Pflicht des Verwalters, auf die Verrechnung konzerninterner Forderungen gesondert hinzuweisen, ermöglicht keine wirksame Kontrolle. Denn diese Hinweispflicht ermöglicht es nicht, zu überprüfen, ob auch tatsächlich alle Forderungen in 105 So Hirte, ZIP 2008, 444, 448 im Anschluss an die Formulierung von Rasmussen, 7 Fordham J. Corp. & Fin. L. 395, 400 (2002): „In short, the size of the pie is more important than the size of the slices“.

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korrekter Höhe angemeldet wurden. Sofern der Insolvenzverwalter statt einer Verrechnung gleich die Anmeldung der gegenseitigen Forderungen unterlässt, läuft diese Hinweispflicht leer. Schließlich stünde die vorgeschlagene obligatorische Bestellung eines Konzerninsolvenzverwalters in Kombination mit einem Recht der Gläubigerversammlung, nachfolgend die Bestellung eines anderen Insolvenzverwalters zu beantragen, auch im Widerspruch zu den durch das ESUG eingeführten Möglichkeiten der Gläubiger, bei der Bestellung des Insolvenzverwalters mitzuwirken. Denn nach § 56a Abs. 1 ­InsO ist der vorläufige Gläubigerausschus vor der Bestellung des Insolvenzverwalters anzuhören, und § 56a Abs. 2 ­InsO bindet das Insolvenzgericht weitgehend an einen einstimmigen Vorschlag des vorläufigen Gläubigerausschusses. Damit sieht die I­nsO eine Beteiligung der Gläubiger vor der Bestellung des Insolvenzverwalters vor und nicht erst eine nach dieser Bestellung eingreifende Möglichkeit, die vom Insolvenzgericht getroffene Entscheidung zu revidieren. Sofern man also den Gläubigern ein Mitspracherecht hinsichtlich der Frage ein­ räumen will, ob ein Konzerninsolvenzverwalter bestellt wird oder nicht, erschiene es vorzugswürdiger, dieses Recht bereits vor Bestellung des Insolvenzverwalters durch das Insolvenzgericht eingreifen zu lassen. b) Optionale Bestellung eines Konzerninsolvenzverwalters und Möglichkeit bzw. Verpflichtung zur Beiordnung eines Sonderinsolvenzverwalters Eine deutlich weniger weitreichende Regelung wird offenbar von der im Bundesjustizministerium eingerichteten Arbeitsgruppe befürwortet. Nach dem von dieser Arbeitsgruppe unterbreiteten Regelungsvorschlag soll bei konzernweiter Zuständigkeit eines Insolvenzgerichts dieselbe Person zum Insolvenzverwalter für alle Konzerngesellschaften bestellt werden, „sofern dies im Interesse der Insolvenz­ gläubiger liegt“. Von dieser Möglichkeit solle allerdings kein Gebrauch gemacht werden, sofern die Besorgnis bestehe, dass dieser Insolvenzverwalter „nicht bei jedem Schuldner sein Amt mit der gebotenen Unabhängigkeit wahrnehmen kann und mögliche Interessenkonflikte nicht durch die Bestellung eines Sonderinsolvenzverwalters ausgeräumt werden können“. Zudem solle der Gläubigerausschuss bzw. die Gläubigerversammlung auch die Bestellung eines Sonderinsolvenzverwalters beantragen können, wobei das Insolvenzgericht dann dessen Aufgaben zu bestimmen habe. Schließlich solle für den Prüfungstermin nach § 176 ­InsO in jedem Verfahren zwingend ein Sonderinsolvenzverwalter zu bestellen sein.106 Hinsichtlich der Voraussetzungen, unter denen das für mehrere Konzerngesellschaften zuständige Insolvenzgericht denselben Insolvenzverwalter für mehrere 106 So die Schilderung der von der Arbeitsgruppe beim Bundesjustizministerium entwickelten, aber unveröffentlichten Regelungsvorschläge bei K. Schmidt, KTS 2010, 1, 27 f.

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Konzerngesellschaften bestellen kann, ist dieser Regelungsvorschlag sehr vage formuliert. Insbesondere mit der Einschränkung, dass die Bestellung eines Konzerninsolvenzverwalters zu unterbleiben habe, sofern zu befürchten sei, dass dieser Verwalter sein Amt „nicht mit der gebotenen Unabhängigkeit wahrnehmen kann und mögliche Interessenkonflikte nicht durch Bestellung eines Sonderinsolvenzverwalters ausgeräumt werden können“, schildert dieser Regelungsvorschlag mehr die auf Grundlage des geltenden Rechts bestehenden Probleme, als hierfür eine konkrete Lösung anzubieten.107 So bleibt auf Grundlage dieser Formulierung unklar, inwieweit der Gesetzgeber Interessenkonflikte in der Person des Konzerninsolvenzverwalters toleriert bzw. wann die Grenze der „gebotenen Unabhängigkeit“ überschritten ist. Bedenken bestehen ferner gegen die vorgeschlagene Regelung, wonach für den Prüfungstermin gem. § 176 ­InsO in den einzelnen Insolvenzverfahren zwingend ein Sonderinsolvenzverwalter zu bestellen ist. Soweit mit dieser Regelung ein abstrakter Schutz der Gläubiger der einzelnen Konzerngesellschaften vor Interessenkonflikten gewährleistet werden soll, in die der für mehrere Konzerngesellschaften bestellte Insolvenzverwalter bei der Durchsetzung von zwischen diesen Gesellschaften bestehenden Forderungen gerät, erscheint die Regelung unzureichend. Denn die Bestellung eines Sonderinsolvenzverwalters für den Prüfungstermin verhindert nicht, dass die Anmeldung der Forderung einer Konzerngesellschaft in dem Insolvenzverfahren einer anderen Konzerngesellschaft gleichwohl dem für alle Konzerngesellschaften bestellten Insolvenzverwalter obliegt. Ob dieser die Anmeldung aber vornimmt, kann durch einen nur für den Prüfungstermin bestellten Sonderinsolvenzverwalter nicht kontrolliert werden.108 Denn dieser kann im Prüfungstermin lediglich Widerspruch gegen angemeldete Forderungen erheben. Er prüft aber nicht, ob alle Forderungen der Gesellschaft, in deren Verfahren er bestellt ist, in den Verfahren der anderen Konzerngesellschaften angemeldet sind. Um einen wirksamen Schutz der Gläubiger vor Interessenkonflikten des Insolvenzverwalters bei der Durchsetzung konzerninterner Forderungen zu verhindern, müsste der Aufgabenbereich des zwingend zu bestellenden Sonderinsolvenzverwalters neben der Prüfung der angemeldeten Forderungen auch die Anmeldung von Forderungen in den Insolvenzverfahren der anderen Konzerngesellschaften umfassen.

107

Zutreffend Verhoeven, Die Konzerninsolvenz (2011), S. 257; ähnlich K. Schmidt, KTS 2010, 1, 27, wonach dieser Regelungsvorschlag wiedergebe, „wie die Praxis de lege lata verfährt oder doch verfahren sollte“. 108 Ähnlich Paulus, ZGR 2010, 270, 287, wonach der Fall, dass der Konzerninsolvenzverwalter von ihm selbst angemeldete Anfechtungsansprüche prüfen muss, „in der Weise sang- und klanglos übergangen werden [kann], dass der Verwalter diese Forderung im Anmeldungsverfahren verschweigt“. Gleichwohl plädiert Paulus aus Gründen der Effizienz a. a. O. dafür, bei Einsetzung eines Konzerninsolvenzverwalters lediglich die Behandlung tatsächlich angemeldeter Forderungen zu überprüfen.

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c) Statuierung von Kooperationspflichten und Schaffung eines eigenständigen „Koordinierungsverfahrens“ Trotz der geschilderten Vorschläge der eingerichteten Arbeitsgruppe wird seitens des Bundesjustizministeriums geplant, anstelle von Regelungen zur Bestellung desselben Insolvenzverwalters für mehrere Konzerngesellschaften ein „zweistufiges Konzept“ zur Koordinierung der einzelnen Insolvenzverfahren umzusetzen. So sollen zunächst Kooperationsrechte und -pflichten zwischen den einzelnen Insolvenzverwaltern und Gerichten eingeführt werden, welche beispielsweise die Befugnis zur Weitergabe von Informationen sowie die Kompetenz der Insolvenzgerichte zum Abschluss von Insolvenzverwaltungsverträgen umfassen sollen. Daneben soll aber auch ein eigenständiges Koordinierungsverfahren geschaffen werden. In diesem auf einen separaten Antrag einer jeden Konzerngesellschaft bzw. des für sie bestellten Insolvenzverwalters hin zu eröffnenden Verfahren soll ein sog. „Koordinierungsverwalter“ bestellt werden, welcher für die Koordinierung der einzelnen Insolvenzverfahren zu sorgen hätte. Ihm solle ins­besondere die Aufgabe obliegen, „Möglichkeiten einer integrierten Insolvenz­bewältigung zu prüfen, konkrete Strategien auszuarbeiten und – etwa in Gestalt eines Koordinierungsplans – vorzuschlagen“. Solche vom „Koordinierungsverwalter“ erstellten Koordinationspläne sollen sodann als „Referenz für die auf der Ebene der Einzelverfahren umzusetzenden Sanierungsmaßnahmen dienen“. Der „Koordinierungsverwalter“ solle auch dafür Sorge tragen, „dass die Gläubiger der einzelnen Konzerngesellschaften durch die vorgeschlagenen Koordinierungsmaßnahmen nicht schlechter gestellt werden, als sie bei der unkoordinierten Abwicklung der Einzelverfahren stehen würden“. Zur Wahrnehmung seiner Aufgaben solle der „Koordinierungsverwalter“ zwar die Befugnis erhalten, von den für die einzelnen Konzergesellschaften bestellten Insolvenzverwaltern Informationen einzuholen, allerdings sollen die von ihm erstellten Koordinierungspläne keine „unmittelbare Gestaltungswirkung“ in den Einzelverfahren entfalten und damit nicht „in die Rechte von Anteilsinhabern und Gläubigern einzelner Gesellschaften eingreifen können“. Diese Pläne sollen vielmehr lediglich die „Kooperationspflichten der beteiligten Verwalter konkretisieren“.109 Nach diesem Regelungskonzept soll also anstelle der Bestellung desselben Insolvenzverwalters für alle bzw. mehrere Konzerngesellschaften lediglich ein Koordinierungsverwalter eingesetzt werden, welcher die Abwicklung der einzelnen, grundsätzlich von verschiedenen Insolvenzverwaltern bearbeiteten Verfahren koordinieren soll. Im Vergleich zur Bestellung desselben Insolvenzverwalters für mehrere Konzerngesellschaften hat dieser Vorschlag aber den Nachteil, dass damit gerade nicht erreicht wird, dass eine Person die Entscheidungen in den Insolvenzverfahren der einzelnen Konzerngesellschaften trifft. Vielmehr bleibt es hier 109 So die Ausführungen der Bundesjustizministerin Leutheusser-Schnarrenberger in ihrer Rede auf dem 9. Deutschen Insolvenzrechtstag der Arbeitsgemeinschaft Insolvenzrecht im Deutschen Anwaltverein am 22. März 2012 in Berlin, ­Z­InsO 2012, 637, 640 f.

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bei einer Vielzahl von Entscheidungsträgern, deren Vorgehen dann durch den Koordinierungsverwalter aufeinander abgestimmt werden muss. Damit erscheint die Einsetzung eines Koordinierungsverwalters weniger effizient als die Einsetzung eines Konzerninsolvenzverwalters. Auch sollen die von dem Koordinierungsverwalter erstellten Koordinierungspläne keine unmittelbare Gestaltungswirkung in den Verfahren der einzelnen Konzerngesellschaften entfalten können. Folglich hinge bei der Einführung eines solchen Koordinationsverfahrens die erfolgreiche Umsetzung eines konzernweiten Sanierungs- oder Verwertungskonzeptes maßgeblich von der Kooperationsbereitschaft der für die einzelnen Kozern­ gesellschaften bestellten Insolvenzverwalter ab. In dieser Hinsicht bestünden somit im Grundsatz dieselben Probleme wie bei der Bestellung verschiedener Insolvenzverwalter für die einzelnen Konzerngesellschaften. Zwar könnte der Koordinierungsverwalter als neutrale Person, die nicht den Interessen einer bestimmten Konzerngesellschaft verpflichtet ist, auf eine möglichst reibungslose Kooperation hinarbeiten. Allerdings hätte der Koordinierungsverwalter lediglich die Befugnis zur Einholung von Informationen, weshalb seine Möglichkeiten zur Einwirkung auf die einzelnen Verwalter bei unterschiedlichen Vorstellungen über die Verwertung des Vermögens der einzelnen Konzerngesellschaften sehr begrenzt wären. Im Ergebnis erscheint es daher äußerst zweifelhaft, ob der Nutzen eines solchen Koordinierungsverfahrens die Kosten desselben, die wohl von den Gläubigern der einzelnen Konzerngesellschaften zu tragen wären, rechtfertigen würde. d) Regelungsvorschlag Aufgrund der geschilderten Nachteile eines separaten Koordinierungsverfahrens erscheint es vorzugswürdiger, im Rahmen der Einführung spezieller Regelungen für die Insolvenz mehrerer konzernangehöriger Gesellschaften die Bestellung eines Konzerninsolvenzverwalters vorzusehen. Bei einer solchen Regelung muss dann ein angemessener Ausgleich gefunden werden zwischen den Vorteilen, die eine einheitliche Verwalterbestellung mit sich bringt, und den Gefahren, die sich für die Gläubiger als Folge von Interessenkonflikten ergeben. Die tatsächlichen Voraussetzungen, aufgrund derer ein solcher Ausgleich getroffen werden muss, werden jedoch bei der Insolvenz mehrerer Konzerngesellschaften in vielen Fällen unterschiedlich sein. So können zwischen den einzelnen Konzerngesellschaften enge wirtschaftliche Verflechtungen bestehen, weshalb der Konzern aus wirtschaftlicher Sicht wie ein einheitliches Unternehmen erscheint. In einem solchen Fall erscheinen die mit der Bestellung desselben Insolvenzverwalters für alle konzernangehörigen Gesellschaften verbundenen Vorteile sehr viel größer als in Fällen, in denen die Konzernmutter eine Holdinggesellschaft ist, die lediglich Beteiligungen an in verschiedenen Bereichen tätigen Gesellschaften verwaltet, ohne auf deren Tagesgeschäft Einfluss zu nehmen. In letzterem Fall kann es beispielsweise vorteilhaft sein, denselben Insolvenzverwalter nur für die in einem bestimmten Be-

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reich tätigen Konzerngesellschaften zu bestellen. Eine Regelung für die Bestellung eines Konzerninsolvenzverwalters müsste deshalb flexibel genug sein, um für die Vielzahl der auftretenden Konstellationen jeweils eine sachgerechte Lösung zu ermöglichen. Deshalb erscheint es vorzugswürdig, die Bestellung eines Konzerninsolvenzverwalters nicht zwingend vorzuschreiben, sondern dem Insolvenzgericht lediglich eine diesbezügliche Option einzuräumen. Diese Option sollte auch nicht an die konzernweite Zuständigkeit eines Insolvenzgerichts gekoppelt werden, um mehreren beteiligten Insolvenzgerichten die Möglichkeit zu belassen, sich hinsichtlich der Bestellung eines Insolvenzverwalters abzustimmen. Wenig zielführend erscheint es auch, die Möglichkeit der Bestellung eines Konzerninsolvenzverwalters mittels abstrakter Umschreibungen einzugrenzen, beispielsweise indem ein solches Vorgehen ausgeschlossen wird, sofern zu befürchten ist, dass der Konzerninsolvenzverwalter „sein Amt [nicht] mit der gebotenen Unabhängigkeit“ wahrnehmen werde.110 Denn solche Formulierungen sind in hohem Maße auslegungsbedürftig und schaffen damit kaum einen Gewinn an Rechtssicherheit. Vielmehr sollte die Bestellung eines Konzerninsolvenzverwalters grundsätzlich in das Ermessen des Insolvenzgerichts gestellt werden.111 Damit würde eine diesbezügliche Regelung von unklaren Begrifflichkeiten befreit. In der Sache dürften sich zudem kaum Unterschiede ergeben, da auch bei einer vagen abstrakten Eingrenzung dem Insolvenzgericht ein erheblicher Entscheidungsspielraum zukommt. Zudem hätte das Insolvenzgericht gem. § 56a Abs. 1 ­InsO einem nach §§ 21 Abs. 1 Nr. 1a, 22a ­InsO bestellten vorläufigen Gläubigerausschuss Gelegenheit zur Stellungnahme zu geben. Durch einen einstimmigen Vorschlag könnte der vorläufige Gläubigerausschuss gem. § 56a Abs. 2 ­InsO die Bestellung eines Konzerninsolvenzverwalters erzwingen oder aber umgekehrt dessen Bestellung verhindern. Hiermit wäre gewährleistet, dass die Gläubiger, die letztlich das Risiko von Interessenkonflikten in der Person des Insolvenzverwalters tragen, an dieser Entscheidung beteiligt werden. Die Möglichkeit zur Bestellung eines Konzerninsolvenzverwalters sollte aber dadurch begrenzt werden, dass für bestimmte, konkret bezeichnete Bereiche die Bestellung eines Sonderinsolvenzverwalters vorgeschrieben wird. In diesem Ausgangspunkt ist dem von der Arbeitsgruppe beim Bundesjustizministerium erarbeiteten Regelungsvorschlag zuzustimmen. Denn durch die zwingende Bestellung eines Sonderinsolvenzverwalters würde für bestimmte Aufgabenbereiche ein abstrakter Schutz der Gläubiger vor Interessenkonflikten in der Person des Konzerninsolvenzverwalters sichergestellt. Die zwingende Bestellung eines Sonderinsolvenzverwalters hätte gegenüber einem entsprechenden Antragsrecht der Gläubigerversammlung, wie es von der beim Bundesjustizministerium eingesetzten Arbeitsgruppe für Tätigkeiten des Insolvenzverwalters außerhalb des Prüfungs 110 So aber der bei K. Schmidt, KTS 2010, 1, 27 geschilderte Regelungsvorschlag der vom Bundesjustizministerium eingesetzten Arbeitsgruppe. 111 So auch Kübler, ZGR 1984, 560, 588.

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C. Ausgestaltung eines künftigen Konzerninsolvenzrechts

termins befürwortet wird,112 den Vorteil, dass der hierdurch bewirkte Schutz der Gläubiger nicht von einer Mehrheitsentscheidung der Gläubigerversammlung abhängig wäre. Dadurch würden Gläubiger, die nur eine betragsmäßig geringe Forderung innehaben, effektiver geschützt. Eine solche Lösung entspräche auch den Regelungen der §§ 56a Abs. 2, 57 Satz 3 ­InsO. Denn hiernach ist das Insolvenzgericht zur Bestellung eines vom vorläufigen Gläubigerausschuss einstimmig vorgeschlagenen bzw. von der Gläubigerversammlung gewählten Insolvenzverwalters nur verpflichtet, sofern dieser nach § 56 Abs. 1 ­InsO geeignet und damit auch unabhängig ist. Hieraus ergibt sich, dass die Unabhängigkeit des Insolvenzverwalters nicht zur Disposition der Gläubiger steht. Allerdings sollte der Aufgabenbereich dieses zwingend zu bestellenden Sonderinsolvenzverwalters nicht auf die Wahrnehmung des Prüfungstermins nach § 176 ­InsO beschränkt werden. Denn durch eine solche Regelung wird der Gefahr nicht begegnet, dass der für mehrere Konzerngesellschaften bestellte Insolvenzverwalter die Anmeldung von Forderungen im Parallelverfahren pflichtwidrig unterlässt. In Anbetracht der geschilderten Bedeutung, die der Aufarbeitung der vor Eröffnung des Insolvenzverfahrens erfolgten konzerninternen Vermögensverschiebungen für den Schutz der Gläubiger der einzelnen Gesellschaften zukommt,113 erscheint es vielmehr erforderlich, diese Aufgabe insgesamt dem zwingend zu bestellenden Sonderinsolvenzverwalter zuzuweisen. So sollte es diesem Sonderinsolvenzverwalter obliegen, die vor Eröffnung des Insolvenzverfahrens gegenüber einer anderen Konzerngesellschaft begründeten Forderungen im Insolvenzverfahren dieser anderen Konzerngesellschaft geltend zu machen und auch gegebenenfalls erforderliche Feststellungsprozesse zu führen. Gleiches sollte für die Prüfung der von einer anderen Konzerngesellschaft angemeldeten Forderungen und gegebenenfalls auch das Bestreiten dieser Forderungen im Prüfungstermin gelten. Zum Aufgabenkreis des Sonderinsolvenzverwalters sollte es schließlich auch gehören, das Stimmrecht aus den von ihm im Verfahren einer anderen Konzerngesellschaft angemeldeten Forderungen in der dortigen Gläubigerversammlung auszuüben. Hierdurch würde vermieden, dass das Stimmrecht aus diesen Forderungen ausgeschlossen werden muss. Ein solcher Fall läge beispielsweise vor, wenn der Konzerninsolvenzverwalter an der Entscheidung über seine eigene Abwahl mitwirken könnte.114 Denn ein solcher Stimmrechtsausschluss brächte den Nachteil mit sich, dass eine Konzerngesellschaft, der eine hohe Forderung gegen eine andere Konzerngesellschaft zusteht, gleichwohl in der Gläubigerversammlung über keinerlei Stimmrecht verfügen würde und damit an die Entscheidungen der übrigen Gläubiger, deren Forderungen weit geringer sind, gebunden wäre.

112

Siehe den Regelungsvorschlag dieser Arbeitsgruppe bei K. Schmidt, KTS 2010, 1, 28. Siehe oben C. I. 3. a). 114 Siehe zum Ausschluss des Stimmrechts eines Gläubigers bei der Abstimmung der Gläubigerversammlung aufgrund des Verbots des „Richtens in eigener Sache“ Uhlenbruck/Uhlenbruck, Komm. z. ­InsO, § 77 Rdn. 6; Ehricke, Münchener Komm. z. ­InsO, § 77 Rdn. 37. 113

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Eine Regelung, die die Bestellung eines Konzerninsolvenzverwalters nur bei gleichzeitiger Bestellung eines Sonderinsolvenzverwalters mit dem beschriebenen Aufgabenkreis zulässt, könnte sich dem Einwand ausgesetzt sehen, dass dadurch die mit der Bestellung eines Konzerninsolvenzverwalters verbundenen Vorteile zum großen Teil wieder entfielen.115 Dieser Einwand erscheint allerdings nicht begründet. Denn der Konzerninsolvenzverwalter bliebe für Vertragsschlüsse im Rahmen einer Betriebsfortführung, die Verwertung der Insolvenzmasse oder die Erstellung eines Insolvenzplans zuständig. Gerade diese Bereiche erscheinen für die Koordination der Insolvenzverfahren mehrerer Konzerngesellschaften zentral. Denn hier ist eine einheitliche Entscheidung notwendig, um beispielsweise eine einheitliche Verwertung der Vermögensgegenstände der einzelnen Konzerngesellschaften oder ein konzernweites Sanierungskonzept umzusetzen. Hinsichtlich dieser Aufgabenbereiche erscheint es dann auch vertretbar, den Konzerninsolvenzverwalter vom Verbot der §§ 181, 450 Abs. 2 BGB zu befreien.116 Denn gerade bei der Verwertung von Vermögensgegenständen wird es sich oftmals um besonders bedeutsame Rechtshandlungen handeln, für die der Insolvenzverwalter ohnehin gem. § 160 ­InsO die Zustimmung des Gläubigerausschusses oder der Gläubigerversammlung benötigt. Im Rahmen einer von den Gläubigern beschlossenen Betriebsfortführung kann § 160 ­InsO beim Abschluss von Verträgen zwischen den einzelnen Konzerngesellschaften ebenfalls eingreifen. Sofern eine Zustimmung des Gläubigerausschusses bzw. der Gläubigerversammlung entbehrlich ist, erscheint angesichts des mit einheitlichen Entscheidungen in diesen Bereichen verbundenen Nutzens die Haftung des Insolvenzverwalters nach § 60 ­InsO, seine Überwachung durch den Gläubigerausschuss nach § 69 ­InsO sowie seine Berichtspflicht gegenüber der Gläubigerversammlung gem. § 79 ­InsO ausreichend. Diese de lege ferenda vorgeschlagene Aufgabenverteilung zwischen Konzerninsolvenzverwalter und Sonderinsolvenzverwalter entspräche damit grundsätzlich der­jenigen, die nach der hier vertretenen Ansicht bereits auf Grundlage des geltenden Rechts möglich erscheint. Lediglich eine Befreiung des Konzerninsolvenzverwalters vom Verbot der §§ 181, 450 Abs. 2 BGB durch die Gläubigerversammlung bzw. den Gläubigerausschuss wäre entbehrlich.117 Sofern in den Verfahren der einzelnen Konzerngesellschaften verschiedene Verwalter bestellt werden, stellt sich die Frage, ob für einen solchen Fall Regelungen geschaffen werden sollten, die ein koordiniertes Vorgehen der beteiligten Verwal 115 In diese Richtung Paulus, ZGR 2010, 270, 286, wonach die Bestellung eines Sonderinsolvenzverwalters „für alle konzerninternen Transaktionen […] die mit einer einheitlichen Bestellung angestrebte Effizienzsteigerung sofort wieder obsolet“ machen würde. Er plädiert deshalb dafür„zu dem in den alleinigen Verwalter gesetzten Vertrauen zu stehen und allenfalls für Evidenzfälle die sofortige Bestellung eines Sonderinsolvenzverwalters vorzuschreiben“. Ob die Forderungsanmeldung ein solcher Evidenzfall sei, müsse allerdings bezweifelt werden, vgl. a. a. O. S.  288. 116 Für eine gesetzliche Befreiung des in den Insolvenzverfahren mehrerer Konzerngesellschaften bestellten Insolvenzverwalters auch Hirte, ZIP 2008, 444, 446. 117 Zur hier zum geltenden Recht vertretenen Ansicht siehe oben B. II. 1. c) bb) (3).

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C. Ausgestaltung eines künftigen Konzerninsolvenzrechts

ter sicherstellen. Dies erscheint grundsätzlich sinnvoll, da hierdurch auch bei Bestellung unterschiedlicher Verwalter eine koordinierte Abwicklung der einzelnen Insolvenzverfahren erreicht werden könnte. Fraglich ist dann aber, wie entsprechende Regelungen aussehen sollten. Teilweise ist als Alternative zur konzernweiten Zuständigkeit eines Insolvenzgerichts und der Bestellung desselben Insolvenzverwalters für alle konzernangehörigen Gesellschaften vorgeschlagen worden, dem Insolvenzverwalter der Konzernmutter ein Weisungsrecht gegenüber dem Insolvenzverwalter der Konzerntochter einzuräumen. Auf diese Weise solle das vor Eröffnung des Insolvenzverfahrens aufgrund eines Beherrschungsvertrages oder einer Mehrheitsbeteiligung bestehende Weisungsrecht der Ober- gegenüber der Untergesellschaft auf das Verhältnis der für diese Gesellschaften bestellten Insolvenzverwalter übertragen werden. Bei Ausübung dieses Weisungsrechts müsse der Insolvenzverwalter der Obergesellschaft allerdings „auch das Wohl der Gläubiger der Konzerntochter im Auge haben“, da dies auch außerhalb des Insolvenzverfahrens für die weisungsberechtigte Obergesellschaft gelte.118 Die Einführung eines solchen Weisungsrechts wäre grundsätzlich nicht nur als Alternative, sondern auch als Ergänzung zu Regelungen über die Bestellung eines Konzerninsolvenzverwalters denkbar. Allerdings wäre ein Weisungsrecht des Insolvenzverwalters der Konzernmutter gegenüber dem Insolvenzverwalter der Konzerntochter kaum mit den Grundwertungen der ­InsO zu vereinbaren. Denn das Vermögen der Tochtergesellschaft ist nach Maßgabe des § 1 ­InsO ausschließlich zur bestmöglichen und gemeinschaftlichen Befriedigung ihrer Gläubiger zu verwenden. Diesem Ziel ist der für die Tochtergesellschaft bestellte Insolvenzverwalter verpflichtet. Die Konzernmutter hat, sofern sie Gesellschafterin der Konzerntochter ist, lediglich eine im Verhältnis zu den Gläubigern der Tochtergesellschaft nachrangige Berechtigung an deren Vermögen, vgl. § 199 Satz 2 ­InsO. Dieser nachrangigen Berechtigung widerspräche es, wenn der den Interessen der Gläubiger der Konzernmutter verpflichtete Insolvenzverwalter über ein Weisungsrecht gegenüber dem Insolvenzverwalter der Tochtergesellschaft verfügen würde. Zudem würde durch ein solches Weisungsrecht auch dem Insolvenzverfahren der Konzernmutter Vorrang vor dem Insolvenzverfahren der Konzerntochter eingeräumt. Angesichts der rechtlichen Selbständigkeit der einzelnen Konzerngesellschaften erscheint ein solcher Vorrang allerdings nicht begründbar. Demzufolge ist die Einführung eines Weisungsrechts des Insolvenzverwalters der Konzernmutter gegenüber dem Insolvenzverwalter der Tochtergesellschaft abzulehnen. Vorzugswürdiger erscheint es, wie es nunmehr auch vom Bundesjustizministerium geplant ist,119 Kooperations- und Informationspflichten für die für die einzelnen Konzerngesellschaften bestellten Insolvenzverwalter vorzusehen. Als Vorbild hierfür könnten die für die Verwalter von Haupt- und Sekundärinsolvenzverfahren geltenden Regelungen des Art. 31 Abs. 1 118

Schelo, Editorial zu NZI 12/2005, V, VI. Siehe die Rede der Bundesjustizministerin Leutheusser-Schnarrenberger auf dem 9. Deutschen Insolvenzrechtstag der Arbeitsgemeinschaft Insolvenzrecht im Deutschen Anwaltverein am 22. März 2012 in Berlin, ­Z­InsO 2012, 637, 640. 119

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und 2 E ­ uInsVO dienen. Dies schlägt auch die beim Bundesjustizministerium eingerichtete Arbeitsgruppe vor, die zusätzlich auch eine ausdrückliche Gestattung des Abschlusses von Insolvenzverwaltungsverträgen sowie nach dem Vorbild der Art. 31 Abs. 3 und Art. 33 ­EuInsVO ein Recht der beteiligten Verwalter einführen will, im jeweils anderen Verfahren Vorschläge für die Verwertung der Insolvenzmasse zu machen und die vorübergehende Aussetzung der Verwertung zu beantragen.120 Die ausdrückliche Gestattung des Abschlusses von Insolvenzverwaltungsverträgen erscheint allerdings entbehrlich, da der Abschluss dieser Verträge bereits auf Grundlage des geltenden Rechts in weitem Umfang möglich ist.121 Zudem erscheinen Insolvenzverwaltungsverträge angesichts des Verlusts an Flexibilität bei der Verfahrensabwicklung sowie des für ihr Aushandeln erforderlichen Aufwandes auch als Mittel zur Verfahrenskoordination nur eingeschränkt geeignet.122 Die Einführung eines Rechts der beteiligten Verwalter, im jeweiligen Parallelverfahren einer anderen Konzerngesellschaft die Aussetzung der Verwertung zu beantragen, ist gleichfalls abzulehnen. Denn dieses Recht steht nach der ­EuInsVO nur dem Verwalter des Hauptinsolvenzverfahrens zu und ist dort Ausdruck des Vorrangs und der Leitfunktion des Hauptverfahrens gegenüber dem Sekundärverfahren.123 Bei parallelen Insolvenzverfahren verschiedener Konzerngesellschaften erscheint ein solcher Vorrang eines Verfahrens aber aufgrund der rechtlichen Selbständigkeit der einzelnen Konzerngesellschaften nicht begründbar.124 Zudem soll das Recht zur Beantragung der Aussetzung der Verwertung auch allen beteiligten Verwaltern zukommen. Sofern aber keine Einigung über ein gemeinsames Vorgehen erzielt werden kann und ein Verwalter einen entsprechenden Antrag stellt, steht zu befürchten, dass sich der andere Verwalter in gleicher Weise „revanchiert“. Aufgrund solcher wechselseitigen Blockadeversuche könnte es dann insbesondere bei einer Vielzahl beteiligter Verwalter zu erheblichen Verfahrensverzögerungen kommen. Deshalb sollten für den Fall der Bestellung verschiedener Insolvenzverwalter für die einzelnen Konzerngesellschaften lediglich Kooperations- und Informationspflichten sowie ein jedem Verwalter zustehendes Recht, in dem Verfahren einer anderen Konzerngesellschaft Vorschläge zur Verwertung der Insolvenzmasse zu machen,125 normiert werden. 120

Siehe die Schilderung entsprechender Regelungsvorschläge bei K. Schmidt, KTS 2010, 1, 28 f. 121 Zur Zulässigkeit des Abschlusses von Insolvenzverwaltungsverträgen zwischen Insolvenzverwaltern und den diesbezüglichen Grenzen siehe oben B. III. 1. a) aa) (2). 122 Zu diesen Nachteilen von Insolvenzverwaltungsverträgen siehe oben B. III. 1. c). 123 Duursma-Kepplinger/Chalupsky, in: Duursma-Kepplinger/Duursma/Chalupsky, Komm. z. ­EuInsVO, Art. 33 Rdn. 2; Paulus, Komm. z. ­EuInsVO, Art. 33 Rdn. 1. 124 A. A. Paulus, ZGR 2010, 271, 286, der eine Übertragung der Art. 31 ff. ­EuInsVO befürwortet und hierzu eine „Hierarchisierung der Verfahren“ vorschlägt, mit der eine „Führungs­ position“ des Insolvenzverfahrens der Konzernmutter geschaffen werden soll. 125 A. A. Paulus, ZGR 2010, 270, 286, der aufgrund der von ihm befürworteten „Hierarchisierung“ der Verfahren wohl nur dem Insolvenzverwalter der Konzernmutter das Recht zubilligen will, in den Insolvenzverfahren der Tochtergesellschaften Vorschläge für die Verwertung der Insolvenzmasse zu machen.

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C. Ausgestaltung eines künftigen Konzerninsolvenzrechts

Zur Umsetzung dieser geschilderten Regelungen sollte § 56 ­InsO wie folgt ergänzt werden: (3) 1Sind mehrere Kapitalgesellschaften oder Gesellschaften ohne Rechtspersönlichkeit nach den in § 3 Abs. 3 Satz 1 genannten Kriterien miteinander verbunden, so kann für mehrere oder alle diese Gesellschaften dieselbe Person zum Insolvenzverwalter bestellt werden. 2Daneben ist für jede Gesellschaft ein Sonderinsolvenzverwalter zu bestellen, dem mindestens folgende Tätigkeiten obliegen: 1. Anmeldung von Forderungen in den Insolvenzverfahren anderer Gesellschaften desselben Verbundes sowie das Führen von erforderlichen Feststellungsprozessen, 2. Ausübung des aus diesen Forderungen resultierenden Stimmrechts in der jeweiligen Gläubigerversammlung und 3. Prüfung der von einer anderen Gesellschaft desselben Verbundes angemeldeten Forderungen sowie gegebenenfalls das Bestreiten dieser Forderungen im Prüfungstermin. 3

Gleiches gilt in den Fällen des § 3 Abs. 3 Satz 2.

(4) 1Werden in den in Abs. 3 bezeichneten Fällen verschiedene Insolvenzverwalter bestellt, so sind diese Insolvenzverwalter zur gegenseitigen Information und zur Zusammenarbeit verpflichtet. 2Jeder Insolvenzverwalter kann den für andere Mitglieder des Verbundes bestellten Insolvenzverwaltern Vorschläge für die Verwertung der in dem jeweiligen Verfahren verwalteten Insolvenzmasse unterbreiten.

4. Fortbestand der gesellschaftsrechtlichen Bindungen des Leitungsorgans bei Anordnung der Eigenverwaltung Bestandteil eines künftigen Konzerninsolvenzrechts sollte ferner eine Regelung sein, wonach der nach den gesellschaftsrechtlichen Regelungen bestehende Einfluss der Gesellschafterversammlung und des Aufsichtsrats auf die Geschäftsführung der Gesellschaft auch bei Anordnung der Eigenverwaltung fortbesteht. Zwar wurde mit Einführung des § 276a ­InsO durch das ESUG gerade ein Entfallen der gesellschaftsrechtlichen Bindungen des Leitungsorgans einer eigenverwaltenden Gesellschaft angeordnet. Allerdings vermag diese Norm aus mehreren Gründen nicht zu überzeugen. So geht im Regelinsolvenzverfahren gem. § 80 Abs. 1 ­InsO die Verwaltungsund Verfügungsbefugnis über das zur Insolvenzmasse gehörende Vermögen mit Eröffnung des Insolvenzverfahrens auf den Insolvenzverwalter über. Bei Anordnung der Eigenverwaltung soll dagegen gem. § 270 Abs. 1 Satz 1 ­InsO der Schuldner zur Verwaltung der Insolvenzmasse und zur Verfügung über die zur Masse gehörenden Vermögensgegenstände berechtigt sein. Schuldner ist aber gem. § 11 Abs. 1 Satz 1 Alt. 2 ­InsO die juristische Person und nicht deren Leitungsorgan. Folglich müsste „die Schuldnerin oder der Schuldner die Masse so verwalte[n], wie sie oder er beschaffen ist: z. B. als Unternehmer oder Verbraucher, im Fall einer Handelsgesellschaft also als verfasste Körperschaft oder

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Personengesellschaft“126. § 276a ­InsO legt hingegen fest, dass das Leitungsorgan die Verwaltungs- und Verfügungsbefugnis frei von Bindungen an Beschlüsse der Gesellschafterversammlung oder des Aufsichtsrats wahrnimmt. Die Geschäftsleitung wird bei Anordnung der Eigenverwaltung damit zu einem dem Insolvenzverwalter vergleichbaren „Quasi-Verfahrensorgan“127. Dies ist nur schwerlich mit dem Wortlaut des § 270 Abs. 1 Satz 1 ­InsO zu vereinbaren. Zudem werden durch eine solche Annäherung der Geschäftsführung an den Insolvenzverwalter die für die Bestellung des Insolvenzverwalters geltenden §§ 56 ff. ­InsO ausgehebelt.128 Ferner ist zu befürchten, dass die Gesellschafter einer GmbH in Anbetracht des nunmehr auch bei Anordnung der Eigenverwaltung eintretenden Verlustes ihrer Einflussmöglichkeiten auf die Geschäftsleitung einen frühzeitigen Insolvenzantrag verhindern.129 Denn der Geschäftsführer einer GmbH ist verpflichtet, vor Stellung eines Insolvenzantrags wegen drohender Zahlungsunfähigkeit die Zustimmung der Gesellschafterversammlung einzuholen. Deren Entscheidung ist für ihn bindend.130 Schließlich verhindert die Regelung des § 276a ­InsO, dass die Muttergesellschaft bzw. ihr Insolvenzverwalter bei Anordnung der Eigenverwaltung im Verfahren der Tochtergesellschaft mittels des aus einer Mehrheitsbeteiligung folgenden Stimmrechts Einfluss auf die Verfahrensabwicklung nehmen können. Die Eigenverwaltung scheidet daher als Instrument zur Koordination paralleler Insolvenzverfahren verschiedener Konzerngesellschaften aus. Vor Inkraft­ treten des ESUG wurde aber, offenbar auf Grundlage der Ansicht, die einen Fortbestand der gesellschaftsrechtlichen Bindungen bei Anordnung der Eigenverwaltung annahm,131 davon ausgegangen, dass „die Eigenverwaltung […] einen wertvollen Beitrag zur Koordination einer Konzerninsolvenz leisten“ könne.132 Gerade im Hinblick darauf, mittels Anordnung der Eigenverwaltung im Insolvenzverfahren einer Konzerntochter eine Abstimmung der Insolvenzverfahren von Mutter- und Tochtergesellschaft zu ermöglichen, sollte die Regelung des § 276a ­InsO gestrichen oder zumindest ihre Geltung im Falle der gleichzeitigen Insolvenz einer anderen Gesellschaft, welche an der eigenverwaltenden Gesellschaft eine Mehrheitsbeteiligung hält, ausgeschlossen werden. Zusätzlich wäre 126 So das zutreffende Verständnis von K. Schmidt, BB 2011, 1603, 1607 für die Wirkung der Anordnung der Eigenverwaltung bei einer Handelsgesellschaft. 127 So K. Schmidt, BB 2011, 1603, 1607. 128 Aus diesem Grund vor Inkrafttreten des § 276a ­InsO ein Entfallen der gesellschaftsrechtlichen Bindungen des Leitungsorgans bei Anordnung der Eigenverwaltung ablehnend Ringstmeier/Homann, NZI 2002, 406, 408; Brünkmans, Die Koordinierung von Insolvenzverfahren konzernverbundener Unternehmen (2009), S. 227 f. 129 Kammel/Staps, NZI 2010, 791, 797; Hofmann, NZI 2010, 798, 804. 130 Jaeger/H. F. Müller, Komm. z. I­ nsO, § 18 Rdn. 19; Haas, DStR 1998, 1359, 1363; ders., in: Baumbach/Hueck, Komm. z. GmbHG, § 60 Rdn. 29; Schmerbach, Frankfurter Komm. z. ­InsO, § 18 Rdn. 31; Tetzlaff, ­Z­InsO 2008, 137, 139. 131 Siehe zu dieser Ansicht oben B. IV. 1. b) bb). 132 Jaffé, ZHR 175 (2011), 38, 47; ebenso Ehricke, ­Z­InsO 2002, 393, 395, wonach „die Verknüpfung von Eigenverwaltung und Insolvenzplan als ideales Mittel [erscheine], um die Vorteile eines Sanierungsverbundes in einem Konzern zu nutzen“.

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C. Ausgestaltung eines künftigen Konzerninsolvenzrechts

eine Klarstellung wünschenswert, wonach eine eigenverwaltende Kapitalgesellschaft die ihr zustehende Verwaltungs- und Verfügungsbefugnis nach Maßgabe der gesellschaftsrechtlichen Regeln über die Binnenorganisation der Gesellschaft ausübt. Die vor Inkrafttreten des ESUG gegen einen Fortbestand der gesellschaftsrechtlichen Bindungen der Geschäftsleitung in der Eigenverwaltung erhobenen133 und auch in der Begründung zum Gesetzentwurf der Bundesregierung geäußerten134 Bedenken, dass die Gesellschafterversammlung oder der Aufsichtsrat mittels der ihnen zustehenden Einflussmöglichkeiten eine optimale Verwertung der Insolvenzmasse verhindern könnten, erscheinen nicht schwerwiegend genug, um die gerade bei parallelen Insolvenzverfahren verschiedener Konzerngesellschaften bestehenden Vorteile eines Fortbestandes dieser Einflussmöglichkeiten aufzuwiegen. So bestehen bereits Zweifel an der Annahme, dass die Gesellschafter regelmäßig ein Interesse daran haben, mittels ihrer Einflussmöglichkeiten die Verwertung der Insolvenzmasse zu blockieren. Denn die Eigenverwaltung kann nach § 272 Abs. 1 Nr. 1 ­InsO auf Antrag der Gläubigerversammlung oder unter den Voraussetzungen des § 272 Abs. 1 Nr. 2 ­InsO auf Antrag eines einzelnen absonderungsberechtigten Gläubigers oder Insolvenzgläubigers jederzeit aufgehoben werden. Nicht zuletzt deshalb werden die Gesellschafter auch ein Interesse an einer „dem Insolvenzzweck adäquaten Vorgehensweise“ haben.135 Zudem besteht auch bei einer eigenverwaltenden natürlichen Person die Gefahr, dass sie die ihr zustehende Verwaltungs- und Verfügungsbefugnis missbraucht und damit eine optimale Verwertung der Insolvenzmasse verhindert. Warum diese Gefahr bei den Gesellschaftern einer Kapitalgesellschaft größer sein soll, ist nicht ersichtlich.136 Ferner ist auch zu bedenken, dass mit Eröffnung des Insolvenzverfahrens der Gesellschaftszweck durch den Zweck des Insolvenzverfahrens überlagert wird.137 Deshalb sind alle Gesellschaftsorgane verpflichtet, „ihre Amtsführung an dem Verfahrenszweck des § 1 ­InsO auszurichten“, wobei ein Verstoß gegen diesen Verfahrenszweck dieselben Rechtsfolgen nach sich zieht wie ein außerhalb des Insolvenzverfahrens erfolgender Verstoß gegen den Gesellschaftszweck.138 Demzufolge erscheint beispielsweise eine Haftung der Aufsichtsratsmitglieder gem. §§ 116 Satz 1, 93 Abs. 2, Abs. 1 AktG denkbar, sofern sie ihre gem. § 111 Abs. 4 Satz 2 AktG erforderliche Zustimmung verweigern und die Insolvenzmasse durch die Nichtvornahme des betreffenden Geschäfts geschädigt 133

Siehe hierzu oben B. IV. 1. b) bb). Siehe die Begründung der Bundesregierung zu § 276a ­InsO, BT-Drucks. 17/5712, S. 42. 135 K. Schmidt, BB 2011, 1603, 1607; ebenso im Hinblick darauf, dass die Gesellschafter bei einer angestrebten Sanierung der schuldnerischen Gesellschaft auf die Mitwirkung der Gläubiger angewiesen sind Kammel/Staps, NZI 2010, 791, 797. 136 Kessler, Die Aktiengesellschaft in der Eigenverwaltung (2006), S. 266. 137 Brünkmans, Die Koordinierung von Insolvenzverfahren konzernverbundener Unternehmen (2009), S. 238; Kessler, Die Aktiengesellschaft in der Eigenverwaltung (2006), S. 277 f., allerdings mit der Einschränkung, dass eine solche Überlagerung nur insoweit erfolge, als es um die Verwaltung der Insolvenzmasse geht. 138 Haas/Kahlert, in: Gottwald, Insolvenzrechts-Handbuch, § 89 Rdn. 23. 134

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wird.139 Ferner wird für die GmbH angenommen, dass gegen den Insolvenzverfahrenszweck verstoßende Weisungen der Gesellschafterversammlung an den Geschäftsführer nichtig sind,140 andere halten bei einer AG einen gegen § 1 Satz 1 ­InsO verstoßenden Hauptversammlungsbeschluss lediglich für anfechtbar141. Da § 1 Satz 1 ­InsO keine konkreten Handlungspflichten bzw. Verbote statuiert, erscheint es überzeugender, im Interesse der Rechtssicherheit sowohl für die AG als auch für die GmbH lediglich von einer Anfechtbarkeit des Beschlusses der Haupt- bzw. Gesellschafterversammlung auszugehen.142 Zwar kann der Geschäftsführer einer GmbH im Unterschied zum Vorstand einer AG einen Gesellschafterbeschluss grundsätzlich nicht anfechten,143 allerdings wird er als berechtigt angesehen, die Ausführung eines Beschlusses der Gesellschafterversammlung zu verweigern, solange dieser noch angefochten werden kann.144 Damit stellen die Regelungen des Gesellschaftsrechts auch zumindest in gewissem Umfang sicher, dass der Aufsichtsrat sowie die Haupt- bzw. Gesellschafterversammlung dem Zweck des Insolvenzverfahrens nicht zuwiderhandeln. Soweit es aufgrund des Fortbestandes der gesellschaftsrechtlichen Bindungen des Leitungsorgans gleichwohl zu einer Gefahr für die Interessen der Gläubiger kommt, ist nach Maßgabe des § 272 ­InsO immer auch die Aufhebung der Eigenverwaltung möglich. Eine generelle Freistellung der Geschäftsleitung vom Einfluss der anderen Gesellschaftsorgane erscheint daher nicht erforderlich. Aus diesen Gründen sollte § 276a ­InsO aufgehoben und durch folgende Vorschrift ersetzt werden: § 276a Mitwirkung der Überwachungsorgane 1

Ist der Schuldner eine juristische Person oder eine Gesellschaft ohne Rechtspersönlichkeit, so übt die Geschäftsführung die der Gesellschaft zustehende Verwaltungs- und Verfügungsbefugnis nach Maßgabe der Regelungen des Gesellschaftsrechts aus. 2Die außerhalb des Insolvenzverfahrens bestehenden Befugnisse von Aufsichtsrat, Gesellschafterversammlung oder entsprechenden Organen bleiben bestehen.

139 Für eine solche Haftung wegen pflichtwidriger Zustimmungsverweigerung außerhalb des Insolvenzverfahrens Hopt/Roth, Großkomm. z. AktG, § 111 Rdn. 701 und 670. 140 So wohl Haas/Kahlert, in: Gottwald, Insolvenzrechts-Handbuch, § 89 Rdn. 23. 141 So Kessler, Die Aktiengesellschaft in der Eigenverwaltung (2006), S. 417 ff., der auch dem Sachwalter entsprechend § 245 Nr. 4 AktG eine Anfechtungsbefugnis zugestehen will. 142 So für die AG Kessler, Die Aktiengesellschaft in der Eigenverwaltung (2006), S. 414 ff. 143 BGH, Urteil vom 28. Januar 1980, II ZR 84/79, BGHZ 76, 154, 159; eine Anfechtungsbefugnis bejahend, sofern sich der Geschäftsführer schadensersatzpflichtig oder strafbar machen oder eine Ordnungswidrigkeit begehen würde Zöllner, in: Baumbach/Hueck, Komm. z. GmbHG, Anhang nach § 47 Rdn. 140; Bayer, in: Lutter/Hommelhoff, Komm. z. GmbHG, Anh zu § 47 Rdn. 73; weitergehend K. Schmidt, in: Scholz, GmbHG, § 45 Rdn. 134, der bei einem Inhaltsmangel eine Anfechtungsbefugnis des Geschäftsführers bei allen ausführungsbedürftigen Beschlüssen annimmt. 144 Zöllner/Noack, in: Baumbach/Hueck, Komm. z. GmbHG, § 37 Rdn. 23; Altmeppen, in: Roth/Altmeppen, Komm. z. GmbHG, § 37 Rdn. 17.

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5. Einheitliches Insolvenzverfahren über das Vermögen aller konzernangehörigen Gesellschaften Die bisher dargestellten Vorschläge für die Zuständigkeit desselben Insolvenzgerichts für alle konzernangehörigen Gesellschaften sowie die Bestellung desselben Insolvenzverwalters in diesen Verfahren zielten auf eine Koordination von im Grundsatz selbständigen Insolvenzverfahren über das Vermögen jeder einzelnen Konzerngesellschaft ab. Allerdings wird auch vorgeschlagen, die einzelnen Konzerngesellschaften innerhalb eines einheitlichen Insolvenzverfahrens abzuwickeln. Ein solches „Konzerninsolvenzverfahren“ schlösse dann die Zuständigkeit eines Insolvenzgerichts sowie die Bestellung eines Insolvenzverwalters für alle Konzerngesellschaften mit ein. a) Die entsprechende Anwendung der §§ 166 ff. ­InsO auf die Insolvenz mehrerer konzernangehöriger Gesellschaften Ausgangspunkt dieses Ansatzes sind die Auswirkungen, die sich aus der Zusammensetzung eines Konzerns aus mehreren rechtlich selbständigen Gesellschaften und der hierdurch bewirkten Vermögenstrennung für die Gläubiger der einzelnen Konzerngesellschaften ergeben. So wird darauf hingewiesen, dass die Ausgliederung eines Teils des Gesellschaftsvermögens auf eine andere konzernangehörige Gesellschaft oder allgemein das Halten einer Beteiligung an einer anderen Gesellschaft dazu führe, „dass die Gläubiger der Tochtergesellschaft mit Vorrang vor den Gläubigern der Muttergesellschaft auf das Vermögen der Unternehmensgruppe zugreifen können; spiegelbildlich unterliegen die Gläubiger der Muttergesellschaft einem ‚strukturellen Nachrang‘ gegenüber den Gläubigern der Tochtergesellschaft(en) bei der Durchsetzung ihrer Verbindlichkeiten“.145 Denn aus der Insolvenzmasse der Tochtergesellschaft seien zuerst deren Gläubiger zu befriedigen. Erst wenn nach der Befriedigung aller Gläubiger der Tochtergesellschaft ein Überschuss verbleibe, habe der Insolvenzverwalter gem. § 199 Satz 2 ­InsO jeder an der schuldnerischen Gesellschaft beteiligten Person den Anteil am Überschuss herauszugeben, der ihr bei einer Abwicklung der Gesellschaft außerhalb des Insolvenzverfahrens zustünde.146 Somit entspreche die Stellung der Gläubiger der Tochtergesellschaft derjenigen, die nach den §§ 49 ff. ­InsO auch die absonderungsberechtigten Gläubiger innehaben, weshalb eine Anwendung derselben Regelungen nahe liege.147 Gegenstände, die mit einem Absonderungsrecht belastet sind, dürfe der Insolvenzverwalter nach § 166 Abs. 1 ­InsO verwerten, sofern er 145 Hirte, FS K. Schmidt (2009), 641, 646; ebenso ders., ECFR 2008, 213, 224; ders., Kapitalgesellschaftsrecht, Rdn. 8.13. 146 Siehe hierzu die grafische Darstellung bei Hirte, FS K. Schmidt (2009), 641, 647; ders., ECFR 2008, 213, 224. 147 Hirte, FS K. Schmidt (2009), 641, 646 ff.; ders., ECFR 2008, 213, 224 f.

I. Regelungen für eine Konzerninsolvenz im deutschen Insolvenzrecht

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diese in seinem Besitz habe. Bei einer beabsichtigten Veräußerung habe er dem absonderungsberechtigten Gläubiger nach § 168 Abs. 1 Satz 1 ­InsO mitzuteilen, auf welche Weise der Gegenstand veräußert werden soll. Zeige der Gläubiger eine günstigere Verwertungsalternative auf, so habe der Insolvenzverwalter diese gem. § 168 Abs. 2 ­InsO wahrzunehmen oder den Gläubiger so zu stellen, als hätte er sie wahrgenommen. Bei einer Übertragung dieser Regelungen auf die Insolvenz mehrerer Konzerngesellschaften würden die nach § 168 Abs. 2 ­InsO bestehenden Ausgleichsansprüche im Falle einer Verwertung des Vermögens der Tochter­ gesellschaft durch den Insolvenzverwalter der Konzernmutter „die Ansprüche [ersetzen], die einer abhängigen Gesellschaft im Laufe ihres gesunden Lebens auf der Grundlage des Gesellschafts-Konzernrechts zustehen; sie treten mithin an die Stelle von § 311 AktG einerseits und §§ 302, 303 und §§ 304, 305 AktG andererseits bzw. an die Stelle von deren Äquivalenten im GmbH-Konzern“.148 Um die Anwendung der §§ 166 ff. ­InsO auf die Verwertung von Tochtergesellschaften sicherzustellen, sei § 166 ­InsO um folgenden Absatz 4 zu ergänzen: „Absatz 1 findet entsprechende Anwendung auf die Verwertung eines Unternehmens, wenn die Mehrheit der Kapitalanteile an einer juristischen Person oder einer Gesellschaft ohne Rechtspersönlichkeit in die Insolvenzmasse fällt und auch über deren Vermögen das In­ solvenzverfahren eröffnet wurde.“149

Im Insolvenzplanverfahren führe die Gleichstellung der Gläubiger der Konzerntochter mit den absonderungsberechtigten Gläubigern der Konzernmutter dazu, dass die Gläubiger der Konzerntochter bei der Gruppenbildung nach § 222 Abs. 1 ­InsO entweder den absonderungsberechtigten Gläubigern der Konzernmutter gleichzustellen oder in einer eigenen Gruppe zusammenzufassen wären. Der Insolvenzverwalter der Konzernmutter wäre somit für die Ausarbeitung eines konzernweiten Insolvenzplans zuständig. Dieser Plan müsste dann auch im Verfahren der Konzernmutter verabschiedet werden. Der Einbezug der Tochtergesellschaften in diesen Plan entspräche der Ausübung von Konzernleitungsmacht außerhalb des Insolvenzverfahrens.150 Mit Hilfe dieses Ansatzes könne ein einheitliches Insolvenzverfahren für den gesamten Konzern geschaffen und die aus einem solchen Einheitsverfahren resultierenden Vorteile, namentlich geringere Verfahrenskosten und eine koordinierte Verwertung aller auf die einzelnen Konzerngesellschaften verteilten Vermögensgegenstände, erzielt werden, ohne zugleich sämtliche Gläubiger der einzelnen Konzerngesellschaften gleich zu behandeln und damit die rechtliche Selbständigkeit dieser Gesellschaften zu ignorieren.151

148

Hirte, FS K. Schmidt (2009), 641, 649 f. Hirte, FS K. Schmidt (2009), 641, 651. 150 Hirte, FS K. Schmidt (2009), 641, 652 f. 151 Hirte, FS K. Schmidt (2009), 641, 648; ders., ECFR 2008, 213, 225 f. 149

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C. Ausgestaltung eines künftigen Konzerninsolvenzrechts

b) Vergleichbarkeit einer insolventen Konzerntochter mit den von § 166 Abs. 1 ­InsO erfassten Fällen Zuzustimmen ist der geschilderten Ansicht darin, dass den Gläubigern einer insolventen Konzerntochter beim Zugriff auf deren Vermögen Vorrang vor den Gläubigern der gleichfalls insolventen Muttergesellschaft zukommt. Insoweit ist die Stellung der Gläubiger der Konzerntochter mit derjenigen der absonderungsberechtigten Gläubiger der Konzernmutter vergleichbar. Fraglich erscheint allerdings, ob es diese Vergleichbarkeit rechtfertigt, § 166 Abs. 1 ­InsO für entsprechend anwendbar zu erklären und dem Insolvenzverwalter der Konzernmutter damit das Recht zuzusprechen, das Vermögen der Konzerntochter zu verwerten. aa) Zweck und Voraussetzungen des Verwertungsrechts des Insolvenzverwalters nach § 166 Abs. 1 ­InsO InsO wurde bei Das Verwertungsrecht des Insolvenzverwalters nach § 166 ­ der Ausarbeitung der ­ InsO als „das unbestrittene Kernstück der Reform des Rechts der Mobiliarsicherheiten“152 bezeichnet. Unter Geltung der Konkursordnung war der Insolvenzverwalter nach § 127 Abs. 1 KO grundsätzlich zur Verwertung eines Gegenstandes berechtigt, an dem einem Gläubiger ein durch Rechtsgeschäft bestelltes Pfandrecht oder ein diesem Pfandrecht gleichstehendes Recht zustand. War der Gläubiger aber befugt, sich aus dem Gegenstand ohne gerichtliches Verfahren zu befriedigen, so bestand das Verwertungsrecht des Verwalters gem. § 127 Abs. 2 KO erst, nachdem das Insolvenzgericht dem Gläubiger auf Antrag des Insolvenzverwalters erfolglos eine angemessene Frist zur Verwertung des Gegenstandes gesetzt hatte. Für die Sicherungsübereignung und die Sicherungsabtretung galt § 127 KO entsprechend.153 In der Rechtspraxis wurde in nahezu allen Fällen ein Selbstverwertungsrecht des Gläubigers vereinbart, sofern dieses Recht nicht schon kraft Gesetzes bestand. Das Eingreifen der Ausnahmevorschrift des § 127 Abs. 2 KO war damit der Regelfall.154 Diese Rechtslage wurde als „wenig befriedigend“ empfunden, da gerade bei sicherungshalber übereigneten Gegenständen das Verwertungsrecht des Sicherungsnehmers dazu führte, dass das insolvente Unternehmen mit der Eröffnung des Konkursverfahrens Betriebsmittel verlor, die für eine Fortführung unentbehrlich waren. Durch diesen Verlust von Betriebsmitteln wurden „die Chancen für eine Sanierung des Schuldners auf der Grundlage eines Zwangsvergleichs oder für eine Gesamtveräußerung […] erheblich beeinträchtigt oder ganz vereitelt“. Durch die Einführung des § 166 ­InsO sollte deshalb den absonderungsberechtigten Gläubigern der „Zugriff auf die wirtschaftliche Einheit des schuldnerischen Unternehmens verwehrt“ und damit 152

So Gottwald, in: Leipold, Insolvenzrecht im Umbruch (1991), 197, 199. Kuhn/Uhlenbruck, Komm. z. KO, § 127 Rdn. 2. 154 Uhlenbruck/Brinkmann, Komm. z. ­InsO, § 166 Rdn. 1. 153

I. Regelungen für eine Konzerninsolvenz im deutschen Insolvenzrecht

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„[v]orhandene Chancen für eine zeitweilige oder dauernde Fortführung des Unternehmens des Schuldners […] erhalten“ werden. Zudem sollte das Verwertungsrecht dem Insolvenzverwalter auch ermöglichen, „durch eine gemeinsame Verwertung zusammengehöriger, aber für unterschiedliche Gläubiger belasteter Gegenstände einen höheren Verwertungserlös zu erzielen“. In einem solchen Fall würden auch die absonderungsberechtigten Gläubiger von einem Verwertungsrecht des Insolvenzverwalters profitieren. Ein Verwertungsrecht des Insolvenzverwalters hinsichtlich sämtlicher mit Absonderungsrechten belasteter Gegenstände sah man hingegen als entbehrlich an, da „Sachen in Besitz eines Pfandgläubigers […] in der Regel für eine Fortführung des Unternehmens oder eine Gesamtver­ äußerung von Gegenständen ohne Bedeutung“ seien.155 Das Verwertungsrecht des Insolvenzverwalters nach § 166 Abs. 1 ­InsO wird also damit gerechtfertigt, dass der „technisch-organisatorische Verbund“156 der im Unternehmen des Insolvenzschuldners verwendeten Gegenstände erhalten bleiben soll. Als Kriterium für die Zugehörigkeit eines Gegenstandes zu diesem Verbund wird auf den Besitz des Insolvenzverwalters abgestellt. Da der Insolvenzverwalter aber gem. § 148 Abs. 1 ­InsO die Insolvenzmasse nach der Eröffnung des Insolvenzverfahrens sofort in Besitz zu nehmen hat, kommt es für das Verwertungsrecht des Insolvenzverwalters nach § 166 Abs. 1 ­InsO darauf an, ob sich der Gegenstand bei Verfahrenseröffnung im Besitz des Insolvenzschuldners oder eines vorläufigen Insolvenzverwalters befand.157 Befand sich der mit einem Absonderungsrecht belastete Gegenstand bei Verfahrenseröffnung nicht im Besitz des Insolvenzschuldners oder des vorläufigen Insolvenzverwalters, so fehlt es nach der Intention des § 166 Abs. 1 ­InsO an einem technisch-organisatorischen Verbund dieses Gegenstandes mit dem übrigen Schuldnervermögen. In einem solchen Fall ist der Eingriff in das Verwertungsrecht des absonderungsberechtigten Gläubigers un­verhältnismäßig.158 bb) Übertragbarkeit der § 166 Abs. 1 ­InsO zugrunde liegenden Wertung auf eine insolvente Konzerntochter Die geschilderte Wertung, die der Regelung des § 166 Abs. 1 ­InsO zugrunde liegt, müsste nun auf eine insolvente Tochtergesellschaft übertragbar sein. Die vorgeschlagene Regelung knüpft daran an, dass die Konzernmutter die Mehrheit der Kapitalanteile an der gleichfalls insolventen Tochtergesellschaft hält. Diese Mehr 155 Begründung zu § 191 RegE-­ InsO, welcher dem jetzigen § 166 ­ InsO entspricht, BTDrucks. 12/2443, S. 178. 156 So die Formulierung der Begründung zum RegE-­InsO, Allgemeiner Teil, BT-Drucks. 12/2443, S. 87. 157 Uhlenbruck/Brinkmann, Komm. z. ­InsO, § 166 Rdn. 4; Gottwald/Adolphsen, in: Gottwald, Insolvenzrechts-Handbuch, § 42 Rdn. 139. 158 Lwowski/Tetzlaff, Münchener Komm. z. ­InsO, § 166 Rdn. 4.

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heitsbeteiligung müsste daher als Indiz dafür angesehen werden können, dass die zur Insolvenzmasse der Tochtergesellschaft gehörenden Vermögensgegenstände mit der Insolvenzmasse der Konzernmutter einen „technisch-organisatorischen Verbund“ bilden. Mit dem Erhalt dieses Verbundes müssten ferner hinreichend bedeutsame Vorteile verbunden sein, um den Verzicht auf ein getrenntes Insolvenzverfahren über das Vermögen dieser Tochtergesellschaft rechtfertigen zu können. Ob diese Folgerungen aber allein aus einer bestehenden Mehrheitsbeteiligung gezogen werden können, erscheint zweifelhaft. Zwar verschafft eine Mehrheitsbeteiligung dem Mehrheitsgesellschafter regelmäßig die Möglichkeit, erheb­ lichen Einfluss auf die Tätigkeit der Gesellschaft zu nehmen. Zudem dürfte der Mehrheitsgesellschafter von dieser Möglichkeit in den meisten Fällen zumindest in einem gewissen Umfang auch Gebrauch machen. Dies wird vom Gesetzgeber anerkannt, da die Abhängigkeit eines Unternehmens gem. § 17 Abs. 2 AktG bei Mehrheitsbesitz vermutet wird und nach § 18 Abs. 1 Satz 3 AktG bei bestehender Abhängigkeit wiederum eine Zusammenfassung unter einheitlicher Leitung und damit das Vorliegen eines Konzerns nach § 18 Abs. 1 Satz 1 AktG zu vermuten ist. Allerdings existieren auch Konstellationen, in denen diese Vermutung nicht zutrifft. So kann beispielsweise die Einflussmöglichkeit eines Mehrheitsgesellschafters durch einen Entherrschungsvertrag soweit begrenzt werden, dass die Abhängigkeitsvermutung des § 17 Abs. 2 AktG widerlegt ist.159 Vor allem aber kann selbst dann, wenn der Mehrheitsaktionär von seinen Einflussmöglichkeiten tatsächlich Gebrauch macht, die Intensität dieser Einflussnahme erheblich variieren. So kann die Konzernspitze die von ihr beherrschten Gesellschaften in einem Ausmaß steuern, dass aus wirtschaftlicher Sicht ein Einheitsunternehmen vorliegt, „bei dem die tatsächliche Organisation des Konzerns mit der rechtlichen Selbständigkeit der Konzernunternehmen kaum mehr zur Deckung zu bringen ist“.160 Andererseits kann es sich bei der Konzernspitze aber auch um eine sog. „Finanzholding“ handeln, die nur die Beteiligungen an den Tochtergesellschaften verwaltet sowie finanzielle Mittel beschafft und auf die einzelnen Tochtergesellschaften verteilt. Hier werden dann „sowohl die strategischen als auch sämtliche operativen Aufgaben […] von den Tochtergesellschaften wahrgenommen“.161 In dem zuletzt genannten Fall erscheint es doch zweifelhaft, ob das Vermögen der Konzernmutter mit dem Vermögen der Konzerntochter einen „technisch-organisatorischen Verbund bildet“, der demjenigen entspricht, der bei der Nutzung eines sicherungshalber übereigneten Gegenstandes im Unternehmen des Insolvenzschuldners zwischen diesem Gegenstand und den übrigen unbelasteten Vermögenswerten besteht. Zudem ist auch zu bedenken, dass eine vollständige Gleichstellung der Gläu­ biger einer Konzerntochter mit den absonderungsberechtigten Gläubigern der 159

Zu Zulässigkeit und Wirksamkeitsvoraussetzungen eines Entherrschungsvertrages siehe Bayer, Münchener Komm. z. AktG, § 17 Rdn. 99 ff.; Jäger, DStR 1995, 1113, 1144 ff. 160 Emmerich/Habersack, Konzernrecht, § 4 Rdn. 4. 161 Theisen, Der Konzern, S. 177 f.

I. Regelungen für eine Konzerninsolvenz im deutschen Insolvenzrecht

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Konzernmutter zu einem einheitlichen Insolvenzverfahren über das Vermögen aller Konzerngesellschaften führen würde. Folglich wäre auch nur eine Gläubigerversammlung bzw. ein Gläubigerausschuss zu bilden. Die von diesen Gremien zu treffenden Entscheidungen, beispielsweise die Entscheidungen über die Fortführung des vom Schuldner betriebenen Unternehmens im Berichtstermin gem. § 157 Satz 1 ­InsO oder die Vornahme besonders bedeutsamer Rechtshandlungen gem. § 160 ­InsO, würden dann von diesen aus den Gläubigern mehrerer Konzerngesellschaften bestehenden Gremien für alle insolventen Konzerngesellschaften getroffen. Damit wäre den Gläubigern einer Konzerngesellschaft das Recht genommen, selbst über die Verwertung des Vermögens ihres Schuldners zu entscheiden. Einen solchen Eingriff in die Entscheidungsrechte der Gläubiger der Tochtergesellschaften allein an die Mehrheitsbeteiligung der Konzernmutter zu knüpfen, erscheint jedoch bedenklich, da sich hieraus allein nicht ergibt, dass das Ver­ mögen der einzelnen Konzerngesellschaften einen „technisch-organisatorischen Verbund“ bildet und damit durch eine koordinierte Verwertung des Vermögens aller Konzerngesellschaften erhebliche Vorteile zu erwarten sind. Aus diesen Gründen erscheint es nicht überzeugend, allein aus dem Bestehen einer Mehrheitsbeteiligung das Vorliegen eines „technisch-organisatorischen Verbundes“ abzuleiten, der dann ein Recht des Insolvenzverwalters der Konzernmutter zur Verwertung des Vermögens einer Konzerntochter entsprechend § 166 Abs. 1 ­InsO begründen würde.

cc) Einbezug des Vermögens der Tochtergesellschaften in das Insolvenzverfahren der Konzernmutter lediglich im Rahmen des Insolvenzplanverfahrens Deshalb sollte ein Recht des Insolvenzverwalters der Konzernmutter zur Verwertung des Vermögens der Konzerntochter nicht schon bei Bestehen einer Mehrheitsbeteiligung oder vergleichbaren Einflussmöglichkeiten der Konzernmutter eingreifen, sondern vielmehr von einer zusätzlichen Voraussetzung abhängig gemacht werden. Diese Voraussetzung müsste das Vorliegen eines „technisch-orga­ nisatorischen Verbundes“ zwischen dem Vermögen der Konzernmutter und dem­ jenigen der Tochtergesellschaft indizieren, aufgrund dessen bei einer koordinierten Verwertung des Vermögens beider Gesellschaften ein im Vergleich zu einer getrennten Verwertung höherer Erlös zu erwarten ist. Angesichts der Vielzahl an denkbaren Konzernstrukturen und tatsächlichen Gegebenheiten wird sich das Vorliegen eines entsprechenden Verbundes aber nur im Einzelfall beurteilen lassen. Zudem kann die Entscheidung, ob eine einheitliche Verwertung des Vermögens aller Konzerngesellschaften im Vergleich zu einer getrennten Abwicklung der Einzelverfahren vorteilhaft ist, auch mit erheblichen Unsicherheiten verbunden sein. Dies dürfte insbesondere bei einer angestrebten Sanierung mehrerer oder aller insolventen Konzerngesellschaften gelten. Bei Schaffung der I­nsO wollte der Ge-

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setzgeber die Beteiligten autonom über den Ablauf des Insolvenzverfahrens und über die Art der Masseverwertung entscheiden lassen. Denn angesichts der Unsicherheiten, mit denen beispielsweise eine Fortführung des vom Schuldner getragenen Unternehmens verbunden ist, sollte „grundsätzlich das Urteil derjenigen Personen maßgeblich sein, deren Vermögenswerte auf dem Spiel stehen und die deshalb die Folgen von Fehlern zu tragen haben“.162 Diese Wertung ist auf die gleichzeitige Insolvenz mehrerer konzernangehöriger Gesellschaften übertragbar. Auch hier sollten angesichts der einzelfallabhängigen und oftmals mit Unsicherheiten behafteten Entscheidung, ob eine koordinierte Verwertung des Vermögens aller konzernangehörigen Gesellschaften vorteilhaft ist, die Gläubiger als die wirtschaftlich Betroffenen diese Entscheidung treffen. Es erscheint deshalb vorzugswürdig, einen Einbezug des Vermögens der Tochtergesellschaften in das Insolvenzverfahren der Konzernmutter lediglich im Rahmen des Insolvenzplanverfahrens zuzulassen. Denn bei der Abstimmung über einen das Vermögen mehrerer Konzerngesellschaften umfassenden Insolvenzplan können dann die Gläubiger entscheiden, ob aus ihrer Sicht die Aktiva der einzelnen konzernangehörigen Gesellschaften einen „technisch-organisatorischen Verbund“ bilden, dessen Erhalt, beispielsweise durch eine Sanierung mehrerer bzw. aller insolventen Konzerngesellschaften oder einen einheitlichen Verkauf der von diesen Gesellschaften getragenen Unternehmen, für die Gläubiger der einzelnen Konzerngesellschaften einen im Vergleich zu einer getrennten Verwertung höheren Erlös erwarten lässt.163 Die Zustimmung der Gläubiger zu einem das Vermögen mehrerer insolventer Konzerngesellschaften umfassenden Insolvenzplan stellt damit das Kriterium dar, welches zusätzlich zu den Einflussmöglichkeiten der Konzernmutter indiziert, dass eine einheitliche Verwertung des Vermögens mehrerer konzernangehöriger Gesellschaften im Vergleich zu einer getrennten Abwicklung der einzelnen Verfahren vorteilhaft ist. Zudem wird hierdurch auch das Recht der Gläubiger einer jeden insolventen Konzerngesellschaft weitgehend gewahrt, autonom und ohne Einflussmöglichkeiten der Gläubiger der übrigen Konzerngesellschaften über die Verwertung des Vermögens ihres Schuldners zu entscheiden. So würde in den Verfahren der einzelnen Konzerngesellschaften jeweils eine Gläubigerversammlung bzw. ein Gläubigerausschuss gebildet, der dann die diesen Gremien zustehenden Entscheidungsbefugnisse bezogen auf das in dem betreffenden Verfahren verwaltete Vermögen wahrnimmt. Einflussmöglichkeiten der Gläubiger anderer Konzerngesellschaften bestünden grundsätzlich nicht, allenfalls könnte bei Ablehnung eines konzern­ weiten Insolvenzplans die Zustimmung der Gläubiger einer Konzerngesellschaft nach § 245 ­InsO ersetzt werden. Eine solche Zustimmungsersetzung ist aber nur 162

Allgemeine Begründung zum RegE-­InsO, BT-Drucks. 12/2443, S. 80. Anders hingegen Hirte, FS K. Schmidt (2009), 641, 648, der eine „formelle Zustimmung für die verfahrensmäßige Einbeziehung der Gläubiger der Tochtergesellschaften“ für entbehrlich erachtet. 163

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zulässig, wenn die Angehörigen dieser Gruppe durch den Plan voraussichtlich nicht schlechter gestellt werden als sie ohne ihn stünden (§ 245 Abs. 1 Nr. 1 ­InsO) und die in einer Gruppe zusammengefassten Gläubiger angemessen am wirtschaftlichen Wert beteiligt werden, der auf Grundlage des Plans an die Beteiligten zu verteilen ist (§ 245 Abs. 1 Nr. 2 ­InsO). Durch diese Regelungen wird gewährleistet, dass in das Recht der Gläubiger einer Tochtergesellschaft, ohne Einflussnahme von Gläubigern anderer Konzerngesellschaften über die Verwertung des Vermögens ihres Schuldners zu entscheiden, nur dann gegen ihren Willen eingegriffen werden kann, sofern eine koordinierte Verwertung für sie im Einzelfall vorteilhaft ist. c) Ausgestaltung eines Konzerninsolvenzplanverfahrens Fraglich ist sodann, wie die Regelungen über einen das Vermögen mehrerer Konzerngesellschaften umfassenden Insolvenzplan im Einzelnen ausgestaltet werden sollten. aa) Berechtigung zur Vorlage eines Konzerninsolvenzplans Zunächst ist zu klären, wer zur Vorlage eines solchen „Konzerninsolvenzplans“ berechtigt sein soll. Nach geltendem Recht kann gem. § 218 Abs. 1 Satz 1 ­InsO ein Insolvenzplan sowohl vom Schuldner als auch dem Insolvenzverwalter vorgelegt werden. Die Gläubiger besitzen kein Recht zur Vorlage eines Insolvenzplans,164 können aber gem. § 157 Satz 2 ­InsO den Insolvenzverwalter mit der Aus­arbeitung eines Insolvenzplans beauftragen und ihm auch das Ziel dieses Plans vorgeben. Umfasst der Plan die Insolvenzmasse mehrerer Konzerngesellschaften, so erscheint fraglich, welche Konzerngesellschaft bzw. welcher Insolvenzverwalter zur Vorlage des Konzerninsolvenzplans berechtigt sein soll. Da die Zulässigkeit einer Abwicklung des Vermögens mehrerer Konzerngesellschaften in einem Insolvenzverfahren mit der Erwägung begründet wird, dass die Gläubiger der Konzern­tochter mit den absonderungsberechtigten Gläubigern der Konzernmutter vergleichbar sind, liegt es nahe, den Konzerninsolvenzplan als einen Insolvenzplan für die Konzernmutter anzusehen, dessen Rechtswirkungen auf das Vermögen der übrigen Konzerngesellschaften erstreckt werden.165 Folglich wären nur die Konzern­mutter bzw. der für sie bestellte Insolvenzverwalter zur Vorlage eines Konzerninsolvenzplans berechtigt. Ein ausschließlich der Konzernmutter bzw. dem für sie bestellten Insolvenz­ verwalter zustehendes Recht zur Vorlage eines das Vermögen mehrerer Konzern 164 Uhlenbruck/Uhlenbruck, Komm. z. ­InsO, § 157 Rdn. 12; Eidenmüller, Münchener Komm. z. ­InsO, § 218 Rdn. 99. 165 So Hirte, FS K. Schmidt (2009), 641, 653.

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gesellschaften umfassenden Insolvenzplans führt aber zu Problemen, sofern die Konzernmutter selbst nicht insolvent ist. In einem solchen Fall müsste entweder der nicht insolventen Konzernmutter das Recht zur Vorlage eines Konzerninsolvenzplans zugesprochen oder das Vorlagerecht auf die in der „Konzernhierarchie“ am höchsten angesiedelte insolvente Konzerngesellschaft übertragen werden. Gegen ein Planvorlagerecht der nicht insolventen Konzernmutter spricht, dass dann eine Planvorlage durch den Insolvenzverwalter nicht möglich wäre. Da die Gläubiger selbst kein Planvorlagerecht haben, sondern lediglich den Insolvenzverwalter gem. § 157 Satz 2 ­InsO mit der Ausarbeitung eines Insolvenzplans beauftragen können, würde damit auch den Gläubigern die Möglichkeit genommen, die Ausarbeitung und Vorlage eines Konzerninsolvenzplans zu veranlassen. Aber auch ein Vorlagerecht der in der „Konzernhierarchie“ am höchsten angesiedelten insolventen Konzerngesellschaft bzw. des für sie bestellten Insolvenzverwalters vermag nicht zu überzeugen. Eine solche Regelung würde ins Leere laufen, sofern die insolventen Konzerngesellschaften alle auf derselben Ebene im Konzern angesiedelt sind, aber die ihnen übergeordnete Gesellschaft selbst nicht insolvent ist. Schließlich spricht gegen eine Beschränkung des Planvorlagerechts auf eine einzige Konzerngesellschaft bzw. den für sie bestellten Insolvenzverwalter, dass dann nur die Gläubiger dieser Gesellschaft durch eine entsprechende Beauftragung des Insolvenzverwalters gem. § 157 Satz 2 ­InsO die Vorlage eines Konzerninsolvenzplans veranlassen könnten. Damit wären die Gläubiger einer Konzerngesellschaft gegenüber den Gläubigern der übrigen Konzerngesellschaften privilegiert, wofür allerdings keine Rechtfertigung ersichtlich ist. Aus diesen Gründen erscheint es vorzugswürdig, das Recht zur Vorlage eines Konzerninsolvenzplans jeder insolventen Konzerngesellschaft bzw. dem für sie bestellten Insolvenzverwalter zuzugestehen. Eine solche Regelung ist weit genug, um alle denkbaren Fallgestaltungen zu erfassen. Zudem haben dann auch die Gläubiger aller Konzerngesellschaften die Möglichkeit, durch eine entsprechende Beauftragung des Insolvenzverwalters die Ausarbeitung und Vorlage eines Konzerninsolvenzplans zu veranlassen. Problematisch erscheint hierbei lediglich, dass eine solche Regelung zur Vorlage mehrerer unterschiedlicher Konzerninsolvenzpläne und damit auch zu Verfahrensverzögerungen führen könnte.166 Hinsichtlich des Planvorlagerechts der schuldnerischen Gesellschaften ist allerdings zu beachten, dass das Recht zur Vorlage eines Insolvenzplans zum sog. „Schuldnerbereich“ gehört und bei einer insolventen Gesellschaft durch ihr Leitungs­ organ wahrgenommen wird. Dieses unterliegt hierbei den gesellschaftsrechtlichen Bindungen,167 so dass die Konzernmutter, die regelmäßig über eine Mehrheitsbeteiligung an ihren Tochtergesellschaften verfügt, mittels der aus einer solchen Beteiligung resultierenden Einflussmöglichkeiten die Ausarbeitung bzw. Vorlage eines Konzerninsolvenzplans steuern könnte. Sofern mehrere Konzerngesellschaf 166 Vgl. Eidenmüller, Münchener Komm. z. I­ nsO, § 218 Rdn. 124, der im Falle der Zulassung von Alternativplänen durch einen Planvorlageberechtigten Verfahrensverzögerungen befürchtet. 167 Uhlenbruck/Hirte, Komm. z. ­InsO, § 11 Rdn. 134; Haas, FS Konzen (2006), 157, 161.

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ten zeitgleich in Insolvenz fallen und ein Konzerninsolvenzplan bereits zusammen mit einem Eigenantrag eingereicht wird (sog. prepackaged plan168), kann die Konzernmutter auch auf ein gegebenenfalls bestehendes beherrschungsvertragliches Weisungsrecht zurückgreifen. Denn dieses erlischt erst mit der Eröffnung des Insolvenzverfahrens über das Vermögen der abhängigen Gesellschaft, sofern der Beherrschungsvertrag nicht zuvor gekündigt wird.169 Aufgrund dieser Einflussmöglichkeiten der Konzernmutter erscheint eine Vorlage verschiedener Konzerninsolvenzpläne durch mehrere Konzerngesellschaften eher unwahrscheinlich. Wesentlich wahrscheinlicher erscheint es demgegenüber, dass es zur Vorlage verschiedener Konzerninsolvenzpläne durch die für die einzelnen Konzerngesellschaften bestellten Insolvenzverwalter kommt. Allerdings lässt sich dieser Gefahr dadurch begegnen, dass man ein Recht des Insolvenzverwalters zur Vorlage eines Konzerninsolvenzplans nur bejaht, sofern dieser Verwalter in den Insolvenzverfahren aller vom Konzerninsolvenzplan betroffenen Konzerngesellschaften bestellt wurde. Mit einer solchen Regelung würde zudem gewährleistet, dass der Insolvenzverwalter auch über die zur Ausarbeitung eines Konzerninsolvenzplans erforderlichen Informationen verfügt, beispielsweise den Umfang der Insolvenzmasse der einzelnen Konzerngesellschaften oder die Höhe der in den jeweiligen Verfahren angemeldeten Forderungen. Ferner würde auch verhindert, dass die Umsetzung des in dem Konzerninsolvenzplan enthaltenen Sanierungs- oder Verwertungskonzeptes bereits vor der Bestätigung des Plans durch gegenläufige Maßnahmen anderer Insolvenzverwalter vereitelt wird. Schließlich sollten auch die Gläubiger der einzelnen Konzerngesellschaften nicht berechtigt sein, dem für mehrere Konzerngesellschaften bestellten Insolvenzverwalter gem. § 157 Satz 2 ­InsO das Ziel des Konzerninsolvenzplans vorzugeben. Vielmehr sollten sie lediglich die Aus­arbeitung und Vorlage eines Konzerninsolvenzplans durch diesen Verwalter verlangen können. So würde verhindert, dass der für mehrere Konzerngesellschaften bestellte Verwalter verschiedene Konzerninsolvenzpläne ausarbeiten muss, weil ihm die Gläubigerversammlungen der einzelnen Konzerngesellschaften unterschiedliche Planziele vorgeben. Die Gläubiger erscheinen ausreichend dadurch geschützt, dass sie gem. § 157 Satz 1 ­InsO über die Fort­führung des von der jeweiligen Konzerngesellschaft betriebenen Unternehmens entscheiden können, mittels der in den Verfahren der einzelnen Konzerngesellschaften bestellten Gläubigerausschüsse gem. § 218 Abs. 3 ­InsO an der Erstellung des Konzerninsolvenzplans mitwirken und letztlich auch über die Annahme des Konzerninsolvenzplans entscheiden.

168

Diese Bezeichnung für einen vom Schuldner zeitgleich mit dem Insolvenzantrag eingereichten Insolvenzplan ist aus dem US-amerikanischen Recht übernommen worden, vgl. Eiden­müller, Münchener Komm. z. ­InsO, § 218 Rdn. 65. 169 Siehe oben B. IV. 1. a) cc).

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bb) Verhältnis des Konzerninsolvenzplans zu weiteren auf das Vermögen einer einzelnen Konzerngesellschaft beschränkten Insolvenzplänen Fraglich ist ferner, in welchem Verhältnis ein Konzerninsolvenzplan zu anderen, lediglich das Vermögen einer einzelnen Konzerngesellschaft betreffenden Insolvenzplänen steht. Denn die Einführung der Möglichkeit, für mehrere insolvente Konzerngesellschaften einen einheitlichen Insolvenzplan vorlegen zu können, ändert nichts daran, dass über das Vermögen jeder Konzerngesellschaft zunächst ein selbständiges Insolvenzverfahren eröffnet wird. Deshalb besteht auch die Möglichkeit, dass in dem Verfahren einer Konzerngesellschaft ein Insolvenzplan vorgelegt wird, welcher lediglich die Verwertung des Vermögens dieser Konzerngesellschaft betrifft. So kann beispielsweise die Gläubigerversammlung in dem Insolvenzverfahren über das Vermögen der Konzernmutter den Insolvenzverwalter mit der Ausarbeitung eines Konzerninsolvenzplans beauftragen, wohingegen die Gläubigerversammlung in dem Verfahren einer anderen Konzerngesellschaft den Insolvenzverwalter auffordert, einen allein das Vermögen dieser Gesellschaft betreffenden Insolvenzplan zu erstellen. Nahe läge es, eine solche Konstellation ebenso zu behandeln wie die Vorlage mehrerer konkurrierender Insolvenzpläne in dem Insolvenzverfahren desselben Schuldners. Hier ist über die vorgelegten Insolvenzpläne in einer vom Insolvenzgericht bestimmten Reihenfolge abzustimmen, wobei das Insolvenzgericht für jeden Insolvenzplan einen eigenen Abstimmungstermin ansetzen oder aber die Abstimmung über diese Pläne in einem gemeinsamen Termin zusammenfassen kann. Das Insolvenzgericht hat dabei grundsätzlich den ersten fehlerlos vorgelegten Insolvenzplan als erstes zur Abstimmung zu stellen, sofern die Gläubiger nicht gem. § 76 Abs. 2 ­InsO eine andere Reihenfolge beschließen.170 Unterschiedliche Ansichten werden hingegen zur Behandlung mehrerer durch die Gläubiger angenommener Insolvenzpläne vertreten. Teilweise wird das Insolvenzgericht für verpflichtet gehalten, alle angenommenen Insolvenzpläne zu bestätigen. Die erste Planbestätigung, die in Rechtskraft erwächst, soll sodann zur Erledigung der übrigen Pläne führen.171 Andere nehmen an, dass bei mehreren angenommenen Insolvenzplänen der Plan zu bestätigen sei, der die größte Zustimmung durch die Gläubiger erfahren hat. Innerhalb dieser Ansicht besteht allerdings keine Einigkeit, wie das Maß an Zustimmung zu bestimmen ist. So wird angenommen, dass „auf die Zahl der zustimmenden Gläubigergruppen unter Berücksichtigung deren Größe und wirtschaftlicher Betroffenheit“ abzustellen sei.172 Andere befürworten eine Differenzierung nach dem Ziel des Plans. Sehe der Plan eine Liquidation des 170 Eidenmüller, Münchener Komm. z. ­InsO, § 218 Rdn. 193; Hintzen, Münchener Komm. z. I­ nsO, § 235 Rdn. 30 f.; ähnlich Uhlenbruck/Lüer, Komm. z. I­ nsO, § 235 Rdn. 7, der allerdings das Insolvenzgericht für verpflichtet hält, für jeden Plan einen eigenen Abstimmungstermin anzuberaumen; ebenso wohl auch Otte, in: Kübler/Prütting/Bork, Komm. z. ­InsO, § 235 Rdn. 21. 171 Eidenmüller, Münchener Komm. z. ­InsO, § 218 Rdn. 197. 172 Braun, in: Nerlich/Römermann, Komm. z. ­InsO, § 218 Rdn. 49.

I. Regelungen für eine Konzerninsolvenz im deutschen Insolvenzrecht

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schuldne­rischen Unternehmens vor, solle die Kopfmehrheit der Gläubiger maßgeblich sein. Sehe der Plan eine Unternehmensfortführung vor, so solle die Summenmehrheit der von den Gläubigern gehaltenen Forderungen entscheiden.173 Schließlich wird angenommen, dass es bei der Annahme mehrerer Insolvenzpläne an einer „Annahme des Insolvenzplans“ im Sinne des § 248 Abs. 1 ­InsO fehle. Das Insolvenzgericht habe dann entweder jedem der Pläne die Bestätigung zu versagen oder gem. §§ 4 ­InsO, 156 ZPO die Erörterung der Pläne erneut zu eröffnen. Sofern es die Gläubigerversammlung gem. § 76 Abs. 2 ­InsO beschließe, sei das Insolvenzgericht zur Wiedereröffnung der Planerörterung verpflichtet. Anschließend solle erneut über die Pläne abgestimmt werden. Komme es auch dann zur Annahme mehrerer Pläne, sei die Bestätigung dieser Pläne endgültig zu versagen.174 Diese zuletzt genannte Ansicht erscheint für die Behandlung mehrerer von den Gläubigern angenommener Insolvenzpläne, die alle das Vermögen desselben Schuldners betreffen, überzeugend. Denn bei einer Bestätigung mehrerer Pläne durch das Insolvenzgericht und der Geltung des Plans, dessen Bestätigung als erste in Rechtskraft erwächst, kann das Insolvenzgericht durch eine entsprechende Bestätigungsreihenfolge Einfluss darauf nehmen, welcher Plan gelten soll. Diese Entscheidung sollte aber den Gläubigern überlassen bleiben, da das Insolvenzplanverfahren dazu dient, ihnen die Entscheidung über die Art und Weise der Verwertung des schuldnerischen Vermögens zu ermöglichen.175 Eine Entscheidung nach dem Maß der Gläubigerzustimmung erscheint problematisch, da für die Bestimmung dieses Maßes ein geeignetes Kriterium nicht ersichtlich ist. Ein Abstellen auf die Mehrheit der zustimmenden Gläubigergruppen erscheint nicht sachgerecht, da in verschiedenen Plänen auch eine unterschiedliche Anzahl an Gläubigergruppen gebildet werden können (vgl. § 222 Abs. 2 ­InsO). Aber auch die Maßgeblichkeit der Summenmehrheit der Forderungen oder der Kopfmehrheit der abstimmenden Gläubiger erscheint nicht überzeugend, da diese Kriterien nicht denjenigen entsprechen, welche gem. § 244 ­InsO für die Annahme eines Insolvenzplanes gelten. Eine Übertragung dieser Grundsätze auf das Verhältnis zwischen einem Konzerninsolvenzplan und einem das Vermögen einer einzelnen Konzerngesellschaft betreffenden Insolvenzplan ist jedoch problematisch. Denn dann müsste, sofern auch nach erneuter Abstimmung neben dem Konzerninsolvenzplan ein Insolvenzplan, welcher lediglich das Vermögen einer einzelnen Konzerngesellschaft betrifft, angenommen wird, eine Bestätigung beider Insolvenzpläne versagt werden. Damit könnten die Gläubiger einer jeden Konzerngesellschaft die Bestätigung des Konzerninsolvenzplans verhindern, indem sie den Insolvenzverwalter mit der Ausarbeitung eines lediglich das Vermögen dieser Gesellschaft betreffenden Insolvenz 173

Otte, in: Kübler/Prütting/Bork, Komm. z. ­InsO, § 218 Rdn. 37. Flessner, Heidelberger Komm. z. I­ nsO, § 248 Rdn. 5; ebenso Vallender, in: K. Schmidt/ Uhlenbruck, Die GmbH in Sanierung, Krise und Insolvenz, Rdn. 8.72. 175 Vgl. Flessner, Heidelberger Komm. z. ­InsO, § 248 Rdn. 5: „Den Grundgedanken der ­InsO am nächsten dürfte eine Lösung sein, die das Insolvenzgericht aus wirtschaftlichen Entscheidungen möglichst heraushält und den Beteiligten das Dissensrisiko ihrer Autonomie belässt“. 174

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C. Ausgestaltung eines künftigen Konzerninsolvenzrechts

plans beauftragen und diesen Plan anschließend annehmen. Ihnen stünde folglich auch dann noch ein faktisches Vetorecht zu, sofern sie hinsichtlich der Annahme des Konzerninsolvenzplans von den Gläubigern der übrigen Konzerngesellschaften überstimmt wurden bzw. ihre Zustimmung nach § 245 ­InsO ersetzt wurde. Um eine solche Blockademöglichkeit auszuschließen, sollte dem Konzerninsolvenzplan Vorrang vor Insolvenzplänen eingeräumt werden, die lediglich das Vermögen einer einzelnen Konzerngesellschaft betreffen. So sollte das Insolvenzgericht auch dann zur Bestätigung eines Konzerninsolvenzplans verpflichtet sein, wenn daneben noch ein lediglich das Vermögen einer einzelnen Konzerngesellschaft betreffender Insolvenzplan angenommen wurde. Weitergehend sollte aber auch die Bestätigung eines auf das Vermögen einer einzelnen Konzerngesellschaft beschränkten Insolvenzplans ausgeschlossen sein, sofern daneben auch ein Konzerninsolvenzplan eingereicht wurde, eine rechtskräftige Entscheidung über seine Bestätigung aber noch aussteht. Damit würde gewährleistet, dass ein Konzerninsolvenzplan auch nicht durch eine schnellere Annahme eines anderen, nur eine einzelne Konzerngesellschaft betreffenden Insolvenzplans verhindert werden kann. Um auszuschließen, dass einzelne Konzerngesellschaften die Bestätigung von Insolvenzplänen, die lediglich ihr Vermögen betreffen, durch die Einreichung verschiedener Konzerninsolvenzpläne missbräuchlich verhindern, sollte entsprechend der Regelung des § 231 Abs. 2 ­InsO vorgesehen werden, dass das Insolvenzgericht einen Konzerninsolvenzplan zurückzuweisen hat, sofern bereits zuvor ein Konzerninsolvenzplan durch eine schuldnerische Gesellschaft vorgelegt wurde, die Bestätigung dieses Konzerninsolvenzplans versagt wurde, ein auf das Vermögen einer einzelnen Konzerngesellschaft beschränkter Insolvenzplan vorgelegt wird und der Insolvenzverwalter mit Zustimmung eines in dem Verfahren der betreffenden Gesellschaft bestellten Gläubigerausschusses die Zurückweisung des Konzerninsolvenzplans beantragt. Sofern von diesem Recht Gebrauch gemacht wird, können die Konzerngesellschaften lediglich einen einzigen Konzerninsolvenzplan vorlegen. Diese Konsequenz erscheint jedoch hinnehmbar, da die Konzernmutter die Vorlage eines Konzerninsolvenzplans durch eine der zum Konzern gehörenden Gesellschaften steuern kann.176 cc) Örtliche Zuständigkeit desselben Insolvenzgerichts als Voraussetzung für die Vorlage eines Konzerninsolvenzplans Nach der hier befürworteten Änderung des § 3 ­InsO ist eine konzernweit einheitliche örtliche Zuständigkeit für alle insolventen Konzerngesellschaften nicht zwingend.177 Kommt es gleichwohl zur Bestellung desselben Insolvenzverwalters für alle Konzerngesellschaften und möchte dieser Verwalter einen Konzern­ insolvenzplan vorlegen, so ist fraglich, bei welchem Insolvenzgericht der Ver 176

Siehe oben C. I. 5. c) aa). Siehe zu diesem Regelungsvorschlag oben C. I. 2. c).

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I. Regelungen für eine Konzerninsolvenz im deutschen Insolvenzrecht

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walter den Konzerninsolvenzplan vorzulegen hätte. Denkbar erscheint es, dem Insolvenzverwalter ein Wahlrecht zu belassen. Er könnte demnach den Insolvenzplan an jedem Insolvenzgericht vorlegen, welches für eine insolvente Konzern­ gesellschaft örtlich zuständig ist. Allerdings könnte dann bei einem anderen Insolvenzgericht ein weiterer Insolvenzplan vorgelegt werden, welcher beispielsweise lediglich das Vermögen derjenigen Konzerngesellschaft betrifft, über deren Vermögen dieses Gericht das Insolvenzverfahren eröffnet hat. Dieselbe Problematik könnte auch bei der Vorlage eines Konzerninsolvenzplans durch eine der insolventen Konzerngesellschaften auftreten. Soll in einer solchen Konstellation der Vorrang des Konzerninsolvenzplans gewahrt werden, müssten sich beide Insolvenzgerichte hinsichtlich der Planbestätigung absprechen. Eine solche Absprache erscheint aber problematisch, sofern ein Insolvenzgericht keine Kenntnis von der Vorlage des konkurrierenden Insolvenzplans bei einem anderen Insolvenzgericht hat. Um auszuschließen, dass der Vorrang des Konzerninsolvenzplans aufgrund mangelnden Informationsaustausches zwischen den beteiligten Insolvenzgerichten leer läuft, sollte die Vorlage eines Konzerninsolvenzplans nur zulässig sein, sofern dasselbe Insolvenzgericht für die Insolvenzverfahren aller von diesem Plan betroffenen Konzerngesellschaften örtlich zuständig ist. Dies würde zudem den Anreiz für die einzelnen Konzerngesellschaften verstärken, frühzeitig durch Eigen­anträge die konzernweite Zuständigkeit eines Insolvenzgerichts herbeizuführen.178 dd) Die Gruppenbildung im Konzerninsolvenzplan Bei der Schaffung eines Konzerninsolvenzplanverfahrens kommt den Regelungen über die Gruppenbildung besondere Bedeutung zu. Denn sowohl die Regelung über die Annahme des Insolvenzplans in § 244 ­InsO als auch die Regelung über die Ersetzung der Zustimmung obstruierender Beteiligter in § 245 ­InsO knüpfen an die gebildeten Gruppen an. Zudem gilt gem. § 226 Abs. 1 ­InsO der Gleichbehandlungsgrundsatz innerhalb des Insolvenzplanverfahrens nur für die in einer Gruppe zusammengefassten Gläubiger, eine Ungleichbehandlung zwischen den in verschiedenen Gruppen zusammengefassten Gläubigern ist innerhalb der durch § 245 ­InsO gesetzten Grenzen auch gegen den Willen der betreffenden Gläubiger möglich.179 Zu Recht wird deshalb die Regelung über die Gruppen­ bildung in § 222 ­InsO als eine der „wichtigsten Vorschriften über die inhaltliche Gestaltung des Insolvenzplans und des Insolvenzplanverfahrens insgesamt“180 bezeichnet. Zweck der Abstimmung in Gruppen ist es, „Abstimmungskörper zu 178 Vgl. die hier befürwortete Regelung für eine konzernweit einheitliche örtliche Zuständigkeit, die im Grundsatz nur bei Eigenanträgen der schuldnerischen Gesellschaften eingreifen soll, oben C. I. 2. c). 179 Kritisch hierzu Häsemeyer, Insolvenzrecht, Rdn. 28.24. 180 Eidenmüller, Münchener Komm. z. ­InsO, § 222 Rdn. 1.

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C. Ausgestaltung eines künftigen Konzerninsolvenzrechts

schaffen, die ein möglichst hohes Maß an Interessenparallelität aufweisen“. Indem man dann für ein Inkrafttreten des Insolvenzplans die Zustimmung aller Gruppen verlangt, wobei für die Zustimmung einer Gruppe von Gläubigern die Kopfund Summenmehrheit der in dieser Gruppe abstimmenden Gläubiger erforderlich ist, wird die Wahrscheinlichkeit erhöht, „dass die Entscheidung der [so bestimmten] Mehrheit auch im [insoweit objektiv bestimmten] Interesse der überstimmten Minderheit liegt“.181 Denn bei einer solchen Regelung kann eine Gruppe von Gläubigern mit bestimmten Interessen einen Insolvenzplan grundsätzlich nicht gegen den Willen einer anderen Gruppe von Gläubigern mit anderen Interessen durchsetzen. So ist es beispielsweise aufgrund der durch § 222 Abs. 1 ­InsO zwingend vorgeschriebenen Gruppenbildung nicht möglich, Absonderungsrechte „über den Kopf ihrer Inhaber hinweg durch Entscheidungen der nicht gesicherten Gläubiger“ einzuschränken, ebenso wenig können nachrangige Insolvenzgläubiger den vollrangig zu berücksichtigenden Insolvenzgläubigern gegen deren Willen eine Forderungskürzung aufzwingen.182 Anderes gilt lediglich, sofern die Zustimmung einer Gruppe unter den in § 245 ­InsO genannten Voraussetzungen ersetzt werden kann. Diese Wertungen, die der Einteilung der Beteiligten in Gruppen zu Grunde liegen, sollten nun auch bei der Schaffung von Regelungen für ein Konzerninsolvenzplanverfahren beachtet werden. Grundgedanke für die Einbeziehung des Vermögens der Tochtergesellschaften in das Insolvenzverfahren der Konzernmutter ist, dass den Gläubigern der Konzerntochter beim Zugriff auf das Vermögen dieser Gesellschaft Vorrang vor den Gläubigern der Konzernmutter zukommt. Sie haben somit eine Position inne, die derjenigen der absonderungsberechtigten Gläubiger entspricht.183 Aus diesem Gedanken wird dann gefolgert, dass die Gläubiger der Konzerntochter in einem das Vermögen mehrerer Konzerngesellschaften umfassenden Insolvenzplan „im Rahmen von § 222 Abs. 1 ­InsO entweder den ab­ sonderungsberechtigten Gläubigern nach § 222 Abs. 1 Nr. 1 ­InsO gleichzustellen oder als gesonderte Gruppe neben diese Gläubiger zu stellen sind“.184 Fraglich ist allerdings, ob eine solche Gruppenbildung mit den geschilderten Grundgedanken, die der Einteilung der über einen Insolvenzplan abstimmenden Gläubiger in Gruppen zugrunde liegen, vereinbar ist. Gegen eine Gleichstellung der Gläubiger der Konzerntöchter mit den absonderungsberechtigten Gläubigern der Konzernmutter spricht, dass diese Gläubiger trotz der Vergleichbarkeit der wirtschaftlichen Position keineswegs typischerweise parallele Interessen verfolgen. So können die Gläubiger einer Konzerntochter der Überzeugung sein, dass eine getrennte Verwertung des Vermögens der Konzerntochter für sie im Vergleich zu dem im Konzerninsolvenzplan vorgesehenen 181

Eidenmüller, Münchener Komm. z. ­InsO, § 222 Rdn. 4. Häsemeyer, Insolvenzrecht, Rdn. 28.25. 183 Siehe oben C. I. 5. a). 184 Hirte, FS K. Schmidt (2009), 641, 652. 182

I. Regelungen für eine Konzerninsolvenz im deutschen Insolvenzrecht

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Sanierungs- oder Verwertungskonzept vorteilhafter ist. Sofern die absonderungsberechtigten Gläubiger der Konzernmutter innerhalb dieser Gruppe aber über die Kopf- und Summenmehrheit verfügen, könnten die Gläubiger der Konzerntochter gegen ihren Willen einem Konzerninsolvenzplan unterworfen werden. Dies erscheint mit der rechtlichen Selbständigkeit der einzelnen Konzerngesellschaften unvereinbar. Zudem würde bei einer Zusammenfassung der absonderungsberechtigten Gläubiger der Konzernmutter und der Gläubiger der Konzerntöchter in einer Gruppe auch nicht zwischen absonderungsberechtigten Gläubigern der Konzerntochter und Insolvenzgläubigern der Konzerntochter differenziert. Insoweit befänden sich Gläubiger unterschiedlicher Rechtsstellung in einer Gruppe, was dem Zweck der Gruppenbildung widerspricht, „Abstimmungskörper zu schaffen, die ein möglichst hohes Maß an Interessenparallelität aufweisen“185. Auch wäre dann eine Ausnahme von der Regelung des § 226 Abs. 1 ­InsO erforderlich, wonach innerhalb jeder Gruppe allen Beteiligten gleiche Rechte anzubieten sind. Schließlich wäre in einem solchen Fall eine Anwendung des Obstruktionsverbotes des § 245 ­InsO nicht mehr möglich, da hier verlangt wird, dass die in einer Gruppe zusammengefassten Beteiligten durch den Insolvenzplan voraussichtlich nicht schlechter gestellt werden als sie ohne ihn stünden (§ 245 Abs. 1 Nr. 1 ­InsO) und sie auch angemessen am wirtschaftlichen Wert beteiligt werden, der auf Grundlage des Plans den Beteiligten zufließen soll (§ 245 Abs. 1 Nr. 2 ­InsO). Die Prüfung dieser Voraussetzungen erscheint aber kaum möglich, sofern der Gruppe Gläubiger unterschiedlicher Rechtsstellung angehören. Den geschilderten Bedenken kann auch nicht dadurch Rechnung getragen werden, dass die Gläubiger der Konzerntochter in einer eigenen Gruppe zusammengefasst werden. Zwar könnten in diesem Fall die absonderungsberechtigten Gläubiger der Konzernmutter die Gläubiger der Konzerntochter nicht gegen deren Willen einem Konzerninsolvenz­ plan unterwerfen, allerdings bliebe es auch hier dabei, dass die absonderungsberechtigten Gläubiger der Konzerntochter zusammen mit den Insolvenzgläubigern der Konzerntochter eine Gruppe bilden. Im Ergebnis würde es also sowohl bei der Gleichstellung der Gläubiger der Konzerntochter mit den absonderungs­ berechtigten Gläubigern der Konzernmutter als auch bei einer Zusammenfassung aller Gläubiger der Konzerntochter in einer eigenen Gruppe zur Bildung einer sog. „Mischgruppe“ kommen, die Gläubiger unterschiedlicher Rechtsstellung umfasst. Die geschilderten Schwierigkeiten können allerdings vermieden werden, sofern bei der Gruppenbildung nicht nur zwischen absonderungsberechtigten Gläubigern der Konzernmutter und den Gläubigern der Konzerntochter differenziert wird, sondern zudem die Gläubiger der Konzerntochter nach den in § 222 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1–3 ­InsO genannten Kriterien in verschiedene Gruppen aufgeteilt werden. Es sollten also bei jeder Konzerngesellschaft die absonderungsberechtigten Gläubiger, die einfachen Insolvenzgläubiger und die nachrangigen Insolvenz­

185

So die treffende Formulierung von Eidenmüller, Münchener Komm. z. I­ nsO, § 222 Rdn. 4.

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C. Ausgestaltung eines künftigen Konzerninsolvenzrechts

gläubiger in jeweils einer eigenen Gruppe zusammengefasst werden.186 Gleiches gilt dann auch für die an den jeweiligen Konzerngesellschaften beteiligten Personen, sollten deren Anteilsrechte nach § 217 Satz 2 ­InsO in den Insolvenzplan einbezogen werden. Hierdurch wäre zunächst gewährleistet, dass Gläubiger verschiedener Gesellschaften unterschiedlichen Gruppen zugeordnet werden. Damit würde vermieden, dass die Gläubiger einer Konzerngesellschaft den Gläubigern einer anderen Konzerngesellschaft einen Insolvenzplan aufzwingen können. Denn sofern eine Gruppe dem das Vermögen mehrerer Konzerngesellschaften umfassenden Insolvenzplan nicht zustimmt, kann die Zustimmung dieser Gruppe nur unter den Voraussetzungen des § 245 ­InsO ersetzt werden. Handelt es sich bei der fraglichen Gruppe beispielsweise um diejenige der einfachen Insolvenzgläubiger, so erfordert die Zustimmungsersetzung nach § 245 Abs. 1 Nr. 1 ­InsO, dass diese Gruppe durch den Insolvenzplan voraussichtlich nicht schlechter gestellt wird als sie ohne den Plan stünde. Ohne den Plan würden die in dieser Gruppe zusammengefassten Gläubiger aber zumindest die Quote erhalten, die ihnen bei einer Liquidation des Vermögens ihres Schuldners bzw. bei Verabschiedung eines eigenen Insolvenzplans für die betreffende Gesellschaft zukommen würde.187 Zugleich würde auch sichergestellt, dass die in einer Gruppe zusammengefassten Gläubiger über dieselbe Rechtsstellung verfügen. Auf diese Weise würde der dem Insolvenzplanverfahren zugrunde liegenden Konzeption Rechnung getragen, Beteiligte mit gleichen Interessen in einer Abstimmungsgruppe zusammenzufassen und somit die Akzeptanz des Insolvenzplans zu steigern. Ferner wären auch keine Ausnahmen von der Regelung des § 226 Abs. 1 ­InsO erforderlich, wonach innerhalb einer Gruppe allen Gläubigern gleiche Rechte zugestanden werden müssen. Schließlich ergäben sich durch eine solche Regelung auch keine Schwierigkeiten bei der Anwendung der Regelungen über die Zustimmungsersetzung in §  245 ­InsO. ee) Einbezug solventer Konzerngesellschaften in das Konzerninsolvenzplanverfahren Sind nicht alle konzernangehörigen Gesellschaften insolvent, so stellt sich die Frage, ob auch die Einbeziehung solventer Konzerngesellschaften in den Konzerninsolvenzplan vorgesehen werden sollte.

186 So auch van Galen, The European Insolvency Regulation and Groups of Companies (2003), S. 12 in einem Regelungsvorschlag für ein in die ­EuInsVO aufzunehmendes Konzerninsolvenzplanverfahren, siehe zu diesem Vorschlag unten C. II. 2. d) bb). 187 Die hinsichtlich einer „Fremdbestimmung“ der Gläubiger einer Konzerngesellschaft durch die Gläubiger einer anderen Konzerngesellschaft von Ehricke, Kölner Schrift z. ­InsO, Kap. 32 Rdn. 21 geäußerten Bedenken greifen damit bei diesem Regelungsmodell nicht durch.

I. Regelungen für eine Konzerninsolvenz im deutschen Insolvenzrecht

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(1) Insolvenz der Konzernmutter als zwingender Grund für die Eröffnung von Insolvenzverfahren über das Vermögen solventer Tochtergesellschaften Ist die Konzernmutter insolvent, eine ihrer Tochtergesellschaften aber nicht, so wird es teilweise als problematisch angesehen, dass sich durch Zahlungen der Tochtergesellschaft an deren Gläubiger die zu erwartende Gewinnausschüttung der Tochtergesellschaft an die Konzernmutter verringert. Da eine von der Tochtergesellschaft ausgeschüttete Dividende in die Insolvenzmasse der Konzernmutter falle, könne dies zu einer Verringerung der den Gläubigern der Konzernmutter zukommenden Quote führen.188 Um dies zu verhindern, werden zwei Lösungsmöglichkeiten vorgeschlagen. So könnten zum einen die mit der Insolvenz der Konzernmutter verbundenen Rechte und Pflichten auf die übrigen Konzern­ gesellschaften ausgeweitet werden. Für den Vorstand bzw. die Geschäftsführung der Konzernmutter würde dies bedeuten, dass sie bei Vorliegen eines Insolvenzgrundes nicht nur einen Insolvenzantrag für die Konzernmutter stellen müssten (vgl. § 15a ­InsO), sondern dass sie darüber hinaus auch verpflichtet wären, den Vorstand bzw. die Geschäftsführung der Tochtergesellschaften anzuweisen, zum Schutz der Masse der Konzernmutter gleichfalls die Eröffnung eines Insolvenzverfahrens zu beantragen. Spiegelbildlich sollten dann auch die Gläubiger der Konzernmutter das Recht haben, für eine Tochtergesellschaft ihrer Schuldnerin die Eröffnung eines Insolvenzverfahrens zu beantragen, sofern eine Fortführung des von der Tochtergesellschaft getragenen Unternehmens die zu erwartende Quote für die Gläubiger der Konzernmutter negativ beeinflussen würde. Zum anderen wird vorgeschlagen, dem Insolvenzverwalter der Konzernmutter das Recht zuzubilligen, Zahlungen der Tochtergesellschaften an Dritte aufgrund einer hierdurch bewirkten Benachteiligung der Gläubiger der Konzernmutter anzufechten.189 Sofern man der ersten dieser Möglichkeiten folgte und im Falle der Insolvenz der Konzernmutter deren Leitungsorgan für verpflichtet hielte, auch die Eröffnung von Insolvenzverfahren über das Vermögen sämtlicher Tochtergesellschaften zu veranlassen, und zudem den Gläubigern der Konzernmutter das Recht zuspräche, Insolvenzanträge für sämtliche Tochtergesellschaften zu stellen, würde dies bedeuten, dass die Insolvenz der Konzernmutter zwingend zur Insolvenz aller übrigen Konzerngesellschaften führt. Dann aber könnte der für die Konzernmutter bestellte Insolvenzverwalter immer auch einen Insolvenzplan vorlegen, der neben der Insolvenzmasse der Konzernmutter auch das Vermögen aller übrigen Konzerngesellschaften umfasst. Somit könnten also auch eigentlich noch solvente Konzern­gesellschaften zwangsweise in den Konzerninsolvenzplan einbezogen werden. Allerdings bestehen sowohl gegen die Annahme, dass in der Insolvenz der Konzernmutter Zahlungen solventer Tochtergesellschaften an Dritte verhindert 188

Hirte, ECFR 2008, 213, 230. Hirte, ECFR 2008, 213, 231 f.

189

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C. Ausgestaltung eines künftigen Konzerninsolvenzrechts

werden müssten, als auch gegen die hieraus gezogenen Folgerungen Bedenken. So ist zunächst zu berücksichtigen, dass die Eröffnung eines Insolvenzverfahrens gem. § 16 ­InsO nur bei Vorliegen eines Eröffnungsgrundes zulässig ist. Das Vorliegen eines Eröffnungsgrundes ist für jede Konzerngesellschaft getrennt zu bestimmen.190 Die betreffende Tochtergesellschaft müsste also zahlungsunfähig (§ 17 ­InsO) oder, falls es sich wie regelmäßig um eine juristische Person handelt, überschuldet sein (§ 19 ­InsO). Bei einem von der Konzernmutter veranlassten Eigenantrag müsste die Zahlungsunfähigkeit zumindest drohen (§ 18 ­InsO). Liegt einer dieser Insolvenzgründe nicht vor, so darf das Insolvenzgericht das Insolvenzverfahren nicht eröffnen.191 Sofern es also bei der Tochtergesellschaft an einem Eröffnungsgrund fehlt, liefe ein von der Konzernmutter veranlasster Eigenantrag oder ein von den Gläubigern der Konzernmutter gestellter Fremdantrag ins Leere. Zudem erscheint es auch nicht erforderlich, im Falle der Insolvenz der Konzernmutter Zahlungen der solventen Konzerntochter an Dritte zu verhindern. Denn bei Kapitalgesellschaften hat die Insolvenz eines Gesellschafters grundsätzlich keine Auswirkungen auf die Gesellschaft. Insbesondere führt die Gesellschafterinsolvenz nicht zur Auflösung.192 Vielmehr fallen GmbH-Anteile sowie Aktien in die Insolvenzmasse.193 Damit trägt die Insolvenzmasse ebenso wie vor Eröffnung des Insolvenzverfahrens der Gesellschafter selbst das Risiko, dass der GmbH-Anteil oder die Aktie an Wert verliert. Umgekehrt kommt aber auch eine Wertsteigerung der Gesellschaftsbeteiligung der Insolvenzmasse zu Gute. Weshalb der Gesellschafter vor Eröffnung des Insolvenzverfahrens das Risiko eines Wertverlustes seines Gesellschaftsanteils tragen, die Insolvenzmasse aber mit Eröffnung des Insolvenzverfahrens von diesem Risiko entlastet werden soll, ist nicht ersichtlich. Denn auch bei anderen zur Insolvenzmasse gehörenden Gegenständen besteht das Risiko eines Wertverlustes, ohne dass die Insolvenzmasse hiergegen geschützt würde. Zutreffend wird daher auch ein Recht des Insolvenzverwalters der Konzernmutter verneint, die Erfüllung oder Besicherung von Verbindlichkeiten der Konzernmutter durch eine Tochtergesellschaft anzufechten. Denn dies widerspräche dem „Grundsatz der Rechtsträgerbezogenheit des Insolvenzverfahrens“.194 Schließlich hat die Eröffnung eines Insolvenzverfahrens auch erhebliche Eingriffe 190

Prütting, FS Metzeler (2003), 3, 6. Vgl. Schmahl, Münchener Komm. z. ­InsO, § 16 Rdn. 7, wonach das Insolvenzgericht das Insolvenzverfahren nur eröffnen darf, „wenn es mit hinreichender Gewissheit, wie sie für seine Tatsachenfeststellung stets erforderlich ist (§ 286 ZPO, § 4 [­InsO]), die Überzeugung gewonnen hat, dass beim Schuldner ein gesetzlicher Eröffnungsgrund vorliegt“. 192 So Haas/Hoßfeld, in: Gottwald, Insolvenzrechts-Handbuch, § 92 Rdn. 531 für eine insolvente GmbH, die eine Beteiligung an einer anderen Kapitalgesellschaft hält; ebenso Hüffer, Münchener Komm. z. AktG, § 262 Rdn. 48 für die Insolvenz eines Aktionärs. 193 Uhlenbruck/Hirte, Komm. z. I­ nsO, § 35 Rdn. 160; Lwowski/Peters, Münchener Komm. z. ­InsO, § 35 Rdn. 240 für GmbH-Anteile und Rdn. 262 für Aktien. 194 Brinkmann, in: Bork, Handbuch des Insolvenzanfechtungsrechts, § 18 Rdn. 33 f.; zustimmend van Bömmel, Insolvenzanfechtung von upstream guarantees im GmbH-Konzern (2009), S. 156; a. A. Hirte, ­Z­InsO 2004, 1161, 1164 ff.; bei einer Anweisung der Tochtergesellschaft durch die Konzernmutter auch Wenner/Schuster, ZIP 2008, 1512, 1516 ff. 191

I. Regelungen für eine Konzerninsolvenz im deutschen Insolvenzrecht

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in die Rechte des Insolvenzschuldners und seiner Gläubiger zur Folge. So wird dem Schuldner die Verwaltungs- und Verfügungsbefugnis über sein Vermögen entzogen. Bei Anordnung der Eigenverwaltung werden ihm diesbezüglich zumindest Beschränkungen auferlegt. Den Gläubigern wird die Möglichkeit der Vollstreckung in das schuldnerische Vermögen genommen, zudem werden sie „in eine nicht gewollte Zwangsgemeinschaft eingebunden, die die Entscheidungen über die Haftungsverwirklichung mehrheitlich trifft“.195 Angesichts der rechtlichen Selbständigkeit der einzelnen Konzerngesellschaften erscheint es aber nicht vertretbar, die Tochtergesellschaften bzw. ihre Gläubiger im Interesse der Konzernmutter den genannten Einschränkungen zu unterwerfen. Denn damit würden die Tochtergesellschaft bzw. deren Gläubiger den Interessen der Gläubiger der Konzernmutter untergeordnet. Im Ergebnis ist es deshalb abzulehnen, bei Insolvenz der Konzernmutter die übrigen Konzerngesellschaften unabhängig davon, ob sie selbst insolvent sind, in ein Insolvenzverfahren zu zwingen. (2) Erstreckung der Wirkungen des Insolvenzplans einer insolventen Konzerngesellschaft auf andere solvente Konzerngesellschaften Denkbar erschiene es schließlich, lediglich die Wirkungen des Insolvenzplans einer insolventen Konzerngesellschaft auf andere solvente Konzerngesellschaften zu erstrecken, darüber hinaus aber der Insolvenz einer Konzerngesellschaft keine Auswirkungen auf andere solvente Konzerngesellschaften zuzusprechen. Hierzu könnte dem für die insolventen Konzerngesellschaften bestellten Insolvenzverwalter das Recht zur Vorlage eines Insolvenzplans zugesprochen werden, der neben dem Vermögen der insolventen Konzerngesellschaften auch das Vermögen der solventen Konzerngesellschaften umfasst. Deren Gläubiger hätten dann ebenso wie die Gläubiger der insolventen Konzerngesellschaften über den Insolvenzplan abzustimmen und wären im Falle einer Bestätigung des Insolvenzplans auch seinen Wirkungen unterworfen. Ob eine solche Regelung sinnvoll wäre, erscheint allerdings zweifelhaft. Denn sofern die betreffende Gesellschaft nicht insolvent ist, werden ihre Gläubiger einem Insolvenzplan regelmäßig nur zustimmen, sofern ihre Forderungen vollständig befriedigt werden. Eine Ersetzung der Zustimmung nach § 245 ­InsO wäre bei einer solventen Gesellschaft ebenfalls nur bei einer vollständigen Befriedigung ihrer Gläubiger möglich, da nur dann die Gläubiger voraussichtlich nicht schlechter gestellt werden, als sie ohne den Plan stünden (§ 245 Abs. 1 Nr. 1 ­InsO). Ferner bestünde auch die Gefahr, dass durch eine Erstreckung der Planwirkungen auf solvente Konzerngesellschaften die Rechte von Minderheitsgesellschaftern beeinträchtigt werden. So könnte beispielsweise der Insolvenzverwalter der Konzernmutter durch Vorlage eines das 195

Uhlenbruck/Uhlenbruck, Komm. z. ­InsO, § 16 Rdn. 3.

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C. Ausgestaltung eines künftigen Konzerninsolvenzrechts

Vermögen anderer, solventer Tochtergesellschaften umfassenden Insolvenzplans das von der Tochtergesellschaft getragene Unternehmen ohne die Zustimmung der Minderheitsgesellschafter umstrukturieren oder zerschlagen, selbst wenn ihm dies mangels erforderlicher Stimmrechtsmehrheit nach den Regelungen des Gesellschaftsrechts nicht möglich wäre. Nach § 217 Satz 2 ­InsO könnte ein solcher Plan sogar in die Mitgliedschaftsrechte der Minderheitsgesellschafter einer Konzerntochter eingreifen. Für die Annahme eines Insolvenzplans durch die Gruppe der Anteilsinhaber wäre gem. § 244 Abs. 3 ­InsO lediglich die Mehrheit der Summe der Beteiligungen notwendig. Damit könnte beispielsweise eine Kapitalerhöhung in der Konzerntochter mit einfacher Mehrheit beschlossen werden, wohingegen nach den gesellschaftsrechtlichen Regelungen eine qualifizierte Mehrheit erforderlich wäre (vgl. §§ 53 Abs. 2 Satz 1 GmbHG, 182 Abs. 1 Satz 1 AktG). Deshalb sollten die Wirkungen des Konzerninsolvenzplans auf die insolventen Konzerngesellschaften beschränkt bleiben. Die solventen Konzerngesellschaften können damit allenfalls freiwillig einen Beitrag zu dem Sanierungs- oder Ver­wertungskonzept leisten, welches dem Konzerninsolvenzplan zugrunde liegt. Unabhängig davon, ob man die Regelung dieser Beitragsleistungen im gestaltenden Teil des Insolvenzplans zulässt oder nicht,196 wäre hierfür aber in jedem Fall eine Zustimmung der betreffenden Gesellschaft erforderlich.197 Diese Zustimmung müsste dann von den für die Vertretung der jeweiligen Gesellschaft zuständigen Organen nach Maßgabe der Regelungen des Gesellschaftsrechts erteilt werden. Insoweit könnte der Insolvenzverwalter einer insolventen Konzernmutter allenfalls durch Ausübung des Stimmrechts aus den Beteiligungen der Konzernmutter an den Tochtergesellschaften oder mittels eines bestehenden beherrschungsvertrag­lichen Weisungsrechts198 eine solche Zustimmung der solventen Tochtergesellschaften veranlassen.

196 Zu der Frage, ob neben den absonderungsberechtigten Gläubigern, den Insolvenzgläubigern, dem Schuldner und den Inhabern von Anteils- oder Mitgliedschaftsrechten an einem Schuldner, der keine natürliche Person ist, auch Dritte „Beteiligte“ im Sinne des § 221 ­InsO sein können, deren Rechtsstellung durch den gestaltenden Teil des Insolvenzplans geändert werden kann, siehe oben B. IV. 2. a). 197 So Eidenmüller, Münchener Komm. z. ­InsO, § 217 Rdn. 58, der davon ausgeht, dass neben den absonderungsberechtigten Gläubigern, den Insolvenzgläubigern und dem Schuldner auch Dritte „Beteiligte“ im Sinne des § 221 ­InsO sein können; zum selben Ergebnis gelangt die Gegenauffassung, die davon ausgeht, dass mit diesen „Dritten“ nur „außerhalb des Insolvenzplans gesonderte vertragliche Übereinkünfte […] erzielt werden“ können, vgl. Uhlenbruck/ Lüer, Komm. z. ­InsO, § 217 Rdn. 9. 198 Die Eröffnung des Insolvenzverfahrens über das Vermögen der Obergesellschaft lässt den Beherrschungsvertrag grundsätzlich unberührt, die Untergesellschaft kann ihn lediglich kündigen. Eine Suspendierung der Wirkungen dieses Vertrages tritt erst mit der Eröffnung des Insolvenzverfahrens über das Vermögen der Untergesellschaft ein, siehe oben B. IV. 1. a) cc).

I. Regelungen für eine Konzerninsolvenz im deutschen Insolvenzrecht

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d) Regelungsvorschlag Zur Umsetzung des geschilderten Konzerninsolvenzplanverfahrens böte es sich an, im Anschluss an den zweiten Abschnitt des Sechsten Teils der I­ nsO, welcher in den §§ 235 bis 253 ­InsO die Annahme und Bestätigung des Insolvenzplans regelt, die nachfolgenden Vorschriften in einem dritten Abschnitt einzufügen. Der bisherige dritte Abschnitt, welcher in den §§ 254 bis 269 ­InsO die Wirkungen des bestätigten Plans sowie die Überwachung der Planerfüllung regelt, würde dann zum vierten Abschnitt des sechsten Teils. § 253a. Zulässigkeit eines Konzerninsolvenzplans Sind mehrere Kapitalgesellschaften oder Gesellschaften ohne Rechtspersönlichkeit, über deren Vermögen von demselben Gericht Insolvenzverfahren eröffnet worden sind, in einer Weise miteinander verbunden, dass einer Gesellschaft bei den übrigen Gesellschaften 1. die Mehrheit der Stimmrechte der Gesellschafter zusteht, 2. das Recht zusteht, die Mehrheit der Mitglieder des die Finanz- oder Geschäftspolitik bestimmenden Verwaltungs-, Leitungs- oder Aufsichtsorgans zu bestellen oder abzuberufen, und sie gleichzeitig Gesellschafterin ist, oder 3. das Recht zusteht, die Finanz- und Geschäftspolitik aufgrund eines Beherrschungs­ vertrages oder einer Regelung in der Satzung zu bestimmen, so kann für mehrere oder alle diese Gesellschaften ein gemeinsamer Insolvenzplan vorgelegt werden (Konzerninsolvenzplan). § 253b. Vorlage des Konzerninsolvenzplans (1) Zur Vorlage eines Konzerninsolvenzplans ist jede Konzerngesellschaft berechtigt. (2) 1Ein Insolvenzverwalter ist nur zur Vorlage eines Konzerninsolvenzplans berechtigt, sofern er in den Insolvenzverfahren aller von diesem Plan betroffenen Gesellschaften bestellt worden ist. 2Die Gläubiger einer einzelnen Gesellschaft können den Insolvenzverwalter lediglich mit der Ausarbeitung eines Konzerninsolvenzplans beauftragen, ihm jedoch nicht das Ziel des Plans vorgeben. § 253c. Gruppenbildung 1

Bei der Gruppenbildung ist zwischen den Gläubigern und Anteilsinhabern der einzelnen Konzerngesellschaften zu unterscheiden. 2Innerhalb der Gläubiger einer einzelnen Konzerngesellschaft ist zudem nach den in § 222 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1–3 genannten Kriterien zu unterscheiden. § 253d. Vorrang des Konzerninsolvenzplans (1) Ein das Vermögen einer einzelnen Konzerngesellschaft betreffender Insolvenzplan kann erst bestätigt werden, nachdem über die Bestätigung aller eingereichten Konzerninsolvenzpläne rechtskräftig entschieden worden ist.

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C. Ausgestaltung eines künftigen Konzerninsolvenzrechts

(2) Hat eine Konzerngesellschaft einen Konzerninsolvenzplan vorgelegt, ist die Bestätigung dieses Plans versagt worden und ist ein auf das Vermögen einer einzelnen Konzerngesellschaft beschränkter Insolvenzplan vorgelegt worden, so hat das Insolvenzgericht einen weiteren von einer Konzerngesellschaft vorgelegten Konzerninsolvenzplan zurückzuweisen, sofern der Insolvenzverwalter derjenigen Konzerngesellschaft, für die ein auf ihr Vermögen beschränkter Insolvenzplan vorgelegt wurde, dies mit Zustimmung des in dem betreffenden Verfahren eingesetzten Gläubigerausschusses beantragt. § 253e. natürliche Person als Konzernspitze Die §§ 253a bis 253d gelten entsprechend, sofern die in § 253a Nr. 1–3 genannten Rechte einer natürlichen Person zustehen. § 253 f. Entsprechende Geltung der §§ 217–253 Soweit in den §§ 253a bis 253e nichts anderes bestimmt ist, gelten die §§ 217 bis 253 entsprechend.

6. Zusammenlegung der Insolvenzmassen mehrerer insolventer Konzerngesellschaften Neben der geschilderten und für das Insolvenzplanverfahren auch befürworteten Zusammenfassung der über das Vermögen der einzelnen Konzerngesellschaften eröffneten Insolvenzverfahren wird vereinzelt auch gefordert, eine Zusammen­legung der einzelnen Insolvenzmassen in Erwägung zu ziehen. Diese Zusammenlegung wird in Anlehnung an das entsprechende Rechtsinstitut im amerikanischen Recht teilweise als „substantive consolidation“ bezeichnet.199 Denn bei Konzernen bestünde eine „durchaus häufig zu beobachtende Gepflogenheit, Gewinne und Verluste innerhalb des Verbunds nach strategischen Gesichtspunkten zu verlagern“. Verhindern könnten dies die Gläubiger nicht, sie hätten von diesen Vermögenverlagerungen regelmäßig noch nicht einmal Kenntnis.200 Zudem gestatte das Insolvenzanfechtungsrecht zum Zwecke der Masseanreicherung „einen Übergriff auf fremdes Vermögen“. Deshalb sei es nicht zwingend, in der Insolvenz mehrerer Konzerngesellschaften an der Trennung der einzelnen Massen festzuhalten. Vielmehr könne eine Zusammenfasssung der Insolvenzmassen der einzelnen Konzerngesellschaften wünschenswert sein, um so insbesondere bei einer Sanierung des Konzerns einen im Vergleich zu einer getrennten Abwicklung höheren Erlös zu erzielen. Befürwortet wird eine solche Zusammenlegung zum einen dann, „wenn sich die Unternehmen in ihrem nach außen hin erkennbaren Erschei 199 So Paulus, ZIP 2005, 1948, 1953; ders., ZGR 2010, 270, 281; Brünkmans, Die Koordinierung von Insolvenzverfahren konzernverbundener Unternehmen (2009), S. 101; zur „substantive consolidation“ nach US-amerikanischem Insolvenzrecht siehe Scheel, Konzern­ insolvenzrecht (1995), S. 241 ff.; Brünkmans, Die Koordinierung von Insolvenzverfahren konzernverbundener Unternehmen (2009), S. 93 ff. 200 Paulus, ZIP 2005, 1948, 1953.

I. Regelungen für eine Konzerninsolvenz im deutschen Insolvenzrecht

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nungsbild und Auftreten – etwa in Werbung, Geschäftsbriefen, Websites etc. – als Bestandteil eines Konzerns zu erkennen geben“. Denn hier erscheine es durchaus denkbar, dass die Gläubiger der einzelnen Konzerngesellschaften auf eine Haftung des gesamten Konzernvermögens vertrauen, zumindest würden sie angesichts der erkennbaren Konzernzugehörigkeit durch eine Zusammenlegung der Insolvenzmassen „nicht überfahren‘“. Zum anderen solle eine solche Zusammenlegung auch möglich sein, wenn „die Gesellschaften alle Teile herstellen oder verwalten, die zusammen dann als Produkt ‚des Konzerns‘ fungieren“.201 Als Folge der Zusammenlegung sei „der Konzern als solcher“ Schuldner des Insolvenzverfahrens, an dem „alle Gläubiger der jeweiligen Einzelgesellschaften“ teilnähmen. Die Insolvenzmasse setze sich aus der „Summe der Einzelmassen“ zusammen. Ansprüche zwischen den einzelnen Konzerngesellschaften entfielen, insbesondere scheide eine Anfechtung von Rechtsgeschäften gegenüber anderen Konzerngesellschaften aus.202 Allerdings begegnet dieser Vorschlag erheblichen Bedenken. So wird selbst von der eine Zusammenlegung der Insolvenzmassen befürwortenden Ansicht eingeräumt, dass „diejenigen Gläubiger benachteiligt [würden], deren Schuldnerunternehmen mehr Masse aufzuweisen hat als der Durchschnitt aller anderen konzerngebundenen, ebenfalls insolventen Gesellschaften“.203 Die betreffenden Gläubiger trügen also das Risiko, dass sich ihre Quote aufgrund der geringen Insolvenzmasse einer anderen Konzerngesellschaft verringert. Damit würde jeder dieser Gläubiger „faktisch mit einem Schuldner konfrontiert, den er sich nicht in einem von Privatautonomie getragenen Such- und Entscheidungsprozess hat aussuchen können“.204 Auch würde damit die für das Wirtschaftsrecht grundlegende Entscheidung unterlaufen, durch den Einsatz von Kapitalgesellschaften die Haftung im Rahmen einer unternehmerischen Aktivität summenmäßig zu begrenzen. Eine „fundierte Risikoanalyse“ wäre damit sowohl für Eigen- als auch für Fremdkapitalgeber nur noch schwer möglich.205 Ferner sind Vermögensverschiebungen zwischen den einzelnen Konzerngesellschaften nicht schrankenlos zulässig. Vielmehr existieren, sofern der Konzern wie regelmäßig aus mehreren Kapitalgesellschaften beststeht, gerade zum Schutz abhängiger Konzerngesellschaften eine Reihe von Vorschriften, die diese Gesellschaften und damit auch ihre Gläubiger vor einem Vermögensentzug durch die herrschende Gesellschaft schützen. Beispiele hierfür sind etwa der Verlustausgleichsanspruch nach § 302 AktG, der Nachteilsausgleich nach § 311 Abs. 2 AktG, die Regelungen über den Erhalt des Stammkapitals 201

Paulus, ZIP 2005, 1948, 1954. Paulus, ZIP 2005, 1948, 1954 f. 203 Paulus, ZIP 2005, 1948, 1953; dieser Grund wird auch vom Bundesjustizministerium gegen die Einführung einer „substantive consolidation“ angeführt, vgl. die Rede der Bundesjustizministerin Leutheusser-Schnarrenberger beim 9. Deutschen Insolvenzrechtstag der Arbeitsgemeinschaft Insolvenzrecht im Deutschen Anwaltverein am 22. März 2012 in Berlin, Z ­ ­InsO 2012, 637, 640. 204 Ehricke, DZWIR 1999, 353, 359. 205 Sester, ZIP 2005, 2099, 2100. 202

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C. Ausgestaltung eines künftigen Konzerninsolvenzrechts

oder die Haftung wegen existenzvernichtenden Eingriffs. Die aus einer Verletzung dieser Regelungen resultierenden Ansprüche der abhängigen Gesellschaft werden regelmäßig erst in deren Insolvenz durch einen bestellten Insolvenzverwalter durchgesetzt.206 Sofern diese Ansprüche infolge einer Zusammenlegung der Insolvenzmassen von Mutter- und Tochtergesellschaft erlöschen, können die Gläubiger der Tochtergesellschaft hierdurch schlechter gestellt werden, als sie bei einer Anmeldung dieser Ansprüche im Insolvenzverfahren der Muttergesellschaft und anschließender Verwertung der Insolvenzmasse der Tochtergesellschaft stünden. In einem solchen Fall würde durch eine Zusammenlegung der Insolvenzmassen also auch der Schutz derjenigen Vorschriften des Kapitalgesellschaftsrechts unterlaufen, welche die Gläubiger vor einem „Ausplündern“ der Gesellschaft schützen sollen.207 Schließlich ist die Zusammenlegung der Insolvenzmassen der einzelnen Konzerngesellschaften zur Ermöglichung einer einheitlichen Verwertung des Vermögens aller Konzerngesellschaften oder einer Sanierung des auf mehrere Konzerngesellschaften aufgeteilten einheitlichen Unternehmens nicht zwingend erforderlich. So stehen mit der Einführung eines konzernweit einheitlichen Gerichtsstandes,208 der Einsetzung eines Konzerninsolvenzverwalters209 und nicht zuletzt mit der Schaffung eines Konzerninsolvenzplanverfahrens210 Instrumente zur Verfügung, die eine Verfahrenskoordination in weitem Umfang ermöglichen, ohne allerdings eine Zusammenlegung der Insolvenzmassen zu erfordern. Damit können die Vorteile, die mit einer Zusammenlegung der Insolvenzmassen mehrerer insolventer Konzerngesellschaften angestrebt werden, auch erreicht werden, ohne die mit einer solchen Zusammenlegung verbundenen Nachteile in Kauf zu nehmen. Deshalb erscheint es im Ergebnis vorzugswürdiger, auf die Einführung der Möglichkeit zur Zusammenlegung der Insolvenzmassen mehrerer Konzern­ gesellschaften zu verzichten.211

206

Siehe oben C. I. 3. a). Zutreffend Lutter, ZfB 54 (1984), 781: „Da aber der Konkurs gerade die Bewährung der Vermögenstrennung ist – wozu sonst wäre der unerhörte Aufwand an Normen zur Stabilisierung der juristischen Person und ihres Vermögens von Nutzen – kann der Konkurs als solcher nicht zur Aufgabe eben dieses Prinzips führen“. 208 Zu dem diesbezüglich befürworteten Regelungsvorschlag siehe oben C. I. 2. c). 209 Zu dem diesbezüglich befürworteten Regelungsvorschlag siehe oben C. I. 3. c). 210 Zu dem diesbezüglich befürworteten Regelungsvorschlag siehe oben C. I. 5. c) und d). 211 So auch die Ansicht des Bundesjustizministeriums, vgl. die Rede der Bundesjustizministerin Leutheusser-Schnarrenberger beim 9. Deutschen Insolvenzrechtstag der Arbeitsgemeinschaft Insolvenzrecht im Deutschen Anwaltverein am 22. März 2012 in Berlin, ­Z­InsO 2012, 637, 640; im Ergebnis ebenso Eidenmüller, ZHR 169 (2005), 528, 532; Ehricke, DZWIR 1999, 353, 359; Sester, ZIP 2005, 2099, 2101; Brünkmans, Die Koordinierung von Insolvenz­ verfahren konzernverbundener Unternehmen (2009), S. 107; Mertens, ZGR 1984, 542, 555; K. Schmidt, Wege zum Insolvenzrecht der Unternehmen (1990), S. 222 f.; ders., KTS 2010, 1, 13 f.; Uhlenbruck, KTS 1986, 419, 426. 207

II. Regelungen für eine Konzerninsolvenz auf europäischer Ebene

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II. Regelungen für eine Konzerninsolvenz auf europäischer Ebene Die bisher dargestellten Regelungsvorschläge betreffen lediglich das nationale deutsche Insolvenzrecht. Häufig besteht ein Konzern aber aus Gesellschaften, die ihren Sitz bzw. Interessenmittelpunkt in verschiedenen Staaten haben. Sofern es sich bei den betreffenden Staaten um Mitgliedsstaaten der Europäischen Union212 handelt, findet auf die Insolvenzverfahren der einzelnen Konzerngesellschaften regelmäßig die ­EuInsVO Anwendung.213 1. Geltung von etwaigem nationalem Konzerninsolvenzrecht mangels diesbezüglicher Regelungen in der ­EuInsVO Besondere Vorschriften über die Zusammenfassung der Insolvenzverfahren ­ uInsVO nicht.214 Insofern könnte mehrerer Konzerngesellschaften enthält die E diesbezüglich Raum für nationale Regelungen der einzelnen Mitglieds­ staaten sein. Allerdings bestimmt Art. 3 Abs. 1 Satz 1 ­EuInsVO, dass für die Eröffnung eines Insolvenzverfahrens die Gerichte des Staates zuständig sind, in dem der Schuldner den Mittelpunkt seiner hauptsächlichen Interessen hat. Bei Gesellschaften und juristischen Personen wird der Interessenmittelpunkt gem. Art. 3 Abs. 1 Satz 2 ­EuInsVO bis zum Beweis des Gegenteils am Ort des satzungsmäßigen Sitzes vermutet. Hieraus folgt, „dass nach dem mit der Verordnung eingeführten System zur Feststellung der Zuständigkeit der Gerichte der Mitgliedsstaaten eine eigene gerichtliche Zuständigkeit für jeden Schuldner existiert, der eine juristisch selbständige Einheit darstellt“.215 Aufgrund des Anwendungsvorrangs der ­EuInsVO gilt dies auch dann, wenn das für eine Konzerngesellschaft geltende Insolvenzrecht eine Annexzuständigkeit für die übrigen Konzerngesellschaften vorsieht.216 In jedem Insolvenzverfahren gilt dann gem. Art. 4 Abs. 1 ­EuInsVO das Insolvenzrecht des Eröffnungsstaates. Damit kann eine nationale Regelung, welche die Zusammenfassung der Insolvenzverfahren mehrerer Konzerngesellschaften vorsieht, nur eingreifen, sofern die Gerichte des betreffenden Staates für die fraglichen Gesellschaften gem. Art. 3 Abs. 1 ­EuInsVO international zuständig sind.217 212 Mit Ausnahme Dänemarks, da die ­EuInsVO in Dänemark nicht gilt, siehe Erwägungsgrund 33 zur ­EuInsVO. 213 Zu den Voraussetzungen für die Anwendbarkeit der ­EuInsVO siehe oben B. I. 2. a). 214 Geimer/Schütze, Europäisches Zivilverfahrensrecht, A 5 – Art. 1 E ­ uInsVO Rdn. 5; ebenso zum mit der ­EuInsVO nahezu identischen ­EuInsVÜ Virgós/Schmit, Erläuternder Bericht zum EU-Übereinkommen über Insolvenzverfahren, Rdn. 76. 215 ­EuGH, Urteil vom 2. Mai 2006, Rs. C-341/04 – Eurofood, Slg. 2006, I-3813 Rdn. 30. 216 Geimer/Schütze, Europäisches Zivilverfahrensrecht, A 5 – Art. 1 ­EuInsVO Rdn. 5. 217 So auch ­EuGH, Urteil vom 15. Dezember 2011, Rs. C-191/10 – Rastelli, ZIP 2012, 183 ff. Leitsatz 1 und Rdn. 13 ff. hinsichtlich Art. L. 641–1 i. V. m. Art. L. 621–2 Code de commerce, wonach ein eröffnetes Insolvenzverfahren auf eine oder mehrere vom Schuldner verschiedene Personen erstreckt werden kann, sofern eine Vermischung der Vermögensmassen vorliegt oder die juristische Person fiktiv ist.

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C. Ausgestaltung eines künftigen Konzerninsolvenzrechts

Gleiches gilt auch für eine nationale Regelung, welche die Eröffnung eines einheitlichen Insolvenzverfahrens über das Vermögen mehrerer Konzerngesellschaften vorsieht. Zwar bestimmt gem. Art. 4 Abs. 2 lit. a) ­EuInsVO das Insolvenzrecht des Eröffnungsstaates, bei welcher Art von Schuldnern ein Insolvenzverfahren zulässig ist. Hieraus wird teilweise gefolgert, dass eine nationale Rechtsordnung auch ein Insolvenzverfahren über das Vermögen eines Konzerns zulassen könne.218 Allerdings stünde eine solche Auslegung des Art. 4 Abs. 2 lit. a) ­EuInsVO im Widerspruch zu Art. 3 Abs. 1 ­EuInsVO, der davon ausgeht, dass das zuständige Gericht für jede „juristisch selbständige Einheit“219 getrennt zu bestimmen ist. Deshalb ist Art. 4 Abs. 2 lit. a) ­EuInsVO dahingehend auszulegen, dass das Insolvenzrecht des Eröffnungsstaates lediglich regeln kann, ob ein einzelner Rechtsträger insolvenzfähig ist oder nicht, nicht aber, ob auch über mehrere Rechtsträger ein einheitliches Insolvenzverfahren eröffnet werden kann.220 Sofern die einzelnen Konzerngesellschaften ihren Interessenmittelpunkt in verschiedenen europäischen Staaten haben, kommt es also auch dann zur Eröffnung mehrerer, nach unterschiedlichem Recht abzuwickelnder Insolvenzverfahren über das Vermögen der einzelnen Konzerngesellschaften, wenn das für eine Konzerngesellschaft geltende nationale Insolvenzrecht eine Zusammenfassung dieser Verfahren oder sogar ein einheitliches Insolvenzverfahren über den gesamten Konzern vorsieht. 2. Regelungen für parallele Insolvenzverfahren verschiedener Konzerngesellschaften in der ­EuInsVO Da viele Konzerne in mehreren europäischen Staaten tätig sind und folglich auch die einzelnen Gesellschaften dieser Konzerne oftmals ihren Interessenmittelpunkt in verschiedenen Mitgliedsstaaten haben, erscheint die Aufnahme spezieller Regelungen für die Insolvenz konzernverbundener Gesellschaften in die ­EuInsVO erforderlich. Allerdings ist die Ausarbeitung entsprechender Regelungen auf internationaler Ebene ungleich komplexer als innerhalb einer nationalen Rechtsordnung. Denn im internationalen Kontext muss nicht nur ein Ausgleich zwischen der wirtschaftlichen Einheit des Konzerns und der rechtlichen Selbständigkeit der einzelnen Konzerngesellschaften, sondern auch zwischen den in Betracht kommenden Rechtsordnungen gefunden werden. Gleichwohl sind bereits vereinzelt Regelungsvorschläge für eine diesbezügliche Reform der ­EuInsVO unterbreitet worden. Diese Vorschläge sowie andere denkbare Regelungskonzepte sollen im Folgenden dargestellt und erörtert werden. Denn gem. Art. 46 ­EuInsVO hatte die Kommission bis zum 1. Juni 2012 einen Bericht über die bisherige Anwendung 218 Eidenmüller, IPrax 2001, 2, 4; Pannen, in: Pannen, Komm. z. ­EuInsVO, Art. 1 Rdn. 134; zweifelnd Hirte, ECFR 2008, 213, 228. 219 So die Formulierung des ­EuGH, Urteil vom 2. Mai 2006, Rs. C-341/04 – Eurofood, Slg. 2006, I-3813 Rdn. 30. 220 Anders ausdrücklich Eidenmüller, IPrax 2001, 2, 4.

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der ­EuInsVO vorzulegen, der gegebenenfalls auch Änderungsvorschläge enthalten sollte.221 Insofern erscheint eine baldige Reform der ­EuInsVO nicht gänzlich ausgeschlossen. Im Zuge dieser Reform soll dann offenbar auch die Einführung spezieller Regelungen für parallele Insolvenzverfahren mehrerer Konzerngesellschaften erwogen werden.222 a) Definition des Konzerns Ebenso wie im nationalen deutschen Insolvenzrecht muss auch bei der Aufnahme von Regelungen über die Insolvenz mehrerer konzernverbundener Gesell­ uInsVO zunächst der Anwendungsbereich dieser Regelungen beschaften in die E stimmt werden. Erforderlich ist damit eine Definition des Konzerns. Teilweise wird vorgeschlagen, auf das Bestehen einer Mehrheitsbeteiligung abzustellen. Denn allein eine solche weite Regelung würde die erforderliche Rechtssicherheit und Rechtsklarheit gewährleisten.223 Innerhalb dieser Ansicht wird teilweise offengelassen, ob für das Vorliegen einer „Mehrheitsbeteiligung“ die Anteilsmehrheit oder die Stimmrechtsmehrheit in der Gesellschafterversammlung ausschlaggebend sein soll.224 Andere plädieren dafür, auf die Stimmrechtsmehrheit abzustellen.225 Eine weitere Ansicht schlägt hingegen eine Bezugnahme auf die Kriterien vor, die in Art. 1 der sog. „Konzernbilanzrichtlinie“226 für die Bestimmung des Kreises der Unternehmen genannt sind, denen die Mitgliedsstaaten die Erstellung eines konsolidierten Abschlusses und eines konsolidierten Lageberichts vorzuschreiben haben.227 Große Unterschiede zwischen diesen beiden Vorschlägen dürften sich kaum ergeben. Denn nach Art. 1 Abs. 1 lit. a) und lit. b) der Konzern 221

Dieser Bericht lag, soweit ersichtlich, jedenfalls im Juli 2012 noch nicht vor. Nach Hirte, ­Z­InsO 2011, 1788 soll „das Thema ‚Konzerninsolvenz‘ […] nach der Vorstellung des Europäischen Parlaments ebenfalls in die Kodifikationsüberlegungen einbezogen werden“; derselben Ansicht ist offenbar auch das Bundesjustizministerium, wo in Zusammenarbeit mit dem französischen Justizministerium bereits eine Arbeitsgruppe eingerichtet wurde, „welche insbesondere Vorschläge zur Behandlung von Konzerninsolvenzen im Rahmen der anstehenden Reform der Europäischen Insolvenzverordnung“ erarbeiten soll, vgl. die Rede der Bundesjustizministerin Leutheusser-Schnarrenberger beim 9. Deutschen Insolvenzrechtstag der Arbeitsgemeinschaft Insolvenzrecht im Deutschen Anwaltverein am 22. März 2012 in Berlin, ­Z­InsO 2012, 637, 639 f.; siehe hierzu aber auch Reinhart, ­Z­InsO 2012, 304, 310, wonach einem Vortrag, den Jerome Carriat, ein Mitglied der Generaldirektion Justiz der Europäischen Kommission auf einer Tagung der ARGE Insolvenz und Sanierung des DAV vom 08.02.2012 bis 10.02.2012 in Brüssel gehalten hat, zu entnehmen war, dass „das Thema Konzerninsolvenz bei der Überarbeitung der ­EuInsVO derzeit […] keine Rolle“ spiele. 223 Vallender/Deyda, NZI 2009, 825, 832. 224 Vallender/Deyda, NZI 2009, 825, 832 Fn. 56. 225 van Galen, The European Insolvency Regulation and Groups of Companies (2003), S. 7. 226 Siebente Richtlinie des Rates vom 13. Juni 1983 aufgrund von Art. 54 Absatz 3 Buchstabe g) des Vertrages über den konsolidierten Abschluss (83/349/EWG), Amtsblatt der Europäischen Gemeinschaften L 193 vom 18. Juli 1983, S. 1 ff. 227 Hirte, ECFR 2008, 213, 228; ders., ­Z­InsO 2011, 1788. 222

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bilanzrichtlinie haben die Mitgliedsstaaten die Erstellung eines konsolidierten Abschlusses und eines konsolidierten Lageberichts vorzuschreiben, sofern dem Mutterunternehmen die Mehrheit der Stimmrechte der Aktionäre oder Gesellschafter eines Tochterunternehmens zusteht oder das Mutterunternehmen die Mehrheit der Mitglieder des Verwaltungs-, Leitungs- oder Aufsichtsorgans der Tochtergesellschaft bestellen bzw. abberufen kann und gleichzeitig Gesellschafter des Tochterunternehmens ist. Die Stimmrechtsmehrheit sowie das Recht, die Mehrheit der Mitglieder der Gesellschaftsorgane zu bestellen, sind aber typische Folgen einer Mehrheitsbeteiligung. Für die Anknüpfung an die in Art. 1 der Konzernbilanzrichtlinie genannten Kriterien spricht, dass diese genauer sind als eine Anknüpfung an die bloße Anteils- oder Stimmrechtsmehrheit. So erfassen sie beispielsweise auch Beherrschungsmöglichkeiten aufgrund von Unternehmensverträgen oder Satzungsbestimmungen (vgl. Art. 1 Abs. 1 lit. c) der Konzernbilanzricht­linie). Insgesamt erscheint daher grundsätzlich eine Anknüpfung an die in der Konzernbilanzrichtlinie genannten Kriterien vorzugswürdig. Hierbei wären dann auch die in Art. 2 der Konzernbilanzrichtlinie enthaltenen Zurechnungsregeln zu übernehmen.228 Nicht übernommen werden könnten lediglich die in dieser Richtlinie statuierten Wahlrechte der Mitgliedsstaaten (vgl. Art. 1 Abs. 1 lit. d) der Konzernbilanzrichtlinie). Denn die ­EuInsVO gilt als Verordnung in den Mitgliedsstaaten unmittelbar, weshalb sie keiner Umsetzung in nationales Recht bedarf, im Rahmen derer diese Wahlrechte ausgeübt werden könnten. Zudem ist es gerade das Ziel der ­EuInsVO, für die in dieser Verordnung geregelten Bereiche ein für alle Mitgliedsstaaten einheitliches Insolvenzrecht zu schaffen (vgl. Erwägungsgrund 8 zur ­EuInsVO). b) Einheitliche internationale Zuständigkeit für alle Konzerngesellschaften Hinsichtlich des nationalen deutschen Insolvenzrechts wurde die Schaffung eines einheitlichen Gerichtsstandes für alle konzernangehörigen Gesellschaften als erster Bestandteil eines künftigen Konzerninsolvenzrechts befürwortet. Dem­ uInsVO die Einfühentsprechend erscheint auch im Anwendungsbereich der E rung der internationalen Zuständigkeit der Insolvenzgerichte eines Mitgliedsstaates für alle konzernangehörigen Gesellschaften naheliegend. Dort hätte sie zudem noch den Vorteil, dass dann in den Insolvenzverfahren aller Konzerngesellschaften dasselbe Insolvenzrecht zur Anwendung käme (vgl. Art. 4 Abs. 1 ­EuInsVO). Eine solche konzernweit einheitliche internationale Zuständigkeit wird bereits auf Grundlage des geltenden Art. 3 ­EuInsVO angestrebt, allerdings ist sie nur in Aus­ uInsVO nahmefällen begründbar.229 Sollte eine entsprechende Regelung in die E aufgenommen werden, müsste sie freilich noch durch nationale Regelungen er 228 So auch der Vorschlag einer Regelung der internationalen Zuständigkeit bei Hirte, ­Z­InsO 2011, 1788. 229 Siehe oben B. I. 2. b) gg).

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gänzt werden, die bei konzernweit einheitlicher internationaler Zuständigkeit der Gerichte des betreffenden Mitgliedsstaates auch eine konzernweit einheitliche örtliche Zuständigkeit vorsehen.230 Allerdings erscheint es unwahrscheinlich, dass die Mitgliedsstaaten entsprechende Regelungen unterlassen würden, sofern nach nationalem Recht unterschiedliche Insolvenzgerichte für die einzelnen Konzerngesellschaften örtlich zuständig wären. Diesbezügliche Bedenken erscheinen damit nicht besonders schwerwiegend. aa) Vorgeschlagene Regelungsmodelle Fraglich ist allerdings, wie eine einheitliche internationale Zuständigkeit für alle konzernangehörigen Gesellschaften geregelt werden könnte. Teilweise wird eine Regelung befürwortet, wonach sich die internationale Zuständigkeit für alle Konzerngesellschaften, die aus wirtschaftlicher Sicht ein einheitliches Unternehmen bilden, nach dem gemeinsamen Interessenmittelpunkt aller dieser Gesellschaften bestimmt. Hinsichtlich dieser Gesellschaften wäre also der Mittelpunkt der hauptsächlichen Interessen im Sinne des Art. 3 Abs. 1 ­EuInsVO nicht mehr für jede Gesellschaft einzeln zu ermitteln, sondern es wäre der Interessenmittelpunkt der aus mehreren Einzelgesellschaften bestehenden Gruppe maßgeblich. Ob eine Konzerngesellschaft mit anderen Konzerngesellschaften ein einheitliches Unternehmen bildet, sei danach zu bestimmen, ob die wirtschaftliche Existenz der betreffenden Gesellschaft von den Geschäftsbeziehungen zu anderen Konzerngesellschaften abhängig ist oder nicht. Sofern die Gesellschaft auch ohne die Geschäftsbeziehungen zu den übrigen Konzerngesellschaften überlebensfähig ist, solle sich die internationale Zuständigkeit nach dem Interessenmittelpunkt dieser einzelnen Gesellschaft richten. Der Vorteil dieses Regelungsmodells liege neben der Schaffung einer einheitlichen internationalen Zuständigkeit für mehrere Konzerngesellschaften darin, dass die Manipulation des gemeinsamen Interessenmittelpunktes mehrerer Konzerngesellschaften wesentlich schwieriger sei als die Manipulation des Interessenmittelpunktes einer einzelnen Konzerngesellschaft. Zwar wird eingeräumt, dass die Entscheidung, ob die Existenz einer Konzerngesellschaft von ihren wirtschaftlichen Beziehungen zu anderen Konzerngesellschaften abhängt, schwierig zu treffen ist. Jedoch sei es Aufgabe eines jeden Richters, auch schwierige Entscheidungen zu fällen.231 Zudem solle die Entscheidung, wo sich der Mittelpunkt der hauptsächlichen Interessen befindet, in einem eigenen Verfahren getroffen werden, welches von dem Verfahren, in dem über die Eröffnung des Insolvenzverfahrens entschieden wird, getrennt sein solle. In diesem abgetrennten Verfahren solle dann den Gläubigern und allen 230

Vallender/Deyda, NZI 2009, 825, 831, die zudem auch auf die Notwendigkeit von Regelungen hinsichtlich der Bestellung desselben Insolvenzverwalters für alle Konzerngesellschaften sowie sonstiger Koordinierungsmaßnahmen verweisen. 231 Bufford, 12 Colum. J. Eur. L. 429, 466 ff. (2006).

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anderen von dieser Entscheidung betroffenen Personen Gelegenheit zur Stellungnahme gegeben werden.232 Andere plädieren dafür, den Gerichten des Staates, in dem sich Mittelpunkt der hauptsächlichen Interessen der Konzernmutter befindet, auch die internationale Zuständigkeit für sämtliche Tochtergesellschaften zuzusprechen. Auf das Ausmaß der wirtschaftlichen Verflechtungen zwischen den Konzerngesellschaften soll es nicht ankommen.233 Hinsichtlich der genauen Ausgestaltung einer entsprechenden Regelung gehen die Ansichten jedoch auseinander. Teilweise wird vorgeschlagen, dass eine solche konzernweit einheitliche internationale Zuständigkeit nur eingreifen solle, sofern die Konzernmutter selbst insolvent ist. Die Insolvenz der Konzernmutter solle in einem der Entscheidung über die Eröffnung des Insolvenzverfahrens vorgelagerten Verfahren geprüft werden. Sei die Konzernmutter selbst nicht insolvent, so solle das Insolvenzverfahren über das Vermögen einer Tochtergesellschaft von den Gerichten des Staates eröffnet werden, in dem sich der Interessenmittelpunkt der Tochtergesellschaft befinde.234 Nach anderer Ansicht sollte das Insolvenzgericht, welches das Insolvenzverfahren über das Vermögen der Konzernmutter eröffnet hat, auch für die Insolvenzverfahren der Tochtergesellschaften zuständig sein.235 Bei einer solchen Regelung wäre die Eröffnung eines Insolvenzverfahrens über das Vermögen der Konzernmutter ebenfalls Voraussetzung für eine konzernweit einheitliche internationale Zuständigkeit. Zusätzlich solle aber das Insolvenzgericht, welches nach der Regelung des Art. 3 Abs. 1 ­EuInsVO für die Tochtergesellschaft zuständig wäre, gegen die Zuständigkeit des Insolvenzgerichts, welches das Insolvenzverfahren über das Vermögen der Konzernmutter eröffnet hat, Widerspruch einlegen können. Alternativ könnte dieses Widerspruchsrecht auch den Gläubigern der Konzerntochter „in einer gesonderten Versammlung in der Insolvenz des Mutterunternehmens“ zugestanden werden. Begründet solle ein solcher Widerspruch allerdings nur sein, sofern die Gläubiger der Konzerntochter „bei Durchführung eines konzernweiten Insolvenzverfahrens voraussichtlich […] schlechter gestellt würden als bei Durchführung einzelner Verfahren“. Das nach der Regelung des Art. 3 Abs. 1 ­EuInsVO für die Tochter­ gesellschaft zuständige Insolvenzgericht solle ferner seine Entscheidung, ob es der konzernweiten Zuständigkeit des für die Konzernmutter zuständigen Insolvenzgerichts widerspricht, davon abhängig machen können, „dass das Insolvenzverfahren der Sanierung (und nicht der Liquidation) dient, dass es durch einen Eigenantrag eingeleitet wurde, dass statt eines einzelnen Insolvenzverwalters ein (multinationales) Verwaltergremium („Triumvirat“) bestellt oder dass bestimmte weitere Vorgaben beachtet werden (etwa [teilweise] Wahl eines anderen Rechts als der eigentlich anwendbaren lex fori concursus)“. Über einen eingelegten Widerspruch solle sodann in einem „Fast-track-Verfahren“ entschieden werden. Ferner sollen die für 232

Bufford, 12 Colum. J. Eur. L. 429, 471 ff. (2006). Verhoeven, Die Konzerninsolvenz (2011), S. 284 f.; Hirte, ­Z­InsO 2011, 1788. 234 Verhoeven, Die Konzerninsolvenz (2011), S. 284 f. 235 Hirte, ­Z­InsO 2011, 1788. 233

II. Regelungen für eine Konzerninsolvenz auf europäischer Ebene

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die einzelnen Konzerngesellschaften nach Art. 3 Abs. 1 ­EuInsVO zuständigen Insolvenzgerichte in Fällen, in denen die geschilderten Voraussetzungen für eine konzernweit einheitliche internationale Zuständigkeit nicht vorliegen, „auf gemeinsamen Antrag der beteiligten Schuldner oder deren Gläubigerversammlungen einen einheitlichen Gerichtsstand zur Eröffnung des Insolvenzverfahrens festlegen [können], der auch in einem dritten Mitgliedsstaat gelegen sein kann“.236 Weiterhin wird vorgeschlagen, die internationale Zuständigkeit nicht mehr vom Mittelpunkt der hauptsächlichen Interessen einer Gesellschaft abhängig zu machen, sondern ausschließlich an den Satzungssitz der Gesellschaft anzuknüpfen. Hat die Gesellschaft keinen Satzungssitz, so sollen die Gerichte des Staates zuständig sein, nach dessen Recht die Gesellschaft organisiert ist.237 Grundlage dieses Vorschlags ist die Annahme, dass aufgrund der Unschärfe des Begriffs EuInsVO den „Mittelpunkt der hauptsächlichen Interessen“ in Art. 3 Abs. 1 ­ schuldnerischen Gesellschaften erhebliche Möglichkeiten zur Beeinflussung dieses Interessenmittelpunktes und damit auch der internationalen Zuständigkeit eröffnet sind. Aus diesem Grund müsse über die freie Wahl des Insolvenzrechts in Europa und die Grenzen dieser Wahlmöglichkeit nachgedacht werden.238 Sofern die internationale Zuständigkeit im Insolvenzrecht an den Satzungssitz der Gesellschaft geknüpft werde, würden die Mitgliedsstaaten nicht nur hinsichtlich ihres Gesellschaftsrechts miteinander im Wettbewerb stehen, sondern auch hinsichtlich ihres Insolvenzrechts.239 Zugleich wäre aber das international zuständige Gericht und damit auch das anwendbare Insolvenzrecht für die Gläubiger der Gesellschaft leicht vorherzusehen.240 Die Gläubiger könnten dann die Konditionen für die Kreditvergabe an die Gesellschaft entsprechend anpassen. Damit wäre auch ein Anreiz für die Gesellschafter bzw. das Management der Gesellschaft gegeben, die Gesellschaft nicht in einem Staat zu gründen, der über ein allzu schuldnerfreundliches Insolvenzrecht verfügt.241 Auch würden durch den Gleichlauf zwischen Gesellschafts- und Insolvenzrecht die Kosten des Insolvenzverfahrens minimiert.242 Ein Nachteil dieses Regelungsmodells sei allerdings darin zu sehen, dass bei Insolvenz mehrerer konzernangehöriger Gesellschaften eine einheitliche internationale Zuständigkeit nur bestünde, sofern diese Gesellschaften alle in demselben Staat gegründet wurden und sich deshalb auch der Satzungssitz aller Gesellschaften in diesem Staat befinde.243 Eine Gründung aller Konzerngesellschaften in demselben Staat werde aber häufig unterlassen, sofern die einzelnen Gesellschaften in 236

Hirte, ­Z­InsO 2011, 1788, 1789. So der Vorschlag für eine Neufassung des Art. 3 ­EuInsVO von Eidenmüller, ZGR 2006, 467, 480; ders., EBOR 6 (2005), 423, 447. 238 Eidenmüller, EBOR 6 (2005), 423, 428. 239 Eidenmüller, EBOR 6 (2005), 423, 438. 240 Eidenmüller, EBOR 6 (2005), 423, 438; ders., ZGR 2006, 467, 481. 241 Eidenmüller, EBOR 6 (2005), 423, 438. 242 Eidenmüller, EBOR 6 (2005), 423, 439; ders., ZGR 2006, 467, 482. 243 Eidenmüller, EBOR 6 (2005), 423, 440; ders., ZGR 2006, 467, 483. 237

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C. Ausgestaltung eines künftigen Konzerninsolvenzrechts

verschiedenen Staaten tätig werden sollen.244 Gleichwohl wird die Hoffnung geäußert, dass es bei Umsetzung dieser Regelung zur Gründung aller Konzerngesellschaften in Staaten kommen werde, die ein attraktives Paket aus Gesellschaftsund Insolvenzrecht anbieten.245 Schließlich wird auch eine Regelung nach dem Prioritätsprinzip erwogen, wonach die Gerichte desjenigen Mitgliedsstaates für alle Konzerngesellschaften international zuständig wären, in dem als erstes ein Insolvenzverfahren über eine Konzerngesellschaft eröffnet wird. Allerdings wird eine solche Regelung ab­ gelehnt, da es aus Sicht der Gläubiger oftmals vom Zufall abhänge, in welchem Staat konzernweit das erste Insolvenzverfahren eröffnet wird. Zudem würde eine solche Regelung auch Zuständigkeitsmanipulationen begünstigen, da es die Konzernleitung in der Hand hätte, durch Veranlassung eines Eigenantrags einer Konzerngesellschaft die internationale Zuständigkeit der Gerichte eines gewünschten Staates zu begründen. Damit bestünde dann auch eine faktische Wahlmöglichkeit hinsichtlich des auf die einzelnen Gesellschaften des Konzerns anwendbaren Insolvenzrechts.246 bb) Nachteile dieser Regelungsmodelle Zweifelhaft erscheint allerdings, ob durch die Umsetzung eines der vorgeschlagenen Regelungsmodelle eine konzernweit einheitliche internationale Zuständigkeit in befriedigender Art und Weise geregelt werden könnte. Denn alle vorgeschlagenen Regelungen brächten erhebliche Nachteile mit sich. So erscheint der Vorschlag, die internationale Zuständigkeit für alle insol­ venten Konzerngesellschaften, die aus wirtschaftlicher Sicht ein einheitliches Unternehmen bilden, den Gerichten des Mitgliedsstaates zuzusprechen, in dem sich der Interessenmittelpunkt dieses aus mehreren Gesellschaften bestehenden einheitlichen Unternehmens befindet, kaum praktikabel. Denn die Prüfung, ob die wirtschaft­liche Existenz einer Konzerngesellschaft von den Geschäftsbeziehungen zu anderen Konzerngesellschaften abhängig ist, erfordert einen sehr hohen Aufwand. Diese Prüfung müsste auch nicht nur für eine, sondern für alle Konzern­ gesellschaften vorgenommen werden, da der Interessenmittelpunkt eines aus mehreren Konzerngesellschaften bestehenden Unternehmens nur bestimmt werden kann, sofern zuvor ermittelt wurde, welche Konzerngesellschaften zu diesem einheitlichen Unternehmen zählen. Bei einem international tätigen Konzern, der womöglich aus mehreren hundert Einzelgesellschaften besteht247, erscheint die 244

Eidenmüller, ZGR 2006, 467, 483. Eidenmüller, EBOR 6 (2005), 423, 440. 246 So Vallender/Deyda, NZI 2009, 825, 832. 247 Vgl. den Babcock Borsig-Konzern, der nach der Schilderung von Piepenburg, NZI 2004, 231, 232 aus 360 Einzelgesellschaften bestand. 245

II. Regelungen für eine Konzerninsolvenz auf europäischer Ebene

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Prüfung der geschilderten Voraussetzungen aber kaum noch durchführbar. Zumindest entstünde hierdurch ein erhebliches Maß an Rechtsunsicherheit.248 Diese schwierige, mit erheblichen Unsicherheiten belastete Prüfung würde es auch den Gläubigern der einzelnen Konzerngesellschaften nahezu unmöglich machen, die im Falle der Insolvenz ihres Vertragspartners international zuständigen Gerichte und damit auch das anwendbare Insolvenzrecht zu bestimmen und sich gegebenenfalls darauf einzustellen. Denn das Ausmaß und die Bedeutung der zwischen den einzelnen Konzerngesellschaften bestehenden Geschäftsbeziehungen dürften für den überwiegenden Teil der Gläubiger nicht erkennbar sein. Anders kann es sich allenfalls bei Großgläubigern wie beispielsweise Banken verhalten, die eine Kreditvergabe von Auskünften über die wirtschaftliche Situation des gesamten Konzerns abhängig machen können. Aber auch für sie bestünden erhebliche Schwierigkeiten, da nach diesem Regelungsmodell die internationale Zuständigkeit bei jeder einzelnen Konzerngesellschaft davon abhängt, ob andere Konzerngesellschaften zeitgleich in Insolvenz fallen bzw. um welche Konzerngesellschaften es sich hierbei handelt. Bedenken bestehen auch gegen die Einführung einer konzernweiten inter­ nationalen Zuständigkeit der Gerichte des Staates, in dem sich der Interessen­ mittelpunkt bzw. der Satzungssitz der Konzernmutter befindet. Gegen eine solche Regelung wird zunächst vorgebracht, dass sie auch dann eingreifen würde, wenn die Konzernmutter selbst nicht insolvent ist. Hat die Konzernmutter ihren Interessenmittelpunkt bzw. Satzungssitz in einem anderen Staat als die Tochtergesellschaften, so fände das für das Insolvenzverfahren der Konzernmutter maßgebliche und aus Sicht der Tochtergesellschaften fremde Insolvenzrecht selbst dann Anwendung, wenn lediglich eine einzelne Tochtergesellschaft insolvent ist.249 Dieser Einwand greift freilich hinsichtlich der Vorschläge, die zur Regelung einer konzernweiten Zuständigkeit der Gerichte des Staates, in dem sich der Interessen­ mittelpunkt bzw. Satzungssitz der Konzernmutter befindet, gemacht wurden, nicht durch. Denn diese sehen eine konzernweite Zuständigkeit des für die Konzernmutter zuständigen Gerichts nur vor, sofern die Konzernmutter selbst insolvent ist.250 Jedoch wäre es aufgrund dieser Beschränkung des Anwendungsbereichs der Regelung für die Gläubiger der Konzerngesellschaften nicht mehr möglich, das im Falle einer Insolvenz ihres Schuldners anwendbare Insolvenzrecht vorauszusehen.251 Denn das anwendbare Recht hängt von der internationalen Zuständigkeit ab (vgl. Art. 4 Abs. 1 ­EuInsVO), und für diese ist wiederum entscheidend, ob die Konzernmutter selbst insolvent ist. Diese Unsicherheit für die Gläubiger wird 248 Ebenso Vallender/Deyda, NZI 2009, 825, 832, wonach „eine – der Sache nach eigentlich gebotene – Differenzierung nach dem Grad der wirtschaftlichen Abhängigkeit zwischen den Gesellschaften nicht in Frage [kommt], da eine solche zu viele Auslegungsfragen und Unklarheiten nach sich ziehen und damit Rechtsunsicherheit schaffen würde“. 249 van Galen, The European Insolvency Regulation and Groups of Companies (2003), S. 6. 250 Siehe oben C. II. 2. b) aa). 251 van Galen, The European Insolvency Regulation and Groups of Companies (2003), S. 6.

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C. Ausgestaltung eines künftigen Konzerninsolvenzrechts

noch verschärft, wenn man zusätzlich dem nach Art. 3 Abs. 1 ­EuInsVO für die Tochtergesellschaft zuständigen Insolvenzgericht ein Widerspruchsrecht gegen das Eingreifen der Zuständigkeitsregel zugesteht oder es den beteiligten Gerichten erlaubt, auf Antrag der schuldnerischen Gesellschaften bzw. der in den jeweiligen Verfahren gebildeten Gläubigerversammlungen einen konzernweit einheitlichen Gerichtsstand auch bei fehlender Insolvenz der Konzernmutter festzulegen.252 Die Einführung eines Widerspruchsrechts würde zudem auch die endgültige Entscheidung über die internationale Zuständigkeit verzögern. Denn ein solcher Widerspruch soll unbegründet sein, „wenn die Gläubiger bei Durchführung eines konzernweiten Insolvenzverfahrens voraussichtlich nicht schlechter gestellt würden als bei Durchführung einzelner Insolvenzverfahren“.253 Diese Prognose wird das Insolvenzgericht aber zu Beginn des Insolvenzverfahrens kaum zügig treffen können, da es zunächst die Verwertungsmöglichkeiten hinsichtlich der Vermögenswerte der schuldnerischen Gesellschaft ermitteln müsste. Auch ist zu bedenken, dass eine solche Prognose mit erheblichen Unsicherheiten belastet sein kann. Hier drohen bereits im Rahmen der Entscheidung über den Widerspruch Rechtsstreitigkeiten. Auch dies begründet die Gefahr einer Verzögerung des Verfahrens. Ferner wäre nach diesen Regelungen eine konzernweit einheitliche internationale Zuständigkeit grundsätzlich nicht gegeben, sofern die Konzernmutter erst insolvent wird, nachdem bereits in einem anderen Staat das Insolvenzverfahren einer Tochtergesellschaft eröffnet wurde.254 Schließlich könnte bei Umsetzung der vorgeschlagenen Regelungen durch eine Verlegung des Interessenmittelpunktes der Konzernmutter die internationale Zuständigkeit für alle anderen Konzern­ gesellschaften geändert werden. Gerade wenn als Konzernmutter eine Holdinggesellschaft fungiert, deren einzigen Aufgabe die Verwaltung von Beteiligungen an anderen Konzerngesellschaften ist, und die deshalb nur wenige Angestellte beschäftigt und über keine größeren Büroräume verfügt, dürfte eine Verlegung ihres Interessenmittelpunktes auch noch unmittelbar vor der der Eröffnung eines Insolvenzverfahrens möglich sein. Deshalb würde die Einführung einer konzernweiten internationalen Zuständigkeit der Gerichte des Staates, in dem sich der Interessenmittelpunkt bzw. Satzungssitz der Konzernmutter befindet, auch das forum shopping erleichtern. Dieses will die ­EuInsVO ausweislich ihres Erwägungs­ grundes 4 aber gerade verhindern. Nicht zu überzeugen vermag auch der Vorschlag, die internationale Zuständigkeit für die Eröffnung des Insolvenzverfahrens über das Vermögen einer Gesellschaft ausschließlich an deren Satzungssitz zu knüpfen. Gegen eine solche Regelung spricht schon, dass sie nur eingreift, sofern sich der Satzungssitz aller Konzerngesellschaften in demselben Staat befindet. Häufig werden international 252

So der Vorschlag von Hirte, ­Z­InsO 2011, 1788, 1789. So Hirte, ­Z­InsO 2011, 1788, 1789. 254 So van Galen, The European Insolvency Regulation and Groups of Companies (2003), S. 4 hinsichtlich einer Verortung des Interessenmittelpunktes einer Konzerntochter an demjenigen der Konzernmutter. 253

II. Regelungen für eine Konzerninsolvenz auf europäischer Ebene

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tätige Konzerne ihre Tochtergesellschaften aber, wie auch von den Vertretern dieser Ansicht eingeräumt wird,255 nach dem Recht des Staates gründen, in dem die Tochtergesellschaft in erster Linie tätig ist.256 In solchen Fällen führt dieses Regelungsmodell gerade nicht zu einer konzernweit einheitlichen internationalen Zuständigkeit.257 Zudem würde eine solche Regelung auch Gesellschaften erfassen, die keinem Konzern angehören. Sofern die insolvente Gesellschaft in einem Mitgliedsstaat gegründet wurde, aber lediglich in einem anderen Mitgliedsstaat tätig ist und sich in diesem Staat auch ihr gesamtes Vermögen befindet, müsste diese Gesellschaft gleichwohl in ihrem Gründungsstaat die Eröffnung eines Insolvenzverfahrens beantragen. Hiermit würde das Kriterium der Orts- und Sachnähe und damit ein „Strukturprinzip der internationalen […] Zuständigkeit“ gänzlich aufgegeben.258 Ferner ist zu befürchten, dass die Gesellschaft in einem Staat gegründet wird, nach dessen Rechtsordnung nur geringe Anforderungen an die Gründung einer Gesellschaft gestellt werden und im Insolvenzfall nur geringe Haftungs­ risiken für die Geschäftsführung sowie nur eingeschränkte Anfechtungsmöglichkeiten bestehen.259 Dass Gläubiger ihre Kreditbedingungen in solchen Fällen entsprechend anpassen können, erscheint zu ihrem Schutz nicht ausreichend. Denn insbesondere Kleingläubiger wie beispielsweise Arbeitnehmer werden kaum über die hierfür erforderliche Rechtskenntnis und Verhandlungsmacht verfügen. Deliktsgläubigern steht diese Möglichkeit von vornherein nicht offen. Diese Gläubiger dürften auch nicht dadurch ausreichend geschützt sein, dass Großgläubiger durch entsprechende Kreditbedingungen die Wahl eines zu schuldnerfreundlichen Insolvenzrechts verhindern. Denn insbesondere Großgläubiger dürften vielfach gerade an weitreichenden Anfechtungsmöglichkeiten kein Interesse haben. Schließlich wird auch eine Regelung, wonach die Gerichte des Staates, in dem als erstes ein Insolvenzverfahren über das Vermögen einer Konzerngesellschaft eröffnet wird, auch für die übrigen Konzerngesellschaften zuständig sind, zu Recht abgelehnt. Denn bei deren Umsetzung wäre es für die Gläubiger unmöglich, die international zuständigen Gerichte und damit auch das anwendbare Insolvenzrecht vorherzusehen. Außerdem bestünden hier für die Konzernmutter erhebliche Manipulationsmöglichkeiten.260

255

Eidenmüller, ZGR 2006, 467, 483. Vgl. die Konzernstruktur des Daisytek-Konzerns bei Bufford, 12 Colum. J. Eur. L. 429, 486 (2006). In diesem Fall verfügte die Konzernmutter Daisytek Inc. über nach deutschem, englischem und französischem Recht gegründete Tochtergesellschaften. 257 Dies einräumend Eidenmüller, EBOR 6 (2005), 423, 440; ders., ZGR 2006, 467, 483; aus diesem Grund gegen die Einführung einer entsprechenden Regelung McCormack, IILR 2011, 121, 126 f. 258 Thole, ZEuP 2007, 1137, 1150. 259 Thole, ZEuP 2007, 1137, 1150 f. 260 Vallender/Deyda, NZI 2009, 825, 832. 256

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C. Ausgestaltung eines künftigen Konzerninsolvenzrechts

cc) Keine Übertragbarkeit der für das nationale deutsche Insolvenzrecht befürworteten Regelung Für das nationale deutsche Insolvenzrecht wurde eine Regelung befürwortet, wonach im Falle der Insolvenz mehrerer Konzerngesellschaften jede Konzerngesellschaft bei dem für eine andere insolvente Konzerngesellschaft zuständigen Insolvenzgericht Antrag auf Eröffnung eines Insolvenzverfahrens stellen kann. Das angerufene Insolvenzgericht soll dann zuständig sein, sofern die von § 3 Abs. 1 ­InsO abweichende örtliche Zuständigkeit keine Gefährdung der Interessen der Gläubiger bewirkt. Hat ein Gläubiger den konzernweit ersten Insolvenzantrag gestellt, so soll die betreffende Gesellschaft bis zur Verfahrenseröffnung eine Verweisung an das von anderen insolventen Konzerngesellschaften angerufene Insolvenzgericht beantragen können.261 Aufgrund der auf Eigenanträge der schuldnerischen Gesellschaften beschränkten Wahlmöglichkeit sowie der bei einem zuvor gestellten Fremdantrag bestehenden Verweisungsmöglichkeit ist diese Regelung hinreichend flexibel, um im Einzelfall den geeigneten Gerichtsstand für alle insolventen Konzerngesellschaften zu bestimmen. Durch die Pflicht zur Begründung der Wahl des angerufenen Gerichts bzw. der begehrten Verweisung wird das Insolvenzgericht in die Lage versetzt, eine missbräuchliche Inanspruchnahme dieser den schuldnerischen Gesellschaften eingeräumten Rechte bestmöglich aus­ zuschließen. Dieses für das nationale deutsche Insolvenzrecht vorgeschlagene Regelungs­ modell erscheint für die Regelung der internationalen Zuständigkeit in der ­EuInsVO allerdings ungeeignet. Denn hier bestimmt die internationale Zuständigkeit auch das anwendbare nationale Insolvenzrecht (vgl. Art. 4 Abs. 1 ­EuInsVO). Eine den schuldnerischen Gesellschaften eingeräumte Wahlmöglichkeit bzw. die Möglichkeit einer Verweisung durch das Insolvenzgericht würde es den Gläubigern unmöglich machen, das anwendbare Insolvenzrecht vorauszusehen und, sofern sie über eine ausreichend starke Verhandlungsposition verfügen, ihre Kreditbedingungen entsprechend anzupassen. Dies gilt insbesondere, da von dieser Wahlmöglichkeit erst bei Stellung des Insolvenzantrags Gebrauch gemacht wird. Die Gläubiger der Gesellschaft könnten hier quasi „über Nacht“ mit der Anwendbarkeit eines anderen, von ihnen nicht erwarteten nationalen Insolvenzrechts konfrontiert werden. Im Ergebnis ist das für die Regelung einer konzernweit einheitlichen örtlichen Zuständigkeit im deutschen Insolvenzrecht gefundene Modell ­ uInsVO nicht für die Regelung der internationalen Zuständigkeit nach der E geeignet.

261

Siehe oben C. I. 2. c).

II. Regelungen für eine Konzerninsolvenz auf europäischer Ebene

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dd) Erforderlichkeit einer Modifikation der Regelungen über das Sekundärinsolvenzverfahren bei Normierung einer konzernweit einheitlichen internationalen Zuständigkeit Würde trotz der geschilderten Nachteile eine konzernweit einheitliche inter­ nationale Zuständigkeit eingeführt, ergäbe sich weiterer Regelungsbedarf. Denn sofern die Gerichte eines Staates für alle Konzerngesellschaften international zuständig wären, würden bei einem in verschiedenen Staaten tätigen Konzern die Insolvenzverfahren etlicher Konzerngesellschaften nicht in dem Staat eröffnet, in dem diese Gesellschaften ihren Satzungssitz bzw. Interessenmittelpunkt haben. In diesem Fall befände sich am Ort des Satzungssitzes bzw. Interessenmittelpunktes der betreffenden Gesellschaften regelmäßig eine Niederlassung im Sinne des Art. 2 lit. h) ­EuInsVO, weshalb gem. Art. 3 Abs. 2 ­EuInsVO in diesem Staat die Eröffnung eines Sekundärinsolvenzverfahrens möglich wäre.262 Wird ein Sekundärinsolvenzverfahren eröffnet, so findet auf dieses Verfahren gem. Art. 28 ­EuInsVO das Recht des Staates der Verfahrenseröffnung Anwendung. Die Wirkungen dieses Verfahrens beschränken sich zwar gem. Art. 27 Satz 3 ­EuInsVO auf das in diesem Staat belegene Vermögen. Sofern aber das Hauptinsolvenzverfahren aufgrund einer Regelung, welche eine konzernweit einheitliche internationale Zuständigkeit vorsieht, nicht im Staat des Satzungssitzes bzw. Interessenmittelpunktes einer Konzerngesellschaft eröffnet wird, wird ein in diesem Staat eröffnetes Sekundärinsolvenzverfahren gleichwohl in vielen Fällen nahezu das gesamte Vermögen der betreffenden Konzerngesellschaft erfassen.263 Damit bestünde ein Unterschied im Vergleich zu einem Verzicht auf eine konzernweit einheitliche Zuständigkeit lediglich darin, dass im Verhältnis von Haupt- und Sekundärinsolvenzverfahren die Art. 31 ff. ­EuInsVO Anwendung fänden und damit ein in mehreren Hauptinsolvenzverfahren bestellter Insolvenzverwalter in gewissem Umfang auf die Abwicklung der Sekundärinsolvenzverfahren Einfluss nehmen könnte. Allerdings sind diese Einflussmöglichkeiten nicht weitgehend genug, um das Sekundärinsolvenzverfahren vollständig zu steuern.264 Zudem wird gerade eine Sanierung unter Erhalt der schuldnerischen Gesellschaft durch die Eröffnung eines Sekundärinsolvenzverfahrens erheblich erschwert.265 Insgesamt werden damit die mit einer konzernweit einheitlichen internationalen Zuständigkeit verbundenen Vorteile durch die Eröffnung eines Sekundärinsolvenzverfahrens erheblich gemindert.

262 Tollenaar, Insolv. Int. 2010, 23(5), 65, 66; ders., IILR 2011, 252, 253; van Galen, The Euro­pean Insolvency Regulation and Groups of Companies (2003), S. 6. 263 van Galen, The European Insolvency Regulation and Groups of Companies (2003), S. 6. 264 Siehe oben B. I. 2. c) cc) (1). 265 Siehe oben B. I. 2. c) bb) (4).

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C. Ausgestaltung eines künftigen Konzerninsolvenzrechts

(1) Ausschluss der Möglichkeit zur Eröffnung von Sekundärinsolvenzverfahren Deshalb werden über die Einführung einer konzernweit einheitlichen internationalen Zuständigkeit hinaus auch Regelungen vorgeschlagen, welche in diesen Fällen die Eröffnung von Sekundärinsolvenzverfahren verhindern sollen. Teilweise wird befürwortet, die Eröffnung eines Sekundärinsolvenzverfahrens durch eine entsprechende Bestimmung in der ­EuInsVO für unzulässig zu erklären, sofern die Voraussetzungen für eine konzernweit einheitliche internationale Zuständigkeit gegeben sind.266 Andere wollen es dem Insolvenzverwalter des Hauptinsolvenzverfahrens ermöglichen, die Eröffnung eines Sekundärinsolvenzverfahrens zu verhindern, sofern er dieses als unvorteilhaft erachtet und die Interessen der lokalen Gläubiger ausreichend geschützt werden.267 Zwar ist zuzugeben, dass eine solche Kombination aus konzernweit einheitlicher internationaler Zuständigkeit sowie fehlender Möglichkeit zur Eröffnung von Sekundärinsolvenzverfahren hinsichtlich der Koordination der Insolvenzverfahren der einzelnen Konzern­ gesellschaften besonders vorteilhaft wäre. Denn dann würden die Insolvenzverfahren aller Konzerngesellschaften nach demselben nationalen Insolvenzrecht und, sofern das nationale Insolvenzrecht eine entsprechende Bestimmung bezüglich der ört­lichen Zuständigkeit enthält, vor demselben Insolvenzgericht abgewickelt. Bestellt das zuständige Insolvenzgericht dann auch noch für alle Konzerngesellschaften denselben Insolvenzverwalter, so wäre eine koordinierte Verfahrens­ abwicklung weitgehend sichergestellt. Allerdings wäre ein solches Ergebnis auch mit nicht mehr hinnehmbaren Nachteilen verbunden. Solche Nachteile bestünden in erster Linie für die Gläubiger derjenigen Konzerngesellschaften, die ihren Interessenmittelpunkt nicht in dem Staat haben, dessen Gerichte für alle Konzerngesellschaften international zuständig sind. Denn diese Gläubiger werden vielfach ebenfalls in dem Staat ansässig sein, in dem sich der Interessenmittelpunkt ihres Schuldners befindet. Würde das Insolvenzverfahren über das Vermögen der betreffenden Gesellschaft in einem anderen Staat er­ öffnet, so müssten diese Gläubiger mit dem zuständigen Insolvenzgericht sowie dem zuständigen Insolvenzverwalter oftmals in einer fremden Sprache kommunizieren. Dies dürfte insbesondere Kleingläubigern wie beispielsweise Arbeitnehmern vielfach erhebliche Probleme bereiten. Zudem müssten diese Gläubiger oftmals erhebliche Anreisewege in Kauf nehmen, sofern sie ihre Rechte persönlich in

266

Hirte, ­Z­InsO 2011, 1788; ähnlich ders., ECFR 2008, 213, 230, wonach bei Einführung des von ihm befürworteten einheitlichen Insolvenzverfahrens für alle Konzerngesellschaften mit Bildung von Untermassen die generelle Abschaffung von Sekundärinsolvenzverfahren ein „logischer Schritt“ wäre; Verhoeven, Die Konzerninsolvenz (2011), S. 286, nach dessen Auffassung „idealerweise auch die generelle Abschaffung von Möglichkeiten zur Einleitung von Sekundärinsolvenzverfahren in Konzerninsolvenzfällen auf dem Programm von notwendigen Veränderungen an der Europäischen Insolvenzverordnung“ steht. 267 Tollenaar, IILR 2011, 252, 257 f.

II. Regelungen für eine Konzerninsolvenz auf europäischer Ebene

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einer Gläubigerversammlung ausüben wollen.268 Ferner wird das im Staat der Verfahrenseröffnung geltende Insolvenzrecht vielfach nicht Teil derjenigen Rechtsordnung sein, welche nach dem internationalen Privatrecht des Eröffnungsstaates auf die rechtlichen Beziehungen zwischen der schuldnerischen Gesellschaft und ihren Gläubigern Anwendung findet. In diesen Fällen kann es dazu kommen, dass die Gläubiger Rechtspositionen verlieren, welche ihnen nach dem Insolvenzrecht des Staates des Interessenmittelpunktes der schuldnerischen Gesellschaft zugestanden hätten und auf deren Bestand sie vertraut haben.269 So kann sich der Rang, der bestimmten Forderungen in der Insolvenz des Schuldners zukommt, in den einzelnen nationalen Verfahrensrechten durchaus unterscheiden. Als Beispiel hierfür wird angeführt, dass Gesellschafterdarlehen nach englischem und französischem Insolvenzrecht derselbe Rang zukomme wie normalen Insolvenz­ forderungen, wohingegen sie im deutschen, italienischen und österreichischen Insolvenzrecht nachrangig seien. Auch seien Forderungen von Arbeitnehmern nach französischem Insolvenzrecht vollständig, nach englischem Insolvenzrecht bis zur Höhe von £ 800 privilegiert, während nach deutschem Insolvenzrecht ein solcher Vorrang nicht bestehe.270 Hiergegen lässt sich auch nicht einwenden, dass die Gläubiger die Bedingungen, zu denen sie mit dem Schuldner kontrahieren, entsprechend anpassen könnten, sofern sie bereits bei Vertragsschluss das im Falle einer Insolvenz anwendbare Insolvenzrecht kennen.271 Denn gerade Kleingläubiger wie Arbeitnehmer oder lokale Zulieferer werden in der Regel weder über die erforderliche Rechtskenntnis noch über ausreichende Verhandlungsmacht verfügen. Neben den Gläubigern würden aber auch dem Insolvenzverwalter durch eine konzernweit einheitliche internationale Zuständigkeit und einem gleichzeitigen Verzicht auf Sekundärinsolvenzverfahren Nachteile entstehen. So würde die Abwicklung der einzelnen Insolvenzverfahren erheblich komplizierter, da der Insolvenzverwalter zwar unter Anwendung des ihm bekannten Insolvenzrechts agieren würde, gleichzeitig aber beispielsweise ihm fremdes Arbeits-, Steuer-, Sozial- und allgemeines Zivilrecht anzuwenden hätte. Hierdurch stiege für ihn das Haftungs­risiko, sofern er nicht Spezialisten hinzuzieht, was aber wiederum mit höheren Verfahrenskosten verbunden wäre.272 Ein weiterer Nachteil bestünde auch im Hinblick auf Sicherungsrechte an Gegenständen, die nicht im Staat der Verfahrenseröffnung belegen sind. Denn diese Sicherungsrechte werden gem. 268 Bloching, Pluralität und Partikularinsolvenz (2000), S. 75; ebenso Weller, ZHR 169 (2005), 570, 584, wonach die Teilnahme an einem im Ausland eröffneten Insolvenzverfahren im Vergleich zu einem im Inland eröffneten Insolvenzverfahren für die Gläubiger „weitaus beschwerlicher“ sei. 269 Bloching, Pluralität und Partikularinsolvenz (2000), S. 80 ff.; Weller, ZHR 169 (2005), 570, 584. 270 Menjucq, ECFR 2008, 135, 145; für die Gläubiger nachteilige Rangwechsel durch die Abschaffung von Sekundärinsolvenzverfahren befürchtet auch Taylor, IILR 2011, 242, 243. 271 So aber Eidenmüller, EBOR 6 (2006), 423, 438. 272 Bloching, Pluralität und Partikularinsolvenz (2000), S. 101 f.

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C. Ausgestaltung eines künftigen Konzerninsolvenzrechts

Art. 5 Abs. 1 ­EuInsVO von der Verfahrenseröffnung nicht berührt, was nach überwiegender Ansicht dahingehend zu verstehen ist, dass sie auch nicht den insolvenzrechtlichen Beschränkungen nach dem Recht des Belegenheitsstaates unterfallen.273 Diese Beschränkungen kann der Insolvenzverwalter nur herbeiführen, sofern er gem. Art. 29 lit. a) ­EuInsVO die Eröffnung eines Sekundärinsolvenzverfahrens beantragt.274 Insofern wäre bei einer Abschaffung der Möglichkeit, ein Sekundärinsolvenzverfahren zu eröffnen, auch eine Änderung des Art. 5 ­EuInsVO erforderlich. Naheliegend erschiene es zwar, dass die Eröffnung eines Insolvenzverfahrens im Ausland zu einem Eingreifen der insolvenzrechtlichen Beschränkungen nach dem Insolvenzrecht des Belegenheitsstaates führt.275 Allerdings ist auch hier denkbar, dass diese insolvenzrechtlichen Beschränkungen nach dem Recht des Belegenheitsstaates zu Konflikten mit dem geltenden Insolvenzrecht des Eröffnungsstaates führen.276 Diesen würde besonderes Gewicht zukommen, sofern nahezu das gesamte Vermögen der schuldnerischen Gesellschaft außerhalb des Staates der Verfahrenseröffnung belegen ist. Gerade diese Konstellation würde aber vielfach gegeben sein, sofern eine konzernweit einheitliche internationale Zuständigkeit normiert würde. Im Ergebnis ist die Abschaffung von Sekundärinsolvenz­verfahren daher abzulehnen.277 (2) Erweiterung der Einflussmöglichkeiten des Hauptinsolvenzverwalters auf den Ablauf des Sekundärinsolvenzverfahrens Da an der Möglichkeit der Eröffnung von Sekundärinsolvenzverfahren festzuhalten ist, müssten als Ergänzung zu der Einführung einer konzernweit einheit­ lichen internationalen Zuständigkeit wenigstens die hiermit verbundenen Nachteile gemildert werden können. Hierfür wird zunächst vorgeschlagen, den Insolvenzverwalter des Hauptinsolvenzverfahrens zu ermächtigen, dem im Sekundärinsolvenzverfahren bestellten 273

Siehe oben B. I. 2. c) aa). Virgós/Schmit, Erläuternder Bericht zu dem EU-Übereinkommen über Insolvenzverfahren, Rdn. 98. 275 Zur rechtspolitischen Vorzugswürdigkeit dieses Ergebnisses siehe oben B. I. 2. c) aa). 276 Vgl. Schall, KTS 2009, 69, 79, wonach eine floating charge, welche an dem Vermögen einer ausschließlich in Deutschland tätigen englischen Limited bestellt wurde, auch bei An­ erkennung der Wirkungen dieses Sicherungsrechts durch das deutsche IPR „noch der Umsetzung in die nächstverwandten deutschen Rechtsinstitute“ bedürfe, „um sie in Deutschland besser handhabbar zu machen“. Jedoch könne das aus einer qualifying floating charge folgende Recht zur Bestellung eines administrators nach Art. 14(1) Insolvency Act 1986 nicht in ein Recht zur Bestellung eines Insolvenzverwalters umgedeutet werden, vgl. a. a. O. S. 82. 277 Zweifelnd auch Verhoeven, Die Konzerninsolvenz (2011), S. 286, der eine Abschaffung der Sekundärinsolvenzverfahren zwar befürwortet, aber gleichzeitig einräumt, dass dies angesichts der „generell sehr unterschiedlich ausgestalteten Rechtsordnungen sowie unterschied­ lichen Sprachen sicherlich noch ein Wunschdenken“ darstellt. 274

II. Regelungen für eine Konzerninsolvenz auf europäischer Ebene

333

Verwalter verbindliche Weisungen zu erteilen.278 Ein solches Weisungsrecht wäre aber nicht ausreichend, um die mit der Eröffnung eines Sekundärinsolvenzverfahrens verbundenen Nachteile zu beseitigen. Denn es würde nichts daran ändern, ­ uInsVO genanndass als Sekundärinsolvenzverfahren nur die in Anhang B zur E ten Liquidationsverfahren zulässig sind und ein in einem solchen Verfahren verabschiedeter Sanierungsplan gem. Art. 34 Abs. 2 ­EuInsVO nur Auswirkungen auf das nicht im Sekundärverfahrensstaat belegene Vermögen haben kann, sofern alle betroffenen Gläubiger zustimmen. Insofern bestünden für eine beabsichtigte Sanierung des gesamten Konzerns, die durch die Einführung einer konzernweit einheitlichen internationalen Zuständigkeit erleichtert werden sollte, nach wie vor nahezu unüberwindbare Hindernisse. Bedenkenswert erscheint aber eine Kombination dieses Weisungsrechts mit einem im Hinblick auf eine Reform des autonomen deutschen Internationalen Insolvenzrechts unterbreiteten Regelungsvorschlag. Grundlage dieses Vorschlags ist die Annahme, dass die Sanierung eines Schuldners mittels mehrerer Sanierungspläne, die in verschiedenen Verfahren unter Anwendung unterschiedlicher nationaler Insolvenzrechte erstellt werden, „kaum lösbare Schwierigkeiten“ aufwerfe.279 Denn hier erfasse jeder Sanierungsplan nur einen Teil des schuldnerischen Vermögens, weshalb kein Plan die Berechtigung habe, die gegen den Schuldner gerichteten Forderungen zu kürzen. Auch könne in den jeweiligen Verfahren eine an die an diesen Verfahren teilnehmenden Gläubiger auszuschüttende Quote nicht berechnet werden, da sich der Fortführungswert eines einheitlichen Unternehmens nicht auf mehrere Verfahren aufteilen lasse. Ferner sei eine Anrechnung der in einem Verfahren erlangten Quote auf die in dem anderen Verfahren auszuschüttende Quote auch nur schwer möglich, sofern die Sanierungspläne ungleichartige Forderungsmodifikationen vorsehen, beispielsweise eine Stundung und eine Forderungskürzung. Schließlich komme es auch zu Schwierigkeiten, sofern die Sanierungspläne unterschiedlich hohe Forderungskürzungen vorsehen. Hier müsse dann geklärt werden, welchem Plan Vorrang einzuräumen ist.280 Zur Lösung dieser Schwierigkeiten wird vorgeschlagen, dass im Hauptinsolvenzverfahren ein das gesamte Vermögen des Schuldners umfassender Sanierungsplan nach dem in diesem Verfahren geltenden nationalen Insolvenzrecht ausgearbeitet wird, den das für das Partikularverfahren zuständige Insolvenzgericht vor einer Bestätigung nur daraufhin überprüfen darf, ob die Gläubiger, die Anspruch auf Eröffnung eines Partikularverfahrens gehabt hätten, mindestens so gestellt werden, wie sie bei einer Liquidation der Masse des Partikularverfahrens stünden. Zudem solle diese Überprüfung nur auf Antrag eines dieser Gläubiger vorgenommen werden.281 Dieses Regelungsmodell 278

Verhoeven, Die Konzerninsolvenz (2011), S. 288; Tollenaar, IILR 2011, 252, 258. Reinhart, Sanierungsverfahren im internationalen Insolvenzrecht (1995), S. 308; ebenso ders., Münchener Komm. z. ­InsO, ­EuInsVO Art. 34 Rdn. 16. 280 Reinhart, Sanierungsverfahren im internationalen Insolvenzrecht (1995), S. 299 ff. 281 Reinhart, Sanierungsverfahren im internationalen Insolvenzrecht (1995), S. 309 ff.; ebenso ders., Münchener Komm. z. ­InsO, ­EuInsVO Art. 34 Rdn. 18. 279

334

C. Ausgestaltung eines künftigen Konzerninsolvenzrechts

könnte nun auch in die ­EuInsVO übernommen werden. So würde insbesondere das Zustimmungserfordernis des Art. 34 Abs. 2 ­EuInsVO entfallen. Sofern zusätzlich auch die Beschränkung des Sekundärinsolvenzverfahrens auf Liquidationsverfahren abgeschafft würde,282 wären die durch die Eröffnung eines Sekundärinsolvenzverfahrens bewirkten Hindernisse für eine Sanierung des Schuldners weitgehend beseitigt. Allerdings erfordert dieses Regelungsmodell eine erhebliche Flexibilität des im Hauptinsolvenzverfahren anwendbaren nationalen Insolvenzrechts. Denn dieses müsste, sofern das im Sekundärinsolvenzverfahren anwendbare Recht Vorrechte einzelner Gläubiger vorsieht, die das Recht des Hauptinsolvenzverfahrens nicht kennt, eine Berücksichtigung dieser Vorrechte zulassen.283 Zudem müsste der Planersteller auch mit dem im Sekundärinsolvenzverfahren anwendbaren Insolvenzrecht vertraut sein, da er anderenfalls bei der Erstellung des Plans die am Sekundärinsolvenzverfahren teilnehmenden Gläubiger nicht so stellen kann, wie sie bei einer Liquidation des in diesem Verfahren verwalteten Vermögens stünden. Verfügt er über entsprechende Kenntnisse nicht, so wäre er, sofern er keine externen Experten hinzuzieht, auf die Hilfe des Sekundärinsolvenzverwalters angewiesen. Die gem. Art. 31 Abs. 2 ­EuInsVO bestehende Pflicht zur Zusammenarbeit würde dann besondere Bedeutung erlangen. Gleiches gilt auch für die Informa­ tionspflicht nach Art. 31 Abs. 1 ­EuInsVO, da der Planersteller auch Kenntnis über die Höhe der Masse des Sekundärinsolvenzverfahrens sowie der in diesem Verfahren angemeldeten Forderungen haben muss. Ein weiterer Nachteil dieses Regelungsmodells liegt schließlich darin, dass sich Inhalt und Zustandekommen des Sanierungsplans nach dem Recht des Hauptinsolvenzverfahrens bemessen. Die am Sekundärinsolvenzverfahren teilnehmenden Gläubiger werden insoweit einem fremden Insolvenzrecht unterworfen. Obwohl sie so zu stellen sind, wie sie im Falle einer Liquidation der Masse des Sekundärinsolvenzverfahrens stünden, kann sich dies dennoch nachteilig für sie auswirken. So kann das im Hauptinsolvenzverfahren anwendbare Insolvenzrecht für die Annahme des Sanierungsplans geringere Anforderungen stellen als das Recht des Sekundärverfahrensstaates.284 Auch sind die im Sekundärverfahrensstaat ansässigen Gläubiger auf eine Teilnahme

282

So die Forderung von Tollenaar, IILR 2011, 252, 258. Dies einräumend Reinhart, Sanierungsverfahren im internationalen Insolvenzrecht (1995), S. 318 ff. Eine solche vom im Hauptinsolvenzverfahren anwendbaren Insolvenzrecht abweichende Verteilung, die die Gläubiger im Sekundärverfahrensstaat so stellen sollte, wie sei bei Durchführung eines Sekundärinsolvenzverfahrens stünden, wurde im englischen Recht für zulässig erachtet, vgl. Collins & Aikman Europe SA, Urteil des High Court of Justice (Chancery Division) vom 9. Juni 2006, [2006] EWHC 1343 (Ch) = NZI 2006, 654 ff. mit Besprechung von Meyer-Löwy/Plank, NZI 2006, 622 ff. Ob aber andere Insolvenzrechte ähnlich flexibel sind, erscheint zweifelhaft. 284 Vgl. Schillig, in: Kindler/Nachmann, Handbuch Insolvenzrecht in Europa, Landes­bericht England und Wales Rdn. 273, wonach in einem englischen administration-Verfahren für die Annahme eines vom administrator unterbreiten Verwertungsvorschlags nur die nach For­ derungswerten berechnete Mehrheit der anwesenden und abstimmenden Gläubiger erforderlich ist. 283

II. Regelungen für eine Konzerninsolvenz auf europäischer Ebene

335

am ausländischen Verfahren angewiesen, sofern sie an der Entscheidung über die Annahme des Insolvenzplans mitwirken wollen. Der durch das Sekundärinsolvenzverfahren bewirkte Schutz der Gläubiger wird daher verringert. Dies wirkt sich besonders gravierend aus, sofern dieses Regelungsmodell mit der Einführung einer konzernweit einheitlichen internationalen Zuständigkeit kombiniert wird. Denn hier wird regelmäßig ein Großteil des Vermögens einzelner Konzerngesellschaften im Sekundärinsolvenzverfahren abgewickelt. Zudem dürfte auch oftmals ein erheblicher Teil der Gläubiger dieser Gesellschaften im Sekundärverfahrensstaat ansässig sein. ee) Ergebnis Im Ergebnis ist festzustellen, dass ein vollständig überzeugendes Regelungs­ modell für eine konzernweit einheitliche internationale Zuständigkeit nicht ersichtlich ist. Denn eine entsprechende Regelung müsste hinreichend flexibel sein, um alle auftretenden Konstellationen sachgerecht erfassen zu können. Zudem sollte die Bestimmung des Staates, dessen Insolvenzgerichte für alle Konzern­ gesellschaften international zuständig sind, keinen unverhältnismäßig hohen Prüfungsaufwand erfordern. Sofern eine Regelung diese Voraussetzungen erfüllt, sind die international zuständigen Insolvenzgerichte und damit auch das anwendbare Insolvenzrecht für die Gläubiger der jeweiligen Gesellschaft jedoch kaum noch vorherzusehen. Zudem würde es der jeweiligen Gesellschaft erleichtert, die internationale Zuständigkeit und das anwendbare Insolvenzrecht zu beeinflussen. Als bestmögliche Regelung erschiene noch die konzernweite internationale Zuständigkeit der Gerichte des Staates, in dem sich der Satzungssitz bzw. Interessen­ mittelpunkt der Konzernmutter befindet. Allerdings würde eine solche Regelung keineswegs dazu führen, dass die Insolvenzverfahren aller Konzerngesellschaften in demselben Mitgliedsstaat nach demselben Insolvenzrecht abgewickelt würden. Denn bei einem in verschiedenen europäischen Staaten tätigen Konzern werden sich bei der Eröffnung der Insolvenzverfahren aller insolventen Konzerngesellschaften in einem Mitgliedsstaat regelmäßig Niederlassungen einzelner Konzerngesellschaften in anderen Mitgliedsstaaten befinden. Dort könnte dann ein Sekundärinsolvenzverfahren nach dem im Niederlassungsstaat geltenden Insolvenzrecht eröffnet werden. Da oftmals nahezu das gesamte Vermögen der betreffenden Konzerngesellschaften in die Masse des Sekundärinsolvenzverfahrens fiele, würde sich in diesen Fällen der mit einer konzernweit einheitlichen internationalen Zuständigkeit verbundene Vorteil auf die Geltung der Art. 31 ff. ­EuInsVO beschränken. Zugleich müssten dann aber auch die mit der Eröffnung eines Sekundärinsolvenzverfahrens verbundenen Nachteile in Kauf genommen werden, namentlich die Beschränkung dieser Verfahren auf Liquidationsverfahren sowie die Geltung des Art. 34 Abs. 2 ­EuInsVO für den Fall, dass das Sekundärinsolvenzverfahren gleichwohl durch einen Sanierungsplan beendet werden kann. Zudem käme es im Hinblick auf den gesamten Konzern zu

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C. Ausgestaltung eines künftigen Konzerninsolvenzrechts

einer höheren Zahl an Insolvenzverfahren, da über etliche Konzerngesellschaften ein Haupt- und ein Sekundärinsolvenzverfahren eröffnet würde.285 Eine vollständige Abschaffung der Sekundärinsolvenzverfahren wäre mit den berechtigten Schutzinteressen der Gläubiger der betreffenden Konzerngesellschaften nicht zu vereinbaren. Möglich erschiene es allenfalls, durch eine Modifikation der Regelungen über das Verhältnis zwischen Haupt- und Sekundärinsolvenzverfahren die gravierendsten Nachteile, welche mit der Eröffnung eines Sekundärinsolvenzverfahrens verbunden sind, zu beseitigen. Vorgeschlagen wird hier zunächst ein Weisungsrecht des Hauptinsolvenzverwalters gegenüber dem Sekundärinsolvenz­ verwalter. Zudem könnten einem im Hauptinsolvenzverfahren nach dem dortigen Insolvenzrecht ausgearbeiteten Insolvenzplan auch Wirkungen hinsichtlich der Masse des Sekundärinsolvenzverfahrens zugesprochen werden, sofern die am Sekundärinsolvenzverfahren teilnehmenden Gläubiger durch den Plan mindestens so gestellt werden, wie sie bei einer Liquidation des in diesem Verfahren verwalteten Vermögens stünden. Kann aber die Einführung einer konzernweit einheitlichen internationalen Zuständigkeit nicht verhindern, dass es zu mehreren Insolvenzverfahren in ver­ schiedenen Mitgliedsstaaten kommt, so werden die mit einer entsprechenden Regelung verbundenen Vorteile erheblich relativiert. Da für eine solche konzernweit einheitliche internationale Zuständigkeit auch kein vollständig überzeugendes Regelungsmodell ersichtlich ist, erscheint es vorzugswürdig, von einer entsprechenden Regelung abzusehen.286 Vielmehr sollte stattdessen versucht werden, die in verschiedenen Mitgliedsstaaten eröffneten Insolvenzverfahren der einzelnen Konzerngesellschaften aufeinander abzustimmen. Auf diesem Wege könnten die Vorteile, welche eine konzernweit einheitliche internationale Zuständigkeit und anschließende Eröffnung von Sekundärinsolvenzverfahren mit sich brächte, erreicht werden, ohne die mit einem solchen Vorgehen verbundenen Nachteile hinnehmen zu müssen. c) Bestellung desselben Insolvenzverwalters für alle Konzerngesellschaften Als weiteres Instrument zur Koordination der über das Vermögen der einzelnen Konzerngesellschaften eröffneten Insolvenzverfahren wird, ebenso wie im nationalen deutschen Insolvenzrecht,287 die Bestellung desselben Insolvenzverwalters in allen diesen Verfahren vorgeschlagen.288 Unklar bleibt bei diesem Vorschlag allerdings, ob die Bestellung desselben Insolvenzverwalters lediglich ermög 285

Tollenaar, Insolv. Int. 2010, 23(5), 65, 69. Ebenso Vallender/Deyda, NZI 2009, 825, 833; ähnlich Tollenaar, IILR 2011, 252, 257: „All in all I believe that, at this stage, a group definition of COMI, if at all conceivable, is not strictly necessary for dealing with groups […]“. 287 Siehe oben C. I. 3. a) und b). 288 Tollenaar, Insolv. Int. 2010, 23(5), 65, 69; ders., IILR 2011, 252, 254. 286

II. Regelungen für eine Konzerninsolvenz auf europäischer Ebene

337

licht werden soll289 oder ob der für die Konzernmutter bestellte Insolvenzverwalter einen Anspruch darauf haben soll, in den in anderen Mitgliedsstaaten eröffneten Insolvenzverfahren der Tochtergesellschaften ebenfalls bestellt zu werden290. Auch wird eingeräumt, dass ein in einem Mitgliedsstaat tätiger Insolvenzverwalter regelmäßig nicht über die erforderlichen Kenntnisse des jeweiligen nationalen Insolvenzrechts verfügt, um ein in einem anderen Mitgliedsstaat nach dortigem Insolvenzrecht eröffnetes Insolvenzverfahren abzuwickeln. Diesbezügliche Bedenken bestünden auch im Hinblick auf die Beherrschung der jeweiligen Landessprache. Schließlich könne der Insolvenzverwalter bei einer Bestellung in mehreren, in verschiedenen Mitgliedsstaaten eröffneten Verfahren kaum in ausreichendem Maße vor Ort anwesend sein. Aus diesen Gründen solle er verpflichtet werden, für jedes in einem anderen Mitgliedsstaat eröffnete Insolvenzverfahren eine mit dem dortigen Recht vertraute Person als Gehilfen und Ratgeber zu beauftragen. Diese Person müsse über die nach dem nationalen Insolvenzrecht erforderliche Qualifikation verfügen, um in diesem Staat als Insolvenzverwalter bestellt werden zu können, und zudem vom zuständigen Insolvenzgericht bestätigt werden. Dieser vom eigentlichen Insolvenzverwalter hinzuzuziehende Gehilfe solle dann im Wesentlichen die Abwicklung des Insolvenzverfahrens übernehmen. Der für alle Konzerngesellschaften bestellte Konzerninsolvenzverwalter solle lediglich die richtungsweisenden Entscheidungen treffen und seinen Gehilfen entsprechend instruieren. Allerdings solle diesem Gehilfen ein Einspruchsrecht gegen Entscheidungen des Konzerninsolvenzverwalters eingeräumt werden, sofern letzerer sich aufgrund seiner Tätigkeit in den Verfahren mehrerer Konzerngesellschaften in einem offensichtlichen Interessenkonflikt befindet. In diesem Fall solle das zuständige Insolvenzgericht die jeweilige Entscheidung überprüfen können.291 Ziel dieses Regelungsmodells ist es, trotz des Verzichts auf eine konzernweit einheitliche internationale Zuständigkeit und damit der Geltung desselben nationalen Insolvenzrechts für alle Konzerngesellschaften die über diese Konzerngesellschaften eröffneten Verfahren bestmöglich zu koordinieren.292 Obgleich das durch diese Regelung angestrebte Ziel durchaus wünschenswert ist, erscheint fraglich, ob eine Umsetzung dieses Regelungsvorschlags nicht mit Nachteilen verbunden wäre, welche die erzielten Vorteile überwiegen. Bedenken bestehen zunächst gegen den Vorschlag, dem im Insolvenzverfahren der Konzernmutter bestellten Insolvenzverwalter einen Anspruch einzuräumen, auch in den Insolvenzverfahren der anderen Konzerngesellschaften bestellt zu werden. Denn 289 So wohl Tollenaar, IILR 2011, 252, 254: „Any future Regulation should permit the same liquidator to be appointed in the foreign main and secondary proceedings of all group ­companies“. 290 So wohl Tollenaar, Insolv. Int. 2010, 23(5), 65, 69: „the office-holder of the parent ­company should have the right to be appointed as office-holder in the main and secondary proceedings of all group companies […]“. 291 Tollenaar, Insolv. Int. 2010, 23(5), 65, 71; ebenso ders., IILR 2011, 252, 254. 292 Tollenaar, IILR 2011, 252, 254.

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C. Ausgestaltung eines künftigen Konzerninsolvenzrechts

sofern das Insolvenzverfahren der Konzernmutter erst nach dem Insolvenzverfahren einer anderen Konzerngesellschaft eröffnet wird, würde eine solche Regelung zu einem Wechsel des Insolvenzverwalters führen. Hiermit wäre dann häufig eine Verzögerung der Verfahrensabwicklung verbunden, da sich der neu bestellte ausländische Insolvenzverwalter sowie der von ihm herangezogene Gehilfe zunächst einmal in das Verfahren einarbeiten müssten. Deshalb sollte der neu bestellte ausländische Insolvenzverwalter zumindest verpflichtet werden, den ursprünglich bestellten Insolvenzverwalter als Gehilfen heranzuziehen. Allerdings ist es auch denkbar, dass zumindest eine teilweise Zerschlagung des Konzerns unvermeidbar erscheint, beispielsweise weil eine oder mehrere Tochtergesellschaften ein Ausscheiden aus dem Konzernverbund anstreben293 oder einzelne Konzerngesellschaften nicht mehr sanierungsfähig sind. In diesen Fällen kann sich ein Absehen von der Bestellung desselben Insolvenzverwalters für alle Konzerngesellschaften als vorzugswürdig erweisen. Aus diesen Gründen sollte die Bestellung desselben Insolvenzverwalters für alle Konzerngesellschaften nicht zwingend vorgeschrieben, sondern dem jeweiligen Insolvenzgericht allenfalls eine diesbezügliche Option eingeräumt werden. Neben der konkreten Umsetzung bestehen aber auch gegen die Grundidee dieses Regelungsvorschlags Bedenken. Denn sofern der eigentlich bestellte Insolvenzverwalter aufgrund fehlender Kenntnisse des geltenden nationalen Insolvenzrechts sowie der betreffenden Verfahrenssprache einen Gehilfen hinzuziehen muss, dem neben der eigentlichen Verfahrensabwicklung auch die Kontrolle von Entscheidungen des Insolvenzverwalters obliegt, bei denen letzterer sich aufgrund seiner Bestellung in mehreren Verfahren in einem Interessenkonflikt befindet, entspricht die dem Gehilfen zugedachte Funktion weitgehend derjenigen eines selbständigen Insolvenzverwalters. Ein Unterschied zu diesem bestünde lediglich darin, dass der Gehilfe Weisungen des Insolvenzverwalters zu befolgen hätte, sofern der Insolvenzverwalter durch diese Weisung nicht seine Pflichten verletzt. Dieses Ergebnis wäre aber sinnvoller durch einen Verzicht auf die Umsetzung des vorgeschlagenen Regelungsmodells und stattdessen der Einführung eines Weisungsrechts des Insolvenzverwalters der Konzernmutter gegenüber den Insolvenzverwaltern der Tochtergesellschaften zu erzielen. Zudem ist kaum zu erwarten, dass ein vom Insolvenzverwalter beauftragter Gehilfe die ihm zugedachte Kontrollfunktion auch ordnungsgemäß ausüben würde. Denn da er vom eigentlichen Insolvenzverwalter beauftragt wurde, ist er in erheblichem Maße von diesem abhängig. Er befände sich also in einem Interessenkonflikt, der demjenigen, in dem sich der für mehrere Konzerngesellschaften bestellte Insolvenzverwalter befindet, zumindest entspricht. Aus diesen Gründen erscheint es vorzugswürdiger, von der Umsetzung einer Regelung über die Bestellung desselben Insolvenzverwalters für alle Konzern­ 293 So in der Insolvenz des AEG-Konzern, vgl. die Schilderung bei Kübler, ZGR 1984, 560, 562 ff.

II. Regelungen für eine Konzerninsolvenz auf europäischer Ebene

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gesellschaften abzusehen. Vielmehr macht eine solche einheitliche Bestellung nur Sinn, sofern zu erwarten ist, dass die betreffende Person über ausreichende Sprach- und Rechtskenntnisse verfügt, um die ihr übertragene Aufgabe selbst wahrnehmen zu können. Solche Personen dürften aber äußerst selten zu finden sein. Verfügt hingegen eine Person, die von dem Insolvenzgericht eines Mitgliedsstaates als Insolvenzverwalter bestellt wurde, über diese Kenntnisse, so dürfte diese Person, vorbehaltlich etwaiger Bestellungshindernisse aufgrund einer Interessenkollision, grundsätzlich auch in einem anderen Mitgliedsstaat zum Insolvenzverwalter bestellt werden können. So wird beispielsweise in Deutschland zutreffend davon ausgegangen, dass die Tätigkeit des Insolvenzverwalters als Dienstleistung im Sinne der Dienstleistungsrichtlinie294 anzusehen ist, welche ausweislich ihres Art. 1 Abs. 1 die Wahrnehmung der Niederlassungsfreiheit durch Dienstleistungserbringer sowie den freien Dienstleistungsverkehr erleichtern soll. Denn der Insolvenzverwalter übt gerade keine hoheitliche Tätigkeit aus, weshalb der Ausnahmetatbestand des Art. 2 Abs. 2 lit. i) der Dienstleistungsricht­linie keine Anwendung findet.295 Deshalb ist es möglich, dass das für eine Konzerntochter zuständige deutsche Insolvenzgericht den vom Insolvenzgericht eines anderen Mitgliedsstaates für die Konzernmutter bestellten Insolvenzverwalter auch im Verfahren der Tochtergesellschaft bestellt.296 In England werden die dortigen insolvency practitioners offenbar ebenfalls als von der Dienstleistungsrichtlinie erfasst angesehen,297 weshalb ein in einem anderen Mitgliedsstaat niedergelassener Insolvenzverwalter gem. Art. 16 Abs. 2 lit. b) der Dienstleistungsrichtlinie dort auch ohne die sonst erforderliche Zulassung als insolvency practitioner tätig werden dürfte. Sofern eine Person aber aufgrund fehlender Sprach- und Rechtskenntnisse nicht mit der Abwicklung von in verschiedenen Mitgliedsstaaten eröffneten Insolvenzverfahren betraut werden kann, sollte es bei der Bestellung verschiedener Insolvenzverwalter bleiben. Für solche Fälle sollte dann durch Einführung von Weisungsrechten oder Kooperationspflichten auf eine Abstimmung der einzelnen Insolvenzverfahren hingewirkt werden.

294

Richtlinie 2006/123/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 12. Dezember 2006 über Dienstleistungen im Binnenmarkt, Amtsblatt der Europäischen Union L 376 vom 27. Dezember 2006, S. 36 ff. 295 Begründung zum Entwurf der Bundesregierung für ein Gesetz zur Umsetzung der Dienstleistungsrichtlinie in der Justiz und zur Änderung weiterer Vorschriften, BT-Drucks. 17/3356, S. 15; Graf-Schlicker, Kölner Schrift z. ­InsO, Kap. 8 Rdn. 12 ff.; Sabel/Wimmer, ZIP 2008, 2097, 2102; a. A. Frind, ­Z­InsO 2010, 1678, 1681 f.; Slopek, ­Z­InsO 2008, 1243, 1246 ff.; Marotzke, ­Z­InsO 2009, 1929, 1931. 296 Sabel/Wimmer, ZIP 2008, 2097, 2103; die Bestellung eines ausländischen Verwalters in einem deutschen Insolvenzverfahren ebenfalls für möglich haltend Paulus, Komm. z. ­EuInsVO, Einl. Rdn. 71 f. 297 So Sabel/Wimmer, ­Z­InsO 2008, 2097, 2102, die davon berichten, dass in England die Regelungen über den Zugang zum Beruf des insolvency practitioners an die Vorgaben der Dienstleistungs- und Berufsqualifikationsrichtlinie angepasst werden sollen.

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C. Ausgestaltung eines künftigen Konzerninsolvenzrechts

d) Koordination der in verschiedenen Mitgliedsstaaten eröffneten Insolvenzverfahren der einzelnen Konzerngesellschaften Sind die Einführung einer konzernweit einheitlichen internationalen Zuständigkeit sowie die Möglichkeit zur Bestellung desselben Insolvenzverwalters für alle Konzerngesellschaften abzulehnen, so verbleibt lediglich die Möglichkeit, die einzelnen, häufig in verschiedenen Mitgliedsstaaten eröffneten Insolvenzverfahren der einzelnen Konzerngesellschaften aufeinander abzustimmen. Regelungen über eine solche Koordination von selbständigen Hauptinsolvenzverfahren enthält die ­EuInsVO bisher nicht. Lediglich für das Verhältnis von Haupt- und Sekundärinsolvenzverfahren finden sich in den Art. 29 ff. ­EuInsVO entsprechende Vorschriften. aa) Übertragung der Art. 29 ff. ­EuInsVO auf parallele Hauptinsolvenzverfahren verschiedener Konzerngesellschaften Vorgeschlagen wird deshalb, auch das Verhältnis zwischen den über das Vermögen verschiedener Konzerngesellschaften eröffneten Hauptinsolvenzverfahren nach dem Vorbild der Art. 29 ff. ­EuInsVO zu regeln. So solle die gem. Art. 31 Abs. 1 ­EuInsVO bestehende Pflicht zum wechselseitigen Informationsaustausch sowie die gem. Art. 31 Abs. 2 ­EuInsVO bestehende Pflicht zur Zusammenarbeit auch für die in den Hauptverfahren mehrerer Konzerngesellschaften bestellten Insolvenzverwalter gelten. Dem Verwalter der Konzernmutter solle zudem auch das Recht zustehen, entsprechend Art. 29 ­EuInsVO die Eröffnung des In­ solvenzverfahrens über das Vermögen einer anderen Konzerngesellschaft zu beantragen, entsprechend Art. 31 Abs. 3 ­EuInsVO Vorschläge zur Verwertung des Vermögens einer anderen insolventen Konzerngesellschaft zu machen und entsprechend Art. 32 Abs. 3 ­EuInsVO an den jeweiligen Gläubigerversammlungen teilzunehmen. Ebenso solle er beim für die jeweilige Konzerngesellschaft zuständigen Gericht entsprechend Art. 33 ­EuInsVO die vollständige oder teilweise Aussetzung der Masseverwertung sowie zusätzlich auch des Reorganisationsprozesses beantragen können, sofern dies im Interesse der Gläubiger aller Konzerngesellschaften liege. Gleiches solle auch für die Anordnung anderer Maßnahmen gelten, beispielsweise den Verkauf bestimmter Vermögensgegenstände. Ein entsprechender Antrag solle nur abgelehnt werden dürfen, wenn die begehrte Maßnahme offensichtlich den Interessen der Gläubiger aller Konzerngesellschaften zuwiderlaufe. Ferner solle der Insolvenzverwalter der Konzernmutter nach dem Vorbild des Art. 34 Abs. 1 ­EuInsVO in den Insolvenzverfahren der Konzerntöchter einen Sanierungsplan vorschlagen dürfen sowie beim zuständigen Gericht die Suspendierung aller sonstigen Planvorlageberechtigungen beantragen können, solange der von ihm vorgeschlagene Plan Aussicht auf Bestätigung hat.298 Schließlich solle der Insolvenzverwalter der Konzernmutter auch entsprechend Art. 37 ­EuInsVO 298

van Galen, The European Insolvency Regulation and Groups of Companies (2003), S. 10 f.

II. Regelungen für eine Konzerninsolvenz auf europäischer Ebene

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die Umwandlung eines über das Vermögen einer anderen Konzerngesellschaft eröffneten Sanierungsverfahrens in ein Liquidationsverfahren verlangen können und das Recht haben, hinsichtlich des Vermögens einer anderen Konzerngesellschaft entsprechend Art. 38 ­EuInsVO Sicherungsmaßnahmen für die Zeit zwischen der Stellung des Antrags auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens und der Verfahrens­ eröffnung zu beantragen.299 Dieses Regelungsmodell erscheint grundsätzlich überzeugend.300 Denn sofern über das Vermögen mehrerer Konzerngesellschaften in verschiedenen Mitgliedsstaaten Hauptinsolvenzverfahren eröffnet werden, ist aufgrund der regelmäßig bestehenden wirtschaftlichen Verflechtungen zwischen diesen Konzerngesellschaften ebenso wie bei der Eröffnung eines Haupt- und eines Sekundärinsolvenzverfahrens über das Vermögen eines einzigen Schuldners eine Koordination der einzelnen Verfahren erforderlich. Insofern bietet es sich an, bei der Schaffung von Regelungen für die Insolvenz mehrerer Konzerngesellschaften auf die Art. 29 ff. ­EuInsVO zurückzugreifen. Gleichwohl kann dem geschilderten Regelungsvorschlag nicht vollständig zugestimmt werden. So sollte davon abgesehen werden, dem für die Konzernmutter bestellten Insolvenzverwalter entsprechend Art. 29 ­EuInsVO ein Recht zur Beantragung der Eröffnung des Insolvenzverfahrens über das Vermögen einer Konzerntochter zuzusprechen. Denn der Insolvenzverwalter der Konzernmutter dürfte zumeist schon mittels der Einflussmöglichkeiten, die ihm aufgrund der Beteiligung der Konzernmutter an der Tochtergesellschaft zustehen, die Geschäftsleitung der Tochtergesellschaft veranlassen können, selbst einen entsprechenden Antrag zu stellen. Sofern dies nicht der Fall ist, erscheint es aber nicht angemessen, dass der Insolvenzverwalter der Konzernmutter die Tochtergesellschaft in ein Insolvenzverfahren zwingen kann. Denn hierdurch würde die Tochtergesellschaft über das nach dem jeweiligen Gesellschaftsrecht zulässige Maß hinaus den Interessen der Konzernmutter unterworfen. Dies erscheint aber mit der rechtlichen Selbständigkeit der Konzerntochter nicht vereinbar. Bedenken bestehen auch gegen die Einführung eines Rechts des Insolvenzverwalters der Konzernmutter, die Aussetzung von Verwertungshandlungen oder des Reorganisationsprozesses in den Verfahren der Tochtergesellschaften beantragen zu können, sofern dies im Interesse der Gläubiger des gesamten Konzerns liegt. So sollte ein entsprechendes Recht zunächst auf die Beantragung einer Aussetzung der Masseverwertung beschränkt werden. Denn es erscheint schon unklar, was genau zum „Reorganisationsprozess“ zu zählen ist. Ist hiermit nur das Verfahren zur Verabschiedung eines Sanierungsplans gemeint oder auch vorgela 299

van Galen, The European Insolvency Regulation and Groups of Companies (2003), S. 13. Ähnlich Braun/Tashiro, Komm. z. ­InsO, § 335 Rdn. 27, der Überlegungen, das Verhältnis zwischen mehreren, über das Vermögen verschiedener Konzerngesellschaften eröffneter Hauptinsolvenzverfahren in Anlehnung an die Art. 29 ff. ­EuInsVO zu regeln, als „förderungswürdig“ bezeichnet. 300

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C. Ausgestaltung eines künftigen Konzerninsolvenzrechts

gerte Handlungen wie beispielsweise eine Betriebsfortführung oder Verhandlungen mit den Gläubigern? Ferner dürfte eine erfolgreiche Sanierung vielfach nur gelingen, sofern der Insolvenzverwalter die erforderlichen Entscheidungen zügig trifft.301 Werden Sanierungsmaßnahmen ausgesetzt, so droht folglich ein endgültiges Scheitern der Sanierung. Bei einer Veräußerung des schuldnerischen Vermögens erscheint der Zeitdruck hingegen nicht derartig hoch. Schließlich dürfte sich die Vorbereitung der Sanierung einer Tochtergesellschaft auf eine koordinierte Veräußerung der Vermögenswerte der einzelnen Konzerngesellschaften nicht in vergleichbarem Maße nachteilig auswirken wie die beginnende Liquidation einer Tochtergesellschaft auf ein konzernweit einheitliches Sanierungskonzept. Weiterhin sollte eine Aussetzung der Verwertung nicht von der Voraussetzung abhängig gemacht werden, dass dies im Interesse der Gläubiger aller Konzerngesellschaften liegt. Denn die Interessen der Gläubiger der einzelnen Konzerngesellschaften können durchaus divergieren, beispielsweise weil für die Gläubiger einer Konzerngesellschaft eine Sanierung im Konzernverbund vorteilhaft ist, während die Gläubiger einer anderen Konzerngesellschaft an einer schnellen Liquidation des Vermögens ihres Schuldners interessiert sind. In solchen Fällen ist es kaum möglich, ein gemeinsames Interesse der Gläubiger aller Konzerngesellschaften zu ermitteln. Zudem erscheint es auch mit der rechtlichen Selbständigkeit der einzelnen Konzerngesellschaften nicht vereinbar, den Gläubigern einer Konzerngesellschaft Nachteile aufzubürden, um den Gläubigern einer anderen Konzerngesellschaft entsprechende Vorteile zukommen zu lassen. Aus diesen Gründen sollte einem Antrag auf Aussetzung der Verwertung nur stattgegeben werden dürfen, sofern eine Aussetzung der Masseverwertung zur Umsetzung eines konzernweit einheitlichen Sanierungs- oder Verwertungskonzeptes erforderlich ist, welches für die Gläubiger, die an dem von der Maßnahme betroffenen Verfahren teilnehmen, im Vergleich zu einer isolierten Abwicklung des Verfahrens zumindest keine Schlechterstellung erwarten lässt. Schließlich sollten angesichts der rechtlichen Selbständigkeit der einzelnen Konzerngesellschaften grundsätzlich diejenigen Personen, die nach dem in dem betreffenden Insolvenzverfahren anwendbaren nationalen Insolvenzrecht hierzu berufenen sind, endgültig über die Art und Weise der Masseverwertung entscheiden können. Deshalb sollte davon abgesehen werden, dem Insolvenzverwalter der Konzernmutter das Recht zuzugestehen, von dem für die Tochtergesellschaft zuständigen Insolvenzgericht die Anordnung bestimmter Maßnahmen, beispielsweise den Verkauf einzelner Vermögensgegenstände, verlangen zu können. Gleiches gilt hinsichtlich eines an Art. 37 ­EuInsVO angelehnten Rechts, die Umwandlung eines über das Vermögen der Konzerntochter eröffneten Sanie-

301

Vgl. Undritz, ZGR 2010, 201, 209, wonach „jede unnötige Verzögerung […] die Existenz des schuldnerischen Unternehmens weiter gefährden [kann]“ und sich deshalb „[i]n der Praxis […] herausgestellt [hat], dass Verfahrensklarheit und ein rasches Verfahrensende für alle Beteiligten wünschenswert und sinnvoll sind“.

II. Regelungen für eine Konzerninsolvenz auf europäischer Ebene

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rungsverfahrens in ein Liquidationsverfahren verlangen zu können sowie des Vorschlags, auch die Befugnis der anderen Verfahrensbeteiligten zur Vorlage von Sanierungsplänen auf Antrag des Verwalters der Konzernmutter zu suspendieren. bb) Regelung eines mehrere Konzerngesellschaften umfassenden Planverfahrens Über die Einführung von an die Art. 29 ff. ­EuInsVO angelehnten Vorschriften zur Verfahrenskoordination hinaus wird vorgeschlagen, in der E ­ uInsVO ein Verfahren zur Verabschiedung eines das Vermögen mehrerer Konzerngesellschaften umfassenden Insolvenzplans zu regeln. Als Vorbilder sollen das Verfahren nach Chapter 11 des U. S. Bankruptcy Code sowie das deutsche Insolvenzplanverfahren gem. den §§ 217 ff. ­InsO dienen. Zuständig für dieses Planverfahren soll das Insolvenzgericht sein, welches das Insolvenzverfahren über das Vermögen der Konzernmutter eröffnet hat. Der Konzernmutter selbst oder dem für sie bestellten Insolvenzverwalter sollen die Ausarbeitung und die Vorlage des Plans obliegen. Die Gläubiger aller Konzerngesellschaften sollen in Gruppen eingeteilt werden, wobei zunächst die Gläubiger der einzelnen Konzerngesellschaften unterschiedlichen Gruppen zuzuordnen seien. Gleiches soll für Gläubiger einer Konzerngesellschaft gelten, deren Forderungen einen unterschiedlichen Rang haben. Jede Gruppe soll dann über die Annahme des Plans entscheiden, wobei auch das Erfordernis einer qualifizierten Mehrheit denkbar sei. Lehne eine Gruppe den Plan ab, so soll das Insolvenzgericht die Zustimmung dieser Gruppe ersetzen können, sofern eine bestimmte Anzahl aller abstimmenden Gläubiger dem Plan zugestimmt hat, die der den Plan ablehnenden Gruppe angehörenden Gläubiger mindestens so gestellt werden, wie sie im Falle einer Liquidation des Vermögens ihres Schuldners stünden und die ihnen zugesprochene Quote in einem angemessenen Verhältnis zu der Quote steht, welche der Plan für die übrigen Gläubiger vorsieht. Ist der Plan nach diesen Regelungen angenommen worden, so soll das Insolvenzgericht seine Bestätigung nur versagen können, sofern die Annahme des Plans mit unlauteren Mitteln erreicht wurde oder sofern ein Gläubiger, der dem Plan widersprochen hat, schlechter stünde, als er bei einer Liquidation des Vermögens seines Schuldners stehen würde. Werde der konzernweite Insolvenzplan nicht angenommen oder verweigere das zuständige Insolvenzgericht die Bestätigung, so soll die erneute Vorlage eines konzernweiten Insolvenzplans nicht mehr möglich sein.302 Dieses zur Aufnahme in die E ­uInsVO vorgeschlagene Konzerninsolvenz­ planverfahren entspricht weitgehend demjenigen, welches nach der hier vertretenen Ansicht im nationalen deutschen Insolvenzrecht eingeführt werden sollte.303 So sollen auch hier die Gläubiger der einzelnen Konzerngesellschaften unter 302 van Galen, The European Insolvency Regulation and Groups of Companies (2003), S.  12 f. 303 Siehe oben C. I. 5. d).

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C. Ausgestaltung eines künftigen Konzerninsolvenzrechts

schiedlichen Gruppen zugeteilt werden, zudem soll innerhalb der Gläubiger einer Konzerngesellschaft nach dem Rang der Forderungen differenziert werden. Ein Unterschied besteht lediglich darin, dass das Recht zur Vorlage einen Konzern­ insolvenzplans nur dem für die Konzernmutter bestellten Insolvenzverwalter zustehen soll. Dieses Regelungsmodell erscheint grundsätzlich auch für Fälle geeignet, in denen die Insolvenzverfahren der einzelnen Konzerngesellschaften in verschiedenen Mitgliedsstaaten eröffnet werden. Indem die Gläubiger der einzelnen Konzerngesellschaften verschiedenen Gruppen zugeordnet werden, wird grundsätzlich verhindert, dass den Gläubigern einer Konzerngesellschaft von den Gläubigern der übrigen Konzerngesellschaften gegen ihren Willen ein Konzern­ insolvenzplan aufgezwungen werden kann. Anderes gilt nur, wenn die den Plan ablehnenden Gläubiger zumindest so gestellt werden, wie sich im Falle einer Liquidation stünden und die ihnen zugesprochene Quote im Vergleich zur Quote der übrigen Gläubiger angemessen ist. In diesem Fall erscheinen die den Plan ablehnenden Gläubiger allerdings nicht schutzwürdig. Da zusätzlich bei der Gruppenbildung nach dem Rang der Forderungen differenziert werden soll, würden auch Vorrechte der Gläubiger einer einzelnen Konzerngesellschaft geschützt, die nach dem im Verfahren dieser Gesellschaft anwendbaren nationalen Insolvenzrecht bestehen. Denn das Konzerninsolvenzplanverfahren ändert nichts daran, dass für jede Gesellschaft im Staat ihres Interessenmittelpunktes bzw. Satzungssitzes ein eigenes Insolvenzverfahren nach dem dortigen Insolvenzrecht eröffnet wird. Deshalb bemisst sich auch der Rang der Forderungen der Gläubiger nach dem jeweiligen nationalen Insolvenzrecht. Weiterhin könnten bei einer Umsetzung dieses Regelungsmodells auch Vermögenswerte einer Konzerngesellschaft, die in einem Sekundärinsolvenzverfahren abgewickelt werden, sowie die an diesem Sekundärinsolvenzverfahren beteiligten Gläubiger in einen Konzerninsolvenzplan einbezogen werden. Allerdings sollten die an einem Sekundärinsolvenzverfahren teilnehmenden Gläubiger nicht in einer eigenen Gruppe neben die am Hauptinsolvenzverfahren dieser Gesellschaft teilnehmenden Gläubiger gestellt werden. Denn da die Gläubiger gem. Art. 32 Abs. 1 ­EuInsVO ihre Forderungen sowohl im Hauptals auch im Sekundärinsolvenzverfahren anmelden können, würde es dazu kommen, dass die an beiden Verfahren teilnehmenden Gläubiger aufgrund derselben Forderung in verschiedenen Gruppen über den Konzerninsolvenzplan abstimmen könnten. Hierdurch wären sie gegenüber den Gläubigern derjenigen Konzerngesellschaften im Vorteil, über deren Vermögen lediglich ein Hauptinsolvenzverfahren eröffnet worden ist. Vielmehr sollten diese Gläubiger nur einer Gruppe zugeordnet werden. Für diese Zuordnung sollte, sofern sich der Rang der Forderung aufgrund des unterschiedlichen nationalen Insolvenzrechts in Haupt- und Sekundärinsolvenzverfahren unterscheidet, der für den jeweiligen Gläubiger günstigere Rang entscheidend sein. Damit würde sich die Teilnahme an einem Sekundärinsolvenzverfahren im Rahmen des Konzerninsolvenzplanverfahrens lediglich dahingehend auswirken, dass sich hierdurch für bestimmte Gläubiger der Rang ihrer Forderung ändert und sie deshalb bei der Abstimmung über einen Konzerninsolvenzplan einer anderen Gruppe zugeteilt werden als derjenigen, zu welcher sie

II. Regelungen für eine Konzerninsolvenz auf europäischer Ebene

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aufgrund des Ranges ihrer Forderung im Hauptinsolvenzverfahren gehören würden. Schließlich würde sich, da dieser Regelungsvorschlag auf ein konzernweites Planverfahren beschränkt ist, auch nichts daran ändern, dass zunächst für jede insolvente Konzerngesellschaft im Staat ihres Interessenmittelpunktes bzw. Satzungssitzes ein eigenes Insolvenzverfahren nach dem dort geltenden nationalen Insolvenzrecht eröffnet wird. Damit würden die Schwierigkeiten vermieden, die die Einführung einer konzernweit einheitlichen internationalen Zuständigkeit mit sich brächte.304 Gleichwohl erscheint die Wahrscheinlichkeit nicht besonders hoch, dass im Rahmen einer Reform der E ­ uInsVO ein eigenes Konzerninsolvenzplanverfah­ uInsVO ist es ren geschaffen wird. Ausweislich des Erwägungsgrundes 8 zur E das Ziel dieser Verordnung, hinsichtlich der Insolvenzverfahren mit grenzüberschreitender Wirkung „die Bestimmungen über den Gerichtsstand, die Anerkennung und das anwendbare Recht […] in einem gemeinschaftlichen Rechtsakt zu bündeln, der in den Mitgliedsstaaten verbindlich ist und unmittelbar gilt“. Die Einführung eines Konzerninsolvenzplanverfahrens geht über dieses Ziel aber erheblich hinaus, da hiermit in gewissem Umfang ein autonomes europäisches Insolvenzverfahrensrecht geschaffen würde. Angesichts der Unterschiede, die zwischen den nationalen Insolvenzrechten der einzelnen Mitgliedsstaaten bestehen, ist zweifelhaft, ob sich die Mitgliedsstaaten auf die erforderlichen detaillierten Regelungen einigen könnten.305 So sind die Entscheidungsmöglichkeiten der Gläubiger nicht in allen Mitgliedsstaaten ebenso ausgeprägt wie im deutschen Insolvenzplanverfahren. Im Rahmen einer procédure de sauvegarde nach französischem Recht sind beispielsweise Gläubigerausschüsse nur zu bilden, sofern das schuldnerische Unternehmen über mehr als 150 Arbeitnehmer verfügt oder einen Jahresumsatz von mehr als 20 Mio. € erwirtschaftet. Bei kleineren Unternehmen kann die Bildung dieser Ausschüsse lediglich beantragt werden. Im ersten dieser Ausschüsse sind sodann alle Kreditinstitute vertreten, denen Forderungen gegenüber dem Schuldner zustehen, dem zweiten Ausschuss gehören die wichtigsten Lieferanten und Dienstleistungsunternehmen an.306 Stimmen diese Ausschüsse einem vom Verwalter vorgelegten Sanierungsplan zu, so bindet dieser lediglich die den Ausschüssen angehörenden Gläubiger. Die übrigen Gläubiger müssen dem Plan einzeln zustimmen. Tun sie dies nicht, setzt das Insolvenzgericht nach freiem Ermessen Zahlungsziele für die jeweilige Forderung fest. Forderungsverzichte kann das Insolvenzgericht allerdings nicht anordnen.307 Damit haben die Gläubigerausschüsse nicht dieselbe zentrale Stellung wie die Gläubiger im Planverfahren nach 304

Siehe oben C. II. 2. b) bb) und dd). Skeptisch auch Deyda, Der Konzern im europäischen internationalen Insolvenzrecht (2008), S. 260, der die Regelung eines eigenen Insolvenzplanverfahrens in der E ­ uInsVO als „utopisch“ bezeichnet. 306 Sonnenberger/Dammann, Französisches Handels- und Wirtschaftsrecht, S. 524. 307 Sonnenberger/Dammann, Französisches Handels- und Wirtschaftsrecht, S. 525 f.; Dammann/Undritz, NZI 2005, 198, 202. 305

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C. Ausgestaltung eines künftigen Konzerninsolvenzrechts

der I­nsO, vielmehr liegen wesentliche Entscheidungen beim Insolvenzgericht.308 Ferner bestehen auch hinsichtlich der in einem Sanierungsplan zulässigen Regelungen Unterschiede. So darf im englischen administration-Verfahren gem. para. 73(1)(a) und para. 73(2)(a) Insolvency Act 1986 Schedule B1 ein vom adminis­ trator den Gläubigern vorgelegter Verwertungsvorschlag das Recht der gesicherten Gläubiger zur Verwertung ihrer Sicherheit nur beeinträchtigen, sofern diese Gläubiger zustimmen.309 Schließlich ist auch zu bedenken, dass die Aufstellung eines einheitlichen Insolvenzplans für mehrere Konzerngesellschaften, deren Insolvenzverfahren in verschiedenen Mitgliedsstaaten nach dem dortigen nationalen Insolvenzrecht eröffnet wurden, einen funktionierenden Informationsaustausch und eine enge Zusammenarbeit zwischen den beteiligten Verwaltern und Insolvenzgerichten erfordert. So wäre der Insolvenzverwalter der Konzernmutter bei der Erstellung eines Konzerninsolvenzplans darauf angewiesen, dass ihm die für die übrigen Konzerngesellschaften bestellten Verwalter mitteilen, welche Vermögenswerte sich in der jeweiligen Insolvenzmasse befinden und wie hoch die Verbindlichkeiten sind. Ferner müsste er auch Kenntnis davon haben, wie die Gläubiger der einzelnen Konzerngesellschaften bei einer isolierten Abwicklung des Verfahrens nach dem in diesem Verfahren anwendbaren nationalen Insolvenzrecht stünden. Hierzu müsste er zunächst über entsprechende Kenntnisse des ausländischen Insolvenzrechts verfügen. Weiterhin müsste er auch Kenntnis davon haben, welche Verwertungsmöglichkeiten für die Masse der Tochtergesellschaft bestehen, beispielweise ob Angebote über einen Erwerb des von dieser Gesellschaft getragenen Unternehmens vorliegen, und wie hoch der zu erwartende Erlös ist. Schließlich müssten auch die von den Verwaltern bzw. Insolvenzgerichten bis zur Entscheidung über den Konzerninsolvenzplan ergriffenen Maßnahmen aufeinander abgestimmt werden, um zu verhindern, dass die Umsetzung des diesem Plan zu Grunde liegenden Sanierungs- oder Verwertungskonzepts bereits vor der Abstimmung über den Plan vereitelt wird. Diese erforderliche Zusammenarbeit zwischen den Beteiligten der einzelnen Insolvenzverfahren könnte, wie es vorliegend befürwortet wird, in Anlehnung an Art. 31 ­EuInsVO durch die Einführung einer entsprechenden Pflicht sichergestellt werden. Allerdings wird bereits im Anwendungsbereich des Art. 31 ­EuInsVO konstatiert, dass „[d]ie bisherigen Erfahrungen […] den Verdacht nahe [legen], dass hinsichtlich der professionellen Umsetzung der Vorgaben der Verordnung noch erheblicher Nachholbedarf besteht“.310 So sei „die praktische Ausgestaltung der Kooperation zwischen verschiedenen Verwaltern – national wie grenzüberschreitend – […] unterentwickelt und allzu oft kontraproduktiv“.311 Zudem erscheint eine zwangsweise Durchsetzung der Kooperations- und Infor 308

Dammann, RIW 2006, 16, 19; Dammann/Undritz, NZI 2005, 198, 200. Keay/Walton, Insolvency Law, S. 113; Schillig, in: Kindler/Nachmann, Handbuch Insolvenzrecht in Europa, Landesbericht England und Wales Rdn. 274. 310 Paulus, RabelsZ 70 (2006), 458, 465. 311 Paulus, ZIP 2005, 1948, 1952. 309

II. Regelungen für eine Konzerninsolvenz auf europäischer Ebene

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mationspflicht schwierig, da Inhalt und Reichweite einer entsprechenden Pflicht lediglich im Einzelfall bestimmt werden können und eine gerichtliche Durchsetzung angesichts der Dauer eines entsprechenden Prozesses kaum sinnvoll wäre.312 Schließlich wäre auch eine von allen Verfahrensbeteiligten beherrschte Sprache erforderlich, was eine grenzüberschreitende Zusammenarbeit auch bei einer entsprechenden Bereitschaft hierzu in vielen Fällen zusätzlich erschweren dürfte. In Anbetracht dessen dürfte die Aufnahme eines Konzerninsolvenzplanverfah­ uInsVO zum gegenwärtigen Zeitpunkt kaum praktikabel sein. Vorrens in die E zugswürdiger erscheint es, zunächst durch die Aufnahme von Kooperations- und Informationspflichten die Zusammenarbeit der an den Insolvenzverfahren der einzelnen Konzerngesellschaften beteiligten Verwalter und Gerichte zu verbessern. Die Einführung eines „europäischen Konzerninsolvenzrechts“ sollte hingegen erst erfolgen, wenn sich eine entsprechende Zusammenarbeit der Verfahrensbeteiligten in der Praxis etabliert hat und sich auch die Differenzen zwischen den nationalen Insolvenzrechten der Mitgliedsstaaten verringert haben. 3. Zusammenlegung der Insolvenzmassen mehrerer insolventer Konzerngesellschaften Schließlich wird gefordert, in der ­EuInsVO eine Zusammenlegung der Insolvenzmassen mehrerer Konzerngesellschaften vorzusehen, sofern die Vermögen der einzelnen Konzerngesellschaften in einem solchen Ausmaß vermischt sind, dass eine Zuordnung zu den einzelnen Gesellschaften überhaupt nicht mehr oder jedenfalls nicht zu akzeptablen Kosten möglich ist.313 Denn in einem solchen Fall stehe eine mögliche Benachteiligung bestimmter Gläubiger einer Zusammenlegung nicht entgegen, da die Quote in den einzelnen Verfahren mangels Abgrenzbarkeit der Insolvenzmassen ohnehin nicht bestimmt werden könne. Auch der Wegfall von konzerninternen Ansprüchen spreche nicht gegen eine solche Zusammenlegung, da die Höhe dieser Ansprüche ebenfalls nicht zu ermitteln sei.314 Deshalb solle in solchen Fällen das für das Hauptinsolvenzverfahren einer Tochtergesellschaft zuständige Insolvenzgericht auf Antrag des in diesem Verfahren bestellten Insolvenzverwalters, des im Hauptinsolvenzverfahren der Konzernmutter bestellten Insolvenzverwalters oder den Gläubigern einer dieser Gesellschaften eine Zusammenlegung der Insolvenzmassen beider Gesellschaften anordnen können. Zuständig für die Abwicklung dieses Einheitsverfahrens solle dann das für das Hauptinsolvenzverfahren der Muttergesellschaft zuständige Insolvenzge 312 Zu den diesbezüglichen Schwierigkeiten bei der Durchsetzung der Kooperations- und Informationspflicht gem. Art. 31 ­EuInsVO im Verhältnis zwischen dem Haupt- und dem Sekundärinsolvenzverwalter siehe oben B. I. 2. c) cc) (2). 313 van Galen, The European Insolvency Regulation and Groups of Companies (2003), S.  14 f. 314 van Galen, The European Insolvency Regulation and Groups of Companies (2003), S. 16.

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richt sein. Dieses Gericht solle auch im Einzelfall eine unterschiedliche Behandlung der am Einheitsverfahren teilnehmenden Gläubiger anordnen können, um Benachteiligungen einzelner Gläubiger durch die Zusammenlegung auszugleichen. Das Hauptinsolvenzverfahren der Tochtergesellschaft solle dann in ein Sekundärinsolvenzverfahren bezüglich dieses Einheitsverfahrens umgewandelt werden. Gleiches solle hinsichtlich paralleler Insolvenzverfahren mehrerer Schwester­ gesellschaften gelten. Hier solle dann die Konzerngesellschaft mit der größeren Insolvenzmasse als Muttergesellschaft angesehen werden.315 Zutreffend an diesem Vorschlag ist, dass die Nachteile einer Zusammenlegung der Insolvenzmassen mehrerer Konzerngesellschaften für die Gläubiger, insbesondere der Eingriff in ihre Privatautonomie,316 weniger schwer wiegen, sofern eine Zuordnung des konzernweit vorhandenen Vermögens faktisch ohnehin nicht mehr möglich ist. Sofern das Hauptinsolvenzverfahren der Konzerntochter in ein Sekundärinsolvenzverfahren bezüglich eines „Einheitsverfahrens“ umgewandelt wird, müssen zwar die Insolvenzmassen dieser Verfahren immer noch voneinander abgegrenzt werden. Allerdings würde diese Abgrenzung dann an Hand der Belegenheit der Vermögensgegenstände erfolgen (vgl. Art. 3 Abs. 2 Satz 2, 27 Satz 2 ­EuInsVO), wofür Art. 2 lit. g) ­EuInsVO Kriterien enthält. Diese Abgrenzung dürfte einfacher sein als die Zuordnung der Vermögensgegenstände zu den einzelnen Gesellschaften. Auch würde durch die Umwandlung des Hauptinsolvenzverfahrens der Tochtergesellschaft in ein Sekundärinsolvenzverfahren zumindest ein Teil der nunmehr einheitlichen Insolvenzmasse nach dem eigentlich für die Tochtergesellschaft gem. Art. 4 Abs. 1 ­EuInsVO maßgeblichen Insolvenzrecht abgewickelt, weshalb deren Gläubiger zumindest nicht vollständig mit einem anderen Insolvenzrecht konfrontiert würden. Gleichwohl erscheint fraglich, ob es ­ uInsVO wirklich bedarf. So dürften die Fälle, in einer solchen Regelung in der E denen eine Trennung der Vermögensmassen der einzelnen Konzerngesellschaften faktisch nicht mehr möglich ist, eher selten vorkommen. Sofern eine solche Trennung nur mit unverhältnismäßig hohen Kosten möglich ist, insbesondere weil kostspielige Rechtsstreitigkeiten erforderlich wären, dürften sich die beteiligten Insolvenzverwalter wohl in ihrem eigenen Interesse regelmäßig außergerichtlich einigen. Hierfür spricht auch, dass beispielsweise das deutsche Recht für diese Fälle eine Zusammenlegung der Insolvenzmassen nicht vorsieht.317 Schließlich ist zu bedenken, dass die Aufnahme entsprechender Regelungen in die ­EuInsVO erheblich über deren bisherigen Regelungsbereich hinausgehen würde, welcher sich in erster Linie auf die Regelung der Zuständigkeit, des anwendbaren Insolvenzrechts sowie die Anerkennung von in anderen Mitgliedsstaaten eröffneten 315 van Galen, The European Insolvency Regulation and Groups of Companies (2003), S.  17 f. 316 Zu diesen Nachteilen siehe oben C. I. 6. 317 Unter Hinweis auf das Fehlen entsprechender Regelungen im deutschen Insolvenzrecht ebenfalls an deren Erforderlichkeit auf europäischer Ebene zweifelnd Deyda, Der Konzern im europäischen internationalen Insolvenzrecht (2008), S. 260.

II. Regelungen für eine Konzerninsolvenz auf europäischer Ebene

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Insolvenzverfahren beschränkt (vgl. Erwägungsgrund 8 zur ­EuInsVO). Insofern erscheint fraglich, ob sich die Mitgliedsstaaten in einem so sensiblen Bereich wie der Aufhebung der Vermögenstrennung, welche bei Kapitalgesellschaften auch eine Durchbrechung der Haftungsbeschränkung bedeutet, auf eine entsprechende Regelung einigen könnten.318 Denn gerade der Haftungsdurchgriff bei Kapitalgesellschaften ist in den einzelnen Mitgliedsstaaten unterschiedlich ausgestaltet.319 Dies gilt auch für Fälle der Vermögensvermischung. So ist beispielsweise in Frankreich in diesen Fällen eine Erstreckung des Insolvenzverfahrens einer juristischen Person auf Dritte möglich,320 wohingegen diese Möglichkeit in Deutschland nicht besteht. Insofern bestehen dieselben Bedenken wie gegen die Einführung eines Konzerninsolvenzplanverfahrens auf europäischer Ebene.321 Im Ergebnis erscheint es daher vorzugswürdiger, von Regelungen für eine Zusammenfassung verschiedener Insolvenzmassen in der ­EuInsVO abzusehen. 4. Regelungsvorschlag Im Ergebnis sollte die E ­ uInsVO über ein eigenes Kapitel mit Vorschriften für die Behandlung mehrerer insolventer Konzerngesellschaften ergänzt werden. Die­ uInsVO anschließen, welches Regelunses sollte sich an das dritte Kapitel der E gen hinsichtlich des Sekundärinsolvenzverfahrens enthält. Die befürworteten Regelungsvorschläge könnten folgendermaßen umgesetzt werden: Kapitel IV: verbundene Unternehmen Art. 39 Kooperations- und Unterrichtungspflicht (1) 1Sind mehrere Unternehmen dergestalt miteinander verbunden, dass einem Unternehmen (Mutterunternehmen) hinsichtlich der übrigen Unternehmen (Tochterunternehmen) a) die Mehrheit der Stimmrechte der Gesellschafter zusteht oder b) das Recht zusteht, die Mehrheit der Mitglieder des Verwaltungs-, Leitungs- oder Aufsichtsorgans zu bestellen oder abzuberufen und sie gleichzeitig Anteile an den betreffenden Unternehmen hält oder c) das Recht zusteht, aufgrund eines mit dem Tochterunternehmen geschlossenen Vertrages oder einer Satzungsbestimmung einen beherrschenden Einfluss auszuüben, so finden Art. 31 Abs. 1 und Abs. 2 sowie Art. 32 Abs. 3 für die in den Haupt- und Sekundärinsolvenzverfahren dieser Gesellschaften bestellten Verwalter entsprechende Anwendung. 318 An der Umsetzbarkeit einer entsprechenden Regelung auf europäischer Ebene ebenfalls zweifelnd Verhoeven, Die Konzerninsolvenz (2011), S. 293. 319 Siehe die rechtsvergleichende Darstellung der Durchgriffshaftung bei Merkt/Spindler, in: Lutter, Das Kapital der Aktiengesellschaft in Europa (2006), S. 208 ff. 320 Siehe die Schilderung des französischen Rechts bei Merkt/Spindler, in: Lutter, Das Kapital der Aktiengesellschaft in Europa (2006), 208, 228 f. 321 Zu den diesbezüglichen Bedenken siehe oben C. II. 2. d) bb).

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Art. 2 der Siebenten Richtlinie des Rates vom 13. Juni 1983 aufgrund von Artikel 54 Absatz 3 Buchstabe g) des Vertrages über den konsolidierten Abschluss (83/349/EWG) gilt entsprechend. (2) Die in den Haupt- und Sekundärinsolvenzverfahren der Tochterunternehmen bestellten Verwalter haben dem im Hauptinsolvenzverfahren des Mutterunternehmens bestellten Verwalter zu gegebener Zeit Gelegenheit zu geben, Vorschläge für die Verwertung oder jede Art der Verwendung der Insolvenzmasse zu unterbreiten. Art. 40 Verfahrensbeendende Maßnahmen Kann das Haupt- bzw. Sekundärinsolvenzverfahren eines Tochterunternehmens nach dem für dieses Verfahren maßgeblichen Recht ohne Liquidation durch einen Sanierungsplan, einen Vergleich oder eine andere vergleichbare Maßnahme beendet werden, so kann eine solche Maßnahme vom Verwalter des Hauptinsolvenzverfahrens des Mutterunternehmens vorgeschlagen werden. Art. 41 Aussetzung der Verwertung

(1) 1Das Gericht, welches ein Haupt- oder Sekundärinsolvenzverfahren eines Tochter­ unternehmens eröffnet hat, setzt auf Antrag des im Hauptinsolvenzverfahren des Mutterunternehmens bestellten Verwalters die Verwertung ganz oder teilweise aus, sofern dies zur Umsetzung eines einheitlichen Sanierungs- oder Verwertungskonzeptes für alle Unternehmen erforderlich und die Umsetzung dieses Konzeptes für die an dem betreffenden Verfahren teilnehmenden Gläubiger im Vergleich zu einer isolierten Verfahrensabwicklung nicht offensichtlich nachteilig ist. 2Gibt das zuständige Gericht dem Antrag statt, so kann es vom Verwalter des Hauptinsolvenzverfahrens des Mutterunternehmens alle angemessenen Maßnahmen zum Schutz der Interessen der an diesem Verfahren teilnehmenden Gläubiger verlangen. 3Die Aussetzung der Verwertung kann höchstens für drei Monate angeordnet werden. 4Sie kann für jeweils denselben Zeitraum verlängert werden. (2) Das Gericht nach Absatz 1 hebt die Aussetzung der Verwertung in folgenden Fällen auf: –– auf Antrag des im Hauptinsolvenzverfahren des Mutterunternehmens bestellten ­Verwalters –– von Amts wegen, auf Antrag eines Gläubigers oder des in dem betreffenden Verfahren bestellten Verwalters, sofern nachträglich die Voraussetzungen für die Anordnung der Aussetzung wegfallen.

D. Zusammenfassung der wesentlichen Ergebnisse I. Nach geltendem Recht ist eine koordinierte Abwicklung paralleler Insolvenzverfahren verschiedener Konzerngesellschaften, welche der wirtschaftlichen Einheit des Konzerns Rechnung trägt, nur eingeschränkt möglich. 1. Ein konzernweit einheitlicher Gerichtsstand erfordert im Geltungsbereich des § 3 Abs. 1 ­InsO, dass sich der Tätigkeitsort der Geschäftsführung aller Konzerngesellschaften im Bezirk desselben Insolvenzgerichts befindet. Kriterien zur Bestimmung dieses Tätigkeitsortes sind der Belegenheitsort der Büroräume der geschäftsführenden Organe sowie der wesentlichen Geschäftsunterlagen, die im geschäftlichen Verkehr verwendete Anschrift der Geschäftsleitung sowie das zuständige Finanzamt.1 Im Geltungsbereich des Art. 3 Abs. 1 ­EuInsVO ist eine konzernweit einheitliche internationale Zuständigkeit nur gegeben, wenn sich der Mittelpunkt der hauptsächlichen Interessen aller Konzerngesellschaften in demselben Mitgliedsstaat befindet. Der Interessenmittelpunkt wird nach Art. 3 Abs. 1 Satz 2 ­EuInsVO am Satzungssitz vermutet. Dieser wird sich bei Gesellschaften eines international tätigen Konzerns aber regelmäßig in verschiedenen Staaten befinden. Zur Annahme einer konzernweit einheitlichen internationalen Zuständigkeit muss dann die Vermutung des Art. 3 Abs.1 Satz 2 ­EuInsVO widerlegt werden. Hierfür muss zunächst der für Dritte erkennbare Verwaltungssitz vom Satzungssitz abweichen. Ist dies der Fall, so ist der Interessenmittelpunkt mittels einer Gesamtbetrachtung aller für Dritte erkennbarer Umstände zu bestimmen. Maßgebliche Bedeutung kommt hier neben dem Tätigkeitsort der Geschäftsleitung der werbenden Tätigkeit der Gesellschaft sowie dem Belegenheitsort des Gesellschaftsvermögens zu.2 Ist eine konzernweit einheitliche internationale Zuständigkeit gegeben, werden die hiermit verbundenen Vorteile durch die Eröffnung von Sekundärinsolvenzverfahren für einzelne Konzerngesellschaften regelmäßig wieder zu Nichte gemacht.3 2. Der Bestellung desselben Insolvenzverwalters für alle Konzerngesellschaften stehen nach deutschem Recht grundsätzlich die §§ 56 Abs. 1 Satz 1 I­nsO, 181, 450 Abs. 2 BGB entgegen.4 Deshalb muss für jede Konzerngesellschaft ein Sonderinsolvenzverwalter bestellt werden, der für sämtliche Rechtshandlungen gegenüber anderen Konzerngesellschaften zuständig ist.5 Allenfalls die Ver 1

Siehe oben B. I. 1. a) cc). Siehe oben B. I. 2. b) gg). 3 Siehe oben B. I. 2. c) cc). 4 Siehe oben B. II. 1. b). 5 Siehe oben B. II. 1. c) aa) (2). 2

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D. Zusammenfassung der wesentlichen Ergebnisse

änderung bzw. Verwertung der zur Insolvenzmasse gehörenden Vermögenspositionen durch rechtsgeschäftliches Handeln kann aus dem Aufgabenbereich des Sonderinsolvenzverwalters ausgenommen werden. Geschieht dies, so können die Gläubigerorgane den Insolvenzverwalter in diesem Bereich vom Verbot der §§ 181, 450 Abs. 2 BGB befreien.6 Im Geltungsbereich der ­EuInsVO beurteilt sich die Bestellung desselben Insolvenzverwalters sowohl für parallele Hauptinsolvenzverfahren als auch für Haupt- und Sekundärinsolvenzverfahren einer einzelnen Konzerngesellschaft nach dem durch Art. 4, 28 ­EuInsVO berufenen nationalen Insolvenzrecht. Selbst wenn hiernach die Bestellung desselben Insolvenzverwalters zulässig ist, dürften Personen, die über die erforderlichen Sprach- und Rechtskenntnisse verfügen, nur schwer zu finden sein.7 Sofern verschiedene Gerichte für die Insolvenzverfahren der einzelnen Konzerngesellschaften zuständig sind, erfordert eine einheitliche Verwalterbestellung zudem Absprachen zwischen diesen Gerichten. Sind die Gerichte verschiedener Mitgliedsstaaten für die einzelnen Konzerngesellschaften international zuständig, so werden diese Absprachen durch unterschiedliche Verfahrenssprachen sowie unterschiedliche Vorschriften über die Zulässigkeit der Zusammenarbeit mit ausländischen Insolvenzgerichten erschwert.8 In der Insolvenz mehrerer Gesellschaften eines international tätigen Konzerns dürfte die Bestellung desselben Insolvenzverwalters daher zumeist ausscheiden.9 3. Parallele Insolvenzverfahren verschiedener Konzerngesellschaften können ferner durch Absprachen zwischen den beteiligten Insolvenzverwaltern und Insolvenzgerichten koordiniert werden. Rechtsverbindliche Absprachen hinsichtlich der Abwicklung des Insolvenzverfahrens, sog. Insolvenzverwaltungsverträge, kann der Insolvenzverwalter nach deutschem Recht nur zu Lasten der Insolvenzmasse abschließen. Begrenzt wird diese Befugnis des Insolvenzverwalters durch den Zweck des Insolvenzverfahrens. Unwirksam sind daher Verpflichtungen, die offensichtlich aus der Insolvenzmasse nicht erfüllt werden können, sowie Absprachen, die trotz einer Bindung des Schuldners als Träger der Insolvenzmasse mit der von § 56 Abs. 1 Satz 1 ­InsO geforderten Unabhängigkeit des Insolvenzverwalters sowie dem Gebot der höchstpersönlichen Amtsführung nicht zu vereinbaren sind.10 Eine persönliche Verpflichtung des Insolvenzverwalters ist mangels Ermächtigungsgrundlage unzulässig.11 Dem Insolvenzgericht hingegen sind vertragliche Absprachen über die Ausübung seiner Befugnisse gänzlich untersagt.12 Bei in verschiedenen Mitgliedsstaaten eröffneten Insolvenzverfahren beurteilt sich die Befugnis der Beteiligten zum Abschluss von Insolvenzverwaltungsverträgen 6

Siehe oben B. II. 1. c) bb) (3). Siehe oben B. II. 2. a). 8 Siehe oben B. II. 3. 9 Siehe oben B. II. 4. 10 Siehe oben B. III. 1. a) aa) (2) (a). 11 Siehe oben B. III. 1. a) aa) (2) (b). 12 Siehe oben B. III. 1. a) bb). 7

D. Zusammenfassung der wesentlichen Ergebnisse

353

nach dem für sie geltenden Verfahrensrecht.13 Für Streitigkeiten aus diesen Verträgen ist regelmäßig das Insolvenzgericht zuständig, welches das Insolvenzverfahren eröffnet hat, an dem der Schuldner der umstrittenen Verpflichtung beteiligt ist.14 Insolvenzverwaltungsverträge sind aufgrund des mit ihrem Abschluss einhergehenden Verlustes an Flexibilität sowie der im Zeitpunkt des Vertragsschlusses bestehenden Unsicherheit über den weiteren Ablauf des Insolvenzverfahrens nur bedingt zur Verfahrenskoordination geeignet.15 Vorzugswürdiger erscheinen unverbindliche Absprachen.16 Eine Koordinationspflicht für die Beteiligten ist, abgesehen von Art. 31 Abs. 2 ­EuInsVO, nur im Einzelfall begründbar.17 4. Bei Geltung deutschen Insolvenzrechts in den Insolvenzverfahren der einzelnen Konzerngesellschaften kommt schließlich eine Verfahrenskoordination mittels der Leitungsmacht der Konzernmutter oder des Insolvenzplanverfahrens in Betracht. a) Das beherrschungsvertragliche Weisungsrecht kann in der Insolvenz der Obergesellschaft von ihrem Insolvenzverwalter bzw. bei Anordnung der Eigenverwaltung ihrem Leitungsorgan ausgeübt werden.18 Allerdings werden die Wirkungen des Beherrschungsvertrages mit Eröffnung des Insolvenzverfahrens über das Vermögen der Untergesellschaft suspendiert. Dies gilt auch bei Anordnung der Eigenverwaltung.19 Durch die aus einer Mehrheitsbeteiligung resultierenden Einflussmöglichkeiten kann der Insolvenzverwalter der Obergesellschaft bzw. bei Anordnung der Eigenverwaltung ihr Leitungsorgan lediglich die Wahrnehmung der Verfahrensrechte der Untergesellschaft steuern. Eine Einflussnahme auf die Verwaltung der Insolvenzmasse der Untergesellschaft ist nicht möglich, auch nicht bei Anordnung der Eigenverwaltung.20 Die Konzernleitungsmacht ist damit zur Verfahrenskoordination ungeeignet.21 b) Ein einheitlicher Insolvenzplan für alle Konzerngesellschaften ist unzulässig.22 Es können lediglich abgestimmte Insolvenzpläne in den Verfahren der einzelnen Konzerngesellschaften vorgelegt werden, deren gestaltender Teil auf die Verwertung der Insolvenzmasse der betreffenden Konzerngesellschaft beschränkt ist. Allerdings kann ein einheitliches Inkrafttreten dieser Insolvenzpläne nicht sichergesetellt werden. § 249 ­InsO ermöglicht dies nicht, und die Aufnahme einer Bedingung gem. § 158 BGB in den Insolvenzplan ist unzulässig.23 Die 13

Siehe oben B. III. 1. b) aa). Siehe oben B. III. 1. b) bb). 15 Siehe oben B. III. 1. c). 16 Siehe oben B. III. 2. 17 Siehe oben B. III. 3.  18 Siehe oben B. IV. 1. a) cc) (1). 19 Siehe oben B. IV. 1. a) cc) (2). 20 Siehe oben B. IV. 1. b). 21 Siehe oben B. IV. 1. c). 22 Siehe oben B. IV. 2. a). 23 Siehe oben B. IV. 2. b) cc). 14

354

D. Zusammenfassung der wesentlichen Ergebnisse

Verfahrens­koordination mittels des Insolvenzplanverfahrens ist daher unsicher und von der Kooperationsbereitschaft der Verfahrensbeteiligten abhängig.24 II. Sowohl im deutschen Insolvenzrecht als auch im Anwendungsbereich der ­ uInsVO kann der wirtschaftlichen Einheit des Konzerns durch die Einführung E entsprechender Regelungen Rechnung getragen werden. 1. Im deutschen Insolvenzrecht sollte es allen Konzerngesellschaften ermöglicht werden, einen Eigenantrag auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens bei jedem Insolvenzgericht zu stellen, welches für eine insolvente Konzerngesellschaft nach § 3 Abs. 1 ­InsO zuständig ist. Dem Antrag sollten Nachweise über die Konzernzugehörigkeit der betreffenden Gesellschaft sowie eine Begründung der Wahl des angerufenen Insolvenzgerichts beizufügen sein. Sofern für die einzelnen Konzerngesellschaften bei verschiedenen Insolvenzgerichten Insolvenzanträge gestellt werden, sollte jede Konzerngesellschaft bis zur Verfahrenseröffnung eine Verweisung an ein für eine andere insolvente Konzerngesellschaft zuständiges Gericht beantragen können.25 Zudem sollte die Bestellung desselben Insolvenzverwalters für alle Konzerngesellschaften ermöglicht werden, allerdings mit der Einschränkung, dass daneben für jede Konzerngesellschaft ein Sonderinsolvenzverwalter zu bestellen ist, dem mindestens die Anmeldung von Forderungen in den Insolvenzverfahren anderer Konzerngesellschaften sowie das Führen erforderlicher Feststellungsprozesse, die Ausübung des aus diesen Forderungen resultierenden Stimmrechts sowie die Prüfung und gegebenenfalls das Bestreiten von durch eine andere Konzerngesellschaft angemeldeten Forderungen obliegen.26 Ferner sollten die Befugnisse der Gesellschafterversammlung sowie des Aufsichtsrats bei Anordnung der Eigenverwaltung bestehen bleiben.27 Schließlich sollte die Vorlage eines das Vermögen aller insolventen Konzerngesellschaften umfassenden Insolvenzplans ermöglicht werden. Bei der Gruppenbildung sollten die Gläubiger und Anteilsinhaber der einzelnen Konzerngesellschaften verschiedenen Gruppen zugeordnet werden müssen. Die Gläubiger einer einzelnen Konzerngesellschaft sollten zudem nach Maßgabe der in § 222 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1–3 ­InsO genannten Kriterien in unterschiedliche Gruppen einzuteilen sein. Dieser Konzerninsolvenz­ plan sollte Vorrang vor Insolvenzplänen haben, die lediglich das Vermögen einer einzelnen Konzerngesellschaft erfassen.28 Regelungen für die Zusammenlegung der Insolvenzmassen mehrerer insolventer Konzerngesellschaften sind nicht zu befürworten.29 2. Auf europäischer Ebene sollte die Unterrichtungspflicht gem. Art. 31 Abs. 1 ­EuInsVO, die Kooperationspflicht gem. Art. 31 Abs. 2 ­EuInsVO sowie das Teil 24

Siehe oben B. IV. 2. c). Siehe oben C. I. 2. c). 26 Siehe oben C. I. 3. d). 27 Siehe oben C. I. 4. 28 Siehe oben C. I. 5. c). 29 Siehe oben C. I. 6. 25

D. Zusammenfassung der wesentlichen Ergebnisse

355

nahmerecht gem. Art. 32 Abs. 3 ­ EuInsVO für die in parallelen Hauptinsolvenzverfahren verschiedener Konzerngesellschaften bestellten Insolvenzverwalter entsprechend gelten. Kann das Haupt- bzw. Sekundärinsolvenzverfahren einer Tochtergesellschaft nach dem für dieses Verfahren maßgeblichen nationalen Insolvenzrecht durch einen Sanierungsplan, einen Vergleich oder eine vergleichbare Maßnahme beendet werden, so sollte der im Hauptinsolvenzverfahren der Konzernmutter bestellte Insolvenzverwalter berechtigt sein, eine entsprechende Maßnahme vorzuschlagen. Zudem sollte er auch die Anordnung der Aussetzung der Verwertung der Insolvenzmasse in den Haupt- und Sekundärinsolvenzverfahren der Tochtergesellschaften beantragen können.30 Eine Zusammenlegung der Insolvenzmassen mehrerer insolventer Konzerngesellschaften ist ebenso wie im nationalen deutschen Insolvenzrecht abzulehnen.31

30

Siehe oben C. II. 2. d) aa). Siehe oben C. II. 3.

31

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Sachwortverzeichnis Ausschluss als Käufer  109, 114 –– Befreiung  123 ff. Beherrschungsvertrag  194 ff. –– Anordnung der Eigenverwaltung 205 f., 218 f. –– Insolvenz der Obergesellschaft  207 ff. –– Insolvenz der Untergesellschaft  216 ff. –– Regelinsolvenzverfahren der Vertragsparteien  196 ff. COMI  41 ff. –– Eurofood-Entscheidung  43 ff. –– Interedil-Entscheidung  52 ff. –– konzernweit einheitlich  57 f. –– Verlegung  58 ff. Domino-Effekt 17 Eigenverwaltung –– Anordnung im deutschen Sekundärinsolvenzverfahren  140 ff. –– Auswirkungen auf die Konzernleitungsmacht  205 f., 231 ff. –– gesellschaftsrechtliche Bindungen  231 ff., 288 ff. EuInsVO –– Anwendungsbereich  38 ff. Gebot der höchstpersönlichen Amtsführung  109 ff., 115 f. –– Herleitung 109 –– insolvenztypische Rechtshandlungen 110 ff. –– Zulässigkeit der Vertretung im Berichtstermin 110 –– Zulässigkeit der Vertretung im Prüfungstermin 110 Insichgeschäft –– Befreiungsmöglichkeit  123 ff. –– Verbot für den Insolvenzverwalter 107 ff.

Insolvenzplan  235 ff. –– bedingter Plan gem. § 249 InsO  243 ff. –– Bedingung i. S. d. § 158 BGB  245 ff. –– einheitlicher Insolvenzplan für den gesamten Konzern  237 ff., 299 ff., 343 ff. –– Planunterworfene  239 f. Insolvenzplanverfahren siehe Insolvenzplan Insolvenzverwaltungsvertrag  148 ff. –– anwendbares Recht  176 ff. –– Definition 148 –– Eignung zur Verfahrenskoordination  181 ff. –– Informationspflichten und Zustimmungsrechte  159 ff. –– international zuständige Gerichte  180 f. –– Rechtsfolgen  170 ff. –– Vertragsparteien  152 ff. –– Zulässigkeit  158 ff. insolvenzzweckwidrige Handlungen  161 ff. internationale Zuständigkeit 37 ff., 180 f., 320 ff. Konzern  15, 254 ff., 319 f. Konzerninsolvenzgerichtsstand –– auf Grundlage des § 3 InsO  34 –– auf Grundlage des Art. 3 EuInsVO  57 f. –– gemeinsamer Interessenmittelpunkt aller Konzerngesellschaften  321 f., 324 f. –– Insolvenzgerichtsstand der Konzernmutter  260 f., 264 ff., 322 f., 325 f. –– Prioritätsprinzip  259 f., 262 ff., 324, 327 –– Regelungsvorschlag  267 ff. –– Satzungssitz der einzelnen Konzerngesell­ schaften  261 f., 266 f., 323 f., 326 f. Konzerninsolvenzplan –– einheitlicher Insolvenzplan für alle insolventen Konzerngesellschaften  237 ff., 297 ff., 343 ff. –– Gruppenbildung  305 ff., 343 f. –– Regelungsvorschlag  313 f. –– Vorlageberechtigung  299 ff. Konzerninsolvenzverfahren  292 ff., 317 f.

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Sachwortverzeichnis

Konzerninsolvenzverwalter –– Befreiung vom Verbot der §§ 181, 450 Abs. 2 BGB  123 ff. –– Bestellung in Haupt- und Sekundärinsolvenzverfahren  138 ff. –– Bestellung in parallelen Hauptinsolvenzverfahren  136 ff. –– obligatorische Bestellung  274 ff. –– Regelungsvorschlag  282 ff. –– Zulässigkeit der Bestellung  112 ff., 135 Konzernleitungsmacht –– Anordnung der Eigenverwaltung 205 f., 218 f., 231 ff. –– faktische Konzernleitungsmacht  221 ff. –– Insolvenz der Obergesellschaft 207 ff., 226 ff. –– Insolvenz der Untergesellschaft 216 ff., 228 ff. –– vertragliche Konzernleitungsmacht  194 ff. –– Regelinsolvenzverfahren  196 ff., 226 ff. Kooperationspflicht 68, 189 ff., 281, 286 f., 340 Koordinierungsverfahren  281 f. Mittelpunkt der hauptsächlichen Interessen siehe COMI Mittelpunkt der selbständigen wirtschaftlichen Tätigkeit  21 ff. örtliche Zuständigkeit  21 ff., 258 ff. Sekundärinsolvenzverfahren –– Abschaffung  330 ff. –– Anordnung der Eigenverwaltung  140 ff.

Aussetzung der Verwertung  74 ff. Beteiligungsmöglichkeit  72 ff. Eröffnungsvoraussetzungen  61 ff. Forderungsanmeldung  70 ff. Kooperations- und Informationspflicht  66 ff. –– Stimmrechtsausübung  73 f. –– Verfahrensübergreifende Sanierungsmaßnahmen  79 ff. Sonderinsolvenzverwalter  116 ff. –– Bestellungsvoraussetzung  117 ff. –– Einsatz im Rahmen einer Konzerninsolvenz  119 ff. –– Verhältnis zu einer Befreiung des Insolvenzverwalters vom Verbot des Insichgeschäfts  127 ff. substantive consolidation  314 ff., 347 ff. –– –– –– –– ––

Unabhängigkeit des Insolvenzverwalters  97 ff. –– Behandlung von Interessenkonflikten im englischen Insolvenzrecht  136 f. –– Heranziehung von Normen außerhalb der InsO  102 ff. –– Schutzzweck  97 f. unverbindliche Absprachen  187 ff. Verwertungsrecht des Insolvenzverwalters nach § 166 InsO –– entsprechende Anwendung auf Tochtergesellschaften  292 f., 295 ff. –– Zweck und Voraussetzungen  294 f. Zusammenlegung der Insolvenzmassen siehe substantive consolidation